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1
f
DIEMUSIK
ILLUSTRIERTE HALBMONATSSCHRIFT
HERAUSGEGEBEN VON KAPELLMEISTER
BERNHARD SCHUSTER
DRITTER JAHRGANG
DRITTER QUARTALSBAND
BAND XI
VERLEGT BEI SCHUSTER & LOEFFLER
BERLIN UND LEIPZIG
1903—1904
Mus«
Mi
•=»77 ^
to
INHALT
Seite
Georg Capellen, Die Einheitlichkeit und Relativitlt der Versetzungs-, Okttv- und
Schlflsselzeichen ohne Änderungen am Noten- und Liniensystem 3
Rudolf M. Breithaupt, Moderne Klavieristen :
III. Leopold Godowsky 20
IV. Teresa Carreno 176
V. Eugen d'Älbert 439
Dr. Carl Leeder, Beethovens Widmungen 26
Richard von Kralik, Poesie und Musik der Minnesinger 36
Zum Tantiemenstreit 42
Dr. Martin Berendt, Ein Beitrag zur Dramaturgie des Lohengrin 83. 163
Dr. Karl Grunsky, Bachs Kantaten. Eine Anregung 95
Fritz Erckmann, Die patriotischen Lieder Schottlands. Ein geschichtlicher Oberblick 99. 180
Dr. Raimund Pissin, Zwei Dichter als Deuter der Musik. Thomas Mann und Karl Sohle 113
Hugo Riemann, Ein Kapitel vom Rhythmus 155
Zum 40. Tonkünstler-Fest des Allgemeinen Deutschen Musikvereins in
Frankfurt a. M 227
Jean Chantavoine, Die Operette „ Don San che". Ein verloren geglaubtes Werk Franz Liszts 286
Prof. Dr. Wolfgang Golther, Briefe Richard Wagners zum Pariser „Tannbluser" . . . 308
Max Hasse, Der Dichtermusiker. Ein Märchen 319
Dr. Edgar Istel, Peter Cornelius 322
Max Hasse, Die erste (h-moll) Ouvertüre zum »Barbier von Bagdad" von Peter Cornelius 337
Natalie von Milde, Weimarische Erinnerungen aus den 50 er Jahren des vorigen Jahrhunderts 347
Gustav Schoenaich, Peter Cornelius in Wien 359
Dr. Richard Batka, Peter Cornelius' Lieder. Ein Mahnwort 365
Dr. Edg*ar Istel, Peter Cornelius und der «Kladderadatsch" 368
Dr. Viktor Joss, Anton Dvofckf 399
Richard Epstein, Musikerköpfe auf Geld münzen 409
Dr. Walter Niemann, Johannes Brahms als Klavierkomponist 419
Wilhelm Mau Je, Liliencron als Befruchter der musikalischen Lyrik 435
Otto Wernicke, Richard Holf - 444
Hans Pfeilschmidt, Das 40. Tonkünstler- Fest des Allgemeinen Deutschen Musikvereins
in Frankfurt a. M 446
Besprechungen (Bücher und Musikalien) .
Revue der Revueen ...
Umschau ••••
Eingelaufene Neuheiten ......
Anmerkungen
. . 47. 117. 194. 370. 451
. . 53. 121. 197. 375. 457
58. 124. 199. 314. 380. 461
78
80. 152. 224. 316. 396. 476
\'\
INHALT
S«itt
Aachen 202
Amsterdam 202
Basel 62
Berlin . 02. 127. 202. 466
Bern 383
Braunschweig . . 202. 466
Bremen 62
Breslau .... 203. 383
Brunn 203
Brüssel 467
Budapest 203
Charlottenburg . . • 383
Chicago 467
Darmstadt 204
Dessau .... 204. 384
Dresden . . . 63. 128. 468
Düsseldorf . . . . 63. 384
Elberfeld ... 204. 385
Essen 204
Seit«
Aachen 134
Agram 200
Amsterdam 134. 469
Barmen 209
Basel 66
Berlin . 66. 134. 209. 389
Bielefeld 212
Braunschweig . . . . 212
Bremen 69. 212
Breslau .... 138. 389
Brunn 138
Brüssel 70. 212
Budapest 213
Chemnitz . . . 139. 213
Chicago 390
Celle 213
Danzig 139
Darmstadt 214
Dessau .... 139. 390
Dortmund 140
Dresden 70. 140. 214. 470
Düsseldorf .... 70. 390
Elberfeld . . . 141. 391
Essen .... 141. 215
Frankenhausen . . . 471
Frankfurt a.M. 71. 141.215.391
Kritik (Oper).
Seit«
Frankfurt a. M. 63. 128. 204
Freiburg i. B 205
Genf 205
Haag 63
Halle 205
Hamburg . 128. 205. 385
Hannover . . . .63. 206
Karlsruhe . . . .63. 206
Kassel 129
Köln • 64. 129. 206. 468
Königsberg .... 64
Kopenhagen . . 206. 385
Krakau 206
Leipzig 64. 206
London .... 207. 468
Lübeck 469
Magdeburg 207
Mainz 207
Mannheim 386
Kritik (Konzert).
Seite
Freiburg i. B 142
Genf 216
Glasgow 142
Göttingen 71
Graudenz 471
Haag 71
Halle 216
Hamburg . . . 142. 216
Hannover . . . . 72. 216
Heidelberg 143
Karlsruhe . . . . 72. 217
Kassel 391
Köln . . 72. 144. 217. 472
Königsberg .... 73
Kopenhagen . . 144. 391
Krakau 145
Krefeld ...... 217
Leipzig . . . 73. 145. 217
Liverpool 146
London . . . 74. 218. 473
Luzern 219
Magdeburg 146
Mainz 219
Manchester .... 392
Mannheim 392
München . 146. 220. 392
München
Münster
New York
Paris . .
Petersburg
Prag . .
Reichenberg
Rostock .
Schwerin
Stettin
Stockholm
Strassburg
Stuttgart
Warschau
Weimar
Wien
Wiesbaden
Würzburg
Zürich .
Münster
New York
Nürnberg
Paris
Petersburg
Pforzheim
Potsdam
Prag . .
Regensburg
Rostock
Rotterdam
Schwerin
Stettin •
Stockholm
Strassburg
Stuttgart
Teplitz .
Warschau
Weimar
Wien .
Wiesbaden
Worms .
Würzburg
Zürich .
Seite
129. 207. 386
. . 207
130. 469
130. 386
. . 64
132. 388
i. B. . . 469
208
208
208
208
64. 388
65. 208
65. 388
65. 208
133. 388
133
209
209
Seite
. . . 220
147. 221. 393
221
148
75. 221. 393
394
222
150. 394
474
150
475
222
150
222. 394
75. 394
76. 223
. 223
76. 395
151
77
151
395
151
223
Reproduktionen Im Text.
Faksimile aus der Skene-Handschrift
Seite
103
NAMEN- UND
SACHREGISTER
ZUM III. QUARTALSBAND DES DRITTEN
JAHRGANGS DER MUSIK (1903/4)
Abaco 49. 74.
Abu« 49.
Abbatini 49.
Abel, K. Fr., 49.
Abert, Hermann, 49.
Abt 388.
Achscharumow 49.
Acktft, AIno, 130.
Adalid y Guerrea 49.
Adams 132.
Adamz 469.
Adler, G., 49.
Affanassiew 49.
Afzelius, Frau, 394.
Agazzarl 49.
Agrenew 49.
Agricola 49.
Aguilera de Heredla 49.
Ahle 49.
Aibl, Joseph, 465.
Alchinger 49.
Alabjew 49.
Albeniz 49.
Alber|ati 49.
d» Alben, Eugen, 42. 49. 62. 64.
67. 69. 135. 141 f. 146. 200.
206. 212. 213. 214. 220. 315.
385. 389. 392. 434. 439 ff
(Moderne Klavieristen. V.).
476 (Bild).
Albert, Heinrich, 74.
d* Albert, Hermine, 67.
Alberti 49.
Albrecht 49.
Albrecht V., Herzog (Bayern),
417.
Albrechtsberger,Joh. Georg, 33 f.
224.
Albrici 49.
d'Alembert 49.
Alfven 434.
Alkan 118.
Allgem. deutsche Bibliothek 49.
Allgemeiner deutscher Musik-
verein (40. Tonkflnstlerfest
in Frankfurt a. M.) 227 ff.
446 ff.
Allen, Miss, 146.
Alois 49.
Altani 49.
Altenberg, Feter, 438.
Altenburg, M., 49.
Altmann, W., 49.
Altschul 363.
Alvarez 42. 387.
Amadino 49.
Amati 416.
Ambros 194. 395.
Ambrosch 49.
Anchieta 49.
Anders, H., 472.
Andersen, P., 49. 392.
Andorfer, G, 409.
AndrI 214.
Andrf 49.
Andreae, Volkmar, 216. 223.
316 (Bild). 394. 447.
Andres, J., 49.
Anensika 49.
Anerio 69. 210.
Angeli 49.
Angelkorte, Elsa, 140.
Anna, Königin (England), 107.
Annibale Padavano 49.
Anselmi 64.
Ansorge, Conrad, 68. 69. 438.
441.
Ansorge Max, 49.
Antegnati 49.
Anthologie francaise 49.
Antiquus 49.
Anton, Erzherzog, 126.
Antonolini 49.
Apel, Alfred, 476.
Appi 444.
Appunn 49.
Aranyi, Desider, 49. 388.
Arasepp 465.
Arbeil, Frl., 131.
Arcadelt 142.
Archangelski 49.
Archowska, Jane, 68.
Arend 49.
Arens, Willy, 208.
Arenski 49.
v. Argyll, Herzog, 107.
Arimondi 468.
Ark 49.
Armsheimer 49.
v. Arnold, Y., 49.
Arnoldson, Sigrid, 63. 64. 202.
205.
Arresti 49.
Arriola 49.
Asantschewski 49.
Asplmayer 49.
Auber 306.
Aubry 49.
Audran 208.
Auer, Leopold, 66.
Aufechnaiter 49.
Augener & Co. 49.
Aulin, Tor, 120.
AvanI, Frl., 75.
Avenarius, Ferdinand, 45. 452.
Babell 452.
Babbnigg, Anton, 465.
Bach, Alb. Bernhard, 452.
Bach, Joh. Christ., 452.
Bach, Joh. Ernst, 452.
Bach, J. G. Bernhard, 452.
Bach, Joh. Seb., 24. 43. 67.
72 f. 73 ff. 74. 76 ff. 95 ff
(B.'s Kantaten). 114. 115.
134. 135f. 137. 138f. 139.
142 ff. 143. 149. 156. 194.
212.213.214.215. 217. 219.
220 f. 221 f. 307. 320. 330.
359. 364. 372. 391. 392. 419.
427. 451. 453. 471. 473.
475.
Bach, Phil. Eman., 421.
Bach- Verein (Leipzig) 217.
Bachmann, Gottl., 452.
Bachmann, Hermann, 205.
Bachmetjew 452.
Bacon, R., 452.
Baeker 438.
Bahnsen, J., 448.
BaTf 452.
Balakirew 221. 452.
Baldreich 204.
Baldwin 452.
Balfour, Arthur, 474.
Ballard 452.
Balling, Michael, 203.
Bandura 452.
Barbella 452.
Barbier 452.
Barth, Arthur, 70.
Barth, Richard, 59. 143.
Bartök, Btla, 213.
Bartolini 452.
Bartz 452.
v. Bary, Alfred, 139.
Baselt, Fritz, 142.
1
11
NAMENREGISTER
Bassani 452.
Batka, Rlchird, 452.
BattistI, Franz, 206.
Baumbach, Rudolf, 435.
Bauberger, Alfred, 130. 207.
Bauer, Paula, 151.
Bluerle 452.
Baumann, Emma, 74. 217.
Baumert, L , 59.
v. Baussnern, Walderaar, 316
(Bild). 450.
Bawr 452.
Bayrhoffer, Carl, 301.
Beauvarlet-Charpentier 452.
Beck, Franz, 204. 362. 452.
Beck, Lina, 59.
Becker (Danzig) 139.
Becker, Hugo, 69.
Becker, Otto, 69.
Becker, Reinhold, 70.
Becker-Samolewska, Bianca, 69.
Beckmann, Gustav, 52. 382.
Beeg, Sonja, 151.
Beer, Anton, 452. 474.
van Beethoven, Ludwig, 13. 24.
26 ff (B.'s Widmungen. 1). 66.
67. 68. 71 f. 73. 74. 75. 76 f.
113. 118. 126. 134 f. 135f.
136. 138. 139. 140. 141.
142BT. 143f. 144. 145. 146.
147f. 148 ff. 149. I50f. 151.
156. 178. 182. 205. 208.
209. 212f. 213. 214. 216.
219. 220 f. 222. 223 f. 224.
292. 306. 307. 320. 328.
348. 359. 364. 371. 389.
393. 394. 395. 401. 406.
419. 420. 421. 422. 424.
426. 427. 428. 432. 441.
442. 448. 469. 470. 471.
472. 473. 474. 475.
Behnne, Harriet, 203.
Behr (Breslau) 138.
Behr, B., 114.
Behr, Therese, 213. 217.
Beier, Franz, 129. 391.
Beljaew, Mitrofan, 75. 452.
Beling-Schlfor, Margarete, 208.
Bella 452.
Bellanda 452.
Belli 452.
Bellini 205. 206.
Bellinzani 453.
Bemetzrieder 453.
Benda, F., 216. 421.
Bender, Paul, 386. 474.
Beneken 453.
Benndorf 453.
Bennett 136.
Benonl 133.
Bensheimer, J., 402.
Berard, Frl., 212.
Bercht, Julius, 465.
Berendt, Martin, 151.
Beresowski 453.
Berg, Marie, 67.
Bergen, Fritz, 76.
Berger, Albert, 213.
Berger, Robert, 203.
Berger, Rudolf, 139. 203.
Berger, Wilhelm, 316 (Bild).
391. 449.
Berlioz, Hector, 47. 67. 76. 77.
134. 142 f. 144. 147. 150.
204. 205. 212. 213. 219.
220. 307. 325. 333. ?40.
341. 345. 351. 371. 400.
403. 445. 448.
Bernard, Math., 453.
Bernardi 453.
Bernhardt 453 f.
Berr, J., 223.
Berteau 453.
Bertelman, J. G., 444.
Bertram, Theodor, 62. 395. 473.
Besorg! 453.
Bessel 453.
Beuer, Elise, 206.
Beyle, Leon, 131.
Bicinia 453.
Bielfeld, Jula, 384.
Bierbaum, O. J., 394. 438. 468.
Bill, Hans, 393.
Bilse, Benjamin, 201.
Binder, Fritz, 139. 453.
v. Binzer, Erika, 392.
Birnstiel 453.
Bischoff, Georg Friedrich, 438.
471.
Bischoff, Gertrud, 69.
Bispham, David, 148. 393.
Bitter, Karl Herrn., 96.
Bitti 453.
Bizet, Georges, 62. 204. 213.
Blahoslov 453.
Bittsc 453.
Blancard, M»«., 70.
Blank, Victoria, 207.
Blank-Peters 222.
Blaramberg 453.
Blase, Robert, 130.
Blavet 453.
Blazek 453.
Blech, Leo, 27. 42. 63. 315.
386. 453. 465.
Bleichmann 453.
Bleiden, Paul, 137.
Blesl, Jeanne, 219.
Bleyer 453.
Bloch-Jahr, Bertha, 68.
Blockx, Jan, 63.
Blon 453.
Blumenfeld, Felix, 75. 221.
453.
Blumer, Theodor, 223.
Bobinski 453.
Boccherlnl 149. 453.
Bochnicek 204.
Bode, Prof., 73.
Bodinus 453.
Boeckh 160.
Boehe, Ernst, 69. 147. 453.
Boekmann, Ferdinand, 470.
Böheim 453.
Böhm 150.
Böhme, Willy, 453.
Bohuss-Heller, Frau, 65.
Boismortier 453.
Boltazzo 453.
Bomly, Karl, 315.
Bona 453.
Bondi, G., 286.
Bonheur, M««., 70.
Boni 453.
Bonisch, Hedwig, 389.
Bononcini 453.
Bonporti 453.
Bonvin 453.
van Boos, Coenraad, 151. 210.
453.
Boos, F., 218.
Borchers, Henny, 388.
Bordes, Ch., 156.
de Bornier, Henri, 130.
Borgo, Frl., 131.
Borisch, Franz, 222.
Borisch, Fritz, 222.
le Borne, Fernand, 204. 472.
Bornhardt 453.
Bornschein 140.
Boronat, Olympia, 64.
Borottau 389.
Bortnjanski 453.
Borwick, L., 72. 76. 147. 150.
Bosch 453.
v. Böse, Fritz, 72.
Bosetti, Hermine, 66. 216. 386.
Bossi, Enrico, 73. 223. 453. 475.
Bossler 453.
Bottigliero.453.
Boye-Jensen, Frau, 144.
Braeunig, Grete, 203.
Brahms, Jon., 43. 44. 69 f.
71 ff. 72. 73ff. 75. 77f. 134.
136. 137. 139. 140. 142 f.
145. 149. 150. 209. 210.
212f 213ff. 216. 219. 220 ff.
222 f. 359. 365. 373. 391.
394. 400. 403. 404. 419 ff
(B. als Klavierkomponist). 471 •
472. 473. 475.
Bramann 216.
Brambach, Joseph, 119.
Brandes, Georg, 438.
Brandes, Margarete, 386. 392.
Brandukow 453.
Braun 453.
Braun, C, 219.
Brluninger, Karl, 217.
Brause, Dr., 390. 391.
Brecher, Gustav, 129. 206. 216.
385. 453.
NAMENREGISTER
III
van Bree, J. B., 444.
Breldcnbtch, W., 382.
Breitenfeld, Richard, 205.
Breithaupt, Rud. M., 80. 224.
Breitkopf & Hirtel 50. 06. 08.
286. 33*. 338. 367. 382. 306.
Breitner 453.
Brendler 453.
v. Brennerberg, Irene, 214.
Brennen, Hans, 128.
Brescianello 453.
Breu, Simon, 474.
v. Breuning, Eleonore, 20. 30 f.
v. Breuning, Eroanuel, 20. 453.
v. Breuning, Helene, 20.
v. Breuning, Lorenz, 20.
v. Breuning, Stephan, 20.
Breval, Ludenne, 76. 387.
Briegel 453.
Brink 453.
Britton 453.
Brode 453.
Brodersen, Friedrich, 130.
Brodaky 302.
Bromberger 70.
Bronner 453.
Bruce, Robert, 00. 100. 101.
Bruch, Max, 70. 72 f. 130. 150.
217. 303. 456. 473.
Bruckler, Hugo, 210.
Brückner, Anton, 43. 45. 130.
142. 213. 216. 220. 223.
302. 304. 403. 421. 426.
428. 431 f. 432. 433. 474.
Brückner, Fritz, 74.
Brückner, O., 151.
Brudien 453.
Brugger 417.
Brugnoli, Ardlio, 138.
BrflU, Ignaz. 128. 315.
Brüll-Klenemund, Fr., 130.
Brunetti 453.
Brflnner, Marianne, 130.
Bruns, Heinrich, 214. 222. 305.
438.
Bruns, Max, 152.
Bücher, Karl, 156. 453.
Buchmayer, R., 212. 214. 453.
Bucksatb, Max, 386.
Buff-Hedinger, Emilie, 73. 145.
218. 475.
Bulant 453.
v. Bfllow, Hans, 43. 313. 325.
334. 441.
Bulthaupt, Heinr., 453.
Bümler 453.
Burckhard, H., 151.
Burgstaller, Alois, 130.
Burkhardt, Max, 141.
Burmann 453.
Bunnester, Willy, 77. 151. 211.
Burney, C, 80 (Bild).
Burna, Robert, 100 ff. 105. HO.
180. 181. 182. 185. 100.
BurrUn, Karl, 63.
Busoni, Ferrucclo, 50. 68. 148.
212. 454.
Busse, Anna, 68.
Busse, Karl, 438.
Buths, Julius, 71. 300.
v. Buttlar, M., 301.
Büttner, Max, 71. 304.
Buwa 453.
v. Buxhoevden, Baronesse, 222.
Byron, Lord, 182.
Byström 453.
Cabo 453.
Cady, Calvin Bralnerd, 452.
Cahn-Poft, Frau, 141. 301.
Cahnbley-Hinken, Tilly, 140.
Cajanus 213.
Callot, Jacques, 40.
Cambactres 287.
Camerloher 453.
Campanari 130.
Campioni 453.
Cannabich 453.
Canobbio 453.
Capellen, Georg, 3.
Caplet, A., 148.
Capet-Quartett 150.
Capocci 453.
Capra 453.
Capucci 453.
Caravannicz, Alfred, 382.
Carito, Friedrich, 386. 302.
Carre, Marguerite, 131. 385.
Carreno, Teresa, 66. 60. 72. 73.
76. 141. 150. 176 ff (Moderne
Klavieristen IV). 222 (Bild).
304.
Carreno - Tagliapietra, Teresits,
150.
del Carril, Hugh, 145.
Carulli 453.
Caruso, Enrico, 460. 460.
Caryll 453.
Caaatl 453.
Casper 305.
Cassirer, Fritz, 385.
Castil-BIaze 303. 304. 305.
del Castillo, Clavigo, 453.
Caatro 453.
Catherine, A., 216.
Catoir 453.
Caudella 453.
Cavaccio 453.
Cavalieri, Lina, 64.
Cavos 453.
Cazeneuve 160.
Cazzati 453.
Celestino 453.
Certani, Alesaandro 68 f.
Certon 453.
Chabran 453.
Chabrier, Em., 213.
Chamberlain, H. St , 453.
v. Chamisso, Adalbert, 328.
Chantavoine, Jean, 316.
Char, Fritz, 472.
Charpentier, Gustave, 64. 315.
316 (Bild). 387. 448.
Charray, Marcelle, 216.
Chlridjian, Z., 216.
Cherubini 74. 133.
Chessin, Alex., 75. 453.
Chevillard,Camille,148. 140.472.
Chickering 453.
Chilesotti 453.
Chopin, Frtdenc, 21. 24. 68.
72. 118. 135. 178. 170. 212.
213. 388. 427. 443. 451.
Chrysander, Fr., 420. 453.
ChvAla 453.
Ciaja 453.
Ciarapi 453.
Ciceri 288. 304.
Cirri 453.
Clagget 453.
Clamer 453.
Clark 453.
Clarus, Max, 202.
Claussnitzer 453.
v. Clavefhouse, Graham, 105.
Clement 467.
Clement!, Muzio, 118.
Cockburn, Mrs., 104.
Colberg, Paul, 140.
Collin, Emmy, 380.
Collin, Willy, 383.
Colonne, Edouard, 140.
Conried 130.
Coons, Minnie, 222.
Cope, Sir John, 185.
Corbach, Fritz, 471.
Corelli 70. 152. 426.
Corneille, Pierre, 368. 360.
Cornelius, Carl, 330. 333. 306.
Cornelius, Elisabeth, 367.
Cornelius, Maria, 330.
Cornelius, Peter, 77. 147. 200.
212. 310 ff (Der Dichter-
musiker. Ein Mlrchen). 322 ff
(Ein deutscher Wort- und Ton-
dichter). 337 ff (Die erste
[h-moll] Ouvertüre zum »Bar-
bier von Bagdad"). 347 ff
(Weimarische Erinnerungen
aus den 50 er Jahren des
vorigen Jahrhunderts). 350 ff
(P. C. in Wien). 365 ff (P. C.'s
Lieder). 368 ff (P. C. und der
Kladderadatsch). 360. 383. 386.
306 (Bilder).
v. Cornelius, Peter, 324.
Cornelius, Susanne, 347.
Cortot 150.
Cortolezis, Fritz, 136. 137. 150.
Cossmann, Paul Nicolaus, 106.
Dr. Cowen 166.
Craemer-Schleger, Marie, 135.
Crolssant, Erna, 65.
1*
IV
NAMENREGISTER
Cromek 182.
Cronberger, Wilh., 467.
Cui, Cesar, 75. 222.
Culp, Julia, 134. 136. 217.
v. Cumberland, Herzog, 189.
Cunningham, Allan, 110.
Czerny, Karl, 118. 307.
Dalnoki, Dr., 203.
v. Damen, Herman, 39.
Damrosch, Frank, 148. 393.
Damrosch, Leopold, 325.
Daniche 80.
Dante 70.
Darier, J. S. M., 216.
Dauthendey, M., 438.
David, König (Schottland), 100.
Davidsohn, H., 139.
Dawison, Max, 128. 206.
Deblois, C, 80.
Debussy, Claude, 75. 472.
Dechert, Hugo, 70. 140. 222.
Decken, Felix, 208.
Deczey, E., 216.
Dehmel, Richard, 77. 438. 455.
Dehmlow, Hertha, 134. 222.
397.
Dehn, Siegfried, 324. 340. 341.
Deiters, H., 420.
Dölibes, Leo, 206.
Deliale, Hansi, 72.
Delius, Frederick, 385.
Delmar, Axel, 129. 387.
Demuth, Leopold, 139. 389.
Denayer 210.
Denys 212.
Dessau, Bernhard, 140. 222.
Dessoir, Susanne, 147. 220.
Destinn, Emmy, 62. 207. 211.
362. 469.
Devrient 204.
Devries, Hermann, 468.
Deyo, Ruth Linda, 135.
Diamant, Bernard, 475.
Didier 49.
Diehl 395.
Diepenbrock, A., 134.
Dierich 135.
Dieterich 391.
Dietrich, A., 420.
Dietrich, Marie, 466.
Dietz, Johanna, 67. 139.
Dillmann, Alex., 72. 221. 395.
v. Dingelstedt, Franz, 349.
Diösy, Frl., 204.
v. Ditteradorf, Karl, 421.
Dodd (Vater) 410.
Dodd (Sohn) 410.
Doebber, Johannes, 72. 216.
Doelling, May, 69.
Doepler, Karl Emil d. A., 58.
Doerter, Nicola, 214.
Döhler, Theodor, 22. 152 (Bild).
v. Dohnanyi, Ernst, 209. 390.
395. 434.
Dohrn, Georg, 138. 389.
Dolezalek 33. 34.
Dolores, Antonia, 77.
Donati, Baldassaro, 70.
Doninger, Lina, 128. 384.
Donizetti, GaCtano, 140. 468.
Doppler, Arpad, 76.
Dörmann, Felix, 202. 384. 455.
Dörwald, Wilhelm, 203.
Dou6, Bertin de la, 453.
Doulong 209.
Draeseke, Felix, 43. 45. 200.
Drangosch, Ernesto, 135.
Dreher, Fritz, 74.
Dressler, Georg, 147. 214. 392*.
v. Droste - Hülshoff, Annette,
364.
Drucker 223.
Dubois, Theodore, 149. 216.
Durranne 131.
Dukas, P., 213.
Duncan, Isadora, 147. 209.
Dundee, Graf, 105.
Dupont 70.
Dupuis, J., 213.
Dficer, Albrecht, 417.
Duscher 31.
Duvernoy 118.
Dvofak, Anton, 71. 119. 132.
141. 147. 212. 216. 222. 315.
394. 399 ff (A. D. f). 464. 476
(Bilder),
van Dyck, Ernst, 77. 145.
Ebner, Kzm., 166.
Eckert, Carl, 359.
Edison 20.
Eduard I., König (England), 99.
Eduard II., König (England), 99.
Egenieff, H., 151.
v. Eichendorff, Frhr. Joseph, 76.
Eickemeyer, Willy, 140.
Ekeblad, Marie, 205.
Eidering, Bram, 138. 470. 472.
Elgar, Edward, 69. 74 f. 75. 146.
218. 393. 394. 473.
Elliot, Jane, 102.
Ellis, W. A., 60 ff.
Engel, J., 49.
Enna, August, 315.
Epstein, Richard, 476.
Erckmann, Fritz, 224.
Erdmannsdörfer, Max, 220.
Erlanger, Camille, 386.
Erlenmeyer, Tilly, 222.
Erler, Clara, 142.
Erler, Otto, 450.
Erler, Theodor, 202.
Eitel, Paul, 138.
v. Eschenbach, Wolfram, 85.
Esser, Heinrich, 324.
Ethofer, Rose, 394.
Ettinger, Rose, 72. 390. 391.
Eugen, Erzherzog, 381.
Eulenburg, Ernst, 73.
van Eweyk, Arthur, 134. 135.
215. 471. 472.
Exner, Gustav, 222.
van Eyken, Heinrich, 146.
Eysler, Edmund, 469.
Faber, Arthur, 315.
Fabian, J., 394.
Faisst, Hugo, 71.
Faliero-Dalcroze, Nina, 395.
Falke 27.
Falke, Gustav, 438.
v. Fallersleben, Hoffmann, 331.
348. 351. 352. 358.
Fano, Guido Alberto, 68.
Fasch, Karl, 160.
Fassbender, Peter, 219.
Fauth, Albert, 394.
Feckert 224.
Feinhals, Fritz, 130.
Felser, Frieda, 64.
Feltzer 69.
Fendt 416.
Fenten, Willy, 391. 392.
Ferrier, Ernst, 211.
Ferrier, Paul, 130.
Fest, G. M., 218.
F6tis, Franc. Jos., SO (Bild). 157.
158. 162.
Fibich, Zdenko, 400.
Fichtner-Vohl, Hermine, 217.
Fiedler, Max, 143.
Fiedler (Petersburg) 221.
Findeisen, Otto, 206.
Fingerland, Anton, 145.
Fischer, Franz, 129. 220. 386.
Fischer, Georg, 47 f.
Fischer, S., 114.
Fleischer-Edel, Katharina, 206.
Flemming 211.
Flesch, Carl, 72. 134.
Flohr 71.
de Florian, Claris, 287.
v. Flotow, Friedrich, 127. 331.
Forbach, Klara, 214.
Forchhammer, Ejnar, 205. 450.
Forsell 208.
Förstel, Gertrud, 73. 388.
Foerster, Anton, 222.
Forster, General, 180.
Forster, Simon Andrew, 416.
Forster, William (Vater), 410.
Forster, William (Sohn), 410.
Foster, Muriel, 146.
Franchetti, Valerio (Oliveira),
141. 212. 216.
Franck, Cesar, 73. 76. 149.
Franck, Eugen, 389.
Franke, F. W., 71. 72. 382. 390.
Franko, Sam, 148.
Franz I., Kaiser, 28.
Franz IL, Kaiser, 31. 33. 34.
Franz, Robert, 74. 220. 365.
367. 455.
Franz Josef, Kaiser, 407.
NAMENREGISTER
Frederigk, Hans, 202.
Freiburg, Otto, 208.
Fremont, MUe, 288.
Fremstad, Olive, 130.
Frcscobaldi, G., 73.
Freytag, Man ja, 213.
Freytag-Besser, Otto, 72.
Fricke-Heinze, Anna, 145.
Fried, Oskar, 211. 438.
Fried (Strassburg) 394.
Friede, Alice, 150.
Friede, Nina, 222.
Friedberg, Carl, 145. 147.
Friedrich d. Grosse 107. 111.
Frischen, J., 141. 212. 216. 389.
Fritsch, Hedwig, 137.
Fröhlich, Alfred, 384.
Frommer, Paul, 120.
Frottier, Karl, 139.
Früssdorf 202.
Fuchs, Anton, 130.
Fuchs, Robert, 421.
Fulda, Ludwig, 388.
Fumagalli, Angelo, 219. 385.
Funger, Max, 70.
Gabrilowitach, Ossip, 135.
Gade, Axel, 392.
Gade, Niels W., 71. 72. 213.
Gadski, Frau, 130.
Gamble, Cyrus B., 464.
Gandolfl, Ettore, 72.
Ganz, Rudolph, 390.
Garcia, Manuel, 59. 150.
Gareis, Joseph, 214.
Garrick 410.
Gasser, Frl., 75.
Gassmann, Florian, 34. 35.
Gastoldi, G. G., 70.
Gaston, Anny, 384.
Gausche, Hermann, 215.
Geerts, Ed. Louis, 316.
Geibel, Emanuel, 438.
Geissler, Marie, 203.
Geller-Wolter, Luise, 67. 138.
211.
Genelll, Bonaventura, 335. 357.
Gentner, Karl, 204.
Georg I. (England) 107. 181.
Georg HI. (England) 412.
Georg V. (Hannover) 47.
George, Stefan, 438.
Gerardy, Jean, 140.
Gerhardt, Elena, 151.
Gerhluser, Emil, 65.
Gernsheim, Friedrich, 135. 389.
434.
Gevatrt 59. 316.
Geyer, Meta, 135. 217. 471.
Geyersbach 395.
M'Gibbon 101.
Giessen, Hans, 64. 70. 151.
223.
Giesswein, Max, 384.
Gille, Carl, 129. 216.
Gillmeister, Karl, 206. 217.
Giordano 64. 469.
Gjellerup, Carl, 384.
GmQr, Robert, 151.
Glass, L., 144.
Glasenapp 309. 310. 312.
Glazounow, A., 70 f. 75 ff. 77.
135. 139. 144. 221. 222.
Glen, William, 192.
Glenck 434.
Gliere 221.
Glinka, Michael, 70.
Gloerscn-Huitfeldt, Maja, 137.
v. Gluck, Chr. W., 34. 59. 113.
135. 194. 306. 325. 333. 405.
416 f. 427. 475.
Göbel, Eduard, 206.
Godowsky, Leopold, 20 ff (Mo-
derne Klavieristen. III.). 69.
80 (Bild),
van Goens, David, 465.
Goethe, Job. Wolfg., 13. 83.
141. 143. 204. 209. 307. 323.
324. 330. 333. 394. 438. 449.
455.
Goetz, Gira, 211.
Göhler, Albert, 382.
Göhler, Georg, 42 ff. 73. 382.
Goldberg, Jacques, 385.
Goldenberg, Frl., 71.
Goldmark, Carl, 66. 205. 212.
213. 315. 362.
Gollanin, Leo, 213.
Göllrich, J., 207.
Golther, Wolfgang, 308.
Goodson, Katherine, 141.
Gordon, John, 181.
Gordon, William, 180.
Goritz, Otto, 130.
Görski 65.
Gorter, Albert, 72. 95. 126.206.
217. 388.
Gossec 157.
Gottlieb-Noren, H., 374.
Gottscheid, Franz, 469.
Götz, Hermann, 73. 151.
GOtze, Marie, 135. 138. 151.
Gound, Robert, 382.
Gounod, Charles, 65. 131.
Gow, Niel, 191.
Grabczewski 388.
Grädener, Hermann, 59.
Grädener, K. G. P., 422.
Gradl, Thessa, 222.
Grahl, Heinrich, 217.
Grahl, Max, 203.
Grassari, MUe., 288.
Grasse, Dr., 382. 469.
Grasse, Edwin, 393.
Graun, Karl Heinrich, 421.
Grawert 220.
Greef-Andriessen, Pelagie, 450.
Gregor 204.
Greig, John, 104.
Grell, E., 453.
Gretry 157.
Grieg, Edward, 68. 71. 118. 146.
151. 210. 213. 222. 372. 391.
423.
Grieser 395.
Grimm, Julius Otto, 208. 220.
434.
Grisart, Charles, 201.
Gritzinger, Leon, 203.
Gröbke, Adolf, 63. 468.
Gross, Franz 206.
Gross, Marie, 394.
Gross, Rudolf, 208.
Grovlcz 76.
Grumbacher, Frieda, 72.
Grumbacher de Jong, Jeanette,
73. 134. 472.
Grflning, Wilh., 62.
Grünstein, Leo, 80.
Gruselli, Alice, 205.
Graters, A., 215.*
Grützmacher, Friedr., 59. 470.
472.
Guerin, G, 80.
Guglielmi, E., 136.
Guid« 467.
Günther, Rosa, 141. 207.
Günzburg, Mark, 68.
Guszalewicz, Alice, 383.
Gutheil, Gustav, 464.
Gutheil-Schoder, Marie, 389.
de Haan, Willem, 144. 214.
Haas, Fritz, 394.
Haase, P., 217.
Hadden, Cuthbert, 182.
Hagedorn, Th., 145.
Hagen 214.
Hagen, Adolf, 468.
Hagen, Otfried, 205.
Hahn, Olga, 135.
Hahn, Richard, 391.
Haid, Joh. Jak., 152.
v. Haken 70.
Haiek 407.
Halevy 204. 208.
Halir, Karl, 71.
Halir-Quartett 456.
Hall 445.
Hallwachs, K., 391.
Halm, Friedrich, 202.
Halpern, Rose, 68.
Halvorsen 372.
Hamann-Martlnsen, Emily, 137.
Hambourg, Mark, 213.
Händel, Georg Fr., 26. 33. 43.
67 f. 95. 97. 138. 140. 144.
148.150.194.213.395. 410ff
(MusikerkOpfe auf Geldmün-
zen). 454.
Hans, Anni, 206.
Hansjakob, Heinrich, 384.
Hanslick, Eduard, 97. 400.
404.
VI
NAMENREGISTER
Hapke 71.
Hardingham 413.
Harl acher, August, 208.
van der Harst, Harry, 218.
Hart 438.
Hartmann, J. P. E., 144.
Hartmann, Pater, 77.
Hasler, H. Leo, 70.
Hasse, Karl, 74.
Hasse, Max, 331. 336. 367. 370.
371. 396.
Haubrich, P., 151.
v. Hausegger, Siegmund, 42. 71.
141. 316 (Bild). 448.
Hauser, Frau, 303.
Havemann 214.
Haydn, Joseph, 31. 32 f. 33 f. 43.
48. 72. 75. 134. 147. 182.
194. 212. 213. 217. 219. 220.
221. 389. 416.419.421.428.
473.
Haydn, Michael, 416.
Hayot 210.
Hayot-Quartett 150.
Haydter, Alexander, 388.
Haym, Hans, 141. 214. 391.
Hebbel, Friedrich, 328. 362. 363.
366.
Heermann, Emil, 449.
Heermann, Hugo, 71. 449.
Heermann -Quartett 143. 316
(Bild).
Hegar, Friedrich, 52. 66. 74.
119. 139. 200. 223. 373.
Hegar, Johannes, 147.
Hegion 387.
Heine, Heinrich, 22. 435. 436.
438 f. 455.
Heinemann, Alexander, 72. 137.
389.
Heinze, G. A., 59.
Hekklng, Anton, 68.
Heller, Stephen, 224 (Bild). 426.
Hellmesberger, Josef, 359. 362.
Hellström 208.
Helstedt, G., 392.
Heize-Nissen 386.
Henkeil 438.
Henner, A., 151.
Henschel, Georg, 141.
Hensel, Heinrich, 128.
Henselt, Adolph, 224 (Bild).
Herbeck, Johann, 359. 421.
Herder 30. 324.
Herfurth, Rudolph, 471.
Hermann, Agnes, 394.
Hermann, Hans, 120.
Hermann, Robert, 455.
Hermann (Breslau) 138.
Herrmann, Willy, 120.
Hertz, Alfred, 130. 383. 469.
Hertzer- Deppe, Marie, 73. 145.
d'Hervelois, Caix, 453.
v. Herzfeld, Victor, 213.
Herzog, Emilie, 209. 235. 383.
466. 474.
v. Herzogenberg, Heinr., 434.
Hess, Ludwig, 73. 134. 135. 212.
214. 217. 218. 316 (Bild).
434. 448. 450. 472.
Hestermann 348. 349.
Heuberger, Richard, 202. 434.
Heuer 223.
Heuser, Ernst, 450.
Heuss, Alfred, 74.
Hey, Otti, 71.
Heydenblut 72.
Heyse, Paul, 435.
Hielscher, Hans, 390.
Hilgenfeldt 96.
Hilgermann, Laura, 389.
Hiller, Ferdinand, 49.
Hiller, J. A., 431.
Himmelstoss, Richard, 138.
Hinze 139.
Hinze- Reinhold, Bruno, 135.
150. 151.
Hobbing 70. 382.
Hoch, J., 133.
Höeberg, G., 144.
Hoffbauer, Karl, 336.
Hoffmann, Baptist, 62. 135. 142.
206. 466.
Hoffmann, E. T. A., 49. 1 13. 334.
Hoffmann, Richard, 476.
Hoffmeister 72.
Hofmann, Anna, 72.
Hofmann, Heinrich, 139 f.
Hofmann, Josef, 140. 213.
Hofmann, Pauline, 147.
v. Hofmannsthal, Hugo, 140.
438.
Hogg, James, 109. HO. 193.
Hol, Richard, 444 ff (R. Hol f).
476 (Bild).
Holunder, Gustav, 68.
Holldack, Otto, 206.
v. Holstein, Franz, 213.
Holtschneider, C., 140.
Hölty 364.
Holz, Arno, 438.
Holzapfel, Adalbert, 203.
Homer, Luise, 130.
Homeyer 150.
Homilius, Prof., 221.
Hopf 31.
Hopfe 209.
Hoppen 391.
v. Hornbostel, Erich Ritter, 315.
Hornung, Hans, 140.
Horszowski, Miecio, 69.
Horwitz, Benno, 465.
Hooker, Robert, 452.
Hubay, Jennö, 391.
Huber, Hans, 140. 216. 434.
Huhn, Charlotte, 207.
1'HuIUier, A., 216.
Humbert, G., 49.
Hume Hl.
Hummel, Job. Nep., 33. 34. 182.
Humperdinck, E., 42. 51. 65. 72.
77. 200. 315. 383.
Hunt, G. V., 60.
v. Huntly, Marquis, III.
Huss, Henry Holden, 393.
Hutschenreuter, Otto, 222.
Hflttner, G., 140.
Ibach, Rudolf, 473.
Iilyna, Lydia, 73.
Immelmann, Richard, 206.
dMndy, Vincent, 76. 148. 156.
160. 216.
Istel, Edgar, 333. 396.
Jacobowski, Ludwig, 196.
Jacobsen, H., 52.
Jacobsen, J. P., 392.
Jaell, Marie, 118.
Jahr, Luise, 151.
Jakob IL, König (Schottland),
101. 105.
Jakob IV., König (Schottland),
102.
Jakob VIII., König (Schottland),
102.
Janovsky, B., 150.
Janssen 140.
Jaques-Dalcroze, E., 66. 216.
Jirnefelt, Maikki, 391.
Jarno, Georg, 127. 203. 315.
Jawureck, M»«., 28& 305.
Jellouschegg, Adolf, 203. 467.
Jenner, Gustav, 434.
Jensen, Adolf, 137.
Joachim, Joseph, 47. 48. 200.
201. 219. 325. 473 f.
Joachim-Quartett 136. 139. 149.
210. 213.
Johnson 181. 182.
Josef IL, Kaiser, 34.
Joseffy, Rafael, 49.
Jörn, Carl, 70.
Jung 330.
Jung, Bertha, 328. 330.
Jungblut, Albert, 391.
Juon, Paul, 216. 434.
JQrgenson 49.
Kaczer 204.
Kaehler, Willibald, 316 (Bild).
386. 392. 449.
Kaftal, Frl , 65.
Kahnt, C. F., 395.
Kaim, Dr., 147.
Kaiser, Alfred, 64.
Kaiser, Caroline, 390.
Kaitan, Gustav, 127. 384.
Kalbeck, Max, 315. 420.
Kaletsch 391.
Kaliscber, Rosa, 135.
Kalkbrenner, Friedrich, 22.
Kailiwoda, J. V., 421.
Kaiman, Emerich, 213.
Karl I. v König (England), 105.
NAMENREGISTER
VII
Karl II., König (England), 105.
Kaschmann 64. 395.
v. Kassel, Karl, 216. 315. 468.
Kaazowska, Feiice, 76.
Kauffmann, Hedwig, 466.
Kauffmann, Robert, 67. 138.
Kaufmann, Lotte, 212.
Kaun, Hugo, 69. 138. 212.
450.
Kautsky 465.
Keary 385.
Kelth, Lady, 111.
Keith, Marshai, 111.
Keller, Gottfried, 214.
Kelley, Edgar Stillman, 393.
Kempson 412. 413.
Ker, Lord Mark, 185.
Kernte, Gabriele, 128.
Kerrebijn, Marius, 150.
Kiebitz 395.
Kiefer, Heinr., 146. 474.
Kiel, Friedrich, 222. 391. 421.
Kienzl, Wilhelm, 315.
Kiesslich, Alex., 389.
Kietzmann, Carl, 209.
Kilian, Th., 146. 474.
King, Roxy, 137.
Kirbach 138.
Klrchl, Adolf, 464.
Kirchner, Hugo, 203.
Kirchner, Theodor, 468.
Kirsch, Hedwig, 214.
Kistler, Cyrill, 151. 209. 384.
Klassek-MMIer, Frau, 150.
Klauert, Karl, 216.
Kleeberg, Clotilde, 382.
Kleefeld, Wilhelm, 128. 468.
Klein, Bernhard, 421.
Klein-Ackennann, Emilie, 219.
v. Kleist, Heinrich, 127. 350.
390.
Kiengel, Julius, 216.
Kliebert 151.
Klimt, Gustav, 152.
Klindworth 325.
Klopfer, Victor, 130. 207.
Klose, Amalie, 138. 217.
Klose, Friedrich, 316 (Bild). 448.
Kludt, Albert, 145.
Kiughardt, August, 139.
Klum 392.
Krauer 146. 474.
Kneisel-Quartett 148.
Xnlttl, Karl, 464.
Knoll, Konrad, 396.
Knopp 396.
Knote, Heinrich, 64. 72. 221.
223. 473.
Knüpfer, Paul, 62. 67. 211.
Knflpfer-Egli, Marie, 214. 215.
Koboth, Irma, 207.
Koch, H. Chr., 138. 157.
Koenen, Tllly, 139. 213. 392.
470.
Koessler, Hans, 273. 434.
Kohler, J., 402.
Köhler, Bernhard, 468.
Köhler, Elise, 354. 355.
Köhler, Louis, 49. 420. 423.
430.
Köhler, Mathilde, 355.
Köhler, Reinhold, 350. 354. 396.
Köhler, Wilhelm, 471.
Kol]ankowska)a 221.
König, Eberhard, 466.
Kopisch 449.
KornAr, Lotte, 384.
Kornay 203.
Kötscher, Hans, 66. 219.
Kotzky, Josef, 206.
Kozeluch, Leopold, 33.
Krihmer, Christian, 205. 450.
v. Kralik, Richard, 37. 80.
Kralik v.Meyerswalden,Mathilde,
150.
Kramm 213.
Krssselt-Quartett 151.
Kraus, Ernst, 62. 130.
v. Kraus, Felix, 72. 150. 214.
218. 222. 390. 473.
Kraus-Osborne, Adrienne, 72.
134. 218. 222. 390.
Krause, Emil, 420.
Kreisler, Fritz, 70. 72. 73. 146.
147. 392.
Kreitmayer 418.
Kremer, J. t 386.
Kretzschmar, Hermann, 96. 139.
315. 382.
Kreutzer 306.
Krieger, Adam, 74*
v. Kristen, Hermine, 384.
Kronseder, Otto, 80.
Krull, Annle, 145.
Krummel, Elsa, 73.
Krummel, Grete, 73.
Kruse, Heinrich, 73.
Kruse, Johann, 218.
Kruse, Prof., 75.
Krzyzanowski, Rud., 66. 208.
Kubelik 147.
Kuflerath, 467.
Kuhlau 144.
Kuhn, Jakob, 465.
Kuhns, Franziska, 206.
KulenkampIT, Gustav, 129. 222.
315.
Kunwald, Ernst, 128. 316 (Bild).
450.
Kurz, Selma, 213.
Kurz-Stolzenberg 204. 207.
Kwapil, Erna, 383.
Lachner, Franz, 80 (, Lachner-
rolle«). 209.
Lachner (Gebrüder) 421.
Laing, Alexander, 108.
Lalande 76.
Lalo, Ed., 68. 69. 212. 216.
Lambrlno, Telemaque, 142. 147.
216. 221. 441.
Lamoureux, Charles, 149.
Lampe, Walther, 316(Bild). 450.
Lamplng, W., 212.
Landi, Camilla, 213.
Landouzy 467.
Lane, Charlotte, 146.
Lang, J. A., 216.
Lang, Prof., 76.
Lange, Hans, 145,
Lange, Richard, 49.
de Lange, Samuel, 76.
Lange-Müller, P. E., 145. 208.
222. 392.
v. Langentreu, Adolf Koch, 315.
Langer, Ferdinand, 386. 392.
de Larou viere, Frl., 216.
Lasne, Marie, 68.
Lassen, Eduard, 151. 204. 209.
325.
di Lasso, Orlando, 1 42. 389. 4 1 6 f.
Laube, Julius, 216.
Lauber, J., 216.
Lautenbacher, Auguste, 203. 467.
Lavotte, Josef, 213.
Lazarus, Gustav, 138. 469.
Lederer- Prina, Felix, 137.
Lee, Heinrich, 127.
Leffler-Burckard, Martha, 64. 74.
206.
L6har, Franz, 62. 469.
Lehmann, Lilli, 71. 72. 179. 392.
Lehmann-Osten 140.
Leliwa 65. 388.
Lemalstre, Mattheus, 70.
Lenau, Nikolaus, 130. 455.
Leschetizky, Th., 118. 145.
Lessing 446.
Leoncavsllo 315. 466.
Leonhardt, Alfred, 219.
Leucht 395.
Levi, Hermann, 332. 338. 370.
371.
Levin, Julius, 126.
Levy, Eduard, 51.
Lewinger, Max, 70. 141.
Leydhecker, Agnes, 73. 75. 215.
222. 395.
Lhoumeau 156.
Lichnowsky, Fürst Carl, 28 f. 3i.
Lieban, Julius, 206. 386.
Lieber, Marie, 68.
v. Liechtenstein, Forst Johann
Josef, 27 f.
v. Liechtenstein, Fürstin Josefs
Sofia, 27.
v. Llliencron, Detlev, 67. 435 ff
(L. als Befruchter der musi-
kalischen Lyrik). 476 (Bild).
Linibert, F., 59.
Lind, Jenny, 179.
Linda, Pauline, 206.
Lindsay, Mies, 131.
V1I1
NAMENREGISTER
v. Linprun, Inka, 70. 138.
v. Linsingen, Emmy, 135.
Lion, Klara, 394.
Liszt, Eduard, 362.
Liszt, Franz, 20. 21. 22. 23.
24. 40. 43. 45. 40. 66. 67.
68 f. 69. 72. 73 f. 75. 77. 118.
134. 135. 136. 138. 139 f. 142.
145. 147. 148. 152. 178'. 179.
209. 212. 213. 216. 220. 221.
222 f. 286 ff (die Operette „Don
Sanche"). 316 (Bilder). 324 f.
325. 327. 331. 333. 334. 337.
340. 341. 348. 360. 370. 390.
393. 396. 400. 403. 431. 434.
443. 445.451.471.474.
Litvinne, Felia, 467.
Litzelmann, Viktor, 383.
Litzinger 215. 390.
Ljadow 75.
Lobkowitz, Fürst, 28.
Loewe, Ferdinand, 77. 126. 394.
473.
Lohfing, Max, 206.
Lohmann, Friedr., 382.
Lohse, Otto, 59. 65. 126. 129 f.
388.
Longy 148.
Lorentz, Alfred, 72.
Lorenz, L., 150. 193.
Loritz, Josef, 73. 217.
Lormont, Charlotte, 149.
Lortzing, Albert, 342.
Lott 416.
Louis, Rudolf, 286. 371.
Lowczynski 206.
Löwe-Destinn, Frau, 362.
Lübeck, Louis, 201.
Lubosch, Eva, 137.
Lucky, Gertrude, 137.
Ludwig, August, 438.
Ludwig I., König (Bayern), 417.
Lully, Jean Baptiste, 405.
Lussy, Mathis, 156. 161. 160.
Luther, Martin, 98.
Lutter, Frau, 222.
Lutter, Heinrich, 72. 222.
Mac-Grew, Rose, 63.
Macdonald, Flora, 189.
Mackay, John Henry, 438.
Mackenzie, Alex., 146. 213.
Mader, Raoul, 204.
Madlo, V., 150.
Madrigalvereinigung, Berliner,
• 70.
Madsen, Ina, 210.
Mahler, Gustav, 42. 133. 195.
196. 200. 217. 219. 382. 388.
392.
Makart, Hans, 423.
Malczewski 65.
Malten, Therese, 75.
Mampe-Babbni&g, Emma, 465.
Mandyczewski, Eusetyus, 315.
Mang, Karl, 130.
Mann, Thomas, 11 3 ff (Zwei
Dichter als Deuter der Musik.)
Mannes-Quartett 148.
Mannstftdt, Franz, 133.
v. Mar, Graf Johann, 107. 108.
184.
Maria Paulowna, Grossfürstin,
324.
Maria Theresia, Kaiserin, 28.
Marie Louise, Erzherzogin, 26.
Marignon, M»«., 202.
Marienhagen, Otto, 151. 389.
Marke 144.
Markus, Desider, 204.
Markus, Frau, 203.
Marachalck, Max, 438.
Marschall, Lina, 137.
Marschner, Heinr., 47. 48.
Marso, Julius, 206.
Marteau, Henri, 134. 216 f. 217.
219. 221. 394.
Martens 444.
Martini, Padre, 73.
Martucci 118.
Marty 216.
Mascagni, Pietro, 65. 76. 132.
315.
Massbach, Fritz, 222.
Massenet, Jules, 63. 64. 205.
315.
Matura, Frau, 133.
Mattheson, Johann, 152 (Bild).
Mauke, Wilhelm, 152.
Maurice, Alphonse, 214.
Maurice, Pierre, 205.
Maurina, Vera, 450.
Maximilian IL, König (Bayern),
417.
Maximilian Emanuel, Kurfürst
(Bayern), 418.
Maximilian Franz, Erzherzog,
31. 32.
Mayer, Carl, 224.
Mayerhoff, Franz, 213.
Mayreder, Rosa, 128.
Mehul 130. 157. 204 f. 384.
Meinen, Carl, 126.
Melba, Nelly, 469.
Melcer, Heinrich, 65.
Melzer, Josef, 138.
Mendelssohn, Arnold, 214.
Mendelssohn-Bartholdy,Felix,43.
48. 64. 66. 71. 76. 119. 136.
137. 142f. 146. 151. 212.
220. 224. 373. 391. 394. 421.
426. 433. 434. 471. 474.
Mendes, Catulle, 387.
Mengelberg 134. 470.
Menter, Sofie, 393.
Menzel, Adolf, 75.
Merkel, Johannes, 68.
Merkel, Richard, 383.
Mertke 49.
Messchaert, Job., 67. 134. 150.
217. 219. 470.
Metastasio 80.
Mttschik, Marc, 138.
Metternich, Fürst, 359.
Metzger- Froitzheim, Ottilie, 128.
142. 216. 473.
Meyer 204.
Meyer (Hamm) 382.
Meyer, Gotthelf, 315.
Meyer, Gustav, 469.
Meyer, Louis, 206.
Meyer-Helmund, Erik, 150.
Meyer-Olbersleben 209.
Meyerbeer, Giacomo, 66. 128.
307.
Michalek, Margarete, 389.
Mickiewicz, A., 333.
Mikorey, Franz, 140. 384. 390.
Milanollo, Marie, 444
Milanollo, Terese, 444.
v. Milde, Fedor, 352.
v. Milde, Natalie, 396.
v. Milde, Rosa, 348. 352. 396.
v. Milde, Rudolf, 138. 140. 348.
Miller, W., 384.
v. Miller zu Aichholz, Victor
Ritter, 315. 417.
MiUOcker, Carl, 128. 383. 384.
Missa, Edmond, 385.
Mlynaraki, E., 77. 395.
Moequerau, Dom Andrt, 155 ff.
Moers, Andreas, 145.
Moest, Rudolf, 206.
Moffat, Alfred, 104.
Mohr, Emmy, 72. 391.
Mombert 438.
de Momigny, J. J., 157 ff.
Monhaupt 391.
Monrad, Cally, 391.
Montgomery, Alexander, 102.
Monti-Baldlni 395.
Morelli 311.
Morena, Berta, 72. 143. 203.
Mörike, Eduard, 365.
Moris, Maximilian, 468.
Moscheies, Ignaz, 22. 34. 224
<BHd).
Moser, Andrees, 136.
Mosewius, Job. Th. f 96.
Mossel, J., 134.
da Motta, Jos* Vianna, 212.
Mottl, Felix, 77. 95. 98. 130.
147. 200. 331. 336. 337. 338.
346 370. 371. 464. 469.
Mottl-Standhartner, Henriette, 77.
Mozart, Wolfgang Amadeus, 13.
33. 34. 35. 36. 43. 48. 70. 71.
74. 129. 134. 138 f. 142 f. 144.
146 f. 148. 207. 208. 210.
213 ff. 222 f. 298. 305. 306.
307. 320. 389 f. 393. 401.
402. 419. 421. 456. 469. 475.
Mozart -Verein (Dresden) 70. 223.
NAMENREGISTER
IX
Muck, Carl, 02. 211. 380.
Muffat, G., 59.
Mflhldorfer, Wilh., 04.
Mflhlfeld 301.
Mahlmann 130.
Müller, Ad, 222.
Maller, Augusta, 206.
MOller, Gabriele, 207.
Müllerhartung, Karl, 464.
Malier-Reuter, Theodor, 20 1 . 2 1 7.
450.
Manch, Frl., 300. 394.
MOnchhoff, Mary, 139. 140.
Münzer, Georg, 308.
Mysz-Gmeiner, Lula,7 1.213. 223.
Nagel, Wilibald, 420.
Nairne, Lady, 102. HO. 184.
185. 1871T. 191.
Nairne, Lord, 184.
Napoleon I. 26. 27. 287.
Nasos, G. N., 465.
Nast, Minnie, 63.
Naval, Franz, 130.
Navarini 64.
NawraHl 434.
Nedbil, Oskar, 394.
Nef, Albert, 74.
Neisch, Marga, 383.
Neiaser, Arthur, 47.
Neitzel, Otto, 59. 97. 391. 472.
Neruda, Edv., 144. 394.
Neaaler, Viktor, 64. 127. 129.
388.
Neubauer 139.
Neudftrfler, Julius, 208.
Neumann 139.
Neumann, Angelo, 126.
Ney 204.
v. Nickelsberg, Carl Nicklas
Edler, 27. 28.
Nicking 68.
Nlcodl, Jean Louis, 42. 200.
316 (Bild). 446. 447.
Nicolai, Otto, 204. 359.
Nicolai, W. F. G., 445.
Niemann, Albert, 47. 48. 152
(Bild). 311. 312.
Nieratzky, Georg, 204.
Nlessen, Dr., 220.
Nietzsche, Friedrich, 36. 211.
438. 446. 447.
Nikisch, Arthur, 67. 71. 74. 76.
135. 143. 145. 216. 218. 222.
385. 393. 404.
Nimmo 182.
Nodnagel, E. O., 438. 455.
Nön, Oskar, 220.
Noni, Paolo, 465.
Noskowski 77.
Nössler 212.
Nottebohm, Gustav, 30. 32. 126.
Nourrit, Adolphe, 288. 305.
Nuitter, Charles, 310.
Oberstadt, Carl, 475.
Ochs, Siegfried, 66.
Ochs, Traugott, 212.
Oelsner 214.
Offenbach, Jacques, 63. 64. 383.
386.
Olfer, Frl., 76.
Oldenboom, Alida, 134. 214. 470.
Olsner, Kpm., 141.
Ondricek, Franz, 68. 219.
Oppersdorf, Graf Franz, 28 f. 29.
Oreflce, Giacomo, 388.
Orelio, J., 473.
Orlik, Emil, 40.
v. d. Osten, Eva, 63.
v. Othegraven, August, 214.
Otterbeck-Bastians, A., 475.
Oumiroff, Bogea, 68.
Ovid 30.
Paderewski, Ignaz, 21. 22. 149
223. 392. 473.
Pae*r, Ferdinand, 128.
Paganini, Niccolo, 22. 70. 72.
391. 443.
Pahnke, Woldemar, 216. 219.
Pahwulan-Pahlen, Lusika, 69.
Pantheo, Bianca, 151. 222.
Palestrina 142. 210. 320. 389.
Panzner, Carl, 73. 212. 382.
Parbs, Grete, 466.
Parent-Quartett 150.
Patricolo, Angelo, 218.
Pauer, Max, 76.
Paul, Emil, 74.
Paul, Jean, 417.
Pauli, Josef, 388.
Pauli, Walter, 117.
Paur, Emil, 77. 143.
Perez 151.
v. Perfall, Frhr. Karl, 59. 465.
Pelletan & Damcke 333.
Pergolese 141.
Perosi, Lorenzo, 77. 137. 146.
395.
Perron, Carl, 64. 142. 217. 468.
Peters, C. F., 96.
Peters, Guido, 139.
Peterson- Beyer 222.
Petrelli, Eleonore, 60.
Petri, Egon, 214.
Petri, Henri, 141. 214.
Petri-Quartett 394.
Petrow, Fürst, 60.
Petschnikoff, Alex., 136. 139.
142. 150.
Petschnikoff, Lilli, 136. 139.
Pewny, Olga, 383.
Pfitzner, Hans, 42. 51. 62 ff.
137. 196. 215. 316. 438. 449.
Philipp, J„ 1 18.
Philipp!, Marie, 217.
Pick-Steiner, Kzm., 140.
Picka, Kpm., 133.
Piening 391.
Piernt 216.
Pietsch 407.
Pilchowska, Eva, 137 f.
v. Pilgrim, Anna, 150.
Pilzer, Maximilian, 211.
Pinks, Emil, 217. 471.
Pinner, Felix, 219.
v. Pirck, Gabriele, 135.
Pius X., Papst, 59.
Plaichinger, Thila, 62. 75. 388.
Plaidy 49.
Plank, Hans, 206.
Playfair, Elsie, 136.
Plaschke, Friedrich, 63. 73.
Platen 363.
Plutarch 446.
Pohl, Josef, 325. 384.
Pöble, Max, 139.
Pohlig, Carl, 76. 146. 151. 208.
Pokorny, Hans, 388.
Poldini, Ed., 49.
Popper, David, 68. 74.
Porges. Frau, 396.
Porges, Heinrich, 363. 396.
la Porte-Stolzenberg, Ciaire, 138.
v. Possart, Ernst, 76. 135. 140.
212. 214. 215. 475.
Powell, Maud, 148.
Pregi, Marcella, 77.
Preller, Friedrich, 335. 353. 396.
Prevosti, Franceschina, 65. 202.
288. 305. 469.
Pricht-Pyllemann, Agnes, 223.
Prochäzka, L., 150.
v. Prochäzka, Frhr. Rudolf, 468.
PrAll, Rudolf, 137. 450.
Prüfer, A., 74.
PrOwer, Julius, 383.
Ptak 133.
Pucclni, Giacomo, 63. 64. 128.
208. 315. 467.
v. Pückler, Graf Karl, 472.
Pugno, Raoul, 73. 146.
Purscbian, Otto, 468.
Puschkin 150.
van Pyk, Tor, 393.
Quinault 405.
Raabe, Peter, 147. 220. 392.
394. 395.
Raabe, Wilhelm, 428.
Rabaud, Henri, 130 f.
Rabot, Wilhelm, 205.
Rschmaninoff 68. 70.
Radecke, Robert, 200. 222.
v. Radklewicz, Claudia, 383.
Raff, Joachim, 139. 325.
Rains, Leon, 63.
Ramann, Lina, 286.
Rameau, Jean Philippe, 76. 157.
Rampelmann 68.
de Rtnce, Abbe, 287 f. 304.
Raphael, Georg, 465.
de Rappe, Signe, 392.
Rasse 213.
Rassow, Fritz, 67.
NAMENREGISTER
Rasumowsky, Graf, 28.
vom Rath, Felix, 450.
Ratzenberger, Theodor, 152
(Bild).
Räuber, Karl, 471.
Rauchenecker, Helene, 141.
Raunay, Jeanne, 03.
Rebicek, Josef, 126. 315.
Re6, Louis, 50.
Reger, Max, 52. 72. 74. 76 f.
119. 212. 220. 316 (Bild).
372. 434. 438. 449. 454. 474.
Reymondt, Eugene, 219.
Rebberg, Adolf, 219.
Rehberg, Willy, 216.
Rehbock 214.
Reich, Karl, 128.
Reich, Wilhelm, 132.
Reichardt, Jon. Fr., 117.
Reichert, Fr., 213.
Reichwein, Leopold, 204. 469.
Reimann, Hugo, 52. 140. 419.
423. 427.
Reinecke, Carl, 44. 49. 148.
211. 216. 373. 472.
Reinhard, August« 51.
Reinl, Josefine, 209.
Reisenauer, Alfred, 148. 390. 393.
Reiss, Albert, 130.
Reissner, Carl, 286.
Reiter, Michael, 130.
Reklam, Philipp, 333.
Rellee, Leonore, 207.
Remond, Fritz, 205 f.
Renner, Josef, 52. 119.
de Reszke, Jean, 201.
Reubke, Julius, 68.
Reuss, August, 140. 316 (Bild).
449.
Reuss, Eduard, 138. 286.
Reuss j.L., Heinrich XXIV., 434.
v. Reuter, Florizel, 75.
le Rey 149.
v. Reznicek, E. N., 316 (Bild).
447.
Rheinberger, Joseph, 70. 151.
434. 465. 471.
Richter, Franz Xaver, 74.
Richter, Hans, 69. 74. 97. 207.
218. 392.
Riedel, Herrn., 467.
Riedel, Karl, 323. 382.
Riedel- Verein (Leipzig) 73. 382.
Riemann, Hugo, 1 1. 59. 1 17. 425.
Ries, Ferd., 33.
Riller 72.
Rlmsky-Korsakow 70. 75. 221.
Riscb, Hedwig, 471.
Risler, Edouard, 71. 75. 134.
147. 209. 216.
Ritter, Alexander, 139. 212. 367.
Ritter, Anna, 51. 52. 120. 374.
Ritter, Hermann, 220.
Robert-Hansen, Emil, 74.
Robinson, Ada, 72. 394.
Rode, Minna, 391.
Roeder, Sonja, 68.
Roesing, Katharina, 141.
Rohde, Wilhelm, 450.
Röhl, Amanda, 203.
Röhmeyer, Theodor, 394.
Röhr, Hugo, 207.
Rohrer 373.
Roller, Prof., 389.
Römhild, Albert, 214.
Röntgen, Julius, 470.
van Rooy 130.
Rösch, Friedrich, 200.
Ros6-Quartett 77. 150.
Röseling, Carl, 383.
Rosenmüller, Job., 59.
Rosentbal, Moritz, 118.
Rosmer, Ernst, 383.
Rossi 130.
Rossini, Giacomo, 202. 306. 307.
Roth, Bertrand, 214. 470.
Roth, Max, 127. 384.
Rothauser, Therese, 466.
Röthig, B., 471.
Röthig, G, 471.
Rottanora 465.
Rottenberg, Ludwig, 71. 205.
Roullet 287.
Rousseau, J. J., 158.
Rubens, Peter Paul, 224 (Bild).
Rubinstein, Anton, 25. 70. 118.
140. 149. 177. 178. 213.
Rflbner, Cornelius, 74. 126.
Rabsam, Richard, 205.
ROckauf, Anton, 465.
ROckbeil, Hugo, 76.
Rackbeü-Hüler, Emma, 76. 134.
Rackert, Friedrich, 365.
Rudel, Hugo, 211.
Rttfer, Philipp, 200.
v. Ragen, Fürst Wizlaw, 38.
ROhlscher Verein 142.
Ruinen 69.
Runeberg, J. L., 120.
Rung, Dr., 209. 222. 394.
Rüsche - Endorf, Cicilie , 213.
468. 473.
Rzewnska, Grifln Maria Isa-
bella, 31.
Saatweber-Schlieper 391.
Sacerdoti, Lodovlco, 201.
Sachsenhausen, Theodor, 60.
Saenger-Sethe, Irma, 135. 144.
Safonolf, W., 148.
Sagebiel, Franz, 68.
Saint-Slens, Camille, 44. 64.
75. 118. 134. 139. 144. 145.
151. 156. 207. 213. 217.
307 f. 315. 387.
Salieri, Antonio, 32. 33. 224.
Salmon 210.
Salomon, Siegfried, 135.
Salter, Norbert, 465.
Saivi 362.
Samuel, Charles, 382.
Sandberger, Adolf, 326. 361.
474.
Sandow 68.
Sandys, W., 416.
Sant, Elsa, 137.
Sarajewa 221.
Sarasate 22. 23.
Sardou, Victorien, 64.
Sartorius, Paul, 70.
Sauer, Emil, 126. 196.
Sauret 390.
de Sauset 141.
Sax, Frl., 311.
Schldelin, W., 448.
Schaeflfer, E., 219.
Schäfer, Dirk, 72. 316 (Bild).
450.
Schapitz, Otto, 76.
Schapitz-Quartett 76.
Scharrer, August, 315. 389.
Scharwenka, Xaver, 59. 222.
Schattmann, Alfr., 316 (Bild).
449.
Schauer, Alfred, 383.
Schauer-Bergmann, Martha, 390.
v. Scheffel, V., 51.
Scheidemantel, Karl, 63. 151.
203 392. 471.
Scheidt, J., 72.
vom Scheidt, Selma, 66.
Scheinpflug, Paul, 316 (Bild).
450.
Schelling, Erneste, 150.
Schenk, Elisabeth, 68.
Schenk, Johann, 32.
Schering, Arnold, 74.
Schiepeck, Dr., 223.
Schiller, Friedrich, 13. 43. 324.
394. 449.
Schillings, Max, 75. 76. 135.
140. 200. 207. 212. 213. 214.
215. 219. 223. 315. 386. 392.
473. 474.
Schindler, Anton, 32. 33. 34 (f.
Schjelderup, Gerhard, 384.
Schlaf, Johannes, 438.
Schlar, Josef, 202.
Schlegel 434.
Schlembach, Joseph, 204.
Schlesinger, Stanislaus, 394.
Schmid, Jos., 438.
Schmid-Lindner, A., 392.
Schmidt 49.
Schmidt (Kassel) 391.
Schmidt, Frau Prof., 141. 391.
Schmidt, Hans, 217.
Schmidt, K. H, 151.
Schmidt, Willi, 389. 390.
Schmidt-Guthaus, Cl., 151.
Schmitt, Alois, 208.
Schmuckler, Elvira, 211.
Schnabel, Artur, 68.
NAMENREGISTER
XI
Scbneevoigt, Georg, 137.
Schneider, Ernst, 218.
Schneider, Friedrich, 340. 421.
Schnyder, Rosalie, 219.
Schoenaich, Gustav, 306.
Scholz, Bernhard, 470.
Schönberg, Arnold, 77. 150.
Schopenhauer, Arthur, 86. 166.
Schörg, Franz, 210.
Schotf s Söhne 324. 326.
Schramm, Hermann, 128.
Schleyer, Johannes, 451.
Schröder-Devrient, Wilhelm ine,
179.
Schröer, Gustav, 138.
Schubert, Carl, 206.
Schubert, Franz, 34. 43. 48.
68 f. 72. 74. 75. 134 f. 136.
139. 140. 142 f. 150. 178.
179. 209. 210. 213. 222. 223.
307. 328. 330. 393. 394. 395.
419. 421. 424. 427. 471.
Schuch, Benno, 137.
v. Schuch, Ernst, 63. 77. 464.
470.
Schulz, H., 150.
Schulz, Leo, 148.
Scholz- Beuthen, Heinrich, 140.
Schumann, Clara, 201.
Schumann, Elisabeth, 210.
Schumann, Georg, 67. 70. 200.
216. 220. 316 (Bild). 389.
449.
Schumann, Robert, 43. 48. 49.
66. 70. 72 IT. 73 f. 74 f. 75.
118. 134. 135. 138 f. 139.
140. 142f. 144. 146. 149.
209. 210. 293. 325. 328.
330. 334. 359. 388. 389.
; 394. 395 f. 421. 426. 428.
432. 433. 434. 455. 456. 467.
472. 473.
Schumann - Heink, Ernestine,
139. 148. 219. 390.
Schur, Ernst, 438.
Schütz, Hans, 150. 218.
Schfltz, Heinr., 43.
Schatzendorff 384.
Schutt, Eduard, 119.
Schwarz (Danzig) 139.
Schwarz (Warschau) 395.
Schwarz, Franz, 145.
Schwarz, Max, 71.
Schwarz, Victor Wolfgang, 464.
v. Schwarzenberg, Eleonora, 26.
v. Schwarzenberg, Marie Pauline,
26.
v. Schwarzenberg, Fürst Carl,
26.
v. Schwarzenberg, Fürst Josef
Johann, 26 f.
Schweicker, Hedwig, 76.
Schwere, P., 138.
Schwickerath, Prof., 134.
v. Schwind, Moriz, 80. 395.
Schytte, H. V., 49.
Schytte, Ludwig, 118.
Scomparini 204.
Scott, Walter, 106. 110. 182.
191.
Scotti 130.
Scriabin 434.
Sebald, Alexander, 74. 126.
Seebach, Franz, 69.
Seebe, Margarethe, 63.
Seelig 143.
Sehring, Bernhard, 201.
Seidel 139.
Seidl, Arthur, 169. 196. 315.
Seiffert, Max, 218.
de Seigneux, Georges, 205.
Seiler, Georg, 126.
Seilner, Klthe, 70.
Sekles, Bernhard, 141.
Sembrich, Marcella, 130. 202.
Senailte 216.
Sendtner-Exner, Julie, 474.
SenlT, Richard, 214.
Senger-Bettaque, Katharina, 474.
Senius, Felix, 221.
Seret, Maria, 72.
Servais, Frsnz, 316.
Settekorn 212.
Sevcik, Prof., 145.
Seiff-Kstzmsyr, Marie, 212.220.
Seyffardt, E. H., 223.
Seygard, Frl., 130.
Sgambati 148. 223.
Shakespeare 13. 307. 402. 410.
Shedlock, J. S. t 49.
Sherwood, Percy, 470.
Sieder, Alfred, 386.
Siegmann-Wolff, Philla, 216.
Siewert, Hans, 383.
Silbermsnn, Job. Andreis, 80
(Bild).
Siloti, Alex., 70. 75 f.
SU vary 142.
Slmrock 400.
Sinding, Christian, 136. 213.
372. 456.
Singer, Edmund, 76.
Sjögren, Emil, 68. 372.
Sistermans, Anton, 212. 220.
316 (Bild). 391.
Sitt, Hans, 44. 74.
Skalitzky 70.
Skene, Elizabeth, 103.
Skene, John, 103.
Skirving, Adam, 185.
Smetana, Friedrich, 150. 151.
216. 217. 223.
Smith, R. A., 182.
Smolian, Arthur, 195.
Smyth, Miss, 64.
Soder-Hueck, Ada, 137.
Sohle, Karl, 113 ff (Zwei Dichter
als Deuter der Musik).
Sol, Jan, 134. 470.
Soldat- Roeger, Marie, 140.
Sommer, Hans, 43 ff. 450. 466 f.
Sommer, Kurt, 67. 135. 466.
Son, Henry, 141.
v. Sonnenfels, Josef Edler, 27.
28.
Soomer, Walther, 205.
Sophie Dorothea, Prinzessin
(Hannover), 107.
Spangenberg, H., 133.
Spengel, Julius, 143. 420.
Sperontes 74.
Spiering, Theodor, 468.
Spies, Hans, 467.
Spinoza, Baruch, 86.
Spitta, Philipp, 80 (Bild). 96
420. 425. 430.
Spohr, Ludwig, 151. 214.
Spork, Graf, 386.
Spörr, Martin, 150.
Ssobinow 64.
Staegemann, Helene, 74. 218.
Stahlknecht - Borgwardt , Anna,
139.
Stainer 416.
Stamitz, J., 151.
Stammer, Emil, 127. 215.
Standhartner Joseph, 326. 362 ff.
396 (Bild).
Stanford, Cb. Villiers, 136.
Stapelfeldt, Martha, 137. 214.
Starcke, Emmy, 70.
Starhemberg, Fürst Ludwig, 31 f.
Starke, Gustav, 142.
Staudigl, Prof., 142.
Stavenhagen, Bernhard, 69. 147.
Steffani, Agosto, 47. 48.
Steffens, Hermann, 128.
Stegmayer 359.
Steinbach, Fritz, 73. 144. 212.
217. 219. 473.
Steindel-Quartett 214. 391. 394.
Steindl, Bruno, 390.
Steiner, A., 420.
Steingrlfer, Theodor, 201.
Stenhammar, Wilhelm, 391. 434.
Stephan, Anna, 222.
Stern, Adolf, 333. 336.
Stern, Frau, 212.
Stewart, Neil, 193.
Stock, Friedrich, 390.
Stockhausen, Julius, 201.
Stöhr 138.
Stojowski, Sigi8mund, 49.
Stolz, Eugenle, 222.
Stolzenberg 438.
Storm, Theodor, 374. 425.
Strachwitz, Graf Moritz, 120.
Stradal, Dr., 223.
Stransky, Josef, 128. 206.
Straube, Karl, 74. 217. 218.
372.
v. Strauas, Edmund, 389. 466.
XII
NAMENREGISTER
Strausa, Johann (Vater), 59.
Strauss, Richard, 43. 69. 73.
74. 128. 134. 137. 140. 142.
145. 146 f. 147AT. 151. 200.
201. 211. 216f. 217. 221.
222. 315. 316 (Bild). 389.
390. 392. 393. 394. 438. 449.
467. 470. 473. 474. 475.
Strausa -de Anna, Pauline, 148.
390.
Streicher, Th., 73. 151.
Streichquartett, Böhmisches, 71.
134. 141. 147.212.216.221.
223. 390.
Streichquartett, Brüssler, 68. 70.
223.
Streichquartett, Darmstldter, 2 1 4.
Streichquartett, Hollindisches,
69.
Streichquartett, Pariaer, 210.
224 (Bild).
Streichquartett, Süddeutsches,
142.
Stronck 209.
Strong 139.
Stroobantz, M"e., 149.
Stuart, Jakob, 107. 184.
Stuart, Karl Eduard, 184.
Sturmfels, Fritz, 206.
Sudermann (Danzig) 382.
Suggia 394.
Suk, Joseph, 216. 406.
SukfMl, Carl, 206.
Sutter, Anna, 208.
Svendsen, Johan, 144. 212.
Syme 100.
Szalit, Paula, 145. 209.
Szirowatka, Carl, 205.
Szulk 216.
Takat 203.
Tallard, Agnes, 145.
Tanöiew 70. 144.
Tanneberg, Eugen, 471.
Tarnawski 65.
Tartini, Giuseppe, 70. 150. 432.
Taubert, E. E., 391.
Taubmann, Otto, 59.
Tausche, Emil, 201.
Tausig, Carl, 179. 325. 362.
Tedesco, M™., 311.
Telemann, Konrad, 133.
Terborch, Gerard, 152 (Bild).
Terniha, Milka, 130.
Textor, Karel, 475.
Thalberg, Sigiamund, 22.
Thayer, A. W., 29. 31. 32.
Theaulon 287. 304.
Theil, C, 139.
Thierfelder, A, 150.
Thieriot, Ferdinand, 140.
Thomson, Cesar, 150.
Thomson, George, 29. 182.
Thomas, E. W., 464.
Thomas-Schwsrtz, Anni, 206.
Thomaa-St. Gaüi, Frau, 142.
Thuille, Ludwig, 42. 52. 138.
212. 216. 315. 316 (Bild).
392. 438. 450. 474. 476.
Thurhelm, Graf, 31.
Thyasen, Josef, 206.
Tieck, Ludwig, 113.
Tierie, Anton, 470.
Tinel, Edgar, 80 (Bild).
Tittel, Bernhard, 205.
Todt 96.
Toller, Georg, 208.
Tomaschek, Job. Wenzel, 152
(Bild).
Tomicich, Hugo, 476.
Töpfer, O., 471.
Tordek, Ella, 130. 146. 207. 386.
Touche 210.
Tree 146.
Treichler, H., 219.
Triebel, Anna, 133.
v. Trzaska, Wandt, 69.
Tschaikowaky, Peter, 69. 73 f.
74. 75. 76.77. 118. 135. 137.
138. 139. 140. 141 f. 147.
148. 151. 178. 212. 213f.
216. 222. 393. 403.
Tschanz-Haenni, Fanny, 219.
Tscherepnin, Nicolaus, 221.
Turnbull 142.
Uhlig, Theodor, 308.
Ulrich, Man, 205.
Urlus, Jacques, 134. 218. 475.
Urspruch, Anton, 44. 434.
Valti, Hels, 218.
Vautier-Rutty, Frau, 216.
v. Vecsey, Franz, 77. 147. 389.
391. 474.
van Veen, Jos., 69.
Veit, A., 138.
Ventura, Llonello, 465.
Veracini 216.
Verdi, Giuseppe, 201. 202. 204.
209. 388. 391. 395. 468.
Verhey, Th. H. H., 475.
Verhunc, Fanchette, 203.
Verlet, Frl., 131.
Vidal, Paul, 149.
Vidron, Angele, 206.
Vieuille 131.
Vigna, Arturo, 468.
van der Vijver, Dina, 63.
Villoing 49.
Viotta, Henri, 71.
Vogel, Bernhard, 420.
Vogel, Moritz, 453.
v. d. Vogelweide, Walther, 38.
Vogler, Abt, 421.
Vogrich, Max, 65 f.
Voigt 96.
Voigt, C, 418.
Volbach, Fritz, 392.
Volkmann, Robert, 213. 216.
Vollnhals, Ludwig, 146. 474.
Voss (Worms) 395.
Voss, J. H., 160.
Vrchlicky, Jaroslav, 132. 405.
Vreula 216.
de Waardt, P., 475.
Wackenroder 113.
Wagner, Elsa, 141.
Wagner, Georg Gottfried, 73.
Wagner, Hans, 74. 77.
Wagner, Richard, 13. 27. 36. 43.
44. 47.61.63.65.66.71.72.
73 f. 83 ff und 163 IT (Beitrag
zur Dramaturgie des Lohen-
grin). 113. 128. 131. 132.
134. 135. 136. 137. 138. 139.
150. 151. 194. 196. 202. 203.
207. 208. 211.213.217.219.
220. 221. 307. 308 IT (Briefe
W.'s zum Pariser »Tann-
hluser"). 322. 323. 325 IT. 331.
332. 333. 334. 335. 341.
362 ff. 366. 370. 384. 385.
395. 400. 404. 419. 421. 431.
434. 445. 446. 448. 450. 451.
464. 467. 468. 470. 471.
Wagner, Siegfried, 203. 315.
389.
Wahll 152.
Waiden, Hertha, 394.
Waldmann, Ignaz, 203.
Waldstein, Graf Ferdinand Ernst,
3 1 f. 32.
Walker, Edith, 130.
Wallace, William, 99.
Wallnöfer 438.
Walter (Darmstadt) 214.
Walter, Bruno, 316 (Bild). 447.
Walter, Raoul, 64. 130. 142. 207.
386. 474.
Walter-Choinanus, Iduna, 67.
395.
Wanoschek, Ida, 389.
Wassmuth 390.
Watt 412.
v. Weber, Carl Maria, 48. 131.
142. 182. 194. 206. 383. 427.
464. 469. 470. 471.
Weber, Dionys, 224.
Weber, Miroslaw, 392.
Weckmann, Matthias, 214.
Wedekind, E., 69. 63 f. 143.
Weed, Marion, 130.
Wegeier, Dr., 30.
Weidemann, Friedrich, 389.
Weidmann, Fritz, 205.
Weigand 438.
Weigl, Joseph, 34.
Weinbaum, Paula, 222.
Weinberger, Karl, 388.
Weingaertner, Alice, 149.
Weingartner, Felix, 44. 66. 71.
75. 76. 126. 129. 135. 136.
146. 218. 220. 221. 389. 392.
395. 469. 470.
REGISTER DER BESPROCHENEN BÜCHER UND MUSIKALIEN
XIII
Weiss 315. 387. 434.
Weissheimer 327.
Wellhof, Reinhold, 384.
Wendel-Quartett 73.
Wendung, Carl, 223. 304.
Wernicke 130.
Wesendonk, Mathilde, 300. 300.
Wesendonk, Otto, 312. 313.
Wette, Hermann, 214.
Wetz, Richard, 138. 476.
Wetzler, H. H., 148. 221.
Weyers 214.
Whitehille, Clarence, 385.
Widmann, J. V., 110. 417. 420.
Wiedey, Ferdinand, 66.
Wieland 324.
Wieniawski, H., 145.
Wieniawski, Josef, 213.
Wietrowetz, Gabriele, 226.
v. Wildenbruch, Ernst, 135. 223.
Wilhelm III. (Oranien) 105.
Wille, Georg, 214.
Willets 413.
Williams, Alberto, 136.
Willner, Arthur, 223.
Winderstein, Hans, 73. 140.
Winkelmann, Hermann, 203.
Winkler 434.
Winkler, A., 222 f.
Winkler, Emil, 213.
Witek, Anton, 222.
Witt 138.
Wittenberg, Alfred, 70.
v. Wittgenstein, Graf, 388.
Wittich, Marie, 468.
Wittwer 210.
Wohlgemuth, Gustav, 73.
v. Woikowsky-Bidau, V., 133.
Wolf, Hugo, 43. 45 52. 66. 68.
71. 72. 75. 76. 128. 133. 137.
140. 141. 142. 143. 147. 150.
151. 208. 210. 212. 216. 223.
365. 300. 304.
Wolf-Ferrari, Ermanno, 66. 70.
204.
Wolff, Erich J., 374. 454.
Wolff, Julius, 435.
Wolff, Paul, 383.
Wolfrum, Philipp, 05. 08. 143.
204. 316 (Bild). 448. 450.
v. Wolzogen, Hans, 410.
Wood, Henry, 210.
Wood & Co. 180.
Wotquenne 50.
Wflllner, Franz, 110. 382. 422.
Wüllner, Ludwig, 72. 74. 75.
126. 135. 142. 143.223.301.
473.
Wunderlich 472.
v. Württemberg, Elisabeth, 34.
Wurzer, Gabriella, 374.
Wuthmann, L., 217.
Ysaye, Eugene, 70. 130.212.217.
v. Zadora, Michael, 68.
Zajic, Florian, 222.
Zalewski, Oscar, 138.
Zalsman, Gerard, 214.
Zander, A., 135.
Zarlier 157.
Zboiriska 388.
Zeischka, Franz, 223.
Zclenka 150.
Zeller, Georg, 146.
Zeller, Heinrich, 66.
Zenger, Max, 474.
Zepler, Bogumil, 385.
Zichy, Graf Geza, 202. 203.
Ziegfeldt, Dr., 468.
Ziese, Elisabeth, 130. 222.
Zilcher, Hermann, 136. 316
(Bild). 440.
Ziska 132.
Zoellner, Heinrich, 200.315. 316
(Bild). 440.
Zolotareff, B., 70.
van Zuijlen van Nyevelt, Baron,
71.
Zulauf, E., 301.
Zumpe, Herman, 315.
v. Zur Mühlen, Raimund, 73.
151. 210. 216. 222.
REGISTER DER BESPROCHENEN BÜCHER
Cady, Calvin Brainerd: Music
Education. 452.
Cossmann, Paul Nicolaus: Hans
Pfitzner. 106.
Euryanthe-Textbuch. Neue Ein-
richtung für das k. k. Hof-
operntheater in Wien. 104 f.
Fischer, Georg: Musik in Han-
nover. 47 ff.
Hasse, Max: Peter Cornelius
und sein Barbier von Bagdad.
Die Kritik zweier Partituren.
370 f.
Hövker, Robert: Fis-Ges? 452.
Keller, Otto: Illustrierte Ge-
schichte der Musik. 104.
Krause, Frau : Rhythmische
Übungen. 117 f.
Louis, Rudolf: Hector Berlioz.
371.
Pauli, Walter: Johann Friedrich
Reichardt. 117.
Reinecke, Carl: Meister der
Tonkunst. 48 f.
Riemann, Hugo: Musiklexikon.
6. Aufl. 1. Lieferung. 40.
— Musiklexikon. 6. Aufl. 2. bis
4. Lieferung. 452.
— Anleitung zum Generalbass-
Spielen. 117.
Schreyer, Johannes: Von Bach
bis Wagner. 451.
Smolian, Arthur: Vom Schwinden
der Gesangeskunst. 105.
REGISTER DER BESPROCHENEN MUSIKALIEN
Aulin, Tor: Vier serbische
Volkslieder. 120.
Bach, Jon. Seb.: Präludium und
Fuge Es-dur von der Orgel
für Klavier übertragen von
Max Reger. 454.
Beckmann, Gustav: op. 4. Orgel-
Phantasie. 52.
— Zehn Choralbearbeitungen. —
op. 6. Zwölf Vor- oder Nach-
spiele. 120.
Birkedal-Barfod, L.: op. 20.
Skizzen für Klavier. 372.
Blech, Leo: op. 11. Sechs Stücke
aus den Kleinigkeiten. Für
Pianoforte zweihändig. 118.
Bruch, Max : op. 70. Lieder und
Tänze nach russisch, u. schwed.
Volksmel. frei bearb. f. Violine
und Klavier. 456.
Brflckler, Hugo: Acht Gesänge
für eine Singstimme mit
Pianoforte. 51.
v. Dohnänyi, Ernst: op. 8.
Sonate für Violoncello und
Pianoforte. 373.
Fährmann, Hans: op. 23. Drei
Motetten. 453.
Flügel, Ernst: op. 50. Fünfzehn
Choralvorspiele für Orgel. 120.
Frommer, Paul: op. 48 und
op. 40. Lieder. 120.
Fuchs, Robert: op. 71. Quartett
No. 3. 110.
Gernsheim, Friedrich: op. 74.
Fünf Gedichte von O. J. Bier-
baum für eine Singst, mit
Planof. 120.
XIV REGISTER DER BESPR. ZEITSCHRIFTEN- UND ZEITUNGSAUFSÄTZE
Gotlieb-Noren, H.: op. 16. Suite
e-moll für Violine und Klavier.
119.
— op. 17. Drei Lieder. 374.
Hilm, A.: Streichquartett in
B-dur. 50.
Händel, G. F.: Zwei Sonaten
für Flöte bzw. Oboe mit
beziffertem Bass, für Klavier
gesetzt von F. W. Franke. 454.
Hegar, Friedrich: op 32. Königin
Bertha. Ballade für Männer-
chor. 52.
Hermann, Robert: op. 1. Zwölf
kl. Lieder. — op. 5. Sechs kl.
Lieder. — op. 8. Fünf Lieder.
455 f.
Herrmann, W., op. 60. Vier
Lieder. — op. 61. Unter
blühenden Linden. 120.
Humperdinck, Engelbert: Unter
der Linde. — Gesang der
Rosenmädchen aus „ Dorn-
röschen". 51.
Jacobsen, H. : op. 10. Lieder. 51.
Joseffy* Raffael: School of ad-
vanced Piano playing. 49.
Klughardt, August: op. 91. An-
dante und Toccata für Orgel. 52.
Kögler, Hermann: op. 6. Grosse
Phantasie für Klavier. 50.
de Lange, Samuel: op. 86. Eines
Königs Tränen. Kantate für
Sopransolo, Chor und Or-
chester. 119.
— op. 87. Die Nordsee. 373.
Levy, Eduard: op. 37. Drei
Lieder. — op. 38. Drei Lieder.
51.
Lund, John : op. 30. Kaiser Karl,
373.
Mlekley, Walter: op. 1. Fünf
Lieder. 120.
Nodnagel, Ernst Otto: „Neu
rotika", vier Liebesgesänge für
Bariton und grosses Orchester
nach Felix Dörmann. op. 16. —
„Impressionen", acht lyrische
Skizzen für eine mittlere Sing-
stimme und Orchester, op. 18
(beide Klavierausgabe). —
Drei Gedichte von Rieh.
Dehmel. op. 26. — Fünf Ge-
dichte von Goethe, op. 27. —
— „Kamill*", drei lyrische
Rezitative. op. 28. — Trau-
gesang, op. 29. — Vier lyrische
Rezitative. op. 32. — Fünf
Lieder, op. 34. — „Chrysis",
vier lyrische Rezitative. op. 36.
— op. 33. Vier Gedichte von
R. Dehmel, für eine Sing-
stimme und Klavier. 454 f.
v. Othegraven, A.: op. 17. Der
Rhein und die Reben. Für
achtstimmigen Männerchor. 52.
Päal, Henry: op. 22. Zehn
leichte Stücke für Planoforte.
118.
Pfltzner, Hans: op. 13. Quartett.
50 f.
Philipp, J.: LeTrille. Exercices,
ttudes et exemples. 118.
Poldini, Ed.: op. 38. Phan-
tastisches Stück. 49.
Reger, Max: Zwölf Madrigale für
Männerchor bearbeitet —
Sechs Madrigale für gemisch-
ten Chor bearbeitet. 119.
Reger, Max und Straube, Karl:
Schule des Triospiels. Job.
Seb. Bachs zweistimmige In-
ventionen für die Orgel be-
arbeitet. 372.
Reinecke, Carl : op. 263. Romanze
für Violoncello und Orchester.
373.
— op. 264. Trio für Planoforte,
Klarinette und Viola. 456.
Reinhard, August: op. 84. Sonate
fflrHarmonium und Klavier.51 .
Renner, Josef: op. 56. Suite für
Orgel. 52.
Sauer, Emil: Grande Sonate en
re* majeur pour Piano. — „Le
Luth". 2ue Serenade. 196.
Scarlatti, Domenico: Zwei So-
naten für Planoforte. Für den
Konzertvortrag bearbeitet von
Carl Tausig. 454.
Schäfer, Dirk: 4 petits morceaux
pour piano. 454.
Scharwenka, Philipp: op. 113.
An den König. 373.
Schutt, Edouard: op. 69. Deux
Intermedes pour Piano. 119.
— Pages intimes. 454.
Schytte, Ludwig: op. 128. Scenes
de Pantomime« pour Piano ä
deux mains. 118.
— op. HO. Piazza del Popolo.
372.
Sinding, Christian: op. 56. Sere-
nade pour deux Violons et
Piano. 456.
Sinigaglia, Leone: op. 23. Drei
Lieder. 374.
Sjögren, Emil: op. 35. Sonate
für Piano. 372.
Stein, Rieh. H.: op. 5. Drei Ge-
dichte von Theodor Storm. 374.
— op. 6. Drei Lieder. 374.
Stojowski, Slgismund: op. 25.
Romantische Stücke. 50.
Svendsen, Joban S.: op. 12. Fest-
Polonaise. 50.
Thieriot, Ferdinand: op. 79.' Vier
Motetten. 453.
— op. 80. Quintett für Planoforte,
Hoboe, Klarinette, Hörn und
Fagott. 456.
Thuille, Ludwig: Rosenlied. 52.
Vogel, Moritz: op. 72. Vier geist-
liche Gesänge. 453.
— op. 73. Drei Motetten. 453.
Wagner, Hans: op.36. Elsula. 52.
Weber, Otto: Drei Lieder. 51.
Weingartner, Felix: op. 34.
Quartett No. 3 für zwei
Violinen, Bratsche und Violon-
cell. 456.
Wolf, Hugo: Italienische Sere-
nade. 50.
— Geistliche Lieder aus dem\
„Spanischen Liederbuch", be-|
arb. von Max Reger. — Geist- (
liehe Lieder aus dem Mörike-
Buch, bearb. von Max Regen,
52.
Wolff, Erich J.: op. 3. Vier
Lieder. 374.
— op. 5. Zwölf slawische Volks-
weisen für Klavier. 454.
Wurzer» Gabriella: Gedichte von
Goethe und Eichendorff für
eine Singstimme und Klavier.
374.
Zumpe, Herman: 23. und 91.
Psalm für gemischten Chor.
373.
Zuschneid, Karl: op. 88. Weih-
nachtshymne. 52.
REGISTER DER BESPROCHENEN ZEITSCHRIFTEN-
UND ZEITUNGSAUFSÄTZE
Abrahams, Otto und v. Hörn-
bostel, Erich M. : Phono-
graphierte Indische Melodieen.
460.
Adler, Felix: Hugo Wolf. 459.
Adler, Guido : Eine neue musika-
lische Vereinigung in Wien.377.
— Euryanthe in neuer Ein-
richtung. 457.
Altmann, Wilhelm: Kritik —
ein Fach des musikalischen
Unterrichts. 57.
Arend, Max: Gottfried Weber
und die rückwärts schauende
Musikwissenschaft. 379. 458.
REGISTER DER BESPR. ZEITSCHRIFTEN- UND ZEITUNGSAUFSÄTZE XV
Arnd-Raschid, M : Tonbildung
oder TreffObung. 457.
Baughan, E. A.: A mere question
of Intonation. 54.
— Professor Niccks on the
musiclins educstion. 56.
— The Subvention of music. 56.
— Also sprach Zarathustrs. 376.
Batkt, Richard: Hugo Wolfs
„Penthesilea". 378.
— Hausmusik. 458.
Bayreuther Blätter: Richard
Wagner an Louis Schindel-
meisser. 57.
Beckmann, Gustav : Johannes
Brahms' Schwanengesang. 123.
Bellaigue, Camille: Die Musik
im 19. Jahrhundert. 378.
Belmonte, Carola: Chopin und
die Sand. 377.
Beutter, A.: In Sachen der Or-
ganola. 53.
Boutarel, Amtdee: Werther. 53.
121. 378. 460.
Braun, Wilhelm: Konzert-Un-
sitten. 55.
Brauser, Eduard: Beitrag zur
Motivlehre. 458.
Bräutigam, L.: Paul Schein-
pflug. 458.
Bravo, F.Suarez: Necrologie.107.
Breslauer Zeitung: Russlands
musikalische Kultur. 377.
Brody, Henry: Enrico Tamber-
lick. 460.
Cldlienvereins • Organ : Papst
Plus X. und der allgemeine
Cicilien- Verein. 123.
Chantavoine, Jean: Beethoven
d' apres sa correspondance. 53.
Ghop» Max: Richard Wagner im
Lichte gegnerischer Kritik vor
dreissig Jahren. 375.
Chybinskl, Adolf: Chopins brief-
licher Nachlas*. 107.
Combarieu, Jules: Ls musique
au point de vue sociologique.
53.
Conrat, H. J.: La musica in
Shakespeare. 123.
Davis, Fay Simmons: An aipha-
bet for music teachers. 54.
v. Destouches, Ernst: Franz
Destouches. 375.
v. Ditfurth, F. W.: Poesie alten
deutschen, noch Jetzt fort-
bestehenden Volksglaubens.
370.
Eisenmann, A.: Die Geschichte
des Klaviers. 458.
Fischer, Otto: Zum musika-
lischen Standpunkte des nordi-
schen Dichterkreises. 123.
Fliegende Blätter für katholische
Kirchenmusik: Motu proprio
Sr. Heiligkeit Papst Plus* X.
Aber die Kirchenmusik. 53.
— Papst Pius X. und der Cl-
cilienverein. 53. 378.
Flodin, Karl: Jean Sibelius nya
Kompositioner. 378.
Fremden blatt (Wien): Emanuel
Schikaneder und W. A Mozart.
450.
Friedmann, A : Johann Strauss
(Vater). 375.
Garlepp, Bruno: Die Trompete
und ihre Bedeutung im Volks-
leben. 121.
Glebe, Karl: Das Protestantische
und Evangelische bei Hlndel
und Bach. 121.
Göhler, Georg: Felix Draeseke.
57.
— Zur Tantiemenfrage. 122.
— Zur AuffQhrungsrechtfrage.
122.
Goepfart, Karl: Eduard Lassen.
56.
Grand-Carteret, J.: Les tltres
illustres et l'image au Service
de la musique. 123.
Gregorianische Rundschau : Ober
Orgeln. 107.
Grobe, Oskar: Aus Hugo Wolfe
Leben. 122.
Grunsky, Karl : Anton Brückner.
54.
— Philipp Wollrum. 457.
Haberl, F. H.: Papst Pius X.
und die Kirchenmusik. 123.
Hanslick, Eduard: Verdis Fal-
staff. 450.
Hansmann, R.: Das Jankö-
Klavier. 370.
van Hasselt, Charles: Les
anciena vaudevillistes. 378.
Hertel, Pfarrer: Es ist ein
Schnitter, der heisst Tod. 54.
Hervey, Arthur: The musical
movement in France. 376.
Heuler, Raimund: Georg Höller.
375.
Heuss, A.: Antonin DvoKk. 460.
Hildebrandt, Ernst Julius: Aus-
sprüche berühmter Personen
Ober Musik, Gesang etc. 56.
Hippius, Adele : Erinnerungen
an H. von Bfllow. 121.
Hirschfeld, Robert: Johann
Strauss (Vater). 377.
Isaacs, Lewis M.: On Popu-
lariflng Bach. 54.
Isolani, Eugen: Carl August
Krebs. 55.
v. Jagow, Eugen: Neue franzö-
sische Opern. 55.
Jentsch, Max: Lichtungsgesang
der norwegischen Matrosen.
122.
Karpele8, Gustav: Heine und
Berlioz. 377.
Keeton, A. E. : One of Tschai-
kowsky's love episodes. 376.
— Tschaikowsky's operaa. 457.
Kesser, Hermann: Musikästhe-
tik. 122. 375.
Kistler, Cyrill: Die Oktav- oder
Kontrageige. 56.
Kleefeld, Wilhelm: Der Tanz
als Musikbildner. 377.
— Musikalische Kleinkunst. 460.
Knosp, Gaston: Die Musik in
Hinterindien. 55 f.
Koch, Max: Tonsatzlehre. 55.
Kohut, Adolph: Eigentümlich-
keiten berühmter Kompo-
nisten. 375.
— Ein Kantor und Komponist.
458.
— Unveröffentlichte Brjefe sn
Karl Krebs. 458.
Kölnische Volkszeitung: Vom
Zuhören. 55.
König, A.: Die Ballade in der
Musik. 54. 108.
Kornmüller, P. Otto: Gregor
der Grosse. 378.
Korrespondenzblatt des Evan-
gelischen Kirchengesangver-
eins für Deutschland: Orgel
und Chorgesang im Gottes-
dienst. 450.
Krause, Emil : Chrysanders
Gesamt-Auagabe der Werke
Handels. 450.
Kretachmar, Max: Hugo Wolf.
376.
Krutschek, Paul: Papst Pius X.
und die Kirchenmusik. 378.
Kühn, Oswald: Weiteres zur
Tantiemenfrage. 458.
Lahy, J. M.: L'emotion musicale
et les idees associeea. 123.
Lalo, Pierre: Les idees musicaies
d' Herbert Spencer. 56.
Landormy, P. : ErnesteChauason.
122.
— Le Systeme d'harmonie de
M. Hugo Riemann. 370.
Lang, Marie: Wie der Com-
gidor entstand. 375.
Langenbeck, Georg: Akkord-
Gleichungen. 370.
Laser, Arthur: Parsifal in New-
York. 55.
Leichtentritt, Hugo : Das trunkene
Lied aus dem Zarathustrs von
Friedrich Nietzsche von Oskar
Fried. 370.
Lessmann, Otto: L. Sacerdotif.
450.
XVI REGISTER DER BESPR. ZEITSCHRIFTEN- UND ZEI TU NGS AUFSÄTZE
Llcbscher, A. : Jugendkonzerte
oder Musikabende. 55.
Louis, Rudolf: Richard Strauss.
198.
— Hans Pfttzners „Die Rose
vom Liebesgarten". 378.
Lozzi, C: Brigida Banti. 123.
Ludwig, Friedrich: Studien Aber
die Geschichte der mehr-
stimmigen Musik Im Mittel-
alter. 123.
v. Lüpke, S.: Tonmalerei im
Liede. 55.
Lusztig, J. L.: Musikästhetische
Probleme. 55.
— „Der Kobold." 459.
Luzerner Tageblatt: Tanz und
Tanzmusik. 379.
Maclean, Charles: Berlioz in
England. 123.
Marsop, Paul: Aus dem Lager
des musikalischen Fortschritts.
375. •
— Die Anstalt fUr musikalisches
Aufführungsrecht. 378.
— Eine musikalische Volks-
bibliothek in München. 378.
— Neue Musikliteratur. 379.
Maus, Octave: L'humour dans
la musique. 123.
Mayrhofer, Isidor: Messe in Es
op. 9 von Joh. Ev. Haben. 197.
Mennicke, Karl: Zur Biographie
der Brüder Graun. 122.
— J. A. Hasse. 123.
Mey, Kurt: Neuere französische
Musikästhetik. 55.
— Peter Cornelius als Drama-
tiker. 480.
— Die Begriffe subjektiv und
objektiv in der Musikästhetik.
480.
Monthly Musical Record: Hector
Berlioz. 54.
— Londons apathy and caprice.
54.
— Manuel Garcia. 378.
— The Elgar festival. 378.
Morsch, Anna: Das Studium der
Musikgeschichte für den Lehr-
beruf. 122.
Müller, Hermann: Aus schlesi-
sehen Visitationslisten. 123.
Münnich, W.: Der Blinde als
Musiker. 458.
Münzer, Georg: Marschneriana.
379.
Murphy, George: Musical con-
ditions in the West. 54.
Musica Sacra : Instrumentalmusik
und Cädlienverein. 53.
Neisser, Arthur: Josef Reiters
Requiem. 375.
Nejedly, Z.: Das Verhältnis des
hussitischen Gesanges zu der
vorhussltischen Musik. 378.
92. Neujahrsblatt der allgem.
Musikgesellschaft in Zürich:
Aus dem Zürcherischen Kon-
zertleben der zweiten Hälfte
des vergangenen Jahrhunderts.
58.
Niecks, Frederick: General cul-
ture and musicians. 480.
Niemann, Walter: Robert Her-
mann. 58.
— Neue jungfranzösische Klein-
kunst 122.
Ott, Karl: Entwicklungsgang der
mittelalterlichen Choralmelo-
die. 197. 480.
Pfohl, Ferdinand: Siegfried Wag-
ners Oper «Der Kobold". 122.
Pierre, Constant: Notes sur la
chanson pendant la Involution
francaise. 379.
Pommer, Josef: Dr. Anton Werte.
122.
Pougin, Arthur: Un chanteur
de l'opera au 18 1 *™« siecle.
480.
v. Prochäzka, Frhr. Rud.: Aus
den Jugendjahren von Robert
Franz. 57.
— Die Prager Violin-Meister-
schule des Professors Sevcik.
122.
Puttmann, Max: Luiza Rosa
Todi. 457.
Rabich, Ernst: Vom Urheber-
recht. 54.
— Friedrich Mann. 54.
— Vom gespielten und gesun-
genen Zwischenspiel. 198.
Raupp, O.: Die Organistenfrage
in Baden. 53.
Reger, Max: Hugo Wolfs künst-
lerischer Nachlass. 54.
Richard, August: Die Grals-
erzählung in Wagners Lohen-
grin. 55.
— Eduard Lassen. 55.
Richter, Alfred: Ein Kapitel zur
Freiheit des musikalischen
Vortrags. 122. 375.
Riemann, Ludwig: Akustische
und tonpsychologische Auf-
fassung des deutschen Volks-
liedes. 53. 122. 379.
Riesenfeld, Paul: Das Stiefkind
Musik. 459.
Ritter, Hermann: Etwas über
den Geigenbogen. 55.
Robinson, Frances R.: Practical
talks with teachers. 54.
Rolland, Romain: Berlioz. 457.
Rollen, Hermann: Franz Liszt.
379.
Rundschau, Gregorianische: Zum
1300 jährigen Jubiläum Gre-
gors des Grossen. 53.
— An den Herrn Kardinal
Respiglii, Generalvikar von
Rom. 53.
Runge, Paul: Die Musik als
Hilfswissenschaft der Philo-
logie in bezug auf das mittel-
alterliche Lied. 53.
Rychnowsky, Ernst: Ludwig
Spohr und Friedrich Rochlitz.
123.
Sandberger, Adolf: Roland
Lassus' Beziehungen zur ita-
lienischen Literatur. 480.
Schieden» alr, Ludwig: Die An-
fänge der MOnchener Oper. 480.
Schmidkunz, Hans: Hauptfragen
der Musikpädagogik. 457.
Schmidt, Leopold: Zur Tan-
tiemenfrage. 58.
— - Ein Wagner-Manuskript 378.
Schmitz, Eugen: La vanitä del
mondo. 53.
— Drei musikalische Toten-
tänze. 379.
Schnerich, Adolf: Zum jüngsten
Kirchenmusikerlasse Pius' X.
379.
Schuhmacher, Karl: Musiker
und Zünftler. 378.
Schwelkert, F.: Ein Gedenkblatt
für Malvine Schnorr von
Carolsfeld. 375.
Schflz, A.: E. Jaques-Dalcroze
und sein neues Werk. 55.
Segnitz, Eugen: Musik, Musiker
und Jean Paul. 55.
— Franz Liste erstes Auftreten
in Leipzig. 379.
Seidl, Arthur: Franz Mikorey als
Symphoniker. 378.
Seiflert, Max : Johann Pachelbels
Musikalische Sterbensgedan-
ken. 460.
Seitschick, Dr.: Spottlied auf
Napoleon Bonaparte. 379.
Sherwood, W. H.: Some remi-
niscences of Rubinstein. 54.
Sieber, Karl: Moriz von Schwind
und seine Beziehungen zur
Musik. 55.
Solerti, Angelo: Un balletto
musicato da Claudio Monte-
verde sconosciuto a suoi bio-
grafl. 123.
Sonneck, O. G.: •Nordameri-
kanische Musikbibliotheken.
123.
Sternfeld,Rlchard : Hektor Berlioz
und seine Faustmusik. 187.
Steuer, Max: Versuch eines
Opern- Kanons 400.
REGISTER DER2ANGEZE1GTEN NEUEN OPERN
Storck, Karl: Geschieh«" der
Progrsmmmnslk. 196.
— Zu Hektor Berlloz' 100. Gc-
— Zar Geschichte der Pro-
g.-arnmmusik. 370.
Tageafragen (Bad Kissingen) ;
„Roslein im IUg* inWflrzburg,
4M.
Tippen, Wilhelm: Weihnacht«-
Ueder. M.
Taunton, Ethelred L.: The new
papal regulatlons on church
mualc. 50.
Thlesseu, Karl: Neue Orgel-
werke. 37».
Thomas, Fannie Edgar: Musical
education In ihe United States.
94.
Tlersot,Julien:~Berliozlana. 53.
121. 378.
— Le musee Berlioi. 121. 400.
Tommasi c i, V.:Musica e religio De.
123.
Der Türmer: Neuere Berlioz-
Litcratur. 108.
— Jon. Fr. Reinhardt als Er-
zieher iu einer gesunden
Hausmusik. 198.
Untersteiner, A. : L'lnvenzione
del Vloilno. 123.
Victor!: De Missa de angelis.
460.
Vlvell: Der Introitus Resurrexit.
460.
Waiden, Herwarth: Wort- und
Tonlyrik. 108.
Weber, Wilhelm: Die Thematik
deri Chöre In Bachs h-moll-
Messe. 458.
Wellmer, August: Johann Gott-
fried Herder. 54.
Wild, Irene: Johannes Brahma'
Geburtshaus. 377.
Wlllmann, H. : Strauss Vater. 377.
Wittmer, Chr.: KOnnen wir die
Organola akzeptieren? 53.
v. Wolzogen, Hans : Waa Herder
Zeitschrift der Internat. Musik-
Gesellschaft: Chryaander Ober
Wagners Tannbluser. 107.
v. Winterfeld, A.: Ein Prima-
Don na-Gaatsplel vor 70Jahren
in Stuttgart. 458.
Zoellner,Heinrich:ZurMatthlua-
passion. Ein Vorschlag. 458.
REGISTER DER ANGEZEIGTEN NEUEN OPERN
Airano, M.: Auferstehung. 100.
Bolto, Arrigo: Nero. 109.
v. Chellua, Oskar: Die vernarrte,
Prinzcss. 461.
Cllea, Francesco: Romanticlamo.
314.
Danaudy, Stefano: Im Dunkel
Fall, Leo: Gerhard und Gcrthi.
401.
Leoncavallo, Ruggicro: Der Ro-
land von Berlin. 124.
Dr. Mai : Die Braut von Messina.
314.
Mascagni, Pictro: Die Freundin.
Orellce, Glacomo: Moses. 461.
Pesaard, Emilie: Le mlrage. 314.
Röhr, Hugo: Vaterunter. 461.
Scbrey, Julius: Du Adlernest
190.
Wintzer, Richard: Maricnalnd.
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DIE MUSIK
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Eine hohe künstlerische Tätigkeit ist nicht zu
denken ohne ein Volk, das nicht müde wird,
seine Künstler zu erneuten Anstrengungen an-
zuspornen.
Herman Grimm
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III. JAHR 1903/1904 HEFT 13
Erstes Aprilheft
Herausgegeben
von Kapellmeister Bernhard Schuster
Verlegt bei Schuster & Loeffler
Berlin und Leipzig
Georg Capellen
Die Einheitlichkeit und Relativität der Versetzungs-,
Oktav- und Schlüssel-Zeichen ohne Änderungen am
Noten- und Liniensystem.
Rudolf M. Breithaupt
Moderne Klavieristen. Aus den Skizzen eines
Subjectiven. III.
Dr. Carl Leeder
Beethovens Widmungen. (Fortsetzung).
Richard von Kralik
Poesie und Musik der Minnesinger.
Zum Tantiemenstreit
Besprechungen (Bücher und Musikalien).
Revue der Revueen.
Umschau (Aus dem Opernrepertoire, Konzerte,
Tageschronik, Totenschau, Berichtigungen).
Kritik (Oper und Konzert).
Eingelaufene Neuheiten (Bücher und Musikalien).
Anmerkungen zu unseren Beilagen.
Kunstbeilagen. Musikbeilage.
Anzeigen.
DIE MUSIK erscheint monatlich zwei Mal. Abonnements-
preis für das Ousrtal 4 Mark. Abonnementspreis für den
Jahrgang 15 Mark. Preis des einzelnen Heftes 1 Mark.
Vlertel|ahrselnbanddecken 1 1 Mark. Sammelkasten für die
Kunstbellagen des ganzen Jahrgangs 2.50 Mark. Abonnements
durch Jede Buch- und Musikalienhandlung, für kleine Plitxe
ohne Buchhändler Bezug durch die Post: No. 5355a
II. Nachtrag 1903.
»DIE EINHEITLICHKEIT UND RELATIVITÄT DER VER-
SETZUNGS-, OKTAV- UND SCHLÜSSEL-ZEICHEN OHNE AN
DERUNGEN AM NOTEN- UND LINIENSYSTEM
von Georg Capellen-Osnabrück
[ie vielen Versuche, 1 ) die bisherige Tonschrift zu" verbessern und
zu vereinfachen, scheiterten stets an dem Sichverschliessen gegen
die Erkenntnis, dass diese Schrift an Anschaulichkeit, Charak-
teristik und Schönheit nichts zu wünschen übrig Usst, wie ihr
langer Bestand und ihre internationale Geltung beweist. Von vornherein
verfehlt sind daher alle Neuerungen, die mit Änderungen am Noten- und
Liniensystem, mit neuen Schlüsseln, Tonartvorzeichen und Takteinteilungen
operieren, die insbesondere die üblichen zufälligen Versetzungszeichen
durch stenographische Abkürzung mit Anbringung vor oder an den Noten
oder aber durch eine variable Form und Stellung der Noten selbst ersetzen
wollen. Nicht weniger verfehlt würden alle minutiösen Unterscheidungen
sein, da durchaus mit dem Prima- Vistaspiel und mit handschriftlichen
Flüchtigkeiten gerechnet werden muss, eine gewisse Grobzügigkeit der
Zeichen daher für den Leser ebenso wie für den Stecher unentbehrlich
ist. Es gehört schon eine umfangreiche, wissenschaftliche und ästhetische
Bildung und ein sicherer praktischer Blick dazu, um das Wagnis der An-
tastung unserer so festgegründeten, durch die Gewohnheit geheiligten Ton-
schrift überhaupt zu unternehmen. Mingel hat diese Schrift, trotz ihrer
eben aufgewiesenen Vorzüge, das ist unbestreitbar und auch nicht ver-
wunderlich, da es absolut Vollkommenes in der Welt eben nicht gibt und
das menschliche Streben mit einer möglichsten Anniherung an das
unerreichbare Ideal sich begnügen muss.
Vor allem ist anfechtbar das bisherige System der zufälligen, d. h. der
im Verlaufe eines Tonstücks nötig werdenden Versetzungszeichen, da
es Konsequenz und Einheitlichkeit durchaus vermissen lässt und den
Anforderungen der Praxis in keiner Weise genügt. Beweis:
l ) Angesichts der mannigfachen erfolgloten bisherigen Versuche zur Verein-
fachung des Notensystems möchten wir es nicht unterlassen, obige Arbeit Musikern
und Verlegern warm zu empfehlen. Der Reformvorichlag Capellens ist bis jetzt
unseres Wissens der einzige, der ohne Zelchenlnderung und ohne Antastung des
gebräuchlichen Noten- und Linienbildes die angestrebte grosse Vereinfachung erzielt.
Anm. d. Red.
1*
DIE MUSIK HL 13.
1. Zur Versetzung bezw. Wiederherstellung der ursprünglichen C-dur Tonstufen
sind nicht weniger als 8 Zeichen nötig, nlmlich: ft, J>, b, *, [^, |ß v $, (^!
2. Je nach den Tonarten wird zur Erhöhung bald j}, bald ty oder x, zur Er-
niedrigung bald Jj, bald ^ oder \fr verwendet!
3. Nach einem Doppelzelchen bedienen sich manche Komponisten des ein-
fachen statt des doppelten t) zur Wiederherstellung des Stammtones.
4. Zur halben Widerrufung der Doppelzeichen wird bald t)| bezw. typ, bald ein-
fach H bezw. [j gesetzt
5. Auch nach vorgezeichnetem* |4?) ,werden fisis, cisis usw. (bb, eses usw.)
durch ein Doppelzeichen gefordert, statt durch ein einfaches $ty) oder umstindlicher
durch t^x (sfy>).
6. Die Erhöhung eines b-Tones in einen Kreuzton gleicher Stute, wie umgekehrt
die Erniedrigung eines Kreuztones in einen b-Ton gleicher Stufe wird meist einfach
durch flp) angezeigt, statt konsequent durch t|jt(typ). Beispiele: \>g . . . tyg, tyg . . . frg.
7. Es herrscht keine Obereinstimmung darin, ob der Taktstrich die ursprüng-
lichen C-dur Töne wiederherstellt oder ob die Versetzungen noch über den Takt-
strich hinaus gelten, also besonders widerrufen werden müssen.
8. Man findet nicht selten bei Modulationen einen Ton mit einem Vorzeichen
im Sinne der neuen Tonart versehen, obwohl er im Sinne der vorgezeichneten Tonart
wesentlicher Ton (Hauptton) ist; z. B. ein Satz steht in As-dur und moduliert nach
A-dur, es soll f gegriffen werden (Hauptton in As-, Nebenton in A-dur). Das f be-
kommt ein t) vorgesetzt, obwohl dieses t| nach der Vorzeichnung überflüssig ist
0. Die Kompliziertheit des modern-chromatischen Notenbildes infolge der
Häufung von Vorzeichen, namentlich bei Sekundintervallen, die mit dieser Kom-
pliziertheit verbundene Unübersichtlichkeit, Lese- und Denkschwierigkeit ist die stete
Qual des Künstlers und Dilettanten (s. unten Fig. 3).
10. Dazu kommt das Weiterwirken der Versetzungszeichen im selben Takt trotz
der Erfahrung von dem hluflgen Versagen des Gedlchtnisses.
11. Der Komponist Hüft fortwährend Gefahr, ein Versetzungs-, namentlich ein
Wiederfaerstellungszeichen, zu vergessen. Der Zeitverlust, den eine genaue Revision
von Manuskript und Korrektur in dieser Beziehung verursacht, ist eine höchst un-
liebsame, geisttötende Zugabe.
12. Die Versetzungszeichen selbst bedeuten im Verhältnis zum Notenduktus
eine Raum- und Zeitverschwendung; denn einmal erfordern £ und |f nicht weniger
als 4 Striche, während zur Note handschriftlich nur 2 oder 3 nötig sind; sodann
können jj, ij, \> wegen ihrer Höhenausdehnung ^ nicht einmal bei Quart- oder Quint-
intervallen unter einander gesetzt werden.
13. Endlich wird das Transponieren durch das bisherige Versetzungssystem
sehr erschwert, da fortwährend Vorzeichen vor den Noten geändert werden müssen,
um für die höhere oder tiefere Tonart zu passen.
So sind wir in der Aufzählung der Mängel des bisherigen Ver-
setzungswesens bis zur Unglückszahl 13 gekommen. Auch der ein-
gefleischteste Gewohnheitsfanatiker wird sich den unleugbaren Tatsachen
nicht verschliessen können. Hier ist wirklich eine Reform dringend not-
wendig. Um auf diese vorzubereiten, seien nunmehr die Möglichkeiten
angegeben, wie ohne Änderung des Noten- und Linienbildes die Tonarten
in Beziehung zur Grundtonart C-dur gesetzt werden können.
C APELLEN: EINHEITLICHKEIT DER ZEICHEN
I. Totale Unselbständigkeit der Tonarten.
Das ist mit kurzen Worten die Charakteristik der üblichen absoluten,
d. h. alle Tonarten auf C-dur beziehenden und demgemäss die Tonver-
setzungen handhabenden Methode. Nicht nur für die wesentlichen, die
Tonart-Vorzeichen, sondern auch für die zufälligen Versetzungszeichen
ist C-dur als Grundtonart allein massgebend. Zwar wird durch die
Heraussetzung der wesentlichen Versetzungszeichen das Abhängigkeits-
verhältnis verwischt, indem die Stufenfolge in allen Dur-Haupttonleitern
das gleiche Aussehen hat, wie die Gegenüberstellung in Fig. 1 zeigt:
Fig. 1.
i
C-dur
m
2
-&+-9&~
"JBL
Ä
6
8
E-dur
■I Q ft i fr
Z£
~6Mr
[Zü
6
8
As-dur
rft#*
m
2£
-&•
2£
ZZL
6
8
Hier ist die Qualität der 7. Stufe als steigenden Leittones in E-dur
der Note und dem Notennamen scheinbar ebenso ureigen (immanent) wie
in C-dur, desgl. die Qualität der 4. Stufe als fallenden Leittones in As«
wie in C-dur. Diese Immanenz enthüllt sich aber sofort als Akzidenz,
wenn 7 erniedrigt und 4 erhöht wird : In C-dur erscheint dann b & = hes
(b) bezw. in E-dur! ty o = d, ferner in C-dur % * «= fis bezw. in As-dur
\ o == d. Offenbar ist dieses d seiner Notierung und seinem Namen nach
ein wiederhergestellter C-durton; dann stellen sich aber dis und des
lediglich als Ableitungen dieses Stammtones dar. Auch wird in E-dur
die Erhöhung, in As-dur die Erniedrigung der zweiten Stufe nicht durch
ein einfaches, sondern durch ein doppeltes Versetzungszeichen kenntlich
gemacht, wiederum Beweise, dass die Tonartvorzeichen nur scheinbar als
wesentliche! in Wirklichkeit aber als zufällige Bestandteile der Töne auf-
zufassen sind. Demnach hat im bisherigen Tonsystem die Heraussetzung
der Vorzeichen nur die Bedeutung einer Ersparung der steten Wieder-
holung vor jeder Note, also einer rein handwerksmässigen Erleichterung.
Dieser Zustand zieht als letzte Konsequenz die Alleinherrschaft der
C-dur Tonart und die Aufhebung des Unterschiedes zwischen wesentlichen
und zufälligen Versetzungszeichen nach sich; denn wie kann man noch
von verschiedenen selbständigen Tonarten reden, wenn alle Töne der-
selben fortdauernd von C-dur aus, also absolut, bestimmt werden?
6
DIE MUSIK III. 13,
Die Einheitlichkeit dieses Verfahrens wird durch die Opferung der
Symmetrie der chromatisch-enharmonischen Tonleitern erkauft, wie die
Vergleichung folgender Skalen-Ausschnitte beweist:
Fig. 2.
i
C-dur
fr— H » 1» f g
E-dur
As-
Die Markierung der korrespondierenden Versetzungen ist hier nichts
weniger als übereinstimmend, trotz gleicher Intervallverhältnisse in allen
Tonarten! Wie sehr dieser am meisten bei den Sekunden auffallende
Übelstand das Transponieren erschweren muss, ist ohne weiteres klar.
IL Totale Selbständigkeit der Tonarten.
Das Ideal der tonalen Schreibweise ist die alleinige Verwendung von
C-dur in dem neuen Sinne, dass von dort aus alle anderen Tonarten
durch eine mechanische Verschiebung der ganzen Klaviatur und ihre
Einstellung auf andere Toniken als c gewonnen werden, wie bei dem En-
harmonium von Tanaka. (Man denke auch an die Stimmbögen bei Hörnern
und Trompeten!). Durch dieses mechanische Transponieren würde der
Forderung der musikalischen Logik, dass die Gleichheit der Verhältnisse
in allen Tonarten auch in der Gleichheit der Vorzeichnung und Ver-
setzungen zum Ausdruck kommen muss, voll entsprochen werden. Es
wurde dann E-dur etwa durch die Direktive + 4 > As-dur durch — 4
angezeigt werden, d. h. das eine Mal soll die Klaviatur um 4 Halbtöne
nach oben, das andere Mal um 4 Halbtöne nach unten vom Nullton c
aus verschoben werden. Das Maximum der Verschiebung wäre -f- 6 und
— 6 für Fis- und Ges-dur. Bei diesem Verfahren würde jede Tonart auf
sich selbst bezogen und gleichen Rang neben C-dur behaupten; vor allem
wären sämtliche Haupttöne jeder Tonart ohne Vorzeichen. Zugleich wäre
damit das Transponierproblem für Klaviaturen auf die einfachste und
bequemste Weise gelöst. Leider sind die technischen Schwierigkeiten
eines solchen Mechanismus bisher nicht überwunden und möglicherweise
überhaupt nicht gänzlich zu überwinden. Aber selbst wenn dies einmal
geschehen sollte, so würde doch bei der Verschiedenheit der Instrumente
eine einheitliche Durchführung der C-dur Notierung nicht möglich sein,
jenes Problem also bestehen bleiben.
CAPELLEN: EINHEITLICHKElTj;DERIZEICHENj
III. Partielle Selbständigkeit der Tonarten.
Mit dieser dritten Methode betreten wir die goldene Mittelstrasse,
die uns hoffentlich zum Ziele führt. Wir nehmen die variable Tonart-
vorzeichnung und ihre absolute Bestimmung als notwendiges Übel hin,
schon deswegen, weil ja auch die Tonnamen auf -is und -es auf die Grund-
tonart C-dur bezogen sind und eine Beibehaltung des Bestehenden mög-
lichst zu erstreben ist. Die Heraussetzung der Vorzeichen gewinnt aber
jetzt für die jeweiligen Tonarten eine andere Bedeutung wie bisher, indem
jene Vorzeichen als unauflösliche Bestandteile der davon betroffenen
Noten und Töne gelten, somit die Akzidenz sich zur Immanenz verdichtet.
Nunmehr sind die Skalen in Fig. 1 nicht nur äusserlich, sondern auch
ihrem Wesen nach gleich, d. h. alle Tonleitertöne sind wirkliche Haupt-
und Stammtöne : die Leitsepte in E-dur ist nicht mehr # * (d-is), sondern
o (dis), die Leitquart in As-dur nicht mehr t? o (d-es), sondern & (des),
ebenso wie h bezw. f in C-dur. Indem jetzt nur die jeweiligen Tonart-
vorzeichen im Sinne von C-dur, die zufälligen Versetzungen aber im
Sinne jener Tonartvorzeichen bestimmt werden, tritt der absoluten
Methode die relative gegenüber, gemäss folgender Regeln:
1. Haupttöne der jeweils vorgezeichneten Tonart bleiben stets ohne Zeichen,
auch nach vorangehender Versetzung im selben Takt. Alle Wiederberstellungs-
zeichen fallen also fort. Der tonalisch sehr wichtige Vorteil dieses Verfahrens ist,
dass die Haupttöne sich jederzeit scharf von versetzten Haupttönen (Nebentönen)
abheben, Auge und Geist also für das Wesentliche eingestellt bleiben. Zugleich
fällt die Ungereimtheit fort, dass vorausgegangene nebensächliche Veränderungen die
Macht haben sollen, die Haupttöne auszulöschen.
2. Jede Veränderung von Haupttönen der jeweils vorgezeichneten Tonart wird
stets von neuem angezeigt, auch im selben Takt Damit wird die Inkonsequenz
des Weilerwirkens unwesentlicher Versetzungszeichen (Fig. 2) endlich beseitigt. Die
Unbequemlichkeit der Häufung von Zeichen bei Tonfolgen gleicher Versetzung wird
reichlich aufgewogen durch die Verminderung von Versetzungszeichen bei chroma-
tischen Akkordfolgen, wie in Fig. 3:
Fig. 3.
Während hier nach der alten Methode '25 Versetzungszeichen erforderlich sind, würde
sich nach der neuen Methode ihre Zahl auf 14, also fast bis auf die Hllfte vermindern,
da ja nach Regel 1 die Haupttöne stets ohne Zeichen bleiben, alle ty daher fortfallen
würden.
3. Alle. zufälligen Versetzungen von Haupttönen der jeweils vorgezeichneten Tonart
werden durch ein einziges Zeichen ausgedrückt; damit wird das überall in der Natur
herrschende Prinzip der Ökonomie auch in der Musik zur. Geltung gebracht. Ober-
8 a
DIB MUSIK IIL 13.
haupt ist nicht einzusehen, weshalb ein und derselbe Ton oder zwei analoge Töne
(wie die Septime g und die Sekunde h in a-moll) in bezug auf Erhöhung bezw. Ver-
tiefung ungleichmassig behandelt werden sollen. Welches ist nun das neue Einheits-
zeichen für die Versetzung? Kein neues, sondern ein bereits vorhandenes, praktisch
erprobtes Zeichen: das „Doppelkreuz*, hinfort kurier und besser „Kreuz" zu nennen.
Die Regeln für die neue Kreuzschrift sind sehr einfach:
a) Der Note unmittelbar nachgestellt (auch vor einen etwalgen^Verllngerungs-
punkt tretend) bedeutet das Kreuz eine einfache Erhöhung, der Note unmittelbar vor-
gesetzt aber eine einlache Erniedrigung eines Haupttones der jeweils vorgezeichneten (I)
Tonart Der Gedankenverknüpfung des »Hoch" mit „Rechts" und des »Tief" mit
»Links" bei Klaviaturen wird hier plastisch Ausdruck verliehen.
b) Damit das Kreuz neuen Stiles vor der Note infolge seiner vom alten Kreuz
abweichenden Wirkung nicht stört und damit bei gleichstunden Notenfolgen jederzeit
die Stellung des Kreuzes rechts oder links deutlich unterscheidbar ist, wird das vor-
gesetzte Kreuz im Stich und Druck schleifenförmig gezogen: 2£, zugleich als Reminis-
cenz an p als bisher typisches Erniedrigungszeichen. Handschriftlich unterbleibt diese
Unterscheidung, da die unmittelbare Annlherung oder Verbindung des Kreuzes mit
der Note (event Raumlassung) sinnfällig genug ist, um Verwechslungen auszuschüeesen
(cf. auch unten c().
c) Die bei der relativen Methode sehr seltene Doppelversetzung von Haupt-
tönen der jeweils vorgezeichneten (I) Tonart (in C-dur z. B. flsis oder heses, in E-dur
entsprechend aisis oder des, in As-dur dls oder geses) wird durch zwei verbunden 1
neben einander gestellte Kreuze bezeichnet
d) Statt mehrerer verbunden über einander gestellter Kreuze kann das Kreuz
als »Grosskreuz" durchgezogen werden; z. B. können in der Harmoniefolge:
fi
die drei p durch ein'einziges, die drei Notenrlume umfassendes Kreuz ersetzt werden.
Wir kommen damit zur Beantwortung der Frage, weshalb unter den
vorhandenen Versetzungszeichen dem »Doppelkreuz" der Vorzug zuteil wurde,
künftig als einheitliches Versetzungszeichen zu dienen. Die Gründe sind
folgende :
a) Das erwähnte Kreuz ist zugleich mit dem Doppel-b unter allen Versetzungs-
zeichen das relativ seltenste, muss dsher am wenigsten gewohnheitsmlssigen Gedanken-
assoziationen konträr sein, zumal bei Rechtsstellung zur Note bezw. bei Scblelfenform
vor der Note.
b) Das Kreuz ist unter allen Versetzungszeichen (mit Ausnahme von (?) das
kürzeste und bequemste, bedeutet also eine erhebliche Raum- und Zeitersparnis.
c) Das Kreuz ist unter allen Versetzungszeichen das einzige, das durch seine
Anpassung an die Grösse der zugehörigen Note und durch seinen diagonalen Schnitt-
punkt genau den Sitz der Note anzeigt. Handschriftlich kann es daher eine versetzte
Viertel-, Achtel- usw. Note symbolisch vertreten, indem der Notenstrich rechts bezw.
links die Fortsetzung der Diagonale bildet (mit ihr in einem Zuge verbunden wird).
d) Das Kreuz ist das einzige Versetzungszeichen, das mit sich selbst über-
und nebeneinander (schräg oder wagerecht) verbunden werden kann, ohne die An-
schaulichkeit zu stören: ££ (wichtig bei Terzen, falls nicht ststt der Übereinander"
9
CAPELLEN: EINHEITLICHKEIT DER ZEICHEN
Schichtung ein Grosskreuz beliebt wird), x* (wichtig bei Sekunden), S# (Doppelkreuz
neuen Stiles).
Ich denke, diese Vorzüge des Kreuzes sind einleuchtend. Die oben
aufgeführten dreizehn Mängel des bisherigen Versetzungssystems gibt es
nicht mehr, wenn das Kreuz nach den neuen Regeln verwendet wird. Die
Kalamität des Vergessens von Zeichen ist durch die ersten beiden Regeln
so gut wie beseitigt. Der Hauptvorzug der neuen Methode ist aber die
durch die Einheitlichkeit der Bezeichnung ermöglichte Symmetrie aller
chromatisch-enharmonischen Tonleitern, die nunmehr von allen zwölf Ton-
stufen aus ganz gleichmässig zu bilden sind. So erhalten die chromatischen
Skalen der Fig. 2 folgendes einheitliche Aussehen :
Fig. 5. o
*+ **
Den gleichen Intervallverhältnissen in allen Tonarten entsprechen jetzt der
musikalischen Logik gemäss gleiche Notierungen der Stammtöne und der
versetzten Töne; nur die Tonartvorzeichnung behauptet nach wie vor ihre
Verschiedenheit. Ausdrücklich sei bemerkt, dass das Kreuz neuen Stils
nur zur Kennzeichnung der zufälligen Ton Versetzungen dient, dass da-
gegen die alten Zeichen % (,fis*) und t> („b") zur Markierung der wesent-
lichen Versetzungen, d. h. der Tonartvorzeichen oder zur nackten (von
Harmonie und Tonalität losgelösten) Tonnotierung bestehen bleiben, ebenso
wie die üblichen Namen der Töne. In denselben Fällen wird das Doppel-
kreuz alten Stils durch zwei verschmolzene Fis-Zeichen (mit drei Abstrichen
und zwei verlängerten Querstrichen) ersetzt, so dass eine Verwechslung
mit dem Kreuz neuen Stiles nicht eintreten kann.
Die Durchbrechung des Prinzips der Einheitlichkeit durch die Über-
nahme der alten Versetzungszeichen in die neue Tonschrift empfiehlt sich
aus folgenden Gründen:
a) Dass diese Zeichen zum alten Eisen geworfen werden, ist schon wegen der
vorhandenen Literatur unmöglich.
b) Durch das Nebeneinanderbestehen von {}, |? und X> JX tritt der Unterschied
von Immanenz und Akzidenz deutlich in die Erscheinung. Wie die Silben »is und
-es mit den Tonbuchstaben eng verbunden sind (eis statt c-is, es statt e-es, as statt
a-es), so gelten auch die Tonartvorzeichen \ und ^ als untrennbare Bestandteile der
davon betroffenen Noten, während X und 9$ dle lose Verbindung anzeigen.
c) Die gebräuchlichen Namen (äs, b, flsis, heses usw.) müssten bei Wegräumung
der damit verknüpften Versetzungszeichen gleichfalls geändert werden. Dazu liegt
um so weniger ein Grund vor, als sich die alten Benennungen vorzüglich als
Sammelnamen für die jetzt mögliche 9ftche tonale Bedeutung ein und derselben
Tute eignen. So kann die Taste g wie folgt verstanden werden:
1. als g, Hauptton z. B. in C-dur;
10
DIE MUSIK III. 13.
2. als fls)£ (,fls-Ki*uz Ä ), Nebenton i. B. in E-dur «-= erhöhte Sekunde, dt die
Hauptsekunde nach der Vorzeichnung fls ist (diesem fisX entspricht in C-dur d}C);
3. als 5€gi« (»Kreuz-gis« oder noch besser ,Ix-gis" zu nennen cf. S. 8b oben),
Nebenton z. B. in E-dur = Mollterz (analog X* in C-dur);
4. als gesX» Nebenton z. B. in Ges-dur =s erhöhte Tonika (analog cX In C-dur);
5. als 5€as (»Ix-as"), Nebenton z. B. in Ges-dur = erniedrigte Sekunde (analog
3Cd in C-dur);
6. als flsis, Hauptton z. B. in Gis-dur;
7. als asas, Hauptton z. B. in Eses-dur;
& als Ott (»f-Doppelkreuz«), Nebenton z. B. in C-dur = doppelt erhöhte Quart
(nur modulierend gebraucht);
9. als ttCa (»Doppel Ix-a«), Nebenton z. B. in B-dur = doppelt erniedrigte
Leitsept (nur modulierend gebraucht).
Diese sämtlich möglichen Bedeutungen werden vom Sammelnamen g umfasst.
Die alte Methode kann in allen Pillen nur Sammelnamen gebrauchen, da ihr für ein
und dieselbe Tonhöhe höchstens drei Benennungen zu Gebote stehen, die in allen
Tonarten unrerindert bleiben. Hier würde Notenbild und Name der Taste g sich
entsprechend so gestalten:
Fig. 6.
1. 2. 3. 4. 5. 6.
asas
asas
Dass hier dem sechsfach verschiedenen Notenbilde nur eine dreifache Benennung
gegenübersteht, ist ein Mangel; denn die tonale Bedeutung z. B. des g sub 1,3,4 ist
doch nicht die gleiche, vielmehr ist g sub 1 Hauptton, sub 3 und 4 aber Nebenton,
der das eine Mal durch Erniedrigung, das andere Mal durch Erhöhung eines Haupt-
tones entstanden ist — Unterschiede, welche die neue Schrift genau anzuzeigen ver-
mag, da sich dort Notenbild und Name vollständig decken.
d) Häufig sind die bisherigen Sammelnamen der Töne allein berechtigt. Bedeuten
die folgenden nackten Buchstaben Durdreiklänge, die Buchstaben mit o Molldreiklänge
und zwar sämtlich Grundstellungen, so würde in der Akkord folge: C-G-C-Fo-C-G-C
die Mollterz im F-Klange zwar weiter nichts als eine alterierte Durterz, also Nebenton
In C-dur sein. Dsgegen würde das as in der Folge: C-G C-As-Fo-G-C zweifellos als
Hauptton der vorübergehend berührten As-dur Tonart gehört werden.
In beiden Fällen wird nach Massgabe der Tonartvorzeichnung das as
durch ein zufälliges Versetzungszeichen gewonnen. Ein solcher Konflikt zwischen
Notierung und harmonisch-akustischer Auffassung findet sich auch bei der Dominant-
terz in Moll (gis in a-moll). Diese Terz ist nämlich nicht, wie es nach der Moll-
vorbezeichnung scheint, Nebenton, sondern Hauptton, wie hier nicht näher aus-
einanderzusetzen ist. Jedenfalls beweisen diese Fälle, dass wir innerhalb ein und
derselben Tonart die Sammelnamen statt der genaueren Bezeichnungen gebrauchen
dürfen, d. h. in C-dur „as* ststt „Ix-a*, in a-moll „gis" statt „g-Kreuz*.
11
CAPELLEN: EINHEITLICHKEIT DER! ZEICHEN
Soviel über die Beibehaltung der bisherigen Versetzungszeichen und
Tonnamen! Der Übergang vom Alten zum Neuen muss durch diese Kon-
servierung bedeutend erleichtert werden. Eine Verwechslung beider
Schriftformen ist unmöglich, da die neue Schreibweise durch Stellung,
Duktus und ausschliessliche Verwendung des Kreuzes als zufälligen Ver-
setzungszeichens ein charakteristisches Gepräge erhält, so dass der Leser
sofort sieht, ob das Tonstück im alten oder neuen Stile notiert ist.
So bleibt denn als Bollwerk der bisherigen Tonschrift nur die lange
Gewöhnung an dieselbe. Wenn man aber weiss, dass die gebräuchlichen
Versetzungszeichen früher ganz abweichend verwendet wurden, dass tj vor
f den Ton fls, t> vor f aber den Ton fanzeigte, dass noch bis ins 18. Jahr-
hundert hinein \> das Auflösungszeichen des $ und ü oder \ das Auflösungs-
zeichen des fy war (s. Riemann, Musiklexikon »Versetzungszeichen"), so
folgt daraus die Vergänglichkeit alles Bestehenden und die Möglichkeit,
dass sich die Welt auch an die neue Kreuzschrift gewöhnen wird, zumal
ja das Kreuz in der Praxis bereits bewährt ist.
Nicht nur das bisherige Versetzungswesen, sondern auch die Schlüssel-
lehre lässt Einfachheit und Einheitlichkeit schmerzlich vermissen. Wir
finden nicht nur je nach dem Instrument diesen oder jenen Schlüssel
» 9> Z * u ' verschiedenen Linien ) vorgezeichnet, sondern auch auf dem
von ein und demselben Instrumente benutzten Doppelliniensystem zwei
verschiedene Schlüssel (meist fe und 9). Sollte es wirklich nicht mög-
lich sein, mit dem Violin- und Bassschlüssel als den am meisten ver-
wendeten Signaturen auszukommen und den Aussterbungsprozess der
C-Schlüssel zu beschleunigen, sollte bei Klavier, Orgel und Harfe nicht
ein einziger Schlüssel für beide Systeme (entweder fe oder 9) aus-
reichen können, wie ja auch für die gebräuchlichen Tonleitern jt und t> in
der Vorbezeichnung ausreicht ? Ohne weitere historische oder theoretische
Erörterungen über die Schlüsselfrage sei hier sofort ein Mittel für ihre
Lösung angegeben. Wie bei den zufälligen Versetzungszeichen, lautet die
Parole: Relativ statt absolut wirkende Zeichen! Bisher wurde 8 vt
nur als zufällige Versetzung verwendet und bezog sich stets auf die
normale Oktavlage, die durch Aufhören der Schlangenlinie oder durch
ein loco-Zeichen wiederhergestellt wurde. Auch hier also Alleinherrschaft
und starre Abhängigkeit! Wie wäre es aber, wenn wir ebenso wie die
Tonartvorzeichen auch die absolut zu bestimmende Oktavlage voransetzten,
12
DIE MUSIK III. 13.
im Verlaufe des Tonstücks aber die veränderten Oktavlagen relativ, d. h.
in bezug auf die vorgezeichnete Lage, bestimmten? Der Vorteil wäre
enorm; denn ein und dasselbe im Violin- oder Bassschlüssel notierte
Tonstuck könnte je nach der Oktavvorzeichnung in verschiedener Höhen-
lage abgespielt und diese letztere zur Vermeidung von überzähligen (mehr
als 2 oder 3) Hilfslinien durch ein verändertes Oktavzeichen relativ erhöht
oder vertieft werden, ohne dass der Schlüssel selbst und damit die
Notenbedeutung sich änderte. Um dieses Prinzip praktisch zu ver-
wirklichen, bedarf es einfacher, leicht fasslicher Oktavzeichen. Ich schlage
folgende Neuerungen vor:
1. Ist kein Zeichen oder X (eine oben und unten offene Acht) vorangestellt, so
ist die normale (effektive) Oktavlage gemeint Die im Verhältnis zu dieser nächst
höhere und nächst tiefere Oktavlage wird durch die Vorzeichnung V bezw. A ver-
langt, die zweithöhere und zweittiefere durch >C bezw. X» erforderlichenfalls die dritt-
höhere und dritttiefere durch X bezw. Jf.
2. Im Verlaufe eines Tonstücks bedeutet V und A die einfache Oktav-Erhöhung
bezw. -Erniedrigung der vorgezeichneten Lage, während X deren Wiederherstellung
anzeigt (das letztere Zeichen enthält zugleich ein V als ersten Buchstaben des Wortes
»Vorzeichnung"). So wird bei vorgezeichnetem A die nächst höhere (-= der effektiven
Lage) hergestellt durch V> die tiefere dagegen durch A » desgl. bei vorgezeichnetem
V die nächst höhere Lage durch y, die nächst tiefere (— der effektiven Lage) durch A-
3. Jedes Oktavzeichen gilt, auch ohne die übliche umständliche Schlangenlinie,
bis zur Abänderung durch ein folgendes. In dieser Hinsicht verhalten sich die
zufälligen Versetzungszeichen abweichend, da sie auch im selben Takt stets wieder
von neuem angezeigt werden, so dass Wiederherstellungszeichen fehlen. 1 )
Damit sind die Wege geebnet für eine ganz bedeutende Vereinfachung
der Partituren. Dass die Partituren, die zwar jedem einzelnen Instru-
ment, nicht aber dem Leser Rechnung tragen, eine verständlichere Sprache
reden als bisher, wäre im Interesse der Komponisten, Dirigenten, Kunst-
freunde und Verleger sehr zu wünschen. Sollten Musiker hier einwenden,
dass ihnen das Ablesen auch moderner Partituren mit ihren oft mehr als
20 Liniensystemen keine Schwierigkeiten mache, so vergessen sie, welche
unermüdliche geisttötende Übung dazu gehört hat, um Auge und Geist zur
augenblicklichen Beherrschung so vieler Systeme, Schlüssel und Stimmungen
geschickt zu machen. Unsere Zeit drängt dahin, alles Zunftmässige in der
Kunst zu beseitigen, ihre Exklusivität aufzuheben durch Auslieferung ihrer
Geheimnisse und Heiligtümer an die empfängliche, begeisterungsfähige
Aligemeinheit. Mit dieser Zeitrichtung hängt das Streben, das Technisch-
Handwerksmässige möglichst einfach, einheitlich und rationell zu gestalten,
*) Ein über oder unter die Tonart- oder Schlüsselsignatur gesetztes (s. Fig. 7)
oder der Klammer vorgestelltes Oktavzeichen gilt auch bei etwaiger Wiederholung an
gleicher Stelle bei neu anfangender Zeile als Vorzeichnung, nimmt also an der
sonstigen Relativität der Oktavzeichen im Verlaufe des Tonstücks nicht teil.
13
CAPELLEN: EINHEITLICHKEIT DER ZEICHEN
aufs engste zusammen. Das Ideal wäre in der Tat, dass die Partituren~in
gleicher Weise Gemeingut aller Gebildeten würden wie die Aufzeichnungen
der übrigen Künste, dass in den Regalen der Hausbibliothek neben Shake-
speare, Goethe und Schiller auch Beethoven, Mozart und Wagner an-
getroffen würden. Dieses auch für die Verleger' höchst willkommene Ziel
ist nur erreichbar, wenn alle Instrumente in der effektiven Tonart, wie
sie durch die Streichinstrumente und Bässe angezeigt wird, mittels eines
einheitlichen Schlüssels notiert werden. Das anstrengende unablässige
Aufmerken auf die verschiedenartigen Schlüssel im Beginn und Verlauf
eines Tonstückes, auf die bunte Reihenfolge der Stimmungen und Spezial-
tonarten der Instrumente fiele dann von selbst fort, der Komponist würde
sich freier fühlen und auch dem Kunstfreunde wäre geholfen, da er nun-
mehr ohne das trockene und zeitraubende Studium einer Instrumentations-
lehre den flüchtigen Konzertgenuss durch eine verständnisvolle Lektüre der
Partitur vertiefen könnte. Aber kommen bei dieser Vereinfachung nicht
die ausübenden Musiker zu kurz? Soweit sie transponieren, gewiss! Nun
sind wir aber durch unsere Neuerungen in die glückliche Lage versetzt,
für die ausgeschriebenen Stimmen die transponierende Schreib-
weise beibehalten zu können, ohne durch die Nichtübereinstimmung
mit dem Notenbilde der Partitur den Dirigenten und den Kopisten in eine
missliche Lage zu bringen; denn wegen der Symmetrie aller chromatisch-
enharmonischen Tonleitern muss ja auch bei transponierenden Instrumenten
die ausgeschriebene Stimme, abgesehen von der fortlaufend gleichen Noten-
distanz, ganz dasselbe Aussehen haben wie " die Originalstimme in der
Partitur ! Das Ausschreiben würde daher für den Kopisten auch fernerhin
eine leichte, fast mechanische Arbeit sein, indem er die neue Kreuzschrift
auch in die Stimmen zu übertragen hat.
Auch aus den ausgeschriebenen Stimmen gänzlich vertilgen möchte
ich dagegen alle C-Schlüssel, da diese bei Singstimmen, Viola, Violoncell,
Fagott, Posaune vollständig durch die neuen Oktavzeichen ersetzbar sind,
somit kein Grund vorliegt, weshalb die höchst erstrebenswerte Einheitlich-
keit des Schlüssels durch jene antiquierten Gebilde durchbrochen werden
soll. Schon der Vorteil, dass Violinisten eventuell hinfort die Bratsche
übernehmen können, ohne durch deren vom Standpunkt des Violinschlüssels
aus hieroglyphische Notierung gestört zu werden, ist hoch anzuschlagen.
Als Einheitsschlüssel wählen wir natürlich den am meisten verwendeten,
somit geläufigsten:
$
Für die Gestaltung der Einheitspartitur diene folgende beispiels-
weise Zusammenstellung von Instrumenten zur Erläuterung:
14
DIE MUSIK 111. 13.
Fig. 7.
Plauto plcc.
Fltuto
Contrafag.
Corno in C
Violoncello eBasso
Hier ist ein und derselbe Ton bald in^der normalen Oktavlage (Flöte),
bald in der nächst höheren oder tieferen (Piccolo-Horn), bald in der zweit-
tieferen (Violoncelli bald gar in der dritttieferen Oktavlage (Kontrafagott
und Kontrabass) abzulesen. 1 )
Die Erleichterung des Partiturenlesens ist jetzt wirklich ganz bedeutend,
da die richtige Einstellung der Oktavlage der nach dem wirklichen Klange
fixierten Noten viel weniger beschwerlich ist, als die Entzifferung der nach
Tonsitz und Tonbedeutung unterschiedenen Noten. Zugleich gestattet die
Einheitspartitur dem Komponisten eine grosse Kürze und Bequemlichkeit ;
denn bei der Gleichheit des Schlüssels und der Tonartvorzeichen in allen
Instrumenten ist die Wiederholung dieser Signaturen vor jedem Linien-
system der Partitur überflüssig und genügt die Vorzeichnung bei Beginn
des Tonstücks. Wird doch auch die Taktvorschrift üblicherweise nicht
wiederholt! Die Wiederholung der Zeichen ist nicht nur unbequem,
sondern auch unlogisch, da sie der Taktfortschreibung, wie sie bei endloser
Zeile sein würde, widerspricht. Vollends falsch ist aber die Wiederholung,
wenn ein Takt zur Hälfte auf die endende, zum Teil auf die neu anfangende
Zeile gesetzt wird, da hier die Wiederholung eine völlige Taktzerreissung
bedeuten würde. Im Anschluss hieran ist noch auf einen alten Zopf hin-
zuweisen, der beseitigt zu werden verdient: die Auflösung der alten Ton-
artvorzeichen beim Übergang zu einer neuen Tonartvorzeichnung. Wes-
halb diese Umständlichkeit, da die Auflösung doch selbstverständlich ist?!
') Allenfalls kann neben dem Violinschlüssel auch der B a s s Schlüssel bei-
behalten werden als nächst geläufigste Signatur. Kontrahgott und Kontrabass würden
dann mit X notiert werden und an Stelle dieses Zeichens würde beim Cello JC treten,
zur Anzeige der effektiven Höhenlage der Töne.
15
C APELLEN: EINHEITLICHKEIT DER ZEICHEN
Zudem verfahrt die Praxis nicht einmal konsequent, da in einem cyklischen
Werke ein neuer Satz in eine veränderte Tonart ohne jene Auflösung
hineinspringt (cf. auch S. 4 No. 6!).
Für die Übersichtlichkeit der gestochenen Einheitspartitur ist jedoch
unentbehrlich die Wiederholung der (abgekürzten) Instrumentalnamen und
der Oktavzeichen vor jeder Klammer, ferner eine ein für alle mal inter-
national festgelegte Reihenfolge der Instrumente und eine Zusammenfassung
der Holz-, Blech- und Streichinstrumente durch nur in der betreffenden
Gruppe durchgezogene, sonst aber intermittierende Taktstriche, während
die Klammer als ununterbrochene Linie vorzudrucken ist. Statt des inter-
mittierenden Taktstriches würde sich auch eine Verstärkung desselben
innerhalb der Gruppe der Blechinstrumente als praktisch erweisen. Vor
allem ist aber nötig die Heraussetzung der Tonartvorzeichen auch bei den
Blechinstrumenten (Hörnern und Trompeten). Was den letzteren Punkt
anbetrifft, so ist klar, dass Hörner und Trompeten nur dann in C-dur, also
ohne Vorzeichnung spielen* wenn die Stimmung des Instruments der
effektiven Tonart entspricht. Differieren dagegen Stimmung und Tonart,
so spielen Hörner und Trompeten nicht in (dem auch dann üblicherweise
vorgezeichneten) C-dur, sondern in einer Tonart, die um soviel höher
(tiefer), als die effektive Tonart liegt, wie die Stimmung tiefer (höher) als
C-dur ist. Steht z. B. das Tonstück in Es-dur, so spielt ein F-Horn nicht
in C-, sondern in B-dur. Das Beibehalten der C-dur Tonart hat letzteren-
falls die stete Wiederholung der Horntonart- Vorzeichen im Laufe des Ton-
stücks zur Folge, eine ebenso grosse Umständlichkeit wie unwürdige Kon-
zession an die Bläser, die um so weniger zu rechtfertigen ist, als bei
der Klarinette der Usus der älteren Komponisten, nie mehr als 1 ft oder 1 \>
vorzuzeichnen und bei Tonarten mit mehr als 2 jt oder t> die Versetzungs-
zeichen vor den einzelnen Noten zu wiederholen, längst abgekommen ist.
Mit Recht bemerkt Gevaert in seiner berühmten Instrumentenlehre ($ 80
Schluss und $ 129 Anm.): „Dieser Usus hatte seine Berechtigung zu einer
Zeit, wo Instrumente dieser Art nur in den 2 oder 3 einfachsten Tonarten
spielen konnten. Für den heutigen Standpunkt der Kunst hat es keinen
Sinn, sich darin Beschränkungen aufzuerlegen. Selbst für unsere Ventil-
hörner und Trompeten würde es nichts Unzuträgliches haben, die ganze
Vorzeichnung zum Schlüssel zu setzen." Zudem würde die Symmetrie
der chromatisch-enharmonischen Tonleitern mit der alten Methode unver-
einbar sein und dem Kopisten das Ausschreiben der Bläserstimmen aus
der Einheitspartitur bedeutend erschweren.
Zum Verständnis der Einheitspartitur würde folgende stereotype Fuss-
note genügen:
16
DIE MUSIK HL 13.
Die Vorzeichen V» X (X) fordern die nächst- bezw. zweit- (dritt-) höhere
Oktavlage der Töne, die umgekehrten Vorzeichen <A, X (JC) die nlchat- bezw
zweit- (dritt-) tiefere Oktavlage, im Verhältnis zur Normallage, die gar nicht
oder durch Jg vorgezeichnet ist. Im weiteren Verlaufe beziehen sich die ge-
setzten Oktavzeichen stets auf die vorgezeichnete Lage, deren Wieder-
herstellung durch X gefordert wird. — Auch die zufälligen (d. h. durch die
Tonartvorzeichen nicht kenntlich gemachten) Tonversetzungen beziehen sich
stets auf die vorgezeichnete Tonart und sind jedesmal durch ein einheit-
liches Zeichen: X — .Kreuz« (sehr selten durch Jtf = »Doppelkreuz 41 )
markiert, das dicht hinter der Note deren einfache (doppelte) Erhöhung,
dicht vor der Note (in Schleifenform) deren einfache (doppelte) Erniedrigung
anzeigt, gemäss dem Rechts- und Linksgefühl bei Klaviaturen. Noten ohne
Kreuz sind stets Tonleitertöne der vorgezeichneten Tonart Tonart-,
Oktav- und Taktvorzeichnung gelten fort bis zu ihrer Abänderung.
Wir haben nunmehr noch die Tragweite der Neuerungen für Instrumente
mit doppelten Liniensystemen (Klavier, Orgel, Harfe) zu prüfen. Diese
Instrumente notieren üblicher Weise im Violinbasssystem, derart, dass
regulär als Schlüssel des oberen, 9 als Schlüssel des unteren Systems
festgelegt ist. Die theoretische Grundlage dieser Methode ist das Elf-
liniensystem:
Fig. 8.
Ä
m
H9-g-
1
-— V «-C
m
Hier ist die Note auf der beiden Systemen gemeinsamen, zu fingierenden
Mittellinie das eingestrichene c. Für die Praxis ist weder die wirkliche
Ziehung dieser Linie, noch auch die Annäherung beider Systeme mit ent-
sprechender Raumlassung geeignet, weil die Obersicht leiden und das Auge
unangenehm berührt, weil ferner die Tonbestimmung der lussersten
Linien durch ihre grosse Entfernung von der tonangebenden Mittellinie
erschwert werden würde, endlich weil jener Raum anderweit (durch Vor-
tragszeichen) beansprucht wird. Es hat daher keinen Zweck, das Violin-
basssystem durch ein einheitliches C-Schlüsselsystem (mit i als Vorzeichen
der Mittellinie) ersetzen zu wollen. Vielmehr ist die übliche Trennung
und Verselbstlndigung beider Liniensysteme mit Duplizität der Schlüssel
und Quintendistanzen zwischen 9, 3, m (d. h. zwischen den Tönen F,
17
CAPELLEN: EINHEITLICHKEIT DER ZEICHEN
c*, g') vorzuziehen. Indessen ist die Nichtübereinstimmung zwischen Ton-
sitz und Tonbedeutung in beiden Liniensystemen doch ein recht fühlbarer
Mangel; um ihn zu würdigen, muss man sich in die Seele des Anfängers
hineinversetzen. Dem Anfänger wird es viel schwerer, sich an diese Dis-
krepanz zu gewöhnen, als dem Befehle der Transponierung z. B. der Noten
der rechten Hand in eine höhere oder tiefere Oktavlage zu folgen. Diese
Erwägung führte mich zur Konstruierung eines Einheitssystems mit gleichem
Schlüssel oben und unten, theoretisch gerechtfertigt durch das Zwölf-
liniensystem:
Fi * 9 ' rnflz X
IP
Der Unterschied zwischen diesem sowohl als Doppelviolin wie als Doppel-
bass zu rechtfertigenden Zwölflinien- und dem Elfliniensystem besteht darin,
dass hier der Symmetrie der Schlüssel die Übereinstimmung zwischen
Notierung und effektiver Oktavlage, dort aber dieser Übereinstimmung die
Symmetrie der Schlüssel geopfert wird. Die Oktavlage muss daher beim
Zwölfliniensystem durch X unten bezw. X oben rektifiziert werden, um
einen glatten stufenweisen Übergang von einem System ins andere zu er-
möglichen und so jeden Ton im Sinne beider verständlich erscheinen zu
lassen. Auch hier sind natürlich in der Praxis die gestrichelten Linien
fortzulassen und die beiden Systeme durch beliebige Raumlassung zu trennen
und zu verselbständigen.
Der Nutzen der Schlüsseleinheit in Verbindung mit dem neuen Ton-
und Oktavversetzungsverfahren wird durch folgende Tatsachen klar be-
wiesen :
1. Durch die mittels der Oktavzeichen ermöglichte konsequente Beibehaltung
eines und desselben Schlüssels in jedem Liniensystem wird das bisherige störende
und leicht übersehene Hinüberwandern eines Schlüssels in das ihm an sich nicht
zukommende System vermieden.
2. Das Transponieren in andere Tonarten gestaltet sich jetzt zum mühelosen
direkten Ablesen in denselben ! Zum Beweis folgendes Beispiel :
Fig. 10.
X
9
Ped. Ped. Ped.
III. 13.
18
DIE MUSIK HL 13.
Nehmen wir mit der herrschenden Praxis 7 $ und 7 [> als Durtonartengrenzen
an, mit dem Spielraum Ces-C-Cis, so kann Fig. 10 ausser in der vorgezeichneten
Originaltonart in 4, im ganzen also in 5 Tonarten abgespielt werden, nlmlich im
in A- und As-, im ^)* im C-, Cit- und Ces-dur. Der Leser wird bemerken, dass im
unteren Violin- und im oberen Basssystem die Noten zu der üblichen Notierung im
^ bezw. fc Terzdistanz haben, wie denn überhaupt immer in dieser Beziehung der
gegenteilige gebräuchliche Schlüssel vorbildlich für die Höhenlage der Töne ist
Der Einfachheit halber haben wir mit Fig. 10 ein rein diatonisches Beispiel vor-
geführt Es bedarf nach dem Vorangegangenen wohl kaum der Erwähnung mehr,
dass chromatisch-enharmonische Tonsitze mit derselben Leichtigkeit ablesbar sind,
die Notierung in der neuen Kreuzschrift vorausgesetzt Die allgemein möglichen
Transponierungen seien in folgender Übersicht zusammengestellt:
1. Je 5 Tonarten.
Ces, C, Cis; Es, E.
As, A; Ces, C, Cis.
2. Je 4 Tonarten.
»)
t>)
1?
9
i ^ :
Des, D;
F, Fis
F, Fis; As, A.
Ges, G;
B, H
B, H; Des, D.
Es, E; Ges, G.
Die Buchstaben repräsentieren die Durtonarten und zugleich die parallelen
Molltonarten (mit gleicher Vorbezeichnung). Bei 1) und 2 b) betragt der Abstand
zwischen den Violin- und Basstonarten einen (enharmonischen) Ganzton, in 2a) eine
kleine Terz. Der Komponist hat hiernach die Wahl, ob er z. B. F-dur im ^ (2 a)
oder im fe (2 b) notieren will. Erstenfalls werden die Transponiertonarten Fis £)),
Des und D ( fc ), letzterenfalls Fis ( gg )> As und A (^) gewonnen. Soweit die
Tonartvorzeichnung in einem einsitzigen oder in einem zyklischen Werke durch eine
neue ersetzt wird, wird die Wahl durch den Modulationsplan bezw. die bequeme
Transponierbarkeit durch das Auftreten von Transcis- oder -ces Tonarten allerdings
beschränkt. Handelt ea sich nlmlich darum, möglichst viele Transponiertonarten zu
erhalten, so würde, wenn sich etwa die vorgezeichnete C-dur Tonart in E-dur um-
setzte, die Notierung des C-dur im fis die Transponierbarkeit mehr behindern als
die Notierung im ±^; denn das gleichstünde Cis-dur in Tabelle 1) würde sich in
Eis-, und das ^« E-dur in Gis-dur verwandeln, entlegene Tonarten, die wegen ihrer
19
C APELLEN: EINHEITLICHKEIT DER ZEICHEN
komplizierten Vorzeichnung nicht gerade angenehm sind, obwohl die Transtonarten
theoretisch vollkommen gerechtfertigt und durch die neue Kreuzschrift in Ver-
bindung mit der Vorstellung der enharmonisch oder chromatisch gleichen Tonart
(Eis ■= P und = {{ E) praktisch erleichtert werden.
Besser wäre hier die Notierung von C-dur im ^; denn dann läge die obere
Terztonart nur für Cis-dur ungünstig.
Der praktische Wert der Transponier-Erleichterung liegt in folgendem:
a) Soloklavier- und Orgelstücke mit mehr als 3 Vorzeichen können in der
einfacheren gleicbstuflgen chromatischen Tonart mit höchstens 3 Vorzeichen ab-
gelesen werden, eine Erlösung für alle, welche die höheren Fis- und B-tonarten
scheuen.
b) Klavierbegleitungen zu Gesingen können nach Wunsch direkt tiefer oder
höher abgespielt werden, so dass eine zweifache oder gar dreifache Stiebausgabe
überflüssig wird, ein enormer Vorteil für die Verleger! Wie nlmlich die obigen
Transpositionstabellen ausweisen, bilden die iussersten Grenzionarten das Intervall
einer (enharmonischen) Quart = Ces-E, bezw. As-Cis, Des-Fis, Ges-H, im üortgen
das Intervall einer grossen Terz = F-A, B-D, Es-G. Es ist also genügend Spielraum
für die Tonarten-Verschiebung vorhanden.
c) Pldagogisch ist die Transposition wichtig zur Vergleichung von Harmonie-
und Tonfblgen in den einzelnen Tonarten und zur Feststellung der Tonarten-
charakteristik, die gerade an temperierten Instrumenten keine Illusion ist (vergl.
Hennig, Charakteristik der Tonarten).
Der Leser wolle aus Figur 10 ersehen, wie notwendig die Relativitlt der
zufälligen Oktavzeichen ist (statt der absoluten Festlegung etwa durch Umformung
der Schlüssel). Wird z. B. in Fig. 10 im unteren System eine Erhöhung der Oktav-
lage nötig, so paast das Zeichen V wegen seiner relativen Wirkung aowohl für
wie für f^\ Und so in allen Fällen der Oktawersetzungen.
Es wäre schon ein grosser Gewinn, wenn der Wert der relativen
anstatt der absoluten Notierung der Akzidentalen allgemein anerkannt
würde, auch ohne dass die neue Kreuzschrift als anscheinend glücklichste
Lösung des Problems sofort praktisch durchdränge. Möge ein inter-
nationaler Musikkongress Stellung zu diesen brennenden Fragen
nehmen, um die Schwerfälligkeit und Unternehmungsunlust gegenüber
Neuerungen überwinden zu helfen und die schwache Position des Ein-
zelnen zu befestigen! Nur dann kann der Zuruf: »In hoc signo (X)
vinces!" sich möglicherweise bewahrheiten.
2*
tll.
Leopold Godowsky.
die Technik allein tut's nicht, sondern der Geist, so mit und
i dem Kunstwerk ist Das ist gewissllch wahr I . . .
Godowsky — Edison: Die neue Welt im Gegensatz zur
en. Riesenmechanismen , Wunderkonstruktioneo , Phono-
graphen, Kinematographen ... — es wirbelt durchs Hirn. Und Alles
höchst erstaunlich, höchst verblüffend und bewunderungswürdig. Aber
darüber hinaus?? Das 20. Jahrhundert wird entscheiden: Maschinentum
oder Seelentum, Kunstton oder Individualton, Godowsky oder ??
Die .great attraction" einer gelangweilten Internationale, der die
Musik nichts als Unterhaltung, kommt hier nicht in Frage. Ich rede zu
den Gesunden und Vernunftigen, zu den Denkenden und künstlerisch
Empfindenden, zu denen, die da nicht sehen, sondern hören wollen,
nicht staunen, sondern erleben wollen. Man bleibe mir nur gegen-
standlich und nehme das .Objekt" so wie es ist unter die Lupe. So
schaue man, was hinter der technischen Blende, was an dem .Künstler"
ist. Dem .Künstler"??
Was ist's mit Godowsky? Ich bin gerecht: Der Wunderspieler hat
seinen eigenen Massstab, und ich messe zunächst mit diesem. Er ist
der Künstler der Technik, ein technischer Künstler. Zunächst:
ein wunderlicher Prlzlsionsapparat, das Phänomen eines höchst fein kon-
struierten Menschenautomaten, ein seltsam organisiertes .Doppeltem* mit
einem doppelhändigen Motor von grösster Vollendung. Es ist die Technik
der unbegrenzten Möglichkelten, der kompliziertesten Schwierigkelten.
Schwierigkeiten?? Nein, für Godowsky besteben keine Schwierigkeiten.
Das Mechanische ist spielend gelöst, der Dynamo arbeitet in tadelloser
Vollkommenheit. Es muss gesagt werden : Die Technik ist nach Inhalt
und Umfang die absolut grösste, die nach Liszt entwickelt
wurde. Keiner der Lebenden hat den Schliff und die Politur wie er, und
die Zukunft wird lehren, ob seine instrumenteilen Feinheiten je zu über-
21
BREITHAUPT: MODERNE KLAV1ERISTEN
bieten. Die Technik ähnelt im Tiefsitz mit dem ruhig im Handgelenk
hingenden und pendelnden Arm derjenigen Paderewski's. Alles ist Gewicht,
ein Balancieren des Armes, ein leichtes Tragen und Fortfuhren der Masse
von Taste zu Taste, von Ton zu Ton. Die Finger fühlen flach, bleiben
meist in absolutem Kontakt mit der Anschlagsfläche. Der Tön wird mehr
durch ein Aufsetzen und Aufschieben der Hand als durch Schlagkraft der
Finger produziert. Die Finger strecken sich im leichten Schmiss, um
federleicht unter Einbeziehung des jeweiligen Gewichts in die Tasten zu
fallen. Oder sie fühlen sich fort, schleichen, kriechen, wischen. Die
Hände gleiten, fliessen, schweben. Daher der tonale äussere Wert der
Technik, das Duftige, Zarte. Die Töne klingen, als ob sie auf Sammet ge-
polstert. Das Fünffingerwerk, die Skalen, Passagen sind wie aus Seide
gesponnen. Kein Aufschlag, keine Knochen und fingerige Härten. Alles
vollzieht sich spielend, natürlich, schier ohne Kraftaufwand, und doch mit
höchster innerer Spannung. Die kühnsten technischen Kombinationen
werden ohne viel Aufhebens wie etwas Selbstverständliches mit mathe-
matischer Schärfe gelöst. Terzenspiel, Sexten, Oktaven, Chromatik,
Sprünge, einfache und polyphone Gegenbewegungen, linkshändige Etüden,
zusammengeschweisste Chopins, perpetua mobilia (Etüde f-moll — Liszt
usw.) — alles ein spielerisches Nichts. Das Ganze hat etwas Luftiges,
Flockiges, Schmetterlingshaftes. Das gleisst wie Sommerfäden im Glitzer-
glanz der Mittagssonne, das flitzt einher wie Schwalben über die Spiegel-
fläche des Sees. Und dann: wiegende Wellen, wallende Schleier, Nebel-
klänge, Sylphiden tanzen und schweben: französische Sylphiden, elegant
und graziös! Dazwischen tropfen — Tauperlen gleich — staccati, die im
Funkellicht wie grüssend winken und blinken. Und nichts, das nicht vor-
nehm. Kein Schmachten im Mondschein, kein Ziehen und Zagen, kein
Zephyrgesäusel oder kosiges Flüstern und Flöten. Godowsky ist dezent,
ungemein bescheiden, zurückhaltend. Seine Delikatesse ist berühmt
Sein duffer Silberton ist seine Persönlichkeit. Man spricht von „Finessen*.
Aber ich meine, seine ganze Technik ist eine einzige wundervolle „Finesse":
höchst appetitlich und schmackhaft, lecker und schlecker wie eine Auster.
Fehlt nur der prickelnde Schaum in der kristallenen Schale — der
moussierende Teufel dieser Welt: der Sekt, der Sekt . . .
Setzt sich Godowsky tonal auch in bewussten Gegensatz zu der gewöhn-
lichen Trommelei und Paukerei, so will er nicht brillieren mit seiner
Technik. Ob dies kluge Berechnung oder weise Ökonomie, ich weiss es
nicht. Aber ich glaube, wenn er sich brüsten, wenn er glänzen wollte, er
könnte es; denn es scheinen ihm nicht zwei, sondern vier Hände, nicht
zehn, sondern zwanzig Finger zu Gebote zu stehen. Seine Technik ist
ein Triumph der Legerität, ein lebendiger Beweis päpstlicher Unfehlbarkeit
22
DIE MUSIK HL 13. ^f^DJ
Was das Eigengewicht der Finger nicht vermag, vermag das der Hände
oder der Arme. Das Rohe, die Brutalitäten der Anschlagskraft sind auf-
gehoben. Das Materielle technischer Akrobatik hat sich verflüchtigt. Von
Fingerschlacken und Knochen befreit entströmt dem spröden Tasten-
instrumente das flussige Edelmetall eines geläuterten Tones. Godowsky
ist der Sarasate des Klavieres. Im technischen Klavierton wird er nur
von einem erreicht, aber nicht übertroffen: von — PaderewskL 1 ) Wie
dieser vereinigt er höchste Exaktheit der Repetition mit höchster Klar-
heit und Sauberkeit, echten französischen Charme mit dem entzückend
leichten Wiener Schmiss. Wir Deutschen sind Akzentnaturen, wir bolzen
und holzen gern. Die massive Wucht schwerer Akkorde, die breitausladende
Deklamation, das Formen und Kneten des Materials, das Anpacken und
Losschlagen, das ist unsere Rasse, und Gott erhalte sie uns! Godowsky
hat leichtere Schwingen und flussigere Farben: Aquarellkunst im Gegen-
satz zur pastosen deutschen Ölmalerei. Historisch kommt mir ein Ver-
gleich: die ältere französische Schule. Die Thalberg, Kalkbrenner, Moscheies
leben auf, und ich denke an Döhler, an seine »zierliche Schwäche, elegante
Ohnmacht, interessante Blässe" (Heine). Nach ihm kam Liszt, und nach
Liszt kam Godowsky. Aber Döhler ward hinweggefegt, und Godowsky
wird — gewesen sein; denn nichts ist vollkommen auf dieser Erde. Die
Natur ist sparsam und haushälterisch, auf dass das Genie keine Markt-
ware werde, und kein Unberufener sie zwecklos verschleudere.
Godowsky*s Technik hat zwei Schwächen. Die eine ist psychologischer
Art, die andere iusserlich.
Zuvörderst: Der Ton hat keine Kraft. Es fehlt der Kern, die volle
Rundung, die klingende Wölbung. Eine flache platte Polsterfühlung muss
stets zu einem glasigen Tonprodukt kommen. Sein «Silber* ist Kaiser-
zinn, kein Vollmetall. Der Mangel an jeglicher Intensität der Muskel-
spannung erzeugt wiederum nur Farblosigkeit Wird das agogische Ele-
ment durch die Legerität des Fingerspieles, des reinen Tastenfalles, ge-
fördert, so wird der Dynamik durch eben dieselbe Legerität in der Haupt-
sache Abbruch getan. Godowsky's Fingerwerk ist matt und flach, die
Rouladen sind ohne kugelige Fülle, die Langpassagen in den mittleren
Lagen ohne Mark und durchdringenden Glanz. Seine grösste Schwäche
sind die ff- Akkorde; denn sie klingen — weil zu winklig in der Bock-
stellung der Hand durch Hochstand aufgesetzt — stechend hart und stössig.
Auch sein viel beneidetes piano ist farblos, wachsbleich, anämisch.
Anämisch, wesenlos und schemenhaft auch die Figuren, der ganze Klein-
kram chromatischer Fiorituren. Die Technik ist krystallinisch, d. h. nicht
*) Dies Urteil bezieht sich nicht auf den »heutigen", sondern den Paderewski
der „ersten Bifite".
23
BREITHAUPT: MODERNE KLAVIERISTEN
Fisch noch Fleisch. Dem ungeheuren Vorzug instrumentaler Feinheit
und Reinheit steht der ebenso ungeheure Nachteil der Modulationsarmut
gegenüber. Der Ton ist, weil ohne Saft und Kraft, ohne Blut und
Glut, nicht tragflhig. Es fehlt die Fingerenergie, die Spitzenfühlung.
Gewiss, er hat demantenen Schliff, aber er schaut aus wie böhmisch Glas.
Die Kostbarkeit der Perle liegt im matten Glanz ihrer blassen Seele, im
Perlmutterschimmer ihres traumverlorenen Inneren. Godowsky's Perlen
aber haben weder intensive Leuchtkraft noch — Seele. Sein Kunstton ist
tonlos, vielleicht ein Instrumenten vollkommener, aber jeglicher Indivi-
dualität entkleideter Ton — und seine Kantilene ist ein Singen ohne
Seele, eine Schweben ohne atmendes Leben.
Und dann das zweite: Seine Technik hat weder einen Nutzwert
noch einen Illusionswert. Die Lösung technischer Rätsel und Wunder
kommt im Wert der Lösung von Scharaden, Rösselsprüngen u. derl.
gleich. Es soll zwar Menschen geben, die an derlei Tüfteleien einige
Freude haben. Aber sie irren, wenn sie sich geistig für bedeutend halten.
Der Godowskyschen Technik fehlt das Erstaunliche, das schier Un-
begreifliche, das Wunder im metaphysischen Sinne. Nichts an ihr ist
unwahrscheinlich, Alles höchst wahrscheinlich. Ich sehe ein motorisches
Tastwerk, eine ins Riesenhafte gesteigerte Maschine, aber ich kenne ihre
Konstruktion, kenne ihre dynamische Kraft. Qder: ich blicke wie in das
komplizierte Räderwerk einer Uhr, das höchst sauber und fein. Aber ich
weiss, das eine Rad hat soviel Zacken, das andere soviel. Ich kenne die
Zahl der Umdrehungen und die Geschwindigkeiten. Das ernüchtert. Es
ist der Fluch der Selbstzwecktechnik, dass sie an sich selber zugrunde geht
Soll Technik als solche wirken, so muss sie die Kraft haben, zu täuschen,
zu gaukeln. Sie muss dämonisch sein. Hexenkunst und Automatik schliessen
einander aus. Erstere wendet sich an die Phantasie und will nichts weiter
als Spuk und Zauber. Letztere wendet sich an den kühlen Verstand, und
will nichts weiter als höchste Genauigkeit und höchste Geschwindigkeit. Jene
löst eine spontane Spannung und eine gewisse nachwirkende Erregung aus,
— diese verpufft wie Magnesium und giert und buhlt um den — Rekord.
Paganini — Liszt, Sarasate — Godowsky ! Den einen glaubte man die wildesten
und tollsten Kapricen, weil man sich nichts erklären konnte. Die anderen
hält man für sehr gescheit und glaubt ihnen auf den Ton; denn was sie
geben, ist höchst zweckmässig und steht auf Gesetzen und logischen Gründen.
Es berührt daher nicht weiter und lässt uns ruhig schlafen. Eine alte
Karikatur der Lisztschen Teufelskünste kommt mir in den Sinn: Fliegende
Finger, fliegende Hände, fliegende Arme, fliegende Haare, fliegende Rock-
schösse, — alles fliegt. Bei Godowsky fliegt nichts. Die 6galit6 kann
nichts anderes gebären als — ggalite.
24
DIE MUSIK III. la.
Bleibt die Musik and das Künstlerische. Hier messe ich mit
eigenem Mass. Zweifellos: Godowsky spielt musikalisch, sofern man
unter Musik ein feines Stricheln und Pinseln, die äussere Linienkunst,
versteht Aber Musik hat noch andere Seiten. Sie ist Klang nnd Farbe,
— das ist ihre sinnliche Seite. Sie ist auch Gliederung und Aufbau, —
das ist ihre architektonisch-plastische Seite. Sie ist ferner Ausdruck und
Temperament, tiefstes Schauen und innerstes Gestalten, — das ist ihre
seelische Seite. Ich muss sagen : Godowsky's Musik ist sehr klein und
sehr — unbedeutend. Er gibt vielleicht entzuckende Miniaturen, köst-
liche Einzelheiten von feinstem Silberfiligran, aber was will's gegenüber
dem ungeheueren technischen Vermögen besagen?! Das Musikalische
bleibt bestenfalls ein geschmeidiges, elegantes v jeu de mot". Ernstere
Gedanken, gehaltvollere Vorstellungen vermag nur taube Begeisterung
sich vorzutäuschen. Sein Spiel ist musikalisch-höfisch, glatt rasiert wie
ein Hofmarschall, aber ebenso nichtssagend und ausdruckslos im Innern
wie dieser physiognomisch im Äusseren. Das Instrument ward ihm zum
Parkett. Darauf bewegt er sich aalglatt, tanzt gar zierlich, pbrasiert geschickt,
weiss zu schmeicheln und durch geschmackvolle dynamische Kontraste
stets zu interessieren, — und fällt gewiss nie aus der Rolle, wird
gewiss nie flach oder trivial. Aber die edle Linie, die schöne plastische
Kantilene, das ruhige Ebenmass sich wölbender, spannender Bögen, oder
gar Ausblicke, Weiten und Tiefen, — wer wüsste davon zu singen und zu
sagen?! Die Musik der Intelligenz ist selten eine Musik des Herzens.
Reale Nüchternheit liegt diesseits idealer Vorstellung. Richtet die Technik
seine Musik, so zeugt seine eigene Musik wider ihn und seine Kunst.
Beweis: seine Programme: Nippes, technische Kapricen, Etüden, Para-
phrasen, — aus Anstand und zum Schein eine — Sonate. Bach, Beethoven
in ihren grössten Manifestationen ängstlich gemieden, und von Liszt und
Chopin nur das ausgesucht, was seiner Technik liegt. Was auf Gestaltungs-
kraft, deklamatorisches Pathos, was auf Elan oder inneren Losbruch gestellt
ist, bleibt ungespielt. Godowsky spielt zwar vielerlei, aber nicht vieles.
Dies aber ergibt die höchste Einseitigkeit. Das Innere ist leer, die Kunst
ist tot. Das Göttliche starb, das Spielerische lebt. Und damit sinkt der
ganze technische Wunderbau in Trümmer. Der grosse Godowsky ist
künstlerisch ein sehr kleiner Godowsky. Sicherlich, das Motorium absor-
bierte das Vorstellungshirn, die Technik frass das Beste: Seele und Geist,
rhythmisches Leben und Weben. Herz und Hirn sind mechanisiert. Das
Spiel umgibt eine ungeheure Kühle. Nirgends lebenspendende erwärmende
Strahlen. Keine Sonne, die den eisigen Indifferentismus zum Schmelzen
brächte. Die Temperamentlosigkeit ist das Verhängnis Godowsky's. So
spielen Mumien, nicht Menschen. Fehlt die Fackel, der Loderbrand, der
25
BREITHAUPT: MODERNE KLAVIE RISTEN
Wille zur Kraft, zur inneren Grösse. Kein wuchtiges Zufassen, kein kühnes
Draufgehen, flammendes Aufsteigen und Erklimmen der Spitzen und Höhen,
— überall nur kluge Berechnung, ein ängstliches Ausdemwegegehen vor
Ecken und Härten. Immer dasselbe Gesicht, immer dasselbe Auf und
Nieder, die ewige Gleichmässigkeit instrumentell-harmonischer Töne, immer
Austern, Austern. Nichts Wildes und Tosendes, nichts Qualvolles oder
Beseligendes, — kein Jubel und Jammer, keine grimmigen Tatzen und
Pratzen! Und nicht ein Funken Pathos, geschweige Humor! Wahrlich,
diese Technik musste Himmel und Erde in Bewegung setzen! So ist sie
weder ein Ereignis noch ein Erlebnis. Wer je einen Traum träumte, wer
je von seinen Tönen „trunken" ward, der stehe auf und rede, er sei Uhl
oder Krei! Es gibt Leute, die behaupten, Godowsky sei der Anfang einer
neuen Technik. Ich glaube, er ist das Ende. Ich wfisste nicht, was
darüber hinaus noch möglich wäre. Höchstens: Automobilismus, Töff-Töff-
Musik. Aber dann wehe uns und unserer grossen Tradition, wehe dem
Geiste Liszts und Rubinsteins! — Aber die Welt jubelt und liegt ihm zu
Füssen! Welche Welt? Die Massen werden immer jubeln, solange es
zu staunen gibt, es sei denn, dass dereinst Ideen leichter wögen als
blendende Mittel. Die ausgeleiertesten Koloraturen klangen noch stets
törichten Sinnen berückender, als ein herzlich schlichter Gesang. Godowsky
hat das Jahrhundert der Technik gebracht. Er ist ein Kind dieser Zeit.
Und dieselbe Zeit wird ihn mit sich nehmen. Meteore leuchten auf, um
in die Nacht der Vergessenheit zu vergehen und zu verwehen. Der
denkende, der fühlende Hirnmensch bleibt abseits. Vielleicht musste er
sein für eine — kommende Kunst. An der Bearbeitung der Chopinschen
Etüden erkennt man den ganzen .Künstler" Godowsky. Denn wer, der
ihrer lebenden Schönheit bewusst, zerpflückt wohl taufrische Rosen und
streift von Schmetterlingen den flimmernden Flügelstaub?!
Dagegen ist die Souveränität Godowsky's als Techniker nicht hinweg-
zuleugnen. Man gebe dem Könige, was des Königs ist. Es ist eine voll-
endete Tatsache: im Reich der Etüde und Paraphrase herrscht er un-
beschränkt und absolut. Es gibt keinen neben ihm, vielleicht auch keinen
der Art nach ihm. Ob ihn sein Schicksal glücklich macht? Ich weiss es
nicht. Sicher ist: Es gibt heiterere Himmel und hellere Sonnen. Der
Parnassus der griechischen Phantasie lag an einem anderen Punkte als
Godowsky's «Kunst*. An der Endlichkeit seiner beschränkten psychischen
Fähigkeiten scheitert all seine Musik und all sein enormes Können . . .
. . . Denn die^Technik allein tut's nicht, sondern der Geist, so mit und
bei dem Kunstwerk ist. Das ist gewisslich wahr!
in regierenden Fürsten Josef Johann von Schwarzenberg,
geboren 1760, widmete Beethoven 1801 das grosse Quintett in
Es, op. 16, für Klavier und Blasinstrumente, das er 1797 kom-
poniert hatte und selbst auch für Klavier und Streichquartett
arrangierte. Der Fürst war einer der vornehmsten Mlcene der Musik
gegen Ende des 18. and zu Anfang des 16. Jahrhunderts. Er gehörte zu
den adeligen Kunstfreunden, welche die Kosten jener grossen Aufführungen
Händelscher Oratorien trugen, die van Swieten ins Werk setzte und die
teils in einem Saal der kaiserlichen Hofbibliothek, teils im fürstlich
Schwarzenbergschen Palais am Mehlmarkt veranstaltet wurden; in diesem
fanden alljährlich auch andere grosse Konzerte, darunter die ersten Auf-
führungen der .Schöpfung" (19. Januar 1799) und der Jahreszeiten"
(24. April 1801) statt. 1 ) Ein trauriges Familienereignis bringt den Fürsten,
dessen liebenswürdiger Charakter gerühmt wird, uns noch näher. Der
Bruder des Fürsten, Carl, nachmals Oberbefehlshaber der verbündeten
Heere, war 1810 als österreichischer Botschafter in Paris und gab am
1. Juli zu Ehren der Vermählung des Kaisers Napoleon mit der Erz-
herzogin Marie Louise ein glänzendes Ballfest. Er hatte zu diesem
Zweck im Garten des Botschaftshotels einen neuen Saal mit einer Galerie
erbauen lassen. Der ganze kaiserliche Hof und die ersten Notabilitüten
von Paris waren an dem Festabend versammelt. Unter den Gasten
befand sich auch Fürst Josef, der in Privatangelegenheiten eben in Paris
weilte, mit seiner Gemahlin Pauline und seinen Töchtern Eleonora und
Marie Pauline. Eine auf der Galerie umgesunkene Kerze entzündete
die Draperieen und blitzschnell stand der ganze hölzerne Bau in Flammen.
Die Fürstin, selbst schon gerettet, vermisste in der ungeheuren Verwirrung
ihre jüngere Tochter und stürzte sich suchend nochmals in das Flammen-
meer. Am frühen Morgen fand man ihren Leichnam verkohlt, halb in
einer Wasserlache liegend, am Ehering und an der Gürtelkette mit den
>) Hanellck, Geschiebte des Konzertwesen* S. 47, 48.
27
LEBDER: BEETHOVENS WIDMUNGEN
Namen ihrer Kinder kenntlich. Die kleine Prinzessin war, obgleich mit
Brandwunden bedeckt, gerettet worden. Fürst Josef starb am 10. De-
zember 1833. 1 )
Der Fürstin Josefa Sofia von Liechtenstein, geborenen Land-
gräfin Fürstenberg, widmete Beethoven 1802 die erste der beiden Sonaten
op. 27 — jene in Es. Von der Fürstin ist nur bekannt, dass sie 1776
geboren, sich am 12. April 1702 mit dem Fürsten Johann Josef von Liechten-
stein vermählte, diesen nach einer langen glücklichen, mit vielen Kindern
gesegneten Ehe überlebte und am 23. Februar 1848 starb. 9 )
Um so bekannter, namentlich in der Kriegsgeschichte Österreichs
ist ihr Gemahl, der verwegene Reitergeneral, der Abgott seiner Soldaten
der von 1790 bis 1800 alle Feldzüge mitmachte, zum Rang eines Feld-
marschalls aufstieg und wunderbarerweise in allen Schlachten, selbst im
dichtesten Kugelregen, wo ihm mehrmals das Pferd unter dem Leibe er-
schossen wurde, unverletzt blieb. In den Feldzügen einer der ausgezeich-
netsten Führer der österreichischen Armee, verhandelte er nach den
Schlachten von Austerlitz und von Wagram mit Napoleon persönlich den
Frieden, zog sich dann ins Privatleben zurück und genoss bis zu seinem
Tode — 20. April 1836 — wegen seines glühenden Patriotismus und
seines edlen, liebenswürdigen Charakters allgemeine Verehrung.
Ein besonderes Verdienst erwarb er sich als Kunstfreund, indem er
den von seinem Vorfahren Hanns Adam Fürsten Liechtenstein gegründeten
und allmählich zu einer Galerie angewachsenen Gemäldeschatz in den
prachtvollen Palast in der Rossau zu Wien übertragen Hess, durch zahl-
reiche, allerdings nicht immer glückliche Ankäufe ansehnlich vermehrte
und in der liberalsten Weise dem Publikum zugänglich machte.*) Bekannt
ist auch seine Liebhaberei für Ruinen, deren er, namentlich in der Um-
gebung der Brühl bei Wien, eine Anzahl baute.
Das zweite Klavierkonzert, op. 10 in B, das jedenfalls schon 1705,
vielleicht noch früher komponiert war, erschien 1801 mit der Widmung
an den k. k. Hofrat Carl Nicklas Edlen von Nickelsberg, gestorben in
Wien als Hofrat der k. k. Hofkammer und Kommerzhofstelle am 15. März
1805*) und die Sonate in D op. 28, die ohne jeden Grund die Pastorale
genannt wird, 1802 mit der Widmung an Josef Edlen von Sonnenfels,
k. k. Hofrat und beständigen Sekretär der Akademie der bildenden Künste.
Sonnenfels, 1733 in Nikolsburg geboren, hat sich durch seine Schriften
und sein Wirken als Universitätsprofessor und als Hofrat bei der böh-
') »Wiener Abendpost" vom 15. Sept. 1888.
*) Falke: Geschichte des füratl. Hauses Liechtenstein, nach dem auch das Folgende.
*) Waagen: Kunstdenkmäler in Wien.
4 ) Wiener Landesgerichtsarchiv.
28
DIE MUSIK HL 13.
mischen Hofkanzlei um die Förderung der Wissenschaften, Ausbildung der
deutschen Sprache und Verbreitung der Aufklärung in Österreich sehr
▼erdient gemacht und wurde vom Kaiser Franz in den Freiherrnstand er-
hoben. Ein unsterbliches Verdienst erwarb er sich dadurch» dass er, noch
unter der Kaiserin Maria Theresia, in Österreich, den andern Staaten
voran, die Aufhebung der Tortur durchsetzte. Mit grosser Vorliebe wid-
mete er sich in seinen Mussestunden dem Studium der Mineralogie. Seine
Sammlung kam spiter in das kaiserliche Mineralienkabinett Er starb in
Wien am 26. April 1817. Inwiefern Beethoven mit Nickelsberg und Sonnen-
fels in näherer Beziehung stand, konnte nicht erforscht werden. Dass
erster ein .braver Klavierspieler* war und auch Violoncell spielte, er-
fahren wir aus dem «Jahrbuch der Tonkunst in Wien und Prag. 1796."
Im Herbst 1806 verbrachte Beethoven einige Zeit bei dem Fürsten
Carl Lichnowsky auf Schloss Gritz bei Troppau und besuchte von da mit
dem Fürsten eines Tages den k. k. Kimmerer Franz Grafen Oppersdorf
auf dessen Schloss bei Grossglogau. Der Graf, 1778 geboren, reich be-
gütert und mit vielen österreichischen Adelsfamilien verwandt oder
befreundet, war ein eifriger Musikliebhaber, hielt auf seinem Schloss eine
eigene wohlgeschulte Kapelle und liess von ihr Beethovens D-dur Sym-
phonie dem Komponisten vorspielen. Im Juni 1807 bestellte er bei Bee-
thoven eine Symphonie, zahlte sogleich im voraus 200 fl. und im folgenden
Jahr weitere 150 fl., erhielt aber erst sieben Monate spater (jLm November
1806) von Beethoven statt der Symphonie — ein Entschuldigungsschreiben:
„Noth habe ihn gezwungen, die für den Grafen geschriebene und noch eine
andere Sinfonie [offenbar die fünfte und sechste] an Jemand andern zu
veriussern. Oppersdorf werde aber diejenige, welche für ihn bestimmt
sei, bald erhalten.* Oppersdorf erhielt endlich die schon im Sommer 1806
(also noch vor einem Auftrag des Grafen) komponierte vierte Symphonie
in B gewidmet, die aber erst im März 1809 erschien, nachdem sie schon
im Winter 1807/8 öffentlich aufgeführt worden war.
Das auffallende Vorgehen Beethovens erkürt sich vielleicht am
ehesten dadurch, dass er eben damals — wie wir spiter sehen werden —
das höchste Interesse hatte, sich die Gunst so bedeutender Micene, wie
es der Fürst Lobkowitz und der Graf Rasumowsky waren, denen er die
fünfte und sechste Symphonie widmete, durch die Widmung grosser Werke
möglichst zu sichern. Beethoven mochte auch jede Erinnerung an jenen
Besuch in Grossglogau, der kurz vor seinem Zerwürfnis mit dem Fürsten
Lichnowsky stattgefunden hatte, peinlich sein; in dem obigen Entschul-
digungsschreiben bricht auch wirklich der Groll über die damals erlittene
Beleidigung hervor. Den Grafen Oppersdorf verdross aber natürlich der
Vorgang und dies um so mehr, als die B-dur Symphonie keinen befriedigen-
29
LEEDER: BEETHOVENS WIDMUNGEN
den äusseren Erfolg hatte; ein Rezensent äusserte sich nach der ersten
Aufführung: «Beethoven habe eine neue Sinfonie geschrieben, die höchstens
seinen wütendsten Verehrern gefallen habe. 41 Die Nachwelt hat über das
Werk anders geurteilt als jener weise Thebaner. Beethoven erhielt vom
Grafen Oppersdorf, der am 21. Januar 1818 starb, keinen weiteren Auftrag,
trat auch mit ihm nie wieder in Verbindung, selbst nicht, als er 1811 wieder
auf Schloss Grätz zum Besuch der Lichnowskyschen Familie weilte.
Mit George Thomson in Edinburgh, dem grossen Förderer guter
Musik und Wiedererwecker schottischer Nationallieder, für den Beethoven
(nach Thayers Angabe) die Variationen op. 105 und 107 in den Jahren
1818 — 1820 schrieb, stand der Meister viele Jahre in geschäftlichem Ver-
kehr, da dieser bei ihm viele Kompositionen bestellte, von denen
25 schottische Lieder, von Beethoven harmonisiert, als op. 108, überdies
aber noch eine sehr grosse Anzahl irischer, schottischer und wallisischer
Lieder, von ihm bearbeitet, in den Jahren 1810—1816 in Edinburgh
erschienen sind. Beethoven liebte diese Arbeiten, die ihn wenig an-
strengten und gut bezahlt wurden.
Wir sollten hier noch die Namen einiger Personen anschliessen, an
die Widmungen gerichtet wurden, die mit wahrer Freundschaft nichts zu
tun hatten; da aber diese Widmungen bereits in den Abend von Beethovens
Leben fallen, wo selbst die von pekuniärem Interesse diktierten Wid-
mungen unter Umständen auftreten, die unsere höchste Teilnahme erregen,
so wenden wir uns hier wieder zu Beethovens Jugend zurück und ver-
sparen die ersten auf den Zeitpunkt, wo wir an der Hand jener Wid-
mungen, bei denen Liebe und Freundschaft dem Meister die Feder führte,
bis zum schattenvollen Ausgang seiner irdischen Wanderung gelangt sein
werden.
Die älteste der freundschaftlichen Widmungen führt uns in das Haus
der Familie Breuning in Bonn.
Nach einer freudlosen ersten Jugend, in der der kurze Aufenthalt in
Wien 1787 fast der einzige Lichtblick gewesen war, fand Beethoven in
Bonn Zutritt in das Haus der Witwe des Hofrats Emanuel von Breuning, 1 )
indem er deren Sohn Lorenz (Lenz) und später auch die einzige Tochter
Eleonore — geboren 1772 — im Klavierspiel zu unterrichten bekam.
Hier wurde er bald wie ein Kind des Hauses gehalten, empfing seine
erste gesellschaftliche Bildung und wurde mit der deutschen Literatur
bekannt. Die verwitwete Hofrätin Helene war ihm eine zweite Mutter,
und innige Freundschaft verband ihn mit Eleonore und deren Brüdern
Steifen und Lenz. Schon damals zeigte er öfters heftige Launen;
in solchen Fällen hatte die Hofrätin über ihn noch am meisten Gewalt;
*) Tbayer. — Breuning: Aus dem Schwarzspanierhause.
30
DIB MUSIK HI. 13.
wenn aber auch ihr Zureden nichts half, pflegte sie zu sagen: „Lasst ihn,
er hat wieder seinen Raptus !• Aus gleicher Ursache scheint ein Zwist
zwischen ihm und Eleonore in der letzten Zeit seines Aufenthalts in Bonn
entstanden zu sein. In zwei herzlichen Briefen (November 1793 und Mai
oder Juni 1794) klagt er sich mit übertriebener Reue seines damaligen „so
verabscheuungswürdigen* Betragens gegen sie an und bittet um die Fort-
dauer ihrer Freundschaft. Der Zwist kann gar nicht bedeutend gewesen
sein, denn noch am 1. November 1792, also fast im Augenblick der Abreise
Beethovens von Bonn, hatte ihm Eleonore ins Stammbuch 1 ) geschrieben:
Freundschaft mit dem Guten
Wichset wie der Abendschatten
Bis des Lebens Sonne sinkt (Herder.)
Ihre wahre Freundin Eleonore Breaning.
Mit dem ersten Briefe sendet er Eleonore die ihr gewidmeten Varia-
tionen über das Thema aus Figaro: Se vuol ballare Signor contino; es
möge .eine kleine Wieder Erweckung jener Zeit sein, wo ich so viele und
so selige Stunden in Ihrem Hause zubrachte"; zugleich bittet er, sie
möchte ihm wieder eine von ihrer Hand gestrickte Weste von Hasenhaaren
senden, „um sagen zu können, dass er etwas von einem der besten, ver-
ehrungswürdigsten Mädchen in Bonn besitze". Im zweiten Schreiben dankt
er ihr aufs lebhafteste für die schöne von ihr gearbeitete Halsbinde und
sendet ihr wieder eine Anzahl Variationen und ein Rondo in G-dur für
Klavier nnd Violine.
Das schöne Verhältnis Beethovens zu Eleonore erlitt auch keine
Änderung, als sie sich mit Dr. med. Wegeier vermählte, mit dem sie
lange in glücklicher Ehe lebte. Wegeier war als armer Student aus den
Niederlanden nach Bonn gekommen und hatte sich allmählich zu einer
sehr angesehenen Stellung emporgearbeitet; er war mit Beethoven schon,
als dieser noch in Bonn lebte, eng befreundet und blieb es bis zu dessen
Tode. Als Freund und Arzt genoss er immer Beethovens grösstes Ver-
trauen. Ein nicht zu unterschätzendes Verdienst erwarb sich Wegeier
durch die Notizen über Beethoven, die er nach des Meisters Tode herausgab.
Wenn sich das schöne Wort Ovids: «Ich weiss nicht, mit welcher
Sussigkeit der heimatliche Boden alle anzieht und sie seiner nicht ver-
gessen lässt* an Beethoven in hohem Grade bewahrheitete, so trug dazu
gewiss nicht wenig das Bewusstsein bei, dass für ihn in der alten Heimat
zwei treue Herzen schlugen: Wegeier und Eleonore.
Ein Freund und Wohltäter Beethovens schon in der Bonner Zeit war
') Nottebohm, Beethoveniana S. 138.
31
LEEDER: BEETHOVENS WIDMUNGEN
Ferdinand Ernst Graf Waldstein, 1 ) damals Liebling und beständiger
Gefährte des Kurfürsten von Köln, Erzherzogs Maximilian Franz, später
Komtur des deutschen Ordens zu Virnsberg. Er war acht Jahre älter als
Beethoven. Nicht nur Liebhaber der Tonkunst, sondern auch ausübender
Musiker, ahnte er in dem armen Bonner Organisten den künftigen Ton-
heros, besuchte ihn oft, schenkte ihm einen Flügel, unterstützte ihn auch
sonst, jedoch — um Beethovens Zartgefühl zu schonen — unter dem Vor-
geben, es seien Unterstützungen von Seiten des Kurfürsten, und wirkte
überhaupt sehr günstig auf die Entwicklung von Beethovens Talent. Er
war es auch wahrscheinlich, der dem aus England zurückkehrenden Haydn
in Bonn vorschlug, Beethoven als Schüler anzunehmen und den Em-
pfehlungsbrief des Kurfürsten auswirkte, mit dem sich — wie dem Ver-
fasser der alte Kriminalrat Duscher als Augenzeuge mitteilte — Beethoven
in Wien bei Haydn einführte. Zwei Jahre nach Beethovens Abgang von
Bonn entzweite sich Waldstein, der ein eifriger Patriot war, mit dem Kur-
fürsten, weil dieser, obgleich österreichischer Erzherzog und Oheim des
deutschen Kaisers Franz IL, eine antikaiserliche Politik trieb. Waldstein
erhielt durch Vermittlung seines Freundes, Ludwig Fürsten Starhemberg,
österreichischen Gesandten am Londoner Hofe, von der englischen Re-
gierung die Erlaubnis, in Hannover ein Freikorps zu werben, mit dem er
dann als Oberst in englische Dienste trat. Er glaubte damit auch seinem
Vaterlande, in dem sich ihm wegen Überfülle an fremden Offizieren keine
Aussichten boten, erspriesslich dienen zu können, da die englische Re-
gierung damals die gleichen politischen Ziele verfolgte wie der Kaiser.
Später erwirkte er, da seine Brüder keine Kinder hatten, Dispens von
seinen Gelübden und vermählte sich 1812 mit Maria Isabella Gräfin
Rzewnska; doch auch seine Ehe blieb kinderlos und er schloss bei seinem
Tode im Jahre 1823 die Duzer Linie des Hauses Waldstein. Seine Ge-
mahlin war schon 1818 aus dem Leben geschieden. 2 )
Fürst Ludwig Starhemberg entwirft von ihm in seinem Tagebuch eine
interessante Schilderung. 8 ) Er schreibt: «Graf Ferdinand Waldstein ist
von meinem Alter, wohlgestaltet, doch etwas zu beleibt. Er besitzt viel
Geist und eine sehr umfassende wissenschaftliche. Bildung ... Er ist Lebe-
mann, weiss schmackhafte Mahlzeiten und gute Weine zu schätzen. Vor-
züglicher Musiker, improvisiert er am Klavier in wahrhaft entzückender
Weise. Er ist ein trefflicher Gesellschafter, zuverlässiger und aufopfernder
Freund, gemüthsvoll, in seinem Urt heile mild. Hinsichtlich der Politik ist
es kaum möglich, besser gesinnt zu sein. Ich liebe ihn wie einen Bruder.
') Nach Thayer. 1, 179, 18a
*) Hopf: Histor.-genetL Atlas.
*) Wiener Zeitung v. 22. Januar 1880 nach Graf Tbürheimt Lebensskizze.
32
DIE MUSIK IIL 13.
Alles was ich habe, werde ich stets gern mit ihm theilen. Es ist unmög-
lich, einen besseren und ehrenhafteren Charakter zu finden." Beethoven
schrieb für ihn über ein von Waldstein komponiertes Thema die
Variationen in C-dur, die 1794 erschienen und widmete ihm 1805 die
grosse Sonnte in C-dur op. 53. *)
Von den in Wien gewonnenen Freunden kommen zunächst in Betracht
Beethovens Lehrer Joseph Haydn*) und Salieri. Haydn hatte den jungen
Beethoven schon im Juli 1702 auf der Ruckreise von London in Bonn
gesehen. Das kurfürstliche Orchester hatte damals Haydn in Godesbetg
ein Frühstück gegeben; Beethoven legte bei dieser Gelegenheit dem Altmeister
eine von ihm komponierte Kantate, von der man nichts weiter weiss, vor.
Haydn hatte sie gelobt und Beethoven zu fortgesetzten Studien ermuntert
Vielleicht war schon damals Haydn — etwa durch den Grafen Waldstein
— angegangen worden, den Unterricht Beethovens in der Komposition
weiter zu fuhren. Als Beethoven anfangs November 1702 nach Wien kam
und Haydn ein Empfehlungsschreiben des Kurfürsten Erzherzog Maximilian
fibergab, übernahm Haydn sofort den Unterricht, der ohne Unterbrechung
bis Ende 1793 fortgesetzt wurde.
Es war ein Gluck für Beethoven, dass er gleich beim Eintritt in die
Kaiserstadt einen Lehrer fand, der damals nicht nur der grosste und an*
gesehenste Komponist war, sondern ihm auch durch seine Verbindungen
Eintritt in höhere musikalische Kreise und Schuler verschaffen konnte.
Letzteres war um so wichtiger, als Beethoven nur seinen kargen Gehalt
als kurfürstlicher Organist bezog und auch diesen bald verlor, da der Kur-
fürst aus seinem Lande fluchten musste. Das Verhältnis zwischen Haydn
und Beethoven war die erste Zeit ein recht freundliches, auch ausser den
Lehrstunden; Beethoven traktierte zuweilen seinen Meister mit Kaffee oder
Schokolade, dieser machte seinen Schuler in der Musikwelt bekannt, nahm
ihn 1793 zu einem Besuch nach Eisenstadt mit und wollte ihn auch zu
seinem Gefährten nach London machen. Das Vertrauen Beethovens zu
Haydn bekam aber bald einen Stoss, als er durch den Komponisten Schenk
erfuhr, dass Haydn in seinen Studienheften Fehler hatte stehen lassen,
was Beethoven bewog, sogleich heimlich Unterricht bei Schenk zu nehmen;*)
noch schlimmer wurde es, als Beethovens erste Trios beim Fürsten
Lichnowsky in Haydns Gegenwart aufgeführt wurden, letzterer darüber
viel Schönes sagte, aber doch riet, das c-moll Trio nicht herauszugeben.
Dies machte auf Beethoven einen bösen Eindruck, da er — gewiss mit
Recht — eben dieses Trio für das schönste hielt Neid sprach gewiss
*) Tbsjrer. I, 285. — Nottebohm Verzeichnis.
^ Hauptsächlich nach Thayer.
•) Schindler. 1, 27-29.
33
LEEDER: BEETHOVENS WIDMUNGEN
nicht aus Haydns Mund, wie Beethoven wähnte. Der Meister, der neid-
los Mozarts Genie erkannt und bewundert hatte, der so hoch stand, konnte
Beethoven, der erst am Beginn seiner Laufbahn war, unmöglich beneiden.
Allerdings hatte er bald Beethovens Genie begriffen und sich hierüber
schon zu Anfang 1703 in einem Brief ausgesprochen; eben deshalb
mochte er es auch mit manchen Fehlern, die Beethoven in seinen Studien-
heften beging, minder streng nehmen. Was das Trio betraf, gestand er
später Ries, er habe nicht geglaubt, dass es so schnell und leicht werde
verstanden und vom Publikum günstig aufgenommen werden, und hatte er
darin Unrecht? Beethoven gab die Trios erst zwei Jahre später heraus
und doch geschah es, dass ihm Leopold Kozeluch, der aufgeblasene Klavier-
meister der ersten Gemahlin des Kaiser Franz, eben dieses c-moll Trio
vor die Füsse warf. Zu einem Bruch zwischen Haydn und Beethoven
kam es nicht; jener pflegte Beethoven immer den Grossmogul zu nennen,
Beethoven hinwiederum liebte es, zuweilen über Haydns Tonmalereien
humoristische Bemerkungen zu machen, aber das tat ihrer wechselseitigen
.Wertschätzung keinen Eintrag und wenn auch zeitlebens Mozart und Händel
und nach ihnen Bach die Lieblinge Beethovens waren, äusserte er sich
doch auch über Haydn oft in Ausdrücken höchster Anerkennung. Damit
steht denn auch nicht im Widerspruch, dass Beethoven, als er im März
1796 seine drei Klaviersonaten op. 2 Haydn widmete, sich durchaus nicht
in der Widmung Schüler Haydns nennen wollte und sogar äusserte, er
habe von Haydn nichts gelernt; dagegen stimmen dazu die Worte, 1 ) die er
auf dem Totenbett zu Hummel über eine Radierung, Haydns Geburtshaus
darstellend, sprach: »Sieh, lieber Hummel, das Geburtshaus von Haydn;
heute habe ich es zum Geschenk erhalten, es macht mir grosse Freude;
eine schlechte Bauernhütte, in der ein so grosser Mann geboren wurde."
Als Joseph Haydn 1794 wieder nach England reiste, empfahl er
Beethoven seinem Freunde, dem Domkapellmeister Johann Georg Albrechts-
berger zur Unterweisung im Kontrapunkt und in der Fuge. Beethoven
betrieb diese Studien über ein Jahr lang und nahm dann Unterricht in der
dramatischen Komposition bei dem Hofkapellmeister Antonio Salieri.
Albrechtsberger war zur Zeit, als Beethoven bei ihm Lektionen nahm,
schon 65 Jahre alt und stand als Musikgelehrter, Komponist zahlreicher
Kirchenwerke und Verfasser eines grossen Werkes über Generalbass,
Harmonielehre und Kontrapunkt in hohem Ansehen. Ernst von Natur
und trocken, wie uns heute seine Messen anmuten, wird er seinen Unter-
weisungen nicht viel Reiz verliehen haben. Für Beethovens Kompositionen
hatte er entschieden kein Verständnis. Er war ein Gesinnungsgenosse
jener Leute, von denen der alte Dolezalek, sein ehemaliger Schüler, an-
Schindler. IT, 197.
III 13 3
34
DIE MUSIK HL 13.
fangs der vierziger Jahre vorigen Jahrhunderts zum Verfasser sagte: »Als
wir Beethovens erste Trios und Quartetten spielten» schlug man uns die
Notenblätter von den Pulten"; Dolezalek fugte hinzu: »Jetzt sind diese
Werke allbeliebt, und so wird man auch Beethovens letzte Werke, von
denen man jetzt nichts wissen will, später begreifen und lieben." Es
unterliegt aber keinem Zweifel, dass Beethoven seine Studien bei Albrechts-
berger mit Ernst und Eifer betrieb. Angenehmer werden ihm freilich
die Unterrichtsstunden bei dem humorvollen Salieri gewesen sein.
Antonio Salieri 1 ) war 1750 zu Legnano im Venetianischen geboren;
das Glück fahrte den 16jährigen armen, aber vielversprechenden Jüngling
in Venedig mit dem kaiserlichen Kammerkompositor Florian Gassmann,
dem Liebling Kaiser Josefs IL, zusammen, der ihn mit sich nach Wien
nahm und dort väterlich für seine musikalische und sonstige Ausbildung
sorgte. Nach Gassmanns Tode wurde Salieri, der bereits acht Opern mit
günstigem Erfolg geschrieben hatte, 1774 zum Kammerkompositor und
Kapellmeister der italienischen Oper in Wien und 1788 zum Hofkapell-
meister ernannt; der Direktion der Oper wurde er 1702 ehrenvoll ent-
hoben und diese Stelle seinem Lieblingsschüler Josef Weigl verliehen.
Salieri blieb fortan und bis kurz vor seinem am 7. Mai 1825 erfolgten
Tode als Hofkapellmeister und Komponist in regster Tätigkeit und erfreute
sich in beiden Beziehungen der allgemeinsten Anerkennung. Insbesondere
waren es seine Opern, die ihm einen europäischen Ruhm und ein bedeuten-
des Einkommen verschafften und es verdient, bemerkt zu werden, dass
Gluck es war, der mit Salieri eng befreundet ihm Eingang in Frankreich
verschaffte, indem auf seine Empfehlung Salieri von der grossen Oper
in Paris 1784 den Auftrag zur Komposition der Oper „Les Danaides" be-
kam, die mit grosser Pracht und glänzendem Erfolg aufgeführt wurde. Im
ganzen schrieb Salieri ca. 40 Opern, von denen , Palmira", «La grotta di
Trofonio" und „Axur r6 d'Ormus" die berühmtesten sind. Die letzt-
genannte, die Mosel für „die vortrefflichste aller italienischen ernsten
Opern, selbst Mozarts Titus inbegriffen", erklärt, wurde im Januar 1788
zur Vermählung des Erzherzogs (nachmaligen Kaisers) Franz mit Elisabeth
von Württemberg aufgeführt und 1813 in Paris mit einem Aufwand von
40000 Frcs. in Szene gesetzt.
Salieri genoss auch als Lehrer der Tonkunst einen bedeutenden, ver-
dienten Ruf; zu seinen zahlreichen Schülern gehörten unter andern Hummel,
Moscheies und Franz Schubert. In seinem Privatleben war er ein zärt-
licher Gatte und Vater, wohltätig, gefällig, ein willkommener Gast im
Kreise seiner Freunde, die der kleine Mann mit dem bräunlichen Gesicht
und den lebhaften schwarzen Augen durch seinen Scherz und Witz und
s ) Seyfricd: Leben Salieri's.
35
LEEDER: BEETHOVENS WIDMUNGEN
durch den Vortrag der vielen launigen Duette, Terzette und Kanons, die
er auf seinen langen Spaziergingen dichtete und komponierte, jederzeit in
die heiterste Stimmung zu versetzen wusste. Jahrelang gab er jede Woche
an drei Tagen von 9 bis 1 Uhr jungen Talenten beiderlei Geschlechts
unentgeltlichen Unterricht in Gesang, Generalbass und Komposition. Sein
dankbares Gemüt zeigte er, indem er 1821 zur Feier des 50jährigen Be-
stehens des von Gassmann gegründeten Pensionsinstitutes Gassmanns
Oratorium „La Betulia liberata* zeitgemäss umarbeitete und so zur Auf-
fuhrung brachte. Nur von einem Vorwurf konnten den so liebenswürdigen
Mann selbst seine besten Freunde nicht freisprechen, von dem Vorwurf
der Eifersucht auf Mozarts Genie, die, da Salieri bei Kaiser Josef alles
galt, wohl die Hauptursache war, dass Mozart gerade bei den wichtigsten
Anlässen vom kaiserlichen Hof ignoriert wurde.
Beethoven widmete seinem Lehrer in der dramatischen Komposition
merkwürdigerweise kein dramatisches Werk, wohl aber die schönen drei
Violinsonaten op. 12, die im Januar 1709 erschienen und ehrte ihn noch
überdies, indem er Salieri's 1708 komponierten Oper „Falstaff ossia le tre
burle* und zwar dem Duett Ja stessa, la stessissima* das Thema zu
10 Variationen entnahm, die ebenfalls 1700 erschienen. Er bewahrte auch
für ihn zeitlebens hohe Achtung und dass Salieri dieses Gefühl erwiderte,
zeigte er 1813. Am 8. Dezember dieses Jahres führte nämlich Beethoven
im grossen Universitätssaal zum Besten der in der Schlacht bei Hanau
verwundeten Österreicher und Bayern nebst seiner ganz neuen A-dur
Symphonie die »Schlacht bei Vittoria* oder, wie sie auf dem Programm hiess,
»Wellingtons Sieg" auf, wobei alle damals in Wien befindlichen namhaften
Künstler, einheimische und fremde, mitwirkten und auch der erste Hof-
kapellmeister es nicht unter seiner Würde fand, unter Beethovens Ober-
leitung den Trommeln und Kanonaden den Takt anzugeben. Gegenwärtig
werden von Werken Salieri's nur noch einige Offertorien in der Burg-
kapelle aufgeführt, die, namentlich das Miserere, bei grösster Einfachheit
eine eigentümliche Schönheit zeigen ; alles andere ist verschollen und ver-
gessen; die Messen und das Requiem liegen auf dem Dachboden des
Archivs der Burgkapelle, die Opern vielleicht in einigen Theaterbibliotheken
und im Archiv des Vereins „Haydn", dem Salieri testamentarisch seine
sämtlichen dramatischen Tonwerke in der Originalhandschrift hinterlassen
hatte, und mit den Werken ist auch der ehedem so gefeierte Meister so
ziemlich vergessen.
Weitere Kapitel folgen später
3*
:b möchte in stärkerer Weise, als es bisher geschehen ist, un-
serer modernen Musik eine Anregung verminein, die ihr, wie
ich glaube, nicht unzeitgemäss kommt. Wenn nicht «lies trügt,
so ist unsere musikalische Entwicklung auf einer Höhe an-
gelangt, die nicht mehr zu überbieten ist. Richard Wagner, der typische
Künstler des 10. Jahrhunderts, bezeichnet sowohl diesen Höhepunkt, wie
die Umkehr. Das Bestreben, das Orchester zu vergrössern und zu ver-
vielfachen, die Polyphonie zu steigern, den Ausdruck der feinsten psy-
chischen Regungen und Schattierungen zu vertiefen, alles, auch das Un-
sagbarste zu sagen, musste endlich eine Grenze finden, über die hinaus
zu geben dem ästhetischen Mass nicht mehr gestattet ist; denn die Blume
können und dürfen schon aus ästhetischen Gründen nicht bis in den
Himmel wachsen, sonst wendet sich das ermüdete Auge von ihnen ab und
fingt an, die unaussprechliche Schönheit der Gänseblümchen zu entdecken
und zu würdigen.
Wenn wir über Richard Wagner hinausgehen wollen, und das dürfen
wir mit dem Recht des Lebenden, so kann es nicht durch Überbietung
des Unüberbietbaren, des bereits vollkommen Ausgeschöpften geschehen,
sondern durch Fortsetzung jener von ihm angebahnten Wege, die noch
aussichtsvolle Perspektiven gewähren. Diese Wege liegen aber nach der
Seite der Vereinfachung, der Typisierung, sie führen aus dem geschlossenen
Zollgebiet des absoluten Musikalismus in die freien Grenzstaaten der Poesie,
der Kultur, der nationalen und sozialen Bildung.
Das ist, wie mich dünkt, auch der eigentliche Sinn des .Falles
Nietzsche" : ein verzweifeltes , dunkles Streben nach einer einfacheren,
helleren Kultur, nach einem mehr mozartischen, weniger gotischen Wagner,
die Erkenntnis, dass die Genialität nicht immer in der Häufung, in der
Verwickeltheit, sondern in der fast banal scheinenden Klarheit liegt. Und
gerade in diesem Kernpunkt seiner Bedeutung wird Nietzsche heute eben
so unglaublich missverstanden, wie Richard Wagner trotz seiner ungeheuren
Wirkung in seinem Wesen missverstanden wurde.
Richard Wagner ist zum modernsten und wirkungsreichsten Künstler
geworden, indem er in die romantische Vergangenheit unserer Kultur
37
KRALIK: POESIE U. MUSIK D. MINNESINGER
zurückgegriffen hat; er hat unser Kunstideal an dem der Antike und des
Mittelalters gemessen, und dadurch nach Form und Stoff korrigiert. Ganz
mit Recht: wenn man eine Pflanze veredeln will, muss man an der Wurzel,
am Summ, aber nicht an der Bifite oder an der Frucht ansetzen.
Auch meine Absicht ist nicht auf Abgetanes und Totes gerichtet,
sondern auf die Belebung der Gegenwart. Ich steige nicht in die Schatten-
welt hinab, um dem Leben den Rücken zu kehren, sondern im Gegenteil,
um von dort einige verschüttete Lebensquellen und Jungbrunnen wieder,
vom Schutt der Jahrhunderte befreit, an das Tageslicht zu leiten, um der
mütterlichen Wala guten Rat für Gegenwart und Zukunft abzulisten.
Trotz unserer ausgezeichneten Dichter und vorzüglichen Komponisten
darf uns doch unsere Kunstübung nicht so vollkommen dünken, wie etwa
jene der Griechen und der Minnesinger, wo Wort und Weise aus dem-
selben Keim zu einer einzigen Blüte von vollkommener Harmonie ent-
sprosste, wo kein anderer als der Dichter für berechtigt galt, zu «kom-
ponieren*, wo kein anderer als der Musiker dichten durfte. Hier bedeutet
selbst das Werk Richard Wagners nur einen Beginn notwendiger Refor-
mation; denn selbst bei ihm stehen der Dichter und der Musiker sich
wohl noch zu selbständig gegenüber. Nur das Volkslied ist heute noch
ein zurückgedrängter Zeuge ehemaliger einheitlicher Kunstübung. Was ist
aber unser Volkslied? Es ist nichts anderes als die alte grosse lyrische
Kunst, die sich seit dem 14. Jahrhundert, seit dem Absterben der natio-
nalen klassischen Kultur, seit dem Einbruch der Gelehrsamkeit in Poesie
und Musik, als verkanntes Aschenbrödel von Stadt und Burg und Königshof
auf Feld und Weide und Gebirge zurückgezogen hat. Heil uns, dass es
daselbst noch blüht und klingt und duftet! Aber mehr noch als dies
Aschenbrödel müssten wir die einstige Prinzessin schätzen. Doch wehe,
nur mehr Fetzen ihres goldenen Prachtgewandes sind uns von all ihrer
Herrlichkeit geblieben! Nun sei es! Da hilft kein Klagen. Da muss
zugegriffen werden! Was sich noch von jener alten königlichen Musen-
pracht aus der Antike unter altem Gerumpel vorgefunden hat, habe ich
vor kurzem gesammelt und restauriert. 1 ) Aus der Minnesingerzeit ist
verhältnismässig mehr erhalten. Daraus will ich nunmehr hier einige
Proben vorlegen.
Wie sind uns die Melodieen der Minnesinger erhalten ? Die meisten
Handschriften geben nur den Text, gerade so, wie uns auch die grie-
chischen Handschriften mit wenigen Ausnahmen die ursprünglich not-
wendig zu den Gedichten und dramatischen Gesängen gehörigen Noten
unterschlagen. Abgesehen von kleineren Handschriften geben uns besonders
*) Altgriechische Musik. Theorie, Geschichte und sämtliche Denkmäler, bearbeitet
von R. v. K. Stuttgart und Wien 1900.
38
DIB MUSIK HL 13.
zwei grosse, eine Jenaer und eine Kolmarer, ein ziemlich reiches Noten-
material, das im ganzen für jeden leicht zn lesen ist, der nur ein wenig mit
der Notation des kirchlichen Chorals vertraut ist. Sie geben freilich nur die
einstimmige Melodie, keine Begleitung, obwohl, wie wir wissen, zur Zeit der
Minnesinger sowohl eine instrumentale wie vokale Mehrstimmigkeit bekannt
war und geübt wurde. Bei vokaler Mehrstimmigkeit kannte man schon
seit dem 12. Jahrhundert drei- bis vierstimmige Polyphonie. Wie der
französische Roman von den Haimonskindern im 13. Jahrhundert erzählt,
intonierte eine Stimme die Melodie, den Tenor, eine oder zwei andere
improvisierten einen Kontrapunkt dazu, und ein Bass bourdonnierte das
Fundament. Bei instrumentaler Begleitung spielte die Fiedel, die Viola
die Hauptrolle; sie war dreisaitig, aber ohne Steg, so dass alle Saiten zu-
gleich ertönten, wenn der Bogen über sie hinfuhr. Auf der obersten
Saite griff der Singer die Melodie oder eine Begleitungsstimme zu der-
selben, während die beiden unteren Saiten in der Art des Dudelsacks oder
der Bettlerleier Grundton und Quint miterklingen Hessen. Die Bearbeitung
eines Tanzliedes des Fürsten Wizlaw von Rügen 1 ) mag davon eine
Vorstellung geben. Wenn man die Begleitung um eine Quinte erhöht, die
Melodie eine Quarte tiefer singt, lässt es sich zur Not auch auf einer mo-
dernen Viola ausfahren.
In den weiter folgenden Harmonisierungen der alten Melodieen strebe
ich nicht nach dem undankbaren Ziel, altertümliche Satzweise nach-
zuahmen; ich will nichts weiter, als die natürlichste, notwendigste Ein-
kleidung derselben geben; ich will sie uns nicht entrücken, sondern uns
annähern, uns aneignen. Ich tue es mit ähnlichem Recht, wie jedes Jahr-
hundert sich ja auch den alten Choralschatz eigentümlich vermittelt
Es ist sehr bedauerlich, dass wir aus der Frühlingsblüte des Minne-
sangs viel weniger Proben erhalten haben, als aus seiner späteren Zeit;
das kommt daher, weil unsere Sammlungen erst spät, nicht vor Beginn des
14. Jahrhunderts, angelegt wurden. So haben wir z. B. von Walther von
der Vogelweide nur eine einzige Melodie, die ihm mit ziemlicher Ge-
wissheit zugeschrieben werden kann. Diese kostbare Reliquie 9 ) ist in der
Colmarer Handschrift erhalten und einem späteren Text unterlegt. Es ist
nämlich eine Spruchweise, die Walther, ihr Erfinder, selber häufig an-
gewendet hat, und die dann auch von seinen Nachahmern, den Meister-
singern, gebraucht wurde. Die Melodie ist ungemein schlicht, und ich
begreife es, wenn ein in anderen Kunstidealen Aufgewachsener nichts
Besonderes an ihr findet. Wie soll etwa jemand, der in Renaissanceformen
aufgewachsen ist, beim ersten Blick, ohne Vorbereitung, ohne Hinleitung,
') Siehe Musikbeilage No. 1.
*) Siehe Musikbeilage No. 2.
30
KRALIK: POESIE U. MUSIK D. MINNESINGER
ein gotisches Werk verstehen! Das Schöne unserer Weise liegt in der
Einfalt, der vollkommenen Angemessenheit; es ist wie reinstes Quellwasser
ohne jeden Beigeschmack. Es soll ja keine Musik an sich sein, nur die
Art, wie in gehobenem und gemessenem Vortrag die Strophe eindrucksvoll
und künstlerisch zum Ertönen gebracht wird.
Man pflegt in der Poesie der Minnesinger gewöhnlich scharf zwischen
Spruch und Lied zu unterscheiden. Nur dieses soll .gesungen", jener
dagegen «gesagt* worden sein. Aber unsere Melodieen beweisen, dass
alles ohne Ausnahme gesungen wurde, auch die Sprüche, selbst dann,
wenn diese mehr betrachtenden und lehrhaften als rein lyrischen Charakter
haben. Der Unterschied liegt nur darin, dass der Spruch in einer einzigen
Strophe abgeschlossen ist, deren Form aber dann für unbegrenzt viele
Sprüche verwendet werden darf; das Lied besteht aus mehreren Strophen,
deren Form aber wenigstens in der guten Zeit nur einmal und dann nicht
wieder gebraucht wurde.
Die Form der Minnesingerstrophe ist in der Regel dreiteilig: zwei
in Form und Melodie gleiche Stollen, und ein Abgesang, der gewöhnlich
nach einem kontrastierenden Anfang eine Wiederholung des Stollens ent-
hält Ein Musterbeispiel ist auch die Strophe Hermans von Damen. 1 )
Diese Weise ist auch durch die Tonart charakteristisch ; es ist nicht
unser reines Dur, sondern ein Dur mit kleiner Septime, eine Mischung
von C-dur und F-dur, ein F-dur, das in C schliesst, oder ein C-dur, das
sich nach F-dur hinneigt. Es ist die Tonart, die bei den Griechen die
jonische, im Mittelalter die mixolydische hiess, der achte Kirchenton.
Das gehört nämlich auch zu den Vorzügen jener alten Musik, nicht
nur der Musik der Minnesinger, sondern auch der Musik der Griechen,
ja überhaupt aller Musik mit Ausnahme unserer modernen, dass sie über
sieben charakteristisch verschiedene Haupttonarten gebietet, nicht nur über
zwei, oder eigentlich nur anderthalb wie wir; denn unser Moll ist auch
schon kein reines Moll mehr, sondern durch Harmonie und Melodie ein
halbes Dur geworden. Jenen Reichtum haben wir erst seit etwa zwei
Jahrhunderten ganz verloren gehen lassen. Es ist aber für den Kenner
jenes ursprünglichen und rechtmässigen Erbschatzes der Musik ein
interessantes Schauspiel, zu verfolgen, wie krampfhaft die neuere Zeit, wie
besonders zuerst die modernen Italiener und Skandinavier wieder nach
einer Erweiterung unserer allzu engen Tonartenpraxis streben und jagen,
und es müde sind, aus der Flucht vor dem Dur nur in die Arme des Moll
und umgekehrt zu fallen. Die Schwierigkeit einer gesunden Wiedergeburt
des vollen Reichtums liegt darin, dass die Theorie jener Siebenzahl der
Tonarten verloren gegangen ist und weder von den Erforschern der antiken
>) Siehe Musikbeilage No. 3.
40
DIE MUSIK III. 13.
Musik, noch von jenen des Mittelalters und der Renaissancemusik ge-
funden wurde.
Ich meine allerdings dem Kern der Sache etwas näher gekommen
zu sein, was ja kein Wunder wäre, wenn man sich mit vielleicht ein-
seitigem Interesse einem Problem hingibt; und ich werde vielleicht noch
einmal um Erlaubnis bitten, meine höchst einfache und praktisch frucht-
bare Theorie der sieben Tonarten vorlegen zu dürfen.
Dies sowie die Würdigung einer uns doch nicht ganz eingewöhnten
Musik verlangt ja immerhin eine kleine Anstrengung. Aber ohne eine
kleine Anstrengung ist ja auch .Tristan und Isolde*, ist Liszt, ist irgend
eines der allermodernsten Werke nicht zu gemessen. Aber ich habe in
meiner zwanzigjährigen Beschäftigung mit alter Musik die Erfahrung ge-
macht, dass meine Hörer nur wenig auf einmal von dem vertragen, was
mir als das Ideal eines vollkommenen Sprachgesanges gilt. Nicht jeder
gibt sich zu dem ästhetischen Experiment gutwillig her, dass er sich etwa
das ganze Nibelungenlied, oder die Uias, oder den Tasso und Ariost und
gar Dante, oder eine Sonettenreihe nach den alten Melodieen vorsingen
lässt. Und doch wären das alles Kulturprobleme ersten Ranges, es wären
Massstäbe, an denen wir wenigstens annähernd das Verhältnis unserer
Kunstanschauungen zu jenen messen könnten. Und gerade darin scheint
mir das eigentliche Kulturproblem der Gegenwart und der nächsten Zu-
kunft zu liegen.
Die Sezession in Malerei und Architektur ist darin uns Musikern ein
wenig voraus. Dort hat man schon das, was ich hier angedeutet habe, als
eine kostbare Errungenschaft, als einen Wegweiser nach neuen Zielen fest
ins Auge gefasst Eine Vermittlerrolle hat dort die ostasiatische Kunst
gespielt, die ja, wie die allerneuesten Entdeckungen überraschenderweise
gelehrt haben, direkt mit der griechischen Antike zusammenhängt. Um
dies zu zeigen, möchte ich eine Stelle aus einem Brief zitieren, den der.
Maler Emil Orlik in der .Deutschen Arbeit" (Jahrgang 2, Heft 1) ver-
öffentlicht: «Die lieben Japaner (der Brief ist von Tokio datiert) haben
keine Ahnung, was »Modell sitzen 4 ist. Nach zwei oder fünf Minuten
werde ich gewöhnlich schon gefragt, ob die Arbeit fertig sei . . . Denn die
ganze Art, Bilder zu malen, wie wir sie bei uns seit Jahrhunderten pflegen,
steht im reinen Gegensatz zu japanischer Kunstanschauung. Das Erstreben
der Wirklichkeitswirkung im Bilde kannten sie nicht. So kommt es, dass
der Maler echt japanischen Stils niemals sein Bild direkt nach der Natur
fertigt. In der Darstellung des Wesentlichsten liegt ihr Ideal. Je ein-
facher die Mittel, je grösser die Konzentration des Künstlers bei der Arbeit,
um so geschätzter ist das Werk ... Es wird längere Zeit überlegt und
kürzer gemalt. Denn das Bild besteht gar oft — und gerade die be-
<^c
rühm testen sind so! — aus wenigen Pinselstrichen . . . Dass zu solchen
Malern auch eine andere Kunsterziehung im Volke gehört, ist selbst-
verständlich . . ."
Es ist leicht, diese Prinzipien, die bekanntlich die ganze moderne
Malerei und auch die Architektur beherrschen, auf die Musik zu über
tragen. Denn auch die lebendige japanische Musik steht ganz auf dem
Standpunkt der griechischen Antike und des frühen europäischen Mittel-
alters. Einige moderne Franzosen suchen denn auch auf diesem Weg, aber
Freilich nicht mit jener sieghaften Genialität, die das Einfache auch zum
Grossen, zum Ewigen macht. Hier, ihr jungen modernen deutschen
Musiker, ist das Feld eurer Versuche! Es gibt viele Ausgangspunkte
dahin. Die antike Musik und die der Minnesinger sind nur zwei unter
unzähligen. Ich habe sie leise und kurz berührt, mit dem Wunsche, mich
wiederholt von hier aus über den Gang unserer modernen Kultur zu
orientieren.
Offene Antwort an Herrn Dr. Georg GAhler
rr Dr. Georg Gobier hat im Kunsrwart (Jahrgang 17 Heft 9 Sehe 580»
u die unterzeichneten Tonsetier die offene Frsge gerichtet, warum sie
mit ihren Namen Bestrebtingen unterstützen, die der ernsten deutschen
Kunst nur schaden kennen, und warum sie der Genosaenacheft Deutscher
lonsetzer nicht den Rucken kehren.
wir antworten hierauf folgendes:
Vir unterstützen die Bestrebungen der Genossenschaft Deutscher Tonsetier und
halten treu an Ihr fest, in der vollen Überzeugung, dsss du Vorgehen der Genossen-
schaft im dringenden Interesse der deutschen Komponisten liegt und der ernsten
deutschen Kunstpnege nur mm Vorteil gereichen kann.
Dss neue deutsche Urheberrechtsgesetz von 1901 hat endlich, nach dem Vorbilde
der fortgeschrittenen Gesetzgebungen des Auslandes, einen bedingungslosen Schutz
des Aufführungsrechtes der Komponisten verwirklicht Die Vorschriften dieses Gesetzes
in die Praxis überzuführen, ist nur einer einheitlich organisierten Zentralstelle möglich.
Wenn diese Zentralstelle in die Hand der Gefl oss en schaft Deutscher Tonsetzer gelegt
wird, der fast alle ernsten deutschen Tonsetzer angehören, so durfte darin eine
Sicherheit zu erblicken sein, dsss die Ausführung des Ge s et z e s sich in einer den Be-
durfnissen der deutschen Kunstpflege durchaus entsprechenden Weise vollziehen wird.
Das geringfügige Opfer, das die Anstalt für musikalisches Aufführungsrecht
erheischt, Ist keineswegs geeignet, dss freie künstlerische Wirken der deutschen
Dirigenten und Musiker in Frage tu stellen. Von allen Vertretern der ausübenden
Tonkunst dürfen und müssen wir so viel Idealismus erwarten, dass sie nicht nur die
im Verhältnis zu ihren sonstigen Aufwendungen so geringe Gebühr willig hingeben,
sondern auch in jeder Welse die segensreichen Bestrebungen unserer Genossenschaft
nach Krlften mit unterstützen.
Was im übrigen die auf Verkennung der tatsächlichen Verhältnisse beruhenden
Anschuldigungen des Herrn Dr. Gobier wegen .Schädigung der Interessen deutscher
Muaikpuege" usw. betrifft, so begnügen wir uns mit dem Hinweise auf die kurslich
erschienene Denkschrift der Genossenschaft Deutscher Tonsetter ') (Anstalt für
musikalisches Aufführungsrecht), in der diese bereits ihre Erledigung gefunden haben
Engen d 'Albert Leo Blech. Siegmund v. Hausegger.
Engelbert Humperdinck. Gustav Mahler. J. L. Nlcode.
Hans Pfitzner. Ludwig Tbuitle.
') Diese Denkschrift wurde sur Grundlage eines ausführlichen Aufsatz«« gemacht,
der in der .Musik" III Heft 11 zur Veröffentlichung gelangte.
43
ZUM TANTI&MENSTREIT
Keine Konzert-Tantiemen
Eine Erwiderung von Dr. Georg G 5 h 1 e r - Altenburg
Herr Dr. Hans Sommer hat im 1. Märzheft gegen zwei Artikel von mir polemisiert
Ich bitte die Leser der „Musik*, diese beiden Aufsitze im „Kunstwart* selbst zu lesen
und mit Herrn Dr. Sommers Ausführungen zu vergleichen.
Kein Freund der Anstalt, auch Herr Dr. Sommer nicht, hat folgende Tatsachen
widerlegen können:
1. Gerade die am kunstsinnigsten geleiteten Konzertinstitute verdienen mit
wenigen Ausnahmen nichts, sondern haben jedes Jahr Defizit, das Kunstfreunde decken.
Es ist also ungerecht, diese, die schon Opfer für die Kunst bringen, zu besteuern.
2. Würde die Steuer allgemein eingeführt, so würde sofort die Mehrzahl der
deutschen Konzertgeber beim Ankauf von Novitäten sparen und weniger neue Werke
bringen. Die Kunst und Kunstpflege bitte also Schaden statt Nutzen.
3. Das meiste Geld verdienen durch die Steuer die Leute, die am meisten auf-
geführt werden. Das sind aber notorisch mit wenig Ausnahmen die Schreiber der
seichtesten Musik oder solche, die gute Ellenbogen und geschickte Reklameschreiber
haben (Couplets, Walzer etc., die jährlich mehrere Zehntausende öffentlicher Auf-
führungen erleben). Den abseits von der Heerstrasse lebenden Künstlern, die der
Menge keine Konzessionen machen, nützt die Tantiemen-Anstalt so gut wie nichts.
4. Die Kontrolle ist, da jährlich an die 8 Millionen steuerpflichtiger Aufführungen
kontrolliert werden müssten, so gut wie unmöglich und erfordert einen kolossalen
Verwaltungsapparat, der Unaummen verschlingen muss.
5. Die ganze Kunstpflege wird aufs stärkste mit Geschäftsgeist durchsetzt Eine
Menge Komponisten werden noch mehr sls jetzt sus Rücksicht auf den Geschäfts-
gewinn sich dem Geschmack und den Wünschen des Durchschnittspublikums an-
bequemen.
Das sind einige von den Tatsachen, die jeder unbefangene Kenner des Musik-
lebens ohne weiteres einsieht und die noch niemand widerlegt hat
Noch ein paar Anmerkungen zu Herrn Dr. Sommers Worten.
Zur Einleitung: Ich bin der Oberzeugung, dass es keinem Komponisten schadet,
wenn er ein Amt bekleidet, daa ihm Brot bringt Vom Komponieren braucht niemand
zu leben. Schütz, Bach, Händel, Mozart, Mendelssohn, Hsydn, Schubert, Liszt, Schu-
mann, Brahms, Brückner, Wagner : Alle waren wenigstens lange Zeit „etwas". Auch
Goethe und Schiller. Nichts als „schaffen" erzeugt — von sehr grossen Männern
abgesehen, die sehr grosse Ausnahmen sind — meist Schwäche und Gigerltum, wie
wirt in der Literatur an Beispielen der Gegenwart sehen.
Zu 2. Ich habe seinerzeit selbst öffentlich zugegeben, dass der Ausdruck
»Bettelei 41 zu stark wäre, obwohl ich ihn in gerechter Entrüstung darüber gebraucht
hatte, daas ein Komponist, dessen Werk ein Institut für etwa 800 M. gekauft und
mit dessen Aufführung es es. 2000 M. Defizit gemacht hatte, nun noch Tantiemen
bekommen sollte.
Zu 4. Es bleiben zum Glück, da durchaus nicht alle Komponisten, vor allem
aber lange nicht alle Verleger zur Anstalt gehören, aehr viele Novitäten aufführbar
und wir können die modernsten Programme selbst mit Brahms, Liszt, Brückner,
Hugo Wolf, Draeseke, Wagner, wohl auch Strauaa such ohne die Anstslt machen.
Ob man Bülow besser ehren kann durch Beethovenauffübrungen, d. h. als un-
vergesslichen Dirigenten, denn als Komponisten 3. Grades?
Zu 5. Noten sind teuer, weil die Herstellungskosten gross sind und weil der
44
DIE MUSIK III. la.
Verleger den Autor bezahlt Dadurch, dass ich Novitäten kaufe, mache ich eine
Abgabe, für die ich das Aufführungsrecht erwerben will. Eine Steuer obendrein ist
eine »Belastung", die trotz des Gesetzes ungerechtfertigt ist.
Zu 6. Ich suche nicht aufzuwiegeln, sondern aufzuklären. Und ich habe auch
bereits Komponisten als Gesinnungsgenossen. Neben Hans Sitt, Reinecke und Wein*
gartner, die der Anstalt nicht angehören, weise ich auf Anton Urspruch bin, der ans
der Anstalt ausgetreten ist. Ich bin der festen Oberzeugung, dass ihm bald mehr
Komponisten folgen werden. Herr Dr. S. meint, dass selbst die Auflösung der Anstalt
mir nicht helfen werde, denn die Verträge blieben bestehen. Doch nicht für Deutsch-
land. Und die Drohung, dass dann die Franzosen oder Österreicher kommen würden,
ist hinfällig. War schon der Widerstand gegen die Berliner Anstalt grösser als diese
geahnt hatte, so werden wir uns auch die Franzosen und Österreicher vom Halse
zu halten wissen. Wenn Brahms und Wagner der französischen Anstalt angehört
haben, so wollten sie eben „in Frankreich" genau so geschützt sein wie Saint-
Saöns. Das ist billig. Aber für Deutschland sind wir eben an freie Kunstpflege
gewöhnt.
Zu 8. Die wenigen Bemerkungen, die ich über die Anstalt gemacht habe,
stimmen genau zu deren eigenen, später gemachten Angaben. Ich habe also nicht
phantasiert, aber auch nicht willkürlich verdächtigt. Das tut Herr Dr. S., indem er
aus zwei räumlich und inhaltlich ganz getrennten (!) Sätzen meines 1. Aufsatzes das
herausnimmt und zusammenstellt, was ihm passt. Herr Dr. S. schreibt: »Herr Dr.
Göhler sagt, für die leitenden Persönlichkeiten sei der eigentliche Grund des
ganzen Tantieme-Feldzugs, dass sie sich einen ganz leidlichen Verwaltungsposten
erringen und darauf zum Range eines kleinen Musikkönigs erheben wollten und dass
nun ein guter Teil der eingegangenen Gelder zur Bezahlung dieser verdienstvollen
Männer 4 d raufgehen würde." Ich aber habe gesagt: „Dieser Tantieme-Feldzug hat
einige Gründe, die mit Kunst nichts zu tun haben. 1.— 2. verspricht die Anstalt
Leuten, die selbst nichts Positives leisten können, einen immerbin sehr angenehmen
Einfluss auf den Musikmarkt. Denn die ganze Sache braucht verschiedene kauf*
männische und technische Direktoren* und wer da an der Spitze steht, wird immerhin
einen ganz leidlichen Verwaltungsposten bekommen, der ihm ,ohne irgend welche
künstlerische Leistung 4 den Rang eines kleinen Musikkönigs gibt. 3. — .*
Das war der eine Satz: Dieser bezieht sich erstens durchaus auf die Zukunft
und betont zweitens ausdrücklich, dass keine musikalischen Persönlichkeiten, sondern
kaufmännische und technische Direktoren hier Verwaltungsposten bekommen werden,
die ihnen über das ganze Musikleben eine unbeschränkte Macht geben müssen.
Dass diese Posten praktische Musiker übernehmen, ist nicht wohl zu denken; dagegen
sähen sich aus der musikalischen Presse und dem Musikhandel sicher manche gern
an so einflussreicher Stelle.
Der andere Satz (über 50 Zeilen später!) lautet: „Der Verwaltungsapparat der
Anstalt muss so kostspielig werden, dass ein guter Teil des Geldes dafür draufgehen
und zur Bezahlung der »verdienstvollen Männer* dienen wird, die diese Verwaltung
in Händen haben." Jeder Unbefangene muss einsehen, dass hier von den ver-
schiedenen Direktoren, von Buchhaltern, Korrespondenten, Kontrolleuren und
Schreibern der Anstalt die Rede ist. So entstellt Herr Dr. S. meinen Text, um mir
eine „willkürliche Verdächtigung" vorwerfen zu können.
Anm. der Red. Die Polemik Dr. Hans Sommer — Dr. Georg Göhler ist
hiermit für uns erledigt.
45
ZUM TANTlfeMENSTREIT
Ein Vorschlag zur Einigung
von Dr. Hermann Stephani- Sonderburg
Heftig tobt der Kampf um die Frage: Sollen wir unser deutsches Konzert-
wesen der „Anstalt für musikalisches Aufführungsrecht" mit ihren Tantieme-
verpflichtungen ausliefern — sollen wir es davor bewahren?
Welches wird der Ausgang dieses Kampfes sein? Auf beiden Seiten ist sehr
viel Wahres vorgebracht worden; nun boykottiert man einander, die Frage spitzt sich
zu zur Machtfrage, und unvermeidlich ist es, dass die entgegengesetzten Stand-
punkte, statt das ganze Für und Wider zu erwägen, blind und einseitig werden.
Beide Parteien klmpfen unter der Fahne der Förderung der Kunstpflege, und beide
arbeiten sich zu ihrer Schldigung in die Hlnde.
Das höchste Ziel der besten Streiter für gesunde Lebensbedingungen der Kunst
ist und bleibt die Schaffung eines deutschen Reicbsurheberschatzes. 1 ) Allein wir
haben ihn nicht, und es gilt zu gewinnen, was erreichbar ist.
Da sind einmal die Verfechter des Tantiemegedankens. „Es ist unbillig,"
sagen sie sehr richtig, «dass die Unternehmer der Konzerte und anderer Auf-
führungen aus der Verwertung der Tonwerke reichen Gewinn ziehen, während die
Schöpfer dieser Werke bzw. ihre Erben nichts erbalten." »Fast alle grossen Kom-
ponisten aller Zeiten haben in materiellem Elend gelebt, und den Lohn für ihre
Leistungen haben andere, haben die Verleger eingesteckt. Das muss anders werden."
Weiter aber „ist es wünschenswert, den ganzen Verkehr zwischen den Urhebern
(oder sonstigen Inhabern von Aufführungsrechten) und allen Veranstaltern öffentlicher
Aufführungen durch eine Zentralstelle zu leiten."
Auf der andern Seite stehen die Gegner. „Künstlerischer Wert," sagen sie
gleichfalls sehr richtig, «und materieller Erfolg stehen fast stets im umgekehrten Ver-
hältnis 44 (Liszt, Brückner, Driseke, Wolf), und so wird die Ausnützung des Autoren-
rechtes eher schaden als nützen und „manchen Musiker nur noch mehr als jetzt
verleiten, sein Schaffen vom Modegeschmack abhängig zu machen," während der
Idealismus des deutschen Konzertmusikers besteuert und seine Betätigungsfreiheit
beschränkt wird. Ausserdem werden die kleinen, oft schwer um ihr Dasein ringen-
den Musikvereine von der Pflege unsrer besten lebenden Kunst abgeschreckt
Vollkommen wahr. Wie aber, wenn es gelänge, einen Mittelweg zu finden, der
vor Schäden bewahrte und den guten Gedanken des Autorengebühr -Vorschlages
fruchtbringend verwertete?
Unsre Anregung wendet sich an die Anstalt für musikalisches Aufführungsrecht.
I. Die der Anstalt beigetretenen Musikverleger verpflichten sich,
den Rabatt auf ihr Notenmaterial um 5%*) zu erhöhen. Folge davon:
Der Vorwurf der Härte gegen die kleinen Musikverbände und der Besteuerung des
Idealismus des deutschen Konzertveranstalters werden hinfällig. Bringen aber die
Musikverleger ein Opfer? Nein. Denn 1. erheben sie Vi /© Aufführungsgebühr, und
2. haben sie vor den Kollegen, die nicht zur Anstalt gehören, bei gleicher Billigkeit
der Konzertkosten, den nachweislich ihnen zukommenden Ruhm voraus, den Kom-
ponisten auch etwas zu gönnen.*)
II. Komponisten (oder sonstige Bezugsberechtigte), die jährlich weniger
s ) Ferdinand Avenarius im „Kunstwart".
*) 5 ist gut; 10 ist besser.
8 ) Und so etwas lohnt sich in bar.
CfipO DIB MUSIK HL 13. Q^FjJ
ala 100 M. 1 ) erzielen, erhalten im den hinkommenden Tantiemen die
vollen Anteile ohne Abzog. Die übrigen trafen 15%") für die Unter-
stfitzangakasae der Genoaeenachaft und almtliche Verwaltnngskosten.
Folge davon; Auch die Ei »am- Grossen, die nicht ein breite* Publikum rar eich
haben, wie alle, die aicb erat znr Anerkennung durchringen müssen, werden nach
Möglichkeit (1) geschützt und bevorzugt, die Lasten werden auf die starken Schaltern
geschoben, d«i Odium der „Gescblftemacberei" zerrinnt, und die Zentralatelle wird
an Sympathie gewinnen, Ha daa ganze Gebiet moderner Musik ihr zugebfirt
Unter diesem Zeichen and mit Hälfe dieses Vorschlags, soweit er auch von
Ideal noch entfernt bleibt, möge der Gedanke der Antorengebühr siegen und wir
wünschen Ihm Glück.
j endgültige Zahlen best! mmung wird die Praxis fibernehmen.
BÜCHER
179; Dr. med. Georg Fischer: Musik In Hannover. Zweite vermehrte Auflage
von .Opern und Konterte im Hoftheater in Hannover bia 1866'. Verlag:
Hahn sehe Buchhandlung, Hannover und Leipzig, 1003.
Wann die erste Auflage dea vorliegenden Baches erschienen war, ist mangels
jeglicher Vorrede nicht ersichtlich; vermutlich iat es schon lingere Zelt her. Indessen
hat der fleisslge Antor die iniwlscben erschienene Literatur wohl berücksichtigt, so das*
die neue Auflage aeines Werkes völlig auf der Höhe der Gegenwart steht Da dem
Antor daa Hoftheatersrchiv und anderes amtliches Aktenmaterial zur Verfügung ge-
standen und er aein Bncb mit grösster Sachkenntnis und offen sichtiger Liebe ver-
faaat hat, so Ist es nicht in verwundern, dass er etwas gans vorzügliches Fertig gebracht
hat: ein umfangreiches Werk von der Genauigkeit, Reichhaltigkeit nnd Treue einer
Chronik nnd dabei doch sogleich wissenschaftlich nnd interessant geschrieben. Im
ersten Teil .Vor 200 Jahren" schildert er die erste Blüte der Oper In Hannover mit
Agosto Steffen! ata Hauptkomponisten. Hier wird nicht nur ein muaikgescbfchtlicbes,
sondern ein geradem kulturhistorisches Gemilde von ungemein fesselndem Reize vor
dem Leser entrollt Die Nummern und 10 sind aber in Wirklichkeit nur eine einiige
Oper, nicht iwel, wie Arthur Nelsser In seiner Speslslstudie über Steffani's Oper „Servlo
Tullio" nachgewleaen hat, die indem noch genauere Angaben Ober die Fundorte dieser
alten Opern macht ala Fischer, die sich aber gleichseitig mit dem verliegenden Buche
Im Druck befand. Von den weiteren Hauptabschnitten sind besonders von Interesse die
Perlode Msrschuer und die Zeit dea letzten Könige Georg V. von Hannover, zusammen
von 1831 bis 1866 reichend. Wir lernen die Persönlichkeit und den Charakter des
grossen Helllngkomponlateu, sowie aein langes und erfolgreiches Wirken In Hannover
ganz genau und Intim kennen. Wir sehen ihn In fortwahrendem Kampfe mit ebenso
eingebildeten als unwissenden Vorgesetzten, aber Immer als Liebling des Königs und
des kunstliebenden Publikums. Wir aeben, wie er schnell sich zu hoher Meisterschaft
entwickelt und im „Templer" sowie In .Hans Helling", den Höhepunkt seiner künst-
lerischen Bahn erreicht, auf dem er sich aber nicht zu halten vermag. Wir aehen
Ihn dann von Mi »»erfolg in Misserfolg hlnabachrelten und vergrämt und mürrisch
werden, dabei ungerecht gegen »ödere Meister, ganz besondere gegen Richard Wagner,
dem gegenüber er eine ihn Hebe unschöne Stellung einnimmt wie Berlioz, der
seinerseits wieder nicht viel von Marschner gehalten zu haben acheint Als ein Fürst
von einer Knn st Freudigkeit und von einem Kunstverständnis hohen Grades zeigt sich
König Georg V. Er bringt durch seine Freigebigkeit und durch persönliche Anteilnshme
an künstlerischen Angelegenheiten sein Hoftheater auf eine alle anderen fiberragende
Höhe. Wirkte doch ein Joachim in seinem Orchester wie auch ala Dirigent mit; begann
doch von hier aus der als Singer wie als Tragöde gleich groase, unvergleichliche Albert
Niemann seinen Siegealauf. Auch diesen Künstler lernen wir genau kennen und Heben,
in seiner ungestümen eher wahrhaftigen Art, mit seinem echt deutschen Ernst und
Fleits. Wir haben nur die all erbedeutendsten Namen herausgegriffen. In Wirklichkeit
48
DIE MUSIK III. 13.
zieht das ganze musikalische 10. Jahrhundert sn uns vorüber. Denn alle namhaften
Künstler wirkten oder gastierten auch in Hannover. Fischer gibt ein Verzeichnis sämt-
licher seit 1709 in Hannover aufgeführten Opern und desgleichen einen genauen Ober-
blick über das hannoversche Konzertwesen dieser hundert Jahre. Alle bedeutenderen
Einstudierungen und Aufführungen werden möglichst genau geschildert. Auch der Laie
wird diese Beschreibungen mit grossem Interesse lesen, da ihr Autor einen fesselnden
und flotten Stil schreibt und niemals in den trockenen Gelehrtenton verfallt. Der
Musikhistoriker und in gewissem Grade der Geschichtsschreiber überhaupt werden aber
in Fischers Buch eine sehr reich fliessende Quelle finden. Es wlre schön, wenn jedes
Thester einen so vortrefflichen Monographen bitte, was aber durchaus nicht der Fall
ist Das in Quartformat erschienene, ziemlich 300 enggedruckte Seiten enthaltende
Buch ist ausgezeichnet solid und dabei geschmackvoll ausgeststtet; es entfallt auf dem
Titel kleine Porträts von Steffani, Marschner, Joachim und Niemann und weiterhin eine
grössere Nachbildung des hannoverischen Theatervorhanges von 1780.
Kurt Mey.
180. Carl Reinecke: Meister der Tonkunst Verlag: W. Spemann, Berlin und
Stuttgart.
Der ehemalige Kapellmeister der Leipziger Gewandhaus-Konzerte bietet in diesem
ebenso ansprechenden wie wertvollen Werke Biographieen von Mozart, Haydn, Weber,
Schumann, Mendelssohn (Schubert fehlt merkwürdigerweise). Wie der Verfasser im
Vorwort mitteilt, ist das Werk auf Antrag des Verlegers entstanden; wenn der Verfasser
nun sich entschuldigen zu müssen glaubt, weil er die Aufnahme übernommen hat, da
es, wie er sagt, in solchen Fällen kaum möglich ist, etwas Neues und durchaus Eigenes
zu schaffen, so freut es mich aufrichtig, zunlchst erklären zu können, dass Reinecke
absolut nicht nötig hat, sich wegen seines Buches bei irgend jemandem zu entschuldigen,
dass er vielmehr, so abgegrast das Thema tatsächlich js ist, doch nicht nur vielfach
Neues, sondern tatsächlich auch oft „Eigenes" geboten hat Dieses »Eigene 41 besteht
in erster Reihe darin, dass der Verfasser, in höchst erfreulichem Gegensatz zu den
vielen älteren Büchern, die in populärer Form denselben Gegenstand behandelten,
seinem Werke eine Anzahl interessanter Notenbeispiele beigegeben hat, die für den
wirklichen Musikfreund von grösserem Nutzen sind und ihm mehr Anregung bieten, als
4ie ästhetischen Schwabbeleien, die uns so häufig in für Dilettantenkreise berech-
neten Büchern dieser Art begegnen. Es ist eben, kurz gesagt, nicht die Arbeit eines
musikalischen Schriftstellers, sondern die eines geistvollen, liebenswürdigen und vor-
nehmen Musikers, der nahezu ein halbes Jahrhundert an erster Stelle gestanden und
an dieser Stelle es verstanden hat, sich eine Position zu schaffen. Von ganz be-
sonderem Reize sind auch die vielen Hinweise auf gewisse sozusagen in der Luft
liegende Themen und Melodieen, aus denen für den wirklich musikalischen Leser
hervorgeht, wie der Komponist oft mit einem Thema gerungen und welche Zeit er
schliesslich gebraucht hat, für die ihm vorschwebende Idee den voll entsprechenden
Ausdruck zu finden. Besonders fesselnd sind natürlich die beiden Artikel über
Mendelssohn und Schumann, nicht nur, weil der Verfasser hier aus dem reichen Schstz
seiner persönlichen Erinnerungen und Beziehungen heraus immer noch imstande ist,
Neues, wenn auch nicht immer sonderlich Wesentliches, mitzuteilen, sondern weil, wie
ja kaum hervorgehoben zu werden braucht, gerade diese beiden Essays mit besonderer
Anteilnahme und im eigentlichen Sinn des Wortes „con amore* geschrieben sind. Zu
bedauern bleibt an der Reineckeschen Arbeit nur, dass wie bereits erwähnt, nicht such
Franz Schubert Aufnahme gefunden hat. Ich würde von meinem subjektiven Stand-
punkte dafür sogar den Essay über Carl Maria von Weber gern in den Kauf gegeben
49
BESPRECHUNGEN (MUSIKALIEN)
haben. Im übrigen scheint es mir, als ob der Verfasser, der schon in seinen so un-
gemein anziehenden Erinnerungsbildern (»Und manche dunklen Schatten steigen auf")
sich als ein feinfühliger und liebenswürdiger Erzähler erwies, mit dem ihm nahe-
▼erwandten Ferdinand Hiller manche Ähnlichkeit hat: beide stehen meiner Meinung
nach als musikalische Schriftsteller höher wie ala Komponisten und so möchte ich
beinahe annehmen, dass den musikalischen Schrifsteller Carl Reinecke noch lieben
und schltzen wird, wer im übrigen seiner kompositorischen Tätigkeit gegenüber sich
mehr oder minder reserviert verhalten muss. M. Steuer.
181. Prof Dr. Hugo Riemann: Musik-Lexikon. 5. Auflage. Erste Lieferung (A
bis Aulet). Verlag: Max Hesse, Leipzig.
Da Riemanns Lexikon ausser in deutscher auch in englischer (London« Augener & Co.,
übersetzt von Dr. J. S. Sbedlock), französischer (Paris, Didier, übersetzt von G. Humbert)
und russischer Ausgabe (Moskau, Jürgenson, Obersetzung redigiert von J. Engel) er-
schien und auch H. V. Schyttes Nordisk Musik-Lexikon nur eine dänische Übersetzung
desselben ist, so hat sich das Werk tatsächlich in den zweiundzwanzig Jahren seit
seinem ersten Erscheinen (1882) die Welt erobert Die fremdsprachigen Bearbeitungen
haben aber das Interesse für seine weitere Vervollkommnung überall verbreitet und dem
Verfasser auch eine Fülle wertvollen neuen Materials für die Musik der anderen
Nationen zugeführt. Wir nennen nur einige Artikel der 1. Lieferung, die teils ganz und
gar umgestaltet, teils neu hinzugekommen sind: Abaco, Abasa, Abbatini, Hermann
Abert, K. Fr. Abel, Abranyi, Achscharumow, Adalid y Gurrea, G. Adler, Agazzari,
Afenassiew, Agrenew, Agrlcola, Aguilera de Heredia, Ahle, Aichinger, Airs, Alabjew,
Albeniz, Albergati, d'Albert, Albertl, Albrecht, Albrici, d'Alembert, Allgem. deutsche
Bibliothek, Alois, Altenburg, Altani, Amadino, Altmann, Alvarez, Ambrosch, Anchieta,
Andersen, Andre 1 , J. Andres, Anerio, Angeli, Anenaika, Annibale Padavano, M. Ansorga,
Antegnati, Anthologie francaise, Antiphon, Antiphonar, Antiquus, Antonolini, Äolopantalon,
Appunn, Arend, Arenski, Archangelski, Ark, Armonipisno, Armshelmer, Y. v. Arnold,
Arpeggio, Arrest!, Arriola, Ars, L'Art du violon, L'Art de se perfectionner etc^ Asant-
schewski, Asplmsyr, Aubry, Aufschnaiter. Das Werk erscheint in 20—24 Lieferungen
ä 50 Pf. Richard Wanderer.
MUSIKALIEN
182. Rafael Joseffy: School of advanced Piano playlng. Verlag: G. Schirmer,
New York.
Gutes Hast sich von Joseftys Studienbande sagen. Es ist das vollendetste und
reichhaltigste Material, das in jüngster Zeit erschienen. Gross angelegt erfüllt es wohl
Jede pianistische Bedingung. Köhler, Mertke, Villolng, der gute Plaidy, Schmidt, sind
nunmehr überflüssig geworden. Wem an einer guten modernen Technik liegt, hat an
Joseffjr mehr ala genug. Die echt pianistisch-klavieristischen Formen, der feine
technische Geist, der aus Jedem und allem spricht, die kühnen freien Fingersitze geben
die beste Gewlhr für eine moderne pianistische Kultur. Der Stoff ist so reich, dass
wohl einige Zeit vergehen wird, bevor er wiederum veraltet erscheint. Die Nach-Lisztsche
Technik hat ihren Abschluss gefunden. Mögen die, so sie studieren müssen, ihren
Verstand behaltenl Rud. M. Breithaupt.
183. Ed. Poldinl: Phantastisches Stück (in E. T. A. Hoffmanna Manier), op. 38,
No. 5. Verlag: Julius Hainauer, Breslau.
Ähnlich wie E. T. A. Hoffmann durch die launigen und genialen Zeichnungen des
Kupferstechers Jacques Callot zu seinen prachtvollen .Phantasiestücken in Callofs Manier"
angeregt wurde, so haben letztere wiederum Poldinl zu einem interessanten Klavierstück
III. 13. 4
50
DIE MUSIK III. 13.
inspiriert Wird man auch hin und wieder durch die Themenbildung an Schumann er-
innert, so ist dieser Umstand nicht von grosser Bedeutung, da dieser sich ebenfalls an
Hoffmanns »Kreisler« begeistert hat, und demzufolge eine Ähnlichkeit des Stoffes vorliegt
Jedenfalls ist dem sehr geschickt konzipierten und abseits vom Wege stehenden Werke
Verbreitung zu wünschen.
184. Hermann Kögler: Grosse Phantaaie für Klavier. Op. 6. Verlag:
Breitkopf & Härtel, Leipzig.
Der mit diesem Werk zum erstenmal vor die Öffentlichkeit tretende Komponist ist,
wie ein beigelegtes Blatt der Verlagshandlung besagt, in Warnsdorf (Böhmen) geboren und
lebt jetzt, seit frühester Jugend erblindet, in Lodz. Trotzdem es mit höchster An-
erkennung verzeichnet werden muss, dass der Autor unter so schwierigen Umständen
ein grosses Werk zustande bringt, darf doch nicht verschwiegen werden, dass das Stück
an sich auf sehr schwachen Füssen steht Die Erfindung ist matt, die Ausdrucksweise
veraltet und die Verarbeitung recht uninteressant; ich fürchte, der Autor wird von dieser
Veröffentlichung wenig Nutzen haben. KarlKlmpf.
185. Johan S. Svendsen: Fest'Polonalae op. 12. Verlag: Wilhelm Hansen,
Kopenhagen.
Diese weit ausladende Orcbesterkomposition des nordischen Meisters hat Richard
Lange mit Beruf für das Pianoforte übertragen. Er hat dadurch die Klavierliteratur um
ein wertvolles, gross angelegtes Vortragsstück vermehrt.
186. Sigismund Stojowski: Romantische Stücke op. 25. 1. Geständnis. 2. En
valsant 3. Idylle 4. Barcarolle. 5. Frühlingserwachen. Verlag: C. F. Peters,
Leipzig.
Der Komponist nennt diese Stücke mit Recht «romantisch*; ein reiner Zug durch-
weht sie, ein Zug, der durch das erwähnte Epitheton hinreichend charakterisiert erscheint
Stojowski präsentiert sich mit diesem Heft als ein Tonpoet im guten Sinn des Wortes.
Dr. Viktor Joss.
187. Hugo Wolf: Italienische Serenade für 2 Violinen, Viola und Cello. Verlag:
Lauterbach & Kuhn, Leipzig.
Diese ursprünglich für kleines Orchester geschriebene Serenade (nur ein Satz)
ist vom Komponisten selbst für Streichquartett übertragen, ein Beweis, wie sehr ihm
das Werk ans Herz gewachsen war. Sehr bedeutend kann ich es nicht finden; es ist
von recht niedlichen und neckischen Einfällen durchsetzt, graziös und nicht ohne klang-
lichen Reiz, nach meinem Geschmack aber viel zu lang ausgedehnt In sehr schnellem
Tempo und mit allen Finessen gespielt, dürfte es auch bei denen Anklang finden, welche
nicht eingefleischte Wolfianer sind.
188. A. Halm: Streichquartett in B-dur. Verlag: Lauterbach & Kuhn, Leipzig.
Dieses Werk, das ich allgemeiner Beachtung empfehlen möchte, besteht nur aus
2 Sätzen und ist abgesehen von seiner modernen Harmonik durchaua im Geist der
Klassiker gehalten. Den ersten Satz bildet eine Reihe durchweg hochinteressanter, sehr
viel Abwechselung bietender Variationen über ein ungemein einfaches Thema. Der
zweite Satz gibt sich als ein lang ausgesponnenes bedächtiges Menuett, dessen 2. Thema
nicht frei von Sentimentalität ist, das aber, im ganzen betrachtet, von entzückendem
Wohllaut ist und allgemein gefallen dürfte. Infolge der vielen Tempiwechsel, Ruhe-
zeichen usw. ist das Werk nicht ohne Schwierigkeiten für das Zusammenspiel.
189. Hans Pfitzner: Quartett für 2 Violinen, Viola und Violoncello. Op. 13. Ver-
lag: Julius Feuchtinger, Stuttgart.
Auch im ersten und im langsamen Satz dieses Quartetts, das im allgemeinen
durchaus quartettmässig und dem Charakter der Streichinstrumente entsprechend ge-
51
BESPRECHUNGEN (MUSIKALIEN)
sehrieben ist; überwiegt Pfltzners Hing zur Grübelei; manche Stellen wirken direkt
unerquicklich. Um so mehr erfreut msn sich dann des kräftigen, ja urwüchsigen Humors,
der in dem sehr gelungenen Scherzo herrscht. Auch das „Rondo im heiteren Reigen-
tempo' hält durchaus, was seine Oberschrift verspricht; es ist dies übrigens der einzige
Satz, der an die Technik der Spieler einige Anforderungen stellt.
Dr. Wilhelm Altmann.
100. Hugo Brückler: Acht Gesinge für eine Singstimme mit Pianoforte. Nach
Handschriften aus dem Nachlass des Komponisten bearbeitet von Reinhold
Becker. Verlag: L. Hoffahrt, Dresden.
Nicht bloss als ein Akt der Pietit gegen den früh verblichenen hochbegabten
Liederkomponisten ist diese Herausgabe zu nehmen, nein, diese Lieder sind es wert,
vor vielen andern gekannt, gesungen und geliebt zu werden. Denn es sind, wenn
auch nicht alle auf gleicher Höhe stehen, gar zart empfundene, aus warmem, jugend-
frischem Herzen kommende, in der Deklamation wie in der harmonischen Begleitung
einen feinen künstlerischen Instinkt und eine glückliche Hand verratende Kompositionen,
Gesinge wie „Es war ein König", »Junge Minne", »Ich sah die Trine* oder das
Scheffeische „Biterolf im Lager vor Akkon" können allen Singern, denen edlere Musik
am Herzen liegt, bestens empfohlen werden. Dr. A. Schüz.
101. Otto Weber: Drei Lieder. Verlag: K. Ferd. Heckel, Mannhelm.
Der erste der Gesänge versucht der schönen Dichtung von Anna Ritter mit zum
Teil sehr kuriosen modulatorischen Wendungen gerecht zu werden, nur atmet das Ganze
dilettantische Verlegenheit des Komponisten; der zweite gibt sich als eine für gesell-
schaftliche Zwecke ganz brauchbare »Da capo-Nummer" und der dritte ermöglicht es in
seiner wohlklingenden musikalischen Nichtigkeit überhsupt nicht, etwas zu seinem
Wohl oder Obel zu sagen.
102. E. Humperdlnck: Unter der Linde. Lied. Gesang der Rosenmldchen
aus Dornröschen für Sopran und Alt. Verlag: Max Brockhaus, Leipzig.
Humperdincks Lieder scheinen so recht Abschnitzel aus seiner geistigen Werk-
statt, Ausruh- und Erholungsprodukte zu sein. Auch die beiden vorliegenden Gesinge
sind zierlich und anmutig, ohne neue Vorzüge ihres Schöpfers aufzudecken, ja, sie
zeigen wie die meisten seiner früheren Gesinge, dass Humperdinck als Lyriker etwas
mehr, als von ihm zu erwarten wäre, der angenehmen Äusserlichkeit huldigt
Hermann Teibler.
103. August Reinhard: Sonate für Harmonium und Klavier, op. 84. Verlag: Carl
Simon, Berlin.
Reinhard hat die Harmoniumliteratur vielfach bereichert Auch in diesem Werk
hat es der routinierte Kenner des Harmoniums und des Klaviers verstanden, die Klang-
effekte dieser Instrumente auszunützen und seine Themen mit leichter Hand formell
auszugestalten.
104. Eduard Levy: Drei Lieder für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte.
op. 37. — Drei Lieder für Bariton und Begleitung des Pianoforte. op. 38.
Verlag: Albert Stahl, Berlin.
105. H. Jacobsei] : Lieder für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte. op. 10.
Verlag: Ries & Erler, Berlin.
Das mehr dem graziösen Genre hinneigende Talent von Eduard Levy hat in den
neuen sechs Liedern nicht durchaus gleichwertiges gezeitigt. Während op. 37 No. 1 ein
wirklich gut geratenes Lied ist, auch No. 3, trotz der bösen Geschmacklosigkeit der
langen Noten auf den Endsilben „geworden" „fassen", sich im übrigen recht gut anllsst,
hat der Komponist mit dem Stoff des zweiten Gedichtes keine Berührung finden können.
4*
DIE MUSIK III. 13. <~^^5D
SL
Ähnliche Ungleichwertigkeiten sind auch seinem opus 38 eigen, das jedoch hinsichtlich
der Erfindung viel höher zu schätzen ist H. Jacobsons opns 10 erweckt kein Verlangen,
mehr dieser Kompositionsproben kennen sn lernen. Adolf Göttmann.
196^ Friedrich Hegar: Königin Bertha. Ballade für Minnerchor. op. 32. Verlag:
Gebr. Hug & Co., Leipzig und Zürich.
Ich kenne von Hegar bedeutendere Werke als diesen, wenn auch Insserlich dank-
baren, aber melodisch etwas flachen Chor.
107. A. v. Othegravcn: Der Rhein und die Reben. Für achtstimmigen Mlnner-
chor. op. 17. Verlag: Gebr. Hug & Co., Leipzig und Zürich.
Ist anscheinend den umfangreichen Stimmen der Mitglieder des Kölner Minner-
gesangvereins auf die Kehle geschrieben, mehr imposant als interessant
106. Karl Zuschneld: Weihnachtshymne. Für Sopransolo und Chor mit Orgel«
oder Harmonium-Begleitung, op. 38. Verlag: Chr. Friedr. Vieweg, Gross-
Uchterfelde.
Konventionelle Weihnachtsklinge ohne seelische Vertiefung.
100. Hans Wagner: Elsula. Minnerchor mit Soloquartett, op. 36. Verlag: Arno
Spitzner, Leipzig.
Der ernst strebende jugendliche Chormeister des Wiener Akademischen Gesang»
vereine zeigt sich hier als Spezialkenner intimer Cborklangwirkungen, wie das wunder*
lieblich einsetzende Soloquartett .Ave cariasima* bekundet. Arthur Neisser.
200. Ludwig Thrilles Rosenlied. Gedicht von Anna Ritter. Für dreistimmigen
Frauenchor mit Klavierbegleitung. Verlag: F. E. C. Leuckart, Leipzig.
Für das duftige Gedicht Anna Ritters gibt es kaum einen besseren Tonsetzer, wie
Ludwig Thuille. Die subtile Feinheit seiner melodischen und harmonischen Linie besitzt
wohl kein zweiter. So ist denn ein entzückendes Stimmungsbildchen entstanden, das,
leichter verständlich und ausführbar, wie seine »Traumsommernacht*, den Frauenchören
hoch willkommen sein dürfte. Paul Hielscher.
201. Hugo Wolf: Geistliche Lieder aus dem „Spanischen Liederbuch«, für eine
Singstimme und Orgel bearbeitet von Max Reger. — Geistliche Lieder
aus dem Mörike-Buch für eine Singstimme und Orgel bearbeitet von Max
Reger. Verlag: K. Ford. Heckel, Mannheim.
Hugo Wolf ist der Klaviertonpoet *or iftw??. Die Übertragung seiner Klavier-
begleitungen für die Orgel wird immer ein heikles Unternehmen bleiben. Soweit über-
haupt möglich, hat Reger diese schwierige Aufgabe trefflich gelöst
202. Gustav Beckmann: Orgel-Phsntssie über das altnlederlindische Volkslied:
»Wir treten zum Beten 41 , op. 4. Verlag: G. D. Baedecker, Essen.
Dieser Komposition diente als Muster Heinrich Reimanns Phantasie über »Wie
schön leuchtet der Morgenstern 41 und steht hinsichtlich des formalen Aufbaues in einer
fast sklavischen Abhängigkeit zu dem erwählten Vorbild. Abgesehen davon bietet Beck-
manns »Phantasie« gediegene Orgelmusik.
203. Josef Renner, jun. : Suite für Orgel, op. 56. Verlag: F. E. C. Leuckart, Leipzig.
Die sechs Stücke, die Renner unter dem Titel »Suite* vereinigt hat, erfreuen durch
die sichere Formengebung, durch die Vornehmheit der musikslischen Sprache und durch
die zum Teil sehr interessante, modern empfundene Harmonik.
204. August Klughardt: Andante und Toccata für Orgel, op. Ol. Verlag:
Hug & Co., Leipzig.
Das bedeutendste unter den Werken des verstorbenen Dessauer Hof-Kapellmeisters
ist diese Orgelkomposition zweifellos nicht Die musikalische Welt bitte nur wenig verloren,
wenn das nachgelassene Opus im Nachlass verblieben wäre. Ksrl Straube.
GREGORIANISCHE RUNDSCHAU (Graz) 1904, No. 1. - Enthält ausser einem
Artikel „Zum 1300jährigen Jubiläum Gregors des Grossen" einen Brief Pius' X.
„An den Herrn Kardinal Respiglii, Generalvikar von Rom 41 über die Erneuerung
der Kirchenmusik.
DAS DEUTSCHE VOLKSLIED (Wien) 1904, No. 1. - Namentlich hervorzuheben
ist: „ Akustische und tonpsychologische Auffassung des deutschen Volksliedes" von
Ludwig Riemann.
RfiVUE MUSICALE (Paris) 1904, No. 1-2. —Jules Combarieu's Aufsatzreihe „La
musique au point de vue sociologique M findet mit den Abschnitten „Le canon" und
„Limitation" ihre Fortsetzung.
FLIEGENDE BLÄTTER FÜR KATHOL. KIRCHEN-MUSIK (Regensburg)
1904, No. 1. — Enthält das „Motu proprio Sr. Heiligkeit Papst Pius' X. über die
Kirchenmusik" und den Artikel „Papst Pius X. und der Clcilienverein".
LE M£NESTREL (Paris) 1904, No. 1-3. — A. Boutarers ausführliche Abhandlung
„Werther" findet ihre Fortsetzung. Ausserdem veröffentlicht Julien Tiersot
„Berlioziana".
MUSICA SACRA (Regensburg) 1904, No. 1. — Ein „Oeno-Danubius" unterzeich-
neter Aufsatz „Instrumentalmusik und Clcilienverein" behandelt das oft besprochene
Thema, dass die CIcilianer Gegner der Instrumentalmusik sind; es heisstda, dass
der Clcilienverein sich darauf beschränke, Instrumentalmusik nirgends neu ein-
zuführen und zwar, weil „die Instrumentalmusik in der Kirche nur geduldet ist"
und weil „die eigentliche Kirchenmusik der Vokalgesang ist".
MONATSSCHRIFT FÜR GOTTESDIENST UND KIRCHLICHE KUNST
(Göttingen) 1904, No. 1. — Entfallt u. a. „Die Organistenfrage in Baden" von
O. Raupp, „Können wir die Organola akzeptieren?" von Chr. Wittmer und „In
Sachen der Organola" von A. Beutter.
MONATSHEFTE FÜR MUSIK-GESCHICHTE (Leipzig) 1904, No. 1. - Hier be-
handelt Paul Runge »Die Musik als Hilfswissenschaft der Philologie in bezug auf
das mittelalterliche Lied" und veröffentlicht Eugen Schmitz Studien Aber P.Torries'
Oratorium „La vanita del mondo".
LA R&VUE DE PARIS (1904, No. 2. — Ein schöner Aufsatz von Jean Chantavoine,
„Beethoven d'apres sa correspondance" schliesst mit den Worten: „En les lisant
ou en les commentant on ne doit point dissimuler les asp6rit6s de caractere et les
faiblesses de langage qu'elles rlvelent chez ce grand homme. Ne craignons point
qu'il y perde. D'abord, y a-t-il rien qui puisse dimlnuer une teile grandeur, —
puisque se mesurer avec eile sentit en quelque sorte attelndre? — Au contraire,
il me paraft qu'a 6tre ainsi confrontee avec sa vie et sa pensee, l'accore de
Beethoven acquiert une puissance nouvelle d'emotion, sensible surtout a quiconque
estime qu'admirer, tfest comprendre."
MONTHLY MUSICAL RECORD (London) 1903, No.396. — Der Aufsatz „Hector
54
DIE MUSIK III. 13.
Berlioz" von J. S. S. verteilt gleichmistig Licht und Schatten (»genius, thongh
not genius maturend"). — Ausserdem: »Londons apathy and caprice* von E. A.
Baughan und »A mere question of Intonation" von E. D. R.
THE MUSICAL WORLD (Boston) 1903, No.U und 12. - Hauptsächlich kulturelle
und pidagogische Aufsätze: »On Populariflng Bach* von Lewis M. Isaacs,
»Musical education in the United States" von Fannie Edgar Thomas, »Musical
conditions in the West" von George Murphy, »Practical talks with teachers"
von Frances C. Robinson; »An aiphabet for music teachers" von Fay Simmons
Davis. Interessant sind die »Some reminiscences of Rubinstein" von W. H.
Sherwood.
NEUE ZEITSCHRIFT FÜR MUSIK (Leipzig) 1903, No. 51 und 52. - Enthält eine
knappe Studie »Weibnachtslieder" von Wilhelm Tappert, im übrigen zahlreiche
ausfuhrliche Berichte und Rezensionen.
BLÄTTER FÜR HAUS- UND KIRCHENMUSIK (Langensalza) 1004, No.4. -
Karl Grüns ky schreibt über »Anton Brückner* und dabei fällt manches nur zu
richtige Streiflicht auf den musikalischen Niedergang Wiens; wenn auch der Ver-
fasser fein bemerkt, es sei gleichgültig, ob sich Neid und Bosheit in Kunz oder
Hinz verkörpern; er glaube, dass die unsterbliche Blamage der Mitwelt sich bei
jedem neuen Genie mit notwendiger Beharrlichkeit wiederhole. »Bach, Mozart,
Beethoven, Wagner sind zuerst als Hexenmeister verbrannt worden, ehe sie heilig
gesprochen wurden." Eine schöne Entwicklungsstudie ist A. Königs Aufsatz
»Die Ballade in der Musik". Herders Beziehungen zur Musik entrollt das Ge-
denkblatt »Johann Gottfried Herder" von August Wellmer; textvergleichend
ist Pfarrer Hertels Artikel »Es ist ein Schnitter, heisst der Tod"; ausblickreich
und sehr beherzigenswert sind Ernst Rabichs Betrachtungen »Vom Urheberrecht*.
— No. 5. — Enthält den Festartikel „Friedrich Mann" von Ernst R ab ich, dann die Fort-
setzung von A. Königs Untersuchung über »Die Ballade in der Musik", die wichtiges
über den Stil und die Melodiebildung enthalt, auf denen das Wesen der Ballade be-
ruht, und in einer hübschen Definition ihre Ergebnisse glücklich zusammenfasst
SÜDDEUTSCHE MONATSHEFTE (München) 1904, No. 2. - Eine zusammen-
fassende Würdigung crflhrt »Hugo Wolfs künstlerischer Nachlass" durch Max
Reger. Der Verfasser geht aus von der Tatsache, dass Wolf jetzt Mode geworden
ist, und knüpft hieran die Hoffnung, dass er auch »Herrscher im liedreichen
Herzen des deutschen Volkes" werden möge. Bitter und richtig ist, was Reger
von den hinterlassenen grösseren Werken Wolfs sagt: sie werden besser auf-
genommen werden als Wolfs Lieder zu ihres Schöpfers Lebzeiten; »denn er, der
Schöpfer, ist hinübergegangen, und damit die Hauptbedingung, dass man diese
Werke aufführe, beklatsche und bejuble, erfüllt." Reger bespricht sodann das
nachgelassene Chorwerk »Christnacht", das d-moll Quartett, die Jugendlieder, die
»italienische Serenade", die nach ihm »zu dem Entzückendsten gehört, was wir
überhaupt auf dem Gebiet der Serenade besitzen", und in der er nur die Solo-
Bratsche durch eine Alt-Oboe ersetzt wissen will, und endlich die symphonische
Dichtung »Penthesilea", die »Krone aller Hugo Wölkchen Orchester-Kom-
positionen". Reger spricht zum Schluss die beherzigenswerten Worte: »Vielleicht
hat das Beispiel Hugo Wolfs die Nachwirkung, dass sich alle die zusammen-
schliessen, die frei von jeglichem Parteihass, Cliquenwesen und allen rückwärts-
blickenden Tendenzen an eine gesunde, fruchtbare Weiterentwicklung unserer
deutschen Musik glauben 1"
55
REVUE DER REVUEEN
HAMBURGISCHER KORRESPONDENT 1904, 16. Januar. — „Carl August Krebs«
— ein Gedenkblatt widmet Eugen Isolani dem Hamburger Opernleiter und bespricht
sein Gesamtwirken.
NATIONALZEITUNG (Berlin) 1904, 4. Februar. — „Vir wurden es freudig be-
grüssen, wenn die musikästhetischen Probleme, welche die musikalische Welt be-
wegen, auch von der grossen Masse der Musikfreunde und nicht nur von den
Berufsmusikern erkannt würden. Dies aber ist leider nicht der Fall. Die Urteils-
losigkeit des Publikums wächst im Gegenteil mit der Menge des ihm Gebotenen"
— so klagt hier J. C. Lusztig in einem „Musikästhetische Probleme" über-
schriebenen Aufsatz, In dem er kurz, aber erschöpfend die Veränderungen in
der musikalischen Form, die sich in der Gegenwart vollziehen, von einem weit-
blickenden Standpunkt aus bespricht „Aus der flutenden Bewegung des Entstehens
und Vergehens spriessen die Bifiten der Kunst!"
KÖLNISCHE VOLKSZEITUNG 1904, 19. Januar. — Sehr interessante Beobachtungen
über die Kunst des Zuhörens und die noch schwerere des „Nichtzuhörens" enthält
ein kleiner „Vom Zuhören" betitelter Artikel.
NEUE MUSIK-ZEITUNG (Stuttgart) 1904, No. 6 und 7. — Aus dem Inhalt seien
hervorgehoben: Die ausführliche kulturhistorische Arbeit „Die Musik in Hinter-
indien" von Gaston Knosp; dann August Richards Aufsatz „Die Gralserzahlung
in Rieh. Wagners Lohengrin", der zeigt, wie Wagner den zweiten Teil der Grals-
erzählung selbst wegen seiner Schwäche und Kälte strich. In einem grundlichen
Artikel behandelt A. Liebscher die musikalische Zeitfrage „Jugendkonzerte oder
Musikabende?" und entscheidet sich für die Einrichtung von Schulmusikabenden,
die er durch praktische Vorschläge unterstützt. G. v. Lüpke behandelt in der
Studie „Tonmalerei im Liede" Schubert, Löwe, Schumann, Franz, Brahms und
Wolf. Ober „E. Jaques-Dalcroze und sein neues Werk" handelt A. Seh uz.
Hermann Ritter liefert einen Beitrag zur Instrumentenkunde („Etwas über den
Geigenbogen"). Die Fortsetzung von Max Kochs „Tonsatzlehre", zahlreiche
referierende und unterhaltende Beiträge füllen im übrigen die beiden Hefte:
— No. 8 und 9. — Die Hefte enthalten eine vortreffliche Obersicht „Neuere französische
Musikästhetik" von Kurt Mey, einen Jubiläumsartikel „Moriz von Schwind und
seine Beziehungen zur Musik" von Karl Sieber, die Fortsetzung von Gaston
K n o s p s Abhandlung über „Die Musik in Hinterindien" (mit wichtigen Bemerkungen
über die Trauermusiken der asiatischen Völker), den Nekrolog „Eduard Lassen f"
von August Richard, ausserdem vier Kapitel von M. Kochs „Tonsatzlehre",
zwei längere Berichte, „Parsifal in New York" von Artur Laser und „Neue franzö-
sische Opern" von Eugen v. Jagow. Ganz besonders zu erwähnen ist jenes Kapitel
aus Knosps Abhandlung, das sich mit der Musik in Kambodscha beschäftigt.
Die Kambodschaner besitzen zwei Orchester; das Pipbat wiikt bei Theater-
vorstellungen und grossen Zeremonien mit, das Mobori ist aus Frauen gebildet und
dient zum Begleiten der Gesänge. Das mitgeteilte Präludium einer Theater-
vorstellung beweist in seinen melodischen Elementen eine hohe Kultur, ein Über-
bleibsel von der antiken Kunst der Ureinwohner des Landes. Besondere Erwähnung
verdient noch der Aufsatz „Musik, Musiker und Jean Paul" von Eugen Segnitz,
der recht schön dartut, wie modern Jean Paul in musikalischen Dingen fühlte und
wie seine Ansichten auch heute noch volle Gültigkeit haben müssen.
VOSSISCHE ZEITUNG (Berlin) 1904, 13. Februar. — „Konzert-Unsitten" — das
aktuelle Thema wird auch hiervon Wilhelm Braun behandelt — launig, aber mit
einem ernsten Grundton.
56
DIE MUSIK III. 13.
BERLINER TAGEBLATT 1904, 2. Februar. — »Zur Tantiemen frage« ludert sich
hier Leopold Schmidt; er tritt für die „Genossenschaft deutscher Tonsetzer"
warm ein und meint, die Genossenschaft sollte vor allen Dingen für Aufklärung
ihrer Ziele in allen beteiligten Kreisen sorgen, dann aber Empfindlichkeiten
schonen und auch den Schein von Villkür oder Anmassung so lange ängstlich
vermeiden, wie nicht die Verhältnisse sie wirklich zur anerkannten und alleinigen
Vertreterin der deutschen Musik gemscht haben.
SIGNALE FÜR DIE MUSIKALISCHE WELT (Leipzig) 1004, No. 10/11. - Eine
Studie Walter Niemanns (»Robert Hermann") befasst sich mit der Persönlichkeit
und dem Schelfen des 1860 in Bern geborenen Komponisten Robert Hermann.
Niemann findet in Hermanns Werken «oft tiefe, originale Gedanken einer sinnen-
den, grübelnden Germanennatur, die nur dämmernd, nicht klar und schön gefasst,
an die Oberfläche zu dringen suchen, ein Stammeln, Verbergen und Abschweifen,
statt geordneten Redens, doch immer alles voller Geist und voll intensiven Dranges,
geistig und technisch Neues zu geben". Er sagt weiter: «Sein Bestes gibt der
Komponist in geheimnisvollen, schwermütigen, müden Stimmungen . • . Hermann
ist eine Persönlichkeit, mit oder gerade infolge aeiner eigensinnig beibehaltenen
Schwächen und Manieren ein Charakterkopf unter den deutschen modernen Kom-
ponisten. Solche Charaktere hat's in der Musik zu allen Zeiten gegeben."
TAGESFRAGEN (Bad Kissingen) 1904, No.2. — »Eduard Lassen« ist ein Nekrolog
Karl Goepfarts betitelt, in dem es u. a, heisst: „Lassen erreichte eingesegnetes
Alter, aber erst die Zeit wird beweisen, was er uns wirklich hinterlassen." —
Cyrill Kistler handelt in einem kleinen Artikel („Die Oktav- oder Kontrageige")
über die von Ritter erfundene Kniegeige, in der wir nach seiner Darlegung ein
wertvolles Bereicherungsmittel unseres Streichorchesterklangkörpers gewonnen
haben: einerseits durch geschickte Mischung und Kreuzung der Stimmen; anderer-
seits weil durch das neue Instrument auch die Holzbläser und Hörner mit den
vielen Haltnoten entlastet werden können. Kistler spricht die Hoffnung aus, man
werde das Instrument bald im Orchester verwenden, und meint, es sei mit ihm
dem dominierenden Streicherchor ein Zuwachs von grossartigem Werte geworden.
LE TEMPS (Paris) 1904, 0. Februar. — Ober „Les idees musicales d'Herbert Spencer"
handelt Pierre Lalo; er sagt da u. s,: „n'ont pas besucoup d'originalite' ni de force:
elles vaudraient ä peine qu'on y prit garde, si quelques dttails du court chapitre
oü 11 les expose ne laisssient dejä entrevoir une des infinnites les plus mcheuses
de sa complexion musicale."
ELBINGER ZEITUNG UND ELBINGER ANZEIGEN 1904, 17. Januar.- Enthält
eine hübsche Zusammenstellung von Ernst Julius Hildebrandt: »Aussprüche
berühmter Personen über Musik, Gesang usw."
MONTHLY MUSICAL RECORD (London) 1904, No.398. - Aus dem Inhalt das
Wichtigste: „Professor Niecks on the musicians education," „The Subvention of
mu8ic" von Edward A. Baughan, „The new papal regulations on church music"
von Ethelred L. Tsunton.
92. NEUJAHRSBLATT der tilg. Musikgesellschaft in Zürich. 1904. - Das
Heftchen birgt unter dem Titel „Aus dem Zürcherischen Konzertleben der zweiten
Hälfte des vergangenen Jahrhunderts" eine Zusammenstellung der musikalischen
Zeitungsberichte von 1876 und 1877, in denen sich das Musikleben Zürichs während
dieser Zeit abspiegelt, mit einer vorausgeschickten, das Wichtigste schön und knapp
zusammenfassenden Einleitung von A. Steiner, in der eine Obersicht über
57
REVUE DER REVUEEN
die Zeit von Richard Wagners Abschied im Jahre 1855 bis zum Jahre 1870. Ein
Paar der bedeutendsten Ereignisse seien hier kurz erwähnt: 1867 das schweizerische
Musikfest, 1868 die Gründung der »Tonhalle-Gesellschaft*, 1872 die zweimalige
Auffahrung der Matthäus-Passion (vor je 2300 Zuhörern) und endlich das viertägige
Musikfest von 1874.
NEUE ZEITSCHRIFT FÜR MUSIK (Leipzig) 1904, No.6 und 7. - Rudolf Frhr.
von Prochäzka's Aufsatz »Aus den Jugendjahren von Robert Franz" zeichnet sich
durch interessanten Inhalt und Wärme der Darstellung in gleichem Grade aus, ein
bezeichnendes Licht fällt auf den Dichter Wilhelm Osterwald (1820—1887), der Franz
in einer für diesen bösen Zeit ein Helfer und Tröster geworden ist. — «Kritik —
ein Fach des musikalischen Unterrichts?" — Diese Frage beantwortet Wilhelm
Altmann in einem so betitelten Artikel mit einem »Ja"; d. h. er meint, man solle
die Schüler unter Aufsicht sich in der »Äusserung* über musikalische Dinge und
Werke üben lassen.
KUNSTWART (Leipzig) 1904, No. 7— 0. — Ganz besonders sei aus dem Inhalt der
vorliegenden Hefte die Studie: »Felix Draeseke" von Georg Göhler hervorgehoben,
in der Draesekes den verschiedenen Gebieten der Tonkunst Angehörige Schöpfungen
eine verständnisvolle und warmherzige Besprechung erfahren. Am schönsten be-
spricht wohl Göhler Draesekes »Sinfonia tragica" (op. 40), von der er sagt, sie
enthalte »ein Obermass von Gefühlen, besonders von Schmerzgefühlen*, und nach
deren ausführlicher Analyse er sein Urteil in die folgenden Worte zusammen fasst:
»Draeseke ist dem grossen Vorwurf, den er gewählt, völlig gewachsen. Die Themen
sind symphonisch gross und ausdrucksvoll, die musikalische Entwicklung und die
des Inhalts folgerichtig. Der letzte Sstz ist eine der grössten Leistungen in der
absoluten Musik aller Zeiten.*
BAYREUTHER BLÄTTER 1904, 1. bis 3. Stück. - In dem reichen Inhalt fallen
ganz besonders auf die unter dem Titel »Richard Wagner an Louis Schindelmeisser"
vereinigten Briefe. Sie sind an den Jugendfreund und späteren Hofkapellmeister
in Wiesbaden und Dannstadt gerichtet und umfassen die Jahre 1837 bis 1863.
Zürich, 12. November 1852 schreibt Wagner: »Ganz unter uns gesagt: — ihr zahlt
verflucht schlecht: — das lumpige Rigasche Theater bot mir aus freien Stücken
15 Louisdor für den Tannhäuser an; die kleinsten Sommerstadttheater, wie Würz-
burg und Rostock, zahlen mir 10 Louisdor; schämt euch, ihr Hof- Menschen!!"
Besonders interessant ist wohl dss in dem Briefe Zürich, 29. Msi 1853 über die
Vortragsweise des Lohengrin-Vorspiels Gesagte: »Es gilt eigentlich nur die genaueste
Beachtung der vorgeschriebenen Zeichen, namentlich des »gleichmässig p." in
den Violinen und den Holzblasinstrumenten von da ab, wo sie Jedesmal das Thema
an eine neue Instrumentenfamilie übergeben und nur noch die Begleitung bilden,
wogegen es höchst wichtig ist, dsss das Thema jedesmal mit voller Nuancierung
gespielt wird. Das Tempo ist sehr langsam; vermeide, dsss bei den vor-
kommenden Triolen im Thema geeilt wird! — .... Im Übrigen kann ich Dir
nicht mehr sagen, sls: hslte stets auf die skrupulöseste Beachtung der Vortrags-
zeichen; ich habe mich überzeugt, dass ich den gsnzen Vortrag stets genau und
lebhaft vorgefühlt habe ...." — Schön zusammengestellt und von wunderbarer
Kraft und modernstem Geist erfüllt sind die Aussprüche Herders, die Hsns von
Wolzogen in seinem »Was Herder uns sagte" überschriebenen Artikel ge-
sammelt hat
AUS DEM OPERNREPERTOIRE
London: Die Opernsaison in Covent-Garden beginnt am 2. Mai und schliesat
am 25. Juli: Zur Aufführung gelangen 19 Opern, darunter »Aida", „Masken-
ball", „Boheme", »Carmen*, »Cavalleria Rusticana", „Hoffmanns Erzählungen",
„Faust", „Fidelio", „Bajazzi", „Rigoletto", »Romeo und Julia", „Tosca* und
„Traviata*. Sechs Auffuhrungen unter Leitung von Dr. Hans Richter,
nimlich .Meistersinger*, „Lohengrin", „Tannhäuser", .Tristan und Isolde",
„Don Juan" und .Figaros Hochzeit", finden mit verstärktem Orchester statt
Es sind bis jetzt u. a. folgende Kräfte engagiert: die Damen: Susanne Adams,
Emma Calv6, Emmy Destinn, Frau Knüpfer- Egli, Mme. Melba, Josefine Reinl,
Milka Ternina, Marie Hertzer-Deppe sowie die Herren: Burrian, Caruso,
Herold, Kraus, Masiero, van Dyck, Klopfer, Knflpfer, Krass, Plancon, van
Rooy und die Dirigenten Lohse, Mancinelli und Dr. Hans Richter.
Lyon: Das Grand Theltre veranstaltet in diesem Monat zwei Zyklen des «Ring
des Nibelungen". Es ist dies das erste Mal, dass das Wagnersche Werk
in Frankreich vollständig aufgeführt wird.
KONZERTE
Essen: Die Eröffnung des neuen Stadtgartensaals will man durch ein grosses
städtisches Musik fest am 1. und 2. Oktober d. J. begehen. Die Ausfuhrung
Hegt in der Hauptsache dem .Essener Musikverein" in Verbindung mit dem
städtischen Orchester ob.
Hagen: Im vierten Konzert der Konzert gesellschaft (Leitung: Robert Laugs),
kamen u. a. zur Aufführung: Berlioz (Harold in Italien, Irrlichtertanz, Sylphen-
tanz, Ungarischer Marsch aus „Fauste Verdammung"), Strauss (Till Eulen-
spiegel), Liszt (Les Preiudes).
Lemberg: Der Musikverein bereitet eine Aufführung von Bachs Matthäus-
passion vor.
Reichenberg: Am 9. und 10. April veranstaltet der Verein der Musikfreunde
ein Musikfest, bei dem der Singverein der Gesellschaft der Musikfreunde
aus Wien und das vollständige Orchester des Wiener Konzertvereins —
sämtlich unter Leitung des^Professors Ferdinand Loewe aus Wien — sowie
hervorragende Gesangskräfte mitwirken werden. Auf dem Programm steht
unter anderm die Neunte Symphonie von Beethoven.
TAGESCHRONIK
Prof. Karl Emil Doepler der Ältere feierte am 8. März seinen achtzigsten
Geburtstag. Doepler ist eine Autorität ersten Ranges auf dem Gebiet der Kostüm-
und Waffenkunde. Von 1860—70 war Doepler Kostümzeichner am Hoftheater zu
Weimar. Hervorragend aber ist vor allem sein Anteil an der ersten Bayreuther
Aufführung vom .Ring des Nibelungen" im Jahre 1876, zu der der Künstler gegen
500 Zeichnungen angefertigt hat.
59
UMSCHAU
Manuel Garcia, der berühmte Gesangsprofessor, der in Madrid am 17. März
1805 geboren ist, trat in staunenswerter körperlicher und geistiger Rüstigkeit sein
hundertstes Lebensjahr an.
Der niederländische Tonkunstlerverein hat beschlossen, seinem jüngst ver-
storbenen Stifter G. A. Heinze ein Denkmal zu errichten.
Am Sterbehaus von Johann Strauss Vater in Wien wurde aus Anlass
seines 100. Geburtstages eine Gedenktafel enthüllt.
Der erste Theaterkapellmeister in Strassburg i./E., Otto Lohse hat einen Ruf
als Operndirektor an das Kölner Stadttheater angenommen.
Dr. F. Limbert, früherer Dirigent des Hanauer Oratorienvereins,
überwies dem Verein ein Kapital von 8000 Mark.
Erika Wedekind erhielt nach einem Hofkonzert in Detmold die „Lippesche
Rose 1. Klasse."
Dr. Otto Neitzel und Konzertmeister Grützmacher ist vom Grossherzog
von Luxemburg das Ritterkreuz des Militär- und Zivilverdienstordens Adolfe von
Nassau verliehen worden.
Das Kölner Konservatorium der Musik zählte im letzten Schuljahre
43 Lehrer und 514 Schüler (darunter 51 Auslinder). Der wachsenden Frequenz
der Anstalt wird durch eine bereits in Angriff genommene bedeutende bauliche
Erweiterung des Konservatoriums Rechnung getragen. Vielfachen Wünschen ent-
sprechend und in Berücksichtigung der dauernden Oberfüllung der Gesangsklassen
wurden der Anstalt zwei weitere Gesangslehrerinnen gewonnen: Frl. Wally Schau-
seil und Frl. Lina Beck. Eine durchaus moderne Schöpfung ist die unter Stein-
bachs persönlicher Leitung stehende Dirigenten-Ausbildungs-Klasse, verbunden mit
einer Orchesterschule. Die reichliche Dotierung der Anstalt mit Stipendien und
Freistellen ermöglicht eine weitgehende Berücksichtigung auch unbemittelter, be-
deutender Talente.
No. 77 der Mitteilungen derMusikalienhandlungBreitkopf&Härtel
ist erschienen. Im Mittelpunkt steht der Vorschlag zur Gründung einer Reicbs-
Musikbibliothek, sowie eine Obersicht über die Verlagstltigkeit des Hauses
Breitkopf & Hlrtel im Jahre 1003. Die Titelseite der Mitteilungen trägt das Bild
Ferruccio Busoni's. Ein Aufsatz über Busoni aus der Feder Otto Taubmanns
wird seiner Bedeutung als Komponist und Bearbeiter gerecht. Louis Ree schildert
die Tätigkeit und die Erfolge Hermann Grädeners vor allem als Schöpfer von
Kammermusikwerken. Weitere Hauptabschnitte sind den Werken R. Barths (Ham-
burg), Karls von Perfall (München) und X. Scharwenka's (Berlin) gewidmet. An
musikgeschichtlichen Werken werden besonders angezeigt: das thematische Ver-
zeichnis der Werke Glucks von Wotquenne, Joh. Rosenmüllers Sonate da camera
(Deutsche Denkmäler), Trienter Kodices II und G. Muffst, Concerti gross! (öster-
reichische Denkmäler) und einige ausländische Veröffentlichungen. Zur Frage des
»Motu proprio* Pius'X. über den Gregorianischen Kirchengesang wird auf die
Arbeit Gevaerts hingewiesen, der Ursprung des römischen Kirchengesanges, deutsch
von Hugo Riemann. Die 22 Seiten umfassenden Nachrichten über erschienene
und demnächst erscheinende Musikalien geben den Oberblick über die Verlags-
tätigkeit des Hauses Breitkopf & Härtel und seiner Verlagsvertretungen in den
letzten beiden Monaten.
TOTENSCHAU
Der älteste Seminarlehrer Preussens, Kgl. Musikdirektor L. Baumert in
Liegnitz, starb im Alter von 70 Jahren.
60
DIE MUSIK III. 13.
In Leipzig verstarb der Komponist Theodor Sachsenhausen, der eine
Reihe anmutiger Lieder geschaffen.
G. W. Hunt, der seinerzeit berühmte Lieder- und Balladenkomponist, ist in
London gestorben. Nach seiner populärsten Ballade hatte er den Beinamen
»Vater des Jingo."
Eleonore Petrelli, einst eine gefeierte Opernsängerin und Witwe des
russischen Fürsten Petrow, ist am 23. Februar, 87 Jahre alt, in den dürftigsten
Verhältnissen zu Chicago gestorben.
BERICHTIGUNGEN
zu W. A. EUis' Aufsatz: »Die verschiedenen Fassungen von Siegfrieds Tod" Heft 10
S. 230 ff.; Heft 11, S. 315 ff. — Durch ein Versehen beim Druck ist auf S. 240 1 der
Ellisschen Arbelt der Schluss des zweiten Aufzuges von »Siegfrieds Tod* aus Sulzers
Manuskript in einer Weise abgedruckt worden, die der Beschaffenheit der Handschrift
nicht entspricht: der Gesang der Chöre geht dem Dreigesang Günthers, Brfinnhildes
und Hagens nicht voraus, sondern ihm parallel. Das Bild, welches das Manuskript
gibt, ist folgendes:
Weihgesang Günther und Brünnhilde:
(aus dem Hofe her schallend)
Die Mannen:
Allvater,
waltender Gott!
Allweiser,
weihlicher Hort!
Wodan! Wodan!
Wende dich her!
Die Frauen:
Allmilde!
mächtige Mutter!
Allgüt'ge
Freundliche Göttin!
Fricka! Fricka!
Heilige Frau!
Mannen und Frauen:
Weiset die hehre
heilige Schaar,
hieher zu horchen
Allraunerl
Rächender Gott!
Schwurwissender
Eideshort !
Wodan! Wodan!
Wende dich her!
Weise die schrecklich
heilige Schaar
hieher zu horchen
dem Racheschwur!
Hagen:
Albenvater!
gefallener Fürst!
Nachthüter!
Niblungenherrl
Alberich! Alberich!
Achte auf mich !
Weise von Neuem
der Niblungen Schaar,
dir zu gehorchen,
des Ringes Herrn!
(Günther und Brünnhilde wenden sich zur Halle usw., usw.)
[Diese szenische Bemerkung sm Schlüsse des Aktes
ist ähnlich der des gewöhnlichen Textbuches der Götter-
dämmerung — sagt Steiner — d. h. dieselbe wie im
53er Druck, nicht aber wie im Bd. VI der Ges. Schriften
und in der Partitur, wo das Schlussbild mannigfach
entwickelt ward.]
dem Weibgesang!
Weiterhin wünscht Herr EUis im Interesse grösserer Korrektheit und Klarheit
noch folgende Veränderungen:
Seite 241, Anm., Zeile 2 von unten: hinter »Festspielzeit 41 ist einzusetzen: „1806".
„ 242, Zeile 2 von unten: lies: »Blutbrüderschafts eid" statt »Blutbrüderschafts trank".
„der beiden ersten Waldvögleingesänge",
„jene Abschrift" statt „Uhliga Abschrift",
„das möge der Leser einstweilen selbst erraten".
„1850-1851" statt „1851".
„Kopie* in Anführungszeichen zu setzen.
243,
m 11 » » »
245,
„ 6 von oben: „
245,
• ■ » u n
245,
„ 13 „ unten: „
246,
„ 1 „ oben ist:
61
UMSCHAU
318,
. 4
318,
. 18
318,
. 15
310,
. 12
320,
. 8
Seite 246, Zeile 17 von oben lies: Jedenfalls kann man sich denken*.
„ 247, » 8/0 „ „ sind die Klammern [] zu tilgen.
„ 248, „ 2 des Zitats »Machtlos scheidet" usw.: hinter „scheidet* ist ein Punkt
sn setzen.
Seite 240, Zeile 1 und 13 von oben: lies: »Ges. Schriften II".
240, „ 10/11 von unten: lies: „getilgten" statt „gestrichenen".
316, Anm., Zeile 4 von unten: lies: „Wibelungen" statt „Nibelungen".
317, Zeile 2 von oben: lies: „oder", statt „und".
» » „gewiss" statt „zwei".
„ hinter „Brfinnhilde" ist einzuschieben „selber".
unten: „sechste" ist zu sperren.
„ lies: „gestrichen" statt „getilgt*,
oben: lies: „Tod — es" statt „Tod. Es".
321, Anm., Zeile 2 von unten: hinter „Höheres" ist einzuschieben: „ist".
322, „ „ 7 „ „ hinter „Randglosse" ist die Klammer zu schliessen.
323, Zeile 3 von unten lies: „diese" statt „die".
323, Zeile 5 von unten: „Uhllgs" ist zu tilgen.
323, Anm., Zeile 1 von unten: .lies: „auf zwei unmittelbar aufeinander
folgenden Seiten".
Seite 324, Zeile 8 von oben: lies: „zwei" statt „ganz".
unten: lies: „allererste" statt „schwerste",
oben: lies: „also" statt „aber".
„ „ferner fand wohl" ist zu tilgen.
„ „statt" ist zu tilgen.
„ „hinzu traten ohne Zweifel" ist zu tilgen,
unten: „diesen" vor „Rat" ist zu tilgen.
„ 326, Anm. 2, Zeile 2 von oben: lies: „nichtsdestoweniger" statt „übrigens".
„ 326, „ 2, „ 3/4 „ „ „obwohl — Folge hatte" ist zu tilgen.
„ 327, Zeile 26 von oben: „Schuld" ist zu sperren.
„ 328, „ 1 lies: „Dort" statt »Doch«.
„ 320, „ 3 von oben: lies: „müssen" statt „wollen".
„ ' 320, „ 8 „ „ „ „eine Überarbeitung" statt „die Überarbeitung*.
„ 320, „ 12 „ „ „ „also" statt „aber".
Ausserdem hilt sich der deutsche Bearbeiter, der sich erlaubt hat, an einigen
Stellen in Anmerkungen gegen die Ellisschen Anschauungen leichten Widerspruch zu
erbeben, zu der Mitteilung verpflichtet, dass diese Einwinde Herrn Ellis nicht fiber-
zeugt haben. Näher auf die Streitpunkte einzugehen, muss sich der Bearbeiter zurzeit
noch versagen, doch erkennt er schon jetzt an, dass die S. 317, Anm. beigebrachten
Ausfuhrungen über Wagners Lateinschrift, insoweit sie sich auf den »Jesus von
Nazareth" stützen, in der Tat irrig sind: der Druck von 1887 schreibt die Haupt-
wörter mit Majuskeln und es ist nicht einmal bestimmt zu sagen, ob sich die Hand-
schrift nicht gar noch deutscher Buchstaben bediente. Sicher nachzuweisen sind die
Minuskeln im Hauptwort erst in den „Entwürfen, Gedanken und Fragmenten", die mit
der Zürcher Zeit beginnen. Zu Seite 326, Anm. 2 bemerkt der Bearbeiter, dass er
zwar aus anderen Gründen (nlmlich solchen stilistischer, nicht sachlicher Art) zu dem
Ergebnis gekommen ist, dass der ursprüngliche „Junge Siegfried" die Zerschlagung des
Wotanspeeres noch nicht kannte, deshalb aber Herrn Ellis* Motivierung keineswegs
verwirf^ sondern in ihr eine willkommene Bestätigung seiner eigenen Auffassung sieht
324,
. 10
325,
. 1
325,
. 9
325,
. 11
325,
,13/14
325,
. 3
OPER
BASEL: Der Spielplan hat sich mit den Aufführungen von „Romeo und Julia", von
„Samson und Dalila" und der „Walküre" entschieden etwas gehoben. Dazu kam
ein Gastspiel Bertram*, das in einer herrlichen Wiedergabe des Hans Sachs gipfelte.
Diese wunderbare Leistung bildet zugleich den Höhepunkt unserer demnächst zu Ende
gehenden Opernsaison. Vor Torschluss werden noch Erstaufführungen von d'Alberfs
„ Abreise* und Bizefs „Djamileh" in Szene gehen. Dr. H. Stumm.
BERLIN: Königliches Opernhaus: »Lohengrin". Seit einem halben Jahre war von
dieser Neueinstudierung die Rede. Die schliessliche Auffuhrung brachte eine leiae
Enttäuschung, dss erhoffte Gegenstück zur Neuinszenierung der „Meistersinger* war es
nicht. Vielleicht wäre es eine in sich geschlossene Sache geworden, wenn Kraus* den
Lohengrin gesungen bitte. Aber Herr Kraus ist überm grossen Teich und Herr Grüning,
auf den nun die Wahl fiel, ist gewiss ein begabter, geschmackvoller, intelligenter usw.
Singer, nur ein Lohengrin ist er nicht Er singt die Rolle zu sehr in Schönheit, als
Darsteller geflllt er sich zu sehr in edlen Profil- und Frontstellungen, und so heimisch
er auf den Brettern ist, machte er bisweilen den Eindruck eines in der Oper debütierenden,
begabten, geschmackvollen und intelligenten Konzertsingers. Friulein Destinn als Elsa:
solche Besetzungen können wir brauchen. Ihr derb zupackendes Künstlertemperament
mag etwas Undeutsches haben, aber noch viel weniger deutsch ist die Sentimentalität
der Konfirmandin, mit der man so gern die Elsa ausstattet Singerinnen wie Friulein
Destinn können dem Publikum den Unterschied von Deutsch tun und Deutschtum
beibringen. — Herr Knüpfer als König Heinrich, Herr Hoffmann als Telramund,
Frau Plaichinger als Ortrud und nicht zuletzt Herr Muck als Dirigent — man sieht,
die besten Kräfte waren aufgeboten, und wenn es nicht sn die „Meistersinger* heran-
reichte, war es doch ein grosser Tag nach den wenig erquickenden Manon- und Mignon-
episoden. Willy Pastor.
BREMEN: Trotz des kurz vorhergehenden zweifelhaften Münchener Erfolges und trotz
Abratens geschäftskundiger Kenner unseres Publikums brachte die Direktion Hans
Pfltzners „Rose vom Liebesgarten" (über deren Text und Musik in dieser Zeitschrift
mehrfach eingehend berichtet wurde) zur Aufführung. Dass der Komponist des »Fest
auf Solhaug", des „Armen Heinrich" und der „Rose vom Liebesgarten" der begabteste und
eigenartigste Nachwagnerianer ist, dafür brauchen wir hier nicht erst Zeugen zu stellen.
Um Zeit und Raum für die Proben zu gewinnen, wurde der Februar zum grossen Teil
der Operette (dem Leharschen „Rastelbinder") verschrieben. Das heisst: msn verschrieb
sich dem Bösen, um die Kunst zu retten. Als danach nun die „Rose vom Liebesgarten"
in all ihrer weltfremden Keuschheit und ihrem transzendentalen Lyrismus erschien, der
nur für hochgestimmte, für das höchste Ideal der Kunst empfängliche Gemüter zu*
ginglich ist, da waren die Herzen unserer wackersten Abonnenten mit solch zihem
Rastelbinderdraht umsponnen, dass kein Strahl der hold erglühenden Rose aus dem
Wunderlande der echten Kunst hindurch zu dringen vermochte. Das Publikum, das sich
beim Rastelbinder wohl fühlte, blickte sich bei den wundersamen Klangmischungen der
Chöre im Liebesgarten zuerst ratlos, dann spöttisch an. Aus München waren einige Witze
von Leuten, die nichts ernst zu nehmen vermögen, herüberkolportiert worden. Auf den
63
KRITIK: OPER
Picdcatotropfenfall der Tropfsteinhöhle des Wanderers freute min sich im voraus. Bei
dem musikalisch und dramatisch hochbedeutenden ersten Akt vor dem Frühlingstor des
Paradieses, der die Genialität seiner Schöpfer mit so beredten, einfachen Tönen und echt
künstlerischer Nalvetät verkündet, blieb es gelassen. Das weitgeöffnete Tor zum Liebes-
gatten der keuschen Kunst blieb ihm aber verschlossen. — Dass doch die Er-
fahrung der Alten der Jugend nichts nützt 1 Unsere Vlter verhöhnten Wagner, unser
Publikum verhöhnt Pfltzner. Damit will ich nicht sagen, dass Pfltzner ein ebenso
grosser Bahnbrecher sei, wie Wagner. Aber ein eigenartiger Künstler und ein reiner
Idealist ist er; und die hielt die Masse von jeher für verrückt. Dr. Gerh. Hellmera.
DRESDEN: Puccini hat mit seiner „Boheme" einen Erfolg erzielt, der Dauer ver-
spricht. Der Komponist liebt auf der einen Seite starke pathetische Ausbrüche und
befleissigt sich andrerseits, einen musikalischen Konversationsstil zu schaffen und die
alltäglichsten, unmusikalischsten Worte und Redensarten in Töne zu fassen und orchestral
zu umkleiden. Anklinge an die Veristen, besonders an Mascagnl, sind häufig, aber im
ganzen ist die Musik mehr geistvoll als unmittelbar aus dem Vollen geschöpft Sehr
glücklich trifft der Komponist das Milieu der vier Bilder, auch weiss er mit Instrumen-
tationskünsten manchen feinen Effekt zu erzielen. Die Aufführung unter Schuch war
vorzüglich. Die Damen Nast und v. d. Osten, sowie die Herren Burrian, Scheidemantel,
Rains und Plaschke zeichneten sich in den Hauptrollen aus. F. A. Geissler.
DÜSSELDORF: Ein einziger Opernabend brachte gleich zwei Novitäten für Düsseldorf.
Etwas verspätet erschien das zehnjährige »Mädchen von Navarra* von Massenet
— im Text und Ton ein Werk, das den italienischen Verismus auf französischen Kunst-
boden verpflanzt und ihn auf ein etwas höheres künstlerisches Niveau erhebt. Neben
diesem Werk nahm sich Leo Blechs „Das war ich" ziemlich naiv aus. Beide Opern
fanden bei prächtiger Besetzung viel Beifall und erwiesen sich bisher zugkräftig. Ferner
erlebten die „Meistersinger* eine glänzende Neuinszenierung und endlich entzückte
Erika Wedekind als Frau Fluth und enttäuschte einigermassen als „Mignon*.
A. Eccarius-Sieber.
FRANKFURT a. M.: Erfreuliche Resultate lieferten die Gastspiele der Damen Margarethe
Seebe vom Leipziger Stadttheater und van der Vijver vom Hoftheater in Mannheim.
Erste sang und spielte dem Publikum einer Meistersinger-Vorstellung das Evchen recht
zu Dank; letzte gab eine schätzenswerte Elvlra in »Don Juan* ab. Zur Auffrischung
des Spielplans hat man wieder einmal mit Erfolg auf altes Gut zurückgegriffen: „Orpheus
in der Unterwelt* von Offenbach kehrt jetzt, wo er längst den Modereiz verloren hat,
seine hohe musikalische Grazie fast eindringlicher denn je heraus. Hans Pfeilschmidt
HAAG: Jeanne Raunay's Gastspiel ist ein wahrer Triumphzug durch Niederland.
Besonders als Wagnersängerin wird sie allgemein gepriesen, ihre Hauptpartieen
sind die Elsa und Elisabeth. Jan Blockx' neue Oper „Die Braut der See* (Die Meeres-
braut) hat nun auch hier seinen Einzug gehalten und noch grösseren Erfolg davon-
getragen als die „Herbergprincessin* desselben Komponisten. Otto Wem icke.
HANNOVER: Im kgl. Theater gastierte mit grossem Erfolg Erika Wedekind als Frau
Fluth, Rosine und Lucia. Von Engagementsgastspielen ist ein mehrmaliges Auf-
treten der Koloratursängerin Mac-Grev zu verzeichnen, in denen diese Künstlerin mit
ihrer hübschen, ausgeglichenen Stimme und guten Schulung einen vorteilhaften Eindruck
hervorrief. Ein zweites Gastspiel unseres präsumptiven neuen Heldentenors Gröbke
verlief nicht so günstig wie das erste. Sein Tremolieren, seine larmoyante Gesangs-
welse und diverse technische Unbeholfenheiten fielen unangenehm auf. L. Wut h mann.
KARLSRUHE: Die Hofoper brachte in letzter Zeit nicht allzu viel Aufregendes. Viel
Anklang fand indess ein Gastspiel Sigrid Arnoldsons als „Mignon* und „Traviata*.
64
DIE MUSIK III. 13.
Eine schon seit längerer Zeit verheissene „Neuheit" war ani Ssint-Saöns' „Samson
und Dalila", das unter Gorters Leitung eine gute Wiedergabe erfahr. Albert Herzog.
KÖLN: In den Vereinigten Stadttheatern bildete die Wiederaufnahme von Charpentier v 8
.Louise' das Hauptereignis der letzten Wochen. Der grosse Erfolg, den die Neu-
einstudierung erzielte, nachdem daa Werk hier vor zwei Jahren keinen sonderlichen
Eindruck hinterlassen, war im wesentlichen in der weit besseren Gesamtaufföhrung
— mit Frau Felser als nach jeder Richtung ausgezeichneten Vertreterin der Titelrolle —
begründet Mühldorfer hatte daa interessante Werk vortrefflich herausgearbeitet An
Inszenierungskünsten wurde im neuen Hause dss immer Mögliche geboten.
Paul Hiller.
KÖNIGSBERG: Wir beziehen neuerdings unsere Tenöre aus München. Dr. Raoul
Walter hat vor kurzem ein ehrenreiches Gastspiel als Fra Diavolo, Jose, Eleazar
und Troubadour absolviert, und schon singt wieder — übrigens zu unser aller Ohren
Freude — ein Münchener Tenor, Heinrich Knote, in unsern heiligen Hallen. Im
übrigen haben wir die Wiederaufnahme von Offenbachs liebenswürdig graziöser «Ver-
lobung bei der Laterne" und die erste Aufführung des schlimmen Sardouismus „Toscs"
mit der in vielen Teilen interessanten Musik von Puccini zu verzeichnen. Pucdnl hat
offenbar zeigen wollen, dass auch die trivialsten Roheiten mit Tönen übergössen werden
könnten; wlre er nicht nur ein Talent, sondern ein Genie, so bitte es ihm gelingen
mögen, ein Kunstwerk zu schaffen; so aber mangelt ihm die Kraft, die Musik mit der
Brutalität zu einer Einheit höhern Stils zusammenzuschweissen. Puccini's „Tosca" er-
scheint mir nur als Zeugnis für die Weiterbildung des »Musikdramas" bedeutend; eine
deutsche Bühne mittlerer Grösse hltte indessen besseres zu tun, als bei Franzosen
(Massenet's „Navarraise") und Italienern Opern einzuhandeln und die neuen deutschen
Erzeugnisse vollständig zu missachten. Paul Ehlers.
LEIPZIG: Ausser mehreren Wiederholungen von Eugen d'Alberts .Tiefland", die
geringerem Interesse begegneten als die Premiere, gab es als ungewöhnlichere Vor-
kommnisse im Repertoire der letzten zwei Wochen die Erstaufführung eines mehr an-
spruchslosen als ansprechenden Amateur-Öperchens „Verschleiert" von Alfred Kaiser
und Gastspiele von Hans Giessen (Don Jos6), Frau Leffier-Burckard (Walküre) und
Garl Perron (Wotan). Alfred Kaisers Einakter .Verschleiert", der am Pariser Renaissance-
Theater weit über hundert Mal aufgeführt worden sein soll, behandelt in ziemlich un-
dramatischer und musikalisch mit einigen ganz aphoristischen Tongedanken, etwas
Stretcherpizzicatis und Harfen- und Hornklingen dürftig aufgeputzter Weise eine Atelier-
szene zwischen dem spanischen Maler Velasquez und der ihn liebenden Magd Juanita.
Es ist eine rührselige Duo-Episode sus dem Künstlerleben, ein petit rien, daa mehr in
den Rahmen eines Vsudeville-Theaters als in den einer Opernbühne hineingehört
Arthur Smolian.
FTERSBURG: Seit Beginn der grossen Fasten, während die Ksiserl. Rum. Oper ge-
schlossen, herrscht in der Italienischen Oper grössere Tätigkeit Daa herkömmliche
Repertoire wurde durch einige weniger bekannte Opern aufgefrischt, so durch „Manen"
von Masaenet. Lina Cavalieri debütierte erfolgreich in der Titelrolle. Es folgten
seitdem: „Martha", „Lucia", „Romeo e Guilietta", „Eugen Onegin" und „Mignon". Sigrid
Arnoldson, Olympia Boronat, die Herren Ssobinow, Kaachmann, Anselmi, Navarini waren
die gefeierten Vertreter der Hauptrollen. Bernhard Wendel.
S TR ASSBURG: Zwei Neuheiten gab's (doch keine deutschen): Die Londoner Importe
„Der Wsld" der Miss Smytfa, ein in jeder Beziehung eindrucksloses Werk. Die
Heldin eine Art Ortrud im Nesslerschen Gewände, vieles in einer Tonsprache aus-
gedrückt, gegen die Mendelsohn ein Zarathustra ist Weit genussreicher war Giordano'e
65
KRITIK: OPER
*
„Fedora* (Gastspiel der Prevosti), ein Werk, aus dessen Verbindung von modernem
Geist mit Wohllaut und Vornehmheit unsere jungdeutschen ' 4 Weh walte recht viel lernen
könnten. Warum wird Deutschland mit diesen liebenswürdigen Gaben neuitalienischen
Geistes nicht mehr bekannt gemacht, statt immer mit der brutalen Schlächtergesellen-
poesie eines Mascagni usw. abgespeist zu werden? Kein geringes Lob für unsere Erna
Croissant, sich vollgültig neben der Gastin hören zu lassen. Auch Lohse zeigte sich
in der Leitung von seiner glänzendsten Seite. Schade nur, dass er seit Jahren fast mit
einem Fusse ausserhalb Strassburgs steht und das Repertoire hier immer mehr ver-
armt. Manche Gewaltsamkeiten in der Oberhetzung der Allegrl usw. wird er aber wohl
noch ablegen müssen, wenn er an einer erstklassigen Bühne in Ehren bestehen will.
Dr. G. Altmann.
STUTTGART: An Königs Geburtstag, allwo früher manche Erstaufführung Wagnerscher
Werke durchgesetzt wurde, ging dieses Jahr zur Abwechslung Gounod's „Philemon
und Baucis* als Merkwürdigkeit in Szene. Wiederholungen erlebten .Zauberflöte*,
»Orpheus*, der nächst „Maienkönigin* die älteste und ehrwürdigste Oper repräsentiert,
ferner „Tristan* und — beinahe — die „Meistersinger*. Gerhäuser entwarf eine
vollendete Darstellung in der Gebärdensprache, während sein Gesang nicht auf solch
hoher Stufe stand. Dr. K. Grunsky.
TOTARSCH AU: Eine längst versprochene Neuheit, die dakdge polnische Oper
W „Maria* von Heinrich Melcer erschien Mitte Februar und hatte sich einer warmen
Aufnahme zu erfreuen. Der junge Komponist erwies sich als ein tüchtiger Musiker,
der viel gelernt hat und die Technik des modernen Dramas gewandt beherrscht. Der
Schwerpunkt der Melcerschen Oper liegt im Orchester; die Gesangspartieen sind nicht
immer glücklich erfunden mit Ausnahme von sehr charakteristisch und ausdrucksvoll
gearbeiteten Chören. Oberhaupt neigt die Ausdrucksfähigkeit Melcers mehr für das
Charakteristische. Der Text wurde ziemlich unbehilflich nach einem bekannten Gedicht
von Malczewski („Maria*) verfasst. Die Aufführung ist den besseren zuzuzählen; die
Hauptrollen wurden durch Frau Bohuss-Heller und die Herren Leliwa (Tenor), Görski
und Tarnawski (Bässe) vertreten. — „Hansel und Gretel* mit Humperdinck am Dirigenten-
pult gestaltete sich zu einem Triumph für den Komponisten; für die ausgezeichnete
Aufführung sorgten Frl. Kaftal (Gretel), Fr. Bohuss (Hansel), H. Görski (Vater) usw.
H. Opienski.
WEIMAR: Uraufführung des „Buddha", grosse Oper in 3 Aufzügen und einem
Vorspiel von Max Vogrich. In seinem neuesten Werke greift der Dichter-
komponist zurück ins fünfte Jahrhundert vorchristlicher Zelt und sowohl legendariscbe
als auch geschichtliche Momente bilden die Grundlage seiner Oper. Die Handlung, die
für den mit der Lehre Buddhas nicht Vertrauten etwas unklar erscheint, ist in ihren
Hauptzügen folgende: Siddharta Gautama, Sohn des Königs Suddhodana, wächst dem
Willen seines Vaters gemäss im üppigsten Wohlleben und sinnlichen Genuss auf.
Durch Zufall lernt er das Elend kennen. Belehrt durch einen Bettler, der ihn sterbend
zum kommenden Buddha (d. b. der Erleuchtete) bestellt, empfindet er Ekel vor seinem
bisherigen Leben und sucht in Entsagung ein Weltweiser zu werden. Mit tiefer Be-
trübnis hört seine Gemahlin Yasothara seinen durch nichts wankend zu machenden Ent-
schluss und Gautama verlässt sein Heim, um als Bettler in Entbehrung und Not Er-
leuchtung zu suchen. 15 Jahre sind verflossen, als Buddha als Prophet begleitet von
einer Schar Schüler im Bettlergewand ins Vaterhaus zurückkehrt. Sowohl die väter-
lichen Vorstellungen, als auch die innigen Bitten seines Weibea, sowie seines Sohnes
Rahula, den er zum ersten Male sieht, doch, wie es ihm als Prinz gebührt, im Königs-
palast zu bleiben, vermögen seinen starren Willen nicht zu beugen. Er zieht wieder in
JH. 13. 5
66
DIE MUSIK IIL 13.
die Wüste hinaus, am sein Wanderleben fortzusetzen. Nach Tielen Jahren finden wir
ihn als Sterbenden, umgeben von einem Teil seiner Junger, in einer Felsenhöhle. Hier
erflhrt er erst, dass sein Weib ihm als Bettlerin, Not and Elend mit Ihm teilend,
folgte- Tief ergriffen verkündet er prophetisch den nächsten Buddha — den der Liebe.
Yasothara naht ihm, am im Tode vereint einzugehen ins Nirwana. — Die auf die ein-
zelnen Akte verteilten Vorginge charakterisiert der Komponist selbst durch folgende
Oberschriften. Vorspiel: „Der Bettler". 1. Akt: „Yasothara". 2. Akt: „Buddha 44 nnd
3. Akt: „Nirwana". Die Dichtung, nicht frei von Hirten, bewegt sich zum Teil in
metrischer Prosa, zum Teil in Versen. Bei den letzteren spürt man manchmal arg die
Versschmiede. Die Musik steht ungleich höher and liest aberall den gewandten fein-
fühligen Musiker erkennen. Er ist weder ein Nachbeter ▼agners, noch Teristisch ange-
haucht, sondern er weiss selbst etwas zu sagen and bedient sich zum Ausdruck seiner
Gedanken meistens der geschlossenen Form. Das Leitmotiv taucht auch gelegentlich
auf, doch nicht mit der Klarheit and Bestimmtheit wie bei Wagner. Wollte man die
musikalische Richtung des Komponisten in aufsteigender Linie andeuten, so könnte man
sagen: „Meyerbeer, Goldmark, Vogrich!" Es findet sich neben weniger Bedeutendem
wirklich Bedeutendes. So z. B. die Verheissung des Bettlers im 1. Akt; das auf einem
durch 130 Takte basierenden Orgelpunkt auf D aufgebaute Vorspiel zum 2. Akt, ge-
wissennassen den festen Willen Buddhas symbolisierend. Der Wechselgesang zwischen
Derndatta and Yasothara, sowie der heiter narre Auftritt ihres Knaben Rahula. Eine
äusserst glückliche Eingebung. Sehr originell, jedoch weniger schön ist die Einleitung
zum,l. Akt Die vielen prunkvollen Aufzüge and Bellete gemahnen unliebsam an die
Konzessionen, die man der grossen Oper in Paris machen musste; ausserdem hemmen
sie fen Fluss der ohnehin viel zu lang ausgesponnenen Handlung. Geschickt ange-
brachte Striche können den Wert des Werkes nur erhöhen. Die Aufführung selbst
war unter der Leitung Krzyzanowski's sowie der Regie Wiedeys vorzüglich vorbereitet
und wahrhaft glänzend inszeniert Der Komponist wurde mit den Hauptdarstellern
(Gaulama — Herr Zeller, Yasothara — FrL vom Scheidt) bereits nsch dem 1. Akte ge-
rufen und musste zum Schluss mindestens 6 mal an der Rampe erscheinen.
Carl Rorich.
KONZERT
BASEL: Die drei letzten Symphoniekonzerte brachten neben allerlei Bekanntem das
Vorspiel zu „Sancho* von Jaques-Dalcroze, sowie eine vortreffliche Wiedergabe der
Liebesscene aus der .Feuersnot". Solistisch beteiligten sich Frau Bosetti and unser
Konzertmeister Hans Kutscher, sowie ferner mit besonderer Auszeichnung Teresa Carrefto,
die das Publikum mit einer glinzenden Ausführung der Ungarischen Phantasie von Liszt
elektrisierte. Zu einem Ereignis gestaltete sich das Auftreten des Geigers Leopold Auer,
der ein interessantes Programm mit jugendlichem Feuer vortrug. — Das zweite Konzert
des Basler Gesangvereina vermittelte uns die Bekanntschaft mit der »Vita Naova" von
Wolf-Ferrari, sowie mit einer „Ahasvers Erwachen 41 betitelten Komposition von F. Hegar.
Dr. H. Stamm:
BERLIN: in anserm Opernhaus finden Jetzt wieder, nachdem die Arbeiten zur Sicherang
gegen Feuersgefahr beendet sind, allabendlich Vorstellungen statt, und so können
denn auch die Symphonieabende der König!. Kapelle unter Weingartner ihren Fort-
gang nehmen. Der 7. brachte drei Stücke aus Mendelssohns Sommernschtstraum-Musik,
Ron. Schumanns vierte Symphonie (d-moll), Hugo Wolfs Penthesilea und Beethovens
Egmont-Ouvertüre. Dass das jüngst besprochene Orchesterwerk von Hugo Wolf hier
schirfer in der Rhythmik ausgearbeitet erklang als in der Philharmonie, darf niemand
67
KRITIK: KONZERT
wandern, der die Sachlage kennt, aber einen vorteilhaften Eindruck hat es auch lier
nicht auf mich gemacht Im Gegenteil, die Schwlchen der Musik traten noch deutlicher
hervor. Übrigens erschien mir Weingartner als Dirigent niemals bedeutender alsfan
diesem Abend. — Siegfried Ochs an der Spitze seines philharmonischen Chores hat tons
wieder einmal eine ganz vortreffliche Aufführung der Bachschen h-moll Messe beschert.
Immer Inniger verwichst seine Singerschar mit dieser Musik; es gab Momente höchster
Schönheit, wie sie nur selten vorkommen bei einem so komplizierten Apparat Her
materiellen Mittel. Oberall, wo es auf den Chor und das Orchester ankam, in dem
Siegfried Ochs bei Bachscher Musik die Pulte der Bläser stets mit den vorgeschriebenen
alten Instrumenten besetzt, klang es durchweg herrlich; namentlich in den zartesten
Schattierungen des Piano ist dieser Chor fast unerreicht. Weniger gut gerieten die Soli;
unsre Singer fühlen sich im Bachschen Stil meist gar zu fremd. Sicher führte Frau
Geller- Volter die Altpartie, Herr Knüpfer die des Basses durch; auch Rob. Kaufmann
im Tenor ging noch zur Not, aber Johanna Dietz im Sopran sang nicht einmal die Noten
richtig. — Die Singakademie unter Georg Schumann hat Handels „Judas Maccablus"
als drittes Abonnementskonzert gebracht. Des jetzigen Dirigenten Auffassung steht viel-
fach im Widerspruch zu der durch die früheren Chorleiter festgelegten Tradition, und
es mag ihm oft schwer genug werden, die Singerschar zu einer lebhafteren Behandlung
des Zeitmasses, zu einer subtileren Nuancierung in den Tonflrbungen zu bewegen.
Bisweilen treibt ihn sein lebhaftes Naturell auch wohl zu weit So schien mir der Chor
„Fall war sein Los* zu schnell genommen, das Thema verlor an Wucht, und die kürten
pp-Akkorde gingen zu hastig an dem Ohr vorüber. Im ganzen aber haben die Auf-
führungen an Leben gewonnen, und des Dirigenten echt künstlerischer Geist wirkt' er-
frischend und animierend. Unter den Solisten sei Herr Joh. Messchaert an erster Stelle
genannt, der, ein wahrer Meistersinger, alle Stilarten sicher beherrscht und aller Herten
erfreut, wenn er die Lippen öffnet Auch Curt Sommer fasste die Partie des Juda* in
grossem Stil an und erweckte Bewunderung mit seiner Atemführung und der rhythmisch
festen Gliederung der bewegten Figuren. Frau Walter-Choinanus gestaltete die dankbare
Altpartie, selbst die weniger interessanten langen Rezitative in grosser Auffassung. Im
Z wiegesang mit dem Sopran des Fil. Marie Berg wollten sich die beiden Stimmen nicht
recht verschmelzen. Orchester und Orgel waren erstklassig. — Im letzten Nikisch-
Konzert wirkte das Künstlerpaar Eugen und Hermine d'Albert mit Die Dame sang
vier Stücke ihres Gatten für Sopransolo mit Orchesterbegleitung und imponierte durch
die Sicherheit, mit der sie die z. T. recht umfänglich geschriebene Musik bewältigte; In
merkwürdigen Zickzacklinien bewegt sich die melodische Linie; willkürliche Sprünge,
ohne dmss der Worttext dazu veranlasst, vollführt die Singstimme. Dazu ist das Orchester,
an sich schon in der Klangfarbe zu dick aufgetragen, mit einer Menge von Details Über-
laden, die keine einheitliche Stimmung aufkommen liest Die mittelalterliche Venus-
hymne ist d'Albert am besten gelungen — eine grosszügige, sich bis zum Scfaluss
steigernde Melodie voll Feuer und Schwung und eine farbenfrohe Orchesterbegleitung.
Das Publikum Hess sich das Stück zweimal vorsingen. Am wenigsten wollte mir die
Musik zu der poetischen Prosa von Fritz Rassow »Wie wir die Natur erleben" behagen,
eine lange in Einzelheiten sich verzettelnde Komposition, auch nicht das Wiegenlied nach
Lillencron mit dem unnatürlichen Intervall am Schluss. Ein interessantes Gebilde war
»Der Lebensschlitten" von Fritz Rassow, eine reizvolle Illustration des Gedichtes. d'Albert,
der seine Gesinge selbst dirigierte, spielte alsdann Liszts Klavierkonzert in Es-dur mit
fortreissendem Schwung. Die Lear-Ouvertüre von Hektor Berlioz eröffnete den Abend,
und Beethovens c-mdll Symphonie bcfschloss ihn. Eine unglückliche Stelle zwischen dem
ihoderneh Berlioz und d'Albert nahm das Concerto grosso von Hlndel ein, es passte
5*
68
DIE MUSIK III. 13.
I
absolut nicht xu den Nachbarn links und rechts. — Ein seltsames Konzert hat Johannes
Merkel in der Singakademie gegeben, wo er eine Reihe eigener Kompositionen auf«
führte, auch eine Schülerin Marie Lieber mitbrachte, welche die Schubert-Liaztsche
Wandrerphantasie spielen sollte; er selber trug sein Klavierkonzert in A-dur vor. Klavier
spielen konnten beide nicht Wie unsre Philharmoniker mit dieaem ganzlichen Mangel
an Rhythmus fertig wurden, war wahrhaft ergötzlich zu hören. Komponieren kann Herr
Merkel auch nicht recht „Zwischen zwei Welten", Mysterium für grosses Orchester
un<$ das Klavierkonzert klingt wie die Arbeit eines Koneervatoriumeschülers, der bei
einem der modernen Musik feindlichen Lehrer studiert. Die Themen sind kindlich, der
Periodenbau rückt zwei- oder vieitaktig vorwärts, die Orchesterbehandlung ist ganz ohne
Farbensinn. — Conrad An sorge gab seinen dritten Klavierabend. Etwas neues über
den bedeutenden Künstler zu sagen, liegt keine Veranlassung vor. — Mark Gfinzburg
spielte nur neues oder seltenes: Busonis Variationen über Chopins Präludium in c-moll,
eine Klaviersonate von Sjögren, eine zweiatimmige Fuge (gewiss eine Schulerarbeit)
von — Chopin, ein Scherzo von M. von Zadora, eine Sonate von Julias Reubke, dem
zu früh verstorbenen Schüler Uszts und dann eine Reihe von Lisztschen Bearbeitungen
Schubertscher Märsche. Es war* ja nicht allea^einwandfrei, was und wie Herr Gfinzburg
spielte, doch anerkennenswert jedenfalls der Sinn,* mit dem das Programm zusammen*
gestellt war. Und vieles gelang dem Pianisten, der ein feines Gefühl für Tonfärbungen
und, eine reich, wenn auch nicht reif entwickelte Technik besitzt, recht glücklich, so
daas er den Hörern die Tondichtungen klar legte, — Von den Liederabenden der
letzten Wochen war der dea Herrn Bogea Oumiroff (Bariton) überflüssig, weil weder daa
Organ noch die Auabildung zu einem öffentlichen Auftreten berechtigt Anna Busse,
die fest lauter neuere Lyrik vortrug, versteht nicht vorzutragen — waa ich wenigstens
hör^e, eine Gruppe Lieder von Hugo Wolf, misslang durchaus. Trefflich geschult, aber
leider klanglich ohne Charme ist das Organ von Marie Laane aua Paria, die nur
italienisch und französisch aang.] In guter Erinnerung steht sber daa Konzert von Elisabeth
Schenk, der als Sängerin eine gute Laufbahn offen steht: ein warmes, voll ausgiebiges
dunkel gefärbtes Organ, gute Schule, trefflich ausgearbeitete Teztauaaprache, lebendiges
Temperament mit selbständiger Empfindung zeigte die junge Dame, der man je länger
je lieber zuhörte. E. E. Taubert
: Ein ao unfertiges Geigenspiel, wie es .Franz Sagebiel bot, iat mir lange nicht
vorgekommen. Wenn Franz Ondrjicek diesmal nicht so imponierend wirkte, wie sonst,
so lag diea hauptsächlich sn seinem Programm; die mitwirkende Sängerin Rose Halpern
sollte sich mit ihrem Stimmchen nicht in den Konzertsaal wagen. Sonja Roeder hat
eine .^beachtenswerte Technik und einen forschen Bogenstrich, aber sie geigt ohne rechte
Empfindung; scharf und schrill erschien die Stimme der mitwirkenden Sängerin Jane
Arctowska. Wundervoll spielte immer noch David Popper Violoncell; an Schönheit dea
Tons erscheint er unerreichbar; ein Requiem seiner Komposition für drei Violoncelli
mit Klavier ist sicherlich gut gemeint; Bertha Bloch-Jahr spendete mit ihrer schönen
Altstimme, aber temperamentlos einige Lieder. Vom Brüsseler Streichqusrtett hörte
ich eine fascinierende Wiedergabe von Griega eigenartigem Quartett und eine durch-
geistigte jeden Wunsch restlos erfüllende Ausführung von Beethovens a-moll. An dem-
selben Abend spielten Artur Schnabel und Anton Hekking Rachmaninoffs in dieser
Zeitschrift schon öfter erwähnte Violoncellsonate hier zum erstenmal. Eine italienische
Triovereinigung, bei der der Klavierspieler Guido Alberto Fano die Streicher Aleaaandro
und Antonio Certani bedeutend überragte, apielte uns Klassiker statt moderner italienischer
Kompositionen vor. Gustav Holländer.sei^Dank, daaa er mit den Herren Nicking,
Rampelmann und Sandow endlich Lalo's Streichquartett (übrigens in der älteren Fassung,
60
KRITIK: KONZERT
vcrgl. „Die Musik« Bd. 6, HO) hier zu Ehren brachte; in dem darauf folgenden Klavier-
quintett von Brahma spielte James Kwast reichlich? derb. Das Hollindische Streich-
quartett der Herren van Veen, Feltzer, Ruinen und van Lier, unsere einzige Quartett-
vereinigung, die vorwiegend moderne Werke spielt, bot das hier drei Jahre lang nicht
gespielte erste Quartett von Tschaikowsky und mit Leopold Godowsky am Klavier Mas
Quintett op. 30 von Hugo Kaun. Wilhelm Altmann. **
Ehe der Winter schied, Hess er als Geschenk einen bleibenden Eindruck zurück.
Es war, als wollte er uns mit dieser einen Gabe für die erlittene musikalische Ulibill
entschldlgen. Für mich wenigstens gehört der Abend von Teresa Carrefio neben
d'Albert und Ansorge zu dem einzigen elementaren Klavier-Ereignis. Ihr kühnes Spiel
ist reifer geworden und hat jene grosse plastische Ruhe bekommen, die das Genie be-
deutet. Der eherne Schritt einer; echten dramatischen Deklamation, der gross wehende
Atem, die bronzene Technik weisen zur Höhe. Vor mir erstand Penthesilea, wie sie
auf dem feurigen Gespann durch die Schlucht hindonnert. Dieselbe minnliche Rasse,
der gleiche fürstliche Stolz. Wahrlich: so und nicht anders muss man spielen. Kunst
ist Blutsache!! Nach ihr kam — Wüste — Wüste. — Hans Richard haftet noch am
Instrumentellen. Aber der Ton ist süss und schliesst auf Musik. — Kinder und ptna-
kusdsche Wunder nehmen mich nicht sonderlich ein. Sie teilen zu oft das Schicksal
der Kirschblüte: ein Nachtfrost und ein Sturm, und alles ist dahin. Möge das Leben
sie hüten: Die May Doelling, MIecio Horszowski u.a. — Bleibt Bernhard Stavle n-
bagen. Als Dirigent will ihn keiner recht gelten lassen, als Komponist eines Klavier-
konzertes in h-moll, zusammengesetzt aus Brahma, fadigen Lyrismen, Liszt und Walküre,
hätte er lieber schweigen sollen. Ernst Boehes »Die Klage der Nauaikaa« verlegt den
Schwerpunkt auf die lusserllchen Machtmittel einer Souveränen und teilweise originellen
Instrumentationstechnik. Wer aber die Palette in der Jugend so meisterlich und keck
beherrscht, wird der Kunst der Ideen hoffentlich nichts schuldig bleiben. Wanda 3 von
Trzaska gebricht's an Eigenart und Temperament. Was sonst an ihr ist, vermochte' ich
aus ihrer veralteten Technik nicht zu enträtseln. — Von den Gesangsleistungen erwähne
ich: Franz Seebach, Margarete Conrad und Gertrud Bischoff; letztere mit einem
Männerchor: »Deutsche Weise". — Der Männerchor ehem. Schüler des kgl. D'öm-
chors sagte nur wenig. Von den Solisten: Bianca Becker-Samolewsks (Violine)
und Otto Becker (Klavier) war die Frau bedeutender als der Mann. Das ist nie gut,
auch in der Kunst nicht — Ober eine Gesangsschule »Stückgold" aus Karlsruhe*; die
mit zulänglichen Stimmmitteln die absolute Unzulänglichkeit der deutschen Gesangs-
pädagogik drastisch illustrierte, will ich lieber hinweggehen. Überdies hat, wer sich der
Lächerlichkeit preisgibt, bereits ausgespielt, ehe die Kritik einsetzt. — Eine Pianistin:
Lusika Pahwulan-Pahlen spielte Klavier, — nichts weiter. Rudolf M. Breithaupt.
BREMEN: Die letzten Wochen] waren musikalisch reich ausgestattet Drei grosse
Orchester-Konzerte, worunter zwei — hier ein gewagter Versuch — ohne Solisten:
das eine ein Wagner- Abend, der sämtliche Vorspiele] von Rienzi bis Parslfal und aus
dem Ring die Trauermusik umfasste, das andere mit drei Werken von Strauss: Gutitram-
VorspJel, Don Juan und Zarathustra, beides glänzende und auf daa wärmste aufgenommene
Leistungen der Philharmoniker und der Panznerschen Interpretationakunst. Der dritte Abend
brachte als Neuheit Elgar's ,Cockaigne", ein zwar keineswegs bahnbrechendes, aber ent-
schieden achtunggebietendes Werk, doch wohl ein Anzeichen,*daas auch England endlich
einmal gesonnen ist, in Auffrischun£grossen, aber längstentschwundenen Ruhmes am Musik-
leben wieder tätigen Anteil zu nehmen. Am selben Abend'erntete Hugo Becker fleiche
und wohlverdiente Lorbeern mit Lalo's Konzert und Tschaikowsky's Rokoko -Variationen,
zwei interessanten, hier noch nicht gehörten Tonwerken. Höchst ehrenvolle Erwähnung
70
DIE MUSIK III. 13.
£
verdienen ferner ein Konzert des Lehrergesangvereins, das unter Hobbings Leitung
Rubinsteins nicht gerade originellen „Morgen*, Rheinbergers »Tal des Espingo" und
Bruchs „Salamis* nebst einigen der kleinen Kabinettstücke Schumanns zu vorzüglicher
Vorführung brachte, sowie eine prächtige Darbietung klassischer Kammermusik, zu der
sich die Herren Skalitzky, Georg Schumann und Dechert vereinigt hatten. Endlich landen
die.Brombergerschen Solisten-Abende der Union hübschen Abschluss in einem Konzert,
in dem ausser dem verdienstvollen Veranstalter noch Alfred Wittenberg und Klthe
Seilner aus München (Gesang) auftraten. Prof. Kissling.
BRÜSSEL: Ysaye hatte sein drittes Konzert der russischen Kunst gewidmet. Ausser
dem schon früher unter Dupont gehörten .Russische Ostern* von Rimski-Korsakoff
wurden folgende Werke zum ersten Male gespielt: Glinka, Ouvertüre zu „Russlan und
Ludmilla*, Glazounow, „Moyen-Äge" und Tanöiew, Ouvertüre zu „Orestie". Der Pianist
Siloti erspielte sich mit dem zweiten Konzert von Rachmaninoff, das namentlich im
zweiten Satz grosse Schönheiten enthllt, einen starken Erfolg. — Das von F. Kreisler
gegebene Violin-Rezital (Corelli, Tartini, Paganini bis zu den modernen Meistern) trug
ihm wieder einen grossen künstlerischen Erfolg ein. Unter den vielen kleinen Konzerten
sei noch das der beiden Pianistinnen Mmo. Bonheur und M"«- Blancard aus Paris, die
mit guter Ensemble in feiner Weise eine Reihe von Werken für zwei Klaviere vortrugen,
erwähnt Felix Welcker.
DRESDEN: Das letzte Hoftheaterkonzert der Serie A brachte als Neuheit eine „Hebrä-
ische Rhapsodie" von B. Zolotareff, die halb grotesk, halb geschmacklos klang und
nur durch geschickte Instrumentation auffiel, mithin mit Recht eine sanfte Ablehnung
erfuhr. — Höchst wertvolle Ausbeute lieferte ein Extrakonzert des Mozartvereins, das
durch die Mitwirkung der „Berliner Madrigalvereinigung" seinen hervorragendsten Reiz
erhielt Die von Arthur Barth geleitete Vereinigung erweckte durch die glockenreine,
aufs 2 feinste pointierte und stilechte Wiedergabe zahlreicher Madrigale geradezu Be-
geisterung, die um so gerechtfertigter erscheint, je seltener die in der Kunstform des
Madrigals von Meistern wie Hasler, Lemaistre, Gastoldi, Donati, Sartorius geschaffenen
Schätze an die Öffentlichkeit gezogen werden. Grosses Interesse erregte auch die von
Mozart 1779/80 in Salzburg geschriebene Musik zu dem Drama »König Thamos", die das
Orchester des Mozartvereins in Verbindung mit dem ebenfalls unter Leitung des Kapell-
meisters v. Haken stehenden „Dresdner Chorverein* mit sehr starker Wirkung zu Gehör
brachte. Die grossen Gesangvereine unserer Stadt haben nun auch ihre Winterkonzerte
gegeben und zwar trug das des „Gesangverein der Staatseisenbahnbeamten" (Leitung
Mai Funger) den Charakter eines Reinhold Becker -Abends, indem in der Hauptsache
Werke dieses vielseitigen Dresdner Komponisten von dem Vereinschor sowie von Emmy
Starcke (Sopran), Hans Giessen und Max Lewinger mit grossem Erfolg zur Aufführung
gebrächt wurden. Der „Dresdner Orpheus" veranstaltete ebenfalls ein wohlgelungenes
Konzert, an dem als Solisten Links v. Linprun aus München (Violine) und Herr Jörn
von der Berliner Hofoper beteiligt waren. — Von den Kammermusikveranstaltungen der
BeriBhtszeit sei vor allem der Abend des „Brüsseler Streichquartetts" hervorgehoben,
das init dem prachtvollen a-moll Quartett von Glazounow eine höchst wertvolle Novität
in bewundernswerter Weise hier einführte. F. A. Geissler.
DÜSSELDORF: Zum Ereignis ward die Aufführung von Wolf-Ferrari's „La vita nuova"
im sechsten Musikvereinskonzert. Der die Liebe Dante- Alighieri's zu Beatrice
behandelnde Stoff, Dantes gleichnamiger Dichtung entnommen, die ganz eigenartige Ton-
lustferung Wolf-Ferrari's, dessen ursprüngliche, reiche Melodieerfindung, eine Fülle meist
neuer, oft kühner, allerdings nicht stets wirksamer Klangkombinationen, die neue, inter-
essante Verwendung des Klaviertons nehmen unbedingt für die grosszügige, nur noch
71
KRITIK: KONZERT
etwas stilverschwommene Schöpfung ein. Die Wiedergabe war lobenswert Kanfmer-
sänger Büttner (Bariton), Frl. Goldenberg (Sopran), Orchester, alle Chöre, Pianist Flohr,
Orgelmeister Prof. F. W. Franke taten unter Prof. Buths Leitung ihr bestes. Bnjiims'
erste Symphonie beschloss den Abend. Im siebenten Musikvereins-Konzert, das nur
ältere Werke brachte, spielte Prof. Halir Spohrs Gesangsszene und die Solovioline in
der Haffnerserenade von Mozart, sang Frau Lula Mysz-Gmeiner die Vitellla-Arie aus „Titas"
und vier altitalienische Kanzonen. Risler gab einen Klavierabend. A. Eccarius-SieJber.
FRANKFURT a. M.: Die Beethovensymphonieen 3, 5 und 7 erfuhren jungst durch
Arthur Nikisch, Felix Weingartner und S. von Hausegger hervorragende Wieder-
gaben. Wagners Wort von der „Apotheose des Tanzes* hatte vielleicht die lebhaft be-
schwingten Tempi angeregt, mit denen die A-dur im Museum erklang, und schrieb
sich's von da her, so hat Wagner wieder einmal Recht behalten. Ulli Lehmanns Gesang
nnd Prof. Heermanns Violinspiel regten am gleichen Abend den Beifall kräftig mit an,
aber Hauseggers Dirigententat blieb doch das Eigenartigste. Nikisch leitete das letzte
Opernbauskonzert glorios und brachte u. a. im Tannhluservorspiel auch sich selbst als
„Entdecker* der Hörnerstelle am Schluss in Erinnerung. Weingartner hatte Beethovens
«Nennte* versprochen, musste aber davon absehen, weil nach seiner Erklärung die er-
forderlichen Chorproben nicht durchzusetzen waren. Da gab es natürlich lange Ge-
sichter, umsomehr als in den substituierten Vorträgen manches nicht ganz wie sonst
gelingen wollte. Die bewusste .Fünfte* von Beethoven ging aber doch tadellos f von
statten; das Kaim-Orchester und sein Leiter sind darin schon längst zu einem Organismus
verschmolzen. — Einen schönen Abschluss fanden die Museums-Kammermusikabende
mit Brahma' hochbedeutendem B-dur Streichsextett, dem Beethovens Kreutzereonate
mit Kapellmeister Dr. Rottenberg als Pianist vorausging. Die sonstigen Eindrücke j aus
der Berichtszeit waren weniger erheblich. Im letzten Abend desjenigen hiesigen
Kammermusik-Ensembles, dessen Eigenart in der Mitwirkung von Bläsern besteht,
gebührte der Ausführung wieder alles Lob, aber die gespielten Werke sagten nicht viel.
Angenehm wie sonst verfloss den Hörern die Zeit in dem von Max Schwarz und seiner
Gemahlin veranstalteten Klavierabend bei gewählten 2- und 4 händigen Vorträgen. ..
Hans Pfeilschmidt. .
GÖTTINGEN: Ein eigenartiges musikalisches Ereignis haben wir am 4. und 5.. März
erlebt: eine Hugo Wolf-Gedächtnisfeier, eigenartig besonders dadurch, dass der
Veranstalter, Herr Hapke, dazu in selbstloser Begeisterung Freunde des Komponisten
und anerkannte Interpreten seiner Kunst geladen hatte. Zunächst schilderte Dr. Haber-
landt in lebendigem Vortrag Leben, Schaffen und Charakter des grossen Lyrikers. Daran
schloss sich der Vortrag einer geschickt getroffenen Auswahl Wolfscher Lieder. In die
Ausführung teilten sich Hugo Faiszt aus Stuttgart und Otti Hey aus Berlin. Den Gesang
des ersten zeichnete genaue Kenntnis und intimes Verständnis der vorgetragenen
Lieder aas; nur Hess sein sehr starkes und volles Organ zuweilen die völlige technische
Durchbildung vermissen. Frl. Hey erntete mit der tadellosen Durchbildung ihres grossen
klangschönen Organs, mit ihrem vornehmen, geschmackvollen Vortrag wohlverdienten
Beifall. Heinrich Meyer. '
HAAG: Das böhmische Streichquartett hat bei seinem zweiten Konzert DvoHks
interessantes Trio op. 74 aufgeführt und erntete mit der Wiedergabe des Griegschen
Quartetts grossen Beifall. Das fünfte Konzert des Residenz-Orchesters unter Leitung
von Henri Vlotta brachte in 'schwungvoller Ausführung Brahma* Symphonie Np. 2;
ausserdem enthielt das Programm die Ouvertüre von Gade „Nachklänge von Ossian",
»Ruy Blas" von Mendelssohn und ein Stück aus Beethovens „Prometheus*. Der kunst-
sinnige Baron van Zuijlen van Nyevelt kann mit grosser Genugtuung auf sein zweites
72
DIE MUSIK III. 13.
Volkskonzert zurückblicken. Der Saal war ausverkauft und das Publikum' lauschte auf-
merksam Schumanns erster Symphonie, der Ouvertüre zu »Michel Angelo" von Gsde
und " der Tannhäuser-Ouvertüre. Als Solist wirkte der Pianist Dirk Schlfer mit. Er
verfügt über eine glänzende Technik und einen prachtvollen Anschlag. Otto Wernicke.
HANNOVER: Im 7. Abonnementskonzert des kgl. Orchesters (Johannes Doebber) erlebte
der wohl mit schöner sonorer Stimme aber recht mangelhafter Schulung ausgerüstete
Bassist Ettore Gandolft einen unzweideutigen Misserfolg. Oberhaupt wire das Konzert,
dessen Orchesternummern wenig Anregung boten, ein ziemlich unglückliches gewesen,
wenn es nicht durch die Mitwirkung unseres ersten Konzertmeisters Riller, der Bruchs
erstes d-moll Konzert wunderschön spielte, auf künstlerischem Niveau gehalten worden
wäre. — Von grösseren Konzerten ist sonst nur noch eine gelungene Aufführung von
Haydns „Jahreszeiten* durch unsere „Musikakademie" unter Frischen zu verzeichnen;
Solisten: Frl. Mohr, Herr Heydenblut und Alexander Heinemann. Von auswärtigen
Künstlern besuchten uns ferner die Sängerinnen : Maria Seret (Alt), Anna Hofmann (Alt), Rose
Ettinger, Hansi Delisle (Sopran), dann der Pianist L. Borwick und die Violinisten Flesch
und Kreisler, dieser ala Mitwirkender im 4. Lutterkonzert. L. Wuthmann.
KARLSRUHE: Der grosse Reichtum der Konzerte, den die letzten Wochen über das
vielgeduldige Publikum ausstreuten, enthielt doch manches Wertvolle. Dazu rechne
ich das Abonnementskonzert des Hoforchesters unter Lorentz' Leitung, das u. a. Schu-
manns d-moll Symphonie in vollendeter Ausführung brachte und in dem Frl. Morena- München
bemerkenswerte Liedgaben darbot. Dann das Konzert des Nürnberger Orchesters (Schmidt-
scher Zyklus), in dem es Humperdincks „Wallfahrt nach Kevlaar* und mit Wüllner in der
Titelpartie eine hervorragende Aufführung von Schumanns »Manfred* gab und Wilhelm
Bruch »Tod und Verklärung« erfolgreich dirigierte. Schliesslich ist als dritte grössere
Veranstaltung ein von Hofkapellmeister Gorter dirigiertes Kirchenkonzert zu erwähnen,
in dem Bachschen Kanuten der Ehrenplatz eingeräumt war. Von Solistenkonzerten sei
zunächst des Auftretens von Lilli Lebmann gedacht, die durch die Kunst des Vortrags
immer noch dem Sturm des Beifalls befiehlt; dann Teresa Carrefio, deren wunderbares
Chopinspiel und schwindelerregende Geläufigkeit bei Paganlni-Liszts „La campanella"
einen gerechten Enthusiasmus zur Folge hatte; weiter ein Wagnerabend des schon einmal
besprochenen jungen Münchener „Orchesterspielers" Dillmann, dem H. Knote als htn-
reissender Lohengrin- und Siegfriedsänger zur Seite stand; endlich Fritz v. Bose-Leipzig,
von dem u. a. eine Regersche Sonate und ein gedankenvolles Brahmssches Intermezzo
mit grosser Meisterschaft vorgetragen wurde, während den gesanglichen Teil Otto Freytag-
Stuttgart wirksam mit Schubert, Schumann und Wolf bestritt. Von den hiesigen grossen
Männergesang -Vereinen hatte der „Liederkranz 11 mit seinem Früh jahrskonzert (Leitung
Prof. J. Scheidt) einen anerkennenswerten Erfolg zu verzeichnen. Die Gesangs-Solistin
Frieda Grumbacher, fesselte dazu durch den Wohllaut und die sieghafte Kraft der Stimme
wie durch den verständnisvollen Vortrag den Beifall auch an ihre Liedgaben. Im grossen
Festhallenkonzert des Vereins „Volksbildung" war es sodann die „Liederhalle* unter
ihrem Dirigenten Hoffmeister, sowie der prächtige Gesangsvortrag von Frl. Robinson,
die der Veranstaltung ihre künstlerische Bedeutung gaben. Albert Herzog.
KÖLN: Im 9. Gürzenich-Konzert wurden einige Werke von Bach nach langer Pause
wieder einmal und teilweise auch zum ersten Male unter Mitwirkung von Dr. Felix
Kraus und Gattin aufgeführt: Präludium und Fuge in Es-dtjr für Orgel, die Kantate „Ich
will den Kreuzstab gerne tragen", das Brandenburger Konzert No. 3, die Solo-Kantate
„Schlage doch, gewünschte Stunde 4 *. Meisterlich spielte Prof. Friedrich Wilhelm Franke
die verschiedenen Orgelpartieen und die grosse Einleitungsnummer. Auch die acht-
stimmige Motette für Doppelchor a cappella „Lob und Ehre und Weisheit" war auf dem
73
KRITIK: KONZERT
Programm Bach zugeschoben, obwohl es nach massgebenden Quellen und speziell auch
auf Grand der Bach-Ausgabe festzustehen scheint, dass dieses Werk von Bachs Schüler
Georg Gottfried Wagner herrührt. Wenn die Motette gleich eine sehr feine Arbeit auf-
weist und insbesondere kontrapunktisch interessant ist, zeigt sie doch nichts von der so
charakteristischen architektonischen Kunst Bachs. Das Ehepaar Kraus Hess später in
den drei Brahmsschen Duetten op. 23 die Vorzüge des mit einander Eingesungenseins
in hervorragendem Masse zur Geltung kommen. Dann aber vermittelte Fritz Steinbach
eine prächtige Aufführung von Beethovens „Fünfter". Paul Hiller.
KÖNIGSBERG: In den Hübnerschen Künstlerkonzerten waren letzthin als gute Be
kannte Raoul Pugno und R. von Zur Mühlen aufgetreten und freudig begrüsst
worden; als neue Künstler, die man gern wieder hören wird, sind der Geiger Fritz
Kreisler (mit dem Konzert von Brahms) und das Stimmphlnomen Josef Loritz erschienen.
Zur Mühlen sang drei interessante Lieder von Th. Streicher; für den letzten Kammer-
musik-Abend des Wendelachen Quartetts hatte er sich zweidrittel des Magelonen-Cyklus
von Brahms zu singen vorgenommen, konnte aber leider wegen Indisposition nur sechs
Romanzen vortragen. Die beiden letzten Symphoniekonzerte haben keinen allzu tiefen
Eindruck gemacht; an der Altistin Lydia Illyna ist vorderhand nur der Stimmklang, an Marie
Hertzer-Deppe die künstlerische Absicht, die fünf Gesinge Wagners zu singen, aufrichtig
zu rühmen. Von den Vortrügen des Symphonieorchesters unter Prof. Bodos Leitung ist
die Aufführung der Symphonie von Hermann Goetz erwähnenswert. Paul Ehlers.
LEIPZIG: Einen künstlerisch vollbefriedigenden Nachklang zu der Gewandhaus-Auf-
führung von Enrico Bossi's .Verlorenem Paradies* bildete ein Orgelkonzert, das
Ma€stro Bossl unter schätzenswerter Mitwirkung von Frau Buff-Hedinger in der Albert-
halle gab. Herr Bossl spielte Werke von Bsch, Padre Martini, Freacobaldi und Cesar
Franck sowie mehrere Stücke eigener Komposition, von denen besonders ein kerniges
»Studio sinfbnico" ernstlich imponieren musste, und erwies mit der in Technik, Klar-
legung und Registrierung gleich bedeutenden Wiedergabe aller Programmnummern sou-
veräne Meisterschaft Am selben Abend fand das zehnte (letzte) dcr Philharmonischen
Konzerte (Winderstein) statte daa zwischen Tschaikowsky'« Streicherserenade op. 48,
Wagners .Faust-Ouvertüre" und Liszts „Les Prtludes" sehr anmutige Gesangsvortrlge
der Frau Grumbacher-de Jong und eine wohlgelungene Reproduktion des Scbumann-
schen Violoncello-Konzertes durch Heinrich Kruse brachte. Der Riedel-Verein (Dr. Georg
Göhler) führte am Busstag unter etwas unsicherer solistischer Mitwirkung der Damen
Gertrud Föistel und Agnes Leydhecker und der Herren Ludwig Hess und Friedrich
Plaschke die »Hohe Messe* von Bach vor, wobei jedoch diesmal, abgeaehen von der
Sicherheit der Chöre, ein wahrhaft würdiges Herausgearbeitetsein der Aufführung zu ver-
missen blieb. Das zehnte (fetzte) Eulenburg- Konzert in der Alberthalle, bei dem die
städtische Kapelle aus Chemnitz unter energievoller Gastführung von Karl Panzner das
Guntrem-Vorspiel von Richard Strauss und die fünfte Symphonie von Tschaikowsky in
recht tüchtiger Weise zu Gehör brachte, hatte besondere Anziehungskraft ausgeübt durch
die Mitwirkung von Teresa Carreüo, die denn auch mit ganz meisterhaften, wunderbar
temperamentvollen Reproduktionen des b-moll Konzertes von Tschaikowsky und der
Ungarischen Phantasie von Liszt die Zuhörerschaft geradezu elektrisierte und schliess-
lich mit einigen entzückend vorgetragenen Zugaben (darunter Schumanns »Vogel als
Prophet") auch noch hypnotisierte. An einem «Zweiten Leipziger Komponistenabend",
den der Leipziger Minnerchor (Gustav Wohlgemuth) unter sehr beifällig aufgenommener
Mitwirkung des hiesigen Damen -Vokalquartettes und der an zwei Flügeln unisono
arbeitenden Schwestern Elsa und Grete Krummel aus Kronstadt in Siebenbürgen ver-
anstaltete, geh es in vortrefflicher chorischer Ausführung neben manchen bescheidenen
74
DIE MUSIK III. 13.
Durchechnittskompositionen einen sebr liebenswürdig anmutenden Cbor «Stimmen der
Mondnacht* von Emil Ptnl und ein in modern-Hegar'scher Weise stimmungsvoll aus-
geführtes Chor-Tongemälde „Die Krone im Rhein" von Hans Sitt. Das zwanzigste
Gewandbaoskonzert begann mit nicbt ganz untadeliger Reproduktion der Abenceragen-
Ouvertüre von Cherubini und der Es-Dur Symphonie von Mozart, zwischen
denen Frau Leffler - Burckard mit imposanter Stimme, gutem Ausdruck aber
leider auch etwas opernbafter Willkür die Fidello-Arie und Lieder von Franz
und Schumann vortrug, und gipfelte dann in einer Prof. Niklsch's Inter-
pretationskunst und Klangfarbensinn und die Leistungsfähigkeit des Orchesters
in wunderbarster Weise manifestierenden Wiedergabe der e-moll Symphonie von
Tschaikowaky. Zu volkstümlichen Preisen und mit grossem Erfolg gaben in der Albert-
halle Helene Staegemann einen Volksliederabend und Ludwig Wfillner einen Liederabend
mit Kompositionen von Beethoven, Schubert, Rieh. Strauss und Schumann, während
Karl Straube sein viertes Orgelkonzert in der Thomas-Kirche in weniger populärer Weise
ganz ausschliesslich der Propaganda für Max Reger gewidmet hatte. In einem eigenen
Konzert, das er unter dankenswerter Mitwirkung von Emma Baumann veranstaltete,
brachte sich Emil Robert-Hansen vom Gewandhausorchester mit der Wiedergabe des
a-moll Konzerte von Saint-Saüns und virtuoser Stücke von Rübner, Popper u. a. m. den
hiesigen Kunstfreunden als ein ganz vorzüglicher Solovioloncellist in Erinnerung. Zu
einer «historischen Kammermusik" hatte die hiesige Ortsgruppe der Internationalen
Musikgesellschaft eingeladen. Eine Trio-Sonate (a-moll) von dair Abaco, Lieder von
Heinrich Albert, die f-moll Violinsonate von J. S. Bach, Lieder von Sperontes und Adam
Krieger und eine G-dur Symphonie von Franz Xaver Richter bildeten das Programm
dieser Interessanten durch Prof. Dr. A. Prüfer erläuterten Vorführung, um die sich
als Ausübende die Herren Alexander Sebald, Dr. Arnold Schering, Albert Nef (Violine),
Dr. Alfred Heuss (Viola), Dr. Fritz Brückner (Cello), Karl Hasse (Klavier) und Fritz Dreher
(Gesang) verdient machten. Schliesslich sei noch eines Vortrags gedacht, den Prof.
Hans Wagner aus Wien, der Erfinder der Prima-vista-Notenschrift und der auf dieser
begründeten neuen Prima-vista-Klavierlehrmethode, hier unter lebhafter Beteiligung des
Publikums gehalten hat Prof. Wagner hat aus seiner neuen Notenschrift alle Ver-
setzungszeichen und alle Zeitwertbezeichnungen an den Noten selbst ausgeschieden —
weisse Noten bedeuten Untertasten, schwarze Noten Obertasten, während der Zeitpunkt
des Toneintrittes und die Dauer jedes Tones durch die Stellung der Note innerhalb der
in mehrere Unterabteilungen zerlegten Takträume bestimmt wird — und er ist solcher-
weise zur Herstellung eines ungemein leicht übersehbaren und leicht abspielbaren Noten-
bildes gelangt Allen Lehr- und Lernbequemen wird mit Wagners vereinfachter Notenschrift
tatsächlich eine ganz ausserordentliche Erleichterung dargeboten. Arthur Smolian.
LONDON: Ober das Hauptereignis des Berichtsabschnitts kann ich heute nur einige
vorsebauende Bemerkungen geben: das Elgarlest, dem man in allen kunstliebenden
Kreisen Grossbritanniens mit einer Art von musikalischem Chauvinismus entgegenjubelt,
beginnt heute abend. Covent Garden, die vornehmste Bühne, ist dafür gewählt, ein
Theater, daa bequem 4000 Sitzplätze birgt, und damit ist schon angezeigt, auf einen wie
starken Zuspruch man rechnet Hans Richter kommt mit aeinem Manchester Orchester
und seinem Chor, zusammen über 400 Künstler, und einen Teil des Programms, nämlich
die neuen »Seebilder" und die neue Ouvertüre »In the South Alassio", die der gefeierte
Tondichter selbst dirigieren wird. In dieser Form und auf so breiter Grundlage hat man
in England noch niemals einen Musiker gefeiert Heute abend wird der »Traum des
Gerontiua", morgen »Die Apostel" vorgeführt, am Mittwoch bilden kleinere Werke das
Programm. Jedenfalls hat der nationale Impuls, der jetzt durch alle britischen Nerven
75
KRITIK: KONZERT
geht, im Falle Elgar mit der alten trübsinnigen Wahrheit aufgeräumt, dasa ein Prophet
in aeinem Vaterland nichta gelte. — Im nächsten Monat hllt Professor Kruse sein
»Festival", ein Beweis künstlerischer Energie, denn daa Ergebnis des vorjährigen
Festes war geschäftlich eine gähnende Lücke. Weingartner kommt hinüber, um daa
Orchester zu leiten und Therese Malten soll den vokalen Part vertreten; ich weiss nicht,
ob man gut daran tut, die deutsche Kunst hier immer durch Repräsentation einer grossen
Vergangenheit bei einer solchen Gelegenheit einzuführen. Ein künstlerisches Programm
darf doch im Ausland nicht bloss auf Pietät rechnen. Ganz wie in St Louis, wo Adolf
Menzel den Yankees die neue deutsche Kunst ersetzen soll. — Das vorgestrige, letzte
Symphoniekonzert in Queens Hall bot in keinem Sinn zu besonderen Anmerkungen
Anlsss. Es werden übrigens noch drei Extra-Symphoniekonzerte angekündigt, mit
einem reichen, künstlerisch bedeutenden Programm. Ohne einige „Extras" und der
wirklich und wahrhaftig allerletzten Aufführung im alten Zirkusstil gehfs bei uns nicht
Der Amerikanismus spricht such im Kunstbetrieb das letzte Wort. A. R.
PETERSBURG: Die Symphoniekonzerte der Kaiser!, ruaa. Musikgesellschaft haben am
13. Februar für dieae Saison geendet Daa neunte Konzert brachte Beethovens
„Siebente" und Schumanns „Manfred". Klavierspielend debütierte an dieaem Abend
Frl. Avani und zwar, waa ihr technisches Leistungsvermögen anbetrifft, sehr glücklich.
Alexander Cheaain, der aich in dieaem Konzert verabschiedete (hoffentlich nicht für
immer), wurde lebhaft akklamiert — Im letzten Symphoniekonzert wurde die dritte
Symphonie (mit Orgel) von Saint-Satne op. 78 vom Publikum freundlich aufgenommen
und vom Orchester neben der „Karneval-Ouvertüre" von Glasounow vortrefflich vor-
getragen. Den vokalsolistischen Teil des Programme vertraten die ersten Kräfte der
kaiaerl. Hofoper mit Vorträgen aus der talentvoll geschriebenen Oper „William
Ratcliff" von C. Cui. Felix Blumenfeld fungierte als Dirigent — Kaum war die Serie
der obengenannten zehn Konzerte absolviert, so rief uns daa erste der vier angezeigten
Symphoniekonzerte der jung-russischen Komponistenschule in den Adelssaal. Daa
Konzert war dem Gedächtnis des Begründers der russischen Symphoniekonzerte,
Mitrofan Beljaew, gewidmet Daa Programm betaste sich nur mit orchestralen Werken.
Daa ala Novität gebotene „Vorspiel" von Rim8ky-Korsakow ist ein echt Korsakowsches
Werk, charakteristisch ausgestattet und glänzend instrumentiert Daa groaae Programm
lag in den Händen der Komponisten: Glazounow, LJadow und Rimsky-Korsakow. —
An Wohltätigkeitskonzeiten zum besten der verwundeten Krieger im fernen Osten hat
ea in letzter Zelt bei una nicht gefehlt Zum Glück erhoben sie sich über daa Niveau
dessen, waa man sonst darunter versteht Der „St. Petersburger Sängerkreis" gab ein
aehr genussreiches Konzert, in dem auch Alexander Siloti mit dem Vortrag der Phantaaie
C-dur von Schubert-Liazt einen ehrenvollen Erfolg hatte. Bernhard Wendel.
STRASSBURG: Wunderkinder alnd im allgemeinen keine erfreuliche Erscheinung im
Konzertsaal (aie gehören eher ina Spezialitätentheater), namentlich wenn sie, wie
Florizel von Reuter noch so stark mit der Reinheit der Intonation ringen und Stücke
wählen, wie daa Tachaikowaky'ache Violin-Konzert, daa eine volle Kraftnatur verlangt,
nicht einen noch so talentierten Knaben. Eine aolcbe Kraftnatur iat unsere frühere
Primadonna Plaichinger, die gefeierte Partnerin dea von dem Süddeutschen Musikverlag
hier veranstalteten Konzerts. — Die Abonnementskonzerte brachten an Bemerkenswertem
eine „Raymonda"-Suite von Glazounow, gefällig pikante Balletmuaik; eine stark Impressio-
nistische Ouvertüre „Cockaigne" von Elgar — eine „Louiaen"-Szene aua London, ferner
Wolfe vielgeapielte „Penthesilea", in der ich aber nichta Aussergewöhnliches finden
konnte; ea iat mehr Suchen als Erfüllen in der Musik. Schillings 9 „Hexenlied" iat
vielleicht seine sympbatischste Schöpfung; die tiefe Wirkung plädiert mehr für das
76
DIE MUSIK III. 13.
Melodram, als alle Theorieen dagegen. Das Deklamatorische erledigte Wüllner so
schön, als er, ginzlich indisponiert, vorher den Archibald Douglas unschön
gesungen hatte. Einen merkwürdigen Faun portritiert Claude Debussy in seinem „Preiude
a l'apres-midi d'un faun«. Mir kam erj eher wie ein verstimmter Nachmittagsprediger
vor. Frl. Leydhecker hat viel gelernt, verabsäumt aber über dem Kokettieren mit der
Kopfstimme oft die natürliche volle Tongebung, die man gerade bei der Altstimme doch
ungern vermisst. Brahms' Haydn-Variationen litten unter der mangelnden Plastik der
Wiedergabe, die so manches in unseren Konzerten trübt und an der die nüchterne Spiel-
weise der Primgeigen nicht zum mindesten Schuld trigt. — Risler acheint das hiesige
Publikum für sehr begriffsstutzig zu halten, dass er ihm alljährlich dasselbe Programm
vorsetzt Im Tonkünstlerverein erfreute Siloti durch die lebendige Art seines Klavier-
vortrags, der hauptsächlich Werken seiner russischen Landsleute galt. Frl. Gasser
zeigte einen noch ziemlich unausgeglichenen Alt. Erfreuliches bot Frl. Offer in einigen
Sopranarien (Wilhelmskirche); in der Regerschen „Bach'fage kam mir die Orgel wie
ein brüllendes Ungeheuer vor. Dr. G. Alt mann.
STUTTGART: Nachdem vor Weihnachten Berlioz ein brauchbarer Mittelpunkt gewesen
war, kann seither das Konzertleben um eine Einheit nicht mehr gruppiert werden.
Das Schönste war gewiss Beethovens Neunte vom Kaimorchester. Freilich hatte Wein-
gartner diesmal nur den klassischen, den Lehrergesangverein und Konservatoriums-
krifte zur Verfügung; doch brachte er das Finale zu starker Wirkung. Auffallend gut waren
die Solisten. Bachs C-dur Suite leitete den Abend ein. Pohlig veranstaltete einen
höchst interessanten Schillingsabend, an dem der Komponist selber dirigierte: Ingwelden-
Vorspiel, Prolog zu Oedipus, Seemorgen und Hexenlied. Den Erfolg bekräftigte
von Possart als Rezitator. Das Trio der Professoren Singer, Pauer und Seitz brachte
u. a. ein Werk von S. de Lange. Das Ehepaar Rückbeil- Hi Her und Prof. Seyffardt
schlössen ihre Darbietungen mit einem den Franzosen des 10. Jahrhunderts gewidmeten,
wohlgelungenen Abend. Herr Rückbeil-Hiller hatte im Orchesterverein (Mendelssohn-
Abend) als Dirigent und Violinist Erfolg, leitete auch das Konzert des Akademischen
Liederkranzes vortrefflich. Teresa Carreno und Borwick erneuerten ihren Ruf. Ein
prächtiges geistliches Konzert, mit Stiftschor und'Stiftsorgel, gab Prof. Lang. Ein junger
Pianist am Konservatorium erregte Aufsehen mit dem Es-dur-Konzert Beethovens. Das
Schapitz-Quartett führte Wolfs italienische Serenade auf (bemerkenswert ist auch, dass
Herr Schapitz eine ganze Violinsonate Bachs geigte!) und in der Johanneskirche er-
klangen 5 der geistlichen Chöre nach Eicfaendorff, vorzüglich einstudiert von Chor-
direktor Doppler; nur der geschulte Theaterchor konnte die Schwierigkeiten bewältigen.
Frl. Schweicker und Herr Bergen sangen in diesem Konzert geistliche Lieder Wolfls mit
der neuen Orgelbegleitung Regers. Dr. K. Grunsky.
WARSCHAU: Der Monat Februar brachte viel Interessantes. Vincent d'lndy dirigierte
das 7. Abonnements-Konzert. Er brachte eine Reihe altfranzösischer (Lalande,
Rameau), neuerer (Cesar Franck) und eigener Werke. Die wundervoll gearbeitete Suite,
die eigenartige Symphonie „sur un air montagnard" (Klavier: Herr Grovlez aus Paris)
und vor allem die gewaltige „Invocation ä la mer* aus dem Tondrama „l'Etranger" (ge-
sungen mit dramatischem Ausdruck von Frl. Brtval-Paris) zeugten von d'Indy's starker
und immer noch wachsender schöpferischen Kraft. Der jetzt mit Vorliebe als Kapell-
meister auftretende Mascagni vermochte weder mit seiner zu „italienisch* vorgetragenen
.Pathetischen" von Tschaikowsky noch mit seiner Suite »Die ewige Stadt" ein grösseres
Interesse zu wecken — dagegen war ein von Nikisch dirigiertes Konzert (mit Schluss-
szene aus Götterdämmerung und Isoldens Tod von Frau Kaszowska aus Darmstadt hin-
reissend gesungen) wiederum eine echte Kunstfeier. — Vortrefflich, aber bei halbvollem
77
KRITIK: KONZERT
Saal, spielte Burmester; allgemeines Aufsehen erregte die künstlerische Fertigkeit des
jungen Vecsey. — Als Neuheiten der letzten symphonischen Konzerte sind zu nennen:
die höchst interessante Symphonie „Von Frühling zu Frühling* von Noskowski (mit hübsch
angewandten Volksthemen) und die durch Mlynarski zur Geltung gebrachte sonst ziemlich
unbedeutende 6. Symphonie von Glazounow. — Ein von Humperdinck dirigiertes Konzert
erfreute sich einer sehr sympathischen Aufnahme. H. OpieAski.
WIEN: Vor Schluss der Konzertsaison blumen sich ihre Wellen, wie jährlich, noch
einmal auf und bringen viel Schaum, aber auch einige Schatze der Tiefe ans
Land. Emil Paur dirigierte an einem von ihm veranstalteten Musikabend das Orchester
des Konzertvereins und brachte mit ihm eine wahre Musteraufführung der c-moll
Symphonie von Brshms zustande. Auch der Symphonie pathttique Tschaikowsky's
wusste er alle grossen Temperamentwirkungen abzugewinnen, an denen dieses derzeit
so populire Tonstück überreich ist Für zwei Sätze eines wohlklingenden Konzertes
eigener Komposition trat er selbst am Klavier mit Erfolg ein. Als ein Sühnekonzert
wurde die Aufführung der vollständigen Prometheusmusik Franz Liszts von den Wenigen
angehört, denen die unwürdige Behandlung noch gegenwärtig ist, dem dieses Werk vor
vierundvierzig Jahren (1860) in Wien seitens des Publikums und einer fanatischen
Parteikritik begegnete. Es ist das Verdienst des Wiener akademischen Gesangvereins
und seines energischen und begabten Leiters, Hana Wagner, diesem edlen, durchaus
gross gedachten und empfundenen Gebilde Liszts eine späte, aber enthusiastische An-
erkennung errungen zu haben. Es wurde mit besonderer Befriedigung empfunden, dass
es die akademischen Kreise waren, aus denen dieser Akt der Rehabilitierung hervorging.
Die letzte Aufführung des Konzertvereins brachte zwei besonders interessierende Pro-
grammnummern. Frau Mottl-Standthartner sang die von Felix Mottl instrumentierte
Eingangsszene aus Peter Cornelius' unvollendet hinterlassener Oper „Gunlöd". Mit hin-
reissender Leidenschaft gesungen, machte das Stück einen tiefen Eindruck. Dann spielte
der Dirigent des Vereins, Ferdinand Loewe, das d-moll Konzert von Brahms. Das
geniale Jugendwerk fand in ihm einen der besten Interpreten. Loewe spielte das
Konzert mit seinem Orchester ohne Dirigenten. Trotzdem wurde die äusserste Präzision
der Aufführung erreicht. Das Nicolaikonzert der Philharmoniker brachte das Requiem
von Berlioz unter der energischen Leitung Ernsts von Schuch. Vor einem ziemlich
musikfremden Publikum, dessen pontiflkaler Glanz freilich lange nicht an den des
Perosipublikums hinanreichte, produzierte der Franziskaner Pater Hartmann ein Oratorium
»Petrus". Sein Musizieren verfolgt, nach eigener Versicherung, nur Erbauungszwecke.
Es hat also mehr den Sinn eines Schuldgeständnisses als den einer Kritik, wenn ich
bekenne, an einigen, allerdings sehr wenigen Stellen seines Werkes Ansätze wirklich
künstlerischer Empfindung bemerkt zu haben. Van Dyck hat den grossen Musikvereins-
saal mit seinen Verehrern gefüllt. Seine Art drängt nach der Bühne. Aber auch vom
Konzertpodium aus verstand er es, hinzureissen, und das Bedauern zu erwecken, seine
starke Gestaltungskraft unsrer Opernbühne entzogen zu sehen. Eine interessante Neu-
erscheinung war Antonie Dolores. Ihre umfangreiche, wohlklingende Stimme, glänzende
Gesangstechnik und der exquisite Geschmack ihrer Vortragskunst wirken so lange blendend,
als der Zuhörer nicht inne wird, dass ein tieferes, echtes lyrisches Gefühl bei ihr doch
niemals zu Tage tritt Bei Marcella Pregi singt die Seele mit. Ein schönes Innere wird
bei ihr transparent und durchleuchtet ihren Gesang. Das Ros6quartett hat seinen Zyklus
mit einem interessanten Abend beschlossen, aus dem Schönbergs vor zwei Jahren zuerst
aufgeführtes Sextett über ein Gedicht aus Richard Dehmels »Zwei Menschen" mit Erfolg
Wiederholt wurde. Gustav Schoenaich«
BÜCHER
Max Battke: Prlmaviata. Eine Methode, vom Blatt singen zu lernen. 2. Aufl. —
Elementarlehre der Musik. Ausgabe rür Lehrer und Musikstudierende. 2. Aufl.
Vertat: Albert Stahl, Berlin.
Harmonie-Kalender 1904: Mualkaliacber Haus- und Familien- AI mansch. Verlag:
Harmonie, Berlin.
Meyers Groases Konversationslexikon: 6. Auflage. V.Band. Verlag: Biblio-
graphisches Institut, Leipzig und Wien.
Max Loewengard: Lehrbuch der musikalischen Formen. Verlag: Max Staegemann Jr.,
Berlin 1904.
Wilhelm Klenxl: Richard Tagner. Weltgeschichte in Charakterbildern. Die Gesamt-
kunst des 10. Jahrhunderts. 5. Abteilung. (Mk. 4.) Verlag: Kirch beimache
Verlagsbuchhandlung, München 1004.
Allgemeine Musikgesellacbaft in Zürich: 02. Neujahrsblatt 1004. Aus dem
Zürcherischen Konzertleben der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts.
1. Teil (1855—1877). Verlag: Gebrüder Hug & Co., Zürich und Leipzig.
Rudolf Louis: Hector Berlioz. (Mk. 3.) Verlsg: Breitkopf & Hlrtel, Leipzig 1004.
Max Kalbeck: Johannes Brahma. 1. Bd. 1833-1862. Verlag: Wiener Verlag, Wien
und Leipzig 1004.
MUSIKALIEN
H. Gottlieb Noren: Drei Lieder für eine mittlere Singstimme mit Klavier, op. 15.
(M. 3,30.) — Drei Klavierstücke in mittlerer Schwierigkeit op. 20. (M. 3,60.)
Verlag: Carl Simon, Berlin.
Hector Berlioz: Die Vebmrlehter. Ouvertüre op. 3. Für Klavier arrangiert von Otto
Taubmann. — Lelfo. Lyrisches Monodrama, op. 14b. Klavierauszug mit
Text von Fh. Scbarwenka. Verlag: Breitkopf & Hlrtel, Leipzig.
Felix Welngartner: Zwei Balladen für eine Slngsrlmme mit Begleitung des Pisnoforte.
op. 37. Ebenda.
August Enns: Helsse Liebe. Ouvertüre. Partitur. Ebenda,
Dirk Scbirer: Quintett für Planoforte, 2 Violinen, Viola und Violoncello, op. 5. Ebenda.
Ferdinand David: Die höbe Schute des Violinspiels für Violine und Pisnoforte.
Herausgegeben von H. PetrL Ebenda.
Siegfried Wsgner: Der Kobold. Klsviersuazug mit Text von Eduard Reuss. (Mk. 1(5.)
Verlag: Max Brockbaus, Leipzig.
C. A. Herrn. Wolff: Theoretisch - Praktische Elementar- Schule der Fingertechnik für
daa Pianofortespiel, op. 80. 4 Hefte (a Mk. 1,50). Verlag: Anton J. Benjamin,
Hamburg.
Flora Joutard: Suite pour Piano, op. 2. (Mk. 3.) Verlsg: Msx Staegemann jr., Berlin.
Victor Bendix: Welke Butter. Fünf Gesinge für eine mittlere Stimme mit Klsvierbegl.
op. 28. Verlag: Wilhelm Hansen, Kopenhagen nnd Leipzig.
Johan Halvoraen: Moeaique. Suite de morceaux caracterlstiquea pour Violon et Piano.
No.4. Cbant de „Vealemoy". Pour Violon Celle par Jacques van Ller. Ebenda.
Flui Hcnrlquea: Ensemblespiel. Zehn leichte Charakterstücke für Violine und Klavier.
op. 22. Heft I und II. Ebenda.
79
EINGELAUFENE NEUHEITEN
Agathe Backer-Grondal: Concert-Etudes pour Piano, op. 57. No. 1 a-moll, No. 2
G-dur. — Concelt-Etttdes pour Piano, op. 58. No. 1 F-dur, No. 2 g-moll.
Ebenda.
August Nftlck: Salon- Album. Sechs melodische Vortragsstficke im leichten Stil für
Violoncello mit Begl. des Pianoforte. op. 43. — Legende (im Volkston) für
Violoncello mit Begl. des Pianoforte. op. 60. — Konzert-Mazurka für Violon
cello mit Begl. des Pianoforte. op. 86. — Gnomenreigen für Violoncello mit
Begl. des Pianoforte. op. 00. Ebenda.
Ludwig Schytte: Petites suites faciles pour Piano, Violon et Violoncelle. op. 132. No. 1
Fantaisies, No. 2 R6veris, No. 3 Souveniers, No. 4 S6r6nade. Ebenda.
Ludwig Thuille: Rosenlied. Für dreistimmigen Frauenchor mit Klavierbegl. op. 20.
(Mk. 1,50.) Verlag: F. E. C. Leuckart, Leipzig.
Theo Schäfer: Die Nacht Gesang für eine Sopranstimme mit Klavierbegl. (Mk. 1.)
Ebenda.
Josef Schmid: Vier Charakterstücke für Orgel, op. 43. (Mk. 2,40.) Ebenda.
A. von Othegraven: Meine Göttin (Goethe). Für Bariton-Solo, gemischten Chor und
Orchester, op. 21. Klavier-Partitur (Mk. 3). Ebenda.
Heinrich Zoellner: Bonifacius. Für Mannerchor, Sopran- und Bariton-Solo und grosses
Orchester, op. 00. Klavierpartitur (Mk. 7,50) bearb. von Job. T e c h r 1 1 z. Ebenda.
E. van der Straeten: Suite on Englishe Ayres for Violoncello and Pianoforte. op. 15.
Verlag: Morrice Music Publishing Co., London.
Richard Wagner: Die Meistersinger von Nürnberg. Vollständiger Klavierauszug. Er-
leichterte Bearbeitung von Karl Klindworth. Verlag: B. Schotts Söhne,
Mainz.
MarieKatholickf-Soffc: Die Tonleitern in Doppelgriffen (Mk. 3). Verlag : Carl V/iniker,
Brunn.
E. Jaques-Dalcroze: Les Propos du pfcre David la Jeunesse. Chansons Romandes.
1. Serie. — Les Chansons du »Coeur qui vole". Verlag: W. Sandoz, Neu-
cfaätel 1004.
Joh. Herrn. Schein: Suite No. 22 aus dem Banchetto musicale (1617) für vier Wald-
hörner. Herausgeg. von A. Prüfer. (Mk. 1.) Verlag: Breitkopf & Hirtel,
Leipzig.
Carl Wilhelm: Die Wacht am Rhein. Für gemischten Chor a cappella bearbeitet von
C. Reinecke. (Mk. 0,10.) — Lieder und Gesänge für eine hohe Singstimme
mit Begl. des Pianoforte. (Mk. 1.) — Kavalleriemarsch (Wrangel-Marach) für
Pianoforte zu zwei Hlnden (Mk. 0,60). Ebenda.
August Reuss: Johannisnacht Tondichtung für Orchester, op. 10. Partitur (Mk. 15).
— Dasselbe für Pianoforte zu 4 HSnden (Mk. 4). Verlag: Fr. Kistner, Leipzig.
Wilhelm Teschner: Zehn Praeludien für Orgel, op. 5. (Mk. 2.) — Phantasie für
Orgel, op. 6. (Mk. 2.) Ebenda.
JosefZöhrer: Erinnerungen. Ein Tanz-Poöm für Pianoforte zu 4 Hlnden« op. 20.
(Mk. 3.) — Aus vergangenen Tagen. Sechs Stimmungsbilder für Pianoforte.
op. 23. (Mk. 3.) Ebenda.
Leopold Suchsland: Sechs Lieder für eine Singstimme mit Begl. des Pianoforte.
op. 17. (ä Mk. 1.) Ebenda.
Wilhelm Heinemann: Rokoko-Serenade für Pianoforte. op. 3. No. 1. (Mk. 1,20.)
Ebenda.
BJntendongen sind nur an die Redaktion xu adressieren. Besprechung ehuelner Werke vorbehalten. Für die
ITieprecniing unverlangt eingesandter Bücher und Musikalien, deren Rücksendung keinesfalls f ^»fc»^^ über-
Redaktion and Verlag keine Garantie,
ANMERKUNGEN ZU
UNSEREN BEILAGEN
Als Illustration zu dem espritvollen Breithauptschcn Essay veröffentlichen wir das Bild
von Leopold Godowsky.
Die nächste Beilage bildet einen Nachtrag zu dem in Heft 11 enthaltenen Artikel von
Leo Grünstein über das musikalische Element in der Kunst Moriz' von Schwind.
Die beiden Stücke sind einer der eigenartigsten Schöpfungen des Meisters, der be-
rühmten .Lachnerrolle" entnommen, die in 24 Abteilungen das Leben Franz
Lachners schildert (vgl. »Die Musik« Jahrg. III, 11 S. 336). Die Erlaubnis zur
Reproduktion verdanken wir dem liebenswürdigen Entgegenkommen des »Historischen
Verein von Oberbayern*, in dessen Organ „Altbayerische Monatsschrift" (Jahrg. 4
Heft 2 und 3) eine ausgezeichnete monographische Studie Über Franz Lachner von
Dr. Otto Kronseder enthalten ist.
Die Reibe der folgenden Porträts beginnen wir mit dem Bild von Johann Andreas
Silber mann, einem Mitglied der bekannten Orgel- und Klavierbauerfamilie. Als
lltester Sohn des Stammvaters Andreas am 26. Juni 1712 zu Strasaburg geboren,
erlernte Johann Andreas unter Leitung seines Vaters dessen Beruf und galt spiter
als einer der ersten Orgelbauer seiner Zeit. Von 1736—1782 baute er 54 Orgeln,
von denen das Werk für die Abtei*St. Blasien im Schwarzwald das bedeutendste
war. 1775 gab er eine bemerkenswerte „Lokalgeschichte der Stadt Strassburg"
heraus. Er starb am 11. Februar 1783 in Strassburg als Mitglied des Rates.
Das sehr seltene Blatt ist eine Reproduktion des Stiches von C. Guerin nach dem
Gemilde von Daniche dem Jüngeren.
Am 27. Mira feierte der belgische, auch in Deutschland geschützte, Komponist Edgar
TIriel seinen fünfzigsten Geburtstag.
Die folgenden Blltter zeigen uns die Porträts dreier Musikforscher und -gelehrten.
Francois Joseph Fl tis (geb. 25. Mira 1784 zu Mons in Belgien), einer der ausgezeichnetsten,
scharfsinnigsten und fleissigsten Musikgelehrten aller Zeiten, der Verfasser der
„Biographie universelle de musique et bibliographie gentrale de la musique".
Unser Bild ist eine Wiedergabe des 1867 angefertigten Stichs von C. Deblois.
Charles Burney, der verdienstvolle englische Tonsetzer und Musikschriftsteller, starb
am 12. April 1814. Zu Studienzwecken für seine Geschichte der Musik bereiste
er 1770—72 Frankreich, Italien, ^Deutschland und die Niederlande und veröffent-
lichte als Frucht dieser Reisen sein vielgelesenes „Tagebuch seiner musikalischen
Reisen". Er verfasste ferner eine vierbtndige Geschichte der Musik, eine Bio-
graphie Metastasio'8 u. a.
Am 13. April sind zehn Jahre seit dem Hinscheiden des ausgezeichneten Bachbiographen
Philipp Spitta verflossen, neben Chrysander der Begründer der Musikwissenschaft
Unsere diesmalige Notenbeilage gehört zum Artikel »Poesie und Musik der Minne*
singer 41 von Richard von Kralik.
Nachdruck bot mh antdrocklichar Irtanbab daa Vorlagt* gestattet
Atta Rechte, I ns b esonder e daa dar Übersetzung, Torbehalten.
für die taficlaendang unverlangter oder nicht angemeldeter Manuskripte, falls Omen nicht genigead
Porto bailiegt, äberniaamt die Redaktion keine Garantie.
Verantwortlicher Schriftleiter: Kapellmeister Bernhard Schuster
ßerlin SW. 11, Luckenwalderstr. 1. III,
LEOPOLD GODOTSKY
JOHANN ANDREAS SILBERMANN
f 11. FEBRUAR 17S3
EDGAR TIN EL
* 27. MÄRZ 1854
FBANgoiS JOSEPH FETIS
* 25. MÄRZ 1784
CHARLES BURNF.Y
•{■12. APRIL 1814
Aus dem Muilkhluorlichen Muiium du
Herrn Fr. Nicoli» Min i köpf, Fnnkfun i. M.
PHILIPP SP1TTA
f 13. APRIL 1894
I.
DES iNXRSTEIV WIZLAW VON RTJGEIV.
Jeaaer Haadaahr. Bl. 78.
Wohl -auf, Ihr stol-sen Hei - den, Ich will euch Freu - de
Zart DJe Bau " mo 9md be " Wel " *■*> den Vö - ge - lein be
mel - den.
rei - tet, viel
Kflt auf Ann und Fei -den, und las-set euch nicht schal -tenj denn die Zeit ist won-ne - reich,
mancher Zweig ge-brei-t et, der Wln4er nlm-mer strei-tetj das gibt uns der Mai so - gleich.
Nun tre-tet auf den An-ger un-de tö-net mit den Vög- lein
eu-ren neu-en su - ssen
Sang! Mit dem Mai-en, mit den Vög- lein sehö-net eu-ren Leib, und durch manches
wer-te stt - sse Weibl
Der Mai hat uns ge - ge-benmtt ihm dies froh -lieh
Le-ben.In Ehren müsst ihr stre-ben und in Freuden sohwebeiü Wer das thnt,der ha- be Dank!
WAIiTHERS VON DER VOGELWEUDE.
Colmarer Handachr. Fol. 714 (Runge S.162)
Mit Säl - den mög* Ich heufauf-stehn, Gott Herr, in dei - ner Hut hin-gehn und
Christ Herr, läse an mir wer-den Schein die gro-sse Kraft der Oü-te dein, und
rei-ten, wo ich in dem Lau -de keh-rel
pfleg* mein wohl uro Dei -ner Mut -t er Eh - re, Wie dein der Bn- gel moch-te pfle-
gen, als in der Krip-pe du ge - le - gen, o Jun-ger Mensch und al-ter Gott,
De-mü-tlg vor dem E- sei und dem Hin - de, und doch mit säl-de-rei-eher Hu - te; so
1
1
4
pflog dein Ga-bri - el der gu - • -te gar wohl mit Treu-eu son-der Spott. So
Jy r r r r
g^
oreso.
3E
3
3=1
P
£
=f=
pflegfauch mein,dass an mir nicht ver- schwin - de all dein viel gött-Uch Macht-ge -bot!
HERMAIVS VOIV DAMEN.
Jenaer Hudacir. B1.117 ▼.
(1. Stollen Jb&M Ich a,ü der Wel-ten Hu L den, so war 9 ich ein se-lig Mann. (Abgesaugt)
(2. Stoßen*) Gott verselti ihm sei-ne Schulden, der mir nur auf Missgunstsann! Ich weiss gar
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viel der schwachen Za - gen, die den Biedern im-mer nei-den und das Böseste von ihm sa - gen.
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Stieb uo4 Drucks Berliner Mu«lk4)1ea Druckerei fl.m.k,R. Caark»tt*«fa»rx.
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III. JAHR 1903/1904 HEFT 14
Zweites Aprilheft
Herausgegeben
von Kapellmeister Bernhard Schuster
Verlegt bei Schuster & Loeffler
Berlin und Leipzig
PHILIPP SPITTA
f 13. APRIL 1894
86
DIE MUSIK III. 14.
sendet wird, erkennt man wohl unschwer eine Verkörperung jener
wissensfreien Erkenntnis, jenes reinen intuitiven Schauens, wie sie
Schopenhauer in seiner «Welt als Wille und Vorstellung* schildert; einer
Welt, die frei von allen Beziehungen zum trüben Willen und seinem rast-
losen Treiben und Drängen ist; frei von dem Willen, mit dem er uns an
lauter endliche, irdische Triebe, an die Welt der Not und Sorge gefesselt
hält, in seliger schmerzloser Betrachtung über allen Dingen und Wesen
schwebend. Es ist die Erkenntnis- und Betrachtungsweise der Welt, der
alles Wollen und dessen Pein fremd ist, weil in ihr kein Wesen in persön-
licher, subjektiver Beziehung zu uns steht, uns persönlich Freude oder
Schmerz bereitet, sondern uns nur in seiner objektiven Wesenheit als
persönlich uninteressierter Gegenstand der Betrachtung und des Schauens
fesselt. Nur ist dieser im Lohengrin dichterisch und musikalisch wieder-
gegebene Zustand frei von dem pessimistischen Zusatz, den Schopenhauer
ihm in seiner Darlegung infolge des pessimistischen Charakters seiner
Gesamtphilosophie gegeben hat. Der Gral in seiner strahlenden Herrlich-
keit, wie ihn Wagner dichterisch und musikalisch vor uns erstehen lässt,
verkörpert offenbar nicht nur den Zustand der willensfreien Erkenntnis
Schopenhauers, der er als höchste Auszeichnung nur das Attribut einer
schmerzlosen Betrachtung beizulegen vermag, sondern auch jenen Zustand,
den Spinoza in seiner Philosophie positiv als beatitudo feiert, als ewige
Glückseligkeit. Diese Empfindung, die zwar nicht mehr als Freude und
Schmerz bezeichnet werden kann, weil beides vergängliche Empfindungen
sind, die an endliche Zustände gebunden bleiben, aber intellektuelle ewige
Freude ist, die nur der geniesst, der, losgelöst von aller Erdensorge, von
aller Hinneigung an endliche Lebensverhältnisse, in seliger Betrachtung
am ewigen Geist der Natur geniessend teilnimmt. Es ist die künstlerische,
vom Geist des Pantheismus erfüllte Phantasie, die alle Wesen nur als
Teile des beseelten Alls empfindet und sie nicht als Einzelwesen be-
trachtet, die einer beständigen gegenseitigen Abhängigkeit und dem ewigen
Kausalnexus unterliegen. Es ist die Phantasie, die die Wesen als
Einzelmomente in der gesamten göttlichen Natur betrachtet, welche im
trunkenen weltentrückten Schauen in allen Dingen lebt und die Schönheit
und charakteristische Bedeutsamkeit aller in sich aufsaugt, eben weil sie
sie alle nur in der Phantasie erfasst und an keinem Einzelwesen in persön-
licher Empfindung hängt. Es ist der Zustand der seligen Götter, die, frei
von aller Not und Pein des Lebens über der Erde schweben und das
Getümmel, die Aufregung und Sorgen derselben nur als seliges Schauspiel
geniessen. Und so ist Lohengrin, der Sendbote des Grals, auch der
Repräsentant der höchsten geistigen Freiheit, die ungetrübt durch alle
kleinen Affekte der irdischen Welt stets in ihrer erhabenen Höhe bleibt;
87
BERENDT: LOHENGRIN
der Freiheit, die mit weitem Blick philosophisch die ganze Welt und die
grossen Zusammenhänge in ihr umspannt und nirgends am Einzelnen,
Endlichen, Isolierten haften bleibt. Darum umstrahlt Lohengrin der irdischen
Welt gegenüber, die in endliche Affekte, in Neid, Hass, Lust verstrickt ist,
der höchste Zauber. Wohin auch der Glanz seiner Erscheinung fällt,
fühlt sich jeder gute, reine Mensch veredelt; denn ein Strahl aus der
göttlichen Welt des Ideals hat ihn getroffen, und er glaubt sich in eine
andere Sphäre versetzt, die ihn über sich selbst und seine kleinlichen
Sorgen und Interessen erhebt.
Was kann nun aber, fragen wir, nachdem wir das Wesen Lohengrins
in seiner inneren Bedeutung erfasst haben, einen Mann von dieser um-
fassenden Weite des Blicks, mit dieser Fähigkeit zu tiefem philosophisch-
künstlerischem Schauen bewegen, sein Reich der geistigen Freiheit und
des höchsten Glanzes und Glückes zu verlassen, "um in die irdische Welt
der Leidenschaften, der Not, der Sorge, des Hasses und Neides hinab-
zusteigen? Stellt denn ein solcher Mensch nicht bereits in sich die höchste
Vollendung des Menschlichen dar? Wonach kann er sich noch sehnen;
was kann ihm noch zur Ergänzung seine3 Wesens notwendig dünken?
Hier zeigt sich nun Wagners künstlerischer Wahrheitssinn, der sich durch
keine noch so erhaben scheinende Abstraktion, durch keine noch so
vornehm erscheinende philosophische Anschauung täuschen lässt über die
wahren Bedürfnisse des menschlichen Herzens; eines Wahrheitssinnes, der
über der höchsten Fähigkeit zu philosophischem Denken nie die natürlichen
Forderungen des rein Menschlichen vergisst. Jener Zustand des seligen
Schauens, den Lohengrin im Reiche des Grals geniesst, als ausschliessliche
Verfassung der Seele gedacht, eignet sich nur für einen Gott, einen
absoluten Philosophen oder Künstler, aber nicht für einen Menschen, der
trotz der Fähigkeit zu höchster geistiger Abstraktion ganz Mensch ge-
blieben ist, dem nichts menschliches fremd bleiben und der alles mensch-
liche durchleben und durchkosten soll. Unübertroffen schön schildert denn
auch der Dichterkomponist hier den Gegensatz zu seinem eigenen Wesen,
zu dem er sich während jener schwärmerischen Lohengrinstimmung hin-
getrieben fühlte. Nachdem er mit feinem Spott an den Denker erinnert
hat, der auf der Spitze der hohen Alpe sich frei und geläutert von allem
Irdischen und so als höchste Spitze der menschlichen Potenz fühlt, der
bei diesem Selbstgenuss zum monumentalen Eisgebilde erstarrt und als
solches, als Philosoph und Kritiker mit frostigem Selbstbehagen die Welt
der lebendigen Erscheinungen unter sich betrachtet, trieb ihn seine Sehn-
sucht wieder aus der Höhe nach der Tiefe, aus dem sonnigsten Glänze
der keuschesten Reine nach dem trautesten Schatten der menschlichen
Liebesumarmung. Das Weib ist es, das Lohengrin aus sonnigster Höhe
88
DIE MUSIK III. 14.
herab an die Brust der Erde zog. — Suchen wir uns diese Sehnsucht
im Sinne unserer Deutung der Gralswelt deutlich zu machen. Lebte
Lohengrin als pantheistisch empfindender Geist im AU, in allen Wesen,
aber nur im intuitiven Schauen der Phantasie, so muss es ihn desto
mächtiger dazu treiben, sich von einem Wesen im vollen, irdischen,
lebendigen Gefühl erfüllt zu wissen, und an einem Wesen die ganze Tiefe
der persönlichen Empfindung durchzukosten. Aus der geistigen Einsamkeit,
in die er durch die Erhabenheit seiner Anschauungen den Menschen
gegenüber geraten ist, will er sich erlöst sehen durch die Liebe des
irdischen Weibes. Denn Lohengrin sehnt sich nach dem absoluten Gegen-
satz seines Wesens. Verkörpert er als künstlerisch schauender Pantheist
die höchste Spitze, die schönste Blüte des bewussten Menschengeistes,
so sehnt er sich nach der schönsten Blüte des unbewussten, naiv
menschlichen Gefühls, dem holdesten Spross der körperlich schaffenden
Natur, wie er nur im Weibe zur vollendetsten Entfaltung kommt. Er,
Lohengrin, der die sublimste Höhe des denkenden Menschengeistes er-
rungen hat, fühlt sich um so mehr hingezogen zu der Verkörperung des
unbewussten Volksgeistes und der schlichten Empfindung, wie sie nur das
Weib besitzt. Dieselbe Sehnsucht, die einen Faust aus der Welt philo-
sophischen Denkens zur naivsten, holdesten Weibesseele, zu Gretchen,
zieht, treibt auch Lohengrin aus dem Reiche des Grals zu Elsa hinab.
Wenn sich Lohengrin und Elsa begegnen, und die Liebe in ihrem
Herzen aufblüht, da ist es, als ob der Himmel sich zur Erde hernieder-
neige, um sie zu umfangen und zu küssen. Wagner zieht denn auch
ausdrücklich den Mythus von Zeus und Semele als Pendant zum Lohengrin-
mythos heran. — Lohengrin kommt her aus einem Reiche des herrlichsten
geistigen Glanzes und Glückes, aus einem Reiche höchster geistiger Freiheit
und seliger Weltentrücktheit, und vermählt sich einem Weibe, das die
schönsten Tugenden der persönlichen Empfindung in sich vereinigt, das
von engelgleicher Güte und Sanftmut ist und die schlichteste Demut mit
dem höchsten Stolz des Weibes vereinigt. Elsa, die in ihrer Liebe zu
Lohengrin, dem herrlichen Helden, ganz aufgeht, die in ihm ihr ersehntes,
bereits im Traum geschautes Ideal erblickt und sich an ihn schmiegt mit
der ganzen Glut ihres leiblichen und seelischen Daseins, wird seine er-
sehnte Ergänzung. Die beiden höchsten Repräsentanten der menschlichen
Natur, gewissermassen der bewussten und unbewussten Natur, der denkende
Genius und die schlichteste Natureinfalt und Reinheit der Empfindung
begegnen sich, lieben und vermählen sich. Daher auch die tiefe
Rührung und Ergriffenheit, mit der „die Männer und Frauen von Brabant*
das Zusammentreffen des Paares und seine aufkeimende Liebe als „höchstes
Wunder schauen und vernehmen.
89
BERENDT: LOHENGRIN
Lobengrin: Elsa, ich liebe dich!
Der König. Die Minner und Frauen: Welch' holde Wander muss ich sehn?
Ist's Zauber, der mir angetan?
Ich fubl' das Herze mir vergebn,
Schau ich den wonnevollen Mann.
Wie ist es nun aber möglich, dass aus dieser Liebe, die zwei in
ihrer Art gleich vollendete Menschen zusammenführt, aus einer Liebe, die
mit solchem Gluck und Jubel einsetzt, eine so herbe, schmerzliche Tragik
hervorspriesst? Das beruht auf zwei Ursachen; die eine liegt in der
Natur dieser Liebe und im Wesen Elsas selbst; die andere wird von
aussen als tragischer Konflikt in das Liebesleben des Paares hineingetragen,
und dieser Konflikt fährt schliesslich zur tödlichen Katastrophe; jedoch
erst dann, als der im Herzen Elsas erwachsende tragische Zug sich zur
vollen Schärfe entwickelt. Bevor wir jedoch diese Tragik im Geschick
des wunderbaren Liebespaares aufzudecken versuchen und damit einen
weiteren wichtigen Teil der dramatischen Handlung in ihrer Bedeutung
erklären, müssen wir uns zuvor der Betrachtung eines anderen hoch-
bedeutsamen Elementes im Drama zuwenden, nämlich der des Frage-
verbotes, seiner Bedeutung und inneren Berechtigung. Nur bei dem
richtigen Verständnis des Frageverbots ergibt sich die Tragik des Dramas
als eine naturnotwendige, aus den Prämissen der Charaktere und des
Schicksals logisch abfliessende von selbst. Die Erforschung der wahren
Bedeutung des Frageverbots ist denn auch unstreitig die schwierigste in
dem ganzen Lohengrindrama.
Schon bei dem Bekanntwerden des Werkes wurde die innere Be-
rechtigung des Frageverbots in Zweifel gezogen. Es wurde vielfach als
ein unnatürliches Gesetz aufgefasst (a. a. O. S. 367), das Lohengrin willenlos
an die Herrlichkeit des Grals bindet; ein Gesetz, bei dessen Verletzung er dem
Konflikt der irdischen Leidenschaften den Rücken kehre, um sich seiner
Gottheit wieder zu erfreuen. Mit Recht nennt Wagner diese Auffassung eine
Willkürlichkeit der modernen kritischen Anschauung. Aber insofern liegt
doch jenem Vorwurf ein berechtigter Kern zugrunde, als das Frage-
verbot wirklich, so lange man seine wahre Bedeutung nicht erkennt, leicht
als etwas Tyrannisches, als ein willkürliches Postulat erscheint, dessen
zwingende Notwendigkeit man nicht recht einzusehen vermag. Dieser
Vorwurf musste um so mehr in der einen oder anderen Form immer
wieder auftauchen, als Wagner selbst das Problem, das dem Frageverbot
zugrunde liegt, im unbewussten künstlerischen Schaffen zwar vollkommen
erfasst und gestaltet hatte, theoretisch aber keineswegs klare Rechenschaft
darüber zu geben wusste. Der Dichterkomponist gibt a. a. O. für die
innere Bedeutung des Frageverbots zwei Erklärungen, die sich im Grund*
90
DIE MUSIK III. 14.
genommen widersprechen und nicht vollständig befriedigen, wenn sie auch
einzelne wichtige Elemente zur Erkenntnis der wahren Bedeutung ent-
halten. Seine erste Erklärung für das Frageverbot ist, dass „Lohengrin
das Weib suchte, dem er sich nicht zu offenbaren, bei dem er sich nicht
zu rechtfertigen habe, sondern das ihn ohne Bedingung liebe und ihm
vertraue.* Lohengrin, fährt Wagner fort, „musste seine höhere Natur ver-
bergen, weil eben in der Nichtaufdeckung dieses höheren — oder richtiger
gesagt erhöhten — Wesens ihm die einzige Gewähr liegen konnte, dass
er nicht um dieses höhern Wesens willen bewundert und angestaunt
oder ihm als einem Unverstandenen anbetungsvoll demütig gehuldigt
würde, wo es ihn nicht nach Bewunderung und Anbetung, sondern nach
Liebe und Geliebtsein, nach Verstandensein durch die Liebe verlangte.*
Das Frageverbot hätte also nach dieser^Erklärung die Bedeutung, dass Elsa
ihren Retter nicht lieben soll wegen seiner höheren Natur, wegen des
überirdischen Glanzes, der ihn als Gralsritter umstrahlt, sondern als
Menschen, um seiner rein menschlichen Eigenschaften willen. Die Tragik
beim Bruch des Verbotes würde demnach darauf zurückzuführen sein, dass
Elsa ihrem Retter nur dankbar ist, ihn nur bewundert und anstaunt, ihm
anbetungsvoll demütig huldigt, aber nicht tief genug liebt, um ihn rein
als Menschen zu erfassen. Sie fragt ihn erst nach seiner höheren Be-
glaubigung, um danach ihre Liebe gewissermassen abzumessen. Diese
Erklärung ist offenbar recht gekünstelt; sie tut Elsa Unrecht und kann
auch nicht die Schwere der Tragik erklären, die in dem Bruch des Ver-
botes liegt. Dass wegen der Nichtinnehaltung solcher subtilen Vorschrift
der tragische Untergang Elsas und die Trennung dieses herrlichen Liebes-
paares erfolgen sollte, will uns, rein menschlich betrachtet, nicht ein-
leuchten. — Endlich steht diese Erklärung auch in vollstem Widerspruch
mit einer zweiten, die Wagner vom Wesen Elsas und ihrem Bruch des
Frageverbots gibt. Mit der grossen künstlerischen Wahrhaftigkeit, die den
Meister jederzeit auszeichnete, gesteht er hier offen ein, dass ihm erst im
Verlauf des Schaffens die Natur Elsas zu immer innigerem Verständnis
kam. Und hierbei wohl erscheint ihm auch erst das Verhältnis Elsas
zum Frageverbot in seinem wahren Lichte. Er sagt, dass sich dieses
Weib mit hellem Wissen in seine Vernichtung stürzt um des notwendigen
Wesens der Liebe willen. Elsa möchte da, wo sie mit so schwelge-
rischer Anbetung empfindet, auch ganz untergehen, wenn sie den Geliebten
nicht ganz umfassen kann. So gerät sie erst durch den Ausbruch ihrer
Eifersucht aus der entzückten Anbetung in das volle Wesen der Liebe.
Diese zweite Erklärung enthält wohl allein einen richtigen Kern. Elsa
richtet offenbar die verbotene Frage an Lohengrin nicht deshalb, weil
sie ihn nicht tief genug liebt, sondern im Gegenteil, weil sie ihn mit
91
BERENDT: LOHENGRIN
ihrer Liebe ganz umfassen möchte, weil nichts in seinem Wesen und
seiner Art ihr und ihrer Liebe fremd bleiben soll, also eher, weil sie
ihn zu sehr liebt, als zu wenig. Wenn nun aber Wagner in dieser
zweiten Erklärung wieder soweit geht, dass er Elsas Bruch des Frage-
verbots für vollkommen berechtigt hält, das wahre Wesen der Liebe sich
darin offenbaren sieht; wenn er Lohengrin in Unrecht glaubt, und ihn des
männlichen Egoismus, wenn auch in seiner edelsten Gestalt, beschuldigt,
der sich erst vor dem wahrhaft Weiblichen in Elsa selbst vernichtend
bricht, so schiesst er mit dieser Ansicht offenbar weit über das Ziel
hinaus. Dann wäre der tragische Konflikt, den er doch selbst im Lohen-
grin von innen heraus gestaltet hat, zu einem Irrtum gestempelt; der so
treffend intuitiv beobachtete, pathologische Zug in Elsa, der das Drama zu
einem so tiefsinnigen, vieldeutigen macht, aus ihm eliminiert, während hier
in Wahrheit ein echt tragischer Konflikt vorliegt, der die höchste mensch-
liche Berechtigung in sich trägt. Es kommt nur darauf an, die Natur des
Frageverbots aus dem Werke selbst heraus zu beurteilen; tut man dies,
so erkennt man, dass Lohengrin gar nicht anders kann, als Elsa das Frage-
verbot aufzuerlegen, und dass im Bruch desselben eine tiefinnere, aus
der Natur des Liebespaares notwendig abfliessende Tragik liegt.
Die wirkliche Bedeutung des Frageverbots ergibt sich, wenn
wir uns der so verschiedenen Naturen der beiden Liebenden und des
verschiedenen Elements, dem sie erwachsen sind und das sie umgibt, er-
innern. Wir wissen, dass Lohengrin aus einem Reich herrlichster
geistiger Freiheit herkommt, wo das persönliche Schicksal des einzelnen
die wolkenlose Heiterkeit und Ruhe des Schauens nicht mehr trübt; wo
die Seligkeit der unpersönlichen Betrachtung und der inneren Bedeutsam-
keit aller Wesen den Geist erfüllt. Aus dieser Welt ist er herabgestiegen
zur Erde, um aus seiner geistigen Vereinsamung erlöst zu werden durch
Liebe, und sich ganz hinzugeben der Glut der persönlichen Liebes-
empfindung. Dafür musste er aber das Opfer bringen, die Welt des
Ideals, in der er bis dahin ausschliesslich lebte, zu verlassen; herab-
zusteigen zu der innigen Gefühlswelt Elsas, die aber doch nur Gefühls-
welt bleibt und gegenüber der Höhe und Weite der geistigen Freiheit eine
zwar traulich holde, aber enge Sphäre darstellt. Um Elsas willen, um
sie vor schmählichem Unrecht zu schützen, ist Lohengrin herabgestiegen
zu dem Tummelplatz der Leidenschaften und des trüben Willens. Er, der
Ritter des Grals, sieht sich ihretwegen verstrickt in die Welt der wilden
und niedrigen Leidenschaften, des Neides, des Hasses, der Rache. Diesen
Umstand im Geschick des Helden müssen wir durchaus festhalten, wenn
wir die wahre Bedeutung des Frageverbots einerseits und die Tragik des
Dramas anderseits verstehen wollen. Wir führen hier die Stelle aus dem
dritten Akt an, auf die wir später ausführlicher zurückkommen:
92
DIB MUSIK III. 14.
„Dein Lieben muss mir hoch entgelten
Für das, was ich um dich verliess;
Kein Los in Gottes weiten Welten
Wohl edler als das meine hiess."
Auf der anderen Seite müssen wir uns des Gegensatzes erinnern, in dem
sich Elsa ihrem Wesen nach zu Lohengrin befindet. Wir erkennen in ihr
die schönste Verkörperung der Weibesnatur; wir finden in ihr die edelste
Naivetät und Reinheit der Empfindung; sie ist die holdeste Offenbarung
der unbewussten, menschlichen Natur, zu der sich Lohengrin als dem
Gegensatz seines Wesens hinsehnt. Aber eben weil sie Weib und nur
Weib ist, lebt sie ausschliesslich in der Welt der persönlichen Empfindung,
hängt sie nur mit dem Gefühl an allen Dingen. Darfiber hinaus aber
kommt sie nicht. Die Welt der geistigen Ideen, die Welt des Lohen-
grin vermag sie nicht zu erfassen, weil sie der ideenhaften Abstraktion
von der Gefühls-, der Willensseite der Dinge nicht fähig ist und alle
Dinge und Menschen nur insoweit begreift, als sie ihrem persönlichen
Gefühl etwas sagen. Nun liegt aber zwischen dem Menschen, der aus-
schliesslich im persönlichen Gefühl lebt, und wäre es das tiefste, wärmste
und innigste, und dem Menschen, der neben der Empfänglichkeit für die
Gefühlswelt auch fähig ist, in der Abstraktion von allen individuellen
Gefühlsregungen, in einer unpersönlichen Betrachtung des Universums
und aller von ihm umfangenen Einzelwesen zu leben, eine unüberbrück-
bare Kluft. Lebt jemand in der Ideenwelt, so kann er seine Anschauungen
nur dem mitteilen, der selbst fähig ist, sich zur Höhe unpersönlicher
Betrachtung aufzuschwingen. Nur die Ritter des Grals verstehen sich
gegenseitig, können ihre Ideen einander offenbaren. Dem Laien darf der
Gral nicht enthüllt werden, weil er seine Geheimnisse und Wunder doch
nie zu fassen vermag, weil er die hohe Welt des philosophischen
Schauens nur mit seinem persönlichen Gefühl zu erfassen, an ihm zu
messen imstande ist und sie damit nur aus ihrer Höhe herabziehen könnte.
In diesem Sinne singt denn auch Lohengrin:
„So hehrer Art doch ist des Grales Segen,
Enthüllt — muss er des Laien Auge flietan;
Des Ritters drum sollt Zweifel Ihr nicht hegen,
Erkennt Ihr ihn, dann muss er von Euch ziehn." —
Der Gral wurde durch seine Enthüllung seines Zaubers entkleidet werden
und mfisste den Menschen entschwinden, um sich wieder in seiner Rein-
heit herzustellen. — Und so verstehen wir erst, warum Lohengrin selbst
seiner geliebten Gattin das Geheimnis seiner Art und Herkunft, das
Geheimnis des Grals, nicht offenbaren darf. Auch Elsa, so gross ihre
03
BERENDT: LOHENCRIN
si
Liebe zu Lohengrin ist, lebt ausschliesslich in der Welt personlicher
Empfindungen; auch sie vermag sich zum rein geistigen Schauen nicht
aufzuschwingen und auch sie würde, wenn Lohengrin sie in das Geheimnis
einweihen wollte, seine hohe Ideenwelt herabziehen zu einem Gegenstand
rein persönlichen Gefühls. Sie kann als Weib den Gott beglücken, das
Menschliche in ihm erfassen und ganz verstehen; aber sie vermag das
Göttliche in ihm nicht zu ertragen; so wie Semele den Zeus wohl in
menschlicher Liebe beglücken kann, aber unfähig ist seine göttliche Er-
scheinung zu ertragen. Lohengrin muss also Elsa das Frageverbot auf-
erlegen, weil sie unfähig ist, das hehre göttliche Geheimnis zu begreifen,
weil sie die Welt des seligen,unpersönlichen Scbauens nicht in ihrer eigen-
tümlichen, rein geistigen Natur erfassen könnte, sondern zu ihrem persön-
lichen Gefühl herabziehen müsste. Damit glauben wir die Natur des
Frageverbots aus dem Werk selbst heraus erklärt zu haben und die Dar-
legung des Gegensatzes in der Natur der beiden Liebenden lässt wohl
leicht erraten, dass dieser sehr leicht einen tragischen Konflikt hervor-
rufen kann.
Zum wirklichen Ausbruch kommt er aber erst, als in böswilliger,
eigennütziger Absicht von aussen her ein Zwiespalt zwischen den Liebenden
angefacht und ein Keil des Misstrauens zwischen sie getrieben wird, der
den Gegensatz, der zwischen ihnen schon herrscht, schliesslich zur vollen
Höhe erwachsen lässt. Suchen wir uns die Handlungsweise der dem
Liebespaare feindlichen Umgebung in ihren Beweggründen ebenso klar zu
machen, wie wir das Verhalten Lohengrins und Elsas aus ihrem inneren
Wesen heraus zu erklären suchten. Es kommen hier ausschliesslich
Friedrich von Telramund und sein Weib Ortrud in Betracht. Dieses
Ehepaar, Friedrich mehr aufgestachelt von seinem bösen Weibe, als
aus eigener Initiative, beschuldigt Elsa der schmählichsten Tat, des Bruder-
mordes. Dadurch sucht es sie von der Thronfolge auszuschliessen und
dem Elend oder gar der Vernichtung zu überantworten. Aber nahe am Ge-
lingen ihres Zieles, als sie in ihrem Hochmut freventlich das Gottesgericht
heraufbeschworen haben, sehen sie sich durch den Gralsritter, der der
verfolgten Unschuld zu Hilfe kommt, plötzlich entwaffnet, in ihren Lügen,
in ihrer Herrschsucht und Anmassung blossgestellt und selbst in das
grösste Elend, in Verbannung und Ächtung gestürzt. Diese ihre Situation
müssen wir im Auge behalten, wenn wir das nichtswürdige Verhalten der
Ortrud gegen Elsa im zweiten und dritten Akte verstehen wollen.
Welches müssen wohl die Empfindungen von Friedrich und Ortrud
sein, wenn wir sie in jener schaurig schön geschilderten Nacht, auf den
Stufen des Söllers kauernd, erblicken? Sie sehen Elsa, die sie zu ver-
derben glaubten, zum höchsten Glanz emporgestiegen; sehen sie so
(^-{pO DIB MUSIK III. 14. Q*^?J
glucklich, wie sie es durch ihr langes, unverdientes Leiden, durch ihr
gütiges, liebevolles Gemüt im höchsten Grade wert ist. Aber was kümmert
es sie, dass Eist ihr Glück verdient? Sie, die schmählich Geächteten,
die jetzt nur daran denken, dass Elsa die Schuld tragt an ihrem Unglück,
an ihrer furchtbaren Erniedrigung. Und dieser Schmerz, diese Wut müssen
doppelt entbrennen in der Seele Ortruds, bei dem heftigen Willensdrang,
der sie charakterisiert, bei ihrem Stolz und Hochmut. Er wird furchtbar
verschärft durch einen Vergleich ihrer jetzigen Lage mit ihrer früheren.
Sie, die an der Seite eines Mannes, dessen Schwert allgemein gekannt und
gefürchtet war, In höchstem irdischen Glänze gelebt, und Elsa, die Ver-
leumdete und Zurückgesetzte tief unter sich gesehen hatte, ist nun der
Ächtung preisgegeben; sie muss den Festesglanz und Jubel hören, welcher
der von ibr verleumdeten Elsa bereitet wird, muss jene in dem Glanz
sehen, der nacb ihrer Meinung ihr selbst gebührt; was wunder, dass sich
der Stachel des Neides und Hasses immer tiefer in ihr Herz gräbt und
sie zu unerhörter Wut und Rachsucht antreibt? Sie hat jetzt nur noch
das eine Ziel, das Glück Elsas, das Glück des ihr so verhassten Liebes-
paares zu vernichten. In ihrem Hass und Neid will sie, die selbst
unglücklich ist, auch das Glück des seligen Paares vernichten. Ihr Rache-
gefühl konzentriert sich jetzt in der einen Absicht, in Elsas Seele das
Gift des Zweireis und Misstrauens gegen ihren Helden zu träufeln und
sie dadurch zu der verbotenen Frage zu reizen. Die Art aber, wie Ortrud
ihren Plan ausführt, ist mit solch wunderbarer intuitiver Wahrheit durch-
geführt, jeder Zug darin dem Leben so abgelauscht, dass der Gedanke an
eine banale, theatralisch zurechtgestutzte Opernfigur dabei vollkommen
fortfällt. Wir behaupten sogar, wenn wir die meisterhaft durchgeführte
Charakterentwicklung der Ortrud verfolgen, dass seit der unvergleichlichen
Charakterschilderung der dämonischen Gestalten Shakespeare's nichts ähn-
liches mehr auf der modernen Bühne gesehen worden ist.
«[Schluss folgt
st wurden in Karlsruhe von Mottl im 6-, von Gorter im
Bachkonzert, in Heidelberg von Wolfrum, und vereinzelt in
dem Musikstädten wieder eine stattliche Anzahl von Kantaten
- Musikpflege erschlossen. Die Sache des Altmeisters kommt
also vor der Öffentlichkeit in Fluss. Warum, fragt man, sind die
213 Kantaten Bachs, die den Torso der fünf vollständigen Kirchenjahr-
gänge und der weltlichen Gelegenheitswerke bilden, nur zum verschwin-
denden Teil Gemeingut geworden? .Weder in der Kirche (meines Wissens nur
mit Ausnahme Leipzigs und Heidelbergs) noch im Konzert vermochte Bach
über die beiden Passionen hinaus feste Wurzeln zu fassen. Das Weihnachts-
oratorium wird meist zurechtgestutzt und erscheint ungefähr ebenso selten
wie die h-moll Messe. Dass es eine Lukaspassion gibt, die man doch auch
einmal hören sollte, um über die Echtheit mit urteilen zu können, ver-
gessen die Dirigenten. Vom Magniflkat ist nicht viel die Rede — weder
vom deutschen noch vom lateinischen. Selten entdeckt man eine Spur
des grossartigen Osteroratoriums ; die Messen, die Sanktus, die Motetten
vollends — wer kümmert sich ernsthaft um sie? In einer überwiegend
protestantischen Stadt wie Stuttgart z. B. ist das Ergebnis der Bachstatistik
ein tief niederschlagendes.
Aus den sehr traurigen Tatsachen wollen wir jetzt aber keine
Schimpfier-Scblüsse ziehen, sondern die Ursachen prüfen, die zu einer so
beispiellosen Vernachlässigung geführt haben. Zunächst bei sehr vielen
and nicht den schlechtesten Musikliebhabern das wohlbegründete Misstrauen
gegen die Massenhervorbringung des 17. und 18. Jahrhunderts. Nehmen
wir etwa Händel: es liegt viel Wertvolles vergruben, was auch sträflicher-
weise missachtet wird (z. B. das Oratorium Susannal), aber alles, was er
für Gesang schrieb, dürfte kaum mehr lebensfähig sein. Dagegen vertreten
wir — in ruhiger Erwartung eines sachlichen Widerspruchs — die Ansicht,
dass in sämtlichen Bachkantaten kein minderwertiger verblasster Chorsatz
96
DIE MUSIK III. 14.
zu finden ist. Von den Arien mag vielleicht, hochgegriffen, ein Dritteil veraltet
sein. Die Herren Dirigenten, namentlich auf dem Lande draussen, pflegen in
ihrem neuerwachten Eifer zu fragen: welche Chorsätze sind die schönsten?
Antwort: so viele, dass jeder selbst zusehen muss. Eigentlich kommt nur
die Frage der Schwierigkeit in Betracht.
Damit berühren wir eine weitere Ursache, warum Bach so wenig ins
Volk drang: es fehlt an zurechtweisenden Schriften über die Kantaten.
Mosewius' alte Broschüre ist im Buchhandel nicht mehr aufzutreiben;
Kretzschmar, dessen pessimistischen Nachbericht zur Bachausgabe (im
46. Band, oder besonders zu haben) jeder gebildete Musikfreund mit Schmerz
gelesen haben wird, erläutert in seinem Führer durch den Konzertsaal —
schon des Raumes wegen — nur einen winzigen Bruchteil. Die unschätz-
baren Verdienste eines Robert Franz umspannen naturgemäss nicht die
Gesamtheit der Kantaten. Prof. Dr. Todts Vademecum durch die Kantaten
streift nur einen Teil. Voigts Schrift über Bachs Kirchenmusik ist auch
nicht erschöpfend, und sich die Kapitel bei Hilgenfeldt, Bitter, Spitta
herzusuchen, ist nicht, jedermanns Sache. Bleiben nur die Partituren
der Gesamtausgabe, die Auszüge bei Breitkopf (alle) und bei Peters (100),
die gerade wegen ihrer Menge das Gefühl der Ratlosigkeit erwecken.
Nimmt einer dann dieses oder jenes Werk zur Hand, so macht er
vor allem die unliebsame Entdeckung, dass der Text von Geschmack-
losigkeiten strotzt. Natürlich meinen wir nicht damit die altertümliche
Sprache, die z. B. in dem »Christ lag in Todesbanden" sogar grossen Eindruck
macht, sondern besonders den Wortlaut der Arien, der oft verzweifelt
komisch klingt. Längst wäre es eben die Aufgabe — sagen wir der
dichterisch beanlagten Musikfreunde gewesen, unter genauer Beibehaltung
der Begriffe, die Bach inspieriert haben, den Text zu ändern. Immerhin
ist ja zu beobachten, dass eine ernste Aufführung wie jene Mortis in
Karlsruhe (auch Prof. S. de Lange in Stuttgart bemüht sich in verdienst-
licher Weise um Bach) die Mängel des Textes vergessen macht.
Ein anderes sind die Schwierigkeiten der Chöre, der Arien, der
Orgelbegleitung, der Instrumentierung. Wer sich überzeugt hat, mit welchen
Anstrengungen, mit welchen technischen Aufgaben der Chor in den Kan-
taten ringen muss, wird zur Ansicht gekommen sein, dass unsere heutigen
Dilettantenchöre ganz ungeeignet sind, Bach zu singen. Entweder braucht
man den geschulten Theaterchor als Stamm (so in Karlsruhe), oder man
sollte sich auf ein mehrfach besetztes Quartett geschulter Singstimmen
beschränken. Mit wenigen Ausnahmen (zu denen »Ein 9 feste Burg" gehört)
sind die Chorsätze nicht auf Massenwirkung angelegt. Es wäre jedenfalls
immer noch besser, wenn vier Stimmen die Kantaten durchsängen mit
Klavierbegleitung, als wenn sie gar nicht gehört werden, weder zu Hause
97
GRUNSKY: BACHS KANTATEN
noch in der Öffentlichkeit. Die Herren Lehrer in Seminarien sind noch
am besten dran: sie haben einen gehorsamen Stimmkörper zu leiten,
dessen Straffheit auch dem Sopran und Alt zugute kommen wird.
In vielen Fällen haben jedoch die Aufführungen von Bachs Vokal-
werken gar kein Verständnis bei der Kritik gefunden, und das ist eine der
schlimmsten Ursachen, warum man mit Bach zurückhält. Denn soviel
Entsagung, Überlegenheit und Mut darf man vom Durchschnitt der Musik-
direktoren nicht verlangen, dass sie für guten Willen und emsigste Mühe
als Belohnung Kälte oder freches Naserümpfen hinnehmen sollen. Am
übelsten beleumundet sind die Aufnahmen Bachscher Werke in Wien: so
hat Hanslicks Verhalten bei der Aufführung der H-moll Messe durch
Richter mehr als alle anderen Verfehlungen die Achtung vor der Unfehl-
barkeit des Wagnerhassers herabgestimmt; in der kolossalen doppelchörigen
Motette »Singet dem Herrn" erblickt Hanslick nur auf- und absteigende
Tonleitern. Oder man lese Dr. Neitzels Kritik über die Mottische Auf-
führung der Kantate .Bleib' bei uns", jener wunderbaren Abendstimmungen,
die so herrlich mit dem »Wie schön leucht't uns der Morgenstern" in Gegen-
satz treten und auf Bachs Allseitigkeit hinweisen.
Statt an Bach herum zu nörgeln sollte die Kritik lieber einmal den
Sängern zu Leib gehen, die weder technische noch musikalische, aber am
allerwenigsten rhythmische Bildung genug besitzen, um eine Arie Bachs
gesund vortragen zu können.
In Konzerten hört man mit Orchesterbegleitung immer die gleichen
Arien. Fällt keiner Gesanggrösse ein, selbständig zu forschen, was in Bach
(oder in Händel) Ungenütztes vorhanden sei? Sonst müsste man in jeder
Stadt und in jedem Konzert andere Arien hören. Vollends sind Bachs
Duette, Terzette usw. so gut wie unbekannt. Eigentlich verdient es das
grosse Heer der unnützen Konzertgeber gar nicht, dass man ihnen noch
zur Ermunterung zurufe: es steckt soviel Glanz, Feuer, Temperament,
soviel Melodie und Ausdruck in den alten Arien, dass ihr nach Ober-
windung der Schwierigkeiten des Erfolges sicher sein dürft, und zwar des
Augenblickerfolgs, vor dem ja viele Kritiker jähen Respekt bekommen.
Sehr mühevoll kann unter Umständen die Ausarbeitung der Orgel-
begleitung sein, von der Bach nur die Bassstimme aufgezeichnet hat.
Entweder muss der Dirigent einen Meister des Orgelspiels an seiner Seite
haben, oder selbst die Orgelpartie ins einzelne ausarbeiten. Der Entwurf
einer eigenen Partitur wird überhaupt dem Dirigenten schon deshalb nütz-
lich sein, weil er an der Instrumentierung da und dort manches der Auf-
führung erst anzupassen haben wird. Hohe Trompeten- und Hormone
z. B. kann man nicht einfach weglassen; am besten natürlich, man macht
die Bläser mit Eichborns Abhandlungen bekannt.
III. 14 7
08
DIE MUSIK III. 14.
Die Frage der Orchesterbegleitung zu Bach ist noch nicht gelöst,
sondern erst angeregt. Wir bemerken dazwischen, dass Bach ein Meister
der Instrumentierungskunst war; man höre z. B. »Liebster Gott, wann
werd' ich sterben"! Nun war er jedoch auf die Mittel seiner Zeit an-
gewiesen. Dürfen wir ergänzen, die Instrumente ändern, oder sollen wir
auf das Alte zurückgreifen? Schwierige Frage. Mottl hat bisher die
letztere Richtung eingeschlagen und befieissigt sich der alten Instrumente,
ohne der Überarbeitung Feind zu sein. Prof. Wolfrum instrumentiert ein-
fach für modernes Orchester; Kreuzstabkantate und Tombeau sind in
Partitur und im Auszug bereits erschienen (bei Breitkopf). Wer den
richtigen Weg geht, das wird sich schon entscheiden. Beide Bachverehrer
sind jedenfalls nicht in Hader verflochten, wie soviele Gelehrte, auf die
Luthers Spruch zutrifft: sie suchen Ruhm und nicht die Wahrheit!
PATRIOTISCHEN LIEDER
SCHOTTLANDS
EIN GESCHICHTLICHER ÜBERBLICK
von Fritz Erckmann- Alzey
ie Kriege, die heute noch gemischte Gefühle im Herzen jedes
sehten Schotten aufwallen lassen, entsprangen nicht der Absicht,
Zivilisation nach Schottland zu verpflanzen. Es waren Raub-
züge nach grossem Muster. Als König Eduard I. von England
(1272—1307) mit 80000 Fasssoldaten und 7000 Reitern in Schottland ein-
fiel, führte er nur einen lange gehegten Wunsch aus, der dahin ging,
dieses Land seiner Krone einzuverleiben.
Der Führer der Schotten hiess William Wallace. 1 ) Nur ein kleines
Heer stand ihm zur Verfügung, und er war darauf angewiesen, von grossen
Schlachten abzusehen und den feindlichen Truppen Schlappen zu versetzen,
wo sich eine Gelegenheit bot. Bei Tage verbargen sich die Schotten in
Wildern und Höhlen und überSelen die Englinder, wenn diese schliefen
oder sich in sorgloser Weise ihres Daseins freuten. Schlosswille bildeten
für die kühnen Bergsöhne keine Hindernisse. Sie kannten alle Schleich-
wege und schlugen die Besatzung nieder, ehe diese von der Anwesenheit
des Feindes eine Ahnung hatte.*)
Sieben Jahre lang behauptete Wallace mit seinen treuen Anhängern
die Berge und Wilder. Da wurde er angeblicherweise verraten und in
London als Hochverräter hingerichtet, — obgleich er nach seiner Aussage
kein Verräter sein konnte, da er dem König von England nie Treue ge-
schworen habe, — und sein Haupt auf London Bridge ausgestellt.
In Jahresfrist erstand den Schotten in der Person des Robert Bruce
ein anderer Führer. Dieser hatte wohl dem König Eduard I. gehuldigt
Er schlug aber seinen Treueid in die Winde, sammelte ein Heer und besiegte
die Truppen Eduards IL in der Schlacht von Bannockburn im Jahre 1314. Es
war eine strategisch mit grossem Geschick geplante und mit Tapferkeit ge-
schlagene Schlacht gegen eine überwältigende Mehrheit. Aber die Schotten
setzten ihr Alles aufs Spiel. Sie kämpften für ihre Freiheit Die Englinder
') Ihm hat man ror einigen Jahren in Aberdeen ein imposantes Denkmal gesetzt.
I) Von der Grausamkeit der Schotten erzielen die Englander manches Schauer-
Stückchen. So soll Wallace mehrere hundert Englinder lebendig verbrannt und der
gute Lord James Douglas jedem englischen Gefangenen den rechten Zeigefinger ab-
geschnitten und dss rechte Auge ausgebohrt haben.
100
DIE MUSIK III. 14.
hatten 30000 Tote. Schottland war frei und wurde unter König David,
Sohn von Bruce, zu einem unabhängigen Königreich erklärt.
Das Lied, das die im Vorausgehenden geschilderten Ereignisse besingt,
führt den Titel: „Scots, wha hae". Die erste Strophe des Burnsschen
Originals lautet:
„Scots, wha ha'e wi' Wallace bled!
Scots, wham Bruce has aften led!
Welcome to your gory bed,
Or to victory!
Now's the day, an 9 now's the bour;
See the front of battle lourl
See approacb proud Edward's pow'r,
Chains an' slarerie!"
und eine freie Übersetzung des ganzen Gedichtes:
Schotten, die mit starker Hand
Wallace, Bruce zum Kampf gesandt,
Willkommen seid am Grabesrand
Oder Feld der Ehr'!
Tag und Stund' sind angetuckt.
Feind', so weit das Auge blickt.
Stolzer Edward unverrückt
Zieht zum Tode her!
Wer steht hier, ein ehrlos' Knab'?
Wer füllt wohl des Feigen Grab?
Wer denkt jetzt an ird'sche Hab?
Fort aus unsern Reih'n!
Wer für Schottlands Krön' und Land
Zieht das Schwert mit fester Hand*
Wen die Freiheit hergesandt
Der muss sich uns weih'n!
Bei des Unterjochers Wut,
Bei dem, der in Ketten ruht,
Wir vergiessen teures Blut,
Doch wir bannen Not
Auf, die Feinde stürmen an!
Jeder Fremde ist Tyrann!
Vorwirts, Schotten, Mann für Mann!
Freiheit oder Tod!
Robert Burns schrieb diese berühmten Zeilen am 1. August 1703*
Er schlug darin einen Ton an, der von jedem echten Schotten tief em-
pfunden wird. Sein Freund Syme schrieb über die Entstehung des Ge-
dichtes wie folgt:
»Ich ritt mit ibm einen Moorweg entlang durch wilde, einsame Strecken. Der
Himmel schien mit dem elenden Boden zu sympathisieren. Er war bedeckt und trübe.
Die Winde heulten. Die Blitze leuchteten. Der Donner krachte. Der Dichter war
ergriffen von der schrecklichen Szene — er sprach kein Wort, schien aber in Be-
trachtung verloren: In Gedanken stürmte er mit Bruce den feindlichen Englindern
entgegen. 11
Den nächsten Tag schickte Burns das Resultat jenes Rittes an
Mr. Syme.
101
ERC KM ANN: PATRIOT. LIEDER SCHOTTLANDS
Die Melodie dieses Gedichtes ist wie folgt:
Scott wha ha'e.
*
ffife a- , i> t ? > i jffiTB &i^¥ ; zw&
Das Alter dieser Melodie lässt sich nicht mehr genau festsetzen.
Robert Burns behauptet, in vielen Plätzen Schottlands von einer Über-
lieferung gehört zu haben, wonach die Melodie »Hey tutti tatti", welche
die Unterlage zu seinem Gedicht bildete, Robert Bruce's Marschmelodie
bei Bannockburn gewesen sein soll. Diese Behauptung entbehrt aber jeder
Begründung.
Die sonderbaren Worte »Hey tutti tatti" sind der Titel eines jakobi-
tischen 1 ) Liedes mit folgender erster Strophe:
When you hear the trampet soun'
Tut! taiti to the drum,
Up sword, and down gun
And to the loons again,
und des folgenden darin vorkommenden echt jakobi tischen Trinkspruches:
„Here's to the king, sir;
Ye ken wha I meto, sir."
Die Worte »tuti taiti" (die, wie oben ersichtlich, verschieden buch-
stabiert werden und vielleicht auch hierdurch Anlass zu verschiedenen
Vermutungen betreffs der Abstammung des Liedes gegeben haben) sind
möglicherweise Nachahmungen einer Trompete. Dass es der Schreibfehler
eines unwissenden Kopisten sein könnte, der das italienische Wort tutti
aus Versehen in den Titel hineinzog, ist wohl ausgeschlossen.
Die Melodie erscheint im Druck zum erstenmal mit dem Titel »Hey
tuti tatety" in M'Gibbon, Scots Tunes 3. Band, 1755. Weiter zurück als
1755 lässt sie sich nicht verfolgen, obgleich wenig Zweifel herrscht, dass
sie viel älteren Datums ist.
*) Jakobitisch nennt man vielfach nur diejenigen Lieder, welche die Ereignisse
der Aufstände in den Jahren 1715 und 1745 (siehe splter) besingen. Sie datieren aber
tatsächlich bis zur Revolution im Jahre 1688 und der Flucht Jakobs IL (von dessen
lateinischem Namen Jacobus das Wort jakobitisch abgeleitet ist) zurück. Ja, schon in
der dieser Revolution vorausgehenden Periode gab es jakobitiscbe Lieder.
102
DIE MUSIK III. 14.
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Dieselbe Melodie erscheint auch zu dem Text »Hey, now the Day
Dawes* von Alexander Montgomery, der am Hofe Jakobs VIII. lebte und
endlich, in sehr langsamem Tempo gesungen, zu einem Text von Lady
Nairne, „The Land o'the Leal", worin sie den Tod des Erstgeborenen eines
Bekannten beklagt. Man sieht hieraus, welch lebensfähige Elemente dieser
Tonfolge innewohnen.
Die für die Engländer so verhängnisvolle Schlacht von Bannockburn
hatte natürlich die Kraft Englands nicht gebrochen. Im Gegenteil, sie
hinterliess einen Stachel, der zu spitzen Schwertern auswuchs und den
tapfern Schotten während der nächsten Jahrhunderte blutige Wunden schlug.
Die Schlacht, die Schottland als unabhängigem Königreich den'Todes-
stoss gab, wurde am 9. September 1513 auf dem Feld von Flodden ge-
schlagen. Die Engländer hatten 5000 Tote, die Schotten doppelt so viel.
Letztere verloren indessen ausser ihrem König Jakob IV. zwei Bischöfe,
zwei Äbte, zwölf Grafen, dreizehn Lords und fünf älteste Söhne hoher
adliger Familien. Wenn das Lied von den »Blumen des Waldes" («The
Flowers of the Forest") singt, so sind damit die auf Flodden gefallenen
Adligen gemeint. Unter «Wald" (The Forest) verstand man die beiden
Grafschaften von Selkirk und Peeble. Sie bildeten die Jagdgründe der
schottischen Könige und Adligen.
Das Lied liegt in zwei Lesarten und zwei Melodieen vor, die sich im
grossen und ganzen ähnlich sind. Die erste Dichtung stammt von Jane
EUiot und erschien ungefähr um das Jahr 1755. Ihre erste Strophe lautet:
„Pve heard a liltin'
At owr ewes milkin'.
Lasses a liltin'
Before dawn o* day.
Now there*s a moanin'
On ilka green loanin'
The Flow 9 » o' the Forest
Are a* wede away* —
(in freier deutscher Obersetzung):
„Früh'r herrschte Freude,
Lachen auf der Weide.
Milchmädchen sangen
Bevor der Hahn gekräht
Jetzt nichts als Tränen,
Und Seufzer und Sehnen.
Die Blumen des Waldes
Sind all abgemäht."
Nicht alle Zeilen sind geistiges Eigentum der Dichterin. Die erste
und achte, welch letztere in verschiedenen Strophen wiederkehrt, sind alt.
Die Verschmelzung ist aber ein Meisterwerk, und das Ganze ist mit un-
gemeinem Geschick folgender altschottischen Melodie angepasst:
t J jj^tflPp JJ j jU J»;g
jij^jQjjffrg'rPpiJJ 1 ^ J.J1
103
ERCKMANN: PATRIOT. LIEDER SCHOTTLANDS
Damit betreten wir, was altschottische Musik anbelangt, geschichtlichen
Boden, denn obige Melodie erscheint in der berühmten Skene-Handschrift,
einer der so seltenen Oberlieferungen altschottischer Musik. Zwei Gründe
sprechen für das beinahe gänzliche Fehlen musikalischer Handschriften,
Erstens die endlosen Kriege, denen so viele Schlösser, Abteien und ähnliche
der Entwicklung und Pflege der Musik günstigen Orte zum Opfer fielen.
Zweitens die Schreckensherrschaft der Puritaner, welche die von den Kriegs-
horden verschonten Überbleibsel weltlicher Lieder, als dem Seelenheil
ihrer Anhänger schädlich, den Flammen anheimstellten.
Deshalb sind die vorhandenen Quellen mit um so grösserer Freude
zu begrüssen.
Eine dieser Handschriften altschottischer Lieder gehörte der Familie
Skene von Curriehill und Hallyards in der Grafschaft Midlothian. Die
Sammlung wurde durch oder für John Skene angefertigt und durch dessen
Gross-gross-enkelin, Miss Elizabeth Skene, das letzte direkte Familienglied,,
ungefähr um das Jahr 1818 der Fakultät der Advokaten in Edinburgh
übergeben.
Sie enthält kein Datum; doch schliesst man aus dem Papier und der
Handschrift, dass der erste Teil zwischen 1615 und 1620 geschrieben sein
mag, dass aber der sechste Teil noch älteren Datums ist.
John Skene starb im Jahre 1644. Wenn also, wie man durch Ver-
gleichung der Handschriften geschlossen hat, die in Frage stehende Samm-
lung von ihm selbst herrührt, so gehören die Lieder der ersten Hälfte
des 17. Jahrhunderts an. Auf jeden Fall waren sie zu dieser Zeit in
seinem Besitz.
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104
DIE MUSIK III. 14.
Wie aus obigem Faksimile zweier Lieder dieser Handschrift ersichtlich,
sind sie in Tabulator notiert, wie es zu damaliger Zeit die Notenschrift der Laute
und lautenähnlichen Instrumente erheischte. Die vier Linien entsprechen den vier
Saiten des Instrumentes, und über jeder Linie stehen in Buchstaben die Namen der
darzustellenden Noten, so zwar, dass die Buchstaben a, b, c usw. nicht die Noten der
diatonischen, sondern der chromatischen Tonleiter bezeichnen, wobei man bei jeder
Saiie mit a anfing. Demnach bezeichnet a stets die jeweilige leere Saite« b den
ersten folgenden Halbton, c den nlcbsten Halbton usw.
Die Mandora, eine Art Laute, für welche die Lieder der Skene-Handschrift auf-
geschrieben wurden, besass wahrscheinlich mehr als vier Saiten, denn hier und da
findet man Buchstaben unter den vier Linien, die jedenfalls auf die fünfte Saite
Bezug nahmen.
Die Länge der Notenwerte werden, wie bei der jetzt gebräuchlichen Notenschrift,
durch verschiedene Noten ausgedrückt, und diese stehen immer über der vierten Linie.
Die andere Lesart der „Blumen des Waldes* stammt von Mrs. Cock-
burn von Ormiston (1710 oder 1712—1794). Sie, wie auch die Melodie,
ist eine ins Breite gezogene Variation und als solche dem Original in
keiner Weise ebenbürtig. Merkwürdigerweise ist die ältere Form dem
schottischen Volk nicht bekannt. Weder die eine noch die andere finden
einen Platz in den Programmen schottischer Konzerte; und während John
Greig beide Lieder in seinem sechsbändigen Werk Scots Minstrelsie bringt,
lässt* Alfred Moffat eigentümlicherweise die ältere Form in seinem herr-
lichen, poetischen Sammelwerk: The Minstrelsie of Scotland aus.
Es erübrigt noch, eine Strophe der neueren Lesart beizufügen:
$ &=rF = i E &
&
r* ff j
s
£EE^£
I've seen the smi - ling o' for - tu-ne be - gui - ling; Fve
ifep^t
tas • ted her pleasures and feit her de-cay; Sweet was her Messing, and
kind her ca - res - sing, But now they are fled, tbey are fled far a - way.
B
$ fm% ^£^ ^--3=&^ ä£m3m^
I've seen the Fo- rest a - dor - ned the föremost wi' flow'rs o* the fairest,baith
!$ M^-*=?=£ =£flpg=E§gs
plea - sant and gay; Sae bon-nie was tbeir blooming, their scent the
105
ERC K MANN: PATRIOT. LIEDER SCHOTTLANDS
ty» J1 1 fcF£0mm
tir per - fu - ming, but now they are witherM and a 9 wede a - way.
Die Lieder, die zunächst unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen,
knüpfen sich an die Geschichte der Jakobiten. Wir wollen diese blutigen,
aber für die schottische Lyrik so fruchtbaren Ereignisse mit leichter Hand
skizzieren.
Nach dem Tode Karls II. (1683) bestieg im Jahre 1685 Jakob II. den Thron
Englands. Seine Anhinger nannten sich die Jakobiten. Er war in vielen Dingen ein
heller Kopf; aber dem Lande stand er hartnackig und hartherzig gegenüber. Zwei
Faktoren Hessen ihn das Vertrauen der Bevölkerung und des englischen Thrones
verlustig gehen: seine Voreingenommenheit für die katholische Kirche und seine
Verstocktheit, das Volk nach ganz bestimmten Grundsitzen zu regieren. Von »König
von Gottes Gnaden", von »passivem Gehorsam" — Ideen, die Karl I. Krone und
Leben kosteten — wollte das Volk nichts wissen. Dieser Kampf zwischen Volk und
König hatte nun schon 500 Jahre gedauert. Unter Jakob II. kam er zu Ende und
Grossbritannien erhielt jene konstitutionelle Freiheit, die es zu dem machte, was es
heute ist
Jakob II. musste fliehen und der protestantische Wilhelm III. von Oranien
bestieg im Jahre 1688 den englischen Thron. Der Regierungswechsel war in England
ziemlich ruhig verlaufen. In Irland und Schottland brachen Aufstände los, und unter
der Anführung des Vize-Grafen Dundee (des unter diesem Namen geadelten, grau-
samen Grabam von Claverhouse) wurden die Truppen Wilhelms III. bei Killiecrankie,
26 Meilen nordwestlich von Pertb, besiegt. Die Schotten konnten aus diesem Sieg
allerdings keinen Vorteil ziehen, denn ihr Führer war im Augenblick des Sieges ge-
fallen. Englische Truppen besetzten Schottland, und zwei Monate nach der Schlacht
von Killiecrankie wurden die Hochländer bei Dunkeid besiegt und jeder jakobitische
Widerstand vorläufig gebrochen.
Die Flucht Jakobs II. und die ihr folgenden Ereignisse bilden den
Grundstock einer ganzen Reihe patriotischer Lieder. Durch viele von ihnen
zieht sich eine tiefe Sehnsucht nach dem abwesenden König und eine
rührende Hingebung alles dessen, was man liebt — Eigenschaften, die einer
besseren Sache und Person würdig gewesen wären.
Robert Bums bringt diese Gefühle in folgendem Gedicht zum Ausdruck:
Friede gibt's nimmer, bis Jamie 1 ) kehrt zurück.
(»By yon Castle wa\")
Am Schlosswalle dort, als der Tag neigt' Die Kirch* ist gestürzet, der Staat nah
zur Ruh,
Da hört* dem Gesang eines Greises ich zu.
dem Fall;
Unterdrückung, Betrug und Mord überall.
Beim Singen trübten die Trinen den Mag alles nun drauf geh'n, der Staat Stück
Blick,
für Stück,
Ach, nimmer gibt's Friede, bis Jamie kehrt Doch Friede gibt's nimmer, bis Jamie
zurück.
kehrt zurück.
') Jamie, Kosename für James, Jakob.
106
DIE MUSIK III. 14.
Ich lehrt* sieben Söhne, zu ziehen das
Sehwert.
Nun wein' ich, sie ruhen in kühler Erd.
Der Mutter brach's Herz, denn fort ist ihr
Glück,
Doch Friede gibt's nimmer, bis Jamie
kehrt zurück.
Zur Last ist das Leben, die IFreud* ist
gefloh'n;
Meine Söhne verlor ich und er seine Krön'.
Doch sing ich dasselbe, bis trübe mein
Blick:
Friede gibt's nimmer, bis Jamie kehrt
zurück.
Das Lied wird zu folgender Melodie gesungen:
By yon Castles wa'.
ffi^uai * J' j i J, FTff^fT?sTWiri-r-Ti
E ffiyj j:j i j a i ff. et i r t f ifr'tnri
ly j» J' rtf=n.\ j j j i j j
Walter Scott hat dem Schottenführer Claverbouse in seinem Drama
«The Doom of Devorgoil" (1830) mit folgendem Lied ein Denkmal gesetzt. 1 )
Die Melodie, die in »Lyric Gems of Scotland" (1856) einem unbekannten
Komponisten zugeschrieben wird, ist jedenfalls modern:
Bonnie Dundee.
iflniJ'JVli ppBp i cgPr % \ h j^-h
Graham Claverhouse al - so sprach zur Konvention : Es gilt heuf zu brechen
c g c c p c i c c g r £ f 1
manch' gold-neKron'. Drum folg* je -der, der mich noch liebt und die Ehr. Und
zieh mit Dun - dee dem Statt -li-chen her. Kommt, fül- let die Be-cher und
i fr J 'J Ji J
fül -let die Kann' und fol-get Dun -dee dem Staat -li-chen Mann. Die To-re macht
v
' j+f |! j Jp jl 1' J J J II
weit, wir zie-hen ins Feld, Lang le-be Dun -dee der tap-fe-re Held.
*) Am Anfang des vergangenen Jahrhunderts behaupteten die Whigs, dass
Scott, indem er aus dem blutdürstigen, politischen Raufbold einen Helden machte,
sein Genie prostituiert hltte.
107
ERCKMANN: PATRIOT. LIEDER SCHOTTLANDS
Dandee auf dem Schltchtross die Strasse reift hinauf,
Die Glocken tönen rückwärts, 1 ) das Volk strömt zu Häuf.
Doch der Provost") im stillen denkt: Lauft ihr nur zu;
Vor dem Teufel Dundee haben endlich wir Ruh!
Chor: Kommt, füllet die Becher usw.
Es gibt Hügel hinter Pentland und Linder überm Forth;
Wenn auch Herren im Süden, gibt es Führer im Nord.
Und dreimaldreltausend tapfere Streiter gibt's hie,
Die rufen: Hurra für den schönen Dundee.
Chor: Kommt, füllet die Becher usw.
Wohlauf zu den Bergen, dem luffgen Revier,
Beim Tyrannen nicht wohn' ich, viel lieber beim Tier,
Nun zittere, Whig, für die Deinen und dich,
Wir kehren zurücke, meine Jungen und ich.
Chor: Kommt, füllet die Becher usw.
Die nächsten Aufstände der Jakobiten fallen in das Jahr 1715.
Der im Jahre 1714 eingetretene Tod der Königin Anna von England war die
nächste Veranlassung, dass sich die Jacobiten zusammenrotteten, um ihrem Chevalier,
Jakob Stuart, Sohn Jakobs IL, auf den Thron zu helfen. Dieser hatte in Schottland
wie im westlichen England mächtige Anhänger; der Tod der Königin Anna kam aber
so unerwartet, dass ihre Pläne nicht zur Ausführung reif waren, und Georg I. von
Hannover (dessen Tochter Sophie Dorothea den Preussenkönig Friedrich den Grossen
heiratete) bestleg den Thron von England.
Aufstände in mehreren Städten erzeugten in den Jakobiten den Gedanken, dass
sie nur zum Schwert zu greifen brauchten, um die gesamte Bevölkerung für ihre
Ziele zu gewinnen. Sie fanden, dass sie sich geirrt hatten.
Graf Johann von Mar, den der König Georg bei seiner Landung in England
beleidigt hatte, lud die benachbarten Adligen ein zu einer Jagd im Walde von
Braemar. Die Fahne des Thron kandidaten wurde gehisst, Pläne geschmiedet, und
in kurzer Zeit ein Heer von 10000 Mann gesammelt Mit diesen Streitkräften
marschierte er gegen den Herzog von Argyll, der, obgleich ein Schotte, die Partei
des Königs Georg ergriffen hatte, und griff ihn bei Sheriffmuir in der Nähe von
Stirling an. Die Schlacht fiel unentschieden aus. 8 )
*) Da sich in den grösseren englischen Kirchen Glockenspiele befinden, so
werden die Glocken nach bestimmten Tongängen angeschlagen. Das nennt man
»ringing the changes". Hier sind einige dieser Tongänge:
UüiCccrtifritfEWüiJCttj i
Wenn diese Tonreihen rückwärts gespielt wurden, bedeutete es Sturm.
•) Provost ist der Bürgermeister einer Stadt
•) Diese Schlacht kitzelte die poetische Ader eines Zeitgenossen, und er schrieb:
«Einige sagen, dass wir gewannen,
Andere, dass sie gewannen,
108
DIE MUSIK III. 14.
Das Errichten der Standarte durch den Grafen Johann von Mar wird
von Alexander Laing 1 ) (1787—1857) in folgendem Liede besungen und
einer alten Hochlandsmelodie angepasst:
Die Fahne auf der Höh' von Mar.
(The Standard on the Braes o'Mar.)
Die Fahne auf der Höh' von Mar
Strömt lustig in dem Winde.
Der Pfeifer bläst vom Lochnagar,
Bläst laut und bllst gelinde.
Die Hochländer aus Berg und Tal
Marschieren mutig allzumal,
Sind stark bewehrt,
Mit gleissend Schwert
Marschieren sie geschwinde.
Wer wfird' nicht folgen unserm Fürst'?
Die Drummond und Glengary,
Macgregor, Murray, Rollo, Keith,
Panmure und tapferer Harry;
Macdonalds Stamm,
Clan Ranalds Stamm,
M'Kenzies Stamm,
Macgilvrays Stamm,
Strathallans Stamm
Die Tiefländer
O'Callander und Airlie?
Auf, Donald, auf, die Zeit verstreicht;
Haags Sprechen an den Nagel,
Des Königs Glück steht auf dem Spiel,
Dem wir geschworen haben.
Wir ziehn hinaus
In Kriegesgraus,
Mit weh'ndem Plaid
Und blankem Schwert;
In Feindesreih'n
Wir dringen ein,
Den Buben zu verjagen.
Andere wieder, dass niemand gewann.
Aber eines weiss ich "nur,
Dass bei Sberiffmuir
Eine Schlacht geschlagen wurde,
Und wir liefen, und sie liefen,
Und sie liefen, und wir liefen,
Und wir liefen, und sie liefen fort."
*) Alexander Laing, der Sohn eines Arbeiters, wurde am 14. Mai 1787 in
B rech in geboren. Seine ganze Bildung erhielt er in früher Knabenzeit während
zweier Winter. Im achten Jahre wurde er Hirtenknabe und verwendete die paar
Kupfermünzen, die ihm hier und da zufielen, zum Ankaufen von Büchern, Papier,
Tinte uud Federn. Nach und nach wurde er Flachsarbeiter und später .Kauf-
mann" (!) in seinem Vaterstädtchen, in welcher Eigenschaft er sich im Laufe der
Zeit so viel ersparte, dass er sich vom Geschäft zurückziehen konnte. Schon in
der Jugend hatte er sich im Versemachen versucht und darin eine solche Obung
erlangt, dass seine Geisteskinder in den Hauptsammlungen schottischer Lieder seiner
Zeit (The Harp of Renfrewshire, The Harp of Caledonia, The Scottish Minstrel, The
Book of Scottish Song und „Whistle Binkie") Aufnahme fanden. Im Jahre 1846 ver-
öffentlichte er unter dem Titel „Wayside Flowers" eine Gesamtausgabe seiner Lieder
und Gedichte, die im Jahre 1850 in 2. Auflage erschienen.
100
ERC KM ANN: PATRIOT. LIEDER SCHOTTLANDS
Die Melodie ist wie folgt:
The Standard od the Bracs o'Mar.
Eine echt schottische Dudelsacksatmosphäre, die durch eine Begleitung
des zweiten und vierten Taktes durch den F-dur Akkord noch verstärkt
wird, ruht auf dem von James Hogg *) zum erstenmal in seinen «Jacobite
Relics of Scotland» (1810) veröffentlichten Lied »Will ye gang to Sher-
ramuir."*)
Text und Melodie lauten so:
*
»Wollt Ihr geh'n nach Sherramuir,
Kühner John von Innisture,
Dort zu seh'n den edlen Mar,
Seine Hochlandssprossen?
Alle Treuen aus dem Nord,
Angus, Huntly und Seaforth
Stürmen vorwärts nach dem Forth
Auf den Hochlandsrossen.
Chor: Wollt Ihr geh'n nach Sherramuir,
Kühner John von Innisture,
Dort zu seh'n den edlen Mar,
Seine Hochlandssprossen?
Dort siehst du der Fahnen viel,
Dort hörst du der Pfeifen Spiel,
Dort zeigt die Trompet' das Ziel,
Wo Kanonen sprechen.
Da flnd'st du den Stamm M'Craw;*)
Camerons sind, Clanronalds da;
Alle stürmen mit Hurra
Auf den Feind, den Frechen.
Chor: Wollt Ihr geh'n usw.
') James Hogg oder der Ettrick Hirte, wie man ihn gewöhnlich nennt, wurde
als Sohn eines Hirten im Jahre 1770 in einer Hütte am Ufer des Ettrick in Sel-
kirkshire geboren. Nach seiner Schulzeit wurde auch er Hirte. In dieser Eigen-
schaft kaufte er sich mit etwas gespartem Gelde eine Geige und übte fleissig in einem
Stall. Da soll ein Dorfgeiger, der sich nicht wenig auf seine Geschicklichkeit im Geigen
einbildete, des Abends vorbeigekommen und in grösster Angst davongelaufen sein,
als er hörte, wie seine eigenen Tänze von einem unsichtbaren Geiger in haar-
sträubendster Weise vorgetragen wurden. James Hogg las viel, versuchte sich in
der Dichtkunst und veröffentlichte sein erstes Werk: Scottish Pastorais, Poems and
Songs. Er wurde mit Walter Scott befreundet und erhielt von diesem vielen Rat
und Beistand. Später beschäftigte er sich in Edinburgh mit literarischen Arbeiten.
Sein Hauptwerk ist »The Queens Wake" (Die Wache der Königin).
*) Sheriffmuir, nach schottischer Aussprache Sherramuir.
*) M'Craw, Abkürzung für Mac Craw, Sohn des Craw.
110
DIE MUSIK III. 14.
Edle Whigs sind aufgestellt
Reibenweise auf das Feld;
Grüne Bursch', manch grauen Held'
Wirst du versammelt rinden.
Beinkleider mit Rissen drin; 1 )
Saure Milch,*) verzerrte Mien',
Psalmbuch, Bussebank zum Knien,
Werden nun verschwinden.
Chor: Wollt Ihr geh'n usw. Chor:
Wollt Ihr geh'n nach Sherramuir,
Kühner John von Innisture?
Solch ein Tag und solche Stund'
Niemals sah der Nord, Mann.
Solche Dinge wird man seh'n
Und, wenn's manche recht versteh'n
Blüh'nde Winde werden weh'n,
Munter übern Fortb, Mann.
Wollt Ihr geh'n usw.
Will ye gang to Sherramuir?
W g fpM
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£e*e£
Einer der vielversprechendsten Aufstände fand in North um berland
statt, aber auch hier verhielt sich ein grosser Teil der Bevölkerung ruhig.
Die Aufständischen wurden bei Preston von den königlichen Truppen um*
zingelt und gezwungen, die Waffen niederzulegen. Die Führer wurden erschossen,
enthauptet oder gehingt und viele Leute als Sklaven nach West-Indien verschifft.
Jakob Eduard hatte Frankreich verlassen, um persönlich seine Kandidatur aus«
zurechten. Er kam zu spit. Da kehrte er nach Frankreich zurück und überliess
seine Anhinger ihrem Schicksal.
Diese waren wütend, als sie sich auf diese Weise verlassen sahen. Sie kehrten
mit Trauer in den Herzen zu ihren Tälern zurück, enttäuschte Männer. Den von
dem Feinde Verschonten wurde unter der Bedingung verziehen, dass sie ihre Waffen
niederlegen und ausliefern würden. Das letztere geschah auch, soweit es alte, un-
brauchbare Waffen betraf; aber alles, was Wert hatte, wurde für eine zukünftige
Gelegenheit verborgen. Überdies wurden im Jahre 1719 durch spanische Schiffe
Tausende von Waffen ins Land eingeführt, die ebenfalls einer vorläufigen Ruhe in den
schottischen Höhlen sich unterwerfen mussten.
Die Begeisterung, die durch die Revolution (pace Schottland!) 1715
entfacht war, trug reiche Früchte. Dichtkunst und Musik wetteiferten mit
einander. Leider sind uns nur wenige dieser echt jakobi tischen, lyrischen
Erzeugnisse erhalten geblieben. Was man jetzt als jakobitische Lieder
singt und wert hält, sind zum weitaus grössten Teil moderne Erzeugnisse.
Die Texte sind von Robert Burns, Walter Scott, Lady Nairne, James Hogg,
Allan Cunningham, und die Melodieen sind entweder auch modern oder
*) Verhöhnung der feindlichen Uniform.
*) Das Wort Whig soll mit whey (Molken) gleichbedeutend sein, und man soll
die Whigs wegen ihrer (angeblich) sauren Mienen so genannt haben.
111
ERCKMANN: PATRIOT. LIEDER SCHOTTLANDS
Variationen älterer Melodieen. Daher kommt es, dass diese unter ver-
schiedenen Namen auftreten ; das war übrigens bei den echten jakobitischen
Liedern auch der Fall und manche alte Melodie wurde dadurch vor dem
Vergessenwerden gerettet.
Die Beschreibung der Schlacht von Killiecrankie im Jahre 1689 bietet
in dieser Hinsicht eines der ältesten Beispiele. Das Gedicht, dem sogar
die Ehre einer lateinischen Übersetzung 1 ) zuteil wurde, wird zu einer
gälischen Melodie gesungen. Mit „Scots wha ha'e" war es, wie wir ge-
sehen haben, ähnlich.
Ein echt jakobitisches Erzeugnis ist das Lied : „ When the king comes
owre the water." Der Text wird Lady Keith (um 1745)*) zugeschrieben
und lautet also:
«Ich sitz' betrübt in dem kleinen Haus
An dem Spinnrad und trockne die.heissen
Tränen;
Ich denk' zurück an die alte, alte Zeit,
Und es schleicht in mein Herz ein bittres
Sehnen.
Nicht Schmeichelei, nicht Kriecherei
Dem Fremden, der voll Lug und Tücke.
Doch ich stimm 9 an ein fröhlich Lied
Am Tag, mein König kommt zurücke.
O lebt ich doch bis zu dem Tag,
Für den ich bet* auf meinen Knieen;
Ich stellt* den Rocken schnell beiseit;
Mein traurig Herz würd' fröhlich blühen.
Denn Einer, eben namenlos,
Kommt her, zu füllen eine Lücke.
Ich leg dann an mein Brautgewand
Am Tag, mein König kommt zurücke.
Ich hab' gesehn die alte Zeit;
Die Zeit des Stolzes und der Ehren.
Die Stuarts waren die Fürsten dann;
Von Whig und Tory 8 ) nichts zu hören.
Wenn auch mein Haar nun dünn und grau,
Die Hände greifen nun zur Krücke,
Was macht's, ich singe wie zuvor
Am Tag, mein König kommt zurücke.
Ein Fluch dem dummen, blöden Whig;
Dem faden, niedrigen Betrüger,
Mit schwarzem Herzen, scheelem Blick,
Dem Gotteslästrer, feigen Lügner.
Meine Eltern waren von hohem Stand,
Ohn' Falschheit, Bosheit, ohne Tücke,
Und Lady Keith werd' ich dann sein,
Am Tag, mein König kommt zurücke.
*) Grahamius notabilis coegerat Montanos
Qui clypeis et gladüs fugarunt Anglicanos,
Fogerant Vallicolae atque Puritani
Cacavere Batavi et Cameroniani.
•) Lady Keith Marischall war die Mutter des berühmten Marshai Keith, eines
bei Friedrich dem Grossen sehr wohl angeschriebenen Offiziers.
•) Whig und Tory waren ursprünglich Spitznamen. Das Wort Whig ist abge-
leitet von Whiggam-more, einer Korruption des keltischen Ugham-more (ogham, Pack-
sattel). Die aufständischen schottischen Kovenanter nannte man Packsattel -Diebe,
weil sie ihre Beute in den Packsätteln verbargen. Der Marquis von Huntly sammelte
einige dieser Rebellen, um mit ihrer Hilfe gewisse Regierungsbeschlüsse zu er-
zwingen. In den letzten 20 Jahren des 17. Jahrhunderts nannte man alle Gegner der
Regierung Whiggamors oder kurz Whigs. Unter Tory (irisch: tornighim, plötzlich
überfallen) verstand man zuerst eine Truppe irischer Verbannter, die in sumpfigen
Gegenden wohnten. Dann wurde er auf die Anhänger James' übertragen. Hume
^ae.
112
DIE MUSIK III. 14.
*&
Die Melodie, die jetzt als .Lady Keith's Loment" bekannt ist, lautet:
Am Tag, mein König kommt zurücke.
definiert einen Whig als einen „Liebhaber der Freiheit, doch ohne Monarchie aufzu-
geben und Anhinger der britischen Königslinie" — einen Tory als einen .Liebhaber
der Monarchie, ohne die Freiheft aufzugeben und Anhänger der Stuart-Dynastio" —
einen Jakoblten als einen .Tory ohne Achtung für die Landesverfassung, der ober ent-
weder ein eifriger Verfechter absoluter Monarchie oder wenigstem geneigt ist, unire
Freiheiten in opfern, um der von ihm bevorzugten Familie die Thronnachfolge zu
verschaffen".
Sefaluas folgt
Was ist du Leben ohne Musik*—
ein trauriges NlcbM?
SOhle, Der heilige Gral.
i hat anter den deutseben Dichtern nicht viele gegeben, denen
Ausübung oder Cenuss der Musik zur vollen Befriedigung ihres
geistigen Strebens notwendig, denen Musik ein Lebensbedürfnis
gewesen wäre. Von den beiden grössten unter ihnen ist zu sagen,
dass sie ein Innerliches Verhältnis zur Musik wohl nicht hatten. Und jene
grosse literarische Bewegung, die den von ihnen gegebenen mächtigen Anstoss
fortpflanzend weiterbildete, die Romantik, zählt unter ihren Anhingern wenige,
die der Musik Verständnis oder gar Begeisterung entgegenbrachten. Nur der
früh verstorbene Wacken roder, Tiecksjugendfreund, hat ein intimes Verhältnis
zur Musik, wie seine schönen, erfreulicherweise wieder neu gedruckten
.Herzensergiessungen eines kunstliebenden Klosterbruders" beweisen. Dann
ist einer namentlich zu nennen, der Musiker und Dichter in gleichem
Masse war, der geniale E. T. A. Hoffmann. .Musiker", nicht nach dem
gemessen, was er komponiert, sondern nach dem, was er von Musik ver-
standen hat, nicht als Schaffender, sondern als feinfühlend Nachschauender.
In dieser Gabe liebevoller Einfühlung, hingebender Ausdeutung der Meister-
werke Glucks, Beethovens ist er nicht erreicht worden.
Es scheint, dass unter zeitgenössischen Schriftstellern diese Begabung
und Kunst wieder auflebe, und es scheint, als sei Wagner der Zauberer,
dessen nervenstachelndes Werk die Gabe wieder erweckt hat. Aus dem
Grenzgebiet der Musikdeutung könnte bald eine nene literarische Provinz
werden. Denn über ein leidenschaftliches, doch wesentlich passives Wohl-
gefallen an der Musik hinaus treibt einzelne jetzt die Erkenntnis, dass ein
Stück des eigenen Wesens in den Tönen beschlossen liege, dass nur ein
Leben in ihnen Sättigung bringen könne, treibt sie als Diener des
Worts, mit den Mitteln der Sprache die offenbarenden Wirkungen der Musik
darzustellen. Das ist etwas anderes, denn gelegentliches Wohlgefallen
an einzelnen Erzeugnissen der Musik, die als Reflexe gewisser oft gehabter
Stimmungen, als treffender Ausdruck augenblicklicher Erregungen geliebt
111. 14. 8
114
DIB MUSIK IIL 14.
werden: so mag Liliencrons Stellung zur Musik sein, wie alles an und'
von diesem Manne kräftig persönlich. Wir meinen aber ein tiefer ruhendes
Bedürfnis, einen umfassenderen Versuch seiner Befriedigung beobachtet
zu haben. Im Innersten erschüttert durch Wagners faszinierende Musik
ist ihr musikalisch-künstlerischer Organismus durch die heftige .Heizung an
einer Stelle überhaupt empfindlich geworden; nun suchten sie das Neu-
empfundene im Wortkunstwerk den Sinnen der Allgemeinheit zugänglich
zu macheji.
Thomas Mann und Karl Sohle, die wir auf diesem Wege wandeln
sehen, sind i;i ajlem sehr verschiedene, ja entgegengesetzte Menschen und
Dichter. Die beiden in nichts anderm zu vergleichenden veranlasst und
berechtigt ebenso nur das eine zusammen zu nennen, dass beide musikalisch
reizbare und erregte Naturen sind. Doch auch an diesem Berührungspunkt
zeigt sich die verschiedene Art. Sohle 1 ) ist mehr der Mann volkstümlich-
sinniger, ja kirchlich-inniger Vertiefung; Mann der Sensible, ekstatischen
Regungen stärker zugetan. Jenen erquicken neben Bach, dem Helden seines
anmutigsteil und gelungensten Werkes, 2 ) die »Meistersinger*, ergreift der
„Parsifal", diesen berauscht der .Tristan . Den bescheidnen, aufrichtig-
herzlichen Schilderer 8 ) der Lüneburger Heide, der Kleinstädte Strulleborn
und Hankensbüttel befreiten gütige Hände einst vom schulmeisterlichen
Joche, dessen Spuren doch nicht ganz mehr zu tilgen waren: seine derberen
Farbentöne sind oft mit einer belehrenden Absichtlichkeit, fast aufdringlich
hingesetzt, für ein Publikum mit robusten Nerven. Halbtöne und ge-
dämpftes Licht zieht Mann vor, die Unendlichkeit der Nuancen lockt den
Lübecker Patriziersprössling, den Erben überfeinerter Generationen.' Bei
weitem kein Zärtling, dieser monumentale Darsteller des „Verfalls eine*
Familie V) doch für die starken und gegensätzlichen Farben des rücksichts-
los abstufenden Lebens empfindlich genug, um ihre wahrhaften und sichern
Andeutungen mit den kostbaren Schleiern edler Reflexion bedecken zu können.
Seine Liebe gehört den unbekümmert und leicht das Leben geniessenden
Blonden und Blauäugigen, wenn er selbst gleich, der blasse Hellseher der
Gefühle, der Lust am Wort und an der Form sich ergeben hat, jener Macht,
die ihm mit Tonio Kroger „als die erhabenste auf Erden erscheint, zu
dereft Dienst er sich berufen fühlt, der Macht des Geistes und des Wortes,
die lächelnd über dem unbewussten und stummen Leben thront*. 5 )
irr- — ~ .
*) „Die Musik* brachte in ihrem ersten Jahrgang Heft 8 (S. 655) ein musi-
kalisches Kulturbild von Karl Sohle: Der grosse Prizedenz-Streit.
*) Sebastian Bach In Arnstadt. Berlin, B. Behrs Verlag.
*) 2wei Binde „Musikantengeschichten"; deren erster nunmehr und Verdienter-
massen schon in zweiter Auflage. Im gleichen Verlage. -
4 ) Die Buddenbrooks. Berlin, S. Fischer.
*) Siehe den 1003 bei Fischer erschienenen Novellenband „Tristan".
115
PISSIN: DICHTER ALS DEUTER DER MUSIK
Beide sind ausgezeichnete Beobachter, wenn auch der Epiker an
Reichtum und Vertiefung seines Weltbildes nach seinem Wesen wie nach
seinem Schicksal dem Genremaler fiberlegen ist. Aber beide verarbeiten
das Gesehene und Erlebte ihren Naturen entsprechend grundverschieden.
Der mehr naive Sohle labt sich* manchmal mit gutmütigem Spott und
Ironie, an der beschaulichen Mannigfaltigkeit kleinstädtischer Typen, am
Leben und Treiben friedlicher Sonderexistenzen. Der mehr reflektorische,
erkenntnisgierige Mann, hungernd nach dem Wissen über den Zusammen-
hang der Dinge sucht sie so viel er kann, zu erfassen, um sie dann, vor
sich hingestellt, mit scharfen Fragen anzugehen. Er wünschte wohl, dass
sie dem leicht zu rührenden Herzen ferner blieben, um der notwendigen
Klarheit des Erkertnens willen. Nicht immer wollen sie sich fugen.
In analoger Weise verschieden verhalten sich die beiden gegenüber
der Musik, sobald sie sich von ihr ergriffen und den Trieb in sich fühlen,
von dieser ergreifenden Wirkung Zeugnis abzulegen* Während der eine
ohne Rückhalt dem Strom der Gefühle überlassen in den Gestaltungen
seiner erregten Einbildungskraft schwelgt, betrachtet, prüft der andere
zunächst die Vorgänge, die in jener Musik als einem organischen Gebilde
sich abspielen, von ihnen dann, Symbolen gleichsam stürmender oder
beruhigter Leidenschaft, der Sehnsucht, der Begeisterung, wird er hin*
gerissen. Mann bewahrt auch hier, auch in der Ekstase innigen Genusses»
den Standpunkt des Objektiven. Sohle folgt mit Inbrunst dem himmel-
wärts gerichteten Flug seiner Phantasie, der die Musik nur die Schwingen
löste. Das grosse Problem des Gegensatzes der reflektierenden und der
naiven Welterfassung wird hier lebendig, zusammengedrängt in die Auf»
gäbe, Wirkungen der Musik zu beschreiben.
Wenn Sohle den ersten Satz der »Eroica* hört, »regt seine Phantasie,
wie ein Aar, ihre Schwingen, ins Unendliche und: Ungemessene zu streben 41 *
In einer Bachschen Orgel fuge vernimmt er nach Sturm und Wettergraus
sanfte, einschmeichelnde Klänge, und vor seiner entzuckten Phantasie
stehen Frühlingsbilder. Nun malt er sie sich aus, in reichen begeisterten
Farben. „Das Christkindlein auf Maria Schoss, von Himmelslicht., um-
flossen, lächelt holdselig ihn an, winkt und nickt ihm. freundlichen Gruse
aus den friedevollen Harmonieen" der F-dur Pastorale Bachs. Den grossen
Triller am Schluss der gewaltigen C-dur Fuge sieht er über die Akkorde
langhin sich dehnen, »als gelte es zu überspannen den Himmel von einem
Ende bis zum andern". Oder eine Stelle der »Eroica* gibt ihm die
Vision »glutvollen Nordlichtscheins purpurner Gottesmajestät*. Und nun
strömt seine trunkene Einbildungskraft über von Bildern: „Flammende
Wolken, zuckende Strahlen, gewaltiges Brausen, Krachen, Bersten, tausend
Regenbogen, inmitten sich kreuzend, ein herrlicher Kuppeldom . * ." Die
8*
116
DIB MUSIK III. 14.
»glitzernden Geigenharpeggien* in der Einleitung des »Parsifal* erzeugen
seiner heilig ergriffenen Seele den Eindruck »seraphischen Flimmerns*.
Wenn er das Grals-Motiv vernimmt, so erscheint es ihm, mild verklärt,
wie »getaucht in Strahlen urewigen Lichtes*.
Mann krystallisiert sich die Musik als ein Ereignis, ein Gestaltungs-
Vorgang, dessen Bewegung er beobachtet. Er möchte die inneren treibenden
Kräfte erforschen; dem Krystall, der sich vor seinen schauenden Sinnen
bildet, ins Herz blicken. Dann jauchzt und erschauert er mitfühlend mit
den Schlägen des befreundeten Herzens. Ihm stellt sich ein kleines Thema,
das aus einer einzigen Auflösung besteht, dar als ein »sehnsüchtiges und
schmerzliches Hinsinken von einer Tonart in die andere". Er erlebt mit,
wie heftige Synkopen »von hastigen Triolen ratlos zusammengedrängt*
werden. »Ungeheurer Aufruhr, wild erregte Geschäftigkeit*. Er durch-
schaut eine kecke Improvisation, dass ihr Innerstes voll verzweifelten
Übermuts ist. Er empfindet von dem »beinahe ruchlosen plötzlichen
Pianissimo* in Isoldes Liebestod, dass es »wie ein Entgleiten des Bodens
unter den Füssen und wie ein Versinken in sublime Begierde* sei. Er
sieht »die Flut der empordrängenden Kakophonieen* sich über ein Thema
herstürzen, sich zusammenballen, vorwärtswälzen, zurückweichen »und wieder
einem unaussprechlichen Ziel entgegenringen, das kommen muss*. Er durch-
kostet diese »Kämpfe der Sehnsucht* und dann die Wonne der Lösung, der
Erfüllung, der vollkommenen Befriedigung. Wenn statt eines erwarteten Ober-
ganges der Melodie von Cis- nach Fis-dur durch eine geniale, jähe Wendung
die Tonart nach F-dur umschlägt, ist ihm das »eine vollkommen verblüffende
Überrumpelung*, die er mit den Tönen vereint erlebt, »eine Enthüllung, eine
in ihrer Plötzlichkeit fast grausame Entschleierung, ein Vorhang, der zerreisst*.
Wenn er das Vorspiel zum »Tristan* hört, ist es ihm eine Offenbarung, eine
berauschende Offenbarung: »O chromatisch empordrängendes Entzücken der
metaphysischen Erkenntnis I hehres, leidloses Verlöschen, überseliges
Dämmern im Unermesslichent* —
Beider Dichter Art ist echt, beider Bemühen aufrichtig. Nur der
Schatten ihres. Wesens konnte flüchtig unsern Blicken vorüberziehen, — es
kam darauf an, sie als typische, nicht die einzigen, Vertreter einer frucht-
baren Tendenz der gegenwärtigen Dichtung zu zeichnen. Mag man auch zu-
geben, dass jeder Versuch, dem tiefsten Fühlen, das Musik im eignen Wesen
aufwühlt, durch Wortbeschreibung nahe zu kommen, sich bescheiden müsse
Surrogat zu bleiben, so liegt in solchen Bemühungen, vom Reizenden des
Dichterischen abgesehen, ein hoher Wert in Rücksicht auf das Publikum:
indem diese Andeutungen und Ahnungen die Begierde, gleicher Lust teil-
haft zu werden, wecken, regen sie an und weisen den Wog für ein
individuelles und vertieftes Verständnis grosser Tonschöpfungen.
BÜCHER
205. Hugo Riemauu: Anleitung zum Generalbasa-Spfel'en. (Illuitr. Katecbis-
men Bd. 10) 2. Aufl. Verlag: Max Hesse, Leipzig 1003.
Unter den trefflichen .Katechismen" des berühmten Verfassers Ist dieser einer
der unentbehrlichsten für alle ernsteren Interessenten der Musiktheorie. Ea Ist ein
untrügliches und recht traurige* Zeichen der Verflachung in räch min niachen wie In
dilcttlerenden Kreisen, wenn ein Werkchen von ao eminenter Nützlichkeit dabei knapp
geballen und wohlfeil, zwölf Jahre brauchte, bis die 3000 Exemplare der ersten Auflage
verkauft waren. Dabei gehen viel teurere Monstra, In denen der Schüler unter un-
endlichem Schwulst kaum je einen wahren, d. h. für die Praxis brauchbaren Satz findet,
immer noch flott ab. Tic lange muss ein grosser Mann in Deutschland tot sein, um
auch nur einiger maasen zur verdienten Würdigung und Wirkung zu kommenl In seinen
Katechismen vermeldet Riemann mit vielem Takte nach Möglichkeit alles, was aus-
schliesslicher seinem Privatsystem angehört; in diesem hier schöpft er ganz besonders
aus der enormen Fülle seiner musiktheoretischen Intelligenz und Erfahrung, ea wiegt
eine ungern eaaene Anzahl von Durch ach nlttserzeugniaaen auf diesem Gebiete auf.
Gerade in seiner Heimat Leipzig, wo an leitender Stelle der Generalbaas etwas recht
Unbeliebtes ist, dürfte das Büchlein vielleicht Anregungen für die Detailaus füh rang
allklaasiecher Instrumental werke geben. Max Stelnitzer.
206. Walter Pauli: Johann Friedrich Relchardt, sein Leben und seine Stellung
in der Geschichte des deutschen Liedes. Verlag: E. Eber! log, Berlin.
Daa Buch lat efne streng wissenschaftlich gehaltene Untersuchung über das
Leben und Schaffen des alten Lledermefaters. Es stellt die erste zuverlässige und
ausführliche Biographie desselben dar. Relchardt erscheint nach der Arbelt des Ver-
fassers In vielfach neuer und vorteilhafterer Beleuchtung. Es werden die Vorzüge
dieses eigenartigen, vielaeitigen Mannes treffend hervorgehoben, ohne dasa daraua
eitle Lobrednerelen entstehen. Paulis Urteil acheint fiberall durch emsiges Quellen-
Studium belegt und begründet. Den grösseren Teil dea Bnchea nimmt daa Biographische
in Anspruch. Wir erfahren hier auch mancherlei Interessantes über dea Musikleben
Berlins. Der kürzere musikalische Teil bringt eine gedrängte Charakteristik von Rel-
chardts Liedern und sucht aeln Verhältnis zu seinen Zeitgenossen und Nachfolgern
zu präzisieren. Atlea in allem eine für die Musikforschung recht verdienstliche Arbeit
Dr. G. Münzer.
207. Frau Doktor Krause: Rhythmische Übungen unter Anwendung der ver-
körperten Noten ala Anschauungsmittel für den Geaang- und Klavierunter-
richt. Verlag: Breitkopf & Harte], Leipzig 1903.
Die Verfasserin steht auf dem durchaus gerechtfertigten Standpunkt, den An-
schauungs-Unterricht such in den Musik-Elementar- Unterricht hineinzutragen. Das
Arbeiten der Anfänger, — aoweit es Kinder sind — mit Notenzeichen typen aus Blech
oder Karton, die im Anachluee an den Unterricht vom Schüler selbst an einer
eigens dazu hergerichteten Tafel In einem [Liniensystem von grossen Dimensionen
118
DIB MUSIK 111. 14.
befestigt werden, scheint deshalb ein recht glücklicher Gedanke zu sein. Ob jedoch
dies? verkörperten Typen die Hsnd des kundigen Lehrers zu ersetzen vermögen, der,
wie ich glaube, ebenso anschaulich das richtige und daneben such das Falsche and
zwar, was mir wichtig erscheint: beides im Entstehen vorführen kann, möchte Ich be-
zweifeln. Ausserdem halte ich es für das Richtigste, das Kind möglichst früh daran
zu gewöhnen, sein Anschauungsmaterial durch eigenhlndiges Nachzeichnen der Ent-
stehung der Zeichen sich selbst zu schaffen. Immerhin können die verkörperten Noten
ein gutes Hilfsmittel abgeben. Beachtenswerter erscheint mir der Versuch der Ver-
fasserin, in systematisch korrekt durchgeführter Art und Weise das rhythmische Gefühl
zu wecken bezw. zu schulen. Das planmlssige Fortschreiten vom Einfachen zum Kom-
plizierten, die Wahl gerade des Liedes als Unterrichtsstoff und die Behutsamkeit, mit
der die Verfasserin in ihrem Material fortschreitet, dürfte bei vielen, zumal schwach
begabten Schülern, gute Erfolge erzielen. A. Pochhammer.
MUSIKALIEN
206. J. Philipp: Le Trllle. Ezercices, ötudes et exemples. Verleg: Alphonse Leduc,
Paris.
Die Frage der Trillerausbildung erledigt sich füglich von selbst. Der Triller
ist eine so einfache und natürliche Sache und bei richtiger Einstellung des Motoriums,
entsprechender Rundform der Hand und Gewichtsfall der notwendigen Masse durch eine
leichte Schüttelbewegung so tadellos sauber und gleichmftssig, in jeder Geschwindigkeit
und jedem Stlrkegrade derart leicht auszuführen, dass ein Oben und Spezialsrudiuni fast
überflüssig erscheint. Aber J. Philipp hat doch ein Gutes, das dieses Werk suszeichnet.
Er gibt kein totes Obungsmaterial, sondern in aussergewöhnlich geschickter Weise eine
progressive Zusammenstellung von Musterbeispielen aus den Kunstwerken selbst und
damit eine Obersicht über die hauptsächlichsten Trillerfortnen von Czerny und Clement!,
über Beethoven, Chopin, Schumann und Liszt bis hinauf zu Alkan, Rubinstein, Grieg,
Marie Jaell, Leschetizky, Ssint-Saöns, Tschaikowsky, Duvernoy, Martucci u. s. m. Das
Hsst sich hören; denn es spricht den Geist an und hat historischen Formen- und
Kunstwert! Rud. M. Breithaupt
2Ö9. Leo Blech: Sechs Stücke sus den Kleinigkeiten, op. 11. Für Pianoflbrte
"< zweibändig. Verlag: Süddeutscher Musikverlag, Strassburg i. E.
Diese wenig interessierenden Musikstückchen noch besonders zweiblndig heraus-
zugeben, lag m. E. kein zwingender Grund vor, zum mindesten hätten sie dann etwas
klangvoller gesetzt werden müssen.
~ 210. Henry PaM: Zehn leichte Stücke für Pianoforte. op. 22. Verlag: Süddeutscher
Musikverlag, Strassburg i. E.
Warum derartige minderwertige, noch unter dem Durchschnitt stehenden
Klavierstücke der Öffentlichkeit übergeben werden, lisst sich schwer entscheiden, da
doch dadurch weder für Kunst- noch Geschlftszwecke ein Vorteil entstehen kann. Mit
Ausnahme von zwei Nummern (Gavotte ä la Reine und Berceuse) ist selbst der Klavier-
setz ungeschickt behandelt
211. Ludwig Schytte: Scenes de Pantomimes pour Piano a deux mains. op. 128.
Verlag: Julius Hainauer, Breslau.
Vor ungefähr einem Jahrzehnt setzte man auf den jungen dinischen Komponisten
Ludwig Schytte grosse Hoffnungen, zumsl nachdem Moritz Rosenthal sein brillantes
Klavierkonzert in cis-moll überall mit grösstem Erfolg vorgetragen hatte. Leider ging
nichts davon in Erfüllung und gehört Schytte zu denen, die. am Wege liegen geblieben
HO
BESPRECHUNGEN (MUSIKALIEN)
•lud» Welche Gründe ihn in den Sumpf der Vielschreiberei getrieben haben» entlieh*
sich neiner Beurteilung, es lisst sich aber, und das ist die Hauptsache, mit Leichtigkeit
feststellen, dass das op. 128 wie die meisten seiner letzten Kompositionen das Niveau
der wenig vornehmen Unterhaltungsmusik in keiner Weise überschreitet.
212. Edouard Schutt: Deux Intermedes pour Piano, op. 60, Verlag: N. Slmrock,
Berlin.
Schutt ist als vornehmer und geistreicher Klavierkomponist bekannt; «ein. op. 09,
aus einem Walzer und einer Humoreske zusammengesetzt, schliesst sich- seinen früheren
Veröffentlichungen würdig an. Karl Kämpf.
213. Robert Fachs: Quartett No. 3 für 2 Violinen, Viola und Vlolonceü. op. 71.
Verlag: Adolf Robitschek, Wien und Leipzig.
Wieder ein Beweis der Feinsinntgkeit des bekannten Komponisten, der, was ihm
an Kraft und Leidenschaft fehlt, durch Lieblichkeit und Innigkeit seiner Themen und
susgezeichnete Arbeit ausgleicht Ein überaus glücklicher Gedanke ist gleich das Haupt-
thema des ersten Satzes. Recht originell ist das pikante Scherzo, voller Anmut der
langaame Satz, sehr lustig und famos zu spielen das Finale.
214. H. Gotlieb-Noren: Suite e-moll für Violine und Klavier., op. 16. Verlag:
Eisoldt & Rohkrlmer, Berlin.
Gelegentlich der ersten Vorführung dieser Suite aus dem Manuskript habe ich
schon (Die Musik Bd. 7, 155) auf dieses wertvolle Werk aufmerksam gemacht. Jetzt, wo
ich es in Ruhe durchgenommen und selbst gespielt habe, finde ich mein früheres Urteil
durchaus bestätigt Freilich steckt viel schäumender Most darin, aber sicherlich ist es
eine starke Talentprobe eines reichbegabten Komponisten. Viel Eigenartiges entfallt das
Präludium, sehr melodiös ist der Mittelsatz des Scherzo. Von Dvorak könnte das
Finale, ein slawischer Tanz, recht gut herrühren. W. A.
215. Max Reger: Zwölf Madrigale für Minnerchor bearbeitet — Sechs Madrigale
für gemischten Chor bearbeitet Verlag: Gebrüder Hu^ & Co.> Leipzig
und Zürich.
Max Reger, als Komponist von den einen zum Himmel erhoben, von. den andern
zur Hölle verdammt, tritt uns heute nur als Bearbeiter entgegen. Ein Dutzend
Madrigale alter Meister für Minnerchor, ein halbes Dutzend — z. T. dieselben —
für gemischten Chor — zumeist schon von Wüllner, Widmann, Renner usw. auch be-
arbeitet, aind von Max Reger einzeln herausgegeben, mit den notwendigen Takt-, Tempo-
und Vortragszeichen versehen und in die geeigneten Tonarten geschrieben worden^- Ge-
mischte Chorvereine, besonders Soloquartette, pflegen dieses herrliche Genre bereits in
zunehmendem Masse; wenn unsre Minnerchöre an den Hegarschen Bajazzosprüngen
und Brambachschen Langweiligkeiten aich endlich einmal aatt gesungen haben werden,
wenn sie durch feinfühlende Musiker — nicht unmusikalische Feldwebel — in sorgsanier
Pflege wesentlich höher erzogen sein werden, und dann musikalisch überhaupt ernst zu
nehmen sind — , dann wollen sie an diese herrlichen Schltze früherer Zeiten gehen and
— tief bereuen ihr fxüheres Tun und Treiben.
218. S. de Lange: Eines Königs Trinen. Kantate für Sopransolo, Chor und
Orchester, op. 86. Verlag: Breitkopf & Hlrtel, Leipzig.
»Eines Königs Trinen' ist für gemischte Chorvereine, die das grosse Oratorium
noch nicht pflegen können, eine bemerkenswerte Novitlt Dem solistischen Teile,
Sopran, den breitesten Raum gebend, in seiner einfach fliessenden Melodik manchmal
an Mendelssohn erinnernd, ist das Werk in knapper Form recht wirksam aufgebaut, für
den Chor nicht schwer, in Ermangelung des Orchesters mit Klavier ganz gut aufführbar.
120
DIE MUSIK III. 14.
Hier werden, was bei neuen Werken selten, Ausführende und Zuhörende ihre Freude
haben. Dsss der Text ein biblischer ist, sei noch erwähnt. Fritz Basel t.
217. W. Herrinann: Vier Lieder, op. 60. — „Unter blühenden Linden." op. 61.
Verlag: Elsolt & Rohkrlmer, Berlin.
Es scheint vielfach die Ansicht verbreitet zu sein, dass zum Liederkomponieren
ein gewisses technisches Können genfigt Wer sich die Lieder von W. Herrmann (nicht
mit Hans Hermann zu verwechseln) durchsieht, wird trotz aller Melodik wenig Erfindung
bemerken. A. Ritters Gedicht »Unter blühenden Linden" ist schon viel ansprechender
komponiert worden.
21& Tor Aulin: Vier serbische Volkslieder. Verlag: Süddeutscher Musik-
verlag, Strassburg i. E
Tor Aulin hat als Geiger nicht nur in seinem Heimatlande Schweden einen guten
Namen, sein Ruhm als Komponist dürfte aber wohl noch nicht weiter gedrungen sein —
Die vier Lieder — nach Texten von J. L. Runeberg — sind erklärlicherweise im
nordischen Charakter gehalten, was umsomehr zu verstehen ist, als es eine spezifisch
serbische Musik ja nicht gibt Was den Wert der Lieder anbetrifft, so kann man ihnen
eigenartige Melodik und reizvolle Harmonik nachrühmen.
219. Walther Miekley: Fünf Lieder, op. 1. Verlag: Eisolt & Rohkrlmer, Berlin.
Als Erstlingswerk kein übler Anfang. Die Lieder sind grösstenteils sang- und
dankbar; „Dörpertanzweise* und »Das Glück* dürften wohl am meisten Anerkennung
finden. Die Vertonung des sentimentalen Poems vom Grafen Stracbwitz bezeugt gerade
keine glückliche Auswahl in Liedertexten.
220. Paul Frommer: Lieder, op. 48 und 40. Verlag: Max Staegemann Jan., Berlin.
Das so unrühmlich verstorbene Oberbrettl hätte an Paul Frommer einen tüchtigen
Mitarbeiter haben können; für die leichte Muse ist unbestreitbar Veranlagung vorhanden.
Der Komponist wird aber hoffentlich keinen Anspruch darauf erheben, dass man die
zwei Lieder ernsten Inhalts auch ernst nimmt Richard Kurscb.
221. Ernst Flflgel: Fünfzehn Choralvorspiele für Orgel, op. 50. Verlag:
F. E. C. Leuckart, Leipzig.
222. Gustav Beckmann: Zehn Choralbearbeitungen als Vor- und Nachspiele
beim Gottesdienst zu gebrauchen. — Zwölf Vor- oder Nachspiele
op. 6. Verlag: G. D. Baedecker, Essen.
Für den praktischen Gebrauch im Gottesdienst zu empfehlen.
Karl Straube.
223. Friedrich Gernsheims Fünf Gedichte von Otto Julius Bierbaum, für eine
Singstimme mit Pianofbrte. op. 74. Verlag: Chr. Friedrich Vieweg,
Gr. Lichterfelde.
Wenn auch nicht gleichwertig an musikalischem Feingehalt, zeichnen sich diese
Gesinge doch durch feinsinnige Anlehnung an den dichterischen Stoff und aparten Aus-
druck an, die allerdings stets im Dienste eines vorsichtigen Konservativismus stehen.
Die Eindrücke des Heftes steigern sich konsequent : »Abend* (No. 3) ist von ausser-
ordentlicher Tiefe und Kraft der Stimmung getragen, und .Flieder" hielte ich für das
Beste der Sammlung in seiner fein abgetönten Zartheit, wenn der zweistrophige musi-
kalische Aufbau nicht der Dichtung so auffallend zuwiderliefe. Ein trotziges, sturm-
frohes „Sturmlied* mit einem leider etwas trivial ausgefallenen „Abgesang* beschliesst
den Zyklus, aus dem sich gut qualifizierte Singer sicher manche Anregung holen
werden. Hermann Teibler.
LE M&NESTREL (Paris) 1904, No. 5—7. — Die Fortsetzungen von A. Boutarel's
Abhandlung »Werther* behandeln hauptsächlich die Oper von Massenet Ausser-
dem veröffentlicht Julien Tiersot in seiner „Berlioziana* „Lettres et documents
inödits sur le requiem de Berlioz*. Gleichfalls Tiersöt hat der Artikel »Le musöe
Berlioz" zum Verfasser.
— No. 8. — Enthält die Fortsetzung der Artikel .Berlioziana* und »Le musee Berlioz*
von Julien Tiersot
ALLGEMEINE MUSIK-ZEITUNG (Charlottenburg) 1904, No. 5-7. Sehr hübsch,
knapp und voll des Interessanten, entwickelt sich die Untersuchung über «Die
Trompete und ihre Bedeutung im Volksleben* von Bruno Garlepp weiter. Nament-
lich das über die Verwendung der Trompete bei den Römern und über den
Trompeterstand während des Mittelalters Gesagte verdient das höchste Interesse;
insbesondere die Tatsache, dass der Erzengel Gabriel von den Trompetern als ihr
Schutzpatron angesehen wurde, dass ihm zur Ehren Trompeter-Festlichkeiten statt-
fanden und Kaiser Ferdinand IL sogar im Jahre 1623 eine Verordnung in bezug
auf diese „Gabrieli-Feste* erliess. Der Verfasser tritt sodann mit Wärme für die
ehrenvollere Verwendung der Trompete als Orchester-Instrument ein ; er verweist
auf die glänzenden Partieen der Trompete in Bachs H-moll Messe und im
Tedeum von Händel und bedauert den Niedergang in der Anwendung der Trompete
in späterer Zelt Freudig begrüsst er zum Schluss seines Aufsatzes die von der
Gegenwart zu erhoffende „Neuerweckung der Trompeterkunst*. — Noch seien die
«Erinnerungen an H. von Bülow* von Adele Hippius besonders hervorgehoben.
KORRESPONDENZBLATT DES EVANGEL. KIRCHENGESANGVEREINS
FÜR DEUTSCHLAND (Leipzig) 1904, No. 3.- Der Aufsatz »Das Protestantische
und Evangelische* bei Händel und Bach* von Karl Glebe findet hier seine Fort-
setzung. Der Verfasser führt aus, wie J. Seb. Bach nach Abstammung, Ober-
zeugung und Charakter dem Protestantismus angehörte, er nennt Bach »in seiner
tiefen Innerlichkeit, seinem allem äusseren Glänze abholden Wesen den grössten
musikalischen Vertreter des Protestantismus überhaupt* und sagt von ihm des
weiteren: »Sein Wesen ruhte auf dem Grunde inniger Frömmigkeit und vereinigte
mit höchster künstlerischer Genialität eine geradezu rührende anspruchslose
Schlichtheit. Seinen meisten Werken ist die Anziehungskraft äusseren Glanzes
ganz fremd, er verschmäht schmeichelnden Klangreiz und sinnlichen Zauber; seine
Schöpfungen bergen oft süssen Kern in rauher, bitterer Schale, bringen aber immer
inneren, religiösen und sittlichen Gewinn. Nur wenige Stücke nehmen unmittelbar
die Sinne gefangen; sonst ist seine Musik ernst und keusch, ja manchmal hart
und herbe wie die protestantische Religion, die in der Welt des geistigen Gedankens
und der sittlichen Oberzeugung lebt ... er trägt im Unterschied zu dem weltoffenen
Händel jene tiefsinnige Seite Luthers an sich, die wir als eine wundersame
Mischung von unaussprechlicher Wehmut und seligem Himmelsfrieden, von
heiligem Ernst und kindlicher Fröhlichkeit kennen und evangelische Innerlichkeit
nennen.*
122
DIE MUSIK III. 14.
DjER KLAVIERLEHRER (Berlin) 1904, No. 2, — Ober .Dm Studium der Musikgeschichte
für den Lehrberuf" handelt Anna Morsch und betont mit Recht (nach Feststellung
der leidigen Tatsache, dass dieser Zweig der musikalischen Ausbildung im Durch-
schnitt gegenwärtig allzusehr vernachlässigt werde), dass das Studium der Geschichte
der Musik und ihrer einzelnen Gattungen unerllsslich sei für jeden, der den Beruf
des Musiklehrers nicht im blossen technischen Drill erkenne, sondern in der
musikalischen Erziehung. Der Lehrer muss selbst ein historisch geschultes Ver-
ständnis besitzen, wenn er andern Berater und Führer sein will.
NEUE MUSIK-ZEITUNG (Stuttgart) 1904, No. 10. - Der Artikel .Musikästhetik«
von Hermann Kesser gibt eine Obersicht über die Hauptsachen der musik-
ästhetischen Denkarbeit des 10. Jahrhunderts; ausgehend von Kant, wird über
Schelllng, Hegel und Schopenhauer der Weg zu Hanslicks Auseinandersetzungen
eingeschlagen. Oskar Grohe berichtet »Aus Hugo Wolfs Leben" und erzählt
dabei von Wolfs Besuchen auf dem Lipperheideschen Schloss bei Brixlegg. Der
Beginn eines Aufsatzes .Ein Kapitel zur Freiheit des musikalischen Vortrags" von
Alfred Richter befasst sich mit der Konstruktion, dem Aufbau von Musikstücken.
Ausserdem enthält das Heft die Artikel: .Die Prager Violin-Meisterschule des
Professors Sevcik" von Rudolf Freih. Prochäzka und .Siegfried Wagners Oper
,Der Kobold 1 * von Ferdinand Pfohl.
DAS DEUTSCHE VOLKSLIED (Wien) 1004, No. 2. - Enthält ausser einem
Nekrolog .Dr. Anton Werle" von Josef Pommer die Abhandlung .Akustische
und tonpsychologische Auffassung des deutschen Volksliedes" von L. Riemann
und einen von Max Jentsch gesetzten .Lichtungsgesang der norwegischen
Matrosen", wie ihn die Flygarn-Carlen in ihrem Roman .Der Jungfernturm" mit-
teilt und wie er auch in den Achtzigerjahren des 10. Jahrhunderts von Reisenden
gehört worden ist
NEUE ZEITSCHRIFT FÜR MUSIK (Leipzig) 1004, No. 8/0. - Besonders zu
nennen sind die Artikel .Zur Biographie der Brüder Graun" von Karl Men nicke,
.Neue jungfranzösische Kleinkunst" von Walter Niemann und .Ernest Chausson"
von P. Landormy. Letzter betrauert Chausson's (1855—1800) jähen Tod als
einen schweren Schlag für das neuere französische Kunstleben; Niemann tritt für
die französische Klavier- und Gesangskunst ein, er findet sie keineswegs .ausser-
lieh, exzentrisch, melodieenarm, kohl, ohne Herz und Gemüt", sondern findet in
ihr .Charme, Esprit, entzückende Grazie und Eleganz" und lobt sie als eine be-
sonders treffliche Stimmungskunst.
MUSIKALISCHES WOCHENBLATT (Leipzig) 1004, No. 8/0. - Bringt Beiträge
.Zur Tantiemenfrage" und .Zur Aufführungsrechtfrage" von Georg Göbler, Carl
Rein ecke und andern. Unter dem Titel .Alte Gedanken in neuem Gewände" be-
handelt Paul Kürsteiner allgemeine musikalische und künstlerische Fragen; sehr
schön ist namentlich, was er über das Erbarmen ala Symptom und oberste Quelle
der Menschenwürde sagt, und womit er das Ziel von Wagners Streben bezeichnet:
.Endgültige Selbsterlösung von den uns umgebenden Fesseln der Wirklichkeit,
Erneuerung und Wiedergeburt des Menschen durch eigene, tiefere Erkenntnis."
DER KUNSTWART (Leipzig) 1004, No. 0/10. — In seiner .Offenen Frage an
Deutschlands Komponisten" nimmt Georg Göhler Stellung zu der Tantiemen-
frage. Der Schluss des Aufsatzes .Felix Draeseke" von Göhler behandelt haupt-
sächlich Dreseke's .Christus", der .reich an grossen und unvergänglichen An-
123
REVUE DER REVUEEN
regungen" ist; trotzdem stellt Gftbler mit warmen Worten die tragische Symphonie
und die fls-moll Messe am höchsten.
MONATSCHRIFT FÜR GOTTESDIENST UND KIRCHLICHE KUNST
(Göttingen) 1904, Nr. 2. — Gustav Beckmann bespricht unter dem Titel
»Johannes Brahma 9 Schwanengesang" die elf Choralvorspiele für die Orgel op. 122—
„seinen röhrenden Schwanengesang, die letzte Gabe für die Königin der In-
strumente, für unsre Orgel — die Seele Brahma' hatte beim Schreiben dieser
kleinen Tonschöpfungen schon ihr Feierkleid angelegt!"
CÄCiUENVEREINS-ORGAN (Regensburg) 1904, No. 2. — Eine interessante und
lehrreiche Darlegung über »Papst Plus X. und der allgemeine Clcilien-Verein".
LA R£VUE MUSICALE (Paris) 1904, No. 3. — Recht inhaltsreich ist die Studie
„L'faumour dans la musique" von Octave Maus.
SAMMELBÄNDE DER INTERNATIONALEN MUSIK -GESELLSCHAFT
(Leipzig) 1904, V, 2. — Eine Fülle des Inhalts! Der zweite Teil von Friedrich
Ludwigs .Studien ober die Geschichte der mehrstimmigen Musik im Mittelalter*
bringt die fünfzig Beispiele Coussemakers. aus der Handschrift von Montpellier.
«Aus schlesischen Visitationallsten 11 veröffentlicht Hermann Müller die Er-
gebnisse der 1664—1671 vom Archidiakonus Neander im Auftrag des Breslauer
Fürstbischofs Sebastian von Roatock vorgenommenen Kirchenvisitationen. Eine
biographische Skizze von Carl Mennicke behandelt „J. A. Hasse«. Sehr lehr-
reich ist der Artikel »Zum musikalischen Standpunkte des nordischen Dichter-
kreises" von Otto Fischer, der neues über Klopstocks, Gerstenbergs, Cramers,
Sturzena u. a. Stellung zur Tonkunst bringt; besonders ist von Interesse daa
Konzept eines Briefes von Gerstenberg an Philipp Emanuel Bach mit dem Vor-
schlag von Klavierstöcken zur Illustration biblischer Spröche, aus dem hervorgeht,
dass Gerstenberg im Gegensatze etwa zu Klopstock die Bedeutung und die grosse
Zukunft der reinen Instrumentalmusik in ihrer ganzen Tragweite zu ermessen im-
stande war. Umfang- und inhaltsreich ist die Abhandlung von Ernst Rych-
nowsky »Ludwig Spohr und Friedrich Rochlitz"; aus ungedruckten Briefen werden
die Beziehungen des Komponisten zu dem gefühlvollen und warm anteilnehmenden
Schriftsteller klar, den er im Spätherbst 1804 in Leipzig bei der Probe eines
Spohrschen Konzertes kennen lernte und der ihm dann Zeit seines Lebens ein
verllsslicher Freund geblieben ist. Namentlich die Unterhandlungen über die Texte
zu den Oratorien »Das Ende des Gerechten" und »Der Fall Babylons" sind be-
sonders interessant. Noch berichten O. G. Sonneck ober „Nordamerikanieche
Musikbibliotheken" (Winke für Studienreisende) und Charles Maclean über „Berlioz
in England".
RIVISTA MUSICALE ITALIANA (Turin) 1904, XI, fasc. 1. - Die Fortsetzung
der Arbeit „Lee titres illustres et l'image au Service de la musique" von J. Grand-
'* Carteret behandelt die Entwicklung der Lithographie von 1830-1850. Angelo
Solerti veröffentlicht „Un balletto musicato da Claudio Monteverde sconosciuto
a auoi blografl", den Text des 1641 von Monteverde komponierten Ballets „Vittoria
d'amore". Es folgen Arbeiten über „La musica in Shakespeare" von H. J. Conrat,
„L'invenzione del Violino" von A. Unters feiner, „Brigida Banti" (die „regina
del teatro lirico nel secolo 18") von C. Lozzi, „L'emotion musicale et les idees
associees" von J. M. Lahy und „Musica e religione" von V. Tommasini.
MUSICA SACRA (Regensburg) 1904, No. 2. — F. X. Haberl spricht hier über
»Papst Plua X. und die Kirchenmusik".
NEUE OPERN
Ruggfero Leoncavallo , Der Roland von Berlin,« die auf besonderen Wunsch
Kaiser Wilhelms geschriebene Oper soll im Oktober d. J. ihre Uraufführung
an der Berliner Hofoper erleben.
AUS DEM OPERNREPERTOIRE
Gotha: Die erste Aufführung von Friedrich Scbuchhardts romantischer Oper
»Die Bergmannsbraut* hat mit ausgesprochenem Erfolg stattgefunden.
Helsingfors: Am 2. Mlrz wurde zum erstenmal „Tannhluser" mit ausser-
ordentlichem Erfolg gegeben. Mitwirkende: Annas Jlrnefelt (Dirigent), Maikki
Jirnefelt (Elisabeth), Emil Gerhluser (Titelrolle). Die Billets zu fünf weiteren
Tannhluser- Vorstellungen waren nach der ersten Aufführung sofort vergriffen.
Uns au D.: Am 17. Mlrz hat am landschaftlichen Theater die Uraufführung von
Dr. Waldsteins Oper „Tonietta" unter grossem Beifall stattgefunden.
Koblenz: „Dunja," eine russische Dorfgeschichte in zwei Bildern nach einer
Gogolschen Idee, Musik von Iwan Knorr, lind bei seiner ersten Aufführung
eine freundliche Aufnahme.
Weimar: Das Hoftheater beabsichtigt wahrscheinlich im Anschluss an die dies-
jährige in den letzten Tagen dea Mai in Frankfurt a. M. stattfindende
Tonkünstlenrersammlung des Allgemeinen Deutschen Musikvereins ein
Cornelius fest zu veranstalten. Es wird die beiden Opern des Dichter-
komponisten, seinen »Barbier von Bagdad* und seinen «Cid* auf-
führen und diesen Aufführungen die Originalstimmen und die Original-
partituren beider Werke zugrunde legen, die Franz Liszt und Karl Stör
benutzten, als am 15. Dezember 1858 bezw. am 21. Mal 1865 die Opern in
Weimar zum überhaupt ersten Male in Szene gingen. Beide Partituren
waren seit dieser Zeit für die Öffentlichkeit unzugänglich. Inzwischen sind
auf deutschen Bühnen Überarbeitungen der beiden Opern aufgeführt worden,
die nach dem Tode des Komponisten entstanden. Das Hoftheater wird die
erste Bühne sein, die im vollen Umfang auf die Originalform dieser be-
deutenden Werke zurückgreift.
KONZERTE
Cannstatt: In der 130. Aufführung des Schubert-Vereins (Dirigent Hugo Rück-
beil) wurde neben andern Werken Schuberts seine Messe Es-dur No. 5 erfolg-
reich zur Aufführung gebracht. Mitwirkende: Emma Rückbeil-Hiller, Anna
Stütz, die Herren H. Sauter, Carl Sattler und Fuchs, sowie die Kapelle" des
Inf.-Reg. No. 125.
Cleve: Der stldtische Singverein fühlte am Passionssonntage unter Leitung
seines Dirigenten H. Briefs und unter Mitwirkung des stldtischen Orchesters
aus Crefold und der Solisten Martha Beines (Sopran), Clemens Kaufung
(Tenor) und Anton Singer (Bariton) Edgar Tinels .Franziskus 11 auf. Die
Aufführung verdient Anerkennung.
125
UMSCHAU
Danzig: Unter geachteter Mitarbeiter Herr Dr. Carl Fuchs feierte das 25jlhrige
Jubilium seiner Danzifer Wirksamkeit ala Pianist, Organist, Lehrer und
Kritiker mit einem Konzert, das folgendea Programm enthielt: Brahma
(Akademische Festouvertüre), C. M. von Weber (Aufforderung zum Tanz;
für Pianoforte und Orchester arrangiert von Peter Gast), Liszt (Phantasie
über Ungarische Volkamelodieen für Klavier und Orchester), Wagner (Meister-
singer-Vorspiel), Schubert (Gesang der Geister über den Wassern), Carl Fuchs
(Sieben Lieder), Beethoven (Phantasie op. 80> Als Solisten wirkten neben
dem Jubilar, der in den Stücken Webers, Liszts und Beethovens den Klavier-
part spielte, die Damen Gertrud Godier, Lisa Nagel und Gertrud Wirthschaft,
sowie die Herren Haue Tinzler und Curt Grützner mit
Flensburg: Ea ist die erfreuliche Tatsache zu konatatieren, dass das Interesse
an guter Muaik auch in unaerer abgelegenen Gegend zu erwachen beginnt,
von der die aich einer immer regeren Teilnahme dea Publikums erfreuenden,
von Organiat IL Magnus ins Leben gerufenen Kammermusik- und
populären Kirchenkonzerte Zeugnis ablegen. Das Programm dea
Kammermuaikabends (Mitwirkende Frl. Kroymann und die Herren Krües,
Kruse und Magnua) bestand aua den Trios c-moll op. 1 No. 3 von Beethoven
und F-dur op. 42 von Gade, ferner aus Liedern von Schubert, Schumann,
Brahma und Wolf. Im sechsten populären Kirchenkonzert (Mitwirkende:
die Herren Magnus (Orgel), Gasamann (Klarinette) und Koch (Hörn) wurden
Werke von Bach, Mozart, Spohr, Rheinberger und A. Krug aufgeführt.
Frankenhauaen a. Kyffh.: Am 28. und 20. Mai findet die Jahrhundertfeier
der Gründung deutscher Musik feste durch den damaligen Kantor in
Frankenhausen, Georg Friedrich Bisch off (1788—1841) statt. Das mehr-
fach als erstes deutsches Musikfest erwähnte, in Frankenhauaen unter
Spohra Leitung und solistischer Mitwirkung gefeiert, fand 1810 statt Ihm
ging aber das von 1804 voran, bei dem unter Bischoffs Leitung Haydn's
•Schöpfung« und HindePs „Hallelnja« aufgeführt wurden, die jetzt im
Programm ala Jubiliumanummern figurieren werden. Namhafte Soliaten
aus Berlin, Leipzig, Sondershausen usw. werden mitwirken,
Kopenhagen: Das nlchate Konzert dea Dlnischen Konzertvereina bringt ein
neuea Violinkonzert von P. E. Lange-Müller, einem der bedeutendsten
dänischen Komponisten. Der Solist ist Axel Gsde, Sohn von Niels W. Gade.
Leipzig: Der Riedel-Verein feiert im Mai sein 50jihriges Jubilium. Für
die Feier iat folgendes Programm festgesetzt: Sonntag, den 8. Mai vormittags
Festakt im grossen Festsaal des Zentraltheaters. Abends a cappella Konzert
in der Thomaakirche (u. a. Werke von Haaaler, Schulz, Bach, Brahma,
Draeseke). Montag, den 9. Mai, »Christus« von Franz Llazt Orcheater:
Theater- und Gewandhausorchester.
MQlheitn a, Ruhr: Der Mülheimer Geaangverein brachte als drittes
Abonnementskonzert Bache „Matthiue-Psssion" mit den Solisten Dr. F. Kraua
und Frau, Frl. Hubert, den Herren Litzinger und Bachern. Daa Werk erführ
unter der umsichtigen Leitung Musikdirektor Diehl's eine würdige Wieder-
gabe. Die Aufführung wurde am andern Tage in der gleichen Weise als
Volkskonzert unter ungeheurem Andrang dea Publikuma wiederholt,
wieder mit dem gleichen künstlerischen Erfolg.
126
DIE MUSIK III. 14.
TAGESCHRONIK
Das Skizzenbuch Beethovens mit Entwürfen zum Es-dar Konzert op. 73,
Über das Julius Levin im dritten Beethoven-Heft berichtet, ist offenbar dasjenige
aus der frühem Sammlung Carl Meinen in Dessau, das schon von Gustav Notte-
bohm (Zweite Beethoveniana p. 255 ff.) durchforscht wurde. Aus den von dem hoch-
verdienten Beethoven-Textforscher gewonnenen Aufschlüssen ergibt sich auch, dass
die von L. zu op. 73 in Beziehung gebrachte Skizze einer „marcia" in Wirklichkeit
nichts mit dem Klavierkonzert zu schaffen hatte, sondern dass es sich um erste
Aufzeichnungen für den Militärmarsch in F-dur handelt, den Beethoven 1809 für
die böhmische Landwehr oder für Erzherzog Anton schreiben wollte und der in
Norddeutschland als »Geschwindmarsch 41 bekannt geworden ist. (Vgl. Nottebohm,
Thematisches Verzeichnis der im Drucke erschienenen Werke von L._ van Bee-
thoven, p. 140.) Dn Heinrich Welti.
Ferdinand Loewe hat infolge der ihn mehr und mehr in Anspruch nehmen-
den Tätigkeit als Dirigent des Wiener Konzertvereins die Leitung der .Konzerte der
„Gesellschaft der Musikfreunde 41 in Wien niedergelegt.
Prof» Cornelius Rübner, Direktor des Philharmonischen Vereins in Karls
juhe, hat eine ihm angetragene Professur an der Columbia-Universität in New-York
angenommen.
Alexander Sebald vom Leipziger Gewandhausquartett wurde zum ersten
Konzertmeister des Mfinchener Kaimorchesters gewählt.
Hofkapellmeister Albert Gorter in Karlsruhe wurde an Stelle des von
Strassburg scheidenden ersten Kapellmeisters Otto Lohse zum Kapellmeister des
Strassburger Stadttheaters gewählt.
Dr. Ludwig WG1 In er ist für die nächste Saison, wie gemeldet wird, an das
Neue Theater in Berlin verpflichtet worden. Die Monate Januar und Februar hat
er sich für seine auswärtigen Konzerte vorbehalten.
Direktor Angelo Neumann in Prag wurde vom Kitaig von Sachsen das
Ritterkreuz erster Klasse des Albrechtsordens verliehen.
Emil Sauer erhielt vom König von Spanien den Orden Alphons' XII.
In die bayrische Adelsmatrikel wurde mit erblichem Adel der preussische
Hofkapellmeister Felix Weingartner Edler v. Münzberg in München eingetragen.
TOTENSCHAU
Der bewährte Kapellmeister des Philharmonischen Orchesters in Berlin,
Josef Reble ek, ist am 24. März gestorben. In Prag geboren, besuchte er das
dortige Konservatorium, wurde 1861 Mitglied der Hofkapelle in Weimar, 1863
Konzertmeister in Prag, 1868 Konzertmeister am Hoftheater in Wiesbaden, 1882
Operndirektor am kaiserlichen Theater in Warschau. Von 1801 bis 1893 war er
Kapellmeister am Nationaltheater in Pest, Von 18Ö3 bis 1897 Kapellmeister am
Wiesbadener Hoftheater. Seit 1897 war er Dirigent des Berliner Philharmonischen
Orchesters und verstand es, als Leiter der populären Konzerte das Interesse für
die Meisterwerke der Tonkunst auch in weiteren Kreise« des *«iti*lkliebenden
Publikums zu wecken und zu erhalten. Er war auch ein trefflicher Geiger und
ist als Komponist besonders mit einer Symphonie in h-moll hervorgetreten. Sein
Tod bedeutet für das Musikleben Berlins einen empfindlichen Verlust (Die
»Musik* veröffentlichte erst vor kurzem, in Heft 9, aus Anlass von Rebiceks
60. Geburtstag sein Bild).
Musikdirektor Georg Seiler* Lehrer am Lehrerseminar zu Bensheim, ist
im Alter von 73 Jahren einem Schlaganfall erlegen.
OPER
BERLIN: Theater des Westens. Zum erstenmal „Der zerbrochene Krug*, volks-
tümlich-komische Oper in drei Akten, Text von Heinrich Lee, Musik von Georg
Jarno. — Man braucht an keinem Überm tss von Pietät zu kränkeln, um sich nicht
rechtschaffen darüber zu freuen, dass die friedliche Ruhestätte Heinrichs von Kleist
modernen Verkehrsrücksichten und Kanalisationsprojekten nun doch nicht zum Opfer
fällt. Man braucht andererseits auch nicht mit hypersensitiv literarhistorischer An-
schauungsweise geplagt zu sein, um nicht das gemeinschaftliche Opus der Herren Lee
und Jarno zum mindesten auch als einen unverzeihlichen Eingriff in die persönlichsten
Angelegenheiten des Dichters zu empfinden. Die Zeiten romanischer Librettisten, die
mit sorgloser Unbekümmertheit den geduldigen Boden der Weltliteratur umpflügten und
beackerten, in den die Komponisten den Keim ihrer Koloraturen und Rouladen senken
konnten, sind doch eigentlich vorüber. Eins der feinsten, eigenwüchsigsten deutschen
Lustspiele, die glänzende Offenbarung von Kleists komisch-satirischem Talent hat der
Librettist der Jarnoschen Oper in einer Weise für seine Zwecke zurechtgestutzt, die
wenig Achtung vor dichterischem Schaffen verrät. Das einzigartige Verfahren Kleists,
den Gang der dramatischen Handlung nicht in ihrem Werden, sondern aus ihrer rück-
wärts gekehrten Entwicklung zu schildern, ist hier durch umständliche szenische Dar-
stellung ersetzt Die beiden langen ersten Akte veranschaulichen uns die Exposition;
überall epische Breite in trautem Verein mit überwuchernden Lyrismen an Stelle des
messerscharfen, funkelnden Dialogs und des sprühenden Wortspiels bei Kleist. Damit
ist natürlich auch auf jede tiefere psychologische Charakterisierung Verzicht geleistet.
So ist von der derb-realistischen, köstlichen Frau Marthe Rull des Originals im Grunde
nichts übrig geblieben als eine polternde Alte von zweifelhafter Komik. Und der scharf-
sinnige, obendrein auf einer Inspektionsreise befindliche Gerichtsrat löst die ihn be-
wegenden juristisch fachmännischen Empfindungen in einer mit Waldhorn- und Postwagen-
romantik verbrämten sentimentalen Arie aus. Glückliche Zeiten, in denen revidierende
juridische Persönlichkeiten auch noch für derlei etwas übrig hatten! Am gelungensten
ist der dritte Akt, die Gerichtsszene, da hier der Librettist den tollen Humor des Originals
wenigstens einigermassen zu Wort und Geltung kommen lässt und sich der Komponist
auf diskrete melodramatische Untermalung beschränkt. Mag sein, dass dem Sujet zu
opernmäs8iger Darstellung nicht anders beizukommen war, es bleibt doch die Frage offen,
warum just ein solches Meisterwerk zu musikalischer Verarbeitung herangezogen werden
musste. Denn die Musik Jarno's ist keineswegs dazu angetan, uns mit den Schattenseiten
des Textbuches zu versöhnen. Das anscheinend erst später hinzugefügte Beiwort »volks-
tümlich* fordert ja gerade zu besonders strenger Beurteilung auf, wofern man nicht
Operettenrhythmen und Mondscheinlyrik als für das Volk allein zuträgliche Kost be-
zeichnen will. Das Charakteristikum der Jarnoschen Musik ist ihr völliger Mangel an
Einheitlichkeit des Stils und ihre verschwindend geringe Originalität: Nessler und Flotow,
Wiener und Berliner Operette sind ihre musikalischen Nährväter. Einzig und allein in
der melodramatischen Begleitung des dritten Aktes taucht hier und da ein hübscher
Einfall auf. Das anspruchslose Publikum nahm übrigens die Novität mit viel Behagen
entgegen. Um die Aufführung machten sich die Herren Max Roth (Dirigent), Emil
128
DIE MUSIK III. 14.
Sttmmer (Adam), Gustav Kai tan (Rapprecht) und besonders Lina Doningcr (Evchen)
verdient. Willy Renz.
DRESDEN: Ausser einer GesamtaufTührung des »Ring des Nibelungen" sind während
der letzten Wochen keinerlei Taten zu verzeichnen gewesen. Puccini's „Boheme«,
wahrscheinlich die letzte Neuheit der an Opernerfolgen nicht eben reichen Saison, hat
sich, ohne gerade zum Schlager zu werden, doch in der Gunst des Publikums sehr be-
festigt. — Im Residenztheater erregte die Neueinstudierung der Millöckerschen Operette
»Das verwunschene Schloss" lebhaftes Interesse. Man lernte in dem seit achtzehn
Jahren hier nicht gegebenen Stück ein Werk von prächtiger Frische und hohem musi-
kalischen Wert kennen, das alle Erscheinungen der neueren Operettenliteratur weit
überragt F. A. Geissler.
FRANKFURT a. M.: Einer Neueinstudierung von Meyerbeers »Robert der Teufel«
begegnete das Publikum nicht gerade warm. Aufrichtige Freude weckte die ebenfalls
neu vorgenommene Spieloper »Das goldene Kreuz" von Brüll, und bei dieser Gelegen-
heit fand auch eine mehr als 80 Jahre alte komische Oper von Ferdinand Paör zum
erstenmal den Weg auf die Frankfurter Buhne, wo man ihr sehr freundlich begegnete.
»Le maitre de chapelle" ist von Dr. Wilhelm Kleefeld und Hans Brennen neu bearbeitet
worden, und so lisst aich denn in der Tat »Der Herr Kapellmeister" noch sehr wohl
geniessen. An dem Humor der Handlung sich zu erquicken ist freilich heute nicht
mehr Jedermanns Sache; dagegen hat sich der Humor des Musikalischen, dem hier und
da mit Vorsicht in der Orchesterflrbung nachgeholfen wurde, hübsch erhalten. Aber
das Werkchen ist schwierig zu studieren, wenn es sich mit der selbstverständlichen
Leichtigkeit einer französischen komischen Oper entwickeln soll. Da dies wirklich der
Fall war, gebührt Kapellmeister Kunwald und den Hauptdarstellern, Frau Kernte wie den
Herren Steffens, Schramm, Hensel und Reich, diesmal eine besonders gute Note.
Hans Pfeilschmidt
HAMBURG: Siegfried Wagners »Kobold" ist, trotz allem, der Schlager der Saison
geworden: sieben Wiederholungen bei gut besuchtem Hause, das ist ein äusserer
Erfolg, den keine der übrigen Novitäten auch nur annähernd erreichte. Nicht die
»Feuersnot", wiewohl Richard Strauss selbst zu uns kam und um Teilnahme für sein
Werk warb, indem er es selbst dirigierte, und noch weniger der »Corregidor" Hugo Wolfs,
der nach zwei Aufführungen erledigt war. Und so sehr die Wolf-Vereine und die ein-
gefleischten Wölfinge sich auch mit der Inszenesetzung dieser Oper bemühen mögen —
es bleibt dabei, dass sie nicht lebensfähig ist. Das Versagen der Wirkung wird vielfach
der Textdichterin Rosa Mayreder zugeschoben und in den Wolf nahestehenden Kreisen
wird sie ausschliesslich zum Karnickel gemacht. Ganz zu Unrecht. Die Hauptschuld
liegt beim Komponisten, der heiss mit dem Stoffe rang, ohne aus ihm die wahrhaft
echte dramatische Musik herausschlagen zu können. Die Unmittelbarkeit fehlte seiner
Musik in dieser Oper durchaus; es ist alles Musik aus zweiter Hand, Musik, die durch
das Sieb der Reflexion hindurcbgelaufen ist. Geistreiche Mosaikarbeit, aber kein
Schaffen aus einem grossen Stück heraus. Instinktiv fühlte das Publikum denn auch,
dass die grosse Inspiration dem Ganzen fehlt und bei aller Anerkennung der feinen,
aristokratischen und potenten Kunst Wolfs kommt es doch nicht in eine intime
Fühlung zu der Komödie. Die Aufführung, die ziemlich unglücklich ästhetisiert war»
indem sie aus der Buckelkomödie die Buckel eliminiert hatte, nahm unter Kapellmeister
Stransky's Leitung musikalisch einen recht artigen Verlauf. Etwas solide und schwer-
fällig, aber korrekt und klar. In den Hauptrollen wirkten verdienstvoll Frau Metzger*
Froitzheim und Herr Dawison. — Ein geradezu furchtbarer Opernschmarrn, betitelt »Die
Turmschwalbe" war die nächste Neuheit, die bei uns ihre Uraufführung erlebte. Da«
120
KRITIK: OPER
Werk hat einen Wiener Tonkünstler, Carl Schaumann, zum Verfasser; wie es an die
Hamburger reap. Altonaer Bühne gelangte, wird wohl stets unaufgeklärt bleiben. Irgend
welche Eigenschaften, die überhaupt diskutabel wären, besitzt das Opus, gegen das
Nesslers .Trompeter 11 ein klassisches Meisterwerk ist, überhaupt nicht Ein Konser-
vatorist, der seinem Lehrer so etwas in die Stunde brächte, würde sich den ernstesten
Unannehmlichkeiten aussetzen und trotz alledem fand das traurige, armselige Elaborat
eine freundliche Aufnahme. Welch ein Publikum! An Neueinstudierungen gab es
unter Gille den schwächlichen, auch textlich so verwaschenen „Carneval in Rom" und
unter Guatav Brechers wie immer direkt reformatorisch eingreifenden Meisterhsnd den
heissblütigen, kraftstrotzenden „Rienzi". Mit dieser Aufführung setzte der geniale junge
Dirigent sich denn auch bei den letzten Zweiflern durch, die er leider gerade an oberster
Stelle gehabt zu haben scheint. Aber die Qualität der Aufgaben, die man ihm nunmehr
anzuvertrauen Anstalten macht, dürfte wohl dem tatenfrohen Ehrgeiz des Jungen Künstlers
genügen und einstweilen eine Wiederholung des Falles Felix Weingartner verhindern.
Das ist sehr zu wünschen, denn wie die Dinge liegen, kann Gustav Brecher heute sehr
wohl Hamburg entbehren, Hamburg aber weit weniger ihn. Heinrich Che Valley.
KASSEL: Gustav Kulen kämpf fs neue Oper „Annmarei "(Libretto von Axel Delmar),
die ihre Uraufführung an unserer Hofbühne erlebte, versetzt uns in die wildromantische
Vorzeit des Pommernlandes. Sie spielt im Jahre 1475 in Köalin und behandelt die
Liebesgeschichte des Ritters Heinz von Bredenbeck uud der ehrsamen Bürgermeisters-
tochter Annmarei. In dem Text sind mancherlei kleine Züge verwandt, die ihn als
ein kulturhistorisch Interessantes Bild mittelalterlichen Lebens erscheinen lassen. Ein
tiefer gehendes Interesse aber für die handelnden Personen wird nicht erreicht Die
Musik ist flüssig und leicht verständlich, aber ohne besondere Originalität des Stils, der
meist deklamatorisch ist. Doch zeigt manche recht wirksame Stelle die schöpferische
Fähigkeit und das Gestaltungsvermögen des erfahrenen Komponisten. Am besten ge-
lungen erscheint der im ersten Akt von Annmarei und ihrer Base Cordula gesungene
Maienreihen, der auch im Vorspiel zum dritten Akt geschickt verarbeitet ist. Im
zweiten Akt sind der Frauenchor und das rührende Tischgebet besonders zu erwähnen.
Die stark lyrische Hauptazene des dritten Aktes zwischen Heinz und Annmarei leidet
unter ihrer Ausdehnung. Wirkungsvoll ist in diesem Akt auch der Trinkspruch Heinzens
»Noch einen Trunk zum letztenmal*. Die Aufführung war von Kapellmeister Dr. Beier
bestens vorbereitet und trug diesem wie dem anwesenden Komponisten nach dem
zweiten und dritten Akt wiederholten Hervorruf ein. Dr. Brede.
KÖLN: Das theatralische Hauptereignis der letzten beiden Wochen bildete ein Kapell-
meister-Gastspiel. Otto Lohse, der Kapellmeister des Strassburger Stadttheaters,
hat hier im neuen Theater Siegfried, Fidelio, Faust und Carmen geleitet. Der Eindruck
und — was einem Theaterkapellmeister hier nicht oft beschieden ist — der äussere
Erfolg waren so stark, dass die Theaterleitung sich beeilte, Lohse für längere Jahre dem
Institut als musikalischen Chef kontraktlich zu gewinnen. Gleichzeitig wurde Frau
Josephine Lohse, deren fesselnder Gestaltung von Wagners Elisabeth und Gounod's
Margarete man verdientes Interesse entgegengebracht hat, als jugendlich-dramatische
Sängerin verpflichtet. Paul Hiller.
MÜNCHEN : Mozarts „Don Giovanni* kam wieder im Hoftheater zur Aufführung,
nachdem er lange Jahre im Residenztheater, dem sogen, „kleinen Haus*, und auf
der dortselbst befindlichen Drehbühne gegeben worden war. Durch den Fortfall der
letzteren ist die früher geradezu einzige Gesamtwirkung zerstört worden; mit den vielen
Verwandlungen, die nun wieder durch den Zwischenvorhang getrennt werden mussten,
ging die Stimmung sehr rasch verloren. Die Aufführung unter Fischer war im übrigen
HL 14.
130
DIE MUSIK III. 14.
recht gut. Feinhals sang die Titelpartie mit kraftvoller Tongebung und geistiger Über-
legenheit Vortrefflich war auch »Walters Ottavio, imposant der Komtur Baubergers. —
Im Hoftheater wurde Mehul's Joseph in Egypten* in neuer Einstudierung gegeben. Der
neue Tenor Reiter gab den Joseph gesanglich überaus schön, aber darstellerisch un-
genügend, im Dialog zudem mit fest peinlich wirkender Befangenheit; er hat noch viel
zu lernen, vor allem auch seine Volksslngerallfiren loszuwerden. Vortrefflich war Bau-
bergers Jakob, eine künstlerisch ausgereifte Gestaltung, an der man seine Freude haben
konnte; desgleichen Frl. Tordek, deren Benjamin an Natürlichkeit der Auffassung und
gesanglicher Frische hervorragte. Gute Leistungen boten Brodersen als Simeon und
Mang als Utobal. Dr. Theodor Kroyer.
NEW- YORK: Im Metropolitan Operahouse konnte Franz Naval auch als „Romeo" nicht
beweisen, dass er hier am rechten Platze ist. AIno Ackt6 sang die «Julia*. Sie
besitzt allerdings schöne Mittel, wird aber durch ihr überschäumendes Temperament zu
unangenehmem Obertreiben in Spiel und Gesang fortgerissen. Die Aufführung von
„Figaros Hochzeit" gehörte zu den besten der Saison. Frau Gadski sang zum erstenmal
die „Gräfin 11 . Sie ist eine bedeutende Künstlerin, die leider für die nächste Saison mit
Direktor Conried zu keiner Einigung gelangt ist. Die übrigen Mitwirkenden waren Frau
Sembrich, Frl. Seygard, Scott! (ein ausgezeichneter Graf), Campanari (der unübertreffliche
Figaro), Rossi und Reiss. Felix Mottl dirigierte „Romeo und Julia" sowie „Figaro" mit
Meisterschaft. — Zum Schluss gab es noch einen »Ring*- Zyklus, und zwar dirigierte
Alfred Hertz Rheingold und Götterdämmerung, Mottl Walküre und Siegfried. Burgstaller
sang den Loge (zum erstenmal), den Siegmund und den jungen Siegfried, Kraus den
älteren Siegfried, der vielleicht seine beste Partie ist Burgstaller glänzte besonders im
„Siegfried". Olive Fremstad's „Sieglinde* stand über der Kritik, ihr ebenbürtig war
Milka Ternina als „Brünnhilde" in Siegfried und Götterdämmerung. Marion Weed ist der
Walküren-Brünnhilde in keiner Hinsicht gewachsen, erfreute aber in hohem Grade als
„Gutrune*. Kloepfer war ein ausgezeichneter „Hunding", van Rooy als „Wotan und
Wanderer" ist bekannt, er neigt jetzt leider stark zum Tremolieren. Auch stand er dieses
Mal in musikalischer Sicherheit nicht ganz auf gewohnter Höhe. Als grosser Künstler
bewährte sich Otto Goritz als „Alberich", der nicht einmal von dem wundervollen Mime
Albert Reiss' übertroffen wurde. Edith Walker als „Erda" ragte wenig hervor, besser war
Louise Homer als „Fricka". Mühlmann war sehr lobenswert als „Günther", Robert
Blass reicht jedoch für den „Hagen" bei weitem nicht aus, trotz herrlicher Stimme.
Ganz vorzüglich gelang das Ensemble der Walküren. Die Regie des „Ringes" führte
Anton Fuchs. Verschiedene Neuerungen waren eingeführt, die den Aufführungen zu
grossem Vorteil gereichten, aber leider noch nicht immer mit gutem Gelingen zur Auf-
führung kamen. Das Arrangement der Szene nach Siegfrieds Ermordung kann ich aber
nur als total verfehlt bezeichnen. Die Schluss-Szene der Götterdämmerung war gegen
früher eine grosse Verbesserung. Arthur Laser.
f^ARIS: Am 16. März gab die Komische Oper ihre zweite grosse Novität des
ml Winters, „La Fille de Roland** von Henri Rabaud. Der für einen Komponisten
noch sehr junge Künstler, der vor zehn Jahren den ersten Rompreis davontrug und
bereits eine ziemlich klassische Symphonie in e-moll und ein mehr romantisch gefärbtes
„Symphonisches Gedicht" nach Lenau „La Procession Nocturne* 4 hinter sich hat, nennt
sein Werk weder Oper noch Musikdrama, sondern — schauderhaft genug! — „Tragtdie
musicale u . Damit hat er aber sein Neuerungsbedürfhis auch erschöpft, denn diese
Tragödie in Musik ist von der ersten bis zur letzten Note äusserst traditionell und
konventionell. Schon der Stoff brachte das übrigens mit sich, denn die aus dem Jahre
1875 stammende Verstragödie von Henri de Bornier, die Paul Ferrier mit schuldigem
131
KRITIK: OPER
Respekt in ein Opernbuch verwandelt hat, ist bloss eine Weiterschleppung der Rolands-
sage, die keinen neuen Gedanken, keine neue Empfindung hinzubringt. Der Verräter
von Ronceval Ganelon taucht nach zwanzig Jahren als Markgraf am Rhein unter dem
Namen Amaury wieder auf und hat einen höchst heldenhaften Sohn, der sich in die ver-
waiste Tochter des gefallenen Roland verliebt, aber trotz des Zuredens des alten Kaisers
Karl auf ihre Hand als Unwürdiger verzichtet, sobald er erfährt, daas sein Vater Amaury
als Ganelon den Helden Roland verraten hat. Die Gewissensbisse des Verräters ziehen
sich durch vier lange Akte hindurch, welche die Musik natürlich nicht verkürzt hat.
Der Librettist und der Tonsetzer haben im Gegenteil Ganelon noch mehr begünstigt, als
der Dichter, indem sie ihm schon am Schluss des ersten Aktes eine längere Vision zu-
teilen, wo er Ronceval wiederzusehen glaubt. Rabaud hat auch ihm allein ein be-
scheidenes Leitmotiv gegönnt, während er Gerald, den jungen Helden, seine Angebetete
Berta und den Kaiser ohne derartigen Steckbrief laufen lässt. Er steht ungefähr auf dem
Standpunkt Wagners im Tannhäuser. Lohengrin nimmt sich neben seiner Rolandstochter
verwegen modern aus. Das kurze Vorspiel der Oper wird von einer regelrechten Fuge
gebildet, die ein Programm darstellt, denn Rabaud hat durch alle vier Akte hindurch an
den älteren Formen möglichst festgehalten. Breite Ensembles mit und ohne Chor werden
eher gesucht, als vermieden. In der Vorliebe für zügige Melodieen ritterlichen und oft
etwas bombastischen und banalen Charakters lehnt sich Rabaud fast noch mehr an Weber,
als an Wagner an. Im Orchester werden die Begleitungsmotive mit einer Konsequenz
weiter gesponnen, die den Stimmen oft unbequem wird, obschon Rabaud im ganzen sehr
sangbar schreibt und weniger, als andere, die Stimmen in die Höhe schraubt Der dritte
der vier Akte ist der beste. Kaiser Karl sitzt sehr betrübt zu „Aachen in seiner Kaiser-
pracht* 4 , weil ein Sarazene täglich seine Ritter herausfordert, ihm das Schwert Durandal,
das einst Roland gehörte, abzunehmen. Endlich naht Gerald und besiegt den Sarazenen.
Er wird mit Berta verlobt, aber im Vater des Helden erkennt Karl auf den ersten Blick
Ganelon wieder. Warum er nach Aachen gekommen, ist unbegreiflich, aber die Szene
zwischen dem reuigen Verräter und dem aus Rücksicht auf Görald unschlüssigen Kaiser
ist vortrefflich. Hier allein hat der Komponist die neuere Bahn des musikdramatischen
Stils betreten und damit mehr Wirkung erzielt, als mit seinen geräuschvollen Ensembles
nach der alten Schablone. Im letzten Akt wird Ganelon durch einen gefangenen Sachsen
öffentlich entlarvt. In einer wirksamen Szene gesteht er seinem Sohn selbst seine Ver-
gangenheit Hier kommt es auch zu einem Ensemble, das dramatisch gerechtfertigt ist
und auch musikalisch tieferes Interesse erregt. Karl, Berta und der ganze Hof dringen
in Gerald, zu bleiben und die Rückoberung Durandais als volle Sühne der väterlichen
Schuld anzusehen. Geralds unbegreifliche Weigerung ist dem Komponisten weniger
geglückt, weil ihm der Dichter hier schlecht vorgearbeitet hat, aber dieser wenig be-
friedigende Schluss wird der Oper ebensowenig schaden, als dem Drama, das noch immer
in der Comödie Francaise gerne gesehen wird. Um die Aufführung machte sich vor
allem Dufranne in der Bass-Bariton-Partie Ganelon-Amaury's verdient Sehr gut war
auch der Bassist Vieuille als Karl. Leon Beyle hatte einige Mühe, sich vom lyrischen
zum ehernen Heldentenor aufzuschwingen, aber es gelang ihm. Weniger glücklich war
die ebenfalls eher für das leichtere Fach begabte Marguerite Carre* in ihrer Anstrengung,
vier lange Akte hindurch heroisch zu sein. — In der Grossen Oper sind bloss einige
Neubesetzungen zu verzeichnen. Die Engländerin Lindsay, die als Konstanze in der
Entführung nicht ganz befriedigte, war als Julia Gounod's sehr am Platze. Das Blondchen
von damals, Frl. Vetlet, versuchte sich mit geringerem Glück als Königin der Hugenotten.
Gute Hoffnungen erweckte das letztes Jahr vom Conaervatoire abgegangene Frl. Borgo
als ATda, währeud die neue Altistin Arbeil als Amneris nicht recht durchzudringen ver-
9»
132
DIE MUSIK III. 14.
mochte. — Ein merkwürdiges Zeichen der Zeit ist, dass die Operette aus allen Pariser
Theatern verschwunden ist. Was einige Singspielhallen unter diesem Titel noch spielen,
sind Possen mit zusammengestoppelten Uteren Couplets. Als vor kurzem das Theater-
Cluny das Bedürfnis einer musikalischen Ergänzung zu einem zweiaktigen Lustspiel
empfand, griff es nicht, wie früher, zu einer Operette, sondern zu einer der einfacheren
komischen Opern alter Zeit, nlmlich zu Adams „Le Sourd ou l'Auberge Pleine*.
Felix Vogt
PRAG: Die deutsche Oper hat einen Zweiakter: »Das Jägerhaus* ihres einstigen
Kapellmeisters Wilhelm Reich zur Quasi-Uraufführung gebracht. Es handelt sich
nimlich um die Umarbeitung eines einaktigen, vor 12 Jahren unter dem Titel «Der
Schwur* in Berlin bei Kroll mit gutem Erfolg schon gegebenen Werkes. Mit den
Umarbeitungen ist es ein heikel Ding. „Kinder macht Neues und abermal Neues, sonst
hat euch der Teufel der Unproduktivität* meinte Wagner in einem solchen Falle. Als
Reich seinen „Schwur* komponierte, stand der Verismo in der Maienblüte seiner
Sünden. Heute, da diese Geschmacksrichtung abgewirtschaftet hat, steht man so krassen
Stoffen mit der schuldlos-schuldigen Liebe zweier Geschwister als Hauptmotiv ziemlich
kühl gegenüber. Reichs Partitur zeigt auf jeder Seite den guten Musiker und erfahrenen
Kapellmeister, der mit Wagner im Herzen und Mascagni im Handgelenk, Noten ohne
persönliche Note schreibt Die im Cavalleriastil effektvoll, mit weitgeschwungenen
Gesangsposen singenden Älpler wirken zudem nicht recht glaubwürdig. Die'Aufführung
Hess leider auch manches zu wünschen übrig. — Im tschechischen Nationaltheater ist
nun endlich, nach wochenlangem Aufschub Anton Dvofäks neue Oper „Armida*
herausgekommen, freilich ohne viel mehr zu erzielen als einen Achtungserfolg. Das
liegt zum Teil an dem veralteten Stoff, dem die Kraft ungewohnter Situationen fehlt und
der in seiner Theatralik nicht mehr erwärmen kann. Und der Librettist, Jaroslav
Vochlicky, der gefeiertste Dichter der Tschechen, hat leider gar nichts getan, um die
Handlung seelisch zu begründen und unserem Gefühl damit näher zu bringen. Wunder
auf der Bühne sind jetzt doch nur als Sinnbilder psychischer Vorgänge möglich. Wir
haben somit ein echtes literarisches Buch. Schöne Sprache, sehr gute künstliche
Reime, breite Rhetorik, opernhafter Formalismus. Aber keine dramatische Schlagkraft,
keine Spannung, keine plastische Charakterbezeichnung. Und Meister Anton? „Was
hab ich davon, wenn eine Oper dramatische Musik ist? Wenn's nur schöne Musik ist*,
sagte er mir einmal und nach diesem unglücklichen Grundsatz hat er auch „Armida*
komponiert. Aber wie noch so viel schöne Worte noch lange kein lebendiges Drama
machen, so macht noch so viel schöne Musik noch lange keine wirksame Oper. Musi-
kalisch Schönes bietet auch die neue Oper reichlich, wenn auch nicht viel Einprägsames.
Der exotische Stoff zwang Dvofräk überdies, sein Bestes, seine kernige nationale Eigenart, die
seinen komischen Bauernopern so viel herzerfreuendes verleiht, preiszugeben. Im Lager der
Kreuzfahrer geht's zwar manchmal zu wie in Ziäka'a „Tabor*. Und dann kommen, besonders
im dritten Akt, so zeit- und volklose Schönheiten, wie das leidenschaftliche Liebesduett
und das liebesschwüle Sommernacht-Intermezzo. Schade dass DvoHk der Blick für die
Szene fast gänzlich fehlt, so dass er über vereinzelte lokale Erfolge nicht hinauskam
und auch die „Armida u brachte seinen Verehrern, die von ihm endlich ein durch-
greifendes Werk erwarten, eine Enttäuschung. Charakteristisch für Dvofäks Opern sind
die unwirsch polternden Abschlüsse, die ohne jeden inneren Grund mit unfehlbarer
Sicherheit — so wie das Hinaufgehen auf den hohen Ton am Schluss der alten Arie —
sich einstellen, selbst am Ende zart angelegter Nachspiele. Die vollendete Meisterschaft
der Faktur und der Instrumentation versteht sich von selbst bei dem grössten Musi-
kanten unserer Zeit. Wirklich ersten Ranges war die Aufführung unter der tüchtigen
133
KRITIK: OPER
Leitung des Kapellmeisters Picks. Die Singer, Frsn Matura (Armida), Ptak (Rinald),
Benoni (Ismen) verdienen ebenso Lob wie die glänzende Inszenierung.
Dr. R. Batka.
WIEN: Mit einer sorgfältigen, die Partitur Hugo Wolfs ohne Strich und ganz noten-
getreu wiedergebenden Auffuhrung des »Corregidor* wollte Direktor Mshler offen-
bar beweisen, dsss der matte Erfolg dieser Oper nicht durch die Veränderungen ver-
schuldet sei, die er, im guten Glauben, die Wirkung durch Konzentration zu steigern,
bei der Erstaufführung an dem Werke angebracht hatte. Diesen Beweis bat er immerhin
erbracht Die Kontakthemmungen, die es verhindern, dass der elektrische Funke auf
das Publikum überspringt, liegen bei dem Werke tiefer und können durch Aufmachen
von Strichen nicht behoben werden. Die Wiederherstellung der Szenenführung des Ori-
ginals konnte darum nicht den beabsichtigten Erfolg haben, weil die Verkleidung des
Corregidors, auf die Eifersuchtsszene des Lukas folgend, in Vorgang und Vertonung keine
Steigerung bietet. Die absichtliche Verhüllung des Streitobjektes stand der Wirkung der
nun so weit hinausgezogenen Verhandlungen des vierten Aktes um so lähmender ent-
gegen. Nur der Schlusschor, dessen Streichung am wenigsten gerechtfertigt wsr, nahm
sich behaglich und heiter abschliessend aus. Es ist in der Tat sehr zu bedauern, dass
der im Theater uns gar nicht nahegehende Stoff und die dramatische Unerfahrenheit
des Komponisten den musikalisch so glänzend ausgestatteten Corregidor zum Sinken
bringen. Aber wenn ein Meisterwerk wie Cherubini's »Medea* es nie zu einem Theater-
erfolg hat bringen können, und »Euryanthe* nicht leben kann, muss sich der »Corregidor*
den Zuruf gefallen lassen: »Auch Patroklus ist gestorben und war mehr als du."
Gustav Schoenaicb.
WIESBADEN: Eine neue Einakter-Oper »Korsische Hochzeit" — nsch einer
Telemsnnschen Novelle von J. Hoch — Musik von H. Spangenberg fand bei
ihrer Uraufführung eine für den hierorts ansässigen Komponisten sehr ehrenvolle Auf.
nähme. Der Text, etwas willkürlich zusammengeschweisst, ist suf einen ziemlich grellen
Effekt berechnet. Die erblindete Angiolina wird an ihrem Hochzeitstage, ohne Zu-
stimmung des jungen Gatten Tobias, operiert, und muss, kaum sehend geworden, in
ihrem Tobias den langgesuchten Mörder ihres Vaters erkennen 1 Die Musik Spangen-
bergs verrät vielfach den Einfluss der neu-italienischen Richtung und ist im ganzen
durchaus bühnenwirksam geschrieben und von lebendiger Klangwirkung. Neben einigen
eindrucksvollen lyrischen Episoden hoben sich besonders such die zum Teil auf National-
weisen basierten Hochzeitstänze durch Frische und Temperament hervor. Frl. Triebe!
gab die Angiolina in sehr anmutiger Weiae. — In schroffstem Gegensatz zu dem vor-
genannten, durchaus opernhaften »Musikdrama" steht das dreisktige Tondrama »Helga",
Dichtung und Musik von V. v. Woikowsky-Bidsu, das unter Prof. Mannstädts
schwungvoller Direktion sm 18. März zum erstenmal in Szene ging. Helga ist eine
Berchta-Prlesterin in Frieslsnd. Held Friggo, dem sie heimlich zugetsn ist, kehrt als
Christ von der Meerfahrt beim und wirbt um die Hand von — Helgaa Schwester
Freyda. Um Freyda von der Machtlosigkeit der alten Götter zu überzeugen, will Friggo
das heilige Feuer der Berchta rauben. Am Opferstein tritt ihm Helga entgegen, ver-
glast ihres Priestertums und bekennt Friggo ihre Liebesleidenschaft. Sie sieht
sich zurückgewiesen. Friggo raubt den Feuerbrand. Im dritten Akt setzt eine Sturm-
flut ein und Helga benutzt diesen Moment, um sich zu rächen. Sie behauptet: ihre
Göttin Berchta zürne und verlange als Sühnopfer die unschuldige Schwester Freyds.
Erst als diese sich anschickt, im Verein mit dem jetzt merkwürdig spathischen Helden
Friggo den Todeaaprung Ina Meer zu riskieren, erwacht in Helga die Reue: Sie kündet
ihre Schuld und kündet zugleich die allgemeine Götterdämmerung »das Ende — das
134
DIE MUSIK III. 14.
Ende". Sie selbst stürzt sich in die Fluten. — Leider ist dieser Stoff, der neben An-
fechtbarem doch auch eines echt dramatischen Zuges nicht entbehrt, vom Autor mit
massloser Breite behandelt. Die Sprache, nicht selten von hoher dichterischer Schönheit,
zeigt sich über und über mit bekannten Wagnerismen gespickt. Und in gleicher Weise
lehnt sich die Musik an das grosse Bayreuther Vorbild, dessen Leitmotiv-Technik sich
Woikowsky ganz auffillig zu eigen gemacht hat. Dass er einzig dies Muster wählte
und weder rechts noch links schaute, verleiht seiner Partitur ein entschieden vor-
nehmes, stilistisches Gepräge. Schade, dass seine Eigenart, der manche wirkungsvollen
Einzelheiten zu danken sind, sich doch im ganzen nicht kräftig genug erweist, um
diesen Stil selbstherrlicher zu durchdringen und so ein neuangeregtes, lebhafteres
Interesse für dies Werk zu wecken. Das Publikum zeigte sich für manche poesie-
vollen Schönheiten, namentlich instrumentalen Charakters, nicht unempfänglich; dann
aber während des fast 4'/t stündigen musikdramatischen Genusses flaute das Interesse
ab. Vielleicht entschliesst sich der Autor zu einer kräftig einschneidenden Um-
arbeitung? Es lohnte der Mühe. Otto Dorn.
KONZERT
AACHEN: Beginnen möchte ich mit dem Bericht eines besonderen Kunstgenusses im
letzten Konzert der Musikalischen Gesellschaft Frl. Dehmlow sang mit vorzüglicher
Schulung und lobenswertem Erfassen des Inhalts eine grössere Anzahl von Liedern.
H. Marteau begeisterte in einem Mozartkonzert, der G-dur Romanze von Saint-Saöns usw.
durch die ungemein schöne Tonfülle und fast spielende Beherrschung der Technik.
Prof. Schwickerath wusste hier den Stimmungsgehalt der einzelnen Werke, soweit ihn
die Klavierstimme enthält, sorgsam zu heben. Das gilt auch von der dritten Kammer-
musikaufführung, in der Schwickerath im Verein mit hiesigen Künstlern des städt.
Orchesters das Klavier-Quartett g-moll von Mozart, ein Klavier-Trio von Schumann und
die Sonate in Es von R. Strauss op. 18 (zum ersten Male) mit schönem Gelingen darbot.
Sodann ist eine gut vorbereitete Aufführung der «Schöpfung* mit Frau Rückbeil-Hiller
zu notieren. Besonders gefielen die mit Bravour gesungenen Chöre. Das sechste
Abonnementskonzert brachte zur Berliozfeier drei Sätze aus »Romeo und Julie*, Haydns
Militairsymphonie und die Vorträge des Vokalquartetts Grumbacher-Culp-Hess-Eweyk.
In der Karwoche kommt Bach mit der h-moll Messe zum Wort. Joseph Liese.
AMSTERDAM: Wie alljährlich kehrte das hier^ausserordentlich beliebte »Böhmische
Streichquartett* wieder ein. Zum besonderen Glanzpunkt gestaltete sich im Abschieds-
konzert die Aufführung des Schubertschen Streichquintetts unter Mitwirkung des treff-
lichen Cellisten J. Mossel. — Als Solisten in den Abonnementskonzerten erzielten den
gewohnten Erfolg: Ed. Risler mit Liszt- und Beethoven-Konzerten und Joh. Messchaert, der
ein interessantes Werk des z. Z. bedeutendsten niederländischen Komponisten A. Diepen-
brock „Vondels Fahrt nach Agrippina* aus der Taufe hob. — Ein eigener Violinabend
gab C. Flesch Gelegenheit zur vollen Entfaltung seiner glänzenden Eigenschaften. Eine
Meisterleistung lieferte er, mit Bachs vollständiger fünfteiliger d-moll Sonate für Violine
allein, von der man gewöhnlich nur die Ciaconna, und noch dazu in verkürzter Form,
zu hören bekommt. — Die am Palmsonntag von „Toonkunst" veranstaltete Aufführung
der Matthäus-Passion machte unter Mengelbergs Leitung tiefen Eindruck. Solisten ersten
Ranges: Frau Oldenboom, Frau Kraus-Osborne und die Herren Urlus, Messchaert und
Sol, guter Chor und ausgezeichnetes Orchester vereinigten sich zu einer Gesamtleistung
von hinreissender Wirkung. Hans Augustin.
BERLIN: Der achte Symphonie-Abend der Königl. Kapelle brachte Schuberts
Unvollendete, Beethovens Coriolan-Ouvertüre, die dritte Symphonie von Brahms und
135
KRITIK: KONZERT
Lisitt „Tasso". Zu Brahms steht Weingartner in keinem rechten Herzensverhältnis;
er setzt ihn dann und wann aufs Programm, weil er ihn doch nicht gut ignorieren kann.
Aber der Hörer spürt doch heraus, wie wenig der Dirigent innerlich an dieser Musik
beteiligt ist. Die Lisztsche Tondichtung kam zu glänzender Wirkung und erweckte einen
Sturm des Beifalls. Am neunten Symphonie-Abend bildete Beethovens Neunte den
Hauptinhalt des Programms. Vorauf ging die Iphigenien-Ouvertüre von Gluck mit Wagners
Schluss und eine Suite in C-dur von Bach für Streichinstrumente, zwei Oboen und
Fagott« Die Wucht der Streichinstrumente stand hier nicht im richtigen Verhältnis zu
den paar Bläsern, von deren Mitwirkung der Hörer sich nur überzeugen konnte an den
Stellen, wo die Streicher schwiegen. Im übrigen sind die kleinen Sätzchen dieses Werkes
meist heiter humoristischen Inhalts, wie manche Teile der französischen Suiten in E-dur
oder G-dur. Die Aufführung der Neunten verdient rückhaltlose Anerkennung; nament-
lich das Finale gestaltet der Dirigent zu fascinierender Wirkung. Übrigens geriet dies-
mal sogar das Soloquartett (Frau Herzog, Frau Goetze, Curt Sommer, Baptist Hoffmann)
so vorzüglich, dass der Hörer ohne Herzklopfen sich vom sanften Flügel forttragen lassen
konnte. — Für das Konzert zum Besten des Pensionsfonds unserer Philharmo-
niker hatte sich der Dirigent wieder einmal Tschaikowsky's Symphonie in h-moll aus-
gesucht. Der Saal der Philharmonie war leider nicht voll besetzt. Mit Schumanns
Manfred-Ouvertüre eröffnete Arthur Nikisch den Abend; ausserdem dirigierte Max Schillings
seine begleitende Musik zu Wildenbruchs Hexenlied, dessen Text Ludwig Wüllner sprach —
eine Meisterleistung der Deklamation. — Der Sternsche Verein unter Gernsheims
Führung hat mit seiner Aufführung der Missa Solemnis bewiesen, dass das Werk voll-
ständig sicher geistiges Eigentum des Vereins geblieben ist, der das Werk dereinst unter
Leitung des Stifters zum erstenmal in Berlin ganz aufgeführt bat. Das wichtige Solo-
quartett war durch die Damen Meta Geyer und Marie Craemer-Scbleger sowie die
Herren Dierich und van Eweyk angemessen besetzt. — Die Berliner Liedertafel
(Chormeister Zander) gab einen Chorlieder-Abend mit einem Programm, das schlichte
Volksweisen neben moderne, auf raffinierte tonmalerische Effekte hingearbeitete Chor-
stücke gesetzt hatte. Der Verein bewältigte seine Aufgabe mit vollendeter Klangschönheit;
die rhythmische Präzision und klare Textausspracbe muss ganz besonders anerkannt
werden. — Von Solisten-Konzerten sei das an erster Stelle erwähnt, das Bruno Hinze-
Reinhold mit Irma Saenger-Sethe (Violine) und Ludwig Hess gegeben hat. Lieder-
abende gaben Rosa Kaliscber (ein spitzer heller Sopran mit flacher Tongebung, aber
lebendigem Vortrag), Gabriele von Pirch (sympathisch dunkler voller Alt, der aber un-
genügend geschult ist), Emmy von Linsingen (ein glanzvoll mächtiges Organ mit mühe-
loser Höbe, mehr für die Bühne als den Konzertsaal geeignet). Neben d'Albert, der
sich z. Z. mehrmals in Berlin hören Hess, erscheinen die übrigen Pianisten, die jüngst
Klavierabende gaben, wie Pygmäen. Selbst Ossip Gabrilowitsch mit seiner reich ent-
wickelten Technik, seinem warmen modulationsfähigen Anschlag wollte mir nicht recht
behagen, weil er zu willkürlich mit den dynamischen Vorschriften der Komponisten
verfährt. Siegfried Salomon hat einen kurzen spitzen Klavierton, der im Hörer kaum
mitklingt; auf seinem Programm stand u. a. ein Präludium mit Fuge von Glazounow,
deren komplizierten Aufbau er übrigens durch den Vortrag klar darlegte. Olga Hahn
zeigte eine fein ziselierte Technik im Passsgenwesen, ihr Ton trägt aber in breiten Zeit-
massen nicht weit. Zu Bachs chromatischer Phantasie und Fuge reicht die Auf-
fassung nicht aus; recht hübsch geriet Schumanns g-moll Sonate. Ruth Lynda Döyo
hat gewiss viel geübt und eine gewisse Geläufigkeit, aber die 6tudes symphoniques von
Schumann, Chopin's leidenschaftliches c-moll Nocturne vermag sie nicht nachzuempfinden.
Ernesto Drangoschs Programm brachte ausser dem üblichen Bach, Beethoven, Chopin,
136
DIE MUSIK III. 14.
<=a
Liszt, auch Klarierstücke von Weingartner und Alberto Williams. Als Pianist rangiert
er unter die vorgeschrittneren Techniker, er spielt rhythmisch klar, sogar bisweilen
pikant, aber das Gemüt geht leer aus. Etwas besonderes wagte Fritz Cortolezis, indem
er Szenen aus dem ersten Akt des »Parsiral* und aus dem zweiten des „Tristan" seinen
Hörern im verdunkelten Saal vorspielte, nicht etwa nach dem Klavierauszug einstudiert,
sondern nach der Partitur, nach der Erinnerung der Orchesterklangwirkung selbständig
zurechtgelegt Alle Achtung vor diesem Vortrag, vor diesem Können, vor diesem Kennen
der Wagnerschen Tondichtungen, aber wenn Herr Cortolezis meint, dass er denen, die
nicht in Bayreuth gewesen sind, auch nur eine Ahnung von der Orchesterwirkung bei-
gebracht habe, so irrt er gewaltig: ohne Text, ohne Bühnenbild ist die Musik allein am
Klavier völlig un verstand lieh. Übrigens ist es für zwei Hlnde kaum möglich, die grossen
Partieen des Wagnerschen komplizierten Orchestersatzes zu bewältigen, die Hilfsmittel
des Pedale*, der Sprünge mit den Hinden versagten auch vielfach. Selbst wer die Musik
genau kannte, vermochte mit dem Ohr nicht einmal die festen thematischen Linien In
den Mittelstimmen oder im Basa zu verfolgen. Dieser Versuch muss bei aller Achtung
vor dem Willen und dem Gedächtnis des Spielers, als dem Geist der Wagnerschen
Bühnendichtung widerstrebend, misslungen genannt werden. In ihrem letzten Quartett-
abend spielten die Herren Joachim und Genossen mit A. Moser am Pult der zweiten
Bratsche ein für Berlin neues Streichquintett von Stanford, daa zwischen Beethoven
F-dur op. 18 und Schuberts C-dur Quintett nur eine unglückliche Position einnahm, weil
der Inhalt des Werkes doch gar zu unbedeutend erschien. Wie einst Bennett hinter
Mendelssohn, so Hüft Stanford hinter Brahma her; es klingt alles wie ein*abgeblasster
Brahms. Die Hörer, die doch gewiss gern alles, was ihnen Meister Joachim bietet, willig
hinnehmen, blieben dem Stanfordschen Quintett merkwürdig kühl gegenüber.
E. E. Taubert.
Hermann Zilcher, ein Junger, In weiteren Kreisen als vorzüglicher Begleiter
auf dem Klavier bekannter Künstler, veranstaltete mit dem philharmonischen Orchester,
das er selbst mit fast zu grosser Lebendigkeit dirigierte, einen Kompositionsabend. Am
wenigsten gelungen erwies sich die Symphonie, mit der er begann: sie besteht aus zwei
langgedehnten Sitzen, zwischen die ein arabischer Tanz als Intermezzo eingeschoben ist
Dieses pikant instrumentierte Stückchen ist an sich sehr gefällig, passt aber nicht in den
Rahmen der beiden Symphoniesitze, von denen der zweite viele Schönheiten im einzelnen
enthilt; die Themen, namentlich des ersten Satzes, sind aber zu locker aneinandergereiht
und zu wenig symphonisch verarbeitet, die Instrumentation nicht genügend ausgeglichen.
Weit günstiger präsentierte sich ein Violinkonzert in h-moll; es enthilt aber zahlreiche
unnötige Schwierigkeiten, denen selbst Alezander Petschnikoff nicht immer gewachsen
war. Noch ansprechender und auch dankbarer erschien mir die viersitzige Suite für
zwei Violinen mit kleinem Orchester, die Petschnikoff mit seiner Gattin Lilli famos vor-
trug. In allen diesen Instrumentalwerken waren die Gesangsthemen weit glücklicher
erfunden, als die ersten Themen, die Schlüsse meist sehr wirkungsvoll ausgearbeitet,
machte sich die Vorliebe für eine gewisse Melancholie geltend. Am günstigsten war der
Eindruck der Vokalwerke, die Julia Culp mit ihrer wundervollen Stimme und tiefem
Verständnis vortrug; namentlich das Lied »Frübgang* bedeutete einen durchschlagenden
Erfolg. In den kleineren Formen scheint sich Zilcher vorläufig überhaupt glücklicher
zu bewegen, als in grösseren. Der überaus reiche Beifall, der ihm gespendet wurde,
wird ihn sicherlich zu neuen, sich hoffentlich in ansteigender Linie bewegenden Werken an-
spornen. Der Geiger E. Guglielmi, der vom philharmonischen Orchester begleitet
wurde, hat einen prachtvollen Ton, spielte aber Sindings erstes Konzert so temperamentlos»
schleppend und oft unrein, dass es kein Genuss war. Dagegen verdient das Violinspiel
137
KRITIK: KONZERT
der jungen Bleie Playfair, an der alles gesund ist, nur Lob: sie gehört zu den Aus-
erwlhlten. Ebenso auch ihr Partner Georg Scbn6evoigt, der bisher nur als aus"
gezeichneter Violoncellist bekannt, in Strauss' »Tod und Verklarung" und Tschaikowsky's
„Romeo und Julia" sich als Dirigent ersten Ranges hier einführte. Im Wagnerverein
sang Eva Pilchowska mit feinem Verständnis Z und in der Höhe leicht ansprechender
Stimme eine Anzahl Hugo Wolfscher Lieder, Eva Lubosch Jensens Dolorosa-Zyklus;
Benno Schuch steuerte Bachs g-moll Solosonate für Violine und Fritz Cortolezis einen
Parslfel-Klaviervortrag mit bestem Gelingen bei. — Am Karfreitag wurde im Theater des
Westens Lorenzo Perosi's Oratorium „Die Auferstehung des Lazarus" aufgeführt, das 1807
als Werk eines Vierundzwanzigjährigen berechtigtes Aufsehen erregte und vor etwa 5 Jahren
im hiesigen Opernhaus eine Aufführung erlebte. Der Schwerpunkt dieses Wagners Einfluss
nicht verleugnenden Werkes liegt im Orchester, das durchaus symphonisch behandelt is t
und längere Zwischenspiele zu erledigen hat: diese bilden sicherlich den interessantesten
Bestandteil des durch nicht viele, aber machtvolle Chöre ausgezeichneten, von Religio-
sitlt erfüllten Werkes. Es war von Hans Pfltzner mit sichtbarer Liebe einstudiert worden:
Orchester und Chor Uten unter seiner zielbewussten, erfreulicherweise jetzt ruhiger ge-
wordenen Direktion ihre Schuldigkeit. Aber wie konnte er es zulassen, dass der Chor
und der Vertreter des Christus Lateinisch sangen, die übrigen Solisten sich der mangel-
haften deutschen Obersetzung bedienten? Die umfangreiche Rolle des Evangelisten
sang Paul Bleiden oder schrie sie vielmehr, da er ein Piano nicht kennt; seine an sich
prichtige Tenorstimme entbehrt leider aller Schulung; auch wusste er mit den Rezita-
tiven nicht viel anzufangen. Den Christus sang Dr. Pröll aus Frankfürt a. M. mit seinem
schönen Bariton wohl etwas zu salbungsvoll. Von der in hochdramatischen Partieen
sonst vortrefflichen Roxy King war bei ihrem ersten Oratorienversuch etwas mehr zu
erwarten. Dr. Wilh. Altmann.
Osterglocken Hüten den Frieden ein. Konzert und Kritik ruhen. Auf die Elite-
konzerte, in denen die Kunst weniger elite als die Toilette, folgten die »einzigen*
Abende. Auf diese die »letzten" und »allerletzten". Ist's schon vornehm, statt drei oder
vier Abende, ein einziges Konzert zu geben, so sollte man es auch dabei bewenden lassen;
denn es wirft kein gutes Licht auf unsere Zeit, Kunst und Spekulation Arm in Arm ver-
eint zu sehen. — Im übrigen gab's manches, das von der Hoffnung getragen ward: einige
Frühlichterwellen, deren heller Klang zage und zart vorüberwehte. So Elsa Sant: eine
Naturalistin mit sicherem Griff und guter Atemfunktion, mit prächtig ausgeglichenem
Register und stilistischem legato, aber noch mit vielen flach gebildeten Formen. Sie lasse
das Nachvornsingen, baue die Form noch mehr aus und vertiefe Musik und Ausdruck,
so kann's reiche Frucht tragen. — Ein gleichfalls schönes Material von guter Schulung
und mancher fast vollendeten Form bedeutet Hedwig F ritsch. Schade nur, dass sie —
unter Zubilligung mildernder Umstände — infolge starker Indisposition ohne Temperament
in monotonem Klang erstarrte. — Entzückende Mittel und einen reizenden, frischen,
musikalischen Sinn traf ich auch bei Martha Stapel feldt an. Aber hier deckt der
gänzliche Mangel eines eisernen Stimmgriffes und eines konzentrierten Pianos fest die
ganzen Vorzüge. Sie arbeite darum an der Stauung und merze die »Elle Luft" aus, die
ihrem Klange vorausläuft. Kunstgesang ist keine Luftentwicklung mit allmählicher Klang-
bildung, sondern Klangwerdung einer komprimierten Luftsäule. — Bei Maja Gloersen-
Huitfeldt muss man schon grössere Einschränkungen machen; denn trotz guter Höhe
und schöner Kopftöne hat sie den schwedischen oder norwegischen »Kloss". Auch die
Intonation, Zunge und Ansatz funktionieren nicht gut Man kommt über die Halsigkeit
und die gequetschten Diphtonge nicht hinweg. — Lina Marschall bestach durch gute
Schulung, gediegene Form und eine gewisse, ruhige, vornehme Art zu singen. Aber
138
DIE MUSIK III. 14.
auch hier ist der Hals nicht frei, und die Aussprache derart, dass man von der fiber-
reifen Stimme wenig zu erwarten hat — Schöne Mittel, aber flach und offen gebildet,
mit scharfer Höhe und schlechtem Atem erschöpfen Gertrude Luckys' Kunst. Zugelernt
hat sie nur wenig. Der Ton flackert nach wie vor, und das Detonieren scheint Manier
zu werden. — Dagegen muss ich Emily Hamann-Martinsen rundweg ablehnen. An
solch* entsetzlicher Halssingerei scheitert jegliche Mühe und Arbeit. Es ist mir unklar,
wie man so in den Tag hinein singen kann, wo der Hals wie Eisen so fest und der Ton
schon in der Kehle erstickt, bevor er noch Form erhalten. — Zum Schluss: Ada Soder-
Hueck, ein festes Organ, dessen Vorzüge in der Höhe durch die absolut falsche Kurz-
atmung wie durch den Mangel an innerem Leben und Wärme völlig aufgehoben werden.
— Die Herren Felix Lederer-Prina und Alexander Heinemann sind bekannt.
Erster leidet schwer unter einem monotonen Nasalklang und zihem Ansatz. Ein vor-
züglicher Musiker trifft ihn der Fluch eines unedlen Timbres, gegen den er machtlos.
Starre Formen und mangelnde Obertöne sind jedoch Fehler, die eine so hoch begabte
Intelligenz leicht beseitigen müsste. Eigene Lieder zeigen einen Hang zur Melancholie
und zu ernstem Träumen. Letzter schlug sein sieghaftes Organ mit Macht in die
Schanze. Mendelssohn und Brahms waren durchdacht. Die Berliner: Lazarus, Kaun,
Schwers, Ertel kamen schlechter weg. Übrigens fehlfs zum Stil noch an vielem; denn je
gewichtiger ein Organ, um so zwingender die Forderung nach einem vollendeten Schliff
und edlen Metall nach Mass und ruhiger.Würde der Linie. — Bleiben die Klavierspieler Oscar
Z a 1 e w s k i , Attilio B r u g n o 1 i , Marc M 6 1 s c h i k, — ein Techniker von fundamentalen Grund-
lagen und starkem Klavierinstinkt, aber ohne grossen Kunstverstand und ohne dynamische
Grazie — und Amelie Klose. Letzte mit den Philharmonikern. Wo Seele und Tem-
perament der Langweiligkeit verfallen, hat der Teufel sein Recht verloren. Die technisch
unzulängliche Dame spielte Beethoven (Es-dur Konzert), Liszts .Pathetisches*, von
Eduard Reuss vergebens für grosses Orchester instrumentiert, sowie Tschaikowsky's
b-moll mit ein- und demselben Ton beruhigt und voll Behagen. — Mit einer Geigerin
Inka von Linprun, deren Ton und Technik noch reifender Sommersonne bedürfen,
nehme ich mit Vergnügen von diesem Winter Abschied und heisse den Frühling will-
kommen. Rudolf M. Breithaupt.
BRESLAU: Bachs „Hohe Messe" [machte im elften Abonnementskonzert der „Ver-
einigung der Breslauer Orchestervereine und der Breslauer Singakademie" unter
Leitung von Dr. Dohrn einen solchen Eindruck, dass das Werk in einem Extrakonzert
wiederholt werden musste. Auch bei der Wiederholung war der grosse Konzerthaussaal
dicht besetzt. Chor und Orchester hielten sich vortrefflich. Die Soli wurden von Frau
Ciaire La Porte-Stolzenberg (Sopran), Frau Geller- Wolter (Alt), Robert Kauffmann (Tenor)
und Rudolf von Milde (Bass) gesungen. Im letzten Abonnementskonzert hörten wir
lauter bekannte Werke von Schumann, Mozart, Bach und Wagner. Eine Neuheit „Hymne
an meine Göttin", symphonische Dichtung für grosses Orchester op. 8 von Richard Wetz,
empfiehlt sich durch Klangschönheit; neue Gesichtspunkte werden darin nicht aufgestellt.
Viel Beifall fand der Geiger Bram Eidering. Der letzte Kammermusikabend beschäftigte
sich mit bekannten Werken von Schumann, Mozart und Thuille (Sextett op. 6). Die Aus-
führenden: Dr. Dohrn (Klavier), Himmelstoss, Behr, Hermann, Melzer (Streichquartett),
Schröer (Flöte), Witt (Oboe), Stöhr (Klarinette), Kirbach (Fagott) und Koch (Hörn) standen
auf der Höhe ihrer Aufgabe. Grossen Erfolg hatten Frau Marie Götze als Liedersängerin
und der phänomenale Geiger Kubelik. J. Seh in k.
BRUNN: Die Fülle des zu Berichtenden gestattet nur eine kurze Erwähnung der be-
merkenswerten Ereignisse. Die Philharmoniker (Veit) verhalfen u. a. Tschaikowsky's
dritter Orchestersuite zu einer prächtigen Wiedergabe, und der Musikverein lieferte mit
130
KRITIK: KONZERT
Glazounow's Symphonie op. 4 seine beste Leistung seit Frotzlers Direktionsantritt. Der
letzte Konzertabend dieses Vereines war einer gerundeten Aufführung von Klughardts
„Die Zerstörung Jerusalems" gewidmet, die sich durch die vorzügliche Besetzung der
Soli,' insbesondere durch die Herren Neubauer und Rudolf Berger auszeichnete. Wie
alljihrlich ehrte der Verein »Deutsches Haus" auch heuer den Geburtstag Bachs durch
eine pietätvolle Feier. Der Liedergesang war durch Fr. Brüll-Kienemund, Leopold Demuth
und das treffliche Frl. Koenen vertreten. S. Ehrenstein.
CHEMNITZ: Die Höhepunkte solistischer Leistungen der Berichtszeit bildeten die
Gesangsvortrige (Wagnerausschnitte) von Alfred von Bary und Liszts Es-dur Konzert
mit Marianne Brünner, neben denen Mary Münchboff und Anna Stahlknecht-Borgwardt
annähernde Erfolge zu verzeichnen hatten. Als ganz vorzügliches Ensemble stellte sich
mit musikalisch hochfein ausgearbeiten a cappella-Gesängen alter und neuer Meister das
Leipziger Damen-Vokalquartett vor und Stadtkapelle und Lehrergesangverein (Max Pohle)
vermittelten uns in üblich vortrefflicher Ausführung symphonisch bedeutende Werke von
Tschaikowsky, Saint-Saöns, Heinr. Hofmann und Schumann, bzw. Minnerchorwerke von
Schubert, Neumann, Hegar, Brahms und Strong. Oskar Hoffmann.
DANZIG: Den erheblichsten Beitrag zur Musikpflege liefern nach wie vor C. Theil
und F. Binder. Theil mit seinen wöchentlichen Symphoniekonzerten, die an Billig-
keit bei stets interessantem Programm und geistvoller Ausführung in Deutschland ausser
Berlin nicht ihresgleichen haben und jetzt auch die Mitwirkung heimischer Künstler als
Solisten gewonnen haben. Binder veranstaltete am Klavier mitwirkend sechs Kammer-
musikabende im Verein mit H. Davidsohn und den Herren Wernicke, Seidel, Becker,
leitete die beiden Aufführungen der Danziger Singakademie, deren eine die „Schöpfung*
und die andere das Oratorium „Welt-Ende, Gericht und neue Welt" von Raff brachte,
und veranstaltete zwei Symphoniekonzerte, die zu den schönsten Ereignissen in dem so
reich erblühten und auf ein so hohes Niveau gelangten Musikleben unserer Stadt gehören.
Der Orchesterverein unter verdienstvoller Leitung des Herrn Schwarz gab zwei Konzerte,
im ersten hatten wir das Glück endlich Ysaye zu hören. Er spielte hier als Hauptstück
die so interessante wie anmutreiche Schottische Phantasie von Bruch. Im zweiten
Konzert des Vereins erfreute Frau Elisabeth Ziese durch tüchtige und belebte Wieder-
gabe von Beethovens c-moll Konzert. An eigenen Konzerten auswärtiger und hiesiger
Künstler fehlte es nicht. Mary Münchboff kam und von neuem bewunderte man die
hohe Künstlerschaft der Singerin. Petschnikoff mit Frau erschienen wieder und übten
denselben Zauber aus wie früher. Das Quartett Joachim-Halir-Wirth-Hausmann, vom
Orchesterverein gerufen, wirkte mit einem Beethoven-Abend beglückend und das Beispiel
der Vollendung gebend. Frau Schumann-Heink erschien trotz ihrer seltenen Machtmittel
an Stimme und Ausdruck doch von ihrer Höhe hinabgestiegen. Herr Hinze aus Danzig
erwies sich bei enormer Technik doch als ein auf dem Wege über Leipzig stark ent-
wegtes Talent. Die sechs Kammermusikkonzerte, jetzt ausschliesslich von Danziger
Krlften, werden in einem Geiste geleitet, der edles Neue ebenso fördert wie er das gute
Alte bewahrt. Ebenso verfährt Binder in seinen Symphoniekonzerten. Ralfs Oratorium
jedoch machte begreiflich, was Kretzschmar darüber urteilt, und dass es, einst mit
grösster Spannung erwartet, stark enttäuscht habe. — Der Danziger Lehrergesangverein
führte beifällig Hofmanns Jungfrau von Orleans* auf. Dr. C. Fuchs.
DESSAU: Im 5. Hofkapellkonzert erschien zum erstenmal Brückners romantische
Es-dur Symphonie (No. 4) in schöner Wiedergabe. Johanna Dietz erfreute durch
Lieder von Wagner und Liszt. Die Novität des 6. Konzertes war Alexander Ritters
symphonische Trauermusik „Kaiser Rudolfs Ritt zum Grabe*. Mit dem Es-dur Klavier-
konzert erwies sich Guido Peters als meisterlicher Beethovenspieler. Das 7. Konzert
140
DIE MUSIK III. 14.
brachte in Erstaufführung Franz Mikoreys Programm-Symphonie «An der Adrla", ein
Werk, das, wenn auch zu breit angelegt, von grosszügiger Konzeption wie von einem
immensen Können Zeugnis ablegt. Die beiden Kammermusikabende IV und V ver-
mittelten Beethovens Serenade op. 25, Rubinsteins Streichquartett op. 17 No. 3, Schu-
manns A-dur Quartett op. 41 und Franz Schuberts ewig schönes B-dur Trio op. 90. Die
Vokalsoli boten Kammersinger R. von Milde und seine begabte Schülerin Elsa Angelkorte.
Im 3. Windersteinkonzert interessierten Hugo Wolfs »Penthesilea* und Konzertmeister
Pick-Steiner mit dem Vortrag des Brahmsschen Violinkonzerts. Ernst Hamann.
DORTMUND: Mary Münchhoff errang im dritten philharmonischen Solisten-Konzert
mit Donizetti's »Wahnsinnsarie - und einer Anzahl Lieder neue Ehren. Unter
Hüttner erwuchs Brahms' c-moll Symphonie zu einer fein durchdachten und sorgsam ab-
gestuften Orchesterleistung. Dieser ebenbürtig war die Ausführung der »Eroica* im
letzten Konzert der Serie. In diesem dirigierte Max Schillings seinen Prolog zu „ödipus",
das Vorspiel zu „Ingwelde" und das »Hexenlied". Bei meisterhafter Deklamation durch
Ernst v. Possart hinterliess das Melodram einen starken Eindruck; einige Schlllingssche
Lieder, von Frau Cahnbley- Hinken gesungen, erwärmten nicht in gleichem Grade. —
Einen anregenden Vortrag über Tschaikowsky und seine pathetische Symphonie mit
nachfolgender Ausführung hielt Kapellmeister Hüttner. Musikdirektor Janssen gab im
Verein mit Bernhard Dessau und Hugo Dechert einen fesselnden Beethoven-Abend. In
einem Holtschneiderschen Orgelkonzert erregte eine Passacaglia und das Konzert mit
Orchester F-dur von Hlndel-Reimann besonderes Interesse. Aus den Symphoniekonzerten
mögen hier Erwähnung finden: die Böcklin-Symphonie von Huber und die Beethoven-
Abende, in denen die Ausführung der Symphonieen von der künstlerischen Stufe des
philharmonischen Orchesters beredtes Zeugnis ablegte. Willy Eickemeyer spielte das
Es-dur Konzert in fesselnder Weise. Im Hornungschen Schlusskonzert zeigte sich Josef
Hofmann in Werken klassischer und moderner Meister als ein technisch gut ausgerüsteter
und geistig fein empfindender Pianist und Marie Soldat-Roeger bewies wiederum ihre
hohe Künstlerschaft. Heinrich Bulle.
DRESDEN: Die orchestrale Neuheit des sechsten Symphoniekonzerts (Serie B) im
Opernhause war ein symphonischer Prolog zu Hugo von Hofmannsthals Drama
„Der Tor und der Tod" von August Reuss. Während der Dichter in seinem Werke im
wesentlichen auf feine Stimmungseffekte sbzielt, sucht der Komponist mehr die leiden-
schaftlichen Momente der Dichtung zu verwerten und durch schroffe Gegensätze zu
wirken. Daraus erklärt es sich, dass die Komposition keinen einheitlichen Eindruck
machtt sondern in zahlreiche Partieen auseinandergerissen zu sein scheint Der Einfluss
von Richard Strauss (Tod und Verklärung) ist unverkennbar. Die Aufnahme des gut
instrumentierten und durch einen pathetischen Zug ausgezeichneten Werkes war achtungs-
voll. Solist war der Cellovirtuose Jean Gtrardy, der zwar durch glänzende Technik
hervorragte, aber in bezug auf Beseelung des Spiels und Geschmack der Auswahl seiner
Soli manches zu wünschen übrig Hess. Ein Verdienst erwarb sich der Orchesterverein
.Philharmonie*, dessen über 70 Köpfe zählende Kapelle unter Leitung des Herrn Born-
schein steht, mit einer Aufführung der Symphonie »Frühlingsfeier* von Heinrich Schulz-
Beuthen, dem hier lebenden, leider noch bei weitem nicht genug gewürdigten Tondichter.
Dagegen war das Unternehmen des Herrn Lehmann-Osten, ein ganzes Konzert aus-
schliesslich mit Werken des greisen Hamburger Komponisten Ferdinand Thieriot zu
füllen, von keinem erheblichen Erfolg begleitet, da Thieriot zwar in jedem seiner .Werke
als tüchtiger Musiker sich erweist, aber dem modernen Empfinden doch allzufern steht.
Auch ein Konzert, das Paul Colberg zum Besten des Albertvereins veranstaltete, um
darin umfangreiche Teile einer Oper aus seiner Feder zu Gehör zu bringen, verlief, ab-
141
KRITIK: KONZERT
gesehen von der solistischen Mitwirkung des Konzertmeisters Levinger, ziemlich matt
Die Quartettvereinigungen Petri und Lewinger haben ihre Zyklen abgeschlossen, von
andern musikalischen Veranstaltungen verdienen nur das Konzert des Leipziger Solo-
quartetts für Kirchengesang sowie ein Klavierabend von Teresa Carrefto an dieser Stelle
hervorgehoben zu werden.
F. A. Geissler.
ELBERPELD: In einem eigenen Konzert bewährte sich neben der gediegenen Pianistin
Helene Rauchenecker der Cellist Henry Son als ein technisch durchgebildeter,
musikalisch empfindender Künstler. Das fünfte Konzert der Konzertgesellschaft brachte
unter Dr. Hayms Leitung eine vorzügliche Aufführung der „Symphonie path&ique" von
Tschalkowsky. Der Chor war mit dem anmutigen »Athenischen Frühlingsreigen 11 für
Frauenchor und Orchester von Josef Frischen vertreten. Mit dem Geiger Ollveira
(Valerio Franchetti) hatte man eine sehr glückliche Wahl getroffen. Weniger gefiel die
Singerin Katharina Roesing. Wie in dem Konzert des Lehrergesangvereins, der unter
Haym das Volks- und Kunstlied gleich erfolgreich pflegt, die Gesangsvortrige von Frau
Professor Schmidt aus Halle, so waren in dem Kirchenkonzert in der Christuskirche,
dem vom Instrumentalverein und der Liedertafel veranstalteten und von Dr. Burkhardt
geleiteten Konzert, die von Frau Cahn-Poft die künstlerisch wertvollsten Darbietungen.
WIhrend die Konzertdirektion de Sauset mit dem Güntherschen Liederspiel- und Operetten-
Ensemble einen völligen Misserfolg zu verzeichnen hatte, reihte sich ihr sechstes Künstler-
Konzert den bisherigen würdig an.
Ferdinand Schemensky.
ESSEN: Während im fünften Musikvereinskonzert Katherine Goodson durch die
temperamentvolle Wiedergabe des Klavierkonzerts in b-moll von Tschalkowsky er-
freute, erschloss Eugen d* Albert in einem Konzert der Musikalischen Gesellschaft die
Tiefen Beethovenschen Geistes. Der Musikverein brachte im Schlusskonzert Henschels
Requiem und Kapellmeister Olsner mit seinem Frauenchor Pergolese's selten gewordenes
„Stabat mater".
Max Hehemann.
FRANKFURT a. M.: Die Museumsgesellschaft hat ihr Publikum in die Ferien ent-
lassen; ein vorwlegeod Hugo Wolf gewidmetes Sonntags-Programm und ein gedie-
gener Freitagsabend, wobei d' Albert sein Konzert in E-dur glänzend spielte, machten den
Schluss der orchestralen Darbietungen für diesmal. Siegmund von Hausegger hat sich
seinem künstlerischen Vorstandsposten in diesen letzten Veranstaltungen so gut gewachsen
gezeigt, wie in seiner ganzen ersten Saiaon. Für Klassiker, neuere und neueste, hatte
er als Dirigent das gleiche Mass von Sinn und von fein-geschmackvollem Darstellungs-
vermögen übrig. Als selbstschaffender Musiker steht er allerdings, wie seine zahlreichen
Lieder und die jüngst aufgeführte .Dionysische Phantasie 11 deutlich wiesen, ganz auf
dem Boden der »Neuesten", sber ohne das „gränzenlose Erdreusten" von Goethes
Baccalaureus. Er wird fast durchweg von Mässigung und Geschmack beraten. Mögen
ihm diese guten Geister immer zur Seite bleiben! Ganz zuletzt war noch das böhmische
Quartett vom Muaeum zu einem Gastspiel geladen worden, wobei es besonders mit
Dvottks op. 96, dem „amerikanischen" Quartett, höchst gelungen abschnitt Der Lebrer-
vereina-Slngerchor gab in seinem 2. Konzert wieder manch ansprechende Neuheit zum
besten, namentlich gefielen von den 6 volkstümlichen Gesingen von Bernhard Sekles
einige Nummern lebhaft. Der Komponist hat in den Männerchorsatz eine Sopransolo-
stimme eingeflochten, nicht aus blosser musikalischer Willkür, sondern auch mit Rück-
sicht auf die selbstgeschaffenen Texte, sodass das Ganze einen leisen musik-dramadschen
Anflug bekommt. Eine junge Violinkünstlerin, Elsa Wagner aua Dresden» fand in
142
' DIE MUSIK III. 14.
diesem Konzert auch vielen und gerechtfertigten Applaus; gründlichen Kennern gefielen
zwei von Fritz Baselt für Minnerchor bearbeitete Sitze von Arcadelt und Orlando di Lasso.
Eine besonders in den Chorpartieen vollgelungene Aufführung von Mendelssohns »Elias*
mit C. Perron als Hauptsolisten fällt dem Kubischen Verein als Verdienst zu. Die
grossen Konzertinstitute haben nun last alle, der vorgeschrittenen Saison Rechnung tragend»
ihre Tätigkeit beschlossen. Hans Pfeilschmidt
FREIBURG i. B.: Die dieswinterlichen Symphoniekonzerte fanden im sechsten ihren
Abschlus8. Von Neueren war R. Strauss mit „Don Juan" und »Heldenleben«,
Berlioz mit der Harold-Symphonle und Brückner mit der vierten (romantischen) vertreten;
von älteren Meistern Bach (C-dur Suite) und Beethoven (Pastoral-Symphonie). Die
Leistungen des Städtischen Orchesters unter Starkes Leitung standen auch diesmal auf
der Höhe ihrer Aufgabe. Als hervorragende Solisten hörten wir Alexander Petscbnikoff
in Mozarts mustergültig gespieltem A-dur Konzert und der Bachschen Chaconne. Unter
den Gesangssolisten interessierte besonders der Berliner Hofopernsänger Baptist Hoffmann
mit der Hans Heiling Arie und einigen prächtig gesungenen Liedern von Schubert,
Brahms und Schumann; dann Frau Metzger-Froitzheim, die mit schöner Altstimme eine
Arie aus »Samson und Dalila", sowie Lieder von Schubert, C. M. v. Weber und H. Wolf
zu Gehör brachte. — Die Kammermusikvereinigung des Süddeutschen Streich-Quartetts
brachte an 4 Abenden noch Mozart, Beethoven, Schumann und Schubert zum Vortrag.
Treffliches Zusammenspiel und hoher künstlerischer Ernst sind sämtlichen Vorträgen
nachzurühmen; pianistisch machte sich Frau Dr. Thomas-St Galli als hervorragende
Mozart- und Beethoven-Interpretin geltend. — Der Oratorien -Verein bewerkstelligte eine
Aufführung von Schumanns Manfred-Musik mit Ludwig Wüllner. — Der Musikverein
führte Schumanns »Der Rose Pilgerfahrt" in sehr gelungener Weise auf und ist gegen-
wärtig eifrig mit den Chorproben zu Bachs Johannes-Passion beschäftigt, die mit Clara
Erler, Dr. Raoul Walter und Prof. Staudigl am Karfreitag zur Aufführung kommt —
Zu erwähnen sind noch ein stark besuchter Beethoven-Abend Frederic Lamond's und
ein Konzert des hervorragenden Violinisten Silvary aus Paris, die beide glänzende Auf-
nahme fanden. Victor August Loser.
GLASGOW: Die »Glee and Madrigal-Society" gab ein sehr interessantes Konzert,
das nur Schöpfungen aus längst vergangener Zeit enthielt. Darunter Werke von
Palestrina und solche von englischen Zeitgenossen. — Die »Schöpfung" wurde zweimal
geboten. Zuerst durch die »Glasgow-Sabbath-Union", dann durch die »Vale Choral-
Union". Die »Cecilian Orchestral-Society" gab ein im ganzen gelungenes Konzert, das
Beethovens erste Symphonie uud Mendelssohns »Capriccio brillant" in h-moll (Herr
Turnbull) enthielt. Das »Choral-Institute" brachte im Verein mit der »Gesellschaft
junger Christen" eine gelungene Wiedergabe des »Judas Maccabäus". Das zweite Kon-
zert der »Amateur Society" war eines der besten, das diese ausgezeichnete Gesellschaft
von Dilettanten jemals geboten hat Es umfasste: Ouvertüre zur »Zauberflöte" und
Leonore No. 3, die Liebes-Szene aus Berlioz' »Romeo und Julie", Liszts »Les Pröludes"
und Bachs Konzert in d-moll für 2 Violinen und Streich-Orchester. Tsrnoc.
HAMBURG: Mit der|Konstatierung so wichtiger Ereignisse, wie dass Herr Kapell-
meister Müller im letzten Abonnement-Konzert mit Brahms' c-moll Symphonie seine
Begabung glänzend dokumentierte, und dass Herr Kapellmeister Schultze in seinem
Konzert mit Beethovens c-moll Symphonie Triumphe feierte; dass Herr Meier Beethovens
Violinkonzert tonschön spielte, Herr Lehmann seine Verehrerinnen mit Mendelsohns
Konzert für die Geige begeisterte, möchte ich~die Geduld der Leser der »Musik* lieber
nicht erschöpfen. Darüber hinaus aber bot die Saison wirklich nicht allzuviel — Neues
von Belang gar nicht. Multa, non multum ist das Endresultat Allerlei Konzerte, die
143
KRITIK: KONZERT
bei dem hier herrschenden Unfug der Kilometer-Kritiken der Lokalkritik Gelegenheit
geben, statistisches Material, vergleichende Zahlenkunde anzufahren, aber Aufführungen
von einschneidender Bedeutung — nein! Nikisch futtert uns, nach einigen schlechten
Erfahrungen mit neuzeitlichen Programmen, mehr und mehr nach der bewährten Musik-
Speiseküche ab; er balanciert geschickt zwischen den Nieten und den Stilen herum und
macht durch wundervolle Reproduktionen vergessen, dass eigentlich im Vordergrunde
nicht die Ausführung sondern das Werk stehen sollte. Max Fiedler hat mit einem
Beethoven -Abend seinen gut gelungenen, recht brav gemischten, aber doch auch nicht
mit Bestimmtheit ein Ziel verfolgenden Zyklus beendet und zugleich für das kommende
Jahr eine Vermehrung seiner Konzerte von 8 auf 10 Abende angekündigt. Der grosse
Nimmersatt, genannt Publikum, verträgt also noch mehr. Julius Spengel mit der „Cicilta"
ist gleichfalls bei der grossen Saison-Fermate angekommen und eine kleine Sensation
hatte die hiesige Philharmonie für das Ende ihrer Konzerte in Bereitschaft: Prof. Richard
Barth tritt freiwillig von der Leitung des alten, angesehenen Instituts zurück. Die Lokal-
presse hat sich bei diesem Anlass einige Krokodilstrinen herausgequetscht, aber ein
ehrliches, tiefes, künstlerisches Bedauern hat Barths Entschluss nicht erregen können.
Barth, ein entschieden feiner Kopf, ein guter Musiker trotz seines einseitigen, reaktionären
Geschmackes und eines ähnlichen Empfindens, war eben bei allen seinen Vorzügen nicht
der Mann, der an die Spitze eines grossen Instituts einer Grossstadt gehörte. Es fehlt
ihm an künstlerischem Profil, an überragender Persönlichkeit und an den Eigenschaften,
die zum modernen Dirigenten gehören. Auch kleinere Konkurrenten wie Nikisch und
Fiedler wären seinem soliden Musikertum gefährlich geworden; vollends bei solchem
Wettkampf aber musste die Philharmonie unterliegen. Und sie unterlag. Die Reihen
ihrer Anhänger lichteten sich mehr und mehr, das grosse künstlerische Interesse schwand
und es blieb nur noch ein Anhang von persönlichen Freunden — wie immer zu wenig,
um das Institut finanziell über Wasser zu halten. Man kann begreifen, dass dieser Rück-
gang einen vornehmen Mann wie Professor Barth tief kränkte und ihn zu Rücktritts-
gedanken bestimmte. Im nächsten Jahre will die Philharmonie sich mit Gastdirigenten
behelfen, dann soll der Posten wieder definitiv besetzt werden. Unter den aussichtsvollen
Kandidaten wird in erster Linie der prächtige, vielseitige Emil Paur, der kürzlich Berlin
und Wien begeisterte, gensnnt. Dass die Berufung des ausgezeichneten Musikers wohl
geeignet wäre, unserm Musikleben eine feste Stütze zu geben und daher wohl auch von
allen Musikern jeder Richtung mit Freuden und Enthusiasmus begrüsst würde, bedarf
kaum der Versicherung. Heinrich Chevalley.
HEIDELBERG: Mit dem üblichen grossen Chorkonzert beschloss der Bach -Verein
seine diesjährige Tätigkeit. In Beethovens selten gehörter, neben der grossen
Schwester in D leider etwas vernachlässigten C-dur Messe und in Bachs gewaltigem
Magniflcat leistete der Chor unter Prof. Wolfrums Leitung Vortreffliches, während die
Solisten nicht in gleicher Weise befriedigten. Ihretwegen kam auch Bachs wundervolle,
von Wolfrum bearbeitete Kantate: „Ich bin ein guter Hirt 11 (für Solostimmen mit Aus-
nahme zweier Chorchoräle) nicht zu voller Geltung. — Dr. Wüllner warb unserer endlich
wachsenden Wolf-Gemeinde durch einen herrlichen Hugo Wolf-Abend eine grosse Zahl
neuer Freunde. Mit einem ausverkauften Beethoven-Abend des Heermann-Quartetts
beendigte Direktor Seelig seine diesjährigen Kammermusikveranstaltungen, die, erwachsen
aus kleinen Anfängen, unverdrossen für das Verständnis „intimer Musik" gewirkt und
sich im Laufe der letzten Jahre zu einem unentbehrlichen Faktor unseres Musiklebens
entwickelt haben. Bertha Morena's Pathos wirkte trotz der grossen Stimmmittel auf dem
Konzeitpodium nicht recht überzeugend. Erika Wedekind entzückte Freunde des bei
canto wieder durch ihre unfehlbare Technik. Fritz Stein.
144
DIE MUSIK III. 14.
KÖLN: Das zehnte Gfirzenich-Konzert brachte in allererster Aufführung eine Novität
aus der Feder des Darmstldter Hofkapellmeisters W. de Haan «Das Lied von
Werden und Vergehen" für Chor, Orchester und Orgel. Vor den Tempel der Nacht
führt uns de Haans poetischer Vorwurf, wo von den ewigen Toren in düstrer Runen-
schrift das uralte, nie gelöste Rltsel von Werden und Vergehen entgegenstand Dasselbe
rauschen die dunklen Wogen. Was der Tag entliehen hatte, gibt er in das Dunkel hinter
die undurchdringlichen Tore zurück, bis einst die grosse Stunde schiigt und die Gold-
harfen im Saal der Erinnerung das Lied der Versöhnung und der Erkenntnis vom ewigen
Sein tönen. Die dichterisch schönen Gedanken haben eine vornehme Fassung gefunden.
Die Vertonung des Textes zeigt den Komponisten zunlchst hinsichtlich der Erfindung
von sehr vorteilhafter Seite, dann sehen wir seine Themen folgerichtig aufgebaut und,
bei teilweiser Wahrung der für ähnliche Kunstwerke früher massgebenden altern Form,
sowohl die Chöre wie das Orchester mit einer bedeutenden und wirkungsvollen Aufgabe
bedacht Zumal im Orchester ist vieles ganz im Stil der Moderne behandelt und da ist
es nicht zu verwundern, wenn bei einer Stelle wie »hinter ihm fielen die Tore zu, die
schweren Riegel wurden kreischend vorgeschoben" das Geräusch der Riegel einen zeit-
genössisch beglaubigten Missklang hervorruft und manches sonstige realistische Moment
der neuern Richtung Rechnung trägt. Die Stimmenführung der Chöre ist eine sehr ge-
wählte und die ganze Art und Welse des Chorsatzes erinnert an beste Vorbilder. Die
interessante orchestrale Arbeit bewährt überall den jedwede Technik sicher beherrschenden
Meister, der es trefflich verstanden hst, durch mannigfach-wirksame Farbenmischung dem
ganzen Tongemälde eigenartigen Reiz und poetische Stimmung im Sinne der Textvorlage
zu geben. Die Aufführung unter Steinbach war eine nach jeder Richtung vorzügliche,
so dsss de Haan, der persönlich erschienen wer, sich bei Dirigent und Publikum für einen
sehr schönen Erfolg bedanken konnte. Auch A. Glazounow's fünfte Symphonie, die von
verwandten früheren Werken desselben Autors in mehrfacher Hinsicht, zumal an klarer
Gliederung und Übersichtlichkeit, übertroffen wird, interessierte lebhaft, hauptsächlich
durch das ihr innewohnende starke Temperament und klangliche Schönheiten, welch
letztere allerdings stellenweise um bereits vorhandene und vorteilhaft bekannte musi-
kalische Gedanken in blühender Orchestersprache gewoben zu sein scheinen. Als Solistin
erzielte Irma Saenger-Sethe mit ihrer vornehmen und ausserordentlich tonschönen Wieder-
gabe von Mozarts Violinkonzert Es-dur grossen Erfolg. Schumanns Genoveva-Ouvertüre
hatte in äusserst feiner Ausführung dem Abend eine wertvolle Einleitung gegeben.
Paul Hiller.
KOPENHAGEN: Die Leiter unserer grossen Konzerte sind leider in der Zusammen-
stellung ihrer Programme nicht besonders glücklich. Johan Svendsen setzte (in den
Kapellkonzerten) neben eine neue klangvolle und interessante, aber nicht eben tiefgehende
Symphonie von Tanöiw das abgedroschene Stück von Saint-Saöns „Le rout d'Omphale*
und nachher Händeis Tripelkonzert für Geigen und Cello, um dann mit einer flotten
Kuhlauschen Ouvertüre zu schliessenl Herr Neruda brachte (im Musikverein) nach drei
Berliozschen, nicht glücklich gewählten Stücken die vierte Symphonie von Beethoven,
leider ziemlich mittelmässig vorgeführt, und zum Schluss ein freundliches, nicht sehr
bedeutendes Frühlings-Chorlied von J. P. E. Hartmann. Dirigenten sollten, um den
Geschmack zu erheben und ihre eigenen Konzerte wirksamer zu gestalten, der stilvollen
Zusammenstellung ihrer Programme eine besondere Aufmerksamkeit widmen. — Von
kleinen Konzerten nenne ich die Quartettabende der Quartettvereinigungen Höeberg und
Marke, den klassischen Sonatenabend des Klavierspielers L. Glass und des Violinisten
G. Höeberg, den »Schubert-Abend 1 ' der Sängerin Frau Boye-Jensen und das eigentümliche
Palaiskonzert, in dem (preisgekrönte) Kompositionen über die Motive des neuen — hier
145
KRITIK: KONZERT
•ehr besprochenen und bestrittenen — Glockenspiels im Turm des Neuen Rsthauses
zur Aufführung kernen — und zwar mit ihrer einförmigen Wirkung — und schliesslich
des siebente Palaiskonzert, in dem eine Reihe bedeutender Werke von P. E. Lange-
Müller unter Leitung des Komponisten vorgeführt wurden. William Behrend.
KR AK AU: Kurz vor Toresschluss erschienen Ernst van Dyck, der, auf dem Konzert-
podium ohnehin eine Anomalie, mit seiner eminenten Schule über das Schwinden
seines nie allzustark gewesenen Organs nicht hinwegzutluschen vermochte und die,
seit ihrem neunten Lebensjahre als Wunderkind in aller Herren Lindern angestaunte,
nunmehr zur wahren Künstlerin glücklich emporgereifte Leschetizky- Schülerin Paula
Szalit Bernard Scharlitt
LEIPZIG: Stünden nicht noch einige grössere Chorkonzerte in Aussicht: für die Kar-
woche Aufführungen der Johannespsssion und der Mstthluspassion und für den
Mal zur Jubiläumsfeier des Riedelvereins der »Christus" von Liszt und anderes mehr —
so könnte ich heute bereits die Leipziger Konzertsaison 1903/4 als erledigt bezeichnen«
Dss Gewandhaus schloss seine Pforten am 24. MIrz mit Beethovens Symphonieen in
C-dur und in D-moll, nachdem im Vorausgegangenen 21. Abonnementskonzert Durch-
schnittsvorführungen der Oberon-Ouvertüre und der zweiten Symphonie von Brahms,
sowie eine hervorragend schöne Interpretation von Richard Strauss' »Tod und Verklärung"
recht minderwertige Gesangsvortrige der Dresdener Hofopernsängerin Annie Krall ein-
gerahmt hatten , und nachdem der zwischen den beiden letzten Orchesterkonzerten
liegende sechste Gewandhaus-Ksmmermuslkabend die Quartette in f-moll op. 05 und
in a-moll op. 132 von Beethoven und dazwischen unter vortrefflicher pianistischer Be-
teiligung von Carl Friedberg des gleichen Meisters D-dur Trio op. 70, No. 1 gebracht
hatte. Vollendet schön wurden im Schlusskonzert die beiden mittleren Sitze der C-dur
Symphonie und das Scherzo der Neunten vorgefühlt und gut gelang der Freudenhymnus,
für den sich dem durch Mitglieder des Leipziger Lehrergesangvereins verstärkten
Gewandbauschor Emilie BufT-Hedinger, Marie Hertzer-Deppe, Andreas Moers und Kammer-
singer Franz Schwarz als respektables Soloquartett beigesellt hatten« Im übrigen gab
es aber auch in diesem letzten Konzert mancherlei Unschönes und Befremdliches, dss
zum Teil durch ungünstige Aufstellung des vom Chor eingezwingten Orchesters sowie
durch Indifferentismus der ersten Geiger, die unglaublicherweise mit der herrlichen un-
endlichen Sechszehntelmelodie im Adagio der Neunten nichts rechtes anzufangen wussten,
zum andern Teil aber durch Prof. Nikisch verschuldet wurde, der das Menuett der ersten
Symphonie abnorm schnell spielen Hess, die D- und G-dur Seitensitze im Adsgio der
Neunten aber krankhaft verschleppte. Man schien eben allerseits abgespannt und nervös
zu sein, und es bleibt jedenfalls zu bedauern, dass gerade die letzte Symphonie
Beethovens für die «letzten Krifte" der Ausführenden aufgespart wird. Neben diesen
legitimen letzten Konzerten gab es auch noch einige mehr extemporierte Saisonschlüsse:
Hans Lange, Schüler von Prof. Sevcik in Prag, erwies sich in einem Konzert, das er
mit dem noch unfertigen Pianisten Hugh del Carril und dem ordentlichen Violon-
cellisten Anton Fingerland veranstaltete, in der Ausführung des h-moll Konzerts von
Salnt-Saöns und der Fauat-Phantaaie von Wieniawski als ein beachtenswertes, der Reife
nahegekommenes Geigertalent; Agnes Tallard debütierte mit einem Liederabend, dem
nur die tüchtigen Violoncellovortrige des Gewandhausorchestermitglieds Albert Kludt ein
gewisses künstlerisches Ansehen verliehen; eine zu wohltltigem Zweck anberaumte
neuerliche Vorführung des von Th. Hsgedorn mit Geschick komponierten Oratoriums
»St Benno" begegnete freundlichem Interesse, und ein »Preisliederkonzert 41 , mit dem die
als Gesangszeugin nicht ganz glaubwürdige Anna Fricke-Heinze unter Assistenz mehrerer
für Volksliedersinger wenig pridesdnierten Hilfekrifte an das „Wochenbett 11 der neuesten
IIL 14 10
146
DIE MUSIK HL 14.
deutschen Volksliedkunst entbot, wurde mit mehr Verwunderung als Bewunderung an«
gehört und teilweise sogar abgelehnt Arthur Smolian.
LIVERPOOL: Das letzte der .Richter-Konzerte" enthielt in seinem brillanten Programm
Elgar** „Cockaigne", Strauss' »Also sprach Zaratbustra" 9 Beethovens „Leonoren"*
Ouvertüre No. 2 und die Scfaluss-Szene aus «Tristan*. — Im 10. Konzert der Philhar-
moniker hörten wir Beethovens „Siebente", Strauss* «Tod und Verklärung", Stücke aus
dem Parsifal; als Solistin erschien Muriel Poster mit Saint-Saöns' Ballade „La Bancee
du Timballier". Dr. Co wen aus London war, wie gewöhnlich, der Dirigent Im nach-,
folgenden Konzert freuten wir uns, Raoul Pugno begrüssen zu können; er fesselte durch
eine ausgezeichnete Wiedergabe von Griegs wohlbekanntem Konzert — Das dramatische
Oratorium von Alex. Mackenzie „The Rose of Sharon" fand durch die „Baptist
Choral Society" eine nicht eben vollendete Aufführung, während die Solisten (Mr. Tree,
Miss Allen, Miss Charlotte Lane) nach jeder Richtung befriedigten. Auch der vierte
Abend Mozartscher Duos für Klavier und Violine verdient mit Anerkennung erwähnt zu
werden. Conrat
MAGDEBURG: Die Saison der Konzerte ging mit einem letzten Stadttheaterkonzert
der städtischen Kapelle zu Ende. Was folgt ist nur ein bescheidener Nachklang.
Engen d' Albert spielte und dirigierte einige eigne Opern fragmente; das war für Musi?
kaiische das Ereignis des Abends; im übrigen enthielt das Programm bekannte Werke.
Ein schöner Erfolg erblühte dem Orchester und seinem Dirigenten in einem Chorkonzert,
das die Walpurgisnacht Mendelssohns brachte und die Faustmusik Schumanns in der
beliebten Abkürzung. Im letzten Konzert des „Kaufmännischen Verein" hörte man wieder
Herrn Kreisler. Das letzte „Harmonie"konzert war das allerletzte. Diese Gesellschaft,
die 1 auf eine hundertjährige Pflege der Symphoniekonzerte zurückblickt, gibt ihre Konzerte
auf. Mit den Zeiten ändern sich auch die musikalischen Verhältnisse; in vormärzlichen
Tagen und darüber hinaus sammelte sich in diesen Räumen der musikalische Adel
Deutschtands. Jetzt hat diese Erbschaft wie die der Loge „F. zur Gl." die Stadt über-
nommen. Es erwächst ihr daraus die Pflicht „strebend sich weiter zu bemühen." Man
ist 4>is jetzt, das muss man zum Lobe der Konzertleitung sagen, allerseits auf dem Posten
and Asst sich durch die nörgelnde Kritik Weniger nicht abhalten, ihren Programmen den
Ausspruch Schumanns zugrunde zu legen: achtet das Alte, bringet aber auch dem Neuen
euer ganzes Interesse entgegen. Max Hasse.
MÖNCHEN: Im siebenten Abonnementskonzert des Kgl. Hoforchesters wurde ein
' Cellokonzert von Georg Zeller durch Konzertmeister Ebner zum erstenmal vor-
geführt; ein zwar ungleich erfundenes, aber mit frischem Schwung gearbeitetes Werk;
rh der Form könnte es etwas kompakter sein, namentlich im Hauptallegro, das vielfach
in dramatisch-lebhafte Dialog-Gruppen zwischen Tutti und Solo auseinanderbröckelt
Im gleichen Konzert sang Frl. Tordek eine Arie aus Mozarts „Idomeneo" mit fesselndem
Vortrag. Das zehnte Kaimkonzert unter Weingartner brachte zwei Novitäten, ein stark
eklektisches Gesangsstück mit Orchester Judiths Siegeslied" von van Eyken und die
symphonische Dichtung „Per aspera ad astra" in vier Sätzen von Pohlig. Das letztere
Werk, das einen ähnlichen Vorwurf wie Strauss* „Tod und Verklärung" versinnlichen
wiHj verspricht nach der äusseren Anlage recht Gutes, ist aber in der Ausführung
deiner Ideen zu unbestimmt; es fehlt ihm wohl nicht an formaler Rundung, aber an
Plastik, an jenen spannenden Gegensätzen, zu denen der erste und der dritte Sata
Aach dem Programm herausfördern. Denselben Eindruck hatten wir von den geistlichen
Kompostionen des vielgenannten Lorenzo Perosi, der letzthin im Odeon unter enormer.
Beteiligung des Publikums ein Konzert veranstaltete. Zum Vortrag kamen Instrumentals
sätze und ein Stabat Mater. Perosi hat Formsinn, auch eine auf Übung beruhende
147
KRITIK: KONZERT
solide Satztechoik, aber weder genug kräftige Farben noch tiefere Gedanken; es geht
Ihm fast alles, was er zu sagen bat, in dem weichlichen, scheckigen Konventionalstil
anf, der sich seine Ausdrucksmittel holt, wo er kann. Als Dirigent hat er uns noch
weniger entzückt; es wird kaum einen zweiten geben, der so inbrünstig zum Himmel
emporschauspielert und seine irdischen Einsätze so regelrecht vergisst, wie er. Von
den sonstigen Darbietungen nennen wir zunächst eine Kammermusiksoiree des Münchener
Streichquartetts (Kilian, Knauer, Vollnhals, Kiefer), in dem Beethovens op. 132, Dvoffiks
op. 105 und Haydns op. 76 mit edelster Tongebung und künstlerisch ausgeglichenem
Zusammenspiel zur Wiedergabe kam; ferner einen glänzenden Liszt- Abend Fr6d6ric
Lamond's, zwei Klaviersoireen des talentvollen, in der vorwiegend verstandesmässigen
Auffessungsweise an Risler gemahnenden Schotten Leonard Borwick, sowie den ge-
diegenen Vortrag der Beethovenschen Cello-Sonaten durch die Herren Friedberg und
Hegar; der kleine Violinspieter Vecsey Hess sich im Odeon zum viertenmal hören, auch
Kubelik gab noch einen Abend, beide mit riesigem äusseren Erfolg; ein anderer recht
tüchtiger Geiger, Fritz Kreisler, spielte im vorletzten Abonnementskonzert bei Kaim.
Unter den Sängern ragte Dressler als temperamentvoller Hugo Wolf-Sänger hervor; auch
Frau Susanne Dessoir hinterliess mit ihrem zweiten Liederabend einen sehr nach-
haltigen Eindruck. Endlich sei noch, allerdings mit Grausen, des Beethoven-Abends
der Miss Duncan gedacht, die u. a. die Mondscheinsonate und die beiden Mittelstftze
der siebenten Symphonie zu »tanzen* sich erdreistete und von einem tausendköpflgen
deutschen Publikum mit stürmischen Dankesbezeugungen überschüttet wurde. Gewiss
auch ein Zeichen der Zeit! Im letzten Akademiekonzert kam die symphonische Dichtung
»Insel der Klrke* von Ernst Boehe zum erstenmal zur Aufführung; Die mit den frühered
Dichtungen »Des Helden Ausfahrt* und „Nausikaa* erweckten Hoffnungen hat Boehe io
diesem seinem jüngsten Stück nicht erfüllt. Die Erfindung ist matt, die Ausdrucksweise
tu weichlich und auf jenen konventionellen Ton gestimmt, in dem sich die meisten
modernen Programmmusiker ohne Mühe und Unterbrechung ergehen; aber die technische
Ausführung bekundet viel Fleiss und Geschick; das mit namhafter Sorgfalt gearbeitete
Orchester klingt dem programmatischen Vorwurf entsprechend sehr reich. Im glefchen
Konzert kam auch der von Mottl instrumentierte Monolog Gunlöds sus dem ersten Akt
der gleichnamigen Oper von Cornelius zu Gehör, ein ungemein wirkungsvolles Tonstück,
das von edler Leidenschaftlichkeit durchpulst zu einer ergreifenden Wucht pathetischen
Ausdrucks sich erhebt. Von solistischen Veranstaltungen fand ein genüssreicher
Klavierabend der trefflichen Pauline Hofmann anerkennende Beachtung. Die »Böhmen*
veranstalteten unter Mitwirkung Stavenhagens mit glänzendem Erfolg einen Beethoven-
Abend. Endlich sei noch des letzten Volkssymphoniekonzerts unter Peter Raabe gedacht
in dem die König Lear-Ouvertüre von Berlioz und Tschaikowskys fünfte Symphonie eine
befeuernde Wiedergabe erfuhren. Dr. Theodor Kroyer,
NEW-YORK: Dr. Richard Strauss beherrscht zur Zeit dss musikslische Feld fast aus-
schliesslich. Sein Name erscheint täglich in allen Zeitungen, alle musikslischen
Gespräche drehen sich um ihn und seine Werke. Trotzdem liegt das Verständnis für
seine phänomenalen Schöpfungen hier noch sehr im argen. Der Besuch der Konzerte
lässt viel zu wünschen übrig, der Beifall seitens ehrlicher Bewunderer und Verehrer ist
desto grösser und herzlicher. Die Meinungen platzen scharf auf einander, besonders die
englische Presse ist entweder sehr aggressiv oder verbirgt ihre Meinung hinter nichts-
sagenden Redensarten und schleicht nach Katzenart um den faeissen Brei. — Nach oft-
maligem Hören erscheinen einem Strauss' Werke als eine ganz natürliche Entwicklung
der Musik. Ich finde in ihnen keine Spur von absichtlicher Originalität. Folgende Werke
gelangten hier unter des Meisters Leitung zur Aufführung: Don Quixote, Till Eulenspiegel,
10*
148
DIE MUSIK III. 14.
Heldenleben, Don Juan, Tod und Verklärung, Liebesszene aus der Feuersnot, Zarathustra.
In einem Rezital In Carnegie Hall deklamierte David Bispham »Enoch Arden* za Streuet'
Klavierbegleitung, auch sang Bispham in einer Anzahl von Konzerten Strauss'sche Lieder.
Im letzten Konzert des Mannee-Quartett apielte Strauas mit Leo Schulz seine Cello-Sonate
op. 6 und beteiligte sich auch an seinem Klavier-Quartett op. 13. Der Beifell war
enthusiastisch. Frau Psuline Strauas- de Abna trat in fast allen Konzerten ihres Gatten
auf und aang Utere und neue Lieder, wovon einige noch Manuskript Sie steht als
Vortragskönstlerin in erster Reihe und verhalf den Perlen der Gesangliteratur zu
grossem Erfolg. Heute Abend gelangt R. Strauss' »Symphonie Domeatica* zur ersten
Aufführung, die natürlich mit gröaeter Spannung erwartet wird. H. H. Wetzler zeigte
wieder sein hohes Streben in seinem letzten Konzert, in dem er „Zaratbuatra" mit
Klarheit herausbrachte. — Ale Dirigenten und Künstler allerersten Rangea mua ich
W. Safonoff aus Moskau nennen, der als Gast-Dirigent des siebenten philharmonischen
Konzerts einen ganz gewaltigen Triumph mit Tscbaikowsky's pathetischer Symphonie
und Beethoven's dritter Leonoren-Ouvertfire feierte. Seine autoritative Art, seine wunder-
volle Auffassung und Phraaierung, die von ihm erreichten dynamischen Schattierungen
wirkten faat wie eine Offenbarung. Im selben Konzert trat Frau Schumann-Heink als
Soliatin auf und wurde mit Beifall überschüttet — Daa Kneisel-Quartett beschloss seine
Saison mit dem Klavier-Quintett op. 4 von Sgambati und dem cis-moll Quartett op* 131
von Beethoven. — Der Bostoner »Long? Club* gab hier sein erates Kammermusik-
Konzert für Blasinstrumente. Longy ist der erste Oboist des dortigen Symphonie-
Orchesters, die übrigen Bileer gehören ihm gleichfalls an. Daa Programm enthielt
Kompositionen von Mozart, eine Flöten -Sonate von Reinecke, ein Trio für zwei
Oboen und Fagott von Handel und eine sehr unbedeutende »persische Suite* von
A. Caplet — Ferrucclo Buaoni bewährte sich auch in seinem zweiten Klavier*
Rezital als einer der bedeutendsten Künstler und Alfred Reisenauer gewinnt mit jedem
seiner Rezitsls mehr Bewunderer seines genialen Spiels. — Im dritten Konzert von Sam
Franko gelangte eine »Symphonie concertante* für Violine und Viola von Mozart zur
Aufführung. Herr Franko apielte den Viola-Part viel schöner und stilvoller, als Maud
Powell den Violin-Part — Frank Damroach brachte mit dem riesigen von ihm gegründeten
Chor der »Peoplee Choral Union 41 den »Messias* zu prächtiger Wiedergabe.
Arthur Laaer.
f^ARIS: Das hervorstechendste Konzertereignis des Monate war die neue, zweite
Jr Symphonie in B-dur von Vincent d'Indy, die Chevillard zweimal zum Vortrag
brachte. Sie ist von der Kritik mit grösserer Gunst aufgenommen worden, als vom
Publikum, aber daa Publikum Chevillard'a ist so wählerisch, daas es schon etwas heiaaen
will, wenn eine Neuheit nicht auf unartige Protestkundgebungen stösst Die meisten
Konzeitbesucher erführen erst durch das Programm, daas es auch eine erste Symphonie
d'Indy*a gibt. Sie war ein Jugendwerk, daa im Jahre 1875 wenig von aich reden machte
und, soviel ich weiss, nie veröffentlicht wurde. Der Komponist, der im Jahre 1876 einer
der drei einzigen Franzosen war, die der ersten Aufführung des »Ringes* in Bayreuth
beiwohnten, Hess sich zu dieser Zeit ganz von der Programmmuaik nach dem Muater
Liazta gefangen nehmen und fand in ihr seinen ersten bedeutenden Erfolg mit der
Trilogie »Wallenstein 41 , die 1888 von Lamoureux zuerst gegeben wurde. d'Indy war
aber nur luaserlich ein Nachfolger Liazta. Seinem Empfinden und Gestalten nach war
und iat er einer der auagemachtesten Wagnerianer. Sein Muaikdrama von 1887 »Fervaal 41
ist ein ins Druidentum übersetzter »Pareifal* und sein »Etranger* des letzten Jahrea ein
»Fliegender Hollinder 41 in heutigem Gewände. Vielleicht ist er nur deswegen zu der
klassischen Form der vieraitzigen Symphonie ohne Programm zurückgekehrt, um sein
149
KRITIK: KONZERT
Vagnertum zu überwinden. Mehrere Kritiker taten ihm auch den Gefallen zu veraichern,
daaa er diesmal wirklich originell sei und aein Werk nur die französische Schule in
ihrer höchsten Vollendung darstelle. Ob die Nachwelt dieses Urteil unterschreiben
wird? Erinnert nicht das düstere Motiv des ersten Satzes, das später in Umformungen
wiederkehrt, an den Drachen Fafher im Siegfried? Ist der rauschende Glanz des Finales
nicht mit Mitteln bestritten» die bald an »Tannhäuser", bald an die »Meistersinger« ge-
mahnen? Das Andante iat selbständiger und in Jeder Beziehung der solideste und er-
treulichste Teil des Ganzen. Das Scherzo ist ein gar zu geistreiches Spiel mit einem
einfachen volksliedartigen Thema. Es gibt da unter anderm ein Harfenglissando, das
bedenklich aus dem Rahmen fällt Chevillard gab das Werk mit einer, bei einer so
schwierigen Novität überraschenden Klarheit und Präzision wieder. Da aich die ziemlich
matte Symphonie Ctear Francks, die nun schon fünfzehn Jahre zählt, neuerdings in
Paris steigender Beliebtheit erfreut, so darf man auch dieser Symphonie d'Indy's, die
ihr Jedenfalls in der Orchestrierung weit überlegen ist, einige Haltbarkeit voraussagen.
Die übertriebene Bewunderung der Pariser Kritiker für dieses Werk war um ao merk-
würdiger, als sie gleichzeitig wieder alle möglichen Vorbehalte gegen die vier Sympho-
nieen von Brahma vorbrachten, die Colonne, wie achon voriges Jahr, der Reihe nach
vorführte. Schon das negative Verdienst, dass sich Brahma von wagnerischem Einflüsse
völlig frei erhalten hat, genügt, um ihn weit vor d'Indy auszuzeichnen. Das Publikum
nahm die dritte Symphonie in F-dur besonders günstig auf, aber auch daa Finale der
vierten machte grossen Eindruck. Chevillard Hess sich durch die Kritik nicht ein-
schüchtern und gab die gleiche Symphonie acht Tage später. Vorher hatte er den
gleichen Liebesdienst, den Colonne Brahma leistete, Schumann gewidmet und, da aeine
vier Symphonieen daa Publikum angezogen und festgehalten hatten, so wagte er sich an
»Paradies und Peri« und füllte damit zweimal aein Programm allein. Der Zulauf war
Jedoch weniger gross und die Kritik spöttelte vielfach über den „allzu protestantischen
Orientalismus* des Meisters von Zwickau. Um die Sache recht gut zu machen, hatte
Chevillard zehn Solisten aufgeboten, wo vier, höchstens fünf, genügt hätten. Charlotte
Lormont befriedigte als Peri. Besonders schlecht war der Tenor. Es ist eine der
schlimmsten Folgen des Zusammendrängens aller grossen Konzerte auf den Sonntag
Nachmittag, dass es fast unmöglich ist, gute Gesangssolisten zusammenzubringen. An
Jenem Sonntag hatte die »Sodäte* des Conzerts* den einzigen guten Konzerttenor Cszeneuve
für Bacha Magnificat akkapariert und daher mussten sich Chevillard und Colonne, der Bachs
Osterkantate vorführte, mit Kräften dritten Ranges behelfen. An Instrumentalsolisten ist
weniger Mangel. So konnte sogar Le Rey in einem einzigen Konzert des tüchtigen Cellisten
Alexanian in einer von Vidal orchestrierten Sonate Boccberini'a, die mit Verständnis und
einiger Technik begabte Klavierspielerin Alice Weingaertner in Rubinsteins d-moll Konzert
und die Harfenspielerin Stroobanta in einer neuen, für das etwas einseitige Instrument
merkwürdig dankbaren Phantasie von Theodore Duboia auftreten lassen. Daa letzte Opfer
der ebenso unabhängigen als strengen Galeriebesucher des Konzerts Colonne war
seltsamerweise Beethoven. Der erate Satz seines Klavierkonzertes in Es-dur iat zwar
weit mehr ein Orchestersatz, als ein Klavierstück, aber dennoch brach wieder der alte
Lärm gegen die Gattung des Klavierkonzerts aus. Paderewski traf ebensowenig die
Schuld, denn er hatte einen seiner besten Tage. Der Kampf der zehn gegen die drei-
tausend endigte dann auch mit dem Siege der dreitausend, einem achtfachen Hervorruf
und der Zugabe von Schumanns Nachtstück. — Die „Nouvelle Socittö Pnilharmonique"
schloss ihren Feldzug, wie letztes Jahr, mit dem berühmteaten aller Quartette, dem
Joachims, aber statt zwei Konzerten gab es drei und neun Streichquartette Beethovens
bildeten ausschliesslich das Programm.^ Nächstes Jahr werden £es wohl fünf werden,
156
DIE MUSIK III. 14.
damit alle fünfzehn Werke dieser Gattung zu Gehör kommen können. Da* Publikum
wire dafür schon zu finden. In letzter Zeit haben sich übrigens auch die Pariser Musiker
mit gutem Erfolg zu Quartettspielern ausgebildet. Neben dem Quartett Parent, das im
Saale Aeolian zwölf Konzerte gab, und dem neueren Quartett Capet ist namentlich das
Quartett Hayot zu nennen, das als »Pariser Quartett* auch nach aussen wirkt und im
Begriffe steht, sich in Deutschland hören zu lassen. In der Philharmonique spielte es
Beethovens e-moll Quartett sehr gut und das in a-mol! von Brahma fast ebensogut. In
dem Belgier C6sar Thomson lernten wir einen bedeutenden Techniker der Geige kennen,
der sich eine eigentümliche Theorie des »unpersönlichen Spiels" ausgeheckt hat. Sie
kommt ihm aber nur in den altitalienischen Sachen von Corel!! und Tartini zustatten.
Cortot ist immer noch ein fesselnder, temperamentvoller Klavierspieler, wenn er auch
seine Technik etwas vernachlässigt, seit er bald hier bald dort als Dirigent wirkt. In
den 32 Variationen Beethovens blieb manches unklar. Messchaert rief als Schubertsinger
wahre Begeisterung wach, namentlich mit der »Meeresstille* und mit »Wohin?" Manuel
Garcia dagegen sang bloss mit guter Familientradition, aber sozusagen ohne Stimme,
Felix Vogt
PRAG: Im deutschen Juristenkonzert gastierte die Karlsbader Kurkapelle unter ihrem
neuen trefflichen Leiter, Martin Sperr, sehr erfolgreich mit V/agners Faustouvertüre
und Beethovens »Fünfter". Homeyer orgelte Bach und Hlndel wunderbar, Hans Schütz
enttäuschte als Liedersinger mit Programm und Vortrag. Des Stils der Böhm, Hans
Hermann, Meyer-Helmund ist unser Publikum gottlob entwöhnt. Ich nenne noch das
Konzert der beiden Carrefio und das von Borwlck. Die tschechische Philharmonie feierte
mit einem Smetana-Abend des Meisters 80. Geburtstag und brachte an einem Novitäten-
abend eine Ouvertüre von V. Madlo, eine symphonische Dichtung »Der Herr Kachbar"
des Dr. L. Prochazka, drei hübsche »Musikalische Bilder" von B. Janovsky nach Puschldn's
Erzählung 1 »Der Faun und die Schäferin" sowie eine Symphonie f-moll von Mathilde
Kralik von Meyerswaiden, worin sich die Komponistin wohl etwas übernommen hat.
Sehr verdienstlich sind die Bemühungen des tschechischen Akademischen Orchesters
um die ältere Musikliteratur Böhmens. So haben sie jetzt die prächtige F-dur Suite
Zelenka's ausgegraben. Im deutschen Kammermusikverein brachten Rose* und Genossen
zwei belangvolle Novitäten: Wolfs italienische Serenade und Arnold Schönbergs Streich-
sextett »Verklärte Nacht", eine in ihren hymnischen Partieen geradezu ergreifende Kom-
position. Der deutsche Volksgesangverein erwarb sich neuestens Verdienste um die
Pflege des altdeutschen Volksliedes und der tschechische »Hlahol" führte Berlioz zu
Ehren in vorzüglicher Weise zweimal dessen »Requiem" auf. Den Gipfel des Konzert-
getriebes aber soll das grosse tschechische Musikfest zu Ostern bilden. Dr. R. Batka.
ROSTOCK: Musikdirektor Schulz gab einen Beethovenabend (Leonoren-Ouvertüre und
A-Dur Symphonie), in dem Bruno Hinze-Reinhold das G-Dur Konzert und die Fis-Dur
Sonate mit feiner Empfindung vortrug. Prof. Thierfelder führte mit Solisten und mit der Sing-
akademie die Matthäuspassion auf. Von Solisten hörte man mit grossem Beifall nochmals
Felix Kraus in einem besonderen Liederabend, Hermann Gurt und Frl. Friede aus
Schwerin, Frau Klassek-Müller (Berlin), die Pianisten Erneste Schelling und Msrius
Kerrebijn, die Violin-Virtuosen Alexander Petscbnikoff und Anna v. Pilgrim. Fritz
Cortolezis aua Schwerin gab eine wahrhaft künstlerische Leistung mit dem meisterhaften
Partiturspiel des zweiten Tristanaktes und des Meistersingervorspiels«
Prof. Dr. W. Golther.
STETTIN: Der Musikverein brachte unter Prof. Lorenz das von üppigem Wohlklang
' strotzende, vielfach aber auch recht wohlfeile »Lied von der Glocke" von Max Bruch
zu einheitlich gelungener Wiedergabe und schloss'dann" seine Konzerttätigkeit in'würdigster
151
KRITIK: KONZERT
Weise durch die Wiederholung der Passions-Kantate „Golgatha" seines Dirigenten ab.
In ihrem zweiten Symphonie-Konzert brachten die Philharmoniker unter Otto Marien-
hagen ein anständiges Durchschnittsprogramm zu erlesener Ausfuhrung. — Raimund
von Zur Mühlen erwies in einem gemeinschaftlich mit C. van Bos gegebenen Konzert
seine stimmlich bereits abnehmende, geistig aber noch ganz auf der Höhe stehende
Kunst durch den Vortrag einer hochinteressanten Liedergruppe von Streicher. — Ein
tüchtiges solistisches Dreigestirn, Sonja Beeg (Gesang), Frl. Panteo (Geige) und Bruno
Hinze-Reinhold (Klavier) Hess sich mit hübschem Erfolg hören. Ulrich Hildebrandt.
WEIMAR: In eignem, von K. H. Schmidt trefflich begleiteten Konzert, in dem R.
Gmür grossartig Wolfs „Feuerreiter* sang, sowie im 4. Theaterkonzert entzückte
Burmester durch ideale Ausführung der Konzerte Mendelssohns und Tschaikowsky's und
älterer Kompositionen. Eine sehr tüchtige Geigerin trat auf in Cl. Schmidt-Gutbaus, in
ihrer Partnerin Elena Gerhardt lernten wir eine Liedsängerin mit modulationsfähiger
Stimme voll holden Wohlklangs und von vorzüglicher Ausbildung kennen, die ver-
schiedenste Lieder, wie Spohrs „Rose", Wagners „Schmerzen" u. A. gleich schön vor-
trug. Das Kraaselt-Quartett mit Kammervirtuos Götze schloss seine Abende mit fesseln-
den Werken von Smetana, Grieg und St. Saöns. Ein Konzert des Philharmonischen
Vereins interessierte durch wohlgelungene Vorführung von Rheinbergers „Requiem"
und einem Satz von Perez, ein Musikschulkonzert desgleichen durch Götz' F-dur Sym-
phonie und Tschaikowsky's „Romeo und Julie". Zuletzt ein Lassen-Gedächtnis-Lieder-
abend von Frl. Jahr und den Herren Giessen und Scheidemantel. Prof. Bachmann.
WIESBADEN: Im Kurhaus wurde die hier lange nicht mehr gehörte f-moll Symphonie
von Richard Strauss mit höchstem Interesse angehört: das in diesem Jugendwerk
sich offenbarende genialische Talent und die meisterwürdige Faktur wurden gleicherweise
bewundert. Im Theater-Konzert brachte Konzertmeister O. Brückner von hier ein Cello-
Konzert eigner Komposition mit Beifall zu Gehör. Es enthält manche sehr eindrucks-
reiche Partieen und bietet dem Solo-Instrument eine ungemein dankenswerte Aufgabe
Brückners Spiel übte die gewohnte reizvolle Wirkung. — Von den Solisten der letzten
Tage sind mit Auszeichnung hervorzuheben: der Bariton P. Haubrich — herrliches
weiches Organ, einschmeichelnde Ausdruckskunst — , der Meininger Konzertmeister,
Violin-Virtuos H. Burckhard — edler warmer Ton, fein ausgemeisselte Technik — , und
der Bariton H. Egenieff — wohlgeschulte Stimme, höchste Noblesse im Vortrag: grosser
Erfolg für alle drei Debütanten. Otto Dorn.
WÜRZ BURG: Apart und voll raffinierten musikalischen Reizes war das letzte Konzert
der königl. Musikschule: Pohlig dirigierte als Gast seine neue symphonische Dich-
tung „Per aspera ad astra", die, wenn auch nicht frei von Längen, doch bestimmtes,
programmatisches Gepräge von teilweise hoher Schönheit besitzt. Ausserordentlich frisch
mutete unter Dr. Klieberts Direktion die Beethovensche „Schlacht bei Vittoria" ao, der
Cyrill Kistler ein neues glänzendes Gewand modernen Orchesterkolorits gegeben. Neben
der königl. Musikschule arbeitete die Orchestergesellschaft unter A. Henners Leitung
fieissig weiter: ein Symphonieenabend (u. a. mit einem interessanten Werk des alten
Stamitz) und ein hübsches Schlusskonzert, wobei eine jugendliche Sängerin, Paula Bauer,
bemerkenswerten Erfolg errang, sind die Hauptfrüchte des strebsamen Vereins. Die
grösseren Gesangvereinigungen sind in voller Arbeit zur Vorbereitung des Fränkischen
Sängerbundsfestes, das heuer im Sommer in Würzburgs Mauern stattfindet.
Dr. Kittel.
ANMERKUNGEN ZU
UNSEREN BEILAGEN
Als Illustration des scharfsinnigen Berendtschen Versuchs zur Lösung des vielumstrittenen
Lobengrin-Problems bieten wir unsern Lesern heute das Bild des unvergeßlichen
Meistersingers Albert Niemann als „Lohengrin". Unser Blatt» das nach einem
von einer Dame auf Marmor gemalten Porträt gefertigt ist, zeigt uns in etwas ideali-
sierter Auffassung die edlen, milden Züge des Gralsritters. Altmeister Niemann hat
uns die überaus seltene Vorlage in liebenswürdigster Weise zur Benutzung überlassen.
Auf einige in diesen Monat fallenden Gedenktage beziehen sich die drei folgenden
Porträts. Am 12. April 1764 starb in Hamburg
Johann Mattheson, ein Mann von erstaunlicher Vielseitigkeit Den Beruf als Legations*
sekretlr und interimistischer Resident vereinte er mit einer eminent fruchtbaren
Wirksamkeit als Sänger, Komponist und Dirigent Seine Haupttätigkeit entfaltete
er iedoch auf dem Gebiet der Musikschriftstellerei, um deren Ausgestaltung und
Entwicklung er sich in seinen zahlreichen Publikationen bleibende Verdienste er-
worben hat. Unserer Reproduktion diente der Stich Joh. Jak. Haids nach dem
Gemälde von Wahll zur Vorlage.
Der 17. April 1774 ist der Geburtstag vonJohann Wenzel Tomaschek, dem ausgezeichneten
Theoretiker und seinerzeit angesehensten Musiklehrer Prags.
Am 20. April 1814 wurde der gefeierte Pianist Theodor Döhler geboren, ein Hauptvertreter
der eleganten, etwas oberflächlichen Pariser Schule. Die Lithographie von C. Mittag,
die wir benutzten, ist nachweinen) vonr Grafen Pfeil nach der Natur gezeichneten
Porträt des Künstlers angefertigt
Das folgende Kunstblatt stellt die Nachbildung des Gemäldes „Schubert am Klavier*
von dem bekannten Mitglied der Wiener Sezession, Gustav Klimt, dar.
Vor 25 Jahren, am 8. März 1879, starb in Wiesbaden der Pianist Theodor Ratzenberger,
dessen Bild wir auf der folgenden Beilage veröffentlichen. Der treffliche Künstler
gehörte zu den Weimarer Schülern Liszts, wirkte von 1887—1877 in Düsseldorf
und hat sich besonders als Vorkämpfer der Lisztschen Muse im Rheinland hervor-
ragende Verdienste erworben. So brachte er u. a. als erster die „Heilige Elisabeth"
und die „Festmesse" in den Rheinlanden^zur Aufführung.
Als weiteres Kunstblatt bringen wir eine Wiedergabe des Gemäldes „Das Konzert"
von dem holländischen Meister Gerard Terborch (1617—1681). Das Bild, dessen
Original sich in der Königl. Gemäldegalerie zu Berlin befindet, zeigt uns eine Viola
da gamba spielende junge Dame, von einer andern am Klavier begleitet
Das Lied „Paradies" von Wilhelm Mauke', das unsere diesmalige Musikbeilage bildet
ist dem Zyklus „Sehnen und Sterben", vier Gesängen aus Max Bruns' „Aus meinem
Blute" op. 35 entnommen. Es ist ein aus dem eigentlich nur im Zusammenhang
vorzutragenden Zyklus losgelöstes Bruchstück, das indessen auch so einer tiefen
Wirkung sicher sein dürfte.
Nachdruck nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Verlag«« f «Hattet
Alle Rechte, insbesondere das der Übetsetnng, Torhehilfen
Fflr die ZorikrHendung unverlangter oder nicht angemeldeter Manuskript«, falls Omen nicht genigend
Porto beiliegt, fibc mi—u die Redaktion keine Garantie.
Verantwortlicher Schriftleiter: Kapellmeister Bernhard Schuster
Berlin SW. 11, Luckenwalderstr. 1. III,
ALBERT NIEMANN ALS LOHENGRIN
* »V
JOHANN MATTHESON
1 17. APRIL 1764
OH. WENZEL TOMASCHEK
# 17. APRIL 1774
THEODOR DÖHLER
»20. APRIL 1814
i>
DAS KONZERT o
Nach dem Gemälde von
GERARD TERBORCH
1HE0D0R RATZENBERGER
f 8, MÄRZ 1879
Dichtung von Max Bruns
für eine mittlere Singstimme und Klavier
componirf- von
WILHELM MAUKE
Op.35 N?3
Mit* Genehmigung des Verlages
C.A.CHALLIERacC? BERLIN
ty völliger Entrückung.
i Nimm mein Haupt in dei-ne wei-ehen Hän-de,
Langsam, träumerisch.
r ji n r J jjl jJfii
lass mich dei-ne HebenBlicke
tt if m * ;!
IIBplii;
■»»
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tiin - ken,
er - sen - ken, trän -men, lass mich
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Au' mein wiWes Seimen ist ver -
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22
I
(Sun 4ten Lied das Gyklus:
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Nachspiel.)
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glückt Im Pa.ra-die.se wel . len.
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fenr *F *cj
5V' 'k!
Stich tt. Druck: Berliner Mufllkallen Druckerei O.m.b. H. Charlottenburg.
\
DIE MUSIK
Soll unsere Kunst den wahren Ausdruck unserer Zeit
tragen, so muss sie den notwendigen Zusammenhang
der Gegenwart mit allen Jahrhunderten der Vergangen-
heit, von denen keines, auch nicht das entartete, vor-
übergegangen ist, ohne einen unvertilgbaren Eindruck
auf unsere Zustände zu hinterlassen, zu ahnen geben
und mit Selbstbewusstsein und Unbefangenheit sich
ihres reichen Stoffes bemächtigen.
Gottfried Semper
III. JAHR 1903/1904 HEFT 15
Erstes Maiheft
Herausgegeben
von Kapellmeister Bernhard Schuster
Verlegt bei Schuster & Loeffler
Berlin und Leipzig
.Z^rsOCFk.
Dr. Martin Berendt f
Ein Beitrag zur Dramaturgie des Lohengrin (Schluss).
Rudolf M. Breithaupt
Moderne Klavieristen. Aus den Skizzen eines
Subjectiven. IV.
Fritz Erckmann
Die patriotischen Lieder Schottlands. Ein geschicht-
licher Überblick (Schluss).
Besprechungen (Bücher und Musikalien).
Revue der Revueen.
Umschau (Neue Opern, Aus dem Opernrepertoire,
Konzerte, Tageschronik, Totenschau).
Kritik (Oper und Konzert).
Anmerkungen zu unseren Beilagen.
Kunstbeilagen. Musikbeilage.
Anzeigen.
DIE MUSIK erscheint monatlich zwei Mal. Abonnements-
preis für das Quartal 4 Mark. Abonnementspreis für den
Jahrgang 15 Mark. Preis des einzelnen Heftes 1 Mark.
Vierteljahrseinbanddecken a J Mark. Sammelkasten für die
Kunstbeilagen des ganzen Jahrgangs 2.50 Mark. Abonnements
durch jede Buch- und Musikalienhandlung, für kleine Plätze
ohne Buchhändler Bezug durch die Post: No. 5555a
II. Nachtrag 1903.
;r den grossen Denkmäler-Publikationen auf dem Gebiete der
iusik nimmt die von den Benediktinern von Solesmes heraus-
igebene „Paleographie musicale" (seit 1889,] jetzt in ihrem
3. Jahrgang stehend) eine sehr bedeutsame Stelle ein. Leistet
sie doch der Forschung auf dem Gebiet des frühmittelalterlichen Noten-
schriftwesens durch phototypische Vervielfältigung der ältesten erhaltenen
liturgischen Gesangbücher mit Noten (Neumen) ganz unschätzbare Dienste.
Bis jetzt liegen in phototypischer Faksimilierung in musterhaft vollendeter
Ausführung vor: das Antiphonale missarum Cod. 339 der Stiftsbibliothek
von St. Gallen (aus dem 10. Jahrh.), das noch ältere Antiphonale missarum
Cod. 121 der Klosterbibliothek zu Einsiedeln (9. — 10. Jahrb.), das Anti-
phonarium Ambrosianum Cod. addit. 34 209 des British Museum zu London
(13. Jahrb.) nebst Übertragung, und fast beendet das ganz besonders wichtige
durchweg mit Neumen- und Buchstabennotierung (a — p) geschriebene
Antiphonarium Tonale Missarum Cod. H 159 der Bibliothek der medizinischen
Fakultät zu Montpellier (II. Jahrh.). Fast noch wichtiger als diese Ver-
vielfältigung der bisher natürlich nur wenigen Forschern zugänglichen
Manuskripte sind aber die fortlaufend den Vierteljahrslteferungen bei-
gegebenen Abhandlungen aus der Feder des gelehrten Leiters der
Publikation Dom Andre Mocquereau, Prior der jetzt im Exil auf der Insel
Wight befindlichen Abtei Solesmes, von denen schon mehrere auch in deutscher
Übersetzung separat erschienen sind. Den Anfang machte eine Unter-
suchung über den Ursprung und die Klassifizierung der verschiedenen
Schreibarten der Neumen; es folgte die Studie über den EinBuss des
lateinischen Sprachakzents und der verschiedenen durch das Kirchen-
jahr bedingten Textunterlagen auf die melodische und rhythmische
Struktur der gregorianischen Melodieen. Als ein beispiellos reiches Illu-
strationsmaterial dieser Abhandlung ist die phototypische Wiedergabe
von über 200 Notierungen des Graduale „Justus ut palma florebit* (a. d.
9. — 17. Jahrhundert) zu betrachten. Die letzten Jahrgänge (seit 1901)
bringen als direkte Fortsetzung der vorausgehenden die neue Studie Über
die Rolle und Stellung des lateinischen Akzents im Rhythmus
der gregorianischen Melodie.
156
DIE MUSIK III. 15.
Es ist sehr zu bedauern, dass die „Pal6ographie a wegen ihrer Kost-
spieligkeit (die Ausgabe auf japanischem Papier — das aber fast die Halt-
barkeit von Pergament hat — kostet jährlich 36 Mk., also für 14 Jahre bisher
504 Mk.; die kaum minder ansehnlichen Ausgaben auf billigern Papiersorten
kosten jährlich 28 bezw. 20 Mk.) nur von einer beschränkten Zahl von Biblio-
theken und Privatpersonen angeschafft werden kann. Immerhin sind aber
doch wohl alle grösseren Bibliotheken mit fortlaufenden Fonds für Neuerwer-
bungen auch auf diesem Gebiete im Besitz des Werkes; jedenfalls sollten sie
es sein. Die Abonnenten und Interessenten der „Pal6ographie" mögen wohl
bei den ersten Lieferungen der neuen Abhandlung über den Rhythmus der
gregorianischen Gesänge einigermassen mit Verwunderung die Noten-
beispiele betrachtet haben, mit denen diese illustriert sind. Melodieen welt-
licher französischer Chansons, Marienlieder jüngsten Datums, Bruchstücke
Beethovenscher Sonaten, Melodieen und mehrstimmige Sätze aus dem
Weihnachtsoratorium von Sains-Sa€ns, dann freilich mehrstimmige Bruch-
stücke aus den kirchlichen Werken der bedeutendsten französisch-nieder-
ländischen, italienischen, spanischen und deutschen Meister der Palestrina-
Epoche hat Dom Mocquereau herangezogen, um die Stellung des Problems
vorzubereiten, dessen Lösung die Studie versucht. Es musste gezeigt
werden, wie frei die Musik seit der Entwicklung der Mehrstimmigkeit mit
der musikalischen Ausdeutung der sprachlichen Akzente umspringt, wie ins-
besondere die französische Sprache eine festliegende Akzentuierung gar
nicht kennt, um die tiefe Kluft aufzuweisen, welche die Rhythmik der auf
lateinische Prosatexte basierten gregorianischen Melodieen von unsrer
heutigen Praxis der Vokalkomposition scheidet.
Erst nach langen Umwegen deckt Dom Mocquereau das Prinzip des
Rhythmus der gregorianischen Melodieen auf, indem er für ihn alle
gesteigerten Kunstbildungen wie Synkopen, lang überhängende weibliche
Endungen usw. rundweg ablehnt (S. 176) und als obersten Satz aufstellt,
dass alles schlichteste Natur und Einfachheit sein müsse. Aber was ist
schlichte Natur und Einfachheit auf dem Gebiete des Rhythmus? Die Not-
wendigkeit, das Grundwesen des Rhythmus zu definieren, um seine unbe-
hinderte freie Herrschaft auf dem Gebiet des gregorianischen Chorals er-
weisen und zugleich erläutern zu können, zwingt Dom Mocquereau, auf
philosophisch-ästhetisches Gebiet überzutreten, und damit gewinnt seine
Studie eine allgemeinere Bedeutung. Arbeiten wie die von Mathis Lussy,
Lhoumeau (Rythme, exgcution et accompagnement du Chant Grögorien),
Karl Bücher (Arbeit und Rhythmus), Vincent d'Indy (Cours de Compo-
sition etc.), Ch. Bordes usw. werden angezogen und schliesslich meine
eigenen Arbeiten auf diesem Gebiete in sehr markierter Weise in den
Vordergrund gestellt (Cap. III „Le rythme et le mot latin").
• 157
RIEMANN: KAPITEL VOM RHYTHMUS
Dieser letzte Umstand veranlasst mich zu diesen Zeilen, nicht um
darauf hinzuweisen, dass Dom Mocquereau meine Fundamentalsätze von der
prinzipiellen Auftaktsbedeutung der leichten Zeit, von der Wesensgleichheit
des geraden und ungeraden Takts und vom symmetrischen Aufbau der
Periode im vollen Umfange anerkennt, sondern weil ich eine nicht un-
wichtige neue Mitteilung zu machen habe, welche die vermeintliche Originalität
meiner Ideen in Frage stellt und in die Geschichte der Lehre vom
Rhythmus und der Phrasierung einen bisher ganz unbeachteten neuen
Namen einführt. Dom Mocquereau selbst, dem ich zuerst meine Ent-
deckung mitteilte, hat mich ersucht, diese vorerst anderweit bekannt zu
geben. Es ist ein seltsames Schicksal, dass ich selbst nun wieder der-
jenige sein muss, der für meine vermeintlich neuen Ideen die Autor-
schaft auf Denker vergangener Zeiten zurückverweist. So ist es mir be-
züglich der dualen Fundamentierung der Harmonielehre ergangen (Zarlino
1558), ebenso bezüglich der Fundamentierung einer Lehre von den tonalen
Funktionen der Harmonie (Rameau 1722) und bezüglich der Lehre vom
Periodenbau (H. Chr. Koch 1795). Diesmal ist es ein Theoretiker des
19. Jahrhunderts, den man sehr mit Unrecht bisher nur wenig beachtet hat:
J6röme Joseph de Momigny (1762—1838).
Für die bisherige Geringschätzung Momigny's ist in erster Linie F6tis
verantwortlich zu machen, dessen Urteil über den von Momigny redigierten
zweiten Band des Musiklexikons der Encyclopädie mäthodique (1818) frei-
lich vernichtend lautet (Biogr. univ. 2. Aufl. VI. 167): „Ce monstrueux ouvrage
dont les diflfcrents redacteurs 6taient en contradiction perp6tuelle d'opinions,
atteignit le comble du ridicule quand M. de Momigny eut entrepris la
redaction de ce qui restait ä faire 44 .
Ich will hier keineswegs eine allgemeine Verteidigung Momigny's gegen
das harte Urteil F6tis' ausführen, der ihm (S. 165) „faiblesse des 6tudes
pratiques, ignorance absolue de la littgrature et de l'histoire scientifique de la
musique" vorwirft und ihn auch wegen seines Jangage hautain a tadelt.
Momigny teilt im Art. Harmonie der Enc. m6thod. den Wortlaut des
Gutachtens mit, das die aus Gossec, Gr6try und M6hul bestehende Kom-
mission des Konservatoriums über das von Momigny eingereichte dreibän-
dige Werk „Cours complet d'harmonie et de composition" (1806) fällte; es
lehnt in ziemlich vagen Ausdrücken die Verantwortlichkeit eines eigentlichen
Urteils ab „sur une doctrine qui tend ä renverser une partie de la thdorie
et des methodes adoptdes et pratiquäes dans les 6coles d'Italie, d'AUemagne
et de France*, und gipfelt in dem Orakelspruch: „L'exp6rience nous apprend
que rarement les innovateurs ont assez v6cu pour jouir plainement des
rtformes qu'ils ont voulu ätablir*.
Ein Blick auf Momigny's Skalen- und Akkordlehre macht die Reserve
158
DIE MUSIK III. 15.
der Kommission gewiss begreiflich; obgleich auch auf dem Gebiete der
Melodik und Harmonik Momigny's Anschauungen in keiner Weise die
Geringschätzung verdienen, die ihnen F6tis angedeihen lässt, so steht
doch ausser Zweifel, dass Momigny viel zu schnell und zu früh an die Aus-
arbeitung eines grossen, weitschichtigen Systems gegangen war und viel
zu sehr gleich Praxis und Theorie mit einem Male reformieren wollte, was
nur auf Kosten der Wohlverständlichkeit der leitenden Ideen geschehen konnte.
Doch ich kann hier wie gesagt nicht auf die Details von Momigny's
Lehrmethode eingehen, die in der Tat starke Schattenseiten hat. Heute
wenigstens ist mir nur darum zu tun, zu zeigen, dass Momigny ein Denker
war, vor dem man Respekt haben muss und dass er vor allem über die
Grundlagen des Rhythmus Worte geschrieben hat, die verdienen, der Ver-
gessenheit entrissen zu werden.
Der merkwürdigste Artikel der Encycl. m6th. ist der mit „ Ponctuation" über-
schriebene, ein Terminus, den bereits Rousseau im Sinnfe von Sinngliederung
der musikalischen Sätze braucht, nämlich Art. „Ponctuer" seines Dictionnaife
de musique: „Ponctuer c'est en terme de composition, marquer les repos
plus ou moins parfaits et diviser tellement les phrases qu'on sente par la
modulation et par les cadences, leurs commencements, leurs chutes et leurs
liaisons plus ou moins grandes comme on sent tout cela dans le discours
ä l'aide de la ponctuation." —
Nach einigen sehr bemerkenswerten Klagen über die ungenügende
Bezeichnung der Sinngliederung in der üblichen Notierungsweise und dem
Hinweis, dass es nicht nur eine musikalische Interpunktion im Kleinen,
sondern eine ihr durchaus analoge im Grossen gebe, nämlich in dem Verhältnis
der einzelnen Perioden unter einander, geht Momigny plötzlich in den Ton
philosophischer Betrachtung über (S. 278 Sp. 1):
„Le sentiment est une lumiöre naturelle et intdrieure qui guide
ceux en qui eile existe. Mais quand on n'a pas assez reflächi sur ces
indications du sentiment, pour en tirer des pröceptes on ne peut trans-
mettre aux autres ces indications pr6cieuses que par son exemple et non
par des r&gles qui en expliquent le principe.
„Le sentiment du cadenc6 musical m'a fait d6couvrir que la
musique marche tout entiire du levi au ftappL Sans cette däcouverte
l'analyse de la phrase musicale devenait impossible; car c'est lä
le mot de cette inigme.
„Or, les musiciens ignorant ce secret, sont donc arr£t6s dös
le premier pas dans l'explication de la p6riode. Vidie que le frappi
est le premier temps de la mesure et que la mesure est renfermie entre deux
barres leur fait tourner le dos ä la viriti qu'ils cherchent
„Quand je dis que le frapp6 est le dernier temps de la mesure
159
RIEMANN: KAPITEL VOM RHYTHMUS
et non le premier, cela ne signifie nullement qu'il faut frapper oü on lfcve
et lever oü Ton frappe. On lfcve ou l'on doit lever et Ton frappe aussi
ou il faut frapper, gräce au sentiment de la cadence; mais on a tort et
trfcs grand tort d'appeler le frappe le premier temps, parce qu'il
est bien certainement le dernier des deux dont Pensemble forme une
cadence ou une mesure.
„Voir une mesure dans le frappe et le lev€ qui le suit, c'est dans
une file d'hommes voir un homme entier dans la moitie du premier et
dans la moitie du second, au Heu de voir cet homme dans ses deux moittes
ä lui-m6me. (!) Voilä cependant l'image qu'offre le discours musical dans
la suite des mesures, quand on les envisage comme on a coutume de le
faire, lorsqu'on croit le frappe le premier temps et le lev6 le second.
„Quand je dis que la musique proc&de toute du lev6 au
frappe, cela ne signifie pas non plus que l'on ne puisse com-
mencer un morceau par tel temps ou par teile section de temps
que ce soit; mais cela veut dire, que si eile commence par un frappe,
ce frappe, terminant la mesure sans qu'elle ait eu de lev£, le
morceau commence alors par la fin d'une cadence et non point par le
commencement de cette m£me cadence."
Das ist gewiss nicht die Sprache eines konfusen Kopfes, sondern die
eines Mannes, der ganz genau weiss, was er will und jedes Wort genau
abwägt. Ich gestehe, dass ich formlich erschrak, als ich diese und einige
weitere Sätze Momigny's zum ersten Male zu Gesicht bekam. Offenbar
stand mein leibhaftiger Doppelgänger vor mir. Man übersetze nur frappe
mit Schwerpunkt und lev6 mit Auftakt, so könnten diese Sätze genau so
in meiner „musikalischen Dynamik und Agogik" stehen, ja sie stehen mit
geringfügigen Abweichungen wirklich darin. Dom Mocquereau, der die
Richtigkeit dieses grundlegenden Gedankens anerkennt, hat meine Termini
„schwer* und „leicht 11 mit „lourd* und „leger* wörtlich übersetzt, dafür aber
im Verlauf seiner eigenen Darstellung die zweifellos viel besseren, 61an
(für Auftakt) und repos (für Schwerpunkt) substituiert (S. 172), auf die
ihn die antiken Termini Arsis et Thesis (Hebung und Senkung [Auf-
setzen] des Fusses) gebracht haben. £lan und repos sind noch
viel universeller und philosophisch tiefgründiger, da sie zugleich die Zu-
sammengehörigkeit der beiden Elemente in dieser Folge: eian-repos selbst-
verständlich machen und die gegenteilige Bezeichnung direkt naturwidrig
erscheinen lassen. Der einzelne Schritt beginnt natürlich mit dem An-
heben des Fusses und endet mit dem Aufsetzen des Fusses; aber ebenso
ist überall die positive Entfaltung der Kraft (der eian) das erste und die
Erreichung des Ziels das abschliessende. Das Beginnen mit einer schweren
Zeit könnte man etwa dem energischen Aufstützen vor einem Sprung ver-
160
DIE MUSIK III. 15. ^ '
gleichen. Doch hier ist nicht der Ort zu weiteren Motivierungen, die ja
doch schwerlich diejenigen überzeugen werden, die meine (und Momigny's
und Dom Mocquereau's und Vincent d'Indy's) „Jambomanie" choquiert.
Momigny hat mir nicht nur den Gedanken der prinzipiellen Auftakts-
bedeutung der leichten Zeiten vorweggenommen, sondern auch den der
prinzipiellen Identität des geraden und ungeraden Taktes. Für diese Idee
habe ith freilich schon in meinem »System der musikalischen Rhythmik
und Metrik" (S. 1 1) einen Vordermann nachgewiesen, nämlich Karl Fasch,
von dem Boeckh in seiner berühmten Abhandlung „De metris Pindari" (S. 39)
unter Berufung auf J. H. Voss berichtet, dass dieser als einzige Grund-
lage des Rhythmus in der Musik wie überhaupt in der Natur (!) das
Balancement zwischen Arsis und Thesis (61an und repos!) anerkannte und
einen prinzipiellen Unterschied zwischen geradem und ungeradem Takte
leugnete. Wir sehen, die Zahl der Väter des letzten grundlegenden Ge-
dankens wächst! Momigny formuliert seine Ansicht über die prinzipielle
Identität des geraden und ungeraden Taktes folgendermassen (S. 278, Sp. 2):
„II faut en outre savoir, qu'il n'y a point dans ce sens de mesure ä trois
temps mais deux sortes de mesure k deux temps; l'une dont le lev6
est 6gal au frappg, et l'autre dont le lev6 ou le frapp6 est le double de
l'autre temps; ce qui fait que le lev6 ou le frappö gquivaut alors ä deux
temps, raison par laquelle on croit la mesure ä trois temps 6gaux, tandis
qu'elle n'est fonciörement qu'ä deux, mais Tun une fois plus long que
l'autre. a Die Einheit von lev6 und folgendem frappö nennt Momigny
„pied* oder auch „cadence".
Aber auch der Begriff und Name der «weiblichen Endung", von
dem noch Dom Mocquereau annimmt, dass ihn Mathis Lussy auf-
gebracht habe, ist Momigny bereits geläufig. S. 270 fährt er fort: „II
ne suffit pas seulement de distinguer les cadences ä deux temps dgaux
d'avec Celles ä deux temps, dont Tun est une fois plus long que l'autre
mais il faut encore distinguer celles ä terminaison masculine d'avec
Celles ä terminaison f£ minin e." Ja, er sieht bereits klar, dass auch
im dreizeitigen Takt zweizeitige Motivbildung und ebenso im zweizeitigen
Takt dreizeitige Motivbildung möglich ist (die Termini „binet" und „triolet*
sind hier nicht als Duole und Triole im bekannten Sinn gemeint, sondern
entsprechen dem, was ich in meiner Rhythmik S. 41 incomplet [2 im Tripel-
takt] und Überkomplet [3 im Dupeltakt] nenne): »II faut prendre garde
aussi que le rhythme ternaire peut avoir lieu dans une mesure binaire et
que le rhythme binaire peut s'employer dans une mesure ternaire. Tout
binet peüt ötre rendu triolet par l'addition d'une note, comme tout
triolet peut devenir binet par le retranchement de l'une des trois notes
qui la composent. C'est ainsi que toute cadence masculine peut devenir
161
RIEMANN: KAPITEL VOM RHYTHMUS
feminine par l'addition d'une note apr&s celle du frappä, et toute cadencc
feminine devenir masculine par le retranchement de la note qui est apr&s
celle ou Ton frappe.* Den Beweis, dass Momigny wirklich den Begriff
des überkom pleten Motivs (mit weiterzählen über die 2 hinaus) kennt,
liefert das erste Notenbeispiel (S. 136, Sp. 1 im Art. Mesure):
i
f ff | f 7 Jlff f— j ^
r l 1 3 i 5 | U"-J-^-q ! === * ==y= jl
2 12 1 2 12 2 1 2 3
Die genau so wie hier beigeschriebenen Zahlen reden eine deutliche
Sprache; sie beweisen, dass Momigny das Verhältnis von 61an und repos
auch bis in die kleinsten Unterteilungswerte genau in derselben Weise
verfolgt wie ich in allen meinen Schriften über Phrasierung (1 = 61an, 2 repos,
3 terminaison feminine).
Humoristisch angehaucht ist die Definition der wahren Natur des
Taktes S. 134 Sp. 1 : „Lamesure v6ritable n'est donc pas cette prisonniöre,
que l'on voit renfermge entre deux barreaux, et que commence en
frappant et finit en levant; mais c'est celle-ci qui, ä cheval sur la barre, a
le premier de ses temps ä gauche et l'autre ä droit.* Es tut mir leid,
meinem alten Freunde Mathis Lussy auch die Priorität für die „mesure
ä cheval* nehmen zu müssen. Möge er sich mit mir trösten!
Übrigens kommt Momigny selbst der Terminologie Dom Mocquereau's
sehr nahe. In dem gleichfalls sehr bemerkenswerten Artikel „Proposition",
der diesen Ausdruck synonym mit Motif, Cadence, Pied einführt, nennt
Momigny die leichte Zeit (lev6) „temps d'action* (Mocquereau's d'dlan) und
die schwere (frapp6) „temps de repos*.
Mit dieser Aufweisung sei es genug. Sie wird genügen, den zum
Teil ganz frappante Aussprüche enthaltenden mit „Th6orie de Mr. Momigny*
gezeichneten Artikeln der „Encyclop6die* künftighin mehr Beachtung zu
schenken als bisher. Die wichtigsten von ihnen sind Harmonie, M61odie,
Mesure, Mode, Modulation, Motif, Periode, Phrase, Ponctuation, Proposition,
Rhythme, Systeme und Ton. *
Momigny's Unglück war die Basierung der Skalenlehre auf Tetrachorde,
offenbar beeinflusst durch die antike Theorie; auch das Versteifen auf
die 27 jeder Tonart zur Verfügung stehenden Töne: 7 „diatonische*, d. h.
leitereigene (ganz überflüssigerweise als Quarten kette vorgestellt, in
C-dur: h e a d g c f , in E-dur: dis gis eis fis h e a), 5 steigende d. h.
durch Fortsetzung der Quartenkette nach oben sich ergebende „chromatische*
<in C-dur: b es as des ges) und 5 fallende, als Fortsetzung der Quarten-
DIE MUSIK III. 15.
reihe nach unten gefundene „chromatische* (in C-dur: fis eis gis dis ais)
und je fünf weitere die Quartenreihe nach oben und unten fortsetzende
„enharmonische" (in C-dur: ces fes heses eses asas und eis his Ssis clsis
gisis). Mit solchen gänzlich wertlosen Schematismen hat der Schulmeister
dem Philosophen ein Bein gestellt, und die Kritiker, die dem Autor nicht
wohl wollten, hatten leichte Arbeit, da diese unglückliche Tetrachordomanie
sich wiederholt sehr breit macht und einen unverantwortlich grossen Teil
des aufgewendeten Raumes in Anspruch nimmt (vgl. besonders die Artikel
Mode, Ton, Systeme). Dennoch muss ich auch Momigny als Harmonie-
und Melodietheoretiker gegen Felis in Schutz nehmen, mir vorbehaltend,
bei anderer Gelegenheit nachzuweisen, dass auch auf diesem Gebiete seine
Ideen richtige und weitblickende sind, und dass nur ihre Überführung
in die Praxis wirklich als eine verunglückte bezeichnet werden muss. Es
scheint in der Tat, dass Momigny zu wenig praktischer Musiker war, um
die rechte Form finden zu können für die zur Aufnahme und Verwertung
seiner Erkenntnisse erforderliche Umgestaltung der Unterrichtsmethode.
EIN BEITRAG ZUR
DRAMATURGIE DES LOHENGRIN
1
von Dr. Martin Bercndt f
:hten wir Ortruds weiteres Auftreten im Drama nunmehr im
feinen; umsomehr, als wir erst dadurch zu einem Verständ-
für die Bedeutung der Ortrud und der Rolle, die sie in der
idlung des gesamten Dramas spielt, gelangen werden. Um
ihr Ziel zu erreichen, nimmt Ortrud eine demütige Haltung an und
weiss ihre Wut hinter freundlichen Mienen, hinter niedriger Kriecherei zu
verbergen, um dann desto frecher aufzutreten, wo sie glaubt ihre Verstellung
von sich werfen und sich in ihrer wahren Natur zeigen zu können.
Mit List und Heuchelei nähert sie sich Elsa, und durch meisterhaft ge-
spielte Demut und Freundlichkeit sucht sie sich ihr Vertrauen zu erschleichen.
Mit wunderbar berückenden Tönen:
„In ferner Einsamkeit des Waldes,
wo still und friedsam ich gelebt, —
Was tat ich dir? Was tat ich dir?"
ganz darauf berechnet, das weiche Herz Elsas umzustimmen und für sich
einzunehmen — die einschmeichelnde Melodie schmiegt sich den Text-
worten aufs innigste an — weiss sie Elsa in ihre Netze zu ziehen.
Mit den stärksten Mitteln der Rhetorik:
,0 du bist glücklich ! —
Nach kurzem, unschuldsüssem Leiden
Siehst lächelnd du das Leben nur;
Von mir darbt selig du dich scheiden,
Mich schickst du auf des Todes Spur, —
Dasa meines Jammers trüber Schein
Nie kehr' in deine Feste ein." —
weiss Ortrud jeden Argwohn in Elsas offener, harmloser Seele zu unter-
drücken und ihr jlurch Liebesgtück noch besonders weich gestimmtes
und zum Verzeihen geneigtes Herz ganz zu gewinnen, so dass Elsa das
dämonische Weib bei sich aufnimmt. Mit diesem verhängnisvollen Schritt
heftet sie das Unglück an ihre Fersen. Und hier zeigt sich auch
der erste tragische Zug in Elsa. Wegen allzugrosser Weichheit des
164
DIE MUSIK III. 15.
Herzens, die ihr mehrfach zum Verderben wird, lässt sie sich zu leicht
vom Mitleid bestimmen, und wird auch hier dazu veranlasst, diese
Regung an ihre schlimmste Feindin zu verschwenden. — Nachdem
Ortrud der erste vorbereitende Schritt zur Rache so glücklich ge-
lungen ist, vernehmen wir ihren wilden Rache jubel; wir sehen, wie
sie ?ich zu furchtbarer dämonischer Höhe erhebt: »Entweihte Götter,
helft jetzt meiner Rache" usw. Das Symbolische, das der Dichter-
komponist in einer späteren Zeit, als er zu einer ganz anderen, sym-
bolischen Schaffensweise übergegangen war, in seine Ortrud und in
diese Stelle hineinlegte, scheint mir mit ihrem Charakter nicht recht
zusammenzustimmen. Wir haben es unserer Ansicht nach auch bei
dieser Stelle nur mit einer Kundgebung ihres dämonischen, indivi-
duellen Wesens, nicht mit einem symbolisch zu deutenden Zuge ihres
Wesens zu tun. Wir kommen am Schluss noch einmal darauf zurück,
wollen jetzt aber die weitere Entwicklung der Handlung ungestört ver-
folgen.
Elsa lässt ihre Feindin, ahnungslos, welches Unglück sie damit über
sich heraufbeschwört, zu sich eintreten und schmilzt förmlich vor Mitleid,
als sie Ortrud in ihrer jetzigen Erniedrigung sieht:
«Hilf Gott! So muss ich dich erblicken,
Die ich in Stolz und Pracht nur sah!
Es will das Herze mir ersticken,
Seh' ich so niedrig dich mir nah'!"
Diese Verse bestätigen unsere Schilderung der Gemütsverfassung,
in der sich die geächtete Ortrud Elsa gegenüber befinden muss. Sie, die
in Stolz und Pracht haushielt, die, wie wir es aus ihrem ganzen Wesen
entnehmen, im Glück herrschsüchtig und hochmütig war, die alles, was
ihren Wünschen hinderlich war, wie Elsas und ihres Bruders Herrscher-
ansprüche an Brabant, aus dem Wege zu räumen suchte, muss sich jetzt
vor allen Glücklichen verbergen und Elsas Mitleid anrufen. Bei ihrem
von Rachsucht und Neid erfüllten Herzen ist es erklärlich, wie dieser
furchtbare Glückssturz und Schicksalsumschwung sie dazu führt, aus jedem
Wort des Mitleids, das ihr Elsa spendet, nur ein desto schlimmeres Gift
der Rachsucht zu saugen. Je finsterer und tückischer es aber in ihrem
Herzen aussieht, desto gütiger und engelgleicher zeigt sich Elsa. Musika-
lisch wird dieser Gegensatz prachtvoll ausgedrückt, wenn sich der helle
und weiche Sopran Elsas von dem düster verhaltene Wut ausdrückenden
Alt der Ortrud höchst wirkungsvoll abhebt. Die folgende Entwicklung ist
leicht zu verstehen — Ortrud stellt sich jetzt, als ob sie die engelhafte
Güte Elsas dadurch belohnen wolle, dass sie ihr ihren eigenen Zweifel an
165
BERENDT: LOHENGRIN
£
Elsas Glück und an Lohengrin mitteilt. Elsas stolze, offene, arglose Seele
widersteht zunächst tapfer. Sie weist Ortruds teuflische Versuche mit
der ganzen Entfaltung ihres weiblichen Stolzes und im beseligenden Be-
wusstsein innigen Liebesgefühls zurück:
„Du Ärmste kannst wohl nie ermessen,
Wie zweifellos mein Herze liebt!*
Später jedoch, nachdem auch Ortruds Gatte Friedrich von Telramund Elsa
in gleichem Sinn zu beeinflussen sucht, zeigt es sich, wie das Gift des
Zweifels und Misstrauens, von dem dämonischen Paar gesät, dennoch in
ihrer Seele wuchert, und wir werden später sehen, warum das psychologisch
ganz begreiflich ist. Doch wollen wir erst die Entwicklung von Ortruds
Charakter zu Ende führen. Beim Gang zum Münster wirft sie endlich
ihre heuchlerische Maske ab, um in ihrer wahren Gestalt zu erscheinen.
War sie vorher demütig, ja kriechend gegen Elsa, so legt sie plötzlich den
grössten Hochmut an den Tag, der auch vor der äussersten Konsequenz
nicht zurückschreckt. Sie stösst Elsa, die die Verbannte und Geächtete
in vertrauensvollem Mitleid und überströmender Güte zu sich eingelassen
hat und jetzt mit ihrem Gemahl zum Münster schreiten will, frech zurück
und will sich den Vortritt vor ihr erzwingen. Elsa ist starr vor
Staunen und Entsetzen über die Veränderung, die mit der heuchle-
rischen Bittstellerin, deren Demut sie für ernst genommen hatte,
plötzlich vor sich gegangen ist. Sie, die vor ihr im Staub gelegen,
brüstet sich und prunkt jetzt in frecher, trotziger Herrschsucht. Der Dichter-
komponist entwickelt so in Ortrud einen schlechten Frauencharakter bis
in seine letzten Konsequenzen, legt ihn in seinen innersten Falten bloss.
Dennoch wäre es ein grosser Irrtum zu glauben, dass man in Ortrud ein
unnatürlich verderbtes Menschenkind, ein moralisches Ungeheuer sehen
soll, ein Ungeheuer, wie es im Leben selbst nie vorhanden ist,
und dass man zur Erklärung ihres Wesens — was Wagner später
selbst versuchte, damit aber nur zur Trübung des Verständnisses der
Ortrud beigetragen hat — symbolische Motive heranziehen müsse. Diese
Ortrud, mit allen Konsequenzen ihres Charakters, entspricht durchaus
solchen Gestalten, denen man im realen Leben leicht begegnen kann.
Wo durch Schliessung einer Ehe die Interessen anderer verletzt werden,
und namentlich die einer Frau, kann man ähnliche Erscheinungen auch im
Leben beobachten. Ortrud unterscheidet sich nur dadurch von den wirk-
lichen Erscheinungen, wie es ja doch das Wesen der dramatischen Dichtung
erfordert, dass sie hier in Situationen gebracht wird, in denen sie die Züge
ihres Charakters bis zu den itta**nOen, schlimmsten Konsequenzen entwickeln
kann, während solche g im Leben glücklicherweise meist in
166
DIE MUSIK III. 15.
den Ansätzen stecken bleiben. Ortrud stellt einen schiechten Frauencharakter
dar, von fast männlich starker Willenskraft, der, vereinigt mit hervorragender
Intelligenz, alle Mittel, die zu einem Ziele führen sollen, mit höchster
Klugheit und Treffsicherheit wählt und anwendet. Aber solchen Frauen-
gestalten begegnen wir auch im wirklichen Leben; und diese würden
wahrscheinlich, in ähnliche Lagen gebracht, ähnlich handeln. Das ist eben
ein Beweis für die ungemein grosse Lebenswahrheit, mit der der Dichter-
komponist diese Gestalt geschaut und gestaltet hat. In philosophischer
Hinsicht stellt sich Ortrud dar als der äusserste Antagonist von Lohengrin,
im Sinne der Charakterisierung der grundverschiedenen Art, wie sich bei
Schopenhauer in seiner »Welt als Wille und Vorstellung" die menschlichen
Charaktere dem Willen und der Erkenntnis gegenüber verhalten. Hat sich
Lohengrin als Vertreter der willensfreien Erkenntnis so weit seines indi-
viduellen Wesens entäussert, dass er in der ganzen Welt lebt und alle
Wesen in ihrer reinen Bedeutsamkeit vermittelst der künstlerisch schauenden
Phantasie mit empfindet, so zeigt sich Ortrud als die Inkarnation des
heftigen „blinden Willensdranges*; sie ist so verstrickt in den individuellen
Willen, dass sie in ihrem Ich die ganze Welt erblickt, und um ihres Ichs
willen gewissennassen die ganze Welt zu opfern bereit ist. Ortrud ver-
körpert im Sinne Schopenhauers den bösen Willen, der nach seiner Schilde-
rung, um sein Wohlsein durch einen unbedeutenden Zuwachs zu vermehren,
oft das ganze Glück oder Leben eines anderen zerstört. So ist auch sie
bereit, um eines ihr zugefügten Leides willen, das sie ja selbst verschuldet
hat, kalten Blutes und mit raffinierter Berechnung das herrlichste Liebes-
glück eines edlen, glücklichen Menschenpaares zu vernichten. Keinen
Augenblick, das wiederholen wir, überschreitet ihr Charakter den Rahmen
des Lebenswahren, des auch im realen Leben durchaus Möglichen.
Kehren wir jetzt aber zu Elsa zurück, um psychologisch begreiflich
zu machen, wie es möglich ist, dass sie sich von einer Ortrud zu Zweifel
und Misstrauen gegen ihren geliebten Lebensretter verleiten lassen kann!
So unwahrscheinlich es auf den ersten Blick erscheint, wirkt doch das Gift,
das Ortrud in Elsas Seele geträufelt hat, unheilvoll nach. Als Lohengrin
den Männern von Brabant und selbst dem König auf die unsinnigen ver-
leumderischen Anklagen Friedrichs von Telramund mit hoheitsvoller Ver-
achtung antwortet, sieht er zu seinem Schrecken, dass Elsa bei einer der
wiederholten Anklagen der Ortrud und Friedrichs die Fassung verliert,
und dass sie mit sich kämpft, . um sich des schweren Zweifels und Miss-
trauens gegen ihren Helden zu erwehren:
„Nur eine ist's — der muss ich Antwort geben:
Elsa — Elsa! — wie seh' ich sie erbeben!"
Und als er in liebevollem Ernst ihr Geschick in ihre Hände legt:
167
BERENDT: LOHENGRIN
n In deiner Hand,
In deiner Treu' Hegt alles Glückes Pfand. —
Lässt nicht des Zweireis Macht dich ruhn?
Willst du die Frage an mich tun?"
da antwortet Elsa scheinbar noch in dem alten felsenfesten Vertrauen,
aber in ihrem Herzen wühlt dennoch schon schwere Unruhe.
Ist dieser Zug von Wagner nun richtig beobachtet, oder haben
wir es hier mit einer unwahrscheinlichen Entwicklung im Charakter der
liebevollen Gattin zu tun? Nun, ich meine, wenn man Elsas Wesen von
ihrem ersten Auftreten an genau beobachtet hat und ebenso alle anderen,
in dem Werke mitspielenden Faktoren, ist es unschwer zu erkennen, dass
auch der Dichter hier von derselben intuitiven Lebenswahrheit geleitet
wurde, wie in dem ganzen Werk. Es ist erstens der Nimbus des Wunder-
baren, der Elsa zwar im ersten Augenblick gewaltig ergreift, ihr aber
später, als die erste Begeisterung etwas nachgelassen, ein unsicheres
Gefühl des Fremden, des Unverstandenen und daher des Unheimlichen
erweckt.
„Voll Zauber ist dein Wesen,
Durch Wunder kamst du her: —
Wie sollt' ich da genesen?
Wo find 9 ich dein' Gewähr? 11
klagt Elsa später, als das Misstrauen sie schon übermannt hat. Wenn
nun noch durch Ortruds und Friedrichs verleumderische Bosheit das
Göttliche und Unerklärliche in Lohengrins Erscheinung ihr in ganz
verzerrtem Lichte, als Deckmantel für etwas Unerlaubtes, Böses dar-
gestellt wird, so muss das ihr ohnehin schon unheimlich Erscheinende
und die Furcht davor ganz natürlich in ihrem Herzen wachsen und
schliesslich von ihrer ganzen Seele Besitz ergreifen. Das herrliche
Vertrauen, das sie Lohengrin in feierlichen Augenblicken entgegengebracht
hat, erlischt, und Angst und Zweifel bleiben nur zurück. Dazu kommt
noch ein anderes, tiefer liegendes Moment. So deutlich auch Friedrichs
und Ortruds Schlechtigkeit Elsa vor Augen steht oder stehen müsste, in
diesen Augenblicken des bangen Zweifels kommt doch das instinktive Ge-
fühl über sie — diese unbewussten Gefühle charakterisieren überhaupt
Elsa und das gibt einerseits ihrer Liebe das Elementare, Stürmische, Ur-
wüchsige, ebenso wie es sie aber auch leicht zum Raub von allerlei
dunklen und unkontrollierbaren Empfindungen macht — dass Friedrich und
Ortrud zu ihrer früheren, ihr vertrauten Umgebung gehören, während
Lohengrin als ein Fremder in diese hineingetreten ist. Das Gefühl für
Lohengrin ist also noch nicht in dem Masse festgewurzelt in ihr, wie ihre
frühere Umgebung ihr vertraut ist. Es ist psychologisch wohl verstand-
168
DIE MUSIK III. 15.
£
lieh, dass sie in solchen Momenten des Zweifels sich doch unwillkürlich
mehr zu Ortrud und Friedrich hingezogen fühlt, wenn es auch dem Gefühl
gleicht, mit dem der Vogel, von dem Blick der Schlange gemeistert, ihr
zufliegt. Vor Lohengrin dagegen, der sich durch seinen hoheitsvollen
Zauber so sehr von ihrer ganzen Umgebung abhebt, empfindet sie eine Art
Furcht und Grauen. Während in ihrem Herzen die widerstreitendsten
Affekte mit einander ringen, tritt daher in solchen Augenblicken die
wunderbare Liebe zu ihrem Helden, das stolze, felsenfeste Vertrauen
zu ihm, das sie anfangs so holdselig erscheinen lässt, vollständig in den
Hintergrund, ist wie verschüttet und ausgelöscht, und Zweifel, Furcht
und Misstrauen herrschen nur noch in ihrer Seele. Und gerade diese
Empfindungen sind es, die Friedrich und Ortrud, die ihr weiches, leicht
bestimmbares Herz kennen, in teuflischer List bei ihr hervorzurufen be-
absichtigen. Mit der raffiniertesten Berechnung will Ortrud der Gattin
die Freude an ihrem Helden, ihre warmen innigen Gefühle für ihn ins
Gegenteil verwandeln; aus dem Stolz auf seine aussergewöhnliche Er-
scheinung will sie Furcht und Grauen, aus der Liebe Zweifel und Miss-
trauen machen, um so das Gebäude des Glückes von Elsa und Lohengrin
zu untergraben.
Die eigentliche Katastrophe ist aber dennoch nicht allein dem
Einfluss der hasserfüllten Ortrud zuzuschreiben, sondern bricht erst
herein, als sich mit dieser bewussten unheilvollen Einwirkung ein in
Elsas Seele selbst emporwachsender pathologischer Zug vereinigt. — Wie
vielfach aber in Tragödien vor dem Hereinbrechen der Katastrophe das
Glück der Helden in vollem Glänze strahlt, so kommt auch hier das
Liebesglück, dessen Entstehen und Wachsen wir bisher verfolgt haben,
nun erst zu, seiner vollen Entfaltung. Die Knospe der Liebe bricht
jetzt zu voller, duftender Blüte auf. Die Gefühle des Zweifels, von
denen Elsa beschlichen wurde, und die schon unheilvoll emporzulodern
drohten, werden durch Lohengrins machtvolles Auftreten und durch den
vernichtenden Zorn, den er den Übeltätern Friedrich und Ortrud entgegen-
schleudert, noch einmal beschwichtigt:
«Zurück von ihr, Verfluchte!
Dass nie mein Auge je
Euch wieder bei ihr seh'!«
werden durch die Innigkeit und Zartheit seiner Liebe noch einmal be-
zwungen, und sie schreitet mit neu erglühtem Glücks- und Liebesgefühl
an seiner Seite in den Münster. — Ortruds unheilvoller Einfluss ist aber
damit noch keineswegs erloschen ; das zeigt uns ihr nochmaliges Erscheinen
und ihre drohende Gebärde, zeigt uns das im Orchester noch einmal auf-
169
BERENDT: LOHENGRIN
tauchende Leitmotiv des Frageverbots. Schwer begreiflich ist es daher,
wie mehrere Kritiker behaupten können, dass die Intrige der Ortrud als
bestimmend für Elsas weitere Regungen mit Ende des zweiten Aktes aus
der Handlung völlig ausscheidet. 1 ) Das ist durchaus nicht der Fall; nur
steht Ortrud jetzt nicht mehr im Vordergrund, sondern wirkt nur latent,
subsidär; insofern aber mit voller Wirkung, gewissermassen als durch-
klingende Grundmelodie in Elsas Seele nach.
Zunächst aber, bei Beginn des dritten Aktes, sind alle dunklen
Wolken von Elsas Himmel verschwunden, es leuchtet vollster, hellster
Sonnenschein auf die Szene herab. Die Wonnen der Brautnacht mit ihrem
mystischen Duft, der das Brautgemach mit seinem Nebel und Weihrauch
erfüllt, wo sich Seele und Leib zu voller Verschmelzung in einander er-
giessen sollen, wo die tiefinnersten Wunder der Liebe zweier bevorzugten
Menschen sich offenbaren, warten des seligen Paares. Nachdem der süsse
Brautgesang, der alle Freuden des Liebesglücks in herrlichen Melodieen
ausdrückt, und die feierliche Weihe, mit der die Frauen den Liebesbund
segnen und zu langer Erinnerung für das Liebespaar festzuhalten suchen,
verrauscht ist, sehen wir die Liebenden zum erstenmal allein und ihre
Herzen sich mit Macht in einander ergiessen.
Was so lange durch die Umgebung beengt sich nur gedämpft offen-
baren konnte, bricht jetzt mit voller Kraft aus ihnen hervor. Sie empfinden
ein Glücksgefühl so überschwenglicher Art, dass es sie förmlich berauscht.
Sie blicken gegenseitig in ein Herz von so ursprünglicher Unberührtheit
und Reinheit, dass ihre Empfindungen zu solcher Glut emporschlagen, wie
sie nur das Liebesglück in zwei reinen Herzen entfachen kann. Sie werden
nicht müde, ihr wunderbares Zusammentreffen, das Aufblühen ihrer Liebe
und die unerschöpfliche Tiefe derselben in immer neuen Wendungen zum
Ausdruck zu bringen. Während aber Lohengrin noch in der Erinnerung an
die hehre Welt des Grals lebt und an den Moment denkt, da er aus ihr
zu Elsa entsandt wurde, antwortet diese mit holdseliger weiblicher Naivetät
und die Anmut ihres Wesens und Fühlens offenbart sich in schwärmerisch
entzückten Ausdrücken:
„Doch ich zuvor schon hatte dich geseh'n,
Im sel'gen Traume warst du mir genaht:
Als ich nun wachend dich sah vor mir steh'n,
Erkannt' ich, dass du kamst auf Gottes Rat.
Da wollte ich vor deinem Blick zerfliessen,
Gleich einem Bach umwinden deinen Schritt,
Als eine Blume, duftend auf der Wiesen,
Wollt' ich entzückt mich beugen deinem Tritt. -
] ) Zur Dramaturgie des Lohengrin in „ Wagner iana* von Arthur Seid!, Berlin 1001.
III. 15 12
170
DIE MUSIK III. 15.
Und im unmittelbaren Anschluss daran, fühlt Elsa mit ihrem echt
weiblichen Empfinden schon voraus, um halb in Scheu, halb in über-
schwenglichem Glück des höchsten Augenblickes zu gedenken, da sie sich
ganz angehören, Seele und Leib miteinander verschmelzen werden:
»Nur, wenn zur Liebesstille wir geleitet,
Sollst du gestatten, dass mein Mund ihn spricht.
— Einsam, wenn niemand wacht."
Wir sehen hieraus aber auch, wie sich bei ihr mit dem Gedenken
an den höchsten Liebesrausch auch schon die Absicht einstellt, das
Frageverbot zu brechen, um ihres Retters Namen und Art zu erfahren;
wie tief also der pathologische Drang, Lohengrin ganz zu verstehen, mit
ihrem innersten Wesen zusammenhängt. Verfolgt man von jetzt an das
allmähliche Wiederauftauchen dieses tragischen Zuges und seine unheil-
volle Weiterentwicklung zu immer drängenderer und stürmischerer Form,
so kommt man wohl bei ungetrübter Beobachtung bald zu voller Klarheit
über seine innere Bedeutung.
Zuerst kleidet sich der Drang Elsas, Name und Art von Lohengrin
zu erfahren, noch in das Gewand süsser Schwärmerei. Indem sie ihn
mit dem höchsten Ausdruck ihrer Liebe beglücken möchte, will sie ihn
auch ganz kennen, soll er ihr auch ganz gehören. Lohengrin sieht denn
auch in ihrem Wunsch nur einen Ausfluss ihres liebebedürftigen Wesens,
ohne ihn noch sonderlich ernst zu nehmen. Er sucht sie daher durch
das wundervolle Gleichnis zu beruhigen: „Atmest du nicht mit mir die
süssen Düfte?" Er will ihr dadurch klarmachen, dass man auch das
Unbekannte lieben könne, so wie er ja auch Elsa liebt ohne erst zu fragen,
ohne sich nach ihrer Art zu erkundigen. Aber er übersieht dabei, dass
er als Mensch, der in der Welt der Ideen lebt, auch das Unbekannte be-
greifen und lieben kann, weil er es eben in der Idee erfasst; dass aber
Elsa, die ganz mit dem unmittelbaren Gefühl an allen Dingen hängt, nur
das Konkrete, Greifbare lieben kann. — Ungemein charakteristisch ist
denn auch die Antwort Elsas:
»Ach! Könnt' ich deiner wert erscheinen!
Müsst' nicht bloss ich vor dir vergeh'n!"
die die tragische Seite in ihrer Natur schon deutlicher blosslegt. Sie
fühlt sich überwältigt von der Grösse seines Geistes, fühlt ähnlich wie
G retchen: „Was so ein Mann nicht alles, 'alles denken kann. Beschämt
nur steh' ich vor ihm da und sag' zu allen Sachen ja ; nur dass das, was
bei Gretchen in naiver Zierlichkeit sich äussert, bei Elsa zu ernster
Tragik vertieft ist. Aber in diesem Gefühl der Minderwertigkeit und
Demut wird sie auch leicht empfindlich. Weil sie fürchtet, seiner nicht
171
BERENDT: LOHENGRIN
wert zu sein, ihn nicht dauernd fesseln zu können, wird sie desto leichter
verletzt, wenn aus irgend einer seiner Äusserungen hervorzugehen scheint,
dass er sie nicht unbedingt schätze, dass er sich nicht ausschliesslich
durch sie beglückt fühlt; und dass neben ihr ihm noch andere, ideale
Quellen des Glückes zufliessen. So verbindet sich mit der rührenden
Bescheidenheit ihres Wesens zugleich ein falscher Stolz, der den Keim
der tragischen Katastrophe in sich trägt. Aber dieser Stolz äussert sich
vorläufig noch auf eine liebenswürdige und vornehme Weise. In der
Vornehmheit ihrer Gesinnung will sie nicht immer nur von Lohengrin
empfangen; es verletzt ihren Stolz, dass er sie aus Not und Pein errettet
habe, während sie nichts Ähnliches für ihn tun kann. Sie möchte auch
ihm die Grösse ihrer Liebe beweisen und so sagt sie:
.Könnt' ein Verdienst mich dir vereinen,
Dürfe ich in Pein für dich mich seh'n!
Wie du mich träfet von schwerer Klage,
O! wfisste ich auch dich in Not!*
Das ist süss geschwärmt, aber doch auch geschwärmt! wie Nathan
von Recha sagt. Elsa soll das Vertrauen, das Lohengrin ihr geschenkt,
die Hilfe, die er ihr in schwerer Not geleistet hat, nur durch unbedingt
hingebende und vertrauende Liebe lohnen, aber nicht durch das Herbei-
sehnen einer Situation, die unmöglich scheint. — Deutlich klingen jetzt
schon die Einflüsterungen Ortruds in ihr nach:
„War* das Geheimnis so geartet,
Das aller Welt verschweigt dein Mund?
Vielleicht, dass Unheil dich erwartet,
Würd' es den Menschen offen kund? 41
und diese Einflüsterungen verbinden sich ganz eigenartig mit ihrem jetzigen
Gedankengang. Ihr aufgestachelter Mädchenstolz will Lohengrin nicht
alles zu danken haben; sie täuscht sich aber selbst über diesen Stolz,
indem sie vorgibt, nur deshalb sein Geheimnis erfahren zu wollen, um
ihn vielleicht vor Unheil bewahren, ihm vielleicht durch ihr Schweigen
ein Opfer bringen zu können. Überall mischen sich hier echt weibliche
Schwächen, die aber tragische Folgen haben, mit den liebenswerten, den
besten Zügen ihrer Natur.
Als sie aber nun erfährt, dass das Gegenteil von dem, was sie ge-
wähnt hatte, der Fall ist, dass Lohengrin nicht aus Nacht und Leiden,
sondern aus Glanz und Wonnen zu ihr kommt, da bricht in der Antwort:
»Hilf Gott! was muss ich hören!
Welch' Zeugnis gab dein Mund!"
12*
172
DIE MUSIK III. 15.
der pathologische Zug ungestüm in ihr hervor, da beginnt im Zwiegesang
zwischen den Liebenden die eigentlich tragische Wendung, die dann un-
aufhaltsam zur Katastrophe hineilt.
Was ist denn aber geschehen, um ihre immer wachsende Erregung be-
greiflich zu machen? Elsa sucht immer ungestümer in Lohengrins Ge-
heimnis zu dringen« Nach ernster Mahnung, an das Verbotene nicht zu
rühren, zieht er sie noch einmal mit der hingehendsten Liebe, mit der
höchsten Zärtlichkeit an sich: An meine Brust, du Süsse, Reine . . . ,
und um ihr zu zeigen, welchen hohen Wert er auf ihre Liebe legt, zu-
gleich aber, wie notwendig ihm diese ist, was sie ihm vergüten und ersetzen
muss, enthüllt er ihr schliesslich das Wesen der Welt, aus der er herkommt,
insoweit, dass er ihr den Glanz, die Freiheit schildert, die er genossen
und ihretwegen verlassen hat. Man hat dieses wundervoll stolze Bekennt-
nis Lohengrins:
»Dein Lieben muss mir hoch entgelten
Für das, was ich um dich verliess;
Kein Loa in Gottes weiten Welten
Wohl edler als das meine hiess • . .*
vielfach so ausgelegt, dass er selbst damit einen Teil der tragischen
Schuld auf sich nimmt, mitschuldig wird an Elsas Vergehen gegen das
Gebot. Seine Worte klingen nach dieser Auffassung beinahe wie herab-
lassendes Ungenügen an seinem derzeitigen Schicksal; und keine Frau, be-
hauptete man, würde dergleichen, zumal in einem Augenblick, wo sie
sich ganz dem Mann hingeben will, ertragen, ohne verletzt zu sein.
Aber diese Auslegung scheint mir eine geistreich willkürliche, die an der
Oberfläche der Situation haften bleibt und in den Sinn des Gesamtdramas
nicht eindringt. Um das glanzvolle Gedenken Lohengrins an die Welt, die
er verlassen hat, zu verstehen, muss man auf die Grundidee des Werkes
zurückgehen. Lohengrin war zu Elsa hergekommen aus dem Reiche des
Grals, d. h. der Welt höchster geistiger Freiheit und vornehmsten Glanzes
im Kreise der Blüte der Ritterschaft. Er hatte dort in reinem Äther des
Gedankens, des Schauens, so hoch erhaben über alle Leiden des niederen
Lebens geschwebt, dass In der Tat kein König auf dem Thron freier war,
als er es gewesen. Aus diesem Reich ist er herabgestiegen, weil er sein
Leben des rein Geistigen ergänzen wollte durch die Liebe zum Weibe.
Um Elsas und ihrer Liebe willen gab er also einen grossen Teil dieser
Freiheit auf, und nur eins kann ihn für dies grosse Opfer entschädigen,
das ist Elsas unbedingt vertrauende, hingebende, von allen Zweifeln freie
Liebe. Er spricht mithin nur die schlichte, reine Wahrheit aus, wenn er
singt: .Dein Lieben muss mir hoch entgelten für das, was ich um dich
verliess." An diese eigentümliche Situation Lohengrins müssen wir immer
173
BERENDT: LOHENGRIN
denken, wenn wir das ganze Werk und seine Tragik verstehen wollen.
Lohengrin kann nur hinwegkommen über das, was er an geistiger Freiheit
verloren hat, wenn Elsa ihn mit voller Liebe für das Opfer entschädigt
Was aber hört Lohengrin aus ihrem Munde? Sie fühlt sich tief unglück-
lich über sein Bekenntnis, sie sieht sich in ihrem Stolz, in ihrer eifer-
süchtigen Liebe verletzt, weil er schon vor dem Zusammentreffen mit ihr
ein höchstes Glück besessen. Sie wünschte, er sehe in ihr sein ausschliess-
liches Glück, und nun erfährt sie, dass er neben ihrer Liebe noch die
Freuden einer geistig ideellen Welt geniesst. Und statt ihm nun das Opfer,
das er ihr gebracht hat, mit verdoppelter Liebe zu lohnen, lässt sie ihre
Empfindlichkeit sprechen, erblickt sie in der Welt, in der er lebte und
zum Teil noch lebt, einen Gegenstand des Misstrauens, einen Gegenstand
der Eifersucht Sie missgönnt ihm gewissermassen seine höhere ideale
Welt und leitet daraus für sich und ihre Liebe eine Gefahr her. Lohengrin
fühlt dadurch einen doppelten Verlust. Sein glanzvolles Reich hat er um
ihrer Liebe willen verlassen und diese Liebe ist nun durch Misstrauen, Zweifel
und Eifersucht getrübt und in Gefahr zu entschwinden. Dabei bleibt freilich
dieser krankhaft pathologische Zug in Elsa stets mit den liebenswertesten
Eigenschaften ihrer Natur untrennbar verbunden. Denn immer ist es ihre
übergrosse Bescheidenheit, ihr Zweifel an sich selbst und ihrer Fähigkeit,
den herrlichen Mann auch zu fesseln:
»Wie soll ich Ärmste glauben,
Dir g'nfige meine Treu'?
Ein Tag wird dich mir rauben
Durch deiner Liebe Reu'!"
die sie so zaghaft macht, die dort ihr Gefühl verletzt, wo durchaus kein
gerechter Anlass dazu vorliegt. Und jetzt fasst Elsa auch die Worte
Lohengrins so auf, wie sie Seidl auslegt, als herablassendes Ungenügen
an seinem gegenwärtigen Schicksal, ohne Berechtigung aber und ohne dass
Lohengrin es so meint. Lohengrin spricht im Gegenteil deutlich aus,
dass er den höheren Glanz, die höhere Freiheit seines vergangenen Lebens
gern aufgibt, wenn sie ihm nur ihre Liebe dauernd schenkt.
Um aber Elsa in ihrem Wahn vollkommen zu verstehen, müssen wir
uns ihres Grundcharakters erinnern. Sie lebt als echtes Weib ganz in der
Welt des Gefühls. Ihrer Gefühlsauffassung nach sieht sie in ihrem
Retter ihre ganze Welt und verlangt, auch Lohengrin solle in ihr sein
ausschliessliches Glück suchen, daher betrachtet sie seine Phantasiewelt
als einen Abbruch seiner Liebe zu ihr, betrachtet sie mit Misstrauen und
Eifersucht. Aus dieser Erkenntnis ihres Wesens hat sich offenbar Wagner
selbst zu der wunderlichen Auffassung verleiten lassen, dass Elsa in ihrem
pathologischen Drange recht habe; das Wesen der Liebe offenbare sich
174
DIB MUSIK HL 15.
erst wahrhaft darin, dass das Weib, wo es mit schwelgerischer Anbetung
empfindet, auch ganz untergehen will, wenn es den Geliebten nicht ganz
umfassen kann. Gewiss! Elsa will den Geliebten ganz begreifen; er soll
ihr ganz und ausschliesslich gehören. Sie will seine Herkunft, seinen
Namen und seine Art wissen, damit nichts in seinem Wesen ihr fremd
bleibe, damit er alles mit ihr teile. Aber was bedeutet es, unter den Vor-
aussetzungen, auf denen das ganze Drama aufgebaut ist, ihn ganz um-
fassen? Auch Elsa, so tief ihre persönliche Empfindung ist, bleibt dem
Gral gegenüber Laie. In die Welt philosophisch-künstlerischen Schauens
mit ihrer unpersönlichen Abstraktion von jeder subjektiven Anteilnahme
an den Dingen vermag sie nicht einzudringen. Wenn auch Lohengrin ihr
die Geheimnisse des Grals enthüllen wollte, so könnte sie sie doch nicht
wahrhaft erfassen; sie würde auch sie in ihre persönliche Gefühls-
welt hineinziehen und herabziehen müssen. Und das will sie auch
wirklich in ihrem Wahn. Lohengrin soll ganz und gar im Gefühl mit
ihr leben; er soll seine frühere Geisteswelt aufgeben, sie an ihr persön-
liches Gefühl überliefern. Das ist aber unmöglich; denn damit würde
Lohengrin sich selbst und sein Wesen aufgeben.
Damit wäre aber auch die Voraussetzung, auf der das wundervolle
Glück dieser eigenartigen Liebe beruht, geradezu vernichtet Sie besteht
darin, dass die beiden äussersten Extreme, die beiden höchsten Voll-
kommenheiten der menschlichen Natur verbunden sind: die Tiefe des
bewussten, denkenden Geistes und die Schlichtheit und Reinheit des un-
willkürlichen Gefühls. Wenn aber zugunsten des letzteren die herr-
liche Geisteswelt Lohengrins ganz unterdrückt werden, ganz aus dieser
Liebe ausscheiden sollte, um nur noch der persönlichen Empfindung Raum
zu geben, so wäre das wahre Glück, der Zauber dieser Ehe vernichtet.
Dann würde das weibliche Element, das Gefühl, die Herrschaft besitzen,
und das männliche Element des Geistes vollständig eliminiert sein. Das
ist aber in dieser Ehe und bei dem Wesen Lohengrins unmöglich.
Das Glück dieser Liebe, dieser Ehe könnte aber doch sehr wohl be-
stehen bleiben:
„Nie soll dein Reiz entschwinden
Bleibst du von Zweifel rein."
singt Lohengrin, könnte ihn nur Elsa so lieben, wie er ist, würde sie ihn
ruhig gewähren lassen in seiner idealen Natur (d. h. im Sinne des Mythos),
würde sie sein Verbot, das eben seine geistige Welt schützen soll, achten
und ihn seiner Geistes- und Phantasiewelt überlassen, ohne daraus Zweifel,
Misstrauen und Eifersucht zu schöpfen. Wäre sie damit zufrieden, dass
er sich in der Liebe mit ihr begegnet und würde nicht verlangen, dass er
auch seine Phantasiewelt mit ihr teile, so brauchte das Glück ihrer Liebe
/"^_ I75 Oi
Cf^^to BBRENDT: L0HENGR1N qC^J
nie zu schwinden. Da sie iber ihrem tragisch pathologischen Drange
folgt, so verstrickt sie sich immer tiefer in ihren Wahn und wird blind
für alles Herrliche, das sie mit Lohengrin teilt, unempfänglich für seinen
Zartsinn und seine Liebe. Sie fühlt nur noch den brennenden Stachel
darüber, dass er ihr nicht auch seine Geisteswelt opfern, nicht ausschliess-
lich in ihrer Liebe leben will, und alle tragischen Momente, die Einflüste-
rungen Friedrichs und der Ortrud, sowie ihr eigener pathologischer Zug
vereinigen sich jetzt unheilvoll in ihrer Seele, um die Katastrophe herbei-
zuführen. Mit furchtbarer Konsequenz stürzt sie sich in das Verderben.
In ihrer Leidenschaft lässt sie nicht von ihm ab, bis er ihr das Ge-
heimnis seiner Herkunft enthüllt, und vernichtet damit unrettbar ihr und
des Geliebten Glück.
Die Tragik des Dramas beruht also, um sie in einer einfachen Formel
zusammenzufassen, nicht in einem Verschulden des Liebespaares, sondern
auf dem ursprünglichen Gegensatz ihrer Naturen, der, bis ,zu einem
gewissen Grade, ihr höchstes Glück ausmacht, in den letzten Konse-
quenzen aber eine unüberbrückbare Kluft für sie bildet; — eine Kluft
allerdings, die durch die boshafte neidische Welt noch unüberbrückbarer
gemacht wird. Elsa geht zugrunde an der Unfähigkeit des Weibes,
mit seinem reinen Gefühlsleben die geistige Welt des Mannes erfassen
zu können. Lohengrin und Elsa können sich in der Liebe, im Gefühl
wohl begegnen, darüber hinaus aber lebt Lohengrin in einer nur ihm
eigenen geistigen Veit, in die Elsa ihm nicht zu folgen vermag, auf
die sie daher eifersüchtig wird. Die Ehe zwischen Lohengrin und Elsa
verläuft so, wie die zwischen Faust und Gretchen unzweifelhaft verlaufen
sein würde, wäre sie zustande gekommen. Im Lohengrind rama klingt
etwas von dem Gegensatze nach, dem Goethe in seinem Faust Aus-
druck gegeben hat: .Und seitwärts sie, mit kindlich dumpfen Sinnen, im
Hüttchen auf dem kleinen Alpenfeld'. Wenn auch Elsa als Fürstentocbter
viel stolzer und selbstbewusster ist, als das schlichte Bürgermädchen
Gretchen, so verhält sie sich doch ihrem innersten Wesen nach zu Lohen-
grin genau so, wie Gretchen zu Faust: als das echte Weib, das ganz im
konkreten Gefühl lebt, dem Geliebten in die Welt der geistigen Abstraktion
und Ideen nicht zu folgen vermag, und an diesem tragischen Gegensatz
zugrunde geht.
IV.
Teresa Carreno.
ist das schönste künstlerische Los auf Erden: Als Erinnerung
rtzuleben . . .
Man muss den Atem anhalten und die dringende Phantasie
:sch wichtigen; denn, Ihr Herren, es gilt einer Grossen, die
da gross ist, weil sie nicht kleinlich sein kann, und sich in allem ganz
gibttl Ich komme zu einer Kunst, die da echt ist, weil sie unmittelbar
wirkt und mit Blitzeskraft unter Denkende und Empfindende, unter Trage
und Hirnlose fährt, zu einer Kunst, die da von Anbeginn an siegreich auf-
trat, Schweigen und Achtung gebietend, und donnernd hinwegrollte über
kritischen Staub, hinweg über hündische Kläffer, skeptische Scheuklappen
und Ete-petete-Gelichter, immer hinan zur Höhe, hinauf zur Sonne, zur Sonne.
Teresa Carreöo hat nicht ihresgleichen. Als Weib eine Königin und
Herrscherin ist sie als Künstlerin jeder Zoll ein Genie, ein glücklicher
Wurf der Allmutter Natur. Sie ist für mich eine der vollendeten Typen
der reproduktiven Kunst überhaupt. Nichts an ihr ist unharmonisch, alles
harmonisch. Vor allem eins: bei keinem anderen prägt sieb die Einheit
zwischen Persönlichkeit, künstlerischer Gestaltung und instrumentell-tech-
niseber Form so vollkommen aus. Als Spielerin die Verkörperung der
klavieristischen Instru mental ität schlechthin hält sie den grössten Mass-
stab aus. Ihre Technik ist nicht eine Technik, sondern die Technik,
d. h. die nur durch das Instrument und die physischen Kräfte begrenzte
Naturtechnik. Von den beiden überhaupt möglichen Prinzipien: dem leichten,
luftigen, getragenen und beherrschten Arm, oder dem hängenden, fallenden
und schweren Arm, wählte sie das letztere. Ihr Spiel ist nichts weiter
als Energie plus Gewicht. Das Geheimnis ihrer grossen Kraftentwicklung
bildet die Ausnützung der schweren Lastung der ganzen Anschlagsmasse.
Diese Masse liegt in den Tasten, sie .ruht". Daher die schöne, grosse,
plastische Tonform, das machtvolle Bilden und Entwickeln aus dem In-
strument heraus. Zum Gewicht tritt die echte Muskelspannung: das Rück-
177
BREITHAUPT: MODERNE KLAV1ER1STEN
wärtsleiten und Stauen der Kraft in den Zentralmuskelherden der Ober-
arme und der Schultern; jene Spannung, die die ganze Kraft in der Finger-
spitze konzentriert und die Verbindung herstellt zwischen Impuls, Muskel-
zug und Ton. Man hält sie für eine geniale Naturalistin — und sie
ist's zum grössten Teile — aber das weiss ich, sie hat System und sich
selber bewusst erzogen und zur Reife gebracht. Nicht die aussergewöhn-
liche physische Prädisposition allein war ihr Talent, sondern eine scharfe
Beobachtungsgabe und jener klavieristische Klangsinn, der der untrüglichste
Freund und der beste Lehrmeister jeder pianistischen Erziehung bleibt.
Teresa Carreno trug ein Ideal in der Brust: Rubinstein. Und dies Ton-
ideal verliess sie nie. So schuf sie und bildete, formte und feilte, bis sie
die Einheit zwischen Technik und Ton erreichte. Wenn man Umschau
hält und die Techniken abwägt, man kommt immer zu demselben Schluss:
ihre Technik erfüllt alle Bedingungen und befriedigt tonal- ästhetisch
alle Bedürfnisse. Die Zukunft wird auf sie zurückgreifen. Und wenn
die Welt nicht töricht ist, wird sie auf diesen Grundlagen aufbauen;
denn das Problem der Klavieristik: höchste Kraftentfaltung bei höchster
Legerität ist durch sie gelöst. Keiner hat die volle Kugelung des Tones,
keiner ein jeu perte von solch körniger Klarheit und hinreissendem
Schmiss. Wohin man hört: immer eine prachtvolle Tonform, ein blendendes
Spiel freier, gelöster, vom Willen gebändigter und bezähmter Kräfte. Den
kleinen gedrungenen Händen scheint alles ein müheloses Nichts. Es
hat etwas Berauschendes: diese kraftstrotzende Art, dieser urgesunde
Losbruch elementarer Kräfte, dies Einsetzen der ganzen festgefugten,
aktionsfähigen Körpermasse, die glänzende Arbeit einer auf jeden
Impuls hin reagierenden, absolut gehorsamen motorischen Zentrale. Und
nie ein Ringen und Quälen, ein Keuchen und Stöhnen I Im Kampf mit
dem instrumentalen Drachen blieb dies Wotanskind stets Siegerin. Ich
sah diese Natur noch nie erlahmen oder ermatten, und ich glaube, sie
ist eine der wenigen, die ihr Programm sans göne mit der gleichen Frische
und stolzen Kraft wiederholen könnten. Ich sage: ihre Technik hat
klassischen Wert, da sie, ohne auf das Niveau einer Mechanik
herabzusinken, das Instrument ausschöpft, und ihre Technik hat
Stil, da sie dem instrumenteilen Ton eine vollendete Form zu
geben vermag. Klassisch ist ihr Oktavenspiel, das ein lebendiger Beweis
für die Vibrationstheorie, d. h. für die Bedeutung der Bebung eines frei-
fallenden, im Handgelenk federnden Armes, und ein glänzender Protest ist
wider die aktive aber aktionsunfähige Handgelenkoktave. Wer bei ihr von
starkem Handgelenk faselt, schwimmt eben noch im lieblichen Dunst be-
glückender Dummheit; denn er vertauscht Ursache und Wirkung. Nicht
das Handgelenk macht's, sondern die fallende federnde Masse. Berühmt
178
ist auch ihr staccato; denn 'es hat die Funkelkraft echter Brillanten. Das
Blitzgeschmeid' ist kein gläsern' Sach' und nicht aus taubem Kristall« Es
hat des Stahles Härte und doch wieder den lichten Glanz der Sonne. Jeg-
licher Ton hat metallischen Kern und einen Charakter, den ich mit .weich-
hart* bezeichnen möchte. Im Feuer geschweisst sind auch alle Passagen
und Skalen, — von elfenbeinerner Klarheit die Fiorituren und der mickelige
Kram des kleinen Fingerwerkes.
Mit diesem Rüstzeug tritt sie auf den Plan: in herrischem Stolz
und männlicher Art, Zug um Zug die antike Amazone in blinkendem
Erz und schimmernder Wehr, — ein fürstlich Geblüt von feuriger Rasse.
Teresa Carrefio ist die geborene Siegerin. Sie muss siegen oder fallen.
Ein Drittes: Mittelmass und Langweiligkeit gibt es für sie nicht. Ihre
ganze Technik, ihre ganze Musik und Kunst ist durchflammt von einem
leuchtenden Temperament. Ihr Blut macht ihre Kunst, ihre Glut ist
ihre Kraft. All ihr genialer Klavierinstinkt, er wöge nichts, hätte sie
des Blutes und des Blitzes nicht. Das carracasische Feuer, der Vulkan
ihrer südlichen Seele, der grosse rhythmische Schritt und Tritt machen
sie zu der, vor der sich die Welt bewundernd beugt: Teresa Carreno.
Ihre Rasse ist ihre Individualität. Sie ist der Quell ihrer lodernden
Diktion. So wird ihre Musik und Kunst beherrscht vom dramatischen
Prinzip. Ihr genügt nur das Grosse, Leidenschaftliche, Kühne, die
monumentalen Bauwerke der Klavierkunst: das Es-dur Konzert Bee-
thoven, das Es-dur Liszt, das d-moll Rubinstein, b-moll Tschaikowsky,
beide .Chopins* u. a. m., nicht zu vergessen die Polonaise in As. Sie
ist keine Detailkünstlerin und war es nie. Dazu ist sie zu sehr Leben
und Rhythmus. Sie kennt nur eins: den dynamischen Kontrast der grossen
Flächen und eine dramatische Entwicklung bis zum Höhepunkt oder
kulminierenden Schluss. Dieser feine dramatische Instinkt für jegliche
Steigerung, diese Kunst im dynamischen Aufbau sichert ihr die zündende
Wirkung. Sie hat die echte Atemökonomie und kennt die magische Ge-
walt eines ruhigen Gesangsstromes ebenso wie die eines gleichmässig sieb
entwickelnden und anwachsenden Crescendo's. Sie weiss auch, was es
mit der agogischen Stauung für eine Bewandtnis hat: dass man nämlich
vor Höhepunkten und Abgründen die Zügel straffer spannen und das
dampfende Gespann zurückreissen muss. Das alles weiss sie und noch
viel mehr. Mit der Kraft aber ist immer die Grazie gepaart. Die harfen-
artige Behandlung der Arpeggien im .Erlkönig* — Schubert- Liszt, die
Elfenklänge: .Gar schöne Spiele spiel' ich mit dir," — die sprühenden
Blitzoktaven der Ges-dur Etüde von Chopin, die glitzernde Cascade mit
dem klingenden blinkenden Tropfenfall in der anderen Etüde in Ges,
der wiegende weiche Wellencharakter der As-dur op. 25, 1, das flockige
179
BREITHAUPT: MODERNE KLAVIERISTEN
Schlickerstaccato im Trio des „Militärmarsch von Schubert - Tausig
wissen davon zu sagen. Und dann ihre himmelstürmende Bravour in
den Finalsätzen! Nur eine zähe Energie, eine geradezu tolle Ausdauer
und technische Kunst wie die ihre vermag ein wirkliches „finish" zu
spielen. So erleben der Schlusssatz der h-moll Sonate Chopin, Liszts
und Chopin's Polonaisen in E und As, und schliesslich „ihr* Militär-
marsch jene hinreissende Gestaltung und grandiose Wucht. Die lechzende
Qual, die ewige Gier einer ruhelosen und rastlosen Glut, das ist ihr
Genie. Dieser verzehrende Brand einer wilden Naturkraft gibt ihrem
Spiel jenen unaussprechlichen Kunstwert. Das ist kein Fingerwerk im
gewöhnlichen Sinne, sondern ein Bosseln und Beulen in Kupfer, das
bronzene Treiben und Heraushämmern eines plastisch geschauten Gebildes.
Der Hephaistos steckt in ihr. Was — ein flüssig Hartmetall — aus feurigem
Herzen fliest, wissen die ehernen Hände kunstvoll zu schmieden. Und
gut schmiedet sich's im Feuer der Brüstt
So ward sie die erste Spielerin der Gegenwart und der Welt, dess'
ist kein Zweifel. Gleich Lilli Lehmann steht sie auf ragender Höhe, hoch
über dem Räume, „wo Menschen wohnen". Dass sie den Stil jener nicht
besitzt, tut ihrer Grösse keinen Abbruch; denn sie überragt die geniale
Sängerin an packender Wildheit und dämonischem Ungestüm. Ihr „ge-
spielter" Erlkönig gibt dem „gesungenen" nichts nach. Es fehlt ihr auch
die ruhige Geistigkeit der Musik, das Beschauliche, die reife Abgeklärtheit
einer sinnenden Seele. Sie fühlt sich immer wohler im brandenden Meer,
auf stürmenden Wogen, in Wetter und Wind. Den klaren Spiegel eines
harmonischen Gebildes wird immer der glühende Strom ihres Blutes in
eine kochende See umwandeln. Das ist kein Vorwurf. Denn schliesslich
ist sie selbst Stil, eine Individualität mit eigenen Gesetzen, ein al-fresco-
Spiel mit monumentaler Flächenwirkung. Sie hat ihre Gegner: griesgrämige
Philister, die die Sonne schelten, wenn sie scheint und es der Sonne ver-
übeln, wenn sie nicht scheint. Das begreife ich; ihre Kunst liegt halt
jenseits der Stickluft grauer Schulästhetik. Sie ward geboren auf baum-
loser Steppe, auf wildem ungesatteltem Ross, unter dem Azurhimmel des
Südens, zwischen Felsen und donnernden Schluchten, im Antlitz stürzen-
der, tosender Wasser. Ihr Leben aber war ein einziger Triumph, ein ein-
ziges gewaltiges Crescendo. Das sei ihr eine tröstliche Gewissheit, ihr, die
keine Rivalin und nur einen Rivalen kennt. Die Alten hatten eine Schröder-
Devrient, eine Jenny Lind. Wir haben eine Teresa Carreno. Der Zauber-
klang, der sich mit dem Namen verbindet, wird auch im Volksbewusstsein
weiter klingen, wenn wir längst zu Asche und Staub.
Dies aber ist das schönste künstlerische Los auf Erden: Als Er-
innerung fortzuleben.
ii weiteres verbürgt jakobitiscbes Lied des ersten Aufstandes
(1715) ist: .Kenmure's on and awa', Willie", dessen Erhaltung,
wie in so vielen Fällen, wir Robert Burns zu verdanken beben.
Es ist ein eigentümlicher Widerspruch im Charakter Burns',
dass er, der von Natur aus ein Whig war, der bedeutendste Tory-Dichter
wurde. Der Politiker wurde vom Dichter in den Hintergrund gedrängt.
Den ersten Anstoss zu diesem Verhältnis gab wohl die französische Re-
volution, und seine diesbezügliche Stellung raubte Ihm die Gunst vieler
seiner einflussreichsten Freunde und Gönner. Der Text 1 ) von „Kenmure's
on and awa" lautet also:
O, Kenmure 1 ) i« ton von hier, Willi,
O, Kenmure ist fort von hier.
Lord Kenmure 1» der kühnste Held
Der tapferste Kavalier.
Erfolg sei seiner Truppe, Willi,
Erfolg der Trappe uad Sieg,
Denn jedem schlagt ein tapferes He»;
Du fürchtet keinen Whig.
Und seiner Dame Gesiebt ward rot, Willi,
Seiner Dame Gesiebt ward rot,
Als sie erblickt sein eisern Gewand;
Das spracb von Kampf und Tod.
Lang lebe Lord Kenmure, Willi!
Kenmure, er lebe lang!
Noch keiner der Kenmure's war feig;
Pelg keiner aus Gordon 's Stamm.
') Die -Gedichte in diesem Aufsatz sind vom Verfasser slmtlicb nach den
Originalen übertragen worden.
*) Der Held dieser Ballade Ist William Gordon, Viscount Kenmure, der Haupt-
anführer der aufa (Indischen Truppen im Südwesten Schottlands. Mit ungefähr 100
Reitern scbloss er sieb den Truppen des Generals Förster an, marschierte bis
Preston In Lancasblre und ergab sich hier den königlichen Trappen auf Gnade und
Ungnade, was sieb eigentlich nicht mit der Meinung, die der Dichter von ihm bat,
vereinigen lisst. Mit andern Gefangenen wurde er nach London gebracht, und musste
mit gefesselten Armen, von einem rohen PSbel auf das Schimpflichste verhöhnt
und verspottet, nach dem Tower (dem englischen SuatsgettngDls) reiten, wo^er sm
24. Februar 1716 enthauptet wurde. Durch grosse Anstrengungen gelang es seiner
Eine Rose blüht fn Kenmure's Helm,
Eine Rose duftend und weiss. [Willi,
Er färbt sie rot in rotem Herzblut
In der Schlacht, In der Schlacht so nein.
Er lebe lang, der über der See, Willi,
Er lebe, der über der See.
Und hier ist die Blume, die ich so gern,
Die Rose so weiss wie Schnee.
O, Kenmure's Bursehen sind mannhaft,
Ihre Herzen treu wie Stahl. [Willi,
Ihre Schwerter, die sind scharf und
Die Feinde all zu Fall. [bringen
Sie leben und sterben mit Ruhm, Willi,
Mit Ehren, mit Ruhm und mit Glück;
Und bald mit lautem Siegesgeschrei
Lord Kenmure kehrt zurück.
181
ERCKMANN: PATRIOT. LIEDER SCHOTTLANDS
si
Die Musik ist wie folgt:
Kenmure's on and awa' „WllHe".
g-j^jUi^ i r^flTH
s
I
Ein Hauptmerkmal der Jakobitenlieder war eine unbarmherzige Ver-
spottung König Georgs I. und seines ganzen Hauses. In dem Kopfe des
Jakobiten war natürlich Hannover im Vergleich zu dem mächtigen britischen
Reich eine kleine Farm, und man kann wohl verstehen, däss von diesem
Standpunkt aus Georg von Hannover nur als ein wohlhabender Bauern-
gutsbesitzer und des britischen Thrones als unwürdig erklärt wurde. Manche
der Jakobitenlieder sind daher zu gemein, als dass man sie der Verbreitung
anheimgeben möchte. Folgende zwei Lieder „The wee, wee German
Lairdie* und »Awa', Whigs, awa'« mögen als „anständige* Beispiele jako-
bitischer Bitterkeit und jakobitischen Spottes dienen:
Das Herrchen aus
Wer zum Teufel sitzt auf unserm Thron?
Ein Herrchen aus deutschen Gauen.
Gerad' als man ihn holen wollt*
Tat er das Feld bebauen,
Rüben pflanzen, Kraut und Lauch —
Ohne Strümpfe, wie*» dort Brauch;
Schnell zog er die Hosen rauf,
Das Herrchen aus deutschen Gauen.
Er setzt sich auf unsers Herrn Stuhl,
Das Herrchen aus deutschen Gauen;
Und er fing an, das fremde Zeug
Auf unserm Feld zu bauen.
Er riss die englische Rose 1 ) heraus«
Warf die irische Harfe 1 ) aus dem Haus;
Doch die schottische Distel 1 ) macht ihm Graus,
Dem Herrchen aus deutschen Gauen.
deutschen Gauen.
Auf unsre Berge komme doch,
Du Herrchen aus deutschen Gauen,
Und sieh, wie Charlie's*) Kohl gedeiht,
Wie man den Kohl muss bauen.
Doch wenn du eine Blume pflückst,
Wenn du dich nach dem Pflug nur bückst,
Wirst sehen, wie du dein Zepter knickst,
Du Herrchen aus deutschen Gauen.
Die Berg' sind steil, die Tller tief;
Kannst viele Disteln schauen;
Doch rechne nicht auf Gartenfeld,
Du Herrchen aus deutschen Gauen!
Das Berggras hat gar scharfe Kant',
Das reisst herab den deutschen Tand.
Nun geh zurück zu deinem Land,
Du Herrchen aus deutschen Gauen.
Witwe, das Familiengut, das in ähnlichen Fällen stets der Krone zufiel, zu erhalten.
Bei dem Enkel dieser Dame, John Gordon of Kenmure, war Burns einst zu Gast,
und der Dichter lieferte Text und Melodie für Johnson's Museum.
*) Die Rose, Harfe und Distel, Sinnbilder für England, Irland und Schottland.
") Charlie, Kosenamen für Charles, Karl.
182
DIE MUSIK III. 15.
Alt Schottland, bist ein kaltes Loch
Für alte, krächzende Eulen.
Sogar die Hunde am englischen Hof
Auf deutsch können bellen und heulen.
Drum halte den Spaten in deiner Hand,
Deinen eignen Kohl musst bauen;
Denn wer, zum Teufel, wünscht dein Land,
Als ein Herrchen aus deutschen Gauen.
Der Dichter dieser boshaften, giftigen Zeilen ist nicht bekannt. Sie
erschienen zuerst im Jahre 1810 in Cromek's „Reliques of Nithsdale and
Galloway Song . Unbekannt ist auch der Komponist der folgenden, dazu
gesetzten Melodie:
Wee wee German lairdie.
ritard.
w^"Ma * j3
Das von Robert Burns neu hergestellte, feurige Jakobitenlied „Awa',
Whigs, awa" liefert eine historisch verbürgte Melodie, die unter dem
Titel „My dearie, if thou dye" in einer Handschrift aus dem Jahre 1692
zum erstenmal vorkommt. Diese Liedersammlung war für die Viola da
Gamba bestimmt. Sie enthält auch Lieder englischen Ursprungs und ist
in Tabulatur geschrieben. Die alte Melodie erschien zum erstenmal im
Druck in R. A. Smith „Scotish Minstrel* 1822. Johnson nahm sie in sein
„Museum" auf. Mit der Zeit wurde sie aber verdrängt und musste folgen-
der, die George Thomson 1 ) in sein mehrbändiges Werk „The Select Me-
lodies of Scotland* (1822) aufnahm, weichen.
Burns' Gedicht lautet:
') George Thomson, das Haupt eines bedeutenden Unternehmens (British Linen
Hall) Edinburger Kaufleute trat, ein feuriger Enthusiast, nicht allein mit den ersten
Dichtern (Scott, Burns, Byron etc.), sondern auch mit den berühmtesten Komponisten
des Festlandes (Beethoven, Haydn, Weber, Hummel) in Verbindung und opferte sein
ganzes Vermögen, um schottische Lieder zu sammeln und in einem würdigen Ge-
wände seinem Land zu übergeben. Cuthbert Hadden hat im Jahre 1896 eine Bio-
graphie Thomson's und die Korrespondenz mit obigen Männern (mit Ausnahme von
Burns) herausgegeben. (London, Nimmo.)
183
ERCKMANN: PATRIOT. LIEDER SCHOTTLANDS
Hinweg, Whigs, von hier.
(Awa', Whigs, awa'.)
Hinweg, Whigs, von hier, Die Disteln wuchsen frisch und frei,
Hinweg, Whigs, von hier! Gar herrlich blühten Rosen;
Ihr seid nur ein Verriterpack, Da haben, wie der Frost im Mai,
Nichts Gutes bringt ihr mir! Die Whigs sie abgestossen.
Chor: Hinweg, Whigs, von hier,
Hinweg, Whigs, von hier!
Ihr seid nur ein Verriterpack,
Nichts Gutes bringt ihr mir!
Mit Kirch' und Staat sieht's böse aus. Der Gott der Rache lag im Schlaf;
Ich kann das nicht begreifen. Doch hoffen wir, ihn zu wecken.
Die Whigs, die war'n für uns ein Gott helf' dem Tag, wenn Konige
Wir hörten auf zu treiben. [Fluch, Wie Hasen sich verstecken.
Chor: Hinweg, Whigs, von hier etc. Chor: Hinweg, Whigs, von hier etc.
Ein fremder, büb'scher Whig bracht' Der Teufel hörte unser Schreien
Um Schottland zu bepflanzen. [Saat, Und sprang in unsre Mitte,
Doch nach Hannover schicken wir Doch sah er die verfluchten Whigs
Mit lauchbepacktem Ranzen. [ihn Und schnell sprang er zurücke.
Chor: Hinweg, Whigs, von hier etc. Chor: Hinweg, Whigs, von hier etc.
Unsre alte Krone liegt im Staub.
Wie sie zur Macht nur kamen!
Der Teufel kratz' ihnen die Augen
Schreib' ins schwarze Buch die [aus,
Namen.
Chor: Hinweg, Whigs, von hier etc.
Der Teufel grinste in dem Rauch
ImJ schwefligen Gefieder.
Und brummt den heuchlerischen
Gar manch' Calvinsche Lieder. [Whigs
Chor: Hinweg, Whigs, von hier etc.
Awa', Whigs, awa'.
fy I (i I r rjrf jTT 1 fl r p I AfrtffEf fJiIjJ
I ty j: } ^r^^m' W fJUwjlfM ti
\&M fg l r ^jOJijjljJ Jlr JijyJlflc'&J
iffi^fl * t 1 ''ffp I f . t » f \ j: )\ j j^ a ■>
*) Siehe die Musikbeilage No. 1 dieses Heftes.
]
184
DIE MUSIK III. 15.
Zu derselben Melodie wurde ein jakobitisches Lied gesungen, von
dem sich nur der Titel »We're a' Martinen" erhalten hat. Mar ist jeden-
falls der Graf von Mar, einer der Hauptjakobitenanführer im Jahre 1715.
Dreissig Jahre nach dem ersten Aufstand, also im Jahre 1745, machten
die Jakobiten einen zweiten Versuch, um ihrem ungekrönten König den
verlorenen Thron zu verschaffen.
Der Chevalier Jakob Stuart war mittlerweile ein alter Mann geworden;
aber sein Sohn Karl Eduard hielt sich für die geeignete Persönlichkeit,
die ehrgeizigen Pläne und Bestrebungen seiner Familie zur Ausführung
zu bringen. In zwei Schiffen brachte er sieben Anhänger, sowie 2000 Mus-
keten und 500 — 600 breite französische Schwerter nach Schottland hinüber,
wo er am 25. Juli 1745 landete.
Lady Nairne 1 ) begrüsst den jungen Abenteurer in folgendem Gedicht:
Die Nachricht kam von Moldart her.
(Wha'll be king but Charlie.)
Die Nachricht kam von Moidart her, Von John o 9 Groats bis Airlie kam'n
Und mancher staunt nicht wenig, Viel Hochlandssöhn' gezogen.
Dass Schiffe brachten Mann und Wehr Sie wollten steh'n
Und unsern Karl, den König. Od'r untergeh'n
Kommt schnell zusammen, Für unsern Karl, den König.
Ihr Knab' und Mannen Chor: Kommt schnell zusammen usw.
Mit Muskeln, fest und sehnig.
Seid kampfbereit, Vom Tiefland selbst manch' adlig Hans
's gibt blut'gen Streit Hat sich zu uns geschlagen
Für unsern Karl, den König. Und fest erklärt, für König Karl
Chor: Kommt schnell zusammen Ihr Gut und Blut zu wagen.
Ihr Knab' und Mannen, Chor: Kommt schnell zusammen usw.
Kommt Ronald und Donald,
Kommt all zusammen, So leb' er hoch, der König Karl!
Und krönet euren König Karl! Und hoch die gute Sache!
Lang lebe Karl, der König. Sein Name macht das Herzblut warm.
Mein Volk, steh' auf zur Rache!
Chor: Kommt schnell zusammen usw.
Diese Worte erschienen zum erstenmal mit folgender Melodie in
Smith .Scotish Minstrel* 1824; die Melodie selbst war bereits im Jahre
1816 in Fraser's »Airs and Melodies peculiar to the Highlands of Scotland*
aufgenommen:
l ) Lady Nairne war väterlicher- wie mütterlicherseits echt jakobitischer Abkunft.
Ihr Grossvater nahm am Aufetand des Jahres 1715 und ihr Vater an dem des Jahres
1745 teil. Des letzteren Güter wurden eingezogen, er selbst verbannt, und in der
Verbannung lernte er seine ebenfalls in der Verbannung lebende Frau kennen, deren
Vater als Baron von Bradwardine durch Walter Scotts Feder unsterblich gemacht
worden ist Die Feindschaft gegen das Herrscherhaus war in Lord Nairne's Familie
185
ERCKMANN: PATRIOT, LIEDER SCHOTTLANDS
Wha'U be king but Charlie.
r j f\ f p r
hjj/ f g f c-i^jjjj i j, j 11
Prinz Karl Eduard landete in Schottland, gewann in kurzer Zeit
die Herzen der Hochländer, sammelte Truppen und marschierte mit
diesen nach der Hauptstadt Edinburgh. Dort nahm er Holyrood, die alt-
schottische Königsresidenz, in Besitz, obgleich die Burg von königlichen
Truppen besetzt war, lieferte diesen am 21. September 1745 unter Sir
John Cope eine Schlacht bei Prestonpans und siegte. Die Schlacht ge-
wann er um so leichter, als die englischen Truppen an den wütenden
Fron tan griff der mit breiten Schwertern bewaffneten Schotten nicht ge-
wöhnt waren.
*
Eine humoristische Episode und ein Lied entwuchsen der Schlacht
von Prestonpans: Es scheint, dass bei der Flucht der Engländer Sir John
Cope's Pferd alle anderen weit überholte und nicht still hielt, bis er
Berwick erreichte. Dort empfing ihn Lord Mark Ker mit der Be-
merkung, dass er sicher der erste europäische General sei, der die Nach-
richt von seiner eigenen Niederlage selbst überbringe.
Der Spott, den ihm dieser Ritt eintrug, gipfelte in folgendem von
so tief gewurzelt, dass er die diesbezüglichen königlichen Hoheiten nur mit K (für
king, König) und Q (queen, Königin) bezeichnete; und um sicher zu sein, dass
das Königshaus nicht durch ein Versehen seinerseits den Segen des Himmels sieb
erwerbe, Hess er in allen Gebetsbüchern seines Haushalts die Namen der könig-
lichen Herrschaften überkleben und an die Stelle den Namen der Stuarts setzen.
Lady Nairne hat nicht viel geschrieben; aber was wir von ihr besitzen, kann sich
dem Besten Robert Bums' an die Seite stellen. Dem Grossvater sang sie die
alten Jakobitenlieder mit neuen, feurigen Texten, und sein altes Herz wurde wieder
jung. Aber weder ihre Familie, noch das Publikum hatte eine Ahnung, von wem
diese tiefempfundenen Lieder stammten. Das war ein Geheimnis, das sie mit wahr-
hafter Furcht hütete. Nur eine Freundin war eingeweiht.
III. 15. 13
186
DIE MUSIK III. 15.
einem Farmer Namens Adam Skirving 1 ) (1719—1803) herrührenden
Gedicht:
J ohnni
Cope schrieb ein'n Brief in grosser Wut
An Charlie: «Sage, hast da Mut?
Ich zeige dir, wie's Klmpfeo tut
Des Morgens in der Frühe".
He, Johnnie Cope, sag 9 bist du wach«
Und hat dich geweckt der Trommelschlag?
Denn wenn du schüfst, ich warten mag,
Hol* Kohlen in der Frühe.*)
Als Charlie diesen Wisch betracht*,
Zieht er sein Schwert mit grosser Macht:
„Ihr Mannen, folgt mir diese Nacht;
Wir kämpfen in der Frühe".
He, Johnnie Cope, sag* bist du usw.
Nun Johnnie, wenn du etwas wert,
So zieh' auch du dein blankes Schwert.
Lauf nicht davon auf deinem Pferd
Des Morgens in der Frühe.
He, Johnnie Cope, sag/ bist du usw.
Diese Worte sind folgender charakteristischen Melodie angepasst,
deren eigentlicher Titel „Fly to the hüls in the morning" ist Des
Komponisten Name ist nicht bekannt:
e Cope.
John Cope, der war ein kluger Mann
Und band sein Pferd in der Nfthe an.
„Wer weiss, wie man es brauchen kann
Des Morgens in der Frühe ! a
He, Johnnie Cope, sag' bist du usw.
John Cope, wach' auf und rette dich,
Die Sackpfeif tönet fürchterlich.
Die Schwerter gllnzen in dem Licht
Des Morgens in der Frühe.
He, Johnnie Cope, sag* bist du usw.
Nach Berwick wandt' er sein Gesicht,
„Wo sind dein' Leut? u — Er wütend spricht:
„Zum Teufel auch! Das weiss ich nicht!
Verlieas sie in der Frühe!"
He, Johnnie Cope, sag* bist du usw.
Ep
Con spirito
Johnnie Cope.
+?-%
i
Jib I I
P & da
*) Ein Offizier der englischen Truppen, Namens Smith, fühlte sich durch eine,
obigem Gedicht ihnliche, auch von Skirving stammende, Satire tief beleidigt und
forderte den Dichter zum Kampf heraus. Dem Überbringer der Botschaft gab der
witzige Bauer folgende Antwort: »Gehe zurück zu deinem Herrn Schmidt und sage
ihm, dass ich keine Zeit hitte nach Haddington zu kommen; er soll aber hierher
kommen, dass ich ihn betrachten kann, und wenn ich es der Mühe für wert halte, mit
ihm zu kämpfen, werde ich mit ihm kämpfen — und wenn nicht, dann tue ich, was
er getan hat — und laufe davon!*
*) Die letzte Zeile soll eine satirische Anspielung darauf sein, dass der in
dortiger Gegend heimische Bergwerker eher bereit ist, seinen Pflichten nachzu-
kommen, als John Cope.
187
ERC KM ANN: PATRIOT. LIEDER SCHOTTLANDS
i
Über den enthusiastischen Empfang Karl Eduards liegen verschiedene
poetische Ergüsse vor. Wir wählön die Zeilen der Lady Nairne, weil diese
am volkstümlichsten geworden sind. Die Dichterin singt:
Oh, Karl, der ist mein Liebling.
(O Charlie is my darling.)
An einem Montag Morgen
Als grad das Jahr begann,
Kam Karl geritten durch die Stadt,
Der junge Edelmann.
Chor: Oh, Karl, der ist mein Liebling,
Mein Liebling, mein Liebling,
Oh, Karl, der ist mein Liebling
Der junge Edelmann. *n'
Und als er ritt die Strass' herauf,
Die Pfeifer fingen an;
Das Volk versammelt sich im Lauf,
Zu seh'n den Edelmann.
Chor: Oh, Karl, der ist mein Liebling etc.
Sie Hessen Weib und Kind zu Haus,
Verliessen den heimischen Tann,
Das Schwert zu zieh'n für Schottlands
Den jungen Edelmann. [Herrn,
Chor: Oh, Karl, der ist mein Liebling etc.
Mit Hochlandsmützen auf dem Haar, Oh jetzt schlflgt manches Herze hoch,
Die Schwerter blitzten in der Sonn'; Und manches Herz hub an
Sie wollten kämpfen für Schottlands Krön Mit Hoffnung, Furcht und heiss Gebet
Und den jungen Edelmann. Für den jungen Edelmann.
Chor: Oh, Karl, der ist mein Liebling etc. Chor: Ob, Karl, der ist mein Liebling etc.
Die Melodie, zu der obiger Text heutzutage gesungen wird, ist
einer Jakobiten-Melodie nachgebildet. Über die Geschichte der letzteren
ist nichts weiter bekannt. Wir notieren beide Melodieen :
Charlie is my darling.
Alte Form.
l y jjaJ J er I
ljt.1 t\ rjrr r Lr Ifftr r t \ Üli r ty PTi i T, \
J c/ 1 r t.r r* II
13»
188
DIE MUSIK HL 15.
Neue Form.
; J' i s v • if
hNQ^ f TP l fc£f fr J7S I
nf Er r' II
Nach der Schlacht von Prestonpans marschierte Prinz Karl Eduard
im November 1745 nach England, belagerte und stürmte Carlisle am
18. November und zog, mit hundert Sackpfeifern an der Spitze, in die
Stadt ein.
Lady Nairne hat diese hundert Pfeifer in folgenden Zeilen unsterblich
gemacht. Dabei ist jedoch zu bemerken, dass das Ereignis, das ihrem
dichterischen Genius Flügel verlieh, nicht vor der Erstürmung Carlisle's
stattfand, sondern erst auf dem Rückzug:
Mit hundert Pfeifern.
(WP a hundred pipers an' a'.)
Mit hundert Pfeifern und all uud all,
Mit hundert Pfeifern und all und all,
Wir treffen den Feind mit mächtigem Scha
Mit hundert Pfeifern und all und all.
Hinüber über die Grenze in Ell',
Hinüber über die Grenze in Eil',
Wir stürmen bis zur Stadt Carlisle
Mit seinen Türmen und all und all.
Chor: Mit hundert Pfeifern und all und all,
Mit hundert Pfeifern und all und all,
Wir treffen den Feind mit mächtigem Schall
Mit hundert Pfeifern und all und all.
Unsre Hochlandskinder sind tapfer und Der Esk war geschwollen bis Ufersrand,
kühn, Zweitausende schwammen in Feindes*
Mit glänzenden Waffen zum Kampfe sie land.
zieh'n, Dort tönten die Pibrochs hell und klar;
Mit Federn und Mütze aufwallendem Haar. Man tanzte, bis jeder trocken war.
Die Pibrochs 1 ) tönen hell und klar. Die Feinde schauten das Schauspiel an;
Werden sie wiederseht ihr heimisches Tal Es ward ihnen kühl bis zum Herz hinan.
Die Hochlandssöhne allzumal? Sie liefen fort beim mächtigen Schall
Der Dorfprophete sprach kein Wort; Der hundert Pfeifer und all und all.
Die Mütter gaben ihre Söhne fort Chor: Mit hundert Pfeifern etc.
Chor: Mit hundert Pfeifern etc.
l ) Pibrochs sind Schlachtmelodieen der schottischen Hochlands-Sackpfeifor.
189
ERCKMANN: PATRIOT. LIEDER SCHOTTLANDS
Der Komponist der folgenden, wahrscheinlich modernen Melodie, mit
der obige Zeilen gepaart sind, ist nicht bekannt. Sie erschien zum ersten-
mal mit Lady Nairne's Strophen um das Jahr 1852 im Verlag von Wood & Co.,
Edinburgh :
Mit hundert Pfeifern.
Chor
jj.jj i jjj
XJ-NMrOJVU.N ii
Prinz Karl Eduard fand in England nicht die Aufnahme, die er er-
wartet hatte.
In Derby war er gezwungen, den Rückzug anzutreten, und von diesem Augen-
blick an wurde aus ihm ein verstimmter und unglücklicher Mann. Bis nach Inverness
marschierten die Truppen, und bald darauf erfolgte auf Culloden jener verhängnis-
vollste Tag für die Stuart-Dynastie. Sein Heer wurde von dem Herzog von Cumber-
land vollständig aufgerieben. Er selbst entfloh nach den sudwestlichen Bergen. In
einem Fischerboot setzte er nach der Insel Uist über, woselbst 2000 königliche
Truppen jede Höhle» jede Felsspalte nach ihm durchsuchten. Vergebens.
Dem heroischen Opfermut der Flora Macdonald verdankte er seine Rettung.
Diese verschaffte ihm Dienerkleidung und brachte ihn nach der Insel Skye. Von
da gelangte er wieder nach Inverness, seine Feinde dicht auf seinen Fersen. Selten
fand er eine ruhige Schlafstatte, oft litt er bittersten Hunger. 30000 Pfund Sterling
waren auf sein Haupt gesetzt, aber obgleich er einmal drei Wochen lang in einer
Höhle lebte, von einer Bande wilder Hochländer umgeben, so fand sich keiner unter
diesen, der sein Versteck verraten hätte.
Endlich nahm ihn ein französisches Schiff auf in einem Zustand völligster
Erschöpfung und Mutlosigkeit. Von englischen Kreuzern verfolgt, entkam er im
Nebel und erreichte Frankreich.
Die Anhänglichkeit, die „bonnie Prince Charlie" unter seinen Parteigängern
erfuhr, war tief romantisch. Männer waren bereit, ihr Leben für ihn in die Schanze
zu schlagen. Frauen gaben ihr alles auf, um ihm zu helfen.
Er wird geschildert als »ein grosser, stattlicher Mann mit rötlichblonden Haaren,
ovalem Gesicht, hellblauen Augen, regelmässigen Zügen und hoher Stirne. Sein
gewinnendes Lächeln, gefällige Manieren und königliche Höflichkeit stimmten über-
ein mit seiner Abkunft und seinen Bestrebungen". Er starb in Rom im Jahre 1788,
eine gänzliche Ruine.
190
DIE MUSIK III. 15.
Mit der Flucht des Prinzen schien der Jakobitismus den Todesstoss
erhalten zu haben. Äusserlich allerdings. Aber in Lied und Dichtung
hat er sich durch viele Jahre hindurch erhalten. Ein fruchtbareres Thema
als die traurigen Lebensschicksale des verbannten Prinzen, das einem Robert
Burns sogar gegen seine politische Überzeugung die Feder in die Hand
drückte, konnte der patriotische Dichter allerdings auch nicht finden. Wir
werden zum Schluss einige dieser Lieder betrachten.
Als ältestes dieser Gattung mag folgendes angeführt werden, das aus
dem Jahre 1745 stammen soll und dessen Dichter das intensive Verlangen
nach Karl Eduard darstellt, das sich in dem Wunsche kundgibt, zu ihm
übers Meer gerudert zu werden:
Komm, setze mich über.
(Owre the water to Charlie.)
Komm, setze mich über,
Komm, setze mich über,
Komm, setze mich über zu Charlie.
John Rosa bekommt einen Pfennig mehr,
Zu rudern hinüber zu Charlie.
Will über das Meer, will über die See,
Will über das Wasser zu Charlie.
Wir rudern hinüber, kommt Freud' kommt
Zu leben und sterben mit Charlie. [Web,
Ich lieb' seinen Namen, ich wünsche sein
Glück,
Wenn es manche auch gibt, die ihn hassen.
Nimm, Teufel, die Bösen zur Hülle zurück
Und reinige unsre Gassen.
Will über das Meer usw.
Ich schwöre beim Mond- und beim Sternen-
licht,
Bei deü gllnzenden Strahlen der Sonne,
Hä«' ich 10000 Leben, ich gäbe sie all,
Ich gib' sie für Charlie mit Wonne.
Will über das Meer usw.
Auch ich hatt' einst Söhne, sind alle nun
tot;
Sie kämpften und starben für Charlie;
Und wäre es möglich, zog' nochmal sie
Verlöre sie nochmal für Charlie, [gross,
Will über das Meer usw.
Die Melodie soll mit diesem Text gleichaltrig sein:
Komm, setze mich über.
^- j^jtFSTSg j 1 J T C l g E C Ü
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101
ERCKMANN PATRIOT. LIEDER SCHOTTLANDS
Lady Nairne stellt die folgende Frage:
Wird er nicht mehr wiederkommen?
(Will he no come back again?)
König Karl ist fort von hier
Ober sicheres Meer geschwommen;
Manches Herze wird zerbrechen.
Sollte er nicht wiederkommen.
Willst du denn nicht wiederkommen.
Willst du denn nicht wiederkommen?
Keiner ward geliebt so sehr,
Willst du denn nicht wiederkommen?
Manch' Verrlter brach die Bande
Der Gesetze der Natur;
Falsche Eide, leicht gesprochen,
Dass er rett' das Leben nur.
Chor: Wird er denn nicht wiederkommen,
Wird er denn nicht wiederkommen?
Keiner ward geliebt so sehr,
Wird er denn nicht wiederkommen?
So oft ich hör' den Amselschlag
Beim Sommer-Sonnenuntergang,
Den Ton der Lerch' am frühen Tag
Da hör* ich keinen andern Klang:
Chor: Wird er denn nicht usw.
Mancher tapfre Streiter fiel;
Mancher Held vergoss sein Blut;
Schwarzer Tod ward schwer erkauft,
All für König, Krön' und Gut.
Chor: Wird er denn nicht usw.
Die Täler und die Berg' sind sein; Süsser Vogelsang erklang
Das Bett, das ihm die Birk' gegeben; Durch das wilde, heimische Tal;
Die Büsche, die ihn oft beschützt — - Doch ich hörV nur diesen Sang:
Wer sonst darf Anspruch d'rauf erheben? Kommt er denn nicht noch einmal?
Chor: Wird er denn nicht usw. Chor: Wird er denn nicht usw.
Der Dichterin Frage kann bejahend beantwortet werden. Denn es
wird behauptet, dass in den Jahren 1750 und 1753 der Prinz unter dem
Pseudonym Herzog von Albany, nur wenig Eingeweihten bekannt, in Schott-
land war. Vater Buonaventure in Walter Scott's Roman »Redgauntlett*
(2. Band, Kapitel 10, 15 und 16) ist tatsächlich niemand anderes als der
königliche Wanderer.
Zu obigem Gedicht hat der jüngere Niel Gow, der Enkel des be-
rühmten Geigers Niel Gow, folgende Melodie geschrieben:
Wird er denn nicht wiederkommen?
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192
DIE MUSIK III. 15.
Ein bis auf den heutigen Tag sehr beliebtes und vielgesungenes Lied
hat William Glen-Glasgow (1789—1824) zum Dichter. Die Melodie, der
er seine Worte angepasst hat, findet man in der Skene Handschrift (1615
bis 1620) unter dem Titel „Lady Cassilis' Lilt". 1 ) Text und Melodie folgen:
O wehe, König Karl.
(Wae's me for Prince Charlie)
Ein kleiner Vogel kam zur Tür
Und sang gar süsse Lieder.
Doch was er sang, gar traurig klang:
»Prinz Karl, der kehrt nicht wieder!"
Und wenn ich lauscht' dem Vogelsang,
Die Trinen fielen nieder;
Ich nahm die Mütze ab, denn er,
Mein König, kommt nicht wieder.
Ich fragte: „Vöglein sage mir,
Ist, was du singst, erfunden?
Singst du das Liedchen jeden Tag?
Singst du von Tod und Wunden?*
„O nein, o nein," der Vogel sang,
„Ich fliege schon seit lange
Im Wind und Regen. Wehe mir,
Um den König ist mir's bange!"
„Die Berge seh'n als Fremden ihn,
Die einst sein eigen waren.
Und Hunger dringt ihn, Feind und Not;
Wohin er blickt — Gefahren.
Ich sah ihn gestern in dem Tal;
Verstummt sind meine Lieder;
Mein Herze wollt zerspringen gar;
Der Kummer drückt ihn nieder."
„Die Stürme heulten, dunkle Nacht
Legt sich auf Tal und Hügel.
Drin König Karl, wo war er, sag,
Dem man entriss die Zügel?
Er wickelt sich in seinen Plaid,
Der Ärmste aller Armen,
Legt' sich zum Schlaf auf harte Erd'.
Weh mir, 's ist zum Erbarmen!"
Der Vogel sah die Rotröck') da.
Vor Wut schlug er die Flügel.
»Das ist kein Land für mich", er sprach.
Flog über Tal und Hügel.
So lange ich den Vogel sah,
Hört* ich die Worte singen:
„O webe, wehe, König Karl,
Das Herze will mir springen!"
Cassilis' Lilt.
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x ) Lilt, Lied.
•) Rotröcke, die feindlichen Engländer.
193
ERC KM ANN: PATRIOT. LIEDER SCHOTTLANDS
Sie erlangte im Lauf der Zeit folgende Gestalt:
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i)
James Hogg bringt in seinen «Jacobite Relics" (Ser. II. 1821) folgende
von einem unbekannten Dichter stammende Zeilen. Der Text ist wahr-
scheinlich modern. Die Melodie erschien schon im Jahre 1761 in Neil
Stewart ,A Collection of the Newest and Best Reels or Country Dances",
ist also eine alte Singmelodie:
3 J« Jl | » | j £ p^
X
t
Wer kämpft für Krön' und Char - lie? Wer zieht das gleissend Schwert?
\h-7- r-t-*=L±-F I M p * J ' TH
Wenn er Be • fehl ge - ge - ben, wer klmpfc mit uns, stark be-wehrt?
J F e s/ g
Denkt an Schottlands al - te Hei -den Bruce und Wallace un- ver-zagt,
fr J " e e y ^
s
r 8 p c r^ a
die mit star - ker Hand die frechen, frem-den Ein - dring-llng' ver - jagt!
Chor
*
=i: J 1 J; 1 ] T-yr j .
*=
Werkimpft für Krön' und Char- lie? Wer zieht das gleissend Schwert?
fr-j-r-f-f^-i-jr I r i p &
*
I
Wenn er Be - fehl ge - ge - ben, wer kämpft mit uns, stark be-wehrt?
Auf, auf, ihr Hochlandssöhne!
Auf, Helden aus dem Nord!
Auf, folget euren Fahnen!
Euer König ruft euch fort!
Sollen Tyrannen uns unterdrücken?
Sollen wir dulden fremde Krön',
Wenn ein Stuart in Verbannung,
Wenn ein Fremder auf dem Thron?
Chor: Werkimpft für Krön' usw.
Sieh', Nordlands Truppen nahen,
Glengarry und Lochiel,
Hochlandsherzen freudig wallen,
Denn sie stehen nah am Ziel.
Stolz im Winde weht die Fahne;
Scboti'scher Löwe ist erwacht.
Lasst uns kämpfen für den Prinzen,
Für Gesetz und Thron und Macht.
Chor: Wer kämpft für Krön' usw.
') Siehe die Musikbeilage No. 2 dieses Heftes.
BÜCHER
224. Otto Keller: Illustrierte Geschichte der Musik. Zweite vermehrte und
neubearbeitete Auflege. Verleg: Eduard Koch, München 1003.
Wie Ich schon in meiner vorläufigen Anzeige des 1. Hefte» („Die Musik"
111, a Heft) hervorgehoben hebe, ist diese Musikgeschichte eine Kompilation iu Lebr-
iwecken. In dem vorliegenden ersten Band, der bla Haydn reicht, beruht aie im
wesentlichen auf Ambro«, dessen Einteilung sie auch übernimmt, mit Ausnahme der ver-
schlechterten Disposition, dasa die Entwicklungsgeschichte der Kunatmuaik bei den eng
zusammengehörigen Niederlindern und Italienern durch den Abschnitt Gber die Volks-
musik: unterbrochen wird. Soweit Ambro» reicht, Ist die Darstellung für ein Lehrbuch
etwas au breit geraten, zuviel mit Namen überfüllt. Wozu die Aufzahlung von massenhaften
Minnesingern und Troubadours, von denen wir In musikalischer Hinsicht gar nichts
wissen? Umso dürftiger sind dann die Kapitel über Bacb, Handel, Gluck und Haydn.
Beispielsweise Ist die grosse Bedeutung des letzteren Mir die Kirchenmusik (die Wiener
Schule!) kaum geatreift, kein einziges Werk dieser Richtung such nur genannt. Eine
ähnliche Ungleichmassigkeit weisen die Literaturan gaben auf. Für die iltere Periode
iat die neuere Spezlalliteratur vielfach herangezogen, mit Bach und Hlndel hören die
Literaturangaben plötzlich nahezu vollständig auf; nicht einmal die Hauptwerke sind
genannt, dafür werden Im Text oft wahllos die nichtssagendsten Aussprüche obskurer
Feullletoniaten wörtlich zitiert. In der Darstellung bitten wohl manche Nachlässigkeiten
vermieden werden können: listige Wiederholungen und andere Flüchtigkeiten (Handels
Serenade .11 Trionfo"; Gluck im Jahre 1417 geboren u. ». dg!.). Bei dem merkwürdigen
Mangel an guten und brauchbaren Musikgeschichten wird dss Buch, das trotz mancher
Schwachen gute Zusammenstellung des Wissenswerten und bequeme Obersicht bietet,
gleichwohl viel gekauft und benützt werden, von Schülern als Repetitorium, von Dilettanten
als Nachschlagebucb. Die grösste Forderung haben die Absichten des Buches durch
die Verlagsbuchhandlung erfahren, die es geschmackvoll ausgestartet und reichlich mit
Anschauungsmaterial versehen hst; manchmal vielleicht etwas überreichlich. Dass der
erste, die llteren Perioden der Musik behandelnde Band mit dem Portrat Richard Wagners
geschmückt ist, msg hingehen, aber die aüssl Ich-faden weiblichen Koatümbilder, welche
die .Musik", die „Musica sacra" verainnlichen sollen, sind für ein musikalisches Lehrbuch
überflüssig. In einem Teil der Auflage fehlt die Inhaltsübersicht. Dr. Max Vancaa.
225. Euryanthe- Textbuch. Neue Einrichtung für das k. k. Hofoperntheater in
Wien. Verlag: Wailiahausserscbe Hofbucbhandiung, Wien 1904.
Gustav Mahler hat mit vorliegender Bearbeitung unstreitig einen Schritt vorwärts
getan auf einem Wege, den zu beschreiten jede OpernbÜbne dem Andenken C. M. v. Webers
schuldig Ist. Freilich bat er nur die Hüfte dessen verwirklicht, was erreicht werden
kann und noeb erreicht werden muss. Es gilt daa Werk, zu dem schon die Zeit der
Romantik keine rechte Fühlung fand, unserem für die Gesetze des Wirklichen geschärften
Auge nicht völlig fremd werden zu lassen. Die Schuld rrlgt einzig der Text. Dramatische
Unmöglich ketten sind hier zu kürzen, psychologische Unmöglichkeiten zu korrigieren.
195
BESPRECHUNGEN (BÜCHER)
Das Hauptverdienst Mahlers ist die Streichung von Adolars Vorhaben, seine Braut um
ihres vermeintlichen Verrates willen mit eigner Hand zu töten, samt dem Zweikampf
hinter der Szene mit einer Schlange, in dessen Folge er sich bewogen fühlt, sein Vor-
haben wieder fallen zu lassen. Gut auch sind die kleinen Änderungen am Schlüsse des
Werkes («ich bau' auf Gott und ...*), denen leider das Es-dur Finale zum Opfer ge-
fallen ist. Der ganz schlimme Deus ex machina, kraft dessen Euryanthe wieder unter
den Lebenden auftaucht, ist ein wenig gemildert, bedeutend wirksamer aber und innerlich
gerechtfertigter wlre ihr Erscheinen auf Eglantines: »Rein wie das Licht war Euryanthe*
bin. Mahler beseitigt weiter jede Erwähnung Udos und Emmas. Ich halte dies für zu
weit gegangen. Die Romantik mag so verwegen sein wie sie will, wir folgen („Hoff-
manns Erzählungen*) auch heute noch überallhin mit — solange wir uns nicht psycho-
logisch vergewaltigt fühlen. Weber nun legte so grosses Gewicht auf jene beiden, dass
er sie selbst in der Ouvertüre erscheinen llsst. Fallen sie weg, so wird die Logik bei
Euryanthes Worten: „Was hab' ich getan? Unter ist mein Stern gegangen!* und später
Adolars: „Hast du mich verraten?* völlig unerträglich» und das „gebrochen meinen Eid*
dient nur dazu, um Tragik, wo sonst keine zustande käme, zu erzwingen. Was aber
einfach auf die Nerven gebt, das ist Euryanthes Stillschweigen vor der Anklage Lysiarts,
Adolars und des ganzen Hofes. „Ich folge dir in Not und Tod* sagt sie, kurz nachdem
ihr Adolar zugerufen bat: „Schlange!* Solches bleibt in der Wiener Bearbeitung ruhig
stehen. Wir bitten die Bühnenleiter, für eine Neuaufführung des Werkes sich sowohl
die Vorzüge des Mahlerschen Textbuches wie die Anregungen im 2. Septemberheft 1003
der „Musik* zunutze zu machen. Dr. Hermann Stephani.
226. Arthur Smolian: Vom Schwinden der Gesangeskunst Ein treugemeintes
Mahnwort an Gesanglehrende und Gesanglernende. Verlag: H. Seemann
Nach f., Leipzig.
Smolian hat sein ursprünglich in der „Neuen musikalischen Presse* erschienenes
„Mabnwort* nunmehr auch als selbständige Broschüre erscheinen lassen, damit es, wie
er selbst sagt (S. 2): „weiter noch hinausdringen und allen ernsthaft Suchenden helfen
könne, die rechten Wege zu finden.* Aber auch für jeden einfachen Musikfreund bildet
das Bändchen eine fesselnde und zur Zustimmung reizende Lektüre. Langjährige Er-
fahrung und die Gabe, rein objektiv zu beobachten und darzustellen, lassen das, was
Smolian sagt, glaubwürdig und unwiderlegbar erscheinen. Er stellt eingangs die Tatsache
eines gegenwärtigen Verfalles der Singekunst fest: aus allen den grellen Missständen
unseres jetzigen Gesangs gehe deutlich hervor, dass auf physiologisch und ästhetisch
richtige Ausbildung uud Behandlung des natürlichsten, persönlichsten und darum edelsten
Instrumentes, der menschlichen Singstimme, nicht mehr die genügende Sorgfalt und
Aufmerksamkeit verwendet wird. Die Ursachen bierfür werden vom Verfasser der Reihe
nach bezeichnet und besprochen. Schon in der Kindheit wird Sprechen und Singen
vernachlässigt; Schuld hieran trägt ausser der Familie insbesondere die Schule, die
Lungengymnastik, Sprachlehre und Bildung des Musiksinns allzusehr vernachlässigt.
Eine weitere Ursache sind die Kurpfuscher und falschen Führer, welche die ihnen ver-
trauensvoll Folgenden um ihre Stimme bringen. Die aber, die sich gewissenhafter
Leitung anvertrauen, haben noch mit manchem Hindernis zu kämpfen. In der Be-
sprechung dieser Hindernisse und in den reichlich gebotenen positiven Besserungs-
vorschlägen findet Smolians Arbeit ihren Höhepunkt. Es ist zu wünschen, dass dieses
ehrlich gemeinte Mahnwort wirklich allenthalben beherzigt werde, und dass man Smolians
Schlussforderung ernstlich erfülle: langsames, zielbewusstes Vorschreiten von selten der
Lehrenden und geduldiges, unermüdliches Ausharren und Arbeiten von sehen der
Lernenden! Dr. Egon von Komorzynski.
198
DIE MUSIK III. 15.
227. Paul Nicolaus Cossmann: Hans Pfitzner. Verlag: Georg Müller, München
und Leipzig.
Aus gediegenen, inhaltreichen Aufsitzen, die der Verfasser zuerst auf Anregung Jaco-
bowski's und Arthur Seidls in der Münchner »Gesellschaft* veröffentlichte, ist diese Broschüre
hervorgewachsen. Sie bringt keines der landläufigen Komponisten-Portrits mit derb auf-
gesetzten Glanzlichtern und billiger Stimmungsmache, auch keine schulmeisterliche
Analyse der Werke des Tonsetzers, sondern einen wohlgelungenen Lebens- und Cbarakter-
abriss. Sie zeigt, wie Pfitzner wurde; sie handelt von seinen freiwilligen Feinden, die
ihn nicht verstehen wollen, und von seinen unfreiwilligen Gegnern, die ihn nicht ver-
stehen können. Dazu von seinen Freunden. Will sagen nicht von denen, die ihn
preisend mit viel schönen Reden feiern, sondern von denen, die für ihn ihre Haut zu
Markte tragen. Kleine Talente sind auf Bierbrüderschaft, Vereinsfexen und Reporterlob
angewiesen; grosse Begabungen finden etliche ehrliche Gesellen, die sich für sie bis
aufs Blut raufen. Solch einer ist der, den der Verfasser der Broschüre in seiner Dar-
stellung allzu bescheiden zurücktreten lisst: Paul Nikolaus Gossmann. Auch ein deutscher
Idealist, der gegen die Selbstsüchtigen und die Philister den stacheligen, beissend scharfen
Ironiker herauskehrt, weil er*a nicht leiden kann und darf, dass ihm Unberufene ins
Herz schauen. Wagner hat uns gewiesen, dass man den Künstler lieben müsse, um
ihn recht zu verstehen. Aus seiner Liebe zu Pfitzner schöpft Cossmann die Kraft, mit
der er für ihn eintritt. Allmählich werden unser mehr und mehr, die den mit ganzer
Seele lieb gewinnen, der den „Armen Heinrich" und die „Rose vom Liebesgarten*
geschrieben hat — weil wir in ihm wieder einmal einen sehen, der aus dem Vollen
schafft. Wer sich daran still für sich ärgern will, dem bleibt's unbenommen. Wer aber
Pfitzner in der Öffentlichkeit höhnt, weil's ihn verdriesst, dass man da abermals genötigt
ist, umzulernen, seine Bühnenisthetik zu revidieren, der sehe sich vor.
Paul Marsop.
MUSIKALIEN
228. Emil Sauer: Grande Sonate en re* majeur pour Piano. — „Le Luth." 2°>e S6r€-
nade. Verlag: Schott, Mainz.
Nicht alles, was lang ist, ist auch gross. Durch ihre Länge imponiert Sauers
Sonate allerdings, ihrem Stile nach verdiente sie jedoch eher den Titel: Petite Sonste.
Oder noch besser: Sonate mixte. Denn das Prägnanteste daran ist die erschöpfende
Anwendung aller Stile. Einige Ansitze zu einer wirklichen Sonate sind auch da, mit
moderner Chromatik wird hier und da kokettiert um zu zeigen, dass der Komponist
auch das kann, Muster trockner, schulgerechter Durchführung kommen vor. Vor-
herrschend ist aber der Sauer am geläufigsten „galante* Stil. Wenn dieser im ersten
Satze nur schüchtern hervortritt, so macht er sich schon im Scherzo breit mit
dem billigen Geklingel des ersten Trios und dem gar zu jovialen zweiten Trio, um
sich dann im dritten Satze, „Intermezzo", selig auszuströmen in einem süsslichen Lied
ohne Worte, das einzeln als Sauers „2" Couplet sans paroles* herausgegeben werden
sollte. Zur Beschwichtigung keuscher Seelen ist der letzte Satz in Variationsform ge-
halten. Aber beileibe nicht trocken: nein, galanteste Passagen rechtsseitig, ein höchst
galantes Menuett, pikantes Staccato „oben*. Und'alles leichtfasslich, beim ersten Hören
sofort verständlich. Keine Oberlastung mit Polyphonie [oder thematischer Arbeit, kein
langatmiger Bau. Der Autor fand eben: im Frühling wohl müsste es so sein, denn das
Motto lautet: ,11s marchaient en plein printemps, baignes de soleil." Nach solcher Sonate
klingt die Serenade wie eine Bagatelle. Jose* Vianna da Motta.
ZEITSCHRIFT DER INTERNATIONALEN MUSIK-GESELLSCHAFT (Leipzig)
1904, No. 5/6. — Entfallt ausser dem Artikel «Chopins brieflicher Nachlass" von
Adolf ChybiAski und der »Necrologie" (Jesus de Monasterio. — Josquin Mar-
sillach) von F. Suarez Bravo unter dem Titel »Chrysander über Wagners Tann-
häuser" einen Wiederabdruck von Chrysanders kritischen Berichten über den
Tannhäuser aus dem Jahre 1852 aus dem »Schweriner Korrespondenten 11 . Inter-
essant ist da ganz besonders das, was über die Ouvertüre gesagt wird; Chrysander
meint über sie, sie gehe über ihr natürliches Mass hinaus: »Eine Ouvertüre
muss sich darauf beschränken, durch die grösstmögliche Verdichtung der ent-
sprechenden Tonfiguren den Hauptgedanken rein und klar abzubilden. Die Breite
schwächt den Eindruck des folgenden und erweckt höchstens ein von dem
Ganzen losgelöstes Behagen und als Beiwerk wird sie durchaus unverständlich.
All dies gehört in die Oper — was bliebe dieser sonst? Die Ouvertüre ist
Prolog und, wie dieser, dann am herrlichsten, wenn sie das Bevorstehende in
grösster Allgemeinheit und zugleich in vollster Kraft und Gewissheit vorscbauend
verkündet!* Besonders schön spricht sich dann auch Chrysander aus über die
Begrüssung der Halle durch Elisabeth und die Liebesszene mit Tannhäuser sowie
über den Charakter und die Bedeutung Wolframs.
GREGORIANISCHE RUNDSCHAU (Graz) 1904, No. 2. - Eine technisch-ästhe-
tische Studie von Isidor Mayrhofer behandelt die .Messe in Es zu Ehren der
heiligen Katharina von Siena op. 9 von Job. Ev. Haberf, deren Kredo ins-
besondere »ein Meisterstück polyphoner Kunst* genannt wird. Ober den »Ent-
wicklungsgang der mittelalterlichen Choralmelodie* spricht Karl Ott Ein Sammel-
artikel handelt »Ober Orgeln".
WESTERMANNS ILLUSTR. DEUTSCHE MONATSHEFTE (Braunschweig)
1904, No. 4. — Richard Sternfelds Arbeit über „Hektor Berlioz und seine Faust-
musik" enthält — eine treffliche Analyse des prächtigen Werkes — das folgende
treffende Urteil: »Gewiss ist hier Berlioz nur ein Fortsetzer der grossen deutschen
Schöpfungen, die gerade in jener Epoche hervorgetreten waren. Sieben Jahre vor
dem »Huit scenes" war der »Freischütz", zwei Jahre vorher der »Oberon* und
»Der Sommernachtstraum* bekannt geworden. Ohne die Romantik Webers und
Mendelssohns wären jene Berliozschen Eingebungen zur Darstellung elementarer
Geisteswelt nicht denkbar; aber er ist doch den Vorgängern überlegen in der
Entdeckung bizarrer, funkelnder Neuheiten, unerhörter musikalischer Möglichkeiten,
die weit über äusserliche Tonmalerei hinausgehen und die Entwicklung der Musik
reich befruchtet haben". Sehr schön ist Sternfelds Vergleich Berlioz' mit Viktor
Hugo, dessen »Hernani« 1830, eine Revolution in der französischer Literatur
hervorrief. »Beide haben sich an der deutschen Romantik genährt und, so gestärkt,
dem hartnäckigen französischen Klassizismus den Krieg erklärt; beide haben aber
auch die deutsche Romantik in französische Eigenart abgewandelt: schauerliche
Effekte, exotische Farbenpracht, aufregende und übertriebene Schilderungen und
Charakteristiken überwuchern die Innigkeit und Natürlichkeit des Gefühls. Dafür
198
DIE MUSIK III. 15.
fehlen dann aber auch nicht die alten gallischen Eigenschaften: glänzende Rhetorik
und prickelnder Esprit."
DER TÜRMER (Stuttgart) 1904, No. 3/5. — Die Hefte enthalten als Bestandteile der
ständigen Rubrik «Hausmusik« die Artikel »Zu Hektor Berlioz' 100. Geburtstag«
von Karl Storck, den ersten Teil der »Geschichte der Programm-Musik" von
Karl Storck, in dem die Utere Programm-Musik bis zur Übernahme derselben
in die Instrumentalkomposition geschildert und namentlich Kuhnaus Kompositionen
gebührend gewürdigt werden; im zweiten Teil dieser Arbeit »Wie die Musik zu
Beethovens »Dichten in Tönen* kam", wird gezeigt, wie die Vollendung dessen,
was Beethoven wollte, in der Tat die »symphonische Dichtung" gewesen ist, die
keine gegebene Form annimmt wie die Symphonieen, sondern sich ihre Form dem
jeweiligen Inhalt gemäss immer neu gestaltet; ferner »Neuere Berlioz-Literatur"
und »Johann Friedrich Reichardt als Erzieher zu einer gesunden Hausmusik".
BLATTER FÜR HAUS- UND KIRCHENMUSIK (Langensalza) 1904, No. 6.
— Rudolf Louis behandelt in seinem Artikel »Richard Strauss" den »unerreichten
Meister der Instrumentalen Programm-Musik* nach seinem Entwicklungsgang als
schaffender Musiker; er urteilt sehr gerecht und verhehlt z. B. nicht, dass die
gewollte Schlichtheit und Einfachheit der neueren Straussschen Lieder weniger zu
ihrem Schöpfer passt als gerade die Kompliziertheit, auch erwähnt er als einen
Hauptcharakterzug von Strauss' künstlerischer Individualität »den auf den
äusseren, wenn auch musikalisch raffinierten Effekt gerichteten, flotten ,Schmiss'".
In dem Schlussabschnitt seiner Abhandlung «Die Ballade in der Musik" bespricht
A. König die von Plüddemann aus inneren Gründen angefeindete sogenannte
Chorballade, als deren bedeutsamste Vertreter er Gade und Schumann nennt; —
ferner die mit Opern zusammenhängenden, in solche eingelegten Balladen, be-
sonders über Tannhäuser und Tristan wird da schön gehandelt; — endlich ab-
schliessend die instrumentale Ballade Chopin's. Mit schönem Hinweis auf die
Wichtigkeit der Soloballade, die mit der deutschen Kunst identifiziert wird, schliesst
der Aufsatz. Ernst Rabich handelt in einer kleinen Studie »Vom gespielten und
gesungenen Zwischenspiel", jener gutgemeinten, aber recht geschmacklosen Un-
sitte beim Kirchengesang, die jetzt Gottseidank! bis auf weiteres verschwunden ist.
KAMPF (Berlin) 1904, No. 6. — Der Artikel »Wort- und Tonlyrik" von Herwarth
Waiden wendet sich gegen die verbreitete Ansicht, dsss der geringere Wert einer
Dichtung der Tondichtung nicht schade, weil die Musik sich über die dichterischen
Mängel weit erheben könne. Gerade die Musiker sollten am empfänglichsten für
echte Lyrik sein, denn ihr Wesen, ihre Voraussetzungen und Bedingungen sind
dieselben wie die der Musik. Diese Verwandtschaft wird aber von den Kompo-
nisten nie genügend und richtig verwertet. — »Das tonmalerische Prinzip ist für
die kleine Einheit des Liedes nur dann verwendbar, wenn es nicht nur eine ein-
zelne oder gar mehrere einzelne Stellen auszeichnet, sondern nur, wenn es sich
organisch in den Bau der Gesamtheit verweben lässt und wenn es neben seiner
Bestimmung, äussere Vorgänge zu charakterisieren, auch eine weitere, seelischere
Deutung zulässt" Für eine solche, die Grundstimmung klar hervortretenlassende
Liedkomposition tritt der Verfasser ein. Er sagt, die Melodie muss sich frei den
Worten anschmiegen können und dsrf sich nicht »absolut musikalisch" ergehen.
»Sie muss mit dem Gedicht eine völlige Zweieinheit bilden, auch wenn sie etwa
ohne Gedicht nicht verständlich wäre."
NEUE OPERN
M. Alfano: »Auferstehung,* Textbuch nach dem gleichnamigen Roman Tolstoi's,
wird ihre Uraufführung in der nlchsten Spielzeit in Mailand erleben.
Arrigo BoTto: „Nero," die neue Oper des MaCstro, soll in der nlchsten Saison
im Skalatheater in Mailand aufgeführt werden.
Julius Schrey: »Das Adlernest," eine einaktige Oper, Text von August Monet,
ist vom Komponisten soeben vollendet worden.
AUS DEM OPERNREPERTOIRE
Augsburg: Das Stadttheater (Direktion Hiusler) bringt als Abschluss der Spiel-
zeit die ganze Wagnersche Nibelungen -Tetralogie. Mitwirkende sind
u. a. Katharina Senger-Bettaque, Heinrich Spemann und Emil Gerhluser.
Berlin: Das Königl. Opernhaus bringt noch in dieser Saison folgende Neu ein- j
studierungen: Rossini's „Barbier von Sevilla" in der szenischen Original-
Einrichtung, Humperdincks „Hinsei und Gretel", Leoncavallo's „Pagliazzi"
und Boieldieu's »Weisse Dame". Die ersten Novitlten der kommenden
Saison werden Leoncavallo's „Roland von Berlin" und Stenhammar's „Fest
auf Solhaug" sein. Im Ballet werden Kautzky's „Schönheitsmarkt" und eine
Modernisierung von Taglioni's „Satanella" vorbereitet.
KONZERTE
Berlin: Die Singakademie, die in diesem Sommer einen erheblichen Umbau
erfahren soll, wird nach diesem Umbau mit einem grossen Extrakonzert
wieder eröffnet werden, für das entweder Handels Judas Maccablus" oder
Beethovens „Missa solemnis" in Aussicht genommen ist. Die drei Abonne-
mentskonzerte werden Cherubini's lange nicht gehörte d-moll Messe nebst
G. Schumanns Totenklage, Schuberts Es-dur Messe, die Brahmssche NInie
(diese beiden als örtliche Neuheiten) und desselben Triumphlied, sowie die
Bachsche Johannis-Passion bringen.
Köln: Am 22., 23. und 24. Mal findet das 81. Niederrheinische Musikfest
statt. Zur Aufführung kommen am ersten Tage: „Die Apostel", Oratorium
1. und 2. Teil, von Edward Elgar (erste Aufführung in Deutschland) mit den
Solisten Kammersinger Heinr. Knote (München), Dr. Felix von Kraus (Leipzig),
Theodor Bertram (Berlin), J. M. Orelio (Amsterdam), Königl. Hofopernslngerin
Berta Morena (München), Ottilie Metzger (Hamburg); ferner die siebente
Symphonie von Beethoven. Am zweiten Tage: Brandenburger Konzert No. 3
von Joh. Seb. Bach, der zufriedengestellte Äolus, Dramma per musica von
J. S. Bach, mit den Solisten Bertram, Knote, Morena und Metzger; Klavier-
Konzert Es-dur von Beethoven mit J. J. Paderewski; vierte Symphonie
von Brahma, Soloquartette von Brahms (Morena, Metzger, Knote, Bertram),
Triumphlied von Brahms mit Dr. Felix von Kraus. Am dritten Tage: Sanctus
von Max Bruch, Arie gesungen von Knote, Hexenlied von Schillings (Dekla-
mation Dr. Ludwig Wüllner), Klavier- Soli J. J. Paderewski, Taillefer von
200
DIE MUSIK III. 15.
Richard Strauss (Morena, Knote, Bertram), Ozean-Arie gesungen von Berta
Morena, Schlussszene aus den „Meistersingern" (Morena, Knote, Bertram).
Prag: Während der Osterfeiertage fand ein Tschechisches Musikfest statt
unter Leitung von Oskar Nedbal, Hans Trnecek und Norb. Kubat Zur Auf-
fuhrung gelangten u. a. Werke von: Smetana, DvoHk, Fibicb, Suk, Bendl,
Malat, Rozkowsny, Nedbal, Novotny, Kovarovic, Chvala, Kaan, Novak, Hoff-
meister, Picks, Stecker. Mitwirkende: die Damen Bertha Förster-Lauterer,
Franziska Burrian-Jelinek und Tumova, die Herren Carl Burrian, Hess,
Knicks, Joseph Jiranek, Jacques Seifert, sowie das »Böhmische Streichquartett"
und die .Tschechische Philharmonie*.
Rom: Im »Testro Costsnzi" fand die erste Aufführung des neuesten Oratoriums
von Lorenzo Perosi »Das jüngste Gericht" statt.
Siegen i. W,: Der „Musikverein" (Leitung H. Hofmann) brachte am 13. März
Brahma' „Deutsches Requiem" mit der städtischen Kspclle und den Solisten
Martha Beines und A. N. Hsrzen-Müller zur Aufführung; Liedervortrlge der
genannten Solisten (Schubert, Raff, Brahms) bildeten den ersten Teil des
erfolgreichen Abends.
Verden (Aller): Domorganist Ernst Dieckmann führte mit seinem Oratorien-
verein Mozarts „Requiem" im Dom auf. Die Solisten Frau Frieda Muller,
Frau Elisabeth Wübbeling, die Herren Weiesborth und Martens aus Bremen
bildeten in den Quartetten ein treffliches Ensemble. An der Orgel wirkte
Musikdirektor und Domorgsnist Eduard Nössler-Bremen. Das Konzert wird
demnächst als Volkskonzert wiederholt werden.
TAGESCHRONIK
Die Genossenschsft Deutscher Tonsetzer ersucht uns um Aufnahme
folgender Notiz: Die Genossenschsft Deutscher Tonsetzer hielt am 8. April in
Berlin ihre ordentliche Hauptversammlung sb, sn der sich insbesondere auch
auswärtige sngesehene Mitglieder aus Braunschweig, Dresden, Krefeld, Leipzig,
Magdeburg, München, Weimer und Zürich beteiligten. Der bisher nur provisorisch
. gewählte Vorstand wurde suf 3 Jahre bestätigt: Hofkapellmeister Dr. Rieh. Strsuss,
Prof. Ph. Rufer, Prof. Engelb. Humperdinck, Kapellmeister Fr. Rösch, Prof. Georg
Schumsnn. In den Beirst wurden gewählt: Eugen d* Albert, Hofrat Fei. Draeseke,
Dr. Fr. Hegar, Prof. Dr. Jos. Joschim, Hofoperndirektor Gust Mshler, General-
musikdirektor Fei. Moni. Musikdirektor Th. Müller-Reuter, J. L. Nicod6, Prof. Rob.
Radecke, Prof. M. Schillings, Prof. L. Thullle, Prof. Dr. Ph. Wolfram und Univer-
sitätsmusikdirektor H. Zöllner. Selbstverständlich wurde im Laufe der Verhand-
lungen such die Angelegenheit der »Ans tslt für musikalisches Aufführungs-
recht" eingehend erörtert. Obwohl dss erste Geschäfts jshr dieser Anstalt noch
nicht sbgelsufen ist, konnte doch bereits von durchsus günstigen Ergebnissen Mit-
teilung gemscht werden. Hunderte von Veranstaltern musikalischer Aufführungen,
von den grössten Konzertinstituten bis zu den kleinen Chor- und Orchester-
vereinen, Gessngs- und Instrumentslvirtuosen, Militär- und Zivilkapellen, Theater-,
Varitte- und Badedirektoren, Saalbesitzern usw. hsben mit der Genossenschsft
bereits Psuschverträge abgeschlossen, woraus zu ersehen ist, dsss der gerechte
Gedenke des Urheberschutzes in weiten Kreisen wohlwollendes Verständnis ge-
funden hst Die Hauptverssmmlung erklärte sich mit allen Massnshmen des Vor-
sundes einverstanden.
Der Termin für die diesjährige Tonkünstlerversammlung des All-
gemeinen Deutschen Musikvereins in Frankfurt a. M. ist jetzt definitiv suf
201
UMSCHAU <~£rFjJ
die Tage vom 27. Mai bis 1. Juni festgelegt worden. Eingeschlossen in das Musik-
fest ist ein Ausflug nach Heidelberg und Mannheim.
Anllsslich des 50jährigen Künstlerjubillums des Prof. Dr. Joseph Joachim,
Kapellmeisters der Königlichen Akademie der Künste und Mitgliedes des Direk-
toriums der Königlichen akademischen Hochschule für Musik, ist eine Stiftung
errichtet worden, deren Zweck ist : unbemittelten Schülern der in Deutschland vom
Staat oder von Stadtgemeinden errichteten oder unterstützten musikalischen Bil-
dungsanstalten ohne Unterschied des Alters, des Geschlechts, der Religion und
der Staatsangehörigkeit Prämien in Gestalt von Streichinstrumenten (Geigen und
Celli) oder in Geld zu gewähren. Bewerbungsfähig ist nur derjenige, welcher
mindestens ein halbes Jahr einer der genannten Anstalten angehört hat, und, da
es sich in diesem Jahre um Verleihung von Instrumenten handelt, seine Aus-
bildung als Geiger beziehungsweise Cellist erfahren hat. Bewerber haben ihre
Gesuche bis zum 1. Juni er. an das Kuratorium, Charlottenburg, Fasanenstrasse 1,
einzureichen.
Am ersten Osterfeiertag wurde in Bielefeld das neue Stadttheater mit
einer Aufführung der „Jungfrau von Orleans" eingeweiht Das neue Haus, eine
Schöpfung des Architekten Bernhard Seh ring in Charlottenburg, fasst 1100 Per-
sonen. Der Zuschauerraum hat ein überaus vornehmes Gepräge und erfuhr eine
vom bisher Üblichen vollständig abweichende überraschend schöne Ausstattung.
Dr. Richard St raus 8 wurde von der Universitätsstadt Morgantown (West-
Virginia) zum Ehrenbürger ernannt.
Der bekannte Sänger Jean de Reszke eröffnet in Paris eine Gesangschule.
Als Platz für das Verdi-Denkmal, das in Mailand errichtet werden soll,
wählte der Ausschuss den Piazza Michelangelo an der Porta Magenta gegenüber
dem von Verdi gestifteten Ruheheim für alte Musiker. Ein Wettbewerb für
italienische Künstler wurde ausgeschrieben. Zur Ausführung des Denkmals stehen
120000 Lire zur Verfügung.
TOTENSCHAU
Am 7. April starb in Berlin Direktor Lodovico Sacerdoti, der Schöpfer der
Philharmonie, im 60. Lebensjahre. «Die Musik* hat in der «Chronik des Phil-
harmonischen Orchesters in Berlin*, Jahrg. I, Heft 6, 7 und 8, die hervorragenden
Verdienste des Verstorbenen um die musikalische Entwicklung der Reichshaupt-
stadt gebührend gewürdigt.
Im Alter von 66 Jahren starb in Berlin der Kgl. Kammermusiker und Solo-
Violoncellist Louis Lübeck, der der Kgl. Kapelle seit Anfang der 80er Jahre an-
gehört hat. Geborener Holländer, studierte er bei seinem Vater und in Paris,
machte dann ausgedehnte Kunstreisen, teilweise mit Clara Schumann und Julius
Stockhausen, trat Mitte der 60er Jahre als Solist in das Leipziger Gewandhaus-
orchester, Mitte der 70er Jahre in das Bilse-Orchester ein. Seit 1881 gehörte
Lübeck« der über einen vollen, blühenden Ton und eine vollkommene Technik
verfügte, der Kgl. Kapelle an.
In Compiegne starb im Alter von 66 Jahren der Komponist Charles Grisart,
Autor der Bühnenwerke „Le Bossu", „Le petit Abb6", „Les pouples de l'hi-
fant* usw.
Der in Musikerkreisen weithin bekannte Musikalienverleger Theodor Stein-
gräber ist in Leipzig, 75 Jahre alt, gestorben.
Am 31. März starb in Teplitz Musikdirektor Emil Tausche im 64. Lebensjahr.
III. 15. 14
OPER
AACHEN: Drei Carmen-Gastspiele in einer Saison (Sigrid Arnoldson, Tbea Dorrte,
Prevosti) sind etwas viel, besonders wenn man bedenkt, dass der Germane immer
eine gewisse Mühe hat, diesen Frauentyp zu begreifen. Aber Interessant war es auf alle
Fälle, allein schon wegen des so sehr verschiedenen Temperaments der drei Künstlerinnen.
Frau Dorree sang auch im »Troubadour* und in der »ATda*, Frl. Prevosti in »Barbier 41
und »Traviata*. Beide Damen haben ihren Höhepunkt bereits überschritten, entschädigen
aber durch Reife der Auffassung. Von Operetten hinterliess der „Opernball* Heubergers
einen sehr günstigen Eindruck. Joseph Liese.
AMSTERDAM : Die »Neue Niederlindische Oper" zehrt noch von ihren grossen Erfolgen
»Herbergprinzess* und »Bruid der Zee". In Vorbereitung sind »Die Stumme von
Portici* und Graf Zichy's Oper »Roland*. — Die französische Oper gab »La Juive" und
»Zsza*, in deren Titelrolle M^e. Marignan Hervorragendes leistete.
Hans Augustin.
BERLIN: Königl. Opernhaus: »Der Barbier von Sevilla" (Neu ein studierung). DieOper
wurde in der »Wiesbadener Bearbeitung* neu herausgebracht Ober die Wiesbadener
Bearbeitungen ist viel Gehässiges und Spöttisches geäussert worden. Wir haben kein
Recht dazu, wenn wir bedenken, dass schliesslich auch die Meistersinger-Aufführung,
die beste, die Berlin jemals erlebt, den Stil Wiesbadens zeigte. Nur das müssen wir
klar und scharf betonen, dass nicht jede Oper einem solchen Stil anpassungsfähig ist.
Ein Verdi ä la Wiesbaden, das msg berechtigt, ja geboten sein; aber ein Rossini in der-
selben Art ist einfach ungeheuerlich. Die Aufführung im Opernhaus machte das zum
Erschrecken offenbar. Auf das Dekorative war wieder alle erdenkliche Sorgfalt verwendet
worden, aber die Darsteller fühlten sich inmitten so vieler Pracht ganz und gar nicht
heimisch. Es machte ungefähr den Eindruck, als ob sie alle gastierten. Sie hatten ihre
Aufgaben fleissig, sogar sehr fleissig eingeübt, und äusserlich technisch »klappte* alles.
Und doch, wie temperamentlos, wie beamtenhaft, wie langweilig korrekt war alles! Prof.
Schlar hatte die musikalische Leitung. Als zweite Kraft, in der Exekutive mag er recht
Tüchtiges leisten. Begeisterung aber und zwingende Anregung scheint von seiner Persön-
lichkeit nicht auszugehen. — Vor einigen Jahren gab die Sembrich-Truppe eine Barbier-
Aufführung, die ungefähr das bot, was heute geboten werden kann. Es war eine Pracht,
wie die musikalischen Kleinodien Rossini's damals funkelten. Das Drum und Dran war
kümmerlich, nichts weniger als Wiesbaden. Ich glaube aber nicht, dass irgend ein
musikalisch Empfindender sich dadurch irgendwie stören liess. Willy Pastor.
BRAUNSCHWEIG: Der März brachte endlich die lange erwartete Oper »Ingo mar*
von Th. Er ler, die dank der liebevollen Vorbereitung seitens Oberregisseurs
Frederigk und Hofmusikdirektors Claras einen starken äusserlichen, aber nur massigen
künstlerischen Erfolg erzielte. Der Textbearbeiter Früssdorf folgt sklavisch dem gleich-
namigen Drama von Halm, das sich weit mehr durch tiefsinnige Gedanken, behagliche
Ausmalung der Seelenstimmungen und rhetorische Schönheiten als durch spannende
Handlung auszeichnet Die Macht der Liebe und ein gegenseitiges, zuletzt ermüdendes
Oberbieten an Hochherzigkeit und Edelmut bilden die dramatischen Keime dieses Ge-
dichtes, das der Komponist ganz im Sinn und Geist Wagners bearbeitete. Er benutzte
203
KRITIK: OPER
einzelne Motive, instrumentiert wie sein Vorbild, trigt die Farben möglichst dick auf,
gibt den Stimmen anstrengende, aber dankbare Aufgaben und zeigt namentlich im vier-
stimmigen Chor eine äusserst geschickte Hand. Dass dabei Anklinge unterlaufen, ver-
steht sich beinahe von selbst. Der 2. Akt bildet den Höhepunkt, der später auch nicht
annähernd wieder erreicht wurde. Die Hauptdarsteller Frl. Lautenbacher und Herr
Gritzinger, aber auch Frl. Brüning, Frau Geissler, die Herren Jellouschegg und Grahl
trugen durch ihre tüchtigen Leistungen wesentlich zu dem Erfolg bei. — Die „Meister-
singer* mit Karl Scheidemantel als Gast überragten weit ihre Umgebung im Spielplan.
Diesem wurde Joseph und seine Brüder" wieder einverleibt, und so die alte Sitte, die
Karwoche auch durch eine Oper zu feiern, nach langjähriger Unterbrechung wieder
eingeführt. Ernst Stier.
BRESLAU : Nach Hambifrg rühmte sich unsere Bühne die zweite zu sein, die Siegfried
Wagners „Der Kobold" auf die Szene brachte. Das Werk bedeutet, meiner festen
Oberzeugung nach, keinen „Fortschritt" gegen den anfängerhaften, aber doch nicht talent-
losen »Bärenhäuter*. Die Schmeichler des jungen Mannes haben ihr trauriges Ziel
erreicht. Er hält sich noch immer für einen Musikdramatiker grossen Stiles, anstatt die
bescheidenen Keime schlichter Begabung, die sich im »Bärenhäuter* zeigten, in einem
einfachen, volkstümlichen Werke weiter zu entwickeln. Das Buch zum »Kobold* ist
inhaltlich der krauseste, unverdaulichste Mischmasch von landläufiger Theaterei und
anempfundener Symbolik; die Partitur, in technischen Einzelheiten nicht übel gemacht,
schwankt hilflos zwischen pathetischer Richard Wagner-Imitation und schwächlicher
Operetten-Melodik. Und dabei diese ungeheure Redseligkeit, die die kleinste Episode
zur grossen Szene aufbauscht, diese wilde Jagd nach Motiven und Motivchen, diese
krankhafte Sucht, »bedeutend* zu sein um jeden Preis. Nie spricht Siegfried, wie ihm
der Schnabel gewachsen ist. Er erfindet Wort-Monstra, überschlägt sich förmlich in ge-
suchter Ausdrucksweise und daneben tischt er die banalsten Reime auf. Die Ansprüche,
die der junge Wagner an die musikalischen Qualitäten seiner Interpreten stellt, sind
enorm, ohne dass er ihnen dafür das Äquivalent dankbarer Aufgaben bietet. Hier waren
alle Beteiligten unter Führung des Kapellmeisters Balling und des Regisseurs Kirchner
redlich bemüht, diese Ansprüche zu befriedigen. Am höchsten stand die Verena der
Frau Verhunc Daneben traten Frl. Bebnne, Frl. Röhl, die Herren Dörwald, Berger,
Holzapfel, Waldmann hervor. Die Majorität des Publikums verhielt sich gleichgültig.
Die Minorität legte sich für den anwesenden Komponisten tüchtig ins Zeug.
Dr. Erich Freund.
BRUNN: Interessante Gastspiele brachten willkommene Abwechslung in unsern ein-
tönigen Opernspielplan. Hermann Winkelmann kam als »Prophet*; Berts Morena
errang als »Elisabeth* und »Jüdin* die Sympatbieen des Publikums, und Rudolf Berger
erzielte mit seinem prächtigen »Nelusco* einen nicht gewöhnlichen Erfolg. Für die
Osterwocbe wird Jarno's »Richter von Zalamea* vorbereitet. S. Ehrenstein.
BUDAPEST: In der Reihe der Novitäten dieser Saison erschien kürzlich als eine der
eigenartigsten Graf Göza Zichy's Tanzpoem »Gemma*. Im Grunde ein roman-
tisches Histörchen, von Mitgliedern des Nationaltheaters und der Oper deklamiert und
szenisch dargestellt, das Ganze von einem farbenreichen deskriptiven Orchester melo-
dramatisch begleitet. Die zahlreichen Tanzeinlagen der Dichtung fliessen organisch aus
der Handlung selbst, wie denn die Novität überhaupt von der Tendenz getragen wird,
dem Balletgenre, das zum getanzten Unsinn herabgesunken ist, neue intellektuelle An-
regungen zuzuführen. Getragen von einer vortrefflichen Darstellung (namentlich durch
Frau Markus und die Opernsänger Takät, Dr. Dalnoki und Kornay) und unterstützt durch
die herrliche Ausstattung erzielte die Novität freundlichsten Erfolg und trug auch dem
14*
204
DIE MUSIK III. 15.
anwesenden Komponisten die Ehre vielfacher Hervorrufe ein. — Von interessanten Re-
prisen gab es eine unverkürzte Aufführung der »Götterdämmerung 41 — die erste voll-
ständige Aufführung in ungarischer Sprache — , mit den Damen Diösy (Brünnhilde),
Scomparini (Waltraute), Kaczer (Gutrune), den Herren Bocfanicek (Siegfried), Beck (Günther)
und Ney (Hagen), ferner des ersten ungarischen Musikdramas »Toldi's Liebe* von Edmund
von Michalovich in den Hauptpartieen mit Frau Vaaquez und den Herren Bochnicek,
Beck und Ney. Beide Werke standen unter Leitung des überaus energischen neuen
Kapellmeisters Markus. — In der Karwoche endlich fand unter Leitung des Direktors
Mader eine ausgezeichnete Aufführung von Berlloz' „Fausts Verdammnis* statt
Dr. Böla Diösy.
DARMSTADT: Die Hofoper bewegte sich in den letzten Wochen ganz im Geleise der
gangbaren Repertoirevorstellungen. Von den Novitäten de# Jahres hielt sich »Samson
und Dalila* eine Zeitlang, während „Der Dusle und das Babeli* und »Alpenkönig und
Menschenfeind*, weil sie nicht sogleich den gewünschten finanziellen Erfolg gebracht,
vom Spielplan wieder verschwanden. Bemerkenswerte Aufführungen erlebten Verdi's
»Rigoletto* und Nicolai's »Lustige Weiber von Windsor*. Ausverkaufte Häuser fand
die auf drei Abende verteilte Wiederaufführung von Goethes »Faust 11 in der Devrient-
schen Bearbeitung mit der stimmungsvollen Musik von Eduard Lassen. Als vierte Opern-
neuheit des Winters soll vor Schluss der Saison noch Leopold Reichweins »Vasantasena*
herauskommen. H. Sonne.
DESSAU: Im »Nachtlager* debütierte Georg Nieratzky als «Jäger* mit Erfolg. Neu
einstudiert und vorzüglich ausgestattet erschien Mthul's »Joseph in Ägypten*; auch
Bizefs »Carmen* wurde in dieser Saison erstmalig gegeben. Mit der Sarastro-Partie
legte der junge, vielversprechende Bassist Joseph Schlembach eine treffliche Talentprobe
ab. Als Tannhäuser und Siegmund gastierte Herr Kurz-Stolzenberg aus Magdeburg, ein
hochbeanlagter Sänger, dem aber in jedweder Beziehung noch die künstlerische Ab-
klärung fehlt. Ernst Hamann.
ELBERFELD: Fernand Le Borne's Oper »Mudarra*, hat auch nach ihrer Umarbeitung
in drei Akte sich hier keine Freunde erwerben können. Den von Gewaltsamkelten
strotzenden Text vermag auch die durch und durch verwagnerte, in ihren schönsten
Stellen an »Lohengrin* und »Walküre* erinnernde, meist lärmende Musik, die ein völliges
Stilgewirr darstellt und den Stimmen mörderische Aufgaben stellt, nicht sympathischer
zu machen. Alles in allem ist »Mudarra* das Werk eines Komponisten, der gewisse
szenische Effekte in Meyerbeer-Halevy'scher Manier zu erzielen versteht, dem der Born
eigener Erfindung aber nur spärlich quillt Neben Kapellmeister Baldreich hatten sich
Direktor Gregor und Oberregisseur Goldberg des Werkes besonders angenommen und
prächtige szenische Bilder geschaffen. Die nach der Mudarra-Musik doppelt willkommene
»Fledermaus* sowie „Waldmeister 4 * kamen infolge der vielen notwendigen Proben zu dem
französischen Werk erst spät heraus. Ferdinand Schemensky.
ESSEN: Kurz vor Toresschluss brachte das Stadttheater auf Anregung der Musikalischen
Gesellschaft in einer Aufführung für diese Wolf-Ferrari's musikalische Komödie
»Die neugierigen Frauen* heraus. Der Erfolg war glänzend und das Interesse stieg noch
bei den folgenden Vorstellungen. Wolf-Ferrari scheint berufen, uns das musikalische
Lustspiel zu schenken, denn schon hier ist sein Stil neu und eigenartig, der Lustspielton
fein getroffen und die Konversation Musik geworden, nicht bloss geistreiche, sondern
auch warmblütige Musik. Die Aufführung unter Kapellmeister Wolfram von Frankfurt,
demnächat an den vereinigten Theatern von Essen und Dortmund, war hervorragend.
Max Hehemann.
FRANKFURT a. M.: Bei der Neueinstudierung von Mehul's »Joseph in Egypten* ist
die Titelrolle in die Hände des Herrn Gentner übergegangen, der seine Aufgabe
205
KRITIK: OPBR
gesanglich sehr sympathisch und beifallswert löste, wlhrend sein Spiel noch sehr die
Anlingerschaft zu erkennen gab. Zu den interessanten Zügen der Aufführung gehöter
es, dass unser Heldentenor Forchhammer die für hohen Bariton geschriebene Rolle des
Slmeon fibernommen hatte, ein Experiment, das durchaus günstig ausfiel, wlhrend der
Baritonist Herr Breitenfeld, schauspielerisch als Jakob sehr bedeutend, mit seiner Stimme
doch nicht so tief zur Bassregion hinabreicht, um allen musikalischen Erfordernissen
zu genügen. Die Leitung durch Dr. Rottenberg und die Betätigung des Regisseurs
C. Krihmer gereichten dem auch heute noch warm ansprechenden Werk zu gleich
grossem Vorteil. Hans Pfeilschmidt
FREIBURG i. B.: Unsere Oper hat nach Fritz R6mond's Abgang im Fache des Helden-
tenors in Herrn Hsgen einen sehr leistungsfähigen Ersatz gefunden, der besonders
in Wagnerrollen viel Gutes bot. Sigrid Arnoldson absolvierte ein dreimaliges Gastspiel
und glänzte wie ehedem in ihren bekannten Rollen als Carmen, Mignon und Violetta. —
Zur Zentenarfeler von Berlioz erschien „Benvenuto Cellini"; sodann »Tristan und Isolde"
und Bellini's längst verklungene „Norma"; als erste Novität Goldmarks «Götz von
Berlichingen", die eine ziemlich kühle Aufnahme fand; an älteren Werken: Freischütz,
Stumme, Figaro, Zauberflöte, Barbier usw. Die nächste Novität wird Massenefs »Gaukler
unser 1. Frau" sein. Victor August Loser.
GENF: Als Novität gelangte die einaktige komische Oper „Tout s'arrange" zu erfolg-
reicher Aufführung. Die sehr hübsche, melodieenrelche und anspruchslose Musik
ist von Georges de Seigneux. In neuer Inszenierung fand „Tannhäuser" eine ausser-
ordentlich beifällige Aufnahme. — Als zweite Neuheit ist zu verzeichnen „Le drapeau
blanc" (Die weisse Flagge), Text und Musik von Pierre Maurice, einem Genfer Kompo-
nisten. Die Wiedergabe des musikalischen Teiles wsr vortrefflich und der Gesamteindruck
der Vorstellung sehr schmeichelhaft für den talentvollen Autor, dessen dramatisches
Werk die elegante Geschicklichkeit eines mit den subtilen Hilfsmitteln seiner Kunst
wohlvertrauten Musikers bekundet Prof. H. Kling.
HALLE a. S.: Beethovens Fidelio erlebte eine wenig angemessene Aufführung. Eigent-
lich waren sämtliche Darsteller mit Ausnahme unsres trefflichen Bassisten Rabot
(Rocco) und des Baritonisten Soomer (Minister) fehl am Ott. Am 31. März gingen nach
dreijähriger Pause „Die Meistersinger von Nürnberg" in Szene und erzielten im Laufe
einer Woche drei volle Häuser. In den beiden ersten Aufführungen sang Herr Bach-
mann aus Berlin den Hans Sachs und — enttäuschte. In der letzten versuchte sich
unser Bariton, Herr Rübsam, teilweise mit hübschem Erfolg in der dankbaren Rolle.
Herr Szirowatka misshandelte den Junker Stolzing durch seine entsetzliche Aussprache,
Herr Rabot befriedigte als Veit Pogner, ebenso Herr Gruselli als Dsvid; ein entzücken-
des Evchen gab Frl. Ekeblad und mit einer trefflichen Magdalene erfreute Frl. Ulrich.
Während das Unzulängliche unsres Theaterorchesters (ca. 45 Mann) trotz der hin-
reissenden Direktion des Kapellmeisters Bernhard Tittel zum Ereignis wurde, kam der
Chor „Wach auf" zu einer wahrhaft grandiosen Wirkung, weil die hiesige Neue Sing-
akademie den Theaterchor auf annähernd 100 Sänger verstärkt hatte. — Als „Tannhäuser"
erfüllte Fritz Remond, der neue Bayreuther Parsifal, nur teilweise die an sein Auftreten
geknüpften Hoffnungen. Martin Frey.
HAMBURG: Unsere Oper arbeitet sich jetzt „per aspera ad astra". Per aspera des
Benefizunfuges, dieses degradierenden Überbleibsels einer untergeordneten Theater-
kultur, ad astra der Sommerferien. Wir verdanken der alten Unsitte, die allen möglichen
egoistischen Tendenzen Vorschub leistet und künstlerischen Zielen so fern als möglich
steht, bisher eine Neueinstudierung des greulich faden, in einem vornehmen Ensemble
direkt ungeniessbaren „Karneval in Rom", den der Tenorbuffo Herr Weidmann an seinem
206
DIE MUSIK Hl. 15.
sogenannten Ehrenabend gab. Frau Fleischer-Edel sicherte sich ein ausverkauftes Haus
durch dreifache Zugmittel: erstens sang sie eine ihrer Glanzrollen, zweitens sang sie
eine Partie ihres Wagnerrepertoires und endlich hatte sie sich den hier als Kassenmagnet
wirkenden Baptist Hoffmann als Wolfram für eine Tannbiuseraufführung gesichert An
Neueinstudierungen gab's eine ziemlich steife Wildschutz-Vorstellung, unter Stransky
und zum Benefiz Lohfings, und unter Gustav Brechers wirklich schöpferischer Leitung
eine überaus lebensvolle, dramatisch plastische Aufführung von Webers „Euryanthe* mit
einem famosen Quartett der Damen Beuer, Fleischer-Edel, der Herren Thyssen und
Dawison. Heinrich Chevalley.
HANNOVER: Von unserer Oper ist eine äusserst gelungene Aufführung der beiden
ersten Teile des »Nibelungenringes" zu melden. Geradezu Hervorragendes boten
die Herren Moeat (Wotan), Immelmann (Alberich) und Schubert (Fasolt), sowie Frau
Thomas-Schwartz als Fricka bzw. Sieglinde. Die Brünnhilde wurde, da wir keine Ver-
treterin für diese Partie haben (!), von Frau Leffler-Burckard aus Wiesbaden mit ent-
schiedenem musikalischen und darstellerischen Geschick, aber nicht gerade bedeutungs-
voll gegeben. Die übrigen Partieen fanden in den Damen Müller, Hana, Kuhns, sowie
den Herren Holldack, Gillmeister, Meyer, Battisti und Göbel durchaus würdige Vertretung.
Kapellmeister Kotzky dirigierte mit Begeisterung. L. Wutbmann.
KARLSRUHE: Das Hoftheater stand in den letzten Wochen unter dem Zeichen der
Wiederholungen, die zwar viel treffliche Aufführungen brachten, von denen aber
nichts erwähnenswert neues zu berichten ist. Hofkapellmeister Gorter leitete u. a.
mehrere Wagneraufführungen wie »Tristan und Isolde", „Lohengrin", »Fliegender Hol-
länder 41 , die würdevoll verliefen. Albert Herzog.
KÖLN: Der Mangel an guten Opernnovitäten veranlasst unsere Theaterdirektion, halb-
vergessene ältere Werke in sorglicher neuer Einstudierung zu bringen. Bellini's
«Nachtwandlerin* und Delibes' „Lakml" erschienen dazu besonders geeignet, weil in
der stimmlich so ungewöhnlich beanlagten, technisch bravourösen Koloratursängerin
Angele Vidron eine junge Vertreterin der beiden Hauptrollen zur Verfügung war, wie
sie heute zu den grossen Ausnahmen gehört. So konnte das aktuelle Interesse an einer
künstlerischen Individualität das an den Werken beleben. Übrigens ist es nicht zu
verwundern, dass die ungemein reizvolle Lakmt-Musik gerade im gegenwärtigen Zeit-
punkt hier in beredter Weise für sich selbst plädiert und Bewunderung findet.
Paul Hiller.
KOPENHAGEN: Seit Liebans Gastspiel hat sich nichts ereignet, das des Erwähnens
wert wäre. Von den angekündigten Neuheiten ist auch d'Alberts „Kain", dem man
nach den deutschen Kritiken nicht allzu neugierig entgegensieht, noch immer Projekt
geblieben. William Behrend.
KRAKAU : Das hiesige Publikum, dem der Operngenuss nur zur Sommerszeit gegönnt
ist, begrüsste doppelt-freudig die von dem Gesangsprofessor am hiesigen Konser-
vatorium Julius Marso mit seinen Schülern und Schülerinnen im Stadttheater ver-
anstalteten Opernvorstellungen. Den vorteilhaftesten Eindruck empfingen wir vom »Faust*
des Tenoristen Lowczynski. Bernard Scharlitt.
LEIPZIG: »Der Sübneprinz", eine vom hiesigen Kapellmeister Findeisen unter dichte-
rischer Mitarbeit von Hans Plank komponierte dreiaktige Operette, erzielte bei ihrer
hiesigen Uraufführung am Ostersonntag grossen Erfolg. Frau Siegmann-Wolff, Frl. Linda
und die Herren Sturmfels, Gross und Sukfüll Hessen unter Leitung des dirigierenden Kom-
ponisten ihre besten Künste spielen, das Publikum amüsierte sich bei den echt operetten-
haften Geschicken des an den Hof Ludwig Philipps gelangenden afrikanischen Sühne-
prinzen und erfreute sich an mancherlei unmittelbar wirksamen, jeweils in das Gebiet
207
KRITIK: OPER
der komischen Oper hinübergreifenden Tonstücken der gewählt harmonisierten und
instrumentierten Partitur, und so gab es nach jedem Abschluss zahlreiche Hervorrufe und
Blumenspenden für Herrn Findeisen, der einen Teil dieser Begeisterung wohl auch
seinem Befreundet* und Beliebtsein hier am Orte zuzuschreiben haben durfte.
Arthur Smolian.
LONDON: Die Vorbereitungen für die Opernsaison in Konvent Garden sind in vollem
Zuge und wenn die City, d. b. die Börse, hält, was sie in den letzten vierzehn
Tagen versprochen, wird es auch an einer regen Beteiligung der zahlungsfähigen Kunst-
freunde nicht fehlen. Für die Hauptanziehung der Saison, den Wagner-Konzert-Zyklus,
hat Dr. Hans Richter wieder einen grösseren Teil seines Manchester Orchesters heran-
gezogen. Ausser dem schon gemeldeten Programm hat die Opernsaison noch nichts an
bemerkenswerten Neuheiten in Vorbereitung. Mit besonderem Interesse sieht man dem
Auftreten von Frl. Destinn entgegen und die alte Rivalität zwischen den hier „ein-
gesessenen* australischen und französischen Gesangsheroinen und dem, was aus Deutsch-
land kommt, macht sich auch bereits in allerlei Klatsch und Quertreibereien der Fach-
kreise und ihrer Presse unangenehm bemerkbar. — Man kann auch an einem anderen
Beispiel wahrnehmen, wie der Chauvinismus sich gegenwärtig auch in die sonst immunen
Kreise der Kunst störend eindrängt. Ein schon in seinen Einzelheiten festgesetztes
deutsches Operngastspiel in Glasgow, Manchester und London, an dem sich namhafte
Kräfte deutscher Buhnen beteiligen sollten, bat aufgegeben werden müssen, da, wie der
Veranstalter ausdrücklich erklärt, »zwei Hauptmitglieder des Konsortiums infolge der
politischen Ereignisse der letzten Zeit sich zurückgezogen hätten*. A. R.
MAGDEBURG: Der Schluss der Saison ist Wagner und seinen sämtlichen Werken
gewidmet. Conriedgedanken hat unsere Direktion natürlich nicht. Aus eigenen Kräften
alle zehn Bühnenwerke Wagners aufzuführen und was mehr ist: vortrefflich aufzuführen,
das bedeutet schon etwas. Kapellmeister J. Göllrich ist unermüdlich tätig, unsere Oper
und unser Musikdrama auf eine Höhe zu bringen, die sich vor der Welt sehen lassen
kann. Neulich dirigierte er den „Tristan" mit elastischem Schwung und einem Eingehen
auf die innersten Feinheiten dieser Musik. Damit war die letzte Höhe überwunden und
das Lebenswerk Wagners lag vor uns in seiner reichen Fülle. Herr Kurz-Stolzenberg
sang mit viel Verve den Tristan, Frl. Günther die Isolde — beides hochachtbare
Leistungen. Frl. Rellee sang die Brangäne im Bayreuther-Ton. Diese Altistin ist ein
Schmuck unserer Bühne. Max Hasse.
MAINZ: Saint-Saöns' Oper „Samson und Dalila* fand bei ihrer ersten Aufführung
hier guten Beifall. Die leichte Verständlichkeit und natürliche Melodik des Werkes
verschafften ihm leicht den Erfolg, zumal die Aufführung eine recht gute war.
Dr. Fritz Volbach.
MÖNCHEN: Im königlichen Hoftheater gab man wieder Mozarts »Zauberflöte* mit
einem Dresdener Gast, Frl. Gabriele Müller, als Königin der Nacht, die sich als
anstellige und technisch wohlgebildete Koloratursängerin einführte; wenn es, wie uns gesagt
wird, ihr erstes Debüt ist, allen Respekt. Frl. Tordek sang zum erstenmal die Pamina mit
bestrickender Wärme und sinnlich schöner Tongebung. Das letztere gilt insbesondere
auch von Walters Tamino. Recht gut waren die »drei Damen* Koboth, Huhn und
Blank; ausgezeichnet wie immer Klopfers Sarastro und Baubergers Monostatos. In
allem eine sehr anregende Aufführung, an der schliesslich auch Rohrs adrette musi-
kalische Leitung ihren Anteil hatte. — Von Novitäten erwarten wir Schillings' »Pfeifer-
tag* und Blechs «Das war ich*. Dr. Theodor Kroyer.
MONSTER i. W.: Die Essener Opernkräfte verstiegen sich bis zu »Tannhäuser* und
»Afrikanerin*, wofür die Szenerie nicht immer ausreichte. Neben den Aufführungen
208
DIB MUSIK III. 15.
von Carmen, Undine usw. ist eine schöne Darstellung von Beethovens „Fidelio* hervor-
zuheben. Ernst Brüggemann.
ROSTOCK: Die „Ring** 1 uffübrung unter Tollere Spiel- und Rudolf Gross' Orchester-
leitung fand mit der „Götterdämmerung* einen glänzenden Abschluss. Unsere Bfihne
brachte mit eigenen Kräften und Mitteln in sechsmonatlicher Spielzeit 22 Wagnerauf-
führungen, dreimal den ganzen »Ring* unverkürzt und streng im Bayreuther Stil. Die
zum Teil hervorragend guten Vorstellungen fanden beim Publikum stets verständnisvolle,
begeisterte Aufnahme. In der ernsten, hohen Kunstpflege bestand unser Theater mit
vollen Ehren. Im übrigen bewegte sich der Spielplan im herkömmlichen Geleise, zuletzt
namentlich wegen der Gastspiele für die nächste Spielzeit, die fast alle Fieber neu besetzt
zeigen wird. Mozarts «Entführung*, unter Gross' Leitung, ist noch als eine künstlerisch
wertvolle Vorstellung hervorzuheben. Prof. Dr. V. Golther.
SCHWERIN: Die hundertste Aufführung der »Hugenotten* fand reichen BeifalL Auch
Halevy's «Jüdin* erzielte wiederum einen grossen Erfolg. Das Gastspiel des Herrn
Freiburg aus Frankfurt a, M. in beiden Opern als Marcel und als Kardinal führte zu
einem Engagement. In der Karwoche brachte das Hoftheater die seit Alois Schmitts
Zeiten traditionelle Aufführung der Matthlus-Passion. Fr. Sothmann.
STETTIN: Obwohl wir es unter Kapellmeister Grimms Leitung neuerdings zu einer
achtbaren Siegfried-Aufführung mit einem annehmbaren Gast, Willy Arena, in der
Titelrolle gebracht haben, ist für diese Spielzelt doch die leichtgeschürzte Muse ton-
angebend geblieben. Audran's „Puppe* hat man nunmehr 17 mal gespielt, um dann zu
anderen, nicht minder aufregenden Dingen wie „Die schöne Galathee* und „Mikado*
überzugehen. Alles zuliebe unserer reizenden Opernsoubrette Frau Beling-Schlfer und
im Interesse einer kurzsichtig im momentanen Kassenerfolg Genüge findenden Bühnen-
leitung. Ulrich Hildebrandt.
STOCKHOLM : Das kgl. Theater hat jetzt in kurzer Zeit zwei Premieren gegeben. Die
erste, „Tosca* von Puccini, wurde mit Frau Hellström und Herrn Forseil als Haupt-
darstellern glänzend wiedergegeben. Das Werk besitzt aber sowohl textlich als musika-
lisch viel zu wenig bemerkenswerte Partieen, um lange leben zu können. „Wikinger-
blut* von dem dänischen Komponist Lange-Müller zeigt viel mehr Tiefe und komposi-
torische Eigenart und hat auch besser gefallen. Tobias Norllnd.
STUTTGART: Endlich ist auch hier der „Corregidor* von Wolf eingezogen. Die Auf-
führung war nach dem übereinstimmenden Urteil von Besuchern der bisherigen
Erstaufführungen die beste. Ich kann sie nur mit der Münchener vergleichen,
allerdings in einem für Stuttgart ehrenvollen Sinn. Die Besetzung war bis auf die
kleinste Rolle sorgfältig und zweckmässig. Frl. Sutter als Frasquita, die Herren Decken
und Neudörffer als Corregidor und Tio Lukas leisteten besonders Vorzügliches, und
dank der ungemein temperamentvollen Führung Pohligs war namentlich die rhythmische
Schärfe und Ausdruckskraft der plastischen Musik auch im Gesang herausgearbeitet
Dass das Orchester allen Anforderungen genügte und der Zusammenklang ein ideal
schöner war, braucht kaum gesagt zu werden. Wenn irgendwo, so muss sich in Stutt-
gart die Oper Wolfs vermöge ihres einleuchtenden musikalischen Wertes auf dem Spiel-
plan erhalten, sobald die Intendanz dafür eintritt. Hofrat Harlacher leitete die Inszenierung
mit anerkennenswertem Geschick. Die Aufnahme von seiten des Publikums war die
denkbar herzlichste. Dr. K. Grunsky.
WEIMAR: Kaleidoskopartig zogen im bunten Wechselspiel die den verschiedensten
Richtungen angehörigen Werke in der schönen Zeit der erwachenden Natur vor-
über. Wagners „Tristan und Isolde" sowie der an vier aufeinanderfolgenden Sonntagen
ohne Strich unter der routinierten Leitung Krzyranowski's gegebene „Ring des Nibelungen*
200
KRITIK: KONZERT
bedeutete darin die Hauptmomente. Zwischen diese Meisterwerke waren als Prl-, Inter-
und Postludien das lustige Trifolium »Flotte Bursche*, »Die Verlobung bei der Laterne*
und »Die Puppenfee" sowie die »Regimentstochter 41 , der »Buddha* und »Das Glöckchen
des Eremiten" gestellt. Chacun * son goütl Als Gäste hatten wir Frl. Reinl aus Berlin
(Isolde, Fricka und Brfinnhilde in der Walküre) und Herrn Kietzmann vom Hoftheater
in Kassel als Sylvaln im »Glöckchen des Eremiten". Der Rest der Saison soll uns noch
Goethes »Faust" mit der charakteristischen Musik Lassen» sowie den »Cid" von Cornelius
bringen. Carl Rorich.
WÜRZBURG: Der Saisonschluss brachte uns noch »Rheingold" und damit zum
erstenmale sinnliche Ringdramen in einer Saison. Interesse erregten im Laufe der
Spielzeit namentlich zwei neue Opern funkischer Komponisten, Meyer-OIberslebens
»Haubenkrieg" und Kistlers »Röslein im Hag", beide dem heitern Fach zugehörig und
beide voll hübscher Momente und geistreicher Instrumentaleffekte, beide leider aber auch
auf schwichlicbem Text aufgebaut und darum schwerlich von anhaltendem Erfolg. Der
Spiritus movens unserer Oper, Kapellmeister Pinner, verliest mit Saisonschluss seinen
langjährigen Wirkungskreis Dr. Kittel.
ZÜRICH: Noch flutet die Erinnerung an die Gastspielserie Welti-Herzog durch alle
Kreise der Bevölkerung und so gross war der patriotische Enthusiasmus, dass die
Presse kaum wagen durfte, von dem beginnenden Defizit in dem gewaltigen Stimmfond
oder von Zweifeln an der Zweckmässigkeit ihres Überganges in das hochtragische Fach
zu reden. Wahrhaft bedeutend war sie als Katharina in der »Widerspenstigen". Und
doch füllte sich das Haus unmittelbar nachher wieder zu dem Humbug der Duncan, der
in tiefer Ehrfurcht genossen und bejubelt wurde. Die Dürftigkeit des Repertoires wird
jetzt elnigermassen balanziert durch einen Wagner-Zyklus am Saisonschluss, für den
hohe Erwartungen berechtigt sind. Um so kläglicher sieht es aus mit der Anwartschaft
auf nlchste Saison. Alles Gute zieht ab und von dem Ersatz reicht der Grossteil nicht
an die Bisherigen heran. Höhere stlddsche Subvention, heisst die Parole, oder Verfall
der Oper! W. Niedermann.
KONZERT
AGRAM: Die letzte diesjährige Kammermusiksoiree beschloss in überaus würdiger
Weise ein Klavierabend Ernsts v. Dohninyi. Die geistvolle Interpretation der
32 Variationen, der d-moll Sonate op. 31 von Beethoven, der a-moll Sonate op. 42 von
Schubert, sowie der Phantasie-Fuge über das Thema B-a-c-b, Consolation Des-dur und
der Rhapsodie espagnol von Liszt stellten den hervorragenden Künstler in die aller-
erste Reihe der lebenden Pianisten. Ernst Schulz.
BARMEN: Im Mittelpunkt des 81. und 82. Stadtballen -Konzerts des Allgemeinen
Konzertverein-Volkschors standen die einzigartigen Darbietungen von Edouard Risler.
Umrahmt waren die solistischen Spenden von Schumanns Es-dur Symphonie und Lachners
zweiter Orchestersuite. Das 5. Abonnements-Konzert der Konzertgesellschaft brachte
unter Stronck die Faustsymphonie von Liszt, sowie das Parzenlied von Brahms. Von den
Solisten zeichneten sich die Pianistin Szalit und der Tenorist Doulong aus. In Jeder Be-
ziehung vollendet brachte unter Hopfes Leitung der Allgemeine Konzerverein- Volkschor in
seinem 83. und 84. Stadthallen-Konzert Schumanns „Paradies und Perl" zur Wiedergabe.
Die Barmer Konzert-Gesellschaft führte in ihrem 6. Konkordia-Konzert unter Stroncks
Direktion Verdi's Requiem in trefflicher Weise auf. Heinr. Hanselmann.
BERLIN: Der Madrigalchor des Kopenhagener Cäcilien- Vereins hat zwei
Konzerte, das erste vor geladenem Publikum, das zweite vor ausverkauftem Hause
gegeben. Der Dirigent Dr. Rung hat seinen aus etwa 50 Damen und Herren bestehenden
210
DIE MUSIK III. 15.
Verein aufs beste geschult, so dass dieser a cappella-Gesang auch die höchsten Anforde-
rungen hinsichtlich der Reinheit der Intonation, der rhythmischen Präzision, der Klar-
heit der Aussprache voll befriedigt; vortrefflich abgewogen ist das Klangverhiltnis der
Stimmen gegeneinander, besonders reizvoll fand ich die Feinheit der dynamischen
Schattierungen. Auf einige Meisterstücke altitalienischer Schule von Palestrina und
Anerio folgte eine lingere Reihe mehrstimmig gesetzter Volkslieder in dänischer Mund-
art, die wunderbar weich in der musikalischen Einkleidung klangen. Einige Stücke für
Frauen- und Minnerstimme brachten in das Programm eine angenehme Abwechselung.
Mit dem Berliner Publikum, das sich die Hälfte des Programms doppelt vorsingen Hess,
werden die dänischen Gäste gewiss zufrieden gewesen sein und wir werden die dänische
Sängerschar in bester Erinnerung behalten. — Ein paar Liederabende, obwohl Anfänge-
rinnen auf dem Konzertpodium standen, hoben sich vorteilhaft gegen frühere dilettan-
tische Schaustellungen ab. Ina Madsen, eine skandinavische Sopranistin, zeigte ent-
schiedenes Vortragstalent und auch Anfänge zu feinerer Schulung; nur die Aussprache
erschien zu verschwommen. Aus dem Programm, das viele nordische Komponisten-
namen brachte, sei ein im flotten Zeitmass dahineilendes Stück .Zickeltanz - mit charak-
teristischer Klavierbegleitung von Grieg als höchst interessant hervorgehoben. Elisabeth
Schumann hinterliess einen durchaus sympathischen Eindruck mit ihrem weichen,
ausdrncksfähigen Organ und ihrer natürlichen Empfindung; schon dass sie ihr Programm
nicht schablonenhaft, sondern selbständig mit Liedern von Beethoven, selteneren Ge-
sängen von Schumann, Hugo Bruckler und Hugo Wolf ausgefüllt hatte, nahm für die
Sängerin ein, von der später noch mehr zu sagen sein wird. Raimund von Z ur-
Mühlen gab einen populären Liederabend. Seltsam las sich auf dem Programm eine
Gruppe »Wasserlieder* von Schubert, ganz willkürlich zusammengesuchte Stücke aus
verschiedenen Werken. Wir werden also nach dieser Analogie bald auch Feuerlieder,
blaue oder grüne Lieder zu hören bekommen, denn es wird doch leicht sein, Gedichte
zu finden, in denen diese Farben erwähnt sind. Reizend würde sich eine Gruppe
Storchenlieder ausnehmen. Das Organ des Sängers klang recht ramponiert, die Mittel-
lage fast tonlos. Der Vortrag wird immer affektierter. Dass ihm einiges, z. B. »Auf
dem Wasser zu singen" wundervoll gelang in der künstlerischen Gestaltung, muss aber
doch gesagt werden, auch dass Coenraad van Boos meisterhaft begleitet hat.
E. E. Taubert.
Schon liegt die Musiksaison in den letzten Zügen, da gibt es noch ein grosses
Ereignis : die enthusiastische Aufnahme des hier bisher kaum dem Namen nach bekannten
Pariser Streichquartetts der Herren Hayot, Touche, Denayer und Salmon. Und
dabei spielten diese jungen Künstler je zwei Quartette von Mozart (C- und G-dur) und
Beethoven (e- und f-moll), sowie Brahms a-moll und Schumann A-dur! Es unterliegt
keinem Zweifel, dass eine Vereinigung, die so stilgerecht unsere Klassiker interpretiert,
dass auch fanatischen Anhängern unseres Joachim-Quartetts jeder Wunsch erfüllt schien,
damit in die Reibe der erstklassigen Quartettvereinigungen eingetreten ist. Der erste Geiger
steht vielleicht nicht ganz auf derselben hohen Stufe wie Scbörg, der Führer der Brüsseler;
die Vertreter der Mittelstimmen sind ausgezeichnet, nicht minder der Violoncellist, der
einen markigen und urgesunden Ton aus seinem Instrument zieht. Die Klangschönheit
des Ensemble ist herrlich, in dem von einem Geist beseelten Zusammenspiel stört kein
unmotiviertes Heraustreten eines Einzelnen, es ist alles wie aus einem Guss; höchstens
wäre noch ein deutlicherer Unterschied zwischen p und pp zu wünschen. Diese Pariser
Künstler haben sich mit ihren beiden Konzerten so vorteilhaft eingeführt, dass sie bei
einem Wiederkommen sicherlich nicht bloss wieder einen künstlerischen Erfolg haben
werden. — Den einzigen Kammermusikabend mit Bläsern veranstaltete in dieser Saison
211
KRITIK: KONZERT
Ernst Ferrler, der als Ensemblespieler weit mehr denn als Solist leistet; besondern
Dank verdient er für die Vorführung des annehmbaren, idyllischen Trios op. 188 von
Reinecke für Klavier, Oboe und Hörn, in dem er von den Herren Flemming und
Hugo Rudel aufs beste unterstützt wurde. — - Als tüchtige, vornehmlich in technischer
Hinsicht glinzende Geigerin brachte sich Elvira Schmuckler in Erinnerung; sie wurde
von Gina Goetz mit ansprechenden Gesangsvorträgen unterstützt — Der junge Maxi-
milian Pilzer hat das Zeug und zeigte sich auf dem besten Wege, um in die ersten
Reihen unserer Geiger aufzurücken. — Endlich Hess sich Willy Burmester (von
Coenraad V. Boa vortrefflich auf dem Klavier unterstützt) mit einem durchaus klassischen
Programm hören und bewies wieder einmal, dass er unstreitig der König der deutschen
Geiger in jeder Hinsicht ist, womit freilich nicht gesagt sein soll, dass die neuen Nuancen
seiner Interpretation der Bacbschen Ciaconna mir gefallen haben.
Dr. Wilh. Altmann.
Im letzten Konzert der Wagner-Vereine Berlin und Berlin-Potsdam begegnete
eine Uraufführung lebhaftem Interesse: »Das trunkne Lied" von Oskar Fried. Es
handelt sich um Zaratbustra's Lied von Mitternacht, Tag, Weh, Lust und Ewigkeit. Gleich
Richard Strauss, der das eminent dichterische Moment in Nietzsches philosophischem
Individualismus richtig erkannte und seinen musikalischen Zwecken dienstbar zu machen
wusste, fühlte auch Fried sich offenbar von der rhapsodischen, und damit musikalischem
Nachempfinden so glücklich entgegenkommenden Form einer Nietzscheschen philo-
sophischen Gedankenfolge angezogen. Hier wie dort kann es sich lediglich um poetische
Anregung handeln, nicht etwa um unmittelbare musikalische Ausdeutung oder gar Wieder-
gabe eines philosophischen Systems. Von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet stellt
sich das Chorwerk Frieds als eine immerhin bedeutsame, wenn auch sehr ungleichartige
Talentprobe dar. Freilich mehr nach der technischen Seite hin. Der Komponist besitzt
ein unleugbares formelles Geschick, was sich besonders in der Behandlung des Chors
dokumentiert, sein Orchestersatz ist gewandt, die Harmonik zeugt stellenweise von keckem
jugendlichen Zupacken. Fast durchweg ist die kunstvolle, etwas komplizierte Arbeit an-
zuerkennen. Die eigentliche Erfindung allerdings ist wenig bedeutend. Frieds Kompo-
sition ist eben wie gesagt mehr ein Werk verstandesmlssiger Reflexion als schöpferischer
Eigenart. Fried ist vor allem Techniker, nur Techniker, was in unseren Tagen ja an
und für sich durchaus keinen Vorwurf bedeutet. Weitaus am besten sind die ersten
drei Abschnitte, denen gegenüber die grössere Hälfte, mit Ausnahme einiger Stellen,
wie z. B. des Chorsatzes »Die Welt ist tief", mit ihrer ermüdenden Weitschweifigkeit
und schwächlichen Erfindung erheblich abfällt Der Kanon bei den Worten »Du Wein-
stock* ist in einem trunknen Lied von ziemlich ernüchternder Wirkung, direkt uner-
freulich ist der vierte Abschnitt „Es trägt mich dahin", ein mit sicherer Hand auf krasse
Kontrastwirkungen und rein äusserlichen Effekt berechnetes Stück. Das Werk, das an
die Ausführenden (das verstärkte philharmonische Orchester, der verstärkte Berliner
Lehrerinnen-Gesangverein, eine Abteilung der Berliner Liedertafel und die Solisten Emmy
Destinn, Luise Geller-Wolter und Paul Knüpfer) immense Anforderungen stellt, wurde
ausgezeichnet zur Wiedergabe gebracht und von Dr. Carl Muck mit kühl überlegener
Ruhe durch alle Klippen hindurchgesteuert. Die Neuheit erfreute sich starken, etwas
ostentativen Beifalls. Den Beginn des Abends bildete Wagners „Faust-Ouvertüre", sowie
Vorspiel und Schluss aus „Tristan". Es wäre vielleicht nicht unangebracht, wenn die
Wagner-Vereine endlich einmal mit gutem Beispiel vorangingen und wenigstens bei ihren
eigenen Veranstaltungen die direkt stilwidrigen, heuzutage wirklich überflüssigen, konzert-
mässigen Aufführungen von Bruchstücken aus des Meisters Musikdramen aus ihren
Programmen eliminieren wollten. Willy Renz.
212
DIE MUSIK 111. 15.
BIELEFELD: Die zweite Hüfte der Saison bescherte uns das »Böhmische Streich-
quartett* (Haydn B-dur, DvoHk op. 96 F-dur and Beethovens Harfenquartett). —
Die Kaunsche Symphonie op. 22 „An mein Vaterland" lisst zwar den guten, aber von
Wagner noch zu abhängigen Musiker erkennen. Dagegen zündete Alexander Ritters Ouvertüre
„Der faule Hans". Lotte Kaufmann bewies mit dem Vortrag von Chopin's f-moll Konzert
in einer geschickten Bearbeitung von Richard Burmeister ihre künstlerische Reife. Mit
Brahmsschen Motetten und zwei geistlichen Liedern von Hugo Wolf brachte der Musik*
verein (Lampiog) ausgefeilte Chorleistungen und eine virtuose Interpretation der Reger-
schen Phantasie über „Ein' feste Burg". Eine interessante Zusammenstellung von
Karnevalkompositionen gab Traugott Ochs mit Werken von Dvofäk, Berlioz, Svendsen
und Liszt Im fünften philharmonischen Konzert wurde besonders bemerkt- die Hugo
Wolfsche „Italienische Serenade" und die Ouvertüre zum „Barbier" von Cornelius. In
einem Klavierabend war es d* Albert, der uns unvergleichliche Genüsse, besonders mit
der Lisztschen h-moll Sonate bot Am 0. Mlrz erreichte unsere Saison in einem Konzert,
in dem uns Max Schillings neben seinem „Hexenlied" (Ernst von Possait), das Vorspiel zum
zweiten Akt aus „Ingwelde" und den symphonischen Prolog zu „König ödipus" vorführte
ihren Höhepunkt Mit der „Eroica" unter Traugott Ochs schloss das noch lange in uns
nachklingende Konzert. Weitere Konzerte unter Ochs brachten uns: Tschaikowsky's
„Pathötique", Llszts Bergsymphonie und Goldmarks „Sakuntala". Josef Frischen aus
Hannover brachte hier seine „Herbstnacht" und sein „Rheinisches Scherzo" zu Gehör. —
Im ganzen hat unser Orchester 31 Symphoniekonzerte in dieser Saison hier und In den
Nachbarstaaten absolviert. C. D.
BRAUNSCHWEIG: Im letzten Abonnementskonzeit der Hofkapelle ergeigte sich der
Pariser Konzertmeister Oliveira mit dem Konzert von Lalo einen grossen Erfolg.
Direktor Settekorn erbrachte mit „Der Rose Pilgerfahrt" von Schumann und der „Ersten
Walpurgisnacht" von Mendelssohn den Beweis, dass seine Aksdemie für Kunstgesang
etwas Tüchtiges leistet. Gegenwärtig wird der grösste Saa) umgebaut, so dass nächsten
Herbst Oper und Konzert in neue prächtige Räume einziehen wird. Ernst Stier.
BREMEN: Die Philharmonie brachte am 22. März als zwölftes und letztes Orchester-
Konzert dieses Winters einen Beethoven-Abend und gemäss einer durch Panzner
eingeführten Gepflogenheit als Schlussnummer eine prächtige Aufführung der „Neunten"
mit den Solisten Fräulein Berard, Frau Dr. Stern und den Herren Hess und Denys.
Herr Hess sang ausserdem den Liederkreis „An die ferne Geliebte" mit packendem
Ausdruck und grossem Erfolg, wenn auch in der Tongebung nicht ohne störende suf
die Forderung des Tones abzielende Mängel. — Das übliche Ksrfreitags-Konzert im
Dom erfreute durch eine herrliche Wiedergabe des „Deutschen Requiem" mit Frau
Seyff-Katzmayr und Herrn Sistermans. Die das Programm vervollständigenden Solo-
nummern von Johann Sebastian einschliesslich der von Musikdirektor Nössler meister-
haft gespielten G-dur Phantasie wollten zu der einheitlichen Grösse des Brahmsschen
Werkes nicht recht passen. Man sollte es doch ruhig für sich lassen. Es ist mächtig
genug dazu. — Ein eigenartiger Besuch war das im Künstlerverein veranstaltete Konzert
der Berliner Vereinigung für Kammermusik, die mit dem hübschen B-dur Sextett von
Thuille und noch mehr mit Beethovens Es-dur Quintett reichen Beifall erntete. Besonders
lebhafte Anerkennung verdiente und fand Herr Vianna da Motte, der als Extragabe
Bach-Busoni's Orgeltoccata beisteuerte, ein Pianist, wie man ihn gerne hört.
Prof. Kissling.
BRÜSSEL: Fritz Steinbach leitete das vierte Konzert Yssye und hinterliess mit der
durchgeistigten Wiedergabe von Brahms' Vierter, der Leonoren-Ouvertüre No. 2, der
Balletmusik aus „Idomeneo" und „Rossmunde", sowie der Tannhäuser-Ouvertüre einen
213
KRITIK: KONZERT
bedeutenden Eindruck. Frau Mysz-Gmeiner versetzte mit ihrem herrlichen Getane das
Publikum in die hellste Begeisterung. Mark Hamburg gab ein weiteres Plano-Recital,
das ihm wieder enthusiastischen Beifall eintrug. Als äusserst sympathischer Künstler
führte sich J. Hofmann im vierten »Konzert populair* ein. Er spielte das d-moll Konzert
von Rubinstein und Stücke von Chopin. Das Orchester unter Dupuis spielte eine un-
bedeutende Phantasie-Symphonie von Rasse und die grosse C-dur Symphonie von
P. Dukas. Trotz allen instrumentalen Glanzes ist sie ziemlich nichtssagend. Am besten
gefiel der sehr geschickt gearbeitete erste Sau. Das Konzert schloss mit Chabrier's
Ouvertüre zu »Gwendoline*. Im Konservatorium gab es eine vortreffliche Aufführung
von Bachs h-moll Messe. Der »Cercle artistique* war eine Woche hindurch in Pest-
stimmung: das Joachim-Quartett spielte an fünf Abenden sämtliche Beethovensche
Quartette. Der greise Josef Wieniawskl setzte in seinem Recital wieder in Erstaunen
durch sein jugendfrisches glänzendes Spiel. Betreffe seines immer neuen Programms
kann er allen Jüngeren als Muster dienen. Felix Welcker.
BUDAPEST: Die Konzertsaison ist endlich geschlossen. Die Nachzügler riskieren es,
vor leeren Bänken zu spielen oder zu singen. Das Erfreulichste danken wir auch
diesmal den Philharmonikern, die heuer eine ganze lange Reihe von Novitäten gebracht
hatten. So in den letzten Konzerten eine entzückend geistvolle Märebensuite von Victor
von Herzfeld „Es war einmal*, Brückners hier noch nicht gehörte romantische Symphonie,
eine »Finnische Rhapsodie* von Cajanus, eine .Schottische" von Mackenzie, endlich das
grossartige, an Schumann und Brahma zugleich gemahnende weltliche Requiem von
Hans Koessler »Silvesterglocken". Zwischendurch sangen Lerche und Nachtigall:
Therese Behr, Tilly Koenen, Camilla Landi, Selma Kurz — sämtlich mit grossem Erfolg.
Sehr anziehend gestaltete sich ein Kompositionskonzert der Landesmusikakademie. In
den Zöglingen Bela Bartök, Emerich KAlmän, Josef Lavotta lernte man junge Parnass-
stürmer kennen, die das Zeug haben, sich kraftvoll durchzusetzen. Unserem Musik-
schaffen täte »frische Nahrung, neues Blut* dringend not Dr. B61a Diösy.
CELLE: Vier Symphonie- und elf populäre Konzerte veranstaltete in diesem Winter-
semester die Kapelle des 2. Hannov. Inf.-Regts. No. 77 unter Leitung ihres Kapell-
meisters Fr. Reichert. Folgende Symphonieen wurden geboten: Haydn No. 4 D-dur,
Mozart Es-dur, Beethoven eroica, ferner No. 4 B-dur und No. 8 F-dur, Schubert h-moll,
Brahma No. 4 e-moll, Sinding d-moll und die pathetische Symphonie von Tschaikowsky.
Als bemerkenswerteste Ouvertüren und Vorspiele kamen zur Aufführung: Beethoven
(Egmont und Leonore No. 3), Wagner (Lohengrin, Tannhäuser, Tristan und Isolde [mit
Liebestod], eine Faustouverture), Gade (Nachklänge von Ossian), Berlioz (König Lear,
Benvenuto Cellini, Carnaval romain), Goldmark (Sakuntala, Im Frühling), Holstein (Frau
Aventiure), Kramm (Johannes), d' Albert (Die Abreise, Der Improvisator), Schillings (König
ödipus). Von symphonischen Dichtungen, Suiten und ähnlichen Werken seien erwähnt:
Saint-Saens (Totentanz), Liszt (Les Prtludes), Bizet (L'Arlesienne), Grieg (Peer Gynt I, II),
Wagner (Siegfried-Idyll), Mozart (Nachtmusik), Volkmann (Serenade d-moll), Berlioz
(Drei Sätze aus »Faust's Verdammung"), Tschaikowsky (Capriccio Italien) u. a. Das be-
deutendste Ereignis in unserm Musikleben war die Aufführung des »Fidelio*. Am
22. April findet unter Reicherts Leitung eine Aufführung des Deutschen Requiem von
Brahms durch den hiesigen Oratorienverein statt. A. Z.
CHEMNITZ: Ein würdiger Ausklang schloss unsere Konzertsaison: das Karfreitag-
konzert in der Jskobikirche Hess unter Franz Mayerhoffe imponierender Führung
durch den Musikverein und die Chorsänger der Kirche, unterstützt durch ein vortreff-
liches Solistenquartett (Cäcilie Rüsche-Endorf, Manja Freytag, Leo Gollanin und Albert
Berger) Händeis »Messias* in blendendem Glänze erstehen. In der Nikolaikirche (Emil
214
DIE MUSIK HL 15.
Winkler) find die für ans erstmalige Aufführung von Ludwig Spohrs »Des Heilands
letzt» Stunden" mit gutem Gelingen statt und auf solistischem Gebiet dokumentierte
Bertrand Roth von neuem seine Meisterschaft in nobler Auffassung, kunstdienlicher
brillanter Technik und enormem Gedächtnis an einem inhaltschweren Klavierabend.
Oskar Hoffmann.
DARMSTADT: Das musikalische Ereignis der letzten Wochen war ein von dem
Richard Wagner-Verein veranatalteter Max Schillings-Abend, der dem persönlich
mitwirkenden Komponisten grosse Ehren brachte. Das Programm bildeten Lieder für
Bariton, die Georg Dressler mit starker künstlerischer Intelligenz vortrug, das Vorspiel
zum 2. Akt von „Ingwelde", der symphonische Prolog zu «König ödipus" und die
erste hiesige Auffuhrung des „Hexenliedes", das in Ernsts von Possart Meisterinter-
pretation auch hier einen tiefen Eindruck erzielte. Mehrere interessante Neuheiten ver-
mittelte uns auch der Konzertverein: die Minnerchöre „Ergebung* und „das Gewitter"
von unsern einheimischen Tonsetzern Arnold Mendelssohn und Richard Senff, sowie
die durch ihre markige Plastik ungemein fesselnden Chöre aus Hermann Wettes
„Witukind" von Augnst von Othegraven, von dem wir in der Passionsaufführung des
Johanneskirchenchors auch seinen ganz in ,Parslfal"-Harmonieen getauchten „Abend auf
Golgatha" (Gedicht von Gottfried Keller) erstmalig hörten. Die Kammermusik war
wieder an nicht wenigor wie drei Abenden vertreten: durch das Darmetldter Streich-
quartett, die in den letzten Wochen neugegröndete „Kammermusikvereinigung" der
Herren de Haan, Havemann, Walter, Oelsner und Andrl und endlich das Stuttgarter
Steindel Quartett, das der Wagnerverein hier einführte« Die verblüffend talentvollen
Leistungen der drei Wunderknaben erregten auch bei unaerm ziemlich spröden Publikum
förmliche Sensation. Solistisch traten mit schönem Erfolg auf die Pianisten Kapell-
meister Rehbock, Hans Haym und Klara Forbach von hier, sowie Hedwig Kirsch
von Berlin, die begabte Geigerin Irene von Brennerberg, der Cellist Weyers von der
hiesigen Hofkapelle und die Meistersinger Felix von Kraus und Ludwig Hess. Eine
stilvolle und grosszügige Aufführung der „Matthius-Passion" bot am Karfreitag die
Musikvereinigung, von dem ausgezeichneten Solistenquintett: Alida Oldenboom, Martha
Stapelfeldt, Nicola Doerter, Gerard Zalsman und Joseph Gareis aufs beste unterstützt
H. Sonne.
DRESDEN: Mit dem Palmsonntagskonzert, das vollständig Beethoven gewidmet war,
fand die Konzertsaison ihren offiziellen Abschluss. Der erste Teil brachte u. a.
ein sehr selten gehörtes Werk des Meisters, das Tripelkonzert op. 56 für Klavier,
Violoncello und Orchester. Solisten waren hierbei die Herren Egon Petri, Henri Petri
und Georg Wille. Den zweiten Teil füllte wie üblich die „Neunte" unter Hofkapell-
meister Hagens Leitung aus. Von weiteren musikalischen Veranstaltungen seien eine
Aufführung von Beethovens „Missa aolemnis" in der Lutherkirche unter Kantor Römhild
erwähnt, ferner ein Klavierabend von Eugen d' Albert sowie ein vom musikpidagogischen
Verein veranstalteter historischer Klavierabend von Richard Buchmayer, der den Hörern
eine lange Reihe von Kompositionen vorbachischer Meister vorführte und für ihr Wirken
Interesse zu erwecken wusste. Das Bedeutsame an diesem Konzert war, dass es jedem
Hörer deutlich zum Bewusstsein kommen musste, wie alle diese alten Komponisten
(selbst der bedeutendste von ihnen, Mathias Weckmann) doch nur Wegebereiter Bachs
sind und wie dieser eine doppelte Stellung in der Musikgeschichte einnimmt, einmal
als der Abschluss einer auf formalistischer Grundlage beruhenden Periode und andrer-
seits als der Begründer der neuen Musik, deren Wesen in der seelischen Belebung der
Formen beruht. — Einen Oberblick über sein eigenes Schaffen gab der hier lebende
Komponist Alphonse Maurice mit einem Konzert, dem Frau Knüpfer-Egli und Heinrich
215
KRITIK: KONZERT
Braus ihre solistische Mitwirkung liehen. Der Komponist verrät in seinen Liedern
und Duetten zwsr keine susgesprochene Eigenart oder Tiefe, sber doch ein in engen
Grenzen schätzenswertes Tslent. F. A. Geissler.
ESSEN: In unserm Musikleben ist es in der letzten Zeit lebendig geworden, sehr
zum Nutzen des modernen Schaffens, dem jetzt wiederholt mustergültige Interpre-
tationen zu teil wurden. So neulich, als Schillings in einer Matinee zum Besten des
Stidtischen Orchesters das Vorspiel zum dritten Akt des „Pfeifertag* und, mit Possart
zusammen, das .Hexenlied 11 vorführte. Und dann in dem grössten künstlerischen Er-
eignis nicht nur dieses Winters, sondern langer Jahre: dem Konzert, das die „Musi-
kalische Gesellschaft* für Hans Pfitzner bereitete. Solcher Begeisterungsstürme wie
an diesem Abend hätte man unser sehr kühles Konzertpublikum gar nicht für fähig ge-
halten. Sie waren aber um so wertvoller, als sie einem mit Unrecht zurückgesetzten
Schaffenden galten, für den einzutreten, auf den erneut hinzuweisen die „Musikalische
Gesellschaft* als selbstverständliche Pflicht eines Instituts ansah, das der Kunst zu
dienen berufen ist. — Pfltzners Ballade „Heinzelmännchen* für Bass und Orchester
gelangte zur Uraufführung. Sie steckt so voll Humor und höchstem technischen Kön-
nen, ist so dankbar, dass sie die vergnügteste und dankbarste Stimmung hervorrief.
Die Tonmalerei ist hier bis zur äussersten Grenze ausgebildet, aber so urkomisch,
namentlich bei der Schneiderszene, dsss die Ballade wohl bald die Runde durch die
Konzertsäle machen wird. In Emil Stammer hatte die Basspartie einen ganz hervor-
ragenden Vertreter gefunden. Eine ausserordentlich tiefe Wirkung übte der Trauer-
marsch aus der „Rose vom Liebesgarten* aus, ein Stück von herrlicher Melodik, wunder-
barer Harmonisation und Instrumentation und prächtigem Aufbau. Hier lernte man den
zur vollen Selbständigkeit herangereiften Tondichter kennen, nachdem man ihn zuvor
in seiner Entwicklung hatte beobachten dürfen. Das erste Vorspiel aus der Musik
zum „Fest auf Solhaug*, Dietrichs Erzählung aus dem Musikdrama „Der arme Heinrich*
und schliesslich die Ballade für Bariton und Orchester „Herr Oluf* zogen als grössere
Schöpfungen der Jugendjahre vorüber, sämtlich zündend und den erneuten Beweis
liefernd, welch gewaltiges Talent man hier jahrelang bat brachliegen lassen. Hermann
Gausche war der treffliche Interpret von Dietrichs Erzählung und der Olufballade. Wie
sehr Pfitzner als Lyriker zu schätzen ist, zeigte eine Reihe von Liedern, denen sich Frau
Knüpfer-Egli und Herr Stammer mit zum Teil rauschendem Erfolg widmeten. • Der
ganze Verlauf des Abends aber gab Zeugnis von einer ausserordentlichen Erfindungs-
kraft, einer vielseitigen Gestaltungsgabe und einem eminenten Vermögen, den Geist der
verschiedenen Dichter wiederzuspiegeln. Dazu eine durchaus individuelle Orchester-
sprache und Harmonik, sowie grosses Formtalent. Mag man im einzelnen mit dem
Komponisten einverstanden sein oder nicht, ihn für einen Geist halten, dem die Zukunft
ganz gehört oder ihn nicht so hoch bewerten, das eine steht fest, dass wir es hier mit
einem unserer reich stbegabten Künstler zu tun haben, an dem man nicht gleichgültig vor-
übergehen darf, mit dem man sich vielmehr auseinandersetzen muss.
Max Hehemann.
FRANKFURT a. M.: An seinem alten, schönen Brauch, den Karfreitag mit der Auf-
führung der Bachseben Mattbäuspassion zu begehen, hielt der Cäcilienverein auch
diesmal fest. Bei der stilvollen, erbaulichen Wiedergabe, die Prof. A. Grüters meisterlich
leitete, griffen diesmal die Herren Litzinger als Evangelist und AgnesftLeydhecker als
Altsolistin besonders wirksam ein; der Bariton des Herrn A. van Eweyk wurde für den
Christus nicht als recht zulänglich erfunden. Seit diesem Abend ist grosse Ruhe im
hiesigen Konzertwesen eingetreten; eine kleine Nachsaison hat bis zur Stunde noch
nicht begonnen. Hans Pfeilschmidt.
216
DIE MUSIK III. 15.
GENF: Die Solisten des siebenten Abonnementskonzerts waren Valerio Frmnchetti
(Lalo's Violinkonzert F-dur) und Frau Vsutier-Rutty (Gesinde und Lieder von
d'Indy, Marty, Duboia, A. Catherine). Im achten und neunten Abonnementskonzeit kamen
u. a. zur Aufführung: Hans Huber (Ouvertüre zur Oper »Der Simplicius"), J. Lauber
(dramatische Szene für Sopran und Orchester), Willy Rehberg (Motette für gemischten
Chor), W. Pahnke (Phantasie Pastorale), Jaquez-Dalcroze (Kirmes), Brückner (vierte Sym-
phonie), Dvottk (Violoncellkonzert), Smetana (Moldau). Als Solisten wirkten hierbei
erfolgreich Frl. Martin de Larouviere und Julius Klengel mit. Das Programm des
zehnten (letzten) Abonnementskonzerts brachte Brahma (zweite Symphonie), R. Strauss
(Gesang der Apollopriesterin für Sopran und Orchester, vorgetragen von Frl. A. L'Huillier),
Thuille (Romantische Ouvertüre) und das Meistersinger-Vorspiel. Frl. L'Huillier war
ausserdem mit Liedern von Strauss, Wolf, Kaskel und Bramann vertreten. — Das achte
Marteau-Konzert bestand aus einem Rezital-Vocal (Frauenliebe und -leben, Lieder von
Liszt, Strauss und Wolf) von Hermine Bosetti, die stürmisch gefeiert wurde. Einen ausser-
gewöhnlichen künstlerischen Genuss bot das neunte Konzert durch die Mitwirkung der
»Böhmen", die in hinreissender Weise drei Werke von Smetana, Suk und DvoftUc zum
Vortrag brachten, das DvoMksche Quintett mit Willy Rehberg am Klavier. — Die drei
Trio-Abende der Herren J. S. M. Darier (Violine), E. Deczey (Piano) und J. A. Lang
(Violoncello) erfreuten sich mit ihrem interessanten Programm verdienten Beifalls. Es
kamen Werke von Veracini, Vreuls, Andrei, Senailll, Szulk, Juon, F. Benda, Pierne* und
G. Schumann zum Vortrag. — Sehr anregend verlief ein geschmackvoll zusammen-
gestelltes Konzert, das Marcelle Charray (Klavier) und Herr Z. Chdridjian (Bass) gemein-
schaftlich veranstalteten. Prof. H. Kling.
HALLE a. S.: Mit bekanntem grossen Erfolg konzertierte hier Edouard Risler und
Raimund von Zur Mühlen. Frau Metzger-Froitzheim gab einen Liederabend, der
ihr endlose Beifallsstürme einbrachte. Unser einheimischer Pianist Karl Klauert spielte
in einem eigenen Konzert das C-dur Klavierkonzert von Karl Reinecke mit gutem Ge-
lingen. Tllemaque Lambrino veranstaltete einen Klavierabend mit ansehnlichem künstle-
rischen Erfolg. Martin Frey.
HAMBURG: Arthur Nikisch wirkte mit Erfolg und Ausdauer bei uns für „solisten-
reine" Konzerte — ein Verdienst, das gerade bei uns, wo das Interesse für die
Kunst so sehr vom Interesse für die Künstler erdrückt wird, besonders hoch zu bewerten
ist. Seine Popularität kann sich dies Risiko schon gestatten, wie abermals das VII. seiner
Abonnements-Konzerte bewies. Das Programm enthielt nur Orchesternummern und
trotzdem war der Saal ausverkauft, die Stimmung gehoben wie an einem Festabend. —
ulius Laube machte mit seinen populären Konzerten an einem der nächsten Abende
Schluss für diesen Winter. Die Philharmonie suchte weiter nach Gastdirigenten für den
kommenden Winter. Dass das Gute so nah Hegt — man braucht nur die Namen Brecher
und Gille zu nennen — daran scheint man nicht zu denken. Heinrich Chevalley.
HANNOVER: Das letzte Abonnementskonzert unseres königlichen Orchesters (Kapellm.
Doebber) brachte unter Mitwirkung des trefflichen Geigers Marteau, der das Violin-
konzert stilvollendet und tonschön spielte, ein herrliches Beethovenprogramm zur Ver-
wirklichung, das in einer technisch wohlgelungenen, aber nicht gerade begeisternden
Vorführung der „Neunten" gipfelte. — Das letzte Konzert der Berliner Philharmoniker
(Nikisch) bescherte uns in idealvollendeter Wiedergabe ausser der interessanten f-moll
Symphonie von Tschaikowsky (Novität) die Tondichtung „Don Juan" von Strauss, Volk-
manns Ouvertüre „König Richard III" sowie Tristan-Vorspiel und Tannhiuser-Ouvertüre.
— Eine im chorischen sowie im solistischen Teil wohlgelungene Aufführung der
„Matthiuspassion" durch die „Musikakademie" (Frischen) gab es am Karfreitag. Solisten:
217
KRITIK: KONZERT
Meta Geyer, Therese Betar, Heinrich Grabl, Josef Loritz und Karl Gillmeister. Be-
gleitung: das königliche Orchester sowie Referent dieses (Orgel). L. Wuthtnann.
KARLSRUHE: Das Konzertleben der letzten Wochen wurde durch die österliche
Zeit nicht unwesentlich beeinflusst. In Kirchenkonzerten wetteiferten der Chor
der evangelischen Christuskirche, der u. a. Haydns „Die sieben Worte am Kreuz"
unter der vortrefflichen Leitung des Seminarmusiklehrers Baumann stimmungsvoll her-
ausbrachte, und der Chor des Vereins für evangelische Kirchenmusik in der Stadtkirche,
der vor allem Bach bevorzugte und mehrere kleinere Werke des Meisters unter seinem
Dirigenten Karl Briuninger würdig vorführte. Das Hoftheater-Orchester im Verein mit
einem für diesen Zweck zusammengestellten allgemeinen Chor führte unter Hofkapell-
meister Gorters Leitung Bachs Matthluspassion mit schöner Wirkung auf, nachdem es
wenige Tage zuvor im siebenten Abonnementskonzert von Hofkapellmeister Lorentz
geführt, in Beethovens zweiter Symphonie sich auch in der weltlichen Kunst ganz vor-
trefflich hervorgetan. Kammersinger Perron, der in diesem Konzert die Lysiart-Arie
aus der „Euryanthe" und «Wotans Abschied" sang, erzielte reichen Erfolg. Dieser war auch
dem fünften Künstlerkonzert des Hans Schmidt-Zyklus beschieden, in dem Henri Marteau
durch sein wunderbares Geigenspiel die Hörerschaft begeisterte und Amalie Klose von
hier als Pianistin sowie die Hofopernsingerin Fichtner- Vohl als Liedersingerin das Publi-
kum suf das Angenehmste erfreuten. Albert Herzog.
KÖLN: Kurz hintereinander, am Palmsonntag und Karfreitag, folgten das 11. und
12. Gürzenich-Konzert. Im ersten gelangte Gustav Mahlers grosse dritte Sym-
phonie unter des Komponisten Leitung zur Aufführung, fand aber nur in den mittleren
Sitzen nennenswerten Beifall, da wesentliche Teile des Werkes unverstanden blieben.
Eine in Orchester und Chören vortreffliche Wiedergabe der Matthius-Passion unter
Steinbach, mit Messchaert als meisterlichem Christus, Marie Philipp! als sehr respek-
tabler Vertreterin der Altpartie, Ludwig Hess als mit wechselnden künstlerischen Chancen
singenden Evangelisten vermittelte das Ende der diesmaligen Gürzenich-Saison, die im
ganzen befriedigte, ohne ein ausserordentliches Gesamtresultat zu ergeben.
Paul Hiller.
KREFELD: Der Schluss der Saison brachte noch zwei bedeutende Konzerte der
Konzertgeselischaft unter Theodor Müller-Reuter. Zu erstem war Eugene Yssye
gewonnen. Er spielte das Violinkonzert op. 61 von Saint-Saöns und die schottische
Phantasie von Bruch. Ferner gab es „Zarathustra" von Strauss, Faust-Ouvertüre Wagner
und »Moldau* Smetana. Das städtische Orchester war auf 100 Mann verstirkt. Dass
Müller-Reuter neben den Modernen auch die Klassik vorzüglich beherrscht, zeigte die
bis ins Detail hinein mit feinstem poetisch-musikalischen Empfinden wiedergegebene
»Fünfte*, die er am zweiten Abend der Missa solemnis vorausschickte. Die Missa-Solisten
waren Frl. Geyer und Culp-Berlin, Herr Pinks-Leipzig, Haase-Köln. Die grösste An-
erkennung muss dem Chor, der in allen Teilen auf seltener Höhe stand, gezollt werden.
Es sei nebenbei bemerkt, dass die Krefelder Musikverhiltnisse überhaupt hoch ent-
wickelte sind und durch das junge Konservatorium aufs günstigste weiter beeinflusst
werden. Die tiefernste, weihevolle und technisch vorzügliche Missa-Aufführung hinter-
Hess einen tiefgehenden Eindruck und bildete den würdigen Abschluss unserer Konzert-
saison. Johs. Kniese.
LEIPZIG: Die stille Woche brachte nicht nur nach altem Brauch eine Karfreitags-
Aufführung der Matthiuspassion, sondern drei Tage zuvor auch noch eine Wieder-
erweckung der vom gleichen Meister geschaffenen Johannes-Passion, die um so lebhafter
interessieren und ansprechen musste, als der neue Dirigent des Bach- Vereine, Organist
Karl Straube, hierbei mit schönem Gelingen den Versuch machte, auch den instrumen-
IIL 15. ' 15
2iö
DIE MUSIK III. 15.
talen Teil ganz im Sinn der Bachschen Kunstübuog ausfuhren und die Begleitung der
Secco-Rezitative und den Continuo-Part der Arienbegleitungen auf dem Cembalo spielen
zu lassen. Letzteres wurde von Dr. Max Seiffert aus Berlin — die bei den Reden Christi
und bei den Chören hinzutretende Orgel aber von dem hiesigen Herrn G. M. Fest in
vortrefflicher Weise traktiert — und zu dem bestens vorbereiteten Bach-Vereins-Chore
und dem tüchtig spielenden Winderstein-Orchester waren als Solisten der die Partie
des Evangelisten ganz ausserordentlich schön vortragende Kammersinger Ludwig Hess
und die hiesigen Gesangskräfte Frau Buff-Hedinger, Frl. van der Harst, und die Herren
Hans Schütz und F. Boos hinzugezogen worden, wobei denn insonderheit Frau Buff-
Hedinger mit der sehr stimmklaren Wiedergabe der Sopranarien und Herr Schütz mit
dem sonor-warmherzigen Vortrag einiger Rezitative tiefeindringliche Wirkungen erzielten.
Die ganze Aufführung, an der nur kleine Unachtsamkeiten des Orchesters und die un-
serem Gefühl nach allzugeschwinde Temponahme bei den Chorälen bemängelt werden
konnte, war vom Geist liebevoller Bachverehrung und Begeisterung durchseelt, und
man schied von ihr mit der freudig gewonnenen Zuversicht, dass der Leipziger Bach-
Verein unter Leitung von Karl Straube nun wirklich wieder zu führender Stellung im
Siegeszug der Bachschen Fachkunst gelangen werde. — Die zum Besten der Witwen und
Waisen des Stadtorchesters mit mehr Applomb aber weniger Vertiefung und Stiltreue in
Szene gesetzte Aufführung der Matthäus-Passion nahm unter Arthur Niki seh s Leitung
und unter sehr schätzenswerter solistischer Mitwirkung des seinen klangvollen Christus-
vortrag allerdings durch stark sentimentales Pathos verzerrenden Dr. Felix von Kraus,
des Frl. Helene Staegemann, der Frau von Kraus- Osborne, und der Herren Jacques
Urlus und Ernst Schneider so ziemlich den altgewohnten Verlauf. Abgesehen von den
grossen Eröffnungs- und Schlusschören des Werkes, die mit voller Energie und Be-
geisterungskraft vorgetragen wurden, waltete in der ganzen Wiedergabe eine gewisse
sentimental-weichliche Stimmung vor, ein tragisches Posieren und eine etwas äusserliche
Feierlichkeit Ober ein Konzert, das Heia Valti aus Wiesbaden und Angelo Patricolo
aus Italien veranstalteten, sei nur vermerkt, dass die stimmbegabte junge Sängerin zur
Zeit noch aller und jeder Konzertreife ermangelt, und dass Herr Patricolo sich mit seinen
ziemlich bravourösen Klaviervorträgen mehr an das Temperament als an die künstlerische
Intelligenz und den gebildeten Geschmack der Hörenden wendet. Arthur Smoli»n.
LONDON: Dr. Elgar scheint für den Augenblick den musikalischen „Markt* in
Grossbritannien zu beherrschen. Ich habe in meinem letzten Bericht .über das
Eigar-Musikfest gesprochen, das die weiten Räume des Covent Garden Theaters bis auf
den letzten Platz an drei Abenden füllte. Am Sonnabend begann Johann Kruses
„Festival" in Queens Hall und auch hier übte der „Traum des Gerontius* eine An-
ziehungskraft, die aus den künstlerischen Qualitäten des Werkes allein schlechterdings
nicht erklärt werden darf. Elgar ist eben Mode und der passive Widerstand, den auch
der vorurteilsloseste und künstlerisch weitherzigste Engländer gegen die Vorherrschaft
der Fremden im Herzen hegt, kann sich eben bei einem solchen Anlasse herauswagen.
Diesmal hatte man den Chor, 30rj Köpfe stark, aus Sheffield, der grossen Industrie-
zentrale, entboten und alle Welt ist heute darüber einig, dass in bezug auf das Stimm-
material und die Präzision des Vortrages die Provinz den Londonern ein Muster geliefert
hat. Freilich hat der süsseste Trank in der Kunst doch einen bitteren Bodensatz, denn
man muss sich wohl oder übel zu dem Bekenntnis zwingen, dass Felix Weingmrtner,
der die Aufführung leitete, an dem Sieg, der hier errungen ward, einen just so grossen
Anteil in Anspruch nimmt, wie der Führer, der mit den Truppen die Schlacht gewinnt
Auch die frühere Aufführung in Covent Garden ward bekanntlich von Hanns Richter
geleitet So darf man immerhin auch vom Standpunkt der deutschen Kunst mit der
210
KRITIK: KONZERT
Rolle, die uns gegönnt ward, wohl zufrieden sein. — Dass der national-britische Gedanke
immer breiteren Boden findet, beweist auch ein Vermlchtnis, das in diesen Tagen eine
kunstliebende Dame der Königl. Academy of Music zugewendet hat und das £ 2000
zur Ausbildung „in England oder Amerika geborener Sänger" votiert. Praktisch versucht
man auch diese jetzt hypermoderne Strömung in fast allen Orchesterkörpern zu betitigen,
indem man, wo immer dies angebt, an die Stelle selbst altbewährter fremder Instrumen-
talisten Briten hineinbringt. In bezug auf die Dirigenten wird das noch sehr sauer,
denn neben dem einen Henry Wood hat man bisher noch keinen zweiten zu versenden.
A. R.
LUZERN: Die musikalische Wintersaison hat jeweilig in den vier Abonnementskonzerten
ihre festen Stutzpunkte. Diese Konzerte werden von der im Jahre 1806 gegründeten
»Theater- und Musikliebhabergesellschaft der Stadt Luzern* veranstaltet und vom
städtischen Musikdirektor geleitet. Gegenwärtig hat der durch mehrere Konkurrenzsiege
und seine Chor-Kantate „Musik« bekannt gewordene jüngere Musiker Peter Fass-
baender, ein geborener Aachener, dieses Amt inne. Zu diesen Konzerten werden
renommierte Gesangs- und Instrumentalsolisten engagiert. Die Orchesterdarbietungen
leiden, wie in allen Mittelstädten, an zu spärlicher Besetzung, namentlich des Streich«
quintetts. Als Solisten traten im abgelaufenen Konzertzyklus auf: die Sängerin Ernestine
Schumann-Heink, der Geiger Franz Ondricek, das ausgezeichnete Genfer Streichquartett
(Henri Marteau, Eugene Reymondt, Woldemar Pahnke und Adolf Rehberg) und
der Basler Cellist E. Braun. Von grössern Orchesterwerken wurden aufgeführt: Bee-
thovens c-moll Symphonie, Haydns Es-dur mit dem Paukenwirbel, letztere in Vertretung
Fassbaenders vom zweiten Kapellmeister Alfred Leonhardt dirigiert, das »Fest bei Capulet*
aus der »Romeo und Julia -Sympbonie von Berlioz und Wagners „Faust*-Ouvertüre. —
Im Januar veranstaltete die Pianistin Fanny Tschanz-Haenni in Luzern im Verein mit
dem «Basier Streichquartett" (Kötscher, Wittwer, Schaeffer und Treichler) einen Kammer*
musikabend und im März die Konzertsängerin Emilie Klein-Achermann in Luzern zu-
sammen mit den Pianistinnen Rosalie Schnyder und Jeanne Blesi, sowie einigen stimm-
begabten Musikfreunden, ein Vokalkonzert. — Vom 16. April bis 15. Okt. finden im
Kursaal, täglich Unterhaltungskonzerte des vortrefflichen Kurbausorchesters statt Es
besteht grösten teils aus Mitgliedern des Orchesters der Scala in Mailand und wird schon
seit mehreren Jahren vom ersten Balletkapellmeister der Scala, Angelo Fumagalli, geleitet
Er dirigiert auch die vom 16. Juli bis 17. Sept. täglich stattfindenden Vorstellungen des
italienischen Ballets im Kursaaltbeater. A. Seh m id.
MAINZ: Zwei Ereignisse von Bedeutung stachen unter den musikalischen Darbietungen
der letzten Wochen besonders hervor. Die Liedertafel gab einen Bach-Cantaten-
Abend, den ersten dieser Art, und es ist erfreulich, zu berichten, dass das Publikum
auch dieser Gattung von Meisterwerken ein volles Verständnis entgegenbrachte. Zur
Aufführung kamen die Kantaten: „Halt im Gedächtnis Jesum Christ*, »Ich will den
Kreuzstab gerne tragen*, .Bleib bei uns*, „O Ewigkeit, du Donnerwort* und »Der zu-
friedengestellte Aeolus". Die Basspartieen sang Messcbaert und bot damit eine künstle-
rische Tat, die wohl kaum zu übertreffen ist. Die Wiedergabe der „Kreuzstabkantate*,
des „Selig sind die Toten*, sowie des „Aeolus* werden hier unvergesslich. bleiben. —
Im vorletzten Symphoniekonzert dirigierte Manier seine vierte Symphonie ganz wunder-
voll. Das Werk selbst machte wenig Eindruck, und ich muss auch gestehen, dass mir
seine gesuchte Einfachheit unnatürlich vorkam, und in seiner aufgebauschten Länge
recht langweilig. Im letzten Symphoniekonzert brachte Steinbach die Brahmssche c-moll
Symphonie zu vortrefflicher Ausführung und wiederholte unter allgemeiner Zustimmung
Schillings' „Hexenlied*. Solist des Abends war Joachim. Dr. Fritz Volbach.
15*
220
DIB MUSIK III. 15.
MÜNCHEN: Die Veranstaltungen des König). Hoforchesters fanden am Palmsonntag,
wie es seit Jahren der Brauch ist, mit Bachs Matthluapassion ihren Abschluss.
Das Werk erfuhr unter Erdmannsdörfer eine recht frische und gegen früher vor allem
atilreinere Wiedergabe. Die Franzsche Bearbeitung des Accompagnements, die diesmal
benutzt wurde, ist den hier fast traditionellen Inkonsequenzen in den Recitativ- und
Choralbegleitungen jedenfalls vorzuziehen. Das Kaimorchester brachte in aeinem zwölften
und letzten Abonnementskonzert unter Weingartner mit starkem inneren Erfolg die
.Neunte" zur Aufführung. In den geschätzten Volkssymphonieabenden dirigierte Raabe
einmal die Pastoralsymphonie und die drei Leonoren-Ouvertüren Beethovens, splter im
Rahmen einea geiatlichen Konzerts Liszts Dantesymphonie; seine Darbietungen fesselten
durch energische Linienführung. Von den solistischen Veranstaltungen sind nur zwei zu
nennen: ein Liederabend der geistvollen Altistin Harry van der Herst und des munteren
Tenors Oskar Nön, sowie der letzte Richard Wagner-Klaviervortrag Fischers, der sich
des gewohnten Jubels erfreute. Dr. Theodor Kroyer.
MONSTER 1. W.: Zur lOOjlhrigen Geburtstagsfeier von Hektor Berlioz führte der
Musikverein zum erstenmal die Harold-Symphonie auf. Die Bratschenpartie spielte
Hermann Ritter auf seiner Viola alta, die sich gerade für diesen Zweck besonders
gut eignete, weil der Ton ungemein voll und rund ist Die Einheit zwischen Orchester
und Solist war nicht befriedigend. Im gleichen Konzert gedachte man mit dem Trauer-
marsch aus der Symphonie von J. O. Grimm des damals eben verstorbenen Meisters,
dem splter noch eine besondere Feier gewidmet war. Neben dem Scblusschor aus der
Bachachen Matthluapassion enthielt das Programm die Suite für Streichorchester op. 10
und die Hymne «An die Musik* für Soli, Chor und Orchester von Grimm. Die Münstersche
Liedertafel, deren Ehrendirigent Grimm zuletzt gewesen, nachdem er aus Gesundheits-
rücksichten die Direktion niedergelegt hatte, Hess es sich an diesem Abend nicht nehmen,
das Programm durch einige Liedervortrlge zu bereichern. Die weiteren Konzerte des
Musikvereins brachten eine Wiederholung von „Tod und Verklarung*, diesmal aber weniger
gut vorbereitet wie vor zwei Jahren. In günstigerem Lichte präventierte sich Anton
Brückners vierte Symphonie, wlhrend man sich mit der Auffassung der Tannhluser-
Ouvertüre nicht einverstanden erkllren konnte. Mit der wohlgelungenen Aufführung des
deutschen Requiems von Brahma, in dem Frau Seiff-Katzmayr und Herr Sistermans als
Solisten mitwirkten, beschloss der Musikverein die Reihe seiner diesjährigen Konzerte.
Frau Dessoir-Triepel machte unser Publikum mit Liedern von Max Reger bekannt, die
zum Teil sehr beifUlig aufgenommen wurden. In dem Violinkonzert von Brahma hatte
Frl. Wietrowetz ihre Krlfte beinah überschltzt, wenigstens konnten wir uns des Eindrucks
nicht erwehren, dass sie die Grenze ihrer technischen Flhigkeiten streifte. Alle voraus-
gegangenen solistischen Darbietungen wurden durch den Vortrag dea Klavierkonzerts in
G-dur von Beethoven in Schatten gestellt, denn wieviel künstlerisch Reifes auch zuvor
geboten wurde, an Eugen d' Albert's geistvolle Auffassung reichte nichts heran. Ea wlre
nur zu wünschen, dass nicht 13 Jahre vergehen, bevor der Künstler wieder einmal als
Gast hier weilt Dr. Niessen wlfalte für aein Benefiz-Konzert Mendelssohns »Elias*. Die
Kammermusikabende der Herren Niessen und Grawert entsprachen nur zum Teil unseren
Erwartungen. Die Klaviersonate in f-moll von Brahms Hess das Poetische vermissen und
die Sonate in A-dur für Klavier und Violine von Grimm wurde zu oberflächlich behandelt
So lange es Dr. Niessen nicht möglich ist, sich am Flügel im Anschlag bedeutend zu
missigen, werden schöne Resultate nicht erzielt werden. Das wunderbare Trio op. 25
von Georg Schumann blieb durch den zu stark ausgeführten Klavierpart vollstlndig un-
klar. Mit grösserer Sorgfeit waren die Werke ohne Klavier einstudiert, abgesehen von
dem Streichquartett in g-moll von Haydn, das vollkommen entgleiste. Eine weitere
221
KRITIK: KONZERT
Kammermusikvereinigung hat sich seit einiger Zeit gebildet, die zu den schönsten Hoff-
nungen berechtigt, wenn sich die Herren noch mehr eingespielt haben.
Ernst Brüggemann.
NEW YORK: Die Uraufführung von Richard Strauss' „Symphonia Domestica«,
op. 53, fand unter persönlicher Leitung des Komponisten am 21. Mirz in Carnegie
Hall statt. Es war das dritte der von Strauss mit dem Wetzler-Orchester gegebenen
Pest-Konzerte. Für diese Gelegenheit war das Orchester noch bedeutend verstärkt
worden, da die Partitur z. B. Oboe d'amore, vier Saxophone usw. vorschreibt. Der
Erfolg des neuen Werkes war ein riesiger und, wie zu erwarten, ein verdienter. Es ist
bis an die lusserste Grenze getriebene Programm-Musik, die einen Tag aus dem Familien-
leben ihres Schöpfers beschreibt Vater, Mutter und Kind sind durch Leitmotive ge-
schildert, die natürlich weitestgehenden Veränderungen im Laufe der beinahe drei Viertel-
stunden wihrenden Tondichtung unterworfen sind. Trotz dieser Ausdehnung des Werkes
gibt es in der «Symphonia Domestica" nicht eine Minute Langeweile; im Gegenteil, ea
wird während der ganzen Dauer des Werkes die Aufmerksamkeit selbst solcher Leute,
die Gegner aus Prinzip sind, durch überraschende melodische, harmonische und rhyth-
mische Wendungen überaus stark gefesselt. Das sehr ausgesponnene Adagio ist von
überirdischer Schönheit; der Lirin, einen Familienzwist vermutlich über die Erziehung
des Kindes schildernd, übertrifft fast noch das Schlachtgetümmel im „Heldenleben".
Wundervoll ist das Motiv des Wiegenliedes; etwas schwer verständlich die Vater und
Mutter charakterisieren sollenden Motive. Ob es Strauss gelungen ist, seinem Programm
vollständig gerecht zu werden, ob die Musik fähig ist, Personen, Handlungen und Gegen-
stände mit absoluter Deutlichkeit zu malen, oder ob das Gebiet ihrer Ausdrucksfähigkeit
durch die Schilderungen von Gefühlen und Empfindungen begrenzt bleibt, das wird wohl
erst eine spätere Zeit endgültig entscheiden können. Abgesehen davon bleibt aber die
„Symphonie Domestica" gleich den übrigen Werken von Strauss ein Musikstück von
unbeschreiblichem Wert, das auch dem Freund und Verehrer absoluter Musik, als
welche Strauss sein letztes Werk aufgefasst wissen will, Genuss in Hülle und Fülle
bereitet. Arthur Laser.
NÜRNBERG: Das vierte Welngartner-Konzert brachte Haydns köstlich fein gespielte
Oxfordsymphonie, eine Suite Bachs (C-dur) und endlich die „Fünfte", deren Wieder-
gabe bis zum Schlusssatz in Mächtigkeit anstieg. Das letzte Konzert des Philharm.
Vereins war in der Hauptsache Liszt gewidmet: das Es-dur Konzert spielte Lamond,
ein gewaltiger Zeichner und minder bedeutender Kolorist Ein Wagnerabend am Klavier
bewies die Stillosigkeit, des Meisters Heldengestalten auf dem Podium In Frack und
Glaces zu sehen,' trotzdem ein Sänger wie Knote seine Stimm mittel in die Wagschale
geworfen hat, während Alex. Dillmann sich in seinem Obereifer, dem Klavier orchestrale
Wirkungen abzuringen, zu abstossenden Vergewsltigungen des Tasteninstruments hin-
reissen Hess. Die besten Konzerte bot endlich wie immer der Konzertmusikverein: im
dritten der Meistergeiger Marteau, im letzten die „Böhmen*. Dr. Fla tau.
PETERSBURG: Für die letzte Auffuhrung des St. Petri-Gesangvereins unter Prof. Ho-
milius' Leitung war Bachs „Johannes-Passion" gewählt worden. Die Chöre wurden
tadellos gesungen, insbesondere die Choräle. Die Solopartieen waren durch die Damen
Sarajewa (Sopran), Koljankowskaja (Alt) und die Herren Senius (Tenor) und Fiedler (Bass)
trefflich besetzt — Die zwei letzten Veranstaltungen der „Russischen Symphoniekonzerte" ent-
hielten mehrere interessante Werke: Ea-dur Symphonie von dem jungen Moskauer Kom-
ponisten Gliere, Suite aus der Oper „Die Nacht vor Weihnachten" von Rimsky-Korssakow»
Ouvertüre zu „König Lear" von Balakirew, Phantasie „Durch Nacht zum Licht" von
Glazounow u. a. Felix Blumenfeld und Nicolaus Tscherepnin dirigierten in angemessener
222
Weise. — Ferner seien noch zwei auf Allerhöchsten Befehl veranstaltete Orchester-
konzerte des Hoforchesters erwähnt Wir hörten u. a. Liszts „Hunnenschiachf, Glacounow's
»Krönungskantate«, Brahma' »Tragische Ouvertüre*, Richard Strauss' «Ein Heldenleben".
Die Pianistinnen Frau Ziese (Beethovens c-moll Konzert) und Baronesse von Buxhoevdea
(Tschaikowsky's b-moll Konzert) waren die gefeierten Solistinnen der beiden Konzerte,
in denen auch die Hofopernsingerin Nina Friede mehrere patriotische Lieder sang, unter
denen Cesar Cui's Ballade „Warjag* sich der begeistertsten Aufnahme erfreute. — Von
anderen Konzert- Veranstaltungen sind noch zu erwähnen: ein Liederabend Raimunds von
Zur Mühlen, ein Kirchenkonzert des .Crem y sehen Frauenchor 11 , in dem die Wieder-
gabe des Requiems von Kiel von hinreissender Wirkung war und ein Konzert des
Kammermusikvereins, das ausser Schuberts Quartett in a-moll und Brahma 9 Quintett
f-moll eine Novitlt brachte: ein Streichquintett von A. Winkler, dem die Kammermusik-
literatur so manches ausgezeichnete Werk verdankt. — Noch stehen uns drei Tschai«
kowsky-Konzerte des Berliner Philharmonischen Orchesters unter Arthur Nikisch in Aus-
sicht, mit denen unsere Saiaon einen würdigen Abschluss findet. Bernhard Wendel.
POTSDAM: In den Konzerten der «Philharmonischen Gesellschaft* (Leitung: Gustav
Kulenkampff) kamen im vergangenen Winter zur Aufführung: die zweite und dritte
Symphonie von Brahms, die fünfte Symphonie von Tschaikowsky, „Les Pr61udes* von
Franz Llszt, sowie F-dur Symphonie von Robert Radecke und Vorspiel zu „Mataswintha"
von Xaver Scharwenka, die beiden letzten von den Komponisten persönlich dirigiert
Von hohem musikalischen, wie historischen Interesse war eine Aufführung der verloren
geglaubten, kürzlich aber in Paris aufgefundenen sogenannten zweiten Pariser Sym-
phonie von Mozart. An der Echtheit dieser nur einsitzigen Symphonie dürfte kaum mehr zu
zweifeln sein und Gustav Kulenkampff hat sich durch Aufführung dieses Werkes ein
unbestrittenes Verdienst erworben. Von Singerinnen gastierten: Frau Blank- Peters,
Thessa Gradl', Paula Weinbaum, Tilly Erlenmeyer, Hertha Dehmlow, Agnes Leydhecker,
Anna Stephan, sowie der Tenorist Heinrich Bruns. Mit Klavier-Vorträgen erfreuten uns:
Professor Lutter und Frau aus Hannover, Fritz Massbach und Anton Foerster sowie
Minnie Coons. Mit Violin -Vortragen glänzten Frl. Pantheo, sowie die Herren Bernhard
Dessau, Fritz Borisch, Anton Witek, Florian Zajic, während wir Cello -Vortrüge von
Eugenie Stolz und den Herren Franz Borisch und Otto Hutschenreuter hören durften.
Auch des Kammermusikabends der Herren Exner, Dechert und Müller sei besonders
gedacht. H. E.
SCHWERIN: In der dritten Kammermusik im Konzertsaal des Hoftheaters erregte
das Mozartscbe Divertimento in Es-dur für Violine, Viola und Violoncell, das hier
zum ersten Male öffentlich gespielt wurde» besonderes Gefallen; auch das Beethovensche
Quartett in G-dur op. 18 No. 2 erfreute sich der gleichen Würdigung. Dr. Felix von Kraus
hatte in zwei eigenen Konzerten jedesmal einen vollen Saal. Im zweiten dieser Konzerte
wirkte Adrienne von Kraus-Osborne mit, den Vortrügen eine interessante und an-
genehme Abwechslung bringend. Fr. Sothmann.
STOCKHOLM: Die Orchester-Konzerte sind in der letzten Zeit seltener geworden.
Eine neugebildete philharmonische Gesellschaft hat mit dem dlnischen Kapellmeister
Rung als Dirigenten einen Orchester- und Chorabend mit Dvottks »Die Geiaterbraut*
und Gades „Balders Traum" veranstaltet Sowohl Orchester als Chor zeigten eine be-
merkenswerte Frische und Kraft. Ausserdem gab es ein Konzert des Konzertvereins
mit Peteraon-Bergers symphonischer Dichtung „Baneret* und Lange-Müllers Suite „Weyer-
burg*. Solistenkonzerte haben wir in Menge gehabt. Schliesslich wollen wir der drei
stimmungsvollen und herrlichen Konzerte gedenken, die Edvard Grieg gegeben.
Tobias Norlind.
223
KRITIK: KONZERT
STUTTGART: Das letzte Konzert der Hofkapelle fiel dem, wenn ich es aussprechen
darf, berechtigten Kampf gegen die Konzertsteuer zum Opfer; es bitte Brückners
neunte Symphonie bringen sollen. Der Neue Singverein führte Enrico BossFs „Hohes
Lied" auf: ein Beweis der Vorurteilslosigkeit seines Dirigenten Prof. Seyffardt Die
»Winterreise* von Schubert war das Programm des denkwürdigen Abends, den Wüllner
veranstaltete. Zwei Kammermusikkonzerte scheinen mir bedeutsam: die „Böhmen*
brachten Smetana's herrliches e-moll Quartett und Konzertmeister Wendung das in
cis-moll von Sgambati. Dr. K. Grunsky.
TEPLITZ-SCHÖNAU: Im fünften philharmonischen Konzert sang Frau Mysz-Gmeiner
mit ausgezeichnetem Erfolg; im sechsten musste sich der Solist, Kammersinger
Giessen, wegen plötzlicher Heiserkeit auf die Mitwirkung im Soloquartett des »Tedeum*
von Brückner beschrlnken. Am selben Abend gelangte Brückners Neunte zur Auf-
führung, nicht so gewalig wirkend, wie man erhofft hatte. Es lag vornehmlich an der
Interpretation; das Orchester vermochte das Werk nicht ganz zu bewältigen. Jedoch
auf der gewohnten Höhe der Leistungsfähigkeit zeigten sich sowohl Dirigent wie
Orchester in Beethovens »Zweiter* wie in der »Fünften*, welch letztere im Pensionsfond-
konzert des Kurorchesters zur Wiedergabe kam. In diesem Konzert wurde auch Wilden-
bruch-Schillings' »Hexenlied" aufgeführt, das trotz seines Zwittercharakters einen tiefen
Eindruck hinterlassen hat. Einen schönen Abend bereitete uns das Brüsseler Streich-
quartett; ein Hugo Wolf-Abend mit Agnes Pricht-Pyllemann war den Manen des grossen
Liedermeisters geweiht; das Orchester spielte die »Italienische Serenade* und die
»Penthesilea*. Unsere Volkskonzerte, von dem Dirigenten der Kurkapelle, Franz
Zeiscbka, ins Leben gerufen — während die »Philharmonischen* Dr. Stradal und
Dr. Schiepeck veranstalten — haben sich eingebürgert und übten grosse Anziehung
aus. Programm: Jedesmal eine Symphonie, ein Instrumentalsolo (mit Kräften der Kur-
kapelle) und sonst noch ein bis zwei Stücke guter Herkunft Sogar zwei Uraufführungen
sind zu verzeichnen: eine symphonische Dichtung »Sehnsucht* von Arthur Willner und
ein Klavierkonzert von Theodor Blumer. In Aussicht steht für April noch ein Besuch
des Mozartvereins aus Dresden. Anton Klima.
ZÜRICH: Die populären Symphoniekonzerte standen auf gleicher Höhe und erfreuten
sich gleichen Besuches wie die Abonnementskonzerte. Paderewski erreichte so
ziemlich den Superlativ des Beifalls, der bei uns möglich ist Als ganz neue und voll-
wichtige Erscheinung verdient die Trio-Vereinigung der Musik-Akademie Zürich eine
ehrenwerte Erwähnung in diesen Spalten. Aus teilweiser Zurückhaltung wurde ein-
stimmige Begeisterung, da überdies der Tenorist Knote mit Wagnernummern das
interessante Programm der Herren Berr, Heuer und des sich brillant einführenden
Geigers Prof. Drucker unterstützte. Karfreitag gelang Beethoven »Missa solemnis"
dem Nachfolger Hegars, dem blutjungen Andrea, so tadellos, dass das mächtige Werk
die Zuhörer förmlich überwältigte. W. Niedermann.
ANMERKUNGEN ZU
UNSEREN BEILAGEN
Zu Fortsetzung 4 der Essays über moderne Klavieristeh von Rud. M. Breithaupt gehört
das Bild von Teresa Carreüo, mit dem wir unsere Beilagen diesmal beginnen.
In den Monat Mai fallen die Geburtstage einiger llteren Meister des Klaviers,
deren Porträts unter den heutigen Beilagen sich finden:
Am 12. Mai 1814 wurde zu Schwabach in Bayern der eminente Pianist Adolph Henselt
geboren, ein Komponist gehaltvoller Klavierstücke. Seine eigentümliche, durchaus
individuelle Spielweise erregte seinerzeit das grösste Aufsehen. 1838 nahm er
definitiv Aufenthalt in Petersburg, wo ihm mannigfache Ehren zuteil wurden und
starb am 10. Oktober 1889 zu Warmbrunn in Schlesien.
Kurz vor Saisonschluss Hess sich in Berlin eine Kammermusikvereinigung hören, deren
Leistungen uneingeschränkte Bewunderung fanden: das Pariser Quartett der
Herren Hayot, Touche, Denayer und Salmon, deren Porträts wir auf dem
folgenden Blatt veröffentlichen. Es verdient besonders hervorgehoben zu werden,
dass die französischen Künstler ihr Programm ausschliesslich mit Werken
deutscher Meister bestritten und hierbei ein bei Romanen geradezu erstaunliches
Verständnis für germanische Eigenart bekundeten.
Am 30. Mai sind 1 10 Jahre seit der Geburt des ausgezeichneten Pianisten und Kompo-
nisten Ignaz Moscheies vergangen. Schüler von Dionys Weber in Prag, kon-
zertierte er bereits mit 14 Jahren, studierte später bei Albrechtsberger und Salieri
in Wien, wo er auch Beethoven näher trat, der ihn mit der Abfassung des Klavier-
auszugs des „Fidelid" betraute, und Hess sich 1821 in London nieder. 1866 siedelte
er nach Leipzig über, wohin ihn Mendelssohn als Lehrer des höheren Klavierspiels
für das neubegründete Konservatorium berufen hatte. Er starb am 10. März 1870.
Unsere Reproduktion ist nach einem Stahlstich von Carl Mayer-Nürnberg ge-
fertigt
Die Reihe unserer Kunstblätter setzen wir heute mit einer Reproduktion der „Heiligen
Cäcilie* von Peter Paul Rubens fort, deren Original sich in der Kgl. Gemälde-
galerie zu Berlin befindet.
Der 15. Mai ist der Geburtstag Stephen Hellers (1814). Ein vortrefflicher Klavierspieler,
ist er besonders als Schöpfer einer Reihe geistvoller, poetischer Stücke für Piano-
forte bemerkenswert, von denen seine ausgezeichneten Etüden am bekanntesten
sind. In Pest geboren, studierte er in Wien, lebte von 1830—1848 in Augsburg,
von dieser Zelt an in Paris, wo er als Konzertspieler und Lehrer zu grossem
Ansehen gelangte. Er ist am 13. Januar 1888 gestorben. Das Porträt ist nach
einer Lithographie von Feckert angefertigt.
Unsere diesmalige Notenbeilage gehört zum Aulsatz „Patriotische Lieder Schottlands"
von Fritz Erckmann und bietet uns ein hübsches Beispiel der charakteristischen
schottischen Volksmusik.
Nachdruck nur mit ausdrücklich« Erlaubnis das Verlages gestattet
Alle Rechte, insbesondere du der Übersetzung, vorbehalten.
für die Zorücksendung unverlangter oder nicht angemeldeter Manuskripte, falls ihnen nicht genügend
Porto beiliegt. Übernimmt die Redaktion keine Garantie.
Verantwortlicher Schriftleiter: Kapellmeister Bernhard Schuster
Berlin SW. 11, Luckenwalderotr. 1. III.
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* 12. MAI 1814
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IGNAZ MOSCHELES
# 30. MAI 1794
DIE HEILIGE CÄC1LIE
Nach dem Gern II de von
PETER PAUL RUBENS
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STEPHEN HELLER
#13. MAI 1814
ZWEI PATRIOTISCHE
SCHOTTISCHE VOLKSLIEDER
mifgetei^ und mW einer
Klavierbegleitung versehen
FRITZ ERCKMANN
I.
HINWEG, WHIGS VCW HIER
Andante maestoso.
wegl Hin - weg, Whigs, hin - weg! Ihr seid nur. ein Ver - rä - ter-paek, nichts
t — . ,— . 1 , Ö.
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Ein klei - ner Vo - gel kam zur Tür und
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Karl der kehrt nicht wie- - der? Und wenn ich lauscht? dem Vo - gel- sang, die
Tra - nen fie - len nie - - der$ Ich nahm die Mü - tze ab, denn er, mein
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Kö - nig, kommt nicht wie - - der.
Bttoh n. Orneki Berliner Masikallec Dr«eker«l G.m.b.H. Ckftiiottentmrg.
DIE MUSIK
TONKÜNSTLER-FEST-HEFT
Die Hauptaufgabe des Künstlers zu jeder Zeit ist das
Beharren in seiner inneren Oberzeugung des Guten
und des Besten und die konsequente Ausbildung und
Durchführung derselben.
Liszt an Smetana
III. JAHR 1903/1904 HEFT 16
Zweites Maiheft
Herausgegeben
von Kapellmeister Bernhard Schuster
Verlegt bei Schuster & Loeffler
Berlin und Leipzig
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DIE MUSIK
TONKÜNSTLER-FEST-HEFT
Die Hauptaufgabe des Künstlers zu jeder Zeit ist das
Beharren in seiner inneren Oberzeugung des Guten
und des Besten und die konsequente Ausbildung und
Durchführung derselben.
Liszt an Smetana
III. JAHR 1903/1904 HEFT 16
Zweites Maiheft
Herausgegeben
von Kapellmeister Bernhard Schuster
Verlegt bei Schuster & Loeffler
Berlin und Leipzig
ÄAMQE.B,.
Zum 40. Tonkünstler-Fest
des Allgemeinen Deutschen Musikvereins
in Frankfurt a. M.
Jean Chantavoine
Die Operette »Don Sanche". Ein verloren geglaubtes
Werk Franz Liszts.
Prof. Dr. Wolfgang Golthcr
Briefe Richard Wagners zum
Pariser »Tannhäuser*.
Umschau.
Anmerkungen zu unseren Beilagen.
Kunstbeilagen.
Musikbeilagen.
Anzeigen.
DIE MUSIK erscheint monatlich zwei Mal. Abonnements-
preit ffir das Quartal 4 Mark. Abonnementspreis für den
Jahrgang 15 Mark. Preis des einzelnen Heftes 1 Mark.
Viertel)ahrselnbanddecken a 1 Mark. Sammelkasten ffir die
Kunstheilagen des ganzen Jahrgangs 2.50 Mark. Abonnements
durch jede Buch- und Musikalienhandlung, für kleine Plätze
ohne Buchhändler Bezug durch die Post: No. 5355a
II. Nachtrag 1903.
ZUM 40. TONKÜNSTLER-FEST
DES ALLGEMEINEN DEUTSCHEN
MUSIKVEREINS IN FRANKFURT A. M.
PROGRAMM:
I. Freitag, den 27. Mai, abends, Frankfurter Opernhaus:
»Der Bundschuh." Oper in 3 Akten. Dichtung von Otto Erler. Musik
von Waldemar von Baussnern. (Uraufführung.)
Festau fführung, dargeboten von der Intendanz. Leiter der Aufführung: Intendant
Jensen. Musikalische Leitung: Kapellmeister Dr. Kunwald.
IL Samstag, den 28. Mai, abends 7 Uhr im grossen Saale des Saalbaues
1. Orchesterkonzert:
1. »Johannisnacht". Symphonische Dichtung von August Reuss.
2. »Ruhm und Ewigkeit". Vier Gesänge mit Orchester nach Fr. Nietzsche
von E. N. von Reznicek. (Ejnar Forchhammer.) (Uraufführung.)
3. Symphonische Phantasie für grosses Orchester von Bruno Walter.
• (Uraufführung.)
Pause.
4. Konzert für 2 Violinen mit Orchester (d-moll op. 9) von Hermann
Zilcher. (Hugo Heermann und Emil Heermann.)
5. a) „An Schwager Kronos" (Goethe) für Bariton und Orchester von
Alfred Schattmann. (Uraufführung.)
b) »Die Heinzelmännchen" (A. Kopisch) für Bass und Orchester
von Hans Pfitzner (op. 14). (Anton Sistcrmans.)
6. „Schwermut-Entrückung-Vision." Symphonische Phantasie für
grosses Orchester, Orgel, Tenorsolo und Chortenor von Volkmar
Andreae. Nach einer Dichtung von W. Schädelin. (Ludwig Hess.)
Vormittag 10 Uhr: Hauptprobe.
III. Sonntag, den 29. Mai. Vormittags 10 Uhr im grossen Saale des Saal-
baues 1. Künstlerkonzert (Kammermusik):
1. Streichquartett (d-moll op. 74) von Max Reger. (Uraufführung.)
(Hugo Heermtnn, Adolf Rebner, Fritz Bassermann und Hugo Becker.)
16*
228
DIE MUSIK III. 16.
2. „Herbst". Ein Liederzyklus mit Klavier von Theodor Müller-Reuter,
(Uraufführung.) (Anton Sistermans und der Komponist)
3. Klavierstücke:
a) Präludium und Humoreske (op. 56) von Hugo Kau n.|
b) Impromptu (op. 40) von E. Heuser. /(Vera Maurina.)
c) Capriccio alla Polacca (op. 10) von Felix vom Rath. )
4. „Worpswede". Stimmungen aus Niedersachsen, gedichtet von Franz
Diederich, für mittlere Singstimme, Violine, englisch Hörn und
Klavier (op. 5) von Paul Scheinpflug. (Anton Sistermans, Hugo
Heermann und der Komponist)
5. Serenade für 15 Blasinstrumente (op. 7) von Walther Lampe.
(Uraufführung.)
Nachmittags: Ausflug nach Heidelberg. Abends in der neuen Heidelberger Stadt-
halle Konzert, ausgeführt vom verstärkten städtischen Orchester und dem Bach-
Verein, unter Leitung von Prof. Dr. Phüipp Wolfrum:
1. „Das Leben ein Traum". Symphonische Dichtung von Friedrich
Klose. (Emil Gerhiuser.)
2. „La vie du pofcte" (Dichterschicksal). Symphonie-Drama für Chor, Soli
und Orchester von Gustave Charpentier. (Winnie Nast und Emil
Gerhiuser.)
IV. Montag den 30. Mai, Abends 7 Uhr im grossen Saale des Saalbaues
2. Orchesterkonzert:
1. »Wieland der Schmied*. Symphonische Dichtung von Siegmund
von Hausegger. (Uraufführung.) •
Pause.
2. „Gloria". Ein Sturm- und Sonnenlied. Symphonie in einem Satze für
grosses Orchester, Orgel und Schlusschor von Jean LouisNicode.
(Uraufführung.)
Vormittag 10 Uhr: Hauptprobe.
Nachmittags 3 Uhr im kleinen Saale des Saalbaues: Hauptversammlung
des A. D. M.-V.
V. Dienstag den 31. Mai, vormittags 10 Uhr im kleinen Saale des Saal-
baues 2. Künstlerkonzert (Kammermusik):
1. Sonate für Violine und Klavier (e-moll op. 30) von Ludwig Thuille. (Ur-
aufführung.) (H. Marteau und der Komponist)
2. Lieder und Gesänge von Wilhelm Rohde, Ludwig Hess, Hans
SommerundPhilippWolfrum. (Minnie Nast und Ferdinand Schleicher.)
229
TONKÜNSTLER-FEST IN FRANKFURT
3. Klavierquintett (Des-dur op. 5) von Dirk Schäfer.
(Heermann-Quartett und der Komponist.)
Nachmittags: Ausflug nach Mannheim. Abends dort Festaufführung im Hof- und
National theater, dargeboten von der Intendanz, unter musikalischer Leitung von
Hofkapellmeister W. Kaehler:
„Die Rose vom Liebesgarten u . Romantische Oper in 2 Akten, mit
Vor- und Nachspiel. Dichtung von James Grün. Musik von
Hans Pfitzner.
VI. Mittwoch, den 1. Juni, Abends 7 Uhr im grossen Saale des Saalbaues
3. Orchesterkonzert:
1. Gemischte Chöre mit Orchester:
a) „Totentanz" (Goethe) von Wilhelm Berger.
b) „Totenklage 44 (Schiller) von Georg Schumann.
c) „Hymnus der Liebe 44 von Heinrich Zoellner. (Anton Sistermans.)
Pause.
2. Sinfonia domestica (op. 53) von Richard Strauss. (Erste Auf-
führung in Europa.)
Vormittag 10 Uhr: Hauptprobe.
Festdirigent ist Kapellmeister Siegmund von Hausegger.
Die Herren Andreae, Nicod6, von Reznicek, Dr. Strauss und Walter werden
die Aufführung ihre Werke selbst leiten.
DER BUNDSCHUH
Drama aus den Bauernkriegen in 3 Aufzügen
Dichtung von Otto Erler
Musik von Waldemar von Baussnern.
Eine Episode aus den Bauernkriegen — die Erstürmung des Helfcnsteiner
Schlosses durch die Bauern und der Untergang des Grafen von Helfenstein — ist
bestimmend für die Handlung des Dramas. Graf Ludwig von Helfenstein erscheint
als Vertreter jener starren und harten ritterlichen Anschauung, die in dem Bauern
nicht mehr als den Sklaven sah, der jeder Herrenlaune willenlos unterworfen war.
So empfingt Graf Helfenstein (1. Aufzug) mit seinen Standesgenossen bei Tafel
sitzend die hungernden Bauern, die ihn um Erlass unerschwinglicher Steuern angehen.
Mit eben der Selbstherrlichkeit, mit der er die Bauern fortjagt, hilt er die junge Hof-
mlnnin, die für ihren Vater zu bitten kam, gewaltsam im Schlosse zurück. Doch
hier erfährt er den ersten Widerstand von Seiten seines um vieles jüngeren Bruders
Hans, der von Luthers und Huttens Geist beseelt, für daa Menschenrecht der Bauern
eintritt. Nur hat Hans nicht die Macht, der Hofmftnnln oder den Bauern zu helfen,
er muss sich selbst von dem jähzornigen Bruder aus dem Saal weisen lassen und
mit ansehen, wie die Bauern, die nach dem Verlassen des Schlosses das Bundschuh-
lied singend von dannen ziehen, zur Strafe dafür von den Rittern wie das Wild vom
JIger gehetzt werden.
230
DIE MUSIK HL 16.
Den Bittgang nach dem Helfensteiner Schlotte hatten nur alte Bauern — unter
ihnen der friedliebende Dorfllteste — und Weiber mitgemacht, die waffenfihige
Mannschaft des Dorffet (Schwarzenbach) war, nur der Selbsthilfe noch vertrauend,
unterdessen int Hohenlohetche hinübergezogen, nm sich mit den Bauern, die dort
den Bundschuh ausgehangen hatten, zu offenem Widerstand zu verbünden. Beide
Parteien, die Greise und Weiber wie die Waffenflhigen werden nun (2. Antrag) von
zwei Weibern des Dorfes zurückerwartet. Als erster erscheint der Dorflltette, von
den Weibern mit der Nachricht empfangen, daat sich der Vater der Hofminnin, um
dem Schuldturm zu entrinnen, am Morgen im Dorfbrunnen ertrinkt habe. Gleich
darauf kehren auch die waffenfähigen Bauern ina Dorf zurück, an ihrer Spitze Jicklein
Robrbach, der aie durch die Botschaft, dsss der Truchseaa von Waldburg gegen die
Bauern rüste, zum schnellen Angriff auf Schiott Helfenstein anzutreiben sucht. Aber
die Bauern aind noch unschlüssig, teilweise auch unzufrieden mit dem »fremden*
Hauptmann Jicklein und so hat et der Dorflltette verhältnismässig leicht, Jickleins
Plan zu durchkreuzen. Erbittert will sich Jicklein von den Bauern trennen, da reitet
Hana von Helfenstein ins Dorf.
Er bringt die Hofminnin, die der Graf am Morgen von sich gelassen hat und
die Hana hilflos am Wege liegen fand. Durch Hans' und der Bauern Bemühungen
wird sie int Bewusstsein zurückgebracht Ihr erster Gedanke ist die Not des Vaters.
Hans soll ihr helfen. Der beruhigt sie und will gleich mit ihr zu ihrem Vater, da
sagt ein Weib des Dorfes, waa am Morgen geschehen ist Die Hofminnin bleibt
aufrecht unter diesem letzten, furchtbarsten Schlag, aber all ihr Gefühl erstarrt und
nur der Gedanke, Vergeltung zu üben, bleibt lebendig in ihr. Und die wilde Kraft
ihret Rachegedankens bewirkt, waa Jickleins Beredsamkeit nicht vermochte: die
Bauern scharen aich in loderndem Fanatismus um sie, als sie zum Zug nach dem
Helfenstein aufruft Vergebens suchen Hans und der Dorfälteste sie zurückzuhalten.
Sie werden unter Hohn- und Schimpfworten von den Bauern beiseite gedringt Der
Hofminnin nach, die, das Bauernzeichen in der erhobenen Hand, vor der Schar her-
schreitet, ziehen die Bauern das Bundschuhlied singend hinaus in die Nacht
Ala der Morgen graut (3. Aufzug), ist das unmöglich Scheinende getan. Schlots
Helfenstein ist in den Hinden der Bauern und geht in Rammen auf! Weiber des
Dorfes, die ein durch die Hofminnin gerettetes Kind in Sicherheit bringen, ver-
künden das Nahen der Bauern mit dem gefangenen Grafen von Helfenstein. Auf
dem Buchwiesengrund sammelt sich ein Teil der Bauern mit der Hofminnin, um
über den Grafen Gericht zu halten. Auge um Auge, Zahn um Zahn toll ihm ver-
golten werden. Alle haben tie Jammer und Not, keiner Gutes von ihm erfahren. Er
wird des Todes schuldig gesprochen. Ehrlosen Tod unter den Spieseen der Bauern
soll er erleiden. Der Graf schickt sich, die Bauern verächtlich musternd, zum letzten
Gange an. Da ertönen Trompetensignale. Die Bauern stutzen. Sollte das schon der
Truchsets mit den Reisigen sein? Es ist Hans von Helfenstein mit einem Trompeter.
Aber der Trachtest von Waldburg reitet wirklich mit 500 Reitern auf das brennende
Schloss zu. Hans sieht, waa die Bauern mit dem Bruder vorhaben, aber er glaubt
nicht, dass die Hofminnin et zugeben werde. Da befiehlt die Hofminnin die Voll-
streckung des Urteils. In Jiher Angst fillt Hans vor ihr nieder und fleht um seines
Bruders Leben. Die Hofminnin wendet sich ab. Hana ruft den Bauern zu, dass der
Truchsess nahe sei und sie alle verderben werde. Die Bauern glauben ihm nicht
Der Graf wird in die Spiesse getrieben und fillt in trotziger Todesverachtung. Haut
würde dasselbe Schicksal erleiden, wenn nicht die Hofminnin ihn schützte. Sie sichert
ihm freiet Geleit Alt er wortlos und starr gradeausblickend sich zum Gehen
231
TONKÜNSTLER-FEST IN FRANKFURT
wendet, ertönen vielstimmige Fanfaren durch den Morgen. Der Trucbaess mit den
500 reitet an. In wilder Rachefreude will Hans ihnen entgegen, da fällt sein Blick
auf die Hofmlnnin, die mit ihrem Häuflein Bauern dem Tode geweiht dasteht. Hans
will sie retten, aber sie weist ihn fort. Sie steht und fällt mit den Ihren. Er wird
sie auch mit dem Schwert nicht dem Leben zurückgewinnen, wie er ihr scheidend
verheisst Die Reiter des Truchsess brausen heran. Der Boden dröhnt unter den
Hufen der Rosse. Das Häuflein Bauern wird im ersten Anprall überritten werden.
Aber todesmutig und ritterebenbürtig in ihrer letzten Stunde umdringen die Bauern
die Hofmlnnin. Ihre Hand hebt das Bauernzeichen noch einmal hoch empor. Das
erste Frührot strahlt darüber bin ...
Hans von Helfenstein wird leben bleiben, ein Jüngling, der in den schmerz-
vollen Erfahrungen der letzten drei Tage schnell innerlich zum Mann geworden ist.
Er wird fortan sein Rittertum nicht verleugnen, aber er wird dem Bauern die Hand
reichen als einem Manne, mit dem er auf gleichem Grunde schaffen kann. E.
Die musikalischen Hauptmotive des Werkes sind:
I. Stimmungsmotiv des ersten Aufzuges.
Robust.
II. Mol
Sehr wuchtig»
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III. Motiv des Hans von Helfenstein
Mit grosser Empfindung.
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IV. Zinkenmarsch des Nonnenmachers (im ersten Aufzuge vor den Rittern und im
dritten Aufzug zur Hinrichtung des Grafen von Helfenstein).
232
DIE MUSIK IIL 16.
Rahig.
V. Motiv der Not.
VI. Bundschuh-Lied.
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VII. Motive der Bauern-Szene des zweiten Aufzuges,
a) Sehr schnell. b) Kraftvoll, ruhig.
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Feierlich.
VIII. Motiv der Anklage.
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IX. Motive der Gerichte-Szene,
a) Mit ganzer Wucht b)
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233
TONKÜNSTLER-FEST IN FRANKFURT
JOHANNISNACHT
Tondichtung für Orchester op. 19
von August Reuss.
Orchesterbesetzung: 3 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 4 Hörner,
2 Trompeten, 2 Tenorposaunen, 1 Bassposaune, Basstuba, Pauken, Triangel, Becken,
Harfe, Streichorchester.
Die Anregung zu dieser Tondichtung, die Herrn Professor Ludwig Thuille
zugeeignet ist, hat der Komponist aus dem dritten Abenteuer der Klostermlrchen-
Dichtung »Bruder Rausch" (3. Aufl. Stuttgart 1889) von Wilhelm Hertz (1835—1902)
empfangen. Ein Elbe weckt dort in der Johannisnacht mit seiner Zaubergeige alle Lebe-
wesen und ▼ersetzt sie in einen Liebestaumel.
I. »Anhebt sie leis und leise die heil'ge Eibenweise; sie bebt hinaus durch Berg
und Flur, der Hochzeitsreigen der Natur.« — Missig J — 68. Fis-dur. s / 4 . 68 Takte.
— Ober dem Pizzicato der Kontrabisse und harmonisch gestützt durch die Pianissimo-
Klinge von Klarinetten, Fagotten, Hörnern und Bratschen intoniert die Solo-Violine
die »Eiben weise":
Solo-Violine.
1. a) b)
Bisse pizz. Cis Gis Cis Gis Cis
auf der Dominant von Fis-dur. Sequenzartige Steigerung führt zu drei Ruhepunkten:
zuerst auf dem H-dur-Drelklang; dann auf dem Terzquartakkord über B und schliesslich
auf dem Sekundakkord über C, der nach enharmonischer Umdeutung in his-d-fis-a
Fis-dur wieder erreichen Usst. Zu dem ersten Thema gesellt sich in den Holzbllsern
ein kleines
Klar.
FW*
Motivchen, das splterhin grosse Bedeutung gewinnt. —
II. »Ein süsser Schreck durchzuckt die Nacht. Was schüft und atmet, das er-
wacht Die Vöglein in des Nestes Ruh', sie schütteln sich und hören zu. Der Eich-
wald stillt sein Rauschen und alle Wesen lauschen." — Ein wenig bewegt J — 104
Fis-dur. "/•• 28 Takte. — Ein Scherzando-Motiv taucht zuerst abwechselnd in den
Violoncelli und Fagotten auf, umspielt von dem leiten Murmeln
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Viol., Br., Kl.
234
DIE MUSIK III. 16.
der Klarinetten and Bratschen, Pianissimo-DreiUängen der gedämpften Violinen, heim-
lichen Harfenglissandi und dem Zwitschern und Trillern der Oboen and Flöten. Die
kaum berührte Tonart wird in nirgend sich festsetzender Sequenz-Modulation sofort
wieder verlassen. Zu dem Scherzando-Motiv tritt eine aufsteigende Tonleiterfigur, die
von nun ab als Steigerungsmotiv zu fungieren hat. Zuerst in der Solovioline taucht
auch das erste Motiv (la) der Eibenweise wieder auf. Der Takt wechselt zwischen •/•
und xt /s. Die Eibenweise erscheint in der Solo-Violine vollständig und ein zögerndes
Decrescendo und Ritardando fuhrt zur Haupttonart zurück.
III. »Da wichst der Klang mit Zaubermacht wie Sturmgesang der Frühlingsnacht.
Und alle Blumen öffnen sacht des Blltterschosses zarte Pracht, und süsse Wohlgerüche
schwellen der Lüfte sanft erregte Wellen. Gleich Wölkchen steigt der Bienen Zug,
ein Schwärmen auf im Hochzeitsflug, Waldvöglein heben goldnen Schall, die Lerche
mit der Nachtigall ..." — Sehr bewegt J — 128. Fis-dur. s / 4 . 104 Takte. — Die Durch-
führung der «Eibenweise* (1), die auch Motiv 2 heranzieht, erreicht zunächst Es-dur,
auf dessen Dominant der Scherzando-Lockruf (3) sich wieder einstellt, kombiniert mit
Motiv 2 und 1 a. In der Folge drängt sich 1 b an des letzteren Stelle, das mit Motiv 2
und begleitet von der aufsteigenden Tonleiterfigur in immer mächtiger anwachsender
Steigerung die Kulmination in einem 36 taktigen Orgelpunkt auf As herbeiführt
IV. »Mit allberauschender Gewalt ergreift die Weise jung und alt und reisst sie
foit im Siegerschritt . . . Und horch, die Weise ruft zum Tanz! Verzaubert muss
sich alles drehen; kein Halten gibt's, kein Widersteh'n. Das scherzt, wie Bräutigam
und Braut, neckt, flieht und hascht mit Jubellaut, um sich in lauschigen Revieren,
in dunklen Lauben zu verlieren.* — Lebhaftes Walzerzeitmass. J. — 68. Des-dur.
*/«• 150 Takte. — Ein aus der Eibenweise herausentwickeltes Thema liegt dem Walzer
zu Grunde,
Ob., Kl., Hrn.
4. Str. ^ ^ 1 ^ J-
Bisse: J Es As \ As As Des As F E —
Bisse : J Es As
Fsg. u. B.
auf dessen 20 taktige Reprise ein kurzes Trio in A-dur folgt, dem der Lockruf (3)
und die wenig veränderte Eibenweise (1) das motivische Material liefern. Es folgt eine
Durchführung des Walzers, auf deren Höbepunkt (Dominant von Des mit der Tonika
im Bass) Motiv 1 b in den Flöten und 2. Violinen zusammen mit seiner Augmentation
in den Hörnern dem Walzerrhythmus sich zugesellt. — «Nur noch ein einziger Ton
erscholl, der süss und immer süsser schwoll, bis alle Sinnen und Gedanken in ihm
versanken und ertranken.* — Von dem Dominanrakkorde über Des ist die Septime
Ces, während alles andere allmählich erstirbt, lang gezogen in den Violinen allein noch
geblieben und führt, enharmonisch in H verwechselt, nach G-dur.
V. »Und sieh, da wallt die Königin, Frau Minne durch die Mondnacht hin, sie
segnet mild die ärmste Stätte, weiht Jedes Blatt zum Hochzeitsbette . . ." — Ruhig.
J =■ 56. G-dur. */*. 35 Takte. — Die Streicher, denen sich bald Holzbläser und Hörner
zugesellen, singen die motivisch dem ersten Thema angehörende, süsse Melodie der
Minnekönigin
235
TONKÜNSTLER-FEST IN FRANKFÜRT
die sich nach einiger Zeit zu der Haupttonart Fis-dur zurückwendet.
VI. „Sacht glitt der Mond dem Walde zu, und Tal und Hügel kehrt zur Ruh'.
Die Rose, üppig aufgeblüht, die Lilie neigt sich schlummermüd'. Da taumeln aus
den Kelchen verschlungene Libellchen. Es regnen Käfer liebesmatt wie Tropfen Gold
von Blatt zu Blatt Die Vöglein stecken wieder die Kopflein ins Gefieder. Nun huscht
der Träume Schattenschwarm und Lieb' entschläft in Liebesarm. Nichts wacht mehr
als der Sternenreigen, der wandelt fort in sel'gem Schweigen." — Sehr ruhig. J ■» 52.
Fis-dur. 8 /*« 60 Takte. — Zu dem stufenweise abwärts steigenden Gesang der 1. und
2. Violinen bringen die Klarinetten Motiv 2, die Solo-Violine eine Modifikation der Eiben-
weise. Die Käfer und Libellchen taumeln mit Motiv 3 daher, und la führt immer
mehr verklingend zum Schluss. Rudolf Louis.
RUHM UND EWIGKEIT
Gedicht in vier Abteilungen von Friedrich Nietzsche
für eine Tenorstimme mit Begleitung des grossen Orchesters
von E. N. v. Reznicek.
Eine wilde Naturszene, das Zucken der Blitze, das Rollen des Donners wird
in No. 1 geschildert; der ganze Berg erbebt — Zarathustra flucht. Schmerzlich-ver-
achtungsvolle Ironie ist der Inhalt von No. 2. No. 3 führt uns in reinere Sphären.
Vision. Grosse Steigerung zum triumphalen Eintritt des Hauptthemas, direkt über-
leitend in No. 4. — Abklärung und Verzückung.
Alle vier Teile sind auf dem Hauptmotiv:
Sehr breit und ruhig.
Hörn -*'
Motiv
E. N. v. Reznicek.
SYMPHONISCHE PHANTASIE 1 )
von Bruno Walter.
Die breit angelegte Einleitung beginnt mit dem zweimal gesteigert wiederholten
') Der Titel let, nach dem Gefühl des Komponisten, einer Arbelt nicht ganz angemessen, die auf Grund
der Form am ehesten „Symphonischer Satz" zu nennen wlre — eine Bezeichnung, die aber In ihrer Farbloslg-
236
DIE MUSIK IIL 10.
Mit höchster Energie
A. (Trompeten.) ^)» J|. cfasfc
aus dem sich ein energisch fortschreitender Satz entwickelt, plötzlich unterbrochen
durch eine, dem Motiv:
A A
u
B. (Posaune und Tnba.) ^ JM » \j &E
7/
^#
-9-
folgende Stelle von düster zögerndem Charakter:
C. (Bassklar. £
u. Hörner.)
s
1r' r r f
espr.
die zu einer Art Kanon führt, dessen Thema:
Gemessen
usw.
mit Motiv A verwandt ist. Eine grosse Steigerung erreicht den Höhepunkt der Ein-
leitung, wo dem wiederholten Andringen des Motivs A, in höherer Lage von Trom-
peten FF geblasen, endlich ein wilder Ezzess folgt, der in rascher Entladung hinab-
stürzt und mit grosser Energie FF abgeschlossen wird; leise intoniert über pp Trom-
peten-Akkorden die Hoboe Motiv C in etwas verlnderter Form, das eine Solo- Violine
beantwortet mit:
usw.
welches Motiv später einen Teil des zweiten Themas bildet Nach einem längeren
Monolog des Englisch Hörn schliesst die Einleitung pp ab, und es beginnt der Haupt-
satz mit folgendem Thema:
keit so gut wie gar keine ist und daher durch eine andere ertettt wurde, die Ober den Charakter des Werkes
etwas mehr auszusagen schien.
237
TONKÜNSTLER-FEST IN FRANKFÜRT
Ruhig beginnend
F. (Quartett.)
espr. % v *p
w
%s^
r
r
usw.
Mit dem Motiv
G.
>±LMi±
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22:
l
usw.
beginnt eine breite Entwicklung und Steigerung des Themas, die erst in einem zweiten
Thema ihren Kontrast findet:
H. (Hoboe.)
* Ifi
j jj j|j -j
1
P
s~a
ff
klagend
5
$
^m 1
USW.
£
Das Thema endet mit der aus einer seiner Wendungen gebildeten Coda, die in
einem sanft verlaufenden E-dur mit dem Motiv:
I. (Hörner.
*Ep
f § H^ \ jii£t
&
den ersten Teil beschliesst. Ober pp Pauken wirbeln beginnen die Geigen ein ge-
flüstertes Fugato in hoher Lage über Motiv D, zu dem leise, langsam steigernd erst
Trompeten, dann Hoboen Motiv I intonieren, unterbrochen von einem dreifach wieder-
holten:
238
DIE MUSIK UL 16.
K. (Klarinette.)
i
ä
&
bA
W
Die Hörner intonieren p das erate Thema (F), das bald von zahlreichen Gegen
stimmen umspielt, unter Verwendung Ton Ga stets ernsthafter wird, schliesslich mit
grosser Energie überleitet zu einem auf D aufgebauten, stets wilder gesteigerten re-
gierten Satz; diese Steigerung wird unterbrochen durch eine zweite, auf einer Variation
eines Teiles des zweiten Themas (H) beruhende, die schliesslich zum Wiedereinsatz
des Motiv A führt, nunmehr in gedrängterer und zugleich erhöhter Fassung die Ein-
leitung des Werkes rekapituliert, um bei deren Höbepunkt in einen andersartigen noch
heftigeren Exzess auszubrechen:
L. (Hörner»
4y^ti^a p
In unablässigen Figuren der Streicher ebbt langsam die Stimmung; in moll
kehrt, abgebrochen, das erste Thema (A) bedeutend verkürzt wieder, an das sich das
zweite Thema (H) in noch leidenschaftlicherer Fassung snschliesst; eine Flöte antwortet
ihm pp mit E, und nun führt die Coda des zweiten Themas, in breiterer und ge-
steigerter Form zu einem FF G-dur, beherrscht von dem von Trompeten und Hörnern
vorgetragenen Motiv K. Langsam verklingt der Satz, die Celli schliessen ihn pp, und
als Epilog Intoniert die Hoboe einen Gesang, der von den Geigen übernommen, zart
an- und abschwillt, um ganz zu vergehen. Trompeten und Posaunen bringen noch
einmal von fern Motiv I, mit dessen Wiederholung gedimpfte Hörner das Werk be-
schliessen. Bruno Walter.
KONZERT
d-xnoll für 2 Violinen und Orchester op.
von Hermann Zilcher. 1 )
Besetzung: Streichquintett, 3 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, Kontra-
fagott, 4 Hörner, 3 Trompeten, 3 Posaunen, 3 Pauken, Triangel, Becken.
Der erste Satz { l U Bewegt) dieses durchaua symphonisch gehaltenen Werkes
ist von herber Energie erfüllt, die nur zeitweilig von sanfter Melancholie abgelöat
wird. Ein Orchestervorspiel bringt bereits zwei für den Gesamtsatz wichtige Themen,
die sich teilweise erglnzen und mit einander verwandt sind:
iiü l ^&A^ m
*) Geboren 18. August 1881 in Frankfurt a. M^ studierte sm dortigen Hochschen
Konservatorium Komposition bei Iwan Knorr und Bernhard Scholz, lebt in Berlin als
Pianist und Musiklehrer. — Nach der Uraufführung dieses Doppelkonzerts aus dem
Manuskript (vergl. »Die Musik" Bd. 5, S. 230) hat der Komponist die Instrumentation
vereinfacht
239
TONKÜNSTLER-FEST IN FRANKFURT
Nach diesem Vorspiel setzen die beiden Solostimmen mit dem zweiten dieser Themen
ein nnd umranken bald darauf das erste Motiv mit Figurenwerk. Noch ist dieses
Umspielen nicht beendigt, da ertönt im Orchester folgendes Seitenthema:
Bläser
Dieses Motiv wird von den beiden Solostimmen aufgenommen und leitet allmählich
zu dem Gesangsthema über, das vor den Solostimmen zunächst von den Hörnern vor-
getragen wird und, wie folgt, lautet:
espressivo
Soloviol.
^N^ife
usw.
rr
poco rit.
a tempo
Man beachte dabei das überraschend eingetretene F der Solostimmen nach dem
D-dur. Dieses Gesangsthema wird, ehe es zum dritten Male ertönt, durch einen
Zwischensatz abgelöst, der auf einer Kombination des ersten Motivs des Orchester-
vorspiels (No. 1) und einer Umarbeitung des zweiten (No. 2) besteht Diese Kombi-
nation dient auch als Abschluss des ersten Teils. In der darauf folgenden Durch-
führung werden sämtliche vier bisher vorgekommenen Motive verwertet. Darauf folgt der
Wiederholungsteil in kürzerer Form; das Gesangsthema erscheint nunmehr in dem
freundlichen D-dur, umsponnen von reicherem Figurenwerk der Solostimmen. Allmählich
wird das Tempo schneller, Motiv 1 und 3 werden zu einer prächtigen Stretta ver-
wandt; vor der brillanten Coda, die alle Themen andeutet, erscheint No. 3 noch in
trotziger Betonung durch die vier Hörner in folgender Form:
///5
Der zweite Satz (ruhig, sehr frei im Zeitmass, h-moll) mit seiner düsteren
Melancholik dürfte wohl ein kleines Drama musikalisch illustrieren, worauf besonders
das an einen Trauermarsch gemahnende Hauptthema (No. 6) hinzuweisen scheint An
Lichtseiten fehlt es auch diesem Satze nicht: einschmeichelnd wirkt der H-dur Teil.
Eröffnet wird der Satz durch ein grosses Crescendo der hintereinander einsetzenden
vier Hörner:
240
DIE MUSIK III. 16.
3 Hörner 4 H.
cresc. «•/ // ///
Der letzte Takt erscheint bald in den drei Pauken als wichtige ostinate Begleitungs-
figur zn dem breiten ersten Thema (Solo-Violine, wiederholt von der zweiten in der
Oktave):
1 K± i i lu 4iJ ^ ' ^" ^ if 9
USW.
Steigerung bringt dann das Seitenthemk:
un poco stri ngend o
^ |f~frrmr"«iB
7.
cresc.
worauf nochmals das trauermarschartige Hauptthema (jetzt in der zweiten Solo- Violine),
nunmehr ohne die charakteristische Begleitungsfigur, eintritt Der Hornruf des An-
fangs, aber Jetzt leise nur von einem Bläser gebracht, leitet zu dem Zwischensatz in
H-dur ( s /4) über, dessen liebliche über dem Hornmotiv aufgebaute Hauptmelodie:
8.
frffffif ffffif WCTf if ffff€ SJ
sich bald ins Ohr einschmeichelt. In der weiteren Folge macht sich ein im Flüster-
ton dahin huschendes kurzes Motiv:
des öfteren bemerkbar; es dient später zur Oberleitung nach dem in mächtiger
Steigerung einsetzenden Hornruf (No. 5), zu dem sich die ostinate Begleitungsflgur
(3 Takt von No. 5) jetzt gesellt Es folgt dann die Wiederholung von No. 6, 7 und 8,
schliesslich werden 6 und 8 kontrapunktisch miteinander vereinigt; wieder macht sich
das Motiv No. 9 geltend, worauf die Coda eintritt; sie wird eingeleitet durch den
Anfang von No. 6 in Vergrösserung; in vergrösserter Gestalt vereinigen sich darauf
7 (erste Solo-Violine) und 6 (zweite Solo-Violine) mit der ostinaten Begleitungsfigur.
Mit dem seufzenden Anfang von No. 7 klingt schliesslich der Satz im zartesten
Piano aus.
Der dritte tanzartige, Frohsinn und Lebenslust atmende Satz (% Sehr lebhaft)
setzt nach dem kurzen, später wichtigen Trompetenmotiv:
10.
241
TONKÜNSTLER-FEST IN FRANKFURT
gleich mit dem etwas russisch anmutenden Hauptthema ein:
qu-g Kf y i p-f
N fpN >
T?
$
^MMg ^g
usw.
Es wird von der ersten Solostimme vorgetragen, zuerst nur begleitet von Picci-
cato-Nachschllgen der zweiten Solo -Violine, bis im Orchester das Trompetenmotiv
No. 10 ertönt. Nach einem kräftigen Tutti (No. 11) dient No. 10 zur Fortführung und
virtuosen Ausschmückung. Ein neuer graziös hineilender Gedanke ist dann:
Dazu ertönt im Orchester in fis-moll folgendes orientalisch-bizarres Motiv:
13.
i
i
i
Wf
Wiederholt wird sodann das Hauptthema und zwar zunächst von den Solostimmen,
die wieder durch das kräftige Tutti (diesmal in G-dur) abgelöst werden. Die Solo-
stimmen erhalten dann endlich Gelegenheit zur Entfaltung grösserer Technik und
zwar über den Motiven 1.0 und 12. Nachdem das Flitterwerk der Solostimmen ail-
mlblich erloschen, erklingt folgendes Gesangsthema:
Bald spuckt dazu im Orchester (zunächst im tiefen Fagott) das Hauptthema
No. 11; Solostimmen und Orchester teilen sich dann in dieses, das dadurch neues
Farbenkolorit erhält; es erscheint dann wieder in seiner ursprünglichen Gestalt, ge-
folgt von No. 12/13 in abgeänderter Gestalt, wobei die Solostimmen kanonisch ver-
wertet sind; immer glanzvoller wird der zum Scbluss drängende Satz; kurz vor diesem
ertönt noch einmal gewaltig in Trompeten und Posaunen das Motiv No. 1 des ersten
Satzes in Vergrösserung. Dr. Wilh. Alt mann.
AN SCHWAGER KRONOS
(Goethe)
für Bariton und grosses Orchester
von Alfred Schattmann.
Orchesterbesetzung: Streicher. — 1 kleine, 2 grosse Flöten; 2 Oboen,
englisch Hörn; 2 Klarinetten, Bassklarinette; 2 Fagotte, Kontrafagott. — 4 Hörner,
III 10 17
2 Trompeten, 3 Posaunen, Tuba. — Harfe. — Pauken, grosse und kleine Trommel»
Kastagnetten, Xylophon, Triangel, Becken. — Die Komposition sucht die musikalischen
Werte der Dichtung wiederzugeben: Gedankengang und Stimmungsinhalt der letzteres
waren für Form und Art des Stückes richtunggebend.
1. Die jubelnde, überschäumende Lebensbejahung kennzeichnen zwei motivische
Gedanken :
*)
h^Vrtt-f
b)
2. Dm Hemmende, Qallende:
»)
^^-^^ttin
b) andere Form:
i Der klare Blick auf ragender Höhe:
8
i ji.^ i ^n^ ^^
usw.
4 Liebesglück und -kraft:
ggp
r» r f,f f e
$V J rT7~D
t
-***
es:
<g ^ <g
Die Verwendung dieses Materials ist an der Hand der Dichtung ohne weiteres
klar. Oberleitende und gedanklich anders geartete Takte — zum Teil melodische
Umformungen — bedürfen wohl keiner Erläuterung.
Die Gesangstimme schwebt frei über dem Orchester.
Alfred Schattmann,
243
TONKÜNSTLER-FEST IN FRANKFÜRT
SCHWERMUT — ENTRÜCKUNG — VISION
Symphonische Phantasie für grosses Orchester, Orgel, Tenorsolo und
Chortenor op. 7
Nach einer Dichtung von Walter Schädelin
von Volkmar Andreae. *)
I.
Ein Taumelzug t Der königliche Tag
Durchbraust im bunten Schwärme des
Gefolgs
Sein Reich in jugendlichem Mut;
Blendend in seines Lichtes Fülle,
Verwirrend durch den tausendfachen Schall
Des Jubels und des Reigens toller Lust.
Der Blumen Wunderteppich breitet
Zu seinen Füssen sich;
Das schönste Festzelt blaudurchsonnter
Luft
Spannt hoch sich über all das Frohgedräng.
Doch wenn die stille Norne Nacht
Aus tiefer Wilder kühlem Schattenbann
Die Dlmmerschleier wehen lässt —
Wenn aller Glanz des Sonnentags verblich,
Der Farben Reigen matt und matter
schwingt,
Und auch das letzte, höchste Abend wölklein
Sein Lied vergast,
Zu kühlem Lufthauch aufgelöst —
Dringt aller Lebensströme Rauschen
Ans innre Ohr,
Und rings der grosse Chor
Der dumpf gebundnen Kreatur
Braust tausendstimmig aus der Tiefe vor:
»Uns weckt und grüsst des Lebens
heller Tag,
Grüsst und beglückt, und strömt und flieht,
Reisst uns ins Ungewisse, in die Nacht
hinab —
Weh uns, die wir das Sein gekostet haben!
Mit hellen Augen sehen wir die Flucht der
Dinge,
Nirgends Bestand, kein Halten und kein
Halt —
Ist eine Macht, die sagen kann: kommt her
Ihr alle, denen mein Hauch einst gab das
Leben,
Kommt her zu mir, ich will euch Frieden
geben?*
Das ist der Schrei, der durch das Welt-
all dringt:
Ist eine Macht, die uns Erlösung bringt?
IL
Tief unter schwerer Wolken dämmerndem
Gebreit
Schritt ich dahin, ein Suchender,
Das Ziel im Herzen, brennend in Begier
Zu finden, harten Willens
Zu weichen nicht, vorwärts zu dringen,
Sternenwärts, bis an des Denkens Rand!
Bis wo des Denkens Schwerkraft uns ver-
läset
Und der Gedanke
Ureignen Kräften frei gehorcht,
Durch unermessne Räume zielwärts strebt
Doch da, mit einem Mal
Umwehten Nebelschleier dicht mein
Haupt,
Verhüllten Pfad, verhüllten Aussicht mir —
Ich tappt* empor, unsichern Schritts,
Ohn' alle Richtung, und da war kein Licht,
*) Der Komponist, der durch die Dichtung von W. Schädelin zu seiner sym-
phonischen Phantasie angeregt wurde, ist am 5. Juli 1879 in Bern geboren, absolvierte
das dortige Gymnasium (daneben Musikschüler von Dr. Karl Munzinger), studierte
1897—1900 am Konservatorium zu Köln unter Wüllner, Franke, Kleffel und Staub.
1900/01 Solorepetitor an der Münchener Hofoper, 1901/02 Universitätsstudien in Bern.
1902 als Musikdirektor nach Zürich berufen. Veröffentlichte Kompositionen: op. 1.
Klaviertrio. op. 2. »Das Göttliche* (Goethe) für Tenorsolo, Chor und Orchester,
op. 3. „Charons Nachen" für Soli, Chor und Orchester, op. 4. Violinsonate, op. 5.
Lieder, op. 6. Männerchöre a cappella.
17*
244
DIE MUSIK 111. 16.
Ja nicht ein Schimmer, der mir Hoffnung
Ans diesem Wirrtal einen Weg zu finden —
Da schrie ich auf in der Verzweiflung
Wut . . •
• •
In tiefe Ohnmacht drang zu mir ein
Ton . • •
Ich hörte aus dem Toten einet Strömt«
Der tut umhüllten Klüften tobend brach,
Von himmelhoher, übertteiler Fluh
In einet Feltenkettelt Riesenrund
Mit immer gleichem, tiefem Dröhnen
sprang,
Erst einer Stimme Erzklang, Worte dann,
Und dieser Worte Sinn war der:
„Durch alles Lebens rätselvollen Plan,
Vorm Innern Ange Bild um Bild,
Traumhafter Ahnung voll,
Wanderst du Mensch.
Ohne Bestand sind alle Dinge,
Bilder sind sie,
Spiegelungen;
Aller Dinge Form ist Gleichnis,
Alles Vergänglichen Sinn: ein Vorbild
Ewiger Liebet«
Da war's, als ob der Boden unter mir sich
höbe,
Die Felsentürme wankten, wälzten,
wandelten
Zu Wolkengebirgen mihlich sich,
Der Nebeldünste Hülle wich hinweg,
Auf tst in reinem, böherm Glanz sich
Neu eine Welt mir,
Und ich ward entrückt • • •
III.
Jahrtausende zogen abwlrta in die Ferne
Wie Ungewltter . • •
Und der Verwandelten endloser Strom
Wogt aus der Tiefe über Wolkenböhen
Empor ins Licht, wo der Vollendeten
Zahlloses Heer sich schart
Um einen, dessen Kraft das All erfüllt
Vor seines Angesichtes Leuchten
Ist Sonnenlicht wie Neumondsdunkel;
Kein irdisch-schwaches Aug* vermsg
Den Glanz je zu ertragen, den es strahlt
Und mir zerschmolz der beisse Mut,
Der Rechenschaft vom heiligen Gott ver-
langte,
Wie Erz im Liutrungafeuer.
Klarheit und sichre Kraft
Durchströmten meine Seele ruhevoll • . .
Da hob sieh meiner Stimme Schall hellauf
In jubelndem Bekenntnis:
»Wahrlieh, du bist der Ursprung alles
Seins
Bist alles Lebens Sinn und Ziel;
Wir deine Kinder, mit der Welt gezeogt,
Dich suchend,
Mit jedem heissen Herzensschlag
Den Wunsch durch alle Adern jagend
Zu dir empor zu wachsen.
Das aber ist unser letztes Los:
Hüll' um Hülle streifen wir ab,
Uns selbst zu finden,
Und dich in uns.
Erlöst von Knechtschaft,
Frei,
Verwandelt in der Form,
Wir selbst und
deinesgleichen! • . .*
Vor meinem Innern Auge unverwandt
Das Nachbild jener andern Welt,
Freu ich der Zukunft mich,
Und Erdenlust und -leid
Glimmt nur wie leiser, blasser Morgen-
schein.
STREICHQUARTETT
op. 74 in d-moll
von Max Reger.
Daa Werk bat vier Sitze. Der erste Satz •/• Allegro agitato e vivace beginnt
mit folgendem Hauptthema, das von den vier Streichern unisono gebracht wird;
245
TONKÜNSTLER-PEST IN FRANKFURT
_£
ten.
* 95t > j \kJ> & £
Diesem Thema schliesst sich sofort ein neues, öfters verwendetes Motiv:
usw.
sn. Die Tonsprache wird immer erregter, bis sie zum Auftreten des folgenden
neuen Motives führt:
usw.
welches grell harmonisierte Thema zum nun erscheinenden Hauptthema (in d- und
fls-moll) in freier Imitation zwischen 1. Violine und Violoncello fiberleitet. Nach
kurzer Episode im pp:
usw.
erscheint nach immer leidenschaftlicher werdenden Weiterführung mit zum Teil
neuen Motiven und drängendem Auftreten des Hauptthemas und stockenden Synkopen
(2. Violine und Bratsche) das eigentliche Seitenthema (2. Thema) des 1. Satzes in F-dur:
ffe^Tfr^ \ rr\ r i
Seite 6
der Partitur
Durch ein scharf dissonierendes b der 1. Violine erscheint unvermittelt der sehr
erregte Nachsatz, der aus den bisher bekannten und auch neuen Themen gebildet ist.
Das Hauptthema des ganzen Satzes tritt immer in schroffem Wechsel mit den anderen
Themen in Umkehrung, Verkürzung auf« Plötzlich bricht dieses molto agitato ab,
um einem durch langgehaltene Harmonieen gestutzten Gesang der 1. Violine (con
sordino) Raum zu gewähren. Ein neues, nach dieser pp- Episode auftretendes Motiv,
Steigerung mit dem Hauptthema, das sich allmählich in die ruhigen Harmonieen des
zweiten Themas löst; gedehnte F-dur- Akkorde beschliessen den ersten Teil.
Die Durchführung beginnt sogleich mit einem neuen Thema (1. Violine) D-dur
mit ruhigen Harmonieen der anderen Streicher; das plötzliche Auftreten der Haupt-
themen bedingt eine Steigerung bis zum agitato. Wiederum treten nach überleitenden
Pizzicati des Violoncello ruhigere Episoden auf (zum Teil aus dem Hauptthema ge-
bildet). Ein leidenschaftliches, kurzes Solo des Violoncello führt zu sehr bewegter
Durchführung der bisher bekannten Themen in wohl manchmal schroffem Wechsel.
Die Wogen glätten sich; die zagenden Synkopen aus der Oberleitung des ersten Teiles
zum zweiten Thema führen zum zweiten Thema selbst in wesentlich anderer
Harmonik.
Nach kurzer Steigerung und markantem Wechsel zwischen ff und p
(NB. den 1. Intervallenschritt
H
t
1
des 2. Themas)
246
DIE MUSIK HL 16.
entwickelt sich ein höchst unschuldiges Fugato mit den ersten sechs Noten des
Hauptthemas.
Nach mehrmaligen Kombinationen der beiden Hauptthemen beginnt nach
kurzer, energischer Steigerung die durch Poco meno mosso und ppp eingeleitete
Reprise des ersten Teiles. Nach der Reprise, die den ersten Teil mit sehr wenigen
Änderungen bringt, beginnt nach den langgehaltenen D-dur-Akkorden die kurze Coda,
die in freiester Gegenüberstellung des ersten Hauptthemas und des Seitenthemas den
ersten Satz in stürmischem fff beendet.
Zu der tieferregten Sprache des ersten Satzes steht das nun folgende Vivace
C-dur */* in grösstem Gegensatz. Das „kreuzfldele* Thema lautet also:
Es treten nach und nach noch manche, hier und da wohl auch ironisch gemeinte
kleine Themen auf: doch sind sie alle für jeden nur einigermassen musikalischen
Menschen, der nicht hinter jedem & und i? eine perverse musikalische Ader des
Komponisten wittert, ohne weiteres verständlich. Nach kurzem, schwermütigem
Zwischensatz in cis-moll — man verzeihe mir die Tonartenfolge: C-dur, cis-moll,
C-dur — beginnt der Spuk von neuem; doch werden die verschiedenen Themen nun
in anderer Reihenfolge gebracht als zuerst; ein immer toller werdender Obermut
bequemt sich schliesslich zu unschuldigen Pizzicati — und empfiehlt sich.
Der dritte Satz Andante sostenuto e semplice hat folgendes Thema:
espress
fflfi 11 1 i' i >gTj l » J .J'JTji J, fl j i t^ m
An dieses einfache Thema schliesst sich eine Reihe von elf Variationen in
A-dur (1., 2., a, 4. und 5. V.), in D-dur (6. V.), in d-moll (7. V.), in fis-moll (8. V.),
überleitend (9. V.) nach a-moll (10. V.) und in A-dur (11. V.).
Der vierte Satz, vorwiegend heiteren Charakters (Rondo), hat nachstehendes
Thema:
^ K i m ;jimm
Nach der Wiederholung dieses Themas im ff (nach motivisch neuem Zwischengliede)
erscheint ein neues Thema, das späterhin eine grosse Rolle in diesem Satze spielt:
m
r i'Efj f r i
77"
Eine lingere Oberleitung führt zum Seitenthema, das absichtliche Ähnlichkeit mit
dem Seitenthema des ersten Satzes besitzt:
247
TONKÜNSTLER-FEST IN FRANKFURT
s
U8W,
Ein weiteres kleines Thema, das späterhin noch häufiger verwendet wird, sei noch
angeführt:
4
I ff fljJ l Jjj -j
usw.
Nach erfolgter Reprise des ersten Themas erscheint sogleich das dritte Thema in a-mol):
m
7/
^b ^fiff |ffciJ =
and
In der nun beginnenden Durchführung werden alle Themen in freiester Weise
und je nach Laune gegenübergestellt. Bin nochmaliges, energisches Auftreten des
dritten Themas fuhrt nach mancherlei übermütigem Streifen auf »verbotenen Wegen",
nach scheinbaren Fugatos und ähnlichen „gestrengen Masken* nach D-dur und damit
zum ersten Thema des Rondos zurück. Die Reprise des ersten Teiles des Rondos
gestaltet sich nur in einigen wenigen Takten anders als wie erwartet. Eine kleine
„harmonisch" ängstliche Kindergemüter vielleicht erschreckende Coda (aus dem
Hauptthema) beschliesst das Schlussrondo. Ich betone nachdrücklichst, dass mein
Streichquartett op. 74 keinerlei verstecktes oder »geleugnetes* Programm in sich
birgt; das Werk will nur Musik sein. Es steht jedermann frei, sich dabei etwas zu
denken oder nicht Max Reger.
WORPSWEDE
Stimmungen aus Niedersachsen
Dichtungen von Franz Diederich
für mittlere Singstimme, Violine, Englisch Hörn und Klavier op. 5
von Paul Scheinpflug.
Das weite, schweigsame Land an der Unterweser mit seinen endlosen Halde«
flächen, seinem dunklen, geheimnisvollen Moor, den zahlreichen Wasserzügen, auf
denen lautlos schwarze Segel ziehn und sich phantastisch vom tiefblauen Sommer-
himmel abheben, dieses jungfräuliche Stück Erde ward in jüngst vergangener Zeit
das Ziel der Sehnsucht einer kleinen Schar starker Künstlernaturen, deren Sinn auf
Schaffung von Wurzelkräftigem, Bodenständigem, Neuwertigem gerichtet war. Der
Malerei ward ein Neuland der Kunst durch die „Worpsweder* erobert. (Worpswede,
das weltferne Dorf, auf einer Sanddüne, der einzigen Erhebung im Moor, gelegen, ist
der typische Ausdruck für dieses Land geworden.)
Aber auch andere Künstler zog es hierher und löste ihre tiefste Sehnsucht
aus: Franz Diederich schrieb hier eins der besten Bücher landschaftlicher Lyrik,
seine „Worpsweder Stimmungen". — Diese erdfrischen, stimmungsschweren Dich-
tungen benutzte Paul Scheinpflug als Unterlage für seinen Versuch, auch der Musik
248
DIE MUSIK HL 16.
dieses Neuland zu erobern, in ihr ein Stück seines innersten, persönlichsten
Lebens, des tiefsten Naturversenkens, xa geben. So entstand das Kammermusikwerk
»Worpswede*.
Der Dichter selbst führe ans In diese Welt ein:
Ȇber rotes HsideglQhn
Durch dss Dunkel hoher Föhren
Streif ich in ein Wunderland :
Unter abendgrauen Floren
Ruht es dämmernd ausgespannt.
Lausche nun, du Flurengrfin, -*-
Meine Sehnsucht sollst du hören!
Lausche nun, weitabgewandt !•
Ein Instrumentalvorspielt «Das Land der Einsamkeit*, liest wie aus Nebel-
flor und Dimmerschwere das neue Wunderland famagleich heraufsteigen. Schon hier
treten die drei für den ganzen Zyklus typischen Haupttongebilde auf, das dumpfe,
schattenhaft sich ausbreitende .Nebelthema 11 :
Sehr langsam und verschleiert
,. -*
• ttnttd«
Kl.
«^ *ß
das vom Englischhorn eingeführte, milde Ruhe und Beseligung atmende „Friedens-
thema*:
Engl. H.
und das von Ausrufen hellen Entzückens
fei
Viol.
begleitete, wonnigste Berauschung des Herzens widerstrahlende „Wunderlandtbema*:
E. H. ^^ ^ ^ _
Agfc= , I , . fr I - «TTy^-lT-T-J I ■ T .p.- jT73~
249
TONKÜNSTLER-FEST IN FRANKFURT
Nach einer reizvollen Kombination von II und III in Englischhorn und Violine klingt
die Einleitung sanft träumend aus.
Der erste Gesang: »Der Himmel spannt sein leuchtend Dach* (für Sing-
stimme, Violine und Klavier) schildert in blendenden Farben eine Fahrt ins Wunder-
land. Die zugrunde liegenden Themen II und III erscheinen in mannigfacher Um-
bildung und Erweiterung; der oben bereits angedeutete Jauchzer:
Kl- 11
und ein das Plätschern der Wellen andeutendes Motiv:
U* Cd-T
I
^[Pflf^-^^ F T !
Viol.
treten als sekundäre thematische Elemente belebend hinzu und erhöhen die Stimmung
zu sonnigster Begeisterung. Unter den Umgestaltungen der Hauptthemen sei als
in ihrer melodischen Glut besonders ausdrucksgross die auch in der Folge wieder-
kehrende Steigerungsform des Wunderlandthemas zitiert i
Der zweite Gesang: „Lenzgeläutert scherzt der Windhauch", gibt die Stimmung
eines ersten Frühlingstages im Moor wieder. Der Jauchzer hat sich in eine froh-
lockende Begleitungsfigur der Violine:
i
lifTf frrf
umgewandelt, im Klavier trillert und jubelt es und die Singstimme bringt, vom
Englischhorn imitiert, eine neue, lenzfreudige Melodie:
u Ges.
fl 1 ■* *
y-4|i ! ,;■ t J ' i
die später in dieser Gestalt erscheint:
Mit den Fluss hinunter treibenden «ersten Segeln aus dem Moor* taucht im Englisch-
250
DIE MUSIK HL IG.
hörn das nach Moll verdunkelte Wunderlandthema auf; dann beherrscht bis zum
Schluss das auch in der Vergrößerung erscheinende Frühlingslied wieder das Feld.
„Fern auf dem Wasser, in sinkender Dämmerung, verklingen auf einer Harmonika
die Töne eines Volksliedes," so deutet der Komponist selbst den Anfang des dritten
Gesanges. Ober einer einsamen, melancholischen Unterstimme des Englischhorn
lässt die gedimpfte Violine ein schlichtes Lied zweistimmig erklingen:
Viol. 1
E. H.
In schmerzlicher Ergriffenheit antwortet das Klavier:
um dann, sich beruhigend, in die' erhabene, ein Bild der iternenfunkelnden, seelen-
beflügelnden Nacht bedeutende As-dur Melodie der Singstimme einzulenken:
Gesang
P
ii!'"lii. r ' T ii- T J
h. h. f • f > t r r f
W 4\ r »4
Das Klavier begleitet den Gesang mit weitgespannten, pathetischen Akkorden, das
Englischhorn singt dazu eine Gegenmelodie, bis die Geige mit dem oben zitierten,
jedoch in Dur erhobenen Seitengedanken:
Viol.
i
1
" c rrf- I r
Kl.
einsetzt, auf dessen Schwingen dann unter Entfaltung einer warmströmenden Poly-
phonie der „Seele Flug sich freiringt*.
Wenn über die musikalische und poetische Kraft und Wahrheit dieses Ge-
sanges Zweifel kaum aufkommen werden, so wird der letzte, „Herbstfrühgang" be-
titelt, in seiner Herbheit und rücksichtslosen Kühnheit wohl Widerspruch erwecken.
Der „Herbstfrühgang* lisst die Stimmungen durchkosten, die ein Sonnenaufgang im
251
TONKÜNSTLER-FEST IN FRANKFURT
herbstlichen Moor aaslöst Mit harten Rhythmen and Akzenten, mit schwer brauenden
Akkorden beginnt der Satz:
Hart. E. H.
^t
Zwischen liegenden Stimmen in Tiefe und Höhe, unter Beibehaltung des pochenden
Anfangsrhythmus sind die dissonierenden Naturstimmen der Zuggans, der Nebel-
krähe, der Dorfuhr musikalisch angedeutet und verwoben: ein Nachtstimmungsbild
▼on verwegenster Realistik. Mit der ersten Sonnenahnung, .und östlich fern durchs
graue Düster webt Geheimstes, das die Hülle zaudernd hebt«, tritt ein neues Motiv
auf; der Trager des Morgenzaubers:
Vislonir
Auf langem Orgelpunkt wird es in grosser Steigerung durchgeführt; die bis dahin
zurückgehaltene Violine setzt mit einem gleichsam den ersten Lichtstrahl verkörpernden,
durch 30 Takte gehaltenen hohen Tone (gis, spiter h) ein, während Singstimme und
Englischhorn in imitatorischer Durchführung dem geheimnisvollen Virken der
Dämmerung nachgehen. Mit dem in gesteigertem Tempo einsetzenden E-dur. gewinnt
das obige Seitenthema folgende, freudige Bewegung atmende Fassung:
g
m
Gesang und E. H.
S j- ja j ■)■ l J r m
Unter Engführung von allen Stimmen aufgenommen, leitet es zu der nichsten
Gruppe über, die im Hinblick auf den in Wallung geratenen Nebelflor das Thema 1
der Introduktion und das Nachtstimmungsthema wieder aufnimmt, während die Violine
in lang aufwogenden Triolenpassagen sich ergeht Dann aber, mit der siegend
schwellenden Farbenflut des Himmels löst sich alles in Jubel auf: im Klavier erbraust
es von Arpeggien und Trillern, Singstimme und Englischhorn werfen triumphierend
das Thema des Morgenzaubers hinein und über allem jubiliert lerchengleich die
Violine. Unter emphatischen Zurufen »Der Tag! Der Tag!" entfaltet sich breit und
glanzvoll das Naturthema (II), und mit dem nach dreimaligem Ansatz majestätisch
emportauchenden Wunderlandthema, in Kombination mit dem Thema des Morgen-
zaubers, wird das Tagesgestirn selbst empfangen. Eine frische Wanderstimmung löst
sich aus und unter phantastischen Umgestaltungen und wechselnden Kombinationen
der Hauptthemen legt sich allmählich der Sturm der Gefühle. Ein kurzer Epilog,
auf den Ton der Introduktion gestimmt, gibt mit schlichter Herzenseinfalt und rühren-
der Innigkeit dem Geständnis Ausdruck: „Ich liebe dich, du braunes stilles Land!
Um dich und deiner stillen Menschen willen lieb ich dich!* C. Ulbrich.
252
DIB MUSIK III. 10.
SERENADE
für fünfzehn Blasinstrumente op. 7
von Walther Lampe.
Besetzung: 2 Flöten, 2 Oboen, Englisch Hörn, 2 Klarinetten, Bsssklarinette,
2 Fagotte, Kontrafegott, 4 Hörner.
Als luaaere Anhaltspunkte seien aus dem Ganzen nur einige Hauptmotive und
Themen angedeutet
Der erste Satz, Allegro con grazia, trlgt Sonatenform.
Aus dem Hauptthema:
Klar, (mit Basski. u. 2 Fag.)
üPHP
#W
Ob.
äÜEÖ
m
mmt =
usw.
Ana der in daa zweite Thema fiberleitenden Episode:
Ob. u. Hörn
Kl -^ _T*Tö
usw.
usw.
Aus dem zweiten Thema:
Fl. u. Ob. 4 J.
?y_ö.iLj_
Hr. — — L-i **^ \j
253
TON KÜNSTLER-FEST IN FRANKFURT
Zweiter Satz, Allegro acherzando.
Hauptmotiv:
Ob. . . _: |
* ■# ■ _ I -"-
usw.
• •
• •
Aua dem Trio:
Kl. u. Hr.
'^H^t^zm
Ö^f
An den dritten Satz, Adagio,
Fl. mit KL, Baascl. u. Fg.
dolce e cantabile
schüeaat aich unmittelbar das Finale an«
Aua deaaen Haupttbema:
KL
Ob.
$v \ r^r 1 3
uaw.
Aua der Oberleitung in daa zweite Thema:
Fl. u.Ob.
uaw.
* CT . ^- ^ ^3
r
uaw.
254
DIE MUSIK III. 16.
Zweites Thema:
i
j*
SBE
KI.
P
3=^
m
Hr. von Bkl; u. Fg. mit bewegten Figuren umspielt
i ,fs f
3
Sfe
Walther Lampe.
DAS LEBEN EIN TRAUM
Symphonische Dichtung für Orchester
von Friedrich Klose.
Motto: „Wer vom Lebensschmerz zeugen will, der muss sein Herz selber
zum Schreibzeug machen." Julius Bahnsen. — Komponiert 1896.
Besetzung: 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 4 Homer, 3 Trompeten,
3 Posaunen, 1 Tuba, 4 Pauken, 1 Glockenspiel, 1 Holzklavier (Xylophon), 1 Triangel!
1 kleine Trommel, 1 Paar Becken, 1 grosse Trommel, 1 Tamtam, Orgel, 2 Glocken,
4 Harfen, 18 erste, 18 zweite Violinen, 16 Bratschen, 12 Violoncelle, 10 Kontrabisse.
Dazu ausserhalb des Konzertraumes t 2 Flöten, 2 Oboen, 4 Klarinetten, 2 Fagotte,
2 Trompeten, 3 Posaunen, 1 Serpent, 1 tiefgestimmte Wirbeltrommel. — Der
Dysangelist Dreistimmiger Frauenchor. — Die Ausführenden bleiben insgesamt dem
Auge des Hörers verborgen. Der Konzertraum wird verdunkelt.
Der Titel des Kloseschen Werkes, das bis jetzt erst eine einzige Aufführung
(in Karlsruhe unter Felix Mottl, dem das Werk auch gewidmet ist), erlebte, hat viel-
fach die irrtümliche Ansicht erweckt, als ob es sich dabei um eine durch das bekannte
gleichnamige Drama des Calderon de la Barem angeregte Tondichtung handle. Das
ist nicht der Fall. Vielmehr hat Kloses Komposition mit der Dichtung des grossen
Spanien nichts gemein, als eben nur die Oberschrift und den in ihr sich aussprechen-
den Grundgedanken, dem wir auch sonst bei so vielen Dichtern und Denkern begeg-
nen, dass das menschliche Leben nichts weiter sei, noch auch mehr bedeute als ein
flüchtiger Traum, dass, um mit Shakespeare zu reden, ,we aresuch stuff as dreams
are made of, and our little life is rounded with a aleep.*
Wenn Kloses Symphonie keinerlei näheren Berührungspunkte mit dem Schau-
spiel Calderon'a hat, se erinnert sie dagegen in gewisser Hinsicht an das Pendant, zu
dem sich Grillparzer durch das spanische Stück anregen Hess, das dramatische
Märchen »Der Traum ein Leben". Wie nämlich da die Gestalten dea Traumes, erst
glänzend und lockend, sich immer mehr verdüstern und verwirren und endlich gleich
einem drückenden Alp auf der Brust des Träumenden lasten, den dann das erlösende
Erwachen aus allen Ängsten und Nöten befreit, — so spielt sich in dem Kloseschen
Werke ein Menschenleben in Tönen ab. Alles, was dem Menschen das Leben er-
strebenswert erscheinen lässt, der Jugend goldnes, unschuldsvolles Paradies, der Liebe
Zauber, des Ruhmes und der Ehre Lockungen, sie alle ziehen an uns vorüber. Aber
255
TONKÜNSTLER-FEST IN FRANKFÜRT
sie alle erweisen sich zuletzt als Wahngebilde, als Illusionen, die das Herz nicht auf
die Dauer befriedigen können. Was einzig als wahrhaft und wirklich sich erweist,
das sind die Schmerzen, die die Brust durch foltern, sobald wieder einmal ein für un-
verlierbar gehaltenes Gut in den Orkus hinabgesunken, eine schillernde Hoffnung als
trügerische Fata morgana erfunden ward. In glühend prächtigen Farben schildert uns
der Tondichter, was das Leben an glänzenden Zielen und begehrenswertem Besitztum
uns vorspiegelt, in tief zu Herzen gehenden Tönen erleben wir das Zusammenstürzen
all dieser leuchtenden Ideale, die fortgesetzte Desillusionierung, bis endlich am
Schlüsse jene Stimmung resultiert, die nichts mehr hofft und nichts mehr fürchtet,
der das Leben nur noch ein leeres Träumen ist, aus dem zu erwachen es nur des
festen Willens des Träumenden bedarf.
.Ist denn so gross das Geheimnis, was Gott und der Mensch und die Welt
sei? Nein! Doch niemand hört's gerne; da bleibt es geheim." — Diese Worte des
Dichters der venetianischen Epigramme können es erklären, warum die pessi-
mistische Weltanschauung gegenüber dem Optimismus bei der Majorität der Menschen
so sehr im Nachteil ist, während doch, wenn man allein die Oberzeugungskraft in
Rechnung zieht, sich nicht recht absehen Hesse, wie überhaupt ein denkender Kopf
sich anständigerweise noch zu einer optimistischen Welt- und Lebensauffassung be-
kennen möchte. Aber: „Niemand hört's gerne," — und dieser begreifliche Widerwille
des Menschen, eine ihm unangenehme Wahrheit sich einzugestehen, hat — mit ganz
verschwindenden Ausnahmen — selbst diejenigen noch immer verleitet, dem Quod
volumus libenter credimus eine, wenn auch noch so geringe Konzession zu machen,
die es sonst an Kühnheit und Unerschrockenheit des Denkens nicht fehlen Hessen.
„Niemand hörf s gerne," — darin haben wir wohl auch den Grund zu suchen, warum
ein so ernstes und tiefes Werk wie Kloses „Das Leben ein Traum* bis jetzt noch so
gut wie gar keine Beachtung gefunden hat Denn es ist ein unerbittlicher und er-
barmungsloser Pessimismus, der dieser Tondichtung zugrunde liegt, ein Pessimismus,
so radikal und konsequent, wie er auf philosophischem Gebiete bisher nur einen ein-
zigen Vertreter in dem aus eben demselben Grunde fast gänzlich unbekannt gebliebenen
Julius Bahnsen gefunden hat, und zu dessen künstlerischer Gestaltung sich wohl
ebensowenige sonderlich stark hingezogen fühlen dürften wie zu seiner philosophischen
Systematisierung. Aber eben dies, dass Klose ganz ohne Pose und Affektation, aber
auch ohne Bangen und Scheu als künstlerischer Vertreter einer Weltanschauung auf-
tritt, die keinerlei „Versöhnung" kennt, und deshalb auch kein Bedenken trägt, sein
Werk mit einer grellen Empfindungsdissonanz abzuschliessen, weist ihm eine ganz
exzeptionelle Stellung an, und dass er es verstanden hat, einen seelischen Inhalt, der
in aUem und jedem den Stempel des Selbsterlebten trägt, in eine künstlerische Form
zu giessen, die ihn voll und ganz zu gewaltigst erschütternder Wirkung in die Er-
scheinung treten lässt, verleiht dieser eigenartig bedeutenden Schöpfung ihren ästhe-
tischen Wert
I. Von den vier Sätzen, in die sich Kloses Tondichtung gliedert, entspricht der
erste in formaler Hinsicht zunächst ziemlich genau dem Schema des klassischen
Sonatensatzes. Nach wenigen, den motivischen Keim des zweiten Themas vorbilden-
den Takten (vergl. 2a) setzt in d-moll das Hauptthema:
Celli all 8"*
py.j t ■ ! ' jjn'jiurü i
256
DIE MUSIK 111. 16.
ein, das als elf entliehet melodisches Subjekt des ganzen Werkes den ruhe- und rast-
los vorwärtsstrebenden Lebenswillen zu symbolisieren scheint und in den mannig-
fachsten Umbildungen auch in den späteren Teilen wiederkehrt Ihm gesellt sich
alsbald ein zweites, das im Gegensatz zu ihm den Charakter ruhevollen Frieden»
tragt, aber erst nach einigen kurzen Ansitzen zur Durchfuhrung des Hauptthemas in
seiner eigentlichen Gestalt:
2. Oboe
m
&
JßL
jeJfrJ-f-fHtr-- J I r " ■} 1 1 J \Y l 3
a. b.
und auch in der geforderten Tonart F-dur erscheint. Dieser erste Teil wird regel-
recht wiederholt Die Düren fuhrung entrollt in vielseitigen und kunstreichen Kom-
binationen der beiden Themen die wechselvollen Bilder des Ringens und Strebens
hoffhungsfreudiger Jugend, für die es, wenn auch keine restlose irdische Befriedigung,
so doch noch das selige Vertrauen gibt, dass über den Sternen ein himmlischer
Vater wohne, in dessen Arme das schmerzgequllte Menschenherz sich flächten könne.
In religiöser — doch schliesslich schon vom Zweifel angekränkelter — Stimmung
klingt der Schluss des Satzes aus, der auch die Orgel zu klanglich mächtiger Wirkung
heranzieht
IL Der zweite langsame Satz (F-dur) trägt die gleichfalls einem Drama des
Calderon entlehnte Bezeichnung: .Über allen Zauber Liebe." »Schon hat der Jung-
ling die ersten bittern Lebenskämpfe hinter sich, schon musste er seine kühnsten Hoff-
nungen immer mehr verblassen sehen, schon steht er am Grabe manches stolzen
Wunsches. Da lockt von neuem das Leben. Der holde Zauber der Liebe ist es, der
ihn erst leise umfingt, mit kosendem Spiele umgaukelt und dann widerstandslos mit
sich fortreisst zum tollen Rasen einer alles verzehrenden Leidenschaft Aber auch
hier keine Dauer, auch hier keine restlose Befriedigung, auch hier zum Schlüsse —
die Enttäuschung." — Zwei Themen liefern wie im ersten Satze das melodische
Material des musikalischen Aufbaus. Dem sehnsuchtstiefen Gesang des ersten:
3.
Sehr langsam. ^
i-j j: , , fco
rjfS^-g~^ ^
Str.p 1f m f
Bässe F — —
«r y
F —
DE F G A
B H C F E
tritt nach einiger Zeit — gleichsam als Repräsentant des weiblichen Teils — in As-dur
seine Umkehrung gegenüber:
Str., FL, Fag.
Md
^rHJtf
ff >f¥-
257
TONKÖNSTLER-FEST IN FRANKFURT
Aus ihr entwickelt sich ein inniges Liebesthema (Des-dur), in dessen Motiv a
wir Motiv b des zweiten Themas des ersten Satzes
5.
Violin. Vcell.
iy^y> J ^ i J^j 1 jh i *jJiiJ.vj a ^
wiedererkennen. In gewaltiger, glühend-sinnlicher Steigerung wird der Höhepunkt
trunkenen Liebesgenusses erreicht, der des Gefühles edleren Teil zerstört und nur
mehr ein schwaches Erinnerungsbild seiner einstigen idealen Beseligung zurücklässt.
III. D-moll. Fahl dämmert das Licht des Morgens, zu dem der Mensch aus
solchem Wahn erwacht, der ihn wieder um ein Stück seligster Hoffnungen beraubt
bat Die Umbildung des Themas 1, die zu Anfang des dritten Satzes in den ersten
Violinen allein erscheint, atmet diese Stimmung:
6.
Sehr langsam und gedehnt,
fahl
rj> r i , J.>ui fg gig5 ^
Violin. allein.
Zu niederschmetternder Wucht wächst das erbarmungslose Pochen des Rhyth
mus an:
in dem sich in der Folge die tragische Gewalt des Schicksals zu verkörpern scheint.
— Verloren ist der Kindheit seliger Glaube, verloren der Liebe himmlisch Paradies,
— nur geblieben der unersättliche Willensdrang. Er wird zur Taten- und Schaffens-
lust. Straff rafft sich das Hauptthema (vergl. 1 u. 6) zu einer energisch vorwärts-
strebenden Figur zusammen:
7. Heftig. u jjk| ^^ g ~^ u. Hrn.
rwfH
3 °p ^n^^fe^rnrr.fpfl
u. Pos., Pk.
In der Ferne lockt ein stolzes Ziel, dessen werbender Ruf erst leise, dann
immer lauter erklingt. Siegesgewiss wird das hohe Werk begonnen. Aber bald zeigen
sich Neid und Missgunst, die jede freie Regung kühner Kraft im Keim erstickende
Pedanterie schulmeisterlicher Normen und Doktrinen — in einer grotesken Doppel-
fuge symbolisiert — :
III. 16 18
258
DIE MUSIK 111. 16.
8.
Pedantisch, schulmeisterlich.
^ tr&vthyty'h y n l *u V W '
coli 8vt. bassa.
h g ? .Cj" j
nur allzugeschäftig, die Fundamente des hochgewölbten Baues zu untergraben, so dass
er, halbvollendet, krachend in sich zusammenstürzt — Noch einmal aber erhebt sich aus
seinen Trümmern die Hoffnung, durch unvergängliche Taten und Werke Unsterblichkeit
zu erringen. »Jauchzend stürz' ich noch einmal mich in des Kampfes Strudel, jubelnd
bief ich die Brust der tosenden Brandung, lacht mir doch leuchtend das herrlichste
Ziel. Und näher und näher ring* ich zu ihm mich heran, schon fass* ich danach —
da versagt die Kraft — entschwunden ist die lockende Lüge — und gellend dröhnt
durch die Nacht der Alltäglichkeit teuflisch Gespött."
IV. Nach dieser letzten Katastrophe bleibt nur noch eine Sehnsucht, die nach
dem Ende, dem Tode, dem — Nichts* Diese Sehnsucht gewinnt in einen; Trauermarsche:
9. Trauermarsch.
221
f
Bässe: FisCis Fis —
— Cis Fis
musikalische Gestalt, der sich thematisch wiederum als eine Variante des Haupt-
themas (1) darstellt. Bis zu diesem Punkte hatte sich der Künstler allein des Orchesters
bedient, um seine Idee zu gestalten. Nun nimmt er das gesprochene Wort zu Hilfe»
um gleichsam das Resultat des Vorhergegangenen unzweideutig dem Hörer zu über-
mitteln, die Summe des Ganzen zu ziehen. Der „Dysangelist" *) tritt auf als Repräsen-
tant der pessimistischen Weltanschauung — und als solcher ist er identisch mit dem
.Helden" des Werkes selbst, — um, während das Orchester schweigt, deklamierend,
sozusagen, ein nachträgliches „Programm" der Tondichtung zu geben. Er ruft den
Tod herbei und begrüsst ihn — hier tritt das Orchester mit melodramatischer Begleitung
wieder ein — mit den ergreifenden Worten der Ode „Dem Tod ins Angesicht 1* (gleich-
falls aus Bahnsens Pessimisten-Brevier). Kühn und trotzig scheucht er die Wächter
von des Todes rätselumrankter Pforte und, während ein geheimnisvoller Frauenchor
den lockenden Ruf: „Nirwana" ertönen lässt, schickt er sich an, die dunkle Schwelle
des Jenseits zu überschreiten. Rudolf Louis.
*) Die Bezeichnung ist dem 1881 in zweiter Auflage erschienenen „Pessimisten-
Brevier" (Berlin, Theobald Grieben) entnommen, dessen anonymer Verfasser Julius
Bahnsen war.
259
TONKÜNSTLER-FEST IN FRANKFURT
DICHTERSCHICKSAL (LA VIE DU POfiTE)
Symphonie-Drama in drei Aufzügen und vier Bildern, Musik und Dichtung
von Gustave Charpentier.
Unter der grossen Menge der neueren französischen Musiker ragt weit über
Haupteslänge Gustave Charpentier hervor, und fast will es scheinen, als ob in dem
genialen Schöpfer der „Louise* der französischen Musik der ersehnte Erbe und
Nachfolger Berlioz' erstanden wire. Diesen Eindruck gewinnt man unwillkürlich
beim Anhören von Charpentier« „Symphonie-Drama*: „La vie du poete*, eines bereits
vor 12 Jahren vollendeten Werkes, das, bisher in Deutschland so gut wie unbekannt,
durch die Aufführung des Heidelberger Bachvereins im letzten Winter in würdiger
und erfolgreicher Weise bei uns eingeführt wurde.
In Inhalt und Form verrat das Werk deutlich Berliozschen Einfluss. Inhaltlich
hat es offenbar sein Vorbild in der fantastischen Symphonie. Berlioz nannte sein
Werk „Episode aus dem Leben eines Künstlers*, Charpentier gibt Episoden,
Stimmungen aus einem Dichterleben: Verzückungen, Traumgesichte, dann, wie die
Muse flieht, lästernde Verzweiflung, Sinnentaumel und Betäubung im tollen Treiben
auf Montmartre. Dies in wenigen Worten der Inhalt der im einzelnen ziemlich
unklaren, in der Obersetzung teilweise fest unverständlichen Dichtung, einer An-
einanderreihung von momentanen Stimmungsbildern, die nicht den Anspruch auf
scharfe begriffliche Klarheit erheben. Als Hauptinterpreten der verschiedenen
Stimmungen benutzt Charpentier den Chor, der bald als „Innere Stimmen*, bald als
„Stimmen der Nacht, des Fluchs, der Vergangenheit, der Zukunft* die wechselnden
Gefühle des Dichters wiedergibt. — In formaler Hinsicht scheint Charpentier eine
Weiterbildung der Berliozschen „Dramatischen Symphonie* beabsichtigt zu haben,
deren Stillosigkeit er durch die feste Gliederung in Akte und Szenen zu umgehen suchte.
Ausser dieser Gliederung hat indes sein „Symphonie-Drama* nichts mit dem Drama
gemein, von Handlung ist so gut wie nicht die Rede, und der Ort der Handlung ist
nach Charpentier's eigenen Worten „purement imaginaire*. Wenn er trotzdem Orts-
angaben für eine etwaige szenische Darstellung gibt, so beweist er mit dieser In-
konsequenz nur, wie wenig streng er selbst den Begriff des Symphonie-Dramas auf-
fasst und aufgefasst wissen will.
Die Musik Charpentier's trägt echt französisches Gepräge und lässt bei aller
Originalität unschwer die typisch-nationalen Charakterzüge erkennen, die wir schon
bei Berlioz bewundern und lieben: glühende Leidenschaftlichkeit neben zartester
Poesie, ein ausgeprägter Sinn für das Ausdrucksvolle und Malerische, eine schonungs-
lose Realistik, die vor der Darstellung des Hässlichsten nicht zurückschreckt, und
dann wieder ein Schwelgen in Melodieen von berückender Klangschönheit Nirgends
ein Sich verlieren in Einzelheiten; durch das ganze Werk geht ein grosser, sympho-
nischer Zug, der seinen Höhepunkt in der grandiosen Orchestereinleitung zum 3. Akt
erreicht.
Der verfügbare Raum gestattet im folgenden nur eine kurze Skizzierung des
thematischen Aufbaus und Stirn mungsgeb altes der einzelnen Szenen.
Akt I: „Begeisterung (Enthousiasme).* Ein leidenschaftlich bewegtes Vor-
spiel leitet die 1. Szene ein. Seine beiden Hauptthemen beherrschen den ganzen I.Akt:
1. Vigoroso stringendo
260
DIE MUSIK III. 16.
avec tendresse
1. Szene: »Sammlung (Recueillement)." Der Dichter .träumt als Kind sich
zurück" in die Tage der ersten Begeisterung, in deren .morgenlichem Glühen" die
Seele sich emporschwingt zu den leuchtenden Höhen seligsten Glaubens und Hoffens.
pp misterioso hebt der Chor der .inneren Stimmen" mit dem 3. Hauptthema des
I. Aktes an:
3.
r i j J' J" r . l 'T^
*=*
Lieb - 11 - ches Glü • hen, zu dem voll Sebn-suctat aufwlrt»
pij r f fp, r _^
scbwe - ben — , die frommen Mü - hen seh - nen-der Not —
Ober dem langsam, in mächtiger Steigerung sich aufbauenden Chor jauchzt des
Dichters Stimme (Sopran und Tenor): .Was sie auch quäle, glutenumloht entschwebet
meine Seele" (Th. 2). — Nun folgt die .Beschwörung (Incantation Sz. 2)." Erst
leise bittend, dann immer drängender, immer leidenschaftlicher bis zur ekstatischen
Verzückung ruft der Chor die .himmlische Flamme" der Inspiration herbei, die wie
Sturmesbrausen über den Dichter hereinbricht und ihn entführt ins .Land des
Traumes" (Sz. 3), wo er den Sphärengesängen lauscht und .der urewigen Ordnung"
wundersame Tempel erschaut. — Thematisch bringen die beiden letzten Szenen
kaum Neues; ihr gesamtes motivisches Material ist in höchst geistvoller Weise aus
den drei Haupttbemen entwickelt.
Akt II: .Zweifel (Doute)." Des Dichters Stern droht zu erbleichen. Von
Zweifel an seinem Genius gefoltert, sucht er Ruhe im Schweigen der Nacht (Sz. 1:
Zaubernacht .la nuit splendide.") In einem Chorsatz (mit Alt- und Sopransolo) von
wundervollem Stimmungszauber singen .die Stimmen der Nacht" seinem gequälten
Herzen Trost zu. Thema des Nachtzaubers (Motiv a besonders reich verwendet):
Lento.
4.
261
TONKÜNSTLER-FEST IN FRANKFURT
All die geheimen Laute der Nacht erwachen, geheimnisvoll murmelt der Bach, leis
flüsternd spielt der Nachtwind in den schwanken Grisern. Bang lauscht der
Dichter in das Dunkel hinaus, klagend tönt seine Frage in die träumende Stille:
* ff* y J £ r "h^to
Und was gewährst du mir, Nacht?
Als Antwort klingt ihm der Nacht uraltes Schlummerlied entgegen:
PP— — -=-■=. rr
6. äf
Grausen erfasst ihn vor diesem bangen Schweigen. Nochmals versucht er in
verzweiflungsvollem Aufschrei das Dunkel zu durchbrechen, sein Geschick zu er-
gründen, das ihm die Nacht verhüllt. „Triumph oder meiner Hoffnung Tod!" Doch
sein Schrei verhallt im leisen Rauschen des Windes. Aus weiter Ferne klingt traum-
verloren das einsame Lied der Nachtigall herüber.
Akt III. 1. Bild: „Ohnmacht (Impuissance)." Von seinem Genius verlassen,
flucht der Dichter der Gottheit, die ihn unverdient solche Strafe büssen lässt Ein
gewaltiger, breit ausgesponnener Orchestersatz schildert packend seine knirschende
Ohnmacht, seine Verzweiflung, sein vergebliches Ringen und Aufbäumen gegen ein
grausames Geschick, sein trostloses Klagen um verlorenes Glück. Der Chor („Die
Stimmen des Fluchs") schleudert bsld in rasender Wut, bald in verbissenem Ingrimm
seinen Fluch zum Himmel empor:
Sopr. avec fureur
ih. » . i*
7.
Ten.
Wenn der Mensch weit -ver - las - sen oh - ne Trost stöhnt und schreit:
dim.
S t-f-fr "Hit p r"» 1 1 7 n^ I •* ^ -i
Sei ver - flucht fal -sehe Gottheit, von dir kam al - les Leid.
Fremdartige Klänge der Orgel tönen dazwischen, wie wehmütige Erinnerung an den
einstigen Frieden der Seele, wie lästernder Hohn. Noch einmal bäumt sich der zer-
schmetterte Dichter auf und mit seiner letzten Kraft schreit er dem Gott sein „Sei
verflucht!" entgegen.
2. Bild: „Rausch (Ivresse)." Im wüsten Treiben eines „Festes auf Mont-
martre" sucht der gebrochene Dichter Betäubung. Ein tolles Durcheinander von
Gassenhauermelodieen schallt uns entgegen, begleitet von Tambourm und Kastagnetten:
262
DIB MUSIK HL 16.
8.
t^feH r r ilff^tfTT
ff i f r ,r i fa =s
Ö
pq» r r | tgT er | ^
9.
ö!^^^
sr f ! f
Q
10.
usw.
Immer tiefer wird der Unglückliche in den wilden Strudel hineingezogen. In seinem
trunkenen Sinn tauchen alte Erinnerungen auf, das Thema der ersten Begeisterung
(1) zieht flüchtig vorüber, die «Stimmen der Vergangenheit* erwachen und wiederholen
den grausigen Fluch (7), um alsbald in das Lied der Zaubernacht überzugehen, das
leise erstirbt in den ausgelassenen Rhythmen eines hinter der Szene beginnenden Balles.
Ballthema (Harmoniemusik):
usw.
In die Ballmusik, die allmählich vom gesamten Orchester aufgenommen wird, tönen
die Klänge des draussen vorüberziehenden Zapfenstreichs herein, immer wilder tobt
der Tanz, immer höher steigt die zynische Lust. Der trunkene Dichter wirft sich
der Dirne in die Arme, deren tolles Lachen („rire Canaille") durch das bacchantische
Rasen gellt Nochmals erinnern die »voix d'autrefois", vereint mit den »voix de
demain" an das frühere Glück und besingen die Wonne des verlorenen Paradieses
Der Dichter («im Rausch und roh") bricht in dumpfem Schmerz zusammen, und ver-
sinkt in Taumel und Vergessen. Grell ertönt das Hohnlachen der Dirne durch die
plötzliche Stille. Mit leisem, ersterbendem Wehruf beschliesst der Chor der „inneren
Stimmen" das Werk. Fritz Stein.
WIELAND DER SCHMIED
Symphonische Dichtung von Siegmund von Hauseggen
»All die Macht und Glückesfülle, welche ihm seine Kunst auf Erden geschaffen,
genügen Wieland dem Schmiede nicht Eine ungestillte Sehnsucht bleibt in seiner
Brust, welche seine Wünsche bald mit ungestümer Glut, bald mit süsser Inbrunst in
schwindelnde Himmelshöhen jagen lisst. Doch in unerreichbarer Ferne scheint ihm
das Ziel. Da siehe 1 Ist's nicht, als zwinge er durch seiner Wünsche Obermacht
den Himmel selbst zu sich hernieder? Eine Schwanenjungfrau, Liebesweh im Herzen,
schwebt aus seinem Blau zur Erde und neigt sich zu Wieland. Er will sie als sein
Eigen an sich reissen; entsetzt vor solch sengendem Erdfeuer entflieht sie in ihre
heimatlichen Höhen. Machtlos, Schwanhilden zu folgen, bricht er zusammen; ein
263
TONKÜNSTLER-FEST IN FRANKFURT
Blitzstrahl, lähmt ihn der Gedanke: Er, der sich so frei dünkte, den Himmel selbst
sich zu gewinnen, ist ein Knecht und unlösbar an die Erde gefesselt
Aller Wunsch erlischt, der himmlischen Schwanhilde Bild ist ihm entschwunden,
jedes Erinnern an sie erstorben; erstarrt und tot ist's in seinem Herzen. Ein Gelähmter
wankt Wieland freudlos durchs Leben. Was gilt ihm nun seine Kunst, durch die er
sich in törichtem Wahne Macht und Ehre gewonnen I Ein Sehnsuchtsschmerz, anders
als jene Gier nach Besitz, beginnt in seinem Herzen zu erwachen, immer wieder
von dumpfer Hoffnungslosigkeit unterbrochen, doch allgewaltig sich aufbäumend bis
zum furchtbarsten Schrei nach Erlösung. Soll er ungehört verhallen? — Plötzlich ist's
Wieland, als zerfliesse alle Erstarrnis. Aus tiefstem Schmerz ersteht in seinem
Innern verklärt und beseligend Schwanhildes Bild, enttaucht den weiten Fernen der
Vergessenheit Sein milder Zauber haucht ihm neuen Lebensodem ein, kühner denn
je kehrt seine Helden kraft zurück. Aber nicht will er sie vermessentlich gebrauchen,
den Himmel zu sich herabzuziehen. Seine Kunst, die ihm bis nun trügerischen,
müssigen Gewinn erwarb, soll ihm dienen, in Himmelshöben sich sein Weib zu
erringen 1
Er schmiedet sich Flügel aus glänzendem Stahl, geschweisst in furchtbarsten
Schmerzen. Schon hört er aus den Lüften Schwanhildes Stimme. Er legt sich die
Flügel an; befreit von aller lähmenden Erdenschwere schwingt sich der Held empor
zu ihr, seinem Weibe. Vereint schweben die beiden der Sonne zu."
Vorstehender dichterischer Erläuterung folgend, zerfällt das Werk in vier
Hauptteile :
I. Wieland, dem Schwanhilde erscheint; ihre Flucht,
It. der gelähmte Wieland,
III. Wieland schmiedet sich die Flügel,
IV. Wielands und Schwanhildes Sonnenflug.
Die thematischen Hauptgedanken des ersten Teiles sind:
1. das Wieland-Motiv:
Stürmisch bewegt.
Bässe Vc.
2. Thema des Erdensehnens:
Br. VI. Fg.
2 - r^y 4 p l gj_yg ^—
rm i* L im iirjsn
* I
Pos.
sehr ausdrucksvoll
'V f r *T r ¥ f
264
DIE MUSIK HL 16.
3. das Thema der Himmelssehnsucht:
VI. PI.
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cresc.
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4. das Schwanhilden-Thema:
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usw.
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usw.
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5. das Thema des Erdfeuers, dem Schwanhilde entflieht (nach Schwanhildes Flucht
in der Bedeutung der Erdenschwere, die Wieland lähmt):
Tr.
Pos.
Der zweite Teil wird durch folgende Gedanken beherrscht:
6. das Thema des gelähmten Wieland:
Sehr langsam und schleppend.
Clar. | >
6
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265
TONKÜNSTLER-FEST IN FRANKFURT
lUpT T **f ~t
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3 Fag.
7. das Motiv der Läuterung:
Oboe
7.
8. das Thema der erwachenden innerlichen Befreiung:
Klarinette
Jt
^^
^
SS
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^m
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Im dritten Teil tritt als neues Thema auf:
9. Wieland schmiedet sich die Flügel (Umbildung des Wielandmotives):
Angehalten und wuchtig. Tr. Hlzbl.
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Mit Oktave
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A A A ,A A
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usw.
266
DIB MUSIK III. 16.
Der vierte Teil bringt eine Vereinigung von Wieland- und Schwanhilden
Motiv; ersteres in neuer Gestalt:
10. pi/r f Br f fr ■ r fr f . ffS ^ Jj f L r
sehr ausdrucksvoll
Am Schluss endlich:
11. das Thema der Himmelssehnsucht in der Vergrößerung:
3Tr. Hlzbl.
J-£LJ
^-ri^jjf. i
&$
2 Jf^i s4wJ
I * |, fe
Pfrtf
19*-
USW.
Siegmund v. Hausegger.
GLORIA!
Ein Sturm- und Sonnenlied
Symphonie in einem Satze für grosses Orchester, Orgel und
(Schluss-)Chor, Werk 34
von Jean Louis Nicodd.
Besetzung:
Streicher: 16 VI. I, 16 VI. II, 12 Brtscb., 12 Vc., 8 Cb.
Holzbläser: 3 gr. Flöten, 3 kl. Flöten, 3 Oboen (inkl. Engl. Hörn), 3 Klarinetten
(inkl. Bassklar.), 3 Fagotte (inkl. Kontrafsg.).
Blechbläser: 12 Hörner (6 davon meist hinter der Szene), 6 Trompeten (3 davon
meist hinter der Szene), 3 Posaunen und Tuba.
Schlaginstrumente: 4 Pauken, 5 kl. Trommeln (3 davon hinter der Szene), 2 gr.
Trommeln (1 davon hinter der Szene), 3 Paare Becken (1 Paar hinter der
Szene), Triangel, Glockenspiel, Holzharmonika, 2 Tambourins, 6 Doppel-
paare Kastagnetten, Tamtam, grosse Glocken.
Ausserdem: 2 Harfen, Orgel, 12 Trillerpfeifen.
Chor (S., A., T. und B.) und (1 Knabenstimme) Solo.
Dieses — einen regulären Konzertabend füllende — Werk gliedert sich in 6 zu«
sammenhängende Teile. Der Aufbau ist mit folgenden Haupt-Motiven und Zitaten
bestritten :
267
TONKÜNSTLER-FEST IN FRANKFURT
■i
>
o
g (
o.
a) (Höchstes Trachten)
0m
* J» J*
3=5
■« — »-
^^
-«-
b) (Spriessendc Kraft)
A Uij A A A A A ^*
c) (Das mahnende Fatum)
ffi*-** i» jj jJj-» i r ^Jjj S
^N
d) (Des Hirten Lied)
»y^ fU^ d Jrcgi i rs l n 1 1 1
„ P -♦- _- ± ~ ♦r*^ 3 333 .+♦
1
e) Zu Teil I (Vorverkündung), III, V u. VI
das „Gloria*-Motiv \ aus der
I „Missa solemnis".
1 aus den
f) Zu Teil VI
g) Zu Teil V
das letzte „dona nobis pacem"
der Anfang des „Wach' auf"-Chores / „Meistersingern".
I.
Vorverkündung.
Einem dreimaligen Trompetenrufe hinter der Szene folgt teils im Orchester,
teils ebenfalls hinter der Szene eine Reihe der im Verlauf des Stückes zur Verwendung
kommenden Motive, unter denen noch hervorgehoben sei das in Teil II (zweites
Scherzo), Teil V (3. Absatz) und Teil VI (Schluss) erscheinende:
1.
lin
X
ö
Üä
■45h
JJ
(Tonarten: von D-dur über H-dur nach dem nun folgenden E-dur):
Von Werdelust und tausend Zielen.
E-dur %. Einleitung (Hauptmotive b und c); Variationensatz (Hauptmotiv a).
Gegen den Schluss hin »das mahnende Fatum" (Hauptmotiv c) vom Engl. Hörn und
Streichern.
II.
Durchs Feuer.
(Erstes Scherzo) e-moll 6 / 8 . Ein Fugato in rastlos sprühender Lebendigkeit:
VI. I.
www
1
Kurz vor dem überleitenden Schlüsse „das mahnende Fatum" (Hauptmotiv c)
von Gr. Flöte und Streichern.
268
DIE MUSIK III. 16.
Durch die Schmiede.
(Zweites Scherzo) h-moll 6 / 8 .
*
1 1 P i , m
Hr., Engl. H., Fag.
Gegen den Scbluss bin Steigerung durch den Hinzutritt von Bspl. 1, die
beim C-dur den Ausdruck .glühender Begeisterung* annimmt und wiederum »mahnend*
vom Hauptmotiv c) abgelöst wird (kl. Flöte, Glockenspiel und Streicher). Folgendes
kurze, in den nächsten Teil fiberleitende Motiv — Sinnbild der Lebenswende — :
2 Solo-Viol. in 8va.
4 'ipt
Ü
^
¥=$
g^
dient zugleich als Abschluss.
III.
Ein Sonnentag des Glücks.
H-dur 5 /*. Leise Hornrufe (Hauptmotiv b) leiten das von geteilten Cellis und
Bässen ausgeführte Morgengrauen
ein, dem sich anschliesst »Des Hirten Lied* und das »Gloria* der grossen
Frfihmesse im Walde.
Hauptmotiv d), dem ein auf harmonischem Grunde des Hauptmotivs c) auf-
gebauter buntschillernd-jubilierender Satz (Holzbläser, vielfach geteilte Streicher,
Harfen und Schlaginstrumente) folgt. Nach kurzer feierlicher Überleitung der Streicher
(f-moll »/«) hebt an: •
Der Sonnentag:
Hörn Solo
6.
*
t
t
5
Diese aus Hauptmotiv a) gebildete Melodie geht, nach breiter Steigerung und
einem Violin-Solo, über in einen Ländler:
Bratschen
7.
I=£ -U j»! pJ^?fTfT?^ B^
sodann in einen (dreiteiligen) Walzer:
Bratschen, Celli usw.
8.
w^^z ^^ jf^ TTMfe ^
nach dessen allmäligem Verklingen, in das sich — wie vorahnend — die beiden
ersten Töne des Fatum-Motivs (c) einschleichen, Die Botschaft aus den Wipfeln
ertönt:
269
TONKÜNSTLER-FEST IN FRANKFURT
9.
¥ J, J|i j\ ' J ^ j, J ^i^
Streicher
— ein Flöten -Solo hinter der Szene aber dem Fatum-Motiv (c), hier jedoch als Aus-
druck höchster Seligkeit (Streicher); abschliessend mit Trillern der Flöte und Motiv 4),
Anklang an die »Lebenswende* und der Lockruf vom Berge. Hirtenmotiv (d)
hinter der Szene» von ruhenden Bissen auf C und gr. Trommel begleitet.
Das Hohnlachen, — ein Mondfest im Teich:
VI. I. 8va. Hr.
"> §p
E
f^^%/5 ^
Nach dieser, von gestopften Hörnern, gedämpften Trompeten und Posaunen aus-
geführten Episode, in die sich „kratzende Laute" von Violinen und Bratschen mischen,
klingt der Teil in entrückter Stimmung (Mondnacht! Gloria-Glocke! Weltferne Rufe!)
aus, abgeschlossen mit kurz abreissendem E-dur-Akkord.
IV.
Die stillste Stunde.
Cis-moll. Aufgeregte, geheimnisvoll spukende Tremoloflguren der Streicher über
dem Fatum-Motiv (c) der tiefen Bassklarinette werden von drei leisen Aufschreien:
Holzbl.
11.
abgelöst und leiten über zu einem längeren, tief grübelnden Fugato:
Vcl.
12. Sfa
durchzogen von einer neuen breiten Melodie
äöft
i3 - ^p
E
#
321
P
mit gesteigert-klagendem Ausdruck, nebst dem Hauptmotiv a) in Moll und abschliessend
»still und wie verhalten* auf dem Orgelpunkt Cis. - Nachdem Flöten, Oboen und
Klarinetten FF das Fatum-Motiv (c) ertönen Hessen, wiederholen sich die Tremolo-
flguren der Streicher nebst den dreimaligen, leisen Aufschreien (11), und nun über
das vollständig angeführte Hauptmotiv a) in Moll (3 Flöten, Klarinetten und Solo-Cello)
hinweg zu einem weiteren, tief-leidenschaftlichen Klagesang:
Vk I.
dessen erster Takt gegen den Schluss hin in mehrfacher Wiederholung durch die
Oboe mit stets wechselnden Harmonieen der tremolierenden Streicher »wie ein Blick
in eine schmerzliche Zukunft" auftritt:
270
DIE MUSIK HL 16.
Ob.
15. fcp ft (t r -i^r
Es erscheint Das Flammenzeichen:
Bässe pizz.
16.
aj.fljfr, t< J|] | JUs
05
^
Hauptmotiv a) umgebildet. — Atemloses Aufhorchen! Seufzer! — Nach einer
Fermate der 3 tiefen Flöten und Bratsche
Bisse pizz. 3 Flöten
17.
m y*g >J vy^-fagH
folgt, als Vorahnung zu Teil V über dem Fatum-Motiv (c) der Bassklarinette ein
Marsch (gedämpfte Hörner, Celli und Bisse):
18.
(»An diesem Felsen wird einst höchstes Trachten zerschellen!*) Erschrecktes
Aufseufzen. Verzerrtes Klappern (Holzharmonika) des Gloriamotivs (verminderte
Quinte:)
Holzharm.
ftJ 1" C |T ßj frßttft
und es entringt sich »in höchster Erregung, wie in Verzweiflung* (c-moll) Der
Notschrei:
(Hauptmotiv c) und Beispiel 12 mit wild erregten Violinfiguren, der in atemversetzen-
dem Toben dem FF-Ausdruck des »mahnenden Fatums" (c) zujagt Nach allmlliger
Beruhigung ertönt wiederum der erste Takt von Beispiel 15 in mehrfacher Wieder-
holung und mit wechselnden Harmonien der tremolierenden Streicher; es lassen sich
nochmals die drei, sehr leisen Aufschreie (Beispiel 11) von gedämpften Hörnern und
Violinen vernehmen, — und in feierlichen Klingen schreitet einher das Gelübde
(:in den Kampf zu ziehen gegen Mode und Herdentum!):
21.
usw7 : -bis
271
TONKÜNSTLER-FEST IN FRANKFURT
(Celli, Bisse, Höraer, Trompeten und Posaunen.) In den sehr breit ausklingenden
Cis-dur*Schluss Hüten — wie Hlmmelswelhe — die Gloriaglocken.
V.
Um das Höchste.
Ein Werberuf (:nach Mitstreitern I):
12 Hörner, 6 Trompeten und 3 kleine Trommeln leiten diesen Teil mit einer
ausgedehnten »Fanfare* hinter der Szene ein:
die in das Zitat ig) übergeht:
Im Orch.
H. d. Sc.
Hier (die Melodie unterbrechend) setzt das umgebildete Fatummotiv c), die aufgerüttelten
Gegner darstellend, ein:
Bisse
24.
atf « r fr rr M>if ü* r tdr | ttT =
Dennoch sind die Mitstreiter gefunden und
Gesammelt um die Fahne:
Blechinstr.
26.
In hoc slgno vincesl (Zitat e)
Orch. u. Org.
i
» f r r , f f f
Der Kampf beginnt:
Gegen Felsenl
C-dur 4 /i. Ein ausgedehntes Fugato in drei Absitzen, dessen ersten
Basse
27.
mnlJÜM
272
DIE MUSIK III. 16.
(Celli und Bisse) zunicbst von einer Polka, der folgende (erregt in Des-dur
dazwischenfahrende) zweite:
usw.
28.
^3
t* T g y *
gebildet aus Beispiel 27 und Hauptmotiv b), durch einen Walzer mit anbangender
Koloratur-Kadenz (Klarinetten, Trompeten und Posaune) unterbrochen wird.
In den „mit empörtem Aufbrausen" beginnenden dritten Absatz:
f fr i~v
r-fr M^*"
gebildet aus Beispiel 1 von stürmischen Violinfiguren begleitet, dann (E-dur) Haupt-
motiv b), später von dem Motiv des „höchsten Trachtens" (a) überstrahlt (Orgel-
eintritt), dringt sich, nach und nach anwachsend, der in Teil IV (vgl. „Flammen-
zeichen") angekündigte Marsch (Beispiel 18) hinein. Während die Krifte des Streiters
erlahmen, gewinnt der Marsch (C-dar) die Oberhand, und in
Umsonst!
behauptet er »mit brutaler Sieghaftigkeit" das Feld. —
Nochmals ertönt »wie erstickt" (in den Streichern) der Ruf nach den Getreuen:
5-- — . — s —
3a
iffi r* |
*4 -M
mit immer noch nachklingendem Marsch, aber die sieghaften Gegner besiegeln mit
geschiftiger Eile den Sturz:
31. Ip
r
l r
^&
^gb+jjj? ^JjS *& \^f=^^A
Fatummotiv (c) in Hörnern, Bratschen und Celli mit übergelegtem Verzweiflungsmoiiv
der Violinen aus Teil IV (20). Von neuem ist das verzerrt klappernde Gloriamotiv
(Holzharmonika) — wie Hilfe heischend — vernehmlich und „gebrochen an Leib und
Seele" sieht sich der „Streiter um das Höchste" überwunden (Gloriamotiv mit der
verminderten Quinte in den gestopften Hörnern).
32.
e|
£
|s
im
r> \ r
Das Fatum spricht:
a.
aö
J J » 1 fr 1
| Fanfare! |
| Fanfare!
Hauptmotiv c mit eingestreuten Marschfanfaren. Die vorgeahnten Klage-
rufe (Beispiel 15) lassen sich als Rückerinnerung wieder vernehmen, diesmal im
Hörn mit untergelegten tremolierenden Streichern.
273
TONKÜNSTLER-FEST IN FRANKFURT
Der Abschied von den Getreuen!
Bratsche 8va tiefer.
•«•*•••••••••• »•• »■ »■• »« •■ ■ » •*« '
33.
fe
*
P
I ri ri t
5 ij i./3
l«Ji
f^
Holzbl.
ÖÖ&
m
*h£i5i ±
t
Vgl. Beispiel 25 („Gesammelt um die Fahne*), zu dem nun »in schmerzlicher Er-
gebenheit" ein Bratschen-Solo hinzutritt — Die mehrfach angeführten drei, jetzt im
FF ertönenden Aufschreie bilden den Schiusa, dessen zwei letzte Takte mit dem rück-
schauenden Fatum-Motiv in der verminderten Quinte (tiefe Fagotte, Bass-Posaune und
Tuba) zugleich die Oberleitung zu Teil VI bilden.
Gedankenverbindung.
(Das „Fatum" sprach: „Du warst gewarnt! Versuche nie, zu — bekehren! . .
Doch dir winkt Schöneres noch: Deinem Selbst und deinem fortglühenden Trachten
zu leben auf dem freien Berge; mit weitem Blick ins Tal; umgeben von dem treuesten
Hirten und von ewiger Reinheit der nie trügenden Natur!")
VI.
Der neue Morgen.
Vor dem Erwachen.
(Celli und Bässe, wie in Teil III, Beispiel 5.) — Als Traumbild erscheint der
Marsch (Teil IV Beispiel 18) und das Hohnlachen (Teil III Beispiel 11).
9 ... So tönte es mir doch einst!"
(Wiederholung aus Teil III : »Des Hirten Lied und das ,Gloria< aus der grossen
Frühmesse im Walde.") Wiederum wie dort folgt der buntschillernd-jubilierende Satz
(Holzbläser, vielfach geteilte Streicher, Harfen und Schlaginstrumente). Des Hirten
Lied hinter der Szene breitet sich weiter aus, nimmt einen lustigeren Charakter an;
es geht über in einen Ländler (vgl. Teil III Beispiel 8), der immer näher erklingt,
und »ein Freier" schreitet „ . . . Zum Hirten auf den Berg!"
Nach kurzer feierlicher Oberleitung der Streicher, zu der nun die Knaben-
stimme hinzutritt:
Dir win-ket das Won - ne - Und, das Land rein-sten
34. 1^4 ' _, I frj-^TT ^J SftW&^^J* 1 HJEl
Heil«,
i
?»=
*
m
X
1
*=*
setzt mit der Melodie des «Sonnentags" (vgl. Beispiel 6) ein der Chor: Höhen
frieden nach Feierabend:
III. 16. 19
274
DIE MUSIK III. 16.
a=^
Dimmernd erfüllt
Kreislaufes eVger Gang;
Nacht-dunkle Stille
▼eicht hellem Erblfih'n:
Tag hebt an!
Schon tönt's im Osten leis',
Graset es, — ein Morgenlied!
Lösend das Leben,
Das jung nun erwacht:
Sonn' steigt auf!
Schwellender Strahlen Gold
Breitet sich weithin im Biso;
Firnen und Triften
Erglinzen in Pracht:
Licht-trunken das Weltall! —
O grosses Gestirn!
Alles zu dir empor
Fleht nnn verlangend, berauscht.
Sehnsuchtsvoll strebt es zur Höh,
Umringt dich, du ewige Flamme!
Denn du gibst
Uns Freiheit
Und Glückes
Seligsten
Habenfrieden!
der in steter, immer grosserer Steigerung die sufgehende Sonne schildert
nach erreichtem FFF, in das Zitat f):
und,
35.
Chor allein.
Hö-hen - frie-den! Hö • hen- frie-den!
(plötzlich p) ausmündet Nachdem die Knabenstimme:
Hei - sse-stes Seh - neu in Gna -den er-bört!
36.
ll-l f- 1 r , IrU ^J- ^. I ;j > «3^
hat hören lassen, ertönt vom Chore in mehrfacher Wiederholung der (pp; Ausruf
des höchsten Glückes: Sonnentag:
Die Knabenstimme fragt:
37. Ahn'st, Mensch, du die Macht, die all dies gab?
(mit Violine Solo) »Des Hirten Lied", von der Orgel begleitet, ertönt zum letzten
Male, nach und nach immer lustiger werdend; auch der Chor hinter der Szene
ruft noch einmal: Sonnentag! — und nun beginnt der breit sich aufbauende Schluss
Gloria!
beherrscht vom Zitat e), dem sich die Motive 30 und 1, sowie von Beispiel 21 die
eingeklammerten Takte a) und b) beigesellen. (Volles Orchester, Chor, Orgel und
Glocken.) Nach 30 Takte langem E dur und FFF abreissendem Schluss hört man als
Ausklang: — weiter tobt's und immer weiter im Tale — um den Felsen! —
hinter der Szene das Motiv Bspl. 4 von drei kleinen Flöten:
38. 8v«
I I
drei .Werber ufe" (aus Beispiel 23) von Hörnern und kleinen Trommeln mit an*
schliessendem Marsch (Beispiel IS) von drei kleinen Flöten, sechs Trompeten, zwölf
Hörnern, drei Posaunen, Tuba, Jrei kleinen Trommeln, grosser Trommel iMd Becken.
275
TONKÜNSTLER-FEST IN FRANKFURT
Spielend huschende - die Freiheit der Vögel darstellende — Figuren im
Orchester (Flöte, Oboe, Klarinette) beschliessen mit kurz abreissendem Pizzicatoakkord
in Celli und Bissen das ganze Werk.
Nur Ein Ton — in der Ferne — klingt weiter!
Jean Louis Nicodö.
SONATE
für Violine und Klavier op. 30
von Ludwig Thuille.
Erster Satz: Allegro appassionato, ma non troppo presto.
Das Hauptthema:
wird vom Klavier eingeführt, worauf die Violine »quasi rubato* mit einigen rollenden
Arpeggien einsetzt und einen Halbschluss auf der Dominante herbeiführt. Ein
neues Motiv:
i r t
&
• •
*m
steigert sich in seiner Verarbeitung zu einer Vollkadenz in der Haupttonart, an die
sich das zweite Hauptthema anschliesst:
IL
i3+H# | Fffi[ f ff dr i f rv i f f
Seine Entwicklung vollzieht sich durch die Violine und führe nach entsprechender
Steigerung zum Motiv:
Klav.
Seine Fortführung durch die Violine gipfelt in einer Konklusion, die vom Quartsext-
akkord G-dur ihren Ausgangspunkt nimmt, um sich schliesslich zu einem sanften
Codal-Motiv:
iv. i ^ ff r ftf ■ ~., . ■ Z?
f
abzudachen, das die Exposition auf dem Orgelpunkt G zum Ausklingen bringt. Der
in c-moll einsetzende Durchführungsteil beschäftigt sich zunächst mit imitatorischer
19*
276
DIE MUSIK III. 16.
Verarbeitung von I und la; nach einer kurzen Episode, die (in As-dur) das zweite
Hauptttaema anklingen lisst, gewinnt Thema I (von cis-moll ausgehend) wieder die
Oberhand, und führt in Verbindung mit la die Wiederkehr der Haupttonart herbei,
in der nun das zweite Hauptthema vom Klavier aufgenommen wird. Die Wiederkehr
des Mittelsatzes erfolgt in E-dur durch die Violine und erfahrt eine freiere Aus-
gestaltung, die nach leidenschaftlicher Steigerung zum Codal-Mothr IV auf dem Orgel-
punkt E führt, der tonartlich zwischen E-dur und e-moll schwankt, um schliesslich
als Terz-Orgelpunkt von C-dur auszuklingen. Eine gedrängte Coda führt hierauf in einer
dem trotzigen Charakter des Satzes entsprechenden Steigerung den Abschluss herbei.
Zweiter Satz: Molto adagio.
Das Hauptthema:
Vioi.
i jmJJ^lJiri i
fn
USW.
I
entwickelt sich zu einer breiten Kantilene der Violine, nach deren erster Cisur im
12. Takte ein kleines Nebenmotiv:
eingeführt wird. Den Höhepunkt gewinnt das Thema auf dem Dominant-Nonakkord
von Des-dur, von dem aus sich sein allmähliches Verlaufen vollzieht Das Klavier
bringt nun ein etwas pathetisch gefärbtes Motiv in c-moll:
II.
wpipiipn
führt es in zweiter Fassung zur Dominante von Es-dur, worauf die Violine es in Ges-
dur einsetzt, nach der Dominante von f-moll weiterführt, um schliesslich durch die
Verbreiterung der Sechzenteltriole einen Mittelsatz in E-dur daraus zu entwickeln,
III.
der nach eindringlicher, durch die Klavierbisse imitatorisch unterstützter Steigerung
einen Höhepunkt erreicht. Ein Trugschluss führt nun die Wiederkehr des ersten
Themas in C-dur herbei, das vom Klavier in flgurativer Bereicherung aufgenommen
wird. Es folgt eine kurze Durchführungsepisode, sodann eine kanonisch gehaltene
Wiederkehr des Motives la, die sich nach As-dur wendet, von wo aus in gedrängter
Steigerung die andeutungsweise Wiederkehr des Mittelsatzes in C-dur erzielt wird.
Der Abschluss des Satzes wird durch langsames Verklingen des Hauptthemas herbei-
geführt.
277
TONKÜNSTLER-FEST IN FRANKFURT
Dritter Satz: Allegro deciso.
Formell stellt dieser Satz eine Art Rondo dar. Das Hauptthema:
Viol.
fusst auf dem Harmonieschritt
der im Verlauf des Satzes thematische Bedeutung gewinnt. Ein Zusatzmotiv:
*
w^?
leitet zu einem anfänglich kanonisch gehaltenen Seitenthema in h-moll:
II.
i j, 1 1 j'iTf^ f f i ^ ff i r f i fw r i f riffffl^
über, das sich bis zu dem Quartsextakkord von H-dur steigert; hier wird im Bass
(quasi als Konklusion) das splter durchgeführte Mittelsatzthema III antizipiert Eine
kurze Oberleitung führt zu einer zunächst scherzando gehaltenen Wiederkehr von
Thema I, das eine kurze Durchführung erfahrt, die nach F-dur gelangt Nun intro-
duziert das Klavier Thema III (eine Neubildung von II):
das durchgeführt wird und unter späterem Hinzutritt von Motiv Ia in die Wiederkehr
des Hanptthemas in e-moll mündet Hieran schliesst sich das Seitenthema II und
sein Nachsatz, der im Quartsextakkord von E-dur kumuliert, auf dem nun abermals
Thema III eintritt, durch das unter kanonischen Führungen und rhythmischen Ver-
kürzungen nach e-moll zurückgeleitet wird. Den Schluss des Satzes bildet eine Stretta,
die, — für die Violine in Stakkatoflguration gehalten — , auf den thematisch charakte-
ristischen Harmonieschritten des ersten und letzten Satzes aufgebaut ist
Ludwig Thuille.
QUINTETT
Des - dur op. 5
für Pianoforte, 2 Violinen, Viola und Violoncell
von Dirk Schäfer.
Der in breiter Sonatenform gehaltene erste Satz (%, Allegro non troppo e
molto maestoso) setzt gleich mit dem wuchtigen energischen, später auch im Finale
verwendeten Hauptthema (unisono)
278
DIE MUSIK III. 10.
1.
ein; et erscheint bald, von rauschenden Arpeggien des Klaviers umspielt, in folgender
abgeänderter Gestalt:
Ein leidenschaftliches Seitentbema
m
in. f g tfr i f-S^
a
usw.
leitet allmählich zu einer Vorbereitung des Gesangsthemas über, die aus folgenden
zwei Teilen besteht:
4a.
^ JjJ JtJ
4 b.
frfr f f r i r T^ftHtf vj i f t ^ i
Das folgende Gesangsthema, das zuerst vom Klavier allein vorgetragen wird,
5.
tyk i * iJju »
jrf* i iJl i Jj. f \&
wird allmählich gesteigert, es meldet sich Thema 1 ; nach einer Oberleitung, in der die
Motive
6.
und
7.
F9F^^§E
eine Rolle spielen, wird dieser erste Teil wiederholt. An den ziemlich ausgedehnten
Durch ffih rungsteil schliesst sich die Wiederholung des ersten Teils, aber gleich mit
dem Hauptthema in seiner zweiten Gestalt (No. 2) beginnend. Das Gesangsthema
(No. 5) wird in diesem Wiederhol ungsteil auch einmal allein von den Streichinstru-
menten gebracht. Eine kurze prächtige Stretta, in der die Bassfigur:
8
279
TONKÜNSTLER-FEST IN FRANKFURT
eine gewisse Rolle spielt, bringt den Satz zum effektvollen Abschlags.
Der zweite Setz (As-dur A /i, Adagio patetico) setzt gleich mit einem breiten,
sich allmählich steigernden Gesang (No. 9) ein:
cresc.
Im Anschluss daran ertönt das leidenschaftliche Seitenthema:
10. üfejy^"
piü animando
Bald taucht wieder ein neuer Gedanke (No. 11) auf:
U piü mosso
usw.
*' fr»
£fp
um zu dem kurzen Zwischensatz (Tranquillemente sostenuto e poco mono mosso)
überzuleiten, für den die Figur:
12.
charakteristisch ist In dem daran sich anschliessenden Wiederholungsteil erscheint
Thema No. 9 in wesentlich veränderter Gestalt, nlmlich als
13.
&j»i5v i ^g^ ^
-^m
usw.
folgt No. 10, darauf der Zwischensatz mit No. 12 in kürzerer Fassung, ferner No. 13,
um einen halben Ton erhöbt, in mlchtiger Steigerung, bis sich allmählich die Wogen
der Erregung legen und der Satz durch No. 12 sanft zu Ende geführt wird.
Der dritte Satz (%, Des-dur, Allegro vivo e Scherzando) trägt seine Bezeich-
nung mit vollem Recht. Die Streichinstrumente (Bratsche und Violoncell begleiten
plccicato) bringen das reizvolle Hauptthema:
«. ffi&g^^j Emrg^gl
\# l*£-$ X iLÜ&ti a Fß $% *&= m*^
f ff ^ - ^ f^&f
cresc
280
DIE MUSIK III. 16.
zunächst allein; bei der Wiederholung durch das Kitvier llsst die erste Violine ab-
wechselnd mit der Bratsche reizvolles Figurenwerk erklingen; im weiteren Verlauf
des Satzes tritt der Anfang des Hanptthemas in folgender Gestalt:
14
als Fogato ein, um bald darauf wieder in der ursprünglichen Fassung zu erscheinen
und zu einem energischen Scbluss zu fuhren. Als «Trio 41 folgt dann ein reichlich
gefühlvolles »Moderato con molto espressione" */* in Ges-dur, dessen Hauptmelodie
(im Violoncell) folgendermissen lautet:
Nachdem dieses Thema genügend verarbeitet ist, wird das ganze Scherzo notengetre«
wiederholt
Das Finale beginnt mit einer Einleitung, die aus dem Hauptthema des ersten
Satzes No. 1 und einem neuen, mannigfaltig verarbeiteten Gedanken besteht,
16.
*m
3se=;
t
^^
dessen Zusammenbang mit No. 4b noch deutlicher wird, als es später lautet:
16
^
&=*
t
f f r fr-f ,y f f [ fte ]
Das eigentliche, breitausgefuhrte Finale (Allegro con spirito, •/*) 8etzt mit folgendem
gewaltigen Hauptthema ein:
17.
ffi'A - J ;Jj.qi^iWJ- l r C ri: l' r ^
• •
aa ^tf-^tTTTp i •■ i 'fi i r-r±j m=
largamente
leitet zu dem Gesangsthema (No. 19) über:
■w-b
19.
■ril
U\r.
W^rf-itriFTt ^ " r jjgü p
281
TONKÜNSTLER-FEST IN FRANKFURT
usw.
In der darauf folgenden Durchführung begegnen die Themen 17, 18 und 18 in mannig-
faltiger Abwechslung; der Überging zu dem Wiederholungsteil wird durch ein kräftiges
s /i gewonnen, das an den Anfang von 16a gemahnt:
20.
hfeVi. j r r I r Hr *r I ;• ( (' I j^üJjf>rr ! lH d M
AU Coda wird schliesslich No. 1 verwendet und damit der Satz sehr effektvoll ab-
geschlossen. Dr. Wi 1h. Altmann.
DER TOTENTANZ
Gedicht von Goethe
für Chor und Orchester op. 86
von Wilhelm Berger.
Wenn ich auch der Ansicht bin, dass meine Musik zu Goethes Dichtung keinerlei
Ritsel zu lösen aufgibt, so entspreche ich doch gern der Aufforderung, einige Er-
läuterungen zu geben.
Erste Episode: Ein durch vier Oktaven langgehaltenes C (Streichorchester)
zeichnet die Ruhe des Friedhofs, auf den der Mond (eintretendes H-dur — Holz-
bläser und Harfe) sein Licht wirft. Nach dieser kurzen harmonischen Abschweifung
erfolgt die Ruckkehr nach C. — Zweite Episode: Die Gräber öffnen sich, die Toten
kommen hervor. Das von der Bass-Klarinette eingeführte Motiv:
wm
t
9
wa
t
l
tfz
beherrscht diesen Abschnitt der Dichtung. — Dritte Episode: Der eigentliche Tanz
der Gerippe (6/8 Takt). Die Klarinette bringt das Hauptmotiv:
das seine Fortsetzung in folgendem findet:
X
M\^Jä tu 1 1 ^
Der eintretende verschobene Rhythmus (6/8 = 3/4) soll neben der Zeichnung der beim
Tanze verschrobenen Gliedmassen der Skelette den lächerlichen Eindruck darstellen,
4en der Anblick des Tanzes auf den Türmer hervorruft: .Das kommt nun dem
Türmer so lächerlich vor.* Der »Schalk", der «Versucher 41 flüstert ihm (mittels
einer Solo-Oboe) ins Ohr: »Geh, hole dir einen der Laken. 41 Bei den Worten: »Der
DIE MUSIK HL 16.
Mond und noch immer er scheinet so hell 41 taucht das Anfangsmotiv des Chores in
grellerer Beleuchtung auf. Der Tanz steigert sich cum farioso. Nach und nach ver-
schwinden die Skelette in den Gräbern (langes diminuendo — der verschobene Rhythmus
68 = 3/4). Vierte Episode: Ein Skelett ksnn sein Laken nicht finden; das «Grapsen*
und »Tappen* wird durch folgende penetrante Figur dargestellt:
q j g T i j3 Vi J i R
in die der Chor scharf den Text hineinwirft — Fünfte Episode: Die Jagd des
Skeletts, um dem Türmer das Laken abzugewinnen (»Das Hemd muss er holen").
Ein chromatisches Motiv:
versnschaulicht den Hergang — grosse Steigerung und fortwährendes accelerando,
da ertönt der Schlag der Turmuhr (Tamtam), das Gerippe zerschellt — die Piccolo-
Flöten kreischen das Tanzmotiv, ein schnelles chromatisches Abstürzen und Schluss.
Wilhelm Berger.
TOTENKLAGE
für gemischten Chor und Orchester
von Georg Schumann.
In seiner »Totenklage 41 fasst Schumann den gewaltigen Chor aus Schillers
»Braut von Messina" als selbständige Dichtung, losgelöst von der Handlung des
Dramas, auf. Er schildert das Wirken des totbringenden Schicksals in seiner Un-
erbittlichkeit in folgendem Motive:
usw.
das dem ganzen Werke zugrunde liegt. Schüchtern und zaghaft beginnt der Chorbass,
gleichsam fürchtend, das Schicksal herauszufordern:
Durch die Strassen der Städ-te, vom Jam-mer ge-fol-get, schreitet das Unglück
Der Unerbittlichkeit der finsteren Moira der alten Griechen setzt nun der Komponist,
nachdem er diesen Teil zu imposanter Höhe entwickelt hat, den christlichen Auf-
erstehungsgedanken gegenüber, indem er die Bläser ein kurzes Fragment aus »Jesus
meine Zuversicht" anstimmen lässt. Dem blinden Schicksal setzt göttliches Walten
ein Ziel und die Vernichtung verliert ihre Schrecken in dem Gedanken an ein Leben,
nach dem Tode.
283
TONKÜNSTLER-FEST IN FRANKFÜRT
In dieser trostreichen Gewissheit dtrf der Alt nunmehr in ernstsinnender
Weise anheben:
espressivo
Wenn die B1lt-ter fsl - len in des Jah - res Krei-se, wenn zum Gra - be
^ j.v^ 1 ^^^ r * '
wal - len ent - nerv - te Grei-se
doch nicht in versöhnender Welse nur tritt der Tod an das Menschenleben,
das Ungeheure auch lerne erwarten im irdischen Leben*:
Mit ge-walt - sa - mer Hand
unisono J
»Aber
ff
*&&*
.•sip- r *£
usw.
furioso
Nun erbraust das Ungewitter, das über den Menschen Jederzeit hereinbrechen
kann, in seiner ganzen elementaren Wucht:
Volles Orchester
,da fühlen sich alle Herzen in des furchtljaren Schicksals Gewalt*.
In majestätischer Breite droht noch folgendes Motiv:
Tenor und Bass cresc.
A-ber auch aus entwölk -ter Hö-he kann der zün-den-de Don - ner schla-gen;
bis schliesslich in eindringlichem Unisono gegen das eis im Basse die schreckliche
Warnung grell erklingt:
marcato
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Da - rum in dei - nen glück - li • eben Ta - gen furch - te des Unglücks
tu - cki - sehe Nl - -
'&
tu - cki - sehe
he!
284
DIE MUSIK III. 16.
In dem Abschlags dieses Teiles moduliert Schamann in eigenartiger, kühner Weise
von as-moll nach H-dur. Es ist eigentlich keine Modulation, sondern ein allmähliches
Loslösen der Intervalle von as-moll nach C-dur, das dann durch Hinzufügen des
tiefen A im Basse nach H-dur geleitet wird. Ich erblicke darin eine vom Kompo-
nisten gewollte Absage an die pessimistische Weltanschauung, der er den Weisheits-
satz, dass Schmerzen Freunde sind, gegenüberstellt. Infolgedessen ist seine Ver-
tonung der Dichterworte:
»Nicht an die Güter hinge dein Herz,
Die das Leben vergänglich zieren,
Wer besitzt, der lerne verlieren,
Wer im Glück ist, der lerne den Schmerz"
nicht der Ausdruck düsterer Resignation, sondern der Hinweis auf die unvergäng-
lichen Güter des Jenseits. Darum stimmt der Komponist „nicht diese Töne", sondern
die folgenden, trostreichen an:
VP
Nicht
Gü - ter hän - ge dein Herz,
i ^f , £ J 7J i ^ ^
Le ben ver - gäng-lich zie - ren.
Das Schicksalsmotiv, das kurz vor dem Schluss noch einmal hervorbricht, hat seine
Gewalt verloren. Paul Hielscher.
HYMNUS DER LIE^E
für gemischten Chor, Bariton-Solo und Orchester
von Heinrich Zoellner.
Der »Hymnus der Liebe" ist eine Chorphantasie, ihre Form ist nur durch die
— ebenfalls vom Komponisten herstammende — Dichtung bestimmt.
Götter, selige .Götter,
Stiegt ihr herab zu mir?
So beginnt in ekstatischer Stimmung das Werk, die Seelenwunder der Liebe,
das stürmische Klopfen des Herzens schildernd. Dann lenkt der rasche, drängende
Fluss der Melodie in ruhigere Bahnen ein: auf einem Orgelpunkt entwickelt sich eine
Imitation der Osterglocken, die Liebe einer Auferstehung des menschlichen Herzens
vergleichend; doch bald beginnt das unruhig-glücklich-pulsierende Leben wieder;
«wie eine Schar von holden Kindern, so stürmen und drängen sich die Lieder —
überall Frühling, Mailust und Sonnenschein, himmlisch jauchzende Lust!"
Mit diesem Ausruf schliesst der erste Chor — und eine Solostimme (Bariton)
setzt die Lobpreisung der unsterblichen Göttin fort, »wenn auch eisiger Nordwind die
Erde mit frostiger Hand berührt, hinter den neblichten Schleiern schau ich das Auge
der Göttin!"
Chor. Sehr gehalten und wuchtig.
" i r
In ein Nicntssinktvordir zu-sam-men der Mensch.der so hoch sich dünkt
nfc>0_ TONKÜNSTLER-FEST IN FRANKFURT O^"^
Also beginnt wieder der Chor, die Schrecken and die Schmerlen, aber ancb
die Tröstungen und die heilende Kraft der Liebe schildernd. .Und mBaste der Mensch
stürzen In den flnateraten Abgrund, mOsste er erdulden der Hölle furchtbarste
Qualen, er Hast doch nicht ron dir; eher wurde er erblinden, als dass einen Augen-
blick er sieb von dieser Sonne des Lebens abwendete" — in nngeflhr diesen Worten
vereinigt sich der Solist mit dem Chore am Schlüsse des Werkes in einem Preise
der „heiligen Mutter, der Göttin der Liebe-. Heinrieb Zoellner.
SINFONIA DOMESTICA
op. 53
von Richard Strauss.
Das Werk tragt die Widmung: «Meiner lieben Frau und unaerm Jungen'.
Es besteht ans einem Satte mit drei Unterabteilungen: a) Einleitung und Scherzo,
b) Adagio, c) Doppclfuge and Finale. Das erste Thema (.Der Mann") besteht aus drei
Teilen: einem .gemachlichen* Anfang (der an den Anfang der „Pastorale" erinnert),
emer „sinnend" bexeichneten Fortführung und elnor .feurig" In die Höhe steigenden
Melodie. Das zweite Tbema (.Die Frau') ist äusserst kapriziös. Daadritte Thema („Das
Kind") ist ganz einfach In Haydnscber Art und wird von einer Oboe d'amore gespielt.
Aus diesem Thema entsteht das 1. Thema der Doppelfuge (.Behauptung"), mit dem
ein 2. (.Gegenbehauptung") kontrastiert. Das Orchester rauss auf 108 Instrumente
verstärkt werden, anter denen sich Tier Saxophone befinden. Jedes weitere „Programm"
seines Werkes lehnt Richard Strauss ab.
'n dem langen und ruhmreichen Siegeszug, den dos Leben Franz
Liszts darstellt, ist der Meister nur einmal als schaffender
Künstler der Bühne naher getreten, und zwar mit einer ein-
, aktigen Operette „Don Sandte" oder .Das Liebesschloss",
die in der Pariser Academie royale de Musique am 17. Oktober 1825
aufgerührt wurde. Heute ist „Don Sanche* bis auf den Namen unbekannt
und vergessen. Im Liszt-Verzcicbnis von Breitkopf & Härtel ist er nicht
einmal erwähnt, und alle Biographen und Musikhistoriker beklagen über-
einstimmend seinen unwiederbringlichen Verlust. So schreibt z. B. Lina
Ramann im ersten Bande ihres hochverdienstlichen Buches:
.Als vor mehreren Jahren Feuer In der Bibliothek der grossen Oper in Paris
ausbrach., ward es ein Raub der Flammen, — ein Ende des Don Sancbe, das um
so mehr beklagt werden rauas, als keine Abschrift der Partitur vorhanden, und In-
folgedessen eine Beurteilung der damaligen Reife des jugendlichen Komponisten nach
lyrisch-dramatischer Seite hin unmöglich Ist." 1 )
Ebenso heisst es bei Rudolf Louis:
„Ober den Ten dieses Werkes, das die einzige musikdramatische Schöpfung
Liszts geblieben Ist, kann beute nicht mehr geurteilt werden, da die Partitur bei Ge-
legenheit eines Brandes der Bibliothek der grossen Oper verloren gegangen ist." 1 )
Auch Eduard Reuss weiss nur folgendes zu berichten:
.Wie war das Werk selbst beschaffen ? . . . waren in Ihm wirklich schon Spuren
einer ausgeprägten Selbständigkeit zu erkennen gewesen? Auf diese sich aufdringen-
den Fragen ist keine bestimmte Antwort mehr iu geben; denn einmal sind die Be-
richte über diese Jugendarbeit sehr unzuverlässig und widersprechend, und sodann
ist sie selbst nicht mehr vorbanden, da sie bei dem Brande der Academie royale')
ein Raub der Flammen geworden Ist"*)
') L. Ramann, Franz Lis» (Leipzig, Breitkopf 8c Hlrtel) I. S. 82.
*) R. Louis, Franz Liszt (Berlin, G. Bondi, 1900) S. 7.
') Hier Ist eine erste Ungenaufgkeit tu berichtigen: nicht als Academie
oyale sondern als Academie nationale brannte am 31. Okt. 1873 die Oper.
*) Ed. Reuss, Franz Liszt (Dresden u. Leipzig, Carl Reiasner).
287
CH ANTAVOINE : „DON SANCHE«
Ich hoffe also hier allen Lisztverehrern eine erfreuliche Überraschung
zu bereiten, indem ich ihnen die glückliche Nachricht bringe, dass die
vollständige Orchesterpartitur des «Don Sanche* bei dem Brande der
Oper kein »Raub der Flammen* geworden, sondern mit heiler Haut davon
gekommen ist, und heute noch in den wohlgeordneten Reihen der Bibliothek
unserer Oper unverletzt und schön gebunden steht. Zwei Bände sind es,
von 505 und 332 Seiten, in sehr deutlicher Kopistenhandschrift. Die Echtheit
ist nicht im mindesten zu bezweifeln. Die Partitur hat unverkennbar
zu allen Proben und Aufführungen gedient, da sie die üblichen Zeichen
für Striche, Korrekturen, Abkürzungen, Zusätze usw. enthält. Stellenweise
hat sogar der Rotstift beim Einbinden auf der entgegengesetzten Seite stark
abgefärbt, was manchmal die Deutung dieser Zeichen erschwert.
Werfen wir einen Blick in die Partitur und das Libretto.
Der handschriftliche Titel der Partitur lautet:
Don Sanche
op6ra en un acte
Paroles de M" Th€aulon et de Ranc€
Musique de M r Liszt
Represente pour la premi&re fois sur le
th6fttre de l'Acad6mie Royale de Musique
le lundi 17 Octobre 1825.
Der Verleger des Libretto's ist „Roullet, Libraire de l'Acadömie royale
de Musique et du Th6ätre royal italien, nie Villedot No. 9, 1 ) en face le
passage du Caf6 de Foi." Preis: 1 Franc 50 Centimes.
Ober die beiden Verfasser des Textes ist nicht viel zu sagen. Th6-
aulon (geb. 1787 zu Aigues-Mortes im Languedoc, gest. 1841 in Paris)
verdankte seiner Verwandtschaft mit Napoleon's Minister Cambac6r6s eine
Beamtenstellung, durch die er sich leider in seiner schrecklichen schrift-
stellerischen Tätigkeit nicht stören Hess: nicht weniger als 250 Theater-
stücke soll er verfertigt haben. Trotz dieser abnormen Produktivität —
oder vielleicht deswegen: denn alle Schuld rächt sich auf Erden — ge-
denkt heute niemand seiner mehr. Sein Mitarbeiter de Ranc6 stammt
aus einer alten im 17. Jahrhundert durch den Trappisten Abbe de Ranc6
berühmt gewordenen Familie. Das Sujet zu ihrem Libretto haben die beiden
Autoren übrigens nicht erfunden, sondern nur nach einer gleichnamigen
Erzählung des Fabeldichters und Novellisten Claris de Florian (1755 bis
1704) bearbeitet.
*) Sic statt: Villedo.
288
DIE MUSIK III. 16.
s^
»Dieser Stoff", so sagen die beiden Verfasser in einer kurzen Vorrede, „schien
uns für die Königl. Musikakademie besonders passend zu sein, sowohl wegen der
anmutigen Bilder, als auch der bald starken, bald lieblichen Affekte wegen, die man
in ihm entwickeln konnte; und als wir dieses lyrische Werk verfassten, verfolgten
wir den einzigen Zweck, dem Wunderkind [l'enfant ttonnant], dem wir die Partitur
verdanken, Szenen zu liefern, deren Mannigfaltigkeit seinem Talent alle Mittel bieten
könnte, sich von den verschiedensten Seiten zu zeigen. So setzten wir nach dem Aus-
bruch der Eifersucht den Ausdruck gleichgültiger Ruhe, und Hessen auf die Lieder
der Freude, auf die Hymnen der Liebe den Ausdruck tiefsten Schmerzes folgen.
Diese Bemerkung glauben wir den Schöngeistern und Leuten aus der Gesellschaft
schuldig zu sein, die vielleicht zwischen einigen Szenen dieser bescheidenen Oper
nur wenig Zusammenhang finden könnten. Hier hat die Dichtung auf ihre Ansprüche
zugunsten der Musik vollständig verzichtet Das an dem schon berühmten Namen
des jungen Liszt haftende Interesse brachte unsere Autoreneitelkeit zum Schweigen.
Der Komponist hatte sein elftes Jahr noch nicht vollendet, als ihm der Text des
,Don Sanche' anvertraut wurde . • .
Die Dekorationen sind nicht — man weiss nicht warum — nach den Weisungen
des Textes ausgeführt worden. Man hat jedoch für die Bühnen der Provinz diese
Weisungen bestehen lassen.* 1 )
Als „tanzende Personen* finden wir: vier Schlossdamen und deren
Liebhaber (gleichfalls vier); neun Bauern mit neun Bauernmädchen; neun
Ritter und neun Damen aus dem Liebesschloss; zwei Schildträger Alidor's ;
drei Hirten nebst drei Hirtinnen; zwölf Pagen; zwei Schildträger Don
Sanche's.
Das .Chorpersonal bilden acht Herren (Gefolge der Prinzessin), acht
„Hebende Ritter*, achtzehn Bauern; acht Hofdamen (Gefolge der Prinzessin),
acht „liebende Damen*, zwölf (nur zwölf!) Bauernmädchen.
Die Personen der Handlung und die Namen der Sänger sind:
Alidor, Zauberer M. Pr6vost
Don Sanche M. Adolphe Nourrit
Elzire M 1,e Grassari
Zdlis, Elzire's Vertraute M ,,e Frdmont
Ein Page M lle Jawureck
Ritter und Damen; Bauern und Bauernmädchen; Elzire's, Alidor's und
Don Sanche's Gefolge. Träume. Genien.
Die Ouvertüre*) fängt mit einem kurzen Adagio (16 Takte) an:
l ) Diese Dekorationen waren von Ciclri entworfen worden.
*) Siehe die erste Musikbeilage dieses Heftes.
280
CHANTAVOINE : „DON SANCHE"
Dann führt ein kurzes Allegro (26 Takte):
zum Hauptmotiv des Stückes, einem heiteren Presto:
dem ein Thema von ausgeprägter Kühnheit folgt:
Einen glücklichen Gegensatz bildet darauf eine anmutige Episode,
deren Thema in der Oper selbst als Arie des Pagen gesungen wird:
Die darauf folgende Durchführung wird mit einer Rossinischen Figur ein-
geleitet :
Sie bringt dann die bekannten Themata des Allegro und des Presto wieder
zu Gehör, und schliesst in immer gesteigerten Tempi mit der üblichen Coda
in D-dur. —
III. 16 20
2d0
DIE MUSIK HL 16.
Der Vorhang geht auf. Da die Modelle zu den Dekorationen nicht
mehr zu finden sind, müssen wir uns mit den Weisungen des Libretto's
begnügen. »Die Bühne stellt eine bezaubernde Landschaft dar« Links
und rechts sieht man Baumgruppen ; in der Mitte ein Schloss von sonder-
barem aber doch elegantem Bau. Es ist mit einem Graben und von
Wällen umgeben und hat keinen anderen Zugang als über eine Zugbrücke."
Die Oper beginnt mit einem hübschen Bauernchor. Das Thema wird
zunächst vom Orchester intoniert; dann singt der Chor:
Vener, venez ä votre tour
Bntrez dans le ch&teau d'amour.
Hörn.
Fagott
Viol.I.n.
Br.
teeÖouT'
Bass.
Ich erlaube mir, darauf aufmerksam zu machen, dass dieser Chor
sehr stark an ein französisches Kinderlied erinnert:
«Während dieses Chores, ■ so steht im Textbuch, „tanzen die Bauern":
Flöte.
Viol. I.
Vtol. IL
Bratsche.
Cello.
201
CHANTAVOINE; „DON SANCHE«
^ Oboe.
Clar.
Streichinstr.
Oboe.
TffnV
„Die Zugbrücke wird niedergezogen und man sieht nacheinander
eine grosse Anzahl paarweise schreitender Ritter und Damen ins Schloss
hineingehen. Am Ende des Zuges erscheint Don Sanche. Als er im
Begriff ist, die Zugbrücke zu beschreiten, tritt ihm ein Page aus dem
Schloss entgegen und verwehrt dem Ritter den Eintritt.* Der Eintritt ist
ausschliesslich denjenigen gestattet, die nicht nur lieben, sondern auch
geliebt werden. „Wäre nur die Liebe erforderlich," ruft Don Sanche aus,
„so durfte ich hinein, denn:
Allegro.
Dan Sanche. ^
gloi - - re, AI - mer, ^ jjr Ai - merjjfc voi - la tout mon bon - üeur
li* »flrrj'
20
1
*
292
DIE MUSIK UL 16.
Leider ist die Prinzessin Elzire für die Liebe des Ritters unempfind-
lich. Der schmachtende Liebhaber sieht sich so zugleich von der Geliebten
verschmäht und vom Liebesschloss hoffnungslos verbannt. Doch er ver-
zichtet (der damals herrschenden Arienschablone gemäss) nicht auf die
Liebe, und nach einem kurzen Doloroso in geziemendem Moll behauptet
er wiederum in Dur seinen Liebesdrang, damit seine Arie in hochliegenden
Tönen schliessen kann. Folgende Stelle aus dieser Arie hat eine gewisse
Ähnlichkeit mit vier Takten aus Beethovens Rondo op. 51 in G-dur:
Don Sanche.
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TOi- £
voi - a
ton • t*
glaire
Beetkaven,Q». IL HP Z.
•4
Neckisch antwortet der Page Don Sanche:
Moderalo
A A ft Der
Beanefae-T» - Ikr va
N i »'Ji
rl~aat st - jam$
II taut ja - rar
Das Thema wird darauf vom Chor wiederholt; der Page geht ins
Schloss und der Chor zerstreut sich. Don Sanche bleibt allein und ratlos
zurück. Nun erscheint der Besitzer des Schlosses, der Zauberer Alidor,
und teilt dem unglücklichen Ritter mit, dass die Prinzessin Elzire im Be-
griff ist, den Prinzen von Navarra zu heiraten. Don Sanche drückt seine
glühende Eifersucht in einem Duett mit Alidor aus, einem schönen Stück
im klassischen Stil, vielleicht dem besten der
Allegro vivace.
203
CHANTAVOINE: „DON SANG HE"
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Don Sanche.
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Alidor.
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nfestpas fe mal - tre
294
DIE MUSIK III. 16.
Der Zauberer will aber seine Macht und seine Gefälligkeit erweisen.
Elzire, nach Navarra fahrend, ist in der Nähe des Liebesschlosses. Alidor
wird diesen Umstand benutzen : er führt die Prinzessin mit ihrem Gefolge
irre, und ruft die Sturmgeister an:
Adagio,
ra-ge Dans 16 sein da
- a - ge Al-ta-mes vos 6-olalrs
Es zieht ~ein~Gewitter über dem Wald auf; chromatische Gänge in
der Singstimme und im Orchester charakterisieren das herankommende
Unwetter. Der Zauberer entfernt sich. In diesem Augenblick betreten
die Prinzessin Elzire und ihr Gefolge den Schauplatz. „Zwei Schildträger
nähern sich vom Schloss aus und blasen ins Hörn. Ihr Signal wird sofort
im Innern des Schlosses wiederholt. Der Page zeigt sich auf der Zug-
brücke." Das Gefolge bittet um Obdach im Schloss. Noch einmal erklärt
der Page die Bedingungen r zum freien Einzug:
205
CHANTAV01NE: „DON SANCHE"
Andante. 1 *;
Der Page.
doux re - tour U teuft pay - er «Tun doux re
tonr.
Erst wenn sie Don Sanche liebt, kann Elzire ins Schloss hinein. Die
stolze Prinzessin will aber von einer solchen Liebe durchaus nichts wissen.
Sie zieht es vor, Königin von Navarra zu werden, obgleich sie ihren
künftigen Gemahl persönlich noch nicht kennt (was überhaupt bei Prin-
zessinnen nicht bloss in Operntexten vorkommt):
Blxvrt.
putirrn m
ig f 1 1
Non, iura, anx vo-lon - tfe desDfenx A-vee ör-gueil je nbrban-
f ) Vgl. Ouvertüre.
298
DIE MUSIK III. 16
Der Sturm lässt aber nicht nach. Die Lage der Prinzessin wird immer
bedenklicher. Don Sanche kommt, zeigt ihr die drohende Gefahr und die
leichte Rettung: Elzire soll ihn nur lieben, dann wird für beide das Tor
des Schlosses aufgehn. Es entspinnt sich nun folgendes Terzett zwischen
Don Sanche, Elzire und Z61is:
Allegro.
Don Sanche.
Bn-ten-des voas gronder fo*r» • ge
w,xipNp\pjm
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Z61is, die Vertraute Elzire's, die ein Dach willkommen heissen würde,
rät der Prinzessin nachzugeben. Diese antwortet aber hochmütig:
Elxire.
{ '■ J J I I I I I I
(Pest en valn qua Don Sandte
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CHANTAV01NE: „DON SANCHE"
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Es donnert unaufhaltsam. Allmählich ist auch die Dämmerung her-
abgestiegen. .Die Schildträger haben die Fahne (von Don Sanche) neben
einer Grasbank aufgepflanzt und damit ein Schirmdach gebildet. Die
Frauen bringen ihre Schleier hinzu, mit denen nun eine Art Zelt impro-
visiert wird. Die Nacht ist dunkel, Liebesfackeln brennen auf den Kuppeln
des Schlosses. Die Prinzessin setzt sieb auf die Grasbank nieder; die
Damen gruppieren sich um sie." Leise singt Don Sanche folgende, von
2 Hörnern, Fagott und Streichinstrumenten con sordini begleitete Arie : ')
.Tiefe Stille herrscht auf der Bühne. Leichte vom Boden auf-
steigende Nebel tragen Amoretten, die die Prinzessin mit azurnen und
goldenen Schleiern bedecken. Dann werden die Mauern des Schlosses
durchsichtig. Helles Licht beleuchtet das Innere und man sieht die
glücklichen Paare im Rausch aller Liebeswonnen. Grosses dem Milieu
angepasstes Ballet Im Schloss. Im Vordergrund der Bühne vollführen
inzwischen die Waldgeister ihrer Wesensart angemessene Tänze. Der
Page tritt aus dem Schloss, von zehn Pagen gefolgt, die Harfe spielen
und tanzen." Er singt mit Harfen- und Orchesterbegleitung:
ft t Ihr Page.
lE'P ' H'cW ■■"ap l CgtfOtrl Jl
Haut »-sj-le dmut ettrangaü-leponrlcs a-mantstoojiiiirHCjmgtaj
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'1 Siebe die zweite Muelkbeilage dieses Henea.
298
DIB MUSIK HL 16.
Die Melodie (eine Reminiscenz an Mozarts «Bewahret euch vor Wetber-
tGcken" aus der .Zauberflöte*) wird vom ganzen Chor wiederholt. Daran
schliessen sich, nach ziemlich weitläufiger Ausfuhrung, drei instrumentale
Stücke, ein Andante:
ein Adagio:
Adagio. Harfe, florn in O Solo.
Oboe Solo.
und ein Allegro Moderato, das nichts anderes ist, als die erste (C-dur)
Arie des Don Sanche. Dann erschallen zwei Trompeten aus dem Wald.
Erschrocken läuft das Gefolge der Prinzessin herbei. Der^ furchtbare
Romualde nähert sich und will Elzire entfuhren:
Ro - mu-alde
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298
CHANTAV01NE: „DON SANCHE«
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Der tapfere Don Sanche wird seine Dame 'gegen Romualde verteidigen.
Dieser scheint aber jeden Gegner zu verlachen:
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Vai-ne-
uient vousvou-lcz me fuir
ai-ne-ment vousvou-lez me
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300
DIB MUSIK III. 16.
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) Jus-ques au bout du moo - de j'i • rai vous eon-quo* - rlr n. s.w.
Trotzdem fordert ihn Don Sanche (in einem Duett mit Chor) zum Zwei-
kampf auf:
Don Sanche.
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Alidor..
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bientot moo bras sau-ra pu - nir ton in- so • len - ce
u. s.w.
yit i [ccfLüfltfä i
Ejrtar>ijü
Beide gehen, um ihre Sache in den Kulissen auszufechten. Elzire
fühlt plötzlich, dass sie sich doch unbewusst für Don Sanche interessiere:
Pour ce jeune heios, ah! je fas trop cruelle
Je le sens a Pemoi qui vient glacer mon cceur,
Sie betet für ihn zum Gott der Liebe:
CHANTAVOINE: „DON SANCHE"
*£>
Umsonst hat Elzire gebetet. Der Kampf Ist für Don Sanche schlecht
ausgefallen. Verwundet und sterbend wird er auf die Bühne getragen.
Den traurigen Zug begleitet ein Trauermarsch in d-moll für Orchester
und Chor:
Andante.
Um Don Sanche zu retten verzichtet Elzire auf Krone und Konigs-
pracht. Ihr Stolz hat sich vor der Liebe gebeugt, und sie erklärt sich
jetzt dazu bereit, ins Liebesschloss mit Don Sanche einzutreten. Der
Zauberer Alidor, der sich hinter Romualde's Zügen und Rüstung vermummt
hatte, bittet um Verzeihung für seine wohlgelungene List. Es wird ihm
alles dankend vergeben und Don Sanche, der schon keine Spur von
Wunden mehr fühlt, kann endlich mit Elzire das Liebesduett singen:
Bisin.
Alidor gratuliert Ihnen herzlich:
302
DIE MUSIKjIIL 16.
Alidor.
Die Bühne hat sich inzwischen verwandelt und stellt jetzt das Innere des
Schlosses dar, in dem ein glänzendes Fest gegeben wird. Elzire und Don Sanche
zu Ehren singt man einen Jubel chorjin C-dur, mit dem die Oper schliesst:
303
CHANTAVOINE: „DON SANCHE"
„Don Sanche* erlebte nur vier Vorstellungen, die am 17., 10., 21.
und 26. Oktober 1825 stattfanden. Diese Tatsache steht aber durchaus
in keinem Verhältnis zu dem künstlerischen Wert des Werkes. Der materielle
Erfolg beweist ja nichts, weder für noch gegen eine Oper: wie viel schöner
mfisste sonst der „Postillon von Longjumeau" sein, als etwa „Fidelio"!
Im Falle des «Don Sanche" findet aber dieser Massstab noch weniger eine
vernunftgemässe Anwendung, weil erstens die Rechnungsbücher der Pariser
Oper für das Jahr 1825 nicht mehr vorhanden sind, und zweitens die ein-
aktige Operette einen ganzen Theaterabend nicht ausfüllen konnte. Sie
musste infolgedessen mit einer längeren Oper oder mit einem Ballet zu-
sammen gegeben werden, die für den Blutmangel der Kasse billigerweise
auch mit verantwortlich zu machen sind. Die Zahl der Vorstellungen ist
demnach belanglos.
Von wichtigerem Interesse sind dagegen einige Stimmen aus der
Presse. Da jedem Deutschen in jeder Bibliothek die Rezension der Leip-
ziger »Allgemeinen Musikalischen Zeitung" zur Verfügung steht, so soll
hier nur zweier Aufsätze Erwähnung getan werden, die ich dem liberalen
Journal des D6bats" und der legitimistischen «Gazette de France" entnehme,
die bei dieser Gelegenheit, wie mir scheint, die widerstrebendsten An-
sichten der öffentlichen Meinung vertreten. Der anonyme Berichterstatter
des »Journal des D6bats" ist wohl kein anderer, als der musikalische
Missetäter Castil-Blaze, der unverschämte .Arrangeur" Mozarts, Beethovens
und Webers. Im Anfang ergötzt er sich — nicht ohne Grund — über
die kleine obenangeführte Vorrede der Librettisten.
„Da haben wir", so sagt er, „eine recht demütige Beichte und sehr dazu geeignet,
die Kritik zu entwaffnen. Und doch wäre diese unerbittliche Kritik nicht berechtigt
zu antworten:
Vous nous payez ici d'excuses colortes
Et toutes vos raisons, Messieurs, sont trop tlrtes? 1 )
Wie hätte die Musik in dieser Voraussetzung [eines besseren Libretto's] über die An-
sprüche Ihrer Dichtung zu klagen gehabt? Er [der Komponist] hätte etwas besseres
hervorgebracht, hätten Sie selbst alles getan, dessen Sie fähig sind."
Ober die Musik selbst und den jugendlichen Tondichter drückt sich
Castil-Blaze mit sichtlicher Gehässigkeit aus:
»Das Alter des Komponisten fordert Nachsicht; keine Rücksicht soll aber den
Gang der Gerechtigkeit hemmen. Ein fehlerloses Werk durfte man nicht erhoffen;
es war jedoch erlaubt zu erwarten, dass einige Genieblitze diese Fehler vergelten
würden. Es ist ja nicht vom Obel, sich in einer Kunst früh zu versuchen, wenn
man einen unwiderstehlichen Beruf in sich fühlt; gefährlich aber ist ei, das Publikum
*) Wie bekannt, sind dies zwei Verse aus Molidre's »Tartuffe" (4. Akt). Nur
heisst es im ursprünglichen Text nicht „Messieurs*, sondern „Monsieur".
304
DIB MUSIK III. 16.
ztr früh zum Mitwisser seiner ersten Versuche zu machen. Das Interesse, das die
Kindheit erweckt, wird durch die Ansprüche geschwächt, die sie stellt oder besser,
die man sie stellen lisst. Denn bei diesen vorzeitigen Versuchen liegt nicht immer
die grössere Schuld auf Seiten des Kindes. Es gehört sich, den wirklich Schuldigen
den Tadel zuzuschieben; diese Schuldigen sind gewöhnlich Eltern, die die Zärtlichkeit
blind macht, oder Schmeichler, die im Lob kein Mass kennen, und von dem ziemlich
missigen Geschick des Instrumentisten auf das Genie des Komponisten unbesonnen
schliessen."
Der letzte Satz ist köstlich : Klingt es nicht ganz so, als ob „le petit
Litz" ein Durchschnittsvirtuose, ein einfacher Tastenbändiger gewesen wäre?
Fahren wir aber fort:
»Man muss es also sagen, die Partitur des jungen Liszt hat den überschweng-
lichen Lobsprüchen keineswegs entsprochen, die man über sie verbreitet hatte.
Wollte man seinen Bewunderern glauben, so wäre uns ein neuer Mozart erstanden.
Urteilt man aber nach seiner Oper, so ist der junge Liszt ein guter Schüler, der
tatsächlich mehr weiss, als man gewöhnlich mit dreizehn Jahren zu wissen pflegt,
der aber wahrscheinlich mit dreizehn Jahren das alles ~chon weiss und tut, was er
mit vierzig wissen und tun wird."
Das heisst eine treffende Prophezeiung, die uns für den kritischen
Scharfsinn des Herrn Castil-Blaze eine hinreichende Bürgschaft gibt.
»Kalt,« fährt er fort, »hat das Publikum eine kalte, feuer-, humor- und origi-
nalitätslose Komposition angehört, in die nur hier und da einige anmutige, mehr für
das Gedächtnis als für das Talent des Verfassers zeugende Motive gestreut sind.
Kein einziges Stück vermochte einen wirklichen Applaus zu erregen.
»Dieses durch das Verhalten der Zuhörerschaft gegebene Urteil hat ein Dutzend
Freunde doch nicht abgehalten, die Zeremonie der Ovation zu verrichten, die sie
Herrn Liszt zugedacht hatten. Sie haben sich nicht damit begnügt, seinen Namen
mit denen der Herren Th6aulon und de Ranc6, sowie des Herrn Cictri bekannt geben
zu lassen: 1 ) sein Erscheinen auf dem Theater haben sie gefordert. Herr Liszt bat
einen neuen Beweis seiner Bescheidenheit gegeben, indem er ihnen gehorchte. Ab-
scheuliche Schmeichler I"
Viel günstiger fällt das Urteil der »Gazette de France" aus. Sie ent-
hält nicht weniger als drei Berichte über „Don Sanche*. Der erste, vom
Dienstag, den 18. Oktober 1825, lautet:
»Der junge Liltz (sie) hat Glück gehabt: seine Oper ,Don Sanche' oder ,Das
Liebesschloss' enthält mehrere Stücke, die unsere beliebtesten Komponisten nicht
desavouieren würden."
Damit ist vielleicht nicht allzu viel gesagt, wenn man sich an die
l ) Nach französischer Sitte fehlt auf dem Theaterzettel bei jeder ersten Auf-
führung eines dramatischen oder lyrischen Werkes der Autorenname. Er wird erst nach
der Vorstellung, wenn der Vorhang zum letztenmal gefallen ist, von dem Vertreter
der ersten Rolle oder vom Regisseur dem Publikum feierlich bekannt gegeben.
305
CHANTAVOINE: „DON SANCHE"
»beliebtesten Komponisten" Frankreichs im Jahre 1825 erinnert; doch ist
es unzweifelhaft als Lob gemeint und soll auch so genommen werden:
«Vor allem bat man bemerkt: die Ouvertüre, den ersten Cbor ,Venez, venez
a votre tour* und die harmonisch Interessante Romanze y C'est ici le Cbäteau d'amour*
von Frl. Jawureck gesungen; die Arie »Repose en paix au milieu de l'orage' trägt,
wie uns scheint, einen zarten, ritterlichen Charakter und ist ohne jede Reminiscenz
an die zahlreichen in ähnlichen Situationen vorgetragenen Stücke.
.Kaum war der Vorhang gefallen, als das Publikum nach den Verfassern ver-
langte . . . Der junge, dreizehnjährige Komponist, von Nourrit dem Sohne und Prevost
geführt, 1 ) kam dem Verlangen des Publikums nach, um für den lebhaften Beifall
zu danken.*
Den Tag darauf erschien in der .Gazette* eine ausführlichere Re-
zension. Folgende Zeilen beziehen sich speziell auf die Musik des »Don
Sanche* :
»Die Personen, die ein fehlerloses Werk von einem Kinde erwarteten, diese
Personen können nicht befriedigt gewesen sein, denn es sind in der Partitur des
jungen Listz [sie] sehr schwache Stellen, namentlich da, wo der bartlose Verfasser
sich genötigt sah, Schmerz, Eifersucht, Haas, traurige und verhängnisvolle Leiden-
schaften, die er noch nicht kennt, wiederzugeben. Die vernünftigen Leute dagegen
(diejenigen will ich sagen, die das Unmögliche nicht verlangen) waren mit den ausser*
ordentlichen Anlagen unseres kleinen grünen Mozart [de notre petit Mozart en herbe}
zufrieden; mit vielem Glück und Geschick wusste er den Ausdruck der milden und
zarten Gefühle zu finden. Was könnte man mehr fördern?*
Am 22. Oktober kommt noch einmal »Don Sanche* in der »Gazette
de France" zur Besprechung:
»Die zweite Aufführung des ,Don Sanche* ist günstiger aufgenommen worden.
Wirklich ist der junge Liszt eins der ausserordentlichsten Kinder, doch ist er eben
nur ein Kind, und so kann man nicht von ihm die Beweise eines reifen und aus-
gebildeten Talents fördern, ohne ungerecht zu sein. Was die Zukunft betrifft, ist es
erlaubt zu denken, dass Listz [sie] die schönen Hoffnungen nicht täuschen wird, die
ein solcher Anfang erwarten llsst*
In allen politischen, literarischen und sonstigen Fragen stellt sich
immer die »Gazette de France 41 in strengsten Gegensatz zu dem »Journal
des D6bats\ Diese letzte Kritik ist höchstwahrscheinlich direkt gegen
Castil-Blaze gerichtet. Ohne dass ich weiss, wer der Rezensent der
»Gazette de France* war und was er an und für sich galt, hatte er doch
die meisten Chancen, richtig zu urteilen, wenn er nur immer das Gegenteil
von dem sagte, was Herr Castil-Blaze gesagt oder getan hatte. So ist es
wenigstens diesmal der Fall gewesen.
*) Und sogar auf den Armen getragen, was ihn nicht wenig Irgerte, da er
schon nicht mehr als Wunderkind, sondern als selbständiger Künstler angesehen und
geachtet werden wollte.
III. 16. 21
306
DIE MUSIK I1L 1&
Was können wir selbst heute nun über »Don Sanche* sagen? Wir
betrachten ihn von einem ganz anderen Standpunkt ans, als die Hörer und
Kritiker, die der eisten Vorstellung am 17. Oktober 1825 beiwohnten. Die
Zeitgenossen des »petit Litz" warteten mit übertriebener Spannung auf
das erste Werk des gefeierten Wunderkindes. Dabei konnten sie gar nicht
ahnen, welcher Komponist in dem kleinen Virtuosen steckte. Dass der
Komponist mit diesem Virtuosen noch nicht auf gleicher Höhe stand, war für
sie eine Enttäuschung. So hatten die unerhörten Triumphe des Klarier-
spielers zum ersten, nicht aber zum letztenmal den Erfolg des Komponisten
beeinträchtigt, ein Missverstindnis über Liszts Bedeutung nicht nur als
reproduzierenden, sondern als produzierenden Kunstlers, das sogar leider
noch heutigen Tags in manchen Kreisen besteht. 1 ) In dieser Beziehung
ist »Don Sanche* im Schicksal seines Schöpfers ein „representative werk".
Wir aber, die wir so viele herrlichen Tonschöpfungen des genialen
Meisters kennen und lieben, klappen die Partitur des »Don Sanche* mit
Nachsicht auf. Kein bahnbrechendes Werk hoffen wir zu entdecken.
Ohne aber das Gras wachsen hören zu wollen, finden wir in »Don Seuche*
sichtbare Spuren einer ausserordentlichen musikalischen Begabung. Weder
in der Melodie noch in der Instrumentation liegen die Hauptvorzuge der
Operette. 8 ) Die Melodie ist zwar stellenweise recht hübsch und gefällig;
die Instrumentation korrekt und geschickt; beide entbehren jedoch noch
jeder persönlichen Eigenart. Was aber den dramatischen Zug und die
Wahrheit des Ausdrucks anbetrifft, so ist es merkwürdig, wie der drei-
zehnjährige Musiker eine Situation aufzufassen und sie dann durch
frappante Rhythmik, richtige Deklamation, passende Harmonik darzustellen
weiss. Man vergleiche nur die mitgeteilten Notenbeispiele miteinander
und ersehe daraus, wie treffend jedes Stuck charakterisiert ist, eine eminente
Eigenschaft aller späteren Kompositionen Liszts, z. B. der Symphonischen
Dichtungen. »Don Sanche* beweist uns, dass diese Eigenschaft bei Liszt
nicht durch literarische und philosophische Studien erworben- wurde, sondern
angeboren war; er lässt uns auch mehr als je bedauern, dass sein Ver-
fasser kein anderes dramatisches Werk mit reiferem Talent geschrieben hat
1825 schon ein Meister des Klaviers, war er in der Komposition noch
ein Schüler. So sind in »Don Sanche* zwei verschiedene, ja konträre Ein-
flüsse nachweisbar, die wir auch in manchen späteren Werken Liszts finden.
Die äussere Form der Stucke und die Melodie sind vielfach im Geschmack
der damals blühenden italienisch-französischen Oper Rossini's und Auber's
gehalten. Daneben ist die Erinnerung an Gluck, Mozart und Beethoven
Wenigstens in Frankreich.
*) Es ist sehr leicht möglich, dass der Direktor der Oper, Kreutier, bei der
Instrumentation etwas n a chgeholten hat
I
807
Cr^^rt CHANTAVOINE : „DON SANCHE« Q^F^J
auffällig. Auf gewisse Reminiscenzen an Mozart und Beethoven haben
wir schon hingewiesen. Das gelungene Duett Don Sanche's mit Alidor
»Transports jaloux, Tourments alfreux" bat sein Urbild im Duett aus
.Armide" zwischen Armide und Hidraot. Diese Empfänglichkeit für jede
neue Form der musikalischen Kunst — oder des menschlichen Denkens
überhaupt: französische Romantik, Saint -Simonismus, Berlioz, Rossini,
Schubert, Meyerbeer, Wagner, Saint-Saens — hat Franz Liszt sein ganzes
Leben hindurch fast bis zur Selbstverleugnung, aber in steter Verbindung mit
einer Testen Treue an die klassischen Meisterwerke: Shakespeare, Goethe,"
Bach, Mozart, Beethoven bewährt. Schon 1825 zeigt uns also der Mozart-
Beethovenscne Einfluss in ihm den Schüler Czerny's, und der französisch-
italienische den von der Pariser Mode so verwöhnten Knaben, der natürlich
mit beiden Händen zugriff, was in dieser Zeit die Mode mit sich brachte:
geschwollene Bravourarien usw. So ist der ganze Liszt schon in „Don
Sanche* enthalten, wie der Erwachsene in dem Kinde. Die Hauptzüge
seines musikalischen Charakters gewahren wir schon hier, wie wir etwa
auf einem Jugend- Porträt in den runden und weichen Zügen des Knaben
die grossartigen Linien des männlichen Adlerprofils zu erkennen vermögen.
ie verschiedenen Fassungen des Tannhäuser, namentlich die
Dresdener und Pariser Bearbeitung von 1847 und 1861, wurden
in der , Musik- II, 1, 22 ff. von Münzer und ebda. II, 3, 271 ff.
von mir ausführlich erörtert. Zweifeilos hielt Wagner selbst
die Pariser bzw. Münchener Bearbeitung für einzig gültig. Im Bayreuther
Festspiel erscheint auch nur der neue Tannhäuser. Wohl war es zunächst
scheinbar ein äusserer Grund, die Aufführung in Paris, die Wagner
zur Neubearbeitung veranlasste; aber alsbald ergab sich dem Meister
auch die künstlerische Notwendigkeit: er fühlte, dass im Tannhäuser
wichtiges nachzuholen war. Und diese Erwägung und Entscheidung muss
für uns massgebend sein. Im neuen Tannhäuser ward die Ouvertüre
zum Vorspiel und der ganze Venusberg farbiger und glänzender. Im
übrigen sind nur Kleinigkeiten geändert. Schon 1852 bei einer Konzert-
aufführung der Ouvertüre in Zürich war dem Meister der Gedanke einer
neuen Bearbeitung gekommen. Er schreibt am 20. März 1852 an Uhlig:
»Nach dem, wai Ich hier mit der Tannhiuserouvertüre »gerichtet habe, bilde
Ich mir jetzt plötzlich auf dieses TonitBck etwas ein: ich weiss mich wirklich auf
keine andere Tondichtung zu besinnen, die eine ähnliche Wlrkungsmscht suf sinnlich-
sinnvolle Gemüter auszuüben imstande sei. Aber im Konzertsaal ist ihr Platz, nicht
nur vor der Oper im Theater: dort würde ich, wenn Ich es bestimmen dürfte, nur
du erste Tempo der Ouvertüre ausführen lassen — das Ohrige Ist — Im glücklichen
Pslle des Verständnisses — zu viel vor dem Drama, im anderen aber zu wenig."
In den Briefen an Mathilde Wcsendonk 1 ) schreibt Wagner aus
Paris im Winter 1860/61 folgendes:
„Einstweilen muss Ich gute Laune sammeln, um — ein grosses Ballet zu
schreiben. Was ssgen Sie dazu? Zweifeln Sie an mir? Nun, Sie sollen mir das ab-
bitten, wenn Sie'a einmal hären und sehen. Jetzt nur so viel: nicht eine Note, nicht
ein Tort wird am Tannhluser geändert. Aber ein .Ballet" sollte gebieterisch drin
sein, und dies Ballet sollte im zweiten Akte vorkommen, weil die Abonnes der Oper
Immer erat etwas später vom starken Diner ins Theater kämen, nie zu Anfang. Nun,
da erklärte ich denn, dass ich vom Jockeyklub keine Gesetze annehmen kannte, nnd
mein werk zurückziehen würde. Nun will Ich ihnen aber aus der Not helfen: die
Oper braucht erat um 8 Uhr zu beginnen, nnd dann will leb den nnheiligen Venus-
berg nachträglich noch einmal ordentlich ausführen.
>) Richard Wagner an Mathilde Wesendonk, Tagebucnblätter nnd Briefe.
Herausgegeben und eingeleitet von Prof. Dr. W. Golther, Berlin, A. Duncker 1904.
309
GOLTHER: ZUM TANNHÄUSER
Dieser Hof der Frau Venus war offenbar die schwache Partie in meinem Werke:
ohne gutes Ballet half ich mir seinerzeit hier nur mit einigen groben Pinselstrichen,
und verdarb dadurch viel: ich Hess nlmlich den Eindruck dieses Venusberges gänz-
lieh matt und unentschieden, was zur Folge hatte, dass dadurch der wichtige Hinter-
grund verloren ging, auf welchem sich die nachfolgende Tragödie erschütternd auf-
bauen soll. Alle splteren, so entscheidenden Rückerinnerungen und Mahnungen, die
uns mit starkem Grauen erfüllen sollen (weil dadurch auch erst die Handlung sich
erkürt), verloren fest ganz ihre Wirkung und Bedeutung: Angst und stete Beklemmung
blieben uns aus. Ich erkenne nun aber auch, dass ich damals, als ich den Tann-
hluser schrieb, so etwas, wie es hier nötig ist, noch nicht machen konnte: dazu ge-
hörte eine bei weitem grössere Meisterschaft, die ich erst jetzt gewonnen habe: jetzt,
wo ich Isoldes letzte Verklärung geschrieben, konnte ich sowohl erst den rechten
Schluss zur Fliegenden Holländer-Ouvertüre, als auch — das Grauen dieses Venus-
berges finden. Man wird eben allmächtig, wenn man mit der Welt nur noch spielt
Natürlich muas ich hier alles selbst erfinden, um dem Balletmeister die kleinste
Nuance vorschreiben zu können: gewiss ist aber, dass nur der Tanz hier wirken und
ausführen kann: aber welcher Tauz! Die Leute sollen staunen, was ich da alles aus-
gebrütet haben werde. Ich bin noch nicht dazu gekommen, etwas aufzuzeichnen: 1 )
mit wenigen Andeutungen will ich's hier zum ersten Male versuchen. Wundern Sie
sich nicht, dass dies in einem Briefe an Eliaabeth geschieht.
Venus und Tannhluser verweilen so, wie es ursprünglich angegeben ist: nur
sind zu ihren Füssen die drei Grazien gelagert, anmutig verschlungen. Ein ganzer, eng-
verwachsener Knluel kindischer Glieder umgibt das Lager: das sind schlafende Amoretten,
die, wie im kindischen Spiel, balgend übereinander gestürzt und eingeschlummert sind.
Ringsum suf den Vorsprüngen der Grotte sind liebende Paare ruhig gelagert.
Nur in der Mitte tanzen Nymphen, von Faunen geneckt, denen sie sich zu entziehen
suchen. Diese Gruppe steigert ihre Bewegung: die Faunen werden ungestümer, die
neckende Flucht der Nymphen fordert die Minner der gelagerten Paare zur Ver-
teidigung auf. Eifersucht der verlassenen Frauen: wachsende Frechheit der Faunen.
Tumult. Die Grazien erheben sich und schreiten ein, zur Anmut und Gemessenheit
suffordernd: auch sie werden geneckt, aber die Faunen werden von den Jünglingen
verjagt: die Grazien versöhnen die Paare. — Sirenen lassen sich hören. — Da hört
man aus der Ferne Tumult. Die Faunen, auf Rache bedacht, haben die Bacchantinnen
herbeigerufen. Brausend kommt die wilde Jagd daher, nachdem die Grazien sich
wieder vor Venus gelagert. Der jauchzende Zug bringt allerhand tierische Ungetüme
mit sich: unter andern auchen sie einen schwarzen Widder aus, der sorgfältig unter-
sucht wird, ob er keinen weissen Fleck habe: unter Jubel wird er nach einem Wasser-
fall geschleppt; ein Priester stösst ihn nieder und opfert ihn unter grauenvollen Gebärden.
Plötzlich entsteigt, unter wildem Jauchzen der Menge, der (Ihnen bekannte 1 )
nordische Strömkarl dem Wasserstrudel mit seiner wunderbaren grossen Geige. Der
spielt nun zum Tanze auf, und Sie können sich denken, was ich alles zu erfinden
habe, um diesem Tanze seinen gehörigen Charakter zu geben immer mehr mytho-
logisches Gesindel wird herbeigezogen. Alle den Göttern heilige Tiere. Endlich
') Glasenapp II, 2, 258 f. Das Bacchanal wurde nicht ao reich ausgeführt, wie
im ersten Entwurf geplant war.
*) Unter den Gedichten von Mathilde Wesendonk steht auch eine Ballade vom
Neck. Vgl. noch Gesammelte Schriften 9, 120 über das Finale von Beethovens A-dur-
Symphonie u. Ges. Schriften?10, 310/20 über den Nix.
310
DIE MUSIK 111. 16.
Keutaures/die steh unter den Wütenden herumtummeln. Die~Grazten sind
dem Tarad wehren zu sollen. Sie weifen sich voll Verzweiflung unter die
dfn; v ergeb e n s! Sie blicken steh, auf Venus gerichtet, nach Hufe um: mit
Wink erweckt die dm die Amoretten, welche nun einen ganzen Hagel von Pfeife* auf
die Wutenden abschlössen, mehr und immer mehr; die Kocher füllen sich immer
wieder. Nun paart sich alles deutlicher; die Verwundeten taumeln sich in die Arme:
eine wutende Sehnsucht ergreift alles. Die wfld herumschwirrenden Pfeile
selbst die Grazien getroffen. Sie bleiben ihrer nicht mehr mächtig
Faunen und Bacchantinnen gepaart stürmen fort : die Grazien werden von
Kentauren auf ihren Rucken entfuhrt; alles taumelt nach dem Hintergrunde zu fett:
die Paare lagern sich: die Amoretten sind, immer schiessend, den Wilden nachgejagt.
Eintretende Ermattung. Die Nebel senken sich, In immer w eiterer Feme bort man
die Sirenen. Alles wird geborgen. Ruhe.
Endlich fihrt Tannbluser aus dem Traume auf. — So ungefanr. Was
meinen Sie dazu? — Mir macht's Spass, dass ich meinen Strömkarl mit der eflften
Variation ▼erwendet habe. Das erkürt auch, warum sich Venus mit ihrem Hof nach
Norden gewendet hat: nur da konnte man den Geiger finden, der den alten Göttern
aufspielen sollte. Der schwarze Widder gef 111t mir auch. Doch könnte ich ihn auch
anders ersetzen. Die Minaden mussten den gemordeten Orpheus jauchzend ge-
tragen bringen: sein Haupt würfen sie in den Wasserfall, — und darauf tauchte der
Stromkarl auf. Nur ist dies weniger verständlich ohne Worte. Was meinen Sie dazu?
Ich möchte gern Genellische Aquarelle zur Hand haben: der hat diese mytho-
logischen Wildheiten sehr anschaulich gemacht Am Ende muss ich mir auch so
helfen. Doch habe ich noch manches zu'erflnden.
So, nun habe ich Ihnen wieder einen rechten Kapellmeister-Brief geschrieben.
Meinen Sie nicht? Und diesmal sogar auch einen Balletmeister-BrieC. Das muss
Sie doch guter Laune machen?"
.Was für ein Dichter bin ich doch! Hilf Himmel, ich werde ganz anmutend!
— Diese nie endende Obersetzung des Tannhiuser bat mich schon so eingebildet
gemacht: gerade hier, wo Wort für Wort durchgegangen werden musste, kam ich eigent-
lich erst dahinter, wie concis und unabänderlich schon diese Dichtung' ist Ein Wort,
ein Sinn fortgenommen, und meine Obersetzer, 1 ) wie ich, wir mussten gestehen, dass
ein wesentlicher Moment geopfert werde. Ich glaubte anfange an die Möglichkeit
kleiner Änderungen: wir mussten alle und jede als unmöglich aaffceben. Ich wurde
ganz erstaunt, und fand dann im Vergleich, dass ich wirklich nur sehr wenig kenne,
dem ich die gleiche Eigenschaft zusprechen^kann. Kurz, ich musste mich tot mir
selbst entscbliessen, anzuerkennen, dass gerade schon die Dichtung gar nicht besser
bitte gemacht werden können. Was sagen Sie dazu? In der^Musik kann ich eher
▼erbessern. Hier und da gebe ich namentlich dem Orchester ausdrucksvollere und
reichere Passagen. Nur die Szene mit Venus will ich ganz umarbeiten. Frau Venus
habe ich steif erfunden; einige gute Anlagen, aber kein rechtes Leben. Hier habe
ich eine ziemliche Reihe von Versen hinzugedichtet: die Göttin der'Wonne wird selbst
rührend, und die Qual Tannhiusers wird wirklich, so dass sein Anruf der Maria wie
ein tiefer Angstschrei ihm aus der Seele bricht So etwas konnte ich damals noch
nicht machen. Für die musikalische Ausfuhrung brauche ich noch sehr gute Laune,
von der ich noch gar nicht weiss, wo sie herbekommen !*
»Ach! wenn nur der Himmel wenigstens einmal wieder rein werden t wollte!
Wie half ich nur das schon seit einem ganzen Jahre aus? Es hilft aber nichts: "trotz
') Charles Noitter; Glasenapp II, 2, 271.
311
GOLTHER: ZUM TANNHÄUSER
Himmel und Herbst, ich muss komponieren. Und geschriftstellert habe ich auch
schon. Ich werde Ihnen das Buch bald schicken. Die Verse zum Tannbäuser sind
deutsch noch nicht in Ordnung: ich gebe Ihnen den Entwurf 1 ), nach welchem sie
französisch ausgeführt wurden, und diese französischen Verse musste ich komponieren!
Was sagen Sie dazu? Weiss Gott! Am Ende geht alles! Aber wie? Doch ist mir all
diese Beschäftigung recht Sie verdeckt diese Weltfremde, in der ich nun immer
bleiben werde. Ich muss aushalten: das will dieselbe Macht, die meine Vögel singen
und wieder schwelgen lisst. Aber zur eigentlichen, persönlichen Besinnung darf ich
nicht viel kommen: denn da ist nichts wie Wüste und Hoffnungslosigkeit Ich muss
das nun so bevölkern mit Beschäftigung, und wird diese mir zuwider, so helfen die
Sorgen, weiter zu leben. Und Frau Sorge bleibt immer treu. —
Machen Sie sich aber keine falschen Vorstellungen: mit Gewalt würde ich an
nichts festhalten. Am wenigsten würde ich mich z. B. mit diesem Pariser Tannbäuser
abgeben, wenn ich hier etwas zu ertrotzen, oder gar etwas aufzuopfern hätte. Im
Gegenteil mache ich gute Miene zu diesem närrischen Spiele, weil man mir so gute
Miene entgegenbringt Was Aufführungen meiner Werke betrifft, habe ich's in meinem
Leben noch nicht so gut gehabt und werde es auch wohl nie wieder so haben. Alles,
was ich nur irgend verlange, geschieht: nirgends der mindeste Widerstand. Jetzt
haben die Klavierproben begonnen. Zeit wird im wohltuendsten Sinne verwendet
Jedes Detail wird meiner Prüfung unterworfen: die Dekorationspläne habe ich dreimal
verworfen, ehe man's mir recht machte. Jetzt wird alles vollkommen, und die Auf-
führung wird jedenfalls — wenn sie nicht an das Ideal reicht — die beste, die je
stattgefunden und in Zukunft so bald wieder stattfinden kann. Vor allem verlasse ich
mich auf meinen Recken: Niemann. Der Mensch hat unerschöpfliche Fähigkeiten.
Noch ist er fast roh, und alles tat in ihm bisher nur der Instinkt Jetzt hat er
monatelang nichts anderes zu tun, als sich von mir leiten zu lassen. Alles wird bis
auf den letzten Punkt studiert. — Zur Elisabeth habe ich eine ebenfalls noch halb-
wilde, junge Sängerin, Sax: ihre Stimme ist wundervoll und unverdorben und ihr
Talent ergiebig. Sie iat mir gänzlich unterworfen. — Venus — Mad. Tedeaco, für
mich eigens engagiert, hat einen süperben Kopf zu ihrer Rolle; nur ist die Gestalt
fast etwas zu üppig. Das Talent sehr bedeutend und geeignet — Wolfram machte
die letzten Schwierigkeiten; ich habe endlich einen Herrn Morelli engagieren lassen,
einen Mann von stattlichem Aussehen und wunderschöner Stimme. Ich muss nun
sehen, wie ich ihn einstudiere. Glücklicherweise wird die Oper nicht eher gegeben,
als bis ich ganz mit dem Studium zufrieden bin. Und dies ist wichtig. — Ich konnte
ein so wichtiges Anerbieten nicht von der Hand weisen!
An der Oper hat man mich bereits lieb gewonnen; es findet in allen meinen
Relationen nichts Gezwungenes mehr statt: man hat begonnen, mich zu verstehen,
widerspricht mir in nichts, und freut sich der Dinge, die da kommen sollen. — So
wäre denn das alles recht schön: wenn mir es nur sonst bei meiner ganzen Existenz
etwas wohler wäre. Mir hilft alles nichts! Ich wache traurig auf, und lege mich traurig
nieder. Das böse Wetter mag mit daran schuld haben: die Momente des Wohlseins
werden gar so selten, und das Unbehagen, ja die Angst, machen sich immer breiter.
Nun geben Sie aber auch auf diese Klagen nicht zu viel. Am Ende bin ich
immer noch fähig, das grösste Wohlgefühl zu empfinden, sobald nur ein bedeutender
schöner Eindruck kommt Sie wissen, an meinem letzten Geburtstage tat es der Ost-
wind« Heute hatten wir den ersten Herbstnebel: er erinnerte mich stark an Zürich.
Vielleicht bringt er gutes Wetter. Das hilft dann viel. — Etwas habe ich auch schon
') Es ist die Fassung des Textes, die in den Ges. Schriften Bd. II steht
312
DIE MUSIK HI. 16.
an der Musik meiner neuen Szene gearbeitet. Sonderbar: alles Innerliche, Leiden-
schaftliche, fast mochte ich's: Weiblich-Extatisches nennen, habe ich damals, als Ich
den Tannhäuser machte, noch gar nicht zustande bringen können: da habe ich alles
umwerfen und neu entwerfen müssen: wahrlich, ich erschrecke über meine damalige
Kulissen-Venus! Nun, das wird diesmal wohl besser werden, — zumal wenn der
Nebel gut Wetter bringt Aber das Frische, Lebenslustige im Tannhiuser, das ist
alles gut, und ich kann da nicht das mindeste indem: alles, was den Duft der Sage
um sich hat, ist auch schon da ätherisch; Klage und Busse Tannhlusers durchaus
gelungen: die Gruppierungen unverbesserlich. Nur in leidenschaftlichen Zügen habe
ich auch sonst dann und wann nachhelfen müssen: z. B. habe ich eine sehr matte
Passage der Violinen bei Tannhlusers Aufbruch am Schlüsse des zweiten Aktes
durch eine neue ersetzt, die sehr schwer ist, mir aber einzig genügt Meinem hie-
sigen Orchester kann ich aber alles bieten: es ist das erste der Veit."
Die Auffuhrung selbst wurde Wagner zuletzt zweifelhaft, da die
Hauptsache, die Orchesterleitung, in ganz unfähigen Händen lag.
»Mit dem Tannhiuser wollen wir's noch abwarten. Ich dirigiere das Orchester
nicht selbst, und einmal die Proben überstanden — alles überstanden!
Augenblicklich habe ich etwas Ruhe, nlmlich nicht die täglichen Proben.
Durch mannigfaltige Nacharbeiten ist meine Zelt aber immer auf das Äusserste in
Anspruch genommen. Die Proben gehen mit einer unerhörten, mir oft unbegreiflichen
Sorgfalt vor sich, und eine durchweg ungemeine Aufführung steht jedenfalls bevor.
Niemsnn ist durchweg erhaben; er ist ein grosser Künstler der allerseltensten Art
Das Gelingen der übrigen Partien wird mehr ein künstliches Resultat sein: doch hoffe
ich, dass es der lussersten Sorgfalt gelingen wird, die Fäden zu verbergen.
Und nun tausend Herzensgrüssel Danken Sie Otto schönstens für seine treue
Ausdauer: wie er's hier auch treffen möge, er wird's ertragen, und gewiss einen be-
deutenden Eindruck mit zurücknehmen.
Adieu, Freundin!
Die Vorstellung steht Immer noch auf Freitag 22. fest Doch möge sich Otto
auch erst auf Montag 25. gefasst halten!"
Paris, 6. April 61.
„Wirklich, ich bin es- müde, ewig meinen Freunden nur Sorge zu machen. Ich
hab' von dem ganzen bedenklichen Pariser Abenteuer 1 ) nichts übrig, als dies bitt're
Gefühl. Der Unfall selbst hat mich im Grunde ziemlich gleichgültig gelassen; Wäre
ich nur auf ein äusserliches Gelingen ausgegangen, so hltte ich natürlich vieles ganz
anders angreifen müssen; das aber — kann ich eben nicht Jenes Gelingen konnte
für mich nur als eine Folge des inneren Gelingens der Sache zählen. Die Möglichkeit
einer wirklich schönen Aufführung irgend eines meiner Werke reizte mich; als diese
von mir aufgegeben werden musste, war ich eigentlich bereits fertig und geschlagen.
Was nun über mich erging, war eigentlich die gerechte Strafe für eine mir abermals
gemachte Illusion. Sie hat mich nicht mehr tief berührt Die Aufführung meines Werkes
war mir so fremd, dass, was ihr widerfuhr, mich gar nicht recht anging, und ich konnte dem
allen wie einem Spektakel zuschauen. Ob der Vorfall Folgen haben kann oder nicht, lässt
mich noch kalt: Alles, was ich in bezug hierauf empfinde, ist — Müdigkeit, Ekel. —
Wirklich war, was mich einzig nagte, das schnell wieder hervortretende Be-
wusstsein, dass von so unberechenbar tollen Chancen, wie denen eines Pariaer Er*
>) Glasenapp II, 2, 200—315: »die drei Schlachtabende".
313
GOLTHER: ZUM TANNHÄUSER
folges, eines meiner innigsten Werke, 1 ) zugleich meine ganze Lebenslage so schwer*
wiegend abhingen muss. Es ist dies so graunvoll und wahnsinnig, dass eine Zeitlang
es mir wirklich das Vernünftigste schien, einer durchaus schiefen und uneinrichtungs-
flhigen Existenz zu entsagen, und zwar gründlich!
Ich ermüde meine Freunde auf das Unverantwortlichste, und schleppe Lasten
mit mir, die ich wirklich länger nicht mehr tragen kann. — Der gute Bülow, der
mein Leid auf das Innigste empfand, hat nun versucht, auf deutschem Boden mir
eine etwas beruhigende Aussicht zu erwirken. Ich — hab' wenig Vertrauen, und
glaube wohl, im Trachten nach Ruhe so allmählich mich aufreiben zu müssen, bis
ich die rechte Ruhe finde. Doch habe ich Pflichten, die mich noch aufrecht erhalten :
die Sorge gibt mir neues Leben. —
Und nun grüssen Sie Otto bestens. Sein Hiersein in der bösen Zeit hat mich
fast mehr bekümmert als erfreut, wiewohl ich von ganzem Herzen beteuren muss,
dass seine Sorge und Teilnahme, sein ganzes Wesen mich tief gerührt hat. Aber ich
konnte ihm so gar nichts Persönliches sein. Es war eine ewige Hetze, und das
eigentliche Missglücken meines Unternehmens entschied sich so recht erst grade in
der Periode seines Hierseins. In Jenen Proben, in denen mir mein Werk immer
fremder und unwiedererkenntlicher wurde, litt ich das Meiste. Die Aufführungen
wirkten dagegen nur wie ganz physische Schiige, die mich aus meinem Seelenkummer
nur zum Bewusstsein meines — traurigen Daseins weckten. Die Schläge selbst
wirkten nur oberflächlich. —
Sagen Sie Otto auch, dass vermutlich in der Leipziger Illustrierten nächstens
ein Bericht*) von mir selbst über die ganze Pariser Tan nbäuser- Angelegenheit zu lesen
sein werde: ich hatte etwas Ähnliches einem Verwandten versprochen.*
Aus den hier zusammengestellten Briefen ergibt sich, dass der erste
Gedanke einer Umarbeitung des Tannhäuser nicht erst 1861 in Paris,
sondern schon 1852 in Zürich auftauchte. Die Pariser Aufführung war
Anlass, diesen Gedanken zu erweitern, zu vertiefen und nach reiflichster
Erwägung im ganzen Umfang durchzuführen. Zugleich war auch eine
sehr wichtige und wesentliche Umänderung des Holländerschlusses erfolgt.
Nur wer grundsätzlich den Standpunkt einnimmt, dass der Wille des
Meisters für die Aufführung seiner Werke belanglos sei, dass wir seine
deutlich ausgesprochenen künstlerischen und dramatischen Forderungen
nicht zu beachten haben, dass wir seine Dramen nach unserm subjektiven
Geschmack und Belieben mit voller Willkür als gewöhnliche Opern be-
handeln dürfen, — also nur wer im vollen und bewussten Gegensatz zum
künstlerischen Willen Richard Wagners steht, kann sich für Beibehaltung
der veralteten, geschichtlich gewordenen Dresdener Fassung entscheiden.
Da die Pariser Aufführung zuletzt misslang, so ist es um so mehr Ehren-
pflicht der deutschen Bühnen, den hohen künstlerischen Ertrag dieser
Arbeit zur Geltung zu bringen und zu wahren.
s ) Nämlich die geplante Aufführung des Tristan.
*) Ges. Schriften 7, 181 ff.
NEUE OPERN
Francesco Cilea: „Romanticismo" heisst eine Oper, die'der Komponist nach
dem vaterländischen Drama'gleichen Namens von Girolamo Rovetta schreibt.
Stefano Danaudy: „Im Dunkel tastend" (Sperduti nel buio) betitelt sich ein
dramatisches Werk, das Danaudy, der Verfasser des in Hamburg aufge-
führten „Theodor Körner", nach dem gleichnamigen Lustspiel Bracco's
komponiert.
Dr. Mai: »Die Braut von Messin a Ä , Text nach dem Schillerschen Drama, ist
vom Berner Stadttheater zur ersten Aufführung angenommen worden.
Pietro Mascagni: „Die Freundin«, eine einaktige Oper, soll im Februar 1005
in Monte Carlo zum erstenmal aufgeführt werden.
Emile Pessard: „Le mirage*, eine komische Oper, Text von L. Xanrof und
M. Boucheron, ist vom Theater des Westens in Charlottenburg zur Ur-
aufführung angenommen worden.
AUS DEM OPERNREPERTOIRE
Weimar: Das Cornelius fest im Hoftheater findet nach dem diesjährigen Ton-
künstlerfest des Allgemeinen Deutschen Musikvereins zu Frankfurt a. M. am
9. und 10. Juni statt, und zwar geht am 9. Juni die Originalpartitur des
„Cid" in Szene, am Tage darauf, dem Geburtstag des Grossherzogs Wilhelm
Ernst die Originalpartitur zum „Barbier von Bagdad". Den Prolog
zur ersten Vorstellung dichtet Dr. Paul Heyse.
KONZERTE
Hamburg: Der Vorstand der „Philharmonischen Gesellschaft** hat an Stelle
des zurückgetretenen Prof. Richard Barth Max Fiedler zum musikalischen
Leiter seiner Konzerte berufen. Schon im nächsten Winter findet eine Ver-
schmelzung der Fiedlerschen mit den Philharmonischen Konzerten statt,
und zwar sollen 16 Konzerte veranstaltet werden.
Magdeburg: Am 10. Kammermusik-Abend des Tonkünstlervereins brachten
die Herren Koch, Thiele, Dietze, Trostdorf und Petersen zum erstenmal das
Quintett von Anton Brückner zu Gehör.
Prag: Am 26. April wurde unter Leitung von Franz Spilka Carissimi's Oratorium
„Jephta" aufgeführt.
Rotterdam: Mozarts Grosse c-moll Messe erlebte am 26. April ihre Urauf-
führung in Niederland und zwar durch den Oratorien verein „Gemengd
Koor**. Das von Schwierigkeiten für Chor wie Solisten strotzende Werk war
durch Musikdirektor Georg Ryken vortrefflich einstudiert und die Aufführung
war unter seiner temperamentvollen, festen Leitung eine sehr glückliche. Das
Werk, das durch seine Doppelchöre Anforderungen an Stimmenmaterial stellt,
die überhaupt nur von grossen Vereinen zu überwältigen sind, machte tiefen
Eindruck. Als Solisten wirkten mit die Damen Anna Kappel, Lucie Koenen
sowie die Herren Joh. Rogmans und Hend. van Oort.
315
UMSCHAU
TAGESCHRONIK
Eine Art von musikalischer Sezession bereitet sich in Wien vor.
Eine Anzahl von Komponisten, zu denen die besten Namen gehören sollen, hat
sich vereinigt, um, unabhängig vom Geschäfts- und Vermittlerinteresse, Neu-
schöpfungen lediglich vom Standpunkt ihres künstlerischen Wertes in Konzert-
sufführungen ersten Ranges zur Geltung zu bringen. Man will die zeitgenössische
Entwicklung vor Augen stellen; nur Neuheiten kommen zu Gehör. Die geschäft-
liche Unterlage soll von vornherein durch Subskription sichergestellt werden.
Am 23. April konstituierte sich die Brahms-Gesellschsft in Wien. Zweck
der Gesellschaft ist, sämtliche Fahrnisse der Wohnung des verewigten Meisters zu
erwerben, und für die Zukunft zu erhalten. Die Versammlung wählte die Herren
Arthur Fsber, Dr. Erich Ritter v. Hornbostel, Msx Kalbeck, Adolf Koch v. Langentreu,
Dr. Eusebius Msndyczewski, Gotthelf Meyer und Dr. Victor Ritter v. Miller zu Aichholz
in den Vorstand. Dr. v. Miller zu Aichholz wurde zum Präsidenten gewählt.
Eine Ststistik über die Aufführungen von Opern lebender Kom-
ponisten in den drei Jahren vom 1. September 1000 bis zum 1. September 1003
ergiebt nsch dem von Breitkopf & Härtel zusammengestellten deutschen Bühnen-
spielplan folgendes Resultat: Deutsche und deutsch-österreichische Kom-
ponisten: Humperdinck 440 Aufführungen, Zoellner 244, Kienzl 107, Weiss 188,
Goldmsrk 170, Eugen d'Albert 120, Brüll 121, v. Kaskel 100, Blech 74, Richard
Strauss 50, Thuille 43, Kulenkampff 34, Siegfried Wagner 33, Jarno 26, Max Schillings 25.
Ausländische Komponisten: Mascsgni 743, Leoncavallo 551, Saint-Saöns 227,
Charpentier 170, Massenet 121, Puccini 70, Enns 66.
Prof. Dr. Hermann Kretzschmar in Leipzig hat eine Berufung für die an
der Berliner Universität eigens geschaffene ordentliche Professur für Musik-
wissenschaft erhalten und diese neue Stellung, für die der Landtag erat kürzlich
die Mittel bewilligte, angenommen.
August Scharrer, seither Kapellmeister des Münchener Kaim-Orchesters,
ist als Nachfolger von Josef Rebicek zur Leitung des Berliner Philharmonischen
Orchesters berufen worden.
Ksrl Bömly, zuletzt Intendanzsekretär der Oper zu Frankfurt a. M., ist zum
Direktor des Herzogl. Hoftheaters in Dessau ernannt worden und hat am
15. April die Leitung der Intendanz-Geschäfte übernommen ; dem bisherigen Inten-
danzverweser und dramaturgischen Sekretär Dr. Arthur Seidl wurde der Pro-
fessor-Titel verliehen.
Hofopernkapellmeister Franz Schalk hat an Stelle des zurückgetretenen
Direktors Ferdinand Loewe die Leitung der Konzerte der Gesellschaft der
Musikfreunde in Wien übernommen.
Dem verstorbenen Generalmusikdirektor Hermsn Zumpe soll in seinem
Geburtsorte Tsubenheim eine Gedenktsfel errichtet werden.
TOTENSCHAU
Am 1. Mai starb in Prag der bedeutendste lebende böhmische Tondichter:
Anton Dvofäk im Alter von 63 Jahren. Weit über die Grenzen seines engeren
Vaterlandes hinsus hat die Nachricht von dem Hinscheiden des hervorragenden
Komponisten schmerzliche Überraschung in der musikalischen Welt hervorgerufen.
Die „Musik" wird in einem der nächsten Hefte dem dahingegangenen Meister eine
eingehendere Würdigung zuteil werden lassen.
ANMERKUNGEN ZU
UNSEREN BEILAGEN
Die erste Beilage, eine Liszt-Medaille von Edouard Louis Geerts (belgischer Me-
dailleur, 1846—1889, Schüler van der Stappen's), bezieht sich auf den Gründer und
Förderer des Allgemeinen Deutschen Musikvereins Franz Liszt. Es ist ein
ungemein Ähnliches und künstlerisch ausgeführtes Porträt, eine der besten exi-
stierenden Musikermedaillen, selten und ziemlich unbekannt. Liszt weilte Ende
Mai 1881 anlässlich des Lisztfestes in Brüssel (kurz vorher aus gleichem Anlass
in Antwerpen). Es fanden Aufführungen seiner Werke statt u. a. von „Faust* und
„Tasso" unter Leitung von Franz Servais und unter dem Präsidium GevaSrt's. Bei
dieser Gelegenheit überreichten die Brüsseler Musiker Liszt diese schöne Medaille
und zwar ihm selbst ein goldnes Exemplar, das im Lisztmuseum zu Weimar auf-
bewahrt wird. Der Revers lautet: A-FRANZ LISZT-SOUVENIR— DU 29 MAI
1881— LES ARTISTES MUSICIENS— DE-BRUXELLES. Zwei Palmzweige und
eine Schleife umrahmen diese Schrift Die Medaille misst 65 Millimeter.
Die folgenden Beilagen bringen die Porträts der schaffenden Künstler, die mit grösseren
Werken bei dem 40. Tonkünstlerfest in Frankfurt vertreten sind. Richard Strauss,
der Präsident des Allgemeinen Deutschen Musikvereins, der am 11. Juni seinen
40. Geburtstag feiert, eröffnet den Reigen; es folgen Siegmund von Hausegger,
der Festdirigent, Philipp Wolfrum, Ernst Kunwald und Willibald Kaehler,
die Leiter der Aufführungen in Heidelberg (Stadthalle), Frankfurt (Opernhaus)
und Mannheim (Hof- und Nationaltheater). Sodann: Wilhelm Berger,
Heinrich Zoellner, Waldemar von Baussnern, Hans Pfitzner, Gustave
Charpentier, Jean Louis Nicod6, E. N. von Reznicek, Max Reger, Georg
Schumann, Ludwig Thuille, Paul Scheinpflug, Bruno Walter, August
Reuss, Dirk Schäfer, Hermann Zllcher, Walther Lampe, Friedrich
Klose, Volkmar Andreae, Alfred Scbattmann. Von ausübenden Künstlern:
das Heermann-Quartett (Hugo Heermann, Adolf Rebner, Fritz
Bassermann, Hugo Becker), Ludwig Hess und Anton Sistermans.
Auf den beiden folgenden Blättern sehen wir ein reizendes Jugendbildnis Liszts,
sowie eine Nachbildung des Theaterzettels der ersten Aufführung seines Jugend-
werkes „Don Sancne" in Paris.
Die umfangreichen Notenbeilagen dieses Heftes, Ouvertüre und eine Arie des „Don
Sanche" illustrieren den glücklichen, historisch interessanten Fund, den Jean
Chantavoine mit der Wiederaufflndung der Lisztschen Operette getan.
Nr du«
Nachdruck nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Verlages gestattet
Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung, ▼orbehalten.
unverlangter oder nicht angemeldeter Manuskripte, falls ihnen nicht genüg
Porto beiliegt, übernimmt die Redaktion keine Garantie.
ead
Verantwortlicher Schriftleiter: Kapellmeister Bernhard Schuster
Berlin SW. 11, Luckenwalderstr. 1. III.
Albert Meyer, Berlin phot.
RICHARD STRAUSS
El vir», München jiaot.
SIEGMUND VON HAUSEGGER
FESTDIRIGENT DES 40. TON KÜNSTLER FESTES DES ALLGE
MEINEN DEUTSCHEN MUSIKVEREINS IN FRANKFURT A. M.
PHILIPP WOLFRUM
ERNST KUNWALD
WILLIBALD KAEHLER
ZUM 40. TONKÜNSTLERFEST DES ALLGEMEINEN
DEUTSCHEN MUSIKVEREINS IN FRANKFURT A. M.
Joh. Llipkc, Berlin phoi. Georg Brokesch, Leint Ig pho(.
WILHELM BERGER HEINRICH ZOELLNER
Erwin Riupp, Dresden phui. H. Schröder, Berlin phoi.
WALDEMAR VON BAUSSNERN HANS PFITZNER
ZUM 40. TONKONSTLERFEST DES ALLGEMEINEN
DEUTSCHEN MUSIKVEREINS IN FRANKFURT A. M
Cauiln & Bcrger, Piria phot,
GUSTAVE CHARPENTIER
JEAN LOUIS NICODE
Aleller VIelorla, Berlin phot
E. N. VON REZNICEK
r. Llilul, München phol
MAX REGER
ZUM 40. TONKÜNSTLERFEST DES ALLGEMEINEN
DEUTSCHEN MUSIKVERE1NS IN FRANKFURT A. M.
L. O. Grlcnwildi, Bremen phoi.
GEORG SCHUMANN
LUDWIG THUILLE
PAUL SCHEINPFLUG
ZUM 40. TONKÖNSTLERFEST DES ALLGEMEINEN
DEUTSCHEN MUSIKVEREINS IN FRANKFURT A. M.
J. C. Sch»*rwichltr, Berlin phol.
BRUNO WALTER
AUGUST REUSS
H. V. Wollnbe, Hl»g pliol.
DIRK SCHÄFER
ebner, Berlin phol.
HERMANN Z1LCHER
ZUM 40. TONKÜNSTLERFEST DES ALLGEMEINEN
DEUTSCHEN MUSIKVEREINS IN FRANKFURT A. M.
hen phoi. Oiau- Suck, K«rl»ruhe phoi.
WALTHER LAMPE FRIEDRICH KLOSE
icr, Zürich phoi. Globm-Aielier, Berlin phoi.
VOLKMAR ANDREAE ALFRED SCHATTMANN
ZUM 40. TONKÖNSTLERFEST DES ALLGEMEINEN
DEUTSCHEN MUSIKVEREINS IN FRANKFURT A. M.
A. Marx, Frankfurt a. M. phol.
STREICHQUARTETT DER MUSEUMS-GESELLSCHAFT IN FRANKFURT A. M.
HUGO HEERMANN,'HUGO BECKER, FRITZ BASSERMANN, ADOLF REBNER
ort«, Berlin phol. E. Bieter, Berlin phol.
LUDWIG HESS ANTON SISTERMANS
ZUM 40. TONKÜNSTLERFEST DES ALLGEMEINEN
DEUTSCHEN MUSIKVEREINS IN FRANKFURT A. M.
EIN JUCENDPORT-.ÄT FRANZ LISZTS
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ARIE DES DON SANCHE
aus der einacHgen Operette,, Don Sanche"
von
FRANZ LISZT
für Klavier zu zwei Händen übertragen von
JEAN CHANTAVOINE
Der Bearbeiter behält sich alle Rechte vor
OUVERTÜRE.
Adagio.
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Ton cheva-iier
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Stielt o. Drnok: Berliner MuiUuUien Druckerei G.m.b. H. Charlottenbnrg-
CORNELIUS-FEST-HEFT
In edelstem Gemüte
Zeigt' er des ew'gen Spur,
Sein Herz war eine Blüte
Voll Duft und Schimmer nur.
Geweiht durch Geistesschöne
Und schöpferische Kraft,
Verhiess die Kunst der Töne
Ihm frühe Meisterschaft
Weh, dass in frühem Leiden
Der Tod ihn hingerafft,
Weh, dass er musste scheiden
Voll Tatendrang und Kraft.
Doch Heil ihm, fern dem Wehe
Der Welt und ihrer Gunst:
Vergängliches vergehe,
Doch ewig ist die Kunst.
Peter Cornelius
(beim Tode von Julius Reubke)
III. JAHR 1903/1904 HEFT 17
Erstes Juniheft
Herausgegeben
von Kapellmeister Bernhard Schuster
Verlegt bei Schuster & Loeffler
Berlin und Leipzig
Max Hasse
Der Dichtermusiker. Ein Märchen.
Dr. Edgar Istel
Peter Cornelius. Ein deutscher Wort- und Tondichter.
Max Hasse
Die erste (h-moll) Ouvertüre zum „Barbier von Bagdad"
von Peter Cornelius.
Natalie von Milde
Weimarische Erinnerungen aus den 50 er Jahren des
vorigen Jahrhunderts.
Gustav Schoenaich
Peter Cornelius in Wien.
Dr. Richard Batka
Peter Cornelius 9 Lieder. Ein Mahnwort.
Dr. Edgar Istel
Peter Cornelius und der „Kladderadatsch".
Besprechungen (Bücher und Musikalien).
Revue der Revueen.
Umschau (Neue Opern, Aus dem Opernrepertoire,
Konzerte, Tageschronik).
Kritik (Oper und Konzert).
Anmerkungen zu unseren Beilagen.
Kunstbeilagen. Musikbeilage.
Anzeigen.
DIE MUSIK erscheint monatlich zwei Mal. Abonnements-
preis für das Ouartal 4 Mark. Abonnementspreis für den
Jahrgang 15 Mark. Preis des einzelnen Heftes 1 Mark.
Vierteljahrseinbanddecken a 1 Mark. Sammelkasten für die
Kunstbeilagen des ganzen Jahrgangs 2.50 Mark. Abonnements
durch Jede Buch- und Musikalienhandlung, für kleine Plitze
ohne Buchhändler Bezug durch die Post: No. 5355a
II. Nachtrag 1903.
Is war vor vielen tausend und aber tausend Jahren ... Da trat
die Sonne strahlender als je aus dem Himmelstore des ewigen
i Ostens. Und da war der Himmel viel blauer als jetzt und die
I Leuchtende sandte viel hellere Strahlen hernieder und alles,
was auf Erden war, funkelte im Glänze der sieben Regenbogenfarben. Und
es war eine wundersame Pracht, an der sieb das Auge nicht satt sehen
konnte.
Aber noch war das grosse Schweigen ausgebreitet auf der Erde, und
es lastete über Flur und Hain, über Wald und Feld. Und es schwebte
wie ein Geist über den Wassern.
Und der Quell raunte sein Geheimnis noch nicht den Vöglein zu,
die aus ihm tranken, und der eilende Bach blieb stumm auF die Fragen
der Wiesenblumen, und der Wasserfall stürzte sich noch nicht jauchzend zu
Tal, und der Strom rauschte noch nicht mächtig auf und das unendliche
Meer umbrandete wohl das Ufer: man sah seinen Zorn, aber hörte ibn
nicht.
Und man vernahm nicht den ängstlichen Schrei der Möve, so oft sie
vor dem Sturme daherflog, und der Gewattige selbst kam und ging, aber
man hörte nicht sein Toben.
Und alles Getier auf Erden war stumm und selbst der Mensch suchte
sich lautlos seine Nahrung.
Und es wurde Mittag und es wurde Abend und die Sonne trat, dunkel-
rot vom weiten Himmelslaufe, in das Tor der Nacht ein und hinter ihr
glühte es empor, wie von hundert und aber hundert feurigen Strahlen —
die zuckten empor und erstarben, um aufs neue prächtiger aufzulodern,
und es war ein grosses Schweigen auch am Himmel.
Und die Dämmerung zog leise, leise einher und die Nacht kam wie ein
Flug wilder, schwarzer Schwäne und die Sterne zündeten still ihr Licht
an und der Mond zog einsam seine goldne Bahn . . .
Und es kam wieder der Morgen und es kam der Mittag und es kam
wieder die Nacht im ewigen, schweigenden Wechsel.
Aber alle fünfhundert Jahre, da geschah das Wunderbarste: da öffnete
320
DIE MUSIK III. 17.
■■
sich der Himmel und man erblickte den lieben GOTT mit seiner Engelschar,
und die sieben Sphären erklangen und Alles im Himmel und auf Erden
lauschte der wunderbaren Musik des himmlischen Orchesters und den
glockenreinen Chören und Liedern der Engel, die IHN lobten und lobpriesen.
Und es war ein uralter und ewig neuer, herrlicher Klang . . .
Aber nach vielen fünfhundert Jahren, da begab es sich, dass der
liebe GOTT verreiste in den Himmel einer anderen Erde. Da weinten die
Engel und die Notenblätter entsanken ihren Händen, und der Wind, das
himmlische Kind, machte sich auf und führte die Blätter und die Noten-
zeichen des Orchesters hinweg und die geheimnisvollen Charaktere fielen
zur Erde nieder.
Und der Notenregen kam zuerst zu den Tieren, die dem Himmel am
nächsten wohnen: zu den klugen Vögeln, und jedes von den gefiederten
Geschöpfen fing ein Stückchen dieser himmlischen Musik mit dem Schnabel
auf und studierte es fleissig.
So lernte die Lerche die hochliegenden Triller, der Fink seine Hoch-
zeitsfanfaren, die Schwarzamsel ihre tiefen Glockentöne, die Rohrdommel
ihren Paukeneinsatz und die Nachtigall ihre Flötensoli. Und ein jeder
lernte nach seiner Art . . .
Die Pausen aber fielen in das Meer und in alle Gewässer der Welt:
daher sind die Fische stumm bis auf den heutigen Tag.
Auf der Erde aber erhub sich ein Singen und ein Klingen, die vier-
füssigen Tiere riefen einander Liebeslaute zu, das Männchen lockte das
Weibchen, und das begabteste unter den Geschöpfen, der Mensch, erfand
die Sprache und eine junge Mutter sang ihrem Kinde das erste Wiegenlied . . .
Seitdem aber ist die himmlische Ruhe auf der Erde unwiederbringlich
dahin, und der Mensch müht sich und müht sich ab und sucht und sucht,
ob er Stücke dieser ewigen Musik wiederfindet.
Aber nur Sonntagskindern glückt ab und zu ein Fund. Und die
Glücklichen, die ein Stück Text für sich allein finden, nennt der Mensch
Dichter, und wer gar ein Stück jener himmlischen Melodie erblickt und es
abschreibt, den nennt die Welt einen Musiker. Und solche Sonntagskinder
waren Palästrina und Bach und Mozart und Beethoven, der fand gar eine
Weise wieder, nach der die sieben Sphären getanzt hatten. Und viele
andere Sonntagskinder suchten und fanden, ein jegliches nach seiner Art.
Aber noch war es niemandem geglückt, ein Stück Text und Musik
zugleich zu finden und da kamen zwei Sonntagskinder des Wegs daher
und der eine war an einem heiligen Abend 1 ) geboren, und siehe, als die
Zeit erfüllet war, da fand ein jeder von ihnen einen Streifen Text und
Musik, und der eine einen grösseren und der andere einen kleineren, und
') Peter Cornelius, geb. am 24 Dezember 1824.
321
HASSE: DER DICHTERMUSIKER
man nannte sie die Dichtermusiker, glaubte ihnen aber nicht und dass
ihr Fund echt sei. Sie aber verstanden die Sprache der Vögel und die
Liebeslaute der Tiere und das Raunen der Quelle und das Aufrauschen
des Stromes und den Schrei der Möve, wenn sie vor dem Sturme daher-
fliegt; und sie lasen Text und Musik aus der Morgen- und Abendröte und
aus der schweigenden Nacht. Und der eine zwang mit eiserner Faust die
Spötter zur Erde nieder, aber der andere verzichtete auf den Kampf. Und
er ging einsam durch das Leben. Und wen er grüsste, der dankte ihm
nicht, und wen er anredete, der wandte sich ab. Da verschluss er seine
Werke in seinen Schrein, versiegelte ihn und starb . . .
Und siehe, nach vielen Jahren, als die Zeit erfüllet war, da erklang
es im Schrein wie von hundert silbernen und goldenen Glocken. Und der
Wunderschrank sprang von selbst auf und die Siegel lösten sich und die
Texte und die Melodie und jenes Stück himmlischer Musik, darauf Noten
und Text zugleich stehen, wurde lebendig und es erklang weit durch das
Land.
Und der Mensch blieb stehen und sagte : wie schön ! und die Blumen
nickten: das ist von unserem Blühen und die Vögel sangen: das ist von
unserem Lied. Und der schweigende Wald sprach : das ist meine Stimme
und die Sterne lachten und alles im Himmel und auf Erden freute sich,
dass wieder ein Stück der alten himmlischen Musik gefunden war.
Und selbst der liebe GOTT, der längst von seiner Reise wieder zu-
rückgekehrt war, freute sich und lauschte nach der Erde hin und lächelte
freundlich zu ihr hernieder . . .
Der Dichter, der mii eignem Fleltse
Zu Tort und Reimen, die er erfind,
Au« Tffnen such fugt eine neue Weise,
Der wird all »Meistersinger* erkannt.
Richard Wagner
ie Zeit ist eine gerechte Richterin: mit klarem Blick durchschaut
sie Herz und Taten der Menschen, richtend nach ewigen Ge-
setzen; wehe denen, die im trügerischen Glänze erborgten
Ruhmes vor ihren geheiligten Richterstuhl treten: im Strahle
dieses unbestechlichen Auges sinkt angemasster Prunk hernieder, und
beschämt enthüllt sich die hohle Nichtigkeit ihres eitlen Wesens. Heil
aber denen, die, des Gottesstrahls in ihrer Brust würdig, nur dem Edlen
und Wahren lebten: sie krönt zu ewigem Lohne der blütenreiche Kranz
der Unsterblichkeit. Denn nicht am Ende aller Tage kommt jenes Welt-
gericht, das Michelangelo so hehr erschaute: ein herrliches Wunder, erlebt
die Menschheit selber es mit von Sikulum zu Säknlum. Da öffnen sich
die Gräber und herauf steigen die grossen Toten zu ewigem Leben; wer
aber gesündigt wider den heiligen Geist der Kunst, sinkt hinab in den
Orkus der Vergessenheit, habe die Mitwelt ihn auch mit Gold und Purpur
verschwenderisch bekleidet.
Die Zeit ist eine gerechte Richterin; dies bat sich auch bei Peter
Cornelius bewährt. Wie viele Erscheinungen der Kunst, vom Jubel des
Augenblicks begrüsst, bat jenes Menschenalter, das seit seinem Scheiden
Tast verflossen, entstehen und — vergehen sehen, und was wird von so
manchem Modewerk unserer Tage in einem weiteren Menschenalter noch
vorhanden sein? Doch er, der Schlichte, Unbeachtete, den eitlen Tages-
ruhm Verschmähende, er, der in heiligem Ernste nur den Forderungen
seines Genius Genüge tat, — sein Stern ist im Aufgehen begriffen.
Peter Cornelius war keine jener gewaltigen, titanenhaft angelegten
Naturen, die, von einem grossen Gedanken durchglüht, im Feuer des
Bekehrungseifers ausziehen gegen eine Welt von Widersachern und nach
errungenem Siege, Könige des Geistes, im Triumph einherziehen — wie
323
IST EL: PETER CORNELIUS
Richard Wagner; er war kein glänzender Virtuose wie Liszt, vor dessen
Taten sich eine Mitwelt in Bewunderung neigte — das Monumentale, das
Glänzende lag seinem Wesen fern: Gemütstiefe, Innigkeit, Herzlichkeit,
Schlichtheit, Reinheit sind die Vorzuge seiner Kunst — mit einem Wort:
Peter Cornelius war so recht ein deutscher Poet.
Ja, ein Poet im Grunde des Herzens, und möchte ihn auch Poly-
hymnia, der er so viel verdankte, der Schwestermuse neiden: erst aus
seiner dichterischen Kraft wuchs seine musikalische heraus.
»Alles", so erzählt er in seiner kleinen autobiographischen Skizze, «legte den
Keim in mich, der erst nach einer wechselvollen Jugend, aus ganz anderen Richtungen
und Lebensabsichten heraus, plötzlich in mir erblühen sollte — den Keim zum Dichter.
Was red' ich viel! sag' ich das eine Wort, von welchem mir die Seele zittert:
Goethe! Hinter den Glasscheiben der Bibliothek meines Vaters mit den grünseidenen
.Innenvorhängen, da lockten wohl die Werke des Grossen; sie mussten mir noch ver-
schlossen bleiben. Aber auf dem Speicher war eine grosse Kiste voll Bücher, in denen
ich manch Stündlein stöberte. Da fischte ich, wie der Taucher die Perle, ein zer-
rissenes Exemplar von Goethes Liedern auf. Das war von nun an mein unzertrenn-
licher Begleiter. An den Mond! Trost in Tränen! Rastlose Liebe! Soll ich sie alle
nennen? Das alles ging in der linken Rocktasche auf allen Wegen mit mir. Das sprach
ich draussen im Felde laut vor mich hin, das sang ich, dazu griff ich mir die begleiten-
den Akkorde, so gut es ging, am Klavier. — An diesem Moment entschied sich mein
ganzes Leben, und der Jüngling, der Mann bestätigte den Knaben in seiner glühenden
Liebe für den Dichter aller Zeiten."
So hat Cornelius, durchaus Poet, denn auch Zeit seines Lebens als
absoluter Musiker nichts Nennenswertes geleistet; von Schularbeiten ab-
gesehen, existieren von ihm weder Sonaten noch Quartette oder Sym-
phonieen, und doch beherrschte er die strengsten Disziplinen des Kontra-
punktes als Meister, — aber immer nur im Dienste des poetischen
Gedankens; die Sonatenform, die rein musikalisch-logischen Gesetzen folgt,
blieb ihm immer fremd. So schreibt er an Karl Riedel 1872:
„Heute füge ich nur noch in Eile hinzu: dass Du für Kammermusik nichts
von mir erwarten darfst! Freund, ich bin einmal ein poetischer Lyriker — wollte
ich ein Quartett schreiben, soll ich Dir sagen, wie viel Zeit mich das kosten würde?
Drei Monate!«
Und noch ein halbes Jahr vor seinem Tode grollt er in einem Briefe an
•denselben Freund über
„diese jungdeutschen Neuschweden, verhamleteten Dänen und verwikingerten Gemüter,
denen die Poesie im Grunde wenig ist So ein bischen Situation aus dem Gedicht
herausgefischt und als gesungenes Programm zu einer Orchesterphantasie aufgetischt."
Dagegen „wir Alten, wir nahmen es lächerlich ernsthaft mit der Poesie, und wenn
wir auch trachteten, schöne und interessante Musik zu geben, so blieb uns doch der
Dichter der heilig gehaltene Gegenstand, um den wir einen Glorienschein von Tönen
-zu weben versuchten.*
Am 24. Dezember 1824 in Mainz geboren, hatte er, da frühzeitig
sich neben einem grossen Sinn für fremde Sprachen musikalische Anlagen
324
DIE MUSIK III. 17.
zeigten, bald den gediegenen Unterricht des damals in Mainz tätigen Kapell-
meisters Heinrich Esser 1 ) genossen, als sein Vater, der, da er selbst
Schauspieler war, auch in dem Sohne schauspielerische Fähigkeiten ver-
borgen glaubte, ihn neben den musikalischen Übungen zu Versuchen auf
den weltbedeutenden Brettern bewegte. Allein diese Versuche fielen trotz
vorhergegangener gründlicher Unterweisung so ungunstig aus, dass Cor-
nelius verstimmt die Lust daran völlig verlor. Da starb im Oktober 1843
sein Vater, und damit trat eine bedeutsame Wendung im Leben des Sohnes
ein. Peter von Cornelius, der berühmte Maler, nahm sich jetzt seines
Neffen an und berief ihn nach Berlin, wo er seinen musikalischen Nei-
gungen leben, d. h. bei dem bekannten Kontrapunktisten Dehn Unterricht
nehmen sollte. Mit dem grossten Fleiss betrieb der Jüngling die mitunter
trockenen Studien und komponierte Sonaten, Trios, Fugen, Kanons und
Messen traditioneller Art — nur als Schulaufgabe, ohne dass er mit diesen
Werken zugleich Fleisch von seinem Fleisch und Blut von seinem Blut
gegeben hätte. Was sein Innerstes berührte — Herzensangelegenheiten —
das sprach er in tiefempfundenen Gedichten aus; wie sehr lag also seinem
Empfinden damals noch die Poesie näher als die Musik!
Cornelius stand auf dem Punkte, wo ein junger Musiker nach land-
läufigen Begriffen «ausgelernt* hat. Alles, was ihm die kontrapunktische
Kunst seines Lehrers bieten konnte, hatte er in sich aufgenommen. Aber
das Wesen der Musik erfasst man nie allein durch Können; erst wenn
dieses sich zu tiefstem Empfinden gesellt, entsteht ein wahres Kunstwerk.
Das fühlte auch Cornelius in seinem dunkeln Drange — und bald war er
sich des rechten Wegs bewusst. Sein Lebensweg musste nach Weimar führen.
Weimar — wie ein fernes Märchenland musste der Klang dieses
Namens das Ohr des jungen Musikers berühren. Jene Stätte, auf ewige
Zeiten geweiht durch Goethe, Schiller, Herder und Wieland, sie erstrahlte
zum zweiten Male hell im Lichte der Kunst unter der Ägide eben jener
feinsinnigen Maria Paulowna, deren Einzug in Weimar Schiller mit seiner
«Huldigung der Künste" verherrlicht. Franz Liszt hiess die Sonne, um
die eine Schar von Trabanten kreiste, und auch Cornelius konnte sich
dem Zauber dieses Grossen nicht entziehen. Liszt sollte ihm von den
bangen Zweifeln befreien, die seine Brust beengten:
»Von Liszt als einem über alles Kleinliche erhabenen Künstler und Menschen
wollte ich mir ein freies Urteil über meine Studien ausbitten, was ich in Berlin nicht
erlangen konnte von Leuten, die in Rücksichten verbissen waren. Das erhabene
Kunstleben und Kunsttreiben, das mich dort wie mit einem Zauberschlag berührte»
] ) Vergl. die von mir unter den Titel »Richard Wagner im Lichte eines zeit-
genössischen Briefwechsels 41 herausgegebenen Briefe Essers an den Verleger Schott,
in denen auch vielfach von Cornelius die Rede ist. (»Musik* I. Heft 15, 16, 18, 19,
20, 21, auch separat als Broschüre).
325
ISTEL: PETER CORNELIUS
entschied mich augenblicklich dabin, nicht nach Berlin zurückzukehren, sondern, wie
es mir auch ergehen möge, aufs neue anzufangen, Kunst zu lernen und womöglich,
früher oder später, diesem Kreis anzugehören.*
Ja, ein erhabenes Kunstleben entfaltete sich unter dem belebenden
Szepter Liszts; allen Verbannten und Verkannten öffnete der Grossmütige
gastfreundlich die Tore Weimars. Richard Wagner, der steckbrieflich ver-
folgte »Revolutionär", der im Exil ein freudloses Dasein fristete, erstarkte
wieder am Beifall des edlen Freundes und schöpfte frische Kraft zu neuem
Schaffen. Die Partitur des „Lohengrin", die verstaubt in ihres Schöpfers
Heim gelegen, erstand hier zu tönendem Leben, „Holländer" und .Tann-
häuser" erfuhren stilgerechte Aufführungen. Hektor Berlioz, der von
seinen Landsleuten Unverstandene, fand hier die ersehnte Heimat seiner
Kunst, und an „Benvenuto Cellini" erfreute sich Auge und Ohr. Schumanns
»Manfred" und seinem Schmerzenskind „Genovefa" wurde hier Gerechtig-
keit zuteil, und Ritter Gluck, »der erhabenen Tonkunst grosser Meister"»
der unsterbliche Vorgänger Richard Wagners, wurde durch Aufführungen
von „Armida", „Alceste", „Iphigenie" und „Orpheus" geehrt. Daneben
fehlten natürlich im Konzertsaal Berlioz' „Symphonie phantastique" und
die gerade entstandenen symphonischen Dichtungen Franz Liszts nicht. Ein
erlesener Kreis junger Musiker hatte sich um Liszt geschart; Bülow,
Joachim, Damrosch, Raff, Lassen, Klindworth, Tausig, Pohl
fanden sich ein neben Cornelius, und gelegentlich kam Hektor Berlioz
selbst herüber, die Freunde zu grüssen und teilzunehmen an dem ihm zu
Ehren veranstalteten Feste. 1 )
.Wie fröhlich waren unsere Abende," erzählt Cornelius später in der «Neuen
Zeitschrift für Musik," „wie laut unsere Nächte! Das Motiv des »Fliegenden Holländers'
war unser Erkennungszeichen auch in stellenlosem Dunkel, die Königsfanfaren aus
dem ,Lohengrin' unser letzter Grass, wenn wir uns von Liszt trennten."
Sogar nach Basel, zu einem Zusammentreffen mit dem verbannten
Richard Wagner, veranstaltete Liszt eine Künstlerfahrt, an der auch
Cornelius teilnahm. Hier sah er zum ersten Male dem Gewaltigen ins
leuchtende Auge, hier vernahm er zum ersten Male von jenem Riesen-
plan des Meisters: seiner Nibelungen-Dichtung. Hier knüpften sich auch
die Freundesbande zwischen Wagner und Cornelius, die dann, in Wien
gefestigt, sich bis zum Tode nicht mehr lockern sollten. Wagner war es,
der später Cornelius nach München berief und ihm durch Überweisung
einer Professur an der Tonschule den Mut gab, sich ein eigenes Heim zu
gründen. Und in diesem Heim begrüsst er dann auch den Freund in
warmen Worten.
') Vergl. meinen Aufsatz «Berlioz und Cornelius" («Musik" III. Heft 5), wo
auch eine von Cornelius selbst gegebene Schilderung einer solchen Künstlerfahrt zu
finden ist
326
DTE MUSIK 111. 17.
„Wie hoch dein Name auch erglänze,
Wie mancher Kranz dich auch umwob,
Mein Herz weiss mehr als alle Kränze,
Mein Herz, dein Lob.*
schliesst die Dichtung. Aber so herzlich er auch dem Meister zugetan,
so neidlos seine Bewunderung war, eins sah er schon damals mit wunder-
barem Scharfblick voraus: jeder Musiker, der, ohne bereits eine in sich
gefestigte Individualität zu sein, in den Bannkreis Wagners geriet, war als
schaffender Künstler verloren. »Nur ungern und mit innerem Wider-
streben* ging er daher nach München, «wo niemand fragte: was bist denn
du für ein Vogel und wie singst du?* Und wie recht hatte Cornelius
schon damals mit diesen Bedenken; fielen doch der magischen Anziehungs-
kraft Wagners noch lange eine Reihe der hoffnungsreichsten Talente zum
Opfer, die in sinnloser Nachahmung ihre beste Kraft vergeudeten. Auch
Cornelius musste — und mehr als * er selbst ahnte — in „Cid* und
„Gunlöd" Wagner Tribut zollen, aber selbst der grosse Meister scheute
sich nicht, gelegentlich Anleihen bei dem kleineren zu machen. So hat
Wagner beispielsweise den Einfall, die leeren Gitarrensaiten wie stimmend
vorher zu greifen, von Cornelius aus dem Liede op. 5 No. 6 1 ) ins Beck-
messerständchen hinübergenommen. 9 )
Das persönliche Verhältnis zwischen beiden Künstlern blieb jedoch
stets ein ungetrübtes. Den 60. Geburtstag Wagners (1873) verherrlichte
der Freund noch durch ein Festspiel „Künstlerweihe*. 8 ) Wie herzlich die
Beziehungen zwischen beiden waren, zeigt auf die rührendste Weise ein
Brief Wagners aus dem Jahre 1862, ein echter und rechter Künstlerbrief:
„Peter! Hör'! Mittwoch den 5. Februar abends lese ich in Mainz bei Schotts
die Meistersinger vor — Du hast keine Ahnung davon, was das ist, was es mir ist
und was es vielen Freunden sein wird. Du musst an dem Abend dabei sein! Lass
Dir sogleich von Standhartner 4 ) in meinem Namen das zur Reise nötige Geld vor-
schiessen. In Mainz erstatte ich Dir dieses und was Du zur Ruckreise nach Wien
brauchst, wieder. Dies susgemacht! Ich hab' schon mehr Geld schlechter vertrödelt:
Jetzt will ich einmsl eine tiefe Freude davon haben. Fürchte keine Strapaze: es wird,
glaub' mir, ein heil'ger Abend, der dich alles vergessen lässt. Also — Du kommst!
Wenn nicht, bist Du auch ein gewöhnlicher Kerl, etwa ein »guter Kerl* und ich
nenne Dich wieder Sie! Adio, Dein R. W."
') Dieses Lied findet der Leser in einer Nachbildung des Originals unter den
Kunstbeilagen des vorliegenden Heftes.
") Nachgewiesen von Prof. Dr. A. Sandberger in dessen grundlegender kleiner
Cornelius-Biographie.
>) Von mir in der »Musik« I, Heft 20/21 veröffentlicht.
*) Primararzt in Wien, einer der intimsten Freunde Wagners («Der in harten
Zeiten zu mir stand, Freund Standbartnern hing ich mich an die Wand" schrieb der
Meister einmal auf sein Bild). Ein Bild Standhartners befindet sich unter den Kunst-
beilagen dieses Heftes.
327
ISTEL: PETER CORNELIUS
Weisstaeimer 1 ) erzählt sehr hübsch, wie es an jenem Abend bei Schott
zuging:
„Wir hatten alle schon Platz genommen, während Wagner noch im Salon auf
und ab ging, von Zeit zu Zeit unruhig nach der Türe und dann wieder auf seine Uhr
sehend. Endlich erklärte er: ,Wlr müssen noch ein wenig warten, denn Cornelius
ist noch nicht da!* Ich sagte: ,Der ist Ja in Wien!' worauf Wagner erwiderte: ,Nein,
in jeder Minute muss er hier zur Tür hereinkommen! 1 Gleich darauf klopfte es, und
Peter Cornelius schritt in den Salon! Mitten im Winter war er von Wien nach
Mainz gefahren, um der ersten Vorlesung des Meistersingertextes beizuwohnen! Er
hatte schon vor einer Stunde da sein müssen; da jedoch der Rhein heftig mit Eis
ging und die Schiffbrücke abgefahren war, musste er in Kastei so lange warten, bis
der Dampfer kam, der den Verkehr zwischen den beiden Ufern vermittelte. ,Das
nenn' ich Treue!' tief Wagner, Cornelius freudestrahlend in die Arme schliessend und
ihn stürmisch küssend, während wir, die wir erst starr vor Erstaunen dagesessen,
nun auch aufsprangen, den lieben Freund zu begrüssen, den wir so fern gewähnt und
der wie in einem Zaubermärchen nun plötzlich in unserer Mitte erschienen. 41
So wohlgelitten Cornelius im Weimarer Kreise war, so herzlich ihm
besonders Liszt entgegentrat, „darüber konnte er sich nicht täuschen, wie
gering die Stellung war, die er hier als spezifischer Musiker beanspruchen
konnte. *) Wir sahen, dass Cornelius' leicht erregbares Gemüt noch immer
den Gefühlsausdruck im Worte, in der Poesie suchte, und indem das
intensive Kunstleben auf ihn einwirkte, betätigte er sich in mannigfacher
Weise als Gelegenheitsdichter namentlich im „Neu-Weimar-Verein", dem
auch er als Mitglied angehörte. Im Kreise dieser übermütigen, lebens-
lustigen Künstler sprudelte er förmlich von Witz und Laune: unerschöpflich
war er in scherzhaften Improvisationen, Epigrammen, Capriccien und
Prologen, neben denen gefühlstiefe, innige Dichtungen, galt es einen der
Grossen zu feiern, nicht fehlten. Aber, mochte man ihn in dieser Eigen-
schaft noch so schätzen und lieben, auf der anderen Seite war es eben
gerade seine ausgedehnte literarische Tätigkeit, die ihm viel Missmut und
Unterschätzung einbrachte. Galt er, der damals gerade in den feinsinnigsten
Aufsätzen die Grundsätze der neudeutschen Schule vor dem gebildeten
Deutschland vertrat, doch vielen als literarischer Eindringling, der nicht
einmal durch eine besondere pianistische Fertigkeit zu glänzen vermochte.
Bange Zweifel über seine musikalische Befähigung mochten noch immer
den Jüngling beschleichen, hatte doch Liszts Urteil über die mitgebrachten
Kompositionen mit Ausnahme der Kirchenwerke nicht gerade günstig ge-
lautet; in der Kirchenmusik allein mochte wohl eine Saite seines wahren
Selbst mitklingen, die innige gemütstiefe Frömmigkeit. Dass aber das
Gebiet der Kirche nicht das Feld sein konnte, das ihm eine reiche Ernte
versprach, das musste er bald selbst einsehen.
*) Erlebnisse mit Wagner, 1898. S. 88.
*) Autobiographie.
328
DIE MUSIK III. 17.
Doch diese erste Weimarer Zeit war eine Zeit innerer Läuterung
für ihn geworden und plötzlich — ganz von selbst — fand er den Aus*
druck seines wahren künstlerischen Empfindens in der Vereinigung von
Wort und Ton. Doch hören wir ihn selbst, wie er in seiner schlicht-
liebenswürdigen Art es erzählt:
»Weit, weit von Weimar find' ich ein freundliches Asyl in einer kleinen Stadt
an einem kleinen Strom — ein Nebenfluss, wie ich eben ein Nebenmensch bin — da
ist in den schönen Kreisen, in denen ich sehr gütig aufgenommen war, eine junge
Dame, die spielt sehr schön Klavier, singt auch sehr schön dazu. Der wollt* ich dann
später, vom Lande aus» eine Artigkeit erweisen, mich wohl auch ein wenig zeigen.
Da schrieb ich ihr sechs kleine Musikbriefe. Jedes Lied durfte nicht grösser sein,
als es sich gerade auf den Briefbogen schreiben Hess. Der Dichter in mir war unter
grossen Wehen geboren; der Musiker war ein Angstkind von jeher. Da aber kam
nun das Glückskind, das von beiden das Beste hatte und mit freiem künstlerischen
Gebaren in die Welt lachte. Das war der Dichter-Musiker. Mein op. 1 war da.*
So hatten sich denn nach langem Ringen die beiden Himmelsmächte
des Tons und der Sprache in seinem Gemüt zum ersten Male zu lieb-
lichem Bunde vereinigt: im Lied war Cornelius der eigenste Ausdruck
seines tiefsten Empfindens geworden, dem ein- und mehrstimmigen Lied
samt seinen erweiterten Formen im Chore blieb von nun an die eine
Seite seines Schaffens zugewandt.
Schon sein op. 1 gewährt uns dichterisch und musikalisch einen
deutlichen Einblick in des Künstlers Seele. Tiefes Gefühl, inniges Natur-
empfinden, warme Liebe, reizende Schalkhaftigkeit sind die Grundtöne
seiner Lyrik. Musikalisch berührt eine zwar einfache aber durchweg edle
Melodik und Harmonik sympathisch. Ein charakteristischer Zug von
Cornelius' Schaffen zeigt sich in der Folge in dem zyklischen Auftreten
seiner Lieder, ähnlich wie Beethoven, Schubert und Schumann schon vor
ihm Zyklen innerlich zusammengehöriger Lieder komponiert hatten. Aber
Cornelius vertieft diese Form kraft des ihm innewohnenden dichterischen
Genius; Wort und Ton, nur einem schöpferischen Willen Untertan, ver-
schmelzen zu einer bisher im Liede nicht dagewesenen harmonischen
Einheit. Schon sein zweites Werk ist ein solcher Zyklus: in neun tief-
empfundenen geistlichen Liedern werden die einzelnen Sätze des „Vater-
unser* umschrieben. Dann folgt ein Zyklus „Trauer und Trost*, dichte-
risch wie musikalisch die beiden vorhergehenden Werke weit überragend.
Den schönsten Ausdruck aber findet Cornelius' tiefinnerliches Gemüt in
den schlichtgläubigen »Weihnachtsliedern* 4 , dem einzigen Werke, dem zu
Lebzeiten seines Schöpfers äussere Anerkennung zuteil ward. —
Heute, 30 Jahre nach seinem Tode, sind zwar seine Lieder — zum
Teil wenigstens — durchgedrungen, wenn auch leider gerade seine eigen-
artigsten und tiefsten Gesänge, die zu Hebbelschen Dichtungen, fast gar
329
ISTEL: PETER CORNELIUS
nicht gesungen werden. Aber eine Schmach für den deutschen Chorgesang
ist und bleibt es, dass Cornelius' 4-, 6-, 8- und 9-stimmige Chöre a cap-
pella teils für gemischten, teils für Männerchor, auch jetzt noch von den
meisten unserer Gesangvereine in unerhörter Weise vernachlässigt werden.
Und welche prächtigen — allerdings nicht gerade leichten — Werke hat
Cornelius gerade auf diesem Gebiete hervorgebracht. Ich erinnere nur an
die Chöre: »Ach, wie nichtig" in op. 9, „Der alte Soldat" in op. 12, „Der
Tod das ist die kühle Nacht" in op. 11, den Zyklus „Liebe" (op. 18)
und die „Vätergruft" (op. 19), — wahre Perlen der Chorliteratur, die in
ihrer Vereinigung von strenger Kontrapunktik mit kühnster moderner Har-
monik geradezu bahnbrechend wirken müssten, wenn unsere Chorkompo-
nisten es nicht vorzögen, die alten „bewährten Bahnen weiterzuwandeln.
Im goldenen Mainz hatte Peter Cornelius das Licht der Welt erblickt,
und mochte er in Nord oder Süd des deutschen Vaterlandes schweifen,
immer wieder zog es ihn zur traulichen Heimatstadt zurück, ihn, den
„Mainzer Musikanten,
Der die Spur des Musengotts
Ferne sucht' von allen Tanten,
Vettern, Frau'n und Söhnen Schotts."
Vereinigte er doch in sich jene Eigenschaften des Herzens und Geistes, die
noch heute den Stolz des Rheinländers, speziell des Mainzers, ausmachen:
gewinnende Offenheit, warme Herzlichkeit und einen sonnigen Humor. Kein
Wunder, dass auch seine Leier zu Rheinlands Lob erklingt: Wein, Weib und
Gesang, die köstliche Trias des rheinischen Lebens, preist sein Lied mit
begeisterten Tönen in seinen «rheinischen Liedern" ; und als er selbst sein
Glück am Rhein, in seiner eigenen Vaterstadt, gefunden, da singt er jubelnd:
O Lust am Rheine,
O wonnige Frauen!
Wie Perlen im Schreine,
Wie Blumen auf Auen,
Und eine ist meine
Und schöner ist keine,
Nicht eine, zu schauen,
O Krone der Frauen!
O Lust am Rheine!
Am 18. März 1865 verlobte er sich mit Fräulein Bertha Jung (geb.
20. November 1834), aber erst am 14. September 1867 konnte der aus
reinster Herzensneigung hervorgegangene Bund geschlossen werden, da
erst in diesem Jahre die ersehnte Stelle an der Musikschule eingerichtet
wurde. Herrliche, von inniger bräutlicher Liebe durchglühte und zugleich
wunderbar zart und keusch empfundene Lieder zeitigte der Brautstand.
Die vier Lieder »An Bertha* zählen zu dem schönsten, was seine Muse
330
DIE MUSIK III. 17.
ihm schenkte. Hoch über allen aber stehen die .Brautlieder": was der
Meister hier geschaffen, steht wahrhaftig einzig da, und nur »Frauenliebe
und -Leben" von Chamisso und Schumann kann als Seitenstück gelten.
Noch nie hat wohl ein Mann so innig und wahr das Seelenleben der
bräutlichen Jungfrau ausgesprochen, noch nie waren Töne von solcher
Zartheit und Keuschheit erklungen; nur eine wahrhaft und im edelsten
Sinne reine Seele konnte solch ein Werk hervorbringen. Aber auch eine
schalkhafte Darstellung des Verhältnisses fehlte nicht:
„Eine Stadt gab uns das Leben,
Dir, mein Liebchen, dir wie mir,
Hier mein Gläschen, gleich daneben
Um die Ecke geht's zu dir.
Mancher legt wohl manche Strecke
Schnell zurück, oft wunderbar.
Lieb! und zu der einen Ecke
Braucht' ich volle vierzig Jahr."
Wirklich hatte Cornelius schon als Kind im Hause seiner künftigen
Schwiegereltern oft geweilt und dem alten Herrn Jung, einem angesehenen
Richter, mit Bach und Schubert manche schöne Stunde bereitet, während
dessen Frau mit mütterlicher Fürsorge an dem jungen Musiker hing. Nur
sieben Jahre sollte das stille Glück des Meisters dauern, da rief ihn der
Tod hinweg, und seine junge Gattin stand mit vier Kindern allein. Zwei
Knaben folgten ihm bald ins Grab, und nur Karl und Maria blieben, ein
Geschwisterpaar, das in rührender Zärtlichkeit seiner Mutter zugetan war,
wie diese wiederum ausser dem Andenken ihres Mannes nur ihren Kindern
lebte. Vor kurzem hat der Tod auch dieses schöne Band zerrissen : Bertha
Cornelius verschied am 6. Februar 1904 zu Rom. Bei der Pyramide des
Cestius, in dem lieblichen Zypressenhain, wo nach Goethes Wort Hermes
die Toten «leise zum Orkus hinab" führt, ruht sie nun, betrauert von
allen, die jemals das Glück hatten, in ihrer Nähe zu weilen.
Hatten wir schon warme Empfindung und launigen Humor als die
beiden Urelemente des Cornelianischen Wesens bezeichnet, war dem bei
aller Intuition doch stets im besten Sinne reflektiven Künstler diese seine
Wesenseigenheit nicht fremd geblieben, so konnte es nicht fehlen, dass er
schliesslich auf den Gedanken kam, diese beiden Elemente im Feuer eines
grossen Kunstwerkes — und als solches konnte ihm nur das drama-
tische gelten — zu läutern und zu innigem Bunde zu verschmelzen: es
entstand der Plan zu einer komischen Oper »Der Barbier von Bagdad",
deren Stoff einer Erzählung von 1001 Nacht frei nachgebildet war. Mit
grosser Lust und Liebe ging Cornelius an die Arbeit, gefördert von der
Teilnahme seiner Freunde, deren Urteil über seine musikalischen Fähig-
331
ISTEL: PETER CORNELIUS
keiten durch die inzwischen geschaffenen Lieder völlig zu seinen Gunsten
umgeschlagen war. In wenigen Wochen hatte er die Dichtung, von der H o f f -
mann von Fallersieben ganz begeistert war, vollendet, und rasch schritt
nun die musikalische Ausarbeitung vorwärts. Im April 1857 konnte er
Liszt die fast vollendete Partitur vorlegen, und der Meister entschied sich
sofort zur Annahme. Am 15. Dezember 1858 fand denn auch die Auf-
fuhrung statt — und dieser Tag bat in der Theatergeschichte eine traurige
Berühmtheit erlangt: das geist- und lebensvolle, von Melodieenfülle über-
sprudelnde Werk wurde von einer bestellten, wohlorganisierten, zweckmässig
verteilten Opposition zu Fall gebracht. Erst 1881, also lange Jahre nach des
Künstlers Tode, wurde die geniale Schöpfung durch Felix Mottl, der eine
Bearbeitung der Partitur vorgenommen, 1 ) zu neuem Leben erweckt und in
dieser Gestalt auf unseren ersten deutschen Bühnen gegeben — aber eine
Repertoireoper ist sie infolge der Lethargie des Publikums und mangelnder
Energie unserer Bühnenverwaltungen bis heute noch nicht geworden. Ein
Publikum, das jede Saison mit neuem .Entzücken" ein Machwerk von der
künstlerischen Qualität etwa der Flotowschen »Martha" anhört, kann frei-
lich für die feine Komik des »Barbier* kein Verständnis zeigen, und im
übrigen ist tagtäglich die Erfahrung zu machen, dass man von den kompli-
zierteren Bühnenwerken nur die Dramen Wagners eines eingehenderen
Studiums für wert hält; über alles andere bildet sich das Publikum nach
einmaligem Hören ein »Urteil", das dann mit viel Behagen jedem, der Ohren
hat zu hören, zum besten gegeben wird. Liebevolles, eingehendes Studium
— wozu wäre das auch nötig! Sorgt doch eine Unmenge von »Opern* dafür,
dass einem die musikalischen gebratenen Tauben in den Mund fliegen.
Aber: eventus stultorum magister; Einsichtige werden sich nicht darüber
täuschen, dass der »Barbier" einst doch noch Gemeingut des deutschen
Volkes werden wird. Freilich muss bis dahin noch der Sinn für feine
Komik in poetischer wie musikalischer Hinsicht unendlich geläutert werden.
Cornelius trug den Misserfolg des »Barbier" wie ein echter Künstler:
statt mutloser Niedergeschlagenheit regte sich bei ihm männliche Ent-
schlossenheit, statt verzagt zu verstummen, raffte er sich auf zu neuen
Taten. In den folgenden Jahren seines Wiener Aufenthalts arbeitete er
am »Cid". Den schönsten Einblick in diese Wiener Zeit voll Schaffens-
freude, aber auch voll äusserer Bedrängnisse bieten die herrlichen von
Natalie von Milde herausgegebenen »Briefe in Poesie und Prosa an Feodor
und Rosa von Milde".
»Mit dem ,Cid* wird's eigen," lisst er sich während der Arbeit vernehmen, »er
wird an Frische und Originalität etwas hinter dem »Barbier* zurückbleiben, aber da-
') Welcher Art diese Bearbeitung war, hat sich erst jetzt herausgestellt. Vgl. die
Besprechung des Hasseschen Buches über den »Barbier" in diesem Heft (Seite 370).
332
DIE MUSIK HL 17.
gegen viel eindrucksfähiger, breiter, massiger sein und mein Pathos die Leute vielleicht
eher bewegen können als meine Laune, die eben zu individuell ist, kein Kladdera-
datschhumor. 41
Und nach der Vollendung meint er:
„Mein ,Cid' ist das einzige Werk seit dem ,Lohengrin', das, in die Spuren dieser
Oper tretend, ein in Versen und Musik tüchtiges, gesundes Machwerk bietet, welches
ohne Firlefanz, Ballet und Elfen den Kampf um Liebe zweier Seelen der Welt und
ihren Gesetzen entgegen zum Ausdruck zu bringen sucht, sich dabei in den Grenzen
der Möglichkeit hält (wie Wagner meint: noch die alte Opernscbablone verrät) — kurz,
es ist die achtenswerte Arbeit eines Talentes auf dem Boden, den ein Genius urbar
gemacht ... Ich bin stolz auf meine Form: bei dem geschlossensten dramatischen
Gang dennoch alle Rede und Gegenrede zu geschlossenen Musikstucken zu gestalten,
wobei durchgehend die wirkende Melodie in den Mund des Sängers gelegt ist, —
nicht die uferlose Allmelodie aus Tristan, die ich nimmermehr nachahmen werde.*
Äusserst treffend ist hiermit das Wesen des Werkes bezeichnet. Am
21. Mai 1865 kam der .Cid" zur erstmaligen Aufführung in Weimar; und
an derselben Stelle, wo sieben Jahre zuvor der .Barbier" eine Niederlage
erlitt, errang das neue Werk einen Erfolg. Doch auch der »Cid* ruhte
jahrzehntelang infolge der immer steigenden Wagnerbewegung, bis die
Münchener Hofoper, der dann eine Anzahl grösserer Bühnen folgte, sich
zu einer Neueinstudierung des Werkes in Hermann Levis Bearbeitung vor
einigen Jahren entschloss. Zu einer rechten Popularität vermochte es
jedoch der „Cid* nicht zu bringen, zum grössten Teil aus den auch bei
Besprechung des .Barbier" angegebenen Gründen; andererseits ist jedoch
nicht zu leugnen, dass tatsächlich der „Cid" an Frische und Originalität
hinter dem Erstlingswerk etwas zurückblieb und dass ihm in den grossen
Wagnerischen Werken unüberwindliche Rivalen entgegentraten. Aber diese
rein objektiven Erwägungen berechtigen die .deutschen Bühnen keinesfalls
dazu, ein Werk wie den .Cid", der die seriösen Musikdramen sämtlicher
Zeitgenossen und Epigonen Wagners hoch überragt, einfach zu ignorieren.
Der .eiserne Bestand" unseres Opernrepertoires schmilzt von Jahr zu Jahr
infolge der durch Wagner bewirkten Verfeinerung des dramatischen Sinnes
immer mehr zusammen, die Neuproduktion, so rege sie auch ist, hat uns
doch bisher seit Wagners Tode kaum ein halbes Dutzend Werke gebracht,
denen eine längere Lebensdauer im 20. Jahrhundert beschieden sein möchte.
Wir brauchen also Werke, die mit Ehren neben Wagner bestehen können,
die in seinem Geiste geschrieben sind, ohne äusserlich von ihm ab-
hängig zu sein. Dass jene epigonenhaften Stabreimdramen mit ihrer über-
ladenen Instrumentation und ihrem unsanglichen Deklamationsgestammel
diese Lücke unseres Repertoires nicht auszufüllen vermögen, ist klar; man
greife also zum .Cid" und freue sich, dass wir ein Werk von solch drama-
tischer Kraft und musikalischer Pracht besitzen.
Hatte ich im Verlauf meiner Darstellung schon mehrfach Gelegen-
333
ISTEL: PETER CORNELIUS
heit gehabt, auf Cornelius' dichterische und schriftstellerische Tätigkeit hin-
zuweisen, so möchte ich, da es sich hierbei um eine wesentliche Seite
seiner Persönlichkeit handelt, nun mit einigen Worten darauf zurückkommen.
Auf jene Epoche der Einzelbetätigung von Dicht- und Tonkunst war, wie
wir sahen, eine Zeit gefolgt, in der die Musik nur mehr Hand in Hand
mit der Schwesterkunst erscheinen mochte. Aber der Drang nach rein
dichterischer Aussprache war daneben nie verstummt. Gelegenheitsgedichte
in echt Goetheschem Sinne entstanden zu allen Zeiten, sei es, einem
flüchtigen Gefühl dauernden Ausdruck zu geben, mochte er sein innerstes
Wesen in Stunden stiller Betrachtung tief ergründen, wollte er in heiterem
Scherze oder mit sinnigem Wort dem Freunde, der Freundin Grüsse
senden : stets und willig folgte die Muse. Innige Wärme des Gefühls und
sonniger Künstlerhumor sind die Grundtöne seiner Lyrik, die sich immer
in reinster Formvollendung gibt. Kunstvolle, selbstgewählte Reimver-
schlingungen wechseln mit den überlieferten Formen des Ghasels, des
Sonetts, der Stanze, der Terzine: stets zeigt sich der echte Meister, der
die schwierigste Form mit reichstem, ungezwungen sich entfaltendem Leben
zu füllen vermag. Dieselben Vorzüge zeigen seine Übersetzungen. Aus
dem Polnischen übersetzte er z. B. die herrlichen Sonette von A. Mickiewicz,
die jetzt in der billigen Reklamausgabe allgemein zugänglich sind. Auch aus
dem Französischen hat er vieles im Dienste der neudeutschen Schule über-
tragen : Aufsätze und Programme Liszts, hei dem er eine Zeitlang als angestellter
Übersetzer fungierte, sowie Berliozsche Texte; für ein Pariser Verlagshaus
(Pelletan & Damcke) übernahm er sogar die Übertragung Gluckscher Opern.
Wie Musik und Dichtungen des liebenswürdigen Meisters, so tragen
auch dessen Schriften 1 ) durchaus das eigenartige Gepräge eines tiefen
Gemüts und reichen Geistes. Peter Cornelius war kein Tages- und Lohn-
schreiber: er war vielmehr ein Gelegenheitsdichter im schönsten Sinne
des Goetheschen Wortes, ein Dichter, auch wenn er nicht im Reime sein
edles Gemüt erschloss. Und wenn er zur Feder griff, dann hatte er etwas
zu sagen, etwas Rechtes und Tiefes, etwas Warmes und Ernstes, und mochte
er auch aus der Fülle seines goldenen Humors die lustigsten Kapriolen
sprudeln lassen, nie suchte er als witziger Feuilletonist mit dem Strahl
seines Geistes zu blenden, stets war es ihm ernst, angesichts des Erfolgs
eitler Modegötzen ringsumher oft bitter ernst mit der echten Kunst und
ihren wahren Priestern.
Franz Liszt, Hektor Berlioz, Richard Wagner, das gewaltige
Dreigestirn am Himmel neudeutscher Musik, sie waren es, zu denen sein
] ) »Peter Cornelius' literarische Werke" in drei Binden (herausgegeben von
Prof. Dr. Carl Cornelius, Prof. Dr. Adolf Stern und Dr. Edgar Istel) erscheinen jetzt
hei Breitkopf & Hftrtel.
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DIE MUSIK III. 17.
Herz sich Zeit seines Lebens menschlich und künstlerisch mit Allgewalt
hingezogen fühlte, zu einer Zeit, wo es noch nicht Mode war, in deutschen
Landen für .Zukunftsmusik" zu schwärmen, und eine erkleckliche Dosis
Mut und Unerschrockenheit dazu gehörte, angesichts der Presszustände
jener Tage namentlich als deutscher selbstschaffender Künstler öffentlich
das Wort für jene ganz Grossen zu ergreifen. Dass aber hinter den
Schriften unseres Peter Cornelius nicht der übliche musikdilettierende
Literat vom Schlage solcher Leute, die sich an die Rockschösse Liszts
und Wagners hängten, um ihrer elenden Null durch die vorangestellte
Grösse dieser Männer einen imaginären Wert zu verleihen, dass vielmehr,
wie Liszt einmal witzig sagte, «selber aner", ein «Cornelianer" wie er sich
stolz-bescheiden gelegentlich nennt, dahintersteht, eine abgerundete Per-
sönlichkeit, die selbst ein eigenes Wort in der tönenden Kunst und nicht
nur auf dem Papier zu sagen hatte, das verleiht seinen Aufsätzen einen
Wert, der sie unmittelbar an die Aufsätze unserer Allergrössten anreiht.
Sehen wir hier von den Schriften Wagners ab, der, seiner epochemachenden
Stellung in der Geschichte gemäss, fast stets in eigner Sache das Wort
führte, so besitzen wir Deutschen eigentlich nur noch in E. T. A. Hoffmanns
und Schumanns, für die gleiche Epoche in Hans v. Bülows an sich
etwas ausserhalb dieser Entwickelungsreihe stehenden geistvollen Schriften
etwas, das diesen Aufsätzen würdig an die Seite treten könnte.
Schumann, von Hoffmanns Schriften, wie übrigens auch Richard
Wagner, aufs tiefste beeinflusst, trat in jeder Hinsicht in dessen Fussstapfen,
und der Geist E. T. A. Hoffmanns war es, der über den ersten epoche-
machenden Jahrgängen der «Neuen Zeitschrift für Musik* segnend schwebte;
die „Davidsbündler" wurden zu Bundesgenossen der „Serapionsbrüder".
Schumanns Programm „die Poesie der Kunst wieder zu Ehren kommen
zu lassen" wurde in seinen besten Jahren aufs schönste erfüllt, und ein
goldenes Füllhorn echter, gemütstiefer Bilderpracht und herrlichsten
Humors ergoss sich in die seiner Kunst gewidmeten Schriften. Gleich
jenem mythischen König, unter dessen Händen sich alles zu Gold ver-
wandelte, vermochte auch er, was er ergriff, durch das Gold seiner Poesie
zu veredeln, und Menschen und Dinge, die uns sonst fremd und kalt be-
rührten, erhielten so im Lichte seiner Persönlichkeit einen Schimmer, der
auch heute noch an ihnen haftet. Und hierin namentlich ist Cornelius
der echte und ebenbürtige Nachfolger dieser beiden Romantiker geworden;
tiefste Sachkenntnis und warme Begeisterung für echte Kunst, ein ge-
waltiges, alle Gebiete des Schönen umfassendes Wissen, ein warmes»
fühlendes Herz sprechen sich bei ihm aus in einem vollendet schönen»
von poesievollen Bildern umrankten Stil. Stets leuchtet jener Sinn her-
vor, der von je den wahren deutschen Künstler auszeichnete, und der selbst
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ISTEL: PETER CORNELIUS
in einer Spreu von Scherzen ein keimträchtiges Korn des Ernstes birgt.
«Ein Ausüben der Kunst um der Kunst willen, des Schonen dem Schönen
zuliebe, zu ewigen, nicht zu eitlen, vergänglichen Zwecken", diese seinem
Aufsatz „Zum Jahreswechsel 1868" entnommenen Worte bezeichnen nicht
nur die Richtschnur seines künstlerischen, sondern vornehmlich auch
seines literarischen Schaffens, sie bildeten den Prüfstein, an dem er jede
ihm entgegentretende Kunsterscheinung auf ihren wahren Gehalt erprobte.
Zeitlich deckt sich seine schriftstellerische Tätigkeit fast genau mit
seinem Berliner, Weimarer und Münchener Aufenthalt, während die
für seine künstlerische Fortentwicklung so überaus wichtige Wiener Zeit
hierin fast unfruchtbar war. So kann man in dieser Hinsicht die Berliner
Epoche als die des Knospens, die Weimarer als die der Blüte, die Münchener
als die der Reife wohl mit Recht charakterisieren.
In München entstehen seine bedeutendsten Aufsätze über Wagner: «Der
Lohengrin in München", »Der Tannhäuser in München", „Beimjahreswechsel",
die beiden Meistersinger- Aufsätze und namentlich auch sein letzter Aufsatz
„Deutsche Kunst und Richard Wagner" — sie bezeichnen nicht nur den Höhe-
punkt der schriftstellerischen Leistungen Cornelius', sondern sie gehören
auch zu dem Allerbesten, was über den Bayreuther Meister überhaupt jemals
und bis auf den heutigen Tag geschrieben wurde, und wiegen in ihrer
kurzgedrängten, wenn auch scheinbar oft vom Gegenstand abschweifenden
Form dickleibige Bände voll biographisch historischer Weisheit auf.
Was sie vor allem auszeichnet, das ist ihre Sachlichkeit, und sachlich
sind diese Aufsätze trotz aller Wärme und Liebe für Wagner und sein
Werk. Aber wenn wir einen Menschen nur durch das Medium der Liebe
in seinem tiefsten Wesen erfassen können, um wieviel mehr gilt das für
den Künstler, dessen Leben und Schaffen nur aus der inbrünstigen Kraft
dieser Himmelsmacht zu fliessen vermag. Allein der alte Spruch, dass
Liebe blind mache, erfüllte sich hier nicht: wohl keiner von all denen,
die für Wagner schrieben, hat mit solcher Offenheit, wie sie nur dem
edlen Gemüt gegeben ist, all das, was er an Bedenken auf dem Herzen hatte,
ausgesprochen, unbekümmert um die Scharen all der weihräuchernden Sklaven-
seelen, die sich stets von den Brocken der Herrentische nährten. Denn
Cornelius war ein ganzer Mann, und das verleugnete er auch der Majestät des
Genies gegenüber nicht, vor deren Königsthron der Männerstolz selten
genug zu finden ist. Und das kann ihm nicht hoch genug gepriesen werden.
Aber nicht nur auf dem Gebiete der Musik ergriff Cornelius das
Wort, seinem umfassenden Wissen und Können war es ermöglicht, auch
über bildende Kunst in einer Weise sich zu äussern, die ihm das höchste
Lob bedeutender Fachleute eintrug: zwei Aufsätze über Genelli und einer
über Preller beweisen das.
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In den letzten Lebensjahren arbeitete Cornelius vorwiegend an seinem
dritten Bühnenwerk „Gunlöd", dessen Stoff er der