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Full text of "Die Nahrung der Pflanzen"

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Die 


Nahrung der Pflanzen 


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W. Engelhardt. 


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NEW YORK 
BOTANICAL 

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Teipeig, 
Verlag von Guſtav Mayer. 


1856. 


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Stickſtoff, deſſen Verbindung mit Waſſerſtoff zu Ammoniak, ſowie deſſen a 


Verbindung mit Sauerſtoff zu atmoſphäriſcher Luft .. 
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Der Boden, auf welchem die Pflanzen Backer Sl Disks or 
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Phosphor und deſſen Verbindung mit Sauerſtoff zu Phosphorſäure 
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Die Nahrungsfrage ift eine wichtige für alle Staaten, fie 
erhält jeit mehreren Jahren und bis zum Augenblicke alle Ge— 
müther in Spannung. Niemanden ſchließt ſie aus, Jedermann, 
ſo hoch er auch ſtehen, ſo reichlich er auch mit irdiſchen Gütern 
geſegnet ſein mag, wird in ihren Kreis gezogen. 

Blaſſe Geſtalten wanken mit Bittgeſuchen zu den Thronen, 
Linderung ſuchend gegen den ſchmerzerregenden Hunger. Bitt— 
ſchriften überſchwemmen die grünen Tafeln der Staatsregierungen 
und Ständekammern. Dringender und dringender werden die 
Anforderungen an die Armen- und Almoſen-Caſſen. Staatsdiener, 
reiche Bürger und Gutsbeſitzer werden von einer Menge von 
Bettlern heimgeſucht. Nicht verfchont bleibt der Bauer und der 
kleine Gewerbsmann in den Städten, welchem es in ſolchen Zei— 
ten oft ſelbſt an Mitteln fehlt, um die theuern Lebensmittel für 
ſich und ſeine Kinder zu erſchwingen. 

Die Nahrungsfrage iſt die Frage der Zeit. Alles trachtet, 
denkt und ſinnt wie ſie zu löſen ſei. Man gründet Vereine zur 
billigern Herbeiſchaffung von Getreide; man errichtet Speiſe— 
anſtalten für die Armen; man fteigert die Abgaben, um die er— 
ſchöpften Armen- und Almoſen-Caſſen zu kräftigen; man baut 
Getreide-Speicher und räth den Anbau anderer Brodfrüchte an. 
Kurzum, man greift zu Allem, um die Noth der Armen zu lindern 
und die Hungernden zu ſättigen; überzeugt ſich aber bald: daß 
man mit dem bis jetzt Erfaßten das Rechte nicht ergriffen habe. 

Wo Abhülfe geſchehen ſoll, da muß man den Grund des 
Uebels genau erforſcht, da muß man letzteres genau erkannt haben. 


Engelhardt, die Nahrung der Pflanzen. 1 


2 | .. 


Gehen wir mehrere Decennien zurück, ſo ſehen wir recht deutlich, 
wie die Ausbildung unſerer Staaten gewachſen und wie mit der— 
ſelben die Bevölkerung im Steigen begriffen iſt. Für eine geſteigerte 
Bevölkerung iſt aber auch eine bei weitem größere Quantität von 
Lebensmitteln erforderlich, welche der Menſch lediglich und allein 
durch die Pflanzen und, entweder unmittelbar oder mittelbar, 
durch die Thiere empfängt. Alle Getreidearten, vom Hafer bis 
zum Weizen, vom Reiſe bis zum Maiſe, von der Erbſe bis zur 
Linſe, enthalten nämlich in ihren Körnern, wie die Kartoffeln in 
ihren Knollen, zwei Gruppen organiſcher Stoffe; die eine, aus 
Kohlenſtoff und den Elementen des Waſſers beſtehend, erſcheint 
als Stärkemehl, Gummi, Zucker, Fett; die andere, der außer 
jenen noch Stickſtoff und eine Kleinigkeit Schwefel beigemiſcht iſt, 
enthält den Käſe⸗ den Eiweiß- und Faſerſtoff des Fleiſches. Außer— 
dem ſind noch anorganiſche Beſtandtheile in dem Getreideſaamen 
enthalten, z. B. Kalk- Bitter» und Kieſelerde, Kali und Natron, 
Eiſen, Mangan, Chlor und Fluor, Phosphor- und Schwefel- 
ſäure. Die Körper der erſten Gruppe verſehen den Menſchenleib 
mit der ſo nöthigen Wärme, wogegen die ſtickſtoffhaltigen durch 
die Blutbildung die Muskeln und das Fleiſch hervorrufen. 

Mit einer vermehrten Bevölkerung muß die Beſchaffung von 
Stärkemehl, Gummi, Zucker, Fett, von Käſeſtoff, Eiweiß und 
Faſerſtoff wachſen und da wir eine vermehrte Quantität dieſer 
Stoffe nur durch unſere Brodfrüchte und Gräſer erlangen können, 
ſo müſſen zu deren Anbau entweder größere Flächen urbar, oder 
die bereits angebauten ergiebiger gemacht werden, oder mit andern 
Worten, es muß die Landwirthſchaft vervollkommnet werden. 

Hier wäre nun zunächſt die Frage zu beantworten: hat die 
Vervollkommnung unſerer Landwirthſchaft mit der ſteigenden Be— 
völkerung gleichen Schritt gehalten? Im Allgemeinen müſſen wir 
dieſelbe mit Nein beantworten, denn wenn dies auch in England 
der Fall war, wo im Augenblicke 7 Millionen Menſchen mehr mit 
vortrefflichem Weizen verſorgt werden, als vor 40 Jahren, ſo 
ſtehen andere Staaten doch noch weit hinter dieſen glänzenden Er— 
gebniſſen, und wären die Kornkammern Rußlands, Aegyptens und 
Amerikas nicht, dann würde es wohl ſchlimm genug ausſehen. 


3 


Zwar iſt nicht zu verkennen: daß in den letzt verfloſſenen Decen— 
nien viel für die Landwirthſchaft geſchah, doch ging dies, mit Aus— 
nahme verſchiedener Staaten, mehr von größern Grundbeſitzern 
aus; der Bauer in den meiſten Ländern blieb ee noch auf 
der alten Culturſtufe ſtehen. 

Wenn wir nun an dem Beiſpiele Englands a wie außer⸗ 
ordentlich ſich dort die Induſtrie zugleich mit der Vervollkommnung 
der Landwirthſchaft hob, dann ſollte keine Staatsregierung ver— 
ſäumen, dieſem wichtigſten aller Verwaltungszweige die vollſte 
Aufmerkſamkeit zu Theil werden zu laſſen. Wie ungemein viel ge— 
ſchah in Deutſchland ſchon für verbeſſerte Schuleinrichtungen, in 
welcher Schnelligkeit wuchſen die Gewerbſchulen heran! wie ver— 
einzelt ſtehen aber heute 2500 die überaus wichtigen Ackerbau— 
ſchulen da! 

Ein Staat, der ſeine ee Armen ſättigen, 10 ver⸗ 
mehrte Muskelkräfte für Induſtrie und Gewerbe ſchaffen will, ſehe 

daher vor Allem darauf: daß den in ſeinem Gebiete gezogenen 
Brodpflanzen auch ihre Nahrung richtig gereicht werde. Da die 
Pflanzenernährung billig zu ſtehen kommt, indem die Natur die 
meiſten Nahrungsmittel umſonſt ſpendet, ſo iſt dieſer Zweck leicht 
zu erreichen und die Mittel und Wege liegen nahe, um den Hunger 
des Armen zu ſtillen und dadurch die Almoſenpflege und Armen— 
ſteuer auf das alte Verhältniß zurückzuführen und die Staaten 
vor außerordentlichen Ausgaben zu ſchützen, die doch größten— 
theils wieder auf den Grundbeſtitz zurückfallen. 

Die Pflanze, die ihr Stärkemehl, ihren Zucker, ihr Gummi, 
ihr Fett aus dem Sauerſtoff und Waſſerſtoff des Waſſers, ihren 
Kohlenſtoff aus der Kohlenſäure der Luft bezieht und damit jene 
Körper bildet, legt noch Ammoniak aus der Luft oder aus dem 
im Boden befindlichen Miſte zu und bildet Eiweiß, Käſe- und 
Faſerſtoff; enthält nun der Boden zugleich noch Kalk- Bitter- 
und Kieſelerde, Kali und Natron, Eiſenoxydul, Manganoıydul, 
Chlor, Fluor, Phosphorſäure und Schwefelſäure, dann ſpendet 
ſie in üppigſter Fülle eine Unzahl vollkommenſter Früchte, wenn 
zugleich noch kohlenſtoffhaltige Verbindungen z. B. vermodertes 
Holz, Stroh, Schilf, Humus im Boden vorhanden ſind, und 

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ihr durch ſorgſame Bepflügung, Beeggung und Behackung ein 
recht weiches Bette hergeſtellt wurde. Letzteres lieben die Brod— 
früchte vor Allem, ſie richten ſich mit ihren Wurzeln nicht allein 
ganz bequem in einem ſolchen ein, die lauen feuchten Winde der 
Atmoſphäre, der Regen und Thau tragen auch eine Menge von 
Pflanzennahrungsmitteln in die vielen durch ſorgfältige Auf— 
lockerung entſtandenen Höhlungen des Bodens hinein. 

Da demnach die Pflanzen ihren Bedarf an Sauerſtoff und 
Waſſerſtoff aus dem Waſſer, einen Theil ihres Kohlenſtoffs und 
Stickſtoffs aus der Luft, ihre feſten Beſtandtheile aber aus dem 
Boden nehmen, ſo bleiben für die eigentliche Bedüngung nur noch 
kohlenſtoffhaltige Materialien, welche ſich durch Sauerſtoff leicht 
in Kohlenſäure umwandeln laſſen, ſo wie Phosphorſäure und 
Stickſtoffverbindungen übrig. Im Urine, den feſten Exkrementen, 
den Knochen und in allen thieriſchen Abfällen finden ſich letztere in 
reichlichen Mengen und ſie ſind es eigentlich, welche wir ganz be— 
ſonders als die kräftigen Pflanzennahrungsmittel ins Auge zu 
faſſen haben. 

Müſſen wir aber nicht zurückſchrecken, wenn wir um uns 
blicken und ſehen, wie mit denſelben umgegangen, wie dieſe Stoffe, 
die ſo wichtig wie unſer tägliches Brod ſind, in jeglicher Art 
und Weiſe vernachläſſigt, ja vernichtet werden? Nur ſelten bemüht 
man ſich, den menſchlichen Harn aufzufangen, man iſt dagegen 
froh, wenn ein Bach in der Nähe iſt, wohinein man die Nacht— 
geſchirre ausgießen, die Abtrittsſchläuche ausmünden laſſen kann. 
Außerdem giebt man dieſe wichtigen Pflanzennahrungsmittel auch 
dem Regen, dem Winde und Wetter preis, damit die aufgelöſten 
phosphorſauren und ſtickſtoffhaltigen Salze in das Waſſer ab— 
fließen, das Ammoniak und die Kohlenſäure ſich aber in den Winden 
zerſtreuen können! Auf dieſe Weiſe wird den Fiſchen zur Beute, 
was dem hungernden Menſchen zur Nahrung dienen ſollte, und 
überdies trägt letzterem der Wind noch Stickgas und 1 
zu, die ſein Leben vergiften. 

Unſere Miſtſtätten, die wir mit Gold einfaſſen ſollten, denn 
das dazu Verwandte würde ſich durch einen vermehrten Pflanzen— 
wuchs in einer Generation bezahlen, liegen zum größten Theile 


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noch auf lockerem Boden, dem Winde, dem Regen, ja oft ſogar 
den Wellen ausgeſetzt; das Waſſer wäſcht die meiſten guten Be— 
ſtandtheile aus, die Luft zerſtört die andern und oft verbleibt für 
die Felder nur der ſchlechtere Reſt. 

Auf dieſe Weiſe geht dem Nationalvermögen jährlich ein 
nicht zu berechnendes Kapital verloren und der Menſch darbt, 
kümmert und ſorgt ſich ab, während, wenn auf die Erhaltung die— 
ſer Stoffe geſehen würde, er mit zahlreicher Familie vergnügte und 
frohe Tage verleben könnte. Werden daher die Düngſtoffe zu Rathe 
gehalten, dann werden, ohne daß man die ſeit Jahrhunderten durch 
unſern Miſt, durch unſern Harn an die trockenen Geſtade von Peru 
und Chili geführten und dort aufgeſpeicherten Phosphorſäure- und 
Ammoniak-Salze (Guano) mit Aufwand ſehr bedeutender Geld— 
mittel wieder herüberſchafft, die im Augenblicke der Bebauung 
unterſtellten Feldflächen ſelbſt für eine doppelt geſteigerte Bevöl— 
kerung Nahrungsmittel in Hülle und Fülle hervorbringen und 
wir der Sorge und Kümmerniſſe, wie und auf welche Weiſe die 
hungernden Armen erhalten werden ſollen, nach und nach los 
werden. 

Die Pflanze, die zu ihrem Wachsthume, zur Gewinnung und 
Löſung ihrer Nahrungsmittel eine ſehr bedeutende Menge von 
Waſſer nöthig hat, gedeiht nur in einer ſolchen Gegend, wo das— 
ſelbe in ausreichender Menge vorhanden iſt. Die Zuführung des— 
ſelben geſchieht nun nicht allein durch den Regen, ſondern im 
größern Verhältniſſe durch den Thau. Thau fällt nur da, wo 
Luftfeuchtigkeit vorhanden iſt. Bei bedeutender Sonnenwärme er— 
hält ſich letztere aber nur da, wo ein ſtarkes pflanzliches Leben 
ſtattfindet. Große Waldflächen find daher nicht allein die Samm— 
ler, ſondern auch die Erhalter der Luftfeuchtigkeit und eines milden 
Klimas. Werden Waldungen für eine ſteigende Bevölkerung ge— 
lichtet, oder geht man gar an die Devaſtirung derſelben, ſo wirkt 
dies außerordentlich ungünſtig auf die Fruchtbarkeit großer Land— 
bezirke ein und die Bevölkerung, in größte Noth und Armuth ver— 
ſinkend, ſteigt herab von ihrer Culturſtufe und verſchwindet endlich 
bis auf ein Minimum. 

Die hauptſächlichſte Beſtimmung der Pflanzenblätter beſteht 


6 


nämlich, neben der Aufſaugung von Kohlenſäure und Ammoniak, 
in der Aufnahme von Waſſer. Ein Beiſpiel wird deutlich machen 
wie bedeutend die Aufſaugung iſt, welche die Pflanze in einer 
Nacht zu bewirken vermag. Auf der Inſel Madagaskar wächſt eine 
Pflanze, der Kannenträger genannt. Dieſelbe nimmt durch ihre 
Blätter nicht allein große Quantitäten Waſſer ein, ſie ſpeichert 
auch noch Vorräthe deſſelben auf. In förmlichen Behältern, die 
am äußerſten Ende der Blätter angebracht ſind, ſammelt ſich das 
Waſſer, welches die Pflanze aus der Luft aufgeſogen hat. Die 
Mittelrippe jedes Blattes geht über die Spitze deſſelben heraus, 
dreht ſich dann wie eine Ranke und endet in einem urnenförmigen, 
faſt 3 Zoll langen lederartigen Schlauche, deſſen Oeffnung durch 
einen beweglichen Deckel geſchloſſen iſt. Dieſer Deckel iſt während 
der Nacht zu und es füllen ſich nun durch die wäßrigen Nieder— 
ſchläge die Urnen und Kannen mit klarem gutem Trinkwaſſer. 
Gegen 10 Uhr des Morgens hebt ſich der Deckel ein wenig und 
die Flüſſigkeit vermindert ſich um die Hälfte, indem ſie theils in 
die Atmoſphäre als Dunſt tritt, theils in die Pflanzen eingeht. Die— 
ſes Waſſer dient den Reiſenden in jenen heißen Gegenden zur Er— 
friſchung und 6 bis 8 ſolcher Kannen ſollen ausreichend ſein, um 
den Durſt eines Menſchen zu ſtillen. Was in einer einzigen Nacht 
daher für eine Quantität von Waſſer aus der Atmoſphäre nieder- 
geſchlagen werden könne, wenn die Bodenfläche mit Bäumen be— 
deckt iſt, können wir uns aus dieſem Beiſpiele entnehmen. Die 
hohen Staatsregierungen müſſen daher, um die Fruchtbarkeit ihrer 
Länder zu erhalten, ganz beſonders für eine gute Waldcultur 
Sorge tragen und zwei Gegenſtände wären es alſo, die bei der 
Ernährung der Pflanzen ganz beſonders den Staatsbehörden zur 
Ueberwachung zu empfehlen ſind, nämlich die Zurathehaltung der 
menſchlichen und thieriſchen Exkremente, die Abfälle an Knochen, 
Haaren, Horn u. ſ. w., und zweitens die Pflege und e 
der Waldungen. 

Mögen dieſe Winke nicht ohne Beachtung bleiben, mögen ſie 
die hohen Staatsregierungen ebenſo beherzigen, wie die Grund— 
beſitzer. Geſchieht dies, dann wird eine Zeit kommen, wo das 
gräßliche Geſpenſt des Hungers verſchwunden ſein dürfte, nament— 


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lich wenn auch der kleinere Grundbeſitzer angefangen haben wird, 
die Landwirthſchaft wiſſenſchaftlich zu betreiben. Ich überlaſſe mich 
daher der angenehmen Hoffnung, es möge durch dieſes Schrift— 
chen für Manchen ein Saamenkörnchen abfallen, was ihm und 
ſeiner Familie reichliche Früchte trage. 


Treten wir hinaus in den prachtvollen Tempel der Natur, ſo 
offenbart ſich uns überall die Größe, Unvergänglichkeit, Weisheit 
und Unfehlbarkeit Gottes. Wohin wir unſer Auge wenden begeg— 
nen wir ſeiner Allmacht, begegnen wir den Werken ſeiner Unend— 
lichkeit. Uns, ſeinen mit Vernunft begabten Geſchöpfen, wurde 
die Vergünſtigung zu Theil, tiefer in den herrlich ausgeſtatteten 
Haushalt der Natur einzudringen. Je mehr wir von dieſer Ver— 
günſtigung Gebrauch machen, je mehr lernen wir aber auch die 
Gottheit verehren, je mehr lernen wir ſie in der Unfehlbarkeit ihres 
Schaffens preiſen. 

Durchwandern wir unſere Felder, durchwandern wir unſere 
Wieſen, ſo ſtoßen wir überall auf den unſcheinbaren Kieſel; bei 
ſeinem Erblicken zwingt ſich uns der Gedanke bedeutender Feſtig— 
keit, vollkommner Unzerſtörbarkeit, ſo wie von Unauflöslichkeit in 
Luft und Waſſer auf und dennoch finden wir die Beſtandtheile des— 
ſelben in nicht unbedeutender Menge im Strohe unſerer Aecker, im 
Graſe unſerer Auen. Der Kieſel iſt es, welcher dem Halm ſeinen 
Halt verleiht, welcher letzteren kräftigt, welcher ihn befähigt, ſich 
der Luft, ſich dem allbelebenden Sonnenlichte zuzuwenden. Ohne 
ihn würden weder Stroh noch Heu, würden weder Körner noch 
Saamen gedeihen; denn der zerſtörungsmuthige Sauerſtoff würde 
das auf dem Boden lagernde Getreide und Gras unnachſichtlich 
zerſtören. Die Natur fand alſo Mittel und Wege dieſen harten, 
ſcheinbar unlöslichen Stein aufzuſchließen und ihn in die Pflanze 
überzuführen. 

Werfen wir unſern Blick auf jenen knorrigen Stamm: ſeine 
zerſplitterte Rinde hängt altersgrau in Stücken herab, nach allen 
Richtungen zerborſten, bildet fie Verſtecke für den lauernden Sauer— 


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ſtoff. Mit Wonne zerſtört derſelbe hier das Holz, um durch Bil— 
dung von Kohlenſäure einer daneben aufſchoſſenden Flechte den 
Becher des Lebens zu ſpenden. Schmarotzer-Pflanzen geſellen ſich 
zu letzterer, nach und nach ſtreut der Sauerſtoff klares vermodertes 
Holz am Wurzelſtocke aus und ſchnell treibt ſchön blühender Finger— 
hut ſeine Stengel aus dieſem hervor. Wo wir nur hinblicken, da 
tritt uns das geheimnißvolle Walten der Natur entgegen. Im 
härteſten Kieſel, in der kleinſten Flechte, in der blüthenreichſten 
Blume entfaltet ſich die Allmacht und Größe Gottes. Alles iſt in 
einem ununterbrochenen Uebergange von einem Zuſtande in einen 
andern, in einem ſteten Werden und Vergehen begriffen. Ueberall 
finden wir dieſelben Stoffe, hier bildend, dort das Gebildete zer— 
ſtörend, alle werden von nie raſtenden Kräften getrieben und treiben 
ſich unter einander ſelbſt. Deshalb ſtellte uns unſer Allvater die 
Wiſſenſchaft zur Verfügung, damit wir vermittelſt derſelben ſein 
herrlich ausgeſtattetes Weltall kennen lernen möchten. Wir be— 
nutzen nun dieſelbe, damit wir hinab ſteigen in den grauſig finſtern 
Schlund der Erde, um die daſelbſt verborgenen Metalle, Erze, 
Kohlen ꝛc. ꝛc. aus ihrem tiefen Schlafe zu erwecken, um ſie mit 
Eiſen und Stahl, Pulver und Feuer zu bezwingen, um ſie mittelſt 
des Dampfes oder des Waſſers gewaltiger Kraft zu Tage zu för— 
dern und ſie in den goldnen Strahlen der Tageskönigin zu ſonnen. 
Zerkleinert und durch Waſſer geläutert, werden ſie in Oefen ge— 
ſchüttet, um ſie vermittelſt der Hitze und der trennenden Gewalt 
der Kohle, ſo wie der bindenden des Schwefels aus der Schlacke zu 
ſondern, den Schwefel durch den Sauerſtoff der Luft zu verbren— 
nen, den Sauerſtoff der orydirten Metalle aber in hohen Gluthen 
vermittelſt des Kohlenſtoffs in Kohlenſäure zu verwandeln. Nach 
vielfachen Bearbeitungen tritt endlich der König glänzend hervor, 
ſchmückt Kronen, Diademe und heilige Gefäße, erhöht die Lieb— 
lichkeit holder Frauen und wandert als Münze von Ort zu Ort 
über die ganze Erde, ſucht Welt und Menſchen zu beherrſchen und 
macht ſich letztere unterthan. In einem kleinen Loche führt uns 
die Wiſſenſchaft hinab in ungeheure Tiefen, zeigt uns daſelbſt 
mächtige Urwälder längſt entſchwundener Epochen, führt uns auf 
gewaltige Waſſer-Schichten, in des Steinſalzes funkelnde Kryſtall- 


9 


Paläſte, zu großartigen Baſſins von Waſſern, welche die Geſund— 
heit kräftigen. Mit Leichtigkeit hebt die Wiſſenſchaft alle dieſe 
Stoffe zu Tage und macht ſie der menſchlichen Geſellſchaft dienſtbar. 
Um Luft, Meer und Flüſſe zu durchfliegen, um gewaltige Laſten 
in größter Schnelle fortzuſchaffen, um mit den fernſten Völkerſtäm— 
men im Verkehr und Tauſchhandel zu bleiben, dazu bahnt uns die 
Wiſſenſchaft den Weg. Sie führt uns hinab auf den tiefen Meeres— 
grund, um der Perlenmuſchel ihre Schätze zu rauben, ſie trägt 
unſere Gedanken vermittelſt eines ſchwachen Drahtes in fliegender 
Eile über Gebirge, über Flüſſe und Meere zu unſern entfernteſten 
Freunden. Wir correſpondiren durch ſie mit den entlegenſten Him— 
melskörpern und erlangen dabei die Ueberzeugung: daß auf ihnen 
dieſelben Grundkräfte, dieſelben Geſetze walten, wie auf unſerer 
Erde: daß auch dort wie hier der Wechſel zwiſchen Tag und 
Nacht, Kalt und Warm, Anziehungs- und Abſtoßungskraft ſtatt— 
finde, ja daß auch jene Himmelskörper mit Thälern, Bergen, Ab— 
gründen verſehen ſeien. Wir benutzen die Wiſſenſchaft, um die 
zerſtörende Kraft des Hagels, des Blitzes, um die Macht des 
Feuers, die brauſende Gewalt der Wogen zu brechen und unſchäd— 
lich zu machen. Wir benutzen die Wiſſenſchaft, um giftige Schwa— 
den, um die alles zertrümmernden ſchlagenden Wetter, denen eine 
große Menſchenzahl erliegen würde, zu zerſtören, um gefährliche 
Krankheiten zu heilen und dem Tode ſeine Beute zu entreißen. 
Wir benutzen die Wiſſenſchaft, um die großartigſten Zerſtörungs— 
werke, die den Tod in tauſendfacher Geſtalt herbeiführen, zu ver— 
vollkommnen, damit wir des Friedens deſto ſicherer werden. Wir 
benutzen die Wiſſenſchaft, um in unſern eignen Organismus ein— 
zudringen und zu erkunden: welches ſind die beſten Nahrungsmittel 
für uns und die mit uns lebenden Pflanzen, um zu gewahren: 
welch gegenſeitiger Austauſch beſteht zwiſchen Pflanze und Thier. 
Durch die Wiſſenſchaft bringen wir in Erfahrung: daß überall in 
der Luft und durch die ſtets auflöſende Kraft des Waſſers auch 
im Erdboden die Nahrungsmittel der Pflanzen zu finden ſeien: 
daß die Vegetabilien mit ihren unzählbaren, beſtändig in Be— 
wegung begriffenen Blättern die Kohlenſäure, den Waſſerdunſt, 
das kohlenſaure Ammoniak aus der Luft, daß ſie vermittelſt der 


10 


zarten Wurzelſaugfäſerchen die im Waſſer gelöften feften Mineral: 
ſubſtanzen zugleich mit Kohlenſäure aus dem Boden auffaugen: 
daß bei Sonnenſchein die eingenommene Kohlenſäure in den Blät— 
tern zerlegt, der Sauerſtoff ausgeſchieden, der Kohlenſtoff aber zu— 
rückgehalten werde. Durch ſie erfahren wir: daß gleich dem Koh— 
lenſtoffe auch der unorganiſche Waſſerſtoff in Geſellſchaft mit 
Sauerſtoff ſeinen Weg durch die Pflanze nehme: daß die drei ver— 
einigt Holz, Stärkemehl, Zucker u. ſ. w. bilden: daß kein Pflan⸗ 
zenwachsthum ohne Licht, Wärme, Electricität, Sauerſtoff, Waffer: 
ſtoff, Kohlenſtoff, Stickſtoff, Phosphor, Schwefel, Chlor, Fluor, 
Eiſenoryd, Kali, Kalk-Talk- und Kieſelerde möglich ſei. Sie 
lehrt uns: daß die Pflanze einen feſten Standpunkt im Boden 
haben müſſe: daß viel darauf ankomme, wie letzterer zuſammen— 
geſetzt, wie er bearbeitet, wie er bedüngt werde; ſie lehrt uns, ob 
ein feſter oder lockerer, ob ein trockener oder wäßriger Untergrund 
vorzuziehen ſei. | 

Bei ihr, der Wiſſenſchaft über Pflanzenernährung wollen wir 
daher jetzt verweilen. Um fie recht faßlich, um fie Jedermann an⸗ 
ſchaulich zu machen, habe ich mir erlaubt, einen beſondern, ganz 
einfachen Weg einzuſchlagen. Ich werde zuerſt die Kräfte, 
welche beim Keimen, dem Wachsthume und bei der endlichen Aus— 
bildung der Pflanzen in Thätigkeit ſind, alsdann die gasför— 
migen und ein feſtes Element mit ihren Verbindungen, 
alſo den Sauerſtoff, den Waſſerſtoff und die Verbindung beider zu 

Waſſer, den Kohlenſtoff, fo wie deſſen Verbindung mit Sauerftoff 
zu Kohlenſäure, den Stickſtoff, fo wie deſſen Verbindung mit Wafler- 
ſtoff zu Ammoniak, den Stickſtoff und deſſen Miſchung mit Sauer: 
ſtoff zu Luft, einzeln aufführen und bei jeder Kraft, bei jedem 
Elemente, bei jeder Verbindung das Erforderliche über ihre Wir— 
kung als Pflanzennahrung darlegen. 

Hierauf werde ich mich mit dem Boden, einer Zuſammen— 
häufung feiner Geſteinstheilchen in Mengung mit organiſchen 
Stoffen, in welchen die Pflanzen nicht allein ihren feſten Stand— 
punkt, ſondern auch ihre feſte Nahrung ſuchen, befaſſen. Ich werde 
zunächſt die Sauger, alsdann den Phosphor in ſeiner Ver— 
bindung mit Sauerſtoff zu Phosphorſäure, den Schwefel in 


11 


ſeiner Verbindung mit Sauerſtoff zu Schwefelſäure, das Chlor 
und Fluor, das Eiſen in ſeiner Verbindung mit Sauerſtoff zu 
Eiſenorxyd, das Kali, das Natron, die Kieſelerde, Kalk- 
und Bittererde behandeln und gebe mich der angenehmen Hoff- 
nung hin: daß auf dieſe Weiſe der Stoff nicht allein am leichteſten 
bewältigt, ſondern daß denjenigen der geneigten Leſer, welchen 
das Studium der Chemie verſagt war, auch eine Ueberſicht über 
den Pflanzenernährungs-Prozeß zu Theil werden wird. 


Je genauer wir die Natur kennen lernen, je mehr werden 
wir über die einfachen Mittel, welche den wundervollen Erſchei— 
nungen in ihr zu Grunde liegen, ſtaunen: deſto mehr wird ſich 
uns die gegenſeitige Verwandtſchaft des Lichts, der Wärme, der 
Electricität kund geben. Wir werden auf Erſcheinungen bei dieſen 
unwägbaren Stoffen ſtoßen, die uns die poſitive Ueberzeugung 
verſchaffen: daß die eine dieſer Kräfte unter gewiſſen Umſtänden 
in die andre übergeht, ja: daß fie eigentlich nur Eins find. Wir 
werden ſehen: daß alle Prozeſſe der Abſorption des Lichtes, der 
Entbindung der Wärme, der Veränderung der electriſchen Erſchei- 
nungen, welche in dem ungeheuren Raume unſerer Atmoſphäre 
verlaufen, einer Menge von Veränderungen unterworfen ſind. 
Dieſe Kräfte, ſo wie deren ununterbrochen vor ſich gehende Ver— 
änderungen, bedingen mit dem verſchiedenen Stande unſerer 
Sonne unſere klimatiſchen Verhältniſſe, von welch letzteren die 
Verbreitung der auf unſerer Erdoberfläche wohnenden Pflanzen 
abhängig iſt. Die klimatiſchen Verhältniſſe bleiben ſich bei den 
ſteten Veränderungen der Kräfte nicht gleich und Abweichungen in 
denſelben verbreiten ſich dann ſtets über größere Flächen. Wir kön— 
nen z. B. hier in Deutſchland einen ſehr ſtrengen Winter haben, 
während anderswo unter denſelben Breitegraden laues Wetter 
vorherrſcht; auf große Bezirke blickt die Sonne klar und hell her— 
nieder und ſendet den Vegetabilien ihren zerlegenden und bildenden 
Strahl zur Entwicklung und Reife, während ihr Antlitz in andern 
Gegenden durch große Wolkenmaſſen verhüllt, den Pflanzen Tage, 


12 


Wochen, Monate lang nicht fihtbar wird. Ganz willkührlich ift 
daher die Annahme: daß auf einen ſtrengen Winter ein warmer 
Sommer und auf einen kühlen Sommer ein milder Winter folge. 
Die Natur geht ihren eigenen Weg und ruft durch entgegengeſetzte 
Witterungsverhältniſſe zweier neben einander gelegenen Länder, 
oder ferner Kontinente unter ſonſt gleichen klimatiſchen Verhält— 
niſſen, hier die geſegnetſte, dort eine Mißerndte hervor. Als Reſul— 
tat dieſer Verſchiedenheiten ergiebt ſich eine außerordentliche Stei— 
gerung des Verkehrs, durch welchen die Wohlfahrt der Völker her— 
vorgerufen und befeſtigt wird. Je mehr wir uns daher mit der 
Erforſchung der Kräfte in der Natur befaſſen, deſto mehr wer— 
den wir ermuthigt zu ferneren Unterſuchungen, deren Reſultat 
uns den großen allweiſen Weltenbaumeiſter ſtets in einem glanz— 
volleren Lichte erſcheinen läßt. 

Wir können der Räumlichkeit wegen uns mit dem Lichte, der 
Wärme, der Electricität nur in großer Gedrängtheit befaſſen. 


Licht. 


Wer vermöchte ſich eine andere Vorſtellung zu machen, als 
daß unſere goldene Sonne, welche täglich verjüngt aus dem blauen 
Aether zu uns heraufſteigt, die umfaſſendſte, ja die einzige Spen— 
derin, nicht allein des Lichtes, ſondern auch der allbelebenden 
Wärme ſei? Lange zuvor, ehe ſie hinter den dunklen Gebirgen, ehe 
ſie hinter unabſehbaren Ebenen hervortritt, ehe ſie aus den grünen 
Meeresfluthen auftaucht, hat ſie den blitzenden Glanz der Sterne 
verdunkelt, hat ſich das falbe Licht des Mondes vor der ſtrahlen— 
den Helle der Tageskönigin zurückgezogen. 

Neubelebt begrüßt der Menſch die Segenſpenderin; mit freu— 
diger Erregtheit tritt ihr das Thier entgegen, ſpendet ihr der Vogel 
ſein Loblied, neigen ſich ihr die Blätter der Gewächſe im heim— 
lichen Geflüſter koſend zu, erſchließen die erwachenden Knospen 
ihre zarte Hülle, entfalten die Blumen ihre Blätter und hauchen 
die ſüßeſten Wohlgerüche gegen ſie aus. Neubelebt bereitet ſich der 
Menſch, bereitet ſich das Thier bei ihrem Erſcheinen auf das kom— 
mende Tagewerk vor und die Pflanzen in funkelndem Thaue ge— 
badet, einen bunten Teppich vor ihr ausbreitend, neigen ſich ihr 
liebend entgegen. Verehrend, anbetend betrachtet der Menſch 
dieſes Alles beglückende Geſtirn. Was wäre aber auch das Leben 
ohne Licht! — 

Licht bringt Wärme; Wärme dehnt aus, bewegt, verändert, 
bringt alſo Leben; daher liegt im Lichte alles Leben, ohne daſſelbe 
wäre die Natur kalt, ſtarr, öde, farbelos. Von höchſter Bedeutung 
iſt daher das Licht für das Geſammt-Weltall, denn durch daſſelbe 
— in Verbindung mit Wärme — erhalten ſich die Planeten des 


1% 


Sonnenſyſtems, erhalten ſich die zahlloſen Geſchöpfe auf den— 
ſelben; durch und vom Lichte wird die Erde, werden die auf ihr 
wohnenden Menſchen und Thiere, werden die auf ihr verbreiteten 
Pflanzen belebt. 5 

Aus der Sonne tritt das Licht ſtrahlend hervor. Der Sonnen— 
ſtrahl durchläuft in einer Secunde einen Weg von 41,000 Meilen, 
er hat daher, da unſere Erde 20 Millionen Meilen von der Sonne 
entfernt iſt, 8 Minuten 13 Secunden Zeit erforderlich, bis er auf 
dieſelbe gelangt. Läßt man einen Strahl durch ein Prisma von 
Glas fallen, ſo zertheilt ſich ſein Licht in rothes, orangengelbes, 
grünes, blaues, indigo und violettes. Was man ſonſt für einen 
einzelnen Lichtſtrahl hielt, das zerlegte die Wiſſenſchaft in eine 
zahlloſe Menge der feinſten Wellen des uns nicht ſichtbaren 
Aethers, der überall im Raume verbreitet, der hoch oben in der 
Sternenwelt, der tief unten in der Erde zu finden, der an allen 
Orten und Enden zu treffen iſt. Der über alle Begriffe raſche Licht— 
ſtrahl beſteht daher aus den ſchnellſten Aetherwellen. Obſchon jede 
derſelben von der ihr zunächſt folgenden 4000 Meilen entfernt iſt, 
ſo folgen ſie ſich doch ſo unendlich ſchnell daß ſie ſich unſern 
Augen als ein Ganzes darſtellen. Was uns daher als ein ver— 
einigter glänzender Feuerſtrahl im Auge erſcheint, das iſt eine Un- 
zahl ungleich neben einander dahin eilender verſchiedenfarbiger 
Aetherwellen, von denen die rothe in jeder Secunde 480 Billionen, 
die gelbe 540 Billionen, die violette ſogar 700 Billionen Schwin- 
gungen durchzittert. Zwiſchen den einzelnen Farbenſtreifen, die bezüg— 
lich ihrer Stärke nicht gleich bleiben, liegen noch gegen 600 ſchwarze 
Streifen. Nachdem man die Eigenſchaften des Lichtes in der be— 
ſchriebenen Art und Weiſe kennen gelernt hatte, verſuchte man 
nun auch deſſen Wärmegehalt in den einzelnen Farbenſtrahlen zu 
erforſchen, es ergab ſich dabei: daß der blaue Lichtſtrahl 130 R. 
der grüne 14° R. der gelbe 17° und der rothe ſogar 22° Wärme 
hatte und daß neben dem letzteren ſogar noch 26° Wärme vorhan— 
den ſeien. 5 
Das Sonnenlicht iſt von außerordentlicher Jutenſität und 
daher 800,000 mal ſtärker als das des Vollmondes und 5500 mal 
heller als das einer Kerze. 


15 


Durch das ſorgſame Studium des Lichtes wurde für die 
Wiſſenſchaft ungemein viel gewonnen. Man benutzt daſſelbe nicht 
allein zu allen Meſſungen; der Aſtronom erforſcht auch ſeine Länge 
und giebt die Zahl der Tagereiſen, die es zurückgelegt hat, auf das 
Genaueſte an; ja er erkennt aus der Natur ſeiner Zuſammenſetzung 
ſogar: ob es von einer Sonne, ob es von einem Planeten ab— 
ſtammt. Hat ihn die Unterſuchung auf den richtigen Weg geleitet, 
ſo rechnet er dem einzelnen Strahle ſeinen durchlaufenen Weg 
nach und beſtimmt dadurch die Entfernung des Sternes, von dem 
die leuchtende Aetherwelle ausging. 

In einem Tage durcheilt das Licht einen Weg von 3620 
Millionen — in einem Jahre alſo von 1,323,263 Millionen Mei: 
len. Der Lichtſtrahl bringt daher den Menſchen die Nachrichten 
aus den tiefſten Tiefen des Weltalls und wir wiſſen z. B. durch 
ihn: daß das Licht des Polarſternes 48 Jahre braucht um auf 
unſerer Erde zu erſcheinen. Den Raum, welchen ein Lichtſtrahl 
binnen Jahresfriſt durchläuft, nennt man ein Lichtjahr, 4000 der⸗ 
ſelben liegen zwiſchen der Erde und den fernſten Sternen 12er 
Größe; 800,000 derſelben aber zwiſchen ihr und dem nächſten 
Sternennebel. 

Vermittelſt des Lichts wird alſo Raum und Zeit gemeſſen, 
durch daſſelbe wird die Geſtalt und Beſchaffenheit der Weltkörper 
erkannt. Die Bewegungen des Sonnenſyſtems, der Kometen und 
Meteore weiſ't das Licht nach. Auf die genaue Kenntniß deſſelben 
gründen ſich die Berechnungen der Schwere und Dichtigkeit der 
Geſammt⸗Weltkörper und deren gegenfeitige Anziehungskraft. Das 
Licht iſt das gewichtigſte Mittel der Erkenntniß, das Element des 

Geiſtes, denn es lehret nicht allein die Geſtalten aller Körper ken— 
nen, es enthüllt uns auch die Weltgeſetze. 

Daß das Licht bei ſeiner Macht, die es im Weltall übt, eine 
außerordentliche Schnelligkeit beſitzen muß, liegt in der Natur der 
Sache. Einen Raum, welchen eine Kanonenkugel in 24 Tagen 
durchfliegt, durcheilt der Lichtſtrahl in dem zehnten Theil einer 
Sekunde. 

Um dieſen Weg zu Fuße zurückzulegen, würde ein Menſch 
540 Tage gebrauchen. Wollte er aber die 84 Minuten, die das 


16 


Sonnenlicht auf feinem Laufe zur Erde gebraucht, mit dem Ränz— 
chen auf dem Rücken zurücklegen, dann müßte ihr zuvor ein Alter 
von 6300 Jahren verliehen werden. 


Was iſt doch der Menſch für eine Winzigkeit gegen dieſe 
Zahlenverhältniſſe! und doch wie groß, wie unendlich groß geſtaltet 
er ſich nach dieſen Betrachtungen! War es nicht der menſchliche 
Geiſt, welcher den winzigen Lichtſtrahl erfaßte und ihn in Tauſende 
von Millionen Theilchen zerlegte? war er es nicht, welcher ſich 
ihn unterthan machte, um die Größe, Form und das Gewicht der 
Himmelskörper zu meſſen? war er es nicht, welcher ihn auf ſeine 
verſchiedenen Wärmegehalte prüfte? war er es nicht, welcher ihn 
als Telegraph nach den tiefſten Himmelsräumen ſandte, um auch 
dort die waltenden Geſetze kennen zu lernen? Gott hat Großes in 
den menſchlichen Geiſt gelegt und je mehr wir uns beſtreben, un— 
ſerm Allvater ähnlich zu werden, um ſo mehr und wichtigere Na⸗ 
turgeheimniſſe werden uns aufgedeckt werden. 


Die meiſten Stoffe und Körper auf unſerer Erde. ſtellen ſich 
als Lichtſauger dar; geht dann der Sauer- oder ein anderer Stoff 
Verbindungen mit denſelben ein, ſo wird das Licht wieder ausge— 
ſchieden. Namentlich ift es der Kohlenftoff, der ungemein viel 
Licht und am meiſten in ſeinem reinſten Zuſtande — als Diamant 
— einſaugt. In aller und jeder Kohle, in jedem Holze, in jeder 
Pflanze iſt daher eine große Menge von gebundenem Licht ent— 
halten. Sobald nun dieſe Kohlenſtoffverbindungen mit dem Sauer: 
ſtoffe lebhafte und raſch vorſchreitende andere Verbindungen ein— 
gehen, ſo wird das Licht frei und tritt wie das Licht der Sonne, 
von dem es urſprünglich ausging, ftrahlend aus denſelben aus. 
Je raſcher, wie geſagt, alſo die Verbindung vor ſich geht, je mehr 
alſo Sauerſtoff vorhanden iſt, deſto mehr wird Licht ausgeſchieden, 
deſto höher wird der Glanz, deſto größer die Flamme ſein. 


Auch unſer Auge iſt ein ſolcher Lichtſauger und bei befondern 
Gelegenheiten können wir bei demſelben deutlich gewähren, wie es 
in farbigen Strahlen aus demſelben ausſtrömt. Bei ſtarken Er— 
ſchütterungen des Kopfes, bei Stürzen, Schlägen u. ſ. w. fährt 
es in farbigem Glanze aus dem Auge, in denſelben Intervallen, 


17 


wie die Aetherſchwingungen, denn wir gewahren dann ganz deut— 
lich glänzende Büſchel von grün, gelb, violett, blau ꝛc. ꝛc. 

Die Aufſaugung des Lichtes durch die Pflanzen und die Aus— 
ſcheidung deſſelben beim Verbrennungsprozeß durch die Verbin— 
dung des Sauerſtoffs mit dem Kohlen- und Waſſerſtoffe iſt für 
das Gefammt- Menfchens und Thierleben von unberechenbarem 
Vortheile, denn wir empfangen dadurch nicht allein unſer künſt— 
liches Licht, ſondern auch die für den Winter und in den Gewer— 
ben unumgänglich nothwendige Wärme. Später werden wir bei 
der Behandlung des Waſſerſtoffs Gelegenheit bekommen, deſſen 
ungemeine Saugfähigkeit für die Wärme kennen zu lernen. 

Je poröſer, je feiner vertheilt ein Körper iſt, deſto leichter ver— 
brennt er, deſto leichter giebt er ſein Licht und ſeine Wärme im 
Allgemeinen ab; je dichter er iſt, deſto weniger ſchnell iſt dies der 
Fall. An unſeren ſchwerſten und daher dichteſten Metallen gewah— 
ren wir dies am deutlichſten, denn obſchon das Platin eine große 
Menge von Sauerſtoff aufzuſaugen und in ſich zu verdichten ver— 
mag, ſo ſind unſere bekannten Hitzgrade doch nicht hinreichend, um 
es zu verbrennen. Eigenthümlich iſt übrigens: daß einzelne Metalle 
nur einzelne Theile des zerlegten Lichtes in ſich aufnehmen. Ver— 
brennen wir z. B. Kupfer, ſo tritt nur grünes Licht aus demſelben 
aus. Es ſind dies Erſcheinungen, welche die ſorgſamſte Beachtung 
verdienen und die nach genauer Kenntniß ſehr große Aufſchlüſſe 
in der Wiſſenſchaft, vielleicht ſogar über die Zuſammenſetzung der 
Metalle geben werden. 

Kehren wir nun zu den Wirkungen des Lichtes auf unſerer 
Erde zurück, fo zeigen ſich dieſelben ſowohl bei organiſchen, als bei 
unorganiſchen Körpern. Theils ſtellt daſſelbe chemiſche Verbin— 
dungen, theils Trennungen her. Zu den Hauptquellen des Lichtes 
gehört — wie wir eben ſahen, — vor allem die Sonne, außerdem 
erhalten wir es durch Electricitätsausgleichungen, Steigerung der 
Temperatur bei chemiſchen Prozeſſen u. ſ. w. 

Eine Pflanze im Dunkeln gezogen erhebt ſich zwar über den 
Boden, ſobald ſich ihre Wurzel gebildet hat, allein ſie bleibt, mit 
geringen Ausnahmen, ohne ihre dem Auge ſo wohlthuende grüne 
Farbe, gelangt zu keiner Feſtigkeit und ſtirbt bald ab. Entzieht 


Engelhardt, die Nahrung der Pflanzen. 2 


18S 


man einer ausgebildeten Pflanze das Licht auf einige Zeit, ſo wird 
ſie auch bei ausreichendem Zufluſſe von Luft und Waſſer welken 
und nach und nach ihre grüne Farbe verlieren. Setzt man ſie dem 
Lichte von Neuem aus, ſo erhöht ſich ſofort der Glanz ihres Grüns 
und fie erfreut ſich wieder ihres Lebens. Clo ez und Gratiolet 
brachten einige unter dem Waſſer lebende Pflanzen in Waſſer, das 
Kohlenſäure gelöſt enthielt und ſetzten fie dem Sonnenlichte aus; 
fie gewahrten, daß dieſe Pflanzen unter dem Einfluſſe des Sonnen— 
lichtes eine bedeutende Menge Sauerſtoff entwickeln. 

Wenn man einige Blätter einer unter Waſſer lebenden Pflanze 
in einem Probirglaſe, welches mit Kohlenſäure geſättigtes Waſſer 
enthält, umkehrt und in ein Gefäß mit Waſſer ſtellt, den Apparat 
hierauf aber dem Sonnenlichte ausſetzt, ſo ſieht man augenblick— 
lich von der Oberfläche der Blätter eine große Menge Bläschen 
ſich entwickeln, die aus reinem Sauerſtoffe beſtehen. Noch genauer 
beobachtet man die Erſcheinung in einem von Beiden angegebenen 
Apparate. Derſelbe beſteht aus einer Flaſche von weißem Glaſe 
von 4 bis 10 Litres Inhalt, die ſorgfältig mittelſt eines zweimal 
durchbohrten Korks, durch den zwei Röhren gehen, verſchloſſen ift. 
Die eine dieſer Röhren iſt gerade und geht bis auf den Boden des 
Gefäßes; ſie dient zur Erneuerung der Flüſſigkeit im Innern der 
Flaſche. Die zweite Röhre iſt gebogen und wird zum Aufſaugen 
des Gaſes benutzt; ihr in die Flaſche reichendes Ende mündet in 
die Spitze eines in den Kork eingeſchnittenen Hohlkegels. Dieſe 
Vorrichtung hat den Zweck, die kleinſten Mengen des ausgegebenen 
Gaſes zu beſtimmen, welches man dadurch austreibt, daß man 
etwas Waſſer in die zweite Röhre giebt. Verſuche mit den Sten— 
geln von Potomogeton perfoliatum in dieſem Apparate brachten 
nach ungefähr 10 Stunden ſo viel Gas, daß dieſes in eine große 
graduirte Glocke geleitet 24 Litres betrug, was ohngefähr das 
15fache vom Volumen der dem Verſuche unterworfenen Pflanze 
ausmachte. Das aufgefangene Gas war jedoch nicht reiner Sauer— 
ſtoff, ſondern ein Gemenge von 87,50 Sauerſtoff, 11,5 Stick— 
ſtoff und 1,,, Kohlenſäure. Das Sonnenlicht ſpielt im Lebens— 
prozeſſe der Pflanzen eine äußerſt wichtige Rolle; es disponirt den 
Waſſerſtoff ſich zu verdichten, Wärme in ſich aufzunehmen und 


19 


mit Sauerftoff Waſſer zu bilden; es ſcheidet den Kohlenftoff aus 
der Kohlenſäure ab, legt Licht und Wärme in ihn nieder und ver— 
bindet beide zuſammen zu Holz, Stärkemehl ꝛc.ꝛc.; ferner verbindet 
es die letzteren Stoffe zugleich auch noch mit Stickſtoff. Hierdurch 
entſtehen nicht allein die für das Menſchen- und Thierleben ſo 
höchſt nöthigen Nahrungsmittel, ſondern auch die für die Induſtrie 
und Gewerbe, ſowie zum Leben unentbehrlichen Brennmateriale. 

Die Wirkung des Lichtes auf die Pflanzen iſt für viele Fälle 
noch nicht ausreichend erklärt; ſo findet man z. B. Blätter, am 
Tage den Einwirkungen des Sonnenlichts ausgeſetzt, geſchmacklos, 
während ſie am Morgen ſauer, in der Nacht bitter ſchmecken. Man 
findet Blumen, die bei geringer Lichtaufnahme weiß, bei ſtarker 
blau blühen. Viele Früchte, die des Morgens ſauer ſchmecken, 
ſind Mittags, nachdem die Sonnenſtrahlen ſtark auf dieſelben ein— 
gewirkt haben, ungemein ſüß. 

Bei der Zerlegung der Kohlenſäure in den grünen Theilen 
der Gewächſe, den Blättern, iſt die Intenſität des Lichtes von 
höchſter Bedeutung. Der Schatten eines kleinen Wölkchens, wel— 
ches den Sonnenſchein von der Pflanze abhält, reicht aus, die 
Zerlegung zu ſchwächen, welche raſch von Neuem vor ſich ſchreitet, 
wenn das Wölkchen ſeinen Weg weiter fortſetzt und die zerlegenden 
Strahlen nicht mehr von den Blättern abhält. Der Prozeß wird 
um ſo mehr geſtört, je höher die Sonne ſteht und je reiner der 
Himmel iſt. Die Einwirkung des Sonnenlichtes auf die Pflanzen 
iſt daher eine eben ſo raſche, als kräftige, weshalb ſie einen über— 
aus wichtigen Einfluß auf die Pflanzenwelt übt. Von der regel— 
mäßigen Zerlegung der in unſerer Atmoſphäre enthaltenen Kohlen— 
ſäure in den Sommermonaten hängt die Ergiebigkeit unſer Erndten 
ab. Haben wir nämlich in den heißen Monaten, wo die Entwick— 
lung der Blüthen und Früchte beſonders lebhaft von ſtatten geht, 
ſtets bedeckten Himmel, dann kann die Zerlegung der Kohlenſäure 
nicht ſo raſch erfolgen, die Entwicklung der Blüthen und Früchte 
wird verzögert: von erſteren ſterben verſchiedene ab, bei denen die 
ſich weiter entwickeln, lagern ſich die Stoffe nicht in der Menge 
und Güte ab, als es bei ausreichender Zerlegung der Kohlenfäure 
durch die Sonnenſtrahlen der Fall geweſen ſein würde, die Reife 

DE 


20 


erfolgt meiſtens nicht vollkommen und der Landmann ſagt dann, 
es ſei ein Mehlthau eingefallen. Daher rührt die Erſcheinung: 
daß in ſolchen Jahren, wo der Himmel ſtets mit Regenwolken be— 
deckt iſt, weder Früchte, noch Blätter, noch Holz die gehörige 
Reife, die gehörige Feſtigkeit erlangen; daher ferner die Erſchei— 
nung: daß durch die mangelhafte Einwirkung der Sonnenſtrahlen 
auf die Pflanzen dieſelben wäſſerig bleiben und viele dem Thier— 
leben ſchädliche Stoffe nicht zerlegt und in den Pflanzen zu nütz⸗ 
lichen Nahrungsmitteln verwandelt werden. Die Folgen davon 
ſind: daß größere Quantitäten derſelben zur Nahrung verwandt 
werden müſſen und daß mehrere ſogar ſchädlich auf den thieriſchen 
Organismus einwirken, wie z. B. das Mutterkorn ꝛc. ꝛc. Nach 
Regenjahren, in denen der Himmel faſt ſtets mit Wolken bedeckt 
iſt, zeigt ſich daher nicht allein Hungersnoth, ſondern ſie haben 
auch ſtets bedeutende Krankheiten im Gefolge. Das alte Bauern— 
Sprichwort bewährt ſich daher vollkommen, in welchem es heißt: 
die Sonne erſcheint eher einen Laib Brod, als daß es einen er— 
regnet. 

Mit den verſchiedenen farbigen Strahlen, in welche ſich das 
Licht zerlegen läßt, hat man bei der Vegetation verſchiedene Ber: 
ſuche gemacht und gefunden: daß in dem gelben Strahle viele 
Pflanzen zu Grunde gehen, während ſie im violetten recht gut ge— 
deihen; am beſten wachſen ſie aber unter der Vereinigung aller 
Strahlen, alſo im gewöhnlichen Lichte. 

So lange ſich die Pflanzen im Lichte befinden, ſo lange reini— 
gen ihre grünen Theile, namentlich die Blätter, die Luft, indem ſie 
Kohlenſäure einathmen, den Kohlenſtoff unter Einwirkung des 
Lichtes abſcheiden und dann ein gleiches Volumen Sauerſtoff ab— 
geben. Bei Abweſenheit von Licht ändert ſich jedoch dieſer Prozeß 
um und die Pflanze giebt dann Kohlenſäure aus. Es rührt dies 
von dem in dem Safte der Pflanzen enthaltenen Uebermaße dieſes 
Gaſes her. Zugleich beobachtete man auch: daß während des 
Schlafes der Pflanzen im Dunkeln der Sauerſtoff der Luft ſich 
mit ihren äußern Theilen vereinigt und dieſelben umändert. Vor 
dem Einfluſſe der Pflanzen auf die Geſundheit von Menſchen und 
Thieren zur Nachtzeit hat man ſich daher in Obacht zu nehmen, 


21 


nicht nur, weil ſie den für unſern Athmungsprozeß unentbehrlichen 
Sauerſtoff in ſich aufnehmen, ſondern weil ſie die dem Lebens— 
prozeſſe ſchädliche Kohlenſäure ausathmen. Spaziergänge in Gegen— 
den mit üppigem Pflanzenwuchſe ſind daher des Tags über ſehr 
zuträglich, während man ſie des Nachts eben ſo vermeiden muß, 
als den Aufenthalt oder ſogar den ne in Zimmern, wo ſich 
viele Gewächſe befinden. 

Das Licht iſt nach Allem, was wir bis jetzt kennen lernten, 
eine Hauptlebensbedingung für das Wachsthum und Gedeihen 
aller Pflanzen; wären für dieſelben auch die reichlichſten Stickſtoff— 
und Phosphorſäure-Verbindungen, wären Alkali- und Erdſalze, 
wäre Kohlenſäure in größter Fülle vorhanden, es fehlte aber das 
zur Fixirung des Kohlenſtoffs erforderliche Sonnenlicht, ſo könnte 
die Pflanze wohl eine nicht unbedeutende Entwicklung erlangen, 
jedoch ohne Blüthen und Früchte zu tragen, denn dieſe bilden ſich 
nur dann, wenn das Geſammt-Pflanzengewebe ſich in den zu 
einer vollkommenen Reife erforderlichen Umſtänden befindet. Da— 
her iſt es durchaus nothwendig: daß außer den übrigen Erforder— 
niſſen eine Ackerfläche auch eine gute ſonnige Lage habe, damit die 
Blüthen und Früchte ſich gehörig entwickeln und ausbilden können. 
Daher verträgt ſich z. B. Obſt- und Cerealien-Bau auf ebenen 
Ländereien, zumal wenn die Bäume enge gepflanzt ſind, durchaus 
nicht zuſammen, denn da die Obſtbäume öfters ausſetzen, kommen 
Jahre vor, wo weder Obſt noch Körner, ſondern lediglich Stroh 
mit verkümmerten Früchten erzielt wird. Daher iſt ferner der Brod— 
frucht⸗ und Kartoffeln⸗Ertrag an Gebirgswänden, die ſteil nach 
Nord abfallen, niemals lohnend, ja ſelbſt das an ſolchen erwachſene 
Holz hat eine viel geringere Heizkraft, als anderes. Daher be— 
kommt man an nach Norden gelegenen Wandungen ſelbſt in war— 
men Gegenden keinen reifen Wein. 

Das Licht übt einen merkwürdigen Zauber auf die Pflanzen. 
Die Zellenvereinigungen mit gasförmigen Nahrungsſtoffen, welche 
ſich bei den höheren Pflanzen, vorzüglich in den Blättern vorfin- 
den, zeigen gleichſam einen Lichthunger, ſie thun, als wenn das 
Licht eine materielle Nahrung für ſie wäre. Alle Bäume eines 
Waldes, alle Blätter derſelben kehren ſich dem Lichte zu, ſie über— 


22 


winden alle Hinderniffe, um mit breiter Fläche den belebenden 
Reiz ſeines Strahls aufzuſaugen. Wie begierig die Pflanzen das 
Licht ſuchen, dies ſehen wir in unſern Zimmern, wenn eine der— 
ſelben weit von den Fenſtern entfernt ſteht: die ganze Pflanze ver— 
läßt ihre aufrechte Stellung, ſie biegt ſich und ſendet endlich ihren 
Stamm in vollkommen ſchiefer Richtung den Fenſtern zu. Wie 
kräftig und ſchlank ſchickt eine Kartoffel ihren Keim nach der Keller— 
lucke, damit er dort einen Lichtſtrahl erhaſche! Selbſt die einzelligen 
Algen in Gräben haben dieſen Drang nach Licht; zu Millionen 
ſteigen ſie an die Oberfläche, wenn die Sonne ihre Strahlen über 
das Waſſer verbreitet, um ſich in dieſem Lebensquell zu baden. 

Wird den Pflanzen das Licht entzogen, ſo vermögen ſie den 
Kohlenſtoff in ihrem Gewebe nicht mehr abzulagern, ſie kränkeln, 
ſchießen hoch auf, ohne daß fie ihre Blätter ausbilden und vie 
Säfte verdicken, fie bleiben bleich, ohne Chlorophyll. So bald fie. 
daſſelbe wieder erlangen, werden auch die Zellen wieder fähig, 
Kohlenſäure aus der Atmoſphäre aufzunehmen und Sauerſtoff 
an letztere abzugeben. Wie groß die Menge des Sauerſtoffs iſt, 
welche die grünen Zellen im Sonnenſcheine entbinden, davon gaben 
wir weiter oben ſchon ein Beiſpiel, man gewahrt dies aber nament- 
lich: wenn man Blätter mit Waſſer übergießt, dann quellen an 
allen Punkten Sauerſtoffperlen hervor, ſo daß das Waſſer zu 
kochen ſcheint. Selbſt die grünen Algenpflänzchen hauchen bei 
Sonnenſchein zahlloſe Sauerftoffbläschen aus und wenn wir an 
ſonnigen Tagen Gräben und Teiche mit weißem oder grünlichem 
Schaume bedeckt ſehen, ſo haben wir die Quelle deſſelben in ihren 
grünen mikroſkopiſchen Bewohnern zu ſuchen. Iſt die Sonne ver— 
ſchwunden, ſo hört die Entwicklung des Sauerſtoffs und die 
gleichzeitige Aufnahme von Kohlenſäure im Waſſer augenblicklich 
auf. 


Wärme. 


Die Wärme befindet ſich im Weltraume entweder im Zuſtande 
der Ruhe — des Gleichgewichtes — oder im Zuftande der Be— 
wegung, ſie nimmt zu oder ab, ſteigt oder fällt. Temperatur nennt 
man den Zuſtand in Bezug auf ihre Intenſität. Wärme im Zuſtande 
der Ruhe liefert conſtante, Bewegung der Wärme veränderliche 
Temperatur. 

Wenn ſie in irgend einem Körper angehäuft wird, ſo hält 
dieſer Zuſtand nicht lange vor; die Wärme verflüchtigt ſich wieder, 
trotz aller Mittel e feſtzuhalten. Es ſtellt ſich alſo 
das Gleichgewicht früher oder ſpäter wieder her. 

Die Sonne, die Bewegerin alles Lebens auf der Erde, unter— 
hält auf letzterer, in wunderbar einfacher Weiſe, einen beſtändigen 
Kreislauf der Stoffe, wodurch lediglich und allein das Leben der 
organiſchen Weſen ermöglicht wird. Zugleich mit dem Lichte ſpen— 
det fie auch die Wärme, und Thiere und Pflanzen haben, je nach 
ihrem Wohnplatze auf der Erde, einen größern oder geringern An— 
theil an dem erwärmenden, alſo dem belebenden Einfluſſe der 
Sonne. Wenn die Strahlen ſenkrecht auf unſern Weltkörper nieder— 
fallen, wird dieſer Segen in reichlichſter Fülle geſpendet. 

Eine andere Quelle der Wärme iſt die Electricität. Durch 
plötzliche Verdichtung der Luft wird ebenfalls Wärme erzeugt, eben— 
ſo durch Reibung. Eine fernere Quelle der Wärme iſt die phyſiſche 
Veränderung der Beſchaffenheit eines Körpers, wie dieſelbe z. B. 
ſtets bei Verwandlung von Gaſen in tropfbare Flüſſigkeiten und 
von tropfbaren Flüſſigkeiten in feſte Körper beobachtet werden 
kann. Die gewöhnlichſte Quelle der künſtlichen Wärme iſt aber die 


24 


Verbrennung, welche eigentlich nichts anders iſt, als die ſchnellſte 
chemiſche Verbindung gewiſſer Körper mit einander, bei welcher 
dann eine größere Wärmemenge austritt. 

Ohne Wärme wäre Thier- und Pflanzenleben nicht denkbar, 
wäre unſer Erdball eine vollkommen ſtarre unbewegliche Maſſe. 
Deshalb theilte unſer allweiſer Schöpfer dieſen Lebensborn, aber 
auch nicht lediglich und allein der Sonne zu, ſondern legte ihn in 
jedem Körper nieder, in dem er verſteckt ſeine Erweckung erwartet, 
um ſeine Segen ſpendenden Wirkungen, — vorausgeſetzt daß ſie 
der Menſch bezähmt und bewacht, — überallhin zu verbreiten. 
In größter Menge iſt die Wärme mit Licht in Verbindung in 
ſämmtlichen Pflanzen, in allen kohligen Mineralien und im Waſſer 
niedergelegt. f 

Die Erregung der Wärme geſchieht durch den chemiſchen 
Prozeß und obſchon ſie, wie das Licht, nicht wägbar iſt, ſo durch— 
dringt ſie doch alle und jede Theilchen eines Körpers und dehnt 
denſelben, je mehr von ihr eingeht, auch um ſo weiter aus. 

Nur durch die Bewegung theilt ſich die Wärme unſern Ge— 
fühlsorganen mit, denn wie Licht und Schall, erregt fie Wellen, 
die aus eigner innern Kraft derſelben hervorgehen und dieſes iſt 
es, was wir mit dem Namen chemiſche Prozeſſe belegen; fie 
alle ſind von Wärmeerſcheinungen begleitet. Steigert ſich die 
Wärme und nimmt an Stärke und Schnelligkeit der Schwingungen 
zu, dann erhöht ſich die Temperatur bis zur Lichtentwicklung. Die 
Verbindung von Wärme- und Lichterſcheinung aber wird Ver— 
brennung genannt und lernen wir dieſelbe beim Sauerſtoffe ge— 
nauer kennen. 

Die Temperatur unſerer Atmoſphäre iſt an der Oberfläche 
der Erde am größten und vermindert ſich in den untern Schichten 
für jede 592 Fuß der Erhebung um einen Grad des 100theiligen 
Thermometers. Man glaubt indeß: daß die Verminderung der 
Wärme in größeren Entfernungen von der Erde weniger raſch vor— 
ſchreite; allein in einer gewiſſen Höhe findet ſich die Region des 
ewigen Schnees und Eiſes, ſelbſt in den heißeſten Klimaten. Die 
Spitze der Anden in Amerika, welche ſich unter dem Aequator zu 
18,000 Fuß erhebt, iſt mit ewigem Schnee bedeckt. Die Linie des 


25 


immerwährenden Schnees — die Schneelinie genannt — beginnt 
unter 0 Grad Breite bei 15,000 Fuß Höhe, ſinkt in den höhern 
Breiten allmählig herab und liegt bei 60 Grad bei 6000, bei 
57 Grad aber nur bei 1000 Fuß. 

Je nach ihrem Steigen und Fallen bedingt die Wärme ein 
vermehrtes oder vermindertes Pflanzenwachsthum. Mit der 
Schneelinie hört alle Vegetation auf, ebenſo bei hohen Hitzgraden 
die unſerer Gräſer, welche bei der Ernährung der Menſchen und 
Thiere im gemäßigten Klima eine ſo großartige Rolle ſpielen und 
ſo viel zur Hebung der Civiliſation beitragen. 

Mit dem Steigen und Fallen der Wärme durch den Stand— 
punkt unſerer Erde zur Sonne bedungen, vermehrt oder vermindert 
ſich das Pflanzenwachsthum und hört mit dem beginnenden Winter 
endlich auf. Schon die Keimung bedarf eines bedeutenden Wärme— 
grades, der jedoch je nach verſchiedenen Pflanzengattungen auch 
verſchieden iſt. Die Gräſer, welche in der Oekonomie der menſch— 
lichen Geſellſchaft als die wichtigſten Nahrungsmittel voranſtehen, 
keimen bei niederen Temperaturgraden und das ganze Jahr hin— 
durch, was bei andern Gewächſen nicht der Fall iſt. Unter 4° 
Wärme jedoch darf auch bei ihnen die Temperatur beim Keimungs— 
acte nicht herabſinken. 

Wie Licht und Electricität, ſo iſt auch die Wärme der Lebens— 
kraft untergeordnet; ohne ſie kann daher kein Lebensact vor ſich 
gehen, aber auch bei einer Temperatur, die 24 Grad überſteigt, 
würden die Lebensverrichtungen aufhören, wenn die Pflanzen 
nicht, wie die Thiere, mit Transſpirationsorganen verſehen wären. 
welche die Wärme der umgebenden atmoſphäriſchen Luft durch die 
bei der Verdunſtung gebundene herabzögen. 

Um den Einfluß der Temperatur auf die Gasentwicklung der 
Pflanzen zu erforſchen, brachten Cloez und Gratiolet die Apparate, 
in welchen ſich die Pflanzen in kohlenſäurehaltigem Waſſer befan— 
den, in ein großes mit Waſſer gefülltes Glasgefäß. In dem 
Waſſer, zu welchem etwas Eis geſetzt wurde, konnten ſich die Pflan- 
zen leicht abkühlen. Ein Thermometer ging durch den Kork des 
Apparats und war dazu beſtimmt, die geringſten Veränderungen 
der Temperatur anzugeben. Durch Aenderung in der Einwirkung 


26 


des Eiſes war es leicht, abwechſelnd den Einfluß der geſteigerten 
Temperatur und den Einfluß des Sinkens derſelben zu ermitteln. 
Wenn nun das Waſſer in den Gefäßen, bevor es dem Lichte aus— 
geſetzt wurde, auf + 4 Grad Celſius gebracht wurde, ſo war die 
Gasentwicklung anfangs gleich Null, wenn aber die Temperatur 
des Waſſers ſich allmählig ſteigerte, fo erſchienen bei + 15 Grad 
einige Blaſen. Die anfangs ſehr ſchwache Entwicklung wurde 
dann um ſo ſtärker, je höher ſich die Temperatur ſteigerte und 
ſchien bei + 30° ihr Maximum erreicht zu haben. Dieſer Verſuch 
lieferte auch bei öfterer Wiederholung den Beweis: daß die Gas- 
entwicklung in den Pflanzen nicht unter einer er gewiſſen Temperatur 
beginnt. 

Bei einem zweiten Verſuche wurde das Waſſer in den Appa- 
raten auf 30“ gebracht und die Wärme deſſelben hierauf durch Zu— 
ſatz von Eis erniedrigt. Bei dieſem Verfahren ließ die alsbald ein— 
getretene Gasentwicklung allmählig nach; ſie wirkte jedoch bei 
15° noch mit einer gewiſſen tee fort und war erſt 1 
+ 100 vollſtändig beendigt. 

Die Zerſetzung der Kohlenſäure durch die dem Sonnenlichte 
ausgeſetzten Waſſerpflanzen beginnt demnach in einem Mittel, deſſen 
Temperatur ſich von + 4° ſteigert, nicht unter 15° und ſcheint 
bei 30“ ihr Maximum zu erreichen. Dieſelbe Zerſetzung geht in 
einem Mittel, deſſen Temperatur von 30“ an abnimmt, noch bei 
14, 13, 12 und 11 Grad vor ſich und hört bei 10° auf. Daher 
kommt es auch: daß das Hauptpflanzenwachsthum in unſerm 
Klima erſt Mitte oder Ende des Frühjahrs ſeinen Anfang nimmt 
und um ſo raſcher voranſchreitet, je mehr ſich die Temperatur ſtei— 
gert und je länger das Sonnenlicht auf ſie einwirkt, je mehr alſo 
die Tage zunehmen. 

Wir ſehen aus dem Vorangegangenen, wie nothwendig eine 
geſteigerte Wärme dem Pflanzenwachsthum iſt; allein ohne Vor— 
handenſein anderer Factoren der Pflanzenentwicklung nutzt ſie 
nichts, namentlich muß ihr ſtets das Waſſer zur Seite ſtehen. 
Ohne dieſes vermag der große Wecker des Pflanzenwuchſes nichts. 
So z. B. tritt in Sudan, wo die beiden Hauptbedingungen für das 
Pflanzenleben vereinigt ſind, ein mit der üppigſten reichhaltigſten 


27 


Vegetation bedeckter Erdboden auf; nördlich von Sudan aber, wo 
die Wärme nicht weniger ſtark iſt, wo aber das Waſſer fehlt, iſt 
nur eine unfruchtbare Wüſte ſichtbar. Dort entwickelt ſich das 
Pflanzenleben in ſchwelgender Fülle in tauſendfachen Formen, 
während hier dem Auge nur lebloſe Körper, in * Sand⸗ 
körnchen, entgegentreten. 

Mit dem Ausdrucke Klima bezeichnen wir im angeweiwſt 
Sinne alle Veränderungen in der Atmoſphäre, die unſere Sinne 
merklich afficiren und die von der Temperatur, der Feuchtigkeit, 
dem ruhigen Luftzuſtande oder dem Winde, von der Größe der 
electriſchen Spannung, der Reinheit der Atmoſphäre, von der In— 
tenſität der Sonnenſtrahlen u. ſ. w. herrühren. Eine der Haupt— 
urſachen, welche die Temperatur jedes Klimas beſtimmen, ift die 
Wirkung der wärmenden Sonnenſtrahlen auf die feſte Erdmaſſe. 
Ueberall trägt die Erde die Wärme, welche ſie auf der Oberfläche 
durch die Sonnenſtrahlen empfängt, in ihr Inneres über, die über— 
flüſſige aber zerſtreut ſie auf der Oberfläche in den ſie umgebenden 
Raum. Dieſe Prozeſſe belegen wir mit dem Namen Wärmeleitung 
und Ausſtrahlung. 

Nach den Geſetzen der Wärmeleitung erfolgen die täglichen 
Wärmeeindrücke wellenförmig nach dem Innern der Erdmaſſe und 
werden, je nach der Tiefe, in die ſie dringen, matter. Dort wird 
dieſe Wärme aufgeſchichtet und bewegt ſich nach und nach von 
einem Punkte derſelben zum andern. Die am Aequator gelegenen 
Erdtheile werden ſtets von der Sonne mehr erwärmt, als andere 
und daher geht von hier eine beſtändige innere Wärmeleitung 
nach andern Theilen der Erdkugel vor ſich. Weil nun zugleich alle 
Theile der Oberfläche durch Ausſtrahlung Wärme von ſich geben, 
ſo entſteht daraus in den Polargegenden, wo die Sonne nur wenig 
Erſatz leiſtet, ein beſtändiger Wärmeverbrauch. Auf dieſe Weiſe 
geht von den Polen eine unausgeſetzte Zerſtreuung der Wärme in 
den umgebenden Raum vor ſich und der dadurch entſtehende Ver— 
luſt wird durch die Wärmeeinſtrömung am Aequator ſtets wieder 
erſetzt. 

Dieſe merkwürdige Circulation und ihre Schnelligkeit be— 
ſtimmt die Quantität der in der feſten Maſſe der Erde überhaupt 


28 


und in jedem einzelnen Theile derſelben befindlichen Wärme, oder, 
mit andern Worten, die jedem Punkte der Erdoberfläche eigene 
mittlere Temperatur. 

Ein ungemein günſtiges Reſultat der auf unſerer Erde be— 
ſtehenden Wärmegeſetze iſt: daß der Wärmezuſtand derſelben eine 
Gränze hat, welche nicht überſchritten wird. Daher werden die 
durch eine beſondere Urſache erzeugten Abweichungen vom mittleren 
Wärmezuſtande ſchnell wieder unterdrückt, und die Abweichungen 
der Jahreszeiten von ihrem gewöhnlichen Standpunkte bringen 
nur kleine vorübergehende Wirkungen hervor. Der Einfluß eines 
ſehr heißen Tages verſchwindet ſofort in der durchſchnittlichen inne— 
ren Wärme. Ebenſo gleicht ſich die Wirkung eines heißen Som— 
mers beim Durchgange ſeiner Wärme durch die Erde ſchnell aus. 

Dieſe Einrichtung iſt eine ungemein weiſe, denn erfolgte die 
Ausgleichung im Innern nicht ſofort, ſo trüge ſich die unnatürliche 
Hitze oder die unerträgliche Kälte des einen oder des andern 
Ortes nach und nach auf alle über. 

Hieraus ergiebt ſich: daß ſowohl die gegenwärtigen Ber: 
ſchiedenheiten des Klimas, als auch die Stabilität der Wärme an 
jedem einzelnen Punkte der Erde auf dem Maße, in welchem die 
Geſammt-Sonnenſtrahlen unter dem Aequator und an andern 
Stellen auffallen, und zugleich auf den Größen beruhen, welche das 
Maß der Leitung und Ausſtrahlung beſtimmen. Dieſe Geſetze ſind 
aber, wie bemerkt, ſo ausgezeichnet, daß ſie ſteigende oder zer— 
ſtörende Wärmeungleichheiten nirgends eintreten laſſen. Daher 
kommt es auch, daß das Klima ein und deſſelben Orts trotz des 
beſtändigen Wechſels von Regen, Wind u. ſ. w. dennoch im Ver: 
laufe vieler Jahre eine bewundernswerthe Beſtändigkeit beſitzt. 
Dieſe merkwürdige Einrichtung in Bezug auf das Klima iſt der 
Pflanzen- und Thierwelt auf das Genaueſte angepaßt, weshalb 
ſich mit den klimatiſchen Verhältniſſen auch völlig verſchiedene 
Pflanzenarten in verſchiedenen Ländern einfinden. Die Stetigkeit 
des Klimas an den nämlichen Orten iſt aber eine nothwendige 
Bedingung einer jeden daſelbſt einheimiſchen Pflanzen-Species, 
indem außerdem eine große Zahl derſelben zu n gehen 
würde. 


29 


Die Organiſation der Pflanzen ift daher der Wirkſamkeit der 
Elemente und unter dieſen der Wärme namentlich angepaßt. So 
finden wir z. B. unter dem Aequator die Gewürznelke, die Mus— 
katenuß, den Pfeffer auf den Gewürzinſeln. Zimmtſtauden ſind 
auf dem Boden von Ceylon verbreitet. Das wohlriechende San— 
delholz, der Ebenbaum, der Thekabaum, die Bananenfeige wachſen 
in Oſtindien. In denſelben Breiten des glücklichen Arabiens fin— 
den wir den Balſam, den Weihrauch, die Myrrhe, den Kaffeebaum 
und die Tamarinde. Dagegen fehlen in den Ebenen dieſer Gegen— 
den diejenigen Bäume und Stauden, welche in unſern nördlichen 
Klimaten verbreitet ſind. 

Gehen wir nordwärts, ſo verändert ſich die Begetabiliſche 
Scenerie mit jedem Schritte. In den Gehölzen weſtlich vom kas— 
piſchen Meere ſtellt ſich uns die Aprikoſe, Citrone, Pfirſche und die 
Wallnuß vor. In derſelben Breite in Spanien, Sicilien und 
Italien finden wir die Zwergpalme, die Cypreſſe, die Kaſtanie, 
den Korkbaum, Orangen und Limonenbäume erfüllen die Luft mit 
ihren Düften. Die Myrte und der Granatapfelbaum wachſen wild 
zwiſchen Felſen. Ueberſteigen wir die Alpen, ſo treffen wir im 
nördlichen Europa die Eiche, die Buche, die Ulme, weiter nörd— 
lich die Fichte, Weißtanne, Kiefer, Lärche. Auf den Orkneyinſeln 
giebt es nichts Baumartiges als die Haſel, welche man dann 
wieder an den nördlichen Küſten des baltiſchen Meeres trifft. 
Gehen wir weiter in kältere Gegenden vorwärts, ſo finden wir da— 
ſelbſt Pflanzenarten, die offenbar für dieſe Lagen gemacht ſind. 
Die graue Erle zeigt ſich nördlich von Stockholm; der weiße 
Ahorn und der Vogelbeerbaum begleiten uns bis zur Spitze des 
baltiſchen Meerbuſens und verlaſſen wir dieſen und gehen über das 
Davrefieldgebirge, fo paſſiren wir nach einander die Gränzlinien 
der Sproſſenfichte, der ſchottiſchen Fichte und jener kleinen Stau: 
den, welche die Botaniker als die Zwergbirke und die Bachweide 
bezeichnen. Hier in der Nähe, oder innerhalb des nördlichen Polar— 
kreiſes, finden wir noch wilde Blumen von großer Schönheit, den 
Kellerhals, die gelbe und weiße Waſſerlilie und die europäiſche 
Kugelblume. Und wo auch dieſe aufhören, da macht das Renn— 
thiermoos das Land noch für Thiere und Menſchen bewohnbar. 


30 


Höchſt weiſe ſind die Nahrungspflanzen auf unſerer Erde vertheilt. 
Korn, Wein und Oel haben ihr feſt begränztes Gebiet. Der 
Weizen erſtreckt ſich über das ganze alte Feſtland, von England 
bis Tibet; allein gegen Norden hört er bald auf und gedeiht im 
Weſten Schottlands nicht mehr. Auch in der heißen Zone befindet 
er ſich nicht beſſer, als in den Polargegenden. Innerhalb der 
Wendekreiſe wird kein Weizen, keine Gerſte und kein Hafer gebaut, 
ausgenommen in Lagen, welche beträchtlich über dem Meeres— 
ſpiegel erhaben ſind. Die Einwohner jener Länder haben andere 
Arten von Korn, oder überhaupt andere Nahrungsmittel. Der 
Weinbau gedeiht nur in Ländern, wo die mittlere jährliche Tem— 
peratur zwiſchen + 10 und 12 Grad beträgt. Auf beiden Halb— 
kugeln hört der vortheilhafte Anbau dieſer Pflanze 30 Grad von 
dem Aequator auf; außer in hohen Lagen, oder auf Inſeln z. B. 
Teneriffa. | 

Die Gränzen des Mais- und Oelbaues, in Frankreich, laufen 
mit denjenigen parallel, welche den Wein und das Getreide gegen 
Norden hin beſchränken, wo alſo die mittlere Jahrestemperatur 
unter 9° ſinkt. Im Norden Italiens, weſtlich von Mailand, treffen 
wir zunächſt den Reisbau, welcher ſich über ganz Südaſien aus— 
dehnt, er gedeiht da an allen Stellen, wo das Land gehörig mit 
Waſſer überführt werden kann. In einem großen en Afrikas 
iſt die Hirſe eine der Hauptgetreidearten. 


Electricität. 


Es ift hier nicht der Ort weitläufig über die Electricität zu 
verhandeln, ſondern wir führen nur an: daß viele Körper durch 
Reiben u. ſ. w. in einen Zuſtand verſetzt werden, in welchem ſie 
kleine Papierſtreifchen aus der Ferne anziehen und dann wieder 
abſtoßen, von Neuem anziehen und von Neuem abſtoßen, dem in 
die Nähe gebrachten Finger aber im Dunkeln einen ſichtbaren, 
ſtechenden Funken entlocken. Dieſer raſcher oder langſamer ver— 
laufende Zuſtand wird der electriſche und die Urſache deſſelben 
Electricität genannt. Bei manchem Körper iſt die Erzeugung leicht, 
bei andern ſchwer. Im Bezuge auf die Ausgleichung derſelben 
muß man ſich dieſelbe als zwei Gegenſätze, die mit negativ 
und poſitiv bezeichnet werden, denken. 

Wenn ſich eine Magnetnadel in ihrer natürlichen Lage gegen 
Nord und Süd befindet, ſo bewegen ſich electriſche Ströme auf der 
öſtlichen Seite derſelben herab, gehen unter ihr nach Weſt hin 
durch und ſteigen auf der weſtlichen Seite wieder in die Höhe. 
Da ſich nun die Geſammt-Erde als ein großer Magnet darſtellt, 
ſo finden ſich natürlich auch dieſe electriſchen von Oſt nach Weſt 
gehenden Strömungen auf ihr, deren Entſtehung man durch den 
Uebergang der Wärme in Electricität erklärt. Die Erſcheinungen 
wenigſtens ſprechen allgemein hierfür und laſſen hinwiederum die 
allgemeine Vertheilung der Electricität und des Magnetismus auf 
der Erde am leichteſten erklären. Während der täglichen Um— 
wälzung der Erde um ihre Axe von Weſten nach Oſten werden 
nämlich die einzelnen Theile ihrer Oberfläche in der entgegengeſetz— 
ten Richtung und zwar von Oſt nach Weſt den Sonnenſtrahlen 


32 


ausgeſetzt, wodurch die Oberfläche derſelben, beſonders zwiſchen 
den Wendekreiſen, allmählig in letzterer Richtung erwärmt und 
dann wieder abgekühlt wird; hierdurch nun bilden ſich, nach den 
Grundſätzen der Thermo-Electricität, electriſche Ströme in derſel— 
ben Richtung. Fließen nun dieſe Ströme einmal von Oſt nach 
Weſt, ſo müſſen ſie auch zu dem Magnetismus der Erde von Nord 
nach Süd Veranlaſſung geben, wie dies die Magnetnadel ſo über— 
raſchend nachweiſt und wie wir dies oben bei der Wellenver— 
breitung der Wärme kennen lernten. 

Die Electricität wirkt mächtig auf die Pflanzenwelt, nicht 
allein bezüglich der wäßrigen Niederſchläge oder der Bildung von 
Ammoniak und Salpeterſäure bei entſtehenden Gewittern, ſondern 
auch unmittelbar als die Kraft, welche den Saftumlauf und da- 
durch das Pflanzenwachsthum befördert. 

So ungemein günſtig die Electricität beim Vegetations⸗ 
prozeſſe auch wirkt, ſo ſahen wir bis jetzt die dabei eintretenden 
Erſcheinungen doch noch nicht klar genug und das ſie umgebende 
Dunkel bedarf erſt der Erleuchtung, wir beſchränken uns daher auf 
die Verſuche, welche Becquerel l anſtellte und die zu Wochſtehen⸗ 
den Schlüſſen führten: 

1) In den Stämmen der Gewächſe werden veimittelſt gal⸗ 
vanometriſcher Platinnadeln, von denen man die eine in die Rinde, 
die andre ins Holz ſticht, electriſche Ströme erzeugt, deren Rich— 
tung vom Zellgewebe nach dem Mark geht. Aehnliche Ströme 
werden in der Rinde erzeugt, welche im Gegentheile vom Nah— 
rungsſafte nach dem Zellgewebe gehen. 

2) Der Saft oder die Flüſſigkeit des Rindenzellgewebes, 
einige Augenblicke dem Zutritte der Luft ausgeſetzt, verändert ſich 
in der Art: daß wenn man ihn neuerdings mit dem Safte in Be— 
rührung bringt, der ſich im grünen Theile des Sellgemehes befin⸗ 
det, er in Bezug auf letzteren negativ wird. 

3) Durch Vermittlung der Wurzeln, des Marks und anderer 
Theile des Stengels werden erdichte Nebenſtröme erzeugt. 

4) Die Richtung der erdichten Ströme zeigt: daß beim Vege— 
tationsprozeſſe die Erde beſtändig einen Ueberſchuß poſitiver Elec— 
trieität, das Zellgewebe der Rinde und der Blätter aber einen 


33 


Ueberſchuß negativer Electricität erhält, welcher durch das ver- 
dunſtende Waſſer in die Luft übergeht. 

5) Die Vertheilung des aufſteigenden Saftes und des Saftes 
des Rindenzellgewebes macht es wahrſcheinlich: daß in den Pflan— 
zen beſtändig Ströme in der Richtung von der Rinde zum Mark 
ſich bewegen. 

6) Die chemiſchen Prozeſſe ſind, wie nicht zu bezweifeln, die 
erſten Urſachen der in den Pflanzen beobachteten electriſchen Wir— 
kungen, letztere ſind ſehr mannigfaltig und wurden erſt in einigen 
Fällen beobachtet. 

7) Die einander entgegengeſetzten electriſchen Zuſtände der 
Pflanzen und der Erde machen es wahrſcheinlich: daß ſie in Folge 
der Kraft der Vegetation auf dem Feſtlande und den Inſeln einen 
gewiſſen Einfluß auf die electriſchen Erſcheinungen der Atmoſphäre 
üben müſſen. 

Für letzteres finden wir einen Beleg in dem Stande und dem 
Zuge der Gewitter verſchiedener Gegenden. Da wo viele Waldun— 
gen vorhanden ſind, werden ſich gewiß viel mehr und auch groß— 
artigere Gewitter entladen, als in Gegenden, wo dieſelben fehlen. 

Die Ausgleichung der Electricität durch die Gewitter hat 
einen nicht zu verkennenden Einfluß auf die Vegetation, abgeſehen 
davon, daß durch die Bildung von Ammoniak und Salpeterſäure 
eine vermehrte Fruchtbarkeit hervorgerufen wird. Die Verbindung 
des Waſſerſtoffs mit dem Stickſtoffe der Luft iſt weder durch Druck 
noch durch Hitze zu bewirken, electriſche Schläge ermöglichen es 
aber. Je ſtärker nun die electriſchen Ausgleichungen ſind, deſto be— 
deutender iſt die Bildung von Ammoniak, vorausgeſetzt daß 
außerdem in der Atmoſphäre die Bedingungen für die Zerlegung 
und Wiedervereinigung der Gasarten gegeben ſind. Bei Gewittern 
haben wir aber faſt ſtets Regen oder doch vielen aufgelöſten 
Waſſerdunſt in der Atmoſphäre. Die ſtarken Blitze bei Gewittern 
zerlegen nun nicht allein die Luft, ſondern auch das Waſſer, wel— 
ches ſie vorfinden. Der Stickſtoff der Luft verbindet ſich dann 
einestheils mit dem freigewordenen Waſſerſtoff zu Ammoniak und 
mit Sauerſtoff des zerlegten Waſſers zu Salpeterſäure. 


Engelhardt, die Nahrung der Pflanzen. 3 


Sauerſtoff. 


Der Sauerſtoff iſt in freiem Zuſtande ein permanentes Gas 
und ſetzt als ſolches unſere atmoſphäriſche Luft mit zuſammen. 
Mit andern Grundſtoffen verbunden findet ſich derſelbe von allen 
Elementen am häufigſten verbreitet. Er iſt ein Beſtandtheil des 
Waſſers, faſt aller Erden und Gebirgsarten, welche die Erdrinde 
bilden und kommt mit wenigen Ausnahmen über die ganze Erde 
verbreitet vor. Das Sauerſtoffgas iſt farblos und beſitzt weder 
Geruch noch Geſchmack. Es iſt etwas ſchwerer als die atmoſphä— 
riſche Luft und konnte bis jetzt weder durch Kälte noch durch Druck 
in eine Flüßigkeit verwandelt werden. Das Sauerſtoffgas kann 
eingeathmet werden und wird bei dem gewöhnlichen Athmungs— 
prozeße fortwährend von den Lungen aus der Luft aufgenommen 
und dadurch der Lebensprozeß erhalten. Wie ohne das Vorhanden— 
ſein von Sauerſtoff kein Thier zu leben vermag, ſo wäre ohne das— 
ſelbe auch kein Pflanzengedeihen möglich. Schon das Saamenkorn 
kann bei Mangel an Sauerſtoff kein Keimchen entwickeln und ſo 
nöthig deſſen Vergrabung in die Erde iſt, damit es in der erſten 
Periode ſeines Lebens vor dem ihm nachtheiligen Sonnenlichte 
geſchützt wird, ſo darf dieſe jedoch nicht in zu große Tiefe ge— 
ſchehen, weil ſonſt der belebende Sauerſtoff nicht in dem Maaße zu 
ihm zu treten vermag, als es die Entwicklung des Keimchens ver— 
langt. Aber nicht bei der Keimung allein wirkt der Sauerſtoff ſo 
günſtig; er iſt auch für die Geſammtpflanzenorganiſation vollkom— 
men unentbehrlich. 

Unſere Atmoſphäre iſt aus + Stickſtoff und + Sauerſtoff ge— 
mengt, wozu etwa noch 25 Theil Kohlenſäure und etwas Am— 


35 


moniak kommen. Seitdem man den Sauerftoff durch Prieſtley 
hatte kennen und ſeine Wichtigkeit beim Athmungsprozeſſe verſtehen 
lernen, glaubte man die Güte der Luft nach ihrem Gehalte an 
Sauerſtoff beurtheilen zu müſſen, und ohne alle Frage iſt der 
Sauerſtoff eins der wichtigſten, aber wohl auch das mächtigſte 
Element auf der Erde, denn es bringt nicht allein das Leben, es 
zerſtört es auch wieder. Ueberall iſt er zu finden. Gleichwie er in 
gasförmiger Geſtalt mit dem Stickſtoffe unſere Luft zuſammenſetzt, 
ſo findet er ſich in Verbindung mit Waſſerſtoff zu einer tropfbaren 
Flüſſigkeit in unſerm Waſſer vereinigt. In ſämmtlichen Pflanzen 
und Thieren und faſt in ſämmtlichen Mineralien hat er ſeinen 
Wohnſitz aufgeſchlagen. In Tauſend und aber Tauſend Geſtalten 
verbreitet er ſich durch die Geſammt-Natur, hier zerſtörend, dort 
belebend. Ueberall bildet, formt und ſchafft er, um gleich daneben 
Geſchaffenes wieder zu zerſtören. Allen Körpern mit denen er in 
Berührung kommt verbindet er ſich, um ſie zu verändern. Dieſe 
Veränderungen belegen wir im gewöhnlichen Leben mit dem Namen 
Vergänglichkeit oder Zahn der Zeit. 

Alle Geſchöpfe, alle Pflanzen enthalten ihn und obſchon er 
die Bedingung ihres Lebens iſt, ſo ſinnt er dennoch ſtets auf die 
Zerſtörung deſſelben, er fällt dabei aber nicht, wie der Stickſtoff, 
die Kohlenſäure, der Waſſerſtoff mit der Thüre ins Haus; er geht 
ſubtil und äußerſt bedächtig zu Werke, er reicht den Todesbecher 
nur tropfenweiſe und reißt er hier das Leben nieder, ſo baut er 
gleich daneben wieder neues auf. Haben wir unſere Freude an 
einem metallenen Kunſtwerke, ſiehe ſo iſt er gleich zur Hand, niſtet 
ſich in daſſelbe ein und verändert es vom Grund aus. Die Haus— 
frau ſetzt Abends ihre beſte Milch zum Frühſtück bereit, morgens 
findet ſie dieſelbe ſauer: — der neckiſche Sauerſtoff hat ihr dieſen 
Streich geſpielt. Der Landwirth legt ſich für die heißen Sommer— 
tage einen kühlenden Trank in den friſchen Keller, zur Vorſorge 
verſpündet er das Faß ſorgfältig und dennoch dringt der böſe Feind 
in daſſelbe ein und verwandelt den Labetrunk in Eſſig. 

Seine guten, ungemein wohlthätigen, fo wie feine hinter— 
liſtigen böſen Thaten kann der Sauerſtoff aber nicht allein für ſich 

vollführen, er bedarf * einer Gehülfin und dies iſt die 
L 3 * 


36 


Wärme; ohne fie ift er machtlos. Daher kann man einen Körper 
in der Kälte nach allen Richtungen hin mit Luft umgeben, er wird 
ſich eben ſo gut halten und nicht zerſtört werden, als wenn von 
demſelben die Luft vollkommen ausgeſchloſſen wird! Um daher im 
heißen Sommer Speiſen und Getränke vor dem Verderben zu 
ſchützen, hat man zwei Wege, nämlich die Herſtellung kalter 
Räume, oder den Abſchluß von Luft. Der Koch in der Hofküche, 
der Koch in einem großen Gaſthofe legt ſein Fleiſch, ſeine Butter 
u. ſ. w. in einen mit Eis gefüllten Raum — eine Eisgrube — er 
verſchließt ſeine zarten Gemüſe in einer verlötheten Blechkapſel, 
deren Inhalt zugleich mit ihr aufgekocht wird, um dieſelben nach 
Verlauf von Jahren mitten im Winter auf die Tafeln zu bringen. 
Niemand wird ſie von friſchen unterſcheiden können. Der Bier— 
brauer bedient ſich des Eiſes in ſeinem Sommerbierkeller, um ſei— 
nen Gerſtenſaft nicht ſauer werden zu laſſen. Der Fleiſcher hängt 
ſein friſch geſchlachtetes Fleiſch, ſeine eben erſt gekochten Würſte 
mitten im Sommer in die Sonne und in ſtarken Luftzug, damit 
das ausſchwitzende Eiweis, der Leim ſchnell eine Kruſte über die 
Oberfläche ziehe, die dem verderbenbringenden Sauerſtoffe den 
Zutritt verwehre; für gleichen Zweck hängt er beide in den Rauch. 
Der Wundarzt belegt die Wunde ſeines Patienten mit einem 
Pflaſter, nicht daß dieſes dieſelbe heile, ſondern daß der Sauer— 
ſtoff nicht zutreten und Zerſetzungen (Eiterungen) einleiten möge. 
Deshalb heilt eine Schnittwunde ſo ſchnell, wenn man ſie unmit— 
telbar nach deren Entſtehen ganz feſt zuhält. 

Die Abhaltung des Sauerſtoffs von koloſſalen Elephanten der 
Vorwelt, die im Eiſe ander Lena in Sibirien eingefroren waren, 
ließ dieſe Tauſende von Jahr-Tauſenden ſo unverändert, daß 
Hunde ihr Fleiſch noch fraßen, als ſie aus dem Eiſe ausgeſcharrt 
wurden. Dieſe Unveränderlichkeit des thieriſchen Körpers hatte 
lediglich und allein ihren Grund darinnen: daß der Mangel an 
Wärme den Sauerſtoff verhinderte, ſich mit dem Waſſerſtoff, Koh— 
lenſtoff, Stickſtoff der Haut und des Fleiſches zu verbinden. 

Dieſemnach kann ſich der Sauerſtoff nur unter Beihülfe der 
Wärme mit andern Körpern verbinden und aus dieſem Grunde iſt 
fein Bildungs- und Zerſtörungs-Trieb im Sommer auch am größten. 


37 


Bei allen Verbindungen des Sauerftoffs findet Wärmeentwick⸗ 
lung ſtatt, die ſtets wieder neue Sauerſtoffverbindungen hervor⸗ 
ruft. Kein Verbindungs⸗Product des Sauerſtoffs kann aber fo viel 
Wärme aufnehmen, als der Körper vor der Verbrennung beſaß. 
Bei jedem ſolchen Prozeſſe wird daher Wärme frei; je mehr aber 
Wärme entwickelt wird, eine deſto größere Quantität des Körpers 
verbindet ſich mit dem Sauerſtoffe. Der Sauerſtoff aber iſt ein 
Gas. Wenn nun der ſich mit ihm verbindende Körper auch ein 
Gas iſt, dann geſchieht wegen der ungemein vielen Berührungs— 
punkte die Vereinigung plötzlich und die Wärme wird dabei ſo be— 
deutend, daß ſie als Licht hervortritt. Einen ſolchen Prozeß nennt 
man Verbrennung und das ſich dabei entwickelnde Licht Feuer. 


Jede Verbindung eines Körpers mit Sauerſtoff iſt daher eine 
Verbrennung, denn allemal entſteht dabei Wärme, die den Keim 
des Feuers in ſich trägt; eine ſolche Wärmeentbindung wird daher 
auch langſames Verbrennen genannt. Die Verbindung des Eiſens 
mit dem Sauerſtoffe iſt aus dieſem Grunde ebenſogut ein Verbren— 
nungs⸗Prozeß, als das Athmen, wobei der Sauerſtoff der Luft in 
die Lungen geführt wird, um den überflüſſigen Kohlenſtoff im 
Blute zu verbrennen. Sauerſtoff iſt daher dasjenige Element, was 
alles Lebende durch den Verbrennungs-Prozeß wieder zu dem zu— 
rückführt, von wo es ausging, welcher alſo die Pflanzen und 
Thierleiber zu der Erde zurückführt, aus der ſie entſtanden. 


Beim Schüren eines Feuers muß vor Allem ſo viel Wärme 
erregt werden, um etwas luftförmigen Brennſtoff zu bilden. Hier— 
zu ſucht man leicht Feuer fangende Materialien z. B. Schwamm 
aus, der vermittelſt ſtarker Reibung von Stahl und Stein ſich 
durch einen Stahlfunken entzünden läßt. Auch Phosphor entzün— 
det ſich durch Reibung leicht; der Schwefel aber iſt ein wohlfeiles 
und leicht in Gasgeſtalt zu bringendes Element, welches von jeher 
und jetzt noch ſo häufig am Zündhölzchen zur Herſtellung von 
Feuer benutzt wird. Bei ſeinem Verbrennen erhält man bereits 
eine geſteigerte Hitze, bei welcher ſich dann Stroh, klares trocknes 
Holz u. ſ. w. leicht entzünden läßt. Auf dieſe Weiſe kann das 
Feuer einen mächtigen Umfang erhalten, man darf nur dafür ſor— 


38 


gen, daß ſtets Materialien zugeführt werden, die ſich bei Anweſen— 
heit von Sauerſtoff in Gaſe umwandeln. 

Zur Unterhaltung eines Feuers iſt daher Sauerſtoff, Brenn— 
ſtoff und Wärme nothwendig; daſſelbe wird um ſo lebhafter bren— 
nen, je leichter ſich die Brennſtoffe in Gasform überführen laſſen. 
Bedeckt man daher ein Feuer und ſchneidet dadurch den Zutritt der 
Luft ab, ſo verlöſcht es. Ebenſo geht daſſelbe aus, wenn naſſes 
Holz zur Fortſchürung benutzt und die Gluth noch nicht groß genug 
iſt, um letzteres ſogleich dabei zu trocknen. Dieſes Verlöſchen rührt 
daher, daß durch die Verdunſtung des Waſſers im naſſen Holze 
eine zu große Menge von Wärme gebunden wird, die zum Bren— 
nen nothwendige hierdurch alſo abſorbirt wird. Ein ſchwaches 
Feuer auf einer kalten Steinplatte verlöſcht ebenfalls bald, weil 
ihm von dieſer die Wärme entzogen wird. 

Während des Brennens muß jeder feſte Körper in Gas um— 
gewandelt werden, wenn Verbrennung erfolgen und ſich fortſetzen 
ſoll. Um daher Licht und Wärmematerial zum leichten Weiter— 
transporte zu erhalten, verbrennt man Feuerungsmaterial in ver— 
ſchloßenem Raume und fängt die Gaſe, in welche jenes zerlegt 
wird, auf. Dieſelben laſſen ſich dann ſowohl zur Beleuchtung, als 
zur Beheizung in Kochapparaten benutzen und werden Leuchtgaſe 
genannt. In der Technik find Kohlenſtoff und Waſſerſtoff die kräf— 
tigſten Brennmaterialien und finden ſich dieſelben ſowohl im Holze, 
als in den Steinkohlen vereinigt; beide in gehöriger Miſchung 
geben bei der Verbrennung mit Sauerſtoff ein ſchönes Licht, wie 
im Leuchtgaſe, im Fett, im Oele, in der Butter u. ſ. w., während 
der Waſſerſtoff für ſich nur ein bläuliches mattes Licht ausgiebt. 
Da nun der Waſſerſtoff im Waſſer einen Hauptbeſtandtheil aus— 
macht, der Sauerſtoff aber die Verbrennung jenes, mit welchem er 
in Waſſer vereinigt iſt, ſo ungemein begünſtigt, ſo iſt es ſcheinbar 
ein Widerſpruch: daß man das Feuer mit Waſſer löſcht; allein hier 
waltet ein anderes Geſetz vor. Jeder Körper, der aus dem feſten 
in den flüſſigen, der aus dem flüſſigen in einen tropfbaren Zuſtand 
übergeht, bindet eine große Menge von Wärme, um ſie bei dem 
Aufgeben dieſes Zuſtandes wieder abzugeben. Gießt man nun 
Waſſer ins Feuer, ſo verwandelt ſich daſſelbe in Dampf und das 


39 


Feuer erlöſcht durch allzugroße Abgabe von Wärme an den 
Dampf. 

Waſſer leiſtet jedoch zum Verlöſchen von Feuer nur ſo lange 
gute Dienſte, als letzteres noch nicht einen zu großen Umfang und 
eine zu große Intenſität (vielleicht Weißgluth) erlangt hat. Iſt 
letzteres der Fall, dann wird das Waſſer zerſetzt und ſeine Anwen— 
dung iſt dann ſchlimmer, als wenn man Oel in die Flamme göſſe. 
Bei ſehr großen und lange anhaltenden Bränden haben wir zu— 
weilen die Erſcheinung: daß mit Waſſer beim Löſchen nichts mehr 
auszurichten iſt. 

Durch das hier Angegebene bekommen wir übrigens Finger— 
zeige über die einſtige Verwendung des Waſſers als Heizmaterial. 
Wenn bei dem großen in der Erde noch niedergelegten Steinkohlen— 
reichthum, welcher als Gradmeſſer der Billigkeit unſerer Brenn— 
materialien zu betrachten iſt, im Augenblicke auch noch nicht an die 
Zerlegung des Waſſers und die Benutzung der Wärme deſſen Waſſer— 
ſtoffs zu denken iſt, ſo liegt für das Menſchengeſchlecht der Zeitraum 
doch nicht allzufern, wo derſelbe als Brennmaterial in Haushal— 
tungen, in den Gewerben und der Induſtrie benutzt werden wird. 

Weiter oben beim Lichte hatten wir zu ſehen Gelegenheit: 
daß daſſelbe die Kohlenſäure in den grünen Pflanzentheilen, 
namentlich den Blättern zerlege, die alsdann den Sauerſtoff, jedoch 
nur bei Anweſenheit von Lichtſtrahlen ausſcheiden. Allein nicht 
ſämmtlicher Sauerſtoff tritt ſogleich nach Außen, ſondern er ſam⸗ 
melt ſich in den Intercellulargängen an und entweicht von da aus 
zum Theil durch die Seitenporen. Der Lauf dieſes Sauerſtoff— 
ſtromes im Innern der Pflanze iſt ein ſehr bemerkenswerther, er 
geht nämlich beſtändig von den Blättern nach den Wurzeln und 
läßt ſich dies leicht durch einen Verſuch nachweiſen. Wenn man 
den mittleren Theil eines Stengels von Potamogeton in kohlen— 
ſäurehaltigem Waſſer horizontal der Sonne ausſetzt, ſo fieht man 
nach einigen Augenblicken aus dem Wurzelabſchnitte des Stengels 
Gasblaſen ſich entwickeln, während dieſe am andern Ende unbe— 
deutend und in gewiſſen Fällen gar nicht zu bemerken ſind. Dieſer 
Verſuch giebt, man mag dem Stengel irgend welche Lage geben, 
unverändert ſtets daſſelbe Reſultat. 


40 


Es läßt ſich demnach nicht bezweifeln: daß ein Sauerftoff- 
ſtrom von der Spitze des Stengels nach den Wurzeln hinſtrömt. 
Dieſe genau feſtgeſtellte Erſcheinung muß jedenfalls einen beſon— 
dern Zweck haben und wir wiſſen ja aus der Pflanzenchemie: daß 
nicht alles was die Pflanzenzelle von Außen zugeführt bekommt, 
ſie in ihr eigenes Gewebe umzuwandeln vermag; es bleibt noch 
ein Ueberſchuß von Stoffen zurück, den ſie nicht unterzubringen 
weiß, der daher wieder entfernt werden muß, damit er den Funk— 
tionen des Lebens nicht ſtörend in den Weg tritt. Zu dieſem Zwecke 
bedient ſich die Pflanzenzelle eines durchgreifenden Mittels: was 
ihr nicht anſteht, was ſie zu ihrem Lebensprozeſſe nicht gebrauchen 
kann, das verbrennt ſie d. h. ſie nimmt von dem überſchüſſigen in 
ihr circulirenden Sauerſtoff und verändert die Körper in der Weiſe, 
daß ſie ſie in Kohlenſäure und Waſſerdampf, die unſichtbar ent— 
weichen, umwandelt, während nur die unverbrennbaren Beſtand— 
theile, die Erden und Salze zurückbleiben, die wir in der Aſche 
wiederfinden. 

Um dieſe überſchüſſigen und deshalb ſchädlichen Subſtanzen 
zu verbrennen, muß die Pflanzenzelle aus der Luft Sauerſtoff in 
ſich aufnehmen, ſie kann daher auch nur in einer Atmoſphäre ge— 
deihen, welche Sauerſtoff enthält, die atmoſphäriſche Luft muß ſie 
daher von allen Seiten umgeben. Stellt man ſie in einen Raum, 
gefüllt mit Stickſtoff oder Waſſerſtoff, ſo iſt die Zelle nicht mehr 
im Stande, ihre abgenutzten und unbrauchbaren Stoffe zu ent— 
fernen, es wird dadurch der Lebensprozeß ins Stocken kommen und 
die Zelle und zuletzt die ganze Pflanze erſticken. Es findet hier alſo 
ein ähnlicher Athmungsprozeß wie bei Menſchen und Thieren ſtatt. 
Selbſt die ungemein einfachen und mikroſkopiſch kleinen Pflanzen: 
zellen, die Bacillaren u. ſ. w. müſſen Sauerſtoff aus dem Waſſer 
aufnehmen. Sie ſterben ab, wenn man den Zutritt der atmoſphä— 
riſchen Luft zu ihnen verhindert. Sie ſind ſelbſt ſo empfindlich, 
daß, wenn man ein Glas, in welchem man ſie nach Hauſe mien 
feſt verkorkt, ſie auf dem Wege abſterben. 

Die Aufnahme von Sauerſtoff, um die überflüſſigen Stoffe 
in den Pflanzenzellen zu verbrennen, ſo wie das hiervon abhängige 
Ausathmen von Kohlenſäure, welche das Verbrennungsproduct 


4 


dieſer Stoffe ift, bezeichnet man als Reſpiration der Pflanzenzelle. 
Sie iſt ihrem Weſen nach ganz mit dem Athmungsprozeſſe der 
Thiere übereinſtimmend und äußert ſich in allen Pflanzenzellen. 
Daher findet zwiſchen der Atmoſphäre und den Pflanzenzellen eine 
ununterbrochene Wirkung ſtatt, die jedoch in ganz verſchiedener 
Weiſe vor ſich geht, je nachdem das Sonnenlicht auf jene einwirkt 
oder nicht. Im Sonnenſchein nehmen die grünen Zellen Kohlen— 
ſäure auf und hauchen Sauerſtoff aus, bei trübem Wetter dagegen 
entziehen ſie der Atmoſphäre Sauerſtoff und athmen Kohlenſäure 
aus. Bei Sonnenſchein verbeſſern daher die Pflanzen die Luft auf 
doppelte Weiſe, indem ſie die gefährliche Kohlenſäure aus der— 
ſelben entfernen und indem ſie ihren Gehalt an Sauerſtoff ver— 
mehren. Des Nachts verderben die Pflanzen die Luft, da ihr Ath— 
mungsprozeß gerade in umgekehrter Weiſe von ſtatten geht; des— 
halb iſt am Tage der Aufenthalt im Walde bei weitem geſünder, 
als des Nachts. 

Bis zu einer gewiſſen Gränze läßt ſich die Lebendigkeit des 
Wachsthums der Pflanzen meſſen durch die Sauerſtoffmenge, 
welche ſich bei der Vegetation entwickelt. Bei den Waſſerpflanzen 
aber hört die Ausſcheidung des Sauerſtoffs, die Zerſetzung der 
Kohlenſäure in den grünen Theilen auf, wenn die Salze fehlen, 
die in den natürlichen Gewäſſern enthalten ſind. 

Wie ungemein vorſorglich der Schöpfer des Weltalls mit dem 
Begründer und Zerſtörer alles Lebendigen zu Werke ging, wie alſo 
das thieriſche und pflanzliche Leben auf der Erde der Zahl nach 
noch wachſen kann, dies ſehen wir an der außerordentlichen Maſſe 
von Sauerſtoff, die lediglich und allein nur mit dem Stickſtoffe 
unſerer Luft gemengt iſt, um die Atmoſphäre zu bilden. Letztere 
enthält circa 2,551,586 Billionen Pfund Sauerſtoff, der jährliche 
Verbrauch deſſelben durch das Athmen aller Menſchen und Thiere 
und durch ſämmtliche Verbrennungs-Prozeſſe beträgt 27 Billionen 
Pfund, oder noch nicht den Zehntauſendſten Theil der Geſammt— 
maſſe. Bedenken wir nun, daß der Sauerſtoff ſtets durch die Zer— 
legung der Kohlenſäure mittelſt der Sonnenſtrahlen in den grünen 
Theilen der Pflanzen wieder hergeſtellt wird, ſo iſt für die Unend— 
lichkeit genug dieſes Elements auf unſerer Erde vorhanden. 


Waſſerſtoff, fo wie deſſen Verbindung 
mit Sauerſtoff zu Waſſer. 


Der Waſſerſtoff iſt eine Gasart, welche in reinem Zuſtande 
vollkommen farb- geruch- und geſchmacklos iſt. Vom Sauerſtoff 
und Stickſtoffe unterſcheidet ſich derſelbe durch ſeine Leichtigkeit 
und Entzündlichkeit, denn er verbrennt an der Luft, wenn er an— 
gezündet wird. 

Der Waſſerſtoff läßt ſich leicht und ſchnell darſtellen, wenn 
man Zinkblech oder Eiſenfeilſpäne in eine Flaſche ſchüttet und dar— 
über Schwefelſäure, die mit dem Doppelten ihres Gewichtes 
Waſſer verdünnt iſt, gießt. So bald eine ausreichende Menge des 
Gaſes ſich entwickelt hat, um die gewöhnliche Luft vollkommen 
aus dem Gefäße entfernt zu haben, verſchließt man die Oeffnung 
des letzteren mit einem genau paſſenden Korke, durch welchen man 
ein Stück eines irdenen Pfeifenrohres, oder eines Leuchtgas— 
brenners geſteckt hat; der ſich durch die feine Oeffnung entwickelnde 
Waſſerſtoffſttom kann dann mit einem brennenden Spane ent: 
zündet werden und brennt alsdann mit ſehr bleicher, kaum ſicht— 
barer Flamme. Hält man über dieſelbe ein vollkommen trocknes 
und kaltes großes Glas, ſo wird ſich alsbald die innere Seite des— 
ſelben mit einem feinen Thau befchlagen, welcher nach und nach 
in kleine ſichtbare Kügelchen zuſammenrinnt und endlich in der 
Geſtalt von reinen Waſſertropfen niederfällt. Dieſes Waſſer bildet 
ſich durch die Verbrennung des aus der Flaſche tretenden Waſſer— 
ſtoffs im Sauerſtoffe der Luft, denn während des Verbrennens 
verbindet ſich letzterer mit dem Waſſerſtoffe und bildet auf dieſe 
Weiſe wieder Waſſer. Bei der Darſtellung des Waſſerſtoffs und 
bei der Entzündung deſſelben iſt große Vorſicht nothwendig, denn 


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bleibt im Entwickelungsglaſe etwas Sauerſtoff zurück, dann ent: 
fteht Knallgas, welches beim Entzünden des Waſſerſtoffs die 
Flaſche unter furchtbarem Knalle zerſchmettert. Der Vorſicht wegen 
umgiebt man dieſelbe mit einem Tuche, fo daß nur die Pfeifen⸗ 
rohrſpitze frei hervorragt. 

Die außerordentliche Leichtigkeit des Waſſerſtoffs läßt ſich 
ſchön nachweiſen, wenn man das brennende Waſſerſtoffgas aus— 
löſcht und es dann in einen kleinen Luftballon von Fiſchblaſe oder 
Goldſchlägerhäutchen ſtrömen läßt, den man an die Gasröhre be— 
feſtigt. So bald dieſer kleine Ballon mit Gas gefüllt iſt, wird er 
raſch emporſteigen und dadurch nicht allein bewieſen: daß Waſſer— 
ſtoff nicht allein leichter iſt, als die atmoſphäriſche Luft, ſondern 
auch ſo viel leichter, daß er noch ſchwerere Körper mit in die Luft 
tragen kann. Auf der Leichtigkeit dieſes Gaſes beruht die Möglich— 
keit, die Luft mit dem Luftballon zu befahren, von welcher eine 
Nutzen bringende Ausführung nicht ausbleiben kann. 

Außer dem Waſſer findet ſich der Waſſerſtoff noch in vielen 
andern Körpern z. B. in allen Vegetabilien, in der Stein-, Braun⸗ 
kohle und dem Torfe, im Oel, im Fette, im Leuchtgaſe, kurzum in 
faſt allem Brennbaren. Ueberall, wo er in der Luft verbrennt, bil— 
det ſich durch ſeine Vereinigung mit Sauerſtoff Waſſer, weshalb 
in allen Fällen, wo eine Verbrennung vor ſich geht, Waſſer erzeugt 
wird, das ſich in der Regel in Geſtalt unſichtbarer Dämpfe in der 
Luft emporhebt. Der Waſſerſtoff befindet ſich im Gewichtsverhält— 
niſſe von 11, 11 zu 88, 88 Sauerſtoff im Waſſer. Zwiſchen Luft 
und Waſſer herrſcht der bedeutende chemiſche Unterſchied: daß in 
der erſtern die Beſtandtheile nur mit einander gemiſcht, während 
ſie in dem letztern chemiſch verbunden ſind; wenn daher Sauerſtoff 
und Stickſtoff mit einander zu gewöhnlicher Luft vereinigt werden, 
ſo behält jedes von beiden ſeine gasförmige Geſtalt und nicht eine 
einzige ſeiner Eigenſchaften wird aufgehoben, allein ſo bald Sauer— 
ſtoff und Waſſerſtoff ſich mit einander verbinden, ſo verlieren bei 
dieſer Verbindung beide ihre urſprüngliche gasartige Form und 
ihre ſämmtlichen unterſcheidenden Merkmale, und zwar nicht allein 
die phyſikaliſchen, ſondern auch die chemiſchen. Das Waſſer iſt 
nicht mehr leicht, wie der Waſſerſtoff und auch nicht mehr brenn— 


44 


bar. Ebenſowenig vermögen aber auch Körper mehr in ihm zu ver: 
brennen, wie dieſes im Sauerſtoffe ſo raſch und unter Ausſtrah— 
lung eines ſo glänzenden Lichtes geſchieht. Der Waſſerſtoff, wel— 
cher ſo leicht brennt und eine ſo ungemein große Menge von 
Wärme in ſich aufgenommen hat, wird, wie wir bereits beim 
Sauerſtoff angaben, im Verlaufe der Zeiten eine wichtige Rolle im 
Verbrennungsprozeſſe ſpielen und der Menſch wird ſich deſſelben 
nicht allein zur Darſtellung gewöhnlicher Zimmerbeheizungen, ſon— 
dern auch zur Hervorbringung ſehr hoher Hitzgrade bedienen. 

Wenn ſich Körper chemiſch mit einander verbinden, ſo bilden 
dieſelben ſtets einen neuen, deſſen Eigenſchaften von denjenigen 
Stoffen, aus welchen ſie hervorgingen, ungemein verſchieden ſind. 
Sauerſtoff und Waſſerſtoff geben hierfür ein überraſchendes Bei— 
ſpiel. Wie muß es uns überraſchen, zu ſehen: daß der ſo leicht 
und raſch verbrennende Waſſerſtoff ein Hauptbeſtandtheil des 
Waſſers iſt, welches wir zum Auslöſchen der Flamme benutzen, 
für welchen Zweck wir gar kein beſſeres Mittel kennen, und daß zu— 
gleich der Sauerſtoff, der für das Beſtehen der thieriſchen und 
pflanzlichen Organismen unentbehrlich iſt, Acht Neuntel jener 
Flüſſigkeit bildet, in welcher nur wenige Landthiere länger als 3 
bis 4 Secunden und die Landpflanzen ebenfalls nicht lange leben 
können. Als Gas hat der Waſſerſtoff alle mechaniſchen Eigen— 
ſchaften unſerer gewöhnlichen Luft und wie wir ſahen, entzündet 
er ſich in dieſem Zuſtande leicht. Wird er mit Sauerſtoff gemiſcht 
und dieſe Miſchung der Wärme ausgeſetzt, ſo verbinden ſich die 
beiden Gaſe plötzlich unter einer heftigen Exploſton. In der Natur 
kommt er nur ſelten getrennt, ſondern immer in Verbindungen 
vor. In Steinkohlenbergwerken, wo er zuweilen im freien Zu— 
ſtande aus der aufgehauenen Kohle austritt, richtet er, wenn er 
ſich mit Sauerſtoff miſcht und leichtſinniger Weiſe entzündet wird, 
die ſchrecklichſten Werwüſtungen unter der anfahrenden Mannſchaft 
an, indem er dieſelbe bei ſeinen furchtbaren Exploſionen entweder 
verbrennt, verſchüttet oder erſtickt und oft den Sauerſtoff einer 
ganzen Grube zu Waſſer verbrennt. 

Der Waſſerſtoff iſt in Bezug auf die Pflanzenbildung ebenſo 
wichtig, als der Sauerſtoff, indem er, wie der letztere, einer der 


45 


Grundſtoffe iſt, aus denen ſie zuſammengeſetzt ſind. Er macht ſei— 
nen Kreislauf aus der unorganiſchen Natur durch die Pflanzen hin— 
durch an der Seite des Sauerſtoffs, welcher in dieſelben eindrin— 
gend ſeinen Verbrennungsprozeß nicht allein auf den Kohlenſtoff, 
fondern auch auf den Waſſerſtoff ausdehnt und dann als Kohlen— 
ſäure und Waſſerdampf wieder aus ihnen ausſtrömt. Das tropf— 
barflüſſige, den Boden erquickende Waſſer, ſo wie der Waſſer— 
dampf der Atmoſphäre iſt es, welcher der Pflanze den Waſſerſtoff 
darreicht. Die meiſten Pflanzentheile, Holz, Stärke, Gummi, 
Zucker, enthalten Waſſerſtoff und Sauerſtoff in demſelben Verhält— 
niſſe, als ſich beide im Waſſer vorfinden. Bei ihrer Bildung wird 
daher aus den dargereichten Nahrungsmitteln, Kohlenſäure und 
Waſſer, Alles, mit Ausnahme des entweichenden Sauerſtoffs der 
Kohlenſäure, verarbeitet und umgewandelt. 

Es ſei mir vergönnt, noch einen Augenblick bei denen bis 
jetzt beſprochenen Kräften und Elementen Licht, Wärme, Electrici— 
tät, Sauerſtoff, Waſſerſtoff zu verweilen. Es umſchlingt dieſelben 
ein inniges Band der Brüderlichkeit, keines kann ohne das andere 
beſtehen, denn ſtets greift eins in die Wirkungen des andern. 
Ohne Sonnenlicht hätten wir keine Wärme, ohne Wärme könnte 
der Sauerſtoff keine Verbindungen eingehen; ohne Sauerſtoff be— 
ſtände kein Waſſer, keine Luft, ohne Luft und Waſſer wäre kein 
Leben vorhanden. 

An allen Orten und Enden ſucht der Sauerſtoff den Körpern 
das eingeſogene Licht, die eingeſogene Wärme abzujagen; in raſt— 
loſer Unruhe ſtrebt er ſich mit ihnen zu verbinden, um jene ſo 
wohlthuende Kräfte dem Menſchen dienſtbar zu machen; ſtets iſt 
er bereit, Erſatz zu leiſten, wenn die Sonne vermöge ihrer Stellung 
entweder kein, oder doch nicht hinlängliches Licht mit Wärme zu 
ſpenden vermag. Er iſt es daher, der unſer Feuer auf der Erdober— 
fläche hervorruft und unterhält, er iſt es, der die Temperatur ſo 
zu ſteigern vermag, daß die ſchmelzenden Erze wie Waſſer zerrin— 
nen, er iſt es, mit deſſen Hülfe ſie in Metall umgewandelt werden. 
Um ſie dem Menſchen nutzbar zu machen, ſchont er ſich ſelbſt nicht, 
nimmt Kohle und Waſſerſtoff zur Hand und treibt ſich aus den 
Dryden heraus. 


Waſſer und Waſſerdunſt. 


Das Waſſer, aus 88, Sauerſtoff und 11,1 Waſſerſtoff be: 
ſtehend, iſt in drei verſchiedenen Zuſtänden, nämlich als Eis, als 
tropfbare Flüſſigkeit in dem Meere, den Landſeeen, den Strömen, 
Flüſſen, Bächen, Quellen und den Wolken, und als Dunſt 
(Waſſerdampf) in der Atmoſphäre, über die ganze Erde verbreitet. 
Nur als tropfbare und dunſtförmige Flüſſigkeit wirkt es günſtig 
auf die Pflanzenwelt, als Eis ſtört es dieſelbe. 

Je nachdem es erdige oder ſalzige Körper aufgelöſt enthält, 
iſt es mehr oder weniger rein. Am meiſten fremdartige Beimeng— 
ungen enthält das Meerwaſſer und die Mineralquellen, reiner 
ſind die Flußwaſſer, am reinſten das Schnee- und Regenwaſſer, 
welch letzteres, wenn es ſogleich nach dem Herabfallen aufgeſam— 
melt wird, keine andern Stoffe als etwas Staub, etwas Kohlen— 
ſäure, etwas kohlenſaures Ammoniak und Spuren von Salpeter— 
ſäure enthält, letztere aber nur dann, wenn der Regen bei Gewit— 
tern gefallen war. 

Wird in der Atmoſphäre enthaltener Waſſerdunſt durch 
kältere Luft abgekühlt, ſo verdichtet er ſich zu Nebeln und Wolken. 
Von dieſer Verdichtung finden wir in unſeren Haus wirthſchaften 
ſtets Beweiſe an Fenſtern, Wänden und Gefäßen. Tragen wir 
z. B. aus einem kälteren Raume ein Glas in eine warme Stube, 
ſo wird daſſelbe trübe; war es ſehr kalt, ſo ſetzen ſich eine Menge 
kleiner Tröpfchen, die endlich zuſammen- und am Glaſe herunter— 
laufen, an demſelben ab. Die Urſache hiervon liegt in dem Unter— 
ſchiede der Temperatur der Stube und des Raumes in welchem 
ſich das Glas zuerſt befand und es iſt hierauf das Geſetz begrün— 


47 


det: daß die Luft um fo mehr Waſſerdunſt enthalte, je wärmer 
ſie iſt. 

Auf dieſem Verhältniſſe beruht zugleich auch die Urſache der 
Wolkenbildung, des Regens, des Nebels und des Schnees. 

Durch poröſe Körper wird der Waſſerdunſt ebenfalls in 
Waſſer verwandelt, oder er wird von feſten und flüſſigen aufge— 
ſogen. Ganz vorzüglich ſind es, außer aufgelockerten Bodenarten, 
die Pflanzen und unter dieſen wieder die Bäume, welche ſich als 
Waſſerſauger auszeichnen. 

Das Waſſer läßt ſich mit vielen Flüſſigkeiten vermiſchen; es 
löſt eine Menge feſter und gasförmiger Körper und bildet mit 
ihnen eine vollkommen gleichartige, durchſichtige Flüſſigkeit. Es 
nimmt aber bei jeder Temperatur nur eine gewiſſe Menge derſelben 
auf und iſt dann mit dieſem Stoffe geſättigt, dabei behält es aber 
die Fähigkeit von vielen andern zugleich noch welche aufzulöſen. 
Die auflöſende Kraft des Waſſers ſteigert ſich in der Regel mit 
der Zunahme der Temperatur deſſelben und gerade hierinnen liegt 
die ſo ungemein günſtige Einwirkung auf die Vegetation. 

Das Waſſer bildet einen Hauptgemengtheil aller Pflanzen— 
und Thierkörper und findet ſich daher in chemiſcher Bindung faſt 
in allen organiſchen Stoffen. 

Gerade wie das Herz der Sammler und Verbreiter der rothen 
Flüſſigkeit — des Blutes — iſt, durch welches lediglich und allein 
das Leben der Menſchen und Thiere erhalten wird, ſo lange das— 
ſelbe in richtiger chemiſcher Miſchung und hinlänglicher Menge 
die Adern durchſtrömt, gerade ſo bedingt das Meer, die großen 
Landſeeen, die Ströme, Flüſſe und Bäche durch ihre Verdunſtung 
das Leben und das Wohlbefinden der Thiere und Pflanzen auf 
dem Feſtlande. 

Nicht vergebens iſt daher das Meer zu 2 gegen 4 des Feſt— 
landes über unſere Erde verbreitet, nicht vergebens iſt letzteres mit 
einer großen Zahl von Strömen, die ſich in Flüſſe und dieſe in 
Bäche verzweigen, in allen Richtungen durchſchnitten, welche ihren 
Zufluß aus einer unzählbaren Menge allerwärts aus dem Boden 
hervorbrechender Quellen ſchöpfen. Nicht vergebens ſind im In— 
nern der Continente zahlreiche und oft recht ausgedehnte Land— 


48 


ſeeen verbreitet; nicht vergebens iſt die ganze Atmoſphäre in über: 
aus großer Menge, ſei es in ſichtbarer Geſtalt als Nebel oder 
Wolken, ſei es unſichtbar als aufgelöſter Waſſerdunſt, mit 
Waſſer geſchwängert. Keine Pflanze kann ohne reichliche Zufüh— 
rung von Waſſer leben, ſie verkümmert, hat ſie deſſelben nicht ge— 
nug, ſie vertrocknet und ſtirbt ab, wenn ihr daſſelbe fehlt. Schon 
längſt bewieſen die Phyſiologen: daß die Pflanzen der Erde ver— 
ſchiedene und unter dieſen auch feſte Stoffe entzögen, die man 
nach dem Verbrennen in der zurückbleibenden Aſche vorfinde. Das— 
ſelbe thun die Pflanzen mit gasförmigen und feſten Stoffen aus 
dem der Ackerkrume übergebenen Dünger; woher anders ſollte 
ſonſt die günſtige Einwirkung deſſelben auf die Gewächſe rühren? 

Zur Ueberführung dieſer gasförmigen, tropfbarflüſſigen und 
feſten Nahrungsſtoffe dient das Waſſer, welches dieſelben löſt 
und ſie dadurch geſchickt macht, von den ungemein kleinen, kaum 
mit ſcharfbewaffnetem Auge erkennbaren Sauggefäßen der Wurzeln 
aufgenommen und in die Pflanze übergeführt zu werden. Bei 
trocknem Boden liegt eine ausreichende Zuführung durch Waſſer 
nicht in der Möglichkeit, deshalb muß die Erde, in welcher Ge— 
wächſe gedeihen ſollen, beſtändig feucht ſein. Je nach den ver— 
ſchiedenen Gemengtheilen der Ackerkrume wird die Feuchtigkeit 
mehr oder weniger von derſelben zurückgehalten; ſo groß aber auch 
die Zurückhaltungskraft iſt, ſo bedarf die Pflanze zu ihrem Wachs— 
thume doch täglich eine zu große Menge von Waſſer, welches alſo 
eine fortwährende Zuſtrömung unbedingt nothwendig macht. Dieſe 
geſchieht nun entweder durch Regen, oder durch Aufſaugung des 
in ſo unberechenbarer Menge in der Atmoſphäre enthaltenen 
Waſſerdunſtes entweder unmittelbar durch den Boden, oder durch 
die auf ihm ſtehenden Gewächſe, namentlich durch Bäume. 

Da die meiſten Nahrungsſtoffe und unter dieſen die feſten 
nur in geringen Mengeverhältniſſen und mehrere derſelben nur 
durch vorhergehende chemiſche Prozeſſe löslich ſind, ſo muß die 
Quantität des Waſſers, die den Pflanzen täglich durch die Wur— 
zeln zugeführt wird, eine ungemein reichliche ſein. 

Der Hauptnahrungsſtoff, die Kohlenſäure, iſt im Waſſer 
leicht löslich. Beim Durchgange durch den Boden nimmt daher 


49 


letzteres dieſelbe zugleich mit ein wenig Ammoniak, Kali, Phos— 
phorſäure, Kieſelerde u. ſ. w. in geringer Menge auf, die Saug⸗ 
ſpitzen der Wurzeln erfaſſen die ſchwache Löſung und führen ſie zu— 
erſt den äußern, dann den innern Zellen zu. Hier geſchieht die 
Miſchung mit dem in den Blättern bereits verarbeiteten Safte und 
die Pflanze, die gleichſam nur aus Saugapparaten — Zellen 
die mit Flüſſigkeit von verſchiedener Natur in mannigfachen Sät— 
tigungsgraden erfüllt ſind, beſteht, lagert nun die nutzbaren, zur 
Ausbildung nöthigen Stoffe in um ſo reichlicherer Fülle ab, je 
wärmer die Jahreszeit iſt und je intenſiver das Sonnenlicht auf 
ſie einwirkt. Das reine zurückbleibende Waſſer tritt dann in 
Dunſtform wieder in die Atmoſphäre, um Nachts mit friſchen Zu— 
fuhren aus letzterer von Neuem aufgeſogen zu werden. 

Hauptſächlich ſind es die jungen in Entwickelung begriffenen 
Zellen, in welchen ſich die dichteſten Nahrungsflüſſigkeiten am 
reichlichſten vorfinden und ebendahin ſtrömt auch der meiſte Saft, 
um die Pflanze raſch zur Ausbildung zu bringen. 5 

Werfen wir unſere Blicke nach Gegenden hin, wo die Oert— 
lichkeit feuchte Luftſtröme nicht eindringen läßt, oder wo die Luft 
ihren Waſſergehalt bereits an Gebirge und Wälder abgetreten 
hat, ſo zeigt ſich: daß wenn die von der Regenzeit her noch vor— 
handene Feuchtigkeit durch die Einwirkung der Sonne oder durch 
trockene Winde verſchwunden iſt, die im friſcheſten Grüne pran— 
gende Vegetation bald in ein düſteres Braun übergeht. Die 
Gegend wird dann öde und geflohen von allen Thieren. 

Es giebt in der heißen Zone und im hohen Norden Gegen— 
den, wo das Waſſer ganz fehlt, dort verſchwindet aber auch alle 
und jede Vegetation. Auf viele viele Meilen Wegs gewahrt das 
Auge dann nicht einmal ein Gräschen. Verſetzen wir uns nur 
nach der Wüſte Sahara, in die öden Steppen der Mongolei, in 
einen großen Theil von Arabien, ſo werden wir das eben Geſagte 
beſtätigt finden. In warmen Gegenden kann theilweiſe durch 
ſorgſame Zuführung von Waſſer aus vorhandenen Flüſſen und 
Bächen eine große Fruchtbarkeit — in ſolch dürren Steppen — 
erzielt werden und haben es in Bezug hierauf die Chineſen ſehr 
weit gebracht, indem fie nicht allein ihre Reisfelder überrieſeln, 


Engelhardt, die Nahrung der Pflanzen. 4 


50 


ſondern auch ihre Bodenflächen, auf denen Cerealien erzogen wer- 
den, vor der Ausſaat bewäſſern. Auch die Bewohner Oberitaliens 
bedienen ſich der Alpengewäſſer zur Befruchtung ihrer Felder und 
haben jenen den Haupttheil an deren ſchwelgender Fruchtbarkeit 
zu verdanken. Allein dies ſind nur Einzelheiten und es iſt und 
bleibt außer dem Regen der Waſſerdunſt der Atmoſphäre die 
wirkſamſte Quelle für das Wachsthum und Gedeihen aller Vege— 
tabilien. 

Ohne beide würde die Erde nur eine große Wüſte darſtellen, 
denn nur durch Waſſer können die Beſtandtheile jener gelöſt wer— 
den. Ohne dieſen Lebensſaft wäre Alles ſtarr, keine Blume, keine 
Frucht könnte unſer Auge, unſere Geruchsnerven, unſern Gaumen 
ergötzen und laben. Da, wo es ſelten und deshalb ſo ſichtbar als 
Erhalter des Pflanzen- und Thierlebens hervortritt, da weiß man 
es aber auch zu ſchätzen. Mit welchem Pompe, mit welch religiös 
erhabener Feierlichkeit werden die ſteigenden Fluthen des Nils in 
Aegypten begrüßt! Wie gläubig verehrten die alten Indier ihren 
Waſſergott Wiſchnu, den ſie ſich in einem Paradieſe ſhlafknd 
dachten, während der 4 Monate langen Regenzeit! ö 

Um die Gewinnung und das Gedeihen der Brodfrüchte 
dreht ſich das Geſammtleben aller civiliſirten Volksſtämme. Mit 
ebenſo geſteigerter Freude, mit ebenſo bangen Erwartungen be— 
obachten ſie das Wachsthum derſelben. Das Menſchengeſchlecht 
müßte ausſterben, träte eine Stockung in der Zuführung des 
Waſſers durch Regen und Waſſerdunſt in unſerer Atmoſphäre ein. 
Kein Saamenkorn würde mehr keimen, kein Keim ſich zur Blatt— 
und Halmbildung erheben. Wo läge dann eine Körnerbildung in. 
der Möglichkeit? | 

Wie groß die Quantität Waſſer ift, welche die Pflanzen zu 
ihrem Wachsthume bedürfen und wie daſſelbe hauptſächlich in 
Dunſtform in die Pflanzen übergeführt wird, dies wollen wir bier 
durch ein Beiſpiel erläutern. 

Man ſäete Hafer in ein Gefäß von 1 Fuß Seffnung, 
ftellte daſſelbe vor Regen geſchützt auf eine Wage, berechnete, wie 
viel Waſſer täglich durch Verdunſtung beim Wachsthume verloren 
ging und fand nach vielfach fortgeſetzten Verſuchen: daß auf einem 


51 


mit Pflanzen beſtandenen Acker von 40000 Quadrat⸗Fuß Flächen⸗ 
gehalt, während der 4 Monate, wo die Vegetation am lebhafteſten 
iſt, 3 Millionen Pfund Verdunſtungswaſſer aufgehen; ſo daß alſo 
die auf einem Quadrat-Fuß Flächenraum lebenden Pflanzen täg— 
lich 20 Loth Verdunſtungswaſſer verbrauchen. 

Die Niederſchläge, welche wir bei unſern klimatiſchen Ver— 
hältniſſen durch Regen des Jahrs über zugeführt bekommen, be— 
tragen: | 

für Göttingen 24, Zoll. 
„ Berlin 19,6 „ 
„ Karlsruhe 25, „ 
„ Tübingen 24 5 
„ Regensburg 21 1 
„ Augsburg 36, „ 
„Prag . 
a „ Wien . 

Im Durchſchnitte fällt daher in dieſem Bezirke eine Regen— 
quantität, die gleich der Höhe einer Säule von 223 Zoll iſt. 

Nehmen wir nun an, daß durch raſchen Abfluß bei ſtarkem 
Regen und durch Verdunſtung in den übrigen 8 Monaten über 
die Hälfte aus dem Boden verſchwindet, ſo bleibt für die ange— 
nommene Vegetationszeit von 4 Monaten eine Waſſer-Quantität 
von circa 10 Zoll Höhe und müſſen daher täglich mindeſtens noch 
9 Loth Waſſer aus dem Dunſte der Atmoſphäre denen auf einem 
Quadrat⸗Fuß wachſenden Hafer-Pflanzen zugeführt werden. 

Bei weitem großartiger geſtaltet ſich dieſe Zuführung aber 
bei größeren Gewächſen, namentlich bei Bäumen. Nehmen wir 
einen ſolchen, der wegen ſeiner ſchwellenden Laubfülle mindeſtens 
gleichviel Verdunſtungswaſſer auf gleichem Flächenraum ver— 
braucht, zum Beiſpiele. 

Geſetzt derſelbe beherrſche eine Fläche von 700 Quadrat-Fuß 
als Aufſaugungsraum, ſo würde er während ſeiner 7monatlichen 
Vegetations-Periode ein Waſſerquantum von 93518 Pfund in 
Anſpruch nehmen. Durch Regen wird ihm in dieſer Zeit aber nur 
circa 40000 Pfund übergeben, und er hat daher über 50000 
Pfund Waſſer aus dem Dunſte der Atmoſphäre aufzufaugen. 

4 * 


52 


Wir haben bei der Wirkung des Sonnenlichtes auf die Vege— 
tation in Erfahrung gebracht: daß wenn im Sommer die Atmo— 
ſphäre ſtark mit Regenwolken gefüllt ift, die Zerlegung der Kohlen— 
ſäure durch die Sonnenſtrahlen nicht ſo vollkommen und nicht ſo 
raſch vor ſich zu gehen vermag, als bei klarem heiterem Himmel. 
In der Abhandlung über den Stickſtoff ſahen wir aber: daß ſich 
bei höheren Temperaturgraden das zum Gedeihen der Pflanzen 
unumgänglich nothwendige Ammoniak in größerer Menge zu bil— 
den vermöge und daß ſich hieraus beſſere Fruchterträgniſſe ergeben. 
So eben erſahen wir aber: daß durch den in unſerer Atmoſphäre 
verbreiteten Dunſt eine ungemein große Waſſermenge in die Pflan— 
zen übergeführt wird. Unbedingt iſt letztere Ueberführungsweiſe 
dem Regen vorzuziehen, denn derſelbe kann nur aus einem ſtark 
bewölkten Himmel herabfallen, bei dem die Sonnenſtrahlen nicht 
erregend und zerlegend auf die Vegetabilien einzuwirken vermögen. 

Außerdem erniedrigt ſich bei anhaltendem Regenwetter auch 
die Temperatur. Es werden daher durch beide ungünſtige Um— 
ſtände nicht allein zwei Hauptagenten des Pflanzenlebens, Licht 
und Wärme in ihrer Wirkung bedeutend geſchwächt, fenen Ger 
dies noch die Ammoniakbildung vermindert. 

Daß bei beſonders günſtigen Jahren, wo die Atmoſphäre viel 
Waſſerdunſt aufgelöſt enthält, die Zuführung von Waſſer in die 
Pflanzen durch jenen lediglich und allein, auch ohne Regen be— 
wirkt werden kann, davon haben wir auch bei uns zuweilen Bei— 
ſpiele. Im Jahre 1811 wurde an manchen Orten Gerſte geſäet 
und eingeſcheuert, ohne daß ein Tropfen Regen auf ſie gefallen 
wäre, und dennoch war in jenem Jahre ſowohl der Körner- als 
Stroh⸗Ertrag ein ſehr geſegneter. 

Weiter oben berührten wir bereits, was das Waſſer für einen 
eigenthümlichen Kreislauf vom Meere durch die Luft zur Erde und 
umgekehrt von hieraus wieder zum Meere nehme. Die Sonne, 
das allbelebende Prinzip, zieht mit Leichtigkeit den Dunſt aus 
demſelben auf, läßt ihn in kälteren Regionen der Luft entweder 
zu Wolken gerinnen, die gewaltige oder ſanfte Winde über alle 
Länder verbreiten, um ſie als Regen, Schnee und Nebel auf ſie 
niederzulaſſen, oder er wird als perlender Thau von der Erde und 


33 


den Gewächſen begierig aufgeſogen. Haſtig verſchlingt die Mutter— 
Erde dieſen Labetrunk, in Tauſend und aber Tauſend Rieſelchen 
treibt ſie ihn herum, in feine Gebirgsſpalten ſchiebt ſie ihn ein, 
um ihn gekühlt und gereinigt als ſprudelnde Quelle, zur Labung 
von Menſchen, Thieren und Pflanzen, von Neuem auf der Erde 
erſcheinen zu laſſen. Die Quellen geſtalten ſich zu Bächen, die 
Bäche verſammeln ſich zu Flüſſen, die Flüſſe zu Strömen und dieſe 
tragen das Waſſer in das unendlich große Becken, von wo aus 
ſich dieſer Kreislauf ewig erneut. 

Zwiſchen dem Waſſer, dem Sauerſtoffe und Waſſerſtoffe, dem 
Sauerſtoffe und Kohlenſtoffe findet ein ununterbrochener Kreis— 
lauf ſtatt. Beim Athmen, beim Verbrennen vereinigen ſich Waſſer— 
ſtoff und Sauerſtoff zu Waſſer, beim Vegetationsprozeſſe wird 
Waſſer, wird Kohlenſäure zerlegt. Iſt Waſſerſtoff und Sauerſtoff 
wieder zu einer Flüſſigkeit vereinigt, dann beginnt der große Kreis— 
lauf von Neuem, durch den es leicht möglich wird: daß wir im 
Augenblick einen Theil desjenigen Waſſers trinken, von welchem 
Moſes bereits in der Wüſte trank, daß unſere Kinder mit einem 
Theile desjenigen getauft werden, mit dem Johannes am Jordan 
taufte. Die Natur kennt keine Vernichtung, ſtets wird das körper— 
lich Zerlegte von Neuem wieder zuſammengeſetzt und nicht das ge⸗ 
ringſte Stäubchen geht verloren. 

Die Gipfel der Gebirge erſcheinen oft wochenlang in Wolken 
eingehüllt, die anſcheinend ruhig über ihnen hängen, allein auch 
in ihnen iſt ſtets Bewegung, ſie entfernen ſich, werden aber in den 
naheliegenden warmen Luftſchichten ſofort wieder aufgelöſt. Im 
Gebirge ſelbſt laſſen ſie aber ſtets Feuchtigkeit, Regen oder Schnee, 
niederfallen. Alle Gebirge ziehen auf dieſe Weiſe große Maſſen 
von Feuchtigkeit aus der Luft, um ſie als Quellen, Bäche und 
Flüſſe nach dem vorliegenden flachen Lande auszuſenden. Je be— 
waldeter die Gebirge ſind und je mehr Saugfähigkeit ihre Geſteine 
in Bezug auf das Waſſer beſitzen, um ſo bedeutender werden die 
Niederſchläge fein. So find z. B. Baſalte, Diorite, und andere 
Gebirgsarten von ähnlicher Zuſammenſetzung ſtarke Waſſerſauger. 
Deshalb finden wir dieſelben nicht allein ſo häufig in Nebel ein— 
gehüllt, ſondern an ihrem Fuße auch zahlreiche und ſtarke Quellen. 


5% 


Eine Hauptrolle ſpielen aber die Waldungen bezüglich der 
Aufſaugung von Waſſerdunſt. Sie bewirken dies nicht allein durch 
die Auflockerung des Bodens vermittelſt der Ausſendung einer 
bedeutenden Zahl ſtärkerer und ſchwächerer Wurzeln, ſondern auch 
durch eine große Zahl kleinerer Gewächſe, namentlich der Mooſe, 
die unter ihrem ſchattigen Dache, ſelbſt an ſteilen Wänden, den 
raſchen Abfluß der ſich aus der Atmoſphäre niederſchlagenden Ge— 
wäſſer verhindern; überdies verhüten ſie das leichte Eindringen 
der Winde, welche die Feuchtigkeit ſo leicht zerſtören, und mäßigen 
durch ihr ſchützendes Laubdach die einſtrömende Wärme. Die 
Sonnenſtrahlen, durch jenes aufgehalten, können ebenfalls an 
auf die Bodenfeuchtigkeit einwirken. 

Die Wurzeln der Bäume fenden das Waſſer durch den 
Stamm, die Aeſte und Zweige in die Blätter, von welchen es bei 
Tage wieder in die Atmoſphäre ausgehaucht wird. Hierdurch er— 
hält ſich die Luft in den Wäldern ſtets feucht und der Thau iſt da— 
her für ſie und die umgebenden Felder in reichlicherer Menge vor— 
handen, als auf waldloſen Feldflächen. 

Ungemein günſtig auf die Zurückhaltung von Luftfeuchtigkeit 
wirken auch die Humus und Humusſauren-Verbindungen, welche 
in großer Reichhaltigkeit über gut beſtandene Waldungen verbreitet 
ſind. Dieſe ſaugen das atmoſphäriſche Waſſer wie ein Schwamm 
in großer Fülle auf und geben es nicht früher ab, bis bei größerer 
Wärme im Sommer die Zerlegung dieſer Verbindungen — welche 
ungemein günſtig auf das Wachsthum der Pflanzen einwirken, 
zumal wenn die Säuren neutraliſirt werden, — vor ſich geht. 
Bei dieſer Zerlegung bildet ſich eine große Menge von Kohlen— 
ſäure. Das an den Humus gebundene Waſſer wird frei, nimmt 
einen Theil der Kohlenſäure auf und führt ihn in die Vegetabilien 
über, einen kleinen Theil derſelben reißt es aber mit unter die 
Erde, der mit dem Quellwaſſer vermiſcht demſelben das köſtlich 
Erfriſchende ertheilt. | 

Alle Bedingungen zur Bildung von atmofphärifchen Nieder: 
ſchlägen treffen daher über bewaldeten Flächen zuſammen, wäh— 
rend ſie den unbewaldeten fehlen. Das Abtreiben großer Wälder 
iſt daher mit Vorſicht vorzunehmen, indem dadurch ausgedehnte 


59 


Feldflächen unfruchtbar gemacht werden; denn ſelbſt wenn über 
ſolche Gegenden mit Waſſerdampf geſättigte Luft und Wolken 
ſtreichen, kann aus denſelben dennoch ſo leicht ein Niederſchlag 
nicht erfolgen, vielmehr werden die Wolken, wenn ſie ſich auch 
herabſenken, in dieſen warmen Regionen wieder aufgelöſt, denn 
warmer trockner Boden ſtößt die Feuchtigkeit ab. Wo aber die 
Temperatur durch den Einfluß der Wälder gemildert und die Luft 
durch das ununterbrochen verdunſtende Waſſer ohnehin mit Feuch— 
tigkeit reichlich geſchwängert iſt, wird ſie durch die herabſteigende 
Wolke vollkommen geſättigt und die Folge davon iſt ein erfriſchen— 
der Regen. Das alte Sprichwort, Wälder ziehen den Regen an, 
iſt daher eben ſo richtig, als daß es im Gebiete großer Ströme 
häufiger regnet. Ebenſo hört man häufig ſagen: die Gewitter ſind 
in dieſer oder jener Gegend viel ſeltener geworden, und hängt auch 
dies von der Abholzung größerer Wald-Bezirke, Entſumpfungen 
von Moräſten und Trockenlegung großer Teiche ab. 

Beobachten wir bei regneriſcher Witterung einen Gebirgszug 
aufmerkſam, ſo nehmen wir wahr: daß ſowohl die Wolken als 
der Regen und die Gewitter ſeiner Kette folgen. Nach langer 
Trockenheit iſt dies unverkennbar. 

Der Regen tritt dann erſt in die Ebene über, wenn das Ge— 
birg gehörig geſättigt iſt. Es hat dies ſeinen Grund darinnen: 
daß in der feuchteren Atmoſphäre, welche über das Gebirg und 
denen über daſſelbe ausgedehnten Waldungen verbreitet iſt, die 
Regenbildung ungemein begünſtigt wird. Entfernet ſich eine Wol— 
kenparthie von demſelben und tritt hinüber in eine ausgetrocknete 
wärmere Ebene, ſo wird ſie durch die dort befindliche Wärme in 
Waſſerdunſt aufgelöſt und dauert dies ſo lange, bis ſich auch dort 
die Luft mit einer ausreichenden Waſſermenge geſchwängert hat. 

Wir ſahen: daß die unendliche Zahl von Zellen in den Blät— 
tern, den Zweigen, dem Holze und den Wurzeln der Bäume die 
Urſache der großen Saugfähigkeit für den Waſſerdunſt ſei; wir 
ſahen: daß die Mooſe, der Humus, die Humusſauren Verbin- 
dungen in den Wäldern das Waſſer zurückhielten und ſchrieben 
dieſe Erſcheinung dem Nichteindringen von Winden, von Wärme 
von Sonnenſtrahlen in dieſelben zu. Wenn hieran auch etwas 


36 


Wahres iſt, ſo hat die ſelbſt bei trockener Witterung anhaltende 
Feuchtigkeit der Wälder doch einen andern Grund. | 

So ſtark und kräftig nämlich die Bäume mit ihren vielen 
Zellen auch die Waſſerſaugung bewirken, fo werden fie darinnen 
doch vom aufgelockerten Erdreiche übertroffen, ſo lange daſſelbe 
nicht zu ſehr ausgetrocknet, alſo kühl gehalten iſt und eine günſtige 
Miſchung mit Thonerde in ihm ftattfindet. Die Aufſaugung von 
Waſſerdunſt wird daher durch die Blätter der Bäume des Nachts 
erregt und durch die Zweige, Aeſte, den Stamm und die Wurzeln 
in den lockern durch Winde ſtets in dieſem Zuſtande erhaltenen 
Boden fortgeſetzt. Derſelbe bildet dann ein Reſervoir, aus welchem 
des Tags über nicht allein die Pflanze ihr bedeutendes Quantum 
von Waſſer zur Ueberführung und Ausbildung der erforderlichen 
Nahrungsſtoffe, ſondern aus welchem auch ein großer Theil zur 
Quellenſpeiſung entnommen wird. Daß Waldungen mit ihren 
Bäumen beides bewirken, dies wollen wir uns an einem DER 
deutlich zu machen ſuchen. i 

Wir finden, und zwar gerade zu der Zeit, wo das Wel 
Leben bei den Bäumen ſehr hoch ſteht, wo alſo ſehr viel Waſſer 
für ſie nöthig iſt, den geringſten Niederſchlag durch Regen aus der 
Atmoſphäre. Nehmen wir nun das früher beregte Beiſpiel: daß 
ein Baum, der eine Bodenfläche von 700 Quadrat-Fuß beherrſcht, 
für eine 7monatliche Vegetationszeit 93518 Pfund Waſſer ver— 
braucht; nehmen wir gleichzeitig an: daß es in der warmen Jahres— 
zeit oft länger als 4 Wochen nicht regnet, ſo müßte, bei dem ſtarken 
Waſſerverbrauche des Baumes, der Boden um ſeine Wurzeln 
herum ſo von Feuchtigkeit entblößt werden, daß nicht allein ein 
Abſterben deſſelben, ſondern daß auch die Vertrocknung der in ſei— 
ner Nähe befindlichen Quellen — es verſteht ſich dies nur von 
einer größeren Waldung — die Folge fein würde. Der Waſſer⸗ 
verbrauch beſteht für dieſen Fall auf die angegebene Zeit aus 
13000 Pfund und trotzdem bleibt deſſen Umgebung, bleibt das 
über feinen Wurzeln wachſende Moos faſt eben fo feucht, als bei 
Regenwetter, ja es behalten ſogar die Quellen daſſelbe Waller: 
quantum bei; da nun dem Boden in dieſer langen Zeit kein Regen, 
ja nicht einmal Thau zufloß, — denn in dichten Waldungen finden 


57 


wir den Boden niemals bethaut, wenn ſich die Spur des Waſſer— 
dunſtes auch noch ſo reichlich auf dem Blätterdache der Bäume nie— 
derließ, — ſo dürfen wir mit Sicherheit annehmen: daß die Bäume 
lediglich und allein dem Boden die ungemein große Menge von 
Waſſer aus dem Dunſte der Atmoſphäre zuführen. Daher finden 
wir auch die Mooſe in dichten Waldungen in den trocknen Som— 
mermonaten faſt ebenſo feucht, als bei Regenwetter, während im 
Herbſte, wo der Laubſchmuck der Bäume gefallen, die vermittelnde 
Aufſaugung alſo aufgehört hat, trotz der feuchteren regneriſchen 
Witterung daſſelbe oft trockner, als in jener Zeit iſt. 


5 Die Bäume mit ihren weit ausgebreiteten Aeſten, mit ihren 
och in die Luft tretenden Gipfeln ſind daher gleichſam als Saug— 
maſchinen für den umgebenden Boden, zugleich aber auch als 
Speiſer der Quellen in der warmen Jahreszeit anzuſehen, ſie ſind 
die Sammler und Zuführer der Feuchtigkeit, ohne welche unſere 
Culturpflanzen nicht beſtehen können. Je mehr daher eine Gegend 
mit recht kräftig beſtandenen Waldungen verſehen iſt, deſto reich— 
licher werden deren Quellen, deſto größer aber auch ihre Frucht— 
barkeit ſein. Großer Waſſer- und Waldreichthum wirkt aber auch 
auf das Klima zurück und wit ſehen nach Abtreibung bedeutender 
Waldungen nicht allein viele Quellen und Bäche verſiegen, ſo daß 
man öfters auf Grundmauern von Mühlen trifft, wo jetzt nur eine 
trockene Bachrille liegt, ſondern auch viele Flußgebiete haben viel 
weniger Waſſer. In manchen Bezirken Deutſchlands wurden in. 
früheren Zeiten, wo die Waldungen noch üppiger wucherten, gute 
Weine gebaut, wo jetzt die Traube in den beſten Jahren nicht 
mehr reift; außerdem hören wir noch vielfach die Klage: daß die 
Körner⸗Erträgniſſe in manchen Feldbezirken geſunken ſeien. 


Mit Sicherheit kann man daher den größten Theil der Schuld 
den Lichtungen der Waldungen zuſchreiben. Wie vermindernd die— 
ſer Umſtand bereits in Amerika einwirkt, ſehen wir aus Berichten 
der Vereinigten Staaten, wo z. B. in Neu-England im Jahre 
1840 ſich die Weizenerzeugung noch auf 1,126,000 Scheffel belief, 
während ſie 1850 auf 675,000 herabgeſunken war. Dort wandert 
der Weizenbau immer weiter nach Weſten, wo die Farmer mit der 


38 


Art dem Urwalde ein friſches Stück Land abgewinnen und ihren 
Pflug mühſam zwiſchen den Stöcken rieſiger Bäume hindurch— 
führen; dagegen wird der Neu-Engländer gezwungen, ganz andere 
Früchte zu cultiviren. 

Großer Ueberfluß an Waſſer in einem Lande, zahle . 
ſeeen, Teiche, Sümpfe und Moorgründe, ausgedehnte Waldun— 
gen, die die atmoſphäriſchen Gewäſſer anziehen und zurückhalten, 
um ſie allmählig auf dem Wege der Verdunſtung in die Luft zu 
zerſtreuen, äußern wie das Meer ihren Einfluß auf das Klima. 
Durch das Austrocknen von Sümpfen und das Lichten der Wäl— 
der geht, wie wir bereits ſahen, eine große Menge von Ber: 
dunſtungswaſſer verloren und die Bodenfläche wird der unmitte 
baren Einwirkung der Sonne ausgeſetzt; die Temperaturgränzen 
rücken dadurch mehr und mehr auseinander, die Sommer erhalten 
zwar wärmere Tage, die Herbſte dagegen kühlere und die Winter 
werden kälter, ohne daß dadurch eine Aenderung in der Geſammt— 
Einwirkung der Sonne einträte. Die nach und nach erfolgte Um— 
wandlung des Klimas vieler ſeit Jahrtauſenden bewohnten Ge— 
genden erklärt ſich dadurch vollkommen. Wir ſehen dies an Aegyp⸗ 
ten. Wäre jenes Land mit Waldungenüberdeckt, fo würden häufigere. 
atmoſphäriſche Niederſchläge, ein gemäßigteres Klima und ver⸗ 
mehrtere Fruchtbarkeit der Theile, die von der Ueberſchwemmung 
des Nils verſchont bleiben, daſelbſt getroffen werden. Jetzt ſchwankt 
dort die Temperatur zwiſchen 9 und 47°, die Sonnenhitze würde 
bei weitem nicht ſo unerträglich, der Weinbau würde daſelbſt wie— 
der zu derſelben Höhe wie vor 3000 Jahren zu bringen ſein, 
wären große Waldungen vorhanden. Marmont erzählt: daß in 
Ober-Aegypten noch vor 80 Jahren ziemlich häufig Regen fiel. 
Seitdem aber die Araber die Bäume auf den Bergen an der 
Gränze des Nilthales, gegen Libyen und Arabien hin, ausrodeten, 
hörten die Regen auf und die Wieſen wurden zu öden Steppen. 
In en ere hat man Gelegenheit die umgekehrte Erſcheinung 
zu beobachten. In Kairo regnete es noch zu Anfang dieſes Jahr— 
hunderts höchſt ſelten; in Alerandrien vom November 1798 bis 
in Auguſt 1799 nur ein einzigesmal eine halbe Stunde lang. 
Seitdem aber der Paſcha viele Millionen von Bäumen hat an⸗ 


59 


pflanzen laſſen, ergeben ſich dort jährlich 30 bis 40 Regentage 
und im Winter regnet es oft 5 bis 6 Tage hinter einander. 

Die Abholzungen waren jedenfalls in Cypern und Griechen— 
land, waren in Syrien und in den jetzt aus gedorrten Hochebenen 
Kleinaſtens und Perſiens die Urſache von dem veränderten, 
rauheren Klima, waren die Urſache von der ſo außerordentlich her— 
abgezogenen Fruchtbarkeit. Spanien, ja ſogar Frankreich verſpüren 
bereits die nachtheiligen Folgen, welche die Ausrodung großer. 
Wälder im Gefolge hat, indem durch ſie die hauptſächlichſten Be— 
dingungen entfernt werden, von welchen die Feuchtigkeit der Luft. 

d des Bodens, alſo die wichtigſten Förderer der Fruchtbarkeit 
ben. 

Deshalb kann gerade in der jetzigen Zeit, wo die Drainage 
in Deutſchland ſo ſehr in Aufnahme kommt, ſowohl den hohen 
Staatsregierungen, als den Privaten, der Anbau von Waldungen 
und einzelnen Bäumen nicht genug empfohlen, kann nicht genug 
auf die Nachtheile, welche das vermehrte Abtreiben derſelben auf 
die Fruchtbarkeit ganzer Gegenden übt, aufmerkſam gemacht, kann 
auf die ſorgfältige Klärung und Auflockerung der Felder nicht ge⸗ 
nug hingewieſen werden. 

Wir haben in Deutſchland noch große Feldflächen, Bergkup— 
pen und Rangen in Unzahl öde liegen, die als Wald- die als 
Obſtanlagen bedeutende Capitalien ertragen würden, abgeſehen 
davon: daß ſie durch ihre vermehrte Waſſerſaugung die Fruchtbar— 
keit der in der Nähe gelegenen Getreidefelder erhöhen, namentlich 
wenn mehr und Mehr feuchte Felder der Drainage unterſtellt 
werden. 

Das Anpflanzen von Bäumen kann daher, wie bereits be— 
merkt, nicht warm genug befürwortet werden, denn je feuchter an 
ſich ſelbſt ſchon die Erde iſt, deſto leichter wird von ihr Waſſer— 
dunſt aus der Atmoſphäre aufgenommen: deſto mehr nähern ſich 
ihr die Wolken und laſſen durch gehörige Sättigung ihr Waſſer 
als Regen fallen. Je trockner ſie dagegen wird, deſto mehr zieht 
ſich der Waſſerdunſt, deſto mehr ziehen ſich die Wolken von ihr 
zurück. Bedenken wir nun: daß alle der Drainage unterſtellten 
Flächen feucht, ja daß ſie ſumpfig ſind: daß ſogar große Sümpfe, 


60 


Teiche und Seeen trocken gelegt: daß in der Jüngſtzeit große 
Waldparthien in Feld umgewandelt wurden, ſo kann einer ferner— 
hin verminderten Waſſerdunſt-Zuführung nur durch großartige 
Baum: Anpflanzungen vorgebeugt werden, damit die günſtige 
Wirkung der Drainage nach Verlauf nur kurzer Zeiträume nicht 
größere Nachtheile für unſere Landwirthſchaft im Gefolge habe, 
als ſie jetzt Vortheile bietet. Bei der hohen Wichtigkeit des Ge— 
ſagten wird auch hier ein Beiſpiel deutlich machen, wie groß die 
Menge von Feuchtigkeit iſt, die durch größere drainirte Flächen 
verloren geht; denn Zahlen ſprechen eindringlicher, als Worte. 

Geſetzt es werde eine Fläche von 1000 Ackern drainirt. Feucht 
und ſumpfig zieht dieſelbe vor ihrer Trockenlegung des Nacht 
nicht nur eine große Menge von Waſſerdunſt an und verdichtet 
denſelben, ſondern ſie befördert auch das reichlichere Niederfallen 
des Regens. Nehmen wir nun an: daß an einem Tage auf 1 
Quadrat-Fuß dieſer Fläche 4 Loth Waſſer verdunſten, ſo beträgt 
dies für eine Zeit von 7 Monaten: 10,700,000 Centner. 

Da nun auf dieſer durch die Drainage hergerichteten Fläche 
Culturpflanzen gezogen werden, die zu ihrem Gedeihen — wie 
wir weiter oben ſahen — viel Waſſer verbrauchen, ſo ergiebt ſich 
für die Umgebung dieſer drainirten Fläche — abgeſehen von dem 
erſchwerten Niederſchlage — ein ungeheurer Ausfall an Vege— 
tationswaſſer und wären zur Beſchaffung von dem vor der Drai— 
nage verdunſteten Quantum, welches der Umgebung zu Gunſten 
kam, allein 24999 Stück Bäume von einer ſolchen Größe erfor— 
derlich daß einer derſelben Nachts 2 Centner Waſſer aus der At— 
moſphäre aufzunehmen im Stande wäre. In einer der Drainage 
unterworfenen Fläche von 1000 Ackern müßten daher wenigſtens 
2 bis 300 Acker Waldüng angepflanzt werden, ſoll der Verluſt 
des früheren Verdunſtungs-Waſſers ohne erheblichen Nachtheil 
bleiben. Daher trägt jeder angepflanzte Baum nicht nur ein reich— 
liches Capital durch ſeine eigene Nutzung, er trägt es in noch bei 
weitem erhöhteren Verhältniſſe durch die Befeuchtung ſeiner Um— 
gebung; daher ſei es nochmals ausgeſprochen: Jedermann bes 
fleißige ſich aufs Eifrigfte, an geeigneten Stellen nicht allein Obſt— 
bäume anzupflanzen, ſondern auch die Zucht der Waldbäume zu 


61 


vermehren. Jeder große Gutsbeſitzer befleißige ſich, große Park— 
anlagen zu begründen, Alleen anzupflanzen, ſeine Weide-Plätze zu 
beſchatten. Die hohen Staatsregierungen aber mögen durch ſtrenge 
Ueberwachung von Privat- und Gemeinde-Waldungen, ſowie 
durch unausgeſetzte Aufmunterung zur Bepflanzung kahler Berge 
dahin zu wirken verſuchen: daß den flachen Gegenden wieder eine 
ſolche Quantität von Verdunſtungs-Waſſern zugeführt werde, als 
denſelben durch die Drainage, durch Trockenlegung von Teichen 
u. ſ. w. entzogen wurde und wird. 

Ueberdies könnte in manchen trocknen Gegenden Deutſch— 
lands durch künſtliche Bewäſſerungen im Frühlinge durch Anlage 
von Kanälen aus Flüſſen und Bächen eine vermehrte Fruchtbarkeit 
erzielt werden. 

Ich erlaube mir hier noch einen Vergleich zwiſchen Licht, 
Electricität und Waſſerſtoff anzuſtellen. 

Das Licht, eine der ſchnellſten aller Kräfte, ſtellt ſich uns als 
auswärtiger Telegraph zur Verfügung; als ſolcher erzählt es uns 
die wunderbarſten Geſchichten von der unendlichen Weisheit und 
Unfehlbarkeit des Weltenſchöpfers; es führt uns hinaus in die 
fernſten Fernen des Himmels und zeigt uns auch dort das ſorg— 
ſame Walten der Vorſehung. Hinaus an die fernen Weltennebel 
tritt es und beweiſt uns nach ſeiner Zurückkunft mit unfehlbarer 
Klarheit: daß dieſelben 800,000 Lichtjahre, von denen jedes ein— 
zelne eine Länge von 1,322,263 Millionen Meilen hat, von uns 
entfernt ſind. Unſer Weltentelegraph macht ſich mit allen Bahnen 
der Planeten, Kometen u. ſ. w. bekannt, er weiſt uns deren Um— 
laufzeiten, alſo ihre Tag- und Nachtlängen nach, er beſchreibt uns 
ihr Oberflächen-Ausſehen, ihre Dichtigkeiten, ihre Schwere der 
Maſſen, er giebt uns ihre Größen in Zahlen an, er verhilft uns 
dazu ihre Umlaufszeiten bis auf den tauſendſten Theil einer 
Secunde zu berechnen; er ſchließt uns die eigenthümlichen Bahnen 
der Cometen auf Jahrtauſende hinaus auf und geht dabei mit 
einer nie trügenden Sicherheit zu Werke. 

Die Electricität dagegen, welche auch eine große Schnellig— 
keit beſitzt, hat das Telegraphen-Amt auf der Erde überkommen. 
In kürzeſter Zeitfriſt fliegt ſie mit ihren Depeſchen über Ebenen, 


62 


überfteigt die höchſten Gebirge, durchwatet die tiefſten Flüſſe, 
durcheilt die lebhafteſten Straßen der Städte und überſpringt die 
Geſtade des Meeres und großer Binnenſeeen. Hier knüpft ſie neue 
Freundſchaftsbande, dort erneuert fie alte, ſie giebt ſich als Amors— 
und Fortunas Boten aus; erregt und unterhält den Speculations— 
geiſt im ausgedehnteſten Maaße; hier eröffnet ſie den Befehl zum 
Schlagen von Schlachten, dort gebietet ſie dem angreifenden Heere 
plötzlich Halt. Zu ein und derſelben Stunde legt ſie ein diplo— 
matiſches Actenſtück in Petersburg, London, Paris und Wien 
nieder; ſie bringt und befördert Geburts-Hochzeits-Todes-Nach— 
richten in wenig Minuten; mit raſender Schnelle ſtößt ſie in die 
Kriegs⸗Trompete und übertrifft andererſeits die Friedenstaube min⸗ 
deſtens 100 mal an Schnelle und alle dieſe großartigen Reiſen und 
Geſchäfte verrichtet ſie vermittelſt eines ganz ſchwachen Drahtes. 
Wie Licht und Electricität als geiſtiger, ſo ſtellt ſich der 
Waſſerſtoff als ſchnellſter materieller Beförderer und Laſtträger 
dar. Als Gas in einen Ballon von Seide eingeſchloſſen fliegt er 
mit uns in die höchſten Schichten der Luft und zeigt uns dort die 
Erde in der Vogelperſpective, er lehrte uns den Wolkenflug und 
die verſchiedenen Strömungen der Winde kennen und trug auf 
dieſe Weiſe viel zur genaueren Kenntniß der Vorgänge in unſerer 
Atmoſphäre bei. Mit Sauerſtoff in Verbindung zieht er als Dampf, 
die größten Laſten mit einer Schnelligkeit von 16 Stunden in einer 
einzigen. Er durchfliegt mit dem Dampfwagen unſere civiliſirten 
Staaten in allen Richtungen, mit den Dampfſchiffen durchfurcht 
er die entfernteſten Meere und alle größeren Ströme. Nichts wider— 
ſteht ſeiner Kraft, aus tiefſter Tiefe hebt er im Dampfe Metalle, 
Erze, Brennmateriale zu Tage, er ſchleudert ſie nicht allein auf, 
ſondern auch in große Oefen, er zwingt mächtige Luftſtröme in 
dieſelben und ſucht durch deren Sauerſtoff-Gehalt eine ſolche Gluth 
anzufachen, daß die ſtarren feſten Maſſen in blendend weißen 
Bächen den Ofen verlaſſen und ſich die Metalle im hellſten Glanze 
von ihrer Schlacke ſcheiden. Er nimmt die Metalle und verarbeitet 
fie weiter. Unter großen Hämmern treibt er die Unreinigkeit 
vollends aus, unter Walzen verwandelt er fie zu Eiſenbahn⸗ 
Schienen Band- Reif» Ringeiſen, zu Schrauben, Draht u. ſ. w. . 


ö 


2 
F 


63 


Aus den edlen walzt er Platinen, ſchneidet Platten heraus, prägt 
die Bildniſſe unſerer Herrſcher darauf und ſendet ſie als Geld, als 
Hauptverkehrsmittel durch die Welt, damit es Handel, Gewerbe, 
Ackerbau und Induſtrie belebe und erhebe. 


Im Dampfe und im Waffer ſetzt er ſich hinter Spinnräder 
und Webſtühle; Baumwolle, Wolle, Flachs wird ihm vorgelegt; 
in kürzeſter Friſt hat er Millionen von Fäden daraus dargeſtellt; 
er ordnet dieſelben, ſteckt ſie einzeln durch den Weberrechen, ſetzt 
ſich hinter den Webſtuhl und bald ſind Tauſende von Ellen Zeug 
fertig, welche der Menſch zur Kleidung benutzt. Als Dampf- und 
Waſſerkraft übergiebt man ihm das Getreide, er iſt nicht zufrieden, 
damit daſſelbe in das feinſte Mehl umzuwandeln, er knetet es auch 
mit Waſſer zu einem vollkommen guten Teige. In der Sägemühle 
legt man ihm Holkzklötze vor, er zerlegt dieſelben in regelmäßige 
Stücke, um ſie alsdann auf ſeinem Rücken in die fernſten Nie— 
derungen zu tragen, woſelbſt ſie der Menſch zu Wohn-Oekonomie— 
und Schiffsbauten verwendet. Seht dort jenes ſtolze Linienſchiff, 
jenen ſtark befrachteten Kauffahrer: wer trägt dieſe Prachtbaue 
auf ſeinem Rücken ſo ſchnell dahin? Es iſt der Waſſerſtoff in 
Verbindung mit Sauerſtoff; er alſo bahnt die wichtigen Waſſer— 
ſtraßen des Meeres und der Gewäſſer des Feſtlandes; er iſt es, 
der durch die Hervorrufung dieſes Elements nicht allein die zahl— 
loͤſen Geſchöpfe des Meeres erhält, er ſtillt auch den Durſt der 
Landbewohner, er labt und erquickt die Pflanzen. Wo er nicht iſt, 
ſtirbt alles ab, da kann kein Keimchen grünen, da vermag die un— 
ſichtbare Milbe ihr Leben nicht zu friſten. Dagegen lebt und webt 
bei ſeinem Daſein, wenn er mit Sauerſtoff im richtigen Verhält— 
niſſe vereinigt iſt, Alles. 


Mit Kraft und Ausdauer beginnt und vollführt er ſeine 
Werke ohne Säumniß, wenn ihm, um ſich in Dampf zu verwan- 
deln, nur Brennmaterial genug verabreicht wird, in dieſem aber 
ſteckt er ſelbſt, er treibt ſich alſo ſelbſt zur Arbeit an. 


Zuweilen verleugnet der Waſſerſtoff feine guten Eigenſchaften 
und tritt mit dem Sauerſtoffe zu einer Verbindung zuſammen, 
welche beim Entzünden furchtbare Exploſionen hervorruft, die Berg— 


64 


werke zertrümmert und deren Knappen vergräbt, es ſind dies die 
ſchlagenden Wetter der Steinkohlengruben. 

Wohlgefällig ſpiegelt ſich eine Pflanze in behaglicher Ruhe 
an den Ufern eines Baches im Waſſerſtoffe des Waſſers: wie 
dankbar iſt ihm dieſelbe für ſeine Labung, wie erfriſcht ſie ſich in 
ſeiner Ausdünſtung, wie koſt ſie mit ihm im Mondſcheine, ſie hebt 
ihn zu ſich herauf, ſie hätſchelt und pflegt ihn und bettet ihn ſanft 
in ihren Zellen. Dennoch zeigt er ſich undankbar gegen ſie. Rüttelt 
der Sturm den Bach brauſend auf, ſo unterſpült der Waſſerſtoff 
die Wurzeln der Pflanze, er ruht und raſtet nicht, bis er ſie in die 
fluthenden Wellen herabgezogen und in ſich begraben hat. Thon— 
erde herbeiſchaffend und ſie überdeckend, wandelt er ſie in Kohle 
um. Wie freut er ſich, wenn er auf dem Feuer gebraten ſich mit 
Sauerſtoff von Neuem zu Waſſer vereinigen und nun dem großen 
Weltmeere wieder zueilen kann. Nirgends hat er jedoch Ruhe, die 
Sonne deſtillirt ihn wieder auf und er eilt im Waſſerdunſte und 
Regen nach dem Feſtlande, um daſelbſt wieder Holz, Stärkemehl, 
Zucker zu bilden. So groß die Gegenſätze, fo groß die Zerſtörungs— 
wuth, ſo groß der Trieb des Sauerſtoffs zu Neubildungen iſt, 
nicht geringer zeigen ſich dieſelben beim Waſſerſtoffe. Ohne Unter⸗ 
brechung zerſtören beide, um ſtets wieder von Neuem aufzubauen. 

Obſchon wir dem Waſſerſtoffe nach feiner. genaueren Kennt: 
niß ſehr viel verdanken, ſo haben wir von ihm dennoch Außer⸗ 
ordentliches zu erwarten. Ruhig, ſtürmiſch, wild, verheerend tritt 
er im Waſſer aller Orten und Enden auf; wo wir ihm in der Na⸗ 
tur — mit wenig Ausnahmen — begegnen, dringt er uns das Ge— 
fühl von Kühle auf, und doch: was liegt in ihm für außerordent⸗ 
liche Hitze, was für eine Quantität von Licht vergraben! Die 
Zeit dürfte nicht ferne ſein, wo wir Waſſer nehmen, daſſelbe zer— 
legen, den Waſſerſtoff mittelſt Sauerſtoff verbrennen und dadurch 
nicht allein ein wohlfeiles allerwärts für Nichts zu habendes 
Brennmaterial bereiten, ſondern auch deſſen fahle Flamme durch 
Beigabe feſter Stoffe zu einem Lichte entzünden konnen, welches 
dem Glanze der Sonnenſtrahlen um nicht viel nachſtehen dürfte. 


Kohlenſtoff und deſſen Verbindung mit 
Sauerſtoff zu Kohlenſäure. 


Der Franzoſe Lavoiſi er war es, welcher den Kohlenſtoff zuerſt 
als ein Element erkannte und nachwies: daß beim Verbrennen des 
Diamants Kohlenſäure entſtehe. Der Kohlenſtoff, nur ſelten rein 
in der Natur, iſt ſtets mehr oder weniger mit andern Stoffen ver— 
bunden und findet ſich in der Stein- und Braunkohle, im Holze, 
im kohlenſauren Kalke und andern kohlenſauren Salzen, ſowie 
in allen organiſchen Körpern. Kryſtalliſirt kommt er nur im Dia— 
mante und Graphite vor und künſtlich gewonnen bildet er mehrere, 
in ihren Eigenſchaften ſehr unähnliche amorphe Varietäten von 
Kohle. 

Es kann hier nicht die Abſicht ſein, ſpeciell über die verſchie— 
denen Formen, in welchen der Kohlenſtoff auftritt, zu verhandeln, 
nur in gedrängter Kürze wollen wir Einiges davon erwähnen. 
Demant und Graphit, als reinſter Kohlenſtoff, iſt ohne alle Bei— 
mengung im erſteren, im letzteren mit etwas Eiſen vereinigt. Der 
reine Kohlenſtoff zeigt keine Neigung zu ſchmelzen oder ſich zu ver— 
flüchtigen, ſelbſt nicht bei Anwendung ſehr hoher Hitzegrade. Der 
Anthracit — Kohlenblende — faſt reiner Kohlenſtoff, enthält nur 
etwas Waſſerſtoff beigemiſcht und gleicht daher mehr der Stein— 
kohle als dem Graphite; er iſt daher die kohlenſtoffreichſte und 
waſſerſtoffärmſte Steinkohle. 

Die organiſchen Subſtanzen, welche vorzugsweiſe aus Koh— 
lenſtoff, Waſſerſtoff und Sauerſtoff, zuweilen mit etwas Stickſtoff 
beſtehen, können, ohne Zerſetzungen zu erleiden, keine hohen Tem— 
peraturen aushalten. Beim Erhitzen unter Ausſchluß der Luft 
treten ihre Elemente zu einfachen Verbindungen zuſammen. Der 


Engelhardt, die Nahrung der Pflanzen. 9 


66 


Sauerſtoff entweicht theils in Verbindung mit Waſſerſtoff als 
Waſſer, theils in Verbindung mit einem Theil Kohlenſtoff als 
Kohlenorydgas, während ſich ein Theil des Kohlenſtoffs mit Waſ— 
ſerſtoff zu Kohlenwaſſerſtoffgas verbindet, Kohle bleibt als End— 
reſultat dieſes Prozeſſes zurück, wenn nämlich Sauerſtoff und 
Waſſerſtoff ſo abgehalten wurden, daß dieſelben nicht lediglich 
und allein gasförmige Verbindungen bilden konnten. Dieſer Zer— 
ſetzungsprozeß organiſcher Subſtanzen durch Erhitzung, unter Aus— 
ſchluß oder doch bei mangelhaftem Zutritte von atmoſphäriſcher 
Luft, wird Verkohlungsprozeß genannt. 

Die Verkohlung nimmt man entweder in Oefen oder in Mei- 
lern vor, des beſſeren Productes wegen giebt man letzteren den 
Vorzug, denn in denſelben bekommt man eine dichtere, nicht ſo 
zerkleinerte Kohle. Holz giebt beim Verbrennen eine geringere 
Hitze, als ein gleiches Gewicht Holzkohle, und zwar nicht nur, 
weil in jenem eine geringere Menge von Kohlenſtoff enthalten iſt, 
ſondern weil aus demſelben auch eine beträchtliche Menge von 
Waſſer verdampft werden muß. ö 

Im gewöhnlichen Zuſtande iſt die Kohle ein ſehr ſchlechter 
Wärmeleiter, deshalb iſt ihre Entzündung und ihre Verbrennung 
ſo leicht zu bewerkſtelligen, dagegen leitet diejenige Kohle, welche 
durch ſtarke Hitze ſehr verdichtet wurde, die Wärme ſehr gut und 
es brennen dann alle Holzfohlenforten, die hohen Temperaturgra— 
den ausgeſetzt waren, ſchlechter. Bei gewöhnlichen Temperaturen 
und unter Ausſchluß der Luft, auch in höhern, iſt die Holzkohle, 
wie alle andern Kohlen, durch ihre Unzerſtörbarkeit ausgezeichnet. 
Sie kann Jahrhunderte ohne Veränderung in der Erde verweilen. 
Um daher Pfähle, welche in die Erde kommen ſollen, haltbarer zu 
machen, kohlt man ſie auf ihrer Oberfläche an. 

Wegen ihrer ſehr poröſen Beſchaffenheit abſorbirt die Holz— 
kohle das Vielfache ihres Volumens an Gasarten. Wir werden 
auf dieſe Eigenſchaft, die wir mit dem Namen Saugen belegen, 
weiter unten zurückkommen. Außer Sauerſtoff nimmt fie Ammoniak- 
gas — bis zum 90fachen ihres Volumens — dann Kohlenſäure 
u. ſ. w. auf. Die Abſorbtion der Gaſe und des Waſſerdampfes 
durch die Kohle iſt von beträchtlicher Wärmeentbindung begleitet, 


67 


die unter Umſtänden bis zur Selbſtentzündung fteigen kann. Friſch 
ausgeglühte und verlöſchte Holzkohlen, in unangenehm riechende 
Kleidungsſtücke oder in dergleichen Zimmer oder in ſtinkende 
Keller, Kloaken u. ſ. w. geſtellt, benehmen den üblen Geruch ſo— 
gleich. Auf dieſe Weiſe ſchützt man ſich durch klare Kohle auch vor 
Geſtank, der von der Straße oder von Höfen aus in die Zimmer 
eindringt, indem man Luft durchlaſſende Fenſterflügel, zwiſchen 
welche klare Kohle eingenäht iſt, in einem der Fenſter anbringt. 
Auch der Fäulniß organiſcher Körper beugt man durch dieſelbe vor, 
weshalb man ſie in Spitälern und andern Krankenanſtalten mit 
großem Vortheile verwendet. Waſſer hält ſich vollkommen gut 
und Wein und Bier werden beſſer, wenn man ſie in Fäſſern, die 
innen angekohlt ſind, aufbewahrt. 

Ganz beſonders hervorzuheben iſt die Eigenſchaft der Holz— 
kohle, ſehr verſchiedene Subſtanzen aus Auflöſung aufzunehmen, 
ſie gleicht darinnen der thieriſchen Kohle, welche dieſe Eigenſchaft 
in noch höherem Grade beſitzt. So entzieht z. B. die Kohle Auf— 
löſungen von Flüſſigkeiten, die Farbeſtoffe enthalten, dieſelben; ſie 
macht ſolche Flüſſigkeiten geruchlos, indem ſie z. B. dem Brannt- 
weine das Fuſelöl benimmt; doch muß für alle dergleichen Ver— 
wendungen die Kohle friſch geglüht werden, weil ſie, wie bereits 
bemerkt, begierig Waſſerdampf aus der Luft anzieht und dadurch 
die Fähigkeit, andere Körper aufzunehmen, verliert. 

Die Steinkohle, die Braunkohle, der Torf find Kohlengat— 
tungen, hervorgegangen aus Vegetabilien auf dem natürlichen, 
wie die Holzkohle auf künſtlichem Wege. Sie haben mehr oder 
weniger Sauerſtoff, Waſſerſtoff und etwas Stickſtoff in ihrer Mi⸗ 
ſchung, auch ſie können verkohlt d. h. der letzteren Elemente durch 
Anwendung ſtarker Hitzegrade beraubt werden. 

Der Kohlenſtoff in allen den verſchiedenen Kohlengattungen, 
vom Demante, Graphit, durch die verſchiedenen Holz- Stein— 
Braun- und Thierkohlen bis zum Torfe herab, iſt chemiſch überall 
derſelbe, er kann durch die gewöhnlichen Methoden z. B. durch 
Schmelzen, Sublimiren, Auflöſen nicht kryſtalliſirt erhalten wer— 
den, mit Ausnahme des Graphits im grauen Roheiſen, worinnen 
er aber dennoch nicht in den Kryſtallformen des Diamants auf— 

5 * 


68 


tritt. Bei niederen Temperaturen verhält er ſich gegen die meiften 
Körper indifferent. Bis zum Rothglühen erhitzt, verbrennt die 
Kohle leicht in atmoſphäriſcher Luft oder in Sauerſtoffgaſe, wor— 
aus eine gasförmige Verbindung, die Kohlenſäure, die aus zwei 
Volumen Sauerſtoff und einem Volumen Kohlenſtoff beſteht, her— 
vorgeht. 

Der Kohlenſtoff iſt das wichtigſte Element im Pflanzenreiche, 
alle Gewächſe verdanken ihm ihr Daſein; was beim Thiere das 
Knochengerüſte, das Fleiſch, das iſt bei der Pflanze der Kohlen— 
ſtoff. Die größten Stämme, das feinſte Grashälmchen muß er 
bilden helfen. Er iſt der Hauptnahrungsſtoff aller Pflanzen, allein 
direct kann er ihnen weder durch die Luft noch durch den Boden 
zugeführt werden, es geſchieht dies vermittels der Kohlenſäure. 

Die Kohlenſäure, eine farbloſe Gasart, hat einen wenig 
bemerkbaren eigenthümlichen Geruch und einen etwas ſauren Ge— 
ſchmack. Brennende Körper verlöſchen in ihr und Thiere ſterben 
nach ihrem Einathmen. Sie iſt um die Hälfte ſchwerer als atmo— 
ſphäriſche Luft und kann deshalb aus einem Gefäße in ein anderes 
übergegoſſen werden. Läßt man fie durch klares Kalkwaſſer ſtrei— 
chen, welches dargeſtellt wird, indem man ungelöſchten Kalk in 
einer Flaſche mit Waſſer gehörig ſchüttelt, wo nach dem Abſetzen 
die klare Flüſſigkeit einen Theil des Kalkes in ſich aufgenommen 
hat, ſo trübt ſich daſſelbe wie Milch und bildet kohlenſauren Kalk. 

Die Kohlenſäure iſt überall, wo ſie ſich in größerer Menge 
entwickelt, die Urſache des Aufſchäumens, Sprudelns und des 
Blaſenwerfens gährender und anderer Flüſſigkeiten. Wir finden 
ſie häufig in natürlichen und künſtlichen Mineralwäſſern, im Cham— 
pagner und andern Weinen. 

Die Kohlenſäure läßt ſich leicht darſtellen, wenn man irgend 
eine verdünnte Säure auf kohlenſauren Kalk gießt. Das Gas 
ſteigt mit Ausgebung eines eigenthümlichen Geruchs durch die 
Flüſſigkeit und bleibt in Folge ſeiner Schwere zunächſt über jener 
ſtehen. Je mehr ſich nun deſſelben entwickelt, um ſo mehr ver— 
drängt es die im Gefäße befindliche atmoſphäriſche Luft. Iſt das 
Gefäß endlich bis zum Rande von ihr gefüllt, ſo läuft ſie genau ſo 
am Glaſe herunter, wie Waſſer. Man darf, um dies zu beobach— 


69 


ten, nur ein brennendes Schwefelhölzchen nehmen und es der 
Außenwand des Gefäßes nähern; daſſelbe wird ſofort erlöſchen 
und dadurch das Herablaufen der Kohlenſäure zu erkennen geben. 

Die Quellen der Kohlenſäure find überaus mannigfach. Un— 
ſerer Atmoſphäre iſt 45 Theilchen derſelben beigemiſcht, fo daß 
90 Billionen Centner mit nahe an 25 Billionen Centner reinen 
Kohlenſtoffs beſtändig in ihr zu treffen find. Beim Athmen haucht 
der Menſch für jeden Cubikzoll Sauerſtoff, den er in ſich aufnimmt, 
1 Cubikzoll Kohlenſäure aus und genau derſelbe Austauſch findet 
bei unſern Verbrennungs-Prozeſſen ſtatt. In 6000 Jahren müßte 
ſich daher die Kohlenſäure in unſerer Atmoſphäre allein durch dieſe 
beiden Prozeſſe auf 180 Billionen Centner, alſo auf das Doppelte 
des jetzigen Quantums geſteigert haben, abgeſehen davon: daß aus 
dem Innern der Erde, aus den ausgebrannten Vulkanen, den heißen 
Quellen, der Zerſetzung einer kleinen Menge der Luft beigemiſchten 
Kohlenwaſſerſtoffs, durch die unter den Tropen viel häufigeren 
Entladungen von Gewittern noch ſehr bedeutende Quantitäten in 
die Luft treten. Wären nun nicht Prozeſſe vorhanden, welche die 
für das Thierleben ſo nachtheilige Gasart wegſchafften, ſo würde 
eine Zeit auf unſerer Erde kommen, in welcher das thieriſche Leben 
ausſtürbe. Da jedoch ſeit der Zeit, wo das menſchliche Geſchlecht 
auf der Erde eriftirt, keine Verminderung in der Zuſammenſetzung 
der Atmoſphäre eingetreten iſt, ſo müſſen Prozeſſe auf derſelben 
ſtattfinden, durch welche die ſich ſtets in ſo großer Menge bildende 
Kohlenſäure beſtändig wieder zerlegt wird, und dies geſchieht — 
wie wir ſogleich ſehen werden — beim Vegetations-Prozeſſe. 

Nicht in allen Höhen auf unſerer Erde bleibt ſich der Kohlen— 
ſäuregehalt der Luft gleich und merkwürdig genug findet ſich dieſe 
ſchwere Gasart bei 10,000 Fuß Höhe faſt im doppelten Verhält— 
niſſe, als in unſern Ebenen. Dieſes Verhältniß liegt in den eigen— 
thümlichen Verwandtſchaftsgraden der Gaſe und ihre Miſchung 
findet ſo ſorgfältig ſtatt, daß ſie die ganze Erde gleichmäßig um— 
geben. In Folge deſſelben ſteigt und fällt die Kohlenſäure langſam, 
je nachdem die Pflanzen ſie abſorbiren, und dadurch wird im All— 
gemeinen in der Luft, die wir athmen, die überaus gleichmäßige 
Reinheit erhalten. 


70 


Wenn in einzelnen Höhlen oder tiefen Thälern, z. B. im 
Todten- Thale auf Java, in der Hundsgrotte bei Neapel, die Koh: 
lenſäure auch fortwährend dicht am Boden ſchwebt, ſo liegt der 
Grund davon lediglich und allein darinnen: daß ſich dieſelbe viel 
ſchneller aus der Erde entwickelt, als ſie in die Höhe zu ſteigen und 
ſich mit der Luft zu vereinigen vermag, und wenn auf den Gipfeln 
hoher Alpen dieſelbe reichlicher getroffen wird, fo liegt dies darin— 
nen: daß die Vegetation, der Regen, die Luftfeuchtigkeit ſie den 
untern Luftſchichten ſchneller entnehmen, als ſie aus den obern wie— 
der herabzuſteigen vermag. 

Jedes grüne Blatt ſaugt, fo lange die Sonne ſcheint, Kohlen: 
ſäure aus der Luft auf und es iſt dieſe Gasart für das Leben der 
Pflanzen ſo unentbehrlich, wie der Sauerſtoff für das Leben der 
Thiere. Enthielte die Luft keine Kohlenſäure mehr, dann hörte 
alle Vegetation auf und die ganze Erde ſähe grau aus. Die Koh— 
lenſäure iſt daher in ihrem geringen Verhältniſſe ein eben ſo wich— 
tiger als weſentlicher Beſtandtheil der Atmoſphäre. Da die Koh— 
lenſäure ein ſtarkes Gift für Thiere iſt, ſo iſt die in der Atmoſphäre 
enthaltene Menge nur gering; wäre das Miſchungsverhältniß ein 
größeres, ſo würden die Thiere mit ihrem jetzigen Körperbaue die 
Luft nicht einzuathmen vermögen, ohne Schaden an ihrer Geſund— 
heit zu nehmen. So nachtheilig ſie ſich aber hier, ſo ungemein 
werthvoll erweiſt ſie ſich, wie bereits geſagt, bei den Pflanzen; da— 
mit aber letztere die Kohlenſäure recht leicht aus einer Luftmiſchung 
aufnehmen können, ſo iſt ihnen dafür die außerordentliche Maſſe 
von Blättern verliehen. Wundervoll iſt deren Bau und ihre Thä— 
tigkeit. Nicht zu zählen ſind die Saugöffnungen derſelben, indem 
größere z. B. Hollunder-Blätter gegen 400000 dergleichen be— 
ſitzen. Dieſe winzigen Oeffnungen verrichten ihr Geſchäft mit einer 
Schnelligkeit, daß ſie dem geringſten Lufthauche, der ihnen etwas 
Kohlenſäure zuführt, dieſelbe augenblicklich vollkommen entziehen. 
Bedenken wir nun, daß größere Bäume bis 7 Millionen Blätter 
und jedes große Blatt gegen 400000 Saugöffnungen hat, dann 
wird ſich uns wohl die Ueberzeugung aufdrängen: daß die Auf— 
ſaugung der Kohlenſäure raſch vor ſich gehe und daß deshalb in 
den tieferen ſtark mit Pflanzen bewachſenen Gegenden der Kohlen— 


7A 


ſäure-Gehalt der Luft ein geringerer fein müſſe, als in den nicht 
bewaldeten Höhen. | 
Früher nahm man an die Pflanzen bekämen ihren Kohlenſtoff— 
gehalt lediglich und allein aus dem Humus und verarbeiteten den— 
ſelben in ſich. Man hatte dabei die Beobachtung im Auge: daß 
ein mit viel Humus verſehener Boden eine üppigere Vegetation 
zeige, als ein humusarmer. So richtig nun dieſe Beobachtung 
einerſeits auch war, ſo wenig vermochte man doch den Prozeß zu 
erklären; denn der Humus, ein Product, hervorgegangen aus 
langſamer Verbrennung organiſcher, namentlich pflanzlicher Stoffe, 
iſt ſo wenig löslich im Waſſer, daß er auf dieſe Weiſe nicht in die 
Vegetabilien eindringen kann; wenn wir nun auch in den humus— 
e Salzen, namentlich in der Verbindung mit Alkalien oder 
Kalkerde auch leichte Löſungen deſſelben haben, ſo iſt die Quantität 
des in den Pflanzen enthaltenen Kohlenſtoffs doch viel zu groß, als 
daß ſie von humusſauren Verbindungen abſtammen könnte; denn 
wir haben große Waldflächen, die auf reinem weißen Sande ohne 
Beimiſchung von Humus wachſen, und ſehen: daß gleich große 
Strecken kulturfähigen Bodens, trotz verſchiedener Humustheile, 
gleich große Quantitäten Kohlenſtoffes tragen, ja daß bei Garten— 
und Gemüſe⸗Ländereien, die ſtark bedüngt werden, die Kohlenſtoff— 
verbindungen von Jahr zu Jahr in demſelben anwachſen; bezögen 
die Pflanzen die Kohlenſäure aus dem Boden, dann müßten die— 
ſelben aber abnehmen. Der Humus ſelbſt kann daher keinenfalls 
direct in die Pflanzen übergeführt werden, denn die ſorgfältigſten 
Beobachtungen haben überdies erwieſen: daß keine organiſche Ver— 
bindung, als ſolche, als Pflanzennahrungsmittel aufzutreten ver— 
möge, ſondern daß dieſelben ſtets erſt in unorganiſche verwandelt 
und daß dazu der Sauerſtoff jedesmal mit beigezogen werden müſſe. 
Dieſe merkwürdige Eigenthümlichkeit der Pflanze, ihre Nah— 
rung lediglich und allein aus dem unorganiſchen Reiche zu beziehen, 
ſtimmt auf das Genaueſte mit den Grundſätzen überein, welche im 
Naturhaushalte allgemeine Geltung haben; denn nähmen die Ve— 
getabilien organiſche Verbindungen unmittelbar auf, dann könnte 
ein gegenſeitiger Angriff entſtehen, der möglicherweiſe bis zur Ver— 
tilgung alles organiſchen Lebens auszuarten vermöchte, während 


12 


ſich andererſeits im unorganiſchen Reiche Stoffe aufhäuften, die 
vollends zur Zugrunderichtung alles Lebendigen beitrügen. Unſer 
allweiſer Schöpfer hat aber dafür geſorgt, daß ſolche Ungleichheiten 
nirgends in der Schöpfung getroffen werden. Gerade aus dieſem 
Grunde erhielten auch die Pflanzen die Beſtimmung, ihren Koh— 
lenſtoffgehalt nur zum geringeren Theile aus dem Boden, zum 
größten Theile aber aus der Atmoſphäre zu entnehmen, welche für 
dieſen Zweck einen 20 Theil von Kohlenſäure beigemiſcht erhielt. 
Auf den erſten Blick erſcheint dieſe Quantität zwar ſehr gering, 
dennoch iſt ſie aber für den außerordentlichen Verbrauch mehr als 
ausreichend. 


Daß aber die Pflanzen ihren Kohlenſäure-Verbrauch wirklich 
aus der Luft beziehen, gewahren wir, wenn wir ſie unter einem 
der atmoſphäriſchen Luft nicht zugänglichen Glasgefäß ins Son— 
nenlicht bringen und durch Zerlegung von kohlenſaurem Kalke ver— 
mittelſt verdünnter Schwefelſäure bereitete Kohlenſäure zu ihnen 
treten laſſen. Es ergiebt ſich dabei nach einiger Zeit unter dem 
Glaſe eine gleiche Menge von reinem Sauerſtoffe gegen die ver— 
wendete Kohlenſäure, der ſich dadurch zu erkennen giebt, daß ein 
glimmender Span ſich augenblicklich mit glänzender Flamme ent— 
zündet. Prieſtley war der Erſte, welcher dieſe Entdeckung machte; 
doch kann man die Pflanze unter einem ſolchen Gefäße, ohne daß 
die Luft erneuert wird, nicht laſſen: ſie geht zu Grunde, wenn ihr 
auch alle andern Lebensbedingungen zufließen. In reinem Sauer— 
ſtoffgaſe kann alſo die Pflanze ebenſo wenig wie das Thier leben. 
Daß die Pflanze im Sonnenlichte Sauerſtoff aushaucht, ſahen wir 
bereits weiter oben. 


Man begnügte ſich aber nicht allein mit dieſen Verſuchen. In 
England pflanzte man eine Weide von 5 Pfund Gewicht in ein 
Gefäß, welches mit einer ſorgfältig abgewogenen Menge von Erde 
verſehen wurde und begoß die fortwachſende Pflanze je nach Be— 
dürfniß mit reinem Regenwaſſer; nach Verlauf von 5 Jahren er— 
reichte dieſelbe ein Gewicht von 170 Pfund, während die Erde nur 
14 Pfund von ihrem Gewichte verloren hatte. Hier rührte die 
Gewichtszunahme von 1632 Pfund alſo lediglich und allein von 


73 


dem aus der Luft aufgenommenen und im Innern der Weide zer— 
legten Kohlenſäure-Gaſe her. 

Die Pflanze ſaugt daher die Kohlenſäure aus der Luft ein, 
trennt durch die Sonnenſtrahlen, die ihre Lebensthätigkeit wecken, die 
Beſtandtheile derſelben, Sauerſtoff und Kohlenſtoff, von einander, 
nimmt letzteren in ihren organiſchen Verband auf und ſchickt den 
Sauerſtoff in die Atmoſphäre zurück. Wie begierig die Pflanzen 
dieſe Säure aufſuchen, dies ſehen wir an ſolchen, die in der Nähe 
von ſehr kohlenſäurereichen Quellen, die in der Nähe von Hoh: 
öfen wachſen; hier nehmen die Blätter einen bei weitem größeren 
Umfang an, damit ſie durch die vermehrten Saugöffnungen ja 
recht viel dieſes Nahrungsſtoffes in ſich zu nehmen vermögen. 

Auf dieſe Weiſe iſt in der Natur für die Fortſchaffung der der 
Thierwelt jo äußerſt nachtheiligen Kohlenſäure, die bei der Verbren— 
nung und dem Athmungsprozeſſe in ſo überreicher Maſſe entſteht, 
geſorgt und auf dieſe Weiſe wird auch zugleich die Luft gereinigt. 

Mancher der geneigten Leſer dürfte hier den Einwurf machen: 
wenn die Pflanzen die Funktion haben, die Luft von dieſem den 
Thieren ſo gefährlichen Gifte zu befreien, ſo muß ſich dieſelbe ja 
im Winter ungemein anhäufen und dann um ſo gefährlicher für 
jene werden. Allein wenn wir in dieſer Jahreszeit gerade durch den 
vermehrten Gehalt der Luft an Kohlenſäure, etwas Ammoniak 
u. ſ. w. auch häufiger von Krankheiten heimgeſucht werden, ſo 
iſt im großen Haushalte der Natur auch für die Fortſchaffung in 
dieſer Zeit weiſe geſorgt; denn ſo bald unſere Vegetation in Ruhe 
verſinkt, erheben ſich gewaltige Stürme, welche die Luft nach vege— 
tationsreichen Gegenden hintragen und gereinigte zurückbringen; 
ſtrömen vermehrte Regenquantitäten aus der Atmoſphäre nieder, 
welche das Zuviel der Kohlenſäure binden und fie ebenfalls in 
Gegenden überführen, wo ſie zerlegt wird; ſchickt unſer Schöpfer 
den herrlich kryſtalliſirten Schnee, welcher als Sauger für die 
Kohlenſäure auftritt. Schmilzt derſelbe im Frühlinge, fo nimmt 
ſie das Schneewaſſer mit unter die Erde und führt ſie den Wurzel— 
fäſerchen zu, ſo daß durch ihn die erſte Vegetation erweckt wird. 
Der Schnee tritt aber nicht allein als Sauger für die Kohlenſäure 
auf, er nimmt auch Ammoniak auf und deshalb gerirt er ſich als 


74 


nicht unbedeutende Düngekraft, wie wir dies nach ſchneereichen 
Wintern fo deutlich gewahren. a 

Eigenthümlich iſt das Verhalten der Pflanze bei Abweſenheit 
des Sonnenlichts. Sie nimmt dann Sauerſtoff auf und giebt 
Kohlenſäure aus, und zwar ſaugt fie dann bei weitem mehr der 
erſteren auf, als fie von letzterer ausgiebt. So wie kein Sonnen— 
licht vorhanden, ſtellt nämlich die Pflanze ihre Thätigkeit ein und 
der dem Leben ſo nachſtrebende Sauerſtoff drängt ſich nun in ſie 
ein und ſucht Zerſtörungen zu beginnen; bleibt ihr der Zutritt von 
Licht verſchloſſen, dann ſetzt er ſein Zerſtörungswerk mit aller Macht 
fort. Bei der Abhandlung über die Sauger werden wir hierauf 
zurückkommen. 

Bereits wurde erwähnt: daß kein Stoff der Pflanze als s. 
rungsmittel dienen kann, deſſen Zuſammenſetzung dem Pflanze 
körper gleich ſei, und gerade hierinnen liegt der Hauptunterſchied 
der Lebensbedingungen vegetabiliſcher Naturkörper gegen unorga— 
niſche, welche ſich durch Anſatz gleichartiger Stoffe erhalten. Hier— 
durch lernen wir nun auch den Hauptnutzen des Humus kennen, 
welcher dann erſt der Pflanze zugänglich wird, wenn ſeine Beſtand— 
theile, die auch die des Holzes, nämlich Kohlenſtoff, Waſſerſtoff 
und Sauerſtoff ſind, ſich von einander trennen, um neue Verbin: 
dungen hervorzurufen. * 

Durch die langſame Verbrennung (Vermoderung) gi 
Humus ſtets Kohlenſäure und Waſſer aus und wird dadu 
nie verſiegender Lebensquell für die Pflanzen, ja im Frühlinge, wo 
die Pflanzen noch nicht mit Blättern verſehen ſind, beziehen ſie ihren 
Kohlenſäurebedarf lediglich und allein aus dem Schnee und dem 
Humus. Der zerſtörende Sauerſtoff, der überall, wohin er auch 
dringt — und wo iſt er nicht überall zu finden? — ſeine verheeren— 
den Wirkungen beginnt, entnimmt der abgeſtorbenen Pflanze die— 
jenige Quantität Sauerſtoff, die die lebende nothwendig hatte, als 
er ihr in der Geſtalt von Kohlenſäure begegnete. Wie daher die 
Blätter in der Luft, ſo ſaugen die Wurzelfäſerchen aus dem humus— 
reichen Boden die im Waſſer gelöſte Kohlenſäure auf. Und immer 
von Neuem ſetzt ſich Sauerſtoff im Humus feſt, damit die Kohlen— 
ſäurebildung nie unterbrochen werde. Hieraus geht, wie wir weiter 


75 


unten beim Boden und den Saugern zu ſehen Gelegenheit finden, 
hervor, warum die ſorgſame Auflockerung des Bodens in der Land— 
wirthſchaft ſo außerordentlich gute Wirkungen thut. Daß aber 
die Saugfaſern der Wurzeln keine andere Bedeutung für die Acker— 
erde, als die Saugſpalten der Blätter und grünen Zweige und 
Stängel für die Luft haben, geht daraus deutlich hervor: daß die 
einen die andern vertreten, wenn man ein Bäumchen verkehrt d. h. 
mit ſeiner Krone in ganz lockeres Erdreich pflanzt. 

Zwiſchen der Atmoſphäre und den Pflanzenzellen finden durch 
die Mundöffnungen der Wurzeln, Blätter und Zweige ununter— 
brochene Wechſelwirkungen ftatt, die jedoch — wie wir ſahen — in 
ganz verſchiedener Weiſe vor ſich gehen, je nachdem dann das 
onnenlicht in ſchwächerer oder ſtärkerer Intenſität, oder gar nicht 
nwirkt. Im Sonnenſcheine nehmen die grünen Zellen Kohlen: 
ſäure auf und hauchen Sauerſtoff aus, bei trübem Wetter und des 
Nachts ſaugen ſie Sauerſtoff ein und geben Kohlenſäure aus. Die 
Pflanzen verbeſſern daher bei Sonnenſchein die Luft auf doppelte 
Weiſe, indem ſie die tödtliche Kohlenſäure aus derſelben entfernen 
und zugleich ihren Gehalt an Sauerſtoff vermehren. Des Nachts 
und bei lange anhaltendem trübem Wetter verderben die Pflanzen 
die Luft, indem dann Sauerſtoff ein- und Kohlenſäure ausgeath— 
met wird. f 

Die Pflanze ermöglicht ihr Wachsthum durch Zellen; eine 
ſolche wächſt, ernährt ſich, athmet und ſcheidet ihren Ueberfluß aus, 
ſie ſtellt ſich alſo als ein vollkommen abgeſchloſſenes Individuum 
dar. Hat die Zelle auf dieſe Weiſe eine Zeitlang ihre Lebensthä— 
tigkeit fortgeſetzt und Kohlenſäure und Waſſer zerlegt, ſo pflanzt ſie 
ſich fort und dieſe Fortpflanzung geht vom Primordialſchlauche 
aus. Die Fortpflanzung kann nur erfolgen, ſo lange die Zelle noch 
jung, die Zellenmembran alſo noch zart und der Primordialſchlauch 
noch kräftig entwickelt iſt; iſt die Zelle einmal ausgewachſen, dann 
ſteht ihr der Tod bevor. Ueber ein Jahr wird ſelten eine Zelle alt. 
Da die Zellen ſehr klein ſind, ſo iſt deren Zahl eine überaus große 
und ſelbſt in der kleinſten Pflanze überſteigt die Zellenzahl die der 
Einwohner der größten Reiche. In einem Waldbaume leben mehr 
Zellen, als Menſchen auf der ganzen Erde. In einer mäßig großen 


76 


Kartoffel treffen wir mindeſtens auf 2 Millionen Zellen, wogegen 
die einer größeren Kiefer auf mindeſtens 30 Millionen ſteigt. Daß 
die Zellen enge zuſammen liegen müſſen, ergiebt ſich aus dieſen 
Zahlverhältniſſen auf das Deutlichſte. Die Natur geht ungemein 
ſparſam mit dem Raume um, daher find die Zellen nach Art der 
Bienenzellen, jedoch oben und unten mit einem 4flächigen Dache 
verſehen, fie bilden alſo Rhomben-Zwölfflächner. Die Zuſammen— 
ſchachtlung dieſer Zellen belegen wir mit dem Namen Zellgewebe 
und in ihm geht der Lebens- und Ernährungsprozeß vor ſich. 

In der Regel geben die Wurzelzellen die Flüſſigkeit, welche ſie 
aus der aufgenommenen Nahrung produciren, ſofort an die höher 
gelegenen Zellen weiter, dieſe ihren nächſten Nachbarn und ſo durch 
den ganzen Stamm durch. Jede Zelle veredelt und verfeinert die 
empfangenen Stoffe nach ihrer Art. Den ausgeſchiedenen Saft 
ſaugt die Nachbarzelle auf und veredelt ihn weiter. Auf dieſe Weiſe 
erhebt ſich derſelbe von Zelle zu Zelle unzählige Male, um ebenſo 
oft verändert und geläutert aus der Wurzel in die Stängel, aus 
den Stängeln in die Blätter zu treten. Die Blätter ſind die Zellen— 
vereinigungen, die von Luft, Licht, Waſſer und Ammoniak leben. 
Der Saft, der aus der Wurzel kömmt, tritt hier mit jenen Elemen— 
ten in Verbindung, die Kohlenſäure wird zerlegt, der Kohlenſtoff 
mit andern Stoffen vereinigt. Von Blatt zu Blatt läuft der Saft 
und auf dieſe Weiſe entſtehen aus den einfachen Bildungsflüffig- 
keiten des auf- und abſteigenden Saftes die mannigfachſten Pro— 
ducte, die als Farben das Auge, als Aroma den Geruch, als 
Süßen, Säuren, Bitteren den Geſchmack erfreuen; auf dieſe Weiſe 
werden die Stoffe abgelagert, die uns ernähren, die uns die an— 
genehmſten Genüſſe, die uns die Präſervative vor Aminen u. 
ſ. w. verſchaffen. 

In den verſchiedenen Theilen der Pflanzen werden die ver— 
ſchiedenſten Stoffe zubereitet; jede derſelben birgt ein eigenes Labo— 
ratorium, das andere Bereitungen in der Wurzel, andere im 
Stängel, andere in den Blättern, andere in den Blüthen und noch 
andere in den Früchten vornimmt. 

Die Wurzeln des Zimmtbaumes liefern z. B. * Campher, 
die Baſtſchicht dieſer Pflanze ſchenkt uns den Zimmt, die Blätter 


77 


geben uns bei der Deſtillation das Nelkenöl. Ja zu verſchiedenen 
Zeiten verarbeiten dieſelben Zellen verſchiedene Säfte. Die Blätter 
des jungen Salates geben eine angenehme Nahrung im Frühlinge 
und Sommer, im Herbſte ſtrotzen ſie voll bittern giftigen Milch— 
ſaftes. Die Knollen der jungen Kartoffeln beſitzen eine narkotiſche 
Schärfe, während ſie bei der vollkommenen Reife nichts als nahr— 
haftes Stärkemehl enthalten. Sogar der aufſteigende Saft iſt in 
manchen Pflanzen ungemein verſchieden vom abſteigenden; die ka— 
nariſche Wolfsmilch giebt uns hiervon ein auffallendes Beiſpiel. 
Der aufſteigende Saft dient den Bewohnern jener Inſeln als wohl— 
ſchmeckendes Getränk, während der abſteigende als heftiges Gift 
wirkt. Daß der Splint den ausgebildeten Saft wieder abwärts 
führt, beweiſt die Thatſache: daß, wenn man an einem Baumzweige 
einen ringförmigen Einſchnitt macht, oder ihn unterbindet, die 
Reife der daran befindlichen Frucht beſchleunigt wird und dieſelbe 
an Größe und feinem Geſchmack zunimmt. Der abſteigende Saft 
wird dann nämlich auf ſeinem Wege aufgehalten, ſo daß er ſich in 
allen Theilen der Zweige verläuft und ihnen reichlichere Nahrung 
giebt, als wenn ſich dieſer Saft in den allgemeinen Strom ergoſſen 
hätte. 

Wenn der Saft der Pflanzenzellen ſeine höchſte Veredlung er— 
langt hat, ſo tritt die Pflanze in die Blüthe; letztere iſt die Ver— 
einigung von Blättern, in welchen die Pflanze ihre größte Pracht 
zur Schau trägt. In ihr zeigen ſich die prachtvollſten Farben, die 
lieblichſten Wohlgerüche, die ſüßeſten Gaumenkitzel, alſo die kräf— 
tigſten Stoffe mit den edelſten Formen. 

Die kurze Lebensdauer der einzelnen Zellen wirkt nachtheilig 
auf die Geſammtpflanze, daher iſt das Pflanzenleben im ſteten Ab— 
ſterben begriffen und daher verwendet die Pflanze ſo viel auf das 
Hervorbringen zahlreicher Saamen, damit keins ihrer Geſchlechter 
ausſterbe. 

So bald ſich die Wärme vermindert, fangen die das Athmen 
bewirkenden Blätter an, welk zu werden, ſie verändern ihre grüne 
Farbe in Gelb und dann in Braun und fallen ab; aber auch die 
Wurzelzellen, die im Frühlinge ſo geſchäftig Nahrung aufſogen, 
die Zellen des Stammes, die den Saft nach oben leiteten, haben 


2 
18 


ſich gefüllt, haben ihre Säfte verdickt und ſterben ab, fie haben ihre 
Funktion geſchloſſen und hinterlaſſen uns Holzmaſſe, um uns an 
derſelben erwärmen, um uns Häuſer und Geräthſchaften aus im 
bauen zu können. 

Ein großer Theil von Gewächſen überlebt daher das erſte 
Jahr nicht; die meiſten Kräuter keimen im Frühlinge, blühen im 
Sommer, bringen im Herbſte ihre Saamen zur Reife und gehen mit 
dem Winter zur ewigen Ruhe ein. Die Bäume und Sträucher 
ſpeichern dagegen im Herbſte im Marke und in den Wurzeln Nah— 
rungsmittel auf, die ſie im Frühlinge — zugleich mit aus dem 
Boden zuſtrömender wäßriger Kohlenſäure — ſobald die Säfte 
bei warmen Tagen flüſſig werden, zur Bildung neuer Säfte ver— 
wenden. An den Wurzeln, deren äußerſtes Ende, als jüngſter 
Theil, vorzugsweiſe der Aufnahme von Nährflüffigkeit vorſteht, 
verlängert ſich die Spitze ununterbrochen, es bilden ſich neue Zellen, 
die friſchen Muths ihr Geſchäft von Neuem beginnen. 

Im Stamme ſind die Holzzellen, die Baſtröhren, die Gefäße, 
welche während der Vegetationszeit die Nahrung nach den Blättern 
führten, im Herbſte ſchon wieder verholzt, daher muß ſich im Früh— 
linge um dieſelben wieder ein Kreis von neuen Zellen herumlagern, 
der nun die Leitung des Saftes übernimmt. Ein Jahr darauf iſt 
aber auch dieſer wieder abgelebt und es bildet ſich nun wieder ein 
neuer Zellenkreis; daher beſteht der Stamm eines Baumes aus 
einer größern oder geringern Zahl von ineinander ſteckenden Zylin— 
dern, die ihre Entſtehung lediglich und allein den Zellen zu ver— 
danken haben. 

Aus dem Vorangegangenen erſehen wir: daß der Kohlenſtoff 
einer der wichtigſten Nahrungsſtoffe im Pflanzenreiche iſt; daß er 
den einzelnen Individuen aber nicht unmittelbar, ſondern nur in 
Verbindung mit Sauerſtoff als Kohlenſäure ſowohl durch die 
Blätter, als durch die Wurzeln zugeführt wird. Das Sonnenlicht 
bewirkt in den Blättern die Zerlegung der Kohlenſäure, das zus 
rückbleibende Kohlenoxyd verbindet ſich mit Waſſerſtoff, welchen 
die Zerlegung des Waſſers liefert, die zugleich mit der Zerlegung 
der Kohlenſäure und unter denſelben Umſtänden wie die Laß, 
der Kohlenſäure vor ſich geht. 


* 
79 


Bringt man nun Kohlenoxyd mit den verſchiedenen Waſſer— 
ſtoffmengen zuſammen, ſo erklärt ſich die Bildung der im Pflanzen— 
reiche vorkommenden nicht ſtickſtoffhaltigen Producte. Befinden ſich 
nämlich in dieſen dreifachen Verbindungen Sauerſtoff und Waſſer— 
ſtoff im Verhältniſſe der Waſſerbildung, jo entſtehen Holßfaſer, 
Stärkemehl, Zucker, Gummi u. ſ. w.; iſt die Waſſerſtoffmenge 
aber eine bedeutendere, als im Waſſer, ſo entſtehen ätheriſche und 
fette Oele, Wachs, Harze u. dergl. Iſt dagegen der Sauerſtoff 
überwiegend, ſo erhält man Pflanzenſäuren. 

Wir ſahen bereits: daß die Pflanzen bezüglich ihrer Selbſt— 
erhaltung und ihrer Fortpflanzung ſehr ſorgſam ſeien. Deshalb 
legen ſie in ihren Zellen Magazine von Mehl an, die Sago— 
palme z. B. in ihrem Marke, die Kartoffel in ihren Knollen, 
der Weizen in ſeinen Körnern. Dieſe Sorgſamkeit der Pflanzen 
für ſich wird zum Erhalter der Menſchen und Thiere, indem der 
Menſch ſich erlaubt, auf ſeinen Leib zu verwenden, was ur— 
ſprünglich als Keim neuer Weizen- und Kartoffel-Generationen 
dienen ſollte. \ 

Der Kohlenſtoff, das wichtigſte Pflanzenernährungsmittel, 
leiſtet überdies bei der Vegetation außerdem noch ungemein wichtige 
Dienſte. Als Licht-Sauerſtoff-Ammoniak- und Waſſer-Sauger 
ſorgt er nicht allein für hinreichende Erwärmung des Bodens und 
wird dadurch die Haupttriebfeder, daß im Frühlinge die perenniren— 
den Gewächſe ſich zu reproduciren vermögen, ſondern er reſervirt 
auch die Feuchtigkeit und giebt ſie zur Zeit großer Trockenheit an 
die Gewächſe ab, er ſchützt ſie daher auch auf dieſe Weiſe vor dem 
Ausſterben. Wie daher der Kohlenſtoff als der Barometer des 
Wohlſtandes einzelner Länder (Englands) zu betrachten iſt, ſo hat 
man ihn auch als Beglücker der Geſammt-Vegetation anzuſehen. 
Nicht vergebens erhebt er daher ſein Haupt und lehnt ſich auf gegen 
die dem Waſſerſtoffe eingeräumte Macht. Wenn Du, ruft er jenem 
zu, auch in der Verbindung mit Sauerſtoff ungemein Großartiges 
leiſteſt, ſo kannſt Du doch gar vieles nicht ohne mich vollführen. 
Ich ſpreche deshalb einen Theil des Dir geſpendeten Ruhmes 
für mich an. Schiffe und Locomotiven zu treiben, dem Menſchen 
Kleider zu weben, das feinſte Mehl, den beſten Teig herzuſtellen, 


N. 


kannſt Du nur durch mich. Ich bin es durch deſſen Hauch in Dei- 
ner Gemeinſchaft und in Gegenwart von Licht und Wärme ſich die 
ganze Natur belebt, ich bin es, welcher dem Menſchen die ſaftig— 
ſten, wohlſchmeckendſten Früchte ſpendet, durch mich athmet die 
Geſammtpflanzenwelt. Ich gönne Dir das Tragen von ungeheuren 
Laſten, allein tritt mit mir in den grünen Wald: wie lieblich iſt es 
hier, welchen Seegen ſpende ich von hier aus! ich liefere die Ma— 
teriale zum Tragen jener Laſten, ohne mich wäreſt Du in dieſer 
Beziehung nichts; ich ergreife Dich und führe Dich hinauf in das 
ſchöne grüne Blatt, das ſo melodiſch flüſtert; ich lege Dich dem 
funkelnden Sonnenſtrahle vor, der uns zuſammen vermählt; ich 
ſauge Dich zugleich mit Sauerſtoff auf; ich verſtecke Dich und halte 
Dich ſo lange verborgen, bis ich weiß, wie außerordentlich ich die 
Pflanze mit Dir zu laben vermag; biſt Du auch ſonſt noch ſo 
mächtig: im Pflanzenernährungsprozeſſe bleibſt Du mir unterthan. 
Die Kohlenſäure iſt eins der allerwichtigſten Nahrungsmittel 
für das Geſammt-Pflanzenreich; ſie wird entweder durch die Blätter 
aus der Luft aufgeſogen, oder durch die Wurzeln aus dem Boden. 
Im letzteren Falle geht ſie in Begleitung von Waſſer zugleich mit 
aufgelöſtem Ammoniak, kohlenſaurem Kalk, kohlenſaurer Bitter— 
erde, kohlenſaurem Eifenorydul, kohlenſaurem Manganoxpdul, 
phosphorſaurem Kalke, kohlenſaurem Kali und Natron, ſowie mit 
Kieſelerde in das Pflanzengewebe über. Hier wird ſie und ihre 
Verbindungen zerlegt und der Kohlenſtoff zugleich mit den überge— 
führten andern Nahrungsmitteln, nachdem ſich andere organiſche 
und unorganiſche Verbindungen gebildet haben, in den Zellen ab— 
gelagert. | 
Ohne dieſes Hauptnahrungs-, ohne dieſes Univerſal-Auf— 
löſungsmittel fände keine Pflanzenernährung ſtatt, hörte alles vege— 
tabiliſche und thieriſche Leben auf. So ſehr daher auch die Vor— 
ſehung für das ausreichende Vorhandenſein dieſes höchſt wichtigen 
Nahrungsmittels geſorgt hat, ſo hängt dennoch von der ſorgſamen 
Zuführung deſſelben in den Boden in der Landwirthſchaft das 
Meiſte ab. Für die gehörige Beſchaffung derſelben muß der Land— 
wirth daher ſehr beſorgt und ſeine ganze Thätigkeit muß darauf 
gerichtet ſein, ſie dem Boden auf zwei verſchiedenen Wegen zuzu— 


81 


führen. Der eine der letzteren beſteht darinnen: den Boden recht 
mit kohlenſtoffhaltigen Beſtandtheilen, mit Humus oder andern 
Saugern zu ſchwängern, damit dieſelben recht viel Sauerſtoff und 
Kohlenſäure aus der Luft an ſich ziehen und durch erſteren dann 
recht viel der letzteren bilden; der andere aber beſteht in einer recht 
ſorgſamen und ſehr oft wiederholten Auflockerung, damit dem ſo 
hergerichteten Boden der Sauerſtoff und die Kohlenſäure der Luft 
an unendlich vielen Punkten zugänglich werde, damit der mit Koh— 
lenſäure geſchwängerte Regen und der Thau ſo ſanft als möglich 
auffalle, damit durch das Aufſchlagen auf harte Knollen jene Gas— 
arten nicht aus dem Regen austreten und ſich wieder mit der Luft 
miſchen. 

Bei dunklem, recht humusreichem Boden gewahren wir recht 
deutlich: daß es namentlich die Kohlenſäure iſt, welche zur kräftigen 
Ausbildung, zur vollkommneren Ernährung das Meiſte beitrage; 
denn abgeſehen davon, daß der Humus ein ſtarker Kohlenſäure— 
Sauerſtoff⸗ und Waſſerſauger iſt, erhält er hauptſächlich den Bo— 
den ungemein locker und bedingt dadurch eine ſehr ſtarke Aufſaugung 
von Kohlenſäure. Solch ſchwarzer humusreicher Boden trägt viele 
Jahre hintereinander den üppigſten Pflanzenwuchs, ohne daß ſich 
deſſen Farbe veränderte, ja bei ſorgſamer Beobachtung findet man 
ſogar eine Vermehrung der kohlenſtoffhaltigen Beſtandtheile und 
es trägt hier lediglich und allein die phyſiſche Beſchaffenheit des 
Bodens, durch welche der Kohlenſäure der Luft ein raſcher Zutritt 
geſchaffen wird, in Verbindung mit der ſtarken Saugfähigkeit des 
Humus zu dem üppigen Pflanzenwachsthume bei. 

Der ſorgſame, der fleißige Landwirth kann daher das wich— 
tigſte Pflanzennahrungsmittel ohne Koſten in reichlicher Fülle für 
ſeine Aecker aus der Luft beziehen. 


Engelhardt, die Nahrung der Pflanzen. 6 


Stickſtoff, deſſen Verbindung mit 
Waſſerſtoff zu Ammoniak, ſowie deſſen 
Verbindung mit Sauerſtoff zu atmoſphä⸗ 

riſcher Luft. 


1 


Unſere große Lehrmeiſterin, Erfahrung, macht uns mit ei 
Menge von Erſcheinungen bekannt, welche in der Regel ſpäter erſt 
wiſſenſchaftlich erklärt werden, dann ihre Nutzanwendung aber 
auch im erhöhten Maaße finden. 

Wir wiſſen aus Erfahrung: daß auf Feldern, wo man Miſt 
aus Schlächtereien und Gerbereien anwendet, der Gras- Getreide: 
und Baumwuchs viel üppiger, daß deren Körner- und Fruchtertrag 
bei weitem bedeutender iſt, als auf ſolchen Feldern, wo mit ge— 
wöhnlichem Stallmiſte gedüngt wird. Wir wiſſen ferner: daß auf 
Feldflächen, wo Schlachten geliefert wurden, auf Kirchhöfen, auch 
Fallangern, ähnliche günſtige Verhältniſſe obwalten. 

Wir wiſſen: daß Obſtbäume, welche wegen ihres Alters faſt 
keinen Ertrag mehr liefern, wieder tragbar werden, wenn man 
todte Thiere unter ihnen vergräbt. 

Wir wiſſen: daß wir durch Beſtreuen der Felder mit 8 
ſpänen, mit klargemachten Klauen und Knochen, mit Leder ꝛc. ꝛc. 
nicht nur einen üppigeren Pflanzenwuchs, ſondern auch eine ver— 
mehrte Saamenbildung erzielen. 

Faſſen wir nun die Düngerabfälle, welche in Schlachtereien 
und Gerbereien erlangt werden, genauer ins Auge, ſo zeigt ſich, 
daß dieſelben, außer Knochen, die ihrem Hauptbeſtandtheile nach 
phosphorſaure Kalkerde enthalten, aus Haaren, Därmen, Darm— 


7 


83 


ſchleim, Klauen, Horn, Sehnen, Blut und Fleiſch beſtehen, und 
daß dieſelben Stoffe auf Schlachtfeldern, Ra Fallangern 
etroffen werden. 

er Da dieſe Stoffe außer Sauer- Waffer- Kohlen- und Stick⸗ 
ſtoff, den hauptſächlichſten Beſtandtheilen unſeres gewöhnlichen 
Düngers, eine größere Menge Stickſtoff enthalten, ſo muß letzterer 
die ſo überaus günſtige Wirkung auf die Vegetation üben und 
dieſe um ſo kräftiger ſein, je lockerer der Boden gehalten, je öfter 
er alſo während der fotiſchren en Ausbildung der Gewächſe auf— 
gelockert wurde. 

Obſchon uns die Erfahrung ſo augenſcheinlich auf die kräftige 
Wirkung jener Düngeſtoffe hinweiſt, ſo war es doch in der Jüngſt— 
zeit der Wiſſenſchaft vorbehalten, den in ihnen enthaltenen Stickſtoff 
und deſſen Verbindungen als das eigentliche Princip des vollkom— 
meneren Pflanzenwuchſes und der vermehrten Blüthen- und Frucht: 
bildung kennen zu lernen. Bei dem hohen Werthe, welchen der 
Stickſtoff für die Landwirthſchaft hat, wird es von Intereſſe ſein, 
etwas Genaueres über ihn zu erfahren. 

Der Stickttoff, ein gasförmiger Stoff, welcher unſere atmo— 
ſphäriſche Luft zu z zuſammenſetzt, bildet außerdem einen weſent⸗ 
lichen Beſtandtheil der meiſten thieriſchen und einen geringeren 
Beſtandtheil vieler vegetabiliſchen Körper. Er ift farb- geruch⸗ 
und geſchmacklos und konnte bis jetzt noch nicht zu einer Flüſſigkeit 
verdichtet werden. Im Waſſer weniger löslich, als Sauerſtoff, iſt 
er zugleich etwas leichter, als die atmoſphäriſche Luft. Der Stick— 
ſtoff iſt ein ſehr indifferenter Stoff und vereinigt ſich nicht direct 
mit irgend einem andern Elemente. In neuerer Zeit iſt dies bei 
ſehr hohen Temperaturgraden nur mit Kohle, bei Anweſenheit 
von Pottaſche, gelungen. Ein brennendes Licht verlöſcht augen— 
blicklich im Stickgaſe, und Thiere fterben ſchnell in demſelben, 
nicht weil es an ſich ſchädlich iſt, ſondern wegen Mangel an 
Sauerſtoff. Di Stickſtoff iſt einer der wichtigſten Stoffe im orga⸗ 
niſchen Reiche, aber auch der am meiſten ins Dunkel gehü 
Alles Thier- und Pflanzenleben geht mit und durch ihn hervor, 
doch muß ihm der Sauerſtoff ſtets zur Seite ſtehen. Er giebt gleich— 
ſam den Bändiger des letzteren ab, indem er die zu raſche Ent: 

6* 


yr 


. 
22 rn 

84 Be 
+ 2 


wickelung des Lebensprozeſſes hemmt und verzögert. 2 w 
einft genauere Aufſchlüſſe über dieſen räthſelhaften Stoff, 
werden wir wohl auch mit Sicherheit auf die Zufammenfegu 
der Metalle Rechnung machen dürfen. 2 
Mit Waſſerſtoff vereinigt ſich der Stickſtoff zu Ammoniak, 
welches von eben jo hohem Intereſſe für die Landwirthſchaft iſt. 
Mit Sauerſtoff erhitzt verbrennt der Stickſtoff nicht wie der 
Waſſerſtoff, noch wird er dabei oxydirt. Viele electriſche Funken, 
durch ein Gemiſch von Sauerſtoff und Stickſtoff gejagt, bedingen 
die Bildung von Salpeterſäure. Geſchieht dies im großen Haus⸗ 
halte der Natur, alſo bei Gewittern in unſerer Atmoſphäre, wo 
ſtets feuchte Luft und Regenwolken vorhanden ſind, dann wird 
durch die Blitze zugleich ein kleiner Theil des Regenwaſſers zerlegt 
und der Stickſtoff verbindet ſich mit dem Waſſerſtoffe deſſelb 3 
Ammoniak. Dieſe Ammoniakbildung ift die Urſache der dane 
Einwirkung der Gewitter auf die Vegetation. 
Eine Verbindung des Stickſtoffs mit Sauerſtoff — die Sal⸗ 
peterſäure — entſteht häufig und in nicht vue en enge, 


und baden wir 5 Beiſpiele an der natürlichen e 
und an den künſtlichen Salpeterwänden. 

Beobachtet man die Vegetation von Waſſerpflanzen in ſtets 
erneutem und abgekochtem Brunnenwaſſer, aus welchem die atmo— 
ſphäriſche Luft, folglich auch der Stickſtoff vollkommen ausge⸗ 
* ſo gewahrt man, daß außer Sauerſtoff auch Stick— 

ausgeſchieden wird. Da demnach das angewandte Waſſer 
enen Stickſtoff enthält, ſo mußte derſelbe aus der Pflanze ſelbſt 
ausgeſchieden werden, die alſo verdichteten Stickſtoff in ſich barg. 
Verſuche von Clouz und Gratiolet lehrten wirklich, daß 
zwiſchen dem Aushauchen von Sauerſtoff durch die Pflanzen 11 
der Zerſetzung eines ſtickſtoffhaltigen Beſtandtheils, welcher m 
der grünen Materie zuſammenhängt, eine innige Beziehung ſtatt— 
finde. 

Lediglich der Stickſtoff ift es, welcher in Verbindung mit Licht 
und Sauerſtoff nicht allein das ſchöne grüne Kleid der Pflanzen 


15 


85 


hervorruft, ſondern der auch zu den ſonſtigen Färbungen das 
FR beiträgt, der das Keimen bedingt, der beim Blühen, bei 
efruchtung, bei der Saamenentwicklung ungemein geheim— 
voll, aber um ſo kräftiger wirkt. Vorzüglich iſt es ſeine Ver— 
bindung mit Waſſerſtoff zu Ammoniak, in welcher er durch die 
Wurzeln und Blätter in die Pflanzen übergeführt wird. 

Bei großer Wärme in der Atmoſphäre kann ſich das Am— 
moniak ſchon aus dem Stickſtoffgehalte der Luft bilden, wenn 
freier Waſſerſtoff vorhanden iſt. Die Wichtigkeit, welche dem Am— 
moniak bei dem Pflanzenentwicklungs⸗- und Ernährungs-Prozeſſe 
beigelegt wird, veranlaßte die Chemiker, ſich mit der Beftimmung 
des Ammoniaks in der Atmoſphäre zu beſchäftigen, und es iſt | 
keinem Zweifel mehr unterftelt: daß das Ammoniak die Quelle iſt, 
welcher die Gewächſe die größte Menge des für ſie unentbehrlichen 
tickſtoffs entnehmen, mag derſelbe nun aus dem Boden durch 
den zugeführten Dünger oder aus der Luft aufgeſaugt werden. 
Seine Gegenwart in der Luft wurde ſchon durch Theodor von 
Saufj ure vermittelft des einfachen Verſuchs nachgewieſen: daß 
eine Löſung von ſchwefelſaurer Thonerde durch Kinggpee Stehen 
an der Luft ſich in Ammoniak-Alaun umwandelt. Im Allgemeinen 
jedoch iſt die Menge des in der Luft enthaltenen Ammoniaks nur 
gering und wird ſtets vom Eifenoryde aufgeſaugt, wie weiter 
unten ausführlicher entwickelt werden wird. 

Vile hat ſchöne Verſuche über die Aufnahme des Stickſtoffs 
aus der Luft in die Pflanzen unter einer Glasglocke angeſtellt und 
gefunden: daß, wenn man mit jener etwas Ammoniak miſche und 
daſſelbe täglich erneuere, die Vegetation bei weitem raſcher vor 
ſich gehe. Schon in den erſten Tagen war der Einfluß des Am— 
moniaks in der Glocke, unter welcher die Verſuche angeſtellt wur— 
den, auf die P. anzen zu bemerken. Die Blätter nahmen ein leb— 
hafteres Grün an, die Stängel wuchſen höher, die N zahl⸗ 
reicher und entwickelten viel mehr Blätter. 

Aber das Ammoniak wirkt nicht auf alle Pflanzen mi ‚tea 
Macht; am empfänglichſten find die Cerealien dafür. Während 
dieſelben in einer mit atmoſphäriſcher Luft gefüllten Glocke hin— 
fällig und verkümmert erſchienen, ihre Stängel ſich nicht zu erheben 


86 


vermochten, ſtanden ſie unter der mit ammoniakhaltiger Luft ge⸗ 
füllten Glocke in kräftigſter Entwickelung aufrecht. 

Wir ſahen weiter oben: daß die Pflanzen für die Kerr a 

für die Blätter⸗Blüthen- und Fruchtbildung, für die Färbung ihrer 
Blätter, Blüthen und Früchte Stickſtoff, hauptſächlich aber in ſei— 
ner Verbindung mit Waſſerſtoff zu Ammoniak durchaus nothwen⸗ 
dig haben. Der Stickſtoff findet ſich nun, wenn auch in geringer 
Menge, entweder in der Pflanze ſelbſt, oder er bildet ſich reichlicher 
bei erhöhter Lufttemperatur in der Atmoſphäre, oder er wird in 
größerer oder geringerer Menge durch den zugeführten Dünger in 
die Ackererde gebracht, woſelbſt er bei der Umwandlung des Kohlen— 
ſtoffs durch den Sauerſtoff der atmoſphäriſchen Luft in Kohlen: 
ſäure, durch den bei dieſem Prozeſſe freiwerdenden Waſſerſtoff in 
Ammoniak verwandelt und in dieſer Form durch die Wurzeln den 
Pflanzen zugeführt wird. Auf dieſe Weiſe empfangen unſere Cul⸗ 
turgewächſe, welche Menſchen und Thieren zur Nahrung dienen, 
ihren Stickſtoffgehalt. Dieſer Stickſtoff wird durch das aus ihnen 
bereitete Mehl, ferner durch die Gemüſe und die n 
den Thieren und Menſchen wieder zurückgegeben. 
Diel Stickſtoff im Ammoniak iſt fo wichtig, ja noch wichtiger 
für die Pflanzen, als die Kohlenſäure; denn er iſt es, welcher das 
erſte Leben im Saamenkorne hervorruft, welcher die Bedingung in 
ſich ſchließt, daß ſich Blüthen entwickeln und aus dieſen Früchte, 
daß letztere im Wachsthume voranſchreiten und zur endlichen Reife 
gelangen. 

Die Bildung des Ammoniaks und die Zuführung deſſelben 
in die Pflanzen ſetzt dieſelben Bedingungen in der Ackererde, ſetzt 
dieſelben Witterungsverhältniſſe, ſetzt dieſelben Temperaturgrade, 
wie die Bildung der Kohlenſäure voraus; denn gerade wie ee 
nur durch vermehrte Wärme im Boden icht in ausreichender Me 
zu entwickeln vermag, dieſe vermehrte Wärme aber einest 15 
durch eine gute Bedüngung, anderntheils durch eine ſorgfältige 
Auflockerung des Bodens, bei welcher die Sauger durch Einnahme 
und Verdichtung einer großen Menge von Sauerſtoff die Wärme 
in der Ackererde um 15 bis 18 Grad gegen die äußere Luft ſteigern, 
hervorgerufen wird: gerade ſo verhält ſich dies auch bei der Bil— 


87 


dung des Ammoniaks; denn bei der Zerlegung des Düngers, wel: 
cher in ſeinen in Humus verwandelten Theilen hauptſächlich aus 
Kohlenſtoff, Waſſerſtoff und Sauerſtoff beſteht, verbindet ſich deſſen 
Stickſtoffgehalt nebſt dem durch das vorhandene Eifenoryd aufge— 
ſaugten mit dem Waſſerſtoffe zu Ammoniak und tritt in dieſer 
Form durch die Wurzeln in die Pflanzen über. 

Je weiter nun die Pflanze im Wachsthum fortſchreitet, und 
je näher ſie der Periode kommt, wo ſich die Blüthen entfalten, 
aus denen ſpäter die Früchte hervorgehen, um fo reichlichere Men- 
gen von Stickſtoff (Ammoniak) nimmt ſie dann auch in Anſpruch. 
Fehlt in dieſer Periode dieſer höchſt wichtige Stoff, oder wird er 
durch ungünſtige Witterungsverhältniſſe nicht in ausreichender 
Menge oder doch mit zeitweiliger Unterbrechung zugeführt, dann 
reſultiren ſchlechte Obſt- und Getreidejahre mit geringem Körner⸗ 
ertrage. 

Erniedrigt ſich z. B. während der Baumblüthe die Tempera— 
tur, was häufig der Fall iſt, obſchon lange nicht bis zum Gefrier— 
punkte, ſo beginnen nach Verlauf einiger Tage die Staubgefäße, die 
Narben, die Blumenblätter und endlich die Blüthenſtiele ſchwarz 
zu werden, die Blüthen fallen ab, und die Ausſicht auf ein gutes 
Obſtjahr iſt verſchwunden. Der Grund hiervon liegt aber lediglich 
darin, daß durch die eingetretene Temperaturerniedrigung die hin— 
längliche Menge von Ammoniak nicht zu den Blüthen geführt 
werden konnte. 

Dieſelbe Erſcheinung tritt hervor, wenn in der Zeit, wo die 
Getreidearten blühen, anhaltend ungünſtiges, namentlich kaltes 
und regneriſches Wetter eintritt, durch welches die Ammoniakbil— 
dung in der Ackererde unterbrochen und dieſer befruchtende Stoff 
zurückgehalten wird. Dieſe ungünſtige Erſcheinung erlebten wir in 
den letztverfloſſenen Frühlingen und Sommern, und lediglich dem 
zu wenig zugeführten Stickſtoffe ſind die geringen Ergebniſſe der 
Winterfrüchte, namentlich des Roggens, welcher am früheften zur 
Blüthe gelangt, zuzuſchreiben. Weizen und Sommerfrüchte, welche 
ſpäter blühen, wo die Temperatur der Luft durch die höher ſtehende 
Sonne und die längeren Tage wohlthätiger auf die vermehrte 
Aufſaugung des Sauerſtoffs im Boden und die dadurch bedingte 


88 


höhere Wärme, die eine vermehrte Ammoniakbildung hervorruft, 
wirkt, lieferten daher durchſchnittlich auch einen höheren Körner 
ertrag. 

Selbſt beim Winterroggen konnte man in dem letztverfloſſenen 
ungünſtigen Jahre ſehr überſichtliche Erfahrungen über das eben 
Geſagte ſammeln. Auf denjenigen Bodenarten, namentlich dem 
Sandboden, die durch den vielen Regen nicht zu feſt geſchlagen 
wurden, wo alſo die Sauger ihre Thätigkeit auch bei ungünſtiger 
Witterung fortzuſetzen vermochten, wodurch die Zuführung des 
Ammoniaks zu den Pflanzen nicht allzuſehr vermindert wurde, 
hatte man theilweiſe einen Körnerertrag, wie er nur in guten 
Jahren erzielt werden kann; dagegen lieferten gerade die meiſten 
guten und ſchweren Ländereien, wenn dieſelben nicht mit übers 
flüſſigem, ſehr ſtickſtoffreichem Dünger überführt waren, nur ge— 
ringe Ausbeute. 

Daß der Stickſtoff der Bilder und Erhalter der Blüthen iſt, 
daß er auf die Saamen den günſtigſten Einfluß übt, wenn die 
ſonſtigen Beſtandtheile im Boden vorhanden, welche zur Frucht— 
ausbildung erforderlich ſind, davon können wir uns bei ſchlecht 
gedüngten, ausgeſaugten Feldern überzeugen. Bei denſelben fin— 
det man namentlich in tieferen Lagen, wo hinlängliche Kohlen- 
ſäure aus der Luft zutreten kann, oft einen ſehr kräftigen Stängel— 
wuchs, allein die Aehren ſind kurz, und die Fruchtbildung iſt un— 
bedeutend. ' 

In naſſen, mit thonigem Untergrunde verſehenen Boden: 
arten, wo der Eiſengehalt der Thone den Stickſtoffgehalt der Luft 
viele Jahre hintereinander aufgeſaugt und zurückbehalten hat, er— 
halten wir durch die Drainage Erndteergebniſſe, die man ſich nie— 
mals vermuthete. Der Grund hierfür iſt aber lediglich der, daß 
durch die mittels der Drainage hergeſtellte Saugfähigkeit des 
Bodens und die durch dieſelbe bedingte Wärme eine große Menge 
von Ammoniak gebildet und zur rechten Zeit in die Pflanze über— 
geführt wird. 

Steht die Temperatur der Luft nicht unter 4“, fo entwickelt 
ſich ſtets zugleich mit etwas Kohlenſäure auch noch etwas Am⸗ 
moniak, und unſere Getreidearten wachſen daher auch im Herbſte 


89 


und im Nachwinter, wiewohl langſam fort. Iſt nach der Gerften- 
ſaat im Frühlinge die Witterung ungünſtig d. h. kalt und naß, 
dann fangen die jungen Pflänzchen, welche zu ihrem Gedeihen den 
Stickſtoff am wenigſten miſſen können, an gelb zu werden. Hält 
dieſe Witterung lange Zeit an, ſo erkräftigen ſich die Pflanzen 
nur ſchwer, und der Gerſtenertrag bleibt ein geringer. 

Die regelmäßige, nur ſelten unterbrochene Zuführung von 
Ammoniak zu den Pflanzen in ſüdlichen Gegenden iſt daher ledig— 
lich die Urſache, warum dort nur ſelten fehlſchlagende Erndten ein— 
treten, und hängt der ſo überaus reichliche Fruchtertrag hauptſäch— 
lich von dem ſtets in ausreichender Menge ſowohl in der Luft als 
in dem Eiſenoryde des Bodens vorhandenen Stickſtoffe ab, und 
es wird dort, da ſich bei der hohen Temperatur auch ſtets viel 
Kohlenſäure in und außerhalb des Bodens entwickelt, eine Dün— 
gung des letzteren nur ſeltener nothwendig. 

Verſchiedene Beiſpiele werden hier nicht allein beweiſen, wie 
günſtig der Stickſtoff auf die Vegetation wirkt, ſondern auch, wie 
ſchnell ſich bei ſteigender Wärme Ammoniak bilden und in die 
Pflanzen übergeführt werden kann, um ungeſäumt in denſelben 
günſtige Veränderungen hervorzurufen. 

Wem iſt nicht das herrliche matte Maigrün unſerer Wieſen 
bekannt? Bei kühler Witterung, wie ſie in der Regel um dieſe 
Jahreszeit herrſcht, gewährt es dem Auge längere Zeit einen an— 
genehmen Genuß, allein ein warmer Tag in Verbindung mit 
einer nicht kühlen Nacht, wo die Sauger ihr Geſchaͤft raſcher voll— 
führen, und wo alsdann durch ihre Thätigkeit der jungen Pflanze 
mehr Ammoniak zugeführt wird, zeigt es uns bald in dunklerem 
Grün. 

Im prachtvollen Hellgrün ſtehen wallende Buchenwände und 
ſtechen gewaltig gegen das tiefe Dunkelgrün der ſie begleitenden 
Fichten und Tannen ab. Bei kühler Witterung erhält ſich dieſer 
Abſtand lange; ſowie ſich aber die Lufttemperatur erhöht, wo ſich 
dann ſofort Ammoniak in der Atmoſphäre bildet, färbt ſich das 
helle Laub ſchnell dunkel. Am ſtärkſten tritt dieſe Erſcheinung nach 
einem heftigen Gewitter, bei welchem viele Blitze die Regenwolken 
durchkreuzen und dadurch Ammoniak bilden, hervor. 


uw 


Auf den Obſtbau hat ein vermehrt zugeführter Stickſtoffgehalt 
aus dem Boden einen weſentlichen Einfluß. Man beobachte in 
Bezug auf das Geſagte nur die Spalierbäume an Mauern und 
an Wohngebäuden, wo durch Anweſenheit von Kali, Thon- oder 
Kalkerde ſtets die Bedingungen zur Salpeterbildung gegeben ſind, 
aus denen durch Zerſetzung Ammoniak hervorgeht; man findet 
dann leicht, daß man letzterem die vermehrte Tragkraft beizumeſſen 
hat. Aber auch die Bäume, welche in Gehöften in der Nähe von 
Miſtſtätten, auf Kirchhöfen, auf alten Bauſtätten, an ftarf be- 
fahrenen Straßen, wo viel Thiermiſt verloren geht, ſtehen, tragen 
fleißiger und in reichlicherer Fülle Obſt, als diejenigen, welche 
in Gärten, an Feldrainen und auf Wieſen angepflanzt werden. 
Auch bei ihnen iſt die vermehrte Ammoniak-Zuführung lediglich 
die Trägerin dieſer günſtigen Erſcheinung.— 

Nicht vergebens ſtellt der Gärtner das Bett feines Miſtbeetes 
aus gutem Pferdemiſte her: er würde nur wenig Gurken und Me- 
lonen zur Blüthe, noch weniger zum Früchtetragen bringen, ſtünde 
ihm die leichte Ammoniakentwickelung aus dem Pferdemiſte nicht 
zur Seite. 

Aber auch in Bezug auf die Waldbäume und deren Saamen- 
ertrag beſtätigt ſich die Thatſache: daß ein beſtimmter Stickſtoff— 
gehalt zur Ausbildung der Saamen nothwendig ſei. Wir ſahen 
weiter oben: daß ſich bei größerer Wärme in der Atmoſphäre Am- 
moniak in derſelben bilde, und finden dies umgekehrt durch den 
Saamenertrag der Waldbäume beſtätigt. Jene, welche durch die 
Wurzeln den Blüthen weniger Ammoniak zuführen können, als 
unſere Culturpflanzen (indem der Wald nicht gedüngt wird), 
tragen daher auch nur ſeltener Saamen. Iſt aber letzteres einmal 
der Fall, dann können wir auch verſichert ſein, daß dies nur in 
einem heißen Jahre geſchieht, wo eine vermehrte Ammoniakbildung 
in der Atmoſphäre vor ſich geht. Solche Haupt-Saamenjahre der 
Wälder ſind dann — wie ſich dies von ſelbſt verſteht — zugleich 
auch gute Getreide- und Weinjahre. 

Wie geſteigerte Wärme und mit dieſer eine webs Stick⸗ 
ſtoffentwickelung günſtig auf die Ausbildung von Blüthen und 
Früchten einwirkt, dies gewahren wir überdies noch beſonders 


91 


deutlich an denjenigen Gewächſen und Bäumen, die am fpäteften 
in die Blüthe treten. Unſere Linde, einer der Bäume, welche ſehr 
ſpät zur Blüthe gelangen, trägt daher auch faſt jedes Jahr 
Saamen. 

Aus all' dem Angegebenen ſind wir zu entnehmen berechtigt, 
wie ungemein werthvoll bei unſern klimatiſchen Verhältniſſen eine 
ausreichende Zuführung von Stickſtoff in diejenigen Felder iſt, auf 
welchen Getreide, Gemüſe, Oelfrüchte, Obſt ꝛc. ꝛc. gebaut werden 
ſollen. Auch in ungünſtigen Jahren mit abnormen Witterungs— 
verhältniſſen werden bei ſorgſamer Ueberwachung und Pflegung 
der Felder beſſere Erträgniſſe erzielt werden, namentlich wenn man 
auf die Erlangung ſehr ſtickſtoffreicher Dünger z. B. Guano und 
thieriſcher Abfälle ſieht. Weiter unten werden wir auf die Wir— 
kungen des Guano zurückkommen. 

Bis jetzt lagen manchem praktiſchen Landwirthe die Erklärun— 
gen über die Wirkungen eines oder des andern dieſer Düngemittel 
noch fern, obſchon dies das wichtigſte Kapitel in der Landwirth— 
ſchaft iſt und nicht oft genug darüber geſprochen werden kann. 
Man kommt dabei auf gar eigene Erſcheinungen, namentlich wenn 
man ſeinen Blick über größere Landbaubezirke ſchweifen läßt. Ich 
will hier nur eine von dieſen, die mit unſerer Abhandlung im Zu— 
ſammenhange ſteht, berühren. 

Wir finden viele Gegenden, in denen der Landwirth lediglich 
Rindvieh, und finden wieder andere, in denen er vorzugsweiſe 
Pferde zur Beſtellung ſeiner Felder verwendet. Faſſen wir nun 
die beiderſeitigen Bodenflächen genauer ins Auge, ſo zeigt ſich für 
erſtere in der Regel ein Sand- oder doch mit Sand gemiſchter 
Boden, welcher ſich leicht auflockern läßt. Dagegen finden wir da, 
wo mit Pferden beſtellt wird, faſt immer einen ſchweren, das 
Waſſer ſtark bindenden Boden. Durch die ſchwere Beſtellung des 
letzteren könnte nun Mancher zu der Anſicht gebracht werden, die 
Pferde würden nur eben deshalb in dieſer Gegend gehalten, und 
wohl mancher Landwirth einer ſolchen Gegend bekennt ſich ſelbſt 
zu dieſer Anſicht. Mag dies theilweiſe ſeine Richtigkeit haben, ſo 
iſt aber dennoch mit weit mehr Zuverläſſigkeit anzunehmen, daß 
es vorzüglich der Miſt dieſer Thiere iſt, welcher dieſelben urſprüng— 


92 


lich in dieſen Gegenden einbürgerte, wo ſie dann eine mehre 
hundert Jahre alte Erfahrung feſthielt. 

In dem ſchweren Boden geht die Zerſetzung der See 
nur langſam von ſtatten, die Sauger vermögen ihn nicht ſo zu 
durchdringen, als dies in den leichteren Ackererden der Fall iſt; 
deshalb muß dem ſchweren Boden auch ein reicherer, mehr ſtick— 
ſtoffhaltiger Strohdünger übergeben werden, welcher zur Zeit der 
Entwickelung der Blüthen und Früchte den Pflanzen die nöthige 
Menge von Ammoniak zuzuführen vermag. Pferdedünger iſt es 
aber, welcher dieſe Bedingungen erfüllt, und wenn auch die Pferde— 
haltung die Bearbeitung viel koſtbarer macht, ſo überträgt der 
höhere Ertrag der Felder dieſen Umſtand doch bei weitem. Letzterer 
würde ſehr zurückſinken, übergäbe man dieſen Bodenarten lediglich 
Dünger von Rindvieh. 

Nach Durchleſung dieſer Zeilen dürfte ſich Manchem die 
Frage aufdrängen: Auch zugegeben, daß die ſtickſtoffreichen Dünge— 
mittel ungemein günſtig auf die Fruchtbarkeit des Bodens einwir— 
ken, wie ſollen ſie aber, und namentlich dann, wenn die Bevöl— 
kerung mehr und mehr ſteigt, beſchafft werden, um dadurch die 
vorhandenen Bodenflächen ſo viel ertragen zu laſſen, als jene Ver— 
mehrung verlangt? Auch in dieſer Beziehung dürfen wir ganz 
ruhig der Zukunft entgegenſehen. 

Zur Zeit gehen noch eine Menge ſtickſtoffhaltiger Düngemittel 
für die Ackererde verloren; ich erlaube mir hier nur auf die Menge 
Knochen, alter Schuhe und Stiefeln, die man in Dörfern, in 
ſchmutzigen Winkeln, Pfützen u. ſ. w. findet, auf die Menge von 
Schweine- und anderer Haare, auf die Klauen, auf alte Wollen— 
lumpen, auf Papier und ſonſtige thieriſche Abfälle aufmerkſam zu 
machen, deren Anſammlung und Verwendung in der ESTER 
ſchaft ungemein lohnend wäre. 

Mit der ſteigenden Bevölkerung wird aber auch eine ver— 
mehrte Menge von ſtickſtoffreichem Dünger den Feldern, ſowohl in 
feſter Geſtalt, als durch den Harn wieder zugeführt werden. Leider 
geht man auch in dieſer Beziehung, namentlich was den Harn 
betrifft, immer noch lange nicht ſo ſparſam um, als dies bei der 
Wichtigkeit dieſer Stoffe nöthig wäre; welche Maſſen derſelben 


93 


gehen hinter Zäunen und an andern verſteckten Orten nutzlos ver— 
loren! Die ſteigende Zufuhre von Guano wird ebenfalls noch viel 
zur beſſern Befruchtung unſerer Felder beitragen. 

Die reichlichſte Quelle zum Bezuge von Stickſtoff iſt uns 
jedoch für die Zukunft noch in Ausſicht geſtellt. Man hat nämlich 
die Erfahrung gemacht: daß der Stickſtoff der Atmoſphäre bei 
hohen Temperaturgraden ſich mit Kohle zu Cyan vereinigen läßt, 
und hat ſeitdem den Stickſtoff der Luft zur Darſtellung von Blut— 
laugenſalz verwendet, indem man die atmoſphäriſche Luft über 
glühende Kohlen leitet, um den Sauerſtoff in Kohlenoxydgas zu 
verwandeln, das Gemenge von Kohlenorydgas und Stickſtoff 
dann aber über eine bis zur Weißglühhitze erwärmte Miſchung 
von Pottaſche und Holzkohle führt. 

Wenn dieſer Prozeß auch noch koſtbar iſt, ſo iſt doch der An— 
fang zur Zerlegung der Luft dadurch gemacht, und die Chemie 
wird im Laufe der Zeit für billige Wege ſorgen, um Stickſtoff, 

dieſen für die Landwirthſchaft ſo äußerſt wichtigen Stoff, unmittel— 
bar aus unſerer Atmoſphäre billig herzuſtellen. Iſt es gelungen, 
den Stickſtoff der atmoſphäriſchen Luft unſeren Ackerflächen billig 
dienſtbar zu machen, dann iſt Uebervölkerung eine Chimäre. 

Bis es zu dieſer Dienſtbarkeit der atmoſphäriſchen Luft in der 
Oekonomie gekommen ſein wird, ſuche aber jeder Landwirth alle 
diejenigen ſtickſtoffreichen Körper, mit denen, wie wir täglich zu 
ſehen Gelegenheit haben, theilweiſe noch auf eine unverantwort— 
liche Weiſe umgegangen wird, mit größter Sorgfalt auf und führe 
fie feinen Feldern zu, namentlich verſäume er die Aufſammlung 
von Knochen nicht, die in doppelter Beziehung von äußerſter Wich— 
tigkeit für die Bedüngung ſind, wie wir bei der Phosphorſäure in 
Erfahrung bringen werden. 


Luft. 


Ueberall wo wir uns befinden, ſei es auf den höchſten Ber— 
gen, ſei es in den engſten Schlünden, ſei es in den tiefſten Grün⸗ 
den, ſei es auf Ebenen, ſei es auf des Meeres grünen Fluthen, 
ſind wir von einer Flüſſigkeit umgeben, die wir in der Regel erſt 
in ihrem ſchreckenerregenden Wüthen, im Sturme, beobachten. 
Dieſe oft kaum bemerkbar ſäuſelnde, zuweilen hohl und unheim⸗ 
lich brauſende Flüſſigkeit — Luft genannt — umgiebt unſern Erd⸗ 
ball überall und ſteigt bis zu einer Höhe von 9 geographiſchen 
Meilen über deſſen Oberfläche. Beſtändig in Bewegung, zeigt ſie 
ſich hier als fächelnder Zephir, während ſie dort in ungezügelter 
Aufregung die ſtärkſten Bäume zerſplittert, Gebäude niederwirft 
und ſtolze Schiffe in den Grund des Meeres bohrt. Sie übt einen 
mächtigen Druck auf Alles, was ſie umgiebt, er beträgt auf jeden 
Zoll 15 Pfund. Zur Meſſung dieſes Druckes beſitzen wir ein 
Inſtrument, Barometer genannt, deſſen Queckſilber um ſo höher 
ſteigt, je mehr ſich dieſelbe über jenem aufhäuft. So leicht uns die 
Luft erſcheint, indem wir von unſerem Entſtehen aus an ihren 
Druck gewöhnt ſind, ſo iſt ihre die Erdkugel umgebende Menge 
doch von einem ungeheuren Gewichte, welches 150000 Billionen 
Centner wohl überſteigen dürfte. 

Dieſe in der Regel nur ſelten gehörig beachtete Flüſſigkeit iſt 
vom höchſten Werthe für alles Lebendige auf unſerer Erde, denn 
ohne ihr Vorhandenſein wäre dieſelbe weder von Thieren noch 
von Pflanzen bewohnt. Sie beſteht aus einem Gemiſche gasför— 
miger Elemente und gasförmiger Körper, die zum Leben der Thiere 
und Pflanzen in den innigſten Beziehungen ſtehen und die wir in 


95 


den vorhergehenden Abſchnitten einzeln bereits kennen lernten. 
Wir kommen daher hier nur in aller Kürze auf ſie zurück. 

Stickſtoff und Sauerſtoff, die beiden Elemente in der Miſchung 
der Luft, verhalten ſich dem Gewichte nach wie 79 zu 21, die 
Kohlenſäure beträgt circa 2 Theilchen und der Waſſerdunſt 
vielleicht durchſchnittlich tel; aber noch viel geringer, als der 
Kohlenſäuregehalt, iſt der des Ammoniaks. 

Bereits erfuhren wir: daß der Sauerſtoff eine farbloſe Gas— 
art ohne Geruch und Geſchmack ſei. Ein in daſſelbe gebrachtes 
Licht brennt in ihm zwar viel heller, es verzehrt ſich aber auch 
ungemein ſchnell; daſſelbe iſt beim Athmen der Thiere in ihm der 
Fall. Freudiger erregt, lebendiger, lebenskräftiger erſcheint das 
Thier im Sauerſtoffgaſe; das Blut, raſcher die Adern durch— 
ſtrömend, erregt die Nerven zur ſtärkſten Thätigkeit, allein einem 
ſolchen Leben folgt ein raſcher Tod. Auch der Stickſtoff iſt eine 
farb⸗ geruch- und geſchmackloſe Gasart, unterſcheidet ſich aber 
vom Sauerſtoffe dadurch daß ein in daſſelbe gebrachtes Licht ſo— 
fort erliſcht: daß das Athmen in ihm nicht fortgeſetzt werden kann, 
der Tod alſo plötzlich erfolgt. 

Die Kohlenſäure, eine Verbindung von Sauerſtoff und 
Kohlenſtoff, iſt der Luft nur zu go, beigemiſcht. Im reinen Zu⸗ 
ſtande wirkt ſie auf den thieriſchen Organismus als Gift, wäh— 
rend fie das Pflanzenwachsthum ungemein begünftigt. Während 
Sauerſtoff 4 ſchwerer als Luft, der Waſſerſtoff aber 3 leichter 
als dieſe iſt, hat die Kohlenſäure ein bei weitem höheres Gewicht, 
miſcht ſich mit jenen Stoffen aber doch ſo gut, daß ſie in allen 
Höhen der Luftſchichten gleichmäßig vertheilt auftritt, wenn nicht 
äußere Einwirkungen ſie lokal vermehren oder vermindern. 

Wo immer nur Waſſer der Einwirkung der Luft ausgeſetzt 
iſt, da bildet ſich auch Waſſerdunſt; wir können dies am deutlich— 
ſten wahrnehmen, wenn wir in heißen Sommertagen die Fuß— 
böden unſerer Zimmer mit Waſſer beſprengen: daſſelbe verſchwin— 
det dann ſchnell, ſteigt als unſichtbarer Dampf, eine Menge von 
Wärme bindend, in die Höhe und mengt ſich mit der Luft in 
unſern Zimmern. 

Das Ammoniak, eine Verbindung von Stickſtoff und Waſſer⸗ 


96 
ſtoff, entſteht bei Zerſetzung thieriſcher Körper und geht daun in 
Gasgeſtalt in die Miſchung der Luft ein. 

Zu allen Zeiten und an allen Enden enthält unſere atmo— 
ſphäriſche Luft dieſe 5 Gasarten, mit einigen wenigen außer— 
weſentlichen gasförmigen Beimengungen z. B. Salpeterſäure. 
Wie bereits bemerkt, müßten die Pflanzen abſterben, müßten die 
Thiere verſchwinden, träte eine Aenderung in den Miſchungsver— 
hältniſſen unſerer Luft ein. 

Wenn man von der Luft im Allgemeinen ſpricht, ſo werden 
die drei zuletzt aufgeführten Gasarten in der Regel nicht berück— 
ſichtigt, man begreift unter dieſer Benennung dann nur die 
Miſchung von Sauerſtoff und Stickſtoff. Die Kohlenſäure läßt 
ſich in derſelben jedoch ſehr leicht nachweiſen, wenn man ihr ein 
Gefäß mit Kalkwaſſer offen ausſetzt; auf demſelben erſcheint dann 
ſehr bald ein weißer Ueberzug, welcher ſich mehrt und als kohlen— 
ſaurer Kalk zu Boden fällt. Dagegen kann man in heißen Tagen 
den Waſſerdunſt recht gut aus ihr ausſcheiden, wenn man recht 
kalt gehaltene Metalle oder Glas-Platten in ſie bringt; ungemein 
raſch verdichtet ſich derſelbe dann an jenen und ſchlägt ſich dann in 
Geſtalt kleiner Tröpfchen, die ſich vergrößern und endlich an ihnen 
herabfließen, auf ihnen nieder. Im gewöhnlichen Leben bezeichnen 
wir dieſen Niederſchlag mit dem Namen des Schwitzens der Gegen— 
ſtände, die von der Kälte in die Wärme gebracht werden. 

Wir wiſſen: daß der Sauerſtoff beim Athmen der Menſchen 
und Thiere vermittelſt des Einnehmens deſſelben in die Lunge 
den Kohlenſtoff des Blutes verbrennt und auf dieſe Weiſe Kohlen— 
ſäure bildet und daß dadurch die für das Leben unumgänglich 
nothwendige Wärme erzeugt wird; wir wiſſen: daß die Pflanzen 
Kohlenſäure einathmen: daß das Licht die Zerlegung derſelben 
bewirkt: daß die Pflanzen alſo den für das Leben der Thiere un— 
entbehrlichen Sauerſtoff wieder herſtellen. Letzterer iſt daher einer 
unſerer wichtigſten Grundſtoffe, der aus keiner andern Quelle ſo 
reichlich und in ſo glücklicher Miſchung zu beziehen iſt, als aus 
der Luft. Wäre er hier nicht in ſo außerordentlicher Menge vor— 
handen und hätte die Luft die Eigenſchaft nicht, Alles zu durch— 
dringen, ſo wäre das Leben der Thiere und Pflanzen jeden Augen— 


a 97 

blick gefährdet. Ebenſo verhält es ſich mit der Unterhaltung des 
Lichtes, mit der Unterhaltung der Verbrennung. Wäre die Luft 
nicht, dann würden wir weder Licht noch Feuer haben, und Holz, 
Steinkohlen, Fett, Oel hätten keinen Zweck. 

Wir ſahen: daß im reinen Sauerſtoffe das Leben ein raſches, 
ungemein reges: daß es aber auch ein nur kurzes ſei; daher iſt 
das Miſchungs-Verhältniß zwiſchen Sauerſtoff und Stickſtoff in 
unſerer Atmoſphäre ein ſo ungemein günſtiges für das Beſtehen 
alles Lebenden; denn wäre nur Sauerſtoff vorhanden, dann wäre 
der Zerſtörungsſucht deſſelben nicht allein Thür und Thor geöffnet 
und er würde alles Lebendige in kürzeſter Friſt wegſchaffen, ſondern 
auch mit den vorhandenen Brennmaterialien eine Feuersbrunſt 
entzünden, die ſich dann erſt löſchte, wenn alles Brennbare auf 
der Erde verſchwunden wäre. Der Stickſtoff iſt dem Sauerſtoffe 
daher als Zügler der Leidenſchaft, als ſtrenger Hofmeiſter an die 
Seite geſtellt, damit er ihn überall bändige. Als ſolcher zeigt er 
ſich großartig und wird Pflanzen und Thieren zum allgemeinen 
Beſchützer. 

Gerade ſo wie der Sauerſtoff der Luft das eigentliche Lebens— 
princip für die Thiere iſt, ſo iſt es die Kohlenſäure für die Pflan— 
zen. Damit ſie dem thieriſchen Organismus wegen ihrer giftigen 
Eigenſchaft nicht nachtheilig werde, wurde fie der atmoſphäriſchen 
Luft nur in geringer Menge beigemiſcht. 

Für Pflanzen und Thiere iſt aber der in der Luft enthaltene 
Waſſerdunſt vollkommen unentbehrlich; denn im lebenden Zuſtande 
beſteht die Pflanze bis zu 4 ihres Gewichtes aus Waſſer. Das— 
ſelbe ſteigt als Dunſt ununterbrochen von ihren Blattflächen aus 
in die Luft. Die Pflanze iſt daher — wie wir bereits beim Waſſer 
ſahen — die Ausgleicherin des Waſſergehaltes zwiſchen Meer, 
Luft und Erde. Hätte die Luft keinen Waſſerdunſt in ſich aufge— 
nommen, ſo würden die grünen Pflanzentheile und die Blätter 
das Waſſer bei weitem ſchneller verdunſten, als ſie deſſelben aus 
dem Boden durch die Zellen nachzuſaugen vermöchten; die Folge 
davon wäre Verwelkung, raſches Verdorren und Abſterben der 
Zellen. 

Auch bei den Thieren ſpielt das Waſſer eine große Rolle. 


Engelhardt, die Nahrung der Pflanzen. 1 


98 


Hier ſtellt es ſich dem Gewichte nach ebenfalls als ein Haupt⸗ 
beſtandtheil dar. Ein ausgewachſener Mann von 170% Gewicht 
trägt ſtets 140 27. Waſſer mit ſich herum, während feine feſten Be— 
ſtandtheile nur 30 7%. wiegen. Durch Lunge und Haut wird fort⸗ 
während Waſſer verdunſtet; wäre die ihn umgebende Luft aber 
auch vollkommen trocken, ſo würde ſeine Haut verrunzeln und ſein 
von Fiebern geſchüttelter Körper unter den ſchrecklichſten Qualen 
verdurſten. 

Daher muß die Luft, die wir athmen, ſtets feucht ſein; wäre 
ſie dies nicht, ſo würde nur zu bald alle Feuchtigkeit ausgeathmet 
ſein, welche das Zellgewebe des Körpers anfüllt und er dann als 
eine ſchwarze Mumie erſcheinen. Die heißen trocknen Winde der 
Wüſten tödten den Körper auf dieſe Weiſe, denn ſie entziehen ihm 
bei ihrer vollkommenen Trockenheit alle Feuchtigkeit. Von unaus⸗ 
ſprechlicher Wichtigkeit iſt daher die Feuchtigkeit der Luft für das 
Beſtehen alles Lebendigen auf der Erde, denn fie iſt in den un⸗ 
zähligen Zellen der Pflanzen genau ſo unentbehrlich, als in den 
Lungen und den übrigen Theilen des thieriſchen Körpers. 

Nicht der Regen allein — ja dies wohl nur zum kleinſten 
Theile — verſorgt unſere Natur mit dem ſo äußerſt nothwendigen 
Waſſer, der Dunſt beſorgt dies im höheren Grade. Taucht die 
Sonne im Sommer hinab in des Meeres Fluthen und bricht die 
Kühle der beginnenden Nacht über uns herein, die die unter dem 
Drucke ſengender Hitze ſchmachtenden Pflanzen wieder aufrichtet, 
dann ſteigt mit ihr zugleich der Waſſerdunſt herab aus der Atmo— 
ſphäre und labt mit ſeinem erfriſchenden Hauche das grüne Blatt. 
Begierig ſtrecken die Sauger ihre Fangarme ihm entgegen und ver— 
bergen ihn ſorgſam in ihren unſichtbaren Höhlen, um ihn mit dem 
beginnenden Morgen durch die Wurzeln den Blättern durch eine 
Unzahl von Zellen zuzuſenden. In ſichtbaren und unſichtbaren 
Nebeln, fein wie der unſichtbare Hauch, undurchdringlich wie der 
ſtärkſte Rauch, ſenkt er ſich nieder auf den abgekühlten Boden. 
Wie labt ſich die Pflanze in dieſem Götterſafte! wie ſtärkt ſie den 
Wohlgeruch der Blüthen und ruft eine Unzahl von prachwollen 
Nachtſchmetterlingen herbei, um ihnen den Honigthau aus ihren 
Kelchen zu ſchenken! 


99 


Die Beimengung von Ammoniak iſt ebenfalls hochwichtig 
für das Leben und Gedeihen der Gewächſe, ganz beſonders in den 
heißen Klimas. Daſſelbe entſteht beim Verweſen thieriſcher und 
pflanzlicher Stoffe bei Gegenwart von Waſſer und Luft und iſt 
ſtets die Urſache des ſtechend unangenehmen Geruchs faulender 
Maſſen. 

In Pferdeſtällen, die unſauber gehalten und nicht gehörig 
gelüftet werden, tritt uns daſſelbe im Sommer ſtets entgegen und 
beläſtigt unſere Augen. Auch bei Gewittern wird es gebildet, 
weshalb es ſich in heißen Gegenden häufiger als in kälteren ent— 
wickelt. 

Zwei Elemente: Sauerſtoff und Stickſtoff, und 3 Verbindun— 
gen: Waſſerdunſt, Kohlenſäure und Ammoniak ſind es alſo, die 
unſere Luft zuſammenſetzen, ſie ſind es, in denen ſich das Leben 
der Thiere und Pflanzen geſtaltet, in denen es ſich fortſetzt und 
ausbildet. Keiner dieſer Beſtandtheile darf fehlen, und wenn auch 
das Ammoniak in unſerm Klima nicht ausreicht und dem Boden 
im Dünger beigebracht werden muß, um das Saamenkorn keim⸗ 
fähig zu machen, um das junge Pflänzchen zu kräftigen, um 
Blüthen und Früchte in demſelben hervorzurufen, ſo iſt es dennoch 
von hoher Einwirkung in unſern Wäldern, namentlich aber in 
ſüdlichen Gegenden, wo man den Feldern nur ſelten Dünger zuzu— 
führen nothwendig hat. 

Wie überall, ſo zeigt ſich auch in der Miſchung unſerer Luft 
die Weisheit und Unfehlbarkeit unſeres Schöpfers; die giftige 
Kohlenſäure, ſo gefährlich für den thieriſchen Körperbau, wurde 
ſcheinbar nur in geringer Menge in die atmoſphäriſche Luft nieder: 
gelegt und dennoch iſt fie auf Tauſende von Jahrtauſenden aus: 
reichend für unſere Pflanzenwelt, für welche, wie wir ſahen, ſie 
vollkommen unentbehrlich iſt. 


Der Boden; auf welchem die Pflanzen 
wachſen. 


In der richtigen Kenntniß unſerer Ackerkrume, Boden, und der 
Beſtandtheile, welche derſelben zugeführt werden müſſen, um reich— 
liche Erndten auf ihr zu erzielen, beruht nicht allein die Wohlfahrt 
aller cultivirten Völker, ſondern letztere kann auch lediglich und 
allein nur durch die fortſchreitende Bodencultur gehoben werden. 

Der Ackererde verdanken wir unſere Nahrung, durch ſie be— 
ziehen wir unſere Kleidung, durch ſie richten wir unſere Wohnungen 
bequem ein. Vermittelſt derſelben vermehren und veredeln wir un— 
ſere Brodfrüchte, erlangen unſern Oel- und Fettbedarf, erziehen 
unſer Fleiſch. Es unterliegt daher nicht dem geringſten Zweifel: 
daß die Ackererde nicht allein der Begründer, ſondern auch der 
Stützer und Vervollkommner, fo wie der Erhalter der Geſammt⸗ 
Induſtrie ſei. Es iſt daher Pflicht eines jeden Menſchen, ſich mit 
dem Boden genau bekannt zu machen, denn von ſeiner guten Be— 
handlung und Bedüngung hängt neben dem ausreichenden Vor— 
handenſein von Licht, Wärme, Clectricität und Waſſer ja das 
Beſtehen des ganzen Menſchengeſchlechts ab. Seine genauere 
Kenntniß giebt uns aber in der Neuſtzeit auch gar wichtige Auf— 
ſchlüſſe. So war man z. B. vor noch nicht langer Zeit der Anſicht: 
daß ein ſchwerer fetter Boden beim Betriebe der Landwirthſchaft 
beſſer ſei und bezahlte Güter mit ſolchem viel theurer, als diejeni— 
gen, die einen leichten Boden beſaßen. Neurer Zeit giebt man aber 
gerade letzteren und zwar wegen ihrer Billigkeit den Vorzug und 
baut, bei gehöriger Bedüngung, auf ihnen dieſelben ſchweren Wei— 
zenkörner, wie auf jenen. 


101 


Wenn man dem Boden die gehörige Pflege und Aufmerkſam— 
keit ſchenkt, ſo erweiſt er ſich äußerſt dankbar. Nachdem man dies 
in England erkannt hatte, verſorgt derſelbe dort im Augenblicke 
7 Millionen Menſchen mehr mit vortrefflichem Weizen, als vor 
40 Jahren früher. Man übergiebt ihm aber auch Guano, Knochen— 
mehl, Knochenkohle aus Zuckerraffinerien, Wollenlumpen, Haare 
u. ſ. w. in einer Quantität, die jährlich mehrere Millionen Centner 
überſteigt. Aber auch in Frankreich geſchieht jetzt viel für die Pflege 
des Bodens; 500000 Ctr. Thierkohle, 600000 Ctr. Staubmiſt, 
200000 Ctr. Wollenlumpen, Scheerwolle, getrocknetes Fleiſch, 
Blut u. ſ. w. werden dort als Dünger verkauft. Oeſtreich ſchrei— 
tet in dieſer Beziehung raſch vor und in der Jüngſtzeit wird in 
Wien ein trefflicher Dünger bereitet und in den Handel gebracht. 
Sachſen und Belgien zeichneten ſich bezüglich der Aufmerkſamkeit, 
welche ſie dem Boden ſchenkten, ſchon längſt vortheilhaft aus. 
Nichts bedarf aber auch der Aufmerkſamkeit der Staatsregierungen 
im höheren Grade, als die Landwirthſchaft. Man beſuche die bri— 
tiſche Inſelgruppe, dort begegnen uns in den Farmern gebildete, 
wohlhabende Leute, die Freude an ihren wohlgenährten, in beque— 
men Wohnungen untergebrachten Arbeitern haben. Der dortige 
Farmer begnügt ſich aber nicht allein mit der Praris; er betreibt 
ſeine Landwirthſchaft wiſſenſchaftlich und dies gerade iſt es, was 
in Verbindung mit dem Schutze und der Vorſorge einer wohlwol— 
lenden Regierung die Anſtrengung, den Fleiß und die Beharrlich— 
keit in ſo kurzer Zeit krönt und große Capitalien abwirft. 

Nichts iſt daher in einem Lande von höherem Werthe, als der 
über daſſelbe ausgebreitete Boden, nichts ſollte aber auch Seitens 
der hohen Staatsregierungen mit größerer Aufmerkſamkeit behan— 
delt werden. Der Boden Englands war vor einer kurzen Reihe 
von Jahren noch ſehr erſchöpft; durch die Einfuhr von Knochen 
und Guano wurde die Landwirthſchaft daſelbſt aber ungemein ge— 
hoben. Stellen wir nun die Frage, wann der Aufſchwung der 
dortigen ſo gewaltigen Induſtrie begann, ſo erhalten wir zur Ant— 
wort: mit der Hebung des Ackerbaues. Gerade ſo iſt es in Bel— 
gien; gerade ſo in Sachſen. | 

Bei der Behandlung des Waſſers und des Waſſerdunſtes 


102 


ſahen wir, was für Calamitäten über die gefegnetften mit der 
üppigſten Vegetation bedeckten Länder hereinbrechen können, wenn 
in denſelben Entholzungen in zu großem Maasſtabe vorgenommen 
werden; wenn dabei der Boden aber auch vernachläſſigt und dem⸗ 
ſelben keine, oder doch die gerade nothwendigen Düngſtoffe nicht 
wieder zugeführt werden, dann iſt es hohe Zeit, daß von Seiten 
der Staatsregierungen eingeſchritten wird, damit das Land nicht 
entvölkert, damit die Bevölkerung nicht entkräftet werde. Wodurch 
ſanken mehrere der hochſtehenden, fo gebildeten Volksſtämme des 
Alterthums? Man ſagt durch Ueppigkeit und Schwelgerei. Der 
eigentliche Grund lag aber tiefer. Bei der mehr und mehr wach— 
ſenden Bevölkerung entzog man dem Boden die Nahrungsſtoffe, 
ohne ſie in hinreichender Menge wieder zu erſetzen, man trieb die 
Waldungen ab, ohne ſie wieder anzubauen und machte dadurch 
den Boden auf doppelte Weiſe unfruchtbar. Viele Jahrhunderte 
ſind ſeit dieſer Zeit verfloſſen und dennoch wurde es der Natur 
während dieſer langen Zeit nicht möglich, dem Boden die frühere 
Kraft, den Wäldern die frühere Vegetation wieder zu erſetzen; öde, 
wüſte und kahl ſtellen ſich daſelbſt heute noch Flächen dar, auf 
denen vor Tauſenden von Jahren die höchſte Cultur, die üppigſte 
Pracht waltete. Mit dem ärmer werdenden Boden ſinkt und er— 
ſchlafft die Bevölkerung, der Geiſt wird träge, die Prachtbauten 
verfallen, der die Gegend bewohnende Menſch zieht ſich ſcheu vor 
ihnen zurück und ſchlägt ſeine Wohnung unter einem Schutthaufen 
auf. Daher erlaube ich mir hier nochmals auszuſprechen: es möge 
ſich Alles vereinigen, um dem Boden die größte Aufmerkſamkeit zu— 
zuwenden; denn durch ihn wird nicht allein der Körper gekräftigt, 
durch ſeine beſſere Herrichtung wird auch der Geiſt geſtählt und 
ausgebildet. Durch ihn gelangen wir zu bequemen Wohnungen, 
zu billigen und warmen Kleidern, mit ſeiner ſorgfältigen Bebauung 
hebt ſich die Induſtrie, die Wiſſenſchaft und Kunſt. Durch ihn 
wächſt der Wohlſtand, die Sittlichkeit und Religion. i 

Wenn die geſetzgebenden Gewalten in Spanien darauf ſähen, 
daß jenes von der Natur ſo ungemein begünſtigte Land wieder mit 
mehr Waldungen bedeckt würde, dann würde die Bevölkerung ſich 
raſch mehren und Induſtrie und Gewerbsweſen ſchnell zur Blüthe 


103 


gelangen; jo lange dafür nichts gefchieht, werden alle Verfaſſungs— 
änderungen und Verbeſſerungen nicht ausreichen, um Wohlbehagen 
und Wohlſtand daſelbſt wieder einzubürgern. 

Gehen wir nun ſpecieller auf die Bildung und Veredlung des 
Bodens über. 

Gleich wie unſere Atmoſphäre der Behälter gasförmiger 
Stoffe, der Luft, iſt, ſo umgiebt die Außenfläche unſerer Erde ein 
Haufwerk loſer, gröberer oder feinerer Geſteinstheilchen, welche 
Ackerkrume genannt wird. Dieſelbe verleiht den Pflanzen nicht 
allein den Haltpunkt zu ihrer aufrechten Stellung, indem ſich die— 
ſelben mit ihren Wurzeln in die Erde eingraben, ſondern die Pflan— 
zen entnehmen ihr auch einen großen Theil ihrer Nahrungsbeſtand— 
theile. 

Vom Anbeginne an war unſere Erdoberfläche nicht ſo, wie 
ſie ſich uns im Augenblicke darſtellt. Im Laufe einer Unzahl 
von Jahren war ſie den großartigſten Veränderungen unterworfen. 
Obſchon viele derſelben täglich noch fortgehen, fo find fie uns, bei 
unſerm kurzen Erdenleben, doch kaum bemerkbar. Der Verwittrungs— 
Prozeß, die auflöſende und fortſchaffende Gewalt des Waſſers, das 
Eis und der Wind, die Kohlenſäure ſind es, die ſeit der unend— 
lichen Reihe von Jahren, ſeit welcher die Erde beſteht, ſo verän— 
dernd auf deren Felsmaſſen einwirkten und dadurch unſern Boden 
hervorriefen. 

Ohne den Verwittrungs-Prozeß würden überall kahle nackte 
Felswände, jähe Klippen und ſteile Riffe ſichtbar, würde die Erde 
öde, wüſt und leer ſein. Statt des prachtvollen Grüns, ſtatt des 
einnehmenden Farbenſchmelzes würden uns graue Maſſen, nur 
hie und da mit einer dunklen Flechte, mit einem falben Mooſe be— 
gleitet, entgegenſtarren. Keine höhere Pflanze, die für ihren 
Standpunkt ein Haufwerk loſer Geſteinstheilchen nothwendig hat, 
würde ihr Leben zu friſten vermögen, wäre die Verwittrung nicht 
vorhanden. 

Bedenken wir nun, in welch inniger Beziehung die Pflanze 
zum Thiere ſteht, bedenken wir: daß letzteres ohne jene gar nicht 
zu leben vermag, indem es ja gerade die Pflanze iſt, die das Thier 
unmittelbar mit den nothwendigſten Nahrungsmitteln verſorgt, die 


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dem Menſchen Obdach und Wärme ſpendet, ja auf und in welcher 
ganze Thiergeſchlechter geboren und begraben werden, ſo lernen 
wir den Verwittrungsprozeß als denjenigen kennen, der das Leben 
auf der Erde einleitete, ja der zuerſt die Pflanze hervorrief, um 
durch ſie das Leben der Thiere zu ſichern. 

Unſere Ackererde entſteht alſo durch Verwittrung und diefe ift‘ 
eigentlich weiter nichts, als der Zerſtörungstrieb des Sauerſtoffs, 
welcher zur Ausführung dieſes Geſchäfts ſich mit verſchiedenen 
Kräften verbündet. Durch die Verwittrung werden die Felſen mürbe 
gemacht und in Staub verwandelt, werden thieriſche und pflanzliche 
Körper zerſtört. Wind und Waſſer übernehmen deren Mengung, 
welche an ſich ſchon dadurch erleichtert iſt, daß in der Aufeinander— 
folge unſerer Gebirgsarten ein beſtändiger Wechſel ſtattfindet. Auf 
dieſe Weiſe treten die verſchiedenſten Geſteinstheilchen, die mannig— 
fachſten Salze und Säuren, eine große Menge organiſcher Stoffe 
in die Ackerkrume ein, die um ſo fruchtbarer wird, je verſchiedener 
die Geſteinstheilchen, je kleiner dieſelben, in je größerer Quantität 
ſie abgelagert und je mehr ſie mit Thier- und Pflanzenüberreſten 
geſchwängert iſt. Bevor wir uns nun weiter mit der Ackerkrume 
befaſſen, erſcheint es zweckmäßig die Bildner derſelben etwas ge— 
nauer kennen zu lernen. 

Der Sauerſtoff, welchen unſer Schöpfer der Erde ſo reich— 
lich ſpendete, daß er zu 3 im Waſſer, zu 4 in der Erdrinde, zu + 
in der Luft getroffen wird: daß er den Menſchen- und Thierleib 
zur Hälfte, zum Drittel den pflanzlichen Organismus zuſammen— 
ſetzt, iſt der Hauptbeförderer der Verwittrung. Er ſchont den här— 
teſten Granit, den feſteſten Kieſel nicht; an Kalkſtein, Schiefer, 
Baſalt, Porphyr, Syenit, Diorit, an Gneus u. ſ. w. tritt er hinan; 
er ſucht das kleinſte Aſtloch eines rieſigen Baumes, die geringſte 
Wunde eines Thieres auf, ſchleicht ſich hinein, ſetzt ſich feſt und 
beginnt von da aus ſein Zerſtörungswerk. Er naht ſich dem Ge— 
ſteine im Regen, er verſteckt ſich in den Schnee und dringt dann 
zugleich mit dem Waſſer in die feinſten Spalten, in die unſichtbar— 
ſten Riſſe und zerſplittert und zerſpaltet durch Oxydation Felsmaſſen, 
welche der vereinten Kraft von Hunderten von Menſchen wider— 
ſtanden haben würden. Er läßt ſich zugleich mit dem Stickſtoffe 


105 


der Luft in die entlegenften Spalten des Erdinnern tragen, treulos 
verläßt er dort feinen Gefährten, verbindet ſich mit dem Kohlen— 
ſtoffe zu Kohlenſäure und unterwühlt und höhlt ganze Berge aus. 
Ueberall zwickt, nagt und zerbricht er die ſpitzeſten Ecken, die ſchärf— 
ſten Kanten der feſteſten Kryſtalle ſind ihm nicht ſpitz, ſind ihm nicht 
ſcharf genug, er ſchleift ſie ab. Er kennt weder Ruhe noch Anſtren— 
gung, ihm ſind Tauſende von Jahren ein Nichts; daher fragt er weder 
nach der Zeit, noch kümmert ihn der Raum. Seine einzige Luſt und 
Freude hat er am Zerſtören, um in demſelben wieder aufzubauen. 
Indem er hier Geſteinstheilchen von feſten Kieſel- Kalk- Thongeſtei— 
nen zuſammenhäuft, dort das Kali und die Bittererde aus beſtehen— 
den Verbindungen reißt, ſich mit Waſſerſtoff verbündet, um das 
Gemenge zu befruchten, zerſtört er zugleich einen knorrigen Stamm, 
zerlegt er eine alterſchwache Maus in ihre Beſtandtheile; ein Saa— 
menkörnchen, was zufällig in das Gemiſch fällt, ſchwellt er auf, 
läßt es ein Keimchen treiben, er hätſchelt und pflegt ſein Kind ſorg— 
fältig bis zum Reifen der Früchte; doch wehe dem Stängel, wehe 
dem Saamen, erbarmt ſich derſelben nicht bald eine milde Hand; 
denn ſo wie die Reife vorüber, beginnt er bei vorhandener Feuch— 
tigkeit auch ſein Zerſtörungswerk von Neuem und opfert die kaum 
gebildete Pflanze unnachſichtlich ſeiner Leidenſchaft auf. 

Ueberall ſetzt ſich der Sauerſtoff feſt; er nagt unausgeſetzt, er 
iſt der Zahn der Zeit. Wenn auch noch ſo langſam zu Werke 
gehend, ſo verliert er ſeinen Zweck doch niemals aus dem Auge; ja 
er erreicht dadurch um ſo ſicherer ſein Ziel. Er zerſprengt den Mör— 
tel, der Jahrtauſende Widerſtand geleiſtet hat, er vermodert das 
Holz, er zerfrißt den Thierleib, er erblindet das Glas, er ermattet 
die blankſten Metallflächen und ſucht, wo er ſich auch befinde, immer 
und immer Ackererde zu bilden. Das Waſſer welches er zu 8 be— 
herrſcht, indem er dem Waſſerſtoffe nur 3 Platz vergönnte, iſt ein 
ſteter Begleiter ſeiner Zerſtörung, iſt ein treuer Begleiter ſeines 
Aufbauens; daher übernahm es beim Verwittrungsprozeß und der 
Ackererdenbildung eine ſo gewichtige Rolle. Es hat daſſelbe die 
merkwürdige Eigenſchaft ſeine größte Schwere und Dichtigkeit ſchon 
bei 3“ R. vor dem Gefrierpunkte in Anſpruch zu nehmen, beim 
Feſtwerden ſich aber wieder auszudehnen. Hierdurch wird es in 


106 


kälteren Gegenden der Erde ein mächtiger Bundesgenoſſe des Sauer: 
ſtoffs; es drängt ſich in die Klüfte, Spalten und Schiefrungs— 
ebenen ein und ſprengt nach dem Gefrieren die feſteſten Geſteine. 
Als Gletſcher richtet es auf dieſe Weiſe und ſelbſt in ſüdlichen 
Gegenden die merkwürdigſten Zerſtörungen an. Durch die beſtän⸗ 
dige Ausdehnung und die dadurch erfolgende Vorwärtsſchiebung 
der gewaltigen Eismaſſen zertreibt es die härteſten Granite, ſpaltet 
ganze Felsſtücke und zertrümmert ſie in die feinſten Theilchen. Da— 
her ſehen wir die von den Gletſchern herabſtrömenden Gewäſſer 
beſtändig trübe, fie liefern ein ungeheures Material für die Ader- 
krume. Als Waſſer wirkt es nicht minder durch ſeine Gewalt und 
Schwere in Waſſerfällen und reißenden Bächen und Strömen. 
Fortſtürzend bemächtigt es ſich großer Felsſtücke, zertrümmert die— 
ſelben, indem ſich mehrere derſelben neben einander und zugleich 
auf der mit großen feſten Steinen belegten Bach-Sohle und deſſen 
Ufern wälzen. Man verfolge nur einen muntern Gebirgs bach von 
ſeiner Quelle in hochgelegenen Alpen bis herunter, wo er langſam 
durch die Tiefebenen ſchleicht. Die Steinmaſſen, welche ſein Bette 
erfüllen und ihn zu Tauſend und aber Tauſend Windungen nöthi— 
gen und ſein mächtiges unheimliches Brauſen, ſein toſendes Don— 
nern veranlaſſen, werden um ſo kleiner, je mehr ſich die Maſſen der 
Ebene nähern. In letztern zeigen ſich anfangs nur noch gröbere 
Sande, zuletzt aber nur ganz feine Schlammtheilchen. 

Beſonders zerſtörend ſind die Wogen des Meeres, ſie wirken 
angreifend und zerreibend gegen die Felsmaſſen der Küſten, indem 
der harte Kieſel ſo lange an ſie anſchlägt, bis ſie nach und nach der 
Zerſtörung unterliegen. 

Auf unſerer Erdoberfläche findet ein beſtändiger Wechſel zwi— 
ſchen Berg und Thal, Hügel und Ebene ſtatt, das durch den Regen 
einſtrömende Waſſer ſucht fortwährend die Hervorragungen der 
Erdoberfläche zu erniedrigen und ihre Unebenheiten auszugleichen. 
Daher werden die von den Gebirgen abgetrennten Theilchen vom 
Waſſer in die Ebenen oder in die Tiefen des Meeres getragen; 
reißende Ströme beſorgen dieſes Geſchäft und laſſen die zerriebenen 
Theilchen an ihren Mündungen oder, bei Ueberſchwemmungen, auf 
jenen Ebenen ſitzen. Auf dieſe Weiſe bildet ſich ſtets neuer Boden. 


107 


Die mechanische Gewalt des herabſtürzenden Regens, des Schnees 
und Hagels erſcheint zwar nur gering, allein in der Länge der Zeit 
üben ſie dennoch einen großen Einfluß. Wo Waſſertropfen, Schnee 
und Hagelkörner hinfallen, da wirken ſie angreifend, da zerſtören 
fie; denn der Regen miſcht ſich mit den feinen Kieſeltheilchen, 
welche der Sturm in die Luft führt, und dieſe ſchleifen die härteſten 
Felſen ab. 

Auf kurze Zeiträume und bei reiner Luft erſcheint die Zerſtö— 
rung durch Winde nicht von Bedeutung, wird aber der Sand in 
der Wüſte oder der Staub in den Straßen zugleich mit Regen 
längere Zeit gegen Felſen, Gebäude und Bäume geworfen, ſo 
reibt er nach und nach Theile ab. Vielfach dient der Wind im 
Sturme dazu, Bodenmiſchungen zu veranlaſſen. Von den Küſten 
des Meeres trägt er den Sand tief in die Länder und miſcht ihn 
mit den Torfmooren. 

Auch die Electricität zerſtört, wenn ſchon unmerklich im Augen— 
blicke, doch mächtig in langen Zeitläuften. Die Verſchiedenheiten 
der Stoffe auf unſerer Erde halten ſtets eine electriſche Spannung 
rege, die ſich in allerlei Zerſetzungen äußert und auch der Blitz hilft 
getreulich beim Zerſtörungswerke. 

Wir ſahen ſo eben, wie mächtig der Sauerſtoff, das Waſſer, 
die Winde, die Electricität die Bildung des Bodens befördern; im 
nicht geringern Verhältniſſe thut dies die Kohlenſäure. — Verfolgen 
wir die mächtigen Ablagerungen der verſchiedenen Kalkformationen 
in unſern Ebenen, im bergigen Lande, in den gewaltigen Zügen 
der himmelanſteigenden Alpen, fo finden wir: daß die Kohlenſäure 
in Verbindung mit Waſſer ſtets zerſtörend auf dieſelben einwirkt. 
Dieſelbe hat nämlich die Eigenſchaft, wenn ſie in Waſſer gelöſt iſt, 
einen Theil kohlenſauern Kalks aufzunehmen, und ihn wieder fallen 
zu laſſen, wenn ſie wieder an die Luft austritt oder Verbindungen 
mit andern Körpern eingeht. Der auf dieſe Weiſe aufgelöſte koh— 
lenſaure Kalk wird im Waſſer fortgetragen und ſetzt ſich, ſobald ihn 
die überſchüſſige Kohlenſäure verläßt, zugleich mit Kieſel und Thon 
ab. Recht überzeugende Beiſpiele von dieſem Prozeſſe erhalten wir 
bei Quellen, welche den ſogenannten Tuffkalk abſetzen z. B. beim 
Karlsbader Sprudel. Allein nicht allein bei der letztgenannten 


108 


Quelle gewahrt man dies, auch die Bewohner ſolcher Gegenden, 
welche ihr Waſſer für die Hauswirthſchaften aus Quellen und 
Bächen ſchöpfen, die aus Kalkſteinen hervorbrechen, können ſich 
täglich überzeugen, wie geſchäftig die Kohlenſäure ihr Zerſtörungs— 
werk betreibt; ſie werden nicht fertig mit Reinigung ihrer Gläſer, 
mit Scheuern ihrer Küchengeräthſchaften, an deren Wandungen 
ſich der in Kohlenſäure gelöſte kohlenſaure Kalk anſetzt, wenn die 
Waſſer durch das Stehen oder durch das Kochen ihre Kohlenſäure 
fahren laſſen. 

Die Kohlenſäure begnügt ſich aber nicht allein mit der Zer— 
ſtörung kohlenſaurer Kalke und kohlenſaurer Talke, ſie wagt ſich 
auch an Granite und andere harte Gebirgsarten, wenn dieſelben, 
was ſtets der Fall iſt, Silicate als Beſtandtheile enthalten. Nach 
ihrer Löſung im Waſſer bemächtigt fie ſich nämlich des Kalis und 
führt daſſelbe zugleich mit der löslichen Kieſelerde in den Boden, 
wo ſie entweder ſofort zur Ausbildung von Pflanzengeweben ver— 
wandt oder dieſem Zwecke für ſpätere Zeiten aufbewahrt werden. 
Das auf dieſe Weiſe aus den Graniten und andern feldſpathhal— 
tigen Geſteinen verſchwundene Silicat trägt nun dazu bei, das Ge— 
ſtein mürbe zu machen, der Regen wäſcht es ab; der Sauerſtoff 
zertreibt, das Waſſer zerreibt, und ſo ſetzten andere Kräfte und 
Elemente die Zerſtörung fort, welche die Kohlenſäure zum Behufe 
der Ackererdenbildung begonnen hatte. 

Mit alle dieſem nicht zufrieden ſucht die Kohlenſäure ihr Zer— 
ſtörungswerk auch an Kunſtwerken auszulaſſen; ſie erweiſt ſich 
in dieſer Beziehung als die größte Feindin der Bildhauer. Je grö— 
ßer die Stadt iſt, in welcher ſie Kunſtwerke aus Marmor gebildet 
vorfindet, um ſo geſchäftiger bearbeitet ſie dieſelben, denn an ſol— 
chen Orten ſitzen ihr die Pflanzen, welche ſie ſtets bis auf die ge— 
ringſte Kleinigkeit zu vertilgen ſuchen, nicht fo auf dem Nacken. 

Durch die Wirkungen dieſer verſchiedenen Körper, Elemente 
und Kräfte werden alſo die Felſen zertrümmert, die Trümmer zer— 
rieben und die zerriebenen Theile von ihrem Entſtehungspunkte 
weggeſchwemmt; bei der endlichen Ablagerung ſetzen ſich die grö— 
bern zu unterſt, die feinen oben auf. Da nun die Geſteine auf 
unſerer Erdoberfläche ungemein verſchieden ſind, indem ſie aus den 


109 


mannigfachſten Beſtandtheilen zuſammengeſetzt und auf das Man— 
nigfachſte beim Fortführen im Waſſer mit einander gemiſcht wur— 
den, ſo folgt von ſelbſt: daß ein und dieſelbe Felsart verſchiedene 
Arten von Ackererden hervorrufen könne. So werden wir z. B. am 
Abhange ſchroffer Gebirge auf grobe Kiesgeſchiebe treffen, während 
ſich weiter entfernt feiner Sand, Lehm oder Thon findet. Aus 
einer geſchichteten oder geſchieferten Felsart von verſchiedener Zu— 
ſammenſetzung kann der Thon oder Kalk, letzterer durch kohlenſäure— 
haltiges Waſſer, ausgewaſchen und über die niedrige Thalſohle 
verbreitet werden, während der Kieſel zurückbleibt. Hier treffen 
wir auf unfruchtbaren Granit, aus welchem der Kaligehalt aus— 
gewaſchen wurde, während letzterer nicht weit entfernt, in anderer 
Miſchung, die größte Fruchtbarkeit gewährt. Auf dieſe Weiſe wer— 
den die Materialien, aus denen die Felſen urſprünglich beſtanden, 
durcheinander gemengt. Hier wird gegeben, dort wird genommen, 
hier wird zugeſetzt, dort fortgetragen. Hier nimmt der Sturm die 
feinſten Geſteinſplitterchen, führt ſie hinüber in den gewaltigen 
Ocean, auf deſſen ſchaukelnden Wellen ſie Tauſende von Meilen 
zurücklegen; dort ſprudelt eine luſtige Quelle kohlenſauren Kalk 
in ein kleines Bächlein, das Bächlein wird zum Bache, der Bach 
zum Fluß, der Fluß zum Strome und immer ſchwimmt der Kalk 
noch in demſelben. Trübe Fluthen, hervorgegangen aus dem ſchnel— 
len Thauen des Schnees, hervorgegangen aus heftigen Gewitter— 
regen, die die Gebirge ab- und auswuſchen, wälzen ſich in reißen— 
den Strömen durch die Flachländer dem Meere zu. Die Ufer 
überſteigend, ſich an den Meeresfluthen ſtauend laſſen ſie das in 
ihnen ſchwimmende Material fallen und bilden auf dieſe Weiſe das 
angeſchwemmte, ſo fruchtbare Land. 

Allein die Geſteinstheilchen, ſelbſt in ihrer glücklichsten Mi⸗ 
ſchung, bedingen noch lange nicht die Güte der Ackerkrume; die ab— 
ſterbenden Vegetabilien, die abſterbenden Thiere machen 80 erſt zu 
dem, was fie fein ſoll. Beim Vermodern, beim Verweſen miſchen 
ſich ihre kohligen, ihre ſtickſtoffhaltigen Theile mit Ackererde. Iſt 
der Boden feucht, dann entſteht außerdem noch ſaurer Humus, oder 
Torf. Im letzteren Falle findet man dann den aus der Geſteins— 
zertrümmerung hervorgegangenen Boden oft tief unter der in Kohle 


110 


verwandelten Pflanzenmaſſe, welch letztere den der Cultur nur 
ſchwer zugänglichen ſauern Marſchboden bildet. Wir ſtoßen auf 
letzteren in Niederungen, im Bette ausgetrockneter Seen und an 
den flachen Meeresküſten ſehr häufig. wu 

Durch Zuſammenwirkung des Verwittrungs-Prozeſſes, der 
fortbewegenden Kraft des Waſſers, durch welche die verwitterten 
Felſen nach allen Orten und Enden hingetragen werden, durch das 
Vergraben pflanzlicher und thieriſcher Ueberreſte in den fo gebilde— 
ten Geſteinshaufwerken werden alſo die verſchiedenen Bodenarten 
gebildet. Im Allgemeinen unterſcheidet man Kalk-Thon— 
Sand- Mergel⸗Moorboden. Obſchon dieſe Bezeichnungen 
auf richtige chemiſche Unterſcheidungen hindeuten, ſo iſt im Allge— 
meinen für die genauere Bodenkenntniß doch noch viel zu wenig 
geſchehen. Dem Aeußern nach erkennt man den Sandboden leicht 
an ſeinen quarzigen, kieſeligen Beſtandtheilen. Der Kalk- oder 
Mergelboden enthält dagegen als Hauptbeſtandtheil kohlenſauren 
Kalk, wogegen dem Thonboden vorzugsweiſe Thonerde in Ber: 
bindung mit Kieſelerde zuſteht. Der Moorboden enthält eine 
Menge kohlenſtoffreicher Beimengungen. 

Nach dem Geſteine, welches das Hauptmengeverhältniß einer 
Bodenart abgiebt, richtet ſich vielfach nicht allein die Art und Weiſe 
des landwirthſchaftlichen Betriebes, ſondern derſelbe prägt auch 
denen auf ihm wachſenden Pflanzen, ja ſogar den Menſchen und 
Thieren den Charakter auf. Wir wiſſen z. B. daß gewiſſe Nutz- 
pflanzen und Bäume vorzugsweiſe auf Sandboden wachſen: daß 
andere den Kalkboden, daß noch andere den Thonboden lieben. 
Viele gerathen am beſten auf einem gemiſchten lehmigen Boden. 
Die Bewohner von Gegenden, deren Boden aus Granit hervor— 
ging, zeichnen ſich häufig durch eine ſchlürfende Sprache und durch 
Kropfkrankheiten aus. 

Wenn eine lehmige Ackerkrume ausreichenden Vorrath aller 
derjenigen Geſteine, Salze und Säuren hat, welche für die Pflan— 
zenernährung zweckmäßig ſind, ſo werden auf ihr nicht allein die— 
jenigen Pflanzen gedeihen, welche überall fortkommen, es werden 
auch diejenigen wachſen, welche nur in einer ganz beſtimmten Bo— 
denmiſchung fortkommen. Je mehr nun die verſchiedenen Boden⸗ 


— 


114 


arten durch die Gewalt der Gewäſſer untereinander gemengt wer— 
den, um ſo günſtiger, um ſo größer wird der Bezirk für die Aus⸗ 
breitung der Pflanzen; daher finden wir nach jeder folgenden Erd— 
revolution, bei welchen ſo ungeheure Bodenmengungen vor ſich 
gingen, auch vermehrte Pflanzenarten, die ſtets im Zunehmen be— 
griffen ſind und die ſich nach der letzten Erdrevolution auf die hohe 
Stufe ſtellten, auf der wir ſie jetzt ſehen. Der zunehmende Arten— 
reichthum der Pflanzen bedingt aber auch eine Vermehrung und 
Veredlung der Thiere. 

Bei genauerer Betrachtung der Verhältniſſe, welche zwiſchen 
den Pflanzen und dem Boden, auf welchem ſie wachſen, ſtattfinden, 
ſtoßen wir auf eine Menge von Widerſprüchen und es ſtellt ſich 
heraus: daß dieſelben Pflanzen nicht immer gleichmäßig gut auf 
Sand- oder Thonboden, oder gleichmäßig gut auf Kalkboden ge— 
deihen: daß Bäume, die lange Zeit üppig fortwuchſen und ſchöne 
Früchte trugen, mit einem male welken und abſterben: daß Felder, 
die ein Jahr die ſchönſten Getreide-Erndten geben, das nächſte 
Jahr dieſelbe Frucht nur in ganz geringer Menge ertragen, den— 
noch war der Sandboden noch eben ſo ſandig, der Thonboden noch 
eben fo merglich und der Kalkboden enthielt noch genau ſo viel 
kohlenſauren Kalk. An dieſen Beſtandtheilen konnte daher der 
geringe Ertrag, konnte das Ausſterben der Bäume nicht liegen, es 
muß der Grund anderswo geſucht werden. Weiter oben ſahen wir 
bereits: daß wenn ein Boden fruchtbar ſein ſolle, er außer Kalk— 
Thon⸗Kieſelerde noch andere Beſtandtheile enthalten müſſe. Neh— 
men wir ein Schäufelchen von Blech, geben eine abgewogene 
Menge vollkommen von Waſſer befreiten Bodens auf daſſelbe 
und glühen ihn, jo finden wir nach dieſem Prozeſſe eine Vermin— 
derung des Gewichtes. Dieſelbe rührt von der Verflüchtigung und 
Verbrennung der im Boden enthaltenen organiſchen Verbindungen 
her. Manche Bodenarten haben nur ſehr wenige dieſer organiſchen 
Beimengungen, namentlich iſt es der reine weiße Sand, der oft 
gar keine erweislichen pflanzliche und thieriſche Stoffe enthält. 
Wenn nun auf demſelben auch Bäume wachſen, ſo iſt dies Wachs— 
thum — da faſt alle Kohlenſäure aus der Luft bezogen werden 
muß — doch ein ſehr geringes. Andere Bodenarten z. B. der 


112 


ſchwarze Marſchboden enthält oft & feines Gewichts organiſcher 
Materie. Außer dieſen wichtigen organiſchen Theilen müſſen einer 
guten Ackererde noch phosphorſaure und ſchwefelſaure Verbindun— 
gen, müſſen ihr Kali und Natron, müſſen ihr Eiſen und Mangan, 
müſſen ihr Chlor und Fluor, müſſen ihr Bittererde beigemengt 
ſein. Fehlen dieſelben, dann mögen die ſonſtigen Mengeverhält— 
niſſe ſo günſtig ſein wie ſie nur immer wollen, es werden die 
Pflanzen dennoch nicht gedeihen. Die Saamen werden zwarfeimen 
und ſo lange fortwachſen, als ſie in ſich ſelbſt noch Nahrungs— 
beſtandtheile enthalten; dann aber wird alles Wachsthum auf— 
hören. Sind ſie in zu geringer Menge vorhanden, ſo giebt ſich 
dies durch das ſchwächliche ungeſunde Ausſehen der Gewächſe zu 
erkennen und der aufmerkſame Landwirth wird ſogleich aus dem— 
ſelben entnehmen, wo es ſeinem Boden fehlt und was ihm für 
Beſtandtheile zugeführt werden müſſen. 

Wenn dieſelbe Pflanzengattung lange Zeit auf demſelben Bo— 
den gebaut wurde, ſo wird ein oder der andere jener Nahrungs— 
ſtoffe, vielleicht auch mehrere, ſeltner in ihm werden und endlich 
werden ſie ganz und gar verſchwinden, oder doch nur als unlösliche 
Verbindungen in ihm zurückbleiben. In einem ſolchen Falle wird 
es der Wurzel unmöglich, ſoviel von dem Stoffe aufzunehmen, als 
das Wachsthum der Pflanze verlangt, ſie wird dann kränkeln und 
abſterben. Aus dieſer Erſcheinung erklärt ſich deutlich, warum 
manche Gewächſe nicht mehr gedeihen, oder warum, wenn ſie eine 
Zeitlang fortwuchſen, ſie plötzlich zurückgehen. Eben ſo klar, wie 
die Urſache dieſes Uebels erkannt wird, eben ſo leicht kann man 
Mittel dagegen ergreifen: man darf dem Boden dann nur die— 
jenigen organiſchen oder mineraliſchen Beſtandtheile, die ihm ent— 
weder ganz fehlen oder in unlöslichen Verbindungen in ihm ent— 
halten ſind, geben, oder die unlöslichen in lösliche Formen brin— 
gen. Die Pflanzen werden dann in ihrer früheren Ueppigkeit wieder 
emporwachſen und ſo reichliche Erndteergebniſſe i als in 
ſeiner beſten früheren Periode. 

Einer dieſer mineraliſchen Beſtandtheile, der an ſich nur in 
geringer Quantität im Boden vorkommt, bedarf von Seiten der 
Landwirthe der größten Beachtung; es iſt dies die Phosphor— 


113 


fäure, die durch die Cerealien, Oelfrüchte, den Gras-Gemüſe— 
Kleebau ꝛc. c. dem Boden jedes Jahr entzogen wird und auf deren 
Erhaltung im Urine und den Knochen man leider vielſeits noch 
zu wenig Bedacht nimmt. Während die übrigen mineraliſchen Be— 
ſtandtheile in der Regel reichlicher in den Bodenarten vertreten 
ſind, bringt das Fehlen einer ausreichenden Menge von Phos— 
phorſäure, zum großen Nachtheile vieler Landwirthe, nur ſpärliche 
Erndten und einen ſchlechten Heuertrag der Wieſen. 


Eine ſorgfältige Beachtung verdienen auch die organiſchen 
Beſtandtheile: die thieriſchen und pflanzlichen Ueberreſte. Ob— 
wohl dieſelben aus einer großen Zahl der verſchiedenartigſten Ver— 
bindungen beſtehen, ſo reduciren ſie ſich doch weſentlich nur auf 
zwei, auf Stickſtoff und auf Kohlenſtoff. Bei der Behandlung des 
erſteren ſahen wir bereits, von welchem Gewichte er namentlich 
für die Nahrungspflanzen ſei; zugleich nahmen wir aber auch 
wahr: daß er nicht direct, ſondern in ſeiner Verbindung mit Waſſer— 
ftoff, als Ammoniak, in die Gewächſe übergeführt werde. Alle 
Bodenarten, worinnen ein vollkommnes Wachsthum der Pflanzen 
in der Möglichkeit liegen ſoll, müſſen deshalb eine hinreichende 
Quantität löslicher Stickſtoffverbindungen gerade ſo gut, wie der— 
gleichen von Kohlenſtoff in ihrer Miſchung enthalten. Sind beide 
in zu ſpärlichen Verhältniſſen in ihm vorhanden, dann erhält der 
Landwirth kränkelnde Pflanzen. Fehlen ſie ganz, dann hört alles 
Wachsthum auf. 


Es iſt zwar richtig: daß ſowohl Kohlenſäure, als Ammoniak, 
durch die Blätter und grünen Zweige vermittelſt der Luft aufge— 
nommen und in die Pflanzen übergeführt werden, allein dieſe Zu— 
führung genügt nicht; auch der Boden muß beide in löslicher 
Form enthalten, wenn gute Erndten erfolgen ſollen. Der Haupt— 
werth des Bodens beſteht, dem Vorausgegangenen nach, alſo 
darinnen: daß er erſtens den Gewächſen einen feſten Standpunkt 
ſichert und daß in demſelben zweitens der größte Theil ihrer 
Nahrung aufgeſpeichert ſei. Merkwürdiger Weiſe ſind aber faſt alle 
Beſtandtheile des Bodens, mit Ausnahme der Thonerde und 
einiger ſelteneren Mineraltrümmer, auch zugleich Nahrungsbeſtand— 
Engelhardt, die Nahrung der Pflanzen. 8 


114 


theile der Pflanzen z. B. die Kieſelerde, die Kalk- die Bittererde, 
das Eifenoryd u. ſ. w. 

Obſchon nun das Gedeihen unſerer Brodfrüchte davon abzu— 
hängen ſcheint: daß diejenigen derſelben, die den Kalkboden lieben, 
auf Kalk-, diejenigen, welche den Sand lieben, auf Sand- und die⸗ 
jenigen, welche den Thon lieben, auf Thonboden gezogen werden, 
ſo hängt der reelle Werth deſſelben doch lediglich und allein von 
dem Vorhandenſein einer größern Menge von Stoffen ab, die ſo— 
wohl dem organiſchen, als dem anorganiſchen Reiche angehören. 
Sobald dieſe vorhanden ſind, wird eine jede Pflanze in dem Boden 
gedeihen, der vermöge ſeiner chemiſchen und mechaniſchen Be— 
ſchaffenheit dem Zwecke entſpricht, vorausgeſetzt daß die örtlichen 
klimatiſchen Verhältniſſe ihr zuſagen. 

Hauptſächlich iſt die mechaniſche Beſchaffenheit bei jeder 
Bodenart ſehr zu berückſichtigen. Je lockerer ein Boden iſt oder 
gehalten wird, deſto leichter wird ihn die Luft, deſto ſicherer wird 
ihn das Waſſer an allen Stellen durchdringen, deſto leichter wird 
er die Feuchtigkeit der Luft aufzuſaugen vermögen; deſto raſcher 
und geſchäftiger wird ſich aber auch der Sauerſtoff in den einzel— 
nen Erdebeſtandtheilen, in den holzigen Düngſtoffen, in dem 
Humus feſtſetzen und um ſo ſchneller die Bereitung des Haupt— 
nahrungsmittels in recht großer Menge vornehmen; deſto leichter 
wird derſelbe das Ammoniak, den kohlenſauren Kalk, die kohlen— 
ſaure Bittererde, das Kali, das Natron, das Eiſenoryd, den phos— 
phorſauren Kalk, die Kieſelerde in Verbindung mit Waſſer löſen 
und ſie den Saugfaſern der Wurzeln übergeben. Je größer daher 
die Auflockerung eines Bodens iſt, deſto ſchneller wird nicht nur 
der Keimungsact, deſto ſchneller wird auch die Ausbildung der 
Pflanze verlaufen, deſto größer, deſto vollkommner wird ſie wer— 
den, deſto mehr und nahrungsreichere Frucht wird ſie tragen. Im 
nächſten Abſchnitte, wo von den Saugern gehandelt wird, werden 
wir nochmals auf die ſorgfältige Bodenauflockerung zurückkommen. 

Klima und Boden mögen übrigens beſchaffen ſein wie ſie 
wollen, ſo gedeiht doch keine Pflanze, ſind die mineraliſchen und 
organiſchen Stoffe nicht in ausreichender Menge in letzterem vor⸗ 
handen. Beginnt ſie auch ihren Lebenslauf, ſo wird derſelbe doch, 


1 


115 


wie wir bereits ſahen, bald unterbrochen, fie kränkelt und ftirbt 


endlich, ohne ihren Zweck erfüllt zu haben, der darinnen beſteht, 


recht viele Früchte für kommende Generationen zu erzeugen, ab. 
Um daher den Boden fruchtbar zu machen d. h. ihm die zur Pflan— 
zennahrung nöthigen Beſtandtheile wieder zuzuführen, bedient 


man ſich der ſogenannten Düngung. Die ganze Kunſt derſelben 


beſteht aber lediglich und allein darin: dem Boden diejenigen Be— 
ſtandtheile wieder zurückzugeben, die ihm durch lange Bebauung 
entweder verloren gingen, oder die er noch gar nicht in ſeine 
Miſchung aufgenommen hatte. Daß bei der Düngung viel auf 
die Zeit, wann ſie vorgenommen wird, ſo wie auf die Form, in 
welcher die Düngemittel gereicht werden, ankommt, verſteht ſich 
von ſelbſt. 

Wenn wir nun auch dem Boden den beſten Dünger und in 
Formen, in welchen er den Wurzeln leicht zugänglich iſt, über— 
geben: wenn wir den Boden fo forgfältig auflodern, als es nur 
immer in der Möglichkeit liegt, ſo iſt durch beides deſſen Frucht— 
barkeit aber immer noch nicht bedungen. Es müſſen hier noch 
Kräfte einwirken, deren Zuführung nicht in unſerer Macht ſteht, 
es müſſen Stoffe zugegen ſein, die auf die Fruchtbarkeit einwirken. 


Was würde es helfen, wenn alle organiſchen und mineraliſchen 


Nahrungsſtoffe in reichlichſter Fülle im Boden vorhanden wären, 
und der Regen und die atmoſphäriſche Luftfeuchtigkeit fehlten? 
Wie wir bereits beim Waſſerſtoffe zu ſehen Gelegenheit fan— 
den, iſt es die Feuchtigkeit — das Waſſer — welches einen Theil 
und vielleicht den größten und zwar nicht allein die feſten, ſondern 
auch die gasförmigen Nahrungsmittel durch die Wurzelſaugfäſer— 
chen in die Pflanzen bringt. Das Waſſer hat daher dieſelbe Funk— 
tion für die Saugfäſerchen der Wurzeln, wie die Luft für die Saug— 
gefäße der Blätter; denn wie durch die Luft die Kohlenſäure und 
das Ammoniak den unendlich kleinen, unzählbaren Mäulern der 
Blätter übergeben wird, ſo übergiebt das Waſſer die aufgenom— 
mene Kohlenſäure, das aufgenommene kohlenſaure Ammoniak, den 
gelöſten phosphorſauren und doppelkohlenſauren Kalk, die doppel— 
kohlenſaure Bittererde, das doppelkohlenſaure Eiſenoxydul, das 
Kali und Natron, die Schwefelſäure, das Chlor ꝛc. ꝛc. den un— 


8 * 


ı16 


endlich kleinen Mäulern der Wurzeln. Da ſich viele dieſer Körper 
nur in äußerſt geringen Mengeverhältniſſen löſen, ſo leuchtet es 
ein, warum eine fo bedeutende Quantität Waſſer beim Vegetations⸗ 
Prozeſſe und warum es unausgeſetzt vorhanden ſein muß. Es 
wird uns dies um ſo erklärlicher, als die Pflanze ja ſelbſt aus 4 
Waſſer beſteht. Uebrigens hat das Waſſer beim Vegetations-Pro— 
zeſſe noch mehr zu verrichten, denn es trägt, wie wir ſpäter aus— 
führlicher behandeln werden, dazu bei daß es als Regen und Thau 
die Luft auswäſcht und letzterer die für das Thierleben ſchädlichen 
Beſtandtheile, Kohlenſäure und Ammoniak, aber auch Sauerſtoff 
entziehe. Dieſe Gasarten nimmt es mit in die Erde und ſpeichert 
ſie bis zum Gebrauche auf. 

Da wo alſo Regen, Laſtfeuchtigkeit, oder Waſſer in aus⸗ 
reichender Menge vorhanden, wird bei übrigens guter Bewirth— 
ſchaftung und unter der Vorausſetzung, daß alle Nahrungsſtoffe 
der Pflanzen im Boden vorhanden ſind, ein üppiges Gedeihen 
unſerer Gewächſe ſtattfinden; wo dagegen Regen und Luftfeuchtig⸗ 
keit fehlen, da kommt keine Blüthe, da kommt keine Frucht zum 
Vorſchein; die Erde erſcheint dann auf weite Strecken in einen 
Trauermantel gehüllt und öde, nackt und kalt ftellt ſie fi) unſerm 
Auge dar. In ſolchen Gegenden können im Boden die kräftigſten 
Düngſtoffe in reichlichſter Fülle vergraben liegen und dennoch wird 
ſich in ihrem öden Ausſehen nichts ändern, kein Keimchen wird 
ſich regen, kein Gräschen grünen, kein Läubchen fächeln, ſo lange 
ihr Durſt nicht geſtillt wird. Blicken wir hin in jene baumloſen 
Steppen, wo ſich der Wandrer vergebens nach einem ſchützenden 
Dache gegen die verſengenden Sonnenſtrahlen umfteht, wo der 
ſcharfe trockne Wind zuerſt dem Auge, dann den übrigen Körper— 
theilen die Feuchtigkeit entzieht und die Haut zuſammenſchrumpft, 
wo die höheren Thiere fliehen und ſelbſt kein bunter Schmetterling 
die Luft durchſegelt, wo der Menſch von Allem verlaſſen dem 
quälendſten Durſte verfallen iſt: wie traurig ſieht es da aus, wie 
eiſig kalt find da die Winter! Erſt dort lernt der Menſch fo recht 
erkennen, was dem Waſſer für ein unendlicher Werth zuſteht; * 
dankt und preiſt den Herrn, wenn er ihn in einer ſolch endloſen 
Wüſte zu einer ſprudelnden Quelle führt, an welcher ſich — iſt ſie 


147 


auch noch ſo klein — ſogleich wieder eine dankbare Pflanzenſchaar 
verſammelt hat. 

Allein Feuchtigkeit iſt es immer noch nicht allein, welche neben 
gutem Boden und den düngenden Beſtandtheilen in ihm den 
Grad der Fruchtbarkeit beſtimmt. Es gehört dazu auch ein gewiſſer 
Wärmegrad. Die meiſten Pflanzen, die aus heißen Klimaten zu 
uns herüber gebracht werden, gedeihen daher bei uns im Freien 
nicht, oder ſie tragen doch keine Blüthen und Früchte, wenn ſie 
nicht in Glashäuſern vor äußeren üblen Einwirkungen geſchützt 


werden; dagegen kommen unſere Cerealien in jenen Gegenden 
nicht fort, gedeihen aber in denen, wo hohe Kältegrade herrſchen 


und verbreiten ſich daher bis zu den Eisregionen hinauf. Unſere 
Gerſte z. B. iſt die einzige Frucht, welche auf Island noch wächſt. 

Bei ausreichender Feuchtigkeit und einem den Pflanzen zu— 
träglichen Wärmeverhältniſſe wird daher überall ein üppiges 
Pflanzen⸗Wachsthum getroffen werden, wo neben der Mengung 
von Sand» Kalk- Talk- und Thontheilchen — dem eigentlichen 
Boden — noch ſchwefelſaure und phosphorſaure Salze, Kali und 
Natron (Silicate), Eiſen und Mangan, Chlor und Fluor in der 
Ackerkrume vorhanden und dieſe mit kohlen- und ſtickſtoffhaltigen 


Körpern gemengt ſind. Ein Boden, der letztere beide und zugleich 


reichliche Mengen von Phosphorſäure enthält, wird viele Jahre 
hintereinander die reichlichſten Früchte tragen, wenn die Silicate 
gehörig aufgeſchloſſen werden und die übrigen Düngſtoffe ſelbſt 
nur in geringen, aber ausreichenden Mengen in ihm enthalten 
ſind, denn von den übrigen Nahrungsmitteln verbrauchen die 
Pflanzen nur Kleinigkeiten. Sind aber die Nahrungsmittel einem 
Boden durch langjährige Bebauung entzogen, dann ſagt der Land— 
wirth der Boden iſt erſchöpft; da wir aber die Mittel kennen der 
Erſchöpfung vorzubeugen, ſo hängt die Unfruchtbarkeit oder Frucht— 
barkeit einer Gegend lediglich von deren Bewohnern ab, die oft 
aus Trägheit ihre Felder und Wieſen herabkommen laſſen. 

Es würde hier zuweit führen ſpecieller von den verſchiedenen 


Düngſtoffen zu handeln, bei den einzelnen Nahrungsmitteln der 
Pflanzen, die wir in dieſem e noch behandeln, men 


wir ohnehin darauf zurück. 


118 


Wie nachtheilig Bodenentkräftungen aber zu wirken ver⸗ f 
mögen, werden einige Beiſpiele klar ins Licht ſtellen. 

Nach der Entdeckung von Amerika ſtrömten aus Spanien, 
Frankreich und England eine Menge von Menſchen nach jenem 
Erdtheile; ſie fanden dort einen Boden der ohne Bedüngung die 
reichlichſten Früchte erzeugte; man durfte jener jungfräulichen Erde 
bei geringer Bearbeitung nur einige Saamenkörner anvertrauen, 
ſo erwies ſie ſich zehnmal dankbarer, als die im verlaſſenen Vater— 
lande. Namentlich war es Weizen, den man cultivirte. Nach Ber: 
lauf einer langen Reihe von Jahren, wo man dem Boden keinen 
der ihm durch die vielen Erndten entzogenen Beſtandtheile wieder 
zufließen ließ, brachte man ihn in großen Diſtrikten aber ſo her— 
unter, daß er wenig oder nichts mehr ertrug und die Bewohner 
genöthigt waren in andere Gegenden auszuwandern, um auch dort 
den Boden zu entkräften. So war z. B. am Lorenzſtrome in der 
Umgebung von Montreal eine große Fläche als eine Vorraths— 
kammer Amerikas bekannt; es wurde dort ſoviel Weizen gebaut, 
daß derſelbe eine lange Reihe von Jahren einen Hauptausfuhr— 
artikel abgab, und jetzt erträgt der Boden jenes Bezirks kaum ſoviel, 
daß er ſeine nur unbedeutend geſtiegene Bevölkerung zu ernähren 
vermag. Wo ſonſt die üppigſten Weizenfelder mit ihren goldenen 
Aehren prangten, da ſteht jetzt ſtorriger Hafer, da rankt dürftiges 
Kartoffelkraut. Dieſe Erſcheinung beſchränkt ſich aber nicht allein 
auf Canada; man trifft ſie im Mexico und in andern amerikani⸗ 
ſchen Staaten noch vielfach. In neuerer Zeit, wo man auch drüben 
anfängt dem entkräfteten Boden ſeine einzelnen durch vieljährige 
Beerndtung entzogenen Düngſtoffe wieder zu geben, iſt es in man— 
chen Bezirken ſoweit gekommen, daß ſie den Weizen wieder ſo 
reichlich ertragen, als zur Zeit ihrer Jungfräulichkeit; ich nenne 
hier nur Virginien und Carolina. Nachdem man über die ausge— 
ſogenen Sandflächen dieſer Staaten reichliche Mengen von Kalken 
und kalkigen Mergeln verbreitete, bedeckten ſich die öden Steppen 
wieder mit dem ſaftigſten Grüne und brachten ausgezeichnete Ernd— 
ten. Auch Gyps that dort dieſelben Wunder, als bei uns zu Ende 
des vorigen Jahrhunderts, wo durch die Einführung deſſelben eine 
ganz neue Zeit für den Futterkräuterbau heranbrach. 


119 


Nirgends ift eine gute Bedüngung fo leicht zu ermöglichen, 
als in Amerika, wo der Guano ſo billig zu beziehen iſt. Hat der 
Landwirth dieſen, dann hat er eigentlich Alles, was er zur Bedün- 
gung ſeiner Felder braucht; der reiche Stickſtoffgehalt, die viele 
Phosphorſäure ſind die Grundprinzipien der Pflanzenernährung. 

Bei der Uebergabe von Pflanzennahrungsmitteln in den Bo- 
den haben wir daher unſere Aufmerkſamkeit hauptſächlich auf den 
Kohlenſtoff, Stickſtoff und auf verſchiedene Salze, namentlich den 
phosphorſauren Kalk zu lenken. Den Kohlenſtoff bringen wir durch 
holzige Pflanzentheile, alſo durch die verſchiedenen Strohſorten, 
durch dürre Blätter, durch Gräſer und Schilfe, durch Rüben- und 
Kartoffelkraut, durch Raps- und Madia-Stängel, durch Mooſe 
und Haiden, jo wie durch vermodertes Holz in den Boden. Durch 
alle dieſe Stoffe bildet ſich der Humus, welcher überall im Boden 
im größern oder geringern Verhältniſſe getroffen wird und der wei— 
ter gar nichts iſt, als das Product der erſten Zerſetzung der Holz— 
faſer. Bei dieſer Zerſetzung bildet ſich zugleich mit der Kohlenſäure, 
welche begierig vom Humus aufgeſogen wird, auch Ammoniak, 
wenn Stroh, Weizenſtängel und dergleichen ſtickſtoffhaltiges Ein— 
ſtreumaterial angewandt wurden. 

Da unter günſtigen Umſtänden überall auf der Erde Pflanzen 
wachſen, ſo muß auch allerwärts Humus verbreitet ſein und in der 
That bildet er ſich überall da, wo dieſe unter Vorhandenſein von 
Luft und Wärme abſterben. Die Verſuche, welche Soubeiran 
mit Dammerde anſtellte, beweiſen: daß dieſelbe den Humus zum 
Theil im freien Zuſtande enthält. Größere Mengen deſſelben fin— 
den ſich in Verbindung mit Kalk darinnen vor, von welchem man 
ihn aber durch Ammoniak trennen kann. Die Auflöslichkeit macht 
die Rolle klar, welche das kohlenſaure Ammoniak im Dünger ſpielt; 
es macht daſſelbe den an Kalk gebundenen Humus löslich und in 
der Dammerde beſchleunigt das Ammoniak zu gleicher Zeit die Bil— 
dung des Humus, was aber die kohlenſauren Alkalien, namentlich 
die Aetzalkalien noch im höhern Grade befördern. 

Die Zuſammenſetzung des Humus wird niemals mit voll— 
kommner Genauigkeit beſtimmt werden können; er kann, wenn 
man ihn in Ammoniak auflöft und mittelſt einer Säure nieder⸗ 


120 


ſchlägt, ſtets mit gewiſſen Stoffen vermengt bleiben, welche ihn in 
der Dammerde begleiten und ebenfalls von Alkalien gelöſt und von 
Säuren gefüllt werden. Die Analyſe des aus dem Boden gezoge— 
nen Almins ergiebt kein beſtimmtes Reſultat. Soubeiran fand 
ſtets 52 bis 569 Kohlenſtoff darin und erſchien ihm die Menge 
des Kohlenſtoffs um ſo vorwiegender, je länger die Luft während 
ſeiner Bildung auf die Dammerde einwirkte. Nach ſeinen Unter— 
ſuchungen kann das Verhältniß des Kohlenſtoffs ſelbſt dann noch 
zunehmen, wenn alles Holz in unauflöslichen Humus verwandelt 
iſt, und verliert der gebildete Körper dadurch keineswegs die neuer— 
worbenen Eigenſchaften, welche ihn zur Pflanzennahrung geeignet 
machen. Der Humus hat daher keine ganz beſtimmte Zuſammen— 
ſetzung; wie alle organiſchen Körper, welche ſich durch langſame 
Prozeſſe umbilden, durchläuft er eine Reihe unmerklicher Ueber— 
gänge. Außer Kohlenſtoff enthält der Humus noch 2 bis 244 
Stickſtoff und iſt demſelben ebenfalls eine bedeutende Einwirkung 
bei der Pflanzenernährung zuzuſchreiben. 8 

In Rückſicht der Wirkung des Humus auf die Vegetation 
bemerkt Soubeiran: daß der Humus hauptſächlich in dem Zuſtande 
des humusſauren Ammoniaks in die Pflanzen dringe. Das durch 
die Fäulniß des Düngers ſich bildende kohlenſaure Ammoniak be— 
wirkt: daß ſich der gebildete Humus auflöſt. Es befördert deſſen 
Bildung unter dem gleichzeitigen Einfluſſe der Luft und verſetzt 
auch den im Boden als humusſaurer Kalk enthaltenen Humus in 
aufgelöſten Zuſtand. Man kann daher die Menge des von den 
Pflanzen aufgenommenen Humus weder nach dem Aſchengehalt der 
Pflanzen, noch nach der Auflöslichkeit des humusſauren Kalkes 
im Waſſer beurtheilen. Das Ammoniak, welches als Auflöſungs— 
mittel des Humus diente, wird in dem Pflanzengewebe verarbeitet 
und umgebildet und trägt unmittelbar zur Bildung der füczoff 
haltigen Producte bei. 

Daß der durch Ammoniak löslich machte Humus von den 
Pflanzen aufgeſogen wird und zu ihrer unmittelbaren Ernährung 
dient, davon überzeugte ſich Soubeiran durch verſchiedene Verſuche.“) 


) Es können jedoch trotzdem noch Prozeſſe, und ſelbſt in den Zellen vor⸗ 
kommen, wo Kohlenſäure gebildet und der Humus in Form von kohlenſaurem 


121 


Er zog einen Stock Rainkohl vorſichtig aus der Erde, wuſch die 
Wurzeln mit Waſſer und brachte ſie in eine Auflöſung von verdünntem 
humusſaurem Ammoniak, welche durch längere Berührung mit der 
Luft von allem überſchüſſigen Alkali befreit worden war. Flüſſigkeit 
und Wurzeln waren vor dem Lichte geſchützt. Während der 8 Tage 
des Verſuchs gedieh die Pflanze. Die Wurzel wurde jeden Tag in 
friſche Löſung geſetzt und die Flüſſigkeit vom vorigen Tage durch 
Zuſatz von deſtillirtem Waſſer wieder auf ihr urſprüngliches Vo— 
lumen gebracht; die blaſſer werdende Farbe der Flüſſigkeit bezeugte 
hinlänglich: daß ein Theil des humusſauren Ammoniaks aufge— 
nommen worden war. Hafer und Bohnen in Erde geſät, welche 
durch Ausglühen von aller organiſchen Materie befreit, dann mit 
Knochenmehl (phosphorſaurem Kalk) und ſchwefelſaurem Kalke ver— 
ſetzt und mit einer ſchwachen Auflöſung von neutralem humusſaurem 
Ammoniak feucht erhalten wurden, lieferten reichlich Blüthen und 
Früchte. Beide Verſuche zeugen hinlänglich von den günſtigen 
Umſtänden, unter welchen die Pflanzen ſich entwickelten und daß 
Humus die Auflöſung des phosphorſauren Kalks erleichtert. 

Humus dient übrigens den Pflanzen nicht allein zur Nah— 
rung, ſondern er wirkt auch günſtig auf die Aufſaugung von 
Waſſer und Luftfeuchtigkeit; daher iſt die Zuführung von gutem 
Stalldünger, am allerbeſten aus Stroh bereitet, ſchon in dieſer 
Beziehung von hohem Gewichte für die Landwirthſchaft. 

Dieſe ſchätzbaren Eigenſchaften machen den Humus zum vor— 
züglichſten Nahrungsmittel für die Pflanzen. Nebenbei ſteht der— 
ſelbe aber unter dem Einfluſſe der ihn begleitenden Subſtanzen, 
welche entweder zu ſeiner Erzeugung beitragen, oder ihn in den 
Zuſtand der Auflöslichkeit verſetzen, ohne welche er nicht aufgeſogen 
werden kann. Bei zu viel Feuchtigkeit und Säureüberſchuß löſt er 
ſich nicht und iſt todt für die Pflanzenernährung, wie wir dies in 
Sümpfen und Moräſten, ſo wie auf Torfmooren und ſchwerem 
Thonboden gewahren. Bei letzterem rührt die Unauflöslichkeit 
alſo vom Waſſer her und dies liegt un der ſtark aufſaugenden und 
waſſerbindenden Thonerde; geſellt ſich nun noch Humus dazu, der 


Ammoniak in die höhern Zellen eintritt, wie wir dies oben bei . der 
Kohlenſäure bereits ſahen. 


s 
0 


ebenfalls ein kräftiger Waſſerſauger iſt, ſo erhält der Boden zu viel 
Feuchtigkeit, der Humus wird ſauer und der Boden kann nur 
durch Waſſerentziehung verbeſſert werden. Daher rührt die außer— 
ordentlich günſtige Wirkung der Drainage, nach welcher die an— 
weſenden kohlenſauren Kalke die überſchüſſige Säure entfernen, 
den Humus als humusſauren Kalk löslich machen. In Folge die— 
ſer Ergebniſſe ſucht Soubeiran ferner darzuthun: daß man ſich irre 
den Werth eines Pflanzennahrungsmittels durch ſeinen Stickſtoff— 
gehalt auszudrücken; vielmehr ſei es nothwendig, die ſalzigen Be— 
ſtandtheile, namentlich die Ammoniakſalze und ihre eigenthümliche 
Zuſammenſetzung, ſo wie die thieriſche Materie und ihre mehr oder 
weniger veränderliche Natur zu berückſichtigen. 

Nach dem Verhandelten iſt der beſte Dünger derjenige, welcher 
zugleich eine gewiſſe Menge von auflöslichen, erdigen oder alkali— 
ſchen Salzen, von Ammoniakſalzen, ferner von ſtickſtoffhaltiger 
thieriſcher Materie, außerdem Humus und in Umwandlung be— 
griffenes Pflanzengewebe enthält. Alle dieſe Stoffe ſind am Beſten 
im gegohrenen landwirthſchaftlichen Dünger — Stalldünger — 
vereinigt und geben ihm einen unbeſtreitbaren Vorzug vor andern. 
Hauptſächlich iſt auf Humus oder doch auf Stoffe zu ſehen, welche 
jenen zu bilden fähig ſind, weshalb, wie bereits bemerkt, das Stroh 
in der Landwirthſchaft fo ausgezeichnete Dienſte leiſtet. Wird als⸗ 
dann der Menſchen- und Thier-Harn noch ſorgfältig geſammelt 
und ſtets über den gährenden Dünger verbreitet, werden überdies 
noch Knochen aufgeſammelt, gepocht und den Feldern übergeben, 
ſo bekommt der Boden phosphorſaure und Ammoniakſalze in aus— 
reichender Quantität zugeführt und der Landwirth wird ſich eines 
W Segens zu erfreuen haben. 

Die waſſerbindende Kraft des Bodens, oder das Vermögen 
tropfbar flüſſiges Waſſer in feinen Zwiſchenräumen ſchwammartig 
aufzunehmen, gehört zu den wichtigſten phyſikaliſchen Eigenſchaften 
deſſelben. Die Thonerde iſt aber diejenige Erdart, welche in der 
Bodenmiſchung als Waſſerſauger auftritt; man kann daher leicht 
austrocknende Bodenarten verbeſſern, wenn man ihnen Thone oder 
Mergel, oder auch vermehrte Quantitäten von Pflanzenſtoffen, die 
ſich leicht in Humus umändern, zuführt. 


Die Sauger. 


Obſchon im Gebiete der Naturwiſſenſchaften, namentlich in 
der Phyſik und Chemie, in neuerer Zeit die wichtigſten Fortſchritte 
gemacht, und obſchon durch dieſelben in der Landwirthſchaft und 
in den Geſammtgewerben überraſchende Aufſchlüſſe erlangt worden 
ſind, ſo wiſſen wir doch recht gut, daß trotzdem immer noch un— 
endlich viel auf dieſem Felde zu erforſchen bleibt; denn an einzel— 
nen Stoffen und Körpern werden von Neuem Eigenſchaften wahr— 
genommen, welche wiederholte Forſchungen veranlaſſen, und letztere 
führen wiederum zu wichtigen Aufſchlüſſen in andern Zweigen der 
Wiſſenſchaften. 

Faſſen wir nur die eigenthümliche Eiſchetnung des Aufſau⸗ 
gens gasförmiger und tropfbarer Flüſſigkeiten durch verſchiedene 
Metalle, Erden u. ſ. w. ins Auge, ſo finden wir ſofort, welche 
merkwürdigen Aufſchlüſſe wir durch dieſelbe in der Land- und 
Forſtwirthſchaft, beim Bergbaue, in der Baukunſt und in dem 
Fabrikweſen erlangen, welche großen Vortheile ſie alſo der menſch— 
lichen Geſellſchaft bringt, obſchon ſie auf einzelne Individuen, be— 
züglich deren Geſundheit, ſehr nachtheilig einwirkt. 

Der Saugungsprozeß iſt noch lange nicht ſo erkannt, als er 
es ſeiner Wichtigkeit wegen verdient. Die mit der Eigenſchaft des 
Saugens begabten Stoffe werden Sauger genannt, und ich er— 
laube mir hier, die am meiſten ins gewöhnliche Leben eingreifen— 
den Sauger etwas genauer vors Auge zu führen. 

Döbereiner in Jena war es, welcher zuerſt entdeckte, daß 
der Platinmohr die Eigenſchaft habe, Sauerſtoff in beträchtlicher 
Menge zu abſorbiren und zu verdichten. Wenn man z. B. in ein 


124 
Gemenge von Waſſerſtoff- und Sauerſtoffgas — das ſich in einem 
Glasgefäße bis zur beginnenden Rothglühhitze erwärmen läßt, 
ohne daß ſich beide Gaſe zu Waſſer vereinigen — eine polirte 
Platte von Platin bringt, ſo treten die mit der Metallfläche in 
Berührung befindlichen Gastheile ſofort zuſammen und bilden 
Waſſer; es ſetzen ſich hierauf andere Theile des Gemiſches mit 
dem Platin in Berührung, die ſich durch deſſen Einfluß von Neuem 
verbinden, ſo daß eine große Menge des Gemiſches ſchnell zu 
Waſſer vereinigt werden kann. Die Temperatur des Platins er— 
höht ſich dabei durch die bei der Verbindung frei werdende Wärme, 
und da der Einfluß des Metalls mit der Temperatur zunimmt, ſo 
ſchreitet die Verbindung immer raſcher vor, bis das Platin roth— 
glühend wird, wo es dann die Verbindung auch in der Entfernung 
von ſeiner Oberfläche aus bewirkt, indem es das Gasgemiſch ent⸗ 
zündet. 

Das Platin wirkt auf dieſe Weiſe am ſtärkſten, wenn es ſich 
in höchſt feiner Vertheilung befindet, wie in der Form von Platin— 
ſchwamm, weil dem Sauerſtoffgaſe eine Menge von Berührungs— 
punkten dargeboten wird. Auf die Aufſaugung des Sauerſtoffs 
durch Platinſchwamm und die nachherige Zuführung eines Stromes 
von Waſſerſtoff auf letztern gründete Döbereiner ſein chemiſches 
Feuerzeug. 

Der verdichtete Sauerſtoff im Platinſchwamm wirkt jo kräf⸗ 
tig, daß er Dämpfe von Alkohol ſofort in Eſſigſäure verwandelt, 
und würde es kein beſſeres Mittel zur Schnelleſſigfabrikation 
geben, als Platinſchwamm, wenn das Metall nicht zu theuer wäre. 

Faraday war der Anſicht, die Aufſaugung des Sauerſtoffs 
durch Platin ſei einer Adhäſions-Anziehung der Gaſe zum Metalle 
zuzuſchreiben, durch welche jene verdichtet werden; allein andere 
Erſcheinungen möchten mehr auf eine electriſche Wirkung ſchließen 
laſſen, indem die Verdichtungskraft eine ſolch mächtige iſt, daß, 
um denſelben Effect auf mechaniſchem Wege zu erlangen, ein Druck 
bis zu 1000 Atmoſphären erforderlich ſein würde. 

Welche Kräfte der Saugung zu Grunde liegen, wiſſen wir 
alſo nicht gewiß, wohl aber, daß nicht allein das Platin, ſondern 
auch verſchiedene andere Metalle, ſo wie Kohle, Thon, Bimsſtein, 


125 


Schwerſpath, Holz u. ſ. w., ja daß vielleicht alle Körper Saug— 
fähigkeit haben. 

Alle und jede Kohle, dieſelbe mag aus vegetabiliſchen oder 
aus thieriſchen Stoffen künſtlich dargeſtellt, oder dieſelbe mag als 
Braun⸗ und Steinkohle in der Erde Tiefen abgelagert oder als 
Torf an der Oberfläche derſelben verbreitet ſein, ſaugt begierig 
Sauerſtoff ein, wenn ſie nach ihrer Darſtellung oder ihrer Gewin— 
nung in den Kohlenbergwerken und in den Torfſtichen der atmo— 
ſphäriſchen Luft ausgeſetzt wird. Sie thut dies um ſo begieriger 
und raſcher, in je feinerer Vertheilung ſie ſich befindet, und je 
wärmer die äußere Luft iſt. 

Namentlich ſaugt friſch gebrannte Meilerkohle oft ſo viel und 
ſo begierig Sauerſtoff auf, und die Wärmeentwicklung vermehrt 
ſich dabei ſo ſtark, daß Selbſtentzündungen erfolgen. Je höher, 
wie oben geſagt, bei dieſem Prozeſſe die Temperatur der äußern 
Luft iſt, deſto raſcher erfolgt die Aufſaugung. Bei ſchwüler Wit— 
terung in den Sommermonaten ſpürt man daher dieſe Einwirkung 
in ſolchen Stein- und Braunkohlen-Bergwerken, wo das Flötz 
ſehr mächtig und man gezwungen iſt, einen Theil der klaren Stein— 
und Braunkohlen als Bergverſatz in den Grubenräumen belaſſen 
zu müſſen, ſehr deutlich. Leider erfolgen dann durch dieſen Prozeß 
nicht allein häufig Selbſtentzündungen der Kohle, ſondern die ver— 
mehrte Auffaugung des Sauerſtoffs läßt den Stickſtoffgehalt der 
Luft auch ſo hervortreten, daß das Athmen der Arbeiter nicht mehr 
vor ſich geht, daß die Grubenlichter verlöſchen und die Gruben— 
räume öfters auf kürzere oder längere Zeit verlaſſen werden müſſen. 
Nur durch eine bedeutend vermehrte Zuführung von äußerer reiner 
Luft können ſolche Bergwerke im Betriebe erhalten werden. 

Kommt friſch gezogene Holz- oder ſoeben erſt aufgehauene 
Steinkohle in klarem Zuſtande, zumal wenn ſie ſich noch nicht voll 
Sauerſtoff geſaugt hat, unter Abſchluß der äußern Luft mit Holz 
in Berührung z. B. mit der Zimmerung in Steinkohlengruben, 
dann ſucht ſie ſich des Sauerſtoffs deſſelben zu bemächtigen und in 
demſelben dadurch ebenfalls eine Verkohlung einzuleiten. Dieſe 
Sauerſtoff-Aufſaugung der Kohle aus in ihr liegendem Holze 
kann unter Umſtänden ſo energiſch erfolgen, daß ebenfalls Selbſt— 


126 


entzündungen dadurch entſtehen. Bei friſcher klarer Meilerkohle 
kommen zuweilen ähnliche Erſcheinungen vor, wenn ſie an Holz— 
oder Breterwände abgelagert wurde. Es entſtanden hierdurch nicht 
ſelten Brände, deren Urſache man ſich nicht zu erklären vermochte. 

Wie zerſtörend ſolche klare Kohle auf das Holzwerk durch 
Entziehung des Sauerſtoffs deſſelben wirkt, dies ſehen wir am 
deutlichſten an und in Kohlhäuſern, wo dieſelbe an die Wandun— 
gen angeſtürzt wurde. Nach Verlauf weniger Jahre ſind dieſelben, 
namentlich wenn Feuchtigkeit vorhanden iſt, zerfreſſen. 

Aber nicht allein Sauerſtoff ſaugt die Kohle ein, auch Stick 
ſtoff. Stickſtoff-Verbindungen werden begierig von ihr aufgenom— 
men, und ſie wurde dadurch in neueſter Zeit als bewährteſtes Mit— 
tel zur Luftreinigung gebraucht und leiſtet in dieſer Beziehung die 
ausgezeichnetſten Dienſte. 

Vermöge ihrer bedeutenden Saug- und Verdichtungsfähig— 
keit, nicht allein bezüglich des Sauerſtoffs, ſondern auch des Am— 
moniaks und des Waſſers, iſt die Kohle eines der wichtigſten 
Düngemittel. 

Durch die Aufnahme und Verdichtung des Sauerſtoffs geht 
von ihr nicht allein die unausgeſetzte Bildung großer Maſſen von 
Kohlenſäure aus, welch' letztere als das Hauptnahrungsmittel 
aller Pflanzen zu betrachten iſt, ſondern ſie verſorgt durch die ſtarke 
Aufſaugung des Ammoniaks, von dem ſie das 90fache ihres Vo— 
lumens aufzunehmen vermag, jene auch mit dem zweitwichtigſten 
Nahrungsſtoffe — dem Stickſtoffe — und verſorgt drittens durch 
Aufſaugung und Bindung von Waſſer die Pflanzen in der trocknen 
Jahreszeit auch mit dem für ihr Gedeihen ſo unentbehrlichen 
Waſſer, oder mit andern Worten: ſie fördert die waſſerbindende 
Kraft des Bodens. 

Je feiner die Vertheilung des Kohlenſtoffs iſt, um ſo größer 
erſcheint deſſen Düngekraft; wir ſehen dies am deutlichſten am 
Ruß, wo er ſich in feinſter Vertheilung befindet. Aber auch ganz 
klare Kohle, der Humus, der ſpeckige Torf wirken auf ähnliche 
Weiſe. 

Aller ſchwarzer, durch viel Kohlenſtoff geſchwängerter Boden 
— wenn durch Beimengung von zu viel Thonerde oder durch 


127 


0 


einen thonigen Untergrund deſſen waſſerbindende Kraft nicht zu 
groß iſt, wie wir ſpäter bei der Thonerde zu ſehen Gelegenheit be— 
kommen werden — iſt der fruchtbarſte Boden. Man werfe nur 
einen Blick in die ſogenannten Marſchen und Niederungen, wo 
dem Boden viele Torfkohle beigemengt iſt. Aber auch in unſern 
Waldungen zeigt ſich die düngende Kraft der Kohle an den Bäu— 
men, welche auf alten Meilerſtätten aufwuchſen, ganz deutlich. 

Ueberſtreut man Wieſen mit klarer Kohle, ſo zeigt ſich deren 
Wirkung überraſchend ſchnell. Durch die Abgabe des aufgenom— 
menen Ammoniaks erſcheinen ſofort andere Gewächſe; namentlich 
ſind es Kleearten, welche ſich über die beſtreuten Diſtrikte, die durch 
die vermehrte Kohlenſäure-Bildung außerdem noch einen lebhaf— 
teren Wuchs und ein ſaftigeres Grün zeigen, verbreiten. 

Ein anderer, für uns wohl der wichtigſte Sauerſtoff-Am— 

moniak⸗ Wafjer- Sauger iſt die Thonerde, hauptſächlich in 
ihrer Verbindung mit Kieſelerde zu Thon. Letzterer, faſt in jeder 
Bodenart in größerer oder geringerer Menge vorkommend, wirkt 
nicht allein durch die Sauerſtoff-, ſondern auch durch die Waſſer— 
ſaugung und überdies noch durch die Bildung von Kali und deſſen 
Zuführung in die Pflanzen ungemein günſtig auf die Vegetation. 
Der Thon geht nämlich faſt immer aus der Zerſetzung feldſpath— 
haltiger Geſteine hervor; das hierbei frei werdende Kali wird von 
den Pflanzen aufgenommen und aus der Aſche letzterer für die Ge— 
werbe gewonnen. 
So verſchiedenartig die Thonerde auch von der Kohle iſt, fo 
hat fie mit derſelben doch ſehr viel gemein. So wie z. B. der Koh— 
lenſtoff in größter Reinheit als der härteſte und koſtbarſte Edelſtein 
— als Diamant —, ſo bildet auch die Thonerde in ihrem reinen 
Vorkommen zwei der werthvollſten und geſchätzteſten Edelſteine: 
den Sapphir und den Rubin. Gerade ſo wie die Kohle auf viele 
gefärbte Flüſſigkeiten einwirkt, fo thut es auch die Thonerde, und 
in der Aufſaugung von Gasarten und Feuchtigkeiten verhalten fie 
ſich wiederum gleich; ja die Thonerde übertrifft die Kohle noch be: 
züglich der Aufſaugung des Sauerſtoffs, des Waſſers und Am— 
moniaks. 

Die Bergleute haben daher in Gruben, wo Thonerde und 


128 


Thonerde » Berbindungen fehr häufig find, faſt ſtets mit ſchlechten 
Wettern (unathembarer Luft) zu kämpfen, und die Zimmerung in 
ſolchen Gruben iſt deshalb einer ſehr ſchnellen Zerſtörung ausge— 
ſetzt, weil der Thon ſich nicht allein des Sauerſtoffs der Luft, ſon— 
dern — wenn dieſe nicht in gehöriger Menge vorhanden — auch 
des Sauerſtoffs des Holzes bemächtigt und dadurch eine Verdich— 
tung oder, mit andern Worten, eine Zerlegung deſſelben in ſeine 
Beſtandtheile, in Kohlenſtoff, Waſſerſtoff und Sauerſtoff, herbei— 
führt. 

Nicht allein der Bergmann gewahrt indeſſen dieſe nach— 
theilige Einwirkung des Thons auf die Hölzer, ſondern wir finden 
dieſelbe im gewöhnlichen Leben ſtets und namentlich in naſſen 
Sommern, wo ſie von unberechenbarem Nachtheile für Neubauten 
iſt und das Holzwerk derſelben — iſt der Prozeß einmal eingeleitet 
— mit unaufhaltſamer Geſchwindigkeit zerſtört. 

Die Thonerde, fo unumgänglich nothwendig fie faſt bei allen 
Bauten iſt, erweiſt ſich daher unter gewiſſen Umſtänden dennoch 
als der größte Feind der Baumeiſter und Bauunternehmer, nament— 
lich wenn derſelben vor ihrer Verarbeitung nicht die gehörige Auf— 
merkſamkeit geſchenkt wurde. 

So ſtark nämlich die waſſerſaugende Kraft derſelben iſt, ſo 
ſtark iſt ihre ſauerſtoffſaugende, wenn ſie vom naſſen in den trocke— 
nen Zuſtand übergeht. Wird ſie nun vor ihrer Verwendung bei 
Bauten friſch aus den Gruben genommen und der Luft im trockenen 
Zuſtande nicht ſo lange ausgeſetzt, bis ſie ſich gehörig mit Sauer— 
ſtoff verſorgte, oder wird ſie in den Gebäuden ſo verwandt, z. B. zu 
Ausfüllungen unter Fußböden, bei Beklebungen von Wänden ıc., 
daß der Sauerſtoff der äußern Luft nicht in gehöriger Menge zu 
ihr gelangen konnte, ſo bemächtigt ſie ſich des Sauerſtoffs des ihr 
zunächſt gelegenen Holzes und leitet in letzterem eine Verkohlung 
ein, die wir im gewöhnlichen Leben mit dem Namen Schwamm— 
bildung bezeichnen, und die in kurzer Friſt unaufhaltſam zer— 
ſtörend auf ganz neuerrichtete Gebäude einwirkt. 

Alles Holz, welches von nicht voll Sauerſtoff geſaugtem, 
alſo naſſem Thon bedeckt, das von demſelben umſchloſſen wird, 
erliegt im Verlaufe der Zeit dieſer Einwirkung; daher ſehen wir 


129 


auch alle Anthracit-Stein- und Braunkohlen- fo wie die Torf- 
Lager von Thon umgeben oder doch auf einem thonigen Unter— 
grunde abgelagert, und lediglich die noch nicht gehörig verfolgte 
und ſorgfältig genug erkannte Aufſaugung des Sauerſtoffs aus 
der abgelagerten Pflanzenmaſſe durch den Thon war und iſt heute 
noch die Urſache der Geſammt-Kohlenbildung im großen Haus— 
halte der Natur. 

Wie alle chemiſchen Prozeſſe um ſo raſcher und energiſcher 
vor ſich gehen, je größer die Wärme iſt, unter welcher ſie ver— 
laufen, um ſo vollkommener geht auch die Aufſaugung des Sauer— 
ſtoffs durch die Thonerde vor ſich, je höher jene ſtand. Aus dieſem 
Grunde finden wir auch die Verkohlungen in den Gebirgsſchichten 
auf unſerer Erdoberfläche um ſo vollkommener, je höher zur Zeit 
der Ablagerung der Vegetabilien und deren Bedeckung mit Thon 
und thonigen Geſteinarten die Temperatur auf derſelben war. So 
iſt z. B. unſern älteſten Kohlenlagern — den Anthraciten — durch 
die überdeckenden Thonerdeverbindungen der Sauerſtoff faſt gänzlich 
entzogen, der Waſſerſtoff hat ſich mit einem Theile des Sauerſtoffs 
zu Waſſer verbunden, und der Kohlenſtoff allein iſt zurückgeblieben. 
Zur Zeit der Steinkohlenablagerung, wo die Temperatur ſchon 
niedriger war, iſt etwas mehr Sauerſtoff bei der Kohle verblieben, 
und je jünger von hier ab die kohligen Ablagerungen werden, um 
ſo mehr Sauerſtoff und Waſſerſtoff finden wir noch bei ihnen, ſo 
daß wir z. B. bei der Braunkohle die Holzſtruktur, bei den Torfen 
ſogar die einzelnen Pflanzen noch deutlich erkennen, aus denen 
Braunkohle und Torf hervorgingen. 

Wir ſahen weiter oben: daß die Thonerde und deren Verbin— 
dungen, wenn ſie in den Bergwerken häufig vorkommen, ſehr nach— 
theilig auf die Geſundheit der Bergarbeiter bezüglich der Zerſetzung 
der Grubenluft einwirken; ſie bekommen hier nämlich ſehr häufig 
die ſogenannte Bergkatze — die Schwindſucht. Zugleich ſehen wir 
aber auch: daß ſie gerade ſo nachtheilig auf die Arbeiter bei vielen 
techniſchen Gewerben wirken. Wie ſie in den Gruben die Zim— 
merung durch Entziehung des Sauerſtoffs zerſtören, ſo zerſtören 
ſie in Ziegeleien, Töpfereien, Steingut- und Porzellanfabriken die 
Hölzer, auf und an denen fie lagern. Man betrachte nur die Unter— 


Engelhardt, die Nahrung der Pflanzen. 9 


130 


ſchwellungen der meiften Ziegelſcheunen. Aber auch die Geſund— 
heit der Töpfer, der Porzellandreher u. ſ. w. greifen die thonigen 
Maſſen ungemein an. Man ſorge daher in allen Fabriken, wo der— 
gleichen verarbeitet werden, für eine gehörige und vollſtändige Zu⸗ 
führung von friſcher Luft, namentlich in den Räumen, wo die 
Geſchirre gedreht und wo die gedrehten Gefäße von dem naſſen in 
den trockenen Zuſtand übergehen; denn in dieſen Räumen wird 
eine große Maſſe von Sauerſtoff aufgeſaugt, und durch den 
überwiegend zurückbleibenden Stickſtoff, in Verbindung mit der 
ausgeathmeten Kohlenſäure, werden die Lungen der Arbeiter jo 
angegriffen, daß Viele die Schwindſucht ſchen in der Blüthe bez 
Jahre bekommen. 


So nachtheilig die Aufſaugung des Sauerſtoffs während 
dem Drehen und Trocknen der Thongeſchirre auf die Geſundheit 
der Arbeiter und auf die Zerſtörung der Hölzer einwirkt, welche 
mit dieſen thonigen Maſſen in Berührung ſtehen, ſo günſtig tritt 
ſie dagegen beim Brennen der Geſchirre auf. Es würde bei weitem 
mehr Brennmaterial erforderlich ſein, wenn die Geſchirre vor die— 
ſem Prozeſſe nicht ſoviel Sauerſtoff aufgeſaugt hätten, der die 
Verbrennung und die Steigerung der Hitze im Porzellan-Töpfer— 
und Ziegelbrennofen alsdann ſehr ſteigert. 


Am wichtigſten wirken Sie Thone aber unbedingt als Giger 
in der Land- und Forſtwirthſchaft, indem fie eine große Menge 
von Sauerſtoff in ſich aufnehmen und dadurch bei Gegenwart von 
Düngemitteln, die großentheils aus kohlenſtoffhaltigen Maſſen be- 
ſtehen, die Kohlenſäurebildung in der Ackerkrume ungemein ver— 
mehren, zugleich aber auch durch die mit dieſer Saugung in un— 
mittelbarer Verbindung ſtehende große Wärmeentwickelung die 
Vegetation raſch vorwärts treiben. Dabei vermitteln ſie zugleich 
die Zerlegung aller holzigen Theile im Miſte, indem ſie den Sauer— 
ſtoff derſelben aufſaugen und Waſſer- und Kohlenſtoff zurück laſſen 
und letzteren dann auch wieder in Kohlenſäure verwandeln. Wie 
ſehr die Sauger die Wärme in der Ackerkrume ſteigern, dies ge— 
wahrt man recht deutlich, wenn im Frühlinge in ein recht gut 
geklärtes und gedüngtes Feld ein Thermometer geſtellt wird; es 


- 131 


wird faft immer 15 bis 24 Grad mehr Wärme zeigen, als die 
daſſelbe umgebende äußere Luft. 

Auf einen größeren oder geringeren Gemengtheil der ver— 
ſchiedenen Bodenarten an Thonerde und Kohlenſtoff iſt daher die 
vermehrte oder verminderte Fruchtbarkeit der Felder begründet. 

Wir ſahen weiter oben beim Platin, wie ungemein die Auf— 
ſaugung durch eine aufgelockerte und dadurch vergrößerte Ober— 
fläche begünſtigt wird, ſo daß z. B. der Platinſchwamm in kurzer 
Zeit ſoviel Sauerſtoff aufzunehmen vermag, daß er beim Zuſam— 
mentreffen mit Waſſerſtoff unter Feuererſcheinung beide Gasarten zu 
Waſſer verbindet. Ganz ähnliche Erſcheinungen haben wir bei der 
Ackererde; je klarer ein Boden gemacht, je ſorgfältiger er alſo be— 
arbeitet wird, deſto fruchtbarer iſt er. Der Grund, warum gut 
bearbeitete und von Zeit zu Zeit wieder aufgeeggte Ackerflächen 
eine ſo bedeutend vermehrte Fruchtbarkeit zeigen, iſt aber lediglich 
und allein darin zu ſuchen: daß dieſelben dadurch eine größere 
Saugfähigkeit erlangen daß der Thonerde bis zu der Tiefe, wo 
die Pflugſchar nicht mehr wendet, ſehr viele e 
mit der atmoſphäriſchen Luft dargeboten werden. 

Durch die vermehrte Aufſaugung von Sauerſtoff wird aber, 
wie wir ſahen, nicht allein der Boden ſehr erwärmt und bei dieſer 
Erwärmung eine ſchleunigere Zerſetzung des Düngers und zwar da— 
durch herbeigeführt, daß ſich der Kohlenſtoff mit dem aufgeſaugten 
und verdichteten Sauerſtoff ſehr leicht zu Kohlenſäure, dem Haupt— 
nahrungsmittel der Pflanzen, vereinigt, ſondern es wird — da die 
Thonerde, gleich dem Kohlenſtoff, auch ein ſtarker Waſſerſauger 
iſt — zugleich viele Feuchtigkeit aufgenommen, die aus der Luft 
dem Boden zugeführt wird. Letztere iſt aber für die Entwickelung 
und Ausbildung der Pflanzen ſo nothwendig als Kohlenſäure und 
Stickſtoff. Daß die Thonerde die Urſache dieſer günſtigen Wirkun— 
gen war, dies kannten wir wohl ſeither ſchon aus Erfahrung; daß 
aber die Saugfähigkeit derſelben der Grund hierfür ſei, dies war 
ſeither wohl weniger bekannt. Es ſollte daher jeder rationelle 
Landwirth dieſer ſo höchſt wichtigen und folgenreichen Erſcheinung 
ſein Hauptaugenmerk zuwenden. 

Bodenarten, die wenig oder keine Thonerde enthalten, ſind 

9 * 


132 


trotz ſtarker Düngungen nicht ſehr fruchtbar, ebenſo ſolche, welche 
zu feucht ſind und daher durch die viele Näſſe an der Aufſaugung 
von Sauerſtoff verhindert werden. In ſehr feuchtem Boden wer— 
den die Düngemittel noch ſchwerer zerſetzt, als in Bodenarten, 
welche wenig oder keine Thonerden enthalten; der Landwirth nennt 
ſie kaltgierig, und ſie tragen beiderſeits nur ſpärliche Früchte. 
Man kann ſie verbeſſern, wenn man ihnen durch Zuführung von 
Thonen oder thonigen Mergeln Sauger giebt, oder wenn man 
ihnen durch Drainage das überflüſſige Waſſer benimmt. 


Die günſtige Wirkung, welche durch die Auflockerung des 
Bodens, und zwar durch die hierdurch vermehrte Saugfähigkeit 
deſſelben erlangt wird, iſt überraſchend. Wir ſehen dies täglich 
mit unſern eigenen Augen. Man betrachte nur den Gras-Ge— 
treide- oder Baumwuchs auf friſch aufgeworfenen Dämmen. Man 
ſammle die Früchte auf einem rajolten Stück Landes, das mit 
einem andern gewöhnlich beackerten und gleich jenem bedüngten 
einen viel, viel höheren Ertrag liefert. Man vergleiche den Rüben— 
und Kartoffelertrag bei gleicher Größe und guter Düngung, bei 
mehrmaliger Behackung und Anhäufelung des einen Feldes, gegen 
ein nicht behacktes und nicht behäufeltes! Man wird dann ſofort 
gewahren, was darauf ankommt, der Luft eine große Menge von 
Saugern, und zwar ſehr oft, bloß zu legen. 


Auch die Drainage wirkt auf dieſe Weiſe. Die Aufſaugung 
von Sauerſtoff und die mit derſelben in unmittelbarer Verbindung 
ſtehende Zerſetzung der Düngemittel im Boden muß — wie wir 
bereits ſahen — um ſo raſcher vor ſich gehen, je mehr derſelbe ge 
klärt iſt; denn durch die vermehrte Aufſaugung und Verdichtung 
des Sauerſtoffs, ſo wie durch die damit in engſter Verbindung 
ſtehende Zerſetzung der Düngemittel wird eine bedeutende Wärme 
frei, welche für die raſche und kräftige Entwickelung der Pflanzen 
unumgänglich nothwendig iſt. Bei Feldern mit naſſem Unter— 
grunde iſt aber eine gehörige Klärung des Bodens nicht möglich; 
es geht deshalb die Aufſaugung des Sauerſtoffs nur langſam vor 
ſich, und der Ertrag des Feldes iſt ganz gering. Wird nun durch 
die Drainage die überflüſſige Feuchtigkeit fortgeſchafft, ſo iſt auch 


133 


eine beſſere Klärung und mit dieſer ein gefteigerter Ertrag die un— 
ausbleibliche Folge. 

Bei Feldern mit naſſem Untergrunde wirkt übrigens außer— 

dem noch die Feuchtigkeit durch Entziehung und Bindung der 
Wärme äußerſt ungünſtig ein. Je höher nämlich im Sommer die 
äußere Temperatur der Luft ſteht, um ſo mehr wird Waſſer aus 
naſſem Boden verdampfen; dieſes Waſſer braucht aber, um aus 
dem tropfbarflüſſigen in den gasförmigen Zuſtand überzugehen, 
eine große Menge von Wärme, die es natürlich der nächſten Um— 
gebung, alſo dem Felde, entzieht. In ſolch naſſen Feldern kann 
die Zerſetzung der Düngemittel nur äußerſt langſam vor ſich gehen, 
und die Vegetation bleibt daher auf ihnen eine kümmerliche. Durch 
die Drainage benimmt man dieſen Feldern die Näſſe, und ihre 
Wirkung iſt daher eine doppelte; denn einmal macht ſie eine beſſere 
Klärung des Bodens möglich, der dann geeignet wird, die ge— 
hörige Quantität Sauerſtoff zur vollkommnen Zerſetzung der 
Düngemittel aufzunehmen; dann beſeitigt ſie aber auch die ober— 
flächliche Näſſe, durch deren Verdampfung dem Boden diejenige 
Wärme entzogen wird, welche für den Vegetationsprozeß unum— 
gänglich nothwendig iſt. 

Wie begierig in gut geklärtem Boden die Thonerde Sauer— 
ſtoff ſelbſt aus Körpern aufſaugt, welche an der Luft ſchwerer zer— 
ſtörbar ſind, das können wir täglich in unſern Gärten beobachten. 
Werden hier Pfähle durch das aufgelockerte Erdreich in den feſten 
Untergrund getrieben, ſo beginnen die Sauger in dem Theile des 
Bodens, der aufgelockert war, ungeſäumt ihr Geſchäft, und das 
Reſultat iſt, daß die Pfähle nach Verlauf einiger Sommer ſoweit 
in rothe Kohle verwandelt ſind, als ſie im lockern Erdreich ſteckten; 
der der äußern Luft zugekehrte Theil, ſo wie der Theil, der im feſten 
Untergrunde ſtand, hat ſich dagegen gut erhalten. Faſſen wir eine 
Rabatte mit einem Brete ein, ſo iſt die innere Seite deſſelben nach 
Verlauf eines Sommers des größten Theils ihres Sauerſtoffs 
beraubt, und zwar ſo weit, als die geklärte Gartenerde an dem 
Brete heraufreichte. Dieſelbe Erſcheinung gewahren wir an Schwel— 
len, die entweder zu tief liegen, ſo daß ſie von klarer Erde berührt 

werden, oder deren Unterlage aus ſehr thonhaltigen Geſteinen be— 


13% 


fteht. In Bezug auf ſolche Geſteine ift von den Bauleuten die 
größte Vorſicht zu beobachten; ich kenne großartige Brückenbauten, 
wo die Holzſchwellungen nach Verlauf weniger Jahre ſchon voll— 
kommen zerſtört waren. Es lag dies lediglich an den Steinen, auf 
die jene Hölzer zu liegen kamen, und die bei einem großen Thon— 
erdegehalte das Geſchäft des Saugens und der damit innig zu— 
ſammenhängenden Schwammbildung ſofort begannen. 

Daß die gut aufgelockerte Ackererde den Sauerſtoff, nament— 
lich im Sommer, mit großer Begierde aufſaugt, davon können 
wir uns alle Augenblicke überzeugen; wir dürfen derſelben nur die 
Gelegenheit benehmen, ſich mit Sauerſtoff aus der atmoſphäriſchen 
Luft zu verſorgen, und ſie deshalb mit Bretern, Holz, Heu, Stroh, 
Laub oder überhaupt mit ſauerſtoffhaltigen Körpern bedecken; un— 
geſäumt beginnen dann die Sauger ihr Geſchäft, bemächtigen ſich 
des Sauerſtoffs dieſer Körper, und nach kurzer Zeit finden wir 
dieſelben auf ihrer Auflagerungsfläche ſchon umgeändert. Stets 
iſt es die Thonerde und neben ihr der Kohlenſtoff, welche dieſe 
eigenthümliche und für die Landwirthſchaft ſo wichtige und erfolg— 
reiche Rolle ſpielen, und wir erhalten durch ſie darüber auch klaren 
Aufſchluß, warum das Ginftreuen von Sägeſpänen, Stroh u. 12 w. 
ſo günſtig auf die Vegetation wirkt. 

Verfolgen wir dieſen wichtigen Sauger — die Thonerde — 
im großen Haushalte der Natur, ſo erkennen wir auch hier — wie 
überall — die unendliche Größe und Weisheit unſeres Schöpfers. 
Wenn zur ſchnellen Entwickelung und kräftigen Ausbildung der 
Gewächſe eine beſtimmte Quantität Wärme im Boden nothwen— 
dig iſt und dieſe durch die Sauger mit erregt und bedingt wird, 
ſo müſſen im höheren Norden unſerer Erde Gebirgsarten getroffen 
werden, aus denen durch die Zerſetzung Ackererden hervorgehen, 
die größere Mengen von Thonerden enthalten, damit bei der nur 
kurzen Dauer der Sommer in jenen Gegenden die Pflanzen ſich 
raſcher entwickeln und die Saamen ſchneller zur Reife gelangen; 
und in der That, wir finden dies in der Wirklichkeit beſtätigt; 
denn je höher wir nach dem Norden hinaufgehen, deſto mehr 
Granit, Syenit, Gneiß, Glimmerſchiefer, Diorit, Grauwacken und 


Thonſchiefer kommen uns entgegen; alle dieſe Geſteine geben aber » 


* 


135 


bei ihrer Zerſetzung reichliche Mengen von Thonen. Wenden wir 
uns nun nach dem Süden, ſo finden wir jene Geſteine im beſtän— 
digen Wechſel mit großen Kalkablagerungen, und ſind letztere hier 
offenbar deshalb in größerer Quantität vorhanden, damit die 
Vegetation bei der hier ſtattfindenden größeren Wärme durch An— 
weſenheit von zu viel Saugern ſich nicht überſtürze und die Saa— 
menbildung dadurch nicht zerſtört werde. 

Außer Thonerde und Kohle iſt Bimsſtein ein ſtarker Sauerſtoff— 
ſauger und wird deshalb bereits in der Technik zur Darſtellung 
von Eſſigſäure benutzt. Aber auch die Vegetation befördert er durch 
dieſe Eigenſchaft ſehr, wie wir dies an der Frucht der meiſten vul— 
kaniſchen Bodenarten gewahren, in welchen er einen weſentlichen 
Beſtandtheil ausmacht. 

Eine Menge von Hölzern ſaugt ebenfalls begierig Sauerſtoff 
auf; ja es geſchieht dies von allen Pflanzen, die denſelben alsdann 
in ihren Organen verarbeiten und ihn mit Kohlen- und Waſſerſtoff 
zu Holzfaſer umwandeln. Es geht daher der wichtigſte Saugungs— 
prozeß nicht allein durch das anorganiſche, ſondern auch durch das 
Pflanzenreich, und kann man mit Sicherheit annehmen, daß auch 
die thieriſchen Organismen ihr Beſtehen und Wohlbefinden zum 
großen Theile dem Saugungsprozeß verdanken. Von der Aufſau— 
gung des Sauerſtoffs durch verſchiedene Hölzer machen wir in der 
Technik Gebrauch und verwenden z. B. die Buchenſpäne ſchon zur 
Eſſigfabrikation. 

Auch das Waſſer iſt ein Sauerſtoffſauger. In feſter Ge— 
ſtalt, als Schnee, ſaugt es nur Kohlenſäure und Ammoniak 
auf, ſowie jedoch der Schnee ſchmilzt und wieder zu Waſſer wird, 
beginnt auch die Sauerſtoffſaugung wieder. Die im Schnee— 
waſſer enthaltene Luft hat dann 31 bis 33 Procent, oder 10 bis 
12 Procent mehr Sauerſtoff aufgenommen, als die welche in un— 
ſerer Atmoſphäre enthalten iſt. Ein ſolcher Mehrbetrag von Sauer— 
ſtoff in der im Waſſer enthaltenen Luft iſt von hohem Werthe für 
den Ernährungsprozeß der Pflanzen, iſt von hoher Wichtigkeit für 
eine große Anzahl von Thieren; denn die Geſammtzahl der Fiſche, 
eine große Menge von Amphibien würden nicht leben können, wenn 
das Waſſer nicht ſo viel Sauerſtoff in der mit ihm gemiſchten Luft 


136 


enthielte. Es verfteht ſich von ſelbſt, daß fie den erforderlichen Be— 
darf an Lebensluft leichter aus einer Waſſermenge aufzunehmen 
vermögen, die einen Drittheil, als aus einer andern, die nur einen 
Fünftheil derſelben enthält. Bleiben daher Fiſche in einem Behäl— 
ter von geringem Umfange, der keinen Zu- und Abfluß von Waſſer 
hat, ſo zehren ſie die Lebensluft bald auf und ſterben; ein über Nacht 
ausbleibender Brunnen giebt uns hierfür einen treffenden Beleg. 

Wie wir bereits weiter oben bemerkten, iſt der Saugungs— 
prozeß noch ins Dunkel gehüllt, bei ſeiner genauern Erforſchung 
müſſen aber ungemein wichtige Aufſchlüſſe über viele uns noch 
nicht klar gewordene chemiſche Prozeſſe erlangt werden. Der Schnee, 
welcher weiter nichts iſt, als gefrornes Waſſer, ſaugt z. B. in die— 
ſer Form keinen Sauerſtoff, wohl aber Kohlenſäure und Ammoniak 
auf; ſowie er aber zu thauen beginnt, dann fängt er ſogleich an 
Sauerſtoff zu ſaugen; füllt man daher eine Flaſche mit Schnee, 
verkorkt ſie gut und ſtellt ſie an einen warmen Ort, damit der Schnee 
ſchmilzt, fo bekommt man in der Flaſche 3 Waſſer, während die 
übrigen 3 mit Luft gefüllt bleiben. Unterſucht man dieſe Luft 
chemiſch, ſo findet ſich in ihr viel weniger Sauerſtoff, als in der 
äußern atmoſphäriſchen, und in der Regel enthält dieſelbe nur 12 
bis 13 Prozent. Der Schnee nahm alſo, ſowie er zu Waſſer 
wurde, eine bedeutende Menge von Lebensluft in ſich auf. Dieſelbe 
Erſcheinung giebt ſich beim Regen kund. Bei ſeinem Niederfallen 
ſaugt er nicht allein eine Menge dem Thierleben nachtheilige Gaſe, 
ſondern auch Sauerſtoff auf und wirkt dadurch wohlthätig auf den 
menſchlichen Organismus, zugleich aber auch ungemein günſtig 
auf das Pflanzenwachsthum ein, denn letztere empfangen dadurch 
nicht allein eine große Menge der trefflichſten Nahrungsſtoffe: Koh— 
lenſäure und Ammoniak, ſondern auch Sauerſtoff zu fernerer Be— 
reitung von Kohlenſäure aus dem Humus des Bodens. 

Wenn wir eine Handvoll Schnee nehmen und denſelben in 
Kalkwaſſer werfen, ſo entſteht in demſelben ſofort eine Trübung 
und es bildet ſich kohlenſaurer Kalk. Hierdurch wird der Beweis 
geliefert: daß der Schnee viel Kohlenſäure in ſich aufnimmt. Der 
Schnee iſt daher ein Sauger jener Säure und nimmt überdies noch 
Ammoniak auf. Auch an ihm haben wir ein Beiſpiel: daß die 


137 


Wiſſenſchaft ſpäter erft Erklärungen über Erſcheinungen giebt, 
welche die Praxis bereits längſt als günſtig auf die Vegetation 
einwirkend erkannt hatte. Der Landwirth hält es bekanntlich für 
ein gutes Zeichen, wenn der Winter eine tiefe Schneedecke über eine 
Landſchaft verbreitet; er ſagt dann: das Feld ruht beſſer, friert 
gehörig aus, wird mürber und lockerer und dadurch fruchtbarer. Da 
der Froſt durch eine ſtarke Schneedecke bekanntlich nicht durchwirkt, 
ſo kann der angeführte Grund nicht ſtichhaltig ſein; die Wiſſenſchaft 
urtheilt deshalb auch ganz anders und erklärt die Erſcheinung aufs 
Deutlichſte. Der Schnee als Sauger hat nämlich im hohen Grade 
die Fähigkeit gasförmige Körper aus der Atmoſphäre in ſich aufzu— 
nehmen und dieſelben zu verdichten; beim Schmelzen ſaugt das aus 
ihm hervorgehende Waſſer außerdem noch Sauerſtoff auf und die 
Ackerkrume bekommt daher durch ihn nicht allein die wichtigſten 
Nahrungsmittel der Pflanzen: Kohlenſäure und Ammoniak, ſon— 
dern zur ferneren Bereitung von Kohlenſäure auch noch Sauerſtoff 
zugeführt. Hierinnen liegt die fruchtbringende Wirkung des Schnees, 
die um ſo größer ſein wird, je ſtärker der Schneefall war. Hieraus 
ergiebt ſich aber ferner auch, warum die Pflanzen nach ſeinem 
Schmelzen ſo ſchnell erwachen und den Nahrungsſaft aufnehmen, 
und warum das Schneewaſſer zur Bewäſſerung der Wieſen ſo zweck— 
dienlich iſt. 

Aus der Eigenſchaft des Waſſers Sauerſtoff und Kohlenſäure 
aufzuſaugen läßt ſich noch manche günſtige Erſcheinung beim 
Pflanzenwachsthum erklären. Alles Waſſer was ſtille ſteht, was 
ſich wenig bewegt muß phyſikaliſchen Geſetzen nach mehr Sauer— 
ſtoff und mehr Kohlenſäure aufſaugen, oder dieſe Gasarten viel— 
mehr feſter halten, als dasjenige, welches raſch über harte Gegen— 
ſtände dahin ſchießt, von Felſen herabſtürzt, oder ſich aus Röhren 
in Baſſins, Käſten u. ſ. w. ergießt; denn beim Falle und heftigen 
Aufſtoß entfernet ſich die Luft und damit der Sauerſtoff und die 
Kohlenſäure aus dem Waſſer, wie wir dies täglich an Spring— 
brunnen und bei Platzregen in der Umgebung der großen Waſſer— 
tropfen, die aus den Wolken herabfallen, gewahren können. Je 
langſamer und aus je kleineren Theilchen ſich das Waſſer zuſam— 
menzieht, deſto mehr Gasarten wird es in ſich aufnehmen. Daher 


138 


nennen wir recht feine klare Regen — im Gegenſatz zu Platzregen 
— fruchtbare; daher wirkt der Thau ſo ungemein befruchtend, da— 
her regt das Schneewaſſer das Wachsthum ſo an; daher vermögen 
Fiſche, die vermöge ihres Baues viele Luft bedürfen, in ſtark ab— 
ſchießenden Gewäſſern nicht zu leben. 

Der Gärtner, obſchon er ſich bis jetzt den Grund nicht zu ent— 
räthſeln vermochte, kennt die Eigenſchaften des Waſſers in dieſer 
Beziehung dennoch recht gut. Aus Springbrunnen und muntern 
Bächen vergießt er daſſelbe nicht ſofort nach dem Herausſchöpfen, 
er läßt es erſt längere Zeit in Kübeln und in Zubern ſtehen, hier 
nimmt es Sauerſtoff und Kohlenſäure auf und wirkt dann günſti— 
ger. Bei trockner Witterung, wo wir unſere Gartenbeete mit Brun— 
nenwaſſer begießen, hören wir gar oft die Aeußerung: das Begießen 
mit kaltem Waſſer fruchtet nichts, und laſſen es in der Sonne ſte— 
hen, wußten aber nicht: daß ſich daſſelbe hier mit befruchtenden 
Beſtandtheilen ſchwängere. 

Eigenthümlich und ſehr bezeichnend iſt es: daß ſich die Sauer— 
ſtoffſauger zugleich auch als ſtarke Waſſerſauger darſtellen und auch 
in dieſer Beziehung ſind ſie für den Pflanzenernährungsprozeß von 
höchſter Wichtigkeit. Wir wiſſen, wie begierig die Kohle, wie be— 
gierig der Humus, wie begierig die Thonerde und ihre Verbindung 
mit Kieſelerde das Waſſer aufſaugen, wie ſie es an ſich halten und 
dann ſtets im gehörigen Verhältniſſe an die Saugfäſerchen der 
Wurzeln abgeben. Aus der Saugfähigkeit dieſer Stoffe gegen das 
Waſſer können wir uns nun recht gut erklären, warum das Auf— 
lockern des Bodens, das ſorgfältige Beackern und Beeggen, was 
ſcheinbar nachtheilig auf die Verflüchtigung des Waſſers wirken 
müßte, gerade in dieſer Beziehung ſo ungemein günſtig wirkt und 
warum dies ſtets nach heftigem Regen, wo der Boden feſtgeſchla— 
gen wird, öfters wiederholt werden muß. Feſter Boden kann weder 
Sauerſtoff noch Kohlenſäure, wenigſtens nicht an allen Stellen 
gleichmäßig mit dem Regenwaſſer aufnehmen; beim Auffallen auf 
die harte Kruſte werden ſich die Gasarten vom Waſſer trennen und 
in die Luft übertreten, letzteres aber in die Furchen abrinnen; die 
Folge davon iſt: daß ſich die für den Vegetationsprozeß im Boden 
bei den chemiſchen Zerlegungen bildende Wärme, die durch den 


139 


Sauerſtoff bewirkt wird, nicht gehörig entwickelt: daß ſich der Boden 
alſo abkühlt und die Pflanze dann hierdurch und durch die nicht 
in hinreichender Menge erfolgende Zuführung von Nahrungsſtoffen 
krank wird. Während daher auf dem Sattel der Furche, bei nicht 
gehöriger Bodenbelockerung, kränkliche Pflanzen-Individuen erzogen 
werden, ſterben die an der Furche ſelbſt ſtehenden durch Erſaufen 
ganz und gar ab. 

So wie die Kohle neben dem Sauerſtoffe zugleich auch Stick— 
ſtoff und Stickſtoffverbindungen aufſaugt, ſo haben wir auch Kör— 
per, die letzteres allein verrichten und dadurch von hohem Gewichte 
nicht allein für den Pflanzenernährungsprozeß, ſondern auch zu— 
gleich für das gedeihliche Fortbeſtehen der thieriſchen Organismen 
werden. Namentlich das Eifenvryd und Eiſenoxydhydrat ſpielt in 
dieſer Beziehung eine wichtige Rolle, und iſt erſteres zugleich ein 
weſentlicher Beſtandtheil vieler Pflanzen und Pflanzenſaamen, 
hauptſächlich derer, die zur Ernährung der Menſchen und der 
Thiere verwandt werden. 

So verbreitet wie das für die Vegetation unumgänglich noth— 
wendige Waſſer, fo verbreitet iſt auch das Eifenoryd, fein Hydrat, 
und das kohlenſaure Eifenorydul auf unſerer Erde. Selbſt unter, 
ja in ſehr vielen Waſſern findet es ſich. Keiner Gebirgsart, keiner 
Erdmengung iſt es fremd, aber es iſt den meiſten Pflanzen auch ſo 
unentbehrlich, als die atmoſphäriſche Luft, und die thieriſchen Or— 
ganismen, welche ihren Eiſenbedarf durch die Pflanzen zugeführt 
bekommen, würden nicht beſtehen können, denn ihnen wuͤrde bei 
deſſen Ermangelung jede Lebensfähigkeit abgehen. Treten wir an 
eine Quelle, die im murmelnden Rauſchen dem Felſen entſtrömt 
und fragen: woher kommt das koſtbare Waſſer? ſo erhalten wir 
zur Antwort: theils aus ſtehenden übelriechenden Sümpfen, theils 
aus Kloaken und ſtinkenden Kanälen der Städte, theils aus den 
Miſtjauchen der Dörfer, theils aus Feldern und Wieſen, die mit 
übelriechenden Düngeſtoffen überfahren ſind, theils aus dem Mo— 
der der Wälder. Stellen wir nun die weitere Frage: wodurch 
wurde dieſe übelriechende ſchmuzige Flüſſigkeit zu einem ſo klaren, 
wohlſchmeckenden Labetrunk? ſo wird uns die Antwort: durch die 
Sauger. 


140 


Mit größter Sehnſucht erwarten die Bewohner des fruchtbar— 
ſten Getreidelandes der Erde unter ihrem glühenden Himmel das 
Steigen des Nils, nicht allein weil ſie wiſſen, daß durch deſſen 
Ueberfluthung die ſchwelgende Fruchtbarkeit des Landes bedingt 
wird, ſondern weil ſie dadurch auch jener ſchrecklichen Geiſel, der 
Peſt, überhoben werden. Was bringen ihnen aber jene trüben 
Fluthen? Sie bringen Sauger, welche durch Zerſtörung der unter 
jenem Gluthhimmel ſo reichlich entſtehenden Miasmen — größten— 
theils Stickſtoffverbindungen — zugleich eine außerordentliche 
Fruchtbarkeit des Landes herbeiführen. Und welche Stoffe ſind es, 
die ſo wohlthätig als Sauger durch Reinigung der Luft und des 
Waſſers für Menſchen und Thiere und zugleich ſo ernährend bei 
den Pflanzen einwirken? Neben der Kohle iſt es das Eifenoxyd 
und deſſen Hydrat. Es iſt daher nöthig, daß ich beim Eiſen 
und deſſen Wichtigkeit im organiſchen Reiche etwas verweile. Das 
Eiſen erweiſt ſich im Pflanzenleben in zweifacher Beziehung ſehr 
heilſam, und zwar einmal als näherer Beſtandtheil der Pflanzen, 
das anderemal als Sauger eines ihrer wichtigſten Nahrungsmittel, 
des Stickſtoffs und deſſen Verbindungen, namentlich des Am— 
moniaks. 

In den Gewächſen finden wir das Eiſen als Oxyd abgelagert; 
es wird denſelben durch Kohlenſäure, in welcher das kohlenſaure 
Eifenorydul löslich iſt, bei Gegenwart von Kieſelſäure zugeführt. 
Durch die Gräſer und deren Früchte, durch Kohlarten, Kartoffeln, 
Futterkräuter wird es in den menſchlichen und thieriſchen Körper 
gebracht, woſelbſt es ſich im Fleiſche und Blute wieder vorfindet 
und im letzteren eine der wichtigſten Rollen ſpielt. In den Aſchen 
von Weizen, Roggen und Hafer beträgt die Quantität deſſelben 
1 bis 123, in den Kartoffeln 2. Erbſen und Bohnen haben 
einen etwas geringeren Gehalt an Eiſen. 

Bei Verſuchen, welche der Fürſt von Salm-Horſtmar an— 
ſtellte, um Hafer ohne Vorhandenſein von Eiſen im Boden zu 
ziehen, zeigte ſich: daß der Stängel keine Kraft bekam: daß er glatt 
blieb, ſich niederlegte: daß die Blüthen- und Fruchtbildung nicht 
vor ſich ging und daß die Pflanze eine matte Farbe behielt. Wurde 
aber der Erde etwas Eiſenoryd beigemiſcht, fo erſchien die Pflanze 


141 


mit einem Male in dunkelgrüner Farbe, die Blätter von üppiger 
Kraft zeigten eine beſondere Steifheit und Rauhheit, und auch die 
Blüthen- und Fruchtbildung nahm ihren regelmäßigen Fortgang. 

Verſuche mit Düngung von Eiſenvitriol haben den Beweis 
geliefert: daß guter Weizenboden neben kohlenſaurem Kalke auch 
eine gewiſſe Menge von Eifenoryd enthalten müſſe. 


Auch wiſſen wir aus Erfahrung: daß ſich der Weizen auf 
Feldern, denen das Eiſenoryd nur ſparſam zugetheilt iſt, umlegt. 
Kein Boden bedarf aber des Eiſenoryds fo nothwendig, als der, 
auf welchem Kartoffeln gezogen werden; dieſelben entnehmen einem 
Morgen Landes jährlich 124 Pfund Eifen. 

Daß das Eiſen ein Ammoniakſauger ſei, davon ſprachen wir 
weiter oben, kommen aber hier nochmals darauf zurück. 


Das Ammoniak in Gasform wird vom Eiſenoryde und deſſen 
Hydrate aufgeſaugt und verdichtet; bei größerer Bodenwärme, wo 
von den Pflanzen eine bedeutende Saugfähigkeit ausgeübt wird, 
nehmen es die Wurzeln aus dem Boden auf und führen es in die 
Pflanzen über. Durch Verſuche hat man gefunden: daß, wenn 
man Humus, Kohlenpulver, gebrannten Thon und Eifenoryd eine 
Zeit lang der atmoſphäriſchen Luft ausſetzt und dies Gemenge dann 
mit deſtillirtem Waſſer auswäſcht, man eine bedeutende Menge 
kohlenſaures Ammoniak erhält. Letzteres wurde alſo aus der atmo— 
ſphäriſchen Luft durch Eiſenoryd und Kohle aufgeſaugt. 

Auch Gasparin machte bereits darauf aufmerkſam: daß 
das Eifenoryd den in Ammoniak verwandelten Stickſtoff aufſauge 
und ihn zurückhalte. 5 

Wir finden dieſe Anſammlung von Ammoniak in Thonen, 
auf denen aus den weiter oben angeführten Gründen, nämlich 
durch deren Lage in ſumpfigen Niederungen u. ſ. w., in der Regel 
eine verkümmerte Vegetation getroffen wird, oft in reichlichen 
Mengen; ſie ſind beim Trocknen dieſer Thone ſchon nach dem An— 
hauchen derſelben zu erkennen. Der Thon zeigt aber nur dann 
Ammoniakgeruch, wenn er Eiſenoxyd oder Eiſenoxydhydrat bei— 
gemengt enthält, und gerade dieſe Felderflächen ſind es, wo die 
Drainage ſo große Wunder thut. 


142 


Nachdem wir das Eifenoryd und deſſen Hydrat als Ammoniak— 
ſauger kennen gelernt haben, klärt ſich manche Erſcheinung, die 
ſeither in Dunkel gehüllt war, auf. Man unterſuchte den Schlamm 
des Nils, auf welchem der vielährige Weizen ſo vortrefflich gedeiht, 
daß er einen 20- bis 30fachen Körnerertrag liefert, konnte durch 
die aufgefundenen Beſtandtheile aber zu keiner genügenden Erklä⸗ 
rung über die bekannte Fruchtbarkeit deſſelben gelangen. Die 38 
organiſcher Materie ſind nicht ausreichend, dieſe Fruchtbarkeit allein 
zu bewirken; außerdem fanden ſich noch 57 Kieſelerde, 122 Alaun⸗ 
erde, 3 Thonerde, 34 Kalk, ganz geringe Mengen von Kali und 
Natron, aber 134 Eifenoryd. Letzteres iſt die Hauptquelle der 
Fruchtbarkeit des Nilſchlammes. In dem heißen Klima Aegyptens 
bilden ſich eine Menge von Stickſtoffverbindungen, welche, von 
dem Eiſenorxyde des Schlammes aufgeſaugt, nicht allein ungemein 
vortheilhaft auf die Vegetation, ſondern auch auf das Menſchen— 
und Thierleben wirken, indem dadurch die Miasmen zerſtört wer— 
den, welche die Peſt und ähnliche Krankheiten erzeugen. 

Die ſchwarze Erde im ſüdlichen Rußland iſt über den ſüdlichen 
und ſüdweſtlichen Theil des europäiſchen Rußlands in großer Aus— 
dehnung und Mächtigkeit verbreitet; ſie iſt die Grundlage des er— 
giebigſten Ackerbaues, und auf ihrem Vorhandenſein beruht der 
Ueberfluß Rußlands an Getreide. Wird die ſchwarze Erde nur 
halbwegs ſorgfältig bearbeitet, ſo trägt ſie viele Jahre hintereinan— 
der, ohne die geringſte Bedüngung, das 15- bis 20fache Korn; ſie 
beſitzt zwar mehr organiſche Materien als der Nilſchlamm, aber 
auch 6 Eifenoryd, welches neben der Kohle auch hier fo günftig 
auf den Ertrag wirkt. 

Eine Analyſe guten Weizenbodens aus der Gegend von Lille 
ergab 4 Eifenoryd. Auch die fruchtbaren Ackererden am Senegal 
enthalten viel Eiſen; daſſelbe iſt der Fall in dem reichen Getreide— 
boden des ſüdlichen Frankreichs, Englands, Schwedens und Chinas. 
Aber auch wir können in unſern Gegenden theilweiſe ſchon aus der 
Entfernung guten Weizenboden unterſcheiden; eine röthliche Fär— 
bung deutet in der Regel den beſten Weizenboden an. 

Nachdem wir aus Obigem geſehen haben, wie günſtig das 
Eiſenoryd auf Gräſer, Kartoffeln, Hülſenfrüchte wirkt, glaube ich 


143 


nicht unterlaffen zu dürfen, auch einige Andeutungen über deſſen 
Anwendung zu geben. 

Man überſtreue die mit Getreide und Kartoffeln beſtellten 
Felder, ſo wie die Wieſen im Herbſte und theilweiſe im Frühjahre 
recht bald mit einer dünnen Lage recht fein vertheilten Eiſenorydes, 
damit der in der Luft befindliche freie Stickſtoff und deſſen Verbin— 
dungen von jenem reichlich aufgeſaugt werde 9). 

Wird das Eiſenoryd und deſſen Hydrat in der Landwirthſchaft 
erſt angewandt, und gerade, wo es durch langjährige Bebauung 
den Feldern zu ſehr entzogen wurde, z. B. durch unausgefegten 
Kartoffelbau auf einem und demſelben Felde, dann dürften in 
manchen Gegenden beſſere Erndteergebniſſe erzielt werden. 

Wir hören nämlich oft die Klage, und namentlich in den Ge— 
genden, wo der Kartoffelbau ſeit einer langen Reihe von Jahren 
ſtark betrieben wird: daß das Getreide nicht mehr den Ertrag gebe, 
wie früher. Es könnte dies wohl an der Abnahme des Eiſens im 
Boden liegen; wenn daſſelbe auch nicht als eigentlicher Nahrungs— 
beſtandtheil fehlt, ſo dürfte es doch nicht ausreichend ſein, um die 
Ammoniakaufſaugung kräftig zu bewirken. 

Das Eiſenoxyd und deſſen Hydrat iſt daher nicht allein ein 
weſentlicher und höchſt wichtiger Beſtandtheil vieler Pflanzen, ſon— 
dern auch eine Hauptquelle, durch welche die Gewächſe ihren Stick— 
ſtoffgehalt empfangen; dabei wirkt es für die menſchliche Geſellſchaft 
um deshalb noch ſo wohlthätig, weil es die Miasmen zerſtört und 
ein reines wohlſchmeckendes Quellwaſſer liefert. 

Beim Schluſſe dieſer Arbeit kann ich nicht unterlaſſen, noch 
einige Worte über die Wichtigkeit des Eiſens im Menſchen- und 
Thierleben beizufügen. 

Urſprünglich wird das Eiſenoryd durch die Pflanzen, nament— 
lich durch die Gräſer, Gemüſe, Kartoffeln u. ſ. w. in die thieriſchen 
Körper übergeführt, bildet daſelbſt einen Beſtandtheil des Blutes, 
einen ſehr geringen des Fleiſches und bedingt die rothe Färbung 
beider. 

Sollten Landwirthe Verſuche mit Eiſenoryd machen wollen, ſo kann ich 
ihnen die Firma König in Saalfeld als Bezugsquelle empfehlen. Daſelbſt 
wird das Eifenoryd billig und äußerſt fein hergeſtellt. W. E. 


144 


Sowohl im Menſchen- als im Thierkörper wirkt das Eiſen— 
oryd ungemein belebend. Bei fehlendem Eiſen wird der Körper 
ſchwach und hinfällig, und wird es demſelben in hinreichender 
Menge nicht wieder zugeführt, ſo ſtirbt er ab. 


Wie in der Natur für Alles ausgezeichnet geſorgt iſt, ſo iſt | 


dies auch mit der Zuführung von Eiſen in das Blut der Fall. Es 
geſchieht dies in Krankheitsfällen größtentheils durch die eiſenhal— 
tigen Mineralquellen. Der Gehalt in dieſen an Eiſen erzeugt eine 
größere Anzahl von Blutzellen im Körper, und die Entwickelung 
dieſer Zellen bewirkt eine verſtärkte Umwandlung einer Protern— 
zuſammenſetzung in die andere, des Eiweißſtoffes in Faſerſtoff, der 
zur Bildung der Zellenkeime in den verſchiedenen Geweben ver— 
wendet wird. Die größere Menge der rothen Körperchen unterhält 
eine ſtärkere Reizbarkeit der Organe, zumal des Nerven- und Mus: 
kelſyſtems. 

Das Eiſen iſt daher als Medizin angewandt ein ausgezeichnetes 
Mittel gegen verſchiedene Krankheiten, namentlich die Chloroſe. 
Es wirkt erregend auf das Herz und Blutſyſtem und kräftigt die 
Verdauung, oder mit kurzen Worten: es hebt den Tonus. 

Wir hören zuweilen von einem Arzte: „Wir leben jetzt in 
einer Periode, wo das Eiſen im Blute verſchiedener Individuen 
nicht in ſo reichlicher Menge vorhanden iſt als in einer andern 
Periode; namentlich trifft dies das weibliche Geſchlecht mehr als 
das männliche.“ Daß die Nahrungsmittel hierbei den größten 


Theil der Schuld tragen, dürfte wohl keinem Zweifel zu unter- 


ſtellen ſein. 
Die eigenthümlichen Witterungsverhältniſſe mancher ER 
wo den Pflanzen vielleicht nicht die gehörige Menge von Eiſenoryd 


zugeführt wird, könnten hieran wohl einen großen Theil der Schuld 


tragen. Eine genaue, freilich höchſt ſchwierige Unterſuchung über 
dieſen Gegenſtand könnte nicht ohne höchſt intereſſante Aufſchlüſſe 


verlaufen und würde dann vielleicht über viele Krankheitserſcheis 


nungen ein helleres Licht verbreiten. 


Wir ſahen z. B.: daß bei ausreichender Menge von Eiſenoryd 


im Blute der Körper kräftig: daß er dagegen ſchwach und hinfällig 
wird, wenn daſſelbe nicht in hinreichender Menge vorhanden iſt, 


145 


und daß in der Regel beim weiblichen Geſchlechte dies häufiger der 
Fall iſt, als beim männlichen. Tragen wir dieſe Erſcheinungen 
nun z. B. auf die in manchen Städten und Ländern ſo furchtbar 
auftretende Cholera über, ſo zeigt ſich, daß dieſelbe das weibliche 
Geſchlecht leichter erfaßt und dahinrafft, als das männliche, und 
daß überhaupt ſchwächliche Individuen mehr von derſelben ergriffen 
werden und ihr ſchneller unterliegen, als ſtarke. Vergleichen wir 
dieſe Erſcheinungen mit dem früher Geſagten, ſo dürfte ſich im 
Verlaufe der Zeit ein Zuſammenhang finden, der auch über dieſe 
räthſelhafte Krankheit ein helleres Licht verbreitet. 

Unbedingt iſt das Eiſen einer der wichtigſten Grundſtoffe, und 
wenn uns deſſen Unentbehrlichkeit für die wachſende Cultur der 
Völker jeden Augenblick vor Augen ſteht, ſo war deſſen Wichtigkeit 
im Pflanzen- und Thierleben bis jetzt doch gewiß noch zu wenig 
beachtet. Es ſäume daher Keiner, dem Gelegenheit gegeben, 
dieſem Stoffe auf letzterem Gebiete die ihm gebührende Aufmerk— 
ſamkeit zu ſchenken. 


Engelhardt, die Nahrung der Pflanzen. 10 


Phosphor und deſſen Verbindung mit 
Sauerſtoff zu Phosphorſäure. 


Bei dem lebhaften Intereſſe, mit welchem in neueſter Zeit 
Alles aufgenommen wird, was auf Thier- und Pflanzenernährung 
Bezug hat, dürfte es erwünſcht ſein, in aller Kürze etwas über die 
unmittelbare Zuführung der Nahrungsmittel aus den Pflanzen 
in den Thierleib zu vernehmen, namentlich da gerade die Phos— 
phorſäure und deren Verbindungen mit Erden lin eine beſon⸗ 
ders wichtige Rolle fpielt. 

Wenn wir unſere Blicke über die bewohnte Erdoberfläche 
ſchweifen laſſen, ſo zeigt ſich uns das Leben auf derſelben in einer 
überausgroßen Mannigfaltigkeit; dennoch finden wir bei genauerer 
Prüfung: daß die Bildung der einzelnen Individuen unter der 
ſtaunenswertheſten Einfachheit vor ſich geht und daß nur wenig 
Grundſtoffe an der Entwicklung und endlichen Ausbildung derſel— 
ben Theil nehmen. 

Während Licht, Wärme, EClectricität das Beſtehen alles 
Lebendigen bedingen, indem ohne dieſe Kräfte eine Lebensregung 
nicht in der Möglichkeit liegt, bilden Sauerſtoff, Waſſerſtoff, 
Kohlenſtoff, Stickſtoff mit einzelnen wenigen Salzen und Säuren 
diejenigen Körper, aus denen der Leib und die Gliedmaßen ſo— 
wohl der Thiere, als der Pflanzen zuſammengeſetzt iſt; denn aus 
Sauerſtoff und Stickſtoff beſteht die atmoſphäriſche Luft, aus 
Sauerſtoff und Waſſerſtoff das Waſſer, aus Sauerſtoff und 
Kohlenſtoff die Kohlenſäure, aus Stickſtoff und Waſſerſtoff das 
Ammoniak. | 

Bei der Verbindung des Sauerſtoffs mit Kohlenſtoff und 


147 


Waſſerſtoff wird ſtets eine bedeutende Menge von Wärme frei 
und zwar um ſo mehr, je mehr Sauerſtoff vorhanden iſt, weshalb 
dieſer Prozeß, der häufig mit Lichterſcheinung verknüpft iſt, auch 
Verbrennungs-Prozeß genannt wird. 

Sauerſtoff, Waſſerſtoff, Kohlenſtoff und Stickſtoff bilden 
durch ihre verſchiedenen Verbindungen untereinander eine Unzahl 
feſter und flüſſiger Körper, allein für die thieriſche und pflanzliche 
Ausbildung ſind nur einige und zwar diejenigen Verbindungen 
von Wichtigkeit, in denen entweder alle vier, oder nur drei dieſer 
Grundſtoffe ſich zu beſondern Körpern vereinigen. 

Faſerſtoff, Eiweiß, Käſeſtoff und Leim ſind diejenigen Kör— 
per, in denen die vier Grundſtoffe zuſammen verbunden, mit kohlen— 
ſaurem und phosphorfaurem Kalk, mit etwas Kali und Natron 
und einigen Säuren, den eigentlichen Thierleib bilden. Stirbt 
letzterer ab, jo gehen jene Verbindungen durch chemiſche Zerſetzung, 
welche man Verweſung nennt, in Waſſer, Ammoniak und Kohlen— 
ſäure über und treten nun wieder in die Ackererde oder in die 
Atmoſphäre ein. Als Rückſtand verbleibt ein kleines Häufchen von 
Erden und Salzen. 

Da wo ſich nur drei dieſer Elemente, ohne Stickſtoff, zuſam— 
men vereinigen, beſtehen die betreffenden Körper aus Stärkemehl, 
Zucker, Gummi, Fett u. ſ. w.; ſie werden von dem thieriſchen Kör— 
per nur aufgenommen, um umgewandelt ſich wieder mit der atmo— 
ſphäriſchen Luft zu vereinigen. Außer der Ablagerung von etwas 
Fett, welches als Reſerve für den Verbrennungs-Prozeß im Kör— 
per abgeſetzt wird, tragen ſie zum Ausbaue deſſelben nichts bei, 
ſondern dienen lediglich und allein zur Herbeiſchaffung und Fort— 
erhaltung der zum Leben unentbehrlichen Körperwärme, indem 
ſich der Sauerſtoff der Luft beim Athmen des Kohlenſtoffs und 
des Waſſerſtoffs jener Körper bemächtigt, ſie in den Lungen in 
Kohlenſäure und Waſſer verwandelt und dabei die bei dieſer Ver— 
brennung entſtehende Wärme zurückläßt. 

Nichtnur die aus der Verweſung der thieriſchen Körper her— 
vorgegangenen tropfbar- und gasförmig -flüſſigen Verbindungen, 
ſondern auch die als Moder zurückbleibenden Erden und Salze, 
ſo wie die durch das Athmen gebildete in die Atmoſphäre überge— 

10* 


148 


tretene Kohlenſäure und das Waſſer kommen ſtets dem Pflanzen- 
leben zu Gute, indem ſie immer von Neuem wieder als Nahrungs— 
mittel für die Gewächſe dienen. 

Bevor die Chemie auf ihren jetzigen hohen Standpunkt kam, 
war man der Anſicht: daß die zur Ausbildung und Erhaltung des 
thieriſchen Körpers nothwendigen Verbindungen von Eiweiß, Faſer— 
ſtoff, Käſeſtoff u. ſ. w. erſt während des Verdauungs-Prozeſſes 
gebildet würden, allein unſer großer Chemiker v. Liebig wies 
nach: daß dieſe Stoffe bereits fertig aus dem Pflanzenreiche in 
den thieriſchen Körper übertreten. 

Der Faſerſtoff, der Käſeſtoff, das Eiweiß, allgemein im 
Pflanzenreiche, namentlich in den Culturgewächſen verbreitet, wer— 
den dieſemnach dem Thierreiche, ebenſo wie die Phosphorſäure, 
der Schwefel, das Kali, der Kalk, die Kieſelerde, das Eiſenoryd 
u. ſ. w. für die Entwicklung und Ausbildung der Geſammt-Kör— 
pertheile direct übergeben. Zur Unterhaltung des Athmens und 
der damit verknüpften Bildung der für das Leben unumgänglich 
nöthigen Wärme ſtellt die Pflanze dem Thiere überdies noch eine 
Anzahl von ſtickſtofffreien Körpern z. B. Stärkemehl, Zucker, 
Gummi zur Verfügung. Unſer Geſammt-Thierhaushalt lebt 
daher zunächſt von den Pflanzen und zwar entweder direct, durch 
die Pflanzennahrung ſelbſt, oder vermittelt, durch die ſich von 
Pflanzen ernährenden Thiere, welch letztere die Pflanzennahrungs— 
ſtoffe in ſich anſammeln, um ſie den Fleiſchfreſſern ſpäter zufließen 


zu laſſen. Die ſtickſtofffreien, zum Erwärmen der Thierkörper 


augenblicklich nicht nöthigen werden als Fett abgelagert. Dieſe 
Fettablagerung iſt nach zwei Richtungen hin von hoher Wichtig— 
keit, indem durch dieſelbe ein plötzliches Abſterben vieler Thier— 
individuen verhütet wird, wenn denſelben die Nahrung auf einige 
Zeit mangelt, denn der Dachs z. B. kann den ganzen Winter hin⸗ 
durch von ſeinem Fette leben, was er ſich im Sommer und Herbſte 
zugelegt hat. Außerdem wird der Menſch mit reichlichen Mengen 
von Brennmaterial für ſein geiſtiges und leibliches Wohl Ben 
dieſe Ablagerung im Thierleibe verforgt, 

Dieſe ſich durch wiſſenſchaftliche Forſchungen herausgeſtellten 
Nahrungs-Reſultate ſind für den Aufſchwung der Landwirthſchaft 


149 


von unſchätzbarem Werthe, denn wir erlangen dadurch nicht nur 
neue Aufſchlüſſe über die Bedingungen, welche wir an eine gute 
Ackererde, auf welcher wir unſere Culturgewächſe zu erziehen ge— 
denken, zu ſtellen haben, ſondern es verbreitet ſich dadurch auch 
ein helleres Licht über die Düngſtoffe und deren zweckmäßigſte 
Verwendung. 

Wir ſahen weiter oben: daß die Hauptreihe von Nahrungs— 
mitteln, welche das Thier von der Pflanze in Empfang nimmt, 
aus Sauerſtoff, Waſſerſtoff, Kohlenſtoff und Stickſtoff: daß die 
andere Reihe, welche dem Körper die nöthige Wärme zufließen 
läßt, aus Sauer- Waſſer- und Kohlenſtoff beſtehe; wir ſahen 
ferner: daß ſich im Fleiſche der Thiere Kali, Natron, Kalkerde, 
Bittererde, Eiſenoryd, Phosphor, Schwefel, Chlor: daß ſich im 
Blute Kieſelerde: daß ſich in den Knochen Phosphorſäure, Kalk 
und Bfttererde befinde und daß alle dieſe Stoffe direct aus dem 
Pflanzenreiche in das Thierreich übergeführt werden. Wenn nun 
auch die Sauerſtoff-Waſſerſtoff-Kohlenſtoff- und Stickſtoffverbin— 
dungen den Pflanzen durch ihre Millionen von Saugöffnungen 
größtentheils durch die Luft übergeben werden, ſo kann dies doch 
in Bezug auf die Mineralbeſtandtheile nicht geſchehen. Letztere 
müſſen daher unbedingt entweder in der Ackererde, oder, wenn dies 
nicht der Fall iſt, doch in dem derſelben zuzuführenden Dünger 
enthalten ſein, denn nur da wird eine Pflanze im vollkommen 
geſunden Zuſtande emporwachſen, nur da wird ſie kräftige Früchte 
tragen, wo ihr der Boden die nöthigen Nahrungsmittel bietet; 
fehlt ſelbſt nur ein Theil der letzteren, dann fängt ſie an zu ver— 
kümmern und trägt nur wenige und unvollkommne Früchte. Solch 
krankhafte Zuſtände tragen ſich auch auf die Thiere über, indem 
letztere die Nahrungsmittel in dieſem Falle nicht in dem Miſchungs— 
Verhältniſſe übergeben bekommen, wie es ihre Verdauungswerk— 
zeuge verlangen. Die Erziehung geſunder Nahrungs-Pflanzen iſt 
daher für das Fortbeſtehen und das fernere Gedeihen der menſch— 
lichen Geſellſchaft von höchſter Wichtigkeit, denn wie bereits be— 
merkt, iſt ein fehlender Pflanzenernährungs-Beſtandtheil ver— 
mögend, die übrigen entweder ſämmtlich wirkungslos zu machen, 
oder die Wirkung doch bedeutend zu ſchwächen. Je mehr z. B. 


150 


Kohlenſäure und Ammoniak vermöge ſorgfältiger Auflockerung 
der Ackererde aus der Atmoſphäre zugeführt werden kann, deſto 
mehr hat der Landwirth darauf zu ſehen, daß auch die minerali— 
ſchen Nahrungsmittel im ausreichenden Verhältniſſe in demſelben 
vertreten ſeien. Iſt dies der Fall, dann ſtehen die Exträgniſſe 
deſſelben ſehr hoch. Jeder Grundbeſitzer befleißige ſich daher auf 
die Zuführung mineraliſcher Nahrungsſtoffe, namentlich der phos— 
phorfauren Salze, mit unausgeſetztem Eifer zu ſehen, denn es iſt 
eine ausgemachte Sache: daß ein mit Mineralſtoffen in reichlicher 
Menge geſchwängerter Boden der Atmoſphäre bei weitem mehr 
Kohlenſäure und Ammoniak entzieht, als ein ſolcher in dem jene 
fehlen. 

Schon dem Nichtfachmanne wird aus dem Geſagten die 
Ueberzeugung werden: daß die Gewächſe mit der Ackererde in der 
allerinnigſten Beziehung ſtehen, wogegen dem Fachmanne dieſes 
Verhältniß mit jedem Tage neue und höchſt intereſſante That— 
ſachen vors Auge führt. Wir bemerkten ja fo eben: daß die Pflan— 
zen nicht allein einen Theil ihrer tropfbar- und gasförmig-flüffigen 
Nahrungsſtoffe, ſondern daß ſie auch ihre feſten lediglich und 
allein dem Boden, auf dem ſie wachſen, entnehmen, letztere können 
aber in dieſem Zuſtande unmöglich in die Gewächſe übergehen. 
Es ſind Auflöſungsmittel erforderlich, durch welche ſie den Wur— 
zeln zugeführt werden. Als ſolche Auflöſungsmittel kennen wir im 
großen Haushalte der Natur das Waſſer und die Kohlenſäure. 
Selbſt die feſteſten Geſteine widerſtehen dieſen Auflöſungsmitteln 
nicht, wie dies die Kieſelerde ſo überraſchend beweiſt. Das Auge 
des rationellen Landwirthes muß daher vor Allem auf den Boden 
und deſſen Bedüngung d. h. darauf gerichtet ſein, daß jener alle 
diejenigen Nahrungsmittel der Pflanzen und in ausreichender 
Menge zugeführt bekommt, die er nicht an ſich ſchon enthält; denn 
die auf eine ſorgfältige Bedüngung und gehörige Auflockerung des 
Bodens erfolgende Wirkung zeigt unwiderlegbar: daß das Wohl— 
befinden der Gewächſe einestheils von der Miſchung des Bodens, 
anderntheils aber von den zugeführten Düngſtoffen abhängig ſei. 
Man kann daher z. B. den Werth eines Düngers nicht lediglich 
und allein nach feinem Stickſtoffgehalte, den er den Pflanzen ab» 


151 


zutreten vermag, bemeſſen; es müſſen hauptſächlich auch die darin— 
nen befindlichen Erd- und Alkaliſalze berückſichtigt werden und 
dieſe hängen dann wieder hauptſächlich von der Güte des Futters, 
welches den Thieren verabreicht wird, ab. Wohl kann z. B. ſelbſt 
von einem ſehr ſtickſtoffreichen Dünger Mißbrauch gemacht werden, 
und was ſoll derſelbe auch den Pflanzen für Vortheile bringen, 
wenn der Ackererde nicht zugleich auch alle übrigen zu ihrer voll— 
kommnen Entwicklung nothwendigen Nahrungsſtoffe übergeben 
werden, vorausgeſetzt daß jene dieſelben nicht ſchon enthält? 

Wenn wir die Wieſen, Gärten und ſelbſt einzelne Felder in 
der nähern Umgebung von abhängig gelegenen Dörfern und 
Städten, über welche ſich die aus jenen abgehenden Flüſſigkeiten 
verbreiten, aufmerkſam ins Auge faſſen, ſo gewahren wir auf 
ihnen nicht allein einen bei weitem üppigeren Graswuchs, als 
auf andern in weiten Entfernungen von den Orten gelegenen, 
ſondern das Vieh hat nach dem Genuſſe des auf dieſen Grund— 
ſtücken gezogenen Futters auch ein bei weitem beſſeres Ausſehen, 
als dasjenige was mit Futter von entfernt gelegenen Wieſen er— 
nährt wird. 

Dieſelben günſtigen Erſcheinungen ſtellen ſich uns dar, wenn 
wir unſere Wieſen im Frühlinge mit ausgelaugter oder unausge— 
laugter Holzaſche überſtreuen, wenn wir ſie im Herbſte oder im 
Winter mit Urin und Miſtjauche überführen, wenn wir Knochen— 
mehl über dieſelben verbreiten. Im letzteren Falle wird die Haus— 
frau nicht allein einen beſſeren Geſchmack, ſondern auch einen 
ſteigenden Ertrag bei der Milch gewahren. 

Es entſteht nun die Frage: was wird den Wieſen in den 
Flüſſigkeiten, die aus Städten und Dörfern austreten und ſich über 
die Grundſtücke verbreiten, zugeführt? was für düngende Beſtand— 
theile enthalten nicht allein dieſe Zuführungen, ſondern auch die 
Holzaſchen, der menſchliche Urin, die Miſtjauche, das Knochenmehl? 

Die aus Städten und Dörfern abgehenden Flüſſigkeiten be— 
ſtehen — das reine Waſſer nicht mit berückſichtigt — größtentheils 
aus Menſchen- und Thierharn und aus Auslaugungen der feſten 
Thier- und Menſchen- Exkremente, in denen neben Stickſtoffver— 
bindungen und verſchiedenen Salzen Phosphorſäure enthalten iſt. 


152 


Die Vereinigung der nicht flüchtigen unorganiſchen Stoffe, nament— 
lich der phosphorſauren Verbindungen mit Ammoniak 
und Kohlenſäure iſt aber eine Hauptbedingung bei der Pflanzen— 
ernährung; denn aus den intereſſanten Verſuchen des Fürſten von 
Salm-Horſtmar mit Erziehen von Haferpflanzen, fo wie aus einer 
Menge praktiſcher Erfahrungen geht auf das Ueberzeugendſte her— 
vor: daß baſiſch phosphorſaure Salze unbedingt nothwendig zur 
Ausbildung faſt aller Pflanzen ſind. Außer Stickſtoff und einigen 
andern Beſtandtheilen finden wir nun dieſe phosphorſauren Ber: 
bindungen ſowohl im Urine, als auch in den feſten Exkrementen, 
im größern oder geringern Verhältniſſe, je nachdem die zugeführten 
Nahrungsmittel mehr oder weniger derſelben enthielten. Im 
Harne ſind Ammoniakſalze in reichlicher Menge und im auflös— 
lichen Zuſtande, ebenſo wie phosphorſaure Ammoniak-Kalk- und 
Talkſalze enthalten und dabei bildet ſich aus dem Harnſtoffe des 
Menſchenharns überdies noch Ammoniak, man kann ſich daher die 
üppige und ſchnelle Düngkraft deſſelben leicht erklären. Wenn man 
ſalzſaure Bittererde mit Harn vereinigt, ſo entſteht, nachdem ſich 
der Harn in kohlenſaures Ammoniak verwandelte, ein leicht lös— 
liches Doppelſalz. Die Phosphorſäure des Harns verbindet ſich 
nämlich ſowohl mit dem Ammoniak, als mit der Bittererde zu 
phosphorſaurer Ammoniak-Bittererde. Auf dieſe Weiſe könnte 
man, vermittelſt der Mutterlauge aus Salinen, in den großen 
Städten eine bedeutende Menge des koſtbarſten leichtlöslichſten 
Pflanzennahrungsmittels aus dem Urine der Abzugskanäle in 
feſter Form gewinnen und ließen ſich dadurch überaus lukrative 
Düngſtoff⸗Geſchäfte einleiten. 

Die Gehalte der verſchiedenen Dünger an Phosphorſäure 
ſind ungemein verſchieden; ſo hinterläßt z. B. der Miſt eines mit 
Hafer und Heu gefütterten Pferdes nach dem Verbrennen 10g Aſche, 
welche aus kohlenſaurem und kieſelſaurem Kali und einer nicht un— 
bedeutenden Menge von phosphorſaurer Kalk- und Talkerde beſteht. 
Der Kuhmiſt dagegen hat weniger phosphorſaure Salze, weil die— 
ſelben als ausgezeichnete Nahrungsbeſtandtheile mit in die Milch 
übergehen; dagegen enthalten die Menſchenerkremente 103 ihres 
Gewichtes phosphorſaure Kalk- und phosphorſaure Talkerde. Aus 


153 


dieſem Grunde bleibt aber auch die Wirkſamkeit des Kuhdüngers 
weit hinter der des Menſchendüngers. Bei Verwendung des letz— 
teren ergiebt ſich ein 14facher Körner-Ertrag, während bei erſterem 
nur der 7fache erzielt wird. 

Dieſelben befruchtenden phosphorſauren Salze finden ſich in 
der Tannen- und Fichten- und in noch reichlicherem Verhältniſſe 
in der Buchen-Aſche. Während die erſteren y ihres Gewichtes an 
phosphorſauren Kalk- und Eiſenſalzen beſitzen, enthalten die 
Buchen⸗Aſchen ſogar + dieſes wichtigen Stoffs. 

Sehr viel Phosphorſäure und zwar an Kalk zu baſiſch phos— 
phorſaurem Kalk gebunden enthalten die Knochen. Es ſind dies die 
widerſtehenden feſten Organe, beſtimmt, nicht allein die weichen 
Theile der thieriſchen Organismen zu halten und zu beſchützen, ſon— 
dern auch die aufrechte Stellung der höheren Thiere bedingend; 
fie beſtehen weſentlich aus zwei Elementen: einem unorganiſchen 
erdigen Theile, der ihnen die zu ihren Verrichtungen erforderliche 
Feſtigkeit verleiht, und aus einem organiſchen Gewebe — Knorpel 
genannt. Der phosphorſaure Kalk, welcher zu den unorganiſchen 
gehört, beträgt 53 bis 57 Procent. Obſchon die Knochen im All— 
gemeinen ſchwer zerſtörbar ſind und ſich unter Umſtänden Jahr— 
hunderte lang in der Erde erhalten, ſo werden ſie doch durch 
kohlenſäurehaltiges Waſſer, namentlich bei feiner Vertheilung, 
leicht aufgelöſt. Laſſaigne ſtellte hierüber Verſuche an und zwar 
ſowohl mit friſchen, als mit ſolchen, die durch längeres Liegen 
unter der Erde theilweiſe zerſetzt waren. Dieſe Verſuche ergaben: 
daß Knochen in Stücke von der Größe einer Haſelnuß zerſchlagen 
nach Verlauf von 8 bis 10 Stunden unter Berührung von Waſſer, 
welchem ein Maas Kohlenſäure beigemiſcht war, eine gewiſſe 
Menge ihres phosphorfauren und kohlenſauren Kalkes abgaben. 
Sind die Knochen ſelbſt nur gröblich gepulvert, ſo iſt die Menge 
der aufgelöſten baſiſchen Salze ſchon weit größer. Je weiter die 
Zerkleinerung aber fortgeſetzt wird und in je aufgelockerterem Zu— 
ſtande der Boden in welchen ſie zu liegen kommen ſich befindet, 
deſto mehr phosphorſaure Verbindungen nimmt das kohlen— 
geſäuerte Waſſer auf und führt ſie durch die Wurzeln in das Pflan— 
zengewebe über. Die ſorgfältige Klärung des Bodens iſt deshalb 


15% 


nothwendig, damit die Sauger eine vermehrte Wärme, bei welcher 
ſich die auflöſende Kraft des Waſſers, ſo wie die gegenſeitige Be— 
rührung mehrt, hervorrufen. 

Neben dem Stickſtoffe, dem Kohlenſtoffe und verſchiedenen 
Salzen iſt es daher die Phosphorſäure, welche im Urine, den 
feſten Exkrementen, den Knochen, der Aſche u. ſ. w. die günſtige 
Wirkung auf unſere Wieſen hervorbringt; ſie thut dies hier jedoch 
nicht allein, ſondern auch den Feldern iſt ſie ganz unentbehrlich, 
wie dies nicht allein aus dem Beſtreuen derſelben mit Knochen— 
mehl und Aſche, ſondern auch durch die Zuführung von Menſchen— 
und Thier-Dünger, außerdem aber aus den Analyſen der auf jenen 
gezogenen Früchte ſo deutlich erhellet. Weiter oben beim Stick— 
ſtoffe ſahen wir bereits: daß auf Kirchhöfen, auf Schlachtfeldern, 
auf Fallangern, auf Feldern von Fleiſchern und Gerbern eine 
vermehrte Fruchtbarkeit ſtattfinde und iſt neben dem Vorhanden— 
ſein von reichlicheren Mengen von Stickſtoff auch hier die Phos— 
phorſäure die Urſache der üppigeren Vegetation. Wie ungemein 
günſtig dieſelbe überall da, wo ſie in reichlichen Quantitäten 
neben andern Düngſtoffen vorhanden iſt, wirkt, dies ſehen wir an 
Teichen und Seeen, welche nach langer Benutzung zur Fiſchzucht 
trocken gelegt wurden. Die im Schlamme derſelben vergrabenen 
Gräten und Schuppenüberreſte rufen den prachtvollſten Gras— 
rufen den wucherndſten Getreidewuchs hervor. 

Wenn ſchon der Guano zum dritten Theile aus Stickſtoffver— 
bindungen beſteht, ſo würde ſeine Wirkung doch kaum zur Hälfte 
ſo groß ſein, enthielte er nicht die bedeutende Menge von Phos— 
phorſäure, welche bis zu 20g in ihm anwächſt. Aus dieſem Grunde 
leiſten auch alle Exkremente derjenigen Vögel, welche entweder nur 
von Sämereien oder welche ſich nur von Fiſchen ernähren, in der 
Landwirthſchaft ſo ausgezeichnete Dienſte. 

Der Landmann wählt zum Bedüngen ſeiner Wieſen nicht ver— 
gebens die kurzen, zuunterſt in der Miſtſtätte lagernden Düngſtoffe, 
nicht vergebens benutzt er für dieſen Zweck das Straßenkehricht und 
die Schutte aus Winkeln; nicht vergebens beſtreut er ſeine Wieſen 
mit Malzkeimen, in welche ſich beim Keimungsprozeſſe die größte 
Menge des phosphorſauren Kalkes aus den Gerſtenkörnern gezogen 


155 


hat; nicht vergebens wählt er die aus faulendem Holze hervorge— 
gangene Erde, ſo wie die Holzaſchen. Ueberall ſucht er, obſchon 
er ſich dies in den meiſten Fällen nicht bewußt iſt, phosphorſaure 
Verbindungen zuzuführen. 

Der Phosphor findet ſich in der Natur in den meiſten Flüſ— 

ſigkeiten des Körpers der höheren Thiere und der phosphorſaure 
Kalk macht, wie wir bereits ſahen, einen weſentlichen Beſtandtheil 
der Knochen aller Thiere aus. Außerdem finden ſich phosphorſaure 
Verbindungen in den meiſten Pflanzen, namentlich in den Cerealien, 
Oelfrüchten, Futterkräutern und Bäumen. Im Mineralreiche, mit 
Kalk, Eiſen und Kupfer in Verbindung, zeigt er ſich außerdem noch 
in geringen Quantitäten in den meiſten Gebirgsarten. 

Der Phosphor wirkt als Gift. Im Thier- und Pflanzenreiche 
iſt er ſtets mit Sauerſtoff zu Phosphorſäure verbunden, welche aus 
43,96 Phosphor und 56,04 Sauerſtoff beſteht. Mit Fett in Ver- 
bindung kommt er in einem Minimum im Gehirne vor. Die 
Phosphorſäure iſt mit Kalk und Talkerde zu baſiſchen Salzen, ſo— 
wohl in den Pflanzen- als in Thierleibern verbunden, man erhält 
dieſelbe durch Verbrennung von Phosphor unter einer Glasglocke, 
ſie ſtellt ſich als weißes Mehl dar und bildet im geſchmolzenen Zu— 
ſtande eine glasartige Maſſe, zerfließt an der Luft und löſt ſich im 
Waſſer und Weingeiſte auf. Ihr Geſchmack iſt ſehr ſauer. 

Wie wir ſahen iſt die Phosphorſäure nicht allein in allen 
Theilen des menſchlichen und thieriſchen Körpers verbreitet, ſie 
bildet auch das eigentliche Gerüſte deſſelben. Ohne das Vorhan— 
denſein des phosphorſauren Kalks wäre eine aufrechte Stellung, 
wäre eine Bewegung der Glieder nicht möglich. Wir finden daher 
bei Menſchen und Thieren, wo der phosphorſaure Kalk nicht in 
ausreichender Menge zugeführt wurde, wo alſo die Nahrungsmittel 
zu wenig deſſelben enthielten, entweder kleine Individuen, oder 
Verkrüppelungen, indem die Knochenſubſtanz entweder nicht nach 
allen Richtungen hin ausgebildet werden konnte, oder für einzelne 
Körpertheile ganz und gar fehlte. Man ſucht den Kindern in ihrem 
zarten Alter daher ſtets Nahrungsmittel wie Milch, Semmeln 
u. ſ. w. zu verabreichen, in welchen größere Mengen von phos— 
phorſauren Salzen enthalten ſind. Die Kinder ziehen in ihrem 


156 


zarten Alter aber auch die Speifen z. B. den Reisbrei vor, wor: 
innen dieſe wichtigen Ausbildungsſtoffe in etwas größerer Menge 
enthalten ſind. In ſumpfigen Gegenden und bei Vorhandenſein von 
Waſſer, welches kohlenſaures Eiſenoxydul aufgelöſt enthält, bildet 
fi) unter der Einwirkung von vegetabiliſchen Subſtanzen phos— 
phorſaures Eiſenoryd, wodurch die für die Vegetation fo unge: 
mein wichtige Säure, wenigſtens auf eine Zeit lang und bis 
dahin wo die Trockenlegung erfolgt, verloren geht; denn die phos— 
phorſauren Eiſen- und Manganſalze ſind unlöslich in kohlenſäure— 
haltigem Waſſer, dem vorzüglichſten bei der er 
thätigen Löſungsmittel. 

Da uns nun in dem Vorausgegangenen vollkommen klar ge— 
worden iſt: daß die Phosphorſäure mindeſtens eben ſo wichtig 
als das Ammoniak und die Kohlenſäure iſt, fo muß der Landwirth 

«ich auch um fo mehr vorſehen, daß er feine Düngſtätten nicht 
mit Eiſenvitriol beſtreue, oder mit deſſen wäßriger Auflöſung be— 
gieße, um das kohlenſaure Ammoniak mittelſt jenes Salzes in 
ſchwefelſaures umzuwandeln; denn es könnte ſonſt der Fall ein— 
treten, daß ſich das Eiſenorydul in Eifenoryd verwandelte und 
letzteres ſich dann mit der Phosphorſäure zu einem unlöslichen 
Salze verbände; in dieſem Falle wäre dieſes nützliche Pflanzen— 
nahrungsmittel, wenigſtens auf eine Zeit lang, für die Vegetation 
verloren. Ich ſage eine Zeit lang und dies wohl mit vollem 
Rechte; denn wir ſehen: daß beim Vegetationsprozeſſe eigenthüm— 
liche, noch nicht hinlänglich erkannte chemiſche Zerſetzungen vor— 
kommen und daß z. B. auch das im Torfe und in verſchiedenen 
Aſchen enthaltene phosphorſaure Eiſenoryd unter gewiſſen Vorbe— 
reitungen und Umſtänden z. B. nach gehöriger Austrocknung, nach 
Beigabe von Kalk u. ſ. w. vortreffliche Dienſte bei der Pflanzen⸗ 
ernährung leiſtet. Jedenfalls aber beobachte jeder Landwirth die 
Vorſicht, für die Geruchsverbeſſerung ſeines Düngers kein Eiſenſalz, 
ſondern Gyps, oder reines Eifenoryd als Ammoniakaufſauger in 
Anwendung zu nehmen; mit letzterem verbinden ſich die phosphor— 
ſauren Salze im feuchten Zuſtande nicht, ſo lange Erdenverbin— 
dungen vorhanden ſind; wir ſehen dies bei allen guten Bodenarten 
und namentlich bei der ruſſiſchen Schwarzerde ganz deutlich. 


157 


Auf naſſen Wieſen, wo die Phosphorſäure an das Eifenoryd 
gebunden iſt, erbeutet man nicht allein nur wenig, ſondern über— 
dies auch ganz ſchlechtes, ſaures Futter. Dehnen ſich ſolche Wieſen— 
flächen über ganze Flurbezirke aus, ſo zeigt ſich das in ſolchen 
Gegenden gezogene Vieh klein und unanſehnlich, und dadurch, daß 
es einen ſchlechten, wenig phosphorſaure Salze enthaltenden Miſt 
liefert, bleibt auch der Ertrag der Felder zurück und wird von Jahr 
zu Jahr geringer. 

Will man einer ſolchen Gegend aufhelfen, ſo müſſen vor Allem 
die Wieſen entſumpft und dadurch die gebundenen Schätze von 
phosphorſauren Salzen freigemacht werden; ſie löſen ſich dann in 
kohlenſäurehaltigem Waſſer und laſſen ſich leicht in das Pflanzen— 
gewebe überführen; es muß der Kleebau gehoben und das Vieh 
außerdem mit gutem Heue, mit Kartoffeln, Rüben, Körnern, Lein— 
kuchen gefüttert werden; es muß den Feldern und Wieſen ferner 
Knochenmehl und Guano übergeben werden. Als Reſultat einer 
ſolchen Behandlung werden ſich die glänzendſten Getreide- Raps— 
Klee-Erndten herausſtellen. Man faſſe in dieſer Beziehung nur die 
Felder eines Gutes, wo viel Maſtvieh gezogen wird, gegen andere, 
wo dies nicht der Fall iſt, ins Auge. Der erſte Blick wird uns 
überzeugen: daß der vermehrte Phosphorſäuregehalt des erlang— 
ten Düngers die ungemein üppige Vegetation auf jenem hervor: 
ruft. Auf ſolchen Gütern werden Abgänge von Brauereien und 
Brennereien, werden Kartoffeln und Rüben, wird Schrot u. ſ. w. 
gefüttert und dieſe Futtergattungen enthalten 2- bis 6mal ſo viel 
phosphorſaure Salze, als das gewöhnliche Heu. 

Solange ein Thier im Wachsthume begriffen iſt, hat der 
Landmann ganz beſonders Sorge zu tragen, daß ihm Futter mit 
vermehrtem Phosphorſäuregehalte zugeführt werde, denn in dieſer 
Zeit iſt die meiſte Sorgfalt auf ſeinen Knochenausbau zu verwen— 
den. Daher müſſen tragende Kühe, ſollen ſie ſtarke Kälber gebähren, 
neben ganz gutem ſüßen Heue Saufen gereicht bekommen, in wel— 
ches Kleie oder Schwarzmehl, in welches Schrot, in welches ge⸗ 
quetſchte Kartoffeln gerührt ſind. Daher muß Kälbern, die der 
Muttermilch entwöhnt werden, geweichtes Schwarzbrod, Saufen 
in welches Mehl gequirlt iſt, gekochte Körnerfrüchte und Kartof— 


158 


feln, ſo wie Abkochungen von Heugeſäme übergeben werden. Die 
Saamen von Grasarten enthalten nämlich viele phosphorſaure 
Ammoniaf-Bittererde, welch letztere mit Stickſtoff in Verbindung 
zur Ausbildung derſelben durchaus nothwendig iſt. 

Um großes ſtarkes Vieh zu erzeugen, würde die Einführung 
des Maisbaues bei uns ungemein vortheilhaft ſein, denn in den 
Aſchen der Maiskörner finden ſich gegen 53 3 Phosphorſäure, wes— 
halb Italien auch ſo großes und ſtarkes Rindvieh aufzuweiſen hat. 

Kühn in Taukeniſchken machte auf die Wichtigkeit der Be— 
düngungsweiſe mit Knochen aufmerffam;. er erinnert: daß die 
Engländer, welche Knochen aus allen Theilen der Welt kaufen, 
ſowohl hierdurch, als auch durch ihren falkreichen Boden die 
Größe ihrer Thiere und die Ertragsfähigkeit der Felder bedeutend 
erhöht haben. Für ſehr weſentlich erklärt Kühn die Vortheile, 
welche aus dem Bedüngen der Wieſen mit Knochenmehle einem 
Geſtüte erwachſen. Die Mutterſtute finde beim Fohlen im Hafer 
nicht diejenige Menge von phosphorfaurer Kalkerde, deren fie als 
Erſatz für den mit dem Füllen aus dem Körper verloren gegange— 
nen phosphorſauren Kalk bedarf. Vermöge der Knochenbedüngung 
aber erhalte nun auch das Heu phosphorfaure Kalkerde. Durch 
letztere verſpreche daſſelbe doppelten Nutzen, da diejenigen Mengen — 
phosphorſauren Kalks, welche in dem Körper der Thiere nicht 
firirt werden, als Dung auf die Felder gelangen und die Ertrags— 
fähigkeit erhöhen, beſonders die Saamen vergrößern. Bekannt ſei 
es namentlich: daß die Saamen der Gerſte die größte Menge 
phosphorſauren Kalks enthalten. Aus demſelben Grunde erzeuge 
die Fütterung von Hafer im Geſtüte von Taukeniſchken das ſchnelle - 
Wachsthum der Füllen. Dieſes Wachſen müſſe natürlich vermehrt 
werden, ſobald zur Fütterung noch Heu gelange, welches zugleich 
die Eigenſchaften des Hafers beſitze.“ 

Ich erlaube mir nun den Phosphorſäuregehalt von Aſchen 
verſchiedener Culturgewächſe aufzuführen. Gewiß haben viele der 
Leſer, wenn ſie dieſe Reihe zu Geſichte bekommen, aus Erfahrung 
bereits kennen gelernt: daß die mit einem bedeutenden Phosphor— 
ſäuregehalte verſehenen Pflanzen zugleich auch die ſind, welche 
außer gutem Futter auch einen vortrefflichen Dünger abgeben. 


159 
Reis.. . . enthält in feiner Ache 60 3 Phosphorſäure. 


A . 5 = 53 4 = 
Weizen re Ne 45 4 | 
Roggen e e K 33 —39 =: 
Gezſſe 0% 2 era , - 
Spergel 2 K = = 294 z 
Blei a ee Re :: 18-29 - 
Erbſen e „ 30 —38 = 
Bohnen 4 298433 36 
Saubohnen .. es He 36 - 
Rapsſaamen . Fe Re e 
Leinſaamen .. es 4 8 5 
Kartoffeln ... e * 8 
Kohlrabi. . 2 3 13 - 
Gelbe Rüben .. E 5 8422 > 
Kohlſtrünke . Z E = ee 94 £ 
Weißer Klee .. e 2 112 
Nother Klee E 6—7 - 
Poa pratensis. . ae Wis aka? 6er ı | E 
„ trivialis e - 9 3 
Esparſett „ _ - = D 91 = 
Esparfettfaamen RZ — 204 e 
Heu e * z > z 4 2 
Sommerſtroh .. 25 De 223 5 . 
Winterſtroh . . ir ae 9: - 
Gerſtenſtroh .. ne 31 2 
Weizenſtroh . e e 2 4 . 
Haferſtroh run = = = : 2—7 z 
Rapsſtrohh TE RL a 44 2 
Delfüchen — 32 1 


Mit größter Aufmerkſamkeit hat daher der Landwirth die Beſtand— 

theile ſeines Düngers im Auge zu behalten und das Futter des 
Viehs ſo einzurichten, daß recht viel phosphorſaure Salze erlangt 
werden. Die kohligen Beſtandtheile führt die Streu und die Koh— 
lenſäure der Luft, letztere auch einen bedeutenden Theil des Ammo— 
niaks ohnehin zu. Ein Hauptaugenmerk iſt aber auf die Miſtſtätten 


160 


und Abtrittsgruben zu richten. Dieſe ſollten ſämmtlich mit feft ge- 
ſchlagenen Lehmſohlen ausgeſchlagen und dieſe Sohlen mit Cement 
ausgemauert ſein, damit kein Harn in den Boden dringen, damit 
durch zufließende Regen und ſonſtige Waſſer nicht allein letzterer, 
ſondern auch keine Theile der feſten Exkremente ausgelaugt und 
fortgeführt werden können. 

Sehen wir hin auf jene Länder, wo die Bodencultur ſo hoch 
ſteht wie z. B. in Belgien: wie ſorgſam geht man da mit dem 
Dünger um, wie pflegt man denſelben! Dort ſtellt man — damit 
ja nichts umkomme oder verloren gehe — Ciſternen in der Nähe 
oder ſogar auf den Feldern ſelbſt her, überdeckt ſie und trägt die 
flüſſigen und feſten Erkremente in dieſelben. Fängt der Dünger 
zu gähren an, dann wirft man Leinkuchen und andere ſtickſtoff— 
und phosphorfäurereiche Subſtanzen hinein und läßt das Ganze 
ſo lange ſtehen, bis die Aecker beſät werden ſollen. In dieſer Zeit 
überführt man die Felder mit dieſer flüſſigen Maſſe und ſtreut ſo— 
gleich den Saamen hinein. In jenem gewerbfleißigen Lande ſucht 
man in jeder Art und Weiſe den Verluſt von Stoffen zu vermeiden, 
welche zum Reichthume civiliſirter Länder das meiſte beitragen. 
Wie ganz anders ſieht es dagegen theilweiſe noch in Deutſchland 
aus! Da findet man große Ortſchaften faſt noch ohne ſelbſt nur 
roh aufgemauerte Miſtſtätten, ohne Abtrittsgruben und ohne Sam— 
melplätze für den abgehenden Harn. Zum größten Theile fließt 
letzterer unmittelbar aus den Ställen in die Bäche und es gehen 
auf dieſe Weiſe unberechenbar große Capitalien verloren. Nur 
dann erſt, wenn es ſoweit gekommen fein wird, daß allerwärts 
gute Miſtſtätten und Abtrittsgruben angelegt: daß alle Flüſſigkeiten, 
welche ſich in Kloaken ſammeln, über Erdhaufen verbreitet: daß 
das Straßenkehricht überall aufgeſammelt wird, kann der Pflanzen— 
reichthum des Bodens ſich nach und nach wieder auf die we er⸗ 
heben, wo er in frühern Perioden ſtand. 

Ohne alle Frage iſt der Verluſt an Phosphorſäure der em— 
pfindlichſte in der Landwirthſchaft; denn die Kohlenſäure und ein 
großer Theil des Ammoniaks kann aus der atmoſphäriſchen Luft 
bezogen werden, die übrigen Salze finden ſich in der Regel in reich— 
licheren Mengen im Boden und im Miſte, was bei den phosphor— 


161 


ſauren Verbindungen nicht immer fo der Fall iſt. Was kann es 
aber dem Landwirthe nutzen, brächte er auch noch ſo viel Stickſtoff— 
verbindungen, noch ſo viel leichtzerſetzlichen Kohlenſtoff, noch ſo 
viele Salze auf ſeine Felder, und die Phosphorſäure fehlte? 

Man hat zwar in der Jüngſtzeit durch eine vermehrte Anwen— 
dung von Knochenmehl, durch Ankauf von Guano dem Abgange 
von Phosphorſäure zu ſteuern geſucht, allein der Verluſt derſelben 
iſt trotzdem noch ein zu großer. Ich will hier nicht von der Aus— 
fuhre deſſelben durch unſer Maſtvieh nach England und Frankreich 
reden, derſelbe wird jedenfalls reichlich durch die Einfuhre von Ge— 
treide gedeckt; allein was gehen bei uns durch das theilweiſe Ver— 
zetteln von Knochen, was durch das Nichtaufſammeln des Harns, 
durch das Ausſpülen der Miſtſtätten durch Regen- und ſonſtige 
Waſſer verloren! 

Bemerken wir den Verluſt an Phosphorſäure auch in der Nähe 
der Städte und Dörfer nicht ſo ſehr, ſo iſt derſelbe für entfernt ge— 
legene Grundſtücke, namentlich für Wieſen, die wegen ungünſtiger 
Lage nicht bewäſſert werden können — durch das Bewäſſern wird 
letzteren neben Stickſtoffberbindungen eine bedeutende Menge von 
phosphorſauren Salzen zugeführt und iſt dies der Hauptzweck der 
Ueberrieſelungen — doch nicht hoch genug in Anſchlag zu bringen. 
Ein Morgen Wieſe der einen guten Ertrag liefern ſoll, bedarf jähr— 
lich wenigſtens zwiſchen 20 und 25 Pfund phosphorſaure Salze und 
je mehr daher dieſelben durch langjährige Bewirthſchaftung dem 
Boden entzogen werden, je ſchneller nimmt der Ertrag deſſelben ab. 

Der alte Satz: daß auf der Welt nichts verloren gehe, be— 
währt ſich zwar auch hier, allein daß Stoffe, die unumgänglich 
nothwendig zur hinreichenden Beſchaffung der menſchlichen und 
thieriſchen Nahrungsmittel ſind, durch Unkenntniß und nicht ge— 
hörige Beachtung nach den entlegenſten Weltgegenden verſchlagen 
werden und von dort nur mit Aufwand großer Koſten wieder zu— 
rückzubringen ſind, dürfte in keiner Weiſe zu rechtfertigen ſein. Ein 
Menſch ſondert durch ſeinen Harn im Verlaufe eines Jahres circa 
3 Pfund Phosphorſäure aus, von derſelben geht in großen und 
kleinen Städten, in Dörfern und Höfen der größte Theil in Gräben 
und Kloaken fort und gelangt durch Bäche und Flüſſe endlich ins 


Engelhardt, die Nahrung der Pflanzen. 11 


162 


Meer. Nehmen wir nun an, daß, da durch Bewäſſerung ein Theil 
deſſelben auf den Wieſen zurückgehalten wird, der Abgang ſelbſt 
nur die Hälfte alſo 14 Pfund pro Kopf betrage, fo verſchwinden 
einer 50 Millionen ſtarken Bevölkerung jährlich 750000 Ctr. Phos— 
phorſäure, die unſerer Feld- und Wieſencultur von unberechenbarem 
Vortheile ſein würde. | 

Durch die Fiſche, die wir verſpeiſen, bekommen wir zwar aller: 
dings einen großen Theil derſelben wieder zurück, dennoch wird 
aber der Abgang dadurch lange nicht ausgeglichen. 

Würden nun unſere Abtritte und Düngſtätten ſo eingerichtet, 
daß von den feſten und flüſſigen Erkrementen gar nichts mehr ver— 
loren gehen und im Waſſer fortfließen könnte, ſo würde ſich anderer— 
ſeits in der lebenden Schöpfung eine Ungleichheit einſtellen, bei 
welcher die Liebhaber von Fiſchen den Kürzeren zögen; denn in die— 
ſem Falle entgingen den Waſſerbewohnern dann die Subſtanzen, 
aus welchen ſie ihr Knochengerüſte aufbauen. Daß letzteres durch 
die im Waſſer befindlichen phosphorſauren Salze geſchieht, ge— 
wahren wir in gebirgigen Walddiſtrikten ganz deutlich. Die Forelle 
z. B., welche ſich in Bächen in der Nähe von volkreichen Orten 
noch zu einer bedeutenden Größe ausbildet, vermag dies in höher 
gelegenen unbewohnten Walddiſtrikten nicht mehr; ſie nimmt da— 
ſelbſt ſchon einen veränderten Bau an: der Kopf wird ſtumpfer, der 
Leib rundlicher und man nennt ſie nun, zum Unterſchiede von jener, 
Steinforelle. Eine ſolche, gegen eine Forelle aus einem größern in 
der Umgebung von Städten vorüberfließenden Bach gehalten, hat 
ſich ſo verändert, daß man beide kaum für ein und dieſelbe Gat— 
tung hält; da jedoch die Forelle ein Raubfiſch iſt und Fröſche, Heu— 
ſchrecken u. ſ. w. fängt, ſo kann ſie ihr Grätengerüſte immer noch 
beſſer ergänzen, als andere Fiſche die nur von Fliegen ꝛc. leben. 
Beſetzen wir z. B. einen Teich in einem Gebirge, der keinen Zu— 
fluß von einem Orte hat, mit Karpfen, ſo verkrüppeln dieſelben d. h. 
ſie wachſen faſt gerade ſoviel nach der Breite, als nach der Länge 
und überdies geht das Grätengerüſte nicht bei allen gerade aus, 
ſondern iſt mannigfach gebogen. Ein oder der andere Forſcher ſtellt 
die Behauptung auf, es rühre dies von der Kälte des Waſſers her, 
allein gehen wir höher in das Gebirg und treffen dort in der Nähe 


165 


eines Ortes einen Teich, fo zeigen ſich die Karpfen in demſelben 
im vollkommen normalen Zuſtande und ſo ſchnell, ja noch ſchneller 
wachſend, als in Teichen die in warmen Gegenden liegen, obſchon 
das Waſſer in dieſen höher gelegenen Teichen kälter iſt, als in den 
tiefer unten im Gebirge gelegenen. Die Abnormität der Karpfen 
in letzteren iſt daher lediglich und allein darinnen zu ſuchen, daß 
ihnen der Zufluß von phosphorſauren Salzen aus bewohnten Or— 
ten fehlt, um daraus ihr Grätengerüſte richtig bilden zu können; 
denn das Fett dieſer verkrüppelten Fiſche bezeugt zur Genüge, daß 
ſie an andern Nahrungsmitteln keinen Mangel litten. 

Den Karpfen in den hochgelegenen kalten Dorfteichen werden 

* die phosphorſauren Salze in ausreichender Menge durch den Harn 
und die feſten Erkremente von Menſchen und Thieren zugeführt, 
weshalb auch ihre Ausbildung vollkommen vor ſich geht. Auch 
in den Alpen finden wir Beiſpiele von fiſchleeren Seen und ſchrieb 
man dies zeither der hohen Lage und dem Umſtande zu, daß bei 
einer ſolchen nicht Luft genug im Waſſer vorhanden ſei, um das 
Athmen der Fiſche zu geſtatten; der eigentliche Grund iſt aber auch 
hier in der Abweſenheit der phosphorſauren Salze zu fuchen. 

Der Fiſchzüchter weiß aus Erfahrung, wie günſtig thieriſche 
Erkremente auf die Fiſche einwirken. Hat er Teiche, denen ein ge— 
höriger Waſſerzufluß aus Städten und Dörfern fehlt, ſo läßt er 
im Sommer zum öftern Viehheerden in dieſelben treiben, wirft 
Schafmiſt hinein oder füttert die Fiſche mit Weizen und mit Erbſen. 
Wie begierig Fiſche die menſchlichen Erkremente erhaſchen, dies 
gewahrt man in Bädern, wo die Abtritte in Bäche und Flüſſe 
einmünden. 

Die Fiſche find es alſo, welche ſich der phosphorſauren Salze 
des in Bäche und Flüſſe übergeführten Harns und der aufgelöſten 
Kothſtoffe bemächtigen, um dieſelben zu ihrem Grätengerüſte zu 
verarbeiten. Von ihnen bekommen wir im letzteren, in den Schup— 
pen, ſo wie im Fleiſche und Blute zwar einen bedeutenden Theil 
wieder zurückerſtattet, allein trotzdem gehen mächtige Quantitäten 
ins Meer. Auch in dieſem unendlichen Waſſerbehälter werden die— 
ſelben zum Ausbaue der Fiſchgerüſte verwendet. Ein großer Theil 
derſelben würde ſich im Schlamme verhüllt auf dem Meeresgrunde 

3 


2 
PER 
“ 


4 


164 


verlieren, wenn nicht unabſehbare Vögelſchwärme ſich der Fiſche 
als Nahrung bedienten, die dann ihre Erkremente an den niemals 
beregnet werdenden Küſten und Felſen von Chili und Peru, am 
Kap und dem weſtlichen Afrika, in Patagonien, auf den Seychell— 
Inſeln und Auſtralien in ungeheurer Menge ablagerten. Von 
dieſen entfernten Welttheilen erhalten wir unſere Phosphorſäure 
und den Stickſtoff, welch beide wir im Harne u. |. w. leichtſinniger 
Weiſe weglaufen ließen, zu hohen Preiſen wieder zurück. In N, 
Jüngſtzeit ift der Guano Gegenſtand eines fehr lebhaften Handels 
zwiſchen Europa und Amerika geworden und wird durch denſelben 
ein Capital von mehr als 10 Millionen Thaler in Umlauf geſetzt. 2 

Man unterſcheidet mehrere Sorten von Guano. Der weiße 
iſt am geſchätzteſten; iſt er roth oder braun gefärbt, ſo ſtellt er ſich 0 
in geringerer Qualität dar. Auch in Europa beſitzen wir Guano 
d. h. Anſammlungen von Vogelexkrementen an den Klippen bei 
Scarborough in Porkſhire und der Pentland Firth in Schottland. 
Derſelbe unterſcheidet ſich von dem tropiſchen hauptſächlich durch 
ſeinen Mangel an harnſaurem Ammoniak und Ammoniakſalzen 
überhaupt, welche durch den Regen herausgewaſchen wurden; da 
er aber nächſt andern Salzen viel phosphorſaure enthält, ſo giebt 
er für unſere Culturgewächſe dennoch einen ſehr guten Dünger ab. 

Ob der Guano von Vögeln herſtamme oder durch Zuſammen— 
häufungen von Fiſchen entſtanden ſei, darüber wollen wir uns hier 
nicht weiter verbreiten; daß aber erſteres der Fall geweſen ſein möge, 
iſt mit viel mehr Sicherheit anzunehmen. Finden ſich auch ganze 
Fiſchgerippe in den Guanolagern, ſo wiſſen wir andererſeits aber 
auch gerade ſo gut: daß Vögel die Fiſche oft ſehr weit forttragen, 
um das Fleiſch derſelben anderwärts zu verzehren. Auf dieſe 
Weiſe könnten Gerippe von großen Fiſchen und in bedeutender An— 
zahl in die Guanolager gekommen ſein. 

Was Felder betrifft, welche der Cultur noch nicht lange unter— 
ſtellt, namentlich ſolche, die dem Meeresgrunde neuſtens erſt ent— 
ſtiegen ſind z. B. einige Marſchländer, der ruſſiſche Schwarzboden, 
der im ſüdlichen und ſüdweſtlichen europäiſchen Rußland in großer 
Ausdehnung und Mächtigkeit verbreitet und als allerjüngſte Ab— 
lagerung anzuſehen iſt, ſo tragen dieſelben auf lange Jahre hinaus 


165 


die reichlichften Früchte ohne Bedüngung. Daß aber die ruſſiſche 
Schwarzerde ein Gebilde der Jüngſtzeit ſei, beſtehend aus Meeres— 
ſchlamm, der beim Zurücktreten des ſchwarzen Meeres, des Kaspi— 
und vielleicht einiger andern Binnenſeen frei wurde, davon können 
wir uns heut zu Tage nach dem Zurückgehen des Aral- und anderer 
aſtatiſcher Seen überzeugen. Nicht nur die Ufer des letzteren treten 
yr und mehr zurück, man gewahrt auch in der Nähe deſſelben meh— 
rere größere und kleinere Waſſerbecken die früher, vereinigt, größere 
Seen bildeten. Auch die Beſtandtheile des Bodens, namentlich 
verſchiedene Muſcheln in demſelben weiſen darauf hin. Hieraus 
läßt ſich nun auch die ungemeine Fruchtbarkeit jener Feldflächen er— 
klären. Die Menge von Fiſchen, welche beim Zurücktreten der 
Waſſer in dem an ſich ſchon ſehr ſtickſtoffreichen und mit phosphor— 
ſauren Salzen geſchwängerten Schlamm zu Grunde gingen, trugen 
außerordentlich viel zur ſchwellenden Fruchtbarkeit deſſelben bei. 

Ganz guter Boden kann bei ſorgfältiger Bearbeitung eine 
lange Reihe von Jahren hinter einander benutzt werden, ohne daß 
er bedüngt zu werden braucht, ja man muß die Bedüngung ſogar 
vermeiden, indem ſich die Cerealien ſonſt überwachſen und umlegen. 

Ueberraſchend iſt die Erſcheinung: daß im Schlamm des Nils 
durch die Analyſe keine Phosphorſäure nachgewieſen wurde und 
doch könnte der Weizenertrag daſelbſt nicht ſo überaus hoch ſtehen, 
wäre das wichtige Nahrungsmittel in jenem Boden nicht vorhan— 
den. Berückſichtigen wir nur, wie lange das Waſſer des fiſchreichen 
Stroms, in welchem eine ſo große Zahl von Krokodilen zu finden 
iſt, in und an welchem eine ſo bedeutende Menge von Vögeln leben, 
über die umliegenden Felder verbreitet iſt, ſo muß ſich uns der 
Glaube aufdrängen: daß der Gehalt des ſich abſetzenden Schlammes, 
in dem doch eine Menge von Fiſchen zu Grunde gehen, keinen un— 
bedeutenden Gehalt an phosphorſauren Salzen haben kann. 

Die Aſchen der Pflanzen beſitzen, wie wir weiter oben zu ſehen 
Gelegenheit hatten, einen ſehr verſchiedenen Gehalt von Phos— 
phorſäure, daraus erklären ſich die günſtigen Ergebniſſe beim 
Fruchtwechſel. Nach dem Baue von Taback z. B., deſſen Boden 
man ſehr guten ſtickſtoffreichen Dünger zuführen muß, erhält man 
eine vortreffliche Gerſtenerndte, wenn man im zweiten Jahre das 


166 


Feld mit dieſer Frucht beſtellt. Der Taback enthält in feiner Aſche 
aber auch nur 29 Phosphorſäure, während die . een 26 
bis 314, das Gerſtenſtroh 32 2 enthält. 

Um dem Ausfall waer ae Menge von Phosphorſäure, 
welche durch Entweichen von Miſtjauche, Harn u. ſ. w. in Bächen 
und Flüſſen verloren geht vorzubeugen, iſt eine Zuführung von 
Außen unbedingt nothwendig. England verſorgt ſich ſchon längſt 
aus allen Theilen der Welt mit Knochen und überdies führt es 
noch eine ſehr große Quantität von Guano ein. Letzterer wirkt 
ſchneller und kräftiger, als erſtere. Wo aber die Knochen billig zu 
haben ſind, da verſäume man ihren Ankauf nicht. Die Verwen- 
dung derſelben geſchieht am zweckmäßigſten als Mehl. Zerſetze 
ſich deren Beſtandtheile auch im erſten und zweiten Jahre nicht | 
vollkommen, fo wirken fie doch um fo nachhaltiger. | 

Der Landwirth darf die Ausgabe für Guano, für Knochen 
und ſonſtige phosphorſäurehaltige Subſtanzen nicht ſcheuen; er 
darf ſich nicht der Meinung hingeben: dieſelben ſeien für ihn zu 
theuer. Die Wirkungen derſelben ſind ja nicht für ein einziges 
Jahr. Ein auf dieſelben verwandtes Capital kommt ſeinen Grund— 
ſtücken auf viele Jahre hinaus zu ſtatten und trägt gerade deshalb 
fo reiche Zinſen; denn durch den vermehrten Körner-Kartoffeln— 
Stroh-Heu-Klee-Ertrag wird ein vermehrter und ausgezeichnet 
guter Dünger erzeugt und die durch die Knochen oder den Guano 
einmal in die Grundſtücke gelegte Phosphorſäure bleibt, bei ſorg— 
fältiger Pflege der Miſtſtätten, ſtets in denſelben, und nur ſoviel 
geht hinaus, als in den Aſchen der verkauften Körner- und Oel— 
früchte enthalten iſt. Wie ſehr man den Werth der Zuführung 
dieſes Düngemittels bereits erkannt hat, geht aus der Einfuhre 
von Guano und Knochen in England hervor. Peru allein giebt 
jährlich über 2 Millionen Centner Guano ab. 

Außer dieſen thieriſchen Abfällen, durch welche gleichzeitig 
auch eine bedeutende Quantität anderer wichtiger Nahrungsmittel, 
namentlich Stickſtoff in die Culturgewächſe übergeführt wird, 
haben wir im Mineralreiche noch reiche Quellen von Phosphor— 
ſäure. Ich erinnere hier nur an die ſpathigen, fasrigen und 
erdigen Agatite, Verbindungen von phosphorſaurem Kalke mit 


167 


Fluorcalcium, in denen der phosphorſaure Kalk bis auf 92, 313. 
hinaufſteigt und die in vielen unſerer Gebirgsformationen getroffen 
werden; ich erinnere hier nur an die Knochen— Conglomerate, 
e Breccien, an die Knochengypſe; ich erinnere an die Eiſen— 
pecherze, die Raſeneiſenſteine, das Eiſenblau, ſie alle enthalten 
mehr oder weniger Phosphorſäure und werden im Verlaufe der 
Zeit in der Landwirthſchaft mit großem Vortheile benutzt werden; 
ich erinnere an die Lager von phosphorſaurem Kalke zu Logroſan 
in Eſtremadura, in der Wetterau, im Fichtelgebirge. Bei auf— 
merkſamer Durchforſchung unſerer Gebirgsformationen wird das 
Auffinden mehrerer ſolcher Lager nicht auf ſich warten laſſen und 
auf denſelben muß im Verlaufe einiger Jahrzehnte ein Bergbau 
rege werden, welcher dem auf Gold und Silber um nichts nach— 
ſteht. Der Bergmann gräbt dann auf denſelben unmittelbar auf 
Weizen- und Gerſtenkörner und muß dadurch der Träger einer un— 
gemein ſteigenden Bevölkerung werden, durch welche ſich die In— 
duſtrie, die Künſte und Gewerbe immer mehr herausheben. 

Was die Chemie in den jüngſt verfloſſenen Jahren in der 
Landwirthſchaft geleiſtet hat, iſt leider noch nicht genug in alle 
Schichten der Bevölkerung eingedrungen, die ſegensreichſten Folgen 
dieſer Leiſtungen müſſen ſich jedoch in kurzer Zeit geltend machen. 

Wir ſtellten den Phosphor früher aus dem Urine, ſpäter aus 
den Knochen dar, der Schluß lag ſo nahe: daß, da in beiden Phos— 
phorſäure enthalten ſei, dieſelbe dem Menſchen und dem Thiere 
durch die Nahrungsmittel zugeführt werden müſſe; allein erſt die 
chemiſche Analyſe wies nach: daß das Brod, daß das Fleiſch, daß 
die Kartoffeln Phosphorſäure enthielten: daß dieſelbe dazu bei— 
trage unſer Knochengerüſte aufzubauen: daß Phosphor mit Fett 
in Verbindung im Gehirne vorkomme und daß letzterer für unſer 
Denkvermögen nöthig ſei. Da nun unſere Cerealien, unſere Hül— 
ſenfrüchte u. ſ. w. Phosphorſäure enthalten, ſo mußte ihnen die— 
ſelbe nothwendiger Weiſe aus dem Boden zufließen, denn unſere 
Luft enthält dieſen Stoff nicht. Es zeigte ſich aber bald: daß der 
Phosphorgehalt unſerer Ackerflächen — mit Ausnahme beſonders 
günſtiger Lagen — nur gering ſei und daß er ſich durch beſtändiges 
Bebauen der Felder ſtark vermindere, indem durch den Verkauf 


168 


von Weizen, Gerſte, Korn, Erbſen, Kartoffeln ꝛc. ꝛc. nicht allein, 
ſondern noch viel mehr durch die unverantwortliche Nichtbeachtung 
des Menfchenharns und der Knochen, in welch beiden die meifte 
Phosphorſäure enthalten iſt, immer mehr derſelben verloren gehe, 
und daß hierdurch die Aecker endlich ganz unfruchtbar werden 
müſſen. Für letzteres haben wir leider die ſprechendſten Beiſpiele. 
In Virginien wuchs Reis in üppigſter Fülle, allein ſeitdem dem 
Boden durch ununterbrochenen Bau deſſelben die Phosphorſäure 
entzogen iſt, kommt er nicht mehr fort. In England, wo die Felder 
ungemein erſchöpft waren, ſteigerte man deren Ertrag durch Ankauf 
von Knochen, die man aus allen Weltgegenden herbeiſchafft, um 
das Dreifache. Ein Pfund Knochen enthält aber auch den Phos— 
phorſäuregehalt für 100 Pfund Weizen. Der Landwirth, welcher 
Knochen von ſeinem Gehöfte tragen, welcher den Urin ins Waſſer 
laufen läßt, verſündigt ſich nicht allein an ſich, ſondern auch an 
ſeinen Kindes-Kindern. Wie groß die Capitalien ſind, welche die 
Erlangung von Phosphorſäure in Umlauf ſetzt, beweiſt der Han— 
del mit Guano und Knochen in England. Die geſetzgebende Ge— 
walt in Peru verlangt lediglich und allein für den Guano der 
Cincha Inſeln 871 Millionen Gulden. Rechnet man hierzu die 
Händearbeit beim Graben, die Schiffs- und Landfrachten, ſo ſtellt 
ſich für einen ſo kleinen Diſtrikt, von welchem Stickſtoff und Phos— 
phorfäure für die Landwirthſchaft bezogen wird, ein Capital von 
mehreren 1000 Millionen heraus. Für ſchweres Geld kaufen wir 
daher unſere Düngſtoffe, die wir leichtſinniger Weiſe ins Waſſer 
laufen laſſen, von wo aus ſie die Fiſche und durch dieſe die Vögel 
an die nie beregnet werdenden Küſten entfernter Welttheile tragen, 
wieder. | 
Wenn wir Alles berückſichtigen, fo hängt in der Landwirth— 
ſchaft — abgeſehen von den Witterungsverhältniſſen — Alles 
vom Boden, deſſen ſorgſamer Bearbeitung, ſo wie von den Düng— 
mitteln die ihm fehlen und daher zugeführt werden müſſen, ab. 
Jeder der in Bezug auf Letztere Erfahrungen gemacht hat, möge 
daher durch Veröffentlichung ſein Schärflein zum Gemeinwohle 
beitragen; der Gewinn iſt zu groß und in die Augen fallend, wel— 
cher nicht nur Einzelnen, ſondern den Geſammt-Staaten erwächſt, 


169 


wenn. dem culturfähigen Boden diejenige Behandlung zu Theil 
wird, durch welche der höchſte Ertrag erzielt werden kann. Arbeit 
und Ausſaat bleiben ſich nicht nur gleich, an letzterer kann ſogar 
die Hälfte erſpart und dennoch eine doppelte Erndte erlangt 
werden. 

Thut jeder das Seinige, ſammelt er ſeinen Dünger ſorg— 
fältig auf, dann muß die Klage über nicht ausreichenden Getreide— 
bau verſtummen, dann müſſen die Ausgaben für Einfuhre von 
Früchten und Düngſtoffen gemindert und dadurch enorme Sum— 
men erhalten werden. Wir ſahen weiter oben: daß ſich lediglich 
und allein der Verluſt des dritten Theils von Phosphorſäure im 
Menſchenharne bei einer Bevölkerung von 50 Millionen auf 
500000 Entr. berechne; rechnet man nun für das Pfund Phos— 
phorſäure als Düngſtoff nur 2 Thlr., ſo geht hierdurch allein ein 
Capital von 100 Millionen Thaler verloren. Was iſt dies für 
eine jedes Jahr wiederkehrende Schmälerung des National-Ver— 
mögens und wie leicht könnte derſelben, wenigſtens zum größten 
Theile vorgebeugt werden, wenn von Seiten der Staatsbehörden 
überall mit Strenge darauf gehalten würde: daß die Düngſtätten, 
daß die Abtrittsgruben waſſerdicht und ſo hergeſtellt würden, daß 
Regen- und andere Wäſſer keine Ueberfluthungen derſelben zu be— 
wirken vermögen! 

Ich erlaube mir hier nochmals auf Belgien und zugleich auf 
das Königreich Sachſen zu verweiſen; man ſehe mit welcher Voll— 
kommenheit da die Oekonomie vorſchreitet, zugleich aber auch, wie 
ſich daſelbſt die Vorſorge, welche von Seiten der Staatsbehörden 
angewandt wird, durch die raſch emporblühende Induſtrie belohnt. 


Schwefel. 


Der Schwefel ift ein Element, welches weit verbreitet in der 
Natur vorkommt und zur Bildung mancher Pflanzen- und Thier— 
theile unbedingt nothwendig iſt. Im gediegenen Zuſtande findet 
er ſich in bedeutender Menge auf der Inſel Sicilien und in Italien, 
mit Metallen verbunden, oft mächtige Lager und Stöcke bildend, 
im Schwefelkieſe, im Kupferkieſe und im Bleiglanze. In geringer 
Menge findet er ſich in den Thieren und Pflanzen. In Zwiebeln 
und Erbſen kann man ihn leicht erkennen, wenn man nach dem 
Abkochen derſelben einen metallenen Löffel in ſie ſteckt; da er mit 
Metallen Schwefelverbindungen eingeht, die ſich durch eine ſchwarze 
Farbe auszeichnen, ſo färben ſie jene Gemüſe, durch Vermittlung 
des Metalls, ebenfalls ſchwarz. Auch die Haare, welche einen 
kleinen Antheil Schwefel enthalten, färben ſich beim Kämmen mit 
einem Bleikamme ſchwarz. Der Schwefel iſt bei vorhandener 
Wärme flüchtig d. h. er geht leicht in einen luftförmigen Zuſtand 
über; deshalb verbindet er ſich ſo leicht mit Sauerſtoff, oder mit 
andern Worten: er verbrennt ſehr raſch. Aus dieſem Grunde wird 
er im gewöhnlichen Leben als Schwefelfaden, als Streichhölzchen 
zur Ueberführung der Flamme oder zum Anzünden benutzt. Wenn 
ſich der Schwefel mit einem Theile Sauerſtoff verbindet, wie dies 
beim Entzünden deſſelben an der Luft der Fall iſt, dann entſteht 
eine ſcharfe ſtechende Luftart von unangenehmem Geruche und Ge- 
ſchmacke, die ſogenannte ſchweflichte Säure, welche auf Thiere | 
giftig wirkt und das Feuer verlöſcht. Brennende Schornfteine find 
daher ſofort zu löſchen, wenn man Schwefel unter ihnen anzündet. 
Wenn noch einmal ſo viel Sauerſtoff zum Schwefel tritt, als er 


a 


174 


beim Verbrennen an der Luft von ſelbſt aufnimmt, ſo bildet ſich 
Schwefelſäure, die in Verbindung mit Waſſer auch Vitriolöl ge— 
nannt wird. Die Schwefelſäure iſt ungemein ätzend und ſcharf 
und geht mit einer großen Zahl von Baſen Verbindungen ein, die 
ſchwefelſaure Salze genannt werden. In letzteren kommt ſie im 
Miſte unſerer Hausthiere auf die Felder, oder ſie bildet ſich dort 
bei der Zerſetzung von Schwefelkieſen, oder aus pflanzlichen und 
thieriſchen Ueberreſten. Die löſende Kraft des Waſſers nimmt dieſe 
Salze auf und führt ſie in das Pflanzengewebe über. 

Aus den Verſuchen des Fürſten von Salm-Horſtmar mit Er— 
ziehung von Haferpflanzen geht die Wichtigkeit der Schwefelſäure 
als Pflanzennahrungsmittel hervor. Wenn z. B. die Phosphor— 
ſäure in der Bodenmiſchung fehlt, aber Kieſelerde, Kali, Kalkerde, 
Talkerde und Schwefelſäure darinnen vorhanden ſind, ſo wirkt 
die Düngung mit dem ſtickſtoffhaltigen Salze mehr, als wenn die 
Schwefelſäure in der Miſchung fehlt und die Phosphorſäure dar— 
innen vorhanden iſt. In beiden Fällen erſcheinen die Pflanzen 
ſehr ſchwach, indeſſen regelmäßig gebildet. Die ohne Zuſatz von 
Phosphorſäure gezogene Pflanze trug merkwürdiger Weiſe eine 
vollſtändige Frucht; die mit Zuſatz von Phosphorſäure, aber ohne 
Schwefelſäure gezogene hingegen trug keine Frucht. Dieſer Vor— 
gang ſcheint in Bezug auf Aſſimilation der Nahrungsſtoffe der 
Pflanzen deutlich für die Wichtigkeit der Schwefelſäure zu ſprechen. 
Am deutlichſten tritt die Wichtigkeit dieſer und der Phosphorſäure 
hervor, wenn man die Gewichte der Pflanzen in den betreffenden 
Verſuchen vergleicht. Ohne Phosphorſäure wog die trockne 
Pflanze 0,17 Gran, ohne Schwefelſäure war das Gewicht der 
trocknen Pflanze 0,12 Gran; ebenſoviel wog die ohne Phosphor- 
ſäure und ohne Schwefelſäure gezogene trockne Pflanze. Durch 
die Gegenwart beider Säuren im Boden ſtieg aber das Gewicht 
der getrockneten Pflanze auf 0,37 Gran. 

Durch die Hülſenfrüchte, durch die Zwiebeln und andere 
Pflanzennahrungsmittel wird der Schwefel in den Menſchen- und 
Thierkörper gebracht; er bewegt ſich daſelbſt in den feineren Flüſſig— 
keiten der Nerven, hilft die Haare mit bilden und findet ſich im 
Eiweiße, im Käſe- und Faſerſtoffe des Fleiſches wieder. 


Fluor. 


Dieſes Element kommt hauptſächlich im Mineralreiche und 
zwar in Verbindung mit Calcium zu Fluor, Calcium — Fluß— 
ſpath — vor. Außerdem findet es ſich in den meiſten natürlichen 
phosphorſauren Salzen und eine Spur in den Knochen der Thiere. 
Dieſe geringen Mengen werden durch die phosphorſauren Verbin— 
dungen in die Pflanzen und durch dieſe in den thieriſchen Körper 
gebracht; das Fluor giebt alsdann den Zähnen ihren ſchönen 
Schmelz. 

Wenn das Fluor in zu reichlicher Menge im Boden vorhan— 
den iſt, ſo verhindert es (nach den Verſuchen des Fürſten von 
Salm-Horftmar) das Wachsthum der Pflanzen, wenigſtens war 
dies bei den Haferpflanzen der Fall; zugleich wirkte es aber auch 
dahin, daß ſich die Blüthen nicht entwickelten. Die auffallend 
langſam wachſenden Pflanzen erreichten bei dem Verſuche nur 
13 Zoll Höhe und trugen 7 Blätter, von denen die untern blaß— 
grün und gelb geſtreift, die Scheide des Gten Blattes auffallend 
purpurroth waren. Es bildeten ſich 3 Nebenſproſſen, als der 
Haupthalm im 7ten Blatte ſtand. 


ab Er re 


Chlor. 


Wenn man Kochſalz mit Schwefelſäure übergießt, ſo erhebt 
ſich ein ſtechender Dunſt, welcher im Waſſer aufgefangen die Eigen— 
ſchaft einer Säure nachweiſt. Man nannte dieſelbe Salzſäure. 
So lange ſie nicht genauer bekannt war, ſetzte man voraus, ſie 
beſtehe aus Salz und Sauerſtoff; nach gehöriger Unterſuchung 
fand ſich jedoch: daß die Salzſäure aus einer noch nicht gekannten 
Gasart, Chlor und Waſſerſtoff, beſtehe. 

Das Chlor hat einen ſcharfen durchdringenden Geruch und 
wirkt bei längerem Einathmen giftig. Es zerſtört faſt alle Farben 
und faſt ebenſo die fauligen Gerüche, weshalb man es zum Blei— 
chen und zum Vertreiben übler Gerüche aus Kellern, aus Ge— 
bäuden und Kloaken verwendet. Wo es ſich immer nur befindet, 
da ſucht es begierig den Waſſerſtoff auf, um mit demſelben Salz— 
ſäure zu bilden. Es wirkt daher beim Bleichen nicht direct, ſon— 
dern es nimmt dem Bleichwaſſer Waſſerſtoff und der zurück— 
bleibende Sauerſtoff macht dann die Faſer weiß. Ebenſo wirkt es 
beim Vertreiben übler Gerüche. Dieſelben ſind Gemiſche von 
Schwefelwaſſerſtoff und Ammoniak; das Chlor ſucht beiden den 
Waſſerſtoff zu entziehen und Schwefel und Stickſtoff, welche zurück— 
bleiben, beläſtigen die Geruchsnerven alsdann nicht mehr. Beim 
Bleichen mit Chlor entſteht zuerſt Salzſäure und dieſe wirkt aller— 
dings ätzend auf die dem Prozeſſe unterſtellten Zeuge; wenn man 
ſie aber nach der Operation gehörig mit Waſſer auswäſcht, ſo 
leiden ſie nicht. 

Nachdem man wußte: daß das Kochſalz aus Natrium und 


174 


Chlor beſtehe, erklärte ſich auch leicht, warum das Salzen der 

Speiſen ſo unumgänglich nothwendig ſei. Die Speiſen im Magen 

vermiſchen ſich auf das Innigſte mit einem ſcharfen Safte, dem 

Magenſafte, und beim Austritte aus dem Magen mit der Galle. 

Magenſaft und Galle ſind aber die nothwendigſten Erforderniſſe 
bei der Verdauung. Erſterer beſteht nun zum Theile aus Salz— 

ſäure, die Galle zum Theile aus Natron. Beide könnten im Kör— 

per nicht in ausreichender Menge vorhanden ſein, wenn durch das 
Salzen der Speiſen nicht Kochſalz in den Magen käme. Daſſelbe 
macht die eiweißhaltigen Stoffe und die Fette im Waſſer der Ver— 

dauungsflüſſigkeit löslich und führt dadurch eine Verdünnung des 

Blutes herbei; es beſchleunigt zugleich die Thätigkeit der Ver— 

dauungsdrüſen und erhöht dadurch die Theilnahme an der Blut— 
bildung, daher folgerichtig an der Ernährung. Daraus erklärt es 
ſich auch, warum die Thiere, welche kein Kochſalz erhalten, ihre 
Nahrung ſchlecht verdauen und warum wilde Thiere die Salzlecken 
ausnehmend gerne beſuchen. Da es zugleich fäulnißwiderſtehend 
wirkt, ſo hat deſſen Genuß außerdem noch ſeine Vortheile für das 
Thierleben und iſt in Bezug auf die Erhaltung des Fleiſches, in— 
dem man es durchs Einſalzen den ganzen Sommer über aufbe— 

wahren kann, von hohem Werthe. Beim Einſalzen iſt jedoch nicht 
zu verkennen: daß das Fleiſch dadurch einen Theil ſeiner beſten 
Nahrungsſtoffe verliert. Zugleich mit dem Waſſer des Fleiſches 

werden nämlich Eiweiß- und Fleiſchſtoff, ſo wie Milchſtoff vom 

Kochſalze ausgezogen. Die Salzlake wird nicht benutzt und durch 

das Weggießen derſelben geht ein Theil der löslichſten und weſent— 
lichſten Stoffe des Fleiſches verloren. 

Das Kochſalz, was wir in unſern Küchen benutzen, iſt nicht 
reines Chlornatrium. Am reinſten iſt in der Regel das Steinſalz, 
in dem nur Spuren von Chlorkalium und Chlormagneſium mit 
etwas Gyps vorkommen. Im Meerſalze dagegen findet ſich mehr 
Chlormagneſium, Gyps und ſchwefelſaure Bittererde. Wegen des 
reichlicheren Gehaltes von Chlormagneſium löſt das Meerſalz die 
eiweißartigen Körper leichter, als gewöhnliches Küchenſalz; denn 
ſchon bei der Wärme unſers Körpers verwandelt ſich das Chlor: 
magneſium in Salzſäure und Bittererde, und eine ſehr verdünnte 


175 


Miſchung von Salzſäure und Waſſer ift im Stande die eiweiß- 
artigen Stoffe zu löſen. 

Durch die Stühle wird dem Blute das Kochſalz entzogen. 
So viel Kochſalz aber Harn und feſter Koth, Schleim und Schweiß, 
Thränen und Horngebilde dem Blute entziehen, ſo viel ärmer an 
Kochſalz wird das Blut, welches die Nerven der Zunge ernährt. 
Dies iſt der Grund, warum uns ungeſalzene Nahrungsmittel nicht 
ſchmecken. Das Kochſalz in den Thränen iſt auch die Urſache, 
warum jene die Augen entzünden. 

Aber auch als näherer Beftandtheil der Pflanzen iſt das Koch— 
ſalz von großer Bedeutung. Wenn es durch den Miſt oder als 
beſonderer Dünger in den Boden gelangt, oder bereits in ihm ent— 
halten war, ſo nehmen es die Pflanzen in wäßrigen Löſungen auf 
und lagern es in ihren Zellen ab. Nur wenig Pflanzen giebt es, 
welche nach ihrem Verbrennen nicht Kochſalz in ihrer Aſche ent— 
halten. Stets hat ſich gefunden daß kleine Mengen, dem Boden 
beigemengt, die Fruchtbarkeit deſſelben erhöhten. Ganz beſonders 
wirkt es auf den Flachs, den Hopfen, Raps, Klee, auf Erbſen, 
Bohnen, Rüben, Kartoffeln, Kohl, Sellerie, Meerrettig, Senf; 
aber auch für die Cerealien iſt es ſehr gut. Sandigem Boden darf 
man nur wenig, mehr ſchon mergligem, am meiſten dem lehmigen 
übergeben. 

Daß das Verhältniß der Aufnahme ein ganz beſtimmtes, 
wie das aller übrigen Pflanzennahrungsmittel, ſei, dürfte daraus 
entnommen werden: daß das Gerſtenſtroh einem Acker genau 
dieſelbe Quantität entzieht, es mag nun im größern oder gerin— 
gern Verhältniſſe in demſelben enthalten ſein. Es iſt daher mit 
Sicherheit anzunehmen: daß die Pflanze das Kochſalz zu ihrem 
Gedeihen unumgänglich nothwendig habe. Merkwürdig iſt übrigens 
noch der Umſtand: daß es ſich ſtets mehr in den Stämmen und 
Stängeln, als in den Blättern vorfindet. Aecker, denen kein Koch— 
ſalz zugeführt wird, wenn ſie daſſelbe nicht bereits enthalten, wer— 
den daher neben anderer guter Bedüngung nur geringe Erndten 
geben und man kann dem Landwirthe nichts beſſeres anrathen, 
als ſeinem Viehe recht fleißig Salz zu verabreichen, denn dadurch 
wird er ſich nicht allein einen verdauungskräftigen geſunden Vieh— 


176 


ftand, ſondern auch beſſere Getreide- und Kartoffel-Erndten ſichern. 
Gar häufig finden wir in den feſten Erkrementen des Viehs noch 
unverdaute Körner, durch dieſelben geht das beſte Nahrungsmittel, 
das Eiweiß, verloren. Wird dem Viehe mit dem Saufen oder in 
der Süde Kochſalz gegeben, ſo verdaut ſich jenes und es wird 
Futter erſpart. Der Landwirth, welcher das Salz ſchont, dem es 
zu theuer iſt, bringt ſich dadurch in einen dreifachen Nachtheil, 
der die Erſparniſſe am Salze um das Zwanzigfache überſteigt. 


Beim Bedüngen unſerer Aecker mit Kochſalz iſt darauf zu 
ſehen: wie ſich der Boden in Bezug auf ſeine Beſtandtheile ver— 
hält. Fehlt es demſelben, ſo wirkt es nach dem Beſtreuen der Fel— 
der ausgezeichnet. Beſitzt es aber eine Ackerkrume ſchon im hin— 
reichenden Verhältniſſe, dann darf man ihr keins mehr übergeben, 
denn dann könnte es ſogar nachtheilig wirken. 


Die mit Kochſalz angeſtellten Verſuche haben beim Gerſten— 
baue ſehr günſtige Reſultate ergeben. Auffallend iſt jedoch dabei: 
daß die günſtige Wirkung erſt bei 2360 Pfund auf die Fläche von 
einer Hectare Land hervortritt, wird aber mehr als 3600 Pfund 
Kochſalz auf dieſe Fläche verwendet, dann werden die Exträgniſſe 
wieder geringer. Es tritt daher unter den vorhandenen Boden— 
und Witterungs-Verhältniſſen das Maximum der Wirkung beim 
Kochſalze ein, wenn daſſelbe in einer Menge von 2360 bis 2800 
Pfund auf eine Hectare gebracht wird. Die Körnerausbildung 
ſchreitet unter dem Einfluſſe des Kochſalzes in gleichem Verhält— 
niſſe wie die Strohbildung fort und nimmt auch eben ſo zu. Auch 
beim Hafer zeigt ſich die Düngung mit Kochſalz günſtig; un— 
günſtig aber beim Buchweizen. Im allgemeinen kann man an— 
nehmen: daß | 

1) das Kochſalz nur günſtig bei Gegenwart von Kohlen und 
ſtickſtoffreichen Stoffen wirke; 

2) daß dies nur bei Gräſern und namentlich den Getreide— 
arten der Fall ſei. Blattfrüchte ſcheinen nur geringe Mengen ver— 
tragen zu können; wenigſtens muß die Salzdüngung, wenn es 
eine ſtarke ſein ſoll, längere Zeit vor der Beſtellung in den Boden 
gebracht werden. Sehr empfindlich zeigt ſich der Buchweizen gegen 


177 


Kochſalz; ſchon geringe Mengen wirken auf das Keimen und die 
Entwicklung dieſer Brodfrucht auffallend nachtheilig. 

3) Vorzüglich der Entwicklung der Körner iſt das Kochſalz zu— 
träglich, und obſchon auch das Stroh kräftiger wird, ſo wirkt das 
Kochſalz doch einige Jahre von der erſten Bedüngung an fort. 

4) Bei der Wirkung des Kochſalzes laſſen ſich zweierlei Er— 
ſcheinungen bezüglich der Düngkraft bemerken. Schon geringe 
Mengen bedingen eine vermehrte Fruchtbarkeit; wenn man die 
Quantität aber bis zu einer gewiſſen Höhe ſteigert, wie wir ſo 
eben ſahen, dann tritt die zweite, weit wichtigere Wirkung des 
Kochſalzes ein. 

Fricke in Ballenſtädt, welcher ſeine Wieſen, die ſaure Gräſer 
trugen, mit Salinenabfällen, gemengt mit ſchwefelſaurem Kalke 
und Aſche und zwar in dem Verhältniſſe von 1 Centner Düngeſalz 
und 14 Centner Aſche pro Morgen beduͤngte und dieſe Beſtreuung 
im Winter und zwar im Monat Februar vornahm, erhielt auf 
denſelben nicht allein viel ergiebigere Erndten, ſondern auch ein 
Heu und ein Grummt, welches das Vieh gerade ſo gerne fraß, 
als das auf guten trocknen Wieſen erbaute. Da Salzabfälle auf 
allen Salinen billig zu bekommen ſind, ſo ſollte kein Landwirth 
verſäumen, ſeinen Feldern und ſeinen Wieſen zuweilen Kochſalz 
zukommen zu laſſen. 


Engelhardt, die Nahrung der Pflanzen. 12 


Kali. 


Wenn die Hausfrau die Aſche aus dem Ofen oder von dem 
Küchenheerde nimmt, ſie in ein Faß thut, heißes Waſſer darüber 
gießt und den dadurch hervorgehenden ſchwarzgrauen Brei eine 
Zeit lang ſtehen, dann aber vermittelſt eines hölzernen Hahns die 
Flüſſigkeit aus dem Faſſe durch dichte Leinwand laufen läßt, ſo 
erhält ſie eine ſcharfe Flüſſigkeit, Lauge genannt, welche ein aus— 
gezeichnetes Mittel zur Reinigung der Wäſche abgiebt. Dieſe 
Lauge enthält nämlich ein Salz, die Pottaſche, welches ſich mit 
Fett und fettigen Stoffen verbindet und ſie auf dieſe Weiſe im 
Waſſer auflösbar macht. Wenn man die Lauge über Feuer ein— 
dickt, ſo erhält man die Pottaſche als ein feſtes Salz. Die Laugen— 
ſalze ſind nicht in allem Holze gleichmäßig vertheilt, junge Bäume 
enthalten mehr als alte, Krautgewächſe mehr als Holzgewächſe, 
die Aſche von Erdrauch ſogar den achten Theil ihres Gewichtes. 

In der auf die jetzt beſchriebene Weiſe erlangten Pottaſche 
iſt viele Kohlenſäure enthalten; wenn man fie daher in Brod- oder 
Kuchen-Teig knetet, oder ihre Auflöſung in Bier gießt, ſo wird 
die Kohlenſäure luftförmig und macht das Gebäcke lockrer und das 
Bier muſſirend. Viel darf freilich nicht genommen werden, weil 
dies Salz bei ſeiner ätzenden Wirkung ſonſt nachtheilig auf den 
Körper einwirken würde. Wenn der Seifenſteder Seife ſiedet, wo— 
zu er Fett und Pottaſche nimmt, fo entfernt er die Kohlenſäure 
durch Zugabe von Aetzkalk. Sobald dieſes Salz von ſeiner Koh— 
lenſäure befreit iſt, nimmt es einen andern Namen an und wird 
nun Kali genannt. Wenn man durch Kohle, bei Anwendung hoher 
Hitzgrade, den Sauerſtoff vom Kali trennt, fo erhält man ein ſil— 


179 


berweißes Metall, Kalium, das eine ungemein große Neigung 
hat, ſich wieder mit Sauerſtoff zu vereinigen; deshalb ſaugt es 
ihn begierig aus der Luft und zerfällt dann ſchnell zu einem weißen 
Pulver. Wirft man es ins Waſſer, ſo entzieht es auch dieſem den 
Sauerſtoff und veranlaßt unter Ausgeben von Flamme, welche 
den Waſſerſtoff entzündet, heftige Exploſionen. 

Früher verwandte man das Kali häufig zur Bereitung von 
Seife und Glas; jetzt wählt man dazu die billigere Soda. Es iſt 
dies ein großer Gewinn für unſere Felder und Wieſen, indem man 
die Aſche ſehr vortheilhaft als Dünger verwendet; denn da alle 
Pflanzen Kali in ihrer Miſchung haben, ſo muß ſich daſſelbe auch 
im Boden vorfinden, wenn anders die Pflanzen gut gedeihen 
ſollen; da jedoch die aus der Aſche bezogene Quantität für unſere 
Bodencultur zu gering ſein würde, ſo hat die Natur Mittel und 
Wege gefunden, daſſelbe aus unſerer Ackererde ſelbſt zu bereiten 
und dies geſchieht vermittelſt in Waſſer gelöſter Kohlenſäure, 
welche unſere Silicate (Feldſpathe), Verbindungen von kieſelſaurer 
Thonerde mit kieſelſaurem Kali, zerlegt und kohlenſaures Kali, 
alſo Pottaſche, bildet. Faſt alle unſere gewöhnlichen Culturpflan— 
zen zeichnen ſich durch einen vorherrſchenden Kaligehalt aus und 
zwar findet ſich die größte Menge deſſelben in den Saamen. Die 
Gerſte, der Roggen, der Weizen enthalten Kali, aber kein Natron, 
daſſelbe iſt beim Tabacke, dem Zuckerrohre, den Kartoffeln der 
Fall. Daher iſt die Anweſenheit löslicher Kaliſalze fuͤr den Boden 
von hoher Wichtigkeit, indem es eins der Hauptnahrungsmittel 
der Pflanzen iſt. Geſammelte Erfahrungen und Beobachtungen 
geben der Vermuthung Raum: daß zu gewiſſen Zeiten des Wachs— 
thumes das Kali wichtige Funktionen zu vollziehen habe. So 
ſchreibt man demſelben das Süßwerden der Früchte zu, indem es 
die freien organiſchen Säuren zerſtört; man räumt ihm eine Ein— 
wirkung auf die Güte der Trauben ein und glaubt, daß es die 
Bildung des Stärkemehls in den Körnerfrüchten und Kartoffeln 
befördere, oder vielleicht ſogar erſt möglich mache. 

So nahe verwandt Kali und Natron ſind, ſo ſcheinen ſie ſich 
gegenſeitig dennoch nicht in den Pflanzen zu erſetzen. Gerſte an 
der Küſte des Meeres gezogen, wo das Natron vorherrſcht, hatte 
12 * 


180 


denſelben Gehalt von Kali, wie die, welche im Innern von Eng— 
land erbaut wurde. Darinnen ſtimmen aber beide überein: daß ſie 
den Humus löslich machen und dadurch in mehrfacher Beziehung 
ſo günſtig auf die Vegetation einwirken. Von der hinreichenden 
Anweſenheit von Kali und löslicher Kieſelerde im Boden hängt 
in Bezug auf die Beſaamung der Felder viel ab. In früheren 
Zeiten, und jetzt noch in manchen Gegenden, ließ man den Boden 
ein oder mehrere Jahre ruhen, wenn man ihn zuvor zwei Jahre 
benutzt hatte und nannte dies Brache; dabei bildeten ſich durch 
Einwirkung von Kohlenſäure auf naſſe Feldſpathe dieſe Düng— 
ſtoffe von Neuem. Bei dem jetzigen rationellen Betriebe der Land— 
wirthſchaft umgeht man dies durch den Wechſel mit den Früchten 
und erlangt dabei natürlich einen weit höheren Ertrag des Grund 
und Bodens. g 

Der Landwirth halte daher ſeine Aſche nicht allein zuſammen, 
er ſuche dergleichen auch anzukaufen, denn wir ſehen deren günſtige 
Wirkungen auf Wieſen, wir ſehen ſie auf Feldern, namentlich bei 
Weizen und Kartoffeln. Aber nicht allein das Kali iſt es, was ſie 
ſo vortheilhaft auszeichnet, ſondern wie wir weiter oben ſahen iſt 
es auch die Phosphorſäure, welche der Aſche einen ſo hohen Werth 
verleiht. 

Im Salpeter, wo das Kali mit Salpeterſäure verbunden iſt, 
hat man gleichfalls ein gutes Düngemittel und zwar in doppelter 
Beziehung, indem durch denſelben den Feldern zugleich auch Stick— 
ſtoff übergeben wird. Daher kommt es auch: daß alte Bauſchutte, 
daß alte Lehmwände, worinnen ſich ſtets Salpeter erzeugt, ein ſo 
gutes Düngmaterial abgeben. Taback, Nußbäume, Sellerie ent— 
halten Salpeter. Im Taback iſt derſelbe oft ſo reichlich enthalten, 
daß man ihn nicht allein beim Anzünden deſſelben ſofort gewehrt, 
ſondern daß man ihn zuweilen auch zur Salpetergewinnung ver— 
wendet, wie dies im vorigen Jahrhundert in Virginien einmal der 
Fall war. j 

Durch die Nahrungsmittel, die wir von den Pflanzen erlan— 
gen, wird das Kali in uns und den thieriſchen Leib übergeführt, 
wo es ſich im größeren Verhältniſſe im Fleiſche, im geringern im 
Blute wiederfindet. 


181 


Die Abfälle, welche bei der Fabrikation der Pottaſche und 
Soda aus ſchwefelſauren Salzen gewonnen werden und aus Kal— 
ciumoxyd und Schwefelkalcium beſtehen, wirken äußerſt günſtig 
auf die Vegetation der Wälder und Wieſen und würde dies auch 
bei den Feldern der Fall ſein. Bei mancher Fabrik häufen ſich 
dieſe Abfälle zu Hügeln an, bei andern werden ſie ins Waſſer ge— 
worfen und es geht durch ſie ein großer Schatz pflanzlicher Nah— 
rungsmittel verloren. 


„ 


Natron. 


Die Soda, ein Laugenſalz, kam früher aus Aegypten, wo ſie 
aus Seeen, deren Boden im Sommer beim Austrocknen mit einer 
ſtarken Kruſte überzogen werden, aufgeſammelt wird. Von dort 
aus holten ſich auch die Phönicier Sodaſtücke um ſie als Kochſalz 
zu verwenden und bei dieſer Gelegenheit entdeckten ſie zufälliger 
Weiſe das Glas, indem Soda die am Feuer lag mit Sand zu 
Glas zuſammen ſchmolz. Wie die Pottaſche, ſo enthält auch die 
Soda Kohlenſäure, weshalb man ſie auch kohlenſaures Natron 
nennt. Wird letztere von der Soda getrennt, ſo erhält man das 
Natron. Nimmt man dieſem den Sauerſtoff, ſo kommt ein ſilber— 
weißes Metall, das Natrium, zum Vorſchein. Daſſelbe hat die 
Eigenſchaft des Kaliums: an der Luft Sauerſtoff aufzunehmen 
und als weißes Pulver wieder in Natron zu zerfallen; auch das 
Waſſer zerlegt es, jedoch nicht unter Feuererzeugung und Exploſion. 

Mit Fett giebt Natron ebenfalls Seife und zwar harte, im 
Gegenſatze zu der Kaliſeife. Das Natron wird in neuer Zeit in 
ungeheuren Maſſen aus dem Kochſalze dargeſtellt; bei dieſer Be— 
reitungsweiſe erzielt man zugleich Salzſäure. Das Natron kommt 
aber auch als Natronſalpeter, eine Verbindung von Salpeterſäure 
mit Natron, vor und ſetzt gewaltige Lager in Chili in Südamerika 
zuſammen, weshalb er auch Chiliſalpeter genannt wird. Jetzt 
ſchon treibt man mit dem Chiliſalpeter einen wichtigen Handel, in⸗ 
dem man ihn bereits vielfach als Düngematerial verwendet, wozu 
ihm ſeine Billigkeit großen Vorſchub leiſtet. 

Das Natron wirkt bei den Pflanzen gleich dem Kali d. h. 
es dient zur Neutraliſation der Säuren. So nahe verwandt beide 


183 


aber auch find, fo vertreten fie ſich gegenfeitig doch nicht. Die 
Buchen und Eichen enthalten im Vergleiche zum Kali nur einen 
ſehr geringen Natron-Antheil, ſelbſt dann, wenn die Bäume auf 
einem Boden gezogen find, in welchem das Natron im öfachen 
Uebergewichte gegen das Kali ſtand. Man ſieht hieraus: daß 
zwiſchen den Pflanzen und den Bodenbeſtandtheilen ein verwandt— 
ſchaftliches Verhältniß beſteht, welches jedes Spiel des Zufalls 
ausſchließt und bei gegenſeitigen Erſetzungen ſogar Krankheits— 
verhältniſſe der Pflanzen herbeiführt. 

Vielfache Verſuche haben ergeben: daß der Natrongehalt im 
Strohe unſerer Cerealien, ſo wie in dem Strohe des Rapſes und 
der Erbſen ein merklich höherer iſt, als in den Körnern. Dieſes 
Verhältniß findet auch beim Holze ſtatt, wo in dem Saamen das 
Kali ebenfalls vorherrſcht. Daß übrigens das Kali für das Pflan— 
zenreich von höherer Wichtigkeit ſei, als das Natron, dafür ſprechen 
ganz beſonders die Meerespflanzen und unter dieſen namentlich die 
Fucusarten; dieſe wachſen unter Verhältniſſen, wo das Natron 
im Boden um das 20fache gegen das Kali vorherrſcht, und dennoch 
nehmen ſie nur letzteres auf. Einen überaus wichtigen Fingerzeig 
erhalten wir durch den brandigen Weizen. Während beim geſun— 
den nur im Strohe ein Natrongehalt nachzuweiſen iſt, findet ſich 
letzterer beim brandigen auch in den Körnern. Dieſer Umſtand 
liefert Stoff genug zum Nachdenken und zu weiterer Forſchung. 
Bei der nahen Verwandtſchaft beider Salze läge es in der Mög— 
lichkeit, daß, wenn dem Boden das Kali fehlte, um die Ausbildung 
der Körner vollkommen zu bewirken, das Natron als Stellvertreter 
einträte und daß dadurch dieſe für die Landwirthe ſo nachtheilige 
Krankheit hervorgerufen würde. Verſuche mit Beibringung von 
Kali auf die Hälfte eines mit Weizen beſtellten Ackers würden 
hierüber bald zufriedenſtellende Aufſchlüſſe gewähren; abgeſehen 
davon, daß wir bereits aus Erfahrung wiſſen: daß wenn die 
Weizenfelder mit Aſche überſtreut werden, nicht allein eine beſſere 
Erndte, ſondern auch ganz vollkommne Körner erlangt und nur 
ſelten etwas von Brand verſpürt wird. Durch letzteres faͤnde die 
ausgeſprochene Anſicht bereits ihre Beftätigung. - 

So wichtig Kali und Natron im Pflanzenernährungs-⸗Prozeſſe 


18% 


find, fo unentbehrlich find fie im menſchlichen Haushalte und hat 
letzteres im Blute ſo wie bei der Verdauung wichtige Funktionen 
überkommen. Ich verbreite mich hier nicht über die Höhe, auf 
welche ſie die Induſtrie ſtellte, ich erlaube mir nur noch etwas über 
die Bequemlichkeiten welche ſie dem Menſchen verſchaffen und über 
die hohe Stufe, auf welche ſie die Wiſſenſchaften brachten, vor— 
zutragen. 

Wie Kali und Natron im Feldſpathe in der Natur zu einer 
glaſigen durchſcheinenden Verbindung vereinigt ſind und in ihr durch 
die Aufſchließung der Kohlenſäure zum Wohlthäter der Pflanzen 
werden, ſo vereinigt der Menſch die Laugenſalze mit Kieſelerde 
von Neuem zu einem farbeloſen, oder gefärbten, glänzenden und 
durchſichtigen Silicate, was im glühenden Zuſtande ungemein 
form- und fügſam und unter dem Namen Glas allgemein bekannt 
iſt. Vermittelſt deſſelben dringen wir nicht allein in die entfern— 
teſten Himmelsräume ein und lernen die dort beſtehenden Geſetze 
kennen, ſondern wir entdeckten durch daſſelbe auch auf und in un— 
ſerer Erde, ſo wie im Waſſer eine ganz neue Schöpfung, in wel— 
cher die Zahl der Individuen ſo groß, wenn nicht zahlreicher, als 
die iſt, welche unſerm unbewaffneten Auge entgegentritt. Wie wir 
weiter oben ſahen waren es die Phönicier, die beim Verbrauche 
der Soda als Kochſalz das Glas entdeckten. Wohl kam es ihnen 
nicht in den Sinn, daß ſie durch dieſe Entdeckung eine Macht her— 
vorgerufen hätten, in welcher der menſchliche Geiſt ſeine höchſten 
Triumphe feiern ſollte; denn die Laugenſalze in Verbindung mit 
Kieſelerde ließen uns erſt die gewaltige Größe ſo recht erkennen, 
welche unſer Schöpfer in den menſchlichen Geiſt gelegt hat. 

Obſchon das Glas im Alterthume ſehr hoch geſchätzt, ob 
ſchon für einzelne Glasvaſen und glänzende Glasſchaalen zur 
Römerzeit Tauſende von Tauſenden geſpendet wurden, ſo war 
ihnen der Gebrauch deſſelben zur Erleuchtung ihrer prachtvoll aus— 
geſtatteten Gemächer doch unbekannt. Sind aber die Fenſter un— 
ſerer Palläſte nicht dem Auge zu vergleichen, durch welches erſt 
Leben in die todte Geſtalt gehaucht, durch welches dem Ganzen 
das Edle, das Imponirende erſt aufgedrückt wird? Erſcheinen uns 
die prachtvollen Tempel, die Rieſenbauten des Alterthums ohne 


185 


dieſe lichtſpendenden Oeffnungen nicht gerade fo wie verfteinerte 
Ruinen? Welche Wohlthat wurde uns durch die Benutzung des 
Glaſes als Fenſterſcheiben, deren Erfindung erſt 3000 Jahre nach 
Entdeckung deſſelben gemacht wurde, geſpendet! Durch daſſelbe 
werden wir hinüberverſetzt unter die gewaltige Pracht eines über— 
ſchwänglich üppigen Pflanzenwuchſes unter den Tropen. Arm 
und Reich, Hoch und Niedrig zieht ſich bei Sturm und Un— 
gewittern hinter ſeine ihn ſchützenden und dennoch die Zimmer 
hellerleuchtenden Glasfenſter. Wie wohl thut im Winter die Son— 
nenwärme, wenn ſie durch die hellen Spiegelſcheiben in ein eis— 
kaltes Zimmer fällt! wie waren daher die Völker des Alterthums 
zu beklagen, wenn ſie im Winter, bei Sturm und Regen ihre Licht— 
öffnungen mit Weidengeflechten verſchließen mußten und ſie Kälte 
und naſſe Windſchauer dennoch durchrüttelten! Noch im Jahre 
1661 erfreute ſich das Königliche Schloß in London nur in feinem 
Oberſtocke der Fenſter, die untern waren nur mit Läden verſehen. 

Die Wohlthaten, die uns das Glas verſchafft, würden Bände 
füllen, wollten wir ſie alle einzeln aufzählen. Wie ſchon bemerkt 
führt uns das Glas im Fernrohre hinauf zu den fernſten Nebel— 
flecken, es deckt uns der Cometen glänzenden Schweif, deren dunſt— 
förmigen Körper auf; wir meſſen mit ſeiner Hülfe die Bahn, den 
Umfang und die Größe der größten Weltkörper im zwölften Him— 
mel; wir zerlegen mittelſt deſſelben das Licht in ſeine verſchiedenen 
Streifen und meſſen deſſen Schnelligkeit, wir verbrennen mittelſt 
ihm den Diamant und liefern den Beweis, daß er aus reinem Koh— 
lenſtoffe beſtehe; wir fangen mit ihm den Sauerſtoff und ſteigen 
mittelſt ſeiner hinunter in des Meeres Tiefen. Mit dem Mikro— 
ſcope treten wir ein in eine neue winzig kleine und dennoch unge— 
mein belebte Welt; ſteht dieſelbe nicht eben ſo erhaben vor unſern 
Augen, als die große? Wohin wir unſer Glas auch wenden, 
ſei es auf ein Körnchen Schimmel, ſei es auf einen Tropfen 
Waſſer, ſei es auf ein Bißchen Schlamm, da lebt webt hüpft 
und ſpringt alles, hier finden Vermählungsfeierlichkeiten ſtatt, 
dort kämpft Liebe mit Haß, dort giebt es arge Raufereien. 

Das Glas alſo iſt es, was uns hinüberführt in jene lichten 
Räume, was uns die große Belebtheit eines Tropfens Waſſer 


186 


zeigt, es iſt es, was unſern Geiſt kräftigt und zu immer Höherem 
anſtachelt. Durch daſſelbe lernen wir die Größe, Weisheit 
und Unfehlbarkeit unſeres Weltenſchöpfers mehr und mehr er— 
kennen. 5 | 

Die Macht des Glaſes giebt ſich uns aber auch in Tönen zu 
erkennen; welches Material liefert dieſelben reiner? Wie feſſeln 
uns die Töne einer Glas harmonika, wie bewegen fie unfer Herz, 
welche Sehnſucht, welche tiefe Wehmuth rufen ſie herauf! 


Kieſelerde (Kieſelſäure). 


Wem wären die glänzenden, glitzernden Sandkörner in Bächen, 
in Flüſſen und Strömen, wem die glänzenden fettig ausſehenden 
Kieſelgeſchiebe in unſern Feldern, wem die großen Quarzklumpen 
in unſern Bächen und Fluren nicht bekannt, die aus Silicium, 
einem leichten Metalle, und aus Sauerſtoff in dem Verhältniſſe von 
48 zu 52 beſtehen? In unſerer Ackerkrume, in unſern Gebirgsge— 
ſteinen iſt ſie in reichlichſter Menge vorhanden und ſetzt die Ge— 
ſammt⸗Erdmaſſe zur Hälfte zuſammen. Laſſen wir uns in der 
Taucherglocke hinab auf den Meeresgrund, gehen wir deſſen Strand 
entlang, verweilen wir an den Ausmündungen kleiner Flüſſe und 
großer Ströme, beſuchen wir die Hochflächen Aſiens und Afrikas, 
die Haiden Englands, Deutſchlands, Frankreichs, Spaniens, ſo 
treffen wir in deren loſen Sanden auf ungeheure Ablagerungen 
dieſer Säure. In den Graniten, Gneißen, Glimmerſchiefern, in 
den Syeniten, Dioriten, Porphyren, in den Baſalten, Grauwacken, 
im Kohlenſandſteine, dem Rothliegenden, dem bunten Sandſteine, 
Keuper, Quaderſandſteine u. ſ. w. macht ſie einen Hauptbeſtand— 
theil aus. IR 
Die glänzenden prachtvollen Quarze, oft in überaus großen 
Kryſtallen, ſtellen ſich als die Vertreter der reinen Kieſelerde dar. 
Wie der Diamant den reinen Kohlenſtoff, der Sapphir und Rubin 
die reine Thonerde, fo vertritt der Quarz jene, und fo begierig letz— 
tere das Licht aufſaugen und es in den ſchönſten Farbennüancen im 
Strahlenblitze ausgeben, genau ſo thut es der Quarz. Außerdem 
zeigt er ſich noch rein und nur mit etwas Farbeſtoff gemengt im 
Amethyſte, im Chryſopraſe, im Roſenquarze, im Chalzedone, im 


188 


Jaspiſe und Achat, im Milchquarze und Opal, im Praſem und 
Siderite. Als Feuerſtein iſt er in gewaltigen Stöcken und Klumpen 
der Kreide eingelagert, als Hornſtein überdeckt er große Fluren 
und als weißer Quarz ſtellt er ſich in fortlaufenden Wänden, in 
Riffen und mächtigen Gebirgsſtöcken dar. Aber nicht allein in ein— 
facher Form erſcheint die Kieſelerde, ſie tritt auch in vielen Mine— 
ralien als chemiſche Verbindung ein und bildet eine Menge von 
Schmuckſteinen. Verſchieden in Form und Farbe liefert ſie dabei 
die ſchönſten roſenrothen, grünen, gelben, blauen, ſchwarzen Kry— 
ſtalle, oft im prachtvollen Schiller. Der grüne Smaragd, der gelbe 
Topas, der blaue Laſurſtein, der rothe Granat, der apfelgrüne 
perlmutterglänzende Talk, der ſeifige Speckſtein, der weiße Meer— 
ſchaum, der dunkelgrüne Serpentin, der ſchwarze Augit, der ſchil— 
lernde Amazonenſtein, der buntfarbige Sonnenſtein, der lauchgrüne 
Strahlſtein, der ſeidenglänzende Asbeſt, der biegſame Glimmer, die 
pomeranzengelben und blutrothen Hyacinthe verdanken Farbe und 
Geſtalt zum großen Theil der Kieſelerde. 

Die Verbindung der Kieſelſäure mit Baſen zu Salzen beleg— 
ten wir mit dem Namen Silicate; ſie ſind es, die uns hier am 
meiſten intereſſiren, weil wir die im eigentlichen Kieſel an ſich nicht 
im Waſſer lösliche Kieſelerde bei den Zerſetzungen jener in löslicher 
Form und zwar zugleich mit einem andern ſehr wichtigen Pflanzen— 
nahrungsmittel, dem Kali, bekommen. Die Kieſelerde ſtellt ſich 
daher gar eigenthümlich dar, indem ſie genau bei ein und derſelben 
Zuſammenſetzung einmal im Waſſer löslich, das anderemal aber 
unlöslich iſt. Die Chemie hat übrigens Mittel und Wege auch die 
unlösliche im Waſſer löslich zu machen. 

Der Feldſpath, eine Verbindung von dreifach kieſelſaurer 
Thonerde mit dreifach kieſelſaurem Kali, iſt es hauptſächlich, der 
uns ſowohl die im Waſſer lösliche Kieſelerde, als auch das Kali 
in reichlichſter Menge für die Vegetation ſpendet. Die an die 
Wolken ſtoßenden Granitkuppen, die kegelförmigen Baſalte, die 
ſtreifigen Laven enthalten große Mengen von Kali und Natron— 
Silicaten, die in ſtärkerem oder geringerem Verhältniſſe im Waſſer 
löslich und in zutretender Kohlenſäure zerlegbar find. b 

Der Feldſpath im Granite, im Gneiße, im Glimmerſchiefer 


1 


A 


189 


im Syenite, im Porphyre, Bafalte, in der Lava, in der Grauwacke 
und den Sandſteinen liefert daher das ungeheure Material von 
Kieſelerde und Kali für die Vegetation. Leicht zur Zerſetzung ge— 
neigt wirkt kohlenſäurehaltiges Waſſer in der Art und Weiſe auf 
ihn ein, daß die Kohlenſäure deſſelben mit Kali vereinigt zu 
den Saugfäſerchen der Wurzeln übergeführt wird, während das 
Waſſer zugleich einen Theil der löslichen Kieſelerde aufnimmt und 
ebenfalls in die Pflanze übertritt; die unlösliche Kieſelerde mengt 
ſich dann mit der ausgeſchiedenen Thonerde und bildet kieſelſaure 
Thonerde, den gewöhnlichen Thon. Letzterer ſtellt im reinen Zu— 
ſtande die Porzellanerde, mit Eifenoryd, mit Kalk u. ſ. w. mehr 
oder weniger verunreinigt den Pfeifenthon, den Töpferthon, den 
Ziegelthon, bei vermehrter Vermengung mit Kalk den Mergel dar. 
Die ſoeben beſchriebene Zerſetzung des Feldſpathes in Kali, lösliche 
Kieſelſäure und in Thon liefert uns ein treues Bild der Ackererden— 
bildung. Iſt der Feldſpath aus Granit, Porphyr, Baſalt u. |. w. 
auf dieſe Weiſe entfernt, dann zerfallen die übrigen Beſtandtheile, 
Quarz und Glimmer; Regen, Schnee und Flußwaſſer bemächtigen 
ſich derſelben, zerreiben ſie, führen ſie durch Flüſſe und Bäche, die 
immer wieder zerreibend wirken, weiter, um ſie endlich als Ackererde 
abzuſetzen. Aber auch die unlösliche Kieſelſäure wird löslich, 
wenn Fluor auf ſie einwirkt und kann auch auf dieſe Weiſe der Ve— 
getation zugänglich gemacht werden. 

Die im Waſſer lösliche Kieſelerde ſpielt im Pflanzenernäh— 
rungsprozeſſe eine große Rolle. Verbrennen wir einen Stängel 
von Schachtelhalm vorſichtig, ſo bleibt ein feines durchſichtiges 
Gewebe zurück, was genau dieſelbe Geſtalt der verbrannten 
Pflanze, mit denſelben erhabenen Rippen, mit denſelben rinnen— 
förmigen Vertiefungen hat. Bei genauerer Unterſuchung ergiebt 
ſich: daß es Kieſelſäure ſei, die nach dem Herausbrennen der koh— 
ligen Subſtanz das Bild der Pflanze erhielt. Dieſe Kieſelerde iſt 
es, welcher die Pflanze die Eigenſchaft verleiht, von Schreinern 
und Drechslern als Vorarbeiterin bei der feinern Politur der Mö— 
bels verwandt zu werden. 

Ohne das Vorhandenſein von Kieſelerde könnte die Familie 
der Gräſer nicht exiſtiren, weder Weizen noch Korn, weder Gerſte 


190 


noch Hafer, weder Heu noch Grummet würden gedeihen, wäre 


nicht überall Kieſelerde die ſich im Waſſer auflöſt vorhanden. Bei 


der großartigen Verbreitung der Gräſer iſt es daher erklärlich, war— 
um eine ſo große Menge dieſes Materials und zwar als in Waſſer 
löslicher Silicate vorhanden ſein muß. 

Von der Anweſenheit der löslichen Kieſelerde in der Ackerkrume 
hängt das Daſein der Völker ab und überaus bewunderungswürdig 
iſt das Gewebe, welches ſie im Strohhalme dem bewaffneten Auge 
darſtellt; das feinſte Spinngewebe iſt gegen das Zellengeſpinnſt des 


Halms ein Werk, welches mit der Zimmerart zugehauen zu ſein | 


ſcheint. Auf- und abfteigende Kanäle zur Leitung des Saftes, 


durchbrochen von den feinſten Spalten zum Aufſaugen der Luft, 


finden ſich zu Tauſenden im ſchwachen Strohhalme und dazwi— 
ſchen liegen die Knoten als Halter. So ſchwach auch der Halm 
erſcheint, ſo beſitzt er in ſeinem prachtvoll gewebten Kieſel-Scelette 
doch eine gewaltige Widerſtandsfähigkeit. Was hat er aber im 
Verhältniſſe ſeiner Stärke auch für eine Laſt zu tragen! Oft mehr 
als 50 Körner, die er in ſeiner Aehre dem Licht der Sonne, der 
Wärme und der Luft ausſetzt, damit ſie ſchwellen, recht viel Stärke— 
mehl und Kleber bilden und einer raſchen Reife entgegenſchreiten. 


Mit welcher Kraft, mit welcher Macht muß er gegen feindliche 


Elemente gerüſtet ſein, damit er den heftigſten Winden, den ſchla— 
genden Gewitterregen, die den ſchwachen Halm mit ſeiner Aehre 
bis zur Erde niederbeugen, widerſtehe und nicht zerbreche! Allein 
allen dieſen Schreckniſſen leiſtet die Kieſelerde tapfer Widerſtand. 
Träte die Kieſelerde mit einemmale aus der Miſchung des 
Bodens aus, dann ſtiege das Menſchengeſchlecht ſofort auf eine 
niedrige Culturſtufe und ſtürbe größtentheils aus. Ihr verdanken 
wir es, daß auf einem kleinen Raume recht viele Nahrungsmittel 
erzogen werden können, und dadurch wird es möglich eine dichte 
Bevölkerung hervorzurufen. In der Dichtigkeit der Bevölkerung 
liegt aber deren Wohlſtand, liegt der raſche geiſtige Fortſchritt, liegt 
die Steigerung des Verkehrs, liegt das Wachſen von Kunſt und 


Wiſſenſchaft. Der Kieſelerde haben wir daher unſere fo hoch ge- 


ſtiegene Civiliſation mit zu verdanken und durch ſie lernen wir 
wieder ſo recht deutlich erkennen, wie groß und wunderbar die 


191 


Wege des Herrn ſind, welcher in das winzige Sandkornchen eine 
ſo gewaltige Macht legte. 

Auf Kalkboden, welcher der Cultur lange unterſtellt war, 
müſſen die Landwirthe bezüglich des Vorhandenſeins von Kieſel— 
erde ſtets ein aufmerkſames Auge richten, damit demſelben, wenn 
nöthig, Silicate zugeführt werden. Auf die Löſung derſelben grün— 
det ſich das Brachen und der Fruchtwechſel hauptſächlich mit. 

Durch die Nahrungsmittel wird die Kieſelerde ins Blut, in 
die Haare, in die Federn der höheren Thierklaſſen gebracht. 

Die Kieſelerde iſt daher der Hauptbauſtein nicht allein der 
Erde, ſondern auch der Brodpflanzen und ſetzt auch den Thierleib 
zuſammen. Sie iſt es, welche die Grundpfeiler unſerer Gebirge 
bildet; durch ſie entſtanden hauptſächlich die Erhabenheiten und 
Vertiefungen unſerer Feſtländer, wovon unſere klimatiſchen Ver— 
hältniſſe abhängen. Durch ſie wurde die größte Menge der Acker— 
erde geſchaffen, in und auf welcher ſich unſere Pflanzen ernähren, 
unſere Thiere bewegen. Zur aufrechten Stellung des Halms, zur 
Ausbildung der Körner haben Weizen, Korn, Gerſte, Reis, Hafer 
die Kieſelerde nöthig und gerade hierdurch knüpft ſich die Exiſtenz 
des Menſchen an das Vorhandenſein der Kieſelerde. Alle Gräſer, 
von denen unſere Hausthiere leben, ſaugen vermittelſt ihrer Wur— 
zeln Kieſelerde auf, wir finden ſie in unſerem Blute wieder. Kurz— 
um überall treffen wir auf ſie und der vor, unfern Füßen herum: 
pollernde Kieſelſtein ſollte uns ihre Wichtigkeit ſtets in unſer Ge— 
dächtniß zurückrufen. Mit jedem Tropfen Waſſer, mit unſerm 
täglichen Brode nehmen wir ſtets Kieſelerde auf; in Bohnen, 
Linſen, in den Gemüſen und ebenfalls im Waſſer nehmen wir 
Kalkerde ein und leben daher auch von Steinen. 


Kalk. 


Alle Geſteine, welche als charakteriſirenden Gemengtheil koh— 
lenſaure Kalkerde enthalten, nennt man Kalke; ſie brauſen mit 
Säure übergoſſen heftig auf, leuchten, wenn man ſie ſtark glüht 
und gehen dabei in einen ätzenden Zuſtand über. Sie ſind mehr 
oder weniger rein, haben eine größere oder geringere Dichtigkeit 
und verſchiedene Strukturverhältniſſe. 

Man unterſcheidet daher reinen Kalkſtein, der unbedeutende 
Beimengungen von Thon, Eiſenoxyd und Eiſenorydhydrat enthält; 
thonigen Kalkſtein; Mergelkalkſtein, mit einer bis zu 20 Procent 
anſteigenden Beimiſchung von Thon, welch letzterer ſich durch den 
Geruch zu erkennen giebt und beim Auflöſen des Geſteins in Säu— 
ren ungelöſt zurückbleibt; bituminöſen Kalkſtein, welcher durch 
Bitumen braun und ſchwarz gefärbt, beim Zerſchlagen und Zer— 
reiben, beim Erwärmen oder Auflöſen einen äußerſt unangenehmen 
Geruch verbreitet, weshalb man ihn auch Stinkſtein nennt. Einige 
der letzteren beſitzen einen ſo bedeutenden Gehalt von Bitumen, 
daß ſie beim Aufſtreuen auf glühende Kohlen mit heller Flamme 
brennen. Der kieslige Kalkſtein enthält viel Kieſelerde, die zu— 
zuweilen chemiſch mit dem Kalke verbunden, zuweilen ſogar als 
Feuerſtein ausgeſchieden iſt. Kalktuff iſt eine erdige, ſchwammig 
poröſe, vielfach durchlöcherte Maſſe, die in den mannigfachſten 
Formen und Geſtalten auftritt und in der eine Menge organiſcher 
Nachbildungen getroffen werden. 

Die dichten reinen Abänderungen der kohlenſauren Kalke 
widerſtehen der Verwittrung lange, doch werden ſie durch Einwir— 
kung des Froſtes nach und nach zerklüftet. Bei einem Gehalt von 


193 


Eiſen überzieht ſich die Oberfläche mit einer Haut von Eifenoryd- 
hydrat. Die bituminöſen Theile werden durch den Einfluß von 
Licht, Luft und Waſſer zerſtört und dadurch die Außenflächen ge-, 
bleicht. Die thonigen Abänderungen, welche Waſſer einſaugen, 
zerfallen an der Luft bald und bilden einen vorzüglichen Boden; 
die kiesligen dagegen widerſtehen der Verwittrung lange und lie— 
fern eine ſchlechte Ackererde. Die Kohlenſäure wirkt am zerſtörend— 
ſten auf den kohlenſauren Kalk ein. 

Beim Rothglühen entläßt der Kalk feine Kohlenſäure und es 
bleibt Kalk, den man Aetzkalk nennt, zurück; wird letzterer mit 
Waſſer beſprengt oder in Waſſer getaucht und ſchnell wieder her— 
ausgezogen, ſo dringt dies anfangs in die poröſe Maſſe ein und 
dann erfolgt die chemiſche Vereinigung des Waſſers mit dem Kalke, 
er zerfällt zu Pulver und verwandelt ſich in Kalkhydrat. Dieſe 
Umwandlung des Kalkes nennt man das Löſchen deſſelben. Wenn 
Kalkſtein, welcher Thon enthält, beim Brennen einer zu hohen 
Temperatur ausgeſetzt war, ſo findet in Folge der Bildung von 
kieſelſaurer Kalkerde ein Zuſammenſintern ſtatt und der Kalk löſcht 
ſich nicht mehr mit Waſſer; man ſagt alsdann, er ſei todt gebrannt. 
Reine Kalkerde iſt unſchmelzbar. Beim Löſchen des Kalks wird ſo 
viel Wärme frei, daß Schießpulver dadurch entzündet und Holz 
verkohlt werden kann; man hat daher vorſichtig mit gebranntem 
Kalke umzugehen, indem durch Vernachläſſigung und ſorgloſe 
Ueberwachung, bei Zutritt von Feuchtigkeit oder Regen, gar leicht 
Brände entſtehen können. In der Rothglühhitze entläßt das Hydrat 
ſein Waſſer und es bleibt reine Kalkerde zurück. 

Der Kalk iſt im Waſſer nur wenig löslich; man erhält die 
Auflöſung, die Kalkwaſſer genannt wird, durch Filtriren der Kalk— 
milch, welch letztere beim Löſchen des Kalkes entſteht. Das Kalk— 
waſſer hat einen ſchrumpfenden alkaliſchen Geſchmack, reagirt ſtark 
alkaliſch und wirkt ätzend; es fällt Kohlenſäure, Kieſelſäure, Bor— 
ſäure und Phosphorſäure aus den Auflöſungen von Alkaliſalzen 
und es gehen daraus unlösliche Kalkſalze hervor. Bleioxyd löſt es 
auf. Die Kohlenſäure abſorbirt es mit ſo großer Begierde, daß 
es ſich der Luft ausgeſetzt ſofort mit einem Häutchen von kohlen— 
ſaurem Kalke überzieht. 


Engelhardt, die Nahrung der Pflanzen. 1 3 


19% 


Der Kalk findet in der Technik eine ſehr ausgedehnte Ver: 
wendung; er dient zur Darſtellung von Kali und Natronlaugen 
bei der Seifenfabrikation; man bereitet Chlorkalk aus ihm; man 
entzieht vermittelſt deſſelben dem kohlenſauren Ammoniak die Koh— 
lenſäure; man läutert mit ihm den Runkelrübenſaft, verwendet ihn 
beim Raffiniren des Zuckers, beim Bleichen, Färben und Gerben. 
Beim Bauen aber findet er die wichtigſte Verwendung als Mörtel. 

Wenn man dem Aetzkalke den Sauerſtoff entzieht, ſo erhält 
man ein ſilberweißes Metall, Kalcium genannt, das an der Luft 
ſchnell wieder Sauerſtoff aufnimmt und wieder in Aetzkalk übergeht. 

Der kohlenſaure Kalk beſteht aus 56,29 Kalk und 43,71 Koh: 
lenſäure; er findet ſich in der Natur ungemein häufig und ſteht 
neben der Kieſelerde als die gemeinſte und verbreitetſte Erdart un— 
ſerer Erdoberfläche da. Rein kommt er im isländiſchen Doppel— 
ſpathe und im weißen Marmor vor. Auf Gängen und Lagern er— 
ſcheint er in den ſchönſten Kryſtallen und Kryſtalldruſen in den 
mannigfachſten Farbenabänderungen. Als Gebirgsformation iſt er 
weitverbreitet und ungemein mächtig. Seltner in den ältern, viel 
häufiger in den jüngern Perioden, hält er mit der Thierwelt glei— 
chen Schritt; je mehr ſich dieſe vergrößerte und veredelte, in um 
ſo größrer Quantität trat auch der kohlenſaure Kalk auf der Erde 
auf. In der Grauwacke erſcheinen die erſten mächtigen und weit 
verbreiteten Ablagerungen deſſelben. In der Bergkalk- der Zech— 
ſtein- der Muſchelkalk- der Lias- der Kreide-Periode treten uns 
die ausgebreitetſten Maſſen in einer Mächtigkeit von Tauſenden 
von Füßen entgegen. Betrachten wir nur was die Juraformation 
allein in der Schweiz und Deutſchland für Flächen bedeckt, zu wel— 
chen Höhen ſie anſteigt und in welcher Stärke ſie abgelagert iſt! 
Am äußerſten Ende des Genferſees hebt ſie an, durchzieht die 
Schweiz, erreicht im Schweizerjura faſt die Schneelinie, ſetzt über 
den Rhein hinüber, begleitet die Donau und Pegnitz und endet er 
an den Quellen des Mains. 

In großen unterirdiſchen Höhlenräumen ſtellt ſich uns der 
Kalk in den eigenthümlichſten Formen dar. Waſſer mit kohlenſau— 
rem Kalke geſchwängert durchdringen die Decken; beim Herabfallen 
von denſelben tritt die Kohlenſäure aus und es bilden ſich nun die 


195 


eigenthümlichſten groteskeſten Tropfſtein-Bauten. Große Schaalen, 
tiefe Becher, Säulen mit geaderten, gewundenen, gehöckerten 
Schnörkeln ſind in den ſonderbarſten Gruppirungen in denſelben 
vertheilt. Zu mächtigen Gebirgsſtöcken und Lagern wachſen die 4 
Travertin- und Tufflager als Gebilde der Jüngſtzeit in Italien an. 
In gewichtigen, eigenthümlich geformten Geſtalten, in Gipfeln 
und in Auswüchſen ragen die in hunderten von Meilen fortlaufen— 
den Mauern der Alpen zu den Wolken empor. Je höher dieſelben 
find und in je jüngeren Zeiträumen die Centralketten aus dem In: 
nern der Erde emporgehoben wurden, deſto größere Kalkmaſſen 
wurden zu beiden Seiten abgelagert. 

In den höhern Regionen, wo die Luft feuchter und wegen ge— 
ringerer Vegetation eine vermehrte Quantität von Kohlenſäure 
vorhanden iſt, erfolgt die Auflöſung dieſer kohlenſauren Kalkmaſſen 
im vermehrten Maße. Täglich werden durch die den Gebirgen ent— 
ſtrömenden Waſſer große Quantitäten in die Ebenen herabgetragen, 
wo ſie nach Verluſt der Kohlenſäure die Ackerkrume vermehren, oder 
ſie ſchwimmen mit denſelben fort, geben den Fiſchen ihren Schup— 
penpanzer, ihre Floſſen und ihren Knochenbau, ſchützen die weiche 
Muſchel durch eine harte und dennoch leichte Schaale, treten in 
das Meer ein und bauen auch dort theils innere Gerüſte, theils 
ſchützende Schaalen für die Bewohner deſſelben. Durch die ver— 
dunſtende Macht der Sonne wird daher das Waſſer im reinen Zu— 
ſtande aus dem Meere aufgeſogen, Winde tragen es über die Feſt— 
länder, Kohlenſäure verbündet ſich mit demſelben, um die feſten 
Granite, die feſten kohlenſauren Kalke zu benagen, ihre harten 
Körper in flüſſige Löfungen zu verſetzen und ſie den Thieren und 
Pflanzen zur Nahrung, zur Ausbildung von ſchützenden Hüllen zu 
übergeben. Im reinen Waſſer ſind unſere ſtarren Geſteine nicht 
löslich, allein fo bald ſich etwas Kohlenſäure in fie verkrochen hat, 
dann iſt ihm nichts zu feſt, dann iſt ihm nichts zu hart, es läßt 
nicht locker, bis es die Zacken abgeſtumpft, die glattiten Flächen 
rauh gemacht hat. Wir können uns davon, wie die Kohlenſäure 
ihr Zerſtörungswerk beginnt und fortſetzt, durch einen kleinen Ver— 
ſuch ein recht deutliches Bild geſtalten. Wenn wir in ein mit 
Kalkwaſſer gefülltes Glas mittelſt einer Glasröhre die aus unſerer 

13* 


196 


Lunge austretende kohlenſäurehaltige Luft einblaſen, fo wird ſich 
die waſſerhelle Flüſſigkeit trüben und eine milchweiße Farbe an: 
nehmen; ſetzen wir nun dieſes Einblaſen fort, ſo wird nach Verlauf 
nicht langer Zeit dieſe trübe Flüſſigkeit vermöge der im Ueberſchuſſe 
zugeführten Kohlenſäure wieder helle werden, oder mit anderen 
Worten der entſtandene kohlenſaure Kalk wird ſich an der vermehr— 
ten Kohlenſäure aufgelöft haben. Nehmen wir nun das Gläschen 
und erwärmen es, ſo tritt die überſchüſſige Kohlenſäure wieder aus 
und der von Neuem entſtandene einfach kohlenſaure Kalk fällt nun 
auf den Boden des Glaſes. 


Unſere geſchichteten Kalkmaſſen haben ſich größtentheils auf 
dieſe Weiſe im Verlauf vieler Millionen von Jahren gebildet und 
wie wir weiter oben bei der Abhandlung über die Ackererde bereits 
kennen lernten, wurde auf dieſe Weiſe auch ein großer Theil der— 
ſelben hervorgerufen. 


Ungemein wichtig iſt der Einfluß, welchen der kohlenſaure 
alk auf das Leben der Pflanzen und Thiere übt. Betrachten wir 
die geſchichteten Kalkniederlagen genauer, ſo finden wir in ihnen 
die Grabſtätten ungemein verbreiteter Thiergenerationen. Nicht 
allein nach jeder großen Erdrevolution, auch in den ruhigeren Zeit— 
verläufen ſanken die abgeſtorbenen Individuen auf den Meeresgrund 
nieder, wo ſie von mit kohlenſaurem Kalk geſchwängertem Waſſer 
umgeben waren. In dem Verhältniſſe, in welchem ſich die orga— 
niſche Materie verflüchtigte oder andere Verbindungen einging, 
ſetzte ſich der kohlenſaure Kalk an ihre Stelle, wodurch ihre Geſtalt 
ſo deutlich erhalten wurde, daß wir die Thiere jetzt noch ſo genau 
zu beſtimmen im Stande ſind, als die heute noch lebenden. 


Bei weitem wichtiger iſt jedoch die Beziehung des kohlenſauren 
Kalks zur jetzigen noch lebenden Schöpfung. Eine Kleinigkeit flüſ— 
ſiger Kalkerde mit etwas Gallerte vermiſcht giebt den Lebenskeim zu 
den ſchön geſtalteten eigenthümlich zuſammengehäuften Korallen 
ab. Kalk iſt es, welcher das Schaalthier in die ſtürmiſch bewegte 
See ſicher hinausträgt. Von Kalk iſt das Haus conſtruirt, welches 


die Schnecke auf ihrem Rücken trägt und in welches ſie ſich bei 


Stürmen und Gefahren zurückzieht. Kalk iſt es, welchem der Fiſch 


197 


ſein Grätengerüſte, ſeine Vertheidigungswerkzeuge, ſeine Schuppen— 
bekleidung, ſeine Segelſtangen verdankt. Kalk iſt es, welcher die 
weichen fleiſchigen Maſſen der Schildkröten, der Krokodile vor 
Zerſtörung ſchützt. Im Kalke birgt der Vogel nicht allein ſein 
Junges, durch ihn wird es ihm auch möglich die Lüfte zu durch— 
ſegeln und ſich auf dem Erdboden zu bewegen, denn ſein Ei, das 
innere Gerüſte ſeiner Flügel, ſeiner Füße und die übrigen Knochen 
ſind aus Kalk erbaut; damit ſie aber wie das Knochengerüſte der 
Säugethiere und des Menſchen mehr Feſtigkeit erlangen, wurde bei 
den höhern Thierklaſſen der Kalk größtentheils an Phosphorſäure 
gebunden. Für die ungeheure Zahl der Thierindividuen liefert da— 
her der im Waſſer gelöſte doppelkohlenſaure Kalk das Material, 
welches nach deren Abſterben der Erde wieder anheimfällt. Wie 
in der Jetztzeit durch die Polypen, welche mit ihren langen Fang— 
armen einen weiten Umkreis beherrſchen, um dem Meerwaſſer ja 
kein Finzelchen Kalk, welches in Kohlenſäure gelöſt iſt, zu belaſſen, 
um dadurch Riffe, Inſeln, ja große Länderflächen aufzubauen, ſo 
haben in den früheren Schöpfungsepochen in den jedesmaligen 
Oceanen durch die vereinte Thätigkeit vieler Milliarden ſichtbarer 
und unſichtbarer Muſcheln ſich die überaus mächtigen Kreidefelſen 
conſtruirt, die mit ihren weißen, zerriſſenen und gerundeten ſchroff 
aufſteigenden Wänden nicht allein große Küſtengebiete beherrſchen, 
ſondern in ſanfter Verflächung auch große Landſtriche bilden. 

Wenn wir nun auch durch das Waſſer, welches wir täglich 
genießen, einen großen Theil der Kalkerde, die wir zum Aufbaue 
unſers Knochengerüſtes gebrauchen, zugeführt bekommen, ſo reicht 
dies doch lange noch nicht aus, ſondern die Pflanzen ſind es, welche 
uns mit derſelben zugleich auch die beim Aufbaue unbedingt nöthige 
Phosphorſäure in größeren Mengeverhältniſſen zuführen; denn die 
Kalkerde iſt nicht allein in den Knochen, ſie iſt auch im Fleiſche und 
Blute zu Hauſe und hat hier geheimnißvolle Funktionen zu beſor— 
gen. Wenn auch die meiſten Pflanzen kohlenſauren Kalk in ſich 
aufnehmen, ſo iſt dies in Bezug auf die Quantität doch ſehr ver— 
ſchieden. Die Erbſen, die Bohnen, der Klee enthalten weit mehr 
als die Cerealien; ebenſo ſind die Weinreben, die Mandeln, die 
Kakaobohnen, der Hopfen, der Taback, der Flachs, die Oelſaamen 


198 


reichlicher damit verſorgt. Nicht unbedeutend ift der Gehalt der 
Bäume an kohlenſaurer Kalkerde und enthält die Rinde bei weitem 
mehr, als das Holz; bei ihnen hat ſogar die Jahreszeit einen mäch— 
tigen Einfluß auf dieſen Gehalt und im Herbſte findet man den— 
ſelben doppelt ſo hoch wie im Frühjahre. Die Nadelhölzer enthal— 
ten aber auch mehr Kalk, als die Laubhölzer und nur das Kiefernholz 
macht eine Ausnahme davon, auch nimmt der Gehalt von der 
Wurzel nach dem Gipfel hin ab, ſo daß die Blätter am wenigſten 
davon enthalten. 


Aus dem allem können wir auf das Deutlichſte entnehmen, 
was der kohlenſaure Kalk für ein äußerſt wichtiger Beſtandtheil 
unſerer Ackererde iſt, denn er giebt der Pflanze zugleich mit den 
übrigen Erden nicht allein das Material zur Befeſtigung der Wur— 
zeln, er liefert ihnen auch die durchaus nothwendige Nahrung. 
Ackererden, die daher nur geringe Antheile dieſer Erdart enthalten 
3: B. verſchiedene Sande, müſſen dieſelbe zugeführt bekommen. 
Man bezweckt dieſes am beſten durch Mergel, wobei man dem Bo— 
den zugleich auch noch Thonerde übergiebt. Der Mergel iſt daher, 
abgeſehen von ſeinen übrigen ſchätzbaren Eigenſchaften als Sauger, 
wie wir weiter unten ſehen werden, zugleich auch als Dünger zu 
betrachten und wird als ſolcher noch lange nicht genug verwendet, 
wenigſtens ſollte dies im Großen bei der Waldbewirthſchaftung 
nach einem großen Maßitabe geſchehen. 


Ganze Flächen unfruchtbaren Sandes, auf denen ſich kaum 
einzelne ſtruppige Kiefern zu ernähren vermögen, ſtellen ſich gleich— 
ſam als der Ruin einer Gegend dar; wie üppig würde ſich auf 
ihnen die Vegetation geſtalten, wie ſich der Zuwachs ſteigern, wenn 
man dieſe Flächen mergelte, um dem Boden hierdurch die nöthige 
Kalkerde zu verſchaffen, welche durch die fortgeſetzte Bebauung ver— 
loren ging. Wir ſahen ſo eben: daß die Nadelhölzer mehr Kalk 
als die Laubhölzer enthalten: daß hiervon die Kiefer aber eine 
Ausnahme mache; wir finden dies in der Natur genau beſtätigt. 
Wenn kein anderer Baum auf einer ausgeſogenen Sandfläche fort— 
kommt, dann erſcheint die Kiefer. Auf dem dürrſten kieſelreichſten 
Boden erhält ſie ſich, ſo lange derſelbe noch etwas Kalk in ſeiner 


e 


199 


Miſchung hat; fehlt aber auch dieſer, dann vermag fie ihren 
Stamm nicht mehr emporſteigen zu laſſen: verkrüppelt bleibt ſie 
am Boden liegen, eine Menge ganz ſchwacher Triebe ſchickt ſie, 
gleichſam als Fangarme, nach allen Seiten, um ſo gleichſam in 
der Luft die ihr fehlende Nahrung zu ſuchen, ſie hat Heißhunger 
nach Kalk. Liegen ſolch ausgemergelte Sande an Abhängen, wo 
die Gewalt des Regens, der Waſſer, des Froſtes Bänke ablöſt, 
die zerfallend von Neuem loſe Sande bilden, ſo gewahrt man auf 
dieſem friſchen Boden ungemein ſchnell das Herauskommen von 
Eichen und Fichten, die Kiefer ſelbſt aber treibt in einem Jahre 
Schüſſe von einer Kraft und Fülle, die ſie auf dem daneben liegen— 
den ausgemergelten Boden in 20 Jahren nicht erlangt haben würde. 


Die Aſchenmengen, welche der Wald dem Boden entnimmt, 
ſind im Vergleiche zu denen, welche die Culturgewächſe für ſich in 
Anſpruch nehmen, nur gering und zeigen im Allgemeinen: daß es 
nicht nöthig ſei, bei der Waldwirthſchaft einen Wechſel der Holz— 
arten eintreten zu laſſen; dieſer macht ſich vielmehr von ſelbſt und 
ſo ſehen wir denn immer die Kiefer mit ihrem geringen Kalkgehalte 
als die Nachtreterin der edlern Holzarten, ſie erſcheint erſt dann, 
wenn die übrigen nicht mehr gedeihen. 


Mit wenig Koſten wären große Sandflächen mit Mergeln, die 
reich an Kalkerde ſind, zu überführen; was würden dadurch für 
günſtige Reſultate erzielt, wie würde der Zuwachs geſteigert wer— 
den! Die Herren Forſtmänner mögen dies ſehr beherzigen; denn 
einem armen Sandboden entzieht die Waldwirthſchaft in einer 
1000jährigen Zeitperiode gegen 300 Entr. Kalk pro Acker. 


Aber auch auf unſern Feldern erlangen wir durch Ueber— 
ſtreuungen mit gebranntem Kalke ganz vorzügliche Erndteergebniſſe, 
ſelbſt dann, wenn eine Ackererde an ſich hinlängliche Quantitäten 
von kohlenſaurem Kalke enthält. Hier wirkt er dann aber nicht 
unmittelbar als Nahrungsmittel, ſondern als Aufſchließer eines 
oder mehrerer derſelben. Namentlich wirkt er in dieſem Zuſtande 
als Hervorrufer von Kali, Natron und löslicher Kieſelerde. Der 
Aetzkalk geht nämlich bei Anweſenheit von Waſſer mit den Silica— 
ten neue Verbindungen ein und bildet Kalkſilicate, während die 


200 


Alkalien frei werden und dann ausgezeichnet auf den Pflanzen⸗ 
wachsthum wirken ). | 
Nachdem wir nun den kohlenſauren Kalk und deſſen günftige 
Einwirkung auf die Vegetabilien kennen gelernt haben, müſſen wir 
noch einen Augenblick bei einer andern Verbindung dieſer Baſe 
ſtehen bleiben: es iſt die mit Schwefelſäure zu Gyps. Auf eigent- 
lichem Gypsboden, oder wo dieſes Geſtein in der Mengung vor— 
herrſcht, finden wir in der Regel nur eine kümmerliche Vegetation; 
dagegen thut der Gyps als Düngemittel oft wahre Wunder. Allein 
er erweiſt ſich bei der Landwirthſchaft nur inſofern von Nutzen, als 
er bei der freiwilligen Zerſetzung des vegetabiliſchen Düngers mit 
ammoniakaliſchen Stoffen vermengt eine doppelte Zerſetzung herbei— 
führt, wie von Fellenberg ſehr einſichtsvoll entwickelt wurde. 
Nach dieſer Zerſetzung athmen die Sauger das gebildete ſchwefel— 
ſaure Ammoniak auf und geben es je nach Bedarf an die Pflanzen 
ab; der Gyps aber wird zu kohlenſaurem Kalke und dieſer kann 
beim Fehlen in dem Boden dann als eigentliches Düngemittel an⸗ 
geſehen werden. Wo der kohlenſaure Kalk nicht nothwendig iſt, 
thut jedes Salz, deſſen Säure mit dem Ammoniak eine bei gewöhn— 
licher Temperatur nicht flüchtige Verbindung eingeht, dieſelben 
Dienſte. Der Gyps wirkt alſo in der Weiſe vorſorgend, daß ſich 
das im Miſte als ſo wichtiger Düngſtoff enthaltene Ammoniak 
nicht verflüchtige. | 


) Der kohlenſaure Kalk verbindet ſich auch mit dem äußerſt wichtigen 
Pflanzennahrungsmittel, dem Humus, und macht ihn dadurch in Waſſer löslich 
und den Pflanzen zugänglich. 


Thonerde. 


Die Thonerde findet ſich in der Natur mehr oder weniger 
rein und in Verbindung mit Kieſelerde im Thone und in vielen 
Mineralien z. B. im Feldſpathe, wo fie im Granit im Porphyre 
u. ſ. w. in großer Menge anzutreffen iſt. Mit Phosphorſäure ver— 
bunden findet ſie ſich im Wavellit. Sie beſteht aus einem Me— 
talle, Aluminium genannt, und aus Sauerſtoff. In neuerer Zeit 
hat man die Darſtellung dieſes Metalls in größeren Mengen ver— 
ſucht; es iſt dem Silber ſehr gleich und würde bei ſeinen ausge— 
zeichneten Eigenſchaften vielleicht das Platin übertreffen, wenn 
erſt Wege aufgefunden ſind daſſelbe billig in großen Quantitäten 
herzuſtellen; bei der großartigen Verbreitung der Thonerde würde 
dadurch ein nicht zu berechnender Umſchwung in der Induſtrie ein— 
treten. Die Thonerde iſt das einzige Oryd des Aluminiums und 
man nimmt, da ſie dieſelbe Kryſtallform wie das Eifenoryd hat, 
an: daß ſie genau ſo wie jenes zuſammengeſetzt ſei: daß ſie alſo 
2 Atome Metall und 3 Atome Sauerſtoff enthalte. Rein und nur 
mit einer Spur von Farbſtoff vereinigt findet ſich die Thonerde 
im Sapphir und Rubin, die dem Diamante bezüglich der Härte 
nur wenig nachſtehen. Ein Hydrat der Thonerde erhält man aus 
Alaun. | 

Die Thonerde ift ein weißes, geſchmackloſes Pulver. In der 
äußerſt heftigen Hitze des Knallgasgebläſes ſchmilzt ſie zu einem 
farbeloſen Glaſe. Iſt ſie geglüht, dann löſt ſie ſich in Säuren nur 
ſehr ſchwer. Sie zieht das Waſſer mit großer Begierde an und 
nimmt in feuchter Luft 15 Waſſer aus der Atmoſphäre auf. Das 
Thonerdehydrat iſt im feuchten Zuſtande gallertartig und durch— 


W 


20: 


1 


ſcheinend wie Stärkekleiſter; beim Trocknen zeigt es ſich wie eine 
gummiartige Maſſe. Im Waſſer iſt es vollkommen unlöslich, aber 
in Säuren und den feuerbeſtändigen Alkalien iſt es leicht löslich. 
Für organiſche Stoffe hat das Thonerdehydrat eine ſtarke An— 
ziehungskraft, es zieht dieſelben aus Waſſer an und bemächtigt 
ſich der in demſelben gelöſten Farbeſtoffe. Dieſe Eigenſchaft macht 
die Thonerde in der Fabrikation von Lackfarben und in den Fär— 
bereien zum Färben von Zeugen äußerſt wichtig. Mit Kieſelerde 
bildet ſie eine für die Landwirthſchaft und die Gewerbe ungemein 
wichtige Verbindung, den Thon. Als reine Abänderungen unter— 
ſcheiden wir den Porzellan- und Pfeifenthon; iſt Sand und Eiſen— 
oxyd beigemiſcht, fo entſteht Lehm; bei einem Zuſatze von Kalk 
aber Mergel. Miſcht man Sand mit Thon und brennt das Ge— 
menge, ſo erhält man im reineren Zuſtande Steingut, ſonſt Töpfer— 
waaren und Ziegeln. Mengt man dem weißen Thon etwas Kalk 
bei, ſo bekommt man Porzellan. Der Thonſchiefer, die Walkerde, 
der Smirgel enthalten viel Thonerde und ebenſo der Alaun, wes— 
halb man die Thonerde auch Alaunerde nennt. 

Die Thonerde bildet einen außerordentlich werthvollen Ge— 


mengtheil der Ackererde und obſchon dieſelbe keinen directen Ein- 


fluß auf die Pflanzenernährung übt, alſo kein eigentliches Nah— 
rungsmittel für dieſelben abgiebt, indem ſie nicht wie die Kieſel— 
und Kalkerde in den Aſchen der Pflanzen enthalten iſt, dies 
übrigens auch nicht möglich wäre, indem ſie weder im reinen, noch 
im kohlenſäurehaltigen Waſſer löslich iſt, ſo würden dennoch 
ſchlechte Erndten erzielt werden, fehlte ſie dem Boden. Sie ſtellt 
ſich als einer der kräftigſten Sauger dar, und genau ſo wie ſie ſich 
der Farbeſtoffe in der Färberei bemächtigt und ſie aus Flüſſigkeiten 
an ſich ſaugt, ſo verfährt ſie mit den flüſſigen Nahrungsbeſtand— 
theilen der Pflanzen; fie ſpeichert daher Sauerſtoff, Kohlenſäure, 
Ammoniak, die ihr durch die Luft, die ihr durch den Regen und 
ſonſtige Waſſer, die ihr durch den Miſt zugeführt werden, in ſich 
auf und tritt ſie zu der Zeit, wo es die Pflanzen nöthig haben, 
an dieſe ab; ſie verbündet ſich zu dieſem Zwecke mit dem Humus, 
dem Eifenoryde und der Kohle, welche dieſelben Eigenſchaften bes 
ſitzen. Bei dieſer unausgeſetzten Aufnahme und den dabei ſtatt— 


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203 


findenden chemischen Umänderungen fefter Körper in gasförmige 
wird eine bedeutende Menge von Wärme frei, woher im gut be— 
düngten und aufgeloderten Boden im Sommer, bei einer äußern 
Lufttemperatur von 25 Grad, das Thermometer 24 Grad Wärme 
mehr nachweiſt; da aber die Vegetation eine bedeutende Wärme 
nöthig und da ein Boden um ſo mehr Sauerſtoff, Kohlenſäure 
und Ammoniak aus der Luft und aus dem Regen aufſaugen wird, 
je lockerer er iſt, ſo verſäume man es ja nicht durch gute Acker— 
geräthſchaften die Auflockerung ſo weit zu treiben, als es nur immer 
in der Möglichkeit liegt und dies ſo oft zu wiederholen, als der 
Boden wieder feſt geworden iſt oder es die Pflanzen bezüglich ihres 
Heranwachſens vertragen. Die Landwirthe kennen die Eigen— 
ſchaften ihrer Bodengattungen recht gut, fie nennen den Kieſel- fte 
nennen den Kalkboden, welcher wenig Thonerde enthält, einen 
kalten. In Folge dieſer Eigenſchaft iſt er unfruchtbar, die Düng— 
ſtoffe werden bei geringer Bodenwärme nicht nur nicht zerſetzt, ſon— 
dern da ihnen die Sauger fehlen, kann er auch keine Nahrungstheile 
aus der Luft aufnehmen; da ihm überdies, im Bezuge hierauf, bei 
heißer Witterung auch die Feuchtigkeit fehlt, indem die Thonerde 
auch ein vorzüglicher Waſſerſauger iſt, ſo werden in der trocknen 
Jahreszeit die ſpärlich erwachſenen Früchte auch noch verdorren. 

Der Mergel, welcher Kalk- und Thonerde zugleich in ſeiner 
Mengung enthält, thut daher auf ſolche Bodenarten gebracht 
Wunder, indem er die chemiſche Thätigkeit des Bodens erweckt und 
befördert, indem er Sauger zuführt, ohne welche die Landwirth— 
ſchaft nicht beſtehen könnte. Schon Gasparin hebt die Fähig— 
keit des Thonbodens hervor, ammoniakaliſche Gaſe aufzufaugen 
und daraus erklärt ſich die Beobachtung der Landwirthe beim 
Wiederanbau eiſenorydhaltiger, längere Zeit unbenutzt gelegener 
und dann wieder angebauter thoniger Boden, welche während 
ihres Ruhens eine Menge von Sauerſtoff, Kohlenſäure und Am— 
moniak aufgeſogen und in ſich feſtgehalten haben; gerade dieſe 
ſind es, die dann außerdem durch die Zerſetzung von Silicaten 
während der Ruhezeit auch noch Kali und Natron, ſo wie lösliche 
Kieſelerde im Ueberfluſſe aufſpeicherten und auch durch dieſe ſo 
günſtig auf die Erndteergebniſſe wirken. 


20% 


Jacquelin hat durch Verſuche nachgewieſen: daß die kohlen— 
ſauren Salze der Erden- und Metalloryde, ſelbſt bei nur 20° R. 
und bei gewöhnlichem Luftdrucke, unter dem Einfluſſe eines Stro— 
mes von Waſſerdampf oder auch nur von feuchter Luft Kohlen: 
ſäure ausgeben. Er ſchreibt dieſem Umſtande die wohlthätigen 
Einflüſſe des Mergelns bei der Einwirkung ſtarker Sonnen— 
wärme und der Anweſenheit von Luft zu. Der Mergel wird ſich 
dabei erwärmen, erſt Waſſer, dann aber Kohlenſäure ausgeben, 
wodurch alſo eine reichliche Quelle von Kohlenſäure, deren Kohlen— 
ſtoff die Pflanzen in ihr Gewebe aufnehmen, entſteht. Er folgert: 
daß die beſtändige Abgabe im Sommer dieſe kohlenſauren Verbin— 
dungen — die Kalke und Mergel — etwas baſiſch mache; im 
Winter aber, wo die Temperatur niedrig ſteht, würden ſie ihren 
vollen Kohlenſäure-Gehalt wieder aufnehmen. Auf dieſe Weiſe 


ſollen fie die Vorrathskammern von Kohlenſäure für den Som- 


mer bilden. | 

Unbedingt ift jedoch die Eigenschaft der Thonerde, gasförmige 
und wäßrige Flüſſigkeiten in ſo bedeutender Menge aufzuſaugen, 
von größerer Wichtigkeit für den Pflanzenernährungs-Prozeß und 
deshalb das Mergeln kalter unfruchtbarer Felder von außerordent— 
licher Tragweite für die Landwirthſchaft. 

Auch im gebrannten Thone ftellt ſich uns ein ausgezeichnetes 
Düngmittel dar; um ſeine Wirkung in dieſer Beziehung hervor— 
zuheben, müſſen wir auf ſeine Zuſammenſetzung zurückgehen. Wie 
bekannt gehen unſere Thone aus der Zerſetzung feldſpathhaltiger 
Geſteine hervor; fie find alſo mit unzerſetzten Feldſpath-Glimmer— 
Granit-Porphyrſtückchen u. ſ. w. gemengt und enthalten außer: 


dem noch Kalk- und Bittererde, ſo wie Eiſenoxyd. Die Kalkerde 


iſt oft in ſo reichlicher Menge in ihm enthalten, daß er ſich zum 
Ziegelbrennen und zur Darſtellung von Töpferwaaren nicht be— 
nutzen läßt. Da nun faſt alle Bodenarten Kalk, Bittererde, Eiſen— 
oxyd, Kieſelerde enthalten, ſo darf die günſtige Wirkung des ge— 
brannten Thons nicht in ihnen geſucht werden, es iſt vielmehr das 
Kali, das Natron und die lösliche Kieſelerde des noch unzerſetzt 
in ihm befindlichen Feldſpathes, welche die Befruchtung bewirken. 
Wir ſahen weiter oben: daß die Alkalien und die Kieſelerde durch 


205 


kohlenſäurehaltiges Waſſer bedingt werde und find es daher auch 
lediglich und allein die Silicate, welche die unerſchöpfliche Quelle 
des Kalis bilden. Wenn dem Boden durch langjährige Bebauung 
dieſe Quelle verſtopft wird, ſo ergiebt ſich als Reſultat — ein un- 
fruchtbarer Acker; durch das Brachen gab man dem Felde in frühe— 
rer Zeit Veranlaſſung ſich dieſes Nahrungsmittel wieder zu ver— 
ſchaffen; das was man vermittelſt deſſelben aber erſt im Verlaufe 
eines ganzen Jahres erlangt, erzielt man durch das Brennen des 
Thones in einem Tage und wird dadurch nicht allein die Auflös— 
lichkeit der Alkalien befördert, ſondern auch die Saugfähigkeit 
vermehrt. 

Wenn der Kalk im Thone durch doppelte Zerſetzung und Bil— 
dung von Kalkſilicat und kohlenſaurem Kalk die unlöslichen Sili— 
cate von Kali und Natron löslich macht, ſo muß ein Zuſatz von 
Kalk zu einem an dieſem Stoffe armen Thon die Menge des lös— 
lichen Kalis und Natrons erhöhen. Es iſt daher eine Mengung 
von Thon und Kalk vor dem Brennen ſehr anzurathen, denn Pro— 
feſſor Fuchs fand: daß wenn mäßig gebrannter und gepulverter 
Feldſpath mit gebranntem Kalke und Waſſer einige Zeit gekocht 
oder nur digerirt werde, hierbei ungemein reichliche Mengen von 
Kali ihre Freiheit erlangen, ſo daß man dieſen Prozeß zur Vor— 
ſtellung von Kali im Großen wählen könne. Er zeigte dabei: daß 
ſich ein unlösliches Kaliſilicat und lösliches kohlenſaures Kali 
bilde. 


Bittererde. 


Die Bittererde, ein ſehr lockres zartes weißes Pulver, iſt vor 
dem Knallgasgebläſe etwas ſchmelzbar. Wenn man Chlormagne— 
ſium mit Natrium in einer Röhre von hartem Glaſe ſchmilzt, ſo 


verbindet ſich das Natronmetall unter heftigem Erglühen mit dem 


Chlor und beim Behandeln mit Waſſer bleibt das Magneſium in 
kleinen Kügelchen zurück, welche unter einer Decke von Chlor— 
natrium zu größeren Kugeln unter Anwendung gelinder Rothglüh— 
hitze zuſammengeſchmolzen werden können. 

Das Magneſium iſt von ſilberweißer Farbe, läßt ſich hämmern 
und ſchmilzt in der Rothglühhitze. In feuchter Luft oxydirt es an 
der Oberfläche, in trockner nicht. In ſtärkerer Rothglühhitze ver— 
brennt es unter Ausgabe eines großen Glanzes zu Bittererde. 

Mit Waſſer verbindet ſich die Bittererde zu einem Hydrate, 
jedoch lange nicht ſo begierig, als die Kalkerde. Das natürliche 
Hydrat, mehr noch als das künſtliche, zeichnet ſich durch einen Perl— 
mutterglanz aus und iſt fettig anzufühlen, wie der Asbeſt, Speck— 
ſtein, Talk ſo deutlich nachweiſt. Im kalten Waſſer löſt ſich die 
Bittererde beſſer, als im heißen; 5142 Theile Waſſer von 15° 
nehmen 1 Theil auf, während 36000 Theile heißes Waſſer erſt die— 
ſelbe Wirkung thun. Meiſtens haben die Bittererdenſalze einen 
bittern Geſchmack und bekamen dadurch ihre Benennung. Wie wir 
gleich ſehen werden ſind Verbindungen von kohlenſaurer Bittererde 
und kohlenſauren Kalken in der Natur als Bitterſpath oder Dolo— 
mite ſehr verbreitet. Die kryſtalliſirte Verbindung, welche gleiche 
Aequivalente beider Salze enthält, hat die Kryſtallformen des 
Kalkſpathes und wird Bitterſpath genannt. Die Dolomite löſen 


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207 


ſich ebenfalls in Kohlenſäure enthaltendem Waſſer auf, jedoch nicht 
ſo leicht als die kohlenſauren Kalke; wenn daher Bitterkalk und 
kohlenſaurer Kalk mit einander gemengt ſind, und es wirkt kohlen— 
ſäurehaltiges Waſſer auf das Gemenge, ſo löſt ſich das letztere 
früher auf und es bleibt der Dolomit als eine poxröſe Maſſe zurück. 

Wenn auch die Talkerde nicht fo verbreitet wie die Thonerde 
iſt, ſo findet ſie ſich doch in einer Menge von Mineralien und in 
vielen Gebirgsarten; wer kennt nicht die eigenthümlich gebildeten, 
in den groteskeſten Felsmaſſen erſcheinenden, ſchroffen, überhängen— 
den, nach allen Richtungen durchlöcherten Dolomit-Maſſen, die 
in den Alpen ſoweit verbreitet, aber auch in den älteren Formatio— 
nen z. B. im Zechſteine fo vielfach zu treffen find? Wie die Thon— 
erde allein, ſo bildet die Talkerde in Miſchung mit jener einen ge— 
ſchätzten Edelſtein, den Spinell, deſſen hochrothe Abänderungen 
unter dem Namen Rubin-Spinell theuer bezahlt werden. Außerdem 
ſetzt ſie den Pinit, Sapphirin, Chryſolith, Bitterſpath, Beilſtein, 
Boracit, Schörl, Dichroit, Broacit, Gabbro mit zufammen. In 
größeren Maſſen abgelagert findet ſie ſich als Talk, Speckſtein, 
Meerſchaum, Serpentin. Außerdem im Syenite, Grünſteine, Au— 
gitfelſe, Augitporphyre, Dolerite, Baſalte, Melaphyre, im Grün— 
ſteine, im Dolomite, in vielen kohlenſauren Kalken und andern 
Gebirgsarten. 

Schon Giobert ſtellte die Behauptung auf: daß kohlenſaure 
Magneſia auf die Vegetation einen wohlthätigen Einfluß übe und 
daß ſie den kohlenſauren Kalk erſetze. Wenn, wie wir weiter oben 
beim Natron bereits ausſprachen, ſolch gegenſeitige Erſetzungen 
beim Pflanzenernährungsprozeſſe auch nicht ſtattfinden, indem ſie 
der Natur und deren ſo wohl geordneten Einrichtungen vollkommen 
widerſprechen, ſo ſind die Einflüſſe der kohlenſauren Bittererde auf 
die Gewächſe doch um deshalb nicht zu verkennen, weil ſie wie be— 
reits ausgeſprochen einen weſentlichen Beſtandtheil ſo vieler und 
namentlich der Aſchen der Nahrungspflanzen bilden. Durch ſie ge— 
langen ſie in den thieriſchen Leib und ſchon die wichtigen Funktionen 
der Bittererde im Fleiſche und Blute weiſen dahin: daß ihre An— 
weſenheit in den Pflanzen durchaus nothwendig ſei. 

Die Verſuche des Fürſten von Salm-Horſtmar haben dies 


208 


nicht allein, ſondern auch überdies noch nachgewieſen: daß die 
Talkerde die Kalkerde beim Vegetationsprozeſſe nicht zu vertreten 
vermöge. Eine Haferpflanze, ohne Kalkerde in einer Bodenmiſchung, 
die ſonſt allen Anforderungen des Pflanzenwuchſes entſprach, ge— 
zogen, ſtarb, ehs ſie das zweite Blatt entwickelt hatte, obſchon 
Talkerde genug vorhanden war; dagegen blieb dieſelbe ohne letztere 
ſo ſchwach und ſchmächtig, daß ſie ihren Stängel nicht zu erheben 
vermochte; die Farbe war abnorm und die Blüthenbildung war ſo 
verändert, daß die verkrüppelten Blüthen ohne Frucht blieben. 
Wenn die Bittererde auch nicht in größerer Quantität, ſo iſt ſie 
doch mit der Kalkerde in faſt allen Bodenarten enthalten, denn ihre 
Zuführung in dieſelben geſchieht auf dieſelbe Weiſe wie von jener 
und ſogar durch den menſchlichen und thieriſchen Dünger wird ſie 
den Feldern und Wieſen wieder zurückgegeben. Nicht zu verkennen 
iſt jedoch: daß der rationelle Oeconom dennoch ein aufmerkſames 
Auge bezüglich des ausreichenden Vorhandenſeins dieſer Erde in 
ſeinem Boden haben müſſe, denn da, wie ausgeſprochen, ſie einen 
weſentlichen Beſtandtheil einer großen Menge von Cerealien ab— 
giebt, da ſie in den Oelfrüchten, den Rüben, den Bohnen, dem 
Maiſe über 9, im Heue aber etwas weniger beträgt, ſo können 
wir uns nicht allein erklären, warum Raps und Rüben ſo vortreff— 
lich auf gutem dolomitiſchen Boden gedeihen, ſondern erhalten zu— 
gleich darüber Aufſchluß: warum das Düngeſalz aus Salinen, wel— 
ches außer Gyps und andern Salzen viel ſchwefelſaure Bittererde 
enthält, ſo günſtig auf lange nicht bedüngte Wieſen einwirkt. Der 
vorſorgende Landwirth verſehe daher ſeine Felder und Wieſen, 
namentlich in Gegenden wo Sandboden vorherrſcht, auch zeitweiſe 
vermittelſt des Düngeſalzes aus Salinen mit dieſem wichtigen 
Nahrungsmittel. Ein Zuviel kann beim Beſtreuen eines Morgens 
mit 2 Ente. deſſelben dem Boden nicht übergeben werden; wenn da— 
gegen ein ſolcher Mangel daran leidet, ſo wird er — ſind auch alle 
andern Nahrungsmittel in reichlichſter Fülle in ihm enthalten — 
dennoch ſchlechte Erndten bekommen. Mit dem Düngeſalze aus den 
Salinen übergiebt man dem Boden zugleich aber noch andere wich— 
tige Düngſtoffe z. B. Natron, Schwefelſäure u. ſ. w. 


Eiſen. 


Einer der wichtigſten Grundſtoffe, welcher in allen Gefteing- 
arten in größeren oder kleineren geſonderten Quantitäten, in 
Lagern, auf Gängen und in Stöcken, oder als Gemengtheil in 
verſchiedenen Verbindungen mit Sauerſtoff, mit Chlor, mit Koh— 
len⸗ Phosphor- und Kieſelſäure vorkommt, iſt das Eiſen. Da 
wo das Eiſen im gewöhnlichen Leben uns bei jeder Verrichtung 
durch die Hände läuft, wo wir mit ihm im Dampfwagen die Luft, 
im Dampfſchiffe das Waſſer durchfliegen, wo es der Träger ſämmt— 
licher Arbeiten iſt, ohne deſſen Vorhandenſein die menſchliche Thätig— 
keit ſtille ſtehen würde, da dringt ſich uns deſſen Unentbehrlichkeit 
in jedem Augenblicke auf; da aber, wo es noch ſo geheimnißvoll 
und doch fo außerordentlich kräftig wirkt, wie im Pflanzen- und 
Thierreiche, da iſt es noch zu wenig beachtet. 

Bei der allgemeinen Verwendung, welche das Eiſen im ge— 
wöhnlichen Leben erlangt hat, iſt es gleichſam das Wetterglas der 
Bodenbebauung und Induſtrie, alſo der Wohlfahrt einzelner 
Staaten. Je großartiger die Quantitäten find, die ein Staat dar- 
ſtellt und verbraucht, deſto rationeller wird deſſen Landwirthſchaft, 
deſto umfangreicher wird deſſen Bergbau, deſto vollkommner und 
großartiger deſſen Induſtrie betrieben werden. Dabei werden ſich 
die Bewohner aber auch ungemein wohl befinden und der Staat 
ſelbſt eine große Macht entfalten. An kein anderes Metall iſt die 
Gewinnung der nothwendigſten Lebensbedingungen ſo innig gebun— 
den, ſind die Verkehrs-Erleichterungen und Vertheidigungsmittel 
ſo feſt geknüpft als an das Eiſen; was wäre aber auch Ackerbau, 
Bergbau, Handel, was Induſtrie und Fabrikweſen ohne dieſes 


Engelhardt, die Nahrung der nn 14 


210 


Metall? Die Entwicklung der Kultur und die Ausbildung der 
civiliſirten Völker hängt von dem Eiſen ab, ohne daſſelbe wäre 
Volksglück und Wohlſtand ein Wahn. Der Verbrauch des Eiſens 
iſt daher der Gradmeſſer der Civiliſation; je höher derſelbe in 
einem Staate ſteht, deſto mehr wird ſich die geiſtige Entwicklung 
auch heben. N 

Die Weisheit unſers Schöpfers kann daher bezüglich der 
Verbreitung dieſes wichtigen Metalls nicht ſehr genug bewundert 
werden; denn allgemeiner und reichlicher wird kein anderes Erz 
getroffen und keinem Lande iſt es vorenthalten. Wir wiſſen: daß 
das Eiſenoxyd, Eiſenorydul, Eiſenorydorydul und Eiſenorydhydrat 
nicht allein einen in den meiſten Mineralien enthaltenen chemiſchen 
Beſtandtheil abgiebt, ſondern daß das Eiſen in Verbindung mit 
Schwefel zu Schwefelkies einen durch alle Gebirgsformationen 
laufenden Begleiter faſt aller Geſteine ausmacht. Als Meteor— 
eiſen fällt es in größern oder kleineren Stücken aus der Atmoſphäre 
auf die Erde. Als Chloreiſen ſteigt es in Geſellſchaft von Gaſen 
aus den Kratern und Spalten thätiger Feuerſpeier und wandelt 
ſich dabei in die ſchönſten Kryſtallgruppirungen von Eiſenglanz 
um. Stets führen uns die Quellen kohlenſaures Eiſenorydul aus 
dem Erdinnern zu, was ſich an der Oberfläche in Eiſenorydhydrat 
verwandelt und in ſumpfigen Gegenden mit Phosphorſäure Raſen— 
eiſenſtein bildet. 

Was aber die eigentlichen Eiſenerze betrifft, aus denen das 
nützlichſte aller Metalle dargeſtellt wird, ſo gehen dieſelben in zwei 
weſentlich von einander verſchiedenen Reihen und zwar als Oxyd— 
orydule und Oxyde und als kohlenſaure Eiſenoxydule und Eiſen— 
orydhydrate durch die meiſten Gebirgsformationen. Erſtere, rein 
oder mit Kieſel und kieſelthonigen Subſtanzen verbunden, erſchei— 
nen auf Gängen, Lagern und Stöcken der kryſtalliniſch-körnigen, 
kryſtalliniſch-ſchiefrigen- und der Grauwacken-Geſteine, während 
letztere ihren Hauptanfang in der Grauwackengruppe nehmend, in 
Lagern, in Gängen und in Stöcken durch die Kohlen-Kalk- und 
Kohlenſandſteine bis in die jüngſten Kalkſteine in oft ſehr beträcht— 
licher Verbreitung fortſetzen und ſelbſt ſehr vielen Kalkſteinen in 
geringen Quantitäten beigemengt ſind. Letztere ſind es, die uns 


211 


beim Vegetations-Prozeſſe am meiſten intereſſiren, weil ſie, wie 
die ſie begleitenden Kalke, in kohlenſäurehaltigen Waſſern auflös— 
lich und ſo den Pflanzen leicht zugänglich ſind. Erſtere dagegen er— 
weiſen ſich als Sauger eines der wichtigſten Nahrungsmittel, des 
Stickſtoffs und des Ammoniaks; woher auch die Erſcheinung 
rührt: daß die Arbeiter in allen andern Gruben namentlich in 
denen wo Steinkohlen- und thonige Maſſen gegraben oft fo un— 
gemein von ſchlechten Wettern (Luft) beläſtigt werden, während 
ſie ſich in Eiſenſteinbergwerken ganz wohl befinden, denn in letz— 
teren wird durch die Aufſaugung des ſich entwickelnden ſchädlichen 
Stickgaſes die Lebensluft ſtets rein erhalten. Unſer allwaltender 
Schöpfer iſt bei Spendung dieſes für die menſchliche Geſellſchaft 
vollkommen unentbehrlichen Elements in ſo bedeutenden Quan— 
titäten, die nach allen Richtungen hin verbreitet ſind, ungemein 
vorſorgend zu Werke gegangen. Im Leben des Menſchen ſpielt es 
die wichtigſte Rolle. Zur Herſtellung einer vollkommnen Blut— 
miſchung iſt nämlich das Eindringen des Sauerſtoffs in den gan— 
zen Körper unentbehrlich, weil derſelbe durch die Verbrennung des 
Kohlenſtoffs nicht allein die nothwendige Wärme herbeiführt, ohne 
welche weder Ernährung noch Zellenbildung möglich wäre, ſon⸗ 
dern weil er auch zur Verwandlung der zu Zellen zu verarbeitenden, 
fo wie der ueuaufgenommenen Nahrungsftoffe und der abgeſtorbe⸗ 
nen Zellenbeſtandtheile — zur Ausſonderung, Auswurf — die 
alleinige Veranlaſſung giebt. Die Aufnahme des Sauerſtoffs fin— 
det aber in den Lungen ſtatt und wird durch das Eiſen des Blutes 
— durch die Blutkörperchen — vermittelt. Daſſelbe ſaugt nämlich 
den Sauerſtoff gleichſam mit Gewalt an ſich und ſo durchdringt er 
es auf dieſe Weiſe in allen Richtungen. Da nun das Blut ſelbſt 
gleichſam als die Quelle des Lebens anzuſehen iſt, indem es fort— 
während ſeinen Kreislauf durch die feinſten Gewebe und Organe 
macht und denſelben das Material zu ihrem Aufbaue liefert, ſo 
muß das Eiſen folgerichtig als einer der wichtigſten Körperbeſtand— 
theile angeſehen werden. 

Das Eiſen wird den Thieren unmittelbar durch die Pflanzen 
zugeführt, und legen wir uns auch einen höheren Gehalt deſſelben 
durch die Fleiſchſpeiſen die wir genießen zu, ſo holt ſich das 

14 * 


212 


Schlachtvieh den ſeinigen doch auch erft aus der Pflanze. Wie 
wir uns bereits belehrten tritt das Eiſen im kohlenſäurehaltigen 
Waſſer in die Pflanzen über; damit aber die Pflanze in Bezug 
auf dieſen Nahrungsſtoff nicht in Verlegenheit komme, ſind noch 
andere Eiſen verbindungen im Boden, die ſtets in den Zuſtand 
übertreten können, der für die Aufnahme in die Vegetabilien er: 
wünſcht iſt. Die überall verbreiteten Schwefelkieſe unterliegen bei 
Vorhandenſein von Waſſer und dem Zutritte von Sauerſtoff einer 
beſtändigen Zerlegung, das gebildete ſchwefelſaure Eiſen wird bei 
der in allen Ackererden vorhandenen kohlenſauren Kalkerde be— 
ſtändig wieder zerſetzt und kohlenſaures Eiſenorydul und Gyps 
gebildet. Aus dem überall verbreiteten Schwefelkieſe geht daher 
beſtändig ein neues Düngemittel zugleich mit einem Reizmittel her: 
vor, er iſt es daher, der die vielleicht weit und breit fehlende 
Schwefelſäure ſtets in dem Verhältniſſe bildet als es die Brod— 
früchte verlangen. Wir wiſſen ja aus den Verſuchen des Fürſten 
Horſtmar, wie wichtig letztere als Pflanzennahrungsmittel iſt; ohne 
fie ift eine Halmbildung nicht möglich; die Pflanze ſtirbt im dritten 
Blatte, nachdem ſie noch einen Verſuch erneuter Halmbildung mit 
gleichem Mißlingen gemacht hat. 


Aber auch als phosphorſaures Eiſenorydul tritt es in die 
Pflanzen, weil daſſelbe in kohlenſäurehaltigem Waſſer löslich iſt. 
Ebenſo kann die lösliche Kieſelerde auf das Eiſenorydhydrat ein⸗ 

wirken und dadurch ein Eintritt in die Pflanzen ermöglicht werden. 


Das Eiſen trägt viel zu einer lebhaften Grünfärbung, ſo wie 
zur Blüthenbildung bei, zugleich erkräftigt es letztere und befördert 
die Fruchtbildung. Wo kein Eiſen dem Boden beigemengt iſt, da 
vermögen ſich die Stängel der Cerealien nicht zu erheben, ſchmach⸗ 
tend gehen die Pflanzen dem Verwelken entgegen. So Fräftigend 
und ſtärkend wie im Thierreiche ſo wirkt das Eiſen auch im Pflan⸗ 
zenreiche. 


Bei der ungemeinen Verbreitung des Eiſens darf man wegen 
des Fehlens deſſelben als unmittelbares Nahrungsmittel bei den 
Vegetabilien weniger beſorgt ſein. Bei der günſtigen Eigenſchaft 
als Stickſtoff⸗ und Ammoniakſauger jedoch wird jeder Landwirth 


213 


„ 


wohl thun, wenn er eiſenarmen Boden von Zeit zu Zeit mit Eiſen— 
oxyd beſtreut. 

Wohl dürfte nichts von ſo hohem Intereſſe ſein, als die Be— 
obachtungen und Erfahrungen: wie und warum die Pflanzen dazu 
beſtimmt ſind, ſo unmittelbar für die Thiere zu ſorgen und dieſen 
die für das Leben nothwendigen Eßwaaren fertig gebildet zu über— 
liefern. Noch merkwürdiger iſt es aber, wie der Menſch darauf 
kam, ſich dieſelben aus einer ſo ungeheuren Zahl in der Art und 
Weiſe auszuſuchen, daß ſie für einander paſſen und daß ſich deren 
Nahrungsſtoffe leicht mit einander vereinigen und auflöſen; wie 
bald hatte er ſie um ſich vereinigt und brachte ihnen die nöthigen 
Bedürfniſſe. 5 | 

Erſt nach Verlauf Tauſender von Jahren kommt die Willen: 
ſchaft und erklärt, was dem Menſchen und Thiere von den Pflan— 
zennahrungsmitteln nütz und gut ſei; ja daß er bereits genieße, 
was zuſammenpaſſe. Was würde für ein kümmerliches, elendes Ge— 
ſchlecht entſtanden, was für Individuen zu Grunde gegangen ſein, 
wären falſche Nahrungsmittel z. B. ſolche, in denen das Eiſen 
fehlte, gewählt worden; entkräftet würden die Menſchen ſchnell 
dem Tode zugefallen fein. In dieſen Betrachtungen liegt außer: 
ordentlich viel Hohes und Erhabenes, denn wir ſehen daraus auf 
das Deutlichſte, welcher vorſorgenden Leitung wir jederzeit und in 
allen Lebensverhältniſſen unterſtellt ſind. 


ae 


Das Mangan, wenn auch ſelten in großen Quantitäten vor⸗ 
kommend, gehört dennoch zu den verbreitetſten Metallen. Mit 
Sauerſtoff verbunden findet es ſich in geringer Menge in den Aſchen 
der Pflanzen, in den Knochen und im Blute der Thiere und in 
vielen Mineralien, von denen diejenigen, welche daſſelbe in größe— 
ren Mengeverhältniſſen beſitzen, Manganerze genannt werden. Das 
ſchwarze Erz des Mangans — der Braunſtein — iſt ſchon ſehr 
lange bekannt. Die große Verwandtſchaft zum Sauerſtoffe und die 
hohe Temperatur die er zum Schmelzen bedarf verhindert, daß 
das Metall in größeren Quantitäten dargeſtellt wird. Zur Berei— 
tung des Chlors bedient man ſich des Braunſteins, indem der 
Sauerſtoff deſſelben mit dem Waſſerſtoffe der Salzſäure Waſſer 
bildet und chlorfrei wird. 

Das Mangan tritt als kohlenſaures Manganorydul, welches 
in kohlenſäurehaltigem Waſſer löslich iſt, in die Pflanzen über. 
Auf dieſe Weiſe kommt es auch häufig in unſern Brunnen vor. 

Da, wie bereits geſagt, in ſehr vielen Aſchen Mangan getrof— 
fen und da es mit den pflanzlichen Nahrungsmitteln in den Thier— 
leib gebracht wird, ſo iſt es als ein weſentliches Nahrungsmittel 
der Pflanzen zu betrachten. Ueber ſeine Wirkungen iſt man jedoch 
noch nicht im Klaren. 

Ungemein bezeichnend iſt es übrigens: daß die kohlenſauren 
Mangan⸗Eiſenoxydul⸗Bittererde- und Kalkſalze im Pflanzen⸗ 
nahrungsprozeſſe eine nicht minder wichtige Rolle, als bei der Er— 
nährung der Thiere ſpielen; alle untereinander iſomorph ſind ſie 
ſämmtlich in kohlenſäurehaltigem Waſſer löslich und gehen auf 
dieſe Weiſe in das Pflanzengewebe über. 


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