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Nahrung der Pflanzen
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W. Engelhardt.
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NEW YORK
BOTANICAL
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Teipeig,
Verlag von Guſtav Mayer.
1856.
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Inhalt.
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Stickſtoff, deſſen Verbindung mit Waſſerſtoff zu Ammoniak, ſowie deſſen a
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Der Boden, auf welchem die Pflanzen Backer Sl Disks or
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Phosphor und deſſen Verbindung mit Sauerſtoff zu Phosphorſäure
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Die Nahrungsfrage ift eine wichtige für alle Staaten, fie
erhält jeit mehreren Jahren und bis zum Augenblicke alle Ge—
müther in Spannung. Niemanden ſchließt ſie aus, Jedermann,
ſo hoch er auch ſtehen, ſo reichlich er auch mit irdiſchen Gütern
geſegnet ſein mag, wird in ihren Kreis gezogen.
Blaſſe Geſtalten wanken mit Bittgeſuchen zu den Thronen,
Linderung ſuchend gegen den ſchmerzerregenden Hunger. Bitt—
ſchriften überſchwemmen die grünen Tafeln der Staatsregierungen
und Ständekammern. Dringender und dringender werden die
Anforderungen an die Armen- und Almoſen-Caſſen. Staatsdiener,
reiche Bürger und Gutsbeſitzer werden von einer Menge von
Bettlern heimgeſucht. Nicht verfchont bleibt der Bauer und der
kleine Gewerbsmann in den Städten, welchem es in ſolchen Zei—
ten oft ſelbſt an Mitteln fehlt, um die theuern Lebensmittel für
ſich und ſeine Kinder zu erſchwingen.
Die Nahrungsfrage iſt die Frage der Zeit. Alles trachtet,
denkt und ſinnt wie ſie zu löſen ſei. Man gründet Vereine zur
billigern Herbeiſchaffung von Getreide; man errichtet Speiſe—
anſtalten für die Armen; man fteigert die Abgaben, um die er—
ſchöpften Armen- und Almoſen-Caſſen zu kräftigen; man baut
Getreide-Speicher und räth den Anbau anderer Brodfrüchte an.
Kurzum, man greift zu Allem, um die Noth der Armen zu lindern
und die Hungernden zu ſättigen; überzeugt ſich aber bald: daß
man mit dem bis jetzt Erfaßten das Rechte nicht ergriffen habe.
Wo Abhülfe geſchehen ſoll, da muß man den Grund des
Uebels genau erforſcht, da muß man letzteres genau erkannt haben.
Engelhardt, die Nahrung der Pflanzen. 1
2 | ..
Gehen wir mehrere Decennien zurück, ſo ſehen wir recht deutlich,
wie die Ausbildung unſerer Staaten gewachſen und wie mit der—
ſelben die Bevölkerung im Steigen begriffen iſt. Für eine geſteigerte
Bevölkerung iſt aber auch eine bei weitem größere Quantität von
Lebensmitteln erforderlich, welche der Menſch lediglich und allein
durch die Pflanzen und, entweder unmittelbar oder mittelbar,
durch die Thiere empfängt. Alle Getreidearten, vom Hafer bis
zum Weizen, vom Reiſe bis zum Maiſe, von der Erbſe bis zur
Linſe, enthalten nämlich in ihren Körnern, wie die Kartoffeln in
ihren Knollen, zwei Gruppen organiſcher Stoffe; die eine, aus
Kohlenſtoff und den Elementen des Waſſers beſtehend, erſcheint
als Stärkemehl, Gummi, Zucker, Fett; die andere, der außer
jenen noch Stickſtoff und eine Kleinigkeit Schwefel beigemiſcht iſt,
enthält den Käſe⸗ den Eiweiß- und Faſerſtoff des Fleiſches. Außer—
dem ſind noch anorganiſche Beſtandtheile in dem Getreideſaamen
enthalten, z. B. Kalk- Bitter» und Kieſelerde, Kali und Natron,
Eiſen, Mangan, Chlor und Fluor, Phosphor- und Schwefel-
ſäure. Die Körper der erſten Gruppe verſehen den Menſchenleib
mit der ſo nöthigen Wärme, wogegen die ſtickſtoffhaltigen durch
die Blutbildung die Muskeln und das Fleiſch hervorrufen.
Mit einer vermehrten Bevölkerung muß die Beſchaffung von
Stärkemehl, Gummi, Zucker, Fett, von Käſeſtoff, Eiweiß und
Faſerſtoff wachſen und da wir eine vermehrte Quantität dieſer
Stoffe nur durch unſere Brodfrüchte und Gräſer erlangen können,
ſo müſſen zu deren Anbau entweder größere Flächen urbar, oder
die bereits angebauten ergiebiger gemacht werden, oder mit andern
Worten, es muß die Landwirthſchaft vervollkommnet werden.
Hier wäre nun zunächſt die Frage zu beantworten: hat die
Vervollkommnung unſerer Landwirthſchaft mit der ſteigenden Be—
völkerung gleichen Schritt gehalten? Im Allgemeinen müſſen wir
dieſelbe mit Nein beantworten, denn wenn dies auch in England
der Fall war, wo im Augenblicke 7 Millionen Menſchen mehr mit
vortrefflichem Weizen verſorgt werden, als vor 40 Jahren, ſo
ſtehen andere Staaten doch noch weit hinter dieſen glänzenden Er—
gebniſſen, und wären die Kornkammern Rußlands, Aegyptens und
Amerikas nicht, dann würde es wohl ſchlimm genug ausſehen.
3
Zwar iſt nicht zu verkennen: daß in den letzt verfloſſenen Decen—
nien viel für die Landwirthſchaft geſchah, doch ging dies, mit Aus—
nahme verſchiedener Staaten, mehr von größern Grundbeſitzern
aus; der Bauer in den meiſten Ländern blieb ee noch auf
der alten Culturſtufe ſtehen.
Wenn wir nun an dem Beiſpiele Englands a wie außer⸗
ordentlich ſich dort die Induſtrie zugleich mit der Vervollkommnung
der Landwirthſchaft hob, dann ſollte keine Staatsregierung ver—
ſäumen, dieſem wichtigſten aller Verwaltungszweige die vollſte
Aufmerkſamkeit zu Theil werden zu laſſen. Wie ungemein viel ge—
ſchah in Deutſchland ſchon für verbeſſerte Schuleinrichtungen, in
welcher Schnelligkeit wuchſen die Gewerbſchulen heran! wie ver—
einzelt ſtehen aber heute 2500 die überaus wichtigen Ackerbau—
ſchulen da!
Ein Staat, der ſeine ee Armen ſättigen, 10 ver⸗
mehrte Muskelkräfte für Induſtrie und Gewerbe ſchaffen will, ſehe
daher vor Allem darauf: daß den in ſeinem Gebiete gezogenen
Brodpflanzen auch ihre Nahrung richtig gereicht werde. Da die
Pflanzenernährung billig zu ſtehen kommt, indem die Natur die
meiſten Nahrungsmittel umſonſt ſpendet, ſo iſt dieſer Zweck leicht
zu erreichen und die Mittel und Wege liegen nahe, um den Hunger
des Armen zu ſtillen und dadurch die Almoſenpflege und Armen—
ſteuer auf das alte Verhältniß zurückzuführen und die Staaten
vor außerordentlichen Ausgaben zu ſchützen, die doch größten—
theils wieder auf den Grundbeſtitz zurückfallen.
Die Pflanze, die ihr Stärkemehl, ihren Zucker, ihr Gummi,
ihr Fett aus dem Sauerſtoff und Waſſerſtoff des Waſſers, ihren
Kohlenſtoff aus der Kohlenſäure der Luft bezieht und damit jene
Körper bildet, legt noch Ammoniak aus der Luft oder aus dem
im Boden befindlichen Miſte zu und bildet Eiweiß, Käſe- und
Faſerſtoff; enthält nun der Boden zugleich noch Kalk- Bitter-
und Kieſelerde, Kali und Natron, Eiſenoxydul, Manganoıydul,
Chlor, Fluor, Phosphorſäure und Schwefelſäure, dann ſpendet
ſie in üppigſter Fülle eine Unzahl vollkommenſter Früchte, wenn
zugleich noch kohlenſtoffhaltige Verbindungen z. B. vermodertes
Holz, Stroh, Schilf, Humus im Boden vorhanden ſind, und
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4
ihr durch ſorgſame Bepflügung, Beeggung und Behackung ein
recht weiches Bette hergeſtellt wurde. Letzteres lieben die Brod—
früchte vor Allem, ſie richten ſich mit ihren Wurzeln nicht allein
ganz bequem in einem ſolchen ein, die lauen feuchten Winde der
Atmoſphäre, der Regen und Thau tragen auch eine Menge von
Pflanzennahrungsmitteln in die vielen durch ſorgfältige Auf—
lockerung entſtandenen Höhlungen des Bodens hinein.
Da demnach die Pflanzen ihren Bedarf an Sauerſtoff und
Waſſerſtoff aus dem Waſſer, einen Theil ihres Kohlenſtoffs und
Stickſtoffs aus der Luft, ihre feſten Beſtandtheile aber aus dem
Boden nehmen, ſo bleiben für die eigentliche Bedüngung nur noch
kohlenſtoffhaltige Materialien, welche ſich durch Sauerſtoff leicht
in Kohlenſäure umwandeln laſſen, ſo wie Phosphorſäure und
Stickſtoffverbindungen übrig. Im Urine, den feſten Exkrementen,
den Knochen und in allen thieriſchen Abfällen finden ſich letztere in
reichlichen Mengen und ſie ſind es eigentlich, welche wir ganz be—
ſonders als die kräftigen Pflanzennahrungsmittel ins Auge zu
faſſen haben.
Müſſen wir aber nicht zurückſchrecken, wenn wir um uns
blicken und ſehen, wie mit denſelben umgegangen, wie dieſe Stoffe,
die ſo wichtig wie unſer tägliches Brod ſind, in jeglicher Art
und Weiſe vernachläſſigt, ja vernichtet werden? Nur ſelten bemüht
man ſich, den menſchlichen Harn aufzufangen, man iſt dagegen
froh, wenn ein Bach in der Nähe iſt, wohinein man die Nacht—
geſchirre ausgießen, die Abtrittsſchläuche ausmünden laſſen kann.
Außerdem giebt man dieſe wichtigen Pflanzennahrungsmittel auch
dem Regen, dem Winde und Wetter preis, damit die aufgelöſten
phosphorſauren und ſtickſtoffhaltigen Salze in das Waſſer ab—
fließen, das Ammoniak und die Kohlenſäure ſich aber in den Winden
zerſtreuen können! Auf dieſe Weiſe wird den Fiſchen zur Beute,
was dem hungernden Menſchen zur Nahrung dienen ſollte, und
überdies trägt letzterem der Wind noch Stickgas und 1
zu, die ſein Leben vergiften.
Unſere Miſtſtätten, die wir mit Gold einfaſſen ſollten, denn
das dazu Verwandte würde ſich durch einen vermehrten Pflanzen—
wuchs in einer Generation bezahlen, liegen zum größten Theile
5
noch auf lockerem Boden, dem Winde, dem Regen, ja oft ſogar
den Wellen ausgeſetzt; das Waſſer wäſcht die meiſten guten Be—
ſtandtheile aus, die Luft zerſtört die andern und oft verbleibt für
die Felder nur der ſchlechtere Reſt.
Auf dieſe Weiſe geht dem Nationalvermögen jährlich ein
nicht zu berechnendes Kapital verloren und der Menſch darbt,
kümmert und ſorgt ſich ab, während, wenn auf die Erhaltung die—
ſer Stoffe geſehen würde, er mit zahlreicher Familie vergnügte und
frohe Tage verleben könnte. Werden daher die Düngſtoffe zu Rathe
gehalten, dann werden, ohne daß man die ſeit Jahrhunderten durch
unſern Miſt, durch unſern Harn an die trockenen Geſtade von Peru
und Chili geführten und dort aufgeſpeicherten Phosphorſäure- und
Ammoniak-Salze (Guano) mit Aufwand ſehr bedeutender Geld—
mittel wieder herüberſchafft, die im Augenblicke der Bebauung
unterſtellten Feldflächen ſelbſt für eine doppelt geſteigerte Bevöl—
kerung Nahrungsmittel in Hülle und Fülle hervorbringen und
wir der Sorge und Kümmerniſſe, wie und auf welche Weiſe die
hungernden Armen erhalten werden ſollen, nach und nach los
werden.
Die Pflanze, die zu ihrem Wachsthume, zur Gewinnung und
Löſung ihrer Nahrungsmittel eine ſehr bedeutende Menge von
Waſſer nöthig hat, gedeiht nur in einer ſolchen Gegend, wo das—
ſelbe in ausreichender Menge vorhanden iſt. Die Zuführung des—
ſelben geſchieht nun nicht allein durch den Regen, ſondern im
größern Verhältniſſe durch den Thau. Thau fällt nur da, wo
Luftfeuchtigkeit vorhanden iſt. Bei bedeutender Sonnenwärme er—
hält ſich letztere aber nur da, wo ein ſtarkes pflanzliches Leben
ſtattfindet. Große Waldflächen find daher nicht allein die Samm—
ler, ſondern auch die Erhalter der Luftfeuchtigkeit und eines milden
Klimas. Werden Waldungen für eine ſteigende Bevölkerung ge—
lichtet, oder geht man gar an die Devaſtirung derſelben, ſo wirkt
dies außerordentlich ungünſtig auf die Fruchtbarkeit großer Land—
bezirke ein und die Bevölkerung, in größte Noth und Armuth ver—
ſinkend, ſteigt herab von ihrer Culturſtufe und verſchwindet endlich
bis auf ein Minimum.
Die hauptſächlichſte Beſtimmung der Pflanzenblätter beſteht
6
nämlich, neben der Aufſaugung von Kohlenſäure und Ammoniak,
in der Aufnahme von Waſſer. Ein Beiſpiel wird deutlich machen
wie bedeutend die Aufſaugung iſt, welche die Pflanze in einer
Nacht zu bewirken vermag. Auf der Inſel Madagaskar wächſt eine
Pflanze, der Kannenträger genannt. Dieſelbe nimmt durch ihre
Blätter nicht allein große Quantitäten Waſſer ein, ſie ſpeichert
auch noch Vorräthe deſſelben auf. In förmlichen Behältern, die
am äußerſten Ende der Blätter angebracht ſind, ſammelt ſich das
Waſſer, welches die Pflanze aus der Luft aufgeſogen hat. Die
Mittelrippe jedes Blattes geht über die Spitze deſſelben heraus,
dreht ſich dann wie eine Ranke und endet in einem urnenförmigen,
faſt 3 Zoll langen lederartigen Schlauche, deſſen Oeffnung durch
einen beweglichen Deckel geſchloſſen iſt. Dieſer Deckel iſt während
der Nacht zu und es füllen ſich nun durch die wäßrigen Nieder—
ſchläge die Urnen und Kannen mit klarem gutem Trinkwaſſer.
Gegen 10 Uhr des Morgens hebt ſich der Deckel ein wenig und
die Flüſſigkeit vermindert ſich um die Hälfte, indem ſie theils in
die Atmoſphäre als Dunſt tritt, theils in die Pflanzen eingeht. Die—
ſes Waſſer dient den Reiſenden in jenen heißen Gegenden zur Er—
friſchung und 6 bis 8 ſolcher Kannen ſollen ausreichend ſein, um
den Durſt eines Menſchen zu ſtillen. Was in einer einzigen Nacht
daher für eine Quantität von Waſſer aus der Atmoſphäre nieder-
geſchlagen werden könne, wenn die Bodenfläche mit Bäumen be—
deckt iſt, können wir uns aus dieſem Beiſpiele entnehmen. Die
hohen Staatsregierungen müſſen daher, um die Fruchtbarkeit ihrer
Länder zu erhalten, ganz beſonders für eine gute Waldcultur
Sorge tragen und zwei Gegenſtände wären es alſo, die bei der
Ernährung der Pflanzen ganz beſonders den Staatsbehörden zur
Ueberwachung zu empfehlen ſind, nämlich die Zurathehaltung der
menſchlichen und thieriſchen Exkremente, die Abfälle an Knochen,
Haaren, Horn u. ſ. w., und zweitens die Pflege und e
der Waldungen.
Mögen dieſe Winke nicht ohne Beachtung bleiben, mögen ſie
die hohen Staatsregierungen ebenſo beherzigen, wie die Grund—
beſitzer. Geſchieht dies, dann wird eine Zeit kommen, wo das
gräßliche Geſpenſt des Hungers verſchwunden ſein dürfte, nament—
7
lich wenn auch der kleinere Grundbeſitzer angefangen haben wird,
die Landwirthſchaft wiſſenſchaftlich zu betreiben. Ich überlaſſe mich
daher der angenehmen Hoffnung, es möge durch dieſes Schrift—
chen für Manchen ein Saamenkörnchen abfallen, was ihm und
ſeiner Familie reichliche Früchte trage.
Treten wir hinaus in den prachtvollen Tempel der Natur, ſo
offenbart ſich uns überall die Größe, Unvergänglichkeit, Weisheit
und Unfehlbarkeit Gottes. Wohin wir unſer Auge wenden begeg—
nen wir ſeiner Allmacht, begegnen wir den Werken ſeiner Unend—
lichkeit. Uns, ſeinen mit Vernunft begabten Geſchöpfen, wurde
die Vergünſtigung zu Theil, tiefer in den herrlich ausgeſtatteten
Haushalt der Natur einzudringen. Je mehr wir von dieſer Ver—
günſtigung Gebrauch machen, je mehr lernen wir aber auch die
Gottheit verehren, je mehr lernen wir ſie in der Unfehlbarkeit ihres
Schaffens preiſen.
Durchwandern wir unſere Felder, durchwandern wir unſere
Wieſen, ſo ſtoßen wir überall auf den unſcheinbaren Kieſel; bei
ſeinem Erblicken zwingt ſich uns der Gedanke bedeutender Feſtig—
keit, vollkommner Unzerſtörbarkeit, ſo wie von Unauflöslichkeit in
Luft und Waſſer auf und dennoch finden wir die Beſtandtheile des—
ſelben in nicht unbedeutender Menge im Strohe unſerer Aecker, im
Graſe unſerer Auen. Der Kieſel iſt es, welcher dem Halm ſeinen
Halt verleiht, welcher letzteren kräftigt, welcher ihn befähigt, ſich
der Luft, ſich dem allbelebenden Sonnenlichte zuzuwenden. Ohne
ihn würden weder Stroh noch Heu, würden weder Körner noch
Saamen gedeihen; denn der zerſtörungsmuthige Sauerſtoff würde
das auf dem Boden lagernde Getreide und Gras unnachſichtlich
zerſtören. Die Natur fand alſo Mittel und Wege dieſen harten,
ſcheinbar unlöslichen Stein aufzuſchließen und ihn in die Pflanze
überzuführen.
Werfen wir unſern Blick auf jenen knorrigen Stamm: ſeine
zerſplitterte Rinde hängt altersgrau in Stücken herab, nach allen
Richtungen zerborſten, bildet fie Verſtecke für den lauernden Sauer—
8
ſtoff. Mit Wonne zerſtört derſelbe hier das Holz, um durch Bil—
dung von Kohlenſäure einer daneben aufſchoſſenden Flechte den
Becher des Lebens zu ſpenden. Schmarotzer-Pflanzen geſellen ſich
zu letzterer, nach und nach ſtreut der Sauerſtoff klares vermodertes
Holz am Wurzelſtocke aus und ſchnell treibt ſchön blühender Finger—
hut ſeine Stengel aus dieſem hervor. Wo wir nur hinblicken, da
tritt uns das geheimnißvolle Walten der Natur entgegen. Im
härteſten Kieſel, in der kleinſten Flechte, in der blüthenreichſten
Blume entfaltet ſich die Allmacht und Größe Gottes. Alles iſt in
einem ununterbrochenen Uebergange von einem Zuſtande in einen
andern, in einem ſteten Werden und Vergehen begriffen. Ueberall
finden wir dieſelben Stoffe, hier bildend, dort das Gebildete zer—
ſtörend, alle werden von nie raſtenden Kräften getrieben und treiben
ſich unter einander ſelbſt. Deshalb ſtellte uns unſer Allvater die
Wiſſenſchaft zur Verfügung, damit wir vermittelſt derſelben ſein
herrlich ausgeſtattetes Weltall kennen lernen möchten. Wir be—
nutzen nun dieſelbe, damit wir hinab ſteigen in den grauſig finſtern
Schlund der Erde, um die daſelbſt verborgenen Metalle, Erze,
Kohlen ꝛc. ꝛc. aus ihrem tiefen Schlafe zu erwecken, um ſie mit
Eiſen und Stahl, Pulver und Feuer zu bezwingen, um ſie mittelſt
des Dampfes oder des Waſſers gewaltiger Kraft zu Tage zu för—
dern und ſie in den goldnen Strahlen der Tageskönigin zu ſonnen.
Zerkleinert und durch Waſſer geläutert, werden ſie in Oefen ge—
ſchüttet, um ſie vermittelſt der Hitze und der trennenden Gewalt
der Kohle, ſo wie der bindenden des Schwefels aus der Schlacke zu
ſondern, den Schwefel durch den Sauerſtoff der Luft zu verbren—
nen, den Sauerſtoff der orydirten Metalle aber in hohen Gluthen
vermittelſt des Kohlenſtoffs in Kohlenſäure zu verwandeln. Nach
vielfachen Bearbeitungen tritt endlich der König glänzend hervor,
ſchmückt Kronen, Diademe und heilige Gefäße, erhöht die Lieb—
lichkeit holder Frauen und wandert als Münze von Ort zu Ort
über die ganze Erde, ſucht Welt und Menſchen zu beherrſchen und
macht ſich letztere unterthan. In einem kleinen Loche führt uns
die Wiſſenſchaft hinab in ungeheure Tiefen, zeigt uns daſelbſt
mächtige Urwälder längſt entſchwundener Epochen, führt uns auf
gewaltige Waſſer-Schichten, in des Steinſalzes funkelnde Kryſtall-
9
Paläſte, zu großartigen Baſſins von Waſſern, welche die Geſund—
heit kräftigen. Mit Leichtigkeit hebt die Wiſſenſchaft alle dieſe
Stoffe zu Tage und macht ſie der menſchlichen Geſellſchaft dienſtbar.
Um Luft, Meer und Flüſſe zu durchfliegen, um gewaltige Laſten
in größter Schnelle fortzuſchaffen, um mit den fernſten Völkerſtäm—
men im Verkehr und Tauſchhandel zu bleiben, dazu bahnt uns die
Wiſſenſchaft den Weg. Sie führt uns hinab auf den tiefen Meeres—
grund, um der Perlenmuſchel ihre Schätze zu rauben, ſie trägt
unſere Gedanken vermittelſt eines ſchwachen Drahtes in fliegender
Eile über Gebirge, über Flüſſe und Meere zu unſern entfernteſten
Freunden. Wir correſpondiren durch ſie mit den entlegenſten Him—
melskörpern und erlangen dabei die Ueberzeugung: daß auf ihnen
dieſelben Grundkräfte, dieſelben Geſetze walten, wie auf unſerer
Erde: daß auch dort wie hier der Wechſel zwiſchen Tag und
Nacht, Kalt und Warm, Anziehungs- und Abſtoßungskraft ſtatt—
finde, ja daß auch jene Himmelskörper mit Thälern, Bergen, Ab—
gründen verſehen ſeien. Wir benutzen die Wiſſenſchaft, um die
zerſtörende Kraft des Hagels, des Blitzes, um die Macht des
Feuers, die brauſende Gewalt der Wogen zu brechen und unſchäd—
lich zu machen. Wir benutzen die Wiſſenſchaft, um giftige Schwa—
den, um die alles zertrümmernden ſchlagenden Wetter, denen eine
große Menſchenzahl erliegen würde, zu zerſtören, um gefährliche
Krankheiten zu heilen und dem Tode ſeine Beute zu entreißen.
Wir benutzen die Wiſſenſchaft, um die großartigſten Zerſtörungs—
werke, die den Tod in tauſendfacher Geſtalt herbeiführen, zu ver—
vollkommnen, damit wir des Friedens deſto ſicherer werden. Wir
benutzen die Wiſſenſchaft, um in unſern eignen Organismus ein—
zudringen und zu erkunden: welches ſind die beſten Nahrungsmittel
für uns und die mit uns lebenden Pflanzen, um zu gewahren:
welch gegenſeitiger Austauſch beſteht zwiſchen Pflanze und Thier.
Durch die Wiſſenſchaft bringen wir in Erfahrung: daß überall in
der Luft und durch die ſtets auflöſende Kraft des Waſſers auch
im Erdboden die Nahrungsmittel der Pflanzen zu finden ſeien:
daß die Vegetabilien mit ihren unzählbaren, beſtändig in Be—
wegung begriffenen Blättern die Kohlenſäure, den Waſſerdunſt,
das kohlenſaure Ammoniak aus der Luft, daß ſie vermittelſt der
10
zarten Wurzelſaugfäſerchen die im Waſſer gelöften feften Mineral:
ſubſtanzen zugleich mit Kohlenſäure aus dem Boden auffaugen:
daß bei Sonnenſchein die eingenommene Kohlenſäure in den Blät—
tern zerlegt, der Sauerſtoff ausgeſchieden, der Kohlenſtoff aber zu—
rückgehalten werde. Durch ſie erfahren wir: daß gleich dem Koh—
lenſtoffe auch der unorganiſche Waſſerſtoff in Geſellſchaft mit
Sauerſtoff ſeinen Weg durch die Pflanze nehme: daß die drei ver—
einigt Holz, Stärkemehl, Zucker u. ſ. w. bilden: daß kein Pflan⸗
zenwachsthum ohne Licht, Wärme, Electricität, Sauerſtoff, Waffer:
ſtoff, Kohlenſtoff, Stickſtoff, Phosphor, Schwefel, Chlor, Fluor,
Eiſenoryd, Kali, Kalk-Talk- und Kieſelerde möglich ſei. Sie
lehrt uns: daß die Pflanze einen feſten Standpunkt im Boden
haben müſſe: daß viel darauf ankomme, wie letzterer zuſammen—
geſetzt, wie er bearbeitet, wie er bedüngt werde; ſie lehrt uns, ob
ein feſter oder lockerer, ob ein trockener oder wäßriger Untergrund
vorzuziehen ſei. |
Bei ihr, der Wiſſenſchaft über Pflanzenernährung wollen wir
daher jetzt verweilen. Um fie recht faßlich, um fie Jedermann an⸗
ſchaulich zu machen, habe ich mir erlaubt, einen beſondern, ganz
einfachen Weg einzuſchlagen. Ich werde zuerſt die Kräfte,
welche beim Keimen, dem Wachsthume und bei der endlichen Aus—
bildung der Pflanzen in Thätigkeit ſind, alsdann die gasför—
migen und ein feſtes Element mit ihren Verbindungen,
alſo den Sauerſtoff, den Waſſerſtoff und die Verbindung beider zu
Waſſer, den Kohlenſtoff, fo wie deſſen Verbindung mit Sauerftoff
zu Kohlenſäure, den Stickſtoff, fo wie deſſen Verbindung mit Wafler-
ſtoff zu Ammoniak, den Stickſtoff und deſſen Miſchung mit Sauer:
ſtoff zu Luft, einzeln aufführen und bei jeder Kraft, bei jedem
Elemente, bei jeder Verbindung das Erforderliche über ihre Wir—
kung als Pflanzennahrung darlegen.
Hierauf werde ich mich mit dem Boden, einer Zuſammen—
häufung feiner Geſteinstheilchen in Mengung mit organiſchen
Stoffen, in welchen die Pflanzen nicht allein ihren feſten Stand—
punkt, ſondern auch ihre feſte Nahrung ſuchen, befaſſen. Ich werde
zunächſt die Sauger, alsdann den Phosphor in ſeiner Ver—
bindung mit Sauerſtoff zu Phosphorſäure, den Schwefel in
11
ſeiner Verbindung mit Sauerſtoff zu Schwefelſäure, das Chlor
und Fluor, das Eiſen in ſeiner Verbindung mit Sauerſtoff zu
Eiſenorxyd, das Kali, das Natron, die Kieſelerde, Kalk-
und Bittererde behandeln und gebe mich der angenehmen Hoff-
nung hin: daß auf dieſe Weiſe der Stoff nicht allein am leichteſten
bewältigt, ſondern daß denjenigen der geneigten Leſer, welchen
das Studium der Chemie verſagt war, auch eine Ueberſicht über
den Pflanzenernährungs-Prozeß zu Theil werden wird.
Je genauer wir die Natur kennen lernen, je mehr werden
wir über die einfachen Mittel, welche den wundervollen Erſchei—
nungen in ihr zu Grunde liegen, ſtaunen: deſto mehr wird ſich
uns die gegenſeitige Verwandtſchaft des Lichts, der Wärme, der
Electricität kund geben. Wir werden auf Erſcheinungen bei dieſen
unwägbaren Stoffen ſtoßen, die uns die poſitive Ueberzeugung
verſchaffen: daß die eine dieſer Kräfte unter gewiſſen Umſtänden
in die andre übergeht, ja: daß fie eigentlich nur Eins find. Wir
werden ſehen: daß alle Prozeſſe der Abſorption des Lichtes, der
Entbindung der Wärme, der Veränderung der electriſchen Erſchei-
nungen, welche in dem ungeheuren Raume unſerer Atmoſphäre
verlaufen, einer Menge von Veränderungen unterworfen ſind.
Dieſe Kräfte, ſo wie deren ununterbrochen vor ſich gehende Ver—
änderungen, bedingen mit dem verſchiedenen Stande unſerer
Sonne unſere klimatiſchen Verhältniſſe, von welch letzteren die
Verbreitung der auf unſerer Erdoberfläche wohnenden Pflanzen
abhängig iſt. Die klimatiſchen Verhältniſſe bleiben ſich bei den
ſteten Veränderungen der Kräfte nicht gleich und Abweichungen in
denſelben verbreiten ſich dann ſtets über größere Flächen. Wir kön—
nen z. B. hier in Deutſchland einen ſehr ſtrengen Winter haben,
während anderswo unter denſelben Breitegraden laues Wetter
vorherrſcht; auf große Bezirke blickt die Sonne klar und hell her—
nieder und ſendet den Vegetabilien ihren zerlegenden und bildenden
Strahl zur Entwicklung und Reife, während ihr Antlitz in andern
Gegenden durch große Wolkenmaſſen verhüllt, den Pflanzen Tage,
12
Wochen, Monate lang nicht fihtbar wird. Ganz willkührlich ift
daher die Annahme: daß auf einen ſtrengen Winter ein warmer
Sommer und auf einen kühlen Sommer ein milder Winter folge.
Die Natur geht ihren eigenen Weg und ruft durch entgegengeſetzte
Witterungsverhältniſſe zweier neben einander gelegenen Länder,
oder ferner Kontinente unter ſonſt gleichen klimatiſchen Verhält—
niſſen, hier die geſegnetſte, dort eine Mißerndte hervor. Als Reſul—
tat dieſer Verſchiedenheiten ergiebt ſich eine außerordentliche Stei—
gerung des Verkehrs, durch welchen die Wohlfahrt der Völker her—
vorgerufen und befeſtigt wird. Je mehr wir uns daher mit der
Erforſchung der Kräfte in der Natur befaſſen, deſto mehr wer—
den wir ermuthigt zu ferneren Unterſuchungen, deren Reſultat
uns den großen allweiſen Weltenbaumeiſter ſtets in einem glanz—
volleren Lichte erſcheinen läßt.
Wir können der Räumlichkeit wegen uns mit dem Lichte, der
Wärme, der Electricität nur in großer Gedrängtheit befaſſen.
Licht.
Wer vermöchte ſich eine andere Vorſtellung zu machen, als
daß unſere goldene Sonne, welche täglich verjüngt aus dem blauen
Aether zu uns heraufſteigt, die umfaſſendſte, ja die einzige Spen—
derin, nicht allein des Lichtes, ſondern auch der allbelebenden
Wärme ſei? Lange zuvor, ehe ſie hinter den dunklen Gebirgen, ehe
ſie hinter unabſehbaren Ebenen hervortritt, ehe ſie aus den grünen
Meeresfluthen auftaucht, hat ſie den blitzenden Glanz der Sterne
verdunkelt, hat ſich das falbe Licht des Mondes vor der ſtrahlen—
den Helle der Tageskönigin zurückgezogen.
Neubelebt begrüßt der Menſch die Segenſpenderin; mit freu—
diger Erregtheit tritt ihr das Thier entgegen, ſpendet ihr der Vogel
ſein Loblied, neigen ſich ihr die Blätter der Gewächſe im heim—
lichen Geflüſter koſend zu, erſchließen die erwachenden Knospen
ihre zarte Hülle, entfalten die Blumen ihre Blätter und hauchen
die ſüßeſten Wohlgerüche gegen ſie aus. Neubelebt bereitet ſich der
Menſch, bereitet ſich das Thier bei ihrem Erſcheinen auf das kom—
mende Tagewerk vor und die Pflanzen in funkelndem Thaue ge—
badet, einen bunten Teppich vor ihr ausbreitend, neigen ſich ihr
liebend entgegen. Verehrend, anbetend betrachtet der Menſch
dieſes Alles beglückende Geſtirn. Was wäre aber auch das Leben
ohne Licht! —
Licht bringt Wärme; Wärme dehnt aus, bewegt, verändert,
bringt alſo Leben; daher liegt im Lichte alles Leben, ohne daſſelbe
wäre die Natur kalt, ſtarr, öde, farbelos. Von höchſter Bedeutung
iſt daher das Licht für das Geſammt-Weltall, denn durch daſſelbe
— in Verbindung mit Wärme — erhalten ſich die Planeten des
1%
Sonnenſyſtems, erhalten ſich die zahlloſen Geſchöpfe auf den—
ſelben; durch und vom Lichte wird die Erde, werden die auf ihr
wohnenden Menſchen und Thiere, werden die auf ihr verbreiteten
Pflanzen belebt. 5
Aus der Sonne tritt das Licht ſtrahlend hervor. Der Sonnen—
ſtrahl durchläuft in einer Secunde einen Weg von 41,000 Meilen,
er hat daher, da unſere Erde 20 Millionen Meilen von der Sonne
entfernt iſt, 8 Minuten 13 Secunden Zeit erforderlich, bis er auf
dieſelbe gelangt. Läßt man einen Strahl durch ein Prisma von
Glas fallen, ſo zertheilt ſich ſein Licht in rothes, orangengelbes,
grünes, blaues, indigo und violettes. Was man ſonſt für einen
einzelnen Lichtſtrahl hielt, das zerlegte die Wiſſenſchaft in eine
zahlloſe Menge der feinſten Wellen des uns nicht ſichtbaren
Aethers, der überall im Raume verbreitet, der hoch oben in der
Sternenwelt, der tief unten in der Erde zu finden, der an allen
Orten und Enden zu treffen iſt. Der über alle Begriffe raſche Licht—
ſtrahl beſteht daher aus den ſchnellſten Aetherwellen. Obſchon jede
derſelben von der ihr zunächſt folgenden 4000 Meilen entfernt iſt,
ſo folgen ſie ſich doch ſo unendlich ſchnell daß ſie ſich unſern
Augen als ein Ganzes darſtellen. Was uns daher als ein ver—
einigter glänzender Feuerſtrahl im Auge erſcheint, das iſt eine Un-
zahl ungleich neben einander dahin eilender verſchiedenfarbiger
Aetherwellen, von denen die rothe in jeder Secunde 480 Billionen,
die gelbe 540 Billionen, die violette ſogar 700 Billionen Schwin-
gungen durchzittert. Zwiſchen den einzelnen Farbenſtreifen, die bezüg—
lich ihrer Stärke nicht gleich bleiben, liegen noch gegen 600 ſchwarze
Streifen. Nachdem man die Eigenſchaften des Lichtes in der be—
ſchriebenen Art und Weiſe kennen gelernt hatte, verſuchte man
nun auch deſſen Wärmegehalt in den einzelnen Farbenſtrahlen zu
erforſchen, es ergab ſich dabei: daß der blaue Lichtſtrahl 130 R.
der grüne 14° R. der gelbe 17° und der rothe ſogar 22° Wärme
hatte und daß neben dem letzteren ſogar noch 26° Wärme vorhan—
den ſeien. 5
Das Sonnenlicht iſt von außerordentlicher Jutenſität und
daher 800,000 mal ſtärker als das des Vollmondes und 5500 mal
heller als das einer Kerze.
15
Durch das ſorgſame Studium des Lichtes wurde für die
Wiſſenſchaft ungemein viel gewonnen. Man benutzt daſſelbe nicht
allein zu allen Meſſungen; der Aſtronom erforſcht auch ſeine Länge
und giebt die Zahl der Tagereiſen, die es zurückgelegt hat, auf das
Genaueſte an; ja er erkennt aus der Natur ſeiner Zuſammenſetzung
ſogar: ob es von einer Sonne, ob es von einem Planeten ab—
ſtammt. Hat ihn die Unterſuchung auf den richtigen Weg geleitet,
ſo rechnet er dem einzelnen Strahle ſeinen durchlaufenen Weg
nach und beſtimmt dadurch die Entfernung des Sternes, von dem
die leuchtende Aetherwelle ausging.
In einem Tage durcheilt das Licht einen Weg von 3620
Millionen — in einem Jahre alſo von 1,323,263 Millionen Mei:
len. Der Lichtſtrahl bringt daher den Menſchen die Nachrichten
aus den tiefſten Tiefen des Weltalls und wir wiſſen z. B. durch
ihn: daß das Licht des Polarſternes 48 Jahre braucht um auf
unſerer Erde zu erſcheinen. Den Raum, welchen ein Lichtſtrahl
binnen Jahresfriſt durchläuft, nennt man ein Lichtjahr, 4000 der⸗
ſelben liegen zwiſchen der Erde und den fernſten Sternen 12er
Größe; 800,000 derſelben aber zwiſchen ihr und dem nächſten
Sternennebel.
Vermittelſt des Lichts wird alſo Raum und Zeit gemeſſen,
durch daſſelbe wird die Geſtalt und Beſchaffenheit der Weltkörper
erkannt. Die Bewegungen des Sonnenſyſtems, der Kometen und
Meteore weiſ't das Licht nach. Auf die genaue Kenntniß deſſelben
gründen ſich die Berechnungen der Schwere und Dichtigkeit der
Geſammt⸗Weltkörper und deren gegenfeitige Anziehungskraft. Das
Licht iſt das gewichtigſte Mittel der Erkenntniß, das Element des
Geiſtes, denn es lehret nicht allein die Geſtalten aller Körper ken—
nen, es enthüllt uns auch die Weltgeſetze.
Daß das Licht bei ſeiner Macht, die es im Weltall übt, eine
außerordentliche Schnelligkeit beſitzen muß, liegt in der Natur der
Sache. Einen Raum, welchen eine Kanonenkugel in 24 Tagen
durchfliegt, durcheilt der Lichtſtrahl in dem zehnten Theil einer
Sekunde.
Um dieſen Weg zu Fuße zurückzulegen, würde ein Menſch
540 Tage gebrauchen. Wollte er aber die 84 Minuten, die das
16
Sonnenlicht auf feinem Laufe zur Erde gebraucht, mit dem Ränz—
chen auf dem Rücken zurücklegen, dann müßte ihr zuvor ein Alter
von 6300 Jahren verliehen werden.
Was iſt doch der Menſch für eine Winzigkeit gegen dieſe
Zahlenverhältniſſe! und doch wie groß, wie unendlich groß geſtaltet
er ſich nach dieſen Betrachtungen! War es nicht der menſchliche
Geiſt, welcher den winzigen Lichtſtrahl erfaßte und ihn in Tauſende
von Millionen Theilchen zerlegte? war er es nicht, welcher ſich
ihn unterthan machte, um die Größe, Form und das Gewicht der
Himmelskörper zu meſſen? war er es nicht, welcher ihn auf ſeine
verſchiedenen Wärmegehalte prüfte? war er es nicht, welcher ihn
als Telegraph nach den tiefſten Himmelsräumen ſandte, um auch
dort die waltenden Geſetze kennen zu lernen? Gott hat Großes in
den menſchlichen Geiſt gelegt und je mehr wir uns beſtreben, un—
ſerm Allvater ähnlich zu werden, um ſo mehr und wichtigere Na⸗
turgeheimniſſe werden uns aufgedeckt werden.
Die meiſten Stoffe und Körper auf unſerer Erde. ſtellen ſich
als Lichtſauger dar; geht dann der Sauer- oder ein anderer Stoff
Verbindungen mit denſelben ein, ſo wird das Licht wieder ausge—
ſchieden. Namentlich ift es der Kohlenftoff, der ungemein viel
Licht und am meiſten in ſeinem reinſten Zuſtande — als Diamant
— einſaugt. In aller und jeder Kohle, in jedem Holze, in jeder
Pflanze iſt daher eine große Menge von gebundenem Licht ent—
halten. Sobald nun dieſe Kohlenſtoffverbindungen mit dem Sauer:
ſtoffe lebhafte und raſch vorſchreitende andere Verbindungen ein—
gehen, ſo wird das Licht frei und tritt wie das Licht der Sonne,
von dem es urſprünglich ausging, ftrahlend aus denſelben aus.
Je raſcher, wie geſagt, alſo die Verbindung vor ſich geht, je mehr
alſo Sauerſtoff vorhanden iſt, deſto mehr wird Licht ausgeſchieden,
deſto höher wird der Glanz, deſto größer die Flamme ſein.
Auch unſer Auge iſt ein ſolcher Lichtſauger und bei befondern
Gelegenheiten können wir bei demſelben deutlich gewähren, wie es
in farbigen Strahlen aus demſelben ausſtrömt. Bei ſtarken Er—
ſchütterungen des Kopfes, bei Stürzen, Schlägen u. ſ. w. fährt
es in farbigem Glanze aus dem Auge, in denſelben Intervallen,
17
wie die Aetherſchwingungen, denn wir gewahren dann ganz deut—
lich glänzende Büſchel von grün, gelb, violett, blau ꝛc. ꝛc.
Die Aufſaugung des Lichtes durch die Pflanzen und die Aus—
ſcheidung deſſelben beim Verbrennungsprozeß durch die Verbin—
dung des Sauerſtoffs mit dem Kohlen- und Waſſerſtoffe iſt für
das Gefammt- Menfchens und Thierleben von unberechenbarem
Vortheile, denn wir empfangen dadurch nicht allein unſer künſt—
liches Licht, ſondern auch die für den Winter und in den Gewer—
ben unumgänglich nothwendige Wärme. Später werden wir bei
der Behandlung des Waſſerſtoffs Gelegenheit bekommen, deſſen
ungemeine Saugfähigkeit für die Wärme kennen zu lernen.
Je poröſer, je feiner vertheilt ein Körper iſt, deſto leichter ver—
brennt er, deſto leichter giebt er ſein Licht und ſeine Wärme im
Allgemeinen ab; je dichter er iſt, deſto weniger ſchnell iſt dies der
Fall. An unſeren ſchwerſten und daher dichteſten Metallen gewah—
ren wir dies am deutlichſten, denn obſchon das Platin eine große
Menge von Sauerſtoff aufzuſaugen und in ſich zu verdichten ver—
mag, ſo ſind unſere bekannten Hitzgrade doch nicht hinreichend, um
es zu verbrennen. Eigenthümlich iſt übrigens: daß einzelne Metalle
nur einzelne Theile des zerlegten Lichtes in ſich aufnehmen. Ver—
brennen wir z. B. Kupfer, ſo tritt nur grünes Licht aus demſelben
aus. Es ſind dies Erſcheinungen, welche die ſorgſamſte Beachtung
verdienen und die nach genauer Kenntniß ſehr große Aufſchlüſſe
in der Wiſſenſchaft, vielleicht ſogar über die Zuſammenſetzung der
Metalle geben werden.
Kehren wir nun zu den Wirkungen des Lichtes auf unſerer
Erde zurück, fo zeigen ſich dieſelben ſowohl bei organiſchen, als bei
unorganiſchen Körpern. Theils ſtellt daſſelbe chemiſche Verbin—
dungen, theils Trennungen her. Zu den Hauptquellen des Lichtes
gehört — wie wir eben ſahen, — vor allem die Sonne, außerdem
erhalten wir es durch Electricitätsausgleichungen, Steigerung der
Temperatur bei chemiſchen Prozeſſen u. ſ. w.
Eine Pflanze im Dunkeln gezogen erhebt ſich zwar über den
Boden, ſobald ſich ihre Wurzel gebildet hat, allein ſie bleibt, mit
geringen Ausnahmen, ohne ihre dem Auge ſo wohlthuende grüne
Farbe, gelangt zu keiner Feſtigkeit und ſtirbt bald ab. Entzieht
Engelhardt, die Nahrung der Pflanzen. 2
18S
man einer ausgebildeten Pflanze das Licht auf einige Zeit, ſo wird
ſie auch bei ausreichendem Zufluſſe von Luft und Waſſer welken
und nach und nach ihre grüne Farbe verlieren. Setzt man ſie dem
Lichte von Neuem aus, ſo erhöht ſich ſofort der Glanz ihres Grüns
und fie erfreut ſich wieder ihres Lebens. Clo ez und Gratiolet
brachten einige unter dem Waſſer lebende Pflanzen in Waſſer, das
Kohlenſäure gelöſt enthielt und ſetzten fie dem Sonnenlichte aus;
fie gewahrten, daß dieſe Pflanzen unter dem Einfluſſe des Sonnen—
lichtes eine bedeutende Menge Sauerſtoff entwickeln.
Wenn man einige Blätter einer unter Waſſer lebenden Pflanze
in einem Probirglaſe, welches mit Kohlenſäure geſättigtes Waſſer
enthält, umkehrt und in ein Gefäß mit Waſſer ſtellt, den Apparat
hierauf aber dem Sonnenlichte ausſetzt, ſo ſieht man augenblick—
lich von der Oberfläche der Blätter eine große Menge Bläschen
ſich entwickeln, die aus reinem Sauerſtoffe beſtehen. Noch genauer
beobachtet man die Erſcheinung in einem von Beiden angegebenen
Apparate. Derſelbe beſteht aus einer Flaſche von weißem Glaſe
von 4 bis 10 Litres Inhalt, die ſorgfältig mittelſt eines zweimal
durchbohrten Korks, durch den zwei Röhren gehen, verſchloſſen ift.
Die eine dieſer Röhren iſt gerade und geht bis auf den Boden des
Gefäßes; ſie dient zur Erneuerung der Flüſſigkeit im Innern der
Flaſche. Die zweite Röhre iſt gebogen und wird zum Aufſaugen
des Gaſes benutzt; ihr in die Flaſche reichendes Ende mündet in
die Spitze eines in den Kork eingeſchnittenen Hohlkegels. Dieſe
Vorrichtung hat den Zweck, die kleinſten Mengen des ausgegebenen
Gaſes zu beſtimmen, welches man dadurch austreibt, daß man
etwas Waſſer in die zweite Röhre giebt. Verſuche mit den Sten—
geln von Potomogeton perfoliatum in dieſem Apparate brachten
nach ungefähr 10 Stunden ſo viel Gas, daß dieſes in eine große
graduirte Glocke geleitet 24 Litres betrug, was ohngefähr das
15fache vom Volumen der dem Verſuche unterworfenen Pflanze
ausmachte. Das aufgefangene Gas war jedoch nicht reiner Sauer—
ſtoff, ſondern ein Gemenge von 87,50 Sauerſtoff, 11,5 Stick—
ſtoff und 1,,, Kohlenſäure. Das Sonnenlicht ſpielt im Lebens—
prozeſſe der Pflanzen eine äußerſt wichtige Rolle; es disponirt den
Waſſerſtoff ſich zu verdichten, Wärme in ſich aufzunehmen und
19
mit Sauerftoff Waſſer zu bilden; es ſcheidet den Kohlenftoff aus
der Kohlenſäure ab, legt Licht und Wärme in ihn nieder und ver—
bindet beide zuſammen zu Holz, Stärkemehl ꝛc.ꝛc.; ferner verbindet
es die letzteren Stoffe zugleich auch noch mit Stickſtoff. Hierdurch
entſtehen nicht allein die für das Menſchen- und Thierleben ſo
höchſt nöthigen Nahrungsmittel, ſondern auch die für die Induſtrie
und Gewerbe, ſowie zum Leben unentbehrlichen Brennmateriale.
Die Wirkung des Lichtes auf die Pflanzen iſt für viele Fälle
noch nicht ausreichend erklärt; ſo findet man z. B. Blätter, am
Tage den Einwirkungen des Sonnenlichts ausgeſetzt, geſchmacklos,
während ſie am Morgen ſauer, in der Nacht bitter ſchmecken. Man
findet Blumen, die bei geringer Lichtaufnahme weiß, bei ſtarker
blau blühen. Viele Früchte, die des Morgens ſauer ſchmecken,
ſind Mittags, nachdem die Sonnenſtrahlen ſtark auf dieſelben ein—
gewirkt haben, ungemein ſüß.
Bei der Zerlegung der Kohlenſäure in den grünen Theilen
der Gewächſe, den Blättern, iſt die Intenſität des Lichtes von
höchſter Bedeutung. Der Schatten eines kleinen Wölkchens, wel—
ches den Sonnenſchein von der Pflanze abhält, reicht aus, die
Zerlegung zu ſchwächen, welche raſch von Neuem vor ſich ſchreitet,
wenn das Wölkchen ſeinen Weg weiter fortſetzt und die zerlegenden
Strahlen nicht mehr von den Blättern abhält. Der Prozeß wird
um ſo mehr geſtört, je höher die Sonne ſteht und je reiner der
Himmel iſt. Die Einwirkung des Sonnenlichtes auf die Pflanzen
iſt daher eine eben ſo raſche, als kräftige, weshalb ſie einen über—
aus wichtigen Einfluß auf die Pflanzenwelt übt. Von der regel—
mäßigen Zerlegung der in unſerer Atmoſphäre enthaltenen Kohlen—
ſäure in den Sommermonaten hängt die Ergiebigkeit unſer Erndten
ab. Haben wir nämlich in den heißen Monaten, wo die Entwick—
lung der Blüthen und Früchte beſonders lebhaft von ſtatten geht,
ſtets bedeckten Himmel, dann kann die Zerlegung der Kohlenſäure
nicht ſo raſch erfolgen, die Entwicklung der Blüthen und Früchte
wird verzögert: von erſteren ſterben verſchiedene ab, bei denen die
ſich weiter entwickeln, lagern ſich die Stoffe nicht in der Menge
und Güte ab, als es bei ausreichender Zerlegung der Kohlenfäure
durch die Sonnenſtrahlen der Fall geweſen ſein würde, die Reife
DE
20
erfolgt meiſtens nicht vollkommen und der Landmann ſagt dann,
es ſei ein Mehlthau eingefallen. Daher rührt die Erſcheinung:
daß in ſolchen Jahren, wo der Himmel ſtets mit Regenwolken be—
deckt iſt, weder Früchte, noch Blätter, noch Holz die gehörige
Reife, die gehörige Feſtigkeit erlangen; daher ferner die Erſchei—
nung: daß durch die mangelhafte Einwirkung der Sonnenſtrahlen
auf die Pflanzen dieſelben wäſſerig bleiben und viele dem Thier—
leben ſchädliche Stoffe nicht zerlegt und in den Pflanzen zu nütz⸗
lichen Nahrungsmitteln verwandelt werden. Die Folgen davon
ſind: daß größere Quantitäten derſelben zur Nahrung verwandt
werden müſſen und daß mehrere ſogar ſchädlich auf den thieriſchen
Organismus einwirken, wie z. B. das Mutterkorn ꝛc. ꝛc. Nach
Regenjahren, in denen der Himmel faſt ſtets mit Wolken bedeckt
iſt, zeigt ſich daher nicht allein Hungersnoth, ſondern ſie haben
auch ſtets bedeutende Krankheiten im Gefolge. Das alte Bauern—
Sprichwort bewährt ſich daher vollkommen, in welchem es heißt:
die Sonne erſcheint eher einen Laib Brod, als daß es einen er—
regnet.
Mit den verſchiedenen farbigen Strahlen, in welche ſich das
Licht zerlegen läßt, hat man bei der Vegetation verſchiedene Ber:
ſuche gemacht und gefunden: daß in dem gelben Strahle viele
Pflanzen zu Grunde gehen, während ſie im violetten recht gut ge—
deihen; am beſten wachſen ſie aber unter der Vereinigung aller
Strahlen, alſo im gewöhnlichen Lichte.
So lange ſich die Pflanzen im Lichte befinden, ſo lange reini—
gen ihre grünen Theile, namentlich die Blätter, die Luft, indem ſie
Kohlenſäure einathmen, den Kohlenſtoff unter Einwirkung des
Lichtes abſcheiden und dann ein gleiches Volumen Sauerſtoff ab—
geben. Bei Abweſenheit von Licht ändert ſich jedoch dieſer Prozeß
um und die Pflanze giebt dann Kohlenſäure aus. Es rührt dies
von dem in dem Safte der Pflanzen enthaltenen Uebermaße dieſes
Gaſes her. Zugleich beobachtete man auch: daß während des
Schlafes der Pflanzen im Dunkeln der Sauerſtoff der Luft ſich
mit ihren äußern Theilen vereinigt und dieſelben umändert. Vor
dem Einfluſſe der Pflanzen auf die Geſundheit von Menſchen und
Thieren zur Nachtzeit hat man ſich daher in Obacht zu nehmen,
21
nicht nur, weil ſie den für unſern Athmungsprozeß unentbehrlichen
Sauerſtoff in ſich aufnehmen, ſondern weil ſie die dem Lebens—
prozeſſe ſchädliche Kohlenſäure ausathmen. Spaziergänge in Gegen—
den mit üppigem Pflanzenwuchſe ſind daher des Tags über ſehr
zuträglich, während man ſie des Nachts eben ſo vermeiden muß,
als den Aufenthalt oder ſogar den ne in Zimmern, wo ſich
viele Gewächſe befinden.
Das Licht iſt nach Allem, was wir bis jetzt kennen lernten,
eine Hauptlebensbedingung für das Wachsthum und Gedeihen
aller Pflanzen; wären für dieſelben auch die reichlichſten Stickſtoff—
und Phosphorſäure-Verbindungen, wären Alkali- und Erdſalze,
wäre Kohlenſäure in größter Fülle vorhanden, es fehlte aber das
zur Fixirung des Kohlenſtoffs erforderliche Sonnenlicht, ſo könnte
die Pflanze wohl eine nicht unbedeutende Entwicklung erlangen,
jedoch ohne Blüthen und Früchte zu tragen, denn dieſe bilden ſich
nur dann, wenn das Geſammt-Pflanzengewebe ſich in den zu
einer vollkommenen Reife erforderlichen Umſtänden befindet. Da—
her iſt es durchaus nothwendig: daß außer den übrigen Erforder—
niſſen eine Ackerfläche auch eine gute ſonnige Lage habe, damit die
Blüthen und Früchte ſich gehörig entwickeln und ausbilden können.
Daher verträgt ſich z. B. Obſt- und Cerealien-Bau auf ebenen
Ländereien, zumal wenn die Bäume enge gepflanzt ſind, durchaus
nicht zuſammen, denn da die Obſtbäume öfters ausſetzen, kommen
Jahre vor, wo weder Obſt noch Körner, ſondern lediglich Stroh
mit verkümmerten Früchten erzielt wird. Daher iſt ferner der Brod—
frucht⸗ und Kartoffeln⸗Ertrag an Gebirgswänden, die ſteil nach
Nord abfallen, niemals lohnend, ja ſelbſt das an ſolchen erwachſene
Holz hat eine viel geringere Heizkraft, als anderes. Daher be—
kommt man an nach Norden gelegenen Wandungen ſelbſt in war—
men Gegenden keinen reifen Wein.
Das Licht übt einen merkwürdigen Zauber auf die Pflanzen.
Die Zellenvereinigungen mit gasförmigen Nahrungsſtoffen, welche
ſich bei den höheren Pflanzen, vorzüglich in den Blättern vorfin-
den, zeigen gleichſam einen Lichthunger, ſie thun, als wenn das
Licht eine materielle Nahrung für ſie wäre. Alle Bäume eines
Waldes, alle Blätter derſelben kehren ſich dem Lichte zu, ſie über—
22
winden alle Hinderniffe, um mit breiter Fläche den belebenden
Reiz ſeines Strahls aufzuſaugen. Wie begierig die Pflanzen das
Licht ſuchen, dies ſehen wir in unſern Zimmern, wenn eine der—
ſelben weit von den Fenſtern entfernt ſteht: die ganze Pflanze ver—
läßt ihre aufrechte Stellung, ſie biegt ſich und ſendet endlich ihren
Stamm in vollkommen ſchiefer Richtung den Fenſtern zu. Wie
kräftig und ſchlank ſchickt eine Kartoffel ihren Keim nach der Keller—
lucke, damit er dort einen Lichtſtrahl erhaſche! Selbſt die einzelligen
Algen in Gräben haben dieſen Drang nach Licht; zu Millionen
ſteigen ſie an die Oberfläche, wenn die Sonne ihre Strahlen über
das Waſſer verbreitet, um ſich in dieſem Lebensquell zu baden.
Wird den Pflanzen das Licht entzogen, ſo vermögen ſie den
Kohlenſtoff in ihrem Gewebe nicht mehr abzulagern, ſie kränkeln,
ſchießen hoch auf, ohne daß fie ihre Blätter ausbilden und vie
Säfte verdicken, fie bleiben bleich, ohne Chlorophyll. So bald fie.
daſſelbe wieder erlangen, werden auch die Zellen wieder fähig,
Kohlenſäure aus der Atmoſphäre aufzunehmen und Sauerſtoff
an letztere abzugeben. Wie groß die Menge des Sauerſtoffs iſt,
welche die grünen Zellen im Sonnenſcheine entbinden, davon gaben
wir weiter oben ſchon ein Beiſpiel, man gewahrt dies aber nament-
lich: wenn man Blätter mit Waſſer übergießt, dann quellen an
allen Punkten Sauerſtoffperlen hervor, ſo daß das Waſſer zu
kochen ſcheint. Selbſt die grünen Algenpflänzchen hauchen bei
Sonnenſchein zahlloſe Sauerftoffbläschen aus und wenn wir an
ſonnigen Tagen Gräben und Teiche mit weißem oder grünlichem
Schaume bedeckt ſehen, ſo haben wir die Quelle deſſelben in ihren
grünen mikroſkopiſchen Bewohnern zu ſuchen. Iſt die Sonne ver—
ſchwunden, ſo hört die Entwicklung des Sauerſtoffs und die
gleichzeitige Aufnahme von Kohlenſäure im Waſſer augenblicklich
auf.
Wärme.
Die Wärme befindet ſich im Weltraume entweder im Zuſtande
der Ruhe — des Gleichgewichtes — oder im Zuftande der Be—
wegung, ſie nimmt zu oder ab, ſteigt oder fällt. Temperatur nennt
man den Zuſtand in Bezug auf ihre Intenſität. Wärme im Zuſtande
der Ruhe liefert conſtante, Bewegung der Wärme veränderliche
Temperatur.
Wenn ſie in irgend einem Körper angehäuft wird, ſo hält
dieſer Zuſtand nicht lange vor; die Wärme verflüchtigt ſich wieder,
trotz aller Mittel e feſtzuhalten. Es ſtellt ſich alſo
das Gleichgewicht früher oder ſpäter wieder her.
Die Sonne, die Bewegerin alles Lebens auf der Erde, unter—
hält auf letzterer, in wunderbar einfacher Weiſe, einen beſtändigen
Kreislauf der Stoffe, wodurch lediglich und allein das Leben der
organiſchen Weſen ermöglicht wird. Zugleich mit dem Lichte ſpen—
det fie auch die Wärme, und Thiere und Pflanzen haben, je nach
ihrem Wohnplatze auf der Erde, einen größern oder geringern An—
theil an dem erwärmenden, alſo dem belebenden Einfluſſe der
Sonne. Wenn die Strahlen ſenkrecht auf unſern Weltkörper nieder—
fallen, wird dieſer Segen in reichlichſter Fülle geſpendet.
Eine andere Quelle der Wärme iſt die Electricität. Durch
plötzliche Verdichtung der Luft wird ebenfalls Wärme erzeugt, eben—
ſo durch Reibung. Eine fernere Quelle der Wärme iſt die phyſiſche
Veränderung der Beſchaffenheit eines Körpers, wie dieſelbe z. B.
ſtets bei Verwandlung von Gaſen in tropfbare Flüſſigkeiten und
von tropfbaren Flüſſigkeiten in feſte Körper beobachtet werden
kann. Die gewöhnlichſte Quelle der künſtlichen Wärme iſt aber die
24
Verbrennung, welche eigentlich nichts anders iſt, als die ſchnellſte
chemiſche Verbindung gewiſſer Körper mit einander, bei welcher
dann eine größere Wärmemenge austritt.
Ohne Wärme wäre Thier- und Pflanzenleben nicht denkbar,
wäre unſer Erdball eine vollkommen ſtarre unbewegliche Maſſe.
Deshalb theilte unſer allweiſer Schöpfer dieſen Lebensborn, aber
auch nicht lediglich und allein der Sonne zu, ſondern legte ihn in
jedem Körper nieder, in dem er verſteckt ſeine Erweckung erwartet,
um ſeine Segen ſpendenden Wirkungen, — vorausgeſetzt daß ſie
der Menſch bezähmt und bewacht, — überallhin zu verbreiten.
In größter Menge iſt die Wärme mit Licht in Verbindung in
ſämmtlichen Pflanzen, in allen kohligen Mineralien und im Waſſer
niedergelegt. f
Die Erregung der Wärme geſchieht durch den chemiſchen
Prozeß und obſchon ſie, wie das Licht, nicht wägbar iſt, ſo durch—
dringt ſie doch alle und jede Theilchen eines Körpers und dehnt
denſelben, je mehr von ihr eingeht, auch um ſo weiter aus.
Nur durch die Bewegung theilt ſich die Wärme unſern Ge—
fühlsorganen mit, denn wie Licht und Schall, erregt fie Wellen,
die aus eigner innern Kraft derſelben hervorgehen und dieſes iſt
es, was wir mit dem Namen chemiſche Prozeſſe belegen; fie
alle ſind von Wärmeerſcheinungen begleitet. Steigert ſich die
Wärme und nimmt an Stärke und Schnelligkeit der Schwingungen
zu, dann erhöht ſich die Temperatur bis zur Lichtentwicklung. Die
Verbindung von Wärme- und Lichterſcheinung aber wird Ver—
brennung genannt und lernen wir dieſelbe beim Sauerſtoffe ge—
nauer kennen.
Die Temperatur unſerer Atmoſphäre iſt an der Oberfläche
der Erde am größten und vermindert ſich in den untern Schichten
für jede 592 Fuß der Erhebung um einen Grad des 100theiligen
Thermometers. Man glaubt indeß: daß die Verminderung der
Wärme in größeren Entfernungen von der Erde weniger raſch vor—
ſchreite; allein in einer gewiſſen Höhe findet ſich die Region des
ewigen Schnees und Eiſes, ſelbſt in den heißeſten Klimaten. Die
Spitze der Anden in Amerika, welche ſich unter dem Aequator zu
18,000 Fuß erhebt, iſt mit ewigem Schnee bedeckt. Die Linie des
25
immerwährenden Schnees — die Schneelinie genannt — beginnt
unter 0 Grad Breite bei 15,000 Fuß Höhe, ſinkt in den höhern
Breiten allmählig herab und liegt bei 60 Grad bei 6000, bei
57 Grad aber nur bei 1000 Fuß.
Je nach ihrem Steigen und Fallen bedingt die Wärme ein
vermehrtes oder vermindertes Pflanzenwachsthum. Mit der
Schneelinie hört alle Vegetation auf, ebenſo bei hohen Hitzgraden
die unſerer Gräſer, welche bei der Ernährung der Menſchen und
Thiere im gemäßigten Klima eine ſo großartige Rolle ſpielen und
ſo viel zur Hebung der Civiliſation beitragen.
Mit dem Steigen und Fallen der Wärme durch den Stand—
punkt unſerer Erde zur Sonne bedungen, vermehrt oder vermindert
ſich das Pflanzenwachsthum und hört mit dem beginnenden Winter
endlich auf. Schon die Keimung bedarf eines bedeutenden Wärme—
grades, der jedoch je nach verſchiedenen Pflanzengattungen auch
verſchieden iſt. Die Gräſer, welche in der Oekonomie der menſch—
lichen Geſellſchaft als die wichtigſten Nahrungsmittel voranſtehen,
keimen bei niederen Temperaturgraden und das ganze Jahr hin—
durch, was bei andern Gewächſen nicht der Fall iſt. Unter 4°
Wärme jedoch darf auch bei ihnen die Temperatur beim Keimungs—
acte nicht herabſinken.
Wie Licht und Electricität, ſo iſt auch die Wärme der Lebens—
kraft untergeordnet; ohne ſie kann daher kein Lebensact vor ſich
gehen, aber auch bei einer Temperatur, die 24 Grad überſteigt,
würden die Lebensverrichtungen aufhören, wenn die Pflanzen
nicht, wie die Thiere, mit Transſpirationsorganen verſehen wären.
welche die Wärme der umgebenden atmoſphäriſchen Luft durch die
bei der Verdunſtung gebundene herabzögen.
Um den Einfluß der Temperatur auf die Gasentwicklung der
Pflanzen zu erforſchen, brachten Cloez und Gratiolet die Apparate,
in welchen ſich die Pflanzen in kohlenſäurehaltigem Waſſer befan—
den, in ein großes mit Waſſer gefülltes Glasgefäß. In dem
Waſſer, zu welchem etwas Eis geſetzt wurde, konnten ſich die Pflan-
zen leicht abkühlen. Ein Thermometer ging durch den Kork des
Apparats und war dazu beſtimmt, die geringſten Veränderungen
der Temperatur anzugeben. Durch Aenderung in der Einwirkung
26
des Eiſes war es leicht, abwechſelnd den Einfluß der geſteigerten
Temperatur und den Einfluß des Sinkens derſelben zu ermitteln.
Wenn nun das Waſſer in den Gefäßen, bevor es dem Lichte aus—
geſetzt wurde, auf + 4 Grad Celſius gebracht wurde, ſo war die
Gasentwicklung anfangs gleich Null, wenn aber die Temperatur
des Waſſers ſich allmählig ſteigerte, fo erſchienen bei + 15 Grad
einige Blaſen. Die anfangs ſehr ſchwache Entwicklung wurde
dann um ſo ſtärker, je höher ſich die Temperatur ſteigerte und
ſchien bei + 30° ihr Maximum erreicht zu haben. Dieſer Verſuch
lieferte auch bei öfterer Wiederholung den Beweis: daß die Gas-
entwicklung in den Pflanzen nicht unter einer er gewiſſen Temperatur
beginnt.
Bei einem zweiten Verſuche wurde das Waſſer in den Appa-
raten auf 30“ gebracht und die Wärme deſſelben hierauf durch Zu—
ſatz von Eis erniedrigt. Bei dieſem Verfahren ließ die alsbald ein—
getretene Gasentwicklung allmählig nach; ſie wirkte jedoch bei
15° noch mit einer gewiſſen tee fort und war erſt 1
+ 100 vollſtändig beendigt.
Die Zerſetzung der Kohlenſäure durch die dem Sonnenlichte
ausgeſetzten Waſſerpflanzen beginnt demnach in einem Mittel, deſſen
Temperatur ſich von + 4° ſteigert, nicht unter 15° und ſcheint
bei 30“ ihr Maximum zu erreichen. Dieſelbe Zerſetzung geht in
einem Mittel, deſſen Temperatur von 30“ an abnimmt, noch bei
14, 13, 12 und 11 Grad vor ſich und hört bei 10° auf. Daher
kommt es auch: daß das Hauptpflanzenwachsthum in unſerm
Klima erſt Mitte oder Ende des Frühjahrs ſeinen Anfang nimmt
und um ſo raſcher voranſchreitet, je mehr ſich die Temperatur ſtei—
gert und je länger das Sonnenlicht auf ſie einwirkt, je mehr alſo
die Tage zunehmen.
Wir ſehen aus dem Vorangegangenen, wie nothwendig eine
geſteigerte Wärme dem Pflanzenwachsthum iſt; allein ohne Vor—
handenſein anderer Factoren der Pflanzenentwicklung nutzt ſie
nichts, namentlich muß ihr ſtets das Waſſer zur Seite ſtehen.
Ohne dieſes vermag der große Wecker des Pflanzenwuchſes nichts.
So z. B. tritt in Sudan, wo die beiden Hauptbedingungen für das
Pflanzenleben vereinigt ſind, ein mit der üppigſten reichhaltigſten
27
Vegetation bedeckter Erdboden auf; nördlich von Sudan aber, wo
die Wärme nicht weniger ſtark iſt, wo aber das Waſſer fehlt, iſt
nur eine unfruchtbare Wüſte ſichtbar. Dort entwickelt ſich das
Pflanzenleben in ſchwelgender Fülle in tauſendfachen Formen,
während hier dem Auge nur lebloſe Körper, in * Sand⸗
körnchen, entgegentreten.
Mit dem Ausdrucke Klima bezeichnen wir im angeweiwſt
Sinne alle Veränderungen in der Atmoſphäre, die unſere Sinne
merklich afficiren und die von der Temperatur, der Feuchtigkeit,
dem ruhigen Luftzuſtande oder dem Winde, von der Größe der
electriſchen Spannung, der Reinheit der Atmoſphäre, von der In—
tenſität der Sonnenſtrahlen u. ſ. w. herrühren. Eine der Haupt—
urſachen, welche die Temperatur jedes Klimas beſtimmen, ift die
Wirkung der wärmenden Sonnenſtrahlen auf die feſte Erdmaſſe.
Ueberall trägt die Erde die Wärme, welche ſie auf der Oberfläche
durch die Sonnenſtrahlen empfängt, in ihr Inneres über, die über—
flüſſige aber zerſtreut ſie auf der Oberfläche in den ſie umgebenden
Raum. Dieſe Prozeſſe belegen wir mit dem Namen Wärmeleitung
und Ausſtrahlung.
Nach den Geſetzen der Wärmeleitung erfolgen die täglichen
Wärmeeindrücke wellenförmig nach dem Innern der Erdmaſſe und
werden, je nach der Tiefe, in die ſie dringen, matter. Dort wird
dieſe Wärme aufgeſchichtet und bewegt ſich nach und nach von
einem Punkte derſelben zum andern. Die am Aequator gelegenen
Erdtheile werden ſtets von der Sonne mehr erwärmt, als andere
und daher geht von hier eine beſtändige innere Wärmeleitung
nach andern Theilen der Erdkugel vor ſich. Weil nun zugleich alle
Theile der Oberfläche durch Ausſtrahlung Wärme von ſich geben,
ſo entſteht daraus in den Polargegenden, wo die Sonne nur wenig
Erſatz leiſtet, ein beſtändiger Wärmeverbrauch. Auf dieſe Weiſe
geht von den Polen eine unausgeſetzte Zerſtreuung der Wärme in
den umgebenden Raum vor ſich und der dadurch entſtehende Ver—
luſt wird durch die Wärmeeinſtrömung am Aequator ſtets wieder
erſetzt.
Dieſe merkwürdige Circulation und ihre Schnelligkeit be—
ſtimmt die Quantität der in der feſten Maſſe der Erde überhaupt
28
und in jedem einzelnen Theile derſelben befindlichen Wärme, oder,
mit andern Worten, die jedem Punkte der Erdoberfläche eigene
mittlere Temperatur.
Ein ungemein günſtiges Reſultat der auf unſerer Erde be—
ſtehenden Wärmegeſetze iſt: daß der Wärmezuſtand derſelben eine
Gränze hat, welche nicht überſchritten wird. Daher werden die
durch eine beſondere Urſache erzeugten Abweichungen vom mittleren
Wärmezuſtande ſchnell wieder unterdrückt, und die Abweichungen
der Jahreszeiten von ihrem gewöhnlichen Standpunkte bringen
nur kleine vorübergehende Wirkungen hervor. Der Einfluß eines
ſehr heißen Tages verſchwindet ſofort in der durchſchnittlichen inne—
ren Wärme. Ebenſo gleicht ſich die Wirkung eines heißen Som—
mers beim Durchgange ſeiner Wärme durch die Erde ſchnell aus.
Dieſe Einrichtung iſt eine ungemein weiſe, denn erfolgte die
Ausgleichung im Innern nicht ſofort, ſo trüge ſich die unnatürliche
Hitze oder die unerträgliche Kälte des einen oder des andern
Ortes nach und nach auf alle über.
Hieraus ergiebt ſich: daß ſowohl die gegenwärtigen Ber:
ſchiedenheiten des Klimas, als auch die Stabilität der Wärme an
jedem einzelnen Punkte der Erde auf dem Maße, in welchem die
Geſammt-Sonnenſtrahlen unter dem Aequator und an andern
Stellen auffallen, und zugleich auf den Größen beruhen, welche das
Maß der Leitung und Ausſtrahlung beſtimmen. Dieſe Geſetze ſind
aber, wie bemerkt, ſo ausgezeichnet, daß ſie ſteigende oder zer—
ſtörende Wärmeungleichheiten nirgends eintreten laſſen. Daher
kommt es auch, daß das Klima ein und deſſelben Orts trotz des
beſtändigen Wechſels von Regen, Wind u. ſ. w. dennoch im Ver:
laufe vieler Jahre eine bewundernswerthe Beſtändigkeit beſitzt.
Dieſe merkwürdige Einrichtung in Bezug auf das Klima iſt der
Pflanzen- und Thierwelt auf das Genaueſte angepaßt, weshalb
ſich mit den klimatiſchen Verhältniſſen auch völlig verſchiedene
Pflanzenarten in verſchiedenen Ländern einfinden. Die Stetigkeit
des Klimas an den nämlichen Orten iſt aber eine nothwendige
Bedingung einer jeden daſelbſt einheimiſchen Pflanzen-Species,
indem außerdem eine große Zahl derſelben zu n gehen
würde.
29
Die Organiſation der Pflanzen ift daher der Wirkſamkeit der
Elemente und unter dieſen der Wärme namentlich angepaßt. So
finden wir z. B. unter dem Aequator die Gewürznelke, die Mus—
katenuß, den Pfeffer auf den Gewürzinſeln. Zimmtſtauden ſind
auf dem Boden von Ceylon verbreitet. Das wohlriechende San—
delholz, der Ebenbaum, der Thekabaum, die Bananenfeige wachſen
in Oſtindien. In denſelben Breiten des glücklichen Arabiens fin—
den wir den Balſam, den Weihrauch, die Myrrhe, den Kaffeebaum
und die Tamarinde. Dagegen fehlen in den Ebenen dieſer Gegen—
den diejenigen Bäume und Stauden, welche in unſern nördlichen
Klimaten verbreitet ſind.
Gehen wir nordwärts, ſo verändert ſich die Begetabiliſche
Scenerie mit jedem Schritte. In den Gehölzen weſtlich vom kas—
piſchen Meere ſtellt ſich uns die Aprikoſe, Citrone, Pfirſche und die
Wallnuß vor. In derſelben Breite in Spanien, Sicilien und
Italien finden wir die Zwergpalme, die Cypreſſe, die Kaſtanie,
den Korkbaum, Orangen und Limonenbäume erfüllen die Luft mit
ihren Düften. Die Myrte und der Granatapfelbaum wachſen wild
zwiſchen Felſen. Ueberſteigen wir die Alpen, ſo treffen wir im
nördlichen Europa die Eiche, die Buche, die Ulme, weiter nörd—
lich die Fichte, Weißtanne, Kiefer, Lärche. Auf den Orkneyinſeln
giebt es nichts Baumartiges als die Haſel, welche man dann
wieder an den nördlichen Küſten des baltiſchen Meeres trifft.
Gehen wir weiter in kältere Gegenden vorwärts, ſo finden wir da—
ſelbſt Pflanzenarten, die offenbar für dieſe Lagen gemacht ſind.
Die graue Erle zeigt ſich nördlich von Stockholm; der weiße
Ahorn und der Vogelbeerbaum begleiten uns bis zur Spitze des
baltiſchen Meerbuſens und verlaſſen wir dieſen und gehen über das
Davrefieldgebirge, fo paſſiren wir nach einander die Gränzlinien
der Sproſſenfichte, der ſchottiſchen Fichte und jener kleinen Stau:
den, welche die Botaniker als die Zwergbirke und die Bachweide
bezeichnen. Hier in der Nähe, oder innerhalb des nördlichen Polar—
kreiſes, finden wir noch wilde Blumen von großer Schönheit, den
Kellerhals, die gelbe und weiße Waſſerlilie und die europäiſche
Kugelblume. Und wo auch dieſe aufhören, da macht das Renn—
thiermoos das Land noch für Thiere und Menſchen bewohnbar.
30
Höchſt weiſe ſind die Nahrungspflanzen auf unſerer Erde vertheilt.
Korn, Wein und Oel haben ihr feſt begränztes Gebiet. Der
Weizen erſtreckt ſich über das ganze alte Feſtland, von England
bis Tibet; allein gegen Norden hört er bald auf und gedeiht im
Weſten Schottlands nicht mehr. Auch in der heißen Zone befindet
er ſich nicht beſſer, als in den Polargegenden. Innerhalb der
Wendekreiſe wird kein Weizen, keine Gerſte und kein Hafer gebaut,
ausgenommen in Lagen, welche beträchtlich über dem Meeres—
ſpiegel erhaben ſind. Die Einwohner jener Länder haben andere
Arten von Korn, oder überhaupt andere Nahrungsmittel. Der
Weinbau gedeiht nur in Ländern, wo die mittlere jährliche Tem—
peratur zwiſchen + 10 und 12 Grad beträgt. Auf beiden Halb—
kugeln hört der vortheilhafte Anbau dieſer Pflanze 30 Grad von
dem Aequator auf; außer in hohen Lagen, oder auf Inſeln z. B.
Teneriffa. |
Die Gränzen des Mais- und Oelbaues, in Frankreich, laufen
mit denjenigen parallel, welche den Wein und das Getreide gegen
Norden hin beſchränken, wo alſo die mittlere Jahrestemperatur
unter 9° ſinkt. Im Norden Italiens, weſtlich von Mailand, treffen
wir zunächſt den Reisbau, welcher ſich über ganz Südaſien aus—
dehnt, er gedeiht da an allen Stellen, wo das Land gehörig mit
Waſſer überführt werden kann. In einem großen en Afrikas
iſt die Hirſe eine der Hauptgetreidearten.
Electricität.
Es ift hier nicht der Ort weitläufig über die Electricität zu
verhandeln, ſondern wir führen nur an: daß viele Körper durch
Reiben u. ſ. w. in einen Zuſtand verſetzt werden, in welchem ſie
kleine Papierſtreifchen aus der Ferne anziehen und dann wieder
abſtoßen, von Neuem anziehen und von Neuem abſtoßen, dem in
die Nähe gebrachten Finger aber im Dunkeln einen ſichtbaren,
ſtechenden Funken entlocken. Dieſer raſcher oder langſamer ver—
laufende Zuſtand wird der electriſche und die Urſache deſſelben
Electricität genannt. Bei manchem Körper iſt die Erzeugung leicht,
bei andern ſchwer. Im Bezuge auf die Ausgleichung derſelben
muß man ſich dieſelbe als zwei Gegenſätze, die mit negativ
und poſitiv bezeichnet werden, denken.
Wenn ſich eine Magnetnadel in ihrer natürlichen Lage gegen
Nord und Süd befindet, ſo bewegen ſich electriſche Ströme auf der
öſtlichen Seite derſelben herab, gehen unter ihr nach Weſt hin
durch und ſteigen auf der weſtlichen Seite wieder in die Höhe.
Da ſich nun die Geſammt-Erde als ein großer Magnet darſtellt,
ſo finden ſich natürlich auch dieſe electriſchen von Oſt nach Weſt
gehenden Strömungen auf ihr, deren Entſtehung man durch den
Uebergang der Wärme in Electricität erklärt. Die Erſcheinungen
wenigſtens ſprechen allgemein hierfür und laſſen hinwiederum die
allgemeine Vertheilung der Electricität und des Magnetismus auf
der Erde am leichteſten erklären. Während der täglichen Um—
wälzung der Erde um ihre Axe von Weſten nach Oſten werden
nämlich die einzelnen Theile ihrer Oberfläche in der entgegengeſetz—
ten Richtung und zwar von Oſt nach Weſt den Sonnenſtrahlen
32
ausgeſetzt, wodurch die Oberfläche derſelben, beſonders zwiſchen
den Wendekreiſen, allmählig in letzterer Richtung erwärmt und
dann wieder abgekühlt wird; hierdurch nun bilden ſich, nach den
Grundſätzen der Thermo-Electricität, electriſche Ströme in derſel—
ben Richtung. Fließen nun dieſe Ströme einmal von Oſt nach
Weſt, ſo müſſen ſie auch zu dem Magnetismus der Erde von Nord
nach Süd Veranlaſſung geben, wie dies die Magnetnadel ſo über—
raſchend nachweiſt und wie wir dies oben bei der Wellenver—
breitung der Wärme kennen lernten.
Die Electricität wirkt mächtig auf die Pflanzenwelt, nicht
allein bezüglich der wäßrigen Niederſchläge oder der Bildung von
Ammoniak und Salpeterſäure bei entſtehenden Gewittern, ſondern
auch unmittelbar als die Kraft, welche den Saftumlauf und da-
durch das Pflanzenwachsthum befördert.
So ungemein günſtig die Electricität beim Vegetations⸗
prozeſſe auch wirkt, ſo ſahen wir bis jetzt die dabei eintretenden
Erſcheinungen doch noch nicht klar genug und das ſie umgebende
Dunkel bedarf erſt der Erleuchtung, wir beſchränken uns daher auf
die Verſuche, welche Becquerel l anſtellte und die zu Wochſtehen⸗
den Schlüſſen führten:
1) In den Stämmen der Gewächſe werden veimittelſt gal⸗
vanometriſcher Platinnadeln, von denen man die eine in die Rinde,
die andre ins Holz ſticht, electriſche Ströme erzeugt, deren Rich—
tung vom Zellgewebe nach dem Mark geht. Aehnliche Ströme
werden in der Rinde erzeugt, welche im Gegentheile vom Nah—
rungsſafte nach dem Zellgewebe gehen.
2) Der Saft oder die Flüſſigkeit des Rindenzellgewebes,
einige Augenblicke dem Zutritte der Luft ausgeſetzt, verändert ſich
in der Art: daß wenn man ihn neuerdings mit dem Safte in Be—
rührung bringt, der ſich im grünen Theile des Sellgemehes befin⸗
det, er in Bezug auf letzteren negativ wird.
3) Durch Vermittlung der Wurzeln, des Marks und anderer
Theile des Stengels werden erdichte Nebenſtröme erzeugt.
4) Die Richtung der erdichten Ströme zeigt: daß beim Vege—
tationsprozeſſe die Erde beſtändig einen Ueberſchuß poſitiver Elec—
trieität, das Zellgewebe der Rinde und der Blätter aber einen
33
Ueberſchuß negativer Electricität erhält, welcher durch das ver-
dunſtende Waſſer in die Luft übergeht.
5) Die Vertheilung des aufſteigenden Saftes und des Saftes
des Rindenzellgewebes macht es wahrſcheinlich: daß in den Pflan—
zen beſtändig Ströme in der Richtung von der Rinde zum Mark
ſich bewegen.
6) Die chemiſchen Prozeſſe ſind, wie nicht zu bezweifeln, die
erſten Urſachen der in den Pflanzen beobachteten electriſchen Wir—
kungen, letztere ſind ſehr mannigfaltig und wurden erſt in einigen
Fällen beobachtet.
7) Die einander entgegengeſetzten electriſchen Zuſtände der
Pflanzen und der Erde machen es wahrſcheinlich: daß ſie in Folge
der Kraft der Vegetation auf dem Feſtlande und den Inſeln einen
gewiſſen Einfluß auf die electriſchen Erſcheinungen der Atmoſphäre
üben müſſen.
Für letzteres finden wir einen Beleg in dem Stande und dem
Zuge der Gewitter verſchiedener Gegenden. Da wo viele Waldun—
gen vorhanden ſind, werden ſich gewiß viel mehr und auch groß—
artigere Gewitter entladen, als in Gegenden, wo dieſelben fehlen.
Die Ausgleichung der Electricität durch die Gewitter hat
einen nicht zu verkennenden Einfluß auf die Vegetation, abgeſehen
davon, daß durch die Bildung von Ammoniak und Salpeterſäure
eine vermehrte Fruchtbarkeit hervorgerufen wird. Die Verbindung
des Waſſerſtoffs mit dem Stickſtoffe der Luft iſt weder durch Druck
noch durch Hitze zu bewirken, electriſche Schläge ermöglichen es
aber. Je ſtärker nun die electriſchen Ausgleichungen ſind, deſto be—
deutender iſt die Bildung von Ammoniak, vorausgeſetzt daß
außerdem in der Atmoſphäre die Bedingungen für die Zerlegung
und Wiedervereinigung der Gasarten gegeben ſind. Bei Gewittern
haben wir aber faſt ſtets Regen oder doch vielen aufgelöſten
Waſſerdunſt in der Atmoſphäre. Die ſtarken Blitze bei Gewittern
zerlegen nun nicht allein die Luft, ſondern auch das Waſſer, wel—
ches ſie vorfinden. Der Stickſtoff der Luft verbindet ſich dann
einestheils mit dem freigewordenen Waſſerſtoff zu Ammoniak und
mit Sauerſtoff des zerlegten Waſſers zu Salpeterſäure.
Engelhardt, die Nahrung der Pflanzen. 3
Sauerſtoff.
Der Sauerſtoff iſt in freiem Zuſtande ein permanentes Gas
und ſetzt als ſolches unſere atmoſphäriſche Luft mit zuſammen.
Mit andern Grundſtoffen verbunden findet ſich derſelbe von allen
Elementen am häufigſten verbreitet. Er iſt ein Beſtandtheil des
Waſſers, faſt aller Erden und Gebirgsarten, welche die Erdrinde
bilden und kommt mit wenigen Ausnahmen über die ganze Erde
verbreitet vor. Das Sauerſtoffgas iſt farblos und beſitzt weder
Geruch noch Geſchmack. Es iſt etwas ſchwerer als die atmoſphä—
riſche Luft und konnte bis jetzt weder durch Kälte noch durch Druck
in eine Flüßigkeit verwandelt werden. Das Sauerſtoffgas kann
eingeathmet werden und wird bei dem gewöhnlichen Athmungs—
prozeße fortwährend von den Lungen aus der Luft aufgenommen
und dadurch der Lebensprozeß erhalten. Wie ohne das Vorhanden—
ſein von Sauerſtoff kein Thier zu leben vermag, ſo wäre ohne das—
ſelbe auch kein Pflanzengedeihen möglich. Schon das Saamenkorn
kann bei Mangel an Sauerſtoff kein Keimchen entwickeln und ſo
nöthig deſſen Vergrabung in die Erde iſt, damit es in der erſten
Periode ſeines Lebens vor dem ihm nachtheiligen Sonnenlichte
geſchützt wird, ſo darf dieſe jedoch nicht in zu große Tiefe ge—
ſchehen, weil ſonſt der belebende Sauerſtoff nicht in dem Maaße zu
ihm zu treten vermag, als es die Entwicklung des Keimchens ver—
langt. Aber nicht bei der Keimung allein wirkt der Sauerſtoff ſo
günſtig; er iſt auch für die Geſammtpflanzenorganiſation vollkom—
men unentbehrlich.
Unſere Atmoſphäre iſt aus + Stickſtoff und + Sauerſtoff ge—
mengt, wozu etwa noch 25 Theil Kohlenſäure und etwas Am—
35
moniak kommen. Seitdem man den Sauerftoff durch Prieſtley
hatte kennen und ſeine Wichtigkeit beim Athmungsprozeſſe verſtehen
lernen, glaubte man die Güte der Luft nach ihrem Gehalte an
Sauerſtoff beurtheilen zu müſſen, und ohne alle Frage iſt der
Sauerſtoff eins der wichtigſten, aber wohl auch das mächtigſte
Element auf der Erde, denn es bringt nicht allein das Leben, es
zerſtört es auch wieder. Ueberall iſt er zu finden. Gleichwie er in
gasförmiger Geſtalt mit dem Stickſtoffe unſere Luft zuſammenſetzt,
ſo findet er ſich in Verbindung mit Waſſerſtoff zu einer tropfbaren
Flüſſigkeit in unſerm Waſſer vereinigt. In ſämmtlichen Pflanzen
und Thieren und faſt in ſämmtlichen Mineralien hat er ſeinen
Wohnſitz aufgeſchlagen. In Tauſend und aber Tauſend Geſtalten
verbreitet er ſich durch die Geſammt-Natur, hier zerſtörend, dort
belebend. Ueberall bildet, formt und ſchafft er, um gleich daneben
Geſchaffenes wieder zu zerſtören. Allen Körpern mit denen er in
Berührung kommt verbindet er ſich, um ſie zu verändern. Dieſe
Veränderungen belegen wir im gewöhnlichen Leben mit dem Namen
Vergänglichkeit oder Zahn der Zeit.
Alle Geſchöpfe, alle Pflanzen enthalten ihn und obſchon er
die Bedingung ihres Lebens iſt, ſo ſinnt er dennoch ſtets auf die
Zerſtörung deſſelben, er fällt dabei aber nicht, wie der Stickſtoff,
die Kohlenſäure, der Waſſerſtoff mit der Thüre ins Haus; er geht
ſubtil und äußerſt bedächtig zu Werke, er reicht den Todesbecher
nur tropfenweiſe und reißt er hier das Leben nieder, ſo baut er
gleich daneben wieder neues auf. Haben wir unſere Freude an
einem metallenen Kunſtwerke, ſiehe ſo iſt er gleich zur Hand, niſtet
ſich in daſſelbe ein und verändert es vom Grund aus. Die Haus—
frau ſetzt Abends ihre beſte Milch zum Frühſtück bereit, morgens
findet ſie dieſelbe ſauer: — der neckiſche Sauerſtoff hat ihr dieſen
Streich geſpielt. Der Landwirth legt ſich für die heißen Sommer—
tage einen kühlenden Trank in den friſchen Keller, zur Vorſorge
verſpündet er das Faß ſorgfältig und dennoch dringt der böſe Feind
in daſſelbe ein und verwandelt den Labetrunk in Eſſig.
Seine guten, ungemein wohlthätigen, fo wie feine hinter—
liſtigen böſen Thaten kann der Sauerſtoff aber nicht allein für ſich
vollführen, er bedarf * einer Gehülfin und dies iſt die
L 3 *
36
Wärme; ohne fie ift er machtlos. Daher kann man einen Körper
in der Kälte nach allen Richtungen hin mit Luft umgeben, er wird
ſich eben ſo gut halten und nicht zerſtört werden, als wenn von
demſelben die Luft vollkommen ausgeſchloſſen wird! Um daher im
heißen Sommer Speiſen und Getränke vor dem Verderben zu
ſchützen, hat man zwei Wege, nämlich die Herſtellung kalter
Räume, oder den Abſchluß von Luft. Der Koch in der Hofküche,
der Koch in einem großen Gaſthofe legt ſein Fleiſch, ſeine Butter
u. ſ. w. in einen mit Eis gefüllten Raum — eine Eisgrube — er
verſchließt ſeine zarten Gemüſe in einer verlötheten Blechkapſel,
deren Inhalt zugleich mit ihr aufgekocht wird, um dieſelben nach
Verlauf von Jahren mitten im Winter auf die Tafeln zu bringen.
Niemand wird ſie von friſchen unterſcheiden können. Der Bier—
brauer bedient ſich des Eiſes in ſeinem Sommerbierkeller, um ſei—
nen Gerſtenſaft nicht ſauer werden zu laſſen. Der Fleiſcher hängt
ſein friſch geſchlachtetes Fleiſch, ſeine eben erſt gekochten Würſte
mitten im Sommer in die Sonne und in ſtarken Luftzug, damit
das ausſchwitzende Eiweis, der Leim ſchnell eine Kruſte über die
Oberfläche ziehe, die dem verderbenbringenden Sauerſtoffe den
Zutritt verwehre; für gleichen Zweck hängt er beide in den Rauch.
Der Wundarzt belegt die Wunde ſeines Patienten mit einem
Pflaſter, nicht daß dieſes dieſelbe heile, ſondern daß der Sauer—
ſtoff nicht zutreten und Zerſetzungen (Eiterungen) einleiten möge.
Deshalb heilt eine Schnittwunde ſo ſchnell, wenn man ſie unmit—
telbar nach deren Entſtehen ganz feſt zuhält.
Die Abhaltung des Sauerſtoffs von koloſſalen Elephanten der
Vorwelt, die im Eiſe ander Lena in Sibirien eingefroren waren,
ließ dieſe Tauſende von Jahr-Tauſenden ſo unverändert, daß
Hunde ihr Fleiſch noch fraßen, als ſie aus dem Eiſe ausgeſcharrt
wurden. Dieſe Unveränderlichkeit des thieriſchen Körpers hatte
lediglich und allein ihren Grund darinnen: daß der Mangel an
Wärme den Sauerſtoff verhinderte, ſich mit dem Waſſerſtoff, Koh—
lenſtoff, Stickſtoff der Haut und des Fleiſches zu verbinden.
Dieſemnach kann ſich der Sauerſtoff nur unter Beihülfe der
Wärme mit andern Körpern verbinden und aus dieſem Grunde iſt
fein Bildungs- und Zerſtörungs-Trieb im Sommer auch am größten.
37
Bei allen Verbindungen des Sauerftoffs findet Wärmeentwick⸗
lung ſtatt, die ſtets wieder neue Sauerſtoffverbindungen hervor⸗
ruft. Kein Verbindungs⸗Product des Sauerſtoffs kann aber fo viel
Wärme aufnehmen, als der Körper vor der Verbrennung beſaß.
Bei jedem ſolchen Prozeſſe wird daher Wärme frei; je mehr aber
Wärme entwickelt wird, eine deſto größere Quantität des Körpers
verbindet ſich mit dem Sauerſtoffe. Der Sauerſtoff aber iſt ein
Gas. Wenn nun der ſich mit ihm verbindende Körper auch ein
Gas iſt, dann geſchieht wegen der ungemein vielen Berührungs—
punkte die Vereinigung plötzlich und die Wärme wird dabei ſo be—
deutend, daß ſie als Licht hervortritt. Einen ſolchen Prozeß nennt
man Verbrennung und das ſich dabei entwickelnde Licht Feuer.
Jede Verbindung eines Körpers mit Sauerſtoff iſt daher eine
Verbrennung, denn allemal entſteht dabei Wärme, die den Keim
des Feuers in ſich trägt; eine ſolche Wärmeentbindung wird daher
auch langſames Verbrennen genannt. Die Verbindung des Eiſens
mit dem Sauerſtoffe iſt aus dieſem Grunde ebenſogut ein Verbren—
nungs⸗Prozeß, als das Athmen, wobei der Sauerſtoff der Luft in
die Lungen geführt wird, um den überflüſſigen Kohlenſtoff im
Blute zu verbrennen. Sauerſtoff iſt daher dasjenige Element, was
alles Lebende durch den Verbrennungs-Prozeß wieder zu dem zu—
rückführt, von wo es ausging, welcher alſo die Pflanzen und
Thierleiber zu der Erde zurückführt, aus der ſie entſtanden.
Beim Schüren eines Feuers muß vor Allem ſo viel Wärme
erregt werden, um etwas luftförmigen Brennſtoff zu bilden. Hier—
zu ſucht man leicht Feuer fangende Materialien z. B. Schwamm
aus, der vermittelſt ſtarker Reibung von Stahl und Stein ſich
durch einen Stahlfunken entzünden läßt. Auch Phosphor entzün—
det ſich durch Reibung leicht; der Schwefel aber iſt ein wohlfeiles
und leicht in Gasgeſtalt zu bringendes Element, welches von jeher
und jetzt noch ſo häufig am Zündhölzchen zur Herſtellung von
Feuer benutzt wird. Bei ſeinem Verbrennen erhält man bereits
eine geſteigerte Hitze, bei welcher ſich dann Stroh, klares trocknes
Holz u. ſ. w. leicht entzünden läßt. Auf dieſe Weiſe kann das
Feuer einen mächtigen Umfang erhalten, man darf nur dafür ſor—
38
gen, daß ſtets Materialien zugeführt werden, die ſich bei Anweſen—
heit von Sauerſtoff in Gaſe umwandeln.
Zur Unterhaltung eines Feuers iſt daher Sauerſtoff, Brenn—
ſtoff und Wärme nothwendig; daſſelbe wird um ſo lebhafter bren—
nen, je leichter ſich die Brennſtoffe in Gasform überführen laſſen.
Bedeckt man daher ein Feuer und ſchneidet dadurch den Zutritt der
Luft ab, ſo verlöſcht es. Ebenſo geht daſſelbe aus, wenn naſſes
Holz zur Fortſchürung benutzt und die Gluth noch nicht groß genug
iſt, um letzteres ſogleich dabei zu trocknen. Dieſes Verlöſchen rührt
daher, daß durch die Verdunſtung des Waſſers im naſſen Holze
eine zu große Menge von Wärme gebunden wird, die zum Bren—
nen nothwendige hierdurch alſo abſorbirt wird. Ein ſchwaches
Feuer auf einer kalten Steinplatte verlöſcht ebenfalls bald, weil
ihm von dieſer die Wärme entzogen wird.
Während des Brennens muß jeder feſte Körper in Gas um—
gewandelt werden, wenn Verbrennung erfolgen und ſich fortſetzen
ſoll. Um daher Licht und Wärmematerial zum leichten Weiter—
transporte zu erhalten, verbrennt man Feuerungsmaterial in ver—
ſchloßenem Raume und fängt die Gaſe, in welche jenes zerlegt
wird, auf. Dieſelben laſſen ſich dann ſowohl zur Beleuchtung, als
zur Beheizung in Kochapparaten benutzen und werden Leuchtgaſe
genannt. In der Technik find Kohlenſtoff und Waſſerſtoff die kräf—
tigſten Brennmaterialien und finden ſich dieſelben ſowohl im Holze,
als in den Steinkohlen vereinigt; beide in gehöriger Miſchung
geben bei der Verbrennung mit Sauerſtoff ein ſchönes Licht, wie
im Leuchtgaſe, im Fett, im Oele, in der Butter u. ſ. w., während
der Waſſerſtoff für ſich nur ein bläuliches mattes Licht ausgiebt.
Da nun der Waſſerſtoff im Waſſer einen Hauptbeſtandtheil aus—
macht, der Sauerſtoff aber die Verbrennung jenes, mit welchem er
in Waſſer vereinigt iſt, ſo ungemein begünſtigt, ſo iſt es ſcheinbar
ein Widerſpruch: daß man das Feuer mit Waſſer löſcht; allein hier
waltet ein anderes Geſetz vor. Jeder Körper, der aus dem feſten
in den flüſſigen, der aus dem flüſſigen in einen tropfbaren Zuſtand
übergeht, bindet eine große Menge von Wärme, um ſie bei dem
Aufgeben dieſes Zuſtandes wieder abzugeben. Gießt man nun
Waſſer ins Feuer, ſo verwandelt ſich daſſelbe in Dampf und das
39
Feuer erlöſcht durch allzugroße Abgabe von Wärme an den
Dampf.
Waſſer leiſtet jedoch zum Verlöſchen von Feuer nur ſo lange
gute Dienſte, als letzteres noch nicht einen zu großen Umfang und
eine zu große Intenſität (vielleicht Weißgluth) erlangt hat. Iſt
letzteres der Fall, dann wird das Waſſer zerſetzt und ſeine Anwen—
dung iſt dann ſchlimmer, als wenn man Oel in die Flamme göſſe.
Bei ſehr großen und lange anhaltenden Bränden haben wir zu—
weilen die Erſcheinung: daß mit Waſſer beim Löſchen nichts mehr
auszurichten iſt.
Durch das hier Angegebene bekommen wir übrigens Finger—
zeige über die einſtige Verwendung des Waſſers als Heizmaterial.
Wenn bei dem großen in der Erde noch niedergelegten Steinkohlen—
reichthum, welcher als Gradmeſſer der Billigkeit unſerer Brenn—
materialien zu betrachten iſt, im Augenblicke auch noch nicht an die
Zerlegung des Waſſers und die Benutzung der Wärme deſſen Waſſer—
ſtoffs zu denken iſt, ſo liegt für das Menſchengeſchlecht der Zeitraum
doch nicht allzufern, wo derſelbe als Brennmaterial in Haushal—
tungen, in den Gewerben und der Induſtrie benutzt werden wird.
Weiter oben beim Lichte hatten wir zu ſehen Gelegenheit:
daß daſſelbe die Kohlenſäure in den grünen Pflanzentheilen,
namentlich den Blättern zerlege, die alsdann den Sauerſtoff, jedoch
nur bei Anweſenheit von Lichtſtrahlen ausſcheiden. Allein nicht
ſämmtlicher Sauerſtoff tritt ſogleich nach Außen, ſondern er ſam⸗
melt ſich in den Intercellulargängen an und entweicht von da aus
zum Theil durch die Seitenporen. Der Lauf dieſes Sauerſtoff—
ſtromes im Innern der Pflanze iſt ein ſehr bemerkenswerther, er
geht nämlich beſtändig von den Blättern nach den Wurzeln und
läßt ſich dies leicht durch einen Verſuch nachweiſen. Wenn man
den mittleren Theil eines Stengels von Potamogeton in kohlen—
ſäurehaltigem Waſſer horizontal der Sonne ausſetzt, ſo fieht man
nach einigen Augenblicken aus dem Wurzelabſchnitte des Stengels
Gasblaſen ſich entwickeln, während dieſe am andern Ende unbe—
deutend und in gewiſſen Fällen gar nicht zu bemerken ſind. Dieſer
Verſuch giebt, man mag dem Stengel irgend welche Lage geben,
unverändert ſtets daſſelbe Reſultat.
40
Es läßt ſich demnach nicht bezweifeln: daß ein Sauerftoff-
ſtrom von der Spitze des Stengels nach den Wurzeln hinſtrömt.
Dieſe genau feſtgeſtellte Erſcheinung muß jedenfalls einen beſon—
dern Zweck haben und wir wiſſen ja aus der Pflanzenchemie: daß
nicht alles was die Pflanzenzelle von Außen zugeführt bekommt,
ſie in ihr eigenes Gewebe umzuwandeln vermag; es bleibt noch
ein Ueberſchuß von Stoffen zurück, den ſie nicht unterzubringen
weiß, der daher wieder entfernt werden muß, damit er den Funk—
tionen des Lebens nicht ſtörend in den Weg tritt. Zu dieſem Zwecke
bedient ſich die Pflanzenzelle eines durchgreifenden Mittels: was
ihr nicht anſteht, was ſie zu ihrem Lebensprozeſſe nicht gebrauchen
kann, das verbrennt ſie d. h. ſie nimmt von dem überſchüſſigen in
ihr circulirenden Sauerſtoff und verändert die Körper in der Weiſe,
daß ſie ſie in Kohlenſäure und Waſſerdampf, die unſichtbar ent—
weichen, umwandelt, während nur die unverbrennbaren Beſtand—
theile, die Erden und Salze zurückbleiben, die wir in der Aſche
wiederfinden.
Um dieſe überſchüſſigen und deshalb ſchädlichen Subſtanzen
zu verbrennen, muß die Pflanzenzelle aus der Luft Sauerſtoff in
ſich aufnehmen, ſie kann daher auch nur in einer Atmoſphäre ge—
deihen, welche Sauerſtoff enthält, die atmoſphäriſche Luft muß ſie
daher von allen Seiten umgeben. Stellt man ſie in einen Raum,
gefüllt mit Stickſtoff oder Waſſerſtoff, ſo iſt die Zelle nicht mehr
im Stande, ihre abgenutzten und unbrauchbaren Stoffe zu ent—
fernen, es wird dadurch der Lebensprozeß ins Stocken kommen und
die Zelle und zuletzt die ganze Pflanze erſticken. Es findet hier alſo
ein ähnlicher Athmungsprozeß wie bei Menſchen und Thieren ſtatt.
Selbſt die ungemein einfachen und mikroſkopiſch kleinen Pflanzen:
zellen, die Bacillaren u. ſ. w. müſſen Sauerſtoff aus dem Waſſer
aufnehmen. Sie ſterben ab, wenn man den Zutritt der atmoſphä—
riſchen Luft zu ihnen verhindert. Sie ſind ſelbſt ſo empfindlich,
daß, wenn man ein Glas, in welchem man ſie nach Hauſe mien
feſt verkorkt, ſie auf dem Wege abſterben.
Die Aufnahme von Sauerſtoff, um die überflüſſigen Stoffe
in den Pflanzenzellen zu verbrennen, ſo wie das hiervon abhängige
Ausathmen von Kohlenſäure, welche das Verbrennungsproduct
4
dieſer Stoffe ift, bezeichnet man als Reſpiration der Pflanzenzelle.
Sie iſt ihrem Weſen nach ganz mit dem Athmungsprozeſſe der
Thiere übereinſtimmend und äußert ſich in allen Pflanzenzellen.
Daher findet zwiſchen der Atmoſphäre und den Pflanzenzellen eine
ununterbrochene Wirkung ſtatt, die jedoch in ganz verſchiedener
Weiſe vor ſich geht, je nachdem das Sonnenlicht auf jene einwirkt
oder nicht. Im Sonnenſchein nehmen die grünen Zellen Kohlen—
ſäure auf und hauchen Sauerſtoff aus, bei trübem Wetter dagegen
entziehen ſie der Atmoſphäre Sauerſtoff und athmen Kohlenſäure
aus. Bei Sonnenſchein verbeſſern daher die Pflanzen die Luft auf
doppelte Weiſe, indem ſie die gefährliche Kohlenſäure aus der—
ſelben entfernen und indem ſie ihren Gehalt an Sauerſtoff ver—
mehren. Des Nachts verderben die Pflanzen die Luft, da ihr Ath—
mungsprozeß gerade in umgekehrter Weiſe von ſtatten geht; des—
halb iſt am Tage der Aufenthalt im Walde bei weitem geſünder,
als des Nachts.
Bis zu einer gewiſſen Gränze läßt ſich die Lebendigkeit des
Wachsthums der Pflanzen meſſen durch die Sauerſtoffmenge,
welche ſich bei der Vegetation entwickelt. Bei den Waſſerpflanzen
aber hört die Ausſcheidung des Sauerſtoffs, die Zerſetzung der
Kohlenſäure in den grünen Theilen auf, wenn die Salze fehlen,
die in den natürlichen Gewäſſern enthalten ſind.
Wie ungemein vorſorglich der Schöpfer des Weltalls mit dem
Begründer und Zerſtörer alles Lebendigen zu Werke ging, wie alſo
das thieriſche und pflanzliche Leben auf der Erde der Zahl nach
noch wachſen kann, dies ſehen wir an der außerordentlichen Maſſe
von Sauerſtoff, die lediglich und allein nur mit dem Stickſtoffe
unſerer Luft gemengt iſt, um die Atmoſphäre zu bilden. Letztere
enthält circa 2,551,586 Billionen Pfund Sauerſtoff, der jährliche
Verbrauch deſſelben durch das Athmen aller Menſchen und Thiere
und durch ſämmtliche Verbrennungs-Prozeſſe beträgt 27 Billionen
Pfund, oder noch nicht den Zehntauſendſten Theil der Geſammt—
maſſe. Bedenken wir nun, daß der Sauerſtoff ſtets durch die Zer—
legung der Kohlenſäure mittelſt der Sonnenſtrahlen in den grünen
Theilen der Pflanzen wieder hergeſtellt wird, ſo iſt für die Unend—
lichkeit genug dieſes Elements auf unſerer Erde vorhanden.
Waſſerſtoff, fo wie deſſen Verbindung
mit Sauerſtoff zu Waſſer.
Der Waſſerſtoff iſt eine Gasart, welche in reinem Zuſtande
vollkommen farb- geruch- und geſchmacklos iſt. Vom Sauerſtoff
und Stickſtoffe unterſcheidet ſich derſelbe durch ſeine Leichtigkeit
und Entzündlichkeit, denn er verbrennt an der Luft, wenn er an—
gezündet wird.
Der Waſſerſtoff läßt ſich leicht und ſchnell darſtellen, wenn
man Zinkblech oder Eiſenfeilſpäne in eine Flaſche ſchüttet und dar—
über Schwefelſäure, die mit dem Doppelten ihres Gewichtes
Waſſer verdünnt iſt, gießt. So bald eine ausreichende Menge des
Gaſes ſich entwickelt hat, um die gewöhnliche Luft vollkommen
aus dem Gefäße entfernt zu haben, verſchließt man die Oeffnung
des letzteren mit einem genau paſſenden Korke, durch welchen man
ein Stück eines irdenen Pfeifenrohres, oder eines Leuchtgas—
brenners geſteckt hat; der ſich durch die feine Oeffnung entwickelnde
Waſſerſtoffſttom kann dann mit einem brennenden Spane ent:
zündet werden und brennt alsdann mit ſehr bleicher, kaum ſicht—
barer Flamme. Hält man über dieſelbe ein vollkommen trocknes
und kaltes großes Glas, ſo wird ſich alsbald die innere Seite des—
ſelben mit einem feinen Thau befchlagen, welcher nach und nach
in kleine ſichtbare Kügelchen zuſammenrinnt und endlich in der
Geſtalt von reinen Waſſertropfen niederfällt. Dieſes Waſſer bildet
ſich durch die Verbrennung des aus der Flaſche tretenden Waſſer—
ſtoffs im Sauerſtoffe der Luft, denn während des Verbrennens
verbindet ſich letzterer mit dem Waſſerſtoffe und bildet auf dieſe
Weiſe wieder Waſſer. Bei der Darſtellung des Waſſerſtoffs und
bei der Entzündung deſſelben iſt große Vorſicht nothwendig, denn
43
bleibt im Entwickelungsglaſe etwas Sauerſtoff zurück, dann ent:
fteht Knallgas, welches beim Entzünden des Waſſerſtoffs die
Flaſche unter furchtbarem Knalle zerſchmettert. Der Vorſicht wegen
umgiebt man dieſelbe mit einem Tuche, fo daß nur die Pfeifen⸗
rohrſpitze frei hervorragt.
Die außerordentliche Leichtigkeit des Waſſerſtoffs läßt ſich
ſchön nachweiſen, wenn man das brennende Waſſerſtoffgas aus—
löſcht und es dann in einen kleinen Luftballon von Fiſchblaſe oder
Goldſchlägerhäutchen ſtrömen läßt, den man an die Gasröhre be—
feſtigt. So bald dieſer kleine Ballon mit Gas gefüllt iſt, wird er
raſch emporſteigen und dadurch nicht allein bewieſen: daß Waſſer—
ſtoff nicht allein leichter iſt, als die atmoſphäriſche Luft, ſondern
auch ſo viel leichter, daß er noch ſchwerere Körper mit in die Luft
tragen kann. Auf der Leichtigkeit dieſes Gaſes beruht die Möglich—
keit, die Luft mit dem Luftballon zu befahren, von welcher eine
Nutzen bringende Ausführung nicht ausbleiben kann.
Außer dem Waſſer findet ſich der Waſſerſtoff noch in vielen
andern Körpern z. B. in allen Vegetabilien, in der Stein-, Braun⸗
kohle und dem Torfe, im Oel, im Fette, im Leuchtgaſe, kurzum in
faſt allem Brennbaren. Ueberall, wo er in der Luft verbrennt, bil—
det ſich durch ſeine Vereinigung mit Sauerſtoff Waſſer, weshalb
in allen Fällen, wo eine Verbrennung vor ſich geht, Waſſer erzeugt
wird, das ſich in der Regel in Geſtalt unſichtbarer Dämpfe in der
Luft emporhebt. Der Waſſerſtoff befindet ſich im Gewichtsverhält—
niſſe von 11, 11 zu 88, 88 Sauerſtoff im Waſſer. Zwiſchen Luft
und Waſſer herrſcht der bedeutende chemiſche Unterſchied: daß in
der erſtern die Beſtandtheile nur mit einander gemiſcht, während
ſie in dem letztern chemiſch verbunden ſind; wenn daher Sauerſtoff
und Stickſtoff mit einander zu gewöhnlicher Luft vereinigt werden,
ſo behält jedes von beiden ſeine gasförmige Geſtalt und nicht eine
einzige ſeiner Eigenſchaften wird aufgehoben, allein ſo bald Sauer—
ſtoff und Waſſerſtoff ſich mit einander verbinden, ſo verlieren bei
dieſer Verbindung beide ihre urſprüngliche gasartige Form und
ihre ſämmtlichen unterſcheidenden Merkmale, und zwar nicht allein
die phyſikaliſchen, ſondern auch die chemiſchen. Das Waſſer iſt
nicht mehr leicht, wie der Waſſerſtoff und auch nicht mehr brenn—
44
bar. Ebenſowenig vermögen aber auch Körper mehr in ihm zu ver:
brennen, wie dieſes im Sauerſtoffe ſo raſch und unter Ausſtrah—
lung eines ſo glänzenden Lichtes geſchieht. Der Waſſerſtoff, wel—
cher ſo leicht brennt und eine ſo ungemein große Menge von
Wärme in ſich aufgenommen hat, wird, wie wir bereits beim
Sauerſtoff angaben, im Verlaufe der Zeiten eine wichtige Rolle im
Verbrennungsprozeſſe ſpielen und der Menſch wird ſich deſſelben
nicht allein zur Darſtellung gewöhnlicher Zimmerbeheizungen, ſon—
dern auch zur Hervorbringung ſehr hoher Hitzgrade bedienen.
Wenn ſich Körper chemiſch mit einander verbinden, ſo bilden
dieſelben ſtets einen neuen, deſſen Eigenſchaften von denjenigen
Stoffen, aus welchen ſie hervorgingen, ungemein verſchieden ſind.
Sauerſtoff und Waſſerſtoff geben hierfür ein überraſchendes Bei—
ſpiel. Wie muß es uns überraſchen, zu ſehen: daß der ſo leicht
und raſch verbrennende Waſſerſtoff ein Hauptbeſtandtheil des
Waſſers iſt, welches wir zum Auslöſchen der Flamme benutzen,
für welchen Zweck wir gar kein beſſeres Mittel kennen, und daß zu—
gleich der Sauerſtoff, der für das Beſtehen der thieriſchen und
pflanzlichen Organismen unentbehrlich iſt, Acht Neuntel jener
Flüſſigkeit bildet, in welcher nur wenige Landthiere länger als 3
bis 4 Secunden und die Landpflanzen ebenfalls nicht lange leben
können. Als Gas hat der Waſſerſtoff alle mechaniſchen Eigen—
ſchaften unſerer gewöhnlichen Luft und wie wir ſahen, entzündet
er ſich in dieſem Zuſtande leicht. Wird er mit Sauerſtoff gemiſcht
und dieſe Miſchung der Wärme ausgeſetzt, ſo verbinden ſich die
beiden Gaſe plötzlich unter einer heftigen Exploſton. In der Natur
kommt er nur ſelten getrennt, ſondern immer in Verbindungen
vor. In Steinkohlenbergwerken, wo er zuweilen im freien Zu—
ſtande aus der aufgehauenen Kohle austritt, richtet er, wenn er
ſich mit Sauerſtoff miſcht und leichtſinniger Weiſe entzündet wird,
die ſchrecklichſten Werwüſtungen unter der anfahrenden Mannſchaft
an, indem er dieſelbe bei ſeinen furchtbaren Exploſionen entweder
verbrennt, verſchüttet oder erſtickt und oft den Sauerſtoff einer
ganzen Grube zu Waſſer verbrennt.
Der Waſſerſtoff iſt in Bezug auf die Pflanzenbildung ebenſo
wichtig, als der Sauerſtoff, indem er, wie der letztere, einer der
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Grundſtoffe iſt, aus denen ſie zuſammengeſetzt ſind. Er macht ſei—
nen Kreislauf aus der unorganiſchen Natur durch die Pflanzen hin—
durch an der Seite des Sauerſtoffs, welcher in dieſelben eindrin—
gend ſeinen Verbrennungsprozeß nicht allein auf den Kohlenſtoff,
fondern auch auf den Waſſerſtoff ausdehnt und dann als Kohlen—
ſäure und Waſſerdampf wieder aus ihnen ausſtrömt. Das tropf—
barflüſſige, den Boden erquickende Waſſer, ſo wie der Waſſer—
dampf der Atmoſphäre iſt es, welcher der Pflanze den Waſſerſtoff
darreicht. Die meiſten Pflanzentheile, Holz, Stärke, Gummi,
Zucker, enthalten Waſſerſtoff und Sauerſtoff in demſelben Verhält—
niſſe, als ſich beide im Waſſer vorfinden. Bei ihrer Bildung wird
daher aus den dargereichten Nahrungsmitteln, Kohlenſäure und
Waſſer, Alles, mit Ausnahme des entweichenden Sauerſtoffs der
Kohlenſäure, verarbeitet und umgewandelt.
Es ſei mir vergönnt, noch einen Augenblick bei denen bis
jetzt beſprochenen Kräften und Elementen Licht, Wärme, Electrici—
tät, Sauerſtoff, Waſſerſtoff zu verweilen. Es umſchlingt dieſelben
ein inniges Band der Brüderlichkeit, keines kann ohne das andere
beſtehen, denn ſtets greift eins in die Wirkungen des andern.
Ohne Sonnenlicht hätten wir keine Wärme, ohne Wärme könnte
der Sauerſtoff keine Verbindungen eingehen; ohne Sauerſtoff be—
ſtände kein Waſſer, keine Luft, ohne Luft und Waſſer wäre kein
Leben vorhanden.
An allen Orten und Enden ſucht der Sauerſtoff den Körpern
das eingeſogene Licht, die eingeſogene Wärme abzujagen; in raſt—
loſer Unruhe ſtrebt er ſich mit ihnen zu verbinden, um jene ſo
wohlthuende Kräfte dem Menſchen dienſtbar zu machen; ſtets iſt
er bereit, Erſatz zu leiſten, wenn die Sonne vermöge ihrer Stellung
entweder kein, oder doch nicht hinlängliches Licht mit Wärme zu
ſpenden vermag. Er iſt es daher, der unſer Feuer auf der Erdober—
fläche hervorruft und unterhält, er iſt es, der die Temperatur ſo
zu ſteigern vermag, daß die ſchmelzenden Erze wie Waſſer zerrin—
nen, er iſt es, mit deſſen Hülfe ſie in Metall umgewandelt werden.
Um ſie dem Menſchen nutzbar zu machen, ſchont er ſich ſelbſt nicht,
nimmt Kohle und Waſſerſtoff zur Hand und treibt ſich aus den
Dryden heraus.
Waſſer und Waſſerdunſt.
Das Waſſer, aus 88, Sauerſtoff und 11,1 Waſſerſtoff be:
ſtehend, iſt in drei verſchiedenen Zuſtänden, nämlich als Eis, als
tropfbare Flüſſigkeit in dem Meere, den Landſeeen, den Strömen,
Flüſſen, Bächen, Quellen und den Wolken, und als Dunſt
(Waſſerdampf) in der Atmoſphäre, über die ganze Erde verbreitet.
Nur als tropfbare und dunſtförmige Flüſſigkeit wirkt es günſtig
auf die Pflanzenwelt, als Eis ſtört es dieſelbe.
Je nachdem es erdige oder ſalzige Körper aufgelöſt enthält,
iſt es mehr oder weniger rein. Am meiſten fremdartige Beimeng—
ungen enthält das Meerwaſſer und die Mineralquellen, reiner
ſind die Flußwaſſer, am reinſten das Schnee- und Regenwaſſer,
welch letzteres, wenn es ſogleich nach dem Herabfallen aufgeſam—
melt wird, keine andern Stoffe als etwas Staub, etwas Kohlen—
ſäure, etwas kohlenſaures Ammoniak und Spuren von Salpeter—
ſäure enthält, letztere aber nur dann, wenn der Regen bei Gewit—
tern gefallen war.
Wird in der Atmoſphäre enthaltener Waſſerdunſt durch
kältere Luft abgekühlt, ſo verdichtet er ſich zu Nebeln und Wolken.
Von dieſer Verdichtung finden wir in unſeren Haus wirthſchaften
ſtets Beweiſe an Fenſtern, Wänden und Gefäßen. Tragen wir
z. B. aus einem kälteren Raume ein Glas in eine warme Stube,
ſo wird daſſelbe trübe; war es ſehr kalt, ſo ſetzen ſich eine Menge
kleiner Tröpfchen, die endlich zuſammen- und am Glaſe herunter—
laufen, an demſelben ab. Die Urſache hiervon liegt in dem Unter—
ſchiede der Temperatur der Stube und des Raumes in welchem
ſich das Glas zuerſt befand und es iſt hierauf das Geſetz begrün—
47
det: daß die Luft um fo mehr Waſſerdunſt enthalte, je wärmer
ſie iſt.
Auf dieſem Verhältniſſe beruht zugleich auch die Urſache der
Wolkenbildung, des Regens, des Nebels und des Schnees.
Durch poröſe Körper wird der Waſſerdunſt ebenfalls in
Waſſer verwandelt, oder er wird von feſten und flüſſigen aufge—
ſogen. Ganz vorzüglich ſind es, außer aufgelockerten Bodenarten,
die Pflanzen und unter dieſen wieder die Bäume, welche ſich als
Waſſerſauger auszeichnen.
Das Waſſer läßt ſich mit vielen Flüſſigkeiten vermiſchen; es
löſt eine Menge feſter und gasförmiger Körper und bildet mit
ihnen eine vollkommen gleichartige, durchſichtige Flüſſigkeit. Es
nimmt aber bei jeder Temperatur nur eine gewiſſe Menge derſelben
auf und iſt dann mit dieſem Stoffe geſättigt, dabei behält es aber
die Fähigkeit von vielen andern zugleich noch welche aufzulöſen.
Die auflöſende Kraft des Waſſers ſteigert ſich in der Regel mit
der Zunahme der Temperatur deſſelben und gerade hierinnen liegt
die ſo ungemein günſtige Einwirkung auf die Vegetation.
Das Waſſer bildet einen Hauptgemengtheil aller Pflanzen—
und Thierkörper und findet ſich daher in chemiſcher Bindung faſt
in allen organiſchen Stoffen.
Gerade wie das Herz der Sammler und Verbreiter der rothen
Flüſſigkeit — des Blutes — iſt, durch welches lediglich und allein
das Leben der Menſchen und Thiere erhalten wird, ſo lange das—
ſelbe in richtiger chemiſcher Miſchung und hinlänglicher Menge
die Adern durchſtrömt, gerade ſo bedingt das Meer, die großen
Landſeeen, die Ströme, Flüſſe und Bäche durch ihre Verdunſtung
das Leben und das Wohlbefinden der Thiere und Pflanzen auf
dem Feſtlande.
Nicht vergebens iſt daher das Meer zu 2 gegen 4 des Feſt—
landes über unſere Erde verbreitet, nicht vergebens iſt letzteres mit
einer großen Zahl von Strömen, die ſich in Flüſſe und dieſe in
Bäche verzweigen, in allen Richtungen durchſchnitten, welche ihren
Zufluß aus einer unzählbaren Menge allerwärts aus dem Boden
hervorbrechender Quellen ſchöpfen. Nicht vergebens ſind im In—
nern der Continente zahlreiche und oft recht ausgedehnte Land—
48
ſeeen verbreitet; nicht vergebens iſt die ganze Atmoſphäre in über:
aus großer Menge, ſei es in ſichtbarer Geſtalt als Nebel oder
Wolken, ſei es unſichtbar als aufgelöſter Waſſerdunſt, mit
Waſſer geſchwängert. Keine Pflanze kann ohne reichliche Zufüh—
rung von Waſſer leben, ſie verkümmert, hat ſie deſſelben nicht ge—
nug, ſie vertrocknet und ſtirbt ab, wenn ihr daſſelbe fehlt. Schon
längſt bewieſen die Phyſiologen: daß die Pflanzen der Erde ver—
ſchiedene und unter dieſen auch feſte Stoffe entzögen, die man
nach dem Verbrennen in der zurückbleibenden Aſche vorfinde. Das—
ſelbe thun die Pflanzen mit gasförmigen und feſten Stoffen aus
dem der Ackerkrume übergebenen Dünger; woher anders ſollte
ſonſt die günſtige Einwirkung deſſelben auf die Gewächſe rühren?
Zur Ueberführung dieſer gasförmigen, tropfbarflüſſigen und
feſten Nahrungsſtoffe dient das Waſſer, welches dieſelben löſt
und ſie dadurch geſchickt macht, von den ungemein kleinen, kaum
mit ſcharfbewaffnetem Auge erkennbaren Sauggefäßen der Wurzeln
aufgenommen und in die Pflanze übergeführt zu werden. Bei
trocknem Boden liegt eine ausreichende Zuführung durch Waſſer
nicht in der Möglichkeit, deshalb muß die Erde, in welcher Ge—
wächſe gedeihen ſollen, beſtändig feucht ſein. Je nach den ver—
ſchiedenen Gemengtheilen der Ackerkrume wird die Feuchtigkeit
mehr oder weniger von derſelben zurückgehalten; ſo groß aber auch
die Zurückhaltungskraft iſt, ſo bedarf die Pflanze zu ihrem Wachs—
thume doch täglich eine zu große Menge von Waſſer, welches alſo
eine fortwährende Zuſtrömung unbedingt nothwendig macht. Dieſe
geſchieht nun entweder durch Regen, oder durch Aufſaugung des
in ſo unberechenbarer Menge in der Atmoſphäre enthaltenen
Waſſerdunſtes entweder unmittelbar durch den Boden, oder durch
die auf ihm ſtehenden Gewächſe, namentlich durch Bäume.
Da die meiſten Nahrungsſtoffe und unter dieſen die feſten
nur in geringen Mengeverhältniſſen und mehrere derſelben nur
durch vorhergehende chemiſche Prozeſſe löslich ſind, ſo muß die
Quantität des Waſſers, die den Pflanzen täglich durch die Wur—
zeln zugeführt wird, eine ungemein reichliche ſein.
Der Hauptnahrungsſtoff, die Kohlenſäure, iſt im Waſſer
leicht löslich. Beim Durchgange durch den Boden nimmt daher
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letzteres dieſelbe zugleich mit ein wenig Ammoniak, Kali, Phos—
phorſäure, Kieſelerde u. ſ. w. in geringer Menge auf, die Saug⸗
ſpitzen der Wurzeln erfaſſen die ſchwache Löſung und führen ſie zu—
erſt den äußern, dann den innern Zellen zu. Hier geſchieht die
Miſchung mit dem in den Blättern bereits verarbeiteten Safte und
die Pflanze, die gleichſam nur aus Saugapparaten — Zellen
die mit Flüſſigkeit von verſchiedener Natur in mannigfachen Sät—
tigungsgraden erfüllt ſind, beſteht, lagert nun die nutzbaren, zur
Ausbildung nöthigen Stoffe in um ſo reichlicherer Fülle ab, je
wärmer die Jahreszeit iſt und je intenſiver das Sonnenlicht auf
ſie einwirkt. Das reine zurückbleibende Waſſer tritt dann in
Dunſtform wieder in die Atmoſphäre, um Nachts mit friſchen Zu—
fuhren aus letzterer von Neuem aufgeſogen zu werden.
Hauptſächlich ſind es die jungen in Entwickelung begriffenen
Zellen, in welchen ſich die dichteſten Nahrungsflüſſigkeiten am
reichlichſten vorfinden und ebendahin ſtrömt auch der meiſte Saft,
um die Pflanze raſch zur Ausbildung zu bringen. 5
Werfen wir unſere Blicke nach Gegenden hin, wo die Oert—
lichkeit feuchte Luftſtröme nicht eindringen läßt, oder wo die Luft
ihren Waſſergehalt bereits an Gebirge und Wälder abgetreten
hat, ſo zeigt ſich: daß wenn die von der Regenzeit her noch vor—
handene Feuchtigkeit durch die Einwirkung der Sonne oder durch
trockene Winde verſchwunden iſt, die im friſcheſten Grüne pran—
gende Vegetation bald in ein düſteres Braun übergeht. Die
Gegend wird dann öde und geflohen von allen Thieren.
Es giebt in der heißen Zone und im hohen Norden Gegen—
den, wo das Waſſer ganz fehlt, dort verſchwindet aber auch alle
und jede Vegetation. Auf viele viele Meilen Wegs gewahrt das
Auge dann nicht einmal ein Gräschen. Verſetzen wir uns nur
nach der Wüſte Sahara, in die öden Steppen der Mongolei, in
einen großen Theil von Arabien, ſo werden wir das eben Geſagte
beſtätigt finden. In warmen Gegenden kann theilweiſe durch
ſorgſame Zuführung von Waſſer aus vorhandenen Flüſſen und
Bächen eine große Fruchtbarkeit — in ſolch dürren Steppen —
erzielt werden und haben es in Bezug hierauf die Chineſen ſehr
weit gebracht, indem fie nicht allein ihre Reisfelder überrieſeln,
Engelhardt, die Nahrung der Pflanzen. 4
50
ſondern auch ihre Bodenflächen, auf denen Cerealien erzogen wer-
den, vor der Ausſaat bewäſſern. Auch die Bewohner Oberitaliens
bedienen ſich der Alpengewäſſer zur Befruchtung ihrer Felder und
haben jenen den Haupttheil an deren ſchwelgender Fruchtbarkeit
zu verdanken. Allein dies ſind nur Einzelheiten und es iſt und
bleibt außer dem Regen der Waſſerdunſt der Atmoſphäre die
wirkſamſte Quelle für das Wachsthum und Gedeihen aller Vege—
tabilien.
Ohne beide würde die Erde nur eine große Wüſte darſtellen,
denn nur durch Waſſer können die Beſtandtheile jener gelöſt wer—
den. Ohne dieſen Lebensſaft wäre Alles ſtarr, keine Blume, keine
Frucht könnte unſer Auge, unſere Geruchsnerven, unſern Gaumen
ergötzen und laben. Da, wo es ſelten und deshalb ſo ſichtbar als
Erhalter des Pflanzen- und Thierlebens hervortritt, da weiß man
es aber auch zu ſchätzen. Mit welchem Pompe, mit welch religiös
erhabener Feierlichkeit werden die ſteigenden Fluthen des Nils in
Aegypten begrüßt! Wie gläubig verehrten die alten Indier ihren
Waſſergott Wiſchnu, den ſie ſich in einem Paradieſe ſhlafknd
dachten, während der 4 Monate langen Regenzeit! ö
Um die Gewinnung und das Gedeihen der Brodfrüchte
dreht ſich das Geſammtleben aller civiliſirten Volksſtämme. Mit
ebenſo geſteigerter Freude, mit ebenſo bangen Erwartungen be—
obachten ſie das Wachsthum derſelben. Das Menſchengeſchlecht
müßte ausſterben, träte eine Stockung in der Zuführung des
Waſſers durch Regen und Waſſerdunſt in unſerer Atmoſphäre ein.
Kein Saamenkorn würde mehr keimen, kein Keim ſich zur Blatt—
und Halmbildung erheben. Wo läge dann eine Körnerbildung in.
der Möglichkeit? |
Wie groß die Quantität Waſſer ift, welche die Pflanzen zu
ihrem Wachsthume bedürfen und wie daſſelbe hauptſächlich in
Dunſtform in die Pflanzen übergeführt wird, dies wollen wir bier
durch ein Beiſpiel erläutern.
Man ſäete Hafer in ein Gefäß von 1 Fuß Seffnung,
ftellte daſſelbe vor Regen geſchützt auf eine Wage, berechnete, wie
viel Waſſer täglich durch Verdunſtung beim Wachsthume verloren
ging und fand nach vielfach fortgeſetzten Verſuchen: daß auf einem
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mit Pflanzen beſtandenen Acker von 40000 Quadrat⸗Fuß Flächen⸗
gehalt, während der 4 Monate, wo die Vegetation am lebhafteſten
iſt, 3 Millionen Pfund Verdunſtungswaſſer aufgehen; ſo daß alſo
die auf einem Quadrat-Fuß Flächenraum lebenden Pflanzen täg—
lich 20 Loth Verdunſtungswaſſer verbrauchen.
Die Niederſchläge, welche wir bei unſern klimatiſchen Ver—
hältniſſen durch Regen des Jahrs über zugeführt bekommen, be—
tragen: |
für Göttingen 24, Zoll.
„ Berlin 19,6 „
„ Karlsruhe 25, „
„ Tübingen 24 5
„ Regensburg 21 1
„ Augsburg 36, „
„Prag .
a „ Wien .
Im Durchſchnitte fällt daher in dieſem Bezirke eine Regen—
quantität, die gleich der Höhe einer Säule von 223 Zoll iſt.
Nehmen wir nun an, daß durch raſchen Abfluß bei ſtarkem
Regen und durch Verdunſtung in den übrigen 8 Monaten über
die Hälfte aus dem Boden verſchwindet, ſo bleibt für die ange—
nommene Vegetationszeit von 4 Monaten eine Waſſer-Quantität
von circa 10 Zoll Höhe und müſſen daher täglich mindeſtens noch
9 Loth Waſſer aus dem Dunſte der Atmoſphäre denen auf einem
Quadrat⸗Fuß wachſenden Hafer-Pflanzen zugeführt werden.
Bei weitem großartiger geſtaltet ſich dieſe Zuführung aber
bei größeren Gewächſen, namentlich bei Bäumen. Nehmen wir
einen ſolchen, der wegen ſeiner ſchwellenden Laubfülle mindeſtens
gleichviel Verdunſtungswaſſer auf gleichem Flächenraum ver—
braucht, zum Beiſpiele.
Geſetzt derſelbe beherrſche eine Fläche von 700 Quadrat-Fuß
als Aufſaugungsraum, ſo würde er während ſeiner 7monatlichen
Vegetations-Periode ein Waſſerquantum von 93518 Pfund in
Anſpruch nehmen. Durch Regen wird ihm in dieſer Zeit aber nur
circa 40000 Pfund übergeben, und er hat daher über 50000
Pfund Waſſer aus dem Dunſte der Atmoſphäre aufzufaugen.
4 *
52
Wir haben bei der Wirkung des Sonnenlichtes auf die Vege—
tation in Erfahrung gebracht: daß wenn im Sommer die Atmo—
ſphäre ſtark mit Regenwolken gefüllt ift, die Zerlegung der Kohlen—
ſäure durch die Sonnenſtrahlen nicht ſo vollkommen und nicht ſo
raſch vor ſich zu gehen vermag, als bei klarem heiterem Himmel.
In der Abhandlung über den Stickſtoff ſahen wir aber: daß ſich
bei höheren Temperaturgraden das zum Gedeihen der Pflanzen
unumgänglich nothwendige Ammoniak in größerer Menge zu bil—
den vermöge und daß ſich hieraus beſſere Fruchterträgniſſe ergeben.
So eben erſahen wir aber: daß durch den in unſerer Atmoſphäre
verbreiteten Dunſt eine ungemein große Waſſermenge in die Pflan—
zen übergeführt wird. Unbedingt iſt letztere Ueberführungsweiſe
dem Regen vorzuziehen, denn derſelbe kann nur aus einem ſtark
bewölkten Himmel herabfallen, bei dem die Sonnenſtrahlen nicht
erregend und zerlegend auf die Vegetabilien einzuwirken vermögen.
Außerdem erniedrigt ſich bei anhaltendem Regenwetter auch
die Temperatur. Es werden daher durch beide ungünſtige Um—
ſtände nicht allein zwei Hauptagenten des Pflanzenlebens, Licht
und Wärme in ihrer Wirkung bedeutend geſchwächt, fenen Ger
dies noch die Ammoniakbildung vermindert.
Daß bei beſonders günſtigen Jahren, wo die Atmoſphäre viel
Waſſerdunſt aufgelöſt enthält, die Zuführung von Waſſer in die
Pflanzen durch jenen lediglich und allein, auch ohne Regen be—
wirkt werden kann, davon haben wir auch bei uns zuweilen Bei—
ſpiele. Im Jahre 1811 wurde an manchen Orten Gerſte geſäet
und eingeſcheuert, ohne daß ein Tropfen Regen auf ſie gefallen
wäre, und dennoch war in jenem Jahre ſowohl der Körner- als
Stroh⸗Ertrag ein ſehr geſegneter.
Weiter oben berührten wir bereits, was das Waſſer für einen
eigenthümlichen Kreislauf vom Meere durch die Luft zur Erde und
umgekehrt von hieraus wieder zum Meere nehme. Die Sonne,
das allbelebende Prinzip, zieht mit Leichtigkeit den Dunſt aus
demſelben auf, läßt ihn in kälteren Regionen der Luft entweder
zu Wolken gerinnen, die gewaltige oder ſanfte Winde über alle
Länder verbreiten, um ſie als Regen, Schnee und Nebel auf ſie
niederzulaſſen, oder er wird als perlender Thau von der Erde und
33
den Gewächſen begierig aufgeſogen. Haſtig verſchlingt die Mutter—
Erde dieſen Labetrunk, in Tauſend und aber Tauſend Rieſelchen
treibt ſie ihn herum, in feine Gebirgsſpalten ſchiebt ſie ihn ein,
um ihn gekühlt und gereinigt als ſprudelnde Quelle, zur Labung
von Menſchen, Thieren und Pflanzen, von Neuem auf der Erde
erſcheinen zu laſſen. Die Quellen geſtalten ſich zu Bächen, die
Bäche verſammeln ſich zu Flüſſen, die Flüſſe zu Strömen und dieſe
tragen das Waſſer in das unendlich große Becken, von wo aus
ſich dieſer Kreislauf ewig erneut.
Zwiſchen dem Waſſer, dem Sauerſtoffe und Waſſerſtoffe, dem
Sauerſtoffe und Kohlenſtoffe findet ein ununterbrochener Kreis—
lauf ſtatt. Beim Athmen, beim Verbrennen vereinigen ſich Waſſer—
ſtoff und Sauerſtoff zu Waſſer, beim Vegetationsprozeſſe wird
Waſſer, wird Kohlenſäure zerlegt. Iſt Waſſerſtoff und Sauerſtoff
wieder zu einer Flüſſigkeit vereinigt, dann beginnt der große Kreis—
lauf von Neuem, durch den es leicht möglich wird: daß wir im
Augenblick einen Theil desjenigen Waſſers trinken, von welchem
Moſes bereits in der Wüſte trank, daß unſere Kinder mit einem
Theile desjenigen getauft werden, mit dem Johannes am Jordan
taufte. Die Natur kennt keine Vernichtung, ſtets wird das körper—
lich Zerlegte von Neuem wieder zuſammengeſetzt und nicht das ge⸗
ringſte Stäubchen geht verloren.
Die Gipfel der Gebirge erſcheinen oft wochenlang in Wolken
eingehüllt, die anſcheinend ruhig über ihnen hängen, allein auch
in ihnen iſt ſtets Bewegung, ſie entfernen ſich, werden aber in den
naheliegenden warmen Luftſchichten ſofort wieder aufgelöſt. Im
Gebirge ſelbſt laſſen ſie aber ſtets Feuchtigkeit, Regen oder Schnee,
niederfallen. Alle Gebirge ziehen auf dieſe Weiſe große Maſſen
von Feuchtigkeit aus der Luft, um ſie als Quellen, Bäche und
Flüſſe nach dem vorliegenden flachen Lande auszuſenden. Je be—
waldeter die Gebirge ſind und je mehr Saugfähigkeit ihre Geſteine
in Bezug auf das Waſſer beſitzen, um ſo bedeutender werden die
Niederſchläge fein. So find z. B. Baſalte, Diorite, und andere
Gebirgsarten von ähnlicher Zuſammenſetzung ſtarke Waſſerſauger.
Deshalb finden wir dieſelben nicht allein ſo häufig in Nebel ein—
gehüllt, ſondern an ihrem Fuße auch zahlreiche und ſtarke Quellen.
5%
Eine Hauptrolle ſpielen aber die Waldungen bezüglich der
Aufſaugung von Waſſerdunſt. Sie bewirken dies nicht allein durch
die Auflockerung des Bodens vermittelſt der Ausſendung einer
bedeutenden Zahl ſtärkerer und ſchwächerer Wurzeln, ſondern auch
durch eine große Zahl kleinerer Gewächſe, namentlich der Mooſe,
die unter ihrem ſchattigen Dache, ſelbſt an ſteilen Wänden, den
raſchen Abfluß der ſich aus der Atmoſphäre niederſchlagenden Ge—
wäſſer verhindern; überdies verhüten ſie das leichte Eindringen
der Winde, welche die Feuchtigkeit ſo leicht zerſtören, und mäßigen
durch ihr ſchützendes Laubdach die einſtrömende Wärme. Die
Sonnenſtrahlen, durch jenes aufgehalten, können ebenfalls an
auf die Bodenfeuchtigkeit einwirken.
Die Wurzeln der Bäume fenden das Waſſer durch den
Stamm, die Aeſte und Zweige in die Blätter, von welchen es bei
Tage wieder in die Atmoſphäre ausgehaucht wird. Hierdurch er—
hält ſich die Luft in den Wäldern ſtets feucht und der Thau iſt da—
her für ſie und die umgebenden Felder in reichlicherer Menge vor—
handen, als auf waldloſen Feldflächen.
Ungemein günſtig auf die Zurückhaltung von Luftfeuchtigkeit
wirken auch die Humus und Humusſauren-Verbindungen, welche
in großer Reichhaltigkeit über gut beſtandene Waldungen verbreitet
ſind. Dieſe ſaugen das atmoſphäriſche Waſſer wie ein Schwamm
in großer Fülle auf und geben es nicht früher ab, bis bei größerer
Wärme im Sommer die Zerlegung dieſer Verbindungen — welche
ungemein günſtig auf das Wachsthum der Pflanzen einwirken,
zumal wenn die Säuren neutraliſirt werden, — vor ſich geht.
Bei dieſer Zerlegung bildet ſich eine große Menge von Kohlen—
ſäure. Das an den Humus gebundene Waſſer wird frei, nimmt
einen Theil der Kohlenſäure auf und führt ihn in die Vegetabilien
über, einen kleinen Theil derſelben reißt es aber mit unter die
Erde, der mit dem Quellwaſſer vermiſcht demſelben das köſtlich
Erfriſchende ertheilt. |
Alle Bedingungen zur Bildung von atmofphärifchen Nieder:
ſchlägen treffen daher über bewaldeten Flächen zuſammen, wäh—
rend ſie den unbewaldeten fehlen. Das Abtreiben großer Wälder
iſt daher mit Vorſicht vorzunehmen, indem dadurch ausgedehnte
59
Feldflächen unfruchtbar gemacht werden; denn ſelbſt wenn über
ſolche Gegenden mit Waſſerdampf geſättigte Luft und Wolken
ſtreichen, kann aus denſelben dennoch ſo leicht ein Niederſchlag
nicht erfolgen, vielmehr werden die Wolken, wenn ſie ſich auch
herabſenken, in dieſen warmen Regionen wieder aufgelöſt, denn
warmer trockner Boden ſtößt die Feuchtigkeit ab. Wo aber die
Temperatur durch den Einfluß der Wälder gemildert und die Luft
durch das ununterbrochen verdunſtende Waſſer ohnehin mit Feuch—
tigkeit reichlich geſchwängert iſt, wird ſie durch die herabſteigende
Wolke vollkommen geſättigt und die Folge davon iſt ein erfriſchen—
der Regen. Das alte Sprichwort, Wälder ziehen den Regen an,
iſt daher eben ſo richtig, als daß es im Gebiete großer Ströme
häufiger regnet. Ebenſo hört man häufig ſagen: die Gewitter ſind
in dieſer oder jener Gegend viel ſeltener geworden, und hängt auch
dies von der Abholzung größerer Wald-Bezirke, Entſumpfungen
von Moräſten und Trockenlegung großer Teiche ab.
Beobachten wir bei regneriſcher Witterung einen Gebirgszug
aufmerkſam, ſo nehmen wir wahr: daß ſowohl die Wolken als
der Regen und die Gewitter ſeiner Kette folgen. Nach langer
Trockenheit iſt dies unverkennbar.
Der Regen tritt dann erſt in die Ebene über, wenn das Ge—
birg gehörig geſättigt iſt. Es hat dies ſeinen Grund darinnen:
daß in der feuchteren Atmoſphäre, welche über das Gebirg und
denen über daſſelbe ausgedehnten Waldungen verbreitet iſt, die
Regenbildung ungemein begünſtigt wird. Entfernet ſich eine Wol—
kenparthie von demſelben und tritt hinüber in eine ausgetrocknete
wärmere Ebene, ſo wird ſie durch die dort befindliche Wärme in
Waſſerdunſt aufgelöſt und dauert dies ſo lange, bis ſich auch dort
die Luft mit einer ausreichenden Waſſermenge geſchwängert hat.
Wir ſahen: daß die unendliche Zahl von Zellen in den Blät—
tern, den Zweigen, dem Holze und den Wurzeln der Bäume die
Urſache der großen Saugfähigkeit für den Waſſerdunſt ſei; wir
ſahen: daß die Mooſe, der Humus, die Humusſauren Verbin-
dungen in den Wäldern das Waſſer zurückhielten und ſchrieben
dieſe Erſcheinung dem Nichteindringen von Winden, von Wärme
von Sonnenſtrahlen in dieſelben zu. Wenn hieran auch etwas
36
Wahres iſt, ſo hat die ſelbſt bei trockener Witterung anhaltende
Feuchtigkeit der Wälder doch einen andern Grund. |
So ſtark und kräftig nämlich die Bäume mit ihren vielen
Zellen auch die Waſſerſaugung bewirken, fo werden fie darinnen
doch vom aufgelockerten Erdreiche übertroffen, ſo lange daſſelbe
nicht zu ſehr ausgetrocknet, alſo kühl gehalten iſt und eine günſtige
Miſchung mit Thonerde in ihm ftattfindet. Die Aufſaugung von
Waſſerdunſt wird daher durch die Blätter der Bäume des Nachts
erregt und durch die Zweige, Aeſte, den Stamm und die Wurzeln
in den lockern durch Winde ſtets in dieſem Zuſtande erhaltenen
Boden fortgeſetzt. Derſelbe bildet dann ein Reſervoir, aus welchem
des Tags über nicht allein die Pflanze ihr bedeutendes Quantum
von Waſſer zur Ueberführung und Ausbildung der erforderlichen
Nahrungsſtoffe, ſondern aus welchem auch ein großer Theil zur
Quellenſpeiſung entnommen wird. Daß Waldungen mit ihren
Bäumen beides bewirken, dies wollen wir uns an einem DER
deutlich zu machen ſuchen. i
Wir finden, und zwar gerade zu der Zeit, wo das Wel
Leben bei den Bäumen ſehr hoch ſteht, wo alſo ſehr viel Waſſer
für ſie nöthig iſt, den geringſten Niederſchlag durch Regen aus der
Atmoſphäre. Nehmen wir nun das früher beregte Beiſpiel: daß
ein Baum, der eine Bodenfläche von 700 Quadrat-Fuß beherrſcht,
für eine 7monatliche Vegetationszeit 93518 Pfund Waſſer ver—
braucht; nehmen wir gleichzeitig an: daß es in der warmen Jahres—
zeit oft länger als 4 Wochen nicht regnet, ſo müßte, bei dem ſtarken
Waſſerverbrauche des Baumes, der Boden um ſeine Wurzeln
herum ſo von Feuchtigkeit entblößt werden, daß nicht allein ein
Abſterben deſſelben, ſondern daß auch die Vertrocknung der in ſei—
ner Nähe befindlichen Quellen — es verſteht ſich dies nur von
einer größeren Waldung — die Folge fein würde. Der Waſſer⸗
verbrauch beſteht für dieſen Fall auf die angegebene Zeit aus
13000 Pfund und trotzdem bleibt deſſen Umgebung, bleibt das
über feinen Wurzeln wachſende Moos faſt eben fo feucht, als bei
Regenwetter, ja es behalten ſogar die Quellen daſſelbe Waller:
quantum bei; da nun dem Boden in dieſer langen Zeit kein Regen,
ja nicht einmal Thau zufloß, — denn in dichten Waldungen finden
57
wir den Boden niemals bethaut, wenn ſich die Spur des Waſſer—
dunſtes auch noch ſo reichlich auf dem Blätterdache der Bäume nie—
derließ, — ſo dürfen wir mit Sicherheit annehmen: daß die Bäume
lediglich und allein dem Boden die ungemein große Menge von
Waſſer aus dem Dunſte der Atmoſphäre zuführen. Daher finden
wir auch die Mooſe in dichten Waldungen in den trocknen Som—
mermonaten faſt ebenſo feucht, als bei Regenwetter, während im
Herbſte, wo der Laubſchmuck der Bäume gefallen, die vermittelnde
Aufſaugung alſo aufgehört hat, trotz der feuchteren regneriſchen
Witterung daſſelbe oft trockner, als in jener Zeit iſt.
5 Die Bäume mit ihren weit ausgebreiteten Aeſten, mit ihren
och in die Luft tretenden Gipfeln ſind daher gleichſam als Saug—
maſchinen für den umgebenden Boden, zugleich aber auch als
Speiſer der Quellen in der warmen Jahreszeit anzuſehen, ſie ſind
die Sammler und Zuführer der Feuchtigkeit, ohne welche unſere
Culturpflanzen nicht beſtehen können. Je mehr daher eine Gegend
mit recht kräftig beſtandenen Waldungen verſehen iſt, deſto reich—
licher werden deren Quellen, deſto größer aber auch ihre Frucht—
barkeit ſein. Großer Waſſer- und Waldreichthum wirkt aber auch
auf das Klima zurück und wit ſehen nach Abtreibung bedeutender
Waldungen nicht allein viele Quellen und Bäche verſiegen, ſo daß
man öfters auf Grundmauern von Mühlen trifft, wo jetzt nur eine
trockene Bachrille liegt, ſondern auch viele Flußgebiete haben viel
weniger Waſſer. In manchen Bezirken Deutſchlands wurden in.
früheren Zeiten, wo die Waldungen noch üppiger wucherten, gute
Weine gebaut, wo jetzt die Traube in den beſten Jahren nicht
mehr reift; außerdem hören wir noch vielfach die Klage: daß die
Körner⸗Erträgniſſe in manchen Feldbezirken geſunken ſeien.
Mit Sicherheit kann man daher den größten Theil der Schuld
den Lichtungen der Waldungen zuſchreiben. Wie vermindernd die—
ſer Umſtand bereits in Amerika einwirkt, ſehen wir aus Berichten
der Vereinigten Staaten, wo z. B. in Neu-England im Jahre
1840 ſich die Weizenerzeugung noch auf 1,126,000 Scheffel belief,
während ſie 1850 auf 675,000 herabgeſunken war. Dort wandert
der Weizenbau immer weiter nach Weſten, wo die Farmer mit der
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Art dem Urwalde ein friſches Stück Land abgewinnen und ihren
Pflug mühſam zwiſchen den Stöcken rieſiger Bäume hindurch—
führen; dagegen wird der Neu-Engländer gezwungen, ganz andere
Früchte zu cultiviren.
Großer Ueberfluß an Waſſer in einem Lande, zahle .
ſeeen, Teiche, Sümpfe und Moorgründe, ausgedehnte Waldun—
gen, die die atmoſphäriſchen Gewäſſer anziehen und zurückhalten,
um ſie allmählig auf dem Wege der Verdunſtung in die Luft zu
zerſtreuen, äußern wie das Meer ihren Einfluß auf das Klima.
Durch das Austrocknen von Sümpfen und das Lichten der Wäl—
der geht, wie wir bereits ſahen, eine große Menge von Ber:
dunſtungswaſſer verloren und die Bodenfläche wird der unmitte
baren Einwirkung der Sonne ausgeſetzt; die Temperaturgränzen
rücken dadurch mehr und mehr auseinander, die Sommer erhalten
zwar wärmere Tage, die Herbſte dagegen kühlere und die Winter
werden kälter, ohne daß dadurch eine Aenderung in der Geſammt—
Einwirkung der Sonne einträte. Die nach und nach erfolgte Um—
wandlung des Klimas vieler ſeit Jahrtauſenden bewohnten Ge—
genden erklärt ſich dadurch vollkommen. Wir ſehen dies an Aegyp⸗
ten. Wäre jenes Land mit Waldungenüberdeckt, fo würden häufigere.
atmoſphäriſche Niederſchläge, ein gemäßigteres Klima und ver⸗
mehrtere Fruchtbarkeit der Theile, die von der Ueberſchwemmung
des Nils verſchont bleiben, daſelbſt getroffen werden. Jetzt ſchwankt
dort die Temperatur zwiſchen 9 und 47°, die Sonnenhitze würde
bei weitem nicht ſo unerträglich, der Weinbau würde daſelbſt wie—
der zu derſelben Höhe wie vor 3000 Jahren zu bringen ſein,
wären große Waldungen vorhanden. Marmont erzählt: daß in
Ober-Aegypten noch vor 80 Jahren ziemlich häufig Regen fiel.
Seitdem aber die Araber die Bäume auf den Bergen an der
Gränze des Nilthales, gegen Libyen und Arabien hin, ausrodeten,
hörten die Regen auf und die Wieſen wurden zu öden Steppen.
In en ere hat man Gelegenheit die umgekehrte Erſcheinung
zu beobachten. In Kairo regnete es noch zu Anfang dieſes Jahr—
hunderts höchſt ſelten; in Alerandrien vom November 1798 bis
in Auguſt 1799 nur ein einzigesmal eine halbe Stunde lang.
Seitdem aber der Paſcha viele Millionen von Bäumen hat an⸗
59
pflanzen laſſen, ergeben ſich dort jährlich 30 bis 40 Regentage
und im Winter regnet es oft 5 bis 6 Tage hinter einander.
Die Abholzungen waren jedenfalls in Cypern und Griechen—
land, waren in Syrien und in den jetzt aus gedorrten Hochebenen
Kleinaſtens und Perſiens die Urſache von dem veränderten,
rauheren Klima, waren die Urſache von der ſo außerordentlich her—
abgezogenen Fruchtbarkeit. Spanien, ja ſogar Frankreich verſpüren
bereits die nachtheiligen Folgen, welche die Ausrodung großer.
Wälder im Gefolge hat, indem durch ſie die hauptſächlichſten Be—
dingungen entfernt werden, von welchen die Feuchtigkeit der Luft.
d des Bodens, alſo die wichtigſten Förderer der Fruchtbarkeit
ben.
Deshalb kann gerade in der jetzigen Zeit, wo die Drainage
in Deutſchland ſo ſehr in Aufnahme kommt, ſowohl den hohen
Staatsregierungen, als den Privaten, der Anbau von Waldungen
und einzelnen Bäumen nicht genug empfohlen, kann nicht genug
auf die Nachtheile, welche das vermehrte Abtreiben derſelben auf
die Fruchtbarkeit ganzer Gegenden übt, aufmerkſam gemacht, kann
auf die ſorgfältige Klärung und Auflockerung der Felder nicht ge⸗
nug hingewieſen werden.
Wir haben in Deutſchland noch große Feldflächen, Bergkup—
pen und Rangen in Unzahl öde liegen, die als Wald- die als
Obſtanlagen bedeutende Capitalien ertragen würden, abgeſehen
davon: daß ſie durch ihre vermehrte Waſſerſaugung die Fruchtbar—
keit der in der Nähe gelegenen Getreidefelder erhöhen, namentlich
wenn mehr und Mehr feuchte Felder der Drainage unterſtellt
werden.
Das Anpflanzen von Bäumen kann daher, wie bereits be—
merkt, nicht warm genug befürwortet werden, denn je feuchter an
ſich ſelbſt ſchon die Erde iſt, deſto leichter wird von ihr Waſſer—
dunſt aus der Atmoſphäre aufgenommen: deſto mehr nähern ſich
ihr die Wolken und laſſen durch gehörige Sättigung ihr Waſſer
als Regen fallen. Je trockner ſie dagegen wird, deſto mehr zieht
ſich der Waſſerdunſt, deſto mehr ziehen ſich die Wolken von ihr
zurück. Bedenken wir nun: daß alle der Drainage unterſtellten
Flächen feucht, ja daß ſie ſumpfig ſind: daß ſogar große Sümpfe,
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Teiche und Seeen trocken gelegt: daß in der Jüngſtzeit große
Waldparthien in Feld umgewandelt wurden, ſo kann einer ferner—
hin verminderten Waſſerdunſt-Zuführung nur durch großartige
Baum: Anpflanzungen vorgebeugt werden, damit die günſtige
Wirkung der Drainage nach Verlauf nur kurzer Zeiträume nicht
größere Nachtheile für unſere Landwirthſchaft im Gefolge habe,
als ſie jetzt Vortheile bietet. Bei der hohen Wichtigkeit des Ge—
ſagten wird auch hier ein Beiſpiel deutlich machen, wie groß die
Menge von Feuchtigkeit iſt, die durch größere drainirte Flächen
verloren geht; denn Zahlen ſprechen eindringlicher, als Worte.
Geſetzt es werde eine Fläche von 1000 Ackern drainirt. Feucht
und ſumpfig zieht dieſelbe vor ihrer Trockenlegung des Nacht
nicht nur eine große Menge von Waſſerdunſt an und verdichtet
denſelben, ſondern ſie befördert auch das reichlichere Niederfallen
des Regens. Nehmen wir nun an: daß an einem Tage auf 1
Quadrat-Fuß dieſer Fläche 4 Loth Waſſer verdunſten, ſo beträgt
dies für eine Zeit von 7 Monaten: 10,700,000 Centner.
Da nun auf dieſer durch die Drainage hergerichteten Fläche
Culturpflanzen gezogen werden, die zu ihrem Gedeihen — wie
wir weiter oben ſahen — viel Waſſer verbrauchen, ſo ergiebt ſich
für die Umgebung dieſer drainirten Fläche — abgeſehen von dem
erſchwerten Niederſchlage — ein ungeheurer Ausfall an Vege—
tationswaſſer und wären zur Beſchaffung von dem vor der Drai—
nage verdunſteten Quantum, welches der Umgebung zu Gunſten
kam, allein 24999 Stück Bäume von einer ſolchen Größe erfor—
derlich daß einer derſelben Nachts 2 Centner Waſſer aus der At—
moſphäre aufzunehmen im Stande wäre. In einer der Drainage
unterworfenen Fläche von 1000 Ackern müßten daher wenigſtens
2 bis 300 Acker Waldüng angepflanzt werden, ſoll der Verluſt
des früheren Verdunſtungs-Waſſers ohne erheblichen Nachtheil
bleiben. Daher trägt jeder angepflanzte Baum nicht nur ein reich—
liches Capital durch ſeine eigene Nutzung, er trägt es in noch bei
weitem erhöhteren Verhältniſſe durch die Befeuchtung ſeiner Um—
gebung; daher ſei es nochmals ausgeſprochen: Jedermann bes
fleißige ſich aufs Eifrigfte, an geeigneten Stellen nicht allein Obſt—
bäume anzupflanzen, ſondern auch die Zucht der Waldbäume zu
61
vermehren. Jeder große Gutsbeſitzer befleißige ſich, große Park—
anlagen zu begründen, Alleen anzupflanzen, ſeine Weide-Plätze zu
beſchatten. Die hohen Staatsregierungen aber mögen durch ſtrenge
Ueberwachung von Privat- und Gemeinde-Waldungen, ſowie
durch unausgeſetzte Aufmunterung zur Bepflanzung kahler Berge
dahin zu wirken verſuchen: daß den flachen Gegenden wieder eine
ſolche Quantität von Verdunſtungs-Waſſern zugeführt werde, als
denſelben durch die Drainage, durch Trockenlegung von Teichen
u. ſ. w. entzogen wurde und wird.
Ueberdies könnte in manchen trocknen Gegenden Deutſch—
lands durch künſtliche Bewäſſerungen im Frühlinge durch Anlage
von Kanälen aus Flüſſen und Bächen eine vermehrte Fruchtbarkeit
erzielt werden.
Ich erlaube mir hier noch einen Vergleich zwiſchen Licht,
Electricität und Waſſerſtoff anzuſtellen.
Das Licht, eine der ſchnellſten aller Kräfte, ſtellt ſich uns als
auswärtiger Telegraph zur Verfügung; als ſolcher erzählt es uns
die wunderbarſten Geſchichten von der unendlichen Weisheit und
Unfehlbarkeit des Weltenſchöpfers; es führt uns hinaus in die
fernſten Fernen des Himmels und zeigt uns auch dort das ſorg—
ſame Walten der Vorſehung. Hinaus an die fernen Weltennebel
tritt es und beweiſt uns nach ſeiner Zurückkunft mit unfehlbarer
Klarheit: daß dieſelben 800,000 Lichtjahre, von denen jedes ein—
zelne eine Länge von 1,322,263 Millionen Meilen hat, von uns
entfernt ſind. Unſer Weltentelegraph macht ſich mit allen Bahnen
der Planeten, Kometen u. ſ. w. bekannt, er weiſt uns deren Um—
laufzeiten, alſo ihre Tag- und Nachtlängen nach, er beſchreibt uns
ihr Oberflächen-Ausſehen, ihre Dichtigkeiten, ihre Schwere der
Maſſen, er giebt uns ihre Größen in Zahlen an, er verhilft uns
dazu ihre Umlaufszeiten bis auf den tauſendſten Theil einer
Secunde zu berechnen; er ſchließt uns die eigenthümlichen Bahnen
der Cometen auf Jahrtauſende hinaus auf und geht dabei mit
einer nie trügenden Sicherheit zu Werke.
Die Electricität dagegen, welche auch eine große Schnellig—
keit beſitzt, hat das Telegraphen-Amt auf der Erde überkommen.
In kürzeſter Zeitfriſt fliegt ſie mit ihren Depeſchen über Ebenen,
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überfteigt die höchſten Gebirge, durchwatet die tiefſten Flüſſe,
durcheilt die lebhafteſten Straßen der Städte und überſpringt die
Geſtade des Meeres und großer Binnenſeeen. Hier knüpft ſie neue
Freundſchaftsbande, dort erneuert fie alte, ſie giebt ſich als Amors—
und Fortunas Boten aus; erregt und unterhält den Speculations—
geiſt im ausgedehnteſten Maaße; hier eröffnet ſie den Befehl zum
Schlagen von Schlachten, dort gebietet ſie dem angreifenden Heere
plötzlich Halt. Zu ein und derſelben Stunde legt ſie ein diplo—
matiſches Actenſtück in Petersburg, London, Paris und Wien
nieder; ſie bringt und befördert Geburts-Hochzeits-Todes-Nach—
richten in wenig Minuten; mit raſender Schnelle ſtößt ſie in die
Kriegs⸗Trompete und übertrifft andererſeits die Friedenstaube min⸗
deſtens 100 mal an Schnelle und alle dieſe großartigen Reiſen und
Geſchäfte verrichtet ſie vermittelſt eines ganz ſchwachen Drahtes.
Wie Licht und Electricität als geiſtiger, ſo ſtellt ſich der
Waſſerſtoff als ſchnellſter materieller Beförderer und Laſtträger
dar. Als Gas in einen Ballon von Seide eingeſchloſſen fliegt er
mit uns in die höchſten Schichten der Luft und zeigt uns dort die
Erde in der Vogelperſpective, er lehrte uns den Wolkenflug und
die verſchiedenen Strömungen der Winde kennen und trug auf
dieſe Weiſe viel zur genaueren Kenntniß der Vorgänge in unſerer
Atmoſphäre bei. Mit Sauerſtoff in Verbindung zieht er als Dampf,
die größten Laſten mit einer Schnelligkeit von 16 Stunden in einer
einzigen. Er durchfliegt mit dem Dampfwagen unſere civiliſirten
Staaten in allen Richtungen, mit den Dampfſchiffen durchfurcht
er die entfernteſten Meere und alle größeren Ströme. Nichts wider—
ſteht ſeiner Kraft, aus tiefſter Tiefe hebt er im Dampfe Metalle,
Erze, Brennmateriale zu Tage, er ſchleudert ſie nicht allein auf,
ſondern auch in große Oefen, er zwingt mächtige Luftſtröme in
dieſelben und ſucht durch deren Sauerſtoff-Gehalt eine ſolche Gluth
anzufachen, daß die ſtarren feſten Maſſen in blendend weißen
Bächen den Ofen verlaſſen und ſich die Metalle im hellſten Glanze
von ihrer Schlacke ſcheiden. Er nimmt die Metalle und verarbeitet
fie weiter. Unter großen Hämmern treibt er die Unreinigkeit
vollends aus, unter Walzen verwandelt er fie zu Eiſenbahn⸗
Schienen Band- Reif» Ringeiſen, zu Schrauben, Draht u. ſ. w. .
ö
2
F
63
Aus den edlen walzt er Platinen, ſchneidet Platten heraus, prägt
die Bildniſſe unſerer Herrſcher darauf und ſendet ſie als Geld, als
Hauptverkehrsmittel durch die Welt, damit es Handel, Gewerbe,
Ackerbau und Induſtrie belebe und erhebe.
Im Dampfe und im Waffer ſetzt er ſich hinter Spinnräder
und Webſtühle; Baumwolle, Wolle, Flachs wird ihm vorgelegt;
in kürzeſter Friſt hat er Millionen von Fäden daraus dargeſtellt;
er ordnet dieſelben, ſteckt ſie einzeln durch den Weberrechen, ſetzt
ſich hinter den Webſtuhl und bald ſind Tauſende von Ellen Zeug
fertig, welche der Menſch zur Kleidung benutzt. Als Dampf- und
Waſſerkraft übergiebt man ihm das Getreide, er iſt nicht zufrieden,
damit daſſelbe in das feinſte Mehl umzuwandeln, er knetet es auch
mit Waſſer zu einem vollkommen guten Teige. In der Sägemühle
legt man ihm Holkzklötze vor, er zerlegt dieſelben in regelmäßige
Stücke, um ſie alsdann auf ſeinem Rücken in die fernſten Nie—
derungen zu tragen, woſelbſt ſie der Menſch zu Wohn-Oekonomie—
und Schiffsbauten verwendet. Seht dort jenes ſtolze Linienſchiff,
jenen ſtark befrachteten Kauffahrer: wer trägt dieſe Prachtbaue
auf ſeinem Rücken ſo ſchnell dahin? Es iſt der Waſſerſtoff in
Verbindung mit Sauerſtoff; er alſo bahnt die wichtigen Waſſer—
ſtraßen des Meeres und der Gewäſſer des Feſtlandes; er iſt es,
der durch die Hervorrufung dieſes Elements nicht allein die zahl—
loͤſen Geſchöpfe des Meeres erhält, er ſtillt auch den Durſt der
Landbewohner, er labt und erquickt die Pflanzen. Wo er nicht iſt,
ſtirbt alles ab, da kann kein Keimchen grünen, da vermag die un—
ſichtbare Milbe ihr Leben nicht zu friſten. Dagegen lebt und webt
bei ſeinem Daſein, wenn er mit Sauerſtoff im richtigen Verhält—
niſſe vereinigt iſt, Alles.
Mit Kraft und Ausdauer beginnt und vollführt er ſeine
Werke ohne Säumniß, wenn ihm, um ſich in Dampf zu verwan-
deln, nur Brennmaterial genug verabreicht wird, in dieſem aber
ſteckt er ſelbſt, er treibt ſich alſo ſelbſt zur Arbeit an.
Zuweilen verleugnet der Waſſerſtoff feine guten Eigenſchaften
und tritt mit dem Sauerſtoffe zu einer Verbindung zuſammen,
welche beim Entzünden furchtbare Exploſionen hervorruft, die Berg—
64
werke zertrümmert und deren Knappen vergräbt, es ſind dies die
ſchlagenden Wetter der Steinkohlengruben.
Wohlgefällig ſpiegelt ſich eine Pflanze in behaglicher Ruhe
an den Ufern eines Baches im Waſſerſtoffe des Waſſers: wie
dankbar iſt ihm dieſelbe für ſeine Labung, wie erfriſcht ſie ſich in
ſeiner Ausdünſtung, wie koſt ſie mit ihm im Mondſcheine, ſie hebt
ihn zu ſich herauf, ſie hätſchelt und pflegt ihn und bettet ihn ſanft
in ihren Zellen. Dennoch zeigt er ſich undankbar gegen ſie. Rüttelt
der Sturm den Bach brauſend auf, ſo unterſpült der Waſſerſtoff
die Wurzeln der Pflanze, er ruht und raſtet nicht, bis er ſie in die
fluthenden Wellen herabgezogen und in ſich begraben hat. Thon—
erde herbeiſchaffend und ſie überdeckend, wandelt er ſie in Kohle
um. Wie freut er ſich, wenn er auf dem Feuer gebraten ſich mit
Sauerſtoff von Neuem zu Waſſer vereinigen und nun dem großen
Weltmeere wieder zueilen kann. Nirgends hat er jedoch Ruhe, die
Sonne deſtillirt ihn wieder auf und er eilt im Waſſerdunſte und
Regen nach dem Feſtlande, um daſelbſt wieder Holz, Stärkemehl,
Zucker zu bilden. So groß die Gegenſätze, fo groß die Zerſtörungs—
wuth, ſo groß der Trieb des Sauerſtoffs zu Neubildungen iſt,
nicht geringer zeigen ſich dieſelben beim Waſſerſtoffe. Ohne Unter⸗
brechung zerſtören beide, um ſtets wieder von Neuem aufzubauen.
Obſchon wir dem Waſſerſtoffe nach feiner. genaueren Kennt:
niß ſehr viel verdanken, ſo haben wir von ihm dennoch Außer⸗
ordentliches zu erwarten. Ruhig, ſtürmiſch, wild, verheerend tritt
er im Waſſer aller Orten und Enden auf; wo wir ihm in der Na⸗
tur — mit wenig Ausnahmen — begegnen, dringt er uns das Ge—
fühl von Kühle auf, und doch: was liegt in ihm für außerordent⸗
liche Hitze, was für eine Quantität von Licht vergraben! Die
Zeit dürfte nicht ferne ſein, wo wir Waſſer nehmen, daſſelbe zer—
legen, den Waſſerſtoff mittelſt Sauerſtoff verbrennen und dadurch
nicht allein ein wohlfeiles allerwärts für Nichts zu habendes
Brennmaterial bereiten, ſondern auch deſſen fahle Flamme durch
Beigabe feſter Stoffe zu einem Lichte entzünden konnen, welches
dem Glanze der Sonnenſtrahlen um nicht viel nachſtehen dürfte.
Kohlenſtoff und deſſen Verbindung mit
Sauerſtoff zu Kohlenſäure.
Der Franzoſe Lavoiſi er war es, welcher den Kohlenſtoff zuerſt
als ein Element erkannte und nachwies: daß beim Verbrennen des
Diamants Kohlenſäure entſtehe. Der Kohlenſtoff, nur ſelten rein
in der Natur, iſt ſtets mehr oder weniger mit andern Stoffen ver—
bunden und findet ſich in der Stein- und Braunkohle, im Holze,
im kohlenſauren Kalke und andern kohlenſauren Salzen, ſowie
in allen organiſchen Körpern. Kryſtalliſirt kommt er nur im Dia—
mante und Graphite vor und künſtlich gewonnen bildet er mehrere,
in ihren Eigenſchaften ſehr unähnliche amorphe Varietäten von
Kohle.
Es kann hier nicht die Abſicht ſein, ſpeciell über die verſchie—
denen Formen, in welchen der Kohlenſtoff auftritt, zu verhandeln,
nur in gedrängter Kürze wollen wir Einiges davon erwähnen.
Demant und Graphit, als reinſter Kohlenſtoff, iſt ohne alle Bei—
mengung im erſteren, im letzteren mit etwas Eiſen vereinigt. Der
reine Kohlenſtoff zeigt keine Neigung zu ſchmelzen oder ſich zu ver—
flüchtigen, ſelbſt nicht bei Anwendung ſehr hoher Hitzegrade. Der
Anthracit — Kohlenblende — faſt reiner Kohlenſtoff, enthält nur
etwas Waſſerſtoff beigemiſcht und gleicht daher mehr der Stein—
kohle als dem Graphite; er iſt daher die kohlenſtoffreichſte und
waſſerſtoffärmſte Steinkohle.
Die organiſchen Subſtanzen, welche vorzugsweiſe aus Koh—
lenſtoff, Waſſerſtoff und Sauerſtoff, zuweilen mit etwas Stickſtoff
beſtehen, können, ohne Zerſetzungen zu erleiden, keine hohen Tem—
peraturen aushalten. Beim Erhitzen unter Ausſchluß der Luft
treten ihre Elemente zu einfachen Verbindungen zuſammen. Der
Engelhardt, die Nahrung der Pflanzen. 9
66
Sauerſtoff entweicht theils in Verbindung mit Waſſerſtoff als
Waſſer, theils in Verbindung mit einem Theil Kohlenſtoff als
Kohlenorydgas, während ſich ein Theil des Kohlenſtoffs mit Waſ—
ſerſtoff zu Kohlenwaſſerſtoffgas verbindet, Kohle bleibt als End—
reſultat dieſes Prozeſſes zurück, wenn nämlich Sauerſtoff und
Waſſerſtoff ſo abgehalten wurden, daß dieſelben nicht lediglich
und allein gasförmige Verbindungen bilden konnten. Dieſer Zer—
ſetzungsprozeß organiſcher Subſtanzen durch Erhitzung, unter Aus—
ſchluß oder doch bei mangelhaftem Zutritte von atmoſphäriſcher
Luft, wird Verkohlungsprozeß genannt.
Die Verkohlung nimmt man entweder in Oefen oder in Mei-
lern vor, des beſſeren Productes wegen giebt man letzteren den
Vorzug, denn in denſelben bekommt man eine dichtere, nicht ſo
zerkleinerte Kohle. Holz giebt beim Verbrennen eine geringere
Hitze, als ein gleiches Gewicht Holzkohle, und zwar nicht nur,
weil in jenem eine geringere Menge von Kohlenſtoff enthalten iſt,
ſondern weil aus demſelben auch eine beträchtliche Menge von
Waſſer verdampft werden muß. ö
Im gewöhnlichen Zuſtande iſt die Kohle ein ſehr ſchlechter
Wärmeleiter, deshalb iſt ihre Entzündung und ihre Verbrennung
ſo leicht zu bewerkſtelligen, dagegen leitet diejenige Kohle, welche
durch ſtarke Hitze ſehr verdichtet wurde, die Wärme ſehr gut und
es brennen dann alle Holzfohlenforten, die hohen Temperaturgra—
den ausgeſetzt waren, ſchlechter. Bei gewöhnlichen Temperaturen
und unter Ausſchluß der Luft, auch in höhern, iſt die Holzkohle,
wie alle andern Kohlen, durch ihre Unzerſtörbarkeit ausgezeichnet.
Sie kann Jahrhunderte ohne Veränderung in der Erde verweilen.
Um daher Pfähle, welche in die Erde kommen ſollen, haltbarer zu
machen, kohlt man ſie auf ihrer Oberfläche an.
Wegen ihrer ſehr poröſen Beſchaffenheit abſorbirt die Holz—
kohle das Vielfache ihres Volumens an Gasarten. Wir werden
auf dieſe Eigenſchaft, die wir mit dem Namen Saugen belegen,
weiter unten zurückkommen. Außer Sauerſtoff nimmt fie Ammoniak-
gas — bis zum 90fachen ihres Volumens — dann Kohlenſäure
u. ſ. w. auf. Die Abſorbtion der Gaſe und des Waſſerdampfes
durch die Kohle iſt von beträchtlicher Wärmeentbindung begleitet,
67
die unter Umſtänden bis zur Selbſtentzündung fteigen kann. Friſch
ausgeglühte und verlöſchte Holzkohlen, in unangenehm riechende
Kleidungsſtücke oder in dergleichen Zimmer oder in ſtinkende
Keller, Kloaken u. ſ. w. geſtellt, benehmen den üblen Geruch ſo—
gleich. Auf dieſe Weiſe ſchützt man ſich durch klare Kohle auch vor
Geſtank, der von der Straße oder von Höfen aus in die Zimmer
eindringt, indem man Luft durchlaſſende Fenſterflügel, zwiſchen
welche klare Kohle eingenäht iſt, in einem der Fenſter anbringt.
Auch der Fäulniß organiſcher Körper beugt man durch dieſelbe vor,
weshalb man ſie in Spitälern und andern Krankenanſtalten mit
großem Vortheile verwendet. Waſſer hält ſich vollkommen gut
und Wein und Bier werden beſſer, wenn man ſie in Fäſſern, die
innen angekohlt ſind, aufbewahrt.
Ganz beſonders hervorzuheben iſt die Eigenſchaft der Holz—
kohle, ſehr verſchiedene Subſtanzen aus Auflöſung aufzunehmen,
ſie gleicht darinnen der thieriſchen Kohle, welche dieſe Eigenſchaft
in noch höherem Grade beſitzt. So entzieht z. B. die Kohle Auf—
löſungen von Flüſſigkeiten, die Farbeſtoffe enthalten, dieſelben; ſie
macht ſolche Flüſſigkeiten geruchlos, indem ſie z. B. dem Brannt-
weine das Fuſelöl benimmt; doch muß für alle dergleichen Ver—
wendungen die Kohle friſch geglüht werden, weil ſie, wie bereits
bemerkt, begierig Waſſerdampf aus der Luft anzieht und dadurch
die Fähigkeit, andere Körper aufzunehmen, verliert.
Die Steinkohle, die Braunkohle, der Torf find Kohlengat—
tungen, hervorgegangen aus Vegetabilien auf dem natürlichen,
wie die Holzkohle auf künſtlichem Wege. Sie haben mehr oder
weniger Sauerſtoff, Waſſerſtoff und etwas Stickſtoff in ihrer Mi⸗
ſchung, auch ſie können verkohlt d. h. der letzteren Elemente durch
Anwendung ſtarker Hitzegrade beraubt werden.
Der Kohlenſtoff in allen den verſchiedenen Kohlengattungen,
vom Demante, Graphit, durch die verſchiedenen Holz- Stein—
Braun- und Thierkohlen bis zum Torfe herab, iſt chemiſch überall
derſelbe, er kann durch die gewöhnlichen Methoden z. B. durch
Schmelzen, Sublimiren, Auflöſen nicht kryſtalliſirt erhalten wer—
den, mit Ausnahme des Graphits im grauen Roheiſen, worinnen
er aber dennoch nicht in den Kryſtallformen des Diamants auf—
5 *
68
tritt. Bei niederen Temperaturen verhält er ſich gegen die meiften
Körper indifferent. Bis zum Rothglühen erhitzt, verbrennt die
Kohle leicht in atmoſphäriſcher Luft oder in Sauerſtoffgaſe, wor—
aus eine gasförmige Verbindung, die Kohlenſäure, die aus zwei
Volumen Sauerſtoff und einem Volumen Kohlenſtoff beſteht, her—
vorgeht.
Der Kohlenſtoff iſt das wichtigſte Element im Pflanzenreiche,
alle Gewächſe verdanken ihm ihr Daſein; was beim Thiere das
Knochengerüſte, das Fleiſch, das iſt bei der Pflanze der Kohlen—
ſtoff. Die größten Stämme, das feinſte Grashälmchen muß er
bilden helfen. Er iſt der Hauptnahrungsſtoff aller Pflanzen, allein
direct kann er ihnen weder durch die Luft noch durch den Boden
zugeführt werden, es geſchieht dies vermittels der Kohlenſäure.
Die Kohlenſäure, eine farbloſe Gasart, hat einen wenig
bemerkbaren eigenthümlichen Geruch und einen etwas ſauren Ge—
ſchmack. Brennende Körper verlöſchen in ihr und Thiere ſterben
nach ihrem Einathmen. Sie iſt um die Hälfte ſchwerer als atmo—
ſphäriſche Luft und kann deshalb aus einem Gefäße in ein anderes
übergegoſſen werden. Läßt man fie durch klares Kalkwaſſer ſtrei—
chen, welches dargeſtellt wird, indem man ungelöſchten Kalk in
einer Flaſche mit Waſſer gehörig ſchüttelt, wo nach dem Abſetzen
die klare Flüſſigkeit einen Theil des Kalkes in ſich aufgenommen
hat, ſo trübt ſich daſſelbe wie Milch und bildet kohlenſauren Kalk.
Die Kohlenſäure iſt überall, wo ſie ſich in größerer Menge
entwickelt, die Urſache des Aufſchäumens, Sprudelns und des
Blaſenwerfens gährender und anderer Flüſſigkeiten. Wir finden
ſie häufig in natürlichen und künſtlichen Mineralwäſſern, im Cham—
pagner und andern Weinen.
Die Kohlenſäure läßt ſich leicht darſtellen, wenn man irgend
eine verdünnte Säure auf kohlenſauren Kalk gießt. Das Gas
ſteigt mit Ausgebung eines eigenthümlichen Geruchs durch die
Flüſſigkeit und bleibt in Folge ſeiner Schwere zunächſt über jener
ſtehen. Je mehr ſich nun deſſelben entwickelt, um ſo mehr ver—
drängt es die im Gefäße befindliche atmoſphäriſche Luft. Iſt das
Gefäß endlich bis zum Rande von ihr gefüllt, ſo läuft ſie genau ſo
am Glaſe herunter, wie Waſſer. Man darf, um dies zu beobach—
69
ten, nur ein brennendes Schwefelhölzchen nehmen und es der
Außenwand des Gefäßes nähern; daſſelbe wird ſofort erlöſchen
und dadurch das Herablaufen der Kohlenſäure zu erkennen geben.
Die Quellen der Kohlenſäure find überaus mannigfach. Un—
ſerer Atmoſphäre iſt 45 Theilchen derſelben beigemiſcht, fo daß
90 Billionen Centner mit nahe an 25 Billionen Centner reinen
Kohlenſtoffs beſtändig in ihr zu treffen find. Beim Athmen haucht
der Menſch für jeden Cubikzoll Sauerſtoff, den er in ſich aufnimmt,
1 Cubikzoll Kohlenſäure aus und genau derſelbe Austauſch findet
bei unſern Verbrennungs-Prozeſſen ſtatt. In 6000 Jahren müßte
ſich daher die Kohlenſäure in unſerer Atmoſphäre allein durch dieſe
beiden Prozeſſe auf 180 Billionen Centner, alſo auf das Doppelte
des jetzigen Quantums geſteigert haben, abgeſehen davon: daß aus
dem Innern der Erde, aus den ausgebrannten Vulkanen, den heißen
Quellen, der Zerſetzung einer kleinen Menge der Luft beigemiſchten
Kohlenwaſſerſtoffs, durch die unter den Tropen viel häufigeren
Entladungen von Gewittern noch ſehr bedeutende Quantitäten in
die Luft treten. Wären nun nicht Prozeſſe vorhanden, welche die
für das Thierleben ſo nachtheilige Gasart wegſchafften, ſo würde
eine Zeit auf unſerer Erde kommen, in welcher das thieriſche Leben
ausſtürbe. Da jedoch ſeit der Zeit, wo das menſchliche Geſchlecht
auf der Erde eriftirt, keine Verminderung in der Zuſammenſetzung
der Atmoſphäre eingetreten iſt, ſo müſſen Prozeſſe auf derſelben
ſtattfinden, durch welche die ſich ſtets in ſo großer Menge bildende
Kohlenſäure beſtändig wieder zerlegt wird, und dies geſchieht —
wie wir ſogleich ſehen werden — beim Vegetations-Prozeſſe.
Nicht in allen Höhen auf unſerer Erde bleibt ſich der Kohlen—
ſäuregehalt der Luft gleich und merkwürdig genug findet ſich dieſe
ſchwere Gasart bei 10,000 Fuß Höhe faſt im doppelten Verhält—
niſſe, als in unſern Ebenen. Dieſes Verhältniß liegt in den eigen—
thümlichen Verwandtſchaftsgraden der Gaſe und ihre Miſchung
findet ſo ſorgfältig ſtatt, daß ſie die ganze Erde gleichmäßig um—
geben. In Folge deſſelben ſteigt und fällt die Kohlenſäure langſam,
je nachdem die Pflanzen ſie abſorbiren, und dadurch wird im All—
gemeinen in der Luft, die wir athmen, die überaus gleichmäßige
Reinheit erhalten.
70
Wenn in einzelnen Höhlen oder tiefen Thälern, z. B. im
Todten- Thale auf Java, in der Hundsgrotte bei Neapel, die Koh:
lenſäure auch fortwährend dicht am Boden ſchwebt, ſo liegt der
Grund davon lediglich und allein darinnen: daß ſich dieſelbe viel
ſchneller aus der Erde entwickelt, als ſie in die Höhe zu ſteigen und
ſich mit der Luft zu vereinigen vermag, und wenn auf den Gipfeln
hoher Alpen dieſelbe reichlicher getroffen wird, fo liegt dies darin—
nen: daß die Vegetation, der Regen, die Luftfeuchtigkeit ſie den
untern Luftſchichten ſchneller entnehmen, als ſie aus den obern wie—
der herabzuſteigen vermag.
Jedes grüne Blatt ſaugt, fo lange die Sonne ſcheint, Kohlen:
ſäure aus der Luft auf und es iſt dieſe Gasart für das Leben der
Pflanzen ſo unentbehrlich, wie der Sauerſtoff für das Leben der
Thiere. Enthielte die Luft keine Kohlenſäure mehr, dann hörte
alle Vegetation auf und die ganze Erde ſähe grau aus. Die Koh—
lenſäure iſt daher in ihrem geringen Verhältniſſe ein eben ſo wich—
tiger als weſentlicher Beſtandtheil der Atmoſphäre. Da die Koh—
lenſäure ein ſtarkes Gift für Thiere iſt, ſo iſt die in der Atmoſphäre
enthaltene Menge nur gering; wäre das Miſchungsverhältniß ein
größeres, ſo würden die Thiere mit ihrem jetzigen Körperbaue die
Luft nicht einzuathmen vermögen, ohne Schaden an ihrer Geſund—
heit zu nehmen. So nachtheilig ſie ſich aber hier, ſo ungemein
werthvoll erweiſt ſie ſich, wie bereits geſagt, bei den Pflanzen; da—
mit aber letztere die Kohlenſäure recht leicht aus einer Luftmiſchung
aufnehmen können, ſo iſt ihnen dafür die außerordentliche Maſſe
von Blättern verliehen. Wundervoll iſt deren Bau und ihre Thä—
tigkeit. Nicht zu zählen ſind die Saugöffnungen derſelben, indem
größere z. B. Hollunder-Blätter gegen 400000 dergleichen be—
ſitzen. Dieſe winzigen Oeffnungen verrichten ihr Geſchäft mit einer
Schnelligkeit, daß ſie dem geringſten Lufthauche, der ihnen etwas
Kohlenſäure zuführt, dieſelbe augenblicklich vollkommen entziehen.
Bedenken wir nun, daß größere Bäume bis 7 Millionen Blätter
und jedes große Blatt gegen 400000 Saugöffnungen hat, dann
wird ſich uns wohl die Ueberzeugung aufdrängen: daß die Auf—
ſaugung der Kohlenſäure raſch vor ſich gehe und daß deshalb in
den tieferen ſtark mit Pflanzen bewachſenen Gegenden der Kohlen—
7A
ſäure-Gehalt der Luft ein geringerer fein müſſe, als in den nicht
bewaldeten Höhen. |
Früher nahm man an die Pflanzen bekämen ihren Kohlenſtoff—
gehalt lediglich und allein aus dem Humus und verarbeiteten den—
ſelben in ſich. Man hatte dabei die Beobachtung im Auge: daß
ein mit viel Humus verſehener Boden eine üppigere Vegetation
zeige, als ein humusarmer. So richtig nun dieſe Beobachtung
einerſeits auch war, ſo wenig vermochte man doch den Prozeß zu
erklären; denn der Humus, ein Product, hervorgegangen aus
langſamer Verbrennung organiſcher, namentlich pflanzlicher Stoffe,
iſt ſo wenig löslich im Waſſer, daß er auf dieſe Weiſe nicht in die
Vegetabilien eindringen kann; wenn wir nun auch in den humus—
e Salzen, namentlich in der Verbindung mit Alkalien oder
Kalkerde auch leichte Löſungen deſſelben haben, ſo iſt die Quantität
des in den Pflanzen enthaltenen Kohlenſtoffs doch viel zu groß, als
daß ſie von humusſauren Verbindungen abſtammen könnte; denn
wir haben große Waldflächen, die auf reinem weißen Sande ohne
Beimiſchung von Humus wachſen, und ſehen: daß gleich große
Strecken kulturfähigen Bodens, trotz verſchiedener Humustheile,
gleich große Quantitäten Kohlenſtoffes tragen, ja daß bei Garten—
und Gemüſe⸗Ländereien, die ſtark bedüngt werden, die Kohlenſtoff—
verbindungen von Jahr zu Jahr in demſelben anwachſen; bezögen
die Pflanzen die Kohlenſäure aus dem Boden, dann müßten die—
ſelben aber abnehmen. Der Humus ſelbſt kann daher keinenfalls
direct in die Pflanzen übergeführt werden, denn die ſorgfältigſten
Beobachtungen haben überdies erwieſen: daß keine organiſche Ver—
bindung, als ſolche, als Pflanzennahrungsmittel aufzutreten ver—
möge, ſondern daß dieſelben ſtets erſt in unorganiſche verwandelt
und daß dazu der Sauerſtoff jedesmal mit beigezogen werden müſſe.
Dieſe merkwürdige Eigenthümlichkeit der Pflanze, ihre Nah—
rung lediglich und allein aus dem unorganiſchen Reiche zu beziehen,
ſtimmt auf das Genaueſte mit den Grundſätzen überein, welche im
Naturhaushalte allgemeine Geltung haben; denn nähmen die Ve—
getabilien organiſche Verbindungen unmittelbar auf, dann könnte
ein gegenſeitiger Angriff entſtehen, der möglicherweiſe bis zur Ver—
tilgung alles organiſchen Lebens auszuarten vermöchte, während
12
ſich andererſeits im unorganiſchen Reiche Stoffe aufhäuften, die
vollends zur Zugrunderichtung alles Lebendigen beitrügen. Unſer
allweiſer Schöpfer hat aber dafür geſorgt, daß ſolche Ungleichheiten
nirgends in der Schöpfung getroffen werden. Gerade aus dieſem
Grunde erhielten auch die Pflanzen die Beſtimmung, ihren Koh—
lenſtoffgehalt nur zum geringeren Theile aus dem Boden, zum
größten Theile aber aus der Atmoſphäre zu entnehmen, welche für
dieſen Zweck einen 20 Theil von Kohlenſäure beigemiſcht erhielt.
Auf den erſten Blick erſcheint dieſe Quantität zwar ſehr gering,
dennoch iſt ſie aber für den außerordentlichen Verbrauch mehr als
ausreichend.
Daß aber die Pflanzen ihren Kohlenſäure-Verbrauch wirklich
aus der Luft beziehen, gewahren wir, wenn wir ſie unter einem
der atmoſphäriſchen Luft nicht zugänglichen Glasgefäß ins Son—
nenlicht bringen und durch Zerlegung von kohlenſaurem Kalke ver—
mittelſt verdünnter Schwefelſäure bereitete Kohlenſäure zu ihnen
treten laſſen. Es ergiebt ſich dabei nach einiger Zeit unter dem
Glaſe eine gleiche Menge von reinem Sauerſtoffe gegen die ver—
wendete Kohlenſäure, der ſich dadurch zu erkennen giebt, daß ein
glimmender Span ſich augenblicklich mit glänzender Flamme ent—
zündet. Prieſtley war der Erſte, welcher dieſe Entdeckung machte;
doch kann man die Pflanze unter einem ſolchen Gefäße, ohne daß
die Luft erneuert wird, nicht laſſen: ſie geht zu Grunde, wenn ihr
auch alle andern Lebensbedingungen zufließen. In reinem Sauer—
ſtoffgaſe kann alſo die Pflanze ebenſo wenig wie das Thier leben.
Daß die Pflanze im Sonnenlichte Sauerſtoff aushaucht, ſahen wir
bereits weiter oben.
Man begnügte ſich aber nicht allein mit dieſen Verſuchen. In
England pflanzte man eine Weide von 5 Pfund Gewicht in ein
Gefäß, welches mit einer ſorgfältig abgewogenen Menge von Erde
verſehen wurde und begoß die fortwachſende Pflanze je nach Be—
dürfniß mit reinem Regenwaſſer; nach Verlauf von 5 Jahren er—
reichte dieſelbe ein Gewicht von 170 Pfund, während die Erde nur
14 Pfund von ihrem Gewichte verloren hatte. Hier rührte die
Gewichtszunahme von 1632 Pfund alſo lediglich und allein von
73
dem aus der Luft aufgenommenen und im Innern der Weide zer—
legten Kohlenſäure-Gaſe her.
Die Pflanze ſaugt daher die Kohlenſäure aus der Luft ein,
trennt durch die Sonnenſtrahlen, die ihre Lebensthätigkeit wecken, die
Beſtandtheile derſelben, Sauerſtoff und Kohlenſtoff, von einander,
nimmt letzteren in ihren organiſchen Verband auf und ſchickt den
Sauerſtoff in die Atmoſphäre zurück. Wie begierig die Pflanzen
dieſe Säure aufſuchen, dies ſehen wir an ſolchen, die in der Nähe
von ſehr kohlenſäurereichen Quellen, die in der Nähe von Hoh:
öfen wachſen; hier nehmen die Blätter einen bei weitem größeren
Umfang an, damit ſie durch die vermehrten Saugöffnungen ja
recht viel dieſes Nahrungsſtoffes in ſich zu nehmen vermögen.
Auf dieſe Weiſe iſt in der Natur für die Fortſchaffung der der
Thierwelt jo äußerſt nachtheiligen Kohlenſäure, die bei der Verbren—
nung und dem Athmungsprozeſſe in ſo überreicher Maſſe entſteht,
geſorgt und auf dieſe Weiſe wird auch zugleich die Luft gereinigt.
Mancher der geneigten Leſer dürfte hier den Einwurf machen:
wenn die Pflanzen die Funktion haben, die Luft von dieſem den
Thieren ſo gefährlichen Gifte zu befreien, ſo muß ſich dieſelbe ja
im Winter ungemein anhäufen und dann um ſo gefährlicher für
jene werden. Allein wenn wir in dieſer Jahreszeit gerade durch den
vermehrten Gehalt der Luft an Kohlenſäure, etwas Ammoniak
u. ſ. w. auch häufiger von Krankheiten heimgeſucht werden, ſo
iſt im großen Haushalte der Natur auch für die Fortſchaffung in
dieſer Zeit weiſe geſorgt; denn ſo bald unſere Vegetation in Ruhe
verſinkt, erheben ſich gewaltige Stürme, welche die Luft nach vege—
tationsreichen Gegenden hintragen und gereinigte zurückbringen;
ſtrömen vermehrte Regenquantitäten aus der Atmoſphäre nieder,
welche das Zuviel der Kohlenſäure binden und fie ebenfalls in
Gegenden überführen, wo ſie zerlegt wird; ſchickt unſer Schöpfer
den herrlich kryſtalliſirten Schnee, welcher als Sauger für die
Kohlenſäure auftritt. Schmilzt derſelbe im Frühlinge, fo nimmt
ſie das Schneewaſſer mit unter die Erde und führt ſie den Wurzel—
fäſerchen zu, ſo daß durch ihn die erſte Vegetation erweckt wird.
Der Schnee tritt aber nicht allein als Sauger für die Kohlenſäure
auf, er nimmt auch Ammoniak auf und deshalb gerirt er ſich als
74
nicht unbedeutende Düngekraft, wie wir dies nach ſchneereichen
Wintern fo deutlich gewahren. a
Eigenthümlich iſt das Verhalten der Pflanze bei Abweſenheit
des Sonnenlichts. Sie nimmt dann Sauerſtoff auf und giebt
Kohlenſäure aus, und zwar ſaugt fie dann bei weitem mehr der
erſteren auf, als fie von letzterer ausgiebt. So wie kein Sonnen—
licht vorhanden, ſtellt nämlich die Pflanze ihre Thätigkeit ein und
der dem Leben ſo nachſtrebende Sauerſtoff drängt ſich nun in ſie
ein und ſucht Zerſtörungen zu beginnen; bleibt ihr der Zutritt von
Licht verſchloſſen, dann ſetzt er ſein Zerſtörungswerk mit aller Macht
fort. Bei der Abhandlung über die Sauger werden wir hierauf
zurückkommen.
Bereits wurde erwähnt: daß kein Stoff der Pflanze als s.
rungsmittel dienen kann, deſſen Zuſammenſetzung dem Pflanze
körper gleich ſei, und gerade hierinnen liegt der Hauptunterſchied
der Lebensbedingungen vegetabiliſcher Naturkörper gegen unorga—
niſche, welche ſich durch Anſatz gleichartiger Stoffe erhalten. Hier—
durch lernen wir nun auch den Hauptnutzen des Humus kennen,
welcher dann erſt der Pflanze zugänglich wird, wenn ſeine Beſtand—
theile, die auch die des Holzes, nämlich Kohlenſtoff, Waſſerſtoff
und Sauerſtoff ſind, ſich von einander trennen, um neue Verbin:
dungen hervorzurufen. *
Durch die langſame Verbrennung (Vermoderung) gi
Humus ſtets Kohlenſäure und Waſſer aus und wird dadu
nie verſiegender Lebensquell für die Pflanzen, ja im Frühlinge, wo
die Pflanzen noch nicht mit Blättern verſehen ſind, beziehen ſie ihren
Kohlenſäurebedarf lediglich und allein aus dem Schnee und dem
Humus. Der zerſtörende Sauerſtoff, der überall, wohin er auch
dringt — und wo iſt er nicht überall zu finden? — ſeine verheeren—
den Wirkungen beginnt, entnimmt der abgeſtorbenen Pflanze die—
jenige Quantität Sauerſtoff, die die lebende nothwendig hatte, als
er ihr in der Geſtalt von Kohlenſäure begegnete. Wie daher die
Blätter in der Luft, ſo ſaugen die Wurzelfäſerchen aus dem humus—
reichen Boden die im Waſſer gelöſte Kohlenſäure auf. Und immer
von Neuem ſetzt ſich Sauerſtoff im Humus feſt, damit die Kohlen—
ſäurebildung nie unterbrochen werde. Hieraus geht, wie wir weiter
75
unten beim Boden und den Saugern zu ſehen Gelegenheit finden,
hervor, warum die ſorgſame Auflockerung des Bodens in der Land—
wirthſchaft ſo außerordentlich gute Wirkungen thut. Daß aber
die Saugfaſern der Wurzeln keine andere Bedeutung für die Acker—
erde, als die Saugſpalten der Blätter und grünen Zweige und
Stängel für die Luft haben, geht daraus deutlich hervor: daß die
einen die andern vertreten, wenn man ein Bäumchen verkehrt d. h.
mit ſeiner Krone in ganz lockeres Erdreich pflanzt.
Zwiſchen der Atmoſphäre und den Pflanzenzellen finden durch
die Mundöffnungen der Wurzeln, Blätter und Zweige ununter—
brochene Wechſelwirkungen ftatt, die jedoch — wie wir ſahen — in
ganz verſchiedener Weiſe vor ſich gehen, je nachdem dann das
onnenlicht in ſchwächerer oder ſtärkerer Intenſität, oder gar nicht
nwirkt. Im Sonnenſcheine nehmen die grünen Zellen Kohlen:
ſäure auf und hauchen Sauerſtoff aus, bei trübem Wetter und des
Nachts ſaugen ſie Sauerſtoff ein und geben Kohlenſäure aus. Die
Pflanzen verbeſſern daher bei Sonnenſchein die Luft auf doppelte
Weiſe, indem ſie die tödtliche Kohlenſäure aus derſelben entfernen
und zugleich ihren Gehalt an Sauerſtoff vermehren. Des Nachts
und bei lange anhaltendem trübem Wetter verderben die Pflanzen
die Luft, indem dann Sauerſtoff ein- und Kohlenſäure ausgeath—
met wird. f
Die Pflanze ermöglicht ihr Wachsthum durch Zellen; eine
ſolche wächſt, ernährt ſich, athmet und ſcheidet ihren Ueberfluß aus,
ſie ſtellt ſich alſo als ein vollkommen abgeſchloſſenes Individuum
dar. Hat die Zelle auf dieſe Weiſe eine Zeitlang ihre Lebensthä—
tigkeit fortgeſetzt und Kohlenſäure und Waſſer zerlegt, ſo pflanzt ſie
ſich fort und dieſe Fortpflanzung geht vom Primordialſchlauche
aus. Die Fortpflanzung kann nur erfolgen, ſo lange die Zelle noch
jung, die Zellenmembran alſo noch zart und der Primordialſchlauch
noch kräftig entwickelt iſt; iſt die Zelle einmal ausgewachſen, dann
ſteht ihr der Tod bevor. Ueber ein Jahr wird ſelten eine Zelle alt.
Da die Zellen ſehr klein ſind, ſo iſt deren Zahl eine überaus große
und ſelbſt in der kleinſten Pflanze überſteigt die Zellenzahl die der
Einwohner der größten Reiche. In einem Waldbaume leben mehr
Zellen, als Menſchen auf der ganzen Erde. In einer mäßig großen
76
Kartoffel treffen wir mindeſtens auf 2 Millionen Zellen, wogegen
die einer größeren Kiefer auf mindeſtens 30 Millionen ſteigt. Daß
die Zellen enge zuſammen liegen müſſen, ergiebt ſich aus dieſen
Zahlverhältniſſen auf das Deutlichſte. Die Natur geht ungemein
ſparſam mit dem Raume um, daher find die Zellen nach Art der
Bienenzellen, jedoch oben und unten mit einem 4flächigen Dache
verſehen, fie bilden alſo Rhomben-Zwölfflächner. Die Zuſammen—
ſchachtlung dieſer Zellen belegen wir mit dem Namen Zellgewebe
und in ihm geht der Lebens- und Ernährungsprozeß vor ſich.
In der Regel geben die Wurzelzellen die Flüſſigkeit, welche ſie
aus der aufgenommenen Nahrung produciren, ſofort an die höher
gelegenen Zellen weiter, dieſe ihren nächſten Nachbarn und ſo durch
den ganzen Stamm durch. Jede Zelle veredelt und verfeinert die
empfangenen Stoffe nach ihrer Art. Den ausgeſchiedenen Saft
ſaugt die Nachbarzelle auf und veredelt ihn weiter. Auf dieſe Weiſe
erhebt ſich derſelbe von Zelle zu Zelle unzählige Male, um ebenſo
oft verändert und geläutert aus der Wurzel in die Stängel, aus
den Stängeln in die Blätter zu treten. Die Blätter ſind die Zellen—
vereinigungen, die von Luft, Licht, Waſſer und Ammoniak leben.
Der Saft, der aus der Wurzel kömmt, tritt hier mit jenen Elemen—
ten in Verbindung, die Kohlenſäure wird zerlegt, der Kohlenſtoff
mit andern Stoffen vereinigt. Von Blatt zu Blatt läuft der Saft
und auf dieſe Weiſe entſtehen aus den einfachen Bildungsflüffig-
keiten des auf- und abſteigenden Saftes die mannigfachſten Pro—
ducte, die als Farben das Auge, als Aroma den Geruch, als
Süßen, Säuren, Bitteren den Geſchmack erfreuen; auf dieſe Weiſe
werden die Stoffe abgelagert, die uns ernähren, die uns die an—
genehmſten Genüſſe, die uns die Präſervative vor Aminen u.
ſ. w. verſchaffen.
In den verſchiedenen Theilen der Pflanzen werden die ver—
ſchiedenſten Stoffe zubereitet; jede derſelben birgt ein eigenes Labo—
ratorium, das andere Bereitungen in der Wurzel, andere im
Stängel, andere in den Blättern, andere in den Blüthen und noch
andere in den Früchten vornimmt.
Die Wurzeln des Zimmtbaumes liefern z. B. * Campher,
die Baſtſchicht dieſer Pflanze ſchenkt uns den Zimmt, die Blätter
77
geben uns bei der Deſtillation das Nelkenöl. Ja zu verſchiedenen
Zeiten verarbeiten dieſelben Zellen verſchiedene Säfte. Die Blätter
des jungen Salates geben eine angenehme Nahrung im Frühlinge
und Sommer, im Herbſte ſtrotzen ſie voll bittern giftigen Milch—
ſaftes. Die Knollen der jungen Kartoffeln beſitzen eine narkotiſche
Schärfe, während ſie bei der vollkommenen Reife nichts als nahr—
haftes Stärkemehl enthalten. Sogar der aufſteigende Saft iſt in
manchen Pflanzen ungemein verſchieden vom abſteigenden; die ka—
nariſche Wolfsmilch giebt uns hiervon ein auffallendes Beiſpiel.
Der aufſteigende Saft dient den Bewohnern jener Inſeln als wohl—
ſchmeckendes Getränk, während der abſteigende als heftiges Gift
wirkt. Daß der Splint den ausgebildeten Saft wieder abwärts
führt, beweiſt die Thatſache: daß, wenn man an einem Baumzweige
einen ringförmigen Einſchnitt macht, oder ihn unterbindet, die
Reife der daran befindlichen Frucht beſchleunigt wird und dieſelbe
an Größe und feinem Geſchmack zunimmt. Der abſteigende Saft
wird dann nämlich auf ſeinem Wege aufgehalten, ſo daß er ſich in
allen Theilen der Zweige verläuft und ihnen reichlichere Nahrung
giebt, als wenn ſich dieſer Saft in den allgemeinen Strom ergoſſen
hätte.
Wenn der Saft der Pflanzenzellen ſeine höchſte Veredlung er—
langt hat, ſo tritt die Pflanze in die Blüthe; letztere iſt die Ver—
einigung von Blättern, in welchen die Pflanze ihre größte Pracht
zur Schau trägt. In ihr zeigen ſich die prachtvollſten Farben, die
lieblichſten Wohlgerüche, die ſüßeſten Gaumenkitzel, alſo die kräf—
tigſten Stoffe mit den edelſten Formen.
Die kurze Lebensdauer der einzelnen Zellen wirkt nachtheilig
auf die Geſammtpflanze, daher iſt das Pflanzenleben im ſteten Ab—
ſterben begriffen und daher verwendet die Pflanze ſo viel auf das
Hervorbringen zahlreicher Saamen, damit keins ihrer Geſchlechter
ausſterbe.
So bald ſich die Wärme vermindert, fangen die das Athmen
bewirkenden Blätter an, welk zu werden, ſie verändern ihre grüne
Farbe in Gelb und dann in Braun und fallen ab; aber auch die
Wurzelzellen, die im Frühlinge ſo geſchäftig Nahrung aufſogen,
die Zellen des Stammes, die den Saft nach oben leiteten, haben
2
18
ſich gefüllt, haben ihre Säfte verdickt und ſterben ab, fie haben ihre
Funktion geſchloſſen und hinterlaſſen uns Holzmaſſe, um uns an
derſelben erwärmen, um uns Häuſer und Geräthſchaften aus im
bauen zu können.
Ein großer Theil von Gewächſen überlebt daher das erſte
Jahr nicht; die meiſten Kräuter keimen im Frühlinge, blühen im
Sommer, bringen im Herbſte ihre Saamen zur Reife und gehen mit
dem Winter zur ewigen Ruhe ein. Die Bäume und Sträucher
ſpeichern dagegen im Herbſte im Marke und in den Wurzeln Nah—
rungsmittel auf, die ſie im Frühlinge — zugleich mit aus dem
Boden zuſtrömender wäßriger Kohlenſäure — ſobald die Säfte
bei warmen Tagen flüſſig werden, zur Bildung neuer Säfte ver—
wenden. An den Wurzeln, deren äußerſtes Ende, als jüngſter
Theil, vorzugsweiſe der Aufnahme von Nährflüffigkeit vorſteht,
verlängert ſich die Spitze ununterbrochen, es bilden ſich neue Zellen,
die friſchen Muths ihr Geſchäft von Neuem beginnen.
Im Stamme ſind die Holzzellen, die Baſtröhren, die Gefäße,
welche während der Vegetationszeit die Nahrung nach den Blättern
führten, im Herbſte ſchon wieder verholzt, daher muß ſich im Früh—
linge um dieſelben wieder ein Kreis von neuen Zellen herumlagern,
der nun die Leitung des Saftes übernimmt. Ein Jahr darauf iſt
aber auch dieſer wieder abgelebt und es bildet ſich nun wieder ein
neuer Zellenkreis; daher beſteht der Stamm eines Baumes aus
einer größern oder geringern Zahl von ineinander ſteckenden Zylin—
dern, die ihre Entſtehung lediglich und allein den Zellen zu ver—
danken haben.
Aus dem Vorangegangenen erſehen wir: daß der Kohlenſtoff
einer der wichtigſten Nahrungsſtoffe im Pflanzenreiche iſt; daß er
den einzelnen Individuen aber nicht unmittelbar, ſondern nur in
Verbindung mit Sauerſtoff als Kohlenſäure ſowohl durch die
Blätter, als durch die Wurzeln zugeführt wird. Das Sonnenlicht
bewirkt in den Blättern die Zerlegung der Kohlenſäure, das zus
rückbleibende Kohlenoxyd verbindet ſich mit Waſſerſtoff, welchen
die Zerlegung des Waſſers liefert, die zugleich mit der Zerlegung
der Kohlenſäure und unter denſelben Umſtänden wie die Laß,
der Kohlenſäure vor ſich geht.
*
79
Bringt man nun Kohlenoxyd mit den verſchiedenen Waſſer—
ſtoffmengen zuſammen, ſo erklärt ſich die Bildung der im Pflanzen—
reiche vorkommenden nicht ſtickſtoffhaltigen Producte. Befinden ſich
nämlich in dieſen dreifachen Verbindungen Sauerſtoff und Waſſer—
ſtoff im Verhältniſſe der Waſſerbildung, jo entſtehen Holßfaſer,
Stärkemehl, Zucker, Gummi u. ſ. w.; iſt die Waſſerſtoffmenge
aber eine bedeutendere, als im Waſſer, ſo entſtehen ätheriſche und
fette Oele, Wachs, Harze u. dergl. Iſt dagegen der Sauerſtoff
überwiegend, ſo erhält man Pflanzenſäuren.
Wir ſahen bereits: daß die Pflanzen bezüglich ihrer Selbſt—
erhaltung und ihrer Fortpflanzung ſehr ſorgſam ſeien. Deshalb
legen ſie in ihren Zellen Magazine von Mehl an, die Sago—
palme z. B. in ihrem Marke, die Kartoffel in ihren Knollen,
der Weizen in ſeinen Körnern. Dieſe Sorgſamkeit der Pflanzen
für ſich wird zum Erhalter der Menſchen und Thiere, indem der
Menſch ſich erlaubt, auf ſeinen Leib zu verwenden, was ur—
ſprünglich als Keim neuer Weizen- und Kartoffel-Generationen
dienen ſollte. \
Der Kohlenſtoff, das wichtigſte Pflanzenernährungsmittel,
leiſtet überdies bei der Vegetation außerdem noch ungemein wichtige
Dienſte. Als Licht-Sauerſtoff-Ammoniak- und Waſſer-Sauger
ſorgt er nicht allein für hinreichende Erwärmung des Bodens und
wird dadurch die Haupttriebfeder, daß im Frühlinge die perenniren—
den Gewächſe ſich zu reproduciren vermögen, ſondern er reſervirt
auch die Feuchtigkeit und giebt ſie zur Zeit großer Trockenheit an
die Gewächſe ab, er ſchützt ſie daher auch auf dieſe Weiſe vor dem
Ausſterben. Wie daher der Kohlenſtoff als der Barometer des
Wohlſtandes einzelner Länder (Englands) zu betrachten iſt, ſo hat
man ihn auch als Beglücker der Geſammt-Vegetation anzuſehen.
Nicht vergebens erhebt er daher ſein Haupt und lehnt ſich auf gegen
die dem Waſſerſtoffe eingeräumte Macht. Wenn Du, ruft er jenem
zu, auch in der Verbindung mit Sauerſtoff ungemein Großartiges
leiſteſt, ſo kannſt Du doch gar vieles nicht ohne mich vollführen.
Ich ſpreche deshalb einen Theil des Dir geſpendeten Ruhmes
für mich an. Schiffe und Locomotiven zu treiben, dem Menſchen
Kleider zu weben, das feinſte Mehl, den beſten Teig herzuſtellen,
N.
kannſt Du nur durch mich. Ich bin es durch deſſen Hauch in Dei-
ner Gemeinſchaft und in Gegenwart von Licht und Wärme ſich die
ganze Natur belebt, ich bin es, welcher dem Menſchen die ſaftig—
ſten, wohlſchmeckendſten Früchte ſpendet, durch mich athmet die
Geſammtpflanzenwelt. Ich gönne Dir das Tragen von ungeheuren
Laſten, allein tritt mit mir in den grünen Wald: wie lieblich iſt es
hier, welchen Seegen ſpende ich von hier aus! ich liefere die Ma—
teriale zum Tragen jener Laſten, ohne mich wäreſt Du in dieſer
Beziehung nichts; ich ergreife Dich und führe Dich hinauf in das
ſchöne grüne Blatt, das ſo melodiſch flüſtert; ich lege Dich dem
funkelnden Sonnenſtrahle vor, der uns zuſammen vermählt; ich
ſauge Dich zugleich mit Sauerſtoff auf; ich verſtecke Dich und halte
Dich ſo lange verborgen, bis ich weiß, wie außerordentlich ich die
Pflanze mit Dir zu laben vermag; biſt Du auch ſonſt noch ſo
mächtig: im Pflanzenernährungsprozeſſe bleibſt Du mir unterthan.
Die Kohlenſäure iſt eins der allerwichtigſten Nahrungsmittel
für das Geſammt-Pflanzenreich; ſie wird entweder durch die Blätter
aus der Luft aufgeſogen, oder durch die Wurzeln aus dem Boden.
Im letzteren Falle geht ſie in Begleitung von Waſſer zugleich mit
aufgelöſtem Ammoniak, kohlenſaurem Kalk, kohlenſaurer Bitter—
erde, kohlenſaurem Eifenorydul, kohlenſaurem Manganoxpdul,
phosphorſaurem Kalke, kohlenſaurem Kali und Natron, ſowie mit
Kieſelerde in das Pflanzengewebe über. Hier wird ſie und ihre
Verbindungen zerlegt und der Kohlenſtoff zugleich mit den überge—
führten andern Nahrungsmitteln, nachdem ſich andere organiſche
und unorganiſche Verbindungen gebildet haben, in den Zellen ab—
gelagert. |
Ohne dieſes Hauptnahrungs-, ohne dieſes Univerſal-Auf—
löſungsmittel fände keine Pflanzenernährung ſtatt, hörte alles vege—
tabiliſche und thieriſche Leben auf. So ſehr daher auch die Vor—
ſehung für das ausreichende Vorhandenſein dieſes höchſt wichtigen
Nahrungsmittels geſorgt hat, ſo hängt dennoch von der ſorgſamen
Zuführung deſſelben in den Boden in der Landwirthſchaft das
Meiſte ab. Für die gehörige Beſchaffung derſelben muß der Land—
wirth daher ſehr beſorgt und ſeine ganze Thätigkeit muß darauf
gerichtet ſein, ſie dem Boden auf zwei verſchiedenen Wegen zuzu—
81
führen. Der eine der letzteren beſteht darinnen: den Boden recht
mit kohlenſtoffhaltigen Beſtandtheilen, mit Humus oder andern
Saugern zu ſchwängern, damit dieſelben recht viel Sauerſtoff und
Kohlenſäure aus der Luft an ſich ziehen und durch erſteren dann
recht viel der letzteren bilden; der andere aber beſteht in einer recht
ſorgſamen und ſehr oft wiederholten Auflockerung, damit dem ſo
hergerichteten Boden der Sauerſtoff und die Kohlenſäure der Luft
an unendlich vielen Punkten zugänglich werde, damit der mit Koh—
lenſäure geſchwängerte Regen und der Thau ſo ſanft als möglich
auffalle, damit durch das Aufſchlagen auf harte Knollen jene Gas—
arten nicht aus dem Regen austreten und ſich wieder mit der Luft
miſchen.
Bei dunklem, recht humusreichem Boden gewahren wir recht
deutlich: daß es namentlich die Kohlenſäure iſt, welche zur kräftigen
Ausbildung, zur vollkommneren Ernährung das Meiſte beitrage;
denn abgeſehen davon, daß der Humus ein ſtarker Kohlenſäure—
Sauerſtoff⸗ und Waſſerſauger iſt, erhält er hauptſächlich den Bo—
den ungemein locker und bedingt dadurch eine ſehr ſtarke Aufſaugung
von Kohlenſäure. Solch ſchwarzer humusreicher Boden trägt viele
Jahre hintereinander den üppigſten Pflanzenwuchs, ohne daß ſich
deſſen Farbe veränderte, ja bei ſorgſamer Beobachtung findet man
ſogar eine Vermehrung der kohlenſtoffhaltigen Beſtandtheile und
es trägt hier lediglich und allein die phyſiſche Beſchaffenheit des
Bodens, durch welche der Kohlenſäure der Luft ein raſcher Zutritt
geſchaffen wird, in Verbindung mit der ſtarken Saugfähigkeit des
Humus zu dem üppigen Pflanzenwachsthume bei.
Der ſorgſame, der fleißige Landwirth kann daher das wich—
tigſte Pflanzennahrungsmittel ohne Koſten in reichlicher Fülle für
ſeine Aecker aus der Luft beziehen.
Engelhardt, die Nahrung der Pflanzen. 6
Stickſtoff, deſſen Verbindung mit
Waſſerſtoff zu Ammoniak, ſowie deſſen
Verbindung mit Sauerſtoff zu atmoſphä⸗
riſcher Luft.
1
Unſere große Lehrmeiſterin, Erfahrung, macht uns mit ei
Menge von Erſcheinungen bekannt, welche in der Regel ſpäter erſt
wiſſenſchaftlich erklärt werden, dann ihre Nutzanwendung aber
auch im erhöhten Maaße finden.
Wir wiſſen aus Erfahrung: daß auf Feldern, wo man Miſt
aus Schlächtereien und Gerbereien anwendet, der Gras- Getreide:
und Baumwuchs viel üppiger, daß deren Körner- und Fruchtertrag
bei weitem bedeutender iſt, als auf ſolchen Feldern, wo mit ge—
wöhnlichem Stallmiſte gedüngt wird. Wir wiſſen ferner: daß auf
Feldflächen, wo Schlachten geliefert wurden, auf Kirchhöfen, auch
Fallangern, ähnliche günſtige Verhältniſſe obwalten.
Wir wiſſen: daß Obſtbäume, welche wegen ihres Alters faſt
keinen Ertrag mehr liefern, wieder tragbar werden, wenn man
todte Thiere unter ihnen vergräbt.
Wir wiſſen: daß wir durch Beſtreuen der Felder mit 8
ſpänen, mit klargemachten Klauen und Knochen, mit Leder ꝛc. ꝛc.
nicht nur einen üppigeren Pflanzenwuchs, ſondern auch eine ver—
mehrte Saamenbildung erzielen.
Faſſen wir nun die Düngerabfälle, welche in Schlachtereien
und Gerbereien erlangt werden, genauer ins Auge, ſo zeigt ſich,
daß dieſelben, außer Knochen, die ihrem Hauptbeſtandtheile nach
phosphorſaure Kalkerde enthalten, aus Haaren, Därmen, Darm—
7
83
ſchleim, Klauen, Horn, Sehnen, Blut und Fleiſch beſtehen, und
daß dieſelben Stoffe auf Schlachtfeldern, Ra Fallangern
etroffen werden.
er Da dieſe Stoffe außer Sauer- Waffer- Kohlen- und Stick⸗
ſtoff, den hauptſächlichſten Beſtandtheilen unſeres gewöhnlichen
Düngers, eine größere Menge Stickſtoff enthalten, ſo muß letzterer
die ſo überaus günſtige Wirkung auf die Vegetation üben und
dieſe um ſo kräftiger ſein, je lockerer der Boden gehalten, je öfter
er alſo während der fotiſchren en Ausbildung der Gewächſe auf—
gelockert wurde.
Obſchon uns die Erfahrung ſo augenſcheinlich auf die kräftige
Wirkung jener Düngeſtoffe hinweiſt, ſo war es doch in der Jüngſt—
zeit der Wiſſenſchaft vorbehalten, den in ihnen enthaltenen Stickſtoff
und deſſen Verbindungen als das eigentliche Princip des vollkom—
meneren Pflanzenwuchſes und der vermehrten Blüthen- und Frucht:
bildung kennen zu lernen. Bei dem hohen Werthe, welchen der
Stickſtoff für die Landwirthſchaft hat, wird es von Intereſſe ſein,
etwas Genaueres über ihn zu erfahren.
Der Stickttoff, ein gasförmiger Stoff, welcher unſere atmo—
ſphäriſche Luft zu z zuſammenſetzt, bildet außerdem einen weſent⸗
lichen Beſtandtheil der meiſten thieriſchen und einen geringeren
Beſtandtheil vieler vegetabiliſchen Körper. Er ift farb- geruch⸗
und geſchmacklos und konnte bis jetzt noch nicht zu einer Flüſſigkeit
verdichtet werden. Im Waſſer weniger löslich, als Sauerſtoff, iſt
er zugleich etwas leichter, als die atmoſphäriſche Luft. Der Stick—
ſtoff iſt ein ſehr indifferenter Stoff und vereinigt ſich nicht direct
mit irgend einem andern Elemente. In neuerer Zeit iſt dies bei
ſehr hohen Temperaturgraden nur mit Kohle, bei Anweſenheit
von Pottaſche, gelungen. Ein brennendes Licht verlöſcht augen—
blicklich im Stickgaſe, und Thiere fterben ſchnell in demſelben,
nicht weil es an ſich ſchädlich iſt, ſondern wegen Mangel an
Sauerſtoff. Di Stickſtoff iſt einer der wichtigſten Stoffe im orga⸗
niſchen Reiche, aber auch der am meiſten ins Dunkel gehü
Alles Thier- und Pflanzenleben geht mit und durch ihn hervor,
doch muß ihm der Sauerſtoff ſtets zur Seite ſtehen. Er giebt gleich—
ſam den Bändiger des letzteren ab, indem er die zu raſche Ent:
6*
yr
.
22 rn
84 Be
+ 2
wickelung des Lebensprozeſſes hemmt und verzögert. 2 w
einft genauere Aufſchlüſſe über dieſen räthſelhaften Stoff,
werden wir wohl auch mit Sicherheit auf die Zufammenfegu
der Metalle Rechnung machen dürfen. 2
Mit Waſſerſtoff vereinigt ſich der Stickſtoff zu Ammoniak,
welches von eben jo hohem Intereſſe für die Landwirthſchaft iſt.
Mit Sauerſtoff erhitzt verbrennt der Stickſtoff nicht wie der
Waſſerſtoff, noch wird er dabei oxydirt. Viele electriſche Funken,
durch ein Gemiſch von Sauerſtoff und Stickſtoff gejagt, bedingen
die Bildung von Salpeterſäure. Geſchieht dies im großen Haus⸗
halte der Natur, alſo bei Gewittern in unſerer Atmoſphäre, wo
ſtets feuchte Luft und Regenwolken vorhanden ſind, dann wird
durch die Blitze zugleich ein kleiner Theil des Regenwaſſers zerlegt
und der Stickſtoff verbindet ſich mit dem Waſſerſtoffe deſſelb 3
Ammoniak. Dieſe Ammoniakbildung ift die Urſache der dane
Einwirkung der Gewitter auf die Vegetation.
Eine Verbindung des Stickſtoffs mit Sauerſtoff — die Sal⸗
peterſäure — entſteht häufig und in nicht vue en enge,
und baden wir 5 Beiſpiele an der natürlichen e
und an den künſtlichen Salpeterwänden.
Beobachtet man die Vegetation von Waſſerpflanzen in ſtets
erneutem und abgekochtem Brunnenwaſſer, aus welchem die atmo—
ſphäriſche Luft, folglich auch der Stickſtoff vollkommen ausge⸗
* ſo gewahrt man, daß außer Sauerſtoff auch Stick—
ausgeſchieden wird. Da demnach das angewandte Waſſer
enen Stickſtoff enthält, ſo mußte derſelbe aus der Pflanze ſelbſt
ausgeſchieden werden, die alſo verdichteten Stickſtoff in ſich barg.
Verſuche von Clouz und Gratiolet lehrten wirklich, daß
zwiſchen dem Aushauchen von Sauerſtoff durch die Pflanzen 11
der Zerſetzung eines ſtickſtoffhaltigen Beſtandtheils, welcher m
der grünen Materie zuſammenhängt, eine innige Beziehung ſtatt—
finde.
Lediglich der Stickſtoff ift es, welcher in Verbindung mit Licht
und Sauerſtoff nicht allein das ſchöne grüne Kleid der Pflanzen
15
85
hervorruft, ſondern der auch zu den ſonſtigen Färbungen das
FR beiträgt, der das Keimen bedingt, der beim Blühen, bei
efruchtung, bei der Saamenentwicklung ungemein geheim—
voll, aber um ſo kräftiger wirkt. Vorzüglich iſt es ſeine Ver—
bindung mit Waſſerſtoff zu Ammoniak, in welcher er durch die
Wurzeln und Blätter in die Pflanzen übergeführt wird.
Bei großer Wärme in der Atmoſphäre kann ſich das Am—
moniak ſchon aus dem Stickſtoffgehalte der Luft bilden, wenn
freier Waſſerſtoff vorhanden iſt. Die Wichtigkeit, welche dem Am—
moniak bei dem Pflanzenentwicklungs⸗- und Ernährungs-Prozeſſe
beigelegt wird, veranlaßte die Chemiker, ſich mit der Beftimmung
des Ammoniaks in der Atmoſphäre zu beſchäftigen, und es iſt |
keinem Zweifel mehr unterftelt: daß das Ammoniak die Quelle iſt,
welcher die Gewächſe die größte Menge des für ſie unentbehrlichen
tickſtoffs entnehmen, mag derſelbe nun aus dem Boden durch
den zugeführten Dünger oder aus der Luft aufgeſaugt werden.
Seine Gegenwart in der Luft wurde ſchon durch Theodor von
Saufj ure vermittelft des einfachen Verſuchs nachgewieſen: daß
eine Löſung von ſchwefelſaurer Thonerde durch Kinggpee Stehen
an der Luft ſich in Ammoniak-Alaun umwandelt. Im Allgemeinen
jedoch iſt die Menge des in der Luft enthaltenen Ammoniaks nur
gering und wird ſtets vom Eifenoryde aufgeſaugt, wie weiter
unten ausführlicher entwickelt werden wird.
Vile hat ſchöne Verſuche über die Aufnahme des Stickſtoffs
aus der Luft in die Pflanzen unter einer Glasglocke angeſtellt und
gefunden: daß, wenn man mit jener etwas Ammoniak miſche und
daſſelbe täglich erneuere, die Vegetation bei weitem raſcher vor
ſich gehe. Schon in den erſten Tagen war der Einfluß des Am—
moniaks in der Glocke, unter welcher die Verſuche angeſtellt wur—
den, auf die P. anzen zu bemerken. Die Blätter nahmen ein leb—
hafteres Grün an, die Stängel wuchſen höher, die N zahl⸗
reicher und entwickelten viel mehr Blätter.
Aber das Ammoniak wirkt nicht auf alle Pflanzen mi ‚tea
Macht; am empfänglichſten find die Cerealien dafür. Während
dieſelben in einer mit atmoſphäriſcher Luft gefüllten Glocke hin—
fällig und verkümmert erſchienen, ihre Stängel ſich nicht zu erheben
86
vermochten, ſtanden ſie unter der mit ammoniakhaltiger Luft ge⸗
füllten Glocke in kräftigſter Entwickelung aufrecht.
Wir ſahen weiter oben: daß die Pflanzen für die Kerr a
für die Blätter⸗Blüthen- und Fruchtbildung, für die Färbung ihrer
Blätter, Blüthen und Früchte Stickſtoff, hauptſächlich aber in ſei—
ner Verbindung mit Waſſerſtoff zu Ammoniak durchaus nothwen⸗
dig haben. Der Stickſtoff findet ſich nun, wenn auch in geringer
Menge, entweder in der Pflanze ſelbſt, oder er bildet ſich reichlicher
bei erhöhter Lufttemperatur in der Atmoſphäre, oder er wird in
größerer oder geringerer Menge durch den zugeführten Dünger in
die Ackererde gebracht, woſelbſt er bei der Umwandlung des Kohlen—
ſtoffs durch den Sauerſtoff der atmoſphäriſchen Luft in Kohlen:
ſäure, durch den bei dieſem Prozeſſe freiwerdenden Waſſerſtoff in
Ammoniak verwandelt und in dieſer Form durch die Wurzeln den
Pflanzen zugeführt wird. Auf dieſe Weiſe empfangen unſere Cul⸗
turgewächſe, welche Menſchen und Thieren zur Nahrung dienen,
ihren Stickſtoffgehalt. Dieſer Stickſtoff wird durch das aus ihnen
bereitete Mehl, ferner durch die Gemüſe und die n
den Thieren und Menſchen wieder zurückgegeben.
Diel Stickſtoff im Ammoniak iſt fo wichtig, ja noch wichtiger
für die Pflanzen, als die Kohlenſäure; denn er iſt es, welcher das
erſte Leben im Saamenkorne hervorruft, welcher die Bedingung in
ſich ſchließt, daß ſich Blüthen entwickeln und aus dieſen Früchte,
daß letztere im Wachsthume voranſchreiten und zur endlichen Reife
gelangen.
Die Bildung des Ammoniaks und die Zuführung deſſelben
in die Pflanzen ſetzt dieſelben Bedingungen in der Ackererde, ſetzt
dieſelben Witterungsverhältniſſe, ſetzt dieſelben Temperaturgrade,
wie die Bildung der Kohlenſäure voraus; denn gerade wie ee
nur durch vermehrte Wärme im Boden icht in ausreichender Me
zu entwickeln vermag, dieſe vermehrte Wärme aber einest 15
durch eine gute Bedüngung, anderntheils durch eine ſorgfältige
Auflockerung des Bodens, bei welcher die Sauger durch Einnahme
und Verdichtung einer großen Menge von Sauerſtoff die Wärme
in der Ackererde um 15 bis 18 Grad gegen die äußere Luft ſteigern,
hervorgerufen wird: gerade ſo verhält ſich dies auch bei der Bil—
87
dung des Ammoniaks; denn bei der Zerlegung des Düngers, wel:
cher in ſeinen in Humus verwandelten Theilen hauptſächlich aus
Kohlenſtoff, Waſſerſtoff und Sauerſtoff beſteht, verbindet ſich deſſen
Stickſtoffgehalt nebſt dem durch das vorhandene Eifenoryd aufge—
ſaugten mit dem Waſſerſtoffe zu Ammoniak und tritt in dieſer
Form durch die Wurzeln in die Pflanzen über.
Je weiter nun die Pflanze im Wachsthum fortſchreitet, und
je näher ſie der Periode kommt, wo ſich die Blüthen entfalten,
aus denen ſpäter die Früchte hervorgehen, um fo reichlichere Men-
gen von Stickſtoff (Ammoniak) nimmt ſie dann auch in Anſpruch.
Fehlt in dieſer Periode dieſer höchſt wichtige Stoff, oder wird er
durch ungünſtige Witterungsverhältniſſe nicht in ausreichender
Menge oder doch mit zeitweiliger Unterbrechung zugeführt, dann
reſultiren ſchlechte Obſt- und Getreidejahre mit geringem Körner⸗
ertrage.
Erniedrigt ſich z. B. während der Baumblüthe die Tempera—
tur, was häufig der Fall iſt, obſchon lange nicht bis zum Gefrier—
punkte, ſo beginnen nach Verlauf einiger Tage die Staubgefäße, die
Narben, die Blumenblätter und endlich die Blüthenſtiele ſchwarz
zu werden, die Blüthen fallen ab, und die Ausſicht auf ein gutes
Obſtjahr iſt verſchwunden. Der Grund hiervon liegt aber lediglich
darin, daß durch die eingetretene Temperaturerniedrigung die hin—
längliche Menge von Ammoniak nicht zu den Blüthen geführt
werden konnte.
Dieſelbe Erſcheinung tritt hervor, wenn in der Zeit, wo die
Getreidearten blühen, anhaltend ungünſtiges, namentlich kaltes
und regneriſches Wetter eintritt, durch welches die Ammoniakbil—
dung in der Ackererde unterbrochen und dieſer befruchtende Stoff
zurückgehalten wird. Dieſe ungünſtige Erſcheinung erlebten wir in
den letztverfloſſenen Frühlingen und Sommern, und lediglich dem
zu wenig zugeführten Stickſtoffe ſind die geringen Ergebniſſe der
Winterfrüchte, namentlich des Roggens, welcher am früheften zur
Blüthe gelangt, zuzuſchreiben. Weizen und Sommerfrüchte, welche
ſpäter blühen, wo die Temperatur der Luft durch die höher ſtehende
Sonne und die längeren Tage wohlthätiger auf die vermehrte
Aufſaugung des Sauerſtoffs im Boden und die dadurch bedingte
88
höhere Wärme, die eine vermehrte Ammoniakbildung hervorruft,
wirkt, lieferten daher durchſchnittlich auch einen höheren Körner
ertrag.
Selbſt beim Winterroggen konnte man in dem letztverfloſſenen
ungünſtigen Jahre ſehr überſichtliche Erfahrungen über das eben
Geſagte ſammeln. Auf denjenigen Bodenarten, namentlich dem
Sandboden, die durch den vielen Regen nicht zu feſt geſchlagen
wurden, wo alſo die Sauger ihre Thätigkeit auch bei ungünſtiger
Witterung fortzuſetzen vermochten, wodurch die Zuführung des
Ammoniaks zu den Pflanzen nicht allzuſehr vermindert wurde,
hatte man theilweiſe einen Körnerertrag, wie er nur in guten
Jahren erzielt werden kann; dagegen lieferten gerade die meiſten
guten und ſchweren Ländereien, wenn dieſelben nicht mit übers
flüſſigem, ſehr ſtickſtoffreichem Dünger überführt waren, nur ge—
ringe Ausbeute.
Daß der Stickſtoff der Bilder und Erhalter der Blüthen iſt,
daß er auf die Saamen den günſtigſten Einfluß übt, wenn die
ſonſtigen Beſtandtheile im Boden vorhanden, welche zur Frucht—
ausbildung erforderlich ſind, davon können wir uns bei ſchlecht
gedüngten, ausgeſaugten Feldern überzeugen. Bei denſelben fin—
det man namentlich in tieferen Lagen, wo hinlängliche Kohlen-
ſäure aus der Luft zutreten kann, oft einen ſehr kräftigen Stängel—
wuchs, allein die Aehren ſind kurz, und die Fruchtbildung iſt un—
bedeutend. '
In naſſen, mit thonigem Untergrunde verſehenen Boden:
arten, wo der Eiſengehalt der Thone den Stickſtoffgehalt der Luft
viele Jahre hintereinander aufgeſaugt und zurückbehalten hat, er—
halten wir durch die Drainage Erndteergebniſſe, die man ſich nie—
mals vermuthete. Der Grund hierfür iſt aber lediglich der, daß
durch die mittels der Drainage hergeſtellte Saugfähigkeit des
Bodens und die durch dieſelbe bedingte Wärme eine große Menge
von Ammoniak gebildet und zur rechten Zeit in die Pflanze über—
geführt wird.
Steht die Temperatur der Luft nicht unter 4“, fo entwickelt
ſich ſtets zugleich mit etwas Kohlenſäure auch noch etwas Am⸗
moniak, und unſere Getreidearten wachſen daher auch im Herbſte
89
und im Nachwinter, wiewohl langſam fort. Iſt nach der Gerften-
ſaat im Frühlinge die Witterung ungünſtig d. h. kalt und naß,
dann fangen die jungen Pflänzchen, welche zu ihrem Gedeihen den
Stickſtoff am wenigſten miſſen können, an gelb zu werden. Hält
dieſe Witterung lange Zeit an, ſo erkräftigen ſich die Pflanzen
nur ſchwer, und der Gerſtenertrag bleibt ein geringer.
Die regelmäßige, nur ſelten unterbrochene Zuführung von
Ammoniak zu den Pflanzen in ſüdlichen Gegenden iſt daher ledig—
lich die Urſache, warum dort nur ſelten fehlſchlagende Erndten ein—
treten, und hängt der ſo überaus reichliche Fruchtertrag hauptſäch—
lich von dem ſtets in ausreichender Menge ſowohl in der Luft als
in dem Eiſenoryde des Bodens vorhandenen Stickſtoffe ab, und
es wird dort, da ſich bei der hohen Temperatur auch ſtets viel
Kohlenſäure in und außerhalb des Bodens entwickelt, eine Dün—
gung des letzteren nur ſeltener nothwendig.
Verſchiedene Beiſpiele werden hier nicht allein beweiſen, wie
günſtig der Stickſtoff auf die Vegetation wirkt, ſondern auch, wie
ſchnell ſich bei ſteigender Wärme Ammoniak bilden und in die
Pflanzen übergeführt werden kann, um ungeſäumt in denſelben
günſtige Veränderungen hervorzurufen.
Wem iſt nicht das herrliche matte Maigrün unſerer Wieſen
bekannt? Bei kühler Witterung, wie ſie in der Regel um dieſe
Jahreszeit herrſcht, gewährt es dem Auge längere Zeit einen an—
genehmen Genuß, allein ein warmer Tag in Verbindung mit
einer nicht kühlen Nacht, wo die Sauger ihr Geſchaͤft raſcher voll—
führen, und wo alsdann durch ihre Thätigkeit der jungen Pflanze
mehr Ammoniak zugeführt wird, zeigt es uns bald in dunklerem
Grün.
Im prachtvollen Hellgrün ſtehen wallende Buchenwände und
ſtechen gewaltig gegen das tiefe Dunkelgrün der ſie begleitenden
Fichten und Tannen ab. Bei kühler Witterung erhält ſich dieſer
Abſtand lange; ſowie ſich aber die Lufttemperatur erhöht, wo ſich
dann ſofort Ammoniak in der Atmoſphäre bildet, färbt ſich das
helle Laub ſchnell dunkel. Am ſtärkſten tritt dieſe Erſcheinung nach
einem heftigen Gewitter, bei welchem viele Blitze die Regenwolken
durchkreuzen und dadurch Ammoniak bilden, hervor.
uw
Auf den Obſtbau hat ein vermehrt zugeführter Stickſtoffgehalt
aus dem Boden einen weſentlichen Einfluß. Man beobachte in
Bezug auf das Geſagte nur die Spalierbäume an Mauern und
an Wohngebäuden, wo durch Anweſenheit von Kali, Thon- oder
Kalkerde ſtets die Bedingungen zur Salpeterbildung gegeben ſind,
aus denen durch Zerſetzung Ammoniak hervorgeht; man findet
dann leicht, daß man letzterem die vermehrte Tragkraft beizumeſſen
hat. Aber auch die Bäume, welche in Gehöften in der Nähe von
Miſtſtätten, auf Kirchhöfen, auf alten Bauſtätten, an ftarf be-
fahrenen Straßen, wo viel Thiermiſt verloren geht, ſtehen, tragen
fleißiger und in reichlicherer Fülle Obſt, als diejenigen, welche
in Gärten, an Feldrainen und auf Wieſen angepflanzt werden.
Auch bei ihnen iſt die vermehrte Ammoniak-Zuführung lediglich
die Trägerin dieſer günſtigen Erſcheinung.—
Nicht vergebens ſtellt der Gärtner das Bett feines Miſtbeetes
aus gutem Pferdemiſte her: er würde nur wenig Gurken und Me-
lonen zur Blüthe, noch weniger zum Früchtetragen bringen, ſtünde
ihm die leichte Ammoniakentwickelung aus dem Pferdemiſte nicht
zur Seite.
Aber auch in Bezug auf die Waldbäume und deren Saamen-
ertrag beſtätigt ſich die Thatſache: daß ein beſtimmter Stickſtoff—
gehalt zur Ausbildung der Saamen nothwendig ſei. Wir ſahen
weiter oben: daß ſich bei größerer Wärme in der Atmoſphäre Am-
moniak in derſelben bilde, und finden dies umgekehrt durch den
Saamenertrag der Waldbäume beſtätigt. Jene, welche durch die
Wurzeln den Blüthen weniger Ammoniak zuführen können, als
unſere Culturpflanzen (indem der Wald nicht gedüngt wird),
tragen daher auch nur ſeltener Saamen. Iſt aber letzteres einmal
der Fall, dann können wir auch verſichert ſein, daß dies nur in
einem heißen Jahre geſchieht, wo eine vermehrte Ammoniakbildung
in der Atmoſphäre vor ſich geht. Solche Haupt-Saamenjahre der
Wälder ſind dann — wie ſich dies von ſelbſt verſteht — zugleich
auch gute Getreide- und Weinjahre.
Wie geſteigerte Wärme und mit dieſer eine webs Stick⸗
ſtoffentwickelung günſtig auf die Ausbildung von Blüthen und
Früchten einwirkt, dies gewahren wir überdies noch beſonders
91
deutlich an denjenigen Gewächſen und Bäumen, die am fpäteften
in die Blüthe treten. Unſere Linde, einer der Bäume, welche ſehr
ſpät zur Blüthe gelangen, trägt daher auch faſt jedes Jahr
Saamen.
Aus all' dem Angegebenen ſind wir zu entnehmen berechtigt,
wie ungemein werthvoll bei unſern klimatiſchen Verhältniſſen eine
ausreichende Zuführung von Stickſtoff in diejenigen Felder iſt, auf
welchen Getreide, Gemüſe, Oelfrüchte, Obſt ꝛc. ꝛc. gebaut werden
ſollen. Auch in ungünſtigen Jahren mit abnormen Witterungs—
verhältniſſen werden bei ſorgſamer Ueberwachung und Pflegung
der Felder beſſere Erträgniſſe erzielt werden, namentlich wenn man
auf die Erlangung ſehr ſtickſtoffreicher Dünger z. B. Guano und
thieriſcher Abfälle ſieht. Weiter unten werden wir auf die Wir—
kungen des Guano zurückkommen.
Bis jetzt lagen manchem praktiſchen Landwirthe die Erklärun—
gen über die Wirkungen eines oder des andern dieſer Düngemittel
noch fern, obſchon dies das wichtigſte Kapitel in der Landwirth—
ſchaft iſt und nicht oft genug darüber geſprochen werden kann.
Man kommt dabei auf gar eigene Erſcheinungen, namentlich wenn
man ſeinen Blick über größere Landbaubezirke ſchweifen läßt. Ich
will hier nur eine von dieſen, die mit unſerer Abhandlung im Zu—
ſammenhange ſteht, berühren.
Wir finden viele Gegenden, in denen der Landwirth lediglich
Rindvieh, und finden wieder andere, in denen er vorzugsweiſe
Pferde zur Beſtellung ſeiner Felder verwendet. Faſſen wir nun
die beiderſeitigen Bodenflächen genauer ins Auge, ſo zeigt ſich für
erſtere in der Regel ein Sand- oder doch mit Sand gemiſchter
Boden, welcher ſich leicht auflockern läßt. Dagegen finden wir da,
wo mit Pferden beſtellt wird, faſt immer einen ſchweren, das
Waſſer ſtark bindenden Boden. Durch die ſchwere Beſtellung des
letzteren könnte nun Mancher zu der Anſicht gebracht werden, die
Pferde würden nur eben deshalb in dieſer Gegend gehalten, und
wohl mancher Landwirth einer ſolchen Gegend bekennt ſich ſelbſt
zu dieſer Anſicht. Mag dies theilweiſe ſeine Richtigkeit haben, ſo
iſt aber dennoch mit weit mehr Zuverläſſigkeit anzunehmen, daß
es vorzüglich der Miſt dieſer Thiere iſt, welcher dieſelben urſprüng—
92
lich in dieſen Gegenden einbürgerte, wo ſie dann eine mehre
hundert Jahre alte Erfahrung feſthielt.
In dem ſchweren Boden geht die Zerſetzung der See
nur langſam von ſtatten, die Sauger vermögen ihn nicht ſo zu
durchdringen, als dies in den leichteren Ackererden der Fall iſt;
deshalb muß dem ſchweren Boden auch ein reicherer, mehr ſtick—
ſtoffhaltiger Strohdünger übergeben werden, welcher zur Zeit der
Entwickelung der Blüthen und Früchte den Pflanzen die nöthige
Menge von Ammoniak zuzuführen vermag. Pferdedünger iſt es
aber, welcher dieſe Bedingungen erfüllt, und wenn auch die Pferde—
haltung die Bearbeitung viel koſtbarer macht, ſo überträgt der
höhere Ertrag der Felder dieſen Umſtand doch bei weitem. Letzterer
würde ſehr zurückſinken, übergäbe man dieſen Bodenarten lediglich
Dünger von Rindvieh.
Nach Durchleſung dieſer Zeilen dürfte ſich Manchem die
Frage aufdrängen: Auch zugegeben, daß die ſtickſtoffreichen Dünge—
mittel ungemein günſtig auf die Fruchtbarkeit des Bodens einwir—
ken, wie ſollen ſie aber, und namentlich dann, wenn die Bevöl—
kerung mehr und mehr ſteigt, beſchafft werden, um dadurch die
vorhandenen Bodenflächen ſo viel ertragen zu laſſen, als jene Ver—
mehrung verlangt? Auch in dieſer Beziehung dürfen wir ganz
ruhig der Zukunft entgegenſehen.
Zur Zeit gehen noch eine Menge ſtickſtoffhaltiger Düngemittel
für die Ackererde verloren; ich erlaube mir hier nur auf die Menge
Knochen, alter Schuhe und Stiefeln, die man in Dörfern, in
ſchmutzigen Winkeln, Pfützen u. ſ. w. findet, auf die Menge von
Schweine- und anderer Haare, auf die Klauen, auf alte Wollen—
lumpen, auf Papier und ſonſtige thieriſche Abfälle aufmerkſam zu
machen, deren Anſammlung und Verwendung in der ESTER
ſchaft ungemein lohnend wäre.
Mit der ſteigenden Bevölkerung wird aber auch eine ver—
mehrte Menge von ſtickſtoffreichem Dünger den Feldern, ſowohl in
feſter Geſtalt, als durch den Harn wieder zugeführt werden. Leider
geht man auch in dieſer Beziehung, namentlich was den Harn
betrifft, immer noch lange nicht ſo ſparſam um, als dies bei der
Wichtigkeit dieſer Stoffe nöthig wäre; welche Maſſen derſelben
93
gehen hinter Zäunen und an andern verſteckten Orten nutzlos ver—
loren! Die ſteigende Zufuhre von Guano wird ebenfalls noch viel
zur beſſern Befruchtung unſerer Felder beitragen.
Die reichlichſte Quelle zum Bezuge von Stickſtoff iſt uns
jedoch für die Zukunft noch in Ausſicht geſtellt. Man hat nämlich
die Erfahrung gemacht: daß der Stickſtoff der Atmoſphäre bei
hohen Temperaturgraden ſich mit Kohle zu Cyan vereinigen läßt,
und hat ſeitdem den Stickſtoff der Luft zur Darſtellung von Blut—
laugenſalz verwendet, indem man die atmoſphäriſche Luft über
glühende Kohlen leitet, um den Sauerſtoff in Kohlenoxydgas zu
verwandeln, das Gemenge von Kohlenorydgas und Stickſtoff
dann aber über eine bis zur Weißglühhitze erwärmte Miſchung
von Pottaſche und Holzkohle führt.
Wenn dieſer Prozeß auch noch koſtbar iſt, ſo iſt doch der An—
fang zur Zerlegung der Luft dadurch gemacht, und die Chemie
wird im Laufe der Zeit für billige Wege ſorgen, um Stickſtoff,
dieſen für die Landwirthſchaft ſo äußerſt wichtigen Stoff, unmittel—
bar aus unſerer Atmoſphäre billig herzuſtellen. Iſt es gelungen,
den Stickſtoff der atmoſphäriſchen Luft unſeren Ackerflächen billig
dienſtbar zu machen, dann iſt Uebervölkerung eine Chimäre.
Bis es zu dieſer Dienſtbarkeit der atmoſphäriſchen Luft in der
Oekonomie gekommen ſein wird, ſuche aber jeder Landwirth alle
diejenigen ſtickſtoffreichen Körper, mit denen, wie wir täglich zu
ſehen Gelegenheit haben, theilweiſe noch auf eine unverantwort—
liche Weiſe umgegangen wird, mit größter Sorgfalt auf und führe
fie feinen Feldern zu, namentlich verſäume er die Aufſammlung
von Knochen nicht, die in doppelter Beziehung von äußerſter Wich—
tigkeit für die Bedüngung ſind, wie wir bei der Phosphorſäure in
Erfahrung bringen werden.
Luft.
Ueberall wo wir uns befinden, ſei es auf den höchſten Ber—
gen, ſei es in den engſten Schlünden, ſei es in den tiefſten Grün⸗
den, ſei es auf Ebenen, ſei es auf des Meeres grünen Fluthen,
ſind wir von einer Flüſſigkeit umgeben, die wir in der Regel erſt
in ihrem ſchreckenerregenden Wüthen, im Sturme, beobachten.
Dieſe oft kaum bemerkbar ſäuſelnde, zuweilen hohl und unheim⸗
lich brauſende Flüſſigkeit — Luft genannt — umgiebt unſern Erd⸗
ball überall und ſteigt bis zu einer Höhe von 9 geographiſchen
Meilen über deſſen Oberfläche. Beſtändig in Bewegung, zeigt ſie
ſich hier als fächelnder Zephir, während ſie dort in ungezügelter
Aufregung die ſtärkſten Bäume zerſplittert, Gebäude niederwirft
und ſtolze Schiffe in den Grund des Meeres bohrt. Sie übt einen
mächtigen Druck auf Alles, was ſie umgiebt, er beträgt auf jeden
Zoll 15 Pfund. Zur Meſſung dieſes Druckes beſitzen wir ein
Inſtrument, Barometer genannt, deſſen Queckſilber um ſo höher
ſteigt, je mehr ſich dieſelbe über jenem aufhäuft. So leicht uns die
Luft erſcheint, indem wir von unſerem Entſtehen aus an ihren
Druck gewöhnt ſind, ſo iſt ihre die Erdkugel umgebende Menge
doch von einem ungeheuren Gewichte, welches 150000 Billionen
Centner wohl überſteigen dürfte.
Dieſe in der Regel nur ſelten gehörig beachtete Flüſſigkeit iſt
vom höchſten Werthe für alles Lebendige auf unſerer Erde, denn
ohne ihr Vorhandenſein wäre dieſelbe weder von Thieren noch
von Pflanzen bewohnt. Sie beſteht aus einem Gemiſche gasför—
miger Elemente und gasförmiger Körper, die zum Leben der Thiere
und Pflanzen in den innigſten Beziehungen ſtehen und die wir in
95
den vorhergehenden Abſchnitten einzeln bereits kennen lernten.
Wir kommen daher hier nur in aller Kürze auf ſie zurück.
Stickſtoff und Sauerſtoff, die beiden Elemente in der Miſchung
der Luft, verhalten ſich dem Gewichte nach wie 79 zu 21, die
Kohlenſäure beträgt circa 2 Theilchen und der Waſſerdunſt
vielleicht durchſchnittlich tel; aber noch viel geringer, als der
Kohlenſäuregehalt, iſt der des Ammoniaks.
Bereits erfuhren wir: daß der Sauerſtoff eine farbloſe Gas—
art ohne Geruch und Geſchmack ſei. Ein in daſſelbe gebrachtes
Licht brennt in ihm zwar viel heller, es verzehrt ſich aber auch
ungemein ſchnell; daſſelbe iſt beim Athmen der Thiere in ihm der
Fall. Freudiger erregt, lebendiger, lebenskräftiger erſcheint das
Thier im Sauerſtoffgaſe; das Blut, raſcher die Adern durch—
ſtrömend, erregt die Nerven zur ſtärkſten Thätigkeit, allein einem
ſolchen Leben folgt ein raſcher Tod. Auch der Stickſtoff iſt eine
farb⸗ geruch- und geſchmackloſe Gasart, unterſcheidet ſich aber
vom Sauerſtoffe dadurch daß ein in daſſelbe gebrachtes Licht ſo—
fort erliſcht: daß das Athmen in ihm nicht fortgeſetzt werden kann,
der Tod alſo plötzlich erfolgt.
Die Kohlenſäure, eine Verbindung von Sauerſtoff und
Kohlenſtoff, iſt der Luft nur zu go, beigemiſcht. Im reinen Zu⸗
ſtande wirkt ſie auf den thieriſchen Organismus als Gift, wäh—
rend fie das Pflanzenwachsthum ungemein begünftigt. Während
Sauerſtoff 4 ſchwerer als Luft, der Waſſerſtoff aber 3 leichter
als dieſe iſt, hat die Kohlenſäure ein bei weitem höheres Gewicht,
miſcht ſich mit jenen Stoffen aber doch ſo gut, daß ſie in allen
Höhen der Luftſchichten gleichmäßig vertheilt auftritt, wenn nicht
äußere Einwirkungen ſie lokal vermehren oder vermindern.
Wo immer nur Waſſer der Einwirkung der Luft ausgeſetzt
iſt, da bildet ſich auch Waſſerdunſt; wir können dies am deutlich—
ſten wahrnehmen, wenn wir in heißen Sommertagen die Fuß—
böden unſerer Zimmer mit Waſſer beſprengen: daſſelbe verſchwin—
det dann ſchnell, ſteigt als unſichtbarer Dampf, eine Menge von
Wärme bindend, in die Höhe und mengt ſich mit der Luft in
unſern Zimmern.
Das Ammoniak, eine Verbindung von Stickſtoff und Waſſer⸗
96
ſtoff, entſteht bei Zerſetzung thieriſcher Körper und geht daun in
Gasgeſtalt in die Miſchung der Luft ein.
Zu allen Zeiten und an allen Enden enthält unſere atmo—
ſphäriſche Luft dieſe 5 Gasarten, mit einigen wenigen außer—
weſentlichen gasförmigen Beimengungen z. B. Salpeterſäure.
Wie bereits bemerkt, müßten die Pflanzen abſterben, müßten die
Thiere verſchwinden, träte eine Aenderung in den Miſchungsver—
hältniſſen unſerer Luft ein.
Wenn man von der Luft im Allgemeinen ſpricht, ſo werden
die drei zuletzt aufgeführten Gasarten in der Regel nicht berück—
ſichtigt, man begreift unter dieſer Benennung dann nur die
Miſchung von Sauerſtoff und Stickſtoff. Die Kohlenſäure läßt
ſich in derſelben jedoch ſehr leicht nachweiſen, wenn man ihr ein
Gefäß mit Kalkwaſſer offen ausſetzt; auf demſelben erſcheint dann
ſehr bald ein weißer Ueberzug, welcher ſich mehrt und als kohlen—
ſaurer Kalk zu Boden fällt. Dagegen kann man in heißen Tagen
den Waſſerdunſt recht gut aus ihr ausſcheiden, wenn man recht
kalt gehaltene Metalle oder Glas-Platten in ſie bringt; ungemein
raſch verdichtet ſich derſelbe dann an jenen und ſchlägt ſich dann in
Geſtalt kleiner Tröpfchen, die ſich vergrößern und endlich an ihnen
herabfließen, auf ihnen nieder. Im gewöhnlichen Leben bezeichnen
wir dieſen Niederſchlag mit dem Namen des Schwitzens der Gegen—
ſtände, die von der Kälte in die Wärme gebracht werden.
Wir wiſſen: daß der Sauerſtoff beim Athmen der Menſchen
und Thiere vermittelſt des Einnehmens deſſelben in die Lunge
den Kohlenſtoff des Blutes verbrennt und auf dieſe Weiſe Kohlen—
ſäure bildet und daß dadurch die für das Leben unumgänglich
nothwendige Wärme erzeugt wird; wir wiſſen: daß die Pflanzen
Kohlenſäure einathmen: daß das Licht die Zerlegung derſelben
bewirkt: daß die Pflanzen alſo den für das Leben der Thiere un—
entbehrlichen Sauerſtoff wieder herſtellen. Letzterer iſt daher einer
unſerer wichtigſten Grundſtoffe, der aus keiner andern Quelle ſo
reichlich und in ſo glücklicher Miſchung zu beziehen iſt, als aus
der Luft. Wäre er hier nicht in ſo außerordentlicher Menge vor—
handen und hätte die Luft die Eigenſchaft nicht, Alles zu durch—
dringen, ſo wäre das Leben der Thiere und Pflanzen jeden Augen—
a 97
blick gefährdet. Ebenſo verhält es ſich mit der Unterhaltung des
Lichtes, mit der Unterhaltung der Verbrennung. Wäre die Luft
nicht, dann würden wir weder Licht noch Feuer haben, und Holz,
Steinkohlen, Fett, Oel hätten keinen Zweck.
Wir ſahen: daß im reinen Sauerſtoffe das Leben ein raſches,
ungemein reges: daß es aber auch ein nur kurzes ſei; daher iſt
das Miſchungs-Verhältniß zwiſchen Sauerſtoff und Stickſtoff in
unſerer Atmoſphäre ein ſo ungemein günſtiges für das Beſtehen
alles Lebenden; denn wäre nur Sauerſtoff vorhanden, dann wäre
der Zerſtörungsſucht deſſelben nicht allein Thür und Thor geöffnet
und er würde alles Lebendige in kürzeſter Friſt wegſchaffen, ſondern
auch mit den vorhandenen Brennmaterialien eine Feuersbrunſt
entzünden, die ſich dann erſt löſchte, wenn alles Brennbare auf
der Erde verſchwunden wäre. Der Stickſtoff iſt dem Sauerſtoffe
daher als Zügler der Leidenſchaft, als ſtrenger Hofmeiſter an die
Seite geſtellt, damit er ihn überall bändige. Als ſolcher zeigt er
ſich großartig und wird Pflanzen und Thieren zum allgemeinen
Beſchützer.
Gerade ſo wie der Sauerſtoff der Luft das eigentliche Lebens—
princip für die Thiere iſt, ſo iſt es die Kohlenſäure für die Pflan—
zen. Damit ſie dem thieriſchen Organismus wegen ihrer giftigen
Eigenſchaft nicht nachtheilig werde, wurde fie der atmoſphäriſchen
Luft nur in geringer Menge beigemiſcht.
Für Pflanzen und Thiere iſt aber der in der Luft enthaltene
Waſſerdunſt vollkommen unentbehrlich; denn im lebenden Zuſtande
beſteht die Pflanze bis zu 4 ihres Gewichtes aus Waſſer. Das—
ſelbe ſteigt als Dunſt ununterbrochen von ihren Blattflächen aus
in die Luft. Die Pflanze iſt daher — wie wir bereits beim Waſſer
ſahen — die Ausgleicherin des Waſſergehaltes zwiſchen Meer,
Luft und Erde. Hätte die Luft keinen Waſſerdunſt in ſich aufge—
nommen, ſo würden die grünen Pflanzentheile und die Blätter
das Waſſer bei weitem ſchneller verdunſten, als ſie deſſelben aus
dem Boden durch die Zellen nachzuſaugen vermöchten; die Folge
davon wäre Verwelkung, raſches Verdorren und Abſterben der
Zellen.
Auch bei den Thieren ſpielt das Waſſer eine große Rolle.
Engelhardt, die Nahrung der Pflanzen. 1
98
Hier ſtellt es ſich dem Gewichte nach ebenfalls als ein Haupt⸗
beſtandtheil dar. Ein ausgewachſener Mann von 170% Gewicht
trägt ſtets 140 27. Waſſer mit ſich herum, während feine feſten Be—
ſtandtheile nur 30 7%. wiegen. Durch Lunge und Haut wird fort⸗
während Waſſer verdunſtet; wäre die ihn umgebende Luft aber
auch vollkommen trocken, ſo würde ſeine Haut verrunzeln und ſein
von Fiebern geſchüttelter Körper unter den ſchrecklichſten Qualen
verdurſten.
Daher muß die Luft, die wir athmen, ſtets feucht ſein; wäre
ſie dies nicht, ſo würde nur zu bald alle Feuchtigkeit ausgeathmet
ſein, welche das Zellgewebe des Körpers anfüllt und er dann als
eine ſchwarze Mumie erſcheinen. Die heißen trocknen Winde der
Wüſten tödten den Körper auf dieſe Weiſe, denn ſie entziehen ihm
bei ihrer vollkommenen Trockenheit alle Feuchtigkeit. Von unaus⸗
ſprechlicher Wichtigkeit iſt daher die Feuchtigkeit der Luft für das
Beſtehen alles Lebendigen auf der Erde, denn fie iſt in den un⸗
zähligen Zellen der Pflanzen genau ſo unentbehrlich, als in den
Lungen und den übrigen Theilen des thieriſchen Körpers.
Nicht der Regen allein — ja dies wohl nur zum kleinſten
Theile — verſorgt unſere Natur mit dem ſo äußerſt nothwendigen
Waſſer, der Dunſt beſorgt dies im höheren Grade. Taucht die
Sonne im Sommer hinab in des Meeres Fluthen und bricht die
Kühle der beginnenden Nacht über uns herein, die die unter dem
Drucke ſengender Hitze ſchmachtenden Pflanzen wieder aufrichtet,
dann ſteigt mit ihr zugleich der Waſſerdunſt herab aus der Atmo—
ſphäre und labt mit ſeinem erfriſchenden Hauche das grüne Blatt.
Begierig ſtrecken die Sauger ihre Fangarme ihm entgegen und ver—
bergen ihn ſorgſam in ihren unſichtbaren Höhlen, um ihn mit dem
beginnenden Morgen durch die Wurzeln den Blättern durch eine
Unzahl von Zellen zuzuſenden. In ſichtbaren und unſichtbaren
Nebeln, fein wie der unſichtbare Hauch, undurchdringlich wie der
ſtärkſte Rauch, ſenkt er ſich nieder auf den abgekühlten Boden.
Wie labt ſich die Pflanze in dieſem Götterſafte! wie ſtärkt ſie den
Wohlgeruch der Blüthen und ruft eine Unzahl von prachwollen
Nachtſchmetterlingen herbei, um ihnen den Honigthau aus ihren
Kelchen zu ſchenken!
99
Die Beimengung von Ammoniak iſt ebenfalls hochwichtig
für das Leben und Gedeihen der Gewächſe, ganz beſonders in den
heißen Klimas. Daſſelbe entſteht beim Verweſen thieriſcher und
pflanzlicher Stoffe bei Gegenwart von Waſſer und Luft und iſt
ſtets die Urſache des ſtechend unangenehmen Geruchs faulender
Maſſen.
In Pferdeſtällen, die unſauber gehalten und nicht gehörig
gelüftet werden, tritt uns daſſelbe im Sommer ſtets entgegen und
beläſtigt unſere Augen. Auch bei Gewittern wird es gebildet,
weshalb es ſich in heißen Gegenden häufiger als in kälteren ent—
wickelt.
Zwei Elemente: Sauerſtoff und Stickſtoff, und 3 Verbindun—
gen: Waſſerdunſt, Kohlenſäure und Ammoniak ſind es alſo, die
unſere Luft zuſammenſetzen, ſie ſind es, in denen ſich das Leben
der Thiere und Pflanzen geſtaltet, in denen es ſich fortſetzt und
ausbildet. Keiner dieſer Beſtandtheile darf fehlen, und wenn auch
das Ammoniak in unſerm Klima nicht ausreicht und dem Boden
im Dünger beigebracht werden muß, um das Saamenkorn keim⸗
fähig zu machen, um das junge Pflänzchen zu kräftigen, um
Blüthen und Früchte in demſelben hervorzurufen, ſo iſt es dennoch
von hoher Einwirkung in unſern Wäldern, namentlich aber in
ſüdlichen Gegenden, wo man den Feldern nur ſelten Dünger zuzu—
führen nothwendig hat.
Wie überall, ſo zeigt ſich auch in der Miſchung unſerer Luft
die Weisheit und Unfehlbarkeit unſeres Schöpfers; die giftige
Kohlenſäure, ſo gefährlich für den thieriſchen Körperbau, wurde
ſcheinbar nur in geringer Menge in die atmoſphäriſche Luft nieder:
gelegt und dennoch iſt fie auf Tauſende von Jahrtauſenden aus:
reichend für unſere Pflanzenwelt, für welche, wie wir ſahen, ſie
vollkommen unentbehrlich iſt.
Der Boden; auf welchem die Pflanzen
wachſen.
In der richtigen Kenntniß unſerer Ackerkrume, Boden, und der
Beſtandtheile, welche derſelben zugeführt werden müſſen, um reich—
liche Erndten auf ihr zu erzielen, beruht nicht allein die Wohlfahrt
aller cultivirten Völker, ſondern letztere kann auch lediglich und
allein nur durch die fortſchreitende Bodencultur gehoben werden.
Der Ackererde verdanken wir unſere Nahrung, durch ſie be—
ziehen wir unſere Kleidung, durch ſie richten wir unſere Wohnungen
bequem ein. Vermittelſt derſelben vermehren und veredeln wir un—
ſere Brodfrüchte, erlangen unſern Oel- und Fettbedarf, erziehen
unſer Fleiſch. Es unterliegt daher nicht dem geringſten Zweifel:
daß die Ackererde nicht allein der Begründer, ſondern auch der
Stützer und Vervollkommner, fo wie der Erhalter der Geſammt⸗
Induſtrie ſei. Es iſt daher Pflicht eines jeden Menſchen, ſich mit
dem Boden genau bekannt zu machen, denn von ſeiner guten Be—
handlung und Bedüngung hängt neben dem ausreichenden Vor—
handenſein von Licht, Wärme, Clectricität und Waſſer ja das
Beſtehen des ganzen Menſchengeſchlechts ab. Seine genauere
Kenntniß giebt uns aber in der Neuſtzeit auch gar wichtige Auf—
ſchlüſſe. So war man z. B. vor noch nicht langer Zeit der Anſicht:
daß ein ſchwerer fetter Boden beim Betriebe der Landwirthſchaft
beſſer ſei und bezahlte Güter mit ſolchem viel theurer, als diejeni—
gen, die einen leichten Boden beſaßen. Neurer Zeit giebt man aber
gerade letzteren und zwar wegen ihrer Billigkeit den Vorzug und
baut, bei gehöriger Bedüngung, auf ihnen dieſelben ſchweren Wei—
zenkörner, wie auf jenen.
101
Wenn man dem Boden die gehörige Pflege und Aufmerkſam—
keit ſchenkt, ſo erweiſt er ſich äußerſt dankbar. Nachdem man dies
in England erkannt hatte, verſorgt derſelbe dort im Augenblicke
7 Millionen Menſchen mehr mit vortrefflichem Weizen, als vor
40 Jahren früher. Man übergiebt ihm aber auch Guano, Knochen—
mehl, Knochenkohle aus Zuckerraffinerien, Wollenlumpen, Haare
u. ſ. w. in einer Quantität, die jährlich mehrere Millionen Centner
überſteigt. Aber auch in Frankreich geſchieht jetzt viel für die Pflege
des Bodens; 500000 Ctr. Thierkohle, 600000 Ctr. Staubmiſt,
200000 Ctr. Wollenlumpen, Scheerwolle, getrocknetes Fleiſch,
Blut u. ſ. w. werden dort als Dünger verkauft. Oeſtreich ſchrei—
tet in dieſer Beziehung raſch vor und in der Jüngſtzeit wird in
Wien ein trefflicher Dünger bereitet und in den Handel gebracht.
Sachſen und Belgien zeichneten ſich bezüglich der Aufmerkſamkeit,
welche ſie dem Boden ſchenkten, ſchon längſt vortheilhaft aus.
Nichts bedarf aber auch der Aufmerkſamkeit der Staatsregierungen
im höheren Grade, als die Landwirthſchaft. Man beſuche die bri—
tiſche Inſelgruppe, dort begegnen uns in den Farmern gebildete,
wohlhabende Leute, die Freude an ihren wohlgenährten, in beque—
men Wohnungen untergebrachten Arbeitern haben. Der dortige
Farmer begnügt ſich aber nicht allein mit der Praris; er betreibt
ſeine Landwirthſchaft wiſſenſchaftlich und dies gerade iſt es, was
in Verbindung mit dem Schutze und der Vorſorge einer wohlwol—
lenden Regierung die Anſtrengung, den Fleiß und die Beharrlich—
keit in ſo kurzer Zeit krönt und große Capitalien abwirft.
Nichts iſt daher in einem Lande von höherem Werthe, als der
über daſſelbe ausgebreitete Boden, nichts ſollte aber auch Seitens
der hohen Staatsregierungen mit größerer Aufmerkſamkeit behan—
delt werden. Der Boden Englands war vor einer kurzen Reihe
von Jahren noch ſehr erſchöpft; durch die Einfuhr von Knochen
und Guano wurde die Landwirthſchaft daſelbſt aber ungemein ge—
hoben. Stellen wir nun die Frage, wann der Aufſchwung der
dortigen ſo gewaltigen Induſtrie begann, ſo erhalten wir zur Ant—
wort: mit der Hebung des Ackerbaues. Gerade ſo iſt es in Bel—
gien; gerade ſo in Sachſen. |
Bei der Behandlung des Waſſers und des Waſſerdunſtes
102
ſahen wir, was für Calamitäten über die gefegnetften mit der
üppigſten Vegetation bedeckten Länder hereinbrechen können, wenn
in denſelben Entholzungen in zu großem Maasſtabe vorgenommen
werden; wenn dabei der Boden aber auch vernachläſſigt und dem⸗
ſelben keine, oder doch die gerade nothwendigen Düngſtoffe nicht
wieder zugeführt werden, dann iſt es hohe Zeit, daß von Seiten
der Staatsregierungen eingeſchritten wird, damit das Land nicht
entvölkert, damit die Bevölkerung nicht entkräftet werde. Wodurch
ſanken mehrere der hochſtehenden, fo gebildeten Volksſtämme des
Alterthums? Man ſagt durch Ueppigkeit und Schwelgerei. Der
eigentliche Grund lag aber tiefer. Bei der mehr und mehr wach—
ſenden Bevölkerung entzog man dem Boden die Nahrungsſtoffe,
ohne ſie in hinreichender Menge wieder zu erſetzen, man trieb die
Waldungen ab, ohne ſie wieder anzubauen und machte dadurch
den Boden auf doppelte Weiſe unfruchtbar. Viele Jahrhunderte
ſind ſeit dieſer Zeit verfloſſen und dennoch wurde es der Natur
während dieſer langen Zeit nicht möglich, dem Boden die frühere
Kraft, den Wäldern die frühere Vegetation wieder zu erſetzen; öde,
wüſte und kahl ſtellen ſich daſelbſt heute noch Flächen dar, auf
denen vor Tauſenden von Jahren die höchſte Cultur, die üppigſte
Pracht waltete. Mit dem ärmer werdenden Boden ſinkt und er—
ſchlafft die Bevölkerung, der Geiſt wird träge, die Prachtbauten
verfallen, der die Gegend bewohnende Menſch zieht ſich ſcheu vor
ihnen zurück und ſchlägt ſeine Wohnung unter einem Schutthaufen
auf. Daher erlaube ich mir hier nochmals auszuſprechen: es möge
ſich Alles vereinigen, um dem Boden die größte Aufmerkſamkeit zu—
zuwenden; denn durch ihn wird nicht allein der Körper gekräftigt,
durch ſeine beſſere Herrichtung wird auch der Geiſt geſtählt und
ausgebildet. Durch ihn gelangen wir zu bequemen Wohnungen,
zu billigen und warmen Kleidern, mit ſeiner ſorgfältigen Bebauung
hebt ſich die Induſtrie, die Wiſſenſchaft und Kunſt. Durch ihn
wächſt der Wohlſtand, die Sittlichkeit und Religion. i
Wenn die geſetzgebenden Gewalten in Spanien darauf ſähen,
daß jenes von der Natur ſo ungemein begünſtigte Land wieder mit
mehr Waldungen bedeckt würde, dann würde die Bevölkerung ſich
raſch mehren und Induſtrie und Gewerbsweſen ſchnell zur Blüthe
103
gelangen; jo lange dafür nichts gefchieht, werden alle Verfaſſungs—
änderungen und Verbeſſerungen nicht ausreichen, um Wohlbehagen
und Wohlſtand daſelbſt wieder einzubürgern.
Gehen wir nun ſpecieller auf die Bildung und Veredlung des
Bodens über.
Gleich wie unſere Atmoſphäre der Behälter gasförmiger
Stoffe, der Luft, iſt, ſo umgiebt die Außenfläche unſerer Erde ein
Haufwerk loſer, gröberer oder feinerer Geſteinstheilchen, welche
Ackerkrume genannt wird. Dieſelbe verleiht den Pflanzen nicht
allein den Haltpunkt zu ihrer aufrechten Stellung, indem ſich die—
ſelben mit ihren Wurzeln in die Erde eingraben, ſondern die Pflan—
zen entnehmen ihr auch einen großen Theil ihrer Nahrungsbeſtand—
theile.
Vom Anbeginne an war unſere Erdoberfläche nicht ſo, wie
ſie ſich uns im Augenblicke darſtellt. Im Laufe einer Unzahl
von Jahren war ſie den großartigſten Veränderungen unterworfen.
Obſchon viele derſelben täglich noch fortgehen, fo find fie uns, bei
unſerm kurzen Erdenleben, doch kaum bemerkbar. Der Verwittrungs—
Prozeß, die auflöſende und fortſchaffende Gewalt des Waſſers, das
Eis und der Wind, die Kohlenſäure ſind es, die ſeit der unend—
lichen Reihe von Jahren, ſeit welcher die Erde beſteht, ſo verän—
dernd auf deren Felsmaſſen einwirkten und dadurch unſern Boden
hervorriefen.
Ohne den Verwittrungs-Prozeß würden überall kahle nackte
Felswände, jähe Klippen und ſteile Riffe ſichtbar, würde die Erde
öde, wüſt und leer ſein. Statt des prachtvollen Grüns, ſtatt des
einnehmenden Farbenſchmelzes würden uns graue Maſſen, nur
hie und da mit einer dunklen Flechte, mit einem falben Mooſe be—
gleitet, entgegenſtarren. Keine höhere Pflanze, die für ihren
Standpunkt ein Haufwerk loſer Geſteinstheilchen nothwendig hat,
würde ihr Leben zu friſten vermögen, wäre die Verwittrung nicht
vorhanden.
Bedenken wir nun, in welch inniger Beziehung die Pflanze
zum Thiere ſteht, bedenken wir: daß letzteres ohne jene gar nicht
zu leben vermag, indem es ja gerade die Pflanze iſt, die das Thier
unmittelbar mit den nothwendigſten Nahrungsmitteln verſorgt, die
104
dem Menſchen Obdach und Wärme ſpendet, ja auf und in welcher
ganze Thiergeſchlechter geboren und begraben werden, ſo lernen
wir den Verwittrungsprozeß als denjenigen kennen, der das Leben
auf der Erde einleitete, ja der zuerſt die Pflanze hervorrief, um
durch ſie das Leben der Thiere zu ſichern.
Unſere Ackererde entſteht alſo durch Verwittrung und diefe ift‘
eigentlich weiter nichts, als der Zerſtörungstrieb des Sauerſtoffs,
welcher zur Ausführung dieſes Geſchäfts ſich mit verſchiedenen
Kräften verbündet. Durch die Verwittrung werden die Felſen mürbe
gemacht und in Staub verwandelt, werden thieriſche und pflanzliche
Körper zerſtört. Wind und Waſſer übernehmen deren Mengung,
welche an ſich ſchon dadurch erleichtert iſt, daß in der Aufeinander—
folge unſerer Gebirgsarten ein beſtändiger Wechſel ſtattfindet. Auf
dieſe Weiſe treten die verſchiedenſten Geſteinstheilchen, die mannig—
fachſten Salze und Säuren, eine große Menge organiſcher Stoffe
in die Ackerkrume ein, die um ſo fruchtbarer wird, je verſchiedener
die Geſteinstheilchen, je kleiner dieſelben, in je größerer Quantität
ſie abgelagert und je mehr ſie mit Thier- und Pflanzenüberreſten
geſchwängert iſt. Bevor wir uns nun weiter mit der Ackerkrume
befaſſen, erſcheint es zweckmäßig die Bildner derſelben etwas ge—
nauer kennen zu lernen.
Der Sauerſtoff, welchen unſer Schöpfer der Erde ſo reich—
lich ſpendete, daß er zu 3 im Waſſer, zu 4 in der Erdrinde, zu +
in der Luft getroffen wird: daß er den Menſchen- und Thierleib
zur Hälfte, zum Drittel den pflanzlichen Organismus zuſammen—
ſetzt, iſt der Hauptbeförderer der Verwittrung. Er ſchont den här—
teſten Granit, den feſteſten Kieſel nicht; an Kalkſtein, Schiefer,
Baſalt, Porphyr, Syenit, Diorit, an Gneus u. ſ. w. tritt er hinan;
er ſucht das kleinſte Aſtloch eines rieſigen Baumes, die geringſte
Wunde eines Thieres auf, ſchleicht ſich hinein, ſetzt ſich feſt und
beginnt von da aus ſein Zerſtörungswerk. Er naht ſich dem Ge—
ſteine im Regen, er verſteckt ſich in den Schnee und dringt dann
zugleich mit dem Waſſer in die feinſten Spalten, in die unſichtbar—
ſten Riſſe und zerſplittert und zerſpaltet durch Oxydation Felsmaſſen,
welche der vereinten Kraft von Hunderten von Menſchen wider—
ſtanden haben würden. Er läßt ſich zugleich mit dem Stickſtoffe
105
der Luft in die entlegenften Spalten des Erdinnern tragen, treulos
verläßt er dort feinen Gefährten, verbindet ſich mit dem Kohlen—
ſtoffe zu Kohlenſäure und unterwühlt und höhlt ganze Berge aus.
Ueberall zwickt, nagt und zerbricht er die ſpitzeſten Ecken, die ſchärf—
ſten Kanten der feſteſten Kryſtalle ſind ihm nicht ſpitz, ſind ihm nicht
ſcharf genug, er ſchleift ſie ab. Er kennt weder Ruhe noch Anſtren—
gung, ihm ſind Tauſende von Jahren ein Nichts; daher fragt er weder
nach der Zeit, noch kümmert ihn der Raum. Seine einzige Luſt und
Freude hat er am Zerſtören, um in demſelben wieder aufzubauen.
Indem er hier Geſteinstheilchen von feſten Kieſel- Kalk- Thongeſtei—
nen zuſammenhäuft, dort das Kali und die Bittererde aus beſtehen—
den Verbindungen reißt, ſich mit Waſſerſtoff verbündet, um das
Gemenge zu befruchten, zerſtört er zugleich einen knorrigen Stamm,
zerlegt er eine alterſchwache Maus in ihre Beſtandtheile; ein Saa—
menkörnchen, was zufällig in das Gemiſch fällt, ſchwellt er auf,
läßt es ein Keimchen treiben, er hätſchelt und pflegt ſein Kind ſorg—
fältig bis zum Reifen der Früchte; doch wehe dem Stängel, wehe
dem Saamen, erbarmt ſich derſelben nicht bald eine milde Hand;
denn ſo wie die Reife vorüber, beginnt er bei vorhandener Feuch—
tigkeit auch ſein Zerſtörungswerk von Neuem und opfert die kaum
gebildete Pflanze unnachſichtlich ſeiner Leidenſchaft auf.
Ueberall ſetzt ſich der Sauerſtoff feſt; er nagt unausgeſetzt, er
iſt der Zahn der Zeit. Wenn auch noch ſo langſam zu Werke
gehend, ſo verliert er ſeinen Zweck doch niemals aus dem Auge; ja
er erreicht dadurch um ſo ſicherer ſein Ziel. Er zerſprengt den Mör—
tel, der Jahrtauſende Widerſtand geleiſtet hat, er vermodert das
Holz, er zerfrißt den Thierleib, er erblindet das Glas, er ermattet
die blankſten Metallflächen und ſucht, wo er ſich auch befinde, immer
und immer Ackererde zu bilden. Das Waſſer welches er zu 8 be—
herrſcht, indem er dem Waſſerſtoffe nur 3 Platz vergönnte, iſt ein
ſteter Begleiter ſeiner Zerſtörung, iſt ein treuer Begleiter ſeines
Aufbauens; daher übernahm es beim Verwittrungsprozeß und der
Ackererdenbildung eine ſo gewichtige Rolle. Es hat daſſelbe die
merkwürdige Eigenſchaft ſeine größte Schwere und Dichtigkeit ſchon
bei 3“ R. vor dem Gefrierpunkte in Anſpruch zu nehmen, beim
Feſtwerden ſich aber wieder auszudehnen. Hierdurch wird es in
106
kälteren Gegenden der Erde ein mächtiger Bundesgenoſſe des Sauer:
ſtoffs; es drängt ſich in die Klüfte, Spalten und Schiefrungs—
ebenen ein und ſprengt nach dem Gefrieren die feſteſten Geſteine.
Als Gletſcher richtet es auf dieſe Weiſe und ſelbſt in ſüdlichen
Gegenden die merkwürdigſten Zerſtörungen an. Durch die beſtän⸗
dige Ausdehnung und die dadurch erfolgende Vorwärtsſchiebung
der gewaltigen Eismaſſen zertreibt es die härteſten Granite, ſpaltet
ganze Felsſtücke und zertrümmert ſie in die feinſten Theilchen. Da—
her ſehen wir die von den Gletſchern herabſtrömenden Gewäſſer
beſtändig trübe, fie liefern ein ungeheures Material für die Ader-
krume. Als Waſſer wirkt es nicht minder durch ſeine Gewalt und
Schwere in Waſſerfällen und reißenden Bächen und Strömen.
Fortſtürzend bemächtigt es ſich großer Felsſtücke, zertrümmert die—
ſelben, indem ſich mehrere derſelben neben einander und zugleich
auf der mit großen feſten Steinen belegten Bach-Sohle und deſſen
Ufern wälzen. Man verfolge nur einen muntern Gebirgs bach von
ſeiner Quelle in hochgelegenen Alpen bis herunter, wo er langſam
durch die Tiefebenen ſchleicht. Die Steinmaſſen, welche ſein Bette
erfüllen und ihn zu Tauſend und aber Tauſend Windungen nöthi—
gen und ſein mächtiges unheimliches Brauſen, ſein toſendes Don—
nern veranlaſſen, werden um ſo kleiner, je mehr ſich die Maſſen der
Ebene nähern. In letztern zeigen ſich anfangs nur noch gröbere
Sande, zuletzt aber nur ganz feine Schlammtheilchen.
Beſonders zerſtörend ſind die Wogen des Meeres, ſie wirken
angreifend und zerreibend gegen die Felsmaſſen der Küſten, indem
der harte Kieſel ſo lange an ſie anſchlägt, bis ſie nach und nach der
Zerſtörung unterliegen.
Auf unſerer Erdoberfläche findet ein beſtändiger Wechſel zwi—
ſchen Berg und Thal, Hügel und Ebene ſtatt, das durch den Regen
einſtrömende Waſſer ſucht fortwährend die Hervorragungen der
Erdoberfläche zu erniedrigen und ihre Unebenheiten auszugleichen.
Daher werden die von den Gebirgen abgetrennten Theilchen vom
Waſſer in die Ebenen oder in die Tiefen des Meeres getragen;
reißende Ströme beſorgen dieſes Geſchäft und laſſen die zerriebenen
Theilchen an ihren Mündungen oder, bei Ueberſchwemmungen, auf
jenen Ebenen ſitzen. Auf dieſe Weiſe bildet ſich ſtets neuer Boden.
107
Die mechanische Gewalt des herabſtürzenden Regens, des Schnees
und Hagels erſcheint zwar nur gering, allein in der Länge der Zeit
üben ſie dennoch einen großen Einfluß. Wo Waſſertropfen, Schnee
und Hagelkörner hinfallen, da wirken ſie angreifend, da zerſtören
fie; denn der Regen miſcht ſich mit den feinen Kieſeltheilchen,
welche der Sturm in die Luft führt, und dieſe ſchleifen die härteſten
Felſen ab.
Auf kurze Zeiträume und bei reiner Luft erſcheint die Zerſtö—
rung durch Winde nicht von Bedeutung, wird aber der Sand in
der Wüſte oder der Staub in den Straßen zugleich mit Regen
längere Zeit gegen Felſen, Gebäude und Bäume geworfen, ſo
reibt er nach und nach Theile ab. Vielfach dient der Wind im
Sturme dazu, Bodenmiſchungen zu veranlaſſen. Von den Küſten
des Meeres trägt er den Sand tief in die Länder und miſcht ihn
mit den Torfmooren.
Auch die Electricität zerſtört, wenn ſchon unmerklich im Augen—
blicke, doch mächtig in langen Zeitläuften. Die Verſchiedenheiten
der Stoffe auf unſerer Erde halten ſtets eine electriſche Spannung
rege, die ſich in allerlei Zerſetzungen äußert und auch der Blitz hilft
getreulich beim Zerſtörungswerke.
Wir ſahen ſo eben, wie mächtig der Sauerſtoff, das Waſſer,
die Winde, die Electricität die Bildung des Bodens befördern; im
nicht geringern Verhältniſſe thut dies die Kohlenſäure. — Verfolgen
wir die mächtigen Ablagerungen der verſchiedenen Kalkformationen
in unſern Ebenen, im bergigen Lande, in den gewaltigen Zügen
der himmelanſteigenden Alpen, fo finden wir: daß die Kohlenſäure
in Verbindung mit Waſſer ſtets zerſtörend auf dieſelben einwirkt.
Dieſelbe hat nämlich die Eigenſchaft, wenn ſie in Waſſer gelöſt iſt,
einen Theil kohlenſauern Kalks aufzunehmen, und ihn wieder fallen
zu laſſen, wenn ſie wieder an die Luft austritt oder Verbindungen
mit andern Körpern eingeht. Der auf dieſe Weiſe aufgelöſte koh—
lenſaure Kalk wird im Waſſer fortgetragen und ſetzt ſich, ſobald ihn
die überſchüſſige Kohlenſäure verläßt, zugleich mit Kieſel und Thon
ab. Recht überzeugende Beiſpiele von dieſem Prozeſſe erhalten wir
bei Quellen, welche den ſogenannten Tuffkalk abſetzen z. B. beim
Karlsbader Sprudel. Allein nicht allein bei der letztgenannten
108
Quelle gewahrt man dies, auch die Bewohner ſolcher Gegenden,
welche ihr Waſſer für die Hauswirthſchaften aus Quellen und
Bächen ſchöpfen, die aus Kalkſteinen hervorbrechen, können ſich
täglich überzeugen, wie geſchäftig die Kohlenſäure ihr Zerſtörungs—
werk betreibt; ſie werden nicht fertig mit Reinigung ihrer Gläſer,
mit Scheuern ihrer Küchengeräthſchaften, an deren Wandungen
ſich der in Kohlenſäure gelöſte kohlenſaure Kalk anſetzt, wenn die
Waſſer durch das Stehen oder durch das Kochen ihre Kohlenſäure
fahren laſſen.
Die Kohlenſäure begnügt ſich aber nicht allein mit der Zer—
ſtörung kohlenſaurer Kalke und kohlenſaurer Talke, ſie wagt ſich
auch an Granite und andere harte Gebirgsarten, wenn dieſelben,
was ſtets der Fall iſt, Silicate als Beſtandtheile enthalten. Nach
ihrer Löſung im Waſſer bemächtigt fie ſich nämlich des Kalis und
führt daſſelbe zugleich mit der löslichen Kieſelerde in den Boden,
wo ſie entweder ſofort zur Ausbildung von Pflanzengeweben ver—
wandt oder dieſem Zwecke für ſpätere Zeiten aufbewahrt werden.
Das auf dieſe Weiſe aus den Graniten und andern feldſpathhal—
tigen Geſteinen verſchwundene Silicat trägt nun dazu bei, das Ge—
ſtein mürbe zu machen, der Regen wäſcht es ab; der Sauerſtoff
zertreibt, das Waſſer zerreibt, und ſo ſetzten andere Kräfte und
Elemente die Zerſtörung fort, welche die Kohlenſäure zum Behufe
der Ackererdenbildung begonnen hatte.
Mit alle dieſem nicht zufrieden ſucht die Kohlenſäure ihr Zer—
ſtörungswerk auch an Kunſtwerken auszulaſſen; ſie erweiſt ſich
in dieſer Beziehung als die größte Feindin der Bildhauer. Je grö—
ßer die Stadt iſt, in welcher ſie Kunſtwerke aus Marmor gebildet
vorfindet, um ſo geſchäftiger bearbeitet ſie dieſelben, denn an ſol—
chen Orten ſitzen ihr die Pflanzen, welche ſie ſtets bis auf die ge—
ringſte Kleinigkeit zu vertilgen ſuchen, nicht fo auf dem Nacken.
Durch die Wirkungen dieſer verſchiedenen Körper, Elemente
und Kräfte werden alſo die Felſen zertrümmert, die Trümmer zer—
rieben und die zerriebenen Theile von ihrem Entſtehungspunkte
weggeſchwemmt; bei der endlichen Ablagerung ſetzen ſich die grö—
bern zu unterſt, die feinen oben auf. Da nun die Geſteine auf
unſerer Erdoberfläche ungemein verſchieden ſind, indem ſie aus den
109
mannigfachſten Beſtandtheilen zuſammengeſetzt und auf das Man—
nigfachſte beim Fortführen im Waſſer mit einander gemiſcht wur—
den, ſo folgt von ſelbſt: daß ein und dieſelbe Felsart verſchiedene
Arten von Ackererden hervorrufen könne. So werden wir z. B. am
Abhange ſchroffer Gebirge auf grobe Kiesgeſchiebe treffen, während
ſich weiter entfernt feiner Sand, Lehm oder Thon findet. Aus
einer geſchichteten oder geſchieferten Felsart von verſchiedener Zu—
ſammenſetzung kann der Thon oder Kalk, letzterer durch kohlenſäure—
haltiges Waſſer, ausgewaſchen und über die niedrige Thalſohle
verbreitet werden, während der Kieſel zurückbleibt. Hier treffen
wir auf unfruchtbaren Granit, aus welchem der Kaligehalt aus—
gewaſchen wurde, während letzterer nicht weit entfernt, in anderer
Miſchung, die größte Fruchtbarkeit gewährt. Auf dieſe Weiſe wer—
den die Materialien, aus denen die Felſen urſprünglich beſtanden,
durcheinander gemengt. Hier wird gegeben, dort wird genommen,
hier wird zugeſetzt, dort fortgetragen. Hier nimmt der Sturm die
feinſten Geſteinſplitterchen, führt ſie hinüber in den gewaltigen
Ocean, auf deſſen ſchaukelnden Wellen ſie Tauſende von Meilen
zurücklegen; dort ſprudelt eine luſtige Quelle kohlenſauren Kalk
in ein kleines Bächlein, das Bächlein wird zum Bache, der Bach
zum Fluß, der Fluß zum Strome und immer ſchwimmt der Kalk
noch in demſelben. Trübe Fluthen, hervorgegangen aus dem ſchnel—
len Thauen des Schnees, hervorgegangen aus heftigen Gewitter—
regen, die die Gebirge ab- und auswuſchen, wälzen ſich in reißen—
den Strömen durch die Flachländer dem Meere zu. Die Ufer
überſteigend, ſich an den Meeresfluthen ſtauend laſſen ſie das in
ihnen ſchwimmende Material fallen und bilden auf dieſe Weiſe das
angeſchwemmte, ſo fruchtbare Land.
Allein die Geſteinstheilchen, ſelbſt in ihrer glücklichsten Mi⸗
ſchung, bedingen noch lange nicht die Güte der Ackerkrume; die ab—
ſterbenden Vegetabilien, die abſterbenden Thiere machen 80 erſt zu
dem, was fie fein ſoll. Beim Vermodern, beim Verweſen miſchen
ſich ihre kohligen, ihre ſtickſtoffhaltigen Theile mit Ackererde. Iſt
der Boden feucht, dann entſteht außerdem noch ſaurer Humus, oder
Torf. Im letzteren Falle findet man dann den aus der Geſteins—
zertrümmerung hervorgegangenen Boden oft tief unter der in Kohle
110
verwandelten Pflanzenmaſſe, welch letztere den der Cultur nur
ſchwer zugänglichen ſauern Marſchboden bildet. Wir ſtoßen auf
letzteren in Niederungen, im Bette ausgetrockneter Seen und an
den flachen Meeresküſten ſehr häufig. wu
Durch Zuſammenwirkung des Verwittrungs-Prozeſſes, der
fortbewegenden Kraft des Waſſers, durch welche die verwitterten
Felſen nach allen Orten und Enden hingetragen werden, durch das
Vergraben pflanzlicher und thieriſcher Ueberreſte in den fo gebilde—
ten Geſteinshaufwerken werden alſo die verſchiedenen Bodenarten
gebildet. Im Allgemeinen unterſcheidet man Kalk-Thon—
Sand- Mergel⸗Moorboden. Obſchon dieſe Bezeichnungen
auf richtige chemiſche Unterſcheidungen hindeuten, ſo iſt im Allge—
meinen für die genauere Bodenkenntniß doch noch viel zu wenig
geſchehen. Dem Aeußern nach erkennt man den Sandboden leicht
an ſeinen quarzigen, kieſeligen Beſtandtheilen. Der Kalk- oder
Mergelboden enthält dagegen als Hauptbeſtandtheil kohlenſauren
Kalk, wogegen dem Thonboden vorzugsweiſe Thonerde in Ber:
bindung mit Kieſelerde zuſteht. Der Moorboden enthält eine
Menge kohlenſtoffreicher Beimengungen.
Nach dem Geſteine, welches das Hauptmengeverhältniß einer
Bodenart abgiebt, richtet ſich vielfach nicht allein die Art und Weiſe
des landwirthſchaftlichen Betriebes, ſondern derſelbe prägt auch
denen auf ihm wachſenden Pflanzen, ja ſogar den Menſchen und
Thieren den Charakter auf. Wir wiſſen z. B. daß gewiſſe Nutz-
pflanzen und Bäume vorzugsweiſe auf Sandboden wachſen: daß
andere den Kalkboden, daß noch andere den Thonboden lieben.
Viele gerathen am beſten auf einem gemiſchten lehmigen Boden.
Die Bewohner von Gegenden, deren Boden aus Granit hervor—
ging, zeichnen ſich häufig durch eine ſchlürfende Sprache und durch
Kropfkrankheiten aus.
Wenn eine lehmige Ackerkrume ausreichenden Vorrath aller
derjenigen Geſteine, Salze und Säuren hat, welche für die Pflan—
zenernährung zweckmäßig ſind, ſo werden auf ihr nicht allein die—
jenigen Pflanzen gedeihen, welche überall fortkommen, es werden
auch diejenigen wachſen, welche nur in einer ganz beſtimmten Bo—
denmiſchung fortkommen. Je mehr nun die verſchiedenen Boden⸗
—
114
arten durch die Gewalt der Gewäſſer untereinander gemengt wer—
den, um ſo günſtiger, um ſo größer wird der Bezirk für die Aus⸗
breitung der Pflanzen; daher finden wir nach jeder folgenden Erd—
revolution, bei welchen ſo ungeheure Bodenmengungen vor ſich
gingen, auch vermehrte Pflanzenarten, die ſtets im Zunehmen be—
griffen ſind und die ſich nach der letzten Erdrevolution auf die hohe
Stufe ſtellten, auf der wir ſie jetzt ſehen. Der zunehmende Arten—
reichthum der Pflanzen bedingt aber auch eine Vermehrung und
Veredlung der Thiere.
Bei genauerer Betrachtung der Verhältniſſe, welche zwiſchen
den Pflanzen und dem Boden, auf welchem ſie wachſen, ſtattfinden,
ſtoßen wir auf eine Menge von Widerſprüchen und es ſtellt ſich
heraus: daß dieſelben Pflanzen nicht immer gleichmäßig gut auf
Sand- oder Thonboden, oder gleichmäßig gut auf Kalkboden ge—
deihen: daß Bäume, die lange Zeit üppig fortwuchſen und ſchöne
Früchte trugen, mit einem male welken und abſterben: daß Felder,
die ein Jahr die ſchönſten Getreide-Erndten geben, das nächſte
Jahr dieſelbe Frucht nur in ganz geringer Menge ertragen, den—
noch war der Sandboden noch eben ſo ſandig, der Thonboden noch
eben fo merglich und der Kalkboden enthielt noch genau ſo viel
kohlenſauren Kalk. An dieſen Beſtandtheilen konnte daher der
geringe Ertrag, konnte das Ausſterben der Bäume nicht liegen, es
muß der Grund anderswo geſucht werden. Weiter oben ſahen wir
bereits: daß wenn ein Boden fruchtbar ſein ſolle, er außer Kalk—
Thon⸗Kieſelerde noch andere Beſtandtheile enthalten müſſe. Neh—
men wir ein Schäufelchen von Blech, geben eine abgewogene
Menge vollkommen von Waſſer befreiten Bodens auf daſſelbe
und glühen ihn, jo finden wir nach dieſem Prozeſſe eine Vermin—
derung des Gewichtes. Dieſelbe rührt von der Verflüchtigung und
Verbrennung der im Boden enthaltenen organiſchen Verbindungen
her. Manche Bodenarten haben nur ſehr wenige dieſer organiſchen
Beimengungen, namentlich iſt es der reine weiße Sand, der oft
gar keine erweislichen pflanzliche und thieriſche Stoffe enthält.
Wenn nun auf demſelben auch Bäume wachſen, ſo iſt dies Wachs—
thum — da faſt alle Kohlenſäure aus der Luft bezogen werden
muß — doch ein ſehr geringes. Andere Bodenarten z. B. der
112
ſchwarze Marſchboden enthält oft & feines Gewichts organiſcher
Materie. Außer dieſen wichtigen organiſchen Theilen müſſen einer
guten Ackererde noch phosphorſaure und ſchwefelſaure Verbindun—
gen, müſſen ihr Kali und Natron, müſſen ihr Eiſen und Mangan,
müſſen ihr Chlor und Fluor, müſſen ihr Bittererde beigemengt
ſein. Fehlen dieſelben, dann mögen die ſonſtigen Mengeverhält—
niſſe ſo günſtig ſein wie ſie nur immer wollen, es werden die
Pflanzen dennoch nicht gedeihen. Die Saamen werden zwarfeimen
und ſo lange fortwachſen, als ſie in ſich ſelbſt noch Nahrungs—
beſtandtheile enthalten; dann aber wird alles Wachsthum auf—
hören. Sind ſie in zu geringer Menge vorhanden, ſo giebt ſich
dies durch das ſchwächliche ungeſunde Ausſehen der Gewächſe zu
erkennen und der aufmerkſame Landwirth wird ſogleich aus dem—
ſelben entnehmen, wo es ſeinem Boden fehlt und was ihm für
Beſtandtheile zugeführt werden müſſen.
Wenn dieſelbe Pflanzengattung lange Zeit auf demſelben Bo—
den gebaut wurde, ſo wird ein oder der andere jener Nahrungs—
ſtoffe, vielleicht auch mehrere, ſeltner in ihm werden und endlich
werden ſie ganz und gar verſchwinden, oder doch nur als unlösliche
Verbindungen in ihm zurückbleiben. In einem ſolchen Falle wird
es der Wurzel unmöglich, ſoviel von dem Stoffe aufzunehmen, als
das Wachsthum der Pflanze verlangt, ſie wird dann kränkeln und
abſterben. Aus dieſer Erſcheinung erklärt ſich deutlich, warum
manche Gewächſe nicht mehr gedeihen, oder warum, wenn ſie eine
Zeitlang fortwuchſen, ſie plötzlich zurückgehen. Eben ſo klar, wie
die Urſache dieſes Uebels erkannt wird, eben ſo leicht kann man
Mittel dagegen ergreifen: man darf dem Boden dann nur die—
jenigen organiſchen oder mineraliſchen Beſtandtheile, die ihm ent—
weder ganz fehlen oder in unlöslichen Verbindungen in ihm ent—
halten ſind, geben, oder die unlöslichen in lösliche Formen brin—
gen. Die Pflanzen werden dann in ihrer früheren Ueppigkeit wieder
emporwachſen und ſo reichliche Erndteergebniſſe i als in
ſeiner beſten früheren Periode.
Einer dieſer mineraliſchen Beſtandtheile, der an ſich nur in
geringer Quantität im Boden vorkommt, bedarf von Seiten der
Landwirthe der größten Beachtung; es iſt dies die Phosphor—
113
fäure, die durch die Cerealien, Oelfrüchte, den Gras-Gemüſe—
Kleebau ꝛc. c. dem Boden jedes Jahr entzogen wird und auf deren
Erhaltung im Urine und den Knochen man leider vielſeits noch
zu wenig Bedacht nimmt. Während die übrigen mineraliſchen Be—
ſtandtheile in der Regel reichlicher in den Bodenarten vertreten
ſind, bringt das Fehlen einer ausreichenden Menge von Phos—
phorſäure, zum großen Nachtheile vieler Landwirthe, nur ſpärliche
Erndten und einen ſchlechten Heuertrag der Wieſen.
Eine ſorgfältige Beachtung verdienen auch die organiſchen
Beſtandtheile: die thieriſchen und pflanzlichen Ueberreſte. Ob—
wohl dieſelben aus einer großen Zahl der verſchiedenartigſten Ver—
bindungen beſtehen, ſo reduciren ſie ſich doch weſentlich nur auf
zwei, auf Stickſtoff und auf Kohlenſtoff. Bei der Behandlung des
erſteren ſahen wir bereits, von welchem Gewichte er namentlich
für die Nahrungspflanzen ſei; zugleich nahmen wir aber auch
wahr: daß er nicht direct, ſondern in ſeiner Verbindung mit Waſſer—
ftoff, als Ammoniak, in die Gewächſe übergeführt werde. Alle
Bodenarten, worinnen ein vollkommnes Wachsthum der Pflanzen
in der Möglichkeit liegen ſoll, müſſen deshalb eine hinreichende
Quantität löslicher Stickſtoffverbindungen gerade ſo gut, wie der—
gleichen von Kohlenſtoff in ihrer Miſchung enthalten. Sind beide
in zu ſpärlichen Verhältniſſen in ihm vorhanden, dann erhält der
Landwirth kränkelnde Pflanzen. Fehlen ſie ganz, dann hört alles
Wachsthum auf.
Es iſt zwar richtig: daß ſowohl Kohlenſäure, als Ammoniak,
durch die Blätter und grünen Zweige vermittelſt der Luft aufge—
nommen und in die Pflanzen übergeführt werden, allein dieſe Zu—
führung genügt nicht; auch der Boden muß beide in löslicher
Form enthalten, wenn gute Erndten erfolgen ſollen. Der Haupt—
werth des Bodens beſteht, dem Vorausgegangenen nach, alſo
darinnen: daß er erſtens den Gewächſen einen feſten Standpunkt
ſichert und daß in demſelben zweitens der größte Theil ihrer
Nahrung aufgeſpeichert ſei. Merkwürdiger Weiſe ſind aber faſt alle
Beſtandtheile des Bodens, mit Ausnahme der Thonerde und
einiger ſelteneren Mineraltrümmer, auch zugleich Nahrungsbeſtand—
Engelhardt, die Nahrung der Pflanzen. 8
114
theile der Pflanzen z. B. die Kieſelerde, die Kalk- die Bittererde,
das Eifenoryd u. ſ. w.
Obſchon nun das Gedeihen unſerer Brodfrüchte davon abzu—
hängen ſcheint: daß diejenigen derſelben, die den Kalkboden lieben,
auf Kalk-, diejenigen, welche den Sand lieben, auf Sand- und die⸗
jenigen, welche den Thon lieben, auf Thonboden gezogen werden,
ſo hängt der reelle Werth deſſelben doch lediglich und allein von
dem Vorhandenſein einer größern Menge von Stoffen ab, die ſo—
wohl dem organiſchen, als dem anorganiſchen Reiche angehören.
Sobald dieſe vorhanden ſind, wird eine jede Pflanze in dem Boden
gedeihen, der vermöge ſeiner chemiſchen und mechaniſchen Be—
ſchaffenheit dem Zwecke entſpricht, vorausgeſetzt daß die örtlichen
klimatiſchen Verhältniſſe ihr zuſagen.
Hauptſächlich iſt die mechaniſche Beſchaffenheit bei jeder
Bodenart ſehr zu berückſichtigen. Je lockerer ein Boden iſt oder
gehalten wird, deſto leichter wird ihn die Luft, deſto ſicherer wird
ihn das Waſſer an allen Stellen durchdringen, deſto leichter wird
er die Feuchtigkeit der Luft aufzuſaugen vermögen; deſto raſcher
und geſchäftiger wird ſich aber auch der Sauerſtoff in den einzel—
nen Erdebeſtandtheilen, in den holzigen Düngſtoffen, in dem
Humus feſtſetzen und um ſo ſchneller die Bereitung des Haupt—
nahrungsmittels in recht großer Menge vornehmen; deſto leichter
wird derſelbe das Ammoniak, den kohlenſauren Kalk, die kohlen—
ſaure Bittererde, das Kali, das Natron, das Eiſenoryd, den phos—
phorſauren Kalk, die Kieſelerde in Verbindung mit Waſſer löſen
und ſie den Saugfaſern der Wurzeln übergeben. Je größer daher
die Auflockerung eines Bodens iſt, deſto ſchneller wird nicht nur
der Keimungsact, deſto ſchneller wird auch die Ausbildung der
Pflanze verlaufen, deſto größer, deſto vollkommner wird ſie wer—
den, deſto mehr und nahrungsreichere Frucht wird ſie tragen. Im
nächſten Abſchnitte, wo von den Saugern gehandelt wird, werden
wir nochmals auf die ſorgfältige Bodenauflockerung zurückkommen.
Klima und Boden mögen übrigens beſchaffen ſein wie ſie
wollen, ſo gedeiht doch keine Pflanze, ſind die mineraliſchen und
organiſchen Stoffe nicht in ausreichender Menge in letzterem vor⸗
handen. Beginnt ſie auch ihren Lebenslauf, ſo wird derſelbe doch,
1
115
wie wir bereits ſahen, bald unterbrochen, fie kränkelt und ftirbt
endlich, ohne ihren Zweck erfüllt zu haben, der darinnen beſteht,
recht viele Früchte für kommende Generationen zu erzeugen, ab.
Um daher den Boden fruchtbar zu machen d. h. ihm die zur Pflan—
zennahrung nöthigen Beſtandtheile wieder zuzuführen, bedient
man ſich der ſogenannten Düngung. Die ganze Kunſt derſelben
beſteht aber lediglich und allein darin: dem Boden diejenigen Be—
ſtandtheile wieder zurückzugeben, die ihm durch lange Bebauung
entweder verloren gingen, oder die er noch gar nicht in ſeine
Miſchung aufgenommen hatte. Daß bei der Düngung viel auf
die Zeit, wann ſie vorgenommen wird, ſo wie auf die Form, in
welcher die Düngemittel gereicht werden, ankommt, verſteht ſich
von ſelbſt.
Wenn wir nun auch dem Boden den beſten Dünger und in
Formen, in welchen er den Wurzeln leicht zugänglich iſt, über—
geben: wenn wir den Boden fo forgfältig auflodern, als es nur
immer in der Möglichkeit liegt, ſo iſt durch beides deſſen Frucht—
barkeit aber immer noch nicht bedungen. Es müſſen hier noch
Kräfte einwirken, deren Zuführung nicht in unſerer Macht ſteht,
es müſſen Stoffe zugegen ſein, die auf die Fruchtbarkeit einwirken.
Was würde es helfen, wenn alle organiſchen und mineraliſchen
Nahrungsſtoffe in reichlichſter Fülle im Boden vorhanden wären,
und der Regen und die atmoſphäriſche Luftfeuchtigkeit fehlten?
Wie wir bereits beim Waſſerſtoffe zu ſehen Gelegenheit fan—
den, iſt es die Feuchtigkeit — das Waſſer — welches einen Theil
und vielleicht den größten und zwar nicht allein die feſten, ſondern
auch die gasförmigen Nahrungsmittel durch die Wurzelſaugfäſer—
chen in die Pflanzen bringt. Das Waſſer hat daher dieſelbe Funk—
tion für die Saugfäſerchen der Wurzeln, wie die Luft für die Saug—
gefäße der Blätter; denn wie durch die Luft die Kohlenſäure und
das Ammoniak den unendlich kleinen, unzählbaren Mäulern der
Blätter übergeben wird, ſo übergiebt das Waſſer die aufgenom—
mene Kohlenſäure, das aufgenommene kohlenſaure Ammoniak, den
gelöſten phosphorſauren und doppelkohlenſauren Kalk, die doppel—
kohlenſaure Bittererde, das doppelkohlenſaure Eiſenoxydul, das
Kali und Natron, die Schwefelſäure, das Chlor ꝛc. ꝛc. den un—
8 *
ı16
endlich kleinen Mäulern der Wurzeln. Da ſich viele dieſer Körper
nur in äußerſt geringen Mengeverhältniſſen löſen, ſo leuchtet es
ein, warum eine fo bedeutende Quantität Waſſer beim Vegetations⸗
Prozeſſe und warum es unausgeſetzt vorhanden ſein muß. Es
wird uns dies um ſo erklärlicher, als die Pflanze ja ſelbſt aus 4
Waſſer beſteht. Uebrigens hat das Waſſer beim Vegetations-Pro—
zeſſe noch mehr zu verrichten, denn es trägt, wie wir ſpäter aus—
führlicher behandeln werden, dazu bei daß es als Regen und Thau
die Luft auswäſcht und letzterer die für das Thierleben ſchädlichen
Beſtandtheile, Kohlenſäure und Ammoniak, aber auch Sauerſtoff
entziehe. Dieſe Gasarten nimmt es mit in die Erde und ſpeichert
ſie bis zum Gebrauche auf.
Da wo alſo Regen, Laſtfeuchtigkeit, oder Waſſer in aus⸗
reichender Menge vorhanden, wird bei übrigens guter Bewirth—
ſchaftung und unter der Vorausſetzung, daß alle Nahrungsſtoffe
der Pflanzen im Boden vorhanden ſind, ein üppiges Gedeihen
unſerer Gewächſe ſtattfinden; wo dagegen Regen und Luftfeuchtig⸗
keit fehlen, da kommt keine Blüthe, da kommt keine Frucht zum
Vorſchein; die Erde erſcheint dann auf weite Strecken in einen
Trauermantel gehüllt und öde, nackt und kalt ftellt ſie fi) unſerm
Auge dar. In ſolchen Gegenden können im Boden die kräftigſten
Düngſtoffe in reichlichſter Fülle vergraben liegen und dennoch wird
ſich in ihrem öden Ausſehen nichts ändern, kein Keimchen wird
ſich regen, kein Gräschen grünen, kein Läubchen fächeln, ſo lange
ihr Durſt nicht geſtillt wird. Blicken wir hin in jene baumloſen
Steppen, wo ſich der Wandrer vergebens nach einem ſchützenden
Dache gegen die verſengenden Sonnenſtrahlen umfteht, wo der
ſcharfe trockne Wind zuerſt dem Auge, dann den übrigen Körper—
theilen die Feuchtigkeit entzieht und die Haut zuſammenſchrumpft,
wo die höheren Thiere fliehen und ſelbſt kein bunter Schmetterling
die Luft durchſegelt, wo der Menſch von Allem verlaſſen dem
quälendſten Durſte verfallen iſt: wie traurig ſieht es da aus, wie
eiſig kalt find da die Winter! Erſt dort lernt der Menſch fo recht
erkennen, was dem Waſſer für ein unendlicher Werth zuſteht; *
dankt und preiſt den Herrn, wenn er ihn in einer ſolch endloſen
Wüſte zu einer ſprudelnden Quelle führt, an welcher ſich — iſt ſie
147
auch noch ſo klein — ſogleich wieder eine dankbare Pflanzenſchaar
verſammelt hat.
Allein Feuchtigkeit iſt es immer noch nicht allein, welche neben
gutem Boden und den düngenden Beſtandtheilen in ihm den
Grad der Fruchtbarkeit beſtimmt. Es gehört dazu auch ein gewiſſer
Wärmegrad. Die meiſten Pflanzen, die aus heißen Klimaten zu
uns herüber gebracht werden, gedeihen daher bei uns im Freien
nicht, oder ſie tragen doch keine Blüthen und Früchte, wenn ſie
nicht in Glashäuſern vor äußeren üblen Einwirkungen geſchützt
werden; dagegen kommen unſere Cerealien in jenen Gegenden
nicht fort, gedeihen aber in denen, wo hohe Kältegrade herrſchen
und verbreiten ſich daher bis zu den Eisregionen hinauf. Unſere
Gerſte z. B. iſt die einzige Frucht, welche auf Island noch wächſt.
Bei ausreichender Feuchtigkeit und einem den Pflanzen zu—
träglichen Wärmeverhältniſſe wird daher überall ein üppiges
Pflanzen⸗Wachsthum getroffen werden, wo neben der Mengung
von Sand» Kalk- Talk- und Thontheilchen — dem eigentlichen
Boden — noch ſchwefelſaure und phosphorſaure Salze, Kali und
Natron (Silicate), Eiſen und Mangan, Chlor und Fluor in der
Ackerkrume vorhanden und dieſe mit kohlen- und ſtickſtoffhaltigen
Körpern gemengt ſind. Ein Boden, der letztere beide und zugleich
reichliche Mengen von Phosphorſäure enthält, wird viele Jahre
hintereinander die reichlichſten Früchte tragen, wenn die Silicate
gehörig aufgeſchloſſen werden und die übrigen Düngſtoffe ſelbſt
nur in geringen, aber ausreichenden Mengen in ihm enthalten
ſind, denn von den übrigen Nahrungsmitteln verbrauchen die
Pflanzen nur Kleinigkeiten. Sind aber die Nahrungsmittel einem
Boden durch langjährige Bebauung entzogen, dann ſagt der Land—
wirth der Boden iſt erſchöpft; da wir aber die Mittel kennen der
Erſchöpfung vorzubeugen, ſo hängt die Unfruchtbarkeit oder Frucht—
barkeit einer Gegend lediglich von deren Bewohnern ab, die oft
aus Trägheit ihre Felder und Wieſen herabkommen laſſen.
Es würde hier zuweit führen ſpecieller von den verſchiedenen
Düngſtoffen zu handeln, bei den einzelnen Nahrungsmitteln der
Pflanzen, die wir in dieſem e noch behandeln, men
wir ohnehin darauf zurück.
118
Wie nachtheilig Bodenentkräftungen aber zu wirken ver⸗ f
mögen, werden einige Beiſpiele klar ins Licht ſtellen.
Nach der Entdeckung von Amerika ſtrömten aus Spanien,
Frankreich und England eine Menge von Menſchen nach jenem
Erdtheile; ſie fanden dort einen Boden der ohne Bedüngung die
reichlichſten Früchte erzeugte; man durfte jener jungfräulichen Erde
bei geringer Bearbeitung nur einige Saamenkörner anvertrauen,
ſo erwies ſie ſich zehnmal dankbarer, als die im verlaſſenen Vater—
lande. Namentlich war es Weizen, den man cultivirte. Nach Ber:
lauf einer langen Reihe von Jahren, wo man dem Boden keinen
der ihm durch die vielen Erndten entzogenen Beſtandtheile wieder
zufließen ließ, brachte man ihn in großen Diſtrikten aber ſo her—
unter, daß er wenig oder nichts mehr ertrug und die Bewohner
genöthigt waren in andere Gegenden auszuwandern, um auch dort
den Boden zu entkräften. So war z. B. am Lorenzſtrome in der
Umgebung von Montreal eine große Fläche als eine Vorraths—
kammer Amerikas bekannt; es wurde dort ſoviel Weizen gebaut,
daß derſelbe eine lange Reihe von Jahren einen Hauptausfuhr—
artikel abgab, und jetzt erträgt der Boden jenes Bezirks kaum ſoviel,
daß er ſeine nur unbedeutend geſtiegene Bevölkerung zu ernähren
vermag. Wo ſonſt die üppigſten Weizenfelder mit ihren goldenen
Aehren prangten, da ſteht jetzt ſtorriger Hafer, da rankt dürftiges
Kartoffelkraut. Dieſe Erſcheinung beſchränkt ſich aber nicht allein
auf Canada; man trifft ſie im Mexico und in andern amerikani⸗
ſchen Staaten noch vielfach. In neuerer Zeit, wo man auch drüben
anfängt dem entkräfteten Boden ſeine einzelnen durch vieljährige
Beerndtung entzogenen Düngſtoffe wieder zu geben, iſt es in man—
chen Bezirken ſoweit gekommen, daß ſie den Weizen wieder ſo
reichlich ertragen, als zur Zeit ihrer Jungfräulichkeit; ich nenne
hier nur Virginien und Carolina. Nachdem man über die ausge—
ſogenen Sandflächen dieſer Staaten reichliche Mengen von Kalken
und kalkigen Mergeln verbreitete, bedeckten ſich die öden Steppen
wieder mit dem ſaftigſten Grüne und brachten ausgezeichnete Ernd—
ten. Auch Gyps that dort dieſelben Wunder, als bei uns zu Ende
des vorigen Jahrhunderts, wo durch die Einführung deſſelben eine
ganz neue Zeit für den Futterkräuterbau heranbrach.
119
Nirgends ift eine gute Bedüngung fo leicht zu ermöglichen,
als in Amerika, wo der Guano ſo billig zu beziehen iſt. Hat der
Landwirth dieſen, dann hat er eigentlich Alles, was er zur Bedün-
gung ſeiner Felder braucht; der reiche Stickſtoffgehalt, die viele
Phosphorſäure ſind die Grundprinzipien der Pflanzenernährung.
Bei der Uebergabe von Pflanzennahrungsmitteln in den Bo-
den haben wir daher unſere Aufmerkſamkeit hauptſächlich auf den
Kohlenſtoff, Stickſtoff und auf verſchiedene Salze, namentlich den
phosphorſauren Kalk zu lenken. Den Kohlenſtoff bringen wir durch
holzige Pflanzentheile, alſo durch die verſchiedenen Strohſorten,
durch dürre Blätter, durch Gräſer und Schilfe, durch Rüben- und
Kartoffelkraut, durch Raps- und Madia-Stängel, durch Mooſe
und Haiden, jo wie durch vermodertes Holz in den Boden. Durch
alle dieſe Stoffe bildet ſich der Humus, welcher überall im Boden
im größern oder geringern Verhältniſſe getroffen wird und der wei—
ter gar nichts iſt, als das Product der erſten Zerſetzung der Holz—
faſer. Bei dieſer Zerſetzung bildet ſich zugleich mit der Kohlenſäure,
welche begierig vom Humus aufgeſogen wird, auch Ammoniak,
wenn Stroh, Weizenſtängel und dergleichen ſtickſtoffhaltiges Ein—
ſtreumaterial angewandt wurden.
Da unter günſtigen Umſtänden überall auf der Erde Pflanzen
wachſen, ſo muß auch allerwärts Humus verbreitet ſein und in der
That bildet er ſich überall da, wo dieſe unter Vorhandenſein von
Luft und Wärme abſterben. Die Verſuche, welche Soubeiran
mit Dammerde anſtellte, beweiſen: daß dieſelbe den Humus zum
Theil im freien Zuſtande enthält. Größere Mengen deſſelben fin—
den ſich in Verbindung mit Kalk darinnen vor, von welchem man
ihn aber durch Ammoniak trennen kann. Die Auflöslichkeit macht
die Rolle klar, welche das kohlenſaure Ammoniak im Dünger ſpielt;
es macht daſſelbe den an Kalk gebundenen Humus löslich und in
der Dammerde beſchleunigt das Ammoniak zu gleicher Zeit die Bil—
dung des Humus, was aber die kohlenſauren Alkalien, namentlich
die Aetzalkalien noch im höhern Grade befördern.
Die Zuſammenſetzung des Humus wird niemals mit voll—
kommner Genauigkeit beſtimmt werden können; er kann, wenn
man ihn in Ammoniak auflöft und mittelſt einer Säure nieder⸗
120
ſchlägt, ſtets mit gewiſſen Stoffen vermengt bleiben, welche ihn in
der Dammerde begleiten und ebenfalls von Alkalien gelöſt und von
Säuren gefüllt werden. Die Analyſe des aus dem Boden gezoge—
nen Almins ergiebt kein beſtimmtes Reſultat. Soubeiran fand
ſtets 52 bis 569 Kohlenſtoff darin und erſchien ihm die Menge
des Kohlenſtoffs um ſo vorwiegender, je länger die Luft während
ſeiner Bildung auf die Dammerde einwirkte. Nach ſeinen Unter—
ſuchungen kann das Verhältniß des Kohlenſtoffs ſelbſt dann noch
zunehmen, wenn alles Holz in unauflöslichen Humus verwandelt
iſt, und verliert der gebildete Körper dadurch keineswegs die neuer—
worbenen Eigenſchaften, welche ihn zur Pflanzennahrung geeignet
machen. Der Humus hat daher keine ganz beſtimmte Zuſammen—
ſetzung; wie alle organiſchen Körper, welche ſich durch langſame
Prozeſſe umbilden, durchläuft er eine Reihe unmerklicher Ueber—
gänge. Außer Kohlenſtoff enthält der Humus noch 2 bis 244
Stickſtoff und iſt demſelben ebenfalls eine bedeutende Einwirkung
bei der Pflanzenernährung zuzuſchreiben. 8
In Rückſicht der Wirkung des Humus auf die Vegetation
bemerkt Soubeiran: daß der Humus hauptſächlich in dem Zuſtande
des humusſauren Ammoniaks in die Pflanzen dringe. Das durch
die Fäulniß des Düngers ſich bildende kohlenſaure Ammoniak be—
wirkt: daß ſich der gebildete Humus auflöſt. Es befördert deſſen
Bildung unter dem gleichzeitigen Einfluſſe der Luft und verſetzt
auch den im Boden als humusſaurer Kalk enthaltenen Humus in
aufgelöſten Zuſtand. Man kann daher die Menge des von den
Pflanzen aufgenommenen Humus weder nach dem Aſchengehalt der
Pflanzen, noch nach der Auflöslichkeit des humusſauren Kalkes
im Waſſer beurtheilen. Das Ammoniak, welches als Auflöſungs—
mittel des Humus diente, wird in dem Pflanzengewebe verarbeitet
und umgebildet und trägt unmittelbar zur Bildung der füczoff
haltigen Producte bei.
Daß der durch Ammoniak löslich machte Humus von den
Pflanzen aufgeſogen wird und zu ihrer unmittelbaren Ernährung
dient, davon überzeugte ſich Soubeiran durch verſchiedene Verſuche.“)
) Es können jedoch trotzdem noch Prozeſſe, und ſelbſt in den Zellen vor⸗
kommen, wo Kohlenſäure gebildet und der Humus in Form von kohlenſaurem
121
Er zog einen Stock Rainkohl vorſichtig aus der Erde, wuſch die
Wurzeln mit Waſſer und brachte ſie in eine Auflöſung von verdünntem
humusſaurem Ammoniak, welche durch längere Berührung mit der
Luft von allem überſchüſſigen Alkali befreit worden war. Flüſſigkeit
und Wurzeln waren vor dem Lichte geſchützt. Während der 8 Tage
des Verſuchs gedieh die Pflanze. Die Wurzel wurde jeden Tag in
friſche Löſung geſetzt und die Flüſſigkeit vom vorigen Tage durch
Zuſatz von deſtillirtem Waſſer wieder auf ihr urſprüngliches Vo—
lumen gebracht; die blaſſer werdende Farbe der Flüſſigkeit bezeugte
hinlänglich: daß ein Theil des humusſauren Ammoniaks aufge—
nommen worden war. Hafer und Bohnen in Erde geſät, welche
durch Ausglühen von aller organiſchen Materie befreit, dann mit
Knochenmehl (phosphorſaurem Kalk) und ſchwefelſaurem Kalke ver—
ſetzt und mit einer ſchwachen Auflöſung von neutralem humusſaurem
Ammoniak feucht erhalten wurden, lieferten reichlich Blüthen und
Früchte. Beide Verſuche zeugen hinlänglich von den günſtigen
Umſtänden, unter welchen die Pflanzen ſich entwickelten und daß
Humus die Auflöſung des phosphorſauren Kalks erleichtert.
Humus dient übrigens den Pflanzen nicht allein zur Nah—
rung, ſondern er wirkt auch günſtig auf die Aufſaugung von
Waſſer und Luftfeuchtigkeit; daher iſt die Zuführung von gutem
Stalldünger, am allerbeſten aus Stroh bereitet, ſchon in dieſer
Beziehung von hohem Gewichte für die Landwirthſchaft.
Dieſe ſchätzbaren Eigenſchaften machen den Humus zum vor—
züglichſten Nahrungsmittel für die Pflanzen. Nebenbei ſteht der—
ſelbe aber unter dem Einfluſſe der ihn begleitenden Subſtanzen,
welche entweder zu ſeiner Erzeugung beitragen, oder ihn in den
Zuſtand der Auflöslichkeit verſetzen, ohne welche er nicht aufgeſogen
werden kann. Bei zu viel Feuchtigkeit und Säureüberſchuß löſt er
ſich nicht und iſt todt für die Pflanzenernährung, wie wir dies in
Sümpfen und Moräſten, ſo wie auf Torfmooren und ſchwerem
Thonboden gewahren. Bei letzterem rührt die Unauflöslichkeit
alſo vom Waſſer her und dies liegt un der ſtark aufſaugenden und
waſſerbindenden Thonerde; geſellt ſich nun noch Humus dazu, der
Ammoniak in die höhern Zellen eintritt, wie wir dies oben bei . der
Kohlenſäure bereits ſahen.
s
0
ebenfalls ein kräftiger Waſſerſauger iſt, ſo erhält der Boden zu viel
Feuchtigkeit, der Humus wird ſauer und der Boden kann nur
durch Waſſerentziehung verbeſſert werden. Daher rührt die außer—
ordentlich günſtige Wirkung der Drainage, nach welcher die an—
weſenden kohlenſauren Kalke die überſchüſſige Säure entfernen,
den Humus als humusſauren Kalk löslich machen. In Folge die—
ſer Ergebniſſe ſucht Soubeiran ferner darzuthun: daß man ſich irre
den Werth eines Pflanzennahrungsmittels durch ſeinen Stickſtoff—
gehalt auszudrücken; vielmehr ſei es nothwendig, die ſalzigen Be—
ſtandtheile, namentlich die Ammoniakſalze und ihre eigenthümliche
Zuſammenſetzung, ſo wie die thieriſche Materie und ihre mehr oder
weniger veränderliche Natur zu berückſichtigen.
Nach dem Verhandelten iſt der beſte Dünger derjenige, welcher
zugleich eine gewiſſe Menge von auflöslichen, erdigen oder alkali—
ſchen Salzen, von Ammoniakſalzen, ferner von ſtickſtoffhaltiger
thieriſcher Materie, außerdem Humus und in Umwandlung be—
griffenes Pflanzengewebe enthält. Alle dieſe Stoffe ſind am Beſten
im gegohrenen landwirthſchaftlichen Dünger — Stalldünger —
vereinigt und geben ihm einen unbeſtreitbaren Vorzug vor andern.
Hauptſächlich iſt auf Humus oder doch auf Stoffe zu ſehen, welche
jenen zu bilden fähig ſind, weshalb, wie bereits bemerkt, das Stroh
in der Landwirthſchaft fo ausgezeichnete Dienſte leiſtet. Wird als⸗
dann der Menſchen- und Thier-Harn noch ſorgfältig geſammelt
und ſtets über den gährenden Dünger verbreitet, werden überdies
noch Knochen aufgeſammelt, gepocht und den Feldern übergeben,
ſo bekommt der Boden phosphorſaure und Ammoniakſalze in aus—
reichender Quantität zugeführt und der Landwirth wird ſich eines
W Segens zu erfreuen haben.
Die waſſerbindende Kraft des Bodens, oder das Vermögen
tropfbar flüſſiges Waſſer in feinen Zwiſchenräumen ſchwammartig
aufzunehmen, gehört zu den wichtigſten phyſikaliſchen Eigenſchaften
deſſelben. Die Thonerde iſt aber diejenige Erdart, welche in der
Bodenmiſchung als Waſſerſauger auftritt; man kann daher leicht
austrocknende Bodenarten verbeſſern, wenn man ihnen Thone oder
Mergel, oder auch vermehrte Quantitäten von Pflanzenſtoffen, die
ſich leicht in Humus umändern, zuführt.
Die Sauger.
Obſchon im Gebiete der Naturwiſſenſchaften, namentlich in
der Phyſik und Chemie, in neuerer Zeit die wichtigſten Fortſchritte
gemacht, und obſchon durch dieſelben in der Landwirthſchaft und
in den Geſammtgewerben überraſchende Aufſchlüſſe erlangt worden
ſind, ſo wiſſen wir doch recht gut, daß trotzdem immer noch un—
endlich viel auf dieſem Felde zu erforſchen bleibt; denn an einzel—
nen Stoffen und Körpern werden von Neuem Eigenſchaften wahr—
genommen, welche wiederholte Forſchungen veranlaſſen, und letztere
führen wiederum zu wichtigen Aufſchlüſſen in andern Zweigen der
Wiſſenſchaften.
Faſſen wir nur die eigenthümliche Eiſchetnung des Aufſau⸗
gens gasförmiger und tropfbarer Flüſſigkeiten durch verſchiedene
Metalle, Erden u. ſ. w. ins Auge, ſo finden wir ſofort, welche
merkwürdigen Aufſchlüſſe wir durch dieſelbe in der Land- und
Forſtwirthſchaft, beim Bergbaue, in der Baukunſt und in dem
Fabrikweſen erlangen, welche großen Vortheile ſie alſo der menſch—
lichen Geſellſchaft bringt, obſchon ſie auf einzelne Individuen, be—
züglich deren Geſundheit, ſehr nachtheilig einwirkt.
Der Saugungsprozeß iſt noch lange nicht ſo erkannt, als er
es ſeiner Wichtigkeit wegen verdient. Die mit der Eigenſchaft des
Saugens begabten Stoffe werden Sauger genannt, und ich er—
laube mir hier, die am meiſten ins gewöhnliche Leben eingreifen—
den Sauger etwas genauer vors Auge zu führen.
Döbereiner in Jena war es, welcher zuerſt entdeckte, daß
der Platinmohr die Eigenſchaft habe, Sauerſtoff in beträchtlicher
Menge zu abſorbiren und zu verdichten. Wenn man z. B. in ein
124
Gemenge von Waſſerſtoff- und Sauerſtoffgas — das ſich in einem
Glasgefäße bis zur beginnenden Rothglühhitze erwärmen läßt,
ohne daß ſich beide Gaſe zu Waſſer vereinigen — eine polirte
Platte von Platin bringt, ſo treten die mit der Metallfläche in
Berührung befindlichen Gastheile ſofort zuſammen und bilden
Waſſer; es ſetzen ſich hierauf andere Theile des Gemiſches mit
dem Platin in Berührung, die ſich durch deſſen Einfluß von Neuem
verbinden, ſo daß eine große Menge des Gemiſches ſchnell zu
Waſſer vereinigt werden kann. Die Temperatur des Platins er—
höht ſich dabei durch die bei der Verbindung frei werdende Wärme,
und da der Einfluß des Metalls mit der Temperatur zunimmt, ſo
ſchreitet die Verbindung immer raſcher vor, bis das Platin roth—
glühend wird, wo es dann die Verbindung auch in der Entfernung
von ſeiner Oberfläche aus bewirkt, indem es das Gasgemiſch ent⸗
zündet.
Das Platin wirkt auf dieſe Weiſe am ſtärkſten, wenn es ſich
in höchſt feiner Vertheilung befindet, wie in der Form von Platin—
ſchwamm, weil dem Sauerſtoffgaſe eine Menge von Berührungs—
punkten dargeboten wird. Auf die Aufſaugung des Sauerſtoffs
durch Platinſchwamm und die nachherige Zuführung eines Stromes
von Waſſerſtoff auf letztern gründete Döbereiner ſein chemiſches
Feuerzeug.
Der verdichtete Sauerſtoff im Platinſchwamm wirkt jo kräf⸗
tig, daß er Dämpfe von Alkohol ſofort in Eſſigſäure verwandelt,
und würde es kein beſſeres Mittel zur Schnelleſſigfabrikation
geben, als Platinſchwamm, wenn das Metall nicht zu theuer wäre.
Faraday war der Anſicht, die Aufſaugung des Sauerſtoffs
durch Platin ſei einer Adhäſions-Anziehung der Gaſe zum Metalle
zuzuſchreiben, durch welche jene verdichtet werden; allein andere
Erſcheinungen möchten mehr auf eine electriſche Wirkung ſchließen
laſſen, indem die Verdichtungskraft eine ſolch mächtige iſt, daß,
um denſelben Effect auf mechaniſchem Wege zu erlangen, ein Druck
bis zu 1000 Atmoſphären erforderlich ſein würde.
Welche Kräfte der Saugung zu Grunde liegen, wiſſen wir
alſo nicht gewiß, wohl aber, daß nicht allein das Platin, ſondern
auch verſchiedene andere Metalle, ſo wie Kohle, Thon, Bimsſtein,
125
Schwerſpath, Holz u. ſ. w., ja daß vielleicht alle Körper Saug—
fähigkeit haben.
Alle und jede Kohle, dieſelbe mag aus vegetabiliſchen oder
aus thieriſchen Stoffen künſtlich dargeſtellt, oder dieſelbe mag als
Braun⸗ und Steinkohle in der Erde Tiefen abgelagert oder als
Torf an der Oberfläche derſelben verbreitet ſein, ſaugt begierig
Sauerſtoff ein, wenn ſie nach ihrer Darſtellung oder ihrer Gewin—
nung in den Kohlenbergwerken und in den Torfſtichen der atmo—
ſphäriſchen Luft ausgeſetzt wird. Sie thut dies um ſo begieriger
und raſcher, in je feinerer Vertheilung ſie ſich befindet, und je
wärmer die äußere Luft iſt.
Namentlich ſaugt friſch gebrannte Meilerkohle oft ſo viel und
ſo begierig Sauerſtoff auf, und die Wärmeentwicklung vermehrt
ſich dabei ſo ſtark, daß Selbſtentzündungen erfolgen. Je höher,
wie oben geſagt, bei dieſem Prozeſſe die Temperatur der äußern
Luft iſt, deſto raſcher erfolgt die Aufſaugung. Bei ſchwüler Wit—
terung in den Sommermonaten ſpürt man daher dieſe Einwirkung
in ſolchen Stein- und Braunkohlen-Bergwerken, wo das Flötz
ſehr mächtig und man gezwungen iſt, einen Theil der klaren Stein—
und Braunkohlen als Bergverſatz in den Grubenräumen belaſſen
zu müſſen, ſehr deutlich. Leider erfolgen dann durch dieſen Prozeß
nicht allein häufig Selbſtentzündungen der Kohle, ſondern die ver—
mehrte Auffaugung des Sauerſtoffs läßt den Stickſtoffgehalt der
Luft auch ſo hervortreten, daß das Athmen der Arbeiter nicht mehr
vor ſich geht, daß die Grubenlichter verlöſchen und die Gruben—
räume öfters auf kürzere oder längere Zeit verlaſſen werden müſſen.
Nur durch eine bedeutend vermehrte Zuführung von äußerer reiner
Luft können ſolche Bergwerke im Betriebe erhalten werden.
Kommt friſch gezogene Holz- oder ſoeben erſt aufgehauene
Steinkohle in klarem Zuſtande, zumal wenn ſie ſich noch nicht voll
Sauerſtoff geſaugt hat, unter Abſchluß der äußern Luft mit Holz
in Berührung z. B. mit der Zimmerung in Steinkohlengruben,
dann ſucht ſie ſich des Sauerſtoffs deſſelben zu bemächtigen und in
demſelben dadurch ebenfalls eine Verkohlung einzuleiten. Dieſe
Sauerſtoff-Aufſaugung der Kohle aus in ihr liegendem Holze
kann unter Umſtänden ſo energiſch erfolgen, daß ebenfalls Selbſt—
126
entzündungen dadurch entſtehen. Bei friſcher klarer Meilerkohle
kommen zuweilen ähnliche Erſcheinungen vor, wenn ſie an Holz—
oder Breterwände abgelagert wurde. Es entſtanden hierdurch nicht
ſelten Brände, deren Urſache man ſich nicht zu erklären vermochte.
Wie zerſtörend ſolche klare Kohle auf das Holzwerk durch
Entziehung des Sauerſtoffs deſſelben wirkt, dies ſehen wir am
deutlichſten an und in Kohlhäuſern, wo dieſelbe an die Wandun—
gen angeſtürzt wurde. Nach Verlauf weniger Jahre ſind dieſelben,
namentlich wenn Feuchtigkeit vorhanden iſt, zerfreſſen.
Aber nicht allein Sauerſtoff ſaugt die Kohle ein, auch Stick
ſtoff. Stickſtoff-Verbindungen werden begierig von ihr aufgenom—
men, und ſie wurde dadurch in neueſter Zeit als bewährteſtes Mit—
tel zur Luftreinigung gebraucht und leiſtet in dieſer Beziehung die
ausgezeichnetſten Dienſte.
Vermöge ihrer bedeutenden Saug- und Verdichtungsfähig—
keit, nicht allein bezüglich des Sauerſtoffs, ſondern auch des Am—
moniaks und des Waſſers, iſt die Kohle eines der wichtigſten
Düngemittel.
Durch die Aufnahme und Verdichtung des Sauerſtoffs geht
von ihr nicht allein die unausgeſetzte Bildung großer Maſſen von
Kohlenſäure aus, welch' letztere als das Hauptnahrungsmittel
aller Pflanzen zu betrachten iſt, ſondern ſie verſorgt durch die ſtarke
Aufſaugung des Ammoniaks, von dem ſie das 90fache ihres Vo—
lumens aufzunehmen vermag, jene auch mit dem zweitwichtigſten
Nahrungsſtoffe — dem Stickſtoffe — und verſorgt drittens durch
Aufſaugung und Bindung von Waſſer die Pflanzen in der trocknen
Jahreszeit auch mit dem für ihr Gedeihen ſo unentbehrlichen
Waſſer, oder mit andern Worten: ſie fördert die waſſerbindende
Kraft des Bodens.
Je feiner die Vertheilung des Kohlenſtoffs iſt, um ſo größer
erſcheint deſſen Düngekraft; wir ſehen dies am deutlichſten am
Ruß, wo er ſich in feinſter Vertheilung befindet. Aber auch ganz
klare Kohle, der Humus, der ſpeckige Torf wirken auf ähnliche
Weiſe.
Aller ſchwarzer, durch viel Kohlenſtoff geſchwängerter Boden
— wenn durch Beimengung von zu viel Thonerde oder durch
127
0
einen thonigen Untergrund deſſen waſſerbindende Kraft nicht zu
groß iſt, wie wir ſpäter bei der Thonerde zu ſehen Gelegenheit be—
kommen werden — iſt der fruchtbarſte Boden. Man werfe nur
einen Blick in die ſogenannten Marſchen und Niederungen, wo
dem Boden viele Torfkohle beigemengt iſt. Aber auch in unſern
Waldungen zeigt ſich die düngende Kraft der Kohle an den Bäu—
men, welche auf alten Meilerſtätten aufwuchſen, ganz deutlich.
Ueberſtreut man Wieſen mit klarer Kohle, ſo zeigt ſich deren
Wirkung überraſchend ſchnell. Durch die Abgabe des aufgenom—
menen Ammoniaks erſcheinen ſofort andere Gewächſe; namentlich
ſind es Kleearten, welche ſich über die beſtreuten Diſtrikte, die durch
die vermehrte Kohlenſäure-Bildung außerdem noch einen lebhaf—
teren Wuchs und ein ſaftigeres Grün zeigen, verbreiten.
Ein anderer, für uns wohl der wichtigſte Sauerſtoff-Am—
moniak⸗ Wafjer- Sauger iſt die Thonerde, hauptſächlich in
ihrer Verbindung mit Kieſelerde zu Thon. Letzterer, faſt in jeder
Bodenart in größerer oder geringerer Menge vorkommend, wirkt
nicht allein durch die Sauerſtoff-, ſondern auch durch die Waſſer—
ſaugung und überdies noch durch die Bildung von Kali und deſſen
Zuführung in die Pflanzen ungemein günſtig auf die Vegetation.
Der Thon geht nämlich faſt immer aus der Zerſetzung feldſpath—
haltiger Geſteine hervor; das hierbei frei werdende Kali wird von
den Pflanzen aufgenommen und aus der Aſche letzterer für die Ge—
werbe gewonnen.
So verſchiedenartig die Thonerde auch von der Kohle iſt, fo
hat fie mit derſelben doch ſehr viel gemein. So wie z. B. der Koh—
lenſtoff in größter Reinheit als der härteſte und koſtbarſte Edelſtein
— als Diamant —, ſo bildet auch die Thonerde in ihrem reinen
Vorkommen zwei der werthvollſten und geſchätzteſten Edelſteine:
den Sapphir und den Rubin. Gerade ſo wie die Kohle auf viele
gefärbte Flüſſigkeiten einwirkt, fo thut es auch die Thonerde, und
in der Aufſaugung von Gasarten und Feuchtigkeiten verhalten fie
ſich wiederum gleich; ja die Thonerde übertrifft die Kohle noch be:
züglich der Aufſaugung des Sauerſtoffs, des Waſſers und Am—
moniaks.
Die Bergleute haben daher in Gruben, wo Thonerde und
128
Thonerde » Berbindungen fehr häufig find, faſt ſtets mit ſchlechten
Wettern (unathembarer Luft) zu kämpfen, und die Zimmerung in
ſolchen Gruben iſt deshalb einer ſehr ſchnellen Zerſtörung ausge—
ſetzt, weil der Thon ſich nicht allein des Sauerſtoffs der Luft, ſon—
dern — wenn dieſe nicht in gehöriger Menge vorhanden — auch
des Sauerſtoffs des Holzes bemächtigt und dadurch eine Verdich—
tung oder, mit andern Worten, eine Zerlegung deſſelben in ſeine
Beſtandtheile, in Kohlenſtoff, Waſſerſtoff und Sauerſtoff, herbei—
führt.
Nicht allein der Bergmann gewahrt indeſſen dieſe nach—
theilige Einwirkung des Thons auf die Hölzer, ſondern wir finden
dieſelbe im gewöhnlichen Leben ſtets und namentlich in naſſen
Sommern, wo ſie von unberechenbarem Nachtheile für Neubauten
iſt und das Holzwerk derſelben — iſt der Prozeß einmal eingeleitet
— mit unaufhaltſamer Geſchwindigkeit zerſtört.
Die Thonerde, fo unumgänglich nothwendig fie faſt bei allen
Bauten iſt, erweiſt ſich daher unter gewiſſen Umſtänden dennoch
als der größte Feind der Baumeiſter und Bauunternehmer, nament—
lich wenn derſelben vor ihrer Verarbeitung nicht die gehörige Auf—
merkſamkeit geſchenkt wurde.
So ſtark nämlich die waſſerſaugende Kraft derſelben iſt, ſo
ſtark iſt ihre ſauerſtoffſaugende, wenn ſie vom naſſen in den trocke—
nen Zuſtand übergeht. Wird ſie nun vor ihrer Verwendung bei
Bauten friſch aus den Gruben genommen und der Luft im trockenen
Zuſtande nicht ſo lange ausgeſetzt, bis ſie ſich gehörig mit Sauer—
ſtoff verſorgte, oder wird ſie in den Gebäuden ſo verwandt, z. B. zu
Ausfüllungen unter Fußböden, bei Beklebungen von Wänden ıc.,
daß der Sauerſtoff der äußern Luft nicht in gehöriger Menge zu
ihr gelangen konnte, ſo bemächtigt ſie ſich des Sauerſtoffs des ihr
zunächſt gelegenen Holzes und leitet in letzterem eine Verkohlung
ein, die wir im gewöhnlichen Leben mit dem Namen Schwamm—
bildung bezeichnen, und die in kurzer Friſt unaufhaltſam zer—
ſtörend auf ganz neuerrichtete Gebäude einwirkt.
Alles Holz, welches von nicht voll Sauerſtoff geſaugtem,
alſo naſſem Thon bedeckt, das von demſelben umſchloſſen wird,
erliegt im Verlaufe der Zeit dieſer Einwirkung; daher ſehen wir
129
auch alle Anthracit-Stein- und Braunkohlen- fo wie die Torf-
Lager von Thon umgeben oder doch auf einem thonigen Unter—
grunde abgelagert, und lediglich die noch nicht gehörig verfolgte
und ſorgfältig genug erkannte Aufſaugung des Sauerſtoffs aus
der abgelagerten Pflanzenmaſſe durch den Thon war und iſt heute
noch die Urſache der Geſammt-Kohlenbildung im großen Haus—
halte der Natur.
Wie alle chemiſchen Prozeſſe um ſo raſcher und energiſcher
vor ſich gehen, je größer die Wärme iſt, unter welcher ſie ver—
laufen, um ſo vollkommener geht auch die Aufſaugung des Sauer—
ſtoffs durch die Thonerde vor ſich, je höher jene ſtand. Aus dieſem
Grunde finden wir auch die Verkohlungen in den Gebirgsſchichten
auf unſerer Erdoberfläche um ſo vollkommener, je höher zur Zeit
der Ablagerung der Vegetabilien und deren Bedeckung mit Thon
und thonigen Geſteinarten die Temperatur auf derſelben war. So
iſt z. B. unſern älteſten Kohlenlagern — den Anthraciten — durch
die überdeckenden Thonerdeverbindungen der Sauerſtoff faſt gänzlich
entzogen, der Waſſerſtoff hat ſich mit einem Theile des Sauerſtoffs
zu Waſſer verbunden, und der Kohlenſtoff allein iſt zurückgeblieben.
Zur Zeit der Steinkohlenablagerung, wo die Temperatur ſchon
niedriger war, iſt etwas mehr Sauerſtoff bei der Kohle verblieben,
und je jünger von hier ab die kohligen Ablagerungen werden, um
ſo mehr Sauerſtoff und Waſſerſtoff finden wir noch bei ihnen, ſo
daß wir z. B. bei der Braunkohle die Holzſtruktur, bei den Torfen
ſogar die einzelnen Pflanzen noch deutlich erkennen, aus denen
Braunkohle und Torf hervorgingen.
Wir ſahen weiter oben: daß die Thonerde und deren Verbin—
dungen, wenn ſie in den Bergwerken häufig vorkommen, ſehr nach—
theilig auf die Geſundheit der Bergarbeiter bezüglich der Zerſetzung
der Grubenluft einwirken; ſie bekommen hier nämlich ſehr häufig
die ſogenannte Bergkatze — die Schwindſucht. Zugleich ſehen wir
aber auch: daß ſie gerade ſo nachtheilig auf die Arbeiter bei vielen
techniſchen Gewerben wirken. Wie ſie in den Gruben die Zim—
merung durch Entziehung des Sauerſtoffs zerſtören, ſo zerſtören
ſie in Ziegeleien, Töpfereien, Steingut- und Porzellanfabriken die
Hölzer, auf und an denen fie lagern. Man betrachte nur die Unter—
Engelhardt, die Nahrung der Pflanzen. 9
130
ſchwellungen der meiften Ziegelſcheunen. Aber auch die Geſund—
heit der Töpfer, der Porzellandreher u. ſ. w. greifen die thonigen
Maſſen ungemein an. Man ſorge daher in allen Fabriken, wo der—
gleichen verarbeitet werden, für eine gehörige und vollſtändige Zu⸗
führung von friſcher Luft, namentlich in den Räumen, wo die
Geſchirre gedreht und wo die gedrehten Gefäße von dem naſſen in
den trockenen Zuſtand übergehen; denn in dieſen Räumen wird
eine große Maſſe von Sauerſtoff aufgeſaugt, und durch den
überwiegend zurückbleibenden Stickſtoff, in Verbindung mit der
ausgeathmeten Kohlenſäure, werden die Lungen der Arbeiter jo
angegriffen, daß Viele die Schwindſucht ſchen in der Blüthe bez
Jahre bekommen.
So nachtheilig die Aufſaugung des Sauerſtoffs während
dem Drehen und Trocknen der Thongeſchirre auf die Geſundheit
der Arbeiter und auf die Zerſtörung der Hölzer einwirkt, welche
mit dieſen thonigen Maſſen in Berührung ſtehen, ſo günſtig tritt
ſie dagegen beim Brennen der Geſchirre auf. Es würde bei weitem
mehr Brennmaterial erforderlich ſein, wenn die Geſchirre vor die—
ſem Prozeſſe nicht ſoviel Sauerſtoff aufgeſaugt hätten, der die
Verbrennung und die Steigerung der Hitze im Porzellan-Töpfer—
und Ziegelbrennofen alsdann ſehr ſteigert.
Am wichtigſten wirken Sie Thone aber unbedingt als Giger
in der Land- und Forſtwirthſchaft, indem fie eine große Menge
von Sauerſtoff in ſich aufnehmen und dadurch bei Gegenwart von
Düngemitteln, die großentheils aus kohlenſtoffhaltigen Maſſen be-
ſtehen, die Kohlenſäurebildung in der Ackerkrume ungemein ver—
mehren, zugleich aber auch durch die mit dieſer Saugung in un—
mittelbarer Verbindung ſtehende große Wärmeentwickelung die
Vegetation raſch vorwärts treiben. Dabei vermitteln ſie zugleich
die Zerlegung aller holzigen Theile im Miſte, indem ſie den Sauer—
ſtoff derſelben aufſaugen und Waſſer- und Kohlenſtoff zurück laſſen
und letzteren dann auch wieder in Kohlenſäure verwandeln. Wie
ſehr die Sauger die Wärme in der Ackerkrume ſteigern, dies ge—
wahrt man recht deutlich, wenn im Frühlinge in ein recht gut
geklärtes und gedüngtes Feld ein Thermometer geſtellt wird; es
- 131
wird faft immer 15 bis 24 Grad mehr Wärme zeigen, als die
daſſelbe umgebende äußere Luft.
Auf einen größeren oder geringeren Gemengtheil der ver—
ſchiedenen Bodenarten an Thonerde und Kohlenſtoff iſt daher die
vermehrte oder verminderte Fruchtbarkeit der Felder begründet.
Wir ſahen weiter oben beim Platin, wie ungemein die Auf—
ſaugung durch eine aufgelockerte und dadurch vergrößerte Ober—
fläche begünſtigt wird, ſo daß z. B. der Platinſchwamm in kurzer
Zeit ſoviel Sauerſtoff aufzunehmen vermag, daß er beim Zuſam—
mentreffen mit Waſſerſtoff unter Feuererſcheinung beide Gasarten zu
Waſſer verbindet. Ganz ähnliche Erſcheinungen haben wir bei der
Ackererde; je klarer ein Boden gemacht, je ſorgfältiger er alſo be—
arbeitet wird, deſto fruchtbarer iſt er. Der Grund, warum gut
bearbeitete und von Zeit zu Zeit wieder aufgeeggte Ackerflächen
eine ſo bedeutend vermehrte Fruchtbarkeit zeigen, iſt aber lediglich
und allein darin zu ſuchen: daß dieſelben dadurch eine größere
Saugfähigkeit erlangen daß der Thonerde bis zu der Tiefe, wo
die Pflugſchar nicht mehr wendet, ſehr viele e
mit der atmoſphäriſchen Luft dargeboten werden.
Durch die vermehrte Aufſaugung von Sauerſtoff wird aber,
wie wir ſahen, nicht allein der Boden ſehr erwärmt und bei dieſer
Erwärmung eine ſchleunigere Zerſetzung des Düngers und zwar da—
durch herbeigeführt, daß ſich der Kohlenſtoff mit dem aufgeſaugten
und verdichteten Sauerſtoff ſehr leicht zu Kohlenſäure, dem Haupt—
nahrungsmittel der Pflanzen, vereinigt, ſondern es wird — da die
Thonerde, gleich dem Kohlenſtoff, auch ein ſtarker Waſſerſauger
iſt — zugleich viele Feuchtigkeit aufgenommen, die aus der Luft
dem Boden zugeführt wird. Letztere iſt aber für die Entwickelung
und Ausbildung der Pflanzen ſo nothwendig als Kohlenſäure und
Stickſtoff. Daß die Thonerde die Urſache dieſer günſtigen Wirkun—
gen war, dies kannten wir wohl ſeither ſchon aus Erfahrung; daß
aber die Saugfähigkeit derſelben der Grund hierfür ſei, dies war
ſeither wohl weniger bekannt. Es ſollte daher jeder rationelle
Landwirth dieſer ſo höchſt wichtigen und folgenreichen Erſcheinung
ſein Hauptaugenmerk zuwenden.
Bodenarten, die wenig oder keine Thonerde enthalten, ſind
9 *
132
trotz ſtarker Düngungen nicht ſehr fruchtbar, ebenſo ſolche, welche
zu feucht ſind und daher durch die viele Näſſe an der Aufſaugung
von Sauerſtoff verhindert werden. In ſehr feuchtem Boden wer—
den die Düngemittel noch ſchwerer zerſetzt, als in Bodenarten,
welche wenig oder keine Thonerden enthalten; der Landwirth nennt
ſie kaltgierig, und ſie tragen beiderſeits nur ſpärliche Früchte.
Man kann ſie verbeſſern, wenn man ihnen durch Zuführung von
Thonen oder thonigen Mergeln Sauger giebt, oder wenn man
ihnen durch Drainage das überflüſſige Waſſer benimmt.
Die günſtige Wirkung, welche durch die Auflockerung des
Bodens, und zwar durch die hierdurch vermehrte Saugfähigkeit
deſſelben erlangt wird, iſt überraſchend. Wir ſehen dies täglich
mit unſern eigenen Augen. Man betrachte nur den Gras-Ge—
treide- oder Baumwuchs auf friſch aufgeworfenen Dämmen. Man
ſammle die Früchte auf einem rajolten Stück Landes, das mit
einem andern gewöhnlich beackerten und gleich jenem bedüngten
einen viel, viel höheren Ertrag liefert. Man vergleiche den Rüben—
und Kartoffelertrag bei gleicher Größe und guter Düngung, bei
mehrmaliger Behackung und Anhäufelung des einen Feldes, gegen
ein nicht behacktes und nicht behäufeltes! Man wird dann ſofort
gewahren, was darauf ankommt, der Luft eine große Menge von
Saugern, und zwar ſehr oft, bloß zu legen.
Auch die Drainage wirkt auf dieſe Weiſe. Die Aufſaugung
von Sauerſtoff und die mit derſelben in unmittelbarer Verbindung
ſtehende Zerſetzung der Düngemittel im Boden muß — wie wir
bereits ſahen — um ſo raſcher vor ſich gehen, je mehr derſelbe ge
klärt iſt; denn durch die vermehrte Aufſaugung und Verdichtung
des Sauerſtoffs, ſo wie durch die damit in engſter Verbindung
ſtehende Zerſetzung der Düngemittel wird eine bedeutende Wärme
frei, welche für die raſche und kräftige Entwickelung der Pflanzen
unumgänglich nothwendig iſt. Bei Feldern mit naſſem Unter—
grunde iſt aber eine gehörige Klärung des Bodens nicht möglich;
es geht deshalb die Aufſaugung des Sauerſtoffs nur langſam vor
ſich, und der Ertrag des Feldes iſt ganz gering. Wird nun durch
die Drainage die überflüſſige Feuchtigkeit fortgeſchafft, ſo iſt auch
133
eine beſſere Klärung und mit dieſer ein gefteigerter Ertrag die un—
ausbleibliche Folge.
Bei Feldern mit naſſem Untergrunde wirkt übrigens außer—
dem noch die Feuchtigkeit durch Entziehung und Bindung der
Wärme äußerſt ungünſtig ein. Je höher nämlich im Sommer die
äußere Temperatur der Luft ſteht, um ſo mehr wird Waſſer aus
naſſem Boden verdampfen; dieſes Waſſer braucht aber, um aus
dem tropfbarflüſſigen in den gasförmigen Zuſtand überzugehen,
eine große Menge von Wärme, die es natürlich der nächſten Um—
gebung, alſo dem Felde, entzieht. In ſolch naſſen Feldern kann
die Zerſetzung der Düngemittel nur äußerſt langſam vor ſich gehen,
und die Vegetation bleibt daher auf ihnen eine kümmerliche. Durch
die Drainage benimmt man dieſen Feldern die Näſſe, und ihre
Wirkung iſt daher eine doppelte; denn einmal macht ſie eine beſſere
Klärung des Bodens möglich, der dann geeignet wird, die ge—
hörige Quantität Sauerſtoff zur vollkommnen Zerſetzung der
Düngemittel aufzunehmen; dann beſeitigt ſie aber auch die ober—
flächliche Näſſe, durch deren Verdampfung dem Boden diejenige
Wärme entzogen wird, welche für den Vegetationsprozeß unum—
gänglich nothwendig iſt.
Wie begierig in gut geklärtem Boden die Thonerde Sauer—
ſtoff ſelbſt aus Körpern aufſaugt, welche an der Luft ſchwerer zer—
ſtörbar ſind, das können wir täglich in unſern Gärten beobachten.
Werden hier Pfähle durch das aufgelockerte Erdreich in den feſten
Untergrund getrieben, ſo beginnen die Sauger in dem Theile des
Bodens, der aufgelockert war, ungeſäumt ihr Geſchäft, und das
Reſultat iſt, daß die Pfähle nach Verlauf einiger Sommer ſoweit
in rothe Kohle verwandelt ſind, als ſie im lockern Erdreich ſteckten;
der der äußern Luft zugekehrte Theil, ſo wie der Theil, der im feſten
Untergrunde ſtand, hat ſich dagegen gut erhalten. Faſſen wir eine
Rabatte mit einem Brete ein, ſo iſt die innere Seite deſſelben nach
Verlauf eines Sommers des größten Theils ihres Sauerſtoffs
beraubt, und zwar ſo weit, als die geklärte Gartenerde an dem
Brete heraufreichte. Dieſelbe Erſcheinung gewahren wir an Schwel—
len, die entweder zu tief liegen, ſo daß ſie von klarer Erde berührt
werden, oder deren Unterlage aus ſehr thonhaltigen Geſteinen be—
13%
fteht. In Bezug auf ſolche Geſteine ift von den Bauleuten die
größte Vorſicht zu beobachten; ich kenne großartige Brückenbauten,
wo die Holzſchwellungen nach Verlauf weniger Jahre ſchon voll—
kommen zerſtört waren. Es lag dies lediglich an den Steinen, auf
die jene Hölzer zu liegen kamen, und die bei einem großen Thon—
erdegehalte das Geſchäft des Saugens und der damit innig zu—
ſammenhängenden Schwammbildung ſofort begannen.
Daß die gut aufgelockerte Ackererde den Sauerſtoff, nament—
lich im Sommer, mit großer Begierde aufſaugt, davon können
wir uns alle Augenblicke überzeugen; wir dürfen derſelben nur die
Gelegenheit benehmen, ſich mit Sauerſtoff aus der atmoſphäriſchen
Luft zu verſorgen, und ſie deshalb mit Bretern, Holz, Heu, Stroh,
Laub oder überhaupt mit ſauerſtoffhaltigen Körpern bedecken; un—
geſäumt beginnen dann die Sauger ihr Geſchäft, bemächtigen ſich
des Sauerſtoffs dieſer Körper, und nach kurzer Zeit finden wir
dieſelben auf ihrer Auflagerungsfläche ſchon umgeändert. Stets
iſt es die Thonerde und neben ihr der Kohlenſtoff, welche dieſe
eigenthümliche und für die Landwirthſchaft ſo wichtige und erfolg—
reiche Rolle ſpielen, und wir erhalten durch ſie darüber auch klaren
Aufſchluß, warum das Ginftreuen von Sägeſpänen, Stroh u. 12 w.
ſo günſtig auf die Vegetation wirkt.
Verfolgen wir dieſen wichtigen Sauger — die Thonerde —
im großen Haushalte der Natur, ſo erkennen wir auch hier — wie
überall — die unendliche Größe und Weisheit unſeres Schöpfers.
Wenn zur ſchnellen Entwickelung und kräftigen Ausbildung der
Gewächſe eine beſtimmte Quantität Wärme im Boden nothwen—
dig iſt und dieſe durch die Sauger mit erregt und bedingt wird,
ſo müſſen im höheren Norden unſerer Erde Gebirgsarten getroffen
werden, aus denen durch die Zerſetzung Ackererden hervorgehen,
die größere Mengen von Thonerden enthalten, damit bei der nur
kurzen Dauer der Sommer in jenen Gegenden die Pflanzen ſich
raſcher entwickeln und die Saamen ſchneller zur Reife gelangen;
und in der That, wir finden dies in der Wirklichkeit beſtätigt;
denn je höher wir nach dem Norden hinaufgehen, deſto mehr
Granit, Syenit, Gneiß, Glimmerſchiefer, Diorit, Grauwacken und
Thonſchiefer kommen uns entgegen; alle dieſe Geſteine geben aber »
*
135
bei ihrer Zerſetzung reichliche Mengen von Thonen. Wenden wir
uns nun nach dem Süden, ſo finden wir jene Geſteine im beſtän—
digen Wechſel mit großen Kalkablagerungen, und ſind letztere hier
offenbar deshalb in größerer Quantität vorhanden, damit die
Vegetation bei der hier ſtattfindenden größeren Wärme durch An—
weſenheit von zu viel Saugern ſich nicht überſtürze und die Saa—
menbildung dadurch nicht zerſtört werde.
Außer Thonerde und Kohle iſt Bimsſtein ein ſtarker Sauerſtoff—
ſauger und wird deshalb bereits in der Technik zur Darſtellung
von Eſſigſäure benutzt. Aber auch die Vegetation befördert er durch
dieſe Eigenſchaft ſehr, wie wir dies an der Frucht der meiſten vul—
kaniſchen Bodenarten gewahren, in welchen er einen weſentlichen
Beſtandtheil ausmacht.
Eine Menge von Hölzern ſaugt ebenfalls begierig Sauerſtoff
auf; ja es geſchieht dies von allen Pflanzen, die denſelben alsdann
in ihren Organen verarbeiten und ihn mit Kohlen- und Waſſerſtoff
zu Holzfaſer umwandeln. Es geht daher der wichtigſte Saugungs—
prozeß nicht allein durch das anorganiſche, ſondern auch durch das
Pflanzenreich, und kann man mit Sicherheit annehmen, daß auch
die thieriſchen Organismen ihr Beſtehen und Wohlbefinden zum
großen Theile dem Saugungsprozeß verdanken. Von der Aufſau—
gung des Sauerſtoffs durch verſchiedene Hölzer machen wir in der
Technik Gebrauch und verwenden z. B. die Buchenſpäne ſchon zur
Eſſigfabrikation.
Auch das Waſſer iſt ein Sauerſtoffſauger. In feſter Ge—
ſtalt, als Schnee, ſaugt es nur Kohlenſäure und Ammoniak
auf, ſowie jedoch der Schnee ſchmilzt und wieder zu Waſſer wird,
beginnt auch die Sauerſtoffſaugung wieder. Die im Schnee—
waſſer enthaltene Luft hat dann 31 bis 33 Procent, oder 10 bis
12 Procent mehr Sauerſtoff aufgenommen, als die welche in un—
ſerer Atmoſphäre enthalten iſt. Ein ſolcher Mehrbetrag von Sauer—
ſtoff in der im Waſſer enthaltenen Luft iſt von hohem Werthe für
den Ernährungsprozeß der Pflanzen, iſt von hoher Wichtigkeit für
eine große Anzahl von Thieren; denn die Geſammtzahl der Fiſche,
eine große Menge von Amphibien würden nicht leben können, wenn
das Waſſer nicht ſo viel Sauerſtoff in der mit ihm gemiſchten Luft
136
enthielte. Es verfteht ſich von ſelbſt, daß fie den erforderlichen Be—
darf an Lebensluft leichter aus einer Waſſermenge aufzunehmen
vermögen, die einen Drittheil, als aus einer andern, die nur einen
Fünftheil derſelben enthält. Bleiben daher Fiſche in einem Behäl—
ter von geringem Umfange, der keinen Zu- und Abfluß von Waſſer
hat, ſo zehren ſie die Lebensluft bald auf und ſterben; ein über Nacht
ausbleibender Brunnen giebt uns hierfür einen treffenden Beleg.
Wie wir bereits weiter oben bemerkten, iſt der Saugungs—
prozeß noch ins Dunkel gehüllt, bei ſeiner genauern Erforſchung
müſſen aber ungemein wichtige Aufſchlüſſe über viele uns noch
nicht klar gewordene chemiſche Prozeſſe erlangt werden. Der Schnee,
welcher weiter nichts iſt, als gefrornes Waſſer, ſaugt z. B. in die—
ſer Form keinen Sauerſtoff, wohl aber Kohlenſäure und Ammoniak
auf; ſowie er aber zu thauen beginnt, dann fängt er ſogleich an
Sauerſtoff zu ſaugen; füllt man daher eine Flaſche mit Schnee,
verkorkt ſie gut und ſtellt ſie an einen warmen Ort, damit der Schnee
ſchmilzt, fo bekommt man in der Flaſche 3 Waſſer, während die
übrigen 3 mit Luft gefüllt bleiben. Unterſucht man dieſe Luft
chemiſch, ſo findet ſich in ihr viel weniger Sauerſtoff, als in der
äußern atmoſphäriſchen, und in der Regel enthält dieſelbe nur 12
bis 13 Prozent. Der Schnee nahm alſo, ſowie er zu Waſſer
wurde, eine bedeutende Menge von Lebensluft in ſich auf. Dieſelbe
Erſcheinung giebt ſich beim Regen kund. Bei ſeinem Niederfallen
ſaugt er nicht allein eine Menge dem Thierleben nachtheilige Gaſe,
ſondern auch Sauerſtoff auf und wirkt dadurch wohlthätig auf den
menſchlichen Organismus, zugleich aber auch ungemein günſtig
auf das Pflanzenwachsthum ein, denn letztere empfangen dadurch
nicht allein eine große Menge der trefflichſten Nahrungsſtoffe: Koh—
lenſäure und Ammoniak, ſondern auch Sauerſtoff zu fernerer Be—
reitung von Kohlenſäure aus dem Humus des Bodens.
Wenn wir eine Handvoll Schnee nehmen und denſelben in
Kalkwaſſer werfen, ſo entſteht in demſelben ſofort eine Trübung
und es bildet ſich kohlenſaurer Kalk. Hierdurch wird der Beweis
geliefert: daß der Schnee viel Kohlenſäure in ſich aufnimmt. Der
Schnee iſt daher ein Sauger jener Säure und nimmt überdies noch
Ammoniak auf. Auch an ihm haben wir ein Beiſpiel: daß die
137
Wiſſenſchaft ſpäter erft Erklärungen über Erſcheinungen giebt,
welche die Praxis bereits längſt als günſtig auf die Vegetation
einwirkend erkannt hatte. Der Landwirth hält es bekanntlich für
ein gutes Zeichen, wenn der Winter eine tiefe Schneedecke über eine
Landſchaft verbreitet; er ſagt dann: das Feld ruht beſſer, friert
gehörig aus, wird mürber und lockerer und dadurch fruchtbarer. Da
der Froſt durch eine ſtarke Schneedecke bekanntlich nicht durchwirkt,
ſo kann der angeführte Grund nicht ſtichhaltig ſein; die Wiſſenſchaft
urtheilt deshalb auch ganz anders und erklärt die Erſcheinung aufs
Deutlichſte. Der Schnee als Sauger hat nämlich im hohen Grade
die Fähigkeit gasförmige Körper aus der Atmoſphäre in ſich aufzu—
nehmen und dieſelben zu verdichten; beim Schmelzen ſaugt das aus
ihm hervorgehende Waſſer außerdem noch Sauerſtoff auf und die
Ackerkrume bekommt daher durch ihn nicht allein die wichtigſten
Nahrungsmittel der Pflanzen: Kohlenſäure und Ammoniak, ſon—
dern zur ferneren Bereitung von Kohlenſäure auch noch Sauerſtoff
zugeführt. Hierinnen liegt die fruchtbringende Wirkung des Schnees,
die um ſo größer ſein wird, je ſtärker der Schneefall war. Hieraus
ergiebt ſich aber ferner auch, warum die Pflanzen nach ſeinem
Schmelzen ſo ſchnell erwachen und den Nahrungsſaft aufnehmen,
und warum das Schneewaſſer zur Bewäſſerung der Wieſen ſo zweck—
dienlich iſt.
Aus der Eigenſchaft des Waſſers Sauerſtoff und Kohlenſäure
aufzuſaugen läßt ſich noch manche günſtige Erſcheinung beim
Pflanzenwachsthum erklären. Alles Waſſer was ſtille ſteht, was
ſich wenig bewegt muß phyſikaliſchen Geſetzen nach mehr Sauer—
ſtoff und mehr Kohlenſäure aufſaugen, oder dieſe Gasarten viel—
mehr feſter halten, als dasjenige, welches raſch über harte Gegen—
ſtände dahin ſchießt, von Felſen herabſtürzt, oder ſich aus Röhren
in Baſſins, Käſten u. ſ. w. ergießt; denn beim Falle und heftigen
Aufſtoß entfernet ſich die Luft und damit der Sauerſtoff und die
Kohlenſäure aus dem Waſſer, wie wir dies täglich an Spring—
brunnen und bei Platzregen in der Umgebung der großen Waſſer—
tropfen, die aus den Wolken herabfallen, gewahren können. Je
langſamer und aus je kleineren Theilchen ſich das Waſſer zuſam—
menzieht, deſto mehr Gasarten wird es in ſich aufnehmen. Daher
138
nennen wir recht feine klare Regen — im Gegenſatz zu Platzregen
— fruchtbare; daher wirkt der Thau ſo ungemein befruchtend, da—
her regt das Schneewaſſer das Wachsthum ſo an; daher vermögen
Fiſche, die vermöge ihres Baues viele Luft bedürfen, in ſtark ab—
ſchießenden Gewäſſern nicht zu leben.
Der Gärtner, obſchon er ſich bis jetzt den Grund nicht zu ent—
räthſeln vermochte, kennt die Eigenſchaften des Waſſers in dieſer
Beziehung dennoch recht gut. Aus Springbrunnen und muntern
Bächen vergießt er daſſelbe nicht ſofort nach dem Herausſchöpfen,
er läßt es erſt längere Zeit in Kübeln und in Zubern ſtehen, hier
nimmt es Sauerſtoff und Kohlenſäure auf und wirkt dann günſti—
ger. Bei trockner Witterung, wo wir unſere Gartenbeete mit Brun—
nenwaſſer begießen, hören wir gar oft die Aeußerung: das Begießen
mit kaltem Waſſer fruchtet nichts, und laſſen es in der Sonne ſte—
hen, wußten aber nicht: daß ſich daſſelbe hier mit befruchtenden
Beſtandtheilen ſchwängere.
Eigenthümlich und ſehr bezeichnend iſt es: daß ſich die Sauer—
ſtoffſauger zugleich auch als ſtarke Waſſerſauger darſtellen und auch
in dieſer Beziehung ſind ſie für den Pflanzenernährungsprozeß von
höchſter Wichtigkeit. Wir wiſſen, wie begierig die Kohle, wie be—
gierig der Humus, wie begierig die Thonerde und ihre Verbindung
mit Kieſelerde das Waſſer aufſaugen, wie ſie es an ſich halten und
dann ſtets im gehörigen Verhältniſſe an die Saugfäſerchen der
Wurzeln abgeben. Aus der Saugfähigkeit dieſer Stoffe gegen das
Waſſer können wir uns nun recht gut erklären, warum das Auf—
lockern des Bodens, das ſorgfältige Beackern und Beeggen, was
ſcheinbar nachtheilig auf die Verflüchtigung des Waſſers wirken
müßte, gerade in dieſer Beziehung ſo ungemein günſtig wirkt und
warum dies ſtets nach heftigem Regen, wo der Boden feſtgeſchla—
gen wird, öfters wiederholt werden muß. Feſter Boden kann weder
Sauerſtoff noch Kohlenſäure, wenigſtens nicht an allen Stellen
gleichmäßig mit dem Regenwaſſer aufnehmen; beim Auffallen auf
die harte Kruſte werden ſich die Gasarten vom Waſſer trennen und
in die Luft übertreten, letzteres aber in die Furchen abrinnen; die
Folge davon iſt: daß ſich die für den Vegetationsprozeß im Boden
bei den chemiſchen Zerlegungen bildende Wärme, die durch den
139
Sauerſtoff bewirkt wird, nicht gehörig entwickelt: daß ſich der Boden
alſo abkühlt und die Pflanze dann hierdurch und durch die nicht
in hinreichender Menge erfolgende Zuführung von Nahrungsſtoffen
krank wird. Während daher auf dem Sattel der Furche, bei nicht
gehöriger Bodenbelockerung, kränkliche Pflanzen-Individuen erzogen
werden, ſterben die an der Furche ſelbſt ſtehenden durch Erſaufen
ganz und gar ab.
So wie die Kohle neben dem Sauerſtoffe zugleich auch Stick—
ſtoff und Stickſtoffverbindungen aufſaugt, ſo haben wir auch Kör—
per, die letzteres allein verrichten und dadurch von hohem Gewichte
nicht allein für den Pflanzenernährungsprozeß, ſondern auch zu—
gleich für das gedeihliche Fortbeſtehen der thieriſchen Organismen
werden. Namentlich das Eifenvryd und Eiſenoxydhydrat ſpielt in
dieſer Beziehung eine wichtige Rolle, und iſt erſteres zugleich ein
weſentlicher Beſtandtheil vieler Pflanzen und Pflanzenſaamen,
hauptſächlich derer, die zur Ernährung der Menſchen und der
Thiere verwandt werden.
So verbreitet wie das für die Vegetation unumgänglich noth—
wendige Waſſer, fo verbreitet iſt auch das Eifenoryd, fein Hydrat,
und das kohlenſaure Eifenorydul auf unſerer Erde. Selbſt unter,
ja in ſehr vielen Waſſern findet es ſich. Keiner Gebirgsart, keiner
Erdmengung iſt es fremd, aber es iſt den meiſten Pflanzen auch ſo
unentbehrlich, als die atmoſphäriſche Luft, und die thieriſchen Or—
ganismen, welche ihren Eiſenbedarf durch die Pflanzen zugeführt
bekommen, würden nicht beſtehen können, denn ihnen wuͤrde bei
deſſen Ermangelung jede Lebensfähigkeit abgehen. Treten wir an
eine Quelle, die im murmelnden Rauſchen dem Felſen entſtrömt
und fragen: woher kommt das koſtbare Waſſer? ſo erhalten wir
zur Antwort: theils aus ſtehenden übelriechenden Sümpfen, theils
aus Kloaken und ſtinkenden Kanälen der Städte, theils aus den
Miſtjauchen der Dörfer, theils aus Feldern und Wieſen, die mit
übelriechenden Düngeſtoffen überfahren ſind, theils aus dem Mo—
der der Wälder. Stellen wir nun die weitere Frage: wodurch
wurde dieſe übelriechende ſchmuzige Flüſſigkeit zu einem ſo klaren,
wohlſchmeckenden Labetrunk? ſo wird uns die Antwort: durch die
Sauger.
140
Mit größter Sehnſucht erwarten die Bewohner des fruchtbar—
ſten Getreidelandes der Erde unter ihrem glühenden Himmel das
Steigen des Nils, nicht allein weil ſie wiſſen, daß durch deſſen
Ueberfluthung die ſchwelgende Fruchtbarkeit des Landes bedingt
wird, ſondern weil ſie dadurch auch jener ſchrecklichen Geiſel, der
Peſt, überhoben werden. Was bringen ihnen aber jene trüben
Fluthen? Sie bringen Sauger, welche durch Zerſtörung der unter
jenem Gluthhimmel ſo reichlich entſtehenden Miasmen — größten—
theils Stickſtoffverbindungen — zugleich eine außerordentliche
Fruchtbarkeit des Landes herbeiführen. Und welche Stoffe ſind es,
die ſo wohlthätig als Sauger durch Reinigung der Luft und des
Waſſers für Menſchen und Thiere und zugleich ſo ernährend bei
den Pflanzen einwirken? Neben der Kohle iſt es das Eifenoxyd
und deſſen Hydrat. Es iſt daher nöthig, daß ich beim Eiſen
und deſſen Wichtigkeit im organiſchen Reiche etwas verweile. Das
Eiſen erweiſt ſich im Pflanzenleben in zweifacher Beziehung ſehr
heilſam, und zwar einmal als näherer Beſtandtheil der Pflanzen,
das anderemal als Sauger eines ihrer wichtigſten Nahrungsmittel,
des Stickſtoffs und deſſen Verbindungen, namentlich des Am—
moniaks.
In den Gewächſen finden wir das Eiſen als Oxyd abgelagert;
es wird denſelben durch Kohlenſäure, in welcher das kohlenſaure
Eifenorydul löslich iſt, bei Gegenwart von Kieſelſäure zugeführt.
Durch die Gräſer und deren Früchte, durch Kohlarten, Kartoffeln,
Futterkräuter wird es in den menſchlichen und thieriſchen Körper
gebracht, woſelbſt es ſich im Fleiſche und Blute wieder vorfindet
und im letzteren eine der wichtigſten Rollen ſpielt. In den Aſchen
von Weizen, Roggen und Hafer beträgt die Quantität deſſelben
1 bis 123, in den Kartoffeln 2. Erbſen und Bohnen haben
einen etwas geringeren Gehalt an Eiſen.
Bei Verſuchen, welche der Fürſt von Salm-Horſtmar an—
ſtellte, um Hafer ohne Vorhandenſein von Eiſen im Boden zu
ziehen, zeigte ſich: daß der Stängel keine Kraft bekam: daß er glatt
blieb, ſich niederlegte: daß die Blüthen- und Fruchtbildung nicht
vor ſich ging und daß die Pflanze eine matte Farbe behielt. Wurde
aber der Erde etwas Eiſenoryd beigemiſcht, fo erſchien die Pflanze
141
mit einem Male in dunkelgrüner Farbe, die Blätter von üppiger
Kraft zeigten eine beſondere Steifheit und Rauhheit, und auch die
Blüthen- und Fruchtbildung nahm ihren regelmäßigen Fortgang.
Verſuche mit Düngung von Eiſenvitriol haben den Beweis
geliefert: daß guter Weizenboden neben kohlenſaurem Kalke auch
eine gewiſſe Menge von Eifenoryd enthalten müſſe.
Auch wiſſen wir aus Erfahrung: daß ſich der Weizen auf
Feldern, denen das Eiſenoryd nur ſparſam zugetheilt iſt, umlegt.
Kein Boden bedarf aber des Eiſenoryds fo nothwendig, als der,
auf welchem Kartoffeln gezogen werden; dieſelben entnehmen einem
Morgen Landes jährlich 124 Pfund Eifen.
Daß das Eiſen ein Ammoniakſauger ſei, davon ſprachen wir
weiter oben, kommen aber hier nochmals darauf zurück.
Das Ammoniak in Gasform wird vom Eiſenoryde und deſſen
Hydrate aufgeſaugt und verdichtet; bei größerer Bodenwärme, wo
von den Pflanzen eine bedeutende Saugfähigkeit ausgeübt wird,
nehmen es die Wurzeln aus dem Boden auf und führen es in die
Pflanzen über. Durch Verſuche hat man gefunden: daß, wenn
man Humus, Kohlenpulver, gebrannten Thon und Eifenoryd eine
Zeit lang der atmoſphäriſchen Luft ausſetzt und dies Gemenge dann
mit deſtillirtem Waſſer auswäſcht, man eine bedeutende Menge
kohlenſaures Ammoniak erhält. Letzteres wurde alſo aus der atmo—
ſphäriſchen Luft durch Eiſenoryd und Kohle aufgeſaugt.
Auch Gasparin machte bereits darauf aufmerkſam: daß
das Eifenoryd den in Ammoniak verwandelten Stickſtoff aufſauge
und ihn zurückhalte. 5
Wir finden dieſe Anſammlung von Ammoniak in Thonen,
auf denen aus den weiter oben angeführten Gründen, nämlich
durch deren Lage in ſumpfigen Niederungen u. ſ. w., in der Regel
eine verkümmerte Vegetation getroffen wird, oft in reichlichen
Mengen; ſie ſind beim Trocknen dieſer Thone ſchon nach dem An—
hauchen derſelben zu erkennen. Der Thon zeigt aber nur dann
Ammoniakgeruch, wenn er Eiſenoxyd oder Eiſenoxydhydrat bei—
gemengt enthält, und gerade dieſe Felderflächen ſind es, wo die
Drainage ſo große Wunder thut.
142
Nachdem wir das Eifenoryd und deſſen Hydrat als Ammoniak—
ſauger kennen gelernt haben, klärt ſich manche Erſcheinung, die
ſeither in Dunkel gehüllt war, auf. Man unterſuchte den Schlamm
des Nils, auf welchem der vielährige Weizen ſo vortrefflich gedeiht,
daß er einen 20- bis 30fachen Körnerertrag liefert, konnte durch
die aufgefundenen Beſtandtheile aber zu keiner genügenden Erklä⸗
rung über die bekannte Fruchtbarkeit deſſelben gelangen. Die 38
organiſcher Materie ſind nicht ausreichend, dieſe Fruchtbarkeit allein
zu bewirken; außerdem fanden ſich noch 57 Kieſelerde, 122 Alaun⸗
erde, 3 Thonerde, 34 Kalk, ganz geringe Mengen von Kali und
Natron, aber 134 Eifenoryd. Letzteres iſt die Hauptquelle der
Fruchtbarkeit des Nilſchlammes. In dem heißen Klima Aegyptens
bilden ſich eine Menge von Stickſtoffverbindungen, welche, von
dem Eiſenorxyde des Schlammes aufgeſaugt, nicht allein ungemein
vortheilhaft auf die Vegetation, ſondern auch auf das Menſchen—
und Thierleben wirken, indem dadurch die Miasmen zerſtört wer—
den, welche die Peſt und ähnliche Krankheiten erzeugen.
Die ſchwarze Erde im ſüdlichen Rußland iſt über den ſüdlichen
und ſüdweſtlichen Theil des europäiſchen Rußlands in großer Aus—
dehnung und Mächtigkeit verbreitet; ſie iſt die Grundlage des er—
giebigſten Ackerbaues, und auf ihrem Vorhandenſein beruht der
Ueberfluß Rußlands an Getreide. Wird die ſchwarze Erde nur
halbwegs ſorgfältig bearbeitet, ſo trägt ſie viele Jahre hintereinan—
der, ohne die geringſte Bedüngung, das 15- bis 20fache Korn; ſie
beſitzt zwar mehr organiſche Materien als der Nilſchlamm, aber
auch 6 Eifenoryd, welches neben der Kohle auch hier fo günftig
auf den Ertrag wirkt.
Eine Analyſe guten Weizenbodens aus der Gegend von Lille
ergab 4 Eifenoryd. Auch die fruchtbaren Ackererden am Senegal
enthalten viel Eiſen; daſſelbe iſt der Fall in dem reichen Getreide—
boden des ſüdlichen Frankreichs, Englands, Schwedens und Chinas.
Aber auch wir können in unſern Gegenden theilweiſe ſchon aus der
Entfernung guten Weizenboden unterſcheiden; eine röthliche Fär—
bung deutet in der Regel den beſten Weizenboden an.
Nachdem wir aus Obigem geſehen haben, wie günſtig das
Eiſenoryd auf Gräſer, Kartoffeln, Hülſenfrüchte wirkt, glaube ich
143
nicht unterlaffen zu dürfen, auch einige Andeutungen über deſſen
Anwendung zu geben.
Man überſtreue die mit Getreide und Kartoffeln beſtellten
Felder, ſo wie die Wieſen im Herbſte und theilweiſe im Frühjahre
recht bald mit einer dünnen Lage recht fein vertheilten Eiſenorydes,
damit der in der Luft befindliche freie Stickſtoff und deſſen Verbin—
dungen von jenem reichlich aufgeſaugt werde 9).
Wird das Eiſenoryd und deſſen Hydrat in der Landwirthſchaft
erſt angewandt, und gerade, wo es durch langjährige Bebauung
den Feldern zu ſehr entzogen wurde, z. B. durch unausgefegten
Kartoffelbau auf einem und demſelben Felde, dann dürften in
manchen Gegenden beſſere Erndteergebniſſe erzielt werden.
Wir hören nämlich oft die Klage, und namentlich in den Ge—
genden, wo der Kartoffelbau ſeit einer langen Reihe von Jahren
ſtark betrieben wird: daß das Getreide nicht mehr den Ertrag gebe,
wie früher. Es könnte dies wohl an der Abnahme des Eiſens im
Boden liegen; wenn daſſelbe auch nicht als eigentlicher Nahrungs—
beſtandtheil fehlt, ſo dürfte es doch nicht ausreichend ſein, um die
Ammoniakaufſaugung kräftig zu bewirken.
Das Eiſenoxyd und deſſen Hydrat iſt daher nicht allein ein
weſentlicher und höchſt wichtiger Beſtandtheil vieler Pflanzen, ſon—
dern auch eine Hauptquelle, durch welche die Gewächſe ihren Stick—
ſtoffgehalt empfangen; dabei wirkt es für die menſchliche Geſellſchaft
um deshalb noch ſo wohlthätig, weil es die Miasmen zerſtört und
ein reines wohlſchmeckendes Quellwaſſer liefert.
Beim Schluſſe dieſer Arbeit kann ich nicht unterlaſſen, noch
einige Worte über die Wichtigkeit des Eiſens im Menſchen- und
Thierleben beizufügen.
Urſprünglich wird das Eiſenoryd durch die Pflanzen, nament—
lich durch die Gräſer, Gemüſe, Kartoffeln u. ſ. w. in die thieriſchen
Körper übergeführt, bildet daſelbſt einen Beſtandtheil des Blutes,
einen ſehr geringen des Fleiſches und bedingt die rothe Färbung
beider.
Sollten Landwirthe Verſuche mit Eiſenoryd machen wollen, ſo kann ich
ihnen die Firma König in Saalfeld als Bezugsquelle empfehlen. Daſelbſt
wird das Eifenoryd billig und äußerſt fein hergeſtellt. W. E.
144
Sowohl im Menſchen- als im Thierkörper wirkt das Eiſen—
oryd ungemein belebend. Bei fehlendem Eiſen wird der Körper
ſchwach und hinfällig, und wird es demſelben in hinreichender
Menge nicht wieder zugeführt, ſo ſtirbt er ab.
Wie in der Natur für Alles ausgezeichnet geſorgt iſt, ſo iſt |
dies auch mit der Zuführung von Eiſen in das Blut der Fall. Es
geſchieht dies in Krankheitsfällen größtentheils durch die eiſenhal—
tigen Mineralquellen. Der Gehalt in dieſen an Eiſen erzeugt eine
größere Anzahl von Blutzellen im Körper, und die Entwickelung
dieſer Zellen bewirkt eine verſtärkte Umwandlung einer Protern—
zuſammenſetzung in die andere, des Eiweißſtoffes in Faſerſtoff, der
zur Bildung der Zellenkeime in den verſchiedenen Geweben ver—
wendet wird. Die größere Menge der rothen Körperchen unterhält
eine ſtärkere Reizbarkeit der Organe, zumal des Nerven- und Mus:
kelſyſtems.
Das Eiſen iſt daher als Medizin angewandt ein ausgezeichnetes
Mittel gegen verſchiedene Krankheiten, namentlich die Chloroſe.
Es wirkt erregend auf das Herz und Blutſyſtem und kräftigt die
Verdauung, oder mit kurzen Worten: es hebt den Tonus.
Wir hören zuweilen von einem Arzte: „Wir leben jetzt in
einer Periode, wo das Eiſen im Blute verſchiedener Individuen
nicht in ſo reichlicher Menge vorhanden iſt als in einer andern
Periode; namentlich trifft dies das weibliche Geſchlecht mehr als
das männliche.“ Daß die Nahrungsmittel hierbei den größten
Theil der Schuld tragen, dürfte wohl keinem Zweifel zu unter-
ſtellen ſein.
Die eigenthümlichen Witterungsverhältniſſe mancher ER
wo den Pflanzen vielleicht nicht die gehörige Menge von Eiſenoryd
zugeführt wird, könnten hieran wohl einen großen Theil der Schuld
tragen. Eine genaue, freilich höchſt ſchwierige Unterſuchung über
dieſen Gegenſtand könnte nicht ohne höchſt intereſſante Aufſchlüſſe
verlaufen und würde dann vielleicht über viele Krankheitserſcheis
nungen ein helleres Licht verbreiten.
Wir ſahen z. B.: daß bei ausreichender Menge von Eiſenoryd
im Blute der Körper kräftig: daß er dagegen ſchwach und hinfällig
wird, wenn daſſelbe nicht in hinreichender Menge vorhanden iſt,
145
und daß in der Regel beim weiblichen Geſchlechte dies häufiger der
Fall iſt, als beim männlichen. Tragen wir dieſe Erſcheinungen
nun z. B. auf die in manchen Städten und Ländern ſo furchtbar
auftretende Cholera über, ſo zeigt ſich, daß dieſelbe das weibliche
Geſchlecht leichter erfaßt und dahinrafft, als das männliche, und
daß überhaupt ſchwächliche Individuen mehr von derſelben ergriffen
werden und ihr ſchneller unterliegen, als ſtarke. Vergleichen wir
dieſe Erſcheinungen mit dem früher Geſagten, ſo dürfte ſich im
Verlaufe der Zeit ein Zuſammenhang finden, der auch über dieſe
räthſelhafte Krankheit ein helleres Licht verbreitet.
Unbedingt iſt das Eiſen einer der wichtigſten Grundſtoffe, und
wenn uns deſſen Unentbehrlichkeit für die wachſende Cultur der
Völker jeden Augenblick vor Augen ſteht, ſo war deſſen Wichtigkeit
im Pflanzen- und Thierleben bis jetzt doch gewiß noch zu wenig
beachtet. Es ſäume daher Keiner, dem Gelegenheit gegeben,
dieſem Stoffe auf letzterem Gebiete die ihm gebührende Aufmerk—
ſamkeit zu ſchenken.
Engelhardt, die Nahrung der Pflanzen. 10
Phosphor und deſſen Verbindung mit
Sauerſtoff zu Phosphorſäure.
Bei dem lebhaften Intereſſe, mit welchem in neueſter Zeit
Alles aufgenommen wird, was auf Thier- und Pflanzenernährung
Bezug hat, dürfte es erwünſcht ſein, in aller Kürze etwas über die
unmittelbare Zuführung der Nahrungsmittel aus den Pflanzen
in den Thierleib zu vernehmen, namentlich da gerade die Phos—
phorſäure und deren Verbindungen mit Erden lin eine beſon⸗
ders wichtige Rolle fpielt.
Wenn wir unſere Blicke über die bewohnte Erdoberfläche
ſchweifen laſſen, ſo zeigt ſich uns das Leben auf derſelben in einer
überausgroßen Mannigfaltigkeit; dennoch finden wir bei genauerer
Prüfung: daß die Bildung der einzelnen Individuen unter der
ſtaunenswertheſten Einfachheit vor ſich geht und daß nur wenig
Grundſtoffe an der Entwicklung und endlichen Ausbildung derſel—
ben Theil nehmen.
Während Licht, Wärme, EClectricität das Beſtehen alles
Lebendigen bedingen, indem ohne dieſe Kräfte eine Lebensregung
nicht in der Möglichkeit liegt, bilden Sauerſtoff, Waſſerſtoff,
Kohlenſtoff, Stickſtoff mit einzelnen wenigen Salzen und Säuren
diejenigen Körper, aus denen der Leib und die Gliedmaßen ſo—
wohl der Thiere, als der Pflanzen zuſammengeſetzt iſt; denn aus
Sauerſtoff und Stickſtoff beſteht die atmoſphäriſche Luft, aus
Sauerſtoff und Waſſerſtoff das Waſſer, aus Sauerſtoff und
Kohlenſtoff die Kohlenſäure, aus Stickſtoff und Waſſerſtoff das
Ammoniak. |
Bei der Verbindung des Sauerſtoffs mit Kohlenſtoff und
147
Waſſerſtoff wird ſtets eine bedeutende Menge von Wärme frei
und zwar um ſo mehr, je mehr Sauerſtoff vorhanden iſt, weshalb
dieſer Prozeß, der häufig mit Lichterſcheinung verknüpft iſt, auch
Verbrennungs-Prozeß genannt wird.
Sauerſtoff, Waſſerſtoff, Kohlenſtoff und Stickſtoff bilden
durch ihre verſchiedenen Verbindungen untereinander eine Unzahl
feſter und flüſſiger Körper, allein für die thieriſche und pflanzliche
Ausbildung ſind nur einige und zwar diejenigen Verbindungen
von Wichtigkeit, in denen entweder alle vier, oder nur drei dieſer
Grundſtoffe ſich zu beſondern Körpern vereinigen.
Faſerſtoff, Eiweiß, Käſeſtoff und Leim ſind diejenigen Kör—
per, in denen die vier Grundſtoffe zuſammen verbunden, mit kohlen—
ſaurem und phosphorfaurem Kalk, mit etwas Kali und Natron
und einigen Säuren, den eigentlichen Thierleib bilden. Stirbt
letzterer ab, jo gehen jene Verbindungen durch chemiſche Zerſetzung,
welche man Verweſung nennt, in Waſſer, Ammoniak und Kohlen—
ſäure über und treten nun wieder in die Ackererde oder in die
Atmoſphäre ein. Als Rückſtand verbleibt ein kleines Häufchen von
Erden und Salzen.
Da wo ſich nur drei dieſer Elemente, ohne Stickſtoff, zuſam—
men vereinigen, beſtehen die betreffenden Körper aus Stärkemehl,
Zucker, Gummi, Fett u. ſ. w.; ſie werden von dem thieriſchen Kör—
per nur aufgenommen, um umgewandelt ſich wieder mit der atmo—
ſphäriſchen Luft zu vereinigen. Außer der Ablagerung von etwas
Fett, welches als Reſerve für den Verbrennungs-Prozeß im Kör—
per abgeſetzt wird, tragen ſie zum Ausbaue deſſelben nichts bei,
ſondern dienen lediglich und allein zur Herbeiſchaffung und Fort—
erhaltung der zum Leben unentbehrlichen Körperwärme, indem
ſich der Sauerſtoff der Luft beim Athmen des Kohlenſtoffs und
des Waſſerſtoffs jener Körper bemächtigt, ſie in den Lungen in
Kohlenſäure und Waſſer verwandelt und dabei die bei dieſer Ver—
brennung entſtehende Wärme zurückläßt.
Nichtnur die aus der Verweſung der thieriſchen Körper her—
vorgegangenen tropfbar- und gasförmig -flüſſigen Verbindungen,
ſondern auch die als Moder zurückbleibenden Erden und Salze,
ſo wie die durch das Athmen gebildete in die Atmoſphäre überge—
10*
148
tretene Kohlenſäure und das Waſſer kommen ſtets dem Pflanzen-
leben zu Gute, indem ſie immer von Neuem wieder als Nahrungs—
mittel für die Gewächſe dienen.
Bevor die Chemie auf ihren jetzigen hohen Standpunkt kam,
war man der Anſicht: daß die zur Ausbildung und Erhaltung des
thieriſchen Körpers nothwendigen Verbindungen von Eiweiß, Faſer—
ſtoff, Käſeſtoff u. ſ. w. erſt während des Verdauungs-Prozeſſes
gebildet würden, allein unſer großer Chemiker v. Liebig wies
nach: daß dieſe Stoffe bereits fertig aus dem Pflanzenreiche in
den thieriſchen Körper übertreten.
Der Faſerſtoff, der Käſeſtoff, das Eiweiß, allgemein im
Pflanzenreiche, namentlich in den Culturgewächſen verbreitet, wer—
den dieſemnach dem Thierreiche, ebenſo wie die Phosphorſäure,
der Schwefel, das Kali, der Kalk, die Kieſelerde, das Eiſenoryd
u. ſ. w. für die Entwicklung und Ausbildung der Geſammt-Kör—
pertheile direct übergeben. Zur Unterhaltung des Athmens und
der damit verknüpften Bildung der für das Leben unumgänglich
nöthigen Wärme ſtellt die Pflanze dem Thiere überdies noch eine
Anzahl von ſtickſtofffreien Körpern z. B. Stärkemehl, Zucker,
Gummi zur Verfügung. Unſer Geſammt-Thierhaushalt lebt
daher zunächſt von den Pflanzen und zwar entweder direct, durch
die Pflanzennahrung ſelbſt, oder vermittelt, durch die ſich von
Pflanzen ernährenden Thiere, welch letztere die Pflanzennahrungs—
ſtoffe in ſich anſammeln, um ſie den Fleiſchfreſſern ſpäter zufließen
zu laſſen. Die ſtickſtofffreien, zum Erwärmen der Thierkörper
augenblicklich nicht nöthigen werden als Fett abgelagert. Dieſe
Fettablagerung iſt nach zwei Richtungen hin von hoher Wichtig—
keit, indem durch dieſelbe ein plötzliches Abſterben vieler Thier—
individuen verhütet wird, wenn denſelben die Nahrung auf einige
Zeit mangelt, denn der Dachs z. B. kann den ganzen Winter hin⸗
durch von ſeinem Fette leben, was er ſich im Sommer und Herbſte
zugelegt hat. Außerdem wird der Menſch mit reichlichen Mengen
von Brennmaterial für ſein geiſtiges und leibliches Wohl Ben
dieſe Ablagerung im Thierleibe verforgt,
Dieſe ſich durch wiſſenſchaftliche Forſchungen herausgeſtellten
Nahrungs-Reſultate ſind für den Aufſchwung der Landwirthſchaft
149
von unſchätzbarem Werthe, denn wir erlangen dadurch nicht nur
neue Aufſchlüſſe über die Bedingungen, welche wir an eine gute
Ackererde, auf welcher wir unſere Culturgewächſe zu erziehen ge—
denken, zu ſtellen haben, ſondern es verbreitet ſich dadurch auch
ein helleres Licht über die Düngſtoffe und deren zweckmäßigſte
Verwendung.
Wir ſahen weiter oben: daß die Hauptreihe von Nahrungs—
mitteln, welche das Thier von der Pflanze in Empfang nimmt,
aus Sauerſtoff, Waſſerſtoff, Kohlenſtoff und Stickſtoff: daß die
andere Reihe, welche dem Körper die nöthige Wärme zufließen
läßt, aus Sauer- Waſſer- und Kohlenſtoff beſtehe; wir ſahen
ferner: daß ſich im Fleiſche der Thiere Kali, Natron, Kalkerde,
Bittererde, Eiſenoryd, Phosphor, Schwefel, Chlor: daß ſich im
Blute Kieſelerde: daß ſich in den Knochen Phosphorſäure, Kalk
und Bfttererde befinde und daß alle dieſe Stoffe direct aus dem
Pflanzenreiche in das Thierreich übergeführt werden. Wenn nun
auch die Sauerſtoff-Waſſerſtoff-Kohlenſtoff- und Stickſtoffverbin—
dungen den Pflanzen durch ihre Millionen von Saugöffnungen
größtentheils durch die Luft übergeben werden, ſo kann dies doch
in Bezug auf die Mineralbeſtandtheile nicht geſchehen. Letztere
müſſen daher unbedingt entweder in der Ackererde, oder, wenn dies
nicht der Fall iſt, doch in dem derſelben zuzuführenden Dünger
enthalten ſein, denn nur da wird eine Pflanze im vollkommen
geſunden Zuſtande emporwachſen, nur da wird ſie kräftige Früchte
tragen, wo ihr der Boden die nöthigen Nahrungsmittel bietet;
fehlt ſelbſt nur ein Theil der letzteren, dann fängt ſie an zu ver—
kümmern und trägt nur wenige und unvollkommne Früchte. Solch
krankhafte Zuſtände tragen ſich auch auf die Thiere über, indem
letztere die Nahrungsmittel in dieſem Falle nicht in dem Miſchungs—
Verhältniſſe übergeben bekommen, wie es ihre Verdauungswerk—
zeuge verlangen. Die Erziehung geſunder Nahrungs-Pflanzen iſt
daher für das Fortbeſtehen und das fernere Gedeihen der menſch—
lichen Geſellſchaft von höchſter Wichtigkeit, denn wie bereits be—
merkt, iſt ein fehlender Pflanzenernährungs-Beſtandtheil ver—
mögend, die übrigen entweder ſämmtlich wirkungslos zu machen,
oder die Wirkung doch bedeutend zu ſchwächen. Je mehr z. B.
150
Kohlenſäure und Ammoniak vermöge ſorgfältiger Auflockerung
der Ackererde aus der Atmoſphäre zugeführt werden kann, deſto
mehr hat der Landwirth darauf zu ſehen, daß auch die minerali—
ſchen Nahrungsmittel im ausreichenden Verhältniſſe in demſelben
vertreten ſeien. Iſt dies der Fall, dann ſtehen die Exträgniſſe
deſſelben ſehr hoch. Jeder Grundbeſitzer befleißige ſich daher auf
die Zuführung mineraliſcher Nahrungsſtoffe, namentlich der phos—
phorfauren Salze, mit unausgeſetztem Eifer zu ſehen, denn es iſt
eine ausgemachte Sache: daß ein mit Mineralſtoffen in reichlicher
Menge geſchwängerter Boden der Atmoſphäre bei weitem mehr
Kohlenſäure und Ammoniak entzieht, als ein ſolcher in dem jene
fehlen.
Schon dem Nichtfachmanne wird aus dem Geſagten die
Ueberzeugung werden: daß die Gewächſe mit der Ackererde in der
allerinnigſten Beziehung ſtehen, wogegen dem Fachmanne dieſes
Verhältniß mit jedem Tage neue und höchſt intereſſante That—
ſachen vors Auge führt. Wir bemerkten ja fo eben: daß die Pflan—
zen nicht allein einen Theil ihrer tropfbar- und gasförmig-flüffigen
Nahrungsſtoffe, ſondern daß ſie auch ihre feſten lediglich und
allein dem Boden, auf dem ſie wachſen, entnehmen, letztere können
aber in dieſem Zuſtande unmöglich in die Gewächſe übergehen.
Es ſind Auflöſungsmittel erforderlich, durch welche ſie den Wur—
zeln zugeführt werden. Als ſolche Auflöſungsmittel kennen wir im
großen Haushalte der Natur das Waſſer und die Kohlenſäure.
Selbſt die feſteſten Geſteine widerſtehen dieſen Auflöſungsmitteln
nicht, wie dies die Kieſelerde ſo überraſchend beweiſt. Das Auge
des rationellen Landwirthes muß daher vor Allem auf den Boden
und deſſen Bedüngung d. h. darauf gerichtet ſein, daß jener alle
diejenigen Nahrungsmittel der Pflanzen und in ausreichender
Menge zugeführt bekommt, die er nicht an ſich ſchon enthält; denn
die auf eine ſorgfältige Bedüngung und gehörige Auflockerung des
Bodens erfolgende Wirkung zeigt unwiderlegbar: daß das Wohl—
befinden der Gewächſe einestheils von der Miſchung des Bodens,
anderntheils aber von den zugeführten Düngſtoffen abhängig ſei.
Man kann daher z. B. den Werth eines Düngers nicht lediglich
und allein nach feinem Stickſtoffgehalte, den er den Pflanzen ab»
151
zutreten vermag, bemeſſen; es müſſen hauptſächlich auch die darin—
nen befindlichen Erd- und Alkaliſalze berückſichtigt werden und
dieſe hängen dann wieder hauptſächlich von der Güte des Futters,
welches den Thieren verabreicht wird, ab. Wohl kann z. B. ſelbſt
von einem ſehr ſtickſtoffreichen Dünger Mißbrauch gemacht werden,
und was ſoll derſelbe auch den Pflanzen für Vortheile bringen,
wenn der Ackererde nicht zugleich auch alle übrigen zu ihrer voll—
kommnen Entwicklung nothwendigen Nahrungsſtoffe übergeben
werden, vorausgeſetzt daß jene dieſelben nicht ſchon enthält?
Wenn wir die Wieſen, Gärten und ſelbſt einzelne Felder in
der nähern Umgebung von abhängig gelegenen Dörfern und
Städten, über welche ſich die aus jenen abgehenden Flüſſigkeiten
verbreiten, aufmerkſam ins Auge faſſen, ſo gewahren wir auf
ihnen nicht allein einen bei weitem üppigeren Graswuchs, als
auf andern in weiten Entfernungen von den Orten gelegenen,
ſondern das Vieh hat nach dem Genuſſe des auf dieſen Grund—
ſtücken gezogenen Futters auch ein bei weitem beſſeres Ausſehen,
als dasjenige was mit Futter von entfernt gelegenen Wieſen er—
nährt wird.
Dieſelben günſtigen Erſcheinungen ſtellen ſich uns dar, wenn
wir unſere Wieſen im Frühlinge mit ausgelaugter oder unausge—
laugter Holzaſche überſtreuen, wenn wir ſie im Herbſte oder im
Winter mit Urin und Miſtjauche überführen, wenn wir Knochen—
mehl über dieſelben verbreiten. Im letzteren Falle wird die Haus—
frau nicht allein einen beſſeren Geſchmack, ſondern auch einen
ſteigenden Ertrag bei der Milch gewahren.
Es entſteht nun die Frage: was wird den Wieſen in den
Flüſſigkeiten, die aus Städten und Dörfern austreten und ſich über
die Grundſtücke verbreiten, zugeführt? was für düngende Beſtand—
theile enthalten nicht allein dieſe Zuführungen, ſondern auch die
Holzaſchen, der menſchliche Urin, die Miſtjauche, das Knochenmehl?
Die aus Städten und Dörfern abgehenden Flüſſigkeiten be—
ſtehen — das reine Waſſer nicht mit berückſichtigt — größtentheils
aus Menſchen- und Thierharn und aus Auslaugungen der feſten
Thier- und Menſchen- Exkremente, in denen neben Stickſtoffver—
bindungen und verſchiedenen Salzen Phosphorſäure enthalten iſt.
152
Die Vereinigung der nicht flüchtigen unorganiſchen Stoffe, nament—
lich der phosphorſauren Verbindungen mit Ammoniak
und Kohlenſäure iſt aber eine Hauptbedingung bei der Pflanzen—
ernährung; denn aus den intereſſanten Verſuchen des Fürſten von
Salm-Horſtmar mit Erziehen von Haferpflanzen, fo wie aus einer
Menge praktiſcher Erfahrungen geht auf das Ueberzeugendſte her—
vor: daß baſiſch phosphorſaure Salze unbedingt nothwendig zur
Ausbildung faſt aller Pflanzen ſind. Außer Stickſtoff und einigen
andern Beſtandtheilen finden wir nun dieſe phosphorſauren Ber:
bindungen ſowohl im Urine, als auch in den feſten Exkrementen,
im größern oder geringern Verhältniſſe, je nachdem die zugeführten
Nahrungsmittel mehr oder weniger derſelben enthielten. Im
Harne ſind Ammoniakſalze in reichlicher Menge und im auflös—
lichen Zuſtande, ebenſo wie phosphorſaure Ammoniak-Kalk- und
Talkſalze enthalten und dabei bildet ſich aus dem Harnſtoffe des
Menſchenharns überdies noch Ammoniak, man kann ſich daher die
üppige und ſchnelle Düngkraft deſſelben leicht erklären. Wenn man
ſalzſaure Bittererde mit Harn vereinigt, ſo entſteht, nachdem ſich
der Harn in kohlenſaures Ammoniak verwandelte, ein leicht lös—
liches Doppelſalz. Die Phosphorſäure des Harns verbindet ſich
nämlich ſowohl mit dem Ammoniak, als mit der Bittererde zu
phosphorſaurer Ammoniak-Bittererde. Auf dieſe Weiſe könnte
man, vermittelſt der Mutterlauge aus Salinen, in den großen
Städten eine bedeutende Menge des koſtbarſten leichtlöslichſten
Pflanzennahrungsmittels aus dem Urine der Abzugskanäle in
feſter Form gewinnen und ließen ſich dadurch überaus lukrative
Düngſtoff⸗Geſchäfte einleiten.
Die Gehalte der verſchiedenen Dünger an Phosphorſäure
ſind ungemein verſchieden; ſo hinterläßt z. B. der Miſt eines mit
Hafer und Heu gefütterten Pferdes nach dem Verbrennen 10g Aſche,
welche aus kohlenſaurem und kieſelſaurem Kali und einer nicht un—
bedeutenden Menge von phosphorſaurer Kalk- und Talkerde beſteht.
Der Kuhmiſt dagegen hat weniger phosphorſaure Salze, weil die—
ſelben als ausgezeichnete Nahrungsbeſtandtheile mit in die Milch
übergehen; dagegen enthalten die Menſchenerkremente 103 ihres
Gewichtes phosphorſaure Kalk- und phosphorſaure Talkerde. Aus
153
dieſem Grunde bleibt aber auch die Wirkſamkeit des Kuhdüngers
weit hinter der des Menſchendüngers. Bei Verwendung des letz—
teren ergiebt ſich ein 14facher Körner-Ertrag, während bei erſterem
nur der 7fache erzielt wird.
Dieſelben befruchtenden phosphorſauren Salze finden ſich in
der Tannen- und Fichten- und in noch reichlicherem Verhältniſſe
in der Buchen-Aſche. Während die erſteren y ihres Gewichtes an
phosphorſauren Kalk- und Eiſenſalzen beſitzen, enthalten die
Buchen⸗Aſchen ſogar + dieſes wichtigen Stoffs.
Sehr viel Phosphorſäure und zwar an Kalk zu baſiſch phos—
phorſaurem Kalk gebunden enthalten die Knochen. Es ſind dies die
widerſtehenden feſten Organe, beſtimmt, nicht allein die weichen
Theile der thieriſchen Organismen zu halten und zu beſchützen, ſon—
dern auch die aufrechte Stellung der höheren Thiere bedingend;
fie beſtehen weſentlich aus zwei Elementen: einem unorganiſchen
erdigen Theile, der ihnen die zu ihren Verrichtungen erforderliche
Feſtigkeit verleiht, und aus einem organiſchen Gewebe — Knorpel
genannt. Der phosphorſaure Kalk, welcher zu den unorganiſchen
gehört, beträgt 53 bis 57 Procent. Obſchon die Knochen im All—
gemeinen ſchwer zerſtörbar ſind und ſich unter Umſtänden Jahr—
hunderte lang in der Erde erhalten, ſo werden ſie doch durch
kohlenſäurehaltiges Waſſer, namentlich bei feiner Vertheilung,
leicht aufgelöſt. Laſſaigne ſtellte hierüber Verſuche an und zwar
ſowohl mit friſchen, als mit ſolchen, die durch längeres Liegen
unter der Erde theilweiſe zerſetzt waren. Dieſe Verſuche ergaben:
daß Knochen in Stücke von der Größe einer Haſelnuß zerſchlagen
nach Verlauf von 8 bis 10 Stunden unter Berührung von Waſſer,
welchem ein Maas Kohlenſäure beigemiſcht war, eine gewiſſe
Menge ihres phosphorfauren und kohlenſauren Kalkes abgaben.
Sind die Knochen ſelbſt nur gröblich gepulvert, ſo iſt die Menge
der aufgelöſten baſiſchen Salze ſchon weit größer. Je weiter die
Zerkleinerung aber fortgeſetzt wird und in je aufgelockerterem Zu—
ſtande der Boden in welchen ſie zu liegen kommen ſich befindet,
deſto mehr phosphorſaure Verbindungen nimmt das kohlen—
geſäuerte Waſſer auf und führt ſie durch die Wurzeln in das Pflan—
zengewebe über. Die ſorgfältige Klärung des Bodens iſt deshalb
15%
nothwendig, damit die Sauger eine vermehrte Wärme, bei welcher
ſich die auflöſende Kraft des Waſſers, ſo wie die gegenſeitige Be—
rührung mehrt, hervorrufen.
Neben dem Stickſtoffe, dem Kohlenſtoffe und verſchiedenen
Salzen iſt es daher die Phosphorſäure, welche im Urine, den
feſten Exkrementen, den Knochen, der Aſche u. ſ. w. die günſtige
Wirkung auf unſere Wieſen hervorbringt; ſie thut dies hier jedoch
nicht allein, ſondern auch den Feldern iſt ſie ganz unentbehrlich,
wie dies nicht allein aus dem Beſtreuen derſelben mit Knochen—
mehl und Aſche, ſondern auch durch die Zuführung von Menſchen—
und Thier-Dünger, außerdem aber aus den Analyſen der auf jenen
gezogenen Früchte ſo deutlich erhellet. Weiter oben beim Stick—
ſtoffe ſahen wir bereits: daß auf Kirchhöfen, auf Schlachtfeldern,
auf Fallangern, auf Feldern von Fleiſchern und Gerbern eine
vermehrte Fruchtbarkeit ſtattfinde und iſt neben dem Vorhanden—
ſein von reichlicheren Mengen von Stickſtoff auch hier die Phos—
phorſäure die Urſache der üppigeren Vegetation. Wie ungemein
günſtig dieſelbe überall da, wo ſie in reichlichen Quantitäten
neben andern Düngſtoffen vorhanden iſt, wirkt, dies ſehen wir an
Teichen und Seeen, welche nach langer Benutzung zur Fiſchzucht
trocken gelegt wurden. Die im Schlamme derſelben vergrabenen
Gräten und Schuppenüberreſte rufen den prachtvollſten Gras—
rufen den wucherndſten Getreidewuchs hervor.
Wenn ſchon der Guano zum dritten Theile aus Stickſtoffver—
bindungen beſteht, ſo würde ſeine Wirkung doch kaum zur Hälfte
ſo groß ſein, enthielte er nicht die bedeutende Menge von Phos—
phorſäure, welche bis zu 20g in ihm anwächſt. Aus dieſem Grunde
leiſten auch alle Exkremente derjenigen Vögel, welche entweder nur
von Sämereien oder welche ſich nur von Fiſchen ernähren, in der
Landwirthſchaft ſo ausgezeichnete Dienſte.
Der Landmann wählt zum Bedüngen ſeiner Wieſen nicht ver—
gebens die kurzen, zuunterſt in der Miſtſtätte lagernden Düngſtoffe,
nicht vergebens benutzt er für dieſen Zweck das Straßenkehricht und
die Schutte aus Winkeln; nicht vergebens beſtreut er ſeine Wieſen
mit Malzkeimen, in welche ſich beim Keimungsprozeſſe die größte
Menge des phosphorſauren Kalkes aus den Gerſtenkörnern gezogen
155
hat; nicht vergebens wählt er die aus faulendem Holze hervorge—
gangene Erde, ſo wie die Holzaſchen. Ueberall ſucht er, obſchon
er ſich dies in den meiſten Fällen nicht bewußt iſt, phosphorſaure
Verbindungen zuzuführen.
Der Phosphor findet ſich in der Natur in den meiſten Flüſ—
ſigkeiten des Körpers der höheren Thiere und der phosphorſaure
Kalk macht, wie wir bereits ſahen, einen weſentlichen Beſtandtheil
der Knochen aller Thiere aus. Außerdem finden ſich phosphorſaure
Verbindungen in den meiſten Pflanzen, namentlich in den Cerealien,
Oelfrüchten, Futterkräutern und Bäumen. Im Mineralreiche, mit
Kalk, Eiſen und Kupfer in Verbindung, zeigt er ſich außerdem noch
in geringen Quantitäten in den meiſten Gebirgsarten.
Der Phosphor wirkt als Gift. Im Thier- und Pflanzenreiche
iſt er ſtets mit Sauerſtoff zu Phosphorſäure verbunden, welche aus
43,96 Phosphor und 56,04 Sauerſtoff beſteht. Mit Fett in Ver-
bindung kommt er in einem Minimum im Gehirne vor. Die
Phosphorſäure iſt mit Kalk und Talkerde zu baſiſchen Salzen, ſo—
wohl in den Pflanzen- als in Thierleibern verbunden, man erhält
dieſelbe durch Verbrennung von Phosphor unter einer Glasglocke,
ſie ſtellt ſich als weißes Mehl dar und bildet im geſchmolzenen Zu—
ſtande eine glasartige Maſſe, zerfließt an der Luft und löſt ſich im
Waſſer und Weingeiſte auf. Ihr Geſchmack iſt ſehr ſauer.
Wie wir ſahen iſt die Phosphorſäure nicht allein in allen
Theilen des menſchlichen und thieriſchen Körpers verbreitet, ſie
bildet auch das eigentliche Gerüſte deſſelben. Ohne das Vorhan—
denſein des phosphorſauren Kalks wäre eine aufrechte Stellung,
wäre eine Bewegung der Glieder nicht möglich. Wir finden daher
bei Menſchen und Thieren, wo der phosphorſaure Kalk nicht in
ausreichender Menge zugeführt wurde, wo alſo die Nahrungsmittel
zu wenig deſſelben enthielten, entweder kleine Individuen, oder
Verkrüppelungen, indem die Knochenſubſtanz entweder nicht nach
allen Richtungen hin ausgebildet werden konnte, oder für einzelne
Körpertheile ganz und gar fehlte. Man ſucht den Kindern in ihrem
zarten Alter daher ſtets Nahrungsmittel wie Milch, Semmeln
u. ſ. w. zu verabreichen, in welchen größere Mengen von phos—
phorſauren Salzen enthalten ſind. Die Kinder ziehen in ihrem
156
zarten Alter aber auch die Speifen z. B. den Reisbrei vor, wor:
innen dieſe wichtigen Ausbildungsſtoffe in etwas größerer Menge
enthalten ſind. In ſumpfigen Gegenden und bei Vorhandenſein von
Waſſer, welches kohlenſaures Eiſenoxydul aufgelöſt enthält, bildet
fi) unter der Einwirkung von vegetabiliſchen Subſtanzen phos—
phorſaures Eiſenoryd, wodurch die für die Vegetation fo unge:
mein wichtige Säure, wenigſtens auf eine Zeit lang und bis
dahin wo die Trockenlegung erfolgt, verloren geht; denn die phos—
phorſauren Eiſen- und Manganſalze ſind unlöslich in kohlenſäure—
haltigem Waſſer, dem vorzüglichſten bei der er
thätigen Löſungsmittel.
Da uns nun in dem Vorausgegangenen vollkommen klar ge—
worden iſt: daß die Phosphorſäure mindeſtens eben ſo wichtig
als das Ammoniak und die Kohlenſäure iſt, fo muß der Landwirth
«ich auch um fo mehr vorſehen, daß er feine Düngſtätten nicht
mit Eiſenvitriol beſtreue, oder mit deſſen wäßriger Auflöſung be—
gieße, um das kohlenſaure Ammoniak mittelſt jenes Salzes in
ſchwefelſaures umzuwandeln; denn es könnte ſonſt der Fall ein—
treten, daß ſich das Eiſenorydul in Eifenoryd verwandelte und
letzteres ſich dann mit der Phosphorſäure zu einem unlöslichen
Salze verbände; in dieſem Falle wäre dieſes nützliche Pflanzen—
nahrungsmittel, wenigſtens auf eine Zeit lang, für die Vegetation
verloren. Ich ſage eine Zeit lang und dies wohl mit vollem
Rechte; denn wir ſehen: daß beim Vegetationsprozeſſe eigenthüm—
liche, noch nicht hinlänglich erkannte chemiſche Zerſetzungen vor—
kommen und daß z. B. auch das im Torfe und in verſchiedenen
Aſchen enthaltene phosphorſaure Eiſenoryd unter gewiſſen Vorbe—
reitungen und Umſtänden z. B. nach gehöriger Austrocknung, nach
Beigabe von Kalk u. ſ. w. vortreffliche Dienſte bei der Pflanzen⸗
ernährung leiſtet. Jedenfalls aber beobachte jeder Landwirth die
Vorſicht, für die Geruchsverbeſſerung ſeines Düngers kein Eiſenſalz,
ſondern Gyps, oder reines Eifenoryd als Ammoniakaufſauger in
Anwendung zu nehmen; mit letzterem verbinden ſich die phosphor—
ſauren Salze im feuchten Zuſtande nicht, ſo lange Erdenverbin—
dungen vorhanden ſind; wir ſehen dies bei allen guten Bodenarten
und namentlich bei der ruſſiſchen Schwarzerde ganz deutlich.
157
Auf naſſen Wieſen, wo die Phosphorſäure an das Eifenoryd
gebunden iſt, erbeutet man nicht allein nur wenig, ſondern über—
dies auch ganz ſchlechtes, ſaures Futter. Dehnen ſich ſolche Wieſen—
flächen über ganze Flurbezirke aus, ſo zeigt ſich das in ſolchen
Gegenden gezogene Vieh klein und unanſehnlich, und dadurch, daß
es einen ſchlechten, wenig phosphorſaure Salze enthaltenden Miſt
liefert, bleibt auch der Ertrag der Felder zurück und wird von Jahr
zu Jahr geringer.
Will man einer ſolchen Gegend aufhelfen, ſo müſſen vor Allem
die Wieſen entſumpft und dadurch die gebundenen Schätze von
phosphorſauren Salzen freigemacht werden; ſie löſen ſich dann in
kohlenſäurehaltigem Waſſer und laſſen ſich leicht in das Pflanzen—
gewebe überführen; es muß der Kleebau gehoben und das Vieh
außerdem mit gutem Heue, mit Kartoffeln, Rüben, Körnern, Lein—
kuchen gefüttert werden; es muß den Feldern und Wieſen ferner
Knochenmehl und Guano übergeben werden. Als Reſultat einer
ſolchen Behandlung werden ſich die glänzendſten Getreide- Raps—
Klee-Erndten herausſtellen. Man faſſe in dieſer Beziehung nur die
Felder eines Gutes, wo viel Maſtvieh gezogen wird, gegen andere,
wo dies nicht der Fall iſt, ins Auge. Der erſte Blick wird uns
überzeugen: daß der vermehrte Phosphorſäuregehalt des erlang—
ten Düngers die ungemein üppige Vegetation auf jenem hervor:
ruft. Auf ſolchen Gütern werden Abgänge von Brauereien und
Brennereien, werden Kartoffeln und Rüben, wird Schrot u. ſ. w.
gefüttert und dieſe Futtergattungen enthalten 2- bis 6mal ſo viel
phosphorſaure Salze, als das gewöhnliche Heu.
Solange ein Thier im Wachsthume begriffen iſt, hat der
Landmann ganz beſonders Sorge zu tragen, daß ihm Futter mit
vermehrtem Phosphorſäuregehalte zugeführt werde, denn in dieſer
Zeit iſt die meiſte Sorgfalt auf ſeinen Knochenausbau zu verwen—
den. Daher müſſen tragende Kühe, ſollen ſie ſtarke Kälber gebähren,
neben ganz gutem ſüßen Heue Saufen gereicht bekommen, in wel—
ches Kleie oder Schwarzmehl, in welches Schrot, in welches ge⸗
quetſchte Kartoffeln gerührt ſind. Daher muß Kälbern, die der
Muttermilch entwöhnt werden, geweichtes Schwarzbrod, Saufen
in welches Mehl gequirlt iſt, gekochte Körnerfrüchte und Kartof—
158
feln, ſo wie Abkochungen von Heugeſäme übergeben werden. Die
Saamen von Grasarten enthalten nämlich viele phosphorſaure
Ammoniaf-Bittererde, welch letztere mit Stickſtoff in Verbindung
zur Ausbildung derſelben durchaus nothwendig iſt.
Um großes ſtarkes Vieh zu erzeugen, würde die Einführung
des Maisbaues bei uns ungemein vortheilhaft ſein, denn in den
Aſchen der Maiskörner finden ſich gegen 53 3 Phosphorſäure, wes—
halb Italien auch ſo großes und ſtarkes Rindvieh aufzuweiſen hat.
Kühn in Taukeniſchken machte auf die Wichtigkeit der Be—
düngungsweiſe mit Knochen aufmerffam;. er erinnert: daß die
Engländer, welche Knochen aus allen Theilen der Welt kaufen,
ſowohl hierdurch, als auch durch ihren falkreichen Boden die
Größe ihrer Thiere und die Ertragsfähigkeit der Felder bedeutend
erhöht haben. Für ſehr weſentlich erklärt Kühn die Vortheile,
welche aus dem Bedüngen der Wieſen mit Knochenmehle einem
Geſtüte erwachſen. Die Mutterſtute finde beim Fohlen im Hafer
nicht diejenige Menge von phosphorfaurer Kalkerde, deren fie als
Erſatz für den mit dem Füllen aus dem Körper verloren gegange—
nen phosphorſauren Kalk bedarf. Vermöge der Knochenbedüngung
aber erhalte nun auch das Heu phosphorfaure Kalkerde. Durch
letztere verſpreche daſſelbe doppelten Nutzen, da diejenigen Mengen —
phosphorſauren Kalks, welche in dem Körper der Thiere nicht
firirt werden, als Dung auf die Felder gelangen und die Ertrags—
fähigkeit erhöhen, beſonders die Saamen vergrößern. Bekannt ſei
es namentlich: daß die Saamen der Gerſte die größte Menge
phosphorſauren Kalks enthalten. Aus demſelben Grunde erzeuge
die Fütterung von Hafer im Geſtüte von Taukeniſchken das ſchnelle -
Wachsthum der Füllen. Dieſes Wachſen müſſe natürlich vermehrt
werden, ſobald zur Fütterung noch Heu gelange, welches zugleich
die Eigenſchaften des Hafers beſitze.“
Ich erlaube mir nun den Phosphorſäuregehalt von Aſchen
verſchiedener Culturgewächſe aufzuführen. Gewiß haben viele der
Leſer, wenn ſie dieſe Reihe zu Geſichte bekommen, aus Erfahrung
bereits kennen gelernt: daß die mit einem bedeutenden Phosphor—
ſäuregehalte verſehenen Pflanzen zugleich auch die ſind, welche
außer gutem Futter auch einen vortrefflichen Dünger abgeben.
159
Reis.. . . enthält in feiner Ache 60 3 Phosphorſäure.
A . 5 = 53 4 =
Weizen re Ne 45 4 |
Roggen e e K 33 —39 =:
Gezſſe 0% 2 era , -
Spergel 2 K = = 294 z
Blei a ee Re :: 18-29 -
Erbſen e „ 30 —38 =
Bohnen 4 298433 36
Saubohnen .. es He 36 -
Rapsſaamen . Fe Re e
Leinſaamen .. es 4 8 5
Kartoffeln ... e * 8
Kohlrabi. . 2 3 13 -
Gelbe Rüben .. E 5 8422 >
Kohlſtrünke . Z E = ee 94 £
Weißer Klee .. e 2 112
Nother Klee E 6—7 -
Poa pratensis. . ae Wis aka? 6er ı | E
„ trivialis e - 9 3
Esparſett „ _ - = D 91 =
Esparfettfaamen RZ — 204 e
Heu e * z > z 4 2
Sommerſtroh .. 25 De 223 5 .
Winterſtroh . . ir ae 9: -
Gerſtenſtroh .. ne 31 2
Weizenſtroh . e e 2 4 .
Haferſtroh run = = = : 2—7 z
Rapsſtrohh TE RL a 44 2
Delfüchen — 32 1
Mit größter Aufmerkſamkeit hat daher der Landwirth die Beſtand—
theile ſeines Düngers im Auge zu behalten und das Futter des
Viehs ſo einzurichten, daß recht viel phosphorſaure Salze erlangt
werden. Die kohligen Beſtandtheile führt die Streu und die Koh—
lenſäure der Luft, letztere auch einen bedeutenden Theil des Ammo—
niaks ohnehin zu. Ein Hauptaugenmerk iſt aber auf die Miſtſtätten
160
und Abtrittsgruben zu richten. Dieſe ſollten ſämmtlich mit feft ge-
ſchlagenen Lehmſohlen ausgeſchlagen und dieſe Sohlen mit Cement
ausgemauert ſein, damit kein Harn in den Boden dringen, damit
durch zufließende Regen und ſonſtige Waſſer nicht allein letzterer,
ſondern auch keine Theile der feſten Exkremente ausgelaugt und
fortgeführt werden können.
Sehen wir hin auf jene Länder, wo die Bodencultur ſo hoch
ſteht wie z. B. in Belgien: wie ſorgſam geht man da mit dem
Dünger um, wie pflegt man denſelben! Dort ſtellt man — damit
ja nichts umkomme oder verloren gehe — Ciſternen in der Nähe
oder ſogar auf den Feldern ſelbſt her, überdeckt ſie und trägt die
flüſſigen und feſten Erkremente in dieſelben. Fängt der Dünger
zu gähren an, dann wirft man Leinkuchen und andere ſtickſtoff—
und phosphorfäurereiche Subſtanzen hinein und läßt das Ganze
ſo lange ſtehen, bis die Aecker beſät werden ſollen. In dieſer Zeit
überführt man die Felder mit dieſer flüſſigen Maſſe und ſtreut ſo—
gleich den Saamen hinein. In jenem gewerbfleißigen Lande ſucht
man in jeder Art und Weiſe den Verluſt von Stoffen zu vermeiden,
welche zum Reichthume civiliſirter Länder das meiſte beitragen.
Wie ganz anders ſieht es dagegen theilweiſe noch in Deutſchland
aus! Da findet man große Ortſchaften faſt noch ohne ſelbſt nur
roh aufgemauerte Miſtſtätten, ohne Abtrittsgruben und ohne Sam—
melplätze für den abgehenden Harn. Zum größten Theile fließt
letzterer unmittelbar aus den Ställen in die Bäche und es gehen
auf dieſe Weiſe unberechenbar große Capitalien verloren. Nur
dann erſt, wenn es ſoweit gekommen fein wird, daß allerwärts
gute Miſtſtätten und Abtrittsgruben angelegt: daß alle Flüſſigkeiten,
welche ſich in Kloaken ſammeln, über Erdhaufen verbreitet: daß
das Straßenkehricht überall aufgeſammelt wird, kann der Pflanzen—
reichthum des Bodens ſich nach und nach wieder auf die we er⸗
heben, wo er in frühern Perioden ſtand.
Ohne alle Frage iſt der Verluſt an Phosphorſäure der em—
pfindlichſte in der Landwirthſchaft; denn die Kohlenſäure und ein
großer Theil des Ammoniaks kann aus der atmoſphäriſchen Luft
bezogen werden, die übrigen Salze finden ſich in der Regel in reich—
licheren Mengen im Boden und im Miſte, was bei den phosphor—
161
ſauren Verbindungen nicht immer fo der Fall iſt. Was kann es
aber dem Landwirthe nutzen, brächte er auch noch ſo viel Stickſtoff—
verbindungen, noch ſo viel leichtzerſetzlichen Kohlenſtoff, noch ſo
viele Salze auf ſeine Felder, und die Phosphorſäure fehlte?
Man hat zwar in der Jüngſtzeit durch eine vermehrte Anwen—
dung von Knochenmehl, durch Ankauf von Guano dem Abgange
von Phosphorſäure zu ſteuern geſucht, allein der Verluſt derſelben
iſt trotzdem noch ein zu großer. Ich will hier nicht von der Aus—
fuhre deſſelben durch unſer Maſtvieh nach England und Frankreich
reden, derſelbe wird jedenfalls reichlich durch die Einfuhre von Ge—
treide gedeckt; allein was gehen bei uns durch das theilweiſe Ver—
zetteln von Knochen, was durch das Nichtaufſammeln des Harns,
durch das Ausſpülen der Miſtſtätten durch Regen- und ſonſtige
Waſſer verloren!
Bemerken wir den Verluſt an Phosphorſäure auch in der Nähe
der Städte und Dörfer nicht ſo ſehr, ſo iſt derſelbe für entfernt ge—
legene Grundſtücke, namentlich für Wieſen, die wegen ungünſtiger
Lage nicht bewäſſert werden können — durch das Bewäſſern wird
letzteren neben Stickſtoffberbindungen eine bedeutende Menge von
phosphorſauren Salzen zugeführt und iſt dies der Hauptzweck der
Ueberrieſelungen — doch nicht hoch genug in Anſchlag zu bringen.
Ein Morgen Wieſe der einen guten Ertrag liefern ſoll, bedarf jähr—
lich wenigſtens zwiſchen 20 und 25 Pfund phosphorſaure Salze und
je mehr daher dieſelben durch langjährige Bewirthſchaftung dem
Boden entzogen werden, je ſchneller nimmt der Ertrag deſſelben ab.
Der alte Satz: daß auf der Welt nichts verloren gehe, be—
währt ſich zwar auch hier, allein daß Stoffe, die unumgänglich
nothwendig zur hinreichenden Beſchaffung der menſchlichen und
thieriſchen Nahrungsmittel ſind, durch Unkenntniß und nicht ge—
hörige Beachtung nach den entlegenſten Weltgegenden verſchlagen
werden und von dort nur mit Aufwand großer Koſten wieder zu—
rückzubringen ſind, dürfte in keiner Weiſe zu rechtfertigen ſein. Ein
Menſch ſondert durch ſeinen Harn im Verlaufe eines Jahres circa
3 Pfund Phosphorſäure aus, von derſelben geht in großen und
kleinen Städten, in Dörfern und Höfen der größte Theil in Gräben
und Kloaken fort und gelangt durch Bäche und Flüſſe endlich ins
Engelhardt, die Nahrung der Pflanzen. 11
162
Meer. Nehmen wir nun an, daß, da durch Bewäſſerung ein Theil
deſſelben auf den Wieſen zurückgehalten wird, der Abgang ſelbſt
nur die Hälfte alſo 14 Pfund pro Kopf betrage, fo verſchwinden
einer 50 Millionen ſtarken Bevölkerung jährlich 750000 Ctr. Phos—
phorſäure, die unſerer Feld- und Wieſencultur von unberechenbarem
Vortheile ſein würde. |
Durch die Fiſche, die wir verſpeiſen, bekommen wir zwar aller:
dings einen großen Theil derſelben wieder zurück, dennoch wird
aber der Abgang dadurch lange nicht ausgeglichen.
Würden nun unſere Abtritte und Düngſtätten ſo eingerichtet,
daß von den feſten und flüſſigen Erkrementen gar nichts mehr ver—
loren gehen und im Waſſer fortfließen könnte, ſo würde ſich anderer—
ſeits in der lebenden Schöpfung eine Ungleichheit einſtellen, bei
welcher die Liebhaber von Fiſchen den Kürzeren zögen; denn in die—
ſem Falle entgingen den Waſſerbewohnern dann die Subſtanzen,
aus welchen ſie ihr Knochengerüſte aufbauen. Daß letzteres durch
die im Waſſer befindlichen phosphorſauren Salze geſchieht, ge—
wahren wir in gebirgigen Walddiſtrikten ganz deutlich. Die Forelle
z. B., welche ſich in Bächen in der Nähe von volkreichen Orten
noch zu einer bedeutenden Größe ausbildet, vermag dies in höher
gelegenen unbewohnten Walddiſtrikten nicht mehr; ſie nimmt da—
ſelbſt ſchon einen veränderten Bau an: der Kopf wird ſtumpfer, der
Leib rundlicher und man nennt ſie nun, zum Unterſchiede von jener,
Steinforelle. Eine ſolche, gegen eine Forelle aus einem größern in
der Umgebung von Städten vorüberfließenden Bach gehalten, hat
ſich ſo verändert, daß man beide kaum für ein und dieſelbe Gat—
tung hält; da jedoch die Forelle ein Raubfiſch iſt und Fröſche, Heu—
ſchrecken u. ſ. w. fängt, ſo kann ſie ihr Grätengerüſte immer noch
beſſer ergänzen, als andere Fiſche die nur von Fliegen ꝛc. leben.
Beſetzen wir z. B. einen Teich in einem Gebirge, der keinen Zu—
fluß von einem Orte hat, mit Karpfen, ſo verkrüppeln dieſelben d. h.
ſie wachſen faſt gerade ſoviel nach der Breite, als nach der Länge
und überdies geht das Grätengerüſte nicht bei allen gerade aus,
ſondern iſt mannigfach gebogen. Ein oder der andere Forſcher ſtellt
die Behauptung auf, es rühre dies von der Kälte des Waſſers her,
allein gehen wir höher in das Gebirg und treffen dort in der Nähe
165
eines Ortes einen Teich, fo zeigen ſich die Karpfen in demſelben
im vollkommen normalen Zuſtande und ſo ſchnell, ja noch ſchneller
wachſend, als in Teichen die in warmen Gegenden liegen, obſchon
das Waſſer in dieſen höher gelegenen Teichen kälter iſt, als in den
tiefer unten im Gebirge gelegenen. Die Abnormität der Karpfen
in letzteren iſt daher lediglich und allein darinnen zu ſuchen, daß
ihnen der Zufluß von phosphorſauren Salzen aus bewohnten Or—
ten fehlt, um daraus ihr Grätengerüſte richtig bilden zu können;
denn das Fett dieſer verkrüppelten Fiſche bezeugt zur Genüge, daß
ſie an andern Nahrungsmitteln keinen Mangel litten.
Den Karpfen in den hochgelegenen kalten Dorfteichen werden
* die phosphorſauren Salze in ausreichender Menge durch den Harn
und die feſten Erkremente von Menſchen und Thieren zugeführt,
weshalb auch ihre Ausbildung vollkommen vor ſich geht. Auch
in den Alpen finden wir Beiſpiele von fiſchleeren Seen und ſchrieb
man dies zeither der hohen Lage und dem Umſtande zu, daß bei
einer ſolchen nicht Luft genug im Waſſer vorhanden ſei, um das
Athmen der Fiſche zu geſtatten; der eigentliche Grund iſt aber auch
hier in der Abweſenheit der phosphorſauren Salze zu fuchen.
Der Fiſchzüchter weiß aus Erfahrung, wie günſtig thieriſche
Erkremente auf die Fiſche einwirken. Hat er Teiche, denen ein ge—
höriger Waſſerzufluß aus Städten und Dörfern fehlt, ſo läßt er
im Sommer zum öftern Viehheerden in dieſelben treiben, wirft
Schafmiſt hinein oder füttert die Fiſche mit Weizen und mit Erbſen.
Wie begierig Fiſche die menſchlichen Erkremente erhaſchen, dies
gewahrt man in Bädern, wo die Abtritte in Bäche und Flüſſe
einmünden.
Die Fiſche find es alſo, welche ſich der phosphorſauren Salze
des in Bäche und Flüſſe übergeführten Harns und der aufgelöſten
Kothſtoffe bemächtigen, um dieſelben zu ihrem Grätengerüſte zu
verarbeiten. Von ihnen bekommen wir im letzteren, in den Schup—
pen, ſo wie im Fleiſche und Blute zwar einen bedeutenden Theil
wieder zurückerſtattet, allein trotzdem gehen mächtige Quantitäten
ins Meer. Auch in dieſem unendlichen Waſſerbehälter werden die—
ſelben zum Ausbaue der Fiſchgerüſte verwendet. Ein großer Theil
derſelben würde ſich im Schlamme verhüllt auf dem Meeresgrunde
3
2
PER
“
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164
verlieren, wenn nicht unabſehbare Vögelſchwärme ſich der Fiſche
als Nahrung bedienten, die dann ihre Erkremente an den niemals
beregnet werdenden Küſten und Felſen von Chili und Peru, am
Kap und dem weſtlichen Afrika, in Patagonien, auf den Seychell—
Inſeln und Auſtralien in ungeheurer Menge ablagerten. Von
dieſen entfernten Welttheilen erhalten wir unſere Phosphorſäure
und den Stickſtoff, welch beide wir im Harne u. |. w. leichtſinniger
Weiſe weglaufen ließen, zu hohen Preiſen wieder zurück. In N,
Jüngſtzeit ift der Guano Gegenſtand eines fehr lebhaften Handels
zwiſchen Europa und Amerika geworden und wird durch denſelben
ein Capital von mehr als 10 Millionen Thaler in Umlauf geſetzt. 2
Man unterſcheidet mehrere Sorten von Guano. Der weiße
iſt am geſchätzteſten; iſt er roth oder braun gefärbt, ſo ſtellt er ſich 0
in geringerer Qualität dar. Auch in Europa beſitzen wir Guano
d. h. Anſammlungen von Vogelexkrementen an den Klippen bei
Scarborough in Porkſhire und der Pentland Firth in Schottland.
Derſelbe unterſcheidet ſich von dem tropiſchen hauptſächlich durch
ſeinen Mangel an harnſaurem Ammoniak und Ammoniakſalzen
überhaupt, welche durch den Regen herausgewaſchen wurden; da
er aber nächſt andern Salzen viel phosphorſaure enthält, ſo giebt
er für unſere Culturgewächſe dennoch einen ſehr guten Dünger ab.
Ob der Guano von Vögeln herſtamme oder durch Zuſammen—
häufungen von Fiſchen entſtanden ſei, darüber wollen wir uns hier
nicht weiter verbreiten; daß aber erſteres der Fall geweſen ſein möge,
iſt mit viel mehr Sicherheit anzunehmen. Finden ſich auch ganze
Fiſchgerippe in den Guanolagern, ſo wiſſen wir andererſeits aber
auch gerade ſo gut: daß Vögel die Fiſche oft ſehr weit forttragen,
um das Fleiſch derſelben anderwärts zu verzehren. Auf dieſe
Weiſe könnten Gerippe von großen Fiſchen und in bedeutender An—
zahl in die Guanolager gekommen ſein.
Was Felder betrifft, welche der Cultur noch nicht lange unter—
ſtellt, namentlich ſolche, die dem Meeresgrunde neuſtens erſt ent—
ſtiegen ſind z. B. einige Marſchländer, der ruſſiſche Schwarzboden,
der im ſüdlichen und ſüdweſtlichen europäiſchen Rußland in großer
Ausdehnung und Mächtigkeit verbreitet und als allerjüngſte Ab—
lagerung anzuſehen iſt, ſo tragen dieſelben auf lange Jahre hinaus
165
die reichlichften Früchte ohne Bedüngung. Daß aber die ruſſiſche
Schwarzerde ein Gebilde der Jüngſtzeit ſei, beſtehend aus Meeres—
ſchlamm, der beim Zurücktreten des ſchwarzen Meeres, des Kaspi—
und vielleicht einiger andern Binnenſeen frei wurde, davon können
wir uns heut zu Tage nach dem Zurückgehen des Aral- und anderer
aſtatiſcher Seen überzeugen. Nicht nur die Ufer des letzteren treten
yr und mehr zurück, man gewahrt auch in der Nähe deſſelben meh—
rere größere und kleinere Waſſerbecken die früher, vereinigt, größere
Seen bildeten. Auch die Beſtandtheile des Bodens, namentlich
verſchiedene Muſcheln in demſelben weiſen darauf hin. Hieraus
läßt ſich nun auch die ungemeine Fruchtbarkeit jener Feldflächen er—
klären. Die Menge von Fiſchen, welche beim Zurücktreten der
Waſſer in dem an ſich ſchon ſehr ſtickſtoffreichen und mit phosphor—
ſauren Salzen geſchwängerten Schlamm zu Grunde gingen, trugen
außerordentlich viel zur ſchwellenden Fruchtbarkeit deſſelben bei.
Ganz guter Boden kann bei ſorgfältiger Bearbeitung eine
lange Reihe von Jahren hinter einander benutzt werden, ohne daß
er bedüngt zu werden braucht, ja man muß die Bedüngung ſogar
vermeiden, indem ſich die Cerealien ſonſt überwachſen und umlegen.
Ueberraſchend iſt die Erſcheinung: daß im Schlamm des Nils
durch die Analyſe keine Phosphorſäure nachgewieſen wurde und
doch könnte der Weizenertrag daſelbſt nicht ſo überaus hoch ſtehen,
wäre das wichtige Nahrungsmittel in jenem Boden nicht vorhan—
den. Berückſichtigen wir nur, wie lange das Waſſer des fiſchreichen
Stroms, in welchem eine ſo große Zahl von Krokodilen zu finden
iſt, in und an welchem eine ſo bedeutende Menge von Vögeln leben,
über die umliegenden Felder verbreitet iſt, ſo muß ſich uns der
Glaube aufdrängen: daß der Gehalt des ſich abſetzenden Schlammes,
in dem doch eine Menge von Fiſchen zu Grunde gehen, keinen un—
bedeutenden Gehalt an phosphorſauren Salzen haben kann.
Die Aſchen der Pflanzen beſitzen, wie wir weiter oben zu ſehen
Gelegenheit hatten, einen ſehr verſchiedenen Gehalt von Phos—
phorſäure, daraus erklären ſich die günſtigen Ergebniſſe beim
Fruchtwechſel. Nach dem Baue von Taback z. B., deſſen Boden
man ſehr guten ſtickſtoffreichen Dünger zuführen muß, erhält man
eine vortreffliche Gerſtenerndte, wenn man im zweiten Jahre das
166
Feld mit dieſer Frucht beſtellt. Der Taback enthält in feiner Aſche
aber auch nur 29 Phosphorſäure, während die . een 26
bis 314, das Gerſtenſtroh 32 2 enthält.
Um dem Ausfall waer ae Menge von Phosphorſäure,
welche durch Entweichen von Miſtjauche, Harn u. ſ. w. in Bächen
und Flüſſen verloren geht vorzubeugen, iſt eine Zuführung von
Außen unbedingt nothwendig. England verſorgt ſich ſchon längſt
aus allen Theilen der Welt mit Knochen und überdies führt es
noch eine ſehr große Quantität von Guano ein. Letzterer wirkt
ſchneller und kräftiger, als erſtere. Wo aber die Knochen billig zu
haben ſind, da verſäume man ihren Ankauf nicht. Die Verwen-
dung derſelben geſchieht am zweckmäßigſten als Mehl. Zerſetze
ſich deren Beſtandtheile auch im erſten und zweiten Jahre nicht |
vollkommen, fo wirken fie doch um fo nachhaltiger. |
Der Landwirth darf die Ausgabe für Guano, für Knochen
und ſonſtige phosphorſäurehaltige Subſtanzen nicht ſcheuen; er
darf ſich nicht der Meinung hingeben: dieſelben ſeien für ihn zu
theuer. Die Wirkungen derſelben ſind ja nicht für ein einziges
Jahr. Ein auf dieſelben verwandtes Capital kommt ſeinen Grund—
ſtücken auf viele Jahre hinaus zu ſtatten und trägt gerade deshalb
fo reiche Zinſen; denn durch den vermehrten Körner-Kartoffeln—
Stroh-Heu-Klee-Ertrag wird ein vermehrter und ausgezeichnet
guter Dünger erzeugt und die durch die Knochen oder den Guano
einmal in die Grundſtücke gelegte Phosphorſäure bleibt, bei ſorg—
fältiger Pflege der Miſtſtätten, ſtets in denſelben, und nur ſoviel
geht hinaus, als in den Aſchen der verkauften Körner- und Oel—
früchte enthalten iſt. Wie ſehr man den Werth der Zuführung
dieſes Düngemittels bereits erkannt hat, geht aus der Einfuhre
von Guano und Knochen in England hervor. Peru allein giebt
jährlich über 2 Millionen Centner Guano ab.
Außer dieſen thieriſchen Abfällen, durch welche gleichzeitig
auch eine bedeutende Quantität anderer wichtiger Nahrungsmittel,
namentlich Stickſtoff in die Culturgewächſe übergeführt wird,
haben wir im Mineralreiche noch reiche Quellen von Phosphor—
ſäure. Ich erinnere hier nur an die ſpathigen, fasrigen und
erdigen Agatite, Verbindungen von phosphorſaurem Kalke mit
167
Fluorcalcium, in denen der phosphorſaure Kalk bis auf 92, 313.
hinaufſteigt und die in vielen unſerer Gebirgsformationen getroffen
werden; ich erinnere hier nur an die Knochen— Conglomerate,
e Breccien, an die Knochengypſe; ich erinnere an die Eiſen—
pecherze, die Raſeneiſenſteine, das Eiſenblau, ſie alle enthalten
mehr oder weniger Phosphorſäure und werden im Verlaufe der
Zeit in der Landwirthſchaft mit großem Vortheile benutzt werden;
ich erinnere an die Lager von phosphorſaurem Kalke zu Logroſan
in Eſtremadura, in der Wetterau, im Fichtelgebirge. Bei auf—
merkſamer Durchforſchung unſerer Gebirgsformationen wird das
Auffinden mehrerer ſolcher Lager nicht auf ſich warten laſſen und
auf denſelben muß im Verlaufe einiger Jahrzehnte ein Bergbau
rege werden, welcher dem auf Gold und Silber um nichts nach—
ſteht. Der Bergmann gräbt dann auf denſelben unmittelbar auf
Weizen- und Gerſtenkörner und muß dadurch der Träger einer un—
gemein ſteigenden Bevölkerung werden, durch welche ſich die In—
duſtrie, die Künſte und Gewerbe immer mehr herausheben.
Was die Chemie in den jüngſt verfloſſenen Jahren in der
Landwirthſchaft geleiſtet hat, iſt leider noch nicht genug in alle
Schichten der Bevölkerung eingedrungen, die ſegensreichſten Folgen
dieſer Leiſtungen müſſen ſich jedoch in kurzer Zeit geltend machen.
Wir ſtellten den Phosphor früher aus dem Urine, ſpäter aus
den Knochen dar, der Schluß lag ſo nahe: daß, da in beiden Phos—
phorſäure enthalten ſei, dieſelbe dem Menſchen und dem Thiere
durch die Nahrungsmittel zugeführt werden müſſe; allein erſt die
chemiſche Analyſe wies nach: daß das Brod, daß das Fleiſch, daß
die Kartoffeln Phosphorſäure enthielten: daß dieſelbe dazu bei—
trage unſer Knochengerüſte aufzubauen: daß Phosphor mit Fett
in Verbindung im Gehirne vorkomme und daß letzterer für unſer
Denkvermögen nöthig ſei. Da nun unſere Cerealien, unſere Hül—
ſenfrüchte u. ſ. w. Phosphorſäure enthalten, ſo mußte ihnen die—
ſelbe nothwendiger Weiſe aus dem Boden zufließen, denn unſere
Luft enthält dieſen Stoff nicht. Es zeigte ſich aber bald: daß der
Phosphorgehalt unſerer Ackerflächen — mit Ausnahme beſonders
günſtiger Lagen — nur gering ſei und daß er ſich durch beſtändiges
Bebauen der Felder ſtark vermindere, indem durch den Verkauf
168
von Weizen, Gerſte, Korn, Erbſen, Kartoffeln ꝛc. ꝛc. nicht allein,
ſondern noch viel mehr durch die unverantwortliche Nichtbeachtung
des Menfchenharns und der Knochen, in welch beiden die meifte
Phosphorſäure enthalten iſt, immer mehr derſelben verloren gehe,
und daß hierdurch die Aecker endlich ganz unfruchtbar werden
müſſen. Für letzteres haben wir leider die ſprechendſten Beiſpiele.
In Virginien wuchs Reis in üppigſter Fülle, allein ſeitdem dem
Boden durch ununterbrochenen Bau deſſelben die Phosphorſäure
entzogen iſt, kommt er nicht mehr fort. In England, wo die Felder
ungemein erſchöpft waren, ſteigerte man deren Ertrag durch Ankauf
von Knochen, die man aus allen Weltgegenden herbeiſchafft, um
das Dreifache. Ein Pfund Knochen enthält aber auch den Phos—
phorſäuregehalt für 100 Pfund Weizen. Der Landwirth, welcher
Knochen von ſeinem Gehöfte tragen, welcher den Urin ins Waſſer
laufen läßt, verſündigt ſich nicht allein an ſich, ſondern auch an
ſeinen Kindes-Kindern. Wie groß die Capitalien ſind, welche die
Erlangung von Phosphorſäure in Umlauf ſetzt, beweiſt der Han—
del mit Guano und Knochen in England. Die geſetzgebende Ge—
walt in Peru verlangt lediglich und allein für den Guano der
Cincha Inſeln 871 Millionen Gulden. Rechnet man hierzu die
Händearbeit beim Graben, die Schiffs- und Landfrachten, ſo ſtellt
ſich für einen ſo kleinen Diſtrikt, von welchem Stickſtoff und Phos—
phorfäure für die Landwirthſchaft bezogen wird, ein Capital von
mehreren 1000 Millionen heraus. Für ſchweres Geld kaufen wir
daher unſere Düngſtoffe, die wir leichtſinniger Weiſe ins Waſſer
laufen laſſen, von wo aus ſie die Fiſche und durch dieſe die Vögel
an die nie beregnet werdenden Küſten entfernter Welttheile tragen,
wieder. |
Wenn wir Alles berückſichtigen, fo hängt in der Landwirth—
ſchaft — abgeſehen von den Witterungsverhältniſſen — Alles
vom Boden, deſſen ſorgſamer Bearbeitung, ſo wie von den Düng—
mitteln die ihm fehlen und daher zugeführt werden müſſen, ab.
Jeder der in Bezug auf Letztere Erfahrungen gemacht hat, möge
daher durch Veröffentlichung ſein Schärflein zum Gemeinwohle
beitragen; der Gewinn iſt zu groß und in die Augen fallend, wel—
cher nicht nur Einzelnen, ſondern den Geſammt-Staaten erwächſt,
169
wenn. dem culturfähigen Boden diejenige Behandlung zu Theil
wird, durch welche der höchſte Ertrag erzielt werden kann. Arbeit
und Ausſaat bleiben ſich nicht nur gleich, an letzterer kann ſogar
die Hälfte erſpart und dennoch eine doppelte Erndte erlangt
werden.
Thut jeder das Seinige, ſammelt er ſeinen Dünger ſorg—
fältig auf, dann muß die Klage über nicht ausreichenden Getreide—
bau verſtummen, dann müſſen die Ausgaben für Einfuhre von
Früchten und Düngſtoffen gemindert und dadurch enorme Sum—
men erhalten werden. Wir ſahen weiter oben: daß ſich lediglich
und allein der Verluſt des dritten Theils von Phosphorſäure im
Menſchenharne bei einer Bevölkerung von 50 Millionen auf
500000 Entr. berechne; rechnet man nun für das Pfund Phos—
phorſäure als Düngſtoff nur 2 Thlr., ſo geht hierdurch allein ein
Capital von 100 Millionen Thaler verloren. Was iſt dies für
eine jedes Jahr wiederkehrende Schmälerung des National-Ver—
mögens und wie leicht könnte derſelben, wenigſtens zum größten
Theile vorgebeugt werden, wenn von Seiten der Staatsbehörden
überall mit Strenge darauf gehalten würde: daß die Düngſtätten,
daß die Abtrittsgruben waſſerdicht und ſo hergeſtellt würden, daß
Regen- und andere Wäſſer keine Ueberfluthungen derſelben zu be—
wirken vermögen!
Ich erlaube mir hier nochmals auf Belgien und zugleich auf
das Königreich Sachſen zu verweiſen; man ſehe mit welcher Voll—
kommenheit da die Oekonomie vorſchreitet, zugleich aber auch, wie
ſich daſelbſt die Vorſorge, welche von Seiten der Staatsbehörden
angewandt wird, durch die raſch emporblühende Induſtrie belohnt.
Schwefel.
Der Schwefel ift ein Element, welches weit verbreitet in der
Natur vorkommt und zur Bildung mancher Pflanzen- und Thier—
theile unbedingt nothwendig iſt. Im gediegenen Zuſtande findet
er ſich in bedeutender Menge auf der Inſel Sicilien und in Italien,
mit Metallen verbunden, oft mächtige Lager und Stöcke bildend,
im Schwefelkieſe, im Kupferkieſe und im Bleiglanze. In geringer
Menge findet er ſich in den Thieren und Pflanzen. In Zwiebeln
und Erbſen kann man ihn leicht erkennen, wenn man nach dem
Abkochen derſelben einen metallenen Löffel in ſie ſteckt; da er mit
Metallen Schwefelverbindungen eingeht, die ſich durch eine ſchwarze
Farbe auszeichnen, ſo färben ſie jene Gemüſe, durch Vermittlung
des Metalls, ebenfalls ſchwarz. Auch die Haare, welche einen
kleinen Antheil Schwefel enthalten, färben ſich beim Kämmen mit
einem Bleikamme ſchwarz. Der Schwefel iſt bei vorhandener
Wärme flüchtig d. h. er geht leicht in einen luftförmigen Zuſtand
über; deshalb verbindet er ſich ſo leicht mit Sauerſtoff, oder mit
andern Worten: er verbrennt ſehr raſch. Aus dieſem Grunde wird
er im gewöhnlichen Leben als Schwefelfaden, als Streichhölzchen
zur Ueberführung der Flamme oder zum Anzünden benutzt. Wenn
ſich der Schwefel mit einem Theile Sauerſtoff verbindet, wie dies
beim Entzünden deſſelben an der Luft der Fall iſt, dann entſteht
eine ſcharfe ſtechende Luftart von unangenehmem Geruche und Ge-
ſchmacke, die ſogenannte ſchweflichte Säure, welche auf Thiere |
giftig wirkt und das Feuer verlöſcht. Brennende Schornfteine find
daher ſofort zu löſchen, wenn man Schwefel unter ihnen anzündet.
Wenn noch einmal ſo viel Sauerſtoff zum Schwefel tritt, als er
a
174
beim Verbrennen an der Luft von ſelbſt aufnimmt, ſo bildet ſich
Schwefelſäure, die in Verbindung mit Waſſer auch Vitriolöl ge—
nannt wird. Die Schwefelſäure iſt ungemein ätzend und ſcharf
und geht mit einer großen Zahl von Baſen Verbindungen ein, die
ſchwefelſaure Salze genannt werden. In letzteren kommt ſie im
Miſte unſerer Hausthiere auf die Felder, oder ſie bildet ſich dort
bei der Zerſetzung von Schwefelkieſen, oder aus pflanzlichen und
thieriſchen Ueberreſten. Die löſende Kraft des Waſſers nimmt dieſe
Salze auf und führt ſie in das Pflanzengewebe über.
Aus den Verſuchen des Fürſten von Salm-Horſtmar mit Er—
ziehung von Haferpflanzen geht die Wichtigkeit der Schwefelſäure
als Pflanzennahrungsmittel hervor. Wenn z. B. die Phosphor—
ſäure in der Bodenmiſchung fehlt, aber Kieſelerde, Kali, Kalkerde,
Talkerde und Schwefelſäure darinnen vorhanden ſind, ſo wirkt
die Düngung mit dem ſtickſtoffhaltigen Salze mehr, als wenn die
Schwefelſäure in der Miſchung fehlt und die Phosphorſäure dar—
innen vorhanden iſt. In beiden Fällen erſcheinen die Pflanzen
ſehr ſchwach, indeſſen regelmäßig gebildet. Die ohne Zuſatz von
Phosphorſäure gezogene Pflanze trug merkwürdiger Weiſe eine
vollſtändige Frucht; die mit Zuſatz von Phosphorſäure, aber ohne
Schwefelſäure gezogene hingegen trug keine Frucht. Dieſer Vor—
gang ſcheint in Bezug auf Aſſimilation der Nahrungsſtoffe der
Pflanzen deutlich für die Wichtigkeit der Schwefelſäure zu ſprechen.
Am deutlichſten tritt die Wichtigkeit dieſer und der Phosphorſäure
hervor, wenn man die Gewichte der Pflanzen in den betreffenden
Verſuchen vergleicht. Ohne Phosphorſäure wog die trockne
Pflanze 0,17 Gran, ohne Schwefelſäure war das Gewicht der
trocknen Pflanze 0,12 Gran; ebenſoviel wog die ohne Phosphor-
ſäure und ohne Schwefelſäure gezogene trockne Pflanze. Durch
die Gegenwart beider Säuren im Boden ſtieg aber das Gewicht
der getrockneten Pflanze auf 0,37 Gran.
Durch die Hülſenfrüchte, durch die Zwiebeln und andere
Pflanzennahrungsmittel wird der Schwefel in den Menſchen- und
Thierkörper gebracht; er bewegt ſich daſelbſt in den feineren Flüſſig—
keiten der Nerven, hilft die Haare mit bilden und findet ſich im
Eiweiße, im Käſe- und Faſerſtoffe des Fleiſches wieder.
Fluor.
Dieſes Element kommt hauptſächlich im Mineralreiche und
zwar in Verbindung mit Calcium zu Fluor, Calcium — Fluß—
ſpath — vor. Außerdem findet es ſich in den meiſten natürlichen
phosphorſauren Salzen und eine Spur in den Knochen der Thiere.
Dieſe geringen Mengen werden durch die phosphorſauren Verbin—
dungen in die Pflanzen und durch dieſe in den thieriſchen Körper
gebracht; das Fluor giebt alsdann den Zähnen ihren ſchönen
Schmelz.
Wenn das Fluor in zu reichlicher Menge im Boden vorhan—
den iſt, ſo verhindert es (nach den Verſuchen des Fürſten von
Salm-Horftmar) das Wachsthum der Pflanzen, wenigſtens war
dies bei den Haferpflanzen der Fall; zugleich wirkte es aber auch
dahin, daß ſich die Blüthen nicht entwickelten. Die auffallend
langſam wachſenden Pflanzen erreichten bei dem Verſuche nur
13 Zoll Höhe und trugen 7 Blätter, von denen die untern blaß—
grün und gelb geſtreift, die Scheide des Gten Blattes auffallend
purpurroth waren. Es bildeten ſich 3 Nebenſproſſen, als der
Haupthalm im 7ten Blatte ſtand.
ab Er re
Chlor.
Wenn man Kochſalz mit Schwefelſäure übergießt, ſo erhebt
ſich ein ſtechender Dunſt, welcher im Waſſer aufgefangen die Eigen—
ſchaft einer Säure nachweiſt. Man nannte dieſelbe Salzſäure.
So lange ſie nicht genauer bekannt war, ſetzte man voraus, ſie
beſtehe aus Salz und Sauerſtoff; nach gehöriger Unterſuchung
fand ſich jedoch: daß die Salzſäure aus einer noch nicht gekannten
Gasart, Chlor und Waſſerſtoff, beſtehe.
Das Chlor hat einen ſcharfen durchdringenden Geruch und
wirkt bei längerem Einathmen giftig. Es zerſtört faſt alle Farben
und faſt ebenſo die fauligen Gerüche, weshalb man es zum Blei—
chen und zum Vertreiben übler Gerüche aus Kellern, aus Ge—
bäuden und Kloaken verwendet. Wo es ſich immer nur befindet,
da ſucht es begierig den Waſſerſtoff auf, um mit demſelben Salz—
ſäure zu bilden. Es wirkt daher beim Bleichen nicht direct, ſon—
dern es nimmt dem Bleichwaſſer Waſſerſtoff und der zurück—
bleibende Sauerſtoff macht dann die Faſer weiß. Ebenſo wirkt es
beim Vertreiben übler Gerüche. Dieſelben ſind Gemiſche von
Schwefelwaſſerſtoff und Ammoniak; das Chlor ſucht beiden den
Waſſerſtoff zu entziehen und Schwefel und Stickſtoff, welche zurück—
bleiben, beläſtigen die Geruchsnerven alsdann nicht mehr. Beim
Bleichen mit Chlor entſteht zuerſt Salzſäure und dieſe wirkt aller—
dings ätzend auf die dem Prozeſſe unterſtellten Zeuge; wenn man
ſie aber nach der Operation gehörig mit Waſſer auswäſcht, ſo
leiden ſie nicht.
Nachdem man wußte: daß das Kochſalz aus Natrium und
174
Chlor beſtehe, erklärte ſich auch leicht, warum das Salzen der
Speiſen ſo unumgänglich nothwendig ſei. Die Speiſen im Magen
vermiſchen ſich auf das Innigſte mit einem ſcharfen Safte, dem
Magenſafte, und beim Austritte aus dem Magen mit der Galle.
Magenſaft und Galle ſind aber die nothwendigſten Erforderniſſe
bei der Verdauung. Erſterer beſteht nun zum Theile aus Salz—
ſäure, die Galle zum Theile aus Natron. Beide könnten im Kör—
per nicht in ausreichender Menge vorhanden ſein, wenn durch das
Salzen der Speiſen nicht Kochſalz in den Magen käme. Daſſelbe
macht die eiweißhaltigen Stoffe und die Fette im Waſſer der Ver—
dauungsflüſſigkeit löslich und führt dadurch eine Verdünnung des
Blutes herbei; es beſchleunigt zugleich die Thätigkeit der Ver—
dauungsdrüſen und erhöht dadurch die Theilnahme an der Blut—
bildung, daher folgerichtig an der Ernährung. Daraus erklärt es
ſich auch, warum die Thiere, welche kein Kochſalz erhalten, ihre
Nahrung ſchlecht verdauen und warum wilde Thiere die Salzlecken
ausnehmend gerne beſuchen. Da es zugleich fäulnißwiderſtehend
wirkt, ſo hat deſſen Genuß außerdem noch ſeine Vortheile für das
Thierleben und iſt in Bezug auf die Erhaltung des Fleiſches, in—
dem man es durchs Einſalzen den ganzen Sommer über aufbe—
wahren kann, von hohem Werthe. Beim Einſalzen iſt jedoch nicht
zu verkennen: daß das Fleiſch dadurch einen Theil ſeiner beſten
Nahrungsſtoffe verliert. Zugleich mit dem Waſſer des Fleiſches
werden nämlich Eiweiß- und Fleiſchſtoff, ſo wie Milchſtoff vom
Kochſalze ausgezogen. Die Salzlake wird nicht benutzt und durch
das Weggießen derſelben geht ein Theil der löslichſten und weſent—
lichſten Stoffe des Fleiſches verloren.
Das Kochſalz, was wir in unſern Küchen benutzen, iſt nicht
reines Chlornatrium. Am reinſten iſt in der Regel das Steinſalz,
in dem nur Spuren von Chlorkalium und Chlormagneſium mit
etwas Gyps vorkommen. Im Meerſalze dagegen findet ſich mehr
Chlormagneſium, Gyps und ſchwefelſaure Bittererde. Wegen des
reichlicheren Gehaltes von Chlormagneſium löſt das Meerſalz die
eiweißartigen Körper leichter, als gewöhnliches Küchenſalz; denn
ſchon bei der Wärme unſers Körpers verwandelt ſich das Chlor:
magneſium in Salzſäure und Bittererde, und eine ſehr verdünnte
175
Miſchung von Salzſäure und Waſſer ift im Stande die eiweiß-
artigen Stoffe zu löſen.
Durch die Stühle wird dem Blute das Kochſalz entzogen.
So viel Kochſalz aber Harn und feſter Koth, Schleim und Schweiß,
Thränen und Horngebilde dem Blute entziehen, ſo viel ärmer an
Kochſalz wird das Blut, welches die Nerven der Zunge ernährt.
Dies iſt der Grund, warum uns ungeſalzene Nahrungsmittel nicht
ſchmecken. Das Kochſalz in den Thränen iſt auch die Urſache,
warum jene die Augen entzünden.
Aber auch als näherer Beftandtheil der Pflanzen iſt das Koch—
ſalz von großer Bedeutung. Wenn es durch den Miſt oder als
beſonderer Dünger in den Boden gelangt, oder bereits in ihm ent—
halten war, ſo nehmen es die Pflanzen in wäßrigen Löſungen auf
und lagern es in ihren Zellen ab. Nur wenig Pflanzen giebt es,
welche nach ihrem Verbrennen nicht Kochſalz in ihrer Aſche ent—
halten. Stets hat ſich gefunden daß kleine Mengen, dem Boden
beigemengt, die Fruchtbarkeit deſſelben erhöhten. Ganz beſonders
wirkt es auf den Flachs, den Hopfen, Raps, Klee, auf Erbſen,
Bohnen, Rüben, Kartoffeln, Kohl, Sellerie, Meerrettig, Senf;
aber auch für die Cerealien iſt es ſehr gut. Sandigem Boden darf
man nur wenig, mehr ſchon mergligem, am meiſten dem lehmigen
übergeben.
Daß das Verhältniß der Aufnahme ein ganz beſtimmtes,
wie das aller übrigen Pflanzennahrungsmittel, ſei, dürfte daraus
entnommen werden: daß das Gerſtenſtroh einem Acker genau
dieſelbe Quantität entzieht, es mag nun im größern oder gerin—
gern Verhältniſſe in demſelben enthalten ſein. Es iſt daher mit
Sicherheit anzunehmen: daß die Pflanze das Kochſalz zu ihrem
Gedeihen unumgänglich nothwendig habe. Merkwürdig iſt übrigens
noch der Umſtand: daß es ſich ſtets mehr in den Stämmen und
Stängeln, als in den Blättern vorfindet. Aecker, denen kein Koch—
ſalz zugeführt wird, wenn ſie daſſelbe nicht bereits enthalten, wer—
den daher neben anderer guter Bedüngung nur geringe Erndten
geben und man kann dem Landwirthe nichts beſſeres anrathen,
als ſeinem Viehe recht fleißig Salz zu verabreichen, denn dadurch
wird er ſich nicht allein einen verdauungskräftigen geſunden Vieh—
176
ftand, ſondern auch beſſere Getreide- und Kartoffel-Erndten ſichern.
Gar häufig finden wir in den feſten Erkrementen des Viehs noch
unverdaute Körner, durch dieſelben geht das beſte Nahrungsmittel,
das Eiweiß, verloren. Wird dem Viehe mit dem Saufen oder in
der Süde Kochſalz gegeben, ſo verdaut ſich jenes und es wird
Futter erſpart. Der Landwirth, welcher das Salz ſchont, dem es
zu theuer iſt, bringt ſich dadurch in einen dreifachen Nachtheil,
der die Erſparniſſe am Salze um das Zwanzigfache überſteigt.
Beim Bedüngen unſerer Aecker mit Kochſalz iſt darauf zu
ſehen: wie ſich der Boden in Bezug auf ſeine Beſtandtheile ver—
hält. Fehlt es demſelben, ſo wirkt es nach dem Beſtreuen der Fel—
der ausgezeichnet. Beſitzt es aber eine Ackerkrume ſchon im hin—
reichenden Verhältniſſe, dann darf man ihr keins mehr übergeben,
denn dann könnte es ſogar nachtheilig wirken.
Die mit Kochſalz angeſtellten Verſuche haben beim Gerſten—
baue ſehr günſtige Reſultate ergeben. Auffallend iſt jedoch dabei:
daß die günſtige Wirkung erſt bei 2360 Pfund auf die Fläche von
einer Hectare Land hervortritt, wird aber mehr als 3600 Pfund
Kochſalz auf dieſe Fläche verwendet, dann werden die Exträgniſſe
wieder geringer. Es tritt daher unter den vorhandenen Boden—
und Witterungs-Verhältniſſen das Maximum der Wirkung beim
Kochſalze ein, wenn daſſelbe in einer Menge von 2360 bis 2800
Pfund auf eine Hectare gebracht wird. Die Körnerausbildung
ſchreitet unter dem Einfluſſe des Kochſalzes in gleichem Verhält—
niſſe wie die Strohbildung fort und nimmt auch eben ſo zu. Auch
beim Hafer zeigt ſich die Düngung mit Kochſalz günſtig; un—
günſtig aber beim Buchweizen. Im allgemeinen kann man an—
nehmen: daß |
1) das Kochſalz nur günſtig bei Gegenwart von Kohlen und
ſtickſtoffreichen Stoffen wirke;
2) daß dies nur bei Gräſern und namentlich den Getreide—
arten der Fall ſei. Blattfrüchte ſcheinen nur geringe Mengen ver—
tragen zu können; wenigſtens muß die Salzdüngung, wenn es
eine ſtarke ſein ſoll, längere Zeit vor der Beſtellung in den Boden
gebracht werden. Sehr empfindlich zeigt ſich der Buchweizen gegen
177
Kochſalz; ſchon geringe Mengen wirken auf das Keimen und die
Entwicklung dieſer Brodfrucht auffallend nachtheilig.
3) Vorzüglich der Entwicklung der Körner iſt das Kochſalz zu—
träglich, und obſchon auch das Stroh kräftiger wird, ſo wirkt das
Kochſalz doch einige Jahre von der erſten Bedüngung an fort.
4) Bei der Wirkung des Kochſalzes laſſen ſich zweierlei Er—
ſcheinungen bezüglich der Düngkraft bemerken. Schon geringe
Mengen bedingen eine vermehrte Fruchtbarkeit; wenn man die
Quantität aber bis zu einer gewiſſen Höhe ſteigert, wie wir ſo
eben ſahen, dann tritt die zweite, weit wichtigere Wirkung des
Kochſalzes ein.
Fricke in Ballenſtädt, welcher ſeine Wieſen, die ſaure Gräſer
trugen, mit Salinenabfällen, gemengt mit ſchwefelſaurem Kalke
und Aſche und zwar in dem Verhältniſſe von 1 Centner Düngeſalz
und 14 Centner Aſche pro Morgen beduͤngte und dieſe Beſtreuung
im Winter und zwar im Monat Februar vornahm, erhielt auf
denſelben nicht allein viel ergiebigere Erndten, ſondern auch ein
Heu und ein Grummt, welches das Vieh gerade ſo gerne fraß,
als das auf guten trocknen Wieſen erbaute. Da Salzabfälle auf
allen Salinen billig zu bekommen ſind, ſo ſollte kein Landwirth
verſäumen, ſeinen Feldern und ſeinen Wieſen zuweilen Kochſalz
zukommen zu laſſen.
Engelhardt, die Nahrung der Pflanzen. 12
Kali.
Wenn die Hausfrau die Aſche aus dem Ofen oder von dem
Küchenheerde nimmt, ſie in ein Faß thut, heißes Waſſer darüber
gießt und den dadurch hervorgehenden ſchwarzgrauen Brei eine
Zeit lang ſtehen, dann aber vermittelſt eines hölzernen Hahns die
Flüſſigkeit aus dem Faſſe durch dichte Leinwand laufen läßt, ſo
erhält ſie eine ſcharfe Flüſſigkeit, Lauge genannt, welche ein aus—
gezeichnetes Mittel zur Reinigung der Wäſche abgiebt. Dieſe
Lauge enthält nämlich ein Salz, die Pottaſche, welches ſich mit
Fett und fettigen Stoffen verbindet und ſie auf dieſe Weiſe im
Waſſer auflösbar macht. Wenn man die Lauge über Feuer ein—
dickt, ſo erhält man die Pottaſche als ein feſtes Salz. Die Laugen—
ſalze ſind nicht in allem Holze gleichmäßig vertheilt, junge Bäume
enthalten mehr als alte, Krautgewächſe mehr als Holzgewächſe,
die Aſche von Erdrauch ſogar den achten Theil ihres Gewichtes.
In der auf die jetzt beſchriebene Weiſe erlangten Pottaſche
iſt viele Kohlenſäure enthalten; wenn man fie daher in Brod- oder
Kuchen-Teig knetet, oder ihre Auflöſung in Bier gießt, ſo wird
die Kohlenſäure luftförmig und macht das Gebäcke lockrer und das
Bier muſſirend. Viel darf freilich nicht genommen werden, weil
dies Salz bei ſeiner ätzenden Wirkung ſonſt nachtheilig auf den
Körper einwirken würde. Wenn der Seifenſteder Seife ſiedet, wo—
zu er Fett und Pottaſche nimmt, fo entfernt er die Kohlenſäure
durch Zugabe von Aetzkalk. Sobald dieſes Salz von ſeiner Koh—
lenſäure befreit iſt, nimmt es einen andern Namen an und wird
nun Kali genannt. Wenn man durch Kohle, bei Anwendung hoher
Hitzgrade, den Sauerſtoff vom Kali trennt, fo erhält man ein ſil—
179
berweißes Metall, Kalium, das eine ungemein große Neigung
hat, ſich wieder mit Sauerſtoff zu vereinigen; deshalb ſaugt es
ihn begierig aus der Luft und zerfällt dann ſchnell zu einem weißen
Pulver. Wirft man es ins Waſſer, ſo entzieht es auch dieſem den
Sauerſtoff und veranlaßt unter Ausgeben von Flamme, welche
den Waſſerſtoff entzündet, heftige Exploſionen.
Früher verwandte man das Kali häufig zur Bereitung von
Seife und Glas; jetzt wählt man dazu die billigere Soda. Es iſt
dies ein großer Gewinn für unſere Felder und Wieſen, indem man
die Aſche ſehr vortheilhaft als Dünger verwendet; denn da alle
Pflanzen Kali in ihrer Miſchung haben, ſo muß ſich daſſelbe auch
im Boden vorfinden, wenn anders die Pflanzen gut gedeihen
ſollen; da jedoch die aus der Aſche bezogene Quantität für unſere
Bodencultur zu gering ſein würde, ſo hat die Natur Mittel und
Wege gefunden, daſſelbe aus unſerer Ackererde ſelbſt zu bereiten
und dies geſchieht vermittelſt in Waſſer gelöſter Kohlenſäure,
welche unſere Silicate (Feldſpathe), Verbindungen von kieſelſaurer
Thonerde mit kieſelſaurem Kali, zerlegt und kohlenſaures Kali,
alſo Pottaſche, bildet. Faſt alle unſere gewöhnlichen Culturpflan—
zen zeichnen ſich durch einen vorherrſchenden Kaligehalt aus und
zwar findet ſich die größte Menge deſſelben in den Saamen. Die
Gerſte, der Roggen, der Weizen enthalten Kali, aber kein Natron,
daſſelbe iſt beim Tabacke, dem Zuckerrohre, den Kartoffeln der
Fall. Daher iſt die Anweſenheit löslicher Kaliſalze fuͤr den Boden
von hoher Wichtigkeit, indem es eins der Hauptnahrungsmittel
der Pflanzen iſt. Geſammelte Erfahrungen und Beobachtungen
geben der Vermuthung Raum: daß zu gewiſſen Zeiten des Wachs—
thumes das Kali wichtige Funktionen zu vollziehen habe. So
ſchreibt man demſelben das Süßwerden der Früchte zu, indem es
die freien organiſchen Säuren zerſtört; man räumt ihm eine Ein—
wirkung auf die Güte der Trauben ein und glaubt, daß es die
Bildung des Stärkemehls in den Körnerfrüchten und Kartoffeln
befördere, oder vielleicht ſogar erſt möglich mache.
So nahe verwandt Kali und Natron ſind, ſo ſcheinen ſie ſich
gegenſeitig dennoch nicht in den Pflanzen zu erſetzen. Gerſte an
der Küſte des Meeres gezogen, wo das Natron vorherrſcht, hatte
12 *
180
denſelben Gehalt von Kali, wie die, welche im Innern von Eng—
land erbaut wurde. Darinnen ſtimmen aber beide überein: daß ſie
den Humus löslich machen und dadurch in mehrfacher Beziehung
ſo günſtig auf die Vegetation einwirken. Von der hinreichenden
Anweſenheit von Kali und löslicher Kieſelerde im Boden hängt
in Bezug auf die Beſaamung der Felder viel ab. In früheren
Zeiten, und jetzt noch in manchen Gegenden, ließ man den Boden
ein oder mehrere Jahre ruhen, wenn man ihn zuvor zwei Jahre
benutzt hatte und nannte dies Brache; dabei bildeten ſich durch
Einwirkung von Kohlenſäure auf naſſe Feldſpathe dieſe Düng—
ſtoffe von Neuem. Bei dem jetzigen rationellen Betriebe der Land—
wirthſchaft umgeht man dies durch den Wechſel mit den Früchten
und erlangt dabei natürlich einen weit höheren Ertrag des Grund
und Bodens. g
Der Landwirth halte daher ſeine Aſche nicht allein zuſammen,
er ſuche dergleichen auch anzukaufen, denn wir ſehen deren günſtige
Wirkungen auf Wieſen, wir ſehen ſie auf Feldern, namentlich bei
Weizen und Kartoffeln. Aber nicht allein das Kali iſt es, was ſie
ſo vortheilhaft auszeichnet, ſondern wie wir weiter oben ſahen iſt
es auch die Phosphorſäure, welche der Aſche einen ſo hohen Werth
verleiht.
Im Salpeter, wo das Kali mit Salpeterſäure verbunden iſt,
hat man gleichfalls ein gutes Düngemittel und zwar in doppelter
Beziehung, indem durch denſelben den Feldern zugleich auch Stick—
ſtoff übergeben wird. Daher kommt es auch: daß alte Bauſchutte,
daß alte Lehmwände, worinnen ſich ſtets Salpeter erzeugt, ein ſo
gutes Düngmaterial abgeben. Taback, Nußbäume, Sellerie ent—
halten Salpeter. Im Taback iſt derſelbe oft ſo reichlich enthalten,
daß man ihn nicht allein beim Anzünden deſſelben ſofort gewehrt,
ſondern daß man ihn zuweilen auch zur Salpetergewinnung ver—
wendet, wie dies im vorigen Jahrhundert in Virginien einmal der
Fall war. j
Durch die Nahrungsmittel, die wir von den Pflanzen erlan—
gen, wird das Kali in uns und den thieriſchen Leib übergeführt,
wo es ſich im größeren Verhältniſſe im Fleiſche, im geringern im
Blute wiederfindet.
181
Die Abfälle, welche bei der Fabrikation der Pottaſche und
Soda aus ſchwefelſauren Salzen gewonnen werden und aus Kal—
ciumoxyd und Schwefelkalcium beſtehen, wirken äußerſt günſtig
auf die Vegetation der Wälder und Wieſen und würde dies auch
bei den Feldern der Fall ſein. Bei mancher Fabrik häufen ſich
dieſe Abfälle zu Hügeln an, bei andern werden ſie ins Waſſer ge—
worfen und es geht durch ſie ein großer Schatz pflanzlicher Nah—
rungsmittel verloren.
„
Natron.
Die Soda, ein Laugenſalz, kam früher aus Aegypten, wo ſie
aus Seeen, deren Boden im Sommer beim Austrocknen mit einer
ſtarken Kruſte überzogen werden, aufgeſammelt wird. Von dort
aus holten ſich auch die Phönicier Sodaſtücke um ſie als Kochſalz
zu verwenden und bei dieſer Gelegenheit entdeckten ſie zufälliger
Weiſe das Glas, indem Soda die am Feuer lag mit Sand zu
Glas zuſammen ſchmolz. Wie die Pottaſche, ſo enthält auch die
Soda Kohlenſäure, weshalb man ſie auch kohlenſaures Natron
nennt. Wird letztere von der Soda getrennt, ſo erhält man das
Natron. Nimmt man dieſem den Sauerſtoff, ſo kommt ein ſilber—
weißes Metall, das Natrium, zum Vorſchein. Daſſelbe hat die
Eigenſchaft des Kaliums: an der Luft Sauerſtoff aufzunehmen
und als weißes Pulver wieder in Natron zu zerfallen; auch das
Waſſer zerlegt es, jedoch nicht unter Feuererzeugung und Exploſion.
Mit Fett giebt Natron ebenfalls Seife und zwar harte, im
Gegenſatze zu der Kaliſeife. Das Natron wird in neuer Zeit in
ungeheuren Maſſen aus dem Kochſalze dargeſtellt; bei dieſer Be—
reitungsweiſe erzielt man zugleich Salzſäure. Das Natron kommt
aber auch als Natronſalpeter, eine Verbindung von Salpeterſäure
mit Natron, vor und ſetzt gewaltige Lager in Chili in Südamerika
zuſammen, weshalb er auch Chiliſalpeter genannt wird. Jetzt
ſchon treibt man mit dem Chiliſalpeter einen wichtigen Handel, in⸗
dem man ihn bereits vielfach als Düngematerial verwendet, wozu
ihm ſeine Billigkeit großen Vorſchub leiſtet.
Das Natron wirkt bei den Pflanzen gleich dem Kali d. h.
es dient zur Neutraliſation der Säuren. So nahe verwandt beide
183
aber auch find, fo vertreten fie ſich gegenfeitig doch nicht. Die
Buchen und Eichen enthalten im Vergleiche zum Kali nur einen
ſehr geringen Natron-Antheil, ſelbſt dann, wenn die Bäume auf
einem Boden gezogen find, in welchem das Natron im öfachen
Uebergewichte gegen das Kali ſtand. Man ſieht hieraus: daß
zwiſchen den Pflanzen und den Bodenbeſtandtheilen ein verwandt—
ſchaftliches Verhältniß beſteht, welches jedes Spiel des Zufalls
ausſchließt und bei gegenſeitigen Erſetzungen ſogar Krankheits—
verhältniſſe der Pflanzen herbeiführt.
Vielfache Verſuche haben ergeben: daß der Natrongehalt im
Strohe unſerer Cerealien, ſo wie in dem Strohe des Rapſes und
der Erbſen ein merklich höherer iſt, als in den Körnern. Dieſes
Verhältniß findet auch beim Holze ſtatt, wo in dem Saamen das
Kali ebenfalls vorherrſcht. Daß übrigens das Kali für das Pflan—
zenreich von höherer Wichtigkeit ſei, als das Natron, dafür ſprechen
ganz beſonders die Meerespflanzen und unter dieſen namentlich die
Fucusarten; dieſe wachſen unter Verhältniſſen, wo das Natron
im Boden um das 20fache gegen das Kali vorherrſcht, und dennoch
nehmen ſie nur letzteres auf. Einen überaus wichtigen Fingerzeig
erhalten wir durch den brandigen Weizen. Während beim geſun—
den nur im Strohe ein Natrongehalt nachzuweiſen iſt, findet ſich
letzterer beim brandigen auch in den Körnern. Dieſer Umſtand
liefert Stoff genug zum Nachdenken und zu weiterer Forſchung.
Bei der nahen Verwandtſchaft beider Salze läge es in der Mög—
lichkeit, daß, wenn dem Boden das Kali fehlte, um die Ausbildung
der Körner vollkommen zu bewirken, das Natron als Stellvertreter
einträte und daß dadurch dieſe für die Landwirthe ſo nachtheilige
Krankheit hervorgerufen würde. Verſuche mit Beibringung von
Kali auf die Hälfte eines mit Weizen beſtellten Ackers würden
hierüber bald zufriedenſtellende Aufſchlüſſe gewähren; abgeſehen
davon, daß wir bereits aus Erfahrung wiſſen: daß wenn die
Weizenfelder mit Aſche überſtreut werden, nicht allein eine beſſere
Erndte, ſondern auch ganz vollkommne Körner erlangt und nur
ſelten etwas von Brand verſpürt wird. Durch letzteres faͤnde die
ausgeſprochene Anſicht bereits ihre Beftätigung. -
So wichtig Kali und Natron im Pflanzenernährungs-⸗Prozeſſe
18%
find, fo unentbehrlich find fie im menſchlichen Haushalte und hat
letzteres im Blute ſo wie bei der Verdauung wichtige Funktionen
überkommen. Ich verbreite mich hier nicht über die Höhe, auf
welche ſie die Induſtrie ſtellte, ich erlaube mir nur noch etwas über
die Bequemlichkeiten welche ſie dem Menſchen verſchaffen und über
die hohe Stufe, auf welche ſie die Wiſſenſchaften brachten, vor—
zutragen.
Wie Kali und Natron im Feldſpathe in der Natur zu einer
glaſigen durchſcheinenden Verbindung vereinigt ſind und in ihr durch
die Aufſchließung der Kohlenſäure zum Wohlthäter der Pflanzen
werden, ſo vereinigt der Menſch die Laugenſalze mit Kieſelerde
von Neuem zu einem farbeloſen, oder gefärbten, glänzenden und
durchſichtigen Silicate, was im glühenden Zuſtande ungemein
form- und fügſam und unter dem Namen Glas allgemein bekannt
iſt. Vermittelſt deſſelben dringen wir nicht allein in die entfern—
teſten Himmelsräume ein und lernen die dort beſtehenden Geſetze
kennen, ſondern wir entdeckten durch daſſelbe auch auf und in un—
ſerer Erde, ſo wie im Waſſer eine ganz neue Schöpfung, in wel—
cher die Zahl der Individuen ſo groß, wenn nicht zahlreicher, als
die iſt, welche unſerm unbewaffneten Auge entgegentritt. Wie wir
weiter oben ſahen waren es die Phönicier, die beim Verbrauche
der Soda als Kochſalz das Glas entdeckten. Wohl kam es ihnen
nicht in den Sinn, daß ſie durch dieſe Entdeckung eine Macht her—
vorgerufen hätten, in welcher der menſchliche Geiſt ſeine höchſten
Triumphe feiern ſollte; denn die Laugenſalze in Verbindung mit
Kieſelerde ließen uns erſt die gewaltige Größe ſo recht erkennen,
welche unſer Schöpfer in den menſchlichen Geiſt gelegt hat.
Obſchon das Glas im Alterthume ſehr hoch geſchätzt, ob
ſchon für einzelne Glasvaſen und glänzende Glasſchaalen zur
Römerzeit Tauſende von Tauſenden geſpendet wurden, ſo war
ihnen der Gebrauch deſſelben zur Erleuchtung ihrer prachtvoll aus—
geſtatteten Gemächer doch unbekannt. Sind aber die Fenſter un—
ſerer Palläſte nicht dem Auge zu vergleichen, durch welches erſt
Leben in die todte Geſtalt gehaucht, durch welches dem Ganzen
das Edle, das Imponirende erſt aufgedrückt wird? Erſcheinen uns
die prachtvollen Tempel, die Rieſenbauten des Alterthums ohne
185
dieſe lichtſpendenden Oeffnungen nicht gerade fo wie verfteinerte
Ruinen? Welche Wohlthat wurde uns durch die Benutzung des
Glaſes als Fenſterſcheiben, deren Erfindung erſt 3000 Jahre nach
Entdeckung deſſelben gemacht wurde, geſpendet! Durch daſſelbe
werden wir hinüberverſetzt unter die gewaltige Pracht eines über—
ſchwänglich üppigen Pflanzenwuchſes unter den Tropen. Arm
und Reich, Hoch und Niedrig zieht ſich bei Sturm und Un—
gewittern hinter ſeine ihn ſchützenden und dennoch die Zimmer
hellerleuchtenden Glasfenſter. Wie wohl thut im Winter die Son—
nenwärme, wenn ſie durch die hellen Spiegelſcheiben in ein eis—
kaltes Zimmer fällt! wie waren daher die Völker des Alterthums
zu beklagen, wenn ſie im Winter, bei Sturm und Regen ihre Licht—
öffnungen mit Weidengeflechten verſchließen mußten und ſie Kälte
und naſſe Windſchauer dennoch durchrüttelten! Noch im Jahre
1661 erfreute ſich das Königliche Schloß in London nur in feinem
Oberſtocke der Fenſter, die untern waren nur mit Läden verſehen.
Die Wohlthaten, die uns das Glas verſchafft, würden Bände
füllen, wollten wir ſie alle einzeln aufzählen. Wie ſchon bemerkt
führt uns das Glas im Fernrohre hinauf zu den fernſten Nebel—
flecken, es deckt uns der Cometen glänzenden Schweif, deren dunſt—
förmigen Körper auf; wir meſſen mit ſeiner Hülfe die Bahn, den
Umfang und die Größe der größten Weltkörper im zwölften Him—
mel; wir zerlegen mittelſt deſſelben das Licht in ſeine verſchiedenen
Streifen und meſſen deſſen Schnelligkeit, wir verbrennen mittelſt
ihm den Diamant und liefern den Beweis, daß er aus reinem Koh—
lenſtoffe beſtehe; wir fangen mit ihm den Sauerſtoff und ſteigen
mittelſt ſeiner hinunter in des Meeres Tiefen. Mit dem Mikro—
ſcope treten wir ein in eine neue winzig kleine und dennoch unge—
mein belebte Welt; ſteht dieſelbe nicht eben ſo erhaben vor unſern
Augen, als die große? Wohin wir unſer Glas auch wenden,
ſei es auf ein Körnchen Schimmel, ſei es auf einen Tropfen
Waſſer, ſei es auf ein Bißchen Schlamm, da lebt webt hüpft
und ſpringt alles, hier finden Vermählungsfeierlichkeiten ſtatt,
dort kämpft Liebe mit Haß, dort giebt es arge Raufereien.
Das Glas alſo iſt es, was uns hinüberführt in jene lichten
Räume, was uns die große Belebtheit eines Tropfens Waſſer
186
zeigt, es iſt es, was unſern Geiſt kräftigt und zu immer Höherem
anſtachelt. Durch daſſelbe lernen wir die Größe, Weisheit
und Unfehlbarkeit unſeres Weltenſchöpfers mehr und mehr er—
kennen. 5 |
Die Macht des Glaſes giebt ſich uns aber auch in Tönen zu
erkennen; welches Material liefert dieſelben reiner? Wie feſſeln
uns die Töne einer Glas harmonika, wie bewegen fie unfer Herz,
welche Sehnſucht, welche tiefe Wehmuth rufen ſie herauf!
Kieſelerde (Kieſelſäure).
Wem wären die glänzenden, glitzernden Sandkörner in Bächen,
in Flüſſen und Strömen, wem die glänzenden fettig ausſehenden
Kieſelgeſchiebe in unſern Feldern, wem die großen Quarzklumpen
in unſern Bächen und Fluren nicht bekannt, die aus Silicium,
einem leichten Metalle, und aus Sauerſtoff in dem Verhältniſſe von
48 zu 52 beſtehen? In unſerer Ackerkrume, in unſern Gebirgsge—
ſteinen iſt ſie in reichlichſter Menge vorhanden und ſetzt die Ge—
ſammt⸗Erdmaſſe zur Hälfte zuſammen. Laſſen wir uns in der
Taucherglocke hinab auf den Meeresgrund, gehen wir deſſen Strand
entlang, verweilen wir an den Ausmündungen kleiner Flüſſe und
großer Ströme, beſuchen wir die Hochflächen Aſiens und Afrikas,
die Haiden Englands, Deutſchlands, Frankreichs, Spaniens, ſo
treffen wir in deren loſen Sanden auf ungeheure Ablagerungen
dieſer Säure. In den Graniten, Gneißen, Glimmerſchiefern, in
den Syeniten, Dioriten, Porphyren, in den Baſalten, Grauwacken,
im Kohlenſandſteine, dem Rothliegenden, dem bunten Sandſteine,
Keuper, Quaderſandſteine u. ſ. w. macht ſie einen Hauptbeſtand—
theil aus. IR
Die glänzenden prachtvollen Quarze, oft in überaus großen
Kryſtallen, ſtellen ſich als die Vertreter der reinen Kieſelerde dar.
Wie der Diamant den reinen Kohlenſtoff, der Sapphir und Rubin
die reine Thonerde, fo vertritt der Quarz jene, und fo begierig letz—
tere das Licht aufſaugen und es in den ſchönſten Farbennüancen im
Strahlenblitze ausgeben, genau ſo thut es der Quarz. Außerdem
zeigt er ſich noch rein und nur mit etwas Farbeſtoff gemengt im
Amethyſte, im Chryſopraſe, im Roſenquarze, im Chalzedone, im
188
Jaspiſe und Achat, im Milchquarze und Opal, im Praſem und
Siderite. Als Feuerſtein iſt er in gewaltigen Stöcken und Klumpen
der Kreide eingelagert, als Hornſtein überdeckt er große Fluren
und als weißer Quarz ſtellt er ſich in fortlaufenden Wänden, in
Riffen und mächtigen Gebirgsſtöcken dar. Aber nicht allein in ein—
facher Form erſcheint die Kieſelerde, ſie tritt auch in vielen Mine—
ralien als chemiſche Verbindung ein und bildet eine Menge von
Schmuckſteinen. Verſchieden in Form und Farbe liefert ſie dabei
die ſchönſten roſenrothen, grünen, gelben, blauen, ſchwarzen Kry—
ſtalle, oft im prachtvollen Schiller. Der grüne Smaragd, der gelbe
Topas, der blaue Laſurſtein, der rothe Granat, der apfelgrüne
perlmutterglänzende Talk, der ſeifige Speckſtein, der weiße Meer—
ſchaum, der dunkelgrüne Serpentin, der ſchwarze Augit, der ſchil—
lernde Amazonenſtein, der buntfarbige Sonnenſtein, der lauchgrüne
Strahlſtein, der ſeidenglänzende Asbeſt, der biegſame Glimmer, die
pomeranzengelben und blutrothen Hyacinthe verdanken Farbe und
Geſtalt zum großen Theil der Kieſelerde.
Die Verbindung der Kieſelſäure mit Baſen zu Salzen beleg—
ten wir mit dem Namen Silicate; ſie ſind es, die uns hier am
meiſten intereſſiren, weil wir die im eigentlichen Kieſel an ſich nicht
im Waſſer lösliche Kieſelerde bei den Zerſetzungen jener in löslicher
Form und zwar zugleich mit einem andern ſehr wichtigen Pflanzen—
nahrungsmittel, dem Kali, bekommen. Die Kieſelerde ſtellt ſich
daher gar eigenthümlich dar, indem ſie genau bei ein und derſelben
Zuſammenſetzung einmal im Waſſer löslich, das anderemal aber
unlöslich iſt. Die Chemie hat übrigens Mittel und Wege auch die
unlösliche im Waſſer löslich zu machen.
Der Feldſpath, eine Verbindung von dreifach kieſelſaurer
Thonerde mit dreifach kieſelſaurem Kali, iſt es hauptſächlich, der
uns ſowohl die im Waſſer lösliche Kieſelerde, als auch das Kali
in reichlichſter Menge für die Vegetation ſpendet. Die an die
Wolken ſtoßenden Granitkuppen, die kegelförmigen Baſalte, die
ſtreifigen Laven enthalten große Mengen von Kali und Natron—
Silicaten, die in ſtärkerem oder geringerem Verhältniſſe im Waſſer
löslich und in zutretender Kohlenſäure zerlegbar find. b
Der Feldſpath im Granite, im Gneiße, im Glimmerſchiefer
1
A
189
im Syenite, im Porphyre, Bafalte, in der Lava, in der Grauwacke
und den Sandſteinen liefert daher das ungeheure Material von
Kieſelerde und Kali für die Vegetation. Leicht zur Zerſetzung ge—
neigt wirkt kohlenſäurehaltiges Waſſer in der Art und Weiſe auf
ihn ein, daß die Kohlenſäure deſſelben mit Kali vereinigt zu
den Saugfäſerchen der Wurzeln übergeführt wird, während das
Waſſer zugleich einen Theil der löslichen Kieſelerde aufnimmt und
ebenfalls in die Pflanze übertritt; die unlösliche Kieſelerde mengt
ſich dann mit der ausgeſchiedenen Thonerde und bildet kieſelſaure
Thonerde, den gewöhnlichen Thon. Letzterer ſtellt im reinen Zu—
ſtande die Porzellanerde, mit Eifenoryd, mit Kalk u. ſ. w. mehr
oder weniger verunreinigt den Pfeifenthon, den Töpferthon, den
Ziegelthon, bei vermehrter Vermengung mit Kalk den Mergel dar.
Die ſoeben beſchriebene Zerſetzung des Feldſpathes in Kali, lösliche
Kieſelſäure und in Thon liefert uns ein treues Bild der Ackererden—
bildung. Iſt der Feldſpath aus Granit, Porphyr, Baſalt u. |. w.
auf dieſe Weiſe entfernt, dann zerfallen die übrigen Beſtandtheile,
Quarz und Glimmer; Regen, Schnee und Flußwaſſer bemächtigen
ſich derſelben, zerreiben ſie, führen ſie durch Flüſſe und Bäche, die
immer wieder zerreibend wirken, weiter, um ſie endlich als Ackererde
abzuſetzen. Aber auch die unlösliche Kieſelſäure wird löslich,
wenn Fluor auf ſie einwirkt und kann auch auf dieſe Weiſe der Ve—
getation zugänglich gemacht werden.
Die im Waſſer lösliche Kieſelerde ſpielt im Pflanzenernäh—
rungsprozeſſe eine große Rolle. Verbrennen wir einen Stängel
von Schachtelhalm vorſichtig, ſo bleibt ein feines durchſichtiges
Gewebe zurück, was genau dieſelbe Geſtalt der verbrannten
Pflanze, mit denſelben erhabenen Rippen, mit denſelben rinnen—
förmigen Vertiefungen hat. Bei genauerer Unterſuchung ergiebt
ſich: daß es Kieſelſäure ſei, die nach dem Herausbrennen der koh—
ligen Subſtanz das Bild der Pflanze erhielt. Dieſe Kieſelerde iſt
es, welcher die Pflanze die Eigenſchaft verleiht, von Schreinern
und Drechslern als Vorarbeiterin bei der feinern Politur der Mö—
bels verwandt zu werden.
Ohne das Vorhandenſein von Kieſelerde könnte die Familie
der Gräſer nicht exiſtiren, weder Weizen noch Korn, weder Gerſte
190
noch Hafer, weder Heu noch Grummet würden gedeihen, wäre
nicht überall Kieſelerde die ſich im Waſſer auflöſt vorhanden. Bei
der großartigen Verbreitung der Gräſer iſt es daher erklärlich, war—
um eine ſo große Menge dieſes Materials und zwar als in Waſſer
löslicher Silicate vorhanden ſein muß.
Von der Anweſenheit der löslichen Kieſelerde in der Ackerkrume
hängt das Daſein der Völker ab und überaus bewunderungswürdig
iſt das Gewebe, welches ſie im Strohhalme dem bewaffneten Auge
darſtellt; das feinſte Spinngewebe iſt gegen das Zellengeſpinnſt des
Halms ein Werk, welches mit der Zimmerart zugehauen zu ſein |
ſcheint. Auf- und abfteigende Kanäle zur Leitung des Saftes,
durchbrochen von den feinſten Spalten zum Aufſaugen der Luft,
finden ſich zu Tauſenden im ſchwachen Strohhalme und dazwi—
ſchen liegen die Knoten als Halter. So ſchwach auch der Halm
erſcheint, ſo beſitzt er in ſeinem prachtvoll gewebten Kieſel-Scelette
doch eine gewaltige Widerſtandsfähigkeit. Was hat er aber im
Verhältniſſe ſeiner Stärke auch für eine Laſt zu tragen! Oft mehr
als 50 Körner, die er in ſeiner Aehre dem Licht der Sonne, der
Wärme und der Luft ausſetzt, damit ſie ſchwellen, recht viel Stärke—
mehl und Kleber bilden und einer raſchen Reife entgegenſchreiten.
Mit welcher Kraft, mit welcher Macht muß er gegen feindliche
Elemente gerüſtet ſein, damit er den heftigſten Winden, den ſchla—
genden Gewitterregen, die den ſchwachen Halm mit ſeiner Aehre
bis zur Erde niederbeugen, widerſtehe und nicht zerbreche! Allein
allen dieſen Schreckniſſen leiſtet die Kieſelerde tapfer Widerſtand.
Träte die Kieſelerde mit einemmale aus der Miſchung des
Bodens aus, dann ſtiege das Menſchengeſchlecht ſofort auf eine
niedrige Culturſtufe und ſtürbe größtentheils aus. Ihr verdanken
wir es, daß auf einem kleinen Raume recht viele Nahrungsmittel
erzogen werden können, und dadurch wird es möglich eine dichte
Bevölkerung hervorzurufen. In der Dichtigkeit der Bevölkerung
liegt aber deren Wohlſtand, liegt der raſche geiſtige Fortſchritt, liegt
die Steigerung des Verkehrs, liegt das Wachſen von Kunſt und
Wiſſenſchaft. Der Kieſelerde haben wir daher unſere fo hoch ge-
ſtiegene Civiliſation mit zu verdanken und durch ſie lernen wir
wieder ſo recht deutlich erkennen, wie groß und wunderbar die
191
Wege des Herrn ſind, welcher in das winzige Sandkornchen eine
ſo gewaltige Macht legte.
Auf Kalkboden, welcher der Cultur lange unterſtellt war,
müſſen die Landwirthe bezüglich des Vorhandenſeins von Kieſel—
erde ſtets ein aufmerkſames Auge richten, damit demſelben, wenn
nöthig, Silicate zugeführt werden. Auf die Löſung derſelben grün—
det ſich das Brachen und der Fruchtwechſel hauptſächlich mit.
Durch die Nahrungsmittel wird die Kieſelerde ins Blut, in
die Haare, in die Federn der höheren Thierklaſſen gebracht.
Die Kieſelerde iſt daher der Hauptbauſtein nicht allein der
Erde, ſondern auch der Brodpflanzen und ſetzt auch den Thierleib
zuſammen. Sie iſt es, welche die Grundpfeiler unſerer Gebirge
bildet; durch ſie entſtanden hauptſächlich die Erhabenheiten und
Vertiefungen unſerer Feſtländer, wovon unſere klimatiſchen Ver—
hältniſſe abhängen. Durch ſie wurde die größte Menge der Acker—
erde geſchaffen, in und auf welcher ſich unſere Pflanzen ernähren,
unſere Thiere bewegen. Zur aufrechten Stellung des Halms, zur
Ausbildung der Körner haben Weizen, Korn, Gerſte, Reis, Hafer
die Kieſelerde nöthig und gerade hierdurch knüpft ſich die Exiſtenz
des Menſchen an das Vorhandenſein der Kieſelerde. Alle Gräſer,
von denen unſere Hausthiere leben, ſaugen vermittelſt ihrer Wur—
zeln Kieſelerde auf, wir finden ſie in unſerem Blute wieder. Kurz—
um überall treffen wir auf ſie und der vor, unfern Füßen herum:
pollernde Kieſelſtein ſollte uns ihre Wichtigkeit ſtets in unſer Ge—
dächtniß zurückrufen. Mit jedem Tropfen Waſſer, mit unſerm
täglichen Brode nehmen wir ſtets Kieſelerde auf; in Bohnen,
Linſen, in den Gemüſen und ebenfalls im Waſſer nehmen wir
Kalkerde ein und leben daher auch von Steinen.
Kalk.
Alle Geſteine, welche als charakteriſirenden Gemengtheil koh—
lenſaure Kalkerde enthalten, nennt man Kalke; ſie brauſen mit
Säure übergoſſen heftig auf, leuchten, wenn man ſie ſtark glüht
und gehen dabei in einen ätzenden Zuſtand über. Sie ſind mehr
oder weniger rein, haben eine größere oder geringere Dichtigkeit
und verſchiedene Strukturverhältniſſe.
Man unterſcheidet daher reinen Kalkſtein, der unbedeutende
Beimengungen von Thon, Eiſenoxyd und Eiſenorydhydrat enthält;
thonigen Kalkſtein; Mergelkalkſtein, mit einer bis zu 20 Procent
anſteigenden Beimiſchung von Thon, welch letzterer ſich durch den
Geruch zu erkennen giebt und beim Auflöſen des Geſteins in Säu—
ren ungelöſt zurückbleibt; bituminöſen Kalkſtein, welcher durch
Bitumen braun und ſchwarz gefärbt, beim Zerſchlagen und Zer—
reiben, beim Erwärmen oder Auflöſen einen äußerſt unangenehmen
Geruch verbreitet, weshalb man ihn auch Stinkſtein nennt. Einige
der letzteren beſitzen einen ſo bedeutenden Gehalt von Bitumen,
daß ſie beim Aufſtreuen auf glühende Kohlen mit heller Flamme
brennen. Der kieslige Kalkſtein enthält viel Kieſelerde, die zu—
zuweilen chemiſch mit dem Kalke verbunden, zuweilen ſogar als
Feuerſtein ausgeſchieden iſt. Kalktuff iſt eine erdige, ſchwammig
poröſe, vielfach durchlöcherte Maſſe, die in den mannigfachſten
Formen und Geſtalten auftritt und in der eine Menge organiſcher
Nachbildungen getroffen werden.
Die dichten reinen Abänderungen der kohlenſauren Kalke
widerſtehen der Verwittrung lange, doch werden ſie durch Einwir—
kung des Froſtes nach und nach zerklüftet. Bei einem Gehalt von
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Eiſen überzieht ſich die Oberfläche mit einer Haut von Eifenoryd-
hydrat. Die bituminöſen Theile werden durch den Einfluß von
Licht, Luft und Waſſer zerſtört und dadurch die Außenflächen ge-,
bleicht. Die thonigen Abänderungen, welche Waſſer einſaugen,
zerfallen an der Luft bald und bilden einen vorzüglichen Boden;
die kiesligen dagegen widerſtehen der Verwittrung lange und lie—
fern eine ſchlechte Ackererde. Die Kohlenſäure wirkt am zerſtörend—
ſten auf den kohlenſauren Kalk ein.
Beim Rothglühen entläßt der Kalk feine Kohlenſäure und es
bleibt Kalk, den man Aetzkalk nennt, zurück; wird letzterer mit
Waſſer beſprengt oder in Waſſer getaucht und ſchnell wieder her—
ausgezogen, ſo dringt dies anfangs in die poröſe Maſſe ein und
dann erfolgt die chemiſche Vereinigung des Waſſers mit dem Kalke,
er zerfällt zu Pulver und verwandelt ſich in Kalkhydrat. Dieſe
Umwandlung des Kalkes nennt man das Löſchen deſſelben. Wenn
Kalkſtein, welcher Thon enthält, beim Brennen einer zu hohen
Temperatur ausgeſetzt war, ſo findet in Folge der Bildung von
kieſelſaurer Kalkerde ein Zuſammenſintern ſtatt und der Kalk löſcht
ſich nicht mehr mit Waſſer; man ſagt alsdann, er ſei todt gebrannt.
Reine Kalkerde iſt unſchmelzbar. Beim Löſchen des Kalks wird ſo
viel Wärme frei, daß Schießpulver dadurch entzündet und Holz
verkohlt werden kann; man hat daher vorſichtig mit gebranntem
Kalke umzugehen, indem durch Vernachläſſigung und ſorgloſe
Ueberwachung, bei Zutritt von Feuchtigkeit oder Regen, gar leicht
Brände entſtehen können. In der Rothglühhitze entläßt das Hydrat
ſein Waſſer und es bleibt reine Kalkerde zurück.
Der Kalk iſt im Waſſer nur wenig löslich; man erhält die
Auflöſung, die Kalkwaſſer genannt wird, durch Filtriren der Kalk—
milch, welch letztere beim Löſchen des Kalkes entſteht. Das Kalk—
waſſer hat einen ſchrumpfenden alkaliſchen Geſchmack, reagirt ſtark
alkaliſch und wirkt ätzend; es fällt Kohlenſäure, Kieſelſäure, Bor—
ſäure und Phosphorſäure aus den Auflöſungen von Alkaliſalzen
und es gehen daraus unlösliche Kalkſalze hervor. Bleioxyd löſt es
auf. Die Kohlenſäure abſorbirt es mit ſo großer Begierde, daß
es ſich der Luft ausgeſetzt ſofort mit einem Häutchen von kohlen—
ſaurem Kalke überzieht.
Engelhardt, die Nahrung der Pflanzen. 1 3
19%
Der Kalk findet in der Technik eine ſehr ausgedehnte Ver:
wendung; er dient zur Darſtellung von Kali und Natronlaugen
bei der Seifenfabrikation; man bereitet Chlorkalk aus ihm; man
entzieht vermittelſt deſſelben dem kohlenſauren Ammoniak die Koh—
lenſäure; man läutert mit ihm den Runkelrübenſaft, verwendet ihn
beim Raffiniren des Zuckers, beim Bleichen, Färben und Gerben.
Beim Bauen aber findet er die wichtigſte Verwendung als Mörtel.
Wenn man dem Aetzkalke den Sauerſtoff entzieht, ſo erhält
man ein ſilberweißes Metall, Kalcium genannt, das an der Luft
ſchnell wieder Sauerſtoff aufnimmt und wieder in Aetzkalk übergeht.
Der kohlenſaure Kalk beſteht aus 56,29 Kalk und 43,71 Koh:
lenſäure; er findet ſich in der Natur ungemein häufig und ſteht
neben der Kieſelerde als die gemeinſte und verbreitetſte Erdart un—
ſerer Erdoberfläche da. Rein kommt er im isländiſchen Doppel—
ſpathe und im weißen Marmor vor. Auf Gängen und Lagern er—
ſcheint er in den ſchönſten Kryſtallen und Kryſtalldruſen in den
mannigfachſten Farbenabänderungen. Als Gebirgsformation iſt er
weitverbreitet und ungemein mächtig. Seltner in den ältern, viel
häufiger in den jüngern Perioden, hält er mit der Thierwelt glei—
chen Schritt; je mehr ſich dieſe vergrößerte und veredelte, in um
ſo größrer Quantität trat auch der kohlenſaure Kalk auf der Erde
auf. In der Grauwacke erſcheinen die erſten mächtigen und weit
verbreiteten Ablagerungen deſſelben. In der Bergkalk- der Zech—
ſtein- der Muſchelkalk- der Lias- der Kreide-Periode treten uns
die ausgebreitetſten Maſſen in einer Mächtigkeit von Tauſenden
von Füßen entgegen. Betrachten wir nur was die Juraformation
allein in der Schweiz und Deutſchland für Flächen bedeckt, zu wel—
chen Höhen ſie anſteigt und in welcher Stärke ſie abgelagert iſt!
Am äußerſten Ende des Genferſees hebt ſie an, durchzieht die
Schweiz, erreicht im Schweizerjura faſt die Schneelinie, ſetzt über
den Rhein hinüber, begleitet die Donau und Pegnitz und endet er
an den Quellen des Mains.
In großen unterirdiſchen Höhlenräumen ſtellt ſich uns der
Kalk in den eigenthümlichſten Formen dar. Waſſer mit kohlenſau—
rem Kalke geſchwängert durchdringen die Decken; beim Herabfallen
von denſelben tritt die Kohlenſäure aus und es bilden ſich nun die
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eigenthümlichſten groteskeſten Tropfſtein-Bauten. Große Schaalen,
tiefe Becher, Säulen mit geaderten, gewundenen, gehöckerten
Schnörkeln ſind in den ſonderbarſten Gruppirungen in denſelben
vertheilt. Zu mächtigen Gebirgsſtöcken und Lagern wachſen die 4
Travertin- und Tufflager als Gebilde der Jüngſtzeit in Italien an.
In gewichtigen, eigenthümlich geformten Geſtalten, in Gipfeln
und in Auswüchſen ragen die in hunderten von Meilen fortlaufen—
den Mauern der Alpen zu den Wolken empor. Je höher dieſelben
find und in je jüngeren Zeiträumen die Centralketten aus dem In:
nern der Erde emporgehoben wurden, deſto größere Kalkmaſſen
wurden zu beiden Seiten abgelagert.
In den höhern Regionen, wo die Luft feuchter und wegen ge—
ringerer Vegetation eine vermehrte Quantität von Kohlenſäure
vorhanden iſt, erfolgt die Auflöſung dieſer kohlenſauren Kalkmaſſen
im vermehrten Maße. Täglich werden durch die den Gebirgen ent—
ſtrömenden Waſſer große Quantitäten in die Ebenen herabgetragen,
wo ſie nach Verluſt der Kohlenſäure die Ackerkrume vermehren, oder
ſie ſchwimmen mit denſelben fort, geben den Fiſchen ihren Schup—
penpanzer, ihre Floſſen und ihren Knochenbau, ſchützen die weiche
Muſchel durch eine harte und dennoch leichte Schaale, treten in
das Meer ein und bauen auch dort theils innere Gerüſte, theils
ſchützende Schaalen für die Bewohner deſſelben. Durch die ver—
dunſtende Macht der Sonne wird daher das Waſſer im reinen Zu—
ſtande aus dem Meere aufgeſogen, Winde tragen es über die Feſt—
länder, Kohlenſäure verbündet ſich mit demſelben, um die feſten
Granite, die feſten kohlenſauren Kalke zu benagen, ihre harten
Körper in flüſſige Löfungen zu verſetzen und ſie den Thieren und
Pflanzen zur Nahrung, zur Ausbildung von ſchützenden Hüllen zu
übergeben. Im reinen Waſſer ſind unſere ſtarren Geſteine nicht
löslich, allein fo bald ſich etwas Kohlenſäure in fie verkrochen hat,
dann iſt ihm nichts zu feſt, dann iſt ihm nichts zu hart, es läßt
nicht locker, bis es die Zacken abgeſtumpft, die glattiten Flächen
rauh gemacht hat. Wir können uns davon, wie die Kohlenſäure
ihr Zerſtörungswerk beginnt und fortſetzt, durch einen kleinen Ver—
ſuch ein recht deutliches Bild geſtalten. Wenn wir in ein mit
Kalkwaſſer gefülltes Glas mittelſt einer Glasröhre die aus unſerer
13*
196
Lunge austretende kohlenſäurehaltige Luft einblaſen, fo wird ſich
die waſſerhelle Flüſſigkeit trüben und eine milchweiße Farbe an:
nehmen; ſetzen wir nun dieſes Einblaſen fort, ſo wird nach Verlauf
nicht langer Zeit dieſe trübe Flüſſigkeit vermöge der im Ueberſchuſſe
zugeführten Kohlenſäure wieder helle werden, oder mit anderen
Worten der entſtandene kohlenſaure Kalk wird ſich an der vermehr—
ten Kohlenſäure aufgelöft haben. Nehmen wir nun das Gläschen
und erwärmen es, ſo tritt die überſchüſſige Kohlenſäure wieder aus
und der von Neuem entſtandene einfach kohlenſaure Kalk fällt nun
auf den Boden des Glaſes.
Unſere geſchichteten Kalkmaſſen haben ſich größtentheils auf
dieſe Weiſe im Verlauf vieler Millionen von Jahren gebildet und
wie wir weiter oben bei der Abhandlung über die Ackererde bereits
kennen lernten, wurde auf dieſe Weiſe auch ein großer Theil der—
ſelben hervorgerufen.
Ungemein wichtig iſt der Einfluß, welchen der kohlenſaure
alk auf das Leben der Pflanzen und Thiere übt. Betrachten wir
die geſchichteten Kalkniederlagen genauer, ſo finden wir in ihnen
die Grabſtätten ungemein verbreiteter Thiergenerationen. Nicht
allein nach jeder großen Erdrevolution, auch in den ruhigeren Zeit—
verläufen ſanken die abgeſtorbenen Individuen auf den Meeresgrund
nieder, wo ſie von mit kohlenſaurem Kalk geſchwängertem Waſſer
umgeben waren. In dem Verhältniſſe, in welchem ſich die orga—
niſche Materie verflüchtigte oder andere Verbindungen einging,
ſetzte ſich der kohlenſaure Kalk an ihre Stelle, wodurch ihre Geſtalt
ſo deutlich erhalten wurde, daß wir die Thiere jetzt noch ſo genau
zu beſtimmen im Stande ſind, als die heute noch lebenden.
Bei weitem wichtiger iſt jedoch die Beziehung des kohlenſauren
Kalks zur jetzigen noch lebenden Schöpfung. Eine Kleinigkeit flüſ—
ſiger Kalkerde mit etwas Gallerte vermiſcht giebt den Lebenskeim zu
den ſchön geſtalteten eigenthümlich zuſammengehäuften Korallen
ab. Kalk iſt es, welcher das Schaalthier in die ſtürmiſch bewegte
See ſicher hinausträgt. Von Kalk iſt das Haus conſtruirt, welches
die Schnecke auf ihrem Rücken trägt und in welches ſie ſich bei
Stürmen und Gefahren zurückzieht. Kalk iſt es, welchem der Fiſch
197
ſein Grätengerüſte, ſeine Vertheidigungswerkzeuge, ſeine Schuppen—
bekleidung, ſeine Segelſtangen verdankt. Kalk iſt es, welcher die
weichen fleiſchigen Maſſen der Schildkröten, der Krokodile vor
Zerſtörung ſchützt. Im Kalke birgt der Vogel nicht allein ſein
Junges, durch ihn wird es ihm auch möglich die Lüfte zu durch—
ſegeln und ſich auf dem Erdboden zu bewegen, denn ſein Ei, das
innere Gerüſte ſeiner Flügel, ſeiner Füße und die übrigen Knochen
ſind aus Kalk erbaut; damit ſie aber wie das Knochengerüſte der
Säugethiere und des Menſchen mehr Feſtigkeit erlangen, wurde bei
den höhern Thierklaſſen der Kalk größtentheils an Phosphorſäure
gebunden. Für die ungeheure Zahl der Thierindividuen liefert da—
her der im Waſſer gelöſte doppelkohlenſaure Kalk das Material,
welches nach deren Abſterben der Erde wieder anheimfällt. Wie
in der Jetztzeit durch die Polypen, welche mit ihren langen Fang—
armen einen weiten Umkreis beherrſchen, um dem Meerwaſſer ja
kein Finzelchen Kalk, welches in Kohlenſäure gelöſt iſt, zu belaſſen,
um dadurch Riffe, Inſeln, ja große Länderflächen aufzubauen, ſo
haben in den früheren Schöpfungsepochen in den jedesmaligen
Oceanen durch die vereinte Thätigkeit vieler Milliarden ſichtbarer
und unſichtbarer Muſcheln ſich die überaus mächtigen Kreidefelſen
conſtruirt, die mit ihren weißen, zerriſſenen und gerundeten ſchroff
aufſteigenden Wänden nicht allein große Küſtengebiete beherrſchen,
ſondern in ſanfter Verflächung auch große Landſtriche bilden.
Wenn wir nun auch durch das Waſſer, welches wir täglich
genießen, einen großen Theil der Kalkerde, die wir zum Aufbaue
unſers Knochengerüſtes gebrauchen, zugeführt bekommen, ſo reicht
dies doch lange noch nicht aus, ſondern die Pflanzen ſind es, welche
uns mit derſelben zugleich auch die beim Aufbaue unbedingt nöthige
Phosphorſäure in größeren Mengeverhältniſſen zuführen; denn die
Kalkerde iſt nicht allein in den Knochen, ſie iſt auch im Fleiſche und
Blute zu Hauſe und hat hier geheimnißvolle Funktionen zu beſor—
gen. Wenn auch die meiſten Pflanzen kohlenſauren Kalk in ſich
aufnehmen, ſo iſt dies in Bezug auf die Quantität doch ſehr ver—
ſchieden. Die Erbſen, die Bohnen, der Klee enthalten weit mehr
als die Cerealien; ebenſo ſind die Weinreben, die Mandeln, die
Kakaobohnen, der Hopfen, der Taback, der Flachs, die Oelſaamen
198
reichlicher damit verſorgt. Nicht unbedeutend ift der Gehalt der
Bäume an kohlenſaurer Kalkerde und enthält die Rinde bei weitem
mehr, als das Holz; bei ihnen hat ſogar die Jahreszeit einen mäch—
tigen Einfluß auf dieſen Gehalt und im Herbſte findet man den—
ſelben doppelt ſo hoch wie im Frühjahre. Die Nadelhölzer enthal—
ten aber auch mehr Kalk, als die Laubhölzer und nur das Kiefernholz
macht eine Ausnahme davon, auch nimmt der Gehalt von der
Wurzel nach dem Gipfel hin ab, ſo daß die Blätter am wenigſten
davon enthalten.
Aus dem allem können wir auf das Deutlichſte entnehmen,
was der kohlenſaure Kalk für ein äußerſt wichtiger Beſtandtheil
unſerer Ackererde iſt, denn er giebt der Pflanze zugleich mit den
übrigen Erden nicht allein das Material zur Befeſtigung der Wur—
zeln, er liefert ihnen auch die durchaus nothwendige Nahrung.
Ackererden, die daher nur geringe Antheile dieſer Erdart enthalten
3: B. verſchiedene Sande, müſſen dieſelbe zugeführt bekommen.
Man bezweckt dieſes am beſten durch Mergel, wobei man dem Bo—
den zugleich auch noch Thonerde übergiebt. Der Mergel iſt daher,
abgeſehen von ſeinen übrigen ſchätzbaren Eigenſchaften als Sauger,
wie wir weiter unten ſehen werden, zugleich auch als Dünger zu
betrachten und wird als ſolcher noch lange nicht genug verwendet,
wenigſtens ſollte dies im Großen bei der Waldbewirthſchaftung
nach einem großen Maßitabe geſchehen.
Ganze Flächen unfruchtbaren Sandes, auf denen ſich kaum
einzelne ſtruppige Kiefern zu ernähren vermögen, ſtellen ſich gleich—
ſam als der Ruin einer Gegend dar; wie üppig würde ſich auf
ihnen die Vegetation geſtalten, wie ſich der Zuwachs ſteigern, wenn
man dieſe Flächen mergelte, um dem Boden hierdurch die nöthige
Kalkerde zu verſchaffen, welche durch die fortgeſetzte Bebauung ver—
loren ging. Wir ſahen ſo eben: daß die Nadelhölzer mehr Kalk
als die Laubhölzer enthalten: daß hiervon die Kiefer aber eine
Ausnahme mache; wir finden dies in der Natur genau beſtätigt.
Wenn kein anderer Baum auf einer ausgeſogenen Sandfläche fort—
kommt, dann erſcheint die Kiefer. Auf dem dürrſten kieſelreichſten
Boden erhält ſie ſich, ſo lange derſelbe noch etwas Kalk in ſeiner
e
199
Miſchung hat; fehlt aber auch dieſer, dann vermag fie ihren
Stamm nicht mehr emporſteigen zu laſſen: verkrüppelt bleibt ſie
am Boden liegen, eine Menge ganz ſchwacher Triebe ſchickt ſie,
gleichſam als Fangarme, nach allen Seiten, um ſo gleichſam in
der Luft die ihr fehlende Nahrung zu ſuchen, ſie hat Heißhunger
nach Kalk. Liegen ſolch ausgemergelte Sande an Abhängen, wo
die Gewalt des Regens, der Waſſer, des Froſtes Bänke ablöſt,
die zerfallend von Neuem loſe Sande bilden, ſo gewahrt man auf
dieſem friſchen Boden ungemein ſchnell das Herauskommen von
Eichen und Fichten, die Kiefer ſelbſt aber treibt in einem Jahre
Schüſſe von einer Kraft und Fülle, die ſie auf dem daneben liegen—
den ausgemergelten Boden in 20 Jahren nicht erlangt haben würde.
Die Aſchenmengen, welche der Wald dem Boden entnimmt,
ſind im Vergleiche zu denen, welche die Culturgewächſe für ſich in
Anſpruch nehmen, nur gering und zeigen im Allgemeinen: daß es
nicht nöthig ſei, bei der Waldwirthſchaft einen Wechſel der Holz—
arten eintreten zu laſſen; dieſer macht ſich vielmehr von ſelbſt und
ſo ſehen wir denn immer die Kiefer mit ihrem geringen Kalkgehalte
als die Nachtreterin der edlern Holzarten, ſie erſcheint erſt dann,
wenn die übrigen nicht mehr gedeihen.
Mit wenig Koſten wären große Sandflächen mit Mergeln, die
reich an Kalkerde ſind, zu überführen; was würden dadurch für
günſtige Reſultate erzielt, wie würde der Zuwachs geſteigert wer—
den! Die Herren Forſtmänner mögen dies ſehr beherzigen; denn
einem armen Sandboden entzieht die Waldwirthſchaft in einer
1000jährigen Zeitperiode gegen 300 Entr. Kalk pro Acker.
Aber auch auf unſern Feldern erlangen wir durch Ueber—
ſtreuungen mit gebranntem Kalke ganz vorzügliche Erndteergebniſſe,
ſelbſt dann, wenn eine Ackererde an ſich hinlängliche Quantitäten
von kohlenſaurem Kalke enthält. Hier wirkt er dann aber nicht
unmittelbar als Nahrungsmittel, ſondern als Aufſchließer eines
oder mehrerer derſelben. Namentlich wirkt er in dieſem Zuſtande
als Hervorrufer von Kali, Natron und löslicher Kieſelerde. Der
Aetzkalk geht nämlich bei Anweſenheit von Waſſer mit den Silica—
ten neue Verbindungen ein und bildet Kalkſilicate, während die
200
Alkalien frei werden und dann ausgezeichnet auf den Pflanzen⸗
wachsthum wirken ). |
Nachdem wir nun den kohlenſauren Kalk und deſſen günftige
Einwirkung auf die Vegetabilien kennen gelernt haben, müſſen wir
noch einen Augenblick bei einer andern Verbindung dieſer Baſe
ſtehen bleiben: es iſt die mit Schwefelſäure zu Gyps. Auf eigent-
lichem Gypsboden, oder wo dieſes Geſtein in der Mengung vor—
herrſcht, finden wir in der Regel nur eine kümmerliche Vegetation;
dagegen thut der Gyps als Düngemittel oft wahre Wunder. Allein
er erweiſt ſich bei der Landwirthſchaft nur inſofern von Nutzen, als
er bei der freiwilligen Zerſetzung des vegetabiliſchen Düngers mit
ammoniakaliſchen Stoffen vermengt eine doppelte Zerſetzung herbei—
führt, wie von Fellenberg ſehr einſichtsvoll entwickelt wurde.
Nach dieſer Zerſetzung athmen die Sauger das gebildete ſchwefel—
ſaure Ammoniak auf und geben es je nach Bedarf an die Pflanzen
ab; der Gyps aber wird zu kohlenſaurem Kalke und dieſer kann
beim Fehlen in dem Boden dann als eigentliches Düngemittel an⸗
geſehen werden. Wo der kohlenſaure Kalk nicht nothwendig iſt,
thut jedes Salz, deſſen Säure mit dem Ammoniak eine bei gewöhn—
licher Temperatur nicht flüchtige Verbindung eingeht, dieſelben
Dienſte. Der Gyps wirkt alſo in der Weiſe vorſorgend, daß ſich
das im Miſte als ſo wichtiger Düngſtoff enthaltene Ammoniak
nicht verflüchtige. |
) Der kohlenſaure Kalk verbindet ſich auch mit dem äußerſt wichtigen
Pflanzennahrungsmittel, dem Humus, und macht ihn dadurch in Waſſer löslich
und den Pflanzen zugänglich.
Thonerde.
Die Thonerde findet ſich in der Natur mehr oder weniger
rein und in Verbindung mit Kieſelerde im Thone und in vielen
Mineralien z. B. im Feldſpathe, wo fie im Granit im Porphyre
u. ſ. w. in großer Menge anzutreffen iſt. Mit Phosphorſäure ver—
bunden findet ſie ſich im Wavellit. Sie beſteht aus einem Me—
talle, Aluminium genannt, und aus Sauerſtoff. In neuerer Zeit
hat man die Darſtellung dieſes Metalls in größeren Mengen ver—
ſucht; es iſt dem Silber ſehr gleich und würde bei ſeinen ausge—
zeichneten Eigenſchaften vielleicht das Platin übertreffen, wenn
erſt Wege aufgefunden ſind daſſelbe billig in großen Quantitäten
herzuſtellen; bei der großartigen Verbreitung der Thonerde würde
dadurch ein nicht zu berechnender Umſchwung in der Induſtrie ein—
treten. Die Thonerde iſt das einzige Oryd des Aluminiums und
man nimmt, da ſie dieſelbe Kryſtallform wie das Eifenoryd hat,
an: daß ſie genau ſo wie jenes zuſammengeſetzt ſei: daß ſie alſo
2 Atome Metall und 3 Atome Sauerſtoff enthalte. Rein und nur
mit einer Spur von Farbſtoff vereinigt findet ſich die Thonerde
im Sapphir und Rubin, die dem Diamante bezüglich der Härte
nur wenig nachſtehen. Ein Hydrat der Thonerde erhält man aus
Alaun. |
Die Thonerde ift ein weißes, geſchmackloſes Pulver. In der
äußerſt heftigen Hitze des Knallgasgebläſes ſchmilzt ſie zu einem
farbeloſen Glaſe. Iſt ſie geglüht, dann löſt ſie ſich in Säuren nur
ſehr ſchwer. Sie zieht das Waſſer mit großer Begierde an und
nimmt in feuchter Luft 15 Waſſer aus der Atmoſphäre auf. Das
Thonerdehydrat iſt im feuchten Zuſtande gallertartig und durch—
W
20:
1
ſcheinend wie Stärkekleiſter; beim Trocknen zeigt es ſich wie eine
gummiartige Maſſe. Im Waſſer iſt es vollkommen unlöslich, aber
in Säuren und den feuerbeſtändigen Alkalien iſt es leicht löslich.
Für organiſche Stoffe hat das Thonerdehydrat eine ſtarke An—
ziehungskraft, es zieht dieſelben aus Waſſer an und bemächtigt
ſich der in demſelben gelöſten Farbeſtoffe. Dieſe Eigenſchaft macht
die Thonerde in der Fabrikation von Lackfarben und in den Fär—
bereien zum Färben von Zeugen äußerſt wichtig. Mit Kieſelerde
bildet ſie eine für die Landwirthſchaft und die Gewerbe ungemein
wichtige Verbindung, den Thon. Als reine Abänderungen unter—
ſcheiden wir den Porzellan- und Pfeifenthon; iſt Sand und Eiſen—
oxyd beigemiſcht, fo entſteht Lehm; bei einem Zuſatze von Kalk
aber Mergel. Miſcht man Sand mit Thon und brennt das Ge—
menge, ſo erhält man im reineren Zuſtande Steingut, ſonſt Töpfer—
waaren und Ziegeln. Mengt man dem weißen Thon etwas Kalk
bei, ſo bekommt man Porzellan. Der Thonſchiefer, die Walkerde,
der Smirgel enthalten viel Thonerde und ebenſo der Alaun, wes—
halb man die Thonerde auch Alaunerde nennt.
Die Thonerde bildet einen außerordentlich werthvollen Ge—
mengtheil der Ackererde und obſchon dieſelbe keinen directen Ein-
fluß auf die Pflanzenernährung übt, alſo kein eigentliches Nah—
rungsmittel für dieſelben abgiebt, indem ſie nicht wie die Kieſel—
und Kalkerde in den Aſchen der Pflanzen enthalten iſt, dies
übrigens auch nicht möglich wäre, indem ſie weder im reinen, noch
im kohlenſäurehaltigen Waſſer löslich iſt, ſo würden dennoch
ſchlechte Erndten erzielt werden, fehlte ſie dem Boden. Sie ſtellt
ſich als einer der kräftigſten Sauger dar, und genau ſo wie ſie ſich
der Farbeſtoffe in der Färberei bemächtigt und ſie aus Flüſſigkeiten
an ſich ſaugt, ſo verfährt ſie mit den flüſſigen Nahrungsbeſtand—
theilen der Pflanzen; fie ſpeichert daher Sauerſtoff, Kohlenſäure,
Ammoniak, die ihr durch die Luft, die ihr durch den Regen und
ſonſtige Waſſer, die ihr durch den Miſt zugeführt werden, in ſich
auf und tritt ſie zu der Zeit, wo es die Pflanzen nöthig haben,
an dieſe ab; ſie verbündet ſich zu dieſem Zwecke mit dem Humus,
dem Eifenoryde und der Kohle, welche dieſelben Eigenſchaften bes
ſitzen. Bei dieſer unausgeſetzten Aufnahme und den dabei ſtatt—
*
WW
r
l
N
203
findenden chemischen Umänderungen fefter Körper in gasförmige
wird eine bedeutende Menge von Wärme frei, woher im gut be—
düngten und aufgeloderten Boden im Sommer, bei einer äußern
Lufttemperatur von 25 Grad, das Thermometer 24 Grad Wärme
mehr nachweiſt; da aber die Vegetation eine bedeutende Wärme
nöthig und da ein Boden um ſo mehr Sauerſtoff, Kohlenſäure
und Ammoniak aus der Luft und aus dem Regen aufſaugen wird,
je lockerer er iſt, ſo verſäume man es ja nicht durch gute Acker—
geräthſchaften die Auflockerung ſo weit zu treiben, als es nur immer
in der Möglichkeit liegt und dies ſo oft zu wiederholen, als der
Boden wieder feſt geworden iſt oder es die Pflanzen bezüglich ihres
Heranwachſens vertragen. Die Landwirthe kennen die Eigen—
ſchaften ihrer Bodengattungen recht gut, fie nennen den Kieſel- fte
nennen den Kalkboden, welcher wenig Thonerde enthält, einen
kalten. In Folge dieſer Eigenſchaft iſt er unfruchtbar, die Düng—
ſtoffe werden bei geringer Bodenwärme nicht nur nicht zerſetzt, ſon—
dern da ihnen die Sauger fehlen, kann er auch keine Nahrungstheile
aus der Luft aufnehmen; da ihm überdies, im Bezuge hierauf, bei
heißer Witterung auch die Feuchtigkeit fehlt, indem die Thonerde
auch ein vorzüglicher Waſſerſauger iſt, ſo werden in der trocknen
Jahreszeit die ſpärlich erwachſenen Früchte auch noch verdorren.
Der Mergel, welcher Kalk- und Thonerde zugleich in ſeiner
Mengung enthält, thut daher auf ſolche Bodenarten gebracht
Wunder, indem er die chemiſche Thätigkeit des Bodens erweckt und
befördert, indem er Sauger zuführt, ohne welche die Landwirth—
ſchaft nicht beſtehen könnte. Schon Gasparin hebt die Fähig—
keit des Thonbodens hervor, ammoniakaliſche Gaſe aufzufaugen
und daraus erklärt ſich die Beobachtung der Landwirthe beim
Wiederanbau eiſenorydhaltiger, längere Zeit unbenutzt gelegener
und dann wieder angebauter thoniger Boden, welche während
ihres Ruhens eine Menge von Sauerſtoff, Kohlenſäure und Am—
moniak aufgeſogen und in ſich feſtgehalten haben; gerade dieſe
ſind es, die dann außerdem durch die Zerſetzung von Silicaten
während der Ruhezeit auch noch Kali und Natron, ſo wie lösliche
Kieſelerde im Ueberfluſſe aufſpeicherten und auch durch dieſe ſo
günſtig auf die Erndteergebniſſe wirken.
20%
Jacquelin hat durch Verſuche nachgewieſen: daß die kohlen—
ſauren Salze der Erden- und Metalloryde, ſelbſt bei nur 20° R.
und bei gewöhnlichem Luftdrucke, unter dem Einfluſſe eines Stro—
mes von Waſſerdampf oder auch nur von feuchter Luft Kohlen:
ſäure ausgeben. Er ſchreibt dieſem Umſtande die wohlthätigen
Einflüſſe des Mergelns bei der Einwirkung ſtarker Sonnen—
wärme und der Anweſenheit von Luft zu. Der Mergel wird ſich
dabei erwärmen, erſt Waſſer, dann aber Kohlenſäure ausgeben,
wodurch alſo eine reichliche Quelle von Kohlenſäure, deren Kohlen—
ſtoff die Pflanzen in ihr Gewebe aufnehmen, entſteht. Er folgert:
daß die beſtändige Abgabe im Sommer dieſe kohlenſauren Verbin—
dungen — die Kalke und Mergel — etwas baſiſch mache; im
Winter aber, wo die Temperatur niedrig ſteht, würden ſie ihren
vollen Kohlenſäure-Gehalt wieder aufnehmen. Auf dieſe Weiſe
ſollen fie die Vorrathskammern von Kohlenſäure für den Som-
mer bilden. |
Unbedingt ift jedoch die Eigenschaft der Thonerde, gasförmige
und wäßrige Flüſſigkeiten in ſo bedeutender Menge aufzuſaugen,
von größerer Wichtigkeit für den Pflanzenernährungs-Prozeß und
deshalb das Mergeln kalter unfruchtbarer Felder von außerordent—
licher Tragweite für die Landwirthſchaft.
Auch im gebrannten Thone ftellt ſich uns ein ausgezeichnetes
Düngmittel dar; um ſeine Wirkung in dieſer Beziehung hervor—
zuheben, müſſen wir auf ſeine Zuſammenſetzung zurückgehen. Wie
bekannt gehen unſere Thone aus der Zerſetzung feldſpathhaltiger
Geſteine hervor; fie find alſo mit unzerſetzten Feldſpath-Glimmer—
Granit-Porphyrſtückchen u. ſ. w. gemengt und enthalten außer:
dem noch Kalk- und Bittererde, ſo wie Eiſenoxyd. Die Kalkerde
iſt oft in ſo reichlicher Menge in ihm enthalten, daß er ſich zum
Ziegelbrennen und zur Darſtellung von Töpferwaaren nicht be—
nutzen läßt. Da nun faſt alle Bodenarten Kalk, Bittererde, Eiſen—
oxyd, Kieſelerde enthalten, ſo darf die günſtige Wirkung des ge—
brannten Thons nicht in ihnen geſucht werden, es iſt vielmehr das
Kali, das Natron und die lösliche Kieſelerde des noch unzerſetzt
in ihm befindlichen Feldſpathes, welche die Befruchtung bewirken.
Wir ſahen weiter oben: daß die Alkalien und die Kieſelerde durch
205
kohlenſäurehaltiges Waſſer bedingt werde und find es daher auch
lediglich und allein die Silicate, welche die unerſchöpfliche Quelle
des Kalis bilden. Wenn dem Boden durch langjährige Bebauung
dieſe Quelle verſtopft wird, ſo ergiebt ſich als Reſultat — ein un-
fruchtbarer Acker; durch das Brachen gab man dem Felde in frühe—
rer Zeit Veranlaſſung ſich dieſes Nahrungsmittel wieder zu ver—
ſchaffen; das was man vermittelſt deſſelben aber erſt im Verlaufe
eines ganzen Jahres erlangt, erzielt man durch das Brennen des
Thones in einem Tage und wird dadurch nicht allein die Auflös—
lichkeit der Alkalien befördert, ſondern auch die Saugfähigkeit
vermehrt.
Wenn der Kalk im Thone durch doppelte Zerſetzung und Bil—
dung von Kalkſilicat und kohlenſaurem Kalk die unlöslichen Sili—
cate von Kali und Natron löslich macht, ſo muß ein Zuſatz von
Kalk zu einem an dieſem Stoffe armen Thon die Menge des lös—
lichen Kalis und Natrons erhöhen. Es iſt daher eine Mengung
von Thon und Kalk vor dem Brennen ſehr anzurathen, denn Pro—
feſſor Fuchs fand: daß wenn mäßig gebrannter und gepulverter
Feldſpath mit gebranntem Kalke und Waſſer einige Zeit gekocht
oder nur digerirt werde, hierbei ungemein reichliche Mengen von
Kali ihre Freiheit erlangen, ſo daß man dieſen Prozeß zur Vor—
ſtellung von Kali im Großen wählen könne. Er zeigte dabei: daß
ſich ein unlösliches Kaliſilicat und lösliches kohlenſaures Kali
bilde.
Bittererde.
Die Bittererde, ein ſehr lockres zartes weißes Pulver, iſt vor
dem Knallgasgebläſe etwas ſchmelzbar. Wenn man Chlormagne—
ſium mit Natrium in einer Röhre von hartem Glaſe ſchmilzt, ſo
verbindet ſich das Natronmetall unter heftigem Erglühen mit dem
Chlor und beim Behandeln mit Waſſer bleibt das Magneſium in
kleinen Kügelchen zurück, welche unter einer Decke von Chlor—
natrium zu größeren Kugeln unter Anwendung gelinder Rothglüh—
hitze zuſammengeſchmolzen werden können.
Das Magneſium iſt von ſilberweißer Farbe, läßt ſich hämmern
und ſchmilzt in der Rothglühhitze. In feuchter Luft oxydirt es an
der Oberfläche, in trockner nicht. In ſtärkerer Rothglühhitze ver—
brennt es unter Ausgabe eines großen Glanzes zu Bittererde.
Mit Waſſer verbindet ſich die Bittererde zu einem Hydrate,
jedoch lange nicht ſo begierig, als die Kalkerde. Das natürliche
Hydrat, mehr noch als das künſtliche, zeichnet ſich durch einen Perl—
mutterglanz aus und iſt fettig anzufühlen, wie der Asbeſt, Speck—
ſtein, Talk ſo deutlich nachweiſt. Im kalten Waſſer löſt ſich die
Bittererde beſſer, als im heißen; 5142 Theile Waſſer von 15°
nehmen 1 Theil auf, während 36000 Theile heißes Waſſer erſt die—
ſelbe Wirkung thun. Meiſtens haben die Bittererdenſalze einen
bittern Geſchmack und bekamen dadurch ihre Benennung. Wie wir
gleich ſehen werden ſind Verbindungen von kohlenſaurer Bittererde
und kohlenſauren Kalken in der Natur als Bitterſpath oder Dolo—
mite ſehr verbreitet. Die kryſtalliſirte Verbindung, welche gleiche
Aequivalente beider Salze enthält, hat die Kryſtallformen des
Kalkſpathes und wird Bitterſpath genannt. Die Dolomite löſen
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ſich ebenfalls in Kohlenſäure enthaltendem Waſſer auf, jedoch nicht
ſo leicht als die kohlenſauren Kalke; wenn daher Bitterkalk und
kohlenſaurer Kalk mit einander gemengt ſind, und es wirkt kohlen—
ſäurehaltiges Waſſer auf das Gemenge, ſo löſt ſich das letztere
früher auf und es bleibt der Dolomit als eine poxröſe Maſſe zurück.
Wenn auch die Talkerde nicht fo verbreitet wie die Thonerde
iſt, ſo findet ſie ſich doch in einer Menge von Mineralien und in
vielen Gebirgsarten; wer kennt nicht die eigenthümlich gebildeten,
in den groteskeſten Felsmaſſen erſcheinenden, ſchroffen, überhängen—
den, nach allen Richtungen durchlöcherten Dolomit-Maſſen, die
in den Alpen ſoweit verbreitet, aber auch in den älteren Formatio—
nen z. B. im Zechſteine fo vielfach zu treffen find? Wie die Thon—
erde allein, ſo bildet die Talkerde in Miſchung mit jener einen ge—
ſchätzten Edelſtein, den Spinell, deſſen hochrothe Abänderungen
unter dem Namen Rubin-Spinell theuer bezahlt werden. Außerdem
ſetzt ſie den Pinit, Sapphirin, Chryſolith, Bitterſpath, Beilſtein,
Boracit, Schörl, Dichroit, Broacit, Gabbro mit zufammen. In
größeren Maſſen abgelagert findet ſie ſich als Talk, Speckſtein,
Meerſchaum, Serpentin. Außerdem im Syenite, Grünſteine, Au—
gitfelſe, Augitporphyre, Dolerite, Baſalte, Melaphyre, im Grün—
ſteine, im Dolomite, in vielen kohlenſauren Kalken und andern
Gebirgsarten.
Schon Giobert ſtellte die Behauptung auf: daß kohlenſaure
Magneſia auf die Vegetation einen wohlthätigen Einfluß übe und
daß ſie den kohlenſauren Kalk erſetze. Wenn, wie wir weiter oben
beim Natron bereits ausſprachen, ſolch gegenſeitige Erſetzungen
beim Pflanzenernährungsprozeſſe auch nicht ſtattfinden, indem ſie
der Natur und deren ſo wohl geordneten Einrichtungen vollkommen
widerſprechen, ſo ſind die Einflüſſe der kohlenſauren Bittererde auf
die Gewächſe doch um deshalb nicht zu verkennen, weil ſie wie be—
reits ausgeſprochen einen weſentlichen Beſtandtheil ſo vieler und
namentlich der Aſchen der Nahrungspflanzen bilden. Durch ſie ge—
langen ſie in den thieriſchen Leib und ſchon die wichtigen Funktionen
der Bittererde im Fleiſche und Blute weiſen dahin: daß ihre An—
weſenheit in den Pflanzen durchaus nothwendig ſei.
Die Verſuche des Fürſten von Salm-Horſtmar haben dies
208
nicht allein, ſondern auch überdies noch nachgewieſen: daß die
Talkerde die Kalkerde beim Vegetationsprozeſſe nicht zu vertreten
vermöge. Eine Haferpflanze, ohne Kalkerde in einer Bodenmiſchung,
die ſonſt allen Anforderungen des Pflanzenwuchſes entſprach, ge—
zogen, ſtarb, ehs ſie das zweite Blatt entwickelt hatte, obſchon
Talkerde genug vorhanden war; dagegen blieb dieſelbe ohne letztere
ſo ſchwach und ſchmächtig, daß ſie ihren Stängel nicht zu erheben
vermochte; die Farbe war abnorm und die Blüthenbildung war ſo
verändert, daß die verkrüppelten Blüthen ohne Frucht blieben.
Wenn die Bittererde auch nicht in größerer Quantität, ſo iſt ſie
doch mit der Kalkerde in faſt allen Bodenarten enthalten, denn ihre
Zuführung in dieſelben geſchieht auf dieſelbe Weiſe wie von jener
und ſogar durch den menſchlichen und thieriſchen Dünger wird ſie
den Feldern und Wieſen wieder zurückgegeben. Nicht zu verkennen
iſt jedoch: daß der rationelle Oeconom dennoch ein aufmerkſames
Auge bezüglich des ausreichenden Vorhandenſeins dieſer Erde in
ſeinem Boden haben müſſe, denn da, wie ausgeſprochen, ſie einen
weſentlichen Beſtandtheil einer großen Menge von Cerealien ab—
giebt, da ſie in den Oelfrüchten, den Rüben, den Bohnen, dem
Maiſe über 9, im Heue aber etwas weniger beträgt, ſo können
wir uns nicht allein erklären, warum Raps und Rüben ſo vortreff—
lich auf gutem dolomitiſchen Boden gedeihen, ſondern erhalten zu—
gleich darüber Aufſchluß: warum das Düngeſalz aus Salinen, wel—
ches außer Gyps und andern Salzen viel ſchwefelſaure Bittererde
enthält, ſo günſtig auf lange nicht bedüngte Wieſen einwirkt. Der
vorſorgende Landwirth verſehe daher ſeine Felder und Wieſen,
namentlich in Gegenden wo Sandboden vorherrſcht, auch zeitweiſe
vermittelſt des Düngeſalzes aus Salinen mit dieſem wichtigen
Nahrungsmittel. Ein Zuviel kann beim Beſtreuen eines Morgens
mit 2 Ente. deſſelben dem Boden nicht übergeben werden; wenn da—
gegen ein ſolcher Mangel daran leidet, ſo wird er — ſind auch alle
andern Nahrungsmittel in reichlichſter Fülle in ihm enthalten —
dennoch ſchlechte Erndten bekommen. Mit dem Düngeſalze aus den
Salinen übergiebt man dem Boden zugleich aber noch andere wich—
tige Düngſtoffe z. B. Natron, Schwefelſäure u. ſ. w.
Eiſen.
Einer der wichtigſten Grundſtoffe, welcher in allen Gefteing-
arten in größeren oder kleineren geſonderten Quantitäten, in
Lagern, auf Gängen und in Stöcken, oder als Gemengtheil in
verſchiedenen Verbindungen mit Sauerſtoff, mit Chlor, mit Koh—
len⸗ Phosphor- und Kieſelſäure vorkommt, iſt das Eiſen. Da
wo das Eiſen im gewöhnlichen Leben uns bei jeder Verrichtung
durch die Hände läuft, wo wir mit ihm im Dampfwagen die Luft,
im Dampfſchiffe das Waſſer durchfliegen, wo es der Träger ſämmt—
licher Arbeiten iſt, ohne deſſen Vorhandenſein die menſchliche Thätig—
keit ſtille ſtehen würde, da dringt ſich uns deſſen Unentbehrlichkeit
in jedem Augenblicke auf; da aber, wo es noch ſo geheimnißvoll
und doch fo außerordentlich kräftig wirkt, wie im Pflanzen- und
Thierreiche, da iſt es noch zu wenig beachtet.
Bei der allgemeinen Verwendung, welche das Eiſen im ge—
wöhnlichen Leben erlangt hat, iſt es gleichſam das Wetterglas der
Bodenbebauung und Induſtrie, alſo der Wohlfahrt einzelner
Staaten. Je großartiger die Quantitäten find, die ein Staat dar-
ſtellt und verbraucht, deſto rationeller wird deſſen Landwirthſchaft,
deſto umfangreicher wird deſſen Bergbau, deſto vollkommner und
großartiger deſſen Induſtrie betrieben werden. Dabei werden ſich
die Bewohner aber auch ungemein wohl befinden und der Staat
ſelbſt eine große Macht entfalten. An kein anderes Metall iſt die
Gewinnung der nothwendigſten Lebensbedingungen ſo innig gebun—
den, ſind die Verkehrs-Erleichterungen und Vertheidigungsmittel
ſo feſt geknüpft als an das Eiſen; was wäre aber auch Ackerbau,
Bergbau, Handel, was Induſtrie und Fabrikweſen ohne dieſes
Engelhardt, die Nahrung der nn 14
210
Metall? Die Entwicklung der Kultur und die Ausbildung der
civiliſirten Völker hängt von dem Eiſen ab, ohne daſſelbe wäre
Volksglück und Wohlſtand ein Wahn. Der Verbrauch des Eiſens
iſt daher der Gradmeſſer der Civiliſation; je höher derſelbe in
einem Staate ſteht, deſto mehr wird ſich die geiſtige Entwicklung
auch heben. N
Die Weisheit unſers Schöpfers kann daher bezüglich der
Verbreitung dieſes wichtigen Metalls nicht ſehr genug bewundert
werden; denn allgemeiner und reichlicher wird kein anderes Erz
getroffen und keinem Lande iſt es vorenthalten. Wir wiſſen: daß
das Eiſenoxyd, Eiſenorydul, Eiſenorydorydul und Eiſenorydhydrat
nicht allein einen in den meiſten Mineralien enthaltenen chemiſchen
Beſtandtheil abgiebt, ſondern daß das Eiſen in Verbindung mit
Schwefel zu Schwefelkies einen durch alle Gebirgsformationen
laufenden Begleiter faſt aller Geſteine ausmacht. Als Meteor—
eiſen fällt es in größern oder kleineren Stücken aus der Atmoſphäre
auf die Erde. Als Chloreiſen ſteigt es in Geſellſchaft von Gaſen
aus den Kratern und Spalten thätiger Feuerſpeier und wandelt
ſich dabei in die ſchönſten Kryſtallgruppirungen von Eiſenglanz
um. Stets führen uns die Quellen kohlenſaures Eiſenorydul aus
dem Erdinnern zu, was ſich an der Oberfläche in Eiſenorydhydrat
verwandelt und in ſumpfigen Gegenden mit Phosphorſäure Raſen—
eiſenſtein bildet.
Was aber die eigentlichen Eiſenerze betrifft, aus denen das
nützlichſte aller Metalle dargeſtellt wird, ſo gehen dieſelben in zwei
weſentlich von einander verſchiedenen Reihen und zwar als Oxyd—
orydule und Oxyde und als kohlenſaure Eiſenoxydule und Eiſen—
orydhydrate durch die meiſten Gebirgsformationen. Erſtere, rein
oder mit Kieſel und kieſelthonigen Subſtanzen verbunden, erſchei—
nen auf Gängen, Lagern und Stöcken der kryſtalliniſch-körnigen,
kryſtalliniſch-ſchiefrigen- und der Grauwacken-Geſteine, während
letztere ihren Hauptanfang in der Grauwackengruppe nehmend, in
Lagern, in Gängen und in Stöcken durch die Kohlen-Kalk- und
Kohlenſandſteine bis in die jüngſten Kalkſteine in oft ſehr beträcht—
licher Verbreitung fortſetzen und ſelbſt ſehr vielen Kalkſteinen in
geringen Quantitäten beigemengt ſind. Letztere ſind es, die uns
211
beim Vegetations-Prozeſſe am meiſten intereſſiren, weil ſie, wie
die ſie begleitenden Kalke, in kohlenſäurehaltigen Waſſern auflös—
lich und ſo den Pflanzen leicht zugänglich ſind. Erſtere dagegen er—
weiſen ſich als Sauger eines der wichtigſten Nahrungsmittel, des
Stickſtoffs und des Ammoniaks; woher auch die Erſcheinung
rührt: daß die Arbeiter in allen andern Gruben namentlich in
denen wo Steinkohlen- und thonige Maſſen gegraben oft fo un—
gemein von ſchlechten Wettern (Luft) beläſtigt werden, während
ſie ſich in Eiſenſteinbergwerken ganz wohl befinden, denn in letz—
teren wird durch die Aufſaugung des ſich entwickelnden ſchädlichen
Stickgaſes die Lebensluft ſtets rein erhalten. Unſer allwaltender
Schöpfer iſt bei Spendung dieſes für die menſchliche Geſellſchaft
vollkommen unentbehrlichen Elements in ſo bedeutenden Quan—
titäten, die nach allen Richtungen hin verbreitet ſind, ungemein
vorſorgend zu Werke gegangen. Im Leben des Menſchen ſpielt es
die wichtigſte Rolle. Zur Herſtellung einer vollkommnen Blut—
miſchung iſt nämlich das Eindringen des Sauerſtoffs in den gan—
zen Körper unentbehrlich, weil derſelbe durch die Verbrennung des
Kohlenſtoffs nicht allein die nothwendige Wärme herbeiführt, ohne
welche weder Ernährung noch Zellenbildung möglich wäre, ſon⸗
dern weil er auch zur Verwandlung der zu Zellen zu verarbeitenden,
fo wie der ueuaufgenommenen Nahrungsftoffe und der abgeſtorbe⸗
nen Zellenbeſtandtheile — zur Ausſonderung, Auswurf — die
alleinige Veranlaſſung giebt. Die Aufnahme des Sauerſtoffs fin—
det aber in den Lungen ſtatt und wird durch das Eiſen des Blutes
— durch die Blutkörperchen — vermittelt. Daſſelbe ſaugt nämlich
den Sauerſtoff gleichſam mit Gewalt an ſich und ſo durchdringt er
es auf dieſe Weiſe in allen Richtungen. Da nun das Blut ſelbſt
gleichſam als die Quelle des Lebens anzuſehen iſt, indem es fort—
während ſeinen Kreislauf durch die feinſten Gewebe und Organe
macht und denſelben das Material zu ihrem Aufbaue liefert, ſo
muß das Eiſen folgerichtig als einer der wichtigſten Körperbeſtand—
theile angeſehen werden.
Das Eiſen wird den Thieren unmittelbar durch die Pflanzen
zugeführt, und legen wir uns auch einen höheren Gehalt deſſelben
durch die Fleiſchſpeiſen die wir genießen zu, ſo holt ſich das
14 *
212
Schlachtvieh den ſeinigen doch auch erft aus der Pflanze. Wie
wir uns bereits belehrten tritt das Eiſen im kohlenſäurehaltigen
Waſſer in die Pflanzen über; damit aber die Pflanze in Bezug
auf dieſen Nahrungsſtoff nicht in Verlegenheit komme, ſind noch
andere Eiſen verbindungen im Boden, die ſtets in den Zuſtand
übertreten können, der für die Aufnahme in die Vegetabilien er:
wünſcht iſt. Die überall verbreiteten Schwefelkieſe unterliegen bei
Vorhandenſein von Waſſer und dem Zutritte von Sauerſtoff einer
beſtändigen Zerlegung, das gebildete ſchwefelſaure Eiſen wird bei
der in allen Ackererden vorhandenen kohlenſauren Kalkerde be—
ſtändig wieder zerſetzt und kohlenſaures Eiſenorydul und Gyps
gebildet. Aus dem überall verbreiteten Schwefelkieſe geht daher
beſtändig ein neues Düngemittel zugleich mit einem Reizmittel her:
vor, er iſt es daher, der die vielleicht weit und breit fehlende
Schwefelſäure ſtets in dem Verhältniſſe bildet als es die Brod—
früchte verlangen. Wir wiſſen ja aus den Verſuchen des Fürſten
Horſtmar, wie wichtig letztere als Pflanzennahrungsmittel iſt; ohne
fie ift eine Halmbildung nicht möglich; die Pflanze ſtirbt im dritten
Blatte, nachdem ſie noch einen Verſuch erneuter Halmbildung mit
gleichem Mißlingen gemacht hat.
Aber auch als phosphorſaures Eiſenorydul tritt es in die
Pflanzen, weil daſſelbe in kohlenſäurehaltigem Waſſer löslich iſt.
Ebenſo kann die lösliche Kieſelerde auf das Eiſenorydhydrat ein⸗
wirken und dadurch ein Eintritt in die Pflanzen ermöglicht werden.
Das Eiſen trägt viel zu einer lebhaften Grünfärbung, ſo wie
zur Blüthenbildung bei, zugleich erkräftigt es letztere und befördert
die Fruchtbildung. Wo kein Eiſen dem Boden beigemengt iſt, da
vermögen ſich die Stängel der Cerealien nicht zu erheben, ſchmach⸗
tend gehen die Pflanzen dem Verwelken entgegen. So Fräftigend
und ſtärkend wie im Thierreiche ſo wirkt das Eiſen auch im Pflan⸗
zenreiche.
Bei der ungemeinen Verbreitung des Eiſens darf man wegen
des Fehlens deſſelben als unmittelbares Nahrungsmittel bei den
Vegetabilien weniger beſorgt ſein. Bei der günſtigen Eigenſchaft
als Stickſtoff⸗ und Ammoniakſauger jedoch wird jeder Landwirth
213
„
wohl thun, wenn er eiſenarmen Boden von Zeit zu Zeit mit Eiſen—
oxyd beſtreut.
Wohl dürfte nichts von ſo hohem Intereſſe ſein, als die Be—
obachtungen und Erfahrungen: wie und warum die Pflanzen dazu
beſtimmt ſind, ſo unmittelbar für die Thiere zu ſorgen und dieſen
die für das Leben nothwendigen Eßwaaren fertig gebildet zu über—
liefern. Noch merkwürdiger iſt es aber, wie der Menſch darauf
kam, ſich dieſelben aus einer ſo ungeheuren Zahl in der Art und
Weiſe auszuſuchen, daß ſie für einander paſſen und daß ſich deren
Nahrungsſtoffe leicht mit einander vereinigen und auflöſen; wie
bald hatte er ſie um ſich vereinigt und brachte ihnen die nöthigen
Bedürfniſſe. 5 |
Erſt nach Verlauf Tauſender von Jahren kommt die Willen:
ſchaft und erklärt, was dem Menſchen und Thiere von den Pflan—
zennahrungsmitteln nütz und gut ſei; ja daß er bereits genieße,
was zuſammenpaſſe. Was würde für ein kümmerliches, elendes Ge—
ſchlecht entſtanden, was für Individuen zu Grunde gegangen ſein,
wären falſche Nahrungsmittel z. B. ſolche, in denen das Eiſen
fehlte, gewählt worden; entkräftet würden die Menſchen ſchnell
dem Tode zugefallen fein. In dieſen Betrachtungen liegt außer:
ordentlich viel Hohes und Erhabenes, denn wir ſehen daraus auf
das Deutlichſte, welcher vorſorgenden Leitung wir jederzeit und in
allen Lebensverhältniſſen unterſtellt ſind.
ae
Das Mangan, wenn auch ſelten in großen Quantitäten vor⸗
kommend, gehört dennoch zu den verbreitetſten Metallen. Mit
Sauerſtoff verbunden findet es ſich in geringer Menge in den Aſchen
der Pflanzen, in den Knochen und im Blute der Thiere und in
vielen Mineralien, von denen diejenigen, welche daſſelbe in größe—
ren Mengeverhältniſſen beſitzen, Manganerze genannt werden. Das
ſchwarze Erz des Mangans — der Braunſtein — iſt ſchon ſehr
lange bekannt. Die große Verwandtſchaft zum Sauerſtoffe und die
hohe Temperatur die er zum Schmelzen bedarf verhindert, daß
das Metall in größeren Quantitäten dargeſtellt wird. Zur Berei—
tung des Chlors bedient man ſich des Braunſteins, indem der
Sauerſtoff deſſelben mit dem Waſſerſtoffe der Salzſäure Waſſer
bildet und chlorfrei wird.
Das Mangan tritt als kohlenſaures Manganorydul, welches
in kohlenſäurehaltigem Waſſer löslich iſt, in die Pflanzen über.
Auf dieſe Weiſe kommt es auch häufig in unſern Brunnen vor.
Da, wie bereits geſagt, in ſehr vielen Aſchen Mangan getrof—
fen und da es mit den pflanzlichen Nahrungsmitteln in den Thier—
leib gebracht wird, ſo iſt es als ein weſentliches Nahrungsmittel
der Pflanzen zu betrachten. Ueber ſeine Wirkungen iſt man jedoch
noch nicht im Klaren.
Ungemein bezeichnend iſt es übrigens: daß die kohlenſauren
Mangan⸗Eiſenoxydul⸗Bittererde- und Kalkſalze im Pflanzen⸗
nahrungsprozeſſe eine nicht minder wichtige Rolle, als bei der Er—
nährung der Thiere ſpielen; alle untereinander iſomorph ſind ſie
ſämmtlich in kohlenſäurehaltigem Waſſer löslich und gehen auf
dieſe Weiſe in das Pflanzengewebe über.
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