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Full text of "Die Philosophie des Petrus Lombardus und ihre Stellung im zwölften Jahrhundert"

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Sartoarö College Hibrarc 

FKOH TU« BEQJIIST or 

JAMES WALKER, D.D., LL.D. 



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TEXTE UND UNTERSUCHUNGEN. 



HERAUSGEGEBEN 



Dr. CLEMENS BAEUMKER, 

O. ö. FBOFESSOB AN DER UNIVERSITÄT BONN, 



Dr. GEORG FREffl. VON HERTLING, 

O. 0. PROPE8S0B AN DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN. 



BAND III. HEFT V. 

JOH. NEP. ESPEN BÜRGER, DIE PHILOSOPHIE DES PETRUS 
LOMBARDUS UND IHRE STELLUNG IM ZWÖLFTEN JAHR- 
HUNDERT. 



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mCnster »Ol. 

DRUCK UND VERLAG DER ASOHENDORFFSCHEN HUCHHANDLUNG. 



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DIE PHILOSOPHIE 

DES 

f^ETRUS LOMBARDUS 

DHD 

IHRE STELLUNG IM ZWÖLFTEN JAHRHUNDERT. 

VON 

DR. JOH. NEP. ESPENBERGER. 



MÜNSTER 1901. 

DRUCK UND VERLAG DER ASCHENDORFFSCHEN BUCHHANDLUNG. 



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SEINEM LEHRER 

DR. GEORG FREIHERR» YOH HERTLISG 

DHirafliÄTspuoFEsan mm jmbjat der am biyexn 

IN DANKBARKEIT UND EHRFURCHT 
GEWIDMET. 



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Einleitung, p. 1 — II. 

LebonsHbrifi dos Lombarden; Kinn .Schriften ; sein Verhältnis zu Alfi- 
]nrd. Robertos Pullus, Hugo von Ski Viktor, Gindulf; seine Väter- 
quellen, besonders seine Abhängigkeit von Augustin; seine Stellung 
au Philosophie. 

I. Logik und Erkenntnistheorie, p. 12—24. 

Geringschätzung der Logik; Leugnung der universellen Geltung des 
Widerspruchsgcsetzes; Gründe für das Verhslten des Lombarden gegen- 
über der Logik; Einfluß Hugos von Skt.. Viktor und Augustins; Uni- 
versal ienlehre; die diesbezüglichen Angaben des Meisters; Dunkelheit 
derselben; Petrus ein Realist. 

Methode, p. 25—30. 

Darlegung der Grundsätze des Lombarden; sein Verhältnis zu Robertus 
Pullus und Hugo von Skt. Viktor; entscheidender Einfluß Abaelards; 
Modifizierung der Anschauung dieses Lehrers. 

Glaube und Wissen, p. 30—36. 

Unbedingte Anerkennung des Glaubens principe»; der Glaube muß, 
wenn auch sein Inhalt nur teilweise begriffen wird, dennoch vernünftig 
sein; Glaube und Wissen; Verhältnis zu Abalard, Hugo von Skt. 
Viktor, Augustin. 

II. Ontologie, p. 36—75, 

Substanz und Accidenz, p. 37—42; dreifache Bedeutung des Wortes 
Substanz: Substanz gleich Etwas, gleich substantia prima und seeunds; 
Wesen der Accidenzten; absolute Aocidenzien ; Verhältnis zu Augustin, 
Bosthius, Abalard, Hugo von Skt, Viktor und anderen Heistern. 



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VIII Inhaltsangabe. 

Natur, p. 42—46. 

Dreifache Bedeutung des Begriffes: Natur heißen 1. die substantia 
prima, 2. die regelmäßige Wirkungsweise der Dinge, 3. die ethischen 
Grundsätze in unserem Innern; historische Beurteilung dieser Verwer- 
tung des Begriffes. 

Person, p. 45-50. 

Verschiedene Scfaulmeinungen im zwölften Jahrhundert; die einen ban- 
gen Boethiua an, die andern Augustin; der Meistor schlägt mit Abälsrd 
und Anselm von Canterbury einen Mittelweg ein; Definition der Per- 
son; die Subsistons das unterscheidende Merkmal; Rücksichtnahme auf 
Hugo von Skt. Viktor. 

Materie, p, 51 — 57. 

Geformte und ungeformte Materie; Urmaterie; die Ansichten Augu- 
slins; sein Einfluß auf die damalige Zeit; der Meister nimmt keine ab- 
solut formlose Materie an; im Gegenteile, es herrscht in der Ur- 
materie sogar eine gewisse Ordnung, doch ist Blies in wilder Bewe- 
gung; die Stellung der ersten Materie zu unserem Erkennen; Verhältnis 
des Meisters zum Atoniismus; fortwährender Vergleich mit der Lehre 
anderer Meister. 

Form, p. 57-61. 

Die Form als Gedanke Gottes und als Entelechie; Form = Accidens; 
Unklarheit der Angaben hinsichtlich des Verhältnisses der Form zur 
Subsistenz; historische Würdigung. 

Werden und Vergehen, p. 61—65. 

Substanz ielles Werden; dazu gehören generstio und corruptio; qeeiden- 
telles Werden; dazu geboren augmentatio, diminutio, altera tio et seeun- 
dum locum mntatio; entscheidender Einfluß des Boethius. 

Ursächlichkeit, p. 65—70. 

Bestimmung des Ursachebegriffes; maßgebender Einfluß Augustins; 
jede Wirkung setzt eine Ursache voraus; jede Ursache enthält mehr 
Realität als ihre Wirkung; kein regressus in infinitum; Gott die ab- 
solut« Ursache; kein Ding kann sich selber ins Dasein setzen; Gesetz 
der Synonymie; die aristotelische Einteilung des Urgachebegriffes; Ver- 
hältnis des Lombarden zu anderen Lehrorn. 

Raum, p. 70-73. 

Begriff des Raumes; Harmonie mit Aristoteles; Augustin die maß- 
gebende Quelle; Baum und licist; Verhältnis zu Hugo von Skt. Viktor. 



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Inhaltsangabe. flt 

Zeit und Ewigkeit, p. 73 — 75. 

Anschauung Augustins; Abhängigkeit des Meisters von ihm; Zeit- 
begriff; Maßstab filr die Zeit; Petrus entwickelt die gleichen Gedan- 
ken wie die spateren Scholastiker; Wesen der Ewigkeit; Abhängigkeit 
von Boethius; Verhältnis des letzteren zu Augustin. 

Kosmologie, p. 75—83. 

Ausgangspunkt für die Darlegungen ist das Dogma der Schöpfung; 
Stellungnahme gegen Pluto und Aristoteles; die Welt ist nicht ewig, 
auch nicht ihr eigener Schöpfer und darum nicht Gott; die Urmaterie 
schmückt Gott in sechs Tagen snccessive aus; Ablehnung der simul- 
tanen Schöpfung Augustins; Unentschiedenheit des Meistere in ver- 
schiedenen Problemen; historische Würdigung seiner Bemerkungen. 

Stellung des Menschen im Universum, p. 83—87. 

Der Mensch die Krone der Schöpfung; sein Verhältnis zu den anderen 
Kreaturen und zu Gott; er ist der Mikrokosmos ; Verhältnis des Lombar- 
den zu anderen Lehrern; Erinnerungen an den Neapythagoreisrous. 

III. Psychologie, p. 87 — 103. 
Seelenvermögen, p. 88 — 92. 

Die Vermögen existieren in der Seele substantieller, wie Augustin 
angiebt; Einteilung der Seelen vermögen : 1. concupiscentia, irsacibilitas, 
rationabilitas; 2. Bensos, imaginatio, memoria, ratio; letztere zerfallt 
in scientia und sapientia; 3. sinnliches und intellektuelles Erkennen; 
erneute Abhängigkeit von Auguatin. 

Wesen der Seele, p. 92—96. 

Geistigkeit der Seele; Lokalisation ihrer Vermögen; ihre relative Ein- 
fachheit und Unsterblichkeit; sie ist eine substantia incempleta; ihr 
Verhältnis zum Person-sein; grundlegender Einfluß Augustins. 

Ursprung der Seele, p. 96—98. 

Überblick Ober die Schul meinungen zur Zeit unseres Meisters; Petrus 
ein Kreatianist; die Seele wird am 40. Tage dem Leibe eingeschaffen. 

Verhältnis zwischen Seele und Leib, p. 98 — 103. 

Stand des damaligen Wissens; Petrus wahrscheinlich Platoniker; freund- 
schaftliches Verhältnis zwischen Leib und Seele, aber nicht in jeder 
Beziehung; historische Stellung dieser Angaben, 

IV. Theologie, p. 103-118. 
Gottesbeweise, p. 103—107. 

Erkennbarkeit Gottes aus der sichtbaren Welt; einzelne Modi, wie 
Gott erkannt werden kann; Mangelhaftigkeit der Beweise, 



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X Inhaltsangabe. 

Wesen und Eigenschaften Gottes, p. 107 — 1 15. 

Negative Theologie des Pseudo-Dionysius : Gott übersteigt alle unsere 
Begriffe und unsere Sprache; positive Theologie: Gott vereinigt alle 
Vollkommenheiten in sich; Gott ist nicht bloß der Kraft, sondern auch 
dem Wesen nach allgegenwärtig; Gottes Allwissenheit schließt keine 
Notwendigkeit «in; Gottes Allmacht hat ihre Schranke an der eigenen 
Vollkommenheit; Bekämpfung des Ahalardischen Optimismus; Einfloß 
Augnetine, Hugos und anderer Meister. 

Trinität, p. 115—118. 

Hit der Mehrzahl der Theologen nimmt der Meister an, die Trinitat 
könne von der Vernunft weder vollständig erkannt noch begriffen wer- 
den; Analogie beweise; 1. die drei Hauptgruppen der Schöpfung: Geister- 
welt, geistig-körperliche Welt, reine Körperwelt; 2. jedes Ding hat 
Einheit, epecies and Harmonie; 3. potentia, sapientia und bonitas, 
4. memoria, intelligentia und voluntas; Verhältnis des Meisters zur 
Lehre seiner Zeitgenossen. 

V. Ethik, p. 118—136. 

Freiheit des Willens und Objekt der freien Willensthätigkeit, 
p. 119-124. 
Einfluß Abalards und Hugos von Skt. Viktor; Definition der Freiheit; 
ihr Wesen besteht im Freisein vom Zwange; Übereinstimmung zwischen 
Petrus und Anselm von Canterbury; Objekt unseres Wollens ist sittlich 
Erlaubtes und Unerlaubtes, aber nur insofern es zukünftig ist und die 
Macht des Willens nicht übersteigt. 

Glückseligkeit, p. 124—127. 

Alles strebt nach Glückseligkeit; ihr Wesen besteht im Besitzen eines 
Gutes, das erlaubte Lust gewahrt; dieses Gut ist im absoluten Sinne 
Gott; alle Dinge, auch die Tugend, dürfen daher nicht um ihrer selbst 
willen erstrebt werden; Vermittlung zwischen Augustin und Ambrosius. 

Moralität der menschlichen Handlungen, p. 127 — 130. 

Die Ansicht Abalards; nach der Überzeugung des Lombarden bemißt 
sich die Moralität der Handlung sowohl nach ihrem Zwecke, als auch 
nach ihrem inneren Werte; Einfluß des Viktoriners Hugo. 

Sittengesetz, p. 130—132. 

Das Sittengesetz wurzelt einmal im positiven Gesetze Gottes, dann 
such in unserem Gewissen. 

Subjektiv und objektiv Gut, p. 132—134. 

Die menschlichen Handlungen sind nur dann gut, wenn ihr Zweck mit 
dem Sittengesetze übereinstimmt; alle Dinge sind in sich gut; Unent- 



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Inhaltsangabe. XI 

echiedenheit des Heisters hinsichtlich der sündhaften Akte; Einteilung 
der Unter; Einfluß August ins, Abttlards und Hugos von Skt. Viktor. 

; Übel, p. 134-136. 

Mit Augustin nennt der Meisler das Übel eine privntio boni; es hat 
nur eine causa deficiens; aktives und passives Übel; ersteres geht nur 
von der vernünftigen Kreatur uus, letzteres kann auch von Gold ver- 
hängt werden; Abhängigkeit des Heisters van Augustin und Hugo von 
SH Viktor. 



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Einleitung. 

Petrus Lombardus wurde gegen Ende des 1 1 . Jahrhunderts 
wahrscheinlich zu Lumetlo in der Lombardei geboren. Nach- 
dem er seine ersten Studien in Bologna gemacht hatte, begab 
er sich nach Frankreich und zwar zunächst an die Schule von 
Reims, dann aber nach Paris, wo er, auf die Empfehlung des 
hl. Bernhard von Clairvaux ') hin bei den Viktorinern gastlich 
aufgenommen, nicht nur diese, sondern auch Abaelard fleißig 
hörte. Vermutlich noch vor 1 140 *) erhielt er dann daselbst 
an der Domschule zu Notre Dame eine Professur der Theologie, 
die er bis zu seiner Erhebung auf den bischöflichen Stuhl der 
Stadt (1159) einnahm 1 ). Aber schon nach einem Jahre scheint 
er dieses neue Amt niedergelegt zu haben, da bereits 1160 
Moriz von Sully als sein Nachfolger genannt wird. Sein Tod 
erfolgte vier Jahre später, also 1164*). 

Wohl keiner seiner Zeitgenossen kann sich mit ihm an 
Ruhm vergleichen. Abaelards Lob hallte zwar in allen Gauen 

') epiet. 160 Higne 182 p. 618 ff. 

') Sein Kommentar zu den paulin i sehen Briefen fallt in das Jahr 1140; 
die Erklärung der hl. Schriften war aber den eigentlichen Lehrern der Theo- 
logie vorbehalten; cf. Denifle, Revue thom. II. 1894 p. 149 ff. 

*) Er war demnach nicht Kanonikus von Ghartrea (Siehe Näheres bei 
Protois, Pierre Lombard, eveque de Paris, son e'poque, aa vis, ses Berits, aoti 
influeace, Paris 1881), auch nicht Lehrer an der Schule von St. Genevieve, 
wie z. B. Krug, Encyklop. Lexikon Bd. III. p. 189, Leipzig 1833 behauptet, 
od. Carö, Script, eccl. IE p. 220, Basel 1745; cfr. Denifle, die Universitäten 
des Mittelalters Bd. I p. 657 n. 16; p. 679 n. 83. 

*) Genaueres .siehe bei Protois a. a. O. p. 27 ff. Erdmann (Gesch. d. 
Philosophie Bd. I p. 312) hat daher unrecht, wenn er als Todesjahr das Jahr 
1160 angiebt. 

Beitrug« III. 5. Espenberjer, Petra. Lombardui. ] 



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3 Die Philosophie des Petrus Lombardns. 

wieder '). Wie im Sturme hatten sich seine Ideen in der wissen- 
schaftlichen Welt verbreitet, fast überall bewundert, nicht selten 
nachgeahmt *). Aber beinahe ebenso schnell verschwand nach 
seiner Verurteilung auf der Synode von Sens (1141) der Kern 
seiner Ansichten. Weit andauernder war dagegen das Ansehen, 
das sich sein Schüler, unser Lombarde, erwarb. Seine Senten- 
zen, die ihm den Ehrennamen magister sententiarum brachten, 
bildeten Jahrhunderte lang die Grundlage für die dialektische 
Erörterung der Glaubenslehre 8 ). Unzählige Male kommentiert 4 ), 
bis ins Einzelnste hinein zergliedert und geprüft, meistens gebil- 
ligt, öfter aber auch arg zerzaust 6 ), waren sie für die Theologen 
bis ins 16. Jahrhundert, wo Thomas von Aquin sie verdrängte, 
wie eine zweite Bibel *). 

Doch, es soll hier nicht die Aufgabe sein, die Ehre noch 
mehr hervorzuheben, welche die Vergangenheit unserem Magister 
erwies; uns interessiert es "hier, seine philosophischen An- 
schauungen kennen zu lernen und nach ihrer historischen Be- 
deutung zu würdigen. Dabei müssen wir uns vollständig auf 
eigene Füße stellen. Es ist nämlich bisher keine einzige Arbeit 
erschienen, die sich nach dieser Richtung hin gründlicher mit 
Petrus beschäftigt hätte. Man begnügte sich im besten Falle 



') «fr. Denifle, Archiv für Litt u. Kircheng. Bd. I 1885 p. 613 ff. 

') Über die Sentenzenlitteratur, die sich an ihn anschließt, siehe Denifle, 
a. a. 0. p. 402 ff 

*) ef. Überweg-Heinze, Gesch. der Phil. VIII. Aufl. Bd. II p. 198 
Erdraann, Gesch. d. Phil. Bd. I p. 312. 

*) Pits, de illuatr. Angl, Script. Paris 1619 nennt 160 Kommentare 
von Theologen Englands; in Frankreich gab es deren noch mehr. Dazu 
kommen auch noch jene der Theologen Deutschlands, Italiens und Spaniens, 
cf. Wetzer and Weite, Kirchenlexikon, 11. Aufl. Bd. IX p. 1921. Protois 
(a a. 0. p. 161 ff.) trifft daher nicht das Richtige, wenn er mit Poaaevin 
(elench. aliquot scholast. qui scrips. in magist. seilt-, Bibl. select. de ratione 
stud. lib. III cap. 15 p. 131) nur 246 Kommentatoren zahlt. 

') cf. Protois a. a. 0. p. 106 ff.; Migne 192 p. 962 ff. druckt eine Reihe 
angefochtener Satze ab. 

*) cf. Denifte-Chatelaiu, chart. I, 473 ff. n. 419; Denifle, revue thom. 
II. 1894 p. 157, 160. Von den 6 Gründen, die Protois (a. a. O. p. 190) 
für die große Verbreitung angiebt, sind nach meiner Ansicht dio wichtigsten 
1) die rein positive Darstellung der Glaubenslehre und 2) das öftere Fehlen 
einer pr&cisen Entscheidung, welche den Kommentatoren freien Spielraum für 
ihre Ansichten ließ. 



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Einleitung. 3 

damit, in allgemeinen Umrissen auf seine Beziehungen zu Augu- 
stin, Hugo von St. Viktor und Abaelard aufmerksam zu machen 
und den Inhalt der einzelnen Sentenzenbücher anzugeben 1 ). 
Nur Julius Kögel*) hat in einer Dissertation versucht, die Philo- 
sophie des Meisters festzulegen, ist aber nicht viel über ein 
nebelhaftes Bild hinausgekommen. 

Bevor wir nun darangehen, die Lehre des Meislers darzu- 
legen, wollen wir noch einige Bemerkungen über seine Schriften 
und den allgemeinen Charakter seiner wissenschaftlichen Thätig- 
keit vorausschicken. Im Jahre 1140 verfaßte er eine Erklärung 
zu den paulinischen Briefen, die aus einer Menge ohne Verbin- 
dung an einander gereihter Citate aus Augustin, Hieronymus, 
Ambrosius, Remigius von Auxerre und anderen besteht a ). Sie 
ist für unsere Zwecke nur wenig brauchbar. Das nämliche ist 
der Fall bei seinem nach dem gleichen Plane verfertigten Kom- 
mentar zu den Davidischen Psalmen 4 ). Auch die 25 Predigten, 
aus denen Protois nach Pariser Handschriften Auszüge veröffent- 
lichte 5 ), können gänzlich beiseite gelassen werden. Die Erläu- 
terungen zum Buche Job und zur Evangelienharmonie sind 

') l. B. Hist. litt, de la France XII. 589-601; Ceillier, bist, gen. des 
auteurs sacnäs XIV, 550-567 Paris 1863; Flügge, Versuch einer Geschichte 
der theol. Wiss. III, 443-65, Halle 1798; Ritter, Gesch. der Phil. VII, 
480—199, Hamburg 1844; Werner, Der hl. Thomas von Aquin I, 807-812, 
Regensburg 1858; Stock], Gesch. der Phil, des Mittelalters I, 393-411, 
Mainz 1864; Seheeben, Handbuch der Dogmati k I, 426 ff., Freiburg 1873; 
Erdm&nn, Gesch. der Pliilos. Bd. I, p. 313, Protois a. a. O. p. 57-98. Da- 
gegen weisen z. B. Buhle (Gesch. der Phil. V, 219 ff., Gottingen 1800) ferner 
Ast (Grnndr. einer Gesch. der Phil, Landshut 1807, p.222 n. 181); Rixner, 
Hamlb. der Gesch. der Phil. Bd. I p. 37, Sukbach 1823; Überweg- Heinze. 
Gesch. der Phil. Bd. II p. 198 hauptsächlich nur auf die berührte Abhän- 
gigkeit hin. 

*) Petrus I.ombardus in s. Stellung z. Phil. d. Mittelalt. Leipzig 1897. 
Schon die Einleitung, welche nach einem allgemeinen historischen Teil aber 
den Realismus, Mystizismus und Ober die philosophische Seite seiner Sakra- 
mentenlehre handeln will, zeigt die Richtigkeit unserer Behauptung. Von den 
vielen Unklarheiten will ich hier gflnxlich schweigen. 

") Gedruckt bei Migne, PL Bd. 191 p. 1298 ff.; Bd. 192 p. 1—520; 
auch Paris 1535. 

*) Gedruckt in Nürnberg 1475, 1478; Basel 1486; Paria 1581, 1538, 
1537; Migne, PL. 191 p. 1-1298. 

») a. a. O. p. 128 ff. 



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4 Die Philosophie dsa Palms LomWdns. 

wahrscheinlich unecht '). Da sie außerdem nicht im Druck 
erschienen sind, so kann auf sie keine Rücksicht genommen 
werden. Nach den vorher erwähnten Kommentaren zu schließen, 
durften sie indes wertlos sein. Verloren gegangen sind dann 
ein paar Briefe, eine Methode der praktischen Theologie und 
eine Apologie gegen die Angriffe seines Schülers Johann von 
Cornwallis *). Wir müssen demnach die folgende Abhandlung 
der Hauptsache nach auf seine Sentenzen stützen. In den vier 
Büchern dieser Schrift nimmt sich der Lombarde vor, die Kirchen- 
lehre nach den Aussprüchen der hl. Schrift, der Väter und Kon- 
zilien kurz darzustellen ■). Um nun diese möglichst klar hervor- 
treten zu lassen, geht er auch auf Widersprüche ein, die sich 
sowohl in den genannten Quellen als auch bei anderen Theo- 
logen finden, und sucht sie in Harmonie zu bringen. Natürlich 
mußte er dabei seiner Arbeit auch irgend eine Einleitung 
zu Grunde legen. Daher unterscheidet er zwischen Zeichen 
und Dingen 4 ) und versteht unter ersteren die Sakramente & ), 
unter letzteren aber jene Objekte, welche der Mensch, ethisch 
betrachtet, genießen oder gebrauchen d. h. als Mittel zum Zwecke 
verwerten darf 8 ). Wie leicht ersichtlich, läßt sich aus einer 
solchen Gliederung nicht viel machen. Der Magister hätte mit 
ihr die Lehre von der Erlösung und den letzten Dingen gerade 
in ihrem Kerne übergehen und so seinem Buche, das eine Lehre 
über die Kirche oder über die Inspiration der hl. Schriften über- 
haupt nicht kennt, eine neue, schwere Lücke geben müssen. 
Deshalb handelt er im ersten Teile von Gott, dem Dreieinigen, 
im zweiten von den Engeln, vom Sechstagewerk und besonders 
vom Menschen, also kurz von der Schöpfung, im dritten von 
der Menschwerdung, von drei göttlichen und den vier Karrlinal- 

') Protois, a. a. 0. p. 122. 

*) Protois, s. a. 0. p. 148. 

■) seut. prol. Migoc 192 p. 521 ff. 

*) seut. 1, 1, 1: Omnis doctriaa vel remm est vel signolum ... de 
bis ergo nobis aditum od res diviuus aliquatenus intelligendas, deo duce, 
aperire volentibus, dissereadum est: et primum de rebus, postea de signis 
disseremns. 

') loc. cit. u. sent. IV, 1, 2. 

*) sent. I, 1,2: res alias sunt, quibus fruendum est, alias quibus uten- 
dum est, alias quae fruuntur et utuntur. 



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Einleitung. 5 

lügenden, im vierten endlich von den Gnadenmitteln und den 
letzten Dingen. Da6 er nun trotzdem von der angegebenen 
Einteilung ausgeht, hat seinen Grund bei Augustin, der sie in 
seiner doctrina christiana ') vorfuhrt. 

Weder mit seinen Kommentaren noch mit seinen Sentenzen 
ist unser Magister derjenige gewesen, der zum erstenmale diese 
Art der Darstellung gewählt hat. . Die Erklärungen des Wala- 
fried Strabo, des Bruno von Asti, des Honorius von Autun z. B., 
andererseits . die Sentenzen des Isidor von Sevilla, Anselm von 
Laon, Hugo von St. Viktor, Robertus Pullus, Roland und vieler 
anderer beweisen zweifellos, daß diese Litteratur längst eingebür- 
gert war. Es könnte Petrus also nur der Ruhm bleiben, in beson- 
ders selbständiger und origineller Weise bei seinem Werke vor- 
gegangen zu sein. Indes auch hier können wir ihm nur wenig 
Ehre lassen. Es ging einst die Sage, er habe die Schrift seines 
Lehrers Abaelard Sic et non als sein Brevier bezeichnet 8 ). Ist das 
auch übertrieben, so kann der Sache doch nicht jegliche Wahrheit 
abgesprochen werden. Die ganze Methode des Lombarden geht 
auf Abaelard zurück und auch sonst tragen einzelne Darlegun- 
gen desselben den Stempel der Abhängigkeit von diesem an 
sich a ). Mehr noch als dieser Dialektiker dient ihm Hugo von 
St. Viktor zum Vorbilde. Ganze Abschnitte oder Distinktionen 
sind aus ihm genommen, so daß man es nach der Art des da- 
maligen Wissenschaftsbetriebes zwar zurückweisen muß, es aber 
leicht begreiflich findet, wenn man den Magister entweder des 
Plagiats am Viktoriner zieh oder ihn auch als Verfasser der 
Sentenzen dieses Mannes betrachtete 4 ). Ihm gegenüber ist der 
Einfluß des Robertus Pullus gleich Null zu setzen. Man mißt 
diesem hierin zu viel Bedeutung bei 8 ). Fast nur gelegent- 



') cap. 2, 2; cap. 4, 4; Migne PL. T. 84, p 19, 20. 

-1 cf. Heinr. Hayd, Abaelard o. seine Zeit, Regensburg 1863, p. 88 
Anm. 2. Carl Script, eccl. II p. 221, Basel 1745. 

*) Wir werden ini Folgenden immer darauf aufmerksam machen. 

') A. Mignon in: Revue des aciences eoclea. II, 1890. 524 ff. Die 
Abhängigkeit wird sich aus dem Folgenden zur QsnKge ergeben. loh halte 
es daher für überflüssig, hier eine größere Anzahl von Stellen anzuführen. 

*) Vgl. z. B. die Sentenzenansgabe von Migne sowie Oberweg-Heinze, 
Geschichte der Philosophie II. 8. Aufl. Berlin 1896. S. 198. 



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6 Die Philosophie des Petrus l.timbnrdiis. 

lieh greift der Lombarde nach ihm ] ). War es in diesen Fällen 
leicht, das Richtige zu treffen , so stellen sich um so mehr 
Schwierigkeilen ein, wenn es gilt, das Verhältnis des Meisters 
zu Gandolf zu bestimmen. Zwei Sentenzenkommentare*) aus 
dem dreizehnten Jahrhundert behaupten nämlich, es habe dieser 
Bologneser Theologe zum guten Teil Petrus die Gedanken an 
die Hand gegeben. Zum Beweise dafür geben sie eine Anzahl 
Parallelstellen an, die manchmal wörtlich harmonieren sollen. 
Dazu kommt, daß auch die Anordnung des Stoffes dieselbe ist"). 
Ich glaube indes, an der Stichhaltigkeit dieser Angaben 
ernstliche Zweifel hegen zu müssen. Es ist zwar eine ganz ge- 
naue Untersuchung nicht möglich, da Gandulfs Sentenzen noch 
nicht herausgegeben sind*); doch können schwer wiegende That- 
sachen für meine Ansicht angeführt werden. Denifle giebt an, 
der Lombarde habe seine Sentenzen innerhalb der Jahre 1 145— 1 150 
verfaßt*). Die Zeit kann noch etwas genauer bestimmt werden. 
Schon im ersten Buche'') citiert nämlich unser Meister die Schrift 
de orthodoxa fide, welche Johannes von Damaskus zu ihrem Ur- 

') Besonders eent. 111,31; cf Pullus, sent. V. 87; 38; 39; seilt. IV, 11; cf. 
Pullus, sent. VII], 5; sent. IV, 15, 5; cf. Pnllus Beut. V, 34. 35; sent. IV, 
43, 2, 3; cf, Pullns sent. Vlü, 19 (p. 991). und cap. 28 (p. 103); BentlV,47; 
cf. Pullus aent. VIII, 30 (p. 1005-1008); sent. IV, 48; cf. Pullus sent. VIII, 
26 (p. 1001); 28 (p. 1003); 22 (p. 996 ff.). Higne enthalt die Sentenzen 
des Pullus in Bd. 186 p. 674 ff.; er weist auch Oberall auf parallele Stellen 
zum Lombarden hin, doch meistens ohne genügenden Grund, daher er- 
wähnte ich nnr die obigen. 

! ) Da mir die Codices nicht zur Verfügung stehen, so maß ich mich 
auf Denifle, Archiv etc. Bd. I 1885 p. 623 Anm. 4 berufen, wo es heißt. 
Cod. Trec. 1206 sage zu Beginn des 4. Buches : Simile prineipium est 
huius (quarti) libri tarn in sententia quam in verbis prineipium quarti senten- 
tiaram Gandolphi et tercii et quam sontontiarum hugonis do s. Victore, de 
quibus quatuor primo (bei Lombardos) istud est Gandulphi fere verbo ad 
verbum usqne ad illud in capite tercio „sjgnorum vero*. Die übrigen 
Parallelstellen, welche cod. Amplon. 108 (4") zu Erfurt Angiebt, sind ange- 
führt: opp. Bonavent. Bd. [—IV, edit, Qaaracchi, 1882-89. 

') Denifle, a. a. O. p. 622. 

*) Handschriften von ihnen befinden sich auf der Nationalbibliothek zu 
Turin; cf. Denifle, Archiv etc. Bd. I 1885 p. 621 Anm. 2. 

■"') Denifle, a. a. O. p. 611. Also hat Protois (a. a. O. p. 89) unrecht, 
wenn er mit Du Boulay, hist. Univ. Paris tom. II p. 256 als Abfassungszeit 
circa 1152 angiebt. 

°) sent. I, 19, 13. 



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Einleitung. 7 

heber hat. Diese aber wurde erst auf Befehl Eugens Hl. über- 
setzt, der am 17. Februar 1145 zum Papste gewählt wurde. 
Daher müssen wir von 1145 absehen und frühestens 1146, viel- 
leicht auch erst 1147 annehmen. Ungefähr in die gleiche Zeit 
haben wir auch die Abfassung des Gandulfschen Werkes zu 
setzen. Denifle nämlich sagt uns, Gandulf sei an der Hoch- 
schule zu Bologna etwas später als Roland, der nachmalige 
Papst Alexander III., thätig gewesen '). Von diesem aber wis- 
sen wir, daß er vermutlich vor 1142, sicher aber in der ersten 
Hälfte der vierziger Jahre, seine hier in Frage kommenden Sen- 
tenzen vollendet hatte 1 ). Schon daraus ergiebt sich, wenn auch 
nicht die Unmöglichkeit, so doch die geringe Wahrscheinlichkeit, 
daß der Lombarde Gandulf benutzte. Wir müßten ja sonst eine 
ungewöhnlich rasche Verbreitung der Sentenzen dieses Schola- 
stikers annehmen, was kaum bewiesen werden kann. Doch sei 
dem, wie ihm wolle! Unsere Behauptung erfährt eine noch stär- 
kere Begründung dadurch, daß fast sämtliche Stellen, die aus 
dem Bologneser stammen sollen, entweder bei Hugo von Sankt 
Viktor oder bei Augustin oder sonst einer von Petrus benutzten 
Quelle Analoga haben 3 ). Vor altem die ersten Kapitel des 

') a. b. 0. p. 622. 

*) Deuifle, a. a. 0. p. 604 ff. 

*} Da die folgenden Gandulf betreffenden Citate uns dem Erfurter 
Kodex in der Bonaventura- Ausgabe der Franziskaner (siebe oben p. 6 Anm. 2) 
leicht zu finden sind, so glaube ich, der Kürze halber auf eine Angabe der 
Seitenzahl verzichten zu dürfen. Übrigens können hier nicht alle Stellen an- 
gefahrt werden. Vgl. nur: sent, II, 13, 1—7, mit Gandulf eent. II, 54; 56; 
n. HngoVict. de sacr.I ps. lcap. 9n. sent. 111. I Higne 176p. 198 D ff.; 89 ff.; 
u. Aug. de gen. ad litt. I, 10,22; de trinit.IV, 6, 10; und Beda inbexaem.I 
Higne 91p. 16C; ferner: sent. 11,14, 1—5 mit Quid. sent. II, 57 u. August 
do genes, ad litt. III, 14, 22; 15, 24; IV, 32, 49 ff.; Hugo Viel sent. III, 1 
Higne 176 p. 90 Äff.; femer: eent. 11, 18,1—8 mit Oaiid. sent. II, 157 u. 158; 
u. Hugo Vict. sent. III, 2 ff.; de sacr. I ps. 6 cap. 36 Migne 176p.92D ff.; 
284 C II.; Aug. de gen. ad litt. IX, 17, 82; 18, 33 ff.; ferner sent. II, 25 
mit Gand. sent. II, 193 u. Hugo Vict. aent. III, 9 Higne 176 p. 102 Ö - 109 A 
(auszgw.) und Abaelard introd. III, 7 Higne 178 p. 1110 A ff. und Stellen ans 
Augnetin; ferner sent. II, 16 mit Gandulf sent II, 72 u. Hugo Vict. aent. 
III, 2; de sacr. I ps. 6 cap. 2 Higne 176 p. 91 A ff., 264 C ff. und Äug. de 
de trin. VII, 6, 12 Migne 42 p. 945 ff.; Beda in hoxaem. I, 26 Higne 
91 p.28 B ff.; ferner aent. II, 17, 1-4 mitGandulfsent.il, 78; 156 und Hugo 
Vict. de sacr. I ps. 6 cap. 3 Higne 176p. 265 A ff.; bes. aber Aug. de gen. ad 
litt VII cap. 1; 2; 3; 25; 26; 27; VI, 18; 14. 



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B Die Philosophie des Fetrus Lombardus. 

vierten Buches, welche wörtlich übereinstimmen sollen, stehen 
ebenso wörtlich beim Viktoriner l ). Es ist aber nicht einzusehen, 
warum der Magister hier seine gewohnten Autoren nicht mehr 
im Originale, sondern nur durch Vermittlung Gandulfs gebrauchen 
sollte. An diesem Resultate vermag auch der Umstand nichts 
zu ändern, daß die faktische Stoffgliederung bei unserem 
Meister die gleiche wie bei Gandulf ist. Denn einmal liegt sie 
schon durch die Natur der Sache äußerst nahe, dann aber ist 
sie auch bei Johannes Damascenus in jeder Hinsicht gegeben *). 
Daher ist der Schluß nicht unberechtigt, auch Gandulf fuße auf 
diesem. Fragt man aber, wie es komme, daß zwei verhältnis- 
mäßig frohe Kommentare eine derartige Abhängigkeit behaupten, 
so ist die Antwort nicht allzu schwer. Parallele Stellen und 
das Bewußtsein, beide Lehrer seien ungefähr Zeilgenossen»), 
konnten leicht Anlaß zu solchem Urteile werden *). Wie wenig 
aber eine derartige Folgerung berechtigt ist, kann tnaii auch 
daraus ersehen, daß trotz zahlreicher Ähnlichkeiten die Senten- 
zen unseres Meisters und jene Rolands nicht das Geringste 
mit einander zu thun haben 5 ). 

Es wäre überflüssig, noch auf eine Reihe anderer Autoren 
hinzuweisen, welche der Magister in Anspruch nahm; denn schon 
aus dem Bisherigen ergiebt sich, daß unser Lombarde sicherlich 



') Siehe oben p. 6 Anm. 2; Hugo Vict. eent. IV, 1; de sacr. 1 p. 9 
cap. 2 Migne 176 p. 117 A ff.; 317 BC ff. Gemeinsam« Quelle ist z. T. Aug. 
de civit. de! X, 55; de doctr. Christ. II, I. 

*) Zum Beweise dafür sei hier nur darauf hingewiesen, daß spätere 
Erklärer des Damasceners keinen Anstand daran nahmen , die Lombar- 
dische Bücherei ntei hing auf die Schrift de orth. fide zu übertragen; cf 
Higne, Patr. Gr. 94 p. 781 ff. 

') Gandulf stirb 1178, also nach unserem Heister. 

') Auch die Hignesohe Ausgabe ist so sehr von der Richtigkeit dieses 
Urteils Überzeugt, daß sie, natürlich mit allem Unrecht, eent. IV, 22, 3, den 
Namen Gandulf {nicht .Grandulf) in den Text aufnimmt; andere die Heraus- 
geber der Werke Bonaventuras, Bd. IV, sent. IV, 22, 3 p. 578, Anm. 8. 

') cf. Gietl, Die Sentenzen Rolands, nachm. Papste Alezander III. Frei- 
bürg 1891 p. 60. Übrigens ist es nicht ausgeschlossen, auch nach 
unserem Texte nicht, daß Gandulf vom Lombarden abhängig ist, 
doch kann gegenwärtig ein strikter Beweis nicht erbracht wer- 
den. Daran hindert auch der Umstand nicht, daß man bis jetzt Oberall 
Aber eine solche Möglichkeit hinweggesehen hat. 



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Einleitung. 9 

kein origineller Denker war. Wir sehen ja, daß er nicht nur 
eine Masse von Citaten, sondern auch deren Anordnung zu einem 
großen Teile von Zeitgenossen übernahm, so daß es uns Moderne 
fast etwas sonderbar anmutet, wenn er erklärt, sein Werk hätte 
ihm viele Mühe und gar manchen Schweißtropfen gekostet '). 
Es ist übrigens für uns nicht wertlos, auf die Fülle der Männer 
zu achten, die er benutzt hat. Hilarius von Poitiers, Ambrosius, 
Hieronymus, Isidor, Johannes von -Damaskus, (manchmal) Boethius 
und viele andere müssen ihm zum Aufbau seiner Schrift be- 
hilflich sein. Vor allem aber ist es Augustinus, dem er sein 
Vertrauen schenkt. Neun Zehntel aller Gedanken lassen sich 
bei diesem entweder wörtlich oder doch sachlich entdecken. 
Mit dem Afrikaner müssen ihm alle übereinstimmen. 

Wir gehen auch kaum fehl, wenn wir annehmen, er habe 
die schwierigen Sireitfragen über die Sünde deshalb nicht förm- 
lich entschieden, weil die Gegner sich gleichmäßig auf Augustin 
berufen konnten 1 ). Die Ehrfurcht vor dem großen Kirchenvater 
darf uns indes nicht allzusehr wunder nehmen. Der Lombarde 
müßte kein Sohn seiner Zeit sein, hätte er sich seinem Einflüsse 
nicht unterworfen, er müßte unvergleichlich selbständiger als 
Abaelard gewesen sein, der vielfach ohne Augustin noch undenk- 
bar wäre. 

Wegen dieser Abhängigkeit also dürfen wir ihm keine Vor- 
würfe machen. Anders vielleicht mag es sich verhalten, wenn 
wir beobachten müssen, wie er schwierige Probleme in der 
Schwebe läßt und kein endgiltiges Urleil wagt 8 ). Ein solches 
Vorgehen kennzeichnet ja niemals den selbstbewußten Geist. 
Es ist indes möglich, daß der Sentenziarier der Lösung solcher 
Fragen nur aus dem Wege ging, um nicht in das Schulgezänke 
hineingezogen zu werden '). Doch, wie dem auch sei, niemals 



') seilt, prol. Migoe 19* p. 522. 

') Näheres unten. Natürlich soll hier nicht gesagt sein, dati der 
Meistor Augustin Oberall richtig verstanden hat. Seine bekannte Anflicht 
Ober das Verhältnis des hl. Geistes zur Gnade (sent. I, 17 ff.) und sein Ur- 
teil Über den Ursprung der Seele würden das entschieden widerlegen. 

*) i. B. sent. I, 16, 5; I, 32, 9; I, 19, 13; vgl. Anm. 2. 

') vergl, unten. 



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10 Die Philosophie des Petrus Loinbardua. 

wäre sein Scharfsinn demjenigen eines Ansetm von Canterbury 
oder eines Abaelard gleichzusetzen. Erinnern wir uns nun auch 
hier noch einmal der schon oben erwähnten Thatsache, daß er 
in rein positiver Weise die Kirchenlehrc darstellen wollte l ), so 
werden wir von vornherein keine tieferen philosophischen Er- 
örterungen erwarten. Wir- werden auch darauf gefaßt sein, 
daß wir von den alten Philosophen nur Weniges zu hören be- 
kommen werden. Und in der That übergeht sie der Meister 
fast vollständig. Mochte sein Jahrhundert auf Plato schwören, 
mochte es bei Makrobius oder Chalcidus oder sonst einem anti- 
ken Autor nicht selten seine Gedanken holen, ihm waren diese 
Männer durchaus gleichgiltig. Nur einmal kommt er auf Plato 
und Aristoteles zu sprechen, aber nicht, um aus ihnen Gewinn 
zu ziehen, sondern nur, um ihre Anschauung ober die Urgründe 
der Welt zu verwerfen*). Nimmt man nun dazu noch die 
Thatsache, daß Petrus sich manchmal scharf gegen die Dialek- 
tiker äußert, so möchte man beinahe fragen, ob überhaupt 
von einer Philosophie des Magisters die Rede sein könne. Es 
wäre aber zu weit gegangen, wollte man ihm eine solche völlig 
absprechen. Schon weil er im eigentlichen Sinne des Wortes eine 
katholische Dogmatik schreiben wollte, mußte er nach der Philo- 
sophie greifen; um so mehr aber noch deshalb, weil er wider- 
sprechende Väterstellen und Schulmeinungen soweit als möglich in 
Harmonie bringen wollte. Treffen wir daher auch keine rein philo- 
sophischen Erörterungen, so stoßen wir doch überall auf ange- 
wandte Philosophie, und wir werden sehen, daß ihm die Schul- 
weisheit seiner Tage wohl bekannt war. Freilich müssen wir 
vieles vermissen, aber wir erhalten auch eine Menge wertvoller 
Gedanken. Es läge nun nahe, eine Schule namhaft zu machen, 
welcher der Lombarde zuzuzählen wäre; indes stellen sich dabei 
erhebliche Schwierigkeiten ein. Berücksichtigen wir den Univer- 
salienstreit, so müssen wir unseren Sentenziarier den Realisten 
zuzählen, doch können wir nicht entdecken, welcher Richtung 
unter ihnen er folgt. Wollen wir ihn etwa, von einem ande- 

') cf. p. 4. 

*) Die näheren Nachweise liierfür und mm Folgendan werden im wei- 
teren Verlaufe gegeben werden. t 



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Einleitung. 11 

rcii Gesichtspunkte aus, einen mittelalterlichen Platoniker nen- 
nen, so begegnet uns die Thalsache, daß der Beweis für diese 
Behauptung nicht als stichhaltig angesehen werden kann. Denn 
die Fragen nach dem gegenseitigen Verhältnis von Leib und 
Seele oder nach dem Wesen der Universalien lassen sich 
nicht endgiltig in diesem Sinne beantworten. Wir dürfen ihn 
aber auch für keinen Aristoteliker vom Schlage des Boethius 
halten, denn auch hier können vornehmlich in den oben erwähn- 
ten Punkten nicht alle Zweifel gehoben werden. Am besten 
bezeichnen wir ihn als Eklektiker, der bald mit seichler Ober- 
flächlichkeit, bald mit tiefem Überlegen seine Gedanken von 
überall herholt, um die Kirchenlehrer klarzulegen. 

Damit nun im Folgenden die Anschauung des Meisters 
deutlich hervortritt, wollen wir nach einer jetzt gewöhnlichen 
Einteilung zuerst von seiner Logik und Erkenntnistheorie, dann 
von seiner Ontologie und Kosmologie, schließlich von seiner Theo- 
logie und Ethik handeln. Dabei werden wir unsere Citate nach 
Migne ') geben, da wir glauben, dali von den zahlreichen*) Aus- 
gaben diese die verbreitetste ist. Bei wesentlichen Textschwierig- 
keilen aber und bei den Stellen, welche auf Gandulf Bezug 
haben, werden wir die im allgemeinen treffliche Bonaventura- 
Ausgabe der Franziskaner von Quaracchi zu Hilfe nehmen a ). 

') 8er. tat. Bd. 191 und 192; in letzterem sind von p. 521 an die Sen- 
tenzen gedruckt. 

1 Weitaus am öftesten wurden die Sentenzen gedruckt so z. It. in 
Nürnberg 1481, 1484; Basel 1486, 1487, 1488, 1489, 1492, 1498, 1502, 
1507 etc.; Paris 1510, 1518, 1557, 1560, 1574} Lyon 1540, 1553, 1570; 
Köln 1566} Venedig 1477 (die älteste bekannte Ausgabe}; 1480; cf. oben 
S. 3 Anm. 8 u. 4. 

*) Diese enthalt nur die Sentenzen; cf. oben 8.6 Anm. 2; S. 7 Anm. 3. 



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I. Logik und Erkenntnistheorie. 



Logik. 

Abaelard ') hat bekanntlich mit Berufung auf Augustin *) 
die Dialektik über alles gestellt. Im Gefühle ihrer Macht und 
im Bewußtsein seiner eigenen Schulung 8 ) schreckte er deshalb 
nicht zurück, die tiefsten Geheimnisse der Gottheit ergründen 
zu wollen*). 

Es läge nicht ferne, im Lombarden den Lehrer wieder 
finden zu wollen. Wie der Verfasser der epitome theologiae Ä ) 
und mehrere andere Sentenziarier, von denen uns Denifle' 1 ) be- 
richtet, steht ja auch er zum guten Teile im Banne dieses 
Meisters. Und doch wäre die Meinung gänzlich verfehlt. 
Nicht Abaelards Grundsätze sind es, die bei ihm zur Geltung 
kommen, sondern jene, welche in Übereinstimmung mit Hono- 
rius von Autun *), aber teilweise fußend auf Boethius, Hugo von 
St. Viktor vertritt 8 ). Wie dieser, so sieht auch unser Magister 

') efr. introd. ad theo]. II, 1 Migne 178 p. 1040 C ff. 

*) de ordine II, 18, 88 Migne 33 p. 1013; doctr. Christ. II, 31, 48; 40; 
60 Migne 34 p. 57 ff. n. 63. 

:i ) introd. ad theol. pro]. Migne 178 p. 979 B ff; cfr. hister. calam, cap. 2 
Migne 178 p. 116 A ff. 

') cfr. Stöckl, Gesch. der Phil. Band I p. 398; überweg-Heinie; Ge- 
schichte der Pbil. II p. 193 ff. 

') gedruckt bei Migne 178 p. 1686 ff. 

s ) Archiv für Literat, u. Kircbengesch. Band I 1885. p. 434 (cfr. 456 ff.) 
werden erwähnt die Sentenzen des Magisters Roland: Nürnberger Handschr. 
Cent. III, 77; in fol., 12.-13. Jhrh.; p. 462; Sentenzen des Mag. Onmebene. 
M Buchener Steatebibl. cod. lat. m. 19134; p. 424: Sentenzen einer Florentiner 
Handschr. in St. Florian, Handschr. XI. 

*} de animae exsilio et patria cap. 4. Migne 172 p. 1244 A ff. 

■) erud. didascal. I, 12 Migne 176 p. 749 D; cfr. Boeth. in Porphyr, 
edit Basil. p. 47; de sap. an. Christ, praef. Migne 176 p. 846 D: Ecce quid 
est quod dialectics tot diversas et tarn adveraas ne dicam perverses habet 



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Logik. 18 

iß der Dialektik zwar ein treffliches Mittel, die Wahrheit leich- 
ter zu entdecken, tritt ihr aber in Sachen des Glaubens fast 
feindselig entgegen '). Daher kommt es, daß er sich um keine 
Streitfragen, noch weniger aber um eine Theorie dieser Disziplin 
kümmert. Nur aus seiner Praxis heraus können wir ersehen, 
daß er mit ihren Regeln vertraut ist. So zahlt er gelegent- 
lich einmal mit Abaelard die Pradikamente der Philosophie in 
der Augustinischen Fassung auf*). Er redet auch davon, daß 
etwas von einer Sache secundum essentiam oder denominative 
ausgesagt werden könne s ). Offenbar schwebt ihm dabei Boe- 
thius*) vor Augen, der ja für seine Zeit die logische Haupt- 
quelle bildet. Denn wie dieser, so will auch er mit ersterem 
nur eine Aussage ober das Wesen eines Dinges bezeichnen, 
mit letzterem aber auf die Thatsache einer gewissen Teil- 
nahme an einem allgemeinen Begriffe hinweisen. So hat der 
tapfere Mann sowohl am Worte als auch an dem zu gründe 
liegenden Begriffe Tapferkeit teil. Es steht dann mit der glei- 
chen Quelle völlig im Einklang, wenn er den Satz gutheißt, 
eine Verschiedenheit der Objekte bedinge auch eine begriffliche 
Unterscheidung *). 

Sind diese Angaben nur von nebensächlicher Bedeutung, 
so muß eine andere, die auf das .Gesetz des Widerspruchs Bezug 
nimmt, unser Interesse im hohen Grade erwecken. Adelard 
von Bath 6 ), Wilhelm von Conches ? ) halten mit der überwie- 

»ententias? .... Sed Durand quinque somnia nun. [gemeint sind die fünf 
Univeraalien des Porphyr ins, cfr. Boeth. in Porph. n Vict. transl. edit. Basil. 
p. 3; de divii. p. 688] et es qua primum ipai in so opinione decepti sunt 
postmodnm alioe neacientes Beducunt. 

') sent. I, 2, 3 redet er von garrulos ratiocinatores elatiores quam 
capaoiorea; ähnlich sent. I, 42, 1 auf grund von Hugo Vict. sent. I, 14 
Higne 176 p. 68 C; cfr. sent. I, 4, 3. 

*) sent I, 8, 7; cfr. Absei, sie et non cap. 9 Migne 178 p. 1886 A 
cfr. August, de trmit. V, 1, 2 Higne 42 p. 912. 

*) sent. IV, 46, 8. 

*) in prsed. Aristot. cap. de denora, ed. Basil. p. 118; de trinit. et 
unit. p. 1125 nnd 1126. 

') sent. II, 42, 1; cfr. Boeth. de divis. edit. BasiL p. 641; 643. 

*) quaestiemea naturales qii. 23. Inkupabel druck der Hflnchener 
Staatebibl. 

') dialog. de subetantiis phjsicis confectus a Wilhelmo Aneponymo 



3i S itiz e dby Google 



14 t>io Philosophie tloo Petrin Lomhardus. 

genden Mehrzahl der Scholastiker an der universalen Geltung 
dieses Gesetzes durchaus fest. Nur einige Lehrer huldigten nach 
Abaelard ') einer Meinung, welche den Geltungsbereich dieses 
Satzes außerordentlich einschrankte. Sie ließen im nämlichen 
Dinge verschiedene Gattungen, zum Teil sogar verschiedene Arten 
vorhanden sein. Ein ähnlicher Grundgedanke kehrt nun auch 
bei unserem Sententiarier wieder, nur daß er noch weiter geht 
und direkt eine Ausnahme konstatiert. .Eine Speise," sagt er, 
„kann nicht zugleich suis und bitter, ein Körper nicht an ein 
und derselben Stelle zugleich schwarz und weiß sein, wohl aber 
können Gut und Böse, zwei offenkundige Gegensätze, demsel- 
ben Dinge zu gleicher Zeit innewohnen. Es muß daher die Regel 
der Dialektiker, derzufolge im nämlichen Subjekte zu gleicher 
Zeit nicht zwei widersprechende Bestimmtheiten sein können, 
in diesem Falle eine Ausnahme zugeben" 2 ). Was die Schola- 
stiker, von denen Abaelard berichtet, im letzten Grunde zu ihrer 
Anschauung bewog, kann nicht ermittelt werden. Mag sein, 
daß es die gleiche Überlegung war, die Petrus zu seinem Vor- 
gehen teilweise veranlagte, mag aber auch sein, daß die gleiche 
Autorität auf sie bestimmend einwirkte. Beim Lombarden ist 
es entschieden Augustinus 3 ) gewesen, der ihm seine Meinung 



philosopho. industr. GnÜelmi Grataroli. Strasburg 1567. üb. 11 p. 37: Duo 
contraria in eodem toto vel in andern parte eiusdem esse, impossibile; cfr. 
Booth.: in praed. Arial Üb. IV. cap. de oppoa. edit. Basil. p. 1Ö2, 

'} Absei, dialect. edit. Cousin p. 390. Sunt autein quid am qni contraria 
genera in eodem aase non abhorrent aed contrarias speciea in eodem esse 
imposaibile confitentur. dicunt enim quod cum omnia accidentia per individaa 
in aubiecta veniant et ipsa contraria genera per iudividua sua subiectis con- 
tingunt . . . . ut virtus et Vitium .... Sunt fluten: et qui species con- 
trariaa in eodem poaae conaiatere non denegant 

') aent. II, 84, 6; Itaque in hia contrariia quae mala et bona vocantur, 
lila dialecticornm regula deficit, qua dicunt, nulli rei duo aimul inease con- 
traria. Nuilus enim potua aut cibus aimul dulcia eat et amavus. Nulluni 
aimul corpus ubi nlbum ibj et nigrum; et hoc iu multis ac pene in omnibua 
reperitur contrariis, ut in una re aimul esse uon posaunt. Cum autem bona 
et mala nnllus ambigat esse contraria, non solum aimul esse posaunt, sed 
mala omnino siue booia et nisi in bonia eaae non posaunt. Et haec duo con- 
traria ita aimul sunt, nt ai bonum non eaaet .... proraus nee raalum esse 
pota iaaet. 

*) enchirid. I, 14 Higne 40 p. 338. 



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Krltenntnistlleoretisches, 15 

an die Hand gab. Denn aus ihm hat er die fragliche Stelle 
Wort für Wort entnommen. Zum Glücke hat indes dieser Ge- 
danke keine weitere Verbreitung gefunden. Nur sein Excerpist 
Bandinus ') wiederholt ihn, von den Erklärern aber hat ihn 
keiner aufgegriffen. Ja sie gehen auf die Schwierigkeit über- 
haupt nicht ein, so nicht Thomas von Aquin -), auch nicht 
Durandus s ), um nur ein paar von den zahlreichen Kommentato- 
ren zu erwähnen. 

Die Geringschätzung, mit der unser Magister die Logik behan- 
delt, muß nun auch irgend einen Grund haben. Er ist wohl in 
einem Doppelten gegeben : einmal vielleicht in der Furcht, durch 
die dialektische Kunst ähnlich wie Abaelard *) und Gilbertus Por- 
retanus s ) mit der kirchlichen Autorität in Konflikt zu kommen, 
dann aber, was die Hauptsache ist, in der Tendenz, die seinen 
Schriften zu Grunde liegt. Er wollte die Lehre der Kirche nur 
durch Väterstellen darlegen, konnte also dabei an eigentlich lo- 
gische Untersuchungen gar nicht denken. 

Erkenntnistheoretisches. 

Nicht viel besser als mit den logischen Angaben steht es 
mit jenen, [welche uns der Meister über erkenntnistheoretische 
Fragen macht. Wie jene, so sind auch sie nur im Vorbeigehen 
eingestreut und keineswegs in der Absicht niedergeschrieben, 
diesbezügliche Themen näher zu erörtern, sondern nur, um 
theologische Probleme besser zu beleuchten. Es darf uns daher 
nicht wunder nehmen, wenn wir einer strenge durchgeführten 
Theorie nicht begegnen. Völlig wertlos sind indes die Bemer- 
kungen des Lombarden nicht. Denn, fehlt es ihnen auch an 
einer festen Begründung und innigen Verknüpfung, so bilden sie 
doch ein Gerippe, das für den Aufbau einer Erkenntnislehre im 
Geiste seiner Zeit genügen konnte. 

Was nun die Sinneswahrnehmung anlangt, so findet 
sich in sämtlichen Werken des Sentenziariers nur eine einzige 

') seilt. II, 34 Migne 192 p. 1064 D. 

») com. in aent. diät. »4 Bd. VI p. 114 V; Vened. 1596. 

;l ) com. in sent. üb. II diät. 84 qn. 1 n. 18 p. 168; Lugdun i 1563 

') u. ') Siehe Überweg-Hein», II p. 188, 20«. 



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16 Die Philosophie des Petrus Lombardus. 

Stelle, die hier in Betracht kommen kann. In seiner Erläu- 
terung zum ersten Korintherbriefe L ) sagt er nämlich, daß der 
Sehstrahl, vom Auge ausgehend, durch die Medien hindurch in 
unvergleichlicher Schnelligkeit an die Aulaendinge herantrete. 
Wie leicht ersichtlich, ist diese Angabe für unsere Zwecke 
höchst fragmentarisch. Sie bestimmt uns ja wohl im Anschluß 
an Hugo von St. Victor a ) und im letzten Grunde auf Augusti- 
nus") fußend die Thätigkeit des Subjektes, sagt uns aber nichts 
über das Verhalten des Gegenstandes, dem der Sehstrahl zueilt. 
Es liegt die Vermutung nicht ferne, der Meister habe damit 
einer Meinungsverschiedenheit, die unter seinen Zeitgenossen 
herrschte, aus dem Wege gehen wollen. Denn hielten sie auch 
alle '), bestärkt noch durch Eassiodor 6 ) und Chalcidius *), an 
der Augustinisehen Ansicht fest, so gingen sie doch darin aus- 
einander, daß die einen sich mit dem Ausflusse aus dem Auge 
begnügten, die anderen aber auch noch einen vom Objekte aus- 
gehenden verlangten und wie Empedokles erst durch das Zusam- 
mentreffen beider das Sehbild entstehen ließen 7 ). 

Vom historischen Standpunkte aus kann natürlich dieser 
Äußerung des Lombarden kein Wert beigelegt werden. Ihr In- 
halt verschwindet ja förmlich gegenüber den Leistungen, die 
andere zu verzeichnen haben. Adelard von Bath *) z. B. kennt 
nicht weniger als vier Theorieen über den Sehvorgang. Hugo 



') cap. 15 Migne 191 p, 1690 C: fit ergo resurrectio in puncto oculi. 
id est quam cito oculi radius transit ad remota et tranavolat media etsi sit 
ibi prius et poat tarnen quasi simul totum sit, sie et resurrectio mortuorum fiet. 

'} de sacr. II ps. 17 cap. 9 Migne 176 p. 600 C, 

') senno 362, 18, 20 Migne 39 p. 1625; de gen. ad litt. XII, 16, 32 
Migne 34 p. 466. 

') cfr. Cland. Main, de stat. an. 1, 7 edit. Engelbrecht, Wien 1885, 
p. 45; Rhabanus Msurus, de nniverso VI, 1 Migne 111 p. 143 B; de anima 
cap. 12 Migne 110 p. 1120 A; Bernhard von Chartres, de mundi univ. II, 14 
ed. Barach, p. 15 ff.; Wilhelm v. 3t. Thierry, de nat. corp. et snim. Migne 
180 p. 705 C; Anselm Cantuar, de veritate cap. 6 Migne 158 p. 473 D ff. 

') de anima cap. 9 Migne 70 p. 1296 B. 

•) com. in Tim. cap. 238 ed. Wrobel p. 282. 

7 ) Beide Ansichten erwähnt Wilhelm von Conches: elementa philos. 
(unter den Werken Bedas) Migne 90 p. 1175 B ff. 

*) quaest. natur. qu. 23 Inknnaueldruck der Müncbener Staatsbibl. 



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ErkenntnistfceoretiaoheB. 17 

von St. Viktor l ) aber und Wilhelm von Conches s ) erweiterten 
hierin das damalige Wissen, indem sie die Gedanken Konstantins 
des Afrikaners aufgriffen und physiologischen Erwägungen Raum 
boten. Es fehlte ferner auch nicht an Männern, welche mit Kas- 
siodor H ) auch den übrigen Sinnen ihre Aufmerksamkeit schenk- 
ten, so Wilhelm von St. Thierry 4 ) und vorher schon Rhabanus 
Maurus *). Ja selbst auf die Verlässigkeit der Sinne dehnte man 
die Untersuchungen aus. Während nämlich Anselm von Can- 
terbury °), dem Bischof von Hippo folgend, mit aller Energie 
für sie eintrat, hegten Honorius von Autun 7 ) und der eben ge- 
nannte Wilhelm von Conches *) auf Grund der gleichen Beob- 
achtungen an ihrer Wahrhaftigkeit nicht unbedeutende Zweifel. 
Ist nun das Vorausgehende durchaus nicht dazu angethan, 
uns etwas Erhebliches zu bieten, so gewähren uns die folgen- 
den Sätze wenigstens ein umfassenderes und klareres Bild. 
Gleich dem erwähnten Honorius 8 ) erzählt uns Petrus mit den 
Worten Augustiris 1D ), daß die Empflndungsspecies der Phantasie 
übergeben werde, daß diese aber vermittels des empfangenen 
Eindruckes nicht nur Erlebtes wieder zu erkennen, sondern auch 
neue Gesamtbilder frei zu schaffen vermöge. Denn anders stell- 
ten wir uns etwas vor, das wir schon gesehen hätten, anders 
etwas, das wir nur aus der Beschreibung kannten 11 ). Unsere 



') de nnione eorp. «t apirit. Migne 177 p. 287 D ff. 

*) cfr. elem. pbilos. Migne 90 p. 1175 B ff. 

! ) de anima cap. 9 Migne 70 p. 1269 B. 

') de natur. corp. et an. Migne 180 p. 704 C. 

') de mriv. VI, 1 Migne 111 p. 143 B. 

6 ) de Te.it. cap. 6 Migne 158 p. 478 D ff.; cfr. Aug. de vor« relig. 
cap. 38, 61 ff. Migne 34 p. 149. 

') de »ob's affectibns cap. 49 Migne 172 p. 115 A. 

') dial. de snbst. phya. confect. a Wilhelm« Aneponymo philosopho, 
indnetr. Guilelmi Grataroli, Strasburg 1567, lib. III p. 69. Wie Anselm und 
Augustin beruft aach er sich auf die Thatsacbe, daß ein ins Wasser gehal- 
tenes Bader gebrochen erscheint, zieht aber, wie angegeben, einen von 
jenen abweichenden Schluß. 

"} scsl. caal niai. cap. 5 Migne 172 p. 1282 D. 

'") de gen. ad litt. XU, 6, 15 Migne 34 p. 458; cfr. de tarnt, XIII, 1 
Migne 42 p. 1014. 

") in pB. 21, 17 Migne 191 p. '288 B; in epist. ad Cor. II, 12 Migne 
192 p. 80 C ff. : In bis tribus generibne (seil, visionis) illud primnni manifeatum 

Beitritte Hl. A. Ispenlsrgcr, Petrus Lomlmrdm. 2 



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18 Di« Philosophie des Petrus Lombardue. 

Erinnerung ist nun bedingt durch das Gedächtnis. Von ihm 
sagt uns der Meister im völligen Anschluß an Kassiodor, es 
nehme die Gedankenbilder in sich auf, wie der Magen die 
Speise ')• Wenn wir dann den Augustinischen Satz lesen : 
die drei Personen in der Gottheit seien nicht so eins, wie Per- 
sonen verschiedenen Geschlechtes dadurch eins seien, data sie 
die gleiche Natur hätten '), so mufi uns dies wie eine im Keime 
gegebene Theorie der Begriffsbildung anmuten. Es wird ja 
dabei eine Mehrheit von Objekten angenommen, aus denen der 
Verstand das Ähnliche heraushebt und zum Begriffe zusammen- 
faßt. Höchst interessant ist ferner eine Äußerung, welche uns 
angiebl, wie wir vom Dasein des Nebenmenschen Kunde er- 
halten. Wenn die heutige Psychologie in der fremden Persön- 
lichkeit im gewissen Sinne nui eine Verdoppelung der eigenen 
erblickt, so haben wir dazu bei unserem Sentenziarier ein nicht 
unzutreffendes Analogon. Die Seele des Menschen, sagt er, 
können wir nicht mit unseren Augen sehen, sondern wir müssen 
sie erschließen. Wir sehen körperliche Bewegungen und weisen 
sie in unseren Gedanken einer Person zu, weil die Vorgänge in 
unserem eigenen physischen Leben uns zu solchem Schlüsse 
treiben a ). Würde diese Aufstellung ein origineller Gedanke un- 



est omnibna, quo videtur coelum et omnia ocnlis eonspieun. Nee illud alterum 

qno abaentin corporalia cogitaiitur, insinuare difficile Et aliquando 

nihil videntes oculis corporis animo tarnen corporales imagines intuemur vel 
veras Bleut ipsa corpora vidimus et memoria retinemus vel tietas sicut eogi- 
tatio formare potuerit. Aliter cogitamus, qiiae novimus, aliter quae non novi- 
mus. efr. Wilhelm von Conchea: dialog. de subst. phys. etc. lib. V! p. 300 ff.; 
Isaac de Stella: de aniraa, Migne 194 p. 1881 B; 1885 B; 1886 D ff. 

') in pe.80, 18 Migne 191 p. 305B. : Sicut enim venter escas reeipit, ita 
memoria renim tenet notitias. cfr. Cassiodor inps. 80, 11 Migne 70 p. 200 D;' 
Isaac de stella : de anima, Migne 194 p. 1879 C. cfr. Zachariaa von (roldabnroug 
eoncord. evang. Migne 186 p. 506 D. 

*) seilt, I, 19, 12; Tres personas non ita dieimna ease unam essentiain, 
vel unius essentiae, sicut dieimus aliquos tres hominea eiuadem eexus .... 
eiusdem animi nnam esse naturam vel unius natura«: .... ex prnemisais 
patet qnod tres persona« dieuntur divina essentia .... nee seeundum com- 
plexionis similitudinem, ut tres hominea unius naturae; cfr. Aug. de trinit. 
VII, 6, 11 Migne 42 p. 945. cfr. Abael. sie et non cap.8 Migne 178 p. 1860 A. 

a ) sent. III, 28, 7: Nee sicut hominem, cuiua animam, etsi non vide- 
mua, ex noatra conieimus et ex motibus corporis hominem sicut videndo didi- 
eimus, intuemur etiam cogitando. 



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Erkenn tniBtheorstiacbea. 19 

seres Magisters sein, so könnten wir wohl nicht umhin, seinen 
Scharfsinn anzuerkennen. Da sie aber wieder dem Bischof von 
Hippo ') entnommen ist, so kann ihm auch dieses Lob nicht 
gespendet werden. 

Wie Honorius von Autun a ) redet endlich der Lombarde 
auch noch von einem rein intellektuellen Erkennen. Es ist da- 
durch gegeben, daß die Seele sowohl sich selber als auch ab- 
strakte Begriffe, wie den der Gerechtigkeit, in unmittelbarem 
Schauen erfaßt, ohne eines Sinnbildes zu bedürfen *), Fragen 
wir nun nach der Ursache, welche der Thätigkeit des Ver- 
standes zu Grunde liegt, so erhalten wir von Petrus in un- 
verkennbarer Bezugnahme auf Augustin zur Antwort, jeder, der 
einsehe, werde von einem gewissen inneren Lichte erleuchtet *). 
Freilich, was er sich unter diesem Lichte vorstellt: ob jene 
ewigen Wahrheiten, welche nach dem geistesmächtigen Afrikaner 
unserem Erkenntnisvermögen zur Beurteilung der Dinge einge- 
schaffen sein sollen ■">), oder ob nur jene natürliche Fähigkeit, 
die auch wir noch mit einem Lichte vergleichen, kann in keiner 
Weise bestimmt werden. Dagegen ist gewiß, daß die Erleuch- 
tung darauf hinzielt, uns zur Wahrheit zu führen. Diese aber 
können wir nach unserem Meisler, der hier gemeinsam mit 
Kassiodor abermals den genannten Kirchenvater verwertet, erst 
dann unser eigen nennen, wenn die Dinge sich wirklich so ver- 
halten, wie sie sich in unserem Erkennen darstellen "). 

') de trinit. XIII, 1, 3 Migne 48 p. 1014. 

■) scal. cul. mai. cap. 8 Migne 172 p. 1231 B cap. 15 p. 1285 D. 

*) in epiat. ad Cor. II, 12 Migne 192 p. 81 C [Viaione] quae dicitur in- 
tellectnalia, ea cernuntur, quae nee cernuntur corporea, nee ullas gerunt for- 
ma» aimiles corporum velut ipsa mens et omnis animae affectio bona. Quo 
enim alio modo ipso intelloctas nisi intelligendo conapicitur? Nnllo. cfr. in ps. 
41, 4 Migne 191 p. 417 B; cfr. Aug. enarr. in pa. 41, 4 Migne 86 p. 468; 
de gen. ad litt. XII, 24, 50 Migne 34 p. 474. 

*} in epist. ad. Epb. cap. 4 Migne 192 p. 205 C: Omnis qui intelligit 
quadam luce interiore illustratur. cfr. August, in ps. 41 n. 2 Migne 86 p. 465: 
omnis qui intelligit luce quadam non corporali, non camali, non elteriore, 
sed interiore illustratur. cfr. Isaac de Stella: de anima, Migne 194 p. 18T8 C. 

°) Stack], Gesch. der Phil. Bd. I p. 293, 11 ff. 

°) in pa. 5, 6 Migne 191 p. 98 A: Veritaa enim est de qo, quod est. Men- 
dacium vero non est eubstantia vei natura id est, non est de eo, qood est 
naturnliter, sed de eo, quod non est; und in ps. 14, 7 Migne 191 p. 170 AI 



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$ü Die Philosophie des Petrus Lombardns. 

Vergleichen wir nun diese Angaben des Sentenziariers 
noch ausfuhrlicher mit denen von Zeitgenossen, so vermissen 
wir allerdings vieles von dem, was diese Beachtenswertes ge- 
leistet haben. So erfahren wir nichts von einer Abstraktions- 
theorie, wie sie, freilich unvollkommen, z. B. bei Hugo von 
St. Viktor l ) uns entgegen tritt. Wir treffen auch keine Unter- 
suchungen über den letzten Gewifeheitsgrand, wie sie Adelard 
von Bath*) angestellt hat, der ihn in der menschlichen Vernunft 
gegeben sieht. Noch viel weniger ist uns eine Erörterung über 
den Entwicklungsgang unseres Erkennens beschieden, wie sie 
am Ende des Jahrhunderts Johann von Salisbury 3 ) seinen Ab- 
handlungen eingereiht hat. Dessenungeachtet müssen wir zu- 
geben, daß die Aphorismen unseres Magisters nicht völlig wert- 
los sind. Sie führen ja alle Momente an, welche Augustinus 
zu seinem Aufbau des Erkenntnisvorganges gebraucht : sinn- 
liche Wahrnehmung, Phantasie- und Verstandesthätigkeit *). Es 
ist aber bekannt, daß die Aristo tdiker des 13. Jahrhunderts 5 ) 
trotz tiefgehender Verschiedenheiten in vielen Punkten mit dem 
Bischof von Hippo harmonierten. Deshalb hatten sie auch in 
ihren Erklärungen zu den Sentenzen des Lombarden vielfach 
keine andere Aufgabe, als eine breitere Basis zu schaffen und 
seine Bemerkungen besser zu verbinden. Dabei konnten sie 
dann das Bild vom Lichte des Verstandes, das auch ihnen ganz 
geläufig war 6 ), mit Leichtigkeit in ihrem Sinne auslegen und 

Vsritas est cum res ita est cum dicitur. cfr. August, in pH. 5 n. 7 Migue 
86 p. 85; Cassiodor in pe. 14, 4 Migne 70 p. 109 C. 

') de uni. corp. et spirit. Migne 177 p. 287 D ff.: cfr. Wilhelm von 
Conehes, «lern. phil. Migne 90 p. 1174 C ff. (unter den Werken Bodos). 

*) Jourdain, rech. orit. p. 266 ff. 

") de Sept. septems sect. 111 Migne 189 p. 950 CD: Sicut aniraos in 
scripta™ per vjsum ad litteras, per litteras ad verba et Jude ml inlellectum 
pervenit,' sie in sermone per auditam ad verba, inde ad intellectum, per quam 
animus rernm qualitatos i. e. uaturaa coneipit et«. 

') cfr. aufier den obigen Citaten z. B. de trinit XI, 8, 14 Migne 
42 p. 995: Sensus enim aeeipit a corpore, qnod sentimus et s sensu memoria 
(= imaginatio) et a memoria acies cogiUntia; cfr. ibidem cap. 9, 16 p. 996. 

*) z. B. bezüglich des hl. Thomas von Aquin cfr. GoDzalez, die Phil, 
des hl. Thomas von Aquin ltd. III p. 177 ff. übersetzt von Holte, Regens- 
burg 1885. 
: ") cfr. Eleutgen: die Philo», der Vorzeit Bd. I p. 123 ff.; 677 ff. 



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darunter, nicht einmal ohne jegliches Recht, die sogenannten 
letzten Prinzipien der Vernunft verstehen. 

Universalien. 

An diese Abhandlung über das Zustandekommen unserer 
Erkenntnis schließt sich am besten diejenige über die^Univer- 
salien an. Wie die vorausgehende, so hat auch diese Frage 
für Petrus nur eine untergeordnete Bedeutung. Mochten ihr 
die Philosophen seiner Zeit noch so große Wichtigkeit beilegen 
und es mit Wilhelm von Conches *) nahezu als die Aufgabe 
der Dialektik bezeichnen, zu untersuchen, ob etwas ein Univer- 
sale sei oder nicht: für ihn, den ausschließlichen Theologen, 
existierte das ganze Problem nur insoweit, als es mit der kirch- 
lichen Lehre, besonders mit der Tri ni tätsieh rc. zusammenhing. 
Freilich hatte er hierbei die beste Gelegenheit gehabt, einer der 
zahlreichen Schulmeinungen zu folgen oder gar eine neue auf- 
zustellen, aber er ließ diese gänzlich an sich vorübergehen. Er 
windet sich vielmehr mit einem merkwürdigen Geschick durch 
die meisten Parteien hindurch, jeder gleich nahe und gleich 
ferne, jeder freundlich winkend und doch in Grunde keiner 
zugethan. 

Es giebt nun nach ihm ein Allgemeines, das einer Reihe 
von Dingen gemeinsam ist. So gehören mehrere Menschen einem 
bestimmten Geschlechte an, bilden also insofern eine Einheit, 
als in jedem ein Bestimmtes ist, das sich auch im anderen 
findet 2 ). Dieses Allgemeine, das je nach seinem größeren oder 
geringeren Umfange Gattung oder Art genannt wird, existiert 
indes nicht isoliert, sondern es ist immer die Gattung in der 
Art gegeben und beide zusammen im Individuum. Dabei ist 
das Universale nicht im Sinne des Wilhelm von Ghampeaux, 1 ) 



') dial. de subst, pbys. praef. p. 4: Conaiderare namqne de aliquo, an 
Bit singulare an universale, est dialecticnm. 

•) Siehe oben & IS Anin. 2. 

") Abael. bist. cal. Migne 178 p. 119 A ff : Erat antem in es sent«ntia 
de communitate nniversalinm, ut eandem essentialiter rem totani simul sin- 
gulis suis inesse astrneret individuis etc. Ob Wilhelm später ein indifferenter 
inesse {Lberweg-Heinxe, Gesch. der Phil. Bd. II p. 169] oder ein inilividu» 
liter inesse [Prantl, Gesch. der Logik Bd. II 2. Aufl. p. 132 n. 107] des 
Allgemeinen annahm, ist hier gleichgiltig. 



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22 Die Philosophie des Petrus Lombardns. 

als ein einziges, überall identisches Sein aufzufassen, im Gegen- 
teile mit der numerischen Vervielfältigung des Einzeldinges wird 
auch es der Zahl nach wesentlich und ebenso oft vermehrt. 
Wenn equus, meint der Meister, die Art ist, und animal die 
Gattung, so sind durch drei Pferde auch drei lebende Wesen 
bedingt 1 ). Damit aber die Art dreimal vorhanden sein kann, 
müssen auch drei Individuen gegeben sein -). Im Individuum 
ist also alles vereinigt. Abraham, Isaak und Jakob sind nicht 
allein drei Einzelwesen, sondern zu gleicher Zeit auch drei Men- 
schen und drei lebende Wesen, 8 ). Art und Gattung sind dem- 
nach nicht subjektive Gebilde, sondern objektiv in der uns um- 
gebenden Außenwelt begründet. Sie werden deshalb proprie 
d. h. mit objektiver Berechtigung von den ihnen zugehörigen 
Individuen ausgesagt*). 

Beim ersten Blick auf diese Sätze möchte es scheinen, als 
würde der Lombarde jenen gemäßigten Realismus vertreten, 
dem schon Boethius 5 ) huldigte, dein dann im folgenden Jahr- 
hundert der Aquinate, wenn auch nur vorübergehend, überall 
zum Sieg verhalf. Man könnte in diesem Glauben auch noch 
dadurch bestärkt werden, daß sämtliche Stellen, die hier heran- 
gezogen wurden, entweder aus Johannes Damascenus, einem 
ausgesprochenen Aristoteliker, oder aus Augustinus stammen, 
der ja inhaltlich die gleiche Anschauung entwickelt. Doch bei 

') sent. I, 19, 8: Si essentia genus est, apecies mitem persona .... 
oportet appellari tres siibstantiaa, ut appellantur trea persona«. Sicut cum 
sit animal genus et eqnus species. appellantur tres equi iidemque auimalia. 
cfr. August, de trinit. TU, 6, 11 Higne 42 p. 943. 

*) Siehe die folgende Anm. 

:i ) sent. I, 19, 9: Sicut enim dicuutnr Abraham, Isaac, Jacob, tria in- 
dividua ita tres homines et tria animalia .... 10: Nee species est essentia 
diyina et ptrsonae individua, sicut bomo species est, individua autem Abra- 
ham, Isaac et Jacob. Si enim essentia species est ut homo sicut nou dicitur 
unua homo esse Abraham, Isaac et Jacob, ita nou dicitur uns essentia esse 
trea persona», cfr. August, loc. cit. cfr, sent. 111. 2, I; Joän. Dam. de fide 
orthod. III, 3 Migne ser. gr. 94 p. 991 A ff. 

') sent. I, 19, 14: Hanc ergo similitudinem inter res sempiternas et 
res temporales perpeudena, Joannes universal itatia nomina et particularitatis 
nomina, quae rebus temporalibus proprie conveniunt, ad aeteruaa trana- 
tnlit [mit Berufung auf Joan. Dam. de trinit. III, 6 Migne ser. Or. 94, 99 A. 

s ) comm. in Porphyr, a se transl. edit. Basil. p. 54 ff.; " 61; 64; 77. 



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Univeraalien. 23 

näherem Zusehen löst sich die ganze Vermutung in leeren 
Schein auf. 

Daß Art und Gattung nur im Individuum existieren, be- 
haupten nämlich nicht bloß die Lehrer der gemäßigt realistischen 
Richtung, sondern auch der extreme Realist Gilbertus ') Porre- 
tanus und die Anhanger der stark nominalistisch angehauchten 
Indifferenzlehre s ). Auch der aus Abaelards Kreise stammende, 
aber unbekannte Verfasser 3 ) der Schrift de generibus et speciebus, 
der im Begriffe nur eine Kollektiveinheit sieht, kann vollkommen 
beipflichten. Mit ihrer Meinung stimmt dann auch noch der 
andere Satz durchaus überein, daß das Allgemeine an der 
numerischen Vervielfältigung des Einzelnen wesenhaft partici- 
piere. Gilbert von Poitiers z. B. spricht dies mit dürren Worten 
aus, wenn er sagt 4 ): Ein Mensch ist vorhanden, wenn das 
Universale humanitas nur ein mal subsistiert; subhastiert es 
dagegen mehrere male, so ist auch eine Mehrheit von Menschen 
gegeben. So wenig nun die gerade behandelten Bemerkungen 
des Meisters imstande sind, uns Klarheit zu gewähren, so wenig 
kann auch der Umstand unsere Zweifel heben, daß der Lom- 
barde sich fortgesetzt auf Augustin und den Damascener be- 
ruft. Denn wenn er ihnen auch die Worte entnimmt, so folgt 
daraus noch nicht, daß er auch ihre Überzeugung teilt. Es 
liegt ja bei ihm, welchen Sinn er. damit verbinden will. 

Fassen wir nun die Angaben des Magisters noch einmal 
ins Auge, so ergiebt sich daraus nur dies mit Sicherheit, daß 
er kein Nominalist, sondern ein Realist war. Wir haben dafür 
auch noch darin einen schlagenden Beweis, daß Petrus im An- 
schluß an Hilarius von Poitiers und in Harmonie mit Boethius 
des öfteren die Sentenz wiederholt : nur dann verständen wir 
eine Sache richtig, wenn wir sie nach ihrer Beziehung zu den 
realen Dingen erklärten, denn das Ding richte sich nicht nach 



') Joan. Sareab. metal. II, 17 Migne 199 p. 875 D. 

') Näheres über die Indifferenz! ehre siehe Pisntl, Gesch. der Logik 
Bd. II 2. Aufl. p. 139 ff. 

») Conain, ouvr. iiind. d'Abelard Paris 1859 p. 51»; Näheres bei Franü 
a. a. 0. p. 143 ff. 

') comm. in Boeth. edil. Basil. p. 1241: tJiiua enim homo una aingoltri 
bnnianitatc . . . . ot plnribna homanitatibus plores hominee et anbatantiae. 



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24 Die Philosophie des Petrus Lombardus. 

der Rede, sondern umgekehrt, die Rede müsse sich nach dem 
Dinge richten ')■ Es könnte dagegen eingewendet werden, daß 
der Sentenzianer mit einer ambrosianischen Stelle der göttlichen 
Wesenheit das Prädikat indifferens*) beilege, was einem An- 
lehnen an die Indifferenzlehre ziemlich nahe komme. Die 
Schwierigkeit findet indes darin ihre Lösung, daß Petrus da- 
mit lediglich eine negative Bestimmung giebt. Er will damit 
nicht eine in mehreren Dingen unterschiedslos vorhandene po- 
sitive Qualität bezeichnen, sondern nur sagen, daß die eine 
göttliche Substanz ohne irgendwelche Modifikation, in absoluter 
Gleichheit den einzelnen Personen zukomme. 

Es ist also im Ganzen wenig tiefgehend, was uns über 
die Universalien geboten wird. Wir können uns an keiner 
einheitlich durchgeführten Idee erfreuen , im Gegenteile , wir 
treffen nur abstoßende Zweideutigkeit. Dieser Mangel mußte 
natürlich auch bei seinen Erklärern zum Ausdruck kommen. 
So legen ihn Thomas von Aquin und Bonaventura ganz im 
Rahmen ihres Realismus aus, während es Durandus sogar fertig 
bringt, ihn für den Nominalisinus in Anspruch zu nehmen. 
Daraus ergiebt sich aber, daß man in dieser Frage den Lom- 
barden völlig bedeutungslos nennen darf 8 ). 



') sent. I, 5, 8; 25, 5; 28, 1: Intelligent!» enim dictorum ex cnuais 
est asaumenda dicendi: quia non sennoni res, sed rei sermo subiectum est 
cfr. Hilarius Pict. de trinit. IV, 14; II, 31 Migne 10 p. 107 u. 71. cfr. 
Boeth. comm. in prsed. Arist. edit. Basil. p. 208: Est autem quaedam vera 
ratio nequaquam causa, ut sit res, veram tarnen videtur quodammodu res 
causa, ut oratio vera. Aus der bekannten Einteilung des Meisters, welche 
den ganzen Stoff unter den Gesichtspunkten von res und Signum behandeln 
will, kann ich nichts von Bedeutung für Beinen Realismus finden. Es liegt 
in ihr weiter nichts als das Bestrehen, mit Augustin doctr. Christ. I, 2, 2 
Migne 34 p. 19 eine Gliederung des Stoffes vornehmen zu können. Gegen 
Ritter, Gesch. der Philos. Bd. VII. p. 186 und Julius Kögel, Petrus Lom- 
bard na etc. p. 22. 

'J senk I, 2, 6: Aliud horum significat aetemitatem; aliud unitatem 
substantiae indifferentes, cfr. Ambras, de fide I, 11, 68;, Migne 16 p. 544 B. 
Vgl. übrig. Hilarius Pict. de trin. VII, 13 Migne 10 p. 210 A ff. Siehe anch 
sent. I, 19, 18 u. 19. 

J ) cfr. Philos. Jahrbuch der Gorreagesellsehaft Bd. 11 Heft 4 p. 462, 
wo Dr. Endres in einer Recension, freilich ohne Begründung, die gleiche Be- 
hauptung gegen die Anm. 1 erwähnte Schrift von Julius Kugel aufstellt. 



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Methode. 

Ist es uns im vorigen Kapitel nicht vergönnt gewesen, eine 
feste, allseitig abgegrenzte Anschauung des Meisters verzeichnen 
zu können, so vermögen wir uns hier, wo es sich um seine 
Methode handelt, um so leichter ein klares und gesichertes 
Urteil zu bilden. Allerdings hat er uns keine wissenschaftliche 
Methodenlehre hinterlassen, aus der wir seine Grundsätze ein- 
fach ausschreiben könnten - nichts lag ihm ferner — , wohl 
aber treffen wir in seinen Sentenzen eine ausnahmslos festge- 
haltene Praxis. 

Er selber weist uns mit den Worten Augustins im allge- 
meinen auf das Schema hin, das seiner Arbeit zu Grunde liegt •). 
Darnach will er zuerst die Glaubenssätze angeben, sie dann 
durch Stellen aus der heiligen Schrift beweisen und hochmütiger 
Oberflächlichkeit gegenüber auch noch mit katholischen Grün- 
den und Analogien verteidigen. Was nun der Lombarde unter 
katholischen Gründen versteht, zeigt am besten das gerade er- 
wähnte Werk. Es reibt sich darin Citat an Citat; eine Unzahl 
von Kirchenvätern und von anderen Lehrern muß ihre Meinung 
hergeben, um eine Thesis zu erhärten. Auf sie wollte er ja 
der eigenen Aussage nach *) seine Darlegungen gründen. Hiebei 
geht er nun nicht darauf aus, nur jene Aussprüche herauszu- 
heben, die in jeder Hinsicht harmonieren; es gehört vielmehr 
zum Wesen seiner Methode, widersprechende Angaben vorzu- 
führen. Dies erstreckt sich sogar soweit, daß er auch gegen- 
sätzliche Schulmeinungen in seine Abhandlungen einflicht. Wäh- 

') sent. I, 2, 3: Caeterum nt in primo libro de trinitate Augustinus 
docet, primo secundum auctoritatea sanctarum scripturarum, utrum fides ita 
se habest, demonstrandum est. Deinde adversus garrulos ratiocinatorea elatiorea 
quam capaciores rationibus cathalicis et similitudinibus congruis ad defensio- 
nem et assertionem fldei ulendum est. cfr. August, de trinit. I, 2, 4 ff. 
Migne 42 p. 822. 

') prolog. in sent.: Non igitur dehet hie labor cniqnam .... videri 
superfhius . . . brevi volnmine complienns Patrum aententiaa, appositia eorum 
teatimoniis, ut non ait necesae quaerenti librorum numerositatem evolvere. 
cui brevitaa qaod qunoritur offert sine labore. cfr. August, de trinit. III 
prooem. n. ] Migna 42 p. 869, wo bia auf geringe Abweichungen die ganze 
Stelle sich findet. 



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26 Die Philosophie des Petrus Lombard us. 

rcnd es aber Abaelard in seiner Sehrift sie et non dabei beruhen 
littet, sucht unser Sentenziarier die Autoritäten mit einander in 
Einklang zu bringen. Gelingt ihm dies nicht, so überläßt er 
das Urteil dem gewandten Leser '). 

Es ist interessant, dieses Verfahren des Meisters historisch 
näher zu beleuchten, Schon vor ihm haben Hugo von St. Viktor, 
Robertus Pullus, um nur die bekanntesten Männer zu nennen, 
nach dem Vorgange Isidors von Sevilla Sentenzen geschrieben, 
und Petrus hat sie, vor allem den ersteren, auch als Quellen 
benutzt. Und doch besteht zwischen der Art, wie er seinen 
Stoff behandelt, und der, wie es jene thun, ein wesentlicher 
Unterschied. Pullus steht noch zum besten Teile auf dem 
Boden der damaligen Dialektik. Wie es ihr Geist verlangt, be- 
handelt er ein Thema nach allen Regeln der logischen Kunst 
und sucht dann die eine oder die andere Meinung durch die 
Autorität zu stärken und zu halten. Hugo geht dagegen be- 
deutend andere Wege. Bei ihm spielen logische Untersuchungen 
nur eine nebensächliche Rolle; sein Streben ist es, so viel als 
möglich die Väter zu verwerten. Was nun unseren Lombarden 
anlangt, so vereinigt er beide Seiten in sich : mit dem Viktori- 
ner stellt er die Autorität in den Vordergrund, mit Robertus 
verschmäht er es nicht, scharfsinnig zu disputieren. Nur das 
ist neu bei ihm, daß er Kirchenlehrer gegen Kirchenlehrer, 
Schulmeinung gegen Schulmeinung ins Feld fuhrt, um sie schließ- 
lich, wo es immer angeht, zur Übereinstimmung zu bringen *). 
Freilich, originell kann man ihn auch hierin nicht nennen. Es 
ist schon bezeichnend, daß der Satz, in dem er seine Methode 



') z. B. acut. I, 32, 9: Eam tarnen quaestionem lectorum diligentia« 
pleniua diiudicandam atqne absolvendam relicquimna, ad hoc minus suflicien- 
tes cfr. sent. I, 16, 5, ferner beim Traktat über die Sünde sent. II diät 36 
- tust. 43. 

*) Die Priorität in der Anwendung dieser Methode kommt allerdings 
dem Dekret Gratiane and der ersten Überarbeitung der Sentenzen za, welche 
Roland, der spätere Papst Alexander III., als Professor in Bologna zusammen- 
stellte; doch waren sie auf den Lombarden in dieser Hinsicht ohne Einfluß. 
Auch flu- sie war Abaelard grundlegend, cfr. Denifle, Archiv für Litter. 
und Kircheng. Bd. I 1885 p. 603 IT. u. 620; Gietl, die Sentenzen Rolands, 
nachmals Papstes Alexanders III., Freiburg 1891; Ein!, p. 17 u. 60. 



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Methode. 27 

annähernd darlegt, in der epiLome theotogiae ') ein treffliches 
Analogon hat. Denn daraus laßt sich bereits mit Grund ver- 
muten, daß er wie der Verfasser des genannten Buches unter 
dem Einflüsse Abaelards steht. Bis zur Evidenz aber ergiebt 
sich dies, wenn wir die Schrift sie et non zu Rate ziehen. 
Schritt für Schritt läßt sich dann beobachten, wie er die dort 
gegebenen Anweisungen befolgt und durchfuhrt. Abaelard sagt, 
meist gelinge es, scheinbar widersprechende Vaterstellen da- 
durch zu vereinigen, daß man mit objektiver Berechtigung 
gleichen Worten verschiedenen Sinn unterlege *). Unser Meister 
halt sich durchweg an diesen Rat, so z. B. bei der Frage, ob 
die Begriffe des Allgemeinen und des Individuellen auf die Gott- 
heit anwendbar seien oder nicht, wo er auf diese Weise die 
negative Antwort Augustins mit der positiven des Johannes von 
Damaskus mit Geschick versöhnt 8 ). Sein Lehrer mahnt*}, an 
der Wahrhaftigkeit der kanonischen Schriften niemals zu zwei- 
feln : bei Petrus ist dieser Grundsatz überall anerkannt Und 
wenn Abaelard meint, bei einem wirklichen Widerspruche ver- 
diene die gewichtigere Autorität den Vorzug ä ), so stimmt ihm 
der Magister abermals vollkommen bei. Genau wie Hugo von 
St. Viktor hält er es fast ausnahmslos mit dem Bischof von 
Hippo und vollzieht so im Grunde nur, was Abaelard selber be- 
folgt, wenn er dem gleichen Kirchenvater für seine Gegenüber- 
stellungen einen gewaltigen Teil der Citate entnimmt. Nur ein- 
mal weicht er von dem großen Afrikaner ab, indem er mit der 

') cap. 5 Migne 178 p. 1699 C: Hac autem tidei summa circa unitatem 
ac trinitatem divinum braviter proposita, reliqnum est. ut adveraue inqui- 
sitionea dubitantium congrnie aimilitadinera exemplis enm defendamue et 
astruamus. 

*) sie et noD, prol. Migne 178 p. 1S44 D: facilis autem plenunque con- 
troversianim solutio reperietur, ai eadem verba in diversia significationibua a 
diversis anetoritatibua posita defendere poterimua. 

*] sent. I, 19, 13-14. 

*) sie et non, prol. Migne 178 p. 1347 1): Scriptaras itaque canonicaa 
voteria et novi testamonti dicit instrumenta, in quibus a veritate aliquid die- 
aentire haereticom est profiteri, cfr. p. 1348 D ff. 

s ) ibid. p. 1348 B: Beatua quoque Hieronymus, cum inter ecclesiasticoa 
doctores quosdam caeteris anteferret, itu nobia legendos esse coneuluit, ut eoa 
magis diiudicemus quam seqnamur. 



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28 Die Philosophie des Petrus Lombsrdus. 

Mehrzahl der Väter nicht eine simultane, sondern eine succes- 
sive Schöpfung verteidigt '). Doch auch hierin setzt er eigent- 
lich nur einen Satz seines Lehrers in die Praxis um, der dahin 
lautet, die Väter hätten selber auf keine unbedingte Anerken- 
nung Anspruch erhoben, was schon daraus hervorgehe, data 
manche ihre Werke dem Urteile des Lesers unterstellt hätten 1 ). 
Es mochte dieser Grund dem Sentenziarier um so plausibler 
vorkommen, als er ihn * gerade bei Augustin 3 ) bestätigt fand. 
Auch er läßt ihn bei sich zur Geltung kommen, indem er 
nach dem Beispiele des großen Kirchenvaters seinen Sentenzen 
die Bitte vorausschickt, sie auf ihre Wahrheit zu prüfen *)■ Bei 
der Hochachtung, die Petrus gegen die Tradition hegte, kann 
es uns nicht auffallen, wenn er sich nur mit äußerster Schonung 
gegen sie wendet. Niemals tritt er ihr im Grunde direkt ent- 
gegen. So begnügt er sich denn auch in der oben erwähnten 
Schöpfungsfrage damit, der Augustinischen Meinung nur geringere 
Wahrscheinlichkeit beizumessen *). Dabei hat ihn wohl die 
Äußerung seines Lehrers geleitet, man solle im Gefühle der 
eigenen Schwäche die Aufstellungen der Väter niemals ver- 
achten fl ). 

So enge nun auch die Beziehungen sind, die zwischen 
Petrus und Abaelard bestehen, so trennt sie doch eine unüber- 
brückbare Kluft. Letzterer verfaßte ja seine Schrift sie et non, 
um die Wahrheit zu finden, d. h. um auf analytischem Wege, 
suchend und prüfend, zur Sicherheit im Glauben zu gelangen. 



') Beut. II. 12, 9. 

*) ibid. p. 1846 D: Hoc et ipsi ecclesiaatici doctores diligenter atten- 
dentea et noaculla in suis operibus corrigenda esse credentea posteris suis 
emendandi vel non aequendi licontiam conceasenint. 

") de trinit III, 1 prooem. Migne 42 p. 867. 

*) Berit, prolog.: In hoc autem traetatu non aolum pium iectorom, aed 
etiam liberum correctorem desidero [Aug. loc. cit.]. 

°) aent. II, 12, 2, wo es von der Augustin entgegengesetzten Lehre 
heifit: Quae (seil. Bententia) etiam scriptum« geneaeoB .... magiB congruere 
videtur. 

") aic et et non, prol p. 1389 A : Ad nostrara itaque recurrentes ira- 
beciltitatem nobis potiua gratiam inteltigendo deesae quam eis scribendo de- 

niisae cred Sinus p. 1345 C : Weil nee tamquam mendacii reoa argai aanetos 

convenit, si ucnnulta quandoqne aliter quam ae rei veritas habeat .... 



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Methode. 29 

Wohl wagte er es dabei nicht, die Autorität der heiligen Schriften 
anzutasten, aber die historisch gewordene Lehre lieft er bedeu- 
tend in den Hintergrund treten. Gerade den gegenteiligen 
Standpunkt nimmt aber in dieser Hinsicht der Lombarde ein. 
Er will die Wahrheit nicht erst aufdecken, denn er sieht sie 
bereits im kirchlichen Dogma gegeben. Auf dieses gründet er 
seine Anschauung. Er vergleicht die Sätze miteinander und 
zieht dann daraus die Konsequenzen. Daher ist bei ihm der 
deduktive Weg der maßgebende, der analytische kommt erst in 
zweiter Linie zur Anwendung. Es liegt uns also hier ein ganz 
merkwürdiges Verfahren vor. Die Grundsätze der Viktoriner- 
schule einerseits und des Abaelardsclien Kreises andererseits sind 
in ihm zu schöner Harmonie vereinigt. Mit jener teilt es die 
Freude am Glauben, mit diesem die Lust an der Kritik, und 
beiden hat es die Auswüchse genominen. Man hat den Meister 
wegen dieser Methode mit Alanus vergleichen wollen '), der; 
zurückgehend auf BoSthianische Stellen, an die Spitze seiner 
Abhandlungen Axiome setzt, um aus ihnen heraus die ganze 
Kirchenlehre zu entwickeln <). Indes, mit vollem Unrechte. Es 
ist ja allerdings richtig, daß er seinen Distinktionen kurze Über- 
schriften vorausschickt, aber diese fungieren nicht als grund- 
legende Axiome, sondern eben als Überschriften, die nach der 
Absicht s ) des Magisters über den Inhalt der einzelnen Abschnitte 
eine leichte Orientierung gewähren sollen. Und wenn zwischen 
den Distinktionen ein gewisser Zusammenhang besteht, so ist 
doch dieser nicht das Produkt eines mathematisch-deduktiven 
Grundgedankens, sondern ein Resultat, das die Natur der Sache 
und logisches Denken überhaupt mehr oder minder nahe legt. 
Es fehlt dem Sentenziarier eine derartige Methode. Sie fehlt 
ihm so sehr, dab' er nicht einmal mit Richard von St. Viktor 
verglichen verden kann, der doch nur einen leichten Anlauf zu 
einer solchen einheitlichen Behandlung macht *). 

") Bittor, Geach. der Phil. VII. p. 594 ff. 

*} cfr. Bauragartoer, Alanus de Insulis, Beitr. zur Gesch. der Phil, des 
Mittelalt., herauageg. von Bseumker u. Hartlrog, Bd. II, Heft 4 p. 27 ff. 

*} eent. prol.: Ut antem quod qiueritur faciliue occurrat, titalos quibus 
aingulorum libroruni capitata distinguuntiir praemisimua. 

*) de triuit, I, 5 Migne 196 p. 893 C; gegen Ritter loc. cit. 



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80 Die Philosophie des Petrus LomWdus. 

Kann ihm nun nach dieser Seile hin keine hervor- 
ragende Stellung in der Geschichte der mittelalterlichen Philo- 
sophie angewiesen werden, so ist dies doch der Fall bei dem 
Vorgehen, das er in Wirklichkeit eingehalten. Was er nämlich 
hier leistete, war von durchschlagendem Erfolge. Die Summen 
der folgenden Zeit, darunter auch jene des Aquinaten, wären 
ohne ihn wohl unmöglich gewesen. Der Gang ihrer Dar- 
legungen ist ja im Wesentlichen der Gleiche wie beim Lom- 
barden. Mit gutem Rechte kann man darum Petrus einen Be- 
gründer der streng scholastischen Methode nennen, welche im 
13. Jahrhunderte üblich wurde, da ja er ihr hauptsächlich zum 
Siege verhalf. 

Glaube und Wissen. 

Da die Methode in der -Anschauung wurzelt, die der 
Meister über das gegenseitige Verhältnis von Glauben und Wissen 
hatte, so obliegt uns die Aufgabe, diese näher zu besprechen, 
Es wäre zu viel verlangt, wollten wir von ihm hierin jenes 
klare Denken fordern, das erst in der Blütezeit der Scholastik 
zum vollen Durchbruch kam. Er ahnte wohl das Ideal, dem 
er zusteuern wollte, aber er vermochte es noch nicht fest und 
sicher zu fixieren. Seine Angaben leiden daher noch an einer 
gewissen Verschwommenheit, die reifen Überzeugungen fern zu 
sein pflegt. 

Wie Hugo von St. Viktor ') und Wilhelm von St. Thierry *) 
räumt auch er dem religiösen Glauben und seinem Inhalte die 
erste Stelle ein. Was wir in ihm erfassen, ist über jeden 



') x. B. esposit. in regul. Aug. caj>. 3 Migne 1T6 p. 892 D: Et seien- 
dum quod auctoritaa ecclesiaatica in Omnibus mag LS imitanda est quam ratio, 
qnoniam auctoritaa semper obedientiae et humilitatis est; ratio vero nonnun- 
quttm praeaumptionis. cfr. Senf, 1,2 Migne 176 p 44 C. Wenn Alb. Siebner: 
Hugo v. St. Vikt n. die theo! Richtung™ seiner Zeit, Leipz. 1832 p. 168 
Anm. 3, aus de sacr. I, ps. 6 c. 22 Migne 176 p. 277 A folgern will, daß 
Hugo inkonsequent Glauben und Wissen manchmal euch gleichstelle, so hat 
er den Zusammenhang Übersehen, nach dem Hugo nur dann sn die Vernunft. 
appellieren will, wenn ein Antoritfttsbeweis nicht vorhanden ist. 

') de error. Guil. de Conchis Migne 180 p. 834 C: Ratio siitem fidei est, 
omnem rstionom fidei postponere vel in obsequium tidei captivatam redigere. 



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Glaube and Wissen. 81 

Zweifel erhaben. Denn Christus bietet uns die reinste Lehre. 
Im Verhältnis zu ihm sind Pluto und Aristoteles und Pytha- 
goras ein Nichts l ). Um diesen Augustmischen *) Satz noch 
mehr zu betonen , greift Petrus auf eine Stelle bei Ambro- 
sius zurück , die an Scharfe kaum überboten werden kann. 
Da, wo es sich um den Glauben handelt, sagt er, sind Ver- 
nunftargumente beiseite zu lassen. In der natürlichen Welt 
mögen sie am Platze sein, in der übernatürlichen sind sie 
es nicht. In der Schule des Glaubens hat die Dialektik zu 
schweigen, denn da glaubt man dem Fischer, nicht dem ge- 
wandten Logiker*). Es ist, als hörte man aus jedem Worte 
Anselm *) sprechen, der mit loderndem Eifer die Offenbarung 
über die Vernunft setzte und für sie unbedingte Ergebenheit 
verlangte, ja es ist, als ginge der Magister noch weiter und 
als wollte er den Satz des Bischofs von Hippo 5 ): Wir glauben, 
damit wir erkennen, wir erkennen aber nicht, damit wir glau- 
ben, in seinen Sentenzen s ) noch mehr pressen als der erwähnte 
Anselm 7 ) und auf einem reinen Köhlerglauben bestehen. Und 
doch geht er nicht so weit; im Gegenteile, er fordert für die 
Vernunft sogar nicht unbedeutende Rechte. Nach Augustinus 
geht der Glaube dem Wissen voraus. Aber dieser Glaube ist 
nicht ein bloß«, unverständiges Hinnehmen, sondern er muß 
vielmehr selber bis zu einem gewissen Grade ein Wissen ge- 



') in ps. 140,7 Migne 191p. 1238 D: Et etiam iudices eorum i. e. Plato, 
Aristoteles, Pythagoras abaorpti mint inneti petrae i. e. coinparati Christo 

-) August, in eund. psalm. a. 19 Migne 37 p. 1828. 

") seilt. UI, 22, 1: Haec enim et huiuamodi argutiae in creaturis locum 
habent, sed fidei aacrametitum a philosophicia est liberum. Lude Anibroaiua 
[de fido 1, 13, 84; I, 5 Higne 16 p. 537]: Aufer argumenta, ubi Ades quacritur. 
In ipeis gymnasiia suis iam dialecticn taceat, piscatoribua creditur, non 
dialecticis. 

*) Überweg-Heime, Gesch. der Philos. Bd. II p. 175, Stock), Uesch. 
der Philos. III. Aufl. Bd. I p. 386 n. 3. 

') in evangel. Joann. tract. 40 n. 9 Migne 35 p. 1690: Crsdimus enim 
nt cognoscamua, non eognuscimns, ut credamns. 

*) seilt, III, 23, 7. 

') proalog. cap. 1 Migne 158 p. 227 C. ofr. de fide trinit. cap. II Migne 
158 p. 268 C ff. cfr. Bandinus aenL III, 25 Migne 192 p. 1083 A. 



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32 Die Philosophie des Petras Lombaidtis. 

nannt werden. Er beruht ja auf einem Denkprozesse '). Nie- 
mand kann etwas glauben, bevor er nicht gedacht hat, data er 
es glauben müsse *). Würde daher der Mensen* die Erkenntnis- 
fähigkeit nicht besitzen, so würde er auch nicht glauben kön- 
nen 3 ). Die Lehre dieses Kirchenvaters hat nun auch der Lom- 
barde angenommen. Auch für ihn birgt jeder Glaube ein Wissen 
in sich, denn er stammt aus dem Hören *), d. h. es müssen 
zum mindesten fremde Worte verstanden und gebilligt werden. 
Diese principielle Hochschätzung des natürlichen Erkennens 
mutete den Meister von selbst zu jener freieren Bewegung' brin- 
gen, welche heute überall anerkannt ist, die aber damals nur 
im Keime existierte. Er wirft die Präge auf, ob es auch reli- 
giöse Wahrheiten gebe, die ohne Offenbarung erfaßt werden 
könnten. Mit Lanfrank stellt er nun dabei fest, die Vernunft 
könne aus eigener Kraft sich davon überzeugen, daß die Welt 
und ihre Fülle von Gott gemacht sei, daß die Seele von ihm 
ihren Ursprung habe, daß sie sich der Unsterblichkeit erfreue s ). 
Es war dann nur konsequent, wenn er auch den Heiden eine 
natürliche Gotteserkenntnis, ja sogar eine Ahnung von der Tri- 
nität zuschrieb "). All diese Bemerkungen mußten ihn aber auf 
die Schwierigkeit aufmerksam machen, ob denn die Aufnahme 
solcher Sätze in den Offenbarungsinhalt nicht völlig überflüssig 
gewesen sei. Um nun diese zu lösen, erklärt er, derlei Wahr- 



') epistola 120 cap. 1,3 Migne 38 p. 453: Si igitur rationale est, ut ad 
magna quaedam, quae capi nondum posaunt, fldes praecedat rationem, procal 
dubio quantulaeunque ratio, quae hie perauadet, etiam ipaa antecedit fldem. 

*) de praedestin. aanet. cap. 2, 5 Migne 44 p. 962 ff.: Nullas quippe 
credit aliquid, niei peius cogitaverit esse credendum. 

*) opist. 120 cap. I, 3 Migne 33 p. 453: Absit, ut ideo credamus, ne 
rationein .... quaeramus, cum etiam credere non poasemus, niai rationales 
animas haberemus. 

*) sent. III, 24,3: Cum fides Sit ex auditu non modo exteriori sed etiam 
interiori, nun potest ssse de eo, quod animo ignoratur. Nee ea qaae prins 
creduntnr quam intelligantnr, penitua ignorantur, cum tidus sit ex auditu. 

') in epist. I ad Cor. cap. 9 Migne 191 p. 1613 C: „Et factua aum his, 
qui aine lege erant, i. e gentibua, tamquam sin« lege ease" dum eia assentit 
seenndum philosophicaa rationes mundum esse factum a deo et quae in eo 
facta sunt et animam esse immortalem et ab ipso nos originem habere et 
efr. LaDfrancus in eund. loc. Migne 150 p. 186 Arm. 22. 

') sent I, 3, 1 ff. 



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Glaube und Wissen. 33 

heiten werden im Glauben noch besser und tiefer erkannt, 
oder, was dasselbe ist, unsere Vernunft erfahre durch diesen 
eine wertvolle Unterstützung '). Im Gegensätze dazu ist indes 
nach einer anderen Seite hin der Glaube nicht nur durch 
das Wissen bedingt, sondern überhaupt dessen Urteile unter- 
worfen. Würde man uns nämlich zumuten, etwas Unvernünf- 
tiges einfach hinzunehmen, so wäre für uns dazu in keiner Weise 
eine Verpflichtung vorhanden. Es gibt ja nach unserem Senten- 
ziarier Sätze, die wir niemals glaubten, wenn wir sie nicht zu- 
vor begreifen würden *). Freilich, was dies für Grundsätze sind, 
können wir nicht erfahren. — Bei diesem starken Hervortreten 
unserer Erkenntniskraft wäre man vielleicht versucht, einen Ein- 
fluß Abaelards anzunehmen. Dieser Vermutung käme auch 
noch der Umstand zu statten, daß die epitome*) und mehrere 
Sentenzenbücher '), welche sicher auf dem Standpunkte dieses 
Scholastikers stehen, in der Bestimmung des Glaubensobjektes 
vollkommen mit Petrus 5 ) übereinstimmen. Es mag sein, daß 
die Ideen seines Lehrers bei ihm noch nachgewirkt haben, 
aber gewiü geschieht es nur in beschränktem Mafie. Eine 
Frage, wie sie der eben genannte Abriß stellt 8 ) : was nützt es 
denn, über Glaubenswahrheiten zu reden, wenn man sie nicht 
erklären kann, kommt bei ihm einer Unmöglichkeit gleich. Der 
Kern seiner Ausführungen geht vielmehr auf Augustin zu- 
rück. Alle Stellen, die wir hier citiert haben, sind diesem ent- 
weder wörtlich oder doch in unverkennbarer Anlehnung ent- 
nommen T ). Selbst jene Angaben, welche auch bei den be- 
rührten Anhängern Abaelards sich finden, haben in ihm ihren 



') und ') tent. 111, 24, 8: Ex his apparet . . . quaedam intelligi ali- 
quando, etiam anteqnam credantur .... et nunc etiain per fldem .... am- 
plius intelliguntnr .... Und« colligitur .... qaaedam uon credi (seil, poeee) 
niai prins intelligantur et ipaa per ädern amplins iotelligi. 

*) eap. 2 Migne 1TS p. 1696 B. 

*) Siehe oben p. 2 Anm. 2. 

*) seilt. III, 23, 7, 8. cfr. Übrigens auch Hugo von St. Viktor aent. 
I, 2 Migne 176 p. 44 B. 

") cap. 5 Migne 178 p. 1699 D: Quid enim ad doctrinam loqui proficit, 
ai quod dieimua exponi Hon poteat, ut intelligatur. 

*) enarr. in psalm. 118 aerm. 18 n. 2 Migne 37 p. 1552. 
B«itrij(» III, s. Bipenbariar, Patru Lombard». 3 



3i S itiz e dby Google 



84 Die Philosophie des Patau LombarduS 

eigentlichen Urheber l ). Dabei muß es nun aber dahingestellt 
bleiben, ob der Meister seine Anschauung direkt aus dem Kir- 
chenvater schöpft, oder ob er erst mittelbar auf ihm fußt. Es 
hat nämlich auch Hugo von St. Viktor die gleichen Gedanken 
verfochten. Auch er redet von Dingen, die niemals auf unseren 
Glauben Anspruch machen können, wenn sie der Vernuft wider- 
sprechen. Und gerade wie unser Magister geht auch er dar- 
auf nicht weiter ein. Auch er spricht ferner von Wahrheiten, 
die vom Verstand zwar erkannt werden können, die aber im 
Lichte der Offenbarung noch größere Klarheit gewinnen *). 
Nach den bisherigen Bemerkungen ist Petrus dem menschlichen 
Denken ziemlich weit entgegengekommen. Wollte er mit der 
Kirchenlehre im Einklang bleiben, so mußte er auch Dogmen 
annehmen, die unserem Wissen nicht mehr zugänglich sind. 
Das hat er denn auch gethan. Ganz wie der Viktoriner Hugo 
setzt er religiöse Thatsachen voraus, die unserer Einsicht in 
ihrem Wesen schlechthin entrückt sind. Wollen wir in sie ein- 
dringen, so ist es notwendig, daß wir sie zuerst glauben 8 ). Und 
auch so wird es uns nicht gelingen, sie völlig zu durchschauen. 
Denn an ihnen bricht sich die Kraft unseres Verstandes, ihr 
Licht blendet unseren Blick 4 ). Daher konnten die Heiden zwar 
das Dasein Gottes erkennen, seine Dreiheit aber nur von ferne 
ohne Klarheit ahnen *). 

') cfr. in evangel. Joann. trat 40, 8, 9 Migne 85 p. 1690. Da die Be- 
stimmung des Glaubensobjektes in der Fassung dieser Männer nur für den 
Theologen gegeben ist und überdies sich sehr an der Oberfläche hfilt, gebe 
ich hier das Citat nicht ausführlich wieder. 

*) de aacr. 1 pe. III cap. 30 Migne 176 p. 281 D ff.: Quae vero con- 
tra r&tionem sunt, nulla similiter ratione oredi possunt, quoniam non saaei- 

pinnt nllam ratioDem nee aoqniescit his ratio aliquando Et in prima 

quidem genere .... ratio fide perfleitnr .... In iis autem quae snpra 
rationem annt, non adinvatnr fidea ratione «IIa, quoniam non capit ea ratio 
quae fides credit, et tarnen est aliquid quo ratio admonetnr venerari fidem 
quam non comprehendit. 

*) ssnt- III, 24, 8. Ex hie apparet aliqua credi quae non intelliguntnr 

Tel sciuntur nisi priue credantur Unde colligitur non posse sriri et 

intelligi credends. quaedam, nisi prius credantur. Aug. in pe. 118 serm. 18 
n. 2 Migne 37 p. 1552. 

') sent. I, 2, 1 mit Bezug auf die TrinitSt: Mentia enim humanae aciea 
invalida in tarn eicellenti Ince Don figitur, Aug. de trinit, I, 2, 4 
Migne 42 p. 822. — ") Siehe unten. 



Iligltlzod byVjOOQlC 



Glsnbe nnd Wieaen. SS 

So hoch nun auch der Meister den Glauben schätzt, so setzt 
er ihn doch dem Wissen nicht völlig gleich. Augustinus hatte 
bereits auf einer Scheidung beider bestanden und zugleich betont, 
daß deshalb Glauben und Meinen noch nicht auf einer Stufe 
stünden '). Was er hinterließ, fand im zwölften Jahrhundert 
in Bernhard von Glairvaux ') einen eifrigen Vertreter und in 
dem schon oft erwähnten Viktoriner 8 ) einen Gelehrten, der es 
in einer berühmten Definition zum Ausdruck brachte. Der Glaube 
stand ihnen demnach über dem Meinen, aber unter dem Wissen. 
Natürlich wollten sie damit nichts gegen die Sicherheit aussagen, 
die er gewahrt, sondern lediglich eine erkenntnistheoretische 
Erwägung zum besten geben, die ihren Ausgangspunkt in den 
Mysterien der christlichen Lehre hatte. Diese Überzeugung 
scheint nun auch unser Sentenziarier geteilt zu haben. Da näm- 
lich, wo er von den eigentlichen Geheimnissen der Religion 
spricht, stellt er die Behauptung auf, ihr Inhalt sei nicht in jeder 
Beziehung unserer Einsicht verborgen, sondern nur zum Teile, 
nämlich nur insoweit, als er nicht gewußt werde *). Wir hören nun 
allerdings nicht, was er sich unter „wissen' vorstellt, aber die 
ganze Sachlage weist darauf hin, daß er darunter nichts anderes 
versteht als sein Schüler Peter von Poitiers 4 ), der im Geiste 



') de mendac. cap. 8, 3 Migne 40 p. 488: Inter credere ntque opimiri 
hoc diatat, quod aliqnando ille, qni credit, sentit He ignorare, quod credit, 
quamvia de re, quam se igiiare novit, oranino non dubitet, ai eam finniaainie 
credit; qoi autem opinatur, putat se acire quod neecit. cfr. de util. cred. cap. 
11, 25 Migne 42 p. 82. 

*] de consid. V, 6 Migne 182 p. 791 A. 

*) seilt. I, 1, 1 Migne 176 p. 48 C: fidea est voluntaria certitudo absen- 
tium aupra opiniunem et infra acieutiam conatituta. cfr. de aacr. I pe. 10 
cap. 2 Migne 176 p. 330 C; de aacr. leg. uat. et upirit. Migne 176 p. 85 D; cfr. 
Wilhelm von Conches eiern, phil. lib. I Migne 90 p. 1127 C; Petras von Poitiers 
seilt. TU, 21 Migne 211 p. 1191 B; Job. v. Saliebury Metal. IV, 18 Migne 
109 p. 924 B. cfr. die Sentenzen Rolands, Denifle, Arch. für Litter. n. Kircheng. 
Bd. I 1885. p. 486 ff. 

*) Bent III, 23, 8. Nee ea qnae prius credantur .... penitua igno- 
rantnr tarnen ex parte, quia non soiuntur. Creditur ergo quod ignoratnr sed 
nun penitua eicnt etiara amatur, quod ignoratnr [das Letzte eine Anspielung 
auf Aug. de trinit, VIII, 4, 6 Migne 42 p. 951}. 

°) sent III, 21 Migne 211 p. 1092 C. 

3 * 



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36 Die Philosophie dea Petras Lombardn». 

Hugos, aber im Anschlug an Wilhelm von Conches >) erklärt, 
nur dann werde eine Sache gewußt, wenn sie nach allen Rich- 
tungen der aristotelischen Kategorien erkannt werde. 

Es sind also im ganzen richtige Grundsätze, die der Lom- 
barde Wer vom theologischen Standpunkte aus entwickelt. Frei- 
lich bis zur vollen Klarheit sind sie bei ihm noch nicht gedie- 
hen; er hätte sie sonst logischer durchgeführt, hätte sich auch 
vor allem nicht durch die Autorität Augustins bewegen lassen, 
dem Satze des Widerspruchs seine allgemeine Geltung abzu- 
sprechen. Der Gedanke, den ungefähr ein Jahrhundert vorher 
Petrus Damiani ! ) in die Worte kleidete : philosophia ancilla 
theologiae, hatte eben auch bei ihm eine etwas übertriebene 
Geltung, zumal auch die Ausführungen seines Vorbildes Hugo 
ihn daran nicht unbedingt hinderten. Wenn es ihm feststand, 
daß Gott nur Wahres offenbaren könne, und wenn er außerdem 
nicht recht begreifen konnte, daß Gut und Böse im nämlichen 
Dinge ohne Widerspruch zu existieren vermöchten, so lag nichts 
näher, als der Offenbarung zu glauben und im menschlichen Er- 
kennen eine Lücke zu konstatieren. Aber gerade darin liegt der 
Beweis, daß das Denken sich noch nicht selber in gebührender 
Weise erfaßt hatte. 



IL Ontologie und Kosmologie. 

Man könnte seine Bedenken haben, da von einer Ontolo- 
gie zu reden, wo jede umfassendere Behandlung derselben man- 
gelt. Das zwölfte Jahrhundert scheint ja überhaupt kein Be- 
dürfnis gehabt zu haben, sich mit derartigen Problemen aus- 



'} pbiloe. maodi I, 4 Higoe 172 p. 48 D. 

*) apascal. 36: de divina onmipotontis cap. 5 Migne HS p. 108 C ff.: 
Quae tarnen artis bumann peritia, si qnando tractandis eacris eloqniis adhi- 
betur, non debet ine magiaterii aibimet arroganter an-ipere, aed velnt ancilla 
dominae quodam famalatns obsequio Hiibservire, ne ai prnecedit, oberret et 
dum exteriorum rorboruui aeqnitnr coneequentiaB intimae virtotia luinen et 
rectum veritatia tramitüra perdat. 



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Ontotogie. 37 

drücklich zu beschäftigen. Was die Späteren zu eingehender 
Arbeit veranlagte, nahm diese Zeit einfach als gegeben an. Es 
waren ganz andere Dinge, die ihre Thatigkeit in Anspruch 
nahmen. Die Dogmen mit ihrer vielfachen Unbegreiflichst, die 
Häresien mit ihren nicht selten scharfsinnigen Einwürfen hielten 
sie vollauf in Atem und ließen sie das übersehen, was eine der 
besten Grundlagen zur Entscheidung gewesen wäre. Dazu kam 
noch, dati auch die Vater hiezu keinen Antrieb gaben, da sie 
nur gelegentlich von den allgemeinen Seinsprincipien sprechen. 
Ja, es mußte sogar der Glanz ihrer Autorität dazu auffordern, 
nur auf dem historischen Materiale aufzubauen. 

Desungeachtet ist es nicht völlig unbegründet, von einer 
Ontotogie der Frühscholastik zu reden. Denn , haben wir 
auch keine zusammenhängenden Darlegungen, so treffen wir 
doch eine Menge von Angaben, die nur auf den Systematiker 
warteten, um zu einem brauchbaren Ganzen vereinigt zu 
werden. Der Universalienstreit jener Tage, die tiefgreifenden 
theologischen Fragen mußten unwillkürlich einen wissenschaft- 
lichen Apparat zu Tage fördern, der das kommende aristotelische 
Denken mächtig stützen konnte. Wir haben denn auch eine 
Reihe metaphysischer Begriffe und Gesetze, die, selber aus dem 
Altertume stammend, eine treffliche Basis abgaben, die neue 
Philosophie mit den hergebrachten Formen zu verbinden. 

Dieses vorausgesetzt, dürfen wir auch bei unserem Meister 
keine abgerundete Ontologie erwarten; um so weniger, als er 
derlei Erörterungen absichtlich aus dem Wege ging. Noch 
mehr als bei anderen Zeitgenossen sind wir bei ihm auf eine 
indirekte Ausbeute angewiesen. Es ist daher leicht einzusehen, 
data eine mehr oberflächliche Lektüre bei ihm nichts entdecken 
kann. Erst wenn man seinen Äußerungen auf den Grund geht, 
findet man, daß er die gleichen Gedanken wie die übrigen 
Lehrer verwertet und infolgedessen auch wenigstens annähernd 
auf dem gleichen Niveau steht. 

Substanz und Accidens. 

Die Bedeutung, welche die Scholastiker des zwölften Jahr- 
hunderts dem Worte Substanz beilegten, ist nicht immer die 



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88 Die Philosophie des Petrus Lombardua, 

gleiche gewesen. Ansehn ') zwar und Abaelard 1 ) und Gilbertus 
Porretanus 3 ) halten mit vielen anderen im Anschluß an Boe- 
thius *> und in Übereinstimmung mit Cassiodor s ) und Pseudo- 
Augustinus e ) an jener doppelten Bedeutung fest, welche Aristo- 
teles 7 ) in seinen Kategorieen angiebt. Eine Anzahl anderer Ma- 
gister aber verband damit nach dem Berichte des Wilhelm von 
Conches 8 ) einen ganz beliebigen Sinn. 

Auch unser Sentenziarier zahlt zu denjenigen , welche 
dem fraglichen Begriffe einen weit umfassenderen Inhalt geben. 
Substanz ist ihm die Wesenheit eines jeglichen Seienden über- 
haupt. Gerade jene Bestimmtheit, sagt er, durch die etwas das 
ist, was es ist, wird Substanz genannt. Substanz sein, heißt 
etwas sein. Was in keiner Weise Substanz ist, ist ein völ- 
liges Nichts 9 ). Es steht mit diesen Angaben in vollster Har- 
monie, wenn er auch das sinnliche Erkenntnisbild Substanz 



') Monolog, cap. 27 Higne 156 p. 180 B: Cum omnis substantia tracte- 
tur aut esse universalis, quae ploribus substantiis essentialiter communis 
est .... aut esse individua, quae universalem esaeutiam common em habet cum 
aliis .... quomodo aliquis sumniam naturam in aliarum substantiarum tractstu 
contineri intelligit? S. auch ebd. c. 78 p. 222 A. cfr. Boeth. in praed. Ari- 
stot. ed. BasiL p. 129. 

"] introd. ad taeol. II, 13 Higne 178 p. 1068 C. 

! ) comin. in trinit. Boeth. edit. Basil, p. 1163: Subsistsns iftitur est 
eubstantia non qua aliqua rerum est aliquid .... sed est illa substantia, 
quae est aliquid. Snbaistentia vero est ... . qua solnm snbsistens est sli 
qnid i. e. est homo. cfr. Otto v. Freising: de gest. Freder. imp. edit 
Waitz I, 5. p 17. 

') in praedic. Amt. edit. Basil. p. 128: Substantia autera qnae proprie 
et principaliter et maxime dicitur, est quae neque de snbiecto dicitur neque 

in subiecto est Secundae autem snbstantiae dieuntnr speciee, in quihes 

illae, qnae prineipaliter snbstantiae dieuntnr, iiisnnt, 

B J de art. et discipl. cap. 3 Higne 77 p. 1170 AB. 

a ) de categ. n. 9 Higne 32 p. 1426 A ff. 

') categ. cap. 4. 

"1 dialog. de subat. phjs. confect. a Wilhelm o Anspon. indnstr. Gruts- 
roli ätraßburg 1567 p. 8: Nnllus qui scripta autorum recte intelligit, hoc 
nomen multarum esse significationum dubitat etc. 

°) sent. 11, 37, 4 u. in ps. 68, 2 Migne 191 p. 627 B: Substantia in- 
telligitur illud quo Burnus: homo, pecus, terra, sei: omni» ist« snbstantiae 
sunt: eo ipso quo sunt natnrae, ipsae subatantiae dieuntnr. Nam et qnod 
□ulla est substantia, nihil omnino est. Substantia ergo est aliquid esse. cfr. 
Augustinus enarr. in ps. 68, 2 n. 5 Higne 86 p. 844. 



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Substanz und Accidens. 39 

nennt '). Diese Erweiterung des Begriffes ist indes keine origi- 
nelle Neuerung des Meisters. Er findet sie rollständig bei 
Augustin vor und greift nur dessen Gedanken in ganzer Konse- 
quenz auf. Denn wenn auch dieser das Sinnenbild am betreffen- 
den Orte nur ein aliquid, ein Etwas nennt, so steht er damit 
doch nicht im Widerspruche mit Petrus, der nur seine sonstige 
Oberzeugung hier nachwirken laßt. Es ist unser Lehrer sogar 
weit konsequenter als Honorius von Autun *), der sich zwar 
auf die gleichen Worte des Bischofes von Hippo beruft, sie aber 
nicht in voller Klarheit durchführt. 

Der gewöhnlichen Schuldefinition folgt dann der Lombarde, 
wenn er in einem engeren Sinne unter Substanz das reale Ein- 
zelding versteht oder das physische Subjekt, insofern^es als 
solches Accidenzien in sich aufnimmt 8 ). Dabei ist es aber nicht, 
wie man annehmen möchte, Boethius, auf den er sich stützt, 
sondern eine inhaltlich gleiche Ausführung bei Augustin *), die 
schon Isidor von Sevilla s ) verwertet, die auch Abaelard *) in seine 
Schriften aufgenommen hat. 

Haben wir nun hier, freilich ohne den Namen zu finden, 
die substantia prima der übrigen Lehrer, so ist es nicht allzu 
schwer, der Sache nach auch den Begriff der substantia secunda 
zu entdecken. Wie bei Hugo von St. Viktor setzt sich auch 
bei ihm das Ding aus Materie und Form zusammen, wobei letz- 
tere das bestimmende Element bildet '). Die Form ist aber 

') in epiat. II ad Cor. cap. 2 Migne 192 p. 81 A: Haec sunt fcria 
geners visionum . . . secnndum {»eil. genua appellatur) apirituale, quia quiequid 
corpus non est, et tarnen substantia est, Um recte Spiritus dicitur [gemeint 
ist die epeciea sensibilis]; die Stelle ist genommmen aus August, de gen. ad 
litt XII, 7, 16 Migne 84 p. 459, mit der einzigen Änderung, daß der Magi- 
ster substantia einfuhrt, wo Augustin aliquid setzt. 

1 aeal. cael. mai. cap. 7 Migne 172 p. 1238 ü. 

*) Beut. I, 8, 8: Ab eo quod est subaiatere, aubatantiam dieimus .... 
hoc de his rebus recte intelligitur, in qnibua ut subiectis sunt es quae in 
aliquo subieoto esse dieuntur, aicut in corpore color aut forma. Corpus enim 
et ideo substantia est. Res ergo mntabiles .... proprie dieuntur eubatantiae, 
deus antem, si subaistit, ut substantia proprie dici poaait, inest in eo aliquid 
in subieoto et non est simplen. 

') de trinti VII, 5 10 Migue 42 p. 942. 

6 ) etymol. II, 26 Migne 82 p. 145 A. 

"} introd. ad theol.11,8, theol. Christ. II i Migne 178 p. 1061 A, 1244 A. 

') Siehe unten p. 50 ff. 



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40 Di« Philosophie des Petrus Lombardus. 

gerade die physische Grundtage für den hier gesuchten logisch- 
metaphysischen Begriff, wie der spätere Alanus auf boethiani- 
scher Grundlage ausdrücklich erklärt 1 ). 

Schon aus der Erläuterung des Substanzbegriffes, wie sie 
oben gegeben wurde, ist ersichtlich, was der Sentenziarier unter 
einem Accidens versteht. Offenbar nur jene Bestimmtheiten oder 
Qualitäten, die in einem Subjekte als ihrem Träger existieren. 
Wir erhalten indes noch weiteren Aufschlug. Augustinus *) sagt, 
daß von Gott nichts als Accidens ausgesagt werden könne, da 
nichts zu ihm hinzukomme, nichts an ihm veränderlich oder 
verlierbar sei. Petrus ") wiederholt gleich seinem Lehrer Abae- 
lard*) diese Worte. An einer anderen Stelle erwähnt er die 
augustinische *) Ansicht, daü die Vermögen in der Seele nur 
substantialiter existierten, und er begründet dies mit dem Hin- 
weis darauf, daß sie nicht wie andere Eigenschaften ohne Nach- 
teil für die Substanz anwesend oder abwesend sein könnten *). 
Halten wir die letztere Bemerkung mit der bekannten Definition 
des Boethius 1 ) zusammen, so ergiebt sich aus dem Gleichlaut der 
Worte unzweifelhaft, dafi sie auf diese zurückgeht. Augustinus 
und Boethius sind es also, die der Meister in gleicher Weise 
ausnützt und in seinem Sinne verwertet. Noch eine andere 
Stelle ist zu erwähnen, welche das Wesen der Accidenzien 
noch deutlicher erkennen läßt und zugleich eine andere interes- 
sante Thatsache vor Augen führt. Der Sentenziarier wirft näm- 
lich die Frage auf, von welchem Subjekte jene Qualitäten ge- 
tragen würden, welche in der Eucharistie nach der Wesens- 

') cfr, Baum g artner, Alarme de Insulis, Beitrage etc. her&usgeg. von 
Baouroker und v. Hertling Bd. II Heft IV p. 41. 

*) de trinit V, 5, 6 Migne 42 p. 913: Nihil in deo seeundum accidens 
dicitur, quin nihil aeeidit .... In deo aatem nihil eecundnm accidens dicitur, 
quin nihil in eo mutabile est ant amissibile. 

*) sent. I, 26, 3. 

•) theo], chriat. III Migne 178 p. 1234 D. cfr. Hugo Vict. sent. I, 9 
Migne 176 p. 55 B. — *) Siehe unten. 

*) sent. I, 3, 14: Ideo quia seil, in ipsa anima vel mente substantialiter 
eiistunt, non aicut aeeidentia in subiectia quae posaunt abesse vel adesse. 

') in Porphyr, edit. Basil. p. 92: Accidens est quod adest et abest 
praeter subiecti corruptionem. cfr. Caasiodor. de art. et discipl. cap. 3 
Migne 70 p. 1169 C: Accidens est, quod aeeidit et recedit praeter subiecti 
corruptionem vel ea quae sie aeeidunt, ut penitna non recedant. 



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Substanz and Accidens. 41 

Wandlung von Brot und Wein noch vorhanden blieben. Da er 
keinen naturlich-realen Träger mehr anzugeben weiLi, so nimmt 
er die'Subsistenz derselben au, d. h. er wähnt, daß sie für 
sich, aus eigener Krall wie Substanzen existieren könnten '). 
Diese Meinung setzt nun aber für das Gebiet der Natur die 
Lehre voraus, welche Abaelard in Harmonie mit Boethins in 
dem entschiedenen Satze ausspricht : Nur die Substanz subsi- 
stiert, die Accidenzien vermögen nur in und mit dieser zu exi- 
stieren -). Würde er nicht dieser Ansicht gewesen sein, so hätte 
er hier keine Ausnahme statuiert. Übrigens legt dabei der Ma- 
gister wenig Geschick an den Tag. Denn während z. B. Ro- 
hertus Pullus") und Wilhelm von St. Thierry' 1 ) das Ungereimte 
dieser Annahme einsahen und die gottliche Allmacht zur Er- 
klärung zu Hilfe nahmen, fand er darin keine Unmöglichkeit. 
Immerhin ganz fest und unerschütterlich scheint auch er in 
seiner Überzeugung nicht gewesen zu sein. Er meint ja 5 ): 
Wundere dich nicht und spotte auch nicht, wenn substanzlose 
Accidenzien gebrochen zu werden scheinen, wiewohl einige be- 
haupten, sie würden von der Luft getragen. Mit diesem letzten 
Satze erwähnt übrigens Petrus eine Ansicht, welche damals 
wohl ziemlich verbreitet war; denn sowohl Zacharias, Bischof 



') Beut. IV, 12, 1; in epist. I ad Cor. Migne 191 p. 1644 C: Si auWi 
quaoritur de aeeidentibna quae remanent i. e. de speciebus et sapore et pnn- 
dere, in quo subiecto fundeutur, potius mihi vjdptur fatal dum oxistere sine 
Kiiliiecto quam esse in subiecto, quia ibi non est aubatnntia niai corporis et 
sanguinis dominir.i, qnae non affin tur Ulis ncridputihliB .... remanent ergo 
illn aeeideutia l» L r se subsistaitia. 

') introd. ad theol. II, 8 Migne 178 p. 1060 B: Omncs qnippe rP» 
praeter substantias per ae subaiatere non posaunt nisi seil, Bubiectis susten- 
tentnr snbatantiis, ut alltedo nulla ratione esse potest nisi in subiecto corpore 
.... ant quaelibet rea novom praedicamentonim nisi in subiectis Biibstantiis 
insunt cfr. Boetli. in praed. Arist. eilit. Basil. p. 121; cfr. [pseudo] Anglist. 
do dm™, categ. cap. 6 Higne 32 p. 1416 AB. 

'': seilt. VIII, 5 Higne 180 p. 967 A: Transit itsque siibstantiii, sei 
remanet forma, nentrum miraris, sed omni potentem contemplaria. 

') epiat. de sacr. alt. nml de corp. et Bang, domin. cap. 3 Miene 180 
p. 343 A, 350 A. 

') sent. IV, 12, 5: Ne autem mireria vel insulte« si awidentia videnn- 
tur frnngi cnm ibi sint sine subiectu ; licet quidnm anseraiit en fmulaii in a£re. 



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42 Die Philosophie des Petrus Lombardus. 

von Goldsborough '). als auch Alarms •) erwähnen dieselbe, 
und Thomas von Aquin :1 ) findet es noch im 13. Jahrhundert 
der Mühe wert, sie zurückzuweisen. So im Vorbeigehen er- 
fahren wir dann auch noch die aristotelische Einteilung der 
Accidenzien 4 ). Natürlich giebt er sie nicht aus philosophischen 
Rücksichten, sondern nur. um mit Augnstin zu erklären, dato 
Gott über die Kategorieen erhaben sei. Eine zweite, spezifisch 
angustinische Einteilung gliedert die Kategorie des habitus in 
einer für unsere Zwecke völlig bedeutungslosen Weise in vier 
Arten ab 5 ). 

So kurz und abgerissen und formell unvollendet nun auch 
die meisten Angaben unseres Lombarden sind, so ergiebt sieb 
doch, daß er inhaltlich in diesem Punkte seinen Zeitgenossen 
nicht nachsteht. Er bringt alle Gedanken, welche diese ver- 
treten, und wenn er sich dabei hauptsächlich auf die Autorität 
beruft, so lolgt er damit nur ihrem eigenen Beispiele. 

Natur. 

Hat sich uns schon beim Gebrauche des Substanzbegriffes 
eine gewisse Willkür des Meisters bemerkbar gemacht, so tritt 
uns eine solche noch auffallender entgegen bei der Anwendung 
des Wortes Naiur. Es ist als käme sein Sentenzen -Stand- 
punkt hier am ausgesprochensten zur Geltung. Eine geschlos- 
sene, in weiteren wissenschaftlichen Kreisen anerkannte Ter- 
minologie ist ihm völlig gleiehgiltig. Er kümmert sich darum 
so wenig, als es heute jene Ihun, die eine definitive Abgren- 
zung des Begriffes nicht im Auge haben. Nur ein Vergleich 
vieler Stellen, deren wichtigste hier angeführt werden sollen, 

') poncord. evang. lili. IV Migne 18C> p !jOH U: Illml quoquc maxirae 
deriilent, quoll panis et vini species quidnm dicitnt in ai'iv apparere. 

■i conti-, haer. I, 57 Migne 210 p, Ü59 HC: theol. rogul. 107 Migne 
210 p. (178 C. 

■') summa theol. 111 q 77 a 1. c und aent. IV, 12. 1. 

') Siehe unten. 

r ') aont. III, fi, 5. i-tr. Angustinna de iliv. ijmuwt. HS qu. 73 Migne 
40 p. 84. e.fr. Ilandinii» sent,' III, fi Migne 192 p 1074 D. 



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Natur. 43 

ist daher imstande, uns einen genügenden Überblick zu ge- 
währen. 

Im weitesten Sinne ist ihm Natur soviel als substantia 
prima oder als die Wesenheit eines Dinges samt den ihr not- 
wendig anhaftenden Accidenzien. Unter Natur, sagt er einmal ') 
bei der Erklärung einer augustinischen *) Stelle, verstehen einige 
nichts anderes, als die Substanzen und das, was sie von Natur 
(naturaliter) haben, d. h. was ihnen von Anfang an anerschaffen 
ist. So habe die Seele von Natur aus Verstand und Einsicht 
und Willenskraft. Aus einer späteren Distinktion •*) ergiebt sich 
aber klar, daü auch er diese Ansicht teilt. Denn unmöglich 
könnte er sie sonst mit den Worten beginnen : Wir haben oben 
gesagt, daß Wille, Verstand und Gedächtnis dem Menschen von 
Natur aus eigen sind. Und ein andermal *) klingt es fast wie 
eine bündige Zusammenstellung, wenn er darauf hinweist, daß der 
Erlöser die Natur des Menschen mit ihren Idiomen oder wesent- 
lichen Eigenschaften angenommen habe. Aus welcher letzten 
Quelle der Sentenziarier diese Bedeutung nimmt, kann in keiner 
Weise zweifelhaft sein, wenn wir bedenken, daß die ganze letzte 
Stelle aus Johannes von Damaskus 5 ) stammt. Schwierig ist es 
nur, bei seinen Zeitgenossen eine treffende Analogie zu finden, 
wiewohl Hugo von St. Viktor 6 ) stellenweise unverkennbar den 
gleichen Standpunkt einnimmt. Ohne den Grundgedanken än- 
dern zu müssen, kann dann Petrus in diesem Sinne auch von 

') eent. II, 37, 2: fiuuHtuntine nomine atque naturae dieunt sigmöcari 
substantiae ipeas et es quae naturaliter habent seil, qua« cooereata sunt eia 
Bleut anima naturaliter habet intellectum et imaginem et voluntatem et 
huiusmodi, 

*) enarr, in pa. 6» n, 5 Migne 346 p. 644. 

J ] sent. II, 89, 1. Dictum est enim aupra, voluntatem inesse natura- 
liter homini aicut intellectus et memoria. 

') sent. III, 2, 1: Omuia quae in natura noatra plantsvit deus, Verbum 
asBumpeit seil, corpus et aniraaro intellectnalem et borum idioniata .... totam 
ergo nominia naturam i. e. animam et carnem et borum proprietatea sive 
accidentia'aasumpsit deua. 

*) de fide orthod. III, 6 Migne Her. Graec. 94 p. 1006 B. 

*) sent I, 15 Migne 176 p. 70 C: Et quia in nomine utraque cor- 
rupta erat natura, seil, anima et corpus, utraraqne susoepit .... In Christ« 
duae sunt natura«, divins et human«, et tres substantiae: caro, anima et 



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44 Die Philosophie des Petras Lombardus. 

einer Natur der Gottheit reden ') und damit das eigentümliche 
Wesen derselben bezeichnen wollen, gerade so, wie es etwa 
Rhabanus Maurus *) und Augustin *) gethan haben. 

In einem engeren, auch uns noch ganz geläufigen Sinne 
versteht er dann unter Natur jene Kräfte und jene regelmäßige 
Wirkungsweise derselben, welche den Dingen bei ihrer Schöpfung 
eingesenkt wurden *). Wie leicht ersichtlich, kommt dieser Sinn 
dem ziemlich nahe, den Hugo J ) und Gilbert von PoiUers *) 
angeben, wenn sie jedes Ding, insofern es thätig oder leidend 
sein kann, eine Natur nennen. Indes, der Magister soll nicht 
auf dieser mehr wissenschaftlichen Fassung, sondern auf dem 
Sentenziarier Gandulf) fußen. Übrigens finden sich beim er- 
wähnten Viktoriner *) und bei Abaelard *) und am Schlüsse des 
Jahrhunderts bei Johann von Salisbury 10 ) ganz ähnliche An- 
gaben. Es kann uns aber diese Obereinstimmung nicht auf- 
fallen, wenn wir sehen, daß sie alle auf den Bischof von Hippo u ) 
zurückgehen. 

Noch in einer dritten Wendung kommt endlich der Begriff 
Natur bei Petrus vor. Er begreift nämlich darunter jene ethi- 
schen Grundsätze, nach denen wir den moralischen Wert der 
menschlichen Handlungen beurteilen. In das Herz des Menschen, 
meint er, ist von Natur aus ein Gesetz geschrieben, das ihm 
sagt, was Gut und Böse ist, das ihm nahe legt, es sei niemals 



') aent. 1, 25, 5; 19, 5. 

*) August de trinit. Vit, 47 Migne 42 p. 940. 

1 comin. in Ezecb. XV, 40 Migne 110 p. 912 C. 

*) Beut. 11, 18, 7: Et illa quae secundum causam aominalem Sunt, 
dicuntur naturaliter fieri, qoia ita curaua aaturae hominibns innotuit. Alis 
vero praeter naturam, quoram causae tan tum sunt in den .... omnis creatarae 
cureus habet naturales leges. 

') n. ") Siehe unten p. 45 Anmerk. 6 und 8. 

*) opp. Bonaventura Band 11 p. 429 edit. Ad Claras Aqnas Anm. 1. 

•) aent III, S Migne 176 p. 93 BC. 

*) introd. ad theoi. III, 7 Migne 178 p. 1111 D: Nemo utique eeset, 
qui contra naturam Tel praeter aaturam id (seil, formetionem Hevae) fieri neu 
recenseret, eo qnod primordialium cauaarum instilutio ad boc mimme sufficeret. 

") Entheticus v. 1061 ff. Migne 199 p. 988 B. 

") Petrus nimmt seine Stelle aus De genes, ad litt. IX, 17, 32 Migne 
34 p. 406. 



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Natur. 45 

ertaubt, dem Nächsten unrecht zu thun : kurz, jeder habe von 
Natur aus in sich als Norm, was wir heute im Verslein lernen: 
Was du nicht willst, das man dir thu', ' 
Das fug' auch keinem andern zu '). 
Der Heister bringt mit dieser Bedeutung nichts Neues. Seit 
Paulus *) sie im Römerbriefe grundgelegt hatte, wiederholten sie 
alle Kommentatoren 1 ), indem sie teils ausfuhrlicher, teils etwas 
knapper dieselbe zu erläutern suchten. Am schönsten und am 
bündigsten haben sie wohl Hilarius von Poitiers*) und Abae- 
lard ') erklärt, und ihre Worte sind es denn auch, die der Lom- 
barde in der angegebenen Weise combiniert. 

Wiewohl nun der Meister in der dreifachen Anwendung 
dieses Begriffes keineswegs isoliert dasteht, im Gegenteile in den 
beiden zuletzt angeführten Bedeutungen sogar eine stattliche 
Anzahl von Parteigängern hat, wollen doch gewisse Scho- 
lastiker dieser Verwertung keine Aufnahme in die wissenschaft- 
liche Terminologie gewähren. Gilbert von Poitiers *) z. B. und 
vorher schon Papias r ), ja auch Hugo von St. Viktor *), die einen 



*) in apiet. ad Rom. cap. 2 Migne 191 p. 13-15 B: Elai non habest 
(seil, gentilia homo) scriptam legem, habet tarnen naturalem, qua intellexit 
et aibi conacius est, quid sit bonuui qnidve malum; lex enim naturalis iniu- 
riam nemini inferre, nihil alienam praeeipere, a frande et periuria abstjnere, 
alte no coniugto non insidiari et caetera alia et ut breviter dicatnr nolle aliis 
facere quod tibi non via fieri. 

*) Ron. II, U-16. 

") s. B. Rhabatms Hanrus in epiat. ad Rom. II Migne 111 p. 1319; 
Lanfranc rat selben Stelle. Higne 150 p. 111 n. 28. Alauns, dist. Migne 210 
p. 871 D. 

*) in pe. 118 n. 11 Migne 9 p. 604 C. 

') in epiat. ad Rom. I, 2 Migne 178 p. 814 C ff.: Verbnm autem legis 
naturalis illa Bunt, qua» dei et proximi caritatem commendant sicut iata: 
qnod tibi fieri non vis, alten non feceris (Tob. 4, 16). 

*) comm. in Boeth. edit. Basil. p. 1228 ff. 

') Histoire de la Franoe tom. XXII p. 7. 

') ornd. didasc. I, 11 Migne 176 p. 748 C: Primo modo per hoc nomen 
(seil, naturae) signiGcare voluerunt illud archetypum exemplar verum omninm 
quod in ineute divin» est ... , Huic signifioationi talis definitio aasignatur: 

Natura est, quae unieuique rei euum esse tribnit Secnndo modo dieo- 

bant: „Natura unamqnamqne rem infonnana propria differentia dioitar" .... 

Tertio Natura est ignia artifei, ex quadam ut (?) procedena in res sert- 

sibiles proereandas*, 



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48 Die Philosophie des Petrus Lombardos. 

ernstlichen Versuch machen, Einheit in die Sache zu bringen, 
gehen ganz oder zum besten Teile darüber hinweg. Die Er- 
klärung für diese Thatsache wird wohl darin zu suchen sein, 
da£ sie, Hugo ausgenommen, in dem, was Boethius hinter- 
lassen hatte, eine feste Basis für ihr Vorgehen zu hoben mein- 
ten. So wollten sie denn auch nur das gelten lassen, was 
dieser in seiner Schrift de duabus naturis ') aufgestellt hatte. 
Freilich, Erfolg hatten sie dabei keinen zu verzeichnen. Der 
nämliche Wirrwarr, über den Gilbert '} klagte, stand auch nach 
ihnen noch in voller Blüte. Ja, sie trugen selber dazu bei, ihn 
noch zu steigern, wie wir dies bei Alantis sehen, der zu den 
vier Bedeutungen des Boethius noch ruhig sechs andere hinzu- 
fügte 3 ). Man kann es deshalb dem Lombarden nicht allzu sehr 
zum Vorwurf machen, wenn er sich um eine formelle Fassung 
des Begriffes nicht kümmerte, sondern das Wort so verwertete, 
wie er und seine Quellen es für gut hielten. 

Person. 

Von einschneidender Wichtigkeit für den Theologen ist der 
Begriff Person. Die kirchlichen Lehrsätze über Trinität und 
Inkarnation verlangen ja mit Notwendigkeit eine genauere Be- 
stimmung desselben. Deshalb konnten auch die Scholastiker des 
zwölften Jahrhunderts nicht umhin, sich mit ihm zu befassen, 
und auch unser Sentenziarier mußte darauf zu sprechen kommen. 
Wir treffen aber auch hier keine zusammenhängenden Erör- 
terungen, sondern nur eine Anzahl von Sätzen und Bemer- 
kungen, die uns Über seine Anschauung Aufschluß geben. Es 
handelt sich dabei für Petrus weniger um eine wissenschaftliche 



') edit Ilaail. p. 1204: Natura est earam rernm, quae cum eint, quoqno 
modo intellectu capi posaunt. . . . Natura est vel quod facere vel quod pati 
possit. Pati quidem et facere ut omnia corporM atque incorporea ut anima .... 
Natura est raotus prineipinm seeundum se et nun per aeoidens .... Natura 
est onamquamque rem infonnans specific» differantia. 

') iu Boeth. edit. Baeil. p. 1228: Natura multiples nomen est ... . 
Nam et philoaophi et ettaici et theologioi usu plurimo pouunt hoc nomen. 
ofr. Hugo Viet erad. didasc. I, 11 Migne 176 p. 748 C. 

*) efr. Baumgartner, Alanus de ineslis. Beitrage etc. berauageg. von 
Baeumier u. v. Härtung Bd. II Heft 4 p. 43. 



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Fori«. 47 

Unterscheidung von Natur und Person, wiewohl er in der 
Praxis Schritt für Schritt eine solche durchfuhrt und sie mit 
Hugo von St. Viktor auch ausdrücklich betont. Er hebt ja mit 
allem Nachdruck hervor, da& der Gottessohn nicht eine mensch- 
liche Person, sondern nur eine menschliche Natur angenommen 
habe '). Ihm ist vor allem darum zu thun, auf einige wesent- 
liche Eigenschaften der Person hinzuweisen und daraus dann 
die dogmatischen Konsequenzen zu ziehen. Hiebei stand er na- 
türlich in inniger Beziehung zu seinen Zeitgenossen. ' Daher ist 
es von Nutzen, die damaligen Ansichten in diesem Punkte kurz 
darzulegen. 

Die Einen, allen voran Hugo von St. Viktor*) und Gil- 
bertus Porretanus "), traten vollständig in die Fuüstapfen des 
Boethius und wiederholten die berühmte Definition, welche dieser 
;n seiner Schrift de duabus naturis») niedergelegt hatte. Eine 
zweite, ebenso starke Richtung, in der Alkuin s ), Abt Wilhelm 
von St, Thierry ■) und Robertus Pullus *) hervorstechen, schloß 
sich an die inhaltlich gleichen Ausführungen des heil. Augustin 
an, welche er besonders in seinem Werke über die Trinität *) 
gegeben hatte. Eine dritte Meinung endlich nimmt eine eigen- 
tümliche Mittelstellung ein, welche dahin geht, im Gebiete der 
Schöpfung zwar die Definition des Boethius anzuerkennen, sie 



') senk III, 5, 1: Certum est enim ot sine anibigiiitate verum, quod 
DOn natura peraoDam nee persona personam sed persona naturam asanrnpeit* 
cfr. Hugo Vict aent. I, 15 Migne 176 p. 70 C. 

*) seilt. I, 16 Migne 176 p. 70 D: Anima est rationalis eubatantia et 
individua« natura«, qua« definitio est personao. cfr. de sacr. II pa. I cap. II 
Higne 176 p. 406 Ä. 

*) comm. in Boetli. edit. Beeil, p. 1235; cfr. Odo von Cambrai: de 
pecc. origin. II. ' Higne 160 p. 1080 D ; epitome theol, oap. 18 Higne 178 
p. 1716 ß. cfr. Casaiodor in ps. 7 Higne 70 p. 66 D: Persona vorn hominis 
est aubatantia rationalis, individua, suis proprietatibus a consubstantialibns 



') ed. R. Peiper p. 198, 4: Persona est natura« rationalis individua 



') de fide trinit, Higne 101 p. 18 ff. cfr. noch Bruno Asteos. ssnt. 4 
Migne 162 p. 974 ff. 

*) de erroribua Gnfflolrai de Conchis, Higne 180 p. 885 D ff. 
') aent. I, 8; III, 16; Higne 186 p. 678 C ff., 782 C ff. 
') besondere de trinit VII, 4 Higne 42 p. »89 ff. 



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48 Die Philosophie des Petras Lombardiis. 

aber auf die Gottheit nicht anwenden zu lassen, sondern hier 

dem Bischof von Hippo zu folgen. 

Dieser Schule schließt sich auch unser Meister an. Für 
die kreatiirliche Welt laut er seiner ganzen Darstellungsweise nach 
die Definition des erwähnten Aristoteleserklärers gelten, in der 
Trinitfitslehre aber bewegt er sich vollständig in den Bahnen 
Augustins. Jene Begriffsbestimmung ist in seinen Augen nicht 
gegeben mit Rücksicht auf die göttlichen Personen '); deshalb 
kann sie auch keinen Anspruch auf allgemeine Geltung machen. 
Gleichwohl versucht es Petrus nicht, etwa wie sein ungefährer 
Zeitgenosse Richard von St. Viktor *}, etwas Besseres zu brin- 
gen, sondern er begnügt sich damit, seinen Standpunkt anzu- 
geben. Demnach ist ihm in der geschaffenen Welt eine Person 
eine vernünftige Substanz, die ein in sich abgeschlossenes, selb- 
ständiges Sein besitzt "}. Gerade diese Subsistenz bildet ihm das 
Moment, das die Person von der Natur oder Wesenheit scheidet. 
Dies ergiebt sich daraus, daß er in der Menschenseele, sobald 
sie vom Leibe getrennt ist, so gut wie im Engel eine Person 
sieht, niemals aber, so lange sie mit dem Körper vereinigt ist*). Es 
fehlt ihr ja in diesem Falle, wie der Magister wohl in Erinnerung 
an eine Stelle bei Boethius s ) meint, das per se sonare, die Fä- 
higkeit, aus eigener Kraft, allein den Klang zu erzeugen, mit an- 
deren Worten das Für-sich-bestehen a ). Denn im Leben existiert 



') Seat. III, 10, 2: HU tarnen persona« descriptio non est data pro 
Ulis tribus peraonis. 

*) de trinit. IV, 24 Migne 196 p. 946 C: Fortaasia erit planina et ad 
intelligendum eipeditius, si dicimna, quod persona ait existena per ae solnm 
inxta singutarem qnendam rationalia ezistentiae modum. 

*} aent. III, 5, 5: Hie o quibosdam opponitnr, quod persona aasumpsit 
peiaonam. Persona enim est substantia rationalia individuae natnrae. Wie 
schon gesagt, erkennt der Meister diese Definition innerhalb dar Schöpfung an. 

*) sent III, 5, 5; 10, 1: Anima non est persona, qaando alii rei nnita 
est pereonaliter .... [anima persona est] quando per se est; absoluta enim a 
corpore persona est eicati angelns. 

') de dnebns naturis, ed. Peiper p. 193, 10: Persona vero dieta est a 
peraonando circnmöeia pennltima. Qnodsi aenatur antepe »ultima, apertissime 
a aono dieta videbitur, Idcirco autem a sono, qnia ooneavitate ipaa maior 
necesae est volvatur sonua. Vgl. dazu GeUios N. A. V, 7. 

') sent III, 10, 2: Nam et modo anima est substantia rationalis, non 
tarnen persona, qnia non est per se sonanB, imo alii rei roniuneta. 



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Person. 49 

sie nicht für sich allein, sondern nur vereinigt mit dem Körper, 
d. h. im Leben subsistiert nur der individuelle Mensch. 

Wir haben schon oben angedeutet, daß der Sentenziarier 
mit diesen Ausfuhrungen keineswegs originell dasteht. Abgesehen 
davon, daÜ er die Begriffsbestimmung der Person wahrschein- 
lich nicht von ihrem Urheber, sondern von Hugo von St. Vik- 
tor 1 } entlehnt, wie die grammatische Fassung nahelegt, hat er 
auch seine Ansicht über den Bereich ihrer Geltung anderswoher 
genommen. Abaelard *) sagt uns nämlich fast mit denselben 
Worten, daß ihre Verwertung in der Trinitätslehre durchaus un- 
statthaft sei. Es ist wohl begründet, wenn man annimmt, 
Petrus habe von diesem sich leiten lassen. Ausgeschlossen ist 
es aber nicht, daß er direkt auf Anselm von Canterbury zurück- 
geht, der zum erstenmale in eingehender Weise seine Bedenken 
gegen Boethius erhebt, dem die Gottheit in eine Dreiheit 
auseinander fallen müsse *). Man kann es dem Lombarden nicht 
allzu übel auslegen, wenn er sich von der Wucht dieser Erör- 
terungen und vom Glänze der Autoritäten ebenso gefangen 
nehmen ließ, wie später Richard von St. Viktor 4 ) und Peter 
von Portiers 5 ). Man wähnte eben, wie dieser letztere ausdrück- 
lich bestätigt *), Boethius habe als Philosoph, ohne Rücksicht auf 
theologische Probleme, seine Definition gegeben. Auch jene 
Meinung, welche im Gegensatze zum Viktoriner Hugo ; ) in der 



') Siebe oben p. 47 Anm. 2. 

*) üifiol. chmt. III Migne 178 p. 1258 CD: .Persona est naturae ratio, 
nalis individna aubatantia." Quae quidem nequaquam deflnitio dicenda est 
trium personnrum in diviuitate HUperiuB a nobis Jietinctarum .... Alioqnin 
com eint tres persona», essent traft individuae rationales aubstantiae. 

!! ) MoeoI. cap. 78 Migne 158 p. 221 C ff. Quara in summa essenüa sicut non 
snnt plures subatautiae ita neo plurea peraonae .... quia persona non dicitur 
uisi de individna rotionali natura, et substantia principaliter dicitur de indi- 
viduis, quae maxime in plnralitate subsistunt. 

*) de triniUte cap. IV, 21 Migne 1S6 p. 945 B. 

*) Beut. I, 32 Migne 211 p. 928 B ff. 

") loa cit: Sed nostri theologi pleriquo non habest ülam definitionem 
pro authentics, quia magia fuit philosophus quam theologus et magis ad pro- 
babilitatem locutus est quam ad veritatem.' 

7 ) sent. I, 15 Migne 176 p. 70 D ff. : Est namque aoinia persona sicnt 
angelua. Quid enim est homo uisi anima habens corpus? Wie Hugo zu 
dieser Anschauung kommt, ist leicht erklärlich, wenn wir auf den losen 

Beitrag» Ilt. 5. E>piDberg»r, Petrin Lombard«, 4 



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50 Die Philosophie das Petrus Lombardm, 

Seele keine Person sehen will, solange sie im Körper weilt, hat 
bei anderen Scholastikern eine gewisse Parallele. Abaelard ') 
und Gilbert von Poitiers vertreten mit aller Energie den glei- 
chen Standpunkt. Und wenn sie auch ihrer Begründung [die 
sonderbare Etymologie : persona = per se una, zu gründe legen 
und, auf ihr fußend, der mit dem Körper vereinigten Seele die 
Selbständigkeit und damit das Person-sein absprechen, so hat 
dies faktisch wenig Bedeutung. Denn, was der Meister wollte, 
konnte er bei diesen entdecken. Es zeigt sich übrigens, daß 
Petrus auch mit dem Viktoriner nicht völlig brechen wollte. 
Die Äußerung nämlich, daß die Seele nach dem Tode so gut 
wie der Engel Person sei, findet sich ganz bei jenem, nur daß 
er gemäß seiner angeführten Überzeugung den Zusatz „nach 
dein Tode" weglassen mußte*). Trotz dieser Rücksichtnahme 
behalten bei unserem Magister doch, wie wir gesehen haben, 
die Abaelardschen Grundsätze die Oberhand. Gerade das aber 
ist beachtenswert, da man bisher wohl zu wenig auf den Ein- 
fluß dieses Lehrers hingewiesen hat. 

Materie und Form. 

Eine tiefere philosophische Schulung begnügt sieht nicht 
damit, das Einzelding und seine Thätigkeitsweise zu kennen, 
sondern sie will auch noch die Elemente wissen, welche dieses 
konstituieren. So hat denn auch die Scholastik, nachdem sie 
einmal mit den wissenschaftlichen Ideen vertraut geworden war, 
eingehende Untersuchungen darüber angestellt und wie ihr Vor- 

Zaaammenhang achten, den plstonisch-augnatinisoheB Denken zwischen Seele 
und Leib statuierte und zngloich erwägen, wie hoch es die Seele Ober den 
Leib stellte, cfr. übrigens auch Plotin enn. IV, 20—23 bes. c.ap. 21; enn. 
VI, 4, 18. 

') expoattio eymb. Apost. Higne 178 p. 624 C, 631 A: Persona qaippe 
qaasi per se una dicitur, hoc est substantia qoaelibet rationalis ita per se ab 
aliis rebus disianeta, nt ipsa substantiam cnm aliqna re alis non constitnat, 
Qnamdiu ergo anima huniana in corpore est, persona dioi non potest, qnia 
carni ooniuneta unam hominis personam uliquam rationalem enbstantiam cum 
es constitnit. cfr. Gilbert von Poitiers oomment. in Boeth. edit. Baail. p. 1229, 
1285 fT. Otto von Freising, Geata Frederici imp. edit. Waitz I, 55. p. 68. 
Petras von Poitiers sent. IV, 10 Higne 211 p. 1171 A. 

") Siehe oben p. 48 Anm. 4. 



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Materie. 51 

bilrl in Materie und Form die letzten Bestandteile gesehen, 
durch deren Vereinigung das Individuum sich bilde. Aber auch 
schon die vorhergehenden Jahrhunderte und speziell das zwölfte 
hatten die gleiche Anschauung. Doch während sie dort das 
Resultat wissenschaftlichen Forschens ist, ist sie hier wenigstens 
in ihrem besten Teile die Frucht der historischen Oberlieferung. 
Die Meister dieser Zeit arbeiten mit den in Frage stehenden 
Begriffen in jeder Weise, geben ihnen die weiteste Anwendung, 
kümmern sich aber nicht um eine genauere Entwicklung ihres 
Inhaltes. Auch der Lombarde macht hierin keine Ausnahme. 
Auch er operiert fortwahrend mit Materie und Form, ohne sich 
darüber ernstlich Rechenschaft zu geben. Und wie für die an- 
deren, so existiert auch für ihn nur das Material, das durch 
Augustin, Boethius und Chalcidius überliefert worden ist. 

Materie. 

Schon Augustinus ') spricht von einer tnateria informis und 
formata, ebenso wieder Isidor von Sevilla ! )t und nach diesem 
treffen wir die gleiche Unterscheidung bei Gilbertus Porretanus "), 
Robertus Pullus ') und Hugo von St. Viktor 5 ) an. 

Auch unser Sentenziarier kennt im engsten Anschlug an 
den Viktoriner eine geformte und eine angeformte Materie, und 
wie dieser, so steht auch er bei der Bestimmung der ersteren 
vollständig auf augustinischem Boden. Materia formata ist ihm 
die konkrete Welt, näherhin die Masse der Einzeldinge, wie sie 
uns nach Art und Gattung gegliedert erscheinen "). 



') de genes, contra Manich. I, 5, 9 Migne 34 p. 178: Prima ergo ma- 
teria facta est confnsa ,et informis, nnde omnia fierent, quae distincta atqoe 
formata sunt, qnod credo a Graecis x" ' appellari. 

') diff. II, 11 Migne 83 p. 74 C; sent. I, 8 Migne 88 p. 550 A. 

*) in Boeth. edit. Bssil. p. 1138; Ex hie manifestum est, quod mate- 
rianim alia informis et ideo simplex, nt M17, alia formata et ideo non aimples, 



*) aant. II, 1 Migne 186 p. 717 D ff.; cfr. LanfranciiB in epiat. ad 
Hebr.~cap. 11 n. 3 Migne 150 p. 400. 

°) aent. III, 1 Migne 176 p. 80 A. 

") iu pa. 32, 9 Migne 191 p. 331 C: Quoniam ipse dixit, i. e. voluit 
et facta (seil, coelnm et terra) sunt, i. e. formata de informi materia. cfr. 
aent. II, 12, 2, 3: Alii vero hoc magie probavenmt et aaseruerunt, nt prima 

i* 



3i S itiz e dby Google 



52 Die Philosophie des Petrus Lombardus. 

Müssen wir uns nun hier mit dieser kurzen Bemerkung 
zufrieden geben, der nicht einmal die Klarheit eignet, welche 
die knappe Stelle bei Gilbert besitzt 1 ), so gestaltet sich die 
Sachlage bei der Behandlung der materia informis bedeutend 
günstiger. Wie Hugo von St. Viktor versteht auch er unter der 
ungeformten Materie jene Urmaterie oder erste Materie, aus der 
alle Arten und Gattungen der sichtbaren Dinge hervorgehen*). 
Er nimmt also mit seinem Vorbilde ganz wie Augustin 3 ) einen 
gemeinsamen Urstoff an, der allem Gewordenen zu gründe 
liegt. Vom historischen Standpunkte aus kann freilich an dieser 
Annahme nichts Merkwürdiges gefunden werden. Sie ist ja 
Gemeingut der gesamten Scholastik. Es fehlt vielleicht manch- 
mal der Name, aber die Sache ist überall gegeben. Das Wich- 
tige und Interessante bildet darum erst die Art und Weise, wie 
sich unser Magister diesen Stoff beschaffen denkt, ferner die ge- 
schichtliche Stellung, die er dabei unter seinen Zeitgenossen 
einnimmt. 

Seine höchste Autorität, der Bischof von Hippo, hält hier 
nicht immer die gleiche Anschauung fest. In den Büchern de 
natura boni *) und contra Faustum Manichaeum 5 ) beschreibt er 
die Urmaterie in unverkennbarer Hinneigung zu jener plato- 
nischen Richtung, die in ihr ein absolut form- und qualität- 
loses Etwas sieht, nur dazu fähig, alle möglichen Formen in 



matoria radis atqae informis .... creata sit. Postruodum vero . . . . ei illa 
materia rerum corporaliurn genera sint formst« secundum species propriaa. 
cfr. unten, Kosmologie 77 ff.; cfr. August, de genes, ad litt. I, IS, 29 Migue 
34 p. 257; de gen. ad litt. lib. imperf. eap. 4, 11 Higne 34 p. 224; siehe 
vorige Seite Anm. 1. 

') siehe p. 51 Anm. 3. 

*) cfr. Anm. 6 p. 51; außerdem epist. ad Hebr. oap. 11 Higne 192 
p. 189 A; cfr. Abael. in hexaem. de op. primi dlei Migne 178 p 733 B. 

•) de gen. contra Manich. I, 5, 9; 6, 10; Migne 34 p. 178. 

*] cap. 18 Migne 42 p. 556: Sed hylen dien quaodam peuitus infor- 
men) et sine quäl i täte materiem, unde istae, quae sentimoa qualitates form an- 
tut iit antiqui dixerunt Hinc enira et sylva, grneee Fly dicitnr. quod 
operantibus apta Sit, non nt aliquid ipaa faciat, aed nnde aliquid fiat .... 
Habet enim et ipaa capacitatem formarnm: nam ai capere impositam ab arti- 
fice non posaet, nee materiea ntiqne diceretar. • 

'■) XX, 14 Migne 42 p. 379. 



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Materie. 53 

sich aufzunehmen. In seinen Bekenntnissen ') dagegen heißt er 
sie ein prope nihil, fast ein Nichts, weil sie durchaus ungeformt 
sei, aber doch ein Etwas vorstelle, das sich formen lasse. In 
der gegen die Manichäer gerichteten Genesiserklärung '') endlich 
ist sie ihm ein Gemisch der sogenannten vier Elemente. Was 
Augustin verschieden genommen, war auch im zwölften Jahr- 
hundert noch in der Schwebe. Der gewandte Dialektiker Gil- 
bert von Poitiers ") greift auf die absolut formlose Materie zu- 
rück, wobei es allerdings ungewiß bleibt, ob der genannte Kir- 
chenvater oder Chalcidius ') oder sonst eine Autorität ihn auf 
seine Meinung gebracht hat. Das prope nihil findet an Erz- 
bischof Hugo von Rouen 4 ) einen gewandten Vertreter. Die Mei- 
sten aber nehmen ohne Rückhalt die Bestimmtheit auf, welche 
Augustin im Kampfe gegen die Manichäer dem Urstoffe beilegt. 
Und sie haben auch die ganze Tradition för sich. Isidor 8 ), 
Beda ! ), Alkuin 8 ), Anselm B ), um nur ein paar zu nennen, hiel- 
ten diese Aufstellung für unbedingt richtig. Es ist daher nicht 
schwer zu erraten, daß ihr auch der Lombarde huldigt. Aufs 
Wort mit Hugo von St. Viktor Obereinstimmend, erklärt er zu 
wiederholten Malen, was Gott am Anfange geschaffen habe, sei 
ein Gemisch der vier Elemente gewesen, das die Griechen Chaos 



') confess. XII, 8; 6: Migne 32 p. 829; 828: Illud autem totnm prope 
nihil erat, quoniam adhnc ommno mforme erat, iam tarnen erat, quod formari 
potent. 

*} de genes, contra Manicfa. I, 5—7 Migne 34 p. 177—179; cfr. de 
genes, ad litt. üb. iraperf. cap. 4 Migne 34 p. 224-227. 

') in Boeth. edit. Basil. p, 1141: Haec est illa prima tnateria, quam 
Flato rscaptaoulnm vocat, in qua .... fonnantar, qasocnuquo recipiantur Ab 
ea, cum tarnen nullam ex eis ipaa contrahat formam et est omnino infonnis. 

*) oomin. in Tun. edit. Wrobe! cap. 272; 280 p. 302; 311. Diese An- 
sicht ist übrigens auch erwähnt Ambr. in hexaem. edit. Schenkel cap. 1 p. 1 ; 
Isid. Hiep. etymol. XIH, 8, 1 Migne 82 p. 473 C ff. Rhabanus Maurus, de 
univ. IX, 2 Migne 111 p. 262 D; Abael. introd. ad thool. 11, 10 Migne 178 
p. 1061 A. 

') in nexaem. Migne 192 p. 1254 B ff. 

") diff. H, 11 Migne 83 p. 74 C. 

in hexaem. I Migne 91 p. 15 B ff. 

°) interrog. in genes, n. 21 Migne 100 p. 519 B ff. 

*) monolog. cap. 7 Migne 158 p. 153 CD. 



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54 Die Philosophie des Petrus LomWdus. 

genannt hätten '). Es sei formlos gewesen, aber nicht absolut 
formlos, denn nur keine der Eigenschaften, die wir heute an den 
Dingen betrachten könnten, habe ihm geeignet -). Die Urmaterie 
sei geschaffen in der forma confusionis, in der Form der Ver- 
mischung. Ja sie müsse überhaupt zu jeder Zeit eine Form 
gehabt haben. Denn keine Materie könne ohne jegliche Form 
existieren 3 ), versichert der Meister wiederum im Einklang mit 
dem genannten Viktoriner J ), dem wohl eine Stelle aus Boe- 
thius *) vereint mit augustinischen Angaben ") vor Augen 
stand. Unser Sentenziarier schränkt aber diese Formlosig- 
keit noch weiter ein, indem er im Chaos eine gewisse Ordnung 
annimmt. Es war ihm nämlich die Erde wie zum Tra- 
gen in die Mitte gesetzt, und um sie herum lagerten sich 
gleich einem Nebel und durchaus vermengt die übrigen Ele- 
mente und hinderten sie , als das zu erscheinen , was sie 
war 7 ). Darnach schließt sieh also Petrus vollständig der 



') in epist. ad Hebr. eap. 11 Migne 192 p. 489 A; Beut II, 12, 1. 
Scriptum dicit .... in prineipio deum creaeae .... terram agil, materiam 
qnatuor clementorum adb.au confnsam et informem, qnae a Graeciu dieta eat 
ehaoa. cfr. Hugo Vict. aent. III, 1 Migne 176 p. 89 Ä. 

") sent. II, 12, 7: linde Augustinus [de genes, ad litt. I> 1, 2 Migne 
34 p. 247] .... dicit intelligi .... per terram corporalem materiam eine 
omni qualitate, qnae apparet in natura formata. Die august. Stelle, welche 
ebenso gut auf eine absolut formlose Materie bezogen werden kann, lautet; 
An ntriusque informis materia dieta est caelum et terra .... corporalis antem 
ei possit intelligi per privationem omnis corporeae qualitativ qnae apparet in 
materia formata ? 

:, J sent II, 12, 5: facta est ergo iUa materia in forma confusionis .... 
dteimus illam primam materiam non ideo dietara fore informem, quod nnilam 
omnino fonnam babuerit, qnia non aliquid corporenm tale exietere possit 
qnod nnilam habet fonnam, sed ideo non absurde informem appellari posse 
dieimus quia in confnaione et permixtione qnadam subeistcus nondnm .... 
reeeperat formam quam modo cernimns. 

') de sacr. I ps. 1 cap. 4 Migne 176 p. 189 C ff. 

*') de trinit. ed. Peiper p. 152, 6: Considerat enim corpornm formas cum 
materia quae a corporibus aetn eeparari non posaunt. 

*) de gen. ad litt. I, 15, 29 Migne 34 p. 257; de vera relig. 18, 35 
Migne 34 p. 137: Quicquid est, quantulacunque apecie sit, necasae eat 

') aent II, 12, 6: Eratque terrenum hoc elementnm in uno loco eodem- 
qne medio subaistens ceteria tribus in uns confusione permixtis eisdemque 
circumquaque in modo cuinadam nebulae oppansis, ita obvolutum erat, nt 
apparere non posset, quod fuit. 



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Materie. 55 

Anschauung an, welche Hugo ') und Robertos Pullus s ) und 
vorher schon Beda, der Ehrwürdige 3 ) verfochten haben. Man 
könnte versucht sein, unter dieser Hülle sich eine stagnierende 
Hasse vorzustellen, aber eine gelegentliche Bemerkung sagt uns, 
im Urstoffe woge alles in lebhafter Bewegung hin und her*). 
Es teilt also der Lombarde jene Meinung, welche Bernhard von 
Chartres s ) sich zu eigen gemacht hat. Freilich, ob er auf 
diesen Scholastiker anspielen will, oder ob er an Boethius 8 ) oder 
auch, wie Wilhelm von Gonches 1 ), an Ovids Metamorphosen") 
denkt, kann bei der Kürze der Angabe nicht entschieden werden. 
Zu beachten ist noch eine Äu&erung, welche uns dar- 
über Aufschluß giebt, wie die erste Materie sich zu unserem 
Erkennen stellt. Boethius °) und im Gefolge von ihm Alarms 10 ) 
und Johann von Salisbury 11 ) lehren, sie könne nur indirekt 
auf dem Wege der Negation erkannt werden. Ganz ahnlich 
meint auch unser Magister, dag wir ihr nicht mit Art- und 
Gattungsbegriffen nahen, oder sie so oder anders mit jetzt 

') de wer. I pa. I cap. 6 Migne 176 p. 190 6 ff. 

") seilt II, 1 Migne 186 p. 717 D. 

in hexaem. Higne 91 p. 15 B. cfr. Honorius August, de imag. 
mundi 1, 1 Migne 172 p. 121; Abaelard, in hexaem. Migne 178 p. 785 D; 
Wilhelm v. Conches philo«, mundi II, 1 Migne 172 p. 85 A, welche diese 
Ordnung mit jener im Eie vergleichen, wo um die Dotter die übrigen Be- 
atandteile sieh gruppieren. 

') sent II, 12, 3: Kadern etiam materia informis dieta est aqua, super 
quam ferebatur Spiritus domini .... qui ... . praoerat flnitanti et confusao 
materiae. 

') de mundi nniv. eiiit. Baraeh I, 18 — 25: 

Silva rigena, informe chaos, concretio pugnax 

Turbida tempertem, forraam rndie, hiepida coltum 
Optat. 
*) de consol, phiL III metr. 9: 

Quem (seil, deum) non externa« papnlerunt fingere causae 
Materiae fluitantia opus. 
') philo«, mundi I, 21 Migne 172 p. 54 B ff. 
*} Ii 9. 

*) de duab. nat. edit. Peiper p. 189, 12: Dens et materia integre perfecto- 
que intellectu intelligi non posaunt, aed aliquo tarnen modo ceterarum rerum 
privatione capiuntar. — Die letzte Quelle ist Piaton, Tim. 52 B. 
") Diät., Migne 210 p. 871 A. 
") Metalog. II, 20 Migne 199 p. 888 A. 



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56 Die Philosophie des Petrus Lombard üb. 

geltenden Namen belegen können ')- Für ihn ist aber nicht 
Boethius die maßgebende Quelle, wahrscheinlich auch nicht, wie 
der Erfurter Kodex *) will, der Sentenziarier Gandulf, sondern 
Augustinus "), der den gleichen Gedanken in der schärfsten 
Form ausspricht. 

Es mag vielleicht auffallend sein, daß der Lombarde den 
Atomismus einiger Zeitgenossen mit völligem Stillschweigen über- 
geht. Gegen die Ansicht von der absolut formlosen Materie 
kann wenigstens der Satz gerichtet sein, daß eine Materie ohne 
Form nicht zu existieren vermöge *), hier aber lassen uns auch 
solche Andeutungen im Stiche. Der Grund wird wohl in der da- 
maligen Bedeutungslosigkeit dieser Lehre gelegen sein. Sie lebte ja 
im Grunde nur als historische Erinnerung an die bekannten 
Systeme des Altertums fort. Ambrosius 5 ), Augustinus G ), Chal- 
cidius 7 ) erwähnen sie nur, ebenso berichten von ihr nur er- 
zählungsweise Isidor von Sevilla s ) und Rhabanus Maurus 8 ). . Einen 
Vertreter hat sie in der früheren Zeit überhaupt nicht gefunden. 
Erst das zwölfte Jahrhundert ließ sie bei ein paar Männern, 
wie bei Constantin dem Afrikaner und bei Wilhelm von Conches 10 ), 
wieder aufleben. Da aber letzterer es für geraten erachtet, 



') aent II, 12, 8: Sab his ergo nominibus signitkut« est materia illa 
confasa et informis, qaae nnlla «pecia oerni et tractari paterat i. e. nominibus 
visibiliom reram, quae inde fatiirae eront. 

*) opp. Bonav. edit. ad Claras Aquas Bd. II p. 291 Anni. 4. cfr. 
flbrigens p. 7 ff. 

"| de genes, contra Manien, cap. 7 n. 12 Migne 34 p. 179, wo die 
gleichen Worte wie bei Petrus sich finden, nur daß noch hinzugefügt ist: 
stiamsi esset homo, qui videret et traetaret 

*) Siehe oben p. 64. 

*) in heiaem. edit. Schenkel I, 7 p. 6. 

°) epist. 118, 4, 28 Migne 38 p. 446; sermo 362 de resnrr. mort. 
cap. 17, 20 Migne 89 p. 1624. 

') comm. in Tim. edit Wrobel cap. 279 p. 310. 

•) etym. VIII, 6, 16; XIII, 2, 1 Migne 82 p. 307 A, 472 D. 

6 ) lib. de compato cap. 11 Migne 107 p. 677 A. 

'") philos. mundi 1,21 Migne 172 p. 48 D ff., wo er sich ausdrücklich 
anf Constantin beruft. Gemeint ist Conatant. Afric. Psntegni, Theorica I c. 4. 
— Ober die Atomistik des Wilhelm von Conches s. such Walter von St. 
Viktor, Contra qnatoor labyrinthoa Galliae 1. IV Migne 199 p. 1170. — Hmi- 
ieau: Hist. de la philosoph. scol. I p. 443. 



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Form. 57 

seinen Atomismus als vereinbar mit den kirchlichen Glaubens- 
sätzen zu verteidigen ! ), so möchte es fast den Anschein haben, 
als wäre diese Theorie in der damaligen theologischen Welt 
etwas anrüchig gewesen. Der streng gläubige Lombarde hätte 
aber in diesem Falle einen neuen Grund gehabt, sie ganz außer 
acht zu lassen. 

Was nun hier der Meister im Ganzen uns bietet, ist aller- 
dings nichts Originelles, aber im Kerne fast alles, was seine 
Zeitgenossen wußten. Auch er bringt Gedanken, die sich von 
den aristotelisch geschulten Lehrern des 13. Jahrhunderts leicht 
verwerten ließen, indem sie nur auf eine bessere Form warteten. 
Seine Erklärer hatten daher in diesem Punkte oft nicht allzu 
hartes Spiel. 

Form, 

Analog dem Begriffe der Materie entwickelte sich für unsere 
Zeit auch derjenige der Form. Wie dort, so ist es deshalb 
auch hier nicht selbständiges Forschen gewesen, das die Scho- 
lastiker zu ihrer Theorie brachte, es waren vielmehr die 
Ausführungen eines Ghalcidius % Boethius s ) und Augustinus 4 ), 
die maßgebenden Einfluß auf sie ausübten. Daher zeigt denn 
auch der Formbegriff bei ihnen jene platonischen und aristote- 
lischen Elemente, die er schon bei den genannten Quellen hatte. 
Die ewigen unwandelbaren Ideen Piatos sind mit Einbuße ihrer 
Subsistenz zu Gedanken eines allwissenden Gottes geworden. 
Doch bleiben sie noch Vorbilder der Schöpfung, insofern sie 
im Denken des Allmächtigen wie ein Plan sich finden, nach 
dem er die Welt ins Dasein setzt. Die aristotelischen Ente- 
lechieen aber sind nunmehr Abbilder dieser Gedanken, dazu 
bestimmt, als den Dingen immanente Seinsfaktoren ihre Kraft 
zu entfalten. 

') philoB. racmdi I, 21 Migne 172 p. 60 C ff. 

'} comra. in Tim. edit. Wrobel n. 339 p. 863; n. 844 p. 867. 

") de consol. pliil. III metr. 9. 

') E. B. de div. quMBt. 83 q. 42 a. 2 Migne 40 p. 30. Übrigens hat 
schon Philo die gleichen Anschauungen entwickelt, cfr. Überweg-Heiczo : 
fJeach. d. Philo». VHL Aufl. Bd. I p. 821 u. Baeomker, Problem der Materie 
Münster 1890 p. 873 Anm. 3. 



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66 Die Philosophie des Petras Lomburdus. 

Natürlich nahm auch unser Meister diese Theorie an. 
Wie bei Wilhelm von St. Thierry '), Gilbert von Poitiers s ), Ro- 
bertus Pullus 3 ) und Hugo von St. Viktor 4 ) sind bei ihm die 
Dinge im Wissen der Gottheit schon vorhanden, ehe sie in der 
Welt verwirklicht werden 8 ). Dort weilen ihre Ideen, welche ihre 
ersten Ursachen sind B ), nicht als ob sie selber th&tig wären, 
sondern nur, sofern sie Gott als ewige Vorbilder denkt. Im 
Schopfer hat die Welt Leben '), ehe sie ihre Existenz geniefit; 
denn wie im Geiste des Künstlers der Schrank bereits 
vorliegt, bevor er in Wirklichkeit zu sehen ist, so sind im 
Denken der absoluten ersten Ursache die Dinge schon vor- 
handen, bevor sie werden *•). Es sagt uns demnach der Ma- 
gister in gänzlicher Anlehnung an Augustin das Gleiche, was 



') de corp. et sang. dorn. Migne 180 p. 345 D. 

*) in Boeth. edit. Basal, p. 1044. 

') saut I, 16 Higne 186 p. 715 A. 

') de sacr. I ps. 2 cap. 15 Migne 176 p. 212 BC. Diese Stell« schreibt 
der Lombarde im folgenden Citate ans, cfr. außerdem Abael. in hexaem. 
Higne 178 p. 737 C; Zacharial Chryaopol. de concord. evang. 1,1 Higne 186 
f. 48 B; Petras Pict sent. I, 13 Migne 211 p. 840. 

s ) sent. 1, 85, 9. Haec visibilia anteqaam fierent, non erant. Quomodo 
ergo nota deo erant qua« non erant? Et rarsua: Quomodo ea faceret, quae 
sibi nota non erant? .... Proinde anteqnam fierent et erant et non erant 

Erant in dei scientia, non erant in sui natura Ecee hie habes quod haec 

visibilia anteqnam fierent in dei scientia erant. cfr. August, de gen. ad litt, 
V, 18,36 Migne 34 p, 334; retract. 1, 8,3 Higne 92 p. 589 cfr. oben p. 57. 

*] sent. II, 18, 8: Ad qnod sciendum est oraninm rerom oansas in dee 
ab aeterno esse. Hae dicuntnr primordiales cansae, quia istsa aliu non 
praecedunt sed iatae alias, quae snnt cansae eausarum. Nach codex Erford. 
opp. Bonavent. edit. ad Clar. Aqn. Bd. II p. 429 Anm. 1 aus Gandnlf sent 
II, 157—158; cfr. aber Hugo Vict. sent. III, 3 Migne 176 p. 93 A; August 
de genes, ad litt. IX. 17, 32 Higne 34 p. 406. 

') sent I, 35, 5. 

B ) sent. II, 18, 6: Dicit Augustinus causaa primordiales omniura rerum 
in deo esse imluceuH similitadinem artificis in oniue dispositione est, qualis 
futora sit arca. cfr. August, cunfess. XI, 5, 7 Higne 32 p. 811; de gen. ad 
litt V, 18, 29 Higne 84 p. 331; de trinit XIII. 8-9 Migne 42 p. 875; cfr. 
Beda Venerab. in evang. Joann. I Migne 92 p. 639 B; Alcnin in Joann. 1,1,4 
Migne 100 p. 746; Anselm Cant. monoL X Migne 158 p. 158 ß; Hngo Vict 
sent III, 8 Migne 176 p. 98 A und sent. I, 4 p. 48 B; Gandnlf sent II, 
157-158 {cod. Erford. opp. Bonav. edit. ad Clar. Aqu. Bd. II p. 429 
Anm. 1.) 



j, Google 



Form. 59 

Abaelard ') und Gilbert von Poitiers 2 ) in der vollendeten 
Kunstsprache sagen, wenn sie die Ideen in Gott formae exem- 
plares nennen. 

Nicht so offen wie diese platonischen Elemente liegen beim 
Formbegriff des Sentenziariers die aristotelischen am Tage. 
Indes auch sie können durch Rückschluß unzweifelhaft erkannt 
werden. Schon oben erwähnten wir als Ansicht des Meisters, 
daß eine Materie ohne Form niemals existieren könne 8 ). Mag 
man nun dabei auch zunächst an die Äußeren, sinnenfalligen 
Qualitäten denken, was nach anderen Stellen eine gewisse Be- 
rechtigung hat 4 ), so muß man doch zugeben, daß diese Be- 
merkung ebenso gut auch in dem hier in Frage stehenden Sinne 
gedeutet werden kann. Sicher aber ergiebt sich das Gesuchte 
ans den Darlegungen, die Petrus über die Eucharistie macht, 
Im Einklang mit dem Viktoriner Hugo spricht er nämlich 
von einer Form des werdenden Sakramentes und versteht 
darunter jene Worte, durch die der Priester nach katholischer 
Lehre Wein und Brot in Fleisch und Blut des Gottmenschen 
verwandelt 6 ). Dies kann aber nach damaliger Anschauung nur 
heißen: Wie in der kreatürlichen Welt das Ding sich -bildet, in- 
dem die Form zur Materie hinzutritt und sich als immanentes 
Seinsprinzip mit ihr vereinigt, so bildet sich in der Gnadenwelt 
das Sakrament, indem das Einsetzungswort analog der Form 
mit dem Naturobjekt, Brot und Wein, als Materie zu einer hö- 
heren Einheit substanziel) sich verbindet. Für die Richtigkeit 
unserer Behauptung spricht auch noch, wie leicht ersichtlich, 



') introd. ad tbcol. II, 16 Higne 176 p. 1080 B: Ad hunc quippe mo- 
dnm forcnM Fiat« et exeinplares in mente divina conaiderat, qua ideaa 
appellat et quaa nostmodum quasi ad exemplar quoddam sammi artifleis Pro- 
videntia operat» est. 

*) in Boeth. edit. üasil. p. 1044. 

*) Siehe oben p. 54. 

') Siehe oben p. 54 Aum. 2 n. das Folgende. 

*J sont. V, 8, 8 forma est, quam ipee (seil. Christo») ibidem edidit 
dicena; Hoo est corpus menni .... cum eniro haeo verba proferuntnr, con- 
»creio fit pania et vini in snbatantiam corporis Christi .... cfr. Hugo Viet. 
mint. VI, 4 Higne 176 p. 140 D. cfr. sunt. II, 31, 9: fonnatam (seil, poerperiom) 
inteliigitur, propria ftoima animatum et informe quod nondnm habet animam. 
cfr. Hugo Vict, sent. II, 12 Higne 176 p. 108 A. 



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00 Die Philosophie dea Petrus f. uro bar du». 

der Umstand, daß der Meister in der Universalienlehre dem Rea- 
lismus huldigt. 

In einer anderen Bedeutung nimmt der Magister das Wort 
Form, wenn er damit accid enteile Bestimmtheiten der Dinge 
bezeichnet. So nennt er die Weisheit eines Engels die Form 
desselben •)■ Ebenso erhalten bei der Eucharistie die Eigen- 
schaften, welche trotz der Wesenswandlung noch vorhanden 
bleiben, den gleichen Namen *). 

Was demnach am Schlüsse des Jahrhunderts Johann von 
Salisbury ") auch im Ausdruck unterscheidet, indem er von formae 
substantiales und accidentales redet, ist bei Petrus nur der Sache 
nach gegeben. Immerhin aber ist es genügend, seine Anschau- 
ung richtig erkennen zu lassen. 

Anders freilich liegt es, wenn wir fragen, wie sich Petrus 
die Formen vorgestellt hat. Gilbert von Poitiers liat bekannt- 
lich in seinem extremen, logischen Realismus den einzelnen 
Formen Subsistenz zugeschrieben und so im Individuum eine 
Summe von Teilformen erbalten, welche in ihrer Gesamtheit 
die Funktionen der einen, einfachen aristotelischen Form zu 
übernehmen hatten 1 ). Ihm gegenüber stand die Masse der an- 
deren Realisten, welche die Form in der heute noch geläufigen 
Weise bestimmten. Wollen wir nun den Lombarden einer 
dieser Richtungen einreihen, so stoßen wir auf unüberwindliche 
Schwierigkeiten. Die hier angeführten Stellen lassen sich ja 
ohne Mühe nach beiden Seiten hin auslegen, und nicht besser 
steht es mit jenen, welchen wir in dem Kapitel über Substanz 

') seilt, III, 3, 2. cfr. Hugo Vict. de aacr. I pe. 5 eap. 9 Migne 176 
p. 250 D ff. 

*) sent. IV, 8, 4. 

3 ) metalog. II, 20 Migne 199 p. 882 D: Formae quoque Um sobsUn- 
tialas quam accidentales habent ab ipso ut eint et (mos in aubiectis operentor 
effectnB. 

*) in Boeth. edit Baail. p. IUI: Cuiuslibet em'm subaistentiB tot* 
forma eubatantiae non simples est .... ut de aliquo bomine tota forma snb- 
stantiae qnia ipae est perfectus bomo et onrae genug omnisqne differentia, 
ex quibus est ipsa composita, est rorporalitas et animatio et huiuamodi alias 

et denique omnia quae vel tot illi formae adsunt, ut humanitatis Viaibilitas 

vel aliquibas partibaa eius. Gilbert stützt aeine Anschauung (p. 1142) mit 
Unrecht auf Boeth. de trinit. edit. Basil. I p. 1122. 



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Werden nnd Vergehen fit 

und Accidens begegneten. Es zeigt sich eben, daß der Magister 
auf die Frage, ob den Formen Subsistenz zukomme, und wie sie 
sich zu einander verhalten, überhaupt nicht eingegangen ist. 
Wurde man vom extremen Realismus seiner Zeit nichts wissen, 
so würde man ihn wohl im gemäßigten Sinne verstehen; so 
aber ist ein solches Vorgehen durchaus unstatthaft, da die 
Beweise mangeln. Es geht hier wieder wie bei den Univer- 
salien. Der Umrtfi ist klar: er ist nach den Prinzipien des 
Realismus gegeben; die Spezialisierung aber fehlt. Daher 
konnte jedes der verschiedenen Schulhäupter bei ihm seine 
Lehre finden, wenn es nur der realistischen Gruppe ange- 
hörte. Trotz dieser Unbestimmtheit sind seine Darlegungen 
nicht zu untei-schätzen. Die der Sache nach wenigstens gege- 
bene Unterscheidung von formae substantiales und accidentales, 
die Übertragung des Materie- und Formbegriffes auf das dogma- 
tische Gebiet mußte seinen aristotelisch geschulten Erklären! 
und überhaupt der späteren Zeit durchaus von nutzen sein. 

Werden und Vergehen. 

Bot schon das Auffinden der bisherigen Resultate nicht 
unerhebliche Schwierigkeiten, so ist dies noch mehr der Fall, 
wenn es gilt , die Ansicht des Meisters über Werden und 
Vergehen klar zu legen. Man möchte vielleicht meinen, das 
hier aufgeworfene Thema könne nur behandelt werden, wenn 
man dem Autor Gewalt anthue; aber man würde dabei be- 
trächtlich zu weit gehen. Nur das ist richtig: was er uns 
sagt, knüpft nicht an Vorgänge in der Natur an, deren Er- 
kenntnis tiefere Auseinandersetzungen erforderte; es entspringt 
vielmehr, wie bei den meisten seiner Zeitgenossen, dem Be- 
dürfnis, die tiefsten Geheimnisse der christlichen Lehre, wie das 
der absoluten Einfachheit Gottes, der Auferstehung, der Wesens- 
wandlung in der Eucharistie, wenigstens einigermaßen vom Ver- 
nunftstandpunkt aus zu besprechen. Aber auch hiebei treffen 
wir nicht klar formulierte philosophische Sätze, sondern wir 
finden nur solche in der unzweideutigsten Weise verwertet. 

Schon aus der Art und Weise, wie er die Abhandlung 
über die eucharistische Wesenswandlung einleitet, geht dies un- 



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68 Die Philosophie des Petras Lotnbardos. 

verhüllt hervor. .Wenn man fragt,* meint er, „wie! beschaffen 
diese Wandlung sei, ob formal oder substanziell oder von irgend 
einer anderen Art, so kann ich das nicht mit Sicherheit ent- 
scheiden ')". Diese allgemeine, für unsere Zwecke wichtige Be- 
merkung erhalt noch dadurch eine Ergänzung, dafi der Magister 
im ganzen zwei Hauptgruppen der Bewegung oder Veränderung 
unterscheidet: eine formelle und eine substanzieUe. „Das aber," 
fährt er fort, „sehe ich ein, daß die Wandlung keine formale 
sein kann, da die species und Geschmack und Geruch zurück- 
bleiben 1 )". Er erweitert demnach hier den Begriff „formal", der 
sich zunächst auf die äußere Gestalt bezieht, der Art, dafi er 
auch die anderes accidentellen Veränderungen in sich begreift. 
Es bleibt also noch die substanzieUe Wandlung übrig, welche 
er auch thatsächlich annimmt s ). In dieser Entwicklung stimmt 
er auffallend mit Alger von Luttich 4 ) überein, der bei glei- 
cher Gelegenheit ganz ahnlich vorgeht Sie ist indes ihrem 
philosophischen Inhalte nach schon im höchsten Grade in dem 
Kommentare nahe gelegt, den Boethius 5 ) zu den Eategorieen 
des Aristoteles schrieb. 

Dafi sich nun Petrus unter einem substantiellen Werden 
nichts anderes vorstellt als der nämliche Boethius fl ) und Gilbert 
von PoiÜers ') unter ihrem ingressus in substantiam, folgt bis 
zur Gewißheit aus den Erklärungsversuchen, die er über das 
Abendmahl anstellt. Er berichtet uns darüber drei Meinnngen, 



') Beut. IV, 11, 1: Si autem quaeritur, qualia ait illa c 
formalia an snbstantialis vel alterius generis, definire non sufficio. 

*) loc. cit.: formalem turnen non esse cognoaco quia spocius rermn 
quao ante fuerant, remanent et aapor et pondua. 

*) Beut. IV, 9, 8. Quod ergo corpus Christi pania mutationa in id non 
angmentatur .... potentiae ascribatur .... fit ergo aubatantia illa sine 
eins augmeiito. cfr. Hugo Vict. de sacr. II ps. 8 oap. 9 Migne 176, 468 B. 

*| de euer. I, 7 Migne 180 p. 756 D: Quicquid nratatar in aliud, in 
aliqno deainit eaee quod fuerat sive aubstantialiter sive accidentoliter. 8ed 
in pane et vino com in corpus Christi mutantur, aeeidentia esse non doainnnt, 
sed omnia remanent; ergo pania et vini snbstantia esse deainit. 

'} edit. Basil. p. 211, wo betont wird, dafi generatio und corniptio die 
Substanz betrafen, die flbrigen Arten aber nur die Aecidenaien. 

*) in praed. Arist. p. 211 edit. Basil.: generatio namque~eat ingressus 
in substantiam. cfr. de Interpret p. 459. 

*) comm. in Boeth, edit Basil. p. 1229. 



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Werden und Vergeh««. M 

die offenkundig diesen Begriff voraussetzen. Nach der einen 
bildet sich das Brot organisch in den mystischen Leib des Gott- 
menschen um l ), nach einer anderen, welche auch der Viktoriner 
Hugo kennt, wird die Wesenheit des Brotes einfach entfernt 
und durch den verklärten Christus ersetzt 7 ), nach einer dritten 
endlich soll der Leib Christi an den nämlichen Ort gebannt 
werden, an dem die weiter existierende Brotsubstanz sich be- 
findet*). Indem nun der Meister im Einklang mit Alger 4 ) und 
Wilhelm von Thierry 5 ) diese Ansicht verwirft, liefert er einen 
klaren Beweis, daß er dem hier in Frage stehenden Begriffe nur 
den von uns behaupteten Sinn unterlegen will. 

Als zweite Art der substanziellen Veränderung nennt Boe- 
thius die corruptio. Auch sie ist bei Petrus, wenn auch nicht 
dem Namen nach, so doch der Sache nach gegeben. Sie bildet 
den Grundgedanken der gerade erwähnten zweiten Sentenz, sie 
hat er auch im Auge, wenn er im wörtlichen Anschluß an Hugo 
von St. Viktor den menschlichen Leib vollständig zerfallen und 
in andere Daseinsformen übergehen läßt B ). Und wenn Wilhelm 
von Thierry mit Berufung auf Boethius für dieses Werden und 
Vergehen in einer gemeinsamen Materie ein dauerndes Substrat 
verlangt 7 ), so kehrt die nämliche Forderung auch beim Lom- 



') sent. IV, 11, 1: Quibusdam esse videtur aubatantmlie dicentibus sie 
substantiam converti in aufastantiam ut haec essentialiter fiat ilia. S. . . . ma- 
nena enim pania non est corpus Christi, sed mutata in id quod facta est, et 
eorpna Christi, cfr. Hugo Vict. de aacr. II pa. 18 cap. 9 Migne 176 p. 468 
AB ff.; Robertos Pullna sent. VIII, 2 Migne 188 p. S61 C ff.; Honorina 
August Eucharist. cap. 9 Migne 172 p. 1255 A. Wilhelm v. St. Thierrr 
epist de aacr. alt. Migne 180 p. 341 C; Algen« Leod. de aacr. I, 7 Hlgne 
180 p. 756 D ff. 

') sent. IV, 11, 4. cfr. Hugo Vict. aent. VI, 5 Migne 176 p. 142 C. 

•) sent. IV, II, 4. 

*) de sacr. I, 9 Migne 180 p. 765 B. 

*) epist. de aacr. alt.; de corp. et aang. dorn. Migne 180 p. 342 A, 
349 CD. 

*) aent. IV, 44, 2: Non enim perit deo terrena materies de qua mor- 
talium creatnr caro; sed in quemlibat pul verein cineremve solvatitr ... et in 
quftmennque nliorum corporum aubstnntiaiD vel in ipsa element» wrtatur 
.... illi snima in puncto temporis radibit. cfr. Hugo Vict. de aacr. II pa. 17 
cap. 15 Migne 176 p. 603 B. 

') Wilhelm v. Thierrr de corp. et sang. cap. 4 Migne 180 p. 350 B: 
Dieit Boethius: Sola quippe mutari tnrasfonnarique in aa posaunt, quae habent 



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64 Die Philosophie des Petrus Lombard us. 

barden wieder. Auch er bezeichnet die Urmaterie als den 
Tummelplatz dieser Bewegungen, indem er die Lehre gelten läßt, 
in der eucharistischen Wandlung löse sich die Brot- und Wein- 
substanz in die vorherdaliegende, d. h. in die erste Materie auf 1 ), 
indem er ferner behauptet, der Stoff, aus dem der menschliche 
Leib bestehe, bleibe immer vorhanden, sogar wenn er in die 
Elemente zurückkehre 5 ). Allerdings schöpft er dabei seine Über- 
zeugung nicht aus dem genannten Wilhelm, sondern aus Hugo 
von St. Viktor 8 ), wie der identische Wortlaut darthut. 

Die zweite Hauptgruppe der Veränderungen schließt, wie 
schon gesagt, jene Vorgange in sich, welche sich auf die Acci- 
denzien beziehen. Ihnen ist es eigentümlich, daß sie an einer 
Substanz vor sich gehen, ohne diese selbst in Mitleidenschaft 
zu ziehen 4 ). 

Der Lombarde unterscheidet hiebei verschiedene Arten. 
Er redet mit Hugo von einer augmentatio ") und einer dimi- 
nutio ") und verbindet damit die gewöhnliche Bedeutung. Er 
kennt dann auch einen räumlichen und zeitlichen Wechsel und 
erklärt, daß der Körper räumlich und zeitlich, der geschaffene 
Geist aber nur zeitlich bewegt werde' 1 ); denn in letzterem gebe 
es nur eine Folge von Qualitäten, wie von Freude und Schmerz, 
Wissen und Vergessen B ). Oberhaupt beruht ihm der zeitliche 
Wandel auf dem Nacheinander geistiger oder sinnlich wahr- 



unius msteriae commune snbiectnm. Dem Sinne nach genommen ans Boeth. 
de Interpret edit Basil. p. 284. 

') sent IV, 11, 4: Quodai est, quid ergo sit de snbstantia pania et 
vini? Uli dicnnfc Tel in praeiacentem materiam reaolvi vel in nihilnm redigi. 

*) Siehe p. 63 Anm. 6. 

s ) sent. VI, 5 Migne 176 p. 142 C; de sacr. II ps. 8 oap. 9; ps. 17 
cap. 15 Migne 176 p. 468 AB; 603 B. 

*) Sieh oben unter Accidena p. 40. cfr. sent. I, 8, 3: Aliae easenttae 
vel substantiae capiunt accidentia, qnibua in eis Bat vel magna vel quantn- 
cunque mutatio. cfr. August, de trinit. V, 2, 3 Higne 42 p. 912. 

') Siehe p. 62 Anm. 3. 

*) soot. IV, 43, 7: Reprobi mortem patientur aetemam, sed sine dirui- 
uutione membrorum. cfr. Hugo de sacr. II pa. 17 cap. 8 Migne 176 p. 600 B. 

') sent. I, 37, 9: Spiritualis creatara per tempus movetur, corporalis 
vero etiam per tempus et looum. 

") Siehe unten, 



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l'ralcblichkeit. 6h 

nehmbarer Zustände 1 ). Es ist dabei interessant zu beobachten, 
wie sich ganz ähnliche Bemerkungen auch bei Gilbertus Porre- 
tanus 1 } finden, was daraus zu erklären ist, daß Augustinus 8 ) die 
gemeinsame Quelle ist. Doch kann nicht geleugnet werden, 
daß uns auch bei Boethius 1 ) analoge Stellen begegnen, 

überblicken wir nun das Ganze, so sehen wir, daß die 
sechs Weisen der Veränderung, welche derselbe Boethius in 
seiner Erläuterung zu den aristotelischen Kategorieen angiebt 3 ), 
bei unserem Sentenziarier vollständig verwertet sind. Wenn wir 
daher von dem Lombarden auch keine eingehenden Darlegungen 
erhalten, wie sie z.B. Abaelard 6 ) uns hinterlassen hat, so bleibt 
doch das in Geltung, daß ihm hier die Schulweisheit seiner 
Zeit nicht fremd gewesen ist. 

Ursächlichkeit. 

Da jede Veränderung eine Ursache voraussetzt, so ist es 
am Platze, die Angaben folgen zu lassen, welche der Lombarde 
Ober die Ursächlichkeit macht. Es ist nach dem Vorausgehen- 
den beinahe selbstverständlich, daß wir hierüber keine ausfuhr- 
liehen Erörterungen erwarten dürfen. Wir treffen nur eine 
Summe von Sätzen, die seine Meinung wiederspiegeln, und nur 
ein paar Stellen sind uns beschieden, die uns direkten Aufschluß 
gewähren. Allerdings läßt sich aus ihnen mit Leichtigkeit jene 
ontologische Fassung gewinnen, welche bei einigen seiner Zeit- 
genossen gang und gebe war. 



') sent. 1, 37, 10: Mutari autem per tempua est variari seeundntn 
qualitstca inferiores vel exteriores, quae sunt in ipsa re, quae mututur, «t 
quando auaeipit vicissitudinero gaudii, doloris, aoientiae, oblivionis: vel Varia- 
tionen] formae sive alicuina qualitatis oxterioria. Haec enim routatio, quae fit 
aeeundum tempus, variatio est qualitatum, quae fit in corporali vel spirituali 
ereatura; et ideo vocatur tempua. 

*) in Booth. edit. Baail. p. 229. 

*) de genes, ad litt. VIII, 20. 39 Migne 34 p. 388. 

*) in praed. Ariat. edit. Baail. p. 211. 

*) loa «it.: Die Dbersetzangawort« lauten: Motus autem apecies sunt 
sex: ganeratio, corruptip, augmentum, diminutio, alteratio et aecandum locum 
mutniiu. 

") Cousin, Onvr. ined. d'Abelard, Paris 1836 p. 414 ff. 

Btitrtice HI, 6. Kipanber K er, Petrus Lombardns. 5 



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66 Die Philosophie dea Petrus Lombardus, 

Zunächst nun giebl Petrus eine Bestimmung des Be- 
griffes Ursache. Alles, sagt er, was in sich selber bleibend, 
etwas zeugt oder bewirkt, wird Prinzip oder Ursache dessen ge- 
nannt, was es hervorbringt l ). In dieser Form findet der Be- 
griff eine durchgehende Anwendung. Gott*) und Geschöpf 
können, wenn die nötigen Bedingungen gegeben sind, Prinzip 
oder Ursache genannt werden. Nur das innere Leben der Gott- 
heit, die zeugende Thätigkeit des Vaters und die Hauchung des 
Geistes, der vom Vater und vom Sohne zugleich ausgeht, ver- 
anlassen ihn zu einer kleinen Einschränkung. Er spricht näm- 
lich hier niemals von einer causa, sondern nur von einem prin- 
cipium. Der Sprachgebrauch, den die kirchlichen Theologen 
in unserer Zeit fast ausnahmslos festhalten, ist also damals 
schon vorhanden, und es huldigt ihm nicht bloß unser Meister, 
sondern ebenso Hugo von St. Viktor und Robertus Pullus. 
Der tiefste Grund für diese Unterscheidung liegt wohl hei Augu- 
stin, der sie in seiner Schrift de trinitate durchgehend hand- 
habt. Wie dieser. Gedanke kein selbständiges Vorgehen des 
Meisters offenbart, so auch die ganze Bestimmung des Ursache- 
begriffes nicht. Sie findet sich ganz ähnlich beim Viktoriner 
Hugo 9 ), teilweise auch bei Abaelard '), wörtlich aber bei seiner 
Hauptquelle, beim Bischof von Hippo 5 ). 

Der altbekannte Satz ferner, daß jede Wirkung auch eine 
Ursache voraussetze, hat natürlich auch beim Magister seine 
Geltung. Er ist zwar nicht in dieser Fassung zu treffen, wohl 
aber zweifellos nahegelegt, wenn es heißt: Was gegeben wird, 
oder hervorgeht, hat ein Prinzip, von dem es gegeben wird 6 ), 

') sent. I, 29, 2: Si antem quicquid in ae manet et gignit vel operatur 
aliquid, principium est eine rei quam gignit vel eins quam operatur, non 
possumua negare etiam Spiritam eauctum recte dici principium .... 

*} seilt. II, 1, 2: Dens ergo aliquid agere vel facere dicitur, quia causa 
est rerum noviter exiatentium. 

*) de sacr. I p«. 2 cap. 8; cap. 4; cfr. pa. 1 cap. 1 Migne 17S 
p. 207 D ff.; 187 A ff. 

*) sie et non cap. 14 Migne 178 p. 1370 A, 

*) de trinit. V, 13, H Migne 42 p. 920. 

*) sent. I, 29, 3: Si ergo quod dafür vel quod procedit, prineipiuui 
habet a quo datur vel procedit, fatendnm eat patrem et filinm principium 
638o spiritne aaneti. 



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Ursächlichkeit. 67 

oder in etwas engerer Anwendung: Der Zeugende ist für de» 
Gezeugten das Prinzip l ). Der letzte Gewährsmann für diese 
Angaben ist ihm auch hier wieder Augustin -) ; indes könnten sie 
auch von seinem Lehrer Abaelard ■') genommen sein, der sie 
ebenfalls einige Male macht. Vergleichen wir die Äußerungen 
unseres Magisters noch mit anderen Stellen dieses Scholasti- 
kers 4 ) oder mit solchen von Wilhelm von Gonches % welche 
in der klaren Weise des platonischen Timaeus *) das Kausalitäts- 
gesetz vorführen, so lassen sie zwar die knappe logische Form 
vermissen, bieten aber faktisch dasselbe. 

Von echt theistischem Standpunkt aus kennzeichnet dann 
Pelrus die Art des ursächlichen Wirkens in der Schöpfung. Es 
ist nicht eine blinde Thätigkeit, die sich in der Welt entfaltet, 
sondern überall herrscht zweckmäßiges Thun. Jede Ursache ist 
ihm nach Zwecken thätig, denn es giebt, wie er im Anschluß an 
Abaelard und übereinstimmend mit Augustin erklärt, keinen 
Zufall in der Welt. Alles steht unter der Leitung und Regie- 
rung eines vorsehenden Gottes T )- 

Würden wir sonst keine Aussage haben, die uns über den 
Organismus der Ursachen im Sein Aulschluß gäbe, so könnten 
wir doch aus dieser Annahme folgern, daß er den regressus in 

') loc. cit.: Si gignens od id quod gignitiir, prineipium est, pater ad 
filinm principium est. 

*) de trinit. V, 14, 15 Migne 42 p. 926. 

■) sie et noü cap. 14; cap. 16 Migne 178 p. 1370 A; 1374 D; theo). 
Christ. IV Migne 178 p. 1293 B, 1298 B. 

') z. B. theo), christ. V Migne 178 p. 1327 AB: Omne quod gignitiir, 
ex aliqua causa necessana gignitiir. Nihil enim fit, cuius ortum non legitim« 
causa et ratio praecedat. cfr. theol. Christ. I p. 1125 B; 1817 B. 

*) Haureau, Hist. de 1a phil. acol. I p. 444 Aum. 1. 

*) Trrn. 28 A. 

*) Bent. II, 35, 5: Si ergo casu aliqua fiunt in mundo, non Providentia 
universus mundus admiaistratur. Si non Providentia nniversos mundus ad- 
minitrtrttnr aliqua natura vel substantia est, quod ad opus Providentia« nou 
pertinst. Omne autem quod est ... . boni illius (a:il. dei) participatione .... 
bonum est, quod divinam etiam providentiain vacamns. Nihil ergo casu fit 
in mundo, cfr. in ps. 9, 1, 84 Migne 191 p. 130 D, 142 B; eh. Abael. sie et 
non cap. 28 Migne 178 p. 1387 C; introd. ad theol. III, 7 Migne 178 p. 1109 B; 
cfr. August, de div. quaest. 83 q. 24 Migne 40 p. 17; enarr. in ps. 9 n. 20 
Migne 36 p. 125; cfr. Hugo Vict. de sacr. I ps. 2 cap. 19 Migne 176 
p. 206 CD; 213 B. 



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68 Die Philosophie des Petras Lombardus. 

infinitum verpönt und im Willen des Ewigen die Ursache sieht, 
die über allen anderen steht. Wir erhalten aber dafür noch 
dadurch einen bestimmteren Beleg, daß er mit Augustin und 
Gandulf Gott die ewige Ursache nennt, die im eigentlichen und 
umfassendsten Sinne die erste genannt werden müsse '). 

Außer diesen Äußerungen, die mehr allgemeiner Natur 
sind, haben wir auch solche, die uns über das gegensei- 
tige Verhältnis von Wirkung und Ursache unterrichten. Mit 
Abaelard hält er an dem aus Plotin genommenen Satze des 
Bischofs von Hippo fest: Jede Ursache enthält mehr Rea- 
lität, als die zugehörige Wirkung a ). Wenn wir dann nach der 
zeitlichen Beziehung zwischen beiden fragen, so begegnen wir 
dem Grundsatze : Kein Ding kann sich selber ins Dasein setzen 3 ) : 
eine Stelle, die sich bei Abaelard 4 ) und Otto von Freising 5 ) 
findet und in Augustinus*) ihre letzte Quelle hat, die aber 
auch bei Aristoteles '•) ein treffliches Analogon aufweist. Es ist 
ferner nicht unwahrscheinlich, daß das Gesetz der Synony- 
ruie, das Alanus 8 ) und Johann von Salisbury") etwas später 
in der klarsten Form aussprechen, auch dem Lombarden vor 

') Beut, H, 18, 6: Et hae diountur primordiales causae, otai non adeo 
proprie, quin habent ante se causam aetemam, quae proprie et univerealiter 
prima est. cfr. Gandulf II cap. 157 — 158 opp. Ekmaveut. etc. Band II p. 429 
n. 1; cfr. Ang. de genes, contr. Manien I, 2, 4 Migne 34 p. 175; die gleiche 
Stelle findet sich auch Hugo Viert, sent. III, 3 Migne 176 p. 93 B; cfr. sent. 
I, 18 p. 64 D; de sacr. I p. 207 B ff. 

*) sent. I, 45, 4: Oninis antem causa efficiens maior est eo quod efii- 
citnr. cfr. Abael. sie et non csp. 13 Migne 178 p. 1368 C; tlieol. ohrist. IV 
Migne 178 p. 1291 B; cfr. Alanus, ars fid. cath. pro). Migne 210 p. 598 D; 
cfr. Aug. de div. qu. 83 q. 28 Migne 40 p. 18 n. Plotin: Eon. V, 8, 1 od. 

Volkm. Bd. II p. 231: Kai lö irgüroy notoSv itä* xa.6' avro xyitnov e!yat Sei 

*} seilt. I, 4, 1: Null« enim res est, quae seipsam gignat ot sit. 

*) introd. ad theol. II, 6 Migne 178 p. 1056 D; sie et non cap. 15 
Migne 178 p. 1870 D. 

*) de gest. Frider. imp. I, 5 edit. Waitz p. 18; cfr. Alanus, ars fid. 
cath. I, 8 Migne 210 p. 599 A. 

*) de trinit. I, 1, 1 Migne 42 p. 820. 

; ) de an. II, 4: generst autem nihil ipsum seipsunj. 

*) Diät. Migne 210 p. 871 D: Natura dicitur potentia rebus naturalibus 
indita ex slmilibus proereans similia. 

>) metalog. I, 8 Migne 199 p. 835 C. 



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IJ Sachlichkeit. 69 

Äugen schwebte, als er in Harmonie mit Hilarius von Poitiers ') 
behauptete, vom Leben könne nur wieder Leben stammen ! ). 
Geläufig ist dem Magister auch die bekannte Vierlei- 
lung; welche der Stagirite an dem Begriffe Ursache vornimmt. 
Er redet von einer causa efficiens 8 ) der Ehe, ebenso mit 
Hugo von St. Viktor von einer causa fuialis 4 ) derselben d. h. 
von dem Zwecke, um dessen willen sie geschlossen werden soll. 
Er kennt auch wie der gleiche Hugo, diesmal aber nachweisbar 
auf Augustin zurückgehend, eine causa materialis*) und versteht 
darunter den Stoff, aus dem etwas gemacht wird. Und wenig- 
stens der Sache nach ist bei ihm auch die causa formaüs 6 ) zu 
finden. Es ist dabei mit gutem Rechte anzunehmen, daß 
Boethius ; ) es war, der ihm wie Abaelard ") und Wilhelm 
von Conches 8 ) und einer Reihe anderer Autoren zur Grundlage 
diente. Hinsichtlich der causa finalis ist noch von Bedeutung, 
data er im Anschluß an den großen Afrikaner die zwei Unter- 
arten hervorhebt, welche die Späteren als tinis operis und ope- 
rantis bezeichnen 10 ). Einen gewissen Scharfsinn verrät es dann 



') de trinit. VII, 28 Migne 10 p. 224 li. 

*) sent. I, 9, 13: Ex vit» non potaat qnicquam essa uisi vivum. 

*) sent. IV, 27, 8; 30, 4; in epiat. I ad Cor. cap. 7 Migne 191 
p. 1585 D. 

') seilt. IV. 30, 4; cfr. Hugo Vict. sunt. VII, 1 Migne 176 p. 154 ü. 

*) sent. I, 19, 12; «fr. Aog. de trinit. VII, 6, 11 Migne 40 p. 944; 
s*nt.lV,44,2; cfr. Hugo Vict. de sacr. 11 ps. 17 cap. 14 Migne 176 p. 60S A. 

') Siehe Seite 59. 

') com in. in top. Cic. edit. Bssil. 834: Cum igitur Arigtotalea quatuor 
posuerit causaa, quibus unnmquodque conficitar: primam quae movendi prin- 
cipium ost, aecundnm, ex qua fit aliquid, quam materiam vocat, terlüun ratio- 
nem et apeciem qua unumquodque formatur, quartam, finem propter quem 
quodlibet efficitur .... 

■) Cousin, Ouvr. ined. d'Abelard, Paris 1836 p. 410 ff. 

•) corom. in Tim. Migne 172 p.250; cfr. Potr. Piot. Migne 211 sent.V.5 
p. 1230 D; cap. 14 p. 1257 B; cap. 16 p. J259 A; cap 17 p. 1260 C; cfr. 
Alanus dist. Migne 210 p. 782 A; 913 B; conti', hser. 1, 5 p. 311 A ff.; 
laaac de etella, de anima Migne 194 p. 1885 BC; Wilhelm von St. Thierry 
de sacr. alt epist. Migne 180 p. 341 A. 

'") seDt. II, 38, 7: Sicut ergo altera est volnntas videndi feneatras .... 
altera quae ex ista nectitar voluntas, seil per feneatras videndi tranaeuntea. 
ita nonnullia ulio videtur eese volnntas elemoeynas dandi pauperi, alia volun- 
tas habendi vitam; cfr. August, de trinit. XI, 66, 10 Migne 42 p. 992. 



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70 Die Philosophie des Petrus Lombardus. 

auch, wenn er betont, daß Ursache und notwendige Bedingung 
niemals zu verwechseln seien l ). 

Es ist also eine stattliche Anzahl von Grundsätzen, die 
Petrus uns vorlegt 2 ). Wollte man ihm hier jegliche Bedeutung 
absprechen, so würde man sicherlich zu weit gehen, denn das 
Meiste konnte die kommende Zeit fast unverändert überneh- 
men. Wenn er sich aber in keine Untersuchungen über den 
objektiven Gehalt des Kausalgesetzes einläßt, wenn er es über- 
haupt unterläßt, tiefergreifende Erörterungen darüber anzustel- 
len, so zeigt er sich darin nur als Kind seiner Zeit. Man hatte 
damals kein Bedürfnis, sich mit solchen Problemen zu beschäf- 
tigen. Die Ursächlichkeit galt für einen Begriff, der für das Er- 
kennen keine trüben Punkte zeigt. 

Raum. 

Man geht über die auf den Kaum bezüglichen Angaben 
der Frühscholastik gewöhnlich hinweg, in der Überzeugung, 
nichts Branchbares zu finden. Es ist ja richtig, daß sie unsere 
Anforderungen in keiner Weise befriedigen, aber sie bieten doch 
einen gewissen historischen Reiz. Aus diesem Grunde wollen 
wir denn auch die Bemerkungen anführen, die uns der Lom- 
barde hierüber hinterlassen hat. 

Wie für Apulejus 8 ), Augustinus 1 ), Chalcidius J ) und andere 
heißt auch für ihn körperlich sein und räumlich sein dasselbe, 
nämlich ausgedehnt sein nach Länge, Breite und Höhe, Anfang, 

') seilt. I, 88, 4: Quod futurum ust, scitur a deo antequani fiat, neque 
sciretur, nisi futurum esset, ut non notetur ihi causa, nisi sine qua nun tierot, 

') Wenn Schell, Apologetik Bd. II p, 113 aus sent. I, 8, 5 auch noch 
ergehen will, daß der Lombarde nicht nur (lir das Entstehen, sondern auch 
fßr das Bestehen eine Ursache verlange, so ist das unbegründet, weil der 
Meister nur von der Dauer der Welt auf die Ewigkeit des Schöpfers schließt. 

*) de dogm. Plat. I, 8 n. 198 edit. Goldbacher p. 70. 

') de div. qu. 83 q. 29 Migne 40 p. 19. 

") eoniin. in Tim. n. 121 edit. Wrobel p. 186; cf. Macrobius, Saturn. 
VII. 9 edit. Eyssenhardt Leipzig 1808 p. 428; Isidor Hisp. etym. H, 26, 8 
Migne 82 p. 144 0; Rhabunun Maurus, de auima I Migne 110 p. 1111 A; 
Caesiodor. de auima II Migne 70 p. 1283 C; Hugo Viel, de nur. 1 pa. 3 
cap. 18 Migne 170 p 224 B. 



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Raum. 71 

Mitte und Ende haben, ein Vorwärts und Rückwärts, ein Rechts 
uud Links, ein Oben und Unten besitzen. Diese Aussage erhält 
eine wertvolle Ergänzung durch eine Sentenz, die Petrus aus 
Abaelard aufnimmt. Darnach gehört es zum Wesen eines 
Körpers, ganz im ganzen Orte und teilweise in jedem Teile des- 
selben zu sein. Das Nebeneinander seiner Teile bedingt ja eine 
Entfernung, einen Absland seiner Grenzen voneinander '). Der 
einzelne Körper ist aber niemals allein, sondern immer nur mit 
anderen gegeben, und er setzt sich deshalb überall, wo er hin- 
gelegt wird, selber eine Umgebung. Daher sagt denn der 
Meister auch, räumlich sein heiüe, eine Umgebung und zwar 
eine ausgedehnte Umgebung haben*). Indem nun der Körper 
zu anderen in Beziehung tritt, kommt auf ihn die Bestimmung 
des Ortes, das Irgendwo, in Anwendung. Er sondert sich ja 
durch seine eigene Form von den anderen ab. Gerade diese 
feste, relative Abgrenzung bildet aber seinen Ort. „Denn der 
Körper ist im Orte enthalten, vom Orte umfallt." Da man sich 
nun die Welt als einen ungeheueren Raum vorstellte, so fragt 
es sich, wie sich der Ort zu diesem verhält. Darüber erfahren 
wir, der Ort sei im Räume, der durch die Länge, Breite und 
Höhe eines Körpers eingenommen werde 3 ). Es ist also auch 
hier wieder auf die feste Umgrenzung hingewiesen. Man kann 
hier eine gewisse Harmonie mit der aristotelischen ') Definition 
des xönos kaum verkennen. Bekanntlich hat ja auch dieser den 
Ort wie eine Art Gefäti gefaxt, das mit seiner unbeweglichen 
Grenze das Umschlossene umfaßt. Freilich Aristoteles bildet 



') seilt. I, 37, 9, 10: Neque dimenaionem habet seil deus) nicut corpus 
uui seeundum locam aasignatnr prineipium, medium et finia et ante et retro, 
dextera et sinistra, Bursom et deorsum, quud nui interpoaitione facit distsn- 
tiam et circumat&ntiam .... dicitur in Scriptlira aliquid locale sive circum- 
scriptibile et e converso, »eil. quia dimensionern capiens longitudiois et lfttitu- 
diois diatantiam facit in loco ut corpus .... cfr. Absei, introd. ad theo). 
III, 6 Migne 178 p. 1105 B: Nihil enim locale est vel localiter contineri 
potest, niai quod sui interpoaitione circumstantiam rerum, distantiam Inter- 
vall! potest facere. 

*} loc. cit. 

1 eent. I, 37, 14: Quod alioubi est, contir.etur ioco .... Locus in 
apatio est, quod longitudine et altitudine et latitudiae corporis oecupatur. 

') phys IV, 4 p. 212 a, 20. 



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72 Die Philosophie des Petras Lombardus. 

für den Sentenziarier nicht die Quelle. Er hat seine Anschau- 
ung gleich Ahaelard ') aus Augustin '-) geschöpft, der seinerseits 
ebensowenig auf dem Stagiriten fußt. Gleiche Überlegung und 
Betrachtungsweise, oder was wahrscheinlicher ist, eine gleich- 
mäßige Tradition liefi beide der gleichen Ansicht sein. Das 
Wichtige an diesem Gedanken ist aber der Umstand, data die 
Scholastik des 13. Jahrhunderts bei Petrus einen trefflichen Bo- 
den vorfand. 

Außer auf den Körper hatte unser Lehrer auch noch auf 
den geschaffenen Geist zu achten. Bei ihm kann es natürlich 
kein Nebeneinander der Teile geben. Er ist ja im Verhältnis 
zum Körper durchaus einfach. Und doch ist auch er im Räume, 
und sogar an einen gewissen Ort gebannt. Denn, wenn er an 
einem Orte gegenwärtig ist, so kann er nach unserem Magister 
nicht zugleich an einem anderen sein. Nur da, wo er sich be- 
findet, kann er seine Kraft entfalten, andere Plätze liegen ihm 
lerne. Aber er ist in seinem Orte ganz im ganzen, und ganz 
ip jedem Teile gegenwärtig, er ist, um einen terrninus der Spä- 
teren zu gebrauchen, definitive im Räume *). Indem der Sen- 
tenziarier in diesem Punkte den Ausführungen des Viktoriners 
Hugo 4 ) nachgeht, stellt er eine Lehre auf, die noch heute in 
der katholischen Theologie in voller Geltung steht. Daher 
wäre es ungerechtfertigt, ihn hier mit Stillschweigen zu über- 
gehen. 



', Siehe p. 71 Arno. 1 und sie et non cap. 44 Mign« 178 p. 1406 B. 

1 de div. quaest. 88 q. 20 Migne 40, 15. efr. Hugo Vict. de aaer. I ps. 3 
cap. 18 Migne 176 p. 224 B. Man beachte die Wort« des Aristotelikere 
Joh. v. Damaskus, de tid. orthod. I, 13 Migne 94 p. 850 C: Locus corporeaa 
est terrninus continentis, quo conti tietur id quod oontinetur. 

a ) aent. I, 37, 9. Spiritus vero creatus quodammodo est localis, qno- 
danimodo non est localis. Localis quidem dicitur, quia definitione loci termi- 
natur, quoniam cum alicnbi praesens sit totus, alibi non invenitur. Non 
antem ita localis est, ut dimensionem capiens dietantiam in loco faetat. 

') de sacr. I pars 8 cap. 18 Migne 176 p 224 B ff. Übrigens ist die 
ganze Lehre bereits bei Augustinus grundgelegt, der von der geistigen Men- 
schenseele die gleichen Eigenschaften aussagt. Siehe unten p. 92 f. 



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Zeit und Ewigkeit. 73 

Zeit und Ewigkeit. 

Nicht weniger interessant als die Äugerungen über den 
Raum sind jene über die Zeit. Augustinus giebt in seinen Be- 
kenntnissen ') an, nur dort sei Zeit, wo Gegenwärtiges zu Ver- 
gangenem, Zukünftiges zu Gegenwärtigem werde. Gäbe es 
nichts, das verginge, so gäbe es auch keine reale Vergangenheit, 
gäbe es nichts, das erst herankommen müsse, so gäbe es keine 
Zukunft, und existierte jetzt überhaupt nichts, so wäre auch 
eine Gegenwart unmöglich. Es beruht ihm also die Zeit auf 
der Bewegung oder Veränderung. Dieselben Gedanken keh- 
ren bei unserem Magister wieder. Die Zeit wälzt sich nach 
ihm dahin im kontinuierlichen Nacheinander ihrer Momente -). 
Nur da kann von Zeit die Rede sein, wo es ein Früher oder 
Später giebt :l }. Ein Ding, das eine Folge von Zuständen hat, 
untersteht gerade deshalb der Zeit, weil es dein Wandel unter- 
worfen ist 4 ). Abgesehen von dieser mehr begrifflichen Fest- 
legung der Zeit finden wir auch eine Stelle, welche uns auf den 
Maßstab hinweist, nach dem wir die Vorgänge hinsichtlich ihrer 
Dauer bemessen. Es ist dies der Lauf der Gestirne. „Denn 
die Zeit ist bedingt einmal durch die Veränderungen in den 
Dingen, dann aber auch durch den regelmäßigen Lauf der 
Sterne", sagt uns der Lombarde s ) in Übereinstimmung mit 

') XI, 14, 17 Migne 32 p. 816: Quid est ergo tempus? Si nemo ex 
me qnserat, scio; si quserenti explicare vetim, nescio: fidenter tarnen dico 
»cire me, quod ai nihil praeteriret, non esset praetorium tempus; et si nihil 
ndveniret, non esset futurum tempus, et .ii nihil esset, non esset prae- 
sens tempus. 

') in pe. 9, 5 Migne 191 p. 132 B: .Saeculiuu" praesens est, quod 
volvitur vicissituiiine temporam sibi suocedentium. cfr. Caesiodor. zur selben 
Stelle Higne 70 p. 81 C: Istud saeculnm sibi redeundo euccedit et tem- 
poribus exemplis annuis revolutionibus iteratur. 

') eent. I, 12, 5: Sed nulla ibi (in deo) tempore cogiteutur, quae habent 
prius et posterius, cfr. August, de trinit. XV, 26, 47 Migne 42 p. 1094. 

') sent. I, 37, 10: Mutnri autem per tempus est variari seeundum qua- 

litates, quae sunt in ipea re, qnae mutatur Haec enim mutatio, quae 

fit seeundum tempus, varintio est qualitatnm .... et ideo voeatur tempus. 
(Frei nach Aug. de trinit. VI, 6, 8 Migne 42 p. 928.) 

■') in epist. ad Gal. oap. 4 Migne 192 p. 112 B: Manifestum est enim 
volumina iempornni per elementa huius mundi .... et motue atque ordinera 
siderum adminietrari. 



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74 Die Philosophie des Petnia Lombardua. 

Lanfrank ') und der durchweg geltende]] Meinung. Vergleichen 
wir diese Darlegungen mit denen der späteren Scholastiker, so 
ergiebt sich, daß sie die Grundgedanken derselben bereits 
zum Ausdruck bringen. Im Anschluß an die bekannten Erör- 
terungen des Stagiriten '-) sahen ja auch sie in der Bewegung 
die erste Voraussetzung für die Zeit, und auch sie unterschieden 
zwischen begrifflicher und gemessener oder innerer und äußerer 
Zeit *), wobei sie unter ersterer das Nacheinander von Bestimmt- 
heiten, unter letzterer die sich immer gleichbleibenden Bewe- 
gungen der Himmelskörper verstanden. 

Den Gegensatz zur Zeit bildet die Ewigkeit. Herrscht dort 
ruhelose Bewegung, so hier ewiger Stillstand. Dies sagt der 
Meister schon, wenn er mit Abaelard *), um Gottes Überzeit- 
lichkeit hervorzuheben, die Worte des Boethius 6 ) wiederholt: 
Stabilisque manens das cuncta moveri : In dauernder Ruhe be- 
wegst du das All*). Noch bestimmter aber erklären es die 
folgenden Bemerkungen. In der Zeit ist der Wechsel gege- 
ben, in der Ewigkeit Ruhe ; in der Zeit verbinden sich die 
Dinge, oder sie lösen einander ab, in der Ewigkeit aber steht 
alles stille J ). Hier zeigt sich nichts als lautere Unveränderlich- 
keit. Ist aber diese vorhanden, so fehlt die Zeit, weil ihre Vor- 
aussetzung, der Wandel, fehlt n ). Petrus stutzt sich also mit 
seinen Ausfuhrungen zunächst auf Boethius. Ob aber dieser 
den Anspruch auf Selbständigkeit erheben kann, ist wohl mehr 



") in epist. ad Gal. cap. 4 Iran. 17 Migne 150 p. 276. 

•) phya. IV, 11 p. 219 h, 1; 220 a, 24. 

*) cfr. Suarez, metaph. disp. 50 sect. 10; Thomas Aqu. a. theol. pa. 1 
q. 66 a 4. 

') inlrod. ad theo] I, 17; theo), ehriat. I Migne 178 p. 101&^C; 1046 D; 
cfr. auch (peeudo-) Hugo Vict. de anima IV, 2 Migne 177 p. 171 C. 

») de consol. philo«. III metr. 9 p. 70, 103 edit. Peiper. 

°) in pa. 5, 4 Migne 191 p. 96 D: „Et video" i. e. aciam „qnoniam tu 
es proprio* qui atabilis manens das cuncta moveri. 

T ) in epist. ad Hohe. I Migne 192 p. 403 B; 413 D: In aeternitate 
enim atabilitaa est, in tempore autem varietaa; in aeternitate orania staut, 
in tempore alia accedunt, alia snccedunt. cfr. Abaelard, theol. ehriat. IV 
Migne 178 p. 1296 D; cfr. in pa. 9, 5 Migne 191 p. 132: „Saeculam aaecuti* 
eat aeteraum quod in incommutabili aeternitate conaistit. 

") Siehe unt«n. 



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Koamologiaches. 75 

als zweifelhaft. Verschiedene Stellen bei Augustin zeigen zu 
große Ähnlichkeit mit ihm, als daß sie den Gedanken einer 
Abh&ngigkeit von gemeinschaftlicher Quelle nicht nahelegten '). 
Int Ganzen bietet nun liier der Sentenziarier, was nach- 
her das dreizehnte Jahrhundert verfochten hat. Thomas von 
Aquin z. B. vertritt in seiner Summa die nämlichen Grundsätze, 
nur dag er sie eingehender erläutert und ihren Ursachen näher 
nachgeht. Wir müssen demnach zugeben, daß Petrus in diesem 
Teile die aristotelische Scholastik mächtig fördern konnte. 

Kosmologisches. 

Konuten die bisherigen Resultate im Durchschnitt nur aus 
gelegentlich hingeworfenen, manchmal höchst fragmentarischen 
Äußerungen des Sentenziariers gewonnen werden, so gestaltet 
sicli die Lage für die in der Folge zu behandelnden Lehrpunkte 
bedeutend besser. Zwar müssen wir auch hier eine Reihe ein- 
schneidender Fragen vermissen und uns nur mit der Darlegung 
einiger Hauptpunkte begnügen, aber die Anschauungen, die wir 
hier treffen, sind eingehender begründet und durchsichtiger 
erörtert. 

Den Ausgangspunkt für die ganze naturphilosophische, 
speziell kosmologische Besprechung bildet für den Lombarden 
selbstverständlich das Dogma der Weltschöpfung. In sonder- 
barer Vermengung historischer Erinnerungen führt er uns vor 
allem vor, daß Gott aus nichts die letzten Bestandteile der 
Dinge ins Dasein gerufen habe- Von ihm hätten Zeit und 
Körper und Geist ihr Sein. Er sei das erste und einzige Prinzip 
all der Formen und Bewegungen, die uns im Universum er- 
freuten. Es gebe nicht drei Urgründe, wie Plato wolle, näm- 
lich Gott, die vorbildliche Idee und die Materie, wobei Gott 
nur die Rolle eines Künstlers zu spielen hätte, der die beiden 
anderen Elemente in ein harmonisches Ganze vereinigte. Mo- 
ses weise ja gleich zu Beginn seines Schöpl'nngsberichtes eine 
solche Annahme zurück 2 ). Der Magister verficht demnach in 

') Einige l'nrslleMalleji werden wir später bei Uuttealehre geben, wo 
hin sie wegen ihres Inhaltes gehören. 

-) senk II, 1, 1: Creationem remm iiiaiminos scriptur» deum esse cre»- 



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76 Die Philosophie des Petrus Lombard as. 

der entschiedensten Sprache die biblische Lehre, aber seine 
Worte sind nicht der Ausdruck eigener Geistesthätigkeit, da er 
nur das wiederholt, was Beda '), Strabo *) und Hugo von 
St. Viktor il ) in der nämlichen Weise aussprachen , als sie 
hierin gegen den sonst verehrten Griechen in die Schranken 
traten. Wie Plato hat ihm auch Aristoteles Unrecht. Materie 
und Form und ein bewegendes Prinzip können nicht als 
die ersten Ursachen der Welt betrachtet werden, denn es giebt 
nicht drei Ausgangspunkte , sondern nur einen , der iden- 
tisch mit dem Willen des einen unveränderlichen Gottes ist'). 
Natürlich steht der Meister auch mit dieser Aufstellung nicht 
allein da. Remigius von Auxerre 5 ) und Rhabanus Maurus 6 ) 
gebrauchen fast dieselben Worte. Sie aber entlehnen ihre An- 

torem initiumque tamporis atqiie omnium visibiÜum vel inviaibilinm creatura- 
rum in primuidiu sui ostendit dicena (genes 1, 1): In principio creavit deus 
caelum et terram. Hie enim verbis Moyses ... in uno principio s deo creatore 
mundum factum refert elidens errorem quoruDdam pluni sine principio fuisse 
principia opinanlium, Plato namque tria in i tili existimavit denm seil, exem- 
ptar et materiam et ipsam increatam sine principio et denm quasi artificem 
nun creatorem. 

'I Die Worte hia .bis vorbia* stummen aus Beda, in hexaem. Migne 
91 p. 13 A. 

*) Die Worte von hia verbis an sind aus Strabo, Protbem. in (iloss. 
Migne 113 p. 64 A. Von , Plato namqne tria et«.* an cfr. auch Gbalcidius, 
cumm. in Tim. n. 307 edit. Wrobel p. 835 ff. und für die doxographiache 
Überlieferung Baeuraker, Problem d. Mat. in d. grieeta. Phil. Münster 1890 p. 114. 

°) sent. II, 1; de aacr. I ps. 1 cap. 1 Migne 176 p. 79 C; 187 A: 
Philosoph) gentilium tria quaedam rerum principia aine principio posuerunt; 
opifleem, materiam et formam, profitentes ea quae facta sunt omnia ez ma- 
teria quidrnn in formam per opificem ease producta. Sed iftti factorem solum, 
uon creatorem deum professi sunt. cfr. Joannes Saresb. metalog. IV, 85 
Migne 199 p. 938 C; Otto Frising., gest. Friderici imp. I, 5 edit. Waitz p. 18. 

') sent. II, 1, 2: Ex dei voluntate nova habent esse »ine mutationa 
auctoris qui est nnum et aolum et omnium prineipium. Aristoteles vero 
posuit principia seil, materiam et speciero et tertium operatorium dictum. 

') in bei. Migne )31 p. 53 D. 

*) in hex. Migne 107 p. 443 A. cfr. Petras Comestor. bistor. schal. 
üb. gen. cap. 1 Migne 198 p. 1055 C: Cum vero dixit Moyses „creavit", 
triam errores elidit, Piatonis, Aristotelis et Epicuri. Plato dixit tri* ntiaae 
ab aeterno, seil, deum, ideas, hyle, et in principio tempoiis de hyle mundum 
factum fuisse. Aristoteles vero duo, mundum et opificem, qui de duobua 
principüs, seil, materis et forma, oparatus est sine principio et Operator sine 
-nue 



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Kosinologisches 77 

gäbe Ambrosius '), dem berühmten Bischof von Mailand, und 
stehen so in einem charakteristischen Gegensatz zu Abaelard *), 
der den gleichen Gedanken vor allem auch durch Makrobius 3 ) 
zu stützen sucht. 

Die Welt nimmt aber nicht am göttlichen Wesen teil, sie 
mußte ja sonst, wie der Meister im wörtlichen Anschluß an 
Haimo und Cassiodor und im Einklang mit Augustin erklärt, 
mit ihm gleich ewig sein. Doch das ist sie nicht *), wenn auch 
Aristoteles meint, sie sei immer gewesen und werde auch immer 
sein B ), Es giebt also nur ein Prinzip, das immer war, das 
auch alles ins Sein rief und Schöpfer und Werkmeister zugleich 
ist. Wie sollten denn die Dinge in ihrer Endlichkeit und Be- 
schränktheit sich selber schaffen können ? Sie müßten Gott 
sein, wenn sie es zu stände bringen sollten. Schaffen, d. h. 
aus nichts hervorbringen, ist ja, so versichert uns Petrus mit 
Abaelard und Cassiodor, eine so spezifisch göttliche Thatigkeit, 
daß sie kein Anderer ausüben kann °). 

Das erste nun, was Gott schuf, ist die Urmateric. Sie 
war eine flutende Masse, ein Chaos, in dem die Elemente 
vermischt und vermengt sich um die Erde legten, ein nanien- 



.') inhexaem. I, 1 Migne 14 p. 129: . . ,ut ... alii quoque, ut Aristoteles com 
suis dispntandum putsvit, duo priocipie ponerent, msteriam et speciem et 
tertiLm cum iis, quod operatoriam dicitnr. 

5 ) introd. ad tfaeolog. 11. 17 Migne 178 p. 1080 ff. 
a ) in aomn. &'cip. II, 4 edit. Eyssenhardt p. 471 ff. 

<) in ps. 148, 5 Migne 191 p. 1285 C: „Quin ipue dixit et facta mint* 
hoc dicit contra illos, qui dicnnt mundum deo coaeternnm. cfr. Haimo, znr 
selben Stelle Migne 116 p. 698 C: cfr. Cassiodor. in ps. 148,5; 101, 29 Migne 
70 p. 1044 A; 716 C; cfr. August, de civil, dei XI, 4, 2; XII, 10, 1 Migne 
41 p. 819, 357: Si mundum aeternum eine ullo initio et ideo nee a deo 
factum videri Volant, nimis aversi sunt a veritate. 

6 ) sent. II, 1, 2: Aristoteles vero poauit .... mundum qaoqae seniper 
esse et fuiaee. 

") sent. 11, 1, 1: Creator enim est, qui de nihilo aliquid facit. Et 
creare proprio est de nihilo aliquid facere. .... hoc nomen (seil, creator) soli 
deo proprio congruit .... Ipee est ergo creator et opifex et factor. cfr. in ps. 
148, 5 Migne 191 p. 1285 C; cfr. Abael., in hexaem. Migne 178 p. 783 D 
and 784 ß; cfr. Cassiodor. in ps. 148, 5 Migne 70 p. 1044 B: Facere enim 
possnmus etiam nos, qui creare non poasumns. Sed .... addidit (seil, creare) 
qnod erat diviuitatig proprium, quatanua sie facta anteiligeres, ut creata 
eaae sentirea. 



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78 Die Philosoph!« des Petrus Lombard us. 

loses Etwas, das jeglicher Form der jetzigen Welt entbehrte. 
Aber sie sollte die Grundlage bilden für eine weitere Aus- 
gestaltung '). 

Wieviel Zeit indes diese erforderte, war eine gewaltige 
Streitfrage. Augustin 2 ) lehrte eine simultane Schöpfung, d. Ii.. 
er meinte, dem Urstoffe seien vorn Anfang an wenigstens 
der Potenz nach alle Formen eingeschaffen gewesen, die wir 
heute sehen können. Gegen ihn erhob sich eine andere 
Richtung, welche eine successive Weiterbildung annahm. Ihr 
war es ausgemacht, daß Gott nacheinander, in Zwischenräu- 
men, der ersten Materie die Formen einsenkte. Diese Meinung 
eignete sich auch der Lombarde an. Im Laufe von sechs Tagen 
hat ihm demnach die wirre Masse des Anfangs Gliederung und 
Schmuck erhalten H ). Es ist auffallend, warum er sich hier 
wider seine sonstige Gewohnheit gegen Augustin entscheidet. 
Vermutlich ist es die große Mehrzahl der Theologen, die ihn zu 
diesem Schritte bewegt und nicht zum geringsten Teile der Um- 
stand, daß auch seine vielbenutzten Quellen: Hugo von St. Vik- 
tor *) , Abaelard 5 ) , Pullus ") und Johannes Damascenus 'J sich 
gegen den Bischof von Hippo aussprechen. Im Anschluß an 
den erwähnten Viktoriner erzahlt er nun gerade wie Beda 
und Ambrosius, Gott habe aus dem Urstoffe nach einer begrün- 
deten Ansicht zuerst einen Lichtkörper gebildet. Dieser habe 
sich dann zur Scheidung von Tag und Nacht auf der nämlichen 



') Siehe oben p. 54 ff. 

'■") de genes, ad. litt, I, 15, 29 Migne 84 p. 257: Nun quia infoiinis 
materia fontiatis rebus tempore prius est, cum sit ntrumque simul concrea- 
tnm .... fonnatum quippe cmuvit materiam. 

: ') esst. 11, 12, 2: Poatnioilum vero per intervall» sex dierum ex illa 
materia remm corporalium genera sint formsta secunduin speciee proprias. 
Quam sententiam Gregorius [moral. XXXII, 12, 16 Migne 76 p. 644 C ff.J 
Hieronymna [dem Sinne nach in epist. ad Tit. cap. 1 Migne 36 p. 550 A ff.) 
et Beda [in hexaem. I Migne 91 p. 14 D ff.) alüqoe ptores com mondän t ac 
praefernnt. Quas etiam seriptnrae geneseos .... mngts coogruere videtur, 
cfr. aent. II, 15, 5. 

') aent, III, 1 Migne 176 p. 90 A. 

■) in hexaem. Migne 178 p. 733 D ff. 

") sont. II, 1 Migne 166 p. 717 D. 

') de fide orthod. II, 5 Migne 94 p. 879 A ff. 



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Koamologisc.hes. 70 

Bahn bewegt, auf der heute die Sonne wandelt »). Ober das 
spätere Geschick, dieses Körpers wagt Petrus gleich GandulP) 
nichts zu bestimmen. Es kann sein, meint er, daß er noch jetzt 
existiert und nur wegen seiner eigentümlichen Stellung zur 
Sonne rar unseren Blick verschwindet, es kann aber auch sein, 
daß aus ihm die Sonne gemacht wurde"). Am dritten Tage 
schied dann der Schöpfer die Dunstmassen, welche die Erde 
umhüllten, in zwei Regionen, in eine obere und eine untere, und 
setzte zwischen beide das Firmament. 

Hier drängte sich die Frage auf, wie dieser Vorgang zu 
fassen sei. Nach Beda ist das Firmament ein aus Wasser ge- 
bildeter Krystall von gewaltiger Festigkeit und durchsichtiger 
Klarheit, das den oberen, zu Eis erstarrten Nebeln sicheren 
Halt gewahrt *). Eine andere Auslegung sieht dagegen in ihm 
einen feurigen Körper, aus dem die Sterne werden, und läßt 
die Dünste in der oberen Region vermöge ihrer Leichtigkeit 
ähnlich wie die Wolken schweben, die von der Luft getragen 
werden 5 ). 

') seilt. II, 18, 2: Si vera corporalis fuit lax illn. quod utique probabile 
est, corpus lucidum fuissn intelligitur velut lucida nahes, quod .... factum 
est. ut lux esset et vim luoendi haberot, cum qua dies prima exorta est 
.... 3: Ibi ergo primam lucem apparuisse verisimile est, ubi sol qnotidiano 
euren circumvectus apparet, ut eodem tramite lux ciroumeurrens .... vesperam 
faceret. cfr. Hugo Vict. sent. III, 1; de *acr. 1 ps. 1 cap. 9 Migne 176 
p. 89 A; 194 B; Beda Vener. in hexaeui. Migno 9| p. IT Ä; Ambroeius, in 
hexaem. 1, 9, 38 Migne 14 p. 141 D ff. 

*) Mut II. 56 cod. Erford. opp. Bonav, edit. Ad Clar. Aq. Bd. 11 
p. 308 Anm. 1. 

'■') sent. II, 13, 6: Si Rutem quaeritur, quid de loce illa factum sit, cum 
modo non appareat, potent dici aut de ea corpus soll formatum, aut in «a 
parte caeli non esse in qua sol est; non quod ipea sit sol, sed sie ei units 
ut discemi non valeat. 

*) in hesaem. I Higne 91, 18 C: Crystallina enim lapis (Ecclee. 
43, 22) cui magna est firmitas et perspieuitas factus est. Si qn&m vorn mo- 
vet quomodo aquae naturae fiuidae et ima labiles super caelum posaunt 
consistere, de deo scriptum esse meminerit. Qui ligat aquas in nubibus 
suis .... potest (seil, dens) super caeli spliaeram non veaperali tenuitate sed 
gläciali soltditate aqnae suspendere, ne labantnr. 

'') Diese Ansicht erwähnt Augustin de gen. ad litt. II, 3, 6 Migne 34 
p. 265; cfr. II, 1, 1 p. 263. de genes, ad litt. II, 5, 9 Higne 34 p. 266 
nennt er auch die Ansicht, die spater Beda aufgriff, cfr. Hngo Vict. aent. 
III. 1 Migne 176 p. 89 B. 



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80 Die Philosophie des Petrus LomWdua. 

Schon Augustinus ') wagte es nicht, die eine der beiden 
Meinungen gänzlich zu verurteilen, und was er that, galt auch 
' der Hauptsache nach im 12. Jahrhundert noch. Hugo von 
St. Viktor«) z. B., Abaelard 3 ), Gandulf*) lassen die Frage in 
gleicher Weise offen ; um so mehr aber erst unser Sentenziarier. 
Er erwähnt beide Ansichten ■*), hilft sich aber über ein endgül- 
tiges Urteil mit den Worten hinweg, es sei belanglos, wie 
sich das verhalte , denn das wolle niemand bestreiten , da6 
Nebelmassen über dem FJrmamente lagerten *). Es ist eine 
sonderbare Erscheinung, da£ der Magister in diesen Problemen 
weniger als sonst die Zweifel zu lösen versucht. Schon zweimal 
mußten wir darauf aufmerksam machen, und nun treffen wir 
wieder den gleichen Fall. Er wirft nämlich die Frage auf, ob 
das Firmament gemeinsam mit den Gestirnen sich bewege, oder 
ob diese allein in Bewegung wären, wahrend jenes stille stehe. 
Während Robertus Pullus mit aller Entschiedenheit för das 
letztere eintritt ; ), ist er, wie Gandulf 8 ), zufrieden, beide An- 
sichten überhaupt erwAhnt zu haben"). Der Grund für diese 



') de genes, ad litt. II, 5, 9: (juoquo modo nutem et qnaelibet squae 
ibi sint, esse ibi minime dubitamus. Maior est quippe scripturae huius 
auetoritas quam mnnia humani ingenii capacitas. 

; ) Beut. 111. I Migne 176 p. 89 B: Beda dicit quod tiimamentum sit de 
aquis consolidatis quasi crystallina lapia; quod satis tirtaimilt est, cum et 
color eius indicet hoc. Quidam tarnen expositores videntnr velle, quod igneue 
natnrae sit. .... Quales sunt aquae illae (superiores seil.) nobis non est 
certum. Sed ut dieunt expositores, vel glecinliter solidatae sunt, ant vapo' 
raliter suapsnfiAe ad similitudinem vaporis, id est funii, quod verisimile est. 

J ) in hexaem. Migne 178 p. 742 AB ff.; 743 B. 

<) Gandulf sent II, 56; 57 opp. Bonav. ed Clnr. Aqu. Bd. II p. 808 n. 1. 

') Die eratere wörtlich nach Beda sent. 11, 14, 1; die letztere sent. II, 
14, 2 im Anschluß an Auguatin (siebe Anm. 1). Sie ist jedoch xu umfang- 
reich, als dafi sie citiert werden konnte. 

") sent. 11, 14, 2: Sed quoqno modo ibi sunt, ibi esse non dubitamns. 
cfr. n. 1. 

T ) sent. II, 2 Migne 186 p. 719 B. Stat ergo firniamentum, non tarnen 
stantibus stellt«, nt ait habitatio idonea sanetis. Quod fieri posse non ne- 
gat ratio. 

"J sent, II, 57: cod. Erford. opp. Bonaventura« edit. ad Clar. Aqu. 
Bd. II p. 833 Anm. 1. 

") sent. II, 14, 3. Quaeritur etiarn, si stet an noveatnr cselum. Si mo- 
vetur inquiuut, quomodn est nrmamentum? Si stat, quomolo in eo tixa 



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Koäinologiach«». 81 

Zurückhaltung im Urleil ist wohl wieder darin zu suchen, 
dal* der Bischof von Hippo ') mit seinem Beispiele voranging. 
Die übrigen kosmologischen Entwicklungen des Meisters 
sind für unsere Zwecke fast völlig belanglos. Sie wiederholen 
der Hauptsache nach nur, was Moses k\ seinem Berichte hinter- 
lassen hat. Erwähnenswert ist allenfalls die Bemerkung, die 
gesamte organische Welt, angefangen von der Pflanze bis hin- 
auf zum animal, habe ihren Ursprung aus dem Wasser ge- 
nommen und finde im Wasser ihre Nahrungsquelle *). Petrus 
steht nämlich damit in seiner Zeit fast einzig da. Nur noch 
Hugo von Bouen s ) fügt Ähnliches seiner Genesis -Erklärung 
ein. Augenscheinlich ist es wiederum Augustin 4 ) , der die- 
sen Thaiesischen s ) Gedanken übermittelt , da die Worte un- 
seres Magisters genau mit ihm übereinstimmen. Fügen wir 
dazu noch die wenig inhaltsschwere, aus Isidor von Sevilla") 
genommene Äußerung, nach den einen empfange der Mond 
sein Licht von der Sonne, nach anderen aber sei er ein selb- 
ständiger Körper 1 ), so sind die hier in Frage stehenden Er- 
örterungen des Lombarden erschöpfend wiedergegeben. Denn 
die weitere Angabe, daß in der vernunftlosen Schöpfung die 
Vierzahl herrsche"), ist völlig gleichgiltig. Es kann im besten 
Falle daran nur das merkwürdig sein, daß der Sentenziarier 



sidera circameunt? Seri ftrmomentum dici potest non propter stationein, aoii 
propter firmitatem vel tenninum aquarum intranagreaeibiiem. Öt am>m stat, 
nihil impedit moveri vel circuroire sidera. 

') de genes, ad litt II, 10, 23 Migne 84 p. 371. 

*) aeiit. II, 12, 3. Haec ergo (seil, rnateria prima) ideo dieta est aqua, 
quin omnin qaae in terra nasenntur sive animalia sive arhorea vel herbac et 
aimili* ab humore ineipiunt formari atque nntriri. 

^ in hexaem. n. 18 Migne 192 p. 1254 D: Et bene per aqoam deaignat 
corporalem materiam informera atque formabilem quia ex Immida natura 
vidomos coalcseere, augmentari. congrascere, formari omnia in terra. 

*) de genes, ad litt. I, 5, 1 Migne 34 p. 250; cfr. ChalciditiR, comm. in 
Tim. n. 280 edit. Wrobel p. 311. 

L ) Arist. metaphya. I, 3 p. 983 b, 20 ff. 

*) etymolog. III, 53 Migne 82 p. 176 A. 

7 ) in ps. 10, 3 Migne 191 p. 148 C, D. 

*) in ps. 150, 5 Migne 191 p. 1295 A. 

Beitrage III. 5. Kipenlierftr, Petrin I.umWrJu«. C ' 



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82 Die Philosophie des Petrus Lombardus. 

auch den Neu-Pythagoreismus kennt, wie ihn Apulejus ') und 

Makrobius *) verwerten. 

Petrus reproduziert also beinahe nur Augustinische Ansich- 
ten, nur daß er sich noch enger an die Bibel anschließt. Seine 
streng dogmatische Tendenz sieht von den spekulativen Fragen, 
welche seine Zeitgenossen vielfach in Atem hielten, fast ganzlich ab. 
Er kümmert sich nicht um die Schule von Chartres, in der gleich- 
zeitig mit ihm Bernhard Sylvester aus platonischen und neupytha- 
goreischen Elementen eine einflußreiche Naturphilosophie bildete, 
er kümmert sich auch nicht um die atomistischen Versuche, wie 
sie Wilhelm von Conches 8 ) nicht ohne Rücksicht auf Chalcidius, 
Ambrosius und Augustinus, aber auch auf Constantinus Africanus 
und dessen Bearbeitung Galens anstellte, und ebenso wenig macht 
er wie Thierry von Chartres einen Anlauf, die Ansicht der da- 
maligen Genesisexegese mit der des damaligen Piatonismus zu 
vereinigen. Und doch hätte . diese Arbeit seinen Bestrebungen 
nicht allzu ferne gelegen. Übergeht er aber schon diese, so 
kann es nicht überraschen, daß der bekannte Streit über das We- 
sen der Tierseele für ihn überhaupt nicht existiert. Ob Adelard 
von Batli auf Grund des Empfindungsvermögens in ihr ein im- 
materielles Princip sieht 4 ), oder ob sein eigener Lehrer Abae- 
lard s ) in ihr nur ein feines, stoffliches Element erkennt, läßt ihn 
durchaus unberührt"). Er verliert auch kein Wort über die 
Meinung, welche f.. B. derselbe Lehrer *) und mit ihm Wilhelm 



') de dogm. Plutonis I, 7 edit. Goldbacher p. 68, 21 ff. 

') in somit. Scip. I, 6 edit. Eyssenhardt, Leipzig 1868 p. 490. 

') Siehe oben p. 56 ff. 

') Quaestiones naturales cap. 13, Inkunabel druck der Münchener Staats- 
bibliothek: Sed enin) nostrae quidem aetatis hominibus ambignum est ut vul- 
gus de negatioue [der Immaterialität) non dubitat, ita philosophis affirmatio 
certa est. Im Folgenden fahrt er dann seine angegebene Anschauung durch. 

■'} in hexaem. Migue 178 p. 749 A ff; 756 C spricht er der Pflanzen- 
seele die Immaterialitat ah; p. 759 D heißt es dann von der Tierseele: Sed 
postmodum haec dominus consumando fecit quasi perfecit vitalem spiritum 
eis dando de aqua, nt nonnullis videtur, aive de ceteris dementia non ita 
corpulentis aut gravibus, sed magis levibus atque mobilibus. 

'') Denn der oben p. 81 angeführten Bemerkung kann keine Bedeutung 
beigemessen werden. Sie geht, genau betrachtet, auf unsere Frage gar 

* ') introd. ad theo!. I, 16 Migne 178 p. 1009 C ff. 



Digltlzed byVjOOQlC 



Stellung des Meiiaclian im Universum. 88 

von Conches l ) über das Wesen der Natur und deren Kräfte 
hegten; ihm genügt es, das Dogma der Weltschöpfung zur 
Kenntnis gebracht und in allgemeinen Umrissen entwickelt zu 
haben. Was außerhalb der Kirchenlehre ist, liegt abseits von 
seinem Wege, und er widmet ihm fast keinen Blick. Daher ist 
auch hier seine Bedeutung eine äußerst geringe, da er in keiner 
Hinsicht mit Kraft und Geschick in den Kampf der Schulansich- 
ten eingriff. 

Stellung des Menschen im Universum. 

Die Welt, sagt Hugo von St. Viktor *), ist um des Men- 
schen willen gemacht, damit er sie beherrsche und besitze. Er 
ist das Endziel aller Dinge, die ihm huldigend ihre Dienste 
schenken müssen. Aber er ist nicht der absolute Herr der 
Schöpfung, denn er selber schuldet Gott Gehorsam und Unter- 
würfigkeit, freilich nicht, um dessen Macht und Ehre zu steigern, 
sondern nur, um selber wieder von der ewigen Güte den höch- 
sten Lohn zu erhalten. Die Gedanken, die hier der Viktoriner 
bietet, hat sich unser Meister aufs genaueste angeeignet. 
Mit den Worten dieses großen Scholastikers weist auch er auf 
die zentrale Stellung des Menschen und auf dessen Würde hin. 
Der Mensch ist ihm in die Mitte zwischen Gott und die Welt 
gestellt. Als Herr der Kreaturen kann er deren Dienste ver- 
langen, muß aber in gleicher Weise dem Allmächtigen dienen. 
Doch dieser Dienst soll ihm zum eigenen Vorteil sein. Denn er, 
der keiner fremden Hilfe bedarf, fordert seinen Gehorsam nur, 
damit der Mensch sich selber die Glückseligkeit verschaffe, damit 
er alle Güter, die der Welt und die des Himmels, in sich aufneh- 
men könne' 1 ). Gott,ist demnach sein höchstes Ziel. Gleich Abae- 

') elem. phil. I Migae 90 p. 1180 C ff.; Abälard wie Wilhelm nehmen 
auf die platonische Weltseele bezug. cfr. Bnumgartner, Alarms, Beitrüge 11,4 
p. 80 ff, 

') de sacr. I ps. [I cap. 1 Migne 177 p. 205 B ff. 

") sent. II, 1, 7: Factus ergo .... homo propter deum dicitur esse, 
non quia creator deus et summe beatoa alterutrius indiguerit officio .... sed 
ut serviret ei ao fraeretnr .... in hoc ergo proficit aerviens, non ille cui aer- 
vitttr. S: Et sicnt factus est homo propter deum i. e. ut ei serviret, ita 
mundo» f actus est propter hominein, ac.il. ut ei serviret. Poaitus est ergo 

6* 



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84 Die Philosophie des Petnu Lombardus. 

lard '), Beda dem Ehrwürdigen *), Kassiodor B ) und Augustinus ') 
sieht der Lombarde dies schon in der Gestalt des Menschen an- 
gedeutet 5 ). Wie die Seele aus der Sinnlichkeit und der irdi- 
schen Sorge sich zum Ewigen aufschwingt, so richtet auch der 
Leib sich auf, um anzuzeigen, da£ seine Seele nicht auf der 
Erde, sondern über den Sternen ihr Ziel habe. Noch mehr 
kommt die Stellung des Menschen Gott gegenüber zum Ausdruck 
in seinem Intellekte, durch den er das Ebenbild des Höchsten 
ist, dazu bestimmt, ihn einst in unvergänglicher, überreicher 
Herrlichkeit zu schauen B ). Mystik und Offenbarung müssen also 
ihre Beiträge liefern, um seine Hoheit hervorzuheben. Der 
eigentümliche Zug, der durch die ganze Viktorinersehulc geht, 



horao in medio ut et ei eerviretur et ipse serviret; nt aeeiperet utruroque 
et reflneret totum ad bonum hominis et quod aeeepit obsequium et quod im- 
pendit .... 

') in heuern. Higne 178 p. 775 B: Vocatur enim ärdqioain ab eo 
quod Buprema speetari et sd caelestia contuenda debeat mentia oculos attollere. 

*) in hexaem. I Migne 91 p. 28 C D: Quamquain et ipse in corpore 
habeat quandam proprietatom quae hoc indicet, quod ereeta atatura est factus, 
ut hoc ipso admoneretur, non aibi terrena esBe seetanda, volut pecoribua, quu- 
rum voluptoa omnia ex terra est) unda in nltum euneta prona atqne prustrata 
sunt, iuita quod quidam poBtarum pulchemme ac verisHime dicit: 
Pronaque cum apectent animalia caetera terram, 
Os ho mini anblime dedit, caelumque videre 
Iusait et erectoa ad aidera tollere vultus. (Ovid. Metam. 1, 84— 8C.) 

:l ) de anima, cap. 9 Migne 70 p. 1295 A; cfr. Rhabanna Maurus, i)c 
Univ. II, 1 Migne 110 p. 139 A. 

') de gen. contra Manich. 1, 17, 27 Migne 34 p. 187: Omnium enim 
aniraaliam corpora .... inclinata sunt ad terram et non annt ereeta sient 
hominis corpus. Quo significatur etiam animnm nostrum in superna sua, i. e. 
in aeterna apiritualia erectum esse debere. cfr. de gen. ad litt. VI, 12, 22 
Migne 34 p. 818. 

*) ssnt. II, 16, 5: Ecce ostensum est, seenndum quid sit homo similis 
dei . . . . Sed in corpore quandam Proprietäten) habet quae haec indieat, 
quia est ereeta atatura seeundum quam corpus animae rational i congmit, quia 
in caelum erectum est. 

°) seilt. II, 39, 1: Haec est imago, in qua homines sunt creati, qua 
caeteris animalibus praesunt: quae creatura in rebus creatis esceDentisairna . . , # 
a defonni forma in foraiosam mutatur formam .... Haec au tarn imago 
ratio est vel intellectne. cfr. August, de trioit. XV, 8, 14 Migne 42 p. 1062; 
cfr. in ps. 4, 7 Migne 191 p. 88 A; Hugo Viel, sent. III, 2; de sacr. I ps. 6 
cap. 2 Migne 176 p. 91 B; 264 C; cfr. Beda Ven. in hexaem. I Migne 91 
p. 31 A; Augast. de gen. od litt. I, 17, 28; Migne 34 p. 186. 



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Stellung des Menschen im Universum. 85 

im Gefühle sich in alles zu versenken und dabei doch den 
festen dogmatischen Boden nicht zu verlieren, kommt auch 
beim Lombarden zur vollen Geltung. Wie jene, so übergehl 
indes auch er die Betrachtungen nicht, welche auf dem Ge- 
biete der natürlichen Erkenntnis bleiben. 

Unter den drei Hauptgruppen der Schöpfung bildet der 
Mensch die mittlere. Weniger als der reine Geist, steht er doch 
über allen vernunftlosen Wesen '), nicht als ob dabei eine starke 
Scheidewand zwischen ihn und diese Glieder gestellt wäre, im 
Gegenteile, er soll das Bindeglied zwischen ihnen sein und mit 
jedem einen Teil gemeinsam haben. Daher spiegelt sich in ihm 
der ganze Kosmos wieder. Er teilt mit jedem Wesen eine ge- 
wisse Bestimmtheit, so daß alle an ihm und er selber an allen 
Teil hat. Er ist die Kreatur schlechthin -). Denn er begreift 
wie ein Engel, er fühlt wie ein Tier, er ist räumlich wie jeder 
Körper und bewegt sich auch räumlich wie alles Sichtbare s ). 
Was also die Glosse *)i was Wilhelm von Hirsau 5 ) und andere 
nach dem Vorgange Gregors des Großen*) aufgestellt haben, 
giebt auch unser Magister wieder zum Besten. Ob er aller- 
dings zunächst auf ihnen fußt, läßt sich nicht feststellen. Ver- 
mutlich entlehnt er seine Angabe dem Bischof von Üippo r ), 



') sent. II, 1, 11: Primo de rationali et spiritusli i. e. ile angelis 
agendum videtnr, ut a contuitu creatoris ad Cognitionen! creaturae digniorie 
ratio nostra jntendat, deinde ad uonsiderationeni corporeae tarn illius quae est 
rationalis quam illius quae nou est rationalis deacendat cfr. Hugo Vict. de 
sacr. I pa. 4 cap. 26 Migne 176 p. 246 C; cfr. Joan. Dam. de fide orth. 
II, 12 Migne 94 p. 926 0. 

'-') seilt. I, 8, 1; in epist. ad Rom. Migne 191 p. 1327 B: Per .creatu- 
ram mundi* intelligitur faomo propter excellentinm, qua escellit inter alias 
creaturas. 

*) in epist. ad Rom. I, 20 Mignu 191 p. 1327 C: Est eniin (seil, homo) 
localiter in loco ut qnodlibet corpus, sentit cum animalibue, intelligit cum 
angelis; cfr. cap. 8 p. 1444 AB, wo auch das Moment der räumlichen Be- 
wegung angeführt ist 

') gloss. ord. in epist. ad Rom. 1, 20. 

') praefat. in Astronom. Migne 150 p. 1641 BD. — Über diese Schrift 
des Wilhelm von Hirsau vgl. R. StOlile, Katholik N. F. 60. Maine 1888 
p. 401—417 

*) in evang. homil. 29 Migne 76 p. 1214 A B. 

') de dir. quaest. 83 qu 67 n. 5 Migne 40 p. 67: Omnia creatura in 
homine numerntur, non quod in co sint omnes angeli .... mit caelum st 



3i S itiz e dby Google 



86 Die Philosophie des Petrus Lombard hb. 

dem sie auch die anderen entnehmen. Es bringt übrigens der 
Seßtenziarier mit diesen Darlegungen die gleichen Gedanken, 
wie etwa Honorius von Antun '), Wilhelm von St. Thierry s ), 
Isidor von Sevilla 3 ), welche im platonischen Geiste den Men- 
schen den „Mikrokosmos" heißen. Es fehlt bei ihm zwar der 
Name, aber er hat die nämlichen Erwägungen, die jene leiteten. 
Diese Stellung des Menschen im Universum veranlaßt nun 
Petrus, auf die neu-pythagoreische Zahlenspekulation zurückzu- 
greifen. Darnach findet auf den Menschen die Siebenzahl ihre 
Anwendung. Als die Summe von drei und vier ist sie besonders 
geeignet, sein ganzes Wesen darzuthun. Im Ternar, in der 
Dreizahl, sind die drei Grundkräfte der Seele, nämlich die ra- 
tionabilitas, iraseibilitas und coneupiscentia, symbolisch gegeben, 
im Quaternar aber, in der Vierzahl, die vier Grundstoffe mit 
den entsprechenden Eigenschaften : warm und kalt, trocken und 
feucht, 'welche in seinem Körper ebenso wie in der übrigen 
materiellen Welt vorkommen *). Auch mit dieser Reproduk- 
tion einer früheren Anschauung steht Petrus vollständig auf 
dein Boden seiner Zeit i ). Für unseren Meister war es dabei wie 



terra et omnia quae in eis sunt, aed quin oranis crentura partim spiritualia «st 
partim anirnalis partim corporalia .... omnis creatnra in homino est, quia et 
intelligii epiritu et sentit anima et totalitär corpore movetar. . . . 

') de imag. mundi I, 82 Migne 172 p. 140 CD. 

") de natura corp. et animae I Migne 180 p. 698 C. 

*) seilt, 1, 8. 1 Migne 83; cfr. Macrobius, saturn. II, 12 edit. Eyssen- 
hardt p. 614; Papiaa, vocab. ad verb. microcosmus, Inkunabeldnick der Mön- 
chener Staatsbibliothek, fol. 103 Vened. 1496; [pseudo-] Hugo Vict. de medi- 
ana animae 1 Migne 176 p. 1183 C. 

*) in pa. 150, 5 Migne 191 p. 1295 A: Septenarius vero, qui constat 
ex tribus et quatuor (seil, referturl ad duplicem hominis naturam qui constat 
ex anima et corpore. Ad aniintim pertinet ternarius propter triplicem vim 
animae; quatemarius pertinet ad corpus propter quatuor elementa. cfr. in 
ps. 6 Migne 191 p. 103 C: Ad corpus autem pertinet quaternarins, quia con- 
stat ex quatuor elementis et quatuor qualitatibus afneitur scilieet sicca, 
humida, calida, frigida et quatuor temporibus administratnr, vero, aestate, 
autumno, hieme; ad animam vero pertinet ternarius propter triplicem vim 
animae quae est rationalia, irascibilis, concupiscibilis. 

*) cfr. Hogo Vict. traditio didaec. cap. 5 Migne 176 p. 754 AD, wobei 
er allerdings bedeutend tiefer in die Zahlenmystik eindringt und sie auch 
ausführlicher behandelt cfr. Honorius Augustod. de imag. mundi I, 82 
Migne 172 p, 140 CD: Sicut enim hie mundus Septem tonis et noetra mwica 



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Psychologie. 87 

sonst Augustinus '), der seinen Einfluß geltend machte. Inhalt- 
lieh allerdings sind diese Erinnerungen höchst bedeutungslos. 
Doch hierüber dürfen wir den Grundgedanken des Ganzen nicht 
übersehen, den auch wir noch anerkennen: der Mensch ist die 
Krone der Schöpfung, die Welt im Kleinen, für ihn ist zunächst 
' alles gemacht. 



III. Psychologie. 

Die psychologischen Bestrebungen, die unser modernes Den- 
ken kennzeichnen, liegen der Scholastik des zwölften Jahrhun- 
derts völlig ferne. Kein Meister von damals verfährt nach dem 
Grundsatze, nur Thatsachen anzuerkennen. Zwar versuchten 
einige Männer, z. B. Hugo von St. Viktor, Wilhelm von Con- 
ches, Isaak von Stella, ihr Forschen auch empirischen Problemen 
zuzuwenden, sie kamen indes nur wenig über die Resultate hin- 
aus, welche bereits Augustin kannte. Das Selbständige aber, 
das sie dadurch boten, daß sie auch auf die körperliche Kon- 
stitution des Menschen Rücksicht nahmen, war nur insofern 
wertvoll, als es einen Anlauf zu neuer Betrachtungsweise be- 
deutete. Die Mehrzahl der Lehrer verweilte fast ausschließlich 
bei metaphysischer Denkarbeit. Die Fragen nach der Unsterb- 
lichkeit der Seele, nach ihrem Wesen und Ursprung nahmen sie 
nach dem Geständnis des genannten Viktoriners 2 ) gänzlich in 
Anspruch. Dabei ruhten sie der Hauptsache nach auf Augustin, 
Kassiodor und auch auf Kassian, der vor allem bei Alkuin und 



Septem vocibus dtstinguitur, sie compago noslri corporis Septem modis con- 
iungitur, dum corpus qnatuor dementia, anima tribua viribus copulatnr, quae 
Mnsicn arte naturaliter reconcüiatur. cfr. Wilhelm von St Thierry , bei Werner. 
Entwickl. der mittelalt. Psychologie, Sitzungsber. der k. k. Akademie der 
Wiss. philo«. Abteilang, Wien 1876 Band 25 p. 90 ff; cfr. Rhabanus Haurus, 
de univerao VI, 1 Migne 110 p. 142 B; Macrobius, in soinn. Scip. 1.6 edit. 
Eyssenhardt p. 493. 

') in ps. 6 n. 2 Migne 36 p. 91; de div. quaeat. 83 q. 57 n. 3 Migne 
40 p. 41. 

*) de ancratn. 1 ps. G c. 3 Migne 176 p. 264 D: Quaeruntur autem 
quam plurima de origine animae, quando creata fuit et unde creata fuit et 
qiiülis creata fuit. cir. August, du quant, animae 1. 1 Migne 32 p. 1035. 



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88 Die Philosophie des Petrus Loinbardus. 

[{Imbun seinen Einfluß hatte. Zu dieser Richtung gehört auch 
unser Sentenziarier. Er interessiert sich für das Wesen der 
Seele, ffir ihre Eigenschaften und ihr Entstehen, aber die Er- 
fahrung läßt er aus dem Auge. Was ihn vielleicht noch beson- 
ders charakterisiert, ist der Umstand, daß er mehr als die an- 
deren auf dein großen Afrikaner seine Darlegungen aufbaut. 

Seelenvermögen. 

Johann von Salisbury ') berichtet uns von zwei Ansichten 
über das Verhältnis der Seele zu ihren Vermögen, die zu seiner Zeit in 
der Gelehrtenwelt verbreitet waren. Während nämlich die einen 
daran festhielten, daß es nur feine einzige Kraft in der Seele gebe, 
mit der sie denke, fühle und vorstelle, behaupteten die anderen 
eine Vielheit von Potenzen. Diesen Zwiespalt scheint auch 
schon Hugo von St. Viktor *) gekannt zu haben. Doch stand er 
damals noch sehr im Hintergrunde, denn die Scholastiker ver- 
traten fast ausnahmslos jene Meinung, die Augustin verfochten 
hatte. Rhabanus Maurus *), Wilhelm von St. Thierry 4 ) sind 
unter anderen ; ) dafür die sprechendsten Beispiele. Mit ■ ihnen 
hielt es auch der Lombarde. Demnach existieren ihm die Ver- 

') metolog. IV, 9 Migne 199 p. 922 A: Recolo enim faisae philosophos, 
quibas placuit, sicut incorporeani simplicem et individuam esse aubstantiain 
ftnimae, ita et iinam esse potentiam, quam multipliciter pro rerum diversitate 
exercet. Eorum ergo Opioid est, quod eadem potentia nunc sentiat, nunc 
memoretur, nunc imaginetur; nunc discernat investigando nunc mvestigatu 
assequendo intellignt. Sed plures sunt e contrario aentientes animain qnidem 
quaatitate airaplicem, sed qualitatibas compoaitam et sicut multia obnoxiani 
passionibus, sie multis potentiis utuntem 

*) apeculumecclesia« cap. 9 Migne 177 p. 377 D: Es hoc enim sensu 
haei: tria (seil, mens, intellectiiä, amor) unum dieuntur, quin seenndum Au 
gustinnm substantialiter existunt in anima, non tamquam in subiecto, ut 
oolor in corpore. Die Einschaltang „seeundum Angustinum' wiire in einem 
anderen Sinne schwer zu erklären. Man könnte annehmen, Hugo habe damit 
seine Angaben noch durch die Autorität erhärten wollen, doch wftre bei ihm 
ein A uteri tätabe weis in dieser Fassung eine Seltenheit. 

*) de univ. mundi VI. 1 Migne 110 p. 141 AB ff. 

*) de natura corp. et an. Migne 180 p. 720 B ff. 

'') cfr. Papias, Erkl. zum Worte mens, Inkunabel-Druck der Manch. 
StaatebiU. fol. IUI; t'land. Mam. de statu animae 111, 16, 3-5 edit. Engel- 
brecht p. 186. 



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Seelen vermögen. 89 

mögen nicht accidentaliter sondern mlistantialiter in der Seele, 
d. h. sie fallen mit ihr real in eins zusammen und bilden nur 
den Ausdruck für verschiedene Thätigkeitsweisen derselben. 
Würden sie accidentell in ihr bestehen, so könnten sie fehlen 
oder vorhanden sein, ohne daß ihr Träger darüber wesentlich 
geändert würde. Doch das sei hier unmöglich, denn eine Psyche 
ohne Wille und Verstand könne es niemals geben *). 

Von diesem Standpunkte aus müssen nun auch die Ein- 
teilungsversuche beurteilt werden, welche Petrus hinsichtlich 
dieser Vermögen macht. Er redet zunächst von drei Grund- 
kräften der Seele, von einer rationabilitas, irascibilitas und con- 
cupiscentia -), lätH sich aber auf eine Besprechung derselben 
nicht ein. Offenbar geht er damit ähnlich wie Isaak von Stella 8 ) 
auf die bekannte platonische Trichotomie zurück, wie er sie bei 
Ghalcidius*) und Apulejus*) treffen konnte. Er giebt uns ferner 
mit Augustin an zerstreuten Stellen eine Reihe von Potenzen 
an, die im Grunde auch in der späteren Schrift de spiritu et 
anima '') zu finden sind. So spricht er von einem sensus, der 
sich in der Wahrnehmung bethätigt, von einem sinnlichen Be- 
gehrungsvermögen ? ), von einer imaginatio, die er der Einbil- 
dungskraft gleichsetzt, endlich auch von einer memoria, der es 
eigentümlich ist, einmal empfangene Eindrücke zu behalten und 



') seilt. 1, 3, 12: Uta tri«, (»eil. memoria etc.) naturales proprietates aeu 
vires saut ipsius mentis .... (14:) ideo seil, quia in ipaa anima vel mente 
substantiell tei 1 existunt non aicut aeeidentia in subiectia quae posaunt adesse 
vel abesse. Unde Augustinus [de trinit. IX, 4, 4; Migne 42 p. 963J: Admo- 
nemur, ei uteunque videre possumus haec in nnimu existerc substantinliter, 
non tamquam in aubiecto nt colur in corpore; quia etsi relative dieuntur ad 
invicem, singula tarnen snbstantialiter sunt in substantia sua. 

*} Siehe oben p. 86. 

<■) Werner, Entwicklung der mittelalterl. Paychol. etc. Bd. 25 p. 04. 

') eomm. in Tim. n. 229-38 edit. Wrobel p. 266. 

'') de dogm. Plat. 1, 13, 8 edit. Goldbacher p. 74 ff.; p. 79. 

') cap. 4 Migne 40 p. 782: Wenn die Schrift von Spateren, t. B. von 
Alaons, Augustin fälschlich erweise zugeschrieben wurde, so kann uns das 
nicht überraschen, da sie vielfach nur Auszüge aus diesem Kirchenvater 
bietet. 

■) sent. II, 24,6, cfr. August, de trinit. XII, 12, 17 Migne 42 p. 1007; 
ueiit. 1, 3, 5, cfr. August, de civit. dei VIII, 6 Migne 41 p. 2*1; Iaidor Hisp. 
de difT. II, 26, 29 Migne 88 p 83. 



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90 Die Philosophie des Petrus Lomhardus. 

in der Erinnerung dem Bewußtsein zurückzugeben '). Die vor- 
züglichste Kraft des Menschen aber, die ihn von allen anderen 
irdischen Wesen unterscheidet, ist seine Vernunft. Ihr kommt 
die dreifache Fähigkeit zu, sich als praktisches Wissen, als Weis- 
heit und als Gewissen geltend zu machen. Als ersteres ver- 
wirft sie sich auf die moralisch richtige Verwaltung der zeit- 
lichen Dinge % als zweite dagegen versenkt sie sich in einem 
weiteren Sinne zunächst in die Kenntnis der göttlichen und 
menschlichen Dinge 3 ), in einem engeren und besseren Sinne 
aber ausschließlich in die ewigen Wahrheiten. Sie schaut als 
solche Gott in seiner Unwandelbarkeit, sie fühlt seine Nähe, 
sie spricht mit ihm und fragt ihn und glüht in heißer Liebe 
zu ihm 4 ). 

Es fragt sich indes, wie wir dieses Ziel, nach dem sich 
einst Augustin ä ) und auch die Neupythagoreer und Neupla- 
loniker in gleicher Weise sehnten : es fragt sich, wie wir 
dieses erreichen sollen. Man möchte meinen, der Lombarde 
würde, entsprechend seiner Methode, auf die Erkenntnis hin- 
weisen. Und doch ist dem nicht so. Der Einfluß des hl. Bern- 
hard, seines Gönners, und der seiner Viktoriner drängt sich hier 
mit Gewalt in den Vordergrund. Je mehr jemand liebt, sagt 

') Siehe oben p. 17 ff. 

*) Siehe im folgenden Anm. 4. 

') sunt. 111, 35, 1: Philosopbi dUput«nt«8 de supientia definierunt eam 
dicentes: Sapientia est rerum divinarnra hnmanarunique scientia. Diese be- 
kannte Definition, die auch Alkuin, dial. pa. 7 cap. 1 Migne 101 p. 952 A ; 
epist. 105 Migoe 100 p. 431 B aufgreift, nimmt der Heister aus Aug. de 
trinit. XIV, 1, 8 Migne 42 p. 1087. 

') aent. II, 24, 6: Rationia pars superior aeternia rationibus conspicien- 
dis vel oonBnlendis adhaercscit, portio inferior ad temporalia gubemanda de- 
llectitur. cfr. Aug. de trinit. XII, 7, 12; 12. 17; 4, 4; Iaidor. Hispal. de diff. 
II, 38, 147 Migne 83 p. 93; ferner in ep. I ad Cor. v. 12 Migne 191 p. 1652 C: 
Distinguo inter sapientiam et seien tiara. Sapientia est in contemplatione 
aeternorum. Et quid est in aeternis niai dona, cnius soliiu immutnbiliB est 
natura? Scientia vero est in actione temporalium. cfr. Ang. de trinit. XII, 
14, 22 Migne 42, 1009 ; Lanfr. zur selben Stelle n. 6 Migne 150 p. 196. sent III. 
35, 1 ff werden nach den gleichen Gesichtspunkten die zwei Gaben des hei- 
ligen Geistes, Weisheit und Wissenschaft, behandelt; nur daß sie dort Tu. 
genden heißen. Wie leicht ersichtlich, kann diese erkenntnistheoretiache und 
die theologische Betrachtungsweise ohne Mühe vereinigt werden. 

'"} Und mit ihm die christliche Kirche überhaupt. 



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Seelen vermögen. 91 

Petrus, desto mehr erkennt er '). Also die Mystik, der ver- 
traute Wandel mit Gott, der aus Liebe zu Gott alles irdische 
Thun vollführt, sie zeigen uns in erster Linie den Weg zum 
höchsten Ende, der Intellekt mit seinem Scharfsinn nimmt erst 
die zweite Stelle ein. Unser Lieben und unser Verstehen müssen 
aber auf ihrem Wege eine Norm haben, an die sie sich halten 
können. Daher postuliert der Magister mit Hugo von St. Viktor 
für unsere Vernunft noch eine dritte Fähigkeit, die sich im 
Gewissen ausspricht. Durch dieses kann der Mensch zwischen Gut 
und Böse unterscheiden und dann in freier Wahl sich für oder 
gegen Gott erklären 1 ). 

Ohne Mühe läßt sich jene Vierzahl der Glieder auf zwei 
Hauptgruppen reduzieren, die als sinnliches und intellektuelles 
Erkennen bezeichnet werden können. Darnach zahlen die Ver- 
mögen, die uns mit dem Tiere gemeinsam sind, zur ersten 
Gruppe, die übrigen aber, die uns von diesen wesentlich trennen, 
zur letzteren. Indem der Meister diese Zusammenfassung vor- 
nimmt"), tritt er gleich Isidor von Sevilla*) abermals in die 
Fußstapfen des großen Afrikaners 6 ). Das Gleiche trifft dann 
auch zu, wenn er die gewöhnliche Einteilung der Seelen- 
kräfte in memoria, intellectus und voluntas aufgreift und ver- 
wertet "). 

') aent. II, 9, 4: Sed qui magia diligit, plus cognoscit. cfr. Hugo 
Vict. seilt. II, 5 MigDe 17G p. »6 B; cfr. Albert Liubucr, Hugo v. St. Vict. 
und die theo). Rieht, seiner Zeit, Leipzig 1832 p. 261 ff. Da, wo dieser Autor 
(a. a. O. p. 125 ff.) das Wesen der Mystik schildert, ist er völlig auf fal- 
scher Fährte. 

') seilt. II, 24, 5, 7: lila ergo rationalis animae potentia, qua bonum 
et malum potent velle utrumque discerneus, liberum Arbitrium nuueupatur. 
(■fr. Hugo Vict. aent. III, 8 Migne 176 p. 101 D. 

') aent. II, 16, 4; 11, 24, 5, 6, 8; in ps- 4, 7 Migno 191 p. 88 A. 

') sent. I, 13, 9 Migne 83 p. 565. 

•) de trinit. XV, 7, 11; XIV, 16, 22 Migne 42 p. 1065, 1054; de online 
II, 19, 49 Migne 32 p. 1018. 

'I sent I, 3, 7, 11, cfr. Aug. de trinit. X, 12, 19 Migne 42 p. 984; 
sent. II, 16, 4, cfr. August, de quant. an. II, 3 Migne 82 p. 1087; in pa. 4, 7 
Migne 191 p. 88 B; Hugo Vict specul. ecclea. cap. 9 Migne 177 p. 377 C, 



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92 Die Philosophie des Petrus Lombardes. 

Wesen der Seele. 

Du man aus der Thätigkcltsweise eines Dinges auf sein 
Wesen zurückschließt, so reiht sich an die Abhandlung über die 
Seelenvermögen von selbst jene über deren Träger an. Als 
Theologe mußte sich unser Meister mit dieser Frage beschäftigen 
und sie wenigstens in ihren Hauptpunkten erörtern. Seine An- 
gaben können aber ihren Sentenzencharakter nicht verleugnen. 
Behauptung reiht sich an Behauptung, und nirgendwo zeigt sich 
eine Begründung. Eine zusammenhangende Darstellung ist uns 
überhaupt nicht gegönnt. Der Lombarde setzt eigentlich voraus, 
was man besprochen wissen will. Daher kommt es, daß wir 
nicht einmal eine Definition der Seele treffen, sondern nur Be- 
stimmungen, die uns an eine solche erinnern. 

Mit Abaelard '), Robertus Pullus *), Rhabanus s ) nennt 
Petrus zunächst die Seele ein Wesen, das sich der Vernunft er- 
freut, das geistig und unkörperlich ist*). Sie hat also kein 
Nebeneinander ihrer Teile. Deshalb ist sie auch ganz im ganzen 
Körper und ganz in jedem Teile desselben gegenwärtig. Wenn 
daher auch eine noch so kleine Flüche des Körpers gereizt wird, so 
empfindet doch die ganze Seele, weil sie eben in ihrer Ganzheit 
erregt wird s ). Es steht mit diesen augustinisch-plotinischen*) 



') introd. ad theot. III, 6 Migne 178 p. 1106 D: Anima qnippe spiri- 
tualis qunedain et simples esaentia est. 

*} seilt. I, 10 Migne 186 p. 690 D. 

*) de uiiina Migne 119 p. 1111 A. 

*) Bent. I, 3, 12: Mens enim i. e. Spiritus rationale eseentiii est spiri- 
tualis et incorporea. cfr. August, de essentia divinitatis Migne 42 p. 1207: 
Anima hominis ideu ad imaginem dei facta esse perhibetur, quia apiritnalis 
creatura est inviaibilis et incorporea atque iiiiuiortalis. cfr. August, de immorta 
litate animae cap. 10, 17 Migne 32 p. 1029 ff.; de quantitate animae cap. 
18, 32 Migne 32 p. 1053; de genes, ad litt. VII, 12, 18, 19; X, 24, 40 
Migne 34 p. 362, 426. 

') senk I, 8, 5 [Simplex dicitur anima] quin mole non diffunditur per 
spatium loci sed in onoqnoqne corpore et in toto tota est et in qualibet eius 
parte tota est. Et ideo cum fit aliqnid in quavis exigua particula corporis 
qnod sentiat anima, qnamvis non fiat in toto corpore, illa tarnen tota sentit 
quia totjim non latet. 

*) de trinit. VI, 6, 8 Migne 42 p.929; de quant. an. cap. 33, 70 Migne 
32 p. 1075 ff.; de immort. an. I. 16,25 Migne 32 p. 1034; cfr. Plotin, enn. 



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Wesen der Seele. 98 

Sätzen, die auch von einer Menge anderer Autoren ') benutzt 
werden, keineswegs im Widerspruch, wenn der Magister eine 
gewisse Lokalisation der Vermögen vornimmt. So sieht er mit 
dem Bischof von Hippo, mit Kassiodor und anderen die Seele 
im Haupte eine universale Thätigkeit entfalten, weil hier jeg- 
licher Sinn vertreten sei *). Mit den gleichen Autoren weiß er 
dann zu erzählen, daß sie im Blute als Lebenskraft wirke") und 
in den Nieren die Begierlichkeit fühle 1 ). Die Einfachheit der 
Seele ist indes keine absolute. Im Verhältnis zum Korper kann 
ihr mit Fug und Recht diese Eigenschaft zugesprochen werden, 
nicht aber dann, wenn sie für sich selber betrachtet wird. Sie 
ist kunstfertig oder ungeschickt, sie freut sich, oder sie trauert, 
sie ist scharfsinnig und der Erinnerung fähig, kurz, sie unter- 
liegt einer Unzahl von Qualitäten. Gerade deshalb aber ent- 
behrt sie der vollkommenen Einheit und nimmt an der Vielheit 



IV, 3, 3 edit. Volkmann, Bd. II p. 12: rj avtij siairajoC ränu >J Slrj /ila xa< 
'i oi't*/ kr xoJJloic S/ia ovaa. Daher spaltet sie sich m ihrer Thätigkeit nicht 
III Teile, intl xaX <Jj äiio tffyoi fol äi äiXo, olor öipüalfiait; ttai toeiv ov fiö- 
gutv SXXo <)'vx>}s ogäctt ÖXko de öioi littttov xagelvai (älioiv 5c tu /ingi^rtr 
o&iios) Akkä to avTO x' Sv ällij düvafi'S «* Ixaxigois &**fffff' B ' ' Y&S **" ö/io/o- 
tigais tbiooat, i<j! ii i« Sgyara iiäipoga tlrai itaipiigovf lä; äniAyipri; ylvtedtu 
etc. cfr. en. IV, 2, 1. Bd. II p. 6 Schluß 

') z. B. Cland. Main, de stat. ad. III, 16, 6; III, 2; I, 8 ed. Engel- 
brecht p. 186; 1Ö5, 67—68; RhabanuB, de an. cap. 5; de univ. VI, 1 Migne 
110 p. 1114 BC; 141 B; Abael. introd, III, 6 Migne 178 p. 1106 BC; Rob. 
Pnllua seilt. I, 10 Migne 186 p. 690 AB; Hugo Vict. eent. I, 4 Migne 176 
p. 49 D ff. 

'') in ep. ad Col. I Migne 191 p. 263 D: Sicut enim anima lotum cor- 
pus noBtrum nnimat et vivificat sed in capit« omnibns sensibus sentit — ibi 
enim omnis senouB apparet — sie . . . Caput est Christus, cfr. Aug. de ag. 
Christ. I, 20, 22 Migne 40 p. 301; Caasiod. de an. cap. 9 Migne 70 p. 1295 C; 
Rhabanus, de 'an. cap. 5 Migne HO p. 1116 A; de univ. VI, 3 Migne 110 
p. 144 B. 

") in epist. I Cor. Migne 191 p. 1552 A; aont. IV, 11, 6; Cassiod. de 
an. cap. 8 Migne 70 p. 1293 C; Rhabanus, de univ. VI, 1 Migne 110 p. 171 D; 
Hngo Vict. sent. VI, 6 Migne 176 p. 143 A. über den Ursprung u. die Ge- 
schichte dieser Ansicht cf. Schubert, Geschichte der Seele p. 37S. 

') in ps. 60, II Migne 191 p. 490 A; cf. Rhab. de univ. VI, 1 Migne 
HO p. 167 C. Plotin, enn. IV, 4, 28, edit. Volkmann Bd. II. p. 76 laßt sie 
in der Leber (die schon bei Pinto Tim. 71 D zum begehrlichen Seelenteile in 
Beziehung gesetzt wird) derartiges fühlen. 



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9+ Die Philosophie des Petrus Lombardiis 

teil '). Es ist eine gewisse Ergänzung zu dieser suis Augustin ! ) 
genommenen Bemerkung, wenn er mit dem nämlichen Kirchen- 
vater und im Einklang mit dem Viktoriner Hugo auch noch 
darauf hinweist, daß sie als geschaffener Geist der Zeit unter- 
worfen ist ■*). Trotz dieser Zusammensetzung hat sie doch keine 
räumliche Bewegung, da ihr die Grundvoraussetzung dafür, die 
Ausdehnung, fehlt. Aber sie ist definitive im Raum, d. h. an 
einen gewissen Ort gebunden, denn sie kann an zwei verschie- 
denen Plätzen nicht zugleich gegenwärtig sein '). 

Nach der relativen Einfachheit der Seele bemißt sich auch 
ihre Unsterblichkeit. Mit Augustin und Isidor ist sie ihm un- 
sterblich, weil sie keine Teile hat und deshalb auch nicht in 
Teile zerfallen kann 6 ). Indes erfreut sie sich nicht einer Un- 
sterblichkeit, wie sie Gott zukommt. Sie untersteht ja dem Ge- 
setze des Todes, insofern es in ihr Veränderungen giebt, die ein 
Untergehen begründen. Es eignet ihr also bloß die Unver- 



') seilt. 1, 8, 5: Creaturu spiritualis, ut est auima, in comparatione qui- 
dem corporis est simplen, sine comparatione, vero corporis est multiplex et 
nun simplex, qua« ideo simplex dicitur respoctu corporis, quia mole non dif- 
funditnr per spatium loci . . . Sed tarnen nee ipsa tota anima vera simplici- 
tas est. Cum enim aliud sit artihcioBuni esse, aliud inertem, aliud acutum, 
aliud memorem, aliud cupiditas, aliud timor, aliud laetitia, aliud tristitia poa 
aitque haec et alia huiusmodi ionnmerabilia in animae inveniri natura et alia 
sine aliis et alia magia, alia minus, manifestum est animae non simplicem, 
sed multiplicem eeae naturam. 

*) de trinit. VI, 6, 8 Migne 42 p. 929; ufr. Olaud. Main, de stat. an. 
11,2 edit. Engelbrecht p. 102; cfr. Überweg-Heinze, Gesch. der Phil. II. p. HS. 

*) seilt. I, ST, 7: Spiritualis autetn creatura per tempiis movetur, corpora- 
lis vero per tempus et locum. cfr. Aug. de gen. ad litt VIII, 20, 39 Migne 
34 p. 388; Hugo Vict. de sacr. I ps. 3 cap. 16 Migne 176 p. 222 B ff.; 
Claud. Harn, de stat. an. I, 18 ff. p. 65; Isid. Hisp. sent. I, 12, 4 Migne 
83 p. 563. 

*) siehe oben p. 72. 

') sent. II, 16, 4: Factus est homo ... ad similitudinem dei . . . simili- 
tudo in essentia, quia et immortalis et indivisibilis est. Unde Augustinus 
(de quant an. 1, 2, 3 Migne 32 p. 107): Anima facta est aimiliter deo. quia 
immortalem et indissolnbilem facit enm deus. cfr. Hugo Vict. seilt. III, 2; 
de sacr. I ps. 6 cap. 2 Migne 176 p. 92 A; 264 D; Isid. Hisp. etym. VII, 
1, 20 Migne 82 p. 262 A; Rhabanus Maurus, de an. I Migne 110 p. Uli C; 
Wilhelm von 8t. Thierry, de natura corp. et an. Migne 180 p. 702 C. 



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Weaen der Seele. SS 

gänglichkeit, d. h. sie hört niemals auf, zu leben '). Diese Fort- 
dauer verlangt aber notwendig ihre Substanzialität. Der Ma- 
gister sagt uns denn auch in Übereinstimmung mit dem Vikto- 
riner Hugo und dem Bischof von Hippo gelegentlich einmal, 
Gott habe dem aus Lehm geformten Körper die Substanz der 
Seele eingehaucht, damit er in ihr lebe 3 ). Freilich ist sie nicht, 
um mit Ausdrücken der Späteren zu reden, eine mbstantia 
contpleta, d. i. eine in jedem Falle völlig für sich bestehende 
Substanz, sondern eine subutantia incompleta oder eine Sub- 
stanz, die nur unter gewissen Bedingungen subsistiert. Bereits 
oben haben wir gehört, daß sie während ihrer Verbindung mit 
dem Leibe keine Person ist, weil sie nicht für sich besteht. 
Erst mit der Trennung vom Leibe wird sie eine ganze Substanz 
und damit Person ;i ). Natürlich schätzt der Lombarde die Seele 
auch höher als den Leib.- Ihre Geistigkeit sichert ihr den Vor- 
zug vor dem Körper, welchen sie bewegt und lenkt und mit 
sinnlichen Vermögen ausstattet 4 ). 

Vergleichen wir nun diese Angaben mit der weitschwei- 
figen Definition, welche Wilhelm von St. Thierry ■'■) und Rhaban l! ) 
im Anschluß an Kassiodor ; ) von der Seele geben, so muß uns 

') in epiat. I Thesaal. Migne 192 p. 305 B; eeot. I, 8, 8: In omni 
mutabili natura nonnulla mors est ipsa mutatio quia fecit aliquid in ea nun 
aase quod erat, unde et nnima humum, qiiae ideo dicitur immortalis quia 
seeundum modum auum nunquam desinit vivere, habet tarnen quandam mor- 
tem auam. oft, Augusf. contra Maxim. I], 12, 2 Migne 42 p. 768. 

*) sent. II, IT, 1, 2, 3: Et inspiravit in fadem eiua apiraculum vitao 
i. e. substantinm animae, in qua vivoret, creavit. cfr. Hugo Vict. de Barr. I 
pa. 6 caji. 3 Migne 176 p. 264 D ff; August, de genes, ad litt. VII, 3, 14 
Migne 34 p. 357. Die p. 38 angefahrte Bedeutung von aubstantia hat hier 
keine Geltung. ' 

') Siehe p. 48 ff. 

') in ps. 145, 1 Migne 191 p. 1269 C: Oaro inferior est aniraa. Atiims 
enim .... melior dicitur per naturam corpore .... quia apiritualis natura 
praestat corporeae, quam movet, regit, aensificat. 

*) de nat. corp. et an. I Migne 180 p. 707 D; 708 D. 

'■) de anima I Migne 110 p. 1110 C. 

') de anima II Migne 70 p. 1283 A ff.: Philosopbi autem animam 
dieunt esse substantiam simplicem .... eunetorum vero doctoram veraciiun 
in hoc conaentit auctoritaa, quia anima eat a den croota spiritualin, propriuque 
aubstantia, vivificatrix sui corporis, rationalia et immortalis aed coiivurtibilis 
ad utraque i. e. ad bona et mala. Die Schaffung durch Gott and die Wahl 



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96 Die Philosophie des Petras Lombardus. 

die Harmonie zwischen ihnen etwas Oberraschen. Es ist, als 
hätte sich der Sentenziarier an diese gehalten. Doch die Zu- 
sammenhangslosigkeit seiner Äußerungen und der historische 
Gesamtüberblick lehren uns, daß die Ähnlichkeit in Augustin 
begründet ist, den auch die genannten Männer eingehend benutzten. 
Die Gegenüberstellung mit ihnen und vielen anderen Lehrern zeigt 
uns übrigens auch noch, daß wir wohl über ungenügende Aus- 
fuhrung und über mangelnde Beweise, keineswegs aber über zu 
kargen Inhalt klagen dürfen. 

Ursprung der Seele. 

Nachdem wir im Vorausgehenden gesehen haben, daß die 
Seele eine vom Körper verschiedene Substanz ist, müssen wir 
untersuchen, woher sie nach der Lehre des Magisters ihren Ur- 
sprung hat. Es ist dabei von selbst gegeben, daß jene Theo- 
rieen, welche diesen in der Materie oder auch in einer organi- 
schen Natur finden wollen, für ihn nicht in Betracht kommen 
können. Zu seiner Zeit gab es ja Überhaupt nur zwei An- 
schauungen: den Traduzianismus ') und den Kreatianismus ; 
denn die Präexistenzlehre des Origenes zählte längst keine An- 
hänger mehr. Wollte man daher mit den ersteren nicht an- 
nehmen, daß wie aus dem Leibe der Leib, so auch aus der 
Seele die Seele durch Zeugung entstehe, so mußte man mit der 
zweiten behaupten, Gott schaffe jede Seele in einem eigenen 
Schöpfungsakte. Die Unentschiedenheit, welche Augustin *) und 
Kassiodor 3 ) in diesem Punkte eigen ist, fand nur mehr unbe- 
deutenden Anklang '). 

freibeit werden wir, was unseren Meister anlangt, im folgenden zu be- 
sprechen haben. 

') Die Existenz dieser Theorie bezeugt Odo von Cambrai, de pecc 
orig. II Migne 160 p. 1077 C: Sunt autem multi qui volnnt aniinam ex tra- 
dace fieri sicut corpus et cnm corporis semine vira etiam animae procedere. 

*) cfr. Überweg-Hein ze, Gesch. der Phil. II p. ISO, wo zugleich auf 
die Hanptatellen hingewiesen ist 

*) de anima cap. 6 Migne 70 p. 1292 C: L'nde Pater Augustinus relj. 
giosissima dnbit&tione l&udandas nihil temere dielt esse firmandum, sed in 
ipsins esse Beeret«, sicut et atis multa, qua» nostrn tion potent nosse me- 
dioeritas. 

') Rliabsmis vertritt sie nach de an. cap. 2 Migne HO p. 1112 B. 



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Ursprung der Seele. 91 

Was nun unseren Meister anlangt, so hält er mit Abae- 
lard '), Robertus Pullns *) und mit dem Viktoriner Hugo 8 ) durch- 
aus am Kreatianismus fest *). Gegen die Luciferianer und andere 
Häretiker betont er ausdrücklich, die Seele entstehe nicht durch 
den Zeugungsakt. Nur der Körper- nehme von diesem den An- 
fang, die Seele aber werde von Gott geschaffen. Hiebei ist es 
interessant, zu beobachten, wie er Kassiodor a ) einseitig für sich 
in Anspruch nimmt und irrtümlich auf Augustinus aufbaut, in- 
dem er mit Gennadius eine Stelle fälschlich dem Bischof von 
Hippo zuschreibt. 

Wie gegen den Traduzianismus, so tritt er auch ent- 
schieden gegen Origenes und seihe Präexistenzlehre in die 
Schranken. Die Seelen, sagt er, sind nicht schon mit der Geister- 
welt und auch nicht alle zugleich erschaffen worden, sondern 
nach und nach, aus Anlaß der verschiedenen Zeugungsakte. 
Denn so oft ein Körper sich bildet, so oft wird auch eine Seele 
ins Dasein gesetzt. Daß hier der Sentenziarier so zuversichtlich 
vorgeht, hat seinen Grund sowohl in der kirchlichen Verurtei- 



') in heiBom. Migne 178 p. 770 A: Animae vero licet ex animabus per 
traducnm non propagentar . . . non irapedit enrum quotidiana multiplicatio dtri 
deum requierisae ab universo etc. 

■) senk II, 8 Migne 186 p. 729 A ff. in eingehender BegrOndnng. 

') eent. III, 3 ; de aacr. 1 pe. 7 cap. 30 Migne 176 p. 94 A ; 299 B-801 B. 

*) sent. II, 17, 8. Sed quiequid de anima primi hominis aeatimetur, 
de aliia certissime sentiendum est, quod in corpore creentnr; creando enim 
infuniiit eas dena et infand endo creat. Ferner sent. II, 18, 8: Unde Augusti- 
nus in eccleeiast. dogin. animas hotninum dicit non eese ab initio intet crea- 
turaa In teile duales natura» nee simnl creatas sieut Origines fingit neqoe in 
corporibns per coituvn seminum sient Lucifersni et Crrilins et quidam Lati- 
norum prsesumptores affirmant, sed dieimus corpus tantnm per coniugü copu- 
lam seminaxi, ereationem vero animae solum creatorem nosse einsque indicio 
.... formato iam corpore aiiimam creari atque infundi. cfr. Qennadius, de 
eccl. dogm. cap. 14. cfr. p. 98 Anm. 4. 

") in ps. 99, S Higne 191 p. 899 B. Hoc dicit. ne qnis patet cren- 
tionem nostram patribns deputandam qui snnt ininiatri, deus autem auetor 
(ad: „ipse fecit nos, et non ipsi noe"). cfr. Casaiodor. in eundem pH. Migne 70 
p. 698 0, wo indes die Stelle auf die allgemeine Mitwirkung zu deuten iet, 
wie ans dem Vergleich mit der oben (p. 96 Anm. 8} zitierten Stelle hervor- 
gebt. Kassiodor fugt zu den angeführten Worten noch hinzu: Nam quamris 
nativitati nostrae ministerium praebeat canialia operatio, tarnen ille in hnnc 
mnndum nos probatur adducero, qui euneta faeit ad ezistentiam pervenire. 

Beitrl«« III, .'.. Eupsnlicrger. Petrin Loinbnrdua. 7 



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98 Die Philosophie des Petrus Lombardus. 

lung dieser Lehre *), als auch darin, daß Augustin *) und Hugo ^ 
sie ebenso energisch zurückweisen. 

Die Vereinigung der Seele mit dem Leibe vollzieht also 
Gott nicht in der Weise, daß er eine präexistierende Seele mit 
dem Körper verbindet, sondern dadurch, daß er die Seele im 
Augenblicke der Verbindung schafft. Es fragt sich nun aber, wann 
sie denn dem Leibe eingesenkt werde. Petrus giebt darauf die 
im Mittelalter geläufige Antwort, es geschehe, wenn der Fötus 
bereits menschliche Gestalt angenommen habe. Die Begründung 
dafür ist freilich wenig überzeugend. Er meint nämlich, es sei 
schicklich, zuerst das Haus zu bauen und dann den Bewohner 
einzuführen. Außerdem weist er auch noch darauf hin, daß 
nach dem Traduzianismus viele Seelen zu gründe gehen wür- 
den')- Da wir nun aus einer gelegentlichen Bemerkung erfah- 
ren, daß der Embryo bis zu dieser Entwicklungsstufe vierzig 
Tage brauche 6 ), so können wir annehmen, nach der Ansicht 
des Sentenziariers werde die Seele am 40. Tage nach der Em- 
pfängnis ihrem Leibe gegeben. 

Verhältnis zwischen Seele und Leib. 

Daß der Mensch aus Leib und Seele besteht, war natür- 
lich für die christlichen Lehrer eine ausgemachte Sache ,T ). Man 



') cfr. Knäpfler, Lehrbuch der Kirchengeschichte, Freiburg 1895 p. 147 ff. 

'') de trinit. XII, 15, 24 Migne 42 p. 10)1. 

') de eacr. I ps. 6 cap. 3 Migne 176 p. 265 A; cfr. Jonn. Dam. de 
fide orthod. II, 12 Migne 94 p. 922 A. 

') sent. IV, 31, 5: Sed iam formato corpori anium datar, non in. con- 
ceptu corporis nascitur cum aemine derivata, Nnm ai cum semine et Anima 
exiatit de anima, tnnc et multae animse qnotidie peretmt cum semen flnxn 
non profifit nativitati, Primura oportet dorourn compaginari et sie habitatorem 
iuduc.i. cfr. aent, II, 31, 9. 

4 ) aent III, 8, 5; Hie numerus (seil, quadraginta) perfectioni riomjnici 
corporis convenit, qnia, ut dieunt physici, tot diebus forma humani corporis 
perficitur. cfr. Hugo Victor, sent. III, 12 Migne 176 p. 108 A; Robertos 
Pnlltis, aent. II, 7 Migne 186 p. 728 D; Rhabanua Maurus, de anima II 
Migne 110 p. 1112 B ff.; Cassiodor. de anima VII Migne 70 p. 1292 B; cfr. 
August, de trinit. IV, 5, 9 Migne 42 p. 894; cfr. Petrus Pict. aent. II, 19 
Migne 211 p. 1018 A. 

B ) Petrus Iiomb. sent. HI, 28, 1; II, 1,-4; in pa. 150, 5 Migne 191 
p. 1295 A: Homo ex anima conatat et corpore, cfr. Hugo Vict. aent. I, 15; 



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Verhältnis zwischen Seele and Leib. 99 

stritt sich nur über die Art, wie beide vereinigt sind. Während 
die einen ein feines stoffliches Medium, einen spiritus physicus 
annahmen '), der die Verbindung beider vermitteln sollte, be- 
standen die anderen auf einer direkten Berührung und Zu- 
sammen fügung -'). Doch auch abgesehen davon fehlte es noch 
vielfach an klarer und sicherer Erkenntnis. Gilbert von Poitiers 8 ) 
zwar legte im Anschluß an Chalcidius *) und in unbewußter 
Harmonie mit Plotin Q > ohne Rückhalt seine Lanze für Plato 
ein. Die aristotelische Definition, nach welcher die Seele die 
Form ihres Körpers ist, befriedigte ihn in keiner Weise. Er 
wähnte, dadurch sinke sie in die Kategorie des Accidens herab, 
während sie doch in Wirklichkeit eine Substanz sei. Anders 
aber steht es mit unserem Heister. Die Zweideutigkeit seiner 
Angaben läßt eine vollkommen sichere Lösung nicht zu. Liest 
man sie, so möchte man glauben, einen Scholastiker des drei- 
zehnten Jahrhunderts vor sich zu haben, und doch ist sein An- 
schluß an Aristoteles höchst unwahrscheinlich. Das wenige, das 
er aus Chalcidius und Makrobius "} in diesem Punkte von ihm 
wissen konnte, ist nicht dazu angethan, ihn ganz im Wider- 
spruche zu seinen Zeitgenossen auf diese Bahnen zu bringen. 
Wir sind daher der Ansicht, daß er auf platonischem Boden 
stand, wiewohl ein strikter Beweis dafür mangelt. 



de saor. I pa. 6 cap. 1 Migne 176 p. 70 C; 868 B ff.; Rhahanua, de nniv. VI, 1 
Migne 110 p. 137 D; laid. Hiap. etym. XI, 1 Migne 82 p. 397; die Quelle 
ist, wie der Wortlaut zeigt, Aug. doctr. ehrist. I, 26. 27 Migne 34 p. 29. 

') cfr. Hugo Vict. de unione corp. et apirit. Migne 177 p. 286 C IT.; 
Iaaac de Stella, cfr. Werner, Entwicklungsgang der Psychologie etc. p. 28. 

*) Siehe das Folgende. 

*) comm. in Boeth. edit. Baail. p. 1235: Non enim sicut quidam dixerunt 
est cnrkijaa hoc eet forma, aed potius aabetanAia i. e. subsistens habena in ae 
formta et di vei-somm generum aeeidontia. 

4 ) comm. in Tim. n. 222 edit. Wrobel p. 257 ff. erwBhnt er nnter an- 
deren die aristotelische Definition, n. 225 p. 262 ff. weist er aie dann zu- 
rück : Non enim essentiam fore'animaro quam nppellat Aristoteles entelechism ; 
hnec quippe forma est corporibue accidens nt censet Plato. 

") cfr. Zeller, Philosophie der Griechen Bd. III, 2 p. 576. 

") in aomn. Scip. I, 14 edit. Eysaenhardt p. 531, wo ebenfalls die ari- 
stotelische Definition erwHhnt ist. 

7* 



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100 Die Philosophie dea Petrus Lombardus. 

Im Einklang mit Hugo von St. Viktor ') sagt er nun vor 
allem, ein Körper sei dann als geformt zu betrachten, wenn er 
seine Seele erhalten hatte -). Demnach war ihm der Leib in 
den ersten Stadien seiner Entwicklung noch nicht geformt, weil 
er noch nicht beseelt war. Diese Ansicht war bekanntlich auch 
die des aristotelischen Mittelalters; aber mit den Worten 
des Lombarden laut sich auch ein anderer Sinn verbinden. Wir 
haben schon früher erwähnt, daß nach ihm die Seele in den 
bereits geformten Leib eingeschaffen wird*). Dort heißt »ge- 
formt" offenbar soviel als der Fötus hat bereits die menschliche 
Gestalt angenommen, zeigt bereits das Äußere, wie es Menschen 
eigen ist. Es ist also damit keineswegs auf die Form als kon- 
stituierendes Element hingewiesen, im Gegenteile, es wird nur 
das fertige Ganze ins Auge gefaßt. Ähnlich nun scheint es 
auch bei der oben angeführten Stelle zu sein. Sie schließt sich 
nämlich aufs innigste an ein Bibelwort 4 ) an. So gut aber hier 
nur das vollendete Ganze ins Auge gefaßt wird, ohne auf die 
Art der Verbindung Rücksicht zu nehmen, so gut wird dies 
auch der Magister gethan haben. Dafür spricht auch der Ver- 
gleich mit dem Haus und seinem Bewohner, der uns schon ein- 
mal 5 ) begegnete. Darnach hält Petrus für geziemend, daß zu- 
erst die Wohnung, der Körper gebaut werde, ehe der Bewohner 
d. i. die Seele einzieht. Es ist also die platonisch-augustinischc 
Überzeugung gegeben, welche eine mehr äußere, zufällige Ver- 
bindung von Seele und Leib bekennt. Allerdings kann dagegen 
mit gutem Rechte wieder geltend gemacht werden, daß der 
Vergleich nur ein Vergleich sei , und daß der Sentenziarier, 
was die Hauptsache ist, den aristotelischen Grundgedanken von 
Materie und Form kennt, wie ihn bereits die Viktorinerschule 
teilweise aufgegriffen hatte"). Die ganze Frage muß daher in 

') Beut. III, 12 Migne 176 p. 108 Ä. 

*) seilt. 11, 31, 9; IV 31,6: Formatum vero intelligitur corpus propria 
anima animatum et informe quod nooduni habet animam. 

') Siehe oben p. 98. 

') Exod. 21. 22—23 (in der auch von Augustinus, qnoent. in heptat. 
II 80, Migne 34 p. 626 gegebenen Fassung): Si quin percusserit mulierem 
praegnantam ot abortivum fecerit, si adhne informatnm fnerit, multaliitnr 
peeunia; qnod si formatum fuerit, reddet animam pro anima. 

') Siehe oben p. 98. — *) Siehe oben p. 59 ff. 



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Verhältnis! zwischen Seele und Leib. 101 

der Schwebe gelassen werden, da es an schlagenden Beweisen 
fehlt. Die Ausführungen aber, die wir im Folgenden kennen 
lernen werden, können ebenfalls keine Entscheidung bringen, 
wie die Scholastik des dreizehnten Jahrhunderts und die heu- 
tige Zeit zur Genüge darthun. 

Mit Robertus Pullus l ) erklärt Petrus, zwischen Leib und 
Seele bestehe kein feindliches Verhältnis. Es sei leeres Gerede, 
das überdies der Kirchenlehre direkt widerspreche, wenn man 
annehme, die Seelen hätten schon vor ihrer Vereinigung mit 
dem Leihe im Himmel gesündigt und seien zur Strafe dafür in 
den Körper wie in einen Kerker gebannt worden *). Diese 
feindselige Äußerung gegen die platonisch-origenistische Denk- 
weise erfahrt noch eine Steigerung durch einige positive Be- 
stimmungen. Wie für Hugo ") so gilt nämlich auch für ihn 
der Satz Augustins, die Seele sehne sich in freundschaftlicher 
Liebe nach ihrem Leibe'). Diese Sehnsucht liege sogar in ihrer 
Natur begründet, denn sie sei dazu berufen, über ihn zu schal- 
ten und zu walten"). 

Schon hierin haben wir ähnlich wie bei Honorius von 
Antun') den Gedanken gegeben, daÜ der Seele die Herrschaft 
über den Körper zustehe. Wir finden ihn aber auch noch 

') sent. II, 9 Migne 186 p. 781 A ff. 

') in epist. ad Eph. I Migue 192 p. 171 C; sent. I, 41, 4: Mulii .... 
in fabulas vanitatis abierunt dicentes, quod aniinae aurauin in caelo peccant 
et secuniluin peccata sua ad corpora pro meritta iliriguntur et dignia sibi 
quasi enreeribua includuntur lerunt bi lales post cogitatsonea snaa et ... . 
verai sunt in profundum dicentos animas in caelo ante converaataa et ibi 
aliquid vel mali egiase et pro meritis ad Corpora terrena detruaas esse. 
Hoc autem reapuit catholica fidaa. 

-j sent. II, 1; de aacr. I ps. 6 cap. 1 Migne 176 p. 79 C ff; 263 D. 

*) sent. 11, 1, 10: Luteamque materiam fecit ad vitae sensura vegetare, 
ut Bciret bomo, qnia si potuit deus Um disparem naturam corporis et animae 
in foederationero unam et in amicitiam tantam enniungere, iiequaquai» ei itii- 
possibile futurum rational) 3 creaturae humilitaiem .... ad auae gloriae parti- 
cipationem sublimste, cfr. Aug. de trinit. XII, 3, 3 Migne 42 p. 999. 

■"') seut. IV, 4)1, 5: Sed tantum dubium non est ... . mentem .... post 
mortem .... non sie videre posse .... daam sicut s&ncti angoli vident sive 
alia latentiori cauen sive ideo quia inest ei naturalis quidani appetitus cor- 
pus administrandi. 

") ecal. cael. mai. cap. 22 Migne 172 p. 1238 D, 



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102 Die Philosophie des Petrus Lombardua. 

ganz unzweideutig dadurch ausgesprochen, daß er mit dem Bischof 
von Hippo die Seele als das Lebeiisprinzip des Körpers bezeichnet. 
Sie ist es, die ihn bewegt und leitet und ihm die Fähigkeit gicbt, 
sinnlich zu empfinden '). Einer besseren Natur teilhaftig, gebraucht 
sie ihn wie einen Diener oder- wie ein Werkzeug entweder zur 
Ehre Gottes oder zum Kampfe gegen ihn *). Bei dieser starken 
Betonung des seelischen Prinzipes ist man versucht, die Worte 
des Viktoriners Hugo herbeizuziehen: Was ist der Mensch an- 
ders denn eine Seele, die einen Körper hat :t ) 'i Indes der Lom- 
barde weiß sich zu mäßigen. Sein Verhalten hinsichtlich der 
Person des Menschen läßt uns erkennen, daß er auch dem 
Leibe eine wichtige Stellung giebt*). 

Die Freundschaft der beiden Naturen im Menschen ist 
aber nur eine relative. Von Aufang an freilich herrschte zwi- 
schen beiden der Friede, denn Gott hatte jede gut erschaffen. 
Doch die Erbsünde hat dieses Verhältnis geändert. Die Sinn- 
lichkeit geht jetzt andere Wege und sucht, der Eva gleich, auch 
die Vernunft mit fortzureißen ä ). Der Körper beschwert jetzt die 
Seele, hindert sie in ihrem Streben zu Gott und umgiebt sie wie 
die Mauern eines Kerkers "). 

Wiewohl uns nun der Meister gerade im Hauptpunkte 
nicht völlige Klarheit gewährt, so kann er doch einen Vergleich 
mit seinen Zeitgenossen völlig aushalten. Wir treffen bei ihm 



') Siehe oben p. 95. cfr. August, in ps. 145, 1; 105, 15 Migne 87 
p. 1887; 1411. 

*) in epist. ad Rom. Migne 191 p. 1496 D: Si corpus, quo inferiore 
tanquani famulo vel iustnimento utitur atiiiua, cum eiua bonos usus et rectus 
ad deum refertur, aacrificinm est, multo magia anima ipaa alt aacrificinm 
cfr. August, de civit. dei X, 6 Migne 41 p. 283. 

3 ) Beut, 1, 15 Migne 176 p. 71 A: Quid enim est homo nisi anima 
hnbens corpus? 

4 ) Siehe oben p. 48 ff. 

6 ) aent. II, 24, 8: Ut eniui ibi serpens suaeit mulieri et mulier viro: 
ito et in nobia seneualis motus .... quasi serpens snggerit mulieri seil, in- 
feriori parti rationia i. e. rationi acientiae .... poat .... rationi aapientiae 
eandem illecebrain auggerit .... 

") in pa. 141, 10 Migne 191 p. 1246 C: Vel potiua corpus est carcer 
non utique seeundum id, quod deus feoit ipeum bonum est, sed seeundum id, 
quod comunpitur et aggravat animam i. e. corfuptio ejus quae venit ex pec- 
uato, carcer est. cfr. Aug. in euud. ps. Migne 37 p. 1843 n. 18. 



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Gotteabe weise. 103 

alle Gedanken, welche diese bieten. Und wenn er auch 
manche Ansichten derselben übergeht, so können wir ihm dar- 
über keinen Vorwurf machen. Denn die Darlegungen eines 
Honorius von Autun '), eines Abaelard ! ), eines Hugo von 
St. Viktor 8 ), welche in der Zahl das Bindeglied zwischen Seele 
und Leib sahen, sind inhaltlich allzu oberflächlich, als daß wir 
sie im Ernste vermissen könnten. Näher hätte ihm vielleicht. 
gelegen, Udo von Gambrai 4 ) und Robertus Pullus 5 ) nachzugehen, 
welche in der Einheit der Persönlichkeit auch die Einheit 
der beiden Naturen im Menschen gegeben sein lieüen. Da 
jedoch diese Annahme für ihn, den Theologen, bedeutende 
Schwierigkeit in sich bergen mußte, so kann es uns nicht so 
sehr auffallen, wenn er auch sie nicht beachtet und nur an der 
Hand der tieferen Tradition sein Ziel zu erreichen sucht. 



IV. Theologie. 
Gottesbeweise. 

Die wichtigste Aufgabe für die gesamte Scholastik war die 
dialektische Begründung und Durchdringung der Gotteslehre. 
Es galt dabei, einerseits die Offenbarung zu zergliedern und dem 
Verstände so weit als möglich zugänglich zu machen, anderer- 
seits aber auch die Berechtigung und die Tragweite derselben 



') de imag. miindi I, 82 Migne 172 p. 140 OD. 

*) introd. ad theol. 1, 17; theol. christ. I, 5 Migne 178 p. 1016 D; 1147 B, 

") erudit. didascal. II, 13 Migne 176 p. 756 D; efr. Claud. Main, de 
etat. an. II, 7 edit. Engelbrecht p. 12; cfr. Boethiua. de musiea, edit 
Basit. p. 1373. Bertiglich Hugo Vict. cfr. übrigens p. 99 Anm. 1. 

') de peco. orig. III Migne 160 p. 1087 D: Dicitur ergo individuns 
homu persona non corpore, sed anima: anima ramque corpus assumit in eaa 
persona, nt in nna persona duplex sit substantia. 

*) sent. II, 10 Migne 186 p. 784 B ff.: Deua et homo uniis, non qui- 
detn ujium; natu substantia creatriz et creata semper sunt bina, licet perso- 
nali modo unita. Sic anima et corpus unnm esse non posaunt, coniungi pos- 
aunt aient ergo dens et homo, homo totus, anima et corpus unus est 

Christus, tribua suhstantiis non conficientibua quartam, sed convenientibus in 
unam persona] u ; pari modo anima et caro unus est homo. cfr. Richard von 
St. Victor, de trinit. III, 10 Migne 196 p. 921 D. 



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104 Die Philosophie dea Petrus T.ombanlus. 

darzuthun. Mochten sie nun hierin wie Alanus ') oder Duns 
Skotus *) oder Wilhelm von Occam 3 ) dem Denken hinsichtlich 
seiner Sicherheit zu wenig Vertrauen entgegenbringen oder es 
wie Abaelard ■') überschätzen, darin kamen nach dem Vorgange 
Augustins alle Meister fiberein, dato sie das bekannte Apo- 
stelwort : das Unsichtbare wird aus dem Sichtbaren dieser 
Welt erschlossen "), zum Ausgangspunkte ihrer Erörterungen 
machten 6 ). 

Auch der Lombarde baut darauf seine Ansicht auf, doch 
hält er sich sowohl vom Zweifel als auch vom Rationalismus 
ferne und schlagt mit der Mehrzahl der Theologen den rich- 
tigen Mittelweg ein. Gleich Hugo von St. Viktor und der 
Glosse spricht er der Vernunft die Fähigkeit zu, aus der 
Schöpfung den Schöpfer, aus dem Dasein der Dinge eine über- 
wettliche Ursache zu erkennen 1 ). Er giebt auch einige Wege 
an, die zur Erkenntnis Gottes führen. Merkwürdigerweise aber 
liefert er keinen Gottesbeweis im eigentlichen Sinne des Wortes. 
Er referiert im Grunde nur über das, was Ambrosius und 
Augustinus gedacht haben. Daher erhalten wir auch nur das 
Gerippe eines Beweisganges, nicht aber volle, organische Formen. 
Ja dieser erzählende Ton wiegt so stark vor, daß es der Magi- 
ster auf sich nimmt, den wichtigsten Beweis nicht in Verbindung 

') cfr. Baumgartner, Alanus etc. p. 110. 

') u. ■') cfr. Überweg-Heinze, Gesch. etc. Band II p. HM 3 und 305. 

') cfr. Bttckl, Gesch. der Phil. Bd. I p. 397. 

') Rom. I, 18, 20. 

") cfr. August, de civit. dei VIII, 6 Migne 41 p. 2S2; Cland. Mam. 
de etat. an. II, 2 ed. Engelbrecht p. 101. Greg. Mag. magna nioral. IV, 
40, 15 Migne 75 p. 1107 A ff.; Isidor Hiap., aent. 1,4,2 Higne 83 p. 543 C; 
Halme, in epiat. ad Rom. Migne 117 p. 374 AU ff.; Abaelard, introd. ad 
theo!. II, 1 ; theol. Christ. II ; eiposit. in epiat. ad Rom. Migne 178 p. 1037 GD; 
1168 D ff.; 804 C ff.; Wilhelm von Conchea, philos. mundi I 21 Migne 172 
p. 54 D; Hngo Vict., aent. 1, 10; de aacr. I pa. 3 cap. 3 Migne 176 
p. 58 A; 217 D. 

; ] aent. I, 3, 1: Apostolus nanique ait, quod inviaibilia dei etc 

Homo ergo inviaibilia dei intellecta mentis conapicere poteat rel etiam conspenit 
per ea quae facta sunt cfr. in pa. 148, 13 Migne 191 p. 1287 A; cfr. Aug. in 
ennd. pa. ■o. 15 Migne 37 p. 1946; cfr. Hugo Vict. de aacr. I pa. 3 cap. 3 
Migne 176 p. 218; gloaaa ord. in epiat. ad Rom. I, 20. 



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Gotteabe weise, 105 

mit den anderen, sondern nur im Vorbeigehen an einer isolier- 
ten Stelle zu erwähnen. 

Wie Abaelard, Hugo und Gandulf lehnt auch er sich an 
den Bischof von Hippo an, wenn er für die kontinuierliche 
Ursachenreihe in der Weit eine letzte und absolute Ursache 
verlangt, die mit der Gottheit identisch ist '). In einer zweiten 
Anregung, die ihre letzte Quelle bei Ambrosius *) hat, stellt er 
sich die Welt in ihrer überwältigenden Fülle vor und fragt dann 
mit etwas naiver Zuversieht: Wer anders als Gott kann dieses 
alles hervorbringen ? Einer Kreatur ist es unmöglich. Und 
wenn es eine vermöchte, so müßte sie deshalb Gott genannt 
werden 3 ). In einer dritten Art kommt wieder Augustin zur 
Geltung. * Er schließt nämlich wie dieser aus der Veränder- 
lichkeit der Dinge auf einen unveränderlichen Urheber derselben 
zurück. Die heidnischen Philosophen, meint er, sahen ein, daß 
ein Ding, welches veränderlich ist, nicht der höchste Gott und 
die Ursache des Alls sein kann. Dabei wurden sie auf ihrer 
Suche nach dem Ewigen auch über die Geisterwelt hinausge- 
wiesen, und es wurde ihnen klar, daß alles Veränderliche nur 
von demjenigen stammen könne, der schlechthin ist, der keinen 
Wandel kennt 4 ). Es verrät wenig Scharfsinn, daß der Magister 
eine nähere Ausführung dieses Gedankens für eine neue Forin 
des Gottesbeweises ansieht. Augustinus lugt nämlich zur Er- 
klärung der gerade zitierten Stelle noch hinzu, nicht nur die 

'} Siehe oben p. 67 ff. cfr. senk. 1, 45.5: Ideoqne pUcuit vwiitsti phi- 
loaophonim etiain causis ea (seil, mir») ttttribuere, cum omnino rädere nun 
posaunt auperiorem ceteris omnibus causam i. e. voluntatem det. cfr. August, 
et trinit 111. 2, 7 Migne 42 p. 871. 

*) in apist. ad Rom. I, 19 Migne 17 p. 57. 

") seilt. I, 3, 2: Accedat quaecumqne via creaturae et faciat tulc cae- 
!um et teriam et dicam quia dena. Sed quia nnlla creatura talia focere va- 
leat, conatat super omnem creaturaro esse illum qui ea fecit ac per hoc illum 
esse doum humana mens cognoseere potuit etc. cfr. Rhabanus Maurus, in 
epist. ad Rom. I Migoe 111 p. 1296 A. 

') seilt. 1, 3, 8: Viderunt (seil, philosophi) quicqoid mutabile est, non 
esse summum deam omaiumque prineipium, et ideo omnem animani rnutabi- 
lesque Spiritus transcendenint. Deindo viderunt ranne quod inutabile est, non 
posse esse niai ab illo qui iocommutabiliter et simpliciter est. Intellexerunt 
ergo eum et omnia iata misse et a nulle fieri potuisse. cfr. Aug. de civit. 
dei VIII, 6 Migne 41 p. 231. 



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106 Die Philosophie des Petrus Lombard üb. 

Körper, sondern auch die Seelen der Menschen unterlägen einer 
Vielheil von Eigenschalten. So erfaßten manche mit ihrem Ver- 
stände langsamer, andere schneller, einige gründlicher, andere 
oberflächlicher, ja sogar die gleiche Seele nehme an sich selber 
beim Erkennen eines Gegenstandes den Wechsel wahr, indem 
sie am Schlüsse des Denkprozesses mehr wisse denn am Anfang. 
Da nun aber diese Wandelbarkeit für die geschaffenen Dinge 
eine Naturnotwendigkeit sei, so hätten die Philosophen auf einen 
sich stets gleichen Schöpfer zurückgehen müssen ')■ hi diesen 
Sätzen will nun unser Lombarde gegenüber dem Vorausgehenden 
einen spezifisch neuen Beweisgang sehen-). 

Sind schon diese Darlegungen äußerst mangelhaft, so sehen 
jene überhaupt keinem Beweise mehr ahnlich, die mit Abae- 
lard a ) und Pullus 4 } nur angeben, aus der zeitlichen Dauer der 
Schöpfung könne ein ewiger Schöper, aus der Größe und Wucht 
der Kreaturen ein allmächtiger Gott, aus der Ordnung und 
Zweckmäßigkeit derselben eine gütige absolute Weisheit heraus- 
gelesen werden 5 ). Es ist also hier das Verfahren des Mei- 
sters überaus kursorisch. Er giebt nichts anderes als An- 
regungen oder Andeutungen, die auf einen wichtigen Kern 
aufmerksam machen sollen. Es ist, als wollte er damit nur 



') de civit. dei loc. cit. 

") sent. I, 8, 5; Intellexerunt etiam corporis speoiem esse sensibilem 
et spiritus speciem intelligibilem .... Sensibilia dieimua, quae visu tactuque 
corporis sentiri queuut; intelligibilia, quae couäpectu meuti» posaunt intelligi. 
Cum ergo in eonim conspectu et corpus et animus magis minuaque speciosa. 
«esent; si autem omni upecio carere possent, omnino imlla essent; viderunt 
esse «liquid quo illa speciosa facta sunt, ubi est prima et incommutabjlis 
species .... Diesen Abschnitt tiberschreibt Petrus ausdrücklich : Quartus 
modus vul ratio {seil, qna deus cognosci potuit). cfr. in ps. 41,4 Higne 191 
p. 417 B ff. cfr. Aug. enarr. in ps. 41, 5 n. 8 Higne 86 p. 469. 

■') in epist. ad Rom. Higne 178 p. 804 G: Possnmns et quod ait Apo- 
stolua: invisibilia enim ipsius a creatura mundi etc. . . . ita exponera, quod 
ex compositione et ex ornatu mundi potuerit per humanuni ratiouem ipsa arti- 
ßcis potentia, sspientia atqua bonitas pereipi .... 

*) sent. I, 1, 1 Higne 1«6 p. 674 D; cfr, Hugo Vict. de saer. I ps. 3 
cap. 28 Higne 176 p. 280 D. 

■"') sent. I, 3, 5: Ex perptttnitate namque creaturarum intelligitur con- 
ditor aetemus, ex magnitudinc creaturaxum omnipotens, ex ordine et dispoai- 
tione sapiens, ex gubematione bouus. 



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Wesen and Eigenschaften Gottes. 10 V 

auf allbekannt.« Thatsachen hinweisen und nur seinen Schülern 
in kurzer Übersicht ihre anderweitigen Kenntnisse ine Gedächt- 
nis rufen. 

Wesen und Eigenschaften Gottes. 

Ist das Dasein Gottes erwiesen, so stellt sieh die Aufgabe 
ein, sein Wesen naher zu bestimmen. Man kann hierbei 
im Denken aller auch der größten Gelehrten eine eigentüm- 
liche Erscheinung beobachten. Sie fühlen die Natur des Un- 
endlichen, vermögen sie aber nicht darzulegen. Begriff und 
Sprache wollen sich ihrem Ahnen nicht fügen. Es geht ihnen 
wie einem Wanderer, der die Herrlichkeit einer Gegend weiß, 
sie aber vor dichtem Nebel nicht Überschauen kann. 

Schon Plato l ) sah sich, überwältigt von der Größe des 
Weltbildners, zum Geständnis getrieben, es sei unmöglich, seine 
Fülle auszusprechen. Von ihm ausgehend durchzieht der gleiche 
Gedanke die alexandrinisch-jüdische und die neuplatoin'sche Phi- 
losophie, ihn griffen auch die Kirchenväter im Einklänge mit 
der Bibel auf und überlieferten ihn der folgenden Scholastik. 
Er findet sich, um wenige zu nennen, bei Augustin -), Gregor 
dem Großen s ), Isidor g ), Anselm ") und Abaelard *). Auch der 
Lombarde huldigt ihm. Wir können, sagt er, Gott mehr im 
Denken erfassen, als in Worten beschreiben. Aber auch durch 



') Tim. 28 C: tor /tir ovr xotr/ijjr xai xatioa 10M1 rofl xavias riiQriv 
i' iQyuv xai ev@6yia eis aärtat äivrator kcyeir. cfr. ApuleiuH Madaur. de deo 
Socrat. I, 1, 24 edit. Goldbacher p. 7; de dogm. I, 5, IUI odit. Gold 
buche r p. 66. 

') de trinit, VII, 4, 7 Migne 42 p. 939: Itaqae loquendi causa de in- 
effabilibua, ut fari aliqno modo possimua, quod effari nulio modo poseomus, 
.... dictum est uns easentia. cfr. de civit. dei IX, 16 Migne 41 p. 270; 
doct. ebrist. I, 1, 5 Migne 34 p. 21. 

■) Moni. XXVII, 40, 67 Migne 76 p. 489 A ff. 

') etym. VII, 1, 16 Migne 82 p. 261 C. 
• *) Proslog. XV Migne 158 p. 235 C: [Dens] est quiddatn maius, quam 
cogitari possit. 

"} introd. ad theo). II, 10 Migne 178 p. 1062 D: Quid itaque mirum 
ei, cum omnia ineffubiliter tronscendat deus, omnem quoque institutionis 
humanae sennonem excedat? Et cum eins excellenlia omnem longe exauperet 
intellectnm, propter intellectus aotem voces sunt institutae, quid mirum ei intel- 
WtoB tranacendat, qui tratiscendit cauaaa'.' cfr. tbeol. christ. Migne 178 p. 1244.D. 



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108 Die Philosophie des Petma Lombard du. 

ersteres erreichen wir ihn nicht, da er sogar über unsere Be- 
griffe erhaben ist ')■ Er vertritt also hier wie Pseudo-Diony- 
sius ') die Anschauung der negativen Theologie, die dahin geht, 
dal* wir von Gott leichter zu sagen vermögen, was er nicht ist, 
als was er ist. In der weiteren Ausführung kommt jedoch auch 
bei ihm der affirmative Weg zur Geltung. 

Mit Abaelard, Hugo und Wilhelm von St. Thierry ist 
ihm Gott über die Kategorieen erhaben und so: groö ohne 
endliche Größe, gütig ohne begrenzte Güte, thätig und wirkend 
und doch unwandelbar und nichts erleidend, allgegenwärtig und 
doch nirgends '). Er ist auch keine Substanz, denn er hat keine 
Accidenzien, deren Träger er wäre 4 ). Wahrhaftigkeit und Weis- 
heit und Glückseligkeit bezeichnen bei ihm nicht Eigenschaften, 
sondern sind mit seinem Wesen identisch ■"'). Wie keine Vielheit 

') sont. 1, 23, 4: Vetius cogitatur quam dir.ii.ur et vertue est quam 
cogitatur. off. sent, I, 35, 5. 

cfr. Stock), Gesell, der Phil. Bd. I p. 318 n. 6. 

') sent. I, 8, 7: Intelligamus deuni, quantum poseumns sine qualitate 
bonuiti, sine quantitatemagnum, sine indigentia creatorem, sine situ prae- 
eidentem, sine linbitu omnia Kontinentem, sine loco ubique totum, sine tem- 
pore sempiternum , sine ulla sui mutatione mutabilia fucientem nihilque 
patienteni. (Nach Augustin. de trin. V, 1, 2.) cfr. Abaelard, sie et non IX; 
introd. II, 10; theolog. christ. III Higue 178 p. 1366 A; 1060 C; 1242 D; 
Hugo Vict. sent. I, 4 Migne 176 p. 48 A; Wilhelm von St. Thierry, de 
natura corp. et an. II; de corp. et sang. dorn. cap. 3 Higne 180 p. 719 D ; 
350; August, de trinit. V, 1, 2 Higne 42 p. 912 (wörtlich enthalten); die 
analogen Ausführungen bei Boeth. de trinit. edit. Bosil. p. 1124. cfr. Plotin 
edit. Volkmann Bd. II enn. VI, 9, 3 p. 510, VI, 9, 6, p. 515. 

*) sent, I, 8, 8, 9; Nefas est autem dicere ut subsistat dens et subsit 
bonitati suae atque illa boDitas non snbstantia sit vel potius essentia .... 
sed in illo tamquam in subiecto. cfr. Abaelard, sie et non IX ; introd. II, 10; 
tfaeol. Christ. II Migne 178 p. 1365 C ff.; 1061 C; 1236 B; cfr. Anselm, 
mono!. XXVII, Higne 158 p. 179; August, de trinit. VII, 5, 10 Migne 42 
p. 942; de iide et symbol. 9, 20 Higne 40 p. 193; Boethius loc. cit Der 
Kernaalz lautet: Nam subgtauti» in illo non est vtre substantia, ssd ultra 
substantiam. 

*) sent, I, 8, 5: Dens .... vere et summe Simplex est ... . non est 
ibi aliud ipsum beatum esse et aliud magnum mit sapientem aut verum .... 
esse aut omnino esse. August, de trinit. VI, 7, 8 Migne 42 p. 929; cfr. 
Boethius loc. cit. wo auch noch neben der übrigen Ähnlichkeit auf die Aus- 
sagen der GrDBe direkt zurückgegriffen wird. Auf die göttl Glückseligkeit 
ist dann reflektiert de consol. pag. 1049: (Juare ipsam necesee est summam 
esse beatitudinem, quae sit summa divinitas. 



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Wesen und Eigen «'haften Gottes. 109 

von Formen oder Qualitäten, so kennt er auch keine Mehrheit 
von Teilen 1 ). Er ist absolut einfach. 

Wiewohl nun diese Angaben eine merkwürdige Verwandt- 
schaft mit Boethius zeigen, so gehen sie doch, wie der Wort- 
laut darthut, samtlich auf Augustinus zurück *). Das gleiche ist 
auch der Fall bei jenen, welche auf die Veränderung Bezug 
nehmen. Wenn Gott über jede Zusammensetzung erhaben ist, 
so kann er auch keinem Wechsel der Zustände unterliegen. 
Daher giebt es bei ihm keinen Anfang und kein Ende, kein 
Werden und kein Vergehen. Unbewegt bewegt er, wie der 
Magister im Anschlug an Boethius und in Harmonie mit Augustin 
erklärt, das All s ). Die Dinge verbinden sich und losen sich 
auf, er aber bleibt immer derselbe. Wenn seine Beziehungen 
zu den Geschöpfen sich ändern, so liegt der Grund dafür nur 

') seilt, I, 8, 4: Eadem sola proprio ac vere simples, ubi nee partium 
nee aeeidentium nee quarumlibet formarum ulln est diversitas sive variatio 
sive multitndo. cfr. Abaelard, sie et non VIII Migne 178 p. 1361 A; Pollus, 
seilt. I, 3 Migne 186 p. 677 D; Anselm, moBoL XXVII Migne 158 p. 180 CD; 
ofr. August, de trinit. V, 1, 2 Migne 42 p. 912, cfr. Boethius, de trinit. 
p. 1112: Sulla igitur in eo diversitas, null» ex diversitate pluratttns, nulla ex 
seeidentihns roultitudo, ntque ideirco nee numerus, 

*) Da die nähere Untersuchung über das Verhältnis des Boethius zu 
Angnatin nieht hierher gehört, so werden wir ein andermal darauf zurück- 
kommen. 

-} in ps. 5,4 Higne 191 p. 96 D: „Et video' i. e. seiam, .qaoniam tu 
es pruprie* qui stabilis roanena das eunets, moveri. cfr. Abaelard, introd. 
I, 20; theol. Christ. I, 5 Migne 178 p. 1026 D; 1059 A und 1146 D; Pullua, 
seilt. I, 16 Migne 186 p. 714 D; [pseudo-]Hugo, de aniraa IV, 2 Migne 177 
p. 171 C; Adelard von Batb, quaest. natur. cap. 60, Inkunabel druck der 
MUnchener Staatsbibliothek; cfr. Boethius, de consol. III metr. 9 edit. Basil. 
p, 1042; zur Beurteilung wegen seines Verhältnisses zu Augustin aeien einige 
ganz analoge Stellen des letzteren hierher gesetzt: de genes, ad litt VIII, 
21, 40 Migne 34 p. 388: Quomodo deus immotus moveat creaturas exempla 
animae deprehendi. Folgt dann eine weitere Durchführung, confess. I, 4, 4 
Migne 32 p. 662: Quia es ergo deus mens? .... Stabilis (seil, es) et in- 
comprehensibili8, immutabilis mutans omni» . . . .; epist. 187 ad Dard. cap. 
6, 19 Migne 38 p. 839: Quando excellentius deus natur» incorporea et im- 
routabiliter vera, qui non sicut sonne per moras tomporum tendi et dividi 
potest, nee spatio .... indiget, ubi praesentibns praesto sit, eed aeterna 
at&bilitate in aeipao manens, totns adesse rebus omnibus potest et singulis 
totus. cfr. oben p. 74. Wie ersichtlich erinnert die Stelle lebhaft an den 
unbewegten Beweger des Aristoteles phya. VIII, 5 p. 256 a, 4 ff. ; metaphya. 
XII, 6 p. 1071 b, 8 ff. 



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110 I)ie Philosophie des Petrus tiombardus. 

auf ihrer Seile ')> denn ihm eignet nur lautere Gegenwart, nicht 
aber Vergangenheit und Zukunft ■'). Wie über dem zeitlichen, 
so steht Gott auch über dem räumlichen Wandel. Es kommt 
ihm ja die Allegegenwart zu. Ganz im Himmel, ganz auf der 
Erde und ganz in beiden zugleich, ist er nirgendwo eingeschlossen, 
nirgendwo abwesend *). Die entferntesten Teile, die tiefsten 
Tiefen sind ihm gleich nahe, denn „er reicht von einem Ende 
zum anderen und durchdringt alles bis in sein innerstes Wesen 
hinein" 1 ) Er ist überall: wer ihm zum Glücke nahen will, 
braucht daher nicht weite Strecken zu durcheilen, sondern ein- 
fach im Thun sich zu bewähren B ). Diese Sätze erkannten natür- 
lich alle Lehrer an, in der Frage aber, wie diese Allgegen- 
wart näher zu bestimmen ist, scheinen sie nicht einig gewesen 
zu sein. Nach den Äußerungen des Viktoriners Hugo") und 
unseres Meisters J ) gab es nämlich damals eine Richtung, welche 

') seilt, ], 37, 15. Sei licet quotidie incipiat esse in creaturis, in qui- 
bus ante non erat, quia illa non erant, hoc tarnen fit sine sui mutatione quali- 
ter in mundo coepit esse, quam fecit, tarnen sine sui mutabilitate et similiter 
desinit esse, in quibus ante erat sine sui inutatione nee tarnen ipae deBerit 
locum, sed locus desinit esse, cfr. Hugo Vict. 1,4, 10 Migne 176 p. 49 B: 58 C; 
spec. eccl. 9 Migne 177 p 379 A; Pultns, eent I, 9 Migne 186 p. 690 A. 

-) in ps. 101, 26 Migne 191 p. 915 D; August, zur selben Stelle 
Migne 37 p. 312 ff.; sent. 1, 8, 2; cfr. oben p. 74. 

') ncut. I, 37, 14: Ita Heus .... in caelo totus est, in terra totus est et 
in ntraque totus et nullo contentua loco sed in seipso ubique totus. cfr. August, 
epiat. 187, 4, 14 Migne 33 p. 837; Hugo Vict., sent. I, 4 Migne 176 
p. 49 A; cfr. aent. 1, 37, 1; l'ullua, aent. 1, 9 Migne 186 p. 689 D; Hugo 
Vict. de sacr. I ps. 8 cap. 17 Migne 176 p. 223 ß; cfr. Gregor Msgn. 
mora). XXVII, 18, 35 Migne 76 p. 419 D; cfr. sent. I, 37, 14; Angmt., in pa. 
147 n. 22 Migne 37p. 1931 ; Abaelard, sie et non cap 40 Migne 178p. 1399 D: 
Hotin. enn. VI, 4, 3, edit. Volkmann Bd. II p. 365 

') aent. I, 37, 14, 8. 

r ') sent. [ 37, 8: Dens ubique eat, cui non locia. aed netionibus propin- 
quamua. Auguat., doctr. I, 10, 10 Migne 34 p. 23. 

") de sacr. I ps. 3 cap. 17 Migne 176 p. 223. 

7 ) Sent, I, 87, 7: Quidam tarnen immenaa ingenio auo metiri praosu- 
mentea .... tr&didernnt, quod deua ubique per essen tiam eaae ilicitur, non 
quod dei easentia proprie alt in omni loco et in omni creatura, aed quia 
omiiis natura atque omne quod naturaliter est, in quoeuinque loco ait, per eam 
habet esse et omnis locus in qno üludest. lidem etiam diennt ideo deum ubique 
dictum esae per praesentium vel per potentiam, qui euneta loca sunt ei prae- 
aentia et quae in eia sunt, nee in eis aliquid operari ceesat. Nam et ipsa loca 
et quiequid in eis est, nisi ipso ronservet, mauere non posaunt. In eia ergu 



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Wesen und Eigenschaften Gottes. 111 

Gott nur der Kraft Dach überall gegenwärtig sein lieti. Diese 
achteten darauf, daß nicht nur die Dinge als solche, sondern auch 
der Ort, der ihnen eignet, von Gott erhalten werden müßte. 
Es dünkte ihnen daher vermutlich eine Art Beschrankung zu 
sein, wenn der Erhalter des Raumes selber wieder in diesem 
seinem Wesen nach gegenwartig sein solle. Deshalb nannten 
sie Gott allgegenwärtig, insofern er allem seine Kraft mitteilt 
und es so im Sein erhält. Gegen diese nun kämpft Petrus 
gleich Hugo 1 ) mit aller Entschiedenheit an. Die Allgegenwart, 
meint er, schließe mehr in sieh, als diese sich in ihrem Denken zu- 
recht gelegt hätten *}. Sie verlange, daü Gott nicht nur seiner 
Macht nach, sondern auch seiner Wesenheit nach überall an- 
wesend sei *). Wollte man dies nicht zugeben, so müßte man 
ihn wenigstens in irgend einer Weise räumlich beschränkt 
nennen 4 ). 

Wie in der Abhandlung über die Allgegenwart geht der 
Sentenziarier auch in jener über die Allwissenheit Gottes mit 
dem genannten Viktoriner Hand in Hand. Es interessiert uns 
dabei wenig, daß er ihr nach den verschiedenen Beziehungen zu 
den Dingen auch verschiedene Namen beilegt 3 ); uns ist es 

per substantiam deus esse dicitnr, ut aiunt, quin per virtutem propriae auli- 
stantise suae facit ut etiam leca sint et omnia quae in eis sunt. Diese An- 
schauung findet sich bei 1' 1 o t i n ; rfr. Zeller , Philosophie der Griechen 
Bd. HI, 2 p. 508 ff., doch konnte ich sie bei keinem damaligen Scholasti- 
ker finden. 

'} loc. cit. 

O aent. I, 37, 7: Sed licet haec Vera sint quae ftsserunt .... in illis 
tarnen verbis quibus dicitnr deus nbiqae esse per essen tiam, plus contineri 
credendum est, qnod homo vivens capere non valet 

') aent. I, 37, 1: Ex his aliisque pinribus auctoritatibna aperte raon- 
stratur, qnod deus nbique in omni creatura easentialiter, praesentiaüter et 
potentialiter est. 

') aent. I, 87, 8: Postremo reapondeant,, quid potina de den responden- 
dum eziatiment, vel qnod nnsquam per essentiam sit vel qnod ubiqne, vel 
qnod alicubi, ita qnod non nbique? Sed quis andeat dicere quod nnsquam 
divina essenti« sit vel quod alicubi, et non nbique sit? Si enim ita est ali- 
cubi, quod non nbique, ergo localis est. Auch August, epist 187 ad Dard. 
Migne 33 p. 882 ff. steht aaf seiner Seite. , 

'") aent. 1, 35, 1 ; Wissen (acientia), Vorherwiseen (praescientia), Vorher- 
bestimmung (praedeatinatio), Anordnung (dispositio], Vorsehung (Providentia). 
Hugo Vict. de eacr. I pa. 2 cap. 'J Migne 176 p. 210 ß. 



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112 Die Philosophie de« Petrus L.imbardus. 

darum zu thun, nur die wichtigsten Punkte herauszuheben und 
zu beleuchten. Darnach kommt dem Wissen des Ewigen die 
höchste Vollkommenheit zu. Es kann sich, weil identisch mit 
seinem Wesen, weder mehren noch mindern und deshalb auch 
nicht ändern 1 ). Vergangenheit und Gegenwart und Zukunft 
liegen in unfehlbarer Gewißheit vor ihm *). In ihm war die 
Welt schon gegeben, bevor sie ins Dasein kam s ), in ihm ist 
auch alles, was da kommen soll. Aber dieses Wissen schießt 
für Gott keine Notwendigkeit zu handeln in sich. Es ist nicht 
die Ursache der Dinge, sondern nur unerläßliche Bedingung oder 
Voraussetzung derselben % sonst müßte ja Gott, wie der Ma- 
gister im Einklang mit Hugo und Boethius auf augustinischer 
Grundlage ausfuhrt, auch der Urheber alles Übels sein e ). 

Neben dem höchsten Wissen eignet Gott auch noch die 
höchste Macht. Er kann thun, was er will, da er von nieman- 
dem gehindert oder geschädigt werden kann"). Nichts kann 
ihm widerstehen. Was er will oder nicht will, geschieht in 



') seilt. I, 39, 1. 3: Ex hac auctoritate [Aug. de trinit. XV, 13, 14 
Migne 42 p. 1075] elnre oatendttur scientiam dei omnino invariabilem esse, 

Stent ipsft essentia dei omnino invariabilia eat Sieut ergo nun potest 

augeri vel raiimi divina essentia, itji nee djviim scientia. cfr. Hugo Vict. 
Beut. I, 12 Migne 176 p. 62 A. 

') sent. 1, 39, 1 ff. .... 5 (kurze Zusammen f.): Stent itaque et immuta- 
biliter seit deus omni* quae fuerunt, et sunt et erunt .... praencit. qunquo 
omnia fiitura. cfr. Hugo Vict. sent, I, 12 Migne 176 p. 61 D ff. 

") siehe oben p, 58 ff. 

*) sent.1, 38, 4: lta etiam dieimue, scientiam vel praescientiam der non 
esse causam eorum quae fiunt nisi talem sine qua non Hunt. cfr. ßnetbius, 
de Interpret, edit. Bnsil. p. 371: Novit enim futur« deus non ex neceseitate 
ovenientia, eed ut conl in genter ita nt etiam alind posse fieri non ignoret. 
quod tarnen fiat. ex ipsorum bominum et aetmim ratione persciscat. 

*) sent. I, SS. 2: Si enim dei srientia rel praeacientia ennsa esset ma- 
lornm, esset utique dena anetor ninloi-um, quod penitue falenm est. cfr. Hugo 
Vict. sent. I, 12 Migne 176 p. 61 C ff. Mit Berufung auf Aug. XV, 13, 22 
Migne 42 p. 1075. 

°) sent. I, 42, 5: Hie ergo diligenter considernntibus oranipotentia se- 
cundnra duo appnret, seil, quod omnia facit quae vult et nihil omnino pati- 
tur; seenndnm utrumqne dei oinnipotentin verisaime prnedicatur, quia nee 
aliquid est, quod ei ad patievtduni corruptionem ioferre vslent nsc aliquid ad 
faciendiim impedimentum nfTerre. ffr. Hugo Viet. de sacr. 1 ps. 2 eap. 22 
Migne 176 p. 214 AB ff. 



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Wesen und Eigenschaften LiutttM. 118 

jedem Falle '). Auf seinen Wink tritt die Well ins Dasein 2 >, 
und seine Allmacht bewahrt sie vor dem Untergänge und der 
Auflösung ins Nichts '■'). Ihm lügen sich die Naturkräfte in 
ihrem Wirken. Er schaltet mit ihnen im Wunder nach Belie- 
ben 1 ). Auch das freie Thun des Menschen entzieht sich ihm 
nicht. Auch er muß seinen Plan vollziehen helfen, ob er will 
oder nicht will. Denn widersetzt er sich, so schreitet der 
Schöpfer über ihn hinweg und führt an ihm aus, was er sonst 
mit ihm gethan hätte''). Nur eine Schranke giebt es für ihn, 
und die liegt in der unendlichen Vollkommenheit seines We- 
sens, Er kann nämlich nur das thun, was ihm geziemt und 
schicklich ist *). Doch das bedeutet für ihn keine Schwächung 
seiner Macht. Denn kann er auch nicht gehen, wie die Men- 
schen, so kann er doch gehen machen : ), und kann er auch 
nicht sterben, nicht sündigen und sich nicht täuschen, so ist 

') seilt. I, 47. 1: Voluntas dei aemper efficax est, ut fiat omne quin! 
velit et nihil fiat qnod nolit. 

*) Siehe oben p. 75 IT. 

■') in epiat. ad Hebr. I Higne 192 p. 405 D: Creatoris autem omni- 
potentia causa Bat subsietendi omni erenturae, quae virtue ai ab eis, quae 
condidit, regend is nliquando ceasaret, aimul omnium rerum apecias et natura 
eoneiderent. cfr. Aug. de gen. ad litt. IV, 12,22 Migne 34 p. 304; Zachnrias 
v. Goldsboroug, concord. evang. I, 1 Migne 188 p. 46. 

') sent. II, 18, 7: Omnis creaturae cursua habet naturales leges; super 
himc naturalem cnraum creator habet apud se posse de omnibus facere aliud 

quam eorum naturalis ratio habet cfr. Hugo Vict, sent. III, 3 Migne 

176 p. 98 C IT.; Abaelard, introd. III, 7 Migne 178 p. IUI C; August, de 
gen. ad litt. IX, 17, 32 Migne 34 p. 406. 

") aent. 1, 47, 8, 1: His verbia evidenter monatratur, quod voluntas 
dei aeterua aemper impletur de homine etiamai faciat homo contra dei volun- 
tntem. cfr. Augast. enchirid. cap. 107 Migne 40 p 282: Utrunilibet bnruni 
(seil, malum et bonum) elegisset, dei voluntas (irret, aut etiam ab illo, cert* 
de illo. 

") sent. I, 42, 7: Non ergo negavit (seil. August.) eum posae omnia 
quae convenit ei posae. cfr. Hugo Vict. de aacr. I pa. 2 cap. 22 Migne 176 
p. 214 B: Omnia quippe faecre potest, praeter id soluin quod eine eiua Ine- 
sinne fieri non potest, in quo tarnen non minus omnipotens, quia ai id posaet, 
omnipotena non esset. 

T ) aent. I, 42, 2. cfr. Abaelard, introd. III, 4, theo], christ. V Migne 
178 p. 1092 AD; 1321 AB ff. 

Riilrt|i III, B. Eijubliitr, F.tru. Lombardn*. 8 



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114 Die Philosophie des Petrus Loinhardu«. 

das für ihn erst recht kein Nachteil, denn dies bedingt keine 

Vollkommenheit, sondern im Gegenteile einen Defekt l ). 

Stimmt nun der Meister bis hieher gleich Hugo, seiner 
nächsten Quelle, durchweg mit Abaelard überein, so gestaltet 
sich die Lage für die folgenden Punkte völlig anders. Der Lom- 
barde greift nämlich hierin gemeinsam mit dem Viktoriner 
seinen Lehrer in der schärfsten Weise an. Es hatte dieser in 
Wiederholung platonischer Gedanken behauptet, Gott hätte in 
seiner selbstlosen Liebe die beste Welt geschaffen, und es sei 
ihm unmöglich gewesen, anders zu handeln, als er wirklich ge- 
handelt habe*), 

Dem gegenüber erklärt der Meister, wollte man dies zu- 
geben, so müßte man seine absolute Allmacht beschränken und 
in ein Maß einzwängen ;| ). Wollte man ferner der Welt jegliche 
höchste Vollkommenheit zuschreiben, so müßte man sie als Gott 
anerkennen, räumte man aber ihre Mängel ein, so liege darin 
das Geständnis, daß sie besser gemacht werden könne, daß also 
der Schöpfer auch noch Besseres hätte schaffen können *). 

Der Sentenziarier verwirft demnach mit aller Entschieden- 
heit den Optimismus ■'■). Es giebt ihm ja nur ein vollkommen- 

') Beut. I, 42, 3, 4. cfr. Abaelard. aic et non XXXII Migne 178 
p. 1393 Et, besonders 1394 A. 

'} introd. ad theol. III, 5 Migne 178 p. 1094 A; 1096 C; 1098 C; 
theol. chriat. V Migne 178 p. 1324 A ff.; 1330 B. Interessant ist dabei, wie 
er vor allem Augustinus in seinem Sinne ausbeutete. Abgesehen vom "Tim aus 
des Chnkidius konnte er die Anschauung such finden bei Apuiejus, de dogm. 
Plat. I, 8, 198 edit. Qoldbacher p. 70; Claud. Man. de »tat. anhnae I, 5 
edit. Eugelbrecht p. 39. 

*) sent. I, 43, 1 : (Juidam tarnen de suo sensu gloriantes dei potentiam 
sub mensura coaretare conati sunt .... Aiimt enira: Non pot-est deus aliud 
facere quam (seit nee melius facere id quod facit, nee aliquid praetennittere 
de his quae facit. cfr. Hugo Viot sent. I, 14 Migne 176 p. 68 C ff. 

') sent. I, 44, 2: Sed si ita summe bonum dicitnr, ut Bulla ei perfectio 
boni desit, iam creatura creatori aequntur. Si vero ideo non potest melior 
esse, quia bonum amplius, quod ei deest, capere ipea non valest, iam hoc 
jpsum non posse defeetionis est, non consuramationis; et potest esse melior 
si fiat capax melioris boni, qaod ipse potest qui nsm fecit. Potest ergo deoe 
meliorem rem facere quam facit. cfr. Hugo Viel, de sacr. I ps. 2 oap. 22 
Migne 176 p. 210 A ff. 

') Es ist daher unbegreiflich, wie Lieber, Hugo von St. Viktor und 
die theol. Riebtungen seiner Zeit, Leipzig 1832 p. 368, behaupten könnt«, der 
Lombarde sei dem Optimismus geneigt. 



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sl.es Wesen, und das ist Gott Es könnte sogar nicht mehrere 
geben, denn entweder müßte dem einen eine Bestimmtheit fehlen, 
die ■der andere hatte, und dann wäre es nicht Gott, oder sie 
wären alle gleich vollkommen, und dann wären sie sämtlich bis 
auf einen überflüssig '). \V;is also Laktantius *) einst in diesem 
Punkte niederschrieb, das reproduciert hier der Meister gemein- 
sam mit Ansein) *) und Hugo *) in vollster Treue, und er bleibt 
damit hier wie in allen übrigen Angaben auf dem Roden der 
Kirchenlehre stehen, so daß die kommenden Zeiten an ihm nur 
lernen konnten. 

Trinität. 

Es wäre sonderbar gewesen, hätte die Scholastik in ihrem 
Bemühen, Gottes Wesen zu erfassen, sich nicht an das Dogma 
der Trinttät herangemacht. Sie mußte sich dazu um so mehr 
angespornt fühlen, als ihr hierin ihr größtes Vorbild, Augnstin, 
als leuchtendes Beispiel vorangegangen. Natürlich war es dabei 
für das Resultat von großer Wichtigkeit, ob ein Lehrer die 
Schranken des menschlichen Erkennens enger oder weiter zog. 
So sah z. B. Abaelard in seinem Vertrauen auf die Vernunft in 
diesem Lehrpunkte überhaupt kein undurchdringliches Geheimnis. 
Nach ihm hatten schon die Heiden das Glück, es vollständig zu 
erkennen ■''). Gegen ihn aber erhob sich die streng orthodoxe 
Richtung, welche an der Unbegreiflichkeit desselben in jedem 
Falle festhielt. Und ihr gehörte neben Hugo von St. Viktor '■), 
um die früheren, besonders Anselm ; ), zu übergehen, auch 

') senk I, 3, 22; 4, 1: Intelligit eiiim unum deum esse unam essen- 
tiam, quia si dno essent vel uterque insufficions esset vel alter euperflueret, 
quia ai all quid deesset uni, quod haberet alter, non esset ibi summa per- 
fecta. Si vero nihil uni deesset, quod haberet alter, cum in uno essent 
omni«, alter saperflaeret. 

') institat. I, 3. 

*) monolog. cap. 4 Migne 158 p. 150 A. 

') sent. I, 4; de sacr. I pg. 3 cap. 12 Migne 176 p. 4T C; 220 C; 
cfr. Abaulard, theol. clirist. V Migne 178 p. 1310 AC. 

') introd. I, IT; theol. chriat. I; expesit. in epist. ad Knm. Migue 178 
p. 1012 D; 1189 C; 802 D ff. introd. I[, 2 p. 1039 B: Ex qnibns aperte 
apoatolus dicit eis (seil, gentilibns) quuque mysteriiini trinitntia fuinfie re vel* tum. 

") s.-nt. I, 6 Higne 176 p. 51 A ff. 

7 ) Menol. cap. R4 Migne 158 p, 210 R 



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116 Die Philosophie den Petrus Lombaidus 

unser Lombarde an. Ihm erscheint es ;tls unmöglich, die Drei- 
einigkeit bis in ihr innerstes Wesen hinein zu erklären. Ihr 
Glanz blendet ja den Beschauer. Die Sinne versagen, der Ver- 
stand staunt, die Sprache gesteht ihre Ohnmacht, wir können 
nur schweigen im Angesichte der unendlichen Fülle '). Die Hei- 
den konnten von ihr kein eigentliches Bild haben. Nur die 
Proprietäten, welche den einzelnen Personen in ihrer Thäügkeit 
zukommen, konnten sie fassen, den Träger dieser Äußerungen 
aber niemals erschließen. Sie kannten nur die Wirkung, nicht 
aber deren Urheber. Gleich Wanderern, die aus weiter Ferne 
ihr Ziel nur dunkel und verschleiert sehen, ahnten auch sie nur 
den Umriß, nicht den Kern des Mysteriums a ). 

Das unbedingte Festhalten an diesen vollständig augustini- 
schen Sätzen brachte es mit sich, daß der Magister seinen Er- 
klärungsversuchen nur die Beweiskraft einer Analogie zusprechen 
konnte. Von einer Selbständigkeit freilich ist dabei auch keine 
Rede. Es kann ihm indes daraus nur ein relativer Vorwurf ge- 
macht werden. Alle seine Zeitgenossen, selbst Hugo und in 
seiner Art auch Abaelard, haben ja hier den Bischof von Hippo 
fast vollständig ausgeschrieben. Petrus folgte also im Grunde 
nur ihrem Beispiele, nur daß er ähnlich wie bei den Gottes- 
beweisen in aller Kürze referiert und sozusagen nur darauf hin- 
weist, wie allenfalls die Analogie auszuführen wäre. Nur ein 
Gleichnis führt er etwas eingehender durch. 

Ein erstes Nachbild der Trinität findet der Meister nun 
gegeben in den drei Hauptgruppen der Schöpfung : in der reinen 



') seilt. I, 38, 5: ImmouBiim est, quod axigitur et incomprehensibile; 
extra significantiam est aermonis, extra Heraus intentinnem, non enuntiatur, 
non attingetur, non teuetur; verborum significaiitiam rei ipsius natura con- 
Bumit; sensus contomptationem imperspicabile lumen obeaeeat, intelligentiae 
capacitatem, quod finn nullo continetur, exeodit. Mihi ergo in sensu labes est, 
in intelligeiitia Stupor, in sermone vero non iam infirmitntem sed aileiitium 
confitebor. 

*) in epist. ad Rom. Migne 191 p. 1838 D IT.; sent. i, 8, 6: Ecre 
ostensum est, quaJiter in creaturis aliquatenua imogo trinitatis imitatur. 
Non enim per creaturarum contcmplationcm sufficiena notitia trinitatis poteat 
haberi vel potuit . . . . Unde illi antiqui philosophi quasi per umbraru et de 
longinquo viderunt triuitatem deficientes in contuitu trinitatis ut ningi pha- 
raonia in tertio signo. cfr. August, de civit. dei X, 29, 1 Migne 41 p. 307. 



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Trinittt. 117 

Geister- oder der Engel welt, in der geistig-körperlichen Menschen- 
welt und in der reinen Körperwelt '}. Eine andere, wenn wir 
wollen, mehr auf metaphysischer Betrachtung beruhende Ähn- 
lichkeit Hegt ihm in jedem Dinge vor ; denn in jedem ßndet sich 
eine Einheit, welche sich in der Substanz darstellt, eine Spezies, 
welche mit den Accidenzien zusammenfällt, und eine gewisse 
durch die Einheit begründete Harmonie, welche beim Körper 
in Maü und Gewicht, beim Geiste in Liebe und Freude 
zum Ausdruck kommt. In der Anwendung dieser Angaben 
auf die Gottheit sieht er nun in der Einheit den Vater, 
in der Spezies, welche den Namen Form tragt, den Sohn als 
den Urgrund aller Formen, in der Harmonie endlich den Geist, 
als den Begriff aller Liebe und Güte symbolisiert *). Eine dritte 
Ähnlichkeit will er dann mit Hugo und Abaelard in den Eigen- 
schaften der potentia, sapientia und bonitas finden, welche in 
der ganzen Welt zu tage treten sollen 8 ). Natürlich treffen wir 
bei ihm auch die ganz geläufige Analogie, welche Auguslin in 
den drei Grundkräften der Seele: in memoria, intelligentia und 



') sent. II, 1, 11: Primo du rationnli et apirituali (seil, creatura) j. o. 
de * rigol is agendum videtur . . . deindo ad cousid oratio nem eorporeae tarn 
illius ijuao est rntionalis quam illius quae noa eat mtioiialia descendat, ut 
trinit&tis iuereatae sacramentum tripartitae creaturae .... sequa- 
tnr documentum. 

'■') sent. I, 3, 6: Hacc mim quae arte divinn facta sunt et unitatem 
quandam tn se oatendunt et speciom et ordinem. Niim quodque horum creu- 
lorum et umun »liquid, est, aicut sunt naturae corporum et ingenia animarum ; 
et aliqus gpocin formatur sicut sunt figurae vel qualitutes corporum et 
doctrinae vol artes animarum, et ordinem aliquem petit aut tonet sicut sunt 
pondera et collationes corporum et «mores vel delectationes auimarnm et ita 
in creaturis praclncet vestigiuin trinitatis. In illa enim trinitat« summa ortgo 
est omnium rerum et perfectissims pulchritudo et beatissima delectatio [Aug. 
de trinit, VI, 10, 12 Migne 42 p. 932; de natura beni cap. 18 Migne 42 
p. 556]. Summa antem origo intclligitur deus pater .... perfectissima pul- 
ebritndo in teil igt tur filius .... quae forma est omnium quae ab initio facta 
sunt .... quae tarnen nee onmia nerent, nisi deus summe bonus esset .... 
quae bonitas intelügitur spiritus aanetus clr. Abaelard, theo), christ. 1, 2 
Migne 178 p. 1124 A. 

*) sent. I, 34, 6—9; in epiat. ad Korn. Migne 191 p. 1329 A; Hugo 
Vict. de sacr. I pa. 8 cap. 27 Migne 176 p. 229 A; Abaelard, in epist. ad 
Rom.; theo), christ. I. 2 Migne 178 p. 804 C; 1121 A. 



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118 Die Philosophie des Petrus Lomliardiis. 

voluntas ') oder in mens, inlelligentia und amor begründet sieht. 
Wie Bewußtsein, Bewußtseinsinhalt und Wille niemals isoliert 
von einander thütig sind, sondern immer aufs innigste mit ein- 
ander verwachsen sind, so sind auch Vater, Sohn und Geist im 
göttlichen Wesen zur größten Einheit vereinigt, aber doch wieder 
verschieden von einander, nicht wie Accidenzicn von ihrer Sub- 
stanz, sondern so, wie die Personen sich von einander unter- 
scheiden. 

Der Meister bewegt sich demnach mit seinen Darlegungen 
ganz auf dem Boden der alten Überlieferung. Er wollte allem 
Anscheine nach auch nichts anderes bringen. Daher kam es, 
daß er die neupythagoreische Zahlenspekulation, wie sie in die- 
sem Punkte in der Schule von Ohartres im Gange war und 
durch Thierry ihre Vertretung fand, völlig beiseite lieb. Es 
mochte ihn wenig anmuten, sich wie dieser an Boethius*) an- 
zulehnen und zu sagen: Die Eins mit sich selber multipliziert, 
giebt wieder nur ein Eins und diese ist mit der erzeugenden 
Eins völlig gleich. Ähnlich erzeugt auch die Eins in der Gott- 
heit,, der Vater, wiederum nur eine Einheit, den Sohn, zwischen 
beiden aber besteht die Beziehung der absoluten Gleichheit, 
weiche den Geist andeutet ') ; es mochte ihn dies wenig an- 
muten, denn keine der Autoritäten, die er besonders schätzte, 
kannte eine derartige Analogie. 

V. Ethik. 

Da in der scholastischen Ethik die Gottesluhre notwendig 
vorausgesetzt ist, so müssen wir erst nach den theologischen 

') seilt, 1, 37, 1 ff.; in pa. 4, 7 Migne 191 p. 88 B; cfr. Hugo Viot. 
spec. eccl. 9 Migne 177 p. 377 C: Anselm, mono), cnp. 18; 59; bes. 67 
Migne 158 p. 199 C; 200B; 213 B. August, de trinit. X, 12, 19; XV, 7, I2 ; 
IV, 21, 30 Migne 42 p. 984; 1065; 910. 

") de arithmetica II, 4 edit. Basil. p. 1328: lta etiam unitos in seipsa 
roultiplicata nihil proereat. Semel enim ununi nihil aliud ex se gignit quam 
ipsa est. 

") über Thierry von Chaitres siehe Haureau, iiiat. Je la philoa. seol. 1 
p. 392 ff.; p. 397 Anm. 1 ff.: Gcueratio igitur numerorum ab aliis numeris 
seeundum aritbmeticam multiplex et varia est ... . l'nitas enim semel nihil 
aliud est quam unita» .... Unitas unim per se nihil aliud gtgnere putest 
nisi eiusdem unitatis aequalitatem. 



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Freiheit des Willens und Objekt der freien Willonsthatigkoit. 119 
Erörterungen der Ethik unsere Aufmerksamkeit zuwenden. Wir 
werden also liier die Grundsätze zur Darstellung bringen, die 
wir beim Lombarden entdecken können. Der Zweck unserer 
Abhandlung bringt es dabei notwendig mit sich, die dogmati-' 
sehen Probleme soviel als möglich aus dem Spiele zu lassen und 
nur dort auf sie zurückzugreifen, wo es der Zusammenhang und 
die Deutlichkeit verlangen. 

Freiheit des Willens und Objekt der freien 
Willensthätigkeit. 

Schon im Vorausgehenden konnten wir wiederholt darauf 
hinweisen, dali der Magister den Anschluß an Abaelard suchte. 
Ebenso klar tritt uns dies hier entgegen, wo es sich um die 
Bestimmung der Freiheit, der Grundvoraussetzung der Ethik, 
handelt. Aber es ist nicht Abaelard allein, auf dem der Meister 
aufbaut; im Gegenteile, wir stoßen auf eine so durchgreifende 
Verwertung Hugonischer Gedanken, dalä wir diese in erster Linie 
als maßgebend für unseren Sentenziarier bezeichnen müssen. 
Für Petrus war eine solche Verquickung beider Lehren um so 
leichter möglich, als sie auf die Autorität Augustins bin in dem 
hier in Frage stehenden Punkte völlig übereinstimmten. 

Gleich Abaelard ') beruft sich nun der Magister vor allem 
auf die Delinition, welche Boetlrius J ) von der Freiheit giebt, 
Darnach versteht er darunter das liberum de volunlate Judi- 
cium ■'), mit anderen Worten, das freie Wahlvermögen, das die 
Indifferenz für Entgegengesetztes zur Voraussetzung hat. Die 
Freiheit, meint er im Anschluß an Hugo, verlangt, nicht nur 
das Böse, sondern auch das Gute vollbringen zu können '). Es 
fragt sich dabei, welche Faktoren die menschliche Freiheit be- 

') introd. 111 Migne 178 p. 1110 A. 

*) de Interpret. III edit. Basti, p. 360. 

*) &ent. [I, 25, 1: Redeamua ad liberi arbitrii traetatum. quod philo- 
sophi definiontca dixerunt .liberum de voduntatc Judicium". Der Lumbarde 
geht nach dem Worthut des Satzes zunächst auf Abaelard (loc. cit.) zurück. 

*) Bert. II, 25, 18: Verum oobia magis placet ut ipaa libertas arbitrii 
Bit et illa, qua magig über est ad mslum, et alta qua quis über est ad bonum 
facienduni etc. cfr. Hugo Vict. senk III. 9 Migne IT6 p. 104 C. 



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120 Die Philosophie des Petrus Lora bar dus. 

dingen. Der Lombarde fordert dafür, wie der Viktoriner und 
Isidor von Sevilla, zwei, nämlich Vernunft und Willen. Erslere 
unterscheidet zwischen Gut und Böse und legt ihr Resultat dein 
Willen vor. Dieser aber bewegt sich in spontaner Sti-ebigkeil zu 
dem Erkannten hin ; ob zum Guten oder zum Bösen,, ist voll- 
standig ihm überlassen' 1 ). 

Nach diesen Angaben möchte man glauben, Petrus trete 
direkt gegen Anselm von Canterbury auf, der in der Freiheit 
zunächst nichts anderes sah, als die Fähigkeit des vernünftigen 
Wesens, den von Gott empfangenen guten Willen um seiner 
selbst willen zu bewahren *), der also entschieden gegen die 
Freiheit in seinem Sinne ankämpft. Und doch ist der Wider- 
spruch nur ein scheinbarer. Nicht die Wahlfreiheit als solche, 
das Vermögen, gleichmäßig zwischen Schlechtem und Gutem 
wählen zu können, bildet für ihn das Wesen der Freiheit, son- 
dern nur das Erhaben-sein über die Notwendigkeit, über jeg- 
lichen inneren und äußeren Zwang. Es steht ihm mit Augustin 
und Hugo fest, data der Mensch nach der ersten Sünde ohne 
fremde Hülfe nicht Gutes thuu könne, und es fragt sich, ob 
hier noch von Freiheit die. Rede sein könne. Zur Lösung dieser 
Schwierigkeit betont er, data den Menschen auch in diesem Zu- 
stande keine Notwendigkeit treibe, denn es fehle ihm nur die 
accidenteltc Fähigkeit, nicht sündigen m können, nicht aber die 
substanzielle Zwnngslosigkeit "). Er sieht dann mit Abaelard 

'] sent. II, 24, 5: Et dioitur liberum, quantum od voluntatem quao ad 
utrumlibet flucti potest. Arbitrium vero, quantum ad rationem, cuius est 
facultas et potentia illa, cuius etiam est discornere iuter bonnm et malum et 
aliqnando quidem diacretionem habens boui et niali, quod malum est eligit, 
»liquandit vero, quod bonum ast . , . .; sent. II, 25, 1: Liberum ergo dicitur 
Arbitrium quantum ad voluntatem, quia voluntarie moveri et spontaneo appe- 
titu ferri poteat ad ea quae bona ve] mala iudicet vel iudicare potest. cfr. 
Hugo Vict. sent. 111, 8 Higne 176 p. 101 C: Et consietit in duobua: in 
voluntate et ratione: Liberum naroque dicitur quantum ad voluntatem, arbi- 
trium quantum ad rationem. Katiouis est videre quid sit «ligendum vel non; 
voluntatia est appetere etc. cfr. Isidor Hispal. de differ. 11, 32, 115 Migne 
83 p. 87 C: Arbitrium est voluntas liberae potestatis, qua« per se sponte vel 
bona vel mala appetere poteat. cfr. Pullus, aent. II, 4 Migne 186 p. 720 C. 

'-') de üb. arbitr. III Migne 158 p, 494 B: lila libertaa arbitrii est 
potestas servandi rectitudinem voluntatia propter ipsam rectitudinem. 

1 ) acut. II. 25, (*: Ecco liberum arbitrium dicit (seil. August.) hoininera 



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Freiheit des Willens und Objekt der freien Willeustfafctigkeit 121 
und dem Bischof vuii llippo, (Infi Gott und die Engel und Hei- 
ligen nicht mehr sündigen können und dennoch frei sind, und 
wiederum erklärt er sich die Sache dadurch, daß er sagt, sie 
seien frei, weil sie innerlich nicht gezwungen wären '). Damit 
steht es dann im Einklang, wenn er sich ein andermal aus- 
drücklich mit Honorius von Antun auf den augustmischen Satz 
beruft: Der Mensch ist frei zur Sünde, denn kein Fahim, kein 
Zwang vermögen ihn mit unzerreißbaren Ketten festzuhalten *). 
Natürlich mußte bei solcher Ansicht die Definition des Boethius 
unserem Magister als zu weit erscheinen. Daher modifizierte 
er sie gemeinsam mit Abaclard dahin, daß er sagt, der Wille 
werde dann frei genannt, wenn er ohne Zwang und Notwen- 
digkeit das anstreben oder erwählen könne, was die Vernunft 
ihm vorstelle 3 ). 

Bei dieser Fassung des Begriffes leuchtet die Harmonie 
mit der oben angeführten Anselmischcn Stelle von selber ein. 
Die Parallele läßt sich aber noch weiter ausdehnen und so 
zeigen, daß er wie Hugo und Abaelard im Kerne nur die An- 
schauung des Erzbischofes von Canterbury teilt. In dürren 
Worten und ausgehend von den nämlichen Erwägungen erklärt 
ja dieser, daß die Möglichkeit zur Sünde in keiner Weise zum 

auiisisse; nun quiapoal peccatum non habuerit liberum arbitrium, sed quin libor- 
tatem arbitrii perdidit, nun quidem n nccesaitato sed libertatem a miseria et pec 
cato .... 9: Est namque libertaa triptex, seil, a neuessitat«, u peccato, a miseria. 
A necessitato et ante peccatum et post aeque liberum eat arbitrium. Sicut 
eniiu tunc cogi nun poterat, ita nee modo. Ideoque voluntas merito apud 
douin iudicatur, quae semper a uecessitate liber» est et uunquam cogi poteat. 
Ubi necessitaa, ibi non eat libertaa; ubi non est libertaa, nec voluutua et ideo 

nee meritum, Haec libertaa in omnibua est tarn in malis quam in bonis 

ofr. Hugo Vict. sent III, 9 Migne 176 p. 1Ü2 AC. August, enchirid. 30, 9 
Migne 40 p. 246 ff. cfr. sent. II, 25, 13, 10. 

') sent II, 25, 1; cfr. Abaelard, introd. 111,7 Migne 178 p. lllODff.; 
August. Enchirid. 105, 28 Migne 40 p. 281. 

') in pa. 31, 8 Migne 191 p. 320 1): Ita clamet seger. [= peccator] 
ad inedicum et dicat: cum libero arbitriu creavit ine deus: ideoque ei peceavi, 
ego peceavi, non futuin. non fortuna, non diabulus nie cogit sed ego porsua- 
donti consenai. cfr. Honorius August, de libero arbitr. cap. 2 Migne 172 
p. 1224 A; August, ennarr. in ps. 40 n. 6 Migne 36 p. 458. 

;l | sent. II, 25. 5: l'nde si diligenter inspiciatur, liberum videtur dici 
arbitrium, quia sine coactionc et necessitate valet appetere vel eligere quod 
es rationu decreverit cfr. Abaelard, introd, III Migne 178 p. 1110 D. cfr. 
August. Euch. 105, 28 Migne 40 p. 281. 



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122 l)ie Philosophie den Petrus Lombardim. 

Wesen der Freiheit gehöre, sondern nur äußerlich und zufällig 
dein Willen anhafte '). Er hebt dann auch hervor, dali der 
sündelose Mensch allein über die echte Freiheit verfüge -), und 
wenn er immerwährend darauf hinweist, daß dem Menschen 
wenigstens die . Fähigkeit, das Gute zu wollen, stets erhalten 
bleibe, wenn er auch faktisch immer sündige "), so sagt er damit 
zur Genüge, dali frei sein für ihn nur soviel heiße, als keinem 
Zwange unterliegen. Diese Übereinstimmung wird uns erklär- 
lich, wenn wir bedenken, daß Augustinus für sie die gemein- 
same Quelle ist *). Für den Lombarden ergiebt sich dies noch 
speziell aus einem anderen Orte, an dem er die Frage, wann 
denn der Mensch glücklich sei, ganz im Anschluß an diesen 
Kirchenvater beantwortet. Er erwähnt nämlich mit diesem ein- 
mal eine Meinung, nach welcher der allein wahrhaft glücklich 
wäre, der alle seine Wünsche, ob gut oder bös, erfüllen könne. 
Dagegen streitet er nun und behauptet seinerseits, daß nur der- 
jenige wirklich glücklich sein könne, der in seinem Thun von 
jeglicher Sünde frei sei J ). Wie leicht ersichtlich, bestätigt diese 
Bemerkung vollauf, was wir oben dargelegt haben. 



') de libero arbitrio cap. 1 Higne 158 p.' 490 1!: (Juoniam ergn libe- 
rum Hrbitriuin divinum et bonorum angelorum peccare nun potest, non per- 
tinet ml definitionem libertatis arbitrii posse peccare. Denique noc libertaa 
nee pars libertatis est potcslas peccandi .... cap. 2 p. 491 C: Non ergo 
pertinet ad libertatem arbitrii, quod sie est extranenm a übertäte. 

') de lib. arb. cap 1 p. 491 A: Liberior igitur est voluntas quae a 
rectitudiue non peccandi declinaro nequit, quam quae illam potest dcaererc. 

') ibid. cap. 3 p. 492 C: Licet peceato se subdidissent, libertatem 
tarnen arbitrii naturalem in se interimere ncquiverunt; sed faeere potuerunt 
ut iain non sine alia grati», quam erat illa quam priua habuerant, illa über- 
tat« uti non valeant. cfr. bes. cap. 6 p. 498 u. cap. 9 p. 503. Warum die- 
ser letztere Gedanke etwas znrücktritt, wird uns begreiflich, wenn wir die 
Tendenz dieser Schrift beachten, welche beweisen will, daß nur die Wahlfrei' 
heit zwischen Gut und Gut zum Wesen der Freiheit gehöre. 

*) Wir müssen uns hier mit der Behauptung begnDgen und können 
zum Beweise nur auf unsere Anmerkungen verweisen. 

J ) seut. IV, 49, 2: Omnes autem beati haben t quod volunt quamvis 
non omnes qui habent quod volunt, continuo aint beati: continuo autem 
iniaeri qui vcl non habent quod volunt vel id habent, quod non recte volunt. 
Beatus igitur non est nisi qui et habet omnia quae vult et nihil vult male etc. 
cfr. August, de trinit. XIII, 5, H Migne 42 p. 1019; de cjvit. dei XIV, II, 1 
Migne 41 p. 418. 



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Freiheit dos Willens und Ohjekt der freien WillensrhKtigkeit. 123 
Aus all dem Gesagten geht aber hervor, daß das Objekt 
unseres Wahl Vermögens sittlich Erlaubtes oder Unerlaubtes bildet. 
Doch ist das nur innerhalb gewisser Grenzen der Fall. Nicht 
das Vergangene, auch nicht das Gegenwärtige, sondern nur das 
Zukünftige ist unserem Ermessen überlassen. Vergangenes und 
Gegenwärtiges nicht, weil sie als unveränderliche Thatsaclien 
schlechthin unserem Belieben entrückt sind. Doch auch in den 
kommenden Dingen sind wir nicht in allweg frei. Die eigene 
Natur zieht hier dem Willen die Schranken, denn nur das kann 
Ziel seines freien Strebens sein , was in seiner Machtsphäre 
liegt '). Wie weit nun aber diese Machtiulle des Strebevermo- 
gens sich erstreckt, können wir nirgendwo erfahren, auch nicht 
bei den Quellen, aus denen der Meister seine Überzeugung ge- 
schöpft hat. Denn Hugo von St. Viktor 1 ) und Abaelard a ) geben 
uns darüber ebenso wenig Aulsei] Ina. 

Doch wie dem auch sei, im Groben und Ganzen treffen 
wir bei unserem Sentenziarier alle jene Grundsätze, die uns bei 
den Späteren entgegentreten. Thomas von Aquin ') z. B. bc- 

') seilt. II, 25, 2: Hoc autem acienilum est, quod liberum Arbitrium 
vel tu! praesens vel ad praeteritum non refertur, sed ad futurn conti ngontin. 
Quod enim in praesenti est, determinatum est nee in potestate noetra est, ut 
tunc sit vel non ait, quando est, poteat enim non esee vel aliud esse pusten 
sed non poteat non esse dum est vel aliud esse dum est i. e. quod est. Sed 
in futuro an hoc Bit vel illud ad potestatem iiberi spectat. Nee tarnen omnia 
futura sub potestate Iiberi veniunt, sed ea tantnin, quac per liberum arbitrium 
posaunt fieri vel non fieri. Si quis enim tale quid velit ac dispouat facere 
quod in eiua nultatenus eit potestate, vel quod sine ipsius dispoaitione aeque 
tieret, in hoc ipso liberum non habet arbitrium. 

*) seilt III, 9 Migno 176 p. 102 B: Die gerade zitierte Stelle ist bis: 
si quia enim etc. wortlich hier gegeben. 

•) introd. ad theol. III Migne 178 p. 1110 B, wo der Teil von si quis 
enim etc. zu finden ist. 

*) cfr. z. B. suni. contr. gont. I, 88: Nam liberum arbitrium dicitur 

respeetn cor um quae non neceaaitate quia vult, sed propria sponte Dens 

■utem alia a ae non ex neceaaitate vult; s. th. II, 1 q. 1 a 1: Unde et libe- 
rum arbitrium esse dicitur facultas votuntatis et ratiunia. 1 q. 83, a 1 i Agit 
(homo seit.) libero iudicio, potens in di versa fern. Ratio enim circa conti- 
gentia habet viam ad opposita. sent. II. dist. 25 q. an. ». 1 ad 1: Ideo ubi 
porfectissimum est liberum arbitrium, ibi in inajuin tendere non poteat, quia 
imperfectum esse non poteat; aed hoc ad übertaten arbitrii pertinet, ut actio- 
nem aliquam facere vel non facere poaait et hoc deo convenit. Bona enim 
qua« facit, poteat, non facere, nee tarnen nulluni facere poteat. 



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124 Die Philosophie des Petrus Lombard us. 

wegt sich sogar manchmal in ähnliehen Worten, was allerdings 
auch durch die Natur der Sache bedingt sein kann. Wir dürfen 
demnach in dieser Hinsicht die Leistung des Meisters in keiner 
Weise unterschätzen. 

Glückseligkeit. 

Das Ziel, nach dem wir alle verlangen, ist die Glückselig- 
keit. Honorius von Autun sagt von diesem Verlangen, es liege 
ebenso in der Natur des Menschen, wie der Wunsch, zu leben '). 
Den gleichen Gedanken verficht auch unser Meister, nur daß er 
ihn im innigen Anschluß an den Bischof von Hippo noch weiter 
ausführt und eingehender erörtert. 

Es steht ihm also fest, daß wir alle nach dem Glücke 
trachten. Mag es der eine in der Tugend, der andere in der 
körperlichen Lust, ein dritter endlich in irgend etwas anderem 
suchen: - nach der Glückseligkeit strebt ein jeder mit feurig- 
stem Eifer*). 

Diese besteht aller zunächst in nichts anderem, als in der 
suhjektiven Freude, in der Lust. Das Höchste ist es ja, eine 
Sache zu genießen, d. h. sie mit Freuden zu gebrauchen und 
in ihr mit Befriedigung zu ruhen 3 ). Darum zielt all unser 
Sorgen und Denken auf dieses ab*). Indes nicht die Lust als 

') de lih. arbitr. cap. 6 Migne 172 p. 1226 A : Omnis humo natura- 
liter vult beatum ease aicut natura liter vnlt vivere. 

') scnt. V, 49, 2 : Si eam oinnes noscereut, non Hb aliia putsretur in 
virtute onimi ab aliia in voluptate corporis ab aliia atque ftlüs nlibi atquc 
nlibj [Aug. de trinit. XIII, 4, 7 Migne 42 p. 1018] .... Ait enim Cicero in 
Hortensio : ßeati certe orones esse volumus. Abait ut hoc falsnin esse 
dicamus [August, de trinit. XIII, 4, 7 Migne 42 p. 1019] . . . qnapropter quo. 
niam verum est quod omnea hominea esae beati velint idque ardoutissimi 
amore appetant et propter hoc caetera quaocunque appetant .... sequitur 
ut oinnes beatam vitam sciant [Aug. de trinit. XIII, 5, 8 Migne 42 p. 1020] 
.... Beates autem esse velle, omnium hominum est [Aug. de trinitate XIII, 
8,11 p. 1022). 

*) aent I, 1, 3, 5 : Frui autem est uti cum gaudio .... ideoqne omnis 
qui fruitur, ntitur, aaaumit enim aliquid in fscultatem voluntatis cum üne 
delectationis [August, de trinit. X, 11, 17, p. 982] .... »i fruimur cognitia, 
in quibas ipsis propter se voluntaa delectata conquiescit [Aug. de trinit. X, 
10, 13 p. »81]. 

') sent. I), 38, 6; in ps. 7, 10 Migne 191 p. 116 B : Ipse enim sola scru- 
tatur cor da i. e. quod quisque cogitet et reus seil, quid quemque delecUt, 



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UUtckseligkeit. 125 

serielle ist das letzte Ende unseres Handelns, sondern ei» Etwas, 
eine Sache, die uns Lust gewährt. Es kann dies aber nicht 
die Charakterstärke sein, denn viele streben nicht nach einer 
solchen und wollen dennoch nach dem Glucke trachten ; es 
kann dies auch nicht irgend ein anderes Ding ') sein, sondern 
einzig und allein Gott, der in seiner unwandelbaren, absoluten 
Vollkommenheit uns ganz zu beseligen vermag. Nur wenn wir 
ihn, den Dreieinigen, im Genüsse besitzen, d. h. in Liebe mit 
ihm vereinigt sind -), wird uns auch dauernde Freude zu teil *). 
Denn nur das Unvergängliche, das Ewige kann mit Recht Ge- 
genstand des Genusses sein '). Von der Gottheit allein kann 
deshalb der Ausdruck frui im eigentlichen und ursprünglichen 
Sinne gebraucht werden, da er ja soviel sagt, als eine Sache 
um ihrer selbst willen lieben und so Lust haben s ). 

Alle anderen Dinge können darum nicht Endziel unseres 
Thuns, sondern nur Mittel zum Zwecke sein. Um ihrer selbst 
willen sind sie nicht zu erstreben, und so bilden sie denn 
auch för unsere Thätigkeit nicht den Ruhepunkt für eine end- 
gültige Rast, sondern nur ein Durchgangsstadium"). Von 



quia finia curae et togitationis est delectatio, ad quam cura et cogitatione 
iijtitur quisque pervenire. cfr. Aug. enarr. in ps. 7, 10 n, 9 Migne 36 p. 103. 

') Beut, IV, 49,2. 

*) acut. I, 2, 2, 3 : Frui autem est nmore ulicui rei inhaerere propter 
ite ipsdin. cfrr~Auguet. de doctr. Christ 1, 4, 4 Migno 34 p. 20. 

') seilt. II. 88,1: Finia autem bonoe voluntatis beatitudo est, vita 
aeterna, ipae deus. cfr. Aug. de trinit, XI, 6, 10 Migne 42 p. 992; ferner 
sunt, I, 1, 2 : Res igitur, quibus fruendum est, sunt Pater et Filius et Spiritus 
sanetus, Eailem tarnen thnitas quaedam aumma res est communiaque oroni- 
bua fruentibus. Daß Abaelards Dialog inter philo*. Jud. et Christ, den glei- 
chen Gedanken schon ausspricht, begründet keine Abhängigkeit unseres 
Meisters, sundern ist in dem Christentume beider gegeben. 

*) sent. I, 1, 2: In omnibus rebus illae tan tum sunt quibus fruendum 
est, quae aeternae et incommntahiles sunt. cfr. August, de doctr. cliriat. 1, 4, 
4 Migne 34 p. 20 ff. 

') sent. I, I, 5; Si vero inhoeseris atque permanseris, finem in ea 
ponens laotitiae tuae, tunc vere et proprie frui dicendus est, quod non est 
faciendmn nisi in illa trinitate i. e. summo et incommutabili bono. cfr. Aug. 
de doctr. chriat I, 33, 37 Migne 34 p. 33; ferner in ps. 17 p. 39 Migno 191 
p. 200 C; cfr. Angust. enarr. in ps. 17, 36 Migne 36 p. 152. 

'') sent. I, 1, 2: Res antein quibus utendum est, mundus est et in eo 
creata. Unde Augustinus [de doctr. cltriat I, 4. 4 Migne 34 p. 21] utendum 



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126 Die Philosophie des Petrus l.oiubarduä. 

dieser allgemeinen Hegel ist auch die Tugend niclil ausgenom- 
men. Sie kann und darf zwar auch für sicli von uns verlangt 
werden, da sie uns mit aufrichtiger Freude erfüllen kann, aber 
sie darr es nicht im ausschließlichen Sinne, sondern nur unter 
der Bedingung, rtali man nicht hei ihr stehen bleibt und in ihr 
das letzte Ziel erblickt. Von ihr aus müssen wir noch vor- 
wärts zu jenem Höchsten eilen, das als Äuuerstes und Bestes 
unserer liebenden Sehnsucht entgegentritt l ). Also im Grunde 
genommen dürfen auch die Tugenden nur gebraucht, nicht ge- 
nossen werden. 

Mit dieser ganzen Darstellung über die Würde der Tugend 
will der Meister zwei sich äußerlich widersprechende Ansichten 
vereinigen. Die eine von ihnen will mit Augustin die Tugend 
gleich allen anderen endlichen Dingen nur als Durchgangs- 
stadium, als Mittel zum ewigen Lehen betrachtet wissen, die 
andere will mehr im stoischen Sinne, aber im Anschluß an Am ■■■ 
brosius behaupten, es habe auch in Bezug auf sie der Ausdruck 
frui seine Geltung, d. h. sie dürfe um ihrer selbst willen er- 
strebt und geliebt werden *). Wie man sieht, schlägt Petrus 
einen Mittelweg ein, wobei ihn sein Streben, die beiden Auto- 
ritäten in Harmonie zu bringen, auch auf die richtige Erklärung 
der ambrosianischen Stellen führte 1 ). 



est hoc mundo, non fruendum, ut invieibilia d«i per ea qiiae facta sunt, in- 
tellecta conspiciantur. Die Anmerkungen 2, 4, C p. 125 finden sich auch Wi 
Hugo v. St. Victor senk 1, 10 Migne 176 p. 57 A ff. und Abaelard, sie et non 
eap. 8; tbeol. ohrist. IV Migne 178 p. 1303 B, 1262 D, freilich in einem 
anderen Zusammenhange. 

') sent. I, 1, 8: Noa autem harum quae videtnr nuctoritatuui repug- 
nantiam de niedio eximerc cupienlca, dieimns quod virtutes propter se peten- 
dae et amandae Bunt et tarnen propter solam beatitudinem: propter se qnidem 
amandae sunt, quin delectant sui posessores aincera et saneta delectatione 
et in eis pariunt gaudtum spiritusle. Verum tarnen non est hie conaisten- 
dum sed ultra gradiendum, non hie haereat dilectionis gressue, neque btc ait 
düectionis terminus, sed referatur hoc ad illud summum bonum cui soli om- 
nino inhaereudnm est, quia illud propter se tan tum amandum est et ultra 
illud nihil quaerendnm est; illud est enim supremus flnis. 

') Der Magister fahrt beide sent. I, 1, 8 vor und gibt zugleich au- 
gustinische und ambrosianische Stellen an. 

') cfr. StOrkl, Gesch. der Phil. IM. I p. 287 n. 9 et 10. 



Digitizod by VjOOQlC 



Moritlittt der menschlichen Hand langen. 127 

Moralität der menschlichen Handlungen. 

Damit wir die Glückseligkeit, der wir alie zustreben, auch 
wirklich erreichen, müssen wir unserm Thun und Handeln eine 
bestimmte Richtung geben, wir müssen mit anderen Worten 
das Böse meiden, das Gute aber thun. Es fragt sich nun, wel- 
ches denn in erster Linie der Faktor sei, der unserer Thätigkeit 
den Stempel der moralischen Güte oder Schlechtigkeit aufdrückt. 

Um hierin einigermaßen zum Verständnis vorzudringen, 
ist es vor allein notwendig, die Anschauungen Abaelards in 
Kurse kennen zu lernen. Man behauptet mit gutem Grunde, 
dieser Meister ■ habe mit besonderem Nachdruck das subjektive 
Moment zur Geltung gebracht '). Man kann aber mit gleichem 
Rechte noch hinzufügen, ohne Augustin wäre er niemals auf 
seine Höhe gelangt. Den Beweis dafür müssen wir uns aller- 
dings auf eine andere Gelegenheit versparen, denn in diesem 
Zusammenhange fällt es nicht auf unseren Weg, zu untersuchen, 
inwieweit er augustinische Stellen einseitig betont und so sein 
Resultat gewinnt. Was uns hier interessiert, ist die Erschei- 
nung, daß der Lombarde mit Angaben aus dem gleichen Kir- 
chenlehrer gegen ihn vorgeht und so im letzten Kerne Augustin 
gegen Augustin ausspielt. Die Gegensätze, welche jener im 
konsequenten Denken aus den Werken des großen Afrikaners 
entfernte, bringt demnach er wieder zum Vorschein, allerdings 
nicht in der Absicht, der Autorität des Bischofs von Hippo zu 
schaden, sondern nur, weil er glaubt, ihn besser zu verstehen. 

Nach dem Verfasser der Ethik bemifit sich nun der mo- 
ralische Wert unserer Handlungen einzig und allein nach der 
Absicht, die ihnen zu Grunde liegt oder, von einem anderen 
Gesichtspunkte aus, nach der Zustimmung oder Zurückweisung, 
die wir unserem Begehren zu teil werden lassen*). Nur die 
Intention ist es, welche ethisch in Betracht kommt. Alle Hand- 

') Überweg-Heinze, Geschichte der Philosophie hfd II. p. 195. VII). Aufl. 

*) z. B. ethic* cnp. 3 Mignc 178 p. 6S6A : Harte vero consmaum (seil, 
peccato) proprio peecutum nomiaamus. cap. XI. p. 652 C: Unde ab eodem 
liomtne cum in di vereis temporibus iriem Hat, pro divereitat« tarnen intentio- 
nis ejus operatio modo bona modo mala dicitnr. cfr. cap. 12 p. 652 D; cfr. 
Isidor Hisp. aeot 27,1 Migne 33 p. 623. 



Iligltlzod by VjOOQLC 



138 Die Philosophie im Petrus Lombsrdus. 

lungen sind an dich indifferent, weder schlecht noch gut. Sie 
können den moralischen Wert unseres Thuns weder mindern 
noch mehren noch überhaupt beeinflussen '). 

Die Wucht dieser Sätze hatte auch bei unserem Lehrer 
ihre Wirkung. Auch er legt dein Zwecke, der Absicht, die 
größte Bedeutung bei. Ausgehend von augustiniseben und am- 
brosianischen Stellen erklärt er offen a ), der Zweck sei es, der 
ein Werk gut oder böse mache; denn jene Handlungen seien 
schlechthin gut, die aus guter Absicht hervorgingen und im 
guten Willen ausgeführt würden, böse aber jene, welche auf 
einer verkehrten, sündhaften Berechnung beruhten. Der Affekt 
ist es nach ihm, der unserem Thun den Namen giebt. Ist 
dieser gut, so ist auch die Ausführung gut, ist er schlecht, so 
ist es auch diese. Im Hinblick auf die Belohnung sagt er dann 
an einer anderen Stelle ''), die bei Abaelard und beim Bischof 
von Hippo ein Analogon hat, es könne niemand in Zweifel 
kommen, dali der Wille nach seiner Absicht müsse beurteilt 
werden, ob er gut oder böse, Sünde oder Gnade sei. Es stimmt 
auch damit völlig Überein, wenn er mit Augustin die Sünde 

') ethica cap. 3 p. 642 1): Nihil ergo ad augmentuin peccati pertinet, 
qualiscunque operum exsecutio et nihil animain uisi quod ipaiua coinquinat, 
hoc est consensua, quem aolutnmodo peceatum esse diximus in voluntate eam 
praecedentem vel actionem operis anbaequentem. Etsi enira velirous vel 
faciamua, quod nun convenit, nun ideo tarnen peccamus, cum hacc frequenter 
aine peccato contingunt, cfr. ibid. p. 639 B ff. ; MO I) ff. ; (Ml B ; 643 A etc. 
cfr. prolog. sie et non Higne 178 p. 1345 C ; Nee .... peccato imputandum 
est quiequid ex caritate ad aliquant aedificationem dicitnr, cum apud tlnmi- 
Dum oiiuiia discuti iuxta intentionem conatet. 

; ) sent. II, 40, 1 : Nam simpliciter nc vere sunt honi illi actus, qui 
honani cauaam et intentionem i. e. qui vohintatem bonam comitantur et ml 
bonum tinein teudunt; mali vero simpliciter dici ilcbcnt qni pervorsam habent 
causam et intentionem. l'nde Ambrosiua [de off. I, 30, 147 Migne 16 p. 66 A] 
alt: Affectua tuus operi tuo nomen tmponit. Et Augustinus [enarr. in ps, 31 

n. 4 Migne 86 p. 259]: Bonnm emm opus intentio facit Non valde 

attandas, quid homo, sed quid cum facit, attendat, quo lacortos optimae 
gubemationia dirigat .... Quae (seil, voluntas) ai mala fuerit, non bona sed 
mala opera facit, ai vero bona fuerit , bona non mala opera fneit [Glosse in 
Mattü. 7, 18; cfr. August, encliiridion cap. 15 Migne 40 p. 238. 

:< ) sont. II, 38, 7: Illud nulli in ambiguum venit, quin voluntas ex suo 
fme pensotur, utruni reeta sil an prava, peceatum an gratia. cfr. Abaelard, 
ethica cap. 3 Migne 178 p. 638 CD; Auguat. enarr. in pa. 40, 9 Migne 36 
p. 460. 



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Moralitttt der menschlichen Handlungen. 129 

schon dadurch zu stände kommen laut, dilti der Mensch sich 
bewußter Weise einer sinnlichen Regung hingiebt 1 ), oder wenn 
er im Hinblick auf die moralische Untüchtigkeit des Willens das 
Bibelwort anfuhrt : Von einem schlechten Baume können nur 
schlechte Früchte kommen *). 

Hier also haben wir ähnlich wie beim Viktoriner Hugo 3 ) 
unzweifelhaft einen Einfluß Abaelards zu konstatieren. So sehr 
aber der Sentenziarier auch das subjektive Moment in den 
Vordergrund rückt, so kann er sich doch nicht entschließen, die 
ganze Moralität unserer Handlungen nur von der Absicht ab- 
hangig zu machen. Er verwirft allerdings diese Meinung nicht 
rundweg '), will sich ihr aber auch nicht fugen. Daher steht 
er nicht darauf an, seine obigen Sätze bedeutend einzuschrän- 
ken. Darnach steht es ihm fest, daß es Handlungen giebt, die 
niemals moralische Güte erlangen können. Denn an sich 
schlechte Akte, wie Gotteslästerung, Stehlen u. s. w., können 
durch nichts, auch nicht durch die beste Willensrichtung ethischen 
Wert erhalten 3 ). Der Meister beruft sich dabei auf augustini- 
sche Stellen 6 ), die in der offenkundigsten Weise seine Ansicht 



') acut. II, 24,9: Si autem ratio consent! at et quod libido commoverit, 

faciendi™ esse decernat, ab omni vita be&ta expellitur homo. Iain 

eiiiin peccatum imputatur etiamsi non subaequatur factum, quando rea teno- 
tur in consensiene conscientia. cfr. Anglist, de trinit. XIF, 12. IV -18 Migne 
42 p. 1007; de genes, contra Manicb. II, 14, 20-21 Migne 34 p. 207. 

') Bent. II, 35, 3: Fraecipue tarnen in voluntate couaistit peccatuni 
ex qua tamquam ex arbore mala procedunt opera mala tamqnam fruetua 
niali. cfr. August, enebiridion cap. 15 Migne 34 p. 238 ; contra Julianum 
PeUg. I. 88. 

') de sacr, I ps. 6 cap. 4 Migne 176 p. 265 D. 

') cfr. seilt. II, 40, 4 wo er nochmals auf die Ansicht Abaelards zu 
sprechen kommt, ohne ein Wort des Tadels Ober sie zu haben; cfr. auch den 
Wortlaut der folgenden Stellen. 

*) sent. II. 40, 3: Ex quo consequi videtur, quia non semper ex fino 
iudicatur voluntas eive alia mala Bleut in illia quae per ae peccata sunt .... 
Omnia ergo hominis opera aeeundum intentionem et causam iudicantur bona 
vel mala, exceptis hia quae per sc mala sunt i. e. quae sine praevaricatione 
fieri nequeunt. 

d ) sent. loa cit. Sed August, dicet in libro contra Manichaeum 
[cap. 7, 18; 8, 19] omnes actus seeundum intentionem iudicaudos bonos vel 
malos praeter quosdam, qui ita sunt mali, nt numquara posaint esse boni 
etiamsi bonam videantur habere causam. Interest, inquit, plurimum qua 

Bnitrljfl III, 5. Etfdnbe rjer, Fetma Lombudai. 9 



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130 Die Philosophie des Petrus Lombardos. 

bekräftigen sollen. Er hat darin auch nicht unrecht, wenn er 
diese für sich allein ohne Rücksicht auf andere ins Auge faßt. 
Für Abaelard ist es ferner eine Grundvoraussetzung der Sünd- 
haftigkeit einer Handlung, daß sie mit Kenntnis des Zieles voll- 
bracht werde '). Daher halt er auch den Gottesmord der Juden 
für keine Sünde derselben. Der Lombarde stimmt ihm insofern 
bei, als er anerkennt, daß Unkenntnis ahnlich wie Zwang ein 
Abhandensein der Freiheit bedinge, kämpft aber insofern wieder 
gegen ihn an, als er im Vorgehen der Juden eine an steh 
schlechte That sieht, die durch ihre gute Absicht nicht in das 
Gegenteil verwandelt werden könnte*). In der näheren Be- 
sprechung dieses Faktums macht nun Petras auf Grund von 
Augustin wenigstens der Sache nach auf den wichtigen Unter- 
schied von formeller und materieller Sünde aufmerksam. Er 
meint ja, wer unwissend sündige, wolle nicht die Sünde, son- 
dern er vollführe nur eine That, die in sich selber böse sei s ). 
Der Magister befindet sich demnach bereits auf jenem Mittel- 
wege, den die späteren kirchlichen Moralisten eingeschlagen 
haben. Es bedurfte nur noch der aristotelischen Schulung, um 
seine Unterscheidung auch in klare Form zu bringen. Auch 
heutzutage nimmt jedes Moralwerk seinen Standpunkt ein. 

Das Sittengesetz. 

Der moralische Wert oder Unwert unseres Thuns ist also 
sowohl durch die Absicht bedingt, die wir ihm zu Grunde legen, 



causa, quo fine, qua intentione quid fiat. Sed ea quae coEstat esse peccata, 
nullo bonse causae obtentu, nullo quasi bouo fine, nulla velut bona intentione 
facienda sunt . . . . (eb folgt dann der Hinweis auf solche Thateu, nämlich auf 
furtum, stuprum, blasphemia). 

<) ethien cap. 13 Migne 178. p. 653 D ; p. 642 D. 

*) sent. II, 40,8; II. 41, 5. 

') sent. II. 41, 5: Nam qui nesciens peccat, non incongruenter nolone pec- 
casse dici potest ; quam vis et ipse quidam nesciens fecit, volens tarnen feoit. 
lta nee talo pecc&tum sine voluntate esse potuit ; sed voluntas facti ibi fuit, 
neu peccati voluntas, quod tarnen factum fuit peccatum, hoc eiiim factum est 
quod fieri non debuit. Quisquis autem ecieus peccat, si potest cogenti ad 
peccatum sine peccato resistere , nee tarnen facit, utique volens peccat, quia 
qui potest resistere non cogitur cedere, quapropter peccatum sine voluntate 
esse non posse verieaimum est. cfr. Aug. retr. I, 15, 3 Migne 32 p. 609. 



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Das Sittengesetz. 131 

als auch durch seine eigene Natur. Soll uns nun der sittliche 
Charakter unseres Handelns mit Sicherheit bekannt sein, so ist 
es notwendig, daß wir eine Norm haben, mittels derer wir uns 
jederzeit zurechtfinden können. Dies erkennt auch unser Sen- 
tenziarier an, denn er sucht nach einer solchen Norm und 
findet sie mit Augustin und Ambrosius im göttlichen Gesetz >), 
Es ist uns aber dieses nach ihm in einer zweifachen Form ge- 
geben. In erster Linie im positiven Gesetz, das seinen allge- 
meinsten Ausdruck in jenem tiefgreifenden Doppelgebote findet: 
Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben aus deinem ganzen 
Herzen und deinen Nächsten wie dich selbst *). Eine Art Ent- 
wicklung und weitere Ausfuhrung dazu bildet der Dekalog, in 
dem die drei ersten Gebote auf die Gottesliebe, die sieben an- 
deren auf die Nächstenliebe sich beziehen 8 ). In zweiter Linie 
haben wir den göttlichen Willen im Naturgesetz gegeben, das 
sich uns im Gewissen ankündigt. In unserer Brust tragen wir 
jene Flegel herum, die uns sagt, was Gut und Böse ist, die uns 
mächtig auffordert, keinem Unrecht zu thun, des Fremden Eigen- 
tum zu achten, in sein Familienglück nicht einzudringen. Wir 
fühlen in uns den Satz lebendig, keinem das zu thun, was wir 
selber nicht erleiden wollen *). 

Wie ersichtlich, bietet uns hier der Meister nur Aphoris- 
men. Jede Begründung und wissenschaftliche Durchdringung 
läßt er beiseite. Seine Angaben können uns darum bloß in- 
sofern befriedigen, als sie die Grundgedanken der gesamten 
scholastischen Ethik in sich bergen. 

') Beut. II, 35, 1: Paccatum est omne dictum vel factum vel concupi- 
tum, quod fit contra legem dei [Aug. conto. Faustan« XXII, 27 Migne 42 p. 418] 
.... Quid est peccatum nisi legis divinae praevarieatio? [Ambrosius de parad. 
cap. 8. 29 Migne 14 p. 292 D.] 

') Beut. III, 27 2 cfr. Hugo Vict. de sacv. II. ps. 13 cap. 6 Migne 176 
p. 528 Dff.; August, de trinitate VIII, 7, 10: 8, 12 Migne 42 p. 956, 957; doc- 
trina Christ. 1, 25, 26 Migne 34, 28. 

") sent. III, 37, 1 : Seil jam disLributio decalogi, quae in duobus muu 
datis completur, consideranda est. Habet onini decalugos decem praecepta 
.... quae sie sunt distributa, ut tria quae sunt in prima tabula portineant 
ad deum, seil, ad cognitionem et dilectionem trinitatis, Septem quae sunt in 
secanda tabula ad dilectionem proximi. cfr. Hugo Vict. Berit. IV, 3 Migne 176 
p. 120 D ß ; doch faßt Hugo den Dekalo? als zum Naturgesetz geborig auf. 

*) Siehe oben p. 43, wo auch die Quellen aufgeführt sind. 



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132 Die Philosophie des Petrus [.ombardua. 

Subjektiv und objektiv Gut. 

Wir konnten oben bemerken, daß -nach der Ansicht des 
Magisters die menschichen Handlungen sowohl nach dem objek- 
tiven Sittengesetze als auch nach ihrem Zwecke zu beurteilen 
sind. Damit sind uns aucli schon die Voraussetzungen ange- 
geben, unter denen unsere Thätigkeit sittlich gut genannt werden 
kann. Offenbar nur dann, wenn sie sich in guter Absicht voll- 
zieht und in Übereinstimmung mit dem Sittengesetze steht, das 
in seinem innersten Kerne die Liebe Gottes oder vielmehr Gott 
selber in sich birgt. Auf Gott, der die Liebe ist, sagt der Sen- 
tenziarier mit dem Bischof von Hippo, müssen wir unser ganzes 
Wollen beziehen '). Es giebt zwar eine Reihe näherliegender 
Ziele, die wir mit vollem Rechte erstreben dürfen, aber diese 
werden uns Anlafi zur Sünde, wenn wir sie um ihrer selbst 
willen verlangen. Nur dann also handeln wir sitttüch gut, wenn 
wir Gott und Gottes Gesetz stets im Auge behalten *). 

Sind nun die Dinge für uns bloß dann gut, wenn wir 
sie richtig gebrauchen, so muß sich dem Theologen die Frage 
aufdrängen , wie sie denn an sich sind. Der Meister giebt 
uns hier die gewöhnliche Antwort, sie seien alle gut. Sic haben 
ja, wie er mit Augnstin erklärt, alle Gott zum Schöpfer. Dieser 
aber kann in seiner unendlichen Vollkommenheit nur der Ur- 



') seilt, II, 38, 1: Hia verbie nperte insinuatur, quis Bit rectus finis vo- 
luntatia sive actionis bonae seil, charitaa, quod deus est. Mit Berufung auf 
Aug. encbirid. cap. 121, 32 Higne 40 p. 288: Ad cfaarit&tem refertur omuo 
praeeeptnm; ebenso wird dem Sinne nach angelogen Ang. de trinit. XI, 6, 10 
Migne 42, p. 992. 

*) sent. II. 88, 3. 5: Alias atqne aliae voluntates snoa proprio» fiiies 
haben t; qui tarnen referaotur ad finem illius volnntatia qua volumus beate 
vivere et ad eam pervenire vitam quae non referatur ad aliud sed amanti 
per se ipsam anfficiat, quemadmodum voluntas videndi finem habet viaionem 
et voluntas videndi fenestram finem habet fenestrae viaionem. Altera vero 
est voluntas per fenestram videndi transenntes, cuius item flnis est visio 
transountinm. Ad qnod etiam praedietae referuntur voluDtates. Item reetae 
sunt voluntares et omnes sibimet religstae, si bona est illa ad quam eunetae 
rofenintur .... Et ideo reetarum voluntatum connexio iter quoddam est 
ascendentium ad beatitudinein, quod certis velut passibus agitur. cfr. Aug. de 
trinit. XI, 6, 10 Migne 42 p. 992; cfr. sent. II. 38, '•■ Aug. in pa. 45, Migne 
86 p. 615. 



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Subjektiv und objektiv Gut. 133 

lieber des Guten, niemals aber der des Übels und der Sünde 
sein ')■ Dabei stellte sich für den Lombarden die Schwierigkeit 
ein, ob nicht auch den sündigen Akten, insofern sie sind, diese 
Eigenschaft zuzusprechen sei. Abaelard hatte dies in seiner 
Ethik mit allem Nachdruck behauptet, hatte aber dabei zahl- 
reiche Gegner gefunden. Bei diesem Zwiespalt der Meinungen 
wagt Petrus überhaupt keine Entscheidung. Er überlaut das 
Urteil dem klugen Leser, damit zufrieden, diesem beide Mei- 
nungen in aller Breite vorgelegt zu haben *). 

Es erübrigt uns noch, auch kurz eine Einteilung zu er- 
wähnen, welche der Magister an dem Begriffe gut vornimmt. 
Hugo von St. Viktor 8 ) teilt in einer sonderbaren Vermischung 
eines objektiven und subjektiven Gesichtspunktes das Gute in 
drei Unterarten ab. Er redet von einem Gut, das an sich und 
auch für einen anderen gut ist, dann von einem, das an sich 
zwar schlecht, aber doch auch für jemanden von Nutzen sein 
kann, endlich noch von einem, das an sich zwar gut ist, für 
den Besitzer aber vom Schlimmen ist. Was hier der Viktoriner 
sagt, kehrt der Sache nach ganz und auch der Form nach nur 
wenig verändert bei unserem Sentenzenmeister wieder. Er fügt 
nur noch ein viertes Einteilungsglied hinzu, nämlich das Übel, 
das, wiewohl in sich schlecht, doch zum Guten verhelfen kann *). 
Indes hätte er, wie leicht ersichtlich, diesen Zusatz beiseite 
lassen können, ohne daß ihn der Vorwurf der Unvollstandigkeit 
getroffen hätte. 



1 j Reut. I, 46, 12 : Qui omnium, quae sunt, nuetor est, et ad cuius bo- 
ni taten) id pertinet ut sit omni quod est , boni tantummodo causa est. 
Quocirca mali anetor non est. cfr. Aug. de div. qa 83 q. 21 Migne 40. p. 16; 
cfr. Seat. I, 46, 12: [Dens] omnium quae sunt anetor est, quae inqaantum 
sunt, bona sunt; Aug. loc. CiL ; cfr. aent. I, 1, 7 ; Aug. ds doctr. clivist. 1, 32 
35 Migne 34 p. 32. 

') seilt. II, 37, 4: Illarum vero sententiarnm iudicium prüden ti lectori, 
cui utriusque aententise notitiain plenarie dedimus, arbitrio rolinquiraus. Über 
diese Streitfrage handelt er von aent. 11,35—11, 37,4. 

'} sent. 1, 13 Migne 176, 65 C; 66D: Ad quod videndum quod quaedam 
sunt bona in H et ad aliud et quaedam bona ad aliud et non in ae et qnac- 
dam bona in se et non ad aliud, cfr. de eacr. I in ps. 4 cap. 19 Migne 176 
p. 242 A. 

*| aent. I, 46,8; 47, 7. cfr. August, eachirid. cap. 11 Migne 40 p. 236. 
Beitrag* III, 5. Espeabergar. Petra, kombarda». 9** 



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134 D» Philosoph» dos Petra Lombarins, 

Obgleich nun Petras auch hier nichts anderes bietet als 
abgerissene Sätze, die fast jeder ernstlicheren Begründung ent- 
behren, so darf er doch nicht ganz übergangen werden. Noch 
heute redet man von einer metaphysischen Gate der Dinge und 
versteht darunter das Gleiche, was wir gerade mit objektiver 
Güte bezeichnet haben; noch heule redet man natürlich auch 
von einer subjektiven sittlichen Güte. Allerdings originelle Auf- 
stellungen sind seine Angaben nicht Sie waren bereits Gemein- 
gut seiner Zeit, nachdem sie die Kirchenvater in der gleichen 
Form schon vertreten hatten. 

Das Übel. 

An die Erörterung Ober das Gute schließt sich passend 
jene über das Übel an. Vor allem handelt es sich um die 
Frage nach dem Wesen desselben. Augustin ') hat es bekannt- 
lich definiert als corruptio oder privatio boni, und in seine Fuß- 
stapfen sind auch die Scholastiker getreten. Auch unser Meister 
ist ihm treu gefolgt, wiewohl seine Worte zunächt auf Hugo 
von St. Viktor und erst mittelbar auf ihn zurückgehen. Auch 
für ihn ist demnach das Übel nur eine Beraubung, eine Schä- 
digung des Guten *). 

Schon darin liegt eine wichtige Angabe über die ontolo- 
gische Seinsweise desselben. Ist es nämlich eine Beraubung des 
Guten, so muß notwendig ein solches zuerst vorhanden sein. 
Der Sentenziarier zieht denn auch sofort wiederum im Anschluß 
an den genannten Viktoriner und ganz im augustinischen Geiste 
den Schluß: Die Sünde kann nur an einem Guten existieren; 
nur solange ein solches vorliegt, kann es auch ein Übel geben. 
Ist einmal keines mehr übrig oder ist einmal die Natur eines 
Dinges durch das Übel vollständig aufgezehrt, so ist auch dieses 
verschwunden, denn ein absolutes Übel ist unmöglich 8 ). 

'} enebirid, cap. II, S Migne 40 p. 236. Quid est autem aliud, qood 
malum dicitur nisi privatio boni ? . . . . 

*] Beut. II, 34, 4: Malum enim est corruptio vel privatio boni .... Quid 
enim alind quod malum dicitur nisi privatio boni. cfr. Hug. Vict. seilt, III, 14 
Migne 176 p. 111 A; Zacharias von Goldaborougb, concord. evang. I, 1 Migne 
186 p. 47 C. 

') seilt, loc. cit. : Peccatum ergo non potest esse nisi in re bona . . • . 
Bonum enim minai malum est; quam via quantumenmque minnatu-, neoeeae 



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Du Übel. 185 

Nach dieser Darlegung könnte es den Anschein haben, als 
habe Petrus das Übel für eine positive Kraft gehalten, welche 
am Seinsmarke eines Dinges zehre. Es giebt indes noch eine 
anderweitige Bestimmung, welche jede derartige Vermutung be- 
seitigen muß. Darnach ist ihm das Übel ein Nichtseiendes, 
näherhin ein Streben nach dem Nichtsein oder ein Abfall vom 
Sein '). Es hat seiner Natur nach keine causa efflciens, son- 
dern nur eine causa deficiens *). Ist diese letztere Wendung 
beim Magister auch nicht dem Wortlaute nach gegeben, so liegt 
sie doch der Sache nach unzweifelhaft vor. Damit schließt sich 
aber der Lombarde ähnlich wie Abaelard*) und Hugo 4 ) und 
vorher schon Kassiodor 6 ) aufs genaueste den Ausführungen des 
Bischofes von Hippo an. 

Wenn nun das Übel ein Nichtseiendes ist, so kann es auch 
Gott nicht zum Urheber haben. Er ist ja nur die Ursache des 
Seienden. Deshalb können sich auch die Dinge nur insoweit 
rühmen, ihn zum Schöpfer zu haben, als ihnen Sein zukommt *). 
Der Grund für das Böse liegt daher nur im Menschen oder im 
reinen Geiste, der durch die Sünde von Gott abfallt und gegen 
sein Gesetz ankämpft. Denn Sündigen oder vom Guten abfallen 
heißt das thun, was gegen Gottes Gebot ist. Das aber können 

est, ut «liquid remaneat, ei adhnc natura est. Non enim eonsummi potest 
boitum quod est natura niei et ipsa natura coDaumatur .... Quamdiu ita- 
qne natura corrumpitur, inest ei bonum quo privetur. Ac per hoc, millum 
est qaod dicitnr malum, ei nulluni sit bonnm. cfr. Hugo sent III, 15 Migne 
176 p. 112 D; August, enchirid. cap. 12, 4 Migne 40 p. 236; cfr. seilt. 11,84,2; 
Hugo sent. III, 14 p. 111 A.; Aug. de nupt. et concup. I, 28, S. 

') seilt. II, 85, 11: Non est subatantia peccatum; Berit. I, 46, 12: Ten- 
dere enim ad non esse malnm est ... . tendit antem ad non esse, qui Opera- 
tor malnm; eiche weiter unten n. 6. 

*) August, de civit dei XII, 7 Migne 41 p. 855: Nemo igitur quaerat 
efficientem canam malae volnntatia: non enim eSiciene e't, sed deficiens, quia 
nee illa effectio est sed defectio. 

! ) ethica III; sie et non Migne 178 p. 686B, 1588 C. 

') seilt. III, 14 Migne 176 p. 111 B. - ») in ps. 68 Migne 70, 478 A. 

*) aont. I, 46, 12: Quocirca mali anetur non est (seil, deua) et ideo ipee 
siiminuin bonnm est, a quo in nulle defloere bonum est, et malnm est deficere. 
Non est ergo causa defioiendi i. e. tendendi ad non esse, qui, ut ita dicam, 
essendi causa est, quia omnium quae sunt, auetor est, qnae inquantum sunt, 
bona sunt .... Ecce aperte habe« quod deficere a deo . . . . mulum est Ein 
freie« Zitat nach Aug. de div. q. 88 q. 21 Migne 40 p. 16 cfr. enchirid. cap. 
28, 8 Migne 40 p. 244, Hngo Victor, sent. III. 14 Migne 176 p. 111 A. 



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136 Die Pliiloaophio dM Petrus Lomhardus. 

nur die vernünftigen Geschöpfe 1 ). Doch muß von dem Gesagten 
eine Ausnahme gemacht werden. Es gicbt nämlich nach Petrus 
ein aktives und ein passives -Übel. Wahrend nun der Mensch 
ersteres, welches der Sünde gleichkommt, direkt veranlaßt, ist 
er für letzteres nicht thfltige Ursache, sondern im Gegenteile 
leidendes Subjekt; so z. B. wenn ihn eine Strafe trifft. Ein 
solches Übel ist aber an sich gut und nur zufällig schlecht. 
Darum kann es auch Gott verhängen, ohne eine Schuld oder 
Sünde auf sich zu laden *). 

Es ist also nicht allzuviel, was uns der Meister in seinen 
ethischen Darlegungen vor Atigen führt. Wir finden zwar noch 
manche treffliche Bemerkungen, z. B. in seiner Abhandlung über 
die Lüge s ) oder über das 7. Gebot des Dekalogs 4 ), aber sie 
bieten nichts, was von Bedeutung wäre. Das Gleiche gilt auch 
von der äußerst oberflächlichen Auseinandersetzung über die 
vier Kordinaltugenden ■"■) und noch mehr von den bekannten 
sieben Hauptlasten) *), von denen er nicht viel mehr als den 
Namen bringt. Trotz dieser Mangel müssen wir ihm doch die 
Ehre lassen, nicht tiefer als seine Zeitgenossen zu stehen. Er 
zeigt uns im allgemeinen alle Grundsätze auf, wie sie damals 
im Umlauf waren. Auch Abaelard ist, wie wir gesehen haben, 
auf ihn nicht ohne Einfluß geblieben. Gerade dadurch aber, 
daß er mit diesem Meister die Absicht oder Gesinnung, mit an- 
deren dagegen die objektive Güte oder Schlechtigkeit der Hand- 
lungen zur Geltung kommen läßt, vertritt er mit aller Entschie- 
denheit die Punkte, welche die folgenden kirchlichen Theologen 
bis auf den heutigen Tag vertreten haben. 

') seilt. II, 34,3: Malorum vero ab immutabili bono deficientem boni 
miiUbilia volmitatem prius angeli postea hominis. 

'■) sent. II, 35, 14: Diximus cnira privationem vel comiptionem boni 
active vel passive i. e. seeundum efficientiam vel ofFectum. Ideoque privatio 
vel corrnptio boni dicitur peccatum et poena, sed peccatum seeundum efficien- 
tiam quia privat et cornimpit humum; poena autem seeundum effectum i. e. 
seeundum paeeionem, qnae est effectua pecrati. Aliud eat enim culpa, aliud 
poena; alterum est dei i. e. poena, alternm disboli vel hominis 1. e. culpa. 

»1 sent. III. 38, 1 ff. - *) sent. III, 37, 3. 

'■) sent. III. 33, lff.; sent. II, 27, 1 wird auch die Tugend definiert: 
Vjrtus est bona qualitas, qua recte vivitur et qua nullus male utitur. cfr. Hugo 
Vict. sent. III, 9 Migne 176 p. 104 A. 

9 : sent. II, 42, 8 ff; cfr. sent. II, 21, 4. 



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Namenregister. 



Abalard 1, 3, 5, 7, 8, 9, 10, 12, 13, 
14, 15, 21, 23, 26, 27, 28, 29, 33, 
38, 39, 40, 44, 45, 49, 50, 53, 55, 
58, 59, 65, 66, 67, 68, 69, 71, 72. 
74, 77, 78, 80, 82, 83, 92, 93, 97, 
108, 104, 105, 106, 107, 108, 109, 
110, US, 114, 115, 116, 117, 119, 
121, 123, 125, 126, 127, 128, 129, 
180, 188, 185, 136. 

Adelhard von Bath 13, 16, 20, 82, 109. 

Alatms 29, 40, 42, 45, 46, 55, 68, 69, 
83, 89, 104. 

Alexander IH., Papst 5,7,8,12,26,85. 

Algerus von Lattich 62, 63. 

Alkuin 47, 53, 58, 90. 

Ambrosiua 8, 9, 24, 31, 58, 56, 77, 78, 
79, 83, 104, 105, 126, 128, 131. 

Anselm von Canterbury 16, 17, 31, 38, 
49, 53, 58, 107, 108, 109, 115, 118, 
120, 121. 

Anselm von Laon 5. 

Apulejus 70, 82, 89, 107, 114. 

Aristoteles 10, 31, 38, 57, 62, 68, 69, 

71, 74, 76, 77. 99, 109. 
Ast 3. 

Augnstin 3, 7, 8, 9, 12, 13, 14, 16, 
17, 18, 19, 20, 22, 24, 25, 27, 28, 
30, 31, 33, 34, 35, 36, 39, 40, 42, 
43, 44, 47, 48, 51, 52, 53, 54, 56, 
57, 58, 64, 65, 66, 67, 68, C9, 70, 

72, 73, 75, 77, 78, 79, 80, 81, 82, 
84, 85, 87, 88, 89, 90, 91, 92, 93, 1 
94, 95, 96, 97, 98, 100, 101, 102, 
104, 105, 106, 107, 108, 109, 110. 
112, 113, 114, 115, 116, 117, 118, 
119, 120, 121, 122, 124, 125, 126, 



127, 128, 129, 
134, 135. 

( 1 ■ s k u i) o- ) A u g ust i n 



130, 131, 132, 133, 



!, 41. 



Bandinos 15, 31. 

Banmgartner 29, 40, 46, 83, 104. 

Baeumker 57. 

Beda 7, 16, 20, 58, 55, 58, 76, 78, 



79, : 



, 84. 



Bernhard von Chartreg 16, 55. 

Bernhard von Clairvaux 35. 

Bernhard Silvester 82. 

Boethius 9, 11, 12, 14, 22, 23, 24, 29, 
88, 39, 41, 46, 48, 49. 54, 55, 56, 
57, 60, 62, 63, 65, 69, 74, 103, 108, 
109, 112, 118, 119. 

Bonaventura 24. 

Boiüaeus s. Du Boulay. 

Bruno von Asti 5, 47. 

Bohle 3. 

Care 1. 

Ceillier 8. 

Chalcldius 10, 16, 53, 56, 57, 70, 76, 

81, 82, 89, 99, 114. 
Chartres, Schule von 82, 118. 
Claudius Mamertua 16, 88, 93, 94, 

104, 114. 
Constantin der Afrikaner 56, 82. 
Cousin 23, 05. 

BeiiiHe 1, 2, 0, 7, 12, 26, 85. 
(Psendo )Dionysina 108. 
Du Boulay 6, 
Duiandus 15, 24. 



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EmpedoklcB 16, 
Endres 24. 
Erdmann 1, 2, 3. 
Eugen III , Papst 7. 

Flügge 3. 

Galenits 82. 

Gandulf 6, 7, 8, 44, 56, 58, 68, 79, 

80, 105. 
Genuadina 97. 
Gietl 8, 26. 
Gilbert tod Peitiera 16, 18, 19, 38, 

44, 45, 46, 47, 50, 51, 53, 58, 59, 

60, 62, 65. 
Gonzalez 20. 
Gratian 26. 
Gregor der Große 78, 85, 104, 107, 110. 

Haimo 77, 104. 

Haurean 56, 118. 

Hayd, Heinrich 5. 

Hieronymus 3, 9, 24, 31, 53, 56. 

Hitsrius von Poitiera 9, 23, 24, 45, 69. 

Histoire litt, de U Francs 3, 45. 

Honoriuu von Antun 5, 12, 17, 19, 39, 

55, 63, 86, 101, 121, 124. 
Hugo von Rouen 53, 81. 

Hago von Skt, Viktor 3, 5, 7, 8, 12, 
13, 16, 17, 20, 26, 27, 30, 33, 34, 
35, 36, 39, 43, 44, 45, 47, 49, 50, 
51, 52, 53, 54, 55, 58, 59, 60, 62, 
63, 64, 66, 67, 69, 70, 72, 76, 78, 
79, 80, 83, 84, 85, 86, 87, 88, 91, 
93, 94, 95, 97, 98, 99, 100, 101, 
102, 103, 104, 105, 106, 108, 110, 
111, 112, 113, 114, 115, 116, 117, 
118, 119, 120, 121, 123, 126, 129, 
131, 183, 134, 135, 186. 

U'seudo-)Hugo von Skt. Viktor 74, 
86, 109. 

Issak von Stell« 18, 69, 87, 89, 99. 
Iaidor von Sevilla 5, 9, 39, 51, 53, 

56, 70, 81, 86, 90, 91, 94, 98, 104, 
107. 120. 

Johann von Corawallis 4. 
Johann von Damaskus 6, 8, 9, 22, 23, 
27, 43, 72, 78, 85. 



Johann von Saliabnry S 

55, 60, 68, 76, 88. 
Jourdain 20. 



Essaiodor 16, 18, 19, 20, 36, 40. 47, 
70, 73, 77, 84, 88, 93, 95, 96, 97, 
98, 135. 

Kleutgen 20. 

Knöpflsr 98. 

Kogl, Julias 3, 24. 

Krug 1. 

LakUntius 115. 
Lanfrank 82, 45, 51, 90. 
Liebner, Albert 30, 91, 114. 

Makrobiua 10, 70, 77, 82, 86, 99. 

Mignon 5. 

Heriz von Sully 1. 

Soli« 20. 

Odo von Cambrai 47, 96, 103. 

Omnebene 12. 

Origenes 96, 97, 101. 

Otto von Freieing 88, 50, 68, 76. 

Ovid 55, 84. 

Papias 45, 86, 88. 

Paulus, Apostel 45. 

Petrus Comsstor 76. 

Petrus Damiani 36. 

Petrus von Poitiera 35, 49, 50, 58, 

69, 98. 
Philo 57. 
Pita 2. 

PUto 10, 81, 58. 57, 59, 75, 76, 98, 107. 
Plotin 49, 68, 92, 93, 99, 108, 110. 
Posse vin 2. 
Prantl 21, 23. 
ProtoU 1, 2, 3, 4, 5, 6. 
Pythagoras 31. 

Rhabaaua Maurus 16, 17, 44, 45, 53, 
56, 70, 76, 84, 88, 92, 93, 94, 95, 
96, 98, 105. 

Remigius von Auxere 3, 76. 

Richard von Skt. Victor 29, 48, 49, 108. 



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Ritter 24, 29. 

Rainer 8. 

Robertus Rullus 5, 6, 26, 11, 47, 51, 
55, 58, 68, 66, 78, 80, 92, 93, 97, 
98, 101, 103, 106, HO, 120. 

Roland, siebe Alexander III., Papet. 

Sehe eben 8. 

Schell 70. 

Schobert 98. 

Scotua, Duns 104. 

Stöckl 12, 19, 31, 104, 108, 126. 

Stolzle 85. 

Suarez 74. 

Thaies 81. 

Thierry von Cbsrtrea 82, 118. 

Thomas von Aquin 2, 15, 20, 22, 24, 

30, 42, 74, 75, 123. 
Tirana* 67. 

Cberweg-Heinze 2,3, 5, 12, 15, 20, 31, 
57, 94, 96, 104, 127. 



Viktoriner 1, 29, 84, 90. 

Walafried Strabo 5, 16. 

Walter von Skt. Viktor 56. 

Werner 86, 89. 

Wetzer und Weite 2. 

Wilhelm Ancuonymus, s. Wilhelm 

von Conchea. 
Wilhelm Champeanz 21. 
Wilhelm von Conchea 13, 16, 17, 18, 

20, 21, 85, 36, 88, 55, 56, 67, 69, 

82, 83, 87, 104. 
Wilhelm von Hinan 85. 
Wilhelm Okkam 104. 
Wilhelm von St Thierry 16, 17, 30, 

41, 47, 56, 58, 63, 64, 69, 86, 87, 

88, 94, 95, 108. 



Zacharias von Goldaborough 18, 

58, 113, 134. 
Zeller 99, 110. 



42, 



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