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Full text of "Die Physiologie der Locomotion bei Aplysia limacina"

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Bel Die Physiologie der Locomotion I-pmer- 


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bei Aplysia limaema. 


| R R | ivieion of Mollksil 
Inaugural-Dissertation come] Lihrm, 
zur 
Erlangung der Doktorwürde 
bei der 
: hohen philosophischen Fakultät 


der 


Rheinischen Friedrich -Wilhelms- Universität zu Bonn 


eingereicht und mit den beigefügten Thesen verteidigt 


am 25. Februar 1901, N 12 m 


von c On 


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Opponenten: 
Dr. des. A. Reiffen 


cand. phil. A. Ackermann 
cand. chem. P. Lieske. 


München. 
Druck von R. Oldenbourg. 
1901. 


Inhalt. 


I. Einleitung. 
SE Anatomische Einleitung . SER FE. 
2. Allgemeiner Gebrauch der Tolonohchenerlienge : 
3, Die Ausdehnung 


11. Die Ganglien und ihre Wirkung auf die Loeomotionswerkzeuge. 


AN Experimenteller Teil 
Methodik . h 
Übersicht über die usgenllan Öperätionen 
a) Einflufs der Ganglien auf den Zustand der Miskulator 
b) Einflufs der Ganglien auf die Bewegung 
B. Theoretischer Teil 
Litteraturbesprechung 
a) Die quantitativen Funktionen der Ganalien 
b) Die qualitativen Funktionen der Ganglien 


Litteraturverzeichnis . 


19 


32 


46 


l. Einleitung. 


I. Anatomische Einleitung. 

Für Aplysia limacina sind wir nicht in der Lage durch 
blofsen Verweis auf die Litteratur uns der morphologischen 
Aufgabe zu entledigen, denn was uns die Autoren auch bieten 
— ich nenne in erster Linie Mazzarelli (!), Keferstein (?) 
auch Simroth (?)— es reicht nicht hin, ein klares Verständnis 
der physiologischen Vorgänge zu ermöglichen. Das notwendigste 
Fehlende zu ergänzen, ist der Zweck dieser Einleitung: 

Aplysia limacina hat zwei Arten Locomotionswerkzeuge: 
den Fuls und die Parapodien. (Diesen Namen entnehme ich 
Vayssiere(2)). In ihrer äulseren Form stellen beide massige Ge- 
bilde dar, deren Oberfläche vom Körperepithel des Tieres, deren 
Inhalt aber vorwiegend von Muskulatur gebildet wird. Über 
die Form des Fulses brauche ich weiter nichts zu sagen, denn 
derselbe gleicht durchaus demjenigen unserer Landschnecken. 

Die Parapodien sind paarige lappenförmige Anhangsgebilde 
des Mantels von halbkreisförmigem Umrils, die am besten mit einem 
Flügelpaare zu vergleichen sind, weshalb ich sie denn auch 
meist, der Kürze halber, mit dem Namen »Flügel« bezeichne. 

Die eigentliche Masse der Organe also wird durch Musku- 
latur dargestellt, die in Gestalt dicker, in Bindegewebe einge- 
hüllter Bündel erscheint. Die Bündel ihrerseits bestehen aus 
einzelnen glatten Muskelfasern, von denen jede ihre besondere 
bindegewebige Hülle besitzt. Ein Schnitt durch eines dieser Organe 


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lehrt uns, dals ein recht beträchtlicher Unterschied zwischen der 
Anordnung der Muskulatur unseres Objektes und derjenigen der 
glatten Muskelzellen bei höheren Tieren (z. B. Wirbeltiere) be- 
steht: Während bekanntlich bei diesen die glatte Muskulatur, da wo 
sie überhaupt schichtbildend auftritt, gleichförmige, zusammen- 
hängende Lagen bildet, so haben wir es bei unserm Objekt mit 
einer grolsen Zahl einzelner Bündel zu thun, die ziemlich wirr 
durcheinander laufen, und zwischen sich grolse Hohlräume frei 
lassen, in denen die Blutflüssigkeit cirkulier. So kann denn 
auch eine Beschreibung des Verlaufes der Bündel nur eine an- 
nähernde sein. 

Im Fulse verlaufen die Hauptbündel mehr oder weniger 
der Sohle parallel. Sie zerfallen in längs- und querlaufende, 
die auf dem Querschnitt durch den Fuls in übereinander liegende, 
unregelmälsig alternierende Schichten geordnet erscheinen. 

Aulser diesen Hauptbündeln kommen auch aufsteigende, 
im Allgemeinen senkrecht oder schräg zur Sohle verlaufende 
Züge vor, die aber im Verhältnis zu denen, die der Sohle pa- 
rallel sind, an Menge völlig zurücktreten. Einzelne Stellen 
meiner Schnitte machen es wahrscheinlich, dals diese Züge von 
den beschriebenen Hauptbündeln abbiegen, um zur Sohle zu 
verlaufen; sie dienen wohl dazu, durch ihre Kontraktion kleine 
Einbuchtungen der Haut an der Sohle hervorzurufen, die dem 
Tiere beim Haften an einer Unterlage als Saugorgane dienen. 

Ich will hier schon erwähnen, dals die äulsere Oberfläche 
des Fulses beträchtliche Protuberanzen zeigt, die man auch am 
lebenden Tiere beobachten kann. Auf den Bau und die Be- 
deutung dieser Gebilde kommen wir später zu sprechen. 

In den Flügeln verlaufen die Hauptbündel den Aulsen- 
wänden parallel, und zwar sind die einen auch parallel mit der 
Ansatzlinie der Flügel, die andern stehen senkrecht oder schräg 
auf dieser Linie. Jene noch zu besprechenden Protuberanzen, 
wie wir sie beim Fulse sahen, kommen auch hier bei den 
Flügeln vor. 

Die Anatomie des Centralnervensystems ist sattsam 
bekannt. Uns interessieren nur die beiden in einen einzigen 


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Bindegewebsknoten eingelagerten, eng zusammengerückten Üere- 
bralganglien und die beiden Pedalganglien, mit den beiden Üere- 
bropedalcommissuren und der Intrapedalcommissur. 

Wichtig sind ferner diejenigen Ganglien oder Ganglienzellen, 
welche in Begleitung der peripheren Nerven gefunden werden, 
hauptsächlich wohl im Bereiche des Mantels. Mazzarelli (!), 
Keferstein (2) und Simroth (?) beschrieben diese und bilden 
sie zum Teil auch ab. Ich glaube, mich auf diese Angaben ver- 
lassen zu können, denn erstens wird ihre Zuverlässigkeit durch 
den physiologischen Versuch bestätigt, und weiter habe ich selber 
auf Schnitten innerhalb der Muskulatur des Mantels wie der 
Locomotionsorgane Zellen gesehen, deren nervöse Natur mir 
nicht zweifelhaft erschien. Kurz, es besteht sicherlich innerhalb 
des gesamten Mantels (ich rechne Fuls und Flügel dazu) ein 
Netz von Nerven und Granglienzellen. Physiologisch, um das 
vorweg zu nehmen, wäre dieses Netz als ein Teil des centralen 
Nervensystems aufzufassen; die sogenannten, von den Pedal- 
ganglien ausgehenden, peripheren Nerven wären dann als intra- 
centrale Bahnen anzusehen. — Da ich nun bei meinen Ver- 
suchen niemals die Muskulatur isoliert betrachtet habe, sondern 
immer in Verbindung mit jenem Netz, so bediene ich mich im 
folgenden des Namens »Mantelsystem« zur Bezeichnung der 
Muskulatur verbunden mit dem Netz. Ich thue dies schon des- 
wegen, weil ich mir wohl bewulst bin, dals das Vorhandensein 
eines Teiles des Centralnervensystems — im physiologischen Sinne 
— innerhalb des Mantels, keineswegs durchaus bewiesen ist. 
Der Name »Mantelsystem« also soll ausdrücken, dals wir es mit 
einer zusammengesetzten Grölse zu thun haben, deren genaue 
Analyse uns in absolut zuverlässiger Weise nicht gelungen ist; 
ich erwähne noch einmal, dafs wir ihrer vorläufig auch nicht 
bedürfen. 

Was nun dieNomenclatur der Ganglien betrifft, so werde 
ich mir erlauben, die alten, der vergleichenden Anatomie ent- 
stammenden Namen beizubehalten, auch werde ich hierfür meine 
Gründe darthun bei Gelegenheit der Besprechung einiger Ar- 
beiten, deren Autoren neue Bezeichnungen in Anwendung bringen. 


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2. Allgemeiner Gebrauch der Locomotionswerkzeuge. 

Der Bewegung des Fulses liegt eine Art Wellenbewegung 
zu Grunde. Diese zu veranschaulichen, stellen wir uns die Sohle 
der Länge nach in Abschnitte zerlegt vor (Fig. 1). Die Welle 

A 


B C D 
Fig. 1. 


' poginnt damit, dals sich der vordere Abschnitt AB in der Richı- 
tung nach A ausdehnt, bei A haftet, durch Kontraktion B zu A 
nähert; gleichzeitig lälst der Teil 3 C’ den Boden los und dehnt 
sich bis B haftet, dann folgt eine Kontraktion DB € begleitet von 
einer Ausdehnung (' D und Haften von €’ u. s. w. Entziehen 
wir dem Fuls die Unterlage, so fällt das Haften fort, und wir 
erhalten eine ständige von vorn nach hinten laufende Welle, in 
der die Berge durch gedehnte, die Thäler durch kontrahierte 
Partien gebildet werden, und die erst durch zweckmälsiges Haften 
zur Locomotion verwandt werden kann. 

Ähnliche, jedoch von hinten nach vorn laufende Wellen 
beobachtet Simroth (?) an der Sohle der Landnacktschnecken, 
doch sind sie bei diesen auf einen Teil des Fulses beschränkt. — 
Spontan kann diese normale Grundbewegung beliebig geändert 
werden, so z. B. kann das Tier Bewegungen machen, die ähn- 
lich denjenigen sind, wie sie Spannerraupen ausführen Dann 
haben wir uns nur den Fuls in zwei, statt in mehrere Teile zer- 
legt vorzustellen. 

Die Parapodien-Flossenorgane dienen dem Tier zum Schwim- 
men. Im allgemeinen tritt ihre Bewegung vicariierend, nicht 
unterstützend für die des Fulses auf, so etwa immer dann, wenn 
man dem Fulse die Unterlage entzieht. Die Mechanik der 
Bewegung des Flügels ist folgende: Indem sie abwechselnd 
auseinandergehen und zusammenschlagen, laufen Wellen von 
vorn nach hinten, die dadurch entstehen, dafs nicht der ganze 
Flügel auf einmal sich seitlich bewegt, sondern erst eine vorn 
gelegene Strecke, der streckenweise der übrige Flügel folgt; 
es entsteht so eine Bewegung, wie solche die sogenannten Ser- 
pentintänzerinnen mit ihrem Gewande ausführen (ähnliches bei 


Be 


Loligo, Sepia, Raja etc.), Was uns an dieser Flügelbewegung 
hauptsächlich interessiert, ist, dals wir es auch hier mit der tem- 
porären Aufeinanderfolge der Kontraktion und Ausdehnung lokal 
aufeinander sich folgender Muskelteile zu thun haben. Allge- 
meine tonische Kontraktion bedingt Verkürzung des gesamten 
Flügels. — 

Von der Lebensweise unserer Tiere ist für nachfolgende 
Untersuchung folgendes wichtig: Sie bleiben meist ruhig an 
einem Platze ohne ausgiebige Bewegungen zu machen. Trotz 
ihrer Sinnesorgane dauert es lange, bis sie, selbst ausgehungert, 
in der Nähe liegendes Futter (Ulva) auffinden. Durch irgend 
welchen Hautreiz kann man das Tier nicht zur Flucht bringen, 
sondern es ballt sich zusammen und scheidet den bekannten 
intensiven roten Farbstoff ab. 


3. Die Ausdehnung. 


So weit die oben beschriebenen Bewegungsformen durch 
Kontraktionen der Muskeln zu stande’kamen, boten sie dem Ver- 
ständnisse keinerlei Schwierigkeiten. Wie aber dehnt dieses 
skelettlose Tier seinen Körper oder einzelne Teile desselben aus, 
was dient den Muskeln als Antagonist? Es spielen nämlich 
solche aktive Ausdehnungen eine grolse Rolle bei der Bewegung 
des Tieres: das sahen wir, als wir die normale wellenförmige 
Grundbewegung des Fulses besprachen, die aus Kontraktion und 
aktiver Ausdehnung bestehen muls, da sie auch ohne Unterlage 
vor sich geht; davon habe ich mich oft überzeugt. Wollte ferner 
das Tier die Flügel nur durch Kontraktion der äufsern Muskeln 
auseinander klappen, so würde nur eine Verkürzung entstehen, 
es mus auch eine aktive Dehnung der inneren Muskulatur 
eintreten. 

Dann wieder beweisen einzelne ausgeschnittene Stücke, die 
sich nämlich sehr wohl insgesamt ausdehnen können, dals 
eine Ausdehnung ohne gleichzeitige Kontraktion benachbarter 
Stellen möglich ist. Auch ein ganzes Tier kann man durch Gilt 
zu totaler Ausdehnung bringen. Ich glaube diese Thatsachen 
präcisieren unser Problem genügend. 


Ich habe in der Litteratur nur zwei Angaben über diese 
Frage gefunden, und zwar erstens bei Schönlein (*), der be- 
merkt, »dafs die noch mit Haut bedeckten muskulösen Organe 
viel leichter und vollkommener erschlaffen als ein ausgeschnit- 
tener Muskelstreifen«e. Schönlein hat die Spur nicht weiter 
verfolgt; in wiefern er recht hat, sehen wir gleich. Dann be- 
schäftigt sich auch Simroth (?) mit dieser Frage, doch davon, 
wenn wir seine Arbeit besprechen. 


Es fällt auf, dafs wenn man an einer Stelle des Mantels 
unseres Objektes Kontraktion durch Reiz erzeugt, die schon er- 
wähnten blasenförmigen Gebilde auf der Haut auftreten, die, mit 
Flüssigkeit gefüllt, augenscheinlich unter hohem Drucke sich be- 
finden. Sie können sowohl auf als neben der kontrahierten Stelle 
entstehen, und sind je nach Stärke des Tonus in den betreffenden 
Muskeln verschieden. Ganz verschwinden sie nur bei jener Aus- 
dehnung, die man allein durch Giftinjektionen erreichen kann 
(Pelletierin, Cocain), sie wachsen zu dicken, festen Blasen 
etwa in der Umgebung verletzter Stellen an. Folgende Versuche 
sollen uns nun die Rolle, die diese Blasen bei der Muskelaus- 
dehnung spielen, klar machen: Wir entnehmen dem fast ganz 
erschlafften Fuls oder Flügel Stücke und zwar: a) grolse, unter 
deren Haut ganze Blasen sind, b) kleine, bei denen alle Blasen 
angeschnitten sind, legen sie auf eine glatte Unterlage und reizen 
mit dem Induktionsapparat. 


a) Grofse Stücke kontrahieren sich stark, die nur ganz schwach 
angedeuteten Blasen nehmen an Umfang und Spannung 
zu, hört der Reiz auf, so dehnen sich die Stücke bis zur 
ursprünglichen Gestalt aus. 


b) Die kleinen Stücke kontrahieren sich auch, nehmen ein 
runzeliges Aussehen an und dehnen sich nach Aufhören 
des Reizes nicht wieder aus. Der Tonus in ihnen hört 
auf, denn man kann sie zur ursprünglichen Gestalt aus- 
ziehen. — Sticht man den grolsen Stücken oder etwa auch 
dem ganzen Fulse alle Blasen einzeln auf, so nehmen diese 
die Eigenschaften unserer »kleinen Stücke« an. 


Aus diesen Versuchen also geht hervor, dals die Ausdehnung 
der erschlafften, tonuslosen Muskulatur von der in den Blasen 
enthaltenen Blutflüssigkeit abhängt, welehe aus den gespannten 
Behältern in die intermuskulären Lacunen geprelst wird, und 
dabei die einzelnen Muskelbündel ausdehnt, indem diese, erschlafft, 
einen »locus minoris resistentiae« bilden. Sie ihrerseits treiben 
durch Kontraktion das Wasser in die Blasen. 

Betrachten wir nun diese letzteren genauer. Da vom ganzen 
Mantel Kontraktionen ausgeführt werden können, und dement- 
sprechend der ganze Mantel die Fähigkeit haben muls, sich 
auszudehnen, so finden wir auch ganz und gar auf ihm verteilt 
die Fähigkeit, solche Blasen zu bilden. Diese nun sind Hohl- 
räume, die sich unter der Körperhaut des Tieres finden und 
im Grunde nichts anderes als erweiterte Lacunen darstellen. 

Wenn die Kontraktion einen gewissen Höhepunkt erreicht 
hat, so wird — nur durch das Verschwinden der zwischen- 
liegenden Lacunen — der Zusammenhang dieser Blasen mit dem 
übrigen Circulationssystem unterbrochen, so dals wir es nun 
mit durchaus isolierten Hohlräumen zu thun haben. Dies konnte 
ich auf folgende Weise zeigen: Einem Tiere, welches nach einer 
weiter unten zu beschreibenden Operation den einen Flügel in 
ständiger Kontraktion zu tragen gezwungen wär, injieierte ich in 
diesen Flügel eine konzentrierte Lösung von Gentianaviolett. 
Während sich nun bei normalen Tieren Farbstoffe, wo sie auch 
eingespritzt werden, augenblicklich innerhalb des ganzen Körpers 
verteilen (ich fand dies bei Versuchen mit Methylenblau), so blieb 
im vorliegenden Falle die Ausbreitung der Lösung auf einen 
Teil des Flügels beschränkt, einen Teil, der infolge der Kon- 
traktion fast zu einer einheitlichen Blase angeschwollen war. 
Der Farbstoff wirkte übrigens giftig, so zwar, dafs die gefärbte 
Partie des Flügels abgestofsen wurde. Injieiert man einem so 
operierten Tiere Cocain oder ein anderes, lokale Ausdehnung 
bewirkendes Gift, so dehnt sich der ganze Körper aus, bis auf 
die ständig kontrahierten Teile, denen man erst eine specielle In- 
jektion an Ort und Stelle geben muls, um den gleichen Erfolg 


zu haben. 


DI ER 


Der Umstand, dals die Blasen immer unter der Haut des 
Tieres auftreten, erklärt auch den Befund Schönleins(), »dals 
die noch mit Haut bedeckten muskulösen Organe viel leichter 
und vollkommener erschlaffen, als ein ausgeschnittener Muskel- 
streifen«, d. h. ein ausgeschnittener Muskelstreifen erschlafft eben 
gar nicht, oder dehnt sich, besser gesagt, nicht aus. 

Wodurch wird nun die Flüssigkeit bei eintretender Muskel- 
erschlaffung in die Hohlräume zwischen die Bündel geprelst? 
Sicher nur durch die Elasticität der Gewebselemente, welche die 
3lase umgeben und durchsetzen. Das lehren schon die Ver- 
suche: Wie könnte ein cocainisiertes Tier sich ganz und gar aus- 
dehnen, wenn etwa um die Blasen circulär verlaufende Muskel- 
fasern sich zu dem Prozels zusammenziehen mülsten, die doch 
— so wird uns das Studium der Vergiftungserscheinungen zeigen 
— in dem gegebenen Falle auch erschlaffen würden? Zum sicheren 
Nachweis nun habe ich Stücke vom Fuls im kontrahierten und 
im erschlafften Zustande geschnitten. Fig.2 (Tafel) stellt eine Pro- 
tuberanz des erschlafften Fulses, ohne Flüssigkeit also, und Fig.3 
(Tafel) eine solche des kontrahierten Fufses im Zustande der Blase 
dar. Die angegebenen Zustände erhielt ich dadurch, dals ich einmal 
Cocain anwandte, das andere Mal nicht; eine ganz glatte Ober- 
fläche ohne jede Protuberanzen konserviert zu erhalten, ist mir 
im ersten Falle nicht gelungen, doch um den Unterschied 
zwischen der mit Gewebe gefüllten und der blasigen Erhebung 
zu zeigen, eignen sich meine Präparate vorzüglich. 

Da die von mir u. a. angewandte Färbung nach von 
Gieson gute Resultate lieferte, so konnte ich nachweisen, dafs in 
allen Blasen so gut wie keine Muskelfasern vorhanden sind; 
ganz vereinzelt fand sich die eine oder die andere, jedesmal aber 
in möglicbst ungünstiger Lage, um eine Kontraktion der Blase 
herbeizuführen; sie gehörte wohl jenen, in der anatomischen 
Einleitung erwähnten Muskelzügen an, die senkrecht auf der 
Sohle des Fulses stehen. Wir sehen dagegen mit Bestimmtheit, 
dals das ursprünglich kompakte und feste Bindegewebe zu 
einem ganz feinen Netz auseinander gesprengt ist, dessen ein- 
zelne Fasern ihrerseits stark gedehnt sind. Ursprünglich 


gekräuselte Fasern werden stets glatt. Sogar das Epithel erleidet, 
wie die Figuren zeigen, eine Veränderung. Nach dem Gesagten 
bleibt uns nur übrig anzunehmen, dafs die Rlastieität der Binde- 
gewebsfasern den erforderlichen Druck auf die, Flüssigkeit der 
Blase ausübt. Muskelpartien, die sich in unmittelbarer Nähe von 
solehen ausdehnen, die sich zusammenziehen, erhalten augen- 
scheinlich ihr Wasser aus diesen, so sieht man dann auch im 
Verlaufe der beschriebenen gleichartigen Wellen der Locomotions- 
organe keinerlei Blasen. 

Nicht uninteressant ist noch das Folgende: Als ich bei dem 
bereits mehrfach erwähnten Tiere, welches gezwungen war, den 
einen Flügel stets kontrahiert zu tragen, eine aulsergewöhnlich 
starke Cocaininjektion in diesen machte, trat Erschlaffung und 
Ausdehnung ein, aber nicht bis zur ursprünglichen Länge, welche 
erst durch Ziehen meinerseits erreicht werden konnte. Ob nun 
ein Teil des Wassers doch aus dem Organ ausgetreten war, oder ob die 
Elastieität derBlasen abgenommen hatte, liefs sich nicht feststellen, 
doch mufs man nach dem Versuche mit dem Farbstoffe, von 
dem innerhalb einer Woche und darüber nicht eine Spur in 
den übrigen Körper diffundierte, die letztere Erklärung für richtig 
halten. 


Il. Die Ganglien und ihre Wirkung auf die 
Locomotionswerkzeuge. 


A. Experimenteller Teil. 


Es sei mir gestattet, zunächst die für die folgenden Unter- 
suchungen benutzten Methoden anzugeben, sowie zunächst ohne 
Rücksicht auf die Litteratur vorzugehen, um diese dann später 
zu besprechen. 

Der in erster Linie eingeschlagene Weg war der des opera- 
tiven Eingriffes. Wo es nötig erschien, wurde in herkömmlicher 
Weise der Induktionsapparat angewandt. Andere Methoden sind 
an Ort und Stelle beschrieben. 

Die erste Schwierigkeit, die das Tier der Operation ent- 
gegensetzt, die heftigen Kontraktionen, hat schon Schönlein (P) 


RE 


durch Pelletierininjektion beseitigt. Dieses Gift hat jedoch zwei 
Nachteile: es verpflichtet nämlich einmal zu einer genauen Do- 
sierung und dann ist es in Verdünnung nicht haltbar. Ich habe 
nun eine Reihe von Giften auf ihre Wirkung auf Aplysia geprüft. 
Chloralhydrat, Urethanäthyl, Coffeincitrat, Alkohol, Brommethyl, 
Pulegon und Cocain. 

Erwähnenswerte Resultate gaben: Alkohol von etwa 10°, 
an, gibt starke Kontraktion, Brommethyl ebenso. Pulegon 
vernichtet jedes Lebenszeichen in ganz kurzer Zeit.!) 

Cocain erwies sich für unsere Zwecke als überaus geeignet. 
Es wurde in 2 proc. Lösung in Seewasser angewandt. Wird 0,75 
bis 1,5 cem dieser Lösung in die Leibeshöhle des Tieres injieiert, 
so hört schnell jeder Tonus in der Muskulatur auf, das Tier 
zeigt (wie bei Anwendung von Pelletierin) eine einheitlich glatte, 
wasserstrotzende Oberfläche. Die Erregbarkeit auf äulsere Reize 
ist wohl etwas herabgesetzt, verschwindet aber erst bei Anwen- 
dung bedeutend gröfserer Dosen des Gittes. 

Cocain wirkt so lokal wie generell, so auf das Mantelsystem 
wie auf die Centralganglien. Doch davon später. Eine für 
Operationen brauchbare Dosierung ist: auf 100 & Tier 0,5 cem 
einer 2 proc.Lösung, eine Menge, die absolute Erschlaffung erzeugt, 
welche ihrerseits nach etwa !/, Stunde dem normalen Zustande 
weicht. Die Grenzen der Dosierung sind jedoch, so nach oben 
wie nach unten, sehr weit, so dafs ich mir nie die Mühe ge- 
nommen habe, meine Tiere etwa abzuwiegen, sondern ich habe 
einem mittelgrolsen Tiere (welches etwa 300 g wiegt) 0,9 ccm 
gegeben, einem grolsen aber 1,5 ccm. 

Bei der eigentlichen Operation ist es von grölster Wichtig- 
keit, das Ausfliefsen der Blutflüssigkeit zu verhindern, da ein 
solches unbedingt den Tod des Tieres herbeiführt. Zu diesem 
Zweck wurde die Schnecke rechts und links von der zu Öffnen- 
den Stelle mit Haken an Ständern so befestigt, dafs der 
gesamte Körper in eine vertikale Lage kam, so natürlich, dals 


1) Da es mir nur darauf ankam, die für unsere Zwecke brauchbaren 
Gifte auszusuchen, so wurden die angegebenen Proben nicht mit absoluter 
Sorgfalt und den sonst notwendigen Wiederholungen ausgeführt. 


Be 


die genannte Stelle zu oberst war. Dann wurde mit Scheere 
oder Messerchen geöffnet und der Eingriff vorgenommen. 

Weitere Schwierigkeit bot die Behandlung der Wunde. An- 
fänglich fand ich meist schon in den ersten Tagen nach der 
Operation die ganze Naht ausnekrotisiert, die Wunde klaffend, 
so dals das Tier an Blutverlust zu Grunde gegangen war. Ich 
bin schliefslich dazu gekommen, folgende Regeln zu beobachten: 

I. Möglichst alle Operationen vom Fuls aus zu machen (ab- 
gesehen von einigen Kontrollversuchen). II. Die Wunde mit mög- 
lichst wenig Stichen in fortlaufender Naht so zu vernähen, dals 
die Ränder weit übereinander lagen. III. Mit den einzelnen 
Stichen möglichst wenig des unter der Haut liegenden Gewebes 
zu fassen. Auf diese Weise habe ich Tiere Monate lang ge- 
halten, und ein Verbluten kurz nach der Operation, in der 
oben geschilderten Weise trat nur äulserst selten ein. Kleine 
Wunden am Rumpfe heilen vielleicht am schnellsten ohne jede 
Behandlung durch Kontraktion des Tieres; allein in der Nähe 
der Centralganglien wird stets der Schlundkopf zwischen die 
Wundränder geprelst, so dafs die Heilung unmöglich ist, die bei 
unserer Methode schon durch die Cocainisierung erschwert würde. 

Diese gesamte Technik ist übrigens von besonderer Wichtig- 
keit, da von der Lebensdauer nach der Operation das Resultat 
der meisten Versuche abhängt; es dauert oft Wochen, bis die 
»Shockwirkung« überwunden ist, und die Erscheinungen in 
unzweideutiger Klarheit eintreten. Dann dringt auch meist bei 
der Operation Luft in den Körper des Tieres ein, die es dann 
hindert zu sinken. Diese Luft wird freilich in wenigen Tagen 
ausgeschieden. — 

Ich unternahm nun im Laufe der Zeit eine Reihe von 
Operationen, von denen ich eine tabellarische Übersicht gebe. 
Bemerkt sei, dals nie eine Operation nur einmal gemacht wurde, 
sondern als Norm drei aufeinander folgende einwandfreie Re- 
sultate, bei wichtigen Fragen aber noch bedeutend mehr ange- 
sehen wurden. Die Ausnahmen bei belanglosen Operationen 
zeigt die Tabelle; dort sind nur die Tiere angeführt, deren 
Operation als wirklich gelungen zu betrachten ist. 


Art der Operation 


A. Exstirpation des 
Cerebralganglions 


B. Durchsehnei- 

dung beider Cere- 

bropedalcommis- 
suren 


OÖ. Durchschneidg. 
einer Üerebrope- 
dalcommissur 


D. Selbe Operation, 
vermehrt um die 
Durchschneidung 

Intrapedal- 

commissur 


der 


E. Exstirpation 
beider Pedalgang- 
lien 


F. Exstirpation 
eines Pedalgang- 
lions 


G. Durchschneidg. 
d. Pedalcommissur 


H. Durchschneidg. 
aller Sinnesnerven 


I. Exstirpation 
des Bucalganglions 


18 


Tabelle der Operationen. 


Nr. des Tieres 


Tre.3) 
I®S.Iı 
III (8. II 15) 
IV (8. 16) 
V (8. II 20) 
VI (8.IH 1) 


FT) 
I (8.13 
III (S. III 5) 

IV 


I (S. II 13) rechts 
II (S. II 19) links 
II (Se III Dr 


I (s. II 3) links 
II (S. II 4) rechts 
III (S. IL 19) links 


I )) 
II (S. II 10) 
III (8.1 17) 
IV (8. II 3) 


I(S. I 4) rechts 
IL(S. I 5) links 
IIL(S.II14) > 
IV (S-H18) > 
V > 
VI(S. III 4) rechts 
VII (8. III 2) links 
VIII > 


I (S: 1712) 
I1.(S. II 6) 


S. II 8 


S.II1 9 


24. 
104 
Li. 


15. 


13. 


Datum der Operat. 


Sept. 1899 
> > 
Okt. 


11.'Sept. > 
24. >» 
| 2. Nov.e 23 
(Datum verloren gegangen) 
7. Okt. 1899 
14. » 
4. >» > 
25. Sept. > 
200 » 
4. Nov. >» 
Il. Operation 


. Sept. 1899 


Okt. > 
> > 
> > 

Sept. > 
» > 
Okt. > 
> > 
Dez > 
>» 
Okt. > 
Dez > 
Okt. > 
Nov > 
Okt. > 
Sept 


29. 
12. 
26. 
14. 
25. 
29. 


10. 
12. 


12. 


Datum d. Todes 


Sept. 1899 


Okt. > 
Nov. >» 
Okt. y 
» > 
Nov. > 
? 
Okt. > 
Dez. > 
Okt. » 
Nov > 
> > 
Okt. > 
Dez. > 
Nov > 
Okt. » 
? 
Nov. > 
Okt. > 
? 
Okt. > 
Jan > 
Febr. > 
. Dez. > 
? 
Okt. > 
. Nov. 
Okt. > 
Sept 


Feng, = 


Die Art und Weise, wie die Tiere beobachtet wurden, geht 
aus der Beschreibung der Resultate hervor; erwähnt sei nur, dals 
es natürlich ursprünglich mein Wunsch war, die Aplysien zu 
zwingen, zweekmälsige Bewegungen auszuführen. Dabei be- 
nutzte ich — jedoch ohne Erfolg — elektrische und mechanische 
Reize der Haut; u. a. setzte ich das Tier auf eine Metallplatte, 
die mit dem einen Pol des Induktors in Verbindung stand, 
während der andere Pol ins Wasser ging; der einzige Erfolg 
waren Kontraktionen des ganzen Tieres, ein »Fluchtreflex« existiert 
nicht. Wie schon erwähnt, gelingt es nicht durch Futter, selbst 
ausgehungerte Tiere zu einer bestimmten Bewegung zu reizen. 


a) Einflufs der Ganglien auf den Zustand der Muskulatur. 


1. Beobachtungen und Versuche, angestellt an 
Tieren ohne Cerebralganglion, sowie an solchen mit 
ein- oder beiderseitig durchschnittener Öerebro- 
pedalcommissur. 

Es braucht wohl kaum erwähnt zu werden, dals Exstirpation 
des Cerebralganglions und Durchschneidung beider Öerebropedal- 
commissuren Operationen sind, die für uns ein und dieselbe Be- 
deutung haben, nämlich die Ausschaltung des Öerebralganglions 
von der gesamten Locomotionsmuskulatur, ebenso wie die Durch- 
schneidung einer dieser Commissuren die Isolierung der Musku- 
latur der entsprechenden Seite zur Folge hat. Denn die Nerven 
bei Aplysia verlaufen ungekreuzt, wie dies schon Steiner () 
findet. 

Betrachten wir nun also eine Muskelpartie, die mit dem 
Cerebralganglion nicht mehr in Verbindung steht, so finden wir, 
dals ihr Tonus höher ist, als derjenige normaler Teile, und die 
einseitig operierten Tiere zeigen, dals dies nicht nur die Folge 
des »Shocks« ist, denn bei solchen ist ein Unterschied zwischen 
unnormaler und normaler Seite, im oben angedeuteten Sinne, 
recht wohl konstatierbar. Der unnormale Flügel ist immer etwas 
kürzer als der normale und zeigt ein mehr runzeliges Aussehen. 
Ich bemerke, dals uns für solche Vergleiche zwischen operierter 
und nicht operierter Seite immer die Flügel zur Beobachtung 


DL; 
2 


EN ONE 


dienen, da am Fulse die Gegensätze, wie erklärlich, nicht scharf 
genug hervortreten. 

Aufser dem oben Erwähnten fällt uns auf, dafs der Tonus 
in der vom Cerebralganglion isolierten Muskulatur unverhältnis- 
mälsig hoch auf momentane Reize hin steigt. Um dies zu unter- 
suchen, werden Tiere mit einseitig durchschnittener Cerebro- 
pedalecommissur (oder auch solche, die in Rubrik D angeführt 
sind) auf eine Seite gelegt, und zwar abwechselnd auf die nor- 
male und die unnormale, so zwar, dals die zu beobachtende nach 
oben liegt. Zwischen die Flügel kommt ein Malsstab, so dals 
man die Retraktion dieser Schwimmorgane ablesen kann. »o- 
bald nach dieser Vorbereitung Ruhe eingetreten ist, setzt man 
die Elektroden auf den Rand des Flügels, dieser zieht sich zurück, 
und man liest einfach die Strecke, um die er sich zurückzieht, 
ab. Der zur Reizung verwendete Strom wurde durch einen 
»Schlittenmagnetelektromotor«e nach Du Bois-Reymond ge- 
liefert, der eine Primärrolle von 680 Windungen und eine Se- 
kundärrolle von 5000 Windungen hatte. Letztgenannte Rolle 
deckte auf 1,7 cm die erstere bei einer gesamten Länge von 
10 cm. In Gang gesetzt wurde der Apparat durch ein gewöhn- 
liches Tauchelement. 

Es ergaben sich folgende Zahlen: 


Retraktion der 


unnormalen Seite normalen Seite 
2,5 cm 0,3 cm 
Dame» 05 >» 
20 >» O3 
23 > 0.655 
89:4 = 2,22 cm 12 >» 
im Durchschnitt. ER 
05 > 
02 > 
04 > 


5,5:9= 0,61 cm 

im Durchschnitt. 
Es verhält sich also die Grölse der Erregbarkeit der un- 
normalen Seite zu der der normalen wie %,2:0,6. Bei der 
normalen wurden so viele Ablesungen gemacht, weil sonst augen- 


ah DBESS 


scheinlich spontane Retraktionen (1,2—1,1 cm) die Angabe zu un- 
genau gemacht hätten. 
Gleicher Versuch bei einem anderen "Tiere: 


Anormale Seite normale Seite 
1,5 cm 0,15 cm 
08 > 02 > 
LEE Dar Fr 
30:3=1cm 06 > 


1.154 — 0,28 cm. 
Das Verhältnis ist hier also 1: 0,3. 

Alle Tiere, die Rubrik © und D angibt, wurden auf diese 
Weise untersucht, doch halte ich es für unnötig, alle Zahlen an- 
zugeben, die immer wieder die bewiesene Thatsache bestätigen. 
Ferner wurde ein ganz normales ziemlich grolses Tier untersucht, 
und gefunden, dals sich sein Flügel im Durchschnitt um 0,5 cm 
zurückzieht. 


Ergebnis der Versuche: Muskelteile, die noch mit 
dem Cerebralganglion in Verbindung stehen, sind 
bedeutend weniger leicht erregbar als solche, die 
vom genannten Ganglion isoliert sind. 

Vielleicht kann man auch sagen: das Üerebralganglion 
hemmt die Reflexe. 

In derselben Weise operierte Tiere (Rubrik © und D) werden 
mit der im methodischen Teile angegebenen Dosis Cocain ver- 


eiftet und auf dieselbe Weise untersucht. Es wird — innerhalb 
einiger Quadratmillimeter — bei jedem Aufsetzen der Elektroden 
dieselbe Stelle getroffen. 
Anormale Seite Normale Seite 
1,3 cm 0,2 cm 
03% 02 > 
10 >» 0,15 > 
01 >» 
0,6 > ; 
: abnehmend. 
abnehmend 


Hieraus folgt, dafs trotz der Cocainvergiftung das Cerebral- 
ganglion die Erregbarkeit herabsetzt, und zwar verhältnismälsig 
noch stärker herabsetzt als ohne jenes Gift; ferner, dals durch 


EB 


ständigen Reiz eine Ermüdung eintritt, und zwar, so scheint es, 
des percipierenden Organes; denn ändert man die gereizte Stelle 
nur um wenige Millimeter, so erfolgt sofort wieder eine volle 
Kontraktion. 

Ich gebe einen weiteren Versuch an, dessen Erklärung mir 
jedoch einstweilen nicht möglich ist. 

Unter Beibehaltungen der sonstigen Versuchsanordnung 
wendet man statt des Cocains 0,75 cem einer Mischung von 70 proz. 
Alkohol 20 Teile und Seewasser 5 Teile an. 


Anormale Seite Normale Seite 
0,7 cm 0,8 em 
0,07 la> 
0,6 > 0,55 >» 

1 0,4 > 


Jedenfalls sehen wir, dafs bei diesem Kontraktion hervor- 
rufenden Gifte der sonst nachgewiesene Unterschied in der Er- 
regbarkeit beider Seiten wegfällt. — 

Diesen Unterschied können wir auch an den übrigen Teilen 
des Körpers unseres Objektes wenigstens augenscheinlich machen, 
wenn auch nicht in Zahlen ausdrücken. Streichen wir einem 
operierten Tiere mit dem Finger gleichmälsig über den ganzen 
Fuis, so krümmt sich das ganze Tier so, dals die unnormale 
Seite die konkave ist. 

An dieser Stelle sei erwähnt, dals Exstirpation des Cerebral- 
ganglions auch zur Folge hat, dafs so Fühler wie Tentakel 
ständig eingezogen getragen werden. 


2. Beobachtungen an Tieren, denen ein oder beide 
Pedalganglien exstirpiert sind. 


Alle Beobachtungen zeigen ausnahmslos, dals Muskelteile, 
die nicht mehr mit dem zugehörigen Pedalganglion in Verbin- 
dung sind, sich im Zustande einer ununterbrochenen hef- 
tigen Kontraktion befinden, die sich erst mit dem T'ode löst. 
Um ein Beispiel anzugeben: Es war bei einem pedalganglien- 
losen Tiere der Mantel so kontrahiert, dals die sonst immer von 
den Flügeln bedeckte Kiemen-Schildpartie weit aus jenen her- 
vorragte. Der Syphonallappen, der nicht vom Pedalganglion 


innerviert wird, war so mit Leibeshöhlenflüssigkeit gefüllt, dafs er 
nicht mehr gerollt werden konnte; auch der Kopf war durch die- 
selbe dick aufgetrieben. Die Kontraktion nahm mit der Zeit zu, 
ein Umstand, der die Erscheinung in scharfen Gegensatz zur 
sog. »Shockwirkung« setzt. 

Ähnliche Resultate, die neben den einseitig angestellten Ver- 
suchen beweisen, dals die beschriebenen Kontraktionen unmittel- 
bare Folgen des Eingriffes sind, erhält man, wenn man ein Pedal- 
ganglion dadurch zum Absterben bringt, dals man es in Cocain 
legt, ohne die Verbindung zwischen ihm und der Muskulatur zu 
stören. Zunächst tritt eine schwache Ausdehnung ein, mit der 
wir uns noch später zu beschäftigen haben werden, ein Umstand, 
der allein alle Einwände gegen den Versuch hinfällig macht, um 
dann einer starken Kontraktion Platz zu machen. Zu dieser Zeit 
findet man, dafs bei noch so starker (elektrischer) Reizung des 
betreffenden Pedalganglions keine Reaktion in den Muskeln 
eintritt, während diese auf direkte Erregung sich noch ein ganzes 
Stück zusammenziehen können. Also trägt wirklich die Abtötung 
oder Entfernung des Pedalganglions Schuld an der beschriebenen 
ständigen Kontraktion. 

Teile, die nieht mehr mit einem lebenden Pedal- 
ganglion in Verbindung sind, behalten durch Haut- 
reiz zugeführten Tonus auffallend lang. In normalen 
Verhältnissen tritt immer sofortige Ausdehnung ein. Versuche 
über die quantitative Verschiedenheit zwischen der Erregbarkeit 
normaler und soleh unnormaler Muskelpartien konnten nicht an- 
gestellt werden, denn dazu mülsten beide Seiten erst zu gleicher 
Länge ausgedehnt sein, und das ist mit unseren Mitteln, wie ich 
weiter oben dargethan habe, unmöglich. (S. 11.) Aus den an- 
geführten Befunden geht übrigens noch eines hervor: Es ist 
zwar die beschriebene Kontraktion sehr stark, aber doch nicht 
gleich der für Aplysia möglichen Maximalkontraktion, denn diese 
mulste erst durch Hautreiz erreicht werden. Und in der That 
ist es einem so operierten Tiere möglich, wenn auch nicht 
eben leicht, sich zu krümmen, so dals die normale Seite die 
konkave ist. 


FO 


b) Einflufs der Ganglien auf die Bewegung. 
Beobachtungen an Tieren, bei denen die Ver- 
bindungen des ÜÖerebralganglions mit der Musku- 
latur ganz oder teilweise unterbrochen sind. 


Bei meinen Bemühungen, die Aplysia zu irgend einer zweck- 
mälsigen Bewegung zu veranlassen, fand ich Gelegenheit, einiges 
über die Orientierung von am Boden liegenden Schnecken zu 
beobachten, und da die hierbei gefundenen Resultate etwas von 
unserem eingeschlagenen Wege abliegen, so will ich sie zu Be- 
ginn dieses Abschnittes angeben: 


Die Anordnung des Versuches lautet ein für allemal so: 
Eine Schale wird zur Hälfte etwa mit Seewasser gefüllt, d. h. 
so weit, dals die Versuchstiere nicht ganz davon bedeckt sind, 
da sonst die Tragkraft der Parapodien das Orientieren wesentlich 
erleichtert. In dieser Schale nun wird unser Objekt in eine 
beliebige, unnormale Lage gebracht, und die Versuche beobachtet, 
die es macht, um diese Lage mit der normalen zu vertauschen, 
d. h. mit dem Fulse den Boden zu fassen, die Flügel aber nach 
oben zu tragen. 

1. Das normale Tier: Auf welche Seite wir das Tier auch 
legen, es dreht Kopf und »Hals« so, dafs der Vorderteil des 
Fulses den Boden falst, um haftend den Körper nachzuziehen. 
Anders, wenn wir das Tier auf den Rücken legen: Gelingt es 
nämlich, dies so zu bewerkstelligen, dals es völlig ausbalaneiert 
ist, so macht es mit dem Kopf nach allen Seiten, auch nach 
oben, suchende Bewegungen. Es ist mir der Versuch einmal so 
gut gelungen, dafs ich selbst das Tier aus seiner Lage habe be- 
freien müssen, und dabei ist zu bedenken, dals ich Aplysien, 
sogar operierte, bei ähnlichen Versuchen noch ganz andere Ver- 
drehungen des Vorderkörpers habe machen sehen, als zur Er- 
füllung der rein mechanischen Bedingung des Aufrichtens not- 
wendig gewesen wäre. 

Kurz, es ist wohl in erster Linie die einseitige Wirkung der 
Schwere und der einseitige Druck der Organe, dureh welche dem 
Tiere die Richtung angegeben wird, wo der Boden zu finden sei. 


En. 


oe 


Am natürlichen Aufenthaltsort der Aplysia im tiefen Wasser 
kommıt, wie schon angedeutet, die geringere Schwere der Flügel 
verglichen mit der des Körpers noch zur Unterstützung der Orien- 
tierung hinzu: Tiere, die man in beliebiger Lage ins Aquarium, 
wirft, kommen meist schon orientiert auf dem Boden an. — 

2. Ein Tier, dem alle vom Cerebralganglion zu den Sinnes- 
organen gehenden Nerven durchschnitten sind, orientiert sich 
genau wie ein normales, woraus hervorgeht, dals Augen und 
Fühler zur Orientierung wenigstens nicht notwendig sind. 

3. Ich fand, dafs ein Tier, dem das Cerebralganglion exstir- 
piert ist, sich meistens mit Leichtigkeit aufrichten kann, wenn 
es auf der linken Seite liegt, während es ihm auf der rechten 
Seite fast unmöglich war. Es fiel mir nun auf, dals bei einzel- 
nen Exemplaren die Dinge gerade umgekehrt lagen. Ich machte 
darum folgenden Versuch: Ich liefs ein so operiertes Tier sich 
etwa von der linken Seite aus orientieren, Fufs fassen. War 
das geschehen, so drehte ich es vorsichtig auf die rechte Seite, 
so aber, dafs der Fufs sich nicht eher vom Boden löste, als bis 
der Körper sich in voller Ruhelage befand. Nun orientierte sich 
der Fufs sofort. Eine genauere Beobachtung gibt die Erklärung 
zu dieser Erscheinung: Durch den unsymmetrischen Bau der 
Aplysia wird es bedingt, dals sie, auf der linken Seite liegend, 
mit dem Rande des Fufses meist den Boden berührt, auf der 
rechten nicht. Wenn aber der Fufs den Boden berührt, dann und 
nur dann haftet er auch, und die Orientierung ist hergestellt. 

Durch die Beweglichkeit der Organe in der Leibeshöhle 
kann sich das Verhältnis auch umdrehen, und mein oben be- 
'schriebener Versuch bewerkstelligt das. Findet keinerlei Berüh- 
rung statt, so sucht der Fuls den Boden überall, gewöhnlich aber 
in der Richtung nach oben, da auch der Wasserspiegel einen 
»Haftreflex« auszulösen scheint, und niedriger Wasserstand ist 
ja Bedingung der Versuche. 

Von einer eigentlichen Orientierung können wir im gege- 
benen Falle nicht sprechen, sondern nur von einem Reflex, der 
den Fuls veranlalst, Körper, die ihn berühren, auch den Finger, 
zu fassen und sich daran festzuheften. Im Bassin sehen wir 


26 — 


daher oftmals Tiere, bei denen das Cerebralganglion entfernt ist, 
nach allen möglichen Richtungen hin suchende Bewegungen 
machen, wenn sie den Boden verloren haben. 

4. Beobachtungen an Tieren mit einseitig isoliertem Cerebral- 
ganglion. 

Wir legen ein solches Tier auf die normale Seite und sehen 
an der konvexen Krümmung des Fulses, dals der normale Teil 
desselben ganz richtig den Boden fassen will, der unnormale 
hingegen sich nach oben krümmt, weil ihn der Wasserspiegel 
augenscheinlich reizt. Es entspinnt sich ein förmlicher Wett- 
kampf zwischen beiden Hälften, in dem meist der unnormale 
Teil Sieger bleibt, so dals der ganze Fuls nunmehr den Wasser- 
spiegel absucht. 

Nunmehr legen wir das Tier auf die unnormale Seite und 
beobachten zwei Fälle, nämlich erstens: der Rand des Fulses 
berührt aus oben angedeuteten Gründen den Boden nicht, oder 
er berührt ihn. In diesem Falle arbeiten beide Hälften des 
Fulses gleichmälsig für die Orientierung, die denn auch sofort 
eintritt, in jenem sehen wir, dafs der Fuls (konkav) zusammen- 
klappt. Ich beobachtete oft, dafs dann die .normale Seite die 
andere überspannte, den Boden falst und den Körper aufrichtete. 
Diese Versuche habe ich besonders oft mit konstantem Resultat 
ausgeführt. 

Über den Einflufs der Exstirpation des Pedalganglions 
brauchen wir kaum ein Wort zu verlieren. Diese Operation hat 
Lähmung im Gefolge, so dals eine Orientierung natürlich aus- 
geschlossen ist. Bei einseitigem Eingriff handelt die normale 
Seite normal, die andere aber gar nicht, und hindert, ist sie 
nach oben gekehrt, jene durch ihre Kontraktion an der Arbeit. 

Eine Untersuchung über die Funktion der Oto- (Stato-) eysten 
konnte ich wegen Mangels feiner Instrumente nicht vornehmen. 
3ei der Durchschneidung der Cerebropedalcommissur wird frei- 
lich ihr zum Cerebralganglion verlaufender Nerv, so viel mir 
bekannt, mit durchschnitten. War dies ein- oder beiderseitig 
geschehen, so konnte ich beim Schwimmen des Tieres nie eine 
Störung des Gleichgewichtes beobachten, oder auch nur eine 


solche, die nicht durch die Ausschaltung der übrigen Sinnes- 
organe erklärt wäre. 


Einflufs des Cerebralganglions auf die Locomotion 
im speciellen. 


1. Beobachtungen an Tieren mit totaler Exstirpation. 


Bei vier, allerdings besonders gut operierten Tieren, nämlich 
Tier II und V der ersten und Tier III und IV der zweiten 
Rubrik, erhielt ich eine ganz unerwartete Erscheinung: Schon 
kurze Zeit nach der Operation fingen an erst schwache, dann 
zunehmende Wellenbewegungen über die Flügel zu laufen, und 
gleichzeitig war zu sehen, dafs das "Tier ganz langsam vorwärts 
kroch, schliefslich, etwa eine Woche vor dem Tode, erreichte die 
Bewegung ihr Maximum, es trat ein heftiger, dabei streng regel- 
mälsiger Flügelschlag ein, der das Tier eilig durch das Becken 
trieb. Legte man die Aplysia auf den Rücken, so beobachtete 
man starke Wellen des Fulses, die gleichmäfsig von vorn nach 
hinten über den Fuls liefen. Ich habe nun diese eben angegebenen 
Tiere, sowie alle übrigen derselben Rubriken, mit denen wir uns gleich 
zu beschäftigen haben werden, ich habe, sage ich, alle diese 
Tiere so oft und so eingehend beobachtet, wie nur möglich: 
Wenn ich von Fällen absehe, die durch äufsere Störungen be- 
dingt werden, so kann ich sagen, ich habe niemals gesehen, 
dals das Tier die geschilderte Bewegung inhibierte; 
wenn diejenige des Fulses momentan reduziert wurde, so steigerte 
sich die der Flügel und umgekehrt. Erst der Tod machte der 
Erscheinung ein Ende. Bei Tier II der ersten Rubrik dauerten 
die heftigen Flügelbewegungen länger als eine Woche. In 
dieser Zeit nahm es beträchtlich an Volumen ab, so dals es bei 
Eintritt des Todes nicht mehr halb so grols war als vordem. 
(Ein Tier ohne Cerebralganglion kann nicht mehr fressen.) Um 
es noch einmal hervorzuheben: alle diese Bewegungen waren 
durchaus regelmälsig, wellenförmig und traten .nie 
lokal auf. 

Als ich einmal bei den vier angegebenen Tieren auf die 
Erscheinung aufmerksam geworden war, fand ich auch bei den 


IR 


andern, in gleicher Weise operierten, schwache Wellen, die im 
Grunde genommen nach denselben Gesetzen wie bei jenen über 
die Flügel liefen; doch war der quantitative Unterschied recht 
auffällige. Wenn es also Gesetz ist, dafs nach Verlust des 
Cerebralganglions eine ausgesprochene, spontan nicht inhibier- 
bare Bewegung eintritt, warum war sie bei einigen, sogar den 
meisten Tieren, nur angedeutet? 


»Shockwirkung« ja, wenn wir uns aber mit diesem Worte 
allein begnügen wollen, dann wird es bald ein Schlagwort wer- 
den, geeignet, den Forscher über Schwierigkeiten wegzutäuschen, 
— und viel Irrtum in die Wissenschaft zu bringen. Wie könnte 
also der Schock den Eintritt der Bewegung hindern? Augen- 
scheinlich durch die von ihm hervorgerufene Kontraktion; hierzu 
kommt noch die unmittelbare Folge des Eingriffes. Ich sage augen- 
scheinlich, denn es ist leicht zu sehen, dals Tiere, die die be- 
treffende Bewegung nur andeutungsweise zeigen, auch im Zu- 
stande einer höheren Kontraktion sich befinden als die andern. 
Eine Untersuchung nun, wie der gesteigerte Tonus die Bewegung 
hemmt, gehört in den theoretischen Teil, hier liegt es uns ob 
nachzuweisen, dafs er es thut. Zu dem Zwecke habe ich 
bei allen in Frage kommenden Tieren den Tonus der Muskulatur 
durch Injektion einer schwachen Dosis Cocain herabgesetzt und 
der Erfolg war ein frappanter. War das Quantum des Giftes 
das richtige — 0,5 cem einer 2proc. Lösung —, so setzten im 
Augenblicke, wo ich das Tier ins Wasser brachte, ungemein kräf- 
tige wellenförmige Bewegungen des Fulses und der Flügel ein, 
die nicht spontan inhibiert werden konnten, und erst nach der 
gewöhnlichen Dauer der Cocainwirkung dem ursprünglichen Zu- 
stande der Ruhe und der Kontraktion wieder Platz machten. 
War die Cocaindosis zu grols, so erschlaffte das Tier zunächst 
total, nach einiger Zeit begannen die Bewegungen, erreichten 
einen Höhepunkt, um allmählich — nach !), Stunde etwa — zu 
verschwinden. 

Wenn wir auf dieselbe Weise ein ganz normales Tier be- 
handeln, so treten auch Bewegungen ein, doch sind sie inhi- 
bierbar und werden oft genug inhibeirt. Nebenbei sind sie auch 


schwächer als beim operierten Tiere. Kurz, wir können sagen: 
Ist der Tonus in der Muskulatur nur gering genug, 
so veranlafst das Fehlen des Cerebralganglions, so- 
lange das Pedalganglion noch vorhanden ist, eine 
ständige, nichtspontan zuinhibierende, regelmälsig- 
wellenförmige Bewegung der Lokomotionswerk- 
zeuge. 

Wir dürfen uns freilich nicht verhehlen, dafs ein absolut 
sicherer Beweis dafür, dafs jede spontane Inhibition der Bewe- 
gung ausgeschlossen ist, schlechterdings nicht erbracht werden 
kann. Es muls uns eben die hohe Zahl der Beobachtungen, 
sowie die lange Dauer derselben genügen. 

Es bedarf wohl kaum der Erwähnung, dals der Grund für 
den verschiedenen Grad der Shockwirkung vor allem in der 
mehr oder weniger glücklich gelungenen Operation liegt. In der 
That war diese bei Tier II Rubrik A 2. B besonders gut aus- 
geführt worden. 

2. Für diese an den beiderseitig operierten Tieren gewonnenen 
Resultate erhalten wir wieder die Bestätigung an den einseitig 
operierten. | 

Ohne Ausnahme zeigten diese Tiere eine krei- 
sende Bewegung um die normale Seite. In der ganzen 
ersten Zeit nach der Operation, wenn das Tier infolge des Shocks 
noch keinerlei spontane Bewegung zeigt, dann später, unter 
Umständen, unter denen sich ein normales Tier gar nicht bewegt, 
sehen wir unser Objekt stets und ständig mit sehr verschiedener 
Geschwindigkeit sich um die normale Seite drehen, was so viel 
heilsen will als: die vom Öerebralganglion getrennte Fulsseite 
bewegt sich stärker als die normale, oder aber wahrscheinlicher, 
sie bewegt sich überhaupt, wenn die andere stillsteht. Ich habe 
diese Beobachtung bei allen Tieren wochenlang und ständig 
machen können, so dals kein Zweifel über die Gesetzmälsigkeit 
der Erscheinung herrschen kann. 

Wenn nun das Tier infolge der Heilung lebhafter wird, zu 
einer Zeit, wo man recht deutlich schon Wellen über den un- 
normalen Flügel laufen sehen kann, verwischt sich nicht selten 


are 


beim Fufse das beschriebene Bild etwas durch die spontane 
Bewegung der normalen Seite. Ja, wenn diese sich ganz schnell, 
nach Art eines Spanners bewegt, so beschreibt das Tier eine 
Kurve um die unnormale Seite, da diese jener grolsen spon- 
tanen Bewegungen eben unfähig ist. 

Die bereits eben erwähnten Wellen, die über den Flügel 
der operierten Seite verlaufen, sind fast immer schwach. Ein 
Grund hierfür mag wohl die ständige Berührung mit dem andern 
ruhigen Flügel sein; in der That liegt dieser auch oft über 
jenem. Nur bei einem Tiere habe ich geraume Zeitlang ein kräf- 
tiges Schlagen des unnormalen Flügels gesehen. 

Also: das Cerebralganglion hat auf die von den Pedalgang- 
lien ausgehende allgemeine Grund- oder Normalbewegung einen 
meist hemmenden, gelegentlich aber auch steigernden Einfluls. 
Nur das Oerebralganglion vermag dieselbe zu inhibieren und über- 
haupt das zu erwirken, was wir spontane Bewegung nennen 
mulsten. Dals die Pedalganglien wirklich die Centren jener 
automatischen Grundbewegung sind, geht daraus hervor, dals nach 
Exstirpation derselben, jede Möglichkeit einer Bewegung aufhört. 

Aus dem Gesagten ergibt sich folgendes Schema: 

1. Ist das Cerebralganglion vorhanden, so kann 
jede Bewegung ausgeführt werden, 

2. ist nur das Pedalganglion vorhanden, dann nur 
die automatische, nicht zu inhibierende Normal- 
bewegung, 

3. ist keines von beiden Ganglien vorhanden, so 
kann keinerlei Bewegung ausgeführt werden. 

Es bleibt uns nunmehr die Aufgabe, diejenigen Versuche 
zu besprechen, die einiges Licht bringen können über die Art 
und Weise, wie die Ganglien ihre soeben definierten Hauptfunk- 
tionen verrichten : 

Wir reizen die vom Öerebralganglion abgetrennte Cerebro- 
pedalecommissur, oder das Pedalganglion selber mit schwachem 
Strom. Sofort treten unsere genugsam beschriebenen Wellen 
auf. Es scheint nun, dals ein stärkerer Strom notwendig ist, 
Flügelschlag zu erzeugen, als den Fuls in Bewegung zu setzen. 


ee |, A 


Es scheint, sage ich, denn die Versuche am eocainisierten, auf- 
geschnittenen Tier, an der Luft vorgenommen — freilich an sich 
unzweideutig — lassen doch keinen sicheren Schlufs auf solche 
quantitativen Verhältnisse unter normalen Bedingungen zu. 

Wendet man bei diesen Reizversuchen zu starke Ströme 
an, so tritt eine allgemeine Kontraktion ein, vielleicht hier und 
da von einem konvulsiven Flügelschlag unterbrochen. 

Reizen wir die vom Pedalganglion getrennten 
Nerven, so erhalten wir stets einfache heftige Kon- 
traktion. 

Endlich möchte ich noch einige Resultate anführen, die die 
Intrapedalcommissur betreffen. 

Reizen wir eines der beiden Pedalganglien elektrisch, so 
beginnen beide Flügel zu schlagen, derjenige der gereizten Seite 
am stärksten; der andere inhibiert seine Bewegung sofort, wenn 
wir die Intrapedaleommissur durchschneiden. Beide Versuche 
müssen natürlich mit schwachen Strömen angestellt werden, da 
sonst Stromschleifen entstehen, die die Erscheinung verwischen. 

Einem Tier, dem die Intrapedaleommissur auf operativem 
Wege durchschnitten ist, und welches man mit einem Korke am 
Schwimmen erhält und dadurch zum Gebrauche der Flügel 
zwingt, fehlt die Coineidenz in der Bewegung dieser Organe. 
Also z. B. schlägt der rechte Flügel nach aulsen, so schlägt der linke 
etwa nach innen oder befindet sich aulsen auf dem Umkehr- 
punkte; kurz, die Wellen der beiden sind so gut wie nie in 
derselben Phase; so bewegt sich denn das Tier nicht mehr grad- 
linig vorwärts, sondern zickzackförmig und ruckweise. 

Es scheint, dafs der Intrapedalcommissur noch eine andere 
Funktion zukommen kann. Tier II der Rubrik €, (linke Üere- 
bropedalecommissur durchschnitten), am 14. Oktober operiert, 
wurde am 4, November auf die beschriebene, sonst deutlich an 
ihm beobachteten Erscheinungen hin untersucht, nachdem es 
mir aufgefallen war, dals es sich eigentlich gar nicht mehr um 
die normale Seite drehte. Es stellte sich heraus, dals die Erreg- 
barkeit im unnormalen Flügel wieder normal schwach geworden, 
während Tier II der Rubrik D, dem schon am 25. September 


die rechte Cerebropedalecommissur und die Intrapedaleommissur 
durchschnitten war, noch seine alten Anomalien zeigte. Durch- 
schneidung der Intrapedalcommissur bei erstgenanntem Tiere 
brachte dieselben auch bei ihm wieder zum Vorschein. Ich 
habe die Sache verfolgt, nie aber wieder ein Tier gehabt, bei 
dem Regeneration irgend welcher Funktionen eingetreten wäre. 
Der eine Versuch beweist natürlich nichts, umsomehr, als man 
sich das Verschwinden und Wiederauftreten der Kreisbewegungen 
auch noch auf andere Weise erklären kann. Das Tier kann sich 
nach der Operation so erholt haben, dals die normale Seite des 
Fulses spontan mit der unnormalen Schritt hält. Die erneuerte 
Operation vernichtet wieder die spontane Bewegung. Die ver- 
lorene, und durch die Operation wieder gewonnene Reizbarkeit 
allerdings weist scharf auf ein vicariierendes Eintreten der 
Intrapedalcommissur für die durchschnittene Cerebropedalcom- 
missur hin. 


B. Theoretischer Teil. 


Wie es im vorigen Abschnitt mein Bestreben war, die ge- 
fundenen Thatsachen in der Art wieder zu geben, wie sie sich mir 
dargestellt hatten, so will ich nun versuchen, dieselben ordnend, 
sie in ein möglichst wahrscheinliches Abhängigkeitsverhältnis 
zu bringen. Ehe wir jedoch an diese Aufgabe gehen, haben 
wir die Pflicht, dessen zu gedenken, was auf dem von uns be- 
arbeiteten Gebiete bereits geleistet worden ist. Bei keiner Arbeit 
habe ich diese Pflicht mehr empfunden, als bei der von J. Stei- 
ner (%). Es mutet schon eigetümlich an, wenn man sieht, dals 
in einem relativ dünnen Büchlein »die Funktionen des Central- 
nervensystems und ihre Phylogenese« aller Wirbellosen abge- 
handelt wird, zumal ein grolser Teil des Inhaltes dem morpho- 
logischen Teil der Arbeit gewidmet ist. Nun, wie zu erwarten, 
sind auch die Beobachtungen so oberflächlich, dals ich sie nur 
einzeln aufzuzählen brauche, um ihre Qualität zu zeigen: Die 
Versuche sind freilich nicht an Aplysia sondern an Cymbulia 
und Pterotrachea gemacht, sind aber dann an Aplysia »be- 
stätigt.« Wie sie bestätigt sind, sehen wir gleich; es genügt, dals 
sie von seiten des Verfassers selbst als für unser Objekt gültig in 


een 


Anspruch genommen werden. Seine Thesen lauten: I. Entfernung 
des Dorsalganglions führt keinerlei Störung in der Locomotion 
herbei. II. Einseitige Zerstörung des »Dorsalganglions« bleibt 
ohne Wirkung. III. Entfernung des Pedalganglions gibt Läh- 
mung der betreffenden Seite und nur dadurch Zwangsbewegungen. 
(Weiter finden wir darüber nichts angegeben.) Er schliefst daraus, 
dals das Pedalganglion das einzige Bewegungscentrum ist. Um 
nun an und für sich die grolse Unwahrscheinlichkeit wenigstens 
der Bestätigung für Aplysia darzuthun, mag es genügen anzu- 
geben, dafs Verfasser A. depilans benutzt, ein Tier, welches 
keinerlei Eingriffe länger als etwa 24 Stunden aushält, während 
deren es übrigens nur als ein formloser, stark kontrahierter 
Klumpen erscheint. Verfasser geht auch mit wenigen Worten 
über den Vesuch hinweg und beschreibt nicht etwa die Methode. 
Ich persönlich glaubte nicht an einen prinzipiellen Unterschied 
der in Frage kommenden Erscheinungen bei unserm Objekte 
und Pterotrachea und Cymbulia; wie dem aber auch sei, die 
Angaben werden auch für Aplysia gemacht und für Aplysia 
sind sie falsch! Wir könnten nun, nachdem wir dies haben 
feststellen müssen, ruhig den auf diesen falschen Befunden auf- 
gebauten theoretischen Teil übergehen, allein es scheint mir an- 
gebracht auf einige Fehler einzugehen, die gegen das Prinzip 
einer vergleichenden — oder zoologischen Physiologie verstolsen : 
Da sehen wir zuerst $ 113: wir haben »im Anschlufs an unsere 
obigen Bemerkungen nichts weiter zu thun, als unsere Definition 
des Wirbeltiergehirns auf die Wirbellosen zu übertragen: wo 
diese Definition befriedigt werden wird, dort haben wir ein 
Gehirn; wo sie ausfällt, Zort fehlt auch ein Gehirn.« — Da- 
rauf folgt eine solche Definition, die Verfasser einem älteren, 
auch von ihm stammenden Werke (über Fische) entnimmt, und 
auf Grund deren er den Schnecken, also auch der Aplysia ein 
Gehirn abspricht. Nach ihm ist das »Dorsalganglion« ein reines 
Sinnescentrum, das Pedalganglion dagegen, der Locomotion 
gegenüber das einzige Centrum. Wie gesagt, wir sehen von 
den falschen Thatsachen jetzt ab; aufs schärfste rügen mufs ich 


den: Versuch eines Vergleiches der Verhältnisse bei niederen 
B) 


I BAER 


Tieren mit den bekannten bei höheren. Abgesehen von den 
Gefahren dieses Vorgehens, denen der Verfasser selbst zum Opfer 
gefallen ist, — denn nur durch Voreingenommenheit in diesem 
Sinne kann ich mir die Beobachtungsfehler erklären — abge- 
sehen von diesen Gefahren, sage ich, widerspricht es auch durchaus 
dem Zwecke einer vergleichenden Physiologie: Wir wollen ein 
möglichst vollständiges Thatsachenmaterial auf dem Gebiete der 
Physiologie aller Tiere, vielleicht sogar aller Lebewesen sammeln, 
weil nur mit Hilfe eines solchen die allgemeinen Prinzipien, die 
die Funktionen der organischen Welt beherrschen, erkennbar 
sein werden. Denn, wie darf man wagen, von der Gesetzmälsig- 
keit einer Erscheinung zu sprechen, ehe man dieselbe in allen 
möglichen Fällen untersucht hat? Und auf die Ergründung der 
Gesetze kommt es doch an. Wir wollen ferner bei niederen 
Tieren, wo die Verhältnisse einfacher liegen, wo die Organisation 
dem Experiment weniger Schwierigkeiten bietet, Gesichtspunkte 
gewinnen, die uns eine wichtige, ja prinzipiell wichtige Richt- 
schnur bieten werden bei der graduell vergleichenden Erforschung 
der Verhältnisse in der ganzen Tierreihe. Kurz, ich bin ent- 
schieden der Ansicht, dafs unsere Aufgabe gerade die ent- 
gegengesetzte derjenigen ist, die sich Steiner stellt; denn an 
Stelle der zum Erforschen von Einzelthatsachen notwendigen 
Objektivität, der Grundbedingung solcher Arbeit, zwingt sich 
Steiner zur gröfstmöglichen Voreingenommenheit. Den Weg 
der Vergleichung durchläuft er — wenn auch im experimentellen 
Teil nicht formal — in der umgekehrten Richtung, da er eben 
von den, bei höheren Wirbeltieren gewonnenen T'hatsachen aus- 
geht. Fast den ganzen theoretischen Teil dürfte man in einer 
vergleichend physiologischen Arbeit nicht antreffen, selbst dann 
nicht, wenn sie auf richtigen Beobachtungen basierte. Denn auf 
Schritt und Tritt finden wir, dals der Verfasser die Natur in 
willkürlich von ihm erfundene Schemata zwängen will, oder 
in solche, die den bei Wirbeltieren gefundenen Thatsachen ent- 
lehnt sind. Ein weiteres Beispiel: »Zur Aufsuchung des allge- 
meinen Bewegungscentrums führt, wie ich angegeben habe, ein 
sehr einfacher Weg: wir durchschneiden die zu untersuchende 


ERBE 08 
Nervenabteilung einseitig, und beobachten, ob das Tier danach 
echte Zwangsbewegungen macht... .ce Die »echten Zwangs- 
bewegungen« nun finden wir in einem eigens dazu bestimmten 
Abschnitte so genau definiert, dafs kein Zweifel über die Starrheit 
dieses Steiner'schen Begriffes herrschen kann. Das Resultat 
ist denn auch, dafs Verhältnisse, die sich nicht in die vorge- 
schriebene Form bringen lassen, übersehen oder vernachläfsigt 
werden, und wenn wir Auskunft für unsere Aplysia etwa fordern, 
so erfahren wir nicht wie deren Oentralnervensystem funktionirt, 
sondern, wie es hätte funktionieren müssen, um sich in ein 
anthropomorphes Schema einfügen zu lassen. Ich schenke mir 
weitere Citate, denn ich halte den Standpunkt Steiners für 
genügend dargethan, und auch die Kritik darüber scheint mir 
klar zu sein. 

Einer Bestätigung der experimentell an höheren Tieren ge- 
fundenen Thatsachen bedarf es nicht, sondern einer principiellen 
Erklärung derselben, und dazu ist wahrhaftig der von Steiner 
eingeschlagene Weg der falscheste. 

Mit der Frage der Nomenklatur beschäftigen wir uns später. 
Richtig angegeben ist — das sei bemerkt —, dals die nervösen 
Bahnen ungekreuzt verlaufen, eine der wenigen Thatsachen, die 
sich eben auf den ersten Blick feststellen lassen, auch die Ver- 
mutung Steiners, dafs ein von ihm so genannter »Körper- 
gefühlssinn« den wichtigsten Faktor zur Aufrechterhaltung des 
»Gleichgewichtes der Lage« bildet, stimmt im wesentlichen mit 
meinen Beobachtungen überein. Über das »Gleichgewicht der 
Bewegung« habe ich zu wenig Untersuchungen gemacht und 
kann nicht darüber urteilen. Loeb (”) benutzt in seinem Ab- 
schnitt über Mollusken ganz und gar die Steinerschen An- 
gaben und macht nur einige wenige kritische Bemerkungen. 
U. a. »Steiner schliefst: Also, das Pedalganglion allein hat 
Herrschaft über die gesamte Locomotion des Tieres. — Ein der- 
artiger anthropomorpher Schluls«, sagt nun Loeb, »geht aller- 
dings viel zu weit. Wir haben nur das Recht, aus dieser Beob- 
achtung zu schliefsen, dafs die protoplasmatischen Verbindungs- 


fasern zwischen Haut und Fufsmuskel des Tieres durch das 
3*+ 


2 Va 


Ganglion ziehen.«e Nun, ich habe diese Bemerkung der Genauig- 
keit halber wiedergegeben, auf sie eingehen will ich nicht, denn 
erstens hat uns die Steinersche Arbeit schon Zeit genug ge- 
kostet, und dann handelt es sich nicht um die Kritik eines 
Nachuntersuchers. 

Da wir uns nunmehr zur Arbeit von Bottazzi(®) wenden, 
kommt damit die Gelegenheit über die Nomenklatur der Ganglien 
zu sprechen. Bottazzi sagt: »Non si comprende perche i gangli 
periesofagali dorsali siano stati chiamati cerebrali o cerebroidi, 
poich® essi innervano la parte anteriore e dorsale del corpo, i 
tentacoli ...« Bleiben wir erst einmal dabei. Nun, ich muls 
sagen, ich verstehe nicht, wie man über die Bedeutung des ge- 
nannten Ganglions urteilen kann, ohne sie zu kennen! Ich glaube 
dargethan zu haben, dals das »Dorsalganglion« sehr wohl eine 
centrale Stellung, wenigstens für alle von mir untersuchten 
Funktionen einnimmt; das Oentrum für die Sinnesorgane ist es 
bekanntlich auch. Von einer Innervation der Muskeln des 
Vorderkörpers ist keine Rede! Kurz, warum sollen wir das Gang- 
lion nicht Gehirnganglion nennen? Ja, es gibt Einwände, etwa 
den, dafs wir mit dieser Nomenklatur vielleicht gerade den be- 
kämpften Standpunkt des Anthropomorphismus auf einer andern 
Seite unterstützen; wir könnten den Namen »Üentralganglion« 
empfehlen oder den bereits vorgeschlagenen Ȇerebroidganglions, 
Namen, die recht wohl die wahre Funktion des Ganglions kenn- 
zeichnen; — allein, warum um so geringfügiger Einwände willen 
eine tief eingewurzelte Nomenklatur umstolsen, die doch recht 
wohl, an sich genommen, das Richtige trifft. Wenn wir in der 
vergleichenden Anatomie das Recht haben, von einem Fuls der 
Schnecke, von einem Herzen der Anneliden etwa zu sprechen, 
dann dürfen wir auch unser Ganglion Cerebralganglion nennen, 
und ich habe es durchweg gethan. 

Bottazzi fährt fort: »(Non si comprende perche) i (gangli 
periesofagei) ventrali siano stati detti pedali, mentre innervano, 
oltre il piede, anche il mantello!« Er nennt diese Ganglien also 
»Gangli ventralic.. In dieser letzten Argumentierung hat er 
Recht; aber es wundert mich, dafs er als Physiologe einen Namen 


er De 


vorschlägt, dessen Bedeutung keinerlei Beziehung zur Funktion 
hat. Wir könnten etwa von einem Muskelganglion sprechen, 
doch, da die Muskulatur gröfstenteils in Fuls und Parapodien 
enthalten ist, so liegt auch hier kein Grund vor, der schwer- 
wiegend genug wäre, eine eingebürgerte Nomenklatur zu ändern. 

Im übrigen beschäftigt sich ja Bottazzi’s Arbeit nicht 
näher mit den uns interessierenden Fragen. Nur zum Schlufs 
der Abhandlung über Aplysia, bringt er einige Versuche, die 
wohl Wichtigkeit für uns hätten, wären sie nur sorgfältig genug 
angestellt. Es fällt mir schon recht peinlich auf, dals der 
Verfasser Methoden, die er in meinem Zimmer oft hat sehen 
können, und aus denen ich kein Geheimnis ihm gegenüber ge- 
macht habe, schlechtweg als die seinen angibt. Ich kann im 
übrigen keine seiner Angaben bestätigen. Was zunächst die ge- 
nannten Methoden betrifft, so handelt es sich um das Aufhängen 
der Tiere an Haken und das Vergiften mit Cocain. Trotzdem 
gibt der Verfasser selber an, dafs die Tiere nur 3—5 Tage lebten 
(er hält dies offenbar schon für hinreichend), d. h. eine Zeit, die 
kaum bei den best operierten, und dann länger lebenden Tieren 
ausreicht, beweisende Erscheinungen zu zeigen. Er findet denn 
auch die wunderbare Thatsache, dafs, welches von den Ganglien 
des Schlundringes man auch entfernt, immer Lähmung der be- 
treffenden Seite die Folge ist. Ich will übrigens die Stelle 
eitieren: »La distruzione di ciascuno dei gangli periesofagei dor- 
sali e ventrali, produce la paralisi della parte corrispondente 
omolaterale della muscolatura del corpo.« Dann findet der Ver- 
fasser, es bestehe eine grofse Unabhängigkeit zwischen den 
Centren. Wenn die Tiere die Operation nicht lange genug über- 
leben, um die hohe Abhängigkeit, die zwischen den Ganglien 
herrscht, zu zeigen, dann ist das doch nicht die Schuld der Tiere, 
sondern die des Experimentators! 

Die Monographie von Mazzarelli (!) enthält zwar einen 
Abschnitt über Physiologie der Aplysien, doch darin nichts, was 
uns interessieren könnte. 

Was Schönlein (%)(?) gefunden hat, wurde schon an- 
gegeben. | 


Graber(?) findet, dafs »gegen alle Erwartung unempfindlich 
sich ... Aplysia leporina L. erwies ... letztere blieb völlig in- 
different allen angewandten Reizstoffen gegenüber.« Ich gebe 
dies an zur Bestätigung des von mir über Anwendung von Reiz- 
mitteln, zur Erzielung zweckmälsiger Bewegungen (efundenen. 


Vielleicht gehört hierhin auch eine Arbeit von A. Fleisch- 
mann (29), in der die Ausdehnung des Fufses der Lamellibran- 
chiaten durch Wasser erklärt wird, welches aus einem besondern 
muskulösen Reservoir im Mantelgewebe in den erschlaffenden 
Fuls eingepreist wird. Nun, das ist ja eigentlich etwas ganz 
anderes, als alles das, was wir für Aplysia fanden. 


Von Simroth (?) liegt eine Arbeit vor, die uns lange auf- 
halten mülste, läge sie nicht zum Teil aulserhalb des Rahmens 
der unsrigen. Er beschäftigt sich besonders eingehend mit der 
Mechanik der Locomotion bei Landnacktschnecken, die ja wesent- 
lich verschieden sein kann von der bei Aplysia. So will ich 
denn nur auf die Hauptpunkte eingehen: ich finde richtig, dafs 
Simroth die wellenförmige Bewegung des Fulses als automatisch 
bezeichnet. Eine Erörterung, ob sie vom Willen abhängt oder 
nicht, dürfte nicht in eine physiologische Arbeit gehören; denn 
wer sagt dem Verfasser, dals, abhängig vom Cerebralganglion 
gleichbedeutend sei mit abhängig vom Willen? Der Verfasser 
ist der Meinung, dafs die Wellenbewegungen unabhängig vom 
ganzen Schlundring, mithin auch von den Pedalganglien sind, 
und das ist durchaus unrichtig. 


Für seine Theorie der extensilen Muskeln habe ich Er- 
fahrungsthatsachen setzen können, ein Umstand, der es 
mir wohl erlaubt, auf die Theorie selber nicht einzugehen. Ich 
will nur angeben, dals ich auf Schnitten durch den Fuls von 
Limax recht wohl jene gespannten Blasen gesehen habe, die 
ich in Figur 3 abbilde. Interessant ist es, dals der Verfasser so 
zu sagen ahnt, dals es keine Hemmungsnerven, sondern »nega- 
tive Erregung« gibt, doch er ahnt es nur. 


Übrigens werde ich selber erst weiter unten diesen Punkt 
berühren. Er findet auch, dafs der Fufs Blut enthalten muls, 


EEE 


um die automatische Bewegung machen zu können ; doch schreibt 
er dem Blut eigentlich nur trophische Bedeutung zu. 


Was für uns das Wichtigste ist, wie schon früher bemerkt: 
er beschreibt auch ein Nerven-Muskelsystem im Mantel seiner 
Tiere und nennt den nervösen Teil desselben »ein Mittelding 
zwischen einem eigentlichen Sympathikus und den Hirnnerven.« 

Aufser den besprochenen Arbeiten, die irgendwie in den 
Rahmen unserer Untersuchung passen, gebe ich im Litteratur- 
verzeichnis einige Publikationen an, die mir nur indirekt gedient 
haben. 

Eine Arbeit von v. Uexküll (!!) liegt in ihrem speziellen 
Thema zu weit von der unseren ab, als dafs wir sie in der Art wie die 
vorstehenden besprechen könnten. Dals sie für uns weit wichtiger 
ist als jene, wird aus den nun folgenden Erörterungen her- 
vorgehen, in deren Laufe wir uns oft mit ihr zu beschäftigen 
haben. 


a) Die quantitativen Funktionen der Ganglien. 


Wir haben von zwei Fundamentalthatsachen auszugehen: 


I. Muskelpartien, die nicht mehr mit dem Pedal- 
ganglion in Verbindung stehen, sind stets 
tonisch kontrahiert; und 


II. Muskelpartien, die nicht mehr mit dem Cere- 
bralganglion, wohl aber mit dem Pedalgang- 
lion in Verbindung stehen, befinden sich im 
dauernden Zustand einer Bewegung, die nicht 
inhibiert werden kann. 


1. Es befindet sich also die Muskulatur des Mantelsystems, 
dieses an sich genommen, in einem aktiven Zustande, aktiv, weil 
die sich kontrahierenden Muskeln dem Wasserdrucke standhalten 
müssen. 

Wenn dem so ist, so bedeutet es, dafs das Nämliche für das 
ganze Mantelsystem, wie ich es nannte, gilt. Ferner wissen wir, 
die Verbindung dieses Systems mit dem Pedalganglion hat in 
erster Linie zur Folge, dals der aktive Zustand in diesem System 


— 407° — 


herabgesetzt wird, wenn ich so sagen darf; d. h., dafs die Diffe- 
renz zwischen diesem und dem Zustande der Ruhe verringert 
wird; darüber herrscht wohl kein Zweifel. Die Frage lautet nun: 
in welcher Weise geschieht dieses Herabsetzen? Wir könnten 
zunächst an Verhältnisse denken, wie sie beim N. vagus in Be- 
zug auf das Herz vorliegen; also es könnte vom Pedalganglion 
ein Reiz ausgehen, der hemmend auf den Zustand des Mantel- 
systems wirkt. Wenn ich nun aber einen beliebigen Nerven 
vom Pedalganglion abtrenne und elektrisch mit ganz beliebigen 
Strömen *) reize, so erhalte ich, im Gegensatz zum Ergebnis beim ana- 
logen Versuche beim Vagus und dem Herzen stets eine einfache 
Kontraktion bestimmter Muskelpartien. So viel ist klar, dafs ein 
centrifugaler Reiz, der etwa vom Pedalganglion ausgehen könnte, 
gleichgültig von welcher Stärke (darum habe ich die Steigerung 
des Stromes so allmählich vorgenommen) nie und nimmermehr 
den aktiven Zustand im Mantelsystem verringern kann. Nor- 
malerweise setzt das Pedalganglion jenen Zustand herab; wenn 
also in den einzelnen Nervenstämmen Hemmungs- und Reiz- 
nervenfasern verliefen, so mülsten die Hemmungsnerven auch 
am stärksten vertreten sein, eine allgemeine Reizung des Stammes, 
also eine Ausdehnung hervorrufen. Da also eine vom Ganglion 
zur Muskulatur gehende Wirkung den aktiven Zustand immer 
mehr erhöht, so bleibt uns nichts übrig, als einer centripetalen, 
einer Art Saugwirkung des Pedalganglions die Erscheinung zu- 
-zuschreiben. Ich werde dies noch weiter belegen können. Sehen 
wir jetzt | 

2. das Verhältnis zwischen Cerebral- und Pedalganglion an: 
»Thatsache II« lehrt uns, dafs das System zweiter Ordnung, 
nämlich Mantelsystem und Pedalganglion, allein in einem ständig 
aktiven Zustande sich befindet, der sich durch rythmische Wellen- 
bewegung äulsert. Diese Bewegung wird vom Pedalganglion be- 
dingt, und da sie ständig bedingt wird, so können wir sagen: 


*) Verwendet wurden Ströme von 0 bis zum Vollstrom des Induktions- 
apparates, wobei der Strom 0 dadurch erzielt wurde, dals ich die Sekundär- 
spule senkrecht zur primären stellte, die Steigerung aber dadurch, dafs ich 
den Winkel verkleinerte, später die Spulen übereinander schob. 


AN 


es befindet sich das Pedalganglion in ständig aktivem Zustand, 
der in den Locomotionswerkzeugen die beschriebenen Bewe- 
gungen verursacht, falls es mit ihnen verbunden ist. Wir wissen, 
dals das normale Tier, d. h. das Tier, bei dem das System 
zweiter Ordnung noch mit dem Cerebralganglion in Verbindung 
steht, die Wellenbewegung inhibieren kann, und dieses sogar 
meistens thut. Es kommt also fürs erste dem Cerebralganglion 
die Wirkung zu, den aktiven Zustand des Pedalganglions herab- 
zusetzen, d. h. den Zustand desselben dem Ruhezustand zu 
nähern. Und legen wir uns wieder die Frage vor, auf welche 
Weise das Cerebralganglion dieses thut, so finden wir, dafs es 
durch einen cerebrofugalen Reiz nicht geschehen kann; denn, 
wenn ich die einzige Verbindung zwischen Cerebralganglion und 
dem System zweiter Ordnung, die Öerebropedalcommissur errege, 
so erhalte ich bei Anwendung normaler Ströme starke rythmische 
Wellenbewegung der Locomotionswerkzeuge, niemals aber, wie 
ich auch reize, die Inhibition einer vorher vorhandenen Bewe- 
gung. Aus denselben Gründen wie eben ist auch hier die Er- 
klärung der Erscheinung durch gemischten Fasernverlauf und 
ungleiche Verteilung vom Hemmungs- und Reiznerven unzulässig. 
Kurz, wir müssen auch hier bildlich von einer saugenden Wir- 
ung des Cerebralganglions sprechen. Wir haben also in beiden 
Fällen gefunden, dafs das übergeordnete Ganglion auf das unter- 
stellte System in der Weise wirkt, dafs es für gewöhnlich den 
normalen aktiven Zustand herabsetzt, in der Art, wie etwa ein 
ungeladener Konduktor mit einem geladenen in leitende Ver- 
bindung gebracht, in diesem die Spannung herabsetzt. Diese 
Spannung, diesen aktiven Zustand habe ich nicht anders als 
»Tonus« nennen können, auch wenn es sich um den Zustand 
eines Ganglionsallein handelte, weil ich die Beziehungen erkannte, 
welche zwischen diesem und dem eigentlichen sogenannten Mus- 
keltonus bestehen. Soweit war ich mit Bezug auf diese Funda- 
mentalverhältnisse gekommen, als in ich Gestalt von Korrektur- 
bogen die genannte Arbeit von Uexküll in die Hand bekam, 
gleichzeitig auch Gelegenheit hatte, persönlich mit dem Verfasser 
Gedanken und Ansichten auszutauschen. Ich sage ausdrücklich, 


SEAN 


dafs ich vorher, unabhängig von Uexküll zu obigem Resultat 
gekommen war; denn ich bin der Ansicht, dafs wenn zwei 
Menschen an verschiedenen Objekten, auf verschiedenem Wege, 
unabhängig voneinander zu analogen Resultaten gelangen, diese 
dadurch eine besondere Bekräftigung erfahren. — 

Vergleiche ich die Definition des Begriffes »Tonus« wie 
Uexküll (S. 79) sie gibt, so finde ich, dafs genannter Autor 
das deutlich ausdrückt, was mir nur im Begriff klar war. Denn 
während mein Vergleich mit den Konduktoren eben nur jenes 
Prinzip anschaulich macht, so können wir an Uexkülls unter- 
heizten Metallstäben (S. 95) uns den ganzen Vorgang vergegen- 
wärtigen. Wir müssen freilich das Bild für das subordinierte, 
nicht wie beim Seeigel koordinierte Nervensystem unseres Tieres 
umformen. Doch zuerst wollen wir einige neue Erscheinungen 
kennen lernen, dann aber auch auf andere zurückkommen. Wenn 
es wahr ist, dafs das Pedalganglion, sobald in ihm geringer Tonus 
herrscht, aus dem Mantelsystem bis zum Ausgleiche den über- 
schüssigen Tonus anzieht, so muls derselbe auch im Muskel 
fallen, wenn ich ihn im Ganglion künstlich herabsetze. Um dies 
im Muskel zu bewirken, gibt es ein Mittel im Cocain. In der 
Hoffnung, dafs dieses im gleichen Sinne auch aufs Ganglion 
wirkt, verfuhr ich nach einigen Fehlversuchen so: Ich präparierte 
das Ganglion so frei, dafs es noch durch alle Nerven mit dem 
Mantel kommunizierend, doch etwas abgehoben und in ein Glas- 
gefäfschen gebracht werden konnte. Nun wurde gewartet, bis 
der Flügel sich beruhigte, und dann mit einer Pipette tropfen- 
weise ]proc. Cocainlösung auf das Ganglion gebracht. Ziemlich 
unmittelbar nach Berührung von Tropfen und Ganglion fand im 
zugehörigen, geringen Tonus besitzenden Flügel eine nicht sehr 
umfangreiche Ausdehnung statt. Nach etwa fünf Minuten erst trat 
die oben beschriebene (S.23) Kontraktion ein. Es wurde natürlich 
besondere Sorgfalt darauf verwendet, dafs die Lösung nur in 
das Gefäfs kam, und dafs das gelungen, zeigt eben die später 
eintretende Kontraktion. In Zahlen ausgedrückt, dehnte sich der 
Flügel aus um: 0,65 em, 0,355 cm, 0,4 cm, 0,5 bis 0,55 em. Ein 
noch instruktiverer Versuch ist folgender: Ich habe ein Tier 


EAN 


in der Sagittalebene so zerlegt, dafs die beiden Teile nur noch durch 
das unverletzte Nervensystem kommunizierten; dann wurde das 
Tier in eine Schale gelegt und die Flügel beobachtet; dabei 
zeigten sich in ihnen starke rhythmische Bewegungen; nun wurde 
in die eine Hälfte eine grolse Dosis 2 proc. Oocainlösung injiciert, 
so dafs diese total erschlaffte; nicht lange und das rhyth- 
mische Spiel hörte auch in der andern Seite durchaus auf. 
Trennen wir nun beide Hälften völlig von einander, so zwar, dafs 
dem nicht cocainisierten Teile mindestens das Pedalganglion 
bleibt, zur Sicherheit natürlich auch das Cerebralganglion,, so 
setzten sofort jene rhythmischen Bewegungen, stärker vielleicht 
als vorher ein, um erst mit der Entfernung des eigenen Pedal- 
ganglions sistiert zu werden. 

Erinnern wir uns noch folgender Thatsachen: I. Wenig 
Cocain in den Mantel injiziert, steigert die Bewegung. II. Kon- 
traktionen, die als Antwort auf eine Erregung eintreten, werden 
im Muskel, der vom Pedalganglion isoliert ist, viel länger beibe- 
halten als im normalen. III. Hautreize rufen nach Exstirpation 
des Cerebralganglions viel ergiebigere Reaktionen hervor als in 
der Norm. IV. Entfernung irgend eines Ganglions des Schlund- 
ringes steigert den Tonus der Muskulatur. V. Cocain wirkt auf 
ein Tier ohne Cerebralganglion auffallend schneller als auf ein 
normales. (Bei einem Tier ohne Pedalganglion konnte der Ver- 
such aus bekannten Gründen nicht gemacht werden.) An der 
Hand dieses Thatsachenmaterials sind wir nun in der Lage, ohne 
Gefahr in phantastische Hypothesen zu verfallen, uns mit Hilfe 
des Uexküllschen Bildes eine Vorstellung von der (quanti- 
tativen) Wechselwirkung zwischen Ganglien und Muskeln bei 
Aplysia zu machen. 

Vorab müssen wir uns freilich unsere beiden Fundamental- 
erscheinungen getrennt betrachten, um sie erst im nächsten Ab- 
schnitt zu vereinen. 

Das Bild ist bekanntlich folgendes: Wir vergleichen die 
Ganglien und ihre Verbindungen mit Eisenstäben, die durch 
Gasflämmehen unterheizt sind, und metallisch — wärmeleitend 
— kommunizieren. Die zugeführte Wärme entspricht dem Tonus. 


ER 


Bei unserem. Tiere sind drei solcher »Eisenstäbe« vorhanden; 
der erste stellt das Mantelsystem vor und ist stark unterheizt. 
(Ich erinnere an die starken tonischen Kontraktionen des gang- 
lienlosen Tieres.) 

Der zweite Stab — das Pedalganglion — ist sicherlich viel 
weniger unterheizt, denn er entzieht dem ersten fortwährend 
Wärme, wie genugsam dargethan. Steigern wir beim ersten 
Stab die Flammen momentan, so steigt die Temperatur in ihm, 
um sofort wieder durch Ausgleich mit dem zweiten zu sinken. 
Haben wir jedoch zwischen den beiden Stäben die Verbindung 
zerschnitten, so bleibt die erhöhte Temperatur im ersten erhalten, 
selbst noch nachdem die Flammen wieder klein gedreht worden 
sind. (Reaktionen des pedalganglienlosen Tieres.) Noclı stärker 
wird die Ableitung, wenn — wie in der Norm — alle drei 
Stäbe miteinander verbunden sind; denn der dritte ist wieder 
bedeutend weniger unterheizt als der zweite. So finden wir den 
dritten besonders daran beteiligt, momentane Temperatursteige- 
rungen in I sofort abzuleiten (»Reflexhemmende Wirkung des 
Cerebralganglions«). Drehen wir die Flammen des zweiten Stabes 
kleiner, so sinkt auch die Temperatur im ersten. (Cocainisierung 
des Pedalganglions.) Der Versuch mit beiden Hälften des Tieres, 
die nur durch das Nervensystem kommunizieren, bestätigt dies 
auch, zeigt ferner, dafs wir durch Abkühlung des ersten Stabes 
auch den zweiten und dritten abkühlen können, so dals diese 
nun ihrerseits der andern Hälfte des ersten Stabes Wärme ent- 
ziehen. Die spontanen Bewegungen des Tieres zeigen uns, 
dafs nicht Stab I allein unterheizt ist, und dafs nicht nur von 
ihm aus Wärme auf II und III übergeht. 

Die hierher gehörigen Erscheinungen, die Bezug auf Funda- 
mentalthatsache II haben, besprechen wir im nächsten Ab- 
schnitte. 

Ich glaube das Bild ist so klar, dals wir es nicht noch ein- 
mal zu übersetzen brauchen. Was den Unterschied zwischen 
"den Seeigeln von Uexküll und unseren Aplysien betrifft, so 
beruht er hauptsächlich darin, dafs dort die Stäbe gleich (coordi- 
niertes), hier ungleich geheizt sind (subordiniertes Nervensystem). 


EENANIRTE 


Davon hängt es auch ab, dafs das Tier von seinem Centrum 
aus spontan, sowohl allgemein, wie lokal Änderungen des Muskel- 
tonus eintreten lassen kann, welche dann zu — häufig soge- 
nannten — willkürlichen Bewegungen führen; und zwar werden 
diese sicherlich nur vom Cerebralganglion ausgelöst; davon zum 
Teil noch später. Ob Tonusausgleich innerhalb des Mantels 
stattfindet, kann nicht angegeben werden; jedenfalls würde es 
sich nur um verschwindend kleine Differenzen handeln: ein 
totaler Ausgleich findet nie statt. 

Als bereits das Manuskript abgeschlossen war, wurde ich 
auf eine Arbeit von Goltz (??) aufmerksam gemacht, auf deren 
Inhalt wir noch mit einigen Worten eingehen müssen; ich gebe 
zunächst die uns hier interessierenden Resultate an: Goltz 
findet, dafs nach Zerstörung des ganzen Üentralnervensystems, 
oder nach Durchschneidung der Vagusnerven (beim Frosch), die 
Bewegungen von Ösophagus und Magen bedeutend gesteigert er- 
scheinen. Da nun bei elektrischer Reizung genannter Nerven auch 
stets Steigerung der Bewegung eintritt, so schlielst Verfasser, dals 
er es nicht mit Hemmungserscheinungen, wie etwa beim Herzen 
zu thun habe, sondern mit einer »übermälsig gesteigerten Erreg- 
barkeit« (S. 628) der vom Centrum isolierten Speiseröhre nebst 
Magen — eine Erregbarkeit, die er auch durch den Induktions- 
apparat sichtbar macht. Kleine, nicht nachweisbare Reize, die 
in der Norm ohne Einflufs bleiben, sollen nunmehr genügen, 
die Bewegung zu verursachen. Verfasser kann die Erscheinung, 
die in ganz wunderbarer Weise mit unseren Resultaten überein- 
stimmt, nicht weiter erklären, und bezeichnet selbst den beruhi- 
genden Einfluls des Centrums auf die betreffenden Organe als 
»rätselhafter Natur« (S. 639). Eine ausführliche Besprechung der 
Arbeit würde mich zwingen, einen grolsen Teil des im vor- 
stehenden Abschnitte Gesagten zu wiederholen; nur das sei er- 
wähnt: Verfasser glaubt — wie gesagt — die gesteigerte Erreg- 
barkeit der Muskeln sei einzig und allein darauf zurückzuführen, 
dafs ein »beruhigender Einfluls« des Centrums beseitigt wird, 
und zwar so, dals wenn das Centrum nur »erschüttert« (S. 638) 
wird, schon jene Erregbarkeit steigt. Nun, wenigstens nach den 


ee 


Versuchen an unserem Objekte hat sich ja das Gegenteil gezeigt; 
so z. B.: brachten wir den Tonus im Ganglion zum Sinken, so 
sank er auch in den Muskeln erst wenn das Ganglion abstarb, 
stieg der Tonus im Mantelsystem ganz plötzlich. Wie gesagt, 
wir wollen, um Wiederholungen zu vermeiden, uns mit diesen 
wenigen Bemerkungen begnügen. 


b) Die qualitativen Funktionen der Ganglien. 


Die Fundamentalthatsache II hat uns bis jetzt nur als Be- 
stätigung des (resetzes vom Tonusausgleiche gedient; in diesem 
Abschnitte müssen wir ihr unsere besondere Aufmerksamkeit zu- 
wenden. Wir wissen, das Pedalganglion hat zwei Hauptfunktionen: 
erstens den Tonus der Muskulatur zu regulieren und in Schranken 
zu halten, zweitens die Muskulatur in jene ständige Wellenbe- 
wegung zu versetzen, die nur das Cerebralganglion einhalten 
kann, und beide Funktionen muls es stets — ist es von seinem 
übergeordneten Ganglion befreit — zugleich ausführen: stets 
Tonus einsaugen und rhythmischen Tonus abgeben. Es unter- 
liegt wohl keinem Zweifel, dals wir diese beiden Funktionen an 
getrennte Orte des Ganglions verlegen und so von einem regu- 
latorischen und einem locomotorischen Centrum desselben sprechen 
müssen. 

Was uns also jetzt interessiert ist das letztere, da wir das 
erstere bereits — so weit möglich — besprochen haben. 

Reizen wir alle vom Pedalganglion ausgehenden Nerven, 
von diesem getrennt, gemeinsam, so erhalten wir nichts als 
Kontraktion. Reizen wir das Pedalganglion selbst, so er- 
halten wir Wellenbewegungen der Locomotionsorgane. Es müssen 
also vom Ganglion selber lokal bestimmte Reize ausgehen, und 
da diese in ihrer Gesamtheit sowohl vom Cerebralganglion ab- 
gesogen werden, als auch — bei Tonusfall in der Muskulatur 
(Cocain) sozusagen angezogen werden können; da ferner ein 
einfacher, elektrischer, auf das Pedalganglion wirkender Reiz 
sich gleichfalls in ihm, aber auch nur in ihm, zu jenem rhyth- 
mischen Reiz umsetzt, so können wir auch hier weiter nichts 
haben, als einen Tonusausgleich zwischen Pedalganglion und 


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Locomotionsorganen. In jenem muls nur eine Vorrichtung sein, 
die auf den ausgleichenden Strom dergestalt einwirkt, dafs er 
nicht mehr gleichzeitig alle Nervenfasern durchflielst, sondern 
eine nach der andern; vielleicht auch so, dafs jedem Abfluls 
in der angegebenen, ein solcher in entgegengesetzter Richtung 
folgt. Das Tier hat uns keinen Schlüssel zu diesem Rätsel gegeben, 
und ich würde die genannte Vorrichtung mit X bezeichnet, als un- 
bekannt anerkennen, reizte mich nicht der Versuch, die von Uex- 
k üll (8.97) beschriebene und sogenannte » Klinkung« zur Erklärung 
heranzuziehen, wobei es sich um das für uns durchaus unbewiesene 
Gesetz handelt: »Der Tonus ist die Schwelle für die Erregbarkeit.« 
Die Vorrichtung würde also aus einer Anzahl miteinander verbun- 
dener »Ganglieneinheiten« bestehen, von denen jede nach oben mit 
einer »Tonuszelle«, nach unten mit einer Nervenfaser in Verbindnng 
stände. Der geringste Tonus ist in der ersten, und zwar so, dals 
sie für den aus den Tonuszellen kommenden Ausgleichstrom 
»eingeklinkt« ist, d. h. ihn überhaupt anzieht. Der "T'onus steigt 
dadurch in ihr und flieist nach dem Muskel ab — es entsteht 
eine erste Kontraktion. Das Wasser wird in die angrenzenden 
Partien geprelst. Nach Uexküll setzt künstliche Dehnung 
eines Muskels den Tonus in diesem herab (für uns gleichfalls 
unbewiesen); dadurch wird die nächste Einheit eingeklinkt, in die 
Tonus aus der zweiten Tonuszelle und der ersten Einheit abflielst; 
dadurch erfolgt Kontraktion Il, Dehnung I etc. 

Dies ist eine Erklärung wie jede andere, die eben nicht be- 
wiesen werden kann, nur ein Versuch, sich von der Möglichkeit 
einer solchen Vorrichtung überhaupt eine Vorstellung zu machen, 
eine Vorrichtung, für die wir im übrigen ruhig den Wert X 
lassen können, ohne dadurch etwas an unserem eigentlichen 
Resultate zu ändern: Wenn aus dem locomotorischen Centrum 
im Pedalganglion Tonus nach den Bewegungsorganen abflielst, 
durch die uns bekannten Gesetze bedingt, so muls der Ausgleich- 
strom — innerhalb des Centrums — durch einen Apparat flielsen, 
der ihm die notwendige Rhythmik mitteilt. Hierzu müssen wir 
auch noch die Erscheinung zählen, dafs nämlich Flügel- und 
Fulsbewegung meist vikariierend auftreten. Über die Ursachen 


derselben liegen nur zwei Versuche vor: Zwingt man ein Tier 
zu Schwimmen (durch Befestigung eines Korkes in der Haut), 
d. h. entzieht man dem Fuls die Unterlage, so beginnen die 
Flügel stets sich zu bewegen. Dann wies ich ziemlich bestimmt 
nach, dals ein stärkerer Reiz für den Flügelschlag nötig ist als 
für die Bewegung des Fulses. 

Es ist also wahrscheinlich, dafs entweder durch Reaktion 
bei Verlust des Bodens oder durch spontane Aktion des Üere- 
bralganglions Steigerung der Spannung im Pedalganglion eintritt; 
es folgt ein kräftigerer Strom, der das Einsetzen der Flügel 
zur Folge hat. 

Dals diese Änderungen allein vom Cerebralganglion ausge- 
löst werden können, beweist das Tier, dem genanntes Ganglion 
exstirpiert worden ist; indem bei diesem alle jene Änderungen 
nur durch unmittelbare äufsere Einflüsse bedingt sind; davon 
haben wir uns überzeugt. 

So ist denn das Auslösen irgend welcher spontaner Bewe- 
gungen einzig und allein Funktion des Cerebralganglions, während 
die Arbeit des Pedalganglions, teils freilich auch diejenige des 
Uerebralganglions, rein automatisch ist. 

Wodurch nun der Normaltonus in den einzelnen Ganglien 
entsteht, ob durch eigenen Stoffwechsel oder durch Zuführung 
auf centripetalen Bahnen, darüber eine Meinung zu äulsern, 
unterlasse ich. 

Zum Schlusse erlaube ich mir, dem Herrn Baron von Uex- 
küll für mancherlei Ratschläge und Besprechungen meinen 
besten Dank auszudrücken, verbunden mit dem Wunsche, dafs 
mich eine weitere Thätigkeit auf dem hiermit betretenen Felde 
noch oftmals zu solch förderndem Verkehr mit dem genannten 
Herrn führen möge. Für die reichliche und freigiebige Über- 
lassung von Material und Hilfsmitteln bin ich der Verwaltung der 
zoologischen Station zu Neapel aufs tiefste verpflichtet. 
Besonders den freundlichen Bemühungen des Cav. Dott. S. Lo 
Bianco verdanke ich es, über eine solch grolse Zahl von Ver- 
suchstieren verfügt zu haben. 


Litteraturverzeichnis. 


1) Mazzarelli Giuseppe, ‘Monographia delle Aplysidae del Golfo di 
Napoli. (Memorie della societä Italiana delle scienze Tom IX, Ser. 3a, No. 4, 
1893.) 

2) Keferstein, Weichtiere (aus Bronn, Klassen und Ordnungen des 
Tierreiches. Bd. 3, 2. Abt. 1862—66). 

3) Simroth H., Die Bewegung unserer Landnacktschnecken, haupt- 
sächlich erörtert an der Sohle des Limax cinereoniger Wolf. (Zeitschrift für 
wissenschaftl. Zoologie Bd. 32, 1879, Heft 2, S. 284.) 

4) Schönlein Karl, Über Säuresekretion bei Schnecken, II., Über die 
Einwirkung der Wärme auf den Tonus der Muskeln von Schnecken und 
Holothurien. (Zeitschr. f. Biol. Bd. 36 S. 523—548.) 

5) Schönlein Karl, Über das Herz von Aplysia limacina. (Zeitschr. 
f. Biol. Bd. 12.) 

6) Steiner J., Die Funktionen des Centralnervensystems und ihre 
Phylogenese. III. Abteilung: Die wirbellosen Tiere. (Braunschweig, F. Vie- 
weg & Sohn, 1898.) 

7) Loeb, Einleitung in die vergleichende Gehirnphysiologie und ver- 
gleichende Psychologie, mit besonderer Berücksichtigung der wirbellosen 
Tiere. (Leipzig, J. Ambrosius Barth, 1899.) 

8) Bottazzi F., Ricerche fisiologiche sul sistema nervoso viscerale 
delle Aplysie e dialeuni Cefelopodi. (Rivista di scienze biologiche No. 11—12 
Vol. 1, Como 1899.) 

9) Graber V., Über die Empfindlichkeit einiger Meertiere gegen Riech- 
stoffe. (Biolog. Centralbl. Bd. 8.) 

10) Fleischmann A. Die Bewegung des Fu/ses der Lamellibran- 
chiaten. (Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 42, 1885, Heft 3, S. 367.) 

11) v. Uexküll, Die Physiologie des Seeigelstachels. (Zeitschr. f. Biol. 
Ba. 39, 1900, S. 73—112.) 

12) Vayssiere A., Atlas de l’Anatomie Comparde des Invertebres. 
(Paris, 1890.) 

13) Goltz Fr., Studien über die Bewegungen der Speiseröhre und des 
Magens des Frosches. (Pflüger’s Archiv Bd. 6, 1872, S. 616.) 


Arbeiten, die nicht eitiert sind: 


Blochmann F., Die im Golf von Neapel vorkommenden Aplysien. 
(Mitteilungen d. zoolog. Stat. zu Neapel, Bd. 5, 1884.) 

Gilchrist J., Notes on the Minute Structure of the Nervous System 
of the Mollusca. (Journ. of the Linnean Society (Zoölogy), Vol. XXVI, 
No. 167, p. 179.) 


Lebenslauf. 


Geboren bin ich, Hermann Jordan, evangelischer Konfession, am 
9. Juli 1877 zu Paris, als Sohn des Kaufmannes Julius Jordan f und seiner 
(emahlin Rosa, geb. Levie. Dem Gesetze nach gehöre ich dem. Württem- 
bergischen Staate an, in welchem mein Vater heimatsberechtigt war. 

Ein halbes Jahr lang besuchte ich in Paris das »Lyc&e Janson de Saillye, 
sodann ein halbes Jahr die Vorschule zu Eisenach. Von Ostern 1587 bis 
Herbst 1890 das Gymnasium derselben Stadt. Dann ging ich, meiner aus- 
gesprochenen Neigung für die Realfächer folgend, zum Realgymnasium über, 
welches ich Ostern 1896 mit dem Zeugnis der Reife verliefs. Ich wandte 
mich nun zum Studium der Naturwissenschaften (anfänglich auch der Mathe- 
matik), welchem ich an den Universitäten Würzburg und Bonn oblag. In 
Würzburg, wo ich von Ostern 1896 bis Herbst 1897 immatrikuliert war, waren 
meine Lehrer die Herren Professoren und Docenten:: Boveri, Geigel, Hantzsch, 
Hauptfleisch, Marbe, Prym, Röntgen, J. v. Sachs f, Sobotta und Tafel. 

In Bonn bin ich vom Herbst 1897 an immatrikuliert. Vom Herbst 1898 
bis Ostern 1900 war ich auf eine Studienreise beurlaubt, und zwar nach 
Neapel, woselbst ich als Privatassistent des Direktors der zoologischen Station, 
Herrn Geheimrat Prof. Dr. A. Dohrn, thätig war, und gleichzeitig an dem 
dortigen reichen Material meine Studien betrieb. Daselbst habe ich auch 
meine Dissertation angefertigt. 

Meine Lehrer an der Universität Bonn waren die Herren Professoren 
und Docenten: Bleibtreu, Borgert, Erdmann, Kayser, Kochs, König, v. La Va- 
lette St. George, Ludwig, Martius, Noll, Pflüger, Schiefferdecker, Schöndorff, 
Strasburger, Strubell, Voigt. 

Allen meinen akademischen Lehrern sage ich hiermit meinen aufrich- 
tıgsten Dank, sonderlich aber Herrn Geheimrat Prof. Dr. Ludwig, der mich 
durch wertvollste Anregung und Unterstützung bei meinem Studium aufs 
tiefste verpflichtet hat. 


11. 


II. 


INS 


V. 


Thesen. 


Die vergleichende Physiologie soll Namen anwenden, die 
einem bestimmten Princip entlehnt sind, die aber, was die 
Einzelheiten anbetrifft, durchaus dehnbar sein sollen. 
Auch vom physiologischen Standpunkte aus sind die Be- 
nennungen »Cerebralganglion« und »Pedalganglion« bei 
den Mollusken aufrecht zu erhalten. 

Die vergleichende Physiologie soll von Forschern betrieben 
werden, deren Ausbildung im wesentlichen eine zoologische 
ist, und soll, der vergleichenden Anatomie koordiniert, als 
Teil der gesamten Zoologie aufgefalst werden. 

Solange man noch die Jagd als einen edlen Sport, sowie 
die oft recht grausamen Operationen an Tieren, deren 
Zweck es ist, besonders schmackhaftes Fleisch zu erzielen, 
gut heilst, sollte man sich wohl hüten, die sog. » Vivi- 
sektione, die für die wissenschaftliche Forschung unent- 
behrlich ist, anzugreifen. 

Anfänger auf dem Gebiete der Naturwissenschaften sollten 
es nicht unterlassen, in eingehender Weise philosophische 
Fächer, vor allen Dingen Erkenntnistheorie zu betreiben. 


Fig. 2. 


Druck von R. Oldenbourg in München u. Leipzig. 


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