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Full text of "Die politischen Beziehungen Venedigs mit Zürich und Bern im XVII. Jahrhundert"

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975 

V38P65 

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ROBA 


Die  politischen  Beziehungen  Venedigs 

mit  Zürich  und  Bern  im  XVII.  Jahrhundert. 


I,  Verhandlungen  seit  1607  bis  zu  den 
Truppensendungen  1648. 


1.  Präliminarien  zum  Bündnis  von  1615. 

Im  Anfang  des  17.  Jahrhunderts  hatte  sich  in  der 
mitteleuropäischen  Politik  der  religiöse  Gegensatz  zwi- 
schen alter  und  protestantischer  Kirche  in  so  scharfer 
Weise  zugespitzt,  dass  es  nur  eines  leisen  äussern  An- 
stosses  bedurfte,  um  einen  blutigen  Religionskrieg  aus- 
brechen zu  lassen.  Durch  den  jugendfrischen  Calvinis- 
mus, der  mit  leichter  Hand  über  das  verknöcherte,  der 
Zerrüttung  entgegengehende  Luthertum  den  Sieg  davon- 
getragen, war  ein  neuer  Impuls  in  das  kirchliche  Leben 
-der  Neugläubigen  hineingekommen.  Bei  den  Katholiken 
hatte  sich  der  gefährlichste  Gegner  der  neuen  Kirche, 
der  Jesuitismus ,  zu  dominierender  Stellung  emporge- 
schwungen, und  Bayern  wurde  die  Vormacht  der  Alt- 
gläubigen, während  Sachsen  seine  Führerrolle  an  die 
calvinistische  Pfalz  abtreten  musste.  Pfalz  und  Bayern 
waren  die  beiden  Brennpunkte,  in  denen  sich  die  grosse 
Kriegsfackel  entzündete,  deren  Flammen  später  nach 
allen  Seiten  weit  über  die  Grenzen  hinüberzüngeln  sollten. 
Venedig  hielt,  obwohl  katholisch,  zu  den  Protestanten 
und  suchte  bei  ihnen  seine  Bundesgenossen,  weil  es 
sich  von  den  Anhängern  der  alten  Kirche  bedroht  sah, 
namentlich  von  den  Spaniern,  deren  Erweiterungspläne  es 


Archiv  des  histor.  Vereins. 
XV.  Band.     I.Heft 


fürchtete,  ')  und  weil  es  in  Bezug  auf  Religion  vielleicht 
als  der  toleranteste  Staat  jener  Zeit  gelten  dürfte.  2) 

Nicht  um  auf  neue  Erwerbungen  auszugehen,  sondern 
um  den  erworbenen  Besitzstand  zu  erhalten,  trachtete 
die  Lagunenstadt  nach  der  Freundschaft  und  wenn  mög- 
lich materiellen  Hülfe  der  evangelischen  Mächte.  Was 
lag  ihr  nun  näher,  als  sich  in  erster  Linie  mit  den 
Schweizern  auf  guten  Fuss  zu  stellen,  die  ihre  Nachbarn 
waren,  deren  tapfere  Söhne  sich  in  den  Kriegen  des 
16.  Jahrhunderts  überall  in  Europa  mit  Lorbeeren  be- 
deckt und  die  erst  in  jüngster  Zeit  Heinrich  IV.  zu 
seinen  Siegen  verholfen  hatten.  3)  Ein  Anknüpfungs- 
punkt an  die  reformierten  Schweizer  lag  nahe  in  den 
III  Bünden,  wo  sich  schon  anfangs  des  17.  Jahrhunderts 
spanische  Agenten  herumtrieben,  die  das  Land  für  die 
Abtretung  des  Veltlins  an  Spanien-Österreich  gewinnen 
wollten.  Nach  Bünden  schickte  Venedig  deshalb  gleich 
im  Beginn  unserer  Zeitperiode  einen  Gesandten,  der  die 
Unterhandlungen  sofort  einleitete  und  Ende  1603  einen 
Vertrag  zu  stände  brachte,  welcher  nach  Ablauf  von 
10  Jahren  wieder  sollte  erneuert  werden.  4) 

Durch  dieses  Bündnis  fühlte  sich  der  Doge  noch  nicht 
gesichert,  und  deshalb  gingen  seine  Blicke  über  die  bünd- 
nerischen  Berge  hinaus  zu  den  vier  evangelischen  Städten 
Zürich,  Bern,  Glarus,  Schaffhausen,  namentlich  zu  den  zwei 
erstem,  den  festen  Stützpunkten  der  Eidgenossenschaft. 
Bern  und  Zürich  hatten  sich  bereits  im  Verein  mit  den 
zwei  andern  evangelischen  Orten  an  die  „Union"  ange- 
lehnt, welche  sie  gerne  in  ihren  Bund  aufgenommen 
hätte.    Die  drohenden  Weltläufe  bestimmten  die  beiden 


2)  Zwiedeneck  I,  17. 
2)  Hagen  4. 
:1)  Hagen  10. 
4)  Hagen  9. 


eng  zusammenhaltenden  Städte,  auch  diese  Gelegenheit, 
mit  der  die  Adria  beherrschenden  mächtigen  Venezia  in 
nähere  Beziehungen  zu  treten,  nicht  zu  versäumen.  l) 

Im  Februar  1607  Hess  Venedig  durch  seinen  Resi- 
denten in  Chur,  Johann  Battista  Padavino,  eine  persön- 
liche Anfrage  an  Zürich  ergehen,  ob  die  Stadt  geneigt 
wäre,  der  Republik  im  gegebenen  Momente  Truppen  zur 
Verfügung  zu  stellen,  da  sie  sich  mit  dem  Papst  Paul  V. 
entzweit  habe.  —  Venedig  hatte  nämlich  durch  ein  vor 
100  Jahren  erlassenes,  jetzt  erneuertes  Gesetz  verfügt, 
keinem  Weltlichen  sei  es  mehr  gestattet,  in  der  Stadt 
und  Landschaft  Venedig  liegende  Güter  an  Klöster  zu 
vergaben;  die  schon  vermachten  Grundstücke  sollen  innert 
2  Jahren  wieder  verkauft  und  das  Bauen  von  Kirchen 
und  Klöstern  ohne  vorherige  Erlaubnis  der  Regierung 
verboten  werden.  Diese  Bestimmungen  waren  erneuert 
worden,  weil  man  erstens  zur  Genüge  gesehen,  wie  die 
Pfaffen  und  Mönche  sterbende  Personen  überreden,  ihnen 
ihre  Güter  zu  verschreiben:  zweitens,  weil  die  K! 
deren  es  eine  Unzahl  gäbe,  ein  jährliches  Einkommen 
von  oO — 100,000  Krumen  gemessen,  welcher  Überfluss 
zu  allerlei  Missbräuchen  führe,  und  endlich,  weil  die 
Herrschaft  dadurch  geschädigt  werde,  indem  diese  ein 
Dritteil  aller  Grundstücke  umfassenden  Güter  nichts  ver- 
steuern. Die  Herrschaft  erlaubte  sich  auch.  Geistliche. 
die  einen  unzüchtigen  Lebenswandel  führten,  zu  be- 
strafen. Papst  Paul  V.  verstiess  nun  den  venetianischen 
Residenten  aus  Rom,  verlangte  im  Herbst  1605  Wider- 
rufung dieses  Gesetzes  und  Freilassung  zweier  wegen 
Notzucht  verhafteten  Pfaffen.  Trotz  der  Gegenvor- 
stellungen, die  der  Doge  Donato  nach  Rom  sandte,  und 
obschon  der  König  von  Frankreich,  der  Grossherzog  von 

])  Hagen  10 


Florenz  und  andere  Fürsten  zu  vermitteln  suchten,  be- 
legte der  Papst  die  Herrschaft  Venedig  mit  dem  Bann 
und  Hess  sogleich  spanische  Truppen  anwerben.  Hein- 
rich IV.  und  England  hatten  Venedig  Hülfe  versprochen, 
aber  das  grösste  Zutrauen  hegte  der  Doge  nach  den 
Worten  des  Gesandten  zu  den  beiden  Städten,  weshalb 
er  sie  um  Truppen  anging  und  gleichzeitig  bat.  2 — 3000 
lothringischen  Soldaten  den  Durchzug  zu  gestatten.  l) 
Der  kleine  Rat  von  Zürich,  an  den  dieses  Gesuch 
gerichtet  war.  verdankte  in  freundlicher  Weise  das  zu 
ihm  gehegte  Zutrauen,  erklärte  aber,  dass  er  aliein  dar- 
über nichts  beschliessen  könne,  sondern  nur  mit  dem 
grossen  Rate  zusammen,  dem  das  Begehren  solle  vorge- 


y)  Zürcher  Stadtarchiv,  Mappe  A,  214  1  Ein  Aktenstück  ohne 
Unterschrift  und  Datum . meldet  in  derselben  Mappe  darüber:  „Ufl 
den  9ten  Februarij  Anno  1G07  ist  vor  einem  guedigeu  Herrn  Bürger- 
meister und  Rhat  der  Stadt  Zürich  erschienen,  Herr  Johann  Baptista 
Padavino,  Abgesandter  der  Herrschaft  Venedig  und  bat  nach  Ingelegtem 
Oedentzschreiben  myn  gnedige  Herren,  durch  ein  ussführlichen  müut- 
lich  Fürtrag  berichten,  der  ursach  und  gestalt  des  spanns,  dar  In 
ein  Herrschaft  Venedig  mitt  dem  Babst  geratben  von  wegen  der  er- 
nüweruug  Ihres  alten  gesatztes  der  Geistlichen  halber,  das  namblich 
dieselben  liegenden  Güter  witer  an  sich  ziehen,  man  ihnen  dieselben 
vertestieren,  sondern  si  sich  deren  die  sie  schon  haben,  vernügen 
lassen.  Item  dass  auch  niemand  in  ihrem  Gebiet  ohne  der  Herr- 
schaft vorwüssen  keine  nüwen  Klöster,  Collegien,  Kirchen  und  geist- 
liche Hüser  stiften  und  buwen  und  ein  Herrschaft  die  geistlichen 
Personen,  so  sich  Inu  maletizischen  Sachen  vergaand,  straffen  solle 
wellicbeni  allem  aber  der  Babst  sich  widersetze  und  das  nit  gut 
heissen  welle.  Inmasse  dass  die  Sach  so  wyt  khommen,  dass  der 
Babst  wider  sie  zur  waafe  gryffe.  und  ihnen  dadurch  Ursach  gegeben 
werde,  dass  eibige  ihres  Teils  auch  zethund  und  sich  uff  ihrer  Hut 
zebalten  und  hat  daruff  von  der  Früntschafft  wege  so  allwegem 
zwischem  der  Herrschaft  und  einer  Statt  Zürich  gewessen,  begehrt. 
Ob  myner  Herren  einbewilligen  möchten,  dass  Inn  ihrer  Statt  und 
Landschaft  ein  Anzahl  Kriegsvolk  zu  Diensten  der  Herrschaft  Venedig 
ufgebrochen  werden  möchte." 


bracht  werden.  —  Gleich  nach  seinem  Empfange  in 
Zürich,  der  ein  sehr  warmer  war.  schenkte  der  Resi- 
dent der  Stadt  einen  silbervergoldeten  Becher  von  der 
Form  eines  Löwen,  den  er  am  St.  Markustage  bei  einem 
festlichen  Bankette  unter  brausendem  Applaus  dedizierte. 1 ) 
Nachdem  der  grosse  Rat  von  dem  Hülfsgesuch  Ve- 
nedigs Kenntnis  erhalten,  schickte  Padavino  in  seinem 
Namen  einen  Hauptmann  nach  Zürich,  um  das  Ansuchen 
noch  einmal  vorzubringen  und  das  Resultat  der  Be- 
ratungen entgegenzunehmen.  Der  grosse  Rat  fand,  dass 
die  Herrschaft  Venedig  triftige  Gründe  bewegen,  auf  der 
Hut  zu  sein,  dass  sie  sich  auf  Gegenwehr  gefasst  machen 
müsse,  aber  zuerst  solle  man  sich  über  die  Bedingungen 
aussprechen,  unter  denen  sie  in  Zürich  Kriegsvolk  an- 
werben wolle,  dann  angeben,  wie  viele  Truppen  sie  be- 
gehre, wohin  dieselben  geschickt  würden  und  welches 
die  „Stipulationen  und  Bestallung"  seien.  2)  Zudem 
mochte  sich  Venedig  mit  Bünden  auf  noch  bessern  Fuss 
stellen  und  auch  mit  Bern,  das  kürzlich  mit  diesem  ein 
enges  Bündnis  abgeschlossen,  Beziehungen  anknüpfen. 
Auch  mit  Glarus  sollte  die  Marcostadt  traktieren,  da  eine 
zukünftige  Söldnertruppe  durch  dessen  Gebiet  marschieren 
müsse  und  der  „Stand"  bei  den  Bündnern  gut  ange- 
sehen sei.  :!) 

Die  Bündnisangelegenheiten  wurden  vorläufig  wieder 
fallen  gelassen,  da  sich  Venedig  und  Paul  V.  aussöhnten. 
Frankreich  und  namentlich  Spanien  hatten  in  der  Weise 
eine  Vermittlung  herbeigeführt,  dass  der  Papst  das 
Interdikt  aufhob  und  sich  mit  der  Ausschliessung  der 
Jesuiten  aus  den   venetianischen  Landen    einverstanden 


')  Bundesarchiv,  Filza  1,  pag.  50. 

2)  Zürcher  Stadtarchiv,  Mappe  214  i. 

3)  Bundesarchiv,  Bd.  18,  pag.  155,  179. 


erklärte,  als  der  Doge  die  zwei  gefangenen  Geistlichen 
freiliess.  l)  Obwohl  das  begründete  Freundschaftsver- 
hältnis vorläufig  ohne  weitere  Wirkung  blieb,  so  wurde 
doch  den  venetianischen  Beziehungen  fortan  ernste  Auf- 
merksamkeit geschenkt. 

Im  Jahre  1614  sahen  sich  die  Yenetianer  von  neuem 
in  einen  Krieg  verwickelt,  und  zwar  diesmal  mit  dem 
Erzherzog  Ferdinand  von  Steiermark,  weil  dieser  die 
Uscoken  (Uscoqui).  aus  der  Türkei  flüchtige  Banden,  die 
sich  an  der  dalmatinischen  Küste  niedergelassen,  um  von 
dort  aus  gegen  die  Türken  und  namentlich  auch  gegen 
Venedig  Seeräuberei  zu  treiben,  in  Schutz  nahm.  Die 
Uscoken  (=  Flüchtlinge)  hatten  sich,  vor  den  Türken 
zurückweichend,  zuerst  in  Clissa  festgesetzt  und  wurden 
dann  vom  Grafen  Frangipani  in  Segna  aufgenommen. 
Als  dieselben  von  dort  aus  die  Pforte  beständig  beun- 
ruhigten, sah  sich  Venedig  genötigt,  sie  auf  Ansuchen 
der  Türkei  zu  befehden.  Österreich,  das  sie  seit  dem 
16.  Jahrhundert  an  seiner  Grenze  duldete,  betrachtete 
sie  aber  als  seine  Schützlinge,  weil  es  sie  gegen  ähn- 
liche kriegerische  Scharen  an  der  türkischen  Grenze, 
die  Martolosen,  sehr  gut  gebrauchen  konnte.  Als  nun 
die  Yenetianer  die  Uscoken  mit  einer  Flotte  von  4ö 
Schiffen  angriffen  und  ihnen  den  Seeweg  versperrten, 
fielen  diese  in  das  venetianische  istrien  ein.  Bei  ihrer 
Verfolgung  betraten  die  Truppen  der  Republik  öster- 
reichischen Boden,  und  als  sie  denselben  verwüsteten. 
drohte  Österreich  mit  Krieg,  welcher  aber  durch  einen 
Vertrag,  laut  welchem  die  Uscoken  bestraft  werden 
sollten,  noch  abgelenkt  werden  konnte.  Nun  wollte  man 
weitern  Verwicklungen  dadurch  vorbeugen,  dass  der 
Vizekönig  von  Neapel,  der  Grossherzog  von  Toseana  und 

*)  Leo.  V.  603. 


Venedig  sich  anerboten,  Uscoken  in  ihre  Dienste  zu  nehmen  : 
aber  diesem  widersetzte  sich  Österreich.  Jene  ver- 
kündeten nun  öffentlich.  Venedig  und  Österreich  hätten 
sie  zur  Fortsetzung  der  Raubzüge  gegen  die  Türken 
autorisiert,  und  der  Sultan  verlangte  darüber  so  ener- 
gisch Auskunft  von  dem  Dogen,  dass  der  Republik  nur 
noch  die  Wahl  offen  stand  zwischen  Ausrottung  der 
Uscoken  —  auf  die  Gefahr  eines  offenen  Bruches  mit 
( isterreich  —  oder  einem  Kriege  mit  der  Türkei.  Während 
man  mit  I  Österreich  fruchtlos  unterhandelte,  wurde  von 
den  Uscoken  eine  venetianische  Galeere  weggenommen 
und  deren  Kommandant  auf  barbarische  Weise  ermordet. 
Nun  sperrten  die  Venetianer  von  neuem  die  ganze  von 
den  Uscoken  bewohnte  und  befahrene  dalmatinische 
Küste  bis  Cattaro  hinunter  zur  See  ab,  worauf  Öster- 
reich, ohne  den  Beschwerden  der  Republik  Rechnung 
zu  tragen,  freie  Schiffahrt  auf  der  Adria  verlangte.  Da, 
im  Jahre  1615,  eröffneten  die  Venetianer  den  Krieg, 
der  erst  im  Madrider  Frieden  1617  seinen  Abschluss 
fand.  Nach  diesem  musste  Erzherzog  Ferdinand  die 
Fahrzeuge  der  Uscoken  verbrennen,  die  gefährlichsten 
dieser  Haufen  ins  Innere  des  Landes  bringen  und  Segna 
uiit  deutschen  Truppen  besetzen  Lassen.  Dafür  erhielt 
er  die  eroberten  Gebiete  zurück.  M 

Unter  der  Einwirkung  dieser  Uscokenangelegenheit 
geschah  es,  dass  zu  Anfang  Februar  1614  der  Gesandte 
Gregor  Barbarigo  nach  Zürich  geschickt  wurde,  um  die 
Unterhandlungen  wieder  aufzunehmen  und  ein  Bündnis 
einzuleiten.  Es  sollte  sich  ihm  bald  die  Gelegenheit  bieten, 
als  Ambassador  Venedigs  am  richtigen  Orte  aufzutreten. 

An  der  Konferenz  der  vier  evangelischen  <  Irte 
Zürich.  Bern.  Basel  und  Schaffhausen  im  Mai  gleichen 
Jahres  äusserte  er  sich: 


l)  Dam.  IV.  258—300;  Leo,  V.  609  i 


8 

Die  freundschaftlichen  Beziehungen  zwischen  der 
Herrschaft  Venedig  und  den  vier  evangelischen  Städten 
veranlassen  den  Fürsten,  ihnen  seine  aufrichtige  Zu- 
neigung zu  erkennen  zu  geben.  Derselbe  begnüge  sich 
aber  nicht  mit  der  Begierde,  seine  Macht  und  seinen 
Einfluss  für  ihr  Wohl  anzuwenden,  auch  nicht  mit  dem 
Auftrag,  den  er  ihm  erteilt,  ihnen  für  die  erwiesenen 
Gutthaten,  namentlich  für  ihre  Verdi  (Miste  um  die  Er- 
haltung seines  Bündnisses  mit  den  III  Bünden ,  zu 
danken,  sondern  er  habe  ihm  befohlen,  zu  eröffnen,  dass 
die  Herrschaft  Venedig  wegen  der  gemeinsamen  Inter- 
'■sv.'u,  der  ..Gleichheit  der  Gemüter1',  besonders  ange- 
sichts der  gegenwärtigen  bösen  Weltlage,  und  der  Nütz- 
lichkeit der  Vereinigung  freier  benachbarter  Stände  die 
Meinung  hege,  es  würde  nichts  so  sehr  zum  geniein- 
samen  Nutzen  und  Frommen  gereichen,  als  wenn  der 
innere  Zusammenhang,  der  zwischen  der  Herrschaft 
Venedig  und  den  Regierungen  Zürichs  und  Berns  be- 
stände, gefestigt  und  öffentlich  kundgegeben  würde.  Da 
nun  dieses  nicht  besser  ins  Werk  gesetzt  werden  könne 
als  durch  eine  einmütige  Verbindung  in  einem  voll- 
kommenen Bündnis,  so  habe  er  den  Auftrag  erhalten, 
ein  solches  zur  Verhandlung  zu  bringen. 

Zürich  und  Bern,  welche  diese  Werbungen  vornehm- 
lich berührten,  wünschten  die  Ansichten  und  den  Rat  von 
Basel  und  Schaffhausen  zu  vernehmen.  Diese  glaubten,  das- 
das  Anwerben  aus  wichtigen  und  wohl  zu  berücksichtigenden 
Gründen  nicht  auszuschlagen  sei  und  dass  man  sich  mit 
Venedig,  einem  ebenfalls  freien  Lande,  in  ein  engeres 
Bündnis  wohl  einlassen  dürfe,  indem  ein  solches  nicht  nur 
an  sich  ein  gutes  Werk  wäre,  sondern  auch  zur  Verhinde- 
rung der  jesuitischen  und  anderer  „bösen  Praktiken" 
dienen  würde,  womit  man  verschiedene  Stände  und  be- 
sonders auch  Venedig  in  die  papistische  Liga  zu  ziehen 


9 

versuche.  Die  Gesandten  Berns  eröffneten  im  Vertrauen, 
sie  hätten  von  ihren  Herrn  und  Obern  Befehl,  den  vene- 
tianischen  Gesandten  anzuhören,  wenn  er  so  etwas  vor- 
bringe, und  auf  Ratifikation  hin  ein  Projekt  beratschlagen 
zu  helfen,  wie  man  mit  Venedig  ein  Bündnis  eingehen 
könnte.  Dadurch  würde  diese  Herrschaft  dem  spa- 
nischen Einflnss  entzogen,  man  hätte  von  ihr  gute 
Hülfe  und  Beistand  zu  gewärtigen  und  man  würde  auch 
den  Pass  vom  Mittelmeer  bis  nach  Grossbritannien  und 
den  mitternächtigen  Ländern  erlangen.  Eine  Ausschla- 
gung des  Bündnisses  würde  zudem  zu  „mehrer  Für- 
brechung" der  spanischen  Liga  in  den  III  Bünden  den 
Anlass  geben  und  diese  den  evangelischen  Städten  ent- 
ziehen, während  bei  Annahme  der  angetragenen  Freund- 
schaft und  der  Allianz  der  Durchpass  durch  Bünden  er- 
hellten bliebe  und  vielleicht  ein  Mittel  wäre,  die  III  Bünde 
mit  Venedig  wieder  zu  vereinen  und  von  Spanien  abzu- 
wenden. ' ) 

Da  die  Gesandten  Zürichs  keine  andern  Instruktionen 
empfangen  hatten,  als  Berns  Gesinnung  betreffs  des  Bünd- 
nisses anzuhören,  konnte  man  für  diesmal  keine  weitern 
Schritte  thun.  Am  27.  Mai  1614  beschloss  aber  der  Rat 
der  200,  mit  Bern  vereint  einen  Bund  mit  Venedig  ab- 
zuschliessen,  obschon  die  französische  Diplomatie  dem- 
selben entgegenarbeitete.  Hierüber  berichtet  der  Am- 
bassador  folgendes:  -i 

„Der  Kampf  im  Rate  war  ein  heisser,  denn  viele 
eifrige  Anhänger  Frankreichs  suchten  in  dieser  Sitzung 
einen  für  Venedig  günstigen  Beschluss  zu  verhindern. 
Der  Stadtsekretär,  welcher  vom  Herrn  von  CastiÜeh  sehr 
abhängig  ist.  hatte  Gelegenheit  gefunden,    vorher   nach 

J)  Eidg.  Abschiede  A,  V  i,  pag,  1102. 
-)  Bundesarchiv.  Bd.  18,  pag.  213. 


10 

Solothurn  zu  verreisen  unter  dem  Vorwande.  Geld  für 
die  öffentlichen  Pensionen  zu  beschaffen.  Vom  franzö- 
sischen Gesandten  zurückgekehrt,  zeigte  er  sich  um  so 
eifriger  im  Proteste  gegen  dieses  Bündnis.  Als  er  und 
seine  Gesinnungsgenossen  sahen,  dass  die  Mehrheit  zum 
Abschluss  eines  Bündnisses  hinneigte,  suchten  sie  den 
Entscheid  hinauszuschieben,  drangen  aber  trotz  ihrer 
Bemühungen  nicht  durch.  Nachdem  der  Entschluss.  mit 
Venedig  zu  traktieren,  gefasst  war.  stellte  der  franzö- 
sische Sekretär  Visir  beim  Bürgermeister  Holzhalb  das 
Gesuch,  auf  Bitten  des  Herrn  Gesandten  in  Solothurn 
den  Entscheid  für  so  lange  hinauszuschieben,  bis  ei-  Seine 
Majestät  davon  in  Kenntnis  gesetzt  habe.  Der  Bürger- 
meister antwortete  dem  Visir.  dass  der  Rat  schon  be- 
schlossen habe,  den  venetianischen  Residenten  anzuhören. 
und  man  auf  diesen  Beschluss  nicht  mehr  zurückkommen 
könne :  wenn  er  aber  etwas  vorzubringen  wünsche,  so 
werde  ihm  Audienz  erteilt.  Auf  sein  Ansuchen  wurde 
er  vor  mir  angehört.  In  seinen  langen  Unterhand- 
lungen strebte  er  dahin,  den  Herrn  von  Castilien  und 
Pasquale  zu  rechtfertigen,  rügte,  dass  man  weder  hier 
noch  in  Bünden  den  venetianischen  Umtrieben  den  Riegel 
stecke,  und  beklagte  sich  höchlichst,  dass  durch  meine 
Agitationen  solche  Dinge  zu  stände  kämen,  die  Seiner 
Majestät  und  dem  guten  Einvernehmen  zwischen  Frank- 
reich und  Zürich  sehr  zum  Schaden  gereichen.  Dann 
behauptete  er,  die  Bündner  seien  durchaus  abgeneigt, 
mit  Venedig  ein  Konkordat  einzugehen,  weil  sie  damit 
zu  schlechte  Erfahrungen  gemacht  hätten." 

Es  gelang  Visir  nicht,  im  Rate  eine  Umstimmung 
hervorzurufen,  und  deshalb  wurde  dem  venetianischen 
Residenten  der  Beschluss  überbracht,  dass  man  sich  ge- 
einigt habe,  in  ein  Bündnis  einzutreten,  und  sobald  auch 
Bern  denselben  Wunsch  teile,  die  Deputierten  zur  Ver- 


11 

einbarung  der  Bundesbestimmungen  abordnen  werde. l)  - 
Uni  das  Feuer  zu  schüren,  reiste  Barbarigo  in  Beglei- 
tung einiger  Zürcher  Räte  im  Juni  nach  Bern,  wo  man 
ohne  langes  Zögern  eine  Einigung  zu  stände  brachte  und 
Zürich  um  Bestimmung  eines  Ortes  zur  Ausfertigung  der 
Bundesartikel  ersuchte.  2)  Nach  lOtägigem  Aufenthalt  in 
Bern  reiste  der  Gesandte  mit  den  4  Zürcher  Deputierten 
wieder  ab.  und  im  Dezember  1614  wurde  Baden,  von 
Zürich  als  Versammlungsort  vorgeschlagen,  beiderseits 
mit  den  Abgeordneten  beschickt,  welche  die  Artikel  des 
Bündnisses  mit  Barbarigo  bereinigen  sollten.  Eine  Ver- 
einbarung war  schon  getroffen  worden  in  Bezug  auf  die 
Religion.  Zürich  und  Bern  hatten  nämlich  für  ihre  An- 
gehörigen freie  Ausübung  des  Kultes  auf  venetianischem 
Gebiete  verlangt.  Der  Doge  sprach  sich  darüber  in  einem 
eigenhändigen  Schreiben  aus.  dies  sei  ein  kitzliger  Punkt, 
weil  die  Regierung  allein  nicht  entscheiden  könne,  son- 
dern erst  den  Rat  darüber  befragen  müsse.  Das  würde 
aber  den  päpstlich  Gesinnten  einen  willkommenen  Anlass 
geben,  sich  zu  widersetzen  und  die  Gutgesinnten  scheu 
zu  machen.  Schon  die  Natur  des  Bündnisses  bringe  die 
Religionsfreiheit  in  den  Häusern  öffentlicher  Beamter 
und  auch  der  Privaten  mit  sich.  Solche  Freiheiten  ge- 
nössen viele  Nationen  in  Venedig,  wie  z.  B.  die  Nieder- 
länder, die  auch  in  den  Wirtshäusern  an  verbotenen 
Tagen  Fleisch  essen.  Dass  man  die  evangelische  Reli- 
gionsübung in  den  öffentlichen  Kirchen  dulden  sollte, 
wie  in  Frankreich,  sei  wohl  wünschbar,  aber  vorläufig 
noch  nicht  durchzuführen.  Er  bitte  daher,  man  möchte 
diesen  Punkt  fallen  lassen.  Derselbe  wurde  dann  in  der 
That  nicht  berührt. 3)    —    Drei  wesentliche  Punkte   bil- 

')  Btmdesarckiv.  Bd.  18,  pag.  213  £ 
-)  Bundesarchiv,  Bd.  18,  pag.  224. 
s)  Hagen,  pag.  21. 


12 

deten  den  Gegenstand  längerer  Diskussionen  :  die  Ansätze 
für  die  Pensionen  an  die  zwei  Städte,  die  Reglierung 
der  Besoldungstabelle  der  Offiziere  und  Soldaten,  und 
die  Forderung  der  Markusstadt,  dass  die  Schweiz ertruppen 
auch  in  Istrien  und  Candien  dienen  sollten.  Die  berau- 
schen Gesandten  verlangten  durchaus,  dass  die  an  Zürich 
und  Bern  zu  entrichtenden  Jahrgelder  auf  6000  Dukaten 
angesetzt  würden,  denn  Venedig  achte  beider  Städte 
Freundschaft  und  Bündnis  so  hoch  und  begehre  dies  so 
dringend,  dass  es  eine  solche  Summe  gerne  ausgeben 
winde,  gerade  so  wie  in  Bünden,  wo  es  sogar  mehr  be- 
zahle als  es  schuldig  wäre. l)  Der  venetianische  Gesandte 
wollte  aber  nicht  über  4000  Dukaten  hinausgehen,  und 
da  die  schweizerischen  Abgeordneten  an  ihre  Instruk- 
tionen gebunden  waren,  konnte  man  sich  auf  dieser  Zu- 
sammenkunft über  die  Höhe  der  Summe  nicht  einigen. 
Erst  mehrere  Wochen  später,  als  sich  Venedig  nicht  zu 
einer  so  hoch  bemessenen  Summe  herbeilassen  wollte. 
mässigten  die  beiden  Städte  ihre  Forderungen  und 
stimmten  zu  einer  jährlichen  Pension  von  4000  Dukaten. 
Eher  kam  man  zur  Verständigung  bei  der  Aufstellung 
einer  Besoldungsliste  für  die  Truppen,  da  Venedig  nach- 
gab und  den  Sold  namentlich  für  die  Offiziere  in  der 
Höhe  bestimmte,  wie  ihn  die  Delegierten  wünschten. 
Über  den  dritten  Punkt  äusserten  die  beiden  Städte 
folgende  Bedenken:2)  „Solte  man  unser  volk  Inn  das 
land  Istriam  oder  noch  wyter  über  Mehr  In  die  Insel 
Candiam  als  anderr  ort  ennert  dem  Mehr,  so  der  Herr- 
schafft Venedig  zugehörend,  zefhüren  gesinnet  sein,  so 
were  es  unserm  volk  ein  beschwerlich  Ding,  als  das  der 
Inslen  und  so  wyter  landen  ennert  dem  Mehr  nit  ge- 
wohnet ist,  und  das  auch  nit  wol  erlvden  und  dar  Innen 


')  Bundesarchiv.  Bd.   19. 

*)  Bern.  Archiv.  V.  B.,  A.  165. 


13 

gesund  und  ufrecht  belyben  mag.  Zudem,  wenn  man 
unser  volk.  uff  den  Fall  der  noth  da  man  dessen  Im- 
1,'ind  manglete,  wider  heimbeförderen  weite,  weist  man 
nit.  wann  sy  so  wyt  vom  Vaterland  ennert  dem  mehre 
weren.  wie  und  wann  sy  wider  lieimkhommen  mochten. 
alss  das  vaterlandt  sich  dess  Ihres  volkes  im  fal  der  noth 
wenig  zetrösten  hette."  Deshalb  soll  der  Artikel  hinzu- 
gesetzt werden,  dass  der  beiden  Städte  Volk  weder  auf 
noch  über  dem  Meer  in  Dienst  geführt  werde.  Dieses 
Bedenken  fand  aber  keine  Berücksichtigung,  denn  Ve- 
nedig wünschte,  dass  die  in  Zukunft  ausgehobenen  Regi- 
menter alle  der  Republik  angehörenden  Länder  gegen 
jeden  Feind  verteidigen  sollen,  und  da  Zürich  und  Bern 
nicht  weiter  dagegen  opponierten,  war  auch  dieser  letzte 
streitige  Punkt  bereinigt.  Freilich  kam  man  später 
wieder  darauf  zurück,  und  in  der  Kapitulation  vom  Jahr 
1648  wurde  Venedig  untersagt,  auf  dem  Meere  und  in 
(•andien  Schweizertruppen  zu  verwenden.  l) 

So  kam  denn  das  Bündnis    zu    stände,    das    in    der 
Hauptsache  folgendes  besagt* 


2.  Das  Bündnis  vom  6.  März  1615.-) 

„Wir.  Marcus  Antonius  Menimo.  von  Gottes  Gnaden 
Herzog  in  Venedig,  auch  Wir  Bürgermeister,  die  Räht 
und  der  gross  Raht.  genannt  die  Zweyhimdert.  der  Stadt 
Zürich,  und  Wir  Schultheiss.   klein  und  gross  Räht.  ge- 


')  Siehe  pag.  48. 

-)  Lateinisches  Original  im  Zürcher  Stadtarchiv.    Die  3  grossen 
prächtigen  Siegel  liegen  in  silbernen  Kapseln. 

Lateinische  Copie :  Eidg.  Absch.,  Bd.  V  i,  pag.  954. 
Italienische  Übersetzung:  Bundesarchiv,  Bd.  61.  pag.  362. 
Deutsche  Übersetzung:  Berner  Archiv.  V.  B.,  A.,  pag.  2^5. 


14 

nannt  die  Zweihundert,  der  Stadt  Bern,  als  Glieder  des 
alten  grossen  Bunds  Hochdütscher  Landen  löblicher  Eid- 
genossenschaft betrachtend,  wie  unsere  vordem  und  die 
Herrschaft  Venedig,  hiezu  die  genannten  beiden  Städte 
samt  andern  unsern  Eydtgenossen  und  Bundtsgenossen 
je  und  allwegen  bis  auff  gegenwärtige  Zeit  in  gar  guter 
Fründscrafft  und  Verständnis  aus  Gottes  Gnad  mit  Ein- 
ander gestanden  und  uns  desselbigen  beiderseitigs  oft- 
mahlen gegen  Einander  mündtlieh  und  schriftlich  erkläret. 
und  wie  darby  in  allen  teilen  auch  angesechen  die  jetzigen 
Läuff  und  dass  Fürsten  und  Stände  der  Welt  obliget. 
dass  Sie  je  länger  je  mehr  dahin  sehen,  und  trachten, 
wie  Sie  sich  durch  Vereinigung,  gute  Freundschaft  und 
Verständnis  versühnen  und  aufrecht  erhalten  mögend, 
welches  dann  den  Zweyn  und  mit  alter  Freundschaft 
einander  vorhin  zugethanen  Regimentern  und  Ständen 
zu  denen  uns  der  Allmächtige  Gott  auss  seinen  Gnaden 
gemacht  und  bisshar  darby  erhalten  hat,  insonderheit 
auch  gebühren  und  obliegen  will." 

1.  Die  drei  Stände,  die  Herrschaft  Venedig  und  die 
beiden  Städte  Zürich  und  Bern,  wollen  in  allem  gute 
Freundschaft  und  Nachbarschaft  halten,  wie  es  sich 
zwischen  wahren,  aufrichtigen  Freunden  und  Bundes- 
genossen geziemt. 

2.  Wenn  die  Herrschaft  Venedig  in  Krieg  verwickelt 
wird  oder  in  Kriegsgefahr  schwebt  und  von  den  beiden 
Städten  Kriegsvolk  begehren  würde,  sollen  beide  Städte 
schuldig  sein,  Venedig  4200  Mann  Freiwillige  zu  ge- 
währen in  2  Regimentern,  jedes  unter  einem  Oberst 
stehend,  der  eine  von  Zürich,  der  andere  von  Bern. 
Verlangt  Venedig  nicht  so  viel  Mannschaft,  so  darf  es 
2100  Mann  anwerben,  die  dann  nur  von  einem  Oberst 
kommandiert  werden,  und  zwar  im  ersten  Aufbruche  von 
einem  Zürcher,  im  nächsten  von  einem  Berner,  so  dass 


15 

beide  Städte  immer  abwechslungsweise  den  Oberst  er- 
nennen. Diese  2100  Mann  bilden  ein  Regiment,  das  ans 
7  Fähnlein  zu  300  Köpfen  besteht.  Die  Stadt,  welche 
den  Oberst  stellt,  liefert  1200  Soldaten  unter  4  Fähn- 
lein, worunter  dasjenige  des  Obersten:  die  andere  Stadt 
bestimmt  3  Hauptleute  mit  900  Mann.  Diese  ein  oder 
zwei  Regimenter  starke  Truppe  ist  verpflichtet,  im  Felde 
und  in  der  Garnison  (,,in  campis  et  praesidiis")  die  gegen- 
wärtig zur  Republik  gehörenden  Länder  und  Leute  gegen 
alle,  die  sie  feindlieh  angreifen,  getreu  zu  verteidigen. 
Verlangt  Venedig  Mannschaft  in  Zeiten,  da  die  eine  oder 
beide  Städte  in  Kriegsgefahr  schwelten,  so  ist  keine  ver- 
pflichtet, Hülfe  zu  leisten.  Truppen,  die  in  venetianischen 
Diensten  stehen,  „dürfen  weder  zum  stürmen,  noch  auff 
dem  Meer  zu  kriegen  nit  schuldig  syn". 

3.  Will  Venedig  in  den  Gebieten  beider  Städte  Volk 
anwerben,  so  soll  jedem  Hauptmann  für  sein  Fähnlein 
vor  dem  Aufbruch  ein  Monatssold  bezahlt  werden.  Fehlen 
von  der  festgesetzten  Zahl  300  Soldaten,  so  werden  dem 
betreffenden  Hauptmann  für  jeden  fehlenden  5  Silber- 
kronen abgezogen.  Die  Monate  werden  zu  30  Tagen 
gezählt. 

4.  Der  Sold  wird  von  dem  Tage  an  gerechnet,  an 
welchem  das  erste  Fähnlein,  sei  es  nun  in  Zürich  oder 
Bern,  abmarschiert.  Für  den  Heimzug  soll  jedem  Fähn- 
lein ein  Sold  von  20  Tagen  eingehändigt  werden  für 
den  Marsch  von  der  Herrschaft  Grenzen  bis  in  die 
Heimat. 

5.  Stehen  die  Truppen  beider  Städte  einmal  im 
Dienst  der  Herrschaft  Venedig,  so  soll  jedem  Soldaten, 
auch  wenn  er  noch  nicht  so  lange  unter  der  Fahne 
steht,  der  Sold  für  8  Monate  zu  gute  kommen.  Wird 
in  einer  Schlacht  ein  Sieg  erfochten,  so  entrichtet  Ve- 
nedig dem  Oberst,  seinen   untergebenen  Offizieren   und 


16 

jedem  Soldaten  einen  „Schlachtsold"  von  einem  Monat. 
Wenn  aber  beider  Städte  Kriegsknechte  auch  nur  dritt- 
halb Monate  in  der  Herrschaft  Dienst  zugebracht  hätten 
und  vor  Ablauf  des  Vierteljahres  beurlaubt  und  heim- 
geschickt würden,  sollen  sie  nichtsdestoweniger  für  3  Mo- 
nate bezahlt  und  ihnen  noch  2<>  Tagessolde  für  die 
Heimreise  gegeben  werden. 

(i.  Im  Feldlager  und  im  Felddienst  sollen  die  Fähn- 
lein des  ganzen  Regimentes  beisammen  bleiben;  stehen 
die  Truppen  aber  als  Besatzung  in  den  Festungen  und 
Schlössern,  so  dürfen  zu  grösserer  Bequemlichkeit  und 
besserer  Erhaltung  die  Fähnlein  geteilt  und  hier  eine 
Hälfte  und  dort  die  andere  gelegt  werden,  doch  nur  in 
kleinen  Distanzen  voneinander,  damit  der  Hauptmann 
oder  sein  Stellvertreter  „mit  guter  Gelegenheit"  zu  den 
Soldaten  kommt,  sie  beobachten  und  in  guter  Disciplin 
halten  kann.  Steht  nur  ein  Regiment  in  venetianischem 
Solde,  so  soll  auch  dieses  im  Felde  ungeteilt  1  »leiben. 

7.  Die  Obersten  und  Hauptleute  sollen  im  Felde  in 
Kriegsangelegenheiten  dem  Generalobersten,  dem  Ge- 
neralgubernatoren  und  dem  Generalproveditoren  Gehor- 
sam leisten  oder  „andern,  die  in  Ihrem  Namen  den 
Heerzug  der  Herrschaft  zu  recommendieren  befelch 
haben  werdend".  In  der  Festung  haben  die  Soldaten 
dem  Rector  und  Gubernator  zu  gehorchen. 

8.  Wenn  beide  Städte  oder  auch  nur  eine  mit  den 
F'einden  Krieg  führen,  während  ihre  Truppen  auf  vene- 
tianischem Gebiete  stehen,  dürfen  dieselben  zurückbe- 
rufen werden,  um  sich  ihrer  zu  bedienen.  Die  Republik 
muss  diesen  entlassenen  Soldaten  20  Tagessoldc  bezahlen 
und  ihnen  freies,  sicheres  Geleite  bis  zur  bündnerischen 
Grenze   verschaffen. 

'.).  Jedes  Fähnlein  besteht  aus  „dreyerlei  Wehren-  : 
100  Mann  tragen  Musketen,  80  Harnische  und  120  sind 


17 

„blosse  Knechte^  i  pedones).  Venedig  zahlt  diesen  Truppen 
im  Felde  und  in  der  Garnison  monatlich  2100  Silber- 
kronen, „ducatone"  genannt,  jedem  Oberst  für  seine 
„Bestallung  und  Täfelung"  von  Monat  zu  Monat  150 
Silberkronen  und  als  Ehrensold  eines  jeden  Regimentes 
deren  250. 

Die  Herrschaft  liefert  den  Soldaten  gratis  Pulver. 
Lot  und  Lunten,  wie  solches  bei  Fürsten  und  Herren 
bisher  in  Übung  war. 

Wenn  die  Republik  kraft  dieses  Bündnisses  Truppen 
begehrt  und  die  hier  beschriebene  Art  der  Bewaffnung 
nicht  zeitgemäss  erscheint,  so  soll  Venedig  durch  ihre 
Befehlshaber  mit  der  Obrigkeit  beider  Städte  traktieren 
und  sich  mit  denselben  durch  gebührliche  Kapitulation. 
sowohl  der  Armatur,  als  auch  des  Soldes  halber,  ins  Ein- 
vernehmen setzen,  wie  andere  Fürsten  und  Herren  dies 
auch  thun  mit  den  Eidgenossen. 

10.  Das  Venedig  dienende  Kriegsvolk  steht  ini  vollen 
Genuss  seiner  Privilegien.  Freiheiten.  Immunitäten,  Be- 
rechtigungen. Bräuche  und  Gewohnheiten,  sowohl  in 
Verwaltung  und  Ausübung  des  Rechts  und  des  Gerichts. 
als  auch  aller  andern  Dinge,  wie  es  in  Frankreich  und 
anderswo  in  allen  Zeiten  in  Übung  ist. 

11.  Den  kranken  Söldnerknechten  soll  der  Sold  so 
lange  zu  gute  kommen,  bis  sie  wieder  gesund  sind  oder 
sterben. 

12.  Sobald  die  Herrschaft  den  Hauptleuten  die  be- 
stimmte Besoldung  von  Monat  zu  Monat  nicht  verab- 
folgt, so  soll  dieselbe  auf  Grund  der  jüngsten  Muster- 
rödel  vorgenommen  werden,  mit  dem  Vorbehalt,  dass, 
wenn  die  Musterung  in  den  ersten  10  Tagen  des  Monats 
nicht  geschehen,  alsdann  kein  Hauptmann  schuldig  ist. 
im  gleichen  Monat  sein  Fähnlein  zu  mustern,  sondern 
es  bei  der  zuletzt  gehaltenen  Musterung  verbleiben  lässt. 

Archiv  des  histor.  Vereins.  „ 

XV.  Band.     1.  Heft. 


18 

13.  Die  Wahl  der  beiden  Obersten  wird  im  Fall 
eines  Aufbruches  Venedig  anheimfallen,  die  der  Haupt- 
leute aber  den  beiden  Städten;  jedoch  sollen  alle  Offi- 
ziere eingesessene  Zürcher  oder  Berner  sein  und  zu 
..(Gefallen  und  Belieben"  beider  Vertragsmächte.  Über 
ein  Fähnlein    soll    nur    ein  Hauptmann    gesetzt    werden. 

14.  Alle  Personen  und  Unterthanen  beider  Ver- 
tragsmächte dürfen  in  der  andern  Städten  und  Landen 
frei  gehen,  wandeln,  handeln,  schalten  und  walten  mit 
..allerlei  Gewerbssachen  und  Hanthierungen,  sowohl  von 
Kaufmanns-Schatz,  als  aller  Hand  Kriegsgerätschaften0 
ohne  Hindernis  oder  Auslagen  und  Beschwerden  irgend 
welcher  Art,  so  dass  sie  nichts  weiter  zu  bezahlen  haben 
als  die  gewöhnlichen,  bisher  gebräuchlichen  Zölle,  von 
welchen  aber  ausbedingt  ist  der  Leibzoll,  der  Mautzoll 
(italienisch  belletta),  die  Dinge  und  Sachen,  die  einer  in 
seinem  Felleisen  hält,  auf  dem  Reitpferde  mit  sich  führt 
oder  auf  dem  Leibe  trägt.  Vorbehalt  wird  erhoben  für 
Zeiten,  in  denen  ansteckende  Krankheiten  regieren,  wo 
dann  jeder  Stand  nach  seinem  Gefallen  Handel  und  Ver- 
kehr verbieten  kann,  solange  „der  Argwohn  des  Ster- 
bens" währt.  Soldaten,  die  von  der  Republik  beurlaubt 
oder  in  die  Schweiz  zurückberufen  werden,  sollen  mit 
all  ihrem  Tross  und  Kriegsgerätschaften  zollfrei  sein, 
wie  es  nach  altem  Gebrauch  bei  allen  Nationen  Sitte 
ist.  Söldner  oder  Durchreisende,  die  auf  venetianischem 
Boden  sterben,  dürfen  zoll-  und  kostenfrei  aus  dem 
Lande  herausgeführt  oder  in  demselben  ehrlich,  unab- 
gesondert bestattet  werden. 

15.  Truppen,  die  dem  verbündeten  Freunde  zu 
Hülfe  ziehen,  erhalten  freien  Durchzug,  doch  soll  der 
<  »brigkeit,  durch  deren  Gebiet  der  Durchmarsch  erfolgt, 
davon  berichtet  und  die  Anordnungen,  die  sie  trifft, 
sollen  respektiert  werden. 


19 

lti.  Jeder  stand  ^oll  den  Feinden  seines  Verbün- 
deten den  Durchmarsch  durch  sein  Gebiet  abschlagen 
und  dieselben  wenn  nötig  niit  den  Waffen  zurückwerfen. 

17.  Werden  Zürich  und  Bern  «»der  nur  eine  der 
beiden  Städte  mit  Krieg  überzogen,  so  soll  Venedig  da- 
von sofort  in  Kenntnis  gesetzt  werden,  damit  es  jeder 
Stadt  für  ein  Vierteljahr  monatlich  4000  venetianische 
Dukaten  zur  Unterstützung  senden  kann.  Dauert  der 
Krieg  länger  als  ein  Vierteljahr,  wird  die  Zahlung  für 
weitere  :;  .Monate  wiederholt,  wofür  beide  Städte  jeweilen 
einen  Rechenschaftsbericht  auszustellen  haben,  der  die 
Grösse  der  Ausgaben  anzeigt  und  den  Betrag  des  zurück- 
zuerstattenden Überschusses.  In  Zürich  und  Bern  wird 
ferner  ein  Waffendepot  angelegt,  in  das  560  Harnische 
und  700  Musketen  samt  Zubehör  gelegt  werden,  wofür 
ebenfalls  eine  Quittung  ausgestellt  wird.  Diese  Waffen 
sollen  hauptsächlich  für  venetianische  Dienste  reser- 
viert werden,  doch  ist  es  den  beiden  Städten  erlaubt, 
sich  ihrer  im  Fall  der  Nut  zu  bedienen;  fehlende  Stücke 
müssen  aber  nach  Beendigung  des  Krieges  ersetzt  werden. 

18.  Wenn  der  eine  oder  der  andere  kriegführende 
Teil  Hülfe  verlangt,  solche  erhält  und  nun  des  Friedens 
wegen  traktiert,  so  soll  er  das  seinem  Hülfespender  vor 
Abschlug  des  Friedens  kund  thun,  damit  derselbe  sich 
eventuell  in  den  Frieden  kann  aufnehmen  lassen. 

l'.t.  Die  Piepublik  bezahlt  während  der  Dauer  dieses 
Bündnisses  den  Obrigkeiten  jeder  Stadt  4000  venetia- 
nische Dukaten  jährlicher  Pension. 

i*o.  Alle  Bürger  und  Unterthanen  beider  Städte 
haben  auf  venetianischem  Gebiete  die  vollkommene  Frei- 
heit des  Wandeins.  Handelns.  Wohnens,  Gehens  und 
Wiederkehrens,  ohne  von  seiten  der  Inquisition  irgend- 
wie belästigt  zu  werden.  Die  gleichen  Reihte  werden 
die  Venetianer  auf  Zürcher  und  Berner  Boden  gemessen ; 


20 

doch    soll    niemand    etwas    gegen    die    Religion    des    be- 
treffenden Ortes  unternehmen. 

21.  Kein  Teil  nimmt  Rebellen  oder  Widerspenstige 
des  andern  auf,  oder  solche,  wider  die  „maleficischer 
Tathen"  willen  prozediert  wurde  wie  Diebe,  Verräter. 
Sodomiten,  Mörder,  Brandstifter,  Jungfrauenschänder, 
Räuber  und  Falschmünzer,  sondern  alle  diese  Übelthäter 
werden  gegen  Abzug  der  Kosten  ausgeliefert. 

22.  Dieser  Bund  wird  für  20  Jahre  abgeschlossen. 
Eine  Kündigung  desselben  muss  1  Jahr  vor  Ablauf  des 
Termins  angezeigt  werden,  und  das  Bündnis  hat  dann 
gleichwohl  noch  bis  zum  Ablauf  des  20.  Jahres  Geltung. 
Liegt  keine  Kündigung  vor.  so  wird  der  Bund  für  wei- 
tere 20  Jahre,  eventuell  für  so  viele  Perioden  verlängert, 
bis  eine  Aufsage  erfolgt.  Sollte  nach  der  Aufhebung 
des  Konkordats  eine  der  beiden  Vertragsmächte  in  Kriegs- 
gefahr schweben,  darf  sie  sich  bis  zu  deren  Beseitigung 
der  Hülfstruppen  oder  des  zur  Verfügung  gestellten 
Geldes  bedienen. 

23.  Entstehen  zwischen  den  zwei  verbündeten 
Mächten  „Späne"  und  Missverständnisse,  die  man  nicht 
auf  gütlichem  Wege  schlichten  kann,  was  zuerst  soll 
versucht  werden,  so  wählt  jede  Partei  zwei  verständige 
Personen,  die  sich  zur  Entscheidung  des  Streites  nach 
Chur  begeben.  Kommen  diese  auch  zu  keiner  Einigung, 
so  soll  jeder  Teil  einen  unparteiischen  Mann  wählen,  der 
keiner  der  Parteien  nahe  steht.  Von  diesen  zwei  wird 
der  durch  das  Los  zum  Obmann  Erkorene  den  Streit 
schlichten,  und  bei  dessen  Schiedspruch  soll  es  dann 
verbleiben. 

24.  In  Streitigkeiten  unter  Privaten  beider  Teile 
soll  der  Kläger  den  Handel  dem  Richter  überweisen, 
und  dieser  wird  ohne  langes  Zögern  den  Richterspruch 


21 

fällen,   der   nach   Bekanntmachung   ohne   Rücksicht   der 
Person  und  der  Religion  soll  vollzogen  werden. 

25.  Während  der  Dauer  dieses  Bündnisses  ist  es 
nicht  gestattet,  andere  einzugehen,  welche  diesem  zu- 
widerlaufen oder  auf  dasselbe  eine  nachteilige  Wirkung 
ausüben. 

26.  Zürich  und  Bern  behalten  sich  in  diesem  Bünd- 
nis vor  das  heilige  römische  Reich  und  alle  Bünde,  Ver- 
träge und  Abkommen,  die  sie  mit  ihren  verbündeten 
Eidgenossen  eingegangen  haben ;  ferner  die  für  ewig  und 
die  nur  für  einige  Jahre  vor  dieser  Kapitulation  ver- 
einbarten Bündnisse,  besonders  auch  den  ewigen  Frieden 
und  die  Vereinung  mit  der  Krone  Frankreichs,  so  dass 
dieser  Bund  allen  abgeschlossenen  Verkommnissen  weder 
schaden  noch  Abbruch  thun  kann.  Betrügerei  und  Arg- 
list seien  gänzlich  ausgeschlossen. 

Der  Bund  lag  fertig  vor,  aber  die  grosse  Frage 
war,  wie  und  wann  er  in  Kraft  treten  werde. 


3.  Die  Stellung  der  Mächte  Frankreich  und 

Spanien  -  Österreich   gegenüber  dem  venetianischen 

Bündnis. 

Frankreich  und  Spanien-Habsburg  hatten,  freilich 
aus  verschiedenen  Gründen,  mit  scheelen  Augen  auf  das 
Werden  dieses  Bündnisses  geblickt.  Sie  suchten  dem- 
selben mit  allen  Kräften  entgegenzuwirken,  was  am  nach- 
drücklichsten in  Bünden  geschehen  konnte,  wo  alljährlich 
Tausende  französischer  und  habsburgischer  Thaler  hin- 
flössen, und  wo  sich  während  des  Uscokenkrieges  eine 
starke  Partei  gegen  die  Republik  gebildet  hatte,  die  heim- 
lich   von    dem   spanischen    Statthalter   in  Mailand,    dem 


22 

Herzog  von  Feria.  unterstützt  wurde.1)  Venedig  und 
Spanien,  das  die  Republik  von  Mailand  aus  bedrohte 
und  jetzt  auf  Annexierung  des  Veitlins  hinsteuerte, 
standen  schon  seit  langem  auf  gespanntein  Fusse.  Die 
Anhänger  Spaniens  lebten  aber  auch  ihrerseits  mit  den 
Franzosenfreunden  in  Bünden  im  Hader.  Jenen  zum 
Trotz  schloss  Bünden  im  Jahre  1002  ein  Bündnis  mit 
Heinrich  IV.,  und  als  nun  die  Gegner  die  Regierung 
ihrer  Treulosigkeit  wegen  anklagten  und  Drohungen  gegen 
sie  ausstiessen.  konnten  die  Eidgenossen  nur  mit  grosser 
Mühe  einen  blutigen  Zusammenstoss  verhindern.2)  In 
Bünden  strebte  nun  jede  der  beiden  Machte  nach  dem 
Übergewicht,  und  beide  zusammen  richteten  ihre  Ziele 
darauf,  eine  Erneuerung  des  churrätischen  Bündnisses 
mit  Venedig  zu  verhindern  und  Zürich  und  Bern  den 
Pass  nach  der  Republik  zu  versperren. 

Venedig  wollte  sich  durch  den  Vertrag  von  1615 
im  Notfalle  die  Hülfe  Zürichs  und  Berns  sichern.  Truppen 
beider  Städte,  die  nach  Venetien  marschierten,  mussten 
aber  ihren  Weg  notgedrungen  durch  Bünden  nehmen. 
Wenn  nun  die  Venedig  feindlich  gesinnten  Mächte  die 
III  Bünde  dahinbringen  konnten,  dass  sie  ihre  Eingänge 
jeder  in  venetianisches  Gebiet  ziehenden  Truppe  ver- 
schlossen, so  war  das  Bündnis  für  Venedig  wertlos.  Die 
zwei  Städte  konnten  Hülfe  versprechen,  aber  keine 
schicken.  Wrir  sehen  nun,  wie  Frankreich  und  Spanien- 
Habsburg  die  Bevölkerung  Bündens  durch  Geld.  Ver- 
sprechen und  Drohungen  gegen  Venedig  und  dessen 
politische  Bestrebungen  aufhetzen,  und  wie  sie  sogar  in 
den  Schoss  der  Städte  Zürich  und  Bern,  in  die  Regie- 
rungssäle, namentlich  in  den  zürcherischen,  ihre  Agenten 
schicken,  um  die  der  venezianischen  Politik  zugeneigten 

*)  Bern.  Staatsarchiv,  V.  B.,  A,  153. 
2)  Strickler,  298. 


23 

Räte  umzustimmen.     <  >b  und  wie  weit  es  ihnen  gelang, 
erhellt  aus  dem  folgenden. 

Frankreich  und  Habsburg  drohten  den  Bündnern  mit 
Entziehung  der  Pensionen,  wenn  sie  Zürich  und  Bern  den 
Durchzug  ihrer  Truppen  gestatteten.  Um  ihren  Drohungen 
grösseren  Nachdruck  zu  verleihen,  reisten  die  Gesandten 
selbst  ins  Bündnerland  und  versicherten  sich  der  Ergeben- 
heit der  Pensionierten.1)  Der  venetianische  Ambassador 
schrieb  an  den  Dogen,  der  französische  Agent  Pasquale 
Sprech«'  mit  solchem  Zorn  und  solcher  Raserei  von  den 
Unterhandlungen  Venedigs  und  eifere  mit  solcher  Wut 
gegen  alle  dem  Bündnis  Zugeneigten,  dass  er  je  länger 
je  mehr  befürchten  müsse,  dessen  Einfluss  werde  mächtig 
genug,  das  Bündnis  zu  vernichten.2)  Diese  Befürchtungen 
waren  allerdings  zum  Teil  berechtigte,  denn  in  Chur- 
rätien  hatte  Venedig  seine  Rolle  vorläufig  ausgespielt. 
Eine  Anfrage  der  zwei  Städte  an  die  III  Bünde  um 
freien  Durchpass  wurde  abschlägig  beantwortet.  Würden 
sie  den  Durdipass  gestatten,  Hessen  sie  zurückmelden. 
so  wäre  es  eine  Schwächung  ihres  Rufes:  man  hätte  sie 
darum  ersuchen  sollen,  bevor  das  Traktat  so  weit  ge- 
fördert war.  um  prüfen  zu  können,  ob  es  ihnen  zum 
Schaden  oder  zum  Nutzen  gereiche.3)  Die  Zürcher  wurden 
darob  sehr  aufgebracht,  hauptsächlich  gegen  die  Engadiner. 
denen  sie  schon  so  viele  Wohlthaten  erwiesen  hatten. 
indem  sie  viele  ihrer  Söhne  auf  Kosten  der  Stadt  in 
öffentlichen  Instituten  unterrichten  Hessen.4)  Sie  schickten 
.sofort  Gesandte  nach  Chur.  welche  eine  Einigung  ins 
Werk  setzen  sollten.  Barbarigo  seinerseits  ersuchte  den 
Dogen,    die  Privatpensinnen    in  Bünden    wieder    fliessen 


M  Bundesarchiv,  Bd.  21. 

-)  Bundesarchiv,  Bd.  18,  pag.  224  f. 

3)  Bundesarchiv,  Bd.  19. 

*)  Bundesarchiv  Bd.  19,  Mai  1615. 


24 

zu  lassen,1)  was  allerdings  insofern  unangenehm  war, 
als  zuerst  die  schuldigen  Pensionen  von  1603  an  nach- 
getragen werden  musstcn.2) 

Als  das  Richtigste  dachte  er  sich  aber,  den  Bund 
so  schnell  als  möglich  zu  solemnisieren,  da  Bünden 
dadurch  wohl  oder  übel  wenigstens  in  moralischer 
Beziehung  zur  Bewilligung  des  Durchpasses  gedrängt 
würde. 

Die  Unterhandlungen  der  Zürcher  Gesandten  in  Chur 
führten  zu  keinem  günstigen  Resultate.  Im  November 
1615  schrieben  die*  Bündner  nach  deren  Heimreise,  dass 
der  Durchgang  für  venetianische  Truppen  gesperrt  bleibe, 
Wegen  des  Schadens,  der  den  einzelnen  Gemeinden  daraus 
erwachsen  könnte.  Die  meisten  waren  aber  gar  nicht  be- 
fragt worden,  vielmehr  war  die  Regierung  in  der  Ab- 
fassung dieses  Schreibens  eigenmächtig  verfahren/5) 

Die  Frage  des  Durchpasses  wurde  auf  der  Konferenz 
der  vier  evangelischen  Orte  am  11.  November  1615  neuer- 
dings zur  Sprache  gebracht.  Die  Gesandten  Zürichs  und 
Berns  eröffneten  denjenigen  von  Basel  und  Schaffhausen, 
dass  ihre  Herrn  und  Obern  vor  einiger  Zeit  mit  der  Herr- 
schaft Venedig  auf  deren  Ansuchen  sich  in  ein  Bündnis 
eingelassen,  dass  aber  die  Bündner  die  Öffnung  der  Pässe 
für  das  Kriegsvolk  beider  Städte,  das  sie  Venedig  zu 
schicken  verpflichtet  seien,  bisher  verweigert  hätten.  Bei 
der  Beratuno-  darüber,  ob  die  Bündner  noch  einmal  um 


:)  Bundesarchiv,  Bd.  19,  Mai  1615. 

2)  1603  hatte  Venedig,  wie  früher  erwähnt  wurde,  einen  Ver- 
trag auf  10  Jahre  abgeschlossen.  Venedig  wollte  1613  eine  Erneue- 
rung vornehmen,  aber  Frankreich  wusste  sie  zu  verhindern.  Ein  von 
Rudolf  Planta  betriebenes  Strafgericht  büsste  die  Anhänger  Venedigs 
in  Chur.  Das  Gericht  von  Ilanz  sprach  die  Verurteilten  frei,  aber 
sofort  trat  jenes  wieder  zusammen,  um  seine  Entscheidung  zu  be- 
stätigen.    (Strickler,  pag.  298  f.) 

3)  Bundesarchiv,  Bd.  19. 


25 

eine  Antwort  zu  ersuchen  seien,  oder  ob  man  damit  noch 
zuwarten  solle,  fand  man  beide  Wege  bedenklich,  denn 
würde  man  jetzt  die  Bündner.  welche  dieser  Sachen 
wegen  nicht  wohl  disponiert  seien,  um  Antwort  anhalten, 
so  wäre  bei  abschlägigem  Bericht  die  Hoffnung  auf  Will- 
fahrung verloren:  schwiege  man  alter  zu  lange,  so  könnte 
dies  >o  gedeutet  werden,  als  ob  man  der  Sache  keine 
weitere  Aufmerksamkeit  schenke.  Diese  Bedenken  nahmen 
die  Gesandten  beider  Städte  ad  referendum,  fiberzeugt, 
dass  ihre  Obern  schon  das  Angemessene  finden  würden. 
Daneben  wurden  auch  die  Massregeln  besprochen,  die 
zur  Erlangung  eines  günstigen  Bescheides  zu  treffen 
wären.  Einerseits  wurde  vorgeschlagen,  den  König  von 
Frankreich  um  die  Vermittlung  des  Passes  anzusprechen, 
andrerseits  wurde  dafür  gehalten,  man  sollte,  weil  die 
bündnerische  Allianz  mit  den  Eidgenossen  eben  ..schlecht 
und  einfalf.  eine  Erläuterung  oder  Erneuerung  der- 
selben begehren,  wo  dann  die  Bestimmung  über  den 
Durchpass  festgesetzt  werden  sollte.  Eine  dritte  Ansicht 
ging  dahin,  auf  das  eidgenössische  Recht  zu  dringen  in 
der  Hoffnung,  dasselbe  würde  die  Öffnung  des  Passes 
befürworten.1)  Noch  dreimal  wurden  Botschaften  nach 
Chur  gesandt,  aber  keine  fand  Gehör.  Als  man  sich 
daroli  an  den  französischen  Gesandten  wandte,  versprach 
dieser  seine  Mitwirkung,  drohte  aber  den  Bündnern 
gleichzeitig  mit  dem  Verlust  ihrer  Soldgelder,  wenn  sie 
sich  auf  Unterhandlungen  einliessen.2) 

Auf  einer  neuen  Zusammenkunft  der  4  evangelischen 
Orte  in  Aarau  am  ~2.  März  1616  hielt  man  es  deshalb 
für  nötig,  sich  zu  besprechen,  ob  die  Passangelegenheit 
als  Traktandum  zu  figurieren  habe  oder  nicht.  Bei  der 
Diskussion    fanden   die    Delegierten,   in  Anbetracht   der 

2)  Eidg.  Abschiede.  11.  November  1615,  A.  Vi,  pag.  122',». 
2)  Bandesarchiv.  Bd.  19. 


26 

augenblicklichen  Sachlage,  nicht  ratsam,  weiter  in  die 
Bündner  zu  dringen,  denn  wahrscheinlich  würden  sie  auf 
ihrem  Entschluss  beharren.  Auch  sei  dem  König  von 
Spanien  und  andern  mit  Venedig  in  offener  Fehde 
>tehenden  Fürsten  dieses  Werk  verhasst,  und  es  sei  über- 
dies zu  besorgen,  es  könnte  um  der  neuen  Freundschaft 
willen  das  alte  Bündnis  mit  den  III  Bünden  und  die 
Vertraulichkeit  mit  ihnen  alteriert  und  zerstört  werden. 
Man  beschloss  deshalb,  von  weiteren  Bemühungen  zu  ab- 
strahieren, bis  vielleicht  Frankreich  mit  mehr  Erfolg  sich 
der  Sache  annehme.  Da  Barbarigo  und  der  Agent  Suriano 
in  ihren  Vorträgen  andeuteten,  class  Zürich  und  Bern 
in  Bünden  sollicitieren  sollten,  was  doch  nie  war  ver- 
sprochen worden,  so  wurde  ihnen  erwidert,  die  Ansicht 
der  beiden  Städte  gehe  dahin,  dass  die  Herrschaft  Vene- 
dig für  Öffnung  des  Passes  zu  sorgen  habe,  wobei  sie 
gerne  so  viel  wie  möglich  behülflich  sein  wollten.1) 

Die  Bündner  hielten  wirklich  mit  rigoroser  Strenge 
die  Pässe  gesperrt.  Im  April  1616  brachen  40(>  Mann 
unter  den  Hauptleuten  Schmidt  und  Stucki  nach  Rätien 
auf,  um  von  dort  den  Weg  nach  Venedig  einzuschlagen. 
Am  Rheinübergang  fanden  sie  aber  Wachen  aufgestellt, 
welche  die  strenge  Consigne  erhalten  hatten,  keine 
Truppen  durchzulassen.  Chur  hatte  dieselben  dorthin 
beordert,  und  von  Frankreich  und  Spanien  wurden  sie 
besoldet.  An  den  Übergangsstellen  waren  ausserdem 
Plakate  angeschlagen,  die  jeden  Zuwiderhandelnden  mit 
Einsteckung  und  Züchtigung  bedrohten.  Die  400  Mann 
mussten  wieder  den  Rückweg  antreten.  Lärmend  und 
den  Hauptleuten  fluchend,  die  sie  angeworben,  zog  die 
Truppe  nach  Zürich  zurück,  wo  sich  die  Reisigen  drohend 
im    Ratsale    aufpflanzten    und    einen   halben   Monatssold 


')  Eidg.  Abschiede,  A,  Vi,  pag.  1232. 


27 

verlangten,    den    ihnen    der    eingeschüchterte    Rat    wohl 
oder  übel  einhändigen  Hess.1) 

In  Bünden  sahen  jetzt  Frankreich  und  Österreich 
das  Ziel  ihrer  Bestrebungen,  welche  die  Venedig  freund- 
liche Politik  lahm  legen  sollten,  so  ziemlich  erreicht. 
Die  beiden  Städte  hatten  weder  eine  Erneuerung  des 
bündnerisch-venetianischen  Bündnisses,  noch  die  Bewil- 
ligung des  Durchpasses  für  das  zürcherisch -bernische 
Kriegsvolk  erwirkt.  Damit  erklärte  sich  Österreich  seiner- 
seits, noch  nicht  zufriedengestellt.  Erzherzog  Maximilian 
schickte  seinen  Gesandten  Dr.  Johann  Christian  Schmidlin 
an  die  Tagsatzung  der  13  Orte,  die  am  17.  April  1616 
in  Baden  abgehalten  wurde.2)  Dort  eröffnete  der  öster- 
reichische Delegierte  unter  Bezugnahme  auf  sein  in 
Zürich  abgegebenes  Kreditiv.  der  Erzherzog  habe  ver- 
nommen, dass  die  Herrschaft  Venedig  in  der  Eidgenossen- 
schaft um  eine  grosse  Zahl  Hülfstruppen  werbe,  dass  einige 
Orte  nicht  abgeneigt  seien,  zu  entsprechen,  und  dass 
man  die  Erlangung  des  Durchzuges  durch  Künden  zu  be- 
werkstelligen suche.  Nun  sei  aber  bekannt,  dass  die 
Werbungen  Venedigs  einzig  dahin  zielen,  die  ohne  An- 
lass  begonnenen  Feindseligkeiten  gegen  Österreich  fort- 
zusetzen. Die  kaiserliche  Majestät  sowohl  als  der  Erz- 
herzog hätten  die  Eidgenossen  schon  wiederholt  gemahnt, 
sich  in  keine  Unterhandlungen  und  Bündnisse  einzulassen, 
die  der  Erbeinung  zuwiderlaufen.  Man  wisse,  mit  wie 
viel  Eifer,  Ernst  und  Sorgfalt  seinerzeit  Kaiser  Maxi- 
milian I.  die  Erbeinung  aufgerichtet,  wie  emsig  er  dahin 
gestrebt  habe,  dass  dieselbe  nicht  nur  auf  dem  Pergament, 
sondern  auch  in  der  Ausführung  bestehe,   und  wie  darin 


*)  Bundesarcliiv,  Bd.  21,  pag.  ('>">. 

2)  Bern.  Archiv,  V.  B.,  A,  pag.  390. 

Bern.  Archiv,  V.  B.,  A,  pag.  365:  Schreiben  des  Kaisers  Matthias. 

Eidg.  Abschiede,  A,  Vi,  pag.  1168. 


28 

deutlich  bestimmt  worden  sei,  dass  kein  Teil  wider  den 
andern  etwas  tlme,  woraus  Krieg  entstehen  könnte.  Uni 
künftige  Streitigkeiten  zu  vermeiden,  sei  eine  besondere 
Bestimmung  aufgenommen  worden,  durch  die  jede  Be- 
günstigung oder  Unterstützung  von  Angriffen  auf  Land 
und  Leute  des  anderen  Teiles  verboten  wurde.  Mehr  als 
die  mit  den  andern  Potentaten  abgeschlossenen  Bünd- 
nisse verpflichte  nun  die  Erbeinung,  dass  man  der  Feinde 
Gebiet  nicht  schirme  oder  ihnen  Vorschub  leiste;  daher 
dürfe  auch  kein  Teil  sein  Volk  gegen  des  andern  Land 
und  Leute  ziehen  lassen.  Weil  nun  alle  österreichischen 
Lande  in  der  ewigen  Erbeinung  begriffen  seien,  so  gehe 
des  Erzherzogs  nachbarliches  Ansuchen  dahin ,  man 
möchte  der  Herrschaft  Venedig  keine  Hülfe  noch  Vor- 
schub leisten  gegen  ihn.  sein  Haus  und  seine  Leute, 
sondern  die  schon  .weggelaufenen  Soldner  unter  An- 
drohung strenger  Strafe  heimmahnen  und  an  die  III  Bünde 
ein  Ermahnungsschreiben  senden,  die  Erbeinung  in  Be- 
achtung zu  ziehen  und  niemand  den  Durchpass  zu 
gestatten.  Nach  Anhörung  des  Gesandten  wurde  noch 
eine  ähnlich  lautende  kaiserliche  „Erinnerung"  vorge- 
lesen, die  man  in  den  Abschied  aufnahm.  Die  Ausge- 
schossenen, Burgermeister  Rann,  Schultheiss  Sonnenberg 
und  Ratsherr  Iselin.  teilten  nach  geschlossener  Diskussion 
den  kaiserlichen  und  erzfürstlichen  Kommissären  mit. 
dass  weder  der  eine  noch  der  andere  Ort  gegen  die 
Erbeinung  zu  handeln  im  Sinne  halte;  dieselbe  erstrecke 
sich  überhaupt  nicht  so  weit,  wie  Dr.  Schmidlin  behaupte, 
sondern  man  bediene  sich  in  Wien  derselben  nur,  um 
die  Sendung  schweizerischer  Truppen  an  Venedig  zu 
verunmöglichen  oder  wenigstens  zu  erschweren.  Ein 
Sehreiben  an  Bünden  fand  man  unzulässig,  ja  sogar 
schädlich,  weshalb  es  unterlassen  wurde.  —  Dr.  Schmidlins 
Angriffsversuch  auf  den  Venedig  freundlichen  Züreherrat 


29 

war  gescheitert,  und  er  musste  mit  dem  Bewusstsein  ab- 
ziehen, dass  seine  Rede  auch  nicht  den  geringsten  Ein- 
druck hinterlassen  habe.    An  den  Kaiser  von  Österreich 

und  an  den  Erzherzog  wurde  geschrieben,  dass  man  mit 
Venedig  ein  Defensiv-  und  kein  Offensivbündnis  ge- 
schlossen, in  welchem  alle  früher  vereinbarten  Bünde 
vorbehalten  seien.1)  und  damit  Hess  man  es  bewenden. 
-  In  der  nächsten  Konferenz2)  zwischen  der  ZwingJistadt 
und  Bern,  die  gleich  darauf  am  17.  Mai  in  Zürich  statt- 
fand, that  man  der  Mission  Österreichs  in  keiner  Weise 
mehr  Erwähnung.  Padavino  durfte  dafür  um  so  zuver- 
sichtlicher auftreten.  Die  Herrschaft  Venedig,  so  be- 
gann er.  erbitte  sich  zum  Schutz  gegen  die  Uscoken 
(Uscochi),  ein  wegen  seiner  Grausamkeit  bei  Gott  und 
der  Welt  verhasstes  Volk,  zwei  Regimenter  Kriegsvolk 
und  erwarte,  dass  ihr  von  den  beiden  Städten,  ihren 
Verbündeten,  entsprochen  werde,  und  dass  Zürich  dem 
vom  früheren  Ambassadoren  Barbarigo  ernannten  Oberst 
gnädig  Urlaub  erteile,  um  mit  einem  Regimente  in  den 
Dienst  der  Herrschaft  zu  ziehen.  Bern  ein  anderes 
Regiment  unter  einem  Oberst  in  Bereitschaft  setze. 
Er  sei  hergekommen,  um  mit  ihnen,  den  beiden  Orten, 
zu  beraten,  wie  man  die  im  Bündnis  vereinbarten  Be- 
stimmungen in  Vollzug  setzen  und  die  zufälligen  Hin- 
dernisse beseitigen  könne.  —  Nach  einer  Besprechung 
der  schweizerischen  Gesandten  untereinander  erklärte 
sich  Zürich  zur  Hülfeleistung  bereit,  Bern  aber  hegte 
verschiedene  Bedenken  dagegen,  weil  es  nicht  unwahr- 
scheinlich sei,  dass  Savoyen  und  Spanien  sich  plötzlich 
aussöhnen  und  sich  mit  vereinten  Kräften  auf  Genf  und 
auf  die  Waadt  stürzen  könnten.  In  diesem  Fall  könnte 
Bern  seine  Kriegsknechte  nicht  entbehren.    Der  Herzog 


*)  Siehe  Art.  20.  pag.  21.     Bundesarohiv,  Bd.  21. 
-)  Eidg.  Abschiede,  A,  Vi,  pag.  1248. 


30 

von  Savoyen  zeigte  wirklich  augenscheinliche  Gelüste 
nach  den  Gebietsteilen,  welche  Bern  1536  unrechtmässiger- 
weise, wie  er  meinte,  erobert  hatte.  Seine  Absicht  war. 
die  katholischen  Orte  der  Eidgenossenschaft  für  seine 
Absichten  zu  gewinnen,  und  seine  Bemühungen  waren 
insofern  von  Erfolg  gekrönt,  als  jene  Bern  ihre  Hülfe 
verweigerten.  Vermittlungsversuche  zwischen  dem  Her- 
zog und  Bern  scheiterten,  so  dass  das  Verhältnis  zu 
Savoyen  in  der  Schwebe  blieb  und  Genf  und  Bern  jeden 
Augenblick  einen  Angriff  gewärtigen  mussten.1)  Im 
Sommer  1613  und  1614  hatten  Savoyen  und  Mantua 
über  den  Frieden  unterhandelt,  und  wenn  dieser  zu  stände 
kam.  so  fürchtete  Bern  nicht  nur  savoyische,  sondern 
auch  spanische  Eingriffe  in  die  wälschen  Gebietsteile.8) 
Vor  allem  verlangten  die  bernischen  Gesandten, 
dass  die  Instrumente  über  die  vor  einem  Jahr  mit  Ve- 
nedig aufgerichtete  Vereinung.  welche  bereits  mit  beider 
Städte  Siegel  versehen  seien,  auch  mit  dem  Siegel  der 
Herrschaft  Venedig  bekräftigt  und  den  beiden  Städten 
überschickt  würden.  Weil  seit  Abschluss  des  Bündnisses 
bereits  ein  Jahr  verflossen  und  die  beiden  Städte  wäh- 
rend dieser  Zeit  nicht  ermangelt  hätten,  ihren  Verpflich- 
tungen nachzukommen,  so  solle  jeder  eine  Jahrespension 
gemäss  dem  Bündnisse  entrichtet  und  die  versprochenen 
Rüstungen  und  Waffen  bezahlt  und  deponiert  werden. 
Da  die  Öffnung  des  Passes  in  Bünden  am  besten  durch 
Vermittlung  des  Königs  von  Frankreich  zu  stände  ge- 
bracht werde,  so  solle  durch  den  am  französischen  Hofe 
sich  befindenden  Hans  Rudolf  v.  Erlach,  weil  die  Sache 
so  am  ..khommlichsten  und  stillsten"  verrichtet  werden 
könne,    in    beider    Städte    Namen   ein   Kredenzschreiben 

M  Hagen,  pag.  14. 
2)  Hagen,  pag.  22. 


31 

an  den  König  überschickt  werden  mit  dem  Ersuchen,  für 
( »It'nung  des  genannten  Passes  sich  nachdrücklich  zu  ver- 
wenden. ')  Erst  nach  Einlangung  eines  willfährigen  Be- 
scheides wolle  man  die  erforderlichen  Schritte  in  Bünden 
seihst  thun.  Die  Solemnisation  solle  noch  für  einige 
Zeit  verschoben  werden,  bis  man  gesehen,  wie  sieh  die 
Dinge  in  Bünden  entwickeln. 

Venedig  fühlte  sieh  der  beständigen  Weigerung  der 
Bündner  wegen  in  sehr  misslicher  Lage:  denn  der  Us- 
cokenkrieg  erforderte  immer  neue  Truppen  und  ein  paar 
Schweizerregimenter  hätten  vorzügliche  Dienste  geleistet. 
Um  in  Chur  nochmals  Versuche  zu  einer  glücklichen 
Lösung  der  schwebenden  Frage  anzustellen,  wurde  der 
Sekretär  Agostino  Dolce  in  die  Hauptstadt  Bündens 
gesandt,  der  gleich  so  tüchtig  zu  „schmieren"  begann, 
dass  sich  seine  monatlichen  Extraausgaben  regelmässig 
auf  140U  Dukaten  summierten.  Alter  auch  die  Venedig 
entgegenwirkenden  Mächte  setzten  die  Hebel  wieder 
energischer  an,  so  dass  sich  am  17.  Juni  das  aufgereizte 
Volk  in  und  um  Chur  erhob,  fürchterliche  Drohungen 
gegen  den  venetianischen  Residenten  ausstiess  und  tu- 
multierte.  Um  dasselbe  zu  beruhigen,  wollten  die  pro- 
testantischen Stände  Delegierte  nach  Chur  absenden. 
Als  diese  eben  zu  den  Thoren  Zürichs  hinausritten, 
wurden  sie  durch  die  glückliche  Nachricht  zur  Umkehr 
bewogen,  dass  die  7  Fähnlein,  die  sich  in  Chur  zu- 
sammengeschart, wieder  nach  Hause  geschwenkt  hätten. 2) 

Unterdessen  waren  auch  die  übrigen  katholischen 
Kantone  mit  Aufhebung  der  privaten  und  öffentlichen 
Pensionen  bedroht  worden,  so  dass  sie  sich  mit  Bünden 


')  Arn  20.  Januar   1614    war  Zürich    dem  Bündnis    der  Eidge- 
nossen mit  Frankreich  beigetreten. 

'*)  Bundesarchiv,  Bd.  22,  17.  Juni. 


solidarisch  erklärten  und  die  Pässe  ebenfalls  versperrten. 
Sic  meldeten  Zürich,  dass  die  Landvögte  von  Ilheinthal 
und  Sargans  von  ihnen  beauftragt  worden  seien,  kein 
fremdes  Volk  mehr  durchzulassen.  Zur  grössern  Sicher- 
heit hätten  sie  dem  österreichischen  Gesandten  gestattet. 
Wachen  in  dem  Lande  der  eidgenössischen  Unterthanen 
aufzustellen.  Das  thun  sie  ihnen  zu  wissen  und  hoffen, 
dass  sie  dasselbe  billigen  und  gleichen  Befehl  an  die 
Landvögte  werden  ergehen  lassen.  —  An  Truppen- 
sendungen  durften  jetzt  Zürich  und  Bern  nicht  mehr 
denken:1)  die  feierliche  Beschwörung  des  Bündnisses 
aber  konnte  gleichwohl  vorgenommen  werden,  denn  die 
abgesperrten  Pässe  bildeten  dafür  kein  Hindernis.  Ohnehin 
waren  seit  dem  Zustandekommen  des  Bundes  jetzt  schon 
3  Jahre  verflossen  und  inzwischen  hatte  der  Doge  die 
Annahme  des  Bündnisses  in  allen  Artikeln  erklärt,  näm- 
lich :  Die  Republik  habe  in  dem  ruhmreichen  Andenken 
an  Marc  Antonius  Memmo,  seinen  Vorgänger,  mit  den 
Städten  Zürich  und  Bern  ein  Bündnis  unterzeichnet  zur 
gegenseitigen  Verteidigung,  Sicherheit  und  Ptiihe,  mit 
den  am  6.  März  1615  aufgestellten  und  vereinbarten 
Bestimmungen.  Deshalb  verlange  er,  dass  die  durch  die 
26  Artikel  bestimmte  Kapitulation  als  vollkommen  gültig 
und  authentisch  betrachtet  werde.  Ei-  bestimme  durch 
dieses  Schreiben  als  seinen  und  der  Republik  besondern, 
ausdrücklichen  Prokuratoren  den  umsichtigen  Sekretär 
Pietro  Vico,  die  mit  seinem  Siegel  versehenen  Papiere 
obgenannten  Vertrages  zu  unterzeichnen.  Mit  dem  Senat 
erkläre  er  des  bestimmtesten,  dass  obige  Kontrakte,  auf 
diese  Weise  besiegelt  und  unterzeichnet,    ewig  gehalten 


x)  Im  Herbst  1616  nahm  Bern  an  Frankreich  dafür  Rache,  in- 
dem es  die  4  evangelischen  Städte  dahin  brachte,  die  6000  Mann 
abzuschlagen,  welche  der  französische  König  von  ihnen  begehrte. 
Hagen  43. 


33 

und  als  authentisch  anerkannt  werden,  wie  wenn  sie 
schon  früher  vom  obgenannten  Vorgänger  unterzeichnet 
und  besiegelt  worden  wären. 

Schon  lange  hatte  Barbarigo  auf  die  Solemnisation 

hingedrängt  und  nun  sollte  endlich  die  Beschwörung, 
nachdem  ein  erster  Termin  verschoben  wurde,  am  7.  Mai 
1618  in  Zürich  erfolgen. 


4.  Solemnisatioii  und  weitere  Verhandlungen  bis 
zum  Jahr  1(>48. 

Am    Vorabend    des    Beschwörungstages    ritten    die 

Delegierten  Berns  zu  den  Thören  Zürichs  herein,  um 
im  Gasthof  zum  Schwert  Quartier  zu  beziehen.  Es 
waren  Anton  v.  Grafenried,  Säckelmeister  deutscher 
Lande.  Johann  Frisching,  Venner,  Nikiaus  v.  Mülinen, 
Claudius  Weyermann,  Zeugherr,  alle  des  kleinen  Bates, 
Samuel  Vogt,  Hans  Rudolf  v.  Erlach.  Herr  in  Riggis- 
berg,  beide  des  grossen  Rates  Mitglieder.  Am  Morgen 
des  7.  Mai  wurde  um  7  Uhr  in  allen  4  Pfarrkirchen 
•eine  Predigt  gehalten,  und  hierauf  versammelten  sich 
Räte  und  Burger  von  Zürich  auf  dem  Rathaus  in  der 
Burgerstube.  Dahin  wurden  die  venetianischen  Am- 
bassadoren  Antonio  Antelmi  und  Pietro  Vico,  sowie  die 
Gesandten  Berns  abgeholt.  Nach  Vorlegung  der  Gewalt- 
briefe durch  die  venetianischen  Deputierten  und  die 
Gesandtschaft  Berns  und  nach  einem  von  beiden  ge- 
haltenen Vortrage  wurde  die  deutsche  Übersetzung  des 
in  lateinischer  Sprache  abgefassten  Originals  des  Bundes- 
briefes  vom  (i.  März  1615  verlesen  und  von  Burger- 
meister Rahn  und  Säckelmeister  v.  Grafenried  mit  dem 
Original  verglichen.    Hierauf  sprach  der  Dolmetscher  der 

Archiv  des  histor.  Vereins. 


XV.  BaDd.     1.  Heft 


3 


venetianischen  Ambassadoren  den  Räten  und  Bürgern 
von  Zürich  und  den  Gesandten  Berns  den  Eid  in  deut- 
scher Sprache  vor,  und  diese  wiederholten  ihn:  „Was 
die  jetzt  abgelesene  Vereinigung  zwüschent  der  Durch- 
lüchtigen  Herrschaft  Venedig  und  den  loblichen  Stetten 
Zürich  und  Bern  ufgerichtet.  iisswysst  und  innehaltet, 
das  gelob  Ich  wahr  und  stet  zu  halten  und  demselbigen 
gnug  zu  thund.  getrüwlich  und  ohn  alle  Gefahr,  als  ich 
bitte,  dass  mir  Gott  helfe."  Dann  sprach  der  Bürger- 
meister Rahn  den  venetianischen  Ambassadoren  den  Eid 
in  italienischer  Sprache  in  der  Form  vor,  wie  im  Januar 
1614  der  französische  Gesandte  von  Castille  bei  Be- 
schwörung des  französischen  Bündnisses  mit  Zürich  den- 
selben beschworen  hatte,  verdeutscht  also:')  „Wir 
si  hwerend  und  versprechend  im  Namen  der  Durchlüch- 
tigen  Heiischaft,  unserer  Herrin,  wahr  und  getrüwlich 
ze  halten  den  traktat  der  Vereinigung  zwüschend  der- 
selben durchlüchtigen  Herrschaft  und  den  beiden  löb- 
lichen Stetten  Zürich  und  Bern  ufgerichtet.  also  dass 
nit  dawider  gehandelt  werden  soll  in  khein  wyss,  weg 
weder  direckte  noch  indireckte,  als  wir  bittend,  dass 
uns  Gott  helffe." 

Nachdem  die  Versammlung  sich  gesetzt  hatte,  wur- 
den draussen  Geschützsalven  abgefeuert  und  Trompeten- 
schall ertönte  vom  St.  Petersturm  herab.  Der  weihevolle 
Tag  fand  seinen  Abschluss  abends  in  einem  festlichen 
Bankette,  an  dem  alle  offiziellen  Gäste  auf  Kosten  Ve- 
nedigs reichlich  bewirtet  wurden.  2) 


')  „Giurianio  et  promettiamo  a  nome  della  Sma  Repea  di  osservar 
indubitata  et  fedelle  il  trattato  delP  Alleanza  tra  Sma  Repca  et  le  due 
incliti  cittä  Zürich  et  Berna  talte  ehe  a  quello  nou  sarä  contra fatto 
in  alcuna  inaniera  direttaniente  ne  iudirettamente  et  cosi  Dio  ci 
äjüti."     So  der  italienische  Wortlaut  des  Schwures. 

-)  Bern.  Staatsarchiv.  V.  B..  A,  pag.  513. 


Trotzdem  das  Bündnis  in  solch  feierlicher  Weise 
vollzogen  war.  hatte  es  auch  jetzt  noch  keine  that- 
sächliche  Wirkung,  weil  inzwischen  die  Bündnerwirren 
ausbrachen,  von  denen  wir  uns  absichtlich  ferne  halten, 
erstens,  weil  sie  nicht  in  den  Rahmen  unseres  Themas 
hineinpassen,  und  zweitens,  weil  die  Rolle,  die  Venedig-, 
Zürich  und  Bern  in  der  Veltlinerangelegenheit  spielten, 
zur  Genüge  bekannt  ist.  Die  zwei  Städte  lieferten 
Truppen,  Venedig  hauptsächlich  Geld,  und  zwar  ziemlich 
hoch  bemessene  Summen.  Die  Bündner  hatten  aller- 
dings mehr  als  nur  Geld  erwartet,  namentlich  nach  dem 
Blutbad  von  Tirano  und  den  gescheiterten  Hülfsver- 
suchen  der  zürcherisch-bernischen  Truppen.  Als  Venedig 
damals  keine  Mannschaft  schickte,  wurden  die  Bündner 
von  solchem  Groll  gegen  die  Markusstadt  erfüllt,  dass 
er  sich  erst  lange  nachher  legte,  als  sie  in  den  vierziger 
Jahren  mit  den  Türken  in  Konflikt  geriet.  ')  -  -  Venedig 
legte  immerhin  solchen  Wert  auf  das  znstandegekoinmene 
Bündnis,  dass  es  seinerseits  die  von  den  beiden  Städten 
ausbedungenen  Vorteile  gewährte  und  ziemlich  regelmäßig 
Jahr  um  Jahr  jeder  Stadt  4000  Dukaten  überschickte. 
In  Zürich  und  Bern  Hess  die  Republik  Waffendepots 
anlegen  2)  und  in  jedes  der  beiden  kamen  560  Harnische 
(Preis  =  ?,\ TS'/s  Dukaten)  und  700  Musketen  (=  37331  3 
Dukaten),  für  welche  zusammen  von  Venedig  69062/3 
Dukaten  per  Depot  bezahlt  wurden.  —  Endlich  kamen 
die  Zeiten  doch,  in  denen  die  Realisierung  des  Bünd- 
nisses möglich  wurde. 

Im  Jahr  1H44  geriet  Venedig  von  neuem  in  Kriegs- 
not. Die  Türken  zogen  aus  Rache  dafür,  dass  ihnen 
Venedig  RäuberschifEe  weggenommen,  gegen  das  vene- 
tianische  Candien,  um  dasselbe   dem  Türkenreiche    ein- 


l)  Zwiediueck.  I.  pag.  133. 

-)  Siehe  Art.  17  des  Bündnisses,  pag.  19. 


3fi 

zuverleiben.     Venedig  fühlte  sich  in  harter  Bedrängnis. 

Man  setzte  die  Kriegsschiffe,  deren  noch  schnell  einige 
in  Livorno  und  Genua  gekauft  wurden,  in  Gefechts- 
bereitschaft, Truppen  wurden  ausgehoben  und  zur  Ver- 
teidigung oder  zu  einem  Vorstoss  gegen  die  benach- 
barten türkischen  Gebiete  nach  Dalmatien  gesandt.  Der 
Senat  rief  die  fremden  Mächte  an  zur  Beschützung  einer 
Insel,  die  man  als  das  Bollwerk  der  Christenheit  be- 
trachtete. 

Aber  Venedig  durfte  sich  der  fremden  Hülfe  wegen 
keine  Illusionen  machen.  Der  Kaiser  war  in  die  Wirren 
des  30jährigen  Krieges  verwickelt.  Frankreich,  das  vor 
dem  Frondekrieg  stund  und  mit  der  Pforte  verbündet 
war,  bot  im  geheimen  nur  100.000  Thaler;  Spanien  ver- 
sprach viel  und  hielt  wenig,  und  Holland  setzte  unbe- 
mannte Schiffe  zur  Disposition.  r)  Venedig  war  also  fast 
nur  auf  sich  allein  und  auf  seine  zwei  Verbündeten  in 
der  Eidgenossenschaft  angewiesen. 

Ende  des  Jahres  1644  verlangte  der  Doge,  gestützt 
auf  das  Bündnis  vom  Jahre  KU 5.  Truppen  wider  den 
Erbfeind  der  Christenheit,  den  Türken.  2)  Für  den  Pass 
durch  Bünden  hatte  der  Resident  Cavazza  schon  im 
Januar  angehalten.  Am  28.  gleichen  Monats  wurde  von 
den  Abgeordneten  an  die  Generalversammlung  in  Chur 
vereinbart:  :!) 

Allen  Soldaten,  die  zu  Fuss  und  zu  Pferd  ins  Gebiet 
der  Republik  Venedig  ziehen,  wird  der  Pass  durch  die 
III  Bünde  und  die  Lande  ihrer  Unterthanen  gewährt, 
aber  nur  für  ein  Jahr.  Wenn  den  III  Bünden  oder 
ihren  Untergebenen   durch   diese  Gewährleistung  Unan- 


')  Daru,  IV,  513  f. 

2)  Bern.  Staatsarchiv,  V.  B.,  A,  669. 

3)  Bundesarchiv,  Bd.  58,  28.  Januar  1644, 


37 

nehnilichkeiten  zugezogen  werden,  so  soll  Venedig  auf 
Ansuchen  mit  all  seinen  Mitteln  dieselben  beseitigen 
helfen.  Die  Fusstruppen  dürfen  nur  mit  dem  Schwerte, 
bewaffnet,  je  50  zusammen,  die  Reiter  nur  mit  umge- 
hängter Pistole  in  der  Zahl  20  passieren,  und  zwar  mit 
der  gewohnten  Distanz  von  einem  Tag.  Jeder  Soldat 
muss  den  gewöhnlichen  Zoll  entrichten,  den  Unterhalt 
bezahlen  und  allfälligen  Schaden  ersetzen.  Den  obersten 
wird  empfohlen,  die  Knechte  in  guter  Ordnung  und  von 
Offizieren  Itcwacht  durchziehen  zu  lassen.  Zur  Deckung 
allfälliger  Beschädigungen  soll  jeder  der  III  Bünde  einen 
.Mann  aus  seiner  Mitte  ernennen,  der  dieselben  taxiert 
und  das  Geld  dafür  einzieht. 

Am  20.  30.  September  1645  wurde  der  freie  Durch- 
pass  der  Truppen  definitiv  gestattet  mit  folgenden  Modi- 
fikationen:1) a.  Nur  Soldaten,  die  gegen  die  Türken 
ziehen,  dürfen  passieren,  und  zwar  so  lange,  bis  der 
Krieg  zu  Ende  ist.  b.  Der  Durchpass  ist  bis  auf  die 
Zölle  gratis.  Venedig  zahlt  350  spanische  Dublonen  für 
die  Reisekosten  der  bündnerischen  Delegierten  an  die 
Dieta.  c.  Die  Soldaten  dürfen  vollständig  bewaffnet 
sein.  —  Den  Pass  gaben  nun  ebenfalls  frei  Glarus,  Zug. 
Obwalden  und  Nidwaiden.  Schwyz  stellte  dafür  gewisse 
Bedingungen,  und  da  es  diese  erst  am  16.  Mai  erfüllt 
sah,  verlängerte  es  die  Passsperre  bis  zu  diesem  Zeit- 
punkte. 2)  Hauptmann  Brendlin,  der  trotzdem  mit  einer 
Anzahl  Leute  nach  Venedig  marschieren  wollte,  wurde 
in  Lachen  angehalten,  eine  Zeitlang  eingesperrt  und 
dann  zur  Rückkehr  gezwungen. ;i) 

Unterdessen  ging  man  an  die  Aufstellung  einer 
Kapitulation  für  das  von  Venedig  erbetene  und  bewilligte 

')  Bundesarchiv,  Bd.  58. 

-)  Zürcher  Staatsarchiv  214,  Mappe  3. 
:!)  Bundesarchiv.  Bd.  61,  pag.  30. 


38 

Regiment.  Eine  solche  war  nötig,  weil  einige  Punkte 
des  alten  1615er  Bündnisses  umgeändert  werden  mussten. 
J)ie  Zeiten  waren  andere  geworden  und  mit  ihnen  nach 
bald  einem  halben  Jahrhundert  die  Art  der  Kriegs- 
führung. Die  im  Art.  !>  vorgesehene  Ausrüstung  war 
veraltet  und  deshalb  hatte  man  schon  1615  darauf  Be- 
dacht genommen,  indem  die  betreffende  Bestimmung 
aussagte,  die  Bewaffnung  und  die  Soldverhältnisse  seien 
jeweilen  durch  eine  Kapitulation  den  Zeiten  anzupassen. 
Am  27.  März  1648  gingen  5  Deputierte  mit  dem 
Sekretär  Hirzel  zum  Residenten,  um  sich  mit  ihm  über 
die  einzelnen  Punkte  der  Kapitulation  zu  beraten.  •') 
Das  folgende  Kapitel  enthält  im  Auszuge  die  Bestim- 
mungen, über  die  man  sich  bis  Anfang  Mai  vollständig 
einigte. 


3)  Bundesai'cbiv,  Bd.  (31,  pag.  398. 


-o-<2S>-^— 


IL  Die  Schweizertruppen  in  venetianischen 
Diensten,  1648—1660. 


1.  Kapitulation  für  das  Regiment  Werdtmüller 
(9.  Mai  1648)  und  Abmarsch  der  Truppen.  x) 

Nachdem  die  Herrschaft  Venedig  durch  ihren  Resi- 
denten Hieronymus  Bon  beide  Städte  Zürich  und  Bern, 
ihre  Bundesgenossen,  am  19.  29.  Januar  kraft  des  Bünd- 
nisses uui  einen  Aufbruch  von  2100  Mann  oder  ein 
Regiment  angehalten  hatte,  um  sich  desselben  in  der 
gegenwärtigen  Not  dem  Bunde  gemäss  zu  bedienen, 
wurde  nach  verschiedenen  Unterhandlungen  der  begehrte 
Aufbruch  unter  folgenden,  den  neuen  Bedürfnissen  an- 
gepassten  Bedingungen  bewilligt: 

1.  Jede  Compagnie  soll  mit  dem  Hauptmann  und 
den  übrigen  Offizieren  200  Mann  stark  und  waffentüchtig 
sein.  Da  nun  bei  dieser  Zahl  100  Überzählige  ver- 
bleiben würden,  so  verlangt  die  Herrschaft  noch  weitere 
100  dazu,  so  dass  nun  2200  Mann  unter  11  Compagnien 
stehen,  nämlich  6  von  Zürich  mit  dem  Oberst,  5  von 
Bern. 

2.  Nach  Verlangen  der  Republik  sollen  -  3  der  Mann- 
schaft mit  Musketen.  1/a  mit  Spiessen  ausgerüstet  sein. 
Die  Hälfte  wird  zudem  in  Venedig  mit  Rüstungen  ver- 
sehen.    Alle  Waffen    sollen,    soweit    nötig,    aus   den    in 


')  Bern.  Staatsarchiv,  V.  B..  A.  pag.  529  f..  Buudesarchiv.  Bd.  61, 
pag.  446  f. 


40 

Zürich  und  Bern  angelegten  Depots  geliefert  worden 
ohne  andere  Schuldigkeit,  als  sie  sauber  zu  halten  und 
nach  der  Abdankung  des  Regimentes  wieder  zurückzu- 
erstatten. Die  Waffen  toter  Kriegsknechte  werden  vom 
Oberst  oder  von  den  Hauptleuten  in  den  Zeughäusern 
des  Ortes  deponiert,  wo  man  sich  gerade  befindet,  und 
von  dort  werden  sie  nach  Entlassung  des  Regimentes  in 
die  beiden  Depots    von  Zürich    und  Bern    transportiert. 

3.  Die  Republik  wählt  den  Oberst  und  die  beiden 
Städte    die    Hauptleute .    alles    laut    Bestimmungen    des 

Bündnisses. 

4.  Der  Effektivbestand  einer  jeden  Compagnie  soll 
bei  der  ersten  Musterung  auf  dem  Waffenplatz  in  Bergamo- 
oder  in  Brescia  200  Mann  aufweisen.  Untergeschobene 
Namen.  „Blinde"  (passavolanti),  Soldaten,  die  zweimal 
die  Musterung  passieren,  oder  jeder  andere  Betrug 
werden  nicht  zugelassen,  sondern  es  erfolgt  Bestrafung 
mit  Streichung  in  der  Liste  und  Entlassung.  Wird  der 
Hauptmann  schuldig  befunden,  so  kann  ihn  die  Republik 
seines  Amtes  entheben. 

.").  Jeden  Monat  erhält  der  Hauptmann  für  sein'' 
Compagnie  420  spanische  Dublonen  von  gutem  Gepräge 
und  Gewicht,  und  zwar  sowohl  für  ihn,  wie  für  die 
übrigen  Offiziere  und  für  die  Soldaten.  Für  jeden 
fehlenden  Mann  werden  4 '  4  Silberkronen  abgezogen, 
oder  es  erhält  jede  Compagnie  430  Dublonen  und  für 
jeden  Mangelnden  werden  5  Silberkronen  zurückbe- 
halten. ]) 

6.  Der  Oberst  bezieht  monatlich  150  Silberkronen, 

und  des  Regimentes  Ehrensold  beläuft  sich  jeden  Monat 
laut  Bündnis  auf  250  Silberkronen. 


r)  Das  erste  wurde  verwirklicht. 


41 

7.  Fehlen  Soldaten  bei  der  Musterung,  die  gestorben. 
entflohen  oder  sonst  in  Abgang  gekommen  sind,  so  er- 
folgt der  Abzug  laut  Art.  5. 

8.  Bei  der  Musterung  soll  jeder  Hauptmann  seine 
Kranken  vorweisen,  und  erlaubt  es  ihr  Znstand  nicht, 
sie  vorzuführen,  so  werden  sie  vom  öffentlichen  Minister 
besucht;  befinden  sie  sieh  anderswo,  hat  der  Hauptmann 
ein  authentisches  Zeugnis  über  den  Ort  und  den  Zu- 
stand, in  dem  sie  sich  befinden,  vorzuweisen,  da  sie 
sonst  nicht  besoldet   werden. 

'.».  Das  Regiment  wird  nur  zu  Lande  dienen,  d.  h. 
in  Italien  und  Dalmatien,  wie  es  der  Resident  im  Namen 
der  Republik  in  seinem  Vorschlage  vom  l!)./2i).  Januar 
darlegte.  Dort  wird  der  Mannschaft  nebst  guter  Ver- 
pflegung jede  billige  Satisfaktion  zu  teil  werden,  wie 
man  umgekehrt  von  ihr  treue,  ehrliche  Dienstleistung 
erwartet. 

10.  Da  die  beiden  Städte  wünschen,  dass  jede  Com- 
pagnie  und  das  ganze  Regiment  soviel  als  möglich  zu- 
sammenbleibe, um  besser  dienen  zu  können,  verspricht 
der  Gesandte,  dass  die  Republik  jede  Compagnie  unge- 
t rennt  lässt  und  das  Regiment  auch,  soweit  es  sich  nach 
Gelegenheit  und  „der  Sache  Xothdurfft"  thun  lässt. 

11.  Das  Regiment  soll  in  allen  Privilegien.  Frei- 
heiten, Immunitäten,  Gerechtigkeiten,  Bräuchen  und  Ge- 
wohnheiten, sowohl  in  der  Verwaltung  und  Übung  des 
Gerichts  und  Rechts,  als  auch  in  allen  andern  Dingen 
und  Sachen  unbehelligt  bleiben,  wie  es  in  Frankreich 
und  anderswo  üblich  und  im  Bündnis  vorgesehen  ist. 

12.  Zum  Besten  des  Regiments  und  den  beiden 
Städten  zu  Gefallen  wird  die  Herrschaft  den  Monatssold, 
der  laut  Bündnis  erst  ante  profectionem  fällig  wäre. 
schon  jetzt  bezahlen,  wofür  dem  Regiment,  auf  dem 
Musterungsplatz   angelangt,    nichts   angerechnet  werden 


42 

soll.  Sollte  sich  die  Aushebung  unvorhergesehener  Gründe 
wogen  nicht  verwirkliehen,  so  würden  die  beiden  Stadt«1 
durch  den  Oberst  und  die  Hauptleute  die  Zurück- 
erstattung  des  Geldes  vornehmen. 

13.  Es  bleibt  dein  Oberst  und  den  Hauptleuten 
freigestellt,  das  Kommissbrot  zu  fassen  oder  nicht.  Die 
es  wünschen,  erhalten  dasselbe  zu  demselben  billigen 
Preise  wie  die  andern  Söldner. 

14.  Betreffs  der  Kriegsgefangenen  und  der  Beute 
werden  dein  Reginiente  dieselben  Rechte  eingeräumt  wie 
den  andern. 

15.  Wird  die  Stelle  eines  Obersten  oder  eines  Haupt- 
manns vakant,  so  erfolgt  die  Besetzung  laut  Statuten 
des  Bündnisses. 

l(i.  Hat  man  für  dieses  Regiment  Rekruten  nötig, 
so  soll  dafür  mit  den  beiden  Städten  nach  Gelegenheit 
traktiert  werden. 

17.  Den  Kranken  soll  die  liebreiche  Verpflegung  zu 
teil  werden,  welche  die  öffentliche  Wohlthätigkeit  den 
andern  dienenden  Truppen  angedeihen  lässt ;  in  Bezug 
auf  Beschaffung  der  Krankenwagen  wird  für  das  Regi- 
ment das  Gleiche  geleistet  wie  für  die  andern. 

18.  Oberst,  Offiziere  und  Soldaten  müssen  den  Eid 
leisten,  der  Republik  treu  zu  dienen  laut  Inhalt  des 
Bundes.  Während  der  Dienstzeit  darf  keiner  den  Dienst 
ohne  Erlaubnis  des  verordneten  Repräsentanten  verlassen. 
und  die  Zuwiderhandelnden  verlieren  das  Recht,  sich 
gegen  Unbeliebigkeiten,  die  ihnen  widerfahren,  zu  be- 
schweren. Der  Herr  Resident  erklärt  jedoch,  dass.  wenn 
jemand  wegen  dringender  Notwendigkeit  Urlaul)  begehrt 
und  entweder  eine  der  beiden  Obrigkeiten  oder  der 
Oberst  oder  ein  Hauptmann  dafür  anhalten,  die  Republik 
oder  ihre  Vertreter  mit  aller  gebührenden  Willfahrt  sich 
der  Sache  annehmen  werden. 


43 

Im  übrigen  wird  vom  Seiten  der  Republik  und  der 
beiden  Städte  auf  den  Wortlaut  des  Bündnisses  hinge- 
wiesen, das  in  den  nicht  abgeänderten  Punkten  in  voller 
Kraft  steht. 

Der  Senat  Venedigs  bewilligte  am  9.  Mai  1648  die 
Kapitulation  und  sandte  dem  Oberst  Werdtmüller  am 
6.  Juni  gleichzeitig  mit  seinem  Patent  eine  Kopie  der- 
selben zu.  —  In  erster  Linie  mussten  die  Hauptleute 
ernannt  werden,  bevor  man  an  die  Aushebung  des  Regi- 
mentes gehen  konnte,  denn  ihnen  lag  die  Rekrutierung 
der  Mannschaft  ob.  Bei  der  Wahl  derselben  wurden 
nur  solche  berücksichtigt,  die  aus  vornehmen  Häusern 
stammten  und  von  denen  jeder  Freunde  und  Verwandte 
im  kleinen  Rate  zahlte.  1) 

Die  beiden  Städte  teilten  Venedig  sofort  nach  der 
Wahl  mit.  welch«'  Hauptleute  sie  auserkoren  hatten. 
Bern  schrieb  darüber:-)  Bürgermeister  und  Hat  der 
Stadt  bekennen  hiermit,  dass  die  Herrschaft  Venedig 
durch  ihren  verordneten  Residenten,  den  edlen  und 
hochgeachteten  Girolamo  Bon.  an  sie  die  beiden  mit 
ihr  verbündeten  Städte  Zürich  und  Bern,  einen  Auf- 
bruch ihres  Volkes  unter  einem  Regimente  begehren 
liess,  um  dasselbe  gegen  den  Türken,  aller  Christenheit 
Erbfeind,  zu  gebrauchen.  Hierauf  haben  sie  zu  Haupt- 
leuten erwählt  ..die  edlen,  notfesten,  und  mannhaften, 
besonders  getreuen,  lieben  Bürger",  nämlich:  Andreas 
Hermann.  Vogt  zu  Buchsee.  Hartmann  Etter,  Altvogt  in 
Wangen.  Gabriel  Wyss.  Adrian  Jenner3)  und  Abraham 
von  Erlach.    Jedem  Hauptmann  hätten  sie  die  folgenden 


J)  Bundesarchiv.  Bd.  61,  pag.  Hl 

)  Bern.  Staatsarchiv,    V.  1!.,    A.  883.     Über   die   Instruktionen 
auch  Bundesarchiv.  Bd.  62.  pag.  26. 

:;  i  Au  Stelle  von  David  Michel,  der  sich  nach  seiner  Wahl  er- 
hängte. 


44 

Instruktionen  und  Ordonnanzen  mitgegeben,  damit  er 
sich  nach  dem  Bündnis  und  der  Kapitulation  richte  und 
damit  man  sich  an  alle  von  den  Eidgenossen  in  franzö- 
sischen Diensten  genossenen  Freiheiten  und  Gebräuche 
halte: 

Die  Hauptleute  werden  in  allem  Ernst  ersucht, 
ihren  Compagnien  die  erforderliche  Anzahl  outer  Vor- 
gesetzter zuzustellen,  damit  den  Soldaten  desto  „bass 
abgewartet",  der  Herrschaft  viel  erspriesslicher  gedient 
werde  und  beide  Städte  Ehre  davontragen.  Sie  sollen 
sich  nicht  ohne  specielle  Ursache  von  ihrem  Regimente 
fortbegeben,  besonders  dann  nicht,  wenn  Gefahr  droht. 
Keiner  soll  seine  Knechte  gegen  andere,  die  nicht  diesem 
Regiments  angehören,  vertauschen,  sonst  verfällt  er  in 
Ungnade,  schwere  Strafe  oder  wird  sogar  aus  dem  Vater- 
lande verbannt:  hat  einer  Überzählige,  so  darf  er  sie 
einem  seiner  Mithauptleute  übergeben.  Jedem  Haupt- 
und  Amtsmann  steht  es  frei,  den  schuldigen  Soldaten  in 
Eisen  schlagen  zu  lassen ;  die  Motiv«1  dazu  müssen  aber 
ohne  Verzug  dem  Oberst  oder  in  dessen  Abwesenheit 
dem  Vorgesetzten  des  Regimentes  mitgeteilt  werden, 
damit  dieser  entscheiden  kann,  ob  der  Offizier  zu  dieser 
Handlung  berechtigt  war  oder  nicht.  Die  Hauptleute 
sollen  ihre  Knechte  in  „gebührender  Rechnung"  und 
getreuer  Fürsorge  halten,  denselben  keine  „ünehrbaren 
Gewinne  noch  Rechnung  suchen"  und  ihnen  das  Geld 
nicht  höher  anrechnen  als  es  gäng  und  gäbe  ist.  Die 
Kleider,  das  Kommissbrot  wie  alles  andere  soll  ihnen  zum 
Ankaufspreise  geliefert,  jedem  der  verdiente  Sold  ehr- 
lich ausbezahlt  und  keinem  zur  Erlangung  des  Durch- 
passes etwas  abgezogen  werden.  Bleiben  die  Zahlungen 
Venedigs  aus,  soll  der  Offizier  seine  eigenen  Mittel  ge- 
brauchen, damit  der  Soldat  die  nötige  Nahrung  geniesst 
und  sein  Leben  um  so  besser   fristen    kann.     Über   die 


45 

rückständigen  Gelder  soll  beizeiten  berichtet  werden,  um 
dein  Schaden  und  Ruin  des  Regimentes  vorzubeugen. 
Die  Hauptleute  sollen  zu  ihren  Kranken  specielle  Sorg- 
falt tragen,  dieselben  mit  unten  Barbieren  und  Ärzten 
versehen,  möglichst  „nachinfergen",  wenn  sie  im  Marsche 
sind,  oder  ihnen  sonst  die  dringendste  Fürsorge  ver- 
schaffen, damit  dieselben  nicht  etwa  aus  Mangel  an 
Geld  oder  anderm  hülflos  gelassen  werden.  Keiner  soll 
gegen  den  andern  alte  Feindschaft  hegen  und  sieh  seiner 
rächen,  sondern  alle  Zerwürfnisse  sind  friedlich  zu 
schlichten.  Geistliche,  Weibsbilder  und  Kinder  sollen 
geschont  und  keineswegs  beleidigt  oder  geschändet  wer- 
den. Desgleichen  soll  ein  jeder  ..unziemliche,  böss  schandt- 
lich  Schwur"  meiden  und  sich  aller  Leichtfertigkeit  und 
Üppigkeit  enthalten.  Neben  fleissiger  Anhörung  der 
Predigt  soll  sich  jeder  der  Gottesfurcht,  der  Ehrbarkeit 
und  Bescheidenheit  männiglich  beileissen  und  zuerst  die 
Ehre  Gottes,  des  Herrn,  und  dann  auch  der  Herrschaft 
Venedig,  der  beiden  Städte  Zürich  und  Bern  und  der 
gemeinsamen  Eidgenossenschaft  Lob.  Ruhm  und  Wohl- 
fahrt fördern,  damit  der  gnädige  Gott  in  allem  desto 
mehr  (duck  und  Segen  verleihe. 

Die  ö  gleichlautenden  Briefe  wurden  mit  dem  Siegel 
der  Stadt  Bern  versehen  und  jedem  Hauptmann  am 
6.  Juni  1648  ein  Doppel  zugestellt.  Der  Feldprediger 
<[>'>  Regimentes.  Johann  Rudolf  Osterwald,  erhielt  folgende 
Instruktion:1)  Er  soll  nur  Gottes  Wort  vortragen,  so 
wie  es  in  der  helvetischen  Konfession  erklärt  und  er- 
läutert ist.  und  neben  gründlicher  Unterweisung  des 
Volkes  in  der  wahren  evangelischen  Religion  dasselbe 
vom  Lasten-  abhalten  und  zur  Tugend  anleiten.  Am  An- 
fang und  am  Ende  der  Predigt  soll  er  sich  der  in  der 
Kirchenordnung    enthaltenen    Formen    und    Gebete    be- 


')  Zürcher  Staatsarchiv  214.  Mappe  3. 


46 

dienen.  Die  christliche  Fürbitte  für  den  hohen  obrig- 
keitlichen Stand  kann  in  Anbetracht  der  Verhältnisse, 
in  denen  das  Regiment  gegenwärtig  steht,  in  diese  Form 
geändert  werden :  „Demnach  lassend  uns  auch  Gott  bitten 
für  alle  Regenten  und  Obern,  für  die  durchlauchtige 
Herrschaft  Venedig  und  ein  Ehrsame  Oberkeit  gemeine 
Eidgenossenschaft,  insonders  aber  für  die  frommen 
und  weisen  Herren,  Bürgermeister,  Schulthess  und  Rhät 
auch  gantze  Gmeind  der  Stätte  und  Landen  unseres  ge- 
liebten  Vaterlandes  Zürich  und  Bern  wie  auch  für  unsere 
Herren  Obersten,  Haupt-  und  Befelchsleüt,  und  das  ge- 
meine Kriegsvolk  dieses  löblichen  Regimentes,  dass  sie 
Gott  alle  nach  seinem  Willen  weisen  und  leiten  wolle  etc." 
Damit  das  Kriegsvolk,  besonders  die  jungen  Leute, 
die  Religion  nicht  vergessen,  sondern  sich  stets  der 
Gottesfurcht  befleissen,  soll  er  zu  gewissen  Zeiten,  be- 
sonders an  Sonntagen  und  zwar  mit  einem  jeden  den 
Katechismus,  den  er  gelernt  hat,  besonders  aber  die 
.,  Kragstücklein''  üben,  und  da  er  es  nicht  an  allen  Orten 
selbst  thun  kann,  sollen  ihm  der  Oberst  und  die  Haupt- 
leute dazu  behülflich  sein.  Ihnen  mutet  man  keine  Er- 
klärungen zu.  sondern  nur  Vorlesung  eines  Teiles  des 
Zürcher-  oder  Bernerkatechismus  und  eines  Kapitels  aus 
der  heiligen  Schrift  mit  dem  gebräuchlichen  Gebete.  Ab- 
hörüng  einiger  „Fragstücklein"  und  wenn  möglich  An- 
stimmung  des  Gesanges  am  Schlüsse.  Denn  je  mehr 
der  christliche  Lobgesang  und  die  Übung  der  Psalmen 
Davids  im  Volke  erhalten  bleiben,  desto  besserstellt  es 
mit  der  evangelischen  Konfession  und  dem  heiligen 
Glauben.  Der  Feldprediger  hat  dafür  auch  zu  sehen. 
dass  die  Soldaten  mit  der  nötigen  Anzahl  Testamenten, 
„Zeugnissen"  und  Psalmenbüchern  ausgerüstet  sind.  Das 
tägliche  Morgen-  und  Abendgebet,  das  in  einem  von 
Pfarrer    Breitinger     im    Jahn1     1633    herausgegebenen 


47 

Büchlein  sehr  schon  verfasst  ist.  kann  ebenfalls  durch 
ehrbare,  tugendhafte  Personen  in  allen  Quartieren  ver- 
richtet werden.  Beim  Austeilen  des  Sakramentes,  des  heili- 
gen Tauf-  und  Nachtmahls  wird  sich  der  Feldprediger  an 
die  gebräuchlichen  Formen  halten  und  bei  der  letzten 
Feierlichkeit  für  die  armen  Kranken  Almosen  sammeln 
lassen.  Zu  der  heiligen  Taufe  soll  ein  Extrageschirr 
verwendet,  das  Wasser  dreimal  ausgegossen  werden  und 
die  Namen  der  Kinder.  Eltern  und  Zeugen  sind  in  ein 
eigenes  Buch  einzutragen.  Der  heiligen  Handlung  des 
Nachtmahles  soll  vorausgehen  eine  Vorbereitungspredigt 
und  Examinierung  solcher  jungen  Leute,  die  dasselbe 
noch  nie  genossen  haben.  Da  man  das  dazu  gebräuch- 
liche Brot  in  Dalmatien  nicht  bekommen  wird,  so  wäre 
es  gut,  wenigstens  eigene,  heiligem  Brot  und  Wein  ge- 
widmete Geschirre  zu  verwenden.  Mit  der  Einsegnung 
der  Ehe  soll  der  Feldprediger  gewahrsam  verfahren,  da- 
mit nicht  etwa  solche  sich  als  ledig  ausgeben,  die  es 
nicht  sind.  Es  hat  ihr  deshalb  immer  die  Verkündigung 
vorauszugehen,  die  dann  in  ein  eigenes  Buch  eingetragen 
wird.  Bei  den  Leichenbegängnissen  soll  eine  kurze 
Predigt,  gehalten  werden,  welche  die  menschliche  Sterb- 
lichkeit in  Erinnerung  ruft,  und  über  die  Toten  ist  ein 
Verzeichnis  zu  führen.  Damit  der  Feldprediger  seine 
Lmite  besser  kennen  lernt,  wäre  es  gut.  wenn  die  Feld- 
schreiber  von  jeder  Compagnie  einen  Nominativetat  aus- 
fertigen würden.  Durch  strenges  Einhalten  der  Kirchen- 
disciplin  ist  dem  lasterhaften  Treiben  ein  Riegel  zu 
stecken  und  Leute,  die  der  Sünde  fröhnen,  soll  der  Feld- 
prediger warnen,  damit  Gott  nicht  von  ihnen  weiche 
und  sie  als  gerechter  Richter  und  Rächer  alles  Bösen 
dem  Feinde  übergebe  oder  in  anderer  Weise  bestrafe. 
Um  diese  Instruktion  besser  durchführen  zu  können 
und  damit  dem  Feldprediger   seine  Aufgabe    erleichtert 


48 

werde,  wurde  ihm  der  Studiosus  Heinrich  Wüste  bei- 
gegeben. 

Zürich  hatte  zu  Hauptleuten  ernannt  Johann  Kaspar 
Waser,  Johann  Rudolf  Spöndlin,  Johann  Wilhelm  Stapfer, 
Johann  Burkhardt  und  Johann  Huldreich  Lochmann.    Als 

man  hier  und  dort  im  Lande  die  nun  erfolgende  Aus- 
hebung zu  misskreditieren  suchte,  sahen  sich  die  beiden 
Städte  zu  einer  Verkündigung  genötigt,  worin  stund:1) 
Sie  hatten  zu  ihrer  Missstimmung  vernommen,  dass  einige 
von  der  gegenwärtigen  Aushebung  Schlechtes  reden,  wes- 
halb sie  ihnen  zur  Aufklärung  folgendes  mitteilen:  Da 
sich  Venedig  in  einen  Krieg  mit  dem  Erbfeind  der 
Christenheit  verwickelt  sieht,  hat  es  bei  ihnen  laut 
Bündnis  um  obige  Aushebung  nachgesucht,  um  sich  desto 
besser  gegen  die  Türken  zu  sichern.  Sie  konnten  und 
wollten  ihre  Pflicht  "nicht  versäumen  und  haben  ihm  ein 
Regiment  gewährt,  dem  dieselben  Rechte  und  Gebräuche 
zukommen  werden,  wie  den  Schweizerregimentern  in 
Frankreich.  Dasselbe  hat  weder  in  Candien,  noch  in 
Morea  oder  andern  ihrer  Nation  unliebsamen  Orten  zu 
dienen,  sondern  nur  in  Dalmatien,  einem  dem  Friaul  be- 
nachbarten Landstrich.  Sie  hoffen  des  bestimmtesten 
von  ihren  Landsleuten,  dem  Oberst  und  den  Kapitänen, 
dass  sie  stets  die  Wohlfahrt  der  Mannschaft  im  Auge 
behalten  werden,  damit  sie  von  den  Regierungen  Ehre 
und  Belohnung  zu  gewärtigen  haben.  Sie  selbst,  die 
Väter  des  Landes,  werden  die  in  Venedigs  Dienste  Zie- 
henden nicht  weniger  aus  dem  Gesichtskreise  verlieren, 
als  die  andern,  welche  zu  Hause  bleiben.  So  hoffen  sie, 
dass  man  nun  die  Zunge  zügle  und  das  Vertrauen  wieder 
in   sie   setzen   werde. 


')  Bundesarchiv,  Bd.  61.  pag.  433.  6.  Mai  1648. 


49 

Zürich  Hess  im  Juli  eine  gedruckte  Kundgebung 
folgenden  Inhalts  publizieren:  l)  „Wir  Burgermeister  und 
Rhäte  der  Stadt  Zürich  verkünden  öffentlich  hiemit. 
Dem  nach  die  zyt  dass  unser  Volk  so  wir  samt  unserem 

grossen  Kirnt  zu  Diensten  der  durchlauchtigen  Herrschaft 
Venedig  bewilligt  und  allbereit  gedingt  und  angenommen 
uff  zu  brechen  wie  vor  allbereit  bestimmt  gewesen,  umb 
etlich  Tag  verlängert :  Anjetzo  alter  der  uffbruch  nächsten 
künftigen  Zinstag  (geliebts  (iotti  synen  f ortgang  haben: 
und  am  Montag  darvor  eine  Musterung  gehalten  werden 
wird.  Dass  hieruff  unser  will.  Meinung  und  gebott,  dass 
alle  die.  welche  zu  dieseren  Dienst  sich  yn  schrieben 
und  dingen  lassen,  uff  bemäldten  Montag,  wird  syn  der 
fünffte  Tag  dies  angetretenen  Brachmonats,  am  morgen 
umb  sieben  uhren.  jeder  by  sines  Hauptmanns  behausung 
und  herberg  sich  unfehlbar  gehorsamlich  befinden  thüege, 
sonsten  wurde  das  ussbliben  für  ein  ungehorsam  uff  ge- 
nommen werden,  und  die  fehlbaren  unsere  ernstliche 
ungnad  und  schwere  straff  unussblybentlich  zu  erwarten 
haben.  Sollen  uns  aber  in  jedem  gebührlicher  Erstattung 
gethanen  Versprechens  und  aller  schuldpflichtigen  ghor- 
same  versehen  und  es  hin  wiederumb  in  Gnaden  und 
allem  guten  erkennen.     Den  1.  Brachmonat   1648." 

Venedig  hatte  zum  (»bersten  des  Regimentes  HaiiN 
Rudolf  Werdtmüller  -)  ernannt.    Dieser  srab  die  Erlaub- 


')  Zürcher  Staatsarchiv  214.  Mappe  6. 

a)  Haus  Rudolf  Werdtmüller.  im  Jahr  1B14  geboren,  wurde 
mit  seinem  Bruder  nach  Genf  geschickt,  wo  er  seiner  tüchtigen 
Leistungen  im  liogenschiessen  wegen  das  Bürgerrecht  erhielt.  1632 
trat  er  in  französische  Kriegsdienste,  diente  noch  im  gleichen  Jahre 
in  Schweden  unter  General  Hörn,  machte  die  Schlacht  bei  Nörd- 
lingen  mit  und  widmete  sich  dann  bis  1637  im  Veltlin  als  Uber- 
lieutenant  dem  Herzog  Rohan.  Nachdem  ihn  Torstensohn  hatte 
kennen  lernen,  wurde  er  von  diesem  zu  seinem  Generaladjunkten 
'und  nach  der  Schlacht  von  Leipzig  zum  Obersten  ernannt.    Von  nun 

Archiv  des  hUtor.  Vereins.  , 

XV.  Band.     I.Heft  4 


50 

nis,  in  die  Compagnien  alte  Schweden  und  Deutsche  ein- 
zustecken, die  er  aus  seiner  langjährigen  fremden  Dienst- 
zeit als  treue  Knechte  kannte.1)  Sobald  die  Compagnien 
vollständig  waren,  wurden  sie  zum  Schwüre  aufgestellt. 
Dieser  Feierlichkeit  wohnten  bei  der  Statthalter,  die 
Räte,  der  Schatzmeister  und  die  Bevölkerung  der  ganzen 
Stadt.  Vor  der  Beeidigung  musterte  der  Ambassador 
die  Truppen,  und  da  fand  er  in  den  Reihen  etwa  20 
bis  30  Knaben  (ragazzi),  die  er  als  zu  jung  und  unfähig, 
die  schweren  Büchsen  zu  tragen,  ausscheiden  wollte.  Es 
wurde  ihm  aber  entgegnet,  dass  sie  es  durch  ihre  kräftige 
Körperbeschaffenheit  und  ihre  Zuneigung  zu  den  Waffen 


;m  unternahmen  die  Schweden  keine  Treffen  oder  Belagerungen  mehr, 
wo  nicht  Werdtmüller  ein  Hauptkommando  geführt  hätte.  Den  Treften 
von  Magdeburg,  Jancowitz,  den  Belagerungen  von  Steinern,  Krems, 
Kremenburg.  Eulenburg,  Kremster.  Tobischen,  Seal,  Ramsberg,  wo 
er  auch  verschiedene  Male  verwundet  wurde,  wohnte  er  allen  bei. 
Nachdem  Torstensohu  das  Kommando  an  Königsmark  übertragen, 
wurde  Werdtmüller  über  die  Dragoner  gesetzt.  Als  UM--  die  Schweden 
in  die  ober-  und  vorderösterreichischen  Landschaften  einrückten, 
wurde  er  wegen  des  gegen  die  Erbeinung  zuwiderlaufenden  Dienstes 
abberufen  und,  wie  wir  gesehen,  als  Oberst  über  das  nach  Dalmatien 
ziehende  Regiment  gesetzt.  1653  wurde  ihm  als  Generalmajor  das 
Kommando  über  10,000  Mann  aufgetragen,  mit  welchen  er  die  auf- 
ständischen Bauern  niederschlug.  1(355  warb  er  eine  Compagnie  von 
200  Mann  in  die  unter  Ludwig  XIV.  stehende  Garde,  wo  er  bald 
zum  Generallieutenant  der  Armee  in  Flandern  an  Stelle  Turenne» 
avancierte.  Nachdem  er  noch  zum  Ritter  des  St.  Michaelisordens 
ernannt  worden,  erhielt  er  1655  von  Zürich  das  Kommando  gegen 
die  5  katholischen  Orte.  Später  zog  er  wieder  nach  Frankreich, 
trat  dann  als  Generallieutenant  der  Artillerie  in  Dienste  Venedigs, 
kommandierte  7  Jahre  lang  in  Candien  und  Dalmatien  gegen  die 
Türken  und.  mit  dem  Ritterorden  St.  Marci  geschmückt,  nahm  er  1672 
als  Generalfeldmarschall-Lieutenant  bei  Leopold  I.  Dienste,  befehligte 
1676  als  des  heiligen  römischen  Reiches  Freiherr  die  Belagerung 
von  Philippsburg  und  starb  am  6.  Dezember  1677  in  Villingen,  wo 
er  begraben  liegt.  (Nach  Leu's  Lexikon,  Bd.  18.) 
:  i  l.nnilesarchiv,  Bd.  62,  pag.  40. 


51 

den  Alton  bald  zuvorthun  werden:  eine  Entlassung  der- 
selben hätte  zur  Folge,  dass  andere  mit  ihnen  zurück- 
bleiben würden,  da  ein  jeder  dieser  Knaben  Familien- 
angehörige oder  Verwandte  im  Regiment  besitze.1)  Im 
allgemeinen  freute  sich  der  Resident  über  die  prächtigen 
Leute,  aus  welchen  das  Regiment  sich  rekrutierte  i  ,.jn  verita 
bellissima  gente").  Vor  dem  Bürgermeister  und  dem  Re- 
sidenten gelobten  nun  zuerst  der  Oberst,  dann  die  Haupt- 
leute in  Gegenwart  des  Regimentes  den  Treueeid.  Der 
Oberst  schwur  bei  Gott  dem  Schöpfer,  der  Republik 
Venedig  in  diesem  Zuge  gegen  den  Türken  gut  und  treu 
zu  dienen,  laut  Inhalt  der  Kapitulation,  versprach,  die 
Soldaten  in  guter  Disciplin  zu  halten  und  alles  das  zu 
thun,  was  zu  der  beiden  Mächte  Lob.  Nutzen  und  Ehren 
dienen  werde.  Die  Hauptleute  schwuren  ungefähr  dasselbe 
und  gelobten,  ihrem  Oberst  Gehorsam  zu  leisten.  Der 
Fähnrich  hatte  einen  eigenen  Kid.  und  nach  ihm  hoben 
die  Kriegsknechte  die  Hände  zum  Schwüre  empor.2) 

Am  16.  Juni  1648  marschierten  die  sechs  Zürcher- 
compagnien  ab,  obschon  sie  nicht  vollständig  waren. 
:>4  Soldaten  waren  nach  der  Austeilung  des  ersten 
Monatssoldes  desertiert.  In  allen  Dörfern  wurde  pub- 
liziert, dass  diejenigen  Ausreisser,  die  sich  nicht  wieder 
einstellten,  strenge  bestraft  würden,  und  um  die  Zurück- 
gekehrten und  Eingefangenen  nachzuführen,  wurde  ein 
Lieutenant  in  Zürich  gelassen.  Den  Oberst  begleiteten 
mehr  als  2  Stunden  weit  150  berittene  Herren,  und  als 
er  ihnen  zum  Dank  dafür  ein  kostbares  Essen  bereiten 
liess,  wurde  er  am  nächsten  Tau  zum  Mitglied  des  grossen 
Rates  ernannt,  was  man  dem  Residenten  sofort  mit  der 
Bemerkung  anzeigte,  so  wisse  man  in  Zürich  die  Venedig 


1)  Bundesarehiv,  Bd.  02,  pag.  32. 

2)  Bundesarehiv.    Bd.  62,   pag.  27.     Zürcher   Staatsarchiv   211. 

Mappe  3. 


ergebenen  Leute  zu  schätzen.1)  Kaum  waren  die  Zürcher 
abmarschiert,  langten  die  5  bernischen  Compagnien  an 
der  Limmat  an.  aber  statt  1000  .Mann  zählten  sie  nur 
800.  Sie  hatten  „unterwägs  vil  Volk  durch  usryssen" 
verloren.  Viele  waren  durch  ihre  Verwandten  und  Be- 
kannten, bei  denen  sie  im  Vorbeiziehen  noch  schnell  den 
A.bschiedstrunk  zu  sich  nehmen  wollten,  zurückgehalten 
worden,  andere  Hessen  sich  durch  französische  Werber 
verleiten,  in  eine  der  13  bernischen  in  Frankreich  ste- 
henden Compagnien  einzutreten.-)  Als  sich  der  Resident 
wegen  des  schwachen  Bestandes  der  Truppenkörper  un- 
willig zeigte,  schrieben  die  Berner  Hauptleute  an  ihre 
Regierung,  der  Ambassador  lasse  sich  nicht  wenig  un- 
geduldig dahin  vermerken,  man  werde  sie  auf  dem 
Musterplatze  reorganisieren.  Auf  ihre  nicht  unbegrün- 
deten Entschuldigungen  hin  habe  er  angedeutet,  der 
Herr  General  werde  ihnen  einen  bestimmten  Termin 
zur  Ergänzung  der  Truppen  setzen.  Damit  sie  nun  nicht 
..auf  mindere  Fahnen  reformiert"  werden  und  so  zu 
Schaden  kommen,  möchten  sie  den  Rat  ersuchen,  ihnen 
die  Nachrekrutierung  zur  Ergänzung  der  ohne  ihn'  Schuld 
entstandenen  Lücken  zu  bewilligen.  Da  ihrem  Mithaupt- 
mann v.  Erlach  ein  gewisser  Jean  Lener  ausgerissen  und 
in  St.  Urban  in  Verhaftung  sitze,  so  möchten  sie  auch 
noch  bitten,  denselben  seines  ärgerlichen  Verbrechens 
willen  exemplarisch  zu  bestrafen,  damit  künftighin  andere 
daran  ein  Exempel  nehmen  und  sich  vor  dergleichen 
hüten. 

Die  Berner  Regierung  entschuldigte  sich  beim  Resi- 
denten schriftlich  wegen  der  verminderten  Zahl  der 
Kriegsknechte,  und  versprach,  die  5  Compagnien  zu  ver- 

»)  Bundesarchiv.  Bd.  62,  10.  Juni  1648,  pag.  56. 
2)  Bern.  Staatsarchiv,   V.  B..    A.  891.     Bundesarchiv.    Bd.  62. 
pag.  63. 


53 

vollständigen1')   und   die    Ausgerissenen   gehörig   zu   be- 
strafen.8) 

Nach  geleistetem  Schwüre  brach  der  /weite  Teil 
des  Regimentes  in  Zürich  auf.  Sobald  der  Schwyzer- 
boden  betreten  wurde,  marschierte  die  ganze  Truppe 
compagnieweise  hintereinander  in  den  Abständen,  wie 
sie  in  der  Kapitulation  vorgeschrieben  waren.  In  (hur 
Hess  Werdtmüller  die  verschiedenen  Abteilungen  Revue 
passieren,  indem  er  die  Mannschaft  warnte  vor  den 
spanischen  Werbern,  die  sich  gerade  im  Lande  herum- 
trieben und  die  Leute  aus  ihren  Verbänden  herauszu- 
locken suchten/1)  Die  Zürcher,  die  als  die  ersten  die 
Bernina  überschritten  hatten,    wurden   durch    einen  ge- 

')  Bern.  Staatsarchiv,  V.  B.,  A,  901.  Am  27.  September  schickte 
dann  Bern  noch  100  Nachzügler  unter  einem  Lieutenant.  Bundes- 
arehiv,  Bd.  62,  pag.   120. 

-)  Über  die  Bestrafung  steht  im  bernischen  Kriegs-Ratsmanual  XI, 
pag.  168:  ..Wägen  der  Jenigen  Soldaten  so  In  verschinnen  Jahr  unter 
die  Dalmatinischen  Herren  Hauptlüt  gedinget:  aber  Theils  nit  ge- 
zogen theils  ussgerissen  darum  sy  dan  auch  von  den  D>n  Ambtleüten 
anbevolchner  massen,  berechtiget  und  die  darumb  alhar  geschickten 
Urkunden  abgehört  worden,  habent  m.  Hen  die  KriegsRhät  dass  beste 
sein  erachtet,  dass  selbige  volgender  gestalt  sollen  abgestraft  werden." 

(Es  folgen  Namen.) 
„wvlen  obgemelte  personen  für  Recht  citiert  und  aber  nit  erschinnen 
als  könnte  den  Herren  Ambleüten  selbiger  ohrten  zugeschrieben 
werden  sich  rleissig  zu  erkundigen,  ob  gemelte  persohnen  Im  Landt, 
da  In  seihigem  Fahl  sy  sy  behendig  Ihr  Gut  iuventorisieren,  und  Ihr 
Gnaden  darüber  berichten  söllent.  Im  widrigen  fahl  und  so  sy  nit 
Im  Landt  wären,  könnte  anderen  zum  Exenipell  Ihr  Namen  au  Galgen 
geschlagen  werden. 

Ilanss  Brunner  uss  dem  Ambt  Wangen 
Latzaruss  Ullrich  von  Schwartzenburg. 
welche  beide   dem   empfangenen   bericht  nach   noch   Im  Landt  sein 
söllent,  söllent  obiger  erkautnuss  nach  also  bald  In  Verhafft  genommen 
und  Ihr  Gnaden  dessen  verstendiget  werden." 

::)  Bundesarchiv,  Bd.  02,  pag.  41  f. 


54 

wissen  Raimondo  von  Edolo  einige  Tage  aufgehalten, 
weil  er  nur  je  10  zusammen  wollte  passieren  lassen.1) 
Dieser  Befehl  war  ihm  früher  einmal  für  die  durch- 
ziehenden Schweden  und  Deutschen  erteilt  werden,  und 
jetzt  glaubte  er.  dies  habe  immer  noch  Geltung,  auch 
für  die  Schweizer.  Erst  als  er  durch  Reklamationen 
Werdtmüllers  von  Venedig  andere  Weisungen  erhielt, 
konnte  die  Truppe  ihren  Weg  fortsetzen.2)  Ende  Juli 
langte  das  Regiment,  das  sich  an  der  italienischen  Grenze 
gesammelt,  in  Brescia  an,  wo  es  vom  Proveditor  Capello 
sehr  zuvorkommend  empfangen  wurde.  Die  fröhliche 
Stimmung  schlug  aber  bald  um,  als  man  Werdtmüller 
zumutete,  das  Regiment  zu  trennen.  Er  meldete  darüber 
an  die  Regierung,3)  es  werde  ihm  ernstlich  vorgeschlagen, 
sein  Kriegsvolk  zu  dislocieren.  nämlich  1000  Mann  nach 
Dahnatien  zu  schicken,  um  dieselben  je  nach  Notdurft 
in  den  Garnisonen  oder  im  Felde  zu  verwerten  und  die 
übrigen  hier  zu  lassen,  was  dem  Bündnis  absolut  zu- 
widerlaufe. Er  habe  sich  anerboten,  mit  dem  ganzen 
Reginiente  nach  Dalmatien  zu  gehen  oder  aber  mit  der 
gesamten  Mannschaft  hier  zu  bleiben,  da  eine  Trennung 
den  Ruin  des  Regimentes  bedeuten  würde. 

Die  beiden  Städte  schrieben  sogleich  dein  Gesandten 
Sarotti,  dass  sie  viel  lieber  ihr  Regiment  zurückziehen 
werden,  als  eine  gegen  die  Kapitulation  handelnde,  ge- 
fährlich werdende  „Sünderung"  des  Regimentes  gestatten. 
Jener  Vorschlag  wurde  nun  zurückgezogen  und  Werdt- 
müller rückte  unbehelligt  mit  seinen  Truppen  gegen 
Venedig   vor,    wo    er    am  26.  September   glücklich   und 


')  Der  Marsch  ging  also  von  Chur  über  den  Jnlier-  und  Berniua- 
pass  ins  Veltlin  (Tirano),  von  dort  durch  das  Val  Camonica,  dem 
Iseosee  entlang  nach  Brescia. 

'-')  Bundesarchiv,  Bd.  62,  pag.  49  f. 

s)  Bundesarchiv,  Bd.  62.     Bern.  Archiv,  V.  B.,  A,  911  f. 


55 

wohlbehalten  einzog.     Dieselben   gefielen   wegen    „ihrer 
Schönheit"  ausserordentlich  und  sie  wurden  denigemäss 

auch  ehrenvoll  behandelt. 

Sobald  die  Mannschaft  eingeschifft  und  Werdtniüller 
das  nötige  Material  an  Strohsäcken  und  Decken  zum 
Schutze  der  Truppen  ausgeliefert  worden  war,  segelten 
die  Galeeren  der  noch  nie  gesehenen,  unbekannten  Küste 
Dalmatiens  zu. 


2.  Das  Regiment  in  Dalmatien. 

Seit  den  letzten  Nachrichten,  die  Werdtniüller  von 
Venedig  unmittelbar  vor  der  Abfahrt  nach  Zürich  ge- 
sandt hatte,  waren  schon  einige  Wochen  verflossen,  ohne 
dass  Briefe  aus  Dalmatien  angelangt  wären.  Die  Re- 
gierung sowohl  wie  die  Familien,  die  von  ihren  dortigen 
Angehörigen  auch  nicht  die  geringste  Kund«1  erhielten, 
gerieten  darob  in  Besorgnis,  und  man  beschloss.  einen 
Expressen  abzuschicken,  der  sich  in  Venedig  über  den 
Zustand  des  Regiments  erkundigen  sollte.  Um  dessen 
eigentliche  Ziele  etwas  zu  bemänteln,  wollte  man  ihm 
für  den  Dogen  einen  Brief  mitgeben,  worin  angefragt 
wurde,  ob  das  Regiment  seine  schuldige  Pflicht  in  allem 
erfülle.1)  Als  derselbe  eben  aufbrechen  wollte,  sandten 
die  Handelsleute  Orelli  in  Bergamo  Bericht,  der  Basler 
Fussbote  aus  Dalmatien  habe  den  andern  Werdtmüllers, 
der  wohl  bald  eintreffen  werde,  in  Brescia  überflügelt. 
Als  sich  dieser  endlich  durch  die  verschneiten  Päs^< 
hindurchgearbeitet  hatte  und  zur  Beruhigung  der  auf- 
geregten Gemüter  in  Zürich  erschien,  übermittelte  er 
der  Regierung  ein  Schreiben  Werdtmüllers.  worin  er  sich 


l)  Bern.  Staatsarchiv,  V.  B..  A,  pag.  973.    Buudesarchiv.  Bd.  t>2. 


56 

entschuldigte,  dass  eine  nun  überstandene  Krankheit  ihn 
verhindert  habe,  über  die  glückliche  Ankunft  und  über 
die  Behandlung  und  das  Belinden  des  Regiments  zu  be- 
richten. Der  Bericht  selbst  sprach  sich  ungefähr  folgender- 
massen  aus:  Die  Reise  nach  Dalniatien  war  ohne  Unter- 
bruch in  4  Tagen  von  statten  gegangen.  In  Eido  umsste 
Werdtniüller  10  Tage  lang  warten,  bis  ihm  endlich  17 
Schiffe  bewilligt  wurden,  in  die  er  seine  Leute  unter- 
bringen konnte.  Für  je  2  Knechte  begehrte  er  einen 
Strohsack  und  eine  Decke,  für  jeden  Tag  Brot  und 
Wasser.  Das  zweite  wurde  gewährt,  das  erstere  abge- 
schlagen. Da  ihm  nun  von  andern  Obersten  berichtet 
wurde,  ihre  Leute  müssten  in  Dalmatien  auf  nackter 
Erde  liegen,  so  hielt  er  angesichts  der  Winterkälte 
an  seinen  gerechten  Forderungen  so  lange  fest,  bis 
sie,  wenn  auch  nicht  ohne  Unwillen,  erfüllt  wurden. 
In  Zara  angekommen,  begehrte  der  General  Foscolo,  er 
möchte  3  Compagnien  hierher,  3  nach  Sebenico,  2  nach 
Trau  und  3  nach  Spalato  legen,  worin  er  sofort  ein- 
willigte, weil  es  Orte  waren,  welche  die  Herrschaft  schon 
zur  Zeit  des  Abschlusses  des  Bündnisses  im  Besitze  hatte. 
Als  die  Compagnien  nach  ihrem  Bestimmungsorte 
aufbrachen,  Hess  ihn  der  General  rufen  und  sagte,  er 
habe  sich  entschlossen,  nur  2  Compagnien  in  Spalato  zu 
lassen  und  eine  nach  Clissa  zu  legen.  -)  Dieser  Verfügung 
stellte  sich  aber  Werdtniüller  entgegen,  da  die  Herr- 
schaft im  Zeitpunkt  des  Bündnisabschlusses  den  Türken 
die  Festung  Clissa  noch  nicht  abgenommen  hatte.  Als 
nun  Foscolo  heftig  wurde,  ging  er  darauf  ein  mit 
der  Bedingung,  den  Ort  zuerst  zu  inspizieren.  Man 
hätte    ihm    nämlich    versichert,    der  Platz   sei    zu    klein. 


1)  Bern.  Staatsarchiv.   V.  B.,  A.  pag.  987  f. 

2)  Clissa  wahrscheinlich  für  Lissa;  siehe  Figur. 


0/ 

um  sich  gegen  eine  Armee  halten  zu  können,  und  nur 
für  3  Monate  verproviantiert  und  bewehrt.  Bei  solcher 
Beschaffenheit  würde  es  ihm  natürlich  schwer  fallen, 
gegen  das  Bündnis  und  gegen  seine  Obrigkeit  zu  handeln. 
Wenn  aber  der  Herrschaft  so  viel  an  der  Verteidigung 
jenes  Ortes  gelegen  sei.  so  biete  er  sich  an,  denselben 
3  Monate  oder  so  lange  zu  besetzen,  bis  eine  Antwort 
aus  der  Schweiz  gekommen  sei.  Während  der  Zeit  der 
.  Besetzung  aber  müsse  ihm  Foscolo  alle  nötigen  Mittel 
verschaffen,  um  sich  nach  Notdurft  zu  ..verbauen",  und 
sobald  ein  abschlägiges  Schreiben  ankomme,  werde  er 
sich  erlauben,  abzuziehen.  Da  erklärte  der  General, 
auf  diese  Bedingungen  hin  ziehe  er  vor,  die  Garnison 
von  Clissa  mit  andern  Truppen  zu  belegen,  worauf  er 
(Werdtmüller)  das  Schreiben  unterliess.  Er  nahm  gleich- 
wohl Nachforschungen  vor  und  fand,  dass  der  Ort  wirklieh 
sehr  klein  sei  und  ganz  in  den  Grund  geschossen  werden 
könne.  Auch  sei  die  Verproviantierung  eine  sehr  unge- 
nügende, deshalb  möchte  er  gebeten  haben,  niemals  in 
die  Besetzung  Clissas  einzuwilligen,  sondern  lieber  den 
Unwillen  ganz  auf  ihn  zu  wälzen.  Er  wolle  eher  Leib 
und  Leben  lassen,  als  von  den  Bestimmungen  des  Bünd- 
nisses abweichen,  solange  eine  Abweichung  nicht  der 
beiden  Städte  Ehre  und  Ruhm  fördern  würde. 

Im  nächsten  Berichte1)  verbreiteten  sich  Werdt- 
müllers  Klagen  über  die  schlimmen  Zustände,  die  in 
seinem  Regiinente  herrschen.  Die  Bezahlung  der  Truppen 
stehe  seit  3  Monaten  im  Rückstände  und  es  sei  ihm  zu- 
gemutet worden,  sich  des  Kommissbrotes  des  Herrn  Ge- 
nerals zu  bedienen  und  zwar  zu  höhern  Preisen  als  es 
den  andern  Kriegsvölkern  verkauft  werde.  Damit  er 
dazu  gezwungen  würde,  sei  den  Bäckern  verboten  worden. 


»)  Bern.  Staatsarchiv,  V.  B.,  A.  1001. 


58 

Schweizern  Brot  zu  verkaufen;  ferner  fehle  es  an  Quar- 
tieren, und  die  bestehenden  seien  zu  wenig  geräumig, 
so  dass  die  Zahl  der  Kranken  stetig  anwachse. 

Die  beiden  Regierungen  wandten  sieh  sogleich  an 
den  Dogen  Franz  Molino  und  schrieben  ihm:1)  Sie 
hätten  durch  gewisse  Botschaft  erfahren,  dass  ihre  Truppe 
seit  einigen  Monaten  den  Sold  nicht  empfangen,  dass 
sie  in  Dalmatien  an  Getreide  und  Brot  Not  leide,  dass 
der  General  den  Soldaten  solches  verkauft  habe,  den 
Bäckern  aber  bei  schwerer  Strafe  verboten  worden  sei. 
dem  Reginiente  gegen  Bezahlung  Brot  zu  liefern.  Ihre 
Soldaten  würden  ausserdem  in  engen  Quartieren  oder 
Bäumen  gehalten,  so  dass  der  eine  leicht  vom  andern 
mit  todbringender  Krankheit  könne  angesteckt  werden. 
Wenn  nicht  Abhülfe  geschaffen  werde,  gehe  ihr  Regi- 
ment dem  sichern  .Verderben  entgegen.  Ein  solches 
Verhalten  von  Seiten  Venedigs  laufe  aber  dem  Wortlaut 
des  Bündnisses  und  der  Kapitulation  zuwider.  Deshalb 
setze  man  ihn  (den  Dogen)  und  durch  einen  ihrer  Räte 
den  in  Zürich  residierenden  Gesandten  davon  in  Kennt- 
nis, damit  jenen  Mängeln  unverzüglich  in  geeigneter 
und  schicklicher  Weise  abgeholfen  werde.  Er  sei  freund- 
lichst gebeten,  sich  der  Truppen  anzunehmen  und  die 
Übelstände  zu  beseitigen. 

Der  Ambassador  zeigte  sich  sehr  verwundert,  solche 
Klagen  zu  hören,  da  sich  die  Letzten  venezianisch-her- 
zoglichen Schreiben  sehr  lobenswert  über  das  Befinden 
des  Regiments  ausgedrückt  hätten.  Er  taxierte  Werdt- 
müllors  Behauptungen  als  Übertreibungen  und  versicherte.* 
dass  Venedig  allfälligen  Klagen  gewiss  Gehör  geschenkt 
und  schon  Abhülfe  getroffen  hätte.-) 


*)  Bern.  Staatsarchiv,  V.  B.,  A,  1019,  Lateinisch,   wie   alle   offi- 
ziellen Schreiben  an  den  Dogen. 

-)  Bern.  Staatsarchiv,    V.  B.    A,    1025.     Buadesarchiv,  Bd.  62. 


59 

In  hellem  Kontraste  zu  diesen  Trostesworten  des 
redegewandten  Gesandten  stand  ein  neuer  Bericht,  den 
Werdtmüller  5  Tage  später  von  Venedig  ans.  wohin  er 
zurückgeschifft  war.  um  persönlich  für  die  ausstehenden 
Gelder  zu  sollicitieren,  an  den  Rat  in  Zürich  überbringen 
liess  und  aus  dem  wir  entnehmen:1)  „Seidt  der  Zeit 
nun  als  ich  hier  bin  und  for  die  bezahlung  solicitiert 
habe,  ist  eine  Galeeren  mit  etwas  gelts  nacher  Dal- 
matien  geschickt  und  ich  dabei  von  H.  Savio  della 
Scrittura  versichert  worden,  dass  die  bezahlung  vor  mein 
underhabendes  Regiment  auch  darby  war.  alss  habe  ich 
mich  hiemit  da  ruft'  verlassen  und  zugleich  mein  Schiff 
mit  viertzig  tausendt  broten  und  andern  notwendig- 
keiten  beladen  mitgeschickt,  nieine  Offiziere  beordert 
die  Gelter  von  H.  Gen.  Comissäri  zuemphan  und  sich 
auff  hernachfolgenden  Monat  mustern  zulassen,  welliches 
v  jetzogedachten  H.  Gen.  Comiss'  zur  Antwort  wurde. 
es  wer  kein  gelt  vor  sy  vorhanden,  vorgebend  ich  hette 
es  zu  Venedig  empfangen,  wie  nun  aber  hier  noch  dorth 
das  wenigste  nicht  erfolgt.  Ich  auch  ohngewüss  was  er- 
folgen wirt.  und  allbereit  in  den  dritten  Monat  keine 
Bezahlung  empfangen,  auch  bis  dato  zur  Unterhaltung 
d<  --  Regiments  alles  so  in  meinem  vermögen  angewendet. 
alss  dass  mir  weder  mittel  noch  Credit  alhie  in  Venedig 
bald  mehr  übrig  ist.  Zwahren  schicken  Ich  Innen,  diss- 
mahl,  als  morgen,  mein  Schiff  mit  fünffzig  tausend  broten 
und  sovil  gelt  mittel  beladen  als  ich  habe  aufbringen 
khönnen.  weiss  auch  in  inehreres  nicht  zu  thun.  alss 
I.  I>.  dienstlichen  zebitten.  ob  Sy  geruhen  wolten.  mir 
eine  vollmacht  in  dero  selben  nammen  Ich  der  Durchl. 
Herrschaft  zu  traktiren,  zu  überschicken,  da  sy  mir 
darby  Ihren  willen,  meinung,  und  bet'ehl  durch  eine  In- 


')  Bern.  Staatsarehiv,  V.  I!..  A.  1035. 


60 

struktion  eröffnen  können,  welliche  von  mir  in  allein 
schuldiger  weisse,  gehorsammet  werden  soll,  damit  Ich 
mit  also  desto  mehrer  authoritet  meine  notwendigkeiten, 
und  beachtung  der  bündnuss  und  Capitulation  gemess 
fordern  und  in  acht  nehmen  machen  khönne,  auch  darby 
ein  bewegliches  Schreiben  an  die  Dhl.  Herrschaft  ab- 
gehen lasse,  so  alles  schleinigst  und  ohne  Verzug  beschehen 
nuiss.  erwarthe  alliier  die  Antwort  und  werde  under 
dessen  mein  tleiss  thnn.  dass  die  Knechte  wo  möglich 
erhalten  werdent."  .  .  . 

Die  Bevölkerung  Zürichs  und  Berns  war  nicht  er- 
baut über  solche  Nachrichten,  die  durch  Briefe  der  in 
Dalmatien  weilenden  Angehörigen  bekräftigt  wurden, 
(fehl  hatten  dieselben  trotz  ihren  Versprechungen  noch 
keines  nach  Hause  gesandt,  weil  es  ihnen  selbst  mangelte ; 
deshalb  stieg  die  Erbitterung  in  immer  höherem  Grade. 
Als  Werdtmüller  im  April  den  Hauptmann  Burkhardt 
als  Berichterstatter  nach  Zürich  sandte,  verabredeten 
die  Bauern,  ihn  auf  dem  Rückwege  abzufangen.  Er  ent- 
ging den  gestellten  Schlingen  nur,  indem  er  nachts  auf- 
brach und  den  Weg  über  St.  Gallen.  Innsbruck  und 
Trento  einschlug.  M  Bern  fand  es  überflüssig,  dem  Oberst 
durch  eine  neue  Instruktion  grössere  Autorität  zu  er- 
teilen, da  er  nach  dem  bereits  erhaltenen  Befehle  alle 
der  Kapitulation  zuwiderlaufenden  Forderungen  mit  ge- 
nügendem Nachdruck  ablehnen  könne.  Der  Doge  wurde 
von  neuem  ersucht,  wegen  der  allgemeinen  Teuerung,  in 
Italien  und  des  Brotmangels  in  Dalmatien  das  Regiment 
pünktlich  auszuzahlen  und  für  dessen  Wohl  bedacht  zu 
sein.  Eine  ähnliche  Aufforderung  erging  an  den  General 
Foscolo.-) 


)  Bundesavchiv,  Bd.  62.  April  49. 
-)  Bern.  Staatsarchiv.  V.  B..  A.  pag.  1043. 


61 

Was  antwortete  nun  der  Doge?1)  ..Wir  haben 
Ihnen  bei  allen  Anlässen  so  klare  Zeugnisse  und  Proben 
unserer  Herzlichkeit  und  aufrichtigen  Affektion  gegeben, 
dass  Sie  deren  wohl  versichert  sein  können.  Aus  diesen 
Gründen  dürfen  Sie  auch  überzeugt  sein,  dass  Ihr  Regi- 
ment wohl  gepflegt,  das  Bündnis  mit  vollständiger  Pünkt- 
lichkeit eingehalten  wird  und  Ihren  Soldaten  jede  ge- 
bührende Genugthuung  zukommt.  Es  mag  sein,  dass  die 
Aliwesenheit  des  Obersten  einige  Unordnung  verursacht 
hatte,  doch  wird  diesem  remediert  werden,  weil  er  so- 
fort wieder  in  die  Provinz  vollständig  befriedigt  zurück- 
kehren wird,  wie  es  Ihre  Herrlichkeit  von  unserm  Resi- 
denten mündlich  weitläufig  vernehmen  werden." 

Venedig  nahm  es  wohl  nicht  so  genau  mit  der  Wahr- 
heit, sobald  ihm  diese  nicht  passte,  und  es  mochte  dabei 
wohl  an  Frankreich  ein  Beispiel  nehmen,  das  sich  ja  auch 
kein  Gewissen  daraus  machte,  seine  Politik  mit  der  Schweiz 
oft  durch  so  zart  gesponnene  Lügengewebe  zu  verhüllen, 
dass  nur  geübte  Augen  auf  den  Grund  der  Wahrheit 
durchzublicken  vermochten.  Werdtmüller,  dem  obige 
Antwort  zur  Einsicht  gesandt  wurde,  bedauerte  in  einem 
langen  Schreiben,  dass  Venedig  so  sehr  von  der  Wahr- 
heit abweiche,  und  beteuerte  von  neuem,  alles,  was 
>ich  zugetragen,  der  Sache  gemäss  dargestellt  zu  haben. 
Dafür  werde  ihm  jeder  ehrliche  Mann  seines  Regimentes 
Zeuge  stehen. 2) 

Werdtmüller  fand  aber  nicht  bloss  Schwierigkeiten 
bei  Venedig,  sondern  er  wurde  auch  von  seinen  Sol- 
daten bei  der  Regierung  verklagt,  er  habe  einen  der 
Hauptleute  ..schmählich"  angefahren  und  sogar  in  Arrest 
gesetzt:    ein  Soldat    sei    durch   nachlässiges  Verschulden 


')  V.  B..  A.  1.  Mai. 

2)  Bern.  Staatsarchiv.  V.  B..  A.  1075  f. 


62 

des  Oberprofossen  übel  verletzt  worden;    sie   entbehren 

ihres  Seelenheils,  weil  sie  nie  Gottes  Wort  hören,  die 
Kriegsjnstiz  sei  nicht  richtig  organisiert,  und  sonst  werde 
der  Ehrensold  nicht  nach  eidgenössischen  Gebräuchen 
entrichtet. 

Gegen  solche  Anklagen  suchte  sich  der  Regiments- 
kommandant zu  rechtfertigen:1)  ..Die  wachten  und  Ihr«' 
Schuldigkeit  lim  Kriegsdiensten  gegen  dem  Fürsten  be- 
treffend, weiss  ich  bald  nicht  wo  ich  anfangen  sol,  Ich 
müsste  ganze  Bücher  papeyr  haben,  wenn  ich  alles  be- 
schreiben wolte.  allein  will  ich  sagen,  dass  in  Bressa, 
nit  nur  by  hellem  tage,  sondern  by  der  nacht,  die  officier 
und  bald  alle  Soldaten  bis  an  die  Schiltwachen,  von 
Ihrem  Corps  des  gardes  sich  absentirt,  und  an  andern 
orthen  Ihren  eigenen  geschafften  nachgehende  sich  haben 
befinden  lassen,  so  'Ich  Ihnen  besten  theils  ohne  anders 
als  mit  worten  gestrafft  habe  lassen  hingehen,  vermei- 
nende es  were  auss  ohnwissenheit  und  ohnerfahrenheit 
beschehen,  welliches  wie  es  nit  nachlassen  wollte,  und  bald 
je  lenger  je  arger  ward,  hat  Ich  auch  nit  fortkommen 
khönnen,  weilen  mir  underschidlich  Klagen  zukhommend, 
dass  Herr  hauptmann  Hermann  und  Etter  zu  Zebenigo 
nit  nur  das  Vollsaufen  auff  der  wacht  zu  glitt  hielten, 
sondern  sy  sich  selbst  sömlicher  gestallt  überwinternd, 
dass  es  mir  schände  vor  männiglich  were.  als  habe  ich 
es  denselben  untersagt,  In  bysyn  des  hauptmann  Loch- 
niann  und  Ihnen  därby  getrüwet,  dass  so  sehr  sy  nicht 
darum  ablassen,  und  darby  Ihre  Knecht  in  schuldiger 
Disciplin  halten  werdend,  werde  ich  nit  unterlassen, 
mich  ohne  Ihr  wüssen  In  der  Stille  nach  Zebenigo  zu 
begeben,  die  wacht  zu  besuchen  und  wider  die  schlafen- 
den oder  getrunkenen  ohne  einiches  umbsehen  auch  so 

M  Idem. 


63 

sy  sich  lim  eigener  Persohn  wegen  dieses  Fehlers  theil- 
hafftig  machend,  die  execution  vornemmen,  worüber  sy 
mir  sömlicher  gestalten  widersprochen,  und  diesen  fehler 
auf  viel  Wäg  beschönen  wölten,  so  keinem  Offizier  in 
keinem  wege  nicht  zusteht,  das  Ich  Ihnen  das  still- 
schwygen  gebietten  müssen  und  sy  nach  mahlen  be- 
tröuwet,  dass  ich  Ins  künfftig  nicht  mehr  mit  Worten, 
sondern  in  der  that  straffen  werde,  über  alles  dies  ist 
nicht  mehr  besserung  erfolgt,  als  dass  weilen  ich  hier 
bin,  sy  sich  so  ärgerlicher  weiss  verhalten,  dass  der 
Proveditor  zu  höchster  schand  und  schmach  der  nation 
ihnen  bald  die  wachten  nit  mehr  zu  versehen  hatt 
trauwen  wollen,  andere  halten  Ihren  Knechten  erlaubt. 
bei  geschlossenen  thoren,  besetzter  wacht  und  umb  mitter- 
nacht  feüwer  zugeben,  welliches  alles  Sachen,  so  leib  und 
laben  verwürkhen,  und  ich  mit  Wahrheit  sagen  kann. 
dass  wenn  es  einer  von  den  Züricher  hauptlüthen  ge- 
than,  er  ohne  verdiente  straffleidung  nicht  hette  sollen 
darvon  khommen,  weilen  sy  sich  aber  sinnlicher  gestalten 
niemahl  haben  finden  lassen,  habe  ich  nit  gern  by  den 
bernern  anfangen  wollen,  damit  sy  nicht  ursach  hetten 
sich  zu  klagen,  dass  Ich  Ihnen  scherffier  were,  als  den 
meinigen,  so  Ihnen  nicht  zu  geringem  glimpff  gedient, 
von  den  falschen  musterungen,  so  sy  gemachet,  wil  ich 
nichts  sagen  .  .  .  were  schier  zu  schandtlich  wenn  ich 
sagen  solte,  dass  über  mein  vilfaltiges  vernemmen  hin. 
ich  sy  nit  habe  khönnen  darzu  bringen,  dass  sy  nur 
Ihre  Knechte  lehrnend  das  gewehr  recht  führen,  was 
Ihre  Schuldigkeit  antrifft  gegen  den  krankhen.  was  Ich 
auch  mit  Ihnen  angefangen,  habe  ich  doch  einen  theil 
nit  khönnen  darzu  bringen,  dass  sy  derselben  die  geringste 
rächnung  hetten,  worüber  die  so  krank  gewesen  sind, 
seiner  zyt  die  beste  zügnuss  werden  geben  khönnen. 
mäniglich  hatt  sich  daroh  geärgert,  es  sind  mir  die  tage 


64 

meines  läbens  vil  ohngleiche  Sachen  vor  äugen  khonnnen. 
aber  dergleichen  niemahlen,  sy  sagten  zu  Ihrer  ent- 
schuldigung,  sy  wöllent  es  gegen  Ihrer  Oberkheit  ver- 
antworten, wie  es  nun  die  sach  ist.  die  mich  weiters 
nicht  berührt,  als  lass  ich  es  darby  hiss  es  an  mein 
zügnuss  khommen  wird,  bewenden  .  .  .  was  den  feld- 
prediger  anlangt,  wird  niemand  khönnen  sagen,  dass  ein 
tag  werc  verseümt  worden,  dass  nicht  alle  morgen  or- 
dentlicher weise  in  allen  Quartieren  das  Gebett,  neben 
verlassung  etwan  eines  schönen  Spruchs  heiliger  Schnitt 
und  kurze  begriffliche  ausslegung  darüber  were  gehalten 
worden,  dass  inen  niemand  hatt  zuhören,  oder  dass  man 
die  so  zugehört,  mit  schlegen  hett  by  bringen  müssen, 
hatt  das  Gebätt  und  gute  Institution  kein  schuld.  Seidt 
der  Zeit  nun,  dass  das  Regiment  zerteilt  ist.  hatt  die 
mögiichkeit  nit  zugegeben,  d;iss  der  feldprediger  alle 
Wuchen  oder  Mönnat  in  allen  guarnisonen  predigen, 
und  ist  er  zu  hochen  festzeiten  von  einer  besatzung 
zu  der  andern  gefahren,  hatt  denselben  gepredigt  und 
des  Herrn  Abendmahl  adminiestriert.  was  er  nun  mehreres 
hatte  thun  khönnen,  oder  sollen,  kann  Ich  mir  nicht  ein- 
bilden, von  Zara  bis  Zebenigo  hatt  es  50  Meil .  von 
Zebenigo  naher  Trau  75,  von  Trau  naher  Spalatio  14 
zu  lö.  es  ist  mir  ja  nicht  zuzumuthen,  so  manchen 
feldprediger  als  guarnisonen  zu  halten  ..." 

Was  die  Verletzung  eines  Soldaten  durch  den  Pro- 
fossen  anbelange,  so  verhalte  es  sich  so,  dass  ein  Marke- 
tender dem  von  ihm  ernannten  Oberprofossen  die  Ge- 
bühr nicht  entrichten  und  ihn  überhaupt  nicht  habe  an- 
erkennen wollen,  worauf  dieser  den  Degen  gezogen,  dem 
Fliehenden,  von  einem  Schiff  aufs  andere  Springenden, 
einen  Hieb  versetzt  und  ihm  in  der  Wade  eine  unge- 
fährliche, schon  geheilte  Wunde  beigebracht  habe.  Als 
nun  der  Marketender   bei  seinem  Hauptmann  v.  Erlach 


65 

Klage  geführt  habe,  sei  dieser  zu  ihm  (Werdtmüller)  ge- 
kommen und  habe  die  Bestrafung  des  Profossen  verlangt. 
Als  er  dies  verweigerte,  habe  er  ihm  gedroht,  worauf 
er  in  Arrest  gesperrt,  aber  auf  Fürbitten  seiner  Kame- 
raden und  naeh  Geständnis  seines  Fehlers  wieder  sei 
enthissen  worden.  Von  allen  Kriegsverständigen  solle 
somit  ..judiziert"  werden,  dass  er  seine  (lewalt  nicht 
missbrauche,  sondern  im  Gegenteil  zu  wenig  Gebrauch 
davon  mache.  Ferner  werde  ihm.  er  wisse  nicht  von 
welcher  Seite,  geschäftlicher  Eigennutz  vorgeworfen.  So 
hinge  er  dem  Regiment  vorstehe,  habe  er  keinem  Haupt- 
mann, geschweige  denn  einem  Knechte  auch  nur  in  Ge- 
danken zugemutet.  Brot.  Wein  oder  anderes  von  ihm 
zu  beziehen,  dessen  er  niemals  mehr  besessen,  als  zu 
seinem  eigenen  Haushalte  nötig  war.  Dass  er  hierher 
habe  Brot  senden  lassen,  sei  richtig,  weil  er  von  Haupt- 
mann Wyss  durch  einen  Express  berichtet  worden,  es 
herrsche  Geld-  und  Brotmangel;  in  Sebenico  sei  keines 
mehr  zu  bekommen  und  er  selbst  esse  Hirsebrei.  Hier- 
auf habe  er  sogleich  sein  mit  Brot  beladenes  Schiff  hin- 
geschickt, das  mit  vielem  Dank  sei  aufgenommen  worden. 
Der  Hauptmann  Hermann  könne  gefragt  werden .  in 
welche]-  Weise  der  Proveditor  in  Seitenico  des  Brotes 
halber  mit  ihm  unterhandelt  habe.  Für  einige  Zeit  habe 
er  ihm  verschiedene  Centner  Brosamen  geliefert.  Abfälle 
fler  magazinierten  Biskuits,  die  voller  Würmer  und  Unrat 
von  Katzen  und  Mäusen  gewesen  seien.  Zugleich  habe  er 
den  Bäckern  bei  höchster  Strafe  bis  auf  weitern  Befehl 
verboten,  Brot  zu  backen  und  das  Gebackene  zu  ver- 
kaufen. Somit  hätten  die  Knechte,  wenn  sie  nicht  ohne 
Brot  sein  wollten,  sich  obiger  Abfälle  bedienen  müssen. 
Der  Befehl  sei  so  scharf  erteilt  worden,  dass  der  Bäcker, 
welcher  um  dieselbe  Stunde  dem  Hauptmann  Hermann 
sein  Brot  aus  dem  Ofen  zog.  ihm  dasselbe  nicht  habe  über- 

Arehiv  des  histor.  Vereins. 

XV.  BaDd.     I.Heft.  5 


66 

bringen  wollen  ohne  die  Erlaubnis  des  Proveditoren.  Von 
seinen  Leuten  sei  er  berichtet,  dass  jetzt  in  Zara  etwas 
Brot  zu  bekommen,  aber  in  Sebenico,  Trau  und  Spalato 
für  Geld  nicht  zu  haben  sei.  Sollte  er  nun  keinen  Dank 
dafür  verdienen,  dass  er  befahl,  den  Hauptleuten  Berns 
von  seinem  Brot  soviel  sie  bedurften  zu  verabfolgen,  so 
könnte  er  sich  die  Mühe  ersparen  und  dasselbe  nur  den 
Zürchern  schicken.  Es  wäre  aber  unbillig,  die  ehrlichen 
Knechte  den  Undank  entgelten  zu  lassen.  Bei  der  ersten 
Bezahlung  in  Zara  habe  man  ihm  2000  Real-  oder  Dölpel- 
thaler  anbieten  wollen,  einen  jeden  zu  l>  Gulden,  was 
er  aber  zurückgewiesen  habe.  Die  Quartiere  betreffend 
würden  seine  Truppen  gleich  andern  Oltr-amontani  logiert, 
da  sie  aber,  wie  er  schon  gemeldet,  zu  eng  beisammen 
lägen,  und  der  Gestank  der  Kranken,  die  meistens  an  der 
Ruhr  litten,  auch  die  Gesündesten  hätte  infizieren  müssen, 
habe  er  danach  getrachtet,  die  Quartiere  zu  erweitern,  was 
ihm  nach  vielem  „Contestieren"  und  Klagen  gelungen  sei, 
so  dass  jetzt  seine  Knechte  besser  als  alle  andern  ein- 
quartiert seien.  Er  glaube  nun  nicht,  die  Meinung  der 
Regierung  gehe  dahin,  er  solle  zu  allem  schweigen,  und 
dafür  das  Regiment  dem  Ruin  überliefern.  —  Die  Regi- 
mentsstellen habe  er  im  Beisein  aller  Hauptleute  aus- 
geteilt, näuilich  die  des  Oberrichters  an  einen  Zürcher, 
die  des  Oberprofossen  an  einen  Berner.  Die  Hauptleute 
seien  ermahnt  worden,  ihr  Offiziers-  und  Unteroffiziers- 
cadre  complet  zu  halten,  da  sonst  für  jeden  Mangelnden 
ein  Ehrensold  abgezogen  werde.  Einige  hätten  nur  um 
dieses  Ehrensoldes  willen  lieber  von  einem  Wachtmeister 
abstrahiert  als  von  einem  Gerichtsweibel,  an  dem  doch 
nichts  gelegen  sei.  „Die  übrigen  zwo  stellen",  fährt  ei- 
fert, „als  obrist  Leutnant  und  Major  habe  ich  mich 
darmit  verhalten,  als  by  allen  alten  Schwytzer  Regi- 
mentern in  Frankreich  brüchig  gewessen,  und  bey  theilen 


67 

noch  ist,  der  älteste  und  meritierteste  Capitarä,  der  com- 
mandirt  nach  dem  Obristen,  zwahren  ohne  Tittul  eines 
obrist  Leutnants,  das  hatt  der  hauptmann  Hermann  thun 
sollen,  ob  er  gleich    etwas  schwach  ist.  was  ich  gethan, 

habe  Ich  gethan.  einzig  darum,  dass  die  H.  Löbl.  Statt 
Bern  kein  Ursach  habend  zu  klagen,  als  ob  Ich  den 
nicht  for  gut  achtet,  den  sy  zu  Ihrem  ersten  Hauptmann 
erwellet  haben,  die  Majorstelle  hatt  der  Herr  Haupt- 
mann Stapffer  versehen  sollen  im  Felde,  vermeine  hie- 
mit.  dass  Ich  an  Eidgenössischer  manier  die  Ämbter 
auszuteilen  nichts  versäumt  habe."  .  .  .  Zur  Bezahlung 
dessen;  was  man  ihm  zur  Erhaltung  des  Regiments  £fe- 
liehen,  wolle  man  ihm  weder  Pfennig  noch  Heller  geben, 
und  man  spreche  davon,  die  Truppe  nach  der  ersten 
Musterung  mit  Abzug  all  der  seither  Gestorbenen  zu 
besolden.  Wenn  die  Räte  nun  solche  Unbill  leiden  und 
den  gegenteiligen  Behauptungen  des  Residenten  mehr 
Glauben  schenken  als  ihm.  so  lasse  er  es  seinerseits  nun 
auch  £re>chehen.  denn  er  sehe  seine  Ptlichten  erfüllt. 
Da  es  nicht  anders  sein  könne,  so  reis«  er  nun  ohne 
Geld  nach  Dalmatien  zurück.  Die  Mittel  fehlen  ihm 
jetzt  so  vollständig,  dass  er  nicht  einmal  mehr  seine 
Zeche  bezahlen  könne.  Hunger  und  Kummer,  die  an 
seinen  Soldaten  nagen,  werden  mit  zunehmender  Hitze 
die  Pestilenz  erzeugen  helfen.  Sein  Regiment  rufe  er 
nochmals  für  alle»  Gesagte  zum  Zeugen  an  und  er  füge 
sich  willig  jeder  Strafe,  wenn  er  unredlich  gehandelt, 
habe  er  aber  den  richtigen  Weg  eingeschlagen,  so  hoffe 
er.  wieder  in  Gnaden  aufgenommen  zu  werden. 

Der  durch  Werdtmüllers  Bericht  angeschuldigte 
Hauptmann  wies  in  einem  umfangreichen  Briefe  die  An- 
klagen des  Obersten1)  in   den  stärksten  Ausdrücken  zü- 


rn. Staatsarchiv,  V.  B  .  A.  1087 


68 

rück.  Er  wünscht,  so  begann  er,  der  Oberst  möchte 
in  der  Verwaltung  des  Regimentes  etwas  eidgenössischer, 
in  der  Beschreibung  desselben  etwas  vernünftiger  und 
gebührlicher  verfahren  und  in  drn  Schranken  der  lautern 
Wahrheit  verbleiben,  mit  der  er  sich  so  mächtig  brüste. 
Dann  fuhr  er  fort,  der  Oberst  rüge  das  „Vollsaufen" 
und  Schlafen  auf  der  Waeht.  Den  Anlass  zu  diesem 
Tadel  beschreibt  er  ungefähr  wie  folgt:  Einst  genossen 
Etter.  Lochmann  und  ich  mit  Werdtmüller  auf  einer 
kleinen  Insel,  ungefähr  drei  stunden  von  Sebenico  ent- 
fernt, ein  kleines  ..Xachtmäli".  Da  wurde  das  Gespräch 
unter  anderem  auch  darauf  gehütet,  ob  ein  Offizier,  dem 
ein  grösserer  Platz  zur  Wache  übergeben,  während  der 
Nachtzeit  ,.mit  gutem  Titul"  und  ohne  Verletzung  seiner 
Charge  nicht  schlafen  dürfe.  Hauptmann  Etter  und  ich 
behaupteten,  es  sei  einem  Offizier  gestattet,  nach  Ver- 
richtung seiner  Hauptrunde  bei  den  Schildwachen  und 
nach  Erfüllung  seiner  übrigen  Pflichten,  sich  auf  einem 
Strohsack  oder  auf  der  Matratze  ein  wenig  auszuruhen 
und  zu  schlafen.  Dies  wollte  der  Oberst  nicht  gut 
heissen,  da  er  keinen  Widerspruch  leidet,  sondern  immer 
glaubt,  man  müsse  sein  Wort  als  ein  Heiligtum  annehmen, 
woran  aber  Etter  und  ich  noch  nicht  gewohnt  waren. 
Dies  sei  der  Diskurs  und  das  „vorwvsslich"  Widersprechen, 
das.  wie  der  Oberst  behaupte,  gegen  ihn  verübt  worden  sei 
Was  das  mitternächtige  Schiessen  anbelange,  so  möge 
es  sich  ereignet  haben,  dass  etwa  einem  Soldaten  aus 
Ungeschicklichkeit  ein  Schuss  entging,  was  aber  den 
Zürchern  ebensogut  wie  den  Bernern  widerfahren  könne. 
Es  sei  freilich  nicht  zu  verwundern,  dass  auch  hier  die 
Berner  den  „Unglimpf"  auf  sich  nehmen  müssen,  wie  es 
schon  an  andern  Orten  geschehen  sei.  Auf  diese  Art 
suchte  der  gemassregelte  Hauptmann  alle  Punkte  zu 
widerlegen  und  fand  schliesslich  den  Grund  der  Klagen 


69 

darin,  dass  sich  Werdtmüller  in  seiner  Ehrsucht  den 
Generalen  gleichstellen  wolle    Die  Rechtfertigung  schloss 

mit  den  Worten:  „Dies  ist.  gnädige  Herren  und  Obere 
mein  nach  Wahrheit  und  Geschichte  verfasster  Gegen- 
bericht und  Verantwortung  zu  dem  scharfen  Klag-  und 
Invectivschreiben  des  Oberst  Werdtmüller." 

Die  bernische  Regierung  mahnte  ihre  Hauptleute 
an  ihre  Pflichten,  zu  festem  Gehorsam  gegenüber  dem 
Obersten  und  Hess  es  damit  bewenden. 

Venedigs  Wünsche  zielten  immer  noch  dahin,  die 
Festung  Clissa.  trotz  den  Weigerungen  des  Obersten,  mit 
Schweizern  zu  besetzen.  Der  Doge  schrieb  am  1.  Mai 
1649 11)  Da  der  Krieg  näher  rücke,  habe  er  schon  öfters 
darum  ersucht  und  thue  es  wieder,  dass  das  Regiment 
auch  zur  Beschirmung  von  Clissa  und  anderen  den  Türken 
abgenommenen  Plätzen  mochte  verwendet  werden.  Da- 
durch würde  er  ihnen  zu  höchstem  Danke  verpflichtet, 
und  der  böse  Anstrich,  den  eine  gegenteilige  Erklärung 
zur  Folge  haben  würde.  Hesse  sich  so  vermeiden  :  denn 
es  könnte  dem  „Concept"  und  der  Reputation,  welche 
die  tapfere  Schweizernation  geniesse,  nur  „prejudicierlich" 
sein,  wenn  sie  sich  in  einer  so  wichtigen  Angelegenheit, 
die  den  Glauben,  die  Religion  und  den  Dienst  Gottes 
anbetreffe,  von  allen  andern  Nationen  „absündern"  wollte. 

Venedig  wurde  jedoch  der  definitive  Entscheid  zu- 
gestellt,3) dass  man  aus  triftigen  Gründen  die  Besetzung 
Clissas  und  anderer  nicht  im  Bündnis  inbegriffenen  Orte 
nicht  zugeben  könne,  weil  sich  die  schwache  Besatzung 
gegen  die  starken  Kräfte,  mit  welchen  die  Türken  ge- 
wöhnlich Belagerungen  vorzunehmen  pflegen,  nicht  halten 
könnte    und   bei    Übergabe   trotz   vorher    geschlossenen 


')  Bern.  Staatsarchiv.  V.  B.,  A,  1.  Mai  1649. 
2)  Bern.  Staatsarchiv.  V.  B.,  A,  15.  Mai  L649. 


70 

Accordes  wahrscheinlich  niedergemacht  würde.  Aus 
diesen  und  anderen  Konsiderationen  möchte  man  sich 
strikte  an  die  Punkte  der  Kapitulation  halten.  Dann 
wurde  wieder  gerügt,  dass  trotz  der  guten  Worte  und 
Anerbietungen,  die  jüngst  gemacht  worden  seien,  dennoch 
weder  Remedierung  noch  Satisfaktion  an  Zahlungen  er- 
folge uud  die  seither  verfallenen  Regimentssölde  mit 
den  vorausgehenden  noch  ausstehen.  Und  dies  alles 
angesichts  der  mächtigen  Rüstungen  des  Türken,  der 
nach  sicherem  Verlauten  noch  dieses  Jahr  Dalmatien 
angreifen  werde. 

Das  Rechtfertigungs-  und  Entschuldigungsschreiben, 
welches  Venedig  neuerdings  an  Zürich  adressierte,  wurde 
von  dort  an  Werdtmüller  spediert,  der  nun  seine  Meinung 
schriftlich  darüber  äusserte:1) 

Sie  (die  Regierung)  sei  wahrscheinlich  durch  das 
Schreiben,  das  der  Doge  an  sie  habe  abgehen  lassen,  über 
alle  Massen  erfreut  worden,  weil  er  ihnen'darin  behaupte, 
den  Soldaten  sei  bis  jetzt  alle  gebührende  Satisfaktion 
zu  teil  geworden.  Ihm  komme  nicht  zu,  den  Inhalt 
dieses  Briefes  zu  kritisieren,  nur  wolle  er  folgende  That- 
sachen  anführen:  ,.  .  .  .  am  gestrigen  tags"  —  so  lautet 
der  wörtliche  Text  -  „habe  ich  mich  behörigen  orthes 
angemeldet,  umb  eine  endtschafft  wo  möglich  zu  machen 
und  nochmalen  die  billigkeit  mynes  begehrens  die  aus- 
stehndten  Monnaten  halber  der  Pündtnuss  geuiess  vor- 
gehalten, warinn  mir  aber  ganz  nit  Ingewilliget  werden 
wollen,  sondern  begehrt  wurde,  ich  möchte  den  halben 
Teil  von  demme,  so  die  Pündtnuss  mir  zugiebt,  fallen 
lassen,  ich  entschuldigte  mich,  ich  kondte  es  nit  thun. 
weilen  mir  nit  zustünde,  das  geringste  in  der  Pündt- 
nuss zu  endern.    es  diene  gleich  zu  meinem  nutzen  oder 


*)  Bern.  Staatsarchiv,  V.  B.,  A,  5.  Juni  1641».  pag.  117'.». 


71 

schaden,   bette   hiemit    umb    die    schlünige    abfertigung 

und  ordre  an  den  H.  Gen.  Foscolo  wie  er  mich  trak- 
tieren solle,  ich  wolle  hoffen,  die  ordre  solle  mit  dem 
Schreiben,  so  der  Herzog  an  myn  gnedig  H.  u.  Ob.  ge- 
than,  in  denime  absolut  gemeldet  war.  dass  ich  mit  aller 
gebührenden  Satisfaktion  von  hier  verreisen  solle,  über- 
einstimmen, daruif  ward  ich  befragt,  wann  dann  ein 
sömlichs  Schrvben  were  abgangen,  ich  sagte  es  und  wies 
zuglych  die  Copv  samt  demme  was  der  Herr  Resident 
im  namnien  der  durchlüchtigen  Herrschaft  in  conformitet 
desselben  Uw.  H.  vorgetragen,  als  es  nun  gelassen,  ward 
der  Kopf  geschüttelt  und  lachend  gesagt,  diess  ist  ein 
schryben,  das  ein  Stand  gegen  den  andern  thut,  dadurch 
man  einen  guten  Willen  bezügen  will,  dass  verobligirt 
den  Fürsten  zu  nichts  und  hilft  üch  nichts:  üwre  an- 
forderungen  sind  unbillig,  ob  sie  glvch  in  dem  Pündnuss 
also  stehen,  so  syge  doch  das  bedünkhen  weilen  mann 
derglichen  allliier  mit  keiner  nation  gebruche.  dass  man 
so  gar  stricte  daran  nit  gebunden  syn  wolle:"  .  .  .  man 
begehre  nur  mit  ihm  zu  traktieren  und  nicht  mit  dem 
„Stand",  und  was  sie  miteinander  ausbedingen,  berühre 
das  Interesse  der  zwei  Städte  in  keinem  Punkt.  Er  habe 
entgegnet,  sich  in  keine  gegen  das  Bündnis  gerichtete 
Traktate  einzulassen,  und  wenn  er  nichts  erhalte,  so 
möge  man  ihm  dies  schriftlich  bestätigen,  damit  er  sich 
gegenüber  der  Obrigkeit  verantworte.  Darauf  hätten  sie 
ihm  erklärt,  er  solle  nur  abreisen,  er  werde  dann  schon 
erfahren,  auf  welche  Weise  ihn  der  General  behandeln 
werde.  Als  er  darauf  beharrt  habe,  ohne  Satisfaktion 
nicht  zu  weichen,  habe  man  ihm  versprochen,  die  An- 
gelegenheit beim  Dogen  noch  einmal  vorzubringen.  Als 
er  nun  seinen  Abschied  genommen,  sei  ihm  durch  einen 
Freund  im  Vertrauen,  eröffnet  worden .  es  herrsche 
dieses  Bündnisses  willen  grosser  Unwille.    Was  das  z.  B. 


72 

für  ''ine  Absurdität    sei,    dass   man   über    ein  Regiment 

nicht  nach  Belieben  verfügen  dürfe.  Stehe  dasselbe  ein- 
mal ausser  Dienst,  so  werde  sich  die  Herrschaft  dieser 
Nation  nie  mehr  bedienen,  und  wenn  sie  sich  für  ewige 
Zeiten  in  einen  Krieg  verwickelt  sähe. 

Er  ( Werdtmüller)  lege  zur  Illustration  seiner  Aus- 
sagen ein  Schreiben  des  Hauptmanns  Weiss  bei,  das  er 
ihm  am  18. /28.  Mai  von  Zara    nach  Venedig  gesandt.1) 

„Wir  stehen  in  allerhöchster  Noth",  so  berichtet 
Weiss.  ,,in  der  Hoffnung,  dass  mein  Herr  Obrister  gleich 
nach  dem  fest  der  Auffahrt  khommen  würde,  haben  wir 
alles  gethan,  dem  Herrn  General  um  gälthilf  unter- 
tänigst anzuhalten,  der  hätt  sieh  entschuldigt,  dass  er 
vor  dissmahlen  selbstens  benötiget  were,  gleichwohl  uns 
300  senden  vorgesetzt,  was  das  nun  by  dem  Herrn 
Cap.  Lieut.  der  jetzunder  300  mann  zu  verpflegen  hatt. 
und  bey  mir.  der  Ich  bey  nahe  150  mann  habe,  ge- 
holffen,  wirf  mein  Herr  Obrister  Selbsten  weisslich  er- 
messen khönnen.  Ich  vor  meine  Persohn,  wil  meinen 
Herrn  Obristen  ganz  dienstlich  gebetten  haben,  Er  wolle, 
wo  möglich  mit  allererster  gelegenheit  mir  zu  hilff 
khommen.  Herr  Hauptmann  Lochmann  ist  auch  allhier 
und  erwartet  dess  Herrn  Obristen.  mit  höchstem  ver- 
langen, Herr  Hauptmann  von  Erlach  schreibt  mir  auch 
einen  brieff  über  den  andern,  es  ist  in  Summa  by  uuss 
nichts  denn  nach  gelt  ruffen,  meine  Soldaten  stehen  mir 
immer  vor  der  thür.  und  kann  Ich  Ihnen  nit  helffen. 
wir  geleben  aber  der  Hoffnung,  Unser  Herr  Gott  werde 
unss  durch  meines  H.  Obristen  glückliche  ankunfft,  die 
er  fördern  wolle,  erlössen." 

Hauptmann  Etter  und  Weiss  wurden  dann  von  den 
andern  Hauptleuten    aufgefordert,    in   aller   Namen   der 


')  Bern.  Staatsarchiv.  V.  B.,  A.  pag.  1183. 


7» 

Regierung  die  misslichen  Zustände  ausführlicher  zu 
schildern.  Hauptmann  Hermann  war  nämlich  Geschäfte 
halber  heimgereist  und  hatte  noch  nichts  von  sich  und 
seiner  Beschwerdeführung   bei   der  Regierung  verlauten 

lassen.     Die    beiden    erzählen    nun:1) der  stärke 

halben,  so  sind  die  6  Compagnyen,  von  Zürich  noch  un- 
geverd    600   man,    unsere    Unterhabenden    Compagnyen 

aber  sind 554  .Mann.2)  gottlob  .fetz    alle   frisch 

und  gesund,  allein  ist  seith  das  Hauptmann  Etter  von 
Zelienico  verreist,  welches  den  3.  diess  inonats  besche- 
chen,  Bericht  alhir  zu  Zara  angelangt,  dz.  daselbst  unter 
der  Burgerschafft  die  Pest  ingerissen,  dass  auch  der- 
selben etliche  gestorben,  unter  der  Soldatesca  aber  noch 
niemands  Krank  seye,  Gott  wolle  uns  noch  verner  dar- 
vor  bewahren. 

Der  Traktation  und  Unterhaltung  hallten  Haben  wir 
von  dem  Monat  Jenner,  wellicher  unser  Hr.  Oberster 
zu  Venedig  bekhommen,  nit  mehr  empfangen,  als  Jede 
Compagney  200Doblonen  und  etlich  Tausend  Broth,  doch 
einer  mehr  als  der  andere,  also  dz.  gleichwohl  keiner 
nit  ist.  dem  nit  noch  etwas  von  dem  monat  her.  noch 
ussstande,  mit  diesem  halten  wir  unsere  Soldaten  nit 
lang  erhalten  können,  sondern  haben  nach  andern  mitten 
trachten,  und  also  bald  einer  hier,  der  andere  dort,  mit 
höchster  Ungelegenheit  und  Unkosten,  gelt  entlehnen, 
wein  und  Brot  uff  Borg  nemmen  und  den  margetentern 
geben  müssen,  die  Soldaten  desto  besser  ausszebringen. 
Weilen  aber  sölliches  gar  zulang  wahren  wollen,  sind 
entlichen,  alle  Hauptleuth  und  Ober  Comandanten  der 
Compagnyen,  so  diesmahlen  Keine  Hauptleuth  haben, 
allhar    nach    Zara    »efahren.    um     dem    Hr.    Generalen 


')  Bern.  Staatsarchiv,  V.  B..  A,  pag.  1225  f. 

-)  Hermann  80,  Ett^r  136,  Weiss  1 18,  Jeaner  !)4.  v.  Ei-kick  96. 


74 

unsern  armen  Zustand  zu  klagen,  und  zugleich  um  gelt 
und  Hilffs  mitel  zepitten." 

Als  die  beiden  Hauptleute  für  die  ausstehenden 
vier  Monatssolde  (Februar  bis  Mai)  sollieitirten,  ent- 
gegnete der  Generalkommissär,  Bruder  des  Dogen,  man 
habe  die  Galeeren  nur  mit  zwei  Monatssolden,  also  mit 
30,000  Dukaten  beladen  und  davon  habe  der  Oberst 
in  Venedig  vor  der  Absegelung  schon  5000  bezogen;  die 
andern  gehören  ihnen,  sofern  man  sich  für  den  März 
mustern  lasse  (statt  für  den  Horner).  Sie  schlugen  diese 
kapitulationswidrige  Bedingung  aus.  worauf  er  erwiderte, 
er  sei  nur  ein  Diener  und  dürfe  von  sich  aus  nichts 
beschliessen.  Er  wies  sie  an  den  General,  der  ihnen 
nach  langem  Sträuben  ohne  Musterung  die  25,000  Du- 
katen zustellte.  Solange  die  Soldaten  das  Wochengeld 
von  einer  Krone  empfingen,  konnten  sie  sich  genügend 
ernähren,  obwohl  das  Brot  teurer  sei  als  in  Italien.  Als 
keines  mehr  aufzutreiben  war.  wurde  ihnen  von  der 
Herrschaft  das  Kommissbrot  bewilligt,  aber  nur  gegen 
Barzahlung.  Für  diesmal  gab  ihnen  der  General  das 
Versprechen,  die  Bezahlung  bis  zur  nächsten  Soldaus- 
teilung zu  verschieben.  Hierauf  fuhren  die  Hauptleute 
mit  dem  erhaltenen  Gelde  wieder  zu  ihrer  Truppe  zu- 
rück und  Hessen  Etter  und  Weiss  hier,  um  des  Obersten 
Ankunft  zu  erwarten.  Da  dem  General  von  allen  Orten 
glaubwürdige  Berichte  zukamen,  der  Feind  ziehe  mit 
grosser  Macht  über  das  bosnische  Gebirge  gegen  Dal- 
matien.  war  er.  um  den  festen  Plätzen  näher  zu  sein  und 
des  Feindes  Vorhaben  auszukundschaften,  mit  2  Galeeren 
und  etlichen  kleinen  Schiffen  nach  Sebenico  gesegelt. 

Die  bernische  Regierung  gab  in  einem  Antwort- 
schreiben ihren  Hauptleuten  zu  verstehen,  sie  möchte 
noch  bestimmter  wissen,  wie  sich  eigentlich  die  Sache 
verhalte,  damit  sie  einen  zweckentsprechenden  Entschluss 


10 

fassen  könne.  Zu  dem  Behufe  sende  sie  den  tüchtigen 
Boten  Johannes  Kaiser   mit  einem  verständigen  Offizier 

nach  Dahnatien.  damit  dieselben  nachher  als  Augenzeugen 
die  Sachlage  zu  schildern  imstande  seien.1)  Der  Resident 
behaupte  fortwährend,  das  Regiment  befinde  sich  durch- 
aus nicht  in  so  schlimmen  Verhältnissen,  wie  der  Oberst 
es  ihnen  in  grellen  Farben  male:  denn  die  Offiziere  in 
Dalmatien  hätten  noch  keinen  Anlass  zu  Beschwerden 
gefunden. 

Weiss  wies  sogleich,  wie  zu  erwarten  war.  die  Falsch- 
heit der  Vorstellungen  Sarottis  nach:2)  ..Wenn  der  Herr 
Resident  an  die  beyden  Lobl.  Stände  Zürich  und  Bern 
vorgegeben,  es  nehme  ihn  wunder,  was  der  Herr  Obrister 
Werdtmüller  klage,  da  doch  die  Hauptleüte  ein  sattes 
Vernügen  haben  und  mit  Einer  durchl.  Herrschaft  der 
bezahlung  halben  wohl  zufrieden  seyen:  Ilatt  er  es  vor 
<i  oder  7  Monaten  gesagt,  so  ist  ihm  also,  denn  damals 
waren  wir  noch  wohlbezahlt,  ist  es  aber  seit  einem 
Monat  '2  oder  4  geschehen,  so  ist  der  gute  Herr  der 
sache  im  gründe  nit  berichtet  gewesen,  die  erfahrung 
bezeuget  das  widerspil,  und  haben  wir  ja  so  grosse  ursach 
zu  klagen  als  der  Herr  Obrister  immer  haben  kau  .  .  ." 
Dann  fuhr  er  weiter,  seit  fünf  oder  sechs  Wochen  seien 
Sebenico  und  Zara  mit  der  Pest  befallen  worden  und 
viele  Leute  seien  derselben  schon  erlegen.  Der  Proveditor 
aus  ersterem  Orte  habe  den  General  Foscolo  benach- 
richtigt, es  sterben  täglich  so  viele,  dass  man  sie  nicht 
mehr  zählen  könne  und  die  toten  Körper  auf  der  Strasse 
liegen  bleiben.    Der  Gancelliere  della  sanitä,  der  Wund- 


M  Bern.  Staatsarchiv.  V.  B.,  A,  pag.  1231. 

Am  21.  Juli  langte  Kaiser  in  Venedig  an,  konnte  aber  nicht 
sogleich  nach  Dalmatien  hinüberfahren  wegen  widrigen  Windes  und 
der  dortigen  Pest. 

-)  Bern.  Staatsarchiv.  V.  B..  A.  pag.  12>!7  f. 


7<i 

arzt  und  die  Quartierherren  seien  alle  tot  und  er  seihst 
lege  sich  krank  zu  Bette.  Der  Fourier  und  vier  Soldaten 
der  Compagnie  Etter  seien  gestorben.  In  Zara  wäre 
die  Mannschaft  noch  verschont,  da  sie  sieh  in  eine  grosse 
Schanze  („Hornwerk" )  ausserhalb  des  Ortes  gerettet 
habe.  Vor  ungefähr  14  Tagen  habe  sieh  der  Feind 
das  erstemal  dieses  Jahr  vor  hiesigem  Orte  auf  einer 
Anhöhe  mit  vielen  Fahnen  sehen  lassen.  Durch  das  Los- 
brennen eines  grossen  Stückes  in  der  Stadt  sei  er  aber 
so  erschreckt  worden,  dass  er  sich  wieder  zurückgezogen 
halte  und  die  meisten.  Ins  auf  L000  Spahy  und  200  Jani- 
tscharen.  nach  Hause  gegangen  seien.  Es  sei  zu  ver- 
wundern, dass  dieser  mächtige  Feind  nicht  mit  mehr 
„Resolution"  auf  das  kleine  Häuflein  eindrang,  das  ihm 
entgegengeschickt  wurde,  denn  jedenfalls  hätte  er  ihm 
den  Garaus  gemacht,  bevor  der  Rückzug  unter  die  Ge- 
schütze bewerkstelligt  war.  Fs  sei  aber  seine  Art,  dass 
er  ungern  Pulver  rieche,  und  augenscheinlich  habe  der 
Herrgott  bei  diesem  Werke  eingegriffen.  Nun  sei  fast 
jede  Verbindung  nach  der  Schweizerseite  abgeschnitten. 
da  man  der  gefährlichen  „Sterbenslatiffen"  wegen  keinen 
verschlossenen  Brief  mehr  absenden  dürfe,  ohne  ihn 
vorher  gewissenhaft  zu  räuchern. 

Der  Doge  Molino  sandte  auch  diesmal  wieder  viel- 
versprechende Worte  nach  Zürich.1)  damit  die  Räte  der 
beiden  Städte  nicht  allzusehr  mit  Besorgnis  erfüllt  würden 
für  ihre  zerlumpten  Soldaten  in  Dalmatien,  für  deren 
Arbeit  sie  regelmässig  Jahr  um  Jahr  die  fetten  Pensionen 
einstrichen.  Der  Doge  sagte  es  ja  deutlich:2!  „In  Be- 
harrung der  gegen  Ihre  Herrlichkeit  zu  jeder  Zeit  be- 
zeugten   Herzlichkeit    und    aufrichtigen    Zuneigung   sind 


Bern.  Staatsarchiv,  V.  B.,  A.  pag.  124!». 
-)  Bern.  Staatsarchiv,  V.  B.,  A.  pag.  1249. 


77 

vvii'  geneigt,  Ihnen  bei  allen  Anlässen  jede  klarste  Probe 
derselben  zu  geben.  Deshalb  können  wir  Ihnen  ver- 
sichern, dass  wir  den  Herrn  Oberst  sein-  gerne  verhören. 
wie  es  auch  schon  geschehen  ist.  und  dass  ihm  in  Zu- 
kunft alle  gebührende  Satisfaktion  widerfahren  soll  nach 
dem  Masse  seines  eigenen  Verdienstes  und  der  Affektion. 
die  wir  für  ihn  hegen,  und  vor  allem  aus  wegen  der 
hohen  Achtung,  in  der  wir  Ihre  Herrlichkeit  halten. 
Was  die  Interessen  des  Regimentes  betrifft,  so  mag 
Ihnen  belieben,  dem  Fürbringen  unseres  Residenten 
Sarotti  Glauben  zu  schenken,  wie  Sic  es  uns  selbst  thäten." 
Und  dieser  brachte  in  der  ihm  vom  Dogen  vorgezeichneten 
venetianischen  Weise  am  26.  Juni  1649  vor,1)  dass  die 
Zahlungen  dem  Regimente  die  ganze  Zeit,  da  sich  der 
Herr  Oberst  in  Dalmatien  aufgehalten,  immer  richtig 
und  auf  den  schuldigen  Termin  verabfolgt  worden  seien, 
ausgenommen,  wenn  stürmisches  Meer  die  Sendung  um 
einige  Tage  verzögert  habe.  Nachdem  aber  der  Herr  Oberst 
von  Dalmatien  nach  Venedig  übergeschifft  sei,  obwohl  es 
nicht  nötig  war,  sei  ihm  verschiedene  Male  viel  Geld  vor- 
geschossen worden,  um  daraus  dem  Regiment  alle  Not- 
wendigkeiten zu  verschaffen.  So  sei  auch  in  Abwesenheit 
Werdtmüllers  den  Truppen  durch  die  Publici  Rapresentanti 
in  selbiger  Provinz  eine  grosse  Summe  Geldes  entrichtet 
worden,  ohne  die  30  000  Dukaten,  die  sowohl  für  die 
rückständigen  Zahlungen,  als  auch  zum  Yorschuss  spe- 
diert worden  seien.  So  stehen  seine  Herren  bereit,  dem 
Oberst  nach  seinem  Wiedereintreffen  in  Dalmatien  jede 
ihm  zukommende  Satisfaktion  zu  gewähren  zur  P»estäti- 
gung  ihrer  Liebe  und  Affektion,  die  sie  zu  demselben 
beständig  hegen.  Es  wäre  am  Platz,  dass  der  Herr 
Oberst   seinen  Aufenthalt   in  Venedig  nicht   länger  aus- 


')  Idein,  pag.  1253. 


78 

(lehne  da  es  ja  klar  liege,  welchen  Nachteil  seine  Absenz 
der  Herrschaft  und  dem  Regimente  bringen.  Deshalb 
möchten  sie  (die  Räte)  ihm  eine  längere  Dilation  daselbst 
verbieten,  da  er  (Sarotti)  ihnen  garantieren  könne,  dass 
seine  Herren  das  Regiment  in  keiner  Weise  vernach- 
lässigen werden. 

Am  31.  Juli  schiffte  sich  Werdtmüller  mit  leeren 
Taschen  in  Venedig  ein.  voll  Hoffnung,  den  Versprechungen 
gemäss  in  Zara  das  Geld  für  sein  Regiment  bereit  zu 
Hilden.  Dort  umringten  ihn  bei  seiner  Ankunft  die  harren- 
den Hauptleute,  die  ihrerseits  sicher  darauf  rechneten, 
mit  dem  Oberst  würden  auch  die  Gelder  eintreffen. 
Beide  Teile  aber  waren  die  Geprellten.  Werdtmüller 
erfuhr  noch  zu  seinem  Leide,  dass  Venedig  im  Januar 
statt  30000  Dukaten  nur  25000  entrichtet  hatte.  Re- 
klamationen beim  General  waren  auch  jetzt  umsonst  an- 
gebracht, Ihre  Not  werde  dadurch  vergrössert.  meldete 
Werdtmüller  verzweifelnd  nach  Zürich,1)  dass  keine 
Hoffnung  auf  Besserung  mehr  vorhanden  sei,  oder  es 
werde  denn  in  diesem  „extremo  malo  ein  extremum 
remedium"  vorgenommen. 

Dazu  langten  aus  Sebenico  immer  schlimmere  Bot- 
schaften ein,  denn  dort  wütete  die  Pest  so  fürchterlich. 
däss  zuletzt  von  den  8000  Einwohnern  nur  noch  200 
am  Leben  blieben.  Weiss  und  Etter,  mit  ihren  Knechten 
dort  einquartiert,  hielten  beim  General  an,  sie  aus  die- 
sem heimgesuchten  Orte  herauszunehmen  und  zu  „refro- 
chiren",  da  sie  sonst  sicher  alle  zu  Grunde  gehen  werden. 
Gott  möge  doch  seinen  göttlichen  Zorn  fallen  lassen,  sich 
ihres  elenden,  betrübenden  Zustandes  erbarmen  und  ihre 
verpestete  Luft  mit  gesunder  erneuern.  Weiss  ergriff 
am  21.  31.  Juli  wieder   die   Feder,   um   die    in   dumpfe 


')  Bern.  Staatsarchiv,  V.  B..  A,  1271,  31.  Juli  1649. 


79 

Lethargie  hingesunkenen  Räte  der  beiden  Städte  von 
neuem  aufzurütteln  und  an  ihr  Pflichtgefühl  zu  appel- 
lieren:1) .....  Es  mögen  Ihr  Gnaden  (man  berichte 
sie  auch  im  gegenteil  wass  man  wolle)  mir  keklich  glau- 
ben, dass  wir  in  eine  solche  Extremität  gerahten,  dass  wir 
nit  wissen,  wo  hinauss  oder  an,  und  dafern  Ewer  Genaden 
mit  Ihrem  hohen  Ansehn,  uns  bev  der  Durchl.  H'.  die 
Vätterliche  Hand  nit  bieten  werden,  sehen  wir  nichts 
als  eine  endtliche  ruin  vor  unsern  äugen.  Die  25  000 
Ducati  so  wir  allliier  und  dann  die  5000  so  unser  Herr 
Obrister  zu  Venedig  empfangen,  belangent,  ist  selbiges 
vor  gessen  Brot  gewesen,  und  hat  uns  für  das  folgende 
nit  viel  geholfen.  Bitten  derowegen,  auch  im  namen 
meiner  Herrn  Mithauptleüten,  Ewer  Gnaden  wollen  uns 
in  dieser  aüssersten  noht  nit  lassen,  sondern  sich  unser 
allen  ernst  annehmen.-' 

Als  Bern  den  Residenten  mit  etwas  mehr  Nachdruck 
als  gewöhnlich  mahnte,  dass  sich  Venedig  strikte  an  die 
Artikel  der  Kapitulation  halten  möge.2)  antwortete  dieser, 
in  Venedig  sei  beschlossen  worden,  eine  reichliche  Summe 
Geldes  nach  Dalmatien  fiiessen  zu  lassen.  Wenn  sich  die 
Entrichtung  des  Soldes  um  einige  Wochen  verzögert  habe, 
so  finde  die  Herrschaft,  man  sollte  dies  der  Affektion 
wegen  zugeben,  die  sie  seit  Jahren  zu  den  beiden 
Schweizerstädten  hege,  ferner  wegen  der  grossen  Ent- 
legenheit der  dalmatischen  Ortschaften,  in  denen  die 
Schweizertruppen  stationierten,  und  weil  sie  zur  Auf- 
rechterhaltung ihrer  starken  Wehrkraft  zu  Land  und  zu 
Wasser  so  grosse  Summen  ausgeben  müsse.3) 

Unser  Regiment  war  jetzt  Ende  Oktober  um  mehr 
als  die  Hälfte  deeimiert,    denn    auch    in  Zara  hatte  die 


*)  Bern.  Staatsarchiv,  V.  B.,  A,  pag.  1287. 
')  Bern.  Staatsarchiv,  V.  B.,  A,  pag.  1291  t. 
-)  Bern.  Staatsarchiv,  V.  B.,  A,  pag.  1299  f. 


so 

Pest  so  arg  gehaust,  dass  innert  drei  Monaten  an  Ein- 
wohnern und  Soldaten  10  000  Mann  starben.  Die  Com- 
pagnie  Loehuianns  wies  noch  26  Mann  auf.  die  Her- 
manns 46  und  diejenige  Etters  !)<):  auch  zwei  Lieutenants 
wurden  durch  die  gefährliche  Krankheit  dahingerafft. 
Da  nun  innige  der  Compagnien  so  sehr  zusammenge- 
schinolzt  n  waren,  durften  sie  eigentlich  nicht  mehr  als 
Einheit  figurieren,  weshalb  der  General  dem  Oberst  vor- 
schlug, das  Regiment  zu  reorganisieren  und  aus  den 
zehn  Truppenkörpern  sechs  zu  bilden.  Der  Oberst  be- 
rief seine  Hauptleute  zusammen  nach  Zara  und  dort  be- 
schlossen sie.  auf  den  Vorschlag  einzugehen.  Hauptmann 
Etter  vereinigte  seine  Compagnie  mit  derjenigen  Her- 
manns, welcher  nach  Bern  zurückgereist  war.  v.  Erlach 
übergab  seine  Abteilung  dem  Hauptmann  Jenner.  um 
ebenfalls  nach  Hause  zurückzukehren  und  bei  der  Obrig- 
keit gegen  seinen  gewesenen  Proveditoren .  der  ihn 
schändlich  behandelt,  Klage  zu  führen.  So  wurde  unter 
Vorbehalt  der  Gutheissung  durch  die  Räte  Zürichs  und 
Berns  folgende  Neugestaltung  des  Regimentes  vorge- 
nommen : ' ) 

„   ,       .  Comp.  Loehniann     26  I    ,  „  . 

/ebeillgo:         .,   .,  ,        .  ,,  Q    ..    ,,.         inQ  J    1Ö4 

°  mit  ihr  verschmolzen    Comp,  spondli        KiS  ) 

(gestorben) 

„   .  „       Etter  90  |    .  ... 

Zebenigo:  „  .„  M36 

-  „      ..  „  ,,       Hermann       4b  I 

r/  „       Weiss  13s  | 

Zara :  .  ^ ,    ,      „„  \  1 71 

,,      ,.  „  '  ::     ,.       v.  Erlach      33  I 

Burkhardt     75  1    ,  ,-,_ 
Iran :  w  _„     12/ 

„      ,,  ..  „       Y\  aser  52  I 

(gestorben) 

o      i   *  '•       Jeuner  82  1 

Spalato:  ,  F  ,    ,      rü\  loO 

-  3     ,.       v.  Erlach      68  I 


1018 


x)  Bern.  Staatsarchiv,  V.  B.,  A,  pag.   1329. 


81 

Diese  Regulation  trat    sofort   nach  der  Bestätigung 

durch  beide  Regierungen  auf  1.  November  1649  in  Kraft. 

Wir  haben  gesehen,  dass  die  Compagnie  v.  Erlachs 

unter  die  zwei  andern  von  Jenner  und  Weiss  verteilt 
wurde.  Erlach  war  alter  immer  noch  in  Dalmatien,  nur 
lebte  er  seit  Anfang  August  als  Gefangener  in  Spalato. 
Das  Motiv  zu  seiner  Gefangenschaft  gab  folgender  An- 
lass: 1)  Eines  Tages  wurde  ein  Soldat  aus  der  Compagnie 
des  verstorbenen  Hauptmanns  Spöndli,  der  beim  Quartier 
des  Gouverneurs  Schildwache  stand,  ohne  Ursache  töd- 
lich verwundet.  Als  der  Thäter  gleichwohl  öffentlich 
herumlief,  beklaute  sich  v.  Erlach  beim  Gouverneur  und 
verlangte,  dass  der  Kerl  eingezogen  und  bestraft  werde. 
Dies  geschah  aber  nicht.  Kurze  Zeit  darauf  rügte  der 
Gouverneur,  die  Soldaten  verkehren  zu  grob  mit  den 
Leuten,  die  am  Hafen  beschäftigt  seien,  v.  Erlach  ent- 
gegnete ihm,  er  werde  nun  überhaupt  die  Schiffswachen 
zurückziehen,  da  er  sich  um  den  misshandelten  Soldaten 
nicht  gekümmert.  Gesagt .  gethan.  Die  abtretenden 
Wachen  wurden  aber  mit  Stockstreichen  wieder  auf  ihre 
Posten  getrieben,  und  als  sich  Erlach  darüber  beim 
Proveditoren  beschwerte,  befahl  ihm  dieser,  als  Arrestant 
ins  Kastell  zu  gehen.  Als  er  nicht  dort,  sondern  im 
Quartier  den  Arrest  absitzen  wollte,  wurde  er  nicht  nur 
vom  Gouverneur,  sondern  auch  vom  Major  uud  Stadt- 
adjutanten mit  Schlägen  und  Stössen  traktiert,  „wie  man 
es  nicht  ärger  mit  dem  ärgsten  Übelthäter  hätte  thun 
können".  Erlach  wurde  hierauf  entwaffnet.  ..zwischen 
Piquen"  ins  Kastell  geführt  und  der  Zutritt  zu  ihm  unter 
schwerer  Strafe  so  lange  verboten,  bis  der  Rapport  an 
den  General  ausgefertigt  war.  Der  Sekretär  wollte  nun 
als  Augenzeuge   nicht   das  Gegenteil  von  dem  Yorgcfal- 


')  Bern.  Staat5arckiv.  V.  B..  A.  1333  f. 


Archiv  des  histor.  Vereins. 
XV.  Baml      1.  Heft 


82 

lenen  niederschreiben,  wie  ihm  diktiert  wurde,  sondern 
lief  lieber  weg,  indem  er  ausrief:  „Signori,  questo  sa- 
rebbe im  processo  ingiusto!"  (Meine  Herren,  das  wäre 
ein  ungerechter  Prozess.)  Der  Fähnrich  Erlachs,  der 
geheissen  wurde,  ins  Quartier  zu  gehen,  erwiderte,  er 
werde  nur  dem  Befehl  seines  Hauptmanns  gehorchen, 
worauf  man  ihn  entwaffnete  und  in  ein  Gefängnis 
steckte,  wo  sonst  nur  Schelme  sassen. 

Sobald  v.  Erlach  die  Erlaubnis  erhielt,  erzählte  er  den 
Vorgang  schriftlich  seinem  Obersten  und  benützte  diese 
Gelegenheit,  weitere  Fälle  von  Misshandlungen  zu  berichten, 
die  sie  in  Zara  zu  erdulden  hatten.  Im  vergangenen 
Winter  hatten  Spöndli  und  er  beim  Proveditoren  ange- 
halten, die  Wachen  mit  Holz  auszurüsten,  wie  dies  auch 
in  Frankreich  gepflegt  werde,  Da  dies  abgeschlagen 
wurde,  holte  sich  eines  Tages  ein  Soldat  von  der  Wache 
zwei  kleine  Feigenäste,  worauf  ihn  die  Bauern  mit  mehr 
als  vierundzwauzig  Stichen  ermordeten,  ohne  dass  eine 
Untersuchung  wäre  eingeleitet  worden.  Zwei  andere 
Soldaten,  die  „der  noth  halber  ins  Holz  gingen",  wurden 
von  den  Bauern  erschossen;  zwei  wurden  „entwehrt 
und  gequetscht"  und  drei  der  Compagnie  Stapf  er  sonst 
übel  traktiert,  Ein  Knecht,  der  einige  Brombeeren  von 
einer  Staude  pflücken  wollte,  wurde  gefährlich  gestochen 
und  ein  anderer  arg,  gehauen.  Dem  Wachtmeister 
v.  Erlachs  drohte  der  Stadtmajor :  *)  „Gebt  acht  auf  eure 
Soldaten,  sonst  lässt  sie  der  Herr  Proveditor  alle  ein- 
sperren, nicht  nur  den  Hauptmann,  denn  um  eure 
Schmutzkapitulation  (Gap.  di  merda)  scheert  er  sich 
einen  Pfifferling."  Klagen  beim  Proveditoren  wurden 
mit  leeren  Worten  abgewiesen.  —  Erlach  verlangte  nun 
in  erster  Linie,    vor    ein  „richtiges  Verhör"    gestellt  zu 


!)  Bern.  Staatsarchiv,  V.  B.,  A,  italienisch,    1351. 


83 

werden,  damit  er  sich  dort  rechtfertige  und  seine  und 
des  Regimentes  Ehre  retabliere.  Nach  zehnmonatlicher 
Gefangenschaft  sah  er  sich  dann  durch  Vermittlung 
Werdtmüllers  wieder  freigelassen.  Der  Proveditor  leis- 
tete ihm  Abbitte,  indem  er  gestand,  er  habe  sich  vom 
Zorn  überwältigen  lassen.  Da  Erlach  von  Werdtmüller 
als  des  Ungehorsams  schuldig  befunden  wurde.  Hess  man 
die  Angelegenheit  damit  ruhen.1) 

Die  Verhaltnisse  in  Dalmatien  hatten  sich  seit  der 
Reorganisation  des  Regimentes  eher  noch  verschlimmert 
als  gebessert.  Im  August  1650  war  allerdings  eine 
Summe  von  10000  Dukaten  angelangt,  aber  diese  reich- 
ten nicht  einmal  zur  Deckung  der  Schulden  aus.-)  Da- 
gegen erlaubte  sich  Venedig,  von  jetzt  an  für  die  Lebens- 
mittel Zölle  abzufordern,  für  ein  Stück  Rindvieh  6 — lü 
Gulden,  für  das  Mütt  Korn  einen  und  für  ein  Fässchen 
(Barilei  Wein  ti  Batzen.  Werdtmüller  glaubte  deshalb 
gut  zu  thun.  sich  wieder  einmal  in  Venedig  sehen  zu 
lassen.  —  Bei  der  ersten  Unterredung  mit  dem  Dogen 
stellte  ihm  dieser  Extrabelohnungen  in  Aussicht,  wenn 
er  mit  sich,  d.  h.  mit  dem  Regimente  markten  lasse.3) 
Der  Oberst  wollte  sich  aber  dazu  nicht  bequemen,  und 
so  kam  es  zwischen  ihm  und  dem  Savio  della  Scrittura 
am  5.  Oktober  1650  zu  einem  Vertrag,  laut  welchem 
das  Regiment  seine  Entlassung  erhielt.4)  Darin  stund 
ferner:  Werdtmüller  soll  nach  Dalmatien  zurückkehren 
und  sein  Regiment  mustern  lassen.  Nachher  soll  aus- 
gerechnet werden,  was  man  demselben  seit  der  letzten 
Musterung  vom  Oktober  lü-l'.ii!)  laut  Kapitulation  schulde. 
75  000  Dukaten    verspricht    die    Herrschaft    innert    vier 


J)  Bern.  Staatsarchiv.  V.  B.,  A,  1345. 
-)  Bern.  Staatsarchiv.  V.  B.,  A,  1369. 
3)  V.  B.;  B.  14>5. 
4i  V.  B..  B.  1501. 


84 

Monaten  zu  entrichten  und  zwar  jeden  Monat  '  i  der 
Summe.  An  der  venetianischen  Grenze  soll  das  Regi- 
ment licensiert  und  für  20  weitere  Tage  besoldet  werden. 
Der  Conservator  del  deposito  ist  kraft  dieses  Dekretes 
schuldig,  die  monatlichen  Zahlungen  vorzunehmen,  und 
er  darf  sein  Amt  nicht  eher  abtreten,  bis  sie  erfolgt  sind. 

Als  Werdtmüller  wieder  in  Dalmatien  erschien, 
teilte  er  den  Hauptleuten  den  Vertrag  mit.  den  er 
„galge  trist  wyss"  aus  Not  eingegangen.1)  Man  kalku- 
lierte, dass  Venedig  dem  Regiment c  noch  200000  Dukaten 
schulde.  Von  den  75000,  die  Venedig  entrichten  wollte, 
mussten  gleich  L0000  in  Dalmatien  und  50000  in  Venedig 
selbst  zur  Tilgung  der  Schulden  ausgegeben  werden. 
Auf  die  Bezahlung  der  obigen  Summe  durfte  Werdt- 
müller noch  nicht  sicher  zählen,  da  man.  wie  er  sagte, 
„hier  niemanden  glauben  kann". 

Als  die  zwei  Städte  von  der  Entlassung  des  Regi- 
mentes Kunde  erhielten,  schickten  sie  dem  Oberst  ein 
Generalkreditiv. 2 )  wonach  er  sich  fremde  Soldaten,  die 
als  Angehörige  des  Regiments  der  Fahne  treu  gedient, 
nicht  solle  „abzwacken"  lassen,  es  sei  denn,  dass  diese 
dazu  einwilligen.  Jeder  Soldat  solle  seine  Waffen  heim- 
bringen, damit  sie  an  den  richtigen  Ort  deponiert  wer- 
den. Die  Kontumatia  soll  nach  Möglichkeit  abgekürzt 
werden,  und  Venedig  möchte  die  Kreditoren  ersuchen, 
Geduld  zu  üben,  bis  es  selbst  den  Rest  der  schuldigen 
Solde  ausbezahlt  habe. 

General  Foscolo  schlug  nun  Werdtmüller  vor. 3)  mit 
seinem  Regimente    ins  Innere   des  Landes   dem  Türken 


')  V.  B.,  B,  1503. 

2)  Bern.  Staatsarchiv,  V.  B.,  B,  1526. 

s)  Die  Quellen  geben  nicht  an,  ob  dieser  Vorschlag  von  ihm 
selber  ausging  oder  von  Venedig.  Bern.  Staatsarchiv.  V.  B.,  B, 
30.  Oktober  1650,  Zürcher  Staatsarchiv  211,  Mappe  4. 


85 

entgegenzurücken,  und  der  Oberst  zeigte  sich  merk- 
würdigerweise sogleich  dazu  bereit.  Bern  schrieb  aber 
ganz  erstaunt  darüber  seinen  Hauptleuten,  dass  sie  so- 
fort den  Abschied  nehmen  und  sich  mit  ihren  Truppen 
auf  den  Heimweg  begeben  sollten.  Der  geplante  Zug 
unterblieb  wegen  der  Opposition  der  Schweizerregie- 
rungen, denn  auch  Zürich  hatte  an  den  Oberst  eine 
ähnliche  Aufforderung  ergehen  lassen,  und  weil  in  Se- 
benico  und  Spalato  von  neuem  die  Pest  auftrat.  ')  Der 
Doge  sprach  den  beiden  Städten  seine  volle  Genug- 
tuung aus  über  des  Regimentes  und  des  Obersts  Leis- 
tungen, die  jetzt  nach  erfolgter  Satisfaktion  sich  einer 
gesicherten  Heimkehr  erfreuen  werden.-)  Es  wurde  ihm 
aber  treffend  geantwortet:  „Die  Worte  sind  abermals 
gut,  aber  es  ist  sehr  zu  wünschen,  dass  die  Werke  den- 
selben entsprechen." 

Die  Rückkehr  der  Truppe  ging  über  Spalato.  Zara, 
wo  'bis  Regiment  nach  freundlichem  Abschied  von  allen 
Raprösentanti  am  1.  Oktober  1651  mit  888  Mann  an- 
rückte. Nach  zweiwöchentlicher  stürmischer  Fahrt  wurde 
die  Lagunenstadt  erreicht,  und  kaum  angekommen,  be- 
gab   man    sich    zur   Kontumatia    ins    neue  Lazarett,    wo 


!  i  V.  B.,  B,  30.  Oktober  1650. 

-)  „Quel  concetto  e  quella  stima,  con  la  quäle  si  riceve  gia  dal- 
l'attetto  di  V.  V.  S.  ö.  Illma  Fammassainento  delle  militie  di  sua  nazione 
per  servir  iu  Dalmatia,  si  e  contiuuato  a  testimoniar  sempre  al  Re- 
giruento  tin  che  si  e  trattenuto  in  Provincia,  ed  ora,  che  deve  resti- 
tuirsi  in  Patria,  riceverä  non  dissiniili  demostrazioni  dalla  cordialitä 
e  predilettione  del  Se.nato.  Fede  indubitata  ne  farä  sempre  il  Signor 
Colonello  Verdmaller,  alle  cui  soddisfazioni  s'e  pienarnente  conde- 
sceso  iiell:  ultimo  aecordato.  onde  n:e  egli  riniasto  con  intiero  conteuto. 
et  nelF  essecutione  sarauno  puntualmente  adempite  le  parti  del  sta- 
bilito.     Vaglia "  Zürcher  Staatsarchiv  214,  Mappe  6. 

liier  Abdankung  und  Hfirureise  des  Regimentes  siehe  V.  B.,  P». 
1501  tf. 


86 

das  Regiment  längere  Zeit  verweilen  musste,  denn  einige 
Soldaten  litten  immer  noch  an  der  Pest. 

Eine  Zumutung  an  Werdtniüller,  das  Regiment  zu 
entwaffnen,  wurde  von  ihm  entschieden  abgewiesen.  Die 
Heimreise  erfolgte  noch  nicht,  weil  die  Bezahlungen  immer 
noch  ausstanden  und  die  Offiziere  geschworen  hatten, 
lieher  Leib  und  Leben  zu  lassen,  als  ohne  Geld  abzu- 
ziehen. Als  Zürich  und  Bern  noch  einmal  an  die  Ehre 
Venedigs  appellierten,  Hess  der  Doge  dem  Regiment  den 
Best  der  75,000  Dukaten  endlich  zustellen,  was  er  auch 
sogleich  in  schwülstiger  Weise  nach  Zürich  meldete.  Ob- 
gleich Oberst  und  Hauptleute  immer  noch  den  Sold  für 
den  Monat  März  zu  fordern  hatten,  wurde  jetzt  der 
Rückmarsch  angetreten,  und  Mitte  Februar  1651  zog  das 
Regiment  nach  langen,  mühevollen  Märschen  über  die 
schneebedeckten  Alpenpässe  Bernina  und  Julier.  für  deren 
Öffnung  man  vorher  gesorgt  hatte,  in  Zürich  ein,  wo  die 
Waffen  der  Zürcher  sogleich  im  Depot  magaziniert  wur- 
den. Nachdem  dies  geschehen,  begab  sich  Werdtniüller 
zu  einem  längern  Aufenthalte  in  die  Bäder  nach  Baden. 

Einen  Überblick  über  den  Zug  nach  Dalmatien  gab 
später  Gabriel  Weiss,  indem  er  in  seiner  Autobiographie 
erzählt: ]) 

„Als  sich  bei  der  Werbung  Venedigs  mein  Kriegs- 
geist wieder  entflammte,  bin  ich  montags  den  10.  Aprilis 
zu  einem  Hauptmann  des  Regiments  erwehlt  worden,  so 
•  lass  ich  nach  6  Jahren  meiner  schwedischen  Entlassung 
in  meiner  militärischen  laufbahn  eher  rückwärts  als  vor- 


')  Der  später  beigefügte  Titel  dieser  im  „Berner  Taschenbuch", 
.Jahrgang  1874 — 77,  erschienenen  Autobiographie  lautet:  „Souvenirs 
personnels  de  Nobl  et  Genereux  Gabriel  de  Weiss  Albi.  JSeigneur 
de  Mollens,  Collonnel  d'un  regiment  suisse  au  service  de  Yenise, 
senateur  de  Berne,  Ballif  de  Lausanne,  Haut  Cominandant  du  Pays 
de  Vaud,  Ambassadeur  etc.  etc.     1613 — 75." 


wäi'ts  manoevrirt  bin. 1)  Wir  haben  unsere  Werbungen, 
weil  Dalmatien  noch  ein  unbekanntes  Land  war.  mit 
höchster  Mühe  und  merklich  grossen  Kosten  verrichtet. 
ich  meinerseits  habe  nach  2  beträchtlichen  Verlusten 
nur  zu  viel  und  wie  man  sagt,  le  vert  et  le  sec  daran 
verwendet.  Den  9.  Juli  bin  ich  mit  meiner  Compagnie, 
die  in  auserlesener  Mannschaft  bestuhnde,  von  IJern  aus- 
gezogen, und  nachdem  wir  in  Italien  etwas  aufgehalten 
wurden,  sind  wir  den  20.  Oktober  hernach  zu  Zara  in 
Dalmatien  wohl  angelangt.  Bald  nach  unserer  Ankunft 
ist  das  ganze  Volk,  wenige  ausgenommen,  an  hitzigen 
Fiebern  erkrankt,  so  dass  etliche  Hundert  daran  starben. 
Ich  selbst  bin  auf  den  Tod  darnieder  gelegen.  Nachdem 
diese  Krankheit  nachgelassen,  und  wir  vermeint,  ent- 
runnen  zu  sein,  hat  der  liebe  Gott  uns  mit  der  lästigen 


')  Siehe  Biographie  des  Oberst  Weiss,  pag.  11t. 

Ein  Bauer  von  Wynigen  schreibt  über  den  Zug  des  Regiment;. 
Werdtrnüller,  pag.  17:  (Herausgegeben  von  Wolfgang  Friedrich 
v.  Mülineo  unter  dem  Titel :  „Die  Chronik  des  Jost  von  Brechers- 
häusern.    1598 — 1658.") 

..  Von  dem  Zug  in  Dalmatia  und   Venedig  «im  1048. 

Den  8.  Brachmonat  beschah  der  Aufbruch  zu  Bern.  er>tlich  mit 
4  Fahnen  und  mornderigs  Tags  noch  mit  2  Fahnen,  soviel  als  1500 
Mann,  mit  einanderen  nach  Zürich,  darnach  mit  so  viel  Zürcher  Fähnli, 
auch  1500  Manu  oder  mehr  habe  ihr  Oberster  ghan,  die  zugen  als 
denen  Venedigeren  zu  gutem  um  ihren  Sold,  nach  Venedig  und  ferner 
bis  in  Dalmatzien,  soweit  dass  keine  Fahnen  von  Bern  niemaleu  so 
weit  getragen  worden  und  wiederum  heim,  aber  nachdem  sie  3  Jahre 
gedienet,  zugen  die  noch  Lebenden  wiederum  heim  und  klagten  noch, 
sie  seyen  übel  bezahlt  worden :  wie  man  sagt  sind  sie  etlich  hundert 
Mylen  uf  dem  Meer  gefahren  und  an  der  Türken  Land  kommen, 
und  mit  ihnen  gescharmüziret,  auch  Türkeuleut  mit  ihnen  heimge- 
bracht ;  in  diesem  Zug  blieben  auch  3  Hauptleut  dahinden.  Zwen 
von  Zürich  und  einer  von  Bern.  Der  Hauptmann  Etter  wurd  mit- 
gerumt  und  doch  ein  guter  Kachelmann,  der  Geld  geliebet  über  alles." 


88 

Pest  noch  heimgesucht,  dass  auch  an  derselbigen  Viele 
gestorben,  auch  etliche  von  meinen  domesticis.  Als  nun 
diese  leydige  Sach  mit  uns  ein  Vernügen  hatte,  sind  wir 
auf  Begehren  und  in  mehreren  Rücksichten  ziemlich  un- 
zufrieden, abgedankt,  nach  Venedig  geschifft,  daselbst 
im  Lazaretto  nuovo  unsere  Quarantaine  gemacht,  nach 
welchem  wir  in  der  herben  Winterkälte  fortmarschiert, 
und  bin  montag  den  17.  Februar  1651  in  Bern  tröstlich 
eingezogen.'' 

Neben  dem  Regiments  Werdtmüllers  standen  in 
venetianischen  Diensten  noch  andere  schweizerische 
Truppen.  So  schickte  deren  der  Baron  von  Coppet, 
Basel.  Schwyz,  Giarus,  Solothurn  und  Bünden,  alle,  mit 
Ausnahme  der  beiden  letzten,  gewöhnlich  nur  kleine  Alt- 
teilungen von  der  Stärke  eines  oder  mehrerer  Fähnlein. 

Venedig  war  alter  auch  Absatzgebiet  für  Leute,  die 
man  in  der  Schweiz  als  Vagabunden,  Lumpengesindel 
u.dgl.  bezeichnete.  Am  25.  Oktober  1645  stellte  die  Berner 
Regierung  der  Handelsrepublik  zum  erstenmal  die  „täglich 
gewahrsamlich  in  Müssiggang  herumstreichenden  starken 
bösen  Buben"  zur  Verfügung.  Sie  schrieb  darüber  an 
den  Residenten:1)  Sic  sei  in  der  Resolution  begriffen,  in 
ihren  Landen  eine  Jagd  vorzunehmen,  damit  die  land- 
laufenden .  schwarzen ,  hochschändlichen  Buben  ihren 
Unterthanen  abgenommen  und  weiters  geschickt  werden. 
Sie  habe  nun  gedacht,  dass  der  Herrschaft,  ihrer  Ver- 
bündeten, damit  gedient  wäre,  wenn  sie  ihr  diese  zu 
Kriegs-  oder  Galeerendienstcn  tauglichen  Personen  über- 
weisen würde.  Beliebe  es.  so  möchte  man  mitteilen, 
wo  und  wann  dieselben  abzuliefern  seien.  Venedig  war 
gleich  bereit,  solche  Vaganten  als  Ruderknechte  auf  den 
Galeeren  zu  verwerten   und  dieselben  von  Lenzburg  an 


')  Bern.  Staatsarchiv,  V.  B..  C.  pag,  2023. 


89 

auf  eigene  Kosten  weiter  zu  transportieren.  Der  Termin 
der  Jagderöffnung  wurde  geheim  gehalten   und  auf  die 

Tage  vor  und  nacii  dem  „Ostermärif  festgesetzt.  Die 
überall  gleichzeitig  auszusendenden  Profossen  sollten  nur 
solche  parken,  die  man  in  Venedig  gebrauchen  konnte: 
Weibsbilder  und  Krüppel  waren  also  ausgeschlossen.  Die 
Festgenommenen  sollten  dann,  nachdem  sie  ihr  Messer 
ausgehändigt,  zu  4-  zusammengekoppelt  an  den  mit  Luzern 
und  Solothurn  verabredeten  Ort  Lenzburg  gebracht 
werden.  Ungebührliches  Betragen  auf  der  Strasse  ver- 
fiel strenger  Züchtigung.  Diese  erste  Jagd  auf  das  un- 
nütze Gesindel,  wie  man  es  auch  zu  nennen  pflegte, 
endigte  kläglich,  da  es  den  meisten  Landstreichern  ge- 
lang, zu  entrinnen.  Nur  lo  wurden  in  den  bernischen 
Landen  gefangen,  die  dann  mit  den  andern  gleichzeitig 
in  Luzern  und  Solothurn  Gepackten  in  Lenzburg  ver- 
einigt wurden.  Nach  einer  flüchtigen  Untersuchung,  ob 
sich  etwa  Unschuldige  darunter  befänden  —  und  wirklich 
wurde  ein  solcher  wieder  laufen  gelassen  —  führte  sie  der 
Hauptmann  Sorghi.  34  an  der  Zahl,  mit  seinem  Fähnlein 
ins  Venetianische.  20  unter  diesen  Übelthätern  waren 
zur  Galeere  verdammt,  und  zwar  variierte  die  Dauer 
der  Zeit  von  3  Jahren  Ins  zu  lebenslänglicher  Ver- 
dammnis; die  meisten  zählten,  abgesehen  von  einem 
50jährigen,  nur  14  — 18  Jahre.  In  Solothurn  hatte  der 
Hauptmann  für  4  Dublonen  Ketten  gekauft,  mit  welchen 
er  sie  nun  zusammenkoppelte  und  nach  Bergamo  führte, 
wo  sie  gegen  eine  Entrichtung  von  400  Dukaten  für 
ihren  Unterhalt  während  der  Reise  ausgeliefert  wurden. 
Im  Mai  1651  eröffneten  fast  alle  Kantone  mit  dem  Abt 
von  St.  Gallen  wiederum  die  Jagd  auf  die  Vagabunden, 
aber  niemand  wurde  eingebracht,  weil  zu  frühe  Stimmen 
davon  ins  Land  hinausdrangen.  Mitunter  wurden  ein 
paar  über  die  Grenze  spediert,  aber  die  meisten  konnten 


90 

immer  entwischen.  So  desertierte  einer  auf  dem  Gott* 
hardhospiz,  dem  Frauenhand  wahrscheinlich  die  Ketten 
löste.1)  Im  Frühling  1652  schickte  Lueern  zwei  zu  sechs 
Jahren  Galeere  verurteilte  Sträflinge  mit  folgendem 
Schreiben  an  den  Residenten : 2)  Bürgermeister  und  Rat 
der  Stadt  Luzern  thun  hiemit  kund,  dass  die  beiden 
Unterthanen  Nikiaus  Habermacher  und  Joseph  Huber  in 
ihre  Ungnade  gefallen  seien,  weil  der  eine  ehrliche  Leute 
so  betrog,  dass  sie  eine  Summe  Geldes  verlieren  mussten, 
während  der  andere  seinen  Eltern  mit  schlimmen  Redens- 
arten gedroht  hatte.  Da  sie  nicht  umhin  können,  die- 
selben frei  ausgehen  zu  lassen,  sollen  sie  als  Beispiel 
für  andere  ziemend  gezüchtigt  werden.  Als  Galeeren- 
sträflinge sollen  sie  während  (i  Jahren  ihre  Fehler  ein- 
sehen lernen.  So  ersuchen  sie  den  Herrn  Ambassadoren 
freundlich,  dieselben  mit  bestimmter  Anweisung  an  ihren 
Ort  zu  spedieren,  damit  ausgeführt  werde,  was  die 
Sentenz  besagt.  -  Schwyz  verurteilte  auch  :;>  solcher 
Subjekte  zu  6 — 8  Jahren.  Dem  einen  jagte  der  Name 
Galeere.  ..der  mehr  gefürchtet  war  als  der  Tod",  .solchen 
Schrecken  ein.  dass  er  zum  Gefängnisfenster  hinaus- 
sprang, sich  dabei  schwer  verwundete,  gleichwohl  aber 
noch  eine  Stunde  weit  lief  und  dann,  eingeholt,  am 
andern  Tag  starb.  Luzern  sandte  nach  dem  Bauern- 
krieg 6  Aufrührerische  in  die  Galeeren  und  Bern  eben- 
falls •'!  Entlebucher.3) 

lim  die  Wende  des  Jahrhunderts  wurde  auf  das  in 
die  Eidgenossenschaft  eingedrungene  Gesindel  von  neuem 
Jagd  gemacht.  An  der  gemeineidgenössischen  Tag- 
satzung in  Baden  am  26.  März  1689*)  forderte  man  alle 


')  Buudesarchiv,  Bd.  64,  Anfang  Mai. 

2)  Buudesarchiv.  Bd.  64,  März  1652. 

:')  Bundesarchiv,  Bd.  64,  Juli  1653. 

*)  Eidg.  Abschiede.  Bd.  VII ■>,  pag.  264. 


91 

Orte  auf.  das  Diebsgesindel,  das  sich  teils  falscher  Steuer- 
büchlein bediene,  teils  Falschmünzerei  betreibe,  zu  parken 
und  zu  bestrafen,  oder  auf  die  venetianischen  Galeeren 

zu  senden,  zu  welchem  Behufe  mit  Venedig  ein  Vertrau' 
einzugehen  sei.  An  der  Konferenz  der  Städte  Bern, 
Freiburg  und  Solothurn  zu  Aarberg1)  ging  man  darin 
einig,  die  landesfremden  Strolche,  die  von  Ort  zu  Ort 
ziehen  und  sich  bei  den  Bauern  gleich  den  französischen 
Dragonern  einquartieren,  mit  Gewalt  über  die  Grenze 
zu  schaffen,  und  zwar  zeigten  sich  Solothurn  und  Frei- 
burg willens,  dieselben  Venedig  zu  liefern  für  Galeeren- 
dienste nach  Morea,  während  Bern  die  seinen  Branden- 
burg oder  irgend  einem  andern  fernen  Lande  übermitteln 
wollte.  Auch  Appenzell  und  der  Abt  von  St.  Gallen 
waren  entschlossen,  „die  gefährlichsten  Luder"  als  veno- 
tianisches  Galeerenfutter  zu  verwerten.2)  und  im  Januar 
1700  erklärten  sich  Bern.  Basel.  Freiburg  und  Solothurn 
bereit,  Venedig  für  den  Krieg  gegen  die  Türken  in  Morea 
ganze  Vagantenfamilien  zur  Verfügung  zu  stellen.3) 

x)  Eidg.  Abschiede,  Bd.  VII  2,  pag.  432. 

2)  Eidg.  Abschiede,  Bd.  VII  2,  pag.  702. 

:;)  Eidg.  Abschiede,  Bd.  VII  2,  pag.  838. 

Jost  von  Brechershäusern  berichtet  (pag.  27)  von  den  soge- 
nannten Sckwarzhuben :  Anno  1647  waren  sie  vor  diesem  vertriebene 
Leut  wegen  des  30jährigen  niederländischen  Kriegs,  die  hat  us  Er- 
bärmd  von  Kind  uf  im  Land  geduldet  und  sind  etlich  100  also  im 
Landbettel  auferzogen.  Da  sie  nun  stark  wurden,  gesellten  sich 
ihrer  viel  ....  und  Buben  zusammen  und  fiengen  rauben  und  stehlen 
ohne  Scheu  und  Forcht  und  trieben  nun  überflüssigen  Mathwillen. 
Mun  sobald  solche  Uebung  und  gräuliche  Sachen  unserer  Oberkeit 
geklagt  wurde,  haben  sie  eine  allgemeine  Landjäge  wohl  3  Tage 
lang  angestellt  in  der  ganzen  Eidgenossschaft  sie  zu  suchen  und 
ordnet  sie  gebunden  und  gefangen  us  dem  Land  uf  Venedig  zu  uf 
das  Meer.  Etliche  wurden  hingerichtet,  und  die  ....  von  Stadt  und 
Land  vertrieben.  Also  wurde  das  Land  wieder  gesaüberet.  Aber 
sind  noch  lebig  Wurzeln  überblieben,  dass  noch  allzeit  neues  Unkraut 
davon  aufwachst." 


92 

Dieses  Beispiel  der  Spedition  schweizerischen  Diebs- 
volkes auf  die  Ruderschiffe  der  adriatischen  Handelsstadt 
fand  Nachahmung  in  deutsehen  Städten,  wie  Bamberg 
(1700),  Stuttgart  (1716),  Nürnberg  (1714)  etc. 


3.  Kapitulation  und-  Zug  des  Regimentes  Weiss 
nach  Dalmatien. 

Den  Offizieren  des  Regimentes  Werdtmüller  schul- 
dete Venedig  immer  noch  Geld.  Im  Oktober  1651  reiste 
der  Oberst  wieder  nach  Venedig'  zurück,  um  die  rück- 
ständigen Solde  einzukassieren.  Versprechungen  erhielt 
er  zur  (reinige,  aber  Geld  keines,  weshalb  er  einen 
„Express"  zurückliess  und  unverrichteter  Dinge  wieder 
abzog.  Auch  die  Hauptleute  Weiss.  Jenner  und  die 
Erben  des  Hauptmanns  Hermann  verlangten  ihre  noch 
ausstehenden  Betrage,  wurden  aber  von  Venedig  um 
neuen  Aufschub  gebeten,  da  die  schweren  Zeiten  und 
der  kostbare  Krieg  mit  dem  Erbfeind  ihre  Mittel  er- 
schöpft hätten.1)  So  ging  es  noch  tief  in  die  sechziger 
Jahre  hinein,  bis  Venedig  den  Rest  der  rückständigen 
Soldbetriige  an  die  von  Zeit  zu  Zeit  sollicitierenden 
Gläubiger  getilgt  hatte. 

Unterdessen  war  der  Krieg  Venedigs  mit  den  Tür- 
ken in  eine  neue  Phase  getreten.2)  Nachdem  er  einig«1 
Jahre  ohne  entscheidende  Begebenheiten  verlaufen  war. 
wurde  er  1654  wieder  mit  frischer  Energie  weitergeführt. 
Die  venetianische  Flotte  blieb  eine  Zeit  lang  siegreich, 
dann  wandte  sich  mit  dem  Jahr  1657  das  Kriegsglück. 
Eine  dreitägige  Schlacht  in  den  Dardanellen,  die  für  die 


')  Bern.  Staatsarchiv.    V.  B..    B.    23.  Mai  1054.     Buiulesarchiv, 
Bd.  (i.j.  Februar  und  September  165-1. 
- 1  DarUj  i>;il:.  072 — 75. 


93 

Venetianer  wegen  Sprengung  der  Pulverkammer  in  Moce- 
nigos  Admiralschiff  verloren  ging,  hemmte  den  Siegeslauf 

der  Kriegsschiffe  Venedigs,  und  nachdem  sich  die  Türken 
schon  auf  Candien  Vorteile  erworben,  eroberten  sie  noch 
Tenedos  und  Leumos.  Auch  an  der  bosnischen  Grenze 
begann   der  Sultan    den  Kampf   mit  neuen  Kräften. 

Nun  bat  der  Doge  im  Februar  1658  wieder  um 
Hülfe  von  Regimentsstärke.1)  Zürich  und  Bern,  an  welche 
die  Bitte  gerichtet  war,  zeigten  sich  ohne  langes  Zögern 
dazu  bereit.  Die  Artikel  der  neuen  Kapitulation  wurden 
durchberaten  und  dieselbe  Ende  März  ausgefertigt.  Ihr 
Wortlaut  ist  in  den  Bestimmungen,  die  neu  hinzukamen 
oder  abgeändert  wurden,  im  Auszüge  folgender: 

Die  Republik  Venedig  hat  durch  Herrn  Paolo  Sarotti. 
ihren  Residenten,  die  beiden  Städte  Zürich  und  Bern 
am  3./13.  Februar  1658  um  Aushebung  eines  Regimentes 
von  1200  Mann  ersucht,  um  sich  ihrer  laut  Bestimmungen 
des  Bundes  in  der  gegenwärtigen  Not  zu  bedienen.  Nach- 
dem einige  Artikel  umgeändert  und  den  gegenwärtigen 
Zeiten  angepasst  wurden,  hat  man  die  Aushebung  unter 
folgenden  Bedingungen  gewährt:2) 

1.  Die  Compagnien  enthalten  mit  Einschluss  der 
Offiziere  200  Mann.  Das  Regiment  umfasst  also  (i  Com- 
pagnien waffenfähige,  dienstbereite  Soldaten.  Die  eine 
Hälfte  liefert  Zürich,  Bern  die  andere  und  den  i )berst. 

2.  —  4.  gleich  wie  in  der  Kapitulation  von  lt>48. 
Zusatz:  Um  jeden  Betrug  unmöglich  zu  machen,  finden 
jeden  Monat  die  Musterungen  statt  und  zwar  so.  dass 
man  von  jedem  einzelnen  den  Namen,  Farbe  der  Haare 
und  andere  Merkmale  aufzeichnet  (nome,  pelo.  segno). 
Werden  die  Truppen  nicht  jeden  Monat  pünktlich  be- 
soldet,   so  sind  weder  der  Oberst    noch    die  Hauptleute 

')  Bern.  Staatsarchiv,  V.  B.,  B,  3.  13.  Februar  1658. 
2)  Bundesarchiv,  Filza  55,  Nr.  134. 


94 

verpflichtet,  die  Musterungen  in  anderer  Form  vorzu- 
nehmen,  als  sie  die  Kapitulation  von  1648  bestimmt. 

Alle  andern  Artikel  der  1648er  Kapitulation  von 
Xr.  r>  bis  inclusive  19  bleiben  sich  gleich.  Beigefügt 
wird  nur.  dass  die  Republik  Gefangene  des  Regimentes, 
die  in  Feindeshand  bleiben,  beim  Friedensschluss  oder 
beim  Gefangenenaustausch  vor  den  andern  berück- 
sichtigen wird. 

Die  Kapitulation  wurde  vom  Senat  am  20.  April  1658 
in  Pregadi  gutgeheissen. 

Unter  den  erwählten  Hauptleuten  treffen  wir  Ver- 
wandte der  Offiziere  vom  Regiment  Werdtmüller,  so  bei 
den  Zürchern,  neben  den  neuen  Edlibach  und  Schlatter, 
den  Hauptmann  Johann  Huldreich  Lochmann,  bei  den 
Bernern  Johann  v.  Erlach,  ferner  Georg  Langhans  und 
Weiss,1)  von  Venedig  zum  Oberst  ernannt  wegen  „synen 


')  Weiss  erzählt  von  seiner  Wahl  zum  Oberst:  „Da  Bern  den 
Oberst  geben  sollte,  hat  Herr  Samuel  Lerber  selbiges  zu  erlangen, 
deswegen  uuverwylt  sich  nach  Zürich  begeben,  daselbst  bei  Herrn 
Paolo  Sarotti,  venezianischem  Residenten  angemeldet ;  ich  aber  bin 
von  der  Landvogtei  auf  empfangenen  Bericht  Ihme  auf  dem  Fu*s 
gefolgt  und  vom  besagtem  Residenten  vorgezogen  worden  und  zum 
Obristen  über  dieses  venezianische  Regiment  ernamset:  daruff  die 
Werbung  augegangen  und  mit  weit  grösserer  Facilität  vollbracht 
worden  (als  48)  massen  ich  den  8.  Aprilis  zu  Saanen  von  Weib  und 
Kind  und  meinen  Amtsangehörigen  Abschied  genommen  und  den  14. 
mit  meinem  Volk  von  Bern  ausmarschirte.  5  Tage  vor  meiner  Ab- 
reise hatte  ich  einen  sehr  unbeliebigen  Streit  mit  Herrn  A  J  (Adrian 
Jenner?)  welcher  mir  äusserst  grob  in  Gegenwart  angesehener  Zeugen 
begegnete,  weilen  ich  ihm  nicht  zu  einer  Compagnie  in  obgedachtem 
Regiment  behültiich  sein  wollte.  Ich  musste  meiner  Stellung  Rech- 
nung tragen,  die  Cartels  wurden  gewechselt,  der  Kampfplatz  auf  den 
morndrigen  Tag  in  Bremgarteu  unten  an  der  Rappenfluh  festgesetzt 
und  auf  das  Begehren  des  Herrn  J.  sollte  man  sich  auf  den  Tod 
schlagen:  Das  Gefecht  war  aber  kurz:  Ich  benutzte  meine  Über- 
legenheit und  Krafft  und  Fechtkunst  und  bei  der  ersten  Riposte  riss 
ich  ihm  den  Degen  aus  der  Faust,  brach  entzwey  und  warf  ihm  die 


95 

wohl  bekannten  besten  qualiteten  und  insonderheit  wegen 
der  glitten  diensten,  die  er  schon  in  Dalmatia  geleistet". 
Schwyz,  (Harns  und  Bünden  hielten  die  Fasse  auf  ein 
Gesuch  hin  geöffnet.  Weiss  wollte  den  Schwyzerboden 
aber  lieber  rechts  liegen  lassen,  um  allerlei  Ungelegen^ 
heiten,  die  durch  „Stichworte"  entstehen  könnten,  zu 
vermeiden  und  dafür  den  Weg  durch  St.  Gallen  zu 
nehmen.  Die  Compagnien  waren  diesmal  nicht  nur  voll- 
ständig, sondern,  das  Regiment  besass  260  Überzählige. 
Viele  hatten  schon  den  ersten  dalmatinischen  Zug  mit- 
gemacht, andere  waren  im  Villmergerkriege  beteiligt  ge- 
wesen, so  dass  nur  die  ganz  Jüngsten  zum  erstenmal e 
die  Kriegswaffen  trugen.  Unter  diesen  wollte  der  Resi- 
dent einige  Knaben  licensieren,  aber  er  stiess  auch  dies- 
mal auf  solchen  Widerstand,  dass  er  sie  mitziehen  liess. 
Zürich  hatte  auf  Kosten  Venedigs  die  Waffen  vorher 
reparieren  und  reinigen  lassen,  so  dass  die  zürcherischen 
Knechte,  zum  Teil  auch  wegen  der  bessern  Bekleidung. 
den  gefälligeren  Eindruck   machten   als   die  bernischen, 

Stücke  vor  die  Füsse  mit  den  Worten  :  vous  nie  devez  la  vie,  welches. 
er  dankbariieh  annahm,  und  es  freute  mich,  so  schadenloss  beendigt 
zu  haben." 

Gabriel  Weiss,  Sohn  des  Samuel  Weiss  Albi,  der  als  General- 
auditeur  und  Präsident  d^s  Kriegsrates  in  Siebenbürgen  gestorben, 
studierte  auf  den  Hochschulen  von  Basel  und  Paris,  wurde  Haupt- 
mann in  königlich  schwedischen  Diensteu.  trat  als  solcher  1648  in 
venetianische  Dienste,  avancierte  1651  zum  Stadtmajor,  erhielt  1656 
die  Laudvogtei  Saanen.  wurde  nach  der  Entlassung  seines  Piegimentes 
1660  Mitglied  des  kleinen  Rates,  Zeugherr,  dann  Oberkoinmandaut 
der  Waadt  und  1678  Salzdirektor.  Für  die  verfolgten  Waldenser 
im  Piemont  war  er  1764  als  Gesandter  zum  Herzog  von  Savoien  ab- 
geschickt worden  und  von  1759 — 65  hatte  er  die  Aufbauung  der  Be- 
festigungen von  Aarburg  besorgt. 

Dekan  Yenner  führt  in  seinem  Tagebuch  au,  da-~  Weiss  aus 
Dalmatien  „eine  Tochter  aus  der  Türkei"  als  Magd  heimführte,  die 
1652  im  Münster  getauft  wurde.  Patin  war  u.  a.  die  Schultheissin. 
(Gen*.  Mitteilung  des  Herrn  Prof.  v.  Mülinen.) 


96 

die  ihre  Ausrüstung  aus  den  Zeughäusern  gerade  in  dem 
Zustand  bezogen  hatten,  in  welchem  sie  vor  10  Jahren 
magaziniert  wurden.  Beim  Eide  schwuren  Offiziere  und 
Soldaten,  den  Vorgesetzten  und  ihren  Befehlshabern  im 
Felde  und  in  der  Garnison  Treue  zu  leisten,  von  den 
Fahnen  nicht  zu  weichen  bis  in  den  Tod.  auf  Freundes 
Land  und  Boden  nichts  zu  beschädigen  und  die  Gebühr 
für  Speise  und  Trank  zu  bezahlen,  sich  nicht  ohne  Be- 
fehl des  Obersten  oder  des  Hauptmanns  zu  trennen, 
sondern  in  Liebe  und  Leid  getreu  bei  einander  zu  bleiben. 
die  heimlichen  „Wortzeichen"  niemand  zu  offenbaren 
oder  man  sei  dazu  autorisiert,  die  Wacht  richtig  zu  ver- 
sehen und  nicht  zu  verschlafen  oder  ungeheissen  zu 
verlassen,  keine  Fluchtversuche  zu  unternehmen,  sondern 
solche,  die  dessen  willens  sind,  zu  denunzieren,  keine 
heimlichen  Versammlungen.  Meuterei  oder  Anschlag  zu 
inscenieren  ohne  des  Obersten  oder  des  Hauptmanns 
Mitwissen,  nicht  auf  des  Feindes  Boden  Häuser  oder  sonst 
etwas  in  Brand  zu  stecken,  ohne  dafür  Befehl  zu  er- 
halten. Sie  schwuren,  mit  einander  friedlich  und  lieb- 
reich zu  leben,  sich  getreu  und  ehrlich  zu  verhalten,  so 
dass  Venedig  dadurch  Vorteile  geniesse,  und  Zürich  mit 
Bern  wie  die  gesamte  Nation  Ehr.  Lob  und  Ruhm  davon- 
tragen werden.  Kurz,  man  schwur,  alles  das  zu  leisten,  was 
ein  ehrlicher  Soldat  und  Kriegsmann  zu  thun  schuldig  ist.1) 
Am  Sankt  Markustage  1658  marschierten  die  drei 
Zürchercompagnien  aus  der  Limmatstadt.  Weiss  ritt  auf 
einem  prächtigen  Schimmel,  den  ihm  der  Resident  kurz 
vorher  geschenkt.  Viele  Kilometer  weit  wurde  die  Truppe 
vnii  einigen  Hundert'2)  Frauen  und  Männern  begleitet, 
die  ihren  Gatten  und  Freunden  noch  schnell  die  Taschen 
mit  Geschenken  füllten. 


!)  Deutsches  Spruekbuch  der  Stadt  Bern.  SS. 

2)  Im  Original  2000\     Bundesarchiv.  Bd.  08,  April  1658. 


97 

In  Schwarzenbach  musste  der  Oberst  dem  Vogt  drei 
Dukaten  einhändigen.    Derselbe  fordert''  sogar,  dass  die 

Wachen  bezahlt  werden,  welche  man  für  den  Durch- 
marsch des  Regimentes  aufstellte.  Weiss  fand,  dass 
dieses  eine  unter  Freunden  und  Bundesverwandten  un- 
erhörte Forderung  sei  und  ging  nicht  darauf  ein.  Der 
Landvogt  Hässy  auf  Iberg  bei  Lichtensteig,  dem  man 
wegen  seines  Ansehens  und  aus  Furcht,  ihn  zu  belei- 
digen, nichts  anbot,  erklärte  dem  Fähnrich  des  Obersten. 
dass  ihm  billigerweise  eine  Dublone  gebühre,  die  er  dann 
wirklich  auch  erhielt.  Ähnlich  erging  es  Weiss  mit 
dem  Hofammann  zu  Nesslau  und  dem  zu  Wildhaus,  die 
jeder  eine  Silberkrone  erhielten  und  bewirtet  wurden. 
Dasselbe  Experiment  wiederholte  sich  bei  jeder  durch- 
ziehenden Compagnie,  die  laut  Bündnis  in  täglichen  Ab- 
ständen voneinander  marschierten.  Alle  wurden  über 
denselben  Kamm  geschoren.1)  Gerne  wäre  man  dem 
kürzesten  Wege  über  die  Bernina  nach  Tirano  gefolgt. 
aber  der  hohe,  weiche  Schnee  gestattete  dies  nicht  und 
deshalb  rückte  man  von  Thusis  über  den  Splügen  vor 
gegen  das  Veltlin.  Am  30.  Mai  traf  Weiss  mit  seiner 
Truppe  in  Venedig  ein.  wo  ihm  gleich  ein  Monatssold 
verabfolgt  wurde.  Die  Ankunft  des  prächtigen  Schweizer- 
regimentes wurde  in  Venedig  wieder  freudig  begrüsst. 
Einige  meinten:  „Gesegnet  seien  diese  Völker,  die  uns 
zuzuspringen  einen  so  weiten  Wey;  reisen/'  in  Venedig 
waren  ebenfalls  anwesend  die  (»bersten  Büler  von  Solo- 
thurn  und  Danse  von  Genf  mit  Ergänzungstruppen  für 
('andien.  Darunter  befanden  sich  auch  viele  Zürcher 
und  Berner  in  so  elendem  Zustande,  dass  sie  Weiss  gerne 
in  sein  Regiment  aufgenommen  hätte:  die  Kapitulation 
Hess  es  jedoch  nicht  zu.2) 

])  Bern.  Staatsarchiv,  V.  B..  B,  25.  April,  pag.  97. 
*)  Bern.  Staatsarchiv.  V.  B..  ß.  30.  Mai  117—120. 

Archiv  des  histor.  Vereins. 

XV.  Band.     1.  Heft.  ' 


98 

Am  3,  Juni  erhob  sich  ein  leichter  Westwind,  der 
die  verladene  Mannschaft  über  den  Golf  von  Trient 
gegen  Istrien  trieb.  Der  Wind  schlug  aber  gleich  um. 
ein  kräftiger  Südost  kehrte  die  Segel  und  hemmte  die 
Fahrt  so  sehr,  dass  die  Schiffe  erst  nach  22  Tagen  in 
Spalato  die  Anker  auswarfen.  Trotz  der  grossen  Hitze 
waren  auf  dem  Meere  nur  3  oder  4  gestorben.  Die 
Soldaten  mussten  vorläufig  unter  freiem  Himmel  schlafen, 
weil  die  Kasernengebäude  (case  d'arme)  und  das  Lazarett 
alle  in  den  Grund  verdorben  und  derart  zugerichtet 
waren,  als  ob  der  Feind  Tag  und  Nacht  drin  gehaust 
hätte.  Der  Proveditor  entschuldigte  sich  damit,  von  der 
Ankunft  des  Regimentes  nichts  gewusst  zu  haben.  Nun 
ging's  gleich  an  ein  Räumen  und  Putzen,  wo  die  Sol- 
daten die  Hauptarbeit  leisteten,  so  dass  nach  3  Tagen 
die  Quartiere  bezogen  werden  konnten.  Der  General  Gil 
de  Has,  übergetretener  Protestant,  erwies  sich  als  ein  sehr 
freundlicher  Mann,  so  dass  Weiss  ohne  Bangen  in  die 
Zukunft  blickte.  Grosse  Sorgen  bereiteten  ihm  gleich  seine 
Leute  durch  das  unmässige  Trinken.  Etliche  büssten  ihre 
Excesse  schon  auf  dem  Krankenlager,  wo  sie  aber  dies- 
mal gut  gepflegt  wurden,  da  es  nicht  so  sehr  an  Feld- 
scherern und  Wundärzten  mangelte  wie  vor  1(>  Jahren. 

Kaum  hatte  man  die  Gebäude  wohnbar  eingerichtet, 
so  mussten  die  Rüstungen  zur  Gegenwehr  begonnen 
werden,  denn  es  hatte  sich  eine  gegen  Zara  vor- 
marschierende Türkenaliteilung  von  8000  Mann  er- 
blicken lassen,  und  von  einem  bestochenen  Boten  des 
Gesandten  in  Adrianopel  war  man  berichtet,  der  Türke 
treffe  umfangreiche  Vorbereitungen  zu  einem  nächstens 
stattfindenden  Aufbruche.  Der  Vorstoss  war  aber  viel 
mehr  gegen  Morea  und  Candia  gerichtet  als  gegen  den 
Westen  der  Balkanhalbinsel,  wo  nur  hie  und  da  kleinere 
Streifcorps  auftauchten. 


99 

Türken  zeigten  sich  vorläufig  keine  mehr,  wohl 
aber  stellte  sich  ein  anderer,  gefährlicherer  Feind 
ein.  Die  Soldaten  erkrankten  mit  der  anwachsenden 
Hitze  an  Fiebern,  ;un  „roten  Schaden"1)  und  an 
der  „Bräune",  so  dass  bald  gegen  800  darnieder- 
lagen, von  denen  einige,  mit  ihnen  der  Hauptmann 
Langhans,  starben.  Denselben  ersetzte  auf  Vorschlag 
des  Generals  und  des  Obersten  der  älteste  und  verdien- 
teste Lieutenant.  Wilhelm  Berset.  Weiss  schilderte  den 
Zustand  seines  Regimentes  während  dieser  Heimsuchungen 
in  folgender  Weise:-)  „Wie  es  uns  vor  10  Jahren  der 
Enden  ergangen,  halten  wir  dissmahlen  auch  erfahren 
müssen,  da  sobald  wir  unsere  Quartier«'  bezogen,  das 
ganze  Regiment  erkrankte  und  beinahe  niemand  leer 
ausgegangen  als  ich,  der  durch  die  Gnad  Gottes,  dem 
ichs  allein  zuschreibe,  keine  ungesunde  Stunde  gehabt 
habe.  Zu  diesen  verschiedenen  Fiebern  gesellte  sich 
noch  eine  verfluchte  venerische  Seuche,  die  unter  den 
Gemeinden  abscheulich  geraset  und  mehrere  lebendig 
verfault  sind.  Es  fehlte  uns  an  Ärzten  und  auch  an 
Pharmacie  Mitteln,  dieselben  zu  curieren,  obschon  Spa- 
latro  eine  volkreiche,  grosse  Handelstatt  ist.  Die  im 
innern  hin  und  her  zerstreuten  Ditachementer  waren 
noch  übler  daran  als  im  Hauptquartier,  man  schien  uns 
ganz  vergessen  zu  haben,  und  durch  dringende  Noth  ge- 
trieben waren  wir  offt  gezwungen,  mit  Gewalt  zu  er- 
halten, was  man  uns  von  Rechtswegen  und  Capitulations- 
mässig  schuldig  war." 

Im  Februar  1659  wurden  an  die  Schweizerregie- 
rungen die  ersten  Klagen  wegen  der  rückständigen  Gelder 


])  Diarrhöe. 

Bern.  Staatsarchiv,  V.  B.  B,  117  und  131.   Bundesarchiv,  Bd.  68, 
Ende  August. 

-)  Berner  Tascheuhueh  1*74 — 77.  Biographie  von  Weiss,  pag.  1*. 


100 

gerichtet.  Weiss  hatte  sich  schon  nach  Venedig  begeben, 
um  mit  Sollieitieren  die  Zahlung  zu  bewirken.  Er  wurde 
;iber  mit  denselben  Worten  vertröstet,  wie  seiner  Zeit 
Werdtmüller.  Dem  Herzog  konnte  er  sich  nicht  vor- 
stellen, da  dieser  Unpässlichkeit  vorschützte.  Weiss  ging 
aber  ganz  energisch  zu  Werke  und  drohte,  sofort  abzu- 
danken, wenn  ihm  nicht  50,000  Dukaten  bewilligt  wür- 
den. Dies  bewirkte,  dass  man  ihm  deren  10,000  ein- 
händigte, wovon  sich  der  Kaufherr  freilich  3 U  °  o  Abzug 
erlaubte,  und  ihm  versprach,  den  Rest  der  Summe  so- 
fort nachfolgen  zu  lassen.1)  Ganz  unwillig  über  solche 
Behandlung,  schrieb  Weiss  im  Mai  an  die  Regierung  in 
Zürich  : 2) 

Aus  oberzehltem   werden  Ew.  Gnaden    ab- 

nemmen  können  wie  dess  Herrn  Residenten  Syncera- 
tiones,  gute  wort  und  Vertröstung  aussgeschlagen,  wie 
unser  eyffer  und  angewandter  kosten  in  der  Werbung, 
da  wir  260  Mann  über  die  Zahl,  und  ohne  der  Herr- 
schaft entgelt  unss  nacher  Brescen  geliefert,  die  Reise 
nacher  Cataro,  und  dass  wir  auff  freundliches  ersuchen, 
ohne  einige  Schuldigkeit  allein  der  Herrschaft  guten 
willen  und  desto  bessere  Bezahlung  zu  erwerben.  Völker 
zum  Schantzen  gegeben,  ausgenommen  werden.  Ich  sage, 
dass  dieses  alles  allein  mit  höfflichen  werten  gerüemt. 
aber  in  der  that  nit  um  ein  har  consideriert  wirt.  Es 
geht  alles  dahin,  dass  dieser  12.  artieul,  der  allein  die 
Bezahlungen  Befordern  kann,  aussgemustert  werde.  Ich 
aber  geläbe  der  underthänigen  und  demüetigen  Zuver- 
sicht Ewe  Gndn.  werden  nit  gestaten,  dass  selbiges  ge- 
scheche,  dann  auff  solchen  fal  ist  keiner  linder  uns.  der 
ein  stund  lenger  zu  dienen  begehre"  .  .  . 


*)  Bern.  Staatsarchiv,  V.  B.,  B,  185. 
2)  Bern.  Staatsarchiv,  V.  B..  B,  167. 


101 

Als  Zürich  und  Bern  hierauf  ein  Mahnschreiben  an 
den  Dogen  adressierten,  übergab  dieser  dem  Oberst 
weitere  10,000  Dukaten  mit  der  Weisung,  jetzt  abzu- 
reisen, damit  die  Soldaten  auch  einmal  Geld  sähen,  der 
liest  werde  dann  auf  den  Galeeren  folgen.  Weiss  ent- 
gegnete, die  Soldaten  seien  bis  dahin  noch  immer  be- 
soldet worden,  und  zwar  meistens  aus  den  Privatmitteln 
der  Offiziere.  Er  wolle  das  Geld  nicht  nach  Dalmatien 
schleppen  und  dann  mit  Unkosten  wieder  nach  Venedig 
zurückspedieren,  wo  viele  Schulden  zu  tilgen  und  neue 
Einkauf«1  zu  besorgen  seien.  Da  wurde  ihm  obendrauf 
noch  verboten,  in  Italien  Wein  zu  kaufen,  der  dieses 
Jahr  billiger  war  als  der  dalmatinische,  nur  damit  man 
bei  dessen  Einfuhr  bündniswidrige  Zölle  erheben  dürfe. 
Als  Weiss  trotzdem  seinen  Aufenthalt  in  Venedig  ver- 
längerte, erhielt  er  die  Weisung,  sich  abends  auf  die 
Galeere  zu  begeben,  wo  das  Geld  bereit  liege;  es  sei 
zudem  die  höchste  Zeit,  wieder  Dalmatien  zuzusteuern, 
denn  im  Regiment  seien  Unruhen  ausgebrochen.  Weiss 
liess  sich  durch  solche  aus  der  Luft  gegriffene  Behaup- 
tungen nicht  blenden.  Er  bestand  hartnäckig  darauf, 
sinne  Abreise  so  lange  hinauszuschieben,  bis  er  das  Geld 
gesehen,  und  wie  man  ihn  immer  nur  mit  Worten  ab- 
speiste, begehrte  er  schliesslich  den  Abschied.  Da  be- 
merkte ihm  der  Savio  della  Scrittura  in  schnippischer 
Weise,  er  hätte  sich  gleich  von  Anfang  an  von  dieser 
Seite  zeigen  sollen,  dann  wäre  das  Regiment  beizeiten 
entlassen  worden,  überhaupt  würde  das  beste  sein,  sie 
wären  gar  nie  gekommen.  —  Als  man  dem  Oberst  nun 
doch  30,000  Dukaten  vorspiegelte,  fand  er  für  gut,  von 
zwei  Übeln  das  kleinere  zu  wählen  und  statt  durch  Ab- 
dankung die  Bezahlung  der  schuldigen  Gelder  für  ewige 
Zeiten  hinauszuschieben,  auf  die  Hälfte  der  Solde  für 
die  Toten  zu  verzichten  und  obige  Summe   in  Empfang 


102 

zu  nehmen.  Wie  er  aber  zügreifen  wollte,  war  ein  Teil 
davon  schon  wieder  verschwunden*  er  erhielt  nur  20,000 

Dukaten  und  —  des  Regimentes  Entlassung.  l)  Wider 

verhoffen  habe  ich  erst  gestrigen  tags  vernommen,"  schrieb 
der  Oberst  am  15.  25.  September  nach  Zürich,  -i  ..das» 
ich  mit  mynem  Regiinente  schon  allbereit  vor  l<>  oder 
14  Tagen  Licentiert  und  abgedanket  bin.  Ich  kann  nit 
wüssen  was  syn  mag,  dass  man  mich  so  wenig  geachtet 
und  solches  vor  mir  verborgen.  Unterdessen  sind  wir 
alle  der  meinung  dass  der  Dienst  noch  etwas  wehren 
werde  in  gräuliche  kosten  gerathen.  In  dem  der  eint 
und  ander  under  uns  sich  mit  allerLey  nothwendikeiten 
versehen,  welche  sontst  wohl hetten noch blyben können  . . ." 

Einige  Jahre  später  sagte  Weiss  über  den  Grund 
der  Entlassung:3)  „Die  Uneinigkeiten  der  Regierung, 
die  Abänderung  der-  Kriegsumstände,  die  Verminderung 
unserer  Mannschafft  und  mein  allzustrenges  Sollecitieren 
und  Klagen  wegen  schlechtem  Traktament  und  saum- 
seliger Bezahlung  haben  so  viel  gewirkt,  dass  Sie  mich 
und  mein  Regiment  aligedankt  haben." 

Am  3.  Oktober  1660  sehen  wir  das  Regiment  in 
Spalato  zur  Heimreise  versammelt.  Die  Musterung  durch 
den  General  Bernardo  ergab  826  Mann.4)  Bevor  der 
stark  decimierte  Truppenkörper  den  Boden  Dalmatiens 
verliess.  lief  noch  eine  Galeere  ein,  die  etwas  weniger 
als  10,000  Dukaten  brachte.  Nach  Austeilung  der  Gelder 
wurden    am    22.   Oktober    die    Segel   gehisst.    und   nach 


')  Bern.  Staatsarchiv,  pag.  209. 
-)  Bern.  Staatsarchiv,  pag.  22Y 

3)  Berner  Taschenbuch  1871— 77.  Biographie  von  Weiss,  pag.  ID. 
Eine  fernere  Ursache  mag  vielleicht  auch  diese  sein,  das??  die 

Republik  das  Regiment  entbehren  kounte.  -weil  sie  im  Jahr  1660  eine 
bedeutendere  Unterstützung  von  Frankreich  erhielt.     (Leo.  678.) 

4)  Ausgezogen  waren  1200  +  26»»  =  1460  Mann.    Differenz  640. 


103 

einer  Fahrt  von  10  Tagen  fuhr  man  am  31.  in  den 
Hafen  der  Lagunenstadt  ein. 

Hier  begehrte  Weiss  völlige  Tilgung  der  Schulden, 
und  als  dies  teilweise  geschehen,  kehrte  die  Truppe  je 
'2  Compagnien  zusammen,  weil  sie  jetzt  fast  die  Hälfte 
schwächer  waren  als  im  Auszuge,  durch  die  Bündner- 
berge zurück,  und  hielten  Mitte  Dezember  ihren  Einzug 
in  Zürich,  wo  man  sie  sehr  wohlwollend  empfing  und 
den  Kranken  und  Schwachen  sofort  die  nötige  Pflege 
angedeihen  Hess.  Dafür  bedankte  sich  Bern  in  einem 
Extraschreiben  an  die  Bruderstadt.1) 

Die  Hauptleute  hegten  tiefen  Groll  gegen  die  Insel- 
stadt, von  der  sie  sowohl  als  auch  noch  die  Offiziere  des 
ersten  Regimentes  den  Rest  der  Solde  zu  fordern  hatten. 
Weiss  meinte  von  diesem  Zug:2)  „Er  ist  nit  köstlich 
oder  nutzlich  gewesen,  denn  was  hievor  die  Hauptmann- 
schafft  eingetragen,  hat  das  Regiment  verzehrt,  zudem 
dass  ich  zwischen  zweyen  Stühlen  niedergesessen,  indem 
ich  meine  gute  Landvogtey  verlassen  und  des  Regiments 
beraubt  wäre,  so  heilt  oder  morgen  billich  zur  Nachricht 
dienen  soll :  halte  auch  mehrere  andere  Verdriesslich- 
keiten  auszustehen  gehabt,  und  weil  ich  die  Betrüge- 
reven eines  Fournisseurs  nicht  begünstigen  wollen,  ist 
er  mein  Feind  geworden,  hat  mir  geschadet,  und  es  hat 
viel  Mühe  gekostet,  ihn  zu  überwinden,  doch  zuletzt  ist 
er  behörig  bestrafft  worden." 


\)  Bern.  Staatsarchiv,  V.  B.,  B,  295. 
2I  Berner  Taschenbuch,  pag.  19. 


<3S>-<- 


III.  Lockerung  des  Bündnisses,  Auflösung 
und  Erneuerung  desselben  1661—1706. 


1.  Bewilligung  eines  neuen  Regimentes. 

Die  Unterhandlungen  dos  Sultans  mit  Venedig 
wurden  im  Herbst  16(32  durch  eine  Seeschlacht  bei  Kon. 
wo  die  siegenden  Venetianer  reiche  Beute  davontrugen, 
unterbrochen.  Der  Krieg,  den  die  Türken  gleich  nach- 
her im  Frühling  166*3  gegen  Ungarn  begannen.  Hess  die 
Republik  neue  Hoffnungen  schöpfen:  als  dieser  aber 
nach  der  Sehlacht  von  St.  Gotthardt  durch  einen  uner- 
warteten Frieden  vom  August  1664  endigte,  suchten  die 
Venetianer  vergebens  auf  die  früheren,  von  der  Pforte 
gebotenen  günstigeren  Friedensbedingungen  zurückzu- 
kommen. Die  Türken  verlangten  Abtretung  der  Insel 
Suda,  und  da  die  Republik  nicht  einwilligte,  wurde  die 
Fortsetzung  des  Krieges  beschlossen.1) 

Im  Februar  1665  begehrte  Venedig  von  Zürich  und 
Bern  wieder  den  Aufbruch  eines  Regiments  von  2000 
Mann.2)  Die  Obersten  Weiss  und  Merlot  wurden  von 
Bern  beordert,  deswegen  mjt  clem  Residenten  Giavarino 
in  Zürich  zu  konferieren.  Vorher  wohnte  Weiss  einer 
Sitzung  des  zürcherischen  Rates  bei.  wo  er  des  bestimm- 
testen abriet.  Venedig  von  neuem  Truppen  zu  bewilligen, 


')  Leo,  V,  673. 

2)  Bern.  Staatsarchiv.  V.  B.,  B,  pag.  1111. 


105 

denn  sein  Regiment  sei  in  Dalmatien  zu  schändlich  be- 
handelt worden.1)  Wenn  Weiss  vorläufig  mit  seiner 
Stimme  nicht  durchdrang,  indem  der  Rat  aus  bundes- 
genössischer  Bezeugung  seiner  hohen  „Estime"  für 
Venedig  in  eine  Kapitulation  einwilligte,  so  wurde  ihm 
doch  die  Genugthuung  zu  teil,  dass  man  dem  Üesidenten 
die  Bedingungen  schärfer  und  präciser  stellte,  als  es 
früher  geschehen.  Dies  merkte  der  Resident  auch  gleich, 
als  ihm  der  Statthalter  Grebel  dieselben  vorlas.  Er 
nannte  sie  überspannte  Forderungen  („esorbitanze  ed 
altissimi  pretensioni"),  hinaufgeschraubt  durch  die  Bös- 
artigkeit des  Obersten  Weiss,  der  in  Bern  an  Kredit 
und  Autorität  übermächtig,  in  diesem  Geschäft  über  alles 
Mass  ungebildet  sei  und  nach  seinem  Gutdünken  verfahre.2) 
Es  scheint  aber,3)  der  Resident  habe  doch  einen  ge- 
wissen Respekt  vor  dem  machtvollen  Einliuss  des  Obersten 
gehegt,  denn  er  sandte  ihm  gleich  nachher  als  Geschenke 
Wein  und  Contitüre  und  trug  ihm  unter  günstigen  Be- 
dingungen die  Führung  des  Regimentes  an,  die  derselbe 
jedoch  zurückwies. 

Die  Bedingungen  (Rimostranze),  welche  die  zwei 
Städte  dem  Residenten  stellten,  waren  in  folgenden 
Punkten  bestimmt: 4) 

1.  Vor  dem  Abmarsch  der  Truppen  soll  an  Zürich 
und  Bern  eine  Pension  bezahlt  werden. 

2.  Der  Oberst  und  die  Hauptleute  sollen  für  die 
üb  erzähligen  auch  besoldet  werden.4) 

')  Bern.  Staatsarchiv,  V.  B.,  B,  pag.  437.  Kriegs-Rats-Manual  13, 
pag.  143,  152,  174,  178:  Schon  im  Berner  Kriegs-Rat  hatte  er  gegen 
Lieferung  von  Truppen  geeifert. 

-)  Bern.  Staatsarchiv,  V.  B.,  B.  pag.  441  f. 

3)  Bundesarchiv,  Bd.  72,  pag.  402. 

4 )  Bern.  Staatsarchiv,  V.  B.,  B,  pag.  469.  Bundesarchiv,  Bd.  73, 
pag.  23.  Das  letzte  Mal  geschah  dies  nur  unter  Androhung,  dieselben 
zu  entlassen. 


106 

3.  Vor  der  Ausrüstung  dos  Regiments  werden  die 
Waffen  in  den  Depots  vermehrt,  da  die  gegenwärtige 
Anzahl  eine  ungenügende  und  noch  nie  ein  Schweizer- 
regiment  unbewaffnet  ausgezogen  ist.  Die  Waffen  müssen 
in  der  Schweiz  geschmiedet  werden,  denn  die  italienischen 
sind  zu  leicht. 

4.  Jeder  Ort.  an  den  das  Regiment  hinkommt,  muss 
vorher  in  guten  Zustand  gesetzt  werden,  damit  die 
Truppen  nicht  erkranken  wie  das  letzte  Mal. 

5.  Oberst  und  Hauptleute  sollen  in  Bezug  auf  die 
Vorrechte,  welche  im  Bündnis  vorgeschrieben  sind,  aufs 
beste  gehalten  werden,    namentlich    bei  den  Einkäufen. 

ß.  Venedig  soll,  falls  eine  der  beiden  Städte  Krieg 
führt,  pünktlich  ausführen,  was  darüber  das  Bündnis 
vorschreibt. 

7.  Die  Gelder, .  welche  Venedig  den  beiden  Regi- 
mentern noch  schuldet,  sind  prompt  zu  bezahlen  und  all- 
fällige Reste  durch  Assignaten  zu  sichern. 

8.  Wenn  der  Oberst  oder  die  Hauptleute  einen 
Unterthanen  Zürichs  oder  Berns  unter  fremden  Offizieren 
oder  in  der  Galeere  antreffen,  so  soll  derselbe  auf  ihr 
Ansuchen  in  Freiheit  gesetzt  werden. 

Der  Ambassador  nahm  diese  Remonstranzen  an,  in- 
dem er  sich  darüber  an  den  Dogen  äusserte:  ..Wir 
brauchen  uns  über  diese  Punkte  nicht  lange  zu  disku- 
tieren, denn  abgesehen  von  Punkt  3  können  wir  die 
Regierungen  mit  guten  Worten  schon  zufriedenstellen." 

Der  neue  Oberst  war  schon  erwählt  in  der  Person  des 
Georg  Werdtmüller,  eines  Verwandten  des  frühern  Regi- 
mentsobersten, einige  ebenfalls  schon  ernannte  Haupt- 
leute  und  andere,  die  sicher  auf  ihre  Ernennung  zählten,1) 


')  Zürcher  Staatsarchiv  214,  Mappe  li.  Gewählt  waren  schon  die 
Hauptleute  Berns:  Gabriel  v.  Diesbach.  Antonius  Steiger.  Johannes 
Willading,  Marquart  Zehender,  Hieronymus  v.  Grafenried.  Laut  Kriegs- 


107 

hatten  schon  ihre  Leute  angeworben,  als  Venedig  Ende 
April  1665  auf  das  Regiment  Verzicht  leistete.  Das 
offizielle  Schreiben  vom   12./22.  April  lautete  in  der  an 

Zürich  übermittelten  deutschen  Übersetzung:  l)  Die- 

weil  demnach  sich  eine  zimmliche  Zvtt  verloffen  in  er- 
örtemng  der  vorgefallenen  bedenckhen  wider  alles  ver- 
hoffen, die  Werbung  Selbsten  betreffent  unt  inzwüschent 
Dalmatia  änderst  woher  nach  noth  durfft  versehen  worden 
dan  es  keinen  Verzug  erlyden  mögen:  Erklährt  sich  myn 
Fürst,  dass  Er  allein  bei  sich  halte  ein  sonderbare  und 
grosse  Obligation,  gegen  beiden  Löbl.  Stätten  und  Ständen 
wegen  der  Bewilligung  und  ufrichtig  geneigt  syge,  sich 
deren  zu  bedienen  In  aller  Begebenheit,  in  dem  Ver- 
trauen by  gleichen  anlassen  sich  auch  glyche  gut  Willig- 
keit ihrsvts  erzeigen  werde. 

Unterdessen  ergreifen  ich  mit  gantzem  Herzen  die 
gelegenheit  Ihr  Hochgeacht.  Herrl*.  mit  diesem  zu  ehren." 

Der  Gesandte  sah  das  Motiv  der  Verzichtleistung 
in  dein  Eigennutz  der  beiden  Städte,  Weiss  aber  führte 
einen  andern  Grund  an:2) 

„In  Erinnerung  der  schlechten  Satisfaktion,  sowohl 
gegen  die  Obrigkeiten,  als  auch  fürnenimlich  gegen  die 
Officiers  in  vorigen  beyden  Zügen  ist  aus  dieser  Werbung 
nichts  worden:  wozu  ich  das  meinige  boygetragen,  ob- 
schon  der  Herr  Resident  mir  dieses  Regiment  im  ge- 
heimen mit  einem  schönen  Gehalt  angetragen :  Es  konnte 
mir  aber  nicht  mehr  anstehen." 


Rats-Manual  XIII.  143.  wurden  die  Ärzte  angefragt,  wie  sich  die  nach 
Dalmatien  ziehenden  Truppen  am  besten  schützen  könnten  gegi'n 
..Haubtweh,  Brüui  und  rohter  rühr". 

')  Bern.  Staatsarchiv.  V.  B..  B.  477. 

*)  Bern.  Taschenbuch,  pag.  25. 


108 

2.  Aufhebung'  des  Bündnisses  im  Jahre  1681. 

Der  Türkenkrieg,  den  Venedig  hauptsächlich  in 
Candien  auszufechten  hatte,  fand  nach  mehr  als  zwanzig 
Jahren  1669  seinen  Abschluss,  wobei  Venedig  die 
Insel  bis  auf  drei  Häfen  dem  Sultan  abtrat.  Von  jetzt 
an  erfreute  sich  die  Republik  für  einige  Jahre  der  Ruhe, 
die  auch  von  anderen  Mächten  nicht  schien  gestört  zu 
werden.  Osterreich  war  mit  der  ungarischen  Angelegen- 
heit beschäftigt,  und  Ludwig  XIV.,  der  auf  dem  Gipfel 
seines  Ruhmes  stand,  war  auch  nicht  geneigt,  dem  Feinde 
des  Mailänders  Schaden  zuzufügen.1)  Nachdem  so  einige 
Jahre  des  Friedens  verstrichen  waren  und  am  politischen 
Horizont  keine  drohenden  Wolken  heraufzogen,  glaubte 
der  Doge  die  Zeit  für  gekommen,  einige  Ersparnisse  zu 
machen  und  das  Bündnis  mit  Zürich  und  Bern,  das  ihn 
jährlich  8000  Dukaten  kostete,  aufzulösen.  Er  durfte 
sich  aber  nicht  den  Anschein  geben,  als  ob  er  allein 
eine  Auflösung  wünsche,  und  deshalb  sucht«1  er  eine 
Verlängerung  des  Bündnisses  an  Bedingungen  zu  knüpfen, 
von  denen  er  vielleicht  wusste,  dass  sie  nicht  angenommen 
werden.  Im  Jahre  1676  war  der  Bund  zum  fünftenmal 
abgelaufen  und  nun  verlangte  Venedig,  dass  bei  der  Er- 
neuerung hauptsächlich  folgende  zwei  Punkte  reguliert 
würden.2)  Erstens  sollten  nicht  nur  die  Gelder,  welche 
den  beiden  Städten  bei  einer  an  sie  gerichteten  Kriegs- 
erklärung zu  bezahlen  wären,  vermindert  werden,  sondern 
zweitens  auch  die  Pensionen,  und  dies  im  Interesse  der 
beiden  Verbündeten,  damit  sie  desto  rascher  und  promp- 
ter bezahlt  würden.  Zürich  und  Bern  wollten  aber  be- 
treffs des  Bündnisses  beim  Alten  verbleiben,  und  sie 
zogen  die  Unterhandlungen  so  lange  hinaus,  bis  Venedig 


'.)  Leo,  V,  678. 

-)  Bern.  Staatsarchiv,  V.  B.,  B,  August  167(1 


109 

anno  losl  behauptete,  das  Bündnis  schon  im  Jahr  1676 
gekündigt  zu  haben,  weshalb  man  die  Pensionen  nur 
bis  zu  jenem  Zeitpunkte  entrichte]]  könne.  Die  beiden 
Städte  beriefen  sich  aber  auf  Briefe  dos  Residenten,  die 
immer  nur  von  Umänderungen  und  Anpassung  der 
Bündnisparagraphen  an  die  neuen  Verhältnisse  handelten, 
aber  niemals  von  Aufhebung,  so  dass  Venedig  die  Pen- 
sionen bis  zum  Jahr  1681  nachtragen  musste.  Damit 
war  das  Bündnis  aufgelöst,  aber  der  Doge  wünschte 
gleichwohl,  dass  die  gegenseitige  Affektion  und  Freund- 
schaft noch  weiter  bestehen  möchte:1)  „Inzwüschen 
werden  wir  nit  unterlassen,  dieselben  unser  Fründscbafft 
und  Hochschezung  zu  versichern,  welche  wir  wegen  dero 
Verdienst  Erhalten  werdent,  und  wüntschet  die  gute 
Verstendnus  Je  mehr  und  mehr  steiff  zu  setzen  mit 
solcher  Intention,  so  wir  denselben  schon  zu  mehrmalen 
bedeutet,  und  derselben  auch  in  allen  begebenheiten  zu 
erkennen  zugeben  unser  Dankbarkeit,  so  wie  alzeit  in 
früscher  gedachtnus  halten  werdend"  .  .  .  22.  Febr.  1681. 

Der  Bund  Venedigs  mit  Zürich  und  Bern  war  auf- 
gelöst.    Um   so    enger   suchte    sich   die  Marcostadt   den 


')  Bern.  Staatsarchiv.  V.  B..  B.  ööl  f. 

Nach  Leo,  V,  pag.  709:  Im  Januar  1699  schloss  dann  Venedig 
mit  den  Türken  Frieden,  der  dem  Sultan  das  Land  zwischen  Gabella 
und  Castelnuovo  zusprach,  so  dass  das  venetianische  Morea  bei 
llexamilon  abgegrenzt  wurde,  die  Yenetianer  Lepanto  zu  räumen. 
Prevesa  und  die  Schlösser  der  Dardanellen  am  Meerbusen  von  Le- 
panto zu  schleifen  und  von  den  Inseln  des  Archipels  alle,  die  vor 
dem  Kriege  türkisch  waren,  zurückzugeben  hatten,  alle,  die  venetia- 
üisch  waren,  behielten.  Die  Tributzahlungen  für  Zante  hörten  aut: 
die  dalmatinische  Grenzlinie  wurde  auf  dem  Gebirge  östlich  von 
Knin,  Yerlica.  Sigu,  Delovar.  Zadoar  und  Vergorac  bis  Gabella  ge- 
zogen. Cattaro  blieb  den  Venetianern,  die  Gefangenen  wurden  aus- 
getauscht und  beiden  Teilen  das  Recht  zugestanden,  die  Festen,  in 
deren  Besitz  «ie  blieben,  zu  verbessern. 


110 

katholischen  Schweizern  anzuschmiegen.  Schon  zu  Anfang 
der  sechziger  Jahre  standen  Truppen  ans  den  ennet- 
birgischen  Vogteien  und  des  Fürstabtes  von  St.  (lallen 
in  venetianischem  Solde,  und  jetzt  bedurfte  man  ihrer 
um  so  mehr,  als  es  galt,  auf  allen  Punkten  gegen  den 
zurückweichenden  Sultan  vorzurücken.  Als  die  Türken 
1683  unter  den  Mauern  Wiens  dem  wuchtigen  Anprall 
ihrer  Gegner  unterlagen,  wurde  sogleich  ein  Bund  ge- 
schlossen zwischen  dem  Kaiser  Leopold  L.  dem  Polen 
Sobieski,  dem  Papst  Innocenz  XI.  und  Venedig,  mit  dem 
Zwecke  die  Türken  vollends  aus  ihren  neuen  Besitzungen 
herauszutreiben.  Auf  der  ganzen  Linie  von  Ungarn  bis 
hinunter  nach  Morea  entbrannte  der  Kampf  von  neuem. 
Die  türkischen  Scharen  erlitten  eine  Schlappe  nach  der 
andern.  Binnen  wenigen  Monaten  bedrohten  die  vene- 
tianischen  Bomben  -die  Akropolis. 

Die  katholischen  Kantone  lieferten  ganz  bedeutende 
Truppenkontingente,  von  denen  nur  kümmerliche  Beste 
den  heimatlichen  Boden  wiedersahen.  So  stund  unter 
dem  Oberst  von  Roll  aus  Solothurn  ein  Regiment  von 
2400  Mann,  von  dem  nur  \\a  den  Kriegsgreueln  und 
den  epidemischen  Krankheiten  entrann.  Im  Jahr  1688 
beschloss  die  Konferenz  der  katholischen  Orte  in  Luzern 
mit  dem  Abte  von  St.  Gallen,  dem  venetianischen 
Sekretär  Hieronymus  Squadroni  ein  Regiment  von 
3200  Mann  für  Morea  zu  bewilligen.  Befehligt  wurde 
es  von  Sebastian  Schmid  von  Uri  und  nach  dessen  Tode 
vom  Schwyzer  Heller.  Auch  diese  Truppe  lieferte  türki- 
sches Säbelfutter,  und  die  Überlebenden  erlitten  eine  so 
schmähliche  Behandlung,  dass  die  interessierten  Schweizer 
Regierungen  zweimal  den  Papst  ersuchten,  er  möchte 
bei  Venedig  die  Entlassung  des  „überbliben  Völklins" 
erwirken,  und  Heller  nach  seiner  Heimkunft  vor  Gericht 
gestellt  wurde.     Von   den  218  Mann    der  mitbeteiligten 


111 

stiftsanktgallischen  Compagnie  kehrte   nur   ein  Dutzend 
mit  dem  geretteten  Fähnlein  zurück.1) 


3.  Wiederaufnahme  der  Verhandlungen  bis  zur 
Erneuerung  des  Bündnisses. 

20  Jahre  waren  seit  dem  Abbruch  der  venetianischen 
Beziehungen  mit  den  beiden  Städten  verstrichen,  als  im 
Februar  1701  der  Resident  Vendramino  Bianchi  aus  Mai- 
land die  Städte  Zürich  und  Bern  um  2  Regimenter  Kriegs- 
volk von  je  looo  Mann  ersuchte.2)  Wie  gewöhnlich  hielten 
auch  diesmal  die  Räte  Beratungen  über  das  Ansuchen 
und  teilten  sich  dann  gegenseitig  das  Resultat  derselben 
mit.  Bern  schrieb  an  Zürich:")  „Nachdemm  Wir  auss 
Euwer  Unser  Y.  L.  A.  E.  schreiben  vom  16ten  currents 
des  mehreren  ersehen,  wasgestalten  Ihr.  wegen  ambegehrt- 
Venetianischer  Volks-Werbung  nicht  allein  unser  gut- 
achten.  sondern  auch  die  continuation  hierüber  ver- 
pflogener-Correspondenz  zuvernemmen  verlangten,  über 
•'inige  Pündtnuss  aufzurichten  sein,  und  unter  was  für 
einer  Capitulation  die  Völker  zu  stehen  kommen  möchten? 
also  haben  wir  nicht  ermangeln  lassen,  in  unserer 
heutigen  grossen  Rhatsversämmlung  hierüber  reiflich  zu 
reflektieren  da  unss  ein  gegenwärtig-missliche  conjunk- 
turen,  wegen  der  Sachen  zweifelhaften  aussschlag  so  be- 
denklich anscheinen,  dass  wir  uns  zu  einigen  volksauff- 
bruch  bey  jezigen  zeit  löuffen  gar  nit  verstehen  könten: 
in  mässen  Wir  unsere  hierum  waltenden  reflexiones  auf 


r)  Nach  Leu  und  Dr.  Hanf :  Eine  stiftsanktsallische  Compagnie 
in  venetiani3chem  Kriegsdienst. 

■)  Bern.  Staatsarchiv,  V.  11,  B,  687 — 95. 

:i)  Bern.  Staatsarchiv,  V.  B.,  B,  697. 


112 

berufend-Arauischer  Conferenz  ausführlich  in  freündt. 
Eydtgen11.  Vertrauen  eröfnen  lassen"  .  .  . 

Auf  der  Aarauer  Zusammenkunft  im  März  wurde 
beschlossen,  keinen  Volksaufbruch  zu  gestatten,  welche 
Entscheidung  dem  Ambassador  in  folgender  Form  über- 
reicht wurde:1)  „Weil  Wir  in  der  ungewüssheit  wo  das 
Trüebe  Wätter  seinen  aussbruch  nemmen  möchte,  in 
nicht  minderen  gefahren  alls  Hochermelte  Herrschafft 
selbsten  stehen,  so  könten  wir  unss  an  volk  nicht  wohl 
entkräfften,  umb  so  da  weniger  weilen  darmit  andern 
potenzen  sehr  bedenklicher  anlaass  gegeben  würde,  gleich 
volksuffbruch  zubegehren ,  wardurch  man  dann  unser 
Land  und  Volk  all  zu  vill  entblössen,  und  selbst  in  für- 
brächendem  nothfall  zu  eignem  Schirmb  desto  minder 
bytragen  könnte :  danebent  sich  die  Sachen  sint  jüngster 
Arauischer  Conferenz  nicht  gebessert,  sondern  villmehr 
zu  einem  offenbahren  aussbruch  des  Krieges  an  Zu 
Zetlen  scheinen,  dessetwegen  wann  zwo  Kriegende  Armees 
im  und  gegen  dem  Meyländischen  wider  ananderem  zu 
fehl  liegen  möchtend,  unsere  volkshilffe  den  pass  gegen 
den  Meyländischen  nirgends  zufinden  hette"  .  .  . 

Im  April  1705  schickt«1  der  Doge  einen  Gesandten 
nach  Zürich,  damit  er  im  Rate  das  aufgehobene  Bündnis 
wieder  zur  Sprache  bringe.  In  welcher  ungewöhnlichen 
Hochhaltung,  so  lauteten  ungefähr  seine  Worte,2)  die 
Herrschaft  Venedig  diese  mächtigen  „Republicc"  zu  jeder 
Zeit  gehalten,  und  wie  gross  das  gegenseitige  Wohlwollen 
und  die  gepflogenen  Korrespondenzen  gewesen,  geben 
die  vor  langer  Zeit  aufgerichteten  und  aufrecht  er- 
haltenen Bündnisse  und  Allianzen  deutlich  zu  verstehen, 
besonders  aber  diejenigen,  welche  Venedig  mit  den  beiden 


!)  Bern.  Staatsarchiv,  V.  B.,  B.  706. 
-)  Bern.  Staatsarchiv,  V.  B..  B.  747. 


IIB 

Städten  Zürich  und  Bern  einging.  Dazu  stimmen  nicht 
weniger  die  geleisteten  Kriegsdienste,  in  denen  sich  so- 
wohl  verschiedene  Offiziere  wie  gemeine  Soldaten  dieser 
herzhaften  Nation  wider  den  gemeinsamen  Feind  der 
Christenheit  signalisiert  und  ewigen  Ruhm  erworben 
haben.  <  Ibwohl  nun  der  venetianische  Senat  eine  Zeit 
lang  keinen  Residenten  in  der  Schweiz  gehalten  habe. 
so  sei  doch  die  Hochschätzung  und  Liebe  nicht  erkaltet, 
sondern  vielmehr  mit  einem  von  Asche  überstreuten 
Feuer  zu  vergleichen.  Diese  glimmende  Lohe  werde 
nun  in  so  hellen  Flammen  aullodern,  dass  jedermann  die 
Liebe  und  Hochhaltung  Venedigs  leicht  erkennen  müs^e. 
In  diesen  misslichen  Zeiten,  die  allen  aufs  beste  bekannt 
seien,  habe  die  Republik  für  weise  gefunden,  den  Bund 
mit  den  beiden  Städten  zu  renovieren,  deren  Macht  und 
Fürsicht  in  der  ganzen  Welt  bekannt  seien.  Dieser 
Entschluss  sei  um  so  eher  zu  applaudieren,  da  er  zur 
Erhaltung  der  gegenseitigen  Republiken  heilsam  wirken 
werde.  Dieses  möge  als  Hauptursache  seines  Erscheinens 
gelten. 

Der  Resident  erhielt  zur  Antwort,  dass  man  Venedigs 
Ansuchen  um  Freundschaft  gefällig  annehme,  dass  aber 
auf  einer  zwischen  beiden  Städten  zu  vereinbarenden 
Konferenz  die  Proposition  näher  beleuchtet  werden  müsse. 
Von  Bern  wurde  dafür  der  3.  Juni  vorgeschlagen,  und  da 
sich  der  Resident  extra  dorthin  bemühte,  wurde  der 
Vorschlag,  in  Aarau  eine  Zusammenkunft  zu  veranstalten, 
angenommen.  Am  Konferenztage  J)  wurde  nun  in  erster 
Linie  das  alte  Bündnis  und  das  vom  Residenten  am 
24.  Mai  eingereichte  Memorial  abgelesen,  worauf  die 
Delegierten  beider  Orte  ihre  Ansichten  äusserten.  Für 
eine  Erneueruns:  des  Bündnisses  sprachen  das  Interesse 


l)  Eidg.  Abschiede,  A.  VI  2,  pag.  1233. 


Archiv  des  histor.  Vereins. 
XV.  Band.     1.  Heft. 


114 

freier  Staaten ,  sich  gegen  monarchische  Gewalt  zu 
schützen,  der  unbestreitbare  Nutzen,  den  diese  Allianz 
den  Vorfahren  gebracht  hatte,  und  die  Neutralität 
Venedigs,  welche  die  Eidgenossenschaft  nur  zu  defensiver 
Hülfe  verbinden  würde.  Als  Gegenansichten  waren  nicht 
zu  übersehen  die  mit  der  Bundeserneuerung  notwendig 
verbundene  Aushebung,  die  gegenwärtige  „Kriegswufc" 
in  Italien,  die  Missverständnisse  im  eigenen  Vaterland«'. 
vorab  das  Toggenburgergeschäft  und  die  wieder  begin- 
nenden Remonstrationen  der  fremden  Gesandten.  Bei 
der  Beratung  erörterte  der  venetianische  Ambassador 
auch  persönlich,  in  welchem  Sinn  die  Artikel  2,  3.  9 
und  19  des  alten  Bundes  umgeformt  werden  sollten, 
während  man  die  übrigen  Bestimmungen  mit  unbedeu- 
tenden Veränderungen  belassen  dürfe. 

Im  Juli  verlangt«'  der  Resident  mit  Nachdruck  von 
Zürich  eine  endliche  positive  Erklärung,  ob  man  auf  das 
Bündnis  eintreten  wolle  oder  nicht ; x)  Bern  habe  auf  den 
ersten  Antrag  guten  und  geneigten  Willen  gezeigt;  bei 
längerem  Verschieben  fürchte  er,  von  seiner  Regierung 
einen  derben  Verweis  wegen  unnütz  verlorner  Zeit,  allzu 
grosser  Leichtgläubigkeit  und  unrichtiger  Berichter- 
stattung zu  erhalten.  Zürich  entgegnete  darauf,  es  heg« 
keine  Bedenken  gegen  den  Bund  selbst,  wohl  aber  gegen 
den  damit  verknüpften  Volksaufbruch,  da  die  Zustände 
in  Italien  und  die  Zwistigkeiten  im  Vaterlande  zur  Vor- 
sicht  mahnen.  Man  müsse  für  die  Aushebungen  gewisse 
Vorbehalte  gemäss  den  Situationen  in  und  ausser  dem 
Lande  treffen.  Demnach  entwarf  nun  der  zürcherische 
Rat  das  Bündnis  und  die  Kapitulation  und  schickte  die- 
selben nach  Bern,  wo  am  Rande  die  Abänderungsanträge 
hingesetzt    wurden.      Auf    einer    Konferenz    zu    Baden 


1 )  Eidg.  Abschiede,  A,  VI  2,  pag.  1253. 


115 

einigten  sich  die  beiden  Städte  über  das  Projekt,  worauf 
die  Zürcher  Abgeordneten  auf  der  Heimreise  dasselbe 
dem  Residenten  Bianchi  zur  Prüfung  unterbreiteten. 
Am  6.  August  fand  darüber  in  Weiningen  eine  einläss- 
liche  Besprechung  statt,  wo  mau  sich  gegenseitig  in  der 
Bestimmung  der  Artikel  näher  rückte  und  die  noch  zu 
diskutierenden  Punkte  ad  referendum  nahm. 

Je  mehr  sich  das  Bündnis  dem  Abschluss  näherte, 
desto  kräftiger  arbeiteten  die  fremden  Gesandten  dem- 
selben entgegen.1)  Schweizerische  Offiziere  in  französi- 
schen und  holländischen  Diensten  schrieben  an  ihre 
Freunde  in  den  Räten,  sich  doch  ja  nicht  in  dieses 
Bündnis  einzulassen,  da  ihnen  dadurch  die  Truppen- 
aushebungen  erschwert  würden.  Der  französische  Ge- 
sandte liess  durch  seinen  Sekretär  einen  Brief  an  die 
Zürcher  richten,  worin  er  sich  äusserte : 2)  Er  vernehme 


J)  Bundesarchiv.  Bd.  84,  pag.  271. 

-)  Bundesarchiv,  Bd.  84,  pag.  274. 

rJ?appreus  avec  beaueoup  d:etonnement  que  vous  etes  dans  la 
resolution  d'aecorder  des  troupes  ä  la  Republique  de  Venise  rualgre 
celle  ijue  vous  aviez  prise  de  iren  aecorder  ä  aueune  puissaace 
etrangere  pendant  le  cours  de  cette  guerre,  et  rualgre  la  declaration 
que  vous  en  aviez  donnee.  J'apprends  meine  que  vous  vous  etes 
determines  ä  aeeepter  une  capitulation  bieu  ioferieure  ä  celle  que 
le  Roi  mon  maitre  a  aecordee  aus  troupes  de  votre  nation  qui  ont 
l'homieur  d'etre  ä  son  service.  —  Vous  vous  souvenez  saus  doute 
que  vous  aviez  refuse  d'aecorder  les  levees  que  Sa  Majeste  vous  a 
demandees  et  cela  sous  le  pretexte  de  n'eu  vouloir  aecorder  a  aueune 
Puissance.  Ainsi  vous  devez  avouer  que  Sa  Majeste  saura  bien  que 
penser  de  la  demarche  que  vous  semblez  vouloir  faire.  Vous  savez 
le  besoin  que  le  Roy  a  de  faire  toutes  les  annees  des  recrues  en 
Suisse.  Sa  Majeste  peut  meine  vouloir  y  demander  de  nouvelles 
levees :  ce  sont  les  seules  raisons  qui  nr engagent  ä  desirer  que  vous 
n'aecordiez  point  les  troupes  qui  vous  sont  demandees  par  la  Re- 
publique de  Venise;  mais  si  contre  votre  politique  et  vos  resolution* 
vous  lui  en  aecordiez,  je  nie  Hatte  que  vous  feriez  la  meme  chose 
pour  les  levees  que  je  pourrais  vous  demander  pour  le  service   du 


116 

mit  grossem  Erstaunen,  dass  man  mit  Venedig  über  den 
Abschluss  einer  Kapitulation  zu  ungünstigeren  Bedin- 
gungen verhandle,  als  die  vom  König  früher  anerbotenen 
und  von  Zürich  abgelehnten.  Den  Aufbruch  habe  Zürich 
abgeschlagen  unter  der  Vorgabe,  dass  keiner  Macht  ein 
solcher  gewährt  werde.  Daher  verlange  er.  dass  auf  das 
Gesuch  Venedigs  nicht  eingetreten  oder  aber  dann  auch 
dem  Könige  Volk  bewilligt  werde. 

An  den  französischen  Gesandten  erging  folgendes 
Antwortschreiben:1)  „Da  wir  durch  die  Gnade  Gottes 
eine  freie,  anabhängige  Republik  sind,  besitzen  wir  das 
Recht.  Defensivbündnisse  abzuschließen,  laut  den  öffent- 
lichen Erklärungen,  welche  die  löblichen  Kantone  schon 
öfters,  besonders  im  Jahr  1663  Ihrer  Excellenz  schrift- 
lich eingaben.  Bis  heute  wurden  von  Venedig  noch 
keine  Truppen,  sondern  nur  Erneuerung  des  Bündnisses 
verlangt.  Werden  wir  um  Truppen  angehalten,  so  werden 
wir  dieselben  als  einem  neutralen  Staate  gewahren,  nicht 
aber  andern  Machten,  die  in  diesen  Krieg  verwickelt 
sind.  Damit  Verstössen  wir  uns  nicht  im  geringsten 
gegen  den  ewigen  Frieden  und  gegen  die  Bündnisse. 
die  mit  Frankreich  abgeschlossen  wurden." 

Von  nun  an  trat  der  französische  Gesandte  nicht 
mehr  öffentlich  auf.  sondern  wühlte  in  geheimen  Maul- 
wurfsgängen gegen  die  geplanten  venetianischen  Truppen- 
werbungen. 

Unterdessen  war  man  in  der  Bündnisangelegen- 
heit  um    einen  Schritt  weiter   gegangen.     Am  28.  Sep- 


Roi  et  ä  la  meine  solde  que  celle  dout  vous  convieudrez  avec  les 
Venetiens.  Je  vous  prie  de  me  faire  savoir  incessauimeut  vos  inten- 
tions  sur  Je  contenue  de  cette  lettre,  afin  que  j'en  puisse  rendre 
compte  au  Roi  et  que  S.  M.  puisse  prendre  les  resolutions  qu'Elle 
croira  convenables  au  bieu  de  son  Service.  Je  prie  Dieu  de  .  .  ." 
r)  Buudesarchiv,  Bd.  84,  22.  August  1705,  italienisch. 


117 

tember1)  eröffneten  beide  Stände  in  Aarau  ihre  gleich- 
lautenden Instruktionen,  worauf  der  Resident  in  Bezug 
auf  11  Artikel  Gegenbemerkungen  und  abweichende 
Vorschläge  vorbrachte.  Diese  betraten  namentlich  die 
Tarifierung  der  zur  Zahlung  der  Truppen  zu  ver- 
wendenden Geldsorten  und  ihre  Specifikation.  Zürich 
und  Bern  hatten  gefunden,  dass  nichts  so  beständig  sei, 
wie  die  Unbeständigkeit  im  Auf-  und  Abschlage  der 
Gelder.  Darin  sollten  in  Zukunft  Streithändel  zwischen 
den  Offizieren  und  den  Kommissären  vermieden  werden. 
Dann  verlangte  der  Resident  von  den  Hauptleuten  Kaution 
für  die  vorgesehenen  Werbegelder  und  sprach  sich  noch 
über  die  Erwirkung  des  Durchpasses  durch  Bünden  aus. 
Da  die  Gesandten  von  ihren  Instruktionen  nicht  ab- 
weichen konnten,  Hessen  sie  die  beanstandeten  Punkte 
ihrer  Obrigkeit  durch  Fussboten  unterbreiten,  und  obwohl 
diese  mit  denselben  Instruktionen  zurückkehrten,  wurde 
in  der  Schlussberatung  vom  1.  Oktober  der  Entwurf 
unter  Vorbehalt  gegenseitiger  Ratifikation  mit  allseitiger 
Zustimmung  angenommen.  Zürich  und  Bern  behielten 
sich  aber  ausdrücklich  vor,  von  Truppenwerbungen  so 
lange  abzusehen,  bis  die  innern  Zwistigkeiten  in  der 
Eidgenossenschaft  beigelegt  seien. 


1.  Das  erneuerte  Bündnis.2) 

Die  Grundlage  zu  diesem  in  28  Artikeln  niederge- 
legten Bündnisse  bildete  das  frühere  vom  (J.  März  1615. 
In  folgenden  Bestimmungen  weicht  es  aber  von  dem- 
selben ab : 


1)  Eidg.  Abschiede,  A,  VI  2,  pag.  1262. 

2)  Eidg.  Abschiede,  B,  VI  2,  pag.  2312.     Bern.  Staatsarchiv,  V. 
B.,  B,  pag.  1019. 


118 

2.  Wenn  die  Herrschaft  Venedig  in  Krieg  oder  in 
Kriegsgefahr  gerät  und  von  den  beiden  Städten  Hülfe 
begehrt,  so  sollen  für  den  Feld-  und  Garnisonsdienst 
ein  Corps  von  4000  Freiwilligen  in  2  Regimentern  oder 
nur  2000  Mann  unter  einem  Oberst  ausgehoben  werden. 
Stehen  die  beiden  Städte  in  drohender  Gefahr,  so  dürfen 
die  schon  geworbenen  Trappen  ins  Vaterland  zurück- 
kehren. Jede  Compagnie  soll  200  Mann  stark  sein  und 
unter  dem  Kommando  von  1  Hauptmann  und  2  Lieute- 
nants stehen.  In  der  Zahl  200  sind  mit  diesen  Offizieren 
einbegriffen  ]  Fähnrich.  4  Wachtmeister.  „4  Unteroffiziere 'S 
6  Korporale.  6  Gefreite.  4  Trommler,  1  Trompeter  und 
1  Feldscher  mit  seinen  Trabanten. 

3.  Jedem  Hauptmann  werden  gegen  zu  leistende 
Bürgschaft  vor  dem  Abmarsch  533  spanische  Dublonen 
für  seine  Compagnie  bezahlt.  Diese  Summe  soll  nach 
einem  Jahr  in  monatlichen  Raten  von  30  Dublonen  zu- 
rückerstattet werden.  Fehlen  bei  der  ersten  oder  bei 
den  nachfolgenden  Musterungen  Soldaten,  so  wird  dem 
Hauptmann  für  jeden  monatlich  l1  %  spanische  Dublone 
=   1   venetianisches  Pfund  abgezogen. 

4.  Die  Truppen  dürfen,  solange  die  Gebirgspässe 
durch  Schnee  versperrt  sind,  nicht  entlassen  werden. 

5.  Stehen    die    Truppen    einmal    in    venetianischen 

Diensten,    so    verbleiben    sie    dort    3  Jahre    und   dürfen 
während  dieser  Zeit  nicht  licensiert  werden. 

(i.  Im  Feldlager  dürfen  die  Regimenter  nach  heutiger 
Kriegsführung  in  Bataillone  getrennt  werden,  in  der 
Garnison  aber  darf  nur  compagnieweise  Trennung  vor- 
genommen werden. 

8.  Für  den  Heimzug  von  der  Grenze  an  werden 
jeder  Compagnie  30  Tagessolde  bezahlt.  Bis  zu  den 
bündnerischen  Grenzen  sollen  die  Truppe  mit  aller  Sicher- 


119 

heit  begleitet,  die  Kranken  und  der  Hausrat  der  Offiziere 
kostenfrei  auf  Wagen  spediert  werden. 

9;  Die  Mannschaft  soll  mit  Gewehren,  Bajonetten 
und  Bandelieren  ausgerüstet  sein;  den  beiden  Städten 
steht  es  frei,  die  Truppen  selbst  auf  diese  Weise  zu  be- 
waffnen oder  sie  von  Venedig  ausrüsten  zu  lassen,  in 
welchem  Fall  dann  den  einzelnen  Soldaten  für  die  Ab- 
nutzung der  Waffen  monatlich  5  venetianische  Soldi  ab- 
gezogen werden.  Jede  Compagnie  erhält  833  Dublonen 
per  Monat,  der  Oberst  deren  145.  die  Dublone  =  29 
venetianische  Pfund.1)  Zählt  eine  Compagnie  bis  220 
Mann,  so  soll  den  Überzähligen,  wenn  es  wirklich  Eid- 
genossen sind,  je  l1/:-)  Dublone  als  Sold  entrichtet  werden. 
Ist  der  Effektivbestand  unter  175  Mann,  so  verliert  der 
Hauptmann  monatlich  20  und  bei  einer  geringeren  Zahl 
als  165  40  Dublonen,  „Kraut"  und  Lot  wird  gratis 
geliefert.  Wird  die  Compagnie  durch  eine  Schlacht 
oder  durch  grassierende  Krankheiten  geschwächt,  so 
sollen  die  Hauptleute  2  Monate  lang  nach  der  letzten 
Musterung  besoldet  werden,  damit  sie  die  Ergänzung 
der  Mannschaft  um  so  eher  vornehmen  können. 

10.  Ein  Lokal  für  den  Gottesdienst  und  ehrliches 
Begräbnis  werden  zugesichert. 

11.  Den  reformierten  Feldpredigern  ist  es  gestattet, 
die  Kranken  ohne  Störung  zu  besuchen  und  zu  trösten, 
und  niemand  darf  diese  von  ihrer  Religion  abwendig 
machen. 


*)  Italienische  Dublone  =  28  italienische  U  -f   10  Soldi. 
Zechine  =    17  italienische  U. 

Jährlicher  Dukaten  oder  Hungarus  =  16  italienische  «. 
Scutus  oder  Silberkrone  =  9  italienische  U  -\-  12  Soldi. 
Schilling   oder  venetianischer   Dukaten  =  8   italienische   ü 

+  10  Soldi. 
Laufender  Dukaten  =  6  italienische  U  -\-  4  Soldi. 


120 

13.  Die  Hauptleute  bestimmen  von  sich  aus  ihre 
subalternen  Offiziere,  unter  der  Bedingung,  dass  sie  da- 
zu tüchtige  angesessene  Zürcher  und  Berner  und  nicht 
Fremde  ernennen. 

14.  Es  steht  den  Compagnien  frei,  einen  Marketender 
aus  ihrer  Mitte  zu  erwählen,  der  aller  Auflagen  und 
Zölle  befreit  ist.  In  der  Garnison  alter  hat  er  sich  der 
Zollerstattung  wegen  mit  den  Einnehmern  oder  Befehls- 
habern der  Herrschaft  zu  vergleichen.  Doch  darf  er 
die  Lebensmittel  nur  eidgenössischen  Soldaten  verkaufen. 

19.  Venedig  gewährt  während  der  Dauer  des  Bünd- 
nisses, vom  Tage  der  Ratifikation  an  gerechnet,  jeder 
Stadt  eine  jährliche  Pension  von  711  Dublonen. 

Der  Artikel  26  wurde  in  drei  Paragraphen  zerlegt  und 
mit  dem  Zusatz  versehen,  dass  das  Bündnis  für  12  Jahre 
gelte,  und  dass  Zürich  und  Bern  mit  Venedig  den  Durch- 
pass  durch  Bünden  erwirken  sollen. 


5.  Solemnisation  und  Schluss. 

Die  zuerst  auf  den  7.  Januar  1706  festgesetzte  Be- 
schwörung des  Bündnisses  beider  Städte  mit  Venedig 
musste  wegen  verspäteten  Einganges  der  italienischen 
Briefe  auf  den  12.  verschoben  werden.  Nach  Ankunft 
der  bernischen  Gesandtschaft *)  wurde  am  11.  Januar 
in  der  ersten  Konferenz  der  beiden  Städte  das  Bündnis 
abgelesen  und  genehmigt    und  dabei  die  Wahrnehmung 


')  Von  Bern  waren  abgeordnet:  Job.  Rud.  Sinner.  alt  Schult- 
heis: Job.  Friedr.  Willading.  alt  Fenner,  Herr  in  T'rtenen  und  Mad- 
stetten;  Franz  Emanuel  v.  Bonstetten.  alt  Kommandant  von  Aarburg, 
und  Job.  Heinrieb  Steiger,  alt  Schultheis»  von  Burgdorf,  alle  Mit- 
glieder des  grossen  und  kleinen  Rates. 

Eidg.  Abschiede.  A.  VI  2.  pag.  1281  f.  Bern.  Staatsarchiv,  V.  B., 
B,  1047  f.     Bundesarcbiv.  Bd.  84.  pag.  451  f. 


121 

gemacht,  dass  das  lateinische  Instrument  im  Widerspruch 

mit  dem  letzten  Abschied  von  Aarau  im  Artikel  14  des 
Kommissbrotes  nicht  gedenke,  während  eine  bezügliche 
Bestimmung  im  deutschen  Text  enthalten  sei.  Darüber 
gab  der  venetianische  Resident  noch  am  gleichen  Tage 
die  schriftliche  Erklärung  ab,  er  wäre  gerne  bereit,  dem 
Worte1  „utensilium"  beizufügen  „et  panis",  wenn  es  in 
der  vorliegenden  Originalausfertigung  noch  statthaft 
wäre.  Er  gab  aber  die  Versicherung,  dass  die  schwei- 
zerischen Soldaten  hinsichtlich  des  Brotes  den  andern 
gleichgehalten  werden.  So  liess  man  es  bei  dieser  Er- 
klärung bewenden.  Hierauf  wurde  das  für  die  Bundes- 
beschwörung  nach  dem  Vorgang  von  Ulis  entworfene 
Ceremonial  verlesen  und  genehmigt.  Um  allen  Inkon- 
venienzen  vorzubeugen,  wurde  Stadthauptmann  Escher 
beauftragt,  die  Wachen  um   100  Mann  zu  verstärken. 

Die  Feierlichkeit  begann  Dienstag  den  12.  mit  einem 
Zusammenläuten  aller  Kirchen.  Schon  am  7.  Januar 
waren  die  bernischen  Gesandten  mit  Comite  und  Diener- 
schaft auf  40  Pferden  durch  eine  „unglaubliche"  Menge 
Zuschauer  in  Zürich  eingeritten.  Im  Gasthof  zum  Schwert 
wurden  sie  nun  abgeholt  und  zuerst  ins  Grossmünster 
geführt,  dann  ins  Versammlungslokal  des  kleinen  und 
grossen  Rates  begleitet.  Eine  gleich  starke  Abteilung 
ging  auch  mit  dem  Residenten  durch  das  Wollishofer- 
thor  und  den  Fraumünsterplatz  auf  das  Rathaus.  In 
der  Stube  der  Räte  und  Burger  wurden  der  Resident 
zur  Rechten  und  die  Berner  Gesandten  zur  Linken  des 
Bürgermeisters  Escher  in  gleicher  Linie  mit  ihm  placiert. 
Auch  das  Gefolge  wurde,  soweit  es  Livreen  trug,  in  die 
grosse  Ratsstube  eingelassen;  die  Vertreter  des  berni- 
schen grossen  Rates  erhielten  Sitzplätze,  die  andern 
nmssten  stehen.  Neben  dem  Residenten  stand  sein  Dol- 
metsch und  neben   den  Gesandten  Berns   ihr   Sekretär. 


122 

Ratschreiber  Gross.  Der  Bürgermeister  erhob  sich  nun 
und  hielt  ungefähr  folgenden  Vortrag :  Als  auf  den  leidigen 
Sündenfall  alle  Geschöpfe  Gottes  Feinde  des  undankbaren 
Menschen  und  homo  homini  Lupus  geworden,  hat  der 
grimmige  Menschenfeind  zwei  seiner  Boten,  den  Ehrgeiz 
und  die  Missgunst,  in  die  Welt  gesandt,  welche  die 
Menschenkinder  so  sehr  hintereinander  gehetzt,  dass  einer 
den  andern  zu  beherrschen  und  zu  unterdrücken  suchte. 
bis  endlich  Nimrod,  der  gewaltige  Jäger,  den  Grund  zur 
Manierlichkeit  legte.  Unter  dieser  Sklaverei  seufzten 
nun  die  meisten  Staaten,  und  darum  müssen  diejenigen, 
welche  noch  in  Freiheit  leben,  auf  ihrer  Hut  stellen  und 
den  Spruch  zu  verwirklichen  suchen,  dass  homo  homini 
deus  est.  wozu  der  Abschluss  von  Defensivtraktaten  ein 
treffliches  Mittel  ist.  Dieser  Staatsmaxime  haben  die 
Herrschaft  Venedig.. und  Zürich  mit  Bern  von  jeher  ge- 
huldigt und  schon  am  2.  April  1618  einen  Bund  be- 
schworen, der  jetzt  in  Anpassung  an  die  gegenwärtigen 
Verhältnisse  erneuert  wurde  und  heute  beschworen 
werden  soll.  —  Nach  dieser  Hede,  die  dem  Residenten 
sofort  ins  Italienische  übertragen  wurde,  fragte  der 
Bürgermeister  an.  was  die  anwesende  Gesandtschaft 
dieses  Geschäftes  halber  vorzubringen  habe.  Hierauf 
liess  \  endramino  Bianchi  seine  Vollmacht  vorlesen,  worin 
es  unter  anderm  hiess :  .  .  .  ..Wir  versprechen  bei 
unserer  wahren  fürstlichen  Treue  und  Glauben,  alles, 
was  unser  Gesandter  des  Bündnisses  wegen  thiin  und 
vollziehen  wird,  zu  bestätigen,  zu  ratifizieren  und  gut 
zu  heissen.  unverbrüchlich  zu  halten  und  zu  beobachten. 
ohne  dawider  zu  handeln,  noch  zu  gestatten,  dass  dawider 
auf  irgend  eine  Weise  gehandelt  werde"'  .  .  .  Dann  hielt  er 
in  Messendem,  elegantem  Stil,  der  den  venetianischen  Resi- 
denten des  17.  Jahrhunderts  eigen  ist.  eine  Proposition, 
worin  er  ausführte,  dass  es  eine  grosse  Wohlthat  Gottes 


123 

sei,  wenn  ei"  einem  Staat  nicht  nur  Land  und  Leute, 
sondern  die  gerechteste,  beständigste  und  vollkommenste 
Regierungsform  gebe,  welche  allein  die  Republik  sei. 
Wenn  aber  der  Allerhöchste  die  Regierung  eines  solchen 
Staates  dem  freien  Willen  der  Glieder  desselben  über- 
lasse, so  sei  es  wiederum  eine  grosse  Wohlthat.  wenn 
er  ihnen  die  Liebe  zum  Frieden  und  zur  Vereinigung 
einflösse.  Diese  Gleichheit  der  Regierungsform  und  diese 
Liebe  zum  Frieden  machen  eine  Verbindung  der  Herr- 
schaft Venedig  und  der  Republiken  Zürich  und  Hern  zu 
einer  gaitz  natürlichen,  und  es  sei  zu  erwarten,  dass 
Gottes  Segen  darauf  ruhen  werde.  Er  schätze  sich 
glücklich,  das  Werkzeug  zur  Errichtung  dieses  Bundes 
gewesen  zu  sein,    den   er  beschwören  werde. 

Nachdem  der  Dolmetsch  diese  Rede  verdeutscht  hatte. 
legte  Schultheiss  Sinner  namens  des  Standes  Rem  seine 
Vollmacht  vor  und  sprach,  der  so  treffliche  und  merk- 
würdige Teil  der  Welt,  den  Gott  den  hier  Anwesenden  zur 
Wohnung  angewiesen,  heisse  heutzutage  mit  Recht  das  ver- 
wirrte Europa,  in  welchem  Jammer  und  Elend  auf  die 
höchste  Stufe  gestiegen  seien,  Hiervor  habe  aber  Gott 
einige  Staaten,  welche  feste  Neutralität  beobachten  und 
auf  ihre  Erhaltung  bedacht  seien,  bewahrt.  Die  heutige 
Feier  beweise  dies,  indem  die  Herrschaft  Venedig  und 
die  Städte  Zürich  und  Bern  einen  frühern  Bund  erneuern 
und  beschwören.  Gott  möge  denselben  segnen.  Nach 
diesen  Worten  wurde  der  Bund  zuerst  lateinisch  und 
dann  deutsch  verlesen.  Hierauf  sprach  der  Dolmetsch 
des  Residenten  den  beiden  Ständen  den  Eid  in  deutscher 
Sprache  vor.  nach  dessen  Beschwörung  der  regierende 
Bürgermeister  dem  Residenten  den  Eid  italienisch  vorlas, 
worauf  er  von  diesem  mit  aufgehobenem  Finger  ebenfalls 
geschworen  wurde.  Während  sich  die  Versammlung 
wieder  setzte,  wurden  auf  dem  Hofe  die  <i  aufgepflanzten 


124 

Vierpfünder  und  auf  dem  Schänzli  die  Sechspfünder 
in  3  Salven  gelöst  und  Trompeter  schmetterten  ihre 
Signale.  Dem  Residenten,  den  Ehrengesandten,  sowie 
deren  Gefolge  wurde  auf  dem  Rüden  ein  Bankett  ser- 
viert, zu  dem  auch  sämtliche  Mitglieder  des  kleinen 
Rates  und  von  jeder  Zunft  ein  Delegierter  eingeladen 
wurden.  Allen  Zünften  wurde  zudem  gestattet,  sich  in 
ihren  Stuben  bei  einem  Abendtrunke  zu  erfreuen  und 
den  silbernen  Becher. M  ein  Geschenk  Venedigs,  einzu- 
weihen. Während  der  Mahlzeit  donnerten  bei  den  vier 
ersten  Trinksprüchen,  welche  den  beteiligten  drei  Ständen 
und  ihrer  allseitigen  Verbindung  galten,  die  Stücke  auf 
dem  Schänzli,  bei  den  übrigen  bliesen  nur  die  Trompeter. 
Am  andern  Tage  wurden  sämtliche  Eingeladene  vom 
Residenten  gastiert,  der  unter  die  Räte  und  Burger  eine 
auf  diese  Feier  geprägte  Medaille  von  ungefähr  einer 
Dublone  Wert  austeilen  Hess.  Jeder  der  vier  Depu- 
tierten von  Bern  und  Zürich  erhielt  ausserdem  eine 
goldene  Kette  im  Werte  von  200  Thalern  geschenkt, 
und  der  Schultheiss  Sinner  wurde  zum  Ritter  von 
S.  Marco  ernannt.  Bald  darauf  teilte  der  venetianische 
Ambassador  die  Erneuerung  des  Bündnisses  dem  Nuntius 
mit.  dann  den  Gesandten  Frankreichs  und  Spaniens,  dem 
Extragesandten  Englands  und  dem  Subdelegierten  Öster- 
reichs. Dem  Dogen  von  Venedig  reichte  der  Gesandte 
ein  Verzeichnis  des  grossen  Rates  von  Zürich  und  Bern 
ein,  an  dessen  Rande  er  bemerkte,  welche  Mitglieder 
Venedig  zugeneigt,  welche  nicht  und  welche  ihm  ganz 
ergeben  seien,  damit  bei  zukünftigen  Aushebungen  die 
richtigen  berücksichtigt  werden.  Auch  die  Haupt- 
leute sollten  nämlich  von  nun  an  von  Venedig  ernannt 
werden. 

;i  ä  50  Thaler. 


125 

Noch  vor  Erneuerung  des  Bündnisses  hatte  der 
greise  Oberst  Weiss  an  künftige  Venedig  dienende  Offi- 
ziere eine  Warnung  gerichtet,  die  wir  als  Resultat  der 
Erfahrungen  eines  Mannes,  der  in  den  bisherigen  An- 
gelegenheiten eine  hervorragende  Stellung  einnahm, 
wörtlich  an  den  Schluss  setzen.1) 

„Ein  Jeder  Ehrlicher  Obrister  undt  Haubtmann  der 
iu  der  Herrschafft  Venedig  Dienst  träten  will,  obgleich- 
wohl  es  nach  Eydtgenössischer  Capitulation  geschechen 
soll,  hat  sich  trefflich  wohl  vorzusehen.  das>  Er  nit  be- 
trogen und  dargesetzt  werde,  Zu  dem  Ende  Ihme  hoch- 
nöthig  anff  nachgesetzte  Punkten  zu  achten. 

1.°  Erstlich  wo  möglich  sich  nicht  ohne  Bürgschaft 
einzulassen,  dan  Ihnen  den  Venetianern.  (»der  Ihren 
worten,  Schriften,  Authentischen  Brieffen.  Siglen,  Trac- 
taten,  Verkommnissen  in  kein  weis  noch  weg  zu  trauwen, 
und  wan  sie  derselben  erinnert  werden,  antworten  Sic 
und  schützen  vor,  die  Bisogni  e  Interessi  publici  können 
es  .iiul'Tst  nit  zugeben. 

2.°  Die  Wärbungen  soll  man  nicht  anheben,  die 
Wärbgelter  syen  den  gezehlet.  A°  165S  ist  es  unser 
grosser  schaden  gewesen,  dass  Wir  das  galt  also  stück- 
weis und  verstümplet  angenommen  haben,  in  Betrachtung 
Wir  anstatt  gutter  Goldsorten  oder  Spanischen  Duplonen 
allerley  Lumpengelt  annemmen  müessen.  da  dan  der 
Resident  Sarotti  und  Salomon  Hottinger  der  Kauffmann 
ohne  Zweifel  Ihre  Hand  drinn  gewaschen  und  Ihren 
\  ortheil  gesucht  haben. 

3.  Dahin  trachten,  dass  anstatt  der  drei  Monathen, 
die  Völker  sechs  Monat  zu  behalten  schuldig  seyen. 

4.  Wo  möglich  die  sach  der  alten  Capitulation  nach 
dahin  richten,  dass  so  bald  ein  fahnen  fliegt,  demselben 


')  Bern.  Staatsarchiv,  V.  B..  B.  pag.  1067  f. 


126 

der  sold  angehe,  damit  Sie  die  Venetianer  den  Pass 
destobesser  beschleunigen  und  richtig  machen,  dann 
sonsten  die  Umbkösten  gross,  und  auff  die  Haubtleüth 
fallen,  und  ist  der  Herrschaft  Venedig  nicht  viel  daran 
gelägen,  wan  die  Compagneyen  an  dem  eint  und  andern 
Ohrt  schon  lang  aufgehalten  werden,  so  lang  aber  sel- 
biges geschieht,  gehet  es  über  der  Haubtleüthen  Seckel, 
welches  Ihnen  zu  Merklichem  schaden  gereichet,  Exem- 
pel  dass  1658  man  durch  des  Abts  von  St.  Gallen  Ge~ 
pieth,  und  also  einen  merklichen  Umweg  mit  grossen 
kosten  nemmen  müessen ,  da  dan  wohl  zu  gewahren, 
dass  man  aller  Ohrten  den  Ambtleüthen  die  Hände 
schmieren,  und  den  Pass  gleichsam  von  Ihnen  kauften 
müssen,  da  sonsten,  wan  der  Sold  von  Haus  aus  anhenge. 
alle  solche  Beschwärden  aufgebebt  oder  auf  das  wenigst 
erträglicher  wurden. 

5.  Ist  hoch  von  nöhten,  class  der  dritte  Artieul  der 
Allianz  der  Todten  hall),  alss  vor  welch  Jeden  Sie  zwo 
Silberkronen  bezahlen  sollen,  wohl  und  mehr  dan  wohl 
ausgedrückt  werde,  Ja  man  kan  demselben  wider  diese 
Listige  und  betriegerische  Leüthe  nicht  genug  ver- 
niethen. 

(i.  Also  ist  es  auch  mit  dem  Zechenden  Artieul  von 
gciiiessung  der  Privilegien  bewandt,  und  Ist  hochnöthig, 
dass,  worinnen  selbiger  bestehe,  wohl  specinciert  werde. 
zumahlen  weilen  in  Frankreich  selbiger  den  Eydtgenossen 
auch  disputiert  wird.  A°  1658  hat  man  desselben  sehr 
wenig  genossen. 

7.  Der  Zwölfte  Artieul  der  Alliantz  soll  wohl  be- 
obachtet, und  uffs  neüwe  aussgetruckt  werden,  in  be- 
trachtung  selbiger  solcher  Wichtigkeit,  dass  er  der  einige 
Sporenstreich  ist  die  Zahlung  zu  befürderen.  A°  1658 
ist  man  durch  List  und  Betrug  zu  grossem  nachtheil 
verschalten  worden. 


127 

8.  Ein  sehr  ungereimbtes  Ding  ist  es,  dass  der 
Soldat  den  Strohsack,  so  etwan  wegen  schlechten  Loge- 
ments  ander  Dune  verfault,  bezahlen  iniiss.  da  ist  auch 
hochnöthig,  dass  dessen  gedacht  werde,  es  ist  Ja  billich 
dass  der  Zahlherr,  dem  der  Soldat  dienet,  dissohrts 
helffe,  was  aber  sonsten  verlohren  und  verliederlicht 
wirt.  soll  billich  bezahlt  werden. 

Hochnöthig  ist  es  einem  Haubtmann,  dass  Er  fleissige 
Schreiber  und  Fouriers  habe,  die  der  strohdecken. 
Decken  und  ander  Haussgerähts,  so  die  Herrschafft  ver- 
schaffet, ein  über  alle  massen  genauere  Rechnung  tra- 
gen, dan  es  ist  ungloüblich  wie  die  Commissary  und  be- 
diente der  Herrschaft,  wan  es  an  ein  widerliferen  gehet, 
•■inen  ehrlichen  Mann  tribulieren  und  plagen  können. 

9.  Allhier  ist  auch  nit  zu  vergässen  der  vielen  Emo- 
lumente,  so  man  den  Cammern  aller  Ohrten.  da  man 
seine  gäiter  erheben  muss,  zu  geben  gezwungen  wirt, 
welche  Sie  Stili  di  Camera  (Bureaustill  nennen.  Item 
muss  man  auch  den  Spittälen  Coiitribuiren  deren  man 
doch  niemahlen  genossen,  da  lauft  einem  armen  Haubt- 
mann ein  guter  Theil  -eines  profits  under  das  Eis  und 
diesem  könte  auch  remediert  werden. 

10.  Dass  es  wo  möglich  bey  der  alten  Musterung 
verbleibt,  und  man  dess  unanständigen,  bey  allen  anderen 
Potentaten  ohngewohnten  und  der  Eydtgenössischen  Nation 
verkleinerlichen  abmahlens,  so  Sie  la  Rassegna  a  nome 
Pelo  e  Segno  nennen,  überhebt  werde,  dan  dass  man 
selbiges  A°  1658  zugelassen,  ist  ohngeacht  dess  Piesi- 
denten  Sarotti  grossen  Sincerieren  und  protestieren  von 
seithen  Venedig  nicht  umb  ein  Har  erkent,  sondern  die 
Sache  der  bezahlung  halber  viel  ärger  worden. 

11.  Von  den  gräntzen  an  auf  die  Heimreise  i-t  es 
mit  zwantzig  tagen  besoldung  nit  genug,  sonderlich  wan 
Sie  die  Völker  bey  so  unbequemer  und  harter  Winter— 


128 

zeith  als  beyde  vorige  mahl  beschechen,  abdanken  und 
wie  Hunde  vortschicken :  dahero  hoehnöthig,  dass  maus 
auff  einen  gantzen  Monath  richtig,  oder  so  es  Ja  bey 
den  Zwantzig  tagen  bleiben  solte,  wirt  erforderlich  sein. 
dass  Ihnen  das  abdanken  in  Dezember.  Januario  und 
Februario  weiter  vorbehalten  werde,  dann  es  mit  den 
Zwantzig  tagen  nicht  Compatieren  kann,  angesehen  dass 
die  Berge  offtmahls  durch  den  Schnee  viel  tag  lang  be- 
schlossen und  ungangbahr  gemacht   werden. 

12.  Ein  Jeder  Oberster  und  Haubtmann  seye  Ja 
troüwlich  gewahrnet.  seine  Völker  nicht  marschieren  zu 
lassen,  so  lang  er  in  den  Cammern.  da  er  seine  Zahlung 
erheben  muss.  noch  etwas  zu  thun  hat.  oder  sonsten  der 
widertiberliferung  des  Haussgeräths .  als  Strohsecken. 
Decken,  stuhl,  Tisch  u.  s  w.  noch  beschäftigt  ist.  sondern 
zuvor  alles  in  sein  .richtigkeit  bringen,  dan  unglaublich 
ist.  was  vor  verordnete  schelmenstückli  einem  Ehrlichen 
Mann  daselbsten  angethan  werden. 

13.  Weil  ein  Haubtmann  immerdar  in  sorgen  stehen 
muss,  dass  im  hineinmarchieren.  auf  dem  wäg  oder 
sonsten  viel  Völker  ausreissen,  als  ist  nöthig.  (will  er  Ja 
seiner  Zahl  gewi>s  sein)  dass  er  eine  anzahl  über  die 
Zweihundert  oder  das  begehrte,  wärbe.  derowegen  dahin 
zu  trachten,  was  er  mehreres  bringen  wirt.  Ime  pro 
pata  das  wärbegält  als  Zwo  Duplonen  auf  den  Kopf  er- 
setzt werde. 

14.  Sobald  die  Tractaten  beschlossen,  ist  nöthig. 
dass  sie  von  der  Herrschaft  Immediate  Ratifiziert  werden, 
die  Erfahrung  bezüget,  dass  das  Jenige,  so  A°  1658  von 
dem  Residenten  Sarotti  concludiert.  und  versprochen  im 
geringsten  nit  gehalten  worden. 

15.  Alles  was  mit  den  Representanten.  Residenten 
und  andern  der  Herrschaft  bedienten  verhandlet  wirt, 
es  seye  was  es  immer  wolle,  soll  schriftlich  begehrt  und 


129 

abgefordert  werden,  und  Immerdar  gedenken,  man  habe 
mit  Italienern  zuthun. 

16.  So  ist  auch  zu  gewahren,  dass  man  gleich 
anderen  Sclaviseh  und  übel  gehaltenen  Völkern  zum  ar- 
beiten und  Schantzen  angestrengt  worden,  und  da  man 
selbiges  nicht  thun,  sondern  der  Eydtgenössischen  Frey- 
heit  sich  getrösten  wollen,  (es  wäre  dan  sach  dass  man 
desswegen  bezahlt  wurde,)  ist  schlechtes  Tractament  Ja 
gar  die  Licentz  erfolget,  wirt  also  Jeder  Oberster  und 
Haubtmann  sich  hierinnen  vorzusehen  wüssen. 

17.  Die  Erfahrung  lehrt,  dass  die  bezahlung  schlecht- 
lich  folget,  und  dass  Sie  nothwendig  mit  Importunitet 
muss  Sollicitiert  werden,  desswegen  erforderlich,  dass 
der  Obrist  oder  ein  verständiger  Haubtmann  ohne  wider- 
red, sonderlich  nach  geendigter  Campagne  nach  Venedig 
reisen  dörffe. 

G.  Weiss.  Experto  crede  Ruperto. 

Pro  Copia  Collata:  Kantzley  Bern." 


P.  S.  Die  Fortsetzung  dieser  Abhandlung  —  die  politischen 
Beziehungen  Venedigs  mit  Bünden  und  der  Schweiz  im  18.  Jahr- 
hundert —  wurde  von  der  philosophischen  Fakultät  der  Hochschule 
Bern  für  die  Periode  1895 — 97  als  Preisarbeit  bestimmt  und  ist  vom 
Verfasser  bearbeitet  und  im  Manuskripte  bereits  eingereicht  worden. 


-°-<K~- 


Archiv  des  hist.  Vereins. 
XV.  Band.     1.  Heft. 


130 


Literaturverzeichnis. 


I.  Uligedruckte  Quellen. 

1.  Bundesarchiv.*) 

„Copiata  dall'  originale  couservato  all'  Archivio  generale  di  stato 
a  Sa  Maria  gloriosa  dei  Frari  in  Venezia."  Kopiert  auf  Kosten  der 
Eidgenossenschaft  unter  der  Leitung  des  schweizerischen  Konsuls  in 
Venedig,  V.  Ceresole.  Foliobände  16 — 86  inkl.;  ferner  2  Mappen, 
die  später  hinzukamen. 

Gedruckter  Katalog,  verfasst  von  V.  Ceresole.  Venedig  1890. 
S.  S.  286. 

2.  Staatsarchiv  in  Bern.*) 

1.  Venedig-Buch  A,  B,  C.     Drei  Folianten  ä  1400  Seiten  c. 

2.  Deutsche  Spruchbücher  der  Stadt  Bern,  SS,  PP,  VV. 

3.  Kriegsrats-Manual  XI,  pag.  168,  XIII,  pag.  143,  152,  174,  178. 

3.  Staatsarchiv  in  Zürich.*) 

1.  Beziehungen  zum  Auslande.  Venedig  1483 — 1717.  A  214, 
Mappe  1 — 7  inkl.     Ohne  Paginierung. 

2.  Originalbüudnisse  und  Kapitulationen  in  einer  eigenen  Schachtel. 

II.  Gedruckte  Schriften. 

1.  R.  Daru:    Histoire  de  la  Republique  de  Venise,  tomes  III, 

IV,  V.     Paris  1819. 

2.  Dr.  Heinrich    Leo:    Geschichte    der    italienischen    Staaten, 

V.  Teil,  1492—1830.     Hamburg  1832. 


*)  Es  gereicht  mir  zur  angenehmen  Pflicht,  den  Herren  Staatsarchivaren  Dr.  Kaiser, 
Henry  TUrler  und  Prof.  Dr.  Paul  Schweizer  meinen  wärmsten  Dank  auszusprechen  für 
ihre  Zuvorkommenheit  und  stete  Bereitwilligkeit,  mir  die  nötigen  Akten  zur  Verfügung 
zu  stellen. 


131 

3.  Dr.  Johann  Strickler:  Lehrbuch  der  Schweizerge^ehichte 
Zürich  1874. 

4.  Hans  von  Zwiedineck-Südenhorst:  Die  Politik  der  Republik 
Venedig  wahrend  des  30jährigen  Krieges,  I.  und  II.  Band.  Stuttgart  1 B82. 

5.  Sammluug  der  eidgenössischen  Abschiede :  A,  VI  i,  B,  VI  i 
(1587—1617),  A,  VI  2,  B.  Via,  (1681—1712). 

6.  Berner  Taschenbuch,  1874 — 77  (Biographie  von  Gabriel  Weiss). 

7.  Dr.  Wolfgang  Friedrich  v.  Mülinen :  Die  Chronik  des  Jost 
von  Brechershäusern,  1598 — 1658. 

8.  Prof.  Hagen:  Die  auswärtige  Politik  der  schweizerischen 
Eidgenossenschaft,  vornehmlich  Berns,  von  1610 — 18.  Programm  der 
Berner  Kantonsschule  für  das  Jahr  1864. 

9.  Leus  Lexikon  (W),  Band  18,  pag.  254  f.  und  313  f. 

10.  Dr.  Valer:  Das  Bündnis  mit  Venedig  im  Jahre  1603  und 
seine  Folgen.     Rheinquellen  1895. 

11.  Dr.  Häne:  Eine  stiftsanktgallische  Compagnie  in  venetia- 
nischem  Kriegsdienst  (1688 — 91).  Centralblatt  des  Zofingervereins 
1896,  Xr.  9  und  10. 


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