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Cl
ROBA
Die politischen Beziehungen Venedigs
mit Zürich und Bern im XVII. Jahrhundert.
I, Verhandlungen seit 1607 bis zu den
Truppensendungen 1648.
1. Präliminarien zum Bündnis von 1615.
Im Anfang des 17. Jahrhunderts hatte sich in der
mitteleuropäischen Politik der religiöse Gegensatz zwi-
schen alter und protestantischer Kirche in so scharfer
Weise zugespitzt, dass es nur eines leisen äussern An-
stosses bedurfte, um einen blutigen Religionskrieg aus-
brechen zu lassen. Durch den jugendfrischen Calvinis-
mus, der mit leichter Hand über das verknöcherte, der
Zerrüttung entgegengehende Luthertum den Sieg davon-
getragen, war ein neuer Impuls in das kirchliche Leben
-der Neugläubigen hineingekommen. Bei den Katholiken
hatte sich der gefährlichste Gegner der neuen Kirche,
der Jesuitismus , zu dominierender Stellung emporge-
schwungen, und Bayern wurde die Vormacht der Alt-
gläubigen, während Sachsen seine Führerrolle an die
calvinistische Pfalz abtreten musste. Pfalz und Bayern
waren die beiden Brennpunkte, in denen sich die grosse
Kriegsfackel entzündete, deren Flammen später nach
allen Seiten weit über die Grenzen hinüberzüngeln sollten.
Venedig hielt, obwohl katholisch, zu den Protestanten
und suchte bei ihnen seine Bundesgenossen, weil es
sich von den Anhängern der alten Kirche bedroht sah,
namentlich von den Spaniern, deren Erweiterungspläne es
Archiv des histor. Vereins.
XV. Band. I.Heft
fürchtete, ') und weil es in Bezug auf Religion vielleicht
als der toleranteste Staat jener Zeit gelten dürfte. 2)
Nicht um auf neue Erwerbungen auszugehen, sondern
um den erworbenen Besitzstand zu erhalten, trachtete
die Lagunenstadt nach der Freundschaft und wenn mög-
lich materiellen Hülfe der evangelischen Mächte. Was
lag ihr nun näher, als sich in erster Linie mit den
Schweizern auf guten Fuss zu stellen, die ihre Nachbarn
waren, deren tapfere Söhne sich in den Kriegen des
16. Jahrhunderts überall in Europa mit Lorbeeren be-
deckt und die erst in jüngster Zeit Heinrich IV. zu
seinen Siegen verholfen hatten. 3) Ein Anknüpfungs-
punkt an die reformierten Schweizer lag nahe in den
III Bünden, wo sich schon anfangs des 17. Jahrhunderts
spanische Agenten herumtrieben, die das Land für die
Abtretung des Veltlins an Spanien-Österreich gewinnen
wollten. Nach Bünden schickte Venedig deshalb gleich
im Beginn unserer Zeitperiode einen Gesandten, der die
Unterhandlungen sofort einleitete und Ende 1603 einen
Vertrag zu stände brachte, welcher nach Ablauf von
10 Jahren wieder sollte erneuert werden. 4)
Durch dieses Bündnis fühlte sich der Doge noch nicht
gesichert, und deshalb gingen seine Blicke über die bünd-
nerischen Berge hinaus zu den vier evangelischen Städten
Zürich, Bern, Glarus, Schaffhausen, namentlich zu den zwei
erstem, den festen Stützpunkten der Eidgenossenschaft.
Bern und Zürich hatten sich bereits im Verein mit den
zwei andern evangelischen Orten an die „Union" ange-
lehnt, welche sie gerne in ihren Bund aufgenommen
hätte. Die drohenden Weltläufe bestimmten die beiden
2) Zwiedeneck I, 17.
2) Hagen 4.
:1) Hagen 10.
4) Hagen 9.
eng zusammenhaltenden Städte, auch diese Gelegenheit,
mit der die Adria beherrschenden mächtigen Venezia in
nähere Beziehungen zu treten, nicht zu versäumen. l)
Im Februar 1607 Hess Venedig durch seinen Resi-
denten in Chur, Johann Battista Padavino, eine persön-
liche Anfrage an Zürich ergehen, ob die Stadt geneigt
wäre, der Republik im gegebenen Momente Truppen zur
Verfügung zu stellen, da sie sich mit dem Papst Paul V.
entzweit habe. — Venedig hatte nämlich durch ein vor
100 Jahren erlassenes, jetzt erneuertes Gesetz verfügt,
keinem Weltlichen sei es mehr gestattet, in der Stadt
und Landschaft Venedig liegende Güter an Klöster zu
vergaben; die schon vermachten Grundstücke sollen innert
2 Jahren wieder verkauft und das Bauen von Kirchen
und Klöstern ohne vorherige Erlaubnis der Regierung
verboten werden. Diese Bestimmungen waren erneuert
worden, weil man erstens zur Genüge gesehen, wie die
Pfaffen und Mönche sterbende Personen überreden, ihnen
ihre Güter zu verschreiben: zweitens, weil die K!
deren es eine Unzahl gäbe, ein jährliches Einkommen
von oO — 100,000 Krumen gemessen, welcher Überfluss
zu allerlei Missbräuchen führe, und endlich, weil die
Herrschaft dadurch geschädigt werde, indem diese ein
Dritteil aller Grundstücke umfassenden Güter nichts ver-
steuern. Die Herrschaft erlaubte sich auch. Geistliche.
die einen unzüchtigen Lebenswandel führten, zu be-
strafen. Papst Paul V. verstiess nun den venetianischen
Residenten aus Rom, verlangte im Herbst 1605 Wider-
rufung dieses Gesetzes und Freilassung zweier wegen
Notzucht verhafteten Pfaffen. Trotz der Gegenvor-
stellungen, die der Doge Donato nach Rom sandte, und
obschon der König von Frankreich, der Grossherzog von
]) Hagen 10
Florenz und andere Fürsten zu vermitteln suchten, be-
legte der Papst die Herrschaft Venedig mit dem Bann
und Hess sogleich spanische Truppen anwerben. Hein-
rich IV. und England hatten Venedig Hülfe versprochen,
aber das grösste Zutrauen hegte der Doge nach den
Worten des Gesandten zu den beiden Städten, weshalb
er sie um Truppen anging und gleichzeitig bat. 2 — 3000
lothringischen Soldaten den Durchzug zu gestatten. l)
Der kleine Rat von Zürich, an den dieses Gesuch
gerichtet war. verdankte in freundlicher Weise das zu
ihm gehegte Zutrauen, erklärte aber, dass er aliein dar-
über nichts beschliessen könne, sondern nur mit dem
grossen Rate zusammen, dem das Begehren solle vorge-
y) Zürcher Stadtarchiv, Mappe A, 214 1 Ein Aktenstück ohne
Unterschrift und Datum . meldet in derselben Mappe darüber: „Ufl
den 9ten Februarij Anno 1G07 ist vor einem guedigeu Herrn Bürger-
meister und Rhat der Stadt Zürich erschienen, Herr Johann Baptista
Padavino, Abgesandter der Herrschaft Venedig und bat nach Ingelegtem
Oedentzschreiben myn gnedige Herren, durch ein ussführlichen müut-
lich Fürtrag berichten, der ursach und gestalt des spanns, dar In
ein Herrschaft Venedig mitt dem Babst geratben von wegen der er-
nüweruug Ihres alten gesatztes der Geistlichen halber, das namblich
dieselben liegenden Güter witer an sich ziehen, man ihnen dieselben
vertestieren, sondern si sich deren die sie schon haben, vernügen
lassen. Item dass auch niemand in ihrem Gebiet ohne der Herr-
schaft vorwüssen keine nüwen Klöster, Collegien, Kirchen und geist-
liche Hüser stiften und buwen und ein Herrschaft die geistlichen
Personen, so sich Inu maletizischen Sachen vergaand, straffen solle
wellicbeni allem aber der Babst sich widersetze und das nit gut
heissen welle. Inmasse dass die Sach so wyt khommen, dass der
Babst wider sie zur waafe gryffe. und ihnen dadurch Ursach gegeben
werde, dass eibige ihres Teils auch zethund und sich uff ihrer Hut
zebalten und hat daruff von der Früntschafft wege so allwegem
zwischem der Herrschaft und einer Statt Zürich gewessen, begehrt.
Ob myner Herren einbewilligen möchten, dass Inn ihrer Statt und
Landschaft ein Anzahl Kriegsvolk zu Diensten der Herrschaft Venedig
ufgebrochen werden möchte."
bracht werden. — Gleich nach seinem Empfange in
Zürich, der ein sehr warmer war. schenkte der Resi-
dent der Stadt einen silbervergoldeten Becher von der
Form eines Löwen, den er am St. Markustage bei einem
festlichen Bankette unter brausendem Applaus dedizierte. 1 )
Nachdem der grosse Rat von dem Hülfsgesuch Ve-
nedigs Kenntnis erhalten, schickte Padavino in seinem
Namen einen Hauptmann nach Zürich, um das Ansuchen
noch einmal vorzubringen und das Resultat der Be-
ratungen entgegenzunehmen. Der grosse Rat fand, dass
die Herrschaft Venedig triftige Gründe bewegen, auf der
Hut zu sein, dass sie sich auf Gegenwehr gefasst machen
müsse, aber zuerst solle man sich über die Bedingungen
aussprechen, unter denen sie in Zürich Kriegsvolk an-
werben wolle, dann angeben, wie viele Truppen sie be-
gehre, wohin dieselben geschickt würden und welches
die „Stipulationen und Bestallung" seien. 2) Zudem
mochte sich Venedig mit Bünden auf noch bessern Fuss
stellen und auch mit Bern, das kürzlich mit diesem ein
enges Bündnis abgeschlossen, Beziehungen anknüpfen.
Auch mit Glarus sollte die Marcostadt traktieren, da eine
zukünftige Söldnertruppe durch dessen Gebiet marschieren
müsse und der „Stand" bei den Bündnern gut ange-
sehen sei. :!)
Die Bündnisangelegenheiten wurden vorläufig wieder
fallen gelassen, da sich Venedig und Paul V. aussöhnten.
Frankreich und namentlich Spanien hatten in der Weise
eine Vermittlung herbeigeführt, dass der Papst das
Interdikt aufhob und sich mit der Ausschliessung der
Jesuiten aus den venetianischen Landen einverstanden
') Bundesarchiv, Filza 1, pag. 50.
2) Zürcher Stadtarchiv, Mappe 214 i.
3) Bundesarchiv, Bd. 18, pag. 155, 179.
erklärte, als der Doge die zwei gefangenen Geistlichen
freiliess. l) Obwohl das begründete Freundschaftsver-
hältnis vorläufig ohne weitere Wirkung blieb, so wurde
doch den venetianischen Beziehungen fortan ernste Auf-
merksamkeit geschenkt.
Im Jahre 1614 sahen sich die Yenetianer von neuem
in einen Krieg verwickelt, und zwar diesmal mit dem
Erzherzog Ferdinand von Steiermark, weil dieser die
Uscoken (Uscoqui). aus der Türkei flüchtige Banden, die
sich an der dalmatinischen Küste niedergelassen, um von
dort aus gegen die Türken und namentlich auch gegen
Venedig Seeräuberei zu treiben, in Schutz nahm. Die
Uscoken (= Flüchtlinge) hatten sich, vor den Türken
zurückweichend, zuerst in Clissa festgesetzt und wurden
dann vom Grafen Frangipani in Segna aufgenommen.
Als dieselben von dort aus die Pforte beständig beun-
ruhigten, sah sich Venedig genötigt, sie auf Ansuchen
der Türkei zu befehden. Österreich, das sie seit dem
16. Jahrhundert an seiner Grenze duldete, betrachtete
sie aber als seine Schützlinge, weil es sie gegen ähn-
liche kriegerische Scharen an der türkischen Grenze,
die Martolosen, sehr gut gebrauchen konnte. Als nun
die Yenetianer die Uscoken mit einer Flotte von 4ö
Schiffen angriffen und ihnen den Seeweg versperrten,
fielen diese in das venetianische istrien ein. Bei ihrer
Verfolgung betraten die Truppen der Republik öster-
reichischen Boden, und als sie denselben verwüsteten.
drohte Österreich mit Krieg, welcher aber durch einen
Vertrag, laut welchem die Uscoken bestraft werden
sollten, noch abgelenkt werden konnte. Nun wollte man
weitern Verwicklungen dadurch vorbeugen, dass der
Vizekönig von Neapel, der Grossherzog von Toseana und
*) Leo. V. 603.
Venedig sich anerboten, Uscoken in ihre Dienste zu nehmen :
aber diesem widersetzte sich Österreich. Jene ver-
kündeten nun öffentlich. Venedig und Österreich hätten
sie zur Fortsetzung der Raubzüge gegen die Türken
autorisiert, und der Sultan verlangte darüber so ener-
gisch Auskunft von dem Dogen, dass der Republik nur
noch die Wahl offen stand zwischen Ausrottung der
Uscoken — auf die Gefahr eines offenen Bruches mit
( isterreich — oder einem Kriege mit der Türkei. Während
man mit I Österreich fruchtlos unterhandelte, wurde von
den Uscoken eine venetianische Galeere weggenommen
und deren Kommandant auf barbarische Weise ermordet.
Nun sperrten die Venetianer von neuem die ganze von
den Uscoken bewohnte und befahrene dalmatinische
Küste bis Cattaro hinunter zur See ab, worauf Öster-
reich, ohne den Beschwerden der Republik Rechnung
zu tragen, freie Schiffahrt auf der Adria verlangte. Da,
im Jahre 1615, eröffneten die Venetianer den Krieg,
der erst im Madrider Frieden 1617 seinen Abschluss
fand. Nach diesem musste Erzherzog Ferdinand die
Fahrzeuge der Uscoken verbrennen, die gefährlichsten
dieser Haufen ins Innere des Landes bringen und Segna
uiit deutschen Truppen besetzen Lassen. Dafür erhielt
er die eroberten Gebiete zurück. M
Unter der Einwirkung dieser Uscokenangelegenheit
geschah es, dass zu Anfang Februar 1614 der Gesandte
Gregor Barbarigo nach Zürich geschickt wurde, um die
Unterhandlungen wieder aufzunehmen und ein Bündnis
einzuleiten. Es sollte sich ihm bald die Gelegenheit bieten,
als Ambassador Venedigs am richtigen Orte aufzutreten.
An der Konferenz der vier evangelischen < Irte
Zürich. Bern. Basel und Schaffhausen im Mai gleichen
Jahres äusserte er sich:
l) Dam. IV. 258—300; Leo, V. 609 i
8
Die freundschaftlichen Beziehungen zwischen der
Herrschaft Venedig und den vier evangelischen Städten
veranlassen den Fürsten, ihnen seine aufrichtige Zu-
neigung zu erkennen zu geben. Derselbe begnüge sich
aber nicht mit der Begierde, seine Macht und seinen
Einfluss für ihr Wohl anzuwenden, auch nicht mit dem
Auftrag, den er ihm erteilt, ihnen für die erwiesenen
Gutthaten, namentlich für ihre Verdi (Miste um die Er-
haltung seines Bündnisses mit den III Bünden , zu
danken, sondern er habe ihm befohlen, zu eröffnen, dass
die Herrschaft Venedig wegen der gemeinsamen Inter-
'■sv.'u, der ..Gleichheit der Gemüter1', besonders ange-
sichts der gegenwärtigen bösen Weltlage, und der Nütz-
lichkeit der Vereinigung freier benachbarter Stände die
Meinung hege, es würde nichts so sehr zum geniein-
samen Nutzen und Frommen gereichen, als wenn der
innere Zusammenhang, der zwischen der Herrschaft
Venedig und den Regierungen Zürichs und Berns be-
stände, gefestigt und öffentlich kundgegeben würde. Da
nun dieses nicht besser ins Werk gesetzt werden könne
als durch eine einmütige Verbindung in einem voll-
kommenen Bündnis, so habe er den Auftrag erhalten,
ein solches zur Verhandlung zu bringen.
Zürich und Bern, welche diese Werbungen vornehm-
lich berührten, wünschten die Ansichten und den Rat von
Basel und Schaffhausen zu vernehmen. Diese glaubten, das-
das Anwerben aus wichtigen und wohl zu berücksichtigenden
Gründen nicht auszuschlagen sei und dass man sich mit
Venedig, einem ebenfalls freien Lande, in ein engeres
Bündnis wohl einlassen dürfe, indem ein solches nicht nur
an sich ein gutes Werk wäre, sondern auch zur Verhinde-
rung der jesuitischen und anderer „bösen Praktiken"
dienen würde, womit man verschiedene Stände und be-
sonders auch Venedig in die papistische Liga zu ziehen
9
versuche. Die Gesandten Berns eröffneten im Vertrauen,
sie hätten von ihren Herrn und Obern Befehl, den vene-
tianischen Gesandten anzuhören, wenn er so etwas vor-
bringe, und auf Ratifikation hin ein Projekt beratschlagen
zu helfen, wie man mit Venedig ein Bündnis eingehen
könnte. Dadurch würde diese Herrschaft dem spa-
nischen Einflnss entzogen, man hätte von ihr gute
Hülfe und Beistand zu gewärtigen und man würde auch
den Pass vom Mittelmeer bis nach Grossbritannien und
den mitternächtigen Ländern erlangen. Eine Ausschla-
gung des Bündnisses würde zudem zu „mehrer Für-
brechung" der spanischen Liga in den III Bünden den
Anlass geben und diese den evangelischen Städten ent-
ziehen, während bei Annahme der angetragenen Freund-
schaft und der Allianz der Durchpass durch Bünden er-
hellten bliebe und vielleicht ein Mittel wäre, die III Bünde
mit Venedig wieder zu vereinen und von Spanien abzu-
wenden. ' )
Da die Gesandten Zürichs keine andern Instruktionen
empfangen hatten, als Berns Gesinnung betreffs des Bünd-
nisses anzuhören, konnte man für diesmal keine weitern
Schritte thun. Am 27. Mai 1614 beschloss aber der Rat
der 200, mit Bern vereint einen Bund mit Venedig ab-
zuschliessen, obschon die französische Diplomatie dem-
selben entgegenarbeitete. Hierüber berichtet der Am-
bassador folgendes: -i
„Der Kampf im Rate war ein heisser, denn viele
eifrige Anhänger Frankreichs suchten in dieser Sitzung
einen für Venedig günstigen Beschluss zu verhindern.
Der Stadtsekretär, welcher vom Herrn von CastiÜeh sehr
abhängig ist. hatte Gelegenheit gefunden, vorher nach
J) Eidg. Abschiede A, V i, pag, 1102.
-) Bundesarchiv. Bd. 18, pag. 213.
10
Solothurn zu verreisen unter dem Vorwande. Geld für
die öffentlichen Pensionen zu beschaffen. Vom franzö-
sischen Gesandten zurückgekehrt, zeigte er sich um so
eifriger im Proteste gegen dieses Bündnis. Als er und
seine Gesinnungsgenossen sahen, dass die Mehrheit zum
Abschluss eines Bündnisses hinneigte, suchten sie den
Entscheid hinauszuschieben, drangen aber trotz ihrer
Bemühungen nicht durch. Nachdem der Entschluss. mit
Venedig zu traktieren, gefasst war. stellte der franzö-
sische Sekretär Visir beim Bürgermeister Holzhalb das
Gesuch, auf Bitten des Herrn Gesandten in Solothurn
den Entscheid für so lange hinauszuschieben, bis ei- Seine
Majestät davon in Kenntnis gesetzt habe. Der Bürger-
meister antwortete dem Visir. dass der Rat schon be-
schlossen habe, den venetianischen Residenten anzuhören.
und man auf diesen Beschluss nicht mehr zurückkommen
könne : wenn er aber etwas vorzubringen wünsche, so
werde ihm Audienz erteilt. Auf sein Ansuchen wurde
er vor mir angehört. In seinen langen Unterhand-
lungen strebte er dahin, den Herrn von Castilien und
Pasquale zu rechtfertigen, rügte, dass man weder hier
noch in Bünden den venetianischen Umtrieben den Riegel
stecke, und beklagte sich höchlichst, dass durch meine
Agitationen solche Dinge zu stände kämen, die Seiner
Majestät und dem guten Einvernehmen zwischen Frank-
reich und Zürich sehr zum Schaden gereichen. Dann
behauptete er, die Bündner seien durchaus abgeneigt,
mit Venedig ein Konkordat einzugehen, weil sie damit
zu schlechte Erfahrungen gemacht hätten."
Es gelang Visir nicht, im Rate eine Umstimmung
hervorzurufen, und deshalb wurde dem venetianischen
Residenten der Beschluss überbracht, dass man sich ge-
einigt habe, in ein Bündnis einzutreten, und sobald auch
Bern denselben Wunsch teile, die Deputierten zur Ver-
11
einbarung der Bundesbestimmungen abordnen werde. l) -
Uni das Feuer zu schüren, reiste Barbarigo in Beglei-
tung einiger Zürcher Räte im Juni nach Bern, wo man
ohne langes Zögern eine Einigung zu stände brachte und
Zürich um Bestimmung eines Ortes zur Ausfertigung der
Bundesartikel ersuchte. 2) Nach lOtägigem Aufenthalt in
Bern reiste der Gesandte mit den 4 Zürcher Deputierten
wieder ab. und im Dezember 1614 wurde Baden, von
Zürich als Versammlungsort vorgeschlagen, beiderseits
mit den Abgeordneten beschickt, welche die Artikel des
Bündnisses mit Barbarigo bereinigen sollten. Eine Ver-
einbarung war schon getroffen worden in Bezug auf die
Religion. Zürich und Bern hatten nämlich für ihre An-
gehörigen freie Ausübung des Kultes auf venetianischem
Gebiete verlangt. Der Doge sprach sich darüber in einem
eigenhändigen Schreiben aus. dies sei ein kitzliger Punkt,
weil die Regierung allein nicht entscheiden könne, son-
dern erst den Rat darüber befragen müsse. Das würde
aber den päpstlich Gesinnten einen willkommenen Anlass
geben, sich zu widersetzen und die Gutgesinnten scheu
zu machen. Schon die Natur des Bündnisses bringe die
Religionsfreiheit in den Häusern öffentlicher Beamter
und auch der Privaten mit sich. Solche Freiheiten ge-
nössen viele Nationen in Venedig, wie z. B. die Nieder-
länder, die auch in den Wirtshäusern an verbotenen
Tagen Fleisch essen. Dass man die evangelische Reli-
gionsübung in den öffentlichen Kirchen dulden sollte,
wie in Frankreich, sei wohl wünschbar, aber vorläufig
noch nicht durchzuführen. Er bitte daher, man möchte
diesen Punkt fallen lassen. Derselbe wurde dann in der
That nicht berührt. 3) — Drei wesentliche Punkte bil-
') Btmdesarckiv. Bd. 18, pag. 213 £
-) Bundesarchiv, Bd. 18, pag. 224.
s) Hagen, pag. 21.
12
deten den Gegenstand längerer Diskussionen : die Ansätze
für die Pensionen an die zwei Städte, die Reglierung
der Besoldungstabelle der Offiziere und Soldaten, und
die Forderung der Markusstadt, dass die Schweiz ertruppen
auch in Istrien und Candien dienen sollten. Die berau-
schen Gesandten verlangten durchaus, dass die an Zürich
und Bern zu entrichtenden Jahrgelder auf 6000 Dukaten
angesetzt würden, denn Venedig achte beider Städte
Freundschaft und Bündnis so hoch und begehre dies so
dringend, dass es eine solche Summe gerne ausgeben
winde, gerade so wie in Bünden, wo es sogar mehr be-
zahle als es schuldig wäre. l) Der venetianische Gesandte
wollte aber nicht über 4000 Dukaten hinausgehen, und
da die schweizerischen Abgeordneten an ihre Instruk-
tionen gebunden waren, konnte man sich auf dieser Zu-
sammenkunft über die Höhe der Summe nicht einigen.
Erst mehrere Wochen später, als sich Venedig nicht zu
einer so hoch bemessenen Summe herbeilassen wollte.
mässigten die beiden Städte ihre Forderungen und
stimmten zu einer jährlichen Pension von 4000 Dukaten.
Eher kam man zur Verständigung bei der Aufstellung
einer Besoldungsliste für die Truppen, da Venedig nach-
gab und den Sold namentlich für die Offiziere in der
Höhe bestimmte, wie ihn die Delegierten wünschten.
Über den dritten Punkt äusserten die beiden Städte
folgende Bedenken:2) „Solte man unser volk Inn das
land Istriam oder noch wyter über Mehr In die Insel
Candiam als anderr ort ennert dem Mehr, so der Herr-
schafft Venedig zugehörend, zefhüren gesinnet sein, so
were es unserm volk ein beschwerlich Ding, als das der
Inslen und so wyter landen ennert dem Mehr nit ge-
wohnet ist, und das auch nit wol erlvden und dar Innen
') Bundesarchiv. Bd. 19.
*) Bern. Archiv. V. B., A. 165.
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gesund und ufrecht belyben mag. Zudem, wenn man
unser volk. uff den Fall der noth da man dessen Im-
1,'ind manglete, wider heimbeförderen weite, weist man
nit. wann sy so wyt vom Vaterland ennert dem mehre
weren. wie und wann sy wider lieimkhommen mochten.
alss das vaterlandt sich dess Ihres volkes im fal der noth
wenig zetrösten hette." Deshalb soll der Artikel hinzu-
gesetzt werden, dass der beiden Städte Volk weder auf
noch über dem Meer in Dienst geführt werde. Dieses
Bedenken fand aber keine Berücksichtigung, denn Ve-
nedig wünschte, dass die in Zukunft ausgehobenen Regi-
menter alle der Republik angehörenden Länder gegen
jeden Feind verteidigen sollen, und da Zürich und Bern
nicht weiter dagegen opponierten, war auch dieser letzte
streitige Punkt bereinigt. Freilich kam man später
wieder darauf zurück, und in der Kapitulation vom Jahr
1648 wurde Venedig untersagt, auf dem Meere und in
(•andien Schweizertruppen zu verwenden. l)
So kam denn das Bündnis zu stände, das in der
Hauptsache folgendes besagt*
2. Das Bündnis vom 6. März 1615.-)
„Wir. Marcus Antonius Menimo. von Gottes Gnaden
Herzog in Venedig, auch Wir Bürgermeister, die Räht
und der gross Raht. genannt die Zweyhimdert. der Stadt
Zürich, und Wir Schultheiss. klein und gross Räht. ge-
') Siehe pag. 48.
-) Lateinisches Original im Zürcher Stadtarchiv. Die 3 grossen
prächtigen Siegel liegen in silbernen Kapseln.
Lateinische Copie : Eidg. Absch., Bd. V i, pag. 954.
Italienische Übersetzung: Bundesarchiv, Bd. 61. pag. 362.
Deutsche Übersetzung: Berner Archiv. V. B., A., pag. 2^5.
14
nannt die Zweihundert, der Stadt Bern, als Glieder des
alten grossen Bunds Hochdütscher Landen löblicher Eid-
genossenschaft betrachtend, wie unsere vordem und die
Herrschaft Venedig, hiezu die genannten beiden Städte
samt andern unsern Eydtgenossen und Bundtsgenossen
je und allwegen bis auff gegenwärtige Zeit in gar guter
Fründscrafft und Verständnis aus Gottes Gnad mit Ein-
ander gestanden und uns desselbigen beiderseitigs oft-
mahlen gegen Einander mündtlieh und schriftlich erkläret.
und wie darby in allen teilen auch angesechen die jetzigen
Läuff und dass Fürsten und Stände der Welt obliget.
dass Sie je länger je mehr dahin sehen, und trachten,
wie Sie sich durch Vereinigung, gute Freundschaft und
Verständnis versühnen und aufrecht erhalten mögend,
welches dann den Zweyn und mit alter Freundschaft
einander vorhin zugethanen Regimentern und Ständen
zu denen uns der Allmächtige Gott auss seinen Gnaden
gemacht und bisshar darby erhalten hat, insonderheit
auch gebühren und obliegen will."
1. Die drei Stände, die Herrschaft Venedig und die
beiden Städte Zürich und Bern, wollen in allem gute
Freundschaft und Nachbarschaft halten, wie es sich
zwischen wahren, aufrichtigen Freunden und Bundes-
genossen geziemt.
2. Wenn die Herrschaft Venedig in Krieg verwickelt
wird oder in Kriegsgefahr schwebt und von den beiden
Städten Kriegsvolk begehren würde, sollen beide Städte
schuldig sein, Venedig 4200 Mann Freiwillige zu ge-
währen in 2 Regimentern, jedes unter einem Oberst
stehend, der eine von Zürich, der andere von Bern.
Verlangt Venedig nicht so viel Mannschaft, so darf es
2100 Mann anwerben, die dann nur von einem Oberst
kommandiert werden, und zwar im ersten Aufbruche von
einem Zürcher, im nächsten von einem Berner, so dass
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beide Städte immer abwechslungsweise den Oberst er-
nennen. Diese 2100 Mann bilden ein Regiment, das ans
7 Fähnlein zu 300 Köpfen besteht. Die Stadt, welche
den Oberst stellt, liefert 1200 Soldaten unter 4 Fähn-
lein, worunter dasjenige des Obersten: die andere Stadt
bestimmt 3 Hauptleute mit 900 Mann. Diese ein oder
zwei Regimenter starke Truppe ist verpflichtet, im Felde
und in der Garnison (,,in campis et praesidiis") die gegen-
wärtig zur Republik gehörenden Länder und Leute gegen
alle, die sie feindlieh angreifen, getreu zu verteidigen.
Verlangt Venedig Mannschaft in Zeiten, da die eine oder
beide Städte in Kriegsgefahr schwelten, so ist keine ver-
pflichtet, Hülfe zu leisten. Truppen, die in venetianischen
Diensten stehen, „dürfen weder zum stürmen, noch auff
dem Meer zu kriegen nit schuldig syn".
3. Will Venedig in den Gebieten beider Städte Volk
anwerben, so soll jedem Hauptmann für sein Fähnlein
vor dem Aufbruch ein Monatssold bezahlt werden. Fehlen
von der festgesetzten Zahl 300 Soldaten, so werden dem
betreffenden Hauptmann für jeden fehlenden 5 Silber-
kronen abgezogen. Die Monate werden zu 30 Tagen
gezählt.
4. Der Sold wird von dem Tage an gerechnet, an
welchem das erste Fähnlein, sei es nun in Zürich oder
Bern, abmarschiert. Für den Heimzug soll jedem Fähn-
lein ein Sold von 20 Tagen eingehändigt werden für
den Marsch von der Herrschaft Grenzen bis in die
Heimat.
5. Stehen die Truppen beider Städte einmal im
Dienst der Herrschaft Venedig, so soll jedem Soldaten,
auch wenn er noch nicht so lange unter der Fahne
steht, der Sold für 8 Monate zu gute kommen. Wird
in einer Schlacht ein Sieg erfochten, so entrichtet Ve-
nedig dem Oberst, seinen untergebenen Offizieren und
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jedem Soldaten einen „Schlachtsold" von einem Monat.
Wenn aber beider Städte Kriegsknechte auch nur dritt-
halb Monate in der Herrschaft Dienst zugebracht hätten
und vor Ablauf des Vierteljahres beurlaubt und heim-
geschickt würden, sollen sie nichtsdestoweniger für 3 Mo-
nate bezahlt und ihnen noch 2<> Tagessolde für die
Heimreise gegeben werden.
(i. Im Feldlager und im Felddienst sollen die Fähn-
lein des ganzen Regimentes beisammen bleiben; stehen
die Truppen aber als Besatzung in den Festungen und
Schlössern, so dürfen zu grösserer Bequemlichkeit und
besserer Erhaltung die Fähnlein geteilt und hier eine
Hälfte und dort die andere gelegt werden, doch nur in
kleinen Distanzen voneinander, damit der Hauptmann
oder sein Stellvertreter „mit guter Gelegenheit" zu den
Soldaten kommt, sie beobachten und in guter Disciplin
halten kann. Steht nur ein Regiment in venetianischem
Solde, so soll auch dieses im Felde ungeteilt 1 »leiben.
7. Die Obersten und Hauptleute sollen im Felde in
Kriegsangelegenheiten dem Generalobersten, dem Ge-
neralgubernatoren und dem Generalproveditoren Gehor-
sam leisten oder „andern, die in Ihrem Namen den
Heerzug der Herrschaft zu recommendieren befelch
haben werdend". In der Festung haben die Soldaten
dem Rector und Gubernator zu gehorchen.
8. Wenn beide Städte oder auch nur eine mit den
F'einden Krieg führen, während ihre Truppen auf vene-
tianischem Gebiete stehen, dürfen dieselben zurückbe-
rufen werden, um sich ihrer zu bedienen. Die Republik
muss diesen entlassenen Soldaten 20 Tagessoldc bezahlen
und ihnen freies, sicheres Geleite bis zur bündnerischen
Grenze verschaffen.
'.). Jedes Fähnlein besteht aus „dreyerlei Wehren- :
100 Mann tragen Musketen, 80 Harnische und 120 sind
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„blosse Knechte^ i pedones). Venedig zahlt diesen Truppen
im Felde und in der Garnison monatlich 2100 Silber-
kronen, „ducatone" genannt, jedem Oberst für seine
„Bestallung und Täfelung" von Monat zu Monat 150
Silberkronen und als Ehrensold eines jeden Regimentes
deren 250.
Die Herrschaft liefert den Soldaten gratis Pulver.
Lot und Lunten, wie solches bei Fürsten und Herren
bisher in Übung war.
Wenn die Republik kraft dieses Bündnisses Truppen
begehrt und die hier beschriebene Art der Bewaffnung
nicht zeitgemäss erscheint, so soll Venedig durch ihre
Befehlshaber mit der Obrigkeit beider Städte traktieren
und sich mit denselben durch gebührliche Kapitulation.
sowohl der Armatur, als auch des Soldes halber, ins Ein-
vernehmen setzen, wie andere Fürsten und Herren dies
auch thun mit den Eidgenossen.
10. Das Venedig dienende Kriegsvolk steht ini vollen
Genuss seiner Privilegien. Freiheiten. Immunitäten, Be-
rechtigungen. Bräuche und Gewohnheiten, sowohl in
Verwaltung und Ausübung des Rechts und des Gerichts.
als auch aller andern Dinge, wie es in Frankreich und
anderswo in allen Zeiten in Übung ist.
11. Den kranken Söldnerknechten soll der Sold so
lange zu gute kommen, bis sie wieder gesund sind oder
sterben.
12. Sobald die Herrschaft den Hauptleuten die be-
stimmte Besoldung von Monat zu Monat nicht verab-
folgt, so soll dieselbe auf Grund der jüngsten Muster-
rödel vorgenommen werden, mit dem Vorbehalt, dass,
wenn die Musterung in den ersten 10 Tagen des Monats
nicht geschehen, alsdann kein Hauptmann schuldig ist.
im gleichen Monat sein Fähnlein zu mustern, sondern
es bei der zuletzt gehaltenen Musterung verbleiben lässt.
Archiv des histor. Vereins. „
XV. Band. 1. Heft.
18
13. Die Wahl der beiden Obersten wird im Fall
eines Aufbruches Venedig anheimfallen, die der Haupt-
leute aber den beiden Städten; jedoch sollen alle Offi-
ziere eingesessene Zürcher oder Berner sein und zu
..(Gefallen und Belieben" beider Vertragsmächte. Über
ein Fähnlein soll nur ein Hauptmann gesetzt werden.
14. Alle Personen und Unterthanen beider Ver-
tragsmächte dürfen in der andern Städten und Landen
frei gehen, wandeln, handeln, schalten und walten mit
..allerlei Gewerbssachen und Hanthierungen, sowohl von
Kaufmanns-Schatz, als aller Hand Kriegsgerätschaften0
ohne Hindernis oder Auslagen und Beschwerden irgend
welcher Art, so dass sie nichts weiter zu bezahlen haben
als die gewöhnlichen, bisher gebräuchlichen Zölle, von
welchen aber ausbedingt ist der Leibzoll, der Mautzoll
(italienisch belletta), die Dinge und Sachen, die einer in
seinem Felleisen hält, auf dem Reitpferde mit sich führt
oder auf dem Leibe trägt. Vorbehalt wird erhoben für
Zeiten, in denen ansteckende Krankheiten regieren, wo
dann jeder Stand nach seinem Gefallen Handel und Ver-
kehr verbieten kann, solange „der Argwohn des Ster-
bens" währt. Soldaten, die von der Republik beurlaubt
oder in die Schweiz zurückberufen werden, sollen mit
all ihrem Tross und Kriegsgerätschaften zollfrei sein,
wie es nach altem Gebrauch bei allen Nationen Sitte
ist. Söldner oder Durchreisende, die auf venetianischem
Boden sterben, dürfen zoll- und kostenfrei aus dem
Lande herausgeführt oder in demselben ehrlich, unab-
gesondert bestattet werden.
15. Truppen, die dem verbündeten Freunde zu
Hülfe ziehen, erhalten freien Durchzug, doch soll der
< »brigkeit, durch deren Gebiet der Durchmarsch erfolgt,
davon berichtet und die Anordnungen, die sie trifft,
sollen respektiert werden.
19
lti. Jeder stand ^oll den Feinden seines Verbün-
deten den Durchmarsch durch sein Gebiet abschlagen
und dieselben wenn nötig niit den Waffen zurückwerfen.
17. Werden Zürich und Bern «»der nur eine der
beiden Städte mit Krieg überzogen, so soll Venedig da-
von sofort in Kenntnis gesetzt werden, damit es jeder
Stadt für ein Vierteljahr monatlich 4000 venetianische
Dukaten zur Unterstützung senden kann. Dauert der
Krieg länger als ein Vierteljahr, wird die Zahlung für
weitere :; .Monate wiederholt, wofür beide Städte jeweilen
einen Rechenschaftsbericht auszustellen haben, der die
Grösse der Ausgaben anzeigt und den Betrag des zurück-
zuerstattenden Überschusses. In Zürich und Bern wird
ferner ein Waffendepot angelegt, in das 560 Harnische
und 700 Musketen samt Zubehör gelegt werden, wofür
ebenfalls eine Quittung ausgestellt wird. Diese Waffen
sollen hauptsächlich für venetianische Dienste reser-
viert werden, doch ist es den beiden Städten erlaubt,
sich ihrer im Fall der Nut zu bedienen; fehlende Stücke
müssen aber nach Beendigung des Krieges ersetzt werden.
18. Wenn der eine oder der andere kriegführende
Teil Hülfe verlangt, solche erhält und nun des Friedens
wegen traktiert, so soll er das seinem Hülfespender vor
Abschlug des Friedens kund thun, damit derselbe sich
eventuell in den Frieden kann aufnehmen lassen.
l'.t. Die Piepublik bezahlt während der Dauer dieses
Bündnisses den Obrigkeiten jeder Stadt 4000 venetia-
nische Dukaten jährlicher Pension.
i*o. Alle Bürger und Unterthanen beider Städte
haben auf venetianischem Gebiete die vollkommene Frei-
heit des Wandeins. Handelns. Wohnens, Gehens und
Wiederkehrens, ohne von seiten der Inquisition irgend-
wie belästigt zu werden. Die gleichen Reihte werden
die Venetianer auf Zürcher und Berner Boden gemessen ;
20
doch soll niemand etwas gegen die Religion des be-
treffenden Ortes unternehmen.
21. Kein Teil nimmt Rebellen oder Widerspenstige
des andern auf, oder solche, wider die „maleficischer
Tathen" willen prozediert wurde wie Diebe, Verräter.
Sodomiten, Mörder, Brandstifter, Jungfrauenschänder,
Räuber und Falschmünzer, sondern alle diese Übelthäter
werden gegen Abzug der Kosten ausgeliefert.
22. Dieser Bund wird für 20 Jahre abgeschlossen.
Eine Kündigung desselben muss 1 Jahr vor Ablauf des
Termins angezeigt werden, und das Bündnis hat dann
gleichwohl noch bis zum Ablauf des 20. Jahres Geltung.
Liegt keine Kündigung vor. so wird der Bund für wei-
tere 20 Jahre, eventuell für so viele Perioden verlängert,
bis eine Aufsage erfolgt. Sollte nach der Aufhebung
des Konkordats eine der beiden Vertragsmächte in Kriegs-
gefahr schweben, darf sie sich bis zu deren Beseitigung
der Hülfstruppen oder des zur Verfügung gestellten
Geldes bedienen.
23. Entstehen zwischen den zwei verbündeten
Mächten „Späne" und Missverständnisse, die man nicht
auf gütlichem Wege schlichten kann, was zuerst soll
versucht werden, so wählt jede Partei zwei verständige
Personen, die sich zur Entscheidung des Streites nach
Chur begeben. Kommen diese auch zu keiner Einigung,
so soll jeder Teil einen unparteiischen Mann wählen, der
keiner der Parteien nahe steht. Von diesen zwei wird
der durch das Los zum Obmann Erkorene den Streit
schlichten, und bei dessen Schiedspruch soll es dann
verbleiben.
24. In Streitigkeiten unter Privaten beider Teile
soll der Kläger den Handel dem Richter überweisen,
und dieser wird ohne langes Zögern den Richterspruch
21
fällen, der nach Bekanntmachung ohne Rücksicht der
Person und der Religion soll vollzogen werden.
25. Während der Dauer dieses Bündnisses ist es
nicht gestattet, andere einzugehen, welche diesem zu-
widerlaufen oder auf dasselbe eine nachteilige Wirkung
ausüben.
26. Zürich und Bern behalten sich in diesem Bünd-
nis vor das heilige römische Reich und alle Bünde, Ver-
träge und Abkommen, die sie mit ihren verbündeten
Eidgenossen eingegangen haben ; ferner die für ewig und
die nur für einige Jahre vor dieser Kapitulation ver-
einbarten Bündnisse, besonders auch den ewigen Frieden
und die Vereinung mit der Krone Frankreichs, so dass
dieser Bund allen abgeschlossenen Verkommnissen weder
schaden noch Abbruch thun kann. Betrügerei und Arg-
list seien gänzlich ausgeschlossen.
Der Bund lag fertig vor, aber die grosse Frage
war, wie und wann er in Kraft treten werde.
3. Die Stellung der Mächte Frankreich und
Spanien - Österreich gegenüber dem venetianischen
Bündnis.
Frankreich und Spanien-Habsburg hatten, freilich
aus verschiedenen Gründen, mit scheelen Augen auf das
Werden dieses Bündnisses geblickt. Sie suchten dem-
selben mit allen Kräften entgegenzuwirken, was am nach-
drücklichsten in Bünden geschehen konnte, wo alljährlich
Tausende französischer und habsburgischer Thaler hin-
flössen, und wo sich während des Uscokenkrieges eine
starke Partei gegen die Republik gebildet hatte, die heim-
lich von dem spanischen Statthalter in Mailand, dem
22
Herzog von Feria. unterstützt wurde.1) Venedig und
Spanien, das die Republik von Mailand aus bedrohte
und jetzt auf Annexierung des Veitlins hinsteuerte,
standen schon seit langem auf gespanntein Fusse. Die
Anhänger Spaniens lebten aber auch ihrerseits mit den
Franzosenfreunden in Bünden im Hader. Jenen zum
Trotz schloss Bünden im Jahre 1002 ein Bündnis mit
Heinrich IV., und als nun die Gegner die Regierung
ihrer Treulosigkeit wegen anklagten und Drohungen gegen
sie ausstiessen. konnten die Eidgenossen nur mit grosser
Mühe einen blutigen Zusammenstoss verhindern.2) In
Bünden strebte nun jede der beiden Machte nach dem
Übergewicht, und beide zusammen richteten ihre Ziele
darauf, eine Erneuerung des churrätischen Bündnisses
mit Venedig zu verhindern und Zürich und Bern den
Pass nach der Republik zu versperren.
Venedig wollte sich durch den Vertrag von 1615
im Notfalle die Hülfe Zürichs und Berns sichern. Truppen
beider Städte, die nach Venetien marschierten, mussten
aber ihren Weg notgedrungen durch Bünden nehmen.
Wenn nun die Venedig feindlich gesinnten Mächte die
III Bünde dahinbringen konnten, dass sie ihre Eingänge
jeder in venetianisches Gebiet ziehenden Truppe ver-
schlossen, so war das Bündnis für Venedig wertlos. Die
zwei Städte konnten Hülfe versprechen, aber keine
schicken. Wrir sehen nun, wie Frankreich und Spanien-
Habsburg die Bevölkerung Bündens durch Geld. Ver-
sprechen und Drohungen gegen Venedig und dessen
politische Bestrebungen aufhetzen, und wie sie sogar in
den Schoss der Städte Zürich und Bern, in die Regie-
rungssäle, namentlich in den zürcherischen, ihre Agenten
schicken, um die der venezianischen Politik zugeneigten
*) Bern. Staatsarchiv, V. B., A, 153.
2) Strickler, 298.
23
Räte umzustimmen. < >b und wie weit es ihnen gelang,
erhellt aus dem folgenden.
Frankreich und Habsburg drohten den Bündnern mit
Entziehung der Pensionen, wenn sie Zürich und Bern den
Durchzug ihrer Truppen gestatteten. Um ihren Drohungen
grösseren Nachdruck zu verleihen, reisten die Gesandten
selbst ins Bündnerland und versicherten sich der Ergeben-
heit der Pensionierten.1) Der venetianische Ambassador
schrieb an den Dogen, der französische Agent Pasquale
Sprech«' mit solchem Zorn und solcher Raserei von den
Unterhandlungen Venedigs und eifere mit solcher Wut
gegen alle dem Bündnis Zugeneigten, dass er je länger
je mehr befürchten müsse, dessen Einfluss werde mächtig
genug, das Bündnis zu vernichten.2) Diese Befürchtungen
waren allerdings zum Teil berechtigte, denn in Chur-
rätien hatte Venedig seine Rolle vorläufig ausgespielt.
Eine Anfrage der zwei Städte an die III Bünde um
freien Durchpass wurde abschlägig beantwortet. Würden
sie den Durdipass gestatten, Hessen sie zurückmelden.
so wäre es eine Schwächung ihres Rufes: man hätte sie
darum ersuchen sollen, bevor das Traktat so weit ge-
fördert war. um prüfen zu können, ob es ihnen zum
Schaden oder zum Nutzen gereiche.3) Die Zürcher wurden
darob sehr aufgebracht, hauptsächlich gegen die Engadiner.
denen sie schon so viele Wohlthaten erwiesen hatten.
indem sie viele ihrer Söhne auf Kosten der Stadt in
öffentlichen Instituten unterrichten Hessen.4) Sie schickten
.sofort Gesandte nach Chur. welche eine Einigung ins
Werk setzen sollten. Barbarigo seinerseits ersuchte den
Dogen, die Privatpensinnen in Bünden wieder fliessen
M Bundesarchiv, Bd. 21.
-) Bundesarchiv, Bd. 18, pag. 224 f.
3) Bundesarchiv, Bd. 19.
*) Bundesarchiv Bd. 19, Mai 1615.
24
zu lassen,1) was allerdings insofern unangenehm war,
als zuerst die schuldigen Pensionen von 1603 an nach-
getragen werden musstcn.2)
Als das Richtigste dachte er sich aber, den Bund
so schnell als möglich zu solemnisieren, da Bünden
dadurch wohl oder übel wenigstens in moralischer
Beziehung zur Bewilligung des Durchpasses gedrängt
würde.
Die Unterhandlungen der Zürcher Gesandten in Chur
führten zu keinem günstigen Resultate. Im November
1615 schrieben die* Bündner nach deren Heimreise, dass
der Durchgang für venetianische Truppen gesperrt bleibe,
Wegen des Schadens, der den einzelnen Gemeinden daraus
erwachsen könnte. Die meisten waren aber gar nicht be-
fragt worden, vielmehr war die Regierung in der Ab-
fassung dieses Schreibens eigenmächtig verfahren/5)
Die Frage des Durchpasses wurde auf der Konferenz
der vier evangelischen Orte am 11. November 1615 neuer-
dings zur Sprache gebracht. Die Gesandten Zürichs und
Berns eröffneten denjenigen von Basel und Schaffhausen,
dass ihre Herrn und Obern vor einiger Zeit mit der Herr-
schaft Venedig auf deren Ansuchen sich in ein Bündnis
eingelassen, dass aber die Bündner die Öffnung der Pässe
für das Kriegsvolk beider Städte, das sie Venedig zu
schicken verpflichtet seien, bisher verweigert hätten. Bei
der Beratuno- darüber, ob die Bündner noch einmal um
:) Bundesarchiv, Bd. 19, Mai 1615.
2) 1603 hatte Venedig, wie früher erwähnt wurde, einen Ver-
trag auf 10 Jahre abgeschlossen. Venedig wollte 1613 eine Erneue-
rung vornehmen, aber Frankreich wusste sie zu verhindern. Ein von
Rudolf Planta betriebenes Strafgericht büsste die Anhänger Venedigs
in Chur. Das Gericht von Ilanz sprach die Verurteilten frei, aber
sofort trat jenes wieder zusammen, um seine Entscheidung zu be-
stätigen. (Strickler, pag. 298 f.)
3) Bundesarchiv, Bd. 19.
25
eine Antwort zu ersuchen seien, oder ob man damit noch
zuwarten solle, fand man beide Wege bedenklich, denn
würde man jetzt die Bündner. welche dieser Sachen
wegen nicht wohl disponiert seien, um Antwort anhalten,
so wäre bei abschlägigem Bericht die Hoffnung auf Will-
fahrung verloren: schwiege man alter zu lange, so könnte
dies >o gedeutet werden, als ob man der Sache keine
weitere Aufmerksamkeit schenke. Diese Bedenken nahmen
die Gesandten beider Städte ad referendum, fiberzeugt,
dass ihre Obern schon das Angemessene finden würden.
Daneben wurden auch die Massregeln besprochen, die
zur Erlangung eines günstigen Bescheides zu treffen
wären. Einerseits wurde vorgeschlagen, den König von
Frankreich um die Vermittlung des Passes anzusprechen,
andrerseits wurde dafür gehalten, man sollte, weil die
bündnerische Allianz mit den Eidgenossen eben ..schlecht
und einfalf. eine Erläuterung oder Erneuerung der-
selben begehren, wo dann die Bestimmung über den
Durchpass festgesetzt werden sollte. Eine dritte Ansicht
ging dahin, auf das eidgenössische Recht zu dringen in
der Hoffnung, dasselbe würde die Öffnung des Passes
befürworten.1) Noch dreimal wurden Botschaften nach
Chur gesandt, aber keine fand Gehör. Als man sich
daroli an den französischen Gesandten wandte, versprach
dieser seine Mitwirkung, drohte aber den Bündnern
gleichzeitig mit dem Verlust ihrer Soldgelder, wenn sie
sich auf Unterhandlungen einliessen.2)
Auf einer neuen Zusammenkunft der 4 evangelischen
Orte in Aarau am ~2. März 1616 hielt man es deshalb
für nötig, sich zu besprechen, ob die Passangelegenheit
als Traktandum zu figurieren habe oder nicht. Bei der
Diskussion fanden die Delegierten, in Anbetracht der
2) Eidg. Abschiede. 11. November 1615, A. Vi, pag. 122',».
2) Bandesarchiv. Bd. 19.
26
augenblicklichen Sachlage, nicht ratsam, weiter in die
Bündner zu dringen, denn wahrscheinlich würden sie auf
ihrem Entschluss beharren. Auch sei dem König von
Spanien und andern mit Venedig in offener Fehde
>tehenden Fürsten dieses Werk verhasst, und es sei über-
dies zu besorgen, es könnte um der neuen Freundschaft
willen das alte Bündnis mit den III Bünden und die
Vertraulichkeit mit ihnen alteriert und zerstört werden.
Man beschloss deshalb, von weiteren Bemühungen zu ab-
strahieren, bis vielleicht Frankreich mit mehr Erfolg sich
der Sache annehme. Da Barbarigo und der Agent Suriano
in ihren Vorträgen andeuteten, class Zürich und Bern
in Bünden sollicitieren sollten, was doch nie war ver-
sprochen worden, so wurde ihnen erwidert, die Ansicht
der beiden Städte gehe dahin, dass die Herrschaft Vene-
dig für Öffnung des Passes zu sorgen habe, wobei sie
gerne so viel wie möglich behülflich sein wollten.1)
Die Bündner hielten wirklich mit rigoroser Strenge
die Pässe gesperrt. Im April 1616 brachen 40(> Mann
unter den Hauptleuten Schmidt und Stucki nach Rätien
auf, um von dort den Weg nach Venedig einzuschlagen.
Am Rheinübergang fanden sie aber Wachen aufgestellt,
welche die strenge Consigne erhalten hatten, keine
Truppen durchzulassen. Chur hatte dieselben dorthin
beordert, und von Frankreich und Spanien wurden sie
besoldet. An den Übergangsstellen waren ausserdem
Plakate angeschlagen, die jeden Zuwiderhandelnden mit
Einsteckung und Züchtigung bedrohten. Die 400 Mann
mussten wieder den Rückweg antreten. Lärmend und
den Hauptleuten fluchend, die sie angeworben, zog die
Truppe nach Zürich zurück, wo sich die Reisigen drohend
im Ratsale aufpflanzten und einen halben Monatssold
') Eidg. Abschiede, A, Vi, pag. 1232.
27
verlangten, den ihnen der eingeschüchterte Rat wohl
oder übel einhändigen Hess.1)
In Bünden sahen jetzt Frankreich und Österreich
das Ziel ihrer Bestrebungen, welche die Venedig freund-
liche Politik lahm legen sollten, so ziemlich erreicht.
Die beiden Städte hatten weder eine Erneuerung des
bündnerisch-venetianischen Bündnisses, noch die Bewil-
ligung des Durchpasses für das zürcherisch -bernische
Kriegsvolk erwirkt. Damit erklärte sich Österreich seiner-
seits, noch nicht zufriedengestellt. Erzherzog Maximilian
schickte seinen Gesandten Dr. Johann Christian Schmidlin
an die Tagsatzung der 13 Orte, die am 17. April 1616
in Baden abgehalten wurde.2) Dort eröffnete der öster-
reichische Delegierte unter Bezugnahme auf sein in
Zürich abgegebenes Kreditiv. der Erzherzog habe ver-
nommen, dass die Herrschaft Venedig in der Eidgenossen-
schaft um eine grosse Zahl Hülfstruppen werbe, dass einige
Orte nicht abgeneigt seien, zu entsprechen, und dass
man die Erlangung des Durchzuges durch Künden zu be-
werkstelligen suche. Nun sei aber bekannt, dass die
Werbungen Venedigs einzig dahin zielen, die ohne An-
lass begonnenen Feindseligkeiten gegen Österreich fort-
zusetzen. Die kaiserliche Majestät sowohl als der Erz-
herzog hätten die Eidgenossen schon wiederholt gemahnt,
sich in keine Unterhandlungen und Bündnisse einzulassen,
die der Erbeinung zuwiderlaufen. Man wisse, mit wie
viel Eifer, Ernst und Sorgfalt seinerzeit Kaiser Maxi-
milian I. die Erbeinung aufgerichtet, wie emsig er dahin
gestrebt habe, dass dieselbe nicht nur auf dem Pergament,
sondern auch in der Ausführung bestehe, und wie darin
*) Bundesarcliiv, Bd. 21, pag. ('>">.
2) Bern. Archiv, V. B., A, pag. 390.
Bern. Archiv, V. B., A, pag. 365: Schreiben des Kaisers Matthias.
Eidg. Abschiede, A, Vi, pag. 1168.
28
deutlich bestimmt worden sei, dass kein Teil wider den
andern etwas tlme, woraus Krieg entstehen könnte. Uni
künftige Streitigkeiten zu vermeiden, sei eine besondere
Bestimmung aufgenommen worden, durch die jede Be-
günstigung oder Unterstützung von Angriffen auf Land
und Leute des anderen Teiles verboten wurde. Mehr als
die mit den andern Potentaten abgeschlossenen Bünd-
nisse verpflichte nun die Erbeinung, dass man der Feinde
Gebiet nicht schirme oder ihnen Vorschub leiste; daher
dürfe auch kein Teil sein Volk gegen des andern Land
und Leute ziehen lassen. Weil nun alle österreichischen
Lande in der ewigen Erbeinung begriffen seien, so gehe
des Erzherzogs nachbarliches Ansuchen dahin , man
möchte der Herrschaft Venedig keine Hülfe noch Vor-
schub leisten gegen ihn. sein Haus und seine Leute,
sondern die schon .weggelaufenen Soldner unter An-
drohung strenger Strafe heimmahnen und an die III Bünde
ein Ermahnungsschreiben senden, die Erbeinung in Be-
achtung zu ziehen und niemand den Durchpass zu
gestatten. Nach Anhörung des Gesandten wurde noch
eine ähnlich lautende kaiserliche „Erinnerung" vorge-
lesen, die man in den Abschied aufnahm. Die Ausge-
schossenen, Burgermeister Rann, Schultheiss Sonnenberg
und Ratsherr Iselin. teilten nach geschlossener Diskussion
den kaiserlichen und erzfürstlichen Kommissären mit.
dass weder der eine noch der andere Ort gegen die
Erbeinung zu handeln im Sinne halte; dieselbe erstrecke
sich überhaupt nicht so weit, wie Dr. Schmidlin behaupte,
sondern man bediene sich in Wien derselben nur, um
die Sendung schweizerischer Truppen an Venedig zu
verunmöglichen oder wenigstens zu erschweren. Ein
Sehreiben an Bünden fand man unzulässig, ja sogar
schädlich, weshalb es unterlassen wurde. — Dr. Schmidlins
Angriffsversuch auf den Venedig freundlichen Züreherrat
29
war gescheitert, und er musste mit dem Bewusstsein ab-
ziehen, dass seine Rede auch nicht den geringsten Ein-
druck hinterlassen habe. An den Kaiser von Österreich
und an den Erzherzog wurde geschrieben, dass man mit
Venedig ein Defensiv- und kein Offensivbündnis ge-
schlossen, in welchem alle früher vereinbarten Bünde
vorbehalten seien.1) und damit Hess man es bewenden.
- In der nächsten Konferenz2) zwischen der ZwingJistadt
und Bern, die gleich darauf am 17. Mai in Zürich statt-
fand, that man der Mission Österreichs in keiner Weise
mehr Erwähnung. Padavino durfte dafür um so zuver-
sichtlicher auftreten. Die Herrschaft Venedig, so be-
gann er. erbitte sich zum Schutz gegen die Uscoken
(Uscochi), ein wegen seiner Grausamkeit bei Gott und
der Welt verhasstes Volk, zwei Regimenter Kriegsvolk
und erwarte, dass ihr von den beiden Städten, ihren
Verbündeten, entsprochen werde, und dass Zürich dem
vom früheren Ambassadoren Barbarigo ernannten Oberst
gnädig Urlaub erteile, um mit einem Regimente in den
Dienst der Herrschaft zu ziehen. Bern ein anderes
Regiment unter einem Oberst in Bereitschaft setze.
Er sei hergekommen, um mit ihnen, den beiden Orten,
zu beraten, wie man die im Bündnis vereinbarten Be-
stimmungen in Vollzug setzen und die zufälligen Hin-
dernisse beseitigen könne. — Nach einer Besprechung
der schweizerischen Gesandten untereinander erklärte
sich Zürich zur Hülfeleistung bereit, Bern aber hegte
verschiedene Bedenken dagegen, weil es nicht unwahr-
scheinlich sei, dass Savoyen und Spanien sich plötzlich
aussöhnen und sich mit vereinten Kräften auf Genf und
auf die Waadt stürzen könnten. In diesem Fall könnte
Bern seine Kriegsknechte nicht entbehren. Der Herzog
*) Siehe Art. 20. pag. 21. Bundesarohiv, Bd. 21.
-) Eidg. Abschiede, A, Vi, pag. 1248.
30
von Savoyen zeigte wirklich augenscheinliche Gelüste
nach den Gebietsteilen, welche Bern 1536 unrechtmässiger-
weise, wie er meinte, erobert hatte. Seine Absicht war.
die katholischen Orte der Eidgenossenschaft für seine
Absichten zu gewinnen, und seine Bemühungen waren
insofern von Erfolg gekrönt, als jene Bern ihre Hülfe
verweigerten. Vermittlungsversuche zwischen dem Her-
zog und Bern scheiterten, so dass das Verhältnis zu
Savoyen in der Schwebe blieb und Genf und Bern jeden
Augenblick einen Angriff gewärtigen mussten.1) Im
Sommer 1613 und 1614 hatten Savoyen und Mantua
über den Frieden unterhandelt, und wenn dieser zu stände
kam. so fürchtete Bern nicht nur savoyische, sondern
auch spanische Eingriffe in die wälschen Gebietsteile.8)
Vor allem verlangten die bernischen Gesandten,
dass die Instrumente über die vor einem Jahr mit Ve-
nedig aufgerichtete Vereinung. welche bereits mit beider
Städte Siegel versehen seien, auch mit dem Siegel der
Herrschaft Venedig bekräftigt und den beiden Städten
überschickt würden. Weil seit Abschluss des Bündnisses
bereits ein Jahr verflossen und die beiden Städte wäh-
rend dieser Zeit nicht ermangelt hätten, ihren Verpflich-
tungen nachzukommen, so solle jeder eine Jahrespension
gemäss dem Bündnisse entrichtet und die versprochenen
Rüstungen und Waffen bezahlt und deponiert werden.
Da die Öffnung des Passes in Bünden am besten durch
Vermittlung des Königs von Frankreich zu stände ge-
bracht werde, so solle durch den am französischen Hofe
sich befindenden Hans Rudolf v. Erlach, weil die Sache
so am ..khommlichsten und stillsten" verrichtet werden
könne, in beider Städte Namen ein Kredenzschreiben
M Hagen, pag. 14.
2) Hagen, pag. 22.
31
an den König überschickt werden mit dem Ersuchen, für
( »It'nung des genannten Passes sich nachdrücklich zu ver-
wenden. ') Erst nach Einlangung eines willfährigen Be-
scheides wolle man die erforderlichen Schritte in Bünden
seihst thun. Die Solemnisation solle noch für einige
Zeit verschoben werden, bis man gesehen, wie sieh die
Dinge in Bünden entwickeln.
Venedig fühlte sieh der beständigen Weigerung der
Bündner wegen in sehr misslicher Lage: denn der Us-
cokenkrieg erforderte immer neue Truppen und ein paar
Schweizerregimenter hätten vorzügliche Dienste geleistet.
Um in Chur nochmals Versuche zu einer glücklichen
Lösung der schwebenden Frage anzustellen, wurde der
Sekretär Agostino Dolce in die Hauptstadt Bündens
gesandt, der gleich so tüchtig zu „schmieren" begann,
dass sich seine monatlichen Extraausgaben regelmässig
auf 140U Dukaten summierten. Alter auch die Venedig
entgegenwirkenden Mächte setzten die Hebel wieder
energischer an, so dass sich am 17. Juni das aufgereizte
Volk in und um Chur erhob, fürchterliche Drohungen
gegen den venetianischen Residenten ausstiess und tu-
multierte. Um dasselbe zu beruhigen, wollten die pro-
testantischen Stände Delegierte nach Chur absenden.
Als diese eben zu den Thoren Zürichs hinausritten,
wurden sie durch die glückliche Nachricht zur Umkehr
bewogen, dass die 7 Fähnlein, die sich in Chur zu-
sammengeschart, wieder nach Hause geschwenkt hätten. 2)
Unterdessen waren auch die übrigen katholischen
Kantone mit Aufhebung der privaten und öffentlichen
Pensionen bedroht worden, so dass sie sich mit Bünden
') Arn 20. Januar 1614 war Zürich dem Bündnis der Eidge-
nossen mit Frankreich beigetreten.
'*) Bundesarchiv, Bd. 22, 17. Juni.
solidarisch erklärten und die Pässe ebenfalls versperrten.
Sic meldeten Zürich, dass die Landvögte von Ilheinthal
und Sargans von ihnen beauftragt worden seien, kein
fremdes Volk mehr durchzulassen. Zur grössern Sicher-
heit hätten sie dem österreichischen Gesandten gestattet.
Wachen in dem Lande der eidgenössischen Unterthanen
aufzustellen. Das thun sie ihnen zu wissen und hoffen,
dass sie dasselbe billigen und gleichen Befehl an die
Landvögte werden ergehen lassen. — An Truppen-
sendungen durften jetzt Zürich und Bern nicht mehr
denken:1) die feierliche Beschwörung des Bündnisses
aber konnte gleichwohl vorgenommen werden, denn die
abgesperrten Pässe bildeten dafür kein Hindernis. Ohnehin
waren seit dem Zustandekommen des Bundes jetzt schon
3 Jahre verflossen und inzwischen hatte der Doge die
Annahme des Bündnisses in allen Artikeln erklärt, näm-
lich : Die Republik habe in dem ruhmreichen Andenken
an Marc Antonius Memmo, seinen Vorgänger, mit den
Städten Zürich und Bern ein Bündnis unterzeichnet zur
gegenseitigen Verteidigung, Sicherheit und Ptiihe, mit
den am 6. März 1615 aufgestellten und vereinbarten
Bestimmungen. Deshalb verlange er, dass die durch die
26 Artikel bestimmte Kapitulation als vollkommen gültig
und authentisch betrachtet werde. Ei- bestimme durch
dieses Schreiben als seinen und der Republik besondern,
ausdrücklichen Prokuratoren den umsichtigen Sekretär
Pietro Vico, die mit seinem Siegel versehenen Papiere
obgenannten Vertrages zu unterzeichnen. Mit dem Senat
erkläre er des bestimmtesten, dass obige Kontrakte, auf
diese Weise besiegelt und unterzeichnet, ewig gehalten
x) Im Herbst 1616 nahm Bern an Frankreich dafür Rache, in-
dem es die 4 evangelischen Städte dahin brachte, die 6000 Mann
abzuschlagen, welche der französische König von ihnen begehrte.
Hagen 43.
33
und als authentisch anerkannt werden, wie wenn sie
schon früher vom obgenannten Vorgänger unterzeichnet
und besiegelt worden wären.
Schon lange hatte Barbarigo auf die Solemnisation
hingedrängt und nun sollte endlich die Beschwörung,
nachdem ein erster Termin verschoben wurde, am 7. Mai
1618 in Zürich erfolgen.
4. Solemnisatioii und weitere Verhandlungen bis
zum Jahr 1(>48.
Am Vorabend des Beschwörungstages ritten die
Delegierten Berns zu den Thören Zürichs herein, um
im Gasthof zum Schwert Quartier zu beziehen. Es
waren Anton v. Grafenried, Säckelmeister deutscher
Lande. Johann Frisching, Venner, Nikiaus v. Mülinen,
Claudius Weyermann, Zeugherr, alle des kleinen Bates,
Samuel Vogt, Hans Rudolf v. Erlach. Herr in Riggis-
berg, beide des grossen Rates Mitglieder. Am Morgen
des 7. Mai wurde um 7 Uhr in allen 4 Pfarrkirchen
•eine Predigt gehalten, und hierauf versammelten sich
Räte und Burger von Zürich auf dem Rathaus in der
Burgerstube. Dahin wurden die venetianischen Am-
bassadoren Antonio Antelmi und Pietro Vico, sowie die
Gesandten Berns abgeholt. Nach Vorlegung der Gewalt-
briefe durch die venetianischen Deputierten und die
Gesandtschaft Berns und nach einem von beiden ge-
haltenen Vortrage wurde die deutsche Übersetzung des
in lateinischer Sprache abgefassten Originals des Bundes-
briefes vom (i. März 1615 verlesen und von Burger-
meister Rahn und Säckelmeister v. Grafenried mit dem
Original verglichen. Hierauf sprach der Dolmetscher der
Archiv des histor. Vereins.
XV. BaDd. 1. Heft
3
venetianischen Ambassadoren den Räten und Bürgern
von Zürich und den Gesandten Berns den Eid in deut-
scher Sprache vor, und diese wiederholten ihn: „Was
die jetzt abgelesene Vereinigung zwüschent der Durch-
lüchtigen Herrschaft Venedig und den loblichen Stetten
Zürich und Bern ufgerichtet. iisswysst und innehaltet,
das gelob Ich wahr und stet zu halten und demselbigen
gnug zu thund. getrüwlich und ohn alle Gefahr, als ich
bitte, dass mir Gott helfe." Dann sprach der Bürger-
meister Rahn den venetianischen Ambassadoren den Eid
in italienischer Sprache in der Form vor, wie im Januar
1614 der französische Gesandte von Castille bei Be-
schwörung des französischen Bündnisses mit Zürich den-
selben beschworen hatte, verdeutscht also:') „Wir
si hwerend und versprechend im Namen der Durchlüch-
tigen Heiischaft, unserer Herrin, wahr und getrüwlich
ze halten den traktat der Vereinigung zwüschend der-
selben durchlüchtigen Herrschaft und den beiden löb-
lichen Stetten Zürich und Bern ufgerichtet. also dass
nit dawider gehandelt werden soll in khein wyss, weg
weder direckte noch indireckte, als wir bittend, dass
uns Gott helffe."
Nachdem die Versammlung sich gesetzt hatte, wur-
den draussen Geschützsalven abgefeuert und Trompeten-
schall ertönte vom St. Petersturm herab. Der weihevolle
Tag fand seinen Abschluss abends in einem festlichen
Bankette, an dem alle offiziellen Gäste auf Kosten Ve-
nedigs reichlich bewirtet wurden. 2)
') „Giurianio et promettiamo a nome della Sma Repea di osservar
indubitata et fedelle il trattato delP Alleanza tra Sma Repca et le due
incliti cittä Zürich et Berna talte ehe a quello nou sarä contra fatto
in alcuna inaniera direttaniente ne iudirettamente et cosi Dio ci
äjüti." So der italienische Wortlaut des Schwures.
-) Bern. Staatsarchiv. V. B.. A, pag. 513.
Trotzdem das Bündnis in solch feierlicher Weise
vollzogen war. hatte es auch jetzt noch keine that-
sächliche Wirkung, weil inzwischen die Bündnerwirren
ausbrachen, von denen wir uns absichtlich ferne halten,
erstens, weil sie nicht in den Rahmen unseres Themas
hineinpassen, und zweitens, weil die Rolle, die Venedig-,
Zürich und Bern in der Veltlinerangelegenheit spielten,
zur Genüge bekannt ist. Die zwei Städte lieferten
Truppen, Venedig hauptsächlich Geld, und zwar ziemlich
hoch bemessene Summen. Die Bündner hatten aller-
dings mehr als nur Geld erwartet, namentlich nach dem
Blutbad von Tirano und den gescheiterten Hülfsver-
suchen der zürcherisch-bernischen Truppen. Als Venedig
damals keine Mannschaft schickte, wurden die Bündner
von solchem Groll gegen die Markusstadt erfüllt, dass
er sich erst lange nachher legte, als sie in den vierziger
Jahren mit den Türken in Konflikt geriet. ') - - Venedig
legte immerhin solchen Wert auf das znstandegekoinmene
Bündnis, dass es seinerseits die von den beiden Städten
ausbedungenen Vorteile gewährte und ziemlich regelmäßig
Jahr um Jahr jeder Stadt 4000 Dukaten überschickte.
In Zürich und Bern Hess die Republik Waffendepots
anlegen 2) und in jedes der beiden kamen 560 Harnische
(Preis = ?,\ TS'/s Dukaten) und 700 Musketen (= 37331 3
Dukaten), für welche zusammen von Venedig 69062/3
Dukaten per Depot bezahlt wurden. — Endlich kamen
die Zeiten doch, in denen die Realisierung des Bünd-
nisses möglich wurde.
Im Jahr 1H44 geriet Venedig von neuem in Kriegs-
not. Die Türken zogen aus Rache dafür, dass ihnen
Venedig RäuberschifEe weggenommen, gegen das vene-
tianische Candien, um dasselbe dem Türkenreiche ein-
l) Zwiediueck. I. pag. 133.
-) Siehe Art. 17 des Bündnisses, pag. 19.
3fi
zuverleiben. Venedig fühlte sich in harter Bedrängnis.
Man setzte die Kriegsschiffe, deren noch schnell einige
in Livorno und Genua gekauft wurden, in Gefechts-
bereitschaft, Truppen wurden ausgehoben und zur Ver-
teidigung oder zu einem Vorstoss gegen die benach-
barten türkischen Gebiete nach Dalmatien gesandt. Der
Senat rief die fremden Mächte an zur Beschützung einer
Insel, die man als das Bollwerk der Christenheit be-
trachtete.
Aber Venedig durfte sich der fremden Hülfe wegen
keine Illusionen machen. Der Kaiser war in die Wirren
des 30jährigen Krieges verwickelt. Frankreich, das vor
dem Frondekrieg stund und mit der Pforte verbündet
war, bot im geheimen nur 100.000 Thaler; Spanien ver-
sprach viel und hielt wenig, und Holland setzte unbe-
mannte Schiffe zur Disposition. r) Venedig war also fast
nur auf sich allein und auf seine zwei Verbündeten in
der Eidgenossenschaft angewiesen.
Ende des Jahres 1644 verlangte der Doge, gestützt
auf das Bündnis vom Jahre KU 5. Truppen wider den
Erbfeind der Christenheit, den Türken. 2) Für den Pass
durch Bünden hatte der Resident Cavazza schon im
Januar angehalten. Am 28. gleichen Monats wurde von
den Abgeordneten an die Generalversammlung in Chur
vereinbart: :!)
Allen Soldaten, die zu Fuss und zu Pferd ins Gebiet
der Republik Venedig ziehen, wird der Pass durch die
III Bünde und die Lande ihrer Unterthanen gewährt,
aber nur für ein Jahr. Wenn den III Bünden oder
ihren Untergebenen durch diese Gewährleistung Unan-
') Daru, IV, 513 f.
2) Bern. Staatsarchiv, V. B., A, 669.
3) Bundesarchiv, Bd. 58, 28. Januar 1644,
37
nehnilichkeiten zugezogen werden, so soll Venedig auf
Ansuchen mit all seinen Mitteln dieselben beseitigen
helfen. Die Fusstruppen dürfen nur mit dem Schwerte,
bewaffnet, je 50 zusammen, die Reiter nur mit umge-
hängter Pistole in der Zahl 20 passieren, und zwar mit
der gewohnten Distanz von einem Tag. Jeder Soldat
muss den gewöhnlichen Zoll entrichten, den Unterhalt
bezahlen und allfälligen Schaden ersetzen. Den obersten
wird empfohlen, die Knechte in guter Ordnung und von
Offizieren Itcwacht durchziehen zu lassen. Zur Deckung
allfälliger Beschädigungen soll jeder der III Bünde einen
.Mann aus seiner Mitte ernennen, der dieselben taxiert
und das Geld dafür einzieht.
Am 20. 30. September 1645 wurde der freie Durch-
pass der Truppen definitiv gestattet mit folgenden Modi-
fikationen:1) a. Nur Soldaten, die gegen die Türken
ziehen, dürfen passieren, und zwar so lange, bis der
Krieg zu Ende ist. b. Der Durchpass ist bis auf die
Zölle gratis. Venedig zahlt 350 spanische Dublonen für
die Reisekosten der bündnerischen Delegierten an die
Dieta. c. Die Soldaten dürfen vollständig bewaffnet
sein. — Den Pass gaben nun ebenfalls frei Glarus, Zug.
Obwalden und Nidwaiden. Schwyz stellte dafür gewisse
Bedingungen, und da es diese erst am 16. Mai erfüllt
sah, verlängerte es die Passsperre bis zu diesem Zeit-
punkte. 2) Hauptmann Brendlin, der trotzdem mit einer
Anzahl Leute nach Venedig marschieren wollte, wurde
in Lachen angehalten, eine Zeitlang eingesperrt und
dann zur Rückkehr gezwungen. ;i)
Unterdessen ging man an die Aufstellung einer
Kapitulation für das von Venedig erbetene und bewilligte
') Bundesarchiv, Bd. 58.
-) Zürcher Staatsarchiv 214, Mappe 3.
:!) Bundesarchiv. Bd. 61, pag. 30.
38
Regiment. Eine solche war nötig, weil einige Punkte
des alten 1615er Bündnisses umgeändert werden mussten.
J)ie Zeiten waren andere geworden und mit ihnen nach
bald einem halben Jahrhundert die Art der Kriegs-
führung. Die im Art. !> vorgesehene Ausrüstung war
veraltet und deshalb hatte man schon 1615 darauf Be-
dacht genommen, indem die betreffende Bestimmung
aussagte, die Bewaffnung und die Soldverhältnisse seien
jeweilen durch eine Kapitulation den Zeiten anzupassen.
Am 27. März 1648 gingen 5 Deputierte mit dem
Sekretär Hirzel zum Residenten, um sich mit ihm über
die einzelnen Punkte der Kapitulation zu beraten. •')
Das folgende Kapitel enthält im Auszuge die Bestim-
mungen, über die man sich bis Anfang Mai vollständig
einigte.
3) Bundesai'cbiv, Bd. (31, pag. 398.
-o-<2S>-^—
IL Die Schweizertruppen in venetianischen
Diensten, 1648—1660.
1. Kapitulation für das Regiment Werdtmüller
(9. Mai 1648) und Abmarsch der Truppen. x)
Nachdem die Herrschaft Venedig durch ihren Resi-
denten Hieronymus Bon beide Städte Zürich und Bern,
ihre Bundesgenossen, am 19. 29. Januar kraft des Bünd-
nisses uui einen Aufbruch von 2100 Mann oder ein
Regiment angehalten hatte, um sich desselben in der
gegenwärtigen Not dem Bunde gemäss zu bedienen,
wurde nach verschiedenen Unterhandlungen der begehrte
Aufbruch unter folgenden, den neuen Bedürfnissen an-
gepassten Bedingungen bewilligt:
1. Jede Compagnie soll mit dem Hauptmann und
den übrigen Offizieren 200 Mann stark und waffentüchtig
sein. Da nun bei dieser Zahl 100 Überzählige ver-
bleiben würden, so verlangt die Herrschaft noch weitere
100 dazu, so dass nun 2200 Mann unter 11 Compagnien
stehen, nämlich 6 von Zürich mit dem Oberst, 5 von
Bern.
2. Nach Verlangen der Republik sollen - 3 der Mann-
schaft mit Musketen. 1/a mit Spiessen ausgerüstet sein.
Die Hälfte wird zudem in Venedig mit Rüstungen ver-
sehen. Alle Waffen sollen, soweit nötig, aus den in
') Bern. Staatsarchiv, V. B.. A. pag. 529 f.. Buudesarchiv. Bd. 61,
pag. 446 f.
40
Zürich und Bern angelegten Depots geliefert worden
ohne andere Schuldigkeit, als sie sauber zu halten und
nach der Abdankung des Regimentes wieder zurückzu-
erstatten. Die Waffen toter Kriegsknechte werden vom
Oberst oder von den Hauptleuten in den Zeughäusern
des Ortes deponiert, wo man sich gerade befindet, und
von dort werden sie nach Entlassung des Regimentes in
die beiden Depots von Zürich und Bern transportiert.
3. Die Republik wählt den Oberst und die beiden
Städte die Hauptleute . alles laut Bestimmungen des
Bündnisses.
4. Der Effektivbestand einer jeden Compagnie soll
bei der ersten Musterung auf dem Waffenplatz in Bergamo-
oder in Brescia 200 Mann aufweisen. Untergeschobene
Namen. „Blinde" (passavolanti), Soldaten, die zweimal
die Musterung passieren, oder jeder andere Betrug
werden nicht zugelassen, sondern es erfolgt Bestrafung
mit Streichung in der Liste und Entlassung. Wird der
Hauptmann schuldig befunden, so kann ihn die Republik
seines Amtes entheben.
."). Jeden Monat erhält der Hauptmann für sein''
Compagnie 420 spanische Dublonen von gutem Gepräge
und Gewicht, und zwar sowohl für ihn, wie für die
übrigen Offiziere und für die Soldaten. Für jeden
fehlenden Mann werden 4 ' 4 Silberkronen abgezogen,
oder es erhält jede Compagnie 430 Dublonen und für
jeden Mangelnden werden 5 Silberkronen zurückbe-
halten. ])
6. Der Oberst bezieht monatlich 150 Silberkronen,
und des Regimentes Ehrensold beläuft sich jeden Monat
laut Bündnis auf 250 Silberkronen.
r) Das erste wurde verwirklicht.
41
7. Fehlen Soldaten bei der Musterung, die gestorben.
entflohen oder sonst in Abgang gekommen sind, so er-
folgt der Abzug laut Art. 5.
8. Bei der Musterung soll jeder Hauptmann seine
Kranken vorweisen, und erlaubt es ihr Znstand nicht,
sie vorzuführen, so werden sie vom öffentlichen Minister
besucht; befinden sie sieh anderswo, hat der Hauptmann
ein authentisches Zeugnis über den Ort und den Zu-
stand, in dem sie sich befinden, vorzuweisen, da sie
sonst nicht besoldet werden.
'.». Das Regiment wird nur zu Lande dienen, d. h.
in Italien und Dalmatien, wie es der Resident im Namen
der Republik in seinem Vorschlage vom l!)./2i). Januar
darlegte. Dort wird der Mannschaft nebst guter Ver-
pflegung jede billige Satisfaktion zu teil werden, wie
man umgekehrt von ihr treue, ehrliche Dienstleistung
erwartet.
10. Da die beiden Städte wünschen, dass jede Com-
pagnie und das ganze Regiment soviel als möglich zu-
sammenbleibe, um besser dienen zu können, verspricht
der Gesandte, dass die Republik jede Compagnie unge-
t rennt lässt und das Regiment auch, soweit es sich nach
Gelegenheit und „der Sache Xothdurfft" thun lässt.
11. Das Regiment soll in allen Privilegien. Frei-
heiten, Immunitäten, Gerechtigkeiten, Bräuchen und Ge-
wohnheiten, sowohl in der Verwaltung und Übung des
Gerichts und Rechts, als auch in allen andern Dingen
und Sachen unbehelligt bleiben, wie es in Frankreich
und anderswo üblich und im Bündnis vorgesehen ist.
12. Zum Besten des Regiments und den beiden
Städten zu Gefallen wird die Herrschaft den Monatssold,
der laut Bündnis erst ante profectionem fällig wäre.
schon jetzt bezahlen, wofür dem Regiment, auf dem
Musterungsplatz angelangt, nichts angerechnet werden
42
soll. Sollte sich die Aushebung unvorhergesehener Gründe
wogen nicht verwirkliehen, so würden die beiden Stadt«1
durch den Oberst und die Hauptleute die Zurück-
erstattung des Geldes vornehmen.
13. Es bleibt dein Oberst und den Hauptleuten
freigestellt, das Kommissbrot zu fassen oder nicht. Die
es wünschen, erhalten dasselbe zu demselben billigen
Preise wie die andern Söldner.
14. Betreffs der Kriegsgefangenen und der Beute
werden dein Reginiente dieselben Rechte eingeräumt wie
den andern.
15. Wird die Stelle eines Obersten oder eines Haupt-
manns vakant, so erfolgt die Besetzung laut Statuten
des Bündnisses.
l(i. Hat man für dieses Regiment Rekruten nötig,
so soll dafür mit den beiden Städten nach Gelegenheit
traktiert werden.
17. Den Kranken soll die liebreiche Verpflegung zu
teil werden, welche die öffentliche Wohlthätigkeit den
andern dienenden Truppen angedeihen lässt ; in Bezug
auf Beschaffung der Krankenwagen wird für das Regi-
ment das Gleiche geleistet wie für die andern.
18. Oberst, Offiziere und Soldaten müssen den Eid
leisten, der Republik treu zu dienen laut Inhalt des
Bundes. Während der Dienstzeit darf keiner den Dienst
ohne Erlaubnis des verordneten Repräsentanten verlassen.
und die Zuwiderhandelnden verlieren das Recht, sich
gegen Unbeliebigkeiten, die ihnen widerfahren, zu be-
schweren. Der Herr Resident erklärt jedoch, dass. wenn
jemand wegen dringender Notwendigkeit Urlaul) begehrt
und entweder eine der beiden Obrigkeiten oder der
Oberst oder ein Hauptmann dafür anhalten, die Republik
oder ihre Vertreter mit aller gebührenden Willfahrt sich
der Sache annehmen werden.
43
Im übrigen wird vom Seiten der Republik und der
beiden Städte auf den Wortlaut des Bündnisses hinge-
wiesen, das in den nicht abgeänderten Punkten in voller
Kraft steht.
Der Senat Venedigs bewilligte am 9. Mai 1648 die
Kapitulation und sandte dem Oberst Werdtmüller am
6. Juni gleichzeitig mit seinem Patent eine Kopie der-
selben zu. — In erster Linie mussten die Hauptleute
ernannt werden, bevor man an die Aushebung des Regi-
mentes gehen konnte, denn ihnen lag die Rekrutierung
der Mannschaft ob. Bei der Wahl derselben wurden
nur solche berücksichtigt, die aus vornehmen Häusern
stammten und von denen jeder Freunde und Verwandte
im kleinen Rate zahlte. 1)
Die beiden Städte teilten Venedig sofort nach der
Wahl mit. welch«' Hauptleute sie auserkoren hatten.
Bern schrieb darüber:-) Bürgermeister und Hat der
Stadt bekennen hiermit, dass die Herrschaft Venedig
durch ihren verordneten Residenten, den edlen und
hochgeachteten Girolamo Bon. an sie die beiden mit
ihr verbündeten Städte Zürich und Bern, einen Auf-
bruch ihres Volkes unter einem Regimente begehren
liess, um dasselbe gegen den Türken, aller Christenheit
Erbfeind, zu gebrauchen. Hierauf haben sie zu Haupt-
leuten erwählt ..die edlen, notfesten, und mannhaften,
besonders getreuen, lieben Bürger", nämlich: Andreas
Hermann. Vogt zu Buchsee. Hartmann Etter, Altvogt in
Wangen. Gabriel Wyss. Adrian Jenner3) und Abraham
von Erlach. Jedem Hauptmann hätten sie die folgenden
J) Bundesarchiv. Bd. 61, pag. Hl
) Bern. Staatsarchiv, V. 1!., A. 883. Über die Instruktionen
auch Bundesarchiv. Bd. 62. pag. 26.
:; i Au Stelle von David Michel, der sich nach seiner Wahl er-
hängte.
44
Instruktionen und Ordonnanzen mitgegeben, damit er
sich nach dem Bündnis und der Kapitulation richte und
damit man sich an alle von den Eidgenossen in franzö-
sischen Diensten genossenen Freiheiten und Gebräuche
halte:
Die Hauptleute werden in allem Ernst ersucht,
ihren Compagnien die erforderliche Anzahl outer Vor-
gesetzter zuzustellen, damit den Soldaten desto „bass
abgewartet", der Herrschaft viel erspriesslicher gedient
werde und beide Städte Ehre davontragen. Sie sollen
sich nicht ohne specielle Ursache von ihrem Regimente
fortbegeben, besonders dann nicht, wenn Gefahr droht.
Keiner soll seine Knechte gegen andere, die nicht diesem
Regiments angehören, vertauschen, sonst verfällt er in
Ungnade, schwere Strafe oder wird sogar aus dem Vater-
lande verbannt: hat einer Überzählige, so darf er sie
einem seiner Mithauptleute übergeben. Jedem Haupt-
und Amtsmann steht es frei, den schuldigen Soldaten in
Eisen schlagen zu lassen ; die Motiv«1 dazu müssen aber
ohne Verzug dem Oberst oder in dessen Abwesenheit
dem Vorgesetzten des Regimentes mitgeteilt werden,
damit dieser entscheiden kann, ob der Offizier zu dieser
Handlung berechtigt war oder nicht. Die Hauptleute
sollen ihre Knechte in „gebührender Rechnung" und
getreuer Fürsorge halten, denselben keine „ünehrbaren
Gewinne noch Rechnung suchen" und ihnen das Geld
nicht höher anrechnen als es gäng und gäbe ist. Die
Kleider, das Kommissbrot wie alles andere soll ihnen zum
Ankaufspreise geliefert, jedem der verdiente Sold ehr-
lich ausbezahlt und keinem zur Erlangung des Durch-
passes etwas abgezogen werden. Bleiben die Zahlungen
Venedigs aus, soll der Offizier seine eigenen Mittel ge-
brauchen, damit der Soldat die nötige Nahrung geniesst
und sein Leben um so besser fristen kann. Über die
45
rückständigen Gelder soll beizeiten berichtet werden, um
dein Schaden und Ruin des Regimentes vorzubeugen.
Die Hauptleute sollen zu ihren Kranken specielle Sorg-
falt tragen, dieselben mit unten Barbieren und Ärzten
versehen, möglichst „nachinfergen", wenn sie im Marsche
sind, oder ihnen sonst die dringendste Fürsorge ver-
schaffen, damit dieselben nicht etwa aus Mangel an
Geld oder anderm hülflos gelassen werden. Keiner soll
gegen den andern alte Feindschaft hegen und sieh seiner
rächen, sondern alle Zerwürfnisse sind friedlich zu
schlichten. Geistliche, Weibsbilder und Kinder sollen
geschont und keineswegs beleidigt oder geschändet wer-
den. Desgleichen soll ein jeder ..unziemliche, böss schandt-
lich Schwur" meiden und sich aller Leichtfertigkeit und
Üppigkeit enthalten. Neben fleissiger Anhörung der
Predigt soll sich jeder der Gottesfurcht, der Ehrbarkeit
und Bescheidenheit männiglich beileissen und zuerst die
Ehre Gottes, des Herrn, und dann auch der Herrschaft
Venedig, der beiden Städte Zürich und Bern und der
gemeinsamen Eidgenossenschaft Lob. Ruhm und Wohl-
fahrt fördern, damit der gnädige Gott in allem desto
mehr (duck und Segen verleihe.
Die ö gleichlautenden Briefe wurden mit dem Siegel
der Stadt Bern versehen und jedem Hauptmann am
6. Juni 1648 ein Doppel zugestellt. Der Feldprediger
<[>'> Regimentes. Johann Rudolf Osterwald, erhielt folgende
Instruktion:1) Er soll nur Gottes Wort vortragen, so
wie es in der helvetischen Konfession erklärt und er-
läutert ist. und neben gründlicher Unterweisung des
Volkes in der wahren evangelischen Religion dasselbe
vom Lasten- abhalten und zur Tugend anleiten. Am An-
fang und am Ende der Predigt soll er sich der in der
Kirchenordnung enthaltenen Formen und Gebete be-
') Zürcher Staatsarchiv 214. Mappe 3.
46
dienen. Die christliche Fürbitte für den hohen obrig-
keitlichen Stand kann in Anbetracht der Verhältnisse,
in denen das Regiment gegenwärtig steht, in diese Form
geändert werden : „Demnach lassend uns auch Gott bitten
für alle Regenten und Obern, für die durchlauchtige
Herrschaft Venedig und ein Ehrsame Oberkeit gemeine
Eidgenossenschaft, insonders aber für die frommen
und weisen Herren, Bürgermeister, Schulthess und Rhät
auch gantze Gmeind der Stätte und Landen unseres ge-
liebten Vaterlandes Zürich und Bern wie auch für unsere
Herren Obersten, Haupt- und Befelchsleüt, und das ge-
meine Kriegsvolk dieses löblichen Regimentes, dass sie
Gott alle nach seinem Willen weisen und leiten wolle etc."
Damit das Kriegsvolk, besonders die jungen Leute,
die Religion nicht vergessen, sondern sich stets der
Gottesfurcht befleissen, soll er zu gewissen Zeiten, be-
sonders an Sonntagen und zwar mit einem jeden den
Katechismus, den er gelernt hat, besonders aber die
., Kragstücklein'' üben, und da er es nicht an allen Orten
selbst thun kann, sollen ihm der Oberst und die Haupt-
leute dazu behülflich sein. Ihnen mutet man keine Er-
klärungen zu. sondern nur Vorlesung eines Teiles des
Zürcher- oder Bernerkatechismus und eines Kapitels aus
der heiligen Schrift mit dem gebräuchlichen Gebete. Ab-
hörüng einiger „Fragstücklein" und wenn möglich An-
stimmung des Gesanges am Schlüsse. Denn je mehr
der christliche Lobgesang und die Übung der Psalmen
Davids im Volke erhalten bleiben, desto besserstellt es
mit der evangelischen Konfession und dem heiligen
Glauben. Der Feldprediger hat dafür auch zu sehen.
dass die Soldaten mit der nötigen Anzahl Testamenten,
„Zeugnissen" und Psalmenbüchern ausgerüstet sind. Das
tägliche Morgen- und Abendgebet, das in einem von
Pfarrer Breitinger im Jahn1 1633 herausgegebenen
47
Büchlein sehr schon verfasst ist. kann ebenfalls durch
ehrbare, tugendhafte Personen in allen Quartieren ver-
richtet werden. Beim Austeilen des Sakramentes, des heili-
gen Tauf- und Nachtmahls wird sich der Feldprediger an
die gebräuchlichen Formen halten und bei der letzten
Feierlichkeit für die armen Kranken Almosen sammeln
lassen. Zu der heiligen Taufe soll ein Extrageschirr
verwendet, das Wasser dreimal ausgegossen werden und
die Namen der Kinder. Eltern und Zeugen sind in ein
eigenes Buch einzutragen. Der heiligen Handlung des
Nachtmahles soll vorausgehen eine Vorbereitungspredigt
und Examinierung solcher jungen Leute, die dasselbe
noch nie genossen haben. Da man das dazu gebräuch-
liche Brot in Dalmatien nicht bekommen wird, so wäre
es gut, wenigstens eigene, heiligem Brot und Wein ge-
widmete Geschirre zu verwenden. Mit der Einsegnung
der Ehe soll der Feldprediger gewahrsam verfahren, da-
mit nicht etwa solche sich als ledig ausgeben, die es
nicht sind. Es hat ihr deshalb immer die Verkündigung
vorauszugehen, die dann in ein eigenes Buch eingetragen
wird. Bei den Leichenbegängnissen soll eine kurze
Predigt, gehalten werden, welche die menschliche Sterb-
lichkeit in Erinnerung ruft, und über die Toten ist ein
Verzeichnis zu führen. Damit der Feldprediger seine
Lmite besser kennen lernt, wäre es gut. wenn die Feld-
schreiber von jeder Compagnie einen Nominativetat aus-
fertigen würden. Durch strenges Einhalten der Kirchen-
disciplin ist dem lasterhaften Treiben ein Riegel zu
stecken und Leute, die der Sünde fröhnen, soll der Feld-
prediger warnen, damit Gott nicht von ihnen weiche
und sie als gerechter Richter und Rächer alles Bösen
dem Feinde übergebe oder in anderer Weise bestrafe.
Um diese Instruktion besser durchführen zu können
und damit dem Feldprediger seine Aufgabe erleichtert
48
werde, wurde ihm der Studiosus Heinrich Wüste bei-
gegeben.
Zürich hatte zu Hauptleuten ernannt Johann Kaspar
Waser, Johann Rudolf Spöndlin, Johann Wilhelm Stapfer,
Johann Burkhardt und Johann Huldreich Lochmann. Als
man hier und dort im Lande die nun erfolgende Aus-
hebung zu misskreditieren suchte, sahen sich die beiden
Städte zu einer Verkündigung genötigt, worin stund:1)
Sie hatten zu ihrer Missstimmung vernommen, dass einige
von der gegenwärtigen Aushebung Schlechtes reden, wes-
halb sie ihnen zur Aufklärung folgendes mitteilen: Da
sich Venedig in einen Krieg mit dem Erbfeind der
Christenheit verwickelt sieht, hat es bei ihnen laut
Bündnis um obige Aushebung nachgesucht, um sich desto
besser gegen die Türken zu sichern. Sie konnten und
wollten ihre Pflicht "nicht versäumen und haben ihm ein
Regiment gewährt, dem dieselben Rechte und Gebräuche
zukommen werden, wie den Schweizerregimentern in
Frankreich. Dasselbe hat weder in Candien, noch in
Morea oder andern ihrer Nation unliebsamen Orten zu
dienen, sondern nur in Dalmatien, einem dem Friaul be-
nachbarten Landstrich. Sie hoffen des bestimmtesten
von ihren Landsleuten, dem Oberst und den Kapitänen,
dass sie stets die Wohlfahrt der Mannschaft im Auge
behalten werden, damit sie von den Regierungen Ehre
und Belohnung zu gewärtigen haben. Sie selbst, die
Väter des Landes, werden die in Venedigs Dienste Zie-
henden nicht weniger aus dem Gesichtskreise verlieren,
als die andern, welche zu Hause bleiben. So hoffen sie,
dass man nun die Zunge zügle und das Vertrauen wieder
in sie setzen werde.
') Bundesarchiv, Bd. 61. pag. 433. 6. Mai 1648.
49
Zürich Hess im Juli eine gedruckte Kundgebung
folgenden Inhalts publizieren: l) „Wir Burgermeister und
Rhäte der Stadt Zürich verkünden öffentlich hiemit.
Dem nach die zyt dass unser Volk so wir samt unserem
grossen Kirnt zu Diensten der durchlauchtigen Herrschaft
Venedig bewilligt und allbereit gedingt und angenommen
uff zu brechen wie vor allbereit bestimmt gewesen, umb
etlich Tag verlängert : Anjetzo alter der uffbruch nächsten
künftigen Zinstag (geliebts (iotti synen f ortgang haben:
und am Montag darvor eine Musterung gehalten werden
wird. Dass hieruff unser will. Meinung und gebott, dass
alle die. welche zu dieseren Dienst sich yn schrieben
und dingen lassen, uff bemäldten Montag, wird syn der
fünffte Tag dies angetretenen Brachmonats, am morgen
umb sieben uhren. jeder by sines Hauptmanns behausung
und herberg sich unfehlbar gehorsamlich befinden thüege,
sonsten wurde das ussbliben für ein ungehorsam uff ge-
nommen werden, und die fehlbaren unsere ernstliche
ungnad und schwere straff unussblybentlich zu erwarten
haben. Sollen uns aber in jedem gebührlicher Erstattung
gethanen Versprechens und aller schuldpflichtigen ghor-
same versehen und es hin wiederumb in Gnaden und
allem guten erkennen. Den 1. Brachmonat 1648."
Venedig hatte zum (»bersten des Regimentes HaiiN
Rudolf Werdtmüller -) ernannt. Dieser srab die Erlaub-
') Zürcher Staatsarchiv 214. Mappe 6.
a) Haus Rudolf Werdtmüller. im Jahr 1B14 geboren, wurde
mit seinem Bruder nach Genf geschickt, wo er seiner tüchtigen
Leistungen im liogenschiessen wegen das Bürgerrecht erhielt. 1632
trat er in französische Kriegsdienste, diente noch im gleichen Jahre
in Schweden unter General Hörn, machte die Schlacht bei Nörd-
lingen mit und widmete sich dann bis 1637 im Veltlin als Uber-
lieutenant dem Herzog Rohan. Nachdem ihn Torstensohn hatte
kennen lernen, wurde er von diesem zu seinem Generaladjunkten
'und nach der Schlacht von Leipzig zum Obersten ernannt. Von nun
Archiv des hUtor. Vereins. ,
XV. Band. I.Heft 4
50
nis, in die Compagnien alte Schweden und Deutsche ein-
zustecken, die er aus seiner langjährigen fremden Dienst-
zeit als treue Knechte kannte.1) Sobald die Compagnien
vollständig waren, wurden sie zum Schwüre aufgestellt.
Dieser Feierlichkeit wohnten bei der Statthalter, die
Räte, der Schatzmeister und die Bevölkerung der ganzen
Stadt. Vor der Beeidigung musterte der Ambassador
die Truppen, und da fand er in den Reihen etwa 20
bis 30 Knaben (ragazzi), die er als zu jung und unfähig,
die schweren Büchsen zu tragen, ausscheiden wollte. Es
wurde ihm aber entgegnet, dass sie es durch ihre kräftige
Körperbeschaffenheit und ihre Zuneigung zu den Waffen
;m unternahmen die Schweden keine Treffen oder Belagerungen mehr,
wo nicht Werdtmüller ein Hauptkommando geführt hätte. Den Treften
von Magdeburg, Jancowitz, den Belagerungen von Steinern, Krems,
Kremenburg. Eulenburg, Kremster. Tobischen, Seal, Ramsberg, wo
er auch verschiedene Male verwundet wurde, wohnte er allen bei.
Nachdem Torstensohu das Kommando an Königsmark übertragen,
wurde Werdtmüller über die Dragoner gesetzt. Als UM-- die Schweden
in die ober- und vorderösterreichischen Landschaften einrückten,
wurde er wegen des gegen die Erbeinung zuwiderlaufenden Dienstes
abberufen und, wie wir gesehen, als Oberst über das nach Dalmatien
ziehende Regiment gesetzt. 1653 wurde ihm als Generalmajor das
Kommando über 10,000 Mann aufgetragen, mit welchen er die auf-
ständischen Bauern niederschlug. 1(355 warb er eine Compagnie von
200 Mann in die unter Ludwig XIV. stehende Garde, wo er bald
zum Generallieutenant der Armee in Flandern an Stelle Turenne»
avancierte. Nachdem er noch zum Ritter des St. Michaelisordens
ernannt worden, erhielt er 1655 von Zürich das Kommando gegen
die 5 katholischen Orte. Später zog er wieder nach Frankreich,
trat dann als Generallieutenant der Artillerie in Dienste Venedigs,
kommandierte 7 Jahre lang in Candien und Dalmatien gegen die
Türken und. mit dem Ritterorden St. Marci geschmückt, nahm er 1672
als Generalfeldmarschall-Lieutenant bei Leopold I. Dienste, befehligte
1676 als des heiligen römischen Reiches Freiherr die Belagerung
von Philippsburg und starb am 6. Dezember 1677 in Villingen, wo
er begraben liegt. (Nach Leu's Lexikon, Bd. 18.)
: i l.nnilesarchiv, Bd. 62, pag. 40.
51
den Alton bald zuvorthun werden: eine Entlassung der-
selben hätte zur Folge, dass andere mit ihnen zurück-
bleiben würden, da ein jeder dieser Knaben Familien-
angehörige oder Verwandte im Regiment besitze.1) Im
allgemeinen freute sich der Resident über die prächtigen
Leute, aus welchen das Regiment sich rekrutierte i ,.jn verita
bellissima gente"). Vor dem Bürgermeister und dem Re-
sidenten gelobten nun zuerst der Oberst, dann die Haupt-
leute in Gegenwart des Regimentes den Treueeid. Der
Oberst schwur bei Gott dem Schöpfer, der Republik
Venedig in diesem Zuge gegen den Türken gut und treu
zu dienen, laut Inhalt der Kapitulation, versprach, die
Soldaten in guter Disciplin zu halten und alles das zu
thun, was zu der beiden Mächte Lob. Nutzen und Ehren
dienen werde. Die Hauptleute schwuren ungefähr dasselbe
und gelobten, ihrem Oberst Gehorsam zu leisten. Der
Fähnrich hatte einen eigenen Kid. und nach ihm hoben
die Kriegsknechte die Hände zum Schwüre empor.2)
Am 16. Juni 1648 marschierten die sechs Zürcher-
compagnien ab, obschon sie nicht vollständig waren.
:>4 Soldaten waren nach der Austeilung des ersten
Monatssoldes desertiert. In allen Dörfern wurde pub-
liziert, dass diejenigen Ausreisser, die sich nicht wieder
einstellten, strenge bestraft würden, und um die Zurück-
gekehrten und Eingefangenen nachzuführen, wurde ein
Lieutenant in Zürich gelassen. Den Oberst begleiteten
mehr als 2 Stunden weit 150 berittene Herren, und als
er ihnen zum Dank dafür ein kostbares Essen bereiten
liess, wurde er am nächsten Tau zum Mitglied des grossen
Rates ernannt, was man dem Residenten sofort mit der
Bemerkung anzeigte, so wisse man in Zürich die Venedig
1) Bundesarehiv, Bd. 02, pag. 32.
2) Bundesarehiv. Bd. 62, pag. 27. Zürcher Staatsarchiv 211.
Mappe 3.
ergebenen Leute zu schätzen.1) Kaum waren die Zürcher
abmarschiert, langten die 5 bernischen Compagnien an
der Limmat an. aber statt 1000 .Mann zählten sie nur
800. Sie hatten „unterwägs vil Volk durch usryssen"
verloren. Viele waren durch ihre Verwandten und Be-
kannten, bei denen sie im Vorbeiziehen noch schnell den
A.bschiedstrunk zu sich nehmen wollten, zurückgehalten
worden, andere Hessen sich durch französische Werber
verleiten, in eine der 13 bernischen in Frankreich ste-
henden Compagnien einzutreten.-) Als sich der Resident
wegen des schwachen Bestandes der Truppenkörper un-
willig zeigte, schrieben die Berner Hauptleute an ihre
Regierung, der Ambassador lasse sich nicht wenig un-
geduldig dahin vermerken, man werde sie auf dem
Musterplatze reorganisieren. Auf ihre nicht unbegrün-
deten Entschuldigungen hin habe er angedeutet, der
Herr General werde ihnen einen bestimmten Termin
zur Ergänzung der Truppen setzen. Damit sie nun nicht
..auf mindere Fahnen reformiert" werden und so zu
Schaden kommen, möchten sie den Rat ersuchen, ihnen
die Nachrekrutierung zur Ergänzung der ohne ihn' Schuld
entstandenen Lücken zu bewilligen. Da ihrem Mithaupt-
mann v. Erlach ein gewisser Jean Lener ausgerissen und
in St. Urban in Verhaftung sitze, so möchten sie auch
noch bitten, denselben seines ärgerlichen Verbrechens
willen exemplarisch zu bestrafen, damit künftighin andere
daran ein Exempel nehmen und sich vor dergleichen
hüten.
Die Berner Regierung entschuldigte sich beim Resi-
denten schriftlich wegen der verminderten Zahl der
Kriegsknechte, und versprach, die 5 Compagnien zu ver-
») Bundesarchiv. Bd. 62, 10. Juni 1648, pag. 56.
2) Bern. Staatsarchiv, V. B.. A. 891. Bundesarchiv. Bd. 62.
pag. 63.
53
vollständigen1') und die Ausgerissenen gehörig zu be-
strafen.8)
Nach geleistetem Schwüre brach der /weite Teil
des Regimentes in Zürich auf. Sobald der Schwyzer-
boden betreten wurde, marschierte die ganze Truppe
compagnieweise hintereinander in den Abständen, wie
sie in der Kapitulation vorgeschrieben waren. In (hur
Hess Werdtmüller die verschiedenen Abteilungen Revue
passieren, indem er die Mannschaft warnte vor den
spanischen Werbern, die sich gerade im Lande herum-
trieben und die Leute aus ihren Verbänden herauszu-
locken suchten/1) Die Zürcher, die als die ersten die
Bernina überschritten hatten, wurden durch einen ge-
') Bern. Staatsarchiv, V. B., A, 901. Am 27. September schickte
dann Bern noch 100 Nachzügler unter einem Lieutenant. Bundes-
arehiv, Bd. 62, pag. 120.
-) Über die Bestrafung steht im bernischen Kriegs-Ratsmanual XI,
pag. 168: ..Wägen der Jenigen Soldaten so In verschinnen Jahr unter
die Dalmatinischen Herren Hauptlüt gedinget: aber Theils nit ge-
zogen theils ussgerissen darum sy dan auch von den D>n Ambtleüten
anbevolchner massen, berechtiget und die darumb alhar geschickten
Urkunden abgehört worden, habent m. Hen die KriegsRhät dass beste
sein erachtet, dass selbige volgender gestalt sollen abgestraft werden."
(Es folgen Namen.)
„wvlen obgemelte personen für Recht citiert und aber nit erschinnen
als könnte den Herren Ambleüten selbiger ohrten zugeschrieben
werden sich rleissig zu erkundigen, ob gemelte persohnen Im Landt,
da In seihigem Fahl sy sy behendig Ihr Gut iuventorisieren, und Ihr
Gnaden darüber berichten söllent. Im widrigen fahl und so sy nit
Im Landt wären, könnte anderen zum Exenipell Ihr Namen au Galgen
geschlagen werden.
Ilanss Brunner uss dem Ambt Wangen
Latzaruss Ullrich von Schwartzenburg.
welche beide dem empfangenen bericht nach noch Im Landt sein
söllent, söllent obiger erkautnuss nach also bald In Verhafft genommen
und Ihr Gnaden dessen verstendiget werden."
::) Bundesarchiv, Bd. 02, pag. 41 f.
54
wissen Raimondo von Edolo einige Tage aufgehalten,
weil er nur je 10 zusammen wollte passieren lassen.1)
Dieser Befehl war ihm früher einmal für die durch-
ziehenden Schweden und Deutschen erteilt werden, und
jetzt glaubte er. dies habe immer noch Geltung, auch
für die Schweizer. Erst als er durch Reklamationen
Werdtmüllers von Venedig andere Weisungen erhielt,
konnte die Truppe ihren Weg fortsetzen.2) Ende Juli
langte das Regiment, das sich an der italienischen Grenze
gesammelt, in Brescia an, wo es vom Proveditor Capello
sehr zuvorkommend empfangen wurde. Die fröhliche
Stimmung schlug aber bald um, als man Werdtmüller
zumutete, das Regiment zu trennen. Er meldete darüber
an die Regierung,3) es werde ihm ernstlich vorgeschlagen,
sein Kriegsvolk zu dislocieren. nämlich 1000 Mann nach
Dahnatien zu schicken, um dieselben je nach Notdurft
in den Garnisonen oder im Felde zu verwerten und die
übrigen hier zu lassen, was dem Bündnis absolut zu-
widerlaufe. Er habe sich anerboten, mit dem ganzen
Reginiente nach Dalmatien zu gehen oder aber mit der
gesamten Mannschaft hier zu bleiben, da eine Trennung
den Ruin des Regimentes bedeuten würde.
Die beiden Städte schrieben sogleich dein Gesandten
Sarotti, dass sie viel lieber ihr Regiment zurückziehen
werden, als eine gegen die Kapitulation handelnde, ge-
fährlich werdende „Sünderung" des Regimentes gestatten.
Jener Vorschlag wurde nun zurückgezogen und Werdt-
müller rückte unbehelligt mit seinen Truppen gegen
Venedig vor, wo er am 26. September glücklich und
') Der Marsch ging also von Chur über den Jnlier- und Berniua-
pass ins Veltlin (Tirano), von dort durch das Val Camonica, dem
Iseosee entlang nach Brescia.
'-') Bundesarchiv, Bd. 62, pag. 49 f.
s) Bundesarchiv, Bd. 62. Bern. Archiv, V. B., A, 911 f.
55
wohlbehalten einzog. Dieselben gefielen wegen „ihrer
Schönheit" ausserordentlich und sie wurden denigemäss
auch ehrenvoll behandelt.
Sobald die Mannschaft eingeschifft und Werdtniüller
das nötige Material an Strohsäcken und Decken zum
Schutze der Truppen ausgeliefert worden war, segelten
die Galeeren der noch nie gesehenen, unbekannten Küste
Dalmatiens zu.
2. Das Regiment in Dalmatien.
Seit den letzten Nachrichten, die Werdtniüller von
Venedig unmittelbar vor der Abfahrt nach Zürich ge-
sandt hatte, waren schon einige Wochen verflossen, ohne
dass Briefe aus Dalmatien angelangt wären. Die Re-
gierung sowohl wie die Familien, die von ihren dortigen
Angehörigen auch nicht die geringste Kund«1 erhielten,
gerieten darob in Besorgnis, und man beschloss. einen
Expressen abzuschicken, der sich in Venedig über den
Zustand des Regiments erkundigen sollte. Um dessen
eigentliche Ziele etwas zu bemänteln, wollte man ihm
für den Dogen einen Brief mitgeben, worin angefragt
wurde, ob das Regiment seine schuldige Pflicht in allem
erfülle.1) Als derselbe eben aufbrechen wollte, sandten
die Handelsleute Orelli in Bergamo Bericht, der Basler
Fussbote aus Dalmatien habe den andern Werdtmüllers,
der wohl bald eintreffen werde, in Brescia überflügelt.
Als sich dieser endlich durch die verschneiten Päs^<
hindurchgearbeitet hatte und zur Beruhigung der auf-
geregten Gemüter in Zürich erschien, übermittelte er
der Regierung ein Schreiben Werdtmüllers. worin er sich
l) Bern. Staatsarchiv, V. B.. A, pag. 973. Buudesarchiv. Bd. t>2.
56
entschuldigte, dass eine nun überstandene Krankheit ihn
verhindert habe, über die glückliche Ankunft und über
die Behandlung und das Belinden des Regiments zu be-
richten. Der Bericht selbst sprach sich ungefähr folgender-
massen aus: Die Reise nach Dalniatien war ohne Unter-
bruch in 4 Tagen von statten gegangen. In Eido umsste
Werdtniüller 10 Tage lang warten, bis ihm endlich 17
Schiffe bewilligt wurden, in die er seine Leute unter-
bringen konnte. Für je 2 Knechte begehrte er einen
Strohsack und eine Decke, für jeden Tag Brot und
Wasser. Das zweite wurde gewährt, das erstere abge-
schlagen. Da ihm nun von andern Obersten berichtet
wurde, ihre Leute müssten in Dalmatien auf nackter
Erde liegen, so hielt er angesichts der Winterkälte
an seinen gerechten Forderungen so lange fest, bis
sie, wenn auch nicht ohne Unwillen, erfüllt wurden.
In Zara angekommen, begehrte der General Foscolo, er
möchte 3 Compagnien hierher, 3 nach Sebenico, 2 nach
Trau und 3 nach Spalato legen, worin er sofort ein-
willigte, weil es Orte waren, welche die Herrschaft schon
zur Zeit des Abschlusses des Bündnisses im Besitze hatte.
Als die Compagnien nach ihrem Bestimmungsorte
aufbrachen, Hess ihn der General rufen und sagte, er
habe sich entschlossen, nur 2 Compagnien in Spalato zu
lassen und eine nach Clissa zu legen. -) Dieser Verfügung
stellte sich aber Werdtniüller entgegen, da die Herr-
schaft im Zeitpunkt des Bündnisabschlusses den Türken
die Festung Clissa noch nicht abgenommen hatte. Als
nun Foscolo heftig wurde, ging er darauf ein mit
der Bedingung, den Ort zuerst zu inspizieren. Man
hätte ihm nämlich versichert, der Platz sei zu klein.
1) Bern. Staatsarchiv. V. B., A. pag. 987 f.
2) Clissa wahrscheinlich für Lissa; siehe Figur.
0/
um sich gegen eine Armee halten zu können, und nur
für 3 Monate verproviantiert und bewehrt. Bei solcher
Beschaffenheit würde es ihm natürlich schwer fallen,
gegen das Bündnis und gegen seine Obrigkeit zu handeln.
Wenn aber der Herrschaft so viel an der Verteidigung
jenes Ortes gelegen sei. so biete er sich an, denselben
3 Monate oder so lange zu besetzen, bis eine Antwort
aus der Schweiz gekommen sei. Während der Zeit der
. Besetzung aber müsse ihm Foscolo alle nötigen Mittel
verschaffen, um sich nach Notdurft zu ..verbauen", und
sobald ein abschlägiges Schreiben ankomme, werde er
sich erlauben, abzuziehen. Da erklärte der General,
auf diese Bedingungen hin ziehe er vor, die Garnison
von Clissa mit andern Truppen zu belegen, worauf er
(Werdtmüller) das Schreiben unterliess. Er nahm gleich-
wohl Nachforschungen vor und fand, dass der Ort wirklieh
sehr klein sei und ganz in den Grund geschossen werden
könne. Auch sei die Verproviantierung eine sehr unge-
nügende, deshalb möchte er gebeten haben, niemals in
die Besetzung Clissas einzuwilligen, sondern lieber den
Unwillen ganz auf ihn zu wälzen. Er wolle eher Leib
und Leben lassen, als von den Bestimmungen des Bünd-
nisses abweichen, solange eine Abweichung nicht der
beiden Städte Ehre und Ruhm fördern würde.
Im nächsten Berichte1) verbreiteten sich Werdt-
müllers Klagen über die schlimmen Zustände, die in
seinem Regiinente herrschen. Die Bezahlung der Truppen
stehe seit 3 Monaten im Rückstände und es sei ihm zu-
gemutet worden, sich des Kommissbrotes des Herrn Ge-
nerals zu bedienen und zwar zu höhern Preisen als es
den andern Kriegsvölkern verkauft werde. Damit er
dazu gezwungen würde, sei den Bäckern verboten worden.
») Bern. Staatsarchiv, V. B., A. 1001.
58
Schweizern Brot zu verkaufen; ferner fehle es an Quar-
tieren, und die bestehenden seien zu wenig geräumig,
so dass die Zahl der Kranken stetig anwachse.
Die beiden Regierungen wandten sieh sogleich an
den Dogen Franz Molino und schrieben ihm:1) Sie
hätten durch gewisse Botschaft erfahren, dass ihre Truppe
seit einigen Monaten den Sold nicht empfangen, dass
sie in Dalmatien an Getreide und Brot Not leide, dass
der General den Soldaten solches verkauft habe, den
Bäckern aber bei schwerer Strafe verboten worden sei.
dem Reginiente gegen Bezahlung Brot zu liefern. Ihre
Soldaten würden ausserdem in engen Quartieren oder
Bäumen gehalten, so dass der eine leicht vom andern
mit todbringender Krankheit könne angesteckt werden.
Wenn nicht Abhülfe geschaffen werde, gehe ihr Regi-
ment dem sichern .Verderben entgegen. Ein solches
Verhalten von Seiten Venedigs laufe aber dem Wortlaut
des Bündnisses und der Kapitulation zuwider. Deshalb
setze man ihn (den Dogen) und durch einen ihrer Räte
den in Zürich residierenden Gesandten davon in Kennt-
nis, damit jenen Mängeln unverzüglich in geeigneter
und schicklicher Weise abgeholfen werde. Er sei freund-
lichst gebeten, sich der Truppen anzunehmen und die
Übelstände zu beseitigen.
Der Ambassador zeigte sich sehr verwundert, solche
Klagen zu hören, da sich die Letzten venezianisch-her-
zoglichen Schreiben sehr lobenswert über das Befinden
des Regiments ausgedrückt hätten. Er taxierte Werdt-
müllors Behauptungen als Übertreibungen und versicherte.*
dass Venedig allfälligen Klagen gewiss Gehör geschenkt
und schon Abhülfe getroffen hätte.-)
*) Bern. Staatsarchiv, V. B., A, 1019, Lateinisch, wie alle offi-
ziellen Schreiben an den Dogen.
-) Bern. Staatsarchiv, V. B. A, 1025. Buadesarchiv, Bd. 62.
59
In hellem Kontraste zu diesen Trostesworten des
redegewandten Gesandten stand ein neuer Bericht, den
Werdtmüller 5 Tage später von Venedig ans. wohin er
zurückgeschifft war. um persönlich für die ausstehenden
Gelder zu sollicitieren, an den Rat in Zürich überbringen
liess und aus dem wir entnehmen:1) „Seidt der Zeit
nun als ich hier bin und for die bezahlung solicitiert
habe, ist eine Galeeren mit etwas gelts nacher Dal-
matien geschickt und ich dabei von H. Savio della
Scrittura versichert worden, dass die bezahlung vor mein
underhabendes Regiment auch darby war. alss habe ich
mich hiemit da ruft' verlassen und zugleich mein Schiff
mit viertzig tausendt broten und andern notwendig-
keiten beladen mitgeschickt, nieine Offiziere beordert
die Gelter von H. Gen. Comissäri zuemphan und sich
auff hernachfolgenden Monat mustern zulassen, welliches
v jetzogedachten H. Gen. Comiss' zur Antwort wurde.
es wer kein gelt vor sy vorhanden, vorgebend ich hette
es zu Venedig empfangen, wie nun aber hier noch dorth
das wenigste nicht erfolgt. Ich auch ohngewüss was er-
folgen wirt. und allbereit in den dritten Monat keine
Bezahlung empfangen, auch bis dato zur Unterhaltung
d< -- Regiments alles so in meinem vermögen angewendet.
alss dass mir weder mittel noch Credit alhie in Venedig
bald mehr übrig ist. Zwahren schicken Ich Innen, diss-
mahl, als morgen, mein Schiff mit fünffzig tausend broten
und sovil gelt mittel beladen als ich habe aufbringen
khönnen. weiss auch in inehreres nicht zu thun. alss
I. I>. dienstlichen zebitten. ob Sy geruhen wolten. mir
eine vollmacht in dero selben nammen Ich der Durchl.
Herrschaft zu traktiren, zu überschicken, da sy mir
darby Ihren willen, meinung, und bet'ehl durch eine In-
') Bern. Staatsarehiv, V. I!.. A. 1035.
60
struktion eröffnen können, welliche von mir in allein
schuldiger weisse, gehorsammet werden soll, damit Ich
mit also desto mehrer authoritet meine notwendigkeiten,
und beachtung der bündnuss und Capitulation gemess
fordern und in acht nehmen machen khönne, auch darby
ein bewegliches Schreiben an die Dhl. Herrschaft ab-
gehen lasse, so alles schleinigst und ohne Verzug beschehen
nuiss. erwarthe alliier die Antwort und werde under
dessen mein tleiss thnn. dass die Knechte wo möglich
erhalten werdent." . . .
Die Bevölkerung Zürichs und Berns war nicht er-
baut über solche Nachrichten, die durch Briefe der in
Dalmatien weilenden Angehörigen bekräftigt wurden,
(fehl hatten dieselben trotz ihren Versprechungen noch
keines nach Hause gesandt, weil es ihnen selbst mangelte ;
deshalb stieg die Erbitterung in immer höherem Grade.
Als Werdtmüller im April den Hauptmann Burkhardt
als Berichterstatter nach Zürich sandte, verabredeten
die Bauern, ihn auf dem Rückwege abzufangen. Er ent-
ging den gestellten Schlingen nur, indem er nachts auf-
brach und den Weg über St. Gallen. Innsbruck und
Trento einschlug. M Bern fand es überflüssig, dem Oberst
durch eine neue Instruktion grössere Autorität zu er-
teilen, da er nach dem bereits erhaltenen Befehle alle
der Kapitulation zuwiderlaufenden Forderungen mit ge-
nügendem Nachdruck ablehnen könne. Der Doge wurde
von neuem ersucht, wegen der allgemeinen Teuerung, in
Italien und des Brotmangels in Dalmatien das Regiment
pünktlich auszuzahlen und für dessen Wohl bedacht zu
sein. Eine ähnliche Aufforderung erging an den General
Foscolo.-)
) Bundesavchiv, Bd. 62. April 49.
-) Bern. Staatsarchiv. V. B.. A. pag. 1043.
61
Was antwortete nun der Doge?1) ..Wir haben
Ihnen bei allen Anlässen so klare Zeugnisse und Proben
unserer Herzlichkeit und aufrichtigen Affektion gegeben,
dass Sie deren wohl versichert sein können. Aus diesen
Gründen dürfen Sie auch überzeugt sein, dass Ihr Regi-
ment wohl gepflegt, das Bündnis mit vollständiger Pünkt-
lichkeit eingehalten wird und Ihren Soldaten jede ge-
bührende Genugthuung zukommt. Es mag sein, dass die
Aliwesenheit des Obersten einige Unordnung verursacht
hatte, doch wird diesem remediert werden, weil er so-
fort wieder in die Provinz vollständig befriedigt zurück-
kehren wird, wie es Ihre Herrlichkeit von unserm Resi-
denten mündlich weitläufig vernehmen werden."
Venedig nahm es wohl nicht so genau mit der Wahr-
heit, sobald ihm diese nicht passte, und es mochte dabei
wohl an Frankreich ein Beispiel nehmen, das sich ja auch
kein Gewissen daraus machte, seine Politik mit der Schweiz
oft durch so zart gesponnene Lügengewebe zu verhüllen,
dass nur geübte Augen auf den Grund der Wahrheit
durchzublicken vermochten. Werdtmüller, dem obige
Antwort zur Einsicht gesandt wurde, bedauerte in einem
langen Schreiben, dass Venedig so sehr von der Wahr-
heit abweiche, und beteuerte von neuem, alles, was
>ich zugetragen, der Sache gemäss dargestellt zu haben.
Dafür werde ihm jeder ehrliche Mann seines Regimentes
Zeuge stehen. 2)
Werdtmüller fand aber nicht bloss Schwierigkeiten
bei Venedig, sondern er wurde auch von seinen Sol-
daten bei der Regierung verklagt, er habe einen der
Hauptleute ..schmählich" angefahren und sogar in Arrest
gesetzt: ein Soldat sei durch nachlässiges Verschulden
') V. B.. A. 1. Mai.
2) Bern. Staatsarchiv. V. B.. A. 1075 f.
62
des Oberprofossen übel verletzt worden; sie entbehren
ihres Seelenheils, weil sie nie Gottes Wort hören, die
Kriegsjnstiz sei nicht richtig organisiert, und sonst werde
der Ehrensold nicht nach eidgenössischen Gebräuchen
entrichtet.
Gegen solche Anklagen suchte sich der Regiments-
kommandant zu rechtfertigen:1) ..Die wachten und Ihr«'
Schuldigkeit lim Kriegsdiensten gegen dem Fürsten be-
treffend, weiss ich bald nicht wo ich anfangen sol, Ich
müsste ganze Bücher papeyr haben, wenn ich alles be-
schreiben wolte. allein will ich sagen, dass in Bressa,
nit nur by hellem tage, sondern by der nacht, die officier
und bald alle Soldaten bis an die Schiltwachen, von
Ihrem Corps des gardes sich absentirt, und an andern
orthen Ihren eigenen geschafften nachgehende sich haben
befinden lassen, so 'Ich Ihnen besten theils ohne anders
als mit worten gestrafft habe lassen hingehen, vermei-
nende es were auss ohnwissenheit und ohnerfahrenheit
beschehen, welliches wie es nit nachlassen wollte, und bald
je lenger je arger ward, hat Ich auch nit fortkommen
khönnen, weilen mir underschidlich Klagen zukhommend,
dass Herr hauptmann Hermann und Etter zu Zebenigo
nit nur das Vollsaufen auff der wacht zu glitt hielten,
sondern sy sich selbst sömlicher gestallt überwinternd,
dass es mir schände vor männiglich were. als habe ich
es denselben untersagt, In bysyn des hauptmann Loch-
niann und Ihnen därby getrüwet, dass so sehr sy nicht
darum ablassen, und darby Ihre Knecht in schuldiger
Disciplin halten werdend, werde ich nit unterlassen,
mich ohne Ihr wüssen In der Stille nach Zebenigo zu
begeben, die wacht zu besuchen und wider die schlafen-
den oder getrunkenen ohne einiches umbsehen auch so
M Idem.
63
sy sich lim eigener Persohn wegen dieses Fehlers theil-
hafftig machend, die execution vornemmen, worüber sy
mir sömlicher gestalten widersprochen, und diesen fehler
auf viel Wäg beschönen wölten, so keinem Offizier in
keinem wege nicht zusteht, das Ich Ihnen das still-
schwygen gebietten müssen und sy nach mahlen be-
tröuwet, dass ich Ins künfftig nicht mehr mit Worten,
sondern in der that straffen werde, über alles dies ist
nicht mehr besserung erfolgt, als dass weilen ich hier
bin, sy sich so ärgerlicher weiss verhalten, dass der
Proveditor zu höchster schand und schmach der nation
ihnen bald die wachten nit mehr zu versehen hatt
trauwen wollen, andere halten Ihren Knechten erlaubt.
bei geschlossenen thoren, besetzter wacht und umb mitter-
nacht feüwer zugeben, welliches alles Sachen, so leib und
laben verwürkhen, und ich mit Wahrheit sagen kann.
dass wenn es einer von den Züricher hauptlüthen ge-
than, er ohne verdiente straffleidung nicht hette sollen
darvon khommen, weilen sy sich aber sinnlicher gestalten
niemahl haben finden lassen, habe ich nit gern by den
bernern anfangen wollen, damit sy nicht ursach hetten
sich zu klagen, dass Ich Ihnen scherffier were, als den
meinigen, so Ihnen nicht zu geringem glimpff gedient,
von den falschen musterungen, so sy gemachet, wil ich
nichts sagen . . . were schier zu schandtlich wenn ich
sagen solte, dass über mein vilfaltiges vernemmen hin.
ich sy nit habe khönnen darzu bringen, dass sy nur
Ihre Knechte lehrnend das gewehr recht führen, was
Ihre Schuldigkeit antrifft gegen den krankhen. was Ich
auch mit Ihnen angefangen, habe ich doch einen theil
nit khönnen darzu bringen, dass sy derselben die geringste
rächnung hetten, worüber die so krank gewesen sind,
seiner zyt die beste zügnuss werden geben khönnen.
mäniglich hatt sich daroh geärgert, es sind mir die tage
64
meines läbens vil ohngleiche Sachen vor äugen khonnnen.
aber dergleichen niemahlen, sy sagten zu Ihrer ent-
schuldigung, sy wöllent es gegen Ihrer Oberkheit ver-
antworten, wie es nun die sach ist. die mich weiters
nicht berührt, als lass ich es darby hiss es an mein
zügnuss khommen wird, bewenden . . . was den feld-
prediger anlangt, wird niemand khönnen sagen, dass ein
tag werc verseümt worden, dass nicht alle morgen or-
dentlicher weise in allen Quartieren das Gebett, neben
verlassung etwan eines schönen Spruchs heiliger Schnitt
und kurze begriffliche ausslegung darüber were gehalten
worden, dass inen niemand hatt zuhören, oder dass man
die so zugehört, mit schlegen hett by bringen müssen,
hatt das Gebätt und gute Institution kein schuld. Seidt
der Zeit nun, dass das Regiment zerteilt ist. hatt die
mögiichkeit nit zugegeben, d;iss der feldprediger alle
Wuchen oder Mönnat in allen guarnisonen predigen,
und ist er zu hochen festzeiten von einer besatzung
zu der andern gefahren, hatt denselben gepredigt und
des Herrn Abendmahl adminiestriert. was er nun mehreres
hatte thun khönnen, oder sollen, kann Ich mir nicht ein-
bilden, von Zara bis Zebenigo hatt es 50 Meil . von
Zebenigo naher Trau 75, von Trau naher Spalatio 14
zu lö. es ist mir ja nicht zuzumuthen, so manchen
feldprediger als guarnisonen zu halten ..."
Was die Verletzung eines Soldaten durch den Pro-
fossen anbelange, so verhalte es sich so, dass ein Marke-
tender dem von ihm ernannten Oberprofossen die Ge-
bühr nicht entrichten und ihn überhaupt nicht habe an-
erkennen wollen, worauf dieser den Degen gezogen, dem
Fliehenden, von einem Schiff aufs andere Springenden,
einen Hieb versetzt und ihm in der Wade eine unge-
fährliche, schon geheilte Wunde beigebracht habe. Als
nun der Marketender bei seinem Hauptmann v. Erlach
65
Klage geführt habe, sei dieser zu ihm (Werdtmüller) ge-
kommen und habe die Bestrafung des Profossen verlangt.
Als er dies verweigerte, habe er ihm gedroht, worauf
er in Arrest gesperrt, aber auf Fürbitten seiner Kame-
raden und naeh Geständnis seines Fehlers wieder sei
enthissen worden. Von allen Kriegsverständigen solle
somit ..judiziert" werden, dass er seine (lewalt nicht
missbrauche, sondern im Gegenteil zu wenig Gebrauch
davon mache. Ferner werde ihm. er wisse nicht von
welcher Seite, geschäftlicher Eigennutz vorgeworfen. So
hinge er dem Regiment vorstehe, habe er keinem Haupt-
mann, geschweige denn einem Knechte auch nur in Ge-
danken zugemutet. Brot. Wein oder anderes von ihm
zu beziehen, dessen er niemals mehr besessen, als zu
seinem eigenen Haushalte nötig war. Dass er hierher
habe Brot senden lassen, sei richtig, weil er von Haupt-
mann Wyss durch einen Express berichtet worden, es
herrsche Geld- und Brotmangel; in Sebenico sei keines
mehr zu bekommen und er selbst esse Hirsebrei. Hier-
auf habe er sogleich sein mit Brot beladenes Schiff hin-
geschickt, das mit vielem Dank sei aufgenommen worden.
Der Hauptmann Hermann könne gefragt werden . in
welche]- Weise der Proveditor in Seitenico des Brotes
halber mit ihm unterhandelt habe. Für einige Zeit habe
er ihm verschiedene Centner Brosamen geliefert. Abfälle
fler magazinierten Biskuits, die voller Würmer und Unrat
von Katzen und Mäusen gewesen seien. Zugleich habe er
den Bäckern bei höchster Strafe bis auf weitern Befehl
verboten, Brot zu backen und das Gebackene zu ver-
kaufen. Somit hätten die Knechte, wenn sie nicht ohne
Brot sein wollten, sich obiger Abfälle bedienen müssen.
Der Befehl sei so scharf erteilt worden, dass der Bäcker,
welcher um dieselbe Stunde dem Hauptmann Hermann
sein Brot aus dem Ofen zog. ihm dasselbe nicht habe über-
Arehiv des histor. Vereins.
XV. BaDd. I.Heft. 5
66
bringen wollen ohne die Erlaubnis des Proveditoren. Von
seinen Leuten sei er berichtet, dass jetzt in Zara etwas
Brot zu bekommen, aber in Sebenico, Trau und Spalato
für Geld nicht zu haben sei. Sollte er nun keinen Dank
dafür verdienen, dass er befahl, den Hauptleuten Berns
von seinem Brot soviel sie bedurften zu verabfolgen, so
könnte er sich die Mühe ersparen und dasselbe nur den
Zürchern schicken. Es wäre aber unbillig, die ehrlichen
Knechte den Undank entgelten zu lassen. Bei der ersten
Bezahlung in Zara habe man ihm 2000 Real- oder Dölpel-
thaler anbieten wollen, einen jeden zu l> Gulden, was
er aber zurückgewiesen habe. Die Quartiere betreffend
würden seine Truppen gleich andern Oltr-amontani logiert,
da sie aber, wie er schon gemeldet, zu eng beisammen
lägen, und der Gestank der Kranken, die meistens an der
Ruhr litten, auch die Gesündesten hätte infizieren müssen,
habe er danach getrachtet, die Quartiere zu erweitern, was
ihm nach vielem „Contestieren" und Klagen gelungen sei,
so dass jetzt seine Knechte besser als alle andern ein-
quartiert seien. Er glaube nun nicht, die Meinung der
Regierung gehe dahin, er solle zu allem schweigen, und
dafür das Regiment dem Ruin überliefern. — Die Regi-
mentsstellen habe er im Beisein aller Hauptleute aus-
geteilt, näuilich die des Oberrichters an einen Zürcher,
die des Oberprofossen an einen Berner. Die Hauptleute
seien ermahnt worden, ihr Offiziers- und Unteroffiziers-
cadre complet zu halten, da sonst für jeden Mangelnden
ein Ehrensold abgezogen werde. Einige hätten nur um
dieses Ehrensoldes willen lieber von einem Wachtmeister
abstrahiert als von einem Gerichtsweibel, an dem doch
nichts gelegen sei. „Die übrigen zwo stellen", fährt ei-
fert, „als obrist Leutnant und Major habe ich mich
darmit verhalten, als by allen alten Schwytzer Regi-
mentern in Frankreich brüchig gewessen, und bey theilen
67
noch ist, der älteste und meritierteste Capitarä, der com-
mandirt nach dem Obristen, zwahren ohne Tittul eines
obrist Leutnants, das hatt der hauptmann Hermann thun
sollen, ob er gleich etwas schwach ist. was ich gethan,
habe Ich gethan. einzig darum, dass die H. Löbl. Statt
Bern kein Ursach habend zu klagen, als ob Ich den
nicht for gut achtet, den sy zu Ihrem ersten Hauptmann
erwellet haben, die Majorstelle hatt der Herr Haupt-
mann Stapffer versehen sollen im Felde, vermeine hie-
mit. dass Ich an Eidgenössischer manier die Ämbter
auszuteilen nichts versäumt habe." . . . Zur Bezahlung
dessen; was man ihm zur Erhaltung des Regiments £fe-
liehen, wolle man ihm weder Pfennig noch Heller geben,
und man spreche davon, die Truppe nach der ersten
Musterung mit Abzug all der seither Gestorbenen zu
besolden. Wenn die Räte nun solche Unbill leiden und
den gegenteiligen Behauptungen des Residenten mehr
Glauben schenken als ihm. so lasse er es seinerseits nun
auch £re>chehen. denn er sehe seine Ptlichten erfüllt.
Da es nicht anders sein könne, so reis« er nun ohne
Geld nach Dalmatien zurück. Die Mittel fehlen ihm
jetzt so vollständig, dass er nicht einmal mehr seine
Zeche bezahlen könne. Hunger und Kummer, die an
seinen Soldaten nagen, werden mit zunehmender Hitze
die Pestilenz erzeugen helfen. Sein Regiment rufe er
nochmals für alle» Gesagte zum Zeugen an und er füge
sich willig jeder Strafe, wenn er unredlich gehandelt,
habe er aber den richtigen Weg eingeschlagen, so hoffe
er. wieder in Gnaden aufgenommen zu werden.
Der durch Werdtmüllers Bericht angeschuldigte
Hauptmann wies in einem umfangreichen Briefe die An-
klagen des Obersten1) in den stärksten Ausdrücken zü-
rn. Staatsarchiv, V. B . A. 1087
68
rück. Er wünscht, so begann er, der Oberst möchte
in der Verwaltung des Regimentes etwas eidgenössischer,
in der Beschreibung desselben etwas vernünftiger und
gebührlicher verfahren und in drn Schranken der lautern
Wahrheit verbleiben, mit der er sich so mächtig brüste.
Dann fuhr er fort, der Oberst rüge das „Vollsaufen"
und Schlafen auf der Waeht. Den Anlass zu diesem
Tadel beschreibt er ungefähr wie folgt: Einst genossen
Etter. Lochmann und ich mit Werdtmüller auf einer
kleinen Insel, ungefähr drei stunden von Sebenico ent-
fernt, ein kleines ..Xachtmäli". Da wurde das Gespräch
unter anderem auch darauf gehütet, ob ein Offizier, dem
ein grösserer Platz zur Wache übergeben, während der
Nachtzeit ,.mit gutem Titul" und ohne Verletzung seiner
Charge nicht schlafen dürfe. Hauptmann Etter und ich
behaupteten, es sei einem Offizier gestattet, nach Ver-
richtung seiner Hauptrunde bei den Schildwachen und
nach Erfüllung seiner übrigen Pflichten, sich auf einem
Strohsack oder auf der Matratze ein wenig auszuruhen
und zu schlafen. Dies wollte der Oberst nicht gut
heissen, da er keinen Widerspruch leidet, sondern immer
glaubt, man müsse sein Wort als ein Heiligtum annehmen,
woran aber Etter und ich noch nicht gewohnt waren.
Dies sei der Diskurs und das „vorwvsslich" Widersprechen,
das. wie der Oberst behaupte, gegen ihn verübt worden sei
Was das mitternächtige Schiessen anbelange, so möge
es sich ereignet haben, dass etwa einem Soldaten aus
Ungeschicklichkeit ein Schuss entging, was aber den
Zürchern ebensogut wie den Bernern widerfahren könne.
Es sei freilich nicht zu verwundern, dass auch hier die
Berner den „Unglimpf" auf sich nehmen müssen, wie es
schon an andern Orten geschehen sei. Auf diese Art
suchte der gemassregelte Hauptmann alle Punkte zu
widerlegen und fand schliesslich den Grund der Klagen
69
darin, dass sich Werdtmüller in seiner Ehrsucht den
Generalen gleichstellen wolle Die Rechtfertigung schloss
mit den Worten: „Dies ist. gnädige Herren und Obere
mein nach Wahrheit und Geschichte verfasster Gegen-
bericht und Verantwortung zu dem scharfen Klag- und
Invectivschreiben des Oberst Werdtmüller."
Die bernische Regierung mahnte ihre Hauptleute
an ihre Pflichten, zu festem Gehorsam gegenüber dem
Obersten und Hess es damit bewenden.
Venedigs Wünsche zielten immer noch dahin, die
Festung Clissa. trotz den Weigerungen des Obersten, mit
Schweizern zu besetzen. Der Doge schrieb am 1. Mai
1649 11) Da der Krieg näher rücke, habe er schon öfters
darum ersucht und thue es wieder, dass das Regiment
auch zur Beschirmung von Clissa und anderen den Türken
abgenommenen Plätzen mochte verwendet werden. Da-
durch würde er ihnen zu höchstem Danke verpflichtet,
und der böse Anstrich, den eine gegenteilige Erklärung
zur Folge haben würde. Hesse sich so vermeiden : denn
es könnte dem „Concept" und der Reputation, welche
die tapfere Schweizernation geniesse, nur „prejudicierlich"
sein, wenn sie sich in einer so wichtigen Angelegenheit,
die den Glauben, die Religion und den Dienst Gottes
anbetreffe, von allen andern Nationen „absündern" wollte.
Venedig wurde jedoch der definitive Entscheid zu-
gestellt,3) dass man aus triftigen Gründen die Besetzung
Clissas und anderer nicht im Bündnis inbegriffenen Orte
nicht zugeben könne, weil sich die schwache Besatzung
gegen die starken Kräfte, mit welchen die Türken ge-
wöhnlich Belagerungen vorzunehmen pflegen, nicht halten
könnte und bei Übergabe trotz vorher geschlossenen
') Bern. Staatsarchiv. V. B., A, 1. Mai 1649.
2) Bern. Staatsarchiv. V. B., A, 15. Mai L649.
70
Accordes wahrscheinlich niedergemacht würde. Aus
diesen und anderen Konsiderationen möchte man sich
strikte an die Punkte der Kapitulation halten. Dann
wurde wieder gerügt, dass trotz der guten Worte und
Anerbietungen, die jüngst gemacht worden seien, dennoch
weder Remedierung noch Satisfaktion an Zahlungen er-
folge uud die seither verfallenen Regimentssölde mit
den vorausgehenden noch ausstehen. Und dies alles
angesichts der mächtigen Rüstungen des Türken, der
nach sicherem Verlauten noch dieses Jahr Dalmatien
angreifen werde.
Das Rechtfertigungs- und Entschuldigungsschreiben,
welches Venedig neuerdings an Zürich adressierte, wurde
von dort an Werdtmüller spediert, der nun seine Meinung
schriftlich darüber äusserte:1)
Sie (die Regierung) sei wahrscheinlich durch das
Schreiben, das der Doge an sie habe abgehen lassen, über
alle Massen erfreut worden, weil er ihnen'darin behaupte,
den Soldaten sei bis jetzt alle gebührende Satisfaktion
zu teil geworden. Ihm komme nicht zu, den Inhalt
dieses Briefes zu kritisieren, nur wolle er folgende That-
sachen anführen: ,. . . . am gestrigen tags" — so lautet
der wörtliche Text - „habe ich mich behörigen orthes
angemeldet, umb eine endtschafft wo möglich zu machen
und nochmalen die billigkeit mynes begehrens die aus-
stehndten Monnaten halber der Pündtnuss geuiess vor-
gehalten, warinn mir aber ganz nit Ingewilliget werden
wollen, sondern begehrt wurde, ich möchte den halben
Teil von demme, so die Pündtnuss mir zugiebt, fallen
lassen, ich entschuldigte mich, ich kondte es nit thun.
weilen mir nit zustünde, das geringste in der Pündt-
nuss zu endern. es diene gleich zu meinem nutzen oder
*) Bern. Staatsarchiv, V. B., A, 5. Juni 1641». pag. 117'.».
71
schaden, bette hiemit umb die schlünige abfertigung
und ordre an den H. Gen. Foscolo wie er mich trak-
tieren solle, ich wolle hoffen, die ordre solle mit dem
Schreiben, so der Herzog an myn gnedig H. u. Ob. ge-
than, in denime absolut gemeldet war. dass ich mit aller
gebührenden Satisfaktion von hier verreisen solle, über-
einstimmen, daruif ward ich befragt, wann dann ein
sömlichs Schrvben were abgangen, ich sagte es und wies
zuglych die Copv samt demme was der Herr Resident
im namnien der durchlüchtigen Herrschaft in conformitet
desselben Uw. H. vorgetragen, als es nun gelassen, ward
der Kopf geschüttelt und lachend gesagt, diess ist ein
schryben, das ein Stand gegen den andern thut, dadurch
man einen guten Willen bezügen will, dass verobligirt
den Fürsten zu nichts und hilft üch nichts: üwre an-
forderungen sind unbillig, ob sie glvch in dem Pündnuss
also stehen, so syge doch das bedünkhen weilen mann
derglichen allliier mit keiner nation gebruche. dass man
so gar stricte daran nit gebunden syn wolle:" . . . man
begehre nur mit ihm zu traktieren und nicht mit dem
„Stand", und was sie miteinander ausbedingen, berühre
das Interesse der zwei Städte in keinem Punkt. Er habe
entgegnet, sich in keine gegen das Bündnis gerichtete
Traktate einzulassen, und wenn er nichts erhalte, so
möge man ihm dies schriftlich bestätigen, damit er sich
gegenüber der Obrigkeit verantworte. Darauf hätten sie
ihm erklärt, er solle nur abreisen, er werde dann schon
erfahren, auf welche Weise ihn der General behandeln
werde. Als er darauf beharrt habe, ohne Satisfaktion
nicht zu weichen, habe man ihm versprochen, die An-
gelegenheit beim Dogen noch einmal vorzubringen. Als
er nun seinen Abschied genommen, sei ihm durch einen
Freund im Vertrauen, eröffnet worden . es herrsche
dieses Bündnisses willen grosser Unwille. Was das z. B.
72
für ''ine Absurdität sei, dass man über ein Regiment
nicht nach Belieben verfügen dürfe. Stehe dasselbe ein-
mal ausser Dienst, so werde sich die Herrschaft dieser
Nation nie mehr bedienen, und wenn sie sich für ewige
Zeiten in einen Krieg verwickelt sähe.
Er ( Werdtmüller) lege zur Illustration seiner Aus-
sagen ein Schreiben des Hauptmanns Weiss bei, das er
ihm am 18. /28. Mai von Zara nach Venedig gesandt.1)
„Wir stehen in allerhöchster Noth", so berichtet
Weiss. ,,in der Hoffnung, dass mein Herr Obrister gleich
nach dem fest der Auffahrt khommen würde, haben wir
alles gethan, dem Herrn General um gälthilf unter-
tänigst anzuhalten, der hätt sieh entschuldigt, dass er
vor dissmahlen selbstens benötiget were, gleichwohl uns
300 senden vorgesetzt, was das nun by dem Herrn
Cap. Lieut. der jetzunder 300 mann zu verpflegen hatt.
und bey mir. der Ich bey nahe 150 mann habe, ge-
holffen, wirf mein Herr Obrister Selbsten weisslich er-
messen khönnen. Ich vor meine Persohn, wil meinen
Herrn Obristen ganz dienstlich gebetten haben, Er wolle,
wo möglich mit allererster gelegenheit mir zu hilff
khommen. Herr Hauptmann Lochmann ist auch allhier
und erwartet dess Herrn Obristen. mit höchstem ver-
langen, Herr Hauptmann von Erlach schreibt mir auch
einen brieff über den andern, es ist in Summa by uuss
nichts denn nach gelt ruffen, meine Soldaten stehen mir
immer vor der thür. und kann Ich Ihnen nit helffen.
wir geleben aber der Hoffnung, Unser Herr Gott werde
unss durch meines H. Obristen glückliche ankunfft, die
er fördern wolle, erlössen."
Hauptmann Etter und Weiss wurden dann von den
andern Hauptleuten aufgefordert, in aller Namen der
') Bern. Staatsarchiv. V. B., A. pag. 1183.
7»
Regierung die misslichen Zustände ausführlicher zu
schildern. Hauptmann Hermann war nämlich Geschäfte
halber heimgereist und hatte noch nichts von sich und
seiner Beschwerdeführung bei der Regierung verlauten
lassen. Die beiden erzählen nun:1) der stärke
halben, so sind die 6 Compagnyen, von Zürich noch un-
geverd 600 man, unsere Unterhabenden Compagnyen
aber sind 554 .Mann.2) gottlob .fetz alle frisch
und gesund, allein ist seith das Hauptmann Etter von
Zelienico verreist, welches den 3. diess inonats besche-
chen, Bericht alhir zu Zara angelangt, dz. daselbst unter
der Burgerschafft die Pest ingerissen, dass auch der-
selben etliche gestorben, unter der Soldatesca aber noch
niemands Krank seye, Gott wolle uns noch verner dar-
vor bewahren.
Der Traktation und Unterhaltung hallten Haben wir
von dem Monat Jenner, wellicher unser Hr. Oberster
zu Venedig bekhommen, nit mehr empfangen, als Jede
Compagney 200Doblonen und etlich Tausend Broth, doch
einer mehr als der andere, also dz. gleichwohl keiner
nit ist. dem nit noch etwas von dem monat her. noch
ussstande, mit diesem halten wir unsere Soldaten nit
lang erhalten können, sondern haben nach andern mitten
trachten, und also bald einer hier, der andere dort, mit
höchster Ungelegenheit und Unkosten, gelt entlehnen,
wein und Brot uff Borg nemmen und den margetentern
geben müssen, die Soldaten desto besser ausszebringen.
Weilen aber sölliches gar zulang wahren wollen, sind
entlichen, alle Hauptleuth und Ober Comandanten der
Compagnyen, so diesmahlen Keine Hauptleuth haben,
allhar nach Zara »efahren. um dem Hr. Generalen
') Bern. Staatsarchiv, V. B.. A, pag. 1225 f.
-) Hermann 80, Ett^r 136, Weiss 1 18, Jeaner !)4. v. Ei-kick 96.
74
unsern armen Zustand zu klagen, und zugleich um gelt
und Hilffs mitel zepitten."
Als die beiden Hauptleute für die ausstehenden
vier Monatssolde (Februar bis Mai) sollieitirten, ent-
gegnete der Generalkommissär, Bruder des Dogen, man
habe die Galeeren nur mit zwei Monatssolden, also mit
30,000 Dukaten beladen und davon habe der Oberst
in Venedig vor der Absegelung schon 5000 bezogen; die
andern gehören ihnen, sofern man sich für den März
mustern lasse (statt für den Horner). Sie schlugen diese
kapitulationswidrige Bedingung aus. worauf er erwiderte,
er sei nur ein Diener und dürfe von sich aus nichts
beschliessen. Er wies sie an den General, der ihnen
nach langem Sträuben ohne Musterung die 25,000 Du-
katen zustellte. Solange die Soldaten das Wochengeld
von einer Krone empfingen, konnten sie sich genügend
ernähren, obwohl das Brot teurer sei als in Italien. Als
keines mehr aufzutreiben war. wurde ihnen von der
Herrschaft das Kommissbrot bewilligt, aber nur gegen
Barzahlung. Für diesmal gab ihnen der General das
Versprechen, die Bezahlung bis zur nächsten Soldaus-
teilung zu verschieben. Hierauf fuhren die Hauptleute
mit dem erhaltenen Gelde wieder zu ihrer Truppe zu-
rück und Hessen Etter und Weiss hier, um des Obersten
Ankunft zu erwarten. Da dem General von allen Orten
glaubwürdige Berichte zukamen, der Feind ziehe mit
grosser Macht über das bosnische Gebirge gegen Dal-
matien. war er. um den festen Plätzen näher zu sein und
des Feindes Vorhaben auszukundschaften, mit 2 Galeeren
und etlichen kleinen Schiffen nach Sebenico gesegelt.
Die bernische Regierung gab in einem Antwort-
schreiben ihren Hauptleuten zu verstehen, sie möchte
noch bestimmter wissen, wie sich eigentlich die Sache
verhalte, damit sie einen zweckentsprechenden Entschluss
10
fassen könne. Zu dem Behufe sende sie den tüchtigen
Boten Johannes Kaiser mit einem verständigen Offizier
nach Dahnatien. damit dieselben nachher als Augenzeugen
die Sachlage zu schildern imstande seien.1) Der Resident
behaupte fortwährend, das Regiment befinde sich durch-
aus nicht in so schlimmen Verhältnissen, wie der Oberst
es ihnen in grellen Farben male: denn die Offiziere in
Dalmatien hätten noch keinen Anlass zu Beschwerden
gefunden.
Weiss wies sogleich, wie zu erwarten war. die Falsch-
heit der Vorstellungen Sarottis nach:2) ..Wenn der Herr
Resident an die beyden Lobl. Stände Zürich und Bern
vorgegeben, es nehme ihn wunder, was der Herr Obrister
Werdtmüller klage, da doch die Hauptleüte ein sattes
Vernügen haben und mit Einer durchl. Herrschaft der
bezahlung halben wohl zufrieden seyen: Ilatt er es vor
<i oder 7 Monaten gesagt, so ist ihm also, denn damals
waren wir noch wohlbezahlt, ist es aber seit einem
Monat '2 oder 4 geschehen, so ist der gute Herr der
sache im gründe nit berichtet gewesen, die erfahrung
bezeuget das widerspil, und haben wir ja so grosse ursach
zu klagen als der Herr Obrister immer haben kau . . ."
Dann fuhr er weiter, seit fünf oder sechs Wochen seien
Sebenico und Zara mit der Pest befallen worden und
viele Leute seien derselben schon erlegen. Der Proveditor
aus ersterem Orte habe den General Foscolo benach-
richtigt, es sterben täglich so viele, dass man sie nicht
mehr zählen könne und die toten Körper auf der Strasse
liegen bleiben. Der Gancelliere della sanitä, der Wund-
M Bern. Staatsarchiv. V. B., A, pag. 1231.
Am 21. Juli langte Kaiser in Venedig an, konnte aber nicht
sogleich nach Dalmatien hinüberfahren wegen widrigen Windes und
der dortigen Pest.
-) Bern. Staatsarchiv. V. B.. A. pag. 12>!7 f.
7<i
arzt und die Quartierherren seien alle tot und er seihst
lege sich krank zu Bette. Der Fourier und vier Soldaten
der Compagnie Etter seien gestorben. In Zara wäre
die Mannschaft noch verschont, da sie sieh in eine grosse
Schanze („Hornwerk" ) ausserhalb des Ortes gerettet
habe. Vor ungefähr 14 Tagen habe sieh der Feind
das erstemal dieses Jahr vor hiesigem Orte auf einer
Anhöhe mit vielen Fahnen sehen lassen. Durch das Los-
brennen eines grossen Stückes in der Stadt sei er aber
so erschreckt worden, dass er sich wieder zurückgezogen
halte und die meisten. Ins auf L000 Spahy und 200 Jani-
tscharen. nach Hause gegangen seien. Es sei zu ver-
wundern, dass dieser mächtige Feind nicht mit mehr
„Resolution" auf das kleine Häuflein eindrang, das ihm
entgegengeschickt wurde, denn jedenfalls hätte er ihm
den Garaus gemacht, bevor der Rückzug unter die Ge-
schütze bewerkstelligt war. Fs sei aber seine Art, dass
er ungern Pulver rieche, und augenscheinlich habe der
Herrgott bei diesem Werke eingegriffen. Nun sei fast
jede Verbindung nach der Schweizerseite abgeschnitten.
da man der gefährlichen „Sterbenslatiffen" wegen keinen
verschlossenen Brief mehr absenden dürfe, ohne ihn
vorher gewissenhaft zu räuchern.
Der Doge Molino sandte auch diesmal wieder viel-
versprechende Worte nach Zürich.1) damit die Räte der
beiden Städte nicht allzusehr mit Besorgnis erfüllt würden
für ihre zerlumpten Soldaten in Dalmatien, für deren
Arbeit sie regelmässig Jahr um Jahr die fetten Pensionen
einstrichen. Der Doge sagte es ja deutlich:2! „In Be-
harrung der gegen Ihre Herrlichkeit zu jeder Zeit be-
zeugten Herzlichkeit und aufrichtigen Zuneigung sind
Bern. Staatsarchiv, V. B., A. pag. 124!».
-) Bern. Staatsarchiv, V. B., A. pag. 1249.
77
vvii' geneigt, Ihnen bei allen Anlässen jede klarste Probe
derselben zu geben. Deshalb können wir Ihnen ver-
sichern, dass wir den Herrn Oberst sein- gerne verhören.
wie es auch schon geschehen ist. und dass ihm in Zu-
kunft alle gebührende Satisfaktion widerfahren soll nach
dem Masse seines eigenen Verdienstes und der Affektion.
die wir für ihn hegen, und vor allem aus wegen der
hohen Achtung, in der wir Ihre Herrlichkeit halten.
Was die Interessen des Regimentes betrifft, so mag
Ihnen belieben, dem Fürbringen unseres Residenten
Sarotti Glauben zu schenken, wie Sic es uns selbst thäten."
Und dieser brachte in der ihm vom Dogen vorgezeichneten
venetianischen Weise am 26. Juni 1649 vor,1) dass die
Zahlungen dem Regimente die ganze Zeit, da sich der
Herr Oberst in Dalmatien aufgehalten, immer richtig
und auf den schuldigen Termin verabfolgt worden seien,
ausgenommen, wenn stürmisches Meer die Sendung um
einige Tage verzögert habe. Nachdem aber der Herr Oberst
von Dalmatien nach Venedig übergeschifft sei, obwohl es
nicht nötig war, sei ihm verschiedene Male viel Geld vor-
geschossen worden, um daraus dem Regiment alle Not-
wendigkeiten zu verschaffen. So sei auch in Abwesenheit
Werdtmüllers den Truppen durch die Publici Rapresentanti
in selbiger Provinz eine grosse Summe Geldes entrichtet
worden, ohne die 30 000 Dukaten, die sowohl für die
rückständigen Zahlungen, als auch zum Yorschuss spe-
diert worden seien. So stehen seine Herren bereit, dem
Oberst nach seinem Wiedereintreffen in Dalmatien jede
ihm zukommende Satisfaktion zu gewähren zur P»estäti-
gung ihrer Liebe und Affektion, die sie zu demselben
beständig hegen. Es wäre am Platz, dass der Herr
Oberst seinen Aufenthalt in Venedig nicht länger aus-
') Idein, pag. 1253.
78
(lehne da es ja klar liege, welchen Nachteil seine Absenz
der Herrschaft und dem Regimente bringen. Deshalb
möchten sie (die Räte) ihm eine längere Dilation daselbst
verbieten, da er (Sarotti) ihnen garantieren könne, dass
seine Herren das Regiment in keiner Weise vernach-
lässigen werden.
Am 31. Juli schiffte sich Werdtmüller mit leeren
Taschen in Venedig ein. voll Hoffnung, den Versprechungen
gemäss in Zara das Geld für sein Regiment bereit zu
Hilden. Dort umringten ihn bei seiner Ankunft die harren-
den Hauptleute, die ihrerseits sicher darauf rechneten,
mit dem Oberst würden auch die Gelder eintreffen.
Beide Teile aber waren die Geprellten. Werdtmüller
erfuhr noch zu seinem Leide, dass Venedig im Januar
statt 30000 Dukaten nur 25000 entrichtet hatte. Re-
klamationen beim General waren auch jetzt umsonst an-
gebracht, Ihre Not werde dadurch vergrössert. meldete
Werdtmüller verzweifelnd nach Zürich,1) dass keine
Hoffnung auf Besserung mehr vorhanden sei, oder es
werde denn in diesem „extremo malo ein extremum
remedium" vorgenommen.
Dazu langten aus Sebenico immer schlimmere Bot-
schaften ein, denn dort wütete die Pest so fürchterlich.
däss zuletzt von den 8000 Einwohnern nur noch 200
am Leben blieben. Weiss und Etter, mit ihren Knechten
dort einquartiert, hielten beim General an, sie aus die-
sem heimgesuchten Orte herauszunehmen und zu „refro-
chiren", da sie sonst sicher alle zu Grunde gehen werden.
Gott möge doch seinen göttlichen Zorn fallen lassen, sich
ihres elenden, betrübenden Zustandes erbarmen und ihre
verpestete Luft mit gesunder erneuern. Weiss ergriff
am 21. 31. Juli wieder die Feder, um die in dumpfe
') Bern. Staatsarchiv, V. B.. A, 1271, 31. Juli 1649.
79
Lethargie hingesunkenen Räte der beiden Städte von
neuem aufzurütteln und an ihr Pflichtgefühl zu appel-
lieren:1) ..... Es mögen Ihr Gnaden (man berichte
sie auch im gegenteil wass man wolle) mir keklich glau-
ben, dass wir in eine solche Extremität gerahten, dass wir
nit wissen, wo hinauss oder an, und dafern Ewer Genaden
mit Ihrem hohen Ansehn, uns bev der Durchl. H'. die
Vätterliche Hand nit bieten werden, sehen wir nichts
als eine endtliche ruin vor unsern äugen. Die 25 000
Ducati so wir allliier und dann die 5000 so unser Herr
Obrister zu Venedig empfangen, belangent, ist selbiges
vor gessen Brot gewesen, und hat uns für das folgende
nit viel geholfen. Bitten derowegen, auch im namen
meiner Herrn Mithauptleüten, Ewer Gnaden wollen uns
in dieser aüssersten noht nit lassen, sondern sich unser
allen ernst annehmen.-'
Als Bern den Residenten mit etwas mehr Nachdruck
als gewöhnlich mahnte, dass sich Venedig strikte an die
Artikel der Kapitulation halten möge.2) antwortete dieser,
in Venedig sei beschlossen worden, eine reichliche Summe
Geldes nach Dalmatien fiiessen zu lassen. Wenn sich die
Entrichtung des Soldes um einige Wochen verzögert habe,
so finde die Herrschaft, man sollte dies der Affektion
wegen zugeben, die sie seit Jahren zu den beiden
Schweizerstädten hege, ferner wegen der grossen Ent-
legenheit der dalmatischen Ortschaften, in denen die
Schweizertruppen stationierten, und weil sie zur Auf-
rechterhaltung ihrer starken Wehrkraft zu Land und zu
Wasser so grosse Summen ausgeben müsse.3)
Unser Regiment war jetzt Ende Oktober um mehr
als die Hälfte deeimiert, denn auch in Zara hatte die
*) Bern. Staatsarchiv, V. B., A, pag. 1287.
') Bern. Staatsarchiv, V. B., A, pag. 1291 t.
-) Bern. Staatsarchiv, V. B., A, pag. 1299 f.
so
Pest so arg gehaust, dass innert drei Monaten an Ein-
wohnern und Soldaten 10 000 Mann starben. Die Com-
pagnie Loehuianns wies noch 26 Mann auf. die Her-
manns 46 und diejenige Etters !)<): auch zwei Lieutenants
wurden durch die gefährliche Krankheit dahingerafft.
Da nun innige der Compagnien so sehr zusammenge-
schinolzt n waren, durften sie eigentlich nicht mehr als
Einheit figurieren, weshalb der General dem Oberst vor-
schlug, das Regiment zu reorganisieren und aus den
zehn Truppenkörpern sechs zu bilden. Der Oberst be-
rief seine Hauptleute zusammen nach Zara und dort be-
schlossen sie. auf den Vorschlag einzugehen. Hauptmann
Etter vereinigte seine Compagnie mit derjenigen Her-
manns, welcher nach Bern zurückgereist war. v. Erlach
übergab seine Abteilung dem Hauptmann Jenner. um
ebenfalls nach Hause zurückzukehren und bei der Obrig-
keit gegen seinen gewesenen Proveditoren . der ihn
schändlich behandelt, Klage zu führen. So wurde unter
Vorbehalt der Gutheissung durch die Räte Zürichs und
Berns folgende Neugestaltung des Regimentes vorge-
nommen : ' )
„ , . Comp. Loehniann 26 I , „ .
/ebeillgo: ., ., , . ,, Q .. ,,. inQ J 1Ö4
° mit ihr verschmolzen Comp, spondli KiS )
(gestorben)
„ . „ Etter 90 | . ...
Zebenigo: „ .„ M36
- „ .. „ ,, Hermann 4b I
r/ „ Weiss 13s |
Zara : . ^ , , „„ \ 1 71
,, ,. „ ' :: ,. v. Erlach 33 I
Burkhardt 75 1 , ,-,_
Iran : w _„ 12/
„ ,, .. „ Y\ aser 52 I
(gestorben)
o i * '• Jeuner 82 1
Spalato: , F , , rü\ loO
- 3 ,. v. Erlach 68 I
1018
x) Bern. Staatsarchiv, V. B., A, pag. 1329.
81
Diese Regulation trat sofort nach der Bestätigung
durch beide Regierungen auf 1. November 1649 in Kraft.
Wir haben gesehen, dass die Compagnie v. Erlachs
unter die zwei andern von Jenner und Weiss verteilt
wurde. Erlach war alter immer noch in Dalmatien, nur
lebte er seit Anfang August als Gefangener in Spalato.
Das Motiv zu seiner Gefangenschaft gab folgender An-
lass: 1) Eines Tages wurde ein Soldat aus der Compagnie
des verstorbenen Hauptmanns Spöndli, der beim Quartier
des Gouverneurs Schildwache stand, ohne Ursache töd-
lich verwundet. Als der Thäter gleichwohl öffentlich
herumlief, beklaute sich v. Erlach beim Gouverneur und
verlangte, dass der Kerl eingezogen und bestraft werde.
Dies geschah aber nicht. Kurze Zeit darauf rügte der
Gouverneur, die Soldaten verkehren zu grob mit den
Leuten, die am Hafen beschäftigt seien, v. Erlach ent-
gegnete ihm, er werde nun überhaupt die Schiffswachen
zurückziehen, da er sich um den misshandelten Soldaten
nicht gekümmert. Gesagt . gethan. Die abtretenden
Wachen wurden aber mit Stockstreichen wieder auf ihre
Posten getrieben, und als sich Erlach darüber beim
Proveditoren beschwerte, befahl ihm dieser, als Arrestant
ins Kastell zu gehen. Als er nicht dort, sondern im
Quartier den Arrest absitzen wollte, wurde er nicht nur
vom Gouverneur, sondern auch vom Major uud Stadt-
adjutanten mit Schlägen und Stössen traktiert, „wie man
es nicht ärger mit dem ärgsten Übelthäter hätte thun
können". Erlach wurde hierauf entwaffnet. ..zwischen
Piquen" ins Kastell geführt und der Zutritt zu ihm unter
schwerer Strafe so lange verboten, bis der Rapport an
den General ausgefertigt war. Der Sekretär wollte nun
als Augenzeuge nicht das Gegenteil von dem Yorgcfal-
') Bern. Staat5arckiv. V. B.. A. 1333 f.
Archiv des histor. Vereins.
XV. Baml 1. Heft
82
lenen niederschreiben, wie ihm diktiert wurde, sondern
lief lieber weg, indem er ausrief: „Signori, questo sa-
rebbe im processo ingiusto!" (Meine Herren, das wäre
ein ungerechter Prozess.) Der Fähnrich Erlachs, der
geheissen wurde, ins Quartier zu gehen, erwiderte, er
werde nur dem Befehl seines Hauptmanns gehorchen,
worauf man ihn entwaffnete und in ein Gefängnis
steckte, wo sonst nur Schelme sassen.
Sobald v. Erlach die Erlaubnis erhielt, erzählte er den
Vorgang schriftlich seinem Obersten und benützte diese
Gelegenheit, weitere Fälle von Misshandlungen zu berichten,
die sie in Zara zu erdulden hatten. Im vergangenen
Winter hatten Spöndli und er beim Proveditoren ange-
halten, die Wachen mit Holz auszurüsten, wie dies auch
in Frankreich gepflegt werde, Da dies abgeschlagen
wurde, holte sich eines Tages ein Soldat von der Wache
zwei kleine Feigenäste, worauf ihn die Bauern mit mehr
als vierundzwauzig Stichen ermordeten, ohne dass eine
Untersuchung wäre eingeleitet worden. Zwei andere
Soldaten, die „der noth halber ins Holz gingen", wurden
von den Bauern erschossen; zwei wurden „entwehrt
und gequetscht" und drei der Compagnie Stapf er sonst
übel traktiert, Ein Knecht, der einige Brombeeren von
einer Staude pflücken wollte, wurde gefährlich gestochen
und ein anderer arg, gehauen. Dem Wachtmeister
v. Erlachs drohte der Stadtmajor : *) „Gebt acht auf eure
Soldaten, sonst lässt sie der Herr Proveditor alle ein-
sperren, nicht nur den Hauptmann, denn um eure
Schmutzkapitulation (Gap. di merda) scheert er sich
einen Pfifferling." Klagen beim Proveditoren wurden
mit leeren Worten abgewiesen. — Erlach verlangte nun
in erster Linie, vor ein „richtiges Verhör" gestellt zu
!) Bern. Staatsarchiv, V. B., A, italienisch, 1351.
83
werden, damit er sich dort rechtfertige und seine und
des Regimentes Ehre retabliere. Nach zehnmonatlicher
Gefangenschaft sah er sich dann durch Vermittlung
Werdtmüllers wieder freigelassen. Der Proveditor leis-
tete ihm Abbitte, indem er gestand, er habe sich vom
Zorn überwältigen lassen. Da Erlach von Werdtmüller
als des Ungehorsams schuldig befunden wurde. Hess man
die Angelegenheit damit ruhen.1)
Die Verhaltnisse in Dalmatien hatten sich seit der
Reorganisation des Regimentes eher noch verschlimmert
als gebessert. Im August 1650 war allerdings eine
Summe von 10000 Dukaten angelangt, aber diese reich-
ten nicht einmal zur Deckung der Schulden aus.-) Da-
gegen erlaubte sich Venedig, von jetzt an für die Lebens-
mittel Zölle abzufordern, für ein Stück Rindvieh 6 — lü
Gulden, für das Mütt Korn einen und für ein Fässchen
(Barilei Wein ti Batzen. Werdtmüller glaubte deshalb
gut zu thun. sich wieder einmal in Venedig sehen zu
lassen. — Bei der ersten Unterredung mit dem Dogen
stellte ihm dieser Extrabelohnungen in Aussicht, wenn
er mit sich, d. h. mit dem Regimente markten lasse.3)
Der Oberst wollte sich aber dazu nicht bequemen, und
so kam es zwischen ihm und dem Savio della Scrittura
am 5. Oktober 1650 zu einem Vertrag, laut welchem
das Regiment seine Entlassung erhielt.4) Darin stund
ferner: Werdtmüller soll nach Dalmatien zurückkehren
und sein Regiment mustern lassen. Nachher soll aus-
gerechnet werden, was man demselben seit der letzten
Musterung vom Oktober lü-l'.ii!) laut Kapitulation schulde.
75 000 Dukaten verspricht die Herrschaft innert vier
J) Bern. Staatsarchiv. V. B., A, 1345.
-) Bern. Staatsarchiv. V. B., A, 1369.
3) V. B.; B. 14>5.
4i V. B.. B. 1501.
84
Monaten zu entrichten und zwar jeden Monat ' i der
Summe. An der venetianischen Grenze soll das Regi-
ment licensiert und für 20 weitere Tage besoldet werden.
Der Conservator del deposito ist kraft dieses Dekretes
schuldig, die monatlichen Zahlungen vorzunehmen, und
er darf sein Amt nicht eher abtreten, bis sie erfolgt sind.
Als Werdtmüller wieder in Dalmatien erschien,
teilte er den Hauptleuten den Vertrag mit. den er
„galge trist wyss" aus Not eingegangen.1) Man kalku-
lierte, dass Venedig dem Regiment c noch 200000 Dukaten
schulde. Von den 75000, die Venedig entrichten wollte,
mussten gleich L0000 in Dalmatien und 50000 in Venedig
selbst zur Tilgung der Schulden ausgegeben werden.
Auf die Bezahlung der obigen Summe durfte Werdt-
müller noch nicht sicher zählen, da man. wie er sagte,
„hier niemanden glauben kann".
Als die zwei Städte von der Entlassung des Regi-
mentes Kunde erhielten, schickten sie dem Oberst ein
Generalkreditiv. 2 ) wonach er sich fremde Soldaten, die
als Angehörige des Regiments der Fahne treu gedient,
nicht solle „abzwacken" lassen, es sei denn, dass diese
dazu einwilligen. Jeder Soldat solle seine Waffen heim-
bringen, damit sie an den richtigen Ort deponiert wer-
den. Die Kontumatia soll nach Möglichkeit abgekürzt
werden, und Venedig möchte die Kreditoren ersuchen,
Geduld zu üben, bis es selbst den Rest der schuldigen
Solde ausbezahlt habe.
General Foscolo schlug nun Werdtmüller vor. 3) mit
seinem Regimente ins Innere des Landes dem Türken
') V. B., B, 1503.
2) Bern. Staatsarchiv, V. B., B, 1526.
s) Die Quellen geben nicht an, ob dieser Vorschlag von ihm
selber ausging oder von Venedig. Bern. Staatsarchiv. V. B., B,
30. Oktober 1650, Zürcher Staatsarchiv 211, Mappe 4.
85
entgegenzurücken, und der Oberst zeigte sich merk-
würdigerweise sogleich dazu bereit. Bern schrieb aber
ganz erstaunt darüber seinen Hauptleuten, dass sie so-
fort den Abschied nehmen und sich mit ihren Truppen
auf den Heimweg begeben sollten. Der geplante Zug
unterblieb wegen der Opposition der Schweizerregie-
rungen, denn auch Zürich hatte an den Oberst eine
ähnliche Aufforderung ergehen lassen, und weil in Se-
benico und Spalato von neuem die Pest auftrat. ') Der
Doge sprach den beiden Städten seine volle Genug-
tuung aus über des Regimentes und des Obersts Leis-
tungen, die jetzt nach erfolgter Satisfaktion sich einer
gesicherten Heimkehr erfreuen werden.-) Es wurde ihm
aber treffend geantwortet: „Die Worte sind abermals
gut, aber es ist sehr zu wünschen, dass die Werke den-
selben entsprechen."
Die Rückkehr der Truppe ging über Spalato. Zara,
wo 'bis Regiment nach freundlichem Abschied von allen
Raprösentanti am 1. Oktober 1651 mit 888 Mann an-
rückte. Nach zweiwöchentlicher stürmischer Fahrt wurde
die Lagunenstadt erreicht, und kaum angekommen, be-
gab man sich zur Kontumatia ins neue Lazarett, wo
! i V. B., B, 30. Oktober 1650.
-) „Quel concetto e quella stima, con la quäle si riceve gia dal-
l'attetto di V. V. S. ö. Illma Fammassainento delle militie di sua nazione
per servir iu Dalmatia, si e contiuuato a testimoniar sempre al Re-
giruento tin che si e trattenuto in Provincia, ed ora, che deve resti-
tuirsi in Patria, riceverä non dissiniili demostrazioni dalla cordialitä
e predilettione del Se.nato. Fede indubitata ne farä sempre il Signor
Colonello Verdmaller, alle cui soddisfazioni s'e pienarnente conde-
sceso iiell: ultimo aecordato. onde n:e egli riniasto con intiero conteuto.
et nelF essecutione sarauno puntualmente adempite le parti del sta-
bilito. Vaglia " Zürcher Staatsarchiv 214, Mappe 6.
liier Abdankung und Hfirureise des Regimentes siehe V. B., P».
1501 tf.
86
das Regiment längere Zeit verweilen musste, denn einige
Soldaten litten immer noch an der Pest.
Eine Zumutung an Werdtniüller, das Regiment zu
entwaffnen, wurde von ihm entschieden abgewiesen. Die
Heimreise erfolgte noch nicht, weil die Bezahlungen immer
noch ausstanden und die Offiziere geschworen hatten,
lieher Leib und Leben zu lassen, als ohne Geld abzu-
ziehen. Als Zürich und Bern noch einmal an die Ehre
Venedigs appellierten, Hess der Doge dem Regiment den
Best der 75,000 Dukaten endlich zustellen, was er auch
sogleich in schwülstiger Weise nach Zürich meldete. Ob-
gleich Oberst und Hauptleute immer noch den Sold für
den Monat März zu fordern hatten, wurde jetzt der
Rückmarsch angetreten, und Mitte Februar 1651 zog das
Regiment nach langen, mühevollen Märschen über die
schneebedeckten Alpenpässe Bernina und Julier. für deren
Öffnung man vorher gesorgt hatte, in Zürich ein, wo die
Waffen der Zürcher sogleich im Depot magaziniert wur-
den. Nachdem dies geschehen, begab sich Werdtniüller
zu einem längern Aufenthalte in die Bäder nach Baden.
Einen Überblick über den Zug nach Dalmatien gab
später Gabriel Weiss, indem er in seiner Autobiographie
erzählt: ])
„Als sich bei der Werbung Venedigs mein Kriegs-
geist wieder entflammte, bin ich montags den 10. Aprilis
zu einem Hauptmann des Regiments erwehlt worden, so
• lass ich nach 6 Jahren meiner schwedischen Entlassung
in meiner militärischen laufbahn eher rückwärts als vor-
') Der später beigefügte Titel dieser im „Berner Taschenbuch",
.Jahrgang 1874 — 77, erschienenen Autobiographie lautet: „Souvenirs
personnels de Nobl et Genereux Gabriel de Weiss Albi. JSeigneur
de Mollens, Collonnel d'un regiment suisse au service de Yenise,
senateur de Berne, Ballif de Lausanne, Haut Cominandant du Pays
de Vaud, Ambassadeur etc. etc. 1613 — 75."
wäi'ts manoevrirt bin. 1) Wir haben unsere Werbungen,
weil Dalmatien noch ein unbekanntes Land war. mit
höchster Mühe und merklich grossen Kosten verrichtet.
ich meinerseits habe nach 2 beträchtlichen Verlusten
nur zu viel und wie man sagt, le vert et le sec daran
verwendet. Den 9. Juli bin ich mit meiner Compagnie,
die in auserlesener Mannschaft bestuhnde, von IJern aus-
gezogen, und nachdem wir in Italien etwas aufgehalten
wurden, sind wir den 20. Oktober hernach zu Zara in
Dalmatien wohl angelangt. Bald nach unserer Ankunft
ist das ganze Volk, wenige ausgenommen, an hitzigen
Fiebern erkrankt, so dass etliche Hundert daran starben.
Ich selbst bin auf den Tod darnieder gelegen. Nachdem
diese Krankheit nachgelassen, und wir vermeint, ent-
runnen zu sein, hat der liebe Gott uns mit der lästigen
') Siehe Biographie des Oberst Weiss, pag. 11t.
Ein Bauer von Wynigen schreibt über den Zug des Regiment;.
Werdtrnüller, pag. 17: (Herausgegeben von Wolfgang Friedrich
v. Mülineo unter dem Titel : „Die Chronik des Jost von Brechers-
häusern. 1598 — 1658.")
.. Von dem Zug in Dalmatia und Venedig «im 1048.
Den 8. Brachmonat beschah der Aufbruch zu Bern. er>tlich mit
4 Fahnen und mornderigs Tags noch mit 2 Fahnen, soviel als 1500
Mann, mit einanderen nach Zürich, darnach mit so viel Zürcher Fähnli,
auch 1500 Manu oder mehr habe ihr Oberster ghan, die zugen als
denen Venedigeren zu gutem um ihren Sold, nach Venedig und ferner
bis in Dalmatzien, soweit dass keine Fahnen von Bern niemaleu so
weit getragen worden und wiederum heim, aber nachdem sie 3 Jahre
gedienet, zugen die noch Lebenden wiederum heim und klagten noch,
sie seyen übel bezahlt worden : wie man sagt sind sie etlich hundert
Mylen uf dem Meer gefahren und an der Türken Land kommen,
und mit ihnen gescharmüziret, auch Türkeuleut mit ihnen heimge-
bracht ; in diesem Zug blieben auch 3 Hauptleut dahinden. Zwen
von Zürich und einer von Bern. Der Hauptmann Etter wurd mit-
gerumt und doch ein guter Kachelmann, der Geld geliebet über alles."
88
Pest noch heimgesucht, dass auch an derselbigen Viele
gestorben, auch etliche von meinen domesticis. Als nun
diese leydige Sach mit uns ein Vernügen hatte, sind wir
auf Begehren und in mehreren Rücksichten ziemlich un-
zufrieden, abgedankt, nach Venedig geschifft, daselbst
im Lazaretto nuovo unsere Quarantaine gemacht, nach
welchem wir in der herben Winterkälte fortmarschiert,
und bin montag den 17. Februar 1651 in Bern tröstlich
eingezogen.''
Neben dem Regiments Werdtmüllers standen in
venetianischen Diensten noch andere schweizerische
Truppen. So schickte deren der Baron von Coppet,
Basel. Schwyz, Giarus, Solothurn und Bünden, alle, mit
Ausnahme der beiden letzten, gewöhnlich nur kleine Alt-
teilungen von der Stärke eines oder mehrerer Fähnlein.
Venedig war alter auch Absatzgebiet für Leute, die
man in der Schweiz als Vagabunden, Lumpengesindel
u.dgl. bezeichnete. Am 25. Oktober 1645 stellte die Berner
Regierung der Handelsrepublik zum erstenmal die „täglich
gewahrsamlich in Müssiggang herumstreichenden starken
bösen Buben" zur Verfügung. Sie schrieb darüber an
den Residenten:1) Sic sei in der Resolution begriffen, in
ihren Landen eine Jagd vorzunehmen, damit die land-
laufenden . schwarzen , hochschändlichen Buben ihren
Unterthanen abgenommen und weiters geschickt werden.
Sie habe nun gedacht, dass der Herrschaft, ihrer Ver-
bündeten, damit gedient wäre, wenn sie ihr diese zu
Kriegs- oder Galeerendienstcn tauglichen Personen über-
weisen würde. Beliebe es. so möchte man mitteilen,
wo und wann dieselben abzuliefern seien. Venedig war
gleich bereit, solche Vaganten als Ruderknechte auf den
Galeeren zu verwerten und dieselben von Lenzburg an
') Bern. Staatsarchiv, V. B.. C. pag, 2023.
89
auf eigene Kosten weiter zu transportieren. Der Termin
der Jagderöffnung wurde geheim gehalten und auf die
Tage vor und nacii dem „Ostermärif festgesetzt. Die
überall gleichzeitig auszusendenden Profossen sollten nur
solche parken, die man in Venedig gebrauchen konnte:
Weibsbilder und Krüppel waren also ausgeschlossen. Die
Festgenommenen sollten dann, nachdem sie ihr Messer
ausgehändigt, zu 4- zusammengekoppelt an den mit Luzern
und Solothurn verabredeten Ort Lenzburg gebracht
werden. Ungebührliches Betragen auf der Strasse ver-
fiel strenger Züchtigung. Diese erste Jagd auf das un-
nütze Gesindel, wie man es auch zu nennen pflegte,
endigte kläglich, da es den meisten Landstreichern ge-
lang, zu entrinnen. Nur lo wurden in den bernischen
Landen gefangen, die dann mit den andern gleichzeitig
in Luzern und Solothurn Gepackten in Lenzburg ver-
einigt wurden. Nach einer flüchtigen Untersuchung, ob
sich etwa Unschuldige darunter befänden — und wirklich
wurde ein solcher wieder laufen gelassen — führte sie der
Hauptmann Sorghi. 34 an der Zahl, mit seinem Fähnlein
ins Venetianische. 20 unter diesen Übelthätern waren
zur Galeere verdammt, und zwar variierte die Dauer
der Zeit von 3 Jahren Ins zu lebenslänglicher Ver-
dammnis; die meisten zählten, abgesehen von einem
50jährigen, nur 14 — 18 Jahre. In Solothurn hatte der
Hauptmann für 4 Dublonen Ketten gekauft, mit welchen
er sie nun zusammenkoppelte und nach Bergamo führte,
wo sie gegen eine Entrichtung von 400 Dukaten für
ihren Unterhalt während der Reise ausgeliefert wurden.
Im Mai 1651 eröffneten fast alle Kantone mit dem Abt
von St. Gallen wiederum die Jagd auf die Vagabunden,
aber niemand wurde eingebracht, weil zu frühe Stimmen
davon ins Land hinausdrangen. Mitunter wurden ein
paar über die Grenze spediert, aber die meisten konnten
90
immer entwischen. So desertierte einer auf dem Gott*
hardhospiz, dem Frauenhand wahrscheinlich die Ketten
löste.1) Im Frühling 1652 schickte Lueern zwei zu sechs
Jahren Galeere verurteilte Sträflinge mit folgendem
Schreiben an den Residenten : 2) Bürgermeister und Rat
der Stadt Luzern thun hiemit kund, dass die beiden
Unterthanen Nikiaus Habermacher und Joseph Huber in
ihre Ungnade gefallen seien, weil der eine ehrliche Leute
so betrog, dass sie eine Summe Geldes verlieren mussten,
während der andere seinen Eltern mit schlimmen Redens-
arten gedroht hatte. Da sie nicht umhin können, die-
selben frei ausgehen zu lassen, sollen sie als Beispiel
für andere ziemend gezüchtigt werden. Als Galeeren-
sträflinge sollen sie während (i Jahren ihre Fehler ein-
sehen lernen. So ersuchen sie den Herrn Ambassadoren
freundlich, dieselben mit bestimmter Anweisung an ihren
Ort zu spedieren, damit ausgeführt werde, was die
Sentenz besagt. - Schwyz verurteilte auch :;> solcher
Subjekte zu 6 — 8 Jahren. Dem einen jagte der Name
Galeere. ..der mehr gefürchtet war als der Tod", .solchen
Schrecken ein. dass er zum Gefängnisfenster hinaus-
sprang, sich dabei schwer verwundete, gleichwohl aber
noch eine Stunde weit lief und dann, eingeholt, am
andern Tag starb. Luzern sandte nach dem Bauern-
krieg 6 Aufrührerische in die Galeeren und Bern eben-
falls •'! Entlebucher.3)
lim die Wende des Jahrhunderts wurde auf das in
die Eidgenossenschaft eingedrungene Gesindel von neuem
Jagd gemacht. An der gemeineidgenössischen Tag-
satzung in Baden am 26. März 1689*) forderte man alle
') Buudesarchiv, Bd. 64, Anfang Mai.
2) Buudesarchiv. Bd. 64, März 1652.
:') Bundesarchiv, Bd. 64, Juli 1653.
*) Eidg. Abschiede. Bd. VII ■>, pag. 264.
91
Orte auf. das Diebsgesindel, das sich teils falscher Steuer-
büchlein bediene, teils Falschmünzerei betreibe, zu parken
und zu bestrafen, oder auf die venetianischen Galeeren
zu senden, zu welchem Behufe mit Venedig ein Vertrau'
einzugehen sei. An der Konferenz der Städte Bern,
Freiburg und Solothurn zu Aarberg1) ging man darin
einig, die landesfremden Strolche, die von Ort zu Ort
ziehen und sich bei den Bauern gleich den französischen
Dragonern einquartieren, mit Gewalt über die Grenze
zu schaffen, und zwar zeigten sich Solothurn und Frei-
burg willens, dieselben Venedig zu liefern für Galeeren-
dienste nach Morea, während Bern die seinen Branden-
burg oder irgend einem andern fernen Lande übermitteln
wollte. Auch Appenzell und der Abt von St. Gallen
waren entschlossen, „die gefährlichsten Luder" als veno-
tianisches Galeerenfutter zu verwerten.2) und im Januar
1700 erklärten sich Bern. Basel. Freiburg und Solothurn
bereit, Venedig für den Krieg gegen die Türken in Morea
ganze Vagantenfamilien zur Verfügung zu stellen.3)
x) Eidg. Abschiede, Bd. VII 2, pag. 432.
2) Eidg. Abschiede, Bd. VII 2, pag. 702.
:;) Eidg. Abschiede, Bd. VII 2, pag. 838.
Jost von Brechershäusern berichtet (pag. 27) von den soge-
nannten Sckwarzhuben : Anno 1647 waren sie vor diesem vertriebene
Leut wegen des 30jährigen niederländischen Kriegs, die hat us Er-
bärmd von Kind uf im Land geduldet und sind etlich 100 also im
Landbettel auferzogen. Da sie nun stark wurden, gesellten sich
ihrer viel .... und Buben zusammen und fiengen rauben und stehlen
ohne Scheu und Forcht und trieben nun überflüssigen Mathwillen.
Mun sobald solche Uebung und gräuliche Sachen unserer Oberkeit
geklagt wurde, haben sie eine allgemeine Landjäge wohl 3 Tage
lang angestellt in der ganzen Eidgenossschaft sie zu suchen und
ordnet sie gebunden und gefangen us dem Land uf Venedig zu uf
das Meer. Etliche wurden hingerichtet, und die .... von Stadt und
Land vertrieben. Also wurde das Land wieder gesaüberet. Aber
sind noch lebig Wurzeln überblieben, dass noch allzeit neues Unkraut
davon aufwachst."
92
Dieses Beispiel der Spedition schweizerischen Diebs-
volkes auf die Ruderschiffe der adriatischen Handelsstadt
fand Nachahmung in deutsehen Städten, wie Bamberg
(1700), Stuttgart (1716), Nürnberg (1714) etc.
3. Kapitulation und- Zug des Regimentes Weiss
nach Dalmatien.
Den Offizieren des Regimentes Werdtmüller schul-
dete Venedig immer noch Geld. Im Oktober 1651 reiste
der Oberst wieder nach Venedig' zurück, um die rück-
ständigen Solde einzukassieren. Versprechungen erhielt
er zur (reinige, aber Geld keines, weshalb er einen
„Express" zurückliess und unverrichteter Dinge wieder
abzog. Auch die Hauptleute Weiss. Jenner und die
Erben des Hauptmanns Hermann verlangten ihre noch
ausstehenden Betrage, wurden aber von Venedig um
neuen Aufschub gebeten, da die schweren Zeiten und
der kostbare Krieg mit dem Erbfeind ihre Mittel er-
schöpft hätten.1) So ging es noch tief in die sechziger
Jahre hinein, bis Venedig den Rest der rückständigen
Soldbetriige an die von Zeit zu Zeit sollicitierenden
Gläubiger getilgt hatte.
Unterdessen war der Krieg Venedigs mit den Tür-
ken in eine neue Phase getreten.2) Nachdem er einig«1
Jahre ohne entscheidende Begebenheiten verlaufen war.
wurde er 1654 wieder mit frischer Energie weitergeführt.
Die venetianische Flotte blieb eine Zeit lang siegreich,
dann wandte sich mit dem Jahr 1657 das Kriegsglück.
Eine dreitägige Schlacht in den Dardanellen, die für die
') Bern. Staatsarchiv. V. B.. B. 23. Mai 1054. Buiulesarchiv,
Bd. (i.j. Februar und September 165-1.
- 1 DarUj i>;il:. 072 — 75.
93
Venetianer wegen Sprengung der Pulverkammer in Moce-
nigos Admiralschiff verloren ging, hemmte den Siegeslauf
der Kriegsschiffe Venedigs, und nachdem sich die Türken
schon auf Candien Vorteile erworben, eroberten sie noch
Tenedos und Leumos. Auch an der bosnischen Grenze
begann der Sultan den Kampf mit neuen Kräften.
Nun bat der Doge im Februar 1658 wieder um
Hülfe von Regimentsstärke.1) Zürich und Bern, an welche
die Bitte gerichtet war, zeigten sich ohne langes Zögern
dazu bereit. Die Artikel der neuen Kapitulation wurden
durchberaten und dieselbe Ende März ausgefertigt. Ihr
Wortlaut ist in den Bestimmungen, die neu hinzukamen
oder abgeändert wurden, im Auszüge folgender:
Die Republik Venedig hat durch Herrn Paolo Sarotti.
ihren Residenten, die beiden Städte Zürich und Bern
am 3./13. Februar 1658 um Aushebung eines Regimentes
von 1200 Mann ersucht, um sich ihrer laut Bestimmungen
des Bundes in der gegenwärtigen Not zu bedienen. Nach-
dem einige Artikel umgeändert und den gegenwärtigen
Zeiten angepasst wurden, hat man die Aushebung unter
folgenden Bedingungen gewährt:2)
1. Die Compagnien enthalten mit Einschluss der
Offiziere 200 Mann. Das Regiment umfasst also (i Com-
pagnien waffenfähige, dienstbereite Soldaten. Die eine
Hälfte liefert Zürich, Bern die andere und den i )berst.
2. — 4. gleich wie in der Kapitulation von lt>48.
Zusatz: Um jeden Betrug unmöglich zu machen, finden
jeden Monat die Musterungen statt und zwar so. dass
man von jedem einzelnen den Namen, Farbe der Haare
und andere Merkmale aufzeichnet (nome, pelo. segno).
Werden die Truppen nicht jeden Monat pünktlich be-
soldet, so sind weder der Oberst noch die Hauptleute
') Bern. Staatsarchiv, V. B., B, 3. 13. Februar 1658.
2) Bundesarchiv, Filza 55, Nr. 134.
94
verpflichtet, die Musterungen in anderer Form vorzu-
nehmen, als sie die Kapitulation von 1648 bestimmt.
Alle andern Artikel der 1648er Kapitulation von
Xr. r> bis inclusive 19 bleiben sich gleich. Beigefügt
wird nur. dass die Republik Gefangene des Regimentes,
die in Feindeshand bleiben, beim Friedensschluss oder
beim Gefangenenaustausch vor den andern berück-
sichtigen wird.
Die Kapitulation wurde vom Senat am 20. April 1658
in Pregadi gutgeheissen.
Unter den erwählten Hauptleuten treffen wir Ver-
wandte der Offiziere vom Regiment Werdtmüller, so bei
den Zürchern, neben den neuen Edlibach und Schlatter,
den Hauptmann Johann Huldreich Lochmann, bei den
Bernern Johann v. Erlach, ferner Georg Langhans und
Weiss,1) von Venedig zum Oberst ernannt wegen „synen
') Weiss erzählt von seiner Wahl zum Oberst: „Da Bern den
Oberst geben sollte, hat Herr Samuel Lerber selbiges zu erlangen,
deswegen uuverwylt sich nach Zürich begeben, daselbst bei Herrn
Paolo Sarotti, venezianischem Residenten angemeldet ; ich aber bin
von der Landvogtei auf empfangenen Bericht Ihme auf dem Fu*s
gefolgt und vom besagtem Residenten vorgezogen worden und zum
Obristen über dieses venezianische Regiment ernamset: daruff die
Werbung augegangen und mit weit grösserer Facilität vollbracht
worden (als 48) massen ich den 8. Aprilis zu Saanen von Weib und
Kind und meinen Amtsangehörigen Abschied genommen und den 14.
mit meinem Volk von Bern ausmarschirte. 5 Tage vor meiner Ab-
reise hatte ich einen sehr unbeliebigen Streit mit Herrn A J (Adrian
Jenner?) welcher mir äusserst grob in Gegenwart angesehener Zeugen
begegnete, weilen ich ihm nicht zu einer Compagnie in obgedachtem
Regiment behültiich sein wollte. Ich musste meiner Stellung Rech-
nung tragen, die Cartels wurden gewechselt, der Kampfplatz auf den
morndrigen Tag in Bremgarteu unten an der Rappenfluh festgesetzt
und auf das Begehren des Herrn J. sollte man sich auf den Tod
schlagen: Das Gefecht war aber kurz: Ich benutzte meine Über-
legenheit und Krafft und Fechtkunst und bei der ersten Riposte riss
ich ihm den Degen aus der Faust, brach entzwey und warf ihm die
95
wohl bekannten besten qualiteten und insonderheit wegen
der glitten diensten, die er schon in Dalmatia geleistet".
Schwyz, (Harns und Bünden hielten die Fasse auf ein
Gesuch hin geöffnet. Weiss wollte den Schwyzerboden
aber lieber rechts liegen lassen, um allerlei Ungelegen^
heiten, die durch „Stichworte" entstehen könnten, zu
vermeiden und dafür den Weg durch St. Gallen zu
nehmen. Die Compagnien waren diesmal nicht nur voll-
ständig, sondern, das Regiment besass 260 Überzählige.
Viele hatten schon den ersten dalmatinischen Zug mit-
gemacht, andere waren im Villmergerkriege beteiligt ge-
wesen, so dass nur die ganz Jüngsten zum erstenmal e
die Kriegswaffen trugen. Unter diesen wollte der Resi-
dent einige Knaben licensieren, aber er stiess auch dies-
mal auf solchen Widerstand, dass er sie mitziehen liess.
Zürich hatte auf Kosten Venedigs die Waffen vorher
reparieren und reinigen lassen, so dass die zürcherischen
Knechte, zum Teil auch wegen der bessern Bekleidung.
den gefälligeren Eindruck machten als die bernischen,
Stücke vor die Füsse mit den Worten : vous nie devez la vie, welches.
er dankbariieh annahm, und es freute mich, so schadenloss beendigt
zu haben."
Gabriel Weiss, Sohn des Samuel Weiss Albi, der als General-
auditeur und Präsident d^s Kriegsrates in Siebenbürgen gestorben,
studierte auf den Hochschulen von Basel und Paris, wurde Haupt-
mann in königlich schwedischen Diensteu. trat als solcher 1648 in
venetianische Dienste, avancierte 1651 zum Stadtmajor, erhielt 1656
die Laudvogtei Saanen. wurde nach der Entlassung seines Piegimentes
1660 Mitglied des kleinen Rates, Zeugherr, dann Oberkoinmandaut
der Waadt und 1678 Salzdirektor. Für die verfolgten Waldenser
im Piemont war er 1764 als Gesandter zum Herzog von Savoien ab-
geschickt worden und von 1759 — 65 hatte er die Aufbauung der Be-
festigungen von Aarburg besorgt.
Dekan Yenner führt in seinem Tagebuch au, da-~ Weiss aus
Dalmatien „eine Tochter aus der Türkei" als Magd heimführte, die
1652 im Münster getauft wurde. Patin war u. a. die Schultheissin.
(Gen*. Mitteilung des Herrn Prof. v. Mülinen.)
96
die ihre Ausrüstung aus den Zeughäusern gerade in dem
Zustand bezogen hatten, in welchem sie vor 10 Jahren
magaziniert wurden. Beim Eide schwuren Offiziere und
Soldaten, den Vorgesetzten und ihren Befehlshabern im
Felde und in der Garnison Treue zu leisten, von den
Fahnen nicht zu weichen bis in den Tod. auf Freundes
Land und Boden nichts zu beschädigen und die Gebühr
für Speise und Trank zu bezahlen, sich nicht ohne Be-
fehl des Obersten oder des Hauptmanns zu trennen,
sondern in Liebe und Leid getreu bei einander zu bleiben.
die heimlichen „Wortzeichen" niemand zu offenbaren
oder man sei dazu autorisiert, die Wacht richtig zu ver-
sehen und nicht zu verschlafen oder ungeheissen zu
verlassen, keine Fluchtversuche zu unternehmen, sondern
solche, die dessen willens sind, zu denunzieren, keine
heimlichen Versammlungen. Meuterei oder Anschlag zu
inscenieren ohne des Obersten oder des Hauptmanns
Mitwissen, nicht auf des Feindes Boden Häuser oder sonst
etwas in Brand zu stecken, ohne dafür Befehl zu er-
halten. Sie schwuren, mit einander friedlich und lieb-
reich zu leben, sich getreu und ehrlich zu verhalten, so
dass Venedig dadurch Vorteile geniesse, und Zürich mit
Bern wie die gesamte Nation Ehr. Lob und Ruhm davon-
tragen werden. Kurz, man schwur, alles das zu leisten, was
ein ehrlicher Soldat und Kriegsmann zu thun schuldig ist.1)
Am Sankt Markustage 1658 marschierten die drei
Zürchercompagnien aus der Limmatstadt. Weiss ritt auf
einem prächtigen Schimmel, den ihm der Resident kurz
vorher geschenkt. Viele Kilometer weit wurde die Truppe
vnii einigen Hundert'2) Frauen und Männern begleitet,
die ihren Gatten und Freunden noch schnell die Taschen
mit Geschenken füllten.
!) Deutsches Spruekbuch der Stadt Bern. SS.
2) Im Original 2000\ Bundesarchiv. Bd. 08, April 1658.
97
In Schwarzenbach musste der Oberst dem Vogt drei
Dukaten einhändigen. Derselbe fordert'' sogar, dass die
Wachen bezahlt werden, welche man für den Durch-
marsch des Regimentes aufstellte. Weiss fand, dass
dieses eine unter Freunden und Bundesverwandten un-
erhörte Forderung sei und ging nicht darauf ein. Der
Landvogt Hässy auf Iberg bei Lichtensteig, dem man
wegen seines Ansehens und aus Furcht, ihn zu belei-
digen, nichts anbot, erklärte dem Fähnrich des Obersten.
dass ihm billigerweise eine Dublone gebühre, die er dann
wirklich auch erhielt. Ähnlich erging es Weiss mit
dem Hofammann zu Nesslau und dem zu Wildhaus, die
jeder eine Silberkrone erhielten und bewirtet wurden.
Dasselbe Experiment wiederholte sich bei jeder durch-
ziehenden Compagnie, die laut Bündnis in täglichen Ab-
ständen voneinander marschierten. Alle wurden über
denselben Kamm geschoren.1) Gerne wäre man dem
kürzesten Wege über die Bernina nach Tirano gefolgt.
aber der hohe, weiche Schnee gestattete dies nicht und
deshalb rückte man von Thusis über den Splügen vor
gegen das Veltlin. Am 30. Mai traf Weiss mit seiner
Truppe in Venedig ein. wo ihm gleich ein Monatssold
verabfolgt wurde. Die Ankunft des prächtigen Schweizer-
regimentes wurde in Venedig wieder freudig begrüsst.
Einige meinten: „Gesegnet seien diese Völker, die uns
zuzuspringen einen so weiten Wey; reisen/' in Venedig
waren ebenfalls anwesend die (»bersten Büler von Solo-
thurn und Danse von Genf mit Ergänzungstruppen für
('andien. Darunter befanden sich auch viele Zürcher
und Berner in so elendem Zustande, dass sie Weiss gerne
in sein Regiment aufgenommen hätte: die Kapitulation
Hess es jedoch nicht zu.2)
]) Bern. Staatsarchiv, V. B.. B, 25. April, pag. 97.
*) Bern. Staatsarchiv. V. B.. ß. 30. Mai 117—120.
Archiv des histor. Vereins.
XV. Band. 1. Heft. '
98
Am 3, Juni erhob sich ein leichter Westwind, der
die verladene Mannschaft über den Golf von Trient
gegen Istrien trieb. Der Wind schlug aber gleich um.
ein kräftiger Südost kehrte die Segel und hemmte die
Fahrt so sehr, dass die Schiffe erst nach 22 Tagen in
Spalato die Anker auswarfen. Trotz der grossen Hitze
waren auf dem Meere nur 3 oder 4 gestorben. Die
Soldaten mussten vorläufig unter freiem Himmel schlafen,
weil die Kasernengebäude (case d'arme) und das Lazarett
alle in den Grund verdorben und derart zugerichtet
waren, als ob der Feind Tag und Nacht drin gehaust
hätte. Der Proveditor entschuldigte sich damit, von der
Ankunft des Regimentes nichts gewusst zu haben. Nun
ging's gleich an ein Räumen und Putzen, wo die Sol-
daten die Hauptarbeit leisteten, so dass nach 3 Tagen
die Quartiere bezogen werden konnten. Der General Gil
de Has, übergetretener Protestant, erwies sich als ein sehr
freundlicher Mann, so dass Weiss ohne Bangen in die
Zukunft blickte. Grosse Sorgen bereiteten ihm gleich seine
Leute durch das unmässige Trinken. Etliche büssten ihre
Excesse schon auf dem Krankenlager, wo sie aber dies-
mal gut gepflegt wurden, da es nicht so sehr an Feld-
scherern und Wundärzten mangelte wie vor 1(> Jahren.
Kaum hatte man die Gebäude wohnbar eingerichtet,
so mussten die Rüstungen zur Gegenwehr begonnen
werden, denn es hatte sich eine gegen Zara vor-
marschierende Türkenaliteilung von 8000 Mann er-
blicken lassen, und von einem bestochenen Boten des
Gesandten in Adrianopel war man berichtet, der Türke
treffe umfangreiche Vorbereitungen zu einem nächstens
stattfindenden Aufbruche. Der Vorstoss war aber viel
mehr gegen Morea und Candia gerichtet als gegen den
Westen der Balkanhalbinsel, wo nur hie und da kleinere
Streifcorps auftauchten.
99
Türken zeigten sich vorläufig keine mehr, wohl
aber stellte sich ein anderer, gefährlicherer Feind
ein. Die Soldaten erkrankten mit der anwachsenden
Hitze an Fiebern, ;un „roten Schaden"1) und an
der „Bräune", so dass bald gegen 800 darnieder-
lagen, von denen einige, mit ihnen der Hauptmann
Langhans, starben. Denselben ersetzte auf Vorschlag
des Generals und des Obersten der älteste und verdien-
teste Lieutenant. Wilhelm Berset. Weiss schilderte den
Zustand seines Regimentes während dieser Heimsuchungen
in folgender Weise:-) „Wie es uns vor 10 Jahren der
Enden ergangen, halten wir dissmahlen auch erfahren
müssen, da sobald wir unsere Quartier«' bezogen, das
ganze Regiment erkrankte und beinahe niemand leer
ausgegangen als ich, der durch die Gnad Gottes, dem
ichs allein zuschreibe, keine ungesunde Stunde gehabt
habe. Zu diesen verschiedenen Fiebern gesellte sich
noch eine verfluchte venerische Seuche, die unter den
Gemeinden abscheulich geraset und mehrere lebendig
verfault sind. Es fehlte uns an Ärzten und auch an
Pharmacie Mitteln, dieselben zu curieren, obschon Spa-
latro eine volkreiche, grosse Handelstatt ist. Die im
innern hin und her zerstreuten Ditachementer waren
noch übler daran als im Hauptquartier, man schien uns
ganz vergessen zu haben, und durch dringende Noth ge-
trieben waren wir offt gezwungen, mit Gewalt zu er-
halten, was man uns von Rechtswegen und Capitulations-
mässig schuldig war."
Im Februar 1659 wurden an die Schweizerregie-
rungen die ersten Klagen wegen der rückständigen Gelder
]) Diarrhöe.
Bern. Staatsarchiv, V. B. B, 117 und 131. Bundesarchiv, Bd. 68,
Ende August.
-) Berner Tascheuhueh 1*74 — 77. Biographie von Weiss, pag. 1*.
100
gerichtet. Weiss hatte sich schon nach Venedig begeben,
um mit Sollieitieren die Zahlung zu bewirken. Er wurde
;iber mit denselben Worten vertröstet, wie seiner Zeit
Werdtmüller. Dem Herzog konnte er sich nicht vor-
stellen, da dieser Unpässlichkeit vorschützte. Weiss ging
aber ganz energisch zu Werke und drohte, sofort abzu-
danken, wenn ihm nicht 50,000 Dukaten bewilligt wür-
den. Dies bewirkte, dass man ihm deren 10,000 ein-
händigte, wovon sich der Kaufherr freilich 3 U ° o Abzug
erlaubte, und ihm versprach, den Rest der Summe so-
fort nachfolgen zu lassen.1) Ganz unwillig über solche
Behandlung, schrieb Weiss im Mai an die Regierung in
Zürich : 2)
Aus oberzehltem werden Ew. Gnaden ab-
nemmen können wie dess Herrn Residenten Syncera-
tiones, gute wort und Vertröstung aussgeschlagen, wie
unser eyffer und angewandter kosten in der Werbung,
da wir 260 Mann über die Zahl, und ohne der Herr-
schaft entgelt unss nacher Brescen geliefert, die Reise
nacher Cataro, und dass wir auff freundliches ersuchen,
ohne einige Schuldigkeit allein der Herrschaft guten
willen und desto bessere Bezahlung zu erwerben. Völker
zum Schantzen gegeben, ausgenommen werden. Ich sage,
dass dieses alles allein mit höfflichen werten gerüemt.
aber in der that nit um ein har consideriert wirt. Es
geht alles dahin, dass dieser 12. artieul, der allein die
Bezahlungen Befordern kann, aussgemustert werde. Ich
aber geläbe der underthänigen und demüetigen Zuver-
sicht Ewe Gndn. werden nit gestaten, dass selbiges ge-
scheche, dann auff solchen fal ist keiner linder uns. der
ein stund lenger zu dienen begehre" . . .
*) Bern. Staatsarchiv, V. B., B, 185.
2) Bern. Staatsarchiv, V. B.. B, 167.
101
Als Zürich und Bern hierauf ein Mahnschreiben an
den Dogen adressierten, übergab dieser dem Oberst
weitere 10,000 Dukaten mit der Weisung, jetzt abzu-
reisen, damit die Soldaten auch einmal Geld sähen, der
liest werde dann auf den Galeeren folgen. Weiss ent-
gegnete, die Soldaten seien bis dahin noch immer be-
soldet worden, und zwar meistens aus den Privatmitteln
der Offiziere. Er wolle das Geld nicht nach Dalmatien
schleppen und dann mit Unkosten wieder nach Venedig
zurückspedieren, wo viele Schulden zu tilgen und neue
Einkauf«1 zu besorgen seien. Da wurde ihm obendrauf
noch verboten, in Italien Wein zu kaufen, der dieses
Jahr billiger war als der dalmatinische, nur damit man
bei dessen Einfuhr bündniswidrige Zölle erheben dürfe.
Als Weiss trotzdem seinen Aufenthalt in Venedig ver-
längerte, erhielt er die Weisung, sich abends auf die
Galeere zu begeben, wo das Geld bereit liege; es sei
zudem die höchste Zeit, wieder Dalmatien zuzusteuern,
denn im Regiment seien Unruhen ausgebrochen. Weiss
liess sich durch solche aus der Luft gegriffene Behaup-
tungen nicht blenden. Er bestand hartnäckig darauf,
sinne Abreise so lange hinauszuschieben, bis er das Geld
gesehen, und wie man ihn immer nur mit Worten ab-
speiste, begehrte er schliesslich den Abschied. Da be-
merkte ihm der Savio della Scrittura in schnippischer
Weise, er hätte sich gleich von Anfang an von dieser
Seite zeigen sollen, dann wäre das Regiment beizeiten
entlassen worden, überhaupt würde das beste sein, sie
wären gar nie gekommen. — Als man dem Oberst nun
doch 30,000 Dukaten vorspiegelte, fand er für gut, von
zwei Übeln das kleinere zu wählen und statt durch Ab-
dankung die Bezahlung der schuldigen Gelder für ewige
Zeiten hinauszuschieben, auf die Hälfte der Solde für
die Toten zu verzichten und obige Summe in Empfang
102
zu nehmen. Wie er aber zügreifen wollte, war ein Teil
davon schon wieder verschwunden* er erhielt nur 20,000
Dukaten und — des Regimentes Entlassung. l) Wider
verhoffen habe ich erst gestrigen tags vernommen," schrieb
der Oberst am 15. 25. September nach Zürich, -i ..das»
ich mit mynem Regiinente schon allbereit vor l<> oder
14 Tagen Licentiert und abgedanket bin. Ich kann nit
wüssen was syn mag, dass man mich so wenig geachtet
und solches vor mir verborgen. Unterdessen sind wir
alle der meinung dass der Dienst noch etwas wehren
werde in gräuliche kosten gerathen. In dem der eint
und ander under uns sich mit allerLey nothwendikeiten
versehen, welche sontst wohl hetten noch blyben können . . ."
Einige Jahre später sagte Weiss über den Grund
der Entlassung:3) „Die Uneinigkeiten der Regierung,
die Abänderung der- Kriegsumstände, die Verminderung
unserer Mannschafft und mein allzustrenges Sollecitieren
und Klagen wegen schlechtem Traktament und saum-
seliger Bezahlung haben so viel gewirkt, dass Sie mich
und mein Regiment aligedankt haben."
Am 3. Oktober 1660 sehen wir das Regiment in
Spalato zur Heimreise versammelt. Die Musterung durch
den General Bernardo ergab 826 Mann.4) Bevor der
stark decimierte Truppenkörper den Boden Dalmatiens
verliess. lief noch eine Galeere ein, die etwas weniger
als 10,000 Dukaten brachte. Nach Austeilung der Gelder
wurden am 22. Oktober die Segel gehisst. und nach
') Bern. Staatsarchiv, pag. 209.
-) Bern. Staatsarchiv, pag. 22Y
3) Berner Taschenbuch 1871— 77. Biographie von Weiss, pag. ID.
Eine fernere Ursache mag vielleicht auch diese sein, das?? die
Republik das Regiment entbehren kounte. -weil sie im Jahr 1660 eine
bedeutendere Unterstützung von Frankreich erhielt. (Leo. 678.)
4) Ausgezogen waren 1200 + 26»» = 1460 Mann. Differenz 640.
103
einer Fahrt von 10 Tagen fuhr man am 31. in den
Hafen der Lagunenstadt ein.
Hier begehrte Weiss völlige Tilgung der Schulden,
und als dies teilweise geschehen, kehrte die Truppe je
'2 Compagnien zusammen, weil sie jetzt fast die Hälfte
schwächer waren als im Auszuge, durch die Bündner-
berge zurück, und hielten Mitte Dezember ihren Einzug
in Zürich, wo man sie sehr wohlwollend empfing und
den Kranken und Schwachen sofort die nötige Pflege
angedeihen Hess. Dafür bedankte sich Bern in einem
Extraschreiben an die Bruderstadt.1)
Die Hauptleute hegten tiefen Groll gegen die Insel-
stadt, von der sie sowohl als auch noch die Offiziere des
ersten Regimentes den Rest der Solde zu fordern hatten.
Weiss meinte von diesem Zug:2) „Er ist nit köstlich
oder nutzlich gewesen, denn was hievor die Hauptmann-
schafft eingetragen, hat das Regiment verzehrt, zudem
dass ich zwischen zweyen Stühlen niedergesessen, indem
ich meine gute Landvogtey verlassen und des Regiments
beraubt wäre, so heilt oder morgen billich zur Nachricht
dienen soll : halte auch mehrere andere Verdriesslich-
keiten auszustehen gehabt, und weil ich die Betrüge-
reven eines Fournisseurs nicht begünstigen wollen, ist
er mein Feind geworden, hat mir geschadet, und es hat
viel Mühe gekostet, ihn zu überwinden, doch zuletzt ist
er behörig bestrafft worden."
\) Bern. Staatsarchiv, V. B., B, 295.
2I Berner Taschenbuch, pag. 19.
<3S>-<-
III. Lockerung des Bündnisses, Auflösung
und Erneuerung desselben 1661—1706.
1. Bewilligung eines neuen Regimentes.
Die Unterhandlungen dos Sultans mit Venedig
wurden im Herbst 16(32 durch eine Seeschlacht bei Kon.
wo die siegenden Venetianer reiche Beute davontrugen,
unterbrochen. Der Krieg, den die Türken gleich nach-
her im Frühling 166*3 gegen Ungarn begannen. Hess die
Republik neue Hoffnungen schöpfen: als dieser aber
nach der Sehlacht von St. Gotthardt durch einen uner-
warteten Frieden vom August 1664 endigte, suchten die
Venetianer vergebens auf die früheren, von der Pforte
gebotenen günstigeren Friedensbedingungen zurückzu-
kommen. Die Türken verlangten Abtretung der Insel
Suda, und da die Republik nicht einwilligte, wurde die
Fortsetzung des Krieges beschlossen.1)
Im Februar 1665 begehrte Venedig von Zürich und
Bern wieder den Aufbruch eines Regiments von 2000
Mann.2) Die Obersten Weiss und Merlot wurden von
Bern beordert, deswegen mjt clem Residenten Giavarino
in Zürich zu konferieren. Vorher wohnte Weiss einer
Sitzung des zürcherischen Rates bei. wo er des bestimm-
testen abriet. Venedig von neuem Truppen zu bewilligen,
') Leo, V, 673.
2) Bern. Staatsarchiv. V. B., B, pag. 1111.
105
denn sein Regiment sei in Dalmatien zu schändlich be-
handelt worden.1) Wenn Weiss vorläufig mit seiner
Stimme nicht durchdrang, indem der Rat aus bundes-
genössischer Bezeugung seiner hohen „Estime" für
Venedig in eine Kapitulation einwilligte, so wurde ihm
doch die Genugthuung zu teil, dass man dem Üesidenten
die Bedingungen schärfer und präciser stellte, als es
früher geschehen. Dies merkte der Resident auch gleich,
als ihm der Statthalter Grebel dieselben vorlas. Er
nannte sie überspannte Forderungen („esorbitanze ed
altissimi pretensioni"), hinaufgeschraubt durch die Bös-
artigkeit des Obersten Weiss, der in Bern an Kredit
und Autorität übermächtig, in diesem Geschäft über alles
Mass ungebildet sei und nach seinem Gutdünken verfahre.2)
Es scheint aber,3) der Resident habe doch einen ge-
wissen Respekt vor dem machtvollen Einliuss des Obersten
gehegt, denn er sandte ihm gleich nachher als Geschenke
Wein und Contitüre und trug ihm unter günstigen Be-
dingungen die Führung des Regimentes an, die derselbe
jedoch zurückwies.
Die Bedingungen (Rimostranze), welche die zwei
Städte dem Residenten stellten, waren in folgenden
Punkten bestimmt: 4)
1. Vor dem Abmarsch der Truppen soll an Zürich
und Bern eine Pension bezahlt werden.
2. Der Oberst und die Hauptleute sollen für die
üb erzähligen auch besoldet werden.4)
') Bern. Staatsarchiv, V. B., B, pag. 437. Kriegs-Rats-Manual 13,
pag. 143, 152, 174, 178: Schon im Berner Kriegs-Rat hatte er gegen
Lieferung von Truppen geeifert.
-) Bern. Staatsarchiv, V. B., B. pag. 441 f.
3) Bundesarchiv, Bd. 72, pag. 402.
4 ) Bern. Staatsarchiv, V. B., B, pag. 469. Bundesarchiv, Bd. 73,
pag. 23. Das letzte Mal geschah dies nur unter Androhung, dieselben
zu entlassen.
106
3. Vor der Ausrüstung dos Regiments werden die
Waffen in den Depots vermehrt, da die gegenwärtige
Anzahl eine ungenügende und noch nie ein Schweizer-
regiment unbewaffnet ausgezogen ist. Die Waffen müssen
in der Schweiz geschmiedet werden, denn die italienischen
sind zu leicht.
4. Jeder Ort. an den das Regiment hinkommt, muss
vorher in guten Zustand gesetzt werden, damit die
Truppen nicht erkranken wie das letzte Mal.
5. Oberst und Hauptleute sollen in Bezug auf die
Vorrechte, welche im Bündnis vorgeschrieben sind, aufs
beste gehalten werden, namentlich bei den Einkäufen.
ß. Venedig soll, falls eine der beiden Städte Krieg
führt, pünktlich ausführen, was darüber das Bündnis
vorschreibt.
7. Die Gelder, . welche Venedig den beiden Regi-
mentern noch schuldet, sind prompt zu bezahlen und all-
fällige Reste durch Assignaten zu sichern.
8. Wenn der Oberst oder die Hauptleute einen
Unterthanen Zürichs oder Berns unter fremden Offizieren
oder in der Galeere antreffen, so soll derselbe auf ihr
Ansuchen in Freiheit gesetzt werden.
Der Ambassador nahm diese Remonstranzen an, in-
dem er sich darüber an den Dogen äusserte: ..Wir
brauchen uns über diese Punkte nicht lange zu disku-
tieren, denn abgesehen von Punkt 3 können wir die
Regierungen mit guten Worten schon zufriedenstellen."
Der neue Oberst war schon erwählt in der Person des
Georg Werdtmüller, eines Verwandten des frühern Regi-
mentsobersten, einige ebenfalls schon ernannte Haupt-
leute und andere, die sicher auf ihre Ernennung zählten,1)
') Zürcher Staatsarchiv 214, Mappe li. Gewählt waren schon die
Hauptleute Berns: Gabriel v. Diesbach. Antonius Steiger. Johannes
Willading, Marquart Zehender, Hieronymus v. Grafenried. Laut Kriegs-
107
hatten schon ihre Leute angeworben, als Venedig Ende
April 1665 auf das Regiment Verzicht leistete. Das
offizielle Schreiben vom 12./22. April lautete in der an
Zürich übermittelten deutschen Übersetzung: l) Die-
weil demnach sich eine zimmliche Zvtt verloffen in er-
örtemng der vorgefallenen bedenckhen wider alles ver-
hoffen, die Werbung Selbsten betreffent unt inzwüschent
Dalmatia änderst woher nach noth durfft versehen worden
dan es keinen Verzug erlyden mögen: Erklährt sich myn
Fürst, dass Er allein bei sich halte ein sonderbare und
grosse Obligation, gegen beiden Löbl. Stätten und Ständen
wegen der Bewilligung und ufrichtig geneigt syge, sich
deren zu bedienen In aller Begebenheit, in dem Ver-
trauen by gleichen anlassen sich auch glyche gut Willig-
keit ihrsvts erzeigen werde.
Unterdessen ergreifen ich mit gantzem Herzen die
gelegenheit Ihr Hochgeacht. Herrl*. mit diesem zu ehren."
Der Gesandte sah das Motiv der Verzichtleistung
in dein Eigennutz der beiden Städte, Weiss aber führte
einen andern Grund an:2)
„In Erinnerung der schlechten Satisfaktion, sowohl
gegen die Obrigkeiten, als auch fürnenimlich gegen die
Officiers in vorigen beyden Zügen ist aus dieser Werbung
nichts worden: wozu ich das meinige boygetragen, ob-
schon der Herr Resident mir dieses Regiment im ge-
heimen mit einem schönen Gehalt angetragen : Es konnte
mir aber nicht mehr anstehen."
Rats-Manual XIII. 143. wurden die Ärzte angefragt, wie sich die nach
Dalmatien ziehenden Truppen am besten schützen könnten gegi'n
..Haubtweh, Brüui und rohter rühr".
') Bern. Staatsarchiv. V. B.. B. 477.
*) Bern. Taschenbuch, pag. 25.
108
2. Aufhebung' des Bündnisses im Jahre 1681.
Der Türkenkrieg, den Venedig hauptsächlich in
Candien auszufechten hatte, fand nach mehr als zwanzig
Jahren 1669 seinen Abschluss, wobei Venedig die
Insel bis auf drei Häfen dem Sultan abtrat. Von jetzt
an erfreute sich die Republik für einige Jahre der Ruhe,
die auch von anderen Mächten nicht schien gestört zu
werden. Osterreich war mit der ungarischen Angelegen-
heit beschäftigt, und Ludwig XIV., der auf dem Gipfel
seines Ruhmes stand, war auch nicht geneigt, dem Feinde
des Mailänders Schaden zuzufügen.1) Nachdem so einige
Jahre des Friedens verstrichen waren und am politischen
Horizont keine drohenden Wolken heraufzogen, glaubte
der Doge die Zeit für gekommen, einige Ersparnisse zu
machen und das Bündnis mit Zürich und Bern, das ihn
jährlich 8000 Dukaten kostete, aufzulösen. Er durfte
sich aber nicht den Anschein geben, als ob er allein
eine Auflösung wünsche, und deshalb sucht«1 er eine
Verlängerung des Bündnisses an Bedingungen zu knüpfen,
von denen er vielleicht wusste, dass sie nicht angenommen
werden. Im Jahre 1676 war der Bund zum fünftenmal
abgelaufen und nun verlangte Venedig, dass bei der Er-
neuerung hauptsächlich folgende zwei Punkte reguliert
würden.2) Erstens sollten nicht nur die Gelder, welche
den beiden Städten bei einer an sie gerichteten Kriegs-
erklärung zu bezahlen wären, vermindert werden, sondern
zweitens auch die Pensionen, und dies im Interesse der
beiden Verbündeten, damit sie desto rascher und promp-
ter bezahlt würden. Zürich und Bern wollten aber be-
treffs des Bündnisses beim Alten verbleiben, und sie
zogen die Unterhandlungen so lange hinaus, bis Venedig
'.) Leo, V, 678.
-) Bern. Staatsarchiv, V. B., B, August 167(1
109
anno losl behauptete, das Bündnis schon im Jahr 1676
gekündigt zu haben, weshalb man die Pensionen nur
bis zu jenem Zeitpunkte entrichte]] könne. Die beiden
Städte beriefen sich aber auf Briefe dos Residenten, die
immer nur von Umänderungen und Anpassung der
Bündnisparagraphen an die neuen Verhältnisse handelten,
aber niemals von Aufhebung, so dass Venedig die Pen-
sionen bis zum Jahr 1681 nachtragen musste. Damit
war das Bündnis aufgelöst, aber der Doge wünschte
gleichwohl, dass die gegenseitige Affektion und Freund-
schaft noch weiter bestehen möchte:1) „Inzwüschen
werden wir nit unterlassen, dieselben unser Fründscbafft
und Hochschezung zu versichern, welche wir wegen dero
Verdienst Erhalten werdent, und wüntschet die gute
Verstendnus Je mehr und mehr steiff zu setzen mit
solcher Intention, so wir denselben schon zu mehrmalen
bedeutet, und derselben auch in allen begebenheiten zu
erkennen zugeben unser Dankbarkeit, so wie alzeit in
früscher gedachtnus halten werdend" . . . 22. Febr. 1681.
Der Bund Venedigs mit Zürich und Bern war auf-
gelöst. Um so enger suchte sich die Marcostadt den
') Bern. Staatsarchiv. V. B.. B. ööl f.
Nach Leo, V, pag. 709: Im Januar 1699 schloss dann Venedig
mit den Türken Frieden, der dem Sultan das Land zwischen Gabella
und Castelnuovo zusprach, so dass das venetianische Morea bei
llexamilon abgegrenzt wurde, die Yenetianer Lepanto zu räumen.
Prevesa und die Schlösser der Dardanellen am Meerbusen von Le-
panto zu schleifen und von den Inseln des Archipels alle, die vor
dem Kriege türkisch waren, zurückzugeben hatten, alle, die venetia-
üisch waren, behielten. Die Tributzahlungen für Zante hörten aut:
die dalmatinische Grenzlinie wurde auf dem Gebirge östlich von
Knin, Yerlica. Sigu, Delovar. Zadoar und Vergorac bis Gabella ge-
zogen. Cattaro blieb den Venetianern, die Gefangenen wurden aus-
getauscht und beiden Teilen das Recht zugestanden, die Festen, in
deren Besitz «ie blieben, zu verbessern.
110
katholischen Schweizern anzuschmiegen. Schon zu Anfang
der sechziger Jahre standen Truppen ans den ennet-
birgischen Vogteien und des Fürstabtes von St. (lallen
in venetianischem Solde, und jetzt bedurfte man ihrer
um so mehr, als es galt, auf allen Punkten gegen den
zurückweichenden Sultan vorzurücken. Als die Türken
1683 unter den Mauern Wiens dem wuchtigen Anprall
ihrer Gegner unterlagen, wurde sogleich ein Bund ge-
schlossen zwischen dem Kaiser Leopold L. dem Polen
Sobieski, dem Papst Innocenz XI. und Venedig, mit dem
Zwecke die Türken vollends aus ihren neuen Besitzungen
herauszutreiben. Auf der ganzen Linie von Ungarn bis
hinunter nach Morea entbrannte der Kampf von neuem.
Die türkischen Scharen erlitten eine Schlappe nach der
andern. Binnen wenigen Monaten bedrohten die vene-
tianischen Bomben -die Akropolis.
Die katholischen Kantone lieferten ganz bedeutende
Truppenkontingente, von denen nur kümmerliche Beste
den heimatlichen Boden wiedersahen. So stund unter
dem Oberst von Roll aus Solothurn ein Regiment von
2400 Mann, von dem nur \\a den Kriegsgreueln und
den epidemischen Krankheiten entrann. Im Jahr 1688
beschloss die Konferenz der katholischen Orte in Luzern
mit dem Abte von St. Gallen, dem venetianischen
Sekretär Hieronymus Squadroni ein Regiment von
3200 Mann für Morea zu bewilligen. Befehligt wurde
es von Sebastian Schmid von Uri und nach dessen Tode
vom Schwyzer Heller. Auch diese Truppe lieferte türki-
sches Säbelfutter, und die Überlebenden erlitten eine so
schmähliche Behandlung, dass die interessierten Schweizer
Regierungen zweimal den Papst ersuchten, er möchte
bei Venedig die Entlassung des „überbliben Völklins"
erwirken, und Heller nach seiner Heimkunft vor Gericht
gestellt wurde. Von den 218 Mann der mitbeteiligten
111
stiftsanktgallischen Compagnie kehrte nur ein Dutzend
mit dem geretteten Fähnlein zurück.1)
3. Wiederaufnahme der Verhandlungen bis zur
Erneuerung des Bündnisses.
20 Jahre waren seit dem Abbruch der venetianischen
Beziehungen mit den beiden Städten verstrichen, als im
Februar 1701 der Resident Vendramino Bianchi aus Mai-
land die Städte Zürich und Bern um 2 Regimenter Kriegs-
volk von je looo Mann ersuchte.2) Wie gewöhnlich hielten
auch diesmal die Räte Beratungen über das Ansuchen
und teilten sich dann gegenseitig das Resultat derselben
mit. Bern schrieb an Zürich:") „Nachdemm Wir auss
Euwer Unser Y. L. A. E. schreiben vom 16ten currents
des mehreren ersehen, wasgestalten Ihr. wegen ambegehrt-
Venetianischer Volks-Werbung nicht allein unser gut-
achten. sondern auch die continuation hierüber ver-
pflogener-Correspondenz zuvernemmen verlangten, über
•'inige Pündtnuss aufzurichten sein, und unter was für
einer Capitulation die Völker zu stehen kommen möchten?
also haben wir nicht ermangeln lassen, in unserer
heutigen grossen Rhatsversämmlung hierüber reiflich zu
reflektieren da unss ein gegenwärtig-missliche conjunk-
turen, wegen der Sachen zweifelhaften aussschlag so be-
denklich anscheinen, dass wir uns zu einigen volksauff-
bruch bey jezigen zeit löuffen gar nit verstehen könten:
in mässen Wir unsere hierum waltenden reflexiones auf
r) Nach Leu und Dr. Hanf : Eine stiftsanktsallische Compagnie
in venetiani3chem Kriegsdienst.
■) Bern. Staatsarchiv, V. 11, B, 687 — 95.
:i) Bern. Staatsarchiv, V. B., B, 697.
112
berufend-Arauischer Conferenz ausführlich in freündt.
Eydtgen11. Vertrauen eröfnen lassen" . . .
Auf der Aarauer Zusammenkunft im März wurde
beschlossen, keinen Volksaufbruch zu gestatten, welche
Entscheidung dem Ambassador in folgender Form über-
reicht wurde:1) „Weil Wir in der ungewüssheit wo das
Trüebe Wätter seinen aussbruch nemmen möchte, in
nicht minderen gefahren alls Hochermelte Herrschafft
selbsten stehen, so könten wir unss an volk nicht wohl
entkräfften, umb so da weniger weilen darmit andern
potenzen sehr bedenklicher anlaass gegeben würde, gleich
volksuffbruch zubegehren , wardurch man dann unser
Land und Volk all zu vill entblössen, und selbst in für-
brächendem nothfall zu eignem Schirmb desto minder
bytragen könnte : danebent sich die Sachen sint jüngster
Arauischer Conferenz nicht gebessert, sondern villmehr
zu einem offenbahren aussbruch des Krieges an Zu
Zetlen scheinen, dessetwegen wann zwo Kriegende Armees
im und gegen dem Meyländischen wider ananderem zu
fehl liegen möchtend, unsere volkshilffe den pass gegen
den Meyländischen nirgends zufinden hette" . . .
Im April 1705 schickt«1 der Doge einen Gesandten
nach Zürich, damit er im Rate das aufgehobene Bündnis
wieder zur Sprache bringe. In welcher ungewöhnlichen
Hochhaltung, so lauteten ungefähr seine Worte,2) die
Herrschaft Venedig diese mächtigen „Republicc" zu jeder
Zeit gehalten, und wie gross das gegenseitige Wohlwollen
und die gepflogenen Korrespondenzen gewesen, geben
die vor langer Zeit aufgerichteten und aufrecht er-
haltenen Bündnisse und Allianzen deutlich zu verstehen,
besonders aber diejenigen, welche Venedig mit den beiden
!) Bern. Staatsarchiv, V. B., B. 706.
-) Bern. Staatsarchiv, V. B.. B. 747.
IIB
Städten Zürich und Bern einging. Dazu stimmen nicht
weniger die geleisteten Kriegsdienste, in denen sich so-
wohl verschiedene Offiziere wie gemeine Soldaten dieser
herzhaften Nation wider den gemeinsamen Feind der
Christenheit signalisiert und ewigen Ruhm erworben
haben. < Ibwohl nun der venetianische Senat eine Zeit
lang keinen Residenten in der Schweiz gehalten habe.
so sei doch die Hochschätzung und Liebe nicht erkaltet,
sondern vielmehr mit einem von Asche überstreuten
Feuer zu vergleichen. Diese glimmende Lohe werde
nun in so hellen Flammen aullodern, dass jedermann die
Liebe und Hochhaltung Venedigs leicht erkennen müs^e.
In diesen misslichen Zeiten, die allen aufs beste bekannt
seien, habe die Republik für weise gefunden, den Bund
mit den beiden Städten zu renovieren, deren Macht und
Fürsicht in der ganzen Welt bekannt seien. Dieser
Entschluss sei um so eher zu applaudieren, da er zur
Erhaltung der gegenseitigen Republiken heilsam wirken
werde. Dieses möge als Hauptursache seines Erscheinens
gelten.
Der Resident erhielt zur Antwort, dass man Venedigs
Ansuchen um Freundschaft gefällig annehme, dass aber
auf einer zwischen beiden Städten zu vereinbarenden
Konferenz die Proposition näher beleuchtet werden müsse.
Von Bern wurde dafür der 3. Juni vorgeschlagen, und da
sich der Resident extra dorthin bemühte, wurde der
Vorschlag, in Aarau eine Zusammenkunft zu veranstalten,
angenommen. Am Konferenztage J) wurde nun in erster
Linie das alte Bündnis und das vom Residenten am
24. Mai eingereichte Memorial abgelesen, worauf die
Delegierten beider Orte ihre Ansichten äusserten. Für
eine Erneueruns: des Bündnisses sprachen das Interesse
l) Eidg. Abschiede, A. VI 2, pag. 1233.
Archiv des histor. Vereins.
XV. Band. 1. Heft.
114
freier Staaten , sich gegen monarchische Gewalt zu
schützen, der unbestreitbare Nutzen, den diese Allianz
den Vorfahren gebracht hatte, und die Neutralität
Venedigs, welche die Eidgenossenschaft nur zu defensiver
Hülfe verbinden würde. Als Gegenansichten waren nicht
zu übersehen die mit der Bundeserneuerung notwendig
verbundene Aushebung, die gegenwärtige „Kriegswufc"
in Italien, die Missverständnisse im eigenen Vaterland«'.
vorab das Toggenburgergeschäft und die wieder begin-
nenden Remonstrationen der fremden Gesandten. Bei
der Beratung erörterte der venetianische Ambassador
auch persönlich, in welchem Sinn die Artikel 2, 3. 9
und 19 des alten Bundes umgeformt werden sollten,
während man die übrigen Bestimmungen mit unbedeu-
tenden Veränderungen belassen dürfe.
Im Juli verlangt«' der Resident mit Nachdruck von
Zürich eine endliche positive Erklärung, ob man auf das
Bündnis eintreten wolle oder nicht ; x) Bern habe auf den
ersten Antrag guten und geneigten Willen gezeigt; bei
längerem Verschieben fürchte er, von seiner Regierung
einen derben Verweis wegen unnütz verlorner Zeit, allzu
grosser Leichtgläubigkeit und unrichtiger Berichter-
stattung zu erhalten. Zürich entgegnete darauf, es heg«
keine Bedenken gegen den Bund selbst, wohl aber gegen
den damit verknüpften Volksaufbruch, da die Zustände
in Italien und die Zwistigkeiten im Vaterlande zur Vor-
sicht mahnen. Man müsse für die Aushebungen gewisse
Vorbehalte gemäss den Situationen in und ausser dem
Lande treffen. Demnach entwarf nun der zürcherische
Rat das Bündnis und die Kapitulation und schickte die-
selben nach Bern, wo am Rande die Abänderungsanträge
hingesetzt wurden. Auf einer Konferenz zu Baden
1 ) Eidg. Abschiede, A, VI 2, pag. 1253.
115
einigten sich die beiden Städte über das Projekt, worauf
die Zürcher Abgeordneten auf der Heimreise dasselbe
dem Residenten Bianchi zur Prüfung unterbreiteten.
Am 6. August fand darüber in Weiningen eine einläss-
liche Besprechung statt, wo mau sich gegenseitig in der
Bestimmung der Artikel näher rückte und die noch zu
diskutierenden Punkte ad referendum nahm.
Je mehr sich das Bündnis dem Abschluss näherte,
desto kräftiger arbeiteten die fremden Gesandten dem-
selben entgegen.1) Schweizerische Offiziere in französi-
schen und holländischen Diensten schrieben an ihre
Freunde in den Räten, sich doch ja nicht in dieses
Bündnis einzulassen, da ihnen dadurch die Truppen-
aushebungen erschwert würden. Der französische Ge-
sandte liess durch seinen Sekretär einen Brief an die
Zürcher richten, worin er sich äusserte : 2) Er vernehme
J) Bundesarchiv. Bd. 84, pag. 271.
-) Bundesarchiv, Bd. 84, pag. 274.
rJ?appreus avec beaueoup d:etonnement que vous etes dans la
resolution d'aecorder des troupes ä la Republique de Venise rualgre
celle ijue vous aviez prise de iren aecorder ä aueune puissaace
etrangere pendant le cours de cette guerre, et rualgre la declaration
que vous en aviez donnee. J'apprends meine que vous vous etes
determines ä aeeepter une capitulation bieu ioferieure ä celle que
le Roi mon maitre a aecordee aus troupes de votre nation qui ont
l'homieur d'etre ä son service. — Vous vous souvenez saus doute
que vous aviez refuse d'aecorder les levees que Sa Majeste vous a
demandees et cela sous le pretexte de n'eu vouloir aecorder a aueune
Puissance. Ainsi vous devez avouer que Sa Majeste saura bien que
penser de la demarche que vous semblez vouloir faire. Vous savez
le besoin que le Roy a de faire toutes les annees des recrues en
Suisse. Sa Majeste peut meine vouloir y demander de nouvelles
levees : ce sont les seules raisons qui nr engagent ä desirer que vous
n'aecordiez point les troupes qui vous sont demandees par la Re-
publique de Venise; mais si contre votre politique et vos resolution*
vous lui en aecordiez, je nie Hatte que vous feriez la meme chose
pour les levees que je pourrais vous demander pour le service du
116
mit grossem Erstaunen, dass man mit Venedig über den
Abschluss einer Kapitulation zu ungünstigeren Bedin-
gungen verhandle, als die vom König früher anerbotenen
und von Zürich abgelehnten. Den Aufbruch habe Zürich
abgeschlagen unter der Vorgabe, dass keiner Macht ein
solcher gewährt werde. Daher verlange er. dass auf das
Gesuch Venedigs nicht eingetreten oder aber dann auch
dem Könige Volk bewilligt werde.
An den französischen Gesandten erging folgendes
Antwortschreiben:1) „Da wir durch die Gnade Gottes
eine freie, anabhängige Republik sind, besitzen wir das
Recht. Defensivbündnisse abzuschließen, laut den öffent-
lichen Erklärungen, welche die löblichen Kantone schon
öfters, besonders im Jahr 1663 Ihrer Excellenz schrift-
lich eingaben. Bis heute wurden von Venedig noch
keine Truppen, sondern nur Erneuerung des Bündnisses
verlangt. Werden wir um Truppen angehalten, so werden
wir dieselben als einem neutralen Staate gewahren, nicht
aber andern Machten, die in diesen Krieg verwickelt
sind. Damit Verstössen wir uns nicht im geringsten
gegen den ewigen Frieden und gegen die Bündnisse.
die mit Frankreich abgeschlossen wurden."
Von nun an trat der französische Gesandte nicht
mehr öffentlich auf. sondern wühlte in geheimen Maul-
wurfsgängen gegen die geplanten venetianischen Truppen-
werbungen.
Unterdessen war man in der Bündnisangelegen-
heit um einen Schritt weiter gegangen. Am 28. Sep-
Roi et ä la meine solde que celle dout vous convieudrez avec les
Venetiens. Je vous prie de me faire savoir incessauimeut vos inten-
tions sur Je contenue de cette lettre, afin que j'en puisse rendre
compte au Roi et que S. M. puisse prendre les resolutions qu'Elle
croira convenables au bieu de son Service. Je prie Dieu de . . ."
r) Buudesarchiv, Bd. 84, 22. August 1705, italienisch.
117
tember1) eröffneten beide Stände in Aarau ihre gleich-
lautenden Instruktionen, worauf der Resident in Bezug
auf 11 Artikel Gegenbemerkungen und abweichende
Vorschläge vorbrachte. Diese betraten namentlich die
Tarifierung der zur Zahlung der Truppen zu ver-
wendenden Geldsorten und ihre Specifikation. Zürich
und Bern hatten gefunden, dass nichts so beständig sei,
wie die Unbeständigkeit im Auf- und Abschlage der
Gelder. Darin sollten in Zukunft Streithändel zwischen
den Offizieren und den Kommissären vermieden werden.
Dann verlangte der Resident von den Hauptleuten Kaution
für die vorgesehenen Werbegelder und sprach sich noch
über die Erwirkung des Durchpasses durch Bünden aus.
Da die Gesandten von ihren Instruktionen nicht ab-
weichen konnten, Hessen sie die beanstandeten Punkte
ihrer Obrigkeit durch Fussboten unterbreiten, und obwohl
diese mit denselben Instruktionen zurückkehrten, wurde
in der Schlussberatung vom 1. Oktober der Entwurf
unter Vorbehalt gegenseitiger Ratifikation mit allseitiger
Zustimmung angenommen. Zürich und Bern behielten
sich aber ausdrücklich vor, von Truppenwerbungen so
lange abzusehen, bis die innern Zwistigkeiten in der
Eidgenossenschaft beigelegt seien.
1. Das erneuerte Bündnis.2)
Die Grundlage zu diesem in 28 Artikeln niederge-
legten Bündnisse bildete das frühere vom (J. März 1615.
In folgenden Bestimmungen weicht es aber von dem-
selben ab :
1) Eidg. Abschiede, A, VI 2, pag. 1262.
2) Eidg. Abschiede, B, VI 2, pag. 2312. Bern. Staatsarchiv, V.
B., B, pag. 1019.
118
2. Wenn die Herrschaft Venedig in Krieg oder in
Kriegsgefahr gerät und von den beiden Städten Hülfe
begehrt, so sollen für den Feld- und Garnisonsdienst
ein Corps von 4000 Freiwilligen in 2 Regimentern oder
nur 2000 Mann unter einem Oberst ausgehoben werden.
Stehen die beiden Städte in drohender Gefahr, so dürfen
die schon geworbenen Trappen ins Vaterland zurück-
kehren. Jede Compagnie soll 200 Mann stark sein und
unter dem Kommando von 1 Hauptmann und 2 Lieute-
nants stehen. In der Zahl 200 sind mit diesen Offizieren
einbegriffen ] Fähnrich. 4 Wachtmeister. „4 Unteroffiziere 'S
6 Korporale. 6 Gefreite. 4 Trommler, 1 Trompeter und
1 Feldscher mit seinen Trabanten.
3. Jedem Hauptmann werden gegen zu leistende
Bürgschaft vor dem Abmarsch 533 spanische Dublonen
für seine Compagnie bezahlt. Diese Summe soll nach
einem Jahr in monatlichen Raten von 30 Dublonen zu-
rückerstattet werden. Fehlen bei der ersten oder bei
den nachfolgenden Musterungen Soldaten, so wird dem
Hauptmann für jeden monatlich l1 % spanische Dublone
= 1 venetianisches Pfund abgezogen.
4. Die Truppen dürfen, solange die Gebirgspässe
durch Schnee versperrt sind, nicht entlassen werden.
5. Stehen die Truppen einmal in venetianischen
Diensten, so verbleiben sie dort 3 Jahre und dürfen
während dieser Zeit nicht licensiert werden.
(i. Im Feldlager dürfen die Regimenter nach heutiger
Kriegsführung in Bataillone getrennt werden, in der
Garnison aber darf nur compagnieweise Trennung vor-
genommen werden.
8. Für den Heimzug von der Grenze an werden
jeder Compagnie 30 Tagessolde bezahlt. Bis zu den
bündnerischen Grenzen sollen die Truppe mit aller Sicher-
119
heit begleitet, die Kranken und der Hausrat der Offiziere
kostenfrei auf Wagen spediert werden.
9; Die Mannschaft soll mit Gewehren, Bajonetten
und Bandelieren ausgerüstet sein; den beiden Städten
steht es frei, die Truppen selbst auf diese Weise zu be-
waffnen oder sie von Venedig ausrüsten zu lassen, in
welchem Fall dann den einzelnen Soldaten für die Ab-
nutzung der Waffen monatlich 5 venetianische Soldi ab-
gezogen werden. Jede Compagnie erhält 833 Dublonen
per Monat, der Oberst deren 145. die Dublone = 29
venetianische Pfund.1) Zählt eine Compagnie bis 220
Mann, so soll den Überzähligen, wenn es wirklich Eid-
genossen sind, je l1/:-) Dublone als Sold entrichtet werden.
Ist der Effektivbestand unter 175 Mann, so verliert der
Hauptmann monatlich 20 und bei einer geringeren Zahl
als 165 40 Dublonen, „Kraut" und Lot wird gratis
geliefert. Wird die Compagnie durch eine Schlacht
oder durch grassierende Krankheiten geschwächt, so
sollen die Hauptleute 2 Monate lang nach der letzten
Musterung besoldet werden, damit sie die Ergänzung
der Mannschaft um so eher vornehmen können.
10. Ein Lokal für den Gottesdienst und ehrliches
Begräbnis werden zugesichert.
11. Den reformierten Feldpredigern ist es gestattet,
die Kranken ohne Störung zu besuchen und zu trösten,
und niemand darf diese von ihrer Religion abwendig
machen.
*) Italienische Dublone = 28 italienische U -f 10 Soldi.
Zechine = 17 italienische U.
Jährlicher Dukaten oder Hungarus = 16 italienische «.
Scutus oder Silberkrone = 9 italienische U -\- 12 Soldi.
Schilling oder venetianischer Dukaten = 8 italienische ü
+ 10 Soldi.
Laufender Dukaten = 6 italienische U -\- 4 Soldi.
120
13. Die Hauptleute bestimmen von sich aus ihre
subalternen Offiziere, unter der Bedingung, dass sie da-
zu tüchtige angesessene Zürcher und Berner und nicht
Fremde ernennen.
14. Es steht den Compagnien frei, einen Marketender
aus ihrer Mitte zu erwählen, der aller Auflagen und
Zölle befreit ist. In der Garnison alter hat er sich der
Zollerstattung wegen mit den Einnehmern oder Befehls-
habern der Herrschaft zu vergleichen. Doch darf er
die Lebensmittel nur eidgenössischen Soldaten verkaufen.
19. Venedig gewährt während der Dauer des Bünd-
nisses, vom Tage der Ratifikation an gerechnet, jeder
Stadt eine jährliche Pension von 711 Dublonen.
Der Artikel 26 wurde in drei Paragraphen zerlegt und
mit dem Zusatz versehen, dass das Bündnis für 12 Jahre
gelte, und dass Zürich und Bern mit Venedig den Durch-
pass durch Bünden erwirken sollen.
5. Solemnisation und Schluss.
Die zuerst auf den 7. Januar 1706 festgesetzte Be-
schwörung des Bündnisses beider Städte mit Venedig
musste wegen verspäteten Einganges der italienischen
Briefe auf den 12. verschoben werden. Nach Ankunft
der bernischen Gesandtschaft *) wurde am 11. Januar
in der ersten Konferenz der beiden Städte das Bündnis
abgelesen und genehmigt und dabei die Wahrnehmung
') Von Bern waren abgeordnet: Job. Rud. Sinner. alt Schult-
heis: Job. Friedr. Willading. alt Fenner, Herr in T'rtenen und Mad-
stetten; Franz Emanuel v. Bonstetten. alt Kommandant von Aarburg,
und Job. Heinrieb Steiger, alt Schultheis» von Burgdorf, alle Mit-
glieder des grossen und kleinen Rates.
Eidg. Abschiede. A. VI 2. pag. 1281 f. Bern. Staatsarchiv, V. B.,
B, 1047 f. Bundesarcbiv. Bd. 84. pag. 451 f.
121
gemacht, dass das lateinische Instrument im Widerspruch
mit dem letzten Abschied von Aarau im Artikel 14 des
Kommissbrotes nicht gedenke, während eine bezügliche
Bestimmung im deutschen Text enthalten sei. Darüber
gab der venetianische Resident noch am gleichen Tage
die schriftliche Erklärung ab, er wäre gerne bereit, dem
Worte1 „utensilium" beizufügen „et panis", wenn es in
der vorliegenden Originalausfertigung noch statthaft
wäre. Er gab aber die Versicherung, dass die schwei-
zerischen Soldaten hinsichtlich des Brotes den andern
gleichgehalten werden. So liess man es bei dieser Er-
klärung bewenden. Hierauf wurde das für die Bundes-
beschwörung nach dem Vorgang von Ulis entworfene
Ceremonial verlesen und genehmigt. Um allen Inkon-
venienzen vorzubeugen, wurde Stadthauptmann Escher
beauftragt, die Wachen um 100 Mann zu verstärken.
Die Feierlichkeit begann Dienstag den 12. mit einem
Zusammenläuten aller Kirchen. Schon am 7. Januar
waren die bernischen Gesandten mit Comite und Diener-
schaft auf 40 Pferden durch eine „unglaubliche" Menge
Zuschauer in Zürich eingeritten. Im Gasthof zum Schwert
wurden sie nun abgeholt und zuerst ins Grossmünster
geführt, dann ins Versammlungslokal des kleinen und
grossen Rates begleitet. Eine gleich starke Abteilung
ging auch mit dem Residenten durch das Wollishofer-
thor und den Fraumünsterplatz auf das Rathaus. In
der Stube der Räte und Burger wurden der Resident
zur Rechten und die Berner Gesandten zur Linken des
Bürgermeisters Escher in gleicher Linie mit ihm placiert.
Auch das Gefolge wurde, soweit es Livreen trug, in die
grosse Ratsstube eingelassen; die Vertreter des berni-
schen grossen Rates erhielten Sitzplätze, die andern
nmssten stehen. Neben dem Residenten stand sein Dol-
metsch und neben den Gesandten Berns ihr Sekretär.
122
Ratschreiber Gross. Der Bürgermeister erhob sich nun
und hielt ungefähr folgenden Vortrag : Als auf den leidigen
Sündenfall alle Geschöpfe Gottes Feinde des undankbaren
Menschen und homo homini Lupus geworden, hat der
grimmige Menschenfeind zwei seiner Boten, den Ehrgeiz
und die Missgunst, in die Welt gesandt, welche die
Menschenkinder so sehr hintereinander gehetzt, dass einer
den andern zu beherrschen und zu unterdrücken suchte.
bis endlich Nimrod, der gewaltige Jäger, den Grund zur
Manierlichkeit legte. Unter dieser Sklaverei seufzten
nun die meisten Staaten, und darum müssen diejenigen,
welche noch in Freiheit leben, auf ihrer Hut stellen und
den Spruch zu verwirklichen suchen, dass homo homini
deus est. wozu der Abschluss von Defensivtraktaten ein
treffliches Mittel ist. Dieser Staatsmaxime haben die
Herrschaft Venedig.. und Zürich mit Bern von jeher ge-
huldigt und schon am 2. April 1618 einen Bund be-
schworen, der jetzt in Anpassung an die gegenwärtigen
Verhältnisse erneuert wurde und heute beschworen
werden soll. — Nach dieser Hede, die dem Residenten
sofort ins Italienische übertragen wurde, fragte der
Bürgermeister an. was die anwesende Gesandtschaft
dieses Geschäftes halber vorzubringen habe. Hierauf
liess \ endramino Bianchi seine Vollmacht vorlesen, worin
es unter anderm hiess : . . . ..Wir versprechen bei
unserer wahren fürstlichen Treue und Glauben, alles,
was unser Gesandter des Bündnisses wegen thiin und
vollziehen wird, zu bestätigen, zu ratifizieren und gut
zu heissen. unverbrüchlich zu halten und zu beobachten.
ohne dawider zu handeln, noch zu gestatten, dass dawider
auf irgend eine Weise gehandelt werde"' . . . Dann hielt er
in Messendem, elegantem Stil, der den venetianischen Resi-
denten des 17. Jahrhunderts eigen ist. eine Proposition,
worin er ausführte, dass es eine grosse Wohlthat Gottes
123
sei, wenn ei" einem Staat nicht nur Land und Leute,
sondern die gerechteste, beständigste und vollkommenste
Regierungsform gebe, welche allein die Republik sei.
Wenn aber der Allerhöchste die Regierung eines solchen
Staates dem freien Willen der Glieder desselben über-
lasse, so sei es wiederum eine grosse Wohlthat. wenn
er ihnen die Liebe zum Frieden und zur Vereinigung
einflösse. Diese Gleichheit der Regierungsform und diese
Liebe zum Frieden machen eine Verbindung der Herr-
schaft Venedig und der Republiken Zürich und Hern zu
einer gaitz natürlichen, und es sei zu erwarten, dass
Gottes Segen darauf ruhen werde. Er schätze sich
glücklich, das Werkzeug zur Errichtung dieses Bundes
gewesen zu sein, den er beschwören werde.
Nachdem der Dolmetsch diese Rede verdeutscht hatte.
legte Schultheiss Sinner namens des Standes Rem seine
Vollmacht vor und sprach, der so treffliche und merk-
würdige Teil der Welt, den Gott den hier Anwesenden zur
Wohnung angewiesen, heisse heutzutage mit Recht das ver-
wirrte Europa, in welchem Jammer und Elend auf die
höchste Stufe gestiegen seien, Hiervor habe aber Gott
einige Staaten, welche feste Neutralität beobachten und
auf ihre Erhaltung bedacht seien, bewahrt. Die heutige
Feier beweise dies, indem die Herrschaft Venedig und
die Städte Zürich und Bern einen frühern Bund erneuern
und beschwören. Gott möge denselben segnen. Nach
diesen Worten wurde der Bund zuerst lateinisch und
dann deutsch verlesen. Hierauf sprach der Dolmetsch
des Residenten den beiden Ständen den Eid in deutscher
Sprache vor. nach dessen Beschwörung der regierende
Bürgermeister dem Residenten den Eid italienisch vorlas,
worauf er von diesem mit aufgehobenem Finger ebenfalls
geschworen wurde. Während sich die Versammlung
wieder setzte, wurden auf dem Hofe die <i aufgepflanzten
124
Vierpfünder und auf dem Schänzli die Sechspfünder
in 3 Salven gelöst und Trompeter schmetterten ihre
Signale. Dem Residenten, den Ehrengesandten, sowie
deren Gefolge wurde auf dem Rüden ein Bankett ser-
viert, zu dem auch sämtliche Mitglieder des kleinen
Rates und von jeder Zunft ein Delegierter eingeladen
wurden. Allen Zünften wurde zudem gestattet, sich in
ihren Stuben bei einem Abendtrunke zu erfreuen und
den silbernen Becher. M ein Geschenk Venedigs, einzu-
weihen. Während der Mahlzeit donnerten bei den vier
ersten Trinksprüchen, welche den beteiligten drei Ständen
und ihrer allseitigen Verbindung galten, die Stücke auf
dem Schänzli, bei den übrigen bliesen nur die Trompeter.
Am andern Tage wurden sämtliche Eingeladene vom
Residenten gastiert, der unter die Räte und Burger eine
auf diese Feier geprägte Medaille von ungefähr einer
Dublone Wert austeilen Hess. Jeder der vier Depu-
tierten von Bern und Zürich erhielt ausserdem eine
goldene Kette im Werte von 200 Thalern geschenkt,
und der Schultheiss Sinner wurde zum Ritter von
S. Marco ernannt. Bald darauf teilte der venetianische
Ambassador die Erneuerung des Bündnisses dem Nuntius
mit. dann den Gesandten Frankreichs und Spaniens, dem
Extragesandten Englands und dem Subdelegierten Öster-
reichs. Dem Dogen von Venedig reichte der Gesandte
ein Verzeichnis des grossen Rates von Zürich und Bern
ein, an dessen Rande er bemerkte, welche Mitglieder
Venedig zugeneigt, welche nicht und welche ihm ganz
ergeben seien, damit bei zukünftigen Aushebungen die
richtigen berücksichtigt werden. Auch die Haupt-
leute sollten nämlich von nun an von Venedig ernannt
werden.
;i ä 50 Thaler.
125
Noch vor Erneuerung des Bündnisses hatte der
greise Oberst Weiss an künftige Venedig dienende Offi-
ziere eine Warnung gerichtet, die wir als Resultat der
Erfahrungen eines Mannes, der in den bisherigen An-
gelegenheiten eine hervorragende Stellung einnahm,
wörtlich an den Schluss setzen.1)
„Ein Jeder Ehrlicher Obrister undt Haubtmann der
iu der Herrschafft Venedig Dienst träten will, obgleich-
wohl es nach Eydtgenössischer Capitulation geschechen
soll, hat sich trefflich wohl vorzusehen. das> Er nit be-
trogen und dargesetzt werde, Zu dem Ende Ihme hoch-
nöthig anff nachgesetzte Punkten zu achten.
1.° Erstlich wo möglich sich nicht ohne Bürgschaft
einzulassen, dan Ihnen den Venetianern. (»der Ihren
worten, Schriften, Authentischen Brieffen. Siglen, Trac-
taten, Verkommnissen in kein weis noch weg zu trauwen,
und wan sie derselben erinnert werden, antworten Sic
und schützen vor, die Bisogni e Interessi publici können
es .iiul'Tst nit zugeben.
2.° Die Wärbungen soll man nicht anheben, die
Wärbgelter syen den gezehlet. A° 165S ist es unser
grosser schaden gewesen, dass Wir das galt also stück-
weis und verstümplet angenommen haben, in Betrachtung
Wir anstatt gutter Goldsorten oder Spanischen Duplonen
allerley Lumpengelt annemmen müessen. da dan der
Resident Sarotti und Salomon Hottinger der Kauffmann
ohne Zweifel Ihre Hand drinn gewaschen und Ihren
\ ortheil gesucht haben.
3. Dahin trachten, dass anstatt der drei Monathen,
die Völker sechs Monat zu behalten schuldig seyen.
4. Wo möglich die sach der alten Capitulation nach
dahin richten, dass so bald ein fahnen fliegt, demselben
') Bern. Staatsarchiv, V. B.. B. pag. 1067 f.
126
der sold angehe, damit Sie die Venetianer den Pass
destobesser beschleunigen und richtig machen, dann
sonsten die Umbkösten gross, und auff die Haubtleüth
fallen, und ist der Herrschaft Venedig nicht viel daran
gelägen, wan die Compagneyen an dem eint und andern
Ohrt schon lang aufgehalten werden, so lang aber sel-
biges geschieht, gehet es über der Haubtleüthen Seckel,
welches Ihnen zu Merklichem schaden gereichet, Exem-
pel dass 1658 man durch des Abts von St. Gallen Ge~
pieth, und also einen merklichen Umweg mit grossen
kosten nemmen müessen , da dan wohl zu gewahren,
dass man aller Ohrten den Ambtleüthen die Hände
schmieren, und den Pass gleichsam von Ihnen kauften
müssen, da sonsten, wan der Sold von Haus aus anhenge.
alle solche Beschwärden aufgebebt oder auf das wenigst
erträglicher wurden.
5. Ist hoch von nöhten, class der dritte Artieul der
Allianz der Todten hall), alss vor welch Jeden Sie zwo
Silberkronen bezahlen sollen, wohl und mehr dan wohl
ausgedrückt werde, Ja man kan demselben wider diese
Listige und betriegerische Leüthe nicht genug ver-
niethen.
(i. Also ist es auch mit dem Zechenden Artieul von
gciiiessung der Privilegien bewandt, und Ist hochnöthig,
dass, worinnen selbiger bestehe, wohl specinciert werde.
zumahlen weilen in Frankreich selbiger den Eydtgenossen
auch disputiert wird. A° 1658 hat man desselben sehr
wenig genossen.
7. Der Zwölfte Artieul der Alliantz soll wohl be-
obachtet, und uffs neüwe aussgetruckt werden, in be-
trachtung selbiger solcher Wichtigkeit, dass er der einige
Sporenstreich ist die Zahlung zu befürderen. A° 1658
ist man durch List und Betrug zu grossem nachtheil
verschalten worden.
127
8. Ein sehr ungereimbtes Ding ist es, dass der
Soldat den Strohsack, so etwan wegen schlechten Loge-
ments ander Dune verfault, bezahlen iniiss. da ist auch
hochnöthig, dass dessen gedacht werde, es ist Ja billich
dass der Zahlherr, dem der Soldat dienet, dissohrts
helffe, was aber sonsten verlohren und verliederlicht
wirt. soll billich bezahlt werden.
Hochnöthig ist es einem Haubtmann, dass Er fleissige
Schreiber und Fouriers habe, die der strohdecken.
Decken und ander Haussgerähts, so die Herrschafft ver-
schaffet, ein über alle massen genauere Rechnung tra-
gen, dan es ist ungloüblich wie die Commissary und be-
diente der Herrschaft, wan es an ein widerliferen gehet,
•■inen ehrlichen Mann tribulieren und plagen können.
9. Allhier ist auch nit zu vergässen der vielen Emo-
lumente, so man den Cammern aller Ohrten. da man
seine gäiter erheben muss, zu geben gezwungen wirt,
welche Sie Stili di Camera (Bureaustill nennen. Item
muss man auch den Spittälen Coiitribuiren deren man
doch niemahlen genossen, da lauft einem armen Haubt-
mann ein guter Theil -eines profits under das Eis und
diesem könte auch remediert werden.
10. Dass es wo möglich bey der alten Musterung
verbleibt, und man dess unanständigen, bey allen anderen
Potentaten ohngewohnten und der Eydtgenössischen Nation
verkleinerlichen abmahlens, so Sie la Rassegna a nome
Pelo e Segno nennen, überhebt werde, dan dass man
selbiges A° 1658 zugelassen, ist ohngeacht dess Piesi-
denten Sarotti grossen Sincerieren und protestieren von
seithen Venedig nicht umb ein Har erkent, sondern die
Sache der bezahlung halber viel ärger worden.
11. Von den gräntzen an auf die Heimreise i-t es
mit zwantzig tagen besoldung nit genug, sonderlich wan
Sie die Völker bey so unbequemer und harter Winter—
128
zeith als beyde vorige mahl beschechen, abdanken und
wie Hunde vortschicken : dahero hoehnöthig, dass maus
auff einen gantzen Monath richtig, oder so es Ja bey
den Zwantzig tagen bleiben solte, wirt erforderlich sein.
dass Ihnen das abdanken in Dezember. Januario und
Februario weiter vorbehalten werde, dann es mit den
Zwantzig tagen nicht Compatieren kann, angesehen dass
die Berge offtmahls durch den Schnee viel tag lang be-
schlossen und ungangbahr gemacht werden.
12. Ein Jeder Oberster und Haubtmann seye Ja
troüwlich gewahrnet. seine Völker nicht marschieren zu
lassen, so lang er in den Cammern. da er seine Zahlung
erheben muss. noch etwas zu thun hat. oder sonsten der
widertiberliferung des Haussgeräths . als Strohsecken.
Decken, stuhl, Tisch u. s w. noch beschäftigt ist. sondern
zuvor alles in sein .richtigkeit bringen, dan unglaublich
ist. was vor verordnete schelmenstückli einem Ehrlichen
Mann daselbsten angethan werden.
13. Weil ein Haubtmann immerdar in sorgen stehen
muss, dass im hineinmarchieren. auf dem wäg oder
sonsten viel Völker ausreissen, als ist nöthig. (will er Ja
seiner Zahl gewi>s sein) dass er eine anzahl über die
Zweihundert oder das begehrte, wärbe. derowegen dahin
zu trachten, was er mehreres bringen wirt. Ime pro
pata das wärbegält als Zwo Duplonen auf den Kopf er-
setzt werde.
14. Sobald die Tractaten beschlossen, ist nöthig.
dass sie von der Herrschaft Immediate Ratifiziert werden,
die Erfahrung bezüget, dass das Jenige, so A° 1658 von
dem Residenten Sarotti concludiert. und versprochen im
geringsten nit gehalten worden.
15. Alles was mit den Representanten. Residenten
und andern der Herrschaft bedienten verhandlet wirt,
es seye was es immer wolle, soll schriftlich begehrt und
129
abgefordert werden, und Immerdar gedenken, man habe
mit Italienern zuthun.
16. So ist auch zu gewahren, dass man gleich
anderen Sclaviseh und übel gehaltenen Völkern zum ar-
beiten und Schantzen angestrengt worden, und da man
selbiges nicht thun, sondern der Eydtgenössischen Frey-
heit sich getrösten wollen, (es wäre dan sach dass man
desswegen bezahlt wurde,) ist schlechtes Tractament Ja
gar die Licentz erfolget, wirt also Jeder Oberster und
Haubtmann sich hierinnen vorzusehen wüssen.
17. Die Erfahrung lehrt, dass die bezahlung schlecht-
lich folget, und dass Sie nothwendig mit Importunitet
muss Sollicitiert werden, desswegen erforderlich, dass
der Obrist oder ein verständiger Haubtmann ohne wider-
red, sonderlich nach geendigter Campagne nach Venedig
reisen dörffe.
G. Weiss. Experto crede Ruperto.
Pro Copia Collata: Kantzley Bern."
P. S. Die Fortsetzung dieser Abhandlung — die politischen
Beziehungen Venedigs mit Bünden und der Schweiz im 18. Jahr-
hundert — wurde von der philosophischen Fakultät der Hochschule
Bern für die Periode 1895 — 97 als Preisarbeit bestimmt und ist vom
Verfasser bearbeitet und im Manuskripte bereits eingereicht worden.
-°-<K~-
Archiv des hist. Vereins.
XV. Band. 1. Heft.
130
Literaturverzeichnis.
I. Uligedruckte Quellen.
1. Bundesarchiv.*)
„Copiata dall' originale couservato all' Archivio generale di stato
a Sa Maria gloriosa dei Frari in Venezia." Kopiert auf Kosten der
Eidgenossenschaft unter der Leitung des schweizerischen Konsuls in
Venedig, V. Ceresole. Foliobände 16 — 86 inkl.; ferner 2 Mappen,
die später hinzukamen.
Gedruckter Katalog, verfasst von V. Ceresole. Venedig 1890.
S. S. 286.
2. Staatsarchiv in Bern.*)
1. Venedig-Buch A, B, C. Drei Folianten ä 1400 Seiten c.
2. Deutsche Spruchbücher der Stadt Bern, SS, PP, VV.
3. Kriegsrats-Manual XI, pag. 168, XIII, pag. 143, 152, 174, 178.
3. Staatsarchiv in Zürich.*)
1. Beziehungen zum Auslande. Venedig 1483 — 1717. A 214,
Mappe 1 — 7 inkl. Ohne Paginierung.
2. Originalbüudnisse und Kapitulationen in einer eigenen Schachtel.
II. Gedruckte Schriften.
1. R. Daru: Histoire de la Republique de Venise, tomes III,
IV, V. Paris 1819.
2. Dr. Heinrich Leo: Geschichte der italienischen Staaten,
V. Teil, 1492—1830. Hamburg 1832.
*) Es gereicht mir zur angenehmen Pflicht, den Herren Staatsarchivaren Dr. Kaiser,
Henry TUrler und Prof. Dr. Paul Schweizer meinen wärmsten Dank auszusprechen für
ihre Zuvorkommenheit und stete Bereitwilligkeit, mir die nötigen Akten zur Verfügung
zu stellen.
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3. Dr. Johann Strickler: Lehrbuch der Schweizerge^ehichte
Zürich 1874.
4. Hans von Zwiedineck-Südenhorst: Die Politik der Republik
Venedig wahrend des 30jährigen Krieges, I. und II. Band. Stuttgart 1 B82.
5. Sammluug der eidgenössischen Abschiede : A, VI i, B, VI i
(1587—1617), A, VI 2, B. Via, (1681—1712).
6. Berner Taschenbuch, 1874 — 77 (Biographie von Gabriel Weiss).
7. Dr. Wolfgang Friedrich v. Mülinen : Die Chronik des Jost
von Brechershäusern, 1598 — 1658.
8. Prof. Hagen: Die auswärtige Politik der schweizerischen
Eidgenossenschaft, vornehmlich Berns, von 1610 — 18. Programm der
Berner Kantonsschule für das Jahr 1864.
9. Leus Lexikon (W), Band 18, pag. 254 f. und 313 f.
10. Dr. Valer: Das Bündnis mit Venedig im Jahre 1603 und
seine Folgen. Rheinquellen 1895.
11. Dr. Häne: Eine stiftsanktgallische Compagnie in venetia-
nischem Kriegsdienst (1688 — 91). Centralblatt des Zofingervereins
1896, Xr. 9 und 10.
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