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Full text of "Die Reden des Buddha aus dem "Angúttaranikaya"; aus dem Pali zum ersten Male übers. und erläutert von Myanatiloka"

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DIE  REDEN 


DES  BUDDHA 


ACHTER^  BIS    ELFERBUCH 


OSKAR    SCHLOSS    VERLAG 
MÜNCHEN 'NEUBIBERG 


UNIVERSITY  OF  TORONTO 
LIBRARY 

WILLIAM  H.  DONNER 
COLLECTION 

purcJmsed  jrom 
a  gift  hij 

THE  DONNER  CANADIAN 
FOUNDATION 


DIE 

REDEN  DES  BUDDHA 

AUS  DEM  «ANGÜTTARA-NIKÄYA« 

ZWEITE  SERIE 

•X- 

INHALT: 

ACHTER^  BIS  ELFERBUCH 

AUS  DEM  PÄLI 
ZUM  ERSTEN  MALE  ÜBERSETZT  UND  ERLÄUTERT 

VON 

NYÄNATILOKA 


OSKAR   SCHLOSS  VERLAG  MÜNCHEN-NEUBIBERG 


Copyright  1922  by  Oskar  Schloß  Verlag  München-Neubiberg. 

V,H1 


Inhalt  zum  Achterbuch 


Seite 

I.  Teil.    Das   Kapitel  der   Liebe 

Der  Segen  der  Liebe l 

Die  Grundlagen  der  Wissensentfaltung 2 

Acht  Gi-ünde  der  Unbeliebtheit 7 

Die  acht  Weltgesetze 7 

Der  Grund  von  Devadattos  Untergang 10 

Die  Vorzüge  des  Nando 14 

Das  Unkraut 16 

II.  Teil.    Das   große   Kapitel 

Die  große  Durchbrechung 20 

Die  Bekehrung  des  Feldherm   Siho 28 

Das  edle  Königsroß 36 

Die  acht  Untugenden  der  Rosse 38 

Die  acht  Flecken 42 

Der  würdige  Verbreiter  der  Botschaft 43 

Mann  und  Weib 43 

Das  Weltmeer  des  Gesetzes 44 

Der  Fasttag 48 

III.  Teil.     Das   Kapitel   der   Hausväter 

Die  wunderbaren  Eigenschaften  Uggos    .......  52 

Die  wunderbaren  Eigenschaften  des  Hatthako   aus  Alavi    .  57 

Die  vier  Arten  der  Gunst 59 

Der  Anhänger 60 

Acht  Kräfte 62 

Die  Selbsterkenntnis  der  von  Leidenschaften  Erlösten      .      .  62 

Die  günstigen  Gelegenlieiten  zum  Heiligen  Leben  ....  63 

Die  Gedanken  eines  großen  Mannes 67 

—      III      — 


Seite 

IV.  Teil.     Das   Kapitel   der    Gaben 

Acht  Arten  des  Gebens 76 

Der  fruchtbare  Boden 77 

Durch  Gaben  bedingte  Wiedergeburt 80 

Die  drei  Arten  verdienstvollen  Wirkens 82 

Die  Gaben  eines  guten  Menschen 84 

Der  segensreiche  Einfluß  des  guten  Menschen 85 

Die  acht  Ströme  des  Verdienstes 86 

Die  Wirkung  böser  Worte  und  Werke 88 

V.  Teil.     Das   Kapitel   des   Pasttags 

Der  Segen  des  Fasttags 90 

Wiedergeburt  unter  den  Anmutigen  Engeln 97 

Der  Sieg  des  Weibes 101 

VI.  Teil.     Das    Kapitel    der    Gotami 

Die  Gründung  des  Nonnenordens 102 

Der  würdige  Ermahner  der  Nonnen 108 

Die  Merkmale  des  Gesetzes 109 

Segensreiche  Eigenschaften  für  Hausleute 110 

Das  Elend  der  Sinnenlüste 115 

Der  würdige  Mönch 115 

Die  acht  würdigen  Menschen 117 

Die  acht  wahren  Jünger 117 

VII.  Teil.     Das   Kapitel   des   Erdbebens 

Weltlicher  Gewimi 118 

Sich  und  den  Anderen  genügen 121 

Stufenweise  Geistesentfaltung 125 

Der  göttliche  Erkenntnisblick 128 

Die  acht  Überwindungsgebiete 131 

Die  acht  Preiungen 133 

Edle  vmd  imedle  Aussagen 134 

Die  acht  Versammlungen 135 

Mahrs  letzte  Heimsuchung 136 

VIII.  Teil.    Das   Kapitel   der   Paare 

Die  Betrachtimg  über  den  Tod 143 

Acht  schädliche  Dinge 147 

Trägheit  und  Strebsamkeit 147 

—     IV     — 


Seite 
IX.  Teil.     Das   Kapitel   der   Achtsamkeit 

Eines  aufs  Andere  gestützt Iö4 

Der  bedingte  Vortrag  des  Vollendeten 154 

Der  Räuber 155 

Der  Vollendete     . ^^^ 

Das  Glück  der  Loslosung 157 

Das  Topfumstülpen 159^ 

Die  Mißachtung  kundtun 16^ 

Der  Akt  des  Verzeihungerbittens 161 

1  Pf} 

In  die  Acht  erklären -^""^ 


Erlöschung 


162 


Inhalt  zum  Neunerbuch 


I.  Teil.     Das   Kapitel   der   Erleuchtung 

Die  Grundlagen  der  Erleuchtung 163 

Vollkommen  gestützt 

Die  Grimdlagen  zum  Fortschritte 166 

Die  Segnungen  des  Vortrages 1'^^ 

Von  ftüiff acher  Fm-cht  befreit 1'74 

Zweierlei  zu  wissen  nötig •      '      " 

Unmöglichkeiten  für  einen  Heiligen 180 

Neim  Menschenklassen 1^2 

Neun  verehrungswürdige  Menschen 183 

II.  Teil.    Das   Kapitel   des  Löwenrufes 

Der  Löwenruf  des  Sariputto 184 

Vom  Abwege  befreit 189 

Der  Zweck  des  Heiligen  Wandels 193 

Über  das  Wesen  der  Gedankenerwägungen 195 

Die  Eiterbeule ^96 

Zu  meidende  Familien 

Die  reuigen  Himmelswesen 19' 

Die  Vorstelkmg  der  Vergänglichkeit  als    verdienstvollste  Tat  199 

—     V     — 


Seite 

III.  Teil,     Das   Kapitel   der   Daseinsformen 

Vergleiche  zwischen  Menschen  und  Himmelswesen       .      .      .  204 

Die  neun  Rosse 204 

Im  Durste  wurzelnde  Dinge 209 

Die  neun  Daseinsformen  der  Wesen 210 

Der  vollkommen  entfaltete  Geist 212 

IV.  Teil.     Das    Große   Kapitel 

Die  neun  aufeinanderfolgenden  Zustände 216 

Die  neun  aufeinanderfolgenden  Erreichungszustände  .      .      .  217 

Das  Glück  jenseits  der  Gefühle          221 

Die  Kuh  im  Gebirge 225 

Die  Entfaltung  von  Gemütsruhe  imd  Hellblick      ....  230 

Das  wunderbare  Gesetz 234 

Der  Welt  Ende 237 

Der  Kampf  der  Götter  mit  den  Dämonen 239 

Der  Elefant  der  Einsamkeit 242 

Der  Abgrund  der  Entsagung 246 

V.  Teil.    Das   Kapitel   des   Pancälo 

Der  Ausweg  aus  der  Beklemmung 252 

Der  Körperzeuge 254 

Der  Einsichtserlöste 255 

Der  Beiderseitserlöste 256 

Das  Nirwahn 257 

VI.  Teil.    Das   Kapitel   des   Friedens 

Der  Frieden 258 

Das  Arahattum 259 

VII.,  VIII.  und  IX.  Teil.    Das   Kapitel   der   Grundlagen 
der   Achtsamkeit,   der   rechten    Kämpfe   und 
der   Machtfährten 

Überwindung 260 

Erlöschung 262 


—     VI 


Inhalt  zum  Zehnerbuch 


Seite 

I.  Teil.    Das   Kapitel   der    Sittlichkeit 

Der  Segen  der  Sittlichkeit 263 

Die  Gesetzmäßigkeit  in  der  geistigen  Entwicklung      .      .      .  264 

Eines  aufs  Andere  gestützt 265 

Losgelöste  Sammlung     .                                                              .  266 

Vollkommenheit 267 

II.  Teil.    Das   Kapitel   des    Schutzes 

Günstige  Bedingungen  zur  Erreichung  der  Erlösung   .      .      .  270 

Der  erhabenste  Mensch 272 

Die  zehn  Fesseln .  273 

Der  abnehmende  imd  zimehmende  Mond 274 

Die  Strebsamkeit  aller  guten  Dinge  Anfang 275 

Zehn  verehrungswürdige  Menschen 278 

Beschützende  Dinge 278 

Die  zehn  edlen  Zustände 279 

III.  Teil.    Das   große   Kapitel 

Der  Löwenruf  des  Vollendeten 283 

Die  der  Wirklichkeit  gemäße  Erkenntnis 285 

Zu  überkommende  Dinge 286 

Trug  imd  Wirklichkeit         289 

Die  zehn  Allheitsgebiete 292 

Des  Herzens  Friede 292 

Die  zehn- Probleme 294 

Allvergänglichkeit 302 

Die  Huldigung  durch  König  Pasenadi 306 

rV.  Teil.    Das   Kapitel    des    Upali 

Der  Zweck  der  Ordenssatzung 313 

Des  Klosters  verweisen 314 

Der  rechte  Ordenslehrer 315 

Die  Ordensspaltung 316 

Einigkeit  im  Orden 317 

Ordensspalter  und  Ordenseiniger 318 

V.  Teil.     Das   Kapitel   der   Beschimpfung 

Die  Ursachen  des  Streites 320 

Die  Bedingungen  für  einen  Ermahner 321 

—     VII     — 


Seite 

Die  Nachteile  beim  Betreten  des  königlichen  Palastes     .      .  323 

Der  achtfache  Fasttag 325 

Die  Anlässe  zu  guter  und  böser  Tat 828 

Die  zehn  Betrachtungen  des  Hauslosen 328 

An  den  Körper  gebunden 330 

Zehn  zu  beachtende  Eigenschaften 330 

VI.  Teil.     Das   Kapitel   des   eigenen    Geistes 

Selbstprüfung 334 

Rückschritt,  Stillstand  und  Fortschritt 336 

Selbstbetrachtung 337 

Zehn  Segensreiche  Betrachtungen 341 

Über  das  Wesen  aller  Dinge 341 

Wonach  der  Mönch  streben  soll 342 

Die  Heilung  des  Girimänando 343 

Vn.  Teil.     Das   Kapitel   der   Paare 

Die  bedingte  Entstehmig 350 

Die  der  Vollendung  Entgegengehenden 356 

Wiedergeborenwerden  und  Nichtwiedergeborenwerden       .      .  357 

Gefallen  und  Mißfallen  am  Gesetze 358 

Fortschritt  und  Rückschritt 358 

Die  Gegenstände  des  Gespräches 361 

Gegenstände  des  Lobes 363 

Vni.  Teil.     Das   Wunschkapitel 

Aller  Wünsche  Erfüllung 364 

Die  zelin  Störungen 367 

Seltene  Dinge  in  der  Welt .-    .      .  369 

Der  edle  Gewinn 370 

Urteilt  nicht  die  Menschen  ab! 371 

Uberkommung  von  Geburt,  Alter  und  Tod 376 

Der  Rabe 380 

Die  bösen  Eigenschaften  der  Niganther 380 

Der  Groll  und  seine  Überwindung .  381 

IX.  Teil.     Das   Kapitel   der   Ordensälteren 

Der  unbefleckte  Lotus 382 

Die  Bedingungen  zum  Fortschritte 382 

Der  Vortrag  des  Vollendeten 384 

Höchstes  Wissen  vorgeben 383 

—     VIII     — 


Seiti- 

Errungenschaften  vorgeben 

Angebliche  Heiligkeit '^ 

Die  Bedingungen  zur  Liebe  und  Achtung ^^1 

Das  Schicksal  des  Mönches  Kohähko 394 

Die  zehn  Kräfte  des  von  Leidenschaften  Erlösten       ...  399 

X.  Teil.    Das   Kapitel   der   Anhänger 

Die  weltlich  Genießenden 

Vom  Abwege  befreit 

Die  unzulänglichen  Ansichten 

Die  vielseitige  Lehre      . 

Werden  alle  erlöst? '. 

Der  Pilger  Kokanudo  und  Änando 

Der  würdige  Mönch • 

Der  glückUche  Mönch 

Upälis  Unreife  zur  Einsamkeit 2 

Die  Verwirklichimg  des  Arahattums ^^o 

XI.  Teil.  •  Das   Kapitel   der   Asketenbetrachtungen 

Die  Wirkimg  der  drei  Asketenbetrachtvmgen 436 

Die  Wirkung  der  sieben  Glieder  der  Erleuchtung        ...     436 

Die  Wirkung  des  Rechten  vmd  des  Verkehrten      ....     437 

Süße  und  bittere  Früchte ^^^ 

Die  Grundlagen  des  Guten  mid  Bösen 409 

Zur  Versiegung  führende  Dinge 

Die  edle  Spülung 

Das  edle  Brechmittel 

444 
Der  Kampfesledige • 

XII.  Teil.  Das   Kapitel   der   Läuterung 

Das  Gesetzliche  und  das  Ungesetzliche 446 

Grundlagen  für  einen  Weisen        .      .     '. ^ 

Diesseits  und  Jenseits 

Die  edle  Läuterung 

Die  Morgenröte  der  Erkenntnis 

XIII.  Teil.     Das   Kapitel    der   Reinheit 

Keine  Vollkommenheit  außerhalb ^' 

Verkehrte  und  rechte  Zustände 

XrV.  Teil.    Das   Kapitel   des   Guten 

459 
Zweierlei  Gesetze 

—     IX     — 


Seite 

XV.  Teil.     Das  Kapitel    des    edlen  Pfades 

Zweierlei  Kade        460 

XVI.  Teil.    Das  Kapitel   der  Menschen 

Der  Umgang  mit  Menschen 461 

XVII.  Teil.    Das   Kapitel   des   Jänussoni  * 

Die  edle  Läuterung 462 

Diesseits  und  Jenseits 462 

Die    drei  Anlässe  zur  Tat 463 

Der  Ausweg 463 

Dreifache  Lauterkeit 464 

Totenopfer '     •      •  471 

XVIII.  Teil.    Das   Kapitel   des    Guten 

Zweierlei  Gesetze 476 

XIX.  Teil.    Das   Kapitel   des   Edlen   Pfades 
Zweierlei  Pfade 477 

XX.  Teil.     Das   Kapitel   des  Menschen 

Der  Umgang  mit  Menschen 478 

XXI.  Teil.    Das   Kapitel   des    Stofflichen   Körpers 

Zweierlei  Wirkensfälirten 479 

Das  Gesetz  der  Wiedergeburt 479 

Die  Tatenversiegung 481 

Läuterung  durch  die  vier  unermeßlichen  Gebiete   ....  484 

Zweierlei  Wandel 486 

Himmel  \md  Hölle 487    ^ 

Erlöschung '^^^ 


Inhalt  zum  Elferbuch 

Beito 
I.  Teil.    Das   Kapitel     der   Abhängigen   Erschei- 
nungen 

Das  Schicksal  des  Verleumders 491 

Losgelöste  Sammlung 492 


—     X     — 


Seite 

Das  Sinnen  der  Edlen 495 

Der  Höchste 498 

II.  Teil.    Das   Kapitel   der   Betrachtungen 

Rechte  Betrachtungen  für  Hausleute 500 

Die  Merkmale  des  Vertrauens 507 

Der  elf  fache  Segen  der  Liebe 510 

Die  eK  Tore  des  Todlosen 510 

Der  Rinderhirt 514 

Erlöschung 519 


XI 


ACHTERBUCH  VIII 1 


Das  Achterbuch 


ERSTER    TEIL: 

Das  Kapitel  der  Liebe 

Der  Segen  der  Liebe 

Hat  man,  ihr  Mönche,  die  Liebe,  die  gemütserlö- 
sende, gepflegt,  entfaltet,  häufig  geübt,  zur  Trieb- 
feder und  Grundlage  gemacht,  gefestigt,  großgezogen 
und  zur  rechten  Vollendung  gebracht,  so  hat  man  acht 
Vorteile  zu  erwarten:  man  schläft  friedlich,  erwacht 
friedlich,  hat  keine  bösen  Träume,  ist  den  Menschen 
lieb,  ist  den  Geistern  lieb,  die  Engel  beschützen  einen; 
Feuer,  Gift  und  Waffen  haben  einem  nichts  an;  und 
sollte  man  nicht  noch  zu  Höherem  durchdringen,  so 
erscheint  man  in  der  Brahmawelt  wieder. 

Wer  wohl  bedacht  in  sich  entfaltet 
Ein  Herz  voll  unbegrenzter  Liebe, 
Dem  lockern  sich  die  Daseinsfesseln, 
So  er  der  Dinge  Ende  schaut. 

Wenn  nur  ein  einzig'  Wesen,  reinen  Herzens, 
In  Liebe  man  durchstrahlt,  wirkt  man  schon  Gutes; 
Doch  wahrlich,  wer  da  allen  Wesen  wohl  will, 
Der  Edle  wirkt  gewaltiges  Verdienst. 

Durch  Gaben  diese  völkerreiche  Erde 
Einst  weise  Könige  erobernd  zogen. 

_     1     _  1 


vmi  SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Fürwahr,  das  Rosse-  und  das  Menschenopfer, 
Der  Reistrank,  Bolzenwurf,  das  Barrenlose  Opfer: 
Die  rechnen  nicht  ein  Sechzehntel  so  viel 
Wie  ein  zur  Liebe  wohlerzog'nes  Herz,  (l) 

Wer  nicht  mehr  tötet,  nicht  mehr  schlägt. 
Nicht  mehr  zerstört,  zerstören  läßt, 

(1)  Hier  gibt  der  Kommentar  eine  weitschweifige,  auf  Wort- 
spielerei hinauslaufende  Erklärung  über  die  Entstehung  der  vier 
Opfer.  In  alter  Zeit,  so  berichtet  er,  wandten  die  Könige  vier  Gunst- 
bezeigungen an,  um  das  Volk  zu  gewinnen,  nämlich:  sassa-medha, 
das  Reisopfer  (später  entstellt  in  assa-medha,  Rosseopfer!);  das 
Menschenopfer;  sammä-päsa,  die  rechte  Falle  (später  entstellt  in 
sammäpäsa,  Bolzenwurf);  väcä-peyya,  liebevolle  Worte  (später 
entstellt  in  väja-jjeyya,  Reissuppen  trank!)  Das  Reisopfer,  oder 
besser  gesagt  das  Getreideopfer,  bestand  darin,  daß  der  König  bei 
der  Ernte  ein  Zehntel  seines  Getreides  dem  Volke  opferte.  Die 
Krieger  mit  Waffen  imd  Löhnung  zu  versehen  galt  als  das  Menschen- 
opfer. Bedürftigen  Menschen  auf  drei  Jahre  tausend  oder  zwei- 
tausend Goldstücke  ohne  Zinsen  zu  verleihen  galt  als  die  rechte 
Falle,  um  die  Menschen  an  sich  zu  fesseln.  Das  auf  solche  Weise 
gewormene  Land  blühte  und  gedeilite ;  imd  überall  herrschte  Sicher- 
heit, sodaß  man  die  Häuser  bei  Tag  wie  bei  Nacht  unverschlossen 
ließ;  und  da  man  daher  keiner  Schließbarren  mehr  bedurfte,  sprach 
man  von  einem  »Barrenlosen  Opfer«.  In  späteren  Zeiten  jedoch, 
imter  der  Herrschaft  des  Königs  Okkäko,  führten  die  Brahmanen 
die  blutigen  Opfer  ein,  indem  sie  den  Sinn  der  früheren  Opfer  ver- 
drehten, imd  brachten  so  Unheil  übers  Land.  Nach  der  Erklärung 
des  Kommentars  soll  sich  das  »Bolzenwiuiopfer«  folgendermaßen 
vollziehen:  Nachdem  sich  die  Brahmanen  im  Sarasvatiflusse  ge- 
badet haben,  ziehen  sie  von  ihrem  Badeplatze  aus  am  Strande 
flußaufwärts,  indem  sie  wiederholt  den  Bolzen  nach  vonie  schleudern 
und  jedesmal  an  der  Stelle,  wo  der  Bolzen  zu  Boden  fällt,  einen 
Opferaltar  eirichten.  Beim  Reistrankopfer  sollen  siebzehn  Opfer- 
pfosten errichtet  und  siebzehn  Rinder  geopfert  werden.  Das  Schran- 
kenlose Opfer  soll  eine  Kombination  der  frülier  genaimten  Opfer 
sein  imd  auch  bekannt  sein  unter  dem  Namen  »Die  Ganze  Opfer- 
reihe«. 

—     2     — 


ACHTERBUCH  VIII 2 


In  Liebe  allen  zugetan, 

Den  trifft  fürwahr  nichts  Böses  mehr. 


Die  Grundlagen  der  Wissensentfaltung 

Acht  Bedingungen  und  Grundlagen,  ihr  Mönche, 
-führen  zur  Erlangung  des  bis  dahin  noch  unerlangten, 
dem  urheiligen  Wandel  eigenen  Wissens  (l)  und  zu 
des  erlangten  Wissens  Erweiterung,  Ausdehnung,  Ent- 
faltung und  Vollendung:  welche  acht? 

Da,  ihr  Mönche,  weilt  der  Mönch  in  der  Nähe  des 
Meisters  oder  eines  verehrungswürdigen  Ordensbruders, 
wo  er  von  äußerster  Schamhaftigkeit  und  Gewissen- 
haftigkeit, von  Liebe  und  Achtung  erfüllt  ist.  Das, 
ihr  Mönche,  ist  die  erste  Bedingung  und  Grundlage 
zur  Erlangung  des  bis  dahin  noch  unerlangten,  dem 
urheiligen  Wandel  eigenen  Wissens  und  zu  des  er- 
langten Wissens  Erweiterung,  Ausdehnung,  Entfal- 
tung und  Vollendung. 

Während  er  aber  in  der  Nähe  des  Meisters  oder 
eines  verehrungswürdigen  Ordensbruders  weilt,  be- 
gibt er  sich  von  Zeit  zu  Zeit  zu  ihm  und  befragt  ihn, 
ersucht  ihn  um  'Aufklärung:  »Wie  ist  dies,  o  Ehr- 
würdiger? Wie  hat  man  dies  zu  verstehen?«  Und 
jener  Ehrwürdige  enthüllt  ihm,  was  ihm  noch  unver- 
ständlich ist,  klärt  ihn  über  das  noch  Unaufgeklärte 
auf  und  löst  ihm  in  mancherlei  zum  Zweifel  Anlaß  geben- 


(1)  Hierunter  ist  zu  verstehen  der  mit  den  vier  »Pfaden« 
(maggä),  d.  i.  den  vier  Stufen  der  höheren  Entwicklung  (nämüch : 
Stromeintritt,  Einmalwiederkehr,  Niewiederkehr  und  Heiligkeit), 
verl)undener  »Hellblick«  (vipässanä)  hinsichtlich  der  Vergänghch- 
keit,   des   Elends   und   der  Wesenlosigkeit  aller  Daseinsformen. 

—     3    -  1* 


VIII2    SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

den  Punkten  seine  ZweifeL  Das,  ihr  Mönche,  ist  die 
zweite  Bedingung  und  Grundlage  zur  Erlangung  des 
bis  dahin  noch  unerlangten,  dem  urheiligen  Wandel 
eigenen  Wissens  und  zu  des  erlangten  Wissens  Er- 
weiterung,  Ausdehnung,    Entfaltung  und   Vollendung. 

Nachdem  er  aber  das  Gesetz  vernommen  hat, 
erfüllt  er  es  durch  zweifache  Absonderung:  durch 
körperliche  Absonderung  und  durch  geistige  Absonde- 
rung, Das,  ihr  Mönche,  ist  die  dritte  Bedingung  und 
Grundlage  zur  Erlangung  des  bis  dahin  noch  uner- 
langten, dem  urheiligen  Wandel  eigenen  Wissens 
und  zu  des  erlangten  Wissens  Erweiterung,  Ausdeh- 
nung, Entfaltung  und  Vollendung. 

Er  ist  sittenrein,  lebt  gezügelt  im  Sinne  der  Ordens- 
satzung, und  sich  vor  den  geringsten  Vergehen  scheuend 
übt  er  sich  in  den  auf  sich  genommenen  Übungsregeln. 
Das,  ihr  Mönche,  ist  die  vierte  Bedingung  und  Grund- 
lage zur  Erlangung  des  bis  dahin  noch  unerlangten, 
dem  urheiligen  Wandel  eigenen  Wissens  und  zu 
des  erlangten  Wissens  Erweiterung,  Ausdehnung,  Ent- 
faltung und  Vollendung. 

Er  ist  wissensreich,  ein  Träger  des  Wissens,  hat 
sich  ein  großes  Wissen  angesammelt.  Jene  Gesetze, 
die  im  Anfang  erhaben,  in  der  Mitte  erhaben  und  im 
Ausgange  erhaben  sind,  dem  Sinne  wie  dem  Wortlaute 
nach,  und  das  ganz  und  gar  vollkommene,  geläuterte 
Heilige  Leben  lehren,  solcher  Gesetze  hat  er  viele  ver- 
nommen, sich  eingeprägt,  in  Worten  gemerkt,  im 
Geiste  erwogen,  mit  Erkenntnis  wohl  durchdrungen. 
Das,  ihr  Mönche,  ist  die  fünfte  Bedingung  und  Grund- 
lage zur  Erlangung  des  bis  dahin  noch  unerlangten, 
dem    urheiligen    Wandel    eigenen    Wissens     und    zu 


ACHTERBUCH  VIII 2 


des  erlangten  Wissens  Erweiterung,  Ausdehnung,  Ent- 
faltung und  Vollendung. 

Er  setzt  seine  Willenskraft  ein,  um  die  schuldvollen 
Dinge  zu  überwinden,  die  verdienstvollen  Dinge  aber 
zu  erwecken,  ist  standhaft,  von  gestählter  Kraft,  nicht 
nachlässig  im  Guten.  Das,  ihr  Mönche,  ist  die  sechste 
Bedingung  und  Grundlage  zur  Erlangung  des  bis  dahin 
noch  unerlangten,  dem  urheiligen  Wandel  eigenen 
Wissens  und  zu  des  erlangten  Wissens  Erweiterung, 
Ausdehnung,   Entfaltung  und  Vollendung. 

Befindet  er  sich  inmitten  der  Mönchsgemeinde, 
so  führt  er  nicht  allerhand  niedrige  Gespräche;  sondern 
er  trägt  entweder  selber  das  Gesetz  vor  oder  ersucht 
einen  anderen  darum,  auch  verschmäht  er  das  edle 
Schweigen  nicht.  Das,  ihr  Mönche,  ist  die  siebente 
Bedingung  und  Grundlage  zur  Erlangung  des  bis  da- 
hin noch  unerlangten,  dem  urheiligen  Wandel  eigenen 
Wissens  und  zu  des  erlangten  Wissens  Erweiterung, 
Ausdehnung,  Entfaltung  und  Vollendung. 

Bei  den  fünf  durch  Anhaften  erzeugten  Daseins-  j  ^ 
aggregaten  verweilt  er  in  der  Betrachtung  ihres  Ent-  "\ 
Stehens  und  Vergehens:  »So  ist  die  Form,  so  entsteht 
sie,  so  löst  sie  sich  auf;  so  ist  das  Gefühl«,  so  entsteht 
es,  so  löst  es  sich  auf;  so  ist  die  Wahrnehmung,  so 
entsteht  sie,  so  löst  sie  sich  auf;  so  sind  die  geistigen 
Bildungen,  so  entstehen  sie,  so  lösen  sie  sich  auf; 
so  ist  das  Bewußtsein,  so  entsteht  es,  so  löst  es  sich 
auf.«  Das,  ihr  Mönche,  ist  die  achte  Bedingung  und 
Grundlage  zur  Erlangung  des  bis  dahin  noch  uner- 
langten, dem  urheiligen  Wandel  eigenen  Wissens 
und  zu  des  erlangten  Wissens  Erweiterung,  Ausdeh- 
nung, Entfaltung  und  Vollendung. 


—     5     — 


vni2    SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Seine  Ordensbrüder  aber  erweisen  iiim  Achtung, 
das  sie  sich  sagen:  »Dieser  Ehrwürdige  lebt  da  in  der 
Nähe  des  Meisters  oder  eines  ehrwürdigen  Ordens- 
bruders, wo  er  von  äußerster  Schamhaftigkeit  und  Ge- 
wissenhaftigkeit, von  Liebe  und  Achtung  erfüllt  ist. 
Sicherlich  versteht  der  Ehrwürdige  das  zu  Verstehende,, 
erkennt  das  zu  Erkennende.«  Dieser  Umstand  aber 
führt  zur  Freundschaft,  Achtung  und  Ehrfurcht,  zur 
Eintracht  und  Einigkeit. 

[Und  seine  Ordensbrüder  sagen  sich:]  »Während 
dieser  Ehrwürdige  in  der  Nähe  des  Meisters  oder  eines 
ehrwürdigen  Ordensbruders  weilt,  begibt  er  sich  von 
Zeit  zu  Zeit  zu  ihnen,  befragt  sie,  ersucht  sie  um  Auf- 
klärung, Nachdem  er  das  Gesetz  vernommen  hat, 
erfüllt  er  es  durch  zweifache  Absonderung:  durch 
körperliche  Absonderung  und  durch  geistige  Absonde- 
rung. Er  ist  sittenrein,  lebt  gezügelt  im  Sinne  der 
Ordenssatzung.  Er  ist  wissensreich,  ein  Träger  des 
Wissens.  Er  ist  voller  Willenskraft.  Befindet  er  sich 
inmitten  der  Mönchsgemeinde,  so  führt  er  nicht  aller- 
hand niedrige  Gespräche.  Bei  den  fünf  durch  Anhaften 
erzeugten  Daseinsaggregaten  verweilt  er  in  der  Be- 
trachtung ihres  Entstehens  und  Vergehens.  Sicher- 
lich versteht  der  Ehrwürdige  das  zu  Verstehende,  er- 
kennt das  zu  Erkennende.«  Auch  das  ist  ein  Umstand, 
der  zur  Freundschaft,  Achtung  und  Ehrfurcht  führt, 
zur  Eintracht  und  Einigkeit. 

Diese  acht  Bedingungen  und  Grundlagen,  ihr 
Mönche,  führen  zur  Erlangung  des  bis  dahin  noch  un- 
erlangten,  dem  urheiligen  Wandel  eigenen  , Wissens 
und  zu  des  erlangten  Wissens  Erweiterung,  Ausdeh- 
nung, Entfaltung  und  Vollendung. 

~     6     — 


ACHTERBUCH  VIII  3,  4,  6 


Acht  Gründe  der  Unbeliebtheit  3 

Mit  acht  Dingen  behaftet,  ihr  Mönche,  wird  der 
Mönch  von  seinen  Ordensbrüdern  nicht  geliebt,  ge- 
schätzt, geachtet  und  geehrt:  mit  welchen  acht  Dingen? 

Da,  ihr  Mönche,  lobt  der  Mönch  den  Unfreund- 
lichen, tadelt  den  Freundlichen,  sucht  nach  Gewinn, 
sucht  nach  Ehre,  ist  schamlos,  gewissenlos,  voll  böser 
Wünsche,  voll  verkehrter  Erkenntnis. 

—  Er  sucht  nach  Gewinn,  sucht  nach  Ehre,  sucht  4 
nach  Anerkennung,  kennt  nicht  die  rechte  Zeit,  kennt 
nicht  das  rechte  Maß,  ist  unlauter  (in  Werken,  Worten 
und  Gedanken),  ein  großer  Schwätzer,  schmäht  und 
beschimpft  seine  Ordensbrüder.  Mit  diesen  acht 
Dingen  behaftet,  ihr  Mönche,  wird  der  Mönch  von 
seinen  Ordensbrüdern  nicht  geliebt,  geschätzt,  ge- 
achtet und  geehrt. 

Die  acht  Weltgesetze  5 

Acht  Weltgesetze,  ihr  Mönche,  haften  an  der 
Welt,  und  die  Welt  haftet  an  ihnen:  an  welchen  acht? 

An  Gewinn  und  Verlust,  Ehre  und  Verachtung, 
Lob  und  Tadel,  Glück  und  Unglück. 

Gewinn,  Verlust,  Verehrung  und  Verachtung, 
So  Lob  wie  Tadel,  Unglück  sowie  Glück: 
Gar  wandelbar  sind  diese  Weltgesetze, 
Voll  Unbestand,  dem  Wechsel  ausgesetzt. 

Der  Weise,  der  Besonnene,  durchschauend, 
Erkennt  sie  als  dem  Wechsel  unterworfen. 
Erwünschte  Dinge  martern  seinen  Geist  nicht  mehr, 
Und  auch  bei  unerwünschten  Dingen  kommt  ihm  kein 

Verdruß. 

—     7     — 


VIII  6    SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

In  ihm  ist  Neigung  wie  Geiiässigkeit 
Zerstört,  vergangen,  kann  nicht  mehr  bestehen: 
Er  kennt  die  sorgenfreie  Stätte, 
Ist  zu  dem  andern  Ufer  hingelangt. 


6  —   ,, Genau   wie   den   unwissenden   Weitling,    ihr 

Mönche,  treffen  auch  den  wissenden  edlen  Jünger  Ge- 
winn und  Verlust,  Ehre  und  Verachtung,  Lob  und 
Tadel,  Glück  und  Unglück.  Worin  aber  besteht  da 
die  Verschiedenheit,  die  Besonderheit,  worin  der  Unter- 
schied zwischen  dem  wissenden  edlen  Jünger  und  dem 
unwissenden   Weitlinge?" 

,,In  dem  Erhabenen,  o  Ehrwürdiger,  wurzeln 
unsere  Gesetze.  Im  Erhabenen  haben  sie  ihren  Führer, 
ihre  Stütze.  Gut  wäre  es,  wenn  dem  Erhabenen  selber 
die  Antwort  auf  diese  Worte  einfiele.  Die  Mönche 
werden  sich  des  Erhabenen  Worte  merken." 

,,So  höret  denn,  ihr  Mönche,  und  achtet  wohl  auf 
meine  Worte!"  ,,Ja,  Ehrwürdiger!"  erwiderten  jene 
Mönche  dem  Erhabenen.     Der  Erhabene  sprach: 

,,Da,  ihr  Mönche,  wird  dem  unwissenden  Welt- 
linge  Gewinn  zuteil.  Nicht  aber  überlegt  er  bei  sich: 
»Entstanden  zwar  ist  mir  dieser  Gewinn;  doch  ver- 
gänglich ist  dieser  Gewinn,  elend,  dem  Wechsel  unter- 
worfen.« So  erkennt  er  nicht  der  Wirklichkeit  gemäß. 
Es  wird  ihm  Verlust  zuteil,  —  Ehre,  —  Verachtung, 
—  Lob,  —  Tadel,  —  Glück,  —  Unglück.  Nicht  aber 
überlegt  er  bei  sich:  »Entstanden  zwar  ist  mir  dieses 
Unglück;  doch  dieses  Unglück  ist  vergänglich,  elend, 
dem  Wechsel  unterworfen.«  So  erkennt  er  nicht  der 
Wirklichkeit  gemäß.  Und  Gewinn  und  Verlust,  Ehre 
und  Verachtung,  Lob  und  Tadel,  Glück  und  Unglück 

—     8     -- 


ACHTERBUCH  VIII 6 


fesseln  seinen  Geist.  An  ihm  zuteil  gewordenen  Ge- 
winn hängt  er  sich,  durch  Verlust  wird  er  aufgebracht. 
An  ihm  zuteil  gewordene  Ehre  hängt  er  sich,  durch 
Verachtung  wird  er  aufgebracht.  An  ihm  zuteil  ge- 
wordenes Lob  hängt  er  sich,  durch  Tadel  wird  er  auf- 
gebracht. An  ihm  zuteil  gewordenes  Glück  hängt  er 
sich,  durch  Unglück  wird  er  aufgebracht.  Der  Neigung 
und  dem  Verdrusse  aber  verfallen,  wird  er  nicht  erlöst 
vom  Geborenwerden,  Altern  und  Sterben,  von  Sorge, 
Jammer,  Schmerz,  Trübsal  und  Verzweiflung,  wird  er 
nicht  erlöst  vom  Leiden:  das  sage  ich. 

,,Da  nun,  ihr  Mönche,  wird  dem  wissenden  edlen 
Jünger  Gewinn  zuteil.  Er  aber  überlegt  bei  sich: 
»Entstanden  zwar  ist  mir  dieser  Gewinn;  doch  ver- 
gänglich ist  dieser  Gewinn,  elend,  dem  Wechsel  unter- 
worfen.« So  erkennt  er  der  Wirklichkeit  gemäß.  Es 
wird  ihm  Verlust  zuteil  —  Ehre,  —  Verachtung,  — 
Lob,  —  Tadel,  —  Glück,  —  Unglück.  Und  er  über- 
legt bei  sich:  »Entstanden  zwar  ist  mir  dieses  Unglück; 
doch  dieses  Unglück  ist  vergänglich,  elend,  dem  Wechsel 
unterworfen.«  So  erkennt  er  der  Wirklichkeit  gemäß. 
Und  Gewinn  und  Verlust,  Ehre  und  Verachtung,  Lob 
und  Tadel,  Glück  und  Unglück  fesseln  seinen  Geist 
nicht  mehr.  An  ihm  zuteil  gewordenen  Gewinn  hängt 
er  sich  nicht,  durch  Verlust  wird  er  nicht  aufgebracht. 
An  ihm  zuteil  gewordene  Ehre  hängt  er  sich  nicht, 
durch  Verachtung  wird  er  nicht  aufgebracht.  An  ihm 
zuteil  gewordenes  Lob  hängt  er  sich  nicht,  durch  Tadel 
wird  er  nicht  aufgebracht.  An  ihm  zuteil  gewordenes 
Glück  hängt  er  sich  nicht,  durch  Unglück  wird  er  nicht 
aufgebracht.  Neigung  und  Verdruß  aber  überwindend, 
wird  er  erlöst  vom  Geborenwerden,  Altern  und  Sterben, 


VIII 8    SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

von  Sorge,  Jammer,  Schmerz,  Trübsal  und  Verzweif- 
lung, wird  er  erlöst  vom  Leiden:  das  sage  ich. 

,,Das,  ihr  Mönche,  ist  da  die  Verschiedenheit,  das 
die  Besonderheit,  das  der  Unterschied  zwischen  dem 
wissenden  edlen  Jünger  und  dem  unwissenden  Weit- 
linge," 

>  Der  Grund  von  Devadattos  Untergang 

Einst  weilte  der  ehrwürdige  Uttaro,  bei  Mahisa- 
vatthu,  im  Dhavadickicht  (1)  auf  dem  Sahkheyyaberge. 
Dort  wandte  sich  der  ehrwürdige  Uttaro  an  die  Mönche 
und  sprach: 

,,Gut  ist  es,  ihr  Brüder,  wenn  der  Mönch  von  Zeit 
zu  Zeit  die  eigenen  Fehltritte  betrachtet;  gut  ist  es, 
wenn  er  von  Zeit  zu  Zeit  der  Anderen  Fehltritte  be- 
trachtet. Gut  ist  es,  ihr  Brüder,  wenn  der  Mönch  von 
Zeit  zu  Zeit  die  eigenen  Fortschritte  betrachtet;  gut 
ist  es,  wenn  er  von  Zeit  zu  Zeit  der  Anderen  Fehltritte 
betrachtet." 

Damals  zog  gerade  der  große  König  Vessavano  (2) 

(1)  Der  Name  eines  Klosters,  der  nach  dem  Dhavadickicht, 
in  dem  es  gelegen  war,  so  benannt  wurde.  Nach  Clough  (Sinhalese 
Dictionary)  ist  der  Dhavastrauch  identisch  mit  dem  ceylonesischen 
Malita  (auch  Mayila  genannt),  einem  kleinen  Strauch,  der  beständig 
schöne  rote  Blüten  trägt. 

(2)  In  Sanskrit  Vaisravana.  Li  der  Hindumytologie  ist  er 
auch  bekannt  als  Kubera,  der  Gott  des  Reichtums,  der  Regent 
des  Nordens  und  König  der  Yakshas  (Gespenster)  und  Kinnaras 
(Halbmenschen).  Er  ist  der  Halbbruder  Rävanas,  des  Königs  der 
Räkshasas  (eine  Art  Dämonen)  auf  Ceylon,  der  in  dem  großen 
indischen  Epos  Rämäyana  wie  in  den  Sagen  Ceylons  eine  große 
Rolle  spielt. 

—     10    — 


ACHTERBUCH  VIII 8: 


in  irgend  einer  Angelegenheit  gen  Süden.  Es  hörte 
aber  der  große  König  Vessavano,  wie  der  ehrwürdige 
Uttaro  bei  Mahisavatthu,  im  Dhavadickicht  auf  dem 
Sahkheyyaberge,  den  Mönchen  in  diesen  Worten  das 
Gesetz  darlegte.  Und  gerade  wie  ein  starker  Mann  den 
gebeugten  Arm  ausstrecken  oder  den  ausgestreckten 
Arm  beugen  möchte,  ebenso  schnell  ""verschwand  der 
große  König  Vessavano  von  dort  und  trat  bei  den 
Göttern  der  Dreiunddreißig  wieder  in  Erscheinung. 
Darauf  trat  der  große  König  Vessavano  zu  Sakko 
dem  Götterkönige  und  sprach: 

,,So  wisse  denn,  o  Herr,  daß  dieser  ehrwürdige 
Uttaro  bei  Mahisavatthu,  im  Dhavadickicht  auf  dem 
Sahhkeyyaberge,  den  Mönchen  in  folgenden  Worten 
das  Gesetz  darlegte: 

»Gut  ist  es,  ihr  Brüder,  wenn  der  Mönch  von 
Zeit  zu  Zeit  die  eigenen  Fehltritte  betrachtet;  gut 
ist  es,  wenn  er  von  Zeit  zu  Zeit  der  Anderen  Fehl- 
tritte betrachtet.     Gut  ist  es,  ihr  Brüder,  wenn  der 
Mönch   von   Zeit   zu   Zeit   die   eigenen   Fortschritte 
betrachtet;  gut  ist  es,  wenn  er  von  Zeit  zu  Zeit  der 
Anderen  Fortschritte  betrachtet.« 
Und  gerade  wie  ein  starker  Mann  den  gebeugten 
Arm  ausstrecken  oder  den  ausgestreckten  Arm  beugen 
möchte,  ebenso  schnell  verschwand  darauf  Sakko  der 
Götterkönig  aus  dem  Himmel  der  Dreiunddreißig  und 
trat    bei   Mahisavatthu,    im    Dhavadickicht   auf   dem 
Sahkhaeyyberge,  vor  dem  ehrwürdigen  Uttaro  wieder 
in  Erscheinung.     Darauf  trat  Sakko  der  Götterkönig 
zu  dem  ehrwürdigen  Uttaro,  begrüßte  ihn  ehrfurchts- 
voll und  stellte  sich  zur  Seite.    Zur  Seite  aber  stehend 
sprach  er  zu  ihm: 


11     — 


VIII  8    SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

,,Ist  es  wirklich  wahr,  o  Ehrwürdiger,  daß  der  ehr- 
würdige Uttaro  den  Mönchen  in  folgenden  Worten 
das  Gesetz  dargelegt  hat: 

»Gur  ist  es,  ihr  Brüder,  wenn  der  Mönch  von 
Zeit  zu  Zeit  die  eigenen  Fehltritte  betrachtet;  gut 
ist  es,  wenn  er  von  Zeit  zu  Zeit  der  Anderen  Fehl- 
tritte betrachtet.  Gut  ist  es,  ihr  Brüder,  wenn  der 
Mönch  von  Zeit  zu  Zeit  die  eigenen  Fortschritte 
betrachtet;  gut  ist  es,  wenn  er  von  Zeit  zu  Zeit 
der  Anderen  Fortschritte  betrachtet.«?" 
,,Ja,  0  Götterkönig!" 

,,Ist  dies  nun  wohl  aber,  o  Ehrwürdiger,  des  ehr- 
würdigen Uttaro  eigener  Einfall,  oder  aber  das  Wort 
des  Erhabenen,  Heiligen,  Vollkommen  Erleuchteten?" 
,,So  will  ich  dir  denn,  o  Götterkönig,  ein  Gleich- 
nis geben;  denn  auch  durch  ein  Gleichnis  wird  manch 
einsichtigem  Wesen  der  Worte  Sinn  verständlich. 
Nehmen  wir  an,  o  Götterkönig,  unweit  eines  Dorfes, 
oder  einer  Stadt  läge  ein  großer  Haufen  Korn;  und 
eine  große  Menge  Menschen  holte  sich  davon  ver- 
mittelst Tragstangen  (1),  in  Körben,  im  Schurze  und 
in  der  Hand.  Sollte  nun  jemand  zu  jener  großen  Menge 
herantreten  und  fragen,  wo  sie  das  Korn  hergeholt 
hätten,  wie  möchte  da  wohl,  o  Götterkönig,  die  Men- 
schenmenge ganz  richtig  antworten?" 

,,Wenn  sie  sagten,  daß  sie  es  von  jenem  großen 


(1)  An  beiden  Enden  der  Tragstange,  die  auf  einer  Schulter 
ruht,  werden  mit  Stricken  die  Lasten  befestigt.  Die  Tragstange 
ist  auch  heutzutage  noch  im  Gebrauche  und  bildet  in  China  sogar 
nahezu  das  einzige  Transportmittel,  mit  dem  die  schwersten  Lasten 
durchs  ganze  Land  befördert  werden. 

—     12     — 


ACHTERBUCH  VIII 8 


Kornhaufen  geholt  hätten,  so  möchten  sie  die  richtige 
Antwort  gegeben  haben." 

„Ebenso  auch,  o  Götterkönig:  was  immer  richtig 
dargelegt  ist,  das  alles  gilt  als  das  Wort  der  Erhabenen, 
Heiligen,  Vollkommen  Erleuchteten;  und  davon  nehmen 
wir  gleichsam  immer,  wenn  wir  sprechen," 

,, Wunderbar  ist  es,  o  Ehrwürdiger,  erstaunlich  ist 
es,  0  Ehrwürdiger,  wie  da  der  ehrwürdige  Uttaro  so 
treffend  sagt:  >>Was  immer  richtig  dargelegt  ist,  daß 
alles  gilt  als  das  Wort  der  Erhabenen,  Heiligen,  Voll- 
kommen Erleuchteten;  und  davon  nehmen  wir  gleich- 
sam immer,  wenn  wir  sprechen.« 

,, Einst,   0   Ehrwürdiger,   da  weilte   der   Erhabene 
bei  Räjagaha  auf  der  Geierspitze,  kurz  nachdem  De- 
vadatto   abgefallen  war.      Dort  wandte  sich   der   Er- 
habene betreffs  Devadattos  an  die  Mönche  und  sprach: 
»Gut  ist  es,  ihr  Mönche,  wenn  der  Mönch  von  Zeit 
zu  Zeit   die   eigenen   Fehltritte   betrachtet;   gut   ist 
es,  wenn  er  von  Zeit  zu  Zeit  der  Anderen  Fehltritte 
betrachtet.    Gut  ist  es,  ihr  Mönche,  wenn  der  Mönch 
von  Zeit  zu  Zeit  die  eigenen  Fortschritte  betrachtet; 
gut  ist  es,  wenn  er  von  Zeit  zu  Zeit  der  Anderen 
Fortschritte  betrachtet. 

»Von  acht  bösen  Dingen  überwältigt  und  im 
Geiste  besessen,  ihr  Mönche,  ist  Devadatto  dem 
Abweg  und  der  Hölle  für  ein  Weltzeitalter  rettungs- 
los verfallen:  von  welchen  acht  Dingen?  Von  Ge- 
winn und  Verlust,  Verehrung  und  Verachtung,  guter 
Behandlung  und  schlechter  Behandlung,  bösen  Wün- 
schen und  bösem  Umgang.  Gut  ist  es,  ihr  Mönche, 
diese  Dinge,  sobald  sie  auftreten,  ganz  und  gar  zu 
überwinden.      Und  warum?      Weil   eben   dem,   ihr 

—     13     — 


VIII 9     SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Mönche,  die  diese  bösen  Dinge  nach  ihrem  Auftreten 
nicht  ganz  und  gar  überwinden,  Leidenschaften,  Ver- 
törung  und  Qual  entstehen  möchten,  für  einen  aber, 
der  diese  Dinge  nach  ihrem  Auftreten  ganz  und  gar 
überwunden  hat,  jene  Leidenschaften  und  jene 
Verstörung  und   Qual  nicht  mehr  bestehen. 

'>Darum,  ihr  Mönche,  sollt  ihr  danach  trachten: 
»Sobald  Gewinn  oder  Verlust,  Verehrung  oder  Ver- 
achtung, gute  Behandlung  oder  schlechte  Behand- 
lung,  böse  Wünsche  oder  schlechter  Umgang  ent- 
standen sind,  so  wollen  wir  diese  Dinge  ganz  und 
gar  überwinden. <   Das,  ihr  Mönche,  sei  euer  Streben!« 
,,Was,  0  Ehrwürdiger,  die  vier  Klassen  von  Men- 
schen anbetrifft,  —  die  Mönche,   Nonnen,   Anhänger 
und  Anhängerinnen,  —  so  hat  sich  keiner  von  ihnen 
diesen  Gesetzesvortrag  zu  eigen  gemacht.    Möge  doch, 
0  Ehrwürdiger,  der  verehrte  Uttaro  sich  diesen  Gesetzes- 
vortrag aneignen!      Möge  doch,   o   Ehrwürdiger,    der 
verehrte  Uttaro  diesen  Gesetzesvortrag  sich  einprägen! 
Möge  doch,  o  Ehrwürdiger,  der  verehrte  Uttaro  diesen 
Gesetzesvortrag  sich  merken!      Sinnreich,   o  Ehrwür- 
diger, ist  dieser  Gesetzesvortrag,  zum  urheiligen  Wandel 
dienlich." 


^  Die  Vorzüge  des  Nando 

Mit  Recht,  ihr  Mönche,  kann  man  Nando  als  einen 
edlen  Sohn  bezeichnen.  Mit  Recht  kann  man  ihn  als 
kraftbegabt  bezeichnen,  mit  Recht  als  anmutvoll,  mit 
Recht  als  von  äußerster  Begierde  erfüllt.  Wie  könnte, 
ihr  Mönche,  wohl,  Nando,  das  ganz  und  gar  geläuterte, 
keusche  Leben  führen,  wenn  er  nicht  über  seine  Sinnen- 

—     14     - 


ACHTERBUCH  VIII  9 


tore  wachte,  nicht  maßhielte  beim  Mahle,  nicht  der 
Wachsamkeit  ergeben  wäre  und  keine  Achtsamkeit 
und  Geistesklarheit  besäße? 

Das,  ihr  Mönche,  gilt  als  das  Bewachtsein  seiner 
Sinnentore:  wenn  er  nach  Osten,  Westen,  Norden  oder 
Süden  zu  blicken  hat,  oder  nach  oben  oder  unten,  oder 
nach  einer  Zwischenrichtung,  so  faßt  er  beim  Hin- 
sehen alles  im  Geiste  zusammen  und  sagt  sich:  »Wenn 
ich  auf  diese  Weise  hinsehe,  können  Begierde  und 
Trübsal,  üble,  schuldvolle  Erscheinungen  nicht  in  mich 
eindringen.«  So  bleibt  er  dabei  klaren  Geistes.  Das, 
ihr  Mönche,  gilt  als  das  Bewachtsein  seiner  Sinnentore. 

Das  aber,  ihr  Mönche,  gilt  als  sein  Maßhalten  beim 
Mahle:  Da,  ihr  Mönche,  nimmt  Nando  weise  besonnen 
Nahrung  zu  sich,  weder  zum  Zeitvertreib  noch  zum 
Genüsse  noch  um  dadurch  schön  und  anmutig  zu 
werden,  sondern  eben  bloß  zur  Erhaltung  und  Fristung 
dieses  Körpers,  um  Schaden  zu  verhüten  und  den  Hei- 
ligen Wandel  zu  unterstützen;  [denn  er  sagt  sich:] 
»Auf  diese  Weise  werde  ich  das  frühere  Gefühl  ab- 
töten und  kein  neues  Gefühl  aufkommen  lassen;  und 
ich  werde  genug  haben  zum  Leben,  und  Untadeligkeit 
und  Wohlsein  werden  mir  beschieden  sein.«  Das,  ihr 
Mönche,  gilt  als  sein  Maßhalten  beim  Mahle. 

Das  aber,  ihr  Mönche,  gilt  als  sein  Eifer  bei  der 
Wachsamkeit:  Da,  ihr  Mönche,  läutert  Nando  bei  Tage 
und  noch  während  der  ersten  Nachtwache,  gehend  oder 
sitzend,  seinen  Geist  von  den  hemmenden  Erschei- 
nungen. In  der  Mittleren  Nachtwache  ruht  er  wie  ein 
Löwe  auf  der  rechten  Seite,  ein  Bein  über  dem  anderen, 
nachdem  er  besonnen  und  klarbewußt  den  Gedanken 
des  Auferstehens  im  Geiste  erwogen  hat.    In  der  letzten 


—    15 


VIII 10  SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Nachtwache  erhebt  er  sich  wieder  und  läutert,  gehend 
oder  sitzend,  seinen  Geist  von  den  hemmenden  Er- 
scheinungen. Das,  ihr  Mönche,  gilt  als  sein  Eifer  bei 
der  Wachsamkeit. 

Das  aber,  ihr  Mönche,  gilt  als  seine  Achtsamkeit 
und  Geistesklarheit:  Da,  ihr  Mönche,  merkt  Nando, 
wie  die  Gefühle  in  ihm  aufsteigen,  wie  sie  da  sind  und 
wie  sie  schwinden;  er  merkt,  wie  die  Wahrnehmungen 
in  ihm  aufsteigen,  wie  sie  da  sind  und  wie  sie  schwinden; 
er  merkt,  wie  die  Gedanken  in  ihm  aufsteigen,  wie  sie 
da  sind  und  wie  sie  schwinden.  Das,  ihr  Mönche,  gilt 
als  seine  Achtsamkeit  und   Geistesklarheit. 

Wie  könnte,  ihr  Mönche,  wohl  Nando  das  ganz 
und  gar  geläuterte,  keusche  Leben  führen,  wenn  er 
nicht  über  seine  Sinnentore  wachte,  nicht  maßhielte 
beim  Mahle,  nicht  der  Wachsamkeit  ergeben  wäre  und 
keine  Achtsamkeit  und  Geistesklarheit  besäße? 

10  Das  Unkraut 

Eines  Tages  weilte  der  Erhabene  bei  Cämpä,  (1) 
am  Ufer  des  Gaggarä  (2)  Teiches.  Damals  gerade 
wiesen  die  Mönche  einen  Mönch  wegen  eines  Ver- 
gehens zurecht.  Von  den  Mönchen  aber  wegen  des 
Vergehens  zurecht  gewiesen,  ging  jener  von  einem 
Gegenstand  auf  den  anderen  über,  lenkte  das  Gespräch 
auf  fremde  Dinge  und  zeigte  Zorn,  Groll  und  Miß- 
trauen.    Und  der  Erhabene  sprach  zu  den  Mönchen: 

(1)  Campä,  die  ehemalige  Hauptstadt  der  Angas  (Bengalen), 
ist  identisch  mit  dem  heutigen  Bhagalpur  am  Südufer  des  Ganges, 
n.  n.  ö.  von  Kalkutta. 

(2)  Gaggarä  ist  eine  Fischart. 

—     16     — 


ACHTERBUCH  VIII 10 


„Jaget  diesen  Menschen  fort,  ihr  Mönche;  ver- 
stoßet ihn!  Fortzuweisen  ihr  Mönche,  hat  man  einen 
solchen  Menschen.  Wie  darf  wohl  jener  böse  Bube(l) 
euch  beleidigen? 

,,Da,  ihr  Mönche,  erscheint  einer  beim  Gehen, 
Kommen,  Hinblicken,  Wegblicken,  Beugen,  Strecken 
und  Tragen  von  Gewand  und  Almosenschale  genau  so 
wie  die  anderen  guten  Mönche,  solange  eben  die  anderen 
Mönche  seine  Vergehen  nicht  bemerken.  Sobald  aber 
die  Mönche  seine  Vergehen  bemerken,  da  wissen  sie 
von  ihm,  daß  er  den  Asketen  Schande  bereitet,  daß  er 
eine  Spreu  ist  unter  den  Asketen,  ein  Unkraut.  Ihn 
als  solchen  erkennend  stoßen  sie  ihn  aus.  Und  warum? 
Damit  er  die  anderen,  guten  Mönche   nicht   verderbe. 

Nehmen  wir  an,  ihr  Mönche,  in  einem  reifen 
Gerstenfelde  entstünde  ein  dürres  Unkraut,  dessen 
Wurzeln,  Halme  und  Blätter  genau  so  aussähen  wie 
bei  der  übrigen,  guten  Gerste,  solange  sich  eben  die 
Ähre  noch  nicht  gebildet  hat.  Sobald  sich  aber  die 
Ähre  bildete,  bemerkte  man,  daß  man  es  mit  einem 
verderblichen,  dürren  Unkraute  zu  tun  habe;  und 
dies  bemerkend  risse  man  es  mit  der  Wurzel  heraus 
und  würfe  es  außerhalb  des  Gerstenfeldes.  Und  wa- 
rum? Damit  es  eben  die  andere,  gute  Gerste  nicht 
verderbe. 

„Oder  wenn  da,  ihr  Mönche,  ein  großer  Haufen 
Korn  gesichtet  wird,  so  bilden  die  harten,  gehaltvollen 

(1)  Das  Wort  putta  (Sohn)  und  besonders  das  Sanskrit  Dimi- 
nutivum  putraka  (Söhnchen)  deckt  sich  in  seiner  Anwendung  einiger- 
maßen mit  dem  deutschen  Worte  »Bube«,  das  sowohl  Knabe  (bes. 
in  Süddeutschland)  als  auch  Schurke  (in  Englisch  knave,  von 
Knabe)  bedeuten  mag. 

-     17     -  2 


vnilO  SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Körner  auf  der  einen  Seite  einen  Haufen,  während  der 
Wind  die  dürren  Körner  und  die  Spreu  fort  auf  die 
andere  Seite  weht;  und  diese  kehren  die  Eigentümer 
immer  wieder  weg.  Und  warum?  Damit  sie  eben  die 
anderen,  guten  Körner  nicht  verunreinigen. 

,,Oder,  gesetzt,  ihr  Mönche,  ein  Mann  wollte  eine 
Wasserleitung  herrichten.  Er  ginge  daher  mit  einer 
scharfen  Axt  versehen  in  den  Wald.  Von  allen  Räumen 
aber,  die  er  mit  dem  Axtrücken  anschlüge,  gäben  die 
festen,  kernigen  Bäume  einen  starken  Klang;  die- 
jenigen Bäume  aber,  die  innen  faul,  morsch  und  ver- 
dorben sind,  gäben  einen  ganz  hohlen  Klang.  Jene 
aber  fällte  er  an  der  Wurzel,  schnitte  ihre  Kronen 
ab,  höhlte  die  Stämme  innen  sauber  aus  und  richtete 
darauf  die  Wasserleitung  her. 

,, Ebenso  auch  erscheint  einer  beim  Gehen, 
Kommen,  Hinblicken,  Wegblicken,  Beugen,  Strecken 
und  Tragen  von  Gewand  und  Almosenschale  genau  so 
wie  die  anderen  guten  Mönche,  solange  eben  die  anderen 
Mönche  seine  Vergehen  nicht  bemerken.  Sobald  aber 
die  Mönche  seine  Vergehen  bemerken,  da  wissen  sie 
von  ihm,  daß  er  den  Asketen  Schande  bereitet,  daß 
er  eine  Spreu  ist  unter  den  Asketen,  ein  Unkraut.  Ihn 
als  solchen  erkennend  stoßen  sie  ihn  aus.  Und  warum? 
Damit  er  die  anderen,  guten  Mönche  nicht  verderbe." 

,, Durch  Umgang  möget  ihr  erfahren. 
Ob  er  voll  Haß     und  Habsucht  ist. 
Ein  Heuchler,  Starrkopf,  Eiferer, 
Voll  Neid  und  Geiz  und  Hinterlist. 

,,»In  mildem  Ton  spricht  er  zur  Menge 
Und  redet  ganz  wie  ein  Asket; 

—     18     — 


ACHTERBUCH  vm  10 


Doch  im  Geheimem  übt  er  Böses, 
Ist  höhnisch,  böser  Ansicht  hold. 

,,Ein  Kriecher  ist  er,  ist  ein  Lügner«: 
Wenn  diese  Tatsache  ihr  merkt. 
So  tut  da  alle  euch  zusammen 
Und  jaget  diesen  Menschen  fort! 

„Das  Unkraut  reißet  völlig  aus! 

Fegt  weit  den  Unrat  von  euch  fort! 

Beiseite  blaset  diese  Spreu: 

Den  Nichtmönch,  der  ein  Mönch  sich  dünkt! 

,,Die  Schlechtgesinnten  von  euch  weisend. 

Die  bösem  Wandel  zugetan, 

Sollt,  selber  rein,  ihr  mit  den  Reinen 

Gemeinsam  leben,  klarbewußt. 

Bei  Eintracht  dann  mögt  ihr  durch  Einsicht 

Ein  Ende  machen  allem  Leid." 


19    — 


Vinil    SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 
ZWEITER    TEIL: 

Das  große  Kapitel 

11  Die  große  Durchbrechung 

Das  habe  ich  gehört: 

Einst  weilte  der  Erhabene  bei  Veranjä,  am  Fuße 
des  Nalerapucimanda  Baumes  (1).  Da  kam  ein  Brah- 
mane  zum  Erhabenen,  wechselte  mit  dem  Erhabenen 
freundlichen  Gruß;  und  nach  Austausch  freundlicher 
und  geziemender  Worte  setzte  er  sich  zur  Seite  hin 
und  sprach: 

,,Zu  Ohren  ist  mir  gekommen,  Herr  Gotamo,  daß 
der  Asket  Gotamo  ergrauten,  alten,  ehrwürdigen,  be- 
jahrten, gereiften  Brahmanen  keinen  ehrfurchtsvollen 
Gruß  entbietet,  sich  nicht  vor  ihnen  erhebt  und  sie 
zum  Sitzen  einlädt.  Das  aber,  Herr  Gotamo,  verhält 
sich  so;  denn  nicht  entbietet  ja  der  Herr  Gotamo  er- 
grauten, alten,  ehrwürdigen,  bejahrten,  gereiften  Brah- 
manen ehrfurchtsvollen  Gruß,  erhebt  sich  nicht  vor 
ihnen  und  lädt  sie  nicht  zum  Sitzen  ein.  Das  aber, 
Herr  Gotama,  ist  durchaus  ungehörig." 

,, Nicht  sehe  ich,  Brahmane,  in  der  Welt  der  Engel, 
Teufel  und  Götter,  nicht  in  der  Schar  der  Asketen  und 
Priester  auch  nur  einen,  dem  ich  ehrfurchtsvollen 
Gruß  entbieten  und  vor  dem  ich  mich  erheben  und  den 
ich  zum   Sitzen  einladen   sollte.      Denn  wenn,   Brah- 

(1)  Der  Pucimanda,  auch  bekannt  als  Nimba-  oder  Margosen 
bäum  (azadarachta  indica,  zu  der  Klasse  der  meliaceae  gehörig) 
ist  identisch  mit  dem  ceylonesischen  Kehombabaum.  Seine  Frücht«^ 
besitzen  einen  bitteren  Greschmack.     Vgl.  IX,  104. 

—     20     — 


ACHTERBUCH  vmil 


mane,  der  Vollendete  irgend  jemandem  ehrfurchts- 
vollen Gruß  entbieten,  sich  vor  ihm  erheben  und  ihn 
zum  Sitzen  einladen  sollte,  so  möchte  dessen  Haupt 
in  Stücke  zerspringen." 

„Rücksichtslos  ist  der  Herr  Gotamo." 
,, Allerdings,  Brahmane,  könnte  man  mich  in 
einer  Hinsicht  mit  Recht  als  rücksichtslos  bezeichnen; 
denn  jedwede  Rücksicht  für  Formen,  Töne,  Düfte, 
Säfte  und  tastbare  Dinge  ist  im  Vollendeten  über- 
wunden, ausgerottet,  wie  eine  Fächerpalme  zerstört, 
zunichte  gemacht  und  außerstande,  künftig  wieder 
aufzukeimen.  Doch  nicht  darauf  hattest  du  deine 
Worte  bezogen." 

,, Lieblos  ist  der  Herr  Gotamo." 
,, Allerdings,  Brahmane,  könnte  man  mich  in  einer 
Hinsicht  mit  Recht  als  lieblos  bezeichnen;  denn  jed- 
wede Liebe  für  Formen,  Töne,  Düfte,  Säfte  und  tast- 
bare Dinge  ist  im  Vollendeten  überwunden,  ausge- 
rottet, wie  eine  Fächerpalme  zerstört,  zunichte  ge- 
macht und  außerstande,  künftig  wieder  aufzukeimen. 
Doch  nicht  darauf  hattest  du  deine  Worte  bezogen." 
,,Die  Untätigkeit  lehrt  der  Herr  Gotamo." 
,, Allerdings,  Brahmane,  könnte  man  mich  in  einer 
Hinsicht  mit  Recht  als  Lehrer  der  Untätigkeit  be- 
zeichnen; denn  ich  lehre  die  Nichtausübung  eines 
bösen  Wandels  In  Werken,  Worten  und  Gedanken, 
lehre  die  Nichtausübung  derj  mannigfachen  bösen, 
schuldvollen  Dinge.  Doch  nicht  darauf  hattest  du 
deine  Worte  bezogen."  M 

,,Die  Vernichtung  lehrt  der  Herr  Gotamo." 
,, Allerdings,    Brahmane,    könnte    man    mich    in 
einer  Hinsicht  mit  Recht  als  Lehrer  der  Vernichtung 

—    21     — 


vmil    SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

bezeichnen,  denn  ich  lehre  die  Vernichtung,  Gier, 
Haß  und  Verblendung,  lehre  die  Vernichtung  der 
mannigfachen  üblen,  schuldvollen  Erscheinungen.  Doch 
nicht  darauf  hattest  du  deine  Worte  bezogen." 
,,Ein  Verächter  is^  der  Herr  Gotamo." 
, »Allerdings,  Brahmane,  könnte  man  mich  in  einer 
Hinsicht  mit  Recht  als  einen  Verächter  bezeichnen; 
denn  ich  verachte  den  bösen  Wandel  in  Werken,  Worten 
und  Gedanken,  verachte  die  Ausübung  von  bösen, 
schuldvollen  Dingen.  Doch  nicht  darauf  hattest  du 
deine  Worte  bezogen." 

,,Ein  Verneiner  ist  der  Herr  Gotamo." 
,, Allerdings,  Brahmane,  könnte  man  mich  in  einer 
Hinsicht  mit  Recht  als  einen  Verneiner  bezeichnen; 
denn  ich  weise  das  Gesetz  zur  Verneinung  von  Gier, 
Haß  und  Verblendung,  zur  Verneinung  der  mannig- 
fachen üblen,  schuldvollen  Erscheinungen.  Doch  nicht 
darauf  hattest  du  deine  Worte  bezogen." 
,,Ein  Quäler  ist  der  Herr  Gotamo." 
,, Allerdings,  Brahmane,  könnte  man  mich  in 
einer  Hinsicht  mit  Recht  als  einen  Quäler  bezeichnen; 
denn  niederzuquälen,  sage  ich,  hat  man  die  üblen, 
schuldvollen  Erscheinungen,  niederzuquälen  den  bösen 
Wandel  in  Werken,  Worten  und  Gedanken.  In  wem 
aber,  Brahmane,  die  niederzuquälenden,  üblen,  schuld- 
vollen Erscheinungen  überwunden,  ausgerottet,  wie 
eine  Fächerpalme  zerstört,  zunichte  gemacht  und 
außerstande  sind,  künftig  wieder  aufzukeimen,  den 
nenne  ich  einen  Quäler.  Nun  sind  aber,  Brahmane, 
im  Vollendeten,  die  niederzuquälenden  üblen,  schuld- 
vollen Erscheinungen  überwunden,  ausgerottet,  wie 
eine    Fächerpalme    zerstört,    zunichte    gemacht    und 

—     22     — 


ACHTERBUCH  vm  11 


außerstande,  künftig  wieder  aufzukeimen.    Doch  nicht 
darauf  hattest  du  deine  Worte  bezogen." 

„Ein  Ausgestoßener  ist  der  Herr  Gotamo." 

„Allerdings,  Brahmane,  könnte  man  mich  in  einer 
Hinsicht  mit  Recht  als  einen  Ausgestoßenen  bezeichnen; 
denn  für  wen  der  künftige  Leibesschoß,  die  Wieder- 
geburt, überwunden,  ausgerottet,  wie  eine  Fächer- 
palme zerstört,  zunichte  gemacht  und  außerstande  ist, 
künftig  wieder  aufzukeimen,  den  nenne  ich  einen  Aus- 
gestoßenen. Nun  ist  aber,  Brahmane,  für  den  Voll- 
endeten der  künftige  Leibesschoß,  die  Wiedergeburt, 
überwunden,  ausgerottet,  wie  eine  Fächerpalme  zer- 
stört, zunichte  gemacht  und  außerstande,  künftig  wieder 
aufzukeimen.  Doch  nicht  darauf  hattest  du  deine 
Worte  bezogen." 

,, Nehmen  wir  an,  Brahmane,  eine  Henne  habe 
acht  oder  zehn  oder  zwölf  Eier,  die  sie  gründlich  be- 
brütet, gründlich  erwärmt,,  gründlich  gehegt  hätte. 
Dasjenige  unter  den  Küchlein  nun,  das  da  als  erstes 
mit  dem  Fuße,  den  Krallen,  den  Sporen  oder  dem 
Schnabel  die  Eierschale  durchbricht  und  heil  heraus- 
kriecht, hätte  man  das  wohl  als  das  ältere  zu  bezeichnen 
oder  als  das  jüngere?" 

„Als  das  ältere,  Herr  Gotamo;  denn  es  war  ja 
unter  ihnen  zuerst  da." 

,, Ebenso  auch,  Brahmane,  habe  ich  unter  den 
verblendeten,  im  Ei  der  Unwissenheit  weilenden,  in 
ihm  eingeschlossenen  Menschen  die  Eierschale  der  Un- 
wissenheit durchbrochen  und  als  Erster  in  der  Welt  die 
unübertroffene  höchste  Erleuchtung  errungen:  darum 
bin  ich  eben  in  der  Welt  der  Älteste,  der  Edelste.  Voll- 
endet aber,  Brahmane,  war  damals  meine  Willenskraft 

—     23     — 


vmil    SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

und  ungebrochen,  gewärtig  und  ungetrübt  meine  Acht- 
samkeit, mein  Inneres  gestillt  und  unbedrückt,  mein 
Geist  gesammelt  und  geeint. 

,,Und  den  Sinnendingen  entrückt,  Brahmane, 
entrückt  den  schuldvollen  Erscheinungen,  gewann  ich 
die  mit  Sinnen  und  Nachdenken  verbundene,  in  der 
Entrückung  geborene,  von  Verzückung  und  Glück- 
seligkeit erfüllte  erste  Vertiefung.  Nach  dem  Schwinden 
des  Sinnens  und  Nachdenkens  aber  gewann  ich  den 
inneren  Frieden,  die  Einheit  des  Geistes,  die  von  Sinnen 
und  Nachdenken  freie,  in  der  Sammlung  geborene, 
von  Verzückung  und  Glückseligkeit  erfüllte  zweite 
Vertiefung.  Nach  Abwendung  von  der  Verzückung 
aber  verweilte  ich  gleichmütig,  achtsam,  geistesklar, 
und  ich  fühlte  in  mir  jenes  Glück,  von  dem  die  Edlen 
sprechen:  »Glückselig  der  Gleichmütige,  der  Acht- 
same!« —  so  gewann  ich  die  dritte  Vertiefung.  Nach 
dem  Schwinden  von  Wohlgefühl  und  Schmerz  aber 
und  durch  Überwindung  des  früheren  Frohsinns  und 
Trübsinns  gewann  ich  einen  leidlosen,  freudlosen  Zu- 
stand, die  durch  Gleichmut  und  Achtsamkeit  geklärte 
vierte  Vertiefung. 

„Solcherart  im  Geiste  geklärt,  geläutert,  unbe- 
fleckt, ungetrübt,  geschmeidig,  biegsam,  gefestigt  und 
unerschütterlich,  richtete  ich  meinen  Geist  auf  die 
erinnernde  Erkenntnis  früherer  Daseinsformen. 
Und  ich  erinnerte  mich  an  mannigfache  frühere  Da- 
seinsformen, an  ein  Leben,  an  zwei,  drei,  vier  und  fünf 
Leben,  an  zehn  Leben,  an  zwanzig,  dreißig,  vierzig 
und  fünfzig  Leben,  an  hundert  Leben,  an  tausend 
Leben,  an  hunderttausend  Leben,  an  viele  Weltent- 
stehungen und  Weltuntergänge,  an  das  Entstehen  und 

—     24     — 


ACHTERBUCH  vm  11 


Vergehen  zahlreicher  Welten:  »Dort  war  ich,  solchen 
Namen  hatte  ich,  solcher  Familie,  solcher  Kaste  ge- 
hörte ich  an,  so  ernährte  ich  mich,  solche  Freuden 
und  Leiden  wurden  mir  zuteil,  solcherart  war  mein 
Lebensende.  Von  da  abgeschieden  trat  ich  dort  wieder 
ins  Dasein.  Dort  nun  war  ich,  solchen  Namen  hatte 
ich,  solcher  Familie,  solcher  Kaste  gehörte  ich  an,  so 
ernährte  ich  mich,  solche  Freuden  und  Leiden  wurden 
mir  zuteil,  solcherart  war  mein  Lebensende.  Von  dort 
abgeschieden  trat  ich  hier  wieder  ins  Dasein.«  So  er- 
innerte ich  mich  mannigfacher  früherer  Daseinsformen 
mit  den  Merkmalen  und  Einzelheiten.  Dieses  erste 
Wissen,  Brahmane,  errang  ich  in  der  ersten  Nacht- 
wache; und  die  Unwissenheit  schwand  und  das  Wissen 
erwachte,  das  Dunkel  zerstob  und  es  wurde  Licht, 
während  ich  also  unermüdlich,  eifrig,  selbstentschlossen 
verweilte. '  Dies,  Brahmane,  war  meine  erste,  große 
Durchbrechung,  gleichwie  das  Küchlein  die  Eier- 
schale durchbricht. 

„Solcherart  im  Geiste  geklärt,  geläutert,  unbefleckt, 
ungetrübt,  geschmeidig,  biegsam,  gefestigt  und  un- 
erschütterlich richtete  ich  meinen  Geist  auf  die  Er- 
kenntnis des  Abscheidens  und  Wiedererscheinens  der 
Wesen.  Und  mit  dem  Himmlischen  Auge,  dem 
geklärten,  übermenschlichen,  sah  ich  die  Wesen  ab- 
scheiden und  wiedererscheinen,  niedrige  wie  edle, 
schöne  wie  häßliche,  glückliche  wie  unglückliche.  Ich 
erkannte,  wie  die  Wesen  ihren  Taten  entsprechend 
wiedererscheinen,  wie  die  einen  Wesen  einen  schlechten 
Wandel  in  Werken,  Worten  und  Gedanken  führen, 
Edle  beschimpfen,  verkehrte  Erkenntnis  hegen,  nach 
ihrer  verkehrten   Erkenntnis  handeln  und   beim  Zer- 

—     25     — 


vmil    SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

falle  des  Leibes,  nach  dem  Tode,  auf  den  Abweg  ge- 
raten, eine  Leidensfährte,  in  verstoßene  Weit,  zur 
Hölle;  wie  aber  die  anderen  Wesen  einen  guten  Wandel 
in  Werken,  Worten  und,  Gedanken  führen,  die  Edlen 
nicht  beschimpfen,  rechte  Erkenntnis  besitzen,  nach 
ihrer  rechten  Erkenntnis  handeln  und  beim  Zerfalle 
des  Leibes,  nach  dem  Tode,  auf  glückliche  Fährte  ge- 
langen, in  himmlische  Welt.  So  sah  ich  mit  dem  Himm- 
lischen Auge,  dem  geklärten,  übermenschlichen,  die 
Wesen  abscheiden  und  wiedererscheinen,  niedrige  wie 
edle,  schöne  wie  häßliche,  glückliche  wie  unglückliche, 
erkannte  wie  die  Wesen  ihren  Taten  entsprechend 
wiedererscheinen.  Dieses  zweite  Wissen,  Brahmane, 
errang  ich  in  der  zweiten  Nachtwache;  und  die  Un- 
wissenheit schwand  und  das  Wissen  erwachte,  das 
Dunkel  zerstob  und  es  wurde  Licht;  während  ich  also 
unermüdlich,  eifrig,  selbstentschlossen  verweilte.  Dies, 
Brahmane,  war  meine  zweite  große  Durchbrechung, 
gleichwie  das  Küchlein  die  Eierschale  durchbricht. 

,, Solcherart  im  Geiste  geklärt,  geläutert,  unbe- 
fleckt, ungetrübt,  geschmeidig,  biegsam,  gefestigt  und 
unerschütterlich,  richtete  ich  meinen  Geist  auf  die 
Erkenntnis  von  der  Versiegung  der  Leidenschaf- 
ten: »Dies  ist  das  Leiden«  erkannte  ich  der  Wirklich- 
keit gemäß.  »Dies  ist  die  Entstehung  des  Leidens«  er- 
kannte ich  der  Wirklichkeit  gemäß.  »Dies  ist  die  Auf- 
hebung des  Leidens«  erkannte  ich  der  Wirklichkeit 
gemäß.  »Dies  ist  der  zur  Aufhebung  des  Leidens  füh- 
rende Pfad«  erkannte  ich  der  Wirklichkeit  gemäß. 
»Dies  sind  die  Leidenschaften  (äsavä)«  erkannte  ich 
der  Wirklichkeit  gemäß.  »Dies  ist  die  Entstehung  der 
Leidenschaften«  erkannte  ich  der  Wirklichkeit  gemäß. 

—     26     — 


ACHTERBUCH  Vinil 


»Dies  ist  die  Aufhebung  der  Leidenschaften«  erkannte 
ich  der  WirkHchkeit  gemäß.  »Dies  ist  der  zur  Auf- 
hebung der  Leidenschaften  führende  Pfad«  erkannte 
ich  der  Wirklichkeit  gemäß.  Während  ich  aber  also  er- 
kannte, also  schaute,  wurde  mein  Geist  von  der  sinn- 
lichen Leidenschaft  (kämäsava)  erlöst,  erlöst  von 
der  Daseinsleidenschaft  bhaväsava),  erlöst  von 
der  Leidenschaft  der  Verblendung  (avijjäsava). 
Und  in  mir  dem  Erlösten  stieg  die  Erkenntnis  auf: 
»Erlöst  bin  ich.«  Und  ich  erkannte:  »Aufgehoben  ist 
die  Geburt,  ausgelebt  der  Heilige  Wandel,  das  Werk 
vollendet;  nicht  kehr'  ich  mehr  zu  dieser  Welt  zurück.« 
Dieses  dritte  Wissen,  Brahmane,  errang  ich  in  der 
dritten  Nachtwache;  und  die  Unwissenheit  schwand 
und  das  Wissen  erwachte,  das  Dunkel  zerstob  und  es 
wurde  Licht,  während  ich  also  unermüdlich,  eifrig, 
selbstentschlossen  verweilte.  Dies,  Brahmane,  war 
meine  dritte  große  Durchbrechung,  gleichwie  das 
Küchlein  die  Eierschale  durchbricht." 

Auf  diese  Worte  sprach  der  Brahmane  aus  Verafijä 
also  zum  Erhabenen: 

,,Der  Älteste  ist  der  Herr  Gotamo!  Der  Edelste 
ist  der  Herr  Gotamo!  Vortrefflich,  Herr  Gotamo! 
Vortrefflich,  Herr  Gotamo!  Gleichwie  man,  Herr 
Gotamo,  das  Umgestürzte  wieder  aufrichten  oder  das 
Versteckte  enthüllen  oder  dem  Verirrten  den  Weg 
weisen  oder  in  die  Finsternis  ein  Licht  halten  möchte, 
damit,  wer  Augen  hat,  die  Dinge  sehe:  genau  so  wurde 
vom  Herrn  Gotamo  auf  mannigfache  Weise  das  Gesetz 
beleuchtet.  Ich  nehme  meine  Zuflucht  zum  Herrn 
Gotamo,  zum  Gesetze  und  zur  Mönchsgemeinde.  Möge 
mich  der  Herr  Gotamo  von  heute  ab  als  Anhänger  be- 
trachten,  der  zeitlebens  Zuflucht  genommen  hat." 


27     — 


Vmi2    SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

12  Die  Bekehrung  des  Feldherrn  Siho 

Einst  weilte  der  Erhabene  im  Großen  Walde  bei 
Vesäli,  in  der  Halle  des  Giebelhauses.  Damals  aber 
saßen  zahlreiche  hochangesehene  Licchavier  im  Rast- 
hause (1)  versammelt  beieinander,  indem  sie  auf  viele 
Weise  den  Erleuchteten,  sein  Gesetz  und  seine  Jünger- 
schaft priesen.  Auch  der  Feldherr  Siho,  ein  Jünger 
der  Niganther,  befand  sich  damals  unter  der  Ver- 
sammlung. Und  Siho  der  Feldherr  sagte  sich:  »Zweifel- 
los muß  dieser  Erhabene  ein  Heiliger  sein,  ein  voll- 
kommen Erleuchteter;  und  eben  darum  preisen  diese 
hochangesehenen  Licchavier  auf  viele  Weise  den  Er- 
habenen, sein  Gesetz  und  seine  Jüngerschaft.  So  laß 
mich  doch  diesen  Erhabenen  aufsuchen,  diesen  Hei- 
ligen, Vollkommen  Erleuchteten!« 

Und  Siho  der  Feldherr  begab  sich  zum  Niganther 
Näthaputto  und  sprach  zu  ihm: 

,,Ich  möchte,  o  Ehrwürdiger,  den  Asketen  Gotamo 
besuchen." 

,,Wie,  Siho?  Du,  der  du  an  die  Tätigkeit  glaubst, 
willst  den  die  Untätigkeit  lehrenden  Asketen  Gotamo 
besuchen?  Die  Untätigkeit,  Siho,  lehrt  ja  der  Asket 
Gotamo;  zum  Zwecke  der  Untätigkeit  verkündet  er 
das  Gesetz,  und  in  diesem  Sinne  erzieht  er  seine  Jünger." 
Und  der  Entschluß,  den  Erhabenen  zu  besuchen, 
schwand  bei  Siho  dem  Feldherrn. 

(1)  Nach  dem  Kommentar  befand  sich  jene  Rasthaushalle  im 
Mittelpimkte  der  Stadt  und  war  nach  allen  Seiten  weithin  sichtbar. 
Alle  Reisenden  begaben  sich  nach  ihrer  Ankunft  in  Vesäli  stets 
zuerst  zu  jener  Halle,  um  sich  dortselbst  auszuruhen,  Andererseits, 
so  bemerkt  der  Kommentar,  wird  behauptet,  daß  dieses  Gebäude 
für  die  Beratimgen  der  königlichen  Beamten  bestimmt  war. 

-     28     — 


ACHTERBUCH  Vm  12 


Doch  ein  zweites  Mal,  —  doch  ein  drittes  Mal 
saßen  wiederum  zahlreiche  hochangesehene  Licchavier 
im  Resthause  versammelt  beinander,  indem  sie  auf 
viele  Weise  den  Erhabenen,  sein  Gesetz  und  seine 
Jüngerschaft  priesen.  Aber  auch  ein  drittes  Mal  sagte 
sich  Siho  der  Feldherr:  »Zweifellos  muß  dieser  Er- 
habene ein  Heiliger  sein,  ein  Vollkommen  Erleuchteter; 
und  eben  darum  preisen  diese  hochangesehenen  Liccha- 
vier auf  viele  Weise  den  Erhabenen,  sein  Gesetz  und 
seine  Jüngerschaft.  Ob  ich  da  die  Niganther  frage 
oder  nicht,  was  können  mir  diese  anhaben?  So  laß 
mich  doch,  ohne  die  Niganther  zu  befragen,  diesen  Er- 
habenen aufsuchen,  diesen  Heiligen,  Vollkommen  Er- 
1  euchteten!« 

Und  Siho  der  Feldherr  zog  mit  einem  Gefolge  von 
fünfhundert  Wagen  zur  Mittagsstunde  aus  Vesäli  hin- 
aus, um  den  Erleuchteten  zu  besuchen.  Als  er  soweit 
gefahren  war,  wie  die  Fahrstraße  reichte,  stieg  er  vom 
Wagen  und  trat  zu  Fuße  in  dem  Klostergarten  ein. 
Darauf  begab  er  sich  zum  Erhabenen,  begrüßte  ihn 
ehrfurchtsvoll  und  setzte  sich  zur  Seite.  Zur  Seite  aber 
sitzend  sprach  Siho  der  Feldherr  zum  Erhabenen: 

,, Gehört  habe  ich,  o  Ehrwürdiger,  daß  der  Asket 
Gotamo  die  Untätigkeit  lehre,  daß  er  zum  Zwecke  der 
Untätigkeit  sein  Gesetz  verkünde  und  in  diesem  Sinne 
seine  Jünger  erziehe.  Die  da  nun  solches  gesagt  haben, 
0  Ehrwürdiger,  wiederholen  diese  wohl  die  Worte  des 
Erhabenen  und  beschuldigen  den  Erhabenen  nicht 
etwa  fälschlich  und  legen  die  Lehre  richtig  aus,  sodaß 
keinen,  der  die  im  Einklang  mit  dem  Gesetze  stehende 
Aussage  wiederholt,  Tadel  trifft?  Denn  nicht  möchte 
ich,  0  Ehrwürdiger,  den  Erhabenen  beschuldigen." 


—    29 


vmi2    SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

„In  einer  Hinsicht,  Siho,  kann  man  von  mir  aller- 
dings mit  Recht  behaupten,  daß  ich  die  Untätigkeit 
lehre,  in  einer  anderen  Hinsicht  aber,  daß  ich  die 
Tätigkeit  lehre.  —  In  einer  Hinsicht  kann  man  mich 
mit  Recht  als  einen  Lehrer  der  Vernichtung  bezeichnen, 
—  als  einen  Verächter,  —  einen  Verneiner,  —  einen 
Quäler,  —  einen  Ausgestoßenen.  —  In  einer  anderen 
Hinsicht  aber  kann  man  von  mir  mit  Recht  behaupten, 
daß  ich  ein  Tröster  bin,  der  zur  Tötung  das  Gesetz 
verkündet  und  in  diesem  Sinne  seine  Jünger  erzieht. 

—  ,,Ich  nämlich,  Siho,  lehre  die  Nichtausübung 
eines  bösen  Wandels  in  Werken,  Worten,  und  Ge- 
danken, die  Nichtausübung  der  mannigfachen,  schuld- 
vollen Dinge:  in  dieser  Hinsicht,  Siho,  kann  man  von 
mir  mit  Recht  behaupten,  daß  ich  die  Untätigkeit 
lehre,  daß  ich  zum  Zwecke  der  Untätigkeit  das  Ge- 
setz verkünde  und  in  diesem  Sinne  meine  Jünger 
erziehe. 

—  ,,Ich,  Siho,  lehre  die  Ausübung  des  guten  Wan- 
dels in  Werken,  Worten  und  Gedanken,  die  Ausübung 
der  mannigfachen  verdienstvollen  Dinge:  in  dieser 
Hinsicht,  Siho,  kann  man  von  mir  mit  Recht  behaupten, 
daß  ich  die  Tätigkeit  lehre,  daß  ich  zum  Zwecke  der 
Tätigkeit  das  Gesetz  verkünde  und  in  diesem  Sinne 
meine  Jünger  erziehe. 

—  ,,Ich,  Siho,  lehre  die  Vernichtung  von  Gier, 
Haß  und  Verblendung,  lehre  die  Vernichtung  der 
mannigfachen  üblen,  schuldvollen  Erscheinungen:  in 
dieser  Hinsicht,  Siho,  kann  man  von  mir  mit  Recht 
behaupten,  daß  ich  die  Vernichtung  lehre,  daß  ich 
zum  Zwecke  der  Vernichtung  das  Gesetz  verkünde 
und  in  diesem  Sinne  meine  Jünger  erziehe. 

—     30     — 


ACHTERBUCH  vm  12 


—  ,,Ich,  Siho,  verachte  den  bösen  Wandel  in 
Werken,  Worten  und  Gedanken,  verachte  die  Ausübung 
von  üblen,  schuldvollen  Dingen:  in  dieser  Hinsicht, 
Siho,  kann  man  von  mir  mit  Recht  behaupten,  daß 
ich  ein  Verächter  bin,  daß  ich  zum  Zwecke  der  Ver- 
achtung das  Gesetz  verkünde  und  in  diesem  Sinne 
meine  Jünger  erziehe. 

—  „Ich,  Siho,  weise  das  Gesetz  zur  Verneinung 
von  Gier,  Haß  und  Verblendung,  zur  Verneinung  der 
mannigfachen  üblen,  schuldvollen  Erscheinungen:  in- 
sofern, Siho,  kann  man  von  mir  mit  Recht  behaupten, 
daß  ich  ein  Verneiner  bin,  daß  ich  zum  Zwecke  der 
Verneinung  das  Gesetz  verkünde  und  in  diesem  Sinne 
meine  Jünger  erziehe. 

—  „Ich,  Siho,  sage,  daß  man  die  üblen,  schuld- 
vollen Erscheinungen  niederzuquälen  hat,  daß  man 
niederzuquälen  hat  den  bösen  Wandel  in  Werken, 
Worten  und  Gedanken.  In  wem  aber,  Siho,  die  nieder- 
zuquälenden üblen,  schuldvollen  Erscheinungen  über- 
wunden, ausgerottet,  wie  eine  Fächerpalme  zerstört, 
zunichte  gemacht  und  außerstande  sind,  künftig  wieder 
aufzukeimen,  den  nenne  ich  einen  Quäler.  Nun  sind 
aber,  Siho,  im  Vollendeten  die  niederzuquälenden 
üblen,  schuldvollen  Erscheinungen  überwunden,  aus- 
gerottet, wie  eine  Fächerpalme  zerstört,  zunichte  ge- 
macht und  außerstande,  künftig  wieder  aufzukeimen. 
In  dieser  Hinsicht,  Siho,  kann  man  von  mir  mit  Recht 
behaupten,  daß  ich  ein  Quäler  bin,  daß  ich  zum  Zwecke 
des  Niederquälens  das  Gesetz  verkünde  und  in  diesem 
Sinne  meine  Jünger  erziehe. 

—  ,,Für  wen,  Siho,  der  künftige  Leibesschoß,  die 
Wiedergeburt,  überwunden, ausgerottet,  wie  eine  Fächer- 

_     31     —   r 


Vmi2    SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

palme  zerstört,  zunichte  gemacht  und  außerstande  ist, 
künftig  wieder  aufzukeimen,  den  nenne  ich  einen  Aus- 
gestoßenen. Nun  ist  aber,  Siho,  für  den  Vollendeten 
der  künftige  Leibesschoß,  die  Wiedergeburt,  über- 
wunden, ausgerottet,  wie  eine  Fächerpalme  zerstört, 
zunichte  gemacht  und  außerstande,  künftig  wieder  auf- 
zukeimen. In  dieser  Hinsicht,  Siho,  kann  man  von  mir 
mit  Recht  behaupten,  daß  ich  ein  Ausgestoßener  bin, 
daß  ich  zum  Zwecke  der  Ausstoßung  das  Gesetz  ver- 
künde und  in  diesem  Sinne  meine  Jünger  erziehe. 

—  ,,Ich,  Siho,  bringe  den  höchsten  Trost,  ver- 
künde zur  Tröstung  das  Gesetz,  und  in  diesem  Sinne 
erziehe  ich  meine  Jünger.  In  dieser  Hinsicht,  Siho, 
kann  man  von  mir  mit  Recht  behaupten,  daß  ich  ein 
Tröster  bin,  daß  ich  zur  Tröstung  das  Gesetz  verkünde 
und  in  diesem  Sinne  meine  Jünger  erziehe." 

Auf  diese  Worte  sprach  Siho  der  Feldherr  also 
zum  Erhabenen: 

„Vortrefflich,  o  Ehrwürdiger!  Vortrefflich,  o  Ehr- 
würdiger! Gleichwie,  man,  o  Ehrwürdiger,  das  Um- 
gestürzte wieder  aufrichten  oder  das  Versteckte  ent- 
hüllen  oder  dem  Verirrten  den  Weg  weisen  oder  in  die 
Finsternis  ein  Licht  halten  möchte,  damit,  wer  Augen 
hat,  die  Dinge  sehe:  genau  so  wurde  vom  Erhabenen 
auf  mannigfache  Weise  das  Gesetz  beleuchtet.  Ich 
nehme  meine  Zuflucht  zum  Erhabenen,  zum  Gesetze 
und  zur  Mönchsgemeinde.  Möge  mich,  o  Ehrwürdiger, 
der  Erhabene  von  heute  ab  als  einen  Anhänger  be- 
trachten, der  zeitlebens  Zuflucht  genommen  hat!" 

„Überlege  dir,  Siho,  was  du  tust!  Für  solch  be- 
kannte Männer  wie  dich  ist  es  gut,  mit  Überlegung  zu 
handeln." 

—     32     — 


ACHTERBUCH  VIII 12 


„Dadurch,  o  Ehrwürdiger,  daß  der  Erhabene  so 
zu  mir  spricht,  hat  mich  der  Erhabene  in  noch  höherem 
Maße  erfreut  und  beglückt.  Denn  hätten,  o  Ehr- 
würdiger, Andersgläubige  mich  zu  ihrem  Jünger  ge- 
wonnen, so  würden  sie  durch  ganz  Vesäli  eine  Fahne 
herumtragen  und  ausrufen:  >>Siho  der  Feldherr  ist 
unserer  Jüngerschaft  beigetr'eten!«  Der  Erhabene  da- 
gegen spricht  zu  mir,  daß  ich  mir  überlegen  solle,  was 
ich  tue;  daß  für  solch  bekannte  Männer  wie  mich  es 
gut  sei,  mit  Überlegung  zu  handeln!  Ich  nehme  nun 
zum  zweiten  Male  meine  Zuflucht  zum  Erhabenen, 
zum  Gesetz  und  zur  Mönchsgemeinde.  Möge  mich,  o 
Ehrwürdiger,  der  Erhabene  von  heute  ab  als  einen 
Anhänger  betrachten,  der  zeitlebens  Zuflucht  ge- 
nommen hat!" 

„Lange  Zeit  hindurch,  Siho,  war  dein  Haus  den 
Niganthern  gleichsam  ein  Born;  mögest  du  deshalb 
daran  denken,  wenn  sie  zu  deinem  Hause  kommen, 
ihnen  Almosen  zu  geben!" 

„Dadurch,  o  Ehrwürdiger,  daß  der  Erhabene  so 
zu  mir  spricht,  hat  mich  der  Erhabene  in  noch  höherem 
Maße  erfreut  und  beglückt.  Denn  gehört  habe  ich,  o 
Ehrwürdiger,  daß  der  Asket  Gotamo  sage,  nur  ihm 
und  seinen  Jüngern  solle  man  Almosen  geben,  nur  das 
ihm  Gespendete  bringe  hohen  Segen,  nicht  was  man 
Anderen  spende.  Nun  spornt  mich  der  Erhabene  gar 
an,  selbst  den  Niganthern  Almosen  zu  geben.  Indessen, 
da,  0  Ehrwürdiger,  werde  ich  die  rechte  Zeit  wissen. 
Und  zum  dritten  Male  nehme  ich  meine  Zuflucht  zum 
Erhabenen,  zum  Gesetze  und  zur  Mönchsgemeinde. 
Möge  mich,  o  Ehrwürdiger,  der  Erhabene  von  heute 


33 


Vnil2    SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

ab  als  einen  Anhänger  betrachten,  der  zeitlebens  Zu- 
flucht genommen  hat!" 

Und  der  Erhabene  gab  Siho  dem  Feldherrn  eine 
stufenweise  Belehrung  über  das  Almosengeben,  die 
Sittlichkeit,  den  Himmel,  beleuchtete  das  Elend,  die 
Hinfälligkeit  und  Unreinheit  der  Sinnenlüste  und  den 
Segen  der  Entsagung.  Sobald  aber  der  Erhabene  merkte, 
daß  der  Geist  des  Feldherrn  Siho  reif  war,  geschmeidig, 
ungehemmt,  aufgerichtet  und  voller  Zuversicht,  da 
wies  er  das  erhabene  Gesetz  der  Erleuchteten,  das  Ge- 
setz vom  Leiden,  von  seiner  Entstehung,  seiner  Auf- 
hebung und  dem  Pfade  dorthin.  Und  gleichwie  ein 
fleckenloses  Gewand  sofort  jede  Farbe  annimmt:  so 
ging  Siho  dem  Feldherrn,  während  er  noch  auf  seinem 
Platze  saß,  das  fleckenlose  ungetrübte  Auge  des  Ge- 
setzes auf:  »Was  immer  dem  Gesetze  des  Entstehens 
unterworfen  ist,  muß  alles  wieder  untergehen.« 

Und  das  Gesetz  schauend,  das  Gesetz  verwirk- 
lichend, das  Gesetz  erkennend,  das  Gesetz  durch- 
dringend, zweifelentronnen,  vom  Schwanken  befreit, 
von  Sicherheit  erfüllt,  und  durch  keinen  Anderen  be- 
einflußt in  seinem  Vertrauen  zu  des  Meisters  Weisung, 
sprach  Siho  der  Feldherr  also  zum  Erhabenen:  ,,Möge 
mir,  0  Ehrwürdiger,  der  Erhabene  für  morgen  zum 
Mahle  zusagen,  zusammen  mit  der  Mönchsgemeinde!" 
Stillschweigend  gab  der  Erhabene  seine  Zustimmung 
zu  erkennen.  Als  aber  Siho  der  Feldherr  merkte,  daß 
der  Erhabene  einverstanden  war,  erhob  er  sich  von 
seinem  Sitze,  begrüßte  ehrfurchtsvoll  den  Erhabenen, 
und  ihm  die  Rechte  zukehrend  entfernte  er  sich. 

Darauf  gab  Siho  der  Feldherr  einem  Manne  den 
Auftrag:  „Geh,  lieber  Mann,  und  sieh  dich  nach  ge- 

—     34     — 


ACHTERBUCH  vmi2 


schlachteten!  Fleische  um!"  Nach  Ablauf  jener  Nacht 
nun,  nachdem  er  in  seiner  Wohnung  feste  und  weiche 
Speisen  hatte  zubereiten  lassen,  ließ  Siho  der  Feld- 
herr dem  Erhabenen  die  Zeit  ankünden:  »Es  ist  nun 
Zeit,  0  Ehrwürdiger.    Das  Mahl  ist  bereitet.« 

Und  der  Erhabene  kleidete  sich  in  der  Frühe  an, 
nahm  Gewand  und  Almosenschale  und  begab  sich 
zur  Wohnung  Sihos  des  Feldherrn.  Dort  angelangt, 
nahm  er  auf  dem  angewiesenen  Sitze  Platz,  zusammen 
mit  der  Mönchsgemeinde. 

Zu  jener  Stunde  aber  zogen  in  großer  Zahl  die  Ni- 
ganther  von  Straße  zu  Straße,  von  Platz  zu  Platz, 
indem  sie  mit  erhobenen  Händen  ausriefen:  ,,SIho,  der 
Feldherr  hat  ein  fettes  Rind  geschlachtet  und  für  den 
Asketen  Gotamo  ein  gemischtes  Mahl  bereitet.  Der 
Asket  Gotamo  aber  genießt  wissentlich  das  eigens  für 
ihn  zubereitete  Fleisch,  ist  also  verantwortlich  für 
die  Tat.  (1)" 

Und  ein  Mann  trat  zu  Siho  dem  Feldherrn  und 
flüsterte  ihm  ins  Ohr:  „Weißt  du  schon.  Erlauchter, 
daß  diese  Niganther  in  großer  Zahl  in  Vesäli  von 
Straße  zu  Straße,  von  Platz  zu  Platz  ziehen  und  mit 
erhobenen  Händen  ausrufen:  »Siho  der  Feldherr  hat 
ein  fettes  Rind  geschlachtet  und  für  den  Asketen  Go- 
tamo ein  gemischtes  Mahl  bereitet.  Der  Asket  Gotamo 
aber  genießt  wissentlich  das  eigens  für  ihn  zubereitete 
Fleisch,  ist  also  verantwortlich  für  die  Tat«?" 

„Genug,  damit,  lieber  Mann!  Schon  seit  langer 
Zeit  finden  jene  Verehrten  ihre  Lust  daran,  den  Er- 


(1)  Ihre  Ansicht  ist,  daß  die  Schuld  (aküaala)  zur  HäKte  den 
•Geber  treffe  und  zur  Hälfte  den  Empfänger. 

—     35    —  3* 


VIII 13  SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

leuchteten,  sein  Gesetz  und  seine  Mönchsgemeinde  zu 
beschimpfen;  und  nicht  werden  die  Verehrten  es  müde^ 
den  Erhabenen  in  falscher,  nichtiger,  lügnerischer,  un- 
wahrer Weise  zu  beschuldigen.  Nicht  für  mein  Leben 
möchte  ich  absichtlich  ein  Wesen  des  Lebens  berauben." 
Darauf  bediente  und  bewirtete  Siho  der  Feldherr 
eigenhändig  die  Mönchsgemeinde,  mit  dem  Erhabenen 
an  der  Spitze,  mit  vorzüglichen  harten  und  weichen 
Speisen.  Sobald  aber  Siho  der  Feldherr  merkte,  daß 
der  Erhabene  das  Mahl  beendet  und  seine  Hände  von 
der  Almosenschale  zurückgezogen  hatte,  setzte  er  sich 
zur  Seite  hin.  Nachdem  nun  der  Erhabene  den  zur 
Seite  sitzenden  Feldherrn  Siho  in  Worten  über  das 
Gesetz  unterwiesen,  ermahnt,  ermutigt  und  ermuntert 
hatte,  erhob  er  sich  von  seinem  Platze  und  entfernte  sich. 

Das  edle  Königsroß 

Mit  acht  Eigenschaften  ausgestattet,  ihr  Mönche, 
ist  des  Königs  gutes,  edles  Roß  würdig  des  Königs, 
des  Königs  Liebling,  gilt  als  zum  Könige  gehörig:  mit 
welchen  acht? 

Da,  ihr  Mönche,  ist  des  Königs  gutes,  edles  Roß 
beiderseits  von  reiner  Abstammung,  vom  Vater  wie 
von  der  Mutter  aus;  es  stammt  aus  jener  Gegend,  aus 
der  auch  alle  die  anderen  guten,  edlen  Rosse  her- 
stammen. (1)  Was  man  ihm  an  feuchtem  oder  trockenem 
Futter  reicht,  das  verzehrt  es  voll  Aufmerksamkeit, 
ohne  etwas  davon  zu  verstreuen.  Es  verabscheut  es, 
sich  auf  Kot  und  Urin  niederzulassen  und  hinzulegen. 


(1)  Aus  dem  Indußtale,  sagt  der  Kommentar. 
—     36     — 


ACHTERBUCH  VIII 13 


Es  ist  fromm,  verträglich  im  Zusammenleben,  bringt 
die  anderen  Rosse  nicht  in  Aufregung.  Was  noch  an 
Verschmitztheit,  Falschheit,  Ungeradheit,  und  Krumm- 
heit in  ihm  steckt,  enthüllt  es  der  Wirklichkeit  ent- 
sprechend dem  Rosselenker;  und  der  Rosselenker  be- 
müht sich,  ihm  diese  Dinge  auszutreiben.  Es  strengt 
sich  an,  indem  es  sich  sagt:  »Ob  die  anderen  Rosse  es 
aushalten  oder  nicht:  ich  werde  es  hier  aushalten! 
Im  Gehen  folgt  es  dem  geraden  Wege.  Es  bleibt 
standhaft  bis  zu  seinem  Lebensende.  Mit  diesen  acht 
Eigenschaften  ausgestattet,  ihr  Mönche,  ist  des  Königs 
gutes,  edles  Roß  würdig  des  Königs,  des  Königs 
Liebling,  gilt  als  zum  Könige  gehörig. 

Ebenso  auch,  ihr  Mönche,  ist  der  mit  acht  Eigen- 
schaften ausgestattete  Mönch  würdig  der  Opfer,  würdig 
des  ehrfurchtsvollen  Handgrußes,  ist  in  der  Welt  der 
beste  Boden  für  verdienstvolle  Werke:  mit  welchen 
acht? 

Da,  ihr  Mönche,  ist  der  Mönch  sittenrein,  lebt  ge- 
zügelt  im  Sinne  der  Ordenssatzung,  ist  vollkommen 
im  Wandel  und  Umgang,  und  vor  den  geringsten  Ver- 
gehen sich  scheuend  übt  er  sich  in  den  auf  sich  ge- 
nommenen Übungsregeln.  Jede  Speise,  die  man  ihm 
darreicht,  derbe  wie  feine,  genießt  er  mit  Achtung, 
ohne  niedergeschlagen  zu  sein.  Er  verabscheut  den 
bösen  Wandel  in  Werken,  Worten  und  Gedanken, 
verabscheut  die  Ausübung  übler,  schuldvoller  Dinge. 
Freundlich  ist  er;  leicht  läßt  es  sich  mit  ihm  leben; 
und  nicht  bringt  er  die  anderen  Mönche  in  Aufregung. 
Was  noch  an  Verschmitztheit,  Falschheit,  Ungerad- 
heit und  Krummheit  in  ihm  steckt,  enthüllt  er  der 
Wirklichkeit  entsprechend  dem  Meister  oder  verstän- 


37 


VIII 14  SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

digen  Ordensbrüdern;  und  diese  bemühen  sich,  ihm 
die  Dinge  auszutreiben.  Er  ist  strebsam  und  sagt 
sich:  »Mögen  die  anderen  Mönche  sich  üben  oder  nicht: 
ich  werde  mich  üben!«  Im  Wandel  folgt  er  dem  ge- 
raden Wege.  Dies  nämlich  ist  der  gerade  Weg:  rechte 
Erkenntnis,  rechte  Gesinnung,  rechtes  Wort,  rechtes 
Werk,  rechtes  Leben,  rechtes  Streben,  rechte  Acht- 
samkeit und  rechte  Sammlung.  Er  ist  voller  Willens- 
kraft und  denkt:  »Mögen  lieber  Haut,  Sehnen  und 
Knochen  auftrocknen  und  das  Fleisch  und  Blut  in 
meinem  Leibe  gerinnen,  als  daß  ich  meine  Willenskraft 
aufgebe,  ohne  erreicht  zu  haben,  was  mit  männlicher 
Ausdauer,  männlicher  Willenskraft,  männlicher  Stärke 
erreichbar  ist!« 

Mit  diesen  acht  Eigenschaften  ausgestattet,  ihr 
Mönche,  ist  der  Mönch  würdig  der  Opfer,  würdig  der 
Gatsfreundschaft,  würdig  der  Gaben,  würdig  des  ehr- 
furchtsvollen Handgrußes,  ist  in  der  Welt  der  beste 
Boden  für  verdienstvolle  Werke. 


14  Die  acht  Untugenden  der  Rosse 

Acht  junge  Rosse,  ihr  Mönche,  will  ich  euch  weisen 
und  acht  Untugenden  der  Rosse,  acht  junge  Menschen 
und  acht  Untugenden  der  Menschen. 

Welches  aber,  ihr  Mönche,  sind  die  acht  jungen 
Rosse  und  die  acht  Untugenden  der  Rosse? 

Das  eine  der  Rosse,  ihr  Mönche,  aufgefordert 
weiterzugehen  und  unter  Schlägen  vom  Rosselenker 
angetrieben,  geht  rückwärts,  stößt  den  Wagen  hinter 
sich  zurück.   Von  solcher  Art,  ihr  Mönche,  ist  das  eine 

—    38    — 


ACHTERBUCH  vm  14 


junge  Roß;  und  dies,  ihr  Mönche,  ist  die  erste  Un- 
tugend der  Rosse. 

Ein  anderes  Roß,  ihr  Mönche,  schlägt  dabei  mit 
den  Hinterfüßen  aus  und  zertrümmert  die  Deichsel, 
zerbricht  das  dreiteilige  Joch.  —  Ein  anderes  bricht 
mit  dem  Schenkel  die  Deichsel  ab  und  zerstampft  die 
ganze  Deichsel.  —  Ein  anderes  schlägt  einen  verkehrten 
Weg  ein,  bringt  den  Wagen  auf  falsche  Fährte.  —  Ein 
anderes  bäumt  sich  mit  dem  Vorderkörper  auf  und 
schlägt  mit  den  Vorderfüßen  aus.  —  Ein  anderes  beißt 
sich  in  der  Gebißstange  fest  und  rennt,  unbekümmert 
um  Wagenlenker  und  Treibstock,  wohin  es  ihm  ge- 
fällt. —  Ein  anderes  geht  weder  vorwärts  noch  rück- 
wärts, sondern  bleibt  wie  eine  Säule  fest  auf  dem  Flecke 
stehen.  —  Ein  anderes  zieht  beide  Vorderfüße  und 
Hinterfüße  ein  und  läßt  sich  an  ebenderselben  Stelle 
auf  allen  Vieren  nieder.  Von  solcher  Art,  ihr  Mönche, 
ist  das  eine  junge  Roß;  und  dies,  ihr  Mönche,  ist  die 
achte  Untugend  der  Rosse. 

Das,  ihr  Mönche,  sind  die  acht  jungen  Rosse  und 
die  acht  Untugenden  der  Rosse.  Welches  aber,  ihr 
Mönche,  sind  die  acht  jungen  Menschen  und  die  acht 
Untugenden  der  Menschen? 

Da,  ihr  Mönche,  ermahnen  die  Mönche  einen 
Mönch  wegen  eines  Vergehens.  Von  den  Mönchen 
aber  wegen  des  Vergehens  ermahnt,  windet  er  sich 
heraus,  indem  er  spricht:  »Ich  erinnere  mich  nicht 
daran;  ich  erinnere  mich  nicht  daran«.  Und  jenem 
jungen  Rosse,  das,  aufgefordert  weiter  zu  gehen  und 
unter  Schlägen  vom  Rosselenker  angetrieben,  rück- 
wärts geht,  den  Wagen  hinter  sich  zurückstößt,  dem 
nenne  ich  diesen  Menschen  ähnlich.    Von  solcher  Art, 


—    39    — 


Vmi4  SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 


ihr  Mönche,  ist  da  der  eine  junge  Mensch;  und  dies, 
ihr  Mönche,   ist    die  erste  Untugend  der    Menschen. 

Fernerhin,  ihr  Mönche:  da  ermahnen  die  Mönche 
einen  Mönch  wegen  eines  Vergehens.  Von  den  Mönchen 
aber  wegen  des  Vergehens  ermahnt,  weist  er  den  Er- 
mahner  ab  mit  den  Worten:  »Was  willst  du  mir  mit 
deiner  Rede,  du  törichter,  unerfahrener  Mensch?  Du 
meinst  wohl,  auch  etwas  sagen  zu  müssen?  «  Und 
jenem  jungen  Rosse,  ihr  Mönche,  daß  da  mit  den 
Hinterfüßen  ausschlägt,  die  Deichsel  zertrümmert  und 
das  dreiteilige  Joch  zerbricht,  dem  nenne  ich  diesen 
Menschen  ähnlich.  Von  solcher  Art,  ihr  Mönche,  ist 
da  ein  anderer  junger  Mensch;  und  dies,  ihr  Mönche, 
ist  die  zweite  Untugend  der  Menschen. 

Fernerhin,  ihr  Mönche:  da  ermahnen  die  Mönche 
einen  Mönch  wegen  eines  Vergehens.  Von  den  Mönchen 
aber  wegen  des  Vergehens  ermahnt,  wirft  er  die  An- 
klage auf  den  Ankläger  zurück:  »Du  hast  ja  so  und 
so  ein  Vergehen  begangen.  Bekenne  vor  allem  erst 
selber  einmal  deine  Schuld!«  Und  jenem  jungen  Rosse, 
ihr  Mönche,  das  mit  dem  Schenkel  die  Deichsel  ab- 
bricht und  die  ganze  Deichsel  zerstampft,  dem  nenne 
ich  diesen  Menschen  ähnlich.  Von  solcher  Art,  ihr 
Mönche,  ist  da  ein  anderer  junger  Mensch;  und  dies, 
ihr  Mönche,   ist  die  dritte  Untugend   der  Menschen. 

Fernerhin,  ihr  Mönche:  da  ermahnen  die  Mönche 
einen  Mönch  wegen  eines  Vergehens.  Von  den  Mön- 
chen aber  wegen  des  Vergehens  ermahnt,  geht  er  von 
einem  Gegenstand  auf  den  anderen  über,  leitet  das 
Gespräch  auf  fremde  Dinge  und  zeigt  Zorn,  Groll  und 
Mißtrauen.  Und  jenem  jungen  Rosse,  ihr  Mönche, 
das  einen  verkehrten  Weg  einschlägt,  den  Wagen  auf 

—     40     — 


ACHTERBUCH  vm  14 


falsche  Fährte  bringt,  dem  nenne  ich  diesen  Menschen 
ähnlich.  Von  solcher  Art,  ihr  Mönche,  ist  da  ein  anderer 
junger  Mensch;  und  dies,  ihr  Mönche,  ist  die  vierte 
Untugend  der  Menschen. 

Fernerhin,  ihr  Mönche:  da  ermahnen  die  Mönche 
einen  Mönch  wegen  eines  Vergehens.  Von  den  Mön- 
chen aber  wegen  des  Vergehens  ermahnt,  spricht  er 
mit  erhobenen  Armen  inmitten  der  Mönchsversamm- 
lung. Und  jenem  jungen  Rosse,  ihr  Mönche,  das  sich 
mit  dem  Vorderkörper  aufbäumt  und  mit  den  Vorder- 
füßen ausschlägt,  dem  nenne  ich  diesen  Menschen 
ähnlich.  Von  solcher  Art,  ihr  Mönche,  ist  da  ein  anderer 
junger  Mensch;  und  dies,  ihr  Mönche,  ist  die  fünfte 
Untugend  der  Menschen. 

Fernerhin,  ihr  Mönche:  da  ermahnen  die  Mönche 
einen  Mönch  wegen  eines  Vergehens.  Von  den  Mön- 
chen aber  wegen  des  Vergehens  ermahnt,  kümmert  er 
sich  weder  um  die  Mönchsversammlung  noch  um  den 
Ermahner  und  geht,  von  Feindseligkeit  erfüllt,  wohin 
es  ihm  beliebt.  Und  jenem  jungen  Rosse,  ihr  Mönche, 
das  sich  in  der  Gebißstange  festbeißt  und,  unbekümmert 
um  Wagenlenker  und  Treibstock,  rennt,  wohin  es  ihm 
beliebt,  dem  nenne  ich  diesen  Menschen  ähnlich.  Von 
solcher  Art,  ihr  Mönche,  ist  da  ein  anderer  junger 
Mensch;  und  dies,  ihr  Mönche,  ist  die  sechste  Un- 
tugend der  Menschen. 

Fernerhin,  ihr  Mönche:  ermahnen  die  Mönche  einen 
Mönch  wegen  eines  Vergehens.  Von  den  Mönchen 
aber  wegen  des  Vergehens  ermahnt,  erwidert  er  nicht, 
ob  er  das  Vergehen  begangen  habe  oder  nicht  be- 
gangen habe  und  quält  so  die  Mönchsgemeinde  durch 
sein  Schweigen.    Und  jenem  jungen  Rosse,  ihr  Mönche, 


41 


Vmi5    SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

das  weder  vorwärts  noch  rückwärts  geht  und  wie  eine 
Säule  fest  auf  demselben  Flecke  stehen  bleibt,  dem 
nenne  ich  diesen  Menschen  ähnlich.  Von  solcher  Art, 
ihr  Mönche,  ist  da  ein  anderer  junger  Mensch;  und 
dies,  ihr  Mönche,ist  die  siebente  Untugend  der  Menschen. 

Fernerhin,  ihr  Mönche:  da  ermahnen  die  Mönche 
einen  Mönch  wegen  eines  Vergehens.  Von  den  Mön- 
chen aber  wegen  des  Vergehens  ermahnt,  entgegnet 
er:  »Was  quält  ihr  Ehrwürdigen  mich  denn  so  sehr? 
Ich  gebe  nun  die  Askese  auf  und  kehre  zum  niederen 
Weltleben  zurück.«  Nachdem  er  aber  die  Askese  auf- 
gegeben und  zum  niederen  Weltleben  zurückgekehrt 
ist,  spricht  er:  »Möget  ihr  nun  zufrieden  sein,  ihr  Ehr- 
würdigen!« Und  jenem  Rosse,  ihr  Mönche,  das  beide 
Vorderfüße  und  Hinterfüße  einzieht  und  sich  auf 
allen  Vieren  niederläßt,  dem  nenne  ich  diesen  Men- 
schen ähnlich.  Von  solcher  Art,  ihr  Mönche,  ist  da 
ein  anderer  junger  Mensch;  und  dies,  ihr  Mönche,  ist 
die  achte  Untugend  der  Menschen. 

Das,  ihr  Mönche,  sind  die  acht  jungen  Menschen 
und  die  acht  Untugenden  der  Menschen. 


15  Die  acht  Flecken 

Nicht  lernen  ist  des  Wissens  Fleck, 
Das  Nichtstun  Fleck  der  Häuslichkeit. 

Der  Fleck  der  Schönheit  ist  die  Trägheit, 
Des  Wächters  Fleck  die  Lässigkeit. 

Des  Weibes  Fleck  ist  schlechter  Wandel, 
Der  Fleck  des  Gebers  ist  der  Geiz. 

—     42     — 


ACHTERBUCH  vrai6,17 


Ja,  böse  Dinge  sind  die  Flecken 
In  dieser  und  der  nächsten  Welt. 

Doch  unter  allen  diesen  Flecken 

Ist  Nichtwissen  der  schlimmste  Fleck. 


Der  würdige  Verbreiter  der  Botschaft  16 

Mit  acht  Eigenschaften  ausgestattet,  ihr  Mönche, 
ist  der  Mönch  würdig,  die  Botschaft  zu  verbreiten. 
Welches  aber  sind  diese  acht? 

Da,  ihr  Mönche,  hört  der  Mönch  das  Gesetz  und 
macht  es  bekannt,  lernt  und  behält  es,  versteht  es 
und  macht  es  verständlich,  weiß  was  zweckmäßig  und 
was  zwecklos  ist  und  ist  nicht  streitsüchtig.  Mit  diesen 
acht  Eigenschaften  ausgestattet,  ihr  Mönche,  ist  der 
Mönch  würdig,  die  Botschaft  zu  verbreiten. 

Wer,  aus  der  Schar  der  weisen  Lehrer, 
Nicht  mehr  der  Unruhe  verfällt, 
Zurück  nicht  hält  mit  seinem  Wort 
Und  keinem  das  Gesetz  verschließt 

Von  Zweifeln  frei  ist,  wenn  er  spricht, 
Nicht  mehr  erbebt,  wenn  man  ihn  fragt: 
Ein  solcher  Mönch  ist  wahrlich  würdig, 
Daß  er  die  Botschaft  überbring'. 

Mann  und  Weib  17 

Durch  acht  Dinge,  ihr  Mönche,  fesselt  das  Weib 
den  Mann:  durch  welche  acht? 

Durch  ihr  Weinen,  Lachen  und  Sprechen,  durch 
ihre  Kleidung,  durch  einen  im  Walde  gepflückten 
Strauß,  durch  ihren  Duft,  ihren  Geschmack  und  ihre 

—     43     — 


vmi9    SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Berührung:  durch  diese  acht  Dinge,  ihr  Mönche,  fesselt 
das  Weib  den  Mann. 
18  —  Und  durch  diese  acht  Dinge,  ihr  Mönche,  fesselt 

der  Mann  das  Weib.  Dadurch  eben,  ihr  Mönche,  sind 
die  Wesen  gefesselt,  gleichsam  wie  in  einer  Fallschlinge 
verstrickt. 

^^  Das  Weltmeer  des  Gesetzes 

Einst  weilte  der  Erhabene  bei  Veranjä  am  Fuße 
des  Nalerupucimunda  Baumes.  Und  Pahärädo  der 
Dämonenkönig  begab  sich  zum  Erhabenen,  begrüßte 
ihn  ehrfurchtsvoll  und  stellte  sich  zur  Seite  hin.  Als 
er  aber  zur  Seite  stand,  sprach  der  Erhabene  also 
zu  ihm: 

,,Sage  mir,  Pahärädo,  finden  die  Dämonen  (Asuren) 
wohl  Gefallen  am  Weltmeere?" 

,,Ja,  Ehrwürdiger,  die  Dämonen  finden  am  Welt- 
meere Gefallen." 

,, Wieviele  erstaunliche  und  wunderbare  Eigen- 
schaften, Pahärädo,  haben  denn  wohl  die  Dämonen 
am  Weltmeere  bemerkt,  daß  die  daran  Gefallen  finden?" 

„Acht,  0  Ehrwürdiger.     Und  welche  acht? 

„Das  Weltmeer,  o  Ehrwürdiger,  wird  nach  und 
nach  tiefer,  sein  Boden  senkt  sich  ganz  allmählich, 
fällt  ganz  allmählich  ab  und  bildet  keinen  plötzlichen 
Abgrund.  Das,  o  Ehrwürdiger,  ist  die  erste  erstaun- 
liche und  wunderbare  Eigenschaft  des  Weltmeeres, 
angesichts  deren  die  Dämonen  am  Weltmeere  Gefallen 
finden. 

„Ferner,  o  Ehrwürdiger,  ist  das  Weltmeer  be- 
ständig, tritt  nicht  über  das  Ufer.  —  Ferner,  o  Ehr- 

—     44     — 


ACHTERBUCH  vm  19 


würdiger,   duldet  das  Weltmeer  keinen   toten   Leich- 
nam in  sich.     Jeden  toten  Leichnam,  der  sich  darin 
befindet,  wirft  es  aus,  spült  ihn  ans  Ufer,  treibt  ihn 
ans  Land.  —  Ferner,  o  Ehrwürdiger:  sobald  die  mäch- 
tigen   Ströme,   wie   die    Gangä,    Yamunä,    Aciravati, 
Sarabhü  und  Mahi,  das  Weltmeer  erreichen,  verlieren 
sie  ihre  früheren  Namen  und  Bezeichnungen  und  rechnen 
eben   als   das   Weltmeer.   —   Ferner,   o   Ehrwürdiger: 
trotz  aller  sich  ins  Weltmeer  ergießenden  Flüsse  und 
aller    vom    Himmel    niederströmenden    Regenschauer 
zeigt  dennoch  das  Weltmeer  weder  eine  Zunahme  noch 
auch  eine  Abnahme.  —     Ferner,  o  Ehrwürdiger,  ist 
das  Weltmeer  von  einem  einzigen  Geschmacke  durch- 
drungen, dem   Geschmacke  des  Salzes.  —  Ferner,  o 
Ehrwürdiger,  birgt  das  Meer  reiche  und  mannigfache 
Schätze.      In   ihm   finden   sich   solche   Kleinode,   wie 
Perlen,  Diamanten,  Lasursteine,  Muscheln,  Edelsteine, 
Korallen,  Silber,  Gold,  Rubinen  und  Katzenauge.  — 
Ferner,  o  Ehrwürdiger,  -bildet  das  Weltmeer  die  Be- 
hausung gewaltiger  Lebewesen.    Es  hausen  dort  Wal- 
fische,   Walfischfresser    und    Fresser    von    Walfisch- 
fressern, Dämonen,  Drachen  und  Genien.     Und  dort 
gibt  es  Wesen  von  ein,  zwei,  drei,  vier  und  fünf  Meilen 
Länge.    Das,  o  Ehrwürdiger,  ist  die  achte  erstaunliche 
und   wunderbare   Eigenschaft   des  Weltmeeres,   ange- 
sichts  deren   die    Dämonen   am    Weltmeere    Gefallen 
finden.      Diese  acht  erstaunlichen   und  wunderbaren 
Eigenschaften  des  Weltmeeres  bemerkend,  finden  die 
Dämonen  am  Weltmeere  Gefallen.     Finden  nun  wohl 
aber,  o  Ehrwürdiger,  die  Mönche  an  diesem  Gesetze 
und  dieser  Disziplin  Gefallen?" 

„Ja,  Pahärädo,  die  Mönche  finden  Gefallen  daran.'*^ 

—     45     — 


Vmi9  SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

„Wieviele  erstaunliche  und  wunderbare  Eigen- 
schaften aber,  o  Ehrwürdiger,  haben  wohl  die  Mönche 
an  diesem  Gesetze  und  dieser  Disziplin  entdeckt,  daß 
sie  daran  Gefallen  finden?" 

„Acht,  Pahärädo:  welche  acht? 

,, Gleichwie,  Pahärädo:  das  Weltmeer  nach  und 
nach  tiefer  wird,  sein  Boden  sich  ganz  allmählich  senkt, 
ganz  allmählich  abfällt  und  keinen  plötzlichen  Abgrund 
bildet:  ebenso  auch,  Pahärädo,  gibt  es  in  diesem  Ge- 
setze und  dieser  Disziplin  eine  stufenweise  Übung,  ein 
stufenweises  Handeln,  einen  stufenweisen  Fortgang 
und  nicht  etwa  eine  plötzliche  Erreichung  des  Höchsten 
Wissens.  Das,  Pahärädo,  ist  die  erste  erstaunliche  und 
wunderbare  Eigenschaft  dieses  Gesetzes  und  dieser 
Disziplin,  angesichts  deren  die  Mönche  an  diesem  Ge- 
setze und  dieser  Disziplin  Gefallen  finden. 

„Gleichwie,  Pahärädo,  das  Weltmeer  beständig 
ist,  nicht  über  das  Ufer  tritt:  ebenso  auch,  Pahärädo, 
überschreiten  meine  Jünger  nicht  für  ihr  Leben  die 
ihnen  von  mir  gewiesenen  Übungsregeln.  —  Gleich- 
wie, Pahärädo,  das  Weltmeer  keinen  toten  Leichnam 
in  sich  duldet  und  jeden  toten  Leichnam,  der  sich 
darin  befindet,  ans  Ufer  spült,  ans  Land  treibt:  ebenso 
auch,  Pahärädo,  duldet  die  Mönchsgemeinde  unter  sich 
keinen  sittenlosen,  dem  Bösen  ergebenen  Menschen  von 
unlauterem  und  verdächtigem  Benehmen,  von  ver- 
steckter Tat,  einen  Nichtasketen,  der  sich  als  Asketen 
ausgibt,  einen  Nichtmönch,  der  sich  als  Mönch  aus- 
gibt, der  innerlich  verdorben  ist,  befleckt,  von  schmut- 
zigem Wesen.  Sofort  versammelt  sich  die  Mönchs- 
gemeinde  und  stößt  jenen  aus.  Aber  auch  selbst  wenn 
«r  inmitten  der  Mönchsversammlung  sitzen   sollte,  ist 

—     46    — 


ACHTERBUCH  ViniO 


er  der  .Mönchsgemeinde  dennoch  fremd,  und  fremd  ist 
ihm  die  Mönchsgemeinde.  —  Gleichwie,  Pahärädo, 
die  mächtigen  Ströme,  wie  die  Gaiigä,  Yamunä, 
Aciravati,  Sarabhü  und  Mahi,  sobald  sie  das  Welt- 
meer erreichen,  ihre  früheren  Namen  und  Bezeich- 
nungen verlieren  und  eben  als  das  Weltmeer  zählen: 
ebenso  auch,  Pahärädo,  verlieren  die  Angehörigen  der 
vier  Kasten,  —  Adelige,  Brahmanen,  Bürger  und 
Diener,  —  sobald  sie  unter  dem  vom  Vollendeten  ver- 
kündeten Gesetze  und  der  Disziplin  von  Hause  in  die 
Hauslosigkeit  ziehen,  ihre  früheren  Namen  und  Be- 
zeichnungen und  rechnen  eben  als  Asketenjünger  des 
Sakyersohnes.  —  Gleichwie,  Pahärädo,  trotz  aller  sich 
ins  Meer  ergießenden  Flüsse  und  aller  vom  Himmel 
niederströmender  Regenschauer  dennoch  das  Welt- 
meer weder  eine  Zunahme  noch  auch  eine  Abnahme 
zeigt:  ebenso  auch,  Pahärädo,  zeigt,  selbst  wenn  viele 
Mönche  in  das  von  jedem  Daseinsrest  freie  Element 
des  Nirwahns  eingehen,  dennoch  das  Element  des  Nir- 
wahns  weder  eine  Zunahme  noch  auch  eine  Abnahme. 
—  Gleichwie,  Pahärädo,  das  Weltmeer  von  einem 
einzigen  Geschmacke,  dem  Geschmacke  des  Meeres, 
durchdrungen  ist:  ebenso  auch,  Pahärädo,  ist  dieses 
Gesetz  und  diese  Lehre  von  einem  einzigen  Geschmacke 
durchdrungen,  nämlich  dem  Geschmacke  der  Er- 
lösung. —  Gleichwie,  Pahärädo,  das  Weltmeer  reiche 
und  mannigfache  Schätze  birgt,  ebenso  auch,  Pahä- 
rädo, birgt  dieses  Gesetz  und  diese  Disziplin  reiche 
und  mannigfache  Kleinode,  als  wie  da  sind:  die  Vier 
Grundlagen  der  Achtsamkeit,  die  Vier  Rechten  An- 
strengungen, die  Vier  Machtfährten,  die  Fünf  Fähig- 
keiten, die  Fünf  Kräfte,  die  Sieben  Erleuchtungsglieder 

—     47     — 


Vm20    SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

und  der  edle  Achtfache  Pfad.  —  Gleichwie,  Pahärädo, 
das  Weltmeer  die  Behausung  gewaltiger  Wesen  bildet, 
ebenso  auch,  Pahärädo,  bildet  dieses  Gesetz  und  diese 
Disziplin  die  Behausung  gewaltiger  Wesen,  als  wie  da 
sind:  der  in  den  Strom  Eingetretene  und  derje- 
nige der  auf  dem  Wege  ist  das  Ziel  des  Stromeintrittes 
zu  verwirklichen,  der  Einmalwiederkehrende  und 
derjenige  der  auf  dem  Wege  ist  das  Ziel  der  Einmal- 
wiederkehr zu  verwirklichen,  der  Niewiederkehrende 
und  derjenige  der  auf  dem  Wege  ist  das  Ziel  der  Nie- 
wiederkehr zu  verwirklichen,  der  Heilige  und  der- 
jenige der  auf  dem  Wege  ist,  das  Ziel  der  Heiligkeit 
zu  verwirklichen.  Das,  Pahärädo,  ist  die  achte  er- 
staunliche und  wunderbare  Eigenschaft  dieses  Gesetzes 
und  dieser  Disziplin,  angesichts  deren  die  Mönche  an 
diesem  Gesetze  und  dieser  Disziplin  Gefallen  finden. 
,, Diese  acht  erstaunlichen  und  wunderbaren  Eigen- 
schaften dieses  Gesetzes  und  dieser  Diziplin  bemerkend, 
Pahärädo,  finden  die  Mönche  an  diesem  Gesetze  und 
dieser  Disziplin  Gefallen." 


20  Der  Fasttag 

Einst  weilte  der  Erhabene  im  Ostkloster  bei  Sä- 
vatthi,  im  Palaste  der  Mutter  Migäros.  Damals  nun 
saß  an  einem  »Fasttage«  (uposatha)  der  Erhabene 
von  der  Mönchsgemeinde  umgeben  da.  Als  aber  die 
Nacht  vorgerückt  und  die  erste  Nachtwache  bereits 
überschritten  war,  erhob  sich  der  ehrwürdige  Änanda 
von  seinem  Sitze,  warf  das  Obergewand  über  seine 
Schulter  und  sprach  indem  er  dem  Erhabenen  die  ge- 
falteten Hände  entgegenstreckte: 

—     48     — 


ACHTERBUCH  Vni  20 


,,Die  Nacht,  o  Ehrwürdiger,  ist  vorgerückt,  die 
erste  Nachtwache  überschritten;  schon  lange  sitzt  die 
Mönchsgemeinde  da.  Möge  doch  der  Erhabene  den 
Mönchen  die  »Satzung«  (pätimokkha)  vortragen!" 

Auf  diese  Worte  schwieg  der  Erhabene. 

Als  aber  die  Nacht  weiter  vorgerückt  und  die 
zweite  Nachtwache  bereits  überschritten  war,  erhob 
sich  der  ehrwürdige  Änando  zum  zweitenmale  von 
seinem  Sitze  und  sprach  zum  Erhabenen: 

,,Die  Nacht,  o  Ehrwürdiger,  ist  vorgerückt,  die 
zweite  Nachtwache  überschritten;  schon  lange  sitzt 
die  Mönchsgemeinde  da.  Möge  doch  der  Erhabene 
den  Mönchen  die  Satzung  vortragen!" 

Und  auch  zum  zweitenmale  schwieg  der  Erhabene. 

Als  aber  die  Nacht  weiter  vorgerückt  und  die 
dritte  Nachtwache  bereits  überschritten,  die  Morgen- 
röte aufgegangen  war  und  es  helle  zu  werden  begann, 
da  erhob  sich  der  ehrwürdige  Änando  zum  dritten- 
male  von  seinem  Sitze  und  sprach  zum  Erhabenen: 

,,Die  Nacht,  o  Ehrwürdiger,  ist  vorgerückt,  die 
dritte  Nachtwache  überschritten;  die  Morgenröte  ist 
aufgegangen,  und  es  beginnt  hell  zu  werden.  Schon 
lange  sitzt  die  Mönchsgemeinde  da.  Möge  doch  der 
Erhabene  den  Mönchen  die  Satzung  vortragen!" 

,, Unrein,  Änando,   ist  die  Versammlung." 

Da  dachte  der  ehrwürdige  Mahä-Mogalläno:  »Auf- 
grund welches  Menschen  hat  da  wohl  der  Erhabene  die 
Versammlung  als  unrein  erklärt?«  Und  der  ehrwürdige 
Mahä-Moggaläno  sann  darüber  nach,  indem  er  im 
Geiste  die  Herzen  der  ganzen  Mönchsgemeinde  durch- 
drang; und  er  erkannte  den  sittenlosen,  dem  Bösen 
ergebenen  Menschen  von  unlauterem  und  verdächtigem 

—    49    —  4 


VIII  80  SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Benehmen,  von  versteckter  Tat,  den  Nichtasketen, 
der  sich  als  Asketen  ausgibt,  den  Nichtmönch,  der 
sich  als  Mönch  ausgibt,  der  innerlich  verdorben  ist, 
befleckt,  von  schmutzigem  Wesen.  Sobald  er  ihn  aber 
erkannt  hatte,  erhob  er  sich  von  seinem  Sitze,  ging 
auf  jenen  Menschen  zu  und  sprach  zu  ihm: 

,,Hebe  dich  weg.  Verehrter!  Erkannt  hat  dich 
der  Erhabene.  Keine  Gemeinschaft  hast  du  mehr  mit 
den  Mönchen." 

Auf  seine  Worte  aber  schwieg  jener  Mensch. 

Und  zum  zweitenmale  sprach  der  ehrwürdige 
Mahä-Moggalläno  zu  jenem  Menschen: 

,,Hebe  dich  weg,  Verehrter!  Erkannt  hat  dich 
der  Erhabene.  Keine  Gemeinschaft  hast  du  mehr  mit 
den  Mönchen." 

Aber  auch  zum  zweitenmale  schwieg  jener  Mensch. 

Und  zum  drittenmale  sprach  der  ehrwürdige  Ma- 
hä-Moggalläno zu  jenem  Menschen: 

,,Hebe  dich  weg,  Verehrter!  Erkannt  hat  dich  der 
Erhabene.  Keine  Gemeinschaft  hast  du  mehr  mit 
den  Mönchen." 

Und  auch  zum  drittenmale  schwieg  jener  Mensch. 
Da  aber  faßte  der  ehrwürdige  Mahä-Moggalläno  jenen 
Menschen  am  Arme  und  führte  ihn  hinaus  vor  die  Türe. 
Als  er  so  die  Versammlung  wieder  rein  hergestellt 
hatte,  trat  er  zum  Erhabenen  und  sprach: 

,, Hinausgebracht,  o  Ehrwürdiger,  habe  ich  den 
Menschen.  Rein  ist  nun  die  Versammlung.  Möge  denn, 
0  Ehrwürdiger,  der  Erhabene  den  Mönchen  die  Satzung 
vortragen!" 

„Wunderbar  ist  es  doch,  Moggalläno,  erstaunlich 

'-     50    - 


ACHTERBUCH  Vin  20 


ist  es,  Moggalläno,  daß  jener  Tor  es  soweit  kommen 
lassen  mußte,  bis  man  ihn  am  Arme  packte." 

Und  der  Erhabene  wandte  sich  an  die  Mönche 
und  sprach: 

„Von  nun  ab,  ihr  Mönche,  möget  ihr  allein  den 
Fasttag  abhalten  und  die  Satzung  vortragen.  Ich 
werde  von  heute  ab,  ihr  Mönche,  nicht  mehr  den  Fast- 
tag abhalten  und  die  Satzung  vortragen.  Unmöglich 
ist  es,  ihr  Mönche,  kann  nicht  sein,  daß  der  Vollendete 
einer  unreinen  Versammlung  die  Satzung  vortragen 
sollte." 


—     51     —  4* 


Vni22  SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 


DRITTER    TEIL: 

Das  Kapitel  der  Hausväter 

22  Die  wunderbaren  Eigenschaften  Uggos 

Einst  weilte  der  Erhabene  im  Lande  der  Vajjier 
bei  Elefantendorf.  Dort  wandte  sich  der  Erhabene  an 
die  Mönche  und  sprach: 

„Merket  euch,  ihr  Mönche,  daß  bei  Uggo  dem 
Hausvater  acht  außerordentliche,  wunderbare  Erschei- 
nungen anzutreffen  sind." 

Dies  sprach  der  Erhabene;  und  auf  diese  Worte 
erhob  er  sich  von  seinem  Sitze  und  begab  sich  zu  seiner 
Zelle,  Einer  der  Mönche  aber  begab  sich,  nachdem  er 
sich  am  frühen  Morgen  angekleidet  hatte,  mit  Gewand 
und  Schale  versehen,  zur  Wohnung  Uggos  des  Haus- 
vaters aus  Elefantendorf.  Dort  angelangt  setzte  er 
sich  auf  dem  angewiesenen  Sitze  nieder.  Und  Uggo 
der  Hausvater  kam  zu  ihm  heran,  begrüßte  ihn  ehr- 
furchtsvoll und  setzte  sich  zur  Seite  nieder.  Als  er 
sich  aber  gesetzt  hatte,  sprach  jener  Mönch  zu  Uggo 
dem   Hausvater: 

,,Acht  außerordentliche,  wunderbare  Erschei- 
nungen werden  bei  dir  angetroffen,  hat  der  Erhabene 
erklärt.    Welches  sind  diese  acht,  o  Hausvater?" 

,,Zwar  weiß  ich  nicht,  b  Ehrwürdiger,  als  mit 
welchen  acht  außerordentlichen,  wunderbaren  Erschei- 

—     52     — 


ACHTERBUCH  Vin22 


nungen  ausgestattet  mich  der  Erhabene  erklärt  hat, 
doch  höre  dir  folgende  acht  bei  mir  anzutreffende  Er- 
scheinungen an  und  achte  wohl  auf  meine  Worte!" 

,,Ja,  0  Hausvater,"  erwiderte  jener  Mönch  Uggo 
dem  Hausvater  aus  Elefantendorf.  Und  Uggo  der 
Hausvater  sprach: 

„Als  ich,  0  Ehrwürdiger,  den  Erhabenen  zum 
erstenmale  im  Nägahaine  schon  von  Ferne  erblickte, 
da  fühlte  schon  beim  bloßen  Anblicke  mein  Herz  Zu- 
versicht zum  Erhabenen  und  meine  durch  Wein  her- 
vorgerufene Berauschung  verschwand  (1).  Dies,  o 
Ehrwürdiger,  ist  die  erste  außerordentliche,  wunder- 
bare Erscheinung,  die  bei  mir  anzutreffen  ist. 

„Zuversichtlichen  Herzens,  o  Ehrwürdiger,  wartete 
ich  dem  Erhabenen  auf.  Und  der  Erhabene  gab  mir 
eine  stufenweise  Belehrung  über  das  Almosengeben,  die 
Sittlichkeit,  den  Himmel,  beleuchtete  das  Elend,  die 
Hinfälligkeit  und  Unreinheit  der  Begierden  und  den 
Segen  der  Entsagung.  Sobald  aber  der  Erhabene  merkte, 
daß  mein  Geist  bereit  geworden  war,  geschmeidig,  un- 
gehemmt, aufgerichtet  und  zuversichtlich,  da  wies  er 
das  erhabene  Gesetz  der  Erleuchteten,  das  Gesetz  vom 
Leiden,  von  seiner  Entstehung,  seiner  Aufhebung  und 
dem  Pfade  dorthin.  Und  gleichwie  ein  reines,  flecken- 
loses Gewand  sofort  jede  Farbe  annehmen  mag:  ebenso 


(1)  Komm.:  „Nägahain  heißt  der  Park  jenes  reichen  Mannes. 
An  einem  Vormittage  begab  sich  derselbe,  indem  er  Riechstoffe, 
Bhimen  usw.  mitnehmen  Heß,  zu  jenem  Garten,  um  sich  dort  die 
Zeit  zu  vertreiben.  Während  man  ihm  aber  dort  aufwartete,  er- 
bhckte  er  den  Erhabenen;  tmd  bei  seinem  Anbhcke  fühlte,  wie 
oben  gesagt,  sein  Herz  sofort  Zuversicht;  und  seine  durch  den  Wein- 
genuß hervorgerufene  Beravxschung  schwand  auf  der  Stelle." 

—     53     - 


Vni22  SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 


auch  ging  mir,  während  ich  noch  auf  meinem  Platze 
dasaß,  das  fleckenlose,  ungetrübte  Auge  des  Gesetzes 
auf:  »Was  immer  dem  Gesetze  des  Entstehens  unter- 
worfen ist,  muß  alles  wieder  untergehen.«  Und  das 
Gesetz  schauend,  das  Gesetz  verwirklichend,  das  Ge- 
setz erkennend,  das  Gesetz  durchdringend,  zweifel- 
entronnen, vom  Schwanken  befreit,  von  Sicherheit  er- 
füllt und  durch  keinen  beeinflußt  in  meinem  Ver- 
trauen zu  des  Meisters  Weisung  nahm  ich  noch  eben 
an  jenem  Orte  meine  Zuflucht  zum  Erleuchteten,  zum 
Gesetze  und  zur  Jüngerschaft  und  nahm  die  Sitten- 
regeln auf  mich,  als  fünfte  die  Keuschheit.  Dies,  o 
Ehrwürdiger,  ist  die  zweite  außerordentliche,  wunder- 
bare Erscheinung,  die  bei  mir  anzutreffen  ist. 

„Ich  besaß  da,   o  Ehrwürdiger,  vier  jugendliche 
Gattinnen.     Ich  aber  ging  zu  den  vier  Gattinnen  hin 
und  sprach  zu  ihnen:  »Ich  habe  nun  die  Sittenregeln 
auf  mich  genommen,  als  fünfte  die  Keuschheit.     Die- 
jenige, die  es  wünscht,  mag  diese  Schätze  hier  genießen 
und  gute  Werke  tun  oder  sich  zu  den  Familien  ihrer 
Verwandten  begeben.    Diejenige  aber,  die  einen  Mann 
wünscht,  möge  mir  sagen,  wem  ich  sie  zuführen  soll. 
Auf  diese  Worte  hin  bat  mich  die  älteste  Gattin,  sie 
einem  gewissen  Manne  zuzuführen.     Darauf  ließ  ich, 
0  Ehrwürdiger,  jenen  Mann   kommen,  und  indem  ich 
mit  der  Linken  die  Gattin  ergriff  und  in  der  Rechten 
ein  goldenes  Gefäß  hielt,  übergab  ich  sie  jenem  Manne. 
Während  ich  nun,  o  Ehrwürdiger,  mein  jugendliches 
Weib  weggab,  merkte  ich  nichts  von  einer  Veränderung 
meines  Herzens.     Dies,  o  Ehrwürdiger,  ist  die  dritte 
außerordentliche,    wunderbare    Erscheinung,    die    bei 
mir  anzutreffen  ist. 

—     54     — 


ACHTERBUCH  Vm  22 


,,Es  befinden  sich  da,  o  Ehrwürdiger,  in  meiner 
Familie  Schätze.  Diese  verteile  ich  in  selbstloser  Weise 
an  sittenreine,  dem  Guten  ergebene  Menschen.  Dies, 
0  Ehrwürdiger,  ist  die  vierte  außerordentliche,  wunder- 
bare Erscheinung,  die  bei  mir  anzutreffen  ist. 

,, Jedem  Mönche,  dem  ich  aufwarte,  warte  ich  mit 
Ehrerbietung  auf,  nicht  ohne  Ehrerbietung.  Trägt 
mir,  0  Ehrwürdiger,  jener  Verehrte  das  Gesetz  vor,  so 
höre  ich  voll  Ehrerbietung  zu,  nicht  ohne  Ehrerbietung. 
Trägt  mir  aber,  o  Ehrwürdiger,  jener  Verehrte  das 
Gesetz  nicht  vor,  so  trage  eben  ich  ihm  das  Gesetz 
vor.  Dies,  o  Ehrwürdiger,  ist  die  fünfte  außerordent- 
liche, wunderbare  Erscheinung,  die  bei  mir  anzu- 
treffen ist. 

,, Nicht  ist  es  zwar  wunderbar,  o  Ehrwürdiger, 
wenn  da  bei  geladener  Jüngerschaft  Himmelswesen 
zu  mir  herankommen  und  verkünden:  »Jener  Mönch, 
0  Hausvater,  ist  ein  Beiderseitserlöster,  jener  ein 
Wissenserlöster,  jener  ein  Körperzeuge  (1),  jener 
ein  Erkenntnisgereifter,  jener  ein  Glaubens- 
erlöster, jener  ein  Gesetzesergebener,  jener  ein 
Glaubensergebener,  jener  sittenrein  und  dem  Guten 
ergeben,  jener  sittenlos  und  dem  Bösen  ergeben.« 
Doch,  während  ich  der  Jüngerschaft  aufwarte,  wüßte 
ich  nicht,  daß  mir  etwa  der  Gedanke  aufstiege:  »Diesem 
will  ich  wenig  geben  und  diesem  viel«,  sondern  ich 
gebe  eben,  o  Ehrwürdiger,  mit  ganz  gleicher  Gesinnung. 
Dies,  0  Ehrwürdiger,  ist  die  sechste  außerordentliche, 
wunderbare  Erscheinung,  die  bei  mir  anzutreffen  ist. 

,, Nicht   ist   es  zwar  wunderbar,   o   Ehrwürdiger, 

(1)  über  diese  drei  Entwicklungsgrade  s.  IX,  43 — 45. 

—    55    — 


Vm28   SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

wenn  da  Himmelswesen  zu  mir  lierankommen  und 
sprechen:  »Wolil  dargetan  ist  vom  Erhabenen  das  Ge- 
setz« und  ich  ihnen  auf  ihre  Worte  entgegne:  »Ob  ihr 
das  nun  sagt,  ihr  Himmelswesen,  oder  ob  ihr  das  nicht 
sagt,  auf  alle  Fälle  ist  vom  Erhabenen  das  Gesetz 
wohl  dargetan«.  Doch  ich  wüßte  nicht,  o  Ehrwürdiger, 
daß  dadurch  in  meinem  Herzen  der  Dünkel  entstünde: 
»Ja,  mich  besuchen  die  Himmelswesen,  und  ich  unter- 
halte mich  mit  ihnen«.  Dies,  o  Ehrwürdiger,  ist  die 
siebente  außerordentliche,  wunderbare  Erscheinung, 
die  bei  mir  anzutreffen  ist. 

,, Sollte  da,  o  Ehrwürdiger,  der  Erhabene  vor  mir 
sterben,  so  wäre  es  nicht  zu  verwundern,  wenn  der 
Erhabene  erklären  möchte:  »Nicht  besteht  jene  Fessel 
mehr,  in  die  verstrickt  Uggo  der  Hausvater  aus  Ele- 
fantendorf wieder  zu  dieser  Welt  zurückkehren  sollte«. 
Dies,  0  Ehrwürdiger,  ist  die  achte  außerordentliche, 
wunderbare  Erscheinung,  die  bei  mir  anzutreffen  ist. 

,, Diese  acht  außerordentlichen,  wunderbaren  Er- 
scheinungen sind  bei  mir  anzutreffen.  Nicht  aber 
weiß  ich,  als  mit  welchen  acht  außerordentlichen, 
wunderbaren  Erscheinungen  ausgestattet  mich  der 
Erhabene  erklärt  hat." 

Nachdem  nun  jener  Mönch  in  der  Wohnung  Uggos 
des  Hausvaters  aus  Elefantendorf  seine  Almosenspeise 
in  Empfang  genommen  hatte,  erhob  er  sich  von  seinem 
Sitze  und  entfernte  sich.  Am  Nachmittage  aber,  nach 
beendetem  Mahle,  begab  er  sich  zum  Erhabenen.  Dort 
angelangt  begrüßte  er  ehrfurchtsvoll  den  Erhabenen 
und  setzte  sich  zur  Seite  nieder.  Zur  Seite  aber  sitzend 
berichtete  jener  Mönch   das  ganze   Gespräch,   das  er 

—    56    — 


ACHTERBUCH  Vni23 


mit   Uggo  dem   Hausvater   aus   Elefantendorf  gehabt 
hatte. 

[Der  Erhabene:]  „Gut,  gut,  o  Mönch!  Wie  Uggo 
der  Hausvater  aus  Elefantendorf  so  richtig  erklärt, 
als  mit  genau  denselben  außerordentlichen,  wunder- 
baren Erscheinungen  ausgestattet  habe  ich  Uggo  den 
Hausvater  aus  Elefantendorf  erklärt.  Und  als  mit 
diesen  acht  außerordentlichen,  wunderbaren  Erschei- 
nungen ausgestattet,  möget  ihr,  o  Mönche,  Uggos  ge- 
denken, des  Hausvaters    aus  Elefantendorf." 


Die  wunderbaren  Eigenschatten  des  Hatthako  23 

aus  Älavl  {  \ 

pinst  weilte  der  Erhabene  bei  Älavi  am  Aggälava 
Schreine.  Dort  wandte  sich  der  Erhabene  an  die 
Mönche  und  sprach: 

„Wisset,  ihr  Mönche,  daß  bei  Hatthako  aus  Alavi 
sieben  außerordentliche,  wunderbare  Erscheinungen  an- 
zutreffen sind:  welche  sieben? 

,, Hatthako  aus  Älavi,  ihr  Mönche,  besitzt  Ver- 
trauen, Sittlichkeit,  Scham,  Gewissen,  Gelehrsamkeit, 
Freigebigkeit  und  Einsicht.  Als  mit  diesen  sieben 
außerordentlichen,  wunderbaren  Erscheinungen  aus- 
stattet, ihr  Mönche,  gedenket  des  Hatthako  aus  Äjavi." 

Auf  diese  Worte  erhob  sich  der  Erhabene  von 
seinem  Sitze  und  begab  sich  in  seine  Zelle.  Einer  der 
Mönche  aber  begab  sich,  nachdem  er  sich  am  frühen 
Morgen  angekleidet  hatte,  mit  Gewand  und  Almosen- 
schale versehen,  zur  Wohnung  Hatthakos  aus  A|avi. 
Dort  angelangt  setzte  er  sich  auf  dem  angewiesenen 

—     57     - 


vm23    SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Sitze  nieder.  Als  er  sich  aber  gesetzt  hatte  sprach 
jener  Mönch  zu  Hatthai<o  aus  Älavi: 

,,Bei  dir,  o  Bruder,  hat  der  Erhabene  erklärt,  sind 
sieben  außerordentliche,  wunderbare  Erscheinungen 
anzutreffen:  »Hatthako  aus  Äjavi,  ihr  Mönche,  besitzt 
Vertrauen,  Sittlichkeit,  Scham,  Gewissen,  Gelehrsam- 
keit, Freigebigkeit  und  Einsicht«.  Mit  diesen  sieben 
außerordentlichen,  wunderbaren  Erscheinungen,  o  Bru- 
der, bist  du  ausgestattet,  hat  der  Erhabene  erklärt." 

,,War  da,  o  Ehrwürdiger,  etwa  irgend  ein  weiß- 
gekleideter Hausbewohner  zugegen?" 

,,Kein  weißgekleideter  Hausbewohner  war  zu- 
gegen, 0  Bruder." 

,,Gut,  0  Ehrwürdiger,  daß  sich  dort  kein  weiß- 
gekleideter Hausbewohner  befand." 

Nachdem  nun  jener  Mönch  in  der  Wohnung 
Hatthakos  aus  Äjavi  die  Almosenspeise  in  Empfang 
genommen  hatte,  erhob  er  sich  von  seinem  Sitze  und 
entfernte  sich.  Am  Nachmittage  aber,  nach  beendetem 
Mahle,  begab  er  sich  zum  Erhabenen  und  teilte  ihm 
mit,  was  er  mit  Hatthako  gesprochen  hatte. 

[Der  Erhabene:] 

,, Recht  so,  recht  so,  o  Mönch!  Bescheidener,  o 
Mönch,  ist  jener  edle  Sohn.  Nicht  einmal  die  guten 
Eigenschaften,  die  er  besitzt,  will  er  die  anderen  wissen 
lassen.  So  merke  dir  denn,  o  Mönch,  daß  Hatthako 
aus  Älavi  diese  achte  außerordentliche,  wunderbare 
Eigenschaft  besitzt:  nämlich  Bescheidenheit." 


—    58    — 


ACHTERBUCH  vm  24 


Die  vier  Arten  der  Gunst  (sangaha-vatthu)  24 

Einst  weilte  der  Erhabene  bei  Äjavi  am  Aggajaver- 
schreine.  Da  begab  sich  Hatthako  aus  Älavi  mit  einem 
Gefolge  von  fünfhundert  Anhängern  zum  Erhabenen. 
Dort  angelangt  begrüßte  er  ehrfurchtsvoll  den  Er- 
habenen und  setzte  sich  zur  Seite  nieder.  Als  er  sich 
aber  gesetzt  hatte,  sprach  der  Erhabene  zu  ihm: 

„Groß,  Hatthako,  ist  wahrlich  diese  deine  Gefolg- 
schaft! Wie  hast  du  denn,  Hatthako,  eine  solch  große 
Gefolgschaft  gewonnen?" 

,, Durch  die  vom  Erhabenen  gewiesenen  vier  Arten 
der  Gunst,  o  Ehrwürdiger,  habe  ich  eine  solch  große 
Gefolgschaft  gewonnen.  Von  wem  ich  da  nämlich  weiß, 
0  Ehrwürdiger,  daß  er  durch  Gaben  zu  gewinnen  ist, 
den  gewinne  ich  eben  durch  Gaben;  von  wem  ich  da 
weiß,  daß  er  durch  liebevolle  Worte  zu  gewinnen 
ist,  den  gewinne  ich  durch  liebevolle  Worte;  von  wem 
ich  da  weiß,  daß  er  durch  heilsamen  Rat  zu  ge- 
winnen ist,  den  gewinne  ich  durch  heilsamen  Rat;  von 
wem  ich  da  weiß,  daß  er  durch  Unparteilichkeit  zu 
gewinnen  ist,  den  gewinne  ich  durch  Unparteilichkeit. 
Aber  auch  Schätze,  o  Ehrwürdiger,  besitze  ich  zuhause, 
denn  auf  einen  Armen  glaubt  man  nicht  in  dieser 
Weise  hören  zu  müssen." 

„Recht  so,  recht  so,  Hatthako!  Wahrlich,  Hatthako, 
du  besitzest  die  Mittel  dazu,  eine  große  Gefolgschaft 
zu  gewinnen.  Denn  alle  diejenigen,  o  Hatthako,  die 
in  der  Vergangenheit  eine  große  Gefolgschaft  ge- 
wannen, alle  diese  gewannen  ihre  Gefolgschaft  durch 
diese  vier  Arten  der  Gunst.  Und  auch  alle  diejenigen, 
0  Hatthako,  die  in  der  Zukunft  eine  große  Gefolgschaft 

—    59    — 


VIII  25  SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

gewinnen  werden,  auch  alle  diese  werden  ihre  Gefolg- 
schaft durch  diese  vier  Arten  der  Gunst  gewinnen. 
Und  auch  alle  diejenigen,  o  Hatthako,  die  in  der  Gegen- 
wart eine  große  Gefolgschaft  gewinnen,  auch  alle  diese 
gewinnen  ihre  große  Gefolgschaft  durch  diese  vier 
Arten   der   Gunst." 

Und  Hatthako  aus  Älavi,  vom  Erhabenen  durch 
Worte  über  das  Gesetz  belehrt,  ermahnt,  ermutigt 
und  ermuntert,  erhob  sich  von  seinem  Sitze,  begrüßte 
ehrfurchtsvoll  den  Erhabenen,  und  ihm  die  Rechte 
zukehrend  entfernte  er  sich.  Kurz  nachdem  aber 
Hatthako  fort  war,  wandte  sich  der  Erhabene  an  die 
Mönche  und  sprach: 

,, Wisset,  ihr  Mönche,  daß  Hatthako  aus  Äjavi 
acht  außerordentliche,  wunderbare  Eigenschaften  eignen 
nämlich  Vertrauen,  Sittlichkeit,  Scham,  Gewissen,  Ge- 
lehrsamkeit, Freigebigkeit,  Einsicht  und  Beschei- 
denheit." 

25  Der  Anhänger 

[Im  Feigenkloster  bei  Kapilavatthu] 
Der   Sakyer  Mahänämo  sprach   zum   Erhabenen: 
,, Inwiefern,  o  Ehrwürdiger,  ist  man  ein  Anhänger 
(upäsaka)?" 

,,Wenn  man,  Mahänämo,  zum  Erleuchteten  Zu- 
flucht genommen  hat,  zum  Gesetze  Zuflucht  genommen 
hat  und  zur  Jüngerschaft  Zuflucht  genommen  hat:  in- 
sofern, Mahänämo,  ist  man  ein  Anhänger." 

,,  Inwiefern  aber,  o  Ehrwürdiger,  ist  der  Anhänger 
sittenrein?" 

,,Wenn,  Mahänämo,  der  Anhänger  sich  des  Tötens 

—     60     — 


ACHTERBUCH  Vm25 


enthält,  sich  des  Stehlens  enthält,  sich  geschlechtlicher 
Ausschreitung  enthält,  sich  der  Lüge  enthält,  sich  des 
Genusses  berauschender  Getränke  enthält:  insofern, 
Mahänämo,  ist  der  Anhänger  sittenrein." 

,,  Inwiefern  aber,  o  Ehrwürdiger,  wandelt  der  An- 
hänger zum  eigenen  Wohle,  nicht  zum  Wohle  der 
Anderen?" 

„Wenn,  Mahänämo,  der  Anhänger,  zwar  selber 
Vertrauen,  Sittlichkeit  und  Freigebigkeit  besitzt,  die 
Mönche  gerne  aufsucht,  das  gute  Gesetz  gerne  hört, 
die  gehörten  Gesetze  behält,  den  Sinn  der  gehörten 
Gesetze  erwägt,  das  Gesetz  und  seine  Auslegung 
kennend  im  Einklänge  mit  dem  Gesetze  wandelt,  er 
aber  nicht  die  anderen  dazu  anspornt:  insofern,  Mahä- 
nämo, wandelt  der  Anhänger,  zum  eigenen  Wohle, 
nicht  zum  Wohle  der  Anderen." 

,,  Insofern  aber,  o  Ehrwürdiger,  wandelt  der  An- 
hänger sowohl  zum  eigenen  Heile  als  auch  zum  Heile 
der  Anderen?" 

„Wenn,  Mahänämo,  der  Anhänger  selber  Ver- 
trauen, Sittlichkeit  und  Freigebigkeit  besitzt,  die 
Mönche  gerne  aufsucht,  das  gute  Gesetz  gerne  hört, 
die  gehörten  Gesetze  behält,  den  Sinn  der  gehörten  Ge- 
setze erwägt,  das  Gesetz  und  seine  Auslegung  kennend 
im  Einklänge  mit  dem  Gesetze  wandelt,  und  er  auch 
die  Anderen  dazu  anspornt:  insofern,  Mahänämo, 
wandelt  der  Anhänger  sowohl  zum  eigenen  Wohle  als 
auch  zum  Heile  der  Anderen." 


—     61     — 


vm28    SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

27  Acht  Kräfte 

Folgende  acht  Kräfte  gibt  es,  ihr  Mönche:  welche 
acht? 

Die  Kraft  der  Kinder,  ihr  Mönche,  besteht  in 
ihrem  Weinen,  die  Kraft  der  Weiber  besteht  in  ihrer 
Gehässigkeit,  die  Kraft  der  Räuber  besteht  in  ihren 
Waffen,  die  Kraft  der  Fürsten  besteht  im  Herrschen, 
die  Kraft  der  Toren  besteht  in  ihrer  Mürrischkeit,  die 
Kraft  der  Verständigen  besteht  in  ihrer  Einsicht,  die 
Kraft  der  Wissehsreichen  besteht  in  ihrer  Erwägung, 
die  Kraft  der  Asketen  und  Priester  besteht  in  ihrer 
Duldsamkeit.    Diese  acht  Kräfte  gibt  es,  ihr  Mönche. 

28  Die  Selbsterkenntnis  des  von  Leidenschaften 

Erlösten  (khinasava) 

Der  Erhabene  sprach  zum  ehrwürdigen  Säriputto: 

„Wieviele  Kräfte,  Säriputto,  besitzt  wohl  der  von 
Leidenschaften  erlöste  Mönch,  mit  denen  ausgerüstet 
er  die  Versiegung  der  Leidenschaften  also  erkennt: 
»Versiegt  sind  mir  die  Leidenschaften?" 

,,Acht,  0  Ehrwürdiger:  welche  acht? 

„Da,  0  Ehrwürdiger,  hat  der  von  Leidenschaften 
erlöste  Mönch  der  Wirklichkeit  gemäß  in  rechter 
Einsicht  klar  erkannt,  daß  alle  Bildungen  vergänglich 
sind.  Das,  o  Ehrwürdiger,  ist  für  den  von  Leiden- 
schaften erlösten  Mönch  eine  Kraft,  auf  die  gestützt 
er  die  Versiegung  der  Leidenschaften  also  erkennt: 
»Versiegt  sind  in  mir  die  Leidenschaften.« 

,, Ferner,  o  Ehrwürdiger,  hat  der  von  Leiden- 
schaften erlöste  Mönch  der  Wirklichkeit  gemäß  in 
rechter   Einsicht   klar   erkannt,   daß   die   Sinnenlüste 

—    62    — 


ACHTERBUCH  vm  63 


gleichsam  eine  Grube  voll  glühender  Kohlen  sind.  — 
„Ferner,  o  Ehrwürdiger,  ist  das  Herz  des  von 
Leidenschaften  erlösten  Mönches  der  Loslösung  ge- 
neigt, der  Loslösung  ergeben,  der  Loslösung  zugewandt, 
weilt  in  Loslösung,  entzückt  in  Entsagung,  ist  völlig 
befreit  von  den  befleckenden  Erscheinungen.  — 

,, Ferner,  o  Ehrwürdiger,  hat  der  von  Leidenschaften 
erlöste  Mönch  die  Vier  Grundlagen  der  Achtsam- 
keit (satipatthäna)  erweckt  und  wohl  entfaltet,  — 
hat  die  Vier  Machtfährten  (iddhi-päda)  erweckt  und 
wohl  entfaltet,  —  hat  die  fünf  Fähigkeiten  (indriya) 
erweckt  und  wohl  entfaltet,  —  hat  die  fünf  Kräfte 
(bala)  erweckt  und  wohl  entfaltet,  —  hat  die  sieben 
Erleuchtungsglieder  (bojjhahga)  erweckt  und  wohl 
entfaltet,  —  hat  den  Edlen  Achtfachen  Pfad  er- 
weckt und  wohl  entfaltet.  Auch  das,  o  Ehrwürdiger, 
ist  für  den  von  Leidenschaften  erlösten  Mönch  eine 
Kraft,  auf  die  gestützt  er  die  Versiegung  der  Leiden- 
schaften also  erkennt:  »Versiegt  sind  in  mir  die  Leiden- 
schaften.« 

„Diese  acht  Kräfte,  o  Ehrwürdiger,  besitzt  der 
von  Leidenschaften  erlöste  Mönch,  mit  denen  aus- 
gerüstet er  die  Versiegung  der  Leidenschaften  also 
erkennt:  »Versiegt  sind  in  mir  die  Leidenschaften«." 


Die  günstigen  Gelegenlieiten  zum  Iieiligen  Leben  29 

»Im  rechten  Augenblicke  wirkt  die  Welt  ihre 
Werke«:  so,  ihr  Mönche,  redet  der  unerfahrene  Weit- 
ung, doch  kennt  er  weder  die  günstige  noch  die  un- 
günstige Zeit.     Folgende  acht  ungünstige  Zeiten,  un- 

—     63     — 


Vin29   SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

günstige  Gelegenheiten,  gibt  es,  ihr  Mönche,  das  heilige 
Leben  zu  führen:  welche  acht? 

Da,  ihr  Mönche,  erscheint  der  Vollendete  in  der 
Welt,  der  Heilige,  Vollkommen  Erleuchtete,  der  im 
Wissen  und  Wandel  Vollendete,  der  Gesegnete,  der 
Weltenkenner,  der  höchste  Lenker  der  zu  bezähmen- 
den Menschheit,  der  Meister  der  Himmelswesen  und 
Menschen,  der  Erleuchtete,  der  Erhabene.  Und  auch 
das  Gesetz  wird  verkündet,  das  stillende,  völlig  er- 
lösende, zur  Erleuchtung  führende,  vom  Gesegneten 
gewiesene.  Der  Mensch  aber  ist  in  der  Hölle  wieder- 
erschienen —  oder  im  Tierschoße  —  oder  im  Gespenster- 
reiche —  oder  in  einer  Welt  langlebiger  Himmels- 
wesen —  oder  in  den  Grenzländern  unter  unverstän- 
digen Heiden,  wo  die  Mönche,  Nonnen,  Anhänger  und 
Anhängerinnen  nicht  hinkommen.  —  Oder  er  ist  zwar 
in  den  Ländern  Mittelindiens  wiedergeboren,  hegt  aber 
die  böse  Ansicht,  den  verkehrten  Glauben:  »Almosen 
und  Opfer  sind  nichtig,  es  gibt  keine  Frucht,  kein  Er- 
gebnis der  guten  und  bösen  Taten;  es  gibt  nicht  so 
etwas  wie  diese  Welt  und  die  nächste  Welt;  Vater, 
Mutter  und  geistgeborene  Wesen  sind  leere  Worte;  es 
gibt  keine  Asketen  und  Priester  von  rechtem  und  voll- 
kommenem Wandel,  die  sowohl  diese  als  auch  die 
nächste  Welt  selber  erkannt  und  verwirklicht  haben  und 
sie  erklären  können.  —  Oder  der  Mensch  ist  in  den 
Ländern  Mittelindiens  wiedergeboren,  doch  ist  er  ohne 
Einsicht,  ist  dumm  und  stumpfsinnig.  —  Oder  der 
Vollendete  erscheint  nicht  in  der  Welt  und  das  Gesetz 
wird  nicht  verkündet,  obgleich  der  Mensch  in  den 
Ländern  Mittelindiens  wiedergeboren  ist  und  voll  Ein- 
sicht ist,  nicht  dumm  oder  stumpfsinnig,  sondern  wohl 

—    64    — 


ACHTERBUCH  Vm  29 


imstande,  den  Sinn  rechter  und  verkehrter  Rede  zu 
erkennen.  Das,  ihr  Mönche,  ist  die  achte  ungünstige 
Zeit  und   Gelegenheit,   das  heilige   Leben  zu  führen. 

Das,  ihr  Mönche,  sind  die  acht  ungünstigen  Zeiten 
und  Gelegenheiten,  das  heilige  Leben  zu  führen. 

Eben  eine  günstige  Zeit  und  Gelegenheit  gibt 
es,  ihr  Mönche,  das  heilige  Leben  zu  führen:  welche 
eine? 

Da,  ihr  Mönche,  erscheint  der  Vollendete  in  der  V 
Welt,  der  Heilige,  Vollkommen  Erleuchtete,  der  im 
Wissen  und  Wandel  Vollendete,  der  Gesegnete,  der 
Weltenkenner,  der  höchste  Lenker  der  zu  bezähmenden 
Menschheit,  der  Meister  der  Himmelswesen  und  Men- 
schen, der  Erleuchtete,  der  Erhabene.  Und  auch  das 
Gesetz  wird  verkündet,  das  stillende,  völlig  erlösende, 
zur  Erleuchtung  führende,  vom  Gesegneten  gewiesene. 
Und  der  Mensch  wird  in  den  Ländern  Mittelindiens 
wiedergeboren,  ist  voll  Einsicht,  nicht  dumm  und 
stumpfsinnig,  und  wohl  imstande  den  Sinn  rechter  und 
verkehrter  Rede  zu  erkennen.  Das,  ihr  Mönche,  ist 
die  eine  günstige  Zeit  und  Gelegenheit,  das  heilige 
Leben  zu  führen.  ^ 


Wer  dort  als  Mensch  ins  Dasein  tritt, 
Wo  das  Gesetz  verkündet  wird. 
Doch  die  Gelegenheit  nicht  nutzt, 
Der  hat  die  rechte  Zeit  verpaßt. 

Denn  viele  schlechte  Zeiten  gibt's. 
Dem  Pfade  hinderlich,  wie's  heißt. 
Ja,  selten  nur  Vollendete 
Geboren  werden  in  der  Welt. 


65 


Vm29   SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Wem  aber  das  beschieden  ist, 
Was  gar  so  selten  in  der  Welt  — 
Als  Mensch  dahier  geboren  sein 
Und  hören  des  Gesetzes  Wort  — 

Solch'  Wesen  sollte  danach  streben, 
Wenn  ihm  am  eig'nen  Heile  liegt: 
»Wie  mag  ich  das  Gesetz  erkennen? 
Möcht'  rechter  Zeitpunkt  nicht  entflieh'n!« 

Wer  rechten  Zeitpunkt  hat  verpaßt, 
Der  fällt  der  Hölle   Qual  anheim, 
So  er  dahier  verfehlet  hat 
Der  guten  Lehre  rechten  Pfad. 

Gleichwie  ein  Kaufmann  lange  klagt, 
Der  seinen  Vorteil  hat  verpaßt: 
So  klagt  der  wahnumhüllte  Mensch, 
Der's  Gute  sich  entgehen  ließ; 
Der  Kreislauf  von  Geburt  und  Tod 
Wird  ihm  noch  lang  beschieden  sein. 

Doch  wer  als  Mensch  geboren  ward. 
Dort  wo  man  kündet  das  Gesetz, 
Des  Meisters  Weisungen  erfüllt  hat. 
Erfüllt  oder  erfüllen  wird: 

Der  hat  die  rechte  Zeit  erkannt 
Und  höchste  Heiligkeit  der  Welt, 
So  er  den  Pfad  gewandelt  ist, 
Den  der  Vollendete  ihm  wies.  — 

In  Sinnenzüg'lung,  die  einst  lehrte 
Der  Seher,  der  dem  Licht  entsproß. 
Behütet,  immerdar  besonnen, 
Verweile  man  stets  unbefleckt. 

Wer  jeden  Trieb  zerstöret  hat. 

Der  hintreibt  zu  dem  Reiche  Mahrs, 

Erlöst  von  aller  Leidenschaft, 

Der  hat  des  Daseins  Strom  durchkreuzt. 

—     66     — 


ACHTERBUCH  Vm  30 


Die  Gedanken  eines  großen  Mannes  ^0 

Einst  weilte  der  Erhabene  im  Lande  der  Bhagger 
bei  Sumsumäragira,  im  Bhesakalä-Walde  im  Hirsch- 
parke. Zu  jener  Zeit  aber  lebte  der  ehrwürdige  Anu- 
ruddho  im  Lande  der  Getier  im  Östlichen  Bambus- 
haine. Während  nun  der  ehrwürdige  Anuruddho  ein- 
sam und  abgeschieden  verweilte,  stieg  ihm  im  Geiste 
folgender  Gedanke  auf:  »Nur  für  den  Bescheidenen  \ 
eignet  sich  dieses  Gesetz,  nicht  für  den  Unbescheidenen;  ' 
nur  für  den  Genügsamen  eignet  sich  dieses  Gesetz, 
nicht  für  den  Ungenügsamen;  nur  für  den  Abgeschier 
denen  eignet  sich  dieses  Gesetz,  nicht  für  den  die  Ge- 
selligkeit Suchenden;  nur  für  den  Willensstarken  eignet 
sich  dieses  Gesetz,  nicht  für  den  Trägen;  nur  für  den 
geistig  Wachen  eignet  sich  dieses  Gesetz,  nicht  für  den 
Gedankenlosen;  nur  für  den  Gesammelten  eignet  sich 
dieses  Gesetz,  nicht  für  den  Ungesammelten;  nur  für 
den  Einsichtigen  eignet  sich  dieses  Gesetz,  nicht  für 
den  Toren.« 

Der  Erhabene  aber,  der  im  Geiste  die  Erwägungen 
des  ehrwürdigen  Anuruddho  erkannte,  verschwand  — 
ebenso  schnell  wie  etwa  ein  starker  Mann  den  ge- 
beugten Arm  ausstrecken  oder  den  gestreckten  Arm 
beugen  möchte  —  vom  Bhesakalä-Walde  und  trat  im 
Lande  der  Getier  im  Östlichen  Bambushaine  vor  dem 
ehrwürdigen  Anuruddho  wieder  in  Erscheinung.  Es 
setzte  sich  der  Erhabene  auf  dem  angebotenen  Sitze 
nieder.  Und  auch  der  ehrwürdige  Anuruddho  setzte 
sich,  nachdem  er  den  Erhabenen  ehrfurchtsvoll  be- 
grüßt hatte,  zur  Seite  nieder.  Als  er  sich  aber  gesetzt 
hatte,  sprach  der  Erhabene  also  zu  ihm: 

—     67     —  5* 


VIII 30  SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

,, Recht  so,  recht  so,  Anuruddho!  Recht  hast  du  die 
sieben  Gedanken  eines  großen  Mannes  erwogen.  So 
mögest  du  denn,  Anuruddho,  auch  diesen  achten  Ge- 
dani<en  eines  großen  Mannes  erwägen:«  Nur  für  den 
dem  Nichtweltiichen  Hingegebenen,  das  Nichtwelt- 
hche  Suchenden  eignet  sich  dieses  Gesetz,  nicht  für 
den  dem  Welth'chen  Hingegebenen,  das  WeltHche 
Suchenden«. 

,,Wenn  du,  Anuruddho,  diese  acht  Gedani<en 
eines  großen  Mannes  erwägst,  so  kannst  du,  ganz 
nach  Wunsch,  den  Sinnendingen  entrückt,  entrückt 
den  schuldvollen  Erscheinungen,  die  mit  Sinnen  und 
Nachdenken  verbundene,  in  der  Entrückung  ge- 
borene, von  Verzückung  und  Glückseligkeit  er- 
füllte erste  Vertiefung  gewinnen. 

,,Wenn  du,  Anuruddho,  diese  acht  Gedanken 
eines  großen  Mannes  erwägst,  so  kannst  du,  ganz  nach 
Wunsch,  nach  dem  Schwinden  des  Sinnens  und  Nach- 
denkens, den  inneren  Frieden  gewinnen,  die  Einheit 
des  Geistes,  die  von  Sinnen  und  Nachdenken  freie, 
in  der  Sammlung  geborene,  von  Verzückung  und 
Glückseligkeit   erfüllte  zweite  Vertiefung. 

,,Wenn  du,  Anuruddho,  diese  acht  Gedanken  eines 
großen  Mannes  erwägst,  so  kannst  du,  ganz  nach 
Wunsch,  nach  Abwendung  von  der  Verzückung  gleich- 
mütig verweilen,  achtsam,  geistesklar  und  in  dir  jenes 
Glück  empfinden,  von  dem  die  Edlen  sprechen: 
»Glückselig  der  Gleichmütige,  der  Achtsame!«  —  und 
so  die  dritte  Vertiefung  gewinnen. 

,,Wenn  du,  Anuruddho,  diese  acht  Gedanken 
eines  großen  Mannes  erwägst,  so  kannst  du,  ganz 
nach  Wunsch,  nach  dem  Schwinden  von  Wohlgefühl 

—     68    — 


ACHTERBUCH  vmso 


und  Schmerz  und  durch  Überwindung  des  früheren 
Frohsinns  und  Trübsinns  einen  leidiosen,  freudlosen 
Zustand  gewinnen,  die  durch  Gleichheit  und  Acht- 
samkeit geklärte  vierte  Vertiefung. 

,,Wenn  du,  Anuruddho,  die  acht  Gedanken  eines 
großen  Mannes  erwägst,  so  kannst  du,  dieser  vier  Ver- 
tiefungen, der  geisterhebenden,  zeitliches  Wohl  ge- 
währenden, ganz  nach  Wunsch,  ohne  Mühe  und  An- 
strengung, teilhaftig  werden.  Und  wie  etwa  einem 
Hausvater  oder  seinem  Sohne  die  mit  allerlei  bunten 
Gewändern  angefüllte  Kleidertruhe  erscheint,  genau 
so  wird  dir  in  deiner  Genügsamkeit  das  Fetzengewand 
erscheinen,  dienlich  zur  Freude,  zur  Unerregbarkeit, 
zum  Wohlbefinden,  und  zum  Eintritte  ins  Nirwahn. 
Und  wie  einem  Hausvater  oder  seinem  Sohne  unter 
den  Reisarten  der  von  schwarzen  Körnern  gereinigte 
Reis  mit  mancherlei  Brühen  und  Zutaten  erscheint, 
genau  so  wird  dir  in  deiner  Genügsamkeit  die  aus 
Brocken  bestehende  Almosenspeise  erscheinen  (1),  dien- 
lich zur  Freude,  zur  Unerregbarkeit,  zum  Wohlbe- 
finden und  zum  Eintritte  ins  Nirwahn.  Und  wie  etwa 
einem  Hausvater  oder  seinem  Sohne  sein  Giebelhaus 
erscheint,  außen  und  innen  verputzt,  vor  Wind  ge- 
schützt, verriegelt,  mit  verschlossenen  Fenstern:  genau 
so  wird  dir  in  deiner  Genügsamkeit  das  Lager  am 
Fuße  eines  Baumes  erscheinen,  dienlich  zur  Freude, 
zur  Unerregbarkeit,  zum  Wohlbefinden  und  zum  Ein- 
tritte ins  Nirwahn.     Und  wie  etwa  einem  Hausvater 


(1)  Komm.:  „Er  genießt  sie,  als  wäre  es  Ambrosia"  (amata, 
amrita,  'aflßgoöia,  wörtl.  Unsterblichkeit,  dann  Unsterblichkeits- 
trank, bezw.   Unsterblichkeitsspeise,    von    P.  P.  P.  I'mri,  sterben). 

—     69     — 


VIII  30  SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

oder  seinem  Sohne  ein  Ruhelager  erscheint,  das  ge- 
deckt ist  mit  einer  haargefranzten,  weißwollenen, 
blumengewirkten  Decke  oder  einem  edlen  Antilopen- 
fell und  versehen  mit  einer  Überdecke  und  einem 
purpurnen  Kissen  an  beiden  Bettenden:  genau  so 
wird  dir  in  deiner  Genügsamkeit  ein  Strohlager  als 
Schlafstätte  erscheinen,  dienlich  zur  Freude,  zur  Un- 
erregbarkeit,  zum  Wohlbefinden  und  zum  Eintritte 
ins  Nirwahn.  Und  wie  etwa  einem  Hausvater  oder 
seinem  Sohne  die  verschiedenen  Heilmittel,  wie  Butter- 
öl,  Butter,  Öl,  Honig  und  Zucker,  erscheinen,  genau 
so  wird  dir  fauler  Urin  als  Arznei  erscheinen,  dienlich 
zur  Freude,  zur  Unerregbarkeit,  zum  Wohlbefinden 
und   zum    Eintritte   ins   Nirwahn. 

,,So  magst  du  denn,  Anuruddho,  auch  die  kom- 
mende Regenzeit  hier  im  Lande  der  Cetier  verbringen! 

,,Ja,  0  Ehrwürdiger!"  erwiderte  der  ehrwürdige 
Anuruddho  dem  Erhabenen.  Nachdem  nun  der  Er- 
habene den  ehrwürdigen  Anuruddho  in  diesen  Worten 
ermahnt  hatte,  verschwand  er  vom  östlichen  Bam- 
bushaine im  Lande  der  Cetier;  und  —  gerade  wie  ein 
starker  Mann  den  gebeugten  Arm  ausstrecken  oder 
den  ausgestreckten  Arm  beugen  möchte  —  ebenso 
schnell  trat  der  Erhabene  im  Hirschparke  im  Bhesaka- 
lä-Walde  bei  Suriisumäragira  im  Lande  der  Bhagger 
wieder  in  Erscheinung.  Und  der  Erhabene  setzte  sich 
auf  dem  angebotenen  Sitze  nieder  und  sprach  darauf 
zu  den  Mönchen: 

,,Die  acht  Gedanken  eines  großen  Mannes,  ihr 
Mönche,  will  ich  euch  weisen.  So  höret  denn  und 
achtet  wohl  auf  meine  Worte!  Welches  nun,  ihr  Mönche, 
sind  die  acht  Gedanken  eines  großen  Mannes? 

—     70     — 


ACHTERBUCH  Vm30 


,,Nur  für  den  Bescheidenen,  ihr  Mönche,  eignet 
sich  dieses  Gesetz,  nicht  für  den  Unbescheidenen;  nur 
für  den  Genügsamen  eignet  sich  dieses  Gesetz,  nicht 
für  den  Ungenügsamen;  nur  für  den  Abgeschiedenen 
eignet  sich  dieses  Gesetz,  nicht  für  den  die  GeselHg- 
keit  Suchenden;  nur  für  den  Willensstarken  eignet  sich 
dieses  Gesetz,  nicht  für  den  Trägen;  nur  für  den  geistig 
Wachen  eignet  sich  dieses  Gesetz,  nicht  für  den  Ge- 
dankenlosen; nur  für  den  Gesammelten  eignet  sich 
dieses  Gesetz,  nicht  für  den  Ungesammelten;  nur  für 
den  Einsichtigen  eignet  sich  dieses  Gesetz,  nicht  für 
den  Toren,  nur  für  den  dem  Nichtweltlichen  Hinge- 
gebenen, das  Nichtweltliche  Suchenden  eignet  sich 
dieses  Gesetz,  nicht  für  den  dem  Weltlichen  Hinge- 
gebenen, das  Weltliche  Suchenden. 

,,Es  wurde  also,  ihr  Mönche,  gesagt:  »Nur  für  den 
Bescheidenen  eignet  sich  dieses  Gesetz,  nicht  für  den 
Unbescheidenen«.  Mit  Rücksicht  aber  worauf  wurde 
dies  gesagt?  Obwohl  da,  ihr  Mönche,  der  Mönch  be- 
scheiden ist,  wünscht  er  nicht,  daß  man  ihn  als  be- 
scheiden kenne;  obwohl  er  genügsam  ist,  wünscht  er 
nicht,  daß  man  ihn  als  genügsam  kenne;  obwohl  er 
abgeschieden  ist,  wünscht  er  nicht,  daß  man  ihn  als 
abgeschieden  kenne;  obwohl  er  voller  Willenskraft 
ist,  wünscht  er  nicht,  daß  man  ihn  als  willensstark 
kenne;  obwohl  er  geistig  wach  ist,  wünscht  er  nicht, 
daß  man  ihn  als  geistig  wach  kenne;  obwohl  er  ge- 
sammelt ist,  wünscht  er  nicht,  daß  man  ihn  als  ge- 
sammelt kenne;  obwohl  er  einsichtig  ist,  wünscht  er 
nicht,  daß  man  ihn  als  einsichtig  kenne;  obwohl  er 
dem  Nichtweltlichen  hingegeben  ist,  wünscht  er  nicht, 
daß    man    ihn    als    dem    Nichtweltlichen    hingegeben 


71     — 


vmso    SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

kenne.  Wurde  also  gesagt:  »Nur  für  den  Bescheidenen 
eignet  sicii  dieses  Gesetz,  nicht  für  den  Unbeschei- 
denen«, so  wurde  dies  eben  mit  Rücksicht  hierauf 
gesagt. 

,,Es  wurde  gesagt:  »Nur  für  den  Genügsamen 
eignet  sich  dieses  Gesetz,  nicht  für  den  Ungenügsamen«. 
Mit  Rücksicht  aber  worauf  wurde  dies  gesagt?  Da, 
ihr  Mönche,  gibt  sich  der  Mönch  zufrieden  mit  jederart 
Gewand,  Almosenspeise,  Lagerstatt  und  den  nötigen 
Heilmitteln  und  Arzneien.  Wurde  also  gesagt:  ■>Nur 
für  den  Genügsamen  eignet  sich  dieses  Gesetz,  nicht 
für  den  Ungenügsamen«,  so  wurde  dies  eben  mit  Rück- 
sicht hierauf  gesagt. 

,,Es  wurde  gesagt:  »Nur  für  den  Abgeschiedenen 
eignet  sich  dieses  Gesetz,  nicht  für  den  die  Geselligkeit 
Suchenden«.  Mit  Rücksicht  aber  worauf  wurde  dies 
gesagt?  Wird  da,  ihr  Mönche,  der  abgeschieden  ver- 
weilende Mönch  aufgesucht  von  Mönchen,  Nonnen, 
Anhängern,  Anhängerinnen,  Fürsten,  königlichen  Be- 
amten, Glaubenslehrern  oder  Jüngern  der  Glaubens- 
lehrer, so  spricht  er  durchaus  bloß  ermahnende  Worte, 
und  zwar  mit  einem  der  Abgeschiedenheit  geneigten, 
der  Abgeschiedenheit  hingegebenen,  der  Abgeschieden- 
heit zugewandten,  abgeschieden  verharrenden,  ent- 
sagungsfreudigen Geiste.  Wurde  also  gesagt:  »Nur  für 
den  Abgeschiedenen  eignet  sich  dieses  Gesetz,  nicht 
für  den  die  Geselligkeit  Suchenden«,  so  wurde  dies 
eben  mit  Rücksicht  hierauf  gesagt. 

,,Es  wurde  gesagt:  »Nur  für  den  Willensstarken 
eignet  sich  dieses  Gesetz,  nicht  für  den  Trägen«.  Mit 
Rücksicht  aber  worauf  wurde  dies  gesagt?  Da,  ihr 
Mönche,  setzt  der  Mönch  seine  Willenskraft  ein,  um 

—     72     — 


ACHTERBUCH  vra  30 


die  schuldvollen  Erscheinungen  zu  überkommen,  die 
verdienstvollen  Erscheinungen  aber  zum  Aufsteigen 
zu  bringen,  ist  standhaft,  von  eisernem  Willen  erfüllt, 
nicht  nachlässig  im  Guten.  Wurde  also  gesagt:  »Nur 
für  den  Willensstarken  eignet  sich  dieses  Gesetz,  nicht 
für  den  Trägen«,  so  wurde  dies  eben  mit  Rücksicht 
hierauf  gesagt. 

,,Es  wurde  gesagt:  »Nur  für  den  geistig  Wachen 
eignet  sich  dieses  Gesetz,  nicht  für  den  Gedanken- 
losen«. Mit  Rücksicht  aber  worauf  wurde  dies  gesagt? 
Da,  ihr  Mönche,  besitzt  der  Mönch  Achtsamkeit,  ist 
mit  höchster  Achtsamkeit  und  Besonnenheit  ausge- 
stattet. Selbst  was  vor  langer  Zeit  getan  oder  ge- 
sprochen wurde,  dessen  entsinnt  er  sich,  dessen  er- 
innert er  sich.  Wurde  also  gesagt:  »Nur  für  den  geistig 
Wachen  eignet  sich  dieses  Gesetz,  nicht  für  den  Ge- 
dankenlosen«, so  wurde  dies  eben  mit  Rücksicht  hier- 
auf gesagt. 

,,Es  wurde  gesagt:  »Nur  für  den  Gesammelten 
eignet  sich  dieses  Gesetz,  nicht  für  den  Ungesammelten«. 
Mit  Rücksicht  aber  worauf  wurde  dies  gesagt?  Da, 
ihr  Mönche,  gewinnt  der  Mönch,  den  Sinnendingen 
entrückt,  entrückt  den  schuldvollen  Erscheinungen,  die 
mit  Sinnen  und  Nachdenken  verbundene,  in  der  Ent- 
rückung geborene,  von  Verzückung  und  Glückselig- 
keit erfüllte  erste  Vertiefung.  Nach  dem  Schwinden 
des  Sinnens  und  Nachdenkens  aber  gewinnt  er  den 
inneren  Frieden,  die  Einheit  des  Geistes,  die  von  Sinnen 
und  Nachdenken  freie,  in  der  Sammlung  geborene,  von 
Verzückung  und  Glückseligkeit  erfüllte  zweite  Ver- 
tiefung. Nach  Abwendung  von  der  Verzückung  aber 
verweilt  er  gleichmütig,  achtsam,  geistesklar;  und  er 

—     73     — 


VIIISO  SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

fühlt  in  sich  jenes  Glück,  von  dem  die  Edlen  sprechen: 
»Glückselig  der  Gleichmütige,  der  Achtsame!«  —  so 
gewinnt  er  die  dritte  Vertiefung.  Nach  dem  Schwinden 
von  Wohlgefühl  und  Schmerz  aber  und  durch  Über- 
windung des  früheren  Frohsinns  und  Trübsinns  ge- 
winnt er  einen  leidlosen,  freudlosen  Zustand,  die  durch 
Gleichmut  und  Achtsamkeit  geklärte  vierte  Vertiefung. 
Wurde  also  gesagt:  »Nur  für  den  Gesammelten  eignet 
sich  dieses  Gesetz,  nicht  für  den  Ungesammelten«,  so 
wurde  dies  eben  mit  Rücksicht  hierauf  gesagt. 

,,Es  wurde  gesagt:  »Nur  für  den  Einsichtigen  eignet 
sich  dieses  Gesetz,  nicht  für  den  Toren«.  Mit  Rücksicht 
aber  worauf  wurde  dies  gesagt?  Da,  ihr  Mönche,  ist 
der  Mönch  von  Einsicht  erfüllt;  er  besitzt  Einsicht  in 
das  Entstehen  und  Vergehen,  edle,  durchdringende, 
zur  völligen  Leidensaufhebung  führende.  Wurde  also 
gesagt:  »Nur  für  den  Einsichtigen  eignet  sich  dieses 
Gesetz,  nicht  für  den  Toren«,  so  wurde  dies  eben  mit 
Rücksicht  hierauf  gesagt. 

„Es  wurde  gesagt:  »Nur  für  den  dem  Nichtwelt- 
lichen Hingegebenen,  das  Nichtweltliche  Suchenden 
eignet  sich  dieses  Gesetz,  nicht  für  den  dem  Welt- 
lichen Hingegebenen,  das  Weltliche  Suchenden«.  Mit 
Rücksicht  aber  worauf  wurde  dies  gesagt?  Da,  ihr 
Mönche,  drängt  der  Geist  nach  Aufhebung  des  Welt- 
lichen, erheitert  sich  darin,  festigt  sich  darin,  findet 
darin  seine  Erlösung.  Wurde  also  gesagt:  »Nur  für 
den  dem  Nichtweltlichen  Hingegebenen,  das  Nicht- 
weltliche Suchenden  eignet  sich  dieses  Gesetz,  nicht 
für  den  dem  Weltlichen  Hingegebenen,  das  Weltliche 
Suchenden«,  so  wurde  dies  eben  mit  Rücksicht  hier- 
auf gesagt." 

—     74     — 


ACHTERBUCH  VHI 30 


Der  ehrwürdige  Anuruddho  spendete  nun  die 
kommende  Regenzeit  an  demselben  Platze  im  Lande 
der  Cetier  in  dem  Östlichen  Bambushaine.  Während 
aber  der  ehrwürdige  Anurudhho  einsam,  abgeschieden, 
unermüdlich,  eifrig  und  selbstentschlossen  verweilte, 
da  gelangte  er  in  den  Besitz  jenes  höchsten  Zieles  der 
Heiligkeit,  —  um  dessentwillen  edle  Söhne  gänzlich 
von  Hause  fort  in  die  Hauslosigkeit  ziehen,  —  indem 
er  es  selber  erkannte  und  verwirklichte.  Und  er  er- 
kannte: »Aufgehoben  ist  die  Geburt,  ausgelebt  der 
heilige  Wandel,  das  Werk  vollendet;  nicht  kehr'  ich 
mehr  zu  dieser  Welt  zurück«.  Und  der  ehrwürdige 
Anuruddho  war  einer  unter  den  Heiligen  geworden. 
Als  aber  der  ehrwürdige  Anuruddho  die  Heiligkeit  er- 
langt hatte,  da  sprach  er  zu  jener  Stunde  folgende 
Verse: 

„Als  die  Gedanken  in  mir  schaute 
Der  höchste  Meister  in  der  Welt, 
Kam  er  in  geistgezeugtem  Körper, 
Durch  Zauberkraft,  zu  mir  heran. 

„Und  weiter  wies  der  Meister  mich, 
Als  ich  in  meinem  Geist  erwog; 
Der  überweltlich  sel'ge  Meister 
Wies  mir  die  Überweltlichkeit. 

„Durchschauend  aber  sein  Gesetz, 
Fand  Freude  ich  an  seinem  Wort. 
Drei  Wissen  (2)  hab'  ich  nun  errungen. 
Des  Meisters  Weisung  ist  erfüllt." 


(1)  Hierüber  s.  VIII,  11. 

—     75     — 


Ym32   SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

VIERTER    TEIL: 

Das  Kapitel  der  Gaben 

31  Acht  Arten  des  Gebens 

0) 

Folgende  acht  Arten  des  Gebens  gibt  es,  ihr 
Mönche:  welche  acht? 

Gleich  bei  der  Ankunft  gibt  man  Gaben;  oder 
aus  Furcht  (vor  Tadel)  gibt  man  Gaben;  oder  in  dem 
Gedanken:  »Man  hat  ja  auch  mir  gegeben«  gibt  man 
Gaben;  oder  in  dem  Gedanken:  »Man  wird  ja  auch  mir 
geben«  gibt  man  Gaben;  oder  weil  das  Geben  etwas 
Gutes  ist,  gibt  man  Gaben;  oder  man  gibt  in  dem  Ge- 
danken: »Ich  koche  ja,  diese  aber  nicht;  und  nicht 
recht  ist  es  für  mich,  der  ich  koche,  den  Nichtkochenden 
keine  Gaben  zu  geben«;  oder  man  gibt  Gaben  in  dem 
Gedanken:  »Wenn  ich  diese  Gabe  gebe,  wird  sich  über 
mich  ein  guter  Ruf  verbreiten«;  oder  der  Herzensver- 
edlung, der  Herzensläuterung  wegen  gibt  man  Gaben. 
Diese  acht  Arten  des  Gebens  gibt  es,  ihr  Mönche. 

32  An  Schamgefühl,  Vertrau'n  und  edlem  Geben: 
Da  halten  alle  guten  Menschen  fest. 

Denn  das  fürwahr  gilt  als  die  Himmelsfährte, 
Auf  der  man  hingelangt  zur  Himmelswelt. 

3?j  Acht  Arten  des  Gebens 

(2) 

Folgende  acht  Arten  des  Gebens  gibt  es,  ihr 
Mönche:  welche  acht? 

—    76    — 


ACHTFERBUCH  vm  34 


Aus  Liebe  gibt  man  Gaben;  aus  Ärger  gibt  man 
Gaben;  aus  Verblendung  gibt  man  Gaben;  aus  Furcht 
gibt  man  Gaben;  oder  man  gibt  in  dem  Gedanken: 
»Was  da  früher  vom  Vater  und  Großvater  gegeben  und 
getan  wurde:  von  diesem  alten  Familienbrauche  darf 
ich  nicht  abgehen«;  oder  man  gibt  in  dem  Gedanken: 
»Wenn  ich  diese  Gabe  gebe,  werde  ich  beim  Zerfalle 
des  Leibes,  nach  dem  Tode,  auf  guter  Fährte,  in  himm- 
lischer Welt  wiedererscheinen«;  oder  man  gibt  in  dem 
Gedanken:  »wenn  ich  diese  Gabe  gebe,  erheitert  sich 
mein  Herz,  und  Zufriedenheit  und  Frohsinn  steigen  in 
mir  auf«;  oder  der  Herzensveredlung,  der  Herzens- 
läuterung wegen  gibt  man  Gaben.  Diese  Acht  Arten 
des  Gebens  gibt  es,  ihr  Mönche. 

Der  fruchtbare  Boden  34 

Der  auf  ein  mit  acht  Eigenschaften  versehenes 
Feld  ausgesäte  Samen,  ihr  Mönche,  zeitigt  keine  großen 
Früchte,  keinen  guten  Geschmack,  keinen  hohen 
Wuchs.    Welches  aber  sind  diese  acht  Eigenschaften? 

Da,  ihr  Mönche,  ist  das  Feld  voller  Erhebungen 
und  Senkungen,  voller  Steine  und  Geröll,  ist  salz- 
haltig, nicht  tief  genug  gelegen,  besitzt  keinen  Zufluß, 
keinen  Abfluß,  keine  Wasserfurchen,  keine  Eindäm- 
mungen (1).  Der  auf  ein  mit  diesen  acht  Eigenschaften 

(1)  An  den  Abhängen  werden  die  Reisfelder  so  angelegt,  daß 
sie  stufenweise  abfallende,  eingedämmte  Terrassen  bilden,  sodaß 
das  durch  einen  Graben  hir  zugeleitete  Wasser  eines  Gebirgsbaches 
abwärts  von  einer  Terrasse  zu  der  anderen  überfließt  und  schließlich 
alle  Terrassen  bis  hinab  zum  Tale  füllt.  Damit  nun  aber,  wenn  man 
die  an  den  niedrigen  Eii  därnmungen  der  Terrassen  angebrachten 

—     77     — 


Vin34   SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

versehenes  Feld  ausgesäte  Samen,  ihr  Mönche,  zeitigt 
keine  großen  Früchte,  keinen  guten  Geschmack,  keinen 
hohen  Wuchs. 

Ebenso  auch,  ihr  Mönche,  bringt  die  Gabe,  die 
man  den  mit  acht  Eigenschaften  behafteten  Asketen 
und  Priestern  spendet,  keine  großen  Früchte,  keinen 
hohen  Segen,  ist  ohne  hohen  Wert  und  Einfluß.  Welches 
aber  sind  diese  acht  Eigenschaften? 

Da,  ihr  Mönche,  eignet  den  Asketen  und  Priestern 
verkehrte  Erkenntnis,  verkehrte  Gesinnung,  verkehrtes 
Wort,  verkehrtes  Werk,  verkehrtes  Leben,  verkehrtes 
Streben,  verkehrte  Achtsamkeit  und  verkehrte  Samm- 
lung. Die  Gabe,  ihr  Mönche,  die  man  den  mit  diesen 
acht  Eigenschaften  behafteten  Asketen  und  Priestern 
spendet,  bringt  keine  großen  Früchte,  keinen  hohen 
Segen,  ist  ohne  hohen  Wert  und  Einfluß. 

Der  auf  ein  mit  folgenden  acht  Eigenschaften 
versehenes  Feld  ausgesäte  Samen  aber,  ihr  Mönche, 
zeitigt  große  Früchte,  einen  guten  Geschmack  und 
hohen  Wuchs.  Welches  aber  sind  diese  acht  Eigen- 
schaften? 

Da,  ihr  Mönche,  hat  das  Feld  keine  Erhebungen 
und  Senkungen,  keine  Steine  und  Geröll,  ist  nicht 
salzhaltig,  ist  tief  gelegen,  besitzt  einen  Zufluß  und 
Abfluß,  Wasserfurchen  und  Eindämmungen.  Der  auf 
ein  mit  diesen  acht  Eigenschaften  versehenes  Feld 
ausgesäte  Samen,  ihr  Mönche,  zeitigt  große  Früchte, 
einen  guten  Geschmack  und  hohen  Wuchs. 


Öffiimigeu  vollständig  öffnet,  um  das  Wasser  abfließen  zu  lassen, 
der  Boden  nicht  ganz  imd  gar  austrocknet,  werden  in  den  einzelnen 
'J'errassen  Furchen  gezogen. 

—     78     — 


ACHTERBUCH  Vm  34 


Ebenso  auch,  ihr  Mönche,  bringt  die  Gabe,  die 
man  den  mit  folgenden  acht  Eigenschaften  ausgestat- 
teten Asketen  und  Priestern  spendet,  große  Früchte 
und  hohen  Segen,  ist  von  hohem  Wert  und  Einflüsse. 
Welches  aber  sind  diese  acht  Eigenschaften? 

Da,  ihr  Mönche,  eignet  den  Asketen  und  Priestern 
rechte  Erkenntnis,  rechte  Gesinnung,  rechtes  Wort, 
rechtes  Werk,  rechte  Lebensweise,  rechtes  Streben, 
rechte  Achtsamkeit  und  rechte  Sammlung.    Die  Gabe,  / 

ihr  Mönche,  die  man  den  mit  diesen  acht  Eigenschaften 
ausgestatteten  Asketen  und  Priestern  spendet,  bringt 
große  Früchte  und  hohen  Segen,  ist  von  hohem  Wert 
und  Einfluß. 

Wenn  man  gesunde  Samenkörner 
Auf  einen  guten  Boden  sät 
Und  rechter  Regen  niederströmt, 
So  stellt  sich  mancher  Segen  ein. 

Vom  Plagen  (1)  bleibt  das  Korn  verschont, 
ßesclüeden  ist  ihm  schneller  Wuchs, 
Beschieden  eine  reiche  Ernte, 
Und  große  Früchte  bringt's  hervor. 

So  bringet  die  voUkomm'ne  Gabe, 
Den  Sittenreinen  dargebracht. 
Dem  Geber  ein  vollkomm'nes  Glück 
Da  auch  die  Tat  vollkommen  ist. 

Drum  wer  vollkomm'nes  Glück  erstrebt, 
Soll  selber  erst  vollkommen  sein 
Und  einsichtsvollen  Freunden  folgen: 
Dann  findet  er  Vollkommenheit. 

(1)  In  Räghuvarhsa,  einem  Sanskritwerke,  werden  sechs  Land- 
plagen aufgezählt:  zu  viel  Regen,  Trockenheit,  Ratten,  Heuschrecken, 
Papageien  und  feindliche  Einfälle  (Cit.  Vaidya). 

—    79     — 


Vm35   SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Im  Wissen  und  Wandel  vollkommen, 
Vollkommen  in  seinem  Gemüte, 
Verübt  er  vollkommene  Taten, 
Erlangt  er  vollkommenes  Heil. 

Wer  allen  Staub  von  sich  geschüttelt, 
Das  Glück  des  Nirwahns  hat  erreicht, 
Der  ist  von  allem  Leid  erlöst: 
Das  aber  ist  das  höchste  Glück. 

"^^  Durch  Gaben  bedingte  Wiedergeburt 

Folgende  acht  durch  Gaben  bedingte  Wieder- 
geburten gibt  es,  ihr  Mönche:  welche  acht? 

Da,  ihr  Mönche,  versieht  einer  einen  Asketen  oder 
Priester  mit  Speise  und  Trank,  Kleidung,  Wagen, 
Blumen,  Spezereien,  Salben,  Wohnung  und  Beleuch- 
tung, Und  was  er  gibt,  das  gibt  er  gern.  Er  erblickt 
nun  mächtige  Adelige,  Brahmanen  oder  Bürger  im 
Besitze  und  Genüsse  der  fünf  Sinnenfreuden,  von  den 
fünf  Sinnenfreuden  umgeben.  Da  wird  ihm  zumute: 
»Ach,  daß  ich  doch  beim  Zerfalle  des  Leibes,  nach  dem 
Tode,  unter  mächtigen  Adeligen,  Brahmanen  oder 
Bürgern  wiedererscheinen  möchte!«  An  jedem  Ge- 
danken hängt  er,  hält  er  fest  und  pflegt  ihn.  Und 
solche  Gedanken,  obzwar  vom  Niedrigen  losgelöst  aber 
doch  noch  nicht  höher  entfaltet,  führen  ihn  eben  dort 
zur  Wiedergeburt,  und  beim  Zerfalle  des  Leibes,  nach 
dem  Tode,  erscheint  er  unter  mächtigen  Adeligen, 
Brahmanen  oder  Bürgern  wieder.  Das  aber  behaupte 
ich  vom  Sittenreinen,  nicht  vom  Sittenlosen.  Denn 
der  Herzenswunsch  des  Sittenreinen,  ihr  Mönche,  geht 
kraft  seiner  Reinheit  in  Erfüllung. 

Fernerhin,   ihr  Mönche:   da   versieht   einer   einen 

—     80     — 


ACHTERBUCH  VIII 35 


Asketen  oder  Priester  mit  Speise  und  Trank,  Kleidung, 
Wagen,  Blumen,  Spezereien,  Salben,  Wohnung  und 
Beleuchtung.  Und  was  er  gibt,  das  gibt  er  gern.  Er 
hat  nun  gehört  von  dem  hohen  Alter,  der  Schönheit 
und  dem  großen  Glücke  der  Himmelswesen  der  Vier 
Großen  Könige,  —  der  Himmelswesen  der  Dreiund- 
dreißig, —  der  Yama  Dewen,  —  der  Seligen  Himmels- 
wesen, —  der  Schaffensfreudigen  Himmelswesen,  — 
der  über  die  Erzeugnisse  der  Anderen  verfügenden 
Himmelswesen.  Da  wird  ihm  zumute:  »Ach,  daß  ich 
doch  beim  Zerfalle  des  Leibes,  nach  dem  Tode,  unter 
den  über  die  Erzeugnisse  der  Anderen  verfügenden 
Himmelswesen  wiedererscheinen  möchte!«  An  jenen 
Gedanken  hängt  er,  hält  er  fest  und  pflegt  ihn.  Und 
solche  Gedanken,  obzwar  vom  Niedrigen  losgelöst  aber 
doch  noch  nicht  höher  entfaltet,  führen  ihn  eben  dort 
zur  Wiedergeburt,  und  beim  Zerfalle  des  Leibes,  nach 
dem  Tode,  erscheint  er  unter  den  über  die  Erzeugnisse 
der  Anderen  verfügenden  Himmelswesen  wieder.  Das 
aber  behaupte  ich  vom  Sittenreinen,  nicht  vom  Sitten- 
losen. Denn  der  Herzenswunsch  des  Sittenreinen,  ihr 
Mönche,  geht  kraft  seiner  Reinheit  in  Erfüllung. 

Fernerhin  aber,  ihr  Mönche:  da  versieht  einer  einen 
Asketen  oder  Priester  mit  Speise  und  Trank,  Klei- 
dung, Wagen,  Blumen,  Spezereien,  Salben,  Wohnung 
und  Beleuchtung.  Und  was  er  gibt,  das  gibt  er  gern. 
Er  hat  nun  gehört  von  dem  hohen  Alter,  der  Schön- 
heit und  dem  großen  Glücke  der  Himmelswesen  der 
Brahmawelt.  Da  wird  ihm  zumute:  »Ach,  daß  ich 
doch  beim  Zerfalle  des  Leibes,  nach  dem  Tode,  unter 
den  Himmelswesen  der  Brahmawelt  wiedererscheinen 
möchte!«    An  jenem  Gedanken  hängt  er,  hält  er  fest 

—    81    —  6 


vm36   SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

und  pflegt  ihn.  Und  solche  Gedanken,  obzwar  vom 
Niedrigen  losgelöst  aber  doch  noch  nicht  höher  ent- 
faltet, führen  ihn  eben  dort  zur  Wiedergeburt,  und 
beim  Zerfalle  des  Leibes,  nach  dem  Tode,  erscheint 
er  unter  den  Himmelswesen  der  Brahmawelt  wieder. 
Das  aber  behaupte  ich  von  dem  Sittenreinen,  nicht 
dem  Sittenlosen,  von  dem  Gierlosen,  nicht  dem  Gier- 
behafteten. Denn  der  Herzenswunsch  des  Sittenreinen 
geht  kraft  seiner  Gierlosigkeit  in  Erfüllung. 

Das,  ihr  Mönche,  sind  die  acht  durch  Gaben  be- 
dingten Wiedergeburten. 


36  Die  drei  Arten  verdienstvollen  Wirkens 

Folgende  drei  Arten  verdienstvollen  Wirkens  gibt 
es,  ihr  Mönche:  welche  drei?  Das  im  »Geben«  (däna) 
bestehende  verdienstvolle  Wirken,  das  in  der  »Sitt- 
lichkeit« (sila)  bestehende  verdienstvolle  Wirken  und 
das  in  »Geistesentfaltung«  (bhävanä)  bestehende 
verdienstvolle  Wirken. 

Da,  ihr  Mönche,  ist  bei  dem  einen  das  im  Geben 
und  in  der  Sittlichkeit  bestehende  verdienstvolle  Wirken 
schwach  entwickelt,  und  das  in  Geistesentfaltung  be- 
stehende Wirken  ist  nicht  vorhanden.  Ein  solcher  er- 
scheint beim  Zerfalle  des  Leibes,  nach  dem  Tode,  in 
elenden  Verhältnissen  unter  den  Menschen  wieder. 

Da  aber,  ihr  Mönche,  ist  bei  dem  einen  das  im 
Geben  und  in  der  Sittlichkeit  bestehende  Wirken 
mittelmäßig  entwickelt,  doch  das  in  Geistesentfaltung 
bestehende  verdienstvolle  Wirken  ist  nicht  vorhanden. 
Ein  solcher   erscheint  beim  Zerfalle  des  Leibes,   nach 

—    82    — 


ACHTERBUCH  vm  36 


dem  Tode,  in  glücklichen  Verhältnissen  unter  den 
Menschen  wieder. 

Da  aber,  ihr  Mönche,  ist  bei  dem  einen  das  im 
Geben  und  in  der  Sittlichkeit  bestehende  verdienst- 
volle Wirken  stark  entwickelt  und  das  in  Geistesent- 
faltung bestehende  Wirken  ist  nur  schwach  entwickelt. 
Ein  solcher  erscheint  beim  Zerfalle  des  Leibes,  nach 
dem  Tode,  unter  den  Himmelswesen  der  Vier  Großen 
Könige  wieder.  Dort,  ihr  Mönche,  übertreffen  die 
Vier  Großen  Könige,  bei  denen  das  im  Geben  und  in 
der  Sittlichkeit  bestehende  verdienstvolle  Wirken  noch 
stärker  entwickelt  ist,  die  Himmelswesen  im  Gefolge 
der  Vier  Großen  Könige  in  zehn  Dingen:  in  himm- 
lischem Alter,  himmlischer  Schönheit,  himmlischem 
Glücke,  himmlischem  Ruhme,  himmlischer  Herrschaft, 
himmlischen  Formen,  himmlischen  Tönen,  himmlischen 
Düften,  himmlischen  Säften  und  himmlischen  Tast- 
empfindungen. 

Oder  aber  er  erscheint  unter  den  Himmelswesen 
der  Dreiunddreißig  wieder.  Dort,  ihr  Mönche,  über- 
trifft Sakko  der  Himmelskönig,  bei  dem  das  im  Geben 
und  in  der  Sittlichkeit  bestehende  verdienstvolle 
Wirken  noch  stärker  entwickelt  ist,  die  Himmelswesen 
der  Dreiunddreißig  in  diesen  zehn  Dingen. 

Oder  aber  er  erscheint  unter  den  Yama  Dewen 
wieder.  Dort,  ihr  Mönche,  übertrifft  Suyämo  der 
Himmelssohn,  bei  dem  das  im  Geben  und  in  der  Sitt- 
lichkeit bestehende  verdienstvolle  Wirken  noch  stärker 
entwickelt  ist,  die  Yama  Dewen  in  diesen  zehn  Dingen. 

Oder  aber  er  erscheint  unter  den  Seligen  Himmels- 
wesen wieder.  Dort,  ihr  Mönche,  übertrifft  Santusito 
der  Himmelssohn,  bei  dem  das  im  Geben  und  in  der 

-    83     —  6* 


Vm37    SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Sittlichkeit  bestehende  verdienstvolle  Wirken  noch 
stärker  entwickelt  ist,  die  Seligen  Hjmmelswesen  ia 
diesen  zehn  Dingen. 

Oder  aber  er  erscheint  unter  den  Schöpfungs- 
freudigen Himmelswesen  wieder.  Dort,  ihr  Mönche, 
übertrifft  Sunimmito  der  Himmelssohn,  bei  dem  das 
im  Geben  und  in  der  Sittlichkeit  bestehende  verdienst- 
volle Wirken  noch  stärker  entwickelt  ist,  die  Schöp- 
fungsfreudigen Himmelswesen  in  diesen  zehn  Dingen. 

Oder  aber  er  erscheint  unter  den  über  die  Er- 
zeugnisse der  Anderen  verfügenden  Himmelswesen. 
Dort,  ihr  Mönche,  übertrifft  Willenswalt  der  Himmels- 
sohn, bei  dem  das  im  Geben  und  in  der  Sittlichkeit 
bestehende  verdienstvolle  Wirken  noch  stärker  ent- 
wickelt ist,  die  über  die  Erzeugnisse  der  Anderen  ver- 
fügenden Himmelswesen  in  diesen  zehn  Dingen. 

Das,  ihr  Mönche,  sind  die  drei  Arten  verdienst- 
vollen Wirkens. 

37  Die  Gaben  eines  guten  Menschen 

Acht  Gaben  des  guten  Menschen  gibt  es,  ihr 
Mönche:  welche  acht? 

Reines  gibt  er,  Auserwähltes  gibt  er,  zur  rechten 
Zeit  gibt  er.  Erlaubtes  gibt  er,  mit  Überlegung  gibt  er,, 
häufig  gibt  er,  beim  Geben  füllt  sich  sein  Herz  mit 
Zuversicht,  und  nach  dem  Geben  fühlt  er  sich  zu- 
frieden. Diese  acht  Gaben  eines  guten  Menschen  gibt 
es,  ihr  Mönche. 

Erlaubten  Trank,  erlaubte  Speise, 
Vorzüglich,  rein  zur  rechten  Zeit, 
Vertraut  er  oft  als  Gabe  an 
Dem  hehren  Feld  der  Heiligen. 

—    84     — 


ACHTERBUCH  Vm38 


Wo  keine  Reue  sich  erhebt, 
Selbst  wenn  man  viele  Dinge  schenkt, 
Dort  preist  die  Gabe,  die  man  gibt, 
Ein  jeder,  der  voll  Einsicht  ist. 

Wer,  weise,  also  Gaben  gibt, 
Voll  Zuversicht,  freigeb'gen  Sinns, 
Solch  weiser  Mensch  wird  hingelangen 
Zu  einer  leidlos  sel'gen  Welt. 

Der  segensreiche  Einfluß  des  guten  Mensclien 

Wenn,  ihr  Mönche,  ein  guter  Mensch,  im  Hause 
geboren  wird,  so  gereicht  er  vielen  Wesen  zum  Heile, 
Segen  und  Wohle:  Vater  und  Mutter  gereicht  er  zum 
Wohle,  sowie  Weib  und  Kind,  Knecht  und  Diener, 
Freunden  und  Gefährten,  dem  abgeschiedenen  Ahnen, 
den  Fürsten,  den  Himmelswesen,  den  Asketen  und 
Priestern. 

Gleichwie,  ihr  Mönche,  ein  starker  Regen,  dadurch 
daß  er  das  ganze  Getreide  zur  Reife  bringt,  vielen 
Menschen  zum  Heile,  Segen  und  Wohle  gereicht:  ebenso 
auch,  ihr  Mönche,  gereicht  ein  guter  Mensch,  der  im 
Hause  geboren  wird,  vielen  Wesen  zum  Heile,  Segen 
und  Wohle. 

Zum  Segen  wahrlich  vieler  Menschen 
Der  weise  Mann  im  Hause  lebt. 

Vor  allem  schenkt  er  beiden  Eltern 
Bei  Tag'  und  Nacht,  ohn'  Unterlaß, 
Die  Achtung,  die  er  schuldig  ist, 
Der  früh'ren  Dienste  eingedenk. 

Gefestigt  in  der  Zuversicht, 
Den  Hausentgangenen  er  ehrt, 

—     85    — 


38 


'\ 


vm89   SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Der  einen  reinen  Wandel  führt 
Und  ihm  als  gut  und  tüchtig  gilt. 

Ein  Segen  für  Fürsten  und  Dewen, 
Ein  Segen  für  Vetter  und  Freund, 
Gereichet  er  allen  zum  Heile, 
In  wahrer  Lehre  erstarkt. 

Des  Geistes  Laster  von  sich  weisend 
Gelangt  er  hin  zu  sel'ger  Welt. 


39  Die  acht  Ströme  des  Verdienstes 

Folgende  acht  Ströme  des  Verdienstes,  Ströme  des 
Guten  gibt  es,  ihr  Mönche,  glückbringende,  himmlische, 
glückgebärende,  himmelwärts  leitende,  die  zu  Er- 
wünschtem, Begehrten  und  Angenehmen  führen,  zum 
Heile  und  Segen:  welche  acht? 

Da,  ihr  Mönche,  hat  der  edle  Jünger  zum  Erleuch- 
teten seine  Zuflucht  genommen.  Das,  ihr  Mönche, 
ist  der  erste  Strom  des  Verdienstes.  — 

Ferner,  ihr  Mönche,  hat  der  edle  Jünger  zum  Ge- 
setze seine  Zuflucht  genommen.  Das,  ihr  Mönche, 
ist  der  zweite  Strom  des  Verdienstes.  — 

Ferner,  ihr  Mönche,  hat  der  edle  Jünger  zur  Jünger- 
schaft seine  Zuflucht  genommen.  Das,  ihr  Mönche, 
ist  der  dritte  Strom  des  Verdienstes.  — 

Es  gibt  da,  ihr  Mönche,  fünf  Gaben,  große  Gaben, 
bekannt  als  die  höchsten,  bekannt  als  die  ältesten, 
bekannt  als  überlieferte,  alte,  unversehrte,  noch  nie 
zuvor  zerstörte  Gaben,  die  nicht  untergehen  und  nicht 
untergehen  werden,  ungetadelt  von  Asketen,  Priestern 
und  Verständigen:  welche  fünf? 

—    86    — 


ACHTERBUCH  Vin39 


Da,  ihr  Mönche,  verwirft  der  edle  Jünger  das 
Töten,  steht  ab  vom  Töten.  Dadurch  aber,  daß  er  vom 
Töten  absteht,  gewährt  er  unermeßlich  vielen  Wesen 
Sicherheit  vor  Schrecken,  Feindschaft  und  Bedrückung. 
Indem  er  aber  unermeßlich  vielen  Wesen  Sicherheit 
vor  Schrecken,  Feindschaft  und  Bedrückung  gewährt, 
wird  ihm  unermeßliche  Sicherheit  vor  Schrecken,  Feind- 
schaft und  Bedrückung  zuteil.  Das,  ihr  Mönche,  ist 
die  erste  große  Gabe.  Und  das,  ihr  Mönche,  ist  der 
vierte  Strom  des  Verdienstes.  — 

Und  ferner,  ihr  Mönche,  verwirft  der  edle  Jünger 
das  Stehlen,  steht  vom  Stehlen  ab.  —  Er  verwirft  ge- 
schlechtliche Ausschreitung,  steht  von  geschlechtlicher 
Ausschreitnug  ab.  —  Er  verwirft  das  Lügen,  steht  vom 
Lügen  ab.  —  Er  verwirft  den  Genuß  berauschender 
Getränke,  steht  vom  Genüsse  berauschender  Getränke 
ab.  Dadurch  aber,  daß  er  vom  Genüsse  berauschender 
Getränke  absteht,  gewährt  er  unermeßlich  vielen  Wesen 
Sicherheit  vor  Schrecken,  Feindschaft  und  Bedrückung. 
Indem  er  aber  unermeßlich  vielen  Wesen  Sicherheit 
vor  Schrecken,  Feindschaft  und  Bedrückung  gewährt, 
wird  ihm  unermeßliche  Sicherheit  vor  Schrecken, 
Feindschaft  und  Bedrückung  zuteil.  Das,  ihr  Mönche, 
ist  die  fünfte  große  Gabe.  Und  das,  ihr  Mönche,  ist 
der  achte  Strom  des  Verdienstes. 

Das,  ihr  Mönche,  sind  die  acht  Ströme  des  Ver- 
dienstes, die  acht  Ströme  des  Guten,  glückbringende, 
himmlische,  glückgebärende,  himmelwärts  leitende,  die 
zu  Erwünschtem,  Begehrtem  und  Angenehmem  führen, 
zum  Heile  und  Segen. 


—     87     — 


Vm40    SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

40  Die  Wirkung  bösef  Worte  und  Werke 

Das  Töten,  ihr  Mönche,  ausgeübt,  gepflegt  und 
häufig  betrieben,  führt  zur  Hölle,  zum  Tierschoße 
oder  zum  Gespensterreiche.  Und  schon  die  allerge- 
ringste Wirkung  des  Tötens  bringt  dem  Menschen 
kurzes  Leben, 

Das  Stehlen,  ihr  Mönche,  ausgeübt,  gepflegt  und 
häufig  betrieben,  führt  zur  Hölle,  zum  Tierschoße  oder 
zum  Gespensterreiche.  Und  schon  die  allergeringste 
Wirkung  des  Stehlens  bringt  dem  Menschen  den  Ver- 
lust seiner  Güter. 

Geschlechtliche  Ausschreitung,  ihr  Mönche,  aus- 
geübt, gepflegt  und  häufig  betrieben,  führt  zur  Hölle, 
zum  Tierschoße  oder  zum  Gespensterreiche.  Und 
schon  die  allergeringste  Wirkung  der  geschlechtlichen 
Ausschreitung  bringt  dem  Menschen  Feindschaft  mit 
seinen  Rivalen. 

Das  Lügen,  ihr  Mönche,  ausgeübt,  gepflegt  und 
häufig  betrieben,  führt  zur  Hölle,  zum  Tierschoße  oder 
zum  Gespensterreiche.  Und  schon  die  allergeringste 
Wirkung  des  Lügens  bringt  dem  Menschen  falsche 
Anschuldigungen. 

Die  Zwischenträgerei,  ihr  Mönche,  ausgeübt,  ge- 
pflegt und  häufig  betrieben,  führt  zur  Hölle,  zum 
Tierschoße  oder  zum  Gespensterreiche.  Und  schon 
die  allergeringste  Wirkung  der  Zwischenträgerei  bringt 
dem  Menschen  Zwietracht  mit  seinen   Freunden. 

Das  rohe  Reden,  ihr  Mönche,  ausgeübt,  gepflegt 
und  häufig  betrieben,  führt  zur  Hölle,  zum  Tierschoße 
oder  zum  Gespensterreiche.  Und  schon  die  aller- 
geringste Wirkung  des  rohen  Redens  führt  dazu,  daß 
der  Mensch  unangenehme  Worte  zu  hören  bekommt. 

—    88    — 


ACHTERBUCH  VIII 40 


Das  sinnlose  Plappern,  ihr  Mönche,  ausgeübt,  ge- 
pflegt und  häufig  betrieben,  führt  zur  Hölle,  zum  Tier- 
schoße  oder  zum  Gespensterreiche.  Und  schon  die 
allergeringste  Wirkung  des  sinnlosen  Plapperns  führt 
dazu,  daß  der  Mensch  unannehmbare  Worte  spricht. 

Der  Genuß  berauschender  Getränke,  ihr  Mönche, 
ausgeübt,  gepflegt  und  häufig  betrieben,  führt  zur 
Hölle,  zum  Tierschoße  oder  zum  Gespensterreiche. 
Und  schon  die  allergeringste  Wirkung  des  Genusses 
berauschender  Getränke  bringt  dem  Menschen  Be- 
täubung. (1) 


(1)  Childers  (Pali  Dictionary,  p.  523)  führt  ein  Werk  an,  worin 
acht  Arten  von  Wahn  aufgezählt  werden,  nämHch:  Begierdewahn, 
Zomeswahn,  Ansichtenwahn,  Verblendungswahn,  Besessönheit  von 
bösen  Geistern,  durch  Störungen  der  Galle  venirsachter  Wahn, 
alkoholische  Berauschung  und  durch  Unglück  veranlaßte  Geistes- 
störung. 


—     89     — 


Ym44  SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 
FÜNFTER    TEIL: 

Das  Kapitel  des  Fasttags 

44  Der  Segen  des  Fasttags 

[Im  Großen  Walde  bei  Vesäli  in  der  Halle  des 
Spitzenhauses] 

Der  Erhabene  sprach  zu  Väsettho  dem  Anhänger: 

„Der  mit  acht  Eigenschaften  ausgestattete  Fast- 
tag, Väsettho,  bringt,  wenn  er  befolgt  wird,  hohen 
Lohn  und  Segen  und  ist  von  erhabener  Würde  und 
Größe,  In  welcher  Weise  aber  befolgt,  Väsettho,. 
bringt  der  mit  acht  Eigenschaften  ausgestattete  Fast- 
tag hohen  Lohn  und  Segen  und  ist  von  erhabener 
Würde  und  Größe? 

„Da,  Väsettho,  erwägt  der  edle  Jünger  also  bei 
sich:  »Zeitlebens  meiden  Heilige  das  Töten,  halten  sich 
von  Verletzung  der  Lebewesen  fern.  Ohne  Stock,  ohne 
Waffe,  voll  Zartgefühl  und  Liebe,  sind  sie  auf  das 
Wohl  aller  Wesen  und  Geschöpfe  bedacht.  Und  auch 
ich  meide  heute,  diesen  Tag  und  diese  Nacht,  das  Töten,, 
halte  mich  von  Verletzung  der  Lebewesen  fern.  Ohne 
Stock,  ohne  Waffe,  voll  Zartgefühl  und  Liebe,  bin  ich 
auf  das  Wohl  aller  Wesen  und  Geschöpfe  bedacht. 
In  dieser  Eigenschaft  folge  ich  den  Heiligen  nach,  und 
den  Fasttag  werde  ich  befolgt  haben.  Mit  dieser  ersten 
Eigenschaft  ist  er  ausgestattet.« 

, .»Zeitlebens  meiden  Heilige  das  Stehlen,  halten 
sich  vom  Nehmen  des  Nichtgegebenen  fern.  Das  Ge- 
gebene  abwartend,   nicht   diebisch   gesinnt,   verweilen 

—    90    — 


ACHTERBUCH  Vra44 


sie  lauteren  Herzens.  Und  auch  ich  meide  heute, 
diesen  Tag  und  diese  Nacht,  das  Stehlen,  halte  mich 
vom  Nehmen  des  Nichtgegebenen  fern.  Das  Gegebene 
abwartend,  nicht  diebisch  gesinnt,  verweile  ich  lauteren 
Herzens.  Auch  in  dieser  Eigenschaft  folge  ich  den 
Heiligen  nach,  und  den  Fasttag  werde  ich  befolgt 
haben.  Mit  dieser  zweiten  Eigenschaft  ist  er  aus- 
gestattet.« 

,, »Zeitlebens  meiden  Heilige  den  unkeuschen  Wan- 
del. Keusch  und  abseits  lebend,  halten  sie  sich  fern 
von  der  Begattung,  der  gemeinen.  Und  auch  ich 
meide  heute,  diesen  Tag  und  diese  Nacht,  den  un- 
keuschen Wandel.  Keusch  und  abseits  lebend,  halte 
ich  mich  fern  von  der  Begattung,  der  gemeinen.  Auch 
in  dieser  Eigenschaft  folge  ich  den  Heiligen  nach, 
und  den  Fasttag  werde  ich  befolgt  haben.  Mit  dieser 
dritten  Eigenschaft  ist  er  ausgestattet.« 

„»Zeitlebens  meiden  Heilige  die  Lüge,  halten  sich 
fern  von  unwahren  Worten.  Die  Wahrheit  sprechen 
sie,  der  Wahrheit  sind  sie  verbunden,  standhaft,  ver- 
trauenswürdig, keine  Betrüger  der  Welt.  Und  auch 
ich  meide  heute,  diesen  Tag  und  diese  Nacht,  die  Lüge, 
halte  mich  fern  von  unwahren  Worten.  Die  Wahrheit 
spreche  ich,  der  Wahrheit  bin  ich  verbunden,  stand- 
haft, vertrauenswürdig,  kein  Betrüger  der  Welt.  Auch 
in  dieser  Eigenschaft  folge  ich  den  Heiligen  nach, 
und  den  Fasttag  werde  ich  befolgt  haben.  Mit  dieser 
vierten  Eigenschaft  ist  er  ausgestattet.« 

,, »Zeitlebens  meiden  Heilige  den  Genuß  berau- 
schender Getränke,  wie  Wein  und  Branntwein,  halten 
sich  fern  vom  Genüsse  berauschender  Getränke.  Und 
auch  ich  meide  heute,  diesen  Tag  und  diese  Nacht, 

—    91     — 


Vm44  ACHTERBUCH 


den  Genuß  berauschender  Getränke,  wie  Wein  und 
Alkohol,  halte  mich  fern  vom  Genüsse  berauschender 
Getränke.  Auch  in  dieser  Eigenschaft  folge  ich  den 
Heiligen  nach,  und  den  Fasttag  werde  ich  befolgt 
haben.  Mit  dieser  fünften  Eigenschaft  ist  er  aus- 
gestattet.« 

,, »Zeitlebens  nehmen  Heilige  nur  zu  einer  Tages- 
zeit Reis  zu  sich,  bleiben  des  Nachts  nüchtern,  enthalten 
sich  des  Essens  am  Abend.  Und  auch  ich  nehme  heute 
diesen  Tag  und  diese  Nacht,  nur  zu  einer  Tageszeit 
Reis  zu  mir,  bleibe  des  Nachts  nüchtern,  enthalte  mich 
des  Essens  am  Abend.  Auch  in  dieser  Eigenschaft 
folge  ich  den  Heiligen  nach,  und  den  Fasttag  werde 
ich  befolgt  haben.  Mit  dieser  sechsten  Eigenschaft  ist 
er  ausgestattet.« 

„»Zeitlebens  meiden  Heilige  Tanz,  Gesang  und 
Musik,  sowie  das  Anschauen  von  Schaustellungen, 
den  Gebrauch  von  Blumen,  Riechstoffen,  Salben, 
Schmuck  und  Schönheitsmitteln.  Und  auch  ich  meide 
heute,  diesen  Tag  und  diese  Nacht,  Tanz,  Gesang  und 
Musik,  sowie  das  Anschauen  von  Schaustellungen,  den 
Gebrauch  von  Blumen,  Riechstoffen,  Salben,  Schmuck 
und  Schönheitsmitteln.  Auch  in  dieser  Eigenschaft 
folge  ich  den  Heiligen  nach,  und  den  Fasttag  werde 
ich  befolgt  haben.  Mit  dieser  siebenten  Eigenschaft 
ist  er  ausgestattet.« 

,, »Zeitlebens  meiden  Heilige  hohe  und  vornehme 
Lager,  halten  sich  von  hohen  und  vornehmen  Lagern 
fern.  Eines  niedrigen  Lagers  bedienen  sie  sich,  sei's 
ein  Bett  oder  Strohlager.  Und  auch  ich  meide  heute 
diesen  Tag  und  diese  Nacht,  hohe  und  vornehme  Lager, 
halte  mich  von  hohen  und  vornehmen   Lagern  fern. 


—    92    — 


ACHTERBUCH  Vm44 


Eines  niedrigen  Lagers  bediene  ich  mich,  sei's  ein  Bett 
oder  Strohlager.  Auch  in  dieser  Eigenschaft  folge  ich 
den  HeiHgen  nach,  und  den  Fasttag  werde  ich  befolgt 
haben.  Mit  dieser  achten  Eigenschaft  ist  er  ausge- 
stattet.« 

,,In  dieser  Weise  befolgt,  Väsettho,  bringt  der  mit 
acht  Eigenschaften  ausgestattete  Fasttag  hohen  Lohn 
und  Segen  und  ist  von  erhabener  Würde  und  Größe. 
In  welchem  Maße  aber  bringt  er  hohen  Lohn  und  Segen 
und  ist  von  erhabener  Würde  und  Größe? 

,,Wenn  da,  Väsettho,  zum  Beispiel  einer  als  Herr 
und  König  über  die  folgenden  sechzehn  mächtigen 
Länder  die  Oberherrschaft  führen  möchte,  den  an 
siebenfachen  Schätzen  reichen,  nämlich  über  das  Land 
der  Anger,  der  Mägadher,  Käser,  Kosaler,  Vajjer,^ 
Maller,  Getier,  Bengalen,  Kuruer,  Pangälen,  Maccher, 
Surasener,  Assaker,  Avanter,  Gandhärer  und  Kam- 
bojer,  so  ist  das  nicht  soviel  wert  wie  der  sechzehnte 
Teil  des  mit  acht  Eigenschaften  ausgestatteten  Fast- 
tags. Und  warum?  Weil  menschliche  Herrschaft  an- 
gesichts himmlischer  Glückseligkeit  eben  etwas  Arm- 
seliges ist! 

,,Was  da,  Väsettho,  bei  den  Menschen  fünfzig 
Jahre  sind,  das  ist  bei  den  Engeln  der  Vier  Großkönige 
ein  Tag  und  eine  Nacht.  Dreißig  solcher  Nächte  aber 
machen  einen  Monat,  zwölf  solcher  Monate  ein  Jahr, 
und  fünfhundert  solcher  Jahre  machen  das  Lebens- 
alter der  Engel  der  Vier  Großkönige  aus.  Möglich  ist 
es  nun,  Väsettho,  daß  da  ein  Mann  oder  ein  Weib 
durch  die  Befolgung  des  achtfach  ausgestatteten  Fast- 
tags beim  Zerfalle  des  Leibes,  nach  dem  Tode,  in  der 
Gemeinschaft  der  Engel  der  Vier  Großkönige  wieder- 


93    — 


VIII  44   SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

erscheint.  Deshalb  eben,  Väsettho,  habe  ich  gesagt, 
daß  menschliche  Herrschaft  angesichts  himmlischer 
Glückseligkeit  etwas  Armseliges  ist. 

,,Was  da,  Väsettho,  bei  den  Menschen  hundert 
Jahre  sind,  das  ist  bei  den  Engeln  der  Dreiunddreißig 
ein  Tag  und  eine  Nacht.  Dreißig  solcher  Nächte  aber 
machen  einen  Monat,  zwölf  solcher  Monate  ein  Jahr, 
und  tausend  solcher  Jahre  machen  das  Lebensalter 
der  Engel  der  Dreiunddreißig  aus.  Möglich  ist  es  nun, 
Väsettho,  daß  da  ein  Mann  oder  ein  Weib  durch  die 
Befolgung  des  achtfach  ausgestatteten  Fasttages  beim 
Zerfalle  des  Leibes,  nach  dem  Tode,  in  der  Gemein- 
schaft der  Engel  der  Dreiunddreißig  wiedererscheint. 
Deshalb  eben,  Väsettho,  habe  ich  gesagt,  daß  mensch- 
liche Herrschaft  angesichts  himmlischer  Glückseligkeit 
etwas  Armseliges  ist. 

,,Was  da,  Väsettho,  bei  den  Menschen  zweihundert 
Jahre  sind,  das  ist  bei  den  Schattengeistern  ein  Tag 
und  eine  Nacht.  Dreißig  solcher  Nächte  aber  machen 
einen  Monat,  zwölf  solcher.  Monate  ein  Jahr,  und 
tausend  solcher  Jahre  machen  das  Lebensalter  der 
Schattengeister  aus.  Möglich  ist  es  nun,  Väsettho, 
daß  ein  Mann  oder  ein  Weib  durch  die  Befolgung  des 
achtfach  ausgestatteten  Fasttags  beim  Zerfalle  des 
Leibes,  nach  dem  Tode,  in  der  Gemeinschaft  der 
Schattengeister  wiedererscheint.  Deshalb  eben,  Vä- 
settho, habe  ich  gesagt,  daß  menschliche  Herrschaft 
angesichts  himmlischer  Glückseligkeit  etwas  Arm- 
seliges ist. 

,,Was  da,  Väsettho,  bei  den  Menschen  vierhundert 
Jahre  sind,  das  ist  bei  den  Seligen  Geistern  ein  Tag 
und  eine  Nacht.    Dreißig  solcher  Nächte  eben  machen 

^    94    — 


ACHTERBUCH  vm  44 


einen  Monat,  zwölf  solcher  Monate  ein  Jahr,  und 
viertausend  solcher  Jahre  machen  das  Lebensalter 
der  Seligen  Geister  aus.  Möglich  ist  es  nun,  Väsettho, 
daß  da  ein  Mann  oder  ein  Weib  durch  die  Befolgung 
des  achtfach  ausgestatteten  Fasttags  beim  Zerfalle  des 
Leibes,  nach  dem  Tode,  in  der  Gemeinschaft  der  Seligen 
Geister  wiedererscheint.  Deshalb  eben,  Väsettho,  habe 
ich  gesagt,  daß  menschliche  Herrschaft  angesichts 
himmlischer   Glückseligkeit  etwas  Armseliges  ist. 

,,Was  da,  Väsettho,  bei  den  Menschen  achthundert 
Jahre  sind,  das  ist  bei  den  Schöpfungsfreudigen  Engeln 
ein  Tag  und  eine  Nacht.  Dreißig  solcher  Nächte  aber 
machen  einen  Monat,  zwölf  solcher  Monate  ein  Jahr, 
und  achttausend  solcher  Jahre  machen  das  Lebensalter 
der  Schöpfungsfreudigen  Engel  aus.  Möglich  ist  es 
nun,  Väsettho,  daß  da  ein  Mann  oder  ein  Weib  durch 
die  Befolgung  des  achtfach  ausgestatteten  Fasttags 
beim  Zerfalle  des  Leibes,  nach  dem  Tode,  in  der  Ge- 
meinschaft der  Schöpfungsfreudigen  Engel  wieder- 
erscheint. Deshalb  eben,  Väsettho,  habe  ich  gesagt, 
daß  menschliche  Herrschaft  angesichts  himmlischer 
Glückseligkeit  etwas  Armseliges  ist. 

„Was  da,  Väsettho,  bei  den  Menschen  sechzehn- 
hundert Jahre  sind,  das  ist  bei  den  über  die  Erzeug- 
nisse der  Anderen  verfügenden  Engeln  ein  Tag  und  eine 
Nacht.  Dreißig  solcher  Nächte  aber  machen  einen 
Monat,  zwölf  solcher  Monate  ein  Jahr,  und  sechzehn- 
tausend solcher  Jahre  machen  das  Lebensalter  der 
über  die  Erzeugnisse  der  Anderen  verfügenden  Engel 
aus.  Möglich  ist  es  nun,  Väsettho,  daß  da  ein  Mann 
oder  ein  Weib  durch  die  Befolgung  des  achtfach  aus- 
gestatteten  Fasttags  beim  Zerfalle  des   Leibes,   nach 

—    95     —    . 


Vm44    SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

dem  Tode,  in  der  Gemeinschaft  der  über  die  Erzeug- 
nisse der  Anderen  verfügenden  wiedererscheint.  Des- 
halb eben,  Väsettho,  habe  ich  gesagt,  daß  menschliche 
Herrschaft  angesichts  himmlischer  Glückseligkeit  etwas 
Armseliges  ist. 

„Nicht  töte  man,  noch  greife  man  nach  fremdem  Gut,. 
Man  lüge  nicht,  ergeb'  sich  nicht  der  Trunkenheit, 
Vor  Unkeuschheit,  Begattung  sei  man  auf  der  Hut, 
Verzehre  nichts  des  Nachts  zu  ungelegner  Zeit. 

,,Man  meide  Blumen  und  wohlriechende  Substanzen^ 
Benutz'  ein  niedrig'  Bett,  ein  Lager  auf  der  Erde: 
Dies  nennet   man   den   achtgeteilten   Fastentag, 
Der  zu  des  Leidens  Ende  führte,  den  Buddha  lehrte. 

„Sonne  und  Mond,   die  so  herrlich   Erstrahlenden, 
Wandeln  leuchtend  umher,  wo  auch  immer  sie  sind. 
Das    Dunkel    verscheuchend,    die    Lüfte    durcheilend, 
Glänzen  am  Firmamente  sie,  alles  erleuchtend. 

„Was  immer  dieser  Raum  an  Schätzen  bieten  mag, 
An  Perlen,  Edelsteinen,  Gold,  Türkisen, 
An  Hörnergold,  an  Gold  aus  Bergesminen, 
An  gelbem  Gold  und  andren  Arten  Goldes, 

„Ja,  Sonn'  und  Mond  mitsamt  der  ganzen  Sternenschar„ 
Die  heißt  man  nicht  einmal  ein  Sechzehntel, 
Des  achtgeteilten  Fastentages  wert. 

„Sei's  drum  ein  weiblich  Wesen  oder  sei's  ein  Mann: 

Wer  sittenrein  den  achtgeteilten  Fasttag  hält 

Und  gute,  segensreiche  Werke  übet, 

Der  gehet  ohne  Tadel  ein  zur  Himmelswelt." 

Auf  diese  Worte  sprach  Väsettho  der  Anhänger 
also  zum   Erhabenen: 

—    96    — 


ACHTERBUCH  Vin  46 


„Ja,  möchten,  o  Ehrwürdiger,  auch  meine  lieben 
Vettern  und  Verwandten  den  mit  acht  Eigenschaften 
ausgestatteten  Fasttag  innehalten,  so  möchte  es  auch 
ihnen  für  lange  Zeit  zum  Heile  und  Wohle  gereichen. 
Und  möchten,  o  Ehrwürdiger  auch  alle  Adeligen,  Brah- 
manen,  Bürger  und  Knechte  den  mit  acht  Eigenschaften 
ausgestatteten  Fasttag  inne  halten,  so  möchte  es  auch 
ihnen  für  lange  Zeit  zum  Heile  und  Wohle  gereichen." 

,,So  ist  es,  Väsettho!  So  ist  es,  Vasettho!  Möchten 
auch  alle  Adeligen,  Brahmanen,  Bürger  und  Knechte 
den  mit  acht  Eigenschaften  ausgestatteten  Fasttag 
innehalten,  so  möchte  es  auch  ihnen  für  lange  Zeit  zum 
Heile  und  Wohle  gereichen.  Und  möchte  auch  die 
von  Dewen,  Mahren  und  Göttern  bewohnte  Welt,  die 
ganze  Schar  der  Asketen  und  Priester,  Himmels- 
wesen und  Menschen  den  mit  acht  Eigenschaften  aus- 
gestatteten Fasttag  innehalten,  so  möchte  es  auch 
ihnen  für  lange  Zeit  zum  Heile  und  Wohle  gereichen. 
Und  möchten,  Väsettho,  diese  gewaltigen  Baumriesen 
einen  Willen  besitzen  und  den  mit  acht  Eigenschaften 
ausgestatteten  Fasttag  innehalten,  so  möchte  es  auch 
ihnen  für  lange  Zeit  zum  Heile  und  Wohle  gereichen.  Was 
soll  man  da  erst  von  den  menschlichen  Wesen  sagen?" 

Wiedergeburt   unter   den   Anmutigen   Engeln  46 

Einst  weilte  der  Erhabene  bei  Kosambi  im  Ghosi- 
takloster.  Damals  aber  verbrachte  der  ehrwürdige 
Anuruddho  den  Tag  in  der  Abgeschiedenheit.  Und 
zahlreiche  Anmutige  Gottheiten  kamen  auf  den  ehr- 
würdigen Anuruddho  zu,  begrüßten  ihn  ehrerbietig  und 
stellten  sich  zur  Seite  hin.  Zur  Seite  aber  stehend 
sprachen  jene  Engel  also  zum  ehrwürdigen  Anuruddho: 

—    97     —  7      ■ 


vm46   SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

,,Wir,  die  Anmutigen  Engel,  ehrwürdiger  Anu- 
ruddho,  besitzen  Herrschaft  und  Gewalt  über  drei 
Dinge:  welche  Farbe  wir  auch  wünschen,  o  Ehr- 
würdiger, diese  Farbe  erlangen  wir  auf  der  Stelle; 
welche  Stimme  wir  auch  wünschen,  diese  Stimme 
erlangen  wir  auf  der  Stelle;  welche  Freude  wir  auch 
wünschen,  diese  Freude  erlangen  wir  auf  der  Stelle. 
Wir,  ehrwürdiger  Anuruddho,  besitzen  die  Herrschaft 
und  Gewalt  über  diese  drei  Dinge." 

Da  dachte  der  ehrwürdige  Anuruddho:  »>Ach, 
daß  doch  diese  Engel  alle  blau  würden,  von  blauer 
Farbe,  blauem  Gewände,  blauem  Schmucke!««  Und 
jene  Engel,  des  ehrwürdigen  Anuruddho  Gedanken 
erkennend,  wurden  alle  blau,  von  blauer  Farbe, 
blauem  Gewände,  blauem  Schmucke. 

Da  dachte  der  ehrwürdige  Anuruddho:  »Ach,  daß 
doch  diese  Engel  alle  gelb  würden,  —  alle  rot  würden, 
—  alle  weiß  würden,  von  weißer  Farbe,  weißem  Ge- 
wände, weißem  Schmucke!«  Und  jene  Engel,  des  ehr- 
würdigen Anuruddho  Gedanken  erkennend,  wurden 
alle  weiß,  von  weißer  Farbe,  weißem  Gewände,  weißem 
Schmucke. 

Darauf  begannen  einige  jener  Engel  zu  singen, 
einige  zu  tanzen,  einige  in  die  Hände  zu  klatschen. 
Genau  wie  das  wohlgeschulte,  wohl  ausgeführte  Fünfer- 
spiel   (1),    von    Künstlern    vorgetragen,    herrlich,    be- 


(1)  Die  fünf  Instrumente  des  Fünferspiels  waren:  ätata,  eine 
einseitig  bespannte  Trommel;  vitata,  eine  doppelseitig  bespannte 
Trommel;  ätata- vitata,  eine  vollständig  mit  Fell  überzogene  Trom- 
mel; susira,  ein  Holzblasinfltrmnent,  jedenfalls  eine  Art  Flöte  oder 
Klarinette;  verschiedene  Arten  von  Zimbeln. 

—     98     — 


ACHTERBUCH  vra46 


strickend,  gefällig,  lieblich  und  berauschend  klingt, 
genau  so  klangen  die  Stimmen  jener  Engel.  Doch  der 
ehrwürdige  Anuruddho  wandte  seine  Sinne  davon  ab. 
Als  aber  jene  Engel  merkten,  daß  der  ehrwürdige  Anu- 
ruddho keinen  Gefallen  daran  fand,  verschwanden  sie 
auf  der  Stelle. 

Am  Abende  nun,  nachdem  der  ehrwürdige  Anu- 
ruddho seine  Abgeschiedenheit  verlassen  hatte,  begab 
er  sich  zum  Erhabenen,  begrüßte  ihn  ehrfurchtsvoll 
und  setzte  sich  zur  Seite  nieder.  Zur  Seite  aber  sitzend 
berichtete  er  dem  Erhabenen,  was  sich  zugetragen 
hatte  und  sprach: 

,,Mit  wie  vielen  Eigenschaften  ausgestattet,  o 
Ehrwürdiger,  erscheint  ein  Weib  beim  Zerfalle  des 
Leibes,  nach  dem  Tode,  in  der  Gemeinschaft  der 
Anmutigen  Engel  wieder?" 

„Mit  acht  Eigenschaften,  Anuruddho:  Mit  welchen 
acht? 

,, Welcher  Gatte  es  auch  immer  sein  möge,  dem 
die  Eltern   ihre  Tochter,  auf   ihr    Heil  und   Wohl  be- 
dacht —  als  Gattin  anvertrauen,   so  erhebt  sie  sich 
vor  ihm,  geht  nach  ihm  zu  Bett,  ist  ihm  eine  willige 
Dienerin,    eine    angenehme    Gefährtin,    begegnet   ihm 
mit   freundlichen   Worten.      Die   Personen,    die   dem 
Gatten   teuer   sind,   wie  Vater   und   Mutter,   Asketen 
und   Priester,   die   ehrt,  würdigt,   schätzt   und   achtet 
sie  und  wartet  ihnen  bei  ihrer  Ankunft  mit  Sitz  und 
Wasser  auf.    Was  es  da  für  die  Gattin  an  häuslichen 
Arbeiten  gibt,  wie  in  Wolle  und  Baumwolle,   da   ist 
sie   tüchtig   und   eifrig,   versteht    sich   dabei   auf   die 
richtigen  Mittel,  zu  handeln  und  anzuordnen.     Was 
da  das  Hausgesinde  im  Hause  des  Gatten  anbetrifft, 

_    99    —  '^* 


VIII  46  SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

wie  Knechte,  Diener  und  Arbeiter,  so  betrachtet  sie 
die  von  ihnen  verrichtete  Arbeit  als  verrichtet,  die 
unverrichtete  als  unv errichtet;  sind  sie  i<rank,  so 
stellt  sie  ihre  Tauglichkeit  oder  Untauglichkeit  zur 
Arbeit  fest;  harte  und  weiche  Speisen  verabreicht 
sie  ihnen  in  richtigem  Maße.  Was  der  Gatte  an  Schät- 
zen, an  Getreide,  Silber  und  Gold  mitbringt,  das 
bewacht  und  behütet  sie;  nicht  hintergeht  sie  ihn  da- 
bei, entwendet  nichts;  ist  nicht  dem  Trinken  ergeben 
und  richtet  ihn  nicht  zugrunde.  Als  Anhängerin  hat 
sie  ihre  Zuflucht  genommen  zum  Erleuchteten,  zum 
Gesetze  und  zur  Jüngerschaft.  Sie  ist  sittenrein  und 
enthält  sich  des  Tötens,  Stehlens,  geschlechtlichen 
Ausschreitens,  Lügens  und  des  Genusses  berauschender 
Getränke.  Sie  ist  freigebig,  mit  offenen  Händen  gibt 
sie,  das  Geben  macht  sie  froh;  den  Bedürftigen  ist  sie 
zugetan,  findet  am  Austeilen  von  Almosen  Freude. 

,,Mit  diesen  acht  Eigenschaften  ausgestattet, 
Anuruddho,  erscheint  das  Weib  beim  Zerfalle  des 
Leibes,  nach  dem  Tode,  in  der  Gemeinschaft  der 
Anmutigen  Engel  wieder." 

„Die  Arbeiten  besorgt  sie  gründlich, 
Nimmt  ihrer  Dienerschar  sich  an, 
Begegnet  liebevoll  dem  Gatten 
Und  hütet  seine  Schätze  wohl. 

„Voll  Zuversicht  und  Sittlichkeit, 
Voll  Milde,  frei  von  jedem  Geiz, 
Bereitet  sie  den  Pfad  stets  vor, 
Ihr  Heil  in  einer  andern  Welt. 

„Das  Weib,  das  diese  Dinge  acht 
Als  Eigenschaften  in  sich  hat, 

—     100     — 


ACHTERBUCH  vm  50 


Bezeichnet  man  als  sittenrein, 
Als  tugendstark  und  wahrheitsfest. 

„Die  sechzehn  Dinge  ihr  eigen  nennt 
Und  achtfachwohl  gerüstet  ist: 
Solch'  sittenvollkommene  Anhängerin 
Gelangt  zu  der  Anmut'gen  Gottheiten  Reich. 


Der  Sieg  des  Weibes 

Mit  vier  Eigenschaften  ausgestattet,  ihr  Mönche, 
erobert  sich  das  Weib  diese  Welt,  gewinnt  sie  diese 
Welt:  mit  welchen  vier  Eigenschaften? 

Da,  ihr  Mönche,  besorgt  das  Weib  ihre  Arbeiten 
gründlich,  nimmt  sich  ihrer  Dienerschaft  an,  erweist 
sich  liebevoll  gegen  ihren  Gatten,  hütet  die  erworb- 
nen  Schätze. 

—  Wie  aber,  ihr  Mönche,  erweist  sich  das  Weib 
liebevoll  gegen  ihren  Gatten?  Was  da,  ihr  Mönche, 
für  den  Gatten  als  unangenehm  gilt,  solches  tut  das 
Weib  nicht  für  ihr  Leben.  — 

Mit  folgenden  vier  Eigenschaften  aber  ausge- 
stattet, ihr  Mönche,  erobert  sich  das  Weib  die  nächste 
Welt,  gewinnt  sie  die  nächste  Welt:  mit  welchen  vier 
Eigenschaften? 

Da,  ihr  Mönche,  ist  das  Weib  von  Vertrauen 
erfüllt,  von  Sittlichkeit  erfüllt,  von  Freigebigkeit  er- 
füllt und  von  Einsicht  erfüllt.  — 


50 


—     101     — 


vmsi    SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

SECHSTER    TEIL: 

Das  Kapitel  der  Gotami 

51  Die  Gründung  des  Nonnenordens 

Einst  weilte  der  Erhabene  im  Lande  der  Sakyer 
bei  Kapilavatthu  im  Feigenkloster.  Und  Mahä-Pajä- 
pati  Götami  begab  sich  zum  Erhabenen,  begrüßte 
ihn  ehrfurchtsvoll  und  stellte  sich  zur  Seite  hin,  indem 
sie  sprach: 

,,Gut  wäre  es,  o  Ehrwürdiger,  daß  das  Weib  die 
Erlaubnis  erlangte,  unter  dem  vom  Vollendeten  ver- 
kündeten Gesetze  und  seiner  Disziplin  von  Hause  in 
die  Hauslosigkeit  zu  ziehen." 

,, Genug  damit,  Gotami!  Mögest  du  es  nicht  gut- 
heißen, daß  das  Weib  von  Hause  in  die  Hauslosigkeit 
ziehe!" 

Und  zum  zweitenmale  und  drittenmale  sprach 
Mahä-Pajäpati  Gotami  also  zum  Erhabenen: 

„Gut  wäre  es,  o  Ehrwürdiger,  daß  das  Weib  die 
Erlaubnis  erlangte,  unter  dem  vom  Vollendeten  ver- 
kündeten Gesetze  und  seiner  Disziplin  von  Hause  in 
die  Hauslosigkeit  zu  ziehen!" 

,, Genug  damit,  Gotami!  Mögest  du  es  nicht  gut- 
heißen, daß  das  Weib  von  Hause  fort  in  die  Haus- 
losigkeit ziehe!" 

Als  nun  Mahä-Pojäpäti  Gotami  einsah,  daß  der 
Erhabene  dem  Weibe  nicht  gestatten  wollte,  unter 
den  vom  Vollendeten  verkündeten  Gesetze  und  seiner 
Disziplin  von  Hause  in  die  Hauslosigkeit  zu  ziehen, 

—     102    — 


ACHTERBUCH  /         VIII 61 


wurde  sie  von  Kummer  und  Trübsinn  erfüllt;  und  mit 
tränenbedecktem  Antlitze  und  unter  Weinen  begrüßte 
sie  ehrerbietig  den  Erhabenen,  und  ihm  die  Rechte 
zukehrend   ging   sie  davon. 

Nachdem  nun  der  Erhabene,  solange  wie  es  ihm 
gefiel,  in  Kapilavatthu  verweilt  hatte,  machte  er  sich 
auf  den  Weg  nach  Vesäli.  Und  immer  weiter  wandernd 
gelangte  er  vor  Vesäli  an.  Dort  aber  blieb  er  im 
Großen  Walde  bei  Vesäli,  in  der  Halle  des  Spitzen- 
hauses. Mahä-Pajäpati  Gotami  aber  ließ  sich  die 
Haare  scheren,  legte  die  gelben  Gewänder  an  und 
machte  sich,  von  zahlreichen  Freundinnen  begleitet, 
ebenfalls  auf  den  Weg  nach  Vesäli.  Nach  und  nach 
gelangte  sie  bei  Vesäli  im  Großen  Walde,  in  der 
Halle  des  Spitzenhauses  an.  Mit  geschwollenen  Füßen, 
staubbedeckten  Gliedern,  erfüllt  von  Schmerz  und 
Trübsal,  das  Antlitz  von  Tränen  erfüllt,  stand  Mahä- 
Pajäpati  Gotami  weinend  am  Toreingang.  Der  ehr- 
würdige Änando  aber  erblickte  sie,  als  sie  vor  dem 
Toreingange  stand,  und  sprach  zu  ihr: 

,, Warum,  o  Gotami,  stehst  du  da  weinend  am  Tor- 
eingange, mit  geschwollenen  Füßen  und  staubbedeckten 
Gliedern,  das  Antlitz  von  Tränen  erfüllt?" 

,,Weil,  0  Ehrwürdiger,  der  Erhabene  dem  Weibe 
nicht  gestattet,  unter  dem  vom  Vollendeten  verkün- 
teten  Gesetze  und  seiner  Disziplin  von  Hause  in  die 
Hauslosigkeit  zu  ziehen." 

,,So  warte  denn,  Pajäpati,  noch  solange  hier,  bis 
ich  den  Erhabenen  darum  gebeten  habe,  daß  das 
Weib  unter  dem  vom  Vollendeten  verkündeten  Gesetze 
und  seiner  Disziplin  von  Hause  fort  in  die  Hauslosig- 
keit ziehen  mag!" 


—     103 


VIII  51  SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Und  der  ehrwürdige  Anando  ging  zum  Erhabenen 
hin,  begrüßte  ihn  ehrerbietig  und  setzte  sich  zur  Seite. 
Darauf  sprach  er  zum  Erhabenen: 

„Diese  Mahä-Pajäpati  Gotami,  o  Ehrwürdiger, 
steht  da  weinend  vor  dem  Toreingange,  mit  geschwol- 
lenen Füßen  und  staubbedeckten  Gliedern,  das  Ant- 
litz von  Tränen  erfüllt,  weil  der  Erhabene  dem  Weibe 
nicht  gestatte,  unter  dem  vom  Vollendeten  verkün- 
deten Gesetze  und  seiner  Disziplin  von  Hause  in  die 
Hauslosigkeit  zu  ziehen.  Gut  wäre  es,  o  Ehrwürdiger, 
daß  der  Erhabene  dem  Weibe  gestattete,  unter  dem 
vom  Vollendeten  verkündeten  Gesetze  und  seiner 
Disziplin  von  Hause  in  die  Hauslosigkeit  zu  ziehen." 

,, Genug  damit,  Anando!  Mögest  du  es  nicht  gut- 
heißen, daß  das  Weib  von  Hause  in  die  Hauslosigkeit 
ziehe!" 

Und  zum  zweitenmale  und  drittenmale  sprach 
der  ehrwürdige  Anando  also  zum  Erhabenen: 

,,Gut  wäre  es,  o  Ehrwürdiger,  daß  der  Erhabene 
dem  Weibe  gestattete,  unter  dem  vom  Vollendeten 
verkündeten  Gesetze  und  unter  seiner  Disziplin  von 
Hause  in  die  Hauslosigkeit  zu  ziehen." 

„Genug  damit,  Anando!  Mögest  du  es  nicht  gut- 
heißen, daß  das  Weib  von  Hause  in  die  Hauslosigkeit 
ziehe!" 

Da  dachte  der  ehrwürdige  Anando:  »Nicht  will 
der  Erhabene  dem  Weibe  gestatten,  unter  dem  vom 
Vollendeten  verkündeten  Gesetze  und  seiner  Disziplin 
von  Hause  in  die  Hauslosigkeit  zu  ziehen.  So  laß 
mich  denn  den  Erhabenen  noch  auf  eine  andere  Weise 
bitten!«  Und  der  ehrwürdige  Anando  sprach  folgender- 
maßen zum  Erhabenen: 

—     104     — 


ACHTERBUCH  VIII 51 


„Ist  wohl  ein  Weib,  o  Eiirwürdiger,  wenn  es  unter 
dem  vom  Vollendeten  verkündeten  Gesetze  und  seiner 
Disziplin  von  Hause  in  die  Hauslosigkeit  zieht,  im- 
stande, das  Ziel  des  Stromeintrittes,  der  Einmalwieder- 
kehr, der  Niewiederkehr  und  der  Heiligkeit  zu  ver- 
wirklichen?" 

,,Ja,  Änando,  dazu  ist  das  Weib  imstande." 

,,Wenn  nun  also,  o  Ehrwürdiger,  das  Weib  dazu 
imstande  ist,  —  übrigens  hat  ja  auch  Mahä-Pajäpati 
Gotami  dem  Erhabenen  große  Dienste  geleistet,  ist 
seine  Tante,  seine  Erzieherin  und  Ernährerin,  hat 
den  Erhabenen  nach  dem  Tode  seiner  Mutter  mit 
ihrer  eigenen  Milch  gestillt,  —  so  ist  es  gut,  daß  der 
Erhabene  dem  Weibe  gestatte,  unter  dem  vom  Voll- 
endeten verkündeten  Gesetze  und  seiner  Disziplin 
von  Hause  in  die  Hauslosigkeit  zu  ziehen." 

,,Wenn,  Änando,  Mahä-Pajäpati  Gotami  die  acht 
wichtigen  Gebote  auf  sich  nehmen  will,  so  möge  das 
als  ihre  »Weihe«  (upasämpadä)  gelten: 

,,Eine  Nonne  soll,  auch  wenn  sie  schon  vor  hun- 
dert Jahren  die  Weihe  erhalten  hat,  selbst  einen  erst 
an  demselben  Tage  aufgenommenen  Mönch  ehrerbietig 
begrüßen,  sich  vor  ihm  erheben,  ihm  ehrfurchtsvollen 
Handgruß  bieten  und  Achtung  erweisen.  Dieses 
Gebot  soll  sie  ehren,  achten,  würdigen  und  hoch- 
halten und  zeitlebens  nicht  übertreten. 

,,Eine  Nonne  soll  nicht  in  einem  Kloster,  das  den 
Mönchen  zugänglich  ist,  die  Regenzeit  antreten.  Auch 
dieses  Gebot  soll  sie  ehren,  achten,  würdigen  und 
hochhalten  und  zeitlebens  nicht  übertreten. 

,,Eine  Nonne  soll  jeden  halben  Monat  die  Mönchs- 
gemeinde  um   zwei    Dinge    ersuchen:    um   einen    Be- 


—     105     - 


vmsi  SAMMLUNG   DER  ANGLIEDERUNGEN 

frager  für  den  Fasttag  und  um  den  Besuch  eines  Unter- 
weisers. Auch  dieses  Gebot  soll  sie  ehren,  achten, 
würdigen  und  hochhalten  und  zeitlebens  nicht  über- 
treten. 

,,Wenn  die  Nonne  die  Regenzeit  beendet  hat, 
soll  sie  beiden  Ordensgemeinden  in  dreifacher  Hin- 
sicht »Genugtuung«  (paväranä)  geben,  darüber  was 
man  [während  der  Regenzeit  Schlechtes  an  ihr]  ge- 
sehen, gehört  oder  vermutet  hat.  Auf  dieses  Gebot 
soll  sie  ehren,  achten,  würdigen  und  hochhalten  und 
zeitlebens  nicht  übertreten. 

,,Wenn  die  Nonn  ein  schweres  Vergehen  be- 
gangen hat,  soll  sie  vor  den  beiden  Ordensgemeinden 
vierzehn  Tage  lang  »Buße«  (mänatta)  tun.  Auch 
dieses  Gebot  soll  sie  ehren,  achten,  würdigen  und 
hochhalten  und  zeitlebens    nicht  übertreten. 

,,Eine  Übende  (sikkhamänä),  die  sich  zwei  Jahre 
lang  in  den  sechs  Geboten  geübt  hat,  soll  bei  beiden 
Ordensgemeinden  um  die  Weihe  nachsuchen.  Auch 
dieses  Gebot  soll  sie  ehren,  achten,  würdigen  und 
hochhalten  und  zeitlebens  nicht  übertreten. 

,,ln  keinerlei  Weise  darf  die  Nonne  einen  Mönch 
beschimpfen  oder  verleumden.  Auch  dieses  Gebot 
soll  sie  ehren,  achten,  würdigen  und  hochhalten  und 
zeitlebens  nicht  übertreten. 

,,Von  heute  ab  ist  den  Nonnen  das  Anreden  der 
Mönche  untersagt;  nicht  aber  ist  etwa  den  Mönchen 
das  Anreden  der  Nonnen  untersagt.  Auch  dieses 
Gebot  soll  sie  ehren,  achten,  würdigen  und  hochhalten 
und  zeitlebens  nicht  übertreten. 

,,Wenn,    Änando,    Mahä-Pajäpati    Gotami    diese 

—     106     — 


ACHTERBUCH  vmsi 


acht  wichtigen  Gebote  auf  sich  nehmen  will,  so  möge 
das  als  ihre  Weihe  gelten." 

Nachdem  nun  der  ehrwürdige  Änando  vom  Er- 
habenen diese  acht  wichtigen  Gebote  erfahren  hatte, 
begab  er  sich  zu  Mahä-Pajäpati  Gotami  und  teilte  ihr 
mit,  daß,  wenn  sie  diese  acht  wichtigen  Gebote  auf 
sich  nehme,  dies  als  ihre  Weihe  gelten  möge. 

[Gotami:]  ,, Gleichwie,  o  Ehrwürdiger,  eine  Frau 
oder  ein  junger,  jugendlicher  schmuckliebender  Mann 
mit  rein  gewaschenem  Haupte,  sobald  er  einen  Kranz 
aus  Lotusblumen  oder  Jasmin  oder  eine  Perlenschnur 
erhält,  sie  mit  beiden  Händen  ergreifen  und  auf  dem 
edelsten  Körperteile,  dem  Kopfe,  befestigen  möchte: 
genau  so,  o  Ehrwürdiger,  nehme  ich  diese  zeitlebens 
nicht  zu  übertretenden,  acht  wichtigen  Gebote  auf 
mich." 

Darauf  begab  sich  der  ehrwürdige  Änando  zum 
Erhabenen  und  sprach: 

,, Mahä-Pajäpati  Gotami,  o  Ehrwürdiger,  hat  die 
zeitlebens  nicht  zu  übertretenden,  acht  wichtigen 
Gebote  auf  sich  genommen." 

,,Wenn,  Änando,  das  Weib  nicht  die  Erlaubnis 
erlangt,  unter  dem  vom  Vollendeten  verkündeten  Ge- 
setze und  seiner  Disziplin  von  Hause  in  die  Hauslosig- 
keit  zu  ziehen,  so  möchte  der  Heilige  Wandel  noch 
lange  bestehen  bleiben,  so  möchte  das  Gute  Gesetz 
noch  tausend  Jahre  lang  fortbestehen.  Da  nun  aber, 
Änando,  das  Weib  unter  dem  vom  Vollendeten  ver- 
kündeten Gesetze  und  seiner  Disziplin  von  Hause  in 
die  Hauslosigkeit  gezogen  ist,  so  wird  der  Heilige 
Wandel   nicht   lange   bestehen   bleiben;   von   nun   an 

—     107    -^ 


VIII  52  SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

wird  das  Gute  Gesetz  nur  noch  fünfhundert  Jahre 
bestehen  bleiben. 

„Gleichwie  diejenigen  Familien,  Änando,  die  reich 
sind  an  weiblichen  Mitgliedern,  aber  arm  an  Männern, 
leicht  durch  Räuber  und  Einbrecher  zugrunde  gerich- 
tet werden:  ebenso  auch,  Änando,  ist  in  einem  Gesetze 
und  seiner  Disziplin,  unter  der  das  Weib  von  Hause 
in  die  Hauslosigkeit  zieht,  der  Heilige  Wandel  nicht 
von  langer  Dauer. 

,,Oder  gleichwie,  Änando,  wenn  in  einem  reifen 
Reisfelde  eine  gewisse,  mit  Mehltau  bezeichnete  Krank- 
heit ausbricht,  dabei  jenes  Reisfeld  nicht  lange  be- 
stehen kann,  oder  wenn  in  einem  Zuckerrohrfelde  die 
mit  Röte  bezeichnete  Krankheit  ausbricht,  dabei 
jenes  Zuckerrohrfeld  nicht  lange  bestehen  kann:  ebenso 
auch,  Änando,  ist  in  einem  Gesetze  und  einer  Dis- 
ziplin, unter  der  das  Weib  von  Hause  fort  in  die  Haus- 
losigkeit zieht,  der  Heilige  Wandel  nicht  von  langer 
Dauer. 

,,Wie  aber,  Änando,  ein  Mann  bei  einem  großen 
Teiche  schon  im  Voraus  den  Damm  errichtet,  damit 
das  Wasser  nicht  überfließen  kann:  ebenso  auch, 
Änando,  habe  ich  schon  im  Voraus  den  Nonnen  acht 
zeitlebens  nicht  zu  übertretende,  wichtige  Gebote 
gegeben." 


^2  Der  würdige  Ermahner  der  Nonnen 

[Bei  Vesäli  in  der  Halle  des  Giebelhauses] 
Der  ehrwürdige  Änando  sprach  zum  Erhabenen: 
„Mit    wievielen    Eigenschaften,    o    Ehrwürdiger, 

—    108    — 


ACHTERBUCH  Vra53 


soll  ein  Mönch  ausgestattet  sein,  um  zum  Ermahner 
der  Nonnen  ernannt  zu  werden?" 

„Mit  acht   Eigenschaften,   Änando:   mit  welchen 

acht? 

„Da,  Änando,  ist  ein  Mönch  sittenrein.  Er  be- 
sitzt ein  großes  Wissen.  Beide  Satzungen  sind  ihm  in 
ihren  Einzelheiten  wohl  bekannt.  Er  bedient  sich 
edler  Worte,  führt  edle  Gespräche.  Er  besitzt  die 
Fähigkeit,  die  Nonnengemeinde  in  Worten  über  das 
Gesetz  zu  unterweisen,  zu  ermahnen,  zu  ermutigen  und 
zu  ermuntern.  Er  ist  jederzeit  den  Nonnen  lieb  und 
angenehm.  Nicht  hat  er  je  zuvor  ein  schweres  Ver- 
gehen begangen  mit  einer,  die  des  Erhabenen  wegen 
in  die  Hauslosigkeit  gezogen  und  mit  dem  gelben 
Gewände  bekleidet  ist.  Er  hat  zwanzig  oder  noch 
mehr  Ordensjahre  hinter  sich.  Mit  diesen  acht  Eigen- 
schaften, Änando,  soll  ein  Mönch  ausgestattet  sein, 
um  zum  Ermahner  der  Nonnen  ernannt  zu  werden." 

Die  Merkmale  des  Guten  Gesetzes  62 

[Bei  Vesäli  in  der  Halle  des  Giebelhauses] 
Mahä-Pajäpati    Gotami    sprach    zum    Erhabenen: 

„Gut  wäre  es,  o  Ehrwürdiger,  wenn  mir  der 
Erhabene  in  kurzen  Worten  das  Gesetz  darlegte,  auf 
daß  ich,  nachdem  ich  das  Gesetz  vom  Erhabenen 
vernommen  habe,  einsam,  abgeschieden,  unermüdlich, 
eifrig  und  selbstentschlossen  verweilen  möge." 

„Bei  denjenigen  Erscheinungen,  Gotami,  von 
denen  du  weißt,  daß  sie  zur  Gier  führen  und  nicht 
zur  Abwendung,  daß  sie  zum  Anhaften  führen  und 
nicht  zur  Loslösung,  daß  sie  zur  Aufschichtung  führen 

—    109    — 


Tm54   SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

und  nicht  zur  Abschichtung  (1),  daß  sie  zur  Unbe- 
scheidenheit  führen  und  nicht  zur  Bescheidenheit, 
daß  sie  zur  Ungenügsami<eit  führen  und  nicht  zur 
Genügsamkeit,  daß  sie  zur  Geselligkeit  führen  und 
nicht  zur  Abgeschiedenheit,  daß  sie  zur  Trägheit  führen 
und  nicht  zur  Willenskraft,  daß  sie  zu  Unterstützungs- 
schwierigkeiten führen  und  nicht  zur  leichten  Unter- 
stützbarkeit,  da  magst  du  als  sicher  annehmen,  daß 
dies  nicht  das  Gesetz,  nicht  die  Disziplin,  nicht  die 
Weisung  des  Meisters  ist, 

,,Bei  denjenigen  Erscheinungen  aber,  Gotami,  von 
denen  du  weißt,  daß  sie  zur  Abwendung  führen  und 
nicht  zur  Gier,  daß  sie  zur  Loslösung  führen  und  nicht 
zum  Anhaften,  daß  sie  zur  Abschichtung  führen  und 
nicht  zur  Aufschichtung,  daß  sie  zur  Bescheidenheit 
führen  und  nicht  zur  Unbescheidenheit,  daß  sie  zur 
Genügsamkeit  führen  und  nicht  zur  Ungenügsamkeit, 
daß  sie  zur  Abgeschiedenheit  führen  und  nicht  zur 
Geselligkeit,  daß  sie  zur  Willenskraft  führen  und  nicht 
zur  Trägheit,  daß  sie  zur  leichten  Unterstützbarkeit 
führen  und  nicht  zu  Unterstützungsschwierigkeiten, 
da  magst  du  als  sicher  annehmen,  daß  dies  das  Gesetz, 
dies  die  Disziplin,  dies  die  Weisung  des  Meisters  ist." 

M  Segensreiche  Eigenschaften  für  Hausleute 

Einst  weilte  der  Erhabene  im  Lande  der  Kolier, 
in  der  Kolierstadt  namens  Kakkarapatta.  Da  nun 
begab  sich  Dighajänu  der  Koliersohn  zum  Erhabenen. 

(1)  Nämlich  des  in  immer  neuer  Wiedergeburt  sich  äußernden 
Dasernsprozesses . 

—     110     — 


ACHTERBUCH  Vm  54 


Dort   angelangt   begrüßte   er   ehrfurchtsvoll   den    Er- 
habenen, setzte  sich  zur  Seite  und  sprach: 

„Wir  als  Hausleute,  o  Ehrwürdiger,  die  wir  die 
Sinnenfreuden  genießen,  wohnen  mitten  im  Gedränge 
von  Weibern  und  Kindern.  Wir  gebrauchen  feinstes 
Sandelholz,  verwenden  Blumen,  Riechstoffe  und  Sal- 
ben, nehmen  Gold  und  Silber  an.  Möchte  doch,  o 
Ehrwürdiger,  der  Erhabene  uns  so  das  Gesetz  dar- 
legen, daß  es  uns  zum  diesseitigen  und  jenseitigen 
Heile  und  Wohle  gereiche." 

,, Folgende  vier  Dinge,  Vyagghapajjer  (1),  gereichen 
dem  edlen  Sohne  zum  diesseitigen  Heile  und  Wohle: 
welche  vier?  Vollkommener  Fleiß,  vollkommene 
Wachsamkeit,  edler  Umgang  und  maßvolle  Lebens- 
weise. 

,,Was  aber,  Vyagghapajjer,  ist  vollkommener 
Fleiß?  Da,  Vyagghapajjer,  erwirbt  sich  der  edle  Sohn 
durch  irgend  eine  Arbeit  seinen  Lebensunterhalt,  sei 
es  als  Bauer,  Kaufmann  oder  Rinderhirt,  als  Bogen- 
schütze oder  königlicher  Beamter,  oder  sei  es  durch 
irgend  ein  Handwerk.  Darin  aber  ist  er  tüchtig  und 
nicht  nachlässig,  und  er  versteht  sich  auf  die  richtigen 
Mittel  zu  handeln  und  anzuordnen.  Das,  Vyagghapajjer, 
nennt  man  vollkommenen   Fleiß. 

,,Was  aber,  Vyagghapajjer,  ist  vollkommene  Wach- 
samkeit? Da,  Vyagghapajjer,  besitzt  der  edle  Sohn 
Güter,  die  er  sich  durch  Fleiß  und  Strebsamkeit  er- 
rungen, durch  seiner  Hände  Arbeit  angesammelt  und 

(1)  Wörtl.  »Tigerfährtier«,  die  von  alters  her  übUche  Anrede 
für  die  Angehörigen  dieses  Stammes.  Nach  der  Überlieferung 
nämlich  sollen  ihre  Stammväter  auf  einer  Tigerfährte  zuerst  das 
Licht  der  Welt  erblickt  haben. 


111 


VIII  54  SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

über  die  er  seinen  Schweiß  vergossen  hat.  Diese  hütet 
und  bewacht  er,  damit  sie  nicht  etwa  Fürsten  oder 
Räuber  wegnehmen  oder  das  Feuer  zerstöre  oder  das 
Wasser  mit  fortspüle  oder  lieblose  Erben  an  sich 
reißen.  Das,  Vyagghapajjer,  nennt  man  vollkommene 
Wachsamkeit. 

,,Was  aber,  Vyagghapajjer,  ist  edler  Umgang? 
Was  es  da,  Vyagghapajjer,  in  dem  Dorfe  oder  der 
Stadt,  wo  der  edle  Sohn  wohnt,  an  Hausvätern  oder 
Söhnen  von  Hausvätern  oder  Jünglingen  gibt,  die 
sich  würdig  benehmen  und  Vertrauen,  Sittlichkeit, 
Freigebigkeit  und  Einsicht  besitzen,  mit  solchen  ver- 
bringt er  seine  Zeit,  mit  solchen  plaudert  er  und  läßt 
er  sich  in  Gespräche  ein.  Und  den  solcherart  Ver- 
trauensvollen eifert  er  im  Vertrauen  nach,  den  solcher- 
art Sittenreinen  eifert  er  in  der  Sittlichkeit  nach,  den 
solcherart  Freigebigen  eifert  er  in  der  Freigebigkeit 
nach,  den  solcherart  Einsichtigen  eifert  er  in  den 
Einsicht  nach.  Das,  Vyagghapajjer,  nennt  man  edlen 
Umgang. 

,,Was  aber,  Vyagghapajjer,  ist  maßvolle  Lebens- 
weise? Da,  Vyagghapajjer,  kennt  der  edle  Sohn  seine 
Einnahmen  und  Ausgaben  und  richtet  dementsprechend 
seine  Lebensweise  ein,  nicht  zu  üppig  und  nicht  zu 
dürftig,  wissend:  »Auf  diese  Weise  werden  die  Ein- 
nahmen meine  Ausgaben  übertreffen  und  nicht  meine 
Ausgaben  die  Einnahmen«. 

,, Gleichwie  ein  Juwelenhändler  oder  dessen  Ge- 
hülfe, wenn  er  die  Wage  vor  sich  hält,  weiß,  daß  sie 
um  soviel  zu  niedrig  oder  um  soviel  zu  hoch  anzeigt 
ebenso  auch,  Vyagghapajjer,  kennt  der  edle  Sohn 
seine  Einnahmen  und  Ausgaben  und  richtet  dement- 

—     112      - 


ACHTERBUCH  Vin54 


sprechend  seine  Lebensweise  ein,  nicht  zu  üppig  und 
nicht  zu  dürftig,  wissend:  »Auf  diese  Weise  werden 
die  Einnahmen  meine  Ausgaben  übertreffen  und 
nicht  umgekehrt«.  Führt,  Vyagghapajjer,  der  edle 
Sohn  bei  geringem  Einkommen  eine  üppige  Lebens- 
weise, so  sagt  man,  daß  er  seine  Schätze  vergeude 
wie  ein  Feigenesser,  [der  mehr  Feigen  vom  Baume 
schüttelt,  als  er  zum  Essen  braucht].  Führt  aber, 
Vyagghapajjer,  der  edle  Sohn  bei  großem  Einkommen 
eine  dürftige  Lebensweise,  so  sagt  man  von  ihm,  daß 
er  eines  unedlen  Todes  sterbe.  Daß  aber  Vyagghapajjer, 
der  edle  Sohn  seine  Einnahmen  und  Ausgaben  kennt 
und  seine  Lebensweise  dementsprechend  einrichtet, 
das,  Vyagghapajjer,  nennt  man  eine  maßvolle  Lebens- 
weise. 

„Für  die  so  erlangten  Schätze,  Vyagghapajjer, 
gibt  es  vier  Abflüsse:  Hurerei,  Trunksucht,  Würfel- 
spiel und  Umgang  mit  bösen  Freunden,  bösen  Ge- 
nossen, bösen  Gefährten.  Wenn  da  bei  einem  großen 
Teiche,  der  vier  Zuflüsse  und  vier  Abflüsse  hat,  ein 
Mann  die  Zuflußkanäle  verstopft,  die  Abflußkanäle 
aber  öffnet  und  die  Wolken  keinen  rechten  Regen 
spenden,  so  hat  man  da  eine  Abnahme  zu  erwarten, 
keine  Zunahme.  Ebenso  auch,  Vyagghapajjer,  gibt 
es  für  die  so  erlangten  Schätze  vier  Abflüsse:  Hurerei, 
Trunksucht,  Würfelspiel  und  Umgang  mit  bösen 
Freunden,  bösen  Genossen,  bösen  Gefährten. 

„Für  die  so  erlangten  Schätze,  Vyagghapajjer, 
gibt  es  vier  Zuflußkanäle:  das  Meiden  von  Hurerei, 
von  Trunksucht,  Würfelspiel  und  Umgang  mit  bösen 
Freunden,  bösen  Genossen,  bösen  Gefährten.  Wenn 
da  bei  einem  großen  Teiche,  der  vier  Zuflüsse  und  vier 


—    113    — 


VIII 64  SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Abflüsse  hat,  ein  Mann  die  Zuflußkanäie  öffnet,  die 
Abfiußkanäle  aber  verstopft  und  die  Wolken  keinen 
rechten  Regen  spenden,  so  hat  man  da  eine  Zunahme 
zu  erwarten,  keine  Abnahme.  Ebenso  auch,  Vyaggha- 
pajjer,  gibt  es  für  die  so  erlangten  Schätze  vier  Zu- 
flußkanäle: das  Meiden  von  Hurerei,  von  Trunksucht, 
Würfelspiel  und  Umgang  mit  bösen  Freunden,  bösen 
Genossen,  bösen  Gefährten. 

,, Diese  vier  Dinge,  Vyagghapajjer,  gereichen  dem 
€dlen  Sohne  zum  diesseitigen  Heile  und  Wohle.  Fol- 
gende vier  Dinge  aber,  Vyagghapajjer,  gereichen  dem 
«dien  Sohne  zum  jenseitigen  Heile  und  Wohle:  welche 
vier? 

„Vollkommenes  Vertrauen,  vollkommene  Sittlich- 
keit, vollkommene  Freigebigkeit  und  vollkommene 
Einsicht.  Diese  vier  Dinge,  Vyagghapajjer,  gereichen 
dem  edlen  Sohne  zum  jenseitigen  Heile  und  Wohle." 

„Voll  Fleiß  in  allem,  was  er  tut, 
Voll  Tatkraft  und  voll  Ordnungssinn, 
Gestaltet  maßvoll  er  sein  Leben 
Und  hütet  seine  Schätze  wohl. 

„Voll  Zuversicht  und  Sittlichkeit, 
Voll  Milde,  frei  von  jedem  Geiz, 
Bereitet  er  den  Pfad  stets  vor, 
Das  Heil  in  einer  andern  Welt. 

„So  führen  diese  Dinge  acht, 
Vom  Wahrheitslehrer  kund  getan, 
Zu  beiderseit'gem  Heil  den  Menschen, 
Der  voll  Vertrau'n  im  Hause  weilt: 

„Zum  Wohlergeh'n  in  dieser  Welt 
Und  künftiger  Glückseligkeit.  — 

—    lU     — 


ACHTERBUCH  VIII  56.  58 


So  wächst  der  Hausleute  Verdienst 
Und  milder  Sinn  von  Tag  zu  Tag." 

Das  Elend  der  Sinnenlüste  56 

Als  Schrecken,  ihr  Mönche,   bezeichnet  man  die 

Sinnenlüste,  als  ein  Elend,  ein  Leiden,  ein  Geschwür, 

einen    Stachel,    als  Anhaftung,    Schmutz    und    Brut- 
stätte. — 

Als  Schrecken,  Elend  und  als  Leiden, 
Als  Schwären,  Stachel  und  als  Fessel, 
Als  Dreck  und  Brutstätte  zugleich 
Bezeichnet  man  die  Sinnenlüste, 
Woran  die  große  Menge  hängend. 
Vom  lieblich  Schönen  überwältigt. 
Zu  immer  neuem  Schöße  eilt. 

Doch  wenn  der  Mönch,  der  eifrig  kämpft, 
Die  Geistesklarheit  nicht  verläßt. 
Mag  er  aus  diesem  Sumpf  sich  retten. 
Dem  man  nur  schwer  entrinnen  kann. 
Und  schauen,  wie  die  Welt  sich  quält, 
Versunken  in  Geburt  und  Tod. 


Der  würdige  Mönch  58 

Der  mit  acht  Eigenschaften  ausgestattete  Mönch, 
ihr  Mönche,  ist  würdig  der  Opfer,  würdig  der  Gast- 
freundschaft, würdig  der  Gaben,  würdig  des  ehrfurchts- 
vollen Handgrußes,  ist  in  der  Welt  der  beste  Boden 
für  verdienstvolle  Werke.  Und  welches  sind  diese  acht 
Eigenschaften? 

Da,  ihr  Mönche,  ist  der  Mönch  sittenrein.  Ein 
großes  Wissen  eignet  ihm.    Er  hat  Umgang  mit  edlen 

—     115     —  8* 


Vm58   SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Freunden,  edlen  Gefährten,  edlen  Genossen.  Er  besitzt 
rechte  Erkenntnis,  ist  von  rechten  Anschauungen  er- 
füllt. Der  vier  Vertiefungen,  der  geisterhebenden,  noch 
bei  Lebzeiten  beglückenden,  wird  er  nach  Wunsch 
teilhaftig,  ohne  Mühe  und  Anstrengung.  Er  erinnert 
sich  mancher  früheren  Daseinsformen.  Mit  dem  Himm- 
lischen Auge,  dem  geklärten,  übermenschlichen,  sieht 
er,  wie  die  Wesen  verschwinden'und  wiedererscheinen. 
Nach  Versiegung  der  Leidenschaften  hat  er  schon 
bei  Lebzeiten  die  leidenschaftslose  Gemütserlösung  und 
Wissenserlösung  selber  erkannt,  verwirklicht  und  sich 
zu  eigen  gemacht.  — 

Oder:  Der  Mönch  ist  sittenrein;  ein  großes  Wissen 
eignet  ihm;  Willenskraft  eignet  ihm;  er  wohnt  im 
Walde  in  einer  abgeschiedenen  Behausung;  über  Lust 
und  Unlust  hat  er  Gewalt,  beherrscht  jedesmal  die 
aufsteigende  Unlust;  über  Furcht  und  Angst  hat  er 
Gewalt,  beherrscht  jedesmal  die  aufsteigende  Furcht 
und  Angst;  der  vier  Vertiefungen  wird  er  nach  Wunsch 
teilhaftig,  ohne  Mühe  und  Anstrengung;  die  leiden- 
schaftslose Gemütserlösung  und  Wissenserlösung  hat 
er  selber  erkannt,  verwirklicht  und  sich  zu  eigen  ge- 
macht. 

Der  mit  diesen  acht  Eigenschaften  ausgestattete 
Mönch,  ihr  Mönche,  ist  würdig  der  Opfer,  würdig  der 
Gastfreundschaft,  würdig  der  Gaben,  würdig  des  ehr- 
furchtsvollen  Handgrußes,  ist  in  der  Welt  der  beste 
Boden  für  verdienstvolle  Werke. 


—     116    — 


ACHTERBUCH  VIII  59,  60 


Die  acht  würdigen  Menschen  59 

Acht  Menschen,  ihr  Mönche,  sind  würdig  der 
Opfer,  würdig  der  Gastfreundschaft,  würdig  der  Gaben, 
würdig  des  ehrfurchtsvollen  Handgrußes,  sind  in  der 
Welt  der  beste  Boden  für  verdienstvolle  Werke:  welche 
acht? 

Der  in  den  Strom  Eingetretene  (sotäpanna) 
und  derjenige,  der  auf  dem  Wege  ist,  das  Ziel  des 
Stromeintrittes  zu  verwirklichen.  Der  Einmal  Wie- 
derkehrende (sakadägämi)  und  derjenige,  der  auf 
dem  Wege  ist,  das  Ziel  der  Einmal  Wiederkehr  zu  ver- 
wirklichen. Der  Niewiederkehrende  (anägämi) 
und  derjenige,  der  auf  dem  Wege  ist,  das  Ziel  der 
Niewiederkehr  zu  verwirklichen.  Der  Heilige  (arahat) 
und  derjenige,  der  auf  dem  Wege  ist,  das  Ziel  der 
Heiligkeit  zu  verwirklichen. 

Die  vier,  die  auf  den   Pfaden  wandeln, 
Die  vier,  die  hingelangt  zum  Ziel: 
Das  ist  die  wahre  Jüngerschaft, 
In  Einsicht  und  in  Sitte  fest. 

Die  Menschen,  die  da  Gaben  spenden, 
Den  Weisen,  die  Verdienst  erspäh'n 
Und  weltlich  gute  Werke  tun. 
Bringt  hier  die  Gabe  hohen  Lohn. 

Die  acht  wahren  Jünger  60 


Die  vier,  die  auf  den  Pfaden  wandeln, 
Die  vier,  die  hingelangt  zum  Ziel, 
Das  ist  die  wahre  Jüngerschaft: 
Acht  Jünger  nur  gibt's  in  der  Welt. 


117 


vni61  SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 
SIEBENTER    TEIL: 

Das  Kapitel  des  Erdbebens 

61  Weltlicher  Gewinn 

Folgende  acht  Menschen,  ihr  Mönche,  sind  in  der 
Welt  anzutreffen:  welche  acht? 

Da,  ihr  Mönche,  entsteht  in  einem  Mönche,  wäh- 
rend er  abgeschieden  und  unabhängig  verweilt,  die 
Begierde  nach  Gewinn.  Und  er  strengt  sich  an,  be- 
müht sich  und  strebt  danach,  Gewinn  zu  erlangen. 
Trotzdem  er  aber  danach  strebt,  entsteht  ihm  kein 
Gewinn.  Und  weil  ihm  kein  Gewinn  entsteht,  klagt 
er,  quält  er  sich,  jammert  er,  schlägt  sich  in  die 
Brust  und  gerät  in  Verzweiflung.  Von  diesem  Mönche 
heißt  es,  ihr  Mönche,  daß  er  voller  Begierde  nach  Ge- 
winn ist;  daß  er  sich  anstrengt,  bemüht  und  danach 
strebt,  Gewinn  zu  erlangen;  daß  er  aber  keinen  Ge- 
winn erlangt  und  klagt  und  jammert  und  abirrt  vom 
Guten  Gesetze. 

Da,  ihr  Mönche,  entsteht  in  einem  Mönche,  wäh- 
rend er  abgeschieden  und  unabhängig  verweilt,  die 
Begierde  nach  Gewinn.  Und  er  strengt  sich  an,  be- 
müht sich  und  strebt  danach,  Gewinn  zu  erlangen. 
Während  er  nun  danach  strebt,  entsteht  ihm  Gewinn. 
Durch  jenen  Gewinn  aber  wird  er  berauscht  und 
leichtsinnig,  verfällt  dem  Rausche  und  Leichtsinne. 
Von  diesem  Mönche  heißt  es,  ihr  Mönche,  daß  er  voller 
Begierde  nach  Gewinn  ist;  daß  er  sich  anstrengt,  be- 
müht und  danach  strebt,  Gewinn  zu  erlangen;  daß  er 

—     118    — 


ACHTERBUCH  vm  61 


Gewinn  erlangt  und  berauscht    und  leichtsinnig  wird 
und  abirrt  vom  Guten  Gesetze. 

Da,  ihr  Mönche,  entsteht  in  einem  Mönche,  wäh- 
rend er  abgeschieden  und  unabhängig  verweilt,  die 
Begierde  nach  Gewinn.  Er  aber  strengt  sich  nicht  an, 
bemüht  sich  nicht  und  strebt  nicht  danach,  Gewinn 
zu  erlangen.  Und  indem  er  nicht  danach  strebt,  ent- 
steht ihm  kein  Gewinn.  Da  ihm  aber  kein  Gewinn 
entsteht,  klagt  er,  quält  er  sich,  jammert  er,  schlägt 
er  sich  in  die  Brust,  gerät  er  in  Verzweiflung.  Von 
diesem  Mönche  heißt  es,  ihr  Mönche,  daß  er  voller 
Begierde  nach  Gewinn  ist;  daß  er  sich  nicht  anstrengt, 
bemüht  und  danach  strebt,  Gewinn  zu  erlangen;  daß 
er  keinen  Gewinn  erlangt  und  klagt  und  jammert  und 
abirrt  vom  Guten  Gesetze. 

Da,  ihr  Mönche,  entsteht  in  einem  Mönche,  wäh- 
rend er  abgeschieden  und  unabhängig  verweilt,  die 
Begierde  nach  Gewinn.  Er  aber  strengt  sich  nicht  an, 
bemüht  sich  nicht  und  strebt  nicht  danach,  Gewinn 
zu  erlangen.  Trotzdem  er  aber  nicht  danach  strebt, 
entsteht  ihm  Gewinn.  Durch  jenen  Gewinn  aber  wird 
er  berauscht  und  leichtsinnig,  verfällt  dem  Rausche 
und  Leichtsinne.  Von  diesem  Mönche  heißt  es,  ihr 
Mönche,  daß  er  voller  Begierde  nach  Gewinn  ist;  daß 
er  sich  nicht  anstrengt,  bemüht  und  danach  strebt, 
Gewinn  zu  erlangen;  daß  er  aber  Gewinn  erlangt  und 
berauscht  und  leichtsinnig  wird  und  abirrt  vom  Guten 
Gesetze. 

Da,  ihr  Mönche,  entsteht  in  einem  Mönche,  wäh- 
rend er  abgeschieden  und  unabhängig  verweilt,  die 
Begierde  nach  Gewinn.  Und  er  strengt  sich  an,  be- 
müht sich   und  strebt   danach,   Gewinn  zu   erlangen. 

—     119    — 


VIII  61  SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Trotzdem  er  aber  danach  strebt,  entsteht  ihm  kein 
Gewinn.  Doch  weil  ihm  kein  Gewinn  entsteht,  klagt 
er  nicht,  jammert  er  nicht,  schlägt  er  sich  nicht  in  die 
Brust  und  gerät  nicht  in  Verzweiflung.  Von  diesem 
Mönche  heißt  es,  ihr  Mönche,  daß  er  voller  Begierde 
nach  Gewinn  ist;  daß  er  sich  anstrengt,  bemüht  und 
danach  strebt,  Gewinn  zu  erlangen;  daß  er  keinen  Ge- 
winn erlangt  und  nicht  klagt  und  jammert  und  nicht 
abirrt  vom  Guten  Gesetze. 

Da,  ihr  Mönche,  entsteht  in  einem  Mönche,  wäh- 
rend er  abgeschieden  und  unabhängig  verweilt,  die 
Begierde  nach  Gewinn.  Und  er  strengt  sich  an,  be- 
müht sich  und  strebt  danach,  Gewinn  zu  erlangen. 
Während  er  nun  danach  strebt,  entsteht  ihm  Gewinn. 
Doch  durch  jenen  Gewinn  wird  er  nicht  berauscht 
und  leichtsinnig,  verfällt  nicht  dem  Rausche  und  Leicht- 
sinne. Von  diesem  Mönche  heißt  es,  ihr  Mönche,  daß 
er  voller  Begierde  nach  Gewinn  ist;  daß  er  sich  an- 
stengt,  bemüht  und  danach  strebt,  Gewinn  zu  er- 
langen; daß  er  Gewinn  erlangt  und  nicht  klagt  und 
jammert  und  nicht  abirrt  vom  Guten  Gesetze. 

Da,  ihr  Mönche,  entsteht  in  einem  Mönche,  wäh- 
rend er  abgeschieden  und  unabhängig  verweilt,  die 
Begierde  nach  Gewinn.  Er  aber  strengt  sich  nicht  an, 
bemüht  sich  nicht  und  strebt  nicht  danach  Gewinn  zu 
erlangen.  Und  indem  er  nicht  danach  strebt,  entsteht 
ihm  kein  Gewinn.  Weil  ihm  aber  kein  Gewinn  ent- 
steht, klagt  und  jammert  er  nicht,  schlägt  er  sich  nicht 
in  die  Brust,  gerät  er  nicht  in  Verzweiflung.  Von 
diesem  Mönche  heißt  es,  ihr  Mönche,  daß  er  voller 
Begierde  nach  Gewinn  ist;  daß  er  sich  nicht  anstrengt, 
bemüht  und  danach  strebt,  Gewinn  zu  erlangen;  daß 

—     120    —  . 


ACHTERBUCH  VIII 62 


er  keinen  Gewinn  erlangt  und  nicht  klagt  und  jammert 
und  nicht  abirrt  vom  Guten  Gesetze. 

Da,  ihr  Mönche,  entsteht  in  einem  Mönche,  wäh- 
rend er  abgeschieden  und  unabhängig  verweilt,  die 
Begierde  nach  Gewinn.  Er  aber  strengt  sich  nicht  an, 
bemüht  sich  nicht  und  strebt  nicht  danach,  Gewinn 
zu  erlangen.  Trotzdem  er  aber  nicht  danach  strebt, 
entsteht  ihm  Gewinn.  Doch  durch  jenen  Gewinn  wird 
er  nicht  berauscht  und  leichtsinnig,  verfällt  nicht  dem 
Rausche  und  Leichtsinne.  Von  diesem  Mönche  heißt 
es,  ihr  Mönche,  daß  er  voller  Begierde  nach  Gewinn 
ist;  daß  er  sich  nicht  anstrengt,  bemüht  und  danach 
strebt,  Gewinn  zu  erlangen;  daß  er  Gewinn  erlangt 
und  nicht  berauscht  und  leichtsinnig  wird,  nicht  dem 
Rausche  und  Leichtsinne  verfällt  und  nicht  abirrt 
vom  Guten  Gesetze. 

Diese  acht  Menschen,  ihr  Mönche,  sind  in  der  Welt 
anzutreffen. 


Sich  und  den  Anderen  genügen  62 

Mit  sechs  Eigenschaften  ausgestattet,  ihr  Mönche, 
genügt  der  Mönch  sowohl  sich  als  auch  den  Anderen: 
mit  welchen  sechs? 

Da,  ihr  Mönche,  erlangt  der  Mönch  einen  schnellen 
Einblick  in  die  verdienstvollen  Gesetze;  leicht  prägt 
er  sich  die  vernommenen  Gesetze  ein;  er  erwägt  der 
sich  eingeprägten  Gesetze  Bedeutung;  das  Gesetz  und 
seine  Bedeutung  aber  kennend  lebt  er  dem  Gesetze 
gemäß;  er  führt  edle  Reden,  edle  Gespräche;  seine 
Ordensbrüder  unterweist  und  ermahnt  er.    Mit  diesen 

—     121     — 


VIII  62   SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

sechs  Eigenschaften  ausgestattet,  ihr  Mönche,  genügt 
der  Mönch  sowohl  sich  als  auch  den  Anderen. 

Mit  fünf  Eigenschaften  ausgestattet,  ihr  Mönche, 
genügt  der  Mönch  sowohl  sich  als  auch  den  Anderen: 
mit  welchen  fünf? 

Da,  ihr  Mönche,  erlangt  der  Mönch  zwar  keinen 
schnellen  Einblick  in  die  verdienstvollen  Gesetze; 
er  aber  prägt  sich  leicht  die  vernommenen  Gesetze 
ein;  er  erwägt  der  sich  eingeprägten  Gesetze  Bedeu- 
tung; das  Gesetz  und  seine  Bedeutung  aber  kennend 
lebt  er  dem  Gesetze  gemäß;  er  führt  edle  Reden,  edle 
Gespräche;  seine  Ordensbrüder  unterweist  und  er- 
mahnt er.  Mit  diesen  fünf  Eigenschaften  ausgestattet, 
ihr  Mönche,  genügt  der  Mönch  sowohl  sich  als  auch 
den  Anderen. 

Mit  vier  Eigenschaften  ausgestattet,  ihr  Mönche, 
genügt  der  Mönch  sich,  nicht  aber  den  Anderen:  mit 
welchen  vier? 

Da,  ihr  Mönche,  erlangt  der  Mönch  einen  schnellen 
Einblick  in  die  verdienstvollen  Gesetze;  leicht  prägt 
er  sich  die  vernommenen  Gesetze  ein;  er  erwägt  der 
sich  eingeprägten  Gesetze  Bedeutung;  das  Gesetz  und 
seine  Bedeutung  aber  kennend  lebt  er  dem  Gesetze 
gemäß;  nicht  aber  führt  er  edle  Gespräche;  nicht  unter- 
weist und  ermahnt  er  seine  Ordensbrüder.  Mit  diesen 
vier  Eigenschaften  ausgestattet,  ihr  Mönche,  genügt 
der  Mönch  sich,  nicht  aber  den  Anderen. 

Mit  vier  Eigenschaften  ausgestattet,  ihr  Mönche, 
genügt  der  Mönch  den  Anderen,  nicht  aber  sich:  mit 
welchen  vier? 

Da,  ihr  Mönche,  erlangt  der  Mönch  einen  schnellen 
Einblick  in  die  verdienstvollen   Gesetze;  leicht  prägt 

—     122     — 


ACHTERBUCH  VIII 62 


er  sich  die  vernommenen  Gesetze  ein;  nicht  aber  er- 
wägt er  der  sich  eingeprägten  Gesetze  Bedeutung;  und 
nicht  lebt  er,  das  Gesetz  und  seine  Bedeutung  kennend, 
dem  Gesetze  gemäß;  er  führt  edle  Reden,  edle  Ge- 
spräche; seine  Ordensbrüder  unterweist  und  ermahnt 
er.  Mit  diesen  vier  Eigenschaften  ausgestattet,  ihr 
Mönche,  genügt  der  Mönch  den  Anderen,  nicht  aber  sich. 

Mit  drei  Eigenschaften  ausgestattet,  ihr  Mönche, 
genügt  der  Mönch  sich,  nicht  aber  den  Anderen:  mit 
welchen  drei? 

Da,  ihr  Mönche,  erlangt  der  Mönch  zwar  keinen 
schnellen  Einblick  in  die  verdienstvollen  Gesetze; 
leicht  prägt  er  sich  die  vernommenen  Gesetze  ein;  er 
erwägt  der  sich  eingepi'ägten  Gesetze  Bedeutung;  das 
Gesetz  und  seine  Bedeutung  aber  kennend  lebt  er  dem 
Gesetze  gemäß;  nicht  aber  führt  er  edle  Reden,  edle 
Gespräche;  nicht  unterweist  und  ermahnt  er  seine 
Ordensbrüder.  Mit  diesen  drei  Eigenschaften  aus- 
gestattet, ihr  Mönche,  genügt  der  Mönch  sich,  nicht 
aber  den  Anderen. 

Mit  drei  Eigenschaften  ausgestattet,  ihr  Mönche, 
genügt  der  Mönch  den  Anderen,  nicht  aber  sich:  mit 
welchen  drei? 

Da,  ihr  Mönche,  erlangt  der  Mönch  zwar  keinen 
schnellen  Einblick  in  die  verdienstvollen  Gesetze;  er 
aber  prägt  sich  leicht  die  vernommenen  Gesetze  ein^ 
nicht  aber  erwägt  er  der  sich  eingeprägten  Gesetze 
Bedeutung;  nicht  lebt  er,  das  Gesetz  und  seine  Be- 
deutung kennend,  dem  Gesetze  gemäß;  aber  er  führt 
edle  Reden,  edle  Gespräche;  seine  Ordensbrüder  unter- 
weist und  ermahnt  er.    Mit  diesen  drei  Eigenschaften 

—     123    — 


Vm62  SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

ausgestattet,  ihr  Mönche,  genügt  der  Mönch  den 
Anderen,  nicht  aber  sich. 

Mit  zwei  Eigenschaften  ausgestattet,  ihr  Mönche, 
genügt  der  Mönch  sich,  nicht  aber  den  Anderen:  mit 
welchen  zwei? 

Da,  ihr  Mönche,  erlangt  der  Mönch  keinen  schnellen 
Einblick  in  die  verdienstvollen  Gesetze;  nicht  leicht 
prägt  er  sich  die  vernommenen  Gesetze  ein;  er  aber 
erwägt  der  sich  eingeprägten  Gesetze  Bedeutung;  und 
das  Gesetz  und  seine  Bedeutung  kennend  lebt  er  dem 
Gesetze  gemäß;  nicht  aber  führt  er  edle  Reden,  edle 
Gespräche;  nicht  unterweist  und  ermahnt  er  seine 
Ordensbrüder.  Mit  diesen  beiden  Eigenschaften  aus- 
gestattet, ihr  Mönche,  genügt  der  Mönch  sich,  nicht 
aber  den  Anderen. 

Mit  zwei  Eigenschaften  ausgestattet,  ihr  Mönche, 
genügt  der  Mönch  den  Anderen,  nicht  aber  sich:  mit 
welchen  beiden? 

Da,  ihr  Mönche,  erlangt  der  Mönch  keinen  schnellen 
Einblick  in  die  verdienstvollen  Gesetze;  nicht  prägt 
er  sich  leicht  die  vernommenen  Gesetze  ein;  nicht  er- 
wägt er  der  sich  eingeprägten  Gesetze  Bedeutung; 
nicht  lebt  er,  das  Gesetz  und  seine  Auslegung  kennend, 
dem  Gesetze  gemäß;  aber  er  führt  edle  Reden,  edle 
Gespräche;  seine  Ordensbrüder  unterweist  und  er- 
mahnt er.  Mit  diesen  beiden  Eigenschaften  ausge- 
stattet, ihr  Mönche,  genügt  der  Mönch  den  Anderen, 
Jiicht  aber  sich. 


124 


ACHTERBUCH  VIII 63 


Stufenweise  Geistesentfaltung  63^ 

Einer  der  Mönche  kam  zum  Erhabenen  und  sprach: 

,,Gut  wäre  es,  o  Ehrwürdiger,  wenn  mir  der  Er- 
habene in  kurzen  Worten  das  Gesetz  darlegte,  auf  daß 
ich,  nachdem  ich  das  Gesetz  vom  Erhabenen  ver- 
nommen habe,  einsam,  abgeschieden,  unermüdHch, 
eifrig,   selbstentschlossen  verweilen  möge." 

,, Genau  so  suchen  da  einige  Toren  mich  bloß  auf, 
und  wird  das  Gesetz  vorgetragen,  so  meinen  sie  immer 
mir  nachlaufen  zu  müssen." 

,, Möchte  mir  doch,  o  Ehrwürdiger,  der  Erhabene  in 
kurzen  Worten  das  Gesetz  darlegen!  Möchte  doch  der 
Gesegnete  in  kurzen  Worten  das  Gesetz  darlegen! 
Vielleicht,  daß  ich  doch  den  Sinn  der  Worte  des  Er- 
habenen verstehe;  vielleicht,  daß  ich  doch  noch  ein 
Erbe  des  Wortes  des  Erhabenen  werde!" 

,,So  hast  du  denn,  o  Mönch,  danach  zu  streben: 
»Der  Geist  in  meinem  Innern  soll  standhaft  sein  und 
wohl  gefestigt,  und  nicht  sollen  ihn  die  üblen,  schuld- 
vollen Erscheinungen  noch  fesseln!«  Danach,  o  Mönch, 
hast  du  zu  streben. 

,, Sobald  aber,  o  Mönch,  der  Geist  in  deinem 
Innern  standhaft  ist  und  wohl  gefestigt  und  ihn  die 
üblen,  schuldvollen  Erscheinungen  nicht  mehr  fesseln, 
so  hast  du,  o  Mönch,  danach  zu  streben:  »Die  Liebe, 
die  gemütserlösende,  soll  in  mir  entfaltet,  häufig  ge- 
übt, zur  Triebfeder  und  Grundlage  gemacht,  gefestigt, 
großgezogen  und  zur  rechten  Vollendung  gebracht 
werden!«    Danach,  o  Mönch,  hast  du  zu  streben. 

„Sobald  aber,  o  Mönch,  diese  Sammlung  (sa- 
mädhi)  entfaltet  und  wohl  geübt  ist,  so  magst  du,  o 

—     125    — 


VIII 63  SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Mönch,  diese  Sammlung  mit  Sinnen  und  Nach- 
denken (vitakka-vicärä)  üben  (1);  magst  du  sie  ohne 
Sinnen  und  bloß  mit  Nachdenken  üben;  (2)  magst 
du  sie  ohne  Sinnen  und  ohne  Nachdenken  üben  (3); 
magst  du  sie  mit  Verzückung  (piti)  üben;  magst 
du  sie  ohne  Verzückung  üben;  magst  du  sie  mit 
Freude  (sukha)  üben;  magst  du  sie  mit  Gleichmut 
<upekhä)  üben. 

„Sobald  aber,  o  Mönch,  diese  Sammlung  also 
entfaltet  und  wohl  geübt  ist,  so  hast  du,  o  Mönch, 
danach  zu  streben:  »Das  gemütserlösende  Mitleid,  — 
die  gemütserlösende  Mitfreude,  —  der  gemütserlösende 
Gleichmut  soll  in  mir  entfaltet,  häufig  geübt,  zur 
Triebfeder  und  Grundlage  gemacht,  gefestigt,  groß- 
gezogen und  zur  rechten  Vollendung  gebracht  werden!« 
Danach,  o  Mönch,  hast  du  zu  streben. 

„Sobald  aber,  o  Mönch,  diese  Sammlung  ent- 
faltet und  wohl  geübt  ist,  so  magst  du,  o  Mönch, 
diese  Sammlung  mit  Sinnen  und  Nachdenken 
üben  ;  magst  du  sie  ohne  Sinnen  und  bloß  mit  Nach- 
denken üben;  magst  du  sie  ohne  Sinnen  und  ohne 
Nachdenken  üben;  magst  du  sie  mit  Verzückung 
üben;  magst  du  sie  ohne  Verzückung  üben;  magst  du 


(1)  Dies  mag  vor  dem  Eintritt  in  die  erste  Vertiefung  imd  auch 
noch  während  derselben  geschehen, 

(2)  Dies  geschieht  in  der  zweiten  Vertiefung  d.  h.  nach  der 
Abhidamma  Einteilung,  nach  der  in  der  zweiten  Vertiefung  noch 
vicära,  diskursives  Nachdenken,  besteht  und  erst  in  der  dritten  zur 
Aufhebung  gelangt,  sodaß  wir  in  dieser  Weise  fünf  statt  vier  Ver- 
tiefungen erhalten. 

(3)  Dies  geschieht  in  der  dritten,  bezw,  vierten  (n.  Abhidhamma 
Einteikmg)  Vertiefung. 

—    126    — 


ACHTERBUCH  vmes 


sie  mit  Freude  üben;  magst  du  sie  mit  Gleichmut 
üben. 

„Sobald  aber,  o  Mönch,  diese  Sammlung  also  ent- 
faltet und  wohl  geübt  ist,  so  hast  du,  o  Mönch,  danach 
zu  streben:  »In  der  Betrachtung  des  Körpers  will  ich 
verweilen,  —  in  der  Betrachtung  der  Gefühle  will  ich 
verweilen,  —  in  der  Betrachtung  des  Geistes  will  ich 
verweilen,  -—  in  der  Betrachtung  der  Erscheinungen 
will  ich  verweilen,  eifrig,  achtsam,  geistesklar,  nach 
Verwindung  weltlicher  Begierde  und  Trübsal.«  Da- 
nach, 0  Mönch,  hast  du  zu  streben. 

,, Sobald  aber,  o  Mönch,  diese  Sammlung  ent- 
faltet und  wohl  geübt  ist,  so  magst  du,  o  Mönch,  diese 
Sammlung  mit  Sinnen  und  Nachdenken  üben; 
magst  du  sie  ohne  Sinnen  und  bloß  mit  Nachdenken 
üben;  magst  du  sie  ohne  Sinnen  und  ohne  Nachdenken 
üben;  magst  du  sie  mit  Verzückung  üben;  magst  du 
sie  ohne  Verzückung  üben;  magst  du  sie  mit  Freude 
üben;  magst  du  sie  mit  Gleichmut  üben. 

„Sobald  aber,  o  Mönch,  diese  Sammlung  also  ent- 
faltet und  wohl  geübt  ist,  so  wirst  du,  wo  immer  du 
gehst,  zufrieden  gehen,  wo  immer  du  stehst,  zufrieden 
stehen,  wo  immer  du  sitzest,  zufrieden  sitzen,  wo 
immer  du  ruhst,  zufrieden  ruhen." 

„In  diesen  Worten  vom  Erhabenen  ermahnt,  er- 
hob sich  jener  Mönch  von  seinem  Sitze,  begrüßte  ehr- 
furchtsvoll den  Erhabenen,  und  ihm  die  Rechte  zu- 
kehrend entfernte  er  sich.  Während  aber  jener  Mönch 
einsam,  abgeschieden,  unermüdlich,  eifrig  und  selbst- 
entschlossen verweilte,  da  gelangt  er  in  den  Besitz 
jenes  höchsten  Zieles  der  Heiligkeit  —  demzuliebe 
€dle  Söhne  gänzlich  von  Hause  fort  in  die  Hauslosig- 


127 


VIII 63  SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

keit  ziehen  —  indem  er  es  selber  erkannte  und  ver- 
wirklichte. Und  er  erkannte:  »Aufgehoben  ist  die 
Geburt,  ausgelebt  der  heilige  Wandel,  das  Werk  voll- 
endet; nicht  kehr'  ich  mehr  zu  dieser  Welt  zurück«. 
Und  jener  Mönch  war  einer  unter  den  Heiligen  ge- 
worden. 

64  Der  göttliche  Erkenntnisblick 

Einst  weilte  der  Erhabene  bei  Gayä  auf  dem 
Gayägipfel,  Dort  wandte  sich  der  Erhabene  an  die 
Mönche:  ,,Ihr  Mönche!"  sprach  er.  „Ehrwürdiger!" 
erwiderten  jene  Mönche  dem  Erhabenen.  Und  der 
Erhabene  sprach: 

Vor  meiner  vollen  Erleuchtung,  ihr  Mönche,  als 
ich  noch  nicht  völlig  erleuchtet,  erst  ein  »Anwärter  auf 
Erleuchtung«  (bodhisatta)  war,  da  nahm  ich  wohl 
einen  Lichtglanz  wahr,  aber  keine  Gestalten  bemerkte 
ich.  Da  kam  mir,  ihr  Mönche,  der  Gedanke:  »Wenn 
ich  so,  wie  ich  den  Lichtglanz  wahrnehme,  doch  auch 
die  Gestalten  bemerken  könnte,  so  möchte  dieser  mein 
Erkenntnisblick  umso  lauterer  sein«.  Während  ich 
also  in  der  Folgezeit  unermüdlich,  eifrig,  selbstent- 
schlossen verweilte,  nahm  ich  sowohl  den  Lichtglanz 
wahr,  als  auch  bemerkte  ich  die  Gestalten,  nicht  aber 
verweilte,  sprach  und  unterhielt  ich  mich  mit  jenen 
Himmelswesen. 

Da,  ihr  Mönche,  kam  mir  der  Gedanke:  »Wenn 
ich  so,  wie  ich  den  Lichtglanz  wahrnehme  und  die 
Gestalten  bemerke,  doch  auch  mit  jenen  Himmels- 
wesen verweilen,  sprechen  und  mich  unterhalten  könnte, 
so  möchte  dieser  mein  Erkenntnisblick  umso  lauterer 

^    128    — 


ACHTERBUCH  Vni64 


sein«.  Während  ich  also  in  der  Folgezeit  unermüdlich, 
eifrig,  selbstentschlossen  verweilte,  nahm  ich  sowohl 
den  Lichtglanz  wahr,  als  auch  bemerkte  ich  die  Ge- 
stalten, als  auch  verweilte,  sprach  und  unterhielt  ich 
mich  mit  jenen  Himmelswesen,  nicht  aber  wußte  ich 
von  ihnen,  ob  sie  von  dieser  oder  jener  Himmelswelt 
sind. 

Da,  ihr  Mönche,  kam  mir  der  Gedanke:  »Wenn 
ich  so,  wie  ich  den  Lichtglanz  wahrnehme,  die  Gestalten 
bemerke  und  mit  jenen  Himmelswesen  verweile,  spreche 
und  mich  unterhalte,  doch  auch  wüßte,  ob  sie  von 
dieser  oder  jener  Himmelswelt  sind,  so  möchte  dieser 
mein  Erkenntnisblick  umso  lauterer  sein«.  Während 
ich  also  in  der  Folgezeit  unermüdlich,  eifrig,  selbst- 
entschlossen verweilte,  nahm  ich  sowohl  den  Licht- 
glanz wahr,  als  auch  bemerkte  ich  die  Gestalten,  als 
auch  verweilte,  sprach  und  unterhielt  ich  mich  mit 
jenen  Himmelswesen,  als  auch  wußte  ich  von  ihnen, 
ob  sie  von  dieser  oder  jener  Himmelswelt  sind,  nicht 
aber  wußte  ich  von  ihnen,  zufolge  welcher  Taten  sie, 
von  hier  abgeschieden,  dort  wiedererschienen  sind  — 
wovon  sie  sich  nähren  und  welches  Glück  und  Leiden 
sie  empfinden  —  wie  alt  sie  werden  und  wie  lange 
sie  leben  —  ob  ich  schon  früher  einmal  mit  ihnen  zu- 
sammen gelebt  habe  oder  nicht. 

Da,  ihr  Mönche,  kam  mir  der  Gedanke:  »Wenn 
ich  so,  wie  ich  den  Lichtglanz  wahrnehme,  die  Gestalten 
bemerke,  und  mit  jenen  Himmelswesen  verweile, 
spreche  und  mich  unterhalte  und  weiß,  ob  sie  von 
dieser  oder  jener  Himmelswelt  sind,  doch  auch  wüßte, 
zufolge  welcher  Taten  sie,  von  hier  abgeschieden,  dort 

-    129    —  0 


Vm64  SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

wiedererschienen  sind,  —  woven  sie  sich  nähren  und 
welches  Glück  und  Leiden  sie  empfindfen,  —  wie  alt 
sie  werden  und  wie  lange  sie  leben,  —  ob  ich  schon 
früher  einmal  mit  ihnen  zusammen  gelebt  habe  oder 
nicht:  wenn  ich  das  wüßte,  so  möchte  mein  Erkennt- 
nisblick umso  lauterer  sein«.  Während  ich  also  in  der 
Folgezeit  unermüdlich,  eifrig,  selbstentschlossen  ver- 
weilte, nahm  ich  sowohl  den  Lichtglanz  wahr,  als  auch 
bemerkte  ich  die  Gestalten,  als  auch  verweilte,  sprach 
und  unterhielt  ich  mich  mit  jenen  Himmelswesen, 
als  auch  wußte  ich  von  ihnen,  ob  sie  von  dieser  oder 
jener  Himmelswelt  sind,  —  wußte,  zufolge  welcher 
Taten  sie,  von  hier  abgeschieden,  dort  wiedererschienen 
sind,  —  wußte,  wovon  sie  sich  nähren  und  welche 
Freuden  und  Leiden  sie  empfinden,  —  wußte,  wie  alt 
sie  werden  und  wie  lange  sie  leben,  —  wußte,  ob  ich 
schon  früher  einmal  mit  ihnen  zusammen  gelebt  hatte 
oder  nicht. 

Solange,  ihr  Mönche,  als  in  mir  dieser  achtfache 
erkennende  Götterblick  nicht  völlig  lauter  war,  so- 
lange, ihr  Mönche,  war  ich  nicht  gewiß,  ob  ich  in  der 
Welt  der  Dewen,  Mahren  und  Götter,  der  Schar  der 
Asketen  und  Priester,  Himmelswesen  und  Menschen 
unübertroffene  höchste  Erleuchtung  gewonnen  hatte. 
Sobald  aber,  ihr  Mönche,  dieser  achtfache,  erkennende 
Götterblick  völlig  lauter  war,  da  war  ich  gewiß,  daß 
ich  die  in  der  Welt  der  Dewen,  Mahren  und  Götter, 
der  Schar  der  Asketen  und  Priester,  Himmelswesen 
und  Menschen  unübertroffene  höchste  Erleuchtung  ge- 
wonnen hatte.  Und  in  mir  stieg  das  Wissen,  die  Er- 
kenntnis  auf:    »Unerschütterlich    ist    meine    Gemüts- 

—    130    — 


ACHTERBUCH  Vm65 


erlösung.     Dies  ist  meine  letzte  Geburt.     Kein  neues 
Dasein  mehr  stellt  mir  bevor.«  (1) 

Die  acht  Ueberwindungsgebiete  (abhibhäyatana)        65 

Acht  Überwindungsgebiete  gibt  es,  ihr  Mönche: 
welche  acht? 

Bei  sich  Formen  wahrnehmend  sieht  da  einer  nach 
Außen  hin  begrenzte  Formen,  schöne  oder  häßliche; 
und  diese  überwindend  versteht  er:  »Ich  weiß,  ich 
erkenne«.     Dies  ist  das  erste  Überwindungsgebiet. 

Bei  sich  Formen  wahrnehmend  seht  da  einer  nach 
Außen  hin  unbegrenzte  Formen,  schöne  oder  häßliche; 
und  diese  überwindend  versteht  er:  »Ich  weiß,  ich 
erkenne.«    Dies  ist  das  zweite  Überwindungsgebiet.  (2) 

Bei  sich  keine  Formen  wahrnehmend  sieht  einer 
nach  Außen  hin  begrenzte  Formen,  schöne  oder  häß- 
liche; und  diese  überwindend  versteht  er:  »Ich  weiß, 
ich  erkenne«.    Dies  ist  das  dritte  Überwindungsgebiet. 

(1)  In  dieser  Sutte  werden  somit  acht  Wissen  (näna)  besprochen, 
nämlich:  das  Himmhsche  Auge,  die  magische  Fähigkeit,  Herzens- 
durchschauung,  Erkenntnis  der  Wiedergeburt  entsprechend  den 
Taten,  Erkenntnis  der  Zukunft,  Erkenntnis  der  Gegenwart,  Er- 
kenntnis der  Vergangenheit  und  Erkenntnis  früherer  Daseinsformen. 

(2)  Der  Mönch  wählt  als  »Vorbereitendes  Objekt«  (parikamma- 
nimitta)  eine  Stelle  -^  klein  oder  groß,  schön  oder  häßlich  —  an 
seinem  eigenen  Körper  und  konzentriert  darauf  seine  volle,  im- 
geteilte  Aufmerksamkeit,  sodaß  ihm  nach  einiger  Zeit  dieses  Objekt 
als  geistiger  Reflex  wiedererscheint,  und  zwar  gleichsam  als  etwas 
außerhalb  Befindliches.  Diese  an  sich  ganz  mechanisch  erscheinende 
Übung  bewirkt  indessen,  wenn  richtig  durchgeführt,  einen  hohen 
Grad  geistiger  Konzentration  und  den  Eintritt  in  die  vier  Ver- 
tief imgen. 

—     131     —  9* 


SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Bei  sich  l<eine  Formen  wahrnehmend  sieht  einer 
nach  Außen  hin  unbegrenzte  Formen,  schöne  oder 
häßliche;  und  diese  überwindend  versteht  er:  »Ich 
weiß,  ich  erkenne«.  Dies  ist  das  vierte  Überwindungs- 
gebiet. (1) 

Bei  sich  keine  Formen  wahrnehmend  sieht  einer 
nach  Außen  hin  blaue  Formen,  von  blauer  Farbe, 
blauem  Aussehen,  blauem  Glänze;  und  diese  über- 
windend versteht  er:  »Ich  weiß,  ich  erkenne«.  Dies 
ist  das  fünfte  Überwindungsgebiet. 

Bei  sich  keine  Formen  wahrnehmend  sieht  einer 
nach  Außen  hin  gelbe  Formen,  von  gelber  Farbe, 
gelbem  Aussehen,  gelbem  Glänze;  und  diese  über- 
windend versteht  er:  »Ich  weiß,  ich  erkenne«.  Dies 
ist  das  sechste  Überwindungsgebiet. 

Bei  sich  keine  Formen  wahrnehmend  sieht  einer 
nach  Außen  hin  rote  Formen,  von  roter  Farbe,  rotem 
Aussehen,  rotem  Glänze;  und  diese  überwindend  ver- 
steht er:  »Ich  weiß,  ich  erkenne.«  Dies  ist  das  siebente 
Überwindungsgebiet. 

Bei  sich  keine  Formen  wahrnehmend,  sieht  einer 
nach  Außen  hin  weiße  Formen,  von  weißer  Farbe, 
weißem  Aussehen,  weißem  Glänze;  und  diese  Ober- 
windend versteht  er:  »Ich  weiß,  ich  erkenne«.  Dies 
ist  das  achte  Überwindungsgebiet,  (2) 

(1)  In  der  dritten  luid  vierten  Übung  gewinnt  der  Mönch  durch 
ein  äußeres  Objekt  den  geistigen  Reflex  und  die  Vertiefungen. 
Von  den  genannten  Konzentrationsobjekten  soll  das  begrenzte 
oder  kleine  heilsam  sein  für  eine  geistig  unstete  Natur,  das  unbe- 
grenzte oder  große  für  eine  verblendete  Natur,  das  schöne  für  ein» 
Eum  Zorn  neigende  Natur,  das  häßliche  für  eine  zur  Begierde  nei- 
gende Natur. 

(2)  Als  Objekte  der  letzteren  vier  Übungen  sind  vollkommen 

«-    132    — 


ACHTERBUCH  vm  66 


Diese    acht    Überwindungsgebiete    gibt    es,    ihr 
Mönche, 


Die  acht  Freiungen  (vimokkhä)  66 

Acht  Freiungen  gibt  es,  ihr  Mönche:  welche  acht? 

Formhaft  sieht  man  Formen  (1);  dies  ist  die  erste 
Freiung. 

Bei  sich  keine  Formen  wahrnehmend  sieht  man 
nach  Außen  hin  Formen  (2);  dies  ist  die  zweite  Freiung. 

Der  Wahrnehmung  des  Schönen  ist  er  geneigt  (3): 
dies  ist  die  dritte  Freiung. 

Durch  völlige  Überwindung  der  Formwahrneh- 
mungen, des  Schwindens  der  Reflexwahrnehmungen 
und  die  Nichtbeachtung  der  Vielheitswahrnehmungen 
aber  gewinnt  er,  in  der  Vorstellung:  »Unendlich  ist 
der  Raum!«  das  Gebiet  der  Raum  Unendlichkeit: 
dies  ist  die  vierte  Freiung. 


klare,  leuchtende  Farben  zu  wählen,  Blumen,   Stoffe  losw.      Die 
obigen  Übungen  sind  sämthch  Kasinaübungen.    Vgl.  X,  25  u.  29. 

(1)  d.  i.  während  man  sich  in  den,  durch  das  am  eigenen  Körper 
gewählte  Kasina  Objekt  hervorgerufenen  formhaften  Vertiefungen 
befindet,  nimmt  man  mit  dem  »Auge  der  Vertiefung«  (jhäna-cakkhu) 
den  geistigen  Reflex  des  ursprünglichen  Objektes  wahr. 

(2)  genau  wie  im  dritten  imd  vierten  Überwindimgsgebiete. 

(3)  Hier  ist  gemeint  die  Erreichung  der  formhaften  Vertie- 
fungen durch  Konzentration  auf  vollkommen  reine,  leuchtende 
Farben  als  Kasina  Objekte,  genau  wie  in  den  letzteren  vier  Über- 
windungsgebieten. Nach  dem  Patisambhidä-Magga  indessen  wird 
dieser  Zustand  hervorgerufen  durch  Konzentration  von  Liebe, 
Mitleid,  Mitfreude  und  Gleichmut,  worin  einem  alle  Wesen  voll- 
kommen rein  vmd  verklärt  erscheinen  und  so  der  Sirm  zum  Schönen 
neigt. 

—     133    — 


vme?  SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Durch  völlige  Überwindung  des  Gebietes  der 
Raumunendlichkeit  aber  gewinnt  er,  in  der  Vorstel- 
lung: »Unendlich  ist  das  Bewußtsein!«,  das  Gebiet  der 
Bewußtseinsunendlichkeit:  dies  ist  die  fünfte 
Freiung. 

Durch  völlige  Überwindung  des  Gebietes  der  Be- 
wußtseinsunendlichkeit; aber  gewinnt  er,  in  der  Vor- 
stellung :  »Nichts  ist  da !« das  Gebiet  des  Nichtdaseins: 
dies  ist  die  sechste  Freiung. 

Durch  völlige  Überwindung  des  Gebietes  des 
Nichtdaseins  aber  gewinnt  er  das  Gebiet  der  Weder- 
Wahrnehmung-Noch-Nichtwahrnehmung:  dies 
ist  die  siebente  Freiung. 

Durch  Überwindung  des  Gebietes  der  Weder- 
Wahrnehmung-Noch-Nichtwahrnehmung  gewinnt  er  die 
»Aufhebung  von  Wahrnehmung  und  Gefühl«;  (sanfiä- 
vedayita-nirodha):  dies  ist  die  achte  Freiung. 

Diese  acht  Freiungen  gibt  es,  ihr  Mönche. 

67  '   Edle  und  unedle  Aussagen 

Acht  unedle  Aussagen  gibt  es,  ihr  Mönche:  welche 
acht? 

Bei  Nichtgesehenem  behaupten,  gesehen  zu  haben; 
bei  Nichtgehörtem  behaupten,  gehört  zu  haben;  bei 
Nichtgedachtem  behaupten,  gedacht  zu  haben;  bei 
Nichterkanntem  behaupten,  erkannt  zu  haben;  bei 
Gesehenem  behaupten,  nicht  gesehen  zu  haben;  bei 
Gehörtem  behaupten,  nicht  gehört  zu  haben;  bei  Ge- 
dachtem behaupten,  nicht  gedacht  zu  haben;  bei  Er- 
kanntem behaupten,  nicht  erkannt  zu  haben.  Diese 
acht  unedlen  Aussagen  gibt  es,  ihr  Mönche. 

—     134    — 


ACHTERBUCH  vm69 


Acht  edle  Aussagen  gibt  es,  ihr  Mönche:  welche 
acht? 

Bei  Nichtgesehenem  behaupten,  nicht  gesehen  zu 
haben;  bei  Nichtgehörtem  behaupten,  nicht  gehört  zu 
haben;  bei  Nichtgedachtem  behaupten,  nicht  gedacht 
zu  haben;  bei  Nichterkanntem  behaupten,  nicht  er- 
kannt zu  haben;  bei  Gesehenem  behaupten,  gesehen 
zu  haben;  bei  Gehörtem  behaupten,  gehört  zu  haben; 
bei  Gedachtem  behaupten,  gedacht  zu  haben;  bei 
Erkanntem  behaupten,  erkannt  zu  haben.  Diese  acht 
edlen  Aussagungen  gibt  es,  ihr  Mönche. 

Die  acht  Versammlungen  69 

Acht  Versammlungen  gibt  es,  ihr  Mönche:  welche 
acht?  Die  Versammlung  der  Adeligen,  die  Versammlung 
der  Brahmanen,  die  Versammlung  der  Hausleute,  die 
Versammlung  der  Asketen,  die  Versammlung  der 
Himmelswesen  der  Vier  Großen  Könige,  die  Versamm- 
lung der  Himmelswesen  der  Dreiunddreißig,  die  Ver- 
sammlung der  Mahrendewen  und  die  Versammlung 
der  Götterdewen. 

Ich  erkläre,  ihr  Mönche,  daß  ich  mich  schon  zu 
einer  aus  vielen  Hunderten  bestehenden  Versammlung 
von  Adeligen  hinbegeben  habe,  zu  einer  aus  vielen 
Hunderten  bestehenden  Versammlung  von  Brahmanen, 
von  Hausleuten,  von  Asketen  und  von  Himmelswesen. 
Und  ich  habe  da  schon  mit  ihnen  zusammen  gesessen, 
geredet  und  Gespräche  geführt.  Dabei  hatte  ich  das- 
selbe Aussehen  wie  jene,  hatte  dieselbe  Stimme  wie 
jene.  Und  in  Worten  über  das  Gesetz  habe  ich  sie 
unterwiesen,  ermahnt,  ermutigt  und  ermuntert.    Doch 

—     135     — 


VIII  70  SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

nicht  haben  sie  mich  beim  Reden  erkannt,  sondern 
haben  darüber  nachgedacht,  wer  das  wohl  sein  möchte, 
der  da  redet,  ein  Himmelswesen  oder  ein  Mensch, 
Und  auch,  nachdem  ich  sie  in  Worten  über  das  Gesetz 
unterwiesen,  ermahnt,  ermutigt  und  ermuntert  hatte, 
haben  sie  nach  meinem  Verschwinden  nicht  gewußt, 
ob  derjenige,  der  da  verschwand,  ein  Himmelswesen 
war  oder  ein  Mensch. 

Diese  acht  Versammlungen  gibt  es,  ihr  Mönche. 

70  Mahrs  letzte  Heimsuchung 

Einst  weilte  der  Erhabene  im  Großen  Walde  bei 
Vesäli,  in  der  Halle  des  Giebelhauses.  Und  der  Er- 
habene kleidete  sich  in  der  Frühe  an,  nahm  Gewand 
und  Almosenschale  und  begab  sich  nach  Vesäli  um 
Almosen.  Nachdem  er  aber  vom  Almosengange  zurück- 
gekehrt war,  wandte  er  sich  am  Nachmittage,  nach 
beendetem  Mahle,  an  den  ehrwürdigen  Änando  und 
sprach : 

„Nimm  deine  Matte,  Änando,  und  laß  uns  nach 
dem  Capälaschreine  gehen!"  „Gut,  o  Ehrwürdiger!" 
erwiderte  der  ehrwürdige  Änando  dem  Erhabenen, 
nahm  seine  Matte  und  folgte  hinter  dem  Erhabenen  her. 

Und  der  Erhabene  begab  sich  zum  Capälaschreine. 
Dort  angelangt  setzte  er  sich  auf  dem  bereiteten  Sitze 
nieder  und  sprach  zum  ehrwürdigen  Änando: 

„Entzückend,  Änando,  ist  Vesäli!  Entzückend 
gelegen  ist  der  Udenaschrein,  entzückend  gelegen  der 
Gotamakaschrein,  entzückend  gelegen  der  Bahuputtaka- 
schrein,  entzückend  gelegen  der  Sattambaschrein,  ent- 
zückend gelegen  der  Sarandadaschrein,  entzückend  ge- 

—     130    — 


ACHTERBUCH 


Jegen  der  Capälaschrein!  Wer,  Änando,  die  vier  Maciit- 
fährten  entfaltet,  häufig  geübt,  zur  Triebfeder  und 
Grundlage  gemacht,  gefestigt,  großgezogen  und  zur 
rechten  Vollendung  gebracht  hat,  der  mag,  Änando, 
wenn  er  will,  das  volle  Menschenalter  ausleben  oder 
noch  eine  Zeit  darüber  hinaus  am  Leben  bleiben.  Nun 
hat  aber,  Änando,  der  Vollendete  die  vier  Machtfährten 
entfaltet,  häufig  geübt,  zur  Triebfeder»  und  Grundlage 
gemacht,  gefestigt,  großgezogen  und  zur  rechten  Voll- 
endung gebracht.  Der  Vollendete  also,  Änando,  mag, 
wenn  er  will,  das  volle  Menschenalter  ausleben  oder 
noch  eine  Zeit  darüber  hinaus  am  Leben  bleiben." 

Obgleich  aber  der  Erhabene  eine  so  deutliche  An- 
spielung machte,  war  der  ehrwürdige  Änando  dennoch 
außerstande,  diese  zu  verstehen  —  gleichsam  als  ob 
sein  Geist  von  Mahr  besessen  wäre  —  und  versäumte 
es,  den  Erhabenen  zu  bitten:  »Möchte  doch,  o  Ehr- 
würdiger, der  Erhabene  das  volle  Menschenalter  aus- 
leben zum  Heile  und  Wohle  vieler  Menschen,  aus  Mit- 
leid mit  der  Welt,  zum  Heil,  Segen  und  Wohle  der 
Himmelswesen  und  Menschen!« 

Und  zum  zweitenmale  und  drittenmale  sprach 
der  Erhabene  zum  ehrwürdigen  Änando: 

,, Entzückend,  Änando,  ist  Vesäli!  Entzückend 
gelegen  ist  der  Udenaschrein,  entzückend  gelegen  der 
Gotamakaschrein,  entzückend  gelegen  der  Bahu- 
puttakaschrein,  entzückend  gelegen  der  Sattamba- 
schrein,  entzückend  gelegen  der  Sarandadaschrein, 
entzückend  gelegen  der  Capälaschrein!  Wer,  Änando, 
die  vier  Machtfährten  entfaltet,  häufig  geübt,  zur 
Triebfeder   und   Grundlage  gemacht,   gefestigt,   groß- 

—     137     — 


VIII 70   SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUGEN 

gezogen  und  zur  rechten  Vollendung  gebracht  hat,  der 
mag,  Anando,  wenn  er  will,  das  volle  Menschenalter 
ausleben  oder  noch  eine  Zeit  darüber  hinaus  am  Leben 
bleiben.  Nun  hat  aber,  Änando,  der  Vollendete  die 
vier  Machtfährten  entfaltet,  häufig  geübt,  zur  Trieb- 
feder und  Grundlage  gemacht,  gefestigt,  großgezogen 
und  zur  rechten  Vollendung  gebracht.  Der  Vollendete 
also,  Änando,  mag,  wenn  er  will,  das  volle  Menschen- 
alter ausleben  oder  noch  eine  Zeit  darüber  hinaus  am 
Leben  bleiben." 

Obgleich  aber  der  Erhabene  eine  so  deutliche 
Anspielung  machte,  war  der  ehrwürdige  Änando  den- 
noch außerstande,  diese  zu  verstehen  —  gleichsam  als 
ob  sein  Geist  von  Mahr  besessen  wäre  —  und  ver- 
säumte es,  den  Erhabenen  zu  bitten:  »Möchte  doch, 
0  Ehrwürdiger,  der  Erhabene  das  volle  Menschenalter 
ausleben  zum  Heile  und  Wohle  vieler  Menschen,  aus 
Mitleid  mit  der  Welt,  zum  Heil,  Segen  und  Wohle  der 
Himmelswesen   und  Menschen!« 

Da  sprach  der  Erhabene  zum  ehrwürdigen  Änando: 
,,Gehe  nun,  Änando,  und  tue  wie  es  dir  beliebt!" 
,,Gut,  0  Ehrwürdiger!"  erwiderte  der  ehrwürdige 
Änando  dem  Erhabenen,  erhob  sich  von  seinem  Sitze, 
begrüßte  ehrfurchtsvoll  den  Erhabenen;  und  ihm  die 
Rechte  zukehrend  ging  er  und  setzte  sich  unweit  vom 
Erhabenen  am  Fuße  eines  Baumes  nieder. 

Kaum  aber  war  der  ehrwürdige  Änando  gegangen, 
da  trat  der  böse  Mahr  zum  Erhabenen  und  sprach: 

,,Möge  nun,  o  Ehrwürdiger,  der  Erhabene  ins 
Nirwahn  eingehen!  Möge  nun  der  Gesegnete  ins  Nir- 
wahn  eingehen!     Er  ist  nun,  o  Ehrwürdiger,  an  der 

—    138    — 


ACHTERBUCH  VIII 70 


Zeit,  daß  der  Erhabene  ins  Nirwahn  eingehe!  Denn 
der  Erhabene,  o  Ehrwürdiger,  hat  ja  die  Worte  ge- 
sprochen: »Nicht  werde  ich,  o  Böser,  ins  Nirwahn  ein- 
gehen, bis  daß  nicht  meine  Mönche,  Nonnen,  Anhänger 
und  Anhängerinnen  erfahrene  und  gezügelte  Jünger 
sind,  Selbstvertrauen  und  Sicherheit  erlangt  haben,, 
ein  großes  Wissen  besitzen,  Träger  des  Gesetzes  sind, 
auf  dem  Pfade  des  Gesetzes  wandeln,  ihre  Pflichten 
erfüllen,  nach  dem  Gesetze  leben  und  nach  Erlernung 
der  eigenen  Lehre  imstande  sind,  dieselbe  zu  ver- 
künden, zu  weisen,  bekannt  zu  machen,  aufzurichten, 
zu  enthüllen,  zu  zerlegen  und  klarzumachen  und  eine 
auftauchende  fremde  Lehre  in  begründeter  Weise 
völlig  widerlegend  das  wunderbare  Gesetz  darzulegen 
vermögen.«  Nun  aber,  o  Ehrwürdiger,  hat  der  Erhabene 
erfahrene  und  gezügelte  Jünger,  die  Selbstvertrauen 
und  Sicherheit  erlangt  haben,  ein  großes  Wissen  be- 
sitzen, Träger  des  Gesetzes  sind,  auf  dem  Pfade  des 
Gesetzes  wandeln,  ihre  Pflichten  erfüllen,  nach  dem 
Gesetze  leben  und  nach  Erlernung  der  eigenen  Lehre 
imstande  sind,  dieselbe  zu  verkünden,  zu  weisen,  be- 
kannt zu  machen,  aufzurichten,  zu  enthüllen,  zu  zer- 
legen und  klarzumachen  und  eine  auftauchende  fremde 
Lehre  in  begründeter  Weise  völlig  widerlegend  das 
wunderbare  Gesetz  darzulegen  vermögen.  Möge  nun, 
0  Ehrwürdiger,  der  Erhabene  ins  Nirwahn  eingehen! 
Möge  nun  der  Gesegnete  ins  Nirwahn  eingehen!  Es 
ist  nun,  o  Ehrwürdiger,  an  der  Zeit,  daß  der  Erhabene 
ins  Nirwahn  eingehe!  Denn  der  Erhabene,  o  Ehr- 
würdiger, hat  ja  die  Worte  gesprochen:  »Nicht  werde 
ich,  0  Böser,  ins  Nirwahn  eingehen,  bis  daß  nicht 
dieser  Heilige  Wandel  gedeiht  und  blüht,  sich  ausge- 

—    139    — 


VIII 70    SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

breitet  hat,  weit  bekannt  und  mäclitig  geworden  ist 
und  unter  Menschen  und  Himmelswesen  wohl  ver- 
kündet sein  wird.  Nun  aber,  o  Ehrwürdiger,  gedeiht 
und  blüht  dieser  Heilige  Wandel,  hat  sich  ausgebreitet, 
ist  weit  bekannt  und  mächtig  geworden  und  unter 
Menschen  und  Himmelswesen  wohl  verkündet.  Möge 
nun,  0  Ehrwürdiger,  der  Erhabene  ins  Nirwahn  ein- 
gehen! Möge  nun  der  Gesegnete  ins  Nirwahn  eingehen! 
Es  ist  nun,  o  Ehrwürdiger,  an  der  Zeit,  daß  der  Er- 
habene ins  Nirwahn  eingehe!" 

„Bemühe  dich  nicht,  o  Böser!  Nicht  lange  mehr 
wird  es  bis  zum  völligen  Nirwahn  des  Vollendeten 
dauern.  Heute  in  drei  Monaten  wird  der  Vollendete  ins 
völlige  Nirwahn  eingehen." 

Und  an  dem  Capälaschreine  gab  der  Erhabene 
besonnen  und  klarbewußt  seinen  Lebenswillen  auf. 
Als  aber  der  Erhabene  seinen  Lebenswillen  aufgegeben 
hatte,  da  erhob  sich  ein  gewaltiges  Erdbeben,  und  die 
Donner  erkrachten.  Der  Erhabene  aber,  der  den  Zu- 
sammenhang erkannte,  stieß  zu  jener  Stunde  den 
Ruf  aus: 

„Auf  gab  der  Weise  seinen  Daseinswillen, 
Der  Gleiches  sowie  Ungleiches  gebiert. 
Gesammelt  und  im  Innern  froh  zerbrach  er 
Gleich  einem  Panzer  die  Persönlichkeit." 

Da  aber  dachte  der  ehrwürdige  Anando:  »Gar  ge- 
waltig war  dieses  Erdbeben!  Wahrlich,  außerordent- 
lich gewaltig  war  dieses  Erdbeben,  daß  es  einem  graute 
und  einem  die  Haare  zu  Berge  standen.  Und  dabei 
erkrachten  die  Donner!  Was  mag  wohl  die  Ursache, 
was    der    Entstehungsgrund    dieses    gewaltigen     Erd- 

—     140    — 


ACHTERBUCH  VIII  7a 


bebens  sein?«    Und  der  ehrwürdige  Änando  trat  zum 
Erhabenen  und  sprach: 

,,Gar  gewaltig,  o  Ehrwürdiger,  war  ja  dieses  Erd- 
beben! Wahrlich,  außerordentlich  gewaltig  war  dieses 
Erdbeben,  daß  einem  graute  und  einem  die  Haare  zu 
Berge  standen!  Und  dabei  erkrachten  die  Donner! 
Was  mag  wohl,  o  Ehrwürdiger,  die  Ursache,  was  der 
Entstehungsgrund  dieses  gewaltigen  Erdbebens  sein?" 

,,Ein  gewaltiges  Erdbeben,  Änando,  mag  acht 
Anlässe  und  Entstehungsgründe  haben:  welche  acht? 

,, Diese  große  Erde,  Änando,  ruht  auf  dem  Wasser, 
das  Wasser  in  der  Luft,  die  Luft  im  Räume.  Es  kommt 
aber  eine  Zeit,  Änando,  wo  gewaltige  Winde  blasen. 
Diese  aber  bringen  durch  ihr  Blasen  das  Wasser  in 
Erschütterung,  und  das  erschütterte  Wasser  bringt  die 
Erde  in  Erschütterung.  Das,  Änando,  ist  der  erste  An- 
laß und  Entstehungsgrund  eines  gewaltigen  Erd- 
bebens. 

,, Ferner,  Änando,  hat  da  ein  geistesmächtiger, 
magiegewaltiger  Asket  oder  Priester  oder  ein  Himmels- 
wesen von  großer  Macht  und- großem  Einflüsse  nur 
eine  unbegrenzte  Erdevorstellung  erweckt,  wohl  aber 
eine  begrenzte  Wasservorstellung:  der  bringt  diese 
Erde  in  Erregung,  in  Erschütterung  und  zum  Beben.. 
Das,  Änando,  ist  der  zweite  Anlaß  und  Entstehungs- 
grund eines  gewaltigen  Erdbebens. 

,,Wenn  ferner,  Änando,  der  Bodhisat  (Anwärter 
auf  Erleuchtung)  den  Himmel  der  Seligen  verläßt  und 
achtsam,  klaren  Geistes  in  den  Mutterleib  hinabsteigt, 
so  gerät  da  die  Erde  in  Erregung,  in  Erschütterung 
und  in  Erdbeben.  Das,  Änando,  ist  der  dritte  Anlaß 
und  Entstehungsgrund  eines  gewaltigen  Erdbebens. 


UI 


VIII  70  SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

„Wenn  ferner,  Änando,  der  Bodhisat  achtsam  und 
geistesklar  aus  dem  Mutterleib  heraustritt,  —  wenn 
der  Vollendete  die  Vollkommene  Erleuchtung  gewinnt, 
—  wenn  er  das  höchste  Reich  des  Gesetzes  aufrichtet, — 
wenn  er  achtsam  und  geistesklar  den  Lebenswillen^ 
aufgibt,  —  wenn  er  in  das  von  jedem  Daseinsrest  freie 
Element  des  Nirwahns  eingeht,  so  gerät  da  die  Erde 
in  Erregung,  in  Erschütterung  und  in  Erdbeben.  Das, 
Änando,  ist  der  achte  Anlaß  und  Entstehungsgrund 
eines  gewaltigen  Erdbebens. 

,, Diese  acht  Anlässe  und  Entstehungsgründe, 
Ännado,  mag  ein  gewaltiges  Erdbeben  haben." 


142 


ACHTERBUCH  VIII 73 


ACHTER    TEIL: 

Das  Kapitel  der  Paare 

Die  Betrachtung  über  den  Tod  73 

(1) 

Einst  weilte  der  Erhabene  bei  Nätika  in  der 
Steinernen  Wohnung.  Dort  wandte  sich  der  Erhabene 
an  die  Mönche:  „Mönche!"  sprach  er.  „Ehrwürdiger!" 
erwiderten  jene  Mönche  dem  Erhabenen.  Und  der 
Erhabene  sprach: 

„Die  Betrachtung  über  den  Tod,  ihr  Mönche, 
entfaltet  und  häufig  geübt,  bringt  hohen  Lohn  und 
Segen,  hat  die  Todlosigkeit  zum  Ziele  und  Ausgange. 
Übt  ihr  wohl,  meine  Mönche,  die  Betrachtung  über 
den   Tod?" 

Auf  diese  Worte  sprach  einer  der  Mönche  zum 
Erhabenen: 

„Ich,  0  Ehrwürdiger,  übe  die  Betrachtung  über 
den  Tod." 

,,Wie  aber,  o  Mönch,  übst  du  die  Betrachtung 
über  den  Tod?" 

„Da,  0  Ehrwürdiger,  denke  ich:  »Ach,  daß  es  mir 
doch  vergönnt  sei,  noch  einen  Tag  und  eine  Nacht 
am  Leben  zu  bleiben!  Ich  möchte  des  Erhabenen 
Weisung  noch  überdenken.  Gar  viel  möchte  ich  noch 
erwirken.«  Auf  diese  Weise,  o  Ehrwürdiger,  übe  ich 
die  Bertachtung  über  den  Tod." 

Ein  anderer  der  Mönche  aber  sprach  zum  Er- 
habenen: 

—    143    — 


vm78  SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 


„Auch  ich,  0  Ehrwürdiger,  übe  die  Betrachtung 
über  den  Tod." 

„Wie  aber,  o  Mönch,  übst  du  die  Betrachtung 
über  den  Tod?" 

„Da,  0  Ehrwürdiger,  denke  ich:  »Ach,  daß  es  mir 
doch  vergönnt  sei,  noch  diesen  Tag  am  Leben  zu  blei- 
ben! —  noch  einen  halben  Tag  am  Leben  zu  blei- 
ben! —  noch  solange,  wie  ein  Almosenmahl  dauert!  — 
noch  solange,  wie  ein  halbes  Almosenmahl  dauert!  — 
noch  solange,  wie  das  Zusammenballen  und  Hinunter- 
schlucken von  vier  oder  fünf  Bissen  Reis  dauert!  — 
noch  solange,  wie  das  Zusammenballen  und  Hinunter- 
schlucken von  einem  Biß  Reis  dauert!  —  noch  die 
kurze  Zeitspanne,  die  zwischen  einer  Ein-  und  Aus- 
atmung oder  zwischen  einer  Aus-  und  Einatmung 
liegt!  Ich  möchte  des  Erhabenen  Weisung  noch  über- 
denken. Gar  viel  möchte  ich  noch  erwirken.«  Auf 
diese  Weise,  o  Ehrwürdiger,  übe  ich  die  Betrachtung 
über  den  Tod." 

Auf  diese  Worte  sprach  der  Erhabene  also  zu  den 
Mönchen: 

„Die  da,  ihr  Mönche,  unter  den  Mönchen,  die  Be- 
trachtung über  den  Tod  üben,  indem  sie  denken: 
»Ach,  daß  es  mir  doch  vergönnt  sei,  noch  einen  Ta^ 
und  eine  Nacht  am  Leben  zu  bleiben!  —  noch  einen 
Tag  —  noch  einen  halben  Tag  —  noch  solange,  wie 
ein  Almosenmahl  dauert  —  wie  ein  halbes  Almosen- 
mahl dauert,  —  wie  das  Zusammenballen  und  Hin- 
unterschlucken von  vier  oder  fünf  Bissen  Reis  dauert, 
—  von  einem  Bissen  Reis  dauert!  Ich  möchte  des 
Erhabenen  Weisung  noch  überdenken.  Gar  viel  möchte 
ich  noch  erwirken.«  — :  von  diesen  Mönchen  ihr  Mönche,. 

—     144 


ACHTERBUCH  VIII 74 


sagt  man,  daß  sie  nachlässig  leben,  und  auf  langsame 
Weise  die  Betrachtung  über  den  Tod  üben,  um  der 
Leidenschaften  Versiegung  zu  erreichen.  Von  demjenigen 
Mönch  aber,  ihr  Mönche,  der  die  Betrachtung  über 
den  Tod  übt,  indem  er  denkt:  »Ach,  daß  es  mir  doch 
vergönnt  sei,  noch  die  kurze  Zeitspanne  am  Leben 
zu  bleiben,  die  zwischen  einer  Ein-  und  Ausatmung 
oder  zwischen  einer  Aus-  und  Einatmung  liegt!  Ich 
möchte  des  Erhabenen  Weisung  noch  überdenken. 
Gar  viel  möchte  ich  noch  erwirken!«  — :  von  einem 
solchen  Mönche,  ihr  Mönche,  sagt  man,  daß  er  uner- 
müdlich verharrt  und  voll  Scharfsinn  die  Betrachtung 
über  den  Tod  übt,  um  der  Leidenschaften  Versiegung 
zu  erreichen.  Darum,  ihr  Mönche,  habt  ihr  danach 
zu  trachten:  »Lasset  uns  unermüdlich  verharren  und 
voll  Scharfsinn  die  Betrachtung  über  den  Tod  üben, 
um  der  Leidenschaften  Versiegung  zu  erreichen!«  Das, 
ihr  Mönche,  sei  euer  Streben!" 

Die  Betrachtung  über  den  Tod  "^^ 

(2) 
[In  der  Steinernen  Wohnung  bei  Nätika] 

Die  Betrachtung  über  den  Tod,  ihr  Mönche,  ent- 
faltet und  häufig  geübt,  bringt  hohen  Lohn  und  Segen, 
hat  die  Todlosigkeit  zum  Ziele  und  Ausgange.  Auf 
welche  Weise  aber  entfaltet  und  häufig  geübt,  ihr 
Mönche,  bringt  die  Betrachtung  über  den  Tod  hohen 
Lohn  und  Segen,  hat  die  Todlosigkeit  zum  Ziele  und 
Ausgange? 

Sobald,  ihr  Mönche,  der  Tag  zur  Neige  geht,  — 
oder  sobald  die  Nacht  weicht  und  der  Tag  anbricht,  — 

—     145    —  10 


VIII  74  SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

da  denkt  der  Mönch  bei  sich:  ^Wahrlich,  viele  Möglich- 
keiten zum  Sterben  bestehen  für  mich:  es  möchte  mich 
eine  Schlange  beißen,  oder  ein  Skorpion  oder  Hundert- 
fuß möchte  mich  stechen,  und  so  möchte  ich  ums 
Leben  kommen.  Das  aber  wäre  für  mich  ein  Hindernis. 
Ich  möchte  einmal  -straucheln  und  hinfallen,  oder 
die  Speise  möchte  mir  schlecht  bekommen,  oder  Galle, 
Schleim  oder  stechende  Gase  möchten  erregt  werden, 
oder  Menschen  oder  Unholde  möchten  mich  anfallen. 
Und  so  möchte  ich  ums  Leben  kommen.  Das  aber 
wäre  für  mich  ein  Hindernis.«  Und  da,  ihr  Mönche, 
hat  der  Mönch  als  bei  sich  zu  überlegen:  »Finden  sich 
in  mir  wohl  noch  unüberkommene  üble,  schuldvolle 
Dinge,  die  mir,  wenn  ich  in  der  heutigen  Nacht  oder 
am  heutigen  Tage  sterben  sollte,  zum  Schaden  ge- 
reichen könnten?«  —  Wenn  nun,  ihr  Mönche,  der 
Mönch  bei  seiner  Betrachtung  merkt,  daß  in  ihm  noch 
unüberkommene  üble,  schuldvolle  Dinge  anzutreffen 
sind,  die  ihm,  wenn  er  stürbe,  zum  Schaden  gereichen 
könnten,  so  hat  eben  jener  Mönch  äußersten  Willens- 
entschluß, Tatkraft,  Streben,  Ausdauer,  Standhaftig- 
keit,  Achtsamkeit  und  Geistesklarheit  zu  zeigen,  um 
diese   üblen,   schuldvollen   Dinge  zu   überkommen. 

Gleichwie  einer,  ihr  Mönche,  dessen  Kleider  oder 
Haare  in  Flammen  stehen,  um  diese  zu  löschen  äußer- 
sten Willensentschluß,  Tatkraft,  Streben,  Ausdauer, 
Standhaftigkeit,  Achtsamkeit  und  Geistesklarheit  zeigt 
ebenso  auch,  ihr  Mönche,  hat  jener  Mönch  äußersten 
Willensentschluß,  Tatkraft,  Streben,  Ausdauer,  Stand- 
haftigkeit, Achtsamkeit  und  Geistesklarheit  zu  zeigen, 
um  diese  üblen,  schuldvollen  Dinge  zu  überkommen. 

Wenn   aber,   ihr   Mönche,   der   Mönch   bei   seiner 

—     146     — 


ACHTERBUCH  Vin  79,  80 


Betrachtung  bemerkt,  daß  keine  unüberkommenen 
üblen,  schuldvollen  Dinge  mehr  anzutreffen  sind,  die 
ihm,  wenn  er  stürbe,  zum  Schaden  gereichen  könnten, 
so  mag  eben  jener  Mönch  in  seliger  Freude  verweilen, 
im  Guten  sich  übend  bei  Tag  und  bei  Nacht. 

Die  Betrachtung  über  den  Tod,  ihr  Mönche,  also 
entfaltet,  als  häufig  geübt,  bringt  hohen  Lohn  und 
Segen,  hat  die  Todlosigkeit  zum  Ziele  und  Ausgange. 

Acht  schädliche  Dinge  79 

Acht  Dinge,  ihr  Mönche,  gereichen  dem  kampfes- 
fähigen Mönche  zum  Schaden:  Gefallen  an  körper- 
lichen Arbeiten,  Gefallen  am  Plaudern,  Gefallen  am 
Schlafen,  Gefallen  an  Geselligkeit,  Zügellosigkeit  der 
Sinnentore,  Unmäßigkeit  beim  Mahle,  Gefallen  an 
Vertraulichkeit   und   Gefallen   am   Weltlichen.   — 


Trägheit  und  Strebsamkeit 

Acht  Gelegenheiten  zur  Trägheit  gibt  es,  ihr 
Mönche:   welche  acht? 

Da,  ihr  Mönche,  "hat  der  Mönch  eine  Arbeit  zu 
verrichten.  Und  er  denkt:  »Ich  soll  da  eine  Arbeit 
verrichten.  Doch  wenn  ich  die  Arbeit  verrichte,  wird 
mir  mein  Körper  ermüden.  Ich  will  mich  lieber  hin- 
legen.« Und  er  legt  sich  hin;  und  nicht  strengt  er  sich 
an,  um  das  Unerreichte  zu  erreichen,  das  Unerrungene 
zu  erringen,  das  Unverwirklichte  zu  verwirklichen. 
Das,  ihr  Mönche,  ist  die  erste  Gelegenheit  zur  Trägheit. 

Da  hat  ferner,  ihr  Mönche,  der  Mönch  eine  Arbeit 
verrichtet.     Und  er  denkt:  »Ich  habe  da  eine  Arbeit 

—     147     —  10* 


vmso    SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

verrichtet.  Doch  während  ich  die  Arbeit  verrichtete, 
ist  mir  mein  Körper  ermüdet.  Ich  will  mich  lieber  hin- 
legen.« Und  er  legte  sich  hin,  und  nicht  strengt  er  sich 
an,  um  das  Unerreichte  zu  erreichen,  das  Unerrungene 
zu  erringen,  das  Unverwirklichte  zu  verwirklichen.  Das, 
ihr  Mönche,  ist  die   zweite  Gelegenheit  zur   Trägheit. 

Da  hat  ferner,  ihr  Mönche,  der  Mönch  einen  Weg 
zurückzulegen.  Und  er  denkt:  »Ich  soll  da  einen  Weg 
zurücklegen.  Doch  wenn  ich  den  Weg  zurücklege, 
wird  mir  mein  Körper  ermüden.  Ich  will  mich  lieber 
hinlegen.«  Und  er  legt  sich  hin;  und  nicht  strengt  er 
sich  an,  um  das  Unerreichte  zu  erreichen,  das  Uner- 
rungene zu  erringen,  das  Unverwirklichte  zu  ver- 
wirklichen. Das,  ihr  Mönche,  ist  die  dritte  Gelegenheit 
zur  Trägheit. 

Da  hat  ferner,  ihr  Mönche,  der  Mönch  einen  Weg 
zurückgelegt.  Und  er  denkt:  »Ich  habe  da  einen  Weg 
zurückgelegt.  Doch  während  ich  den  Weg  zurück- 
legte, ist  mir  mein  Körper  ermüdet.  Ich  will  mich  lieber 
hinlegen.«  Und  er  legt  sich  hin;  und  nicht  strengt  er 
sich  an,  um  das  Unerreichte  zu  erreichen,  das  Uner- 
rungene zu  erringen,  das  Unverwirklichte  zu  ver- 
wirklichen. Das,  ihr  Mönche,  ist  die  vierte  Gelegenheit 
zur  Trägheit. 

Da  erhält  ferner,  ihr  Mönche,  der  Mönch,  während 
er  in  einem  Dorfe  oder  einer  Stadt  um  Almosen  geht, 
weder  an  einfachen  feinen  Speisen  genug,  um  seine 
Bedürfnisse  zu  stillen.  Und  er  denkt:  »Während  ich 
da  in  dem  Dorfe  oder  in  der  Stadt  um  Almosen  ging, 
erhielt  ich  weder  an  einfachen  noch  feinen  Speisen 
genug,  um  meine  Bedürfnisse  zu  stillen.  Mein  Körper 
ist  daher  ermüdet  und  arbeitsunfähig.     Ich  will  mich 

—    148    — 


ACHTERBUCH  vm  80 


lieber  hinlegen.«  Und  er  legt  sich  hin;  und  nicht  strengt 
er  sich  an,  um  das  Unerreichte  zu  erreichen,  das  Uner- 
rungene  zu  erringen,  das  Unverwirklichte  zu  ver- 
wirklichen. Das,  ihr  Mönche,  ist  die  fünfte  Gelegen- 
heit zur  Trägheit. 

Da  erhält  ferner,  ihr  Mönche,  der  Mönch,  während 
er  in  einem  Dorfe  oder  einer  Stadt  um  Almosen  geht, 
an  einfachen  und  feinen  Speisen  genug,  um  seine  Be- 
dürfnisse zu  stillen.  Und  er  denkt:  »Während  ich  da 
in  dem  Dorfe  oder  der  Stadt  um  Almosen  ging,  erhielt 
ich  an  einfachen  und  feinen  Speisen  genug,  um  meine 
Bedürfnisse  zu  stillen.  Mein  Körper  ist  daher  schwer 
und  arbeitsunfähig,  gleichsam  als  wäre  er  mit  Bohnen 
angefüllt.  Ich  will  mich  lieber  hinlegen.«  Und  er  legt 
sich  hin;  und  nicht  strengt  er  sich  an,  um  das  Uner- 
reichte zu  erreichen,  das  Unerrungene  zu  erringen, 
das  Unverwirklichte  zu  verwirklichen.  Das,  ihr  Mönche, 
ist  die  sechste  Gelegenheit  zur  Trägheit. 

Da  ist  ferner,  ihr  Mönche,  dem  Mönche  ein  wenig 
unwohl  geworden.  Und  er  denkt:  »Mir  ist  ein  wenig 
unwohl  geworden.  Es  ist  an  der  Zeit,  daß  ich  mich 
hinlege.«  Und  er  legt  sich  hin;  und  nicht  strengt  er 
sich  an,  um  das  Unerreichte  zu  erreichen,  das  Uner- 
rungene zu  erringen,  das  Unverwirklichte  .zu  verwirk- 
lichen. Das,  ihr  Mönche,  ist  die  siebente  Gelegenheit 
zur  Trägheit. 

Da  ist  ferner,  ihr  Mönche,  der  Mönch  von  einer 
Krankheit  genesen,  hat  sich  erst  vor  Kurzem  von 
seinem  Krankenlager  erhoben.  Und  er  denkt:  »Ich 
bin  da  von  meiner  Krankheit  genesen,  habe  mich 
erst  vor  Kurzem  von  meinem  Krankenlager  erhoben. 
Mein  Körper  ist  noch  geschwächt  und  arbeitsunfähig. 

—    149    — 


Vmso   SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Ich  will  mich  lieber  hinlegen.«  Und  er  legt  sich  hin; 
und  nicht  strengt  er  sich  an,  um  das  Unerreichte  zu 
erreichen,  das  Unerrungene  zu  erringen,  das  Unver- 
wirklichte  zu  verwirklichen.  Das  ihr  Mönche,  ist  die 
achte  Gelegenheit  zur  Trägheit. 

Diese  acht  Gelegenheiten  zur  Trägheit  gibt  es, 
ihr  Mönche. 

Acht  Gelegenheiten  zum  Streben  gibt  es,  ihr 
Mönche:  welche  acht? 

Da,  ihr  Mönche,  hat  der  Mönch  eine  Arbeit  zu 
verrichten.  Und  er  denkt:  »Ich  soll  da  eine  Arbeit 
verrichten.  Doch  wenn  ich  die  Arbeit  verrichte,  ist 
es  nicht  leicht,  über  die  Weisung  der  Erleuchteten 
nachzudenken.  So  will  ich  denn  vor  allen  Dingen 
mich  anstrengen,  um  das  Unerreichte  zu  erreichen, 
das  Unerrungene  zu  erringen,  das  Unverwirklichte  zu 
verwirklichen.«  Und  er  strengt  sich  an,  um  das  Un- 
erreichte zu  erreichen,  das  Unerrungene  zu  erringen, 
das  Unverwirklichte  zu  verwirklichen.  Das,  ihr 
Mönche,  ist  die  erste  Gelegenheit  zum  Streben. 

Da  hat  ferner,  ihr  Mönche,  der  Mönch  eine  Arbeit 
verrichtet.  Und  er  denkt:  »Ich  habe  da  eine  Arbeit 
verrichtet.  Doch  während  ich  die  Arbeit  verrichtete, 
war  ich  nicht  imstande,  über  die  Weisung  der  Er- 
leuchteten nachzudenken.  So  will  ich  denn  vor  allen 
Dingen  mich  anstrengen,  um  das  Unerreichte  zu  er- 
reichen, das  Unerrrungene  zu  erringen,  das  Unver- 
wirklichte zu  verwirklichen.«  Und  er  strengt  sich  an, 
um  das  Unerreichte  zu  erreichen,  das  Unerrungene 
zu  erringen,  das  Unverwirklichte  zu  verwirklichen. 
Das,  ihr  Mönche,  ist  die  zweite  Gelegenheit  zum 
Streben. 

—     150     — 


ACHTERBUCH  vmso 


Da  hat  ferner,  ihr  Mönche,  der  Mönch  einen  Weg 
zurückzulegen.  Und  er  denkt:  »Ich  soll  da  einen  Weg 
zurücklegen.  Doch  wenn  ich  den  Weg  zurücklege,  ist 
es  nicht  leicht,  über  die  Weisung  der  Erleuchteten 
nachzudenken.  So  will  ich  denn  vor  allen  Dingen 
mich  anstrengen,  um  das  Unerreichte  zu  erreichen, 
das  Unerrungene  zu  erringen,  das  Unverwirklichte  zu 
verwirklichen.«  Und  er  strengt  sich  an,  um  das  Un- 
erreichte zu  erreichen,  das  Unerrungene  zu  erringen, 
das  Unverwirklichte  zu  verwirklichen.  Das,  ihr 
Mönche,  ist  die  dritte  Gelegenheit  zum  Streben. 

Da  hat  ferner,  ihr  Mönche,  der  Mönch  einen  Weg 
zurückgelegt.  Und  er  denkt:  »Ich  habe  da  einen  Weg 
zurückgelegt.  Doch  während  ich  den  Weg  zurück- 
legte, war  ich  nicht  imstande,  über  die  Weisung  der 
Erleuchteten  nachzudenken.  So  will  ich  denn  vor 
allen  Dingen  mich  anstrengen,  um  das  Unerreichte 
zu  erreichen,  das  Unerrungene  zu  erringen,  das  Un- 
verwirklichte zu  verwirklichen.«  Und  er  strengt  sich 
an,  um  das  Unerreichte  zu  erreichen,  das  Unerrungene 
zu  erringen,  das  Unverwirklichte  zu  verwirklichen. 
Das,  ihr  Mönche,  ist  die  vierte  Gelegenheit  zum 
Streben. 

Da  erhält  ferner,  ihr  Mönche,  der  Mönch,  während 
er  in  einem  Dorfe  oder  einer  Stadt  um  Almosen  geht, 
weder  an  einfachen  noch  feinen  Speisen  genug,  um 
seine  Bedürfnisse  zu  stillen.  Und  er  denkt:  »Während 
ich  da  in  dem  Dorfe  oder  der  Stadt  um  Almosen  ging, 
erhielt  ich  weder  an  einfachen  noch  feinen  Speisen 
genug,  um  meine  Bedürfnisse  zu  stillen.  Daher  ist 
mein  Körper  leicht  und  arbeitsfähig.  So  will  ich  denn 
vor  allen  Dingen  mich  anstrengen,  um  das  Unerreichte 

—     151     — 


VIII  80  SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

zu  erreichen,  das  Unerrungene  zu  erringen,  das  Un- 
verwirklichte  zu  verwirklichen.«  Und  er  strengt  sich 
an,  um  das  Unerreichte  zu  erreichen,  das  Unerrungene 
zu  erringen,  das  Unverwirklichte  zu  verwirklichen. 
Das,  ihr  Mönche,  ist  die  fünfte  Gelegenheit  zum 
Streben. 

Da  erhält  ferner,  ihr  Mönche,  der  Mönch,  während 
er  in  einem  Dorfe  oder  einer  Stadt  um  Almosen 
geht,  an  einfachen  und  feinen  Speisen  genug,  um  seine 
Bedürfnisse  zu  stillen.  Und  er  denkt:»  Während  ich 
da  in  dem  Dorfe  oder  der  Stadt  um  Almosen  ging, 
erhielt  ich  an  einfachen  und  feinen  Speisen  genug, 
um  meine  Bedürfnisse  zu  stillen.  Mein  Körper  ist 
daher  gestärkt  und  arbeitsfähig.  So  will  ich  denn 
vor  allen  Dingen  mich  anstrengen,  um  das  Unerreichte 
zu  erreichen,  das  Unerrungene  zu  erringen,  das  Un- 
verwirklichte zu  verwirklichen.«  Und  er  strengt  sich 
an,  um  das  Unerreichte  zu  erreichen,  das  Unerrungene 
zu  erringen,  das  Unverwirklichte  zu  verwirklichen. 
Das,  ihr  Mönche,  ist  die  sechste  Gelegenheit  zum 
Streben. 

Da  ist  ferner,  ihr  Mönche,  dem  Mönche  ein  wenig 
unwohl  geworden.  Und  er  denkt:  »Mir  ist  ein  wenig 
unwohl  geworden.  Nun  ist  es  aber  möglich,  daß  meine 
Krankheit  zunehmen  wird.  So  will  ich  denn  vor  allen 
Dingen  mich  anstrengen,  um  das  Unerreichte  zu  er- 
reichen, das  Unerrungene  zu  erringen,  das  Unverwirk- 
lichte zu  verwirklichen.«  Und  er  strengt  sich  an,  um 
das  Unerreichte  zu  erreichen,  das  Unerrungene  zu 
erringen,  das  Unverwirklichte  zu  verwirklichen.  Das, 
ihr  Mönche,  ist  die  siebente  Gelegenheit  zum  Streben. 

Da  ist  ferner,  ihr  Mönche,  der  Mönch  von  einer 

—     152     — 


ACHTERBUCH  VIII 80 


Krankheit  genesen,  hat  sich  erst  vor  Kurzem  von 
seinem  Krankenlager  erhoben.  Und  er  denkt:  »Ich 
bin  da  von  meiner  Krankheit  genesen,  habe  mich  erst 
vor  Kurzem  von  meinem  Krankenlager  erhoben.  Nun 
ist  es  aber  möglich  daß  meine  Krankheit  von  neuem 
ausbrechen  wird.  So  will  ich  denn  vor  allen  Dingen 
mich  anstrengen,  um  das  Unerreichte  zu  erreichen, 
das  Unerrungene  zu  erringen,  das  Unverwirklichte  zu 
verwirklichen.«  Und  er  strengt  sich  an,  um  das  Uner- 
reichte zu  erreichen,  das  Unerrungene  zu  erringen, 
das  Unverwirklichte  zu  verwirklichen.  Das, 
ihr  Mönche,  ist  die  achte  Gelegenheit  zum  Stre- 
ben. Diese  acht  Gelegenheiten  zum  Streben  gibt  es 
ihr  Mönche. 


—     158 


VIII 82  SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 
NEUNTER    TEIL: 

Das  Kapitel  der  Achtsamkeit 

^1  Eines  aufs  Andere  gestützt 

Ist,  ihr  Mönche,  keine  Achtsamtceit  und  Geistes- 
klarheit da,  so  ist  in  dem  der  Achtsamkeit  und  Geistes- 
klarheit Entbehrenden  das  Schamgefühl  und  Gewissen 
ohne  Stütze.  Ist  aber  kein  Schamgefühl  und  Gewissen 
da,  so  ist  in  dem  des  Schamgefühls  und  Gewissens 
Entbehrenden  die  Sinnenzügelung  ohne  Stütze.  Ist 
aber  keine  Sinnenzügelung  da,  so  ist  in  dem  der 
Sinnenzügelung  Entbehrenden  die  Sittlichkeit  ohne 
Stütze.  Ist  aber  keine  Sittlichkeit  da,  so  ist  in  dem 
der  Sittlichkeit  Entbehrenden  die  rechte  Sammlung 
ohne  Stütze.  Ist  aber  keine  rechte  Sammlung  da,  so 
ist  in  dem  der  rechten  Sammlung  Entbehrenden  der 
wahrheitsgemäße  Erkenntnisblick  ohne  Stütze.  Ist 
aber  der  wahrheitsgemäße  Erkenntnisblick  nicht  da, 
so  ist  in  dem  des  wahrheitsgemäßen  Erkenntnisblickes 
Entbehrenden  der  Daseinsekel  und  die  Abwendung 
ohne  Stütze.  Ist  aber  kein  Daseinsekel  und  keine 
Abwendung  da,  so  ist  in  dem  des  Daseinsekels  und 
der  Abwendung  Entbehrenden  der  Erkenntnisblick 
der  Erlösung  ohne  Stütze.  — 

82  Der  bedingte  Vortrag  des  Vollendeten 

Der  ehrwürdige  Punniyo  sprach  zum  Erhabenen: 

,,Was  ist  wohl,  o  Ehrwürdiger,  die  Ursache,  was 
der  Grund,  daß  der  Vollendete  das  eine  Mal  das 
Gesetz  darlegt,  das  andere  Mal  aber  nicht?" 

—     154     — 


ACHTERBUCH  VHI 84 


„Ist  da,  Punniyo,  der  Mönch  voll  Vertrauen, 
kommt  aber  nicht  heran,  so  legt  eben  der  Vollendete 
das  Gesetz  nicht  dar.  Ist  aber,  Punniyo,  der  Mönch 
voll  Vertrauen  und  kommt  heran,  so  legt  eben  der 
Vollendete  das  Gesetz  dar. 

,,Ist  da,  Punniyo,  der  Mönch  voll  Vertrauen  und 
kommt  heran,  setzt  sich  aber  nicht  hin,  —  oder  setzt 
sich  hin,  stellt  aber  keine  Fragen,  —  oder  stellt  Fragen, 
leiht  aber  dem  Gesetze  kein  Gehör,  —  oder  leiht  dem 
Gesetze  Gehör,  prägt  sich  aber  nicht  die  vernommenen 
Gesetze  ein,  —  oder  prägt  sich  die  vernommenen 
Gesetze  ein,  erforscht  aber  nicht  deren  Sinn,  —  oder 
erforscht  deren  Sinn,  lebt  aber  nicht,  das  Gesetz  und 
seine  Auslegung  kennend,  dem  Gesetze  gemäß,  so  legt 
eben  der  Vollendete  das  Gesetz  nicht  dar. 

,,Ist  aber,  Punniyo,  der  Mönch  voll  Vertrauen, 
kommt  heran,  setzt  sich  hin,  stellt  Fragen,  leiht  dem 
Gesetze  Gehör,  prägt  sich  die  vernommenen  Gesetze 
ein,  erforscht  deren  Sinn  und  lebt,  das  Gesetz  und 
seine  Auslegung  kennend,  dem  Gesetze  gemäß,  so 
legt  eben  der  Vollendete  das  Gesetz  dar.  Wo  Punniyo 
diese  acht  Bedingungen  anzutreffen  sind,  da  legt  der 
Vollendete  auf  alle  Fälle  das  Gesetz  dar. 


Der  Räuber 

Der  Räuber,  ihr  Mönche,  der  acht  Eigenschaften 
besitzt,  kommt  schnell  zu  Falle,  hält  sich  nicht  lange: 
welche  acht? 

Ohne  daß  er  selber  geschlagen  wird  schlägt  er, 
nimmt  alles  ohne  Rest,  tötet  Frauen,  entehrt  Mäd- 
chen,  beraubt  Mönche,  vergreift  sich  an  königlichen 

—     155    - 


vmss  SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Schätzen,  verübt  seine  Taten  in  allzugroßer  Nähe  und 
versteht  sich  nicht  auf  das  Verbergen  seiner  Schätze. 
Der  Räuber,  ihr  Mönche,  der  diese  acht  Eigenschaften 
besitzt,  kommt  schnell  zu  Falle,  hält  sich  nicht  lange. 

Der  Räuber  aber,  ihr  Mönche,  der  folgende  acht 
Eigenschaften  besitzt,  kommt  nicht  schnell  zu  Falle 
und  hält  sich  lange:  welche  acht? 

Wird  er  selber  nicht  geschlagen,  so  schlägt  auch 
er  nicht;  er  nimmt  nicht  alles  ohne  Rest,  tötet  keine 
Frauen,  entehrt  nicht  die  Mädchen,  beraubt  nicht 
die  Mönche,  vergreift  sich  nicht  an  königlichen  Schät- 
zen, verübt  seine  Taten  nicht  in  allzugroßer  Nähe 
und  versteht  sich  auf  das  Verbergen  seiner  Schätze. 
Der  Räuber,  ihr  Mönche,  der  diese  acht  Eigenschaften 
besitzt,  kommt  nicht  schnell  zu  Falle  und  hält  sich 
lange. 


^  Der  Vollendete 

»Asket,  Priester,  Wissenskundiger,  Arzt,  Unbe- 
fleckter, Fleckenloser,  Erkenner,  Erlöser«:  das,  ihr 
Mönche,  sind  Bezeichnungen  für  den  Vollendeten, 
Heiligen,    Vollkommen    Erleuchteten. 

Was  immer  ein  Asket  erreicht, 
Ein  Priester,  der  ganz  ausgelebt, 
Was  da  ein  Wissenskundiger, 
Ein  Arzt  an  Höchstem  finden  mag, 

Was  da  ein  fleckenloser  Mensch 
Erringet,  rein  und  unbefleckt, 
Was  da  ein  Kenner,  ein  Erlöster 
An  Höchstem  sich  erringen  mag:  — 

—     156    - 


ACHTERBUCH  VIII 8» 


Als  Sieger  zog  ich  heim,  erlöst, 
Der  Andern  Fesseln  lös'  ich  nun. 
Ein  hoher  Held  bezähmt  bin  ich, 
Hab'  ausgekämpft  und  bin  erlöst. 

Das  Glück  der  Loslösung  se 

[Im    Icchänahgaler    Waldesdickicht] 
Der  Erhabene  zu  Nägito: 

—  „Wer  da  nicht,  Nägito,  wie  ich  dieses  Glückes 
der  Entsagung,  der  Loslösung,  des  Friedens  und  der 
Erleuchtung  nach  Wunsch,  ohne  Mühe  und  Anstren- 
gung, teilhaftig  wird,  den  mag  es  freilich  nach  jenem 
kotigen,  faulen  Glücke,  nach  der  Freude  an  Besitz, 
Ehre  und  Ruhm  gelüsten.  Auch  einige  unter  den 
Gottheiten  werden  dieses  Glückes  nicht  teilhaftig. 
Und  auch  euch,  Nägito,  die  ihr  euch  versammelt  habt 
und  dem  Leben  der  Geselligkeit  hingegeben  seid, 
kommt  der  Gedanke:  »Nicht  werden  wahrlich  diese 
Verehrten  wie  ich  dieses  Glückes  der  Entsagung,  der 
Loslösung,  des  Friedens  und  der  Erleuchtung  nach 
Wunsch,  ohne  Mühe  und  Anstrengung,  teilhaftig. 
Denn  diese  Verehrten  haben  sich  ja  versammelt  und 
sind  dem   Leben  der   Geselligkeit  hingegeben.« 

„Da,  Nägito,  bemerke  ich,  wie  Mönche  lachen 
und  sich  gegenseitig  mit  fingerdicken  Gerten  necken. 
Und  der  Gedanke  kommt  mir:  »Nicht  werden  wahrlich 
diese  Verehrten  wie  ich  dieses  Glückes  der  Entsagung, 
der  Loslösung,  des  Friedens  und  der  Erleuchtung  nach 
Wunsch,  ohne  Mühe  und  Anstrengung,  teilhaftig. 
Denn  jene  Verehrten  lachen,  ja  necken  sich  gegenseitig 
mit  fingerdicken  Gerten.« 

„Da,  Nägito,  bemerke  ich,  wie  Mönche,  nachdem 

-    157    - 


VIII 88  SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 


sie  sich  genügend  den  Bauch  mit  Speise  angefüllt 
haben,  Genuß  daran  finden,  sich  auszuruhen,  sich  auf 
die  Seite  zu  legen  und  einzuschlummern.  Und  der  Ge- 
danke kommt  mir:  «Nicht,  werden  wahrlich,  diese 
Verehrten  wie  ich  dieses  Glückes  der  Entsagung,  der 
Loslösung,  des  Friedens  und  der  Erleuchtung  nach 
Wunsch,  ohne  Mühe  und  Anstrengung,  teilhaftig. 
Denn  jene  Verehrten  finden  ja,  nachdem  sie  sich  ge- 
nügend den  Bauch  mit  Speise  angefüllt  haben,  Genuß 
daran,  sich  auszuruhen,  sich  auf  die  Seite  zu  legen  und 
einzuschlummern.« 

„Da,  Nägito,  bemerke  ich  einen  im  Dorfe  lebenden 
Mönch,  wie  er  gesammelt  dasitzt.  Ich  weiß  aber 
daß  jetzt  diesen  Verehrten  ein  Klosterdiener  oder  ein 
Mönchsschüler  stören  und  er  die  Sammlung  verlieren 
wird.  Darum,  Nägito,  bin  ich  mit  dem  Dorfaufent- 
halte dieses  Mönches  nicht  zufrieden. 

,,Da,  Nägito,  bemerke  ich  einen  im  Walde  leben- 
den Mönch,  wie  er  schläfrig  dasitzt.  Ich  weiß  aber, 
daß  der  Verehrte  die  Schläfrigkeit  und  Mattigkeit 
überwinden  und,  gesammelt,  bloß  noch  die  Vorstellung 
des  Waldes  als  alleinigen  Gegenstand  erwägen  wird. 
Darum,  Nägito,  bin  ich  mit  dem  Waldleben  dieses 
Mönches  zufrieden. 

„Da,  Nägito,  bemerke  ich  einen  im  Walde  leben- 
den Mönch,  wie  er  im  Walde  ungesammelt  dasitzt. 
Ich  aber  weiß,  daß  der  Verehrte  den  ungesammelten 
Geist  sammeln  und  den  gesammelten  Geist  behalten 
wird.  Darum,  Nägito,  bin  ich  mit  dem  Waldleben 
dieses  Mönches  zufrieden. 

,,Da,  Nägito,  bemerke  ich  einen  im  Walde  leben- 
den Mönch,  wie  er  im  Walde  gesammelt  dasitzt.     Ich 

-     158    - 


ACHTERBUCH  vm  87 


aber  weiß,  daß  nun  der  Verehrte  den  unbefreiten  Geist 
befreien  und  den  befreiten  Geist  behalten  wird.  Darum, 
Nägito,  bin  ich  mit  dem  Waldleben  dieses  Mönches 
zufrieden. 

,,Zu   einer  Zeit,   Nägito,   wo   ich   auf  der   Straße 
wandere   und   keinen   Menschen   vor   mir   und   hinter 
mir   sehe,   zu   einer   solchen   Zeit,    Nägito,   fühle    ich 
mich  wohl,  und  sei  es  bloß  beim  Verrichten  der  Not- 
durft." 


Das  Topfumstülpen  87 

Bei  einem  Anhänger,  ihr  Mönche,  bei  dem  acht 
Dinge  anzutreffen  sind,  mag  die  Mönchsgemeinde, 
wenn  sie  es  wünscht,  die  Almosenschale  umstülpen  (1). 
Welches  aber  sind  diese  acht  Dinge? 

Wenn  er  darauf  ausgeht,  Geschenke  an  die  Mönche 
zu  verhindern;  wenn  er  darauf  .ausgeht,  den  Mönchen 
zu  schaden;  wenn  er  darauf  ausgeht,  die  Mönche  am 
Wohnen  zu  verhindern;  wenn  er  die  Mönche  beschimpft 
und  verleumdet;  wenn  er  die  Mönche  untereinander 
entzweit;  wenn  er  schlecht  spricht  vom  Erleuchteten, 
schlecht  spricht  vom  Gesetze,  schlecht  spricht  von 
der  Jüngerschaft.  — 

Bei  einem  Anhänger  aber,  ihr  Mönche,  bei  dem 
folgende  acht  Dinge  anzutreffen  sind,  mag  die  Mönchs- 
gemeinde,  wenn   sie   es   wünscht,    die   Almosenschale 

(1)  Das  »Topfumstülpen«  ist  ein  bildlicher  Ausdruck  für 
eine  über  einen  weltlichen  Anhänger  auf  offiziellen  Beschluß  der 
Mönchsvereammlung  hin  verhängte  Strafe,  die  darin  besteht,  daß 
die  Mönche  nicht  mehr  zum  Hause  des  Betreffenden  um  Almosen 
gehen. 

—    159    — 


vm  88  SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

wieder    aufrichten.       Und    welches   sind     diese   acht 
Dinge? 

Wenn  er  nicht  darauf  ausgeht,  Geschenke  an  die 
Mönche  zu  verhindern;  wenn  er  nicht  darauf  ausgeht, 
den  Mönchen  zu  schaden;  wenn  er  nicht  darauf  aus- 
geht, die  Mönche  am  Wohnen  zu  verhindern;  wenn 
er    nicht    die    Mönche    beschimpft    und    verleumdet; 
wenn   er   nicht   die   Mönche   untereinander   entzweit; 
wenn   er  gut  spricht  vom   Erleuchteten,   gut  spricht 
vom  Gesetze,  gut  spricht  von  der  Jüngerschaft.  — 
Die  Mißachtung  kundtun 
Einem  Mönche,  ihr  Mönche,  bei  dem  acht  Dinge 
anzutreffen  sind,   mögen  die  Anhänger,  wenn  sie  es 
wünschen,  ihre  Mißachtung  bekunden  (1).     Welches 
aber  sind  diese  acht  Dinge? 

Wenn  er  darauf  ausgeht,  Geschenke  an  die  Haus- 
leute zu  verhindern;  wenn  er  darauf  ausgeht,  den 
Hausleuten  zu  schaden;  wenn  er  die  Hausleute  be- 
schimpft und  verleumdet;  wenn  er  die  Hausleute 
untereinander  entzweit;  wenn  er  schlecht  spricht  vom 
Erleuchteten,  schlecht  spricht  vom  Gesetze,  schlecht 
spricht  von  der  Jüngerschaft;  wenn  man  ihn  an  ver- 
botenen Plätzen  sieht.  — 

Einem  Mönche  aber,  ihr  Mönche,  bei  dem  folgende 
acht  Dinge  anzutreffen  sind,  mögen  die  Anhänger, 
wenn  sie  es  wünschen,  ihre  Achtung  bekunden.  Welches 
aber  sind  diese  acht  Dinge? 

Wenn  er  nicht  darauf  ausgeht,  Geschenke  an  die 
Hausleute  zu  verhindern;  wenn  er  nicht  darauf  aus- 
geht, den  Hausleuten  zu  schaden;  wenn  er  nicht  die 

(1)  Dadurch,  daß  sie  sich  in  seiner  Gegenwart  nicht  von  ihren 
Sitzen  erheben,  ihm  nicht  entgegenkommen  usw. 

-    160    - 


ACHTERBUCH  VIII 89 


Hausleute  beschimpft  und  verleumdet;  wenn  er  nicht 
die  Hausleute  untereinander  entzweit;  wenn  er  gut 
spricht  vom  Erleuchteten,  gut  spricht  vom  Gesetze, 
gut  spricht  von  der  Jüngerschaft;  wenn  man  ihn 
nicht  an  verbotenen  Plätzen  sieht.  — 

Der  Akt  des  Verzeihungerbittens  89 

Über  einen  Mönch,  ihr  Mönche,  bei  dem  acht 
Dinge  anzutreffen  sind,  mag  die  Mönchsgemeinde, 
wenn  sie  es  wünscht,  den  Akt  des  Verzeihungerbittens 
(patisäraniya-kamma)  verhängen.  Welches  sind  diese 
acht  Dinge? 

Wenn  er  darauf  ausgeht,  die  Hausleute  am  Ge- 
winne zu  verhindern;  wenn  er  darauf  ausgeht,  den 
Hausleuten  zu  schaden;  wenn  er  die  Hausleute  be- 
schimpft und  verleumdet;  wenn  er  die  Hausleute 
untereinander  entzweit;  wenn  er  schlecht  spricht  vom 
Erleuchteten,  schlecht  spricht  vom  Gesetze,  schlecht 
spricht  von  der  Jüngerschaft;  wenn  er  ein  den  Haus- 
ieuten gegebenes  rechtmäßiges  Versprechen  nicht 
hält.  — 

Bei  einem  Mönche,  ihr  Mönche,  bei  dem  folgende 
acht  Dinge  anzutreffen  sind,  mag  die  Mönchsgemeinde, 
wenn  sie  es  wünscht,  den  Akt  des  Verzeihungerbittens 
wieder  aufheben.  Welches  aber  sind  diese  acht  Dinge? 

Wenn  er  nicht  darauf  ausgeht,  die  Hausleute  am 
Gewinne  zu  verhindern;  wenn  er  nicht  darauf  aus- 
geht, den  Hausleuten  zu  schaden;  wenn  er  nicht  die 
Hausleute  beschimpft  und  verleumdet;  wenn  er  nicht 
die  Hausleute  untereinander  entzweit;  wenn  er  gut 
spricht  vom   Erleuchteten,  gut  spricht  vom   Gesetze, 

~     161     —  11 


Vm90  SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

gut  spricht  von  der  Jüngerschaft;  wenn  er  ein  den 
Hausleuten  gegebenes  rechtmäßiges  Versprechen 
hält.  — 

90  In  die  Acht  erklären 

Der  Mönch,  der  in  die  Acht  erklärt  ist,  soll  sich 
in  acht  Dingen  recht  verhalten:  er  soll  keine  Weihe 
(upasampadä)  erteilen,  keine  Vormundschaft  (nis- 
saya)  erteilen,  keinen  Novizen  (sämanera)  aufnehmen, 
keine  Ernennung  als  Ermahner  der  Nonnen  annehmen; 
hat  man  ihn  aber  bereits  dazu  ernannt,  so  soll  er  den 
Nonnen  keine  Ermahnungen  geben;  er  soll  keine 
Ernennung  durch  die  Ordensgemeinde  annehmen,  soll 
in  keinem  besonderen  Posten  eingesetzt  werden;  und 
nicht  soll  er  etwa  aus  diesem  Grunde  »Vergebung« 
(abbhäna)  finden. 

Erlöschung 

Zur  Erkennung  und  völligen  Durchschauung  von 
Gier,  ihr  Mönche,  von  Haß,  Verblendung,  Zorn,  Wut, 
Verkleinerungssucht,  Neid,  Geiz,  Gleisnerei,  Falsch- 
heit, Hartnäckigkeit,  Heftigkeit,  Dünkel,  Hochmut, 
Eitelkeit  und  Nachlässigkeit  und  zu  dieser  Dinge 
völligen  Vernichtung,  Überwindung,  Versiegung,  Er- 
löschung, Abwendung,  Zerstörung,  Entsagung  und 
Loslösung  hat  man  acht  Dinge  zu  entfalten:  welche 
acht? 

Rechte  Erkenntnis,  rechte  Gesinnung,  rechte 
Worte,  rechte  Werke,  rechtes  Leben,  rechtes  Streben, 
rechte  Achtsamkeit  und  rechte  Sammlung.  — 

Ende  des  Achterbuches 


—     162 


NEUNERBUCH  IX 1 


Das  Neunerbuch 


ERSTER    TEIL: 

Das  Kapitel  der  Erleuchtung 

Die  Grundlagen  der  Erleuchtung 

[Im  Jetahaine  bei  Sävatthi] 

—  Sollten  da,  ihr  Mönche,  andersgläubige  Pilger 
euch  fragen,  was  wohl  die  Entfaltung  der  zur  Erleuch- 
tung führenden  Erscheinungen  zur  Grundlage  habe, 
so  habt  ihr  da,  ihr  Mönche,  jenen  andersgläubigen 
Pilgern  also  zu  erwidern: 

»Da,  ihr  Brüder,  hat  der  Mönch  edlen  Umgang, 
edle  Gefährten,  edle  Genossen.  Das,  ihr  Bruder, 
ist  die  erste  Grundlage. 

»Fernerhin,  ihr  Brüder,  ist  der  Mönch  sitten- 
rein, lebt  gezügelt  im  Sinne  der  Ordenssatzung,  ist 
vollkommen  im  Wandel  und  Umgang;  und  vor  den 
geringsten  Vergehen  sich  scheuend  übt  er  sich  in 
den  auf  sich  genommenen  Übungsregeln.  Das,  ihr 
Brüder,  ist  die  zweite  Grundlage. 

»Fernerhin,  ihr  Brüder:  was  da  diese  läuternden, 
für  die  geistige  Entfaltung  so  heilsamen  Belehrungen 
betrifft,  als  wie  Belehrungen  über  Bedürfnislosig- 
keit, Zufriedenheit,  Einsamkeit,  Abgeschiedenheit, 
Willenskraft,  Sittlichkeit,  Sammlung,  Einsicht,  Er- 
lösung und  den  Erkenntnisblick  der   Erlösung:  — 

—     163     —  11* 


IX 1       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

alle  solche  Belehrungen  werden  ihm  auf  Wunsch 
zuteil,  ohne  Mühe  und  Anstrengung.  Das,  ihr  Brüder, 
ist  die  dritte  Grundlage. 

»Fernerhin,  ihr  Brüder,  setzt  der  Mönch  seinen 
Willen  daran,  die  schuldvollen  Dinge  zu  überwinden, 
die    verdienstvollen    Dinge    aber    zu    erwecken,    ist 
standhaft,  von  gestählter  Kraft,  nicht  nachlässig  im 
Guten.     Das,  ihr  Brüder,  ist  die  vierte  Grundlage. 
»Fernerhin,   ihr   Brüder,   ist  der  Mönch  weise; 
er  besitzt  Einsicht  in  das  Entstehen  und  Vergehen, 
edle,  durchdringende,  zu  völliger  Leidensvernichtung 
führende.   Das,  ihr  Brüder,  ist  die  fünfte  Grundlage.« 
Bei   einem  Mönche   nämlich,   der   edlen   Umgang 
hat,  edle  Gefährten,  edle  Genossen,  da,  ihr  Mönche, 
steht  zu  erwarten,  daß  er  sittenrein    und  gezügelt  im 
Sinne  der  Ordenssatzung  leben  wird,  —  daß  ihm  jene 
läuternden,  für  die  geistige   Entfaltung  so  heilsamen 
Belehrungen  zuteil  werden,  —  daß  er  seine  Willenskraft 
einsetzen  wird,    um  die  schuldvollen  Dinge    zu  über- 
winden,   die   verdienstvollen   Dinge   zu    erwecken,   — 
daß  er  weise  sein  und  Einsicht  besitzen  wird  in  das 
Entstehen    und    Vergehen,    edle,    durchdringende,    zu 
völliger  Leidensvernichtung  führende. 

Ist  nun  aber,  ihr  Mönche,  der  Mönch  in  diesen 
fünf  Dingen  gefestigt,  so  hat  er  außerdem  noch  vier 
weitere  Dinge  zu  entfalten:  —  die  Vorstellung  von  der 
Unreinheit  hat  er  zu  entfalten  zur  Überkommung  der 
Gier;  die  Liebe  hat  er  zu  entfalten  zur  Überkommung 
des  Übelwollens;  die  Achtsamkeit  bei  Ein-  und  Aus- 
atmung hat  er  zu  entfalten  zur  Unterdrückung  der 
Gedanken;  die  Vorstellung  der  Vergänglichkeit  hat  er 
zu  entfalten  zur  Ausrottung  des  Ichdünkels.     Bei  der 

—     164    — 


NEUNERBUCH  X 12 


Vorstellung  der  Vergänglichkeit  nämlich,  ihr  Mönche, 
festigt  sich  im  Mönche  die  Vorstellung  der  Wesenlosig- 
keit;  und  die  Wesenlosigkeit  betrachtend  erreicht  er 
die  Ausrottung  des  Ichdünkels  und  gewinnt  noch  bei 
Lebzeiten  das  Nirwahn. 

Vollkommen  gestützt 

Einer  der  Mönche  sprach  zum  Erhabenen: 

„Man  spricht  da,  o  Ehrwürdiger,  von  einem  »voll- 
kommenen Gestütztsein«.  Inwiefern  aber,  o  Ehr- 
würdiger, ist  der  Mönch  vollkommen  gestützt?" 

„Wenn  da,  o  Mönch,  der  Mönch,  auf  Vertrauen 
gestützt,  das  Schuldvolle  überkommt  und  das  Ver- 
dienstvolle entfaltet,  so  ist  in  ihm  eben  jenes  Schuld- 
volle überkommen.  Wenn  er,  auf  Schamgefühl  ge- 
stützt, —  auf  sein  Gewissen  gestützt,  —  auf  Willens- 
kraft gestützt,  —  auf  Einsicht  gestützt,  das  Schuld- 
volle überkommt  und  das  Verdienstvolle  entfaltet, 
so  ist  in  ihm  eben  jenes  Schuldvolle  überkommen. 
Denn  das  Schuldvolle,  das  ein  solcher  Mönch,  mit 
heiliger  Einsicht  erkennend,  überkommen  hat,  das  hat 
er  eben  überkommen,  gründlich  überkommen.  Ist 
aber,  o  Mönch,  jener  Mönch  in  diesen  fünf  Dingen  ge- 
festigt, dann  soll  er  auf  vier  Dinge  gestützt  verweilen: 
auf  welche  vier? 

„Da,  0  Mönch,  macht  der  Mönch  bedachtsam 
von  dem  einen  Dinge  Gebrauch  (1);  bedachtsam  er- 
duldet er  das  eine  (2);  bedachtsam  vermeidet  er  das 

(1)  Nämlich  von  Gewand,  Nalirung,  Wolmstätte  und  Arznei. 

(2)  Nämlich   körperliche    Schmerzen,    Beleidigungen    usw. 

—     165     — 


1X3       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

eine  (1);  bedachtsam  vertreibt  er  das  eine  (2).  Auf 
diese  Weise,  o  Mönch,  ist  der  Mönch  vollkommen  ge- 
stützt." 


3  Die  Grundlagen  des  Fortschrittes 

Einst  weilte  der  Erhabene  bei  Cälikä  auf  dem 
Cäliyaberge  (3).  Zu  jener  Zeit  aber  war  der  ehrwürdige 
Meghiyo  der  Begleiter  des  Erhabenen.  Und  der  ehr- 
würdige Meghiyo  begab  sich  zum  Erhabenen,  begrüßte 
ihn  ehrfurchtsvoll  und  stellte  sich  zur  Seite  hin.  Zur 
Zeite  aber  stehend  sprach  der  ehrwürdige  Meghiyo 
also  zum  Erhabenen: 

„Ich  möchte,  o  Ehrwürdiger,  nach  Jantugäma  (4) 
um  Almosen  gehen." 

„Wie  es  dir  beliebt,  Meghiyo." 

Und  der  ehrwürdige  Meghiyo  kleidete  sich  in  der 
Frühe  an,  nahm  Schale  und  Gewand  und  begab  sich 
nach  Jantugäma  um  Almosen.  Nachdem  er  in  Jantu- 
gäma seinen  Almosengang  beendet  hatte  und  zurück- 
gekehrt war,  begab  er  sich  nach  dem  Mahle  zum  Strande 
des  Kimikäläflusses.  Während  er  aber  am  Ufer  des 
Kimikäläflusses  hin  und  her  wanderte,  bemerkte  er 
einen  anmutigen,  entzückenden  Mangohain.  Bei  seinem 
Anblicke  dachte  er:  »Gar  anmutig  ist  wahrlich  dieser 
Mangohain,  entzückend,  fürwahr  für  einen  strebenden 
edlen  Jüngling  der  rechte  Ort  zum  Streben.    Wenn  es 

(1)  Nämlich  das,  was  ihn  geistig  oder  körperlich  gefährdet. 

(2)  Nämlich  üble  Gedanken  und  Leidenschaften. 

(3)  In  dem  dort  errichteten,  großen  Kloster,  sagt  der  Kom- 
men tar. 

(4)  D.  i.  dem  bei  dem  Kloster  gelegenen  Dorfe. 

-     _     166     — 


NEUNERBGCH  1X3 


mir  der  Erhabene  gestattet,  will  ich  zu  diesem  Mango- 
haine  zurückl<ehren.« 

Und  der  ehrwürdige  Meghiyo  begab  sich  zum  Er- 
habenen, begrüßte  ihn  ehrfurchtsvoll  und  setzte  sich 
zur  Seite  nieder.  Zur  Seite  aber  sitzend  sprach  der 
ehrwürdige  Meghiyo  also  zum  Erhabenen: 

,, Während  ich  da,  o  Ehrwürdiger,  am  Ufer  des 
Kimikäläflusses  hin  und  her  wanderte,  bemerkte  ich 
einen  anmutigen,  entzückenden  Mangohain.  Bei  seinem 
Anblicke  dachte  ich:  »Gar  anmutig  ist  wahrlich  dieser 
Mangohain,  entzückend,  fürwahr,  für  einen  strebenden 
edlen  Jüngling  der  rechte  Ort  zum  Streben.  Wenn 
es  mir  der  Erhabene  gestattet,  will  ich  zu  diesem  Mango- 
haine  zurückkehren.«" 

Auf  diese  Worte  sprach  der  Erhabene  zum  ehr- 
würdigen Meghiyo: 

,, Warte  noch,  Meghiyo!  Wir  sind  hier  ganz  allein. 
Möge  erst  noch  ein  anderer  Mönch  kommen!"  (1) 

Und  zum  zeitenmale  wandte  sich  der  ehrwürdige 
Meghiyo  an  den  Erhabenen: 

,  Nicht  hat  ja,  o  Ehrwürdiger,  der  Erhabene  noch 
irgend  etwas  Weiteres  zu  erwirken  oder  etwas  Erwirktes 
zu  entfalten.  Ich  aber,  o  Ehrwürdiger,  habe  noch 
Weiteres  zu  erwirken  und  Erwirktes  zu  entfalten. 
Wenn  mir  der  Erhabene  gestattet,  möchte  ich  mich 
zu  jenem  Mangohaine  hinbegeben,  um  zu  kämpfen." 

,, Warte  noch,  Meghiyo!  Wir  sind  hier  ganz  allein. 
Möge  erst  noch  ein  anderer  Mönch  kommen." 

(1)  Nach  der  Erklärung  des  Kommentars,  sagt  dies  der  Erhabene 
bloß,  um  das  Gemüt  des  Mönches  weich  zu  machen,  damit,  selbst 
wenn  er  geht  und  sein  Ziel  nicht  erreicht,  aus  Anhänglichkeit  wieder 
zurückkehre. 


167     — 


1X3       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN    

Und  zum  drittenmale  wandte  sich  der  ehrwürdige 
Meghiyo  an  den  Erhabenen: 

„Nicht  hat  ja,  o  Ehrwürdiger,  der  Erhabene  noch 
irgend  etwas  Weiteres  zu  erwirken  oder  etwas  Er- 
wirktes zu  entfalten.  Ich  aber,  o  Ehrwürdiger,  habe 
noch  Weiteres  zu  erwirken  und  Erwirktes  zu  ent- 
falten. Wenn  mir  der  Erhabene  gestattet,  möchte  ich 
mich  zu  jenemMangohaine  hinbegeben, um  zu  kämpfen." 

,,Was  soll  ich  dir  da  noch  weiter  erwidern,  der  du 
vom  Kämpfen  redest?  Wie  es  dir  also,  Meghiyo,  be- 
lieben mag." 

Und  der  ehrwürdige  Meghiyo  erhob  sich  von  seinem 
Sitze,  begrüßte  ehrfurchtsvoll  den  Erhabenen,  und 
ihm  die  Rechte  zukehrend,  begab  er  sich  zu  jenem 
Mangohaine.  Dort  angelangt  ging  er  tief  in  jenen 
Mangohain  hinein  und  setzte  sich  am  Fuße  eines 
Baumes  nieder,  um  dort  den  Tag  zu  verbringen.  Wäh- 
rend aber  der  ehrwürdige  Meghiyo  in  jenem  Mango- 
haine verweilte,  traten  häufig  drei  üble,  schuldvolle 
Gedanken  an  ihn  heran,  Gedanken  der  Sinnlichkeit, 
des  Übelwollens  und  der  Bosheit.  »Wahrlich,  sonder- 
bar ist  es  doch,  erstaunlich  ist  es  doch,«  dachte  da  der 
ehrwürdige  Meghiyo,  »daß  mir,  der  ich  voll  Vertrauen 
von  Hause  in  die  Hauslosigkeit  gezogen  bin,  noch 
diese  drei  üblen,  schuldvollen  Gedanken  anhaften.« 

Und  der  ehrwürdige  Meghiyo  begab  sich  zum  Er- 
habenen und  sprach: 

,, Während  ich  da,  o  Ehrwürdiger,  in  jenem  Mago- 
haine  verweilte,  traten  häufig  drei  üble,  schuldvolle 
Gedanken  an  mich  heran,  Gedanken  der  Sinnlichkeit, 
des  Übelwollens  und  der  Bosheit.  Da  dachte  ich :  »Wahr- 
lich, sonderbar  ist  es  doch,  erstaunlich  ist  es  doch,  daß 

—     168     — 


NEUNERBUCH  1X3 


mir,  der  ich  voll  Vertrauen  von  Hause  in  die  Haus- 
losigkeit  gezogen  bin,  noch  diese  drei  üblen,  schuld- 
vollen Gedanken  anhaften.«" 

„Fünf  Dinge,  Meghiyo, führen  die  noch  nicht  völlig 
reife  Gemütserlösung  zur  völligen  Reife:  welche  fünf? 

„Da,  Meghiyo,  hat  der  Mönch  edlen  Umgang,  edle 
Gefährten,  edle  Genossen.  Dies,  Meghiyo,  ist  die  erste 
Bedingung,  welche  die  noch  nicht  völlig  reife  Gemüts- 
erlösung zur  völligen  Reife  führt. 

„Fernerhin,  Meghiyo,  ist  der  Mönch  sittenrein 
und  lebt  gezügelt  im  Sinne  der  Ordenssatzung.  — 
Jene  läuternden,  für  die  geistige  Entfaltung  so  heil- 
samen Belehrungen  werden  ihm  zuteil.  —  Er  setzt 
seine  Willenskraft  ein,  um  die  schuldvollen  Dinge  zu 
überwinden,  die  verdienstvollen  Dinge  aber  zu  er- 
wecken. —  Er  ist  weise  und  besitzt  Einsicht  in  das  Ent- 
stehen und  Vergehen,  edle,  durchdringende,  zu  völliger 
Leidensvernichtung  führende.  Dies,  Meghiyo,  ist  die 
fünfte  Bedingung,  welche  die  noch  nicht  völlig  reife 
Gemütserlösung  zur  völligen  Reife  führt. 

„Bei  einem  Mönche  aber,  Meghiyo,  der  edlen  Um- 
gang hat,  edle  Gefährten,  edle  Genossen,  da  steht  zu 
erwarten,  daß  er  sittenrein  und  gezügelt  im  Sinne  der 
Ordenssatzung  leben  wird,  —  daß  ihm  jene  läuternden, 
für  die  geistige  Entfaltung  so  heilsamen  Belehrungen 
zuteil  werden,  —  daß  er  seine  Willenskraft  einsetzen 
wird,  um  die  schuldvollen  Dinge  zu  überwinden,  die 
verdienstvollen  Dinge  aber  zu  erwecken,  —  daß  er 
weise  sein  und  Einsicht  besitzen  wird  in  das  Entstehen 
und  Vergehen, edle,  durchdringende,  zu  völliger  Leidens- 
vernichtung führende. 

„Ist  nun  aber,  Meghiyo,  der  Mönch  in  diesen  fünf 

—     169     — 


1X4        SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Dingen  gefestigt,  so  hat  er  außerdem  noch  vier  weitere 
Dinge  zu  entfalten:  —  die  Vorstellung  von  der  Unrein- 
heit hat  er  zu  entfalten  zur  Überkommung  der  Gier; 
die  Liebe  hat  er  zu  entfalten  zu  Überkommung  des 
Übelwollens;  die  Achtsamkeit  auf  Ein-  und  Aus- 
atmung hat  er  zu  entfalten  zur  Unterdrückung  der 
Gedanken;  die  Vorstellung  der  Vergänglichkeit 
hat  er  zu  entfalten  zur  Ausrottung  des  Ichdünkels. 
Bei  der  Vorstellung  der  Vergänglichkeit  nämlich, 
Meghiyo,  festigt  sich  im  Mönche  die  Vorstellung  der 
Wesenlosigkeit;  und  die  Wesenlosigkeit  betrachtend 
erreicht  er  die  Ausrottung  des  Ichdünkels  und  gewinnt 
noch  bei  Lebzeiten  das  Nirwahn." 


Die  Segnungen  des  Vortrages 

Einst  weilte  der  Erhabene  im  Jetahaine  bei  Sä- 
vatthi,  im  Kloster  des  Anäthapindiko.  Damals  gerade 
unterwies  der  ehrwürdige  Nandako  in  der  Empfangs- 
halle die  Mönche  in  Worten  über  das  Gesetz,  ermahnte, 
ermutigte  und  ermunterte  sie. 

Am  Abende  aber  trat  der  Erhabene  aus  seiner 
Abgeschiedenheit  hervor  und  begab  sich  zur  Emp- 
fangshalle. Dort  angelangt  blieb  er  im  Toreingange 
stehen,  um  das  Ende  der  Rede  abzuwarten.  Sobald 
er  aber  bemerkte,  daß  die  Rede  zu  Ende  war,  räusperte 
er  sich  und  klopfte  an  das  Tor.  Und  es  öffneten  die 
Mönche  dem  Erhabenen  das  Tor.  Darauf  trat  der  Er- 
habene in  die  Empfangshalle  ein  und  setzte  sich  auf 
dem  angebotenen  Sitze  nieder.  Als  er  sich  aber  ge- 
setzt hatte,  sprach  er  zum  ehrwürdigen  Nandako: 

,,Lang,   0  Nandako,   war  dieser  dein  Gesetzesvor- 

—     170     — 


NEUNERBUCH  1X4 


trag,  den  du  den  Mönchen  gehalten  hast.  Ja,  der 
Rücken  tat  mir  weh,  als  ich  im  Toreingange  stand  und 
das  Ende   der  Rede  abwartete." 

Auf  diese  Worte  sprach  der  ehrwürdige  Nandako 
mit  schüchterner  Miene  also  zum  Erhabenen: 

,, Nicht  wußte  ich,  o  Ehrwürdiger,  daß  der  Er- 
habene im  Toreingange  stand;  denn,  hätte  ich  das  ge- 
wußt^ so  hätte  ich  nicht  lange  gesprochen." 

Der  Erhabene  aber,  der  die  schüchterne  Miene 
des  ehrwürdigen  Nandako  bemerkte,  sprach  zu  ihm: 

,, Recht  so,  recht  so,  Nandako!  Gut  steht  es  auch 
edlen  Jünglingen  an,  die  ihr  voll  Vertrauen  von  Hause 
in  die  Hauslosigkeit  gezogen  seid,  daß  ihr  im  Gespräch 
über  das  Gesetz  zusammensitzt.  Denn,  kommt  ihr 
zusammen,  Nandako,  so  mögt  ihr  zweierlei  beobachten: 
entweder  Gespräch  über  das  Gesetz  oder  heiliges 
Schweigen. 

,,Ist  da,  Nandako,  der  Mönch  voll  Vertrauen  aber 
ohne  Sittlichkeit,  so  ist  er  eben  in  dieser  Eigenschaft 
noch  unvollkommen.  Diese  Eigenschaft  muß  er  daher 
zur  Vollkommenheit  bringen  und  danach  trachten: 
»Ach,  möchte  ich  doch  neben  dem  Vertrauen  auch  noch 
Sittlichkeit  besitzen!«  Wenn  aber,  Nandako,  der 
Mönch  neben  dem  Vertrauen  auch  noch  Sittlichkeit 
besitzt,  so  ist  er  eben  in  dieser  Eigenschaft  vollkommen. 

,,Ist  da,  Nandako,  der  Mönch  voll  Vertrauen  und 
Sittlichkeit,  nicht  aber  im  Besitze  der  inneren  Ge- 
mütsruhe, so  ist  er  eben  in  dieser  Eigenschaft  noch 
unvollkommen.  Diese  Eigenschaft  muß  er  daher  zur 
Vollkommenheit  bringen  und  danach  trachten:  »Ach, 
möchte  ich  doch  neben  dem  Vertrauen  und  der  Sittlich- 
keit   auch    noch    die    innere    Gemütsruhe    besitzen  !<. 


—     171     — 


1X4       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Wenn  aber,  Nandako,  der  Mönch  neben  dem  Vertrauen 
und  der  Sittlichkeit  auch  noch  die  innere  Gemütsruhe 
besitzt,  so  ist  er  eben  in  dieser  Eigenschaft  vollkommen. 

„Ist  da,  Nandako,  der  Mönch  voll  Vertrauen  und 
Sittlichkeit  und  im  Besitze  der  inneren  Gemütsruhe, 
nicht  aber  im  Besitze  des  hohen  Wissens  des  Wahr- 
heitshellblickes, so  ist  er  eben  in  dieser  Eigenschaft 
noch  unvolkommen. 

„Wenn  da,  Nandako,  ein  vierfüßiges  Tier  einen 
verkümmerten,  häßlichen  Fuß  besitzt,  so  ist  es  eben 
hinsichtlich  jenes  Gliedes  unvollkommen;  ebenso  auch, 
Nandako,  ist  der  Mönch,  der  Vertrauen,  Sittlichkeit 
und  die  innere  Gemütsruhe  besitzt,  nicht  aber  das  hohe 
Wissen  des  Wahrheitshellblickes  eben,  in  dieser  Eigen- 
schaft noch  unvollkommen.  Diese  Eigenschaft  muß 
er  daher  zur  Vollkommenheit  bringen  und  danach 
trachten:  »>Ach,  möchte  ich  doch  neben  dem  Vertrauen, 
der  Sittlichkeit  und  der  inneren  Gemütsruhe  auch  noch 
das  hohe  Wissen  des  Wahrheitshellblickes  besitzen!« 
Wenn  aber,  Nandako,  der  Mönch  neben  dem  Vertrauen, 
der  Sittlichkeit  und  der  inneren  Gemütsruhe  auch  noch 
das  hohe  Wissen  des  Wahrheitshellblickes  besitzt,  so 
ist  er  eben  in  dieser   Eigenschaft  vollkommen." 

Dies  sprach  der  Erhabene.  Und  nach  diesen  Worten 
erhob  sich  der  Erhabene  von  seinem  Sitze  und  begab 
sich  in  seine  Zelle.  Kaum  war  jedoch  der  Erhabene 
gegangen,  als  der  ehrwürdige  Nandako  sich  zu  den 
Mönchen  wandte  und  sprach:    ■ 

„Da,  ihr  Brüder,  hat  der  Erhabene  in  vier  Sätzen 
den  ganz  und  gar  vollkommenen,  geklärten  Heiligen 
Wandel  dargelegt,  hat  sich  darauf  von  seinem  Sitze 
erhoben  und  sich  in  seine  Zelle  begeben. 

—     172     — 


NEUNERBUCH  1X4 


„Folgende  fünf  Segnungen,  ihr  Brüder,  gewährt 
das  rechtzeitige  Hören  und  Besprechen  des  Gesetzes: 
welche  fünf? 

„Da,  ihr  Brüder,  weist  der  Mönch  den  Mönchen 
das  Gesetz,  das  im  Anfang  erhabene,  in  der  Mitte  er- 
habene und  am  Ende  erhabene,  dem  Sinne  wie  dem 
Wortlaute  nach,  verkündet  ein  ganz  und  gar  voll- 
kommenes, geläutertes  Heiliges  Leben.  Wenn  aber  der 
Mönch,  ihr  Brüder,  den  Mönchen  das  Gesetz  darlegt, 
so  ist  er  dem  Meister  lieb  und  angenehm,  wird  von  ihm 
geachtet  und  geehrt.  Dies  ihr  Brüder,  ist  die  erste 
Segnung  des  rechtzeitigen  Hörens  und  Besprechens 
des  Gesetzes. 

—  ,,Wenn  der  Mönch,  ihr  Brüder,  den  Mönchen 
das  Gesetz  darlegt,  so  empfindet  er  das  Gesetz  und  seine 
Auslegung.  Dies,  ihr  Brüder,  ist  die  zweite  Segnung 
des  rechtzeitigen  Hörens  und  Besprechens  des  Gesetzes. 

—  ,,Wenn  der  Mönch,  ihr  Brüder,  den  Mönchen  das 
Gesetz  darlegt,  so  durchdringt  und  erkennt  er  weise 
die  tiefsinnigen  Punkte  in  diesem  Gesetze.  Dies,  ihr 
Brüder,  ist  die  dritte  Segnung  des/echtzeitigen  Hörens 
und  Besprechens  des  Gesetzes. 

—  ,,Wenn  der  Mönch,  ihr  Brüder,  den  Mönchen 
das  Gesetz  darlegt,  so  schätzen  ihn  seine  Ordensbrüder 
umso  höher,  denkend:  »Sicher,  hat  dieser  Ehrwürdige 
das  Ziel  erreicht  oder  wird  es  erreichen«.  Dies,  ihr 
Brüder,  ist  die  vierte  Segnung  des  rechtzeitigen  Hörens 
und  Besprechens  des  Gesetzes. 

—  ,,Wenn  der  Mönch,  ihr  Brüder,  den  Mönchen 
das  Gesetz  darlegt,  so  strengen  da  diejenigen  unter 
den  Mönchen,  die  noch  Kämpfer  sind,  die  Erlösung 
noch  ^nicht  erreicht  haben  und  nach  der  unvergleich- 


173 


1X5        SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

liehen  Sicherheit  streben,  nach  dem  Vernehmen  jenes 
Gesetzes  ihre  Willenskraft  an,  um  das  noch  Unerreichte 
zu  erreichen,  das  noch  Unerrungene  zu  erringen,  das 
noch  Unverwirklichte  zu  verwirklichen.  Diejenigen 
unter  den  Mönchen  aber,  die  da  bereits  Heilige  sind. 
Fleckenerlöste,  von  den  Leidenschaften  Erlöste,  Ausge- 
lebte, die  ihr  Werk  vollendet,  die  Bürde  von  sich  ge- 
worfen und  ihr  eigenes  Heil  erreicht  haben,  von  den 
Fesseln  des  Daseins  befreit  sind  und  in  höchstem  Wissen 
erlöst,  diese  geben  sich  nach  dem  Vernehmen  jenes 
Gesetzes  ganz  ihrem  gegenwärtigen  Glücke  hin.  Dies, 
ihr  Brüder,  ist  die  fünfte  Segnung  des  rechtzeitigen 
Hörens  und  Besprechens  des  Gesetzes. 

,, Diese  fünf  Segnungen,  ihr  Brüder,  gewährt  das 
rechtzeitige  Hören  und   Besprechen  des  Gesetzes." 

Von  fünffacher  Furcht  befreit 

Folgende  vier  Kräfte  gibt  es,  ihr  Mönche:  welche 
vier?  Die  Kraft  der  Einsicht,  die  Kraft  des  Willens, 
die  Kraft  der  Untadeligkeit  und  die  Kraft  der  Gunst. 

Was  aber,  ihr  Mönche,  ist  die  Kraft  der  Einsicht? 
Alle  die  verdienstvollen,  als  verdienstvoll  geltenden 
Erscheinungen  und  alle  die  schuldvollen,  als  schuldvoll 
geltenden  Erscheinungen,  alle  die  tadeligen,  als  tadelig 
geltenden  Erscheinungen  und  alle  die  untadeligen,  als 
untadelig  geltenden  Erscheinungen,  alle  die  lichten, 
als  licht  geltenden  Erscheinungen  und  alle  die  finstern, 
als  finster  geltenden  Erscheinungen,  alle  die  gewinnens- 
werten, als  gewinnenswert  geltenden  Erscheinungen 
und  alle  die  meidenswerten,  als  meidenswert  geltenden 
Erscheinungen,   alle  die  vollkommen   edlen,   als  voll- 

—     174    — 


NEUNERBUCH  1X5 


kommen  edel  geltenden  Erscheinungen  und  alle  die 
nicht  vollkommen  edlen,  als  nicht  vollkommen  edel 
geltenden  Erscheinungen:  alle  diese  Erscheinungen  in 
Einsicht  wohl  erkannt  und  erwogen  zu  haben,  das, 
ihr  Mönche,  nennt  man  die  Kraft  der  Einsicht. 

Was  aber,  ihr  Mönche,  ist  die  Kraft  des  Willens? 
Wenn  man  seinen  Willen  weckt,  sich  aufrafft,  seine 
Tatkraft  einsetzt,  seinen  Geist  anstrengt  und  kämpft, 
um  alle  die  schuldvollen,  tadeligen,  finsteren,  meidens- 
werten,  nicht  völlig  edlen,  als  nicht  völlig  edel  geltenden 
Erscheinungen  zu  überkommen;  und  wenn  man  seinen 
Willen  weckt,  sich  aufrafft,  seine  Tatkraft  einsetzt, 
seinen  Geist  anstrengt  und  kämpft,  um  alle  die  ver- 
dienstvollen, untadeligen,  lichten,  gewinnenswerten, 
völlig  edlen,  als  völlig  edel  geltenden  Erscheinungen  zu 
entfalten:  das,  ihr  Mönche,  nennt  man  die  Kraft  des 
Willens. 

Was  aber,  ihr  Mönche,  ist  die  Kraft  der  Untade- 
ligkeit? Da,  ihr  Mönche,  ist  der  edle  Hörer  ausge- 
stattet mit  untadeliger  Tat  in  Werken,  mit  untadeliger 
Tat  in  Worten,  mit  untadeliger  Tat  in  Gedanken. 
Das,  ihr  Mönche,  nennt  man  die  Kraft  der  Untade- 
lichkeit. 

Was  aber,  ihr  Mönch.e,  ist  die  Kraft  der  Gunst? 
Folgende  vier  Arten  der  Gunst  gibt  es,  ihr  Mönche: 
Gaben,  liebevolle  Rede,  heilsamen  Ratschlag  und 
Gleichheitsbezeigung.  Die  edelste  der  Gaben  aber, 
ihr  Mönche,  ist  die  Gabe  des  Gesetzes.  Die  edelste 
der  liebevollen  Reden,  ihr  Mönche,  ist,  dem  danach 
Verlangenden  und  Gehörschenkenden  immer  wieder 
das  Gesetz  weisen.  Der  edelste  Ratschlag,  ihr  Mönche, 
ist,  den  Vertrauenslosen  zu  Gewinnung  des  Vertrauens 

—    175    — 


1X8       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

ermutigen  und  darin  stärken  und  festigen,  den  Sitten- 
losen zur  Gewinnung  der  Sittlichkeit  ermutigen  und 
darin  stärken  und  festigen,  den  Geizigen  zur  Gewinnung 
der  Freigebigkeit  ermutigen  und  darin  stärken  und 
festigen,  den  Einsichtslosen  zur  Gewinnung  der  Ein- 
sicht ermutigen  und  darin  stärken  und  festigen.  Die 
edelste  Gleichheitsbezeigung,  ihr  Mönche,  ist,  sich 
als  Stromeingetretener  einem  Stromeingetretenen  gleich 
erweisen,  sich  als  Einmalwiederkehrender  einem  Ein- 
malwiederkehrenden gleich  erweisen,  sich  als  Nie- 
wiederkehrender einem  Niewiederkehrenden  gleicher- 
weisen, sich  als  Heiliger  einem  Heiligen  gleich  erweisen. 
Das,  ihr  Mönche,  nennt  man  die  Kraft  der  Gunst. 

Diese  vier  Kräfte  gibt  es,  ihr  Mönche.  Der  mit 
diesen  vier  Kräften  begabte  edle  Jünger  aber,  ihr 
Mönche,  hat  fünf  Arten  der  Furcht  überkommen: 
welche  fünf?  Furcht  wegen  der  Lebensweise,  Furcht 
vor  üblem  Rufe,  Menschenfurcht,  Todesfurcht  und 
Furcht  vor  leidvoller  Wiedergeburt. 

Jener  edle  Jünger  aber,  ihr  Mönche,  denkt  bei 
sich:  »Keine  Furcht  habe  ich  wegen  meiner  Lebens- 
weise, keine  Furcht  vor  üblem  Rufe,  keine  Menschen- 
furcht, keine  Todesfurcht,  keine  Furcht  vor  leidvoller 
Wiedergeburt.  Ich  besitze  ja  vier  Kräfte:  die  Kraft 
der  Einsicht,  die  Kraft  des  Willens,  die  Kraft  der  Un- 
tadeligkeit und  die  Kraft  der  Gunst.  Fürchten,  frei- 
lich, mag  sich  der  Einsichtslose,  der  Träge,  der  mit 
tadeligen  Taten  in  Werken,  Worten  und  Gedanken 
Behaftete   und   der    Lieblose.« 

Der  mit  den  vier  Kräften  begabte  edle  Jünger, 
ihr  Mönche,  hat  diese  fünf  Arten  der  Furcht  über- 
kommen, i 


176 


NEUNERBUCH  1X6 


Zweierlei  zu  wissen  nötig  6 

Der  ehrwürdige  Säriputto  sprach   zu   den  Mönchen: 

Zweierlei,  ihr  Brüder,  hat  man  von  einem  Men- 
schen zu  wissen:  ob  man  mit  ihm  verkehren  soll  oder 
nicht,  zweierlei  von  einem  Gewände:  ob  man  es  tragen 
soll  oder  nicht,  zweierlei  von  der  Almosenspeise:  ob 
man  sie  genießen  soll  oder  nicht,  zweierlei  von  einer 
Wohnstätte:  ob  man  sie  bewohnen  soll  oder  nicht, 
zweierlei  von  Dorf  und  Stadt:  ob  man  sie  besuchen 
soll  oder^  nicht,  zweierlei  von  einem  Lande:  ob  man 
dort  leben  soll  oder  nicht. 

Es  wurde  gesagt,  ihr  Brüder,  daß  man  von  einem 
Menschen  zweierlei  zu  wissen  hat:  ob  man  mit  ihm 
verkehren  soll  oder  nicht.  Mit  Rücksicht  aber  worauf 
wurde  dies  gesagt? 

Wer  da,  ihr  Brüder,  von  einem  Menschen  weiß: 
»Indem  ich  mit  diesem  Menschen  verkehre,  mehren 
sich  in  mir  die  schuldvollen  Erscheinungen  und  die 
verdienstvollen  Erscheinungen  nehmen  ab;  und  was 
da  als  Hausleser  einem  zum  Leben  erforderlich  ist, 
wie  Gewand,  Almosenspeise,  Wohnstätte  und  Heil- 
mittel und  Arzneien,  das  wird  mir  nur  mit  Mühe  zu- 
teil; und  der  Zweck,  dessentwillen  ich  von  Hause 
fort  in  die  Hauslosigkeit  gezogen  bin,  dieser  Zweck 
des  Asketentums  gelangt  nicht  zur  vollen  Entfaltung«: 
ein  solcher,  ihr  Brüder,  soll  —  sei  es  bei  Tage  oder  bei 
Nacht  —  ohne  Abschied  diesen  Menschen  verlassen 
und  nicht  länger  bei  ihm  bleiben.  — 

Wer  da,  ihr  Brüder,  von  einem  Menschen  weiß: 
»Indem  ich  mit  diesem  Menschen  verkehre,  mehren 
sich   in  mir  die  schuldvollen  Erscheinungen    und  die 

—     177     —  12 


1X6        SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

verdienstvollen  Erscheinungen  nehmen  ab;  was  zwar 
als  Hausloser  einem  zum  Leben  erforderlich  ist, 
wie  Gewand,  Almosenspeise,  Wohnstätte  und  Heil- 
mittel und  Arzneien,  das  wird  mir  ohne  Mühe  zuteil; 
doch  der  Zweck,  dessentwillen  ich  von  Hause  fort  in 
die  Hauslosigkeit  gezogen  bin,  dieser  Zweck  des  Aske- 
tentums  gelangt  nicht  zur  vollen  Entfaltung«:  ein 
solcher,  ihr  Brüder,  soll  —  sei  es  bei  Tage  oder  bei 
Nacht  —  mit  Überlegung,  ohne  Abschied,  jenen  Men- 
schen verlassen  und  nicht  bei  ihm  bleiben.  —  Wer 
da,  ihr  Brüder,  von  einem  Menschen  weiß:  »Indem 
ich  mit  diesem  Menschen  verkehre,  nehmen  in  mir 
die  schuldvollen  Erscheinungen  ab  und  die  verdienst- 
vollen Erscheinungen  mehren  sich;  was  da  zwar  als 
Hausloser  einem  zum  Leben  erforderlich  ist,  wie  Ge- 
wand, Almosenspeise,  Wohnstätte  und  Heilmittel  und 
Arzneien,  das  wird  mir  nur  mit  Mühe  zuteil;  doch 
der  Zweck,  dessentwillen  ich  von  Hause  in  die  Haus- 
losigkeit- gezogen  bin,  dieser  Zweck  des  Asketentums 
gelangt  zur  vollen  Entfaltung«:  ein  solcher,  ihr  Brü- 
der, soll  mit  Überlegung  bei  jenen  Menschen  bleiben 
und  ihn  nicht  verlassen.  —  Wer  da,  ihr  Brüder,  von 
einem  Menschen  weiß:  »Indem  ich  mit  diesem  Men- 
schen verkehre,  nehmen  in  mir  die  schuldvollen  Er- 
scheinungen ab  und  die  verdienstvollen  Erscheinungen 
mehren  sich;  und  was  da  als  Hausloser  einem  zum 
Leben  erforderlich  ist,  wie  Gewand,  Almosenspeise, 
"Wohnstätte  und  Heilmittel  und  Arzneien,  das  wird 
mir  ohne  Mühe  zuteil;  und  der  Zweck,  dessentwillen 
ich  von  Hause  fort  in  die  Hauslosigkeit  gezogen  bin, 
dieser  Zweck  des  Asketentums  gelangt  zur  vollen  Ent- 
faltung:  ein  solcher,   ihr   Brüder,   soll  zeitlebens   bei 

—    178    — 


NEUNERBUCH  IX  6 


jenem  Menschen  bleiben  und  ihn  nicht  verlassen, 
selbst  wenn  man  ihn  fortjagen  will.  Wurde  also  ge- 
sagt, ihr  Brüder,  daß  man  zweierlei  von  einem  Men- 
schen zu  wissen  hat:  ob  man  mit  ihm  verkehren  soll 
oder  nicht,  so  wurde  das  eben  mit  Rücksicht  hierauf 
gesagt. 

Es  wurde  gesagt,  ihr  Brüder,  daß  man  zweierlei 
von  einem  Gewände  zu  wissen  hat:  ob  man  es  tragen 
soll  oder  nicht.  Mit  Rücksicht  aber  worauf  wurde 
dies  gesagt? 

Wenn  man  da,  ihr  Brüder,  von  einem  Gewände 
weiß:  »Indem  ich  dieses  Gewand  trage,  mehren  sich 
in  mir  die  schuldvollen  Erscheinurlgen  und  die  ver- 
dienstvollen Erscheinungen  nehmen  ab«:  so  soll  man 
ein  solches  Gewand  nicht  tragen.  Wenn  man  aber 
weiß:  »Indem  ich  dieses  Gewand  trage,  nehmen  in  mir 
die  schuldvollen  Erscheinungen  ab  und  die  verdienst- 
vollen Erscheinungen  mehren  sich«,  so  soll  man  ein 
solches  Gewand  tragen.  Wurde  also  gesagt,  ihr  Brü- 
der, daß  man  zweierlei  von  einem  Gewände  zu  wissen 
hat:  ob  man  es  tragen  soll  oder  nicht,  so  wurde  das 
eben  mit  Rücksicht  hierauf  gesagt. 

Es  wurde  gesagt,  ihr  Brüder,  daß  man  zweierlei 
von  der  Almosenspeise  zu  wissen  hat,  —  daß  man 
zweierlei  von  der  Wohnstätte  zu  wissen  hat,  —  daß 
man  zweierlei  von  Dorf  und  Stadt  zu  wissen  hat,  — 
daß  man  zweierlei  von  einem  Lande  zu  wissen  hat: 
ob  man  dort  leben  soll  oder  nicht?  Mit  Rücksicht 
aber  worauf  wurde  dies  gesagt? 

Wenn  man  da,  ihr  Brüder,  von  einem  Lande  weiß: 
»Indem  ich  in  diesem  Lande  lebe,  mehren  sich  in  mir 
die    schuldvollen    Erscheinungen    und    die    verdienst- 


179     —  12* 


1X7       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

vollen  Erscheinungen  nehmen  ab«,  so  soll  man  in 
einem  solchen  Lande  nicht  leben.  Wenn  man  aber 
weiß:  »Indem  ich  in  diesem  Lande  lebe,  nehmen  in 
mir  die  schuldvollen  Erscheinungen  ab  und  die  ver- 
dienstvollen Erscheinungen  mehren  sich«,  so  soll  man 
in  einem  solchen  Lande  leben.  Wurde  also  gesagt, 
ihr  Brüder,  daß  man  zweierlei  von  einem  Lande  zu 
wissen  hat:  ob  man  dort  leben  soll  oder  nicht,  so 
wurde  das  eben  mit  Rücksicht  hierauf  gesagt. 


Unmöglichkeiten  für  einen  Heiligen 

(1) 

Das  habe  ich  gehört: 

Einst  weilte  der  Erhabene  auf  der  Geisterspitze 
bei  Räjagaha.  Da  kam  Sutavä  ein  Pilger  zum  Erha- 
benen, wechselte  mit  ihm  freundlichen  Gruß,  und  nach 
Austausch  freundlicher  und  geziemender  Worte  setzte 
er  sich  zur  Seite  nieder.  Zur  Seite  aber  sitzend  sprach 
der  Pilger  Sutavä  zum  Erhabenen: 

,, Einst,  zu  einer  Zeit,  o  Ehrwürdiger,  da  weilte 
der  Erhabene  ebenfalls  hier  bei  Räjagaha,  im  Berg- 
gehege. Dort,  0  Ehrwürdiger,  habe  ich  aus  dem  Munde 
des  Erhabenen  vernommen,  von  ihm  selber  erfahren: 
Der  Mönch,  o  Sutavä,  der  da  ein  Heiliger  ist,  erlöst 
von  den  Leidenschaften,  der  seine  Aufgabe  erfüllt,  die 
Bürde  von  sich  geworfen,  sein  eigens  Heil  erwirkt 
hat,  und -allen  Daseinsfesseln  entgangen  und  in  rech- 
ter Weisheit  erlöst  ist,  der  ist  nicht  mehr  imstande, 
fünf  Dinge  zu  verüben.  Nicht  ist  er  imstande,  ein 
Wesen  des  Lebens  berauben;   nicht  ist  er  imstande» 

—    180    — 


NEUNERBUCH  1X7 


etwas  ihm  Nichtgegebenes  in  diebischer  Absicht  zu 
nehmen;  nicht  ist  er  imstande,  den  Begattungsakt 
auszuüben;  nicht  ist  er  imstande,  wissentlich  eine 
Unwahrheit  zu  sprechen;  nicht  ist  er  imstande,  [durch 
ihn  selber]  aufgespeicherte  Schätze  zu  genießen,  wie 
früher  als  er  noch  im  Hause  lebte«.  Habe  ich  nun 
wohl,  0  Ehrwürdiger,  die  Worte  des  Erhabenen  richtig 
vernommen  und  richtig  aufgefaßt,  mir  gut  gemerkt 
und  behalten?' 

„Ja,  Sutavä,  richtig  hast  du  sie  vernommen  und 
aufgefaßt,  dir  gut  gemerkt  und  behalten.  Früher, 
Sutavä,  wie  auch  jetzt  behaupte  ich:  »Der  Mönch, 
Sutavä,  der  da  ein  Heiliger  ist,  erlöst  von  den  Leiden- 
schaften, der  seine  Aufgabe  erfüllt,  die  Bürde  von  sich 
geworfen,  sein  eigenes  Heil  erwirkt  hat,  und  allen 
Daseinsfesseln  entgangen  und  in  rechter  Weisheit 
erlöst  ist,  der  ist  nicht  mehr  imstande,  fünf  Dinge 
zu  verüben.  Nicht  ist  er  imstande,  ein  Wesen  des 
Lebens  zu  berauben;  nicht  ist  er  imstande,  etwas  ihm 
Nichtgegebenes  in  diebischer  Absicht  zu  nehmen; 
nicht  ist  er  imstande,  den  Begattungsakt  auszuüben; 
nicht  ist  er  imstande,  wissentlich  eine  Unwahrheit  zu 
sprechen;  nicht  ist  er  imstande,  [durch  ihn  selber] 
aufgespeicherte  Schätze  zu  genießen,  wie  früher  als 
er  noch  im  Hause  lebte;  nicht  ist  er  imstande,  den 
bösen  Weg  der  Gier  zu  beschreiten;  nicht  ist  er  im- 
stande, den  bösen  Weg  des  Hasses  zu  beschreiten; 
nicht  ist  er  imstande,  den  bösen  Weg  der  Verblendung 
zu  beschreiten;  nicht  ist  er  imstande,  den  bösen  Weg 
der  Feigheit  zu  beschreiten.  Früher,  Sutavä,  wie  auch 
jetzt  sage  ich:  der  Mönch,  der  da  ein  Heiliger  ist,  erlöst 
von   den    Leidenschaften,    der   seine   Aufgabe   erfüllt, 

—     181     — 


IX  0       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

die  Bürde  von  sich  geworfen,  sein  eigenes  Heil  erwirkt 
hat  und  allen  Daseinsfesseln  entgangen  und  in  rechter 
Weisheit  erlöst  ist,  der  ist  nicht  mehr  imstande,  diese 
neun  Dinge  zu  verüben." 


8  Unmöglichkeiten  für  einen  Heiligen 

(2) 
[Der  Erhabene  zum  Pilger  Sajjho:] 

Nicht  ist,  Sajjho,  der  heilige,  von  Leidenschaften 
erlöste  Mönch  imstande,  ein  Wesen  des  Lebens  zu 
berauben;  nicht  ist  er  imstande,  etwas  ihm  Nicht- 
gegebenes in  diebischer  Absicht  zu  nehmen;  nicht  ist 
er  imstande,  den  Begattungsakt  auszuüben;  nicht 
ist  er  imstande,  wissentlich  eine  Unwahrheit  zu  spre- 
chen; nicht  ist  er  imstande,  [durch  ihn  selber]  aufge- 
speicherte Schätze  zu  genießen,  wie  früher  als  er  noch 
im  Hause  lebte;  nicht  ist  er  imstande,  vom  Erleuch- 
teten abzufallen;  nicht  ist  er  imstande,  vom  Gesetz 
abzufallen;  nicht  ist  er  imstande,  von  der  Jünger- 
schaft abzufallen;  nicht  ist  er  imstande,  von  der 
Askese  abzufallen. 


Neun  Menschenklassen 

Folgende  neun  Menschen,  ihr  Mönche,  sind  in 
der  Welt  anzutreffen:  welche  neun? 

Der  Heilige  (Arahat),  der  auf  dem  Weg  zur 
Heiligkeit  Befindliche,  der  Niewiederkehrende  (anä- 
gämi),  der  auf  dem  Weg  zur  Verwirklichung  des  Zieles 
der  Niewiederkehr  Befindliche,  der  Einmalwieder- 
kehrende  (sakadägämi)  der  auf  dem  Weg  zur  Ver- 

—    182    — 


NEUNERBUCH  IX 10 


wirklichung  des  Zieles  der  Einmalwiederkehr  Befind^ 
liehe;  der  Stromeingetretene  (sotäpanna),  der  auf 
dem  Weg  zur  Verwirklichung  des  Zieles  des  Stromein- 
trittes Befindliche  und  der  Weltling  (puthujjano). 
Diese  neun  Menschen,  ihr  Mönche,  sind  in  der  Welt 
anzutreffen. 

Neun  verehrungswürdige  Menschen  10 

Folgende  neun  Menschen,  ihr  Mönche,  sind  würdig 
der  Opfer,  würdig  der  Gastfreundschaft,  würdig  der 
Geschenke,  würdig  des  ehrfurchtsvollen  Handgrußes, 
sind  in  der  Welt  der  beste  Boden  für  verdienstvolle 
Werke:  welche  neun  Menschen? 

Der  Heilige,  der  auf  dem  Weg  zur  Heiligkeit 
Befindliche,  der  Niewiederkehrende,  der  auf  dem  Wege 
zur  Verwirklichung  des  Zieles  der  Niewiederkehr  Be- 
findliche, der  Einmal  Wiederkehrende,  der  auf  dem  Weg 
zur  Verwirklichung  des  Zieles  der  Niewiederkehr 
Befindliche,  der  Stromeingetretene,  der  auf  dem  Weg 
zur  Verwirklichung  des  Zieles  des  Stromeintrittes 
Befindliche  und  der  »Anwärter  auf  den  Pfad«  (gö- 
trabhü).  Diese  neun  Menschen,  ihr  Mönche,  sind  würdig 
der  Opfer,  würdig  der  Gastfreundschaft,  würdig  der 
Geschenke,  würdig  des  ehrfurchtsvollen  Handgrußes, 
sind  in  der  Welt  der  beste  Boden  für  verdienstvolle 
Werke. 


183 


IX  11      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 
ZWEITER    TEIL: 

Das  Kapitel  des  Löwenrufes 

11  Der  Löwenruf  des  Säriputto 

[Im  Jetahaine  bei  Sävatthi] 

Der  ehrwürdige  Säriputto  sprach  zum  Erhabenen: 

„Beendet,  o  Ehrwürdiger,  habe  ich  die  Regen- 
zeit in  Sävatthi.  Ich  möchte  nun  fortziehen  und  das 
Land  durchwandern." 

,,Wie  es  dir  beliebt,  Säriputto." 

Und  der  ehrwürdige  Säriputto  erhob  sich  von 
seinem  Sitze,  grüßte  ehrfurchtsvoll  den  Erhabenen, 
und  ihm  die  Rechte  zukehrend  ging  er  fort.  Kaum 
jedoch  war  der  ehrwürdige  Säriputto  fort,  als  einer 
der  Mönche  zum  Erhabenen  sprach: 

,,Der  verehrte  Säriputto,  o  Ehrwürdiger,  hat  mich 
angefahren  und  sich,  ohne  nachgeben  zu  wollen,  auf 
seine  Wanderung  begeben." 

Darauf  wandte  sich  der  Erhabene  an  einen  der 
Mönche:  ,,Gehe,  o  Mönch,  und  sage  Säriputto  in  mei- 
nem Namen,  daß  der  Meister  ihn  rufe!"  ,,Gut,  o  Ehr- 
würdiger!" erwiderte  jener  Mönch  dem  Erhabenen, 
begab  sich  zum  ehrwürdigen  Säriputto  und  sprach 
zu  ihm:  „Der  Meister  ruft  dich,  Bruder  Säriputto." 
,,Gut,  Bruder!"  erwiderte  der  ehrwürdige  Säriputto 
jenem  Mönche. 

Bei  jenem  Anlasse  aber  gingen  der  ehrwürdige 
Mahä-Moggalläno  und  der  ehrwürdige  Anando,  die 
Schlüssel  mit  sich  nehmend,  von  Zelle  zu  Zelle,  mit 

—     184    — 


NEUNERBUCH  IX 11 


der  Aufforderung:  „Kommt,  Verehrte,  kommt!  Jetzt 
wird  der  ehrwürdige  Säriputto  in  Gegenwart  des  Er- 
habenen den  Löwenruf  erschallen  lassen." 

Und  der  ehrwürdige  Säriputto  begab  sich  zum 
Erhabenen,  begrüßte  ihn  ehrfurchtsvoll  und  setzte 
sich  zur  Seite  nieder.  Als  er  .sich  aber  gesetzt  hatte, 
sprach  der  Erhabene  zu  ihm: 

,,Da,  Säriputto,  hat  einer  deiner  Ordensbrüder 
Anklage  gegen  dich  erhoben  und  gesagt:  »Der  ver- 
ehrte Säriputto,  0  Ehrwürdiger,  hat  mich  angefahren 
und  sich,  ohne  nachgeben  zu  wollen,  auf  seine  Wan- 
derung begeben«." 

,,Wem  da,  o  Ehrwürdiger,  nicht  die  Betrachtung 
über  den  Körper  gewärtig  ist,  ein  solcher,  freilich, 
wäre  dazu  imstande,  einen  seiner  Ordensbrüder  anzu- 
fahren und  sich,  ohne  nachgeben  zu  wollen,  auf  eine 
Wanderung    begeben. 

,,0b  man  da,  o  Ehrwürdiger,  Reines  oder  Unreines 
auf  die  Erde  wirft,  ob  man  da  mit  Kot,  Urin,  Speichel, 
Eiter  oder  Blut  Befleckte,  auf  die  Erde  wirft:  nicht 
wird  dadurch  die  Erde  verstimmt,  aufgebracht  und 
empört.  Genau  so,  o  Ehrwürdiger,  verweile  ich  mit 
einem  der  Erde  gleichenden  Gemüte,  mit  weitem, 
erhabenen,  unbeschränkten,  frei  von  Haß  und  Übel- 
wollen. Wem  da,  o  Ehrwürdiger,  nicht  die  Betrach- 
tung über  den  Körper  gewärtig  ist,  ein  solcher,  frei- 
lich, wäre  dazu  imstande,  einen  seiner  Ordensbrüder 
anzufahren  und  sich,  ohne  nachgeben  zu  wollen,  auf 
eine  Wanderung  begeben. 

„Ob  man  da,  o  Ehrwürdiger,  Reines  oder  Unreines 
im  Wasser  wäscht,  ob  man  da  mit  Kot,  Urin,  Speichel, 
Eiter  oder  Blut  Beflecktes  im  Wasser  wäscht:  nicht 


—    185    — 


IX  11      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

wird  dadurch  das  Wasser  verstimmt,  aufgebracht  und 
empört.  Genau  so,  o  Ehrwürdiger,  verweile  ich  mit 
einem  dem  Wasser  gleichenden  Gemüte,  mit  weitem, 
erhabenen,  unbeschränkten,  frei  von  Haß  und  Übel- 
wollen. Wem  da,  o  Ehrwürdiger,  nicht  die  Betrach- 
tung über  den  Körper  gewärtig  ist,  ein  solcher,  freilich, 
wäre  dazu  imstande,  einen  seiner  Ordensbrüder  anzu- 
fahren und  sich,  ohne  nachgeben  zu  wollen,  auf  eine 
Wanderung  begeben. 

,,0b  man  da,  o  Ehrwürdiger,  Reines  oder  Un- 
reines im  Feuer  verbrennt,  ob  man  da  mit  Kot,  Urin, 
Speichel,  Eiter  oder  Blut  Beflecktes  im  Feuer  ver- 
brennt: nicht  wird  dadurch  das  Feuer  verstimmt, 
aufgebracht  und  empört.  Genau  so,  o  Ehrwürdiger, 
verweile  ich  mit  einem  dem  Feuer  gleichenden  Ge- 
müte, mit  weitem,  erhabenen,  unbeschränkten,  frei 
von  Haß  und  Übelwollen.  Wem  da,  o  Ehrwürdiger, 
nicht  die  Betrachtung  über  den  Körper  gewärtig  ist, 
ein  solcher,  freilich,  wäre  dazu  imstande,  einen  seiner 
Ordensbrüder  anzufahren  und  sich,  ohne  nachgeben 
zu  wollen,  auf  eine  Wanderung  begeben. 

„Ob  da,  0  Ehrwürdiger,  der  Wind  über  Reines 
oder  Unreines  hinweht,  ob  er  über  mit  Kot,  Urin, 
Speichel,  Eiter,  oder  Blut  Beflecktes  hinweht:  nicht 
wird  dadurch  der  Wind  verstimmt,  aufgebracht  und 
empört.  Genau  so,  o  Ehrwürdiger,  verweile  ich  mit 
einem  dem  Winde  gleichenden  Gemüte  mit  weitem, 
erhabenen,  unbeschränkten,  frei  von  Haß  und  Übel- 
wollen. Wem  da,  o  Ehrwürdiger,  nicht  die  Betrach- 
tung über  den  Körper  gewärtig  ist,  ein  solcher,  freilich, 
wäre  dazu  imstande,  einen  seiner  Ordensbrüder  anzu- 

—    186    — 


NEUNERBUCH  IX 11 


fahren  und  sich,  ohne  nachgeben  zu  wollen,  auf  eine 
Wanderung  begeben. 

„Ob  da,  0  Ehrwürdiger,  der  Staubwischer  über 
Reines  oder  Unreines  wischt,  ob  er  über  Kot,  mit 
Urin,  Speichel,  Eiter  oder  Blut  Beflecktes  wischt: 
nicht  wird  dadurch  der  Staubwischer  verstimmt,  auf- 
gebracht und  empört.  Genau  so,  o  Ehrwürdiger, 
verweile  ich  mit  einem  dem  Staubwischer  gleichenden 
Gemüte,  mit  weitem,  erhabenen,  unbeschränkten,  frei 
von  Haß  und  Übelwollen.  Wem  da,  o  Ehrwürdiger, 
nicht  die  Betrachtung  über  den  Körper  gewärtig  ist, 
ein  solcher,  freilich,  wäre  dazu  imstande,  einen  seiner 
Ordensbrüder  anzufahren  und  sich,  ohne  nachgeben, 
zu  wollen,  auf  eine  Wanderung  begeben. 

„Gleichwie,  o  Ehrwürdiger,  wenn  da  ein  Knabe 
oder  ein  Mädchen  von  den  Ausgestoßenen,  mit  einem 
Korbe  in  der  Hand,  in  zerfetzter  Kleidung,  in  ein  Dorf 
oder  eine  Stadt  eintritt,  es  eben  von  demütiger  Ge- 
sinnung erfüllt  eintritt:  genau  so,  o  Ehrwürdiger, 
verweile  ich  gleichsam  mit  dem  Gemüte  eines  jungen 
Ausgestoßenen,  mit  weitem,  erhabenen,  unbeschränk- 
ten, frei  von  Haß  und  Übelwollen.  Wem  da,  o  Ehr- 
würdiger, nicht  die  Betrachtung  über  den  Körper  ge- 
wärtig ist,  ein  solcher,  freilich,  wäre  dazu  imstande, 
einen  seiner  Ordensbrüder  anzufahren  und  sich,  ohne 
nachgeben  zu  wollen,  auf  eine  Wanderung  begeben. 

„Oder  gleichwie,  o  Ehrwürdiger,  ein  frommer, 
wohlgezähmter,  wohl  gezügelter  Stier  mit  gestutzten 
Hörnern,  während  er  von  Straße  zu  Straße,  von  Platz 
zu  Platz  einhergeht,  weder  mit  den  Füßen  noch  mit 
den  Hörnern  irgendjemand  etwas  zuleide  tut:  genau  so, 
0  Ehrwürdiger,  verweile  ich  gleichsam  mit  dem  Ge- 

—     187     — 


IX  11      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

mute  eines  seiner  Hörner  beraubten  Stieres,  mit 
weitem,  erhabenen,  unbeschränkten,  frei  von  Haß 
und  Übelwollen.  Wem  da,  o  Ehrwürdiger,  nicht  die 
Betrachtung  über  den  Körper  gewärtig  ist,  ein  solcher, 
freilich,  wäre  dazu  imstande,  einen  seiner  Ordens- 
brüder anzufahren  und  sich,  ohne  nachgeben  zu  wollen, 
auf  eine  Wanderung  begeben. 

,,Oder  gleichwie,  o  Ehrwürdiger,  wenn  man  einer 
Frau  oder  einem  jungen,  jugendlichen,  schmuck- 
liebenden Manne  mit  gewaschenem  Haupte  Schlangen-,- 
Hunde-  oder  Menschendreck  an  den  Hals  hängen 
möchte,  sie  Entsetzen,  Ekel  und  Abscheu  empfinden 
würden:  genau  so,  o  Ehrwürdiger,  empfinde  ich  Ent- 
setzen, Ekel  und  Abscheu  vor  diesem  faulichten  Körper. 
Wem  da,  o  Ehrwürdiger,  nicht  die  Betrachtung  über 
den  Körper  gewärtig  ist,  ein  solcher,  freilich,  wäre 
dazu  imstande,  einen  seiner  Ordensbrüder  anzufahren 
und  sich,  ohne  nachgeben  zu  wollen,  auf  eine  Wan- 
derung begeben. 

,,Oder  gleichwie,  o  Ehrwürdiger,  ein  Mann  einen 
aus  vielen  Löchern  auslaufenden,  triefenden  Topf  voll 
Fett  mit  sich  herumtragen  möchte:  genau  so,  o  Ehr- 
würdiger, trage  ich  diesen  aus  vielen  Löchern  aus- 
laufenden und  triefenden  Körper  mit  mir  herum. 
Wem  da,  o  Ehrwürdiger,  nicht  die  Betrachtung  über 
den  Körper  gewärtig  ist,  ein  solcher,  freilich,  wäre 
dazu  imstande,  einen  seiner  Ordensbrüder  anzufahren 
und  sich,  ohne  nachgeben  zu  wollen,  auf  eine  Wan- 
derung begeben. 

Da  aber  erhob  sich  jener  Mönch  von  seinem  Sitze, 
warf  das  Obergewand  über  eine  Schulter  und  fiel  dem 

—    188    — 


NEUNERBUCH  IX 12 


Erhabenen  gesenkten  Hauptes  zu  Füßen,  indem  er 
sprach : 

,,Eine  Schuld,  o  Ehrwürdiger,  hat  mich  über- 
kommen in  meiner  Torheit,  meiner  Verirrung,  meiner 
Schlechtigkeit,  der  ich  den  ehrwürdigen  Säriputto  in 
falscher,  nichtiger,  lügnerischer,  unwahrer  Weise  be- 
schuldigte. Möge,  0  Ehrwürdiger,  der  Erhabene  das 
Bekenntnis  meiner  Schuld  annehmen,  auf  daß  ich 
mich  künftighin  davor  hüten  möge!" 

,, Wahrlich,  o  Mönch,  eine  Schuld  hat  dich  über- 
kommen in  deiner  Torheit,  deiner  Verirrung,  deiner 
Schlechtigkeit,  daß  du  den  ehrwürdigen  Säriputto  in 
falscher,  nichtiger,  lügnerischer,  unwahrer  Weise  be- 
schuldigtest. Insofern  du  aber,  o  Mönch,  deine  Schuld 
als  Schuld  erkennst  und  vorschriftsmäßig  Sühne 
tust,  so  will  ich  dein  Bekenntnis  annehmen;  denn 
als  Fortschritt  gilt  es  in  der  Disziplin  des  Edlen,  wenn 
man  seine  Schuld  als  Schuld  erkennt,  vorschrifts- 
mäßig Sühne  tut  und  sich  künftighin  davor  hütet." 

Darauf  wandte  sich  der  Erhabene  an  den  ehr- 
würdigen Säriputto  und  sprach: 

,, Verzeihe,  Säriputto,  diesem  Toren,  bevor  ihm 
noch  auf  der  Stelle  das  Haupt  in  sieben  Stücke  zer- 
springt!" 

,,Ich  will,  0  Ehrwürdiger,  dem  Verehrten  ver- 
zeihen, wenn  er  zu  mir  spricht:  »Möge  der  Verehrte 
mir   verzeihen!«" 


Vom  Abwege  befreit  12 

Einst    weilte    der    Erhabene    im    Jetahaine     bei 
Sävatthi,   im   Kloster  des  Anäthapindiko.      Und  der 

—     189     — 


1X12      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

ehrwürdige  Säriputto  kleidete  sich  in  der  Frühe  an, 
nahm  Gewand  und  Schale  und  begab  sich  nach  Sä- 
vatthi  um  Almosen.  Da  überlegte  er  sich:  »Noch  zu 
früh  ist  es,  um  in  Sävathhi  um  Almosen  zu  gehen. 
So  lasse  mich  denn  das  Kloster  der  andersgläubigen 
Pilger  aufsuchen!«  Und  der  ehrwürdige  Säriputto  be- 
gab sich  nach  dem  Kloster  der  andersgläubigen 
Pilger.  Dort  angelangt  wechselte  er  freundliche  Grüße 
mit  jenen  andersgläubigen  Pilgern,  und  nach  Aus- 
tausch freundlicher  und  zuvorkommender  Worte  setzte 
er  sich  zur  Seit  nieder.  Bei  jener  Gelegenheit  aber 
kam  unter  den  andersgläubigen  Pilgern,  während  sie 
versammelt  dasaßen,  die  Rede  darauf,  daß  keiner,  der 
noch  mit  einem  Daseinsrest  behaftet  sterbe,  befreit 
sei  von  der  Hölle,  dem  Tierschoße  und  dem  Gespenster- 
reiche und  entronnen  dem  Abwege,  der  Leidens- 
fährte und  der  verstoßenen  Welt. 

Der  ehrwürdige  Säriputto  indessen  weder  billigte 
noch  mißbilligte  die  Worte  jener  andersgläubigen 
Pilger.  Ohne  Beifall  oder  Mißbilligung  zu  zeigen,  er- 
hob er  sich  von  seinem  Sitze  und  ging  fort,  denkend: 
»Von  dem  Erhabenen  werde  ich  wohl  dieser  Worte 
Sinn  erfahren.«  Nachdem  nun  der  ehrwürdige  Säri- 
putto von  seinem  Almosengange  zurückgekehrt  war, 
begab  er  sich  am  Nachmittage,  nach  beendetem  Mahle, 
zum  Erhabenen  und  teilte  ihm  die  Sache  mit. 

[Der  Erhabene:]  ,,Jene  andersgläubigen  Pilger, 
Säriputto,  sind  unerfahrene  Toren.  Und  diese  sollten 
erkennen,  wer  mit  einem  Daseinsrest  behaftet  und 
wer  von  jedem  Daseinsrest  befreit  ist? 

,, Folgende  neun  mit  einem  Daseinsrest  behaftete 
Menschen,  Säriputto,  sind  bei  ihrem  Tode  befreit  von 

—    100    — 


NEUNERBUCH  1X18 


der  Hölle,  dem  Tierschoße  und  dem  Gespenster- 
reiche und  sind  entronnen  dem  Abwege,  der  Leidens- 
fährte und  der  verstoßenen  Welt:  welche  neun 
Menschen? 

„Da,  Säriputto,  ist  ein  Mensch  vollkommen  in 
der  Sittlichkeit,  vollkommen  in  der  Sammlung,  aber 
noch  nicht  vollkommen  in  der  Einsicht.  Und  nach 
Aufhebung  der  fünf  niederen  Fesseln  wird  er  ein 
»auf  halbem  Wege  Entwähnender«  (antarä-parinibbäyi). 
Das,  Säriputto,  ist  der  erste,  mit  einem  Daseinsrest 
behaftete  Mensch,  der  bei  seinem  Tode  befreit  ist  von 
der  Hölle,  dem  Tierschoße  und  dem  Gespensterreiche 
und  entronnen  ist  dem  Abwege,  der  Leidensfährte 
und  der  verstoßenen  Welt. 

,, Fernerhin,  Säriputto,  ist  da  ein  Mensch  voll- 
kommen in  Sittlichkeit,  vollkommen  in  der  Sammlung, 
aber  noch  nicht  vollkommen  in  der  Einsicht.  Und 
nach  Aufhebung  der  fünf  niederen  Fesseln  wird  er  ein 
»nach  halbem  Wege  Entwähnender«  (upahacca-pari- 
nibbäyi),  —  ein  »Mühelos  Entwähnender«  (asankhära- 
parinibbäyi)  —  ein  »Mühsam  Entwähnender«  (sasah- 
khära-parinibbäyi),  —  ein  »aufwärts  zu  den  hehren 
Göttern  Eilender«  (uddhamsoto  akanitthagämi).  Das, 
Säriputto,  ist  der  fünfte  mit  einem  Daseinrest  be- 
haftete Mensch,  der  bei  seinem  Tode  befreit  ist  von 
der  Hölle,  dem  Tierschoße  und  dem  Gespensterreiche 
und  entronnen  ist  dem  Abwege,  der  Leidensfährte  und 
der  verstoßenen  Welt. 

„Fernerhin,  Säriputto,  ist  da  ein  Mensch  voll- 
kommen in  der  Sittlichkeit,  aber  noch  nicht  vollkom- 
men in  der  Sammlung,  noch  nicht  vollkommen  in  der 
Einsicht.    Und  nach  Aufhebung  der  drei  Fesseln  und 


—    191     — 


1X12      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Abschwächung  von  Gier,  Haß  und  Verblendung  kehrt 
er  noch  einmal  wieder;  und  noch  einmal  wiederkeh- 
rend macht  er  dem  Leiden  ein  Ende.  Das,  Säriputto, 
ist  der  sechste  mit  einem  Daseinsreste  behaftete  Mensch, 
der  bei  seinem  Tode  befreit  ist  von  der  Hölle,  dem 
Tierschoße  und  dem  Gespensterreiche  und  entronnen 
ist  dem  Abwege,  der  Leidensfährte  und  der  verstoßenen 
Welt. 

,, Fernerhin,  Säriputto,  ist  da  ein  Mensch  voll- 
kommen in  der  Sittlichkeit,  aber  noch  nicht  vollkom- 
men in  der  Sammlung,  noch  nicht  vollkommen  in  der 
Einsicht.  Und  nach  Aufhebung  der  drei  Fesseln  wird 
er  ein  »Einmal  Aufkeimender«  (eka-biji):  noch  einmal 
unter  den  Menschen  wieder  geboren,  macht  er  den 
Leiden  ein  Ende.-  Das,  Säriputto,  ist  der  siebente  mit 
einem  Daseinsrest  behaftete  Mensch,  der  bei  seinem 
Tode  befreit  ist  von  der  Hölle,  dem  Tierschoße  und 
dem  Gespensterreiche  und  entronnen  ist  dem  Abwege, 
der  Leidensfährte  und  der  verstoßenen  Welt. 

,,  Fernerhin,  Säriputto,  ist  da  ein  Mensch  voll- 
kommen in  der  Sittlichkeit,  aber  noch  mäßig  in  der 
Sammlung,  noch  mäßig  in  der  Einsicht.  Und  nach 
Aufhebung  der  drei  Fesseln  wird  er  ein  »von  Geschlecht 
zu  Geschlecht  Eilender«  (kolankola):  noch  in  zwei 
oder  drei  edlen  Geschlechtern  die  Geburten  durch- 
eilend, die  Geburten  durchwandernd,  macht  dem  Lei- 
den ein  Ende.  —  Oder:  nach  Aufhebung  der  drei 
Fesseln  wird  er  ein  »Höchstens  noch  Siebenmal  Wieder- 
erscheinender« (sattakkhattu-parama):  noch  höchstens 
siebenmal  unter  '  Himmelswesen  und  Menschen  die 
Geburten  durcheilend,  die  Geburten  durchwandernd, 
macht  er  dem  Leiden  ein  Ende.     Das,  Säriputto,  ist 

—     192     — 


NEUNERBUCH  IX 13 


der  neunte  mit  einem  Daseinsreste  behaftete  Mensch, 
der  bei  seinem  Tode  befreit  ist  von  der  Hölle,  dem 
Tierschoße  und  dem  Gespensterreiche  und  entronnen 
ist  dem  Abwege,  der  Leidensfährte  und  der  ver- 
stoßenen Welt. 

„Jene  andersgläubigen  Pilger,  Säriputto,  sind  un- 
erfahrene Toren.  Und  diese  sollten  erkennen,  wer 
mit  einem  Daseinsrest  behaftet  und  wer  von  jedem 
Daseinsrest  befreit  ist?  Diese  neun  mit  einem  Da- 
seinsrest behaftete  Menschen,  Säriputto,  sind  bei 
ihrem  Tode  befreit  von  der  Hölle,  dem  Tierschoße 
und  dem  Gespensterreiche  und  sind  entronnen  dem 
Abwege,  der  Leidensfährte  und  der  verstoßenen 
Welt.  Noch  habe  ich,  Säriputto,  nicht  diese  Darlegung 
des  Gesetzes  den  Mönchen,  Nonnen,  Anhängern  und 
Anhängerinnen  gegeben.  Und  warum  nicht?  Damit 
sie  nach  dem  Hören  dieser  Darlegung  des  Gesetzes 
nicht  der  Lässigkeit  verfallen.  Nur  als  Antwort  auf 
deine  Frage,  Säriputto,  habe  ich  dir  diese  Darlegung 
des  Gesetzes  gegeben." 

Der  Zweck  des  Heiligen  Wandels  13 

Der  ehrwürdige  Mahäkotthito  sprach  zum  ehr- 
würdigen Säriputto: 

,,Sage  Säriputto:  führt  man  wohl  unter  dem 
Erhabenen  das  Heilige  Leben,  damit  einem  die  bei 
Lebzeiten  wirkende  Tat  (1)  zu  einer  künftig  wirkenden 
Tat  werde?" 


(1)  D.  i.  die  noch  bei  Lebzeiten  eine  gute  oder  üble  Wirkung 
verursachende  Tat. 

—     193     —  13 


1X31      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

„Nicht  doch,  o  Bruder." 

,,Oder  etwa,  damit  einem  die  künftig  wirkende 
Tat  zu  einer  noch  bei  Lebzeiten  wirkenden  Tat  werde?' 

,,Auch  das  nicht,  o  Bruder." 

„Oder  etwa,  damit  einem  die  freudeerwirkende 
Tat  zu  einer  leiderwirkenden  Tat  werde?" 

,,Auch  das  nicht,  o  Bruder." 

,,Oder  etwa,  damit  einem  die  leidwirkende  Tat  zu 
einer  freuderwirkenden  Tat  werde?" 

,,Auch  das  nicht,  o  Bruder." 

,,Oder  etwa,  damit  einem  die  ausgewirkte  Tat  zu 
einer  noch  nicht  ausgewirkten  Tat  werde?" 

,,Auch  das  nicht,  o  Bruder." 

„Oder  etwa,  damit  einem  die  noch  nicht  ausge- 
wirkte Tat  zu  einer  bereits  ausgewirkten  Tat  werde?" 

,,Auch  das  nicht,  o  Bruder." 

,,Oder  etwa,  damit  einem  die  stark  wirkende  Tat 
zu  einer  schwach  wirkenden  Tat  werde?" 

„Auch  das  nicht,  o  Bruder." 

„Oder  etwa,  damit  einem  die  schwach  wirkende 
Tat  zu  einer  stark  wirkenden  Tat  werde?" 

,,Auch  das  nicht,  o  Bruder." 

,,Oder  etwa,  damit  einem  die  wirksame  Tat  zu 
einer  unwirksamen  Tat  werde?" 

,,Auch  das  nicht,  o  Bruder." 

,,Oder  etwa,  damit  einem  die  unwirksame  Tat  zu 
einer  wirksamen  Tat  werde?" 

„Auch  das  nicht,  o  Bruder." 

„Auf  alle  diese  Fragen,  Säriputto,  antwortest  du 
mir:  »Das  nicht,  o  Bruder«.  Zu  welchem  Zwecke,  o 
Bruder,  führt  man  denn  da  unter  dem  Erhabenen  das 
Heilige  Leben?" 

—     194    — 


i 


NEUNERBUCH  1X14 


,,Um  das  Unerkannte,  Ungeschaute,  Unerreichte, 
Unverwirklichte,  Undurchdrungene  zu  erkennen,  zu 
schauen,  zu  erreichen,  zu  verwirklichen  und  zu  durch- 
dringen: darum,  o  Bruder,  führt  man  unter  dem 
Erhabenen  das  Heilige  Leben." 

„Was  aber,  o  Bruder,  ist  jenes  Unerkannte,  Unge- 
schaute, Unerreichte,  Unverwirklichte,  Undurchdrun- 
gene, das  zu  erkennen,  zu  schauen,  zu  erreichen,  zu 
verwirklichen  und  zu  durchdringen  man  unter  dem 
Erhabenen  das  Heilige  Leben  führt?" 

,,Was  Leiden  ist,  was  die  Entstehung  des  Leidens 
ist,  was  die  Aufhebung  des  Leidens  ist,  und  was  der 
zur  Aufhebung  des  Leidens  führende  Pfad  ist:  dies, 
0  Bruder,  ist  jenes  Unerkannte,  Ungeschaute,  Uner- 
reichte, Unverwirklichte,  Undurchdrungene,  das  zu 
erkennen,  zu  schauen,  zu  erreichen,  zu  verwirklichen 
und  zu  durchdringen  man  unter  dem  Erhabenen  das 
Heilige  Leben  führt." 

Ueber  das  Wesen  der  Gedankenerwägungen  1* 

Der  ehrwürdige  Säriputto  sprach  zum  ehrwür- 
digen Samiddhi: 

,,Was  haben,  Samiddhi,  die  im  Menschen  auf- 
steigenden Gedankenerwägungen  zur  Grundlage?" 

,, Körperlichkeit  und  Geistigkeit,  o  Ehrwürdiger." 

„Worin  aber  erreichen  sie  ihre  Mannigfaltigkeit?"     . 

,,In  den  Elementen  (der  Sinnenempfindung)  (1), 
0  Ehrwürdiger." 

(1)  D.  i.  der  Sehempfindung,  Hörempfindiing,  Riechempfin- 
dung  usw. 

—     195     —  IS* 


1X15      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 


,,Und  wodurch  entstehen  sie?" 

,, Durch  den  Sinneneindruck,  o  Ehrwürdiger." 

„Und  was  hält  sie  zusammen?" 

„Das  Gefühl,  o  Ehrwürdiger." 

„Und  wer  ist  ihr  Führer?." 

„Die  Sammlung  (samädhi),  o  Ehrwürdiger." 

,,Und  wer  herrscht  über  sie?" 

„Die  Achtsamkeit  (sati),  o  Ehrwürdiger." 

„Und  was,  Samiddhi,  gilt  ihnen  als  das  Höchste?" 

,,Die  Einsicht  (pannä),  o  Ehrwürdiger." 

„Und  was,  Samiddhi,  ist  ihr  wahrer  Zweck?" 

,,Die  Erlösung,  o  Ehrwürdiger." 

,,Und  was,  Samiddhi,  bietet  ihnen  eine  Zuflucht?" 

,,Das  Todlose,  o  Ehrwürdiger." 

„Vortrefflich,  vortrefflich,  Samiddhi!  Gut  hast 
du  meine  Fragen  beantwortet.  Möge  dir  aber  darum 
kein  Dünkel  aufsteigen!"  (1) 


i5  Die  Eiterbeule 

Nehmt  an,  ihr  Mönche,  eine  Eiterbeule  habe  neun 
von  selbst  entstandene  Öffnungen.  Was  da  nun  her- 
vorquillt und  heraussickert,  das  ist  alles  unrein,  übel- 
riechend und  ekelerregend.  Mit  Eiterbeule  aber,  ihr 
Mönche,  bezeichnet  man  diesen  aus  den  vier  Haupt- 
stoffen bestehenden,  von  Vater  und  Mutter  gezeugten 

(1)  Die  Anrede  bhante  (Ehrwürdiger)  läßt  darauf  schließen, 
daß  dieses  Zwiegespräch  erst  nach  des  Meisters  Tode  stattgefunden 
hat;  denn  in  der  Mahäparinibbäna-Sutte  ordnet  der  Erhabene  an, 
daß  nach  seinem  Tode  der  an  Ordensjahren  jüngere  Mönch  den 
älteren  mit  bhante  imd  der  ältere  den  jüngeren  mit  ävuso  (etwa: 
Freund  oder  Bruder)  oder  mit  seinem  Namen  anzureden  hat. 


—     196 


NEUNERBUCH  IX 19 


Körper,  der  da  mit  Reis  und  Grützen  großgezogen 
wird,  der  Vergänglichkeit  unterworfen  ist,  gesalbt  und 
geknetet  werden  muß  und*  der  Auflösung  und  Zer- 
setzung anheimfällt.  Dieser  Körper  hat  neun  von 
selbst  entstandene  Öffnungen.  Und  was  da  hervor- 
quillt und  heraussickert,  das  ist  alles  unrein,  übel- 
riechend und  ekelerregend.  Darum,  ihr  Mönche,  wendet 
euch  ab  von  diesem  Körper!" 


Zu  meidende  Familien  17 

Zu  einer  Familie  ihr  Mönche,  bei  der  neun  Dinge 
anzutreffen  sind,  sollte  man  sich  nicht  hinbegeben; 
hat  man  sich  aber  bereits  hinbegeben,  so  sollte  man 
dort  nicht  Platz  nehmen.  Und  welches  sind  diese 
neun  Dinge? 

Sie  erheben  sich  "nicht  freundlich,  grüßen  nicht 
freundlich,  bieten  nicht  in  freundlicher  Weise  einen 
Sitz  an,  verbergen  was  sie  haben,  geben  viel  oder 
geben  wenig,  geben  Feines  oder  geben  Grobes,  geben 
in  unehrerbietiger  Weise  und  nicht  voll  Ehrerbietung, 
setzen  sich  nicht  hin  um  das  Gesetz  anzuhören,  finden 
an  Belehrungen  keinen  Geschmack.  — 


Die  reuigen  Himmelswesen  19 

Diese  Nacht,  ihr  Mönche,  zu  vorgerückter  Stunde, 
kamen  zahlreiche  Himmelswesen,  mit  ihrem  herrlichen 
Glänze  den  ganzen  Jetahain  erleuchtend,  zu  mir  heran, 
begrüßten  mich   ehrfurchtsvoll   und  stellten  sich  zur 

—     197    — 


1X19      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Seite.  Zur  Seite  aber  stehend  sprachen  jene  Himmels- 
wesen also  zu  mir: 

»Früher,  o  Ehrwürdiger,  da  wir  noch  Menschen 
waren,  kamen  Asketen  zu  unseren  Häusern.  Jenen 
warteten  wir  zwar  auf,  o  Ehrwürdiger;  doch  nicht 
begrüßten  wir  sie  ehrfurchtsvolL  Unvollkommen  in 
Werken,  o  Ehrwürdiger,  und  voll  Reue  und  Gewissens- 
bissen erfüllt,  sind  wir  nun  in  niederer  Himmelswelt 
wiedererschienen.« 

Noch  andere  zahlreiche  Himmelswesen  kamen  zu 
mir  heran  und  sprachen:  »Früher,  o  Ehrwürdiger,  da 
wir  noch  Menschen  waren,  kamen  Asketen  zu  unseren 
Häusern.  Jenen  warteten  wir  zwar  auf,  o  Ehrwürdiger, 
und  begrüßten  sie  ehrfurchtsvoll;  doch  nicht  boten 
wir  ihnen  Sitze  an.«  —  Wieder  andere  kamen  und 
sprachen:  »Wohl  boten  wir  den  Asketen  Sitze  an;  doch 
nicht  teilten  wir  ihnen  nach  Kraft  und  Möglichkeit 
Gaben  aus«.  Wieder  andere  sprachen:  »Wohl  teilten 
wir  den  Asketen  nach  Kraft  und  Möglickheit  Gaben 
aus;  doch  nicht  setzten  wir  uns  zu  ihnen,  um  das  Ge- 
setz anzuhören«.  Wieder  andere  sprachen:  Wohl 
setzten  wir  uns  zu  den  Asketen,  um  das  Gesetz  an- 
zuhören; doch  nicht  lauschten  wir  dem  Gesetze  mit 
offenen  Ohren«.  Wieder  andere  sprachen:  »Wohl 
lauschten  wir  dem  Gesetze  mit  offenen  Ohren;  doch 
nicht  prägten  wir  uns  die  vernommenen  Gesetze  ein«. 
Wieder  andere  sprachen:  »Wohl  prägten  wir  uns  die 
vernommenen  Gesetze  ein;  doch  nicht  erforschten  wir 
deren  Sinn«.  Wieder  andere  sprachen:  »Wohl  er- 
forschten wir  der  vernommenen  Gesetze  Sinn;  doch 
nicht  lebten  wir,  das  Gesetz  und  seine  Auslegung 
kennend,  im   Sinne   des   Gesetzes.     Wir  sind   nun,  o 

—    198    — 


NEUNERBUCH  1X20 


Ehrwürdiger,  unvollkommen  in  Werken  und  von 
Reue  und  Gewissensbissen  erfüllt,  in  einer  niederen 
Himmelswelt  wiedererschienen.« 

Andere  zahlreiche  Himmelswesen  aber  kamen  zu 
mir  heran  und  sprachen:  »Früher,  o  Ehrwürdiger,  da 
wir  noch  Menschen  waren,  kamen  Asketen  zu  unseren 
Häusern.  Jenen  warteten  wir  auf,  begrüßten  sie  ehr- 
furchtsvoll, boten  ihnen  Sitze  an,  teilten  ihnen  nach 
Kraft  und  Möglichkeit  Gaben  aus,  setzten  uns  zu 
ihnen  um  das  Gesetz  anzuhören,  lauschten  dem  Gesetze 
mit  offenen  Ohren,  prägten  uns  die  vernommenen 
Gesetze  ein,  erforschten  deren  Sinn;  und,  das  Gesetz 
und  seine  Auslegung  kennend,  lebten  wir  im  Sinne 
des  Gesetzes.  Und  vollkommen  in  Werken,  o  Ehr- 
würdiger, und  ohne  Reue  oder  Gewissensbisse  zu 
empfinden,  sind  wir  nun  in  höherer  Himmelswelt 
wiedererschienen.« 

Ihr  habt  da,  ihr  Mönche,  diese  Plätze  unter  den 
Bäumen;  ihr  habt  da  diese  leeren  Behausungen.  Übet 
Vertiefung,  ihr  Mönche,  und  werdet  nicht  lässig,  damit 
euch  später  keine  Reue  ankomme,  gleichwie  jene  er- 
wähnten Himmelswesen. 

Die  Vorstellung  der  Vergänglichkeit  als  verdienstvollste  20 

Tat 

[Im  Jatahaine  bei  Sävatthi] 

Der  Erhabene  sprach  zu  Anäthapindiko  dem  Haus- 
vater: 

,,Gibt  man  wohl,  o  Hausvater,  in  deinem  Hause 
Almosen?" 

„Freilich,   o   Ehrwürdiger,   gibt   man   in   meinem 

—    199    — 


1X20      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Hause  Almosen,  und  zwar  groben  roten  Reis  und  als 
zweites  eine  Reissuppe."  (1) 

,,0b  da  einer,  o  Hausvater,  etwas  Grobes  oder 
etwas  Feines  als  Almosen  darreicht:  gibt  er  ohne 
Achtung  und  Ehrerbietung,  nicht  eigenhändig,  bloß 
Abfälle,  ohne  Glaube  an  eine  Vergeltung,  so  empfindet, 
wo  auch  immer  die  Wirkung  dieser  oder  jener  Gabe 
eintritt,  sein  Herz  keine  Nieigung  zu  vorzüglicher 
Speise,  vornehmen  Gewändern  und  stattlichen  Wagen, 
keine  Neigung  zu  den  auserlesenen  fünf  Sinnendingen 
(2).  Und  die  Söhne,  Frauen,  Knechte,  Dienstboten 
und  Arbeiter  gehorchen  ihm  nicht,  leihen  ihm  kein 
Gehör  und  richten  ihre   Gedanken  nicht  darauf,  ihn 

(1)  Frage  und  Antwort  beziehen  sich  hier,  wie  auch  der  Kom- 
mentar bemerkt,  bloß  auf  die  Bettler  und  bedürftige  Menschen, 
nicht  aber  auf  die  Mönche,  als  deren  größter  Spender  Anäthapindiko 
ja  allerwärts  bekannt  war. 

(2)  Hier  ist  offenbar  ein  Mensch  gemeint  mit  einer  angeborenen 
Vorliebe  für  das  Rauhe,  Abstoßende,  Schmutzige  und  Häßliche  und 
einem  instinktiven  Widerwillen  gegen  alles  Schöne  und  Wohlge- 
fällige, das  er,  selbst  wenn  es  ihm  angeboten  wird,  meist  unter 
irgend  welchen  Scheingründen,  abweist  und  oft  gar  noch  in  seinem 
Verhalten  eine  Tugend  erblicken  will.  Im  Kommentare  heißt  es: 
„Wenn  man  einem  solchen  Menschen  verschiedene  äußerst  schmack- 
hafte, lieblich  duftende  Reisgerichte  vorsetzt,  so  empfindet  sein 
Herz  keine  Neigung  dazu.  »Nehmt  diesen  Krankheitserreger  fort!« 
spricht  er  und  verzehrt,  zusammen  mit  irgend  einem  Kraute,  seinen 
ungesichteten  Reis,  den  er  wie  Ambrosia  schätzt.  Bringt  man  ihm 
vornehme,  seidene  Gewänder,  so  spricht  er:  »Weg  damit!«  Den, 
der  diese  anlegt,  können  sie  ja  nicht  einhüllen,  auch  sitzen  sie  nicht 
fest  am  Körper.«  Und  er  kleidet  sich  in  plumpe  Gewänder  aus 
Kokosfasem,  Wurzeln,  Rinde  usw.,  indem  er  sie  lobt  und  spricht: 
»Wer  sich  damit  bekleidet,  weiß,  wie  man  sich  zu  kleiden  hat  usw.«" 
Letztere  Bemerkung  soll  offenbar  gleichzeitig  eine  Anspielung  auf 
gewisse  brahmanische  Asketen  sein. 

—     200     — 


NEUNERBUCH  IX  20 


zu  verstehen.  Und  warum  ist  das  so?  Weil  eben  die 
Werke,  die  ohne  Achtung  ausgeführt  werden,  solche 
Früchte  zeitigen. 

„Ob  da  einer,  o  Hausvater,  etwas  Grobes  oder 
etwas  Feines  als  Almosen  darreicht:  gibt  er  mit  Ach- 
tung und  Ehrerbietung,  eigenhändig,  keine  Abfälle, 
im  Glauben  an  eine  Vergeltung,  so  empfindet,  wo  auch 
immer  die  Wirkung  dieser  oder  jener  Gabe  eintritt, 
sein  Herz  Neigung  zu  vorzüglicher  Speise,  vornehmen 
Gewändern  und  stattlichen  Wagen,  Neigung  zu  den 
auserlesenen  fünf  Sinnendingen.  Und  die  Söhne, 
Frauen,  Knechte,  Dienstboten  und  Arbeiter  gehorchen 
ihm,  leihen  ihm  Gehör  und  richten  ihre  Gedanken 
darauf,  ihn  zu  verstehen.  Und  warum  ist  das  so? 
Weil  eben  die  Werke,  die  mit  Achtung  ausgeführt 
werden,  solche  Früchte  zeitigen. 

„Einst,  0  Hausvater,  zu  einer  Zeit,  da  lebte  ein 
Brahmane  namens  Velämo.  Derselbe  spendete  folgende 
große  Gabe:  er  verschenkte  vierundachtzigtausend  mit 
Silber  angefüllte  goldene  Gefäße,  vierundach-tzigtau- 
send  mit  Gold  angefüllte  silberne  Gefäße,  vierundacht- 
zigtausend mit  Edelmetall  angefüllte  bronzene  Schüs- 
seln, vierundachtzigtausend  goldgeschmückte,  goldbe- 
flaggte und  mit  goldgewirkten  Netzen  bedeckte  Ele- 
fanten, vierundachtzigtausend  mit  Löwen-,  Tiger-  und 
Pantherfellen  und  gelben  Wolldecken  überzogene,  gold- 
geschmückte, goldbeflaggte  und  mit  goldgewirkten 
Netzen  bedeckte  Wagen,  vierundachtzigtausend  mit 
Seide  bedeckte  und  Bronzeglocken  behängte  Kühe, 
vierundachtzigtausend  mit  edelsteinbesetzten  Ringen 
geschmückte  Jungfrauen,  vierundachtzigtausend  mit 
haargefranzten,  weißwollenen,  blumengewirkten  Decken 

—    201     — 


1X20      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

und  mit  edlen  Antilopenfellen  gedeckte,  mit  überdeck- 
ten und  purpurnen  Kissen  an  beiden  Bettenden  vor- 
nehme Ruhelager,  vierundachtzigtausend  Koti  (1) 
Gewänder  aus  feinster  Leinwand,  Seide,  Wolle  und 
Baumwolle.  Was  soll  man  da  gar  von  Speise  und 
Trank  sagen,  von  den  Kauwaren,  Eßwaren,  Leckereien 
und  Getränken,  die  dort  gleichsam  in  Strömen  flössen? 

„Du  möchtest  nun  wohl  denken,  o  Hausvater, 
daß  der  Brahmane  Velämo,  der  damals  jene  große 
Gabe  spendete,  irgend  ein  fremder  Mensch  war.  Doch 
das  sollst  du  nicht  denken;  denn  der  Brahmane  Velämo, 
der  damals  jene  große  Gabe  spendete:  der  war  ich. 
Bei  dem  Spenden  jener  Gabe  aber,  o  Hausvater,  war 
keiner  der  der  Gaben  Würdigen  zugegen,  keiner  heiligte 
jene  Gabe. 

,,Bei  weitem  verdienstvoller  als  die  große  Gabe 
des  Brahmanen  Velämo  ist  es,  o  Hausvater,  wenn 
man  einen  von  »Erkenntnis  Erfüllten«  (2)  speist.  Bei 
weitem  verdienstvoller  aber  ist  die  Speisung  von  hun- 
dert von  Erkenntnis  Erfüllten,  bei  weitem  verdienst- 
voller die  Speisung  eines  »Einmalwiederkehrenden«, 
bei  weitem  verdienstvoller  die  Speisung  von  hundert 
Einmalwiederkehrenden,  bei  weitem  verdienstvoller  die 
Speisung  eines  »Niewiederkehrenden«,  bei  weitem  ver- 
dienstvoller die  Speisung  von  hundert  Niewieder- 
kehrenden, bei  weitem  verdienstvoller  die  Speisung 
eines  »Heiligen«,  bei  weitem  verdienstvoller  die  Spei- 
sung von  hundert  Heiligen,  bei  weitem  verdienstvoller 
die    Speisung   eines   »Einzelerleuchteten«,    bei   weitem 

(1)  Im  gewöhnlichen  Gebrauche,  sagt  der  Kommentar,  betrage 
ein  Koti  20  Stück,  in  diesem  Falle  jedoch  bloß  zelin. 

(2)  Hier  ist  der  Sotäpanna  (Stromeingetretener)  gemeint. 

—     202     — 


NEUNERBUCH  1X20 


verdienstvoller  die  Speisung  von  iiundert  Einzelerleuch- 
teten,  bei  weitem  verdienstvoller  die  Speisung  des 
Vollendeten,  Heiligen,  Vollkommen  Erleuchteten,  bei 
weitem  verdienstvoller  die  Speisung  der  Mönchsge- 
meinde  mit  dem  Erleuchteten  an  der  Spitze;  bei 
weitem  verdienstvoller  aber  ist  es,  wenn  man  für  die 
Mönchsgemeinde  aller  vier  Himmelsrichtungen  ein 
Kloster  erbaut,  bei  weitem  verdienstvoller,  wenn  man 
zuversichtlichen  Herzens  zum  Erleuchteten,  zum  Ge- 
setze und  zur  Jijngerschaft  seine  Zuflucht  nimmt, 
bei  weitem  verdienstvoller,  wenn  man  zuversicht- 
lichen Herzens  die  Sittenregeln  auf  sich  nimmt:  Ver- 
meidung von  Töten,  Stehlen,  geschlechtlichem  Aus- 
schreiten, Lügen  und  Trinken  von  berauschenden  Ge- 
tränken; bei  weitem  verdienstvoller  aber  ist  es,  wenn 
man,  selbst  nur  für  einen  Augenblick,  liebevolle  Ge- 
sinnung erweckt;  bei  weitem  verdienstvoller  aber  als 
dies  alles  ist  es,  wenn  man  die  Vorstellung  der  Ver- 
gänglichkeit erweckt,  und  wäre  es  nur  für  einen 
Augenblick."  (1) 


(1)  Diese  Vorstellung  mag  nämlich  —  ebenso  wie  die  Vor- 
Btellimg  der  Wesenlosigkeit  —  bei  durchdringendem  »Hell blicke« 
(vipassanä)  unmittelbar  zur  Erreichung  des  Nirwahns  führen. 


2Ö3     — 


1X22      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 


DRITTER    TEIL: 

Das  Kapitel  der  Daseinsformen 

21  Vergleiche  zwischen  Menschen  und  Himmelswesen 

In  drei  Dingen,  ihr  Mönche,  übertreffen  die 
Menschen  in  Uttarakuru  sowohl  die  Himmelswesen 
der  Dreiunddreißig  als  auch  die  Menschen  in  Indien: 
in  welchen  drei  Dingen?  Sie  sind  selbstlos  und  ohne 
Habgier,  erreichen  ein  festgesetztes  Alter  und  besitzen 
besondere    Fähigkeiten. 

In  drei  Dingen,  ihr  Mönche,  übertreffen  die  Him- 
melswesen der  Dreiunddreißig  sowohl  die  Menschen  in 
Uttarakuru  als  auch  die  Menschen  in  Indien:  in  welchen 
drei  Dingen?  In  himmlischem  Leben,  himmlischer 
Schönheit  und  himmlischem  Glücke. 

In  drei  Dingen,  ihr  Mönche,  übertreffen  die  Men- 
schen in  Indien  sowohl  die  Menschen  in  Uttarakuru 
als  auch  die  Himmelswesen  der  Dreiunddreißig:  in 
welchen  drei  Dingen?  Als  Helden,  in  Achtsamkeit 
und   in  der   Befolgung  dieses   Heiligen   Wandels. 

22  Die  neun  Rosse 

Drei  junge  Rosse,  ihr  Mönche,  will  ich  euch  weisen 
und  drei  junge  Menschen,  drei  gute  Rosse  und  drei 
gute  Menschen,  drei  würdige,  edle  Rosse  und  drei 
würdige,  edle  Menschen. 

—     204    — 


NEUNERBUCH  1X22 


Welches  aber,  ihr  Mönche,  sind  die  drei  jungen 
Rosse?  Das  eine  junge  Roß,  ihr  Mönche,  ist  voll- 
kommen in  Geschwindigkeit,  aber  nicht  vollkommen 
in  Gestalt,  nicht  vollkommen  in  Höhe  und  Umfang. 
Das  eine  junge  Roß,  ihr  Mönche,  ist  vollkommen  in 
Geschwindigkeit  und  Gestalt,  aber  nicht  vollkommen 
in  Höhe  und  Umfang.  Das  eine  junge  Roß,  ihr  Mönche, 
ist  vollkommen  in  Geschwindigkeit,  vollkommen  in 
Gestalt  und  vollkommen  in  Höhe  und  Umfang.  Das, 
ihr  Mönche,  sind  die  drei  jungen  Rosse. 

Welches  aber,  ihr  Mönche,  sind  die  drei  jungen 
Menschen?  Da,  ihr  Mönche,  erkennt  der  Mönch  der 
Wirklichkeit  gemäß,  was  Leiden  ist;  erkennt  der  Wirk- 
lichkeit gemäß,  was  die  Entstehung  des  Leidens  ist; 
erkennt  der  Wirklichkeit  gemäß,  was  die  Aufhebung 
des  Leidens  ist;  erkennt  der  Wirklichkeit  gemäß,  was 
der  zur  Aufhebung  des  Leidens  führende  Pfad  ist. 
Das  aber  nenne  ich  seine  Geschwindigkeit  Über  das 
hohe  Gesetz  und  die  hohe  Disziplin  befragt,  ist  er 
verzagt  und  gibt  keine  Auskunft.  Das  aber  nenne  ich 
seine  Unvollkommenheit  an  Gestalt.  Das  Notwendige 
an  Gewand,  Almosenspeise,  Lagerstatt,  Heilmitteln 
und  Arzneien  wird  ihm  nicht  zuteil.  Das  aber  nenne 
ich  seine  Unvollkommenheit  an  Höhe  und  Umfang, 
So  also,  ihr  Mönche,  ist  der  junge  Mensch  vollkommen 
in  Geschwindigkeit,  aber  nicht  vollkommen  in  Ge- 
stalt,   nicht   vollkommen    in    Höhe    und    Umfang. 

Da,  ihr  Mönche,  erkennt  der  Mönch  der  Wirklich- 
keit gemäß,  was  Leiden  ist;  erkennt  der  Wirklichkeit 
gemäß,  was  die  Entstehung  des  Leidens  ist;  erkennt 
der  Wirklichkeit  gemäß,  was  die  Aufhebung  des  Lei- 
dens ist;   erkennt  der  Wirklichkeit  gemäß,  was  der 


—    205    — 


1X22     SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

zur  Aufhebung  des  Leidens  führende  Pfad  ist.  Das 
aber  nenne  ich  seine  Geschwindigkeit.  Über  das  hohe 
Gesetz  und  die  hohe  Disziplin  befragt,  gibt  er  Aus- 
kunft und  ist  nicht  verzagt.  Das  aber  nenne  ich  seine 
Gestalt.  Das  Notwendige  an  Gewand,  Almosenspeise, 
Lagerstatt,  Heilmitteln  und  Arzneien  wird  ihm  nicht 
zuteil.  Das  aber  nenne  ich  seine  Unvollkommenheit 
an  Höhe  und  Umfang.  So  also,  ihr  Mönche,  ist  der 
junge  Mensch  vollkommen  in  Geschwindigkeit  und 
Gestalt,  aber  nicht  vollkommen  in  Höhe  und  Umfang. 

Da,  ihr  Mönche,  erkennt  der  Mönch  der  Wirklich- 
keit gemäß,  was  Leiden  ist;  erkennt  der  Wirklichkeit 
gemäß,  was  die  Entstehung  des  Leidens  ist;  erkennt 
der  Wirklichkeit  gemäß,  was  die  Aufhebung  des  Lei- 
dens ist;  erkennt  der  Wirklichkeit  gemäß,  was  der 
zur  Aufhebung  des  Leidens  führende  Pfad  ist.  Das 
aber  nenne  ich  seine  Geschwindigkeit.  Über  das  hohe 
Gesetz  und  die  hohe  Disziplin  befragt,  gibt  er  Aus- 
kunft und  ist  nicht  verzagt.  Das  aber  nenne  ich  seine 
Gestalt.  Das  Notwendige  an  Gewand,  Almosenspeise, 
Lagerstatt,  Heilmitteln  und  Arzneien  wird  ihm  reich- 
lich zuteil.  Das  aber  nenne  ich  seine  Höhe  und  seinen 
Umfang.  So  also,  ihr  Mönche,  ist  der  junge  Mensch 
vollkommen  in  Geschwindigkeit  vollkommen  in  Gestalt 
und  vollkommen  in  Höhe  und  Umfang.  Das,  ihr 
Mönche,  sind  die  drei  jungen  Menschen. 

Welches  aber,  ihr  Mönche,  sind  die  drei  guten 
Menschen? 

Da,  ihr  Mönche,  erscheint  der  Mönch  nach  Auf- 
hebung der  fünf  niederen  Fesseln  in  einer  geistigen 
Welt  wieder.  Und  dort  erreicht  er  das  Nirwahn,  kehrt 
nicht  mehr  zurück  von  jener  Welt.    Das  aber  gilt  als 

—     206     — 


NEUNERBUCH  XI 22 


seine  Geschwindigkeit.  Über  das  hohe  Gesetz  und 
die  hohe  Disziplin  befragt,  ist  er  verzagt  und  gibt 
keine  Auskunft.  Das  aber  nenne  ich  seine  Unvollkom- 
menheit  an  Gestalt.  Das  Notwendige  an  Gewand, 
Almosenspeise,  Lagerstatt,  Heilmitteln  und  Arzneien 
wird  ihm  nicht  zuteil.  Das  aber  nenne  ich  seine  Un- 
vollkommenheit  an  Höhe  und  Umfang.  So  also,  ihr 
Brüder,  ist  der  gute  Mensch  vollkommen  in  Geschwin- 
digkeit, aber  nicht  vollkommen  in  Gestalt,  nicht  voll- 
kornmen  in  Höhe  und  Umfang. 

Da,  ihr  Mönche,  erscheint  der  Mönch  nach  Auf- 
hebung der  fünf  niederen  Fesseln  in  einer  geistigen 
Welt  wieder.  Und  dort  erreicht  er  das  Nirwahn,  kehrt 
nicht  mehr  zurück  von  jener  Welt.  Das  aber  gilt  als 
seine  Geschwindigkeit.  Über  das  hohe  Gesetz  und  die 
hohe  Disziplin  befragt,  gibt  er  Auskunft  und  ist  nicht 
verzagt.  Das  aber  nenne  ich  seine  Gestalt.  Das  Not- 
wendige an  Gewand,  Almosenspeise,  Lagerstatt,  Heil- 
mitteln und  Arzneien  wird  ihm  nicht  zuteil.  Das  aber 
nenne  ich  seine  Unvollkommenheit  an  Höhe  und 
Umfang.  So  also,  ihr  Mönche,  ist  der  gute  Mensch 
vollkommen  in  Geschwindigkeit  und  Gestalt,  aber 
nicht  vollkommen  in  Höhe  und  Umfang. 

Da,  ihr  Mönche,  erscheint  der  Mensch  nach  Auf- 
hebung der  fünf  niederen  Fesseln  in  einer  geistigen 
Welt  wieder.  Und  dort  erreicht  er  das  Nirwahn,  kehrt 
nicht  mehr  zurück  von  jener  Welt.  Das  aber  gilt  als 
seine  Geschwindigkeit.  Über  das  hohe  Gesetz  und 
die  hohe  Disziplin  befragt,  gibt  er  Auskunft  und  ist 
nicht  verzagt.  Das  aber  nenne  ich  seine  Gestalt.  Das 
Notwendige  an  Gewand,  Almosenspeise,  Lagerstatt, 
Heilmitteln   und   Arzneien  wird  ihm  reichlich  zuteil. 

—     207    — 


1X22      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Das  aber  nenne  ich  seine  Höhe  und  seinen  Umfang. 
So  also,  ihr  Mönche,  ist  der  gute  Mensch  vollkommen 
in  Geschwindigkeit,  vollkommen  in  Gestalt  und  voll- 
kommen in  Höhe  und  Umfang. 

Das,  ihr  Mönche,  sind  die  drei  guten  Menschen. 

Welches  aber,  ihr  Mönche,  sind  die  drei  würdigen, 
edlen  Menschen? 

Da,  ihr  Mönche,  gelangt  der  Mönch,  nach  Ver- 
siegung der  Leidenschaften,  noch  bei  Lebzeiten  in  den 
Besitz  der  leidenschaftslosen  Gemütserlösung  und 
Wissenserlösung,  indem  er  sie  selber  erkennt  und  ver- 
wirklicht. Das  aber  nenne  ich  seine  Geschwindigkeit. 
Über  das  hohe  Gesetz  und  die  hohe  Disziplin  befragt, 
ist  er  verzagt  und  gibt  keine  Auskunft.  Das  aber 
nenne  ich  seine  Unvollkommenheit  an  Gestalt.  Das 
Notwendige  an  Gewand,  Almosenspeise,  Lagerstatt, 
Heilmitteln  und  Arzneien  wird  ihm  nicht  zuteil.  Das 
aber  nenne  ich  seine  Unvollkommenheit  an  Höhe  und 
Umfang.  So  also,  ihr  Mönche,  ist  der  würdige  edel- 
geartete  Mensch  vollkommen  an  Geschwindigkeit,  aber 
nicht  vollkommen  an  Gestalt,  nicht  vollkommen  an 
Höhe  und  Umfang. 

Da,  ihr  Mönche,  gelangt  der  Mönch,  nach  Ver- 
siegung der  Leidenschaften,  noch  bei  Lebzeiten  in  den 
Besitz  der  leidenschaftslosen  Gemütserlösung  und 
Wissenserlösung,  indem  er  sie  selber  erkennt  und  ver- 
wirklicht. Das  aber  nenne  ich  seine  Geschwindigkeit. 
Über  das  hohe  Gesetz  und  die  hohe  Disziplin  befragt, 
gibt  er  Auskunft  und  ist  nicht  verzagt.  Das  aber 
nenne  ich  seine  Gestalt.  Das  Notwendige  an  Gewand, 
Almosenspeise,  Lagerstatt,  Heilmitteln  und  Arzneien 
wird  ihm  nicht  zuteil.    Das  aber  nenne  ich  seine  Un- 


208 


NEUNERBUCH  1X23 


Vollkommenheit  an  Höhe  und  Umfang.  So  also,  ihr 
Mönche,  ist  der  würdige,  edle  Mensch  vollkommen  in 
Geschwindigkeit  und  Gestalt,  aber  nicht  vollkommen 
in   Höhe  und   Umfang. 

Da,  ihr  Mönche,  gelangt  der  Mönch,  nach  Ver- 
siegung der  Leidenschaften,  noch  bei  Lebzeiten  in  den 
Besitz  der  leidenschaftslosen  Gemütserlösung  und 
Wissenserlösung,  indem  er  sie  selber  erkennt  und  ver- 
wirklicht. Das  aber  nenne  ich  seine  Geschwindigkeit, 
Über  das  hohe  Gesetz  und  die  hohe  Disziplin  befragt, 
gibt  er  Auskunft  und  ist  nicht  verzagt.  Das  aber 
nenne  ich  seine  Gestalt.  Das  Notwendige  an  Gewand, 
Almosenspeise,  Lagerstatt,  Heilmitteln,  und  Arzneien 
wird  ihm  reichlich  zuteil.  Das  aber  nenne  ich  seine 
Höhe  und  seinen  Umfang.  So  also,  ihr  Mönche,  ist 
der  würdige,  edle  Mensch  vollkommen  in  Geschwindig- 
keit, vollkommen  in  Gestalt  und  vollkommen  in 
Höhe  und  Umfang. 

Das,  ihr  Mönche,  sind  die  drei  würdigen,  edlen 
Menschen. 


Im  Durste  wurzelnde  Dinge  23 

Neun  im  »Durste«  (tanhä)  wurzelnde  Dinge,  ihr 
Mönche,  will  ich  euch  weisen:  auf  dem  Durste  beruht 
das  Suchen,  auf  dem  Suchen  das  Finden,  auf  dem 
Finden  die  Entscheidung,  auf  der  Entscheidung  die 
Willensgier,  auf  der  Willensgier  die  Neigung,  auf  der 
Neigung  die  Besitzergreifung,  auf  der  Besitzergreifung 
der  Geiz,  auf  dem  Geize  das  Überwachen,  das  Greifen 
zu  Stock  und  Schwert,  der  Streit,  Zank  und  Hader, 
gegenseitige  Verleumdung  und  Lüge;  und  andere  zahl- 

—    209     —  14 


1X84      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

reiche  üble,  schuldvolle  Erscheinungen  kommen  zum 
Entstehen. 

24  Die  neun  Daseinsformen  der  Wesen 

Neun  »Daseinsformen  der  Wesen«  (sattäväsä)  gibt 
es,  ihr  Mönche:  welche  neun? 

Es  gibt  Wesen,  ihr  Mönche,  die  verschieden  sind 
in  Körperform  und  verschieden  in  Wahrnehmung, 
als  wie  die  Menschen,  einige  Himmelswesen  und  einige 
verstoßene  Wesen.  Das  ist  die  erste  Daseinsform  der 
Wesen. 

Es  gibt  Wesen,  ihr  Mönche,  die  verschieden  sind 
in  Körperform  aber  gleich  in  Wahrnehmung,  als  wie 
die  erstentstandenen  Götter  der  Brahmawelt  (1).  Das 
ist  die  zweite  Daseinsform  der  Wesen. 

Es  gibt  Wesen,  ihr  Mönche,  die  gleich  sind  in 
Körperform  aber  verschieden  in  Wahrnehmung,  als 
wie  die  Hellstrahlenden  Himmelswesen  (äbhas- 
sarä  devä).    Das  ist  die  dritte  Daseinsform  der  Wesen. 

Es  gibt  Wesen,  ihr  Mönche,  die  gleich  sind  in 
Körperform  und  gleich  in  Wahrnehmung,  als  wie  die 
Alleuchtenden  Himmelswesen  (subhakinhä  devä). 
Das  ist  die  vierte  Daseinsform  der  Wesen. 

Es  gibt  Wesen,  ihr  Mönche,  die  ohne  Wahrneh- 
mung und  Gefühl  sind,  als  wie  die  Wahrnehmungs- 
losen Wesen  (asaiinä-sattä).  Das  ist  die  fünfte 
Daseinsform  der  Wesen. 

Es   gibt   Wesen,    ihr   Mönche,    die   durch   völlige 

(1)  D.  s.  jedesmal  diejenigen  Brahmadewen,  die  bei  Beginn 
einer  neuen  Weltentstehung  als  erste  in  der  Brahmawelt  ins  Dasein 
treten. 

—     210     — 


NEUNERBUCH  1X24 


Überwindung  der  Formwahrnehmungen,  das  Schwin- 
den der  Reflexwahrnehmungen  und  das  Nichtbeachten 
der  Vielheitswahrnehmungen,  in  der  Vorstellung  der 
Unendlichkeit  des  Raumes,  in  dem  Gebiete  der 
Raumunendlichkeit  wiedererschienen  sind.  Das 
ist  die  sechste  Daseinsform  der  Wesen. 

Es  gibt  Wesen,  ihr  Mönche,  die  durch  völlige 
Überwindung  des  Gebietes  der  Raumunendlichkeit, 
in  der  Vorstellung  der  Unendlichkeit  des  Bewußtseins, 
in  dem  Gebiete  der  Bewußtseinsunendlichkeit 
wiedererschienen  sind.  Das  ist  die  siebente  Daseins- 
form der  Wesen. 

Es  gibt  Wesen,  ihr  Mönche,  die  durch  völlige 
Überwindung  des  Gebietes  der  Bewußtseinsunendlich- 
keit, in  der  Vorstellung  des  Nichtdaseins,  in  dem 
Gebiete  des  Nichtdaseins  wiedererschienen  sind. 
Das  ist  die  achte  Daseinsform  der  Wesen. 

Es  gibt  Wesen,  ihr  Mönche,  die  durch  völlige 
Überwindung  des  Gebietes  des  Nichtdaseins  in  dem 
Gebiete  der  Weder -Wahrnehmung  -  Noch- 
Nichtwahrnehmung  wiedererschienen  sind.  Das 
ist  die  neunte  Daseinsform  der  Wesen. 

Das,  ihr  Mönche,  sind  die  neun  Daseinsformen 
der  Wesen.  (1) 


(1)  Im  Kommentare  heißt  es:  „Auch  die  »Daseinsstätten  dej 
Eeinen«  (suddhäväsä)  rechnen  als  eine  Daseinsform  der  Wesen.  Da 
dieselben  jedoch  nicht  zu  allen  Zeiten  vorhanden  sind,  werden  sie 
hier  nicht  erwähnt.  Mit  den  Daseinsstätten  der  Reinen  nämlich 
verhält  es  sich  wie  mit  der  Kampfesstätte  der  Erleuchteten;  denn 
während  der  unermeßlich  großen  Zeiträume,  in  denen  keine  Er- 
leuchteten erscheinen,  bleibt  diese  Stätte  leer." 


_     211     —  14* 


1X26      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

26  Der  vollkommen  entfaltete  Geist 

Das  habe  ich  gehört: 

Einst  weilte  der  ehrwürdige  Säriputto  und  der 
ehrwürdige  Candikaputto  im  Bambushaine  bei  Räja- 
gaha,  an  der  Fütterungsstätte  der  Eichhörnchen. 
Dort  wandte  sich  der  ehrwürdige  Candikaputto  an 
die  Mönche  und  sprach: 

„Devadatta,  ihr  Brüder,  lehrt,  daß  ein  Mönch, 
der  durch  Geistesübung  seinen  Geist  entfaltet  hat, 
von  sich  mit  Recht  erklären  kann:  »Aufgehoben  ist 
die  Wiedergeburt,  ausgelebt  der  Heilige  Wandel,  das 
Werk  vollendet;  nicht  kehr'  ich  mehr  zu  dieser  Welt 
zurück«." 

Auf  diese  Worte  aber  entgegnete  ihm  der  ehr- 
würdige Säriputto: 

,, Nicht  so,  0  Bruder,  legt  Davadatto  den  Mönchen 
das  Gesetz  aus,  sondern  er  lehrt,  daß  ein  Mönch,  der 
durch  Geistesübung  seinen  Geist  vollkommen  ent- 
faltet hat,  von  sich  mit  Recht  erklären  kann:  »Aufge- 
hoben ist  die  Wiedergeburt,  ausgelebt  der  Heilige 
Wandel,  das  Werk  vollendet;  nicht  kehr'  ich  mehr 
zu  dieser  Welt  zurück«." 

Und  zum  zweitenmale  und  zum  drittenmale 
sprach  der  ehrwürdige  Candikaputto  zu  den  Mönchen: 

„Devadatto,  ihr  Brüder,  lehrt,  daß  ein  Mönch, 
der  durch  Geistesübung  seinen  Geist  entfaltet  hat, 
von  sich  mit  Recht  erklären  kann:  »Aufgehoben  ist 
die  Wiedergeburt,  ausgelebt  der  Heilige  Wandel,  das 
Werk  vollendet;  nicht  kehr'  ich  mehr  zu  dieser  Welt 
zurück«." 

Und  zum  drittenmale  entgegenete  ihm  der  ehr- 
würdige Säriputto: 

—    212     — 


NEUNERBUCH  1X26 


„Nicht  so,  0  Bruder,  legt  Devadatto  den  Mönchen 
das  Gesetz  aus,  sondern  er  lehrt,  daß  ein  Mönch,  der 
durch  Geistesübung  seinen  Geist  vollkommen  ent- 
faltet hat,  von  sich  mit  Recht  erklären  kann:  »Aufge- 
hoben ist  die  Wiedergeburt,  ausgelebt  der  Heilige 
Wandel,  das  Werk  vollendet;  nicht  kehr'  ich  mehr  zu 
dieser  Welt  zurück«. 

,,Wie  aber,  o  Bruder,  hat  der  Mönch  durch  Geistes- 
übung seinen  Geist  vollkommen  entfaltet? 

,,Wenn  er  erkennt:  >>Frei  ist  mein  Geist  von  Gier, 
frei  von  Haß,  frei  von  Verblendung,  der  Gier,  dem 
Hasse  und  der  Verblendung  nicht  mehr  unterworfen, 
nicht  mehr  imstande,  zu  sinnlichem,  formhaftem  oder 
formlosem  Dasein  zurückzuführen«.  Auf  diese  Weise 
hat  der  Mönch  durch  Geistesübung  seinen  Geist  voll- 
kommen entfaltet. 

„Ob  da,  0  Bruder,  dem  also  im  Geiste  völlig  er- 
lösten Mönche  auch  die  lieblichsten,  dem  Auge  erkenn- 
baren Formen  in  das  Sehfeld  treten,  ob  ihm  die  lieb- 
lichsten, dem  Ohre  erkennbaren  Töne  in  das  Hörfeld 
treten,  ob  ihm  die  lieblichsten,  der  Nase  erkennbaren 
Düfte  in  das  Riechfeld  treten,  ob  ihm  die  Heblichsten 
der  Zunge  erkennbaren  Säfte  in  das  Schmeckfcld 
treten,  ob  ihm  die  lieblichsten,  dem  Körper  erkenn- 
baren Empfindungen  in  das  Tastfeld  treten,  ob  ihm 
die  lieblichsten,  dem  Geiste  erkennbaren  Erscheinungen 
gen  in  das  Denkfeld  treten:  nicht  sehr  vermögen  diese 
seinen  Geist  zu  fesseln.  Ungetrübt  bleibt  sein  Geist, 
fest  und  unerschütterlich;  und  er  betrachtet  der  Dinge 
Vergänglichkeit. 

,, Gesetzt,  o  Bruder,  es  befände  sich  da  eine  sechs- 
zehn Fuß  hohe  steinerne  Säule,  die  acht  Fuß  tief  im 

—    213     — 


1X31      SAMMLUNG  DER  ANGLIEHERUNGEN 

Boden  ruhte  und  acht  Fuß  über  dem  Boden  empor- 
ragte. Sollte  da  auch  von  Osten,  Westen,  Norden 
oder  Süden  her  ein  heftiger  Regen  und  Sturm  heran- 
treiben, so  wäre  derselbe  nicht  imstande,  sie  zu  er- 
schüttern, zu  bewegen  und  zum  Schwanken  zu  bringen. 
Und  warum  nicht?  Eben  wegen  der  Tiefe  des  Grund- 
baues, wegen  der  guten  Eingrabung  der  steinernen 
Säule. 

,, Ebenso  auch,  o  Bruder:  ob  dem  also  im  Geiste 
völlig  erlösten  Mönche  auch  die  lieblichsten,  dem 
Auge  erkennbaren  Formen  in  das  Sehfeld  treten,  ob 
ihm  die  lieblichsten,  dem  Ohre  erkennbaren  Töne  in 
das  Hörfeld  treten,  ob  ihm  die  lieblichsten  der  Nase 
erkennbaren  Düfte  in  das  Riechfeld  treten,  ob  ihm 
die  lieblichsten,  der  Zunge  erkennbaren  Säfte  in  das 
Schmeckfeld  treten,  ob  ihm  die  lieblichsten,  dem 
Körper  erkennbaren  Empfindungen  in  das  Tastfeld 
treten,  ob  ihm  die  lieblichsten,  dem  Geiste  erkennbaren 
Erscheinungen  in  das  Denkfeld  treten:  nicht  sehr 
vermögen  diese  seinen  Geist  zu  fesseln.  Ungetrübt 
bleibt  sein  Geist,  fest  und  unerschütterlich;  und  er 
betrachtet  der  Dinge  Vergänglichkeit." 

31  Stufenweise  Aufhebung 

Folgende  neun  aufeinanderfolgenden  Aufhebun- 
gen gibt  es,  ihr  Mönche:  welche  neun? 

Für  den  in  die  erste  Vertiefung  Eingetretenen 
sind  die  sinnlichen  Wahrnehmungen  aufgehoben. 
Für  den  in  die  zweite  Vertiefung  Eingetretenen  ist 
Sinnen  und  Nachdenken  (vitakka-vicära)  aufge- 
hoben.   Für  den  in  die  dritte  Vertiefung  Eingetretenen 

—    214    — 


NEUNERBUCH  1X31 


ist  die  Verzückung  (piti)  aufgehoben.  '  Für  den  in 
die  vierte  Vertiefung  Eingetretenen  ist  Ein-  und 
Ausatmung  aufgehoben.  Für  den  in  das  Gebiet  der 
Raumunendlichkeit  Eingetretenen  sind  die  Form- 
wahrnehmungen aufgehoben.  Für  den  in  das  Gebiet 
der  Bewußtseinsunendlichkeit  Eingetretenen  ist  die 
Vorstellung  des  Gebietes  der  Raumunendlichkeit  auf- 
gehoben. Für  den  in  das  Gebiet  des  Nichtseins  Einge- 
tretenen ist  die  Vorstellung  des  Gebietes  der  Bewußt- 
seinsunendlichkeit aufgehoben.  Für  den  in  das  Gebiet 
der  Weder-Wahrnehmung-Noch-Nicht-Wahrnehmung 
Eingetretenen  ist  die  Vorstellung  des  Gebietes  des 
Nichtseins  aufgehoben.  Für  den  in  die  »Aufhebung 
von  Wahrnehmung  und  Gefühl«  Eingetretenen  ist 
Wahrnehmung  und  Gefühl  aufgehoben.  Das,  ihr 
Mönche,  sind  die  neun  aufeinanderfolgenden  Aufhe- 
bungen. 


—    215     — 


1X32      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 


VIERTER   TEIL: 

Das  große  Kapitel 

32  Die  neun  aufeinanderfolgenden  Zustände 

Neun  aufeinanderfolgende  Zustände  gibt  es,  ihr 
Mönche:  welche  neun? 

Da,  ihr  Mönche,  gewinnt  der  Mönch,  den  Sinnen- 
dingen entrückt,  entrückt  den  schuldvollen  Erschei- 
nungen, die  mit  Sinnen  und  Nachdenken  verbun- 
dene, in  der  Entrückung  geborene,  von  Verzückung 
und   Glückseligkeit  erfüllte  erste  Vertiefung. 

Nach  dem  Schwinden  des  Sinnens  und  Nach- 
denkens aber  gewinnt  er  den  inneren  Frieden,  die 
Einheit  des  Geistes,  die  von  Sinnen  und  Nachdenken 
freie,  in  der  Sammlung  geborene,  von  Verzückung 
und  Guck  Seligkeit  erfüllte  zweite  Vertiefung. 

Nach  Abwendung  von  der  Verzückung  aber  ver- 
weilt er  gleichmütig,  achtsam,  geistesklar;  und  er  fühlt 
in  sich  jenes  Glück,  von  dem  die  Edlen  sprechen: 
»Glückselig  der  Gleichmütige,  der  Achtsame!«  —  so 
gewinnt  er  die  dritte  Vertiefung. 

Nach  dem  Schwinden  von  Wohlgefühl  und 
Schmerz  aber  und  durch  Überwindung  des  früheren 
Frohsinns  und  Trübsinns  gewinnt  er  einen  leidlosen, 
freudlosen  Zustand,  die  durch  Gleichmut  und  Acht- 
samkeit geklärte  vierte  Vertiefung. 

Durch  völlige  Überwindung  der  Formwahrneh- 
mungen, das  Schwinden  der  Reflexwahrnehmungen 
und  das  Nichtbeachten  der  Vielheitswahrnehmungen 

—    216     — 


NEUNERBUCH  1X33 


aber  gewinnt  er,   in  der  Vorstellung:  »Unendlich   ist 
der  Raum!«,  das  Gebiet  der  Raumunendlichkeit. 

"  Durch  völlige  Überwindung  des  Gebietes  der 
Raumunendlichkeit  aber  gewinnt  er,  in  der  Vorstel- 
lung: »Unendlich  ist  das  Bewußtsein!«,  das  Gebiet  der 
Bewußtseinsunendlichkeit. 

Durch  völlige  Überwindung  des  Gebietes  der 
Bewußtseinsunendlichkeit  aber  gewinnt  er,  in  der 
Vorstellung:  »Nichts  ist  da!«,  das  Gebiet  des  Nicht- 
daseins. 

Durch  völlige  Überwindung  des  Gebietes  des 
Nichtdaseins  aber  gewinnt  er  das  Gebiet  der  Weder- 
Wahrnehmung-Noch-Nichtwahrnehmung. 

Durch  völlige  Überwindung  des  Gebietes  der 
Weder-Wahrnehmung  -  Noch  -  Nichtwahrnehmung  ge- 
winnt er  die  »Aufhebung  von  Wahrnehmung  und 
Gefühl«. 

Das,  ihr  Mönche,  sind  die  neun  aufeinanderfol- 
genden Zustände. 

Die  neun  aufeinanderfolgenden  Erreichungszustände     33 

Folgende  neun  aufeinanderfolgende  Erreichungs- 
zustände, ihr  Mönche,  will  ich  euch  weisen.  So  höret 
denn  und  achtet  wohl  auf  meine  Worte!  — 

Wo  die  sinnlichen  Dinge  (kämä)  zur  Auf- 
hebung gelangen  und  jene  verweilen,  die  die  sinnlichen 
Dinge  zur  Aufhebung  gebracht  haben,  in  jenem  Zu- 
stande wahrlich  sind  die  Ehrwürdigen  gestillt,  ent- 
wähnt, entronnen,  zum  anderen  Ufer  (1)  gelangt:  das 

(1)  D.  h.  nicht  etwa  des  Daseins,  sondern  der  Sinnlichkeit 
u.  zw.  nur  hier  für  die  Dauer  des  Vertiefungszustandes. 

—     217     — 


1X33      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

sage  ich.  Wo  aber  gelangen  die  sinnlichen  Dinge  zur 
Aufhebung  und  verweilen  jene,  die  die  sinnlichen 
Dinge  zur  Aufhebung  gebracht  haben?  Wer  da  sagt, 
daß  er  es  nicht  weiß,  nicht  erkennt,  dem  hat  rhan 
also  zu  erklären: 

»Da,  0  Bruder,  gewinnt  der  Mönch,  den  Sinnen- 
dingen entrückt,  entrückt  den  schuldvollen  Erschei- 
,nungen,  die  mit  Sinnen  und  Nachdenken  verbundene, 
in  der  Entrückung  geborene,  von  Verzückung  und 
Glückseligkeit  erfüllte  erste  Vertiefung.  Hier  ge- 
langen die  sinnlichen  Dinge  zur  Aufhebung  und 
verweilen  jene,  die  die  sinnlichen  Dinge  zur  Auf- 
hebung gebracht  haben.« 

Wahrlich,  ihr  Mönche,  ein  Mensch,  der  frei  ist  von 
Heuchelei  und  Verstellung,  sollte  diesen  Worten  Bei- 
fall schenken  und  sie  billigen.  Und  hat  er  ihnen  Beifall 
geschenkt  und  sie  gebilligt,  so  sollte  er  voll  Ehrfurcht 
seine  gefalteten   Hände   erheben  und  beiwohnen. 

Wo  das  »Sinnen  und  Nachdenken«  (vitakka- 
vicära)  zur  Aufhebung  gelangt  und  jene  verweilen,  die 
das  Sinnen  und  Nachdenken  zur  Aufhebung  gebracht 
haben, in  jenem  Zustande  wahrlich  sind  die  Ehrwürdigen 
gestillt,  entwähnt,  entronnen,  zum  anderen  Ufer 
gelangt:  das  sage  ich.  Wo  aber  gelangt  das  Sinnen 
und  Nachdenken  zur  Aufhebung  und  verweilen  jene, 
die  das  Sinnen  und  Nachdenken  zur  Aufhebung  ge- 
bracht haben?  Wer  da  sagt,  daß  er  es  nicht  weiß, 
nicht  erkennt,  dem  hat  man  also  zu  erklären: 

»Da,  0  Bruder,  gewinnt  der  Mönch  nach  dem 
Schwinden  des  Sinnens  und  Nachdenkens  den  inne- 
ren Frieden,  die  Einheit  des  Geistes,  die  von  Sinnen 

—     218     — 


NEUNERBUCH  1X33 


und  Nachdenken  freie,  in  der  Sammlung  geborene, 
von  Verzückung    und    Glückseligkeit  erfüllte 
zweite  Vertiefung.      Hier  also  gelangt  das   Sinnen 
und  Nachdenken  zur  Aufhebung  und  verweilen  jene, 
die   das    Sinnen    und    Nachdenken   zur   Aufhebung 
gebracht  haben.« 
Wahrlich,  ihr  Mönche,  ein  Mensch,  der  frei  ist  von 
Heuchelei  und  Verstellung,  sollte  diesen  Worten  Bei- 
fall schenken  und  sie  billigen.    Und  hat  er  ihnen  Bei- 
fall geschenkt  und  sie  gebilligt,  so  sollte  er  voll  Ehr- 
furcht seine  gefalteten  Hände  erheben  und  beiwohnen. 
Wo  die  »Verzückung«  (piti)  zur  Aufhebung  ge- 
langt und  jene  verweilen,  die  die  Verzückung  zur  Auf- 
hebung gebracht  haben,  in   jenem  Zustande    wahrlich 
sind   die   Ehrwürdigen   gestillt,   entwähnt,    entronnen, 
zum  anderen   Ufer   gelangt:   das   sage  ich.     Wo   aber 
gelangt  die  Verzückung  zur  Aufhebung  und  verweilen 
jene,    die    die    Verzückung    zur    Aufhebung    gebracht 
haben?    Wer  da  sagt,  daß  er  es  nicht  weiß,  nicht  er- 
kennt, dem  hat  man  also  zu  erklären: 

»Da,  0  Bruder,  verweilt  der  Mönch  nach  Ab- 
wendung von  der  Verzückung  gleichmütig,  achtsam, 
geistesklar;  und  er  fühlt  in  sich  jeftes  Glück,  von 
dem  die  Edlen  sprechen:  »Glückselig  der  Gleich- 
mütige, der  Achtsame!«  —  so  gewinnt  er  die  dritte 
Vertiefung.  Hier  also  gelangt  die  Verzückung  zur 
Aufhebung  und  verweilen  jene,  die  die  Verzückung 
zur  Aufhebung  gebracht  haben.«  — 

—  »Da,  0  Bruder,  gewinnt  der  Mönch  nach  dem 
Schwinden  von  Wohlgefühl  und  Schmerz  und  durch 
Überwindung  des  früheren  Frohsinns  und  Trübsinns 
einen    leidlosen,    freudlosen    Zustand,    die     durch 

—     219     — 


1X33      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Gleichmut  und  Achtsamkeit  geklärte  vierte  Ver- 
tiefung. Hier  also  gelangt  die  »gleichmütige 
Freude«  (uppekhä-sukka)  (1)  zur  Aufhebung  und 
verweilen  jene,  die  die  gleichmütige  Freude  zur 
Aufhebung  gebracht  haben.«  — 

—  »Da,  0  Bruder,  gewinnt  der  Mönch  durch 
völlige  Überwindung  der  Formwahrnehmungen,  das 
Schwinden  der  Reflexwahrnehmungen,  das  Nicht- 
beachten  der  Vielheitswahrnehmungen,  in  der  Vor- 
stellung: >Unendlich  ist  der  Raum!«,  das  Gebiet  der 
Raumunendlichkeit.  Hier  also  gelangen  die  Form- 
wahrnehmungen zur  Aufhebung  und  verweilen  jene, 
die  die  Formwahrnehmungen  zur  Aufhebung  ge- 
bracht haben.«  — 

—  »Da,  0  Bruder,  gewinnt  der  Mönch  durch 
völlige  Überwindung  der  Vorstellung  des  Gebietes 
der  Raumunendlichkeit,  in  der  Vorstellung:  >Un- 
endlichkeit  ist  das  Bewußtseim,  das  Gebiet  der 
Bewußtseinsunendlichkeit.  Hier  also  gelangt  die 
Vorstellung  des  Gebietes  der  Raumunendlichkeit  zur 
Aufhebung  und  verweilen  jene,  die  die  Vorstellung 
des  Gebietes  der  Raumunendlichkeit  zur  Aufhebung 
gebracht  haben.«  — 

—  »Da,  0  Bruder,  gewinnt  der  Mönch  durch 
völlige  Überwindung  des  Gebietes  der  Bewußtseins- 
unendlichkeit, in  der  Vorstellung:  >Nichts  ist  da<, 
das  Gebiet  des  Nichtdaseins.  Hier  also  gelangt  die 
Vorstellung  des  Gebietes  der  Bewußtseinsunendlich- 


(1)  upekkhä-sukkha  ist  das  durch  den  ethischen  Gleichmut 
(upekkhä,  hier  identisch  mit  tatramajjhattatä  des  Sarikhära-kkhan- 
dha  und  nicht  etwa  mit  der  hedonistischen  Indifferenz  des  Vedanä- 
kkhandha)  modifizierte  Freudegefühl  (sukha-vedanä). 

—      220      — 


NEUNERBUCH  1X34 


keit  zur  Aufhebung  und  verweilen  jene,  die  die 
Vorstellung  des  Gebietes  der  Bewußtseinsunendlich- 
keit  zur   Aufhebung   gebracht   haben.«  — 

—  »Da,  0  Bruder,  gewinnt  der  Mönch  durch 
völlige  Überwindung  des  Gebietes  des  Nichtdaseins, 
das  Gebiet  der  Weder-Wahrnehmung-Noch-Nicht- 
wahrnehmung.  Hier  also  gelangt  die  Vorstellung 
des  Gebietes  des  Nichtdaseins  zur  Aufhebung  und 
verweilen  jene,  die  die  Vorstellung  des  Gebietes  des 
Nichtdaseins  zur    Aufhebung   gebracht   haben.«   — 

—  »Da,  0  Bruder,  gewinnt  der  Mönch  durch 
völlige  Überwindung  des  Gebietes  der  Weder-Wahr- 
nehmung-Noch-Nichtwahrnehmung  die  Aufhebung 
von  Wahrnehmung  und  Gefühl.  Hier  also  gelangt  die 
Vorstellung  des  Gebietes  der  Weder-Wahrnehmung- 
Noch-Nichtwahrnehmung  zur  Aufhebung  und  ver- 
weilen jene,  die  die  Vorstellung  des  Gebietes  der 
Weder-Wahrnehmung-Noch-Nichtwahrnehmung  zur 
Aufhebung  gebracht  haben.« 

Wahrlich,  ihr  Mönche,  ein  Mensch,  der  frei  ist  von 
Heuchelei  und  Verstellung,  sollte  diesen  Worten  Bei- 
fall schenken  und  sie  billigen.  Und  hat  er  ihnen  Bei- 
fall geschenkt  und  sie  gebilligt,  so  sollte  er  voll  Ehr- 
furcht seine  gefalteten  Hände  erheben  und  beiwohnen. 

Das,  ihr  Mönche,  sind  die  neun  aufeinanderfol- 
genden Erreichungszustände. 

Ein  Glück  jenseits  der  Gefühle  34 

Das  habe  ich  gehört: 

Einst  weilte  der  ehrwürdige  Säriputto  im  Bam- 
bushaine bei  Räjagaha,  an  der  Fütterungsstätte  der 

—     221    — 


1X34      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Eichhörnchen.       Dort    wandte    sich    der    ehrwürdige 
Säriputto  an  die  Mönche  und  sprach: 

,,Ein  Glück,  o  Brüder,  ist  das  Nirwahn!  Ein 
Glüctc,  0  Brüder,  ist  das  Nirwahn!" 

Auf  diese  Worte  sprach  der  ehrwürdige  Udäyi 
also  zum  ehrwürdigen   Säriputto: 

,,Wie  kann  denn,  o  Bruder,  dort  ein  Glück  be- 
stehen, wo  es  keine  Gefühle  mehr  gibt?" 

,, Darin,  o  Bruder,  besteht  ja  gerade  das  Glück, 
daß  es  dort  keine  Gefühle  mehr  gibt. 

,, Folgende  fünf  Sinnendinge  gibt  es,  o  Bruder: 
welche  fünf?  Die  Formen,  die  Töne,  die  Düfte,  die 
Säfte  und  die  Tastungen,  die  begehrten,  lieblichen, 
angenehmen,  teuren,  sinnlichen,  reizenden:  das,  o 
Bruder,  sind  die  fünf  Sinnendinge.  Was  aber,  o  Bruder, 
diesen  fünf  Sinnendingen  zufolge  an  Freude  und 
Frohsinn  aufsteigt,  das  nennt  man,  o  Bruder,  sinn- 
liches Glück. 

,,Da  aber,  o  Bruder,  gewinnt  der  Mönch,  den 
Sinnendingen  entrückt,  entrückt  den  schuldv^ollen 
Erscheinungen,  die  erste  Vertiefung.  Wenn  nun  den 
Mönch,  während  er  in  diesem  Zustande  verweilt,  mit 
Sinnlichkeit  verbundene  Wahrnehmungen  und  Er- 
wägungen befallen,  so  gilt  ihm  das  als  Gebrechen. 
Gleichwie  nämlich,  ihr  Brüder,  einen  Glücklichen  ein 
Unglück  oder  gar  ein  Gebrechen  befallen  mag,  genau 
so  befallen  ihn  jene  mit  Sinnlichkeit  verbundenen 
Wahrnehmungen  und  Erwägungen.  Das  gilt  ihm 
eben  als  ein  Gebrechen.  Was  da  aber,  ihr  Brüder, 
Gebrechen  ist,  das  ist  Leiden,  hat  der  Erhabene  ge-* 
sagt.  In  diesem  Sinne  eben,  ihr  Brüder,  hat  man  das 
Nirwahn  als  ein  Glück  anzusehen. 

—     222     — 


NEUNERBUCH  1X34 


„Da,  ihr  Brüder,  gewinnt  der  Mönch  fernerhin 
nach  Aufhebung  des  Sinnens  und  Nachdenkens  die 
zweite  Vertiefung.  Wenn  nun  den  Mönch,  während 
er  in  diesem  Zustande  verweilt,  mit  Sinnen  und 
Nachdenken  verbundene  Wahrnehmungen  und  Er- 
wägungen befallen,  so  gilt  ihm  das  als  Gebrechen.  — 

,,Da,  ihr  Brüder,  gewinnt  der  Mönch  fernerhin 
nach  Abwendung  von  der  Verzückung  die  dritte  Ver- 
tiefung. Wenn  nun  den  Mönch,  während  er  in  diesem 
Zustande  verweilt,  mit  Verzückung  verbundene 
Wahrnehmungen  und  Erwägungen  befallen,  so  gilt 
ihm  das  als  Gebrechen.  — 

„Da,  ihr  Brüder,  gewinnt  der  Mönch  fernerhin 
nach  dem  Schwinden  von  Freuden  und  Leiden  die 
vierte  Vertiefung.  Wenn  nun  den  Mönch,  während  er 
in  diesem  Zustande  verweilt,  mit  gleichmütigem 
Glücke  verbundene  Wahrnehmungen  und  Erwägun- 
gen befallen,  so  gilt  ihm  das  als  Gebrechen.  — 

„Da,  ihr  Brüder,  gewinnt  fernerhin  der  Mönch 
durch  völlige  Überwindung  der  Formwahrnehmungen 
das  Gebiet  der  Raum.unendlichkeit.  Wenn  nun  den 
Mönch,  während  er  in  diesem  Zustande  verweilt,  mit 
Formen  verbundene  Wahrnehmungen  und  Erwä- 
gungen  befallen,   so  gilt  ihm  das  als   Gebrechen.  — 

„Da,  ihr  Brüder,  gewinnt  der  Mönch  fernerhin 
durch  völlige  Überwindung  des  Gebietes  der  Raum- 
unendlichkeit, in  der  Vorstellung:  »Unendlich  ist  das 
Bewußtsein«,  das  Gebiet  der  Bewußtseinsunendlichkeit. 
Wenn  nun  den  Mönch,  während  er  in  diesem  Zustande 
verweilt,  mit  dem  Gebiete  der  Raumunendlichkeit 
verbundene  Wahrnehmungen  und  Erwägungen  be- 
fallen, so  gilt  ihm  das  als  Gebrechen.  — 

—     223     — 


1X34      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

,,Da,  ihr  Brüder,  gewinnt  der  Möncii  fernerhin 
durch  völlige  Überwindung  des  Gebietes  der  Bewußt- 
seinsunendlichkeit, das  in  der  Vorstellung:  »Nichts 
ist  da«,  das  Gebiet  des  Nichtdaseins.  Wenn  nun  den 
Mönch,  während  er  in  diesem  Zustande  verweilt,  mit 
dem  Gebiete  der  Bewußtseinsunendlichkeit  ver- 
bundene Wahrnehmungen  und  Erwägungen  befallen, 
so  gilt  ihm  das  als  Gebrechen.  — 

,,Da,  ihr  Brüder,  gewinnt  fernerhin  der  Mönch 
durch  völlige  Überwindung  des  Gebietes  des  Nicht- 
seins das  Gebiet  der  Weder-Wahrnehmung-Noch-Nicht- 
wahrnehmung.  Wenn  nun  den  Mönch,  während  er  in 
diesem  Zustande  verweilt,  mit  dem  Gebiete  der 
Weder  -Wahrnehmung -Noch -Nie  htwahrne  h- 
mung  verbundene  Wahrnehmungen  und  Erwägungen 
befallen,  so  gilt  ihm  das  als  Gebrechen.  Gleichwie 
nämlich,  ihr  Brüder,  einen  Glücklichen  ein  Unglück 
oder  gar  ein  Gebrechen  befallen  mag,  genau  so  be- 
fallen ihn  jene  mit  dem  Gebiete  der  Weder-Wahrneh- 
mung-Noch-Nichtwahrnehmung  verbundenen  Wahr- 
nehmungen und  Erwägungen.  Das  gilt  ihm  eben  als 
ein  Gebrechen.  Was  da  aber,  ihr  Brüder,  Gebrechen 
ist,  das  ist  Leiden,  hat  der  Erhabene  gesagt.  In 
diesem  Sinne  eben,  ihr  Brüder,  hat  man  das  Nirwahn 
als  ein  Glück  anzusehen. 

,,Da,  ihr  Brüder,  gewinnt  der  Mönch  fernerhin 
durch  völlige  Überwindung  des  Gebietes  der  Weder- 
Wahrnehmung-Noch-Nichtwahrnehmung  die  Aufhe- 
bung von  Wahrnehmung  und  Gefühl;  und  nach  weisem 
Erkennen  gelangen  in  ihm  die  Leidenschaften  zur 
Versiegung.  In  diesem  Sinne  eben,  ihr  Brüder,  hat 
man  das  Nirwahn  als  ein  Glück  anzusehen." 

—     224     — 


NEUNERBUCH  1X36 


Die  Kuh  im  Gebirge  35 

Nehmt  an,  ihr  Mönche,  einer  im  Gebirge  lebenden 
Kuh,  unverständig,  unerfahren,  des  Gebietes  unkundig 
und  unfähig,  in  dem  unebenen  Gebirge  umherzu- 
wandern, käme  der  Gedanke:  »Ach,  laß  mich  doch 
auf  noch  nicht  betretenes  Gebiet  gehen  und  noch  nicht 
gekostete  Gräser  fressen,  noch  nicht  genossenes  Wasser 
trinken!«  Und,  bevor  sie  noch  richtig  den  Vorderfuß 
niedergesetzt  hat,  möchte  sie  schon  den  Hinterfuß 
aufheben,  und  nicht  möchte  sie  die  noch  nicht  ge- 
kosteten Gräser  zu  fressen  und  das  noch  nicht  genossene 
Wasser  zu  trinken  bekommen.  Und  auch  zu  dem  Orte, 
wo  ihr  jener  Gedanke  kam,  da  vermöchte  sie  nicht 
heil  zurückzukehren.  Und  warum  nicht?  Weil  eben 
jene  im  Gebirge  lebende  Kuh,  ihr  Mönche,  unverstän- 
dig, unerfahren,  des  Gebietes  unkundig  und  unfähig 
ist,  in  dem  unebenen  Gebirge  umherzuwandern. 

So  auch,  ihr  Mönche,  ist  da  ein  Mönch  unver- 
ständig, unerfahren,  des  Gebietes  unkundig  und  un- 
fähig, den  Sinnendingen  entrückt,  in  die  erste  Ver- 
tiefung einzutreten.  Auch  übt  er  nicht  jene  Vorstellung, 
erweckt  sie  nicht,  entfaltet  sie  nicht,  hält  sie  nicht 
fest.  Dem  nun  kommt  der  Gedanke:  »Ach,  laß  mich 
doch,  nach  Aufhebung  des  Sinnens  und  Nachdenkens, 
in  die  zweite  Vertiefung  eintreten!«  Doch  ist  er  nicht 
imstande,  nach  Aufhebung  des  Sinnens  und  Nach- 
denkens, in  die  zweite  Vertiefung  einzutreten.  Da 
denkt  er:  »So  laß  mich  denn,  den  Sinnendingen  ent- 
rückt, in  die  erste  Vertiefung  eintreten!«  Doch  auch 
dazu  ist  er  nicht  imstande.  Dieser  Mönch,  ihr  Mönche, 
gilt    als    beiderseits    verirrt    und    verloren,    gleichwie 

—     225     —  15 


1X35      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

jene  im  Gebirge  lebende  unverständige,  unerfahrene, 
des  Gebietes  unkundige  Kuh,  die  unfähig  ist,  in  dem 
unebenen  Gebirge  umherzuwandern. 

Nehmt  nun  aber  einmal  an,  ihr  Mönche,  einer  im 
Gebirge  lebenden  Kuh,  die  verständig,  erfahren  und 
des  Gebietes  kundig  ist  und  fähig,  in  dem  unebenen 
Gebirge  umherzuwandern,  käme  der  Gedanke:  »Ach, 
laß  mich  doch  auf  noch  nicht  betretenes  Gebiet  gehen 
und  noch  nicht  gekostete  Gräser  fressen,  noch  nicht 
genossenes  Wasser  trinken!«  Und  nachdem  sie  den 
Vorderfuß  richtig  niedergesetzt  hat,  möchte  sie  den 
Hinterfuß  aufheben,  und  sie  möchte  die  noch  nicht 
gekosteten  Gräser  zu  fressen  und  das  noch  nicht  ge- 
nossene Wasser  zu  trinken  bekommen.  Und  auch  zu 
dem  Orte,  wo  ihr  jener  Gedanke  kam,  vermöchte  sie 
heil  zurückzukehren.  Und  warum?  Weil  eben  jene 
im  Gebirge  lebende  Kuh,  ihr  Mönche,  verständig  ist, 
erfahren,  des  Gebietes  kundig  und  fähig,  in  dem  un- 
ebenen Gebirge  umherzuwandern. 

So  auch,  ihr  Mönche,  ist  da  ein  Mönch  verständig, 
erfahren,  des  .Gebietes  kundig  und  fähig,  den  Sinnen- 
dingen entrückt,  in  die  erste  Vertiefung  einzutreten. 
Und  er  übt  jene  Vorstellung,  erweckt  sie,  entfaltet  sie, 
hält  sie  fest.  Da  kommt  ihm  der  Gedanke:  »So  laß 
mich  denn,  nach  Aufhebung  des  Sinnens  und  Nach- 
denkens, in  die  zweite  Vertiefung  eintreten!«  Und 
ohne  Mühe  tritt  er  in  die  zweite  Vertiefung  ein;  und 
er  übt  jene  Vorstellung,  erweckt  sie,  entfaltet  sie,  hält 
sie  fest.  Da  kommt  ihm  der  Gedanke:  »So  laß  mich 
denn  nach  Aufhebung  der  Verzückung  in  die  dritte 
Vertiefung  eintreten,  —  in  die  vierte  Vertiefung  ein- 
treten, —  in  das  Gebiet  der  Raumunendlicheit    ein- 

—     226     — 


...._.Lj 


NEUNERBUCH  1X35 


treten,  —  in  das  Gebiet  des  Nichtdaseins  eintreten,  — 
in  das  Gebiet  der  Weder-Wahrnehmung-Noch-Nicht- 
wahrnehmung  eintreten,  —  in  die  Aufhebung  von 
Wahrnehmung  und  Gefühl  eintreten!«  Und  ohne 
Mühe  tritt  er,  nach  Aufhebung  des  Gebietes  der  Weder- 
Wahrnehmung-Noch-Nichtwahrnehmung,  in  die  Auf- 
hebung von  Wahrnehmung  und  Gefühl  ein. 

Wenn,  ihr  Mönche,  der  Mönch  in  alle  jene  Er- 
rcichungszustände  eintritt  und  sich  wieder  daraus 
erhebt,  so  wird  sein  Geist  geschmeidig  und  biegsam. 
Bei  geschmeidigem  und  biegsamem  Geiste  aber  ist  die 
Sammlung  unbeschränkt  und  wohl  entfaltet.  Auf 
welche  durch  höheres  Wissen  erreichbare  Erscheinung 
er  nun  bei  unbeschränkter  und  entfalteter  Sammlung 
auch  immer  seinen  Geist  richtet,  um  sie  weise  zu  ver- 
wirklichen —  er  erreicht  eben  da  stets  die  Fähigkeit 
sie  zu  verwirklichen,  sobald  die  Bedingungen  erfüllt 
sind. 

Möchte  er  der  mannigfachen  magischen  Kräfte 
(iddhi)  der  Reihe  nach  sich  erfreuen,  einer  seiend  viel- 
fach werden,  vielfach  geworden  einer  werden,  er- 
scheinen und  verschwinden,  ungehindert  durch  Mauern, 
Wälle  und  Berge  hindurch  schweben  gleichsam  wie 
in  der  Luft,  in  der  Erde  auf-  und  untertauchen  gleich- 
sam wie  im  Wasser,  auf  dem  Wasser  dahineilen  ohne 
unterzusinken,  gleichsam  wie  auf  der  Erde,  durch 
die  Lüfte  sich  fortbewegen  wie  ein  beschwingter 
Vogel,  ja  selbst  diese  Sonne  und  diesen  Mond,  die  so 
mächtigen,  so  gewaltigen,  mit  der  Hand  berühren  und 
bestreichen,  ja  gar  bis  hinauf  zur  Brahmawelt  sich 
mit  seinem   Körper  bewegen  —  er  erreicht  eben  da 

—     227     —  lö* 


1X35      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

stets  die  Fähigkeit,  dies  zu  verwirklichen,  sobald  die 
Bedingungen  erfüllt  sind. 

Und  möchte  er  mit  dem  Himmlischen  Ohre 
(dibba-sota),  dem  geklärten,  übermenschlichen,  beide 
Arten  der  Töne  vernehmen,  himmlische  wie  mensch- 
liche, ob  ferne  oder  nah  —  er  erreicht  eben  da  stets 
die  Fähigkeit,  dies  zu  verwirklichen,  sobald  die  Be- 
dingungen erfüllt  sind. 

Und  möchte  er  der  anderen  Wesen,  der  anderen 
Geschöpfe  Gesinnung  mit  seinem  Geiste  durch- 
dringend erkennen,  den  gierverbundenen  Geist  als 
gierverbunden  und  den  gierlosen  als  gierlos,  den  haß- 
verbundenen Geist  als  haßverbunden  und  den  haß- 
losen als  haßlos,  den  verblendeten  Geist  als  verblendet 
und  den  unverblendeten  als  unverblendet,  den  ge- 
sammelten Geist  als  gesammelt  und  den  ungesammel- 
ten als  ungesammelt,  den  entwickelten  Geist  als  ent- 
wickelt und  den  unentwickelten  als  unentwickelt,  den 
übertreffbaren  Geist  als  übertreffbar  und  den  unüber- 
treffbaren  als  unübertreffbar,  den  gefestigten  Geist 
als  gefestigt  und  den  ungefestigten  als  ungefestigt,  den 
befreiten  Geist  als  befreit  und  den  unbefreiten  als 
unbefreit  —  er  erreicht  eben  da  stets  die  Fähigkeit, 
dies  zu  verwirklichen,  sobald  die  Bedingungen  erfüllt 
sind. 

Und  wünscht  er  sich:  »Ach  möchte  ich  doch  der 
mannigfachen  früheren  Daseinsformen  mich  er- 
innern, an  ein  Leben,  an  zwei,  drei,  vier  und  fünf 
Leben,  an  zehn  Leben,  an  zwanzig,  dreißig,  vierzig 
und  fünfzig  Leben,  an  hundert  Leben,  an  tausend 
Leben,  an  hundert  tausend  Leben,  an  viele  Weltent- 
stehungen und  Weltuntergänge,  an  das  Entstehen  und 

—     228     — 


-^'1 


NEUNERBUCH  1X35 


Vergehen  zahlreicher  Weitem  ,,Dort  war  ich,  solchen 
Namen  hatte  ich,  solcher  Familie,  solcher  Kaste  ge- 
hörte ich  an,  so  ernährte  ich  mich,  solche  Freuden  und 
Leiden  wurden  mir  zuteil,  solcherart  war  mein  Lebens- 
ende. Von  da  abgeschieden  trat  ich  dort  wieder  ins 
Dasein.  Dort  nun  war  ich,  solchen  Namen  hatte  ich, 
solcher  Familie,  solcher  Kaste  gehörte  ich  an,  so  er- 
nährte ich  mich,  solche  Freuden  und  Leiden  wurden 
mir  zuteil,  solcherart  war  mein  Lebensende.  Von  dort 
abgeschieden  trat  ich  hier  wieder  ins  Dasein."  Möchte 
ich  mich  doch  so  rhit  den  Merkmalen  und  Einzelheiten 
mannigfacher  früherer  Daseinsformen  erinnern!«  — : 
er  erreicht  eben  da  stets  die  Fähigkeit,  dies  zu  ver- 
wirklichen, sobald  die  Bedingungen  erfüllt  sind. 

Und  wünscht  er  sich:  »Ach,  möchte  ich  doch  mit 
dem  Himmlischen  Auge  (dibba-cakkhu),  dem  ge- 
klärten, übermenschlichen,  die  Wesen  abscheiden  und 
wiedererscheinen  sehen,  niedrige  wie  erhabene,  schöne 
wie  häßliche,  glückliche  wie  unglückliche!  Möchte  ich 
doch  erkennen,  wie  die  Wesen  ihren  Taten  entspre- 
chend wiedererscheinen,  wie  die  einen  Wesen  einen 
schlechten  Wandel  in  Werken,  Worten  und  Gedanken 
führen,  Edle  beschimpfen,  verkehrte  Erkenntnis  hegen, 
nach  ihrer  verkehrten  Erkenntnis  handeln  und  beim 
Zerfalle  des  Leibes,  nach  dem  Tode,  auf  den  Abweg 
geraten,  eine  Leidenstährte,  in  verstoßene  Welt,  zur 
Hölle;  wie  aber  die  anderen  Wesen  einen  guten  Wandel 
in  Werken,  Worten  und  Gedanken  führen,  die  Edlen 
nicht  beschimpfen,  rechte  Erkenntnis  besitzen,  nach 
ihrer  rechten  Erkenntnis  handeln  und  beim  Zerfalle 
des  Leibes,  nach  dem  Tode,  auf  glückliche  Fährte 
gelangen,   in  himmlische  Welt.     Möchte  ich  doch   so 

—     229     — 


XI  36      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

mit  dem  Himmlischen  Auge,  dem  geklärten,  über- 
menschlichen, die  Wesen  abscheiden  und  wiederer- 
scheinen sehen,  niedrige  wie  erhabene,  schöne  wie 
häßliche,  glückliche  wie  unglückliche!  Möchte  ich 
doch  erkennen,  wie  die  Wesen  ihren  Taten  entsprechend 
wiedererscheinen!«  — :  er  erreicht  eben  da  stets  die 
Fähigkeit,  dies  zu  verwirklichen,*  sobald  die  Beding- 
ungen erfüllt  sind. 

Und  möchte  er,  durch  Versiegung  der  Leiden- 
schaften, noch  bei  Lebzeiten  die  leidenschaftslose 
Gemütserlösung  und  Wissenserlösung  selber  erkennen, 
verwirklichen  und  sich  zu  eigen  machen  — :  er  erreicht 
eben  da  stets  die  Fähigkeit,  dies  zu  verwirklichen, 
sobald   die    Bedingungen   erfüllt   sind. 

36         Die  Entfaltung  von  Gemütsruhe  und  Hellblick. 

Aufgrund  der  ersten  Vertiefung,  ihr  Mönche, 
lehre  ich  die  Versiegung  der  Leidenschaften,  aufgrund 
der  zweiten  Vertiefung,  aufgrund  der  dritten  und 
vierten  Vertiefung,  aufgrund  des  Gebietes  der  Raum- 
unendlichkeit, des  Gebietes  der  Bewußtseinsunendlich- 
keit und  des  Gebietes  des  Nichtdaseins. 

Ich  habe  also  gesagt,  ihr  Mönche,  daß  ich  auf- 
grund der  ersten  Vertiefung  die  Versiegung  der  Leiden- 
schaften lehre.  Mit  Rücksicht  aber  worauf  habe  ich 
dies  gesagt? 

Da,  ihr  Mönche,  tritt  der  Mönch,  den  Sinnen- 
dingen entrückt,  in  die  erste  Vertiefung  ein.  Was  es 
darin  aber  an  Form  gibt,  an  Gefühl,  Wahrnehmung, 
Geistesbildungen  und  Bewußitsein:  alle  jene  Erschei- 
nungen betrachtet  er  als  vergänglich,  elend  und  siech, 

—     230     — 


NEUNERBUCH  1X36 


als  ein  Geschwür,  einen  Stacliel,  ein  Übel,  ein  Leiden, 
als  Feind  und  Bedrijcker,  als  leer  und  wesenlos.  Und 
er  wendet  seinen  Geist  ab  von  jenen  Erscheinungen 
und  wendet  ihn  dem  Todlosen  Elemente  zu:  »Das  ist 
der  Friede,  das  ist  das  Erhabene,  nämlich  der  Still- 
stand aller  Daseinsbildungen,  die  Loslösung  von  allen 
Substraten,  die  Gierversiegung,  Abwendung,  Er- 
löschung, das  Nirwahn.  In  jenem  Zustande  erreicht  er 
der  Leidenschaften  Versiegung;  wenn  nicht,  tritt  er 
infolge  eben  jenes  geistigen  Begehrens  und  Ergötzens, 
nach  Aufhebung  der  fünf  niederen  Fesseln,  in  einer 
geistigen  Welt  wieder  in  Erscheinung;  und  dort  er- 
reicht er  das  Nirwahn,  kehrt  nicht  mehr  von  jener 
Welt  zurück. 

Gleichwie,  ihr  Mönche,  ein  Bogenschütze  oder 
dessen  Schüler,  dadurch  daß  er  sich  an  einer  Stroh- 
puppe oder  einem  Lehmhaufen  übt,  in  der  Folgezeit 
aus  der  Ferne  trifft,  schnell  wie  ein  Blitz  schießt  und 
einen  größeren  Gegenstand  zu  zerschmettern  vermag: 
ebenso,  ihr  Mönche,  tritt  da  der  Mönch  den  Sinnen- 
dingen entrückt,  in  die  erste  Vertiefung  ein.  Was  es 
darin  aber  an  Form  gibt,  an  Gefühl,  Wahrnehmung, 
Geistesbildungen  und  Bewußtsein:  alle  jene  Erschei- 
nungen betrachtet  er  als  vergänglich,  elend  und  siech, 
als  ein  Geschwür,  einen  Stachel,  ein  Übel,  ein  Leiden, 
als  Feind  und  Bedrücker,  als  leer  und  wesenlos.  Und 
er  wendet  seinen  Geist  ab  von  jenen  Erscheinungen 
und  wendet  ihn  dem  Todlosen  Elemente  zu:  »Das  ist 
der  Friede,  das  ist  das  Erhabene,  nämlich  der  Still- 
stand aller  Daseinsbildungen,  die  Loslösung  von  allen 
Substraten,  die  Gierversiegung,  Abwendung,  Erlö- 
sung,  das   Nirwahn.      In  jenem   Zustande   erreicht  er 


231     — 


1X36      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

der  Leidenschaften  Versiegung;  wenn  nicht,  tritt  er 
infolge  eben  jenes  geistigen  Begehrens  und  Ergötzens, 
nach  Aufhebung  der  fünf  niederen  Fesseln,  in  einer 
geistigen  Welt  wieder  in  Erscheinung;  und  dort  er- 
reicht er  das  Nirwahn,  kehrt  nicht  mehr  von  jener 
Welt  zurück. 

Habe  ich  also  gesagt,  ihr  Mönche,  daß  ich  auf- 
grund der  ersten  Vertiefung  die  Versiegung  der  Leiden- 
schaften lehre,  so  habe  ich  das  eben  mit  Rücksicht 
hierauf  gesagt. 

Ich  habe  gesagt,  ihr  Mönche,  daß  ich  aufgrund 
der  zweiten  Vertiefung  die  Versiegung  der  Leiden- 
schaften lehre,  aufgrund  der  dritten  und  vierten  Ver- 
tiefung, aufgrund  des  Gebietes  der  Raumunendlichkeit, 
des  Gebietes  der  Bewußtseinsunendlichkeit  und  des 
Gebietes  des  Nichtdaseins.  Mit  Rücksicht  aber  wo- 
rauf habe  ich  dies  gesagt? 

Da,  ihr  Mönche,  tritt  der  Mönch  durch  völlige 
Überwindung  des  Gebietes  der  Bewußtseinsunendlich- 
keit in  das  Gebiet  des  Nichtdaseins  ein.  Was  es  darin 
aber  an  Gefühl  gibt,  an  Wahrnehmung,  Geistesbil- 
dungen und  Bewußtsein:  alle  jene  Erscheinungen  be- 
trachtet er  als  vergänglich,  elend  und  siech,  als  ein 
Geschwür,  einen  Stachel,  ein  Übel,  ein  Leiden,  als 
Feind  und  Bedrücker,  als  leer  und  wesenlos.  Und  er 
wendet  seinen  Geist  ab  von  jenen  Erscheinungen  und 
wendet  ihn  dem  Todlosen  Elemente  zu:  >>Das  ist  der 
Friede,  das  ist  das  Erhabene,  nämlich  der  Stillstand 
aller  Daseinsbildungen,  die  Loslösung  von  allen  Sub- 
straten, die  Gierversiegung,  Abwendung,  Erlöschung, 
das  Nirwahn.  In  jenem  Zustande  erreicht  er  der 
Leidenschaften  Versiegung;  wenn  nicht,  tritt  er  infolge 

—     232     — 


NEUNERBUCH  1X36 


eben  jenes  geistigen  Begehrens  und  Ergötzens,  nach 
Aufhebung  der  fünf  niederen  Fesseln,  in  einer  geistigen 
Welt  wieder  in  Erscheinung;  und  dort  erreicht  er  das 
Nirwahn,  kehrt  nicht  mehr  von  jener  Welt  zurijck.« 

Gleichwie,  ihr  Mönche,  ein  Bogenschütze  oder 
dessen  Schüler,  dadurch  daß  er  sich  an  einer  Stroh- 
puppe oder  einem  Lehmhaufen  übt,  in  der  Folgezeit 
aus  der  Ferne  trifft,  schnell  wie  ein  Blitz  schießt  und 
einen  größeren  Gegenstand  zu  zerschmettern  vermag: 
ebenso,  ihr  Mönche,  tritt  da  der  Mönch  in  das  Gebiet 
des  Nichtdaseins  ein.  Was  es  aber  darin  an  Gefühl 
gibt,  an  Wahrnehmung,  Geistesbildungen  und  Be- 
wußtsein: alle  jene  Erscheinungen  betrachtet  er  als 
vergänglich,  elend  und  siech,  als  ein  Geschwür,  einen 
Stachel,  ein  Übel,  ein  Leiden,  als  Feind  und  Bedrücker, 
als  leer  und  wesenlos.  Und  er  wendet  seinen  Geist  ab 
von  jenen  Erscheinungen  und  wendet  ihn  dem  Tod- 
losen Elemente  zu:  ))Das  ist  der  Friede,  das  ist  das 
Erhabene,  nämlich  der  Stillstand  aller  Daseinsbil- 
dungen, die  Loslösung  von  allen  Substraten,  die  Gier- 
versiegung,  Abwendung,  Erlöschung,  das  Nirwahn. 
In  jenem  Zustande  erreicht  er  der  Leidenschaften 
Versiegung;  wenn  nicht,  tritt  er  infolge  eben  jenes 
geistigen  Begehrens  und  Ergötzens,  nach  Aufhebung 
der  fünf  niederen  Fesseln,  in  einer  geistigen  Welt 
wieder  in  Erscheinung;  und  dort  erreicht  er  das  Nir- 
wahn, kehrt  nicht  mehr  von  jener  Welt  zurück.« 

Habe  ich  also  gesagt,  ihr  Mönche,  daß  ich  auf- 
grund des  Gebietes  des  Nichtdaseins  die  Versiegung 
der  Leidenschaften  lehre,  so  habe  ich  das  eben  mit 
Rücksicht  hierauf  gesagt. 

Solange  also,  ihr  Mönche,  als  es  sich  noch  um  eine 

—     233     — 


1X37      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

mit  Wahrnehmung  behaftete  Erreichung  handelt, 
solange  gibt  es  noch  ein  Durchdringen  zum  Höchsten 
Wissen.  (1)  Was  aber,  ihr  Mönche,  diese  beiden  Ge- 
biete anbetrifft,  nämlich  die  Erreichung  des  Gebietes 
der  Weder  -Wahrnehmung  -  Noch  -  Nichtwahrnehmung 
und  die  Aufhebung  von  Wahrnehmung  und  Gefühl, 
so  sollten  diese  von  den  sich  vertiefenden  Mönchen, 
die  in  der  Erreichung  und  Aufhebung  der  Erreichungs- 
zustände  erfahren  sind,  nach  stattgehabter  Erreichung 
und  Aufhebung,  richtig  gepriesen  werden:  das  sage  ich. 

37  Das  wunderbare  Gesetz 

Das  habe  ich  gehört: 

Einst  weilte  der  ehrwi^irdige  Änando  im  Ghosita- 
kloster  bei  Kosambi.  Dort  wandte  sich  der  ehrwürdige 
Änando  an  die  Mönche: ,, Brüder!"  sprach  er.  ,, Bruder!" 
erwiderten  jene  Mönche  dem  ehrwürdigen  Änando. 
Und  der  ehrwürdige  Änando  sprach: 

,, Wunderbar  ist  es,  ihr  Brüder,  erstaunlich  ist  es, 
ihr  Brüder,  wie  da  der  Erhabene,  der  Kenner,  der 
Seher,  der  Heilige  Vollkommen  Erleuchtete  inmitten 
der  Bedrängnis  den  Ausweg  erkannt  hat,  zur  Läuterung 
der  Wesen,  zur  Überkommung  von  Sorge  und  Klage,' 
zur  Aufhebung  von  Schmerz  und  Trübsal,  zur  Ge- 
winnung des  Richtweges  und  zur  Verwirklichung  des 
Nirwahns.       Dasselbe    Auge    und    dieselben    f^ormen 

(1)  Nur  die  Zustände  bis  zum  3.  formlosen  Gebiete,  durch  sog. 
»Nichtdaseinsgebiete«  mögen  dienen  als  Grundlagen  des  durch 
tiefen  »Hellblick«  (vipassanä)  zu  erreichenden  Höchsten  Wissens 
und  somit  der  Versiegung  der  Leidenschaften.  Die  beiden  letzten 
Gebiete  gelten  nicht  als  wahrnehmbare  Gebiete. 

-     234     — 


NEUNERBUCH  1X37 


sollen  zwar  bleiben,  doch  jenes  Sinnengebiet  soll  man 
nicht  mehr  empfinden.  Dasselbe  Ohr  und  dieselben 
Töne  sollen  zwar  bleiben,  doch  jenes  Sinnengebiet 
soll  man  nicht  mehr  empfinden.  Dieselbe  Nase  und 
dieselben  Düfte  sollen  zwar  bleiben,  doch  jenes  Sinnen- 
gebiet soll  man  nicht  mehr  empfinden.  Dieselbe  Zunge 
und  dieselben  Säfte  sollen  zwar  bleiben,  doch  jenes 
Sinnengebiet  soll  man  nicht  mehr  empfinden.  Der- 
selbe Körper  und  dieselben  Tastgegenstände  sollen 
zwar  bleiben,  doch  jenes  Sinnengebiet  soll  man  nicht 
mehr  empfinden.« 

Auf  diese  Worte  sprach  der  ehrwürdige  Udäyi 
also  zum  ehrwürdigen  Änando: 

„Besitzt  man  da  wohl,  o  Bruder,  während  man 
jenes    Gebiet    nicht    mehr    empfindet,    Wahrnehmung 
■  oder  nicht?" 

„Man  besitzt  dabei  Wahrnehmung,  o  Bruder,  ist 
dabei  nicht  ohne  Wahrnehmung." 

,, Welche  Wahrnehmung  aber,  o  Bruder,  besitzt 
man,  während  man  jenes  Sinnengebiet  nicht  mehr 
empfindet?" 

,,Da,  0  Bruder,  gewinnt  der  Mönch  durch  völlige 
Überwindung  der  Formwahrnehmungen,  das  Schwin- 
den der  Reflexwahrnehmungen  und  das  Nichtbeachten 
der  Vielheitswahrnehmungen,  in  der  Wahrnehmung: 
»Unendlich  ist  der  Raum«,  das  Gebiet  der  Raumun- 
endlichkeit. Während  solcher  Wahrnehmung,  o 
Bruder,  empfindet  man  jenes  Sinnengebiet  nicht 
mehr. 

,, Fernerhin,  o  Bruder,  gewinnt  der  Mönch  durch 
völlige  Überwindung  des  Gebietes  der  Raumunendlich- 
keit,  in   der   Wahrnehmung:   »Unendlich   ist  das   Be- 

—     235     — 


1X37      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

wußtsein«,  das  Gebiet  der  Bewußtseinsunendlichkeit. 
Auch  während  solcher  Wahrnehmung,  o  Bruder, 
empfindet  man  jenes  Gebiet  nicht  mehr, 

,, Fernerhin,  o  Bruder,  gewinnt  der  Mönch  durch 
völlige  Überwindung  des  Gebietes  der  Bewußtseins- 
unendlichkeit, in  der  Wahrnehmung:  »Nichts  ist  da«, 
das  Gebiet  des  Nichtseins.  Auch  während  solcher 
Wahrnehmung,  o  Bruder,  empfindet  man  jenes  Gebiet 
nicht  mehr. 

,, Einst,  0  Bruder,  weilte  ich  bei  Saketa,  im  Hirsch- 
parke des  Anjanawaldes.  Da  kam  die  Nonne  Jatila- 
gähiyä  zu  mir  und  sprach:  »Welches  Ergebnis,  sagt 
der  Erhabene,  ehrwürdiger  Änando,  hat  wohl  eine 
solche  Sammlung,  die  weder  steigt  noch  fällt,  noch 
auf  mühsam  erzwungener  Unterdrückung  beruht,  die 
infolge  ihrer  Loslösung  gefestigt  ist,  infolge  ihrer' 
Festigkeit  voll  Seligkeit  ist,  infolge  ihrer  Seligkeit 
nicht  mehr  erschüttert  wird?«  Auf  diese  Worte  er- 
widerte ich  der  Nonne  Jatilagähiyä  also:  »Eine  solche 
Sammlung,  o  Schwester,  die  weder  steigt  noch  fällt, 
noch  auf  mühsam  erzwungener  Unterdrückung  beruht, 
die  infolge  ihrer  Loslösung  gefestigt  ist,  infolge  ihrer 
Festigkeit  voll  Seligkeit  ist,  infolge  ihrer  Seligkeit 
nicht  mehr  erschüttert  wird,  eine  solche  Sammlung,  o 
Schwester,  hat  das  Höchste  Wissen  zum  Ergebnis: 
das  hat  der  Erhabene  gesagt.« 

,,Auch  während  solcher  Wahrnehmung,  o  Bruder, 
empfindet  man  jenes  Sinnengebiet  nicht  mehr." 


—     236 


NEUNERBUCH  1X38 


Der  Welt  Ende  38 

Zwei  brahmanische  Materialisten  kamen  zum  Er- 
habenen und  sprachen: 

,,Pürano  Kassapo,  Herr  Gotamo,  behauptet,  all- 
wissend und  allerkennend  zu  sein  und  einen  unbe- 
grenzten Erkenntnisblick  zu  besitzen.  Ob  er  gehe 
oder  stehe,  schlafe  oder  wache,  allezeit  sei  ihm  der 
Erkenntnisblick  gewärtig.  Und  mit  der  unbegrenzten 
Erkenntnis,  sagt  er,  erkenne  und  schaue  er  die  be- 
grenzte Welt.  Und  auch  dieser  Niganther  Näthaputto, 
Herr  Gotamo,  behauptet,  allwissend  und  allerkennend 
zu  sein  und  einen  unbegrenzten  Erkenntnisblick  zu 
besitzen.  Ob  er  gehe  oder  stehe,  schlafe  oder  wache, 
allezeit  sei  ihm  der  Erkenntnisblick  gewärtig.  Und  mit 
der  unbegrenzten  Erkenntnis,  sagt  er,  erkenne  und 
schaue  er  die  begrenzte  Welt.  Wer  nun  aber,  Herr 
Gotamo,  hat  von  diesen,  sich  einander  bekämpfenden 
Lehrern,  die  beide  auf  Erkenntnis  Anspruch  machen, 
die  Wahrheit  gesprochen  und  wer  die  Unwahrheit?" 

,, Genug  damit,  ihr  Brahmanen!  Bleibe  es  dahin 
gestellt,  wer  von  diesen  sich  einander  bekämpfenden 
Lehrern,  die  beide  auf  Erkenntnis  Anspruch  machen, 
die  Wahrheit  gesprochen  hat  und  wer  die  Unwahrheit. 
Das  Gesetz,  ihr  Brahmanen,  will  ich  euch  darlegen. 
So  höret  denn  und  achtet  wohl  auf  meine  Worte!" 
,,Ja,  0  Ehrwürdiger"  erwiderten  jene  Brahmanen  dem 
Erhabenen.    Und  der  Erhabene  sprach: 

,, Nehmt  an,  ihr  Brahmanen,  es  ständen  da  vier 
Männer,  den  vier  Himmelsrichtungen  zugewandt,  aus- 
gestattet mit  äußerster  Schnelligkeit  und  Riesen- 
schritten.    Sie  besäßen  eine  solche  Schnelligkeit,  wie 

—     237     — 


feä.  _ 


JX38      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

ein  starker,  geübter,  gewandter,  erfahrener  Bogen- 
schütze mit  einem  leichten  Pfeile  mühelos  über  den 
Schatten  einer  Fächerpalme  hinausschießt,  und  ihr 
Schritt  wäre  so  groß  wie  die  Entfernung  vom  Ost- 
meere bis  zum  Westmeere.  Und  der  nach  Osten  ge- 
richtete Mann  —  und  der  nach  Westen  gerichtete 
Mann  —  und  der  nach  Norden  gerichtete  Mann  — 
und  der  nach  Süden  gerichtete  Mann  spräche:  »Durch 
Gehen  will  ich  der  Welt  Ende  erreichen«.  Und  ohne 
Speise  und  Trank,  ohne  etwas  zu  kauen  oder  zu  ge- 
nießen, ohne  die  Notdurft  zu  verrichten  und  ohne  sich 
Ruhe  und  Rast  zu  gönnen,  dabei  hundert  Jahre  am 
Leben  bleibend,  wanderte  er  hundert  volle  Jahre 
lang;  ohne  aber  der  Welt  Ende  erreicht  zu  haben, 
ereilte  ihn  unterwegs  der  Tod.  Und  warum?  Weil, 
ihr  Brahmanen,  durch  solches  Laufen  der  Welt  Ende 
eben  nicht  zu  erkennen,  zu  schauen  und  zu  erreichen 
ist:  das  sage  ich.  Nicht  aber  kann  man,  ihr  Brahmanen, 
—  das  sage  ich  —  ohne  der  Welt  Ende  erreicht  zu 
haben,  dem  Leiden  ein  Ende  machen. 

,,Als  die  Welt,  ihr  Brahmanen,  gelten  in  der  Dis- 
ziplin des  Edlen  folgende  fünf  Sinnenobjekte:  welche 
fünf?  Die  Formen,  die  Töne,  die  Düfte,  die  Säfte 
und  die  Tastungen,  die  begehren,  lieblichen,  angeneh- 
men, teuren,  sinnlichen,  reizenden.  Diese  fünf  Sinnen- 
objekte, ihr  Brahmanen,  gelten  in  der  Disziplin  des 
Edlen  als  die  Welt. 

,,Da,  ihr  Brahmanen,  erreicht  ein  Mönch,  den 
Sinnendingen  entrückt,  die  erste  Vertiefung.  Von 
diesem  Mönche,  ihr  Brahmanen,  wird  gesagt,  daß  er 
der  Welt  Ende  erreicht  habe,  an  der  Welt  Ende  ver- 
weile.    Doch  andere  behaupten,  daß  selbst  dieser  der 

—     238     — 


NEUNERBUCH  1X39 


Welt  noch  angehöre,  der  Welt  noch  nicht  entronnen 
sei.  Und  auch  ich,  ihr  Brahmanen,  erkläre,  daß  selbst 
dieser  der  Welt  noch  angehört,  der  Welt  noch  nicht 
entronnen  ist. 

,, Fernerhin,  ihr  Brahmanen,  erreicht  da  ein  Mönch 
die  zweite  Vertiefung,  —  die  dritte  Vertiefung,  —  die 
vierte  Vertiefung,  —  das  Gebiet  der  Raumunendlich- 
keit, —  das  Gebiet  der  Bewußtseinsunendlichkeit,  — 
das  Gebiet  des  Nichtseins,  —  das  Gebiet  der  Weder- 
Wahrnehmung-Noch-Nichtwahrnehmung.  Von  diesem 
Mönche,  ihr  Brahmanen,  wird  gesagt,  daß  er  der  Welt 
Ende  erreicht  habe,  an  der  Welt  Ende  verweile. 
Doch  andere  behaupten,  daß  selbst  dieser  der  Welt 
noch  angehöre,  der  Welt  noch  nicht  entronnen  sei. 
Und  auch  ich,  ihr  Brahmanen,  erkläre,  daß  selbst  dieser 
der  Welt  noch  angehört,  der  Welt  noch  nicht  ent- 
ronnen ist. 

,,  Fernerhin,  ihr  Brahmanen,  erreicht  da  ein 
Mönch,  durch  völlige  Überwindung  des  Gebietes  der 
Weder  -Wahrnehmung  -  Noch  -  Nichtwahrnehmung  die 
Aufhebung  von  Wahrnehmung  und  Gefühl.  Und  nach 
weisem  Erkennen  sind  ihm  die  Leidenschaften  zur 
Versiegung  gelangt.  Von  diesem  Mönche,  ihr  Brah- 
manen, sagt  man,  daß  er  der  Welt  Ende  erreicht  hat, 
daß  er  entronnen  ist  dem  Haften  an  der  Welt." 

Der  Kampf  der  Götter  mit  den  Dämonen  39 

Einst,  ihr  Mönche,  hatte  sich  zwischen  den  Göt- 
tern und  den  Dämonen  ein  Kampf  entsponnen.  In 
jenem  Kampfe  siegten  die  Dämonen,  und  die  Götter 
unterlagen.     Die  besiegten  Götter  aber,  ihr  Mönche, 


239 


1X39     SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

ergriffen  voll  Angst  die  Flucht,  während  die  Dämonen 
sie  nach  Norden  verfolgten.  Da,  ihr  Mönche,  dachten 
die  Götter:  »Diese  Dämonen  verfolgen  uns  da.  So  laßt 
uns  denn  zum  zweitenmale  mit  den  Dämonen 
kämpfen!« 

Und  zum  zweitenmale,  ihr  Mönche,  zogen  die 
Götter  gegen  die  Dämonen  in  den  Kampf.  Aber  auch 
zum  zweitenmale  siegten  die  Dämonen,  und  die  Götter 
unterlagen.  Und  die  besiegten  Götter,  ihr  Mönche, 
ergriffen  voll  Angst  die  Flucht,  während  die  Dämonen 
sie  nach  Norden  verfolgten.  Da,  ihr  Mönche,  dachten 
die  Götter:  »Diese  Dämonen  verfolgen  uns  da.  So 
laßt  uns  denn  zum  drittenmale  mit  den  Dämonen 
kämpfen!« 

Und  zum  drittenmale,  ihr  Mönche,  zogen  die 
Götter  gegen  die  Dämonen  in  den  Kampf.  Aber  auch 
zum  drittenmale  siegten  die  Dämonen,  und  die  Götter 
unterlagen.  Und  die  besiegten  Götter  eilten  voll  Angst 
in  ihre  Götterburg.  Als  sie  sich  aber  in  ihrer  Götter- 
burg befanden,  da  dachten  sie:  »Nunmehr  leben  wir 
hier  vor  Gefahren  gesichert  und  haben  nichts  mehr 
zu  schaffen  mit  den  Dämonen«. 

Einst,  ihr  Mönche,  hatte  sich  zwischen  den  Göt- 
tern und  den  Dämonen  ein  Kampf  entsponnen.  In 
jenem  Kampfe  siegten  die  Götter,  und  die  Dämonen 
unterlagen.  Die  besiegten  Dämonen  aber,  ihr  Mönche, 
ergriffen  voll  Angst  die  Flucht,  während  die  Götter  sie 
nach  Süden  verfolgten.  Da,  ihr  Mönche,  dachten  die 
Dämonen:  »Diese  Götter  verfolgen  uns  da.  So  laßt 
uns  denn  zum  zweitenmale  mit  den  Göttern  kämpfen!« 

Und  zum  zweitenmale,  ihr  Mönche,  zogen  die 
Dämonen  gegen  die  Götter  in  den  Kampf.    Aber  auch 

—     240     — 


NEUNERBUCH  1X39 


zum  zweitenmale  siegten  die  Götter,  und  die  Dämonen 
unterlagen.  Und  die  besiegten  Dämonen,  ihr 
Mönche,  ergriffen  voll  Anst  die  Flucht,  während  die 
Götter  sie  nach  Süden  verfolgten.  Da,  ihr  Mönche, 
dachten  die  Dämonen:  »Diese  Götter  verfolgen  uns 
da.  So  laßt  uns  denn  zum  drittenmale  mit  den  Göttern 
kämpfen !« 

Und  zum  drittenmale,  ihr  Mönche,  zogen  die 
Dämonen  gegen  die  Götter  in  den  Kampf.  Aber  auch 
zum  drittenmale  siegten  die  Götter,  und  die  Dämonen 
unterlagen.  Und  die  besiegten  Dämonen  eilten  voll 
Angst  in  ihre  Dämonenburg.  Als  sie  sich  aber  in  ihrer 
Dämonenburg  befanden,  da  dachten  sie:  »Nunmehr 
leben  wir  hier  vor  Gefahren  gesichert  und  haben  nichts 
mehr  mit  den  Göttern  zu  schaffen«.  Und  auch  die 
Götter,  ihr  Mönche,  dachten:  »Nunmehr  leben  dort 
die  Dämonen  vor  Gefahren  gesichert  und  haben 
nichts  mehr  mit  uns  zu  schaffen«.  (1) 

(1)  Im  Kommentare  heißt  es:  „Ehemals  bewohnten  die  Dä- 
monen (Asuren)  den  Himmel  der  Dreiunddreißig  (auf  dem  Gipfel 
des  Mahämeru,  später  am  Fuße  des  Berges).  Zur  Zeit,  als  die  bunte 
Trompetenblume  blühte,  erinnerten  sie  sich  wieder  an  die  Blüten 
des  himmlischen  Korallenbaumes  (auf  dem  Mahämeru  im  Himmel 
der  Dreiimddreißig) ;  und  von  Rache  erfüllt  stiegen  sie,  imter  dem 
Rufe:  »Nehmt  die  Götter  gefangen!«  ganz  nahe  bis  an  den  Gipfel 
des  Mahämeru.  Und  die  Götter  kamen  hervor;  imd  ein  Kampf 
entspann  sich  wie  zwischen  Hirtenknaben,  die  sich  mit  Ruten 
schlagen.  Sakko  (Sanskrit,  Sakra  oder  Indra)  der  Götterkönig 
stellte  mm  unterhalb  der  Stadt  an  fünf  Punkten  Schutzwachen 
aus,  die  obere  Götterstadt  aber  ließ  er  stellen  und  ließ  Figuren  auf- 
richten, die  ihm  genau  glichen  und  wie  er  in  der  Hand  den  Donner- 
keil schwangen.  Die  Dämonen,  die  bereits  die  fünf  Stellungen  zu- 
rückgeschlagen hatten  imd  herauf  gestiegen  waren,  kehrten  beim 
Anblicke  der  Figuren  um  imd  eilten  in  ihi'e  Dämonenstadt  zurück."- 

_     241      —  16 


SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Ebenso  auch,  ihr  Mönche:  zu  einer  Zeit,  wo  der 
Mönch  in  der  ersten,  zweiten,  dritten  oder  vierten  Ver- 
tiefung verweilt,  zu  einer  solchen  Zeit  weiß  der  Mönch: 
»Nunmehr  verweile  ich  hier  vor  Gefahren  gesichert 
und  habe  nichts  mehr  mit  Mahr  zu  schaffen«.  Aber 
auch  Mahr  der  Böse  weiß:  »Nunmehr  verweilt  da  der 
Mönch  vor  Gefahren  gesichert  und  hat  nichts  mehr 
mit  mir  zu   schaffen«. 

Zu  einer  Zeit,  ihr  Mönche,  wo  der  Mönch  in  dem 
Gebiete  der  Raumunendlichkeit,  der  Bewußtseins- 
unendlichl<eit,  des  Nichtseins  oder  der  Weder-Wahr- 
nehmung-Noch-Nichtwahrnehmung  verweilt,  das  heißt 
es  von  diesem  Mönche,  daß  er  Mahr  ein  Ende  gemacht, 
das  Auge  Mahrs  geblendet  hat  und  entgangen  ist  den 
Blicken  des  Bösen. 

Zu  einer  Zeit,  ihr  Mönche,  wo  der  Mönch  nach 
völliger  Überwindung  des  Gebietes  der  Weder-Wahr- 
nehmung-Noch-Nichtwahrnehmung  die  Aufhebung  von 
Wahrnehmung  und  Gefühl  erreicht  hat  und  in  ihm 
nach  weisem  Erkennen  die  Leidenschaften  versiegt 
sind,  da  heißt  es  von  diesem  Mönche,  daß  er  Mahr 
ein  Ende  gemacht,  das  Auge  Mahrs  geblendet  hat  und 
entgangen  ist  den  Blicken  des  Bösen,  entronnen 
dem  Haften  an  der  Welt. 

40  Der  Elefant  der  Einsamkeit 

Wenn  zu  einer  Zeit,  ihr  Mönche,  wo  der  Elefant 
des  Waldes  sein  Futter  sucht,  männliche  oder  weib- 
liche, alte  oder  junge  Elefanten,  beständig  vor  ihm 
herlaufend,  die  Spitzen  der  Gräser  abreißen  und  die 
jedesmal   abgebrochenen   Zweige   wegfressen,   so  wird 

_    242     — 


NEUNERBUCH  1X40 


eben,  ihr  Mönche,  der  Elefant  des  Waldes  darob  ver- 
drossen, ärgerlich  und  verstimmt.  Wenn  zu  einer 
Zeit,  ihr  Mönche,  wo  der  Elefant  des  Waldes  in  das 
Bad  gestiegen  ist,  männliche  oder  weibliche,  alte  oder 
Junge  Elefanten  beständig  vor  ihm  herlaufend,  mit 
dem  Rüssel  das  Wasser  aufstören  oder  die  Weibchen 
im  Vorbeigehen  sich  an  seinem  Körper  reiben,  so  wird, 
ihr  Mönche,  der  Elefant  des  Waldes  darob  verdrossen, 
ärgerlich  und  verstimmt. 

Zu  einer  solchen  Zeit,  ihr  Mönche,  da  kommt  dem 
Elefanten  des  Waldes  der  Gedanke:  »Ich  lebe  da  nun 
mitten  im  Gedränge  von  männlichen  und  weiblichen, 
alten  und  jungen  Elefanten.  Bloß  Gräser  mit  abge- 
rissenen Spitzen  bekomme  ich  zu  fressen,  und  die 
jedesmal  abgebrochenen  Zweige  fressen  mir  diese  weg. 
Aufgestörtes  Wasser  bekomme  ich  zu  trinken,  und 
wenn  ich  in  das  Bad  gestiegen  bin,  reiben  sich  die 
Weibchen  im  Vorbeigehen  an  meinem  Körper.  Wahr- 
lich, ich  sollte  allein  leben,  getrennt  von  der  Herde!« 
Er  lebt  nun  in  der  Folgezeit  allein  und  getrennt  von 
der  Herde,  frißt  Gräser,  deren  Spitzen  noch  nicht 
abgerissen  sind,  frißt  die  jedesmal  abgebrochenen 
Zweige,  trinkt  ungetrübtes  Wasser  und,  wenn  er  ins 
Bad  gestiegen  ist,  reiben  sich  keine  Weibchen  mehr 
im  Vorbeigehen  an  seinem  Körper.  Zu  einer  solchen 
Zeit,  ihr  Mönche,  da  denkt  der  Elefant  des  Waldes: 
»Früher  da  lebte  ich  mitten  im  Gedränge  von  männ- 
lichen und  weiblichen,  alten  und  jungen  Elefanten. 
Bloß  Gräser  mit  abgerissenen  Spitzen  bekam  ich  zu 
fressen,  und  die  jedesmal  abgebrochenen  Zweige 
fraßen  mir  diese  weg.  Aufgestörtes  Wasser  bekam  ich 
jzu  trinken,  und  wenn  ich  in  das  Bad  gestiegen  war, 


—    243     —  16" 


1X40      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

rieben  sich  die  Weibchen  im  Vorbeigehen  an  meinem 
Körper.  Nunmehr  aber  lebe  ich  allein  und  getrennt 
von  der  Herde,  fresse  Gräser,  deren  Spitzen  nicht 
abgerissen  sind,  fresse  die  jedesmal  abgebrochenen 
Zweige,  trinke  ungetrübtes  Wasser  und,  wenn  ich  ins 
Bad  gestiegen  bin,  reiben  sich  keine  Weibchen  mehr 
im  Vorbeigehen  an  meinem  Körper.«  Und  er  bricht 
sich  mit  dem  Rüssel  einen  Zweig  ab,  reibt  sich  damit 
den  Körper. 

Ebenso  auch,  ihr  Mönche:  zu  einer  Zeit,  wo  der 
Mönch  mitten  im  Gedränge  von  Mönchen  und  Nonnen 
lebt,  mitten  im  Gedränge  von  Anhängern  und  An- 
hängerinnen, von  Fürsten,  königlichen  Beamten,  Irr- 
lehrern und  Schülern  der  Irrlehrer,  zu  einer  solchen 
Zeit,  ihr  Mönche,  da  kommt  dem  Mönche  der  Ge- 
danke: »Ich  lebe  da  nun  mitten  im  Gedränge  von 
Mönchen  und  Nonnen,  mitten  im  Gedränge  von  An- 
hängern und  Anhängerinnen,  von  Fürsten,  königlichen 
Beamten,  Irrlehrern  und  Schülern  der  Irrlehrer. 
Wahrlich,  ich  sollte  allein  leben,  getrennt  von  der 
Menge!«  Und  er  sucht  sich  eine  abgeschiedene  Lager- 
statt auf,  im  Walde,  am  Fuße  eines  Baumes,  auf  einem 
Berge,  in  einer  Grotte,  einer  Bergeshöhle,  auf  einem 
Leichenfelde,  in  einer  bewaldeten  Ebene,  einer  Lich- 
tung oder  auf  einem  Strohhaufen.  Im  Walde,  am  Fuße 
eines  Baumes  oder  in  einer  leeren  Behausung  ange- 
langt, setzt  er  sich  mit  untergeschlagenen  Beinen 
nieder,  indem  er  den  Körper  gerade  aufrichtet  und 
die  Achtsamkeit  vor  sich  heftet. 

Weltliche  Begierde  hat  er  überwunden;  im 
Geiste  der  weltlichen  Begierde  entronnen  verweilt  er;. 
von  weltlicher  Begierde  läutert  er  seinen  Geist. 

—     244     — 


NEUNERBUCH  1X40 


Den  verderblichen  Groll  hat  er  überwunden; 
haßlosen  Geistes  verweilt  er;  zu  allen  lebenden 
Wesen  und  Geschöpfen  voll  Wohlwollen  und  Mitge- 
fühl  läutert  er  seinen  Geist  von  dem  verderblichen 
Grolle. 

Stumpfheit  und  Mattigkeit  hat  er  überwunden; 
frei  von  Stumpfheit  und  Mattigkeit  verweilt  er,  hellen 
Geistes,  achtsam,  klarbewußt;  von  Stumpfheit  und 
Mattigkeit  läutert  er  seinen  Geist. 

Aufgeregtheit  und  Gewissensunruhe  hat  er 
überwunden;  ohne  Aufregung  verweilt  er,  innerlich 
beruhigten  Geistes;  von  Aufgeregtheit  und  Gewissens- 
unruhe läutert  er  seinen  Geist. 

Zweifel  sucht  hat  er  überwunden;  zweifel- 
entronnen verweilt  er,  zweifelt  nicht  am  Guten; 
von  Zweifelsucht  läutert  er  seinen  Geist. 

Befreit  von  diesen  fünf  Hemmungen,  den  Trü- 
bungen des  Geistes,  den  Lähmungen  der  Einsicht,  ge- 
winnt er,  den  Sinnendingen  entrückt,  entrückt  den 
schuldvollen  Erscheinungen,  die  mit  Sinnen  und  Nach- 
denken verbundene,  in  der  Entrückung  geborene,  von 
Verzückung  und  Glückseligkeit  erfüllte  erste  Ver- 
tiefung.   Und   zufrieden Nach   dem  Sch^vin- 

den  des  Sinnens  und  Nachdenkens  aber  gewinnt 
er  die  zweite  Vertiefung,  —  gewinnt  er  die  dritte 
Vertiefung,  —  gewinnt  er  die  vierte  Vertiefung,  — 
gewinnt  er  das  Gebiet  der  Raumunendlichkeit,  — 
gewinnt  er  das  Gebiet  der  Bewußtseins-unendlich- 
keit, —  gewinnt  er  das  Gebiet  des  Nichtdaseins,  — 
gewinnt  er  das  Gebiet  der  Weder-Wahrnehmung  Noch- 
Nichtwahrnehmung,  —  gewinnt  er  die  Aufhebung  von 

—    245     — 


1X41      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Wahrnehmung  und  Gefühl;  und  nach  weisem  Er- 
kennen gelangen  in  ihm  die  Leidenschaften  zur  Ver- 
siegung.    Und  zufrieden  .... 

41  Der  Abgrund  der  Entsagung 

Das  habe  ich  gehört: 

Einst  weilte  der  Erhabene  im  Lande  der  Malater^ 
in  der  Malaterstadt  Uruvelakappa.  Und  der  Erhabene 
kleidete  sich  in  der  Frühe  an,  nahm  Gewand  und  Schale 
und  begab  sich  nach  Uruvelakappa  um  Almosen.  Nach 
dem  er  vom  Almosengange  zurückgekehrt  war  und 
sein  Mahl  beendet  hatte,  wandte  er  sich  am  Nach- 
mittage zum  ehrwürdigen  Änando  und  sprach:  „Bleibe 
hier,  Änando,  während  dessen  ich  in  den  Großen  Wald 
gehe,  um  dort  den  Tag  zu  verbringen!"  ,,Ja,  o  Ehr- 
würdiger!" erwiderte  der  ehrwürdige  Änando  dem  Er- 
habenen. Der  Erhabene  aber  begab  sich  in  das  Innere 
des  Großen  Waldes  und  setzte  sich  am  Fuße  eines 
Baumes  nieder,  um  dort  den  Tag  zu  verbringen. 

Und  der  Hausvater  Tapusso  kam  zum  ehrwür- 
digen Änando,  begrüßte  ihn  ehrfurchtsvoll  und  setzte 
sich  zur  Seite  nieder.  Zur  Seite  aber  sitzend  sprach 
der  Hausvater  Tapusso  also  zum  ehrwürdigen  Änando: 

,,Wir  als  Hausleute,  o  ehrwürdiger  Änando,  ge- 
nießen die  Sinnendinge,  finden  an  den  Sinnendingen 
Freude,  Gefallen  und  Entzücken.  Uns  Hausleuten 
aber,  o  Ehrwürdiger,  die  wir  die  Sinnendinge  genießen, 
an  den  Sinnendingen  Freude,  Gefallen  und  Entzücken 
finden,  uns  dünkt  die  Entsagung  gleichsam  ein  Ab- 
grund. Doch  gehört  habe  ich,  o  Ehrwürdiger,  daß  in 
diesem   Gesetze  und  dieser   Disziplin  schon   bei  ganz 

-     246     - 


NEUNERBUCH  1X41 


jungen  Mönchen  das  Herz  einen  Drang  fühlt,  zur  Ent- 
sagung, dazu  neigt,  sich  festigt  und  die  Befreiung  findet, 
in  der  Erkenntnis:  »Dies  ist  der  Friede!«  Die  Entsagung 
eben  ist  es,  o  Ehrwürdiger,  worin  in  diesem  Gesetze 
und  dieser  Disziplin  die  Mönche  sich  von  der  großen 
Masse  unterscheiden." 

,,Ja,  0  Hausvater,  so  sagt  man.  Laßt  uns,  o  Haus- 
vater, den  Erhabenen  aufsuchen!  Laßt  uns  zum  Er- 
habenen gehen  und  dem  Erhabenen  diese  Sache  mit- 
teilen! Wie  der  Erhabene  sie  erklären  wird,  so  wollen 
wir  sie  uns  merken."  ,,Gut!"  erwiderte  der  Haus- 
vater dem  ehrwürdigen  Änando.  Und  der  ehrwürdige 
Änando  begab  sich,  zusammen  mit  dem  Hausvater 
Tapusso,  zum  Erhabenen  und  teilte  ihm  die  Sache  mit. 
[Der  Erhabene:]  ,,So  ist  es,  Änando!  So  ist  es,  Änando! 
Auch  ich,  Änando,  hatte  vor  meiner  vollen  Erleuch- 
tung, als  ich  noch  nicht  völlig  erleuchtet  und  noch  ein 
Anwärter  auf  Erleuchtung  (bodhisatto)  war,  den  Ge- 
danken: »Etwas  Gutes  ist  die  Entsagung,  etwas  Gutes 
ist  die  Abgeschiedenheit!«  Doch  mein  Herz,  Änando, 
fühlte  keinen  Drang  zur  Entsagung,  neigte  nicht  dazu, 
festigte  sich  nicht  und  fand  keine  Befreiung.  Da, 
Änando,  fragte  ich  mich:  »Was  ist  da  wohl  die  Ur- 
sache, was  der  Grund?«  Und  der  Gedanke  kam  mir: 
»Nicht  habe  ich  das  Übel  der  Sinnendinge  erkannt  und 
oft  erwogen,  habe  den  Segen  der  Entsagung  noch  nicht 
empfunden  und  erwirkt:  darum  eben  fühlt  mein  Herz 
keinen  Drang  zur  Entsagung,  neigt  nicht  dazu,  festigt 
sich  nicht  und  findet  keine  Befreiung.«  Ich  sagte  dir 
daher:  »Wenn  ich  das  Übel  der  Sinnendinge  erkenne 
und  oft  erwäge,  den  Segen  der  Entsagung  empfinde 
und  .erwirke,  so  mag  es  wohl  sein,  daß  dann  mein  Herz 


247     — 


1X41     SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

einen  Drang  fühlt  zur  Entsagung,  dazu  neigt,  sich 
festigt  und  die  Befreiung  findet.«  Und  in  der  Folge- 
zeit, Änando,  erkannte  und  erwog  ich  oft  das  Übel 
der  Sinnendinge,  und  ich  empfand  und  erwirkte  den 
Segen  der  Entsagung,  sodaß  mein  Herz  einen  Drang 
fühlte  zur  Entsagung,  dazu  neigte,  sich  festigte  und 
die  Befreiung  fand,  in  der  Erkenntnis:  »Dies  ist  der 
Frieden!" 

,,ln  der  Folgezeit,  Änando,  den  Sinnendingen 
entrückt,  entrückt  den  schuldvollen  Erscheinungen, 
gewann  ich  die  erste  Vertiefung.  Während  ich  aber, 
Änando,  in  diesem  Zustande  verweilte,  stiegen  mir 
mit  Sinnlichkeit  verbundene  Wahrnehmungen  und  Er- 
wägungen auf.  Das  aber  gilt  mir  als  Gebrechen.  Gleich- 
wie nämlich,  Änando,  einen  Glücklichen  ein  Unglück 
oder  gar  ein  Gebrechen  befallen  mag,  genau  so  stiegen 
mir  die  mit  Sinnlichkeit  verbundenen  Wahrneh- 
mungen und  Erwägungen  auf.  Das  aber  galt  mir  als 
Gebrechen. 

Es  kam  mir  nun,  Änando,  der  Gedanke:  »So  laß 
mich  denn,  nach  Aufhebung  des  Sinnens  und  Nach- 
denkens, in  die  zweite  Vertiefung  eintreten!«  Doch 
mein  Herz,  Änando,  fühlte  keinen  Drang  zur  Auf- 
hebung des  Sinnens  und  Nachdenkens,  neigte  nicht 
dazu,  festigte  sich  nicht  und  fand  keine  Befreiung. 
Da,  Änando,  fragte  ich  mich:  »Was  ist  da  wohl  die 
Ursache,  was  der  Grund?«  Und  der  Gedanke  kam 
mir:  »Nicht  habe  ich  das  Übel  des  Sinnens  und  Nach- 
denkens erkannt  und  oft  erwogen,  habe  den  Segen  der 
Aufhebung  des  Sinnens  und  Nachdenkens  noch  nicht 
empfunden  und  erwirkt:  darum  eben  fühlt  mein  Herz 
keinen  Drang  zur  Aufhebung  des  Sinnens  und  Nach- 

—     248     — 


NEUNERBUCH  1X41 


denkens,  neigt  nicht  dazu,  festigt  sich  nicht  und  findet 
keine  Befreiung.«  Ich  sagte  mir  daher:  »Wenn  ich 
das  Übel  des  Sinnens  und  Nachdenkens  erkenne  und 
oft  erwäge,  den  Segen  der  Aufhebung  des  Sinnens  und 
Nachdenkens  empfinde  und  erwirke,  so  mag  es  wohl 
sein,  daß  dann  mein  Herz  einen  Drang  zur  Aufhebung 
des  Sinnens  und  Nachdenkens  fühlt,  dazu  neigt,  sich 
festigt  und  die  Befreiung  findet.«  Und  in  der  Folge- 
zeit, Änando,  erkannte  und  erwog  ich  oft  das  Übel 
des  Sinnens  und  Nachdenkens,  und  ich  empfand  und 
erwirkte  den  Segen  der  Aufhebung  des  Sinnens  und 
Nachdenkens,  sodaß  mein  Herz  einen  Drang  fühlte 
zur  Aufhebung  des  Sinnens  und  Nachdenkens,  dazu 
neigte,  sich  festigte  und  die  Befreiung  fand,  in  der  Er- 
kenntnis: '>Dies  ist  der  Friede!«  In  der  Folgezeit, 
Änando,  trat  ich  nach  Aufhebung  des  Sinnens  und 
Nachdenkens,  in  die  zweite  Vertiefung  ein.  Während 
ich  aber,  Änando,  in  diesem  Zustande  verweilte,  stiegen 
mir  mit  Sinnen  und  Nachdenken  verbundene  Wahr- 
nehmungen und  Erwägungen  auf.  Das  aber  galt  mir 
als  Gebrechen.  Gleichwie  nämlich,  Änando,  einen 
Glücklichen  ein  Unglück  oder  gar  ein  Gebrechen  be- 
fallen mag,  genau  so  stiegen  mir  die  mit  Sinnen  und 
Nachdenken  verbundenen  Wahrnehmungen  und  Er- 
w^ägungen  auf.     Das  aber  galt  mir  als  Gebrechen. 

,,Es  kam  mir  nun,  Änando,  der  Gedanke:  »So 
laß  mich  denn  nach  Abwendung  von  der  Verzückung 
in  die  dritte  Vertiefung  eintreten!  —  nach  dem  Schwin- 
den der  Freuden  und  Leiden  in  die  vierte  Vertiefung 
eintreten!  —  laß  mich,  durch  völlige  Überwindung  der 
Formwahrnehmungen,  in  das  Gebiet  der  Raumunend- 
lichkeit eintreten!  —  laß  mich,   durch  völlige   Über- 

—     249     — 


1X41     SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Windung  des  Gebietes  der  Raumunendlichkeit,  in  das 
Gebiet  der  Bewußtseinsunendlichkeit  eintreten!  —  laß 
mich,  durch  völlige  Überwindung  des  Gebietes  der 
Bewußtseinsunendlichkeit,  in  das  Gebiet  des  Nicht- 
daseins  eintreten!  —  laß  mich,  durch  völlige  Über- 
windung des  Gebietes  des  Nichtdaseins  in  das  Gebiet 
der  Weder  -  Wahrnehmung  -  Noch  -  Nichtwahrnehmung 
eintreten!  —  laß  mich,  durch  völlige  Überwindung  des 
Gebietes  der  Weder-Wahrnehmung-Noch-Nichtwahr- 
nehmung,  in  die  Aufhebung  von  Wahrnehmung  und 
Gefühl  eintreten!«  Doch  mein  Herz,  Änando,  fühlte 
keinen  Drang  zur  Aufhebung  von  Wahrnehmung  und 
Gefühl,  neigte  nicht  dazu,  festigte  sich  nicht  und  fand 
keine  Befreiung.  Da,  Änando,  fragte  ich  mich:  »Was 
ist  da  wohl  die  Ursache,  was  der  Grund?«  Und  der 
Gedanke  kam  mir:  »Nicht  habe  ich  das  Übel  des  Ge- 
bietes der  Weder- Wahrnehmung-Noch-Nichtwahrneh- 
mung  erkannt  und  oft  erwogen,  habe  den  Segen  der 
Aufhebung  von  Wahrnehmung  und  Gefühl  noch  nicht 
empfunden  und  erwirkt:  darum  eben  fühlt  mein  Herz 
keinen  Drang  zur  Aufhebung  von  Wahrnehmung  und 
Gefühl,  neigt  nicht  dazu,  festigt  sich  nicht  und  findet 
keine  Befreiung.«  Ich  sagte  mir  daher:  '>Wenn  ich  das 
Übel  des  Gebietes  der  Weder-Wahrnehmung-Noch- 
Nichtwahrnehmung  erkenne  und  oft  erwäge,  den  Segen 
der  Aufhebung  von  Wahrnehmung  und  Gefühl  emp- 
finde und  erwirke,  so  mag  es  wohl  sein,  daß  dann  mein 
Herz  einen  Drang  fühlt  zur  Aufhebung  von  Wahr- 
nehmung und  Gefühl,  dazu  neigt,  sich  festigt  und  die 
Befreiung  findet.«  Und  in  der  Folgezeit,  Änando,  er- 
kannte und  erwog  ich  oft  das  Übel  des  Gebietes  der 
Weder- Wahrnehmung-Noch-Nichtwahrnehmung,     und 

—     250    — 


NEUNERBUCH  1X41 


ich  empfand  und  erwirkte  den  Segen  der  Aufhebung 
von  Wahrnehmung  und  Gefühl,  sodaß  mein  Herz  einen 
Drang  fijhlte  zur  Aufhebung  von  Wahrnehmung  und 
Gefühl,  dazu  neigte,  sich  festigte  und  die  Befreiung 
fand  in  der  Erkenntnis:  »Dies  ist  der  Frieden!«  In 
der  Folgezeit,  Änando,  trat  ich  nach  völliger  Über- 
windung des  Gebietes  der  Weder-Wahrnehmung-Noch- 
Nichtwahrnehmung  in  die  Aufhebung  von  Wahrneh- 
mung und  Gefühl  ein;  und  weise  erkennend  gelangten 
in  mir  die  Leidenschaften  zur  Versiegung. 

,, Solange.  Anando,  als  ich  noch  nicht  in  diese 
neun  aufeinanderfolgenden  Erreichungszustände,  in 
vorwärts  wie  rückwärts  schreitender  Weise,  eingetreten 
war  und  mich  wieder  aus  ihnen  erhoben  hatte,  solange, 
Änando,  war  ich  nicht  gewiß,  ob  ich  die  in  der  Welt 
der  Dewen,  Mahren  und  Götter,  der  Schar  der  Asketen 
und  Priester,  Himmelswesen  und  Menschen  unüber- 
troffene höchste  Erleuchtung  gewonnen  hatte.  Sobald 
aber,  Änando,  als  ich  in  diese  neun  aufeinanderfolgenden 
Erreichungszustände,  in  vorwärts  wie  rückwärts  schrei- 
tender Weise,  eingetreten  war  und  mich  wieder  aus 
ihnen  erhoben  hatte,  da  war  ich  gewiß,  daß  ich  die  in 
der  Welt  der  Dewen,  Mahren  und  Götter,  der  Schar 
der  Asketen  und  Priester,  Himmelswesen  und  Menschen 
unübertroffene  höchste  Erleuchtung  gewonnen  hatte. 
Und  in  mir  stieg  das  Wissen  und  die  Erkenntnis  auf: 
»Unerschütterlich  ist  meine  Gemütserlösung.  Dies  ist 
meine  letzte  Geburt.  Kein  neues  Dasein  mehr  steht 
mir  bevor.«" 


—    251     — 


1X42      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

FÜNFTER    TEIL: 

Das  Kapitel  des  Pancalo 

42  Der  Ausweg  ays  der  Beklemmung 

[Bei  Kosambi  im  Ghositaklosterl 
Der  ehrwürdige  Udäyi  sprach  zum  ehrwürdigen  Anando: 
,, Folgendes,  o  Bruder,  wurde  gesagt  von  Pancäla- 
cando  dem  Himmelssohne: 

»Aus  der  Beklemmung  hat  den  Ausweg 
Der  Wissensmächtige  erkannt, 
Der  die  Vertiefung  fand,  der  Buddha, 
Der  abgelöste,  weise  Held«. 

,,Was  hat  da  wohl,  o  Bruder,  der  Erhabene  als 
Beklemmung  bezeichnet  und  was  als  den  Ausweg 
aus  der  Beklemmung?" 

,, Folgende  fünf  Sinnenobjekte,  o  Bruder,  hat  der 
Erhabene  als  Beklemmung  bezeichnet:  welche  fünf? 
,  Die  Formen,  die  Töne,  die  Düfte,  die  Säfte  und  die 
Tastungen,  die  begehrten,  lieblichen,  angenehmen, 
teuren,  sinnlichen,  reizenden:  Diese  fünf  Sinnenob- 
jekte,  0  Bruder,  hat  der  Erhabene  als  Beklemmung 
bezeichnet. 

,,Da,  0  Bruder,  tritt  der  Mönch,  den  Sinnendingen 
entrückt,  in  die  erste  Vertiefung  ein.  Insofern,  o 
Bruder,  hat  der  Erhabene  einen  Ausweg  aus  der  Be- 
klemmung   gelehrt,    in    gewisser    Hinsicht.    (1)   Aber 

(1)  In  gewisser  Hinsicht  nämlich  insofern,  als  dieser  Ausweg 
bloß   eine   zeitweilige   Befreiung   von   den    Sinnendingen   bedeutet 

—     252     — 


NEUNERBUCH  1X42 


auch  hier  gibt  es  eine  Beklemmung;  und  welches  ist 
da  die  Beklemmung?  Daß  da  das  Sinnen  und  Nach- 
denken noch  nicht  geschwunden  ist,  das  ist  da  die 
Beklemmung. 

,, Fernerhin,  o  Bruder,  tritt  der  Mönch  nach  Auf- 
hebung des  Sinnens  und  Nachdenkens  in  die  zweite 
Vertiefung  ein.  Insofern,  o  Bruder,  hat  der  Erhabene 
einen  Ausweg  aus  der  Beklemmung  gelehrt,  in  ge- 
wisser Hinsicht.  Aber  auch  hier  gibt  es  eine  Be- 
klemmung; welches  ist  da  die  Beklemmung?  Daß  da 
die  Verzückung  noch  nicht  geschwunden  ist,  das 
ist  da  die  Beklemmung. 

,, Fernerhin,  o  Bruder,  tritt  der  Mönch  nach  Ab- 
wendung der  Verzückung  in  die  dritte  Vertiefung  ein. 
Auch  insofern,  o  Bruder,  hat  der  Erhabene  einen  Aus- 
weg aus  der  Beklemmung  gelehrt,  in  gewisser  Hin- 
sicht. Aber  auch  hier  gibt  es  eine  Beklemmung; 
und  welches  ist  da  die  Beklemmung?  Daß  da  die 
gleichmütige  Freude  noch  nicht  geschwunden  ist, 
das  ist  da  die  Beklemmung. 

,, Fernerhin,  o  Bruder,  tritt  der  Mönch  nach  Auf- 
hebung von  Freuden  und  Leiden  in  die  vierte  Ver- 
tiefung ein  —  tritt,  durch  völlige  Überwindung  der 
Formwahrnehmungen,  in  das  Gebiet  der  Raumunend- 
lichkeit ein  —  tritt,  durch  völlige  Überwindung  des 
Gebietes  der  Raumunendlichkeit,  in  das  Gebiet  der 
Bewußtseinsunendlichkeit  ein  —  tritt,  durch  völlige 
Überwindung    des    Gebietes    der    Bewußtseinsunend- 

imd  noch  keine  endgültige  und  restlose  Versiegung  aller  Leiden- 
schaften, die  nur  durch  durchdringenden  »Hellblick«  (vipassanä)  in 
die  Vergänglichkeit,  das  Elend  iind  die  Wesenlosigkeit  aller  Daseins- 
formen verwirklicht  werden  kann. 

—     253     — 


XI  43      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

lichkeit,  in  das  Gebiet  des  Nichtdaseins  ein  —  tritt, 
durch  völlige  Überwindung  des  Gebietes  des  Nicht- 
daseins, in  das  Gebiet  der  Weder- Wahrnehmung-Noch- 
Nichtwahrnehmung  ein.  Auch  insofern,  o  Bruder,  hat 
der  Erhabene  einen  Ausweg  aus  der  Beklemmung  ge- 
lehrt, in  gewisser  Hinsicht.  Aber  auch  hier  gibt 
es  eine  Beklemmung;  und  welches  ist  da  die  Beklem- 
mung? 

,, Fernerhin,  o  Bruder,  tritt  der  Mönch  nach  völliger 
Überwindung  des  Gebietes  der  Weder-Wahrnehmung- 
Noch-Nichtwahrnehmung  in  die  Aufhebung  von  Wahr- 
nehmung und  Gefühl  ein;  und  nach  weisem  Erkennen 
gelangen  in  ihm  die  Leidenschaften  zur  Versiegung. 
Insofern,  o  Bruder,  hat  der  Erhabene  einen  Ausweg 
aus  der  Beklemmung  gelehrt  und  zwar  in  jeder  Hinsicht. 

^3  Der  Körperzeuge  (käya-sakkhi) 

Man  spricht  da,  o  Bruder,  von  e.nem  Körper- 
zeugen. Inwiefern  aber,  o  Bruder,  hat  der  Erhabene 
einen   als   Körperzeugen  bezeichnet? 

Da,  0  Bruder,  gewinnt  der  Mönch,  den  Sinnen- 
dingen entrückt,  die  erste  Vertiefung;  und  wieweit 
auch  immer  jenes  Gebiet  reicht,  soweit  hat  er  es  in 
eigener  Person  verwirklicht.  Insofern,  o  Bruder,  hat 
der  Erhabene  einen,  in  gewisser  Hinsicht,  als  Körper- 
zeugen bezeichnet. 

Fernerhin,  o  Bruder,  gewinnt  der  Mönch  die 
zweite  Vertiefung,  —  die  dritte  Vertiefung,  —  die 
vierte  Vertiefung,  —  das  Gebiet  der  Raumunendlich- 
keit, —  das  Gebiet  der  Bewußtseinsunendlichkeit,  — 
das  Gebiet  des  Nichtdaseins,  —  das  Gebiet  der  Weder- 

—    254    — 


NEUNERBUCH  1X44 


Wahrnehmung-Noch-Nichtwahrnehmung;  und  wieweit 
auch  immer  jenes  Gebiet  reicht,  soweit  hat  er  es  in 
eigener  Person  verwirklicht.  Auch  insofern,  o  Bruder, 
hat  der  Erhabene  einen,  in  gewisser  Hinsicht,  als 
Körperzeugen  bezeichnet. 

Fernerhin,  o  Bruder,  gewinnt  der  Mönch"  durch 
völlige  Überwindung  des  Gebietes  der  Weder-Wahr- 
nehmung-Noch-Nichtwahrnehmung  die  Aufhebung  von 
Wahrnehmung  und  Gefühl;  und  wieweit  auch  immer 
jenes  Gebiet  reicht,  soweit  hat  er  es  in  eigener  Person 
verwirklicht.  Insofern,  o  Bruder  hat  der  Erhabene 
einen,  in  jeder  Hinsicht,  als  Körperzeugen  bezeichnet. 

Der  Wissenserlöste  (pafinä-vimutta)  4* 

Man  spricht  da,  o  Bruder,  von  »Wissenserlöst«. 
Inwiefern  aber,  o  Bruder,  hat  der  Erhabene  einen  als 
Wissenserlösten  bezeichnet?" 

Da,  0  Bruder,  gewinnt  der  Mönch,  den  Sinnen- 
dingen entrückt,  die  erste  Vertiefung;  und  mit  seiner 
Einsicht  durchdringt  er  sie.  Insofern,  o  Bruder,  hat 
der  Erhabene  einen  in  gewisser  Hinsicht  als  Wissens- 
erlösten bezeichnet. 

Fernerhin,  o  Bruder,  gewinnt  der  Mönch  die 
zweite  Vertiefung,  —  die  dritte  Vertiefung  —  die 
vierte  Vertiefung,  —  das  Gebiet  der  Raumunendlich- 
keit, —  das  Gebiet  der  Bewußtseinsunendlichkeit.  — 
das  Gebiet  des  Nichtseins,  ~  das  Gebiet  der  Weder- 
Wahrnehmung-Noch-Nichtwahrnehmung;  und  mit  sei- 
ner Einsicht  durchdringt  er  jenes  Gebiet.  Auch  in- 
sofern, 0  Bruder,  hat  der  Erhabene  einen  in  gewisser 
Hinsicht  als  Wissenserlösten  bezeichnet. 

—    255     — 


1X45      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Fernerhin,  o  Bruder,  gewinnt  der  Mönch,  durch 
völlige  Überwindung  des  Gebietes  der  Weder-Wahrneh- 
mung-Noch- NichtWahrnehmung,  die  Aufhebung  von 
Wahrnehmung  und  Gefühl;  und  in  Einsicht  erkennend 
gelangen  die  Leidenschaften  in  ihm  7ur  Versiegung, 
und  mit  seiner  Einsicht  durchdringt  er  jenes  Gebiet. 
Insofern,  o  Bruder,  hat  der  Erhabene  einen  in  jeder 
Hinsicht  als  Wissenserlösten  bezeichnet. 


45  Der  Beiderseitserlöste  (ubhato-bhaga-vimutta) 

Man  spricht  da^  o  Bruder,  von  »Beiderseitserlöst«. 
Inwiefern  aber,  o  Bruder,  hat  der  Erhabene  einen  als 
Beiderseitserlösten  bezeichnet? 

Da,  0  Bruder,  gewinnt  der  Mönch  die  erste,  zweite, 
dritte  oder  vierte  Vertiefung,  das  Gebiet  der  Raum- 
unendlichkeit, der  Bewußtseinsunendlichkeit,  des  Nicht- 
seins oder  der  Weder- Wahrnehmung-Noch-Nichtwahr- 
nehmung;  und  wieweit  auch  immer  jenes  Gebiet  reicht, 
soweit  hat  er  es  in  eigener  Person  verwirklicht,  und 
mit  seiner  Einsicht  durchdringt  er  es.  Insofern,  o 
Bruder,  hat  der  Erhabene  einen,  in  gewisser  Hinsicht, 
als  Beiderseitserlösten  bezeichnet. 

Fernerhin,  o  Bruder,  gewinnt  der  Mönch,  durch 
völlige  Überwindung  des  Gebietes  der  Weder-Wahrneh- 
mung-Noch-Nichtwahrnehmung,  die  Aufhebung  von 
Wahrnehmung  und  Gefühl;  und  wieweit  auch  immer 
jenes  Gebiet  reicht;  soweit  hat  er  es  in  eigener  Person 
verwirklicht,  und  mit  seiner  Einsicht  durchdringt  er 

—    256    — 

y 


NEUNERBUCH  1X46—51 


es.     Insofern,  o  Bruder,  hat  der  Erhabene  einen,  in 
jeder  Hinsicht,  als  Beiderseitserlösten  bezeichnet.  (1) 

Das  Nirwahn  46—51 

Man  spricht  da,  o  Bruder,  von  einem  sichtbaren 
Gesetze,  —  von  einem  sichtbaren  Nirwahn,  —  einem 
Nirwahn,  —  einem  vollkommenen  Nirwahn,  —  einem 
teilweisen  Nirwahn,  —  einem  Nirwahn  bei  Lebzeiten. 
Was  aber,  o  Bruder,  hat  der  Erhabene  darüber  gesagt? 
Da,  0  Bruder,  gewinnt  der  Mönch  die  erste,  zweite, 
dritte  oder  vierte  Vertiefung,  das  Gebiet  der  Raum- 
unendlichkeit, der  Bewußtseinsunendlichkeit,  des  Nicht- 
seins und  der  Weder-Wahrnehmung-Noch-Nichtwahr- 
nehmung.  Das,  o  Bruder,  hat  der  Erhabene  als  das 
Nirwahn  erklärt,  in  gewisser  Hinsicht. 

Fernerhin,  o  Bruder,  gewinnt  der  Mönch,  durch 
völlige  Überwindung  des  Gebietes  der  Weder-Wahr- 
nehmung-Noch-Nichtwahrnehmung,  die  Aufhebung  von 
Wahrnehmung  und  Gefühl;  und  weise  erkennend  ge- 
langen in  ihm  die  Leidenschaften  zur  Versiegung.  Das, 
0  Bruder,  hat  der  Erhabene  als  das  Nirwahn  erklärt, 
in  jeder  Hinsicht^ ___^ 

(1)  Als  »Körperzeuge«  (käya-sakkhi)  gilt  derjenige,  der 
eine  oder  mehrere  Vertiefimgen  ganz  imd  gar  meistert,  der  also  in 
Gemütsruhe  (samatha)  stark  entwickelt  ist,  aber  nicht  im  Hell- 
blicke (vipassanä).  Auch  der  »Einsichtserlöste«  (pannä-vi- 
mutta)  mag  —  wenn  auch  nicht  notwendigerweise  (s.  Samyutta- 
Nikäya)  —  die  Vertiefungen  teilweise  oder  ganz  erreichen,  aber 
meistert  sie  keineswegs  in  dem  Grade  wie  der  Körperzeuge;  sein 
Vorzug  besteht  eben  in  seinem  Hellblicke,  während  seine  Gemüts- 
ruhe nicht  in  demselben  Grade  entwickelt  ist.  Im  »Beider sei ts- 
erlösten«  (ubhatobhäga-vimutta)  sind  sowohl  die  Vorzüge  des 
Körperzeugen  als  auch  des  Einsichtserlösten  vollkommen  ver- 
treten, 

—    257     —  " 


XI  61      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 


SECHSTER    TEIL: 

Das  Kapitel  des  Friedens 

52—61  Der  Frieden 

Man  spricht  da,  o  Bruder,  vom  Frieden,  —  von 
der  Erreichung  des  Friedens,  —  vom  Todlosen,  —  von 
der  Erreichung  des  Todlosen,  —  vom  Furchtlosen,  — 
von  der  Erreichung  des  Furchtlosen,  —  von  Beruhigung, 
von  allmählicher  Beruhigung,  —  von  Aufhebung,  — 
von  allmählicher  Aufhebung.  <  Was  aber,  o  Bruder,  hat 
der  Erhabene  darüber  gesagt? 

Da,  0  Bruder,  gewinnt  der  Mönch  die  erste,  zweite, 
dritte  oder  vierte  Vertiefung,  das  Gebiet  der  Raum- 
unendlichkeit, der  Bewußtseinsunendlichkeit,  des  Nicht- 
seins und  der  Weder-Wahrnehmung-Noch-Nichtwahr- 
nehmung.  Das,  o  Bruder,  hat  der  Erhabene  als  die 
allmähliche  Erlöschung  bezeichnet,  in  gewisser  Hinsicht. 

Fernerhin,  o  Bruder,  gewinnt  der  Mönch,  durch 
völlige  Überwindung  des  Gebietes  der  Weder- Wahrneh- 
mung-Noch-Nichtwahrnehmung  die  Aufhebung  von 
Wahrnehmung  und  Gefühl;  und  weise  erkennend  ge- 
langen in  ihm  die  Leidenschaften  zur  Versiegung.  Das, 
0  Bruder,  hat  der  Erhabene,  in  jeder  Hinsicht,  als  die 
allmähliche   Erlöschung  bezeichnet. 


—    258     — 


NEUNERBUCH 


Das  Arahattum  (Heiligkeit)  62 

Ohne,  ihr  Mönche,  neun  Erscheinungen  über- 
wunden zu  haben,  ist  man  außerstande,  das  Arahattum 
zu  verwirklichen:  welche  neun  Erscheinungen? 

Gier,  Haß,  Verblendung,  Zorn,  Wut,  Heuchelei, 
Eifersucht,  Neid  und  Geiz. 

Wer  aber,  ihr  Mönche,  diese  neun  Erscheinungen 
überwunden  hat,  ist  imstande  das  Arahattum  zu  ver- 
wirklichen. 


-    259    -  17^ 


1X67      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

SIEBENTER    TEIL: 

Das  Kapitel   der  Grundlagen   der 
Achtsamkeit,  der  rechten  Anstren- 
gungen und  der  Machtfährten 

3—92  Ueberwindung 

Fünf  Lähmungen  der  Askese  gibt  es,  ihr  Möncher 
das  Töten,  Stehlen,  geschlechtliche  Ausschreiten,  Lügen 
und  Genießen  berauschender  Getränke.  Zur  Über- 
windung dieser  fünf  Lähmungen  der  Askese  aber,  ihr 
Mönche,  hat  man  die  vier  Grundlagen  der  Achtsam- 
keit zu  entfalten. 

64  Fünf  Hemmungen  gibt  es,  ihr  Mönche:  Sinnen- 
lust, Groll,  geistige  Stumpfheit  und  Mattigkeit,  Auf- 
geregtheit  und    Gewissensunruhe,    Zweifelsucht. 

65  Fünf  Sinnenobjekte  gibt  es,  ihr  Mönche:  die 
Formen,  Töne,  Düfte,  Säfte  und  Tastungen,  die  be- 
gehrten, leiblichen,  angenehmen,  teuren,  sinnlichen, 
reizenden.  — 

66  Fünf  mit  Anhaften  verbundene  Aggregate  gibt 
es,  ihr  Mönche:  das  mit  Anhaften  verbundene  Aggregat 
der  Form,  das  mit  Anhaften  verbundene  Aggregat  des 
Gefühls,  das  mit  Anhaften  verbundene  Aggregat  der 
Wahrnehmung,  das  mit  Anhaften  verbundene  Aggregat 
der  Geistesbildungen,  das  mit  Anhaften  verbundene 
Aggregat  des  Bewußtseins.  — 

67  Fünf  niedere  Fesseln  gibt  es,  ihr  Mönche:  Per- 
sönlichkeitsglaube, Hang  an  Sitten  und  Riten,  Zweifel, 
Sinnenlust  und   Groll.  — 

—     260     — 


NEUNERBUCH  1X72 


Fünf  Ausgänge  gibt  es,  ihr  Mönche:  Hölle,  Tier-  68 
schoß,  Gespensterreich  und  Himmelswesen.  — 

Fünf  Arten  des  Geizes  gibt  es,  ihr,  Mönche:  Geiz  69 
hinsichtlich  der  Wohnung,  hinsichtlich  der   Familien, 
hinsichtlich  des  Gewinnes,  hinsichtlich  des  Ansehens 
und  hinsichtlich  geistiger  Dinge.  — 

Fünf  höhere   Fesseln  gibt  es,  ihr  Mönche:  Be-  70 
gehren  nach  formhaftem  Dasein,  Begehren  nach  form- 
losem  Dasein,   Dünkel,   Aufgeregtheit  und   Unwissen- 
heit. — 

Fünf  Geistesverhärtungen  gibt  es,  ihr  Mönche:  71 
welche  fünf?  Da,  ihr  Mönche,  schwankt  und  zweifelt 
der  Mönch  hinsichtlich  des  Meisters,  —  schwankt  und 
zweifelt  hinsichtlich  des  Gesetzes,  —  schwankt  und 
zweifelt  hinsichtlich  der  Jüngerschaft,  —  schwankt 
und  zweifelt  hinsichtlich  der  Askese,  —  ist  wegen  seiner 
Ordensbrüder  erregt,  geistig  niedergeschlagen  und  voll 
Widerspenstigkeit. 

Fünf  Geistesumstrickungen  gibt  es,  ihr  '^2 
-Mönche:  welche  fünf?  Da,  ihr  Mönche,  ist  der  Mönch 
nicht  frei  von  Gier  hinsichtlich  der  Sinnendinge,  — 
nicht  frei  von  Gier  hinsichtlich  des  Körpers,  —  nicht 
frei  von  Gier  hinsichtlich  der  Formen,  —  wenn  er  seinen 
Leib  vollgegessen  hat,  findet  er  Genuß  daran,  sich 
auszuruhen,  sich  auf  die  Seite  zu  legen  und  einzu- 
schlummern; —  in  der  Hoffnung  auf  einen  Himmel 
führt  er  den  Heiligen  Wandel,  denkend:  »Infolge  dieser 
Übung,  dieser  Bußaskese,  dieses  heiligen  Wandels 
werde  ich  als  Gott  wiedererscheinen  oder  als  einer  unter 
den  Himmelwesens.«  — 

Zur  Überwindung  dieser  Erscheinungen  aber,  ihr 
Mönche,  hat  man  die  vier   Grundlagen  der  Acht- 


—    261     — 


IX 100    SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

samkeit  zu  entfalten,  hat  man  die  vier  Rechten 
Anstrengungen  zu  entfalten,  hat  man  die  vier 
Machtfährten  zu  entfalten. 

93_100  Erlöschung 

Zur  Erkennung  und  völligen  Durchschauung  von 
Gier,  ihr  Mönche,  von  Haß,  Verblendung,  Zorn,  Wut, 
Verkleinerungssucht,  Neid,  Geiz,  Gleisnerei,  Falsch- 
heit, Hartnäckigkeit,  Heftigkeit,  Dünkel,  Hochmut, 
Eitelkeit  und  Nachlässigkeit  und  zu  dieser  Dinge 
völligen  Vernichtung,  Überwindung,  Versiegung,  Er- 
löschung, Abwendung,  Zerstörung,  Entsagung  und 
Loslösung  hat  man  neunerlei  Dinge  zu  entfalten: 
welche  neun? 

Die  Betrachtung  der  Unreinheit,  die  Betrachtung 
des  Todes,  die  Betrachtung  des  Ekels,  der  Nahrung, 
die  Betrachtung  der  Reizlosigkeit  der  ganzen  Welt, 
die  Betrachtung  der  Vergänglichkeit,  die  Betrachtung 
des  Leidens  bei  der  Vergänglichkeit,  die  Betrachtung 
der  Wesenlosigkeit  beim  Leiden,  die  Betrachtung  der 
Überwindung,    die    Betrachtung   der   Abwendung.    — 

Die  erste  Vertiefung,  die  zweite  Vertiefung,  die 
dritte  Vertiefung,  die  vierte  Vertiefung,  das  Gebiet 
der  Raumunendlichkeit,  das  Gebiet  der  Bewußtseins- 
unendlichkeit, das  Gebiet  des  Nichtdaseins,  das  Ge- 
biet der  Weder-Wahrnehmung-Noch-Nichtwahrneh- 
mung  und  die  Aufhebung  von  Wahrnehmung  und 
Gefühl. 

Ende    des   Neunerbuches. 


—     262     — 


.-a 


ZEHNERBUCH  XI 


Das  Zehnerbuch 


ERSTER    TEIL: 

Das  Kapitel  der  Sittliclikeit 

Der  Segen  der  Sittlichkeit 

[Im  Jetahaine  bei  Sävatthi] 

Der  ehrwürdige  Änando  sprach  zum  Erhabenen: 

,,Was,   0   Ehrwürdiger,   ist  der   Segen  und    Lohn 
der  verdienstvollen  Sitten?" 

„Reuelosigkeit,  Änando,  ist  der  Segen  und  Lohn 
der  verdienstvollen  Sitten." 

„Was   aber,   o    Ehrwürdiger,    ist   der    Segen   und 
Lohn  der  Reuelosigkeit?"  ^ 

,, Freude,  Änando." 

,,Und  was,  o  Ehrwürdiger,  ist  der  Segen  und  Lohn 
der  Freude?" 

, »Verzückung,  Änando." 

,,Und  der  Verzückung,  o  Ehrwürdiger?" 

,, Beruhigung,  Änando," 

,,Und  der  Beruhigung,  o  Ehrwürdiger?" 

,, Glück,  Änando." 

,,Und  des   Glückes,   o   Ehrwürdiger?" 

,, Sammlung,  Änando." 

,,Und  der  Sammlung,  0  Ehrwürdiger?" 

„Wahrheitsgemäßer    Erkenntnisblick,    Änando." 

^     263     — 


X2         SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

„Und  des  wahrheitsgemäßen  Erkenntnisblickes, 
0  Ehrwürdiger?" 

„Daseinsüberdruß    und    Abwendung,    Änando." 

,,Und  des  Daseinsüberdrusses  und  der  Abwen- 
dung,  0   Ehrwürdiger?" 

,,Der  Erkenntnisblick  der  Erlösung,  Änando. 
Somit  also,  Änando,  haben  die  verdienstvollen  Sitten 
Reuelosigkeit  zum  Segen  und  Lohne,  die  Reuelosig- 
keit  hat  Freude  und  Segen  zum  Lohne,  die  Freude  hat 
Verzückung  zum  Segen  und  Lohne,  die  Verzückung 
hat  Glück  zum  Segen  und  Lohne,  das  Glück  hat  Samm- 
lung zum  Segen  und  Lohne,  die  Sammlung  hat  wahr- 
heitsgemäßen Erkenntnisblick  zum  Segen  und  Lohne, 
der  wahrheitsgemäße  Erkenntnisblick  hat  Daseins- 
überdruß und  Abwendung  zum  Segen  und  Lohne, 
der  Daseinsüberdruß  und  die  Abwendung  haben  den 
Erkenntnisblick  der  Erlösung  zum  Segen  und  Lohne. 
So  also,  Änando,  führen  die  verdienstvollen  Sitten 
nach  und  nach  zum  Höchsten." 

2      Die  Gesetzmäßigkeit  in  der  geistigen  Entwicklung 

Nicht  braucht,  ihr  Mönche,  der  Sittenhafte,  sitt- 
lich Vollkommene  eine  Willensanstrengung  zu  machen, 
damit  ihm  Reuelosigkeit  aufsteige;  ein  Gesetz  ist  es, 
ihr  Mönche,  daß  dem  Sittenhaften,  sittlich  Vollkom- 
menen Reuelosigkeit  aufsteigt.  Nicht  braucht,  ihr 
Mönche,  der  Reuelose  eine  Willensanstrengung  zu 
machen,  damit  ihm  Freude  aufsteige;  ein  Gesetz  ist 
es,  ihr  Mönche,  daß  dem  Reuelosen  Freude  aufsteigt.  — 
Ein  Gesetz  ist  es,,  ihr  Mönche,  daß  dem  Erfreuten  Ver- 
zückung  aufsteigt.  —  Ein  Gesetz  ist   es,  ihr  Mönche, 

—     264    — 


ZEHNERBUCH  X3 


daß  dem  im  Geiste  Verzückten  sich  das  Innere  be- 
ruhigt. —  Ein  Gesetz  ist  es  ihr  Mönche,  daß  der  inner- 
lich Beruhigte  Glück  empfindet.  —  Ein  Gesetz  ist 
es,  ihr  Mönche,  daß  des  Glücklichen  Geist  sich  sammelt. 
Ein  Gesetz  ist  es,  ihr  Mönche,  daß  der  Gesammelte 
der  Wahrheit  gemäß  erkennt  und  versteht.  —  Ein 
Gesetz  ist  es,  ihr  Mönche,  daß  der  der  Wahrheit  gemäß 
Erkennende  und  Verstehende  überdrüssig  wird  und 
sich  abwendet.  —  Ein  Gesetz  ist  es,  ihr  Mönche, 
daß  der  Überdrüssige  und  Abgewandte  den  Erkennt- 
nisblick der  Erlösung  verwirklicht. 

So  also,  ihr  Mönche,  lassen  die  einen  Erscheinungen 
die  anderen  Erscheinungen  entstehen,  bringen  die 
einen  Erscheinungen  die  anderen  Erscheinungen  zur 
Vollendung,  sodaß  eben  die  diesseitigen  Erscheinungen 
zum  jenseitigen  Ziele  hingeleiten. 

Eines  aufs  Andere  gestützt 

—  Gleichwie,  ihr  Mönche,  an  einem  der  Zweige 
und  Blätter  beraubten  Baume  auch  Haut,  Borke, 
Reiser  und  Kernholz  nicht  zur  Entfaltung  gelangen: 
ebenso  auch,  ihr  Mönche,  ist  in  dem  Sittenlosen,  der 
Sittlichkeit  Entbehrenden  das  Unschuldsgefühl  ohne 
Stütze.  Ist  kein  Unschuldsgefühl  da,  so  ist  in  dem 
des  Unschuldsgerühls  Entbehrenden  die  Freude  ohne 
Stütze.  Ist  aber  keine  Freude  da,  so  ist  in  dem  der 
Freude  Entbehrenden  die  Verzückung  ohne  Stütze.  Ist 
aber  keine  Verzückung  da,  so  ist  in  dem  der  Ver- 
zückung Entbehrenden  die  Ruhe  ohne  Stütze.  Ist 
aber  keine  Ruhe  da,  so  ist  in  dem  der  Ruhe  Entbeh- 
renden das  Glück  ohne  Stütze.     Ist  aber  kein  Glück 

—     265    — 


X7  SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

da,  so  ist  in  dem  des  Glückes  Entbehrenden  die  rechte 
Sammlung  ohne  Stütze.  Ist  aber  keine  rechte  Samm- 
lung da,  so  ist  in  dem  der  rechten  Sammlung  Ent- 
behrenden der  wahrheitsgemäße  Erkenntnisblick 
ohne  Stütze.  Ist  aber  kein  wahrheitsgemäßer  Er- 
kenntnisblick da,  so  ist  in  dem  des  wahrheitsgemäßen 
Erkenntnisblick  Entbehrenden  der  Daseinsekel  und 
die  Abwendung  ohne  Stütze.  Ist  aber  kein  Daseins- 
ekel und  keine  Abwendung  da,  so  ist  in  dem  des  Da- 
seinsekels und  der  Abwendung  Entbehrenden  der 
Erkenntnisblick   der  Erlösung  ohne  Stütze.  — 

Losgelöste  Sammlung 

[Säriputto  zu  Änando:]  ,, Einst,  Bruder  Änando, 
da  weilte  ich  hier  bei  Sävatthi  im  Dunklen  Walde. 
Dort  erreichte  ich  eine  solche  Sammlung,  daß  ich  an- 
gesichts der  Erde  ohne  Wahrnehmung  der  Erde  war, 
daß  ich  angesichts  des  Wassers  ohne  Wahrnehmung 
des  Wassers  war,  daß  ich  angesichts  des  Feuers  ohne 
Wahrnehmung  des  Feuers  war,  daß  ich  angesichts 
des  Windes  ohne  Wahrnehmung  des  Windes  war, 
daß  ich  angesichts  des  Gebietes  der  Raumunendlich- 
keit ohne  Wahrnehmung  der  Raumunendlichkeit 
war,  daß  ich  angesichts  des  Gebietes  der  Bewußt- 
seinsunendlichkeit ohne  Wahrnehmung  des  Gebietes 
der  Bewußtseinsunendlichkeit  war,  daß  ich  angesichts 
des  Gebietes  des  Nichtdaseins  ohne  Wahrnehmung 
des  Gebietes  des  Nichtdaseins  war,  daß  ich  angesichts 
des  Gebietes  der  Weder-Wahrnehmung-Noch-Nicht- 
wahrnehmung  ohne  Wahrnehmung  des  Gebietes  der 
Weder- Wahrnehmung-Noch-Nichtwahrnehmung      war, 

—     266     — 


ZEHNERBUCH  X8 


daß  ich  angesichts  dieser  Welt  ohne  Wahrnehmung 
dieser  Welt  war,  daß  ich  angesichts  jener  Welt  ohne 
Wahrnehmung  jener  Welt  war;  und  dennoch  besaß 
ich  Wahrnehmung." 

„Welche  Wahrnehmung  aber,  o  Bruder,  hatte  der 
ehrwürdige  Säriputto  bei  jener  Gelegenheit?" 

„Daß  in  des  Daseins  Aufhebung  das  Nirwahn  be- 
steht: diese  eine  Wahrnehmung  stieg  mir  auf,  o  Bruder, 
und  die  andere  Wahrnehmung  verschwand.  Gleich- 
wie etwa,  0  Bruder,  bei  einem  Holzfeuer  die  eine  Flamme 
aufleuchtet,  die  andere  Flamme  aber  verschwindet: 
ebenso  auch,  o  Bruder,  stieg  mir  die  eine  Wahrnehmung 
^uf,  daß  in  des  Daseins  Aufhebung  das  Nirwahn  be- 
steht, und  die  andere  Wahrnehmung  verschwand. 
Und,  daß  in  des  Daseins  Aufhebung  das  Nirwahn  be- 
steht: eben  diese  Wahrnehmung  hatte  ich  bei  jener 
Gelegenheit." 

Vollkommenheit 

Ist  da,  ihr  Mönche,  der  Mönch  voll  Vertrauen 
aber  ohne  Sittlichkeit,  so  ist  er  eben  hinsichtlich  dieser 
Eigenschaft  noch  unvollkommen.  Diese  Eigenschaft 
muß  er  daher  zur  Vollkommenheit  bringen  und  danach 
trachten:  «Ach,  möchte  ich  doch  neben  dem  Vertrauen 
auch  noch  Sittlichkeit»  besitzen!«  Sobald  aber,  ihr 
Mönche,  der  Mönch  neben  dem  Vertrauen  auch  noch 
Sittlichkeit  besitzt,  so  ist  er  eben  hinsichtlich  dieser 
Eigenschaft  vollkommen. 

Ist  da,  ihr  Mönche,  der  Mönch  voll  Vertrauen 
und  Sittlichkeit  aber  ohne  ein  großes  Wissen,  so  ist  er 
eben    hinsichtlich    dieser    Eigenschaft    noch    unvoll- 

—     267     — 


X8         SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

kommen.  Diese  Eigenschaft  muß  er  daher  zur  Voll- 
kommenheit bringen  und  danach  trachten:  »Ach, 
möchte  ich  doch  neben  dem  Vertrauen  und  der  Sitt- 
lichkeit auch  noch  ein  großes  Wissen  besitzen!«  So- 
bald aber,  ihr  Mönche,  der  Mönch  neben  dem  Vertrauen 
und  der  Sittlichkeit  auch  noch  ein  großes  Wissen  be- 
sitzt, so  ist  er  eben  hinsichtlich  dieser  Eigenschaft 
vollkommen. 

Ist  da,  ihr  Mönche,  der  Mönch  voll  Vertrauen  und 
Sittlichkeit  und  besitzt  ein  großes  Wissen,  ist  aber 
kein  Verkünder  des  Gesetzes,  so  ist  er  eben  hinsichtlich 
dieser  Eigenschaft  noch  unvollkommen.  Diese  Eigen- 
schaft muß  er  daher  zur  Vollkommenheit  bringen  und 
danach  trachten:  »Ach,  möchte  ich  doch  neben  dem 
Vertrauen,  der  Sittlichkeit  und  dem  großen  Wissen 
auch  noch  ein  Verkünder  des  Gesetzes  sein!  Sobald 
aber,  ihr  Mönche,  der  Mönch  neben  dem  Vertrauen, 
der  Sittlichkeit  und  dem  großen  Wissen  auch  noch 
ein  Verkünder  des  Gesetzes  ist,  so  ist  er  eben  hin- 
sichtlich  dieser   Eigenschaft   vollkommen. 

Ist  da,  ihr  Mönche,  der  Mönch  voll  Vertrauen 
und  Sittlichkeit  und  besitzt  ein  großes  Wissen  und  ist 
ein  Verkünder  des  Gesetzes,  tritt  aber  nicht  in  Ver- 
sammlungen auf,  —  oder  er  tritt  in  Versammlungen 
auf,  trägt  aber  dort  nicht  voll  Unbefangenheit  das 
Gesetz  vor,  —  oder  er  trägt  dort  voll  Unbefangenheit 
das  Gesetz  vor,  ist  aber  kein  Kenner  der  Disziplin  — 
oder  er  ist  ein  Kenner  der  Disziplin,  wohnt  aber  nicht 
im  Walde  in  abgeschiedenen  Behausungen,  —  oder  er 
wohnt  im  Walde  in  abgeschiedenen  Behausungen, 
wird  aber  der  vier  Vertiefungen  nicht  nach  Wunsch, 
ohne  Mühe    und   Anstrengung,    teilhaftig,  —  oder  er 

—     268     — 


ZEHNERBUCH  Xe 


wird  der  vier  Vertiefungen  nach  Wunsch,  ohne  Mühe 
und  Anstrengung,  teilhaftig,  gewinnt  aber  nicht  durch 
Versiegung  der  Leidenschaften,  die  leidenschaftlose 
Gemütserlösung  und  Wissenserlösung,  indem  er  sie 
noch  bei  Lebzeiten  selber  erkennt  und  verwirklicht, 
so.  ist  er  eben  hinsichtlich  dieser  Eigenschaft  noch  un- 
vollkommen. Diese  Eigenschaft  muß  er  daher  zur 
Vollkommenheit  bringen  und  danach  trachten:  »Ach, 
möchte  ich  doch  neben  dem  Vertrauen,  der  Sittlichkeit 
und  dem  großen  Wissen  ein  Verkünder  des  Gesetzes 
sein,  in  Versammlungen  auftreten,  dort  voll  Unbe- 
fangenheit das  Gesetz  vortragen,  ein  Kenner  der  Dis- 
ziplin sein,  im  Walde  in  abgeschiedenen  Behausungen 
wohnen,  der  vier  Vertiefungen  nach  Wunsch,  ohne 
Mühe  und  Anstrengung  teilhaftig  werden  und,  durch 
Versiegung  der  Leidenschaften  die  leidenschaftslose 
Gemütserlösung  und  Wissenserlösung  noch  bei  Leb- 
zeiten selber  erkennen,  verwirklichen  und  mir  zu  eigen 
machen!«  Sobald  aber,  ihr  Mönche,  der  Mönch  neben 
dem  Vertrauen  der  Sittlichkeit  und  dem  großen  Wissen 
auch  noch  ein  Verkünder  des  Gesetzes  ist,  in  Ver- 
sammlungen auftritt,  dort  voll  Unbefangenheit  das 
Gesetz  vorträgt,  der  vier  Vertiefungen  nach  Wunsch, 
ohne  Mühe  und  Anstrengung,  teilhaftig  wird  und, 
durch  Versiegung  der  Leidenschaften,  die  leiden- 
schaftslose Gemütserlösung  und  Wissenserlösung  noch 
bei  Lebzeiten  selber  erkennt,  verwirklicht  und  sich 
zu  eigen  macht,  so  ist  er  eben  hinsichtlich  dieser 
Eigenschaft  vollkommen. 

Mit  diesen  acht  Eigenschaften  ausgestattet,  ihr 
Mönche,  leistet  der  Mönch  allerwärts  Genüge,  ist  in. 
jeder  Weise  vollkommen. 


—    269     — 


Xll       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 
ZWEITER    TEIL: 

Das  Kapitel  des  Schutzes 

11  Günstige   Bedingungen   zur    Erreichung   der   Erlösung 

Der  mit  fünf  Eigenschaften  ausgestattete  Mönch, 
ihr  Mönche,  der  eine  mit  fünf  Eigenschaften  aus- 
gestattete Behausung  aufsucht  und  bewohnt,  gelangt 
nach  gar  nicht  langer  Zeit,  durch  Versiegung  der 
Leidenschaften,  in  den  Besitz  der  leidenschaftslosen 
Gemütserlösung  und  Wissenserlösung,  indem  er  sie 
noch   bei   Lebzeiten   selber   erkennt   und   verwirklicht. 

Wie  aber,  ihr  Mönche,  ist  der  Mönch  mit  fünf 
Eigenschaften    ausgestattet? 

Da,  ihr  Mönche,  eignet  dem  Mönche  Vertrauen; 
er  glaubt  an  die  Erleuchtung  der  Vollendeten,  nämlich, 
daß  dies  der  Erhabene  ist,  der  Heilige,  Vollkommen 
Erleuchtete,  der  im  Wissen  und  Wandel  Vollendete, 
der  Gesegnete,  der  Weltenkenner,  der  höchste  Lenker 
der  zu  bezähmenden  Menschheit,  der  Meister  der 
Himmelswesen  und  Menschen,  der  Erleuchtete,  der 
'  Erhabene.  Gesund  ist  er,  frei  von  Siechtum;  seine 
Säfte  bewirken  eine  gleichmäßige  Verdauung,  sind 
weder  zu  kalt  noch  zu  heiß,  sondern  besitzen  mittlere 
Wärme  und  machen  ihn  dem  Kampfe  gewachsen. 
Kein  Heuchler  ist  er,  kein  Gleisner;  der  Wahrheit 
entsprechend  bekennt  er  sich  dem  Meister  oder  ver- 
ständigen Ordensbrüdern.  Eifrig  kämpft  er,  um  die 
schuldvollen  Dinge  zu  überwinden,  die  verdienst- 
vollen   Dinge   aber   zu   erwecken,    ist   standhaft,   von 

—    270     — 


ZEHNERBUCH  X 11 


gestählter  Kraft,  nicht  nachlässig  im  Guten.  Weise 
ist  er;  er  besitzt  Einsicht  in  das  Entstehen  und  Ver- 
gehen, edle,  durchdringende,  zur  völligen  Leidens- 
vernichtung führende.  So,  ihr  Mönche,  ist  der  Mönch 
mit  fünf  Eigenschaften  ausgestattet. 

Wie  aber,  ihr  Mönche,  ist  die  Wohnstätte  mit 
fünf  Eigenschaften  ausgestattet? 

Da,  ihr  Mönche,  ist  die  Wohnstätte  nicht  zu  weit 
und  nicht  zu  nahe,  zum  Gehen  und  Kommen  geeignet.  (1) 
Bei  Tage  ist  sie  wenig  belebt  und  des  Nachts  ohne 
Geräusch  und  Lärm.  Er  wird  dort  nicht  belästigt 
durch  Bremsen  und  Mücken,  Wind  und  Sonne  und 
durch  Kriechtiefe.  In  jener  Wohnstätte  lebend  erhält 
er  ohne  Mühe  das  Nötige  an  Gewand,  Almosenspeise, 
Lagerstatt  sowie  an  Heilmitteln  und  Arzneien.  In 
jener  Wohnstätte  leben  ältere  Mönche,  die  ein  großes 
Wissen  besitzen,  mit  der  Botschaft  vertraut  sind, 
Träger  des  Gesetzes,  Träger  der  Ordensdisziplin, Ken- 
ner des  Inhaltes.  Zu  jenen  begibt  er  sich  von  Zeit  zu 
Zeit  hin  und  befragt  sie,  ersucht  sie  um  Aufklärung: 
»Wie  ist  dies,  ihr  Ehrwürdigen?  Wie  hat  man  dies  zu 
verstehen?«;  und  jene  Ehrwürdigen  enthüllen  ihm, 
was  ihm  noch  unverständlich  ist,  klären  ihn  über 
das  noch  Unaufgeklärte  auf  und  lösen  ihm  in  man- 
cherlei  zum   Zweifel    Anlaß   gebenden    Punkten   seine 


(1)  Komm.:  ,,Wemi  sie  zu  weit  (vom  Dorfe)  liegt,  tritt,  wenn 
er  nach  dem  Almosengange  dorthin  zurückkehrt,  körperliche  imd 
geistige  Erschlaff img  ein;  er  ist  dann  nicht  imstande,  die  noch  nicht 
eingetretene  Sammlung  zu  erwirken  oder  die  bereits  eingetretene 
Sammlung  zu  festigen.  Liegt  die  Wohnstätte  dagegen  zu  nahe 
(beim  Dorfe),  dann  ist  sie  zu  belebt." 

—    271     — 


X12       SAMMLLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Zweifel.    So,  ihr  Mönclie,  ist  die  Wohnstätte  mit  fünf 
Eigenschaften   ausgestattet. 

Der  mit  diesen  fünf  Eigenschaften  ausgestattete 
Mönch,  ihr  Mönche,  der  eine  mit  fünf  Eigenschaften 
ausgestattete  Behausung  aufsucht  und  bewohnt,. 
gelangt  nach  gar  nicht  langer  Zeit,  durch  Versiegung 
der  Leidenschaften,  in  den  Besitz  der  leidenschafts- 
losen Gemütserlösung  und  Wissenserlösung,  indem 
er  sie  noch  bei  Lebzeiten  selber  erkennt  und  verwirk- 
licht. 

12  Der  erhabenste  Mensch 

Den  von  fünf  Eigenschaften  befreiten  und  mit 
fünf  Eigenschaften  ausgestatteten  Mönch,  ihr  Mönche, 
bezeichnet  man  in  diesem  Gesetze  und  dieser  Dis- 
ziplin als  den  vollkommenen,  ausgelebten,  erhabensten 
Menschen. 

Inwiefern  aber,  ihr  Mönche,  ist  der  Mönch  von 
fünf  Eigenschaften  befreit?  Da,  ihr  Mönche,  ist  der 
Mönch  von  Sinnenlust  befreit  von  Groll,  befreit 
von  Stumpfheit  und  Mattigkeit,  befreit  von 
Aufgeregtheit  und  Gewissensunruhe,  befreit 
von  Zweifelsucht.  So,  ihr  Mönche,  ist  der  Mönch 
von  fünf  Eigenschaften  befreit. 

Inwiefern  aber,  ihr  Mönche,  ist  der  Mönch  mit 
fünf  Eigenschaften  ausgestattet?  Da,  ihr  Mönche, 
ist  der  Mönch  vollkommen  auf  dem  sittlichen 
Gebiete  eines  Kampfesledigen  (a-sekha),  vollkommen 
auf  dem  Vertiefungsgebiete  eines  Kampfesledigen, 
vollkommen  auf  dem  Wissensgebiete  eines  Kampfes- 
ledigen, vollkommen  auf  dem  Erlösungsgebiete  eines 

—    272    — 


ZEHNERBUCH  X 13 


Kampfesledigen,  vollkommen  auf  dem  Gebiete  des 
Erlösungskenntnisblickes  eines  Kampfesledigen. 
So,  ihr  Mönche,  ist  der  Mönch  mit  fünf  Eigenschaften 
ausgestattet. 

Den  mit  diesen  fünf  Eigenschaften  befreiten  und 
mit  fünf  Eigenschaften  ausgestatteten  Mönch,  ihr 
Mönche,  bezeichnet  man  in  diesem  Gesetze  und  in 
dieser  Disziplin  als  den  vollkommenen,  ausgelebten, 
erhabensten  Menschen. 

Wer  da  von  Groll  und  Sinnenlust, 
Von  Trägheit  und  von  Mattigkeit, 
Zerstreutheit  und  der  Zweifelsucht 
Sich  ganz  und  gar  hat  frei  gemacht. 

Erreicht  hat  heil'ge  Sittlichkeit, 
Des  Geistes  heil'ge  Sammlungskraft, 
Erlösung  sich  errungen  hat. 
Sowie  Erkenntnis  solcher  Art: 

Ja,  wer  fünf  Dinge  sich  errang. 
Fünf  Dinge  aber  von  sich  wies. 
Der  gilt  in  dieser  Zucht  und  Lehre 
Als  ein  Vollendeter  fürwahr. 

Die  zehn  Fesseln  13 

Zehn  Fesseln  gibt  es,  ihr  Mönche:  welche  zehn 2. 
Die  fünf  niederen  Fesseln  und  die  fünf  höheren  Fesseln. 

Welches  aber  sind  die  fünf  »niederen  Fesseln«, 
(orambhägiyäni  safifiojanäni)?  Persönlichkeitsglaube, 
Zweifelsucht,  Hang  an  Sittenregeln  und  Riten,  Sinnen- 
Itist  und  Groll:  das  sind  die  fünf  niederen  Fesseln. 

Welches  aber  sind  die  fünf  »höheren  Fesseln«, 
fuddhambhägiyäni    sannojanäni)?        Begehren    nach 

_    273     —  18 


X14       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

formhaftem  Dasein,  Begehren  nach  formlosem  Dasein, 
Dünkel,  Aufgeregtheit  und  Unwissenheit:  das  sind 
die  fünf  höheren  Fesseln. 

14  Der  abnehmende  und  zunehmende   Mond 

In  wem,  ihr  Mönche,  unter  den  Mönchen  oder 
Nonnen  die  fünf  Geistesverhärtungen  nicht  über- 
wunden und  die  fünf  Geistesverstrickungen  nicht 
zerstört  sind,  der  hat  —  sei  es  bei  Tage  oder  bei  Nacht, 
—  eben  einen  Rückschritt  im  Guten  zu  erwarten, 
keinen    Fortschritt. 

Welches  aber  sind  die  fünf  Geistesverhär- 
tungen, (ceto-khila),  die  in  ihm  nicht  überwunden 
sind?  Da,  ihr  Mönche,  schwankt  und  zweifelt  der 
Mönch  hinsichtlich  des  Meisters,  —  schwankt  und 
zweifelt  hinsichtlich  des  Gesetzes,  —  schwankt  und 
zweifelt  hinsichtlich  der  Jüngerschaft,  —  schwankt  und 
zweifelt  hinsichtlich  der  Askese,  ist  ohne  Hingebung 
und  Zuversicht;  —  ist  wegen  seiner  Ordensbrüder 
erregt,  geistig  niedergeschlagen  und  voll  Widerspen- 
stigkeit. Bei  einem  solchen  Mönche  aber  neigt  der 
Geist  nicht  zum  Eifer,  zur  Anstrengung,  Ausdauer 
und    zum    Kampfe.    — 

Welches  aber  sind  die  fünf  Geistesumstrickun- 
gen,  die  in  ihm  nicht  zerstört  sind?  Da,  ihr  Mönche, 
ist  der  Mönch  nicht  frei  von  Gier  hinsichtlich  der 
Sinnendinge,  —  nicht  frei  von  Gier  hinsichtlich  des 
Körpers,  —  nicht  frei  von  Gier  hinsichtlich  der  For- 
men; —  wenn  er  seinen  Leib  vollgegessen  hat,  findet 
er  Genuß  daran,  sich  auszuruhen,  sich  auf  die  Seite  zu 
legen  und  einzuschlummern;  —  in  der  Hoffnung  auf 

—     274    — 


ZEHNERBUCH  X15 


einen  Himmel  führt  er  den  Heiligen  Wandel,  denkend: 
»Infolge  dieser  Übung,  dieser  Bußaskese,  dieses  Hei- 
ligen Wandels  werde  ich  als  Gott  wiedererscheinen 
oder  als  einer  unter  den  Himmelswesen.  Bei  einem 
solchen  Mönche  aber  neigt  der  Geist  nicht  zum  Eifer, 
zur  Anstrengung,  Ausdauer  und  zum  Kampfe.  — 

Gleichwie,  ihr  Mönche,  zur  dunklen  Monats- 
hälfte —  sei  es  bei  Tag  oder  Nacht,  —  der  Mond  be- 
ständig abnimmt  an  Glanz,  an  Gestalt,  an  Höhe  und 
an  Umfang:  ebenso  auch,  ihr  Mönche, hat,  in  wem  unter 
den  Mönchen  oder  Nonnen  die  fünf  Geistesverhärtungen 
nicht  überwunden  und  die  fünf  Geistesumstrickungen 
nicht  zerstört  sind,  —  sei  es  bei  Tage  oder  bei  Nacht  — 
eben  einen  Rückschritt  im  Guten  zu  erwarten,  keinen 
Fortschritt. 

—  Gleichwie  aber,  ihr  Mönche,  zur  hellen  Monats- 
hälfte —  sei  es  bei  Tage  oder  bei  Nacht,  —  der  Mond 
beständig  zunimmt  an  Glanz,  an  Gestalt,  an  Höhe 
und  an  Umfang:  ebenso  auch,  ihr  Mönche,  hat,  in 
wem  unter  den  Mönchen  oder  Nonnen  die  fünf  Geistes- 
verhärtungen überwunden  und  die  fünf  Geistesum- 
strickungen zerstört  sind,  —  sei  es  bei  Tage  oder  Nacht, 
—  eben  einen  Fortschritt  im  Guten  zu  erwarten, 
J<einen   Rückschritt. 

Die  Strebsamkeit  aller  guten  Dinge  Anfang  15 

Was  es  auch  immer  an  Wesen  gibt,  ihr  Mönche, 
an  fußlosen,  an  Zweifüßern,  Vierfüßern  oder  Viel- 
füßern,  mit  Wahrnehmung,  ohne  Wahrnehmung  oder 
weder  mit  noch  ohne  Wahrnehmung:  unter  allen 
diesen  gilt  der  Vollendete  als  der  Beste,  der  Heilige, 

—    275    —  18* 


X15       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Vollkommen  Erleuchtete.  Ebenso  auch,  ihr  Mönche, 
haben  die  verdienstvollen  Erscheinungen  alle  die  Streb- 
samkeit zur  Grundlage  und  zum  Ausgangspunkte;  und 
die  Strebsamkeit  gilt  unter  ihnen  als  das  Beste. 

Gleichwie,  ihr  Mönche,  die  Fußspuren  der  be- 
lebten Wesen  alle  in  der  Elefantenspur  einbegriffen 
sind  und  die  Elefantenspur  unter  ihnen  als  die  erste 
gilt:  ebenso  auch,  ihr  Mönche,  haben  die  verdienst- 
vollen Erscheinungen  alle  die  Strebsamkeit  zur  Grund- 
lage und  zum  Ausgangspunkte;  und  die  Strebsamkeit 
gilt  unter  ihnen  als  das  Beste. 

Gleichwie,  ihr  Mönche,  die  Dachsparren  eines 
Giebelhauses  alle  zum  Giebel  laufen,  zum  Giebel  ge- 
neigt sind,  im  Giebel  zusammentreffen:  ebenso  auch, 
ihr  Mönche,  haben  die  verdienstvollen  Erscheinungen 
alle  die  Strebsamkeit  zur  Grundlage  und  zum  Aus- 
gangspunkte; und  die  Strebsamkeit  gilt  unter  ihnen 
als  das  Beste. 

Gleichwie,  ihr  Mönche,  unter  allen  den  Wurzel- 
düften der  Duft  des  schwarzen  Sandelholzes  als  der 
beste  gilt:  ebenso  auch,  ihr  Mönche,  haben  die  ver- 
dienstvollen Erscheinungen  alle  die  Strebsamkeit  zur 
Grundlage  und  zum  Ausgangspunkte;  und  die  Streb- 
samkeit gilt  unter  ihnen  als  das  Beste. 

Gleichwie,  ihr  Mönche,  unter  allen  den  wohl- 
riechenden Hölzern  das  rote  Sandelholz  als  das  beste 
gilt:  ebenso  auch,  ihr  Mönche,  haben  die  verdienst- 
vollen Erscheinungen  alle  die  Strebsamkeit  zur  Grund- 
lage und  zum  Ausgangspunkte;  und  die  Strebsamkeit 
gilt  unter  ihnen  als  das  Beste. 

Gleichwie,  ihr  Mönche,  unter  allen  den  Blumen- 
düften der  Jasminduft  als  der  beste  gilt:  ebenso  auch^ 

—     276     — 


ZEHNERBUCH  X 15 


ihr  Mönche,  haben  die  verdienstvollen  Erscheinungen 
alle  die  Strebsami<eit  zur  Grundlage  und  zum  Aus- 
gangspunkte; und  die  Strebsamkeit  gilt  unter  ihnen 
als  das  Beste. 

Gleichwie,  ihr  Mönche,  alle  die  kleinen  Könige 
sich  nach  dem  Weltherrscher  richten,  und  der  Welt- 
herrscher für  sie  als  der  Beste  gilt:  ebenso  auch,  ihr 
Mönche,  haben  die  verdienstvollen  Erscheinungen  alle 
die  Strebsamkeit  zur  Grundlage  und  zum  Ausgangs- 
punkte; und  die  Strebsamkeit  gilt  unter  ihnen  als 
das  Beste. 

Gleichwie,  ihr  Mönche,  das  Licht  aller  der  Sterne 
nicht  ein  Sechszehntel  des  Mondlichtes  ausmacht,  und 
das  Licht  des  Mondes  als  das  Beste  gilt:  ebenso  auch, 
ihr  Mönche,  haben  die  verdienstvollen  Erscheinungen 
alle  die  Strebsamkeit  zur  Grundlage  und  zum  Aus- 
gangspunkte; und  die  Strebsamkeit  gilt  unter  ihnen 
als  das  Beste. 

Gleichwie,  ihr  Mönche,  zur  Herbstzeit  bei  klarem, 
wolkenlosen  Himmel  die  Sonne,  den  Himmelsraum 
durchziehend,  die  Finsternis  des  ganzen  Weltenraumes 
verscheuchend,  strahlt,  glüht  und  leuchtet:  ebenso 
auch,  ihr  Mönche,  haben  die  verdienstvollen  Erschei- 
nungen alle  die  Strebsamkeit  zur  Grundlage  und  zum 
Ausgangspunkte;  und  die  Strebsamkeit  gilt  unter 
ihnen  als  das  Beste. 

Gleichwie,  ihr  Mönche,  jene  großen  Ströme,  wie 
der  Ganges,  die  Yamunä,  Aciravati,  Sarabhü  und 
Mahi,  alle  zum  Meere  eilen,  zum  Meere  hinabfließen, 
zum  Meere  abfallen,  zum  Meere  sich  senken  und  ihnen 
das  Weltmeer  als  das  Beste  gilt:  ebenso:  auch,  ihr 
Mönche,  haben  die  verdienstvollen  Erscheinungen  alle 


277     — 


X18        SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

die  Strebsamkeit  zur  Grundlage  und  zum  Ausgangs- 
punkte; und  die  Strebsamkeit  gilt  unter  ihnen  als 
das  Beste. 

16  Zehn  verehrungswürdige  Menschen 

Folgende  zehn  Menschen,  ihr  Mönche,  sind  würdig 
der  Opfer,  würdig  der  Gastfreundschaft,  würdig  der 
Gaben,  würdig  des  ehrfurchtsvollen  Handgrußes,  sind 
in  der  Welt  der  beste  Boden  für  verdienstvolle  Werke: 
welche  zehn  Menschen? 

Der  Vollendete,  Heilige,  Vollkommen  Erleuchtete; 
der  Einzelerleuchtete,  der  Beiderseitserlöste,  der  Ein- 
sichtserlöste,  der  Körperzeuge,  der  Erkenntnisgereifte, 
der  Glaubenserlöste,  der  Gesetzesergebene,  der  Glau- 
bensergebene und  der  Anwärter  auf  den  Pfad.  Diese 
zehn  Menschen,  ihr  Mönche,  sind  würdig  der  Opfer, 
würdig  der  Gastfreundschaft,  würdig  der  Gaben, 
würdig  des  ehrfurchtsvollen  Handgrußes,  sind  in  der 
Welt  der  beste  Boden  für  verdienstvolle  Werke. 

18  Beschützende  Dinge 

Möget  ihr  beschützt  leben,  ihr  Mönche,  nicht  un- 
beschützt!  Ohne  Schutz,  ihr  Mönche,  lebt  man  elend, 
Folgende  zehn  beschützende  Umstände  gibt  es,  ihr 
Mönche:  welche  zehn? 

Da,  ihr  Mönche,  ist  der  Mönch  sittenrein.  Da  er 
aber  sittenrein  ist,  halten  es  die  älteren  wie  die  mitt- 
leren wie  die  jüngeren  Mönche  für  angemessen,  ihn 
anzusprechen  und  zu  belehren.  Und  da  sie  ihm  zu- 
getan sind,  hat  er  eben  einen  Fortschritt  zu  erwarten^ 

—     278     — 


ZEHNERBUCH  X  20 


keinen  Rückschritt.  Das  aber,  ihr  Mönche,  ist  ein 
beschützender  Umstand. 

Fernerhin,  ihr  Mönche,  besitzt  der  Mönch  ein 
großes  Wissen,  —  hat  edlen  Umgang,  —  ist  sanft,  — 
ist  tüchtig  in  allen  den  kleinen  und  großen  Pflichten 
gegen  seine  Ordensbrüder,  —  hat  Freude  am  Gesetze, 
—  besitzt  Willenskraft,  —  ist  zufrieden  mit  jederart 
Gewand,  Almosenspeise,  Lagerstatt  sowie  den  nötigen 
Heilmitteln  und  Arzneien,  —  besitzt  Achtsamkeit,  — 
besitzt  Einsicht.  Da  er  aber  Einsicht  besitzt,  halten 
es  die  älteren  wie  die  mittleren  wie  die  jüngeren  Mönche 
für  angemessen,  ihn  anzusprechen  und  zu  belehren. 
Und  da  sie  ihm  zugetan  sind,  hat  er  eben  einen  Fort- 
schritt zu  erwarten,  keinen  Rückschritt.  Auch  das, 
ihr  Mönche,  ist  ein  beschützender  Umstand. 

Möget  ihr  beschützt  leben,  ihr  Mönche;  nicht  un- 
beschützt.  Ohne  Schutz,  ihr  Mönche,  lebt  man  elend. 
Diese  zehn  beschützenden  Umstände  gibt  es,  ihr  Mönche. 

Die  zehn  edlen  Zustände  20 

[Bei  Kammässadamma  im  Lande  der  Kurus] 

Zehn  der  edlen  Zustände  gibt  es,  ihr  Mönche,  in 
denen  die  Edlen  weilten,  weilen  und  weilen  werden: 
welche  zehn? 

Da,  ihr  Mönche,  ist  der  Mönch  von  fünf  Dingen 
befreit,  mit  fünf  Dingen  ausgerüstet,  in  einem  bewacht, 
auf  vier  gestützt,  jeder  Ansicht  ledig,  von  der  Sucht 
restlos  erlöst,  von  ungetrübter  Gesinnung,  in  der 
Körpertätigkeit  gestillt,  völlig  gemütserlöst,  völlig 
wissenserlöst. 

Wie  aber,  ihr  Mönche,  ist  der  Mönch  von  fünf 

—    279    — 


X20       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Dingen  befreit?  Da,  ihr  Mönche,  ist  der  Mönch  be- 
freit von  Sinnenlust,  befreit  von  Groll,  befreit  von 
Stumpfheit  und  Mattigkeit,  befreit  von  Aufgeregtheit 
und  Gewissensunruhe,  befreit  von  Zweifelsucht.  So, 
ihr  Mönche,  ist  der  Mönch  von  fünf  Dingen  befreit. 

Wie  aber,  ihr  Mönche,  ist  der  Mönch  mit  fünf 
Dingen  ausgerüstet?  Erblickt  da,  ihr  Mönche  der 
Mönch  mit  dem  Auge  eine  Form,  so  ist  er  weder  froh 
gestimmt  noch  trübe  gestimmt;  gleichmütig  verharrt 
er,  achtsam,  geistesklar.  Vernimmt  er  mit  dem  Ohre 
einen  Ton,  —  nimmt  er  mit  der  Nase  einen  Duft  wahr, 
—  schmeckt  er  mit  der  Zunge  einen  Saft,  —  berührt 
er  mit  dem  Körper  einen  Gegenstand,  so  ist  er  weder 
froh  gestimmt  noch  trübe  gestimmt;  gleichmütig  ver- 
harrt er,  achtsam,  geistesklar.  So,  ihr  Mönche,  ist  der 
Mönch  mit  fünf  Dingen  ausgerüstet. 

Wie  aber,  ihr  Mönche,  ist  der  Mönch  in  einem 
Dinge  bewacht?  Da,  ihr  Mönche,  besitzt  der  Mönch 
einen  von  der  Achtsamkeit  bewachten  Geist.  So, 
ihr  Mönche,  ist  der  Mönch  in  einem  bewacht. 

Wie  aber,  ihr  Mönche,  ist  der  Mönch  auf  vier 
Dinge  gestützt?  Da,  ihr  Mönche,  macht  der  Mönch 
bedachtsam  von  dem  einen  Dinge  Gebrauch;  bedacht- 
sam erduldet  er  das  eine;  bedachtsam  vermeidet  er 
das  eine;  bedachtsam  vertreibt  er  das  eine.  So,  ihr 
Mönche,  ist  der  Mönch  auf  vier  Dinge  gestützt  (1), 

Wie  aber,  ihr  Mönche,  ist  der  Mönch  jeder  An- 
sicht ledig?  Alle  jene  vielen  Ansichten  der  zahlreichen 
Asketen  und  Priester,  als  wie,  daß  die  Welt  ewig  sei 
oder  nicht  ewig  sei,   endlich   sei   oder   unendlich   sei, 

(1)  Vgl.  IX,  2. 

—     280     — 


ZEHNERBUCH  X  2o 


daß  Leib  und  Leben  eins  seien,  oder  daß  Leib  und 
Leben  zweierlei  seien,  daß  der  Vollendete  nach  dem 
Tode  bestehe  oder  nicht  bestehe  oder  bestehe  und 
auch  nicht  bestehe,  weder  bestehe  noch  nicht  bestehe: 
alle  jene  hat  der  Mönch  erledigt,  abgetan,  verworfen, 
von  sich  gewiesen,  aufgegeben,  verlassen  und  ver- 
gessen. So,  ihr  Mönche,  ist  der  Mönch  jeder  Ansicht 
1  edig. 

^'""■"^:^ie  aber,  ihr  Mönche,  ist  der  Mönch  von  der 
Sucht  restlos  erlöst?  Da,  ihr  Mönche,  ist  in  dem  Mönche 
die  sinnliche  Sucht  erloschen,  die  Daseinssucht 
erloschen,  die  Sucht  nach  Heiligkeit  gestillt.  So, 
ihr  Mönche,  ist  der  Mönch  von  der  Sucht  restlos  erlöst. 

Wie  aber,  ihr  Mönche,  ist  der  Mönch  von  unge- 
trübter Gesinnung?  Da,  ihr  Mönche,  ist  in  dem  Mönche 
die  begehrliche  Gesinnung  geschwunden,  die  ge- 
hässige Gesinnung  geschwunden,  die  übelwollende 
Gesinnung  geschwunden.  So,  ihr  Mönche,  ist  der 
Mönch  von  ungetrübter  Gesinnung. 

Wie  aber,  ihr  Mönche,  ist  der  Mönch  in  der  Körper- 
tätigkeit gestillt?  Da,  ihr  Mönche,  gewinnt  der  Mönch 
nach  dem  Schwinden  von  Wohlgefühl  und  Schmerz 
und  durch  Überwindung  des  früheren  Frohsinns  und 
Trübsinns  einen  leidlosen,  freudlosen  Zustand,  die 
durch  Gleichmut  und  Achtsamkeit  geklärte  vierte 
Vertiefung.  —  So,  ihr  Mönche,  ist  der  Mönch  in  der 
Körpertätigkeit  gestillt. 

Wie  aber,  ihr  Mönche,  ist  der  Mönch  völlig  ge- 
mütserlöst? Da,  ihr  Mönche,  ist  in  dem  Mönche  das 
Gemüt  erlöst  von  der  Gier,  erlöst  vom  Hasse,  er- 
löst von  der  Verblendung.  So,  ihr  Mönche,  ist  der 
Mönch  völlig  gemütserlöst. 

—    281     — 


X20       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Wie  aber,  ihr  Mönche,  ist  der  Mönch  völlig  wissens- 
erlöst? Da,  ihr  Mönche,  weiß  der  Mönch:  »Erloschen 
sind  in  mir  Gier,  Haß  und  Verblendung,  sind  ausge- 
rottet, gleich  einer  Fächerpalme  zerstört,  zunichte  ge- 
macht und  außerstande,  künftig  wieder  aufzukeimen. 
So,  ihr  Mönche,  ist  der  Mönch  völlig  wissenserlöst. 

Alle  jene  Edlen,  ihr  Mönche,  die  in  den  vergangenen 
Zeiten  in  edlem  Zustande  verweilten,  alle  jene  ver- 
weilten eben  in  diesen  zehn  edlen  Zuständen.  Und  alle 
jene  Edlen,  ihr  Mönche,  die  in  den  künftigen  Zeiten 
in  edlem  Zustande  verweilen  werden,  auch  alle  jene 
werden  eben  in  diesen  zehn  edlen  Zuständen  ver- 
weilen. Und  alle  jene  Edlen,  ihr  Mönche,  die  gegen- 
wärtig in  edlem  Zustande  verweilen,  auch  alle  diese 
verweilen  eben  in  diesen  zehn  edlen  Zuständen. 

Dies,  ihr  Mönche,  sind  die  zehn  edlen  Zustände, 
in  denen  die  Edlen  weilten,  weilen  und  weilen  werden. 


—    282    — 


ZEHNERBUCH X21 

DRITTER  TEIL: 

Das  große  Kapitel 

Der  Löwenruf  des  Vollendeten  21 

Der  Löwe,  ihr  Mönche,  der  König  der  Tiere,  tritt 
des  Abends  aus  seiner  Höhle  heraus.  Aus  seiner  Höhle 
herausgetreten  springt  er  empor.  Emporgesprungen 
späht  er  nach  allen  vier  Seiten.  Nachdem  er  nach 
allen  vier  Seiten  gespäht  hat,  stößt  er  dreimal  sein 
Löwengebrüll  aus.  Und  warum?  Um  den  kleinen 
von  der  Fährte  abgeirrten  Lebewesen  keinen  Schaden 
zuzufügen.  Als  Löwe  aber,  ihr  Mönche,  bezeichnet 
man  den  Vollendeten,  Heiligen,  Vollkommen  Erleuch- 
teten. Legt  nämlich,  ihr  Mönche,  der  Vollendete  vor 
einer  Versammlung  das  Gesetz  dar,  so  gilt  dies  als 
sein  Löwenruf.  Zehn  Kräfte  sind  es,  ihr  Mönche,  mit 
denen  ausgerüstet  der  Vollendete  in  den  Versammlungen 
den  höchsten  Platz  behauptet,  den  Löwenruf  erschallen 
läßt  und  das  Reich  der  Heiligkeit  aufrichtet:  welche 
zehn  Kräfte? 

Da,  ihr  Mönche,  erkennt  der  Vollendete  das  Mög- 
liche als  möglich,  das  Unmögliche  als  unmöglich.  Daß 
aber,  ihr  Mönche,  der  Vollendete  das  Mögliche  als 
möglich,  das  Unmögliche  als  unmöglich  erkennt,  das, 
ihr  Mönche,  ist  eine  Kraft  des  Vollendeten,  auf  die 
gestützt  der  Vollendete  in  den  Versammlungen  den 
höchsten  Platz  behauptet,  den  Löwenruf  erschallen 
läßt  und  das  Reich  der   Heiligkeit  aufrichtet. 

Fernerhin,    ihr   Mönche,    erkennt   der   Vollendete 

-     283     — 


X21        SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

von  den  in  der  Vergangenheit,  Gegenwart  und  Zukunft 
ausgeübten  Taten  das  Ergebnis,  je  nach  den  Um- 
ständen  und    Ursachen,   der   Wirklichkeit   gemäß.   — 

Fernerhin,  ihr  Mönche,  erkennt  der  Vollendete 
jedweden  Ausgang  der  Wirklichkeit  gemäß.  (1)  — 

Fernerhin,  ihr  Mönche,  erkennt  der  Vollendete 
die  aus  vielen,  verschiedenartigen  Elementen  be- 
stehende Welt  der  Wirklichkeit  gemäß.  — 

Fernerhin,  ihr  Mönche,  erkennt  der  Vollendete 
der  Wesen  verschiedenartige  Neigungen  der  Wirk- 
lichkeit gemäß.  — 

Fernerhin,  ihr  Mönche,  erkennt  der  Vollendete  der 
anderen  Wesen  und  Geschöpfe  höheren  oder  niederen 
Fähigkeitszustand   der   Wirklichkeit  gemäß  (2).   — 

Fernerhin,  ihr  Mönche,  erkennt  der  Vollendete 
bei  den  Vertiefungen,  den  Freiungen,  der  Sammlung 
und  den  Erreichungszuständen  das  Getrübtsein,  die 
Lauterkeit  und  das  Sicherheben  aus  denselben  der 
Wirklichkeit  gemäß.  — 


(1)  Komm.:  Wemi  von  vielen  Menschen  jeder  bloß  ein  Wesen 
tötet,  so  weiß  er,  daß  den  einen  seine  Willensverfassung  (cetanä) 
zur  Hölle  führen  wird,  den  anderen  zum  Tierschoß.  In  dieser  Weise 
erkennt  er  mit  Unfehlbarkeit  die  wahre  Natur  der  bei  einer  Sache 
als  verdienstvolle  oder  schuldvolle  Willensverfassimgen  rechnenden 
Wirkenspfade."  Im  Abhidhamma  heißt  es:  „Was  gilt  da  als  des 
Vollendeten  wahrheitsgemäßer  Erkenntnisblick  jedweden  Aus- 
gangs? Da  erkennt  der  Vollendete:  »Dies  ist  der  Weg,  der  Pfad, 
der  zur  Hölle  führt  usw «" 

(2)  Im  Patisambhidä-Magga  (Ausg.  der  P.  T.  S.,  pag.  12) 
heißt  es,  daß  der  Vollendete  bei  den  Wesen  erkennt,  ob  sie  einen 
getrübten,  oder  ungetrübten  Blick  besitzen,  scharfe  oder  stumpfe 
Sinne  (Fähigkeiten),  gute  oder  schlechte  Eigenschaften  usw. 

—     284     — 


ZEHNERBUCH  X  22 


Fernerhin,  ihr  Mönche,  erinnert  sich  der  Voll- 
endete an  zahlreiche  frühere  Daseinsformen.  — 

Fernerhin,  ihr  Mönche,  erkennt  der  Vollendete 
mit  dem  Himmlischen  Auge,  dem  geklärten,  über- 
menschlichen, wie  die  Wesen  abscheiden  und  wieder- 
erscheinen, gemeine  und  edle,  schöne  und  häßliche, 
glückliche  und  unglückliche,  erkennt,  wie  die  Wesen 
ihren  Taten  entsprechend  wiedererscheinen.  — 

Fernerhin,  ihr  Mönche,  hat  der  Vollendete,  durch 
Versiegung  der  Leidenschaften,  die  leidenschaftslose 
Gemütserlösung  und  Wissenserlösung  schon  bei  Leb- 
zeiten selber  erkannt,  verwirklicht  und  sich  zu  eigen 
gemacht.  Daß  aber,  ihr  Mönche,  der  Vollendete,  durch 
Versiegung  der  Leidenschaften,  die  leidenschaftslose 
Gemütserlösung  und  Wissenserlösung  schon  bei  Leb- 
zeiten selber  erkannt,  verwirklicht  und  sich  zu  eigen 
gemacht  hat,  das,  ihr  Mönche,  ist  eine  Kraft  des  Voll- 
endeten, auf  die  gestützt  der  Vollendete  in  den  Ver- 
sammlungen den  höchsten  Platz  behauptet,  den  Löwen- 
ruf erschallen  läßt  und  das  Reich  der  Heiligkeit  auf- 
richtet. 

Das  also,  ihr  Mönche,  sind  die  zehn  Kräfte  des 
Vollendeten,  mit  denen  ausgerüstet  der  Vollendete  in 
den  Versammlungen  den  höchsten  Platz  behauptet, 
den  Löwenruf  erschallen  läßt  und  das  Reich  der  Heilig- 
keit aufrichtet. 

Die  der  Wirklichkeit  gemäße  Erkenntnis  2- 

Der  Erhabene  sprach  zum  ehrwürdigen  Änando: 

Mit  denjenigen  Erscheinungen,  Änando,  die  zur 
durchschauenden  Verwirklichung  dieser  und  jener  Be- 

—    285    — 


X23       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

griffsgebiete  führen:  damit,  Anando,  bin  ich  wohl 
vertraut;  und  ich  behaupte,  daß  ich  das  Gesetz  be- 
treffs dieses  oder  jenes  Begriffsgebietes  in  solcher 
Weise  darzulegen  vermag,  daß  der  danach  Handelnde 
Seiendes  als  seiend  und  Nichtseiendes  als  nichtseiend 
erkennen  wird,  daß  er  Gemeines  als  gemein  und  Edles 
als  edel  erkennen  wird,  daß  er  Übertreffbares  als  über- 
treffbar und  Unübertreffbares  als  unübertreffbar  er- 
kennen wird,  und  daß  es  möglich  ist,  daß  er  dies  so, 
wie  es  zu  erkennen,  zu  verstehen  und  zu  verwirklichen 
ist,  genau  so  erkennen,  verstehen  und  verwirklichen 
wird.  Die  höchste  der  Erkenntnisse  aber,  Anando,  ist 
die  der  Wirklichkeit  gemäße  Erkenntnis.  Eine  höhere 
und  erhabenere  Erkenntnis  als  eben  diese,  Anando, 
die  gibt  es  nicht:  das  sage  ich.  — 

-23  Zu  überkommende  Dinge 

Es  gibt  Dinge,  ihr  Mönche,  die  in  Werken  zu 
überkommen  sind  und  nicht  in  Worten.  Es  gibt  Dinge, 
ihr  Mönche,  die  in  Worten  zu  überkommen  sind  und 
nicht  in  Werken.  Es  gibt  Dinge,  ihr  Mönche,  die  weder 
in  Werken  noch  in  Worten  zu  überkommen  sind,  sondern 
eben  durch  wiederholtes  weises  Erkennen. 

Welche  Dinge  aber,  ihr  Mönche,  sind  in  Werken 
zu  überkommen  und  nicht  in  Worten?  Da,  ihr  Mönche 
hat  der  Mönch  irgend  etwas  Schuldvolles  in  Werken 
begangen.  Verständige  Ordensbrüder  aber,  die  die 
Sache  untersucht  haben,  sprechen  also  zu  ihm:  »Der 
Verehrte  hat  da  etwas  Schuldvolles  in  Werken  be- 
gangen. Gut  wäre  es,  wollte  der  Verehrte  seinen  schlech- 
ten  Wandel   in   Werken    aufgeben    und    einen   guten 

—    286    — 


ZEHNERBUCH  X  2$ 


Wandel  entfalten!«  Von  den  verständigen  Ordens- 
brüdern, die  die  Sache  untersucht  haben,  also  ange- 
sprochen, gibt  er  seinen  schlechten  Wandel  in  Werken 
auf  und  entfaltet  einen  guten  Wandel  in  Werken. 
Solche  Dinge,  ihr  Mönche,  sagt  man,  sind  in  Werken 
zu  überkommen  und  nicht  in  Worten. 

Welche  Dinge  aber,  ihr  Mönche,  sind  in  Worten 
zu  überkommen  und  nicht  in  Werken?  Da,  ihr  Mönche, 
hat  der  Mönch  irgend  etwas  Schuldvolles  in  Worten 
begangen.  Verständige  Ordensbrüder  aber,  die  die 
Sache  untersucht  haben,  sprechen  also  zu  ihm:  »Der 
Verehrte  hat  da  etwas  Schuldvolles  in  Worten  be- 
gangen. Gut  wäre  es,  wollte  der  Verehrte  seinen 
schlechten  Wandel  in  Worten  aufgeben  und  einen 
guten  Wandel  in  Worten  entfalten!«  Von  den  ver- 
ständigen  Ordensbrüdern,  die  die  Sache  untersucht 
haben,  also  angesprochen,  gibt  er  seinen  schlechten 
Wandel  in  Worten  auf  und  entfaltet  einen  guten 
Wandel  in  Worten.  Solche  Dinge,  ihr  Mönche,  sagt 
man,  sind  in  Worten  zu  überkommen  und  nicht  in 
Werken. 

Welche  Dinge  aber,  ihr  Mönche,  sind  weder  in 
Werken  noch  in  Worten  zu  überkommen,  sondern 
eben  durch  wiederholtes  weises  Erkennen?  Gier,  Haß, 
Verblendung,  Zorn,  Wut,  Heuchelei,  Eifersucht  und 
Geiz  sind  weder  in  Werken  noch  in  Worten  zu  über- 
kommen, sondern  eben  durch  wiederholtes  weises  Er- 
kennen. 

Übler  Neid,  ihr  Mönche,  ist  weder  in  Werken  noch 
in  Worten  zu  überkommen,  sondern  eben  durch  wieder- 
holtes weises  Erkennen.  Was  aber,  ihr  Mönche,  ist 
übler   Neid?      Da,   ihr  Mönche,   wird   ein   Hausvater 


—     287 


X23       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

oder  dessen  Sohn  reich  an  Schätzen  und  Korn,  an 
Silber  und  Gold.  Einer  seiner  Diener  oder  Unter- 
gebenen aber  denkt  bei  sich:  »Ach,  daß  doch  dieser 
Hausvater  oder  dieser  Sohn  des  Hausvaters  nicht  reich 
werden  möchte  an  Schätzen  und  Korn,  Gold  und 
Silber!«  Oder  ein  Asket  oder  Priester  erhält  Gewand, 
Almosenspeise,  Wohnstätte  und  das  Nötige  an  Heil- 
mitteln und  Arzneien.  Und  einer  der  Asketen  oder 
Priester  denkt  dabei:  »Ach,  daß  doch  diesem  Verehrten 
Gewand,  Almosenspeise,  Wohnstätte  und  das  Nötige 
an  Heilmitteln  und  Arzneien  nicht  zuteil  werden 
möchte!«  Das,  ihr  Mönche,  nennt  man  üblen  Neid. 
Übler  Neid  aber,  ihr  Mönche,  ist  weder  in  Werken 
noch  in  Worten  zu  überkommen,  sondern  eben  durch 
wiederholtes  weises  Erkennen. 

Übler  Wunsch,  ihr  Mönche,  ist  weder  in  Werken 
noch  in  Worten  zu  überkommen,  sondern  eben  durch 
wiederholtes  weises  Erkennen.  Was  aber,  ihr- Mönche, 
ist  übler  Wunsch?  Obwohl  da  einer,  ihr  Mönche,  ver- 
trauenslos ist,  möchte  er  gerne,  daß  man  ihn  für  ver- 
trauensvoll hielte.  Obwohl  er  sittenlos  ist,  möchte 
er  gerne,  daß  man  ihn  für  sittenrein  hielte.  Obwohl 
er  unwissend  ist,  möchte  er  gerne,  daß  man  ihn  für 
wissensreich  hielte.  Obwohl  er  an  Geselligkeit  Freude 
hat,  möchte  er  gerne,  daß  man  ihn  für  losgelöst  hielte. 
Obwohl  er  träge  ist,  möchte  er  gerne,  daß  man  ihn 
für  strebsam  hielte.  Obwohl  er  unachtsam  ist,  möchte  er 
er  gerne,  daß  man  ihn  für  achtsam  hielte.  Obwohl  er 
ungesammelt  ist,  möchte  er  gerne,  daß  man  ihn  für 
gesammelt  hielte.  Obwohl  er  töricht  ist,  möchte  er 
gerne,  daß  man  ihn  für  einsichtsvoll  hielte.  Obwohl 
er  nicht  von  den  Leidenschaften  erlöst  ist,  möchte  er 

—     288     — 


ZEHNERBUCH  XS4 


gerne,  daß  man  ihn  für  einen  von  Leidenschiaften  Er- 
lösten hielte.  Das,  ihr  Mönche,  nennt  man  üblen  Ehr- 
geiz. Übler  Wunsch  aber,  ihr  Mönche,  ist  weder  durch 
Werke  noch  durch  Worte  zu  überkommen,  sondern 
eben   durch   wiederholtes   weises    Erkennen. 

Wenn  da,  ihr  Mönche,  Gier,  Haß,  Verblendung, 
Zorn,  Wut,  Heuchelei,  Eifersucht,  Geiz,  übler  Neid 
und  übler  Wunsch  den  Mönch  beherrschen,  so  hat  man 
von  ihm  zu  wissen:  »Nicht  erkennt  der  Verehrte  der- 
art, daß  ihn  beim  Erkennen  keine  Gier  mehr  ankommt. 
Darum  eben  beherrschen  ihn  Gier,  Haß,  Verblendung, 
Zorn,  Wut,  Heuchelei,  Eifersucht,  Geiz,  übler  Neid 
und  übler  Wunsch.« 

Wenn  aber,  ihr  Mönche,  Gier,  Haß,  Verblendung, 
Zorn,  Wut,  Heuchelei,  Eifersucht,  Geiz,  übler  Neid 
und  übler  Wunsch  den  Mönch  nicht  beherrschen,  so 
hat  man  von  ihm  zu  wissen:  »Wohl  erkennt  der  Ver- 
ehrte derart,  daß  ihn  beim  Erkennen  keine  Gier  mehr 
ankommt.  Darum  eben  beherrschen  ihn  nicht  Gier, 
Haß,  Verblendung,  Zorn,  Wut,  Heuchelei,  Eifersucht, 
Geiz,  übler  Neid  und  übler  Wunsch.« 

Trug  und  Wirklichkeit  24 

]Bei  Sahajäti  im  Lande  der  Cetier] 
Der  ehrwürdige  Mahäcundo  sprach: 

Da,  ihr  Brüder,  behauptet  ein  Mönch,  er  besitze 
Erkenntnis  und  kenne  dieses  Gesetz,  verstehe  dieses 
Gesetz.  —  Oder  er  behauptet,  er  besitze  Entfaltung 
(bhävanä)  und  sei  entfaltet  in  Werken,  entfaltet  in 
Sittlichkeit,  entfaltet  im  Geiste,  entfaltet  in  Ein- 
sicht. —  Oder  er  behauptet,  er  besitze  sowohl  Erkennt- 

—    289     —  19 


X24       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

nis  als  auch  Entfaltung,  er  kenne  dieses  Gesetz,  ver- 
stehe dieses  Gesetz,  und  sei  entfaltet  in  Werken,  in 
Sittlichkeit,   im   Geiste  und   in   Einsicht, 

Wenn  nun  aber,  ihr  Brüder,  Gier,  Haß,  Ver- 
blendung, Zorn,  Wut,  Heuchelei,  Eifersucht,  Geiz, 
übler  Neid  und  übler  Wunsch  den  Mönch  beherrschen, 
so  hat  man  von  ihm  zu  wissen:  »Nicht  erkennt  der 
Verehrte  derart,  daß  ihm  beim  Erkennen  keine  Gier 
mehr  ankommt.  Darum  eben  beherrschen  ihn  Gier, 
Haß,  Verblendung,  Zorn,  Wut,  Heuchelei,  Eifersucht, 
Geiz,  übler  Neid  und  übler  Wunsch.« 

Wenn  da,  ihr  Brüder,  zum  Beispiel  ein  Unbe- 
mittelter sich  als  bemittelt  ausgibt,  ein  Unbegüterter 
als  begütert,  ein  Armer  als  reich,  er  aber  dann  bei 
irgend  einer  eingetretenen  Geldangelegenheit  nicht 
imstande  ist,  Geld  oder  Getreide,  Silber  oder  Gold  zu 
verleihen,  so  weiß  man  eben  von  ihm:  »Obwohl  da 
dieser  Verehrte  unbemittelt  ist,  gibt  er  sich  als  be- 
mittelt aus;  obwohl  er  unbegütert  ist,  gibt  er  sich  als 
begütert  aus;  obwohl  er  arm  ist,  gibt  er  sich  als  reich 
aus.  Dieser  Verehrte  ist  ja  bei  einer  eintretenden 
Geldangelegenheit  nicht  imstande,  Geld  oder  Getreide, 
Silber  oder  Gold  zu  verleihen.« 

Ebenso  auch,  ihr  Brüder,  behauptet  da  ein  Mönch, 
er  besitze  sowohl  Erkenntnis  als  auch  Entfaltung, 
er  kenne  dieses  Gesetz,  verstehe  dieses  Gesetz,  und  sei 
entfaltet  in  Werken,  in  Sittlichkeit,  im  Geiste  und  in 
Einsicht.  Wenn  nun  aber,  ihr  Brüder,  Gier,  Haß, 
Verblendung,  Zorn,  Wut,  Heuchelei,  Eifersucht,  Geiz, 
übler  Neid  und  übler  Wunsch  den  Mönch  beherrschen, 
so  hat  man  von  ihm  zu  wissen:  »Nicht  erkennt  der 
Verehrte  derart,  daß  ihn  beim  Erkennen  keine  Gier 

—    290    - 


ZEHNERBUCH  X  24 


mehr  ankommt.  Darum  eben  beherrschen  ihn  Gier, 
Haß,  Verblendung,  Zorn,  Wut,  Heuchelei,  Eifersucht, 
Geiz,   übler  Neid  und  übler  Wunsch.« 

Da,  ihr  Brüder,  behauptet  ein  Mönch,  er  besitze 
Erkenntnis  und  kenne  dieses  Gesetz,  verstehe  dieses 
Gesetz.  —  Oder  er  behauptet,  er  besitze  Entfaltung 
(bhävanä)  und  sei  entfaltet  in  Werken,  entfaltet  in 
Sittlichkeit,  entfaltet  im  Geiste,  entfaltet  in  Einsicht. 
—  Oder  er  behauptet,  er  besitze  sowohl  Erkenntnis 
als  auch  Entfaltung,  er  kenne  dieses  Gesetz,  verstehe 
dieses  Gesetz,  und  sei  entfaltet  in  Werken,  in  Sitt- 
lichkeit, im  Geiste  und  in  Einsicht. 

Wenn  nun,  ihr  Brüder,  Gier,  Haß,  Verblendung, 
Zorn,  Wut,  Heuchelei,  Eifersucht,  Geiz,  übler  Neid 
und  übler  Wunsch  den  Mönch  beherrschen,  so  hat 
man  von  ihm  zu  wissen:  »Wohl  erkennt  der  Ver- 
ehrte derart,  daß  ihm  beim  Erkennen  keine  Gier  mehr 
ankommt.  Darum  eben  beherrschen  ihn  nicht  Gier, 
Haß,  Verblendung,  Zorn,  Wut,  Heuchelei,  Eifersucht, 
Geiz,  übler  Neid  und  übler  Wunsch.« 

Wenn  da,  ihr  Brüder,  z.  B.  ein  Bemittelter  sich 
als  bemittelt  bezeichnet,  ein  Begüterter  als  begütert, 
ein  Reicher  als  reich,  und  er  dann  bei  irgend  einer 
eingetretenen  Geldangelegenheit  imstande  ist,  Geld 
oder  Getreide,  Silber  oder  Gold  zu  verleihen,  so  weiß 
man  von  ihm:  »Weil  da  eben  dieser  Verehrte  bemittelt 
ist,  bezeichnet  er  sich  als  bemittelt,  weil  er  begütert 
ist,  bezeichnet  er  sich  als  begütert,  weil  er  reich  ist, 
bezeichnet  er  sich  als  reich.  Denn  dieser  Verehrte  ist 
ja  bei  einer  eintretenden  Geldangelegenheit  wohl  im- 
stande, Geld  oder  Getreide,  Silber  oder  Gold  zu  ver- 
leihen.« 


—    291    —  19* 


1^ 

SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Ebenso  auch,  ihr  Brüder,  behauptet  da  ein  Mönch, 
daß  er  sowohl  Erkenntnis  als  auch  Entfaltung  besitze, 
daß  er  dieses  Gesetz  kenne,  dieses  Gesetz  verstehe, 
und  daß  er  entfaltet  sei  in  Werken,  in  Sittlichkeit, 
im  Geiste  und  in  Einsicht.  Und  wenn  da,  ihr  Brüder, 
Gier,  Haß,  Verblendung,  Zorn,  Wut,  Heuchelei,  Eifer- 
sucht, Geiz,  übler  Neid  und  übler  Wunsch  den  Mönch 
nicht  beherrschen,  so  hat  man  von  ihm  zu  wissen: 
»Wohl  erkennt  der  Verehrte  derart,  daß  ihm  beim 
Erkennen  keine  Gier  mehr  ankommt.  Darum  eben 
beherrschen  ihn  nicht  Gier,  Haß,  Verblendung,  Zorn, 
Wut,  Heuchelei,  Eifersucht,  Geiz,  übler  Neid  und 
übler  Wunsch.« 


25  Die  zehn  Allheitsgebiete 

Zehn  Allheitsgebiete  gibt  es,  ihr  Mönche:  welche 
zehn? 

Da  nimmt  einer  die  Erde  als  Allheit  (kasina) 
wahr,  über  sich,  unter  sich,  ringsherum,  ungeteilt, 
unermeßlich;  der  eine  nimmt  das  Wasser  als  Allheit 
wahr,  —  der  eine  das  Feuer,  —  der  eine  den  Wind,  — 
der  eine  das  Blaue,  —  der  eine  das  Gelbe,  —  der  eine 
das  Rote,  —  der  eine  das  Weiße,  —  der  eine  den 
Raum,  —  der  eine  das  Bewußtsein,  über  sich,  unter 
sich,  ringsherum,  ungeteilt,  unermeßlich.  Das,  ihr 
Mönche,  sind  die  zehn  Allheitsgebiete. 

36  Des  Herzens  Friede 

Einst  weilte  der  ehrwürdige  Mahä-Kaccäno  im 
Lande  der  Avantier  auf  dem  Runden  Berge  bei  Kura- 

—    292    — 


ZEHNERBUCH  X  26 


raghara  (Falkenheim).  Da  kam  die  Anhängerin  Käli 
aus  Kuraraghara  zum  ehrwürdigen  Mahä-Kaccäno,  be- 
grüßte ihn  ehrfurchtsvoll  und  setzte  sich  zur  Seite 
nieder.  Zur  Seite  aber  sitzend  sprach  die  Anhängerin 
Käli  aus  Kuraraghara  also  zum  ehrwürdigen  Mahä- 
Kaccäno: 

„Dies,  0  Ehrwürdiger,  hat  der  Erhabene  auf  die 
Fragen  hinsichtlich  der  Töchter  (Mahrs)  erwidert: 

»Als  ich  die  Heerschar,  die  so  lieblich  schöne, 
Hatt'  überwunden  und  ich  einsam  aussann 
Des  Heils  Erringung  und  des  Herzens  Frieden, 
Ja,  da  erkannte,  da  erschaute  ich  mein  Glück. 

D'rum  wähl'  ich  keinen  Menschen  mir  zum  Freunde 
Mach'  keinen  Menschen  zum  Genossen   mir.« 

,,Wie  aber,  o  Ehrwürdiger,  hat  man  den  Sinn 
dieser  kurzen  Worte  des  Erhabenen  ausführlich  zu 
verstehen?" 

,, Einige  Asketen  und  Priester,  o  Schwester,  die 
die  Erreichung  der  »Erdallheit<<  (pathavi-kasina)  als 
Höchstes  betrachten,  haben  ihr  Ziel  erreicht.  Das 
Höchste  aber,  o  Schwester,  was  es  in  der  Erreichung 
der  Erdallheit  gibt,  das  hat  der  Erhabene  durchschaut, 
und  es  durchschauend  gewahrte  der  Erhabene  die  Ent- 
stehung, gewahrte  er  das  Übel,  gewahrte  er  den  Aus- 
weg und  erlangte  den  Erkenntnisblick  hinsichtlich  des 
rechten  und  des  verkehrten  Pfades.  Indem  er  aber 
die  Entstehung,  das  Übel  und  den  Ausweg  gewahrte 

(1)  Die  drei  Töchter  Mahrs,  der  Personifikation  des  bösen 
Prinzips,  sind  Begehren,  Lust  und  Unlust  (tanhä,  rati,  arati).  Die 
«rwähnte  Stelle  findet  sich  in  Samyutta-Nikäya,  I,  pag.  126  (P.  T.  S.). 

—     293     — 


^    X27        SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

und  den  Erkenntnisblick  hinsichtlich  des  rechten  und 
verkehrten  Pfades  erlangte,  da  erkannte  er  die  Er- 
reichung des  Zieles  und  des  Herzens  Frieden. 

„Einige  Asketen  und  Priester,  o  Schwester,  die 
die  Erreichung  der  Wasserallheit,  —  der  Feuerallheit, 
—  der  Windallheit,  —  der  Allheit  Blau,  —  der  Allheit 
Gelb,  —  der  Allheit  Rot,  —  der  Allheit  Weiß,  —  der 
■  Raumallheit,  —  der  Bewußtseinsallheit  als  Höchstes 
betrachten,  haben  ihr  Ziel  erreicht.  Das  höchste  aber, 
0  Schwester,  was  es  in  der  Erreichung  der  Bewußt- 
seinsallheit gibt,  das  hat  der  Erhabene  durchschaut, 
und  es  durchschauend  gewahrte  der  Erhabene  die  Ent- 
stehung, gewahrte  er  das  Übel,  gewahrte  er  den  Aus- 
weg und  erlangte  den  Erkenntnisblick  hinsichtlich  des 
rechten  und  des  verkehrten  Pfades.  Indem  er  aber 
die  Entstehung,  das  Übel  und  den  Ausweg  gewahrte 
und  den  Erkenntnisblick  hinsichtlich  des  rechten  und 
verkehrten  Pfades  erlangte,  da  erkannte  er  die  Er- 
reichung des  Zieles  und  des  Herzens   Frieden. 

,,So  also,  0  Schwester,  hat  man  den  Sinn  dieser 
kurzen  Worte  des  Erhabenen  ausführlich  zu  verstehen." 

27  •  Die  zehn  Probleme 

(0 
Einst  weilte  der  Erhabene  im  Jetahaine  bei  Sä- 

vatthi,  im  Kloster  des  Anäthapindiko.  Und  zahlreiche 
Mönche  kleideten  sich  in  der  Frühe  an,  nahmen  Ge- 
wand und  Schale  und  begaben  sich  nach  Sävatthi  um 
Almosen.  Da  aber  sagten  sich  jene  Mönche:  »Noch 
zu  früh  ist  es,  um  in  Sävatthi  um  Almosen  zu  gehen. 
So  laßt  uns  denn  zum   Kloster  der  andersgläubigen 

—    294    — 


ZEHNERBUCH  X  27 


Pilger  gehen!«  Und  jene  Mönche  begaben  sich  zum 
Kloster  der  andersgläubigen  Pilger.  Dort  angelangt 
wechselten  sie  mit  jenen  andersgläubigen  Pilgern 
freundlichen  Gruß;  und  nach  Austausch  freundlicher 
und  geziemender  Worte  setzten  sie  sich  zur  Seite. 
Als  sie  sich  aber  gesetzt  hatten,  sprachen  jene  anders- 
gläubigen Pilger  zu  den  Mönchen: 

,,Der  Asket  Gotamo,  ihr  Brüder,  belehrt  also  seine 
Jünger:  »Geht,  ihr  Mönche,  und  ergründet  das  ganze 
Gesetz;  und  das  ganze  Gesetz  immer  wieder  ergründend 
möget  ihr  verweilen!«  Auch  wir,  ihr  Brüder,  belehren 
auf  diese  Weise  unsere  Jünger.  Was  besteht  da  also, 
ihr  Brüder,  für  ein  Unterschied,  was  für  eine  Beziehung, 
was  für  eine  Verschiedenheit  zwischen  dem  Asketen 
Gotamo  und  uns  in  der  Darlegung  des  Gesetzes  und 
in  der  Unterweisung?" 

Jene  Mönche  aber  weder  billigten  noch  mißbilligten 
die  Worte  der  andersgläubigen  Pilger.  Ohne  zu  loben 
oder  zu  tadeln  erhoben  sie  sich  von  ihren  Sitzen  und 
gingen  fort,  denkend:  »Vom  Erhabenen  werden  wir 
den  Sinn  dieser  Worte  erfahren«.  Nachdem  nun  jene 
Mönche  von  ihrem  Almosengange  in  Sävatthi  zurück- 
gekehrt waren,  begaben  sie  sich  am  Nachmittage,  nach 
Beendigung  des  Mahles,  zum  Erhabenen  und  teilten 
ihm  die  Sache  mit. 

[Der  Erhabene:]  ,, Auf  diese  Worte,  ihr  Mönche,  hat 
man  den  andersgläubigen  Pilgern,  folgendes  zu  ent- 
gegnen: »Was,  ihr  Brüder,  ist  das  einfache  Problem 
mit  einer  einfachen  Aussage  und  einer  einfachen  Er- 
klärung, was  das  zweifache  Problem  mit  einer  zwei- 
fachen Aussage  und  einer  zweifachen  Erklärung,  was 
das  dreifache  Problem  mit  einer  dreifachen  Aussage 

-    295    — 


X87       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

und  einer  dreifachen  Erklärung,  was  das  vierfache 
Problem  mit  einer  vierfachen  Aussage  und  einer  vier- 
fachen Erklärung,  was  das  fünffache  Problem  mit  einer 
fünffachen  Aussage  und  einer  fünffachen  Erklärung, 
was  das  sechsfache  Problem  mit  einer  sechsfachen 
Aussage  und  einer  sechsfachen  Erklärung,  was  das 
siebenfaciie  Problem  mit  einer  siebenfachen  Aussage 
und  einer  siebenfachen  Erklärung,  was  das  achtfache 
Problem  mit  einer  achtfachen  Aussage  und  einer  acht- 
fachen Erklärung,  was  das  neunfache  Problem  mit 
einer  neunfachen  Aussage  und  einer  neunfachen  Er- 
klärung, was  das  zehnfache  Problem  mit  einer  zehn- 
fachen Aussage  und  einer  zehnfachen  Erklärung?« 
Auf  diese  Fragen,  ihr  Mönche,  werden  die  anders- 
gläubigen Pilger  nichts  erwidern  können  und  überdies 
noch  in  Verdruß  geraten.  Und  warum?  Weil  das  eben, 
ihr  Mönche,  nicht  in  ihrem  Bereiche  liegt.  Nicht  einen 
sehe  ich,  ihr  Mönche,  in  der  Welt  der  Dewen,  Mahren 
und  Götter,  der  Schar  der  Asketen  und  Priester,  Him- 
melswesen und  Menschen,  der  durch  eine  Erklärung 
dieser  Probleme  das  Herz  befriedigen  könnte,  ausge- 
nommen den  Vollendeten  oder  den  Jünger  des  Voll- 
«*ndeten  oder  den,  der  es  durch  ihn  erfahren  hat, 

,,  Ich  habe  also  gesagt,  daß  es  ein  einfaches  Problem 
gibt  mit  einer  einfachen  Aussage  und  einer  einfachen 
Erklärung.  Mit  Rücksicht  aber  worauf  habe  ich  dies 
gesagt? 

,,Der  Mönch,  ihr  Mönche,  der  da  einer  Erscheinung 
völlig  überdrüssig  ist,  sich  völlig  von  ihr  abwendet, 
sich  völlig  befreit,  das  völlige  Ende  gewahrt  und  sein 
Heil  völlig  durchschaut,  der  macht  noch  bei  Lebzeiten 
dem  Leiden  ein  Ende.     Welches  aber  ist  die  eine  Er- 


296 


ZEHNERBUCH  X27 


scheinung?  Daß  alle  Wesen  von  der  Nahrung  ab- 
hängig sind.  Der  Mönch,  ihr  Mönche,  der  da  dieser 
einen  Erscheinung  völlig  überdrüssig  ist,  sich  völlig 
von  ihr  abwendet,  sich  völlig  befreit,  das  völlige  Ende 
gewahrt  und  sein  Heil  völlig  durchschaut,  der  macht 
noch  bei  Lebzeiten  dem  Leiden  ein  Ende.  Wurde  also 
gesagt,  daß  es  ein  einfaches  Problem  gibt  mit  einer 
einfachen  Aussage  und  einer  einfachen  Erklärung,  so 
wurde  dies  eben  mit  Rücksicht  hierauf  gesagt.  (1) 

,,Ich  habe  gesagt,  daß  es  ein  zweifaches  Problem 
gibt  mit  einer  zweifachen  Aussage  und  einer  zwei- 
fachen Erklärung.  Mit  Rücksicht  aber  worauf  habe 
ich  dies  gesagt? 

,,Der  Mönch,  ihr  Mönche,  der  da  zweier  Erschei- 
nungen völlig  überdrüssig  ist,  sich  völlig  von  ihr  ab- 
wendet, sich  völlig  befreit,  das  völlige  Ende  gewahrt 
und  sein  Heil  völlig  durchschaut,  der  macht  noch 
bei  Lebzeiten  dem  Leiden  ein  Ende.  Welches  aber 
sind  die  zvv^ei  Erscheinungen?  Körperlichkeit  und 
Geist  (näma-rüpa).  — Welches  sind  die  drei  Erschei- 
nungen? Die  drei  Arten  der  Gefühle.  —  Welches 
sind  die  vier  Erscheinungen?  Die  vier  Arten  der 
Nahrung.  —  Welches  sind  die  fünf  Erscheinungen? 
Die  fünf  mit  Anhaften  verbundenen  Daseins- 
aggregate (upadänä-kkhandha).  —  Welches  sind 
die  ^echs  Erscheinungen?  Die  sechs  subjektiven 
Sinnenorgane.   —   Welches   sind   die   sieben    Erschei- 


(1)  Daß  es  ein  Gesetz  gibt,  durch  dessen  Durchdringung  der 
Mönch  die  Erlösung  findet:  das  bildet  die  Aussage  (uddesa).  Welches 
dieses  eine  Gesetz  ist,  bildet  das  Problem.  Und  daß  alle  Wesen  von 
der  Nahrung  abhängig  sind,  bildet  die  Erklärung.    (Nach  Komm.) 


—     297     — 


X28        SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

nungen?  Die  sieben  Bewußtseinsstätten  (I).  — 
Welches  sind  die  acht  Erscheinungen?  Die  acht 
Weltgesetze  (2).  —  Welches  sind  die  neun  Erschei- 
nungen? Die  neun  Daseinsformen  der  Wesen  (3). 
—  Welches  sind  die  zehn  Erscheinungen?  Die  zehn 
schuldvollen  Wirkensfährten  (4).  Der  Mönch, 
ihr  Mönche,  der  da  dieser  zehn  schuldvollen  Wirkens- 
fährten völlig  überdrüssig  ist,  sich  völlig  von  ihnen  ab- 
wendet, sich  völlig  befreit,  das  völlige  Ende  gewahrt 
und  sein  Heil  völlig  durchschaut,  der  macht  noch  bei 
Lebzeiten  dem  Leiden  ein  Ende.  Wurde  also  gesagt, 
daß  es  ein  zehnfaches  Problem  gibt  mit  einer  zehn- 
fachen Aussage  und  einer  zehnfachen  Erklärung,  so 
wurde  dies  eben  mit  Rücksicht  hierauf  gesagt." 

28  Die  zehn  Probleme 

(2) 

Einst  weilte  der  Erhabene  im  Bambushaine  bei 
Kajahgalä.  Und  zahlreiche  Anhänger  aus  Kajahgalä 
begaben  sich  zu  der  Kajahgaler  Nonne,  begrüßten  sie 
ehrfurchtsvoll  und  setzten  sich  zur  Seite  nieder.  Zur 
Seite  aber  sitzend  sprachen  die  Anhänger  also  zu  der 
Kajahgaler  Nonne: 

,,Dies,  0  Ehrwürdiger,  hat  der  Erhabene  hinsicht- 
lich der  Großen  Fragen  gesagt:  ^Ein  einfaches  Problem 
gibt  es  mit  einer  einfachen  Aussage  und  einef  ein- 
fachen  Erklärung.      Ein  zweifaches  Problem  gibt  es 

(1)  Erklärt  in  VU,  49. 

(2)  Erkl.  in  VIII,  5,  6. 

(3)  ErkL  in  IX,  24. 

(4)  Sehr  ausführlieh  erklärt  in  X,  176. 

—     298     — 


ZEHNERBUCH  X  28 


mit  einer  zweifachen  Aussage  und  einer  zweifachen 
Erklärung.  Ein  dreifaches  Problem  gibt  es  mit  einer 
dreifachen  Aussage  und  einer  dreifachen  Erklärung. 
Ein  vierfaches  Problem  gibt  es  mit  einer  vierfachen 
Aussage  und  einer  vierfachen  Erklärung.  Ein  fünf- 
faches Problem  gibt  es  mit  einer  fünffachen  Aussage 
und  einer  fünffachen  Erklärung.  Ein  sechsfaches 
Problem  gibt  es  mit  einer  sechsfachen  Aussage  und 
einer  sechsfachen  Erklärung.  Ein  siebenfaches  Problem 
gibt  es  mit  einer  siebenfachen  Aussage  und  einer 
siebenfachen  Erklärung.  Ein  achtfaches  Problem  gibt 
es  mit  einer  achtfachen  Aussage  und  einer  achtfachen 
Erklärung.  Ein  neunfaches  Problem  gibt  es  mit  einer 
neunfachen  Aussage  und  einer  neunfachen  Erklärung. 
Ein  zehnfaches  Problem  gibt  es  mit  einer  zehnfachen 
Aussage  und  einer  zehnfachen  Erklärung.«  Wie  aber, 
0  Ehrwürdiger,  hat  man  den  Sinn  dieser  kurzen  Worte 
des  Erhabenen  ausführlich  zu  verstehen?" 

,, Nichts  habe  ich,  ihr  Brüder,  darüber  vom  Er- 
habenen gehört,  nichts  aus  seinem  Munde  vernommen; 
auch  habe  ich  darüber  nichts  von  geistgeübten  Mönchen 
gehört,  nichts  aus  ihrem  Munde  vernommen.  Viel- 
leicht aber  fällt  mir  hier  das  Richtige  ein.  So  höret 
denn  und  achtet  wohl  auf  meine  Worte!" 

,,Ja,  0  Ehrwürdiger!"  erwiderten  die  Anhänger 
aus  Kajahgalä  der  Kajangaler  Nonne.  Und  die  Kajafi- 
galer  Nonne  sprach: 

,,Der  Erhabene  hat  also  gesagt,  daß  es  ein  Problem 
gibt  mit  einer  einfachen  Aussage  und  einer  einfachen 
Erklärung.  Mit  Rücksicht  worauf  aber  hat  dies  der 
Erhabene  gesagt? 

„Der  Mönch,  ihr  Brüder,  der  da  einer  Erscheinung 

—    299     — 


X28        SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

völlig  überdrüssig  ist,  sich  völlig  von  ihr  abwendet,  sich 
völlig  befreit,  das  völlige  Ende  gewahrt  und  sein  Heil 
völlig  durchschaut,  der  macht  noch  bei  Lebzeiten  dem 
Leiden  ein  Ende.  Welches  aber  ist  diese  eine  Erschei- 
nung? Daß  alle  Wesen  von  der  Nahrung  abhängig 
sind.  —  Welches  sind  die  zwei  Erscheinungen?  Körper- 
lichkeit und  Geist.  — Welches  sind  die  drei  Erschei- 
nungen? Die  drei  Arten  der  Gefühle.  Der  Mönch, 
ihr  Brüder,  der  da  dieser  drei  Erscheinungen  völlig 
überdrüssig  ist,  sich  völlig  von  ihnen  abwendet,  sich 
völlig  befreit,  das  völlige  Ende  gewahrt  und  sein  Heil 
völlig  durchschaut,  der  macht  noch  bei  Lebzeiten  dem 
Leiden  ein  Ende.  —  Welches  sind  die  vier  Erschei- 
nungen? Die  vier  Grundlagen  der  Achtsamkeit. 
Der  Mönch,  ihr  Brüder,  der  da  in  diesen  vier  Grund- 
lagen der  Achtsamkeit  seinen  Geist  vollkommen  ent- 
faltet hat,  das  völlige  Ende  gewahrt  und  sein  Heil 
völlig  durchschaut,  der  macht  noch  bei  Lebzeiten 
dem  Leiden  ein  Ende.  —  Welches  sind  die  fünf  Er- 
scheinungen? Die  fünf  Fähigkeiten?  —  Welches 
sind  die  sechs  Erscheinungen?  Die  sechs  subjektiven 
Sinnenorgane,  —  Welches  sind  die  sieben  Erschei- 
nungen? Die  sieben  Glieder  der  Erleuchtung.  — 
Welches  sind  die  acht  Erscheinungen?  Der  edle  acht- 
fache Pfad.  Der  Mönch,  ihr  Brüder,  der  da  in  diesen 
acht  Erscheinungen  seinen  Geist  vollkommen  ent- 
faltet hat,  das  völlige  Ende  gewahrt  und  sein  Heil 
völlig  durchschaut,  der  macht  noch  bei  Lebzeiten 
dem  Leiden  ein  Ende.  —  Welches  sind  die  neun  Er- 
scheinungen? Die  neun  Daseinsformen  der  Wesen. 
Der  Mönch,  ihr  Brüder,  der  da  dieser  neun  Erschei- 
nungen völlig  überdrüssig  ist,  sich  völlig  von  ihnen  ab- 

—     300     — 


ZEHNERBUCH  X  28 


wendet,  sich  völlig  befreit,  das  völlige  Ende  gewahrt 
und  sein  Heil  völlig  durchschaut,  der  macht  noch  bei 
Lebzeiten  dem  Leiden  ein  Ende.  —  Welches  sind  die 
zehn  Erscheinungen?  Die  zehn  verdienstvollen 
Wirkensfährten.  Der  Mönch,  ihr  Brüder,  der  in 
diesen  zehn  Erscheinungen  seinen  Geist  vollkommen 
entfaltet  hat,  das  völlige  Ende  gewahrt  und  sein  Heil 
völlig  durchschaut,  der  macht  noch  bei  Lebzeiten  dem 
Leiden  ein  Ende.  —  Hat  also  der  Erhabene  gesagt, 
daß  es  ein  zehnfaches  Problem  gibt  mit  einer  zehn- 
fachen Aussage  und  einer  zehnfachen  Erklärung,  so 
hat  er  dies  eben  mit  Rücksicht  hierauf  gesagt. 

,,So  also,  ihr  Brüder,  verstehe  ich  ausführlich  den 
Sinn  dessen,  was  der  Erhabene  in  kurzen  Worten  hin- 
sichtlich der  Großen  Fragen  gesagt  hat.  Wenn  ihr 
wollt,  ihr  Brüder,  mögt  ihr  nun  zum  Erhabenen  gehen 
und  ihn  über  diese  Sache  befragen.  Wie  es  euch  der 
Erhabene  erklären  wird,  so  mögt  ihr  sie  euch  merken. 
,,Gut,  0  Ehrwürdiger!"  erwiderten  die  Anhänger  aus 
Kajahgalä  der  Kajahgaler  Nonne,  indem  sie  den 
Worten  der  Nonne  Beifall  spendeten  und  billigten,  und 
erhoben  sich  von  ihren  Sitzen.  —  Darauf  begrüßten 
sie  ehrfurchtsvoll  die  Kajahgaler  Nonne,  gingen  rechts 
herum  und  begaben  sich  zum  Erhabenen.-  Dort  an- 
gelangt begrüßten  sie  ehrfurchtsvoll  den  Erhabenen 
und  teilten  ihm  darauf  alles  mit,  was  sie  zusammen  mit 
der  Kajahgaler  Nonne  gesprochen  hatten. 
[Der  Erhabene:]  ,, Recht  so,  recht  so,  ihr  Hausleute! 
Weise,  ihr  Hausleute,  ist  die  Nonne  aus  Kajangalä. 
Ein  hohes  Wissen,  ihr  Hausleute,  besitzt  die  Nonne 
aus  Kajangalä.  Auch  wenn  ihr  zu  mir  gekommen 
wäret,  ihr  Hausleute,  und  hättet  mich  über  diese  Sache 


—     301 


X29        SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

befragt,  so  hätte  auch  ich  dieselbe  genau  so  erklärt, 
wie  sie  die  Nonne  aus  Kajaiigalä  erklärt  hat.  Denn 
dieses  ist  eben  der  Sinn  derselben,  und  so  mögt  ihr  ihn 
behalten." 

29  AllvergängHchkeit 

Soweit,  ihr  Mönche,  es  Käsier  und  Kosaler  gibt, 
und  soweit  sich  das  Reich  des  Kosaler  Königs  Pasenadi 
erstreckt,  soweit  eben  gilt  der  Kosaler  König  Pasenadi 
als  der  Höchste.  Aber  auch  bei  dem  Kosaler  König 
Pasenadi,  ihr  Mönche,  da  zeigt  sich  Veränderung  und 
Wechsel.  Solches  erkennend,  ihr  Mönche,  empfindet 
der  wissende  edle  Jünger  Ekel  davor.  Indem  er  aber 
Ekel  davor  empfindet,  wendet  er  sich  ab  von  dem 
Höchsten,  um  wieviel  mehr  gar  vom  Niedrigen. 

Soweit,  ihr  Mönche,  Sonne  und  Mond  kreisen  und 
die  Himmel  im  Lichte  erstrahlen,  soweit  reicht  eine 
tausendfache  Welt.  In  jener  tausendfachen  Welt  aber 
gibt  es  tausend  Monde,  tausend  Sonnen,  tausend  Merus 
Könige  der  Berge,  tausend  Jambudipas,  tausend  Apara- 
goyänas,  tausend  Uttarakurus,  tausend  Pubbavide- 
has  (1),  viertausend  mächtige  Könige,  tausend  Himmel 
der  Vier  Großen  Könige,  tausend  Himmel  der  Dreißig- 
unddreißig, tausend  Yämahimmel,  tausend  Himmel 
der  Seligen,  tausend  Himmel  der  Schaffensfreudigen 
Himmelswesen,  tausend  Himmel  der  über  die  Erzeug- 


(1)  Pubba-Videha  (Ost-Videha),  Apara-goyäna  (West- Ochsen- 
wagen), Uttara-Kuru  (Nord-Kuru)  und  Jambu-dipa  (Rosenapfel- 
Insel)  sind  nach  altindischer  Auffassung  die  um  das  Mahameru- 
gebirge  in  den  vier  Himmelsrichtungen  gruppierten  vier  Kontinente. 
Jambudipa  schließt  Indien  ein. 

—     302     — 


ZEHNERBUCH  X  29 


nisse  der  Anderen  verfügenden  Himmelswesen,  tausend 
Brahmawelten.  Soweit  nun,  ihr  Mönche,  ein  tausend- 
faches Weltsystem  reicht,  da  gilt  der  Große  Brahma 
als  der  Höchste.  Aber  auch  beim  Großen  Brahma,  ihr 
Mönche,  da  zeigt  sich  Veränderung  und  Wechsel. 
Solches  erkennend,  ihr  Mönche,  empfindet  der  wissende 
edle  Jünger  Ekel  davor.  *  Indem  et  aber  Ekel  davor 
empfindet,  wendet  er  sich  ab  vom  Höchsten,  um  wie- 
viel mehr  gar  vom  Niedrigen. 

Es  kommt  eine  Zeit,  ihr  Mönche,  wo  diese  Welt 
sich  auflöst.  Bei  der  Auflösung  der  Welt  aber,  ihr 
Mönche,  werden  die  Wesen  alle  unter  den  »Strahlenden 
Himmelswesen«  wiedergeboren.  Dort  verweilen  jene 
Geistgezeugten,  Wonnegenießenden,  in  eignem  Glänze 
Erstrahlenden,  die  Lüfte  durchkreisend  und  in  Selig- 
keit dahin  lebend  lange  Zeiten  hindurch.  Bei  der  Auf- 
lösung der  Welt,  ihr  Mönche,  gelten  die  Strahlenden 
Himmelswesen  als  die  Höchsten.  Aber  auch  bei  den 
Strahlenden  Himmelswesen,  ihr  Mönche,  da  zeigt  sich 
Veränderung  und  Wechsel.  Solches  erkennend,  ihr 
Mönche,  empfindet  der  wissende  edle  Jünger  Ekel 
davor.  Indem  er  aber  Ekel  davor  empfindet,  wendet 
er  sich  ab  vom  Höchsten,  um  wieviel  mehr  gar  vom 
Niedrigen. 

Zehn  Allheitsgebiete  gibt  es,  ihr  Mönche,  welche 
zehn? 

Da  nimmt  einer  die  Erde  als  Allheit  (kasina) 
wahr,  über  sich,  unter  sich,  ringsherum,  ungeteilt, 
unermeßlich;  der  eine  nimmt  das  Wasser  als  Allheit 
wahr,  —  der  eine  das  Feuer,  —  der  eine  den  Wind,  — 
der  eine  das  Blaue,  —  der  eine  das  Gelbe,  —  der  eine 
das  Rote,  —  der  eine  das  Weiße,  —  der  eine  den  Raum, 


803     — 


X29       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

• —  der  eine  das  Bewußtsein,  über  sich,  unter  sich, 
ringsherum,  ungeteilt,  unermeßlich.  Das,  ihr  Mönche, 
sind  die  zehn  Allheitsgebiete.  Als  höchstes  aber,  ihr 
Mönche,  von  diesen  zehn  Allheitsgebieten  gilt  es, 
wenn  einer  das  Bewußtsein  als  Allheit  wahrnimmt, 
über  sich,  unter  sich,  ringsherum,  ungeteilt,  unermeß- 
lich. Solcherart  wahrnehmende  Wesen  gibt  es,  ihr 
Mönche.  Aber  auch  bei  den  solcherart  wahrnehmenden 
Wesen,  ihr  Mönche,  da  zeigt  sich  Veränderung  und 
Wechsel.  Solches  erkennend,  ihr  Mönche,  empfindet 
der  wissende  edle  Jünger  Ekel  davor.  Indem  er  aber 
Ekel  davor  empfindet,  wendet  er  sich  ab  vom  Höchsten, 
um  wieviel  mehr  gar  vom  Niedrigen. 

Acht   Überwindungsgebiete  gibt   es,   ihr  Mönche: 
welche  acht? 

Bei  sich  Formen  wahrnehmend,  sieht  da  einer 
nach  Außen  hin  begrenzte  Formen,  schöne  oder  häß- 
liche; und  diese  überwindend  versteht  er:  »Ich  weiß, 
ich  erkenne«.  Dies  ist  das  erste  Überwindungsgebiet. 
Bei  sich  Formen  wahrnehmend  sieht  da  einer  nach 
Außen  hin  unbegrenzte  Formen,  schöne  oder  häßliche, 
und  diese  überwindend  versteht  er:  »Ich  weiß,  ich 
erkenne«.  Dies  ist  das  zweite  Überwindungsgebiet. 
Bei  sich  keine  Formen  wahrnehmend  sieht  einer 
nach  Außen  hin  begrenzte  Formen,  schöne  oder  häß- 
liche; und  diese  überwindend,  versteht  er:  »Ich  weiß, 
ich  erkenne«.  Dies  ist  das  dritte  Überwindungsgebiet. 
Bei  sich  keine  Formen  wahrnehmend,  sieht  einer 
nach  Außen  hin  unbegrenzte  Formen,  schöne  oder 
häßliche;  und  diese  überwindend,  versteht  er:  »Ich 
weiß,  ich  erkenne«.  Dies  ist  das  vierte  Überwindungs- 
gebiet. 

—     304    — 


ZEHNERBUCH  X29 


Bei  sich  keine  Formen  wahrnehmend  sieht  einer 
nach  Außen  hin  blaue  Formen  von  blauer  Farbe, 
blauem  Aussehen,  blauem  Glänze.  Gleichwie  etwa 
die  Flachsblüte  oder  ein  beiderseits  geglätteter  Be- 
naresstoff blau  ist,  von  blauer  Farbe,  blauem  Aus- 
sehen, blauem  Glänze;  ebenso  auch  sieht  da  einer 
bei  sich  keine  Formen  wahrnehmend,  nach  Außen  hin, 
blaue  Formen,  von  blauer  Farbe,  blauem  Aussehen, 
blauem  Glänze.  Und  diese  überwindend  versteht  er: 
»Ich  weiß,  ich  erkenne.«  Dies  ist  das  fünfte  Über- 
windungsgebiet. 

Bei  sich  keine  Formen  wahrnehmend  sieht  einer 
nach  Außen  hin  gelbe  Formen,  von  gelber  Farbe, 
gelbem  Aussehen,  gelbem  Glänze.  Gleichwie  etwa 
die  Kannikärablüte  oder  ein  beiderseits  geglätteter 
Benaresstoff  gelb  ist,  von  gelber  Farbe,  gelbem  Aus- 
sehen, gelbem  Glänze:  ebenso  auch,  bei  sich  keine 
Formen  wahrnehmend,  sieht  da  einer  nach  Außen 
hin  gelbe  Formen,  von  gelber  Farbe,  gelbem  Aussehen, 
gelbem  Glänze.  Und  dieses  überwindend  versteht 
er:  »Ich  weiß,  ich  erkenne«.  Dies  ist  das  sechste  Über- 
windungsgebiet. 

Bei  sich  keine  Formen  wahrnehmend  sieht  einer 
nach  Außen  hin  rote  Formen,  von  roter  Farbe,  rotem 
Aussehen,  rotem  Glänze.  Gleichwie  etwa  die  Schuh- 
blume oder  ein  beiderseits  geglätteter  Benaresstoff  rot 
ist,  von  roter  Farbe,  rotem  Aussehen,  rotem  Glänze: 
ebenso  auch,  bei  sich  keine  Formen  wahrnehmend, 
sieht  da  einer  nach  Außen  hin  rote  Formen,  von  roter 
Farbe,  rotem  Aussehen,  rotem  Glänze.  Und  diese 
überwindend  versteht  er:  »Ich  weiß,  ich  erkenne«. 
Dies  ist  das  siebente  Überwindungsgebiet. 

—    305    —  20 


X29       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Bei  sich  keine  Formen  wahrnehmend,  sieht  einer 
nach  Außen  hin  weiße  Formen  von  weißer  Farbe, 
weißem  Aussehen,  weißem  Glänze.  Gleichwie  etwa 
der  Morgenstern  oder  ein  beiderseits  geglätteter  Be- 
naresstoff weiß  ist,  von  weißer  Farbe,  weißem  Aus- 
sehen, weißem  Glänze:  ebenso  auch,  bei  sich  keine 
Formen  wahrnehmend,  sieht  da  einer  nach  Außen  hin 
weiße  Formen,  von  weißer  Farbe,  weißem  Aussehen, 
weißem  Glänze.  Und  diese  überwindend  versteht  er: 
»Ich  weiß,  ich  erkenne«.  Dies  ist  das  achte  Überwin- 
dungsgebiet. 

Diese  acht  Überwindungsgebiete  gibt  es,  ihr 
Mönche.  Als  höchstes  aber,  ihr  Mönche,  von  diesen 
acht  Überwindungsgebieten  gilt  es,  wenn  einer,  bei 
sich  keine  Formen  wahrnehmend,  nach  Außen  hin 
weiße  Formen  sieht,  von  weißer  Farbe,  weißem  Aus- 
sehen, weißem  Glänze,  und  diese  überwindend  ver- 
steht: »Ich  weiß,  ich  erkenne«.  Auch  solcherart  wahr- 
nehmende Wesen  gibt  es,  ihr  Mönche.  Aber  auch  bei 
den  solcherart  wahrnehmenden  Wesen,  ihr  Mönche, 
da  zeigt  sich  Veränderung  und  Wechsel.  Solches  er- 
kennend, ihr  Mönche,  empfindet  der  wissende  edle 
Jünger  Ekel  davor.  Indem  er  aber  Ekel  davor 
empfindet,  wendet  er  sich  ab  vom  Höchsten,  um  wieviel 
mehr  gar  vom  Niedrigen. 

Vier  Pfade  gibt  es,  ihr  Mönche:  welche  vier?  Den 
mühsamen  mit  langsamer  Einsicht  verbundenen  Pfad, 
den  mühsamen  mit  schneller  Einsicht  verbundenen 
Pfad,  den  leichten  mit  langsamer  Einsicht  verbundenen 
Pfad  und  den  leichten  mit  schneller  Einsicht  verbun- 
denen Pfad.  Diese  vier  Pfade  gibt  es,  ihr  Mönche.  Der 
höchste  aber,  ihr  Mönche,    von  diesen  vier  Pfaden  ist 

—    306    — 


X29  ZEHNERBUCH 


der  leichte  mit  schneller  Einsicht  verbundene  Pfad. 
Auch  solcherart  wahrnehmende  Wesen  gibt  es,  ihr 
Mönche.  Aber  auch  bei  den  solcherat  wahrnehmenden 
Wesen,  ihr  Mönche,  da  zeigt  sich  Veränderung  und 
Wechsel.  Solches  erkennend,  ihr  Mönche,  empfindet 
der  wissende  edle  Jünger  Ekel  davor.  Indem  er  aber 
Ekel  davor  empfindet,  wendet  er  sich  ab  vom  Höchsten, 
um  wieviel  mehr  gar  vom  Niedrigen. 

Vier  Arten  der  Wahrnehmung  gibt  es,  ihr  Mönche: 
welche  vier?  Einer  nimmt  Begrenztes  wahr;  einer 
nimmt  Erhabenes  wahr;  einer  nimmt  Unbegrenztes 
wahr;  einer  nimmt,  in  der  Vorstellung:  »Nichts  ist 
da,*  das  Gebiet  des  Nichtdaseins  wahr.  Diese  vier 
Arten  der  Wahrnehmung  gibt  es,  ihr  Mönche.  Die 
höchste  aber,  ihr  Mönche,  dieser  vier  Arten  der  Wahr- 
nehmung ist  es,  wenn  einer,  in  der  Vorstellung:  »Nichts 
ist  da,«  das  Gebiet  des  Nichtdaseins  wahrnimmt. 
Auch  solcherart  wahrnehmende  Wesen  gibt  es,  ihr 
Mönche.  Aber  auch  bei  den  solcherart  wahrnehmenden 
Wesen,  ihr  Mönche,  da  zeigt  sich  Veränderung  und 
Wechsel.  Solches  erkennend,  ihr  Mönche,  empfindet 
der  wissende  edle  Jünger  Ekel  davor.  Indem  er  aber 
Ekel  davor  empfindet,  wendet  er  sich  ab  vom  Höchsten, 
um  wieviel  mehr  gar  vom  Niedrigen. 

Das,  ihr  Mönche,  ist  die  höchste  unter  den  An- 
sichten der  anderen  Asketen,  nämlich:  »Wäre  ich  nicht 
schon  gewesen,  so  möchte  mir  jetzt  kein  Dasein  be- 
schieden sein;  wenn  ich  nicht  mehr  sein  werde,  wird 
es  auch  für  mich  nichts  mehr  geben.«  Bei  einem,  ihr 
Mönche,  der  solche  Ansicht  hegt,  da  hat  man  zu  er- 
warten, daß  er  keine  Zuneigung  zum  Dasein  mehr 
haben  wird   und  keine  Abneigung  gegen   Aufhebung 


_     307     —  20* 


X29       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

des  Daseins.  Auch  Wesen  mit  solchen  Ansichten  gibt 
es,  ihr  Mönche.  Aber  auch  bei  den  Wesen  mit  solchen 
Ansichten,  ihr  Mönche,  da  zeigt  sich  Veränderung  und 
Wechsel.  Solches  erkennend,  ihr  Mönche,  empfindet 
der  wissende  edle  Jünger  Ekel  davor.  Indem  er  aber 
Ekel  davor  empfindet,  wendet  er  sich  ab  vom  Höchsten, 
um  wieviel  mehr  gar  vom  Niedrigen. 

Einige  Asketen  und  Priester,  ihr  Mönche,  lehren 
die  absolute  Reinheit.  Als  Höchstes  aber,  ihr  Mönche, 
gilt  es  bei  den  Lehrern  der  absoluten  Reinheit,  wenn 
man  nach  völliger  Überwindung  des  Gebietes  des 
Nichtdaseins  in  das  Gebiet  der  Weder-Wahrnehmung- 
Noch-Nichtwahrnehmung  eingetreten  ist.  Dieses  durch- 
schauen sie,  und  zu  dessen  Verwirklichung  weisen  sie 
das  Gesetz.  Auch  Wesen,  die  solches  lehren,  gibt  es, 
ihr  Mönche.  Aber  auch  bei  den  Wesen,  die  solches 
lehren,  ihr  Mönche,  da  zeigt  sich  Veränderung  und 
Wechsel.  Solches  erkennend,  ihr  Mönche,  empfindet 
der  wissende  edle  Jünger  Ekel  davor.  Indem  er  aber 
Ekel  davor  empfindet,  wendet  er  sich  ab  vom  Höchsten, 
um  wieviel  mehr  gar  vom  Niedrigen. 

Einige  Asketen  und  Priester,  ihr  Mönche,  ver- 
künden das  höchste  Nirwahn  bei  Lebzeiten.  Als 
Höchstes  aber,  ihr  Mönche,  gilt  bei  den  Lehrern  des 
höchsten  Nirwahns  bei  Lebzeiten,  der  sechs  Berüh- 
rungsgebiete Entstehung  und  Untergang,  Genuß  und 
Elend  sowie  den  Ausweg  der  Wirklichkeit  gemäß  er- 
kennen und  sich 'haftlos  zu  erlösen.  Mich  aber,  ihr 
Mönche,  der  ich  solches  lehre,  solches  verkünde,  be- 
schuldigen einige  Asketen  und  Priester  in  falscher, 
nichtiger,  unehrlicher,  unwahrer  Weise,  indem  sie 
sagen:  »Nicht  verkündet  der  Asket  Gotamo  der  Sinnen^ 

—     308     — 


ZEHNERBUCH  X  30 


dinge  völlige  Durchschauung,  nicht  verkündet  er  der 
dormen  völlige  Durchschauung,  nicht  verkijndet  er 
Fer  Gefühle  völlige  Durchschauung.«  Doch  verkünde 
ich,  ihr  Brüder,  der  Sinnendinge  völlige  Durchschauung, 
verkünde  der  Formen  völlige  Durchschauung,  ver- 
künde der  Gefühle  völlige  Durchschauung  und  gestillt, 
entwähnt,  kühl  geworden,  verkünde  ich  schon  bei 
Lebzeiten  das  haftlose  völlige  Nirwahn. 

Die  Huldigung  durch  König  Pasenadi  30 

Einst  weilte  der  Erhabene  im  Jetahaine  bei  Sä- 
vatthi  im  Kloster  des  Anäthapindiko.  Damals  nun 
aber  war  gerade  der  Kösalerkönig  Pasenadi  aus  einer 
Schlacht  siegreich  heimgekehrt,  nachdem  er  seinen 
Zweck  erreicht  hatte.  Und  der  Kösalerkönig  Pase- 
nadi begab  sich  zum  Kloster.  Nachdem  er  mit  dem 
Wagen,  soweit  der  Fahrweg  reichte,  gefahren  war, 
stieg  er  vom  Wagen  und  trat  zu  Fuße  im  Kloster- 
hofe ein. 

Bei  jener  Gelegenheit  wandelten  gerade  zahlreiche 
Mönche  im  Freien  auf  und  ab.  Zu  jenen  Mönchen  trat 
der  König  hin  und  sprach:  „Wo,  ihr  Ehrwürdigen, 
weilt  wohl  eben  der  Erhabene,  Heilige,  Vollkommen 
Erleuchtete?  Ich  möchte,  ihr  Ehrwürdigen,  jenen 
Erhabenen,  Heiligen,  Vollkommen  Erleuchteten  auf- 
suchen." „Diese  Zelle  mit  der  verschlossenen  Türe  ist 
es,  0  König.  Dort  begib  dich  leise  hin  und  tritt  ohne 
Überhastung  auf  die  Terrasse.  Darauf  räuspere  dich 
und  klopfe  an  die  Türe.  Der  Erhabene  wird  dir  dann 
die  Türe  öffnen." 

Und  der  Kösalerkönig  Pasenadi  begab  sich  leise 

—    309    — 


X30        SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

zu  jener  verschlossenen  Zelle  und  trat  ohne  Über- 
hastung auf  die  Terrasse.  Darauf  räusperte  er  sich 
und  klopfte  an  der  Türe  an.  Und  der  Erhabene  öffnete 
die  Türe.  Darauf  trat  der  König  in  die  Zelle  ein,  und, 
sich  mit  seinem  Haupte  bis  zu  des  Erhabenen  Füßen 
verbeugend,  überhäufte  er  mit  Küssen  die  Füße  des 
Erhabenen  und  umschlang  sie  mit  seinen  Armen,  in- 
dem er  seinen  Namen  wissen  ließ:  ,,Pasenadi  bin  ich, 
0  Ehrwürdiger,  der  Kosalerkönig.  Pasenadi  bin  ich, 
0  Ehrwürdiger,  der  Kosalerkönig." 

,,Aus  welchem  Grunde  aber,  o  König,  erweisest 
du  diesem  Körper  solch  höchste  Ehrfurcht  und  liebe- 
volle Hingabe?" 

,,Aus  Dankbarkeit  und  Erkenntlichkeit,  o  Ehr- 
würdiger, erweise  ich  dem  Erhabenen  solche  höchste 
Ehrfurcht  und  liebevolle  Hingabe.  Denn  der  Er- 
habene, 0  Ehrwürdiger,  wandelt  vielen  Menschen  zum 
Heile,  vielen  Menschen  zum  Wohle;  und  viele  hat  er 
auf  dem  edlen  Richtwege  gefestigt,  im  edlen  und  ver- 
dienstvollen Gesetze.  Aus  diesem  Grunde  erweise  ich 
dem  Erhabenen  solche  höchste  Ehrfurcht  und  liebe- 
volle Hingabe. 

,, Fernerhin,  o  Ehrwürdiger,  ist  der  Erhabene 
sittenrein,  hat  ehrwürdige,  edle,  gute  Sitten,  ist  mit 
guten  Sitten  ausgestattet.  Auch  aus  diesem  Grunde 
erweise  ich  dem  Erhabenen  solche  höchste  Ehrfurcht 
und  liebevolle  Hingabe. 

,, Fernerhin,  o  Ehrwürdiger,  bewohnt  der  Erhabene 
seit  langer  Zeit  als  Waldeinsiedler  im  Walde  wald- 
einsame, abgelegene  Behausungen.  Auch  aus  diesem 
Grunde  erweise  ich  dem  Erhabenen  solche  höchste 
Ehrfurcht  und  liebevolle  Hingabe. 

—     310    — 


ZEHNERBUCH  X  30 


„Fernerhin,  o  Ehrwürdiger,  ist  der  Erhabene  zu- 
frieden mit  dem,  was  er  auch  immer  erhält  an  Ge- 
wand, Almosenspeise,  Lagerstätten,  sowie  an  den 
nötigen  Heilmitteln  und  Arzneien.  Auch  aus  diesem 
Grunde  erweise  ich  dem  Erhabenen  solche  höchste 
Ehrfurcht  und  liebevolle  Hingabe. 

,, Fernerhin,  o  Ehrwürdiger,  ist  der  Erhabene 
würdig  der  Opfer,  würdig  der  Gastfreundschaft,  würdig 
der  Gaben,  würdig  des  ehrfurchtsvollen  Handgrußes, 
ist  in  der  Welt  der  beste  Boden  für  verdienstvolle 
Werke.  Auch  aus  diesem  Grunde  erweise  ich  dem 
Erhabenen  solche  höchste  Ehrfurcht  und  liebevolle 
Hingabe. 

,, Fernerhin,  o  Ehrwürdiger:  was  da  diese  läutern- 
den, für  die  geistige  Entfaltung  so  heilsamen  Beleh- 
rungen betrifft,  als  wie  Belehrungen  über  Bedürfnis- 
losigkeit, Zufriedenheit,  Einsamkeit,  Abgeschiedenheit, 
Willenskraft,  Sittlichkeit,  Sammlung,  Einsicht,  Er- 
lösung und  den  Erkenntnisblick  der  Erlösung,  alle 
solche  Belehrungen  werden  dem  Erhabenen  nach 
Wunsch,  ohne  Mühe  und  Anstrengung,  zuteil.  Auch 
aus  diesem  Grunde  erweise  ich  dem  Erhabenen  solche 
höchste  Ehrfurcht  und  liebevolle  Hingabe. 

,, Fernerhin,  o  Ehrwürdiger,  wird  der  Erhabene 
der  vier  Vertiefungen,  der  geisterhebenden,  zeitlich 
beglückenden,  nach  Wunsch,  ohne  Mühe  und  An- 
strengung, teilhaftig.  Auch  aus  diesem  Grunde  er- 
weise ich  dem  Erhabenen  solche  höchste  Ehrfurcht  und 
liebevolle  Hingabe. 

,,  Fernerhin,  o  Ehrwürdiger,  erinnert  sich  der  Er- 
habene an  mannigfache  frühere  Daseinsformen.    Auch 


—    311     — 


X30        SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

aus  diesem  Grunde  erweise  ich  dem  Erhabenen  solche 
höchste  Ehrfurcht  und  liebevolle  Hingabe. 

„Fernerhin,  o  Ehrwürdiger,  erkennt  der  Erhabene 
mit  dem  Himmlischen  Auge,  dem  geklärten,  über- 
menschlichen, wie  die  Wesen  abscheiden  und  wieder- 
erscheinen, niedrige  und  edle,  schöne  und  häßliche, 
glückliche  und  unglückliche,  erkennt  wie  die  Wesen 
ihren  Taten  entsprechend  wiedererscheinen.  Auch 
aus  diesem  Grunde  erweise  ich  dem  Erhabenen  solche 
höchste  Ehrfurcht  und  liebevolle  Hingabe. 

,,  Fernerhin,  o  Ehrwürdiger,  hat  der  Erhabene, 
durch  Versiegung  der  Leidenschaften,  schon  bei  Leb- 
zeiten die  leidenschaftslose  Gemütserlösung  und  Wis- 
senserlösung selber  erkannt,  verwirklicht  und  sich  zu 
eigen  gemacht.  Auch  aus  diesem  Grunde  erweise  ich 
dem  Erhabenen  solche  höchste  Ehrfurcht  und  liebe- 
volle Hingabe. 

,,Ich  muß  nun  gehen,  o  Ehrwürdiger.  Viele  Ge- 
schäfte und  Angelegenheiten  habe  ich  noch  zu  er- 
ledigen." 

,,Wie  es  dir  beliebt,  o  König." 

Und  Pasenadi  der  Kosalerkönig  erhob  sich  von 
seinem  Sitze,  begrüßte  ehrfurchtsvoll  den  Erhabenen 
und,  ihm  die  Rechte  zukehrend,  entfernte  er  sich. 


—     312 


ZEHNERBUCH  X  31 


VIERTER    TEIL: 

Das  Kapitel  des  Upali 

Der  Zweck  der  Ordenssatzung  (pätimokkha)  ^^ 

Der  ehrwürdige  Upäli  sprach  zum  Erhabenen: 

„Aus  wievielen  Gründen,  o  Ehrwürdiger,  hat  wohl 
der  Erhabene  seinen  Jüngern  die  Übungsregeln 
(sikkhä-padä)  vorgeschrieben  und  die  Ordenssatzung 
vorgetragen?" 

,,Aus  zehn  Gründen,  Upäli,  hat  der  Erhabene 
seinen  Jüngern  die  Übungsregeln  vorgeschrieben  und 
die  Ordenssatzung  vorgetragen:  aus  welchen  zehn? 
Zu  der  Jüngerschaft  Segen,  zu  der  Jüngerschaft  Wohl- 
befinden, zur  Unterdrückung  der  unbändigen  Menschen, 
zu  der  guten  Mönche  Wohlbefinden,  zu  der  gegen- 
wärtigen Leidenschaften  Zügelung,  der  künftigen  Leiden- 
schaften, Abwendung  um  in  den  Vertrauenslosen  das 
Vertrauen  zu  wecken,  die  Vertrauensvollen  zu  stärken, 
zu  des  Guten  Gesetzes  langer  Dauer  und  zur  Förderung 
der  Disziplin." 

,, Wieviele  Hinderungsgründe  zum  Vortrage  der 
Ordenssatzung  gibt  es,  o  Ehrwürdiger? 

,,Zehn  Hinderungsgründe  zum  Vortrage  der  Ordens- 
satzung gibt  es,  Upäli:  welche  zehn?  Wenn  ein  Aus- 
zustoßender päräjika  (1)  sich  in  der  Versammlung  be- 


(1)  Ein  Mönch,  der  eine  der  vier  »mit  Ausstoßung  verbundenen 
Vergehen«  (päräjika)  begangen  hat.  Dieselben  sind:  Menschenmord, 
Diebstahl,  Geschlechtsakt  und  Vorgeben  von  höheren  Fähigkeiten. 

—     313     — 


X32       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

findet;  wenn  die  Untersuchung  wegen  eines  Auszu- 
stoßenden noch  nicht  beendet  ist;  wenn  ein  Nicht- 
geweihter  (1)  in  der  Versammlung  zugegen  ist;  wenn 
die  Untersuchung  wegen  eines  Nichtgeweihten  noch 
nicht  beendet  ist;  wenn  ein  der  Askese  abtrünnig  Ge- 
wordener (2)  in  der  Versammlung  anwesend  ist;  wenn 
die  Untersuchung  wegen  eines  der  Askese  abtrünnig 
Gewordenen  noch  nicht  beendet  ist;  wenn  ein  Ent- 
mannter sich  (3)  in  der  Versammlung  befindet;  wenn 
die  Untersuchung  wegen  eines  Entmannten  noch  nicht 
beendet  ist;  wenn  ein  Nonnenschänder  sich  in  der  Ver- 
sammlung befindet;  wenn  die  Untersuchung  wegen 
eines  Nonnenschänders  noch  nicht  beendet  ist.  Das, 
Upäli,  sind  die  zehn  Hinderungsgründe  zum  Vortrage 
der  Ordenssatzung." 

32  Des  Klosters  verweisen 

„Mit  wievielen  Eigenschaften,  o  Ehrwürdiger, 
muß  der  Mönch  ausgestattet  sein,  um  zum  Verweiser 
ernannt  zu  werden?" 

„Mit  zehn  Eigenschaften,  Upäli:  mit  welchen  zehn? 

,,Da,  Upäli,  ist  der  Mönch  sittenhaft,  beherrscht 

(1)  Einer  der  nicht  die  Ordensweihe  (upasampadä)  erhalten 
hat,  kein  Bhikkha  ist,  also  ein  Novize  (Sämanera)  oder  irgend  ein 
anderer  dem  Orden  (sangha)  nicht  Angehörender. 

(2)  D.  i.  einer,  der  bereits  aus  dem  Bhikkhu-Orden  ausge- 
schieden ist. 

(3)  Eunuchen  dürfen,  offenbar  wegen  ihres  Mangels  an  geistiger 
Entwicklung  imd  Charakterfestigkeit,  nicht  in  den  Orden  aufge- 
nommen werden.  Sind  sie  aber  dennoch  aufgenommen  worden, 
so  müssen  sie,  sobald  man  sie  als  solche  erkannt  hat,  sofort  wieder 
entlassen  werden. 

—    SU    — 


ZEHNERBUCH  X33— 34 


sich  im  Sinne  der  Ordenssatzung,  ist  vollkommen  im 
Wandel  und  Umgang,  und  sich  vor  den  geringsten  Ver- 
gehen scheuend  übt  er  sich  in  den  auf  sich  genom- 
menen Sittenregeln. 

„Er  ist  wissensreich,  ein  Träger  des  Wissens,  hat 
sich  ein  großes  Wissen  angesammelt.  Jene  Gesetze, 
die  im  Anfang  erhaben,  in  der  Mitte  erhaben  und  am 
Ende  erhaben  sind,  dem  Sinne  wie  dem  Wortlaute 
nach,  und  das  ganz  und  gar  vollkommene,  geläuterte 
Heilige  Leben  lehren,  solcher  Gesetze  hat  er  viele 
vernommen,  sich  eingeprägt,  in  Worten  behalten,  im 
Geiste  erwogen,  mit  Erkenntnis  wohl  durchdrungen. 
,,Mit  beiden  Ordenssatzungen  hat  er  sich  in  allen 
Einzelheiten  wohl  vertraut  gemacht,  sie  wohl  zer- 
gliedert, sich  klar  gelegt  und  gründlich  erforscht  den 
Sutten  wie  dem  Wortlaute  nach. 

•,,In  der  Disziplin  ist  er  fest  und  unerschütterlich. 
„Heilsames  wie  Unheilsames,  beides  weiß  er  ver- 
ständlich, anschaulich,  deutlich  und  klar  zu  machen. 
„Er  versteht  es,  einen  Streit  in  seinem  Entstehen 
zu  unterdrücken.  Er  kennt  den  Streit,  kennt  die  Ent- 
stehung des  Streites,  kennt  die  Aufhebung  des  Streites, 
kennt  den  zur  Aufhebung  des  Streites  führenden  Pfad. 
Mit  diesen  zehn  Eigenschaften,  Upäli,  muß  der  Mönch 
ausgestattet  sein,  um  zumVerweiser  ernannt  zu  werden." 

Der  rechte  Ordenslehrer  33 — 34 

„Mit  wievielen  Eigenschaften,  o  Ehrwürdiger, 
muß  der  Mönch  ausgestattet  sein,  um  die  »Weihe« 
(upasämpadä)  zu  erteilen,  »Beistand  (nissaya)  zu 
gewähren  oder  einen  »Novizen«  (sämanera)  aufzu- 
nehmen?" 

—    315    — 


X35        SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

„Mit  zehn  Eigenschaften,  Upäh:  mit  welchen 
zehn?  Da,  Upäli,  ist  der  Mönch  sittenhaft,  mit  großem 
Wissen  ausgestattet,  kennt  ausführlich  die  Ordens- 
satzung, besitzt  die  Fähigkeit  einem  Kranken  aufzu- 
warten oder  aufwarten  zu  lassen,  die  Fähigkeit  Unlust 
zu  vertreiben  oder  vertreiben  zu  lassen,  die  Fähigkeit 
aufgestiegene  Gewissensruhe  im  Sinne  des  Gesetzes  zu 
verscheuchen  oder  verscheuchen  zu  lassen,  die  Fähig- 
keit eine  aufgestiegene  Ansicht  aufgrund  des  Gesetzes 
abzutun,  die  Fähigkeit  zu  hoher  Sittlichkeit  anzu- 
regen, die  Fähigkeit  zu  hoher  Geistigkeit  anzuregen, 
die  Fähigkeit  zu  hoher  Einsicht  anzuregen.  Mit  diesen 
zehn  Eigenschaften,  Upäli,  muß  der  Mönch  ausge- 
stattet sein,  um  die  Weihe  zu  erteilen,  Beistand  zu  ge- 
währen oder  einen  Novizen  aufzunehmen." 


^5  Die  Ordensspaltung 

,,Von  »Ordensspaltung«  (sangha-bheda)  redet 
man  da,  o  Ehrwürdiger.  Inwiefern  aber,  o  Ehrwürdiger, 
gilt  der  Orden  als  gespalten?" 

,,Da,  Upäli,  legen  die  Mönche  ein  Nichtgesetz  als 
Gesetz  und  ein  Gesetz  als  Nichtgesetz  aus;  legen  eine 
falsche  Disziplin  als  rechte  Disziplin  und  eine  rechte 
Disziplin  als  falsche  Disziplin  aus;  legen  das  vom  Voll- 
endeten nicht  Gelehrte  und  Gesprochene  als  vom  Voll- 
endeten gelehrt  und  gesprochen  und  das  vom  Voll- 
endeten Gelehrte  und  Gesprochene  als  vom  Vollendeten 
nicht  gelehrt  und  gesprochen  aus;  legen  das  vom  Voll- 
endeten nicht  Ausgeübte  als  vom  Vollendeten  ausgeübt 
und  das  vom  Vollendeten  Ausgeübte  als  vom  Voll- 
'Cndeten  nicht  ausgeübt  aus;  legen  das  vom  Vollendeten 

—     316     — 


ZEHNERBUCH  X  36 


nicht  Eingesetzte  als  vom  Vollendeten  eingesetzt  aus 
und  das  vom  Vollendeten  Eingesetzte  als  vom  Voll- 
endeten nicht  eingesetzt  aus. 

,, Durch  diese  zehn  Dinge  aber  lenken  sie  ab,  leiten 
irre,  verrichten  getrennt  di.e  Ordenshandlungen  (1), 
tragen  getrennt  die  Ordenssatzung  vor.  Insofern  nun, 
Upäli,  gilt  der  Orden  als  gespalten." 


Einigkeit  im  Orden  3ft 

,,Von  Ordenseinigkeit  redet  man  da,  o  Ehrwürdiger. 
Inwiefern  aber,  o  Ehrwürdiger,  gilt  der  Orden  als 
einig?" 

„Da,  Upäli,  erklären  die  Mönche  ein  Nichtgesetz 
als  Nichtgesetz  und  ein  Gesetz  als  Gesetz;  erklären 
eine  falsche  Disziplin  als  falsche  Disziplin  und  eine 
rechte  Disziplin  als  rechte  Disziplin;  erklären  das  vom 
Vollendeten  nicht  Gelehrte  und  Gesprochene  als  vom 
Vollendeten  nicht  gelehrt  und  gesprochen  und  das  vom 
Vollendeten  Gelehrte  und  Gesprochene  als  vom  Voll- 
endeten gelehrt  und  gesprochen;  erklären  das  vom 
Vollendeten  nicht  Ausgeübte  als  vom  Vollendeten  nicht 
ausgeübt  und  das  vom  Vollendeten  Ausgeübte  als  vom 
Vollendeten  ausgeübt;  erklären  das  vom  Vollendeten 
nicht  Eingesetzte  als  vom  Vollendeten  nicht  eingesetzt 
und  das  vom  Vollendeten  Eingesetzte  als  vom  Voll- 
endeten eingesetzt. 

,, Durch  diese  zehn  Dinge  aber  lenken  sie  nicht 


(1)  Die  häufigsten  der  Ordenshandlungen  oder  Sanghakammas 
sind:  der  Weiheakt  (upasampadä-kamma),  Fasttagsakt  (upösatha- 
kamma)  und  Vergebungsakt  (abbhäna-kamma). 

—     317     — 


^38       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

ab,  leiten  nicht  irre,  verrichten  nicht  getrennt  die 
Ordenshandlungen,  tragen  nicht  getrennt  die  Ordens- 
satzung vor.    Insofern,  Upäli,  gilt  der  Orden  als  einig. 

^8  Ordensspalter  and  Ordenseiniger 

Der  ehrwürdige  Änando  sprach  zum  Erhabenen: 

,,Was,  0  Ehrwürdiger,  erwirkt  sich  einer,  der  den 
einigen  Orden  entzweit?" 

,,Eine  für  ein  Weltzeitalter  andauernde  Strafe, 
Änando." 

,, Worin  aber,  o  Ehrwürdiger,  besteht  die  für  ein 
Weltzeitalter  andauernde  Strafe?" 

„Darin,  daß  er  ein  Weltzeitalter  in  der  Hölle 
Qualen  leidet." 


„Wer  da  den  einigen  Orden  entzweiet, 
Gelangt  für  Äonen  zum  Abgrund  der  Hölle. 

„Voll   Freude  an  Zwiespalt,  im  Bösen  verweilend, 
Irrt  immer  weiter  er  ab  vom  Frieden. 

„So  er  den  einigen  Orden  entzweite, 
Trifft  ihn  äonenlang  höllische  Pein." 


,,Was  aber,  o  Ehrwürdiger,  erwirkt  sich  einer, 
•der  den  entzweiten  Orden  wieder  einigt?" 

„Göttlichen  Lohn,  Änando." 

„Worin  aber,  o  Ehrwürdiger,  besteht  der  gött- 
liche Lohn?" 

„Darin,  daß  er  ein  Weltzeitalter  im  Himmel 
frohlockt." 

—    318     — 


ZEHNERBUCH  X88 


,,     Ein  Segen  ist  Eintracht  im  Orden  der  Jünger, 
Ein  Segen  ist  der  Entzweiten  Versöhnung. 

„Voll  Freude  an  Eintracht,  im  Guten  verharrend, 
Irret  man  nimmermehr  ab  vom  Frieden. 

Wer  da  den  Orden  zur  Einigkeit  führte, 
Den  trifft  äonenlang  himmlisches  Glück." 


319     — 


X41        SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

FÜNFTER    TEIL: 

Das  Kapitel  der  Beschimpfung 

41  Die  Ursachen  des  Streites 

(1) 

Der  ehrwürdige  Upäli  sprach: 

„Was  ist  da  wohl  die  Ursache,  o  Ehrwürdiger,  was 
der  Grund,  wenn  in  der  Mönchsgemeinde  Zank,  Zwist, 
Hader  und  Streit  entstehen  und  die  Mönche  nicht  in 
Frieden  leben  können?  —  Wieviele  Ursachen  des 
Streites  gibt  es,  o  Ehrwürdiger?" 

„Zehn  Ursachen  des  Streites  gibt  es,  Upäli: 
welche  zehn? 

,,Da,  Upäli,  legen  die  Mönche  ein  Nichtgesetz  als 
Gesetz  und  ein  Gesetz  als  Nichtgesetz  aus;  legen  eine 
falsche  Disziplin  als  rechte  Disziplin  und  eine  rechte 
Disziplin  als  falsche  Disziplin  aus;  legen  das  vom 
Vollendeten  nicht  Gelehrte  und  Gesprochene  als  vom 
Vollendeten  gelehrt  und  gesprochen  und  das  vom 
Vollendeten  Gelehrte  und  Gesprochene  als  vom  Voll- 
endeten nicht  gelehrt  und  gesprochen  aus;  legen  das 
vom  Vollendeten  nicht  Ausgeübte  als  vom  Vollendeten 
ausgeübt  und  das  vom  Vollendeten  Ausgeübte  als  vom 
Vollendeten  nicht  ausgeübt  aus;  legen  das  vom  Voll- 
endeten nicht  Eingesetzte  als  vom  Vollendeten  ein- 
gesetzt aus  und  das  vom  Vollendeten  Eingesetzte  als 
vom  Vollendeten  nicht  eingesetzt  aus.  Dies,  Upäli, 
sind  die  zehn  Ursachen  des  Streites. 


—     320     — 


ZEHNERBUCH  X  43.  44 


Die  Ursachen  des  Streites  43 

(2) 

„Wieviele  Ursachen  des  Streites  gibt  es,  o  Ehr- 
würdiger?" 

„Zehn  Ursachen  des  Streites  gibt  es,  UpäH: 
welche  zehn? 

„Da,  Upäli,  erklären  die  Mönche  ein  Nichtvergehen 
für  ein  Vergehen  und  ein  Vergehen  für  ein  Nichtver- 
gehen, erklären  ein  leichtes  Vergehen  für  ein  schweres 
Vergehen  und  ein  schweres  Vergehen  für  ein  leichtes 
Vergehen,  erklären  ein  bösartiges  Vergehen  für  ein 
nicht  bösartiges  Vergehen  und  ein  nicht  bösartiges 
Vergehen  für  ein  bösartiges  Vergehen,  erklären  ein 
unvollständiges  Vergehen  für  ein  vollständiges  Ver- 
gehen und  ein  vollständiges  Vergehen  für  ein  unvoll- 
ständiges Vergehen,  erklären  ein  sühnbares  Vergehen 
für  ein  nicht  sühnbares  Vergehen  und  ein  nicht  sühn- 
bares Vergehen  für  ein  sühnbares  Vergehen.  Dies, 
Upäli,  sind  die  zehn  Ursachen  des  Streites. 

Die  Bedingungen  Jür  einen  Ermahner  44 

[Bei  Kusinärä  an  der  Opferstätte  im  Waldesdickicht] 
Der  ermahnende  Mönch,  ihr  Mönche,  der  einen 
anderen  ermahnen  will,  hat  fünf  Jahre  bei  sich  zu  er- 
wägen und  sich  an  fünf  Dinge  zu  erinnern,  bevor  er 
den  anderen  ermahnt. 

Welche  fünf  Dinge  hat  er  bei  sich  zu  erwägen? 

Der  ermahnende  Mönch,   ihr  Mönche,   der  einen 

anderen  ermahnen  will,  hat  bei  sich  also  zu  erwägen: 

»Benehme  ich  mich  wohl  lauter  in  Werken?    Bin  ich 

mit  einem  lauteren  Benehmen  in  Werken  ausgestattet, 

—    321     —  21 


X44       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

einem  unversehrten,  unantastbaren?  Besitze  ich  wohl 
diese  Eigenschaft  oder  nicht?«  Wenn  nämlich,  ihr 
Mönche,  der  Mönch  sich  nicht  lauter  benimmt  in 
Werken,  nicht  mit  einem  lauteren,  unversehrten,  un- 
antastbaren Benehmen  in  Werken  ausgestattet  ist, 
so  wn-d  man  ihm  sagen:  »Komm,  möge  der  Verehrte 
erst  in  Werken  sich  benehmen  lernen!«  Das  wird  man 
ihm  sagen. 

Fernerhin,  ihr  Mönche,  hat  der  ermahnende  Mönch, 
der  einen  anderen  ermahnen  will,  bei  sich  also  zu  er- 
wägen: »Benehme  ich  mich  wohl  lauter  in  Worten?  — 
hege  ich  wohl  eine  liebevolle,  von  Groll  freie  Gesinnung 
gegen  meine  Ordensbrüder?  —  besitze  ich  wohl  ein 
großes  Wissen?  —  kenne  ich  wohl  in  allen  Einzelheiten 
die  beiden  Ordenssatzungen?  Besitze  ich  wohl  diese 
Eigenschaft  oder  nicht?«  Wenn  nämlich,  ihr  Mönche, 
der  Mönch  nicht  in  allen  Einzelheiten  die  beiden  Ordens- 
satzungen kennt,  so  wird  man  ihm  sagen:  »Komm, 
möge  der  Verehrte  erst  die  Ordensdisziplin  lernen!« 
So  wird  man  ihm  sagen. 

Diese  fünf  Dinge  hat  er  bei  sich  zu  erwägen.  An 
welche  fünf  Dinge  aber  hat  er  sich  zu  erinnern? 

»Zur  rechten  Zeit  will  ich  reden,  nicht  zur  Unzeit, 
wahr  will  ich  reden,  nicht  unwahr;  sanft  will  ich  reden, 
nicht  roh;  zweckmäßig  will  ich  reden,  nicht  unzweck- 
mäßig; mit  liebevoller  Gesinnung  will  ich  reden,  nicht 
mit  innerer  Gehässigkeit.«  An  diese  fünf  Dinge  hat 
er  sich  zu  erinnern. 

Der  ermahnende  Mönch,  ihr  Mönche,  der  einen 
anderen  ermahnen  will,  hat  jene  fünf  Dinge  bei  sich 
zu  erwägen  und  sich  an  diese  fünf  Dinge  zu  erinnern, 
bevor  er  den  anderen  ermahnt. 

—     322     — 


ZEHNERBUCH  X  45 


Die  Nachteile  beim  Betreten  des  Itönig-  45 

lictien  Palastes 

Zehn  Nachteile,  ihr  Mönche,  bietet  das  Betreten 
des  königlichen  Palastes:  welche  zehn? 

Da,  ihr  Mönche,  sitzen  König  und  Königin  zu- 
sammen. Ein  Mönch  aber  tritt  herein,  und  bei  seinem 
Anblicke  zeigt  die  Königin  ein  Lächeln;  oder  der  Mönch 
zeigt  ein  Lächeln  beim  Anblicke  der  Königin.  Da 
kommt  dem  König  der  Gedanke:  *>Sicherlich  haben 
die  beiden  sich  vergangen  oder  wollen  sich  vergehen.« 
Das,  ihr  Mönche,  ist  der  erste  Nachteil  beim  Betreten 
des  königlichen  Palastes. 

Fernerhin,  ihr  Mönche,  da  war  der  König  gerade 
zur  Zeit  wo  er  viele  Geschäfte  und  Angelegenheiten 
zu  erledigen  hatte,  zu  einer  der  Frauen  gegangen  und 
erinnert  sich  dessen  nicht  mehr.  Jene  aber  wird  durch 
ihn  schwanger.  Da  sagt  sich  der  König:  »Niemand 
außer  dem  Mönche  kommt  doch  hier  her;  sollte  das 
nicht  etwa  das  Werk  des  Mönches  sein?«  Das,  ihr 
Mönche,  ist  der  zweite  Nachteil  beim  Betreten  des 
königlichen  Palastes. 

Fernerhin,  ihr  Mönche:  da  verschwindet  aus  dem 
königlichen  Palaste  ein  Juwel.  Da  sagt  sich  der  König: 
»Niemand  außer  äem  Mönche  kommt  doch  hier  her; 
sollte  das  nicht  etwa  das  Werk  des  Mönches  sein?« 
Das,  ihr  Mönche,  ist  der  dritte  Nachteil  beim  Betreten 
des  Palastes. 

Fernerhin,  ihr  Mönche:  die  Geheimnisse  innerhalb 
des  königlichen  Palastes  werden  der  Außenwelt  be- 
kannt. Da  sagt  sich  der  König:  »Niemand  außer  dem 
Mönche  kommt  doch  hier  her;  sollte  das  nicht  etwa 

_     323     —  21* 


X45       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

das  Werk  des  Mönches  sein?«  Das,  ihr  Mönche,  ist 
der  vierte  Nachteil  beim  Betreten  des  Palastes. 

Fernerhin,  ihr  Mönche:  da  vergreift  sich  im  könig- 
lichen Palaste  der  Vater  an  seinem  Sohne  oder  der 
Sohn  an  seinem  Vater.  Da  denken  die  anderen:  »Nie- 
mand außer  dem  Mönche  kommt  doch  hier  her;  sollte 
das  nicht  etwa  das  Werk  des  Mönches  sein?«  Das, 
ihr  Mönche,  ist  der  fünfte  Nachteil  beim  Betreten  des 
Palastes. 

Fernerhin,  ihr  Mönche:  da  setzt  der  König  einen, 
der  eine  niedere  Stellung  verdient,  in  einer  hohen 
Stellung  ein.  Die  damit  Unzufriedenen  aber  sagen 
sich:  »Freilich,  der  König  verkehrt  mit  dem  Mönche; 
sollte  das  nicht  etwa  das  Werk  des  Mönches  sein?« 
Das,  ihr  Mönche,  ist  der  sechste  Nachteil  beim  Be- 
treten des  königlichen  Palastes.  , 

Fernerhin,  ihr  Mönche:  da  setzt  der  König  einen, 
der  eine  hohe  Stellung  verdient,  in  einer  niederen 
Stellung  ein.  Die  damit  Unzufriedenen  aber  sagen  sich: 
»Freilich,  der  König  verkehrt  mit  dem  Mönche;  sollte 
das  nicht  etwa  das  Werk  des  Mönches  sein?«  Das, 
ihr  Mönche,  ist  der  siebente  Nachteil  beim  Betreten 
des  königlichen  Palastes. 

Fernerhin,  ihr  Mönche:  da  sendet  der  König  das 
Heer  zu  verkehrter  Zeit  aus.  Die  damit  Unzufriedenen 
aber  sagen  sich:  »Freilich,  der  König  verkehrt  mit 
dem  Mönche;  sollte  das  nicht  etwa  das  Werk  des 
Mönches  sein?«  Das,  ihr  Mönche,  ist  der  achte  Nach- 
teil beim  Betreten  des  königlichen  Palastes. 

Fernerhin,  ihr  Mönche:  da  läßt  der  König  das 
Heer,  das  er  zur  rechten  Zeit  ausgesandt  hat,  auf 
halbem  Wege  umkehren.      Die  damit   Unzufriedenen 

—     324     — 


ZEHNERBUCH  X  46 


aber  sagen  sich:  Freilich,  der  König  verkehrt  mit  dem 
Mönche;  sollte  das  nicht  etwa  das  Werk  des  Mönches 
sein?<.  Das,  ihr  Mönche,  ist  der  neunte  Nachteil  beim 
Betreten  des  königlichen  Palastes. 

Fernerhin,  ihr  Mönche:  im  königlichen  Palaste 
hört  man  das  Stampfen  von  Elefanten  und  Pferden 
sowie  das  Gerassel  der  Wagen,  und  man  gewahrt  ver- 
strickende Gestalten,  Stimmen,  Düfte  und  Gegen- 
stände des  Geschmackes  und  Tastsinnes,  die  dem 
Mönche  nicht  zuträglich  sind.  Das,  ihr  Mönche,  ist 
der  zehnte  Nachteil  beim  Betreten  des  königlichen 
Palastes. 

Diese  zehn  Nachteile,  ihr  Mönche,  bietet  das  Be- 
treten des  königlichen  Palastes. 

Der  achtfache  Fasttag  46 

Einst  weilte  der  Erhabene  unter  den  Sakyern  im 
Feigenhaine  bei  Kapitavatthu.  Und  zahlreiche  Sa- 
kyer  Anhänger  begaben  sich  an  jenem  Tage,  einem 
Fasttage,  zum  Erhabenen.  Dort  angelangt  begrüßten 
sie  ehrfurchtsvoll  den  Erhabenen  und  setzten  sich  zur 
Seite  nieder.  Als  sie  sich  aber  zur  Seite  niedergesetzt 
hatten,  sprach  der  Erhabene  also  zu  ihnen: 

,, Beobachtet  ihr  wohl,  o  Sakyer,  den  achtfachen 
Fasttag?" 

,, Bisweilen,    o    Ehrwürdiger,    bisweilen    nicht." 

„Schade  ist  es  um  euch,  o  Sakyer,  schlecht  trifft 
es  sich  für  euch,  daß  ihr  bei  einem  so  von  Sorge  und 
Tod  bedrohten  Leben  nur  bisweilen  den  achtfachen 
Fasttag  beobachtet  und  bisweilen  nicht. 

„Was  meint  ihr,  o  Sakyer:  wenn  da  ein  Mann 

—    325    — 


X46        SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

durch  irgend  ein  Geschäft,  ohne  eine  schuldvolle  Hand- 
lung zu  begehen,  sich  an  einem  Tage  einen  halben 
Taler  verdient,  möchte  man  den  nicht  mit  Recht  einen 
tüchtigen,  strebsamen  Menschen  nennen?" 

,, Gewiß,  0  Ehrwürdiger." 

,,Oder  wenn  da  ein  Mann  durch  irgend  ein  Ge- 
schäft, ohne  eine  schuldvolle  Handlung  zu  begehen, 
sich  an  einem  Tage  einen  Taler,  oder  zwei,  drei,  vier 
oder  fünf  Taler,  oder  zehn,  zwanzig,  dreißig,  vierzig 
oder  fünfzig  Taler  verdient,  möchte  man  den  nicht 
mit  Recht  einen  tüchtigen,  strebsamen  Menschen 
nennen?" 

,, Gewiß,  0  Ehrwürdiger." 

,,Was  meint  ihr,  o  Sakyer:  möchte  wohl  ein  Mann, 
der  Tag  für  Tag  hundert  oder  tausend  Taler  einnimmt 
und  das  jedesmal  Eingenommene  sich  zurücklegt,  bei 
einem  Lebensalter  von  hundert  Jahren,  sich  nicht  wohl 
ein  gewaltiges  Vermögen  erwerben?" 

,, Gewiß,  0  Ehrwürdiger." 

„Vermöchte  nun  aber  wohl  jener  Mann  infolge 
und  aufgrund  seiner  Schätze,  auf  seine  Schätze  sich 
stützend,  auch  nur  eine  einzige  Nacht  oder  einen  ein- 
zigen Tag,  oder  eine  halbe  Nacht  oder  einen  halben 
Tag,  im  Gefühle  vollkommenen  Glückes  zu  verweilen?" 

,,Das  wohl  nicht,  o  Ehrwürdiger." 

,,Und  warum  nicht?" 

,, Vergänglich,  o  Ehrwüriger,  sind  ja  die  Sinnen- 
dinge,  eitel,   trügerisch,   dem   Verderben   ausgesetzt." 

,,Mein  Jünger  aber,  o  Sakyer,  der  da  zehn  Jahre 
lang  strebsam,  eifrig,  selbstentschlossen  verweilend 
nach  meiner  Weisung  lebt,  vermag  selbst  hundert 
Jahre  oder  hundert  mal  hundert  Jahre  oder  hundert 

—     326     — 


ZENHERBUCH  X46 


mal  tausend  Jahre  oder  hundert  mal  hunderttausend 
Jahre  im  Gefühle  vollkommenen  Glückes  zu  verweilen. 
Und  jener  mag  sein  ein  Einmalwiederkehrender,  ein 
Niewiederkehrender  oder  einer,  der  vollkommen  in 
den  Strom  eingetreten  ist, 

,,Sei  es  um  die  zehn  Jahre,  o  Sakyer.  Mein  Jünger, 
der  da  neun,  acht,  sieben,  sechs,  fünf,  vier,  drei  oder 
zwei  Jahre  oder  ein  Jahr  lang  strebsam,  eifrig,  selbst- 
entschlossen verweilend  nach  meiner  Weisung  lebt, 
—  der  da  zehn  Monate  lang  oder  neun,  acht,  sieben, 
sechs,  fünf,  vier,  drei  oder  zwei  Monate  oder  einen 
Monat  oder  einen  halben  Monat  lang,  —  der  da  zehn 
Tage  und  Nächte  lang  oder  neun,  acht,  sieben,  sechs, 
fünf,  vier,  drei  oder  zwei  Tage  und  Nächte  oder  einen 
Tag  und  eine  Nacht  lang  strebsam,  eifrig,  selbstent- 
schlossen verweilend  nach  meiner  Weisung  lebt,  ver- 
mag selbst  hundert  Jahre  oder  hundert  mal  hundert 
Jahre  oder  hundert  mal  tausend  Jahre  oder  hundert 
mal  hunderttausend  Jahre  im  Gefühle  vollkommenen 
Glückes  zu  verweilen.  Und  jener  mag  sein  ein  Ein- 
malwiederkehrender, ein  Niewiederkehrender  oder  einer, 
der  vollkommen  in  den  Strom  eingetreten  ist. 

,, Schade  ist  es  um  euch,  o  Sakyer,  schlecht  trifft 
es  sich  für  euch,  daß  ihr  bei  einem  so  von  Sorge  und 
Tod  bedrohten  Leben  nur  bisweilen  den  achtfachen 
Fasttag  beobachtet  und  bisweilen  nicht." 

,,Von  heute  ab,  o  Ehrwürdiger,  wollen  wir  den 
achtfachen  Fasttag  innehalten."  (1) 


(1)  über  den  achtfachen  Fasttag  siehe  III,  70. 
—     327     — 


X48        SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

47  Die  Anlässe  zu  guter  und  böser  Tat 

[Im  Großen  Walde  bei  Vesäli  in  der  Halle  des  Spitzen- 
hauses] 
Mahäli  der  Licchavier  sprach  zum  Erhabenen: 

,,Was  ist  wohl,  o  Ehrwürdiger,  der  Anlaß,  was  der 
Grund  zur  Ausübung  und  Entstehung  böser  Tat?" 

,,Gier,  Mahäli,  ist  der  Anlaß,  Haß  ist  der  Anlaß, 
Verblendung  ist  der  Anlaß,  unweise  Erwägung  ist  der 
Anlaß,  falsch  gerichtete  Gesinnung  ist  der  Anlaß. 
Das  Mahäli,  ist  der  Anlaß,  das  der  Grund,  zur  Aus- 
übung und  Entstehung  böser  Tat." 

,,Was  aber,  o  Ehrwürdiger,  ist  der  Anlaß,  was  der 
Grund  zur  Ausübung  und  Entstehung  guter  Tat?" 

,,Gierlosigkeit,  Mahäli,  ist  der  Anlaß,  Haßlosig- 
keit  ist  der  Anlaß,  Unverblendung  ist  der  Anlaß,  weise 
Erwägung  ist  der  Anlaß,  recht  gerichtete  Gesinnung 
ist  der  Anlaß.  Das,  Mahäli,  ist  der  Anlaß,  das  der 
Grund  zur  Ausübung  und  Entstehung  guter  Tat. 

,, Möchten  nämlich,  Mahäli,  in  der  Welt  diese  zehn 
Dinge  nicht  anzutreffen  sein,  so  möchte  man  weder 
etwas  von  einem  ungesetzlichen,  ungeraden  Wandel 
wissen  noch  von  einem  gesetzlichen,  geraden  Wandel. 
So  nun  aber,  Mahäli,  in  der  Welt  diese  zehn  Dinge 
anzutreffen  sind,  so  kennt  man  eben  sowohl  einen 
ungesetzlichen,  ungeraden  Wandel  als  auch  einen  ge- 
setzlichen, geraden  Wandel." 

48  Die  zehn  Betrachtungen  des  Hauslosen 

Zehn  Dinge,  ihr  Mönche,  sollte  der  Hauslose  öfters 
bei  sich  erwägen:  welche  zehn? 

»In  veränderte  Verhältnisse  bin  ich  eingetreten«: 
das  sollte  der  Hauslose  öfters  bei  sich  erwägen. 

—     328     — 


ZEHNERBUCH  X  48 


»Von  anderen  hängt  mein  Lebensunterhalt  ab«: 
das  sollte  der  Hauslose  öfters  bei  sich  erwägen. 

»Ein  Anderes  Benehmen  muß  ich  zeigen«:  das 
sollte  der  Hauslose  öfters  bei  sich  erwägen. 

»Mache  ich  mir  etwa  selber  Vorwürfe  wegen  meiner 
Sittlichkeit?«:  das  sollte  der  Hauslose  öfters  bei  sich 
erwägen. 

»Machen  verständige  Ordensbrüder  mir  etwa  Vor- 
würfe wegen  meiner  Sittlichkeit?«:  das  sollte  der  Haus- 
lose öfters  bei  sich  erwägen. 

»Von  allem,  was  mir  lieb  und  teuer  ist,  muß  ich 
scheiden  und  mich  trennen«:  das  sollte  der  Hauslose 
öfters  bei  sich  erwägen. 

»Eigner  und  Erbe  meiner  Taten  bin  ich,  meinen 
Taten  entsprossen,  mit  ihnen  verknüpft,  habe  sie 
zur  Zuflucht  und  werde  die  guten  und  bösen  Taten, 
die  ich  tue,  zum  Erbe  haben«:  das  sollte  der  Hauslose 
öfters  bei  sich  erwägen. 

»Auf  welche  Weise  werde  ich  wohl  diesen  Tag  und 
diese  Nacht  verbringen?«:  das  sollte  der  Hauslose  öfters 
bei  sich  erwägen. 

»Liebe  ich  wohl  einsame  Plätze?«:  das  sollte  der 
Hauslose  öfters  bei  sich  erwägen. 

»Habe  ich  wohl  das  Ziel  des  übermenschlichen, 
völlig  edlen  Erkenntnisblickes  erreicht?  Wenn  mich 
in  meiner  letzten  Stunde  die  Ordensbrüder  darum  be- 
fragen werden,  will  ich  nicht  verlegen  sein«:  das  sollte 
der  Hauslose  öfters  bei  sich  erwägen. 

Diese  zehn  Dinge,  ihr  Mönche,  sollte  der  Haus- 
lose öfters  bei  sich  erwägen. 


—    329     — 


X50        SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

49  An  den  Körper  gebunden 

Zehn  Dinge,  ihr  Mönche,  sind  an  den  Körper 
gebunden:  welche  zehn? 

Kälte,  Hitze,  Hunger,  Durst,  Kot,  Urin,  Beherr- 
schung in  Werken,  Beherrschung  in  Worten,  Beherr- 
schung in  der  Lebensweise  und  die  wiedergeburts- 
zeugende,  zum  Dasein  führende  Tatenbildung.  Diese 
zehn  Dinge,  ihr  Mönche,  sind  an  den  Körper  gebunden. 


50  Zehn  zu  beachtende  Eigenschaften 

Einst  weilte  der  Erhabene  im  Jetahaine  bei  Sä- 
vatthi,  im  Kloster  des  Anäthapindiko.  Damals  aber 
saßen  zahlreiche  Mönche  nach  Beendigung  des  Mahles, 
am  Nachmittage  in  der  Empfangshalle  versammelt  bei- 
einander und  griffen,  in  Zank  und  Streit  geraten,  sich 
gegenseitig  in  scharfen  Worten  an.  Als  nun  der  Er- 
habene gegen  Abend  aus  seiner  Zurückgezogenheit 
herausgetreten  war,  begab  er  sich  zur  Empfangshalle 
und  setzte  sich  dort  auf  dem  bereiteten  Sitze  nieder. 
Als  der  Erhabene  sich  aber  gesetzt  hatte,  sprach  er 
also  zu  den  Mönchen: 

,,Bei  welcher  Unterhaltung,  ihr  Mönche,  sitzt  ihr 
da  wohl  zusammen?  Welche  Unterhaltung  habt  ihr 
da  abgebrochen?" 

,,Seit  Beendigung  des  Mahles,  o  Ehrwürdiger,  sitzen 
wir  den  Nachmittag  versammelt  bei  einander  und 
greifen,  in  Zank  und  Streit  geraten,  uns  gegenseitig 
in  scharfen  Worten  an." 

,,Für  euch,  ihr  Mönche,  die  ihr  aus  Vertrauen  von 
Hause  in  die  Hauslosigkeit  gezogen  seid,  ziemt  es  sich 

—     330     — 


ZEHNERBUCH  X  50 


wahrlich  nicht,  daß  ihr,  in  Zank  und  Streit  geraten, 
euch  gegenseitig  in  scharfen  Worten  angreift. 

,,Zehn  zu  beachtende  Eigenschaften  gibt  es,  ihr 
Mönche,  die  Liebe  und  Achtung  einflößen  und  zur  Ver- 
söhnlichkeit, Friedlichkeit,  Eintracht  und  Einigkeit 
führen:  welche  zehn? 

,,Da,  ihr  Mönche,  ist  der  Mönch  sittenrein,  lebt 
beherrscht  im  Sinne  der  Ordenssatzung,  ist  vollkommen 
im  Wandel  und  Umgang,  und  vor  den  geringsten  Ver- 
gehen sich  scheuend  übt  er  sich  in  den  auf  sich  ge- 
nommenen Übungsregeln.  Das  aber  ist  eine  zu  be- 
achtende Eigenschaft,  die  Liebe  und  Achtung  einflößt 
und  zur  Versöhnlichkeit,  Friedlichkeit,  Eintracht  und 
Einigkeit  führt. 

,, Fernerhin,  ihr  Mönche,  ist  der  Mönch  wissens- 
reich, ein  Träger  des  Wissens,  hat  sich  ein  großes 
Wissen  angesammelt.  Jene  Gesetze,  die  im  Anfang 
erhaben,  in  der  Mitte  erhaben,  am  Ende  erhaben  sind, 
dem  Sinne  wie  dem  Wortlaute  nach,  und  das  ganz  und 
gar  vollkommene,  geläuterte  Heilige  Leben  lehren, 
solcher  Gesetze  hat  er  viele  vernommen,  sich  einge- 
prägt, in  Worten  behalten,  im  Geiste  erwogen,  mit 
Erkenntnis  wohl  durchdrungen.  Auch  das  ist  eine  zu 
beachtende  Eigenschaft,  die  Liebe  und  Achtung  ein- 
flößt und  zur  Versöhnlichkeit,  Friedlichkeit,  Eintracht 
und  Einigkeit  führt. 

,,  Fernerhin,  ihr  Mönche,  hat  der  Mönch  edlen 
Umgang,  edle  Gefährten,  edle  Genossen.  Auch  das 
ist  eine  zu  beachtende  Eigenschaft,  die  Liebe  und 
Achtung  einflößt  und  zur  Versöhnlichkeit,  Friedlich- 
keit, Eintracht  und  Einigkeit  führt. 

,, Fernerhin,  ihr  Mönche,  ist  der  Mönch  versöhn- 


—     331     — 


X50        SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

lieh,  mit  versöhnenden  Eigenschaften  begabt,  nach- 
giebig, nimmt  mit  der  rechten  Achtung  eine  Beleh- 
rung an.  Auch  das  ist  eine  zu  beachtende  Eigenschaft, 
die  Liebe  und  Achtung  einflößt  und  zur  Versöhnlich- 
keit,   Friedlichkeit,   Eintracht   und   Einigkeit  führt. 

,, Fernerhin,  ihr  Mönche,  ist  der  Mönch  in  allen 
den  kleinen  und  großen  Pflichten  gegen  seine  Ordens- 
brüder tüchtig  und  eifrig,  versteht  sich  dabei  auf  die 
richtigen  Mittel,  zu  handeln  und  anzuordnen.  Auch 
das  ist  eine  zu  beachtende  Eigenschaft,  die  Liebe  und 
Achtung  einflößt  und  zur  Versöhnlichkeit,  Friedlich- 
keit, Eintracht  und  Einigkeit  führt. 

,, Fernerhin,  ihr  Mönche,  besitzt  der  Mönch  Liebe 
zum  Gesetze,  ist  höflich  in  der  Unterhaltung  und  emp- 
findet eine  hohe  Freude  an  dem  erhabenen  Gesetze 
und  der  erhabenen  Disziplin.  Auch  das  ist  eine  zu 
beachtende  Eigenschaft,  die  Liebe  und  Achtung  ein- 
flößt und  zur  Versöhnlichkeit,  Eintracht  und  Einig- 
keit führt. 

,, Fernerhin,  ihr  Mönche,  setzt  der  Mönch  seine 
Willenskraft  ein,  um  die  schuldvollen  Dinge  zu  über- 
winden, die  verdienstvollen  Dinge  aber  zu  erwecken, 
ist  standhaft,  von  gestählter  Kraft,  nicht  nachlässig 
im  Guten.  Auch  das  ist  eine  zu  beachtende  Eigen- 
schaft, die  Liebe  und  Achtung  einflößt  und  zur  Ver- 
söhnlichkeit, Friedlichkeit,  Eintracht  und  Einigkeit 
führt. 

„Fernerhin,  ihr  Mönche,  ist  der  Mönch  zufrieden 
mit  jederart  Gewand,  Almosenspeise,  Lagerstatt  und 
den  nötigen  Heilmitteln  und  Arzneien.  Auch  das  ist 
eine  zu  beachtende  Eigenschaft,  die  Liebe  und  Achtung 

—     332     — 


ZEHNERBUCH  X  50 


einflößt  und  zur  Versöhnlichkeit,    Friedlichi<eit,   Ein- 
tracht und  Einigkeit  führt. 

„Fernerhin,  ihr  Mönche,  ist  der  Mönch  voll  Acht- 
samkeit, mit  höchster  Achtsamkeit  und  Klugheit  aus- 
gestattet. Was  vor  langer  Zeit  sich  ereignete  und  ge- 
sprochen wurde,  dessen  entsinnt  und  erinnert  er  sich. 
Auch  das  ist  eine  zu  beachtende  Eigenschaft,  die  Liebe 
und  Achtung  einflößt  und  zur  Versöhnlichkeit,  Fried- 
lichkeit,  Eintracht  und  Einigkeit  führt. 

„Fernerhin,  ihr  Mönche,  ist  der  Mönch  weise;  er 
besitzt  Einsicht  in  das  Entstehen  und  Vergehen,  edle, 
durchdringende,  zu  völliger  Leidensvernichtung  füh- 
rende. Auch  das  ist  eine  zu  beachtende  Eigenschaft, 
die  Liebe  und  Achtung  einflößt  und  zur  Versöhnlich- 
keit,  Friedlichkeit,   Eintracht   und   Einigkeit  führt. 

,,Das,  ihr  Mönche,  sind  die  zehn  zu  beachtenden 
Eigenschaften,  die  Liebe  und  Achtung  einflößen  und 
zur  Versöhnlichkeit,  Friedlichkeit,  Eintracht  und  Einig- 
keit führen." 


—     333     — 


X51        SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 
SECHSTER    TEIL: 

Das  Kapitel  des  eigenen  Geistes 

51  Selbstprüfung 

[Im  Jetahaine  bei  Sävatthi] 

Wenn  da,  ihr  Mönche,  der  Mönch  nicht  mit  der 
Geistesbeschaffenheit  der  anderen  vertraut  ist,  so  hat 
er  danach  zu  streben,  mit  der  Beschaffenheit  des  eigenen 
Geistes  vertraut  zu  werden.  Wie  aber,  ihr  Mönche, 
ist  der  Mönch  mit  der  Beschaffenheit  des  eigenen 
Geistes  vertraut? 

Gleichwie,  ihr  Mönche,  wenn  da  ein  Weib  oder  ein 
junger,  jugendlicher,  schmuckliebender  Mann,  der  in 
einem  reinen,  klaren,  hellen  Spiegel  oder  Gefäße  voll 
Wasser  sein  Antlitz  betrachtet,  darin  Staub  oder 
Schmutz  bemerkt,  er  sich  bemüht,  diesen  Staub  und 
Schmutz  zu  entfernen,  und  wenn  er  darin  keinen  Staub 
und  Schmutz  bemerkt,  er  eben  zufrieden  und  sein 
Wunsch  erfüllt  ist:  »Wohl  mir,  rein  bin  ich!«:  ebenso 
auch,  ihr  Mönche,  ist  der  Mönch,  während  er  sich  be- 
trachtet eifrig  bestrebt  zum  Guten:  »Verweile  ich  wohl 
häufig  voller  Gier,  oder  verweile  ich  häufig  gierlos? 
Verweile  ich  häufig  in  gehässiger  Gesinnung,  oder 
verweile  ich  häufig  in  haßloser  Gesinnung?  Verweile 
ich  häufig  in  Stumpfheit  und  Mattigkeit,  oder  verweile 
häufig  frei  von  Stumpfheit  und  Mattigkeit?  Verweile 
ich  häufig  aufgeregt,  oder  verweile  ich  häufig  ohne 
Aufregung?  Verweile  ich  häufig  im  Zweifel,  oder  ver- 
weile ich  häufig  frei  von  Zweifel?    Verweile  ich  häufig 

—     334     — 


ZEHNERBUCH  X  51 


voll  Zorn,  oder  verweile  ich  häufig  ohne  Zorn?  Verweile 
ich  häufig  befleckten  Herzens,  oder  verweile  ich  häufig 
unbefleckten  Herzens?  Verweile  ich  häufig  geistig 
bedrückt,  oder  verweile  ich  häufig  geistig  unbedrückt? 
Verweile  ich  häufig  in  Trägheit,  oder  verweile  ich  häufig 
voller  Willenskraft?  Verweile  ich  häufig  ohne  Samm- 
lung, oder  verweile  ich  häufig  gesammelt?« 

Erkennt  nun,  ihr  Mönche,  der  Mönch  bei  seiner 
Betrachtung,  daß  er  häufig  voll  Gier  verwelk,  voll  ge- 
hässiger Gesinnung,  Aufgeregtheit,  Zweifel,  Zorn,  be- 
fleckten Herzens,  geistig  bedrückt,  träge  und  ohne 
Sammlung,  so  hat  eben,  ihr  Mönche,  jener  Mönch, 
um  diese  üblen,  schuldvollen  Dinge  zu  überwinden, 
äußersten  Willensentschluß,  Tatkraft,  Streben,  Aus- 
dauer, Standhaftigkeit,  Achtsamkeit  und  Geistesklar- 
heit zu  betätigen. 

Gleichwie  einer,  ihr  Mönche,  dessen  Kleider  oder 
Haare  in  Flammen  stehen,  um  diese  zu  löschen,  äußer- 
sten Willensentschluß,  Tatkraft,  Streben,  Ausdauer, 
Standhaftigkeit,  Achtsamkeit  und  Geistesklarheit  da- 
ransetzt: ebenso  auch,  ihr  Mönche,  hat  jener  Mönch, 
um  diese  üblen,  schuldvollen  Dinge  zu  überwinden, 
äußersten  Willensentschluß,  Tatkraft  Streben,  Aus- 
dauer, Standhaftigkeit,  Achtsamkeit  und  Geistesklar- 
heit zu  betätigen. 

Erkennt  aber,  ihr  Mönche,  der  Mönch  bei  seiner 
Betrachtung,  daß  er  häufig  gierlos  verweilt,  voll  haß- 
loser Gesinnung,  frei  von  Stumpfheit  und  Mattigkeit, 
ohne  Aufgeregtheit,  zweifelentronnen,  ohne  Zorn,  un- 
befleckten Herzens,  geistig  unbedrückt,  voll  Willens- 
kraft und  Sammlung,  so  hat  eben,  ihr  Mönche,  jener 
Mönch,  in  eben  jenen  verdienstvollen   Erscheinungen 


—    335 


X53        SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

gefestigt,  fernerhin  nach  Versiegung  der  Leidenschaften 
zu  streben. 


53  Rückschritt,  Stillstand  und  Fortschritt 

Nicht  einmal  den  Stillstand  im  Guten  lobe  ich, 
ihr  Mönche,  geschweige  denn  den  Rückschritt.  Nur 
den  Fortschritt  im  Guten  lobe  ich,  ihr  Mönche,  nicht 
.  den  Stillstand,  nicht  den  Rückschritt. 

Inwiefern  aber,  ihr  Mönche,  besteht  ein  Rück- 
schritt im  Guten,  kein  Stillstand,  kein  Fortschritt? 
Wie  stark,  ihr  Mönche,  da  auch  ein  Mönch  sein  mag 
in  Vertrauen,  Sittlichkeit,  Wissen,  Freigebigkeit,  Ein- 
sicht und  Schlagfertigkeit:  wenn  jene  Eigenschaften 
bei  ihm  weder  bleiben  noch  zunehmen,  so  nenne  ich 
das  eben,  ihr  Mönche,  einen  Rückschritt  im  Guten, 
keinen  Stillstand,  keinen  Fortschritt.  Insofern,  ihr 
Mönche,  besteht  ein  Rückschritt  im  Guten,  kein  Still- 
stand, kein  Fortschritt. 

Inwiefern  aber,  ihr  Mönche,  besteht  ein  Stillstand 
im  Guten,  kein  Rückschritt,  kein  Fortschritt?  Wie 
stark,  ihr  Mönche,  da  auch  ein  Mönch  sein  mag  in 
Vertrauen,  Sittlichkeit,  Wissen,  Freigebigkeit,  Ein- 
sicht und  Schlagfertigkeit:  wenn  jene  Eigenschaften 
bei  ihm  weder  abnehmen  noch  zunehmen,  so  nenne  ich 
das  eben,  ihr  Mönche,  einen  Stillstand,  im  Guten, 
keinen  Rückschritt,  keinen  Fortschritt.  Insofern  nun, 
ihr  Mönche,  besteht  ein  Stillstand  im  Guten,  kein 
Rückschritt,  kein  Fortschritt. 

Inwiefern  aber,  ihr  Mönche,  besteht  ein  Fortschritt 
im  Guten,  kein  Stillstand,  kein  Rückschritt?  Wie 
stark,  ihr  Mönche,  da  auch  ein  Mönch  sein  mag  in  Ver- 

—     336    — 


ZEHNERBUCH  X54 


trauen,  Sittlichkeit,  Wissen,  Freigebigkeit,  Einsicht 
und  Schlagfertigkeit:  wenn  jene  Eigenschaften  bei  ihm 
weder  so  bleiben  noch  abnehmen,  so  nenne  ich  das 
eben,  ihr  Mönche,  einen  Fortschritt  im  Guten,  keinen 
Stillstand,  keinen  Rückschritt.  Insofern  nun,  ihr 
Mönche,  besteht  ein  Fortschritt  im  Guten,  kein  Still- 
stand, kein  Rückschritt.  — 

Selbstbetrachtung  54 

(1) 

—  Wenn,  ihr  Mönche,  der  Mönch  bei  seiner  Selbst- 
betrachtung erkennt,  daß  er  zwar  die  innere  Gemüts- 
ruhe besitzt,  nicht  aber  das  hohe  Wissen  des  Wahr- 
heitsblickes, so  hat,  ihr  Mönche,  jener  Mönch,  in  der 
Gemütsruhe  gefestigt,  um  das  hohe  Wissen  des  Wahr- 
heitsblickes zu  kämpfen.  In  der  Folgezeit  wird  er  dann 
sowohl  innere  Gemütsruhe  besitzen  als  auch  das  hohe 
Wissen  des  Wahrheitsblickes. 

Wenn  aber,  ihr  Mönche,  der  Mönch  bei  seiner 
Selbstbetrachtung  erkennt,  daß  er  zwar  das  hohe 
Wissen  des  Erkenntnisblickes  besitzt,  nicht  aber  die 
innere  Gemmtsruhe,  so  hat  er,  ihr  Mönche,  in  dem  hohen 
Wissen  des  Wahrheitsblickes  gefestigt,  um  die  innere 
Gemütsruhe  zu  kämpfen.  In  der  Folgezeit  wird  er 
dann  sowohl  das  hohe  Wissen  des  Wahrheitsblickes 
besitzen  als  auch  die  innere  Gemütsruhe. 

Wenn  aber,  ihr  Mönche,  der  Mönch  bei  seiner 
Selbstbetrachtung  erkennt,  daß  er  weder  die  innere 
Gemütsruhe  besitzt  noch  auch  das  hohe  Wissen  des 
Wahrheitsblickes,  so  hat,  ihr  Mönche,  jener  Mönch 
äußersten   Willensentschluß,   Tatkraft,    Streben,   Aus- 

—     337     —  22 


X55       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

datier,  Standhaftigkeit,  Achtsamkeit  und  Geistesklarheit 
zu  betätigen,  um  alle  diese  verdienstvollen  Dinge  zu 
erlangen. 

Wenn  aber,  ihr  Mönche,  der  Mönch  bei  seiner 
Selbstbetrachtung  erkennt,  daß  er  sowohl  die  innere 
Gemütsruhe  besitzt  als  auch  das  hohe  Wissen  des  Wahr- 
heitsblickes, so  hat,  ihr  Mönche,  jener  Mönch,  in  eben 
jenen  verdienstvollen  Erscheinungen  gefestigt,  ferner- 
hin nach  Versiegung  der  Leidenschaften  zu  streben.  — 

Ö5  Selbstbetrachtung 

(2) 
Der  ehrwürdige  Sariputto  sprach: 

Inwiefern,  ihr  Brüder,  hat  wohl  der  Erhabene 
einen  Menschen  als  dem  Rückschritte  verfallen  be- 
zeichnet? Da,  ihr  Brüder,  bekommt  der  Mönch  ein 
noch  nicht  vernommenes  Gesetz  nicht  zu  hören;  die 
bereits  vernommenen  Gesetze  aber  entfallen  ihm;  die 
früher  im  Geiste  erwogenen  Gesetze  fallen  ihm  nicht 
mehr  ein;  das  Unverstandene  lernt  er  nicht  verstehen. 
Insofern,  ihr  Brüder,  hat  der  Erhabene  einen  Menschen 
als  dem  Rückfalle  ausgesetzt  bezeichnet. 

Inwiefern  aber,  ihr  Brüder,  hat  der  Erhabene 
einen  Menschen  als  nicht  dem  Rückschritte  verfallen 
bezeichnet?  Da,  ihr  Brüder,  bekommt  der  Mönch  ein 
noch  nicht  vernommenes  Gesetz  zu  hören;  die  bereits 
vernom.menen  Gesetze  entfallen  ihm  nicht;  die  früher 
im  Geiste  erwogenen  Gesetze  fallen  ihm  wieder  ein; 
das  Unverstandene  lernt  er  verstehen.  Insofern,  ihr 
Brüder,  hat  der  Erhabene  einen  Menschen  als  nicht 
dem  Rückfalle  ausgesetzt  bezeichnet. 

—     338     - 


ZEHNERBUCH  X  55 


Wenn  da,  ihr  Mönche,  der  Mönch  nicht  mit  der 
Geistesbeschaffenheit  der  anderen  vertraut  ist,  so  hat 
er  danach  zu  streben,  mit  der  Beschaffenheit  des  eigenen 
Geistes  vertraut  zu  werden.  Wie  aber,  ihr  Mönche, 
ist  der  Mönch  mit  der  Beschaffenheit  des  eigenen  Geistes 
vertraut? 

Gleichwie,  ihr  Mönche,  wenn  da  ein  Weib  oder 
ein  junger,  jugendlicher,  schmuckliebender  Mann,  der 
in  einem  reinen,  klaren,  hellen  Spiegel  oder  Gefäße 
voll  Wasser  sein  Antlitz  betrachtet,  darin  Staub  oder 
Schmutz  bemerkt,  er  sich  bemüht,  diesen  Staub  und 
Schmutz  zu  entfernen,  und  wenn  er  darin  keinen 
Staub  und  Schmutz  bemerkt,  er  eben  zufrieden  und 
sein  Wunsch  erfüllt  ist:  »Wohl  mir,  rein  bin  ich!«: 
ebenso  auch,  ihr  Mönche,  ist  der  Mönch,  während  er 
sich  betrachtet  eifrig  bestrebt  zum  Guten:  »Verweile 
ich  wohl  häufig  gierlos?  Findet  sich  diese  Erscheinung 
in  mir  oder  nicht?  Verweile  ich  häufig  in  haßloser 
Gesinnung?  —  frei  von  Stumpfheit  und  Mattigkeit?  — 
ohne  Aufgeregtheit?  —  zweifelentronnen?  —  ohne 
Zorn?  —  unbefleckten  Herzens?  —  Besitze  ich  innere 
Freude  am  Gesetze?  —  die  innere  Gemütsruhe?  — 
das  hohe  Wissen  des  Wahrheitsblickes?  Findet  sich 
diese  Erscheinung  in  mir  oder  nicht?« 

Wenn  nun,  ihr  Brüder,  der  Mönch  bei  seiner  Selbst- 
betrachtung alle  diese  verdienstvollen  Erscheinungen 
nicht  in  sich  bemerkt,  so  hat,  ihr  Brüder,  jener  Mönch 
äußersten  Willensentschluß,  Tatkraft,  Streben,  Aus- 
dauer, Standhaftigkeit,  Achtsamkeit  und  Geistesklar- 
heit zu  betätigen,  um  alle  diese  verdienstvollen  Dinge 
zu  erlangen. 

Gleichwie  einer,  ihr  Brüder,  dessen  Kleider  oder 

—    339     —  22* 


X55       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Haare  in  Flammen  stehen,  um  diese  zu  löschen,  äußer- 
sten Willensentschluß,  Tatkraft,  Streben,  Ausdauer, 
Standhaftigkeit,  Achtsamkeit  und  Geistesklarheit  be- 
tätigt: ebenso  auch,  ihr  Brüder,  hat  der  Mönch  äußersten 
Willensentschluß,  Tatkraft,  Streben,  Ausdauer,  Stand- 
haftigkeit, Achtsamkeit  und  Geistesklarheit  zu  be- 
tätigen, um  alle  diese  verdienstvollen  Dinge  zu  er- 
langen. 

Wenn  aber,  ihr  Brüder,  der  Mönch  bei  seiner 
Selbstbetrachtung  einige  der  verdienstvollen  Erschei- 
nungen in  sich  bemerkt,  einige  nicht,  so  hat,  ihr  Brüder, 
jener  Mönch,  um  eben  jene  verdienstvollen  Erschei- 
nungen, die  er  nicht  in  sich  bemerkt,  zu  erlangen,  in 
jenen  verdienstvollen  Erscheinungen,  die  er  in  sich 
bemerkt,  gefestigt,  äußersten  Willensentschluß,  Tat- 
kraft, Streben,  Ausdauer,  Standhaftigkeit,  Achtsam- 
keit und  Geistesklarheit  zu  betätigen. 

Gleichwie  einer,  ihr  Brüder,  dessen  Kleider  oder 
Haare  in  Flammen  stehen,  um  diese  zu  löschen,  äußer- 
sten Willensentschluß,  Tatkraft,  Streben,  Ausdauer, 
Standhaftigkeit,  Achtsamkeit  und  Geistesklarheit  be- 
tätigt: ebenso  auch,  ihr  Brüder,  hat  jener  Mönch,  um 
eben  jene  verdienstvollen  Erscheinungen,  die  er  nicht 
in  sich  bemerkt,  zu  erlangen,  in  jenen  verdienstvollen 
Erscheinungen,  die  er  in  sich  bemerkt,  gefestigt, 
äußersten  Willensentschluß,  Tatkraft,  Streben,  Aus- 
dauer, Standhaftigkeit,  Achtsamkeit  und  Geistesklar- 
heit zu  betätigen. 

Wenn  aber,  ihr  Brüder,  der  Mönch  bei  seiner 
Selbstbetrachtung  alle  diese  verdienstvollen  Erschei- 
nungen in  sich  bemerkt,  so  hat,  ihr  Brüder,  jener  Mönch 

—     340     — 


ZEHNERBUCH  X  56 


fernerhin    nach    Versiegung    der    Leidenschaften    zu 
streben. 

Zehn  segensreiche  Betrachtungen  56 

Zehn  Betrachtungen,  ihr  Mönche,  entfaltet  und 
häufig  geübt,  bringen  hohen  Lohn  und  Segen  und 
haben  das  Todlose  Reich  zum  Stützpunkte  und  Ziele: 
welche  zehn? 

Die  Betrachtungen  des  Widerlichen,  die  Betrach- 
tung des  Todes,  die  Betrachtung  des  Ekels  der  Nahrung, 
die  Betrachtung  der  Reizlosigkeit  des  ganzen  Daseins, 
die  Betrachtung  der  Vergänglichkeit,  die  Betrachtung 
des  Leidens  bei  der  Vergänglichkeit,  die  Betrachtung 
der  Wesenlosigkeit  beim  Leiden,  die  Betrachtung  der 
Überwindung,  die  Betrachtung  der  Abwendung,  die 
Betrachtung  der  Erlöschung.  (1) 

—  Die  Betrachtung  der  Vergänglichkeit,  die  Be- 
trachtung der  Wesenlosigkeit,  die  Betrachtung  des 
Todes,  die  Betrachtung  des  Ekels  der  Nahrung,  die 
Betrachtung  der  Reizlosigkeit  des  ganzen  Daseins,  die 
Betrachtung  über  die  Knochen  einer  Leiche,  die  Be- 
trachtung über  eine  von  Würmern  zernagte  Leiche, 
die  Betrachtung  über  eine  blauschwarz  gewordene 
Leiche,  die  Betrachtung  über  eine  aufgedunsene  Leiche. 

Diese  zehn  Betrachtungen,  ihr  Mönche,  entfaltet 
und  häufig  geübt,  bringen  hohen  Lohn  und  Segen 
und  haben  das  Todlose  Reich  zum  Stützpunkte  und 
Ziele. 

Ueber  das  Wesen  aller  Dinge  58 

Sollten,  ihr  Mönche,  andersgläubige  Pilger  fragen, 
worin    wohl    die    sämtlichen    Erscheinungen    wurzeln, 

(1)  Für  Erklärung  dieser  Betrachtungen  s.  X,  60. 
—     341     — 


X59       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

wodurch  sie  erzeugt  werden,  woraus  sie  entstehen,  was 
sie  zusammenhält,  worin  sie  gipfeln,  wodurch  sie  be- 
herrscht werden,  was  ihr  Höchstes  ist,  ihr  Kern,  ihre 
Zuflucht  und  ihr  Endziel,  so  habt  ihr  ihnen  auf  diese 
Fragen  also  zu  erwidern:  »Im  Willen  (1)  ihr  Brüder, 
wurzeln  alle  Erscheinungen,  durch  Aufmerksamkeit 
werden  sie  erzeugt,  aus  dem  Sinneneindrucke  ent- 
stehen sie,  das  Gefühl  hält  sie  zusammen,  in  der  Samm- 
lung wurzeln  sie,  durch  die  Achtsamkeit  werden  sie 
beherrscht,  die  Einsicht  ist  ihr  Höchstes,  die  Befrei- 
ung ihr  Kern,  das  Todlose  ist  ihre  Zuflucht  und  ihr 
Endziel  das  Nirwahn.« 

59  Wonach  der  Mönch  streben  soll 

Also,  ihr  Mönche,  habt  ihr  zu  streben:  »Im  Sinne 
unserer  Weltentsagung  soll  unser  Geist  entfaltet  sein! 
Nicht  sollen  aufgestiegene  üble,  schuldvolle  Erschei- 
nungen unsern  Geist  gefestigt  halten!  Von  der  Vor- 
stellung der  Vergänglichkeit  soll  unser  Geist  erfüllt 
sein!  Von  der  Vorstellung  der  Unreinheit  soll  unser 
Geist  erfüllt  sein!  Von  der  Vorstellung  des  Elendes 
soll  unser  Geist  erfüllt  sein!  Der  Welt  Geradheit  und 
Ungeradheit  erkennend,  soll  unser  Geist  von  jener 
Vorstellung  erfüllt  sein!  Der  Welt  Zunahme  und  Ab- 
nahme erkennend,  soll  unser  Geist  von  jener  Vorstel- 
lung erfüllt  sein!  Der  Welt  Entstehung  und  Unter- 
gang erkennend,  soll  unser  Geist  von  jener  Vorstellung 
erfüllt  sein!     Von  der  Vorstellung  der   Überwindung 

(1)  chando  (Wille)  —  ein  an  sich  ethisch  indifferenter  Begriff 
—  bedeutet,  nach  der  Erklärung  des  Kommentars,  hier  soviel  wie 
Absicht  (ajjhasäya-chanda)  imd  Wunsch  zu  handeln  (katukamyatä- 
chanda). 

—     342     — 


ZEHNERBUCH  X  60 


soll  unser  Geist  erfüllt  sein!  Von  der  Vorstellung  der 
Abwendung  soll  unser  Geist  erfüllt  sein!  Von  der 
Vorstellung  der  Aufhebung  soll  unser  Geist  erfüllt 
sein!<<    Danach,  ihr  Mönche,  habt  ihr  zu  streben. 

Hat  nun,  ihr  Mönche,  der  Mönch  seinen  Geist  im 
Sinne  seiner  Weltentsagung  entfaltet,  und  halten  die 
aufgestiegenen  üblen  schuldvollen  Erscheinungen  seinen 
Geist  nicht  mehr  gefesselt,  ist  sein  Geist  erfüllt  von 
der  Vorstellung  der  Vergänglichkeit,  der  Unreinheit, 
des  Elendes,  der  Welt  Geradheit  und  Ungeradheit, 
Zunahme  und  Abnahme,  Entstehung  und  Untergang, 
von  der  Vorstellung  der  Überwindung,  Abwendung 
und  Aufhebung,  so  mag  er  eine  von  beiden  Früchten 
erwarten:  noch  bei  Lebzeiten  das  höchste  Wissen  oder, 
falls  noch  ein  Daseinsrest  übrig  bleibt:  Niewiederkehr. 

Die  Heilung  des  Girimänando  60 

Einst  weilte  der  Erhabene  im  Jetahaine  bei  Sä- 
vatthi,  im  Kloster  des  Anäthapindiko.  Damals  aber 
war  der  ehrwürdige  Girimänando  krank,  leidend,  von 
schwerer  Krankheit  befallen.  Und  der  ehrwürdige 
Änando  begab  sich  zum  Erhabenen.  Dort  angelangt 
begrüßte  er  ehrfurchtsvoll  den  Erhabenen  und  setzte 
sich  zur  Seite,  indem  er  sprach: 

,,Der  verehrte  Girimänando,  o  Ehrwürdiger,  ist 
krank,  leidend,  von  schwerer  Krankheit  befallen.  Gut 
wäre  es,  wollte  sich  der  Ehrwürdige  aus  Mitleid  zu 
ihm  begeben!" 

,,Wenn  du,  Änando,  zum  Mönche  Girimänando 
gehen  und  ihm  die  zehn  Betrachtungen  weisen  willst, 
so  mag  es  sein,  daß  nach  dem  Anhören  derselben  die 

—     343     — 


X60       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Krankheit  des  Mönches  Girimänando  sich  auf  der 
Steile  legt:  welche  zehn  Betrachtungen?  Die  Betrach- 
tung der  Vergänglichkeit,  die  Betrachtung  der  Wesen- 
losigkeit,  die  Betrachtung  der  Widerlichkeit,  die  Be- 
trachtung des  Elends,  die  Betrachtung  der  Überwin- 
dung, die  Betrachtung  der  Abwendung,  die  Betrach- 
tung der  Erlöschung,  die  Betrachtung  der  Reizlosig- 
keit des  ganzen  Daseins,  die  Betrachtung  aller  Daseins- 
bildungen, die  Achtsamkeit  bei  Ein-  und  Ausatmung. 

,,Was  aber,  Änando,  ist  die  Betrachtung  der 
Vergänglichkeit?  Da,  Änando,  begibt  sich  der  Mönch 
in  den  Wald,  an  den  Fuß  eines  Baumes  oder  in  eine 
leere  Behausung  und  erwägt  bei  sich  also:  />Vergänglich 
ist  die  Form,  vergänglich  ist  das  Gefühl,  vergänglich 
ist  die  Wahrnehmung,  vergänglich  sind  die  Geistes- 
bildungen, vergänglich  ist  das  Bewußtsein«.  So  ver- 
weilt er  bei  den  fünf  mit  Anhaften  verbundenen  Daseins- 
aggregaten in  der  Betrachtung  ihrer  Vergänglichkeit. 
Das  Änando,  nennt  man  die  Betrachtung  der  Ver- 
gänglichkeit. 

,,Was  aber,  Änando,  ist  die  Betrachtung  der 
Wesenlosigkeit?  Da,  Änando,  begibt  sich  der  Mönch 
in  den  Wald,  an  den  Fuß  eines  Baumes  oder  in  eine 
leere  Behausung  und  erwägt  bei  sich  also:  »Wesenlos 
sind  Auge  und  Formen,  wesenlos  Gehör  und  Töne, 
wesenlos  Geruch  und  Düfte,  wesenlos  Geschmack  und 
Säfte,  wesenlos  Körper  und  Tastungen,  wesenlos  Geist 
und  Erscheinungen«.  So  weilt  er  bei  diesen  subjek- 
tiv-objektiven Gebieten  in  der  Betrachtung  ihrer  Wesen- 
losigkeit. Das,  Änando,  nennt  man  die  Betrachtung 
der  Wesenlosigkeit. 

„Was    aber,    Änando,    ist    die    Betrachtung    der 

—     344     — 


ZEHNERBUCH  X  60 


Widerlichkeit?  Da,  Änando,  betrachtet  der  Mönch 
eben  diesen  hautumgrenzten,  mit  mancherlei  Unrat 
angefüllten  Körper,  von  der  Fußsohle  aufwärts  und 
vom  Haarscheitel  abwärts:  »Dieser  Körper  hat  Kopf- 
haare, Körperhaare,  Nägel,  Zähne,  Haut,  Fleisch, 
Sehnen,  Knochen,  Knochenmark,  Niere,  Herz,  Leber, 
Zwerchfell,  Milz,  Lunge,  Gedärme,  Gekröse,  Magen, 
Kot,  Galle,  Schleim,  Eiter,  Blut,  Schweiß,  Fett,  Tränen, 
Serum,  Speichel,  Rotz,  Gelenköl  und  Urin«.  So  weilt 
er  bei  diesem  Körper  in  der  Betrachtung  seiner  Wider- 
lichkeit. Das,  Änando,  nennt  man  die  Betrachtung  der 
Widerlichkeit. 

,,Was  aber,  Änando,  ist  die  Betrachtung  des 
Elends?  Da,  Änando,  begibt  sich  der  Mönch  in  den 
Wald,  an  den  Fuß  eines  Baumes  oder  in  eine  leere  Be- 
hausung und  erwägt  bei  sich  also:  »Wahrlich,  voller 
Leiden  ist  dieser  Körper,  voller  Elend.  So  entstehen 
da  in  diesem  Körper  mannigfache  Leiden,  als  wie  Er- 
krankungen von  Auge,  Ohr,  Nase,  Zunge,  Körper, 
Kopf,  Ohrmuschel,  Mund  und  Zähnen,  Husten,  Eng- 
brüstigkeit, Schnupfen,  Entzündung,  Fieber,  Leib- 
weh, Ohnmacht,  Durchfall,  Gliederreißen,  Ruhr,  Aus- 
satz, Beulen,  Ausschlag,  Schwindsucht,  Fallsucht, 
Scharbock,  Krätze,  Grind,  Jucken,  Räude,  Erkran- 
kung des  Blutes  und  der  Galle,  Zuckerkrankheit,  Läh- 
mung, Finne,  Fistel,  durch  Galle,  Schleim  und  Gase 
oder  deren  Zusammenwirkung  hervorgerufene  Krank- 
heiten, durch  Temperaturwechsel,  unregelmäßige 
Lebensweise  und  Unfall  bedingte  Krankheiten,  durch 
frühere  Taten  verschuldete  Krankheiten,  sowie  Kälte, 
Hitze,  Hunger,  Durst,  Kot  und  Urin.    So  weilt  er  bei 

—     345     — 


X60        SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

diesem  Körper  in  der  Betrachtung  des  Elends.  Das, 
Änando,   nennt  man   die   Betraciitung  des   Elends. 

„Was  aber,  Änando,  ist  die  Betrachtung  der 
Überwindung?  Da,  Änando,  läßt  der  Mönch  einen  auf- 
gestiegenen sinnlichen  Gedanken  nicht  Fuß  fassen, 
überwindet,  vertreibt  und  vernichtet  ihn,  bringt  ihn 
zum  Schwinden;  er  läßt  einen  aufgestiegenen  Gedanken 
des  Grolles  —  einen  aufgestiegenen  Gedanken  der 
Grausamkeit  —  die  immer  wieder  aufsteigenden  üblen, 
schuldvollen  Erscheinungen  nicht  Fuß  fassen,  über- 
windet, vertreibt  und  vernichtet  sie,  bringt  sie  zum 
Schwinden.  Das,  Änando,  nennt  man  die  Betrachtung 
der  Überwindung. 

,,Was  aber,  Änando,  ist  die  Betrachtung  der  Ab- 
wendung? Da,  Änando,  begibt  sich  der  Mönch  in  den 
Wald,  an  den  Fuß  eines  Baumes  oder  in  eine  leere 
Behausung  und  erwägt  bei  sich  also:  »Das  ist  der 
Friede,  das  ist  das  Erhabene,  nämlich  der  Stillstand 
aller  Daseinsbildungen,  die  Loslösung  von  allen  Sub- 
straten, die  Gierversiegung,  die  Abwendung,  das 
Nirwahn!«  Das,  Änando,  nennt  man  die  Betrachtung 
der  Abwendung. 

,,Was  aber,  Änando,  ist  die  Betrachtung  der  Er- 
löschung? Da,  Änando,  begibt  sich  der  Mönch  in  den 
Wald,  an  den  Fuß  eines  Baumes  oder  in  eine  leere  Be- 
hausung und  erwägt  bei  sich  also:  »Das  ist  der  Friede, 
das  ist  das  Erhabene,  nämlich  der  Stillstand  aller  Da- 
seinsbilüungen,  die  Loslösung  von  allen  Substraten, 
die  Gierversiegung,  die  Erlöschung,  das  Nirwahn.« 
Das,  Änando,  nennt  man  die  Betrachtung  der  Er- 
löschung, 

,,Was  aber,  Änando,  ist  die  Betrachtung  der  Reiz- 

—     346     — 


X60  ZEHNERBUCH 


losigkeit  des  ganzen  Daseins?  Da,  Änando,  überwindet 
der  Mönch  dieses  krampfhafte  Hängen  an  der  Welt, 
dieses  Festhalten  und  diese  Triebe  und  Neigungen  des 
Geistes,  kehrt  sich  ab  davon,  ohne  daran  zu  haften. 
Das,  Änando,  nennt  man  die  Betrachtung  der  Reiz- 
losigkeit des  ganzen  Daseins. 

„Was  aber,  Änando,  ist  die  Betrachtung  der  Ver- 
gänglichkeit aller  Daseinsbildungen?  Da,  Änando, 
empfindet  der  Mönch  Entsetzen,  Ekel  und  Abscheu 
vor  allen  Daseinsbildungen.  Das,  Änando,  nennt  man 
die  Betrachtung  der  Vergänglichkeit  aller  Daseins- 
bildungen. 

,,Was  aber,  Änando,  ist  die  Achtsamkeit  bei  Ein- 
und  Ausatmung?  Da,  Änando,  begibt  sich  der  Mönch 
in  den  Wald,  an  den  Fuß  eines  Baumes  oder  in  eine 
leere  Behausung.  Mit  gekreuzten  Beinen  setzt  er  sich 
nieder,  den  Körper  gerade  aufgerichtet,  und  heftet 
seine  Achtsamkeit  vor  sich.  Achtsam  atmet  er  ein, 
achtsam  atmet. er  aus.  Atmet  er  lang  ein,  so  weiß  er: 
»Ich  atme  lang  ein«,  atmet  er  lang  aus,  so  weiß  er: 
»Ich  atme  lang  aus«.  Atmet  er  kurz  ein,  so  weiß  er: 
»Ich  atme  kurz  ein«;  atmet  er  kurz  aus,  so  weiß  er: 
»Ich  atme  kurz  aus«.  »Den  ganzen  Körper  klar  emp- 
findend, will  ich  einatmen«:  so  iabt  er  sich;  »Den  ganzen 
Körper  klar  empfindend,  will  ich  ausatmen«:  so  übt 
er  sich.  »Die  Körperbildung  beruhigend  will  ich  ein- 
atmen«: so  übt  er  sich;  »Die  ganze  Körperbildung  be- 
ruhigend will  ich  ausatmen«:  so  übt  er  sich.  Die»  Ver- 
zückung klar  empfindend  will  ich  einatmen«:  so  übt 
er  sich;  »Die  Verzückung  klar  empfindend  will  ich  aus- 
atmen«: so  übt  er  sich.  »Die  Freude  klar  empfindend 
will  ich  einatmen«:  so  übt  er  sich;  »Die  Freude  klar 

—     347     — 


X60       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

empfindend  will  ich  ausatmen«:  so  übt  er  sich.  »Die 
Geistesbildung  klar  empfindend  will  ich  einatmen«:  so 
übt  er  sich;  »Die  Geistesbildung  klar  empfindend  will 
ich  ausatmen«:  so  übt  er  sich.  »Den  Geist  klar  emp- 
findend will  ich  einatmen«:  so  übt  er  sich;  »Den  Geist 
klar  empfindend  will  ich  ausatmen«:  so  übt  er  sich. 
»Den  Geist  erheiternd,  will  ich  einatmen«:  so  übt  er 
sich;  »Den  Geist  erheiternd  will  ich  ausatmen«:  so  übt 
er  sich.  »Den  Geist  sammelnd  will  ich  einatmen«; 
so  übt  er  sich;  »Den  Geist  sammelnd  will  ich  ausatmen«: 
so  übt  er  sich.  »Den  Geist  befreiend  will  ich  einatmen«: 
so  übt  er  sich;  »Den  Geist  befreiend,  will  ich  ausatmen«: 
so  übt  er  sich.  »Die  Vergänglichkeit  betrachtend  will 
ich  einatmen«:  so  übt  er  sich;  »Die  Vergänglichkeit 
betrachtend  will  ich  ausatmen«:  so  übt  er  sich.  »Die 
Abwendung  betrachtend  will  ich  einatmen«:  so  übt 
er  sich;  »Die  Abwendung  betrachtend  will  ich  aus- 
atmen«: so  übt  er  sich.  »Die  Erlöschung  betrachtend 
will  ich  einatmen«:  so  übt  er  sich;  »Die  Erlöschung 
betrachtend  will  ich  ausatmen«:  so  übt  er  sich.  »Die 
Loslösung  betrachtend  will  ich  einatmen«:  so  übt  er 
sich.  »Die  Loslösung  betrachtend  will  ich  ausatmen«: 
so  übt  er  sich.  Das,  Änando,  nennt  man  die  Achtsam- 
keit bei  Ein-  und  Ausatmung  (1). 

,,Wenn  du,   Änando,   zum   Mönche   Girimänando 
gehen  und  ihm  diese  zehn  Betrachtungen  weisen  willst, 

(1)  Die  obigen  sechszehn  Atembetrachtungen  bringen  die 
vier  »Grundlagen  der  Achtsamkeit«  (sati-patthäna)  zur  Vollendung 
u.  zw.  1 — 4  die  Betrachtung  des  Körpers,  5 — 8  die  Betrachtung  der 
Gefühle,  9 — 12  die  Betrachtung  des  Gesetzes,  13 — 16  die  Betrach- 
tung der  Erscheinungen  (Gesetze).  Siehe  Sammlung  der  Mittleren 
Sutten,  No.  118. 

—     348     — 


ZEHNERBUCH  X  60 


SO  mag  es  sein,  daß  nach  dem  Anhören  derselben  die 
Krankheit  des  Mönches  Girimänando  sich  auf  der 
Stelle  legt." 

Nachdem  nun  der  ehrwürdige  Änando  vom  Er- 
habenen diese  zehn  Betrachtungen  erfahren  hatte,  be- 
gab er  sich  zum  ehrwürdigen  Girimänando  und  wies 
ihm  diese  zehn  Betrachtungen. 

Sobald  aber  der  ehrwürdige  Girimänando  diese 
zehn  Betrachtungen  vernommen  hatte,  legt  sich  seine 
Krankheit  auf  der  Stelle.  Der  ehrwürdige  Girimänando 
erhob  sich  von  seinem  Krankenlager,  und  seine  Krank- 
heit war  somit  überkommen. 


—    349     - 


X62        SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 
SIEBENTER    TEIL: 

Das  Kapitel  der  Paare 

öl  Die  bedingte  Entstehung 

Nicht  läßt  sich,  ihr  Mönche,  ein  erster  Anfang  der 
Unwissenheit  (avijjä)  erkennen.  Denn  es  ist  nicht 
etwa,  ihr  Mönche,  als  ob  die  Unwissenheit  vordem 
nicht  dagewesen  und  erst  später  entstanden  wäre. 
Wohl  aber  läßt  sich  erkennen,  daß  die  Unwissenheit 
bedingt  ist.  Auch  die  Unwissenheit,  sage  ich,  hat  eine 
Grundlage,  ist  nicht  ohne  Grundlage.  Und  was  ist 
die  Grundlage  der  Unwissenheit?  »Die  fünf  Hem- 
mungen« hätte  man  da  zu  erklären  (1). 


62 


Nicht  läßt  sich,  ihr  Mönche,  ein  erster  Anfang  des 
Daseinsdurstes  (bhava-tanhä)  erkennen.  Denn  es 
ist  nicht  etwa,  als  ob  der  Daseinsdurst  vordem  nicht 
dagewesen  und  erst  später  entstanden  wäre.  Wohl 
aber  läßt  sich  erkennen,  daß  der  Daseinsdurst  bedingt 
ist.  Auch  der  Daseinsdurst,  sage  ich,  hat  eine  Grund- 
lage, ist  nicht  ohne  Grundlage.  Und  was  ist  die  Grund- 
lage des  Daseinsdurstes?  »Die  Unwissenheit«  hätte 
man  da  zu  erklären. 

Aber  auch  die  Unwissenheit,  sage  ich,  hat  eine 
Grundlage,  ist  nicht  ohne  Grundlage.  Und  was  ist 
die  Grundlage  der  Unwissenheit?  »Die  fünf  Herh- 
mungen«  hätte  man  da  zu  erklären. 

Aber  auch  die  fünf  Hemmungen,  sage  ich,  haben 

(1)  Vgl.  meine  Anm.  zu  III,  61  ed.  1914. 
—     350     — 


ZEHNERBUCH  X  62 


eine  Grundlage,  sind  nicht  ohne  Grundlage.  Und  was 
ist  die  Grundlage  der  fünf  Hemmungen?  »Der  drei- 
fach  böse  Wandel«  hätte  man  da  zu  erklären. 

Aber  auch  der  dreifach  böse  Wandel,  sage  ich, 
hat  eine  Grundlage,  ist  nicht  ohne  Grundlage.  Und 
was  ist  die  Grundlage  des  dreifach  bösen  Wandels? 
»Zügellosigkeit  der  Sinne«  hätte  man  da  zu  erklären. 

Aber  auch  die  Zi^igellosigkeit  der  Sinne,  sage  ich, 
hat  eine  Grundlage,  ist  nicht  ohne  Grundlage.  Und 
was  ist  die  Grundlage  der  Zügellosigkeit  der  Sinne? 
»Unachtsamkeit  und  geistige  Unklarheit«  hätte  man 
da  zu  erklären. 

Aber  auch  die  Unachtsamkeit  und  geistige  Un- 
klarheit, sage  ich,  hat  eine  Grundlage,  ist  nicht  ohne 
Grundlage.  Und  was  ist  die  Grundlage  der  Unacht- 
sam.keit  und  geistigen  Unklarheit?  »Unweise  Er- 
wägung« hätte  man  da  zu  erklären. 

Aber  auch  die  unweise  Erwägung,  sage  ich,  hat 
eine  Grundlage,  ist  nicht  ohne  Grundlage.  Und  was 
ist  die  Grundlage  der  unweisen  Erwägung?  »Ver- 
trauenslosigkeit«  hätte  man  da  zu  erklären. 

Aber  auch  die  Vertrauenslosigkeit,  sage  ich,  hat 
eine  Grundlage,  ist  nicht  ohne  Grundlage.  Und  was 
ist  die  Grundlage  der  Vertrauenslosigkeit?  »Das  Hören 
des  bösen  Gesetzes«  hätte  man  da  zu  erklären. 

Aber  auch  das  Hören  des  bösen  Gesetzes,  sage  ich, 
hat  eine  Grundlage,  ist  nicht  ohne  Grundlage.  Und  was 
ist  die  Grundlage  des  Hörens  des  bösen  Gesetzes? 
»Der  Umgang  mit  schlechten  Menschen«  hätte  man 
da  zu  erklären. 

Der  Umgang  mit  schlechten  Menschen  also,  ihr 
Mönche,    einmal    zustande    gekommen,    bewirkt    das 

—     351     — 


X62       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Hören  des  bösen  Gesetzes.  Das  Hören  des  bösen 
Gesetzes,  einmal  zustande  gekommen,  bewirkt  Ver- 
trauenslosigkeit.  Vertrauenslosigkeit,  einmal  zu  stände 
gekommen,  bewirkt  unweise  Erwägung.  Unweise 
Erwägung,  einmal  zustande  gekommen,  bewirkt  Un- 
achtsamkeit und  geistige  Unklarheit.  Unachtsamkeit 
und  geistige  Unklarheit,  eimnal  zustande  gekommen, 
bewirkt  Zügellosigkeit  der  Sinne.  Zügellosigkeit  der 
Sinne,  einmal  zustande  gekommen,  bewirkt  den  drei- 
fach bösen  Wandel.  Der  dreifach  böse  Wandel,  ein- 
mal zustande  gekommen,  bewirkt  die  fünf  Hemmungen. 
Die  fünf  Hemmungen,  einmal  zustande  gekommen, 
bewirken  den  paseinsdurst.  Das  also  ist  die  Grund- 
lage dieses  Daseinsdurstes,  und  so  kommt  er  zu- 
stande. 

Gleichwie,  ihr  Mönche,  wenn  sich  oben  im  Ge- 
birge eine  dickgeballte  Regenwolke  entladet  und  der 
Regen  herniederströmt,  das  Wasser  beim  Hinabfließen 
die  Bergspalten  und  Klüfte  füllt,  die  gefüllten  Berg- 
spalten und  Klüfte  aber  die  kleinen  Teiche  füllen,  die 
gefüllten  kleinen  Teiche  die  großen  Teiche  füllen,  die 
gefüllten  großen  Teiche  die  Flüsse  füllen,  die  vollen 
Flüsse  die  Ströme  füllen,  die  vollen  Ströme  aber  das 
Weltmeer  füllen,  und  auf  diese  Weise  das  Weltmeer 
gespeist  wird  und  sich  füllt:  ebenso  auch,  ihr  Mönche, 
bewirkt  der  Umgang  mit  schlechten  Menschen,  ein- 
mal zustande  gekommen,  das  Hören  des  bösen  Ge- 
setzes. Das  Hören  des  bösen  Gesetzes,  einmal  zu- 
stande gekommen,  bewirkt  Vertrauenslosigkeit.  Ver- 
trauenslosigkeit, einmal  zustande  gekommen,  bewirkt 
unweise  Erwägung.  Unweise  Erwägung,  einmal  zu- 
stande gekommen,  bewirkt  Unachtsamkeit  und  geistige 

_    352    — 


ZEHNERBUCH  X  62 


Unklarheit.  Unachtsamkeit  und  geistige  Unklarheit, 
einmal  zustande  gekommen,  bewirkt  Zügellosigkeit 
der  Sinne.  Zügellosigkeit  der  Sinne,  einmal  zustande 
gekommen,  bewirkt  den  dreifach  bösen  Wandel.  Der 
dreifach  böse  Wandel,  einmal  zustande  gekommen, 
bewirkt  die  fünf  Hemmungen.  Die  fünf  Hemmungen, 
einmal  zustande  gekommen,  bewirken  den  Daseins- 
durst. Das  also  ist  die  Grundlage  dieses  Daseins- 
durstes, und  so  kommt  er  zustande. 

Auch  die  Wissenserlösung,  sage  ich,  ihr  Mönche, 
hat  eine  Grundlage,  ist  nicht  ohne  Grundlage.  Und  was 
ist  die  Grundlage  der  Wissenserlösung?  »Die  sieben 
Glieder  der  Erleuchtung«  (bojjhangä)  hätte  man 
da  zu  erklären. 

Aber  auch  die  sieben  Glieder  der  Erleuchtung, 
sage  ich,  haben  eine  Grundlage,  sind  nicht  ohne  Grund- 
lage. Und  was  ist  die  Grundlage  der  sieben  Glieder 
der  Erleuchtung.  »Die  vier  Grundlagen  der  Acht- 
samkeit« (sati-patthänä)  hätte  man  da  zu    erklären. 

Aber  auch  die  vier  Grundlagen  der  Achtsamkeit, 
sage  ich,  haben  eine  Grundlage,  sind  nicht  ohne  Grund- 
lage. Und  was  ist  die  Grundlage  der  vier  Grundlagen 
der  Achtsamkeit?  »Der  dreifach  gute  Wandel«  hätte 
man  da  zu  erklären. 

Aber  auch  der  dreifach  gute  Wandel,  sage  ich, 
hat  eine  Grundlage,  ist  nicht  ohne  Grundlage.  Und 
was  ist  die  Grundlage  des  dreifach  guten  Wandels? 
»Die  Sinnenzügelung«  hätte  man  da  zu  erklären. 

Aber  auch  die  Sinnenzügelung,  sage  ich,  hat  eine 
Grundlage,  ist  nicht  ohne  Grundlage.  Und  was  ist 
die    Grundlage    der    Sinnenzügelung?      »Achtsamkeit 

—     353     —  23 


X62       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

und  Geistesklarheit«  (sati-sampajafina)  hätte  man  da 
zu  erklären. 

Aber  auch  die  Achtsamkeit  und  Geistesklar- 
heit, sage  ich,  hat  eine  Grundlage,  ist  nicht  ohne 
Grundlage.  Und  was  ist  die  Grundlage  der  Achtsam- 
keit und  Geistesklarheit?  »Weise  Erwägung«  hätte 
man  da  zu  erklären. 

Aber  auch  die  weise  Erwägung,  sage  ich,  hat 
eine  Grundlage,  ist  nicht  ohne  Grundlage.  Und  was 
ist  die  Grundlage  der  weisen  Erwägung?  »Das  Ver- 
trauen« hätte  man  da  zu  erklären. 

Aber  auch  das  Vertrauen,  sage  ich,  hat  eine  Grund- 
lage, ist  nicht  ohne  Grundlage.  Und  was  ist  die  Grund- 
lage des  Vertrauens?  »Das  Hören  des  guten  Gesetzes« 
hätte  man  da  zu  erklären. 

Aber  auch  das  Hören  des  guten  Gesetzes  hat  eine 
Grundlage,  ist  nicht  ohne  Grundlage.  Und  was  ist 
die  Grundlage  des  Hörens  des  guten  Gesetzes?  »Der 
Umgang  mit  edlen  Menschen«  hätte  man  da  zu  er- 
klären. 

Der  Umgang  mit  edlen  Menschen  also,  ihr  Mönche, 
einmal  zustande  gekommen,  bewirkt  das  Hören  des 
guten  Gesetzes.  Das  Hören  des  guten  Gesetzes,  ein- 
mal zustande  gekommen,  bewirkt  Vertrauen.  Das 
Vertrauen,  einmal  zustande  gekommen,  bewirkt  weise 
Erwägung.  Die  weise  Erwägung,  einmal  zustande 
gekommen,  bewirkt  Achtsamkeit  und  Geistesklarheit. 
Die  Achtsamkeit  und  Geistesklarheit,  einmal  zu- 
stande gekommen,  bewirkt  die  Sinnenzügelung.  Die 
Sinnenzügelung,  einmal  zustande  gekommen,  bewirkt 
den  dreifach  guten  Wandel.  Der  dreifach  gute  Wandel, 
einmal  zustande  gekommen,  bewirkt  die  vier  Grund- 

—     354     — 


.j^ 


ZEHNERBUCH  X  62 


Jagen  der  Achtsamkeit.  Die  vier  Grundlagen  der 
Achtsamkeit,  einmal  zustande  gekommen,  bewirken 
die  sieben  Glieder  der  Erleuchtung.  Die  sieben  Glieder 
der  Erleuchtung,  einmal  zustande  gekommen,  bewirken 
die  Wissenserlösung.  Das  also  ist  die  Grundlage  dieser 
Wissenserlösung,   und   so   kommt   sie   zustande. 

Gleichwie,  ihr  Mönche,  wenn  sich  oben  im  Gebirge 
eine  dickgeballte  Regenwolke  entladet  und  der  Regen 
herniederströmt,  das ,  Wasser  beim  Hinabfließen  die 
Bergspalten  und  Klüfte  füllt,  die  gefüllten  Bergspalten 
und  Klüfte  aber  die  kleinen  Teiche  füllen,  die  gefüllten 
kleinen  Teiche  die  großen  Teiche  füllen,  die  gefüllten 
großen  Teiche  die  Flüsse  füllen,  die  vollen  Flüsse  die 
Ströme  füllen,  die  vollen  Ströme  aber  das  Weltmeer 
füllen,  und  auf  diese  Weise  das  Weltmeer  gespeist 
wird  und  sich  füllt:  ebenso  auch,  ihr  Mönche,  bewirkt 
der  Umgang  mit  edlen  Menschen,  einmal  zustande 
gekommen,  das  Hören  des  guten  Gesetzes.  Das 
Hören  des  guten  Gesetzes,  einmal  zustande  ge- 
kommen, bewirkt  Vertrauen.  Das  Vertrauen,  einmal 
zustande  gekommen,  bewirkt  weise  Erwägung.  Die 
weise  Erwägung,  einmal  zustande  gekommen,  bewirkt 
Achtsamkeit  und  Geistesklarheit.  Die  Achtsamkeit 
und  Geistesklarheit,  einmal  zustande  gekommen,  be- 
wirkt die  Sinnenzügelung.  Die  Sinnenzügelung,  ein- 
mal zustande  gekommen,  bewirkt  den  dreifach  guten 
Wandel.  Der  dreifach  gute  Wandel,  einmal  zustande 
gekommen,  bewirkt  die  vier  Grundlagen  der  Acht- 
samkeit. Die  vier  Grundlagen  der  Achtsamkeit,  ein- 
mal zustande  gekommen,  bewirken  die  sieben  Glieder 
der  Erleuchtung.  Die  sieben  Glieder  der  Erleuchtung, 
einmal   zustande   gekommen,    bewirken   die   Wissens- 


—    355     —  23^ 


X63       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

erlösung.     Das  also  ist  die  Grundlage  dieser  Wissens- 
erlösung, und  so  kommt  sie  zustande. 

63  Die  der  Vollendung  Entgegengehenden 

Diejenigen,  ihr  Mönche,  die  in  mir  Gewißheit  er- 
langt haben,  alle  diese  sind  von  Erkenntnis  erfüllt.  — 
Diejenigen,  ihr  Mönche,  die  zu  mir  von  unerschütter- 
lichem Vertrauen  erfüllt  sind,  alle  diese  sind  in  den 
Strom  eingetreten.  Und  fünf  von  diesen  in  den  Strom 
Eingetretenen,  ihr  Mönche,  erreichen  hier  die  Voll- 
endung, fünf  aber  erreichen,  abgeschieden  von  hier,. 
die  Vollendung. 

Welche  fünf  aber  erreichen  hier  die  Vollendung? 
Der  höchstens  siebenmal  Wiederkehrende,  der  von  Ge- 
schlecht zu  Geschlecht  Eilende,  der  Einmalaufkeimende, 
der  Einmalwiederkehrende  und  der  noch  bei  Lebzeiten 
die  Heiligkeit  Erreichende:  diese  fünf  erreichen  hier 
die  Vollendung. 

Welche  fünf  aber  erreichen,  abgeschieden  von 
hier,  die  Vollendung?  Der  auf  halbem  Wege  Ent- 
wähnende, der  nach  halbem  Wege  Entwähnende,  der 
Mühelos  Entwähnende,  der  Mühsam  Entwähnende 
und  der  zu  den  Hehren  Göttern  Stromaufwärtseilende: 
Diese  fünf  erreichen,  abgeschieden  von  hier,  die  Voll- 
endung. (1) 

Diejenigen,    ihr   Mönche,    die   zu    mir   von    uner- 

(1)  Die  zuerst  genannten  vier  Jünger  erreichen  die  Vollendung 
hier  in  dieser  sinnlichen  Sphäre  (käma-loka),  u.  zw.  in  einer  späteren 
Wiedergeburt,  die  letzteren  fünf  jedoch  in  einer  von  den  der  form- 
haften Sphäre  (rüpa-loka)  angehörenden  »Daseinsstätten  der  Reinen* 
(suddhäväsa).     Über  diese  neun  Jünger  s.  IX,  12. 

—    356     - 


ZEHNERBUCH  X  65 


schütterlichem  Vertrauen  erfüllt  sind,  alle  diese  sind 
in  den  Strom  eingetreten.  Und  fünf  von  diesen  in 
den  Strom  Eingetretenen,  ihr  Mönche,  erreichen  hier 
die  Vollendung,  fünf  aber  erreichen,  abgeschieden  von 
hier,  die  Vollendung. 

Wiedergeborenwerden  und  Nichtwiedergeborenwerden    65 

(Bei  Nälakagämaka  im  Mägadherlande] 

Der    Pilger    Sämandakäni    sprach    zum    ehrwürdigen 

Säriputto: 

,,Was,  Bruder  Säriputto,  ist  wohl  Glück,  was 
Elend?" 

,, Wiedergeborenwerden,  o  Bruder,  ist  ein  Elend, 
Nichtwiedergeborenwerden  ist  ein  Glück. 

,,Beim  Wiedergeborenwerden,  o  Bruder,  hat  man 
solches  Elend  zu  erwarten,  wie  Kälte,  Hitze,  Hunger, 
Durst,  Kot,  Urin,  Gefährdung  durch  Feuer,  Stock 
und  Schwert;  oder  Verwandte  und  Freunde  tun  sich 
zusammen  und  fügen  einem  ein  Leid  zu.  Beim  Wieder- 
geborenwerden hat  man  solches  Elend  zu   erwarten. 

,,Beim  Nichtwiedergeborenwerden,  o  Bruder,  hat 
man  das  Glück  zu  erwarten,  daß  es  keine  Kälte  gibt, 
keine  Hitze,  keinen  Hunger  und  Durst,  keinen  Kot 
und  Urin,  keine  Gefährdung  durch  Feuer,  Stock  und 
Schwert,  und  nicht  tun  sich  Freund  und  Verwandte 
zusammen,  um  einem  ein  Leid  zuzufügen.  Beim  Nicht- 
wiedergeborenwerden, 0  Bruder,  hat  man  solches 
Olück  zu  erwarten." 


357 


X67       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

66  Gefallen  und  Mißfallen  am  Gesetze 

Der  Pilger  Sämandakäni  sprach  zum  ehrwürdigen 
Säriputto: 

„Was,  Bruder  Säriputto,  ist  wohl  hinsichtlich 
dieses  Gesetzes  und  dieser  Disziplin  Glück,  was  Elend?" 

,, Abneigung  gegen  dieses  Gesetz  und  diese  Dis- 
ziplin, 0  Bruder,  ist  ein  Elend,  Neigung  dazu  ein  Glück. 

,,Bei  Abneigung,  o  Bruder,  hat  man  folgendes 
Elend  zu  erwarten:  ob  man  geht  oder  steht,  sitzt  oder 
liegt,  ob  man  sich  im  Dorfe  befindet  oder  im  Walde, 
am  Fuße  eines  Baumes,  an  einsamer  Stätte,  unter 
freiem  Himmel  oder  unter  den  Mönchen,  man  findet 
eben  kein  Glück  und  keine  Freude.  Bei  Abneigung, 
0  Bruder,  hat  man  solches  Elend  zu  erwarten. 

,, Findet  man  aber  Gefallen  daran,  o  Bruder,  so 
hat  man  folgendes  Glück  zu  erwarten:  ob  man  geht 
oder  steht,  sitzt  oder  liegt,  ob  man  sich  im  Dorfe  be- 
findet oder  im  Walde,  am  Fuße  eines  Baumes,  an  ein- 
samer Stätte,  unter  freiem  Himmel  oder  unter  Mön- 
chen, man  empfindet  eben  Glück  und  Freude.  Findet 
man  Gefallen  daran,  o  Bruder,  so  hat  man  solches 
Glück  zu  erwarten." 

67  Fortschritt  und  Rückschritt 

(1) 
Einst  gelangte  der  Erhabene  auf  seiner  Wanderung 
durchs  Kosalerland,  von  einer  großen  Schar  Mönche 
begleitet,  vor  der  Kosalerstadt  Näjakapäna  an.  Dort 
verblieb  er  im  Paläsawalde  bei  Näjakapäna.  Zu  jener 
"  Stunde  aber,  an  einem  Vollmondtage,  saß  der  Er- 
habene inmitten  der  Mönchsgemeinde.     Nachdem  er 

—    358    — 


ZEHNERBUCH  X  67 


nun  den  größten  Teil  der  Nacht  die  Mönclie  in  Worten 
über  das  Gesetz  unterwiesen,  ermahnt,  ermutigt  und 
ermuntert  hatte,  ließ  er  seine  Blicke  gleiten  über  die 
stille,  schweigsame  Mönchschar  und  sprach  darauf 
zum  ehrwürdigen  Säriputto:  „Frei  von  Stumpfheit 
und  Mattigkeit,  Säriputto,  ist  die  Mönchsgemeinde. 
Möge  dir  daher,  Säriputto,  ein  Gespräch  über  das 
Gesetz  einfallen!  Mein  Rücken  schmerzt  mich  (1), 
ich  will  mich  ausstrecken."  „Gut,  Ehrwürdiger!" 
erwiderte  der  ehrwürdige  Säriputto  dem  Erhabenen. 
Und  der  Erhabene  breitete  das  vierfach  zusammen- 
gelegte Obergewand  aus  und  ruhte  wie  ein  Löwe  auf 
der  rechten  Seite,  ein  Bein  über  dem  anderen,  nachdem 
er  achtsam  und  klaren  Geistes  der  Zeit  des  Aufstehens 
gedacht  hatte. 

Da  nun  wandte  sich  der  ehrwürdige  Säriputto  an 
die  Mönche:  „Liebe  Mönche!"  sprach  er.  „Bruder," 
erwiderten  ihm  jene  Mönche.  Und  der  ehrwürdige 
Säriputto  sprach: 

,,Wem  es,  ihr  Brüder,  hinsichtlich  des  Guten  an 
Vertrauen,  Schamgefühl,  Gewissen,  Willenskraft  und 
Einsicht  fehlt,  der  hat  —  sei  es  bei  Tage  oder  bei  Nacht 

—  eben  einen  Rückschritt  im  Guten  zu  erwarten, 
keinen  Fortschritt. 

Gleichwie,  ihr  Brüder,  zur  dunklen  Monatshälfte 

—  sei  es  bei  Tage  oder  bei  Nacht  —  der  Mond  beständig 
abnimmt  an  Glanz,  an  Gestalt,  an  Höhe  und  Umfang: 
ebenso  auch,  ihr  Brüder:  wem  es  hinsichtlich  des  Guten 
an    Vertrauen,    Schamgefühl,    Gewissen,    Willenskraft 

(1)  Der  Kommentar  sagt,  daß  der  Erhabene  infolge  seiner 
der  Erreichimg  der  Buddhaschaft  vorausgegangenen  sechsjährigen 
Kasteiungen  in  seinem  Alter  an  Rheumatismus  zu  leiden  hatte. 

—     359     — 


X68        SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

und  Einsicht  fehlt,  der  hat  —  sei  es  bei  Tage  oder  bei 
Nacht  —  eben  einen  Rückschritt  im  Guten  zu  er- 
warten, keinen  Fortschritt.  Daß  ein  Mensch  ver- 
trauenslos ist,  ihr  Brüder,  ist  ein  Rückschritt.  Daß  ein 
Mensch  schamlos  ist  —  gewissenlos  —  träge  —  ohne 
Einsicht  —  voll  Zorn  —  voll  Wut  —  voll  übler  Wünsche 
■ —  daß  er  bösen  Umgang  pflegt,  —  falsche  Erkenntnis 
besitzt;  das,  ihr  Brüder,  ist  ein  Rückschritt. 

,,Wer  aber,  ihr  Brüder,  hinsichtlich  des  Guten 
Vertrauen  Scham,  Gewissen,  Willenskraft  und  Ein- 
sicht besitzt,  der  hat  —  sei  es  bei  Tage  oder  bei  Nacht 
—  eben  einen  Fortschritt  im  Guten  zu  erwarten, 
keinen  Rückschritt. 

Gleichwie,  ihr  Brüder,  zur  hellen  Monatshälfte  — 
sei  es  bei  Tage  oder  bei  Nacht  —  der  Mond  beständig 
zunimmt  an  Glanz,  an  Gestalt,  an  Höhe  und  Umfang: 
ebenso  auch,  ihr  Brüder:  wer  hinsichtlich  des  Guten 
Vertrauen,  Scham,  Gewissen,  Willenskraft,  und  Ein- 
sicht besitzt,  der  hat  —  sei  es  bei  Tage  oder  bei  Nacht 
■ —  eben  einen  Fortschritt  im  Guten  zu  erwarten, 
keinen  Rückschritt.  Daß  ein  Mensch  Vertrauen  be- 
sitzt: das,  ihr  Brüder,  ist  ein  Fortschritt.  Daß  ein 
Mensch  Schamgefühl  besitzt,  —  Gewissen,  —  Willens- 
kraft —  Einsicht  —  daß  er  ohne  Zorn  ist,  —  ohne 
Wut,  —  ohne  üble  Wünsche,  —  daß  er  edlen  Umgang 
pflegt,  —  rechte  Erkenntnis  besitzt:  das,  ihr  Brüder, 
ist  ein  Fortschritt." 

68  Fortschritt  und  Rückschritt 

(2) 
Der  ehrwürdige  Sariputto  sprach: 

,,Wem  es,  ihr  Brüder,  hinsichtlich  des  Guten  an 

—     360     — 


ZEHNERBUCH  X  69 


Vertrauen,  Schamgefühl,  Gewissen  und  Willenskraft 
fehlt,  wer  kein  Gehör  leiht,  sich  die  Gesetze  nicht  merkt, 
den  Sinn  nicht  erforscht,  nicht  im  Sinne  des  Gesetzes 
lebt  und  kein  Streben  besitzt,  der  hat  —  sei  es  bei 
Tage  oder  bei  Nacht  —  eben  einen  Rückschritt  im 
Guten  zu  erwarten,  keinen   Fortschritt. 

,,Wer,  ihr  Brüder  von  den  verdienstvollen  Eigen- 
schaften Vertrauen,  Schamgefühl,  Gewissen  und  Wil- 
lenskraft besitzt,  Gehör  leiht,  sich  die  Gesetze  merkt, 
den  Sinn  erforscht,  im  Sinne  des  Gesetzes  lebt  und 
Streben  besitzt,  der  hat  —  sei  es  bei  Tage  oder  bei 
Nacht  —  einen  Fortschritt  im  Guten  zu  erwarten, 
J<einen  Rückschritt." 

Die  Gegenstände  des  Gespräches  69 

Einst  weilte  der  Erhabene  im  Jetahaine  bei  Sä-  ^ 
vatthi,  im  Kloster  des  Anäthapindiko.  Damals  aber 
saßen  zahlreiche  Mönche  nach  Beendigung  des  Mahles, 
am  Nachmittage,  in  der  Empfangshalle  versammelt 
beieinander  und  führten  allerhand  niedrige  Gespräche, 
als  wie  da  sind:  Gespräche  über  Fürsten  und  Räuber, 
Minister  und  Heere,  Schrecken  und  Krieg,  Essen  und 
Trinken,  Kleider  und  Betten,  Blumen  und  Düfte,  über 
Verwandte,  über  Wagen,  über  Dorf  und  Markt,  Städte 
und  Länder,  Weiber  und  Weine,  Straßen  und  Plätze, 
über  die  Altvot-dern  und  über  Unterschiede,  Klügeleien 
über  Welt  und  Meer,  Gespräche  über  Gewinn  und 
Verlust. 

Nachdem  nun  der  Erhabene  gegen  Abend  aus 
seiner  Zurückgezogenheit  herausgetreten  war,  begab 
er  sich  zur  Empfangshalle  und  setzte  sich  auf  dem  be- 

—     361     — 


X69        SAMMLUNG  DER  ANGLIENDERUGEN 

reiteten  Sitze  nieder,  indem  er  zu  den  Mönchen  sprach: 
„Bei  welcher  Unterhaltung,  ihr  Mönche,  sitzt  ihr 
da  wohl  zusammen?     Welche  Unterhaltung  habt  ihr 
da  abgebrochen?" 

,,Seit  Beendigung  des  Mahles,  o  Ehrwürdiger, 
sitzen  wir  den  Nachmittag  versammelt  beieinander  und 
führen  allerhand  niedrige  Gespräche,  als  wie  da  sind 
Gespräche  über  Fürsten  und  Räuber,  Minister  und 
Heere,  Schrecken  und  Krieg,  Essen  und  Trinken,. 
Kleider  und  Betten,  Blumen  und  Düfte  über  Ver- 
wandte, über  Wagen,  über  Dorf  und  Markt,  Städte 
und  Länder,  Weiber  und  Weine,  Straßen  und  Plätze,, 
über  die  Altvordern  und  über  Unterschiede,  Klügeleien 
über  Welt  und  Meer,  Gespräche  über  Gewinn  und 
Verlust. 

,,Für  euch,  ihr  Mönche,  die  ihr  aus  Vertrauen 
von  Hause  fort  in  die  Hauslosigkeit  gezogen  seid,. 
ziemt  es  sich  wahrlich  nicht,  daß  ihr  allerhand  nied- 
rige Gespräche  führt  (1).  Zehn  Gegenstände  des  Ge- 
spräches gibt  es,  ihr  Mönche:  welche  zehn?  Gespräche 
über  Bescheidenheit,  Genügsamkeit,  Abgeschiedenheit, 
Erlösung  und  den  Erkenntnisblick  der  Erlösung. 
Das,  ihr  Mönche,  sind  die  zehn  Gegenstände  des  Ge- 
spräches. Wolltet  ihr  euch,  ihr  Mönche,  bei  euren 
Gesprächen  stets  an  diese  zehn  Gegenstände  halten, 
so  möchtet  ihr  selbst  das  Licht  von  Sonne  und  Mond, 
der  so  hochmächtigen,  hochgewaltigen,  überstrahlen, 
gar  nicht  zu  reden  von  jenen  andersgläubigen  Pilgern." 


(1)  Die  Erklärung  des  Kommentars  geht  dahin,  daß  man  wohl 
hl  zweckmäßiger  Weise  über  alle  diese  Dinge  reden  möge,  nicht  aber 
aus  weltlichem  Interesse. 

—     362     — 


ZEHNERBUCH  X70 


Gegenstände  des  Lobes  70 

Zehn  Gegenstände  des  Lobes  gibt  es,  ihr  Mönche: 
welche  zehn? 

Da,  ihr  Mönche,  ist  ein  Mönch  selber  bescheiden; 
und  über  die  Bescheidenheit  führt  er  Gespräche  bei 
den  Mönchen.  Daß  aber  der  Mönch  bescheiden  ist 
und  über  die  Bescheidenheit  Gespräche  bei  den  Mönchen 
führt,  das  ist  ein  Gegenstand  des  Lobes. 

Er  ist  selber  genügsam,  —  abgeschieden,  —  los- 
gelöst, —  voll  Willenskraft,  —  vollkommen  in  der 
Sittlichkeit,  —  vollkommen  in  der  Sammlung,  —  voll- 
kommen in  der  Einsicht,  —  vollkommen  in  der  Er- 
lösung, —  vollkommen  im  Erkenntnisblicke  der  Er- 
lösung; und  über  den  Erkenntnisblick  der  Erlösung 
führt  er  Gespräche  bei  den  Mönchen.  Daß  aber  der 
Mönch  vollkommen  ist  im  Erkenntnisblicke  der  Er- 
lösung und  über  den  Erkenntnisblick  der  Erlösung 
Gespräche  bei  den  Mönchen  führt,  das  ist  ein  Gegen- 
stand des  Lobes. 

Diese  zehn  Gegenstände  des  Lobes  gibt  es,  ihr 
Mönche. 


363 


X71       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 
ACHTER    TEIL: 

Das  Wunschkapitel 

71  Aller  Wünsche  Erfüllung 

[Im  Jetahaine] 

Seid  vollkommen  in  der  Sittlichkeit,  ihr  Mönche, 
vollkommen  in  der  Ordenssatzung,  beherrscht  im  Sinne 
der  Ordenssatzung,  vollkommen  im  Wandel  und  Um- 
gang, und,  vor  den  geringsten  Vergehen  euch  scheuend, 
übt  euch  in  den  Sittenregeln! 

Wünscht  sich,  ihr  Mönche,  ein  Mönch:  »Ach, 
möchte  ich  doch  von  meinen  Ordensbrüdern  geliebt 
und  geschätzt,  geachtet  und  geehrt  werden!«  so  soll 
er  eben  die  Sittenregeln  erfüllen,  sich  der  inneren  Ge- 
mütsruhe hingeben,  nicht  nachlassen  in  der  Vertiefung 
und  ein  Bewohner  einsamer  Behausungen  sein. 

Wünscht  sich,  ihr  Mönche,  der  Mönch:  »Ach, 
möchte  ich  doch  Gewand,  Almosenspeise,  Lagerstatt 
und  die  nötigen  Heilmittel  und  Arzneien  erhalten!« 
so  soll  er  eben  die  Sittenregeln  erfüllen,  sich  der  inneren 
Gemütsruhe  hingeben,  nicht  nachlassen  in  der  Ver- 
tiefung und  ein  Bewohner  einsamer  Behausungen  sein. 

Wünscht  sich,  ihr  Mönche,  der  Mönch:  »Ach, 
möchte  doch  denen,  deren  Gewänder,  Almosenspeise, 
Lagerstatt  und  nötiger  Heilmittel  und  Arzneien  ich 
mich  bediene,  diese  Werke  hohen  Lohn  und  Segen 
bringen!«  so  soll  er  eben  die  Sittenregeln  erfüllen,  sich 
der   inneren   Gemütsruhe   hingeben,   nicht   nachlassen 

—     364     — 


X71  ZEHNERBUCH 


in  der  Vertiefung  und  ein  Bewohner  einsamer  Behau- 
sungen sein. 

Wünscht  sich  ihr  Mönche,  der  Mönch:  »Ach, 
möchte  doch  den  Geistern  meiner  abgeschiedenen 
Blutsverwandten,  die  meiner  in  Liebe  gedenken,  dieses 
zu  hohem  Lohn  und  Segen  gereichen!«  so  soll  er  eben 
die  Sittenregeln  erfüllen,  sich  der  inneren  Gemütsruhe 
hingeben,  nicht  nachlassen  in  der  Vertiefung  und  ein 
Bewohner  einsamer  Behausungen  sein. 

Wünscht  sich,  ihr  Mönche,  der  Mönch:  »Ach,, 
möchte  ich  doch  zufrieden  sein  mit  jeder  Art  von  Ge- 
wand, Almosenspeise,  Lagerstatt  und  den  nötigen 
Heilmitteln  und  Arzneien!«  so  soll  er  eben  die  Sitten- 
regeln erfüllen,  sich  der  inneren  Gemütsruhe  hin- 
geben, nicht  nachlassen  in  der  Vertiefung  und  ein 
Bewohner  einsamer  Behausungen  sein. 

Wünscht  sich,  ihr  Mönche,  der  Mönch:  >>Ach, 
möchte  ich  doch  Kälte  und  Hitze,  Hunger  und  Durst 
geduldig  ertragen  und  standhaft  bleiben  bei  boshaften 
und  gehässigen  Redeweisen,  bei  entstandenen  körper- 
lichen Gefühlen,  bei  schmerzhaften,  scharfen,  beißenden, 
bitteren,  unliebsamen,  unangenehmen  und  lebens- 
gefährlichen!« so  soll  er  eben  die  Sittenregeln  erfüllen,, 
sich  der  inneren  Gemütsruhe  hingeben,  nicht  nach- 
lassen in  der  Vertiefung  und  ein  Bewohner  einsamer 
Behausungen  sein. 

Wünscht  sich,  ihr  Mönche,  der  Mönch:  »Ach,, 
möchte  ich  doch  Lust  und  Unlust  in  der  Gewalt  haben 
und  nicht  Lust  und  Unlust  mich  beherrschen  sondern 
ich  die  aufgestiegene  Lust  und  Unlust  jedesmal  über- 
winden!« so  soll  er  eben  die  Sittenregeln  erfüllen,  sich 
der   inneren   Gemütsruhe   hingeben,   nicht   nachlassen. 

—    365     — 


X71       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

in   der   Vertiefung   und   ein   Bewohner   einsamer   Be- 
hausungen sein. 

Wünscht  sich,  ihr  Mönche,  der  Mönch:  »Ach, 
möchte  ich  doch  Furcht  und  Angst  in  der  Gewalt 
haben  und  nicht  Furcht  und  Angst  mich  beherrschen 
sondern  ich  die  aufgestiegene  Furcht  und  Angst  jedes- 
mal überwinden!«  so  soll  er  eben  die  Sittenregeln  er- 
füllen, sich  der  inneren  Gemütsruhe  hingeben,  nicht 
nachlassen  in  der  Vertiefung  und  ein  Bewohner  ein- 
samer Behausungen  sein. 

Wünscht  sich,  ihr  Mönche,  der  Mönch:  »Ach, 
möchte  ich  doch  der  vier  Vertiefungen,  der  geisterheben- 
4en,  zeitlich  beglückenden,  nach  Wunsch,  ohne  Mühe 
und  Anstrengung,  teilhaftig  werden!«  so  soll  er  eben 
die  Sittenregeln  erfüllen,  sich  der  inneren  Gemütsruhe 
hingeben,  nicht  nachlassen  in  der  Vertiefung  und  ein 
Bewohner  einsamer  Behausungen  sein. 

Wünscht  sich,  ihr  Mönche,  der  Mönch:  »Ach, 
möchte  ich  doch  durch  Aufhebung  der  Befleckungen 
die  fleckenlose  Gemütserlösung  und  Wissenserlösung 
noch  bei  Lebzeiten  selber  erkennen,  verwirklichen  und 
mir  zu  eigen  machen!«  so  soll  er  eben  die  Sittenregeln 
erfüllen,  sich  der  inneren  Gemütsruhe  hingeben,  nicht 
nachlassen  in  der  Vertiefung  und  ein  Bewohner  ein- 
samer Behausungen  sein. 

»Seid  vollkommen  in  der  Sittlichkeit,  ihr  Mönche, 
vollkommen  in  der  Ordenssatzung,  beherrscht  im  Sinne 
der  Ordenssatzung,  vollkommen  im  Wandel  und  Um 
gang,  und,  vor  den  geringsten  Vergehen  euch  scheuend, 
übt  euch  in  den  Sittenregeln!«  wurde  dies  gesagt,  so 
wurde  es  eben  mit  Rücksicht  hierauf  gesagt. 


—     366     — 


ZEHNERBUCH X72 

79 

Die  zehn  Störungen  '^ 

Einst  weilte  der  Erhabene  im  Großen  Walde  bei 
Vesäli,  in  der  Halle  des  Spitzenhauses,  zusammen  mit 
zahlreichen  hochangesehenen  ehrwürdigen  Jüngern, 
wie  dem  ehrwürdigen  Cälo,  Upacälo,  Kakkato,  Kalim- 
bho,  Nikato,  Katissaho  und  anderen.  Bei  jener  Gelegen- 
heit aber  fuhren  zahlreiche  hochangesehene  Licchavier 
in  lauter  stattlichen  Wagen,  einer  hinter  dem  anderen, 
unter  heftigem  und  lautem  Lärme  in  den  Großen  Wald 
hinein,  um  den  Erhabenen  zu  besuchen.  Da  sagten  sich 
jene  Ehrwürdigen:  ,, Diese  zahlreichen  hochangesehenen 
Licchavier  kommen  da  in  lauter  stattlichen  Wagen, 
einer  hinter  dem  anderen,  unter  heftigem  und  lauten 
LärjTie  in  den  Großen  Wald  hereingefahren.  Geräusch 
aber  ist  eine  Störung  für  die  Vertiefung,  hat  der  Er- 
habene gesagt.  Lasset  uns  denn  zum  Gosinger  Säl- 
walde gehen.  Dort  können  wir  fern  von  Geräusch 
imd  ohne  Störung  friedlich  verweilen."  Jene  Ehr- 
würdigen begaben  sich  also  zum  Gosinger  Sälwalde 
hin  und  verweilten  dort  friedlich,  fern  von  Geräusch 
und  ohne  Störung. 

Und  der  Erhabene  wandte  sich  an  die  Mönche 
und  sprach:  „Wo  ist  denn  Cälo,  ihr  Mönche?  Wo 
Upacälo?  Wo  Kakkato,  Kalimbho,  Nikato  und  Ka- 
tissaho? Wo  sind,  ihr  Mönche,  jene  ehrwürdigen 
Jünger  hingegangen?  ' 

„Jene  Verehrten,  o  Ehrwürdiger,  sagten  sich: 
»Diese  zahlreichen  hochangesehenen  Licchavier  kommen 
da  in  lauter  stattlichen  Wagen,  einer  hinter  dem 
anderen,  unter  heftigem  und  lauten  Lärme  in  den 
Großen  Wald  hereingefahren.     Geräusch  aber  ist  eine 

—    367     — 


X72       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Störung  für  die  Vertiefung,  hat  der  Erhabene  gesagt. 
Lasset  uns  denn  zum  Gosinger  Sälwalde  gehen.  Dort 
können  wir  fern  von  Geräusch  und  ohne  Störung 
friedlich  verweilen.«  Darauf  haben  sich  jene  Ehr- 
würdigen zum  Gosinger  Sälwalde  hinbegeben;  und 
dort  verweilen  sie  friedlich,  fern  von  Geräusch  und 
ohne  Störung." 

„Gut,  gut,  ihr  Mönche!  Es  ist  so,  wie  jene  hohen 
Jünger  so  richtig  erklären.  Denn  als  eine  Störung 
der  Vertiefung,  ihr  Mönche,  habe  ich  das  Geräusch 
bezeichnet. 

„Folgende  zehn  Störungen  gibt  es,  ihr  Mönche: 
welche  zehn?  Für  den  die  Einsamkeit  Liebenden  ist 
Freude  an  Geselligkeit  eine  Störung.  Für  den  der 
Vorstellung  der  Unreinheit  Hingegebenen  ist  die  Be- 
schäftigung mit  einer  lieblichen  Vorstellung  eine  Stö- 
rung. Für  einen  mit  gezügelten  Sinnentoren  ist  der 
Anblick  von  Schaustellungen  eine  Störung.  Für  den 
keuschen  Wandel  ist  die  Annäherung  des  Weibes  eine 
Störung.  Für  die  erste  Vertiefung  ist  Geräusch  eine 
Störung.  Für  die  zweite  Vertiefung  ist  Sinnen  und 
Nachdenken  eine  Störung.  Für  die  dritte  Vertiefung 
ist  Verzückung  eine  Störung.  Für  die  vierte  Ver- 
tiefung ist  Ein-  und  Ausatmung  eine  Störung.  Für 
die  Erreichung  der  Aufhebung  von  Wahrnehmung 
und  Gefühl  ist  Wahrnehmung  und  Gefühl  eine  Störung. 
Gier  ist  eine  Störung.  Haß  ist  eine  Störung.  Ver- 
blendung ist  eine  Störung. 

Frei  von  Störung  verweilet,  ihr  Mönche!  Der 
Störung  entrückt  verweilet,  ihr  Mönche!  Frei  von 
Störung  und  der  Störung  entrückt  verweilet,  ihr 
Mönche!      Frei   von    Störung,   ihr   Mönche,    sind   die 

—    868     — 


ZENHERBUCH  X73 


Heiligen.  Der  Störung  entrückt,  ihr  Mönche,  sind 
die  Heiligen.  Frei  von  Störung  und  der  Störung  ent- 
rückt, ihr  Mönche,  sind  die  Heiligen." 

Seltene  Dinge  in  der  Welt  73 

Folgende  zehn  erwünschten,  begehrten,  angeneh- 
men Dinge,  ihr  Mönche,  sind  schwer  in  der  Welt  zu 
erlangen:  welche  zehn?  Reichtum,  Schönheit,  Ge- 
sundheit, Sittlichkeit,  keuscher  Wandel,  Freunde, 
großes  Wissen,  Einsicht,  höhere  Fähigkeiten  und 
Wiedergeburt  im  Himmel:  diese  zehn  erwünschten, 
begehrten,  angenehmen  Dinge,  ihr  Mönche,  sind  schwer 
in  der  Welt  zu  erlangen. 

Für  diese  zehn  erwünschten,  begehrten,  ange- 
nehmen, so  schwere  in  der  Welt  zu  erlangenden  Dinge, 
ihr  Mönche,  gibt  es  zehn  gefährdende  Dinge:  welche 
zehn? 

Trägheit  und  Untätigkeit  gefährden  den  Reich- 
tum. Sich  nicht  schmücken  und  putzen  gefährdet  die 
Schönheit.  Unheilsame  Handlungen  gefährden  die 
Gesundheit.  Übler  Umgang  gefährdet  die  Sittlich- 
keit. Zügellosigkeit  der  Sinne  gefährdet  den  keuschen 
Wandel.  Hintergehung  gefährdet  die  Freundschaft. 
Nichtwiederholen  gefährdet  großes  Wissen.  Nicht 
Hinhören  und  Nachforschen  gefährdet  die  Einsicht. 
Sich  nicht  üben  und  sich  nicht  beobachten  gefährdet 
die  Fähigkeiten.  Böser  Wandel  gefährdet  die  Wieder- 
geburt im  Himmel.  Das,  ihr  Mönche,  sind  die  zehn 
gefährdenden   Dinge. 

Für  diese  zehn  erwünschten,  begehrten,  ange- 
nehmen, so  schwer  in  der  Welt  zu  erlangenden  Dinge 

—    369    —  24 


X74        SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

aber,  ihr  Mönche,  gibt  es  zehn  fördernde  Dinge:  welche 
zehn? 

Fleiß  und  Strebsamkeit  fördert  den  Reichtum. 
Sich  schmücken  und  putzen  fördert  die  Schönheit. 
Heilsame  Handlungen  fördern  die  Gesundheit.  Edler 
Umgang  fördert  die  Sittlichkeit.  Sinnenzügelung  fördert 
den  keuschen  Wandel.  Ehrlichkeit  fördert  die  Freund- 
schaft. Wiederholung  fördert  großes  Wissen.  Hin- 
hören und  Nachforschen  fördert  die  Einsicht.  Übung 
und  Selbstbeobachtung  fördert  die  Fähigkeiten.  Rech- 
ter Wandel  fördert  die  Wiedergeburt  im  Himmel. 
Das,    ihr   Mönche,    sind    die   zehn   fördernden    Dinge. 

74  Der  edle  Gewinn 

Wer  da,  ihr  Mönche,  unter  den  edlen  Jüngern  an 
zehn  Dingen  gewinnt,  der  erfährt  einen  edlen  Gewinn 
und  erlangt  für  sich  das  Edelste  und  Beste:  an  welchen 
zehn  Dingen? 

An  Feld  und  Boden,  Geld  und  Korn,  Weibern 
und  Kindern,  Knechten  und  Arbeitern  und  an  Vier- 
füßlern, sowie  an  Vertrauen,  Sittlichkeit,  Wissen,  Frei- 
gebigkeit und  Einsicht. 

Wer   da    Gewinn    erfährt   an    Geld    und    Gütern, 
An  Weibern,   Kindern,  viergefußten  Tieren, 
Der  ist  vermögend,   hoch   geachtet  und   geehrt 
Von  Freund  und  Vetter,  ja  sogar  von  Königen. 

Doch  wer  erstarkt  ist  in  Vertrau'n  und   Sittlichkeit, 
In  mildem  Sinn,  in  Wissen  und  in  Einsicht, 
Solch  einsichtsvollen,  edlen  Menschen  wird  zuteil 
Ein  zweifacher  Gewinn  (1)  schon  hier  im  Leben. 
(1)  Näml.:  ein  weltlicher  und  ein  sittlicher  Gewinn. 

—     370     — 


ZEHNERBUCH 


Urteilt  nicht  die  Menschen  ab!  75 

Einst  weilte  der  Erhabene  im  Jetahaine  bei 
Sävatthi,  im  Kloster  des  Anäthapindiko.  Und  der 
ehrwürdige  Änando  kleidete  sich  in  der  Frühe  an,  nahm 
Gewand  und  Schale  und  begab  sich  zur  Wohnung  der 
Anhängerin  Migasälä.  Dort  angelangt  setzte  er  sich 
auf  dem  bereiteten  Sitze  nieder.  Und  die  Anhängerin 
Migasälä  ging  auf  den  ehrwürdigen  Änando  zu,  be- 
grüßte ihn  ehrfurchtsvoll  und  setzte  sich  zur  Seite 
nieder.  Zur  Seite  aber  sitzend  sprach  die  Anhängerin 
Migasälä  also  zum  ehrwürdigen  Änando: 

„Wie,  ehrwürdiger  Änando,  hat  man  wohl  das 
vom  Erhabenen  gewiesene  Gesetz  zu  verstehen,  daß 
<ia  ein  keusch  Lebender  und  ein  nicht  keusch  Lebender 
nach  dem  Tode  beide  ein  und  denselben  Ausgang 
haben  sollen?  Mein  Vater  namens  Pürano  nämlich, 
o  Ehrwürdiger,  lebte  keusch,  enthaltsam,  dem  Ge- 
schlechtsverkehr, dem  gemeinen,  abgewandt.  Nach 
seinem  Tode  nun  hat  der  Erhabene  erklärt,  daß  er 
die  Einmalwiederkehr  erlangt  habe  und  im  Himmel 
•der  Seligen  wiedererschienen  sei.  Meines  Vaters  Bruder 
Isidatto  aber,  o  Ehrwürdiger,  lebte  nicht  keusch,  son- 
<jern  in  glücklicher  Ehe.  Aber  auch  nach  seinem  Tode 
hat  der  Erhabene  erklärt,  daß  er  die  Einmalwiederkehr 
erlangt  habe  und  im  Himmel  der  Seligen  wieder- 
erschienen sei.  Wie  also,  ehrwürdiger  Änando,  hat 
man  dies  vom  Erhabenen  gewiesene  Gesetz  zu  ver- 
stehen, daß  da  ein  keusch  Lebender  und  ein  nicht 
keusch  Lebender  nach  dem  Tode  beide  ein  und  den- 
selben  Ausgang  haben   sollen?" 

,,Das  hat  wohl,   o   Schwester,   der   Erhabene   so 


erklärt." 


371     —  24* 


X75       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Und  der  ehrwürdige  Änando  erhob  sich,  nachdem 
er  im  Hause  der  Anhängerin  Migasälä  seine  Almosen- 
speise entgegen  genommen  hatte,  von  seinem  Sitze 
und  ging  fort.  Am  Nachmittage  aber,  nach  Beendigung 
des  Mahles,  begab  sich  der  ehrwürdige  Änando  zum 
Erhabenen  hin,  begrüßte  ihn  ehrfurchtsvoll  und  setzte 
sich  zur  Seite  nieder.  Zur  Seite  aber  sitzend  berichtete 
der  ehrwürdige  Änando  dem  Erhabenen,  was  sich  zu- 
getragen hatte. 

[Der  Erhabene:]  „Wer,  Änando,  ist  denn  die  An- 
hängerin Migasälä,  dieses  törichte,  unerfahrene,  mit 
Weiberwitz  behaftete  Weib?  Und  wer  sind  die  der 
Wesen  höheren  oder  niederen  Fähigkeitszustand  Er- 
kennenden? 

,, Folgende  zehn  Menschen,  Änando,  sind  in  der 
Welt  anzutreffen:  welche  zehn? 

,,Da,  Änando,  ist  ein  Mensch  sittenlos;  und  er 
kennt  nicht  der  Wirklichkeit  gemäß  jene  Gemüts- 
erlösung und  Wissenserlösung,  wo  ihm  jene  Sitten- 
losigkeit  zur  restlosen  Aufhebung  gelangt.  Auch  ist 
er  ohne  Erfahrung,  ohne  großes  Streben,  hat  mit  Er- 
kenntnis nichts  durchdrungen;  auch  wird  ihm  nicht 
dann  und  wann  Loslösung  zuteil.  Ein  solcher  macht 
beim  Zerfalle  des  Leibes,  nach  dem  Tode,  einen  Rück- 
schritt, keinen  Fortschritt,  geht  zurück  und  steigt 
nicht  höher. 

„Da  aber,  Änando,  ist  ein  Mensch  sittenlos  und 
erkennt  der  Wirklichkeit  gemäß  jene  Gemütserlösung 
und  Wissenserlösung,  wo  ihm  jene  Sittenlosigkeit  zur 
restlosen  Aufhebung  gelangt.  Auch  besitzt  er  Er- 
fahrung und  großes  Streben,  hat  in  Erkenntnis  etwas 
erreicht;   auch   wird   ihm   dann   und  wann   Loslösung 

_     372     — 


ZEHNERBUCH  X  75 


zuteil.  Ein  solcher  macht  beim  Zerfalle  des  Leibes, 
nach  dem  Tode,  einen  Fortschritt,  keinen  Rückschritt, 
steigt  höher  und  fällt  nicht  zurück. 

,,Hier  nun,  Änando,  urteilen  die  Abschätzer  fol- 
gendermaßen: »Der  Eine  besitzt  jene  Eigenschaften, 
und  auch  der  Andere  besitzt  jene  Eigenschaften. 
Warum  sollte  da  der  Eine  niedriger  und  der  Andere 
höher  sein?«  Solches  aber,  Änando,  wird  ihnen  lange 
zum'  Unheile  und  Leiden  gereichen.  Der  Sittenlose, 
Änando,  der  da  der  Wirklichkeit  gemäß  jene  Ge- 
mütserlösung und  Wissenserlösung  kennt,  wo  ihm 
jene  Sittenlosigkeit  zur  rastlosen  Aufhebung  gelangt, 
der  Erfahrung  besitzt,  großes  Streben,  in  Erkenntnis 
etwas  erreicht  hat  und  dem  dann  und  wann  Loslösung 
zuteil  wird,  dieser  Mensch,  ist  höher  und  edler  als 
jener  Erstere.  Und  warum?  Weil  eben,  Änando,  der 
Strom  des  Gesetzes  diesen  Menschen  mit  sich  fort- 
reißt. Wer,  außer  dem  Vollendeten,  vermag  wohl 
jenen  Unterschied  zu  erkennen?  Darum,  Änando, 
urteilt  nicht  die  Menschen  ab!  Legt  an  die  Menschen 
keinen  Maßstab  an!  Man  schadet  sich,  wenn  man  die 
Menschen  aburteilt.  Ich  freilich,  Änando,  vermag  die 
Menschen  abzuschätzen  oder  Einer,  der  mir  ähnlich  ist. 

,,Da,  Änando,  ist  ein  Mensch  sittenrein,  er  kennt 
aber  nicht  der  Wirklichkeit  gemäß  jene  Gemütserlösung 
und  Wissenserlösung,  wo  ihm  jene  Sittlichkeit  zur  rest- 
losen Aufhebung  gelangt.  — 

,,Da,  aber,  Änando,  ist  ein  Mensch  sittenrein  und 
er  kennt  der  Wirklichkeit  gemäß  jene  Gemütserlösung 
und  Wissenserlösung,  wo  ihm  jene  Sittlichkeit  zur 
restlosen  Aufhebung  gelangt.  — 

,,Da,  Änando,  ist  ein  Mensch  von  äußerster  Be- 


—     373 


X75       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

gierde   erfüllt;   und   er   kennt   nicht   der   Wirklichkeit 

-gemäß  jene  Gemütserlösung  und  Wissenserlösung,  wa 

ihm  jene  Begierde  zur  restlosen  Aufhebung  gelangt.  — 

„Da  aber,  Änando,  ist  ein  Mensch  von  äußerster 
Begierde  erfüllt,  und  er  kennt  jene  Gemütserlösung 
und  Wissenserlösung,  wo  ihm  jene  Begierde  zur  rest- 
losen  Aufhebung  gelangt.  — 

„Da,  Änando,  ist  ein  Mensch  voller  Haß;  und  er 
kennt  nicht  der  Wirlichkeit  gemäß,  jene  Gemüts- 
erlösung und  Wissenserlösung,  wo  ihm  jener  Haß  zur 
restlosen  Aufhebung  gelangt.  — 

,,Da  aber,  Änando,  ist  ein  Mensch  voller  Haß; 
und  er  kennt  der  Wirklichkeit  gemäß  jene  Gemüts- 
erlösung  und  Wissenserlösung,  wo  ihm  jener  Haß  zur 
restlosen  Aufhebung  gelangt.  — 

„Da,  Änando,  ist  ein  Mensch  aufgeregt;  und  er 
kennt  nicht  der  Wirklichkeit  gemäß  jene  Gemüts- 
erlösung und  Wissenserlösung,  wo  ihm  jene  Aufge- 
regtheit zur  restlosen  Aufhebung  gelangt.  — 

„Da  aber,  Änando,  ist  ein  Mensch  aufgeregt;  und 
er  kennt  der  Wirklichkeit  gemäß  jene  Gemütserlösung 
und  Wissenserlösung,  wo  ihm  jene  Aufgeregtheit  zur 
restlosen  Aufhebung  gelangt.  Auch  hat  er  Erfahrung 
und  großes  Streben,  hat  in  Erkenntnis  etwas  erreicht; 
auch  wird  ihm  dann  und  wann  Loslösung  zuteil.  Ein 
solcher  macht  beim  Zerfalle  des  Leibes,  nach  dem 
Tode,  einen  Fortschritt,  keinen  Rückschritt,  steigt 
höher  und  fällt  nicht  zurück. 

„Hier  nun,  Änando,  urteilen  die  Abschätzer  fol- 
gendermaßen: »Der  Eine  besitzt  jene  Eigenschaften, 
und  auch  der  Andere  besitzt  jene  Eigenschaften, 
Warum  sollte  da  der  Eine  niedriger  und  der  Andere 

—     374     — 


ZEHNERBUCH  X  75 


höher  sein?<'  Solches  aber,  Änando,  wird  ihnen  lange 
zum  Unheile  und  Leiden  gereichen.  Der  Aufgeregte, 
Änando,  der  da  der  Wirklichkeit  gemäß  jene  Gemüts- 
erlösung und  Wissenserlösung  kennt,  wo  ihm  jene 
Sittenlosigkeit  zur  restlosen  Aufhebung  gelangt,,  der 
in  Erfahrung  besitzt,  großes  Streben,  in  Erkenntnis 
etwas  erreicht  hat  und  dem  dann  und  wann  Loslösung 
zuteil  wird,  dieser  Mensch  ist  höher  und  edler  als  jener 
Erstere.  Und  warum?  Weil  eben,  Änando,  der  Strom 
des  Gesetzes  diesen  Menschen  mit  sich  fortreißt.  Wer, 
außer  dem  Vollendeten,  vermag  wohl  jenen  Unter- 
schied zu  erkennen?  Darum,  Änando,  urteilt  nicht 
die  Menschen  ab!  Legt  an  die  Menschen  keinen  Maß- 
stab an!  Man  schadet  sich,  wenn  man  die  Menschen 
aburteilt.  Ich  freilich,  Änando,  vermag  die  Menschen 
abzuschätzen  oder  Einer,  der  mir  ähnlich  ist. 

,,Wer,  Änando,  ist  denn  die  Anhängerin  Migasälä, 
dieses  törichte,  unerfahrene,  mit  Weiberwitz  behaftete 
Weib?  Und  wer  sind  die  der  Wesen  höheren  oder 
niederen  Fähigkeitszustand  Erkennenden?  Diese  zehn 
Menschen,   Änando,   sind   in   der  Welt  anzutreffen. 

,, Hätte,  Änando,  Isidatto  dieselbe  Sittlichkeit  be- 
sessen wie  Pürano,  so  hätte  Pürano  Isidattos  Zustand 
nicht  erfassen  können;  und  hätte  Änando,  Pürano 
dieselbe  Einsicht  besessen  wie  Isidatto,  so  hätte  Isi- 
datto Püranos  Zustand  nicht  erfassen  können.  Somit, 
Änando,  waren  diese  beiden  Menschen  in  je  einer 
Eigenschaft    unvollkommen." 


375    — 


X76        SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

76  Ueberkommung  von  Geburt,  Alter  und  Tod 

Wären,  ihr  Mönche,  nicht  drei  Dinge  in  der  Welt 
anzutreffen,  so  möchte  der  Vollendete,  der  Heilige, 
Vollkommen  Erleuchtete  nicht  in  der  Welt  erscheinen, 
und  das  vom  Vollendeten  verkündete  Gesetz  und  seine 
Disziplin  möchten  nicht  in  der  Welt  leuchten.  Und 
welches  sind  diese  drei  Dinge?  Geburt,  Alter  und  Tod. 
Weil  eben,  ihr  Mönche,  diese  drei  Dinge  in  der  Welt 
anzutreffen  sind,  eben  darum  erscheint  der  Vollendete 
in  der  Welt,  der  Heilige,  Vollkommen  Erleuchtete 
und  das  vom  Vollendeten  verkündete  Gesetz  und  seine 
Disziplin  leuchten  in  der  Welt. 

Ohne,  ihr  Mönche,  drei  Dinge  überkommen  zu 
haben,  ist  man  außerstande,  Geburt,  Alter  und  Tod 
zu  überkommen:  welche  drei?  Gier,  Haß  und  Ver- 
blendung. 

Ohne,  ihr  Mönche,  drei  Dinge  überkommen  zu 
haben,  ist  man  außerstande,  Gier,  Haß  und  Ver- 
blendung zu  überkommen:  welche  drei?  Persönlich- 
keitsglaube, Zweifel  und  Hang  an  Sittenregeln  und 
Riten. 

Ohne,  ihr  Mönche,  drei  Dinge  überkommen  zu 
haben,  ist  man  außerstande,  Persönlichkeitsglaube, 
Zweifel  und  Hang  an  Sittenregeln  und  Riten  zu  üben: 
welche  drei?  Unweise  Erwägung,  Befolgung  des  bösen 
Pfades  und  geistige  Schlaffheit. 

Ohne,  ihr  Mönche,  drei  Dinge  überkommen  zu 
haben,  ist  man  außerstande,  unweise  Erwägung,  Be- 
folgung des  bösen  Pfades  und  geistige  Schlaffheit  zu 
überkommen:  welche  drei?  Unachtsamkeit,  Unklar- 
heit und  geistige  Verworrenheit. 

—     376     — 


ZEHNERBUCH  X  76 


Ohne,  ihr  Mönche,  drei  Dinge  überkommen  zu 
haben,  ist  man  außerstande,  Unachtsamtceit,  Uni<Iar- 
heit  und  geistige  Verworrenheit  zu  überkommen: 
welche  drei:  Unlust  zum  Besuche  der  Edlen,  Unlust 
2um  Hören  des  edlen  Gesetzes  und  hämische  Gesinnung. 

Ohne,  ihr  Mönche,  drei  Dinge  überkommen  zu 
haben,  ist  man  außerstande,  Unlust  zum  Besuche  der 
Edlen,  Unlust  zum  Hören  des  edlen  Gesetzes,  und 
hämische  Gesinnung  zu  überkommen:  welche  drei? 
Aufgeregtheit,   Zügellosigkeit   und   Sittenlosigkeit. 

Ohne,  ihr  Mönche,  drei  Dinge  überkommen  zu 
haben,  ist  man  außerstande,  Aufgeregtheit,  Zügel- 
losigkeit und  Sittenlosigkeit  zu  überkommen:  welche 
drei:  Vertrauenslosigkeit,Unfreundlichkeit  und  Trägheit. 

Ohne  ihr  Mönche,  drei  Dinge  überkommen  zu 
haben,  ist  man  außerstande,  Vertrauenslosigkeit,  Un- 
freundlichkeit und  Trägheit  zu  überkommen:  welche 
drei?    Unehrerbietigkeit,  Grobheit  und  üblen  Umgang. 

Ohne,  ihr  Mönche,  drei  Dinge  überkommen  zu 
haben,  ist  man  außerstande:  Unehrerbietigkeit,  Grob- 
heit und  üblen  Umgang  zu  überkommen:  welche 
drei?  Schamlosigkeit,  Gewissenlosigkeit  und  Lässigkeit. 

Der  Schamlose  und  Gewissenlose,  ihr  Mönche, 
ist  lässig.  Da  er  lässig  ist,  ist  er  außerstande,  Unehr- 
erbietigkeit, Grobheit  und  üblen  Umgang  zu  über- 
kommen. Da  er  üblen  Umgang  pflegt,  ist  er  außer- 
stande, Vertrauenslosigkeit,  Unfreundlichkeit  und  Träg- 
heit zu  überkommen.  Da  er  träge  ist,  ist  er  außer- 
stande, Aufgeregtheit,  Zügellosigkeit  und  Sittenlosig- 
keit zu  überkommen.  Da  er  sittenlos  ist,  ist  er  außer- 
stande, die  Unlust  zum  Besuche  der  Edlen,  die  Unlust 
zum  Hören  des  edlen  Gesetzes  und  hämische  Gesinnung 


377     — 


X76       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

zu  überkommen.  Da  er  hämische  Gesinnung  hegt, 
ist  er  außerstande,  Unachtsamkeit,  Unklarheit  und 
geistige  Verworrenheit  zu  überkommen.  Da  er  geistig 
verworren  ist,  ist  er  außerstande,  unweise  Erwägung, 
Befolgung  des  bösen  Pfades  und  geistige  Schlaffheit 
zu  überkommen.  Da  er  schlaffen  Geistes  ist,  ist  er 
außerstande,  Persönlichkeitsglaube,  Zweifel  und  Hang 
an  Sittenregeln  und  Riten  zu  überkommen.  Da  er 
voll  Zweifel  ist,  ist  er  außerstande,  Gier,  Haß  und  Ver- 
blendung zu  überkommen.  Ohne  aber  Gier,  Haß  und 
Verblendung  überkommen  zu  haben,  ist  er  außer- 
stande,  Geburt,  Alter  und  Tod  zu  überkommen. 

Wer,  ihr  Mönche,  drei  Dinge  überkommen  hat, 
ist  imstande,  Geburt,  Alter  und  Tod  zu  überkommen: 
welche   drei?   Gier,    Haß   und   Verblendung. 

Wer,  ihr  Mönche,  drei  Dinge  überkommen  hat, 
ist  imstande,  Gier,  Haß  und  Verblendung  zu  über- 
kommen: welche  drei?  Persönlichkeitsglaube,  Zweifel 
und  Hang  an  Sittenregeln  und  Riten. 

Wer,  ihr  Mönche,  drei  Dinge  überkommen  hat, 
ist  imstande,  Persönlichkeitsglaube,  Zweifel  und  Hang 
an  Sittenregeln  und  Riten  zu  überkommen:  welche 
drei?  Unweise  Erwägung,  Befolgung  des  bösen  Pfades 
und  geistige  Schlaffheit. 

Wer,  ihr  Mönche,  drei  Dinge  überkommen  hat, 
ist  imstande,  unweise  Erwägung,  Befolgung  des  bösen 
Pfades  und  geistige  Schlaffheit  zu  überkommen: 
welche  drei?  Unachtsamkeit,  Unklarheit  und  geistige 
Verworrenheit. 

Wer,  ihr  Mönche,  drei  Dinge  überkommen  hat, 
ist  imstande,  Unachtsamkeit,  Unklarheit  und  geistige 
Verworrenheit  zu  überkommen:  welche  drei?    Unlust 

—     378     — 


ZEHNERBUCH  X76» 


zum  Besuche  der  Edlen,  Unlust  zum  Hören  des  edlea 
Gesetzes  und  hämische  Gesinnung. 

Wer,  ihr  Mönche,  drei  Dinge  überkommen  hat, 
ist  imstande,  Unlust  zum  Besuche  der  Edlen,  Unlust 
zum  Hören  des  edlen  Gesetzes  und  hämische  Ge- 
sinnung zu  überkommen:  welche  drei?  Aufgeregt- 
heit,  Zügellosigkeit   und    Sittenlosigkeit. 

Wer,  ihr  Mönche,  drei  Dinge  überkommen  hat, 
ist  imstande,  Aufgeregtheit,^  Zügellosigkeit  und  Sitten- 
losigkeit zu  überkommen:  welche  drei?  Vertrauens- 
losigkeit,  Unfreundlichkeit  und  Trägheit. 

Wer,  ihr  Mönche,  drei  Dinge  überkommen  hat, 
ist  imstande,  Vertrauenslosigkeit,  Unfreundlichkeit  und 
Trägheit  zu  überkommen:  welche  drei?  Unehrerbietig- 
keit,  Grobheit  und  üblen  Umgang. 

Wer,  ihr  Mönche,  drei  Dinge  überkommen  hat, 
ist  imstande,  Unehrerbietigkeit,  Grobheit  und  üblen 
Umgang  zu  überkonunen:  welche  drei?  Schamlosig- 
keit, Gewissenlosigkeit  und  Lässigkeit. 

Der  von  Schamgefühl  und  Gewissen  Erfüllte,  ihr 
Mönche,  ist  strebsam.  Da  er  strebsam  ist,  ist  er  im- 
stande, Unehrerbietigkeit,  Grobheit  und  üblen  Umgang 
zu  überkommen.  Da  er  edlen  Umgang  hat,  ist  er  im- 
stande, Vertrauenslosigkeit,  Unfreundlichkeit  und  Träg- 
heit zu  überkommen.  Da  er  voll  Willenskraft  ist,  ist 
er  imstande,  Aufgeregtheit,  Zügellosigkeit  und  Sitten- 
losigkeit zu  überkommen.  Da  er  sittenrein  ist,  ist  er 
imstande,  die  Unlust  zum  Besuche  der  Edlen,  die  Un- 
lust zum  Hören  des  edlen  Gesetzes  und  hämische  Ge- 
sinnung zu  überkommen.  Da  er  ohne  hämische  Ge- 
sinnung ist,  ist  er  imstande,  Unachtsamkeit,  Unklar- 
heit und  geistige  Verworrenheit  zu  überkommen.     Da 


—     379     — 


:X78       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

er  nicht  geistig  verworren  ist,  ist  er  imstande,  unweise 
Erwägung,  Befolgung  des  bösen  Pfades  und  geistige 
Sclilaffiieit  zu  überkommen.  Da  er  geistig  nicht  schlaff, 
ist  er  imstande,  Persönlichkeitsglauben,  Zweifel  und 
Hang  an  Sittenregeln  und  Riten  zu  überkommen. 
Da  er  ohne  Zweifel  ist,  ist  er  imstande,  Gier,  Haß  und 
Verblendung  zu  überkommen.  Durch  Überkommung 
von  Gier,  Haß  und  Verblendung  aber  ist  er  imstande, 
Alter  und  Tod  zu  überkommen. 

Der  Rabe 

77  Mit  zehn   bösen   Eigenschaften,   ihr   Mönche,   ist 
der  Rabe  behaftet:  mit  welchen  zehn?    Er  ist  hinter- 
listig, dreist,  argwöhnig,  gefräßig,  grausam,  ohne  Mit 
leid,   ein   Schwächling  und  ein   Schreier,  gedankenlos 
und  unfolgsam. 

Ebenso  auch,  ihr  Mönche,  ist  der  böse  Mönch 
mit  zehn  bösen  Eigenschaften  behaftet:  mit  welchen 
zehn?  Er  ist  hinterlistig,  dreist,  argwöhnig,  gefräßig, 
grausam,  ohne  Mitleid,  ein  Schwächling,  und  ein 
Schreier,  gedankenlos  und  unfolgsam. 

78  Die  bösen  Eigenschaften  der  Niganther 

Mit  zehn  bösen  Eigenschaften,  ihr  Mönche,  sind 
die  Niganther  behaftet:  mit  welchen  zehn? 

Vertrauenslos,  ihr  Mönche,  sind  die  Niganther; 
sittenlos  sind  die  Niganther;  schamlos  sind  die  Ni- 
ganther; gewissenlos  sind  die  Niganther;  sie  teilen 
nicht  mit  guten  Menschen;  sie  brüsten  sich  und  ver- 
achten die  anderen;  sie  hängen  am  äußeren  Scheine, 
sind  hartnäckig  und  geben  schwer  nach;  Heuchler  sind 
die  Niganther,  voll  übler  Absichten  sind  die  Niganther; 

—    380     — 


ZEHNERBUCH  X79 


voll  falscher  Erkenntnis  sind  die  Niganther.  Das,  ihr 
Mönche,  sind  die  zehn  bösen  Eigenschaften  der  Ni- 
ganther. 

Der  Groll  und  seine  Ueberwindung 

Zehn  Fälle  von  Groll  gibt  es,  ihr  Mönche:  welche 
zehn? 

In  dem  Gedanken:  »Er  hat  mir  geschadet«  emp- 
findet man  Groll.  In  dem  Gedanken:  »Er  schadet 
mir«  —  »Er  wird  mir  schaden«  —  »Er  hat  meinem 
lieben  Freunde  geschadet«  —  »Er  schadet  meinem  lieben 
Freunde«  —  »Er  will  meinem  lieben  Freunde  schaden« 

—  »Er  hat  meinem  verhaßten  Feinde  geholfen«  — 
>Er  hilft  meinem  verhaßten  Feinde«  —  »Er  will  meinem 
verhaßten  Feinde  helfen«  in  diesem  Gedanken  emp- 
findet man  Groll.  Und  auch  ohne  Anlaß  wird  man 
erregt.  Das,  ihr  Mönche,  sind  die  zehn  Fälle  von 
Groll. 

Zehn  Überwindungen  des  Grolles  gibt  es,  ihr 
Mönche:  welche  zehn? 

»Was  nützt  es  mir  zu  denken,  daß  er  mir  geschadet 
hat?«:  in  diesem  Gedanken  überwindet  man  den 
Groll.  »Was  nützt  es  mir  zu  denken,  daß  er  mir  schadet  ?« 

—  daß  er  mir  schaden  will?«  —  daß  er  meinem  lieben 
Freunde  geschadet  hat?«  —  daß  er  meinem  lieben 
Freunde  schadet?«  —  daß  er  meinem  lieben  Freunde 
schaden  will?«  —  daß  er  meinem  verhaßten  Feinde 
geholfen  hat?«  —  daß  er  meinem  verhaßten  Feinde 
hilft?«  —  daß  er  meinem  verhaßten  Feinde  helfen 
will?«:  in  diesem  Gedanken  überwindet  man  den 
Groll.  Und  ohne  Anlaß  wird  man  nicht  erregt.  Das, 
ihr  Mönche,  sind  die  zehn  Überwindungen  des  Grolles, 

—    381    — 


X82       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 
NEUNTER    TEIL: 

Das  Kapitel  der  Ordensälteren 

^1  Die  unbeUeckte  Lotusblume 

[Bei  Campä,  am  Ufer  des  Gaggaräteiches] 

Der  ehrwürdige  Bähuno  sprach  zum  Erhabenen: 

„Von  wie  vielen  Dingen  abgewandt,  entbunden 
und  losgelöst,  o  Ehrwürdiger,  verweilt  da  der  Voll- 
endete unumschränkten  Gemütes?" 

,,Von  zehn  Dingen,  Bähuno:  von  Form,  Gefühl, 
Wahrnehmung,  Geistesbildungen  und  Bewußtsein,  von 
Geburt,  Alter,  Tod,  Leiden  und  Leidenschaften. 
Gleichwie  nämlich,  Bähuno,  die  Lotusblume,  im  Wasser 
geboren,  im  Wasser  aufgewachsen,  sich  über  den  Wasser- 
spiegel erhebt  und  nicht  mehr  vom  Wasser  berührt 
wird:  ebenso  auch,  Bahuno,  verweilt  der  Vollendete, 
von  diesen  zehn  Dingen  abgewandt,  entbunden  und 
losgelöst,  unumschränkten  Gemütes." 

82  Die  Bedingungen  zum  Fortschritte 

Der  Erhabene  sprach  zum  ehrwürdigen  Änando: 
Daß  da  ein  Mönch,  Änando,  der  ohne  Vertrauen 
ist,  in  diesem  Gesetze  und  dieser  Disziplin  Fortschritt, 
Entfaltung  und  Größe  erzielen  sollte,  das  ist  nicht 
möglich.  Daß  da  ein  Mönch,  Änando,  der  sittenlos, 
unwissend  und  grob  ist,  üblen  Umgang  pflegt,  träge 
ist,  unachtsam,  ungenügsam,  voll  übler  Wünsche  und 
falscher  Erkenntnis,  daß  ein  solcher  in  diesem  Gesetze 

—     382     — 


ZEHNERBUCH  X8S 


und  dieser  Disziplin  Fortschritt,  Entfaltung  und  Größe 
erzielen  sollte,  das  ist  nicht  möglich. 

Daß,  Änando,  ein  Mönch,  der  diese  zehn  Eigen- 
schaften besitzt,  in  diesem  Gesetze  und  dieser  Dis- 
ziplin Fortschritt,  Entfaltung  und  Größe  erzielen 
sollte,  das  ist  nicht  möglich. 

Daß  aber  ein  Mönch,  Änando,  der  Vertrauen  be- 
sitzt, großes  Wissen,  edlen  Umgang,  Willenskraft, 
Achtsamkeit,  Genügsamkeit,  ohne  üble  Wünsche  ist 
und  rechte  Erkenntnis  besitzt,  daß  ein  solcher  in 
diesem  Gesetze  und  dieser  Disziplin  Fortschritte,  Ent- 
faltung und  Größe  erzielen  mag,  das  ist  wohl  möglich. 

Daß  ein  Mönch,  Änando,  der  diese  zehn  Eigen- 
schaften besitzt,  in  diesem  Gesetze  und  dieser  Disziplin, 
Fortschritte,  Entfaltung  und  Größe  erzielen  mag,  das 
ist  wohl  möglich. 

Der  Vortrag  des  Vollendeten 

Der  ehrwürdige  Punniyo  sprach  zum  Erhabenen: 

„Was  ist  wohl,  o  Ehrwürdiger,  der  Anlaß,  was  der 
Grund,  daß  das  eine  Mal  der  Vollendete  das  Gesetz 
vorträgt,  das  andere  Mal  nicht?" 

,,Ist,  Punniyo,  der  Mönch  voll  Vertrauen,  kommt 
aber  nicht  heran,  so  trägt  eben  der  Vollendete  das 
Gesetz  nicht  vor.  Ist  aber,  Punniyo  der  Mönch  voll 
Vertrauen  und  kommt  heran,  so  trägt  eben  der  Voll- 
endete das  Gesetz  vor. 

,,Ist,  Punniyo,  der  Mönch  voll  Vertrauen  und 
kommt  heran,  setzt  sich  aber  nicht  hin,  —  oder  setzt 
sich  hin,  doch  fragt  nicht,  —  oder  fragt,  doch  hört  nicht 
mit  offenen  Ohren  zu,  —  oder  hört  mit  offenen  Ohren 

—     383     — 


83 


X84       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

zu,  doch  merkt  sich  das  gehörte  Gesetz  nicht,  —  oder 
merkt  sich  das  gehörte  Gesetz,  doch  erforscht  nicht 
den  Sinn  der  sich  eingeprägten  Gesetze,  —  oder  er- 
forscht den  Sinn  der  sich  eingeprägten  Gesetze,  doch 
lebt  nicht,  das  Gesetz  und  seine  Auslegung  kennend, 
im  Einklänge  mit  dem  Gesetze,  —  oder  lebt,  das  Ge- 
setz und  seine  Auslegung  kennend,  im  Einklänge  mit 
dem  Gesetze,  doch  bedient  sich  keiner  edlen  Worte, 
—  oder  bedient  sich  edler  Worte,  doch  läßt  seinen 
Ordensbrüdern  keine  Unterweisung,  Ermahnung,  Er- 
mutigung und  Aufheiterung  zuteil  werden:  in  diesem 
Falle  trägt  eben  der  Vollendete  das  Gesetz  nicht  vor. 

„Ist  aber,  Punniyo,  der  Mönch  voll  Vertrauen, 
kommt  heran,  setzt  sich  hin,  fragt,  hört  mit  offenen 
Ohren  zu,  merkt  sich  das  gehörte  Gesetz,  erforscht 
den  Sinn  der  sich  eingeprägten  Gesetze,  lebt,  das  Ge- 
setz und  seine  Auslegung  kennend,  im  Einklänge  mit 
dem  Gesetze,  bedient  sich  edler  Worte,  unterweist, 
ermahnt,  ermutigt  und  ermuntert  seine  Ordensbrüder: 
in  solchem  Falle  trägt  eben  der  Vollendete  das  Ge- 
setz vor. 

,,Ist  Punniyo,  der  Vortrag  des  Gesetzes  von  diesen 
zehn  Umständen  begleitet,  so  trägt  auf  alle  Fälle  der 
Vollendete  das  Gesetz  vor." 


84  Höchstes  Wissen  vorgeben 

Der  ehrwürdige  Mahä-Moggalläno  sprach: 

Da,  ihr  Brüder,  gibt  ein  Mönch  Höchstes  Wissen 
(annä)  vor,  indem  er  spricht:  »Aufgehoben  ist  die 
Wiedergeburt,  ausgelebt  der  Heilige  Wandel,  das  Werk 
vollendet,  nicht  kehr'  ich  mehr  zu  dieser  Welt  zurück: 

—     384     — 


ZEHNERBUCH  X84 


das  weiß  ich:«.  Der  Vollendete  aber  oder  ein  sich  ver- 
tiefender Jünger  des  Vollendeten,  der  vertraut  ist  mit 
den  Errungenschaften,  vertraut  mit  dem  Geiste  der 
anderen,vertraut  mit  den  Geistesvorgängen  der  anderen, 
nimmt  ihn  sich  vor,  befragt  ihn,  forscht  ihn  aus.  Von 
ihm  aber  vorgenommen,  befragt  und  ausgeforscht, 
wird  er  verwirrt  und  befangen,  gerät  in  Sorge  und 
Verzagtheit,  ist  bedrückt  und  niedergeschlagen.  Indem 
nun  der  Vollendete  oder  der  Jünger  des  Vollendeten 
sein  Herz  im  Geiste  durchdringt,  denkt  er  darüber 
nach,  warum  wohl  dieser  Verehrte  Höchstes  Wissen 
vorgibt.  Und  sein  Herz  im  Geiste  durchdringend,  er- 
kennt er:  »Voll  Zorn,  wahrlich,  ist  dieser  Verehrte; 
zornbesessenen  Geistes  verweilt  er  häufig;  vom  Zorne 
aber  besessen  sein  gilt  in  dem  vom  Vollendeten  ver- 
kündeten Gesetze  und  seiner  Disziplin  als  ein  Rück- 
schritt. Voll  Wut,  wahrlich,  ist  dieser  Verehrte,  — 
voll  Heuchelei,  —  Eifersucht,  —  Neid,  —  Geiz,  — 
Arglist,  —  Gleisnerei,  voll  übler  Wünsche;  wunsch- 
besessenen Geistes  verweilt  er  häufig;  von  Wünschen 
aber  besessen  sein  gilt  in  dem  vom  Vollendeten  ver- 
kündeten Gesetze  und  seiner  Disziplin  als  ein  Rück- 
schritt. Unachtsam  ist  dieser  Verehrte.  Wo  es  noch 
Höheres  zu  tun  gab,  hat  er,  um  einen  ganz  gemeinen 
Vorteil  zu  erlangen,  auf  halbem  Wege  Schluß  ge- 
macht. Auf  halbem  Wege  aber  Schluß  machen  gilt 
in  dem  vom  Vollendeten  verkündeten  Gesetze  und 
seiner  Disziplin  als  ein  Rückschritt. 

Daß  da  ein  Mönch,  ihr  Brüder,  ohne  diese  zehn 
Dinge  überkommen  zu  haben,  in  diesem  Gesetze  und 
dieser  Disziplin  Fortschritte,  Entfaltung  und  Größe 
erzielen  sollte,  das  ist  nicht  möglich.     Wohl  aber  ist 


385    —  25 


X85        SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

es  möglich,  ihr  Brüder,  daß  ein  Mönch,  der  diese  zehn 
Dinge  überkommen  hat,  in  diesem  Gesetze  und  dieser 
DiszipHn  Fortschritte,  Entfaltung  und  Größe  er- 
zielen mag. 

85  Errungenschaften  vorgeben 

[Bei  Sahajäti  im  Lande  der  Cetier] 

Der  ehrwürdige  Mahäcundo  sprach: 
Da,  ihr  Brüder,  rühmt  und  brüstet  sich  ein  Mönch 
mit  den  Errungenschaften:  »Ich  trete  ein  in  die  erste 
Vertiefung  und  trete  wieder  heraus,  trete  ein. in  die 
zweite,  dritte  und  vierte  Vertiefung  und  trete  wieder 
heraus,  trete  ein  in  das  Gebiet  der  Raumunendlichkeit, 
der  Bewußtseinsunendlichkeit,  des  Nichtdasseins  und 
der  Weder  -Wahrnehmung  -  Noch  -  Nichtwahrnehmung 
und  trete  wieder  heraus.«  Der  Vollendete  aber  oder  ein 
sich  vertiefender  Jünger  derVollendeten,  der  vertraut  ist 
mit  den  Errungenschaften,  vertraut  mit  dem  Geiste 
der  anderen,  vertraut  mit  den  Geistesvorgängen  der 
anderen,  nimmt  ihn  sich  vor,  befragt  ihn,  forscht  ihn 
aus.  Von  ihm  aber  vorgenommen,  befragt  und  aus- 
geforscht, wird  er  verwirrt  und  befangen,  gerät  in 
Sorge  und  Verzagtheit,  ist  bedrückt  und  niederge- 
schlagen. Indem  aber  der  Vollendete  oder  der  Jünger 
des  Vollendeten  sein  Herz  im  Geiste  durchdringt, 
denkt  er  darüber  nach,  warum  wohl  dieser  Verehrte 
sich  mit  den  Errungenschaften  rühmt  und  brüstet. 
Und  sein  Herz  im  Geiste  durchdringend  erkennt  er 
ihn:  »Seit  langer  Zeit  ist  dieser  Verehrte  in  den  Sitten 
unvollkommen,  lückenhaft,  besudelt,  befleckt,  un 
beständig,  von  unbeständigem  Benehmen.      Sittenlos 

—    386    — 


ZEHNERBUCH  X  85 


ist  dieser  Verehrte.  Sittenlosigkeit  aber  gilt  in  dem 
vom  Vollendeten  verkündeten  Gesetze  und  seiner  Dis- 
ziplin als  ein  Rückschritt.  Vertrauenslos  ist  dieser 
Verehrte  —  unwissend  —  grob  —  von  üblem  Umgang 
—  träge  —  unachtsam  —  ein  Heuchler  —  schwer  zu  be- 
friedigen —  ohne  Einsicht.  Mangel  an  Einsicht  aber 
gilt  in  dem  vom  Vollendeten  verkündeten  Gesetze  und 
seiner  Disziplin  als  ein  Rückschritt.« 

Es  ist,  ihr  Brüder,  gerade  so  wie  wenn  ein  Freund 
zu  seinem  Freunde  spricht:  »Wenn  du  Geld  brauchst, 
mein  Lieber,  dann  bitte  mich  darum!  Ich  werde  dir 
welches  geben.«  Sobald  sich  nun  eine  Geldnot  ein- 
stellt, spricht  sein  Freund  zu  ihm:  »Ich  brauche  Geld 
mein  Lieber.  Gib  mir  welches!«  Jener  aber  spricht: 
»So  grabe  denn  hier  auf,  mein  Lieber!«  (1)  Während 
dieser  aber  dort  aufgräbt,  findet  er  keines;  und  er 
spricht:  »Etwas  Verkehrtes  und  Törichtes  hast  du  mir 
geraten,  mein  Lieber.«  Jener  aber  entgegnet:  »Ich  habe 
dir  nichts  Verkehrtes  und  Törichtes  geraten.  So  grabe 
doch  hier,  mein  Lieber!«  Und  trotzdem  dieser  noch- 
mals dort  gräbt,  findet  er  nichts;  und  er  spricht: 
»Etwas  Verkehrtes  und  Törichtes  hast  du  mir  geraten, 
mein  Lieber.«  Jener  aber  entgegnet:  »Ich  habe  dir 
nichts  Verkehrtes  und  Törichtes  geraten.  So  grabe 
doch  hier,  mein  Lieber!«  Und  trotzdem  dieser  wiederum 
dort  gräbt,  findet  er  nichts;  und  er  spricht:  »Etwas 
Verkehrtes  und  Törichtes  hast  du  mir  geraten,  mein 
Lieber.«  Jener  aber  spricht:  »Ich  habe  dir  nichts  Ver- 
kehrtes und  Törichtes  geraten;  ich  war  eben  dem  Wahn- 
witze verfallen,  der  geistigen  Verwirrung.« 

(1)  Um  die  angeblich  im  Boden  vergrabenen  Schätze  auszu- 
graben. 


387    —  25* 


X85        SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Ebenso  auch,  ihr  Brüder,  rühmt  und  brüstet  sich 
ein  Mönch  mit  den  Errungenschaften:  »Ich  trete  ein 
in  die  erste  Vertiefung  und  trete  wieder  heraus,  trete 
ein  in  die  zweite,  dritte  und  vierte  Vertiefung  und 
trete  wieder  heraus,  trete  ein  in  das  Gebiet  der  Raum- 
unendlichkeit, der-Bewußtseinsunendlichkeit,  des  Nicht- 
daseins  und  der  Weder- Wahrnehmung-Noch-Nichtwahr- 
nehmung  und  trete  wieder  heraus.«  Der  Vollendete 
aber  oder  ein  sich  vertiefender  Jünger  des  Vollendeten» 
der  vertraut  ist  mit  den  Errungenschaften,  vertraut 
mit  dem  Geiste  der  anderen,  vertraut  mit  den  Geistes- 
vorgängen der  anderen,  nimmt  ihn  sich  vor,  befragt 
ihn,  forscht  ihn  aus.  Von  ihm  aber  vorgenommen, 
befragt  und  ausgeforscht,  wird  er  verwirrt  und  be- 
fangen, gerät  in  Sorge  und  Verzagtheit,  ist  bedrückt 
und  niedergeschlagen.  Indem  aber  der  Vollendete 
oder  der  Jünger  des  Vollendeten  sein  Herz  im  Geiste 
durchdringt,  denkt  er  darüber  nach,  warum  wohl 
dieser  Verehrte  sich  mit  den  Errungenschaften  rühmt 
und  brüstet.  Und  sein  Herz  im  Geiste  durchdringend 
erkennt  er  ihn:  »Seit  langer  Zeit  ist  dieser  Verehrte 
in  den  Sitten  unvollkommen,  lückenhaft,  besudelt, 
befleckt,  unbeständig,  von  unbeständigem  Benehmen. 
Sittenlos  ist  dieser  Verehrte.  Sittenlosigkeit  aber  gilt 
in  dem  vom  Vollendeten  verkündeten  Gesetze  und 
seiner  Disziplin  als  ein  Rückschritt.  Vertrauenslos 
ist  dieser  Verehrte  —  unwissend  —  grob  —  von  üblem 
Umgang  —  träge  —  unachtsam  —  ein  Heuchler  — 
schwer  zu  befriedigen  —  ohne  Einsicht.  Mangel  an 
Einsicht  aber  gilt  in  dem  vom  Vollendeten  verkündeten 
Gesetze  und  seiner  Disziplin  als  ein  Rückschritt. <^ 
Daß  da  ein  Mönch,  ihr  Brüder,  ohne  diese  zehn 

—     388     — 


ZEHNERBUCH  X  86 


Dinge  überkommen  zu  haben,  in  diesem  Gesetze  und 
dieser  Disziplin  Fortschritte,  Entfaltung  und  Größe 
erzielen  sollte,  das  ist  nicht  möglich.  Wohl  aber  ist 
es  möglich,  ihr  Brüder,  daß  ein  Mönch,  der  diese  zehn 
Dinge  überkommen  hat,  in  diesem  Gesetze  und  dieser 
Disziplin  Fortschritte,  Entfaltung  und  Größe  er- 
zielen mag. 

Angebliche  Heiligkeit  86 

(Im  Bambushaine  bei  Räjagaha,  an  der   Fütterungs-     >- 

Stätte  der  Eichhörnchen] 

Der  ehrwürdige  Mahä-Kassapo  sprach: 

,,Da,  ihr  Brüder,  gibt  ein  Mönch  Höchstes 
Wissen  (aflnä)  vor,  indem  er  spricht:  »Aufgehoben  ist 
die  Wiedergeburt,  ausgelebt  der  Heilige  Wandel,  das 
Werk  vollendet,  nicht  kehr'  ich  mehr  zu  dieser  Welt 
zurück:  das  weiß  ich.<>  Der  Vollendete  aber  oder  ein 
sich  vertiefender  Jünger  des  Vollendeten,  der  vertraut 
ist  mit  den  Errungenschaften,  vertraut  mit  dem  Geiste 
der  anderen,  vertraut  mit  den  Geistesvorgängen  der 
anderen,  nimmt  ihn  sich  vor,  befragt  ihn,  forscht  ihn 
aus.  Von  ihm  aber  vorgenommen,  befragt  und  aus- 
geforscht, wird  er  verwirrt  und  befangen,  gerät  in 
Sorge  und  Verzagtheit,  ist  bedrückt  und  niederge- 
schlagen. Indem  nun  der  Vollendete  oder  der  Jünger 
des  Vollendeten  sein  Herz  im  Geiste  durchdringt, 
denkt  er  darüber  nach,  warum  wohl  dieser  Verehrte 
Höchstes  Wissen  vorgibt.  Und  sein  Herz  im  Geiste 
durchdringend,  erkennt  er:  »Eingebildet  ist  dieser 
Verehrte,  voll  von  Wissensdünkel.  Wo  er  nichts  er- 
reicht hat,  glaubt  er  etwas  erreicht  zu  haben;  wo  er 

—    389    — 


X86        SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

nichts  erwirkt  hat,  glaubt  er  etwas  erwirkt  zu  haben; 
wo  er  nichts  errungen  hat,  glaubt  er  etwas  errungen  zu 
haben;  und  in  seinem  Wahne  gibt  er  Höchstes  Wissen 
vor.  Indem  nun  der  Vollendete  oder  der  Jünger  des 
Vollendeten  sein  Herz  im  Geiste  durchdringt,  denkt 
er  darüber  nach,  warum  wohl  dieser  Verehrte  so  ein- 
gebildet und  voll  von  Wissensdünkel  ist,  daß,  wo  er 
nichts  erreicht  hat,  etwas  erreicht  zu  haben  glaubt,  wo 
er  nichts  erwirkt  hat,  etwas  erwirkt  zu  haben  glaubt, 
wo  er  nichts  errungen  hat,  etwas  errungen  zu  haben 
glaubt  und  in  seinem  Wahne  Höchstes  Wissen  vorgibt? 
Und  sein  Herz  im  Geiste  durchdringend  erkennt  er: 
»Freilich,  ein  großes  Wissen  besitzt  dieser  Verehrte, 
ist  ein  Träger  des  Wissens,  hat  sich  ein  großes  Wissen 
angesammelt.  Jene  Gesetze,  die  im  Anfang  erhaben, 
in  der  Mitte  erhaben  und  am  Ende  erhaben  sind,  dem 
Sinne  wie  dem  Wortlaute  nach,  und  das  ganz  und 
gar  vollkommene,  geläuterte  Heilige  Leben  lehren, 
solcher  Gesetze  hat  er  viele  vernommen, sich  eingeprägt, 
in  Worten  behalten,  mit  Erkenntnis  wohl  durch- 
drungen. Darum  ist  dieser  Verehrte  so  eingebildet  und 
voll  von  Wissensdünkel.  Und  sein  Herz  im  Geiste  durch- 
dringend erkennt  der  Vollendete  oder  der  Jünger  des 
'Vollendeten:  »Voll  Begierde,  wahrlich,  ist  dieser  Ver- 
ehrte; gierbesessenen  Herzens  verweilt  er  häufig;  von 
der  Begierde  aber  besessen  sein  gilt  in  dem  vom  Voll- 
endeten verkündeten  Gesetze  und  seiner  Disziplin  als 
ein  Rückschritt.  Voll  Groll  ist  dieser  Verehrte,  —  voll 
Stumpfheit  und  Mattigkeit,  —  voll  Aufgeregtheit,  — 
voll  Zweifelsucht;  zweifelbesessenen  Herzens  verweilt 
er  häufig;  von  Zweifelsucht  aber  besessen  sein  gilt  in 
dem  vom  Vollendeten  verkündeten  Gesetze  und  seiner 


390 


ZEHNERBUCH  X  87 


Disziplin  als  ein  Rückschritt.  Er  empfindet  Freude 
und  Gefallen  an  körperlichen  Arbeiten,  am  Plaudern, 
am.  Schlafen,  an  Geselligkeit,  ist  der  Freude  an  Ge- 
selligkeit hingegeben.  Das  aber  gilt  in  dem  vom  Voll- 
endeten verkündeten  Gesetze  und  seiner  Disziplin  als 
ein  Rückschritt.  Unachtsam  ist  dieser  Verehrte.  Wo 
es  noch  Höheres  zu  tun  gab,  hat  er,  um  einen  ganz 
•gemeinen  Vorteil  zu  erlangen,  auf  halbem  Wege  Schluß 
gemacht.  Auf  halbem  Wege  aber  Schluß  machen  gilt 
in  dem  vom  Vollendeten  verkündeten  Gesetze  und 
seiner  Disziplin  als  ein  Rückschritt. 

Daß  da  ein  Mönch,  ihr  Brüder,  ohne  diese  zehn 
Dinge  überkommen  zu  haben,  in  diesem  Gesetze  und 
dieser  Disziplin  FortschriMe,  Entfaltung  und  Größe 
erzielen  sollte,  das  ist  nicht  möglich.  Wohl  aber  ist 
es  möglich,  ihr  Brüder,  daß  ein  Mönch,  der  diese  zehn 
Dinge  überkommen  hat,  in  diesem  Gesetze  und  dieser 
Disziplin  Fortschritte,  Entfaltung  und  Größe  er- 
zielen mag. 

Die  Bedingungen  zur  Liebe  und  Achtung  87 

Dort  nun  wandte  sich  der  Erhabene  mit  Rück- 
sicht auf  den  Mönch  Kälaka  an  die  Mönche:  ,, Mönche!" 
sprach  er.  ,, Ehrwürdiger!"  erwiderten  jene  Mönche 
dem  Erhabenen.     Und  der  Erhabene  sprach: 

Da,  ihr  Mönche,  ist  der  Mönch  streitsüchtig,  lobt 
nicht  die  Schlichtung  des  Streites.  Daß  aber,  ihr 
Aiönche,  der  Mönch  streitsüchtig  ist,  nicht  die  Schlich- 
tung des  Streites  lobt,  das  ist  eine  Eigenschaft,  die 
nicht  zur  Freundschaft,  Achtung  und  Ehrfurcht,  zur 
Eintracht  und  Einigkeit  führt. 

—    391     — 


X87       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Fernerhin,  ihr  Mönche,  ist  da  ein  Mönch  nicht 
übungsbegierig,  lobt  nicht  die  Befolgung  der  Übung, 

—  ist  voll  übler  Wünsche,  —  voll  Zorn,  —  Heuchelei, 

—  Arglist,  —  Gleisnerei,  lobt  nicht  deren  Überwindung, 

—  besitzt  keinen  Einblick  in  die  Gesetze,  lobt  nicht 
den  Einblick  in  die  Gesetze,  —  ist  nicht  abgeschieden, 
lobt  nicht  die  Abgeschiedenheit,  —  ist  nicht  freundlich 
gegen  seine  Ordensbrüder,  lobt  nicht  die  Freundlich- 
keit, Daß  aber,  ihr  Mönche,  der  Mönch  nicht  freundlich 
ist  gegen  seine  Ordensbrüder,  nicht  die  Freundlichkeit 
lobt,  das  ist  eine  Eigenschaft,  die  nicht  zur  Freund- 
schaft, Achtung  und  Ehrfurcht,  zur  Eintracht  und 
Einigkeit  führt. 

Mag  da,  ihr  Mönche,  ein  solcher  Mönch  auch  noch 
so  sehr  wünschen:  »Ach  möchten  mich  doch  meine 
Ordensbrüder  schätzen  und  würdigen,  achten  und 
ehren!«:  seine  Ordensbrüder  jedoch  schätzen  und 
würdigen,  achten  und  ehren  ihn  eben  nicht.  Und  warum 
nicht?  Weil,  ihr  Mönche,  die  verständigen  Ordens- 
brüder merken,  daß  jene  üblen,  schuldvollen  Erschei- 
nungen  in   ihm   noch   nicht   geschwunden   sind. 

Auch  ein  junges  Roß,  ihr  Mönche,  mag  noch  so 
sehr  wünschen:  »Ach,  möchten  mich  doch  die  Men- 
schen an  einem  würdigen  Platze  einstellen,  mir  wür- 
diges Futter  reichen  und  würdige  Reinigung  zuteil 
werden  lassen!«:  die  Menschen  jedoch  stellen  es  eben 
nicht  an  einem  würdigen  Platze  ein,  reichen  ihm  kein 
würdiges  Futter  und  lassen  ihm  keine  würdige  Rei- 
nigung zuteil  werden.  Und  warum  nicht?  Weil,  ihr 
Mönche,  die  verständigen  Menschen  merken,  daß  jenes 
hinterlistige,  versteckte,  tückische  und  ungerade 
Wesen  in  ihm  noch  nicht  geschwunden  ist.     Ebenso 

—    392     — 


ZEHNERBUCH  X  87 


auch,  ihr  Mönche,  mag  ein  solcher  Mönch  noch  so 
sehr  wünschen:  ,,Ach,  möchten  mich  doch  meineOrdens- 
brüder  schätzen  und  würdigen,  achten  und  ehren!«: 
seine  Ordensbrüder  jedoch  schätzen  und  würdigen, 
achten  und  ehren  ihn  eben  nicht.  Und  warum  nicht? 
Weil,  ihr  Mönche,  die  verständigen  Ordensbrüder 
merken,  daß  jene  üblen,  schuldvollen  Erscheinungen 
in  ihm  noch  nicht  geschwunden  sind. 

Da  aber,  ihr  Mönche,  ist  ein  Mönch  nicht  streit- 
süchtig und  lobt  die  Schlichtung  des  Streites,  —  ist 
übungsbegierig,  —  bedürfnislos,  —  ohne  Zorn,  — 
ohne  Heuchelei,  —  ohne  Arglist,  —  ohne  Gleisnerei,  — 
besitzt  Einblick  in  die  Gesetze,  —  ist  abgeschieden,  — 
freundlich  gegen  seine  Ordensbrüder  und  lobt  die 
Freundlichkeit.  Daß  aber,  ihr  Mönche,  der  Mönch 
freundlich  ist  gegen  seine  Ordensbrüder  und  die  Freund- 
lichkeit lobt,  das  ist  eine  Eigenschaft,  die  zur  Freund- 
schaft, Achtung  und  Ehrfurcht,  zur  Eintracht  und 
Einigkeit  führt. 

Mag  da,  ihr  Mönche,  ein  solcher  Mönch  auch  nicht 
den  Wunsch  hegen:  »Ach,  möchten  mich  doch  meine 
Ordensbrüder  schätzen  und  würdigen,  achten  und 
ehren!«:  seine  Ordensbrüder  jedoch  schätzen  und 
würdigen,  achten  und  ehren  ihn  eben.  Und  warum? 
Weil,  ihr  Mönche,  die  verständigen  Ordensbrüder 
merken,  daß  jene  üblen,  schuldvollen  Ersche'inungen  in 
ihm  geschwunden  sind. 

Mag  das  gute,  edle  Roß,  ihr  Mönche,  auch  nicht 
den  Wunsch  hegen:  »Ach  möchten  mich  doch  die 
Menschen  an  einem  würdigen  Platze  einstellen,  mir 
würdiges  Futter  reichen  und  würdige  Reinigung  zu- 
teil werden  lassen!«:  die  Menschen  jedoch  stellen  ^s 

—    393    — 


X89        SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

eben  an  einem  würdigen  Platze  ein,  reichen  ihm  wür- 
diges Futter  und  lassen  ihm  würdige  Reinigung  zu- 
teil werden.  Und  warum?  Weil,  ihr  Mönche,  die  ver- 
ständigen Menschen  merken,  daß  jenes  hinterlistige, 
versteckte,  tückische  und  ungerade  Wesen  in  ihm  ge- 
schwunden ist.  Ebenso  auch,  ihr  Mönche,  mag  ein 
solcher  Mönch  auch  nicht  den  Wunsch  hegen:  »Ach, 
möchten  mich  doch  meine  Ordensbrüder  schätzen 
und  würdigen,  achten  und  ehren!«:  seine  Ordensbrüder 
jedoch  schätzen  und  würdigen,  achten  und  ehren  ihn 
eben.  Und  warum?  Weil,  ihr  Mönche,  die  verstän- 
digen Ordensbrüder  merken,  daß  jene  üblen,  schuld- 
vollen   Erscheinungen   in   ihm   geschwunden    sind. 

33  Das  Schicksal  des  Mönches  Kokäliko 

Der  Mönch  Kokäliko  sprach  zum  Erhabenen: 

»Üble  Wünsche,  o  Ehrwürdiger,  hegen  Säriputto 
und  Moggalläno.  Unter  dem  Einfluß  übler  Wünsche 
stehen   Säriputto   und   Moggalläno." 

„Nicht  doch,  Kokäliko!  Nicht  doch,  Kokäliko! 
Habe  in  deinem  Herzen  Vertrauen  zu  Säriputto  und 
Moggalläno!     Edel  sind  Säriputto  und  Moggalläno." 

Und  zum  zweitenmale  sprach  der  Mönch  Kokäliko 
zum  Erhabenen: 

,,Wie  sehr  auch,  o  Ehrwürdiger,  der  Erhabene 
diesen  glaubt  und  vertraut,  so  hegen  dennoch  Säriputto 
und  Moggalläno  üble  Wünsche,  stehen  unter  dem  Ein- 
flüsse übler  Wünsche." 

„Nicht  doch,  Kokäliko!  Nicht  doch,  Kohälikof 
Habe  in  deinem  Herzen  Vertrauen  zu  Säriputto  und 
Moggalläno!     Edel  sind  Säriputto  und  Moggallänol" 

—    394    — 


ZEHNERBUCH  X 8» 


Und  zum  drittenmale  sprach  der  Mönch  Kokälika 
zum  Erhabenen: 

„Wie  sehr  auch,  o  Ehrwürdiger,  der  Erhabene 
diesen  glaubt  und  vertraut,  so  hegen  dennoch  Säri- 
putto  und  Moggalläno  üble  Wünsche,  stehen  unter 
dem  Einflüsse  übler  Wünsche.  ' 

„Nicht  doch,  Kokäliko!  Nicht  doch,  Kokäliko! 
Habe  in  deinem  Herzen  Vertrauen  zu  Säriputto  und 
Moggalläno!    Edel  sind  Säriputto  und  Moggalläno." 

Da  erhob  sich  der  Mönch  Kokäliko  von  seinem 
Sitze,  begrüßte  ehrfurchtsvoll  den  Erhabenen,  und 
ihm  die  Rechte  zukehrend  entfernte  er  sich.  Kaum 
aber  war  der  Mönch  Kokäliko  gegangen,  da  wurde 
sein  ganzer  Körper  mit  Beulen  bedeckt,  die  so  groß 
waren  wie  Senfkörner.  Darauf  wurden  sie  so  groß 
wie  Mungbohnen,  dann  wie  Erbsen,  dann  wie  Brust- 
beerkerne, dann  wie  Brustbeeren,  dann  wie  Nelli- 
früchte  (1),  dann  wie  junge  Holzäpfel  (2),  dann  wie 
ausgereifte  Holzäpfel.    Als  sie  aber  so  groß  waren  wie 


(1)  Die  Myrobalanfrucht  (phyllantus  emblica),  in  Ceylon  Nelli 
genannt,  ähnelt  in  ihrem  Aussehen  und  bitteren  Geschmacke  der 
Olive.  Sie  wird  zu  medizinischen  Zwecken  verwandt  und  bildet,, 
mit  Zucker  eingemacht,  eine  schmackhafte  Speise. 

(2)  Die  Bilvafrucht  (aegle  marmelos,  zu  den  Rutaceae  gehörig),, 
in  Ceylon  Bell  genannt,  wird  auch  als  Holzapfel  und  bengalische 
Quitte  bezeichnet.  Nicht  bloß  die  Frucht,  sondern  fast  jeder  Teil 
des  Baumes  wird  zu  medizinischen  Zwecken  verwertet.  Die  Frucht 
besitzt  etwa  die  Größe  eines  Apfels  und  ist  nmd  wie  eine  Kugel. 
Ihre  Schale  ist  hart  wie  die  Schale  des  inneren  Kokosnußkemes 
imd  muß  durch  Aufschlagen  geöffnet  werden.  Das  Innere,  eine 
gelbe,  bitter  schmeckende  klebrig  elastische  Masse,  bildet  mit  Zusatz, 
von  Zucker  eine  erfrischende  Speise  und  gleichzeitig  ein  unüber- 
troffenes Mittel  zur  Regulierung  des  Stuhlganges. 

—     395     — 


X89       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

ausgereifte  Holzäpfel,  da  platzten  sie  auf,  und  Eiter 
und  Blut  quoll  hervor.  Er  aber  lag  da  auf  Bananen- 
blättern, wie  ein  Fisch,  der  Gift  geschluckt  hat. 

Und  Tudu  der  Einzelbrahmä  erschien  vor  dem 
Mönche  Kokäliko,  und  in  der  Luft  schwebend,  sprach 
er  zu  ihm: 

,,Habe  in  deinem  Herzen  Vertrauen  zu  Säriputto 
und  Moggalläno!  Edel  sind  Säriputto  und  Moggalläno." 

,,Wer  bist  du,  Bruder?" 

,,Tudu  bin  ich,  der  Einzelbrahmä." 

,,Hat  dich  denn  nicht,  o  Bruder,  der  Erhabene 
als  Niewiederkehrenden  bezeichnet?  Und  nun  bist 
du  doch  hierher  gekommen.  Sieh  lieber  deine  eigene 
Schuld  ein!"  (1) 

Tudu  der  Einzelbrahmä  aber  redete  den  Mönch 
Kokäliko  in  den  Versen  an: 

„Ja,  dem  gebor'nen  Erdensohne 
Erwächst  im  Munde  eine  Axt, 
Mit  der  der  Tor  sich  selbst  vernichtet 
Sofern  er  böse  Worte  spricht. 

„Wer  lobet,  was  ist  tadelnswert. 
Und  tadelt,  was  ist  lobenswert. 
Der  häuft  in  Worten  Böses  an, 
Und  Böses  bringet  nimmer  Glück. 

,,Gar  gering  ist  dieses  Übel: 
Hab  und  Gut  beim  Spiel  verlieren. 
Alles  samt  dem  eignen  Leben, 
Doch  das  größte  aller  Übel 
Ist,  die  Heiligen  zu  schmäh'n. 

(1)  Nach  den  Worten  des  Kommentars,  war  Tudu  in  seinem 
früheren  Leben  KohäUkos  Ratgeber  (upajjhäya)  imd  kommt  nun, 
'im  diesen  in  seiner  Gesinnung  zu  bekehren, 

—     396     — 


ZEHNERBUCH  X  89 


„Nirabbudas  einhunderttausendsechsunddreißig 
Und  außerdem  fünf  weit're  Abbudas  an  Jahren 
Erleidet  Höllenqualen,  wer  die  Heil'gen  lästert 
Und  in  Worten  und  Gedanken  Böses  wirkt." 

Bald  darauf  aber  starb  der  Mönch  Kokäliko  an 
eben  jener  Krankheit  und  erschien  nach  seinem  Tode 
in  der  Padumahölle  wieder,  dafür  daß  er  gegen  Säri- 
putto  und  Moggalläno  Groll  im  Herzen  hegte.  Und 
der  Brahma  Sahampati  kam  zu  vorgerückter  Nacht- 
zeit, herrlich  erstrahlend  und  den  ganzen  Jetahain  er- 
leuchtend zum  Erhabenen  heran.  Dort  angelangt 
begrüßte  er  ehrfurchtsvoll  den  Erhabenen  und  stellte 
sich  zur  Seite  hin.  Zur  Seite  aber  stehend  sprach  der 
Brahma  Sahampati  zum  Erhabenen:  ,,Der  Mönch 
Kokäliko,  o  Ehrwürdiger,  ist  gestorben  und  nach  dem 
Abscheiden  in  der  Padumahölle  wiedererschienen,  da- 
für daß  er  gegen  Säriputto  und  Moggalläno  Grolljm 
Herzen  hegte." 

Also  sprach  der  Brahma  Sahampati,  nach  diesen 
Worten  begrüßte  er  ehrfurchtsvoll  den  Erhabenen,  und 
ihm  die  Rechte  zukehrend  verschwand  er  von  dort. 

Nach  Ablauf  der  Nacht  aber  wandte  sich  der  Er- 
habene an  die  Mönche  und  sprach: 

„Diese  Nacht,  ihr  Mönche,  zu  vorgerückter 
Stunde,  kam  der  Brahma  Sahampati  herrlich  erstrah- 
lend und  den  ganzen  Jetahain  erleuchtend,  zu  mir 
heran  und  sprach:  »Der  Mönch  Kokäliko,  o  Ehrwür- 
diger, ist  gestorben  und  nach  dem  Abscheiden  in  der 
Padumahölle  wiedererschienen,  dafür  daß  er  gegen 
Säriputto   und  Moggalläno   Groll   im   Herzen  hegte." 

Also  sprach  der  Brahma  Sahampati,  nach  diesen 

—     397     — 


X89       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Worten  begrüßte  er  mich  ehrfurchtsvoll,  und  mir  die 
Rechte  zukehrend  verschwand  er  an  Ort  und  Stelle." 

Auf  diese  Worte  hin  sprach  einer  der  Mönche  zum 
Erhabenen: 

„Wie  lange  wohl,  o  Ehrwürdiger,  währt  die  Lebens- 
frist in  der  Padumahölle?" 

,,  Gar  lange,  o  Mönch,  währt  die  Lebensfrist  in 
der  Padumahölle.  Nicht  leicht  läßt  sich  das  berechnen 
und  etwa  sagen:  soviele  Jahre  oder  soviele  Jahrhunderte 
oder  soviele  Jahrtausende  oder  soviele  Hunderttausende 
von  Jahren." 

„Könnte  man  wohl  aber  ein   Gleichnis  geben?" 

,,Das  kann  man,  o  Mönch."  Und  der  Erhabene 
sprach : 

,, Nehmen  wir  an,  o  Mönch,  es  befände  sich  da 
eine,  sechzig  Kosaler  Scheffel  haltende  Fuhre  Sesam- 
körner, und  ein  Mann  nähme  jedesmal  nach  Ablauf 
von  hundert  Jahren  ein  Sesamkorn  davon  weg,  so 
möchte  bei  diesem  Verfahren  jene,  sechzig  Kosaler 
Scheffel  haltende  Fuhre  Sesamkörner  schneller  alle 
werden  und  zu  Ende  kommen  als  eine  Lebensfrist  in 
der  Abbudahölle.  Zwanzig  solcher  Abbudahöllen  aber 
entsprechen  einer  Niräbbudahölle,  zwanzig  Nirabbuda- 
höllen  einer  Ababahölle,  zwanzig  Ababahöllen  einer 
Ahahahölle,  zwanzig  Ahahahöllen  einer  Atatahölle, 
zwanzig  Atatahöllen  einer  Kumudahölle,  zwanzig  Ku- 
mudahöllen  einer  Sogandhikahölle,  zwanzig  Sogandhi- 
kahöllen  einer  Uppalakahölle,  zwanzig  Uppalakahöllen 
einer  Pundarikahölle,  zwanzig  Pundarikahöllen  einer 
Padumahölle.  In  der  Padumahölle  aber  ist  der  Mönch 
Kokäliko  wiedererschienen,  da  er  gegen  Säriputto  und 
-Moggalläno  Groll  im  Herzen  hegte." 

—    398    — 


ZEHNERBUCH  ^»0 


Also  sprach  der  Erhabene.  Und  nach  diesen  Worten 
sprach  der  Gesegnete,  der  Meister,  fernerhin: 

„Ja,  dem  gebor'nen  Erdensohne 
Erwächst  im  Munde  eine  Axt, 
Mit  der  der  Tor  sich  selbst  vernichtet 
Sofern  er  böse  Worte  spricht. 

„Wer  lobet,  was  ist  tadelnswert, 
Und  tadelt,  was  ist  lobenswert, 
Der  häuft  in  Worten  Böses  an, 
Und  Böses  bringet  nimmer  Glück. 

„Gar  gering  ist  dieses  Übel: 
Hab  und  Gut  beim  Spiel  verlieren, 
Alles  samt  dem  eignen  Leben, 
Doch  das  größte  aller  Übel 
Ist,  die  Heiligen  zu  schmäh'n. 

„Nifabbudas  einhunderttausendsechsunddreißig 
Und  außerdem  fünf  weit're  Abbudas  an  Jahren 
Erleidet  Höllenqualen,  wer  die  Heil'gen  lästert 
Und  in  Worten  und   Gedanken  Böses  wirkt." 

Die  zehn  Kräfte  des  von  Leidenschaften  Erlösten 

Der  Erhabene  sprach  zum  ehrwürdigen  Säriputto: 

„Wieviele  Kräfte,  Säriputto,  eignen  wohl  dem  von 
Leidenschaften  erlösten  Mönche,  mit  denen  ausgestattet 
er  von  sich  die  Versiegung  der  Leidenschaften  behauptet: 
»Versiegt  sind  in  mir  die  Leidenschaften?" 

„Zehn,  0  Ehrwürdiger.     Und  welche  zehn? 
„Da,  0  Ehrwürdiger,  hat  der  von  Leidenschaften 
erlöste  Mönch  der  Wirklichkeit  gemäß  in  rechter  Ein- 
sicht  klar   erkannt,   daß    alle   Bildungen   vergänglich 
sind.    Daß  er  aber,  o  Ehrwürdiger,  dies  erkannt  hat; 

—    399    — 


90 


X90       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN    

ist  eine  Kraft  des  von  Leidenschaften  erlösten  Mönches, 
auf  die  gestützt  er  von  sich  die  Versiegung  der  Leiden- 
schaften behauptet:  »Versiegt  sind  in  mir  die  Leiden- 
schaften.« 

,, Fernerhin,  o  Ehrwürdiger,  hat  der  von  Leiden- 
schaften erlöste  Mönch  derWirklichkeit  gemäß  in  rechter 
Einsicht  klar  erkannt,  daß  die  Begierden  glühenden 
Kohlen  gleichen.  —  Fernerhin,  o  Ehrwürdiger,  neigt 
der  Geist  des  von  Leidenschaften  erlösten  Mönches 
zur  Einsamkeit,  ist  der  Einsamkeit  zugewandt,  der 
Einsamkeit  ergeben,  losgelöst  und  in  der  Entsagung 
beglückt,  gänzlich  entgangen  den  befleckenden  Dingen. 

—  Fernerhin,  o  Ehrwürdiger,  hat  der  von  Leiden- 
schaften erlöste  Mönch  die  vier  Grundlagen  der  Acht- 
samkeit erweckt  und  wohl  entfaltet,  —  hat  die  vier 
rechten  Anstrengungen  erweckt  und  wohl  entfaltet,  — 
hat  die  vier  Machtfährten  erweckt  und  wohl  entfaltet, 

—  hat  die  fünf  Fähigkeiten  erweckt  und  wohl  ent- 
faltet, —  hat  die  fünf  Kräfte  erweckt  und  wohl  ent- 
faltet, —  hat  die  sieben  Glieder  der  Erleuchtung  er- 
weckt und  wohl  entfaltet  —  hat  den  edlen  achtfachen 
Pfad  erweckt  und  wohl  entfaltet.  Daß  der  von  Leiden- 
schaften erlöste  Mönch  aber,  o  Ehrwürdiger,  den  edlen 
achtfachen  Pfad  erweckt  und  wohl  entfaltet  hat,  ist 
eine  Kraft  des  von  Leidenschaften  erlösten  Mönches, 
auf  die  gestützt  er  von  sich  die  Versiegung  der  Leiden- 
schaften behauptet:  »Versiegt  sind  in  mir  die  Leiden- 
schaften.« 

„Diese  zehn  Kräfte,  o  Ehrwürdiger,  eignen  dem 
von  Leidenschaften  erlösten  Mönche,  mit  denen  aus- 
gestattet er  von  sich  die  Versiegung  der  Leidenschaften 
behauptet:  »Versiegt  sind  in  mir  die  Leidenschaften.«" 

—     400    — 


ZEHNERBUCH  X  91 


ZEHNTER    TEIL: 

Das  Kapitel  der  Anhänger 

Die  weltlich  Genießenden  91 

[Im  Jetahaine  bei  Sävatthi] 

Der   Erhabene  sprach  zu  Anäthapindiko  dem   Haus- 
vater: 

Folgende  zehn  weltlich  Genießende,  o  Hausvater, 
sind  in  der  Welt  anzutreffen:  welche  zehn? 

Da,  0  Hausvater,  sucht  ein  weltlich  Genießender 
auf  ungesetzliche  und  gewaltsame  Weise  nach  Schätzen; 
und  er  hat  sich  auf  ungesetzliche  und  gewaltsame  Weise 
Schätze  verschafft,  so  macht  er  weder  sich  selber 
glücklich  und  froh,  noch  macht  er  Geschenke  und  tut 
gute  Werke. 

Da,  0  Hausvater,  sucht  ein  weltlich  Genießender 
auf  ungesetzliche  und  gewaltsame  Weise  nach  Schätzen; 
und  hat  er  sich  auf  ungesetzliche  und  gewaltsame  Weise 
Schätze  verschafft,  so  macht  er  sich  selber  glücklich 
und  froh,  doch  macht  er  keine  Geschenke  und  tut  keine 
guten  Werke. 

Da,  0  Hausvater,  sucht  ein  weltlich  Genießender 
auf  ungesetzliche  und  gewaltsame  Weise  nach  Schätzen; 
und  hat  er  sich  auf  ungesetzliche  und  gewaltsame  Weise 
Schätze  verschafft,  so  macht  er  sowohl  sich  selber 
glücklich  und  froh,  als  auch  macht  er  Geschenke  und 
tut  gute  Werke. 

Da,  0  Hausvater,  sucht  ein  weltlich  Genießender 
auf    gesetzliche    und    ungesetzliche,    gewaltsame    und 

—     401     —  26 


X91        SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

nichtgewaltsame  Weise  nach  Schätzen,  und  hat  er 
sich  auf  gesetzliche  und  ungesetzHche,  gewaltsame 
und  nicht  gewaltsame  Weise  Schätze  verschafft,  so 
macht  er  weder  sich  selber  glücklich  und  froh,  noch 
macht  er  Geschenke  und  tut  gute  Werke. 

Da,  0  Hausvater,  sucht  ein  weltlich  Genießender 
auf  gesetzliche  und  ungesetzliche,  gewaltsame  und 
nicht  gewaltsame  Weise  nach  Schätzen,  und  hat  er 
sich  auf  gesetzliche  und  ungesetzliche,  gewaltsame  und 
nicht  gewaltsame  Weise  Schätze  verschafft,  so  macht 
er  sich  selber  glücklich  und  froh,  doch  macht  er  keine 
Geschenke  und  tut  keine  guten  Werke. 

Da,  0  Hausvater,  sucht  ein  weltlich  Genießender 
auf  gesetzliche  und  ungesetzliche,  gewaltsame  und 
nichtgewaltsame  Weise  nach  Schätzen,  und  hat  er 
sich  auf  gesetzliche  und  ungesetzliche,  gewaltsame  und 
nichtgewaltsame  Weise  Schätze  verschafft,  so  macht 
er  sowohl  sich  selber  glücklich  und  froh,  als  auch  macht 
er  Geschenke  und  tut  gute  Werke. 

Da,  0  Hausvater,  sucht  ein  weltlich  Genießender 
auf  gesetzliche  Weise  und  ohne  Gewalt  nach  Schätzen, 
und  hat  er  sich  auf  gesetzliche  Weise  und  ohne  Ge- 
walt Schätze  verschafft,  so  macht  er  weder  sich  selber 
glücklich  und  froh,  noch  macht  er  Geschenke  und 
tut  gute  Werke. 

Da,  0  Hausvater,  sucht  ein  weltlich  Genießender 
auf  gesetzliche  Weise  und  ohne  Gewalt  nach  Schätzen, 
und  hat  er  sich  auf  gesetzliche  Weise  und  ohne  Gewalt 
Schätze  verschafft,  so  macht  er  sich  selber  glücklich 
und  froh,  doch  macht  er  keine  Geschenke  und  tut 
keine  guten  Werke. 

Da,  0  Hausvater,  sucht  ein  weltlich  Genießender 

—    402     — 


ZEHNERBUCH  X  91 


auf  gesetzliche  Weise  und  ohne  Gewalt  nach  Schätzen, 
und  hat  er  sich  auf  gesetzliche  Weise  und  ohne  Ge- 
walt Schätze  verschafft,  so  macht  er  sowohl  sich  selber 
glijcklich  und  froh,  als  auch  macht  er  Geschenke  und 
tut  gute  Werke.  Doch  während  er  die  Schätze  ge- 
nießt, hängt  er  sich  daran,  wird  betört,  kommt  zu 
Falle,  ohne  daß  er  das  Elend  merkt  und  den  Ausweg 
kennt. 

Da,  0  Hausvater,  sucht  ein  weltlich  Genießender 
auf  gesetzliche  Weise  und  ohne  Gewalt  nach  Schätzen, 
und  hat  er  sich  auf  gesetzliche  Weise  und  ohne  Ge- 
walt Schätze  verschafft,  so  macht  er  sowohl  sich  selber 
glücklich  und  froh,  als  auch  macht  er  Geschenke  und 
tut  gute  Werke.  Und  während  er  die  Schätze  genießt, 
hängt  er  sich  nicht  daran,  wird  nicht  betört,  kommt 
nicht  zu  Fall,  da  er  eben  das  Elend  merkt  und  den 
Ausweg  kennt. 

Daß  da,  o  Hausvater,  der  eine  weltlich  Genießende 
auf  ungesetzliche  und  gewaltsame  Weise  nach  Schätzen 
sucht:  aus  diesem  ersten  Grunde  ist  er  zu  tadeln.  Daß 
er  sich  nicht  selber  glücklich  und  froh  macht:  aus 
diesem  zweiten  Grunde  ist  er  zu  tadeln.  Daß  er  keine 
Geschenke  macht  und  gute  Werke  tut:  aus  diesem 
dritten  Grunde  ist  er  zu  tadeln.  Dieser  weltlich  Ge- 
nießende, 0  Hausvater,  ist  aus  diesen  drei  Gründen 
zu  tadeln. 

Daß  da,  o  Hausvater,  der  eine  weltlich  Genießende 
auf  ungesetzliche  und  gewaltsame  Weise  nach  Schätzen 
sucht:  aus  diesem  ersten  Grunde  ist  er  zu  tadeln.  Daß 
er  sich  selber  glücklich  und  froh  macht:  aus  diesem 
einen  Grunde  ist  er  zu  loben.  Daß  er  keine  Geschenke 
macht  und  gute  Werke  tut:  aus  diesem  zweiten  Grunde 


403     —  26* 


X91        SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

ist  er  zu  tadeln.    Dieser  weltlich  Genießende,  o  Haus 
vater,  ist  aus  den  beiden  Gründen  zu  loben,  aus  dem 
einen  Grunde  aber  zu  tadeln. 

Daß  da,  o  Hausvater,  der  eine  weltlich  Genießende 
auf  ungesetzliche  und  gewaltsame  Weise  nach  Schätzen 
sucht:  aus  diesem  ein^n  Grunde  ist  er  zu  loben.  Daß 
er  sich  selber  glücklich  und  froh  macht:  aus  diesem 
ersten  Grunde  ist  er  zu  loben.  Daß  er  Geschenke 
macht  und  gute  Werke  tut:  aus  diesem  zweiten  Grunde 
ist  er  zu  loben.  Dieser  weltlich  Genießende,  o  Haus- 
vater, ist  aus  dem  einen  Grunde  zu  tadeln,  aus  den 
beiden  anderen  Gründen  aber  zu  loben. 

Daß  da,  o  Hausvater,  der  eine  weltlich  Genießende 
auf  gesetzliche  und  nichtgewaltsame  Weise  nach  Schät- 
zen sucht:  aus  diesem  einen  Grunde  ist  er  zu  loben. 
Daß  er  auf  ungesetzliche  und  gewaltsame  Weise  Schätze 
sucht:  aus  diesem  ersten  Grunde  ist  er  zu  tadeln. 
Daß  er  sich  nicht  selber  glücklich  und  froh  macht: 
aus  diesem  zweiten  Grunde  ist  er  zu  tadeln.  Daß  er 
keine  Geschenke  macht  und  gute  Werke  tut:  aus  diesem 
dritten  Gründe  ist  er  zu  tadeln.  Dieser  weltlich  Ge- 
nießende, 0  Hausvater,  ist  aus  dem  einen  Grunde  zu 
loben,  aus  den  drei  anderen  Gründen  aber  zu  tadeln. 

Daß  da,  o  Hausvater,  der  eine  weltlich  Genießende 
auf  gesetzliche  und  nichtgewaltsame  Weise  nach 
Schätzen  sucht:  aus  diesem  ersten  Grunde  ist  er  zu 
loben.  Daß  er  auf  ungesetzliche  und  gewaltsame  Weise 
nach  Schätzen  sucht:  aus  diesem  ersten  Grunde  ist 
er  zu  tadeln.  Daß  er  sich  selber  glücklich  und  froh 
macht:  aus  diesem  zweiten  Grunde  ist  er  zu  loben. 
Daß  er  keine  Geschenke  macht  und  gute  Werke  tut: 
aus  diesem  zweiten  Grunde  ist  er  zu  tadeln.     Dieser 

—     404     — 


ZEHNERBUCH  X  91 


weltlich  Genießende,  o  Hausvater,  ist  aus  den  zwei 
Gründen  zu  loben,  aus  den  beiden  andern  Gründen 
aber  zu  tadeln. 

Daß  da,  o  Hausvater,  der  eine  weltlich  Genießende 
auf  gesetzliche  und  nichtgewaltsame  Weise  nach 
Schätzen  sucht:  aus  diesem  ersten  Grunde  ist  er  zu 
loben.  Daß  er  auf  ungesetzliche  und  gewaltsame  Weise 
nach  Schätzen  sucht:  aus  diesem  einen  Grunde  ist 
er  zu  tadeln.  Daß  er  sich  selber  glücklich  und  froh 
macht:  aus  diesem  zweiten  Grunde  ist  er  zu  loben. 
Daß  er  Geschenke  macht  und  gute  Werke  tut:  aus 
diesem  dritten  Grunde  ist  er  zu  loben.  Dieser  weltlich 
Genießende,  o  Hausvater,  ist  aus  den  drei  Gründen 
zu  loben,  aus  dem  einen  Grunde  aber  zu  tadeln. 

Daß  da,  o  Hausvater,  der  eine  weltlich  Genießende 
auf  gesetzliche  und  nichtgewaltsame  Weise  nach 
Schätzen  sucht:  aus  diesem  einen  Grunde  ist  er  zu 
loben.  Daß  er  sich  nicht  selber  glücklich  und  froh 
macht:  aus  diesem  ersten  Grunde  ist  er  zu  tadeln. 
Daß  er  keine  Geschenke  macht  und  gute  Werke  tut: 
aus  diesem  zweiten  Grunde  ist  er  zu  tadeln.  Dieser 
weltlich  Genießende,  o  Hausvater,  ist  aus  dem  einen 
Grunde  zu  loben,  aus  den  beiden  anderen  Gründen  aber 
zu  tadeln. 

Daß  da,  o  Hausvater,  der  eine  weltlich  Genießende 
auf  gesetzliche  und  nichtgewaltsame  Weise  nach 
Schätzen  sucht:  aus  diesem  ersten  Grunde  ist  er  zu 
loben.  Daß  er  sich  selber  glücklich  und  froh  macht: 
aus  diesem  zweiten  Grunde  ist  er  zu  loben.  Daß  er 
keine  Geschenke  macht  und  gute  Werke  tut:  aus  diesem 
einen  Grunde  ist  er  zu    tadeln.     Dieser    weltlich  Ge- 

—    405     — 


X  91       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

nießende,  o  Hausvater,  ist  aus  den  zwei  Gründen  zu 
loben,  aus  dem  einen  Grunde  aber  zu  tadeln. 

Daß  da,  o  Hausvater,  der  eine  weltlich  Genießende 
auf  ungesetzliche  und  nicht  gewaltsame  Weise  nach 
Schätzen  sucht:  aus  diesem  ersten  Grunde  ist  er  zu 
loben.  Daß  er  sich  selber  glücklich  und  froh  macht: 
aus  diesem  zweiten  Grunde  ist  er  zu  loben.  Daß  er 
Geschenke  macht  und  gute  Werke  tut:  aus  diesem 
dritten  Grunde  ist  er  zu  loben.  Daß  er,  während  er 
die  Schätze  genießt,  sich  daran  hängt,  betört  wird, 
zu  Falle  kommt,  ohne  daß  er  das  Elend  merkt  und  den 
Ausweg  kennt:  aus  diesem  einen  Grunde  ist  er  zu 
tadeln.  Dieser  weltlich  Genießende,  o  Hausvater,  ist 
aus  den  drei  Gründen  zu  loben,  aus  dem  einen  Grunde 
aber  zu  tadeln. 

Daß  da.  o  Hausvater,  der  eine  weltlich  Genießende 
auf  ungesetzliche  und  nicht  gewaltsame  Weise  nach 
Schätzen  sucht:  aus  diesem  ersten  Grunde  ist  er  zu 
loben.  Daß  er  sich  selber  glücklich  und  froh  macht: 
aus  diesem  zweiten  Grunde  ist  er  zu  loben.  Daß  er 
Geschenke  macht  und  gute  Werke  tut:  aus  diesem 
dritten  Grunde  ist  er  zu  loben.  Daß  er,  während  er 
die  Schätze  genießt,  sich  nicht  daran  hängt,  nicht 
betört  wird,  nicht  zu  Falle  kommt,  da  er  das  Elend 
merkt  und  den  Ausweg  kennt:  aus  diesem  vierten 
Grunde  ist  er  zu  loben.  Dieser  weltlich  Genießende, 
0  Hausvater,  ist  aus  diesen  vier  Gründen  zu  loben. 

Diese  zehn  weltlich  Genießenden,  o  Hausvater, 
sind  in  der  Welt  anzutreffen.  Derjenige  aber  von  den 
zehn  weltlich  Genießenden,  o  Hausvater,  der  auf  ge- 
setzliche und  nichtgewaltsame  Weise  Schätze  sucht 
und,  nachdem  er  auf  gesetzliche  und  nichtgewaltsame 

—    406     — 


ZEHNERBUCH  X92 


Weise  sich  Schätze  verschafft  hat,  sowohl  sich  selber 
glücklich  und  froh  macht,  als  auch  Geschenke  macht 
und  gute  Werke  tut,  und  während  er  die  Schätze  ge- 
nießt, sich  nicht  daran  hängt,  nicht  betört  wird,  nicht 
zu  Falle  kommt,  da  er  eben  das  Elend  merkt  und  den 
Ausweg  kennt:  dieser  gilt  unter  den  zehn  weltlich  Ge- 
nießenden als  der  Erste,  der  Beste,  der  Edelste,  der 
Höchste,  der  Erhabenste. 

Gleichwie,  o  Hausvater,  von  der  Kuh  die  Milch 
kommt,  von  der  Milch  der  Rahm,  vom  Rahme  die 
Butter,  von  der  Butter  das  Butteröl,  vom  Butteröle 
der  Butterölschaum  und  da  der  Butterölschaum  als 
das  Beste  gilt:  ebenso  auch,  o  Hausvater,  gilt  unter 
den  zehn  weltlich  Genießenden  dieser  als  der  Erste, 
der  Beste,  der  Edelste,  der  Höchste,  der  Erhabenste. 

Vom  Abwege  befreit  ^^ 

[Im  Jetahaine  bei  Sävatthi] 

Der  Erhabene  sprach  zu  Anäthapindiko    dem    Haus- 
vater: 

Sobald,  0  Hausvater,  in  dem  edlen  Jünger  die 
fünf  schrecklichen  Übel  geschwunden  sind,  er  ausge- 
rüstet ist  mit  den  vier  »Gliedern  des  Stromeintrittes« 
und  den  edlen  Richtweg  ganz  durchschaut  und  durch- 
drungen hat,  so  darf  er,  wenn  er  will,  von  sich  be- 
haupten, daß  er  befreit  ist  von  der  Hölle,  dem  Tier- 
schoße  und  dem  Gespensterreiche  und  entronnen  ist 
dem  Abwege,  der  Leidensfährte  und  der  verstoßenen 
Welt,  eingetreten  in  den  Strom,  dem  Verderben  ent- 
ronnen, gesichert,  der  vollen  Erleuchtung  gewiß. 

Welche  fünf  schrecklichen  Übel  aber,  o  Hausvater, 

—     407     — 


SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

sind  in  ilim  geschwunden?  Wer  da,  o  Hausvater, 
tötet,  stiehlt,  sich  geschlechthch  vergeht,  lügt  und  be- 
rauschende Getränke  genießt,  der  erzeugt  gegen- 
wärtiges schreckHches  Übel,  erzeugt  künftiges  schreck- 
liches Übel,  empfindet  geistigen  Schmerz  und  Trüb- 
sinn. Wer  aber,  o  Hausvater,  davon  absteht,  der  er- 
zeugt weder  gegenwärtiges  schreckliches  Übel  noch 
künftiges  schreckliches  Übel,  noch  empfindet  er 
geistigen  Schmerz  und  Trübsinn.  Wer  sich  also  davon 
ferne  hält,  für  den  sind  jene  schrecklichen  Übel  ge- 
schwunden. Das  aber  sind  die  fünf  schrecklichen  Übel, 
die  in  dem  edlen  Jünger  geschwunden  sind. 

Welches  aber  sind  die  vier  Glieder  des  Strom- 
eintrittes, mit  denen  er  ausgerüstet  ist?  Da,  o 
Hausvater,  eignet  dem  edlen  Jünger  das  unerschütter- 
liche Vertrauen  zum  Erleuchteten:  »Dies  ist  der  Er- 
habene, der  Heilige,  vollkommen  Erleuchtete,  der  im 
Wissen  und  Wandel  Vollendete,  der  Gesegnete,  der 
Weltenkenner  der  höchste  Lenker  der  zu  bezähmen- 
den Menschheit,  der  Meister  der  Himmelswesen  und 
Menschen,  der  Erleuchtete,  der  Erhabene!«  Ihm  eignet 
das  unerschütterliche  Vertrauen  zum  Gesetze:  »Wohl 
dargetan  ist  vom  Erhabenen  das  Gesetz,  das  ein 
sichtbares,  unmittelbares  Ergebnis  zeitigt,  das  ein- 
ladende, zum  Ziele  führende,  das  jedem  Verständigen 
verständlich  ist.«  Ihm  eignet  das  unerschütterliche 
Vertrauen  zur  Jüngerschaft:  »In  Vollkommenheit  wan- 
delt die  Jüngerschaft  des  Erhabenen,  in  Aufrichtigkeit 
wandelt  die  Jüngerschaft  des  Erhabenen,  auf  dem 
rechten  Pfade  wandelt  die  Jüngerschaft  des  Erha- 
benen, in  Pflichtentreue  wandelt  die  Jüngerschaft  des 
Erhabenen,  als  da  sind  die  vier  Paare  und  Acht  Arten 

—    408     — 


ZEHNERBUCH  X  92 


von  Menschen.  Diese  Jüngerschaft  des  Erhabenen  ist 
würdig  der  Opfer,  würdig  der  Gastfreundschaft,  würdig 
der  Gaben,  würdig  des  ehrfurchtsvollen  Handgrußes, 
ist  in  der  Welt  der  beste  Boden  für  verdienstvolle 
Werke.  Ihm  eignen  Sitten,  wie  sie  den  Edlen  lieb  sind, 
ungebrochen,  lückenlos,  unbefleckt,  ungetrübt,  un- 
gezwungen, von  den  Verständigen  gepriesen,  unbe- 
einflußt, zur  Sammlung  hinführend.  Mit  diesen  vier 
Gliedern  des  Stromeintrittes  ist  er  ausgerüstet. 

Welches  aber  ist  der  edle  Richtweg    (naya),  den 
er  ganz  durchschaut  und  durchdrungen  hat?     Da,  o 
Hausvater,   überlegt   der   edle   Jünger   also   bei   sich: 
»Wenn  dieses  ist,  ist  jenes;    durch  die  Entstehung  von 
diesem  entsteht  jenes.    Wenn  dieses  nicht  ist,  ist  jenes 
nicht;    durch    die    Aufhebung   von   diesem   schwindet 
jenes,  nämlich:  auf  der  Unwissenheit  beruht  die  Taten- 
bildung,  auf  der   Tatenbildung   das   Bewußtsein,   auf 
dem  Bewußtsein  Körperlichkeit  und  Geist,  auf  Körper- 
lichkeit und  Geist  die  Tätigkeit  der  sechs  Sinnenorgane, 
auf  der  Tätigkeit  der  sechs  Sinnenorgane  der  Sinnen- 
eindruck, auf  dem  Sinneneindruck  das  Gefühl,  auf  dem 
Gefühl  der  Durst,  auf  dem  Durst  das  Anhaften,  auf  dem 
Anhaften  der  Werdegang,    auf    dem  Werdegang    die 
Geburt;  und  auf  der  Geburt  beruhend  entstehen  Alter 
und  Tod,  Sorge,  Jammer,  Schmerz,  Trübsal  und  Ver- 
zweiflung. So  kommt  es  zur  Entstehung  dieser  ganzen 
Fülle   von  Leiden.     Durch    die    restlose    Abwendung 
und  Aufhebung  der  Unwissenheit  aber  schwindet  die 
Tatenbildung,    durch    Aufhebung    deer    Tatenbildung 
das   Bewußtsein,   durch   Aufhebung   des   Bewußtseins 
Körperhchkeit  und  Geist,  durch  Aufhebung  von  Kör- 
perlichkeit und  Geist  die  Tätigkeit  der  sechs  Sinnen- 

—    409     — 


X93        SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Organe,  durch  Aufhebung  der  sechs  Sinnenorgane  der 
Sinneneindruck,  durch  Aufhebung  des  Sinnenein- 
druckes das  Gefühl,  durch  Aufhebung  des  Gefühls  der 
Durst,  durch  Aufhebung  des  Durstes  das  Anhaften, 
durch  Aufhebung  des  Anhaftens  der  Werdegang,  durch 
Aufhebung  des  Werdeganges  die  Geburt;  und  durch 
Aufhebung  der  Geburt  schwinden  Alter  und  Tod,  Sorge, 
Jammer,  Schmerz,  Trübsal  und  Verzweiflung.  So 
kommt  es  zur  Aufhebung  dieser  ganzen  Fülle  von 
Leiden.«  Dies  aber  ist  der  edle  Richtweg,  den  er  ganz 
durchschaut  und  durchdrungen  hat. 

Sobald,  0  Hausvater,  in  dem  edlen  Jünger  diese 
fünf  schrecklichen  Übel  geschwunden  sind,  er  ausge- 
rüstet ist  mit  diesen  vier  Gliedern  des  Stromeintrittes 
und  diesen  edlen  Richtweg  ganz  durchschaut  und 
durchdrungen  hat,  so  darf  er,  wenn  er  will,  von  sich 
behaupten,  daß  er  befreit  ist  von  der  Hölle,  dem  Tier- 
schoße  und  dem  Gespensterreiche  und  entronnen  ist 
dem  Abwege,  der  Leidensfährte  und  der  verstoßenen 
Welt,  eingetreten  in  den  Strom,  dem  Verderben  ent- 
ronnen, gesichert,  der  vollen  Erleuchtung  gewiß. 

93  Die  unzulänglichen  Ansichten 

Einst  weilte  der  Erhabene  im  Jetahaine  bei  Sä- 
vatthi,  im  Kloster  des  Anäthapindiko.  Und  Anäthapin- 
diko  der  Hausvater  brach  zur  Mittagsstunde  von  Sä- 
vatthi  auf,  um  den  Erhabenen  zu  besuchen.  Da  aber 
sagte  er  sich:  »Noch  nicht  an  der  Zeit  ist  es,  den  Er- 
habenen aufzusuchen;  zurückgezogen  verweilt  der  Er- 
habene. Auch  um  die  der  Geistesübung  hingegebenen 
Mönche   aufzusuchen,   ist   dies  nicht   die  rechte   Zeit. 

—    410    — 


ZENHERBUCH  X  9^ 


So  will  ich  mich  denn  zum  Kloster  der  andersgläubigen 
Pilger  hinbegeben.«  Und  Anäthapindiko  der  Haus- 
vater begab  sich  zum  Kloster  der  andersgläubigen 
Pilger. 

Zu  jener  Stunde  aber  saßen  die  andersgläubigen 
Pilger  versammelt  beieinander  und  führten  unter 
lautem  Lärmen  und  Schreien  allerhand  niedrige  Ge> 
spräche.  Jene  andersgläubigen  Pilger  aber  sahen  Ana-  ^ 
thapindiko  den  Hausvater  schon  von  der  Ferne  heran- 
kommen, und  bei  seinem  Anblicke  mahnten  sie  ein- 
ander zur  Ruhe:  »Seid  ruhig,  ihr  Verehrten,  macht 
keinen  Lärm!  Dieser  Anäthapindiko  der  Hausvater 
kommt  da,  der  Jünger  des  Asketen  Gotamo.  Von 
den  zahlreichen  Jüngern  des  Asketen  Gotamo,  die  als 
weißgekleidete  Hausleute  in  Sävatthi  leben,  davon  ist 
dieser  Anäthapindiko  der  Hausvater  einer.  Jene 
Verehrten  lieben  keinen  Lärm,  meiden  den  Lärm, 
loben  die  Stille.  Vielleicht  möchte  er,  wenn  er  die 
lautlose  Versammlung  erblickt,  es  passend  finden, 
heranzukommen.«  Darauf  verhielten  sich  die  anders- 
gläubigen Pilger  schweigsam. 

Und  Anäthapindiko  der  Hausvater  trat  zu  jenen 
andersgläubigen  Pilgern  und  wechselte  freundlichen 
Gruß;  und  nach  Austausch  freundlicher  und  gezie- 
mender Worte  setzte  er  sich  zur  Seite  nieder.  Als  er 
sich  aber  zur  Seite  niedergesetzt  hatte,  sprachen  jene 
andersgläubigen  Pilger  zu  Anäthapindiko  dem  Haus- 
vater: 

,,Sage,  Hausvater,  welche  Ansichten  hat  der 
Asket  Gotamo?" 

„Nicht  kenne  ich,  ihr  Ehrwürdigen,  alle  Ansichten 
des  Erhabenen." 

—     411     — 


X93       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

„Wenn  du  also,  wie  du  sagst,  nicht  alle  Ansichten 
des  Asketen  Gotamo  kennst,  so  sage  uns  doch,  welche 
Ansichten  die  Mönche  haben!" 

,,Auch  kenne  ich,  ihr  Ehrwürdigen,  nicht  alle 
Ansichten  der  Mönche." 

,,Wenn  du  aber,  wie  du  sagst,  nicht  alle  Ansichten 
des  Asketen  Gotamo  und  auch  nicht  alle  Ansichten 
der  Mönche  kennst,  so  sage  uns  doch,  welche  Ansichten 
du  hast!" 

,,Was  ich  fijr  Ansichten  habe,  ihr  Ehrwürdigen, 
das  fällt  mir  nicht  schwer  zu  erklären.  Doch  mögen 
bitte  erst  die  Verehrten  ihre  eigenen  Ansichten  dar- 
legen. Danach  wird  es  auch  für  mich  nicht  schwer 
sein  zu  erklären,  was  für  Ansichten  ich  habe." 

Auf  diese  Worte  sprach  einer  der  andersgläubigen 
Pilger: 

„»Ewig  ist  die  Welt.  Dies  allein  ist  wahr,  alles 
andere  Unsinn.«  Das  o  Hausvater,  ist  meine  Ansicht." 

Ein  anderer  Pilger  sprach:  ,, »Nicht  ewig  ist  die 
Welt.  Nur  dies  allein  ist  wahr,  alles  andere  Unsinn.* 
Das,  0  Hausvater,  ist  meine  Ansicht." 

Ein  anderer  sprach:  „»Endlich  ist  die  Welt.  — 
Ein  anderer:  ,, »Unendlich  ist  die  Welt.  —  Ein  anderer: 
,,»Leib  und  Leben  sind  eins.  —  Ein  anderer:  „»Leib 
und  Leben  sind  zweierlei.  —  Ein  anderer:  ,,»Der  Voll- 
endete besteht  nach  dem  Tode.  —  Ein  anderer:  ,,»Der 
Vollendete  besteht  nicht  nach  dem  Tode.  —  Ein 
anderer:  „»Der  Vollendete  besteht  und  besteht  auch 
nicht  nach  dem  Tode.  —  Ein  anderer:  „»Der  Voll- 
endete weder  besteht  noch  besteht  nicht  nach  dem 
Tode.  Dies  allein  ist  wahr,  alles  andere  Unsinn.« 
Das,  0  Hausvater,  ist  meine  Ansicht." 


412 


ZEHNERBUCH  X  93 


Auf  diese  Worte  sprach  Anäthapindiko  der  Haus- 
vater zu  den  andersgläubigen  Pilgern: 

,,Der  da,  ihr  Ehrwürdigen  es  als  seine  Ansicht 
erklärt  hat,  die  Welt  sei  ewig  und  nur  dies  allein  wahr, 
alles  andere  aber  Unsinn,  dessen  Ansicht  ist  ihm  ent 
weder  infolge  eigener  unweiser  Erwägungen  aufge- 
stiegen oder  durch  eines  Anderen  Belehrung  veran- 
laßt. Jene  Ansicht  aber  ist  geworden,  zusammenge- 
fügt, ersonnen,  bedingt  entstanden.  Was  aber  irgend- 
wie geworden,  zusammengefügt,  ersonnen  und  bedingt 
entstanden  ist,  das  ist  vergänglich.  Und  was  ver- 
gänglich ist,  das  ist  elend.  Und  was  elend  ist,  eben 
daran  hängt  jener  Verehrte,  eben  dem  ist  jener  Ver- 
ehrte verfallen.  Der  da,  ihr  Ehrwürdigen,  es  als  seine 
Ansicht  erklärt  hat,  die  Welt  sei  nicht  ewig,  —  sei 
endlich,  —  sei  unendlich,  —  Leib  und  Leben  seien 
eins,  —  Leib  und  Leben  seien  zweierlei,  —  der  Voll- 
endete bestehe  nach  dem  Tode,  —  der  Vollendete  be- 
stehe nicht  nach  dem  Tode.  —  der  Vollendete  bestehe 
und  bestehe  auch  nicht  nach  dem  Tode,  —  der  Voll- 
endete weder  bestehe  noch  bestehe  nicht  nach  dem 
Tode,  und  nur  dies  allein  sei  wahr,  alles  andere  aber 
Unsinn,  dessen  Ansicht  ist  ihm  entweder  infolge  eigener 
unweiser  Erwägungen  aufgestiegen  oder  durch  eines 
Anderen  Belehrung  veranlaßt.  Jene  Ansicht  aber  ist 
geworden,  zusammengefügt,  ersonnen,  bedingt  ent- 
standen. Was  aber  irgendwie  geworden,  zusammen- 
gefügt, ersonnen  und  bedingt  entstanden  ist,  das  ist 
vergänglich.  Und  was  vergänglich  ist,  das  ist  elend. 
Und  was  elend  ist,  eben  daran  hängt  jener  Verehrte, 
eben  dem  ist  jener  Verehrte  verfallen." 

Nach    diesen     Worten     sprachen     jene    anders- 


413 


:X93       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

gläubigen  Pilger  also    zu  Anäthapindiko   dem   Haus- 
vater : 

,, Erklärt  haben  wir  alle  nun,  o  Hausvater,  unsere 
Ansichten.  Erkläre  nun  auch  du,  o  Hausvater,  v/elche 
Ansichten  du  hast!" 

,,Was  irgendwie,  ihr  Ehrwürdigen,  geworden,  zu- 
sammengefügt, ersonnen  und  bedingt  entstanden  ist, 
das  ist  vergänglich.  Und  was  vergänglich  ist,  das  ist 
elend.  Und  was  elend  ist,  das  gehört  mir  nicht,  das 
bin  ich  nicht,  das  ist  nicht  mein  Selbst.  Das,  ihr  Ehr- 
würdigen, ist  meine  Ansicht." 

,,Was    irgendwie,    o    Hausvater,    geworden,    zu- 
sammengefügt, ersonnen  und  bedingt  entstanden  ist, 
das  ist  vergänglich.     Und  was  vergänglich  ist,  das  ist 
€lend.     Und  was  elend  ist,  eben  daran  hängst  du,  0 
Hausvater,  eben  dem,  0  Hausvater,  bist  du  verfallen." 
,,Was  irgendwie,  ihr  Ehrwürdigen    geworden,  zu- 
sammengefügt, ersonnen  und  bedingt  entstanden  ist, 
das  ist  vergänglich.    Und  was  vergänglich  ist,  das  ist 
elend.     Und  was  elend  ist,  das  gehört  mir  nicht,  das 
bin  ich  nicht,  das  ist  nicht  mein  Selbst,  das  habe  ich 
der  Wirklichkeit  gemäß  in  rechter  Einsicht  klar  er- 
kannt.   Und  überdies  kenne  ich  die  Entrinnung  daraus 
der  Wirklichkeit  gemäß." 

Auf  diese  Worte  hin  verstummten  jene  anders- 
gläubigen Pilger;  und  erregt,  vornübergeneigt,  mit  ge- 
senktem Haupte  und  vor  sich  hinbrütend  saßen  sie 
da,  ohne  ein  Wort  zu  erwidern. 

Als  nun,  Anäthapindiko  der  Hausvater  bemerkte, 
wie  jene  andersgläubigen  Pilger  stumm,  erregt,  vorn- 
übergebeugt, mit  gesenktem  Haupte  und  vor  sich  hin- 
JDrütend  dasaßen,  ohne  ein  Wort  zu  erwidern    erhob 

—    414    — 


ZEHNERBUCH  X  94 


er  sich  von  seinem  Sitze  und  begab  sich  zum  Er- 
habenen. Dort  angelangt  begrüßte  er  ehrfurchtsvoll 
den  Erhabenen  und  setzte  sich  zur  Seite  nieder.  Zur 
Seite  aber  sitzend,  berichtete  er  dem  Erhabenen  dar 
ganze  Gespräch,  das  er  mit  jenen  andersgläubigen 
Pilgern  gehabt  hatte. 

[Der  Erhabene:]  „Recht  so,  recht  so,  Hausvater!  Auf 
diese  Weise  solltest  du  öfters,  o  Hausvater,  jene  Toren 
im  Einklänge  mit  dem  Gesetze  gründlich  überführen." 

Und  in  Worten  über  das  Gesetz  unterwies  der 
Erhabene  Anäthapindiko  den  Hausvater,  ermahnte, 
ermutigte  und  ermunterte  ihn.  Von  dem  Erhabenen 
aber  in  Worten  über  das  Gesetz  unterwiesen,  ermahnt, 
ermutigt  und  ermuntert,  erhob  sich  Anäthapindiko 
der  Hausvater  von  seinem  Sitze,  begrüßte  ehrfurchts- 
voll den  Erhabenen,  und  ihm  die  Rechte  zukehrend 
entfernte  er  sich. 

Kurz  nachdem  nun  Anäthapindiko  der  Hausvater 
gegangen  war,  wandte  sich  der  Erhabene  an  die  Mönche 
und  sprach: 

„Selbst  ein  Mönch,  ihr  Mönche,  der  schon  vor 
hundert  Jahren  unter  diesem  Gesetze  und  dieser  Dis- 
ziplin die  Weihe  erhalten  hat,  selbst  der  sollte  noch  die 
andersgläubigen  Pilger  im  Einklänge  mit  dem  Gesetze 
gründlich  überführen,  so  wie  es  Anäthapindiko  der 
Hausvater  getan  hat." 

Die  vielseitige  Lehre  94: 

[Bei  Campä  am  Ufer  des  Gaggaräteiches] 

Vajjiyambhito  der  Hausvater  begab  sich  zum 
Kloster  der  andersgläubigen  Pilger.     Dort  angelangt 

—    415    — 


X94       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

wechselte  er  mit  jenen  andersgläubigen  Pilgern  freund- 
lichen Gruß,  und  nach  Austausch  freundlicher  und 
geziemender  Worte  setzte  er  sich  zur  Seite  hin.  Als 
er  sich  aber  niedergesetzt  hatte,  sprachen  jene  Pilger 
also  zu  ihm: 

„Ist  es  wirklich  wahr,  o  Hausvater,  daß  der  Asket 
Gotamo  jedwede  Askese  verwirkt  und  jeden  Asketen 
mit  rauher  Lebensweise  rügt  und  tadelt?" 

,, Nicht  verwirft,  ihr  Ehrwürdigen,  der  Erhabene 
jedwede  Askese,  und  nicht  rügt  und  tadelt  er  jeden 
Asketen  mit  rauher  Lebensweise.  Sondern  was  zu 
tadeln  ist,  ihr  Ehrwürdigen,  tadelt  er;  was  zu  loben 
ist,  lobt  er.  Indem  er  aber  das  zu  Tadelnde  tadelt  und 
das  zu  Lobende  lobt,  lehrt  eben  der  Erhabene  mit  Unter- 
schied (vibhajja-vädi)  (1)  und  ist  nicht  einseitig  in 
seiner  Lehre." 

Auf  diese  Worte  hin  sprach  einer  der  andersgläu- 
bigen  Pilger   zu   Vajjiyambhito   dem    Hausvater: 

,, Warte  nur,  Hausvater!  Der  Asket  Gotamo,  den 
du  so  lobst,  ist  ein  Leugner  und  Verneiner." 

^  „Auch  darüber,  ihr  Ehrwürdigen,  will  ich  die  Ver- 
ehrten in  sachlicher  Weise  aufklären.  Der  Erhabene 
lehrt,  was  verdienstvoll  ist,  und  lehrt,  was  schuldvoll 
ist.  Indem  aber  der  Erhabene  Verdienst  und  Schuld 
lehrt,  verkündet  er  eine  positive  Lehre  und  ist  kein 
Leugner  und  Verneiner." 

Auf  diese  Worte  hin  verstummten  jene  anders- 
gläubigen Pilger;  und  erregt,  vornübergebeugt,  mit  ge- 


(1)  Die  buddhistische  Lehre  wird  vielfach  als  »vibhajja-väda* 
(Analysierende  Lehre)  bezeichnet  im  Gegensatz  zvi  ekariisa-väda, 
der  einseitigen  Lehre. 

—     416     — 


ZEHNERBUCH  X  94 


senktem  Haupte  und  vor  sich  hinbrütend,  saßen  sie 
da  ohne  ein  Wort  zu  erwidern. 

Als  nun  Vajjiyambhito  der  Hausvater  bemerkte, 
wie  jene  andersgläubigen  Pilger  stumm,  erregt,  vorn- 
übergebeugt, mit  gesenktem  Haupte  und  vor  sich 
hinbrütend  dasaßen,  ohne  ein  Wort  zu  erwidern,  er- 
hob er  sich  von  seinem  Sitze  und  begab  sich  zum  Er- 
habenen. Dort  angelangt  begrüßte  er  ehrfurchtsvoll 
den  Erhabenen  und  setzte  sich  zur  Seite  nieder.  Zur 
Seite  aber  sitzend,  berichtete  er  dem  Erhabenen  das 
ganze  Gespräch,  das  er  mit  jenen  andersgläubigen 
Pilgern  gehabt  hatte. 

[Der  Erhabene:]  „Recht  so,  recht  so,  Hausvater! 
Auf  diese  Weise  solltest  du  öfters,  o  Hausvater,  jene 
Toren  im  Einklänge  mit  dem  Gesetze  gründlich  über- 
führen. 

,, Nicht  sage  ich,  o  Hausvater,  daß  man  jedwede 
Askese  ausüben  soll;  und  nicht  sage  ich,  daß  man 
jedwede  Askese  nicht  ausüben  soll.  Nicht  sage  ich, 
0  Hausvater,  daß  man  jedwedes  Gelübde  ablegen 
soll;  und  nicht  sage  ich,  daß  man  jedwedes  Gelübde 
nicht  ablegen  soll.  Nicht  sage  ich,  o  Hausvater,  daß 
man  jedwede  Anstrengung  machen  soll;  und  nicht 
sage  ich,  daß  man  jedwede  Anstrengung  nicht  machen 
soll.  Nicht  sage  ich,  o  Hausvater,  daß  man  jedwede 
Loslösung  gewinnen  soll;  und  nicht  sage  ich,  daß  man 
jedwede  Loslösung  nicht  gewinnen  soll.  Nicht  sage 
ich,  0  Hausvater,  daß  man  jedwede  Befreiung  er- 
ringen soll;  und  nicht  sage  ich,  daß  man  jedwede  Be- 
freiung nicht  erringen  soll. 

„Jene  Askese,  o  Hausvater,  durch  deren  Aus- 
übung die  schuldvollen  Erscheinungen  in  einem  zu- 

-     417     ~  27 


X94        SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

nehmen,  die  verdienstvollen  Erscheinungen  aber  schwin- 
den, eine  solche  Askese,  sage  ich,  soll  man  nicht  aus- 
üben. Jene  Askese  aber,  o  Hausvater,  durch  deren 
Ausübung  die  verdienstvollen  Erscheinungen  in  einem 
zunehmen,  die  schuldvollen  Erscheinungen  aber  schwin- 
den, eine  solche  Askese,  sage  ich,  soll  man  ausüben. 
Jenes  Gelübde,  — .  jene  Anstrengung,  —  jene  Los 
lösung,  —  jene  Befreiung,  o  Hausvater,  durch  deren 
Erringung  die  schuldvollen  Erscheinungen  in  einem 
zunehmen,  die  verdienstvollen  Erscheinungen  aber 
schwinden,  eine  solche  Befreiung,  sage  ich,  soll  man 
nicht  erringen.  Jene  Befreiung  aber,  o  Hausvater, 
durch  deren  Erringung  die  verdienstvollen  Erschei 
nungen  in  einem  zunehmen,  die  schuldvollen  Erschei- 
nungen aber  schwinden,  eine  solche  Befreiung,  sage 
ich,  soll  man  erringen." 

Und  von  dem  Erhabenen  in  Worten  über  das  Ge- 
setz unterwiesen,  ermahnt,  ermutigt  und  ermuntert, 
erhob  sich  Vajjiyambhito  von  seinem  Sitze,  begrüßte 
ehrfurchtsvoll  den  Erhabenen,  und  ihm  die  Rechte 
zukehrend  entfernte  er  sich. 

Kurz  nachdem  Vajjiyambhito  der  Hausvater 
gegangen  war,  wandte  sich  der  Erhabene  an  die  Mönche 
und  sprach: 

„Selbst  ein  Mönch,  ihr  Mönche,  der  schon  vor 
hundert  Jahren  unter  diesem  Gesetze  und  dieser  Dis- 
ziplin die  Weihe  erhalten  hat,  selbst  der  sollte  noch 
die  andersgläubigen  Pilger  im  Einklänge  mit  dem  Ge- 
setze gründlich  überführen,  so  wie  es  Vajjiyambhito 
der  Hausvater  getan  hat." 


—    418    - 


ZEHNERBUCH  X  95 


Werden  alle  erlöst?  95 

Uttiyo  der  Pilger  sprach  zum  Erhabenen: 

„Sage,  Herr  Gotamo:  ist  die  Welt  ewig?  Und 
ist  nur  dies  allein  wahr,  alles  andere  aber  Unsinn?" 
„Darüber,  Uttiyo,  habe  ich  nichts  erklärt." 
„Dann  sage  mir,  Herr  Gotamo:  ist  die  Welt  nicht 
ewig?  —  Ist  sie  endlich?  —  Oder  unendlich?  — 
Sind  Leib  und  Leben  eins?  —  Oder  sind  Leib  und 
Leben  zweierlei?  —  Besteht  der  Vollendete  nach  dem 
Tode?  —  Oder  besteht  er  nicht  nach  dem  Tode?  — 
Oder  besteht  und  besteht  er  auch  nicht  nach  dem 
Tode?  —  Oder  weder  besteht  noch  besteht  er  nicht 
nach  dem  Tode?  Und  ist  nur  dies  allein  wahr,  alles 
andere  aber  Unsinn?" 

„Darüber,  Uttiyo,  habe  ich  nichts  erklärt." 
„Wie  denn  aber,  Herr  Gotamo?    Auf  alle  meine 
Fragen  antwortest  du,  daß  du  darüber  nichts  erklärt 
habest.     Was  hat  der  Herr  Gotamo  dann  überhaupt 
erklärt?" 

,,Das  von  mir  durchschaute  Gesetz,  Uttiyo,  weise 
ich  meinen  Jüngern,  das  die  Wesen  zur  Läuterung 
führt,  zur  Überkommung  von  Sorge  und  Jammer,  zum 
Untergange  von  Schmerz  und  Trübsal,  zur  Gewinnung 
des  rechten  Weges,  zur  Verwirklichung  des  Nirwahn." 
„Dadurch  aber,  daß  der  Herr  Gotamo  seinen 
Jüngern  das  von  ihm  durchschaute  Gesetz  weist,  das 
die  Wesen  zur  Läuterung  führt,  zur  Überkommung 
von  Sorge  und  Jammer,  zum  Untergange  von  Schmerz 
und  Trübsal,  zur  Verwirklichung  des  Nirwahn,  wird 
wohl  dadurch  die  ganze  Welt  oder  die  Hälfte  oder  ein 
Drittel  derselben  Erlösung  finden?" 

—    419     -  27* 


X95       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Auf  diese  Worte  schwieg  der  Erhabene.  Da  aber 
dachte  der  ehrwürdige  Änando:  »Möchte  doch  der 
Pilger  Uttiyo  nicht  die  üble  Ansicht  bekommen,  daß 
der  Asket  Gotamo,  von  ihm  um  das  Allererhabenste 
befragt,  verzage,  nicht  antworte  und  gewiß  dazu 
außerstande  sei!  Das  möchte  dem  Pilger  Uttiyo  lange 
zum  Schaden  und  Unglücke  gereichen. <(  Und  der  ehr- 
würdige Änando  sprach  zu  Uttiyo  dem  Pilger: 

,,So  will  ich  dir  denn,  Bruder  Uttiyo,  ein  Gleich- 
nis geben;  denn  auch  durch  ein  Gleichnis  mag  manch 
verständiger  Mann  der  Worte  Sinn  erfassen.  Da, 
Bruder  Uttiyo,  hat  eine  königliche  Grenzfestung,  die 
mit  starken  Grundmauern  und  einem  starken  mit  Zin- 
nen versehenen  Walle  umgeben  ist,  nur  ein  einziges 
Tor.  Dort  befindet  sich  ein  verständiger,  erfahrener, 
kluger  Torwächter,  der  alle  Unbekannten  zurückhält 
und  die  Bekannten  einläßt.  Während  er  auf  dem 
Rundwege  rings  um  die  Stadt  herumwandert,  bemerkt 
er  in  dem  Walle  keine  Bresche,  kein  Loch,  nicht  einmal 
so  groß,  daß  eine  Katze  hindurchkriechen  könnte. 
Zwar  hat  er  keine  Kenntnis  davon,  wieviele  Geschöpfe 
in  die  Stadt  hereinkommen  oder  aus  ihr  hinausgehen; 
wohl  aber  weiß  er,  daß  alle  großen  Geschöpfe,  die  in 
dieser  Stadt  hereinkommen  oder  sie  verlassen,  sämt- 
lich durch  dieses  eine  Tor  ein-  und  ausgehen.  Ebenso 
auch,  Bruder  Uttiyo,  beunruhigt  sich  der  Erhabene 
nicht  darüber,  ob  dadurch  die  ganze  Welt  oder  die 
Hälfte  oder  ein  Drittel  derselben  Erlösung  finden  wird. 
Von  allen  denen  aber,  die  der  Welt  entronnen  sind^ 
entrinnen  oder  entrinnen  werden,  da  weiß  der  Voll- 
endete, daß  beim  Entrinnen  aus  der  Welt  bei  diesen 
allen  die  fünf  geisttrübenden  und  einsichtlähmenden 

—     420    — 


ZEHNERBUCH  X  96 


Hemmungen  überkommen  sind,  ihr  Geist  in  den  vier 
Grundlagen  der  Achtsamkeit  wohlgefestigt  ist  und  sie 
die  sieben  Glieder  der  Erleuchtung  der  Wirklichkeit 
gemäß  entfaltet  haben.  Die  Frage,  Bruder  Uttiyo,  die 
du  bereits  dem  Erhabenen  vorgelegt  hattest,  genau 
dieselbe  Frage  hast  du  nunmehr  auf  eine  andere  Weise 
dem  Erhabenen  gestellt.  Darum  hat  sie  dir  der  Er- 
habene nicht  beantwortet." 


Der  Pilger  Kokanudo  und  Anando  96 

Einst  weilte  der  ehrwürdige  Anando  bei  Räjagaha 
im  Tapodakloster.    Und  der  ehrwürdige  Anando  erhob 
sich  nach  Ablauf  der  Nacht,  am  frühen  Morgen,  und 
begab   sich   zum   Tapodaflusse,  -  um   sich   die    Glieder 
abzuspülen.   Nachdem  sich  nun  der  ehrwürdige  Anando 
im  Tapodaflusse  die  Glieder  abgespült  hatte,  stieg  er 
wieder  heraus  und  stellte  sich,  nur  mit  einem  Gewände 
bekleidet,  hin,  um  sich  die  Glieder  abzutrocknen.   Auch 
Kokanudo    der    Pilger    erhob    sich    nach    Ablauf    der 
Nacht,  am  frühen  Morgen,  und  begab  sich  zum  Tapoda- 
flusse, um  sich  die  Glieder  abzuspülen.     Es  sah  aber 
der  Pilger  Kokanudo  den  ehrwürdigen  Anando  schon 
von    Weitem    herankommen.       Bei    seinem    Anblicke 
sprach  der  Pilger  Kokanudo  also  zu  Anando: 
,,Wer  bist  du  Bruder?" 
,,Ein  Mönch   bin  ich,   o   Bruder." 
,,Zu  welchen  Mönchen,  o  Bruder,  gehörst  du?" 
,,Zu    den    Asketenjüngern    des    Sakyersohnes,    o 
Bruder." 

„Ich  möchte  gerne  den  Ehrwürdigen  etwas  fragen, 

—     421     — 


X96       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

wenn  der  Ehrwürdige  geruht,  mir  die  Frage  zu  be- 
antworten." 

,,So  frage  denn,  o  Bruder!  Ich  werde  zuhören 
und  dir  antworten." 

,,Hat  wohl  der  Ehrwürdige  die  Ansicht,  ewig  sei 
die  Welt.  Und  nur  dies  allein  sei  wahr,  alles  andere 
aber  Unsinn?" 

,, Nicht  habe  ich,   o   Bruder,   solche  Ansicht." 

,,Hat  dann  wohl  der  Ehrwürdige  die  Ansicht,  nicht 
ewig  sei  die  Welt? —  Oder,  endlich  sei  die  Welt?  — 
Oder,  unendlich  sei  die  Welt?  —  Oder,  Leib  und 
Leben  seien  eins?  —  Oder,  Leib  und  Leben  seien 
zweierlei?  —  Oder,  der  Vollendete  bestehe  nach  dem 
Tode?  —  Oder,  der  Vollendete  bestehe  nicht  nach 
dem  Tode?  —  Oder,  der  Vollendete  bestehe  und  be- 
stehe auch  nicht  nach  dem  Tode?  —  Oder,  der 
Vollende  weder  bestehe  noch  bestehe  nicht  nach  dem 
Tode?  Und  nur  dies  allein  sei  wahr,  alles  andere 
aber  Unsinn?" 

,, Nicht  habe  ich,   o  Bruder,  solche  Ansicht." 

,, Somit  weiß  und  erkennt  dies  wohl  nicht  der 
Ehrwürdige?" 

„Nicht  fehlt  es  mir  an  Wissen  und  Erkenntnis, 
0  Bruder.    Ich  weiß  es,  ich  erkenne  es." 

,,Wie  denn  aber?  Auf  meine  Frage  nach  deiner 
Ansicht,  sagst  du,  du  habest  nicht  solche  Ansicht. 
Auf  meine  Frage  aber,  ob  du  dies  somit  nicht  weißt 
und  erkennst,  entgegnest  du:  »Nicht  fehlt  es  mir  an 
Wissen  und  Erkenntnis,  o  Bruder.  Ich  weiß  es,  ich 
erkenne  es.«  Wie  soll  ich  nun,  o  Bruder,  den  Sinn 
dieser  Worte  auffassen?" 

,,Zu  sagen:  »Ewig  ist  die  Welt.    Nur  dies  allein  ist 

—     422     — 


ZEHNERBUCH  X97 


wahr,  alles  andere  aber  Unsinn«:  das,  o  Bruder,  ist 
eine  Ansicht.  Zu  sagen:  »Nicht  ewig  ist  die  Welt,  — 
^Endlich  ist  die  Welt,  —  »Unendlich  ist  die  Welt,  — 
»Leib  und  Leben  sind  eins,  —  »Leib  und  Leben  sind 
zweierlei,  —  »Der  Vollendete  besteht  nach  dem  Tode, 
—  »Der  Vollendete  besteht  nicht  nach  dem  Tode,  — 
»Der  Vollendete  besteht  und  besteht  auch  nicht  nach 
dem  Tode,  —  »Der  Vollendete  weder  besteht  noch 
besteht  nicht  nach  dem  Tode.  Nur  dies  allein  ist 
wahr,  alles  andere  aber  Unsinn«:  das,  o  Bruder,  ist 
eine  Ansicht.  Was  da,  o  Bruder,  alle  die  Ansichten 
anbetrifft,  und  was  da  bei  ihnen  als  Entstehungs- 
grund gilt,  als  Beherrschtsein  und  Besessensein  und 
als  Aufhebung:  das  weiß  ich,  das  erkenne  ich.  In- 
dem ich  dies  aber  weiß  und  erkenne,  wie  werde  ich 
da  wohl  sagen,  daß  ich  dies  nicht  weiß,  nicht  erkenne? 
Ich  weiß  es  eben,  o  Bruder,  ich  erkenne  es." 

,,Wie  heißt  der  Ehrwürdige?  Unter  welchem 
Namen  kennen  die  Ordensbrüder  den  Ehrwürdigen?" 

,,Änando  ist  mein  Name,  o  Bruder.  Als  Änando 
kennen   mich   meine   Ordensbrüder." 

,,  Freilich,  nicht  wußte  ich,  während  ich  mich 
mit  dem  großen  Lehrer  unterhielt,  daß  dies  der  ehr- 
würdige Änando  war.  Hätte  ich  nämlich  diesen  als 
den  ehrwürdigen  Änando  erkannt,  so  hätte  ich  nicht 
so  viel  entgegnet.  Möge  mir  der  ehrwürdige  Änando 
verzeihen!" 

Der  würdige  Mönch  ^^ 

Mit  zehn  Eigenschaften  ausgestattet,  ihr  Mönche, 
ist  der  Mönch  würdig  der  Opfer,  würdig  der  Gast- 
freundschaft,   würdig    der    Gaben,    würdig    des    ehr- 

—     423     — 


X98        SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

furchtsvollen  Handgrußes,  ist  in  der  Welt  der  beste 
Boden  für  verdienstvolle  Werke.  Und  welches  sind 
diese  zehn  Eigenschaften? 

Da,  ihr  Mönche,  eignet  dem  Mönche  Sittlichkeit, 
ein  großes  Wissen,  edler  Umgang,  rechte  Erkenntnis; 
er  erfreut  sich  mannigfacher  magischer  Fähigkeiten; 
erkennt  mit  dem  Himmlischen  Ohre  beide  Arten  der 
Töne,  himmlische  und  menschliche;  erkennt  der  ande- 
ren Wesen  und  Geschöpfe  Geist;  erinnert  sich  mancher 
früheren  Daseinsform;  erkennt  mit  dem  Himmlischen 
Auge,  wie  die  Wesen  abscheiden  und  wiedererscheinen; 
durch  Versiegung  der  Leidenschaften  hat  er  die  leiden- 
schaftslose Gemütserlösung  und  Wissenserlösung  schon 
bei  Lebzeiten  selber  erkannt,  verwirklicht  und  sich 
zt«  eigen  gemacht.  Mit  diesen  zehn  Eigenschaften  aus- 
gestattet, ihr  Mönche,  ist  der  Mönch  würdig  der  Opfer, 
würdig  der  Gastfreundschaft,  würdig  der  Gaben, 
würdig  des  ehrfurchtsvollen  Handgrußes,  ist  in  der 
Welt  der  beste  Boden  für  verdienstvolle  Werke. 


98  Der  glückliche  Mönch 

An  welchem  Orte  auch  immer,  ihr  Mönche,  der 
mit  zehn  Eigenschaften  ausgestattete  Mönch  verweilt, 
da  verweilt  er  eben  glücklich.  Und  welches  sind  diese 
zehn  Eigenschaften? 

Er  hat  als  Ordensälterer  viele  Jahre  hinter  sich, 
ist  schon  vor  langer  Zeit  in  die  Hauslosigkeit  gezogen; 
er  ist  Sittenhaft,  besitzt  ein  großes  Wissen;  beide 
Ordenssatzungen  sind  ihm  in  allen  Einzelheiten  wohl 
bekannt;  er  versteht  es  aufgestiegene  Streitigkeiten 
zu  schlichten;  er  besitzt  Liebe  zum  Gesetze,  ist  höf- 

—     424     — 


ZEHNERBUCH  X99 


lieh  in  der  Unterhaltung  und  empfindet  eine  erhabene 
Freude  an  dem  hohen  Gesetze  und  der  hohen  Diszi- 
plin; er  ist  zufrieden  mit  jeder  Art  von  Gewand,  Almo- 
senspeise, Lagerstatt  sowie  den  nötigen  Heilmitteln 
und  Arzneien;  er  besitzt  Anmut  beim  Kommen  und 
Gehen;  ist  wohl  gezügelt,  wenn  er  in  einem  Hause 
sitzt;  er  wird  nach  Wunsch  der  vier  Vertiefungen 
teilhaftig;  und  durch  Versiegung  der  Leidenschaften 
hat  er  die  leidenschaftslose  Gemütserlösung  und 
Wissenserlösung  schon  bei  Lebzeiten  selber  erkannt, 
verwirklicht  und  sich  zu  eigen  gemacht.  An  welchem 
Orte  auch  immer,  ihr  Mönche,  der  mit  diesen  zehn 
Eigenschaften  ausgestattete  Mönch  verweilt,  da  ver- 
weilt er  eben  glücklich. 

Upälis  Unreife  zur  Einsamkeit  99 

Der  ehrwürdige  Upäli  sprach  zum  Erhabenen: 

,,Ich  möchte,  o  Ehrwürdiger,  im  Walde,  in  wald- 
einsamen, abgelegenen  Behausungen  wohnen." 

,, Schwer  ist  es,  Upäli,  im  Walde,  in  waldeinsamen, 
abgelegenen  Behausungen  zu  wohnen,  schwer  die  Ab- 
geschiedenheit zu  ertragen  und  sich  da  wohl  zu  fühlen. 
Wenn  ein  Mönch  in  der  Einsamkeit  keine  Sammlung 
erreicht,  so  ergreifen  gleichsam  die  Wälder  von  seinem 
Geiste  Besitz.  Wer  da,  Upäli,  sagt,  daß  er,  ohne  die 
Sammlung  zu  erreichen,  im  Walde,  in  waldeinsamen, 
abgelegenen  Behausungen  leben  wolle,  der  hat  zu 
erwarten,  daß  er  dort  entweder  untergehen  oder  außer 
sich  geraten  wird. 

,,Da,  Upäli,  befindet  sich  ein  großer  Teich.  Und 
ein  gewaltiger  Elefant  von  sieben  oder  acht  Fuß  Höhe 

—     425     — 


X99       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

kommt  heran  und  denkt:  »Ach,  laß  mich  doch  in 
diesen  Teich  steigen  und  mich  an  einem  Ohren-  und 
Rückenbad  erfreuen.  Wenn  ich  mich  an  dem  Ohren- 
und  Rückenbad  erfreut,  mich  gebadet  und  getrunken 
habe,  dann  will  ich  wieder  heraussteigen  und  gehen, 
wohin  es  mir  gefällt.«  Darauf  steigt  er  in  jenen  Teich 
hinab,  erfreut  sich  an  einem  Ohren-  und  Rückenbade; 
und  nachdem  er  sich  an  dem  Ohren-  und  Rückenbade 
erfreut,  sich  gebadet  und  getrunken  hat,  steigt  er  wieder 
heraus  und  geht,  wohin  es  ihm  gefällt.  Wie  aber  ist 
solches  möglich?  Weil  eben  ein  großes  Lebewesen 
noch  in  der  Tiefe  Fuß  fassen  kann.  Nun  aber  kommt 
ein  Hase  oder  eine  Katze  heran  und  sagt  sich:  »Was 
bin  ich,  und  was  ist  der  große  Elefant?  So  laß  mich 
doch  auch  in  diesen  Teich  steigen  und  mich  an 
einem  Ohren-  und  Rückenbad  erfreuen.  Wenn  ich 
mich  an  dem  Ohren-  und  Rückenbad  erfreut,  mich 
gebadet  und  getrunken  habe,  dann  will  ich  wieder 
heraussteigen  und  gehen,  wohin  es  mir  gefällt.«  Und 
hastig  und  ohne  Überlegung  springt  sie  in  jenen 
Teich  hinein.  Nun  aber  hat  sie  zu  erwarten,  daß  sie 
entweder  untergehen  oder  außer  sich  geraten  wird. 
Und  warum?  Weil  eben  ein  kleines  Lebewesen  in  der 
Tiefe  keinen  Fuß  mehr  fassen  kann.  Ebenso  auch, 
Upäli:  wer  da  sagt,  daß  er,  ohne  die  Sammlung  zu 
erreichen,  im  Walde,  in  waldeinsamen,  abgelegenen 
Behausungen  leben  wollte,  der  hat  eben  zu  erwarten, 
daß  er  dort  entweder  untergehen  oder  außer  sich 
geraten  wird. 

,,Wenn  da,  Upäli,  ein  kleiner,  unmündiger  Säugling 
mit  seinem  eigenen  Schmutze  spielt,  meinst  du  da 
nicht,  daß  dies  ein  ganz  und  gar  törichtes  Vergnügen 
sei?" 

—    42G    — 


ZEHNERBUCH  X  99 


„Gewiß,  0  Ehrwürdiger." 

„Wenn  nun  aber,  Upäli,  jenes  Kind  in  der  späteren 
Zeit,  aufgrund  seines  Alters  und  seiner  reifen  Sinne, 
sich  an  den  üblichen  Kinderspielen  ergötzt,  wie  mit 
dem  Kinderpfluge,  dem  Schlagholzspiele,  dem 
Purzelbaum,  der  Windmühle,  dem  Blattmaße(l),  dem 
Wägelchen  und  der  Armbrust,  meinst  du  da  nicht, 
daß  dieses  Vergnügen  weit  schöner  und  besser  sei  als 
das  frühere? 

,, Gewiß,   0   Ehrwürdiger." 

,,Wenn  nun  aber,  Upäli,  jenes  Kind  in  der  späteren 
Zeit,  aufgrund  seines  Alters  und  seiner  reiferen  Sinne, 
sich  am  Besitze  und  Genüsse  der  für  Auge,  Ohr,  Nase, 
Zunge  und  Körper  erkennbaren  fünf  Sinnendinge 
erfreut,  der  erwünschten,  begehrten,  angenehmen  und 
lieblichen  Formen,  Töne,  Düfte,  Säfte  und  Tastemp- 
findungen, meinst  du  da  nicht,  daß  dieses  Vergnügen 
weit  schöner  und  besser  sei  als  das  frühere?" 

„Gewiß,  0  Ehrwürdiger." 

,,Da  aber,  Upäli,  erscheint  der  Vollendete  in  der 
Welt,  der  Heilige,  Vollkommen  Erleuchtete,  der  im 
Wissen  und  Wandel  Vollendete,  der  Gesegnete,  der 
Weltenkenner,  der  höchste  Lenker  der  zu  bezähmenden 
Menschheit,  der  Erleuchtete,  der  Erhabene.  Und 
er  enthüllt  diese  Welt  mit  ihren  Dewen,  Mahren  und 
Göttern,  die  Schar  der  Asketen  und  Priester,  Himmels- 


(1)  Beim  Schlagholzspiele  wird  diirch  Schlagen  mit  einem 
Stocke  ein  kleinerer  Stock  nach  vorne  geschleudert.  Das  Spiel 
hatte  wohl  Ähnlichkeit  mit  dem  auch  heutzutage  noch  überall 
beliebten  Kinderspiele.  Es  scheint  mit  dem  imter  dem  Namen 
vitä  bekannten  Spiele  identisch  zu  sein.  . 

—     427     — 


X99       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

wesen  und  Menschen,  nachdem  er  sie  selber  durch- 
schaut und  verwirklicht  hat.  Er  weist  das  Gesetz,  das 
im  Anfang  erhabene,  in  der  Mitte  erhabene,  im  Aus- 
gange erhabene,  dem  Sinne  wie  dem  Wortlaut  nach, 
verkündet  einen  ganz  und  gar  vollkommenen,  lauteren 
Heiligen  Wandel.  Jenes  Gesetz  vernimmt  ein  Haus- 
vater oder  der  Sohn  eines  Hausvaters  oder  ein  in  irgend 
einem  anderen  Stande  Wiedergeborener.  Nach  dem 
Vernehmen  des  Gesetzes  aber  gewinnt  er  Vertrauen 
zum  Vollendeten;  und  von  jenem  Vertrauen  erfüllt 
sagt  er  sich:  »Bedrückend  ist  das  Hausleben,  ein  Weg 
des  Schmutzes,  ein  freies  Leben  die  Hauslosigkeit  ! 
Wie,  wenn  ich  mir  nun  Haar  und  Bart  scherte,  die  gel- 
ben Gewänder  anlegte  und  von  Hause  in  die  Haus- 
losigkeit zöge?«  Und  nach  einiger  Zeit  gibt  er  seinen 
kleinen  und  großen  Besitz  auf,  verläßt  seinen^  kleinen 
oder  großen  Verwandtenkreis,  schert  sich  Haar  und 
Bart,  legt  die  gelben  Gewänder  an  und  zieht  von  Hause 
in  die  Hauslosigkeit.  Also  dem  Hausleben  entsagend 
und  die  Lebensregel  der  Mönche  auf  sich  nehmend, 
meidet  er  die  Zerstörung  von  Leben,  enthält  er  sich 
der  Zerstörung  von  Leben;  Stock  und  Waffe  ver- 
werfend verweilt  er  voll  Liebe  und  Wohlwollen  zu 
allen  lebenden  Geschöpfen.  Er  meidet  das  Stehlen, 
steht  ab  vom  Nehmen  des  Nichtgegebenen;  Gegebenes 
annehmend,  das  Geben  abwartend  verweilt  er  ehr- 
lichen, lauteren  Herzens.  Er  meidet  die  Unkeuschheit; 
keusch  lebt  er,  enthaltsam,  abgewandt  dem  Geschlechts- 
verkehr, dem  gemeinen.  Er  meidet  die  Lüge,  enthält 
sich  der  Lüge;  die  Wahrheit  spricht  er,  der  Wahrheit 
ist  er  ergeben,  standhaft,  vertrauenswürdig,  hintergeht 
nicht  die  Menschen.     Er  meidet  die  Zwischenträgerei, 

—     428     — 


ZEHNERBUCH  X 9& 


enthält  sich  der  Zwischenträgerei:  was  er  hier  gehört 
hat,  erzählt  er  dort  nicht  wieder,  um  diese  zu  ent- 
zweien; was  er  dort  gehört  hat,  erzählt  er  hier  nicht 
wieder,  um  jene  zu  entweihen.  So  einigt  er  die  Ent- 
zweiten, ermutigt  die  Geeinten,  findet  Freude,  Lust 
und  Gefallen  an  Eintracht;  und  Eintracht  fördernde 
Worte  spricht  er.  Er  meidet  rohe  Worte,  enthält  sich 
roher  Worte;  milde  Worte,  die  dem  Ohre  angenehm 
sind.  Hebevoll,  zu  Herzen  gehend,  höflich,  viele  er- 
freuend, viele  beglückend:  solcher  Worte  bedient  er 
sich.  Er  meidet  das  leere  Geplapper,  enthält  sich  des 
leeren  Geplappers;  er  redet  zur  rechten  Zeit,  den  Tat- 
sachen gemäß,  zweckmäßig,  im  Sinne  des  Gesetzes 
und  der  Disziplin,  führt  Reden,  die  wertvoll,  mit  pas- 
senden Gleichnissen  ausgestattet,  angemessen  und 
sinnvoll  sind.  Er  meidet  die  Zerstörung  von  Keim- 
und  Pflanzenleben.  Bloß  zu  einer  Tageszeit  nimmt 
er  Nahrung. zu  sich;  des  Nachts  bleibt  er  nüchtern, 
enthält  sich  des  Essens  am  Abend.  Er  meidet  Tanz, 
Gesang  und  Spiel  sowie  das  Anschauen  von  Schau- 
stellungen. Er  meidet  Blumen,  Riechstoffe,  Salben, 
Zierrat,  Schmuck  und  Verschönerungsmittel.  Er 
mg-idet  hohe  und  üppige  Lagerstätten.  Er  meidet  die 
Annahme  von  Silber  und  Gold.  Kein  rohes  Getreide 
oder  rohes  Fleisch  nimmt  er  an,  keine  Frauen  oder 
Mädchen,  Drener  oder  Dienerinnen,  keine  Schafe  und 
Ziegen,  Elefanten,  Rinder,  Hengsle  oder  Stuten,  kei- 
nen Grund  und  Boden.  Er  übernimmt  keine  Aufträge, 
tut  keine  Botendienste.  In  Kauf  und  Verkauf  läßt  er 
sich  nicht  ein.  Er  macht  sich  nichts  zu  schaffen  mit 
falschem  Maße,  Metall  und  Gewicht.  Die  schiefen 
Wege   der    Bestechung,    Täuschung     und    Betrügerei 

-     429    — 


X99       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 


hat  er  verworfen.  Stechen,  Erschlagen,  Binden,  Über- 
fallen,  Plündern   und  Vergewaltigen  liegen  ihm  fern. 

Er  begnügt  sich  mit  dem  Gewände,  das  seinen 
Körper  schützt,  mit  der  Almosenspeise,  womit  er  sein 
Leben  fristet.  Wohin  er  auch  immer  zieht,  da  ist  er 
eben  nur  mit  diesen  beiden  Dingen  versehen.  Gleichwie 
ein  beschwingter  Vogel,  wohin  er  auch  immer  fliegt, 
stets  nur  seine  Flügel  mit  sich  trägt,  gerade  so  auch 
begnügt  sich  der  Mönch  mit  dem  Gewände,  das  seinen 
Körper  schützt,  mit  der  Almosenschale,  womit  er 
sein  Leben  fristet.  Und  wohin  er  auch  immer  zieht, 
da  ist  er  eben  nur  mit  diesen  beiden  Dingen  versehen. 

Durch  die  Befolgung  dieser  edlen  Sittensatzung 
empfindet  er  in  seinem  Innern  ein  sündenreines 
Glück. 

„Erblickt  er  nun  mit  dem  Auge  eine  Form,  so 
haftet  er  weder  am  Ganzen  noch  an  den  Einzelheiten; 
und  da  bei  unbewachtem  Auge,  Begierde  und  Kummer, 
üble  und  schuldvolle  Dinge  in  ihn  eindringen  möch- 
ten, so  wacht  er  darüber,  hütet  er  das  Auge,  wacht 
er  über  das  Auge.  Vernimmt  er  mit  dem  Ohre 
einen  Ton,  —  riecht  er  mit  der  Nase  einen  Duft,  — 
schmeckt  er  mit  der  Zunge  einen  Saft,  —  empfindet 
er  mit  dem  Körper  ein  Tastgefühl,  —  erkennt  er  im 
Geiste  ein  Objekt,  so  haftet  er  weder  am  Ganzen  noch 
an  den  Einzelheiten;  und  da,  bei  unbewachtem 
Geiste,  Begierde  und  Kummer,  üble  und  schuldvolle 
Dinge  in  ihn  eindringen  möchten,  so  wacht  er  darüber, 
hütet  er  seinen  Geist,  wacht  er  über  seinen  Geist.  Mit 
dieser  edlen  Sinnenzügelung  aber  ausgestattet  empfin- 
det er  in  seinem  Innern  ein  ungetrübtes  Glück. 

Klaren  Geistes  handelt  er  beim  Gehen  und  Kom- 

—     430     — 


ZEHNERBUCH  X99 


men,  klaren  Geistes  beim  Hinblicken  und  Wegblicken, 
klaren  Geistes  beim  Beugen  und  Strecken,  klaren 
Geistes  beim  Tragen  von  Schale  und  Gewand,  klaren 
Geistes  beim  Essen,  Trinken,  Kauen  und  Schmecken, 
klaren  Geistes  beim  Verrichten  der  Notdurft,  klaren 
Geistes  beim  Gehen,  Stehen,  Sitzen,  Einschlafen, 
Wachen,  Sprechen  und  Schweigen.  Ist  er  nun  mit 
dieser  edlen  Sittlichkeit  ausgestattet,  ausgestattet 
mit  dieser  edlen  Sinnenzügelung,  ausgestattet 
mit  dieser  edlen  Achtsamkeit  und  Geistesklar- 
heit, so  sucht  er  sich  eine  abgeschiedene  Lagerstatt 
auf,  im  Walde,  am  Fuße  eines  Baumes,  auf  einem 
Berge,  in  einer  Grotte,  einer  Bergeshöhle,  auf  einem 
Leichenfelde,  in  einer  bewaldeten  Ebene,  einer  Lichtung 
oder  auf  einem  Strohhaufen,  Im  Walde,  am  Fuße  eines 
Baumes  oder  in  einer  leeren  Behausung  angelangt, 
setzt  er  sich  mit  untergeschlagenen  Beinen  nieder,  in- 
dem er- den  Körper  gerade  aufrichtet  und  die  Acht- 
samkeit vor  sich  heftet. 

,, Weltliche  Begierde  hat  er  überwunden;  im 
Geiste  der  weltlichen  Begierde  entronnen  verweilt 
er;  von  weltlicher  Begierde  läutert  er  seinen  Geist. 

„Den  verderblichen  Groll  hat  er  überwunden; 
haßlosen  Geistes  verweilt  er;  zu  allen  lebenden  Wesen 
und  Geschöpfen  voll  Wohlwollen  und  Mitgefühl  läutert 
er  seinen  Geist  von  dem  verderblichen  Grolle. 

,, Stumpfheit  uud  Mattigkeit  hat  er  über- 
wunden; frei  von  Stumpfheit  und  Mattigkeit  verweilt 
er,  hellen  Geistes,  achtsam,  klarbewußt;  von  Stumpf- 
heit und  Mattigkeit  läutert  er  seinen  Geist. 

„Aufgeregtheit  und  Gewissensunruhe  hat  er 
überwunden;    ohne   Aufregung   verweilt   er,    innerlich 


—    431     — 


X99       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

beruhigten  Geistes;  von  Aufgeregtheit  und  Gewissens- 
unruhe läutert   er   seinen   Geist. 

,, Zweifelsucht  hat  er  überwunden;  zweifel- 
entronnen verweilt  er,  zweifelt  nicht  am  Guten;  von 
Zweifelsucht  läutert  er  seinen   Geist. 

,, Befreit  von  diesen  fünf  Hemmungen,  den 
Trübungen  des  Geistes,  den  Lähmungen  der  Einsicht, 
gewinnt  er,  den  Sinnendingen  entrückt,  entrückt 
den  schuldvollen  Erscheinungen,  die  mit  Sinnen 
und  Nachdenken  verbundene,  in  der  Entrückung 
geborene,  von  Verzückung  und  Glückseligkeit 
erfüllte  erste  Vertiefung.  Was  meinst  du,  Upäli:  ist 
nicht  wohl  dieser  Zustand  bei  weitem  edler  und  er- 
habener  als  die  früheren  Vergnügen?" 

,, Gewiß,    0    Ehrwürdiger  !" 

„Diese  Tatsache  aber,  Upäli,  bei  sich  bemerkend, 
leben  meine  Jünger  im  Walde,  in  waldeinsamen,  ab- 
geschiedenen Behausungen;  noch  aber  haben  sie  ihr 
Ziel  nicht  erreicht. 

,, Fernerhin,  Upäli,  gewinnt  der  Mönch,  nach  dem 
Schwinden  des  Sinnens  und  Nachdenkens,  den  inneren 
Frieden,  die  Einheit  des  Geistes,  die  von  Sinnen  und 
Nachdenken  freie,  in  der  Sammlung  geborene,  \on 
Verzückung  und  Glückseligkeit  erfüllte  zweite 
Vertiefung.  Was  meinst  du,  Upäli:  ist  nicht  wohl 
dieser  Zustand  edler  und  erhabener  als  der  frühere?" 

„Gewiß,  0  Ehrwürdiger  !" 

„Auch  diese  Tatsache,  Upäli,  bei  sich  bemerkend, 
leben  meine  Jünger  im  Walde,  in  waldeinsamen,  ab- 
geschiedenen Behausungen;  noch  aber  haben  sie  ihr 
Ziel   nicht   erreicht. 

„Fernerhin,  Upäli,  verweilt  der  Mönch,  nach  Ab- 

—     432    — 


ZEHNERBUCH 


Wendung  von  der  Verzückung,  gleichmütig,  achtsam, 
geistesklar,  und  er  fühlt  in  sich  jenes  Glück,  von  dem 
die  Edlen  sprechen:  »Glückselig  der  Gleichmütige,  der 
Achtsame  !«  —  so  gewinnt  er  die  dritte  Vertiefung. 
Was  meinst  du  Upäli:  ist  nicht  wohl  dieser  Zustand 
edler  und  erhabener  als  der  frühere?" 

„Gewiß,  0  Ehrwürdiger  !" 

„Auch  diese  Tatsache,  Upäli,  bei  sich  bemerkend, 
leben  meine  Jünger  im  Walde,  in  waldeinsamen, 
abgeschiedenen  Behausungen;  noch  aber  haben  sie 
ihr  Ziel  nicht  erreicht. 

„Fernerhin,  Upäli,  gewinnt  der  Mönch,  nach 
dem  Schwinden  von  Wohlgefühl  und  Schmerz  und 
durch  Überwindung  des  früheren  Frohsinns  und  Trüb- 
sinns, einen  leidlosen,  freudlosen  Zustand,  die  durch 
Gleichmut  und  Achtsamkeit  geklärte  vierte  Ver- 
tiefung. Was  meinst  du,  Upäli:  ist  nicht  wohl  dieser 
Zustand  edler  und  erhabener  als  der  frühere?" 

,, Gewiß,  0  Ehrwürdiger  !" 

„Auch  diese  Tatsache,  Upäli,  bei  sich  bemerkend, 
leben  meine  Jünger  im  Walde,  in  waldeinsamen,  ab- 
geschiedenen Behausungen;  noch  aber  haben  sie  ihr 
Ziel  nicht  erreicht. 

„Fernerhin,  Upäli,  gewinnt  der  Mönch,  durch 
völlige  Überwindung  der  Formwahrnehmungen,  das 
Schwinden  der  Reflexwahrnehmungen  und  das  Nicht-^ 
beachten  der  Vielheitswahrnehmungen,  in  der  Vor- 
stellung: »Unendlich  ist  der  Raum!«,  das  Gebiet  der 
Raumunendlichkeit.  Was  meinst  du,  Upäli:  ist 
nicht  wohl  dieser  Zustand  edler  und  erhabener  als 
der  frühere?" 

„Gewiß,  0  Ehrwürdiger  !" 

-     433     -  28 


X99       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

„Auch  diese  Tatsache,  Upäli,  bei  sich  bemerkend, 
leben  meine  Jünger  im  Walde,  in  waldeinsamen, 
abgeschiedenen  Behausungen;  noch  aber  haben  sie 
ihr  Ziel  nicht  erreicht. 

Fernerhin,  Upäli,  gewinnt  der  Mönch,  durch 
völlige  Überwindung  des  Gebietes  der  Raumunend- 
lichkeit, in  der  Vorstellung:  »Unendlich  ist  das  Bewußt- 
sein !«,  das  Gebiet  der  Bewußtseinsunendlichkeit. 
Was  meinst  du,  Upäli:  ist  nicht  wohl  dieser  Zustand 
edler  und  erhabener  als  der  frühere?" 

,, Gewiß,    0    Ehrwürdiger  !" 

,,Auch  diese  Tatsache,  Upäli,  bei  sich  bemerkend, 
leben  meine  Jünger  im  Walde,  in  waldeinsamen,  ab- 
geschiedenen Behausungen;  noch  aber  haben  sie  ihr 
Ziel   nicht   erreicht. 

Fernerhin,  Upäli,  gewinnt  der  Mönch,  durch 
völlige  Überwindung  des  Gebietes  der  Bewußtseins- 
unendlichkeit, in  der  Vorstellung:  »Nichts  ist  da  !« 
das  Gebiet  des  Nichtdaseins.  Was  meinst  du,  Upäli: 
ist  nicht  wohl  dieser  Zustand  edler  und  erhabener 
als   der   frühere?" 

,, Gewiß,  0  Ehrwürdiger  !" 

,,Auch  diese  Tatsache,  Upäli,  bei  sich  bemerkend, 
leben  meine  Jünger  im  Walde,  in  waldeinsamen,  ab- 
geschiedenen Behausungen;  noch  aber  haben  sie  ihr 
Ziel  nicht  erreicht. 

,, Fernerhin,  Upäli,  gewinnt  der  Mönch,  durch 
völlige  Überwindung  des  Gebietes  des  Nichtdaseins, 
in  der  Vorstellung:  »Dies  ist  der  Friede,  dies  ist  das 
Erhabene!«,  das  Gebiet  der  Weder-Wahrnehmung- 
Noch-Nichtwahrnehmung.  Was  meinst  du,  Upäli: 
ist  nicht  wohl  dieser  Zustand  edler  und  erhabener 
als  die  früheren?" 

—     434     — 


ZEHNERBUCH  X 100 


,, Gewiß,    0    Ehrwürdiger  !" 

„Auch  diese  Tatsache,  Upäli,  bei  sich  bemerkend, 
leben  meine  Jünger  im  Walde,  in  waldeinsamen,  ab- 
geschiedenen Behausungen;  noch  aber  haben  sie  ihr 
Ziel  nicht  erreicht. 

,,  Fernerhin,  Upäli,  gewinnt  der  Mönch,  durch 
völlige  Überwindung  des  Gebietes  der  Weder-Wahr- 
nehmung-Noch-Nichtwahrnehmung,  die  »Aufhebung 
von  Wahrnehmung  und  Gefühl«;  und  nach  weisem 
Erkennen  gelangen  in  ihm  die  Leidenschaften  zur 
Versiegung.  Was  meinst  du,  Upäli:  ist  nicht  wohl 
dieser  Zustand  edler  und  erhabener  als  der  frühere?" 

,, Gewiß,    0    Ehrwürdiger  !" 

„Auch  diese  Tatsache,  Upäli,  bei  sich  bemerkend, 
leben  meine  Jünger  im  Walde,  in  waideinsamen,  ab- 
geschiedenen Behausungen;  noch  aber  haben  sie  ihr 
Ziel  nicht  erreicht.  Komm,  Upäli,  lebe  mit  der 
Mönchsgemeinde!  Mit  der  Mönchsgemeinde  lebend 
wird  es  dir  Wohlergehen." 

Die  Verwirklichung  des  Araliattums  (d.  i.  der         ^^^ 
Heiligkeit) 

Ohne,  ihr  Mönche,  zehn  Erscheinungen  über- 
wunden zu  haben,  ist  man  außerstande,  das  Ara- 
hattum  zu  verwirklichen:  welche  zehn? 

Gier,  Haß,  Verblendung,  Zorn,  Wut,  Heuchelei, 
Eifersucht,  Neid,  Geiz  und  Dünkel.  Ohne,  ihr  Mönche, 
diese  zehn  Erscheinungen  überwunden  zu  haben,  ist 
man   außerstande,   das  Arahattum   zu   verwirklichen. 

Durch  Überwindung  dieser  zehn  Erscheinungen 
aber,  ihr  Mönche,  ist  man  imstande,  das  Arahattum 
zu  verwirklichen. 

—    435     —  28* 


X102     SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 
ELFTER  TEIL: 

Das  Kapitel  der  Asketen- 
betrachtungen 

101  Der  Einfluß  der  drei  Asketenbetrachtungen 

Drei  Asketenbetrachtungen,  ihr  Mönche,  ent- 
faltet und  häxjfig  geübt,  bringen  sieben  Dinge  zuwege: 
welche  drei  Asketenbetrachtungen? 

»In  veränderte  Verhältnisse  bin  ich  eingetreten; 
von  Anderen  hängt  mein  Lebensunterhalt  ab;  ein 
anderes  Benehmen  muß  ich  zeigen«:  diese  drei 
Asketenbetrachtungen,  ihr  Mönche,  entfaltet  und 
häufig  geübt,  bringen  sieben  Dinge  zuwege.  Welche 
sieben? 

Standhaft  wird  man  in  der  Erfüllung  und  Be- 
folgung der  Sittenregeln,  wird  frei  von  Habgier,  fühlt- 
sich  nicht  beklommen,  überhebt  sich  nicht,  ist  übungs- 
eifrig, ist  bei  den  zum  Leben  nötigen  Gegenständen 
sich  des  Zweckes  bewußt  und  strengt  seinen  Willen  an. 
Die  drei  Asketenbetrachtungen,  ihr  Mönche,  entfaltet 
und  häufig  geübt,  bringen  diese  sieben  Dinge  zuwege. 

^^^      Die  Wirkung  der  sieben  Glieder  der  Erleuchtung 

Die  sieben  Erleuchtungsglieder  ihr  Mönche,  ent- 
faltet und  häufig  geübt,  bringen  die  drei  Wissen  zu- 
wege:   welche    sieben    Erleuchtungsglieder? 

Achtsamkeit,  Wahrheitsergründung,  Willenskraft, 
Verzückung,  Ruhe,  Sammlung  und  Gleichmut.  Diese 

—     436     — 


._».iaii 


ZEHNERBUCH  X 103 


sieben  Glieder  der  Erleuchtung,  ihr  Mönche,   bringen 
die  drei  Wissen  zuwege:  welche  drei  Wissen? 

Da,  ihr  Mönche,  erinnert  sich  der  Mönch  an  manche 
frühere  Daseinsform,  mit  ihren  Merkmalen,  ihren 
Kennzeichen.  Er  erkennt  mit  dem  Himmlischen 
Auge,  dem  geklärten,  übermenschlichen,  wie  die  Wesen 
abscheiden  und  wiedererscheinen,  erkennt  wie  die 
Wesen  ihren  Taten  entsprechend  wiedergeboren  werden. 
Durch  Versiegung  der  Leidenschaften  gewinnt  er  die 
leidenschaftslose  Gemütserlösung  und  Wissenserlö- 
sung, indem  er  sie  schon  bei  Lebzeiten  selber  erkennt 
und  verwirklicht.  Die  sieben  Glieder  der  Erleuchtung, 
ihr  Mönche,  entfaltet  und  -häufig  geübt,  bringen  diese 
drei  Wissen  zuwege. 

Die  Wirkung  des  Rechten  und  des  Verkehrten  103 

Aufgrund  des  Verkehrten,  ihr  Mönche,  entsteht 
Verlust,  kein  Gewinn.     Inwiefern  aber? 

Dem  verkehrt  Erkennenden,  ihr  Mönche,  ent- 
steht verkehrte  Gesinnung,  dem  verkehrt  Gesinnten 
verkehrte  Rede,  dem  verkehrt  Redenden  verkehrte 
Handlung,  dem  verkehrt  Handelnden  verkehrte  Lebens- 
weise, dem  verkehrt  Lebenden  verkehrtes  Streben, 
dem  verkehrt  Strebenden  verkehrte  Aufmerksamkeit, 
dem  verkehrt  Aufmerkenden  verkehrte  Sammlung, 
dem  verkehrt  Gesammelten  verkehrtes  Wissen,  dem 
verkehrt  Wissenden  verkehrte  Befreiung.  Insofern, 
ihr  Mönche,  entsteht  aufgrund  des  Verkehrten  Verlust, 
kein  Gewinn. 

Aufgrund  des  Rechten,  ihr  Mönche,  entsteht  Ge- 
winn, kein  Verlust.     Inwiefern  aber? 

—     437     — 


X104     SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Dem  recht  Erkennenden,  ihr  Mönche,  entsteht 
rechte  Gesinnung,  dem  recht  Gesinnten  rechte  Rede, 
dem  recht  Redenden  rechte  Handlung,  dem  recht 
Handelnden  rechte  Lebensweise,  dem  recht  Lebenden 
rechtes  Streben,  dem  recht  Strebenden  rechte  Auf- 
merksamkeit, dem  recht  Aufmerkenden  rechte  Samm- 
lung, dem  recht  Gesammelten  rechtes  Wissen,  dem 
recht  Wissenden  rechte  Befreiung.  Insofern,  ihr  Mönche 
entsteht  aufgrund  des  Rechten  Gewinn,  kein  Verlust. 

104  Süße  und  bittere  Früchte 

Wenn  man,  ihr  Mönche,  den  Samen  der  Nimba- 
frucht  (1)  oder  der  Bittergurke  oder  des  Bitter- 
kürbis auf  feuchtes  Erdreich  sät,  so  bekommt  alles, 
was  derselbe  an  festen  oder  flüssigsn  Stoffen  anzieht, 
einen  bitteren,  scharfen  und  herben  Geschmack.  Und 
warum?  Weil  eben,  ihr  Mönche,  der  Same  ein  übler  ist. 

Ebenso  auch,  ihr  Mönche:  was  immer  ein  Mensch, 
dessen  Erkenntnis,  Gesinnung,  Wort,  Werk,  Leben, 
Streben,  Achtsamkeit,  Sammlung,  Wissen  und  Be- 
freiung verkehrt  ist,  an  Taten  in  Werken,  Worten  und 
Gedanken  seiner  Erkenntnis  entsprechend  ausführt 
oder  unternimmt,  und  was  an  Wille,  Hoffnung,  Ver- 
langen und  Geistesbildungen  in  ihm  besteht,  so  führen 
alle  diese  Erscheinungen  zu  Unerwünschtem,  Uner- 
sehntem,  Unangenehmem,  zu  Unheil  und  Leiden. 
Und  warum?  Weil  eben  seine  Erkenntnis,  ihr  Mönche, 
eine  üble  ist. 


(1)  Kosataki  (luffa  acutangula,  zu  den  cucrbitaceae  gehörig), 
in  Sinhalesisch  (Vätakolu  genannt,  ist  eine  kleine,  bittere  Gurkenart. 

—     438     — 


ZEHNERBUCH  X105 


Wenn  man,  ihr  Mönche,  auf  feuchtes  Erdreich 
Reiskörner  sät  oder  einen  Bambusschößling  oder  das 
Reis  des  Weinstockes  pflanzt,  so  bekommt  alles,  was 
dasselbe  an  festen  und  flüssigen  Stoffen  anzieht,  einen 
angenehmen,  süßen,  lieblichen  Geschmack.  Und  wa- 
rum?   Weil  eben,  ihr  Mönche,  der  Keim  ein  guter  ist. 

Ebenso  auch  ihr  Mönche:  was  immer  ein  Mensch, 
dessen  Erkenntnis,  Gesinnung,  Wort,  Werk,  Leben, 
Streben,  Achtsamkeit,  Sammlung,  Wissen  und  Be- 
freiung richtig  ist,  an  Taten  und  Werken,  Worten  und 
Gedanken  seiner  Erkenntnis  entsprechend  ausführt 
oder  unternimmt,  und  was  an  Wille,  Hoffnung, 
Verlangen  und  Geistesbildungen  in  ihm  besteht,  so 
führen  alle  diese  Erscheinungen  zu  Erwünschtem, 
Ersehntem,  Angenehmen,  zum  Segen  und  Wohle. 
Und  warum?  Eben  weil  seine  Erkenntnis,  ihr  Mönche, 
eine  gute  ist. 

Die  Grundlagen  des  Guten  und  Bösen  105 

Das  Eintreten  der  schuldvollen  Erscheinungen, 
ihr  Mönche,  beruht  auf  Unwissenheit,  gefolgt  von 
Schamlosigkeit  und  Gewissenlosigkeit.  (1)  Dem  Un- 
wissenden, ihr  Mönche,  dem  Einsichtslosen  entsteht 
verkehrte  Erkenntnis,  dem  verkehrt  Erkennenden 
verkehrte  Gesinnung,  dem  verkehrt  Gesinnten  ver- 
kehrte Rede,  dem  verkehrt  Redenden  verkehrte  Hand- 
lung,   dem   verkehrt    Handelnden   verkehrte    Lebens- 

(1)  Nach  dem  Abhidhamma  sind  mit  jedem  schuldvollen 
(akusala)  Bewußtseinsmomente  stets  folgende  vier  Erscheinungen 
verbunden:  Verblendung  (moha),  Zerstreutheit  (uddhacca),  Scham- 
losigkeit (ahirika)  und  Gewissenlosigkeit  (anottappa). 

—    439     — 


X106      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

weise,  dem  verkehrt  Lebenden  verkehrtes  Streben, 
dem  verkehrt  Strebenden  verkehrte  Aufmerksamkeit, 
dem  verkehrt  Aufmerkenden  verkehrte  Sammlung, 
dem  verkehrt  Gesammelten  verkehrtes  Wissen,  dem 
verkehrt  Wissenden   verkehrte   Befreiung. 

Das  Eintreten  der  verdienstvollen  Erscheinungen, 
ihr  Mönche,  beruht  auf  Wissen,  gefolgt  von  Scham- 
gefühl und  Gev/issen.  Dem  Wissenden,  ihr  Mönche, 
dem  Einsichtigen  entsteht  rechte  Erkenntnis,  dem 
recht  Erkennenden  rechte  Gesinnung,  dem  recht  Ge- 
sinnten rechte  Rede,  dem  recht  Redenden  rechte 
Handlung,  dem  recht  Handelnden  rechte  Lebens- 
weise, dem  recht  Lebenden  rechtes  Streben,  dem 
recht  Strebenden  rechte  Aufmerksamkeit,  dem  recht 
Aufmerkenden  rechte  Sammlung,  dem  recht  Gesam- 
melten rechtes  Wissen,  dem  recht  Wissenden  rechte 
Befreiung 

106  Zur  Versiegung  führende  Dinge 

Zehn  zur  Versiegung  führende  Dinge  gibt  es,  ihr 
Mönche:  welche  zehn? 

In  dem  recht  Erkennenden,  ihr  Mönche,  ist  ver- 
kehrte Erkenntnis  versiegt.  Und  die  mannigfachen 
üblen,  schuldvollen  Erscheinungen,  die  zufolge  ver- 
kehrter Erkenntnis  entstehen,  auch  diese  sind  in  ihm 
versiegt;  und  zufolge  rechter  Erkenntnis  gelangen 
mannigfache  verdienstvolle  Erscheinungen  zur  vollen 
Entfaltung. 

In  dem  recht  Gesinnten,  ihr  Mönche,  ist  verkehrte 
Gesinnung  versiegt,  —  in  dem  recht  Redenden  ver- 
kehrte Rede,  —  in  dem  recht  Handelnden  verkehrte 

—     440     — 


.M 


ZEHNERBUCH  X 107 


Handlung,  —  in  dem  recht  Lebenden  verkehrte  Le- 
bensweise —  in  dem  recht  Strebenden  verkehrtes 
Streben,  —  in  dem  recht  Aufmerkenden  verkehrte 
Aufmerksamkeit,  —  in  dem  recht  Wissenden  verkehrtes 
Wissen,  —  in  dem  recht  Befreiten  verkehrte  Befreiung. 
Und  die  mannigfachen  üblen,  schuldvollen  Erschei- 
nungen, die  zufolge  verkehrter  Befreiung  entstehen, 
auch  diese  sind  in  ihm  versiegt;  und  zufolge  rechter 
Befreiung  gelangen  mannigfache  verdienstvolle  Er- 
scheinungen  zur   vollen   Entfaltung. 

Das,  ihr  Mönche,  sind  die  zehn  zur  Versiegung 
führenden  Dinge. 

Die  edle  Spülung  107 

Es  gibt,  ihr  Mönche,  in  den  südlichen  Ländern  ein 
sog.  Fest  der  »Spülung«.  (1)  Bei  demselben  erhält  man 
Speise  und  Trank,  Kauwaren,  Eßwaren,  Leckereien 
und  Getränke,  und  Tanz  und  Spiel  finden  statt.  Ein 
solches  Fest  der  Spülung  gibt  es,  ihr  Mönche,  und 
nicht  behaupte  ich  etwa,  daß  es  so  etwas  nicht  gebe. 
Doch  jene  Spülung,  ihr  Mönche,  ist  niedrig,  gemein, 
weltlich,  unedel,  zwecklos,  führt  nicht  zum  Daseins- 
überdruß, zur  Abwendung,  Aufhebung  und  zum  Frieden, 
nicht  zur  Durchschauung,  zur  Erleuchtung  und  zum 

(1)  Komm.:  ,,In  jenem  Lande  verbrennen  die  Menschen  ihre 
Toten  nicht,  sondern  graben  eine  Grube  x.md  versenken  sie  in  die 
Erde.  Sobald  die  Leiche  verwittert  ist,  nehmen  sie  die  Knochen 
heraus,  waschen  sie  und  richten  sie  auf;  und  nachdem  sie  Riech- 
stoffe und  Blimien  geopfert  haben,  verwahren  sie  dieselben.  Am 
kommenden  Festtage  aber  nehmen  sie  die  Knochen,  indem  sie 
weinen  und  wehklagen,  und  feiern  ein  Pest." 

—     441     — 


X107     SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Nirwahn.  Ich  aber,  ihr  Mönche,  will  euch  eine  edle 
Spülung  weisen,  die  zum  völligen  Daseinsüberdruß 
führt,  zur  Abwendung,  Aufhebung  und  zum  Frieden, 
zur  Durchschauung,  zur  Erleuchtung  und  zum  Nir- 
wahn, eine  Spülung,  derzufolge  die  der  Geburt,  dem 
Alter  und  dem  Tode  unterworfenen  Wesen  von  Ge- 
burt, Alter  und  Tod  erlöst  werden,  eine  Spülung, 
derzufolge  die  dem  Kummer,  Jammer,  Schmerz, 
Trübsinn  und  der  Verzweifelung  unterworfenen  Wesen 
von  Kummer,  Jammer,  Schmerz,  Trübsinn  und  Ver- 
zweiflung Erlösung  finden.  Und  worin,  ihr  Mönche, 
besteht    jene    edle    Spülung? 

Von  dem  recht  Erkennenden,  ihr  Mönche,  ist 
die  verkehrte  Erkenntnis  abgespült.  Und  die  mannig- 
fachen üblen,  schuldvollen  Erscheinungen,  die  zu- 
folge verkehrter  Erkenntnis  entstehen,  auch  diese 
sind  von  ihm  abgespült;  und  zufolge  rechter  Erkennt- 
nis gelangen  mannigfache  verdienstvolle  Erscheinungen 
zur  vollen  Entfaltung. 

Von  dem  recht  Gesinnten,  ihr  Mönche,  ist  die 
verkehrte  Gesinnung  abgespült,  —  von  dem  recht 
Redenden  die  verkehrte  Rede,  —  von  dem  recht 
Handelnden  die  verkehrte  Handlung,  —  von  dem 
recht  Lebenden  die  verkehrte  Lebensweise,  —  von 
dem  recht  Strebenden  das  verkehrte  Streben,  —  von 
dem  recht  Aufmerkenden  die  verkehrte  Aufmerk- 
samkeit, —  von  dem  recht  Gesammelten  die  verkehrte 
Sammlung,  —  von  dem  recht  Wissenden  das  verkehrte 
Wissen,  —  von  dem  recht  Befreiten  die  verkehrte 
Befreiung.  Und  die  mannigfachen  üblen,  schuldvollen 
Erscheinungen,  die  zufolge  verkehrter  Befreiung  ent- 
stehen, auch  diese  sind  von  ihm  abgespült;  und  zufolge 

—     442     — 


ZEHNERBUCH  X 109 


rechter  Befreiung  gelangen  die  mannigfachen  verdienst- 
vollen Erscheinungen  zur  vollen  Entfaltung. 

Das  nun,  ihr  Mönche,  ist  die  edle  Spülung,  die  zum 
völligen  Daseinsüberdruß  führt,  zur  Abwendung, 
Aufhebung  und  zum  Frieden,  zur  Durchschauung, 
zur  Erleuchtung  und  •  zum  Nirwahn,  eine  Spülung, 
derzufolge  die  der  Geburt,  dem  Alter  und  dem  Tode 
unterworfenen  Wesen  von  Geburt,  Alter  und  Tod 
erlöst  werden,  eine  Spülung,  derzufolge  die  dem 
Kummer,  Jammer,  Schmerz,  Trübsinn  und  der  Ver- 
zweiflung unterworfenen  Wesen  von  Kummer,  Jam- 
mer, Schmerz,  Trübsinn  und  Verzweiflung  Erlösung 
finden. 

Das  edle  Brechmittel  109 

Die  Ärzte,  ihr  Mönche,  verordnen  Brechmittel, 
um  die  durch  Galle,  Schleim  und  Gase  entstandenen 
Krankheiten  zu  heilen.  Solche  Brechmittel  gibt  es, 
ihr  Mönche,  und  nicht  behaupte  ich  etwa,  daß  es  so 
etwas  nicht  gebe.  Doch  solche  Brechmittel,  ihr  Mönche, 
wirken  das  eine  Mal  und  das  andere  Mal  nicht.  Ich 
aber,  ihr  Mönche,  will  euch  ein  Brechmittel  weisen, 
das  stets  wirkt,  nie  versagt,  ein  Brechmittel,  demzu- 
folge die  der  Geburt,  dem  Alter  und  dem  Tode  unter- 
worfenen Wesen  von  Geburt,  Alter  und  Tod  erlöst  wer- 
den, ein  Brechmittel,  demzufolge  die  dem  Kummer, 
Jammer,  Schmerz,  Trübsinn  und  der  Verzweiflung  j 
unterworfenen  Wesen  von  Kummer,  Jammer,  Schmerz, 
Trübsinn  und  Verzweiflung  Erlösung  finden.  Und 
worin,  ihr  Mönche,  besteht  jenes  edle  Brechmittel? 

Der  recht  Erkennende,  ihr  Mönche,  hat  die  ver- 

—     443     — 


Xlll      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

kehrte  Erkenntnis  ausgespieen,  —  der  recht  Gesinnte 
die  verkehrte  Gesinnung,  —  der  recht  Redende  die 
verkehrte  Rede  —  der  recht  Handelnde  die  verkehrte 
Handlung,  —  der  recht  Lebende  die  verkehrte  Lebens- 
weise, —  der  recht  Strebende  das  verkehrte  Streben, 
—  der  recht  Aufmerkende  die  verkehrte  Aufmerksam- 
keit, —  der  recht  Gesammelte  die  verkehrte  Samm- 
lung, —  der  recht  Wissende  das  verkehrte  Wissen,  — 
der  recht  Befreite  die  verkehrte  Befreiung.  Und  die 
mannigfachen  üblen,  schuldvollen  Erscheinungen, 
die  zufolge  verkehrter  Befreiung  entstehen,  auch  diese 
hat  er  ausgespieen;  und  zufolge  rechter  Befreiung 
gelangen  mannigfache  verdienstvolle  Erscheinungen 
zur  vollen  Entfaltung. 

Das,  ihr  Mönche,  ist  jenes  edle  Brechmittel,  das 
stets  wirkt,  nie  versagt,  ein  Brechmittel,  demzufolge 
die  der  Geburt,  dem  Alter  und  dem  Tode  unterwor- 
fenen Wesen  von  Geburt,  Alter  und  Tod  erlöst  werden, 
ein  Brechmittel,  demzufolge  die  dem  Kummer, Jammer, 
Schmerz,  Trübsinn  und  der  Verzweiflung  unterworfenen 
Wesen  von  Kummer,  Jammer,  Schmerz,  Trübsinn 
und  Verzweiflung   Erlösung  finden. 

m  Der  Kampfesledige  (asekha)  (1) 

Einer  der  Mönche  sprach  zum  Erhabenen: 

,,Von  kampfesledig  spricht  man  da,  o  Ehrwür- 
diger. Inwiefern  aber,  o  Ehrwürdiger,  ist  der  Mönch 
ein  Kampfeslediger?" 

(1)  Eine  Bezeichnung  des  Arahat,  insofern  derselbe  sein  Ziel 
erkämpft  und  um  nichts  Weiteres  mehr  zu  kämpfen  hat. 

—     444     — 


ZEHNERBUCH  X 111 


„Da,  0  Mönch,  ist  der  Mönch  ausgestattet  mit 
der  rechten  Erkenntnis  eines  Kampfesledigen,  aus- 
gestattet mit  der  rechten  Gesinnung  eines  Kampfes- 
ledigen, ausgestattet  mit  der  rechten  Rede  eines 
Kampfesledigen,  ausgestattet  mit  der  rechten  Lebens- 
weise eines  Kampfesledigen,  ausgestattet  mit  dem 
rechten  Streben  eines  Kampfesledigen,  ausgestattet 
mit  der  rechten  Achtsamkeit  eines  Kampfesledigen, 
ausgestattet  mit  der  rechten  Sammlung  eines  Kampfes- 
ledigen, ausgestattet  mit  dem  rechten  Wissen  eines 
Kampfesledigen,  ausgestattet  mit  der  rechten  Be- 
freiung eines  Kampfesledigen.  So,  o  Mönch,  ist  der 
Mönch  ein  Kampfeslediger." 


-     445     - 


X115     SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 


ZWÖLFTER    TEIL: 

Das  Kapitel  der  Läuterung 

113  Das  Gesetzliche  und  das  Ungesetzliche 

(1) 
Das  Ungesetzliche  und  Unheilsame,  ihr  Mönche, 
soll  man  erkennen  sowie  das  Gesetzliche  und  Heil- 
same; und  hat  man  das  Ungesetzliche  und  Unheil- 
same, sowie  das  Gesetzliche  und  Heilsame  erkannt, 
so  soll  man  dem  Gesetzlichen  und  Heilsamen  ent- 
sprechend leben.  — 

115  Das  Gesetzliche  und   das  Ungesetzliche 

(2) 

„Das  Ungesetzliche  und  das  Gesetzliche,  ihr 
Mönche,  soll  man  erkennen  sowie  das  Unheilsame  und 
das  Heilsame;  und  hat  man  das  Ungesetzliche  und  das 
Gesetzliche,  das  Unheilsame  und  das  Heilsame  er- 
kannt, so  soll  man  dem]"Gesetzlichen  und  Heilsamen 
entsprechend  leben." 

Also  sprach  der  Erhabene.  Nach  diesen  Worten 
aber  erhob  sich  der  Erhabene  von  seinem  Sitze  und 
begab  sich  in  seine  Zelle. 

Nicht  lange  aber,  nachdem  der  Erhabene  gegangen 
war,  da  sagten  sich  die  Mönche:  „Der  Erhabene,  ihr 
Brüder,  hat  uns  da  in  kurzen  Worten  einen  Vortrag 
gehalten  und  sich,  ohne  uns  den  Sinn  näher  zu  er- 
klären, in  seine  Zelle  begeben.    Wer  vermöchte  wohl, 

—     446     — 


ZEHNERBUCH  X 115 


den  Sinn  des  vom  Erhabenen  in  kurzen  Worten  ge- 
haltenen Vortrages  näher  zu  erklären?"  Und  der  Ge- 
danke kam  ihnen:  ,  Dieser  ehrwürdige  Änando  wird 
ja  vom  Meister  gepriesen  und  ist  angesehen  bei  seinen 
Ordensbrüdern.  Der  ehrwürdige  Änando  ist  wohl 
dazu  imstande.  So  wollen  wir  denn  zum  ehrwürdigen 
Änando  hingehen  und  ihn  um  die  Sache  befragen. 
Wie  sie  uns  der  ehrwürdige  Änando  erklären  wird, 
so  wollen  wir  uns  dieselbe  merken."  Darauf  begaben 
sich  jene  Mönche  zum  ehrwürdigen  Änando  und  tru- 
gen ihm  die  Sache  vor. 

[Änando:]  „Gleichwie,  ihr  Brüder,  ein  Mann, 
der  Kernholz  wünscht,  nach  Kernholz  sucht,  auf 
Kernholz  ausgeht,  über  die  Wurzel  eines  dastehenden 
Baumes  hinwegklettert,  über  den  Stamm  hinweg- 
klettert und  in  den  Zweigen  und  in  dem  Blätterwerke 
Kernholz  zu  finden  hofft,  genau  so  verhält  es  sich  hier. 
Obwohl  der  Meister  zugegen  war,  habt  ihr  ihn,  den 
Erhabenen  übergangen  und  glaubt  nun  mich  fragen 
zu  müssen.  Jener  Erhabene,  ihr  Brüder,  erkennt  das 
zu  Erkennende,  durchschaut  das  zu  Durchschauende, 
er,  der  Seher  und  Kenner,  der  eins  geworden  ist  mit 
dem  Gesetze,  eins  geworden  mit  Brahma,  der  Lehrer, 
der  Verkünder,  der  Erschließer  des  Sinnes,  der  Spender 
der  Unsterblichke'.t,  des  Gesetzes  Herr,  der  Vollendete. 
Ihr  hattet  ja  Zeit,  euch  zum  Erhabenen  hinzubegeben 
und  ihn  um  die  Sache  zu  befragen.  Wie  euch  der  Er- 
habene erklärt  haben  möchte,  so  hättet  ihr  euch  die 
Sache  merken  können." 

,, Freilich,  Bruder  Änando,  erkennt  der  Erhabene 
das  zu  Erkennende,  durchschaut  er  das  zu  Durch- 
schauende, er,  der  Seher  und  Kenner,  der  eins  gewor- 

—     447     — 


X115      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

den  ist  mit  dem  Gesetze,  eins  geworden  mit  Brahma, 
der  Lehrer,  der  Verkünder,  der  Erschließer  des  Sinnes, 
der  Spender  der  Unsterblichi<eit,  des  Gesetzes  Herr, 
der  Vollendete.  Wohl  hatten  wir  Zeit,  uns  zum  Er- 
habenen hinzubegeben  und  ihn  um  die  Sache  zu  be- 
fragen. Aber  auch  der  ehrwürdige  Änando,  der  selbst 
vom  Meister  gepriesen  wird  und  angesehen  ist  bei 
seinen  Ordensbrüdern,  ist  wohl  dazu  imstande.  Möge 
doch  der  ehrwürdige  Änando  die  Sache  erklären, 
ohne  sich  Umstände  zu  machen." 

,,So  höret  denn,  ihr  Brüder,  und  achtet  wohl  auf 
meine  Worte  !"  ,,Ja,  o  Bruder"  erwiderten  jene  Mön- 
che dem  ehrwürdigen  Änando.  Und  der  ehrwürdige 
Änando  sprach: 

,,»Das  Ungesetzliche  und  das  Gesetzliche,  ihr 
Mönche,  soll  man  erkennen  sowie  das  Unheilsame  und 
das  Heilsame;  und  hat  man  das  Ungesetzliche  und  das 
Gesetzliche,  das  Unheilsame  und  das  Heilsame  er- 
kannt, so  soll  man  dem  Gesetzlichen  und  Heilsamen 
entsprechend  leben«:  diesen  kurzen  Vortrag  also, 
ihr  Brüder,  hat  euch  der  Erhabene  gehalten  und  sich, 
ohne  den  Sinn  näher  zu  erklären,  in  seine  Zelle  begeben. 
W^as  ist  nun,  ihr  Brüder,  das  Ungesetzliche  und  was 
das  Gesetzliche,  was  das  Unheilsame  und  was  das 
Heilsame? 

,, Verkehrte  Erkenntnis,  ihr  Brüder,  ist  das  Un- 
gesetzliche, rechte  Erkenntnis  das  Gesetzliche.  Die 
mannigfachen  üblen,  schuldvollen  Erscheinungen, 
die  zufolge  verkehrter  Erkenntnis  entstehen:  diese 
sind  das  Unheilsame.  Die  mannigfachen  verdienst- 
vollen Erscheinungen,  die  zufolge  rechter  Erkenntnis 
entstehen:  diese    sind    das  Heilsame.     Verkehrte    G^- 

—     448     — 


ZEHNERBUCH  X115 


sinnung,  ihr  Mönciie,  ist  das  Ungesetzliche,  rechte 
Gesinnung  das  Gesetzliche,  —  verkehrte  Rede  das 
UngesetzHche,  rechte  Rede  das  Gesetzliche,  —  ver- 
kehrtes Werk  das  Ungesetzliche,  rechtes  Werk  das 
Gesetzliche,  —  verkehrte  Lebensweise  das  Ungesetz- 
liche, rechte  Lebensweise  das  Gesetzliche,  —  verkehrtes 
Streben  das  Ungesetzliche,  rechtes  Streben  das  Ge- 
setzliche, —  verkehrte  Achtsamkeit  das  Ungesetz- 
liche, rechte  Achtsamkeit  das  Gesetzliche,  —  verkehrte 
Sammlung  das  Ungesetzliche,  rechte  Sammlung  das 
Gesetzliche,  —  verkehrtes  Wissen  das  Ungesetzliche, 
rechtes  Wissen  das  Gesetzliche,  —  verkehrte  Befreiung 
das  Ungesetzliche,  rechte  Befreiung  das  Gesetzliche. 
Die  mannigfachen  üblen,  schuldvollen  Erscheinungen, 
die  zufolge  verkehrter  Befreiung  entstehen:  diese  sind 
das  Unheilsame.  Die  mannigfachen  heilsamen  Ei- 
scheinungen,  die  zufolge  rechter  Befreiung  entstehen: 
diese  sind  das  Heilsame. 

,,So,  ihr  Brüder,  verstehe  ich  den  ausführlichen 
Sinn  des  Vortrages,  den  der  Erhabene  in  kurzen  Wor- 
ten gehalten  hat,  ohne  den  Sinn  näher  zu  erklären. 
Wenn  ihr  nun  wollt,  ihr  Brüder,  so  möget  ihr  zum 
Erhabenen  hingehen  und  ihn  um  den  Sinn  befragen. 
Wie  euch  der  Erhabene  erklären  wird,  so  mögt  ihr 
euch  denselben  merken." 

,,Gut,  0  Bruder,"  erwiderten  jene  Mönche  dem 
ehrwürdigen  Änando,  durch  die  Worte  des  ehrwür- 
digen Änando  erfreut  und  befriedigt,  erhoben  sich 
von  ihren  Sitzen  und  begaben  sich  zum  Erhabenen, 
Dort  angelangt,  begrüßten  sie  ehrfurchtvoll  den  Er- 
habenen und  setzten  sich  zur  Seite  nieder.  Zur  Seite 
aber  sitzend,  sprachen  jene  Mönche  also  zum  Erhabenen: 


—    449    —  29 


X116      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

„Nicht  lange,  o  Ehrwürdiger,  nachdem  der  Er- 
habene gegangen  war,  da  sagten  wir  uns:  »Der  Er- 
habene, ihr  Brüder,  hat  uns  da  in  kurzen  Worten  einen 
Vortrag  gehalten  und  sich,  ohne  uns  den  Sinn  näher  zu 
erklären,  in  seine  Zelle  begeben.  Wer  vermöchte  wohl, 
den  Sinn  des  vom  Erhabenen  in  kurzen  Worten  ge- 
haltenen Vortrages  näher  zu  erklären?"  Und  der 
Gedanke  kam  ihnen:  ,, Dieser  ehrwürdige  Änando 
wird  ja  vom  Meister  gepriesen  und  ist  angesehen  bei 
seinen  Ordensbrüdern.  Der  ehrwürdige  Änando  ist 
wohl  dazu  imstande.  So  wollen  wir  denn  zum  ehr- 
würdigen Änando  hingehen  und  ihn  um  die  Sache 
befragen.  Wie  sie  uns  der  ehrwürdige  Änando  erklä- 
ren wird,  so  wollen  wir  uns  dieselbe  merken.«  Darauf 
begaben  wir  uns  zum  ehrwürdigen  Änando  und  fragten 
ihn  um  den  Sinn.  Und  der  verehrte  Änando,  o  Ehr- 
würdiger, legte  uns  in  solcher  Weise,  solchen  Sätzen 
und  solchen  Worten  den   Sinn  ausführlich  dar." 

,, Recht  so,  recht  so,  ihr  Mönche  !  Weise,  ihr 
Mönche,  ist  Änando;  ein  großes  Wissen,  ihr  Mönche, 
besitzt  Änando.  Auch  wenn  ihr  zu  mir  gekommen 
wäret,  ihr  Mönche,  und  hättet  mich  nach  dieser  Sache 
gefragt,  so  hätte  auch  ich  dieselbe  genau  so  erklärt, 
wie  sie  Änando  erklärt  hat.  Das  eben  ist  der  Sinn, 
und  so  mögt  ihr  euch  denselben  merken." 


116  Die  Grundlagen  für  einen  Weisen. 

Ajito  der  Pilger  sprach  zum  Erhabenen: 

„Unter  uns,  Herr,  Gotamo,  gibt  es  einen  weisen 
Ordensbruder,    der    fünfmal    hundert    Gedankenarten 

—     450     — 


ZEHNERBUCH  X 116 


ausgesonnen  hat,  an  denen  die  Andersgläubigen,  so- 
bald sie  überführt  sind,  sich  als  überführt  erkennen." 

Der  Erhabene  aber  wandte  sich  an  die  Mönche 
und  sprach: 

,, Entsinnt  ihr  euch,  ihr  Mönche,  auf  die  Grund- 
lagen für  diesen  Weisen?" 

,,So  ist  es  an  der  Zeit,  Erhabener,  so  ist  es  an  der 
Zeit,  Gesegneter,  daß  der  Erhabene  sie  erkläre.  Des 
Erhabenen  Worte  werden  sich  die  Mönche  merken." 

„So  höret  denn  und  achtet  wohl  auf  meine  Worte  !" 

„Ja,  0  Ehrwürdiger  !"  erwiderten  jene  Mönche 
dem  Erhabenen.     Und  der  Ernabene  sprach: 

,,Da,  ihr  Mönche,  besiegt  und  bezwingt  einer  eine 
ungesetzliche  Behauptung  durch  eine  ungesetzliche 
Behauptung.  Dadurch  aber  begeistert  er  die  gesetz- 
lose Menge,  und  darüber  stimmt  jene  gesetzlose 
Schar  lautes,  helles  Geschrei  an:  »Wahrlich,  ein  Weiser 
ist  der  Verehrte,  ein  Weiser  ist  der  Verehrte!« 

,,Da  aber,  ihr  Mönche,  besiegt  und  bezwingt  einer 
eine  gesetzliche  Behauptung  durch  eine  ungesetz- 
liche Behauptung.  Dadurch  aber  begeistert  er  die 
gesetzlose  Menge,  und  darüber  stimmt  jene  gesetzliche 
Schar  ein  lautes,  helles  Geschrei  an:  »Wahrlich,  ein 
Weiser  ist  der  Verehrte,  ein  Weiser  ist   der  Verehrte!« 

,,Da,  ihr  Mönche,  besiegt  und  bezwingt  einer  eine 
gesetzliche  und  eine  ungesetzliche  Behauptung  durch 
eine  ungesetzliche  Behauptung.  Dadurch  aber  be- 
geistert er  die  gesetzlose  Menge,  und  darüber  stimmt 
jene  gesetzlose  Schar  lautes,  helles  Geschrei  an: 
»Wahrlich,  ein  Weiser  ist  der  Verehrte,  ein  Weiser  ist 
der  Verehrte  !« 

„Da,  ihr  Mönche,  besiegt  und  bezwingt  einer  eine 


451     —  29* 


X117     SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERNGEN 

ungesetzliche  Behauptung  durch  eine  gesetzliche  Be- 
hauptung. Dadurch  aber  begeistert  er  die  gesetzliche 
Menge,  darüber  stimmt  jene  gesetzliche  Schar  ein 
lautes,  helles  Geschrei  an:  »Wahrlich,  ein  Weiser  ist 
der  Verehrte,  ein  Weiser  ist  der  Verehrte  !< 

,,Das  Ungesetzliche  und  das  Gesetzliche,  ihr 
Mönche,  soll  man  erkennen  sowie  das  Unheilsame  und 
das  Heilsame;  und  hat  man  das  Ungesetzliche  und 
das  Gesetzliche,  das  Unheilsame  und  das  Heilsame 
erkannt,  so  soll  man  dem  Gesetzlichen  und  Heilsamen 
entsprechend  leben." 

117  Diesseits  und  Jenseits 

Sahgäravo    der    Brahmane    sprach    zum    Erhabenen: 
,,Was    ist    wohl,    Herr    Gotamo,    das    diesseitige 
Ufer,  was  das  jenseitige  Ufer?" 

,, Verkehrte  Erkenntnis,  Brahmane,  ist  das  dies- 
seitige Ufer,  rechte  Erkenntnis  das  jenseitige  Ufer. 
Verkehrte  Gesinnung  ist  das  diesseitige  Ufer,  rechte 
Gesinnung  das  jenseitige  Ufer.  Verkehrte  Rede  ist 
das  diesseitige  Ufer,  rechte  Rede  das  jenseitige  Ufer. 
Verkehrtes  Werk  ist  das  diesseitige  Ufer,  rechtes  Werk 
das  jenseitige  Ufer.  Verkehrte  Lebensweise  ist  das 
diesseitige  Ufer,  rechte  Lebensweise  ist  das  jenseitige 
Ufer.  Verkehrtes  Streben  ist  das  diesseitige  Ufer, 
rechtes  Streben  das  jenseitige  Ufer.  Verkehrte  Acht- 
samkeit ist  das  diesseitige  Ufer,  rechte  Achtsamkeit  das 
jenseitige  Ufer.  Verkehrte  Sammlung  ist  das  dies- 
seitige Ufer,  rechte  Sammlung  das  jenseitige  Ufer. 
Verkehrtes  Wissen  ist  das  diesseitige  Ufer,  rechtes 
Wissen  das  jenseitige  Ufer.     Verkehrte  Befreiung  ist 

—     452     - 


ZEHNERBUCH  X 119 


das  diesseitige  Ufer,  rechte  Befreiung  das  jenseitige 
Ufer.  Das,  Brahmane,  ist  das  diesseitige  Ufer,  das 
das  jenseitige  Ufer." 

Nur  eine  kleine  Menschenschar 
Gelangt  zum  andern  Ufer  hin; 
Die  andern  aber  laufen  alle 
Entlang  dem  Ufer,  auf  und  ab. 

Wer  da  bei  recht  gewies'ner  Satzung 
Treu  dem  Gesetz  ergeben  ist, 
Der  wird  das  Todesreich  durchkreuzen, 
Das  man  nicht  leicht  durchkreuzen  kann. 

Das  Düst're  gebe  auf  der  Weise, 
Das  Lichte  doch  entfalte  er; 
Vom  Haus  ins  Hauslose  gelangt 
Such's  Glück  er  in  der  Einsamkeit, 
Wo  man  nicht  leicht  sich  glücklich  fühlt. 
Und  ohne  Wunsch  und  Eigentum 
Mög'  läutern  der  Verständige 
Von  Geistestrübungen  sein  Herz. 

Die  in  den  Gliedern  der  Erleuchtung 
Entfaltet  haben  ihren  Geist, 
Durch  Loslösung  vom  Daseinsdrang 
Beglückt  sind  ohne  jeden  Rang: 
Die    Strahlenden,  die  Unbefleckten 
Sind  schon  in  dieser  Welt  entwähnt. 


Die  edle  Läuterung  119 

Zu  jener  Zeit,  an  einem  Fastentage,  stand  der 
Brahmane  Jänussoni,  mit  gewaschenem  Haupte 
und  in  ein  doppeltes  Leinentuch  gehüllt,  mit  einer 
Hand  voll  feuchten   Grases,   unweit  dem   Erhabenen 

-    453    — 


X119      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

zur  Seite.    Der  Erhabene  aber  erblickte  ihn  und  sprach 
zu  ihm: 

„Was  stehst  du  da,  Brahmane,  heute  am  Fasten- 
tage, gewaschenen  Hauptes  und  in  ein  doppeltes  Lei- 
nentuch gehüllt,  mit  einer  Hand  voll  feuchten  Grases, 
zur  Seite?  Was  findet  denn  heute  in  der  Brahmanen- 
kaste  statt?" 

„Läuterung,  Herr  Gotamo,  übt  heute  die  Brah- 
manenkaste." 

,,Wie,  Brahmane,  vollzieht  sich  denn  die  Läuterung 
bei  den  Brahmanen?" 

,, Heute  am  Fastentage,  Herr  Gotamo,  bestreichen 
die  Brahmanen,  gewaschenen  Hauptes  und  in  ein 
doppeltes  Leinentuch  gehüllt,  den  Boden  mit  feuchtem 
Kuhdünger,  bedecken  ihn  darauf  mit  frischem  Kusa- 
grase  und  nehmen  ihr  Lager  zwischen  dem  Sande  und 
der  Feuerstätte,  Dreimal  erheben  sie  sich  des  Nachts 
und  verehren  mit  erhobenen  Händen  das  Feuer,  indem 
sie  sprechen:  »Wir  wollen  dich  läutern  !  Wir  wollen 
dich  läutern  !«  Und  sie  speisen  das  Feuer  reichlich 
mit  Butteröl,  Sesamöl  und  Butter.  Nach  Verlauf  der 
Nacht  aber  bewirten  sie  die  Priester  mit  auserlesenen 
harten  und  weichen  Speisen.  So,  Herr  Gotamo,  voll- 
zieht sich  die  Läuterung  bei  den  Brahmanen." 

,, Anders  freilich,  Brahmane,  vollzieht  sich  die 
Läuterung  bei  den  Brahmanen,  anders  aber  in  der 
Disziplin  der  Edlen." 

,,Wie  aber,  Herr  Gotamo,  vollzieht  sich  die  Läu- 
terung in  der  Disziplin  des  Edlen?  Möchte  mir  doch 
der  Herr  Gotamo  das  Gesetz  darlegen,  wie  sich  in  der 
Disziplin  des  Edlen  die  Läuterung  vollzieht!" 

—     454     — 


ZEHNERBUCH  X 119 


,,So  höre  denn,  Brahmane,  und  achte  wohl  auf 
meine  Worte!" 

,,Ja,  0  Herr!"  erwiderte  Jänussoni  der  Brahmane 
dem  Erhabenen.    Und  der  Erhabene  sprach: 

,,Da,  Brahmane,  überlegt  der  edle  Jünger  also  bei 
sich:  »Verkehrter  Erkenntnis  sind  wahrlich  diesseits 
wie  jenseits  üble  Früchte  beschieden.«  Also  bei  sich 
überlegend  gibt  er  die  verkehrte  Erkenntnis  auf,  läutert 
sich  von  der  verkehrten  Erkenntnis.  Er  überlegt  bei 
sich:  »Verkehrter  Gesinnung,  —  verkehrter  Rede,  — 
verkehrter  Handlung,  —  verkehrter  Lebensweise, 
verkehrtem  Streben,  —  verkehrter  Achtsamkeit,  — 
verkehrter  Sammlung,  —  verkehrtem  Wissen,  — 
verkehrter  Befreiung  sind  wahrlich  diesseits  wie  jen- 
seits üble  Früchte  beschieden«.  Also  bei  sich  überlegend 
gibt  er  die  verkehrte  Befreiung  auf,  läutert  sich  von 
der  verkehrten  Befreiung.  So,  Brahmane,  vollzieht  sich 
in  der  Disziplin  des  Edlen  die  Läuterung." 

,, Anders  freilich,  Herr  Gotamo,  vollzieht  sich  die 
Läuterung  bei  den  Brahmanen,  anders  in  der  Disziplin 
des  Edlen.  Von  dieser  Läuterung  in  der  Disziplin  des 
Edlen,  Herr  Gotamo,  ist  die  Läuterung  der  Brahmanen 
auch  nicht  den  sechzehnten  Teil  wert.  Vortrefflich, 
Herr  Gotamo!  Vortrefflich,  Herr  Gotamo!  Ich  nehme 
meine  Zuflucht  zum  Herrn  Gotamo,  zum  Gesetze  und 
zur  Jüngerschaft.  Möge  mich  der  Herr  Gotamo  als 
Anhänger  betrachten,  der  von  heute  ab  zeitlebens 
seine  Zuflucht  genommen  hat." 


—     455 


X(122)  SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

121  Die  Morgenröte  der  Erkenntnis 

Dem  Sonnenaufgange,  ihr  Mönche,  geht  als  Vor- 
läufer und  erstes  Anzeichen  die  aufsteigende  Morgen- 
röte vorauf.  Ebenso  auch,  ihr  Mönche,  geht  den  ver- 
dienstvollen Erscheinungen  als  Vorläufer  und  erstes 
Anzeichen  die  rechte  Erkenntnis  vorauf.  Denn  auf 
rechte  Erkenntnis  folgt  rechte  Gesinnung,  auf  rechte 
Gesinnung  rechte  Rede,  auf  rechte  Rede  rechtes  Werk, 
auf  rechtes  Werk  rechte  Lebensweise,  auf  rechte 
Lebensweise  rechtes  Streben,  auf  rechtes  Streben 
rechte  Achtsamkeit,  auf  rechte  Achtsamkeit  rechte 
Sammlung,  auf  rechte  Sammlung  rechtes  Wissen,  auf 
rechtes  Wissen  rechte  Befreiung. 
(122)  Diese  zehn  Erscheinungen,  ihr  Mönche,  entfaltet 

und  häufig  geübt,  bringen  die  Leidenschaften  zur  Ver- 
siegung. 


—    456 


ZEHNERBUCH  X 132 


DREIZEHNTER   TEIL: 

Das  Kapitel  der  Reinheit 

Keine  Vollkommenheit  außerhalb  123—131 

Zehn  Erscheinungen,  ihr  Mönche,  finden  sich,  rein 
und  lauter,  nicht  außerhalb  der  Disziplin  des  Geseg- 
neten: welche  zehn? 

Rechte  Erkenntnis,  rechte  Gesinnung,  rechte  Rede, 
rechtes  Werk,  rechte  Lebensweise,  rechtes  Streben, 
rechte  Achtsamkeit,  rechte  Samlmung,  rechtes  Wissen 
und  rechte  Befreiung.  Diese  zehn  Erscheinungen,  ihr 
Mönche,  finden  sich,  rein  und  lauter,  —  vollendet  und 
wohl  entfaltet,  —  nicht  außerhalb  der  Disziplin  des 
Gesegneten,  —  steigen,  wenn  sie  noch  nicht  aufge- 
stiegen sind,  nicht  auf  außerhalb  der  Disziplin  des 
Gesegneten,  —  sind  von  keiner  hohen  Frucht  und 
Wirkung  außerhalb  der  Disziplin  des  Gesegneten,  — 
enden  in  Überkommung  von  Gier,  Haß  und  Verblen- 
dung nicht  außerhalb  der  Disziplin  des  Gesegneten,  — 
führen  zum  völligen  Daseinsüberdruß,  zur  Anwendung 
und  zum  Frieden,  zui  Durchschauung,  zur  Erleuch- 
tung und  zum  Nirwahn  nicht  außerhalb  der  Disziplin 
des  Gesegneten. 

Verkehrte  und  rechte  Zustände  132 

Zehn  verkehrte  Zustände  gibt  es,  ihr  Mönche: 
welche  zehn? 

Verkehrte  Erkenntnis,  verkehrte  Gesinnung,  ver- 

—    457     — 


X133      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 


kehrte  Rede,  verkehrtes  Werk,  verkehrte  Lebens- 
weise, verkehrtes  Streben,  verkehrte  Achtsamkeit, 
"  verkehrte  Sammlung,  verkehrtes  Wissen  und  ver- 
kehrte Befreiung.  Das,  ihr  Mönche,  sind  die  zehn 
verkehrten  Zustände. 
133  Zehn  rechte  Zustände  gibt  es,  ihr  Mönche,  welche 

zehn? 

Rechte  Erkenntnis,  rechte  Gesinnung,  rechte  Rede, 
rechtes  Werk,  rechte  Lebensweise,  rechtes  Streben, 
rechte  Achtsamkeit,  rechte  Sammlung,  rechtes  Wissen 
und  rechte  Befreiung.  Das,  ihr  Mönche,  sind  die  zehn 
rechten  Zustände. 


458     — 


ZEHNERBUCH  X144 


VIERZEHNTRE   TEIL: 

Das  Kapitel  des  Guten 

Zweierlei  Gesetze 

Was,  ihr  Mönche,  ist  das  Böse,  —  Unedle,  — 
Schuldvolle,  —  Unheilsame,  —  das  unrechte  Gesetz, 

—  das  befleckte,  —  tadelige,  —  qualbringende,  — 
aufschichtende,  —  leiderzeugende,  —  leidgebärende 
Gesetz? 

Verkehrte  Erkenntnis,  verkehrte  Gesinnung,  ver- 
kehrte Rede,  verkehrtes  Werk,  verkehrte  Lebensweise, 
verkehrtes  Streben,  verkehrte  Achtsamkeit,  verkehrte 
Sammlung,  verkehrtes  Wissen  und  verkehrte  Be- 
freiung.   Was  aber,  ihr  Mönche,  ist  das  Gute,  —  Edle, 

—  Verdienstvolle,  —  Heilsame,  —  das  rechte  Ge- 
setz, —  das  unbefleckte,  —  untadelige,  —  quallose,  — 
abschichtende,  —  glückerzeugende,  —  glückgebärende 
Gesetz? 

Rechte  Erkenntnis,  rechte  Gesinnung,  rechte  Rede, 
rechtes  Werk,  rechte  Lebensweise,  rechtes  Streben, 
rechte  Achtsamkeit,  rechte  Sammlung,  rechtes  Wissen 
und   rechte   Befreiung. 


134—144 


—     459     — 


X154     SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 
FÜNFZEHNTER    TEIL: 

Das  Kapitel  des  edlen  Pfades 

Zweierlei  Pfade 

Was,  ihr  Mönche,  ist  der  unedle  Pfad,  —  der 
finstere  Pfad,  —  das  schlechte  Gesetz,  —  das  Gesetz 
der  schlechten  Menschen,  —  das  nicht  aufzurichtende, 
—  nicht  zu  befolgende,  —  nicht  zu  entfaltende,  — 
nicht  großzuziehende,  —  nicht  zu  beachtende,  —  nicht 
zu  verwirklichende  Gesetz? 

Verkehrte  Erkenntnis,,  verkehrte  Gesinnung,  ver- 
kehrte Rede,  verkehrtes  Werk,  verkehrte  Lebensweise, 
verkehrtes  Streben,  verkehrte  Achtsamkeit,  verkehrte 
Sammlung,  verkehrtes  Wissen  und  verkehrte  Befreiung. 

Was  aber,  ihr  Mönche,  ist  der  edle  Pfad,  —  der 
lichte  Pfad,  —  das  gute  Gesetz,  —  das  Gesetz  der 
guten  Menschen,  —  das  aufzurichtende,  —  zu  be- 
folgende, —  zu  entfaltende,  —  großzuziehende,  —  zu 
beachtende,  —  zu  verwirklichende  Gesetz? 

Rechte  Erkenntnis,  rechte  Gesinnung,  rechte  Rede, 
rechtes  Werk,  rechte  Lebensweise,  rechtes  Streben, 
rechte  Achtsamkeit,  rechte  Sammlung,  rechtes  Wissen 
und  rechte  Befreiung. 


—    460     - 


ZEHNERBUCH  X 166 


SECHSZEHNTER    TEIL: 

Das  Kapitel  der  Menschen 

Der  Umgang  mit  Menschen  155—166 

Mit  einem  Menschen,  ihr  Mönche,  dem  zehn  Er- 
scheinungen anhaften,  soll  man  nicht  verkehren,  — 
umgehen,  —  Gesellschaft  pflegen,  —  soll  ihn  nicht 
ehren.  —  Ohne  Achtung  ist  er,  —  ohne  Ergebung,  — 
unversöhnlich,  —  unlauter,  —  bezwingt  seinen  Dünkel 
nicht,  —  wächst  nicht  in  Einsicht,  —  erwirkt  sich 
große  Schuld.  Welches  aber  sind  diese  zehn  Erschei- 
nungen? 

Verkehrte  Erkenntnis,  verkehrte  Gesinnung,  ver- 
kehrte Rede,  verkehrtes  Werk,  verkehrte  Lebens- 
weise, verkehrtes  Streben,  verkehrte  Achtsamkeit, 
verkehrte  Sammlung,  verkehrtes  Wissen  und  ver- 
kehrte Befreiung. 

Mit  einem  Menschen,  ihr  Mönche,  bei  dem  zehn 
Erscheinungen  anzutreffen  sind,  soll  man  verkehren, 

—  umgehen,  —  Gesellschaft  pilegen;  —  soll  ihn  ehren. 

—  Voll  Achtung  ist  er,  —  voll  Ergebung,  —  versöhn- 
lich, —  lauter,  —  bezwingt  seinen  Dünkel,  —  wächst 
in  Einsicht,  —  erwirkt  sich  großes  Verdienst.  Welches 
aber  sind  diese  zehn  Erscheinungen? 

Rechte  Erkenntnis,  rechte  Gesinnung,  rechte  Rede, 
rechtes  Werk,  rechte  Lebensweise,  rechtes  Streben, 
rechte  Achtsamkeit,  rechte  Sammlung,  rechtes  Wissen 
und  rechte  Befreiung, 


—    401    — 


€8 


X170      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 
SIEBZEHNTER    TEIL: 

Das  Kapitel  des  Jänussoni 

Die  edle  Läuterung 

Was,  ihr  Mönche,  ist  die  edle  Läuterung? 

Da,  ihr  Mönche,  überlegt  der  edle  Jünger  also  bei 
sich:  »Dem  Töten  wahrlich  sind  diesseits  wie  jenseits 
üble  Früchte  beschieden«.  Also  bei  sich  überlegend 
verwirft  er  das  Töten,  läutert  er  sich  vom  Töten.  Er 
überlegt  bei  sich:  »Dem  Stehlen,  —  dem  geschlecht- 
lichen Ausschreiten,  —  dem  Lügen,  —  der  Zwischen- 
trägerei,  —  dem  rohen  Reden,  —  dem  unsinnigen  Plap- 
pern, —  der  Habgier,  —  dem  Übelwollen,  —  der  ver- 
kehrten Erkenntnis  sind  diesseits  wie  jenseits  üble 
Früchte  beschieden«.  Also  bei  sich  überlegend,  ver- 
wirft er  die  verkehrte  Erkenntnis,  läutert  sich  von  der 
verkehrten  Erkenntnis.  Das,  ihr  Mönche,  nennt  man 
die  edle  Läuterung. 

170  Diesseits  und  Jenseits 

Was,  ihr  Mönche,  ist  das  diesseitige  Ufer,  was  das 
jenseitige  Ufer? 

Töten,  ihr  Mönche,  ist  das  diesseitige  Ufer,  Ab- 
stehen vom  Töten  das  jenseitige  Ufer.  Stehlen  ist  das 
diesseitige  Ufer,  Abstehen  vom  Stehlen  das  jenseitige 
Ufer.  Geschlechtliches  Ausschreiten  ist  das  diesseitige 
Ufer,  Abstehen  vom  geschlechtlichen  Ausschreiten  das 
jenseitige  Ufer.  Lügen  ist  das  diesseitige  Ufer,  Ab- 
stehen vom  Lügen  das  jenseitige  Ufer.  Zwischenträgerei 

—     462     — 


ZEHNERBUCH  X 175 


ist  das  diesseitige  Ufer,  Abstehen  von  Zwischenträgerei 
das  jenseitige  Ufer.  Rohe  Rede  ist  das  diesseitige 
Ufer,  Abstehen  von  roher  Rede  das  jeneitige  Ufer. 
Unsinniges  Plappern  ist  das  diesseitige  Ufer,  Abstehen 
vom  unsinnigen  Plappern  das  jenseitige  Ufer.  Hab- 
gier ist  das  diesseitige  Ufer,  Bedürfnislosigkeit  das 
jenseitige  Ufer.  Übelwollen  ist  das  diesseitige  Ufer, 
Wohlwollen  das  jenseitige  Ufer.  Verkehrte  Erkenntnis 
ist  das  diesseitige  Ufer,  rechte  Erkenntnis  das  jen- 
seitige Ufer.  Das,  ihr  Mönche,  ist  das  diesseitige  Ufer, 
das  das  jenseitige  Ufer. 

Die  drei  Anlässe  zur  Tat  174 

Töten,  sage  ich,  ihr  Mönche,  ist  dreierlei  Art: 
durch  Gier  veranlaßt,  durch  Haß  veranlaßt  oder  durch 
Verblendung  veranlaßt.  Stehlen,  —  geschlechtliches 
Ausschreiten,  —  Lügen,  —  Zwischenträgerei,  —  rohe 
Rede,  —  unsinniges  Plappern,  —  Habgier,  —  Übel- 
wollen, —  verkehrte  Erkenntnis  ist  dreierlei  Art:  durch 
Gier  veranlaßt,  durch  Haß  veranlaßt  oder  durch  Ver- 
blendung veranlaßt. 

Somit,  ihr  Mönche,  bildet  die  Gier  einen  Anlaß 
zur  Tat,  bildet  der  Haß  einen  Anlaß  zur  Tat,  bildet 
die  Verblendung  einen  Anlaß  zur  Tat.  Durch  die  Auf- 
hebung von  Gier,  Haß  und  Verblendung  aber  wird 
auch  die  Ursache  zur  Tat  aufgehoben.      ' 

Der  Ausweg  1T5 

Einen  Ausweg,  ihr  Mönche,  weist  dieses  Gesetz, 
ist  nicht  ohne  einen  Ausweg.    Inwiefern  aber? 

Für  den  Tötenden,  ihr  Mönche,  gilt  das  Abstehen 

—    463     — 


X176      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

vom  Töten  als  Ausweg.  Für  den  Dieb  gilt  das  Ab- 
stehen vom  Stehlen  als  Ausweg,  für  den  Lügner  das 
Abstehen  vom  Lügen,  für  den  Zwischenträger  das  Ab- 
stehen von  Zwischenträgerei,  für  den  roh  Redenden 
das  Abstehen  von  roher  Rede,  für  den  unsinnig  Plap- 
pernden das  Abstehen  von  unsinnigem  Plappern,  für 
den  Habgierigen  die  Bedürfnislosigkeit,  für  den  Übel- 
wollenden das  Wohlwollen  und  für  den  verkehrt  Er- 
kennenden die  rechte  Erkenntnis.  So  also,  ihr  Mönche, 
weist  dieses  Gesetz  einen  Ausweg,  ist  nicht  ohne  einen 
Ausweg. 

176  Dreifache  Lauterkeit 

.Einst  weilte  der  Erhabene  bei  Pävä,  im  Mangohaine 
Cundos  des  Schmiedesohnes.  Und  Cundo  der  Schmiede- 
sohn begab  sich  zum  Erhabenen.-  Dort  angelangt  be- 
grüßte er  ehrfurchtsvoll  den  Erhabenen  und  setzte 
sich  zur  Seite  nieder.  Als  er  sich  aber  gesetzt  hatte, 
sprach  der  Erhabene  zu  ihm: 

„Wessen  Lauterkeit,  Cundo,  sagt  dir  wohl  zu?" 
„Die  Lauterkeit  jener  Brahmanen,  o  Ehrwürdiger, 
die   da   Rückwärtsläufer   sind,    Kübelträger,   Moosbe- 
kränzte,   Feuerverehrer   und   Täuflinge." 

„Wie  aber,  Cundo,  lehren  jene  die  Lauterkeit?" 
Da,  0  Ehrwürdiger,  ermahnen  diese  den  Jünger 
also:  »Geh',  lieber  Mann,  erhebe  dich  rechtzeitig  von 
deinem  Lager  und  berühre  den  Boden!  Magst  du 
aber  den  Boden  nicht  berühren,  so  berühre  feuchten 
Kuhdünger!  Magst  du  aber  feuchten  Kuhdünger 
nicht  berühren,  so  berühre  grünes  Gras!  Magst  du 
aber  das  grüne  Gras  nicht  berühren,   so  warte  dem 

—     464     — 


ZEHNERBUCH  X 176 


Feuer  auf!  Magst  du  aber  dem  Feuer  nicht  aufwarten, 
so  verehre  mit  erhobenen  Händen  die  Sonne.  Magst 
du  aber  mit  erhobenen  Händen  die  Sonne  nicht  ver- 
ehren, so  tauche  des  Abends  dreimal  im  Wasser  unter.« 
So,  0  Ehrwürdiger,  lehren  jene  Brahmanen  die  Lauter- 
keit; und  deren  Lauterkeit  sagt  mir  zu." 

,, Anders  freilich,  Cundo,  lehren  diese  Brahmanen 
die  Lauterkeit,  anders  aber  steht  es  mit  der  Lauter- 
keit in  der  Disziplin  des  Edlen." 

,,Wie  aber,  o  Ehrwürdiger,  steht  es  mit  der  Lauter- 
keit in  der  Disziplin  des  Edlen?  Möchte  mir  doch, 
0  Ehrwürdiger,  der  Erhabene  das  Gesetz  weisen,  wie 
es  sich  in  der  Disziplin  des  Edlen  mit  der  Lauterkeit 
verhält!" 

„So  höre  denn,  Cundo,  und  achte  wohl  auf  meine 
Worte!" 

,,Ja,  0  Ehrwürdiger,"  erwiderte  Cundo  der  Schmie- 
desohn dem  Erhabenen.     Und  der  Erhabene  sprach: 
,, Dreifach,    Cundo,    ist   Unlauterkeit   in   Werken, 
vierfach   in  Worten,  dreifach   in   Gedanken. 

,,Wie  aber,  Cundo,  ist  Unlauterkeit  dreifach  in 
Werken?  Da,  Cundo,  bringt  einer  Lebendes  um,  ist 
grausam,  befleckt  seine  Hände  mit  Blut,  ist  dem  Töten 
und  Schlagen  ergeben,  ohne  Liebe  zu  irgend  einem 
Lebewesen.  Ungegebenes  nimmt  er;  was  ein  anderer 
im  Dorf  oder  Walde  an  Hab  und  Gut  besitzt,  das 
nimmt  er  in  diebischer  Absicht  weg.  Er  verübt  ge- 
schlechtliche Ausschreitungen,  vergeht  sich  gegen 
Mädchen,  die  unter  der  Obhut  von  Vater,  Mutter, 
Bruder,  Schwester  oder  Verwandten  oder  unter  dem 
Schutze  des  Gesetzes  stehen  oder  gegen  verheiratete 
Frauen  oder  eigene  Sträflinge  oder  gar  gegen  blumen- 


465     -  30 


X176      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

geschmückte  Bräute.  So,  Cundo,  ist  Unlauterkeit 
dreifach  in  Werken. 

,,Wie  aber,  Cundo,  ist  Unlauterkeit  vierfach  in 
Worten?  Da,  Cundo,  ist  einer  ein  Lügner.  Befindet 
er  sich  in  einer  Versammlung  oder  unter  Menschen 
oder  unter  seinen  Verwandten  oder  inmitten  einer  Ge- 
sellschaft, oder  wird  er  vor  Gericht  geladen  und  als 
Zeuge  befragt:  »Komm',  lieber  Mann,  sage  aus,  was 
du  weißt!«,  so  sagt  er,  obwohl  er  nichts  weiß:  »Ich 
weiß  es«  oder,  wenn  er  etwas  weiß:  »Ich  weiß  es  nicht.« 
Obwohl  er  nichts  gesehen  hat,  sagt  er:  »Ich  habe  es 
gesehen«,  oder,  wenn  er  etwas  gesehen  hat:  »Ich  habe 
es  nicht  gesehen«.  So  spricht  er  um  seiner  Selbst 
willen  oder  um  eines  Anderen  willen  oder  um  irgend 
eines  weltlichen  Vorteils  willen  eine  bewußte  Lüge. 
Er  ist  ein  Zwischenträger:  was  er  hier  gehört  hat, 
erzählt  er  dort  wieder,  um  diese  zu  entzweien;  was  er 
dort  gehört  hat,  erzählt  er  hier  wieder,  um  jene  zu 
entzweien.  So  entzweit  er  die  Einträchtigen,  ermutigt 
die  Entzweiten,  findet  Freude,  Lust  und  Gefallen  an 
Zwietracht;  und  Zwietracht  erzeugende  Worte  spricht 
er.  Er  bedient  sich  roher  Worte;  Worte,  die  scharf 
sind,  hart,  die  Anderen  verbittern,  die  von  Verwün- 
schungen und  Haß  erfüllt  sind  und  nicht  zur  Samm- 
lung führen:  solcher  Worte  bedient  ersieh.  Er  plappert 
Unsinn;  er  redet  zur  Unzeit,  nicht  den  Tatsachen  ge- 
mäß, zwecklos,  nicht  im  Sinne  des  Gesetzes  und  der 
Disziplin,  führt  Reden,  die  wertlos,  ohne  passende 
Gleichnisse,  unangemessen  und  sinnlos  sind.  So, 
Cundo,  ist  Unlauterkeit  vierfach  in  Worten. 

,,Wie  aber,  Cundo,  ist  Unlauterkeit  dreifach  in 
Gedanken?     Da,  Cundo,  ist  einer  habgierig;  was  ein 

-     466     — 


ZEHNERBUCH  X 176 


anderer  an  Hab  und  Gut  besitzt,  danach  giert  er: 
*>Ach,  möchte  doch,  was  diesem  anderen  gehört,  mir 
gehören!«  Er  ist  voll  übelwollender  Gesinnung,  trägt 
böse  Gedanken  in  seinem  Herzen,  als  wie:  ))Diese 
Geschöpfe  sollten  erschlagen  werden,  gebunden  werden, 
vernichtet  werden,  sollten  umkommen  und  nicht 
länger  am  Leben  bleiben!«  Er  hat  die  verkehrte  Er- 
kenntnis, die  irrige  Ansicht:  »Gaben,  Geschenke  und 
Opfer  sind  nichtig;  es  gibt  keine  Frucht  und  Folge 
der  guten  und  bösen  Taten;  es  gibt  nicht  so  etwas, 
wie  diese  Welt  und  die  nächste  Welt;  Vater,  Mutter 
und  geistgeborene  Wesen  sind  leere  Worte;  nicht  gibt 
es  in  der  Welt  Asketen  und  Priester  von  rechtem,  von 
vollkommenem  Wandel,  die  diese  Welt  wie  die  nächste 
Welt  selber  erkannt  und  verwirklicht  haben  und  sie 
erklären  können«.  So,  Cundo,  ist  Unlauterkeit  drei- 
fach in  Gedanken. 

„Dies,  Cundo,  sind  die  zehn  schuldvollen 
Wirkensfährten.  Ob  der  auf  diesen  zehn  schuld- 
vollen Wirkensfährten  Wandelnde  sich  nun  recht- 
zeitig von  seinem  Lager  erhebt  und  die  Erde  berührt 
oder  nicht  berührt:  er  bleibt  eben  unrein.  Ob  er  den 
feuchten  Kuhdünger  berührt  oder  nicht  berührt: 
er  bleibt  eben  unrein.  Ob  er  die  grünen  Gräser  be- 
rührt oder  nicht  berührt:  er  bleibt  eben  unrein.  Ob 
er  dem  Feuer  aufwartet  oder  nicht  aufwartet:  er  bleibt 
eben  unrein.  Ob  er  mit  erhobenen  Händen  die  Sonne 
verehrt  oder  nicht  verehrt:  er  bleibt  eben  unrein.  Ob 
er  des  Abends  dreimal  im  Wasser  untertaucht  oder 
nicht  untertaucht:  er  bleibt  eben  unrein.  Und  warum? 
Weil,  Cundo,  diese  zehn  schuldvollen  Wirkensfährten 
unrein  sind  und  unrein  machen.     Dem  Wandel  auf 


—     467     —  30* 


X176      SAMMLLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

diesen  zehn  schuldvollen  Wirkensfährten  aber  zufolge 
gibt  es  eine  Hölle,  gibt  es  einen  Tierschoß,  gibt  es 
ein  Gespensterreich  und  was  sonst  noch  an  Leidens- 
fährten da  ist. 

„Dreifach,  Cundo,  ist  Lauterkeit  in  Werken,  vier- 
fach in  Worten,  dreifach  in  Gedanken. 

,,Wie  aber,  Cundo,  ist  Lauterkeit  dreifach  in 
Werken?  Da,  Cundo,  meidet  einer  die  Zerstörung 
von  Leben,  enthält  sich  der  Zerstörung  von  Leben; 
Stock  und  Waffe  verwerfend,  verweilt  er  voll  Liebe 
und  Wohlwollen  zu  allen  lebenden  Geschöpfen.  Er 
meidet  das  Stehlen,  steht  ab  vom  Nehmen  des  nicht 
Gegebenen;  was  ein  anderer  im  Dorfe  oder  Walde 
an  Hab  und  Gut  besitzt,  das  nimmt  er  nicht  in  die- 
bischer Absicht  weg.  Er  meidet  geschlechtliche  Aus- 
schreitungen, steht  ab  von  den  geschlechtlichen  Aus- 
schreitungen; er  vergeht  sich  nicht  gegen  Mädchen, 
die  unter  der  Obhut  von  Vater,  Mutter,  Bruder,  Schwe- 
ster oder  Verwandten  oder  unter  dem  Schutze  des 
Gesetzes  stehen  oder  gegen  verheiratete  Frauen  oder 
gegen  Sträflinge  oder  gar  gegen  blumengeschmückte 
Bräute.    So,  Cundo,  ist  Lauterkeit  dreifach  in  Werken. 

,,Wie  aber,  Cundo,  ist  Lauterkeit  vierfach  in 
Worten?  Da,  Cundo,  meidet  einer  die  Lüge,  enthält 
sich  der  Lüge.  Befindet  er  sich  in  einer  Versammlung 
oder  unter  Menschen  oder  unter  seinen  Verwandten 
oder  inmitten  einer  Gesellschaft,  oder  wird  er  vor  Ge- 
richt geladen  und  als  Zeuge  befragt:  »Komm',  lieber 
Mann,  sage  aus,  was  du  weißt!«  so  sagt  er,  wenn  er 
nichts  weiß,  »Ich  weiß  es  nicht«,  und  wenn  er  etwas 
weiß,  »Ich  weiß  es«.  Wenn  er  nichts  gesehen  hat,  sagt 
er:  »Ich  habe  nichts  gesehen«,  und  wenn  er  etwas  ge- 

—     468     — 


ZEHNERBUCH  X 176 


sehen  hat,  »Ich  habe  es  gesehen«.  So  spricht  er  weder 
um  seiner  Selbst  willen  noch  um  eines  Anderen  willen 
noch  um  irgend  eines  weltlichen  Vorteils  willen  eine 
bewußte  Lüge.  Er  meidet  die  Zwischenträgerei,  ent- 
hält sich  der  Zwischenträgerei:  was  er  hier  gehört 
hat,  erzählt  er  dort  nicht  wieder,  um  diese  zu  ent- 
zweien; was  er  dort  gehört  hat  erzählt  er  hier  nicht 
wieder,  um  jene  zu  entzweien.  So  einigt  er  die  Ent- 
zweiten, ermutigt  die  Geeinten,  findet  Freude,  Lust 
und  Gefallen  an  Eintracht;  und  Eintracht  fördernde 
Worte  spricht  er.  Er  meidet  rohe  Worte,  enthält  sich 
roher  Worte;  müde  Worte,  die  dem  Ohre  angenehm 
sind;  liebevoll,  zu  Herzen  gehend,  höflich,  viele  er- 
freuend, viele  beglückend:  solcher  Worte  bedient  er 
sich.  Er  meidet  das  leere  Geplapper,  enthält  sich  des 
leeren  Geplappers;  er  redet  zur  rechten  Zeit,  den  Tat- 
sachen gemäß,  zweckmäßig,  im  Sinne  des  Gesetzes  und 
der  Disziplin,  führt  Reden,  die  wertvoll,  mit  passenden 
Gleichnissen  ausgestattet,  angemessen  und  sinnvoll 
sind.  So,  Cundo,  ist  Lauterkeit  vierfach  in  Worten. 
,,Wie  aber,  Cundo,  ist  Lauterkeit  dreifach  in 
Gedanken?  Da,  Cundo,  ist  einer  ohne  Habgier;  was 
ein  anderer  an  Hab  und  Gut  besitzt,  danach  giert  er 
nicht.  Er  ist  voll  wohlwollender  Gesinnung,  trägt  un- 
verdorbene Gedanken  in  seinem  Herzen,  als  wie: 
*Ach,  möchten  doch  diese  Wesen  ohne  Übel  und  Be- 
schwerden sein  und  ein  leidloses,  glückliches  Leben 
führen!«  Er  hat  die  rechte  Erkenntnis,  die  unbeirrte 
Ansicht:  »Gaben,  Geschenke  und  Opfer  sind  nicht 
wertlos;  es  gibt  eine  Frucht  und  Folge  der  guten  und 
bösen  Taten;  es  gibt  sowohl  diese  Welt  wie  die  nächste 
Welt;   Vater,   Mutter   und   geistgeborene   Wesen  sind 


—     469 


X176     SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

keine  leeren  Worte;  es  gibt  in  der  Welt  Asketen  und 
Priester  von  rechtem,  von  vollkommenem  Wandel, 
die  diese  Welt  wie  die  nächste  Welt  selber  erkannt  und 
verwirklicht  haben  und  sie  erklären  können«.  So, 
Cundo,  ist  Lauterkeit  dreifach  in  Gedanken. 

„Dies,  Cundo,  sind  die  zehn  verdienstvollen 
Wirkensfährten.  Ob  der  auf  diesen  zehn  verdienst- 
vollen Wirkensfährten  Wandelnde  sich  nun  recht- 
zeitig von  seinem  Lager  erhebt  und  die  Erde  berührt 
oder  nicht  berührt:  er  bleibt  eben  rein.  Ob  er  den 
feuchten  Kuhdünger  berührt  oder  nicht  berührt:  er 
bleibt  eben  rein.  Ob  er  die  grünen  Gräser  berührt  oder 
nicht  berührt:  er  bleibt  eben  rein.  Ob  er  dem  Feuer 
aufwartet  oder  nicht  aufwartet:  er  bleibt  eben  rein.. 
Ob  er  mit  erhobenen  Händen  die  Sonne  verehrt  oder 
nicht  verehrt:  er  bleibt  eben  rein.  Ob  er  des  Abends 
dreimal  im  Wasser  untertaucht  oder  nicht  unter- 
taucht: er  bleibt  eben  rein.  Und  warum?  Weil, 
Cundo,  diese  zehn  verdienstvollen  Wirkenfährten  rein 
sind  und  rein  machen.  Dem  Wandel  auf  diesen  zehn 
verdienstvollen  Wirkensfährten  aber  zufolge  gibt  es 
die  Himmelswesen,  gibt  es  die  Menschen  und  was 
da  sonst  noch  an  glücklichen  Stätten  da  ist. 

,,Auf  diese  Worte  sprach  Cundo  der  Schmiede- 
sohn also  zum  Erhabenen: 

„Vortrefflich,  o  Ehrwürdiger!  Vortrefflich,  o 
Ehrwürdiger!  Gleichwie  man,  o  Ehrwürdiger,  das 
Umgestürzte  wieder  aufrichten  oder  das  Versteckte 
enthüllen  oder  dem  Verirrten  den  Weg  weisen  oder 
in  die  Finsternis  ein  Licht  halten  möchte,  damit,  wer 
Augen  hat,  die  Dinge  sehe:  genau  so  wurde  vom  Er- 
habenen auf  mannigfache  Weise  das  Gesetz  beleuchtet. 

—    470     — 


ZEHNERBUCH  X 177 


Ich  nehme  meine  Zuflucht  zum  Erhabenen,  zum  Ge- 
setz und  zur  Mönchsgemeinde.  Möge  mich,  o  Ehr- 
würdiger, der  Erhabene  von  heute  ab  als  einen  An- 
hänger betrachten,  der  zeitlebens  seine  Zuflucht  ge- 
nommen hat." 


Totenopfer  177 

Jänussoni  der  Brahmane  sprach  zum  Erhabenen: 

,,Wir  Brahmanen,  Herr  Gotamo,  spenden  Gaben, 
bringen  Totenopfer  dar,  sprechend:  »Möge  diese  Gabe 
unseren  abgeschiedenen  Vettern  und  Blutsverwandten 
zugute  kommen!  Mögen  unsere  abgeschiedenen  Vettern 
und  Blutsverwandten  diese  Gabe  verzehren!«  Kommt 
denn  nun  wirklich,  Herr  Gotamo,  jene  Gabe  den  ab- 
geschiedenen Vettern  und  Blutsverwandten  zugute? 
Verzehren  wirklich  diese  die  Gaben?" 

,,An  geeignetem  Orte,  Brahmane,  kommt  sie  ihnen 
wohl  zugute,  nicht  aber  an  einem  ungeeigneten  Orte." 

,, Welches  ist  aber,  Herr  Gotamo,  der  geeignete 
Ort,  welches  der  ungeeignete  Ort?" 

,,Da,  Brahmane,  tötet  einer,  stiehlt,  schreitet  ge- 
schlechtlich aus,  lügt,  ist  ein  Zwischenträger,  redet 
roh,  plappert  Unsinn,  ist  habgierig,  grausam,  gesinnt, 
voll  verkehrter  Erkenntnis;  und  beim  Zerfalle  des 
Leibes,  nach  dem  Tode,  erscheint  er  in  der  Hölle  wieder. 
Dort  lebt  er  von  der  Nahrung  der  Höllenwesen,  und 
dadurch  erhält  er  sich.  Das,  Brahmane,  ist  ein  un- 
geeigneter Ort,  wo  dem  dort  Verweilenden  jene  Gabe 
nicht  zugute  kommt. 

,,Da,  Brahmane,  tötet  einer,  stiehlt,  schreitet  ge- 
schlechtlich  aus,   lügt,   ist   ein   Zwischenträger,   redet 

—     471     — 


X17?     SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

roll,  plappert  Unsinn,  ist  habgierig,  grausam  gesinnt, 
voll  verkehrter  Erkenntnis;  und  beim  Zerfalle  des 
Leibes,  nach  dem  Tode,  erscheint  er  im  Tierschoße 
wieder.  Dort  lebt  er  von  der  Nahrung  der  im  Tier- 
schoße geborenen  Wesen,  und  dadurch  erhält  er  sich. 
Auch  das,  Brahmane,  ist  ein  ungeeigneter  Ort,  wo  dem 
dort   Verweilenden   jene    Gabe   nicht   zugute   kommt. 

,,Da,  Brahmane,  steht  einer  ab  vom  Töten,  Stehlen, 
geschlechtlichem  Ausschreiten,  vom  Lügen,  der  Zwi- 
schenträgerei,  von  roher  Rede  und  unsinnigem  Plappern, 
ist  ohne  Habgier,  nicht  grausam  gesinnt,  besitzt  rechte 
Erkenntnis;  und  beim  Zerfalle  des  Leibes,  nach  dem 
Tode,  erscheint  er  unter  den  Menschen  wieder.  Dort 
lebt  er  von  der  Nahrung  der  Menschen,  und  dadurch 
erhält  er  sich.  Auch  das,  Brahmane,  ist  ein  ungeeig- 
neter Ort,  wo  dem  dort  Verweilenden  die  Gabe  nicht 
zugute  kommt. 

,,Da,  Brahmane,  steht  einer  ab  vom  Töten,  Stehlen, 
geschlechtlichem  Ausschreiten,  vom  Lügen,  der  Zwi- 
schenträgerei,  von  roher  Rede  und  unsinnigem  Plap- 
pern, ist  ohne  Habgier,  nicht  grausam  gesinnt,  besitzt 
rechte  Erkenntnis;  und  beim  Zerfalle  des  Leibes,  nach 
dem  Tode,  erscheint  er  unter  den  Himmelswesen  wieder. 
Dort  lebt  er  von  der  Nahrung  der  Himmelswesen,  und 
dadurch  erhält  er  sich.  Auch  das,  Brahmane,  ist  ein 
ungeeigneter  Ort,  wo  dem  dort  Verweilenden  die  Gabe 
nicht  zugute  kommt. 

,,Da,  Brahmane,  tötet  einer,  stiehlt,  schreitet  ge- 
schlechtlich aus,  lügt,  ist  ein  Zwischenträger,  redet 
roh,  plappert  Unsinn,  ist  habgierig,  grausam  gesinnt, 
voll  verkehrter  Erkenntnis;  und  beim  Zerfalle  des 
Leibes,  nach  dem  Tode,  erscheint  er  im  Gespenster- 

—     472     — 


ZEHNERBUCH  X 177 


Teiche  wieder.  Dort  lebt  er  von  der  Nahrung  der 
Wesen  des  Gespensterreiches,  und  dadurch  erhält  er 
sich.  Und  was  ihm  hier  seine  Freunde,  Gefährten, 
Vettern  und  Blutsverwandte  spenden,  davon  zehrt  er, 
dadurch  erhält  er  sich.  Das  nun,  Brahmane,  ist  der 
geeignete  Ort,  wo  dem  dort  Verweilenden  jene  Gabe 
zugute  kommt." 

,,Wenn  nun  aber,  Herr  Gotamo,  der  abgeschiedene 
Vetter  oder  Blutsverwandte  nicht  an  jenem  Orte 
wiedererscheint,  wer  verzehrt  dann  jene  Gabe?" 

,,Auch  andere  abgeschiedene  Vettern  und  Bluts- 
verwandte, Brahmane,  sind  an  jenem  Orte  wieder- 
erschienen." 

,,Wenn  nun  aber,  Herr  Gotamo,  weder  jener 
Vetter  oder  Blutsverwandte  noch  irgend  ein  anderer 
Vetter  oder  Blutsverwandte  dort  wiedererschienen  ist, 
wer  verzehrt  dann  jene  Gabe?" 

,, Unmöglich  ist  es,  Brahmane,  kann  nicht  sein, 
daß  jener  Ort  in  dieser  langen  Zeit  von  abgeschiedenen 
Vettern  und  Blutsverwandten  unbewohnt  bleiben 
sollte.  Übrigens  aber,  Brahmane,  bleibt  auch  der 
Geber  nicht  ohne  Lohn." 

,,So  verspricht  wohl  Herr  Gotamo  selbst  an  un- 
geeignetem Orte  einen  Erfolg?" 

,, Selbst  an  ungeeignetem  Orte,  Brahmane,  sage 
ich,  tritt  ein  Erfolg  ein. 

,,Da,  Brahmane,  tötet  einer,  stiehlt,  schreitet  ge- 
schlechtlich aus,  lügt  ist  ein  Zwischenträger,  redet 
roh,  plappert  Unsinn,  ist  habgierig,  grausam  gesinnt, 
voll  verkehrter  Erkenntnis.  Er  versieht  Asketen  und 
Priester  mit  Speise  und  Trank,  Kleidung,  Wagen, 
Blumen,    Spezereien,    Salben,    Lager,    Wohnung   und 

—     473     — 


X17?      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Beleuchtung.  Beim  Zerfalle  des  Leibes  nun,  nach  dem 
Tode,  erscheint  er  unter  den  Elefanten,  Pferden,  Rin- 
dern oder  Hunden  wieder.  Dort  aber  werden  ihm 
Speise  und  Trank,  sowie  Blumen  und  mancherlei 
Schmuck  zuteil.  Weil  er  nämlich  hier  dem  Töten  er- 
geben war,  dem  Stehlen,  geschlechtlichem  Ausschreiten, 
Lügen,  der  Zwischenträgerei,  der  rohen  Rede,  dem 
unsinnigen  Plappern,  der  Habgier,  grausamer  Gesin- 
nung und  verkehrter  Erkenntnis,  darum  ist  er  dort 
wiedererschienen.  Weil  er  aber  Asketen  und  Priester 
mit  Speise  und  Trank,  Kleidung,  Wagen,  Blumen, 
Spezereien,  Salben,  Lager,  Wohnung  und  Beleuchtung 
versehen  hat,  darum  werden  ihm  dort  Speise  und 
Trank,  sowie  Blumen  und  mancherlei  Schmuck  zuteil. 
,,Da,  Brahmane,  steht  einer  ab  vom  Töten, 
Stehlen,  geschlechtlichem  Ausschreiten,  vom  Lügen, 
von  Zwischenträgerei,  von  roher  Rede,  und  unsinnigem 
Plappern,  ist  ohne  Habgier,  nicht  grausam  gesinnt, 
besitzt  rechte  Erkenntnis.  Und  er  versieht  Asketen 
und  Priester  mit  Speise  und  Trank,  Kleidung,  Wagen, 
Blumen,  Spezereien,  Salben,  Lager,  Wohnung  und 
Beleuchtung.  Beim  Zerfalle  des  Leibes  nun,  nach  dem. 
Tode,  erscheint  er  unter  den  Menschen  oder  unter  den 
Himmelswesen  wieder.  Dort  werden  ihm  die  mensch- 
lichen oder  himmlischen  Sinnenfreuden  zuteil.  Weil 
er  nämlich  hier  abgestanden  hat  vom  Töten,  Stehlen, 
geschlechtlichem  Ausschreiten,  vom  Lügen,  von  Zwi- 
schenträgerei, roher  Rede  und  unsinnigem  Plappern 
und  ohne  Habgier  war,  nicht  grausam  gesinnt  und 
rechte  Erkenntnis  besaß,  darum  ist  er  dort  wieder- 
erschienen. Weil  er  aber  Asketen  und  Priester  mit 
Speise  und  Trank,  Kleidung,  Wagen,  Blumen,  Speze- 

-    474    - 


ZEHNERBUCH  X 171 


reien,  Salben,  Lager,  Wohnung  und  Beleuchtung  ver- 
sehen hat,  darum  werden  ihm  dort  die  menschlichen 
oder  himmlischen  Sinnenfreuden  zuteil. 

„Also  auch  der  Geber,  Brahmane,  bleibt  nicht 
ohne  Lohn." 

„Wunderbar,  Herr  Gotamo!  Erstaunlich,  Herr 
Gotamo!  Wie  es  doch  da  so  richtig  ist,  Gaben  zu 
spenden,  so  richtig  ist  Totenopfer  zu  bringen,  da  selbst 
der  Geber  nicht  ohne  Lohn  bleibt." 

„So  ist  es,  Brahmane.  Auch  der  Geber  bleibt 
nicht  ohne  Lohn." 

„Vortrefflich,  Herr  Gotamo!  Vortrefflich,  Herr 
Gotamo!  Ich  nehme  meine  Zuflucht  zum  Herrn  Go- 
tamo, zum  Gesetze  und  zur  Jüngerschaft.  Möge 
mich  der  Herr  Gotamo  als  Anhänger  betrachten,  der 
von  heute  ab  zeitlebens  Zuflucht  genommen  hat." 


—    475     — 


X188     SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 


ACHTZEHNTER    TEIL: 

Das   Kapitel  des  Guten 

178—188  Zweierlei  Gesetze 

Was,  ihr  Mönche,  ist  das  Böse,  —  Unedle,  — 
Schuldvolle,  —  Unheilsame,  —  das  unrechte  Gesetz, 
—  das  befleckte,  —  tadelige,  —  qualbringende,  — 
aufschichtende,  —  leiderzeugende,  —  leidgebärende 
Gesetz?  — 

Töten,  Stehlen,  geschlechtliches  Ausschreiten,  Lüge, 
Zwischenträgerei,  rohe  Rede,  unsinniges  Plappern, 
Habgier,  übelwollende  Gesinnung  und  verkehrte  Er- 
kenntnis. 

Was  aber,  ihr  Mönche,  ist  das  Gute,  —  Edle,  — 
Verdienstvolle,  —  Heilsame,  —  das  rechte  Gesetz,  — 
das  unbefleckte,  —  untadelige,  —  quallose,  —  ab- 
schichtende, —  glückerzeugende,  —  glückgebärende 
Gesetz? 

Abstehen  vom  Töten,  Stehlen,  geschlechtlichem 
Ausschreiten,  von  der  Lüge,  von  Zwischenträgerei,  roher 
Rede,  unsinnigem  Plappern,  Begierlosigkeit,  wohl- 
wollende Gesinnung  und  rechte  Erkenntnis. 


476     — 


ZEHNERBUCH  X 198 


NEUNZEHNTER   TEIL: 

Das  Kapitel  des  edlen  Pfades 

Zweierlei  Pfade  189-198 

Was,  ihr  Mönche,  ist  der  unedle  Pfad,  —  der 
finstere  Pfad,  —  das  schlechte  Gesetz,  —  das  Gesetz 
der  schlechten  Menschen,  —  das  nicht  aufzurichtende, 
—  nicht  zu  befolgende,  —  nicht  zu  entfaltende,  — 
nicht  großzuziehende,  —  nicht  zu  beachtende,  nicht  — 
zu  verwirklichende  Gesetz? 

Töten,  Stehlen,  geschlechtliches  Ausschreiten,  Lüge, 
rohe  Rede,  unsinniges  Plappern,  Habgier,  übelwollende 
Gesinnung  und  verkehrte  Erkenntnis. 

Was  aber,  ihr  Mönche,  ist  der  edle  Pfad,  —  der 
lichte  Pfad,  —  das  gute  Gesetz,  —  das  Gesetz  der 
guten  Menschen,  —  das  aufzurichtende,  —  zu  befol- 
gende, —  zu  entfaltende,  —  großzuziehende,  —  zu 
beachtende,  —  zu  verwirklichende  Gesetz? 

Abstehen  vom  Töten,  Stehlen,  geschlechtlichem 
Ausschreiten,  von  der  Lüge,  von  Zwischenträgerei. 
roher  Rede,  unsinnigem  Plappern,  Begierlosigkeit, 
wohlwollende  Gesinnung  und  rechte  Erkenntnis. 


-     477 


X199      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 


ZWANZIGSTER   TEIL: 

Das  Kapitel  der  Menschen 

^^^  Der  Umgang  mit  Menschen 

Mit  einem  Menschen,  ihr  Mönche,  dem  zehn  Er- 
scheinungen anhaften,  soll  man  nicht  verkehren,  — 
umgehen,  Gesellschaft  pflegen;  —  soll  ihn  nicht  ehren. 

—  Ohne  Achtung  ist  er,  —  ohne  Ergebung,  —  unver- 
söhnlich, —  unlauter,  —  bezwingt  seinen  Dünkel 
nicht,  —  wächst  nicht  in  Einsicht,  —  erwirkt  sich 
große  Schuld.  Welches  aber  sind  diese  zehn  Erschei- 
nungen? 

Töten,  Stehlen,  geschlechtliches  Ausschreiten,  Lüge, 
Zwischenträgerei,  rohe  Rede,  unsinniges  Plappern, 
Habgier,  übelwollende  Gesinnung  und  verkehrte  Er- 
kenntnis. 

Mit  einem  Menschen,  ihr  Mönche,  bei  dem  zehn 
Erscheinungen  anzutreffen  sind,  soll  man  verkehren, 

—  umgehen,  —  Gesellschaft  pflegen,  —  soll  ihn  ehren. 

—  Voll  Achtung  ist  er,  —  voll  Ergebung,  —  versöhn- 
lich, —  lauter,  —  bezwingt  seinen  Dünkel,  —  wächst 
in  Einsicht,  —  erwirkt  sich  großes  Verdienst.  Welches 
aber  sind  diese  zehn  Erscheinungen? 

Abstehen  vom  Töten,  Stehlen,  geschlechtlichem 
Ausschreiten,  von  der  Lüge,  von  Zwischenträgerei, 
roher  Rede,  unsinnigem  Plappern,  Begierlosigkeit, 
wohlwollende   Gesinnung  und  rechte  Erkenntnis. 


—     478 


ZEHNERBUCH  X  204 


EINUNDZWANZIGSTER   TEIL: 

Das  Kapitel  des  stofflichen  Körpers 

Zweierlei  Wirkensfährten  200—203 

Der  mit  zehn  Dingen  Behaftete,  ihr  Mönche,  — 
ob  Mann  oder  Weib,  Anhänger  oder  Anhängerin,  — 
verfällt  seinem  Wirken  entsprechend  der  Hölle.  Und 
welches  sind  diese  zehn  Dinge? 

Töten,  Stehlen,  geschlechtliches  Ausschreiten, 
Lüge,  Zwischenträgerei,  rohe  Rede,  unsinniges  Plap- 
pern, Habgier,  übelwollende  Gesinnung  und  ver- 
kehrte Erkenntnis. 

Der  mit  zehn  Dingen  aber  Ausgestattete,  ihr 
Mönche,  —  ob  Mann  oder  Weib,  Anhänger  oder  An- 
hängerin, —  gelangt  seinem  Wirken  entsprechend  zum 
Himmel.    Und  welches  sind  diese  zehn  Dinge? 

Abstehen  vom  Töten,  Stehlen,  geschlechtlichem 
Ausschreiten,  von  der  Lüge,  von  Zwischenträgerei, 
roher  Rede,  unsinnigem  Plappern,  Begierlosigkeit, 
wohlwollende   Gesinnung  und  rechte  Erkenntnis. 

—  Mit  diesen  zehn  Dingen  ausgestattet,  ihr  Mönche,  201 
lebt  die  Anhängerin  ohne  Befangenheit  im  Hause. 

Das  Gesetz  der  Wiedergeburt  205 

Den  Weg  des  Verkriechens  will  ich  euch  weisen, 
ihr  Mönche,   und  den  Weg  des  Gesetzes. 

—     479     — 


X204      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Was  aber,  ihr  Mönche,  ist  der  Weg  des  Verkrie- 
chens  und  was  der  Weg  des  Gesetzes?  Eigner  und 
Erben  ihrer  Taten,  o  Mönche,  sind  die  Wesen,  ihren 
Taten  entsprossen,  mit  ihnen  verknüpft,  haben  sie 
zur  Zuflucht  und  werden  die  guten  und  bösen  Taten,, 
die  sie  tun,  zum  Erbe  haben. 

Da,  ihr  Mönche,  bringt  einer  Lebendes  um,  stiehlt^ 
verübt  geschlechthche  Ausschreitungen,  lügt,  ist  ein 
Zwischenträger,  redet  roh,  plappert  Unsinn,  ist  hab- 
gierig, grausam  gesinnt,  voll  verkehrter  Erkenntnis. 
Und  er  verkriecht  sich  in  Werken,  verkriecht  sich  in 
Worten,  verkriecht  sich  in  Gedanken;  versteckt  sind 
seine  Taten  in  Werken,  versteckt  seine  Taten  in  Worten,, 
versteckt  seine  Taten  in  Gedanken,  versteckt  seine 
Wege  und  Ziele,  Wer  aber  Versteckte  Wege  und  Ziele 
verfolgt,  der,  sage  ich,  hat  einen  von  diesen  beiden 
Ausgängen  zu  erwarten:  eine  äußerst  qualvolle  Hölle 
oder  den  Tierschoß  der  Kriechtiere. 

Was  aber,  ihr  Mönche,  gilt  da  als  der  Tierschoß 
der  Kriechtiere?  Schlangen,  Skorpione,  Hundert- 
füßler,  Mungos,  Katzen,  Mäuse,  Eulen  oder  was  es  da 
sonst  noch  an  Wesen  gibt,  die  sich  beim  Anblicke  der 
Menschen  verkriechen.  So,  ihr  Mönche,  steht  es  mit 
der  Wiedergeburt  der  Wesen:  danach,  was  sie  tun, 
werden"  sie  wiedergeboren,  und  wiedergeboren  treffen 
sie  die  Eindrücke.  Darum  sage  ich,  ihr  Mönche,  sind 
die  Wesen  die  Erben  ihrer  Werke. 

Eigner  und  Erben  ihrer  Taten,  o  Mönche,  sind 
die  Wesen,  ihren  Taten  entsprossen,  mit  ihnen  ver- 
knüpft, haben  sie  zur  Zuflucht  und  werden  die  guten 
und  bösen  Taten,  die  sie  tun,  zum  Erbe  haben. 

Da,  ihr  Mönche,  steht  einer  ab  vom  Töten,  Stehlen, 

—     480     — 


ZEHNERBUCH  X206 


geschlechtlichem  Ausschreiten,  vom  Lügen,  von  Zwi- 
schenträgerei,  roher  Rede  und  unsinnigem  Plappern, 
ist  ohne  Habgier,  wohlwollend  gesinnt  und  voll  rechter 
Erkenntnis.  Er  verkriecht  sich  nicht  in  Worten,  ver- 
kriecht sich  nicht  in  Werken,  verkriecht  sich  nicht  in 
Gedanken.  Aufrichtig  sind  seine  Taten  in  Werken, 
aufrichtig  seine  Taten  in  Worten,  aufrichtig  seine 
Taten  in  Gedanken,  aufrichtig  seine  Wege  und  Ziele. 
Wer  aber,  ihr  Mönche,  aufrichtige  Wege  und  Ziele 
verfolgt,  der,  sage  ich,  hat  einen  von  diesen  beiden 
Ausgängen  7u  erwarten:  einen  äußerst  glücklichen 
Himmel  oder  Wiedergeburt  in  einem  vornehmen  Ge- 
schlechte, einem  mächtigen  Adelsgeschlechte,  einem 
mächtigen  Brahmanengeschlechte,  oder  einem  mäch- 
tigen Bürgergeschlechte,  das  wohlhabend  ist,  reich- 
begütert, hochvermögend,  reich  an  Silber  und  Gold, 
Hab  und  Gut,  Geld  und  Getreide.  So,  ihr  Mönche, 
steht  es  mit  der  Wiedergeburt  der  Wesen:  danach, 
was  sie  tun,  werden  sie  wiedergeboren,  und  wieder- 
geboren treffen  sie  die  Eindrücke.  Darum  sage  ich, 
ihr  Mönche,  sind  die  Wesen  die  Erben  ihrer  Werke. 

Eigner  und  Erben  ihrer  Taten,  o  Mönche,  sind 
die  Wesen,  ihren  Taten  entsprossen,  mit  ihnen  ver- 
knüpft, haben  sie  zur  Zuflucht  und  werden  die  guten 
und  bösen  Taten,  die  sie  tun,  zum  Erbe  haben. 

Das,  ihr  Mönche,  ist  der  Weg  des  Verkriechens 
und  der  Weg  des   Gesetzes. 

Die  Tatenversiegung  ^  206 

Nicht,  sage  ich,  ihr  Mönche,  gelangen  die  ge- 
wollten,  gewirkten,   aufgeschichteten  Taten  zur  Ver- 

_     481     —  31 


X206      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

siegung,  solange  man  sie  noch  nicht  ausgewirkt  hat, 
sei  es  in  diesem,  dem  nächsten  oder  einem  späteren 
Leben.  Und  nicht,  sage  ich,  kann  man  dem  Leiden  ein 
Ende  machen,  bevor  nicht  die  gewollten,  gewirkten, 
aufgeschichteten  Taten  versiegt  sind. 

Hier  nun  aber,  ihr  Mönche,  ist  die  dem  schuld- 
vollen Willen  entsprungene,  leiderzeugende,  leid- 
gebärende, verderbliche  Abirrung  dreifach  in  Werken, 
vierfach  in  Worten  und  dreifach  in  Gedanken.  Wegen 
der  dem  schuldvollen  Willen  entsprungenen,  leid- 
erzeugenden, leidgebärenden,  verderblichen  dreifachen 
Abirrung  in  Werken,  vierfachen  Abirrung  in  Worten 
und  dreifachen  Abirrung  in  Gedanken,  gelangen  die 
Wesen  beim  Zerfalle  des  Leibes,  nach  dem  Tode,  auf 
den  Abweg,  eine  Leidensfährte,  in  verstoßene  Welt, 
zur  Hölle. 

Gleichwie  nämlich,  ihr  Mönche,  wenn  man  einen 
vollkommenen  Würfel  in  die  Luft  wirft,  derselbe,  wohin 
er  auch  fällt,  stets  fest  stehen  bleibt:  ebenso  auch,  ihr 
Mönche,  gelangen  wegen  der  dem  schuldvollen  Willen 
entsprungenen,  leiderzeugenden,  leidgebärenden,  ver- 
derblichen dreifachen  Abirrung  in  Werken,  vierfachen 
Abirrung  in  Worten  und  dreifachen  Abirrung  in  Ge- 
danken die  Wesen  beim  Zerfalle  des  Leibes,  nach  dem 
Tode,  auf  den  Abweg,  eine  Leidensfährte,  in  ver- 
stoßene Welt,  zur  Hölle. 

Nicht,  sage  ich,  ihr  Mönche,  gelangen  die  gewollten, 
gewirkten,  aufgeschichteten  Taten  zur  Versiegung,  so- 
lange man  sie  noch  nicht  ausgewirkt  hat,  sei  es  in 
diesem,  dem  nächsten  oder  einem  späteren  Leben. 
Und  nicht,  sage  ich,  kann  man  dem  Leiden  ein  Ende 

—     482     — 


SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN     X  206 

machen,  bevor  nicht  die  gewollten,  gewiri<ten,  aufge- 
schichteten Taten  versiegt  sind. 

Hier  nun,  ihr  Mönche,  ist  die  dem  verdienstvollen 
Willen  entsprungene,  glückerzeugende,  glückgebärende 
Errungenschaft  dreifach  in  Werken,  vierfach  in  Worten 
und  dreifach  in  Gedanken.  Wegen  der  dem  verdienst- 
vollen Willen  entsprungenen,  glückerzeugenden,  glück- 
gebärenden dreifachen  Errungenschaft  in  Werken,  vier- 
fachen Errungenschaft  in  Worten  und  dreifachen  Er- 
rungenschaft in  Gedanken  gelangen  die  Wesen  beim 
Zerfalle  des  Leibes,  nach  dem  Tode,  auf  glückliche 
Fährte,  in  himmlische  Welt. 

Gleichwie  nämlich,  ihr  Mönche,  wenn  man  einen 
vollkommenen  Würfel  in  die  Luft  wirft  derselbe,  wohin 
er  auch  fällt,  stets  fest  stehen  bleibt:  ebenso  auch, 
ihr  Mönche,  gelangen  wegen  der  dem  verdienstvollen 
Willen  entsprungenen,  glückerzeugenden,  glückgebären- 
den dreifachen  Errungenschaft  in  Werken,  vierfachen 
Errungenschaft  in  Worten  und  dreifachen  Errungen- 
schaft in  Gedanken  die  Wesen  bei  der  Auflösung  des 
Körpers,  nach  dem  Tode,  auf  glückliche  Fährte,  in 
himmlische  Welt. 

Nicht  sage  ich,  ihr  Mönche,  gelangen  die  ge- 
wollten, gewirkten,  aufgeschichteten  Taten  zur  Ver- 
siegung, solange  man  sie  noch  nicht  ausgewirkt  hat, 
sei  es  in  diesem,  dem  nächsten  oder  einem  späteren 
Leben.  Und  nicht,  sage  ich,  kann  man  dem  Leiden 
«in  Ende  machen,  bevor  nicht  die  gewollten,  gewirkten, 
aufgeschichteten  Taten  versiegt  sind. 


-     483     -  3r 


X208     SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Läuterung  durch  die  vier  unermeßlichen  Gebiete 

,, Nicht  sage  ich,  ihr  Mönche,  gelangen  die  ge- 
wollten, gewirkten,  aufgeschichteten  Taten  zur  Ver- 
siegung, solange  man  sie  noch  nicht  ausgewirkt  hat, 
sei  es  in  diesem,  dem  nächsten  oder  einem  späteren 
Leben.  Und  nicht,  sage  ich,  kann  man  dem  Leiden 
ein  Ende  machen,  bevor  nicht  die  gewollten,  gewirkten, 
aufgeschichteten  Taten  versiegt  sind. 

,,Der  edle  Jünger  aber,  ihr  Mönche,  frei  von  Be- 
gierde, frei  von  Groll,  unverblendet,  geistesklar  und 
besonnen,  durchstrahlt  mit  liebevollem  Gemüte  erst 
eine  Richtung,  dann  eine  zweite,  dann  die  dritte,  dann 
die  vierte,  ebenso  nach  oben,  unten  und  rings  herum; 
und  überall  in  allem  sich  wiedererkennend  durchstrahlt 
er  die  ganze  Welt  mit  liebevollem  Gemüte,  mit  weitem, 
erhabenen,  unbeschränktem  Gemüte,  frei  von  Gehässig- 
keit und  Groll.  Und  er  erkennt:  »Früher  war  dies 
mein  Gemüt  beschränkt  und  unentfaltet.  Nunmehr 
aber  ist  mein  Gemüt  unbeschränkt  und  wohl  entfaltet, 
und  keine  beschränkte  Tat  irgendwie  wird  darin  zurück- 
bleiben, darin  verharren. 

,,Was  meint  ihr,  ihr  Mönche:  wenn  da  ein  Knabe 
schon  von  frühester  Kindheit  an  die  gemütserlösende 
Liebe  entfalten  würde,  möchte  er  dann  wohl  noch 
böse  Taten  verüben?" 

,, Gewiß  nicht,  o  Ehrwürdiger." 

,,Wenn  er  nun  aber  keine  bösen  Taten  verübt,  wird 
ihn  da  wohl  Leiden  treffen?" 

,, Gewiß  nicht,  o  Ehrwürdiger.  Wie  sollte  wohl 
einen,  der  keine  böse  Tat  verübt,  Leiden  treffen?  " 

„Die  Liebe,  ihr  Mönche,  die  gemüterlösende,  sollte 

—     484     — 


ZEHNERBUCH 


man  entfalten,  einerlei  ob  Mann  oder  Weib.  Nicht 
vermag,  ihr  Mönche,  Mann  oder  Weib  beim  Abscheiden 
-diesen  Körper  mit  sich  zu  nehmen;  der  Sterbliche,  ihr 
Mönche,  hat  den  Geist  als  Zwischenglied.  Jener  aber 
weiß:  »Was  immer  ich  da  früher  mit  diesem  stofflichen 
Körper  an  bösen  Taten  verübt  habe,  das  alles  muß  '' 
ich  hier  noch  auswirken  und  nichts  davon  wird  nach- 
folgen.« Auf  diese  Weise  entfaltet,  ihr  Mönche,  führt 
die  gemüterlösende  Liebe  zur  »Niewiederkehrc  (anä- 
gämitä),  sei  es  denn,  daß  der  einsichtsvolle  Mönch  nicht 
schon  hier  sich  zu  einer  höheren  Befreiung  durchringt. 

Der  edle  Jünger,  ihr  Mönche,  frei  von  Begierde, 
frei  von  Groll,  unverblendet,  geistesklar  und  be- 
sonnen, durchstrahlt  mit  mitleidigem  Gemüte,  —  mit 
mitfreudigem  Gemüte,  —  mit  gleichmütigem  Ge- 
müte erst  eine  Richtung,  dann  eine  zweite,  dann  die 
dritte,  dann  die  vierte,  ebenso  nach  oben,  unten  und 
rings  herum;  und  überaH  in  allem  sich  wiedererkennend 
durchstrahlt  er  die  ganze  Welt  mit  gleichmütigem  Ge- 
müte, mit  weitem,  erhabenen,  unbeschränktem  Ge- 
müte, frei  von  Gehässigkeit  und  Groll.  Und  er  erkennt: 
»Früher  war  dies  mein  Gemüt  beschränkt  und  unent- 
faltet.  Nunmehr  aber  ist  mein  Gemüt  unbeschränkt 
und  wohl  entfaltet,  und  keine  beschränkte  Tat  irgend- 
wie wird  darin  zurückbleiben,  darin  verharren. 

„Was  meint  ihr,  ihr  Mönche:  wenn  da  ein  Knabe 
schon  von  frühester  Kindheit  an  den  gemüterlösenden 
Oleichmut  entfalten  würde,  möchte  der  dann  wohl 
-noch  böse  Taten  verüben?" 

„Gewiß  nicht,  o  Ehrwürdiger." 

,,Wenn  er  nun  aber  keine  bösen  Taten  verübt, 
wird  ihn  da  wohl  Leiden  treffen?" 

—     485     — 


Xg09      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

,, Gewiß  nicht,  o  Ehrwürdiger.  Wie  sollte  wohl 
einen,  der  keine  böse  Tat  verübt,  Leiden  treffen?" 

,,Den  Gleichmut,  ihr  Mönche,  den  gemüterlösenden,, 
sollte  man  entfalten,  einerlei  ob  Mann  oder  Weib. 
Nicht  vermag,  ihr  Mönche,  Mann  oder  Weib  beim 
Abscheiden  diesen  Körper  mit  sich  zu  nehmen;  der 
Sterbliche,  ihr  Mönche,  hat  den  Geist  als  Zwischen- 
glied. Jener  aber  weiß:  »Was  immer  ich  da  früher  mit 
diesem  stofflichen  Körper  an  bösen  Taten  verübt  habe, 
das  alles  muß  ich  hier  noch  auswirken  und  nichts  da- 
von wird  nachfolgen!«  Auf  diese  Weise  entfaltet,  ihr 
Mönche,  führt  der  gemüterlösende  Gleichmut  zur 
»Niewiederkehr<^  (anagämitä),  sei  es  denn,  daß  der 
einsichtsvolle  Mönch  nicht  schon  hier  sich  zu  einer 
höheren  Befreiung  durchringt." 

209  Zweierlei  Wandel 

Ein  Brahmane  sprach  zum  Erhabenen: 

,,Was  ist  wohl,  Herr  Gotamo,  die  Ursache,  was 
der  Grund,  daß  da  die  einen  Wesen  beim  Zerfalle  des 
Leibes,  nach  dem  Tode,  auf  den  Abweg  gelangen,  auf 
eine  Leidensfährte,  in  verstoßene  Welt,  zur  Hölle?" 

,,  Infolge  des  ungesetzlichen,  ungeraden  Wandels, 
Brahmane,  gelangen  da  die  einen  Wesen  beim  Zer- 
falle des  Leibes,  nach  dem  Tode,  auf  den  Abweg,  auf 
eine   Leidensfährte,   in   verstoßene   Welt,   zur   Hölle." 

,,Was  aber,  Herr  Gotamo,  ist  die  Ursache,  was 
der  Grund,  daß  da  die  anderen  Wesen  beim  Zerfalle 
des  Leibes,  nach  dem  Tode,  auf  glückliche  Fährte  ge- 
langen, in  himmlische  Welt?" 

„Infolge  des  gesetzlichen,  geraden  Wandels,  Brah- 

—    486     — 


ZEHNERBUCH 


mane,  gelangen  da  die  anderen  Wesen  beim  Zerfalle 
des  Leibes,  nach  dem  Tode,  auf  glückliche  Fährte,  in 
himmlische  Welt." 

Himmel  und  Hölle  210 

Der  mit  zehn  Dingen  Behaftete,  ihr  Mönche,  ge- 
langt seinem  Wirken  entsprechend  zur  Hölle:  mit 
welchen  zehn  Dingen? 

Er  tötet,  stiehlt,  schreitet  geschlechtlich  aus,  lügt, 
ist  ein  Zwischenträger,  redet  roh,  plappert  Unsinn, 
ist  habgierig,  grausam  gesinnt,  voll  verkehrter  Er- 
kenntnis. 

Der  mit  folgenden  zehn  Dingen  aber  Ausgestattete, 
ihr  Mönche,  gelangt  seinem  Wirken  entsprechend  zum 
Himmel:  mit  welchen  zehn  Dingen? 

Er  steht  ab  vom  Töten,  Stehlen,  geschlechtlichen 
Ausschreiten,  vom  Lügen,  Zwischenträgerei,  roher 
Rede  und  unsinnigem  Plappern,  ist  begierdelos,  wohl- 
wollend gesinnt,  voll  rechter  Erkenntnis. 

Der  mit  zwanzig  Dingen  Behaftete,  ihr  Mönche,  211 
gelangt  seinem  Wirken  entsprechend  zur  Hölle:  mit 
welchen  zwanzig  Dingen? 

Er  selber  tötet,  und  zum  Töten  regt  er  die  Anderen 
an.    Er  selber  stiehlt,  —  schreitet  geschlechtlich  aus, 

—  lügt,  —  ist  ein  Zwischenträger,  —  redet  roh,  — 
plappert  Unsinn,  —  ist  habgierig,  —  grausam  gesinnt, 

—  voll  verkehrter  Erkenntnis,  und  zu  verkehrter  Er- 
kenntnis regt  er  die  Anderen  an.  — 

Der  mit  dreißig  Dingen  Behaftete,   ihr  Mönche,  212 

—    487     — 


X213      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNON 

gelangt  seinem  Wirken  entsprechend  zur  Hölle:  mit 
welchen  dreißig  Dingen? 

Er  selber  tötet,  zum  Töten  regt  er  die  Anderen 
an,  zum  Töten  gibt  er  seine  Zustimmung.  Er  selber 
stiehlt,  —  schreitet  geschlechtlich  aus,  —  lügt,  —  ist 
ein  Zwischenträger,  —  redet  roh,  —  plappert  Unsinn, 

—  ist  habgierig,  —  grausam  gesinnt,  —  voll  verkehrter 
Erkenntnis,  zu  verkehrter  Erkenntnis  regt  er  die 
Anderen  an,  zu  verkehrter  Erkenntnis  gibt  er  seine 
Zustimmung.  — 

213  Der   mit  vierzig  Dingen   Behaftete,   ihr  Mönche, 

gelangt  seinem  Wirken  entsprechend  zur  Hölle:  mit 
welchen  vierzig  Dingen? 

Er  selber  tötet,  zum  Töten  regt  er  die  Anderen 
an,  zum  Töten  gibt  er  seine  Zustimmung,  das  Töten 
lobt  er.  Er  selber  stiehlt,  —  schreitet  geschlechtlich 
aus,  —  lügt,  —  ist  ein  Zwischenträger,  —  redet  roh, 

—  plappert  Unsinn,  —  ist  habgierig,  —  grausam  ge- 
sinnt, —  voll  verkehrter  Erkenntnis,  zu  verkehrter 
Erkenntnis  regt  er  die  Anderen  an,  zu  verkehrter 
Erkenntnis  gibt  er  seine  Zustimmung,  verkehrte  Er- 
kenntnis lobt  er. 

Der  mit  folgenden  vierzig  Dingen  aber  Ausge- 
stattete, ihr  Mönche,  gelangt  seinem  Wirken  ent- 
sprechend zum  Himmel:  mit  welchen  vierzig  Dingen? 

Er  selber  steht  ab  vom  Töten,  zum  Abstehen  vom 
Töten  regt  er  die  Anderen  an,  zum  Abstehen  vom  Töten 
gibt  er  seine  Zustimmung,  das  Abstehen  vom  Töten 
lobt  er.  Er  selber  steht  ab  vom  Stehlen,  —  geschlecht- 
lichem Ausschreiten,  —  vom  Lügen,  —  Zwischen- 
trägerei,  —  roher    Rede,  —   unsinnigem  Plappern,  — 

-     488     — 


ZEHNERBUCH  X  219 


ist  begierdelos,  —  wohlwollend  gesinnt,  —  voll  rechter 
Erkenntnis,  zu  rechter  Erkenntnis  regt  er  die  Anderen 
an,  zu  rechter  Erkenntnis  gibt  er  seine  Zustimmung, 
rechte  Erkenntnis  lobt  er. 

Der    mit   jenen    Dingen    Behaftete,    ihr   Mönche,  214 — 216 
hält  sein  Herz  versehrt  und  befleckt,  —  gelangt  beim 
Zerfalle  des  Leibes,  nach  dem  Tode,  auf  den  Abweg, 
auf  eine  Leidensfährte,  in  verstoßene  Welt,  zur  Hölle; 

—  und  ein  solcher  ist  als  Tor  zu  betrachten. 

Der   mit   diesen   Dingen   aber   Ausgestattete,    ihr 
Mönche,   hält   sein    Herz   unversehrt   und   unbefleckt, 

—  gelangt  beim  Zerfalle  des  Leibes,  nach  dem  Tode, 
auf  glückliche  Fährte,  in  himmlische  Welt;  —  und  ein 
solcher  ist  als  Weiser  zu  betrachten. 


Erlöschung  217— 21& 

Zur  Erkennung  und  völligen  Durchschauung  von 
Gier,  ihr  Mönche,  von  Haß,  Verblendung,  Zorn,  Wut, 
Verkleinerungssucht,  Neid,  Geiz,  Gleisnerei,  Falsch- 
heit, Hartnäckigkeit,  Heftigkeit,  Dünkel,  Hochmut, 
Eitelkeit  und  Nachlässigkeit  und  zu  dieser  Dinge 
völligen  Vernichtung,  Überwindung,  Versiegung,  Er- 
löschung, Abwendung,  Zerstörung,  Entsagung  und 
Loslösung  hat  man  zehnerlei  Dinge  zu  entfalten: 
welche  zehn? 

Die  Betrachtung  der  Unreinheit,  die  Betrachtung 
des  Todes,  die  Betrachtung  des  Ekels  der  Nahrung,  die 
Betrachtung  der  Reizlosigkeit  der  ganzen  Welt,  die 
Betrachtung  der  Vergänglichkeit,  die  Betrachtung  des 
Leidens  bei  der  Vergänglichkeit,  die  Betrachtung  der 
Wesenlosigkeit  beim  Leiden,  die  Betrachtung  der  Über- 

-    489     - 


X219      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGBN 

Windung,  die  Betrachtung  der  Abwendung,  die  Be- 
trachtung der   Erlöschung. 

Oder:  die  Betrachtung  der  Vergänglichkeit,  die 
Betrachtung  der  Wesenlosigkeit,  die  Betrachtung  des 
Ekels  der  Nahrung,  die  Betrachtung  der  Reizlosigkeit 
der  ganzen  Welt,  die  Betrachtung  eines  Knochenge- 
rüstes, die  Betrachtung  einer  von  Würmern  zernagten 
Leiche,  die  Betrachtung  einer  blauschwarz  gefärbten 
Leiche,  die  Betrachtung  einer  in  Eiter  übergegangenen 
Leiche,  die  Betrachtung  einer  zerstückelten  Leiche, 
die  Betrachtung  einer  aufgedunsenen   Leiche, 

Oder:  rechte  Erkenntnis,  rechte  Gesinnung,  rechtes 
Wort,  rechtes  Werk,  rechtes  Streben,  rechtes  Leben,, 
rechte  Achtsamkeit,  rechte  Sammlung,  rechtes  Wissea 
und  rechte  Befreiung. 

Ende   des   Zehnerbuches. 


—    490     — 


ELFERBUCH  XI 6^ 


Das  Elferbuch 


ERSTER    TEIL: 

Das  Kapitel  der  abhängigen  Er- 
scheinungen 

Das  Schicksal  des  Verleumders  & 

Unmöglich  ist  es,  ihr  Mönche,  kann  nicht  sein, 
daß  ein  Mönch,  der  seine  Ordensbrüder  verleumdet 
und  beschimpft,  und  die  Edlen  tadelt,  nicht  einer  der 
elf  Arten  des  Mißgeschickes  verfallen  sollte:  welcher  elf? 

Daß  er  das  Unerreichte  nicht  erreicht,  ihm  das 
Erreichte  schwindet,  er  in  dem  guten  Gesetze  keine 
Klarheit  erlangt,  hinsichtlich  des  guten  Gesetzes  voll 
Dünkel  ist,  ohne  Freude  das  Asketenleben  führt,  ein 
beschmutzendes  Vergehen  verübt,  die  Askese  aufgibt 
und  zum  niederen  Weltleben  zurückkehrt,  von  schwerer 
Krankheit  heimgesucht  wird,  dem  Wahnsinn  und  der 
Geistesstörung  verfällt,  eines  unruhigen  Todes  stirbt 
oder  beim  Zerfalle  des  Leibes,  nach  dem  Tode,  auf 
den  Abweg  gelangt,  auf  eine  Leidensfährte,  in  ver- 
stoßene Welt,  zur  Hölle. 

Unmöglich  ist  es,  ihr  Mönche,  kann  nicht  sein, 
daß  ein  Mönch,  der  seine  Ordensbrüder  verleumdet  und 
beschimpft  und  die  Edlen  tadelt,  nicht  einer  dieser 
elf  Arten  des  Mißgeschickes  verfallen  sollte. 

—    491     — 


XI  8        SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 


^  Losgelöste  Sammlung 

(1) 
Der  ehrwürdige  Anando  sprach  zum  ehrwürdigen 
Säriputto: 

,,Mag  wohl,  Bruder  Säriputto,  der  Mönch  eine 
solche  Sammlung  erreichen,  daß  er  angesichts  der  Erde 
ohne  Wahrnehmung  der  Erde  ist,  daß  er  angesichts 
des  Wassers  ohne  Wahrnehmung  des  Wassers  ist,  daß 
er  angesichts  des  Feuers  ohne  Wahrnehmung  des 
Feuers  ist,  daß  er  angesichts  des  Windes  ohne  Wahr- 
nehmung des  Windes  ist,  daß  er  angesichts  des  Ge- 
bietes der  Raumunendlichkeit  ohne  Wahrnehmung 
des  Gebietes  der  Raumunendlichkeit  ist,  daß  er  ange- 
sichts des  Gebietes  der  Bewußtseinsunendlichkeit  ohne 
Wahrnehmung  der  Bewußtseinsunendlichkeit  ist,  daß 
er  angesichts  des  Gebietes  des  Nichtdaseins  ohne 
Wahrnehmung  des  Gebietes  des  Nichtdaseins  ist,  daß 
er  angesichts  des  Gebietes  der  Weder-Wahrnehmung- 
Noch-Nichtwahrnehmung  ohne  Wahrnehmung  des  Ge- 
bietes der  Weder-Wahrnehmung-Noch-Nichtwahrneh- 
mung  ist,  daß  er  angesichts  dieser  Welt  ohne  Wahr- 
nehmung dieser  Welt  ist,  daß  er  angesichts  jener  Welt 
ohne  Wahrnehmung  jener  Welt  ist,  daß  er  angesichts 
dessen,  was  er  gesehen,  gehört,  empfunden,  erkannt, 
erreicht,  gesucht,  im  Geiste  erforscht  hat,  auch  da 
ohne  Wahrnehmung  ist,  und  daß  er  dennoch  Wahr- 
nehmung besitzt?" 

„Ja,  Bruder,  Änando,  wohl  mag  der  Mönch  eine 
^  solche  Sammlung  erreichen." 

„Wie  aber,  Bruder  Säriputto,  mag  der  Mönch  eine 
solche  Sammlung  erreichen?" 

—    492    — 


ELFERBUCH  XI 8 


,,Da,  Bruder  Änando,  hat  der  Mönch  die  Wahr- 
nehmung: »Dies  ist  der  Friede,  dies  ist  das  Höchste, 
nämlich  das  Ende  aller  Bildungen,  die  Loslösung  von 
allen  Daseinssubstraten,  die  Versiegung  des  Durstes,, 
die  Abwendung,  die  Aufhebung,  das  Nirwahn!<<  So, 
Änando,  mag  der  Mönch  eine  solche  Sammlung  er- 
reichen, daß  er  angesichts  der  Erde  ohne  Wahrnehmung 
der  Erde  ist,  daß  er  angesichts  des  Wassers  ohne  Wahr- 
nehmung des  Wassers  ist,  daß  er  angesichts  des  Feuers 
ohne  Wahrnehmung  des  Feuers  ist,  daß  er  angesichts 
des  Windes  ohne  Wahrnehmung  des  Windes  ist,  daß 
er  angesichts  des  Gebietes  der  Raumunendlichkeit 
ohne  Wahrnehmung  des  Gebietes  der  Raumunendlich- 
keit ist,  daß  er  angesichts  des  Gebietes  der  Bewußt- 
seinsunendlichkeit ohne  Wahrnehmung  der  Bewußt- 
seinsunendlichkeit ist,  daß  er  angesichts  des  Gebietes 
des  Nichtdaseins  ohne  Wahrnehmung  des  Gebietes 
des  Nichtsdaseins  ist,  daß  er  angesichts  des  Gebietes 
der  Weder  -  Wahrnehmung  -  Noch  -  Nichtwahrnehmung 
ohne  Wahrnehmung  des  Gebietes  der  Weder-Wahr- 
nehmung-Noch-Nichtwahrnehmung  ist,  daß  er  ange- 
sichts dieser  Welt  ohne  Wahrnehmung  dieser  Welt 
ist,  daß  er  angesichts  jener  Welt  ohne  Wahrnehmung 
jener  Welt  ist,  daß  er  angesichts  dessen,  was  er  ge- 
sehen, gehört,  empfunden,  erkannt,  erreicht,  gesucht, 
im  Geiste  erforscht  hat,  auch  da  ohne  Wahrnehmung 
ist,  und  daß  er  dennoch  Wahrnehmung  besitzt." 

„Wunderbar  ist  es  doch,  o  Bruder,  erstaunlich 
ist  es,  0  Bruder,  wie  da  hinsichtlich  des  höchsten  Zieles 
die  Auslegung  und  der  Wortlaut  des  Meisters  mit  der 
Auslegung  und  dem  Wortlaute  seines  Jüngers  über- 
einstimmt,  sich   deckt  und   nicht  widerspricht.      Ich 

—    493     - 


XI  9        SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

hatte  mich  nämlich  soeben,  o  Bruder,  zum  Erhabenen 
hinbegeben  und  ihn  um  diese  Sache  befragt.  Und 
der  Erhabene  hat  mir  diese  Sache  in  denselben  Worten 
und  Ausdrijcken  erklärt  wie  der  ehrwürdige  Säriputto. 
Wunderbar  ist  es,  o  Bruder,  erstaunlich  ist  es,  o  Bruder, 
wie  da  hinsichtlich  des  höchsten  Zieles  die  Auslegung 
und  der  Wortlaut  des  Meisters  mit  der  Auslegung  und 
dem  Wortlaute  seines  Jüngers  übereinstimmt,  sich 
deckt  und  nicht  widerspricht." 

^  Losgelöste  Sammlung 

(2) 
Da,  Anando,  erwägt  der  Mönch:  Dies  ist  der 
Friede,  dies  ist  das  Höchste,  nämlich  das  Ende  aller 
Bildungen,  die  Loslösung  von  allen  Daseinssubstraten, 
die  Versiegung  des  Durstes,  die  Abwendung,  die  Auf- 
hebung, das  Nirwahn!«  So,  Anando,  mag  der  Mönch 
eine  solche  Sammlung  erreichen,  daß  er  nicht  das 
Auge  erwägt,  nicht  die  Form  erwägt,  nicht  das  Ohr 
erwägt,  nicht  den  Ton  erwägt,  nicht  die  Nase  erwägt, 
nicht  den  Duft  erwägt,  nicht  die  Tastempfindungen 
erwägt,  nicht  die  Erde,  nicht  das  Wasser,  nicht  das 
Feuer,  nicht  den  Wind,  nicht  das  Gebiet  der  Raum- 
unendlichkeit, nicht  das  Gebiet  der  Bewußtseinsun- 
endlichkeit, nicht  das  Gebiet  des  Nichtdaseins,  nicht 
das  Gebiet  der  Weder-Wahrnehmung-Noch-Nichtwahr- 
nehmung,  weder  diese  Welt  noch  jene  Welt,  auch  nicht 
das,  was  er  gesehen,  gehört,  empfunden,  erkannt, 
erreicht,  gesucht,  im  Geiste  erforscht  hat,  daß  er  aber 
-dennoch  Wahrnehmung  besitzt. 


—    494     — 


ELFERBUCH  XI 10 


Das  Sinnen  der  Edlen  10 

(Bei  Nätika  in  der  Steinernen  Wohnung] 

Der  Erhabene  sprach  zum  ehrwürdigen  Sandho: 

„Wie  die  Edlen,  o  Sandho,  sollt  ihr  sinnen,  nicht 
wie  die  Füllen. 

,, Inwiefern  aber,  Sandho,  sinnt  man  wie  die  Edlen? 
Während,  Sandho,  das  Füllen  am  Futtertroge  ange- 
bunden ist,  sinnt  es  bloß  über  das  Futter  nach.  Und 
warum?  Weil  eben  das  am  Futtertroge  angebundene 
Füllen  nicht  also  nachdenkt:  »Was  wird  mich  wohl 
heute  der  Rosselenker  ausführen  lassen?  Werde  ich 
es  ihm  wohl  gut  genug  machen?«  Während  es  eben 
am  Futtertroge  angebunden  ist,  sinnt  es  eben  bloß  über 
das  Futter  nach.  Ebenso  auch,  Sandho,  hat  sich  da 
ein  junger  Mensch  in  den  Wald  begeben,  an  den  Fuß 
eines  Baumes  oder  in  eine  leere  Behausung.  Und  im 
Geiste  von  der  Sinnenlust  gefesselt,  von  der  Sinnen- 
lust verzehrt,  verweilt  er  dort;  und  nicht  weiß  er  der 
Wirklichkeit  gemäß,  wie  man  der  aufgestiegenen  Sinnen- 
lust entrinnt.  Im  Innern  voller  Sinnenlust  sinnt  er, 
sinnt  er  hin,  sinnt  er  her,  sinnt  er  vor  sich.  Im  Geiste 
von  Übelwollen  gefesselt,  —  von  Stumpfheit  und 
Mattigkeit  gefesselt,  —  von  Aufgeregtheit  und  Ge- 
wissensunruhe gefesselt,  —  von  Zweifelsucht  gefesselt, 
von  Zweifelsucht  verzehrt,  verweilt  er  dort;  und  nicht 
weiß  er  der  Wirklichkeit  gemäß,  wie  man  dem  aufge- 
stiegenen Zweifel  entrinnt.  Im  Innern  voller  Zweifel 
sinnt  er,  sinnt  er  hin,  sinnt  er  her,  sinnt  er  vor  sich. 
Er  sinnt  über  die  Erde,  sinnt  über  das  Wasser,  sinnt 
über  das  Feuer,  sinnt  über  den  Wind,  sinnt  über  das 
Gebiet   der    Raumunendlichkeit,    der    Bewußtseinsun- 

—    495     — 


XI 10       SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

endlichkeit,  des  Nichtdaseins  und  der  Weder-Wahrneh- 
mung-Noch-Nichtwahrnehmung,  sinnt  über  diese  Welt, 
sinnt  über  jene  Welt,  sinnt  über  das,  was  er  gesehen, 
gehört,  empfunden,  erkannt,  erreicht,  gesucht  und  im 
Geiste  erforscht  hat.  So,  Sandho,  sinnt  man  wie  die 
Füllen. 

„Wie  aber,  Sandho,  sinnt  man  wie  die  Edlen? 
Während,  Sandho,  das  gute,  edle  Roß  am  Futtertroge 
angebunden  ist,  sinnt  es  nicht  über  das  Futter  nach. 
Und  warum  nicht?  Weil  eben  das  am  Futtertroge  an- 
gebundene gute,  edle  Roß  also  nachdenkt:  vWas  wird 
mich  wohl  heute  der  Rosselenker  ausführen  lassen? 
Werde  ich  es  ihm  wohl  gut  genug  machen  ?<-  Denn  das 
gute,  edle  Roß,  Sandho,  betrachtet  die  Anwendung 
der  Treibgerte  als  eine  Schuld,  eine  Knechtung,  eine 
Schande,  eine  Niederlage.  Ebenso  auch,  Sandho,  hat 
sich  da  ein  guter,  edler  Mensch  in  den  Wald  begeben, 
an  den  Fuß  eines  Baumes  oder  in  eine  leere  Behausung. 
Und  im  Geiste  nicht  gefesselt  und  verzehrt  von  der 
Sinnenlust,  —  dem  Übelwollen,  —  der  Stumpfheit 
und  Mattigkeit,  —  der  Aufgeregtheit  und  Gewissens- 
unruhe, -  der  Zweifelsucht,  verweilt  er  dort;  und  wohl 
weiß  er  der  Wirklichkeit  gemäß,  wie  man  dem  auf- 
gestiegenen Zweifel  entrinnt.  Nicht  sinnt  er  über  die 
Erde,  nicht  über  das  Wasser,  nicht  über  das  Feuer, 
nicht  über  den  Wind,  nicht  über  das  Gebiet  der  Raum- 
unendlichkeit, nicht  über  das  Gebiet  der  Bewußtseins- 
unendlichkeit, nicht  über  das  Gebiet  des  Nichtdaseins, 
nicht  über  das  Gebiet  der  Weder-Wahrnehmung-Noch- 
Nichtwahrnehmung,  nicht  über  diese  Welt,  nicht  über 
jene  Welt,  auch  sinnt  er  nicht  über  das,  was  er  gesehen, 
gehört,  empfunden,  erkannt,  erreicht,  gesucht  und  im 

—     496     — 


ELFERBUCH  XI 10 


Geiste  erforscht  hat,  aber  dennoch  sinnt  er.  Dem  also 
sinnenden,  guten  edlen  Menschen  aber,  Sandho,  bringen 
die  Himmelswesen,  mit  Indra,  Brahma  und  Pajäpati 
an  der  Spitze,  von  Ferne  ihre  Verehrung  dar: 

Verehrung  dir  dem  edlen  Menschen, 
Verehrung  dir  dem  höchsten  Herrn, 
Von  dem  wir  nicht  erkennen  können. 
Worüber  er  im  Geiste  sinnt!« 

Auf  diese  Worte  sprach  der  ehrwürdige  Sandho 
also  zum  Erhabenen: 

,,In   welcher   Weise   aber,    o    Ehrwürdiger,    sinnt 
der  gute,  edle  Mensch?" 

„Der  gute,  edle  Mensch,  Sandho,  hat  die  Wahr- 
nehmung von  Erde,  Wasser,  Feuer  und  Wind  durch- 
drungen, durchdrungen  die  Wahrnehmung  des  Ge- 
bietes der  Raumunendlichkeit,  der  Bewußtseinsunend- 
lichkeit, des  Nichtdaseins  und  der  Weder-Wahrneh- 
mung- Noch -NichtWahrnehmung,  durchdrungen  die 
Wahrnehmung  von  dieser  und  jener  Welt,  durch- 
drungen die  Wahrnehmung  von  dem,  was  er  gesehen, 
gehört,  empfunden,  erkannt,  erreicht,  gesucht  und  im 
Geiste  erforscht  hat.  Also  sinnend,  Sandho,  sinnt  der 
gute,  edle  Mensch  nicht  über  die  Erde,  nicht  über  das 
Wasser,  nicht  über  das  Feuer,  nicht  über  den  Wind, 
nicht  über  das  Gebiet  der  Raumunendlichkeit,  nicht 
über  das  Gebiet  der  Bewußtseinsunendlichkeit,  nicht 
über  das  Gebiet  des  Nichtdaseins,  nicht  über  das  Ge- 
biet der  Weder-Wahrnehmung-Noch-Nichtwahrneh- 
mung,  nicht  über  diese  Welt,  nicht  über  jene  Welt, 
auch  sinnt  er  nicht  über  das,  was  er  gesehen,  gehört, 
empfunden,  erkannt,  erreicht,  gesucht  und  im  Geiste 

—     497     —  32 


XI 11      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

erforscht  hat,  aber  dennoch  sinnt  er.  Dem  also  sinnen- 
den, guten,  edlen  Menschen  aber,  Sandho,  bringen  die 
Himmelswesen,  mit  Indra,  Brahma,  und^ajäpati  an 
der  Spitze,  von  Ferne  ihre  Verehrung  dar; 

Verehrung  dir  dem  edlen  Menschen, 
Verehrung  dir  dem  höchsten  Herrn, 
Von  dem  wir  nicht  erkennen  können. 
Worüber  er  im  Geiste  sinnt! 


11  Der  Höchste 

Einst  weilte  der  Erhabene  bei  Räjagaha,  im  Pilger- 
kloster an  der  Fütterungsstätte  der  Pfaue.  Dort 
wandte  sich  der  Erhabene  an  die  Mönche:  ,, Mönche!" 
sprach  er.  ,, Ehrwürdiger,"  erwiderten  jene  Mönche 
dem  Erhabenen.     Und  der   Erhabene  sprach: 

Mit  drei  Eigenschaften  ausgestattet,  ihr  Mönche, 
hat  der  Mönch  die  höchste  Vollendung  erreicht,  die 
höchste  Sicherheit,  die  höchste  Heiligkeit,  das  höchste 
Ziel  und  gilt  als  Erster  unter  Göttern  und  Menschen: 
mit  welchen  drei  Eigenschaften? 

Mit  dem  kampfesledigen  Sittlichkeitsgebiete, 
dem  kampfesledigen  Sammlungsgebiete  und  dem 
kampfesledigen    Einsichtsgebiete. 

Aber  auch  mit  den  ferneren  drei  Eigenschaften 
ausgestattet,  ihr  Mönche,  hat  der  Mönch  die  höchste 
Vollendung  erreicht:  mit  dem  Wunder  der  magischen 
Kraft,  dem  Wunder  der  Wahrsagung  und  dem  Wun- 
der der  Belehrung. 

Auch  mit  noch  drei  weiteren  Eigenschaften  aus- 
gestattet, ihr  Mönche,  hat  der  Mönch  die  höchste  Voll- 

—    498     — 


ELFERBUCH  XI 11 


endung  erreicht:  mit  rechter  Erkenntnis,  rechtem 
Wissen  und  rechter  Befreiung. 

Mit  zwei  Eigenschaften  ausgestattet,  ihr  Mönche, 
hat  der  Mönch  die  höchste  Vollendung  erreicht:  mit 
Wissen  und  Wandel.  Mit  diesen  beiden  Eigenschaften 
ausgestattet,  ihr  Mönche,  hat  der  Mönch  die  höchste 
Vollendung  erreicht,  die  höchste  Sicherheit,  die  höchste 
Heiligkeit,  das  höchste  Ziel  und  gilt  als  erster  unter 
Göttern  und  Menschen. 

Auch  Sanahkumäro,  (1)  ihr  Mönche,  der  Brahma 
hat  folgende  Verse  gesprochen: 

»Der  Adelsherr  gilt  als  der  Höchste, 

Wo  man  der  Kastenlehre  folgt; 

Doch  gilt  bei  Gott  und  Mensch  als  Höchster, 

Wer  weise  und  voll  Tugend  ist.« 

Jene  Verse  aber,  ihr  Mönche,  hat  Sunahkumäro 
der  Brahma  richtig  vorgetragen,  nicht  verkehrt  vor- 
getragen, richtig  gesprochen,  nicht  verkehrt  gesprochen; 
und  sie  sind  zweckmäßig,  nicht  zwecklos  und  haben 
meinen  Beifall.     Denn  auch  ich,  ihr  Mönche,  sage: 

Der  Adelsherr  gilt  als  der  Höchste, 

Wo  man  der  Kastenlehre  folgt; 

Doch  gilt  bei  Gott  und  Mensch  als  Höchster, 

Wer  weise  und  voll  Tugend  ist. 


(1)  Sanankumära  (Sanskrit:   Sanatkumära),  wörtl.  der  »ewige 
Jüngling«,  ist  in  der  Hindumy thologie  einer  der  vier  Söhne  Brahmaa. 


—     499     —  32* 


XI 13      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

ZWEITER    TEIL: 

Das  Kapitel  der  Betrachtungen 

13  Rechte  Betrachtungen  für  Hausleute 

(0 
Einst  weilte  der  Erhabene  im  Lande  der  Sakyer^ 

im  Feigenkloster  bei  Kapilavatthu.  Damals  hatte  sich 
gerade  Mahänämo  der  Sakyer  von  einer  Krankheit 
erhoben.  Zu  jener  Zeit  aber  waren  zahlreiche  Mönche 
damit  beschäftigt,  für  den  Erhabenen  die  Gewänder 
anzufertigen,  denn,  wenn  die  Gewänder  fertig  sind, 
wollte  sich  der  Erhabene  nach  Ablauf  der  drei  Regen- 
monate auf  eine  Wanderung  begeben.  Der  Sakyer 
Mahänämo  aber  erfuhr  dies  und  begab  sich  zum  Er- 
habenen. Dort  angelangt  begrüßte  er  ehrfurchtsvoll 
den  Erhabenen  und  setzte  sich  zur  Seite  nieder.  Zur 
Seite  aber  sitzend  sprach  er  fum  Erhabenen: 

,, Erfahren  habe  ich,  o  Ehrwürdiger,  daß  zahl- 
reiche Mönche  damit  beschäftigt  sind,  für  den  Er- 
habenen die  Gewänder  anzufertigen,  und  daß  der 
Erhabene,  wenn  die  Gewänder  fertig  sind,  nach  Ab- 
lauf der  drei  Regenmonate  auf  eine  Wanderung  sich 
begeben  wolle.  Die  wir,  o  Ehrwürdiger,  uns  mit  vieler- 
lei Dingen  beschäftigen,  welche  Beschäftigung  ziemt 
sich  wohl  für  uns?"  | 

,, Recht  so,  recht  so,  Mahänämo!  Gut  steht  es 
euch  edlen  Söhnen  an,  daß  ihr  zum  Vollendeten  kommt 
und  ihn  also  befragt.  Nur  der  Vertrauensvolle,  Mahä- 
nämo, macht   Fortschritte,  nicht  der  Vertrauenslose; 

-     500    — 


ELFERBUCH  XI 13 


nur  der  Willensstarke  macht  Fortschritte,  nicht  der 
Träge;  nur  der  Achtsame  macht  Fortschritte,  nicht 
der  Unachtsame;  nur  der  Gesammelte  macht  Fort- 
schritte, nicht  der  Ungesammelte;  nur  der  Einsichtige 
macht  Fortschritte,  nicht  der  Einsichtslose.  Sobald 
du  aber,  Mahänämo,  in  diesen  fünf  Dingen  gefestigt 
bist,  magst  du  außerdem  noch  sechs  Dinge  entfalten. 

,,Da,  Mahänämo,  magst  du  des  Vollendeten  ge- 
denken:  »Dies  ist   der    Erhabene,   der    Heilige,   Voll- 
kommen   Erleuchtete,    der    im    Wissen    und    Wandel 
Vollendete,    der    Gesegnete,    der    Weltenkenner,    der 
höchste  Lenker  der  zu  bezähmenden  Menschheit,  der 
Meister    der    Himrrielswesen    und    Menschen,    der    Er- 
leuchtete, der  Erhabene.«  Zu  einer  Zeit  aber,  Mahänämo, 
wo  der  edle  Jünger  des  Vollendeten   gedenkt,  zu  einer 
solchen  Zeit  ist  sein  Geist  weder  durch  Gier  noch  durch 
Haß    noch   durch   Verblendung   besessen;    und    ange- 
sichts des  Erhabenen  ist  zu  solcher  Zeit  sein   Geist 
aufgerichtet.    Aufgerichteten  Geistes  aber,  Mahänämo, 
erlangt  der  edle   Jünger  Verständnis  der  Auslegung, 
erlangt  er  Verständnis  des  Gesetzes,   Freude  am  Ge- 
setze.     Im  Erfreuten  aber  erwacht  die  Verzückung; 
verzückten  Herzens  wird  sein  Inneres  beruhigt;  inner- 
lich beruhigt  empfindet  er  Glück;  und  des  Glücklichen 
Geist  festigt  sich.    Beim  Gehen,  Mahänämo,  magst  du 
diese  Betrachtung  üben;   beim   Stehen   magst  du  sie 
üben;  beim   Sitzen  magst  du  sie  üben;   beim  Liegen 
magst  du  sie  üben;  während  du  deiner  Beschäftigung 
nachgehst,  magst  du  sie  üben;  während  du  im  Hause 
voller  Kinder  wohnst,  magst  du  sie  üben. 

,, Fernerhin,   Mahänämo,   magst   du    des   Gesetzes 
gedenken:  »Wohl  dargetan  ist  vom  Erhabenen  das  Ge- 


501     — 


XI 13      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

setz,  das  ein  sichtbares,  unmittelbares  Ergebnis  zeitigt, 
das  einladende,  zum  Ziele  führende,  das  jedem  Ver- 
ständigen verständlich  ist«.  — 

,, Fernerhin,  Mahänämo,  magst  du  der  Jünger- 
schaft gedenken:  »In  Vollkommenheit  wandelt  die 
Jüngerschaft  des  Erhabenen,  in  Aufrichtigkeit  wandelt 
die  Jüngerschaft  des  Erhabenen,  in  Aufrichtigkeit 
wandelt  die  Jüngerschaft  des  Erhabenen,  auf  dem 
rechten  Pfade  wandelt  die  Jüngerschaft  des  Erhabenen, 
in  Pflichtentreue  wandelt  die  Jüngerschaft  des  Er- 
habenen, als  da  sind:  die  vier  Paare  und  acht  Arten 
von  Menschen.  Diese  Jüngerschaft  des  Erhabenen  ist 
würdig  der  Opfer,  würdig  der  Gastfreundschaft,  würdig 
der  Gaben,  würdig  des  ehrfurchtsvollen  Handgrußes, 
ist  in  der  Welt  der  beste  Boden  für  verdienstvolle 
Werke.  — 

,, Fernerhin,  Mahänämo,  magst  du  der  eigenen 
Sitten  gedenken,  der  ungebrochenen,  lückenlosen,  un- 
befleckten, ungetrübten,  ungezwungenen,  von  den 
Verständigen  gepriesenen,  den  unbeeinflußten,  zur 
Sammlung  hinführenden.  — 

,, Fernerhin,  Mahänämo,  magst  du  der  eigenen 
Freigebigkeit  gedenken:  »Wohl  mir,  gesegnet  bin  ich, 
daß  ich  mitten  unter  der  vom  Laster  des  Geistes  be- 
sessenen Menschheit  im  Herzen  vom  schmutzigen 
Geize  befreit  im  Hause  lebe,  freigebig,  mit  offenen 
Händen,  voll  Freude  am  Geben,  den  Bedürftigen 
zugetan,  im  Austeilen  von  Gaben  Freude  empfindend!« 

,, Fernerhin,  Mahänämo,  magst  du  der  Himmels- 
wesen gedenken:  »Es  gibt  da  die  Himmelswesen  der 
Vier  Großkönige,  es  gibt  die  Himmelswesen  der  Drei- 
unddreißig, es  gibt  die  Yamadewen,  es  gibt  die  Seligen 

—    502    — 


ELFERBUCH  XI 13 


Himmelswesen,  es  gibt  die  Schaffensfreudigen  Himmels- 
wesen, es  gibt  die  über  die  Erzeugnisse  Anderer  ver- 
fügenden Himmelswesen,  und  es  gibt  noch  Himmels- 
wesen außerdem.  Jenes  Vertrauen  aber,  mit  dem  aus- 
gestattet, diese  Himmelswesen,  von  hier  abgeschieden, 
dort  wiedererschienen  sind,  solches  Vertrauen  eignet 
auch  mir.  Jene  Sittlichkeit,  —  jenes  Wissen,  —  jene 
Freigebigkeit,  —  jene  Einsicht,  mit  der  ausgestattet, 
diese  Himmelswesen,  von  hier  abgeschieden,  dort 
wiedererschienen  sind,  solche  Einsicht  eignet  auch 
mir.«  Zu  einer  Zeit  aber,  Mahänämo,  wo  der  edle 
Jünger  des,  ihm  und  jenen  Himmelswesen  eigenen 
Vertrauens,  der  Sittlichkeit,  des  Wissens,  der  Frei- 
gebigkeit und  der  Einsicht  gedenkt,  zu  einer  solchen 
Zeit  ist  sein  Geist  weder  durch  Gier  noch  durch  Haß 
noch  durch  Verblendung  besessen;  und  angesichts  der 
Himmelswesen  ist  zu  solcher  Zeit  sein  Geist  aufgerichtet. 
Aufgerichteten  Geistes  aber,  Mahänämo,  erlangt  der 
edle  Jünger  Verständnis  der  Auslegung,  erlangt  er 
Verständnis  des  Gesetzes,  Freude  am  Gesetze.  Im 
Erfreuten  aber  erwacht  die  Verzückung;  verzückten 
Herzens  wird  sein  Inneres  beruhigt;  innerlich  beruhigt 
empfindet  er  Glück;  und  des  Glücklichen  Geist  festigt 
sich.  Beim  Gehen,  Mahänämo,  magst  du  diese  Be- 
trachtung üben;  beim  Stehen  magst  du  sie  üben;  beim 
Sitzen  magst  du  sie  üben;  beim  Liegen  magst  du  sie 
üben;  während  du  deiner  Beschäftigung  nachgehst, 
magst  du  sie  üben;  während  du  im  Hause  voller  Kinder 
wohnst,  magst  du  sie  üben. 


—     503     — 


XI 14     SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

14  Rechte  Betrachtungen  für  Hausleute 

(2) 

Einst  weilte  der  Erhabene  im  Lande  der  Sakyer, 
im  Feigenkloster  bei  Kapilavatthu.  Zu  jener  Zeit  aber 
beabsichtigte  der  Erhabene,  in  Sävatthi  die  Regen- 
zeit anzutreten.  Dies  kam  Nandiyo  dem  Sakyer  zu 
Ohren.  Und  Nandiyo  der  Sakyer  sagte  sich:  »So  laß 
mich  doch  auch  in  Sävatthi  die  Regenzeit  zubringen! 
Dort  werde  ich  mein  Geschäft  betreiben  und  dabei 
von  Zeit  zu  Zeit  den  Erhabenen  besuchen  können.« 
Und  der  Erhabene  trat  in  Sävatthi  die  Regenzeit  an; 
und  auch  Nandiyo  der  Sakyer  nahm  in  Sävatthi  seinen 
Aufenthalt  für  die  Regenzeit.  Dort  ging  er  seinem 
Geschäfte  nach  und  konnte  dabei  von  Zeit  zu  Zeit 
den  Erhabenen  besuchen. 

Zu  jener  Zeit  aber  waren  zahlreiche  Mönche  da- 
mit beschäftigt,  für  den  Erhabenen  die  Gewänder  an- 
zufertigen, denn,  wenn  die  Gewänder  fertig  sind, 
wollte  sich  der  Erhabene,  nach  Ablauf  der  drei  Regen- 
monate, auf  eine  Wanderung  begeben.  Nandiyo  der 
Sakyer  aber  erfuhr  dies  und  begab  sich  zum  Erhabenen. 
Dort  angelangt  begrüßte  er  ehrfurchtsvoll  den  Er- 
habenen und  setzte  sich  zur  Seite  nieder.  Zur  Seite 
aber  sitzend  sprach  er  zum  Erhabenen: 

,, Erfahren  habe  ich,  o  Ehrwürdiger,  daß  zahlreiche 
Mönche  damit  beschäftigt  sind,  für  den  Erhabenen 
die  Gewänder  anzufertigen,  und  daß  der  Erhabene, 
wenn  die  Gewänder  fertig  sind,  nach  Ablauf  der  drei 
Regenmonate,  auf  eine  Wanderung  sich  begeben 
wolle.  Die  wir,  o  Ehrwürdiger,  uns  mit  vielerlei  Dingen 
beschäftigen,  welche  Beschäftigung  ziemt  sich  wohl 
für  uns?" 

—     504     — 


ELFERBUCH  XI 14 


„Recht  so,  recht  so,  Nandiyo!  Gut  steht  es  euch 
edlen  Söhnen  an,  daß  ihr  zum  Vollendeten  kommt  und 
ihn  also  befragt.  Nur  der  Vertrauensvolle,  Nändiyo, 
macht  Fortschritte,  nicht  der  Vertrauenslose;  nur  der 
Sittenhafte  macht  Fortschritte,  nicht  der  Sittenlose; 
nur  der  Willensstarke  macht  Fortschritte,  nicht  der 
Träge;  nur  der  Achtsame  macht  Fortschritte,  nicht 
der  Unachtsame;  nur  der  Gesammelte  macht  Fort- 
schritte, nicht  der  Ungesammelte;  nur  der  Einsichtige 
macht  Fortschritte,  nicht  der  Einsichtslose.  Sobald 
du  aber,  Nandiyo,  in  diesen  sechs  Dingen  gefestigt 
bist,  magst  du  außerdem  noch  fünf  Dinge  entfalten. 

,,Da,  Nandiyo,  magst  du  des  Vollendeten  gedenken: 
»Wahrlich,  dies  ist  der  Erhabene,  der  Heilige,  Voll- 
kommen Erleuchtete,  der  im  Wissen  und  Wandel  Voll- 
kommene, der  Gesegnete,  der  Weltenkenner,  der  Meister 
der  Himmelswesen  und  Menschen,  der  Erleuchtete, 
der  Erhabene!«  So,  Nandiyo,  hast  du  in  deinem  Innern 
die  Achtsamkeit  auf  den  Vollendeten  zu  richten. 

,, Fernerhin,  Nandiyo,  magst  du  des  Gesetzes 
gedenken:  »Wohl  dargetan  ist  vom  Erhabenen  das 
Gesetz,  das  ein  sichtbares,  unmittelbares  Ergebnis 
zeitigt,  das  einladende,  zum  Ziele  führende,  das  jedem 
Verständigen  verständlich  ist «  So,  Nandiyo,  hast 
du  in  deinem  Innern  die  Achtsamkeit  auf  das  Gesetz 
zu  richten. 

,, Fernerhin,  Nandiyo,  magst  du  der  edlen  Freunde 
gedenken:  »Heil  mir,  wohl  habe  ich  es  getroffen,  daß 
mir  solch  mitfühlende,  wohlwollende,  edle  Freunde  als 
Ermahner  und  Unterweiser  beschieden  sind!«  So, 
Nandiyo,  hast  du  in  deinem  Innern  die  Achtsamkeit 
auf  deine  edlen  Freunde  zu  richten. 

—    505     — 


XI 14      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

„Fernerhin,  Nandiyo,  magst  du  der  eigenen  Frei- 
gebigl<eit  gedenken:  »Wohl  mir,  gesegnet  bin  ich, 
daß  ich  mitten  unter  der  vom  Laster  des  Gesetzes  be- 
sessenen Menschheit  im  Herzen  vom  schmutzigen 
Geize  befreit  im  Hause  lebe,  freigebig,  mit  offenen 
Händen,  voll  Freude  am  Geben,  den  Bedürftigen  zu- 
getan, im  Austeilen  von  Gaben  Freude  empfindend!« 
So,  Nandiyo,  hast  du  in  deinem  Innern  die  Achtsam- 
keit auf  die  Freigebigkeit  zu  richten. 

„Fernerhin,  Nandiyo,  magst  du  der  Himmelswesen 
gedenken:  »Jene  Himmelswesen,  die,  jenseits  der  Ge- 
meinschaft der  von  grobstofflicher  Nahrung  lebenden 
Himmelswesen,  in  geistgezeugter  Welt  wiedererschienen 
sind,  jene  sehen  nichts  mehr,  was  sie  noch  zu  erfüllen 
oder,  was  erfüllt, -sie  noch  zu  entfalten  hätten,  genau 
wie  der  Zeitloserlöste  Mönch  nichts  mehr  sieht,  was  er 
noch  zu  erfüllen  oder,  was  erfüllt,  er  noch  zu  entfalten 
hätte«.  So  Nandiyo,  hast  du  in  deinem  Innern  die 
Achtsamkeit  auf  die  Freigebigkeit  zu  richten. 

,,Mit  diesen  elf  Eigenschaften  aber  ausgestattet, 
Nandiyo,  überwindet  der  edle  Jünger  die  üblen,  schuld- 
vollen Erscheinungen,  haftet  nicht  mehr  daran.  Gleich- 
wie nämlich,  Nandiyo,  bei  einem  umgestülpten  Topfe 
das  einmal  herausgeflossene  Wasser  nicht  mehr  zu- 
rückfließt, oder  gleichwie  das  auf  einem  trockenen 
Grasplatze  ausgebrochene  Feuer  brennend  vorwärts 
treibt  und  nicht  mehr  zum  Verbrannten  zurückgeht: 
ebenso  auch,  Nandiyo,  überwindet  der  edle  Jünger 
die  üblen,  schuldvollen  Erscheinungen,  haftet  nicht 
mehr  daran." 


506     — 


ELFERBUCH  XI 16 


Die  Merkmale  des  Vertrauens  15 

Der  ehrwürdige  Subhüti  begab  sich  zusammen 
mit  dem  Mönche  Saddho  (d.  i.  Vertrauensvoller)  (1) 
zum  Erhabenen.  Dort  angelangt  begrüßte  er  ehr- 
furchtsvoll den  Erhabenen  und  setzte  sich  zur  Seite 
nieder.  Als  er  aber  zur  Seite  da  saß,  sprach  der  Er- 
habene also  zum  ehrwürdigen  Subhüti: 

,,Wer  ist  dieser  Mönch,  Subhüti?" 

„Es  ist  Saddho,  o  Ehrwürdiger,  eines  vertrauens- 
vollen Anhängers  Sohn,  der  voll  Vertrauen  von  Hause 
in   die   Hauslosigkeit  gezogen   ist."   (2) 

„Sage,  Subhüti,  ist  wohl  der  Mönch  Saddho,  des 
vertrauensvollen  Anhängers  Sohn,  der  von  Vertrauen 
von  Hause  in  die  Hauslosigkeit  gezogen  ist,  an  den 
Merkmalen  des  Vertrauens  zu  erkennen?" 

„So  ist  es  denn  an  der  Zeit,  Erhabener,  so  ist  es 
denn  an  der  Zeit,  Gesegneter,  daß  der  Erhabene  die 
beim  Vertrauensvollen  anzutreffenden  Merkmale  des 
Vertrauens  darlege;  denn  dann  werde  ich  wissen,  ob 
dieser  Mönch  an  den  Merkmalen  des  Vertrauens  zu 
erkennen  ist  oder  nicht." 

„So  höre  denn,  Subhüti,  und  achte  wohl  auf  meine 
Worte!"  „Ja,  o  Ehrwürdiger,"  erwiderte  der  ehrwürdige 
Subhüti  dem  Erhabenen.    Und  der  Erhabene  sprach: 

(1)  Vielleicht  ist  Saddho  hier  nicht  als  Name  sondern  bloß 
als  Eigenschaft  des  Mönches  aufzufassen,  da  man  wohl  sonst  die 
üblige  Bezeichnimg  »ehrwürdig«  vor  dem  Namen  erwarten  sollte. 

(2)  Nach  den  Worten  des  Kommentars  weiß  der  Erhabene  recht 
wohl,  daß  dieser  der  Sohn  Anäthapindikos  ist,  der  von  seinem  Onkel 
die  Weihe  erhalten  hat,  und  stellt  bloß  deshalb  die  Frage,  um  von 
dem  Namen  des  Mönches  ausgehend  die  Merkmale  des  Vertrauens- 
vollen darzulegen. 

—     507     — 


.XI 16      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

„Da,  Subhüti,  ist  der  Mönch  sittenhaft,  lebt  ge- 
zügelt  im  Sinne  der  Ordenssatzung,  ist  vollkommen  im 
Wandel  und  Umgang,  und  vor  den  geringsten  Ver- 
gehen sich  scheuend  ijbt  er  sich  in  den  auf  sich  ge- 
nommenen Übungsregeln.  Das,  Subhüti,  ist  ein  Merk- 
mal des  Vertrauens. 

,, Fernerhin,  Subhüti,  ist  der  Mönch  vvissensreich, 
ein  Träger  des  Wissens,  hat  sich  ein  großes  Wissen 
angesammelt.  Auch  das,  Subhüti,  ist  ein  Merkmal 
des  Vertrauens. 

,, Fernerhin,  Subhüti,  hat  der  Mönch  edlen  Um- 
gang, edle  Gefährten,  edle  Genossen.  Auch  das,  Sub- 
hüti, ist  ein  Merkmal  des  Vertrauens. 

,, Fernerhin,  Subhüti,  ist  der  Mönch  versöhnlich, 
mit  versöhnenden  Eigenschaften  begabt,  nachgiebig, 
nimmt  mit  der  rechten  Beachtung  eine  Belehrung  an. 
Auch  das,   Subhüti,  ist  ein  Merkmal  des  Vertrauens. 

,, Fernerhin,  Subhüti,  ist  der  Mönch  in  allen  den 
großen  und  kleinen  Pflichten  gegen  seine  Ordens- 
brüder tüchtig  und  eifrig,  versteht  sich  dabei  auf  die 
richtigen  Mittel,  zu  handeln  und  anzuordnen.  Auch 
das,   Subhüti,  ist  ein  Merkmal  des  Vertrauens. 

,, Fernerhin,  Subhüti,  besitzt  der  Mönch  Liebe 
zum  Gesetze,  ist  höflich  in  der  Unterhaltung  und  emp- 
findet eine  hohe  Freude  an  dem  erhabenen  Gesetze  und 
der  erhabenen  Disziplin.  Auch  das,  Subhüti,  ist  ein 
Merkmal  des  Vertrauens. 

,, Fernerhin,  Subhüti,  setzt  der  Mönch  seine  Willens- 
kraft ein,  um  die  schuldvollen  Dinge  zu  überwinden, 
die  verdienstvollen  Dinge  aber  zu  erwecken,  ist  stand- 
haft, von  gestählter  Kraft,  nicht  nachlässig  im  Guten. 
Auch  das,   Subhüti,  ist  ein  Merkmal  des  Vertrauens. 

—   .508    — 


ELFERBUCH  XI 11 


„Fernerhin,  Subhüti,  wird  der  Mönch  der  vier 
Vertiefungen,  der  geisterhebenden,  zeitlich  beglücl<en- 
den,  nach  Wunsch,  ohne  Mühe  und  Anstrengung,  teil- 
haftig. Auch  das,  Subhüti,  ist  ein  Merkmai  des  Ver- 
trauens. 

,, Fernerhin,  Subhüti,  erinnert  sich  der  Mönch 
mancher  früheren  Daseinsform.  Auch  das,  Subhüti, 
ist  ein  Merkmal  des  Vertrauens. 

,, Fernerhin,  Subhüti,  erkennt  der  Mönch  mit  dem 
Himmlischen  Auge,  dem  geklärten,  übermenschlichen, 
wie  die  Wesen  abscheiden  und  wiedererscheinen.  Auch 
das,   Subhüti,  ist  ein  Merkmal  des  Vertrauens. 

Fernerhin,  Subhüti,  hat  der  Mönch,  durch  Ver- 
siegung der  Leidenschaften,  schon  bei  Lebzeiten  die 
leidenschaftslose  Gemütserlösung  und  Wissenserlösung 
selber  erkannt,  verwirklicht  und  sich  zu  eigen  ge- 
macht. Auch  das,  Subhüti,  ist  ein  Merkmal  des  Ver- 
trauens. 

Auf  diese  Worte  sprach  der  ehrwürdige  Subhüti 
also  zum  Erhabenen: 

,, Diese  vom  Erhabenen  erklärten  Merkmale  des 
Vertrauens,  o  Ehrwürdiger,  finden  sich  an  diesem 
Mönche;  und  dieser  Mönch  ist  daran  zu  erkennen." 

„Gut,  gut,  Subhüti!  So  magst  du  denn  mit  diesem 
vertrauensvollen  Mönche  zusammenleben;  und  wenn 
du,  Subhüti,  den  Vollendeten  zu  besuchen  wünschest, 
so  magst  du  zusammen  mit  diesem  vertrauensvollen 
Mönche  kommen." 


-     509    — 


XI 11      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 


16  Der  elflache  Segen  der  Liebe 

Hat  man,  ihr  Mönche,  die  Liebe,  die  gemüterlö- 
sende, gepflegt,  entfaltet,  häufig  geübt,  zur  Triebfeder 
und  Grundlage  gemacht,  gefestigt,  großgezogen  und 
zur  rechten  Vollendung  gebracht,  so  hat  man  elf  Vor- 
teile zu  erwarten:  welche  elf? 

Man  schläft  friedlich,  erwacht  friedlich,  hat  keine 
bösen  Träume,  ist  den  Menschen  lieb,  ist  den  über- 
menschlichen Wesen  lieb  und  die  Engel  schützen  einen; 
Feuer,  Gift  und  Waffen  haben  einem  nichts  an;  der 
verworrene  Geist  sammelt  sich,  der  Gesichtsausdruck 
klärt  sich,  man  hat  einen  ungetrübten  Tod,  und  sollte 
man  nicht  noch  zu  Höherem  durchdringen,  so  wird 
man  in  der  Brahmawelt  wiedergeboren.  Hat  man, 
ihr  Mönche,  die  Liebe,  die  gemüterlösende,  gepflegt, 
entfaltet,  häufig  geübt,  zur  Triebfeder  und  Grundlage 
gemacht,  gefestigt,  großgezogen  und  zur  rechten  Voll- 
endung gebracht,  so  hat  man  diese  elf  Vorteile  zu  er- 
warten. 


17  Die  elf  Tore  des  Todlosen 

Einst  weilte  der  ehrwürdige  Anando  im  Bilvadorfe 
bei  Vesäli.  Zu  jener  Zeit  war  gerade  der  Hausvater 
Dasamo  aus  der  Stadt  Atthaka  in  irgend  einer  Ange- 
legenheit in  Pätajiputta  eingetroffen.  Und  der  Haus- 
vater Dasamo  begab  sich  zum  Kukkutakloster,  ging 
auf  einen  der  Mönche  zu  und  sprach: 

,,Wo,  0  Ehrwürdiger,  weilt  wohl  jetzt  der  ehr- 
würdige Änando?  Ich  möchte,  o  Ehrwürdiger,  gerne 
<len  ehrwürdigen  [_Anando  besuchen." 

—    510    — 


ELFERBUCH  XI17 


,,Der  ehrwürdige  Änando,  o  Hausvater,  weilt 
gegenwärtig  im  Bilvadorfe  bei  Vesäli." 

Nachdem  nun  der  Hausvater  Dasamo  in  Päfali- 
putto  seine  Geschäfte  erledigt  hatte,  begab  er  sich 
zum  Bilvadorfe  bei  Vesäli  zum  ehrwürdigen  Änando. 
Dort  angelangt  begrüßte  er  ehrfurchtsvoll  den  ehr- 
würdigen Änando  und  setzte  sich  zur  Seite  nieder. 
Zur  Seite  aber  sitzend  sprach  der  Hausvater  Dasamo 
also  zum  ehrwürdigen  Änando: 

„Wurde  wohl,  ehrwürdiger  Änando,  von  Ihm, 
dem  Erhabenen,  dem  Kenner,  dem  Seher,  dem  Heiligen,. 
Vollkommen  Erleuchteten,  ein  Gesetz  klar  dargelegt, 
wonach  in  dem  Mönche,  der  unermüdlich,  eifrig,  selbst- 
entschlossen verharrt,  der  noch  unerlöste  Geist  erlöst 
wird,  die  noch  nicht  geschwundenen  Leidenschaften 
zur  Versiegung  gelangen  und  er  der  bis  dahin  noch 
unerreichten  höchsten   Sicherheit  teilhaftig  wird?" 

,,Ja,  0  Hausvater." 

„Welches  aber,  ehrwürdiger  Änando,  ist  dieses 
eine  Gesetz?" 

„Da,  0  Hausvater,  gewinnt  der  Mönch,  den  Sinnen- 
dingen entrückt,  entrückt  den  schuldvollen  Erschei- 
nungen, die  mit  Sinnen  und  Nachdenken  verbundene, 
in  der  Entrückung  geborene,  von  Verzückung  und 
Glückseligkeit  erfüllte  erste  Vertiefung.  Da  überlegt 
er  bei  sich:  »Auch  diese  erste  Vertiefung  ist  zusammen- 
gesetzt, ist  zusammengesonnen.  Was  immer  aber 
zusammengesetzt  und  zusammengesonnen  ist,  das  ist 
vergänglich  und  der  Auflösung  unterworfen.«  So  er- 
kennt er.  In  solchem  Zustande  aber  erreicht  er  die 
Versiegung  der  Leidenschaften;  wenn  nicht,  so  er- 
scheint er  eben,  da  er  noch  jene  Lust  und  Neigung  zu 

—     511     — 


XI 17      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

den  geistigen  Dingen  besitzt,  nach  Zerstörung  der 
fünf  niederen  Fesseln,  in  geistiger  Weit  wieder;  und 
dort  erreicht  er  das  Nirwahn,  l<ehrt  nicht  mehr  zurück 
von  jener  Welt.  Das,  o  Hausvater,  ist  ein  Gesetz,  wo- 
nach in  dem  Mönche,  der  unermüdhch,  eifrig,  selbst- 
entschiossen  verharrt,  der  noch  unerlöste  Geist  erlöst 
wird,  die  noch  nicht  geschwundenen  Leidenschaften 
zur  Versiegung  gelangen  und  er  der  bis  dahin  noch 
unerreichten  höchsten   Sicherheit  teilhaftig  wird. 

,, Fernerhin,  o  Hausvater:  da  gewinnt  der  Mönch 
nach  Aufhebung  des  Sinnens  und  Nachdenkens  die 
zweite  Vertiefung,  —  die  dritte  Vertiefung,  —  die 
vierte  Vertiefung,  —  durchstrahlt  mit  liebevollem  — 
mitleidigem  —  mitfreudigem  —  gleichmütigem  Ge- 
müte  eine  Richtung,  dann  eine  zweite,  dann  eine  dritte, 
dann  die  vierte;  und  überall  und  in  allem  sich  wieder- 
erkennend durchstrahlt  er  die  ganze  Welt;  —  gewinnt 
durch  völlige  Überwindung  der  Formwahrnehmungen 
das  Schwinden  der  Reflexwahrnehmungen  und  das 
Nichtbeachten  der  Vielheitswahrnehmungen,  in  der 
Vorstellung:  »Unendlich  ist  der  Raum«,  das  Gebiet 
der  Raumunendlichkeit;  —  gewinnt,  durch  völlige 
Überwindung  des  Gebietes  der  Raumunendlichkeit,  in 
der  Vorstellung:  »Unendlich  ist  das  Bewußtsein,«  das 
Gebiet  der  Bewußtseinsunendlichkeit;  —  gewinnt,, 
durch  völlige  Überwindung  des  Gebietes  der  Bewußt- 
seinsunendlichkeit, in  der  Vorstellung:  »Nicht  ist  da«, 
das  Gebiet  des  Nichtdaseins.  Da  überlegt  er  bei  sich: 
»Auch  diese  Erreichung  des  Gebietes  des  Nichtdaseins 
ist  zusammengesetzt,  ist  zusammengesonnen.  Was 
immer  aber  zusammengesetzt  und  zusammengesonnen 
ist,  das  ist  vergänglich  und  der  Auflösung  unterworfen«. 

—    512    — 


ELFERBUCH  XI 17 


So  erkennt  er.  In  solchem  Zustande  aber  erreicht  er 
die  Versiegung  der  Leidenschaften;  wenn  nicht,  so  er- 
scheint er  eben,  da  er  noch  jene  Lust  und  Neigung  zu 
den  geistigen  Dingen  besitzt,  nach  Zerstörung  der 
fünf  niederen  Fesseln,  in  geistiger  Welt  wieder;  und 
dort  erreicht  er  das  Nirwahn,  kehrt  nicht  mehr  zurück 
von  jener  Welt.  Auch  das,  o  Hausvater,  ist  ein  Ge- 
setz, wonach  in  dem  Mönche,  der  unermüdlich,  eifrig, 
selbstentschlossen  verharrt,  der  noch  unerlöste  Geist 
erlöst  wird,  die  noch  nicht  geschwundenen  Leiden- 
schaften zur  Versiegung  gelangen  und  er  der  bis  dahin 
unerreichten  höchsten  Sicherheit  teilhaftig  wird." 

Auf  diese  Worte  sprach  der  Hausvater   Dasamo 
also  zum  ehrwürdigen  Änando: 

„Gleichwie  ein  Mann,  o  Ehrwürdiger,  der  nach 
einem  verborgenen  Schatze  sucht,  auf  einmal  elf 
Schatzgruben  entdecken  sollte:  ebenso  auch,  o  Ehr- 
würdiger, habe  ich,  der  ich  nach  bloß  einem  Tore  der 
Todlosigkeit  suchte,  gleich  elf  Tore  des  Todlosen  zu 
wissen  bekommen.  Und  gleichwie  ein  Mann,  o  Ehr- 
würdiger, dessen  Haus  elf  Tore  besitzt,  bei  einem 
Brande  des  Hauses  sich  durch  irgend  eines  der  Tore 
retten  kann:  ebenso  auch,  o  Ehrwürdiger,  kann  ich 
mich  durch  irgend  eines  dieser  elf  Tore  des  Todlosen 
retten.  Jene  Andersgläubigen,  o  Ehrwürdiger,  möchten 
für  ihren  Lehrer  das  Lehrgeld  einsammeln.  Warum 
sollte  da  nicht  auch  ich  dem  ehrwürdigen  Anando  eine 
Spende  machen?  Und  der  Hausvater  Dasamo  ließ 
die  in  Vesäli  weilende  Mönchsschar  zusammenkommen, 
bewirtete  und  bediente  sie  eigenhändig  mit  auserlesenen 
harten  und  weichen  Speisen  und  beschenkte  darauf 
jeden  der  Mönche  mit  einem  Paar  Gewänder,  den  ehr- 

—    513    —  33 


XI 18      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Würdigen  Änando  aber  mit  einem  Dreigewand  und  ließ 
für  den  ehrwürdigen  Änando  für  fünfiiundert  Gold- 
stücke ein  Kloster  erbauen. 


18  Der  Rinderhirt 

Der  Rinderhirt,  ihr  Mönche,  der  mit  elf  Eigen- 
schaften behaftet  ist,  ist  außerstande,  die  Rinderherde 
zu  hüten  und  zum  Gedeihen  zu  bringen;  mit  welchen 
elf  Eigenschaften? 

Da,  ihr  Mönche,  kennt  der  Rinderhirt  nicht  die 
Körperformen,  versteht  sich  nicht  auf  die  Erkennungs- 
zeichen, entfernt  nicht  die  Mückeneier,  verbindet 
nicht  die  Wunden,  räuchert  nicht,  kennt  nicht  die 
Tränke,  kennt  nicht  den  Trank,  kennt  nicht  die  Fährte, 
versteht  sich  nicht  auf  die  Weide,  melkt  ohne  einen 
Rest  im  Euter  zu  lassen,  schenkt  den  Stieren,  die  der 
Herde  Väter  und  Leiter  sind,  keine  besondere  Achtung. 

Ebenso  auch,  ihr  Mönche,  ist  der  mit  elf  Eigen- 
schaften behaftete  Mönch  außerstande,  es  in  diesem 
Gesetze  und  dieser  Disziplin  zum  Fortschritte,  zum 
Gedeihen  und  zur  Größe  zu  bringen:  mit  welchen 
elf  Eigenschaften? 

Da,  ihr  Mönche,  kennt  der  Mönch  nicht  die  körper- 
lichen Formen,  versteht  sich  nicht  auf  die  Erkennungs- 
zeichen, entfernt  nicht  die  Mückeneier,  verbindet  nicht 
die  Wunden,  räuchert  nicht,  kennt  nicht  die  Tränke, 
kennt  nicht  den  Trank,  kennt  nicht  die  Fährte,  ver- 
steht sich  nicht  auf  die  Weide,  melkt  ohne  einen  Rest 
im  Euter  zu  lassen,  schenkt  jenen  älteren,  erfahrenen, 
vor  langer  Zeit  in  die  Hauslosigkeit  gezogenen  Mönchen, 

—     514     — 


ELFERBUCH  XI 18 


den  Vätern  und  Leitern  der  Mönchsgemeinde,  l<eine 
besondere  Achtung. 

Wie  aber,  ihr  Mönche,  kennt  der  Mönch  nicht  die 
körperlichen  Formen?  Da,  ihr  Mönche,  weiß  der 
Mönch  nicht  der  WirkHchkeit  gemäß,  daß  alle  körper- 
liche Form,  die  es  gibt,  einbegriffen  ist  in  den  vier 
Hauptstoffen  und  den  von  den  vier  Hauptstoffen  ab- 
hängigen Formen.  So,  ihr  Mönche,  kennt  der  Mönch 
nicht  die  körperlichen  Formen. 

Wie  aber,  ihr  Mönche,  versteht  sich  der  Mönch 
nicht  auf  die  Erkennungszeichen?  Da,  ihr  Mönche, 
weiß  der  Mönch  nicht  der  Wirklichkeit  gemäß,  daß 
an  den  Taten  der  Tor  und  der  Weise  zu  erkennen  ist. 
So,  ihr  Mönche,  versteht  sich  der  Mönch  nicht  auf  die 
Erkennungszeichen. 

Wie  aber,  ihr  Mönche,  entfernt  der  Mönch  nicht 
die  Mückeneier?  Da,  ihr  Mönche,  duldet  der  Mönch 
einen  aufgestiegenen  sinnlichen  Gedanken,  duldet  einen 
aufgestiegenen  Haßgedanken,  duldet  einen  aufgestie- 
genen grausamen  Gedanken,  duldet  die  immer  wieder 
aufsteigenden  üblen,  schuldvollen  Erscheinungen,  über- 
kommt sie  nicht,  vertreibt  sie  nicht,  vernichtet  sie 
nicht,  bringt  sie  nicht  zum  Schwinden.  So,  ihr  Mönche, 
entfernt  der  Mönch  nicht  die  Mückeneier. 

Wie  aber,  ihr  Mönche,  verbindet  der  Mönch  nicht 
die  Wunden?  Erblickt  da,  ihr  Mönche,  der  Mönch 
mit  dem  Auge  eine  Form,  so  haftet  er  am  Ganzen,  haftet 
er  an  den  Einzelheiten,  und  obgleich,  bei  unbewachtem 
Auge,  Begierde  und  Trübsal,  üble,  schuldvolle  Er- 
scheinungen in  ihm  eindringen  möchten,  wacht  er 
nicht  darüber,  hütet  nicht  das  Auge,  wacht  nicht  über 
das  Auge.    Vernimmt  er  mit  dem  Ohre  einen  Ton,  — 


515     —  33* 


SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

riecht  er  mit  der  Nase  einen  Duft,  —  schmeckt  er  mit 
der  Zunge  einen  Saft,  —  empfindet  er  mit  dem  Körper 
ein  Tastgefühl,  so  haftet  er  am  Ganzen,  haftet  er  an 
den  Einzelheiten;  und  obgleich,  bei  unbewachtem 
Körper,  Begierde  und  Trübsal,  üble,  schuldvolle  Er- 
scheinungen in  ihn  eindringen  möchten,  wacht  er  nicht 
darüber,  hütet  nicht  den  Körper,  wacht  nicht  über  den 
Körper.  So,  ihr  Mönche,  verbindet  der  Mönch  nicht 
die  Wunden. 

Wie  aber,  ihr  Mönche,  räuchert  der  Mönch  nicht? 
Da,  ihr  Mönche,  weist  der  Mönch  den  anderen  nicht 
das  Gesetz,  so  wie  er  es  gehört  und  gelernt  hat.  So, 
ihr  Mönche,  räuchert  der  Mönch  nicht. 

Wie  aber,  ihr  Mönche,  kennt  der  Mönch  nicht  die 
Tränke?  Da,  ihr  Mönche,  begibt  sich  der  Mönch  nicht 
von  Zeit  zu  Zeit  zu  jenen  wissensreichen  Mönchen,  die 
mit  dem  Gesetze  wohl  vertraut  sind,  Träger  des  Ge- 
setzes, Träger  der  Disziplin,  Träger  der  Grundlagen 
der  Disziplin  (1)  und  befragt  sie  nicht,  ersucht  sie 
nicht  um  Aufklärung:  »Wie  hat  man  dies,  o  Ehr- 
würdiger, zu  verstehen?  Was  bedeutet  dies?«  Und 
jene  Ehrwürdigen  enthüllen  ihm  nicht,  was  ihm  noch 
unverständlich  ist,  klären  ihn  nicht  über  das  noch 
Unaufgeklärte  auf  und  lösen  ihm  in  mancherlei  zum 
Zweifel  Anlaß  gebenden  Punkten  nicht  seine  Zweifel. 
So,  ihr  Mönche,  kennt  der  Mönch    nicht   die  Tränke. 

Wie  aber,  ihr  Mönche,  kennt  der  Mönch  nicht  den 
Trank?  Da,  ihr  Mönche,  gewinnt  der  Mönch  beim  Vor- 
trage des  vom  Vollendeten  verkündeten  Gesetzes  und 
seiner  Disziplin  kein  Verständnis,  für  das  Gesetz  und 

(1)  Päli  mätikä;  es  sind  dies  Listen  der  Grundbegriffe  des 
Vincaya. 

—     516     — 


ELFERBUCH  XI 18 


seine  Auslegung,  gewinnt  keine   Freude  am   Gesetze. 
So,  ihr  Mönche,  kennt  der  Mönch  nicht  den  Trank, 

Wie  aber,  ihr  Mönche,  kennt  der  Mönch  nicht  die 
Fährte?  Da,  ihr  Mönche,  kennt  der  Mönch  nicht  der 
Wirklichkeit  gemäß  den  Edlen  Achtfachen  Pfad. 
So,  ihr  Mönche,  kennt  der  Mönch  nicht  die  Fährte. 

Wie  aber,  ihr  Mönche,  versteht  sich  der  Mönch 
nicht  auf  die  Weide?  Da,  ihr  Mönche,  kennt  der  Mönch 
nicht  der  Wirklichkeit  gemäß  die  vier  Grundlagen 
der  Achtsamkeit.  So,  ihr  Mönche,  versteht  sich 
der  Mönch  nicht  auf  die  Weide. 

Wie  aber,  ihr  Mönche,  melkt  der  Mönch  ohne 
einen  Rest  im  Euter  zu  lassen?  Wenn  da,  ihr  Mönche, 
vertrauensvolle  Hausleute  den  Mönch  bitten,  von 
ihnen  Gewand,  Almosenspeise,  Lagerstatt  wie  die 
nötigen  Heilmittel  und  Arzneien  entgegenzunehmen, 
so  kennt  er  da  kein  Maß  im  Annehmen.  So,  ihr  Mönche, 
melkt  der  Mönch,  ohne  einen  Rest  im  Euter  zu  lassen. 

Wie  aber,  ihr  Mönche,  schenkt  der  [Mönch  jenen 
älteren,  erfahrenen,  vor  langer  Zeit  in  die  Hauslosig- 
keit  gezogenen  Mönchen,  den  Vätern  und  Leitern  der 
Mönchsgemeinde,  keine  besondere  Achtung?  Da,  ihr 
Mönche,  wartet  ihnen  der  Mönch,  ob  bemerkt  oder 
unbemerkt,  nicht  auf  mit  liebevoller  Tat  in  Werken, 
Worten  und  Gedanken.  So,  ihr  Mönche,  schenkt 
ihnen  der  Mönch  keine  besondere  Achtung. 

Der  mit  diesen  elf  Eigenschaften  behaftete  Mönch, 
ihr  Mönche,  ist  außerstande,  es  in  diesem  Gesetze  und 
dieser  Disziplin  zum  Fortschritte,  zum  Gedeihen  und 
2ur   Größe   zu   bringen. 

Da  aber,  ihr  Mönche,  kennt  der  Mönch  die  körper- 
lichen Formen,  versteht  sich  auf  die  Erkennungszeichen, 


517     — 


XI 18      SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

entfernt  die  Mückeneier,  verbindet  die  Wunden,  räu- 
chert, kennt  die  Tränke,  kennt  den  Trank,  kennt  die 
Fährte,  versteht  sich  auf  die  Weide,  läßt  beim  Melken 
einen  Rest  im  Euter,  schenkt  jenen  älteren,  erfahrenen, 
vor  langer  Zeit  in  die  Hauslosigkeit  gezogenen  Mönchen, 
den  Vätern  und  Leitern  der  Mönchsgemeinde,  besondere 
Achtung.  Der  mit  diesen  elf  Eigenschaften  ausgestattete 
Mönch,  ihr  Mönche,  ist  wohl  imstande,  es  in  diesem 
Gesetze  und  dieser  Disziplin  zum  Fortschritte,  zum 
Gedeihen  und  zur  Größe  zu  bringen. 

—  Er  ist  imstande,  beim  Auge  in  der  Betrachtung 
der  Vergänglichkeit  zu  verweilen,  in  der  Betrachtung 
des  Leidens,  der  Wesenlosigkeit,  der  Auflösung,  des 
Schwindens,  der  Abwendung,  Aufhebung  und  Los- 
lösung. Bei  Auge,  Ohr,  Nase,  Zunge,  Körper  und  Geist, 
bei  den  Formen,  Tönen,  Düften,  Säften,  Tastgegen- 
ständen und  Erscheinungen,  bei  dem  Bewußtsein,  den 
Sinneneindrücken,  den  aus  den  Sinneneindrücken  ent- 
stehenden Gefühlen,  den  Wahrnehmungen,  dem  Willen, 
dem  Sinnen  und  Nachdenken:  da  ist  er  imstande,  in 
der  Betrachtung  der  Vergänglichkeit  zu  verweilen, 
in  der  Betrachtung  des  Leidens,  der  Wesenlosigkeit, 
der  Auflösung,  des  Schwindens,  der  Abwendung,  Auf- 
hebung und  Loslösung. 


Erlöschung 

Zur  Erkennung  und  völligen  Durchschauung  von 
Gier,  ihr  Mönche,  von  Haß,  Verblendung,  Zorn,  Wut, 
Verkleinerungssucht,  Neid,  Geiz,  Gleisnerei,  Falsch- 
heit,   Hartnäckigkeit,    Heftigkeit,    Dünkel,    Hochmut, 

—    518     — 


ELFERBUCH 


Eitelkeit  und  Nachlässigkeit  und  zu  dieser  Dinge 
völligen  Vernichtung,  Überwindung,  Versiegung,  Er- 
löschung, Abwendung,  Zerstörung,  Entsagung  und 
Loslösung  hat  man  elf  Dinge  zu  entfalten:  welche  elf? 
Die  zweite  Vertiefung,  die  erste  Vertiefung,  die 
dritte  Vertiefung,  die  vierte  Vertiefung,  die  erlösende 
Liebe,  das  erlösende  Mitleid,  die  erlösende  Mitfreude, 
den  erlösenden  Gleichmut,  das  Gebiet  der  Raum- 
unendlichkeit, das  Gebiet  der  Bewußtseinsunendlich- 
keit und  das   Gebiet  des  Nichtdaseins. 


Ende    des   Elferbuches. 


Schluß  der  Sammlung  der  Angliederungen. 


519 


ELFERBUCH 


Anhang 
Textkritische  Anmerkungen 

Sutten- 
Nummer: 

VIII 
(Die  Zahlen  beziehen  sich  auf  den  Text  der  P.  T.  S.] 
1     (4.  Verszeile)    Clough  (Sinhalese  Dictionary)  gibt  väja  als  sour 
gruel,  Böhtlingk-Roth  als  Speise,  Opferspeise,  sammäpäsa  = 
sammä  (Sanskr.  samyä,  Stab,  Klock,  Bolzen)  +  apäsa  (Wurf; 
von  apa  +   fas). 

(7.  Verszeile)  Lies:  na  jinäti,  von  ]/jyä,  unterdrücken,  be- 
rauben. Der  Komm,  hat:  ,,na  jänäti  (sie!)  =  ,,na  hänim 
karoti",  jäpaye  ist  das  davon  abgeleitete  Causativ.  Beide 
Formen  fehlen  in  Childers,  Pali  Dictionary. 

(§  10*)     Unter  sämanfia  ist  wohl  hier  nicht  samana-bhäva, 
wie  Buddhaghosa  meint,  zu  verstehen,  sondern  samäna-bhäva . 
Desgl.  ist  bhävanäya  hier  nicht  der  Dat.  zu  bhävanä,  sondern 
zu  bhävanarh. 
S-A        (§  3—4)  =   Umkehrung  von  §  1—2. 

7  Vollkommen  wiedergegeben  in  8,  §  7  bis  §  9. 

8  (§  63)    P.  T.  S.:  mayan  c'aniie  ca  vmd  die  Variante:  mayarii 
mafifle. 

10  (§  32)  kärandavo  mvtß  hier  irgend  eine  Art  Unkraut  sein. 
»Spreu«  ist  hier  ausgeschlossen,  wenigstens  in  der  eigentlichen 
Bedeutung  dieses  Wortes.  Der  Kommentar  gibt  die  Bedeutvmg 
kacavara.  Vielleicht  ist  die  in  der  Fußnote  der  P.  T.  S.'s  Aus- 
gabe angegebene  Variante  die  richtige  Lesart:  käorandako  = 
kä  -f-  randa  (Baum)  +  ko,  elendes  Bäumchen.  Nach  Böthlingk- 
Roth  ist  Karanda,  ebenso  wie  Kuranda,  der  Name  für  eine 
bestimmte  Pflanze. 

(§  5-)  küthäripäsa  bedeutet  hier  entweder  den  Rücken  oder 
Stiel  der  Axt. 

(§  5')    daddara,  ganz    hohl,    von    dar(a)+dara  (Höhlung.) 

—    521     — 


SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Sutten- 
Nummer: 

Ist  indessen  babbara  =  Sanskr.  barbara  (ßaQßaQog  stammelnd, 
kraus,  übertr.:  Fremdling,  Barbar),  die  richtige  Lesart,  so 
dürfte  dies  wohl  die  einzige,  mir  bekannte  Stelle  in  Päli  sein, 
wo  dieses  Wort  vorkommt.  Im  Päli  kommt  das  Wort  in  der 
Bedeutung  von  Barbar,  meines  Wissens,  nicht  vor. 

11  (§  10*)  säraddha  =  sariiraddha  (yrabh),  gequält,  auf- 
gebracht. 

12  (§  11»)  Über  paticca  kammam  gibt  der  Kommentar  ver- 
schiedene Auffassungen  wieder:  ,,Sväyam  etam  mamsarh  pa- 
ticca tarn  pänavadhakammam  phusati;  tarn  hi  akusalaih  upad- 

dhaih  däyakassa  upaddham  patiggähakassa  hoti  ti:  tesam 
laddhi.  Aparo  nayo:  paticca-kamman  'ti  attänam  paticca 
kataih.  Atha  vä:  paticca  kamman  'ti  nimittakammass'  etam 
(Andeutung,  Einverständnis)  adhivacanam;  tarii  paticca- 
kammaih  ettha  atthi  ti  mamsam  pi  paticcakamman  'ti  vuttam." 
(§  1112)  j)ies  ist  die  einzige  mir  bekannte  Stelle,  wo  ein 
im  Weltleben  Stehender  mit  bhante  angeredet  wird. 

13  (§  2^3)  ,,yävajivitapariyädänä  ti  yäva  jivitassa  maranena 
pariyädänä"  (Komm.).  Wörtlich:  „Bis  zur  Beendigung  des 
Lebens  durch  den  Tod." 

14  (§  1-)  Im  Komm,  zu  III,  138  heißt  es:  „assakhalunke  ti 
assapote".  Hier,  wie  X,  87  u.  XI,  10,  bildet  assakhaluiika  den 
Gegensatz  zu  assäjäniya.  Im  IX,  22  aber  werden  drei  Rosse- 
grade aufgezählt:  assakhaluhka,  assasadassa  imd  assäjäniya, 
von  denen  assakhaluhka  dem  Sotapan  (,,idam  dukkhan  'ti 
yathäbhütam  pajänäti")  entspricht,  d.  i.  dem  Begüiner  unter 
den  Ariyapuggalas,  der  den  ersten  Grad  der  Geschwindigkeit 
erreicht  hat.  Childers  gibt  die  Bedeutung:  ,,a  sort  of  horse". 
Khalunka  entspricht  zweifellos  einem  Sanskrit-Diminutivum 
kharu-ka,  junges  Pferd,  Füllen,  was  sich  auch  mit  dem  Kom- 
mentare zu  III,  138  deckt.  Betreffs  der  Einschiebung  des 
Nasals  vgl.  vakra  =  vahka,  patha  =  pantha,  sirisripa  =  sirim- 
sapa  usw. 

(§  3^)  Lies  mit  Komm.:  ,,paccälam  khipati,  kubbaraiii 
hanti,"  was  folgendermaßen  erklärt  wird:  „Dve  pacchimapäde 
ukkhipitva,  tehi  paharitva,  rathakubbaram  bhindati."  Über 
die  Ableitung  von  pacchala  bin  ich  mir  nicht  recht  klar, 

—     522     — 


ELFERBUCH 


Sutten- 
Nummer: 

(  §  14»)  Zu  bähuvikkhepam  vgl.  bähu-utkshepam,  mit 
erhobenen  Armen. 

(§  16*)  Nach  dem  ersten  'mhi  sollte  wohl,  genau  genommen, 
ti  stehen,  also:  »n'eväham  äpanno  'mhi«  ti,  na  pan'  »äham 
äpanno  'mhi«  ti. 
16  (§  2^)  Komm.  „Sota  ti  yassa  säsanam  deti,  tassa  (?)  sota". 
Statt  tassa  sollte  wohl  so  stehen.  Ferner:  ,,sävetä  'ti  tarn 
ugganhitvä:  idam  näma  tumhehi  vuttan  'ti  patisävetä. 

(§  3—4)    =   §  1—2,  doch  für   bhikkhu   steht    Säriputto. 

(1.  Verszeile)    Lies:  vedhati. 

(3.  Verszeile)  Lies:  asandiddham.  diddha  =  digdha  ist 
P.  T.  S.  V.  ydih,  zweifeln,  schwanken. 

19  (§  2*)  äyatakena,  Adv.  (auf  P.  P.  P.  Vyam  zurückgehend) 
hat  wohl  dieselbe  Bedeutung  wie  äyatayä,  nämlich:  plötzlich. 

(§  9")  Der  Text  dürfte  wohl  hier  lauten:  timi,  timihgilä, 
timirigila-gilä,  d.  i.  (eine  Art)  Walfische,  Walfischfresser  und 
Fresser  von  Walfischfressem. 

20  (§  3*)  nandimukhiyä  rattiyä,  wörtl.:  »während  die  Nacht 
freudigen  Gesichtes  ist.« 

(§  5*)    Vielleicht  hat  hier  das  Caus.  ägamessati  zu  stehen. 

21  =  22,  doch  ohne  die  dort  aufgezählte  6.  u.  8.  Eigenschaft, 
statt  dessen  ist  die  zweite  Hälfte  der  5.  Eigenschaft  als  6.  auf- 
gezählt, und  die  8.  Eigenschaft  lautet:  „Von  den  fünf  niederen 
Fesseln,  die  der  Erhabene  erklärt  hat,  bemerke  ich  auch  nicht 
eine,  die  in  mir  noch  nicht  überkommen  wäre." 

26        =  25,  doch  der  Ort  ist  der  Mangohain  des  Jivako  bei  Räja- 

gaha  und  der  Fragende:  Jivako  Komarabhacco. 
29        (§  li)     „Khane  kiccäni  karoti  ti  khanakicco"  (Komm.). 

34  (7.  Verszeile)    Lies:  sampann'  atthu  'dha  puggalo. 

35  (§  2")  „Hine  vimuttan  'ti  (nicht:  hinädhimuttam !)  hinesu 
pancasu  kämagunesu  vimuttam"   (Komm.). 

39        (§  1^)    sovaggika  ist  offenbar  Sanskr.  svargika,  nach  dem 
Komm,  jedoch  =  su  +  agga  +  ika:  „Sutthu  aggänam  rüpädinam 
däyakä  ti  sovaggika"  (Komm,  zu  IV,  51). 
(§   5*)    sankiyanti  ist  Pass  v.   Vkri. 

41 — 46  41,  42,  43  imd  45  sind  in  44  vollständig  enthalten.  41 
schließt  nach  Aufzählung  der  acht  arigas,  die  übrigen  3  Sutten 

—     523     — 


SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERURGEN 


Sutten- 
Nummer: 

schließen  mit  den  Versen  ab.  Der  Ort  in  41  ist  der  Jetahain, 
die  Angeredeten  sind  die  Mönche.  Der  Ort  in  43  ist  der  Palast 
der  Mutter  Migäros,  die  Angeredete:  Visäkhä.  Der  Ort  in  45 
ist  der  Jetahain,  die  Angeredete:  die  Anhängerin  Bojjhä.  42 
ist  an  die  Mönche  gerichtet;  Ortsangabe  fehlt. 
47,  48  Vollständig  enthalten  in  46  (§  4  und  5),  doch  die  Orte 
sind :  der  Palast  der  Mutter  Migäro's  (47)  u.  der  Hirschpark  im 
Bhesakaläwalde  (48),  die  Angeredeten:  Visäkhä  (47)  und 
Näkulamätä  (48). 

49  =  50,  doch  der  Ort  ist  der  Pafast  der  Mutter  Migäros  und 
Visähkä  die  Angeredete. 

50  Die  Erklärungen  in  §§  3,  4  u.  6  genau  wie  in  46,  §  5.  Die 
Erklärungen  der  in  §  8  genannten  Eigenschaften  wie  früher. 

54  (p.  2833)  „Udumbarakhädikan  'ti  yathä  udumbaräni  khäditu- 
kämena  pakkhe  udumbararukkhe  cälite  ekappahären'  eva  ba- 
hüni  phaläni  patanti,  so  khäditabbayuttakäni  khäditvä  itaräni 
bahutaräni  pahäya  gacchati:  evam  .  .  .  usw.  "   (Komm.) 

(p.  283')  ajaddhumärikam  erklärt  der  Kommentar  als  anä- 
thamaranam.  Von  den  verschiedenen  Varianten  ist  vielleicht 
ajetthamäranarh  die  passendste. 

55  =  54,  doch  an  den  Brahmanen  Ujjayo  gerichtet.  Nach  der 
üblichen  Begrüßung  spricht  Ujjayo:  „Ich  möchte,  o  Elirwür- 
diger,  in  die  Fremde  ziehen.  Möge  mir  daher  der  Erhabene 
so  das  Gesetz  darlegen,  daß  usw." 

56  (6.  Verszeile)  Statt  palipatharh  lies  palipam,  das  erklärt 
wird  als  vattapaliparh. 

■66  Die  kommentarielle  Erklärung  von  vimokkha  ist  insofern 
interessant,  als  hier  vimuccati  durch  adhimuccati  erklärt  wird: 
,,Ken'  atthena  vimokkho?  Adhimuccanatthena.  Ko  pan' 
äyam  adhimuccanattho  näma?  Paccanikadharamehi  ca  sutthu 
muccanattho  ärammane  ca  abhirativasena  sutthu  mucca- 
nattho." 

70  (p.  31120)  deva-manussehi  ist  wohl  Abi.,  abhängig  von  yäva, 
und  nicht   etwa   Instrumental,   abhängig   von   suppakäsitam. 

71  u.  72        =  X,  8  u.  9,  doch  fehlt  beiden  der  7.  u.  8.  Pxmkt. 
75  u.  76        Vollständig  in  54  enthalten.     Die  Angeredeten  sind 

die  Mönche. 

—     524     — 


ELFERBUCH 


Sutten- 
Nummer : 

77  u.  78        =   61  u.  62,  doch  der  Sprecher  ist  Säriputto. 

82  (2  letzten  Zeilen)  Lies :  Imehi  kho  Punniya  atthahi  dhammehi 
samannägatä  ekantapatibhänä  tathägataih  dhammadesanä  hoti 
ti.  samannägato  (P.  T.  S.)  ist  auf  alle  Fälle  falsch.  Cf.  IX, 
4  (Anh.). 

83  =  X,  58,  doch  ohne  den  9.  und  10,  Punkt. 

84  (§  23)  „Accäsanne  kammaih  karotl  ti  laddharh  tarn  dakkhi- 
neyye  nidahituih  cheko  nahoti;  paralokamaggaiii  na  sodheti," 
lautet  die  gar  weit  hergeholte  Erklärimg  des  Kommentars. 
Offenbar  bezieht  sich  a_!_  auf  die  Behausimg  des  Räubers. 

IX 

2  (§  2^)  bhikkhu  muß  offenbar  zweimal  stehen,  eirmial  als 
Anrede  (Voc.)  und  einmal  als  Subjekt  (Nom.). 

(§  3543—*)    Die  Stelle  muß   lauten:  bhikkhunä  .  .  .  cattäro 
(dhamme)  upanissäya  vihätabbam. 

4  (§  2»  u.  3")  patibhäsi  und  patibhäseyya  sind  hier  selbst- 
redend keine  Formen  von  ]/bhäs  =  bhäsh,  sprechen  (denn  in 
diesem  Falle  müßte  der  Acc.  dhammapariyäyam  stehen),  aber 
auch  genau  genommen,  nicht  von  |bhä,  wie  Childers  in  seinem 
Wörterbuch  angibt,  sondern  eben  von  l/bhäs  =  Sanskr. 
Vbhäs  scheinen.  Doch  patibhäsati  imd  patibhäti  haben  ge- 
nau dieselbe  Bedeutxmg,  nämlich:  scheinen,  aufleuchten,  ein- 
fallen, im  Geiste  auftauchen. 

6  (§  3*)  samudänetabbä  ist  hier  natürlich  nicht  Genmdivum 
von  saih  +  ud  4-  fan,  sondern  von  +  sam  +  ud  -f-  ä  +  Ym. 
Es  wird  erklärt  als  samudähäritabbä. 

7  (§  22)  giribbaja  =  giri  +  vaja  (vraja).  vaja  bedeutet: 
Gehege,  Hürde,  (für  Vieh),  Pferde,  Stall. 

12  (lOi*— 1*)  „Appatibhänam  bhagavato  n'  atthi.  Na  täv' 
äham  imam  dhammapariyäyam  kathesin  'ti  ayam  pan'  ettha 
attho."      (Komm.). 

16  =  X,  46,  doch  ohne  die  10.  Betrachtung. 

17  (§  2*)    rasiyati  ist  Denominativ  v.  rasa. 

18  (§  1—9)  =  VIII,  41;  §  10:  Idha  bhikkhave  ariyasävako 
mettäsahagatena  cetasä   ekam   disaifa   pharitvä  vüiarati  usw. 

—     625     — 


SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

S  utten- 
Nummer: 

20  (§  1')  kanajakarii  =  (kana  +  ja  +  ka)  dürfte  wohl  die  rich- 
tige Lesart  sein.  Die  sinhalesische  Ausgabe  des  Kommentars 
hat  allerdings  kanäjakarh;  und  die  Erklänmg  lautet:  „sakun- 
daka-bhattaih,  sakundakehi  pi  kanika-tanduleh'  eva  pakkarh." 

(§  2')  apaviddham  (l/vyadh),  wörtl.:  das  Weggeworfene, 
wird  erklärt  als  als  na  nirantaram,  was  offenbar  falsch  ist. 

(§  2^)  „Anägamanaditthiko  deti  ti  na  kammafi  ca  phalan 
ca   saddahitvä   deti."      (Komm.) 

(§  41")  Entweder  duküla-sandänäni  oder  _!_sandhänäni 
dürfte  die  richtige  Lesart  sein:  »auf  welchem  Seidendecken 
befestigt  sind.« 

21  (§  21)  amamä  erklärt  der  Kommentar  als  nittanhä  und 
fügt  die  interessante  Bemerkung  hinzu,  daß  jedoch  in  der 
Atthakatliä  (also  in  der  sinhalesischen  Version  der  Mahä-Attha- 
kathä;  vgl.  Vorrede)  dieses  Wort  als  niddukkliä  erklärt  sei. 

(§  21)    visesabhuno  ist  Nom.  Plur.  v.  visesabhü. 
25    Vollständig  in  26,  §  3  u.  §  4  enthalten. 

27  =  X,  92,  doch  ohne  den  Zusatz :  ariyo  c'assa  fiäyo  .  .  .bis  ...  . 
suppatividdho. 

28  =   27,  doch  an  die  Mönche  gerichtet. 

29  u.  30        =   X,  79  u.  80,  doch  ohne  den  10.  Pimkt. 

33  (§  2*)  Statt  tinnä  hat  der  Kommentar  nittanhä,  mit  der 
Erklänmg:  ,,frei  von  kämatanhä." 

(§  51)  upekkhäsukham  ist  hier  kein  Dvanda,  sondern  ein 
Tappm'isa  Samäsa. 

36  Die  zwei  letzten  Zeilen  von  §  1  sind  auszulassen;  auch  die 
folgenden  Fragen  und  Antworten  gehen  nur  bis  zum  dritten 
rüpäyatana,  da  eben  das  vierte  rüpäyatana  nicht  mehr  als 
Objekt  der  Vipassanä  Übung  dienen  kann:  ,,Atha  nevasanüä- 
näsafiiiäyatanam  kasmä  na  gahitan  'ti?  Sukhumattä. 
Tasmim  hi  cattäro  arüpakkhandhä  sukkhumä,  na  sammasanü- 
pagä.  Ten'  aha  »Iti  kho  bhikkhave  yävatä  saünäsaniäpatti, 
tävatä  anfiäpativedho«  'ti  (letzter  Absatz).  Idam  vuttaih  hoti: 
yavatä  sacittakasamäpatti  näma  atthi,  tävatä  olarike  dhamme 
sammasato  anfiäpativedho  hoti,  arahattarii  sampajjati;  neva- 
sannänäsaiinäyatanam  pana  sukhumattä  sannäsamäpatti  ti  na 
vuccati."    (Komm.) 

-     526     - 


ELFERBUCH 


Sutten- 
Nummer : 

(§  2*)  paloko  erklärt  der  Kommentar  mit  palujjanatthena, 
als  ob  das  Wort  von  pa  +  Vruj  abzuleiten  sei,  was  wegen  des 
k  kaum  möglich  ist. 

p.  42612)    Lies:  jhäyih'  etc. 

37  (§  72).  Der  Kommentar  hat  Jätilagähiyä,  mit  der  Erklärung 
Jätilagahanagara-väsini. 

38  (Schluß)  visattikä  ist  offenbar  entstanden  aus  vishakta 
(P.  P.  P.  vi  +  Vsaüj),  anhaftend,  vmd  nicht  etwa  aus  vishakta 
=  visha  +  akta  (Vaüj),  gift-beschmiert,  wie  der  Kommentar 
erklärt. 

40        (Schluß)    attamano  kandum  sariihanti. 

42  (2.  Verszeile)  Text  wie  Kommentar  haben  patilinanisabho , 
obzwar  die  Stelle  zweifellos  patilin'  usabho  oder  patilinisabho 
lauten  muß,  was  auch  gleichzeitig  die  richtige  Silbenzahl 
ergibt. 

43  (§1)  käya  bedeutet  natürlich  hier,  ebenso  wie  in  känapassad- 
dhi,  käyena  phassifcvä  usw.,  keineswegs  den  stofflichen  Körper, 
rüpakäya,  sondern  den  geistigen  Körper  (näma-käya),  speziell 
die  drei  Khandhas:  vedanä,  saniiä  und  sankkära,  wie  der 
Abhidhamma  lehrt. 

71,  72  Den  Text  der  5  cetokhilas  imd  5  vinibandhas  habe  ich 
vollständig  wiedergegeben  in  X,  14. 


X 

2  (2.  letzte  Zeile)  ,,Apärä  päraih  gamanäyä  ti  orimatirabhütä 
tebhümakavattä  nibhänapäraih  gamanatthäya."      (Komm.) 

4  u.  5    =3,  doch  von  Säriputto  betw.  Änando  vorgetragen. 

6  =8,  doch  steht  in  9  als  9.  Eigenschaft  die  Erreichimg  der 
formlosen  Freiungen,  in  10  aber  als  8.  Eigenschaft  die  Er- 
innerung an  frühere  Daseinsformen  imd  als  10.  Eigenschaft 
das  Himmlische  Auge. 

17  =  18,  doch  ohne  die  in  jeddm  der  10  Punkte  sich  wieder- 
holenden Worte  therä  pi  .  .  .  bis  .  .  .  parihäni. 

18  Die  hier  lau-z  angedeuteten  10  Eigenschaften  habe  ich  voll- 
ständig wiedergegeben  in  X,  50. 

—     527     — 


SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Sutten- 
Nummer: 

19  =   20,  §  2—3. 

20  (§  22)    Der    catiiräpasseno    (Bahubbihi  S.)    wird    in    IX,  2 

als    nissaya-samparmo    bezeichnet    (bhikkhunä cattäro 

dhamma  upanissäya  vüiätabbam).  apassenam  ist  offenbar,  wie 
Childers  vermutet,  apa  +  ä  +  srayana,  „that  which  should  be 
observed  or  had  recourse  to",  m.  a.  W.  „Stütze"  =  apa-äsra- 
yana,  das,  ebenso  wie  nissaya  tind  upanissäya  (Ger.),  auf  Ysri 
zurückgeht. 

(§  33)  samavayasatthesano  wird  folgendermaßen  erklärt: 
avaya  =  anünä;  sattha  =  vissatthä;  ,,Sammä  avayä  satthä 
esanä  assä  ti  =  sam-avaya-satth'  esano,  vissattha-sabba-esano". 

21  (§  41)  „Sabbatthagäminirh  ( —  „sabbagatigäminim")  pati- 
padaih  yathäbhütam  pajänäti  ti  bahusu  pi  manussesu  ekam 
eva  pänam  ghätentesu  »imassa  cetanä  nirayagämini  bhavissati, 
imassa  trracchänayonigämini  bhavissati»  ti  iminä  nayena  eka- 
vatthusmim  pi  kusaläkusalacetanäsankhätänam  patipattinaih 
aviparitato  sabhävam  jänäti."  (Komm.)  Zimi  Belege  zitiert 
der  Kommentar  eine  Abhidhammastelle :  „Tattha  katamam 
tathägatassa  sabbatthagämim  patipadä  yathäbhütam  nänaih? 
Idha  tathägato:  »ayam  maggo,  ayam  patipadä  nirapayämini« 
ti  pajänäti  usw."  sabbattha  ist  hiemach  sarvatra  und  lücht 
sarva-artha,  das  Heil  Aller,  wie  ich  anfangs  armahm. 

(§  72)  „Indriyaparopariyattan  'ti  saddhädinam  indriyänaih 
parabhävan  ca  aparabhävan  ca,  vuddhin  ca  hanin.  cä  ti  attho." 
(Komm.).  Im  Abhidhamma  heißt  es:  »Tattha  katamam  ta- 
thägatassa parasattänam  parapuggalänam  indriyaporiyattam 
yathäbhütam  nänaih  ?  Idha  tathägato  sattänam  äsayam  jänäti 
usw." 

22  (§  2-)  Lies:  adhivuttipadänam ;  erklärt  als  adhivacanapa- 
dänarh,  adhivutti  =  adhi  +  ukti  (von  fvac).  Die  Ausgabe 
der  P.  T.  S.  hat  adhimuttio  und  in  einer  Fußnote  adhimutti- 
padhänam,  was  beides  falsch  ist. 

(§  2^)  Lies:  nätayyaih  datthayyam  sacchikätayyäm  =  nä- 
tabbarii  usw.,  durch  ungewöhnliche  Assimilation  von  vy  zu 
yy  (statt  bb)  entstanden.  Die  Formen  näteyyarh,  nätassayarh  ( !) 
usw.  (P.  T.  S.)  sind  unmöglich. 

p.  87«  bis  Schluß  =  21,  §  li»  bis  Schluß. 

—    528    — 


ELFERBUCH 


Sutteu- 
Nuranier: 

23  (§  53)  Lies  oi^aväsassa,  vom  Komm,  erklärt  als  „nissäya 
iipasankamitvä  vasantassa".  Alle  die  auf  die  totale  Unwissen- 
heit eines  der  Palisprache  völlig  imkundigen  Kopisten  zurück- 
zufülarenden  Fehler,  wie  z.B.  hier  wieder:  upäsakassa,  yopa- 
väsassa,  oväpavässa  (!),  sollten  doch  walirlich  nicht  in  dem 
Werke  eines  Gelehrten  angefülxrt  werden. 

(§  5  u.  7.)  Es  ist  auffällig,  daß  von  den  zehn  aufgezählten 
Eigenschaften  bloß  päpikä  issä  tmd  päpikä  icchä  erklärt  werden . 
Sollte  dies  etwa  eine  spätere  Interpolation  sein? 

26  (4.  u.  5.  Verszeile)  P.  T.  S.  wie  Komm,  haben  sakkhi,  doch 
muß  es  heißen  sakhi  (  =  sakhä)  Freimd,  wie  auch  aus  der 
Erklärung  des  Kom-  mentars  hervorgeht:  ,,mayharh  kena  ci 
saddhiih  mittadhammo  n'  atthi". 

(§  3*)  Lies  mit  dem  Komm.:  ädim  (nicht  assädaih!)  addasa; 
erklärt  als  ,,samudayasaccam  addasa". 

27  (§  52)  eko  ävuso  panho  .  .  .  bis  .  .  .  dasa  veyyäkaranäni 
ti  hat  man  wohl  hier  als  Frage  aufzufassen,  wie  auch  aus  dem 
folgenden  evarii  putthä  zu  schließen  ist.  Man  vermißt  jedoch 
das  Interrogativ  Pronomen. 

(§  6*)  sammäpariyantadassävi  wird  erklärt  als:  ,,udayab- 
bayehi  parichinditva  pubbanta-dassanena  sammä  pariyanta- 
dassävi." 

(§  6^)  „sammatthäbhisameccä  ti  sama-sabhägattam  iiänena 
abhisamägantvä."  (Komm.) 
29  (§  621)  Lies.;  ubhatohägavimattham  (nicht  vimattam,  wie 
der  Komm,  hat!),  beiderseits  geglättet.  Childers  ssagt:  ,,with 
a  nap  on  both  sides".  vimattha  ist  P.  P.  P.  von  vi  +  ymaj 
=  mrij,  abwischen,  glattstreichen,  polieren.  Der  Komm,  sagt: 
,,dvisu  pi  passesu  sabbam  mudu  siniddham  khäyati." 

(p.  61 2)  Kannikära  (=  Skr.  Karnikära),  sterospermum  ace- 
rifolium  oder  vielleicht  cassia  fistula  (Böhtl.) 

(p.  623)  bandhujivaka-puppha,  wörtl.  »Freimdesleben«, 
pentapetes  phoenicea,  ist  eine  schöne  rote  Blume,  die  mittags 
sich  öffnet  und  anderen  Morgens  mit  Sonnenaufgang  abfällt 
(Böhtl.).  Im  Sinhalesischen  heißt  sie  sapattu  mal,  d.  i.  Schuh- 
blume. 


—     529     —  34 


SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERNUNGEN 

Sutten- 
Nummer: 

(§  12)     Hier  fehlen  offenbar  die  einleitenden  Worte  (Santi 
bhikkhave  usw.)  wie  in  §§  13  u.  14. 

(§  12«)  An  dieser  Stelle  (no  c'assa  usw.)  bin  ich  in  meiner 
Übersetzung  der  Erklärung  des  Kommentars  gefolgt:  „Sace 
aham  atite  na  siyarh,  etarahi  pi  ayam  attabhävo  na  siyä" 
imd  „Sace  anägate  na  bhavissämi,  na  ca  me  kinci  palibodha- 
jätam  bhavissati." 
30  (p.  66»)  Zu  mettupahärarh  upadamsesi  vgl.  thämam  upadarii- 
setä  (VIII,  13,  2). 

36  (Vorletzte  Zeile)  Lies:  ävenikammäni  karonti;  erklärt  als: 
,,visum  (getrennt)  kammäni  karonti".  ävenika  (von  a  +  veni) 
erklärt  Childers  als:  free  from  contact,  detached  und  Böhtl. 
als:  mit  einem  anderen  in  Berührung  stehend,  ganz  in  sich 
abgeschlossen,  imabhängig.  Das  Wort  ist  wahrscheinlich  auf 
yven,  gehen,  zurückzuführen. 

37  =35,  doch  für  Upäli  lies  Änando. 

38  (§  2)  kappatthiyarh  erklärt  der  Kommentar  mit  äyukappam, 
wo  er  mit  ayu  natürlich  nicht  die  Lebensdauer  des  Menschen 
meint. 

40        =36,  doch  für  Upäli  ließ  Änando. 

40  (1 .  Verszeile)  In  asamaggänan  ist  das  alpha  privativum  metri 
causa  ausgefallen. 

44  (§  3*)  appatimarhsena,  unberührt,  unangetastet,  patimamsa 
geht  zurück  aus  j/mas  =    "/mris. 

45  (§  11 2)     Lies:  "sammaddam,  von   Vmrid. 

51  (§  3*)  Lies:  bhikkliu  paccavekkhamäno  bahukäro  hoti 
(M.  Ph.).  bhikkhuno  paccavekkhanä  bahukärä  hoti  ist  falsch; 
mindestens  m.üßte  es  dami  honti  heißen,  wie  in  T. 

52  =51,  doch  von  Säriputto  vorgetragen. 

53  Von  §  5  ab  =   51. 

54  Von  §  7  ab  =  IX,  6,  §  3  bis  Schluß,  bloß,  daß  es  hier  vadämi 
statt  veditabbo  heißt  und  der  sich  dort  an  erster  Stelle  befind- 
liche Gegenstand  hier  an  letzter  Stelle  behandelt  wii'd. 

59  (§1)  Tasmät  iha  läßt  darauf  schließen,  daß  hier  eine  Ein- 
leitung fehlt. 

—     530    — 


ELFERBUCH 


Sutten- 
Nximmer: 

(§  2*)     „Sambhavaii    ca  vibhavafi  cä    ti  tassa  vaddhiii  ca 
vinäsaii  ca  tathä  sampattin  ca  (vipattin  ca)."     (Komm.) 
60        (p.  110«)  Bakkhasä  ti  nakkehi  vilek  hitatthäne  rogo.  (Komm.) 

67  (§  1*)  paläsa  (butea  frondosa),  in  Sinhalesisch  gaskäla,  ein 
Baum  mit  roten  Blüten. 

68  §§  1,  2  u.  5,  sowie  die  Gleichnisse,  genau  wie  in  67. 

69  (§  11")  suräkatham  (Gespräch  über  Wein)  ist  die  richtige 
Lesart,  nicht  sürakatham  (Gespräch  über  Helden).  Der  Kom- 
mentar erklärt  beide  uns  überlieferten  Lesarten. 

(§  112)  Itibhaväbhavakathain :  „bhavo  'ti  vuddhi;  abhavo 
'ti  häni.  »Iti  bhavo,  iti  bhavo«  'ti  yarh  vä  tarn  vä  niratthakathä 
itibhaväbhavakathä  näma."  (Komm.) 
73  (§  2*)  „dhammä  ti  nava  lokuttarä  dhammä."  (Komm.) 
Die  nevm  lokuttara-dhammas  sind:  die  vier  maggas,  die  vier 
phalas  Lmd  Nirwahn. 
75  Diese  Sutte  ist  identisch  mit  der  wohl  ursprüngUcheren  Sutte 
VI,  44,  doch  weiter  ausgebaut.  Logischerweise  können  wohl 
kaum  alle  beide  dem  Erhabenen  zugeschrieben  werden. 

(§  4*)  bähusaccam  erklärt  der  Kommentar  als  viriyaih,  als 
ob  hier  sacca  aus  sakti  +  ya  entstanden  sei.     Vgl.  Anh.  86. 

(§  21)  tintino  ist  möglicherweise  abgeleitet  von  ytim  be- 
feuchten, feucht  sein.  „Tintinarh  vuccati  tanhä;  täya  samannä- 
gato.    Äsankhäbähulo  vä."    (Komm.) 

(§  2*)     oravitä  (=    ava-ravitar),  Schreier. 

(§  23)  Der  Kommentar  hat:  „Nevadiko  ti  nivädakaro"  und 
in  einer  Fußnote:  „nevasiko  'ti  nivassakaro".  Die  verkehrte 
Lesart  necayiko  ist  ofienbar  daraiif  zurückzuführen,  daß  die 
Buchstaben  o  und  y,  sowohl  in  der  birmanischen  als  auch  in 
der  sinhalesischen  Schrift,  oft  kaum  von  v  und  s  zu  unter- 
scheiden sind,  sodaß  der  Kopist  necayiko  für  nevasiko  ge- 
lesen haben  mag.  Möglicherweise  soll  es  vivädakaro,  zanksüchtig, 
heißen. 
80  (§  21)  Im  Kommentar  ist  eine  zweite  Lesart  angeführt: 
kuto  labhä,  deren  Erklärimg  durch  Buddhaghosa  wohl  am 
besten  den  Sinn  dieser  Stelle  wiedergibt:  „Ettha  kopaih  kare- 
yyam,  tasmim  me  kopakarane  kuto  läbhä,  läbhä  ke  siyvm?  'ti 
attho."    tarn  wird  als  Adverb  erklärt. 

-     531     -  34* 


SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 


Sutten- 
Kummer : 

84         (p.  156«)     „Irinan  'ti  tucchabhävarii"  sagt  der  Kommentar, 

was  ungefähr  dem  Sinne  des  Wortes  als  »unfruchtbarer  Boden« 

entspricht.     Sollte  es  aber  an  dieser  Stelle  nicht  etwa  heißen 

iranarh,  von  j/ir,  sich  bewegen,  mit  der  Bedeutung  »Erregung«? 

(p.  156)     vipinam  (nicht  vijinarh!)  erklärt  der  Kommentar 

•     als : ,  ,gunavivittakam  niggunabhävarh , ' '  fügt  aber  die  Bemerkung 

hinzu:   ,,atha  vä  irinasankhätam    arafifiam  (sie!),    vipinasan- 

khätam  gahanan  (Gestrüpp)  ca  äparmo  viya  hoti". 

86  (p.  162^)  ,,Adhimänasacco  'ti  adhigatamänam  eva  saccato 
vadati".  Vielleicht  ist  hier  sacca  auf  sati  zurückzuführen. 
Bei  sacca  darf  man  nie  vergessen,  daß  dieses  Wort  in  Wirk- 
lichkeit vier  ganz  verschiedene  Worte  darstellen  mag,  nämlich: 
1.  satya  (sat  +  ya),  Wahr-heit;  2.  suti  =  sruti,  von  fsru,  hören 
hören)  +  ya,  Wissen;  3.  sati  (smriti,  von  ysmri,  sich  erinnern) 
+  ya,  Achtsamkeit,  Gedächtnis;  4.  satti  (sakki,  von  fsak,  fähig 
sein)  +  ya,  Kraft. 

87  (§  li)  Vielleicht  soll  der  Mönch  Kokäliko  gemeint  sein. 
Vgl.  auch  89. 

88  =  XI,  6,  doch  ohne  den  7.  Punkt. 

89  (§  1*)  Lies:  kificäp  'ime.  Ime  ist  Objekt,  bezogen  auf  Säri- 
putto  und  Moggalläno. 

(§  2*)  Die  sog.  Mungbohnen  (phaseolus  mungo),  im  Sinli. 
mimg  und  mung  äta  haben,  besonders  wenn  sie  zubereitet 
sind,  ganz  und  gar  das  Aussehen  von  kleinen  Linsen. 

(§  2*)  kola,  hier  wohl  die  Frucht  des  Brustbeerbaumes, 
bezeichnet  außerdem  noch  eine  Art  Pfeffer,  piper  chavya,  in  Sin- 
halesisch  siviya. 

(12.  Verszeile)  Die  hier  angegebene  Lebensdauer  in  der 
Padumaniraya  deckt  sich  weder  mit  der  nach  Buddhaghosa'scher 
Rechni.mg  erhaltenen  noch  mit  der  im  Abhidhänapp.  ange- 
gebenen Zahl.  Letzteres  Werk  gibt  auf  alle  Fälle  eine  ver- 
kehrte Reihenfolge  der  von  Abbuda  an  aufsteigenden  Zahlen, 
die  es  jedesmal  um  die  nächst  höhere  Potenz  anwachsen  läßt, 
was  ebenfalls  weder  mit  unserem  Texte  (p.  173i*'~2i)  noch 
mit  den  Angaben  Buddhaghosa's  übereinstimmt.  Selbst  Abbuda 
wird  anders  angegeben. 

—    532    — 


ELFERBUCH 


Sutten- 
Jfummer : 

Abhidhänapp.  hat:  1.  Abbuda  =  10  000000»  (Komm.  =  — «). 
2.  Nirabbuda  =  do.»  3.  Ahaha  =  do.!**  4.  Ababa  =  do." 
5.  Atata  =  do.i^.  6.  Sogandhika  =  do.is.  7.  Uppalaka  =  do.i*. 
8.  Kumuda  =  do.i^.  9.  Pundarika  =  do.i«.  10.  Paduma=: 
do.i'  (120  stellig). 

Nach  Buddhaghosa  ergeben  sich  folgende  Zahlen: 

Koti  10  000000 

Pakoti       do2 

Kotipakoti  do^ 

Nahuta        do* 

Nümahuta  do^ 

1.  Abbuda       do* 

2.  Nirabbuda 

3.  Ababa 

4.  Ahaha 
6.  Atata 

6.  Kumuda 

7.  Sogandhika 

8.  Uppalaka 

9.  Pundarika 
10.  Paduma 

Paduma  beträgt  also 
nach  Kommentar :  512  000  Octillionen  (54  stellig), 
nach  Abhidän:  10  000  OOOi'  (120  stellig), 
nach  d.  Versen :  2  Octillion  725  Septillion  (49  stellig),  nämlich 
100  000  Nirabbudas   +   36  Nirabbudas   +   5  Abbudas. 

94  (p.  1911)    „pattakkhandhä  ti  patitakhandhä"  (Komm,). 

95  (§  33)  ,,Sabbasämukkamsikam  vata  mayä  sabbapucchänam 
uttamapuccharh  pucchito  usw."  (Komm.)  In  diesem  Zu- 
sammenhange hat  sämukkamsika  ohne  Zweifel  die  Bedeutung 
»erhaben«  (abgeleitet  von  sam  +  vid  +  "j/krish),  was  auch  der 
Kommentar  zugibt.  In  der  Verbindung  buddhänarii  sämukkam- 
sika dhammadesanä  (VIII,  12)  indessen  hat  der  Kommentar: 
,, Sämukkamsika  ti  attanä-y-eva  uddharitvä  gahitä,  sayambhu- 
nänena  ditthä,  asädhäranä  anfiesan  'ti  attho",  als  ob  hier 
s®  aus  säma  +  ukkarhsika    entstanden  sei;  doch  der  Zusatz: 


(  Sstellig 

)  = 

10  Millionen 

(15     „ 

)  = 

100  Billionen 

(22     „ 

)  = 

1000  Trillionen 

(29     „ 

)  = 

10  000 

Quadrillionen 

(36     „     ^ 

= 

100  000 

Quintillionen 

(43     „ 

)  = 

1 

Septillion 

(44     „ 

)  = 

20 

,,    . 

(45  „  : 

= 

.     400 

,, 

(46  „  ; 

= 

8  000 

,, 

(48     „     ^ 

= 

160  000 

,, 

(49     „ 

)  = 

3 

Octillion  200  000 

(50     „ 

)  = 

64 

„       [Septillion 

(52     „ 

)  = 

1280 

„ 

(53     „ 

)  = 

25  000 

>> 

(54     „ 

)  = 

512  000 

„ 

—    533 


SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 

Sutten- 
Nummer: 

asädhäranä  aiifiesam  mag  auch  in  ersterem   Sinne  ausgelegt 
werden.     Vgl.  Childers. 

96  (§  1*)  „Pubbäpayamano  'ti  pubbasadisäni  nirudakäni  kuru- 
mäno."  (K^omm.)  Nach  dieser  Erklärung  scheint  Buddhaghosa 
pubbäpayati  als  Denominitivum  von  pubba  aufzufassen,  d.  i. 
»in  den  früheren  Zustand  versetzen«.  Ph.  liest  indessen  sukkhä- 
payamano,  (Denom.  v.  sukkha,  trocken)  was  der  Erklärung 
des  Kommentars  ebenfalls  nicht  widerspricht  und  wahrschein- 
lich auch  die  richtige  Lesart  sein  dürfte. 

(§  li*)    Lies:  kvattha  =  ko  attha  (asta),  wer  seid  Ihr?    Der 
Kommentar  hat:  „kottha  =   ko  ettha". 

99  (§  4')  vankaka  erklärt  der  Kommentar  als  einen  kleinen 
Kinderpflug  zum  Spielen,  pattälhaka  (patta  +  alhaka)  ist 
nach  dem  Kommentar  ein  Blatt,  mit  dem  die  Kinder  beim 
Spielen  den  Sand  abmessen. 

108      =   109,  doch  statt  Brechmittel  lies:  Abfülirmittel. 

110  =  106,  doch  statt  Versiegimg  und  versiegt  lies:  Erlöschung, 
bezw.  erloschen. 

112  Ist  eine  bloße  Aufzählvmg  der  in  111  genannten  10  asekhiya 
dhammas. 

114  -  115,  §  6—7. 

115  (p.  2252)  Sugato  wie  athäparam  (T.  M.)  gehören  nicht  hier- 
her, sondern  bilden  einen  Teil  der  stereotypen  Redewendung: 
Idam  avoca  bhagavä.  Idam  vatvä  sugato  athäparam  avoca 
satthä,  worauf  dami  regelmäßig  die  Verse  folgen. 

118  =  117,  doch  an  die  Mönche  gerichtet. 

119  (p.  23413)  Wahrscheinlich:  omajjitvä,  von  ava  +  ynirij, 
bestreichen.  P.  T.  S.  hat  opuiijitvä  und  in  einer  Fußnote: 
omayitvä. 

120  Vollständig  in  119  enthalten. 
167      §§  1  u.  3  =   119,  §§  1  u.  3. 

§  2  =   168,  §  2. 

169  =  170,  §  2,  u.  zw.  als  Antwort  auf  die  Frage  des  Brahmanen 
Sangäravo. 

170  Verse  wie  in  117. 

171 — 173  =  113 — 115,  doch  anstelle  der  dort  genaimten  10  Eigen- 

—     543     — 


ELFERBUCH 


Sutten- 
Nummer : 


Schäften  treten  hier  die  10  Wirkensfährten  (wie  in  170),  und 
für  Änando  hes:  Mahäkaccäno. 
176       (§  1')  pacchäbhümakä. 

(§  1')     kamandalu  ist  der  von  einer  gewissen  Klasse  von 
Asketen  gebrauchte  Wassertopf.    Vgl.  venumän  sakamandaluh. 
aj.  I,  133,  (cit.  Vaidya). 
(p.  265)    Lies:  kantaka. 
201  u.  207      =   200  bezw.  206.     Da  sich  in  vorliegender  Ausgabe 
beide  Sutten  in  keiner  Silbe  von  200  bezw.  206  unterscheiden, 
so  ist  anzunehmen,  daß  mindestens  einige  einleitende  Worte 
fehlen. 
208       (§  23)     „N'  äyam  käyo  'ti  idam  käyam  gahetvä  paralokarii 
gantum  na  sakkä  'ti  attho."    (Komm.) 

(§  23)  „Cittantaro  'ti  cittakärano.  Atha  vä:  citten'  eva 
antariko;  ekass'  eva  hi  cuticittassa  anantarä  dutiye  patisan- 
dhicitte  devo  nämä  hoti,  nerayiko  näma  hoti,  tiracchänagato 
nämo  hoti;  purimanaye  pi  cittena  käranabhütena  devo  nerayiko 
vä  hoti  ti  attho."    (Komm.) 

(4.,  vorletzte  Zeile)  Lies:  idha  paiinassa  bhikkhimo.  „Imas- 
mim  säsane  panfiä  »idha  pafinä«  näma"  erklärt  der  Kom,- 
mentar. 


XI 

1_5     =  X,  1 — 5,  doch  werden  nibbidä  und  viräga  hier  als  2  Pimkte 
gerechnet. 
7        =   8,  §  1 — 4,  doch  von  Säriputto  vorgetragen. 

10  (§  3')  »Doniyä  baddho  'ti  yavasadoniyä  samipe  baddho." 
(Komm.) 

(2.  Verszeile)    Lies:  yassa  te  n'  äbhijänäma. 

12  =  13,  doch  der  zweite  Satz:  tena  .  .  .  bis  .  .  .  aciravutthito 
gelaüfiä  fehlt,  und  die  sechs  Betrachtungen  schließen,  wie  III, 
jedesmal  mit  den  Worten :  Ayam  vuccati  Mahänämo  ariyasä- 
vako  visamagatäya  pajäya  .  .  .  usw.  

18  (§  2*)  sätetä  geht  zurück  auf  yäät,  bezw.  das  Gaus,  "j/sät, 
sichtbar  machen,  zeichen.     Der  Sinn  ist  hier,  wie  auch  der 

—     535     — 


SAMMLUNG  DER  ANGLIEDERUNGEN 


Sutten- 
Nummer: 

Kommentar  erklärt,  augenscheinlich:  entfernen,  was  aller- 
dings deutlicher  zum  Ausdruck  kommt  durch  die  Lesart  (M.  Ph.) 
häretä. 

(§  18 — 30)  Umkehrung  zum  Vorhergehenden. 
19 — 22  =  7,  doch  in  19  sind  es  zahlreiche  Mönche,  welche  die 
Frage  stellen,  und  in  20  richtet  der  Erhabene  erst  die  Frage 
an  die  Mönche,  um  sie  dann,  nach  der  stereotypen  Antwort 
der  Mönche:  bhagavämülakä  no  bhante  dhammä  ....  usw., 
selber  zu  beantworten.  In  21  dagegen  begeben  sich  die  Mönche 
zu  Säriputto,  um  ihm  diese  Frage  zu  stellen. 


p-J^.    a';.--7-  c^a 


PK  Anguttaranikaya 

4-591      Diö  Reden  des  Buddha 

A615  2.  Aufl. 

v.8-11 


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