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Full text of "Die römischen Privataltertümer"

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1^ 


HANDBUCH 

DER 

KLASSISCHEN 

ALTEKTUMS-WISSENSCHAFT 

in  systematischer  Darstellung 

mit  besonderer  Rücksicht  auf  Geschichte  und  Methodik  der  einzelnen 

Disziplinen 


In  Verbindung  mit  Gymn.-Rektor  Dr.  Autenrieth  f,  Prof.  Dr.  Ad.  Bauer,  Prof.  Dr.  E.  Bethe. 
Prof.  Dr.  Th.  Birt,  Prof.  Dr.  Frhr.  von  Bissing,  Prof.  Dr.  Blass  f,  Prof.  Dr.  Blümner,  Prof.  Dr. 
Bonhöffer,  Prof.  Dr.  Brugmann,  Prof.  Dr.  H.  Bulle,  Prof.  Dr.  Busolt,  Prof.  Dr.  von  Christ  f, 
Prof.  Dr.  Leop.  Cohn,  Prof.  Dr.  L.  Curtius,  Dr.  K.  Dieterich,  Prof.  Dr.  Dragendorff,  Prof. 
Dr.  A.  Ehrhard,  Dr.  E.  Fiechter,  Oberlehrer  Dr.  E.  Gerland,  Prof.  H.  Gleditsch,  Prof. 
Dr.  0.  Gruppe,  Prof.  Dr.  Günther,  Gymn.-Rektor  C.  Hammer,  Dr.  Fr.  Hauser,  Prof.  Dr.  Heer- 
degen, Prof.  Dr.  A.  Heisenberg,  Dr.  G.  Herbig,  Prof.  Dr.  Hommel,  Prof.  Dr.  Hübner  f. 
Prof.  Dr.  Judeich,  Prof.  Dr.  Jul.  Jung  f,  Dr.  G.  Karo,  Prof.  Dr.  Krumbacher  f,  Prof.  Dr. 
W.  Kubitschek,  Prof.  Dr.  Larfeld,  Dr.  Lolling  f,  Prof.  Dr.  E.  Lommatzsch,  Prof.  Dr.  E.  Löwy, 
Dr.  P.  Maas,  Dr.  M.  Manitius,  Dr.  P.  Marc,  Prof.  Dr.  Berth.  Maurenbrecher,  Prof.  Dr.  A.  Mayr, 
Prof.  Dr.  B.  Niese  f,  Prof.  Dr.  Nissen,  Rud.  Pagenstecher,  Prof.  Dr.  Pick,  Prof.  Dr.  R.  von  Pohl- 
mann,  Dr.  A.  von  Premerstein,  Prof.  Dr.  0.  Puchstein,  Dr.  Herrn.  Ranke,  Prof.  Dr.  A.  Rehm, 
Gymn.-Dir.  Dr.  0.  Richter,  Prof.  Dr.  B.  Sauer,  Prof.  Dr.  M.  von  Schanz,  Prof.  Dr.  Schiller  f. 
Gymn.-Dir.  Schmalz,  Prof.  Dr.  Wilhelm  Schmid,  Dr.  J.  Sieveking,  Prof.  Dr.  Sittl  f,  Prof. 
Dr.  Otto  Stählin,  Prof.  Dr.  P.  Stengel,  Prof.  Dr.  Fr.  Stolz,  Prof.  Dr.  L.  von  Sybel,  Prof. 
Dr.  Herrn.  Thiersch,  Prof.  Dr.  A.  Thumb,  Prof.  Dr.  Unger  f,  Prof.  Dr.  von  Urlichs  f,  Prof. 
Dr.  Moritz  Voigt  f,  Gymn.-Dir.  Dr.  Volkmann  f,  Prof.  Dr.  C.  "Wessely,  Dr.  Th.  Wiegand, 
Prof.  Dr.  Windelband,  Prof.  Dr.  Wissowa,  Prof.  P.  Wolters 

herausgegeben  von 

Dr.  Iwan  von  Müller, 

ord.  Prof.  der  klassischen  Philologie  in  München 


Vierter  Band,  zweite  Abteilung,  2.  Teil: 

Die  römischen  Privataltertümer 


Dritte,  vollständig  neu  bearbeitete  Auflage 


MÜNCHEN   1911 
C.  H.  BECK'SCHE  VERLAGSBUCHHANDLUNG 

OSKAR  BECK 


DIE  RÖMISCHEN 
PRIVATALTERTÜMER 


VON 


HUGO  BLUMNER 

PROFESSOR    AN    DEB     UNIVERSITÄT    ZÜRICH 


MIT  86  ABBILDUNG  K\ 


iKM»gjfrfl»gHHI 


MÜNCHEN  1911 
C.  H.  BECK'SCHE  VEKLAGSBUCHHANDLUNG 

OSKAR  BECK 


Alle  Rechte  vorbehalten 

35 


0.  H.  Bcck'sche  Bnchrtruckorei  In  Nördlingen 


DER 

UNIVERSITÄT  BRESLAU 

ZUR  HUNDERTJÄHRIGEN  JUBELFEIER 

ZUGEEIGNET 
VON  IHREM  DANKBAREN  SCHÜLER 


Vorwort. 

A  ls  im  September  1905  der  hochverehrte  Herausgeber  dieses  Handbuchs, 
X~X  Herr  Geheimrat  Professor  Dr.  Iwan  von  Müller,  mit  der  Anfrage  an 
mich  gelangte,  ob  ich  geneigt  sein  würde,  an  Stelle  der  von  Moritz  Voigt 
verfaßten  römischen  Privataltertümer  eine  durchaus  neue  Bearbeitung  dieses 
Teiles  des  Handbuches  zu  übernehmen,  da  ist  es  mir  nicht  leicht  gefallen, 
i  ihm  meine  Zusage  zu  geben.  Denn  neben  Marquardts  treffliche  Darstellung 
des  römischen  Privatlebens  eine  neue,  existenzberechtigte  zu  setzen,  das  wollte 
mir  so  schwer  und  so  anmaßend  erscheinen,  wie  eine  Ilias  post  Homerum; 
und  es  mag  ja  wohl  diese  selbe  Erkenntnis  gewesen  sein,  die  meinen  Vor- 
gänger Voigt  veranlaßt  hat,  statt  einer  Darstellung  der  römischen  Privat- 
altertümer etwas  ganz  anderes  zu  geben,  mehr  eine  Art  römischer  Wirt- 
schafts- und  Kulturgeschichte;  und  da  er  das  in  äußerst  knappem  Rahmen 
getan  hat,  so  kommt  es,  daß  der  Benutzer  seiner  Darstellung  darin  zwar 
manches  finden  wird,  was  in  andern  Schilderungen  des  römischen  Privat- 
lebens nicht  steht,  daß  er  aber  noch  viel  häufiger  Dinge,  die  er  in  einem 
Handbuch  der  römischen  Privataltertümer  zu  finden  mit  Recht  erwartet, 
vergeblich  suchen  wird.  Wenn  ich  mich  schließlich  doch  dazu  entschloß, 
den  Auftrag  zu  übernehmen,  so  geschah  es  in  der  Hoffnung,  daß  kein  billig 
denkender  Leser  meines  Buches  es  mir  zum  Vorwurf  machen  wird,  daß  auf 
zahlreichen  Gebieten  (natürlich  abgesehen  von  dem,  was  seit  Marquardt  an 
neuerer  Litteratur,  an  epigraphischen  und  archäologischen  oder  antiquarischen 
Funden  hinzugekommen  ist  und  verwertet  werden  mußte)  meine  Darstellung 
sich  inhaltlich  und  was  das  alte  Quellenmaterial  betrifft  mit  der  von  Mar- 
quardt im  wesentlichen  deckt.  Denn  auch  Marquardt,  obschon  er  der 
erste  Schöpfer  eines  systematischen  und  zusammenfassenden  Handbuchs 
der  römischen  Privataltertümer  ist,  steht  auf  den  Schultern  seiner  Vor- 
gänger, vor  allem  W.  A.  Beckers,  der  im  Gallus  die  Grundlagen  schuf,  auf 
denen  seine  Nachfolger  weiterbauen  konnten. 

Was  die  von  mir  behandelten  Gebiete  des  römischen  Lebens  anlangt, 
so  deckt  sich  der  Inhalt  der  beiden  ersten  Teile  im  wesentlichen  mit  dem, 
was  Marquardt  in  seinem  Buche  behandelt  hat,  nur  daß  ich  dabei  eine 
andere  Anordnung  des  Stoffes  gewählt  habe,  die  ich  wohl  nicht  eigens  zu 
rechtfertigen  brauche,  da  sie  auch  sonst  in  ähnlicher  Art  bei  Darstellung 
der  Privataltertümer  zur  Anwendung  gekommen  ist  (zum  Beispiel  in  Iwan 
von  Müllers  griechischen  Privataltertümern).    Mehr  entfernt  sich  der  dritte 


yjjj  Vorwort. 

Teil  vom  Inhalt  des  Marquardtschen  Handbuches.  Zum  „Privatleben"  im 
strengen  Sinne  des  Wortes  gehören  die  hier  behandelten  Berufsarten  freilich 
nicht;  aber  es  ist  ja,  wie  E.  Pernice  in  seinem  (erst  während  des  Druckes 
dieses  Buches  erschienenen)  „Griechischen  und  römischen  Privatleben"  (in 
Gercke  und  Norden  Einleitung  in  die  Altertumswissenschaft  II 1)  mit  Recht 
bemerkt,  nun  einmal  Brauch,  daß  der  Begriff  „Privataltertümer"  eine  Sammel- 
stelle geworden  ist  für  alles  mögliche,  was  man  sonst  nicht  recht  unter- 
bringen kann.  Aber  da  es  nun  einmal  so  ist,  daß  man  gewisse  Gebiete 
des  Lebens  in  der  Tat  anderweitig  nicht  einreihen  kann,  andrerseits  aber 
eine  für  alles  das  passende  Gesamtbezeichnung  nicht  besitzt  und  auch 
schwerlich  eine  in  jeder  Hinsicht  entsprechende  wird  finden  können,  so  muß 
es  eben  bei  der  Gepflogenheit  bleiben.  Und  darum  habe  ich  geglaubt,  nicht 
bloß  die  auch  von  Marquardt,  wenn  auch  teilweise  in  ganz  abweichender 
Art,  behandelten  Gebiete  des  Handwerks  und  Handels  aufnehmen  zu  müssen, 
sondern  auch  die  von  ihm  nicht  behandelten,  als  Jagd,  Vogelfang,  Fischerei, 
Landwirtschaft.  Das  erschien  mir  um  so  notwendiger,  als  gerade  diese 
Gebiete  zwar  in  zahlreichen  größeren  und  kleineren  Abhandlungen  und 
Büchern,  aber  nirgends,  wenigstens  was  die  römischen  Verhältnisse  betrifft, 
zusammenfassend  dargestellt  worden  sind.  Insofern  demnach  das  vorliegende 
Buch  das  meiste  von  dem  bietet,  was  sich  bei  Marquardt  findet,  andrerseits 
aber  auch  manches,  was  bei  ihm  nicht  Aufnahme  gefunden  hat,  hoffe  ich 
so  verfahren  zu  sein,  daß  zwar  das  vortreffliche  Werk  meines  Vorgängers 
nicht  durch  mein  Buch  völlig  entbehrlich  gemacht  wird,  —  das  lag  auch 
gar  nicht  in  meiner  Absicht,  —  daß  aber  das  meinige  neben  jenem  seine 
Existenzberechtigung  zu  behaupten  imstande  ist. 

So  viel  über  den  Stoff.  Was  die  Darstellung  anlangt,  so  habe  ich 
danach  getrachtet,  möglichst  vollständig  zu  sein,  ohne  dabei  zu  sehr  in  die 
Breite  zu  gehen.  Daß  ich  in  manchen  Punkten  ausführlicher  wurde  als 
Marquardt,  in  andern  hinwiederum  dieser  mehr  ins  einzelne  geht,  ergab 
sich  von  selbst.  In  den  Anmerkungen  glaubte  ich  mit  der  Anführung  der 
Belegstellen  nicht  zu  sparsam  sein  zu  sollen;  viele  Benutzer  eines  derartigen 
Handbuchs  (zumal  Lehrer,  die  es  zur  Vorbereitung  der  Klassikerlektüre  be- 
nutzen) pflegen  für  Mitteilung  von  Beleg-  und  Parallelstellen  dankbar  zu  sein. 
Da  ich  in  noch  höherem  Maße  als  Marquardt  Wert  auf  die  Terminologie  der 
behandelten  Gebiete  gelegt  habe,  so  mußten  die  Glossen  und  die  Inschriften 
stark  herangezogen  werden.  Für  letztere  hat  Marquardt  sehr  vorgearbeitet; 
wo  er  epigraphische  Zeugnisse  in  beträchtlicher  Zahl  beibringt,  habe  ich  j 
mich  meist- damit  begnügt,  auf  ihn  zu  verweisen  oder  seine  Sammlungen  ] 
durch  Belege  aus  den  seither  erschienenen  Bänden  des  Corpus  zu  ver-  j 
vollständigen.  Die  Zitate  aus  Orelli-Henzen  sind  ganz  verschwunden;  für  j 
freundliche  Unterstützung  bei  der  ohne  Konkordanz  sehr  mühseligen  und 
zeitraubenden  Konstatierung  der  Orelli-Nummern  im  Corpus  bin  ich  Herrn 
Professor  Dr.  Dessau  in  Berlin  zu  lebhaftem  Danke  verpflichtet. 


Vorwort.  J]£ 

In  einem  Punkte  muß  ich  den  Benutzer  meines  Buches  von  vornherein 
um  Indemnität  bitten:  es  betrifft  das  die  Schreibung  der  griechischen  und 
lateinischen  Termini  und  Eigennamen,  besonders  hinsichtlich  c,  k  und  z,  wo  ja 
bnser  Duden  volle  Freiheit  läßt.  Soll  man  zum  Beispiel  Cypern,  Zypern  oder 
Kypros  schreiben?  Cäcuber  oder  Cäkuber?  Phönicier,  Phönizier,  Phönikier, 
ÜPhoinikier?  —  Wenn  man  sich  da  nicht  gleich  zu  Anfang  eine  feste  Norm 
gesetzt  hat  (und  das  habe  ich  leider  verabsäumt),  wenn  man  erst  einmal 
pa  oder  dort  sich  dem  orthographischen  Belieben  des  Setzers  gefügt  hat, 
Wann  ist  man  schon  verloren.  Und  auch  mit  der  festen  Norm  hapert's, 
wenn  mit  der  Regel:  „in  lateinischen  Worten  c,  in  griechischen  k"  kommt 
man  nicht  weit;  wer  möchte  zum  Beispiel  „Massicer"  schreiben? 

Die  Abkürzungen  für  Zitate,  deren  ich  mich  bedient  habe,  sind  die 
allgemein  gebräuchlichen;  vornehmlich  A.  A.  (Archäologischer  Anzeiger), 
A.  Z.  (Archäologische  Zeitung),  A.  Jb.  (Jahrbuch  des  archäologischen  Instituts), 
A.  d.  I.  (Annali  dell'  Istituto),  B.d.  I.  (Bulletino  dell'  Istituto),  R.  M.  (Römische 
Mitteilungen),  BSGW  (Berichte  der  Sächsischen  Gesellschaft  der  Wissen- 
schaften), CIL  (Corpus  Inscr.  Latin.),  PLM  (Poetae  Latini  minores  ed.  Baehrens). 
Noch  ist  zu  bemerken,  daß  Plin.  auf  die  Naturalis  historia  geht,  Quintil.  auf 
die  Institutio  oratoria,  Macrob.  auf  die  Saturnalia,  Isidor.  auf  die  Origines. 
jFestus  bezieht  sich  sowohl  auf  diesen  wie  auf  Paulus;  die  Angabe  der  Spalte  a 
pder  b  (der  Müllerschen  Ausgabe)  läßt  erkennen,  ob  Festus  selbst  oder  sein 
Epitomator  zitiert  ist.  Bei  Nonius  sind  die  Seitenzahlen  die  üblichen,  die 
Keilenzahlen  die  der  L.  Müllerschen  Ausgabe.  —  Einige  neuere  Werke 
konnte  ich  zu  meinem  Bedauern  nicht  in  den  letzten  Auflagen  zitieren: 
so  werden  Friedländers  Darstellungen  aus  der  Sittengeschichte  nach  der 
fünften  Auflage  angeführt,  und  von  Becq  de  Fouquieres  Jeux  des  anciens 
konnte  ich  die  zweite  Auflage  trotz  aller  Bemühungen  nicht  erhalten,  mußte 
also  nach  der  ersten  zitieren. 

Schließlich  sage  ich  auch  an  dieser  Stelle  meinem  lieben  Kollegen,  Herrn 
Privatdozenten  Dr.  Otto  Waser,  der  sich  der  Mühe  unterzog,  die  Revisions- 
bogen  zu  lesen,  dafür  meinen  besten  Dank. 

Zürich  im  März  1911. 

H.  Blümner. 


Inhaltsverzeichnis. 


Seite 

Anleitung 1 

ürste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens 7 

Erster  Abschnitt.    Das  städtische  Wohnhaus 7 

Zweiter  Abschnitt.    Villen  und  Gärten 67 

Dritter  Abschnitt.    Die  innere  Ausstattung  des  Hauses v'.» 

Vierter  Abschnitt.    Der  Hausrat 112 

Fünfter  Abschnitt.    Die  Nahrung 160 

Sechster  Abschnitt.    Die  Tracht 205 

Siebenter  Abschnitt.    Die  Sklaven 277 

'weite  Abteilung.    Das  Leben 299 

Erster  Abschnitt.    Geburt  und  Kindheit 299 

Zweiter  Abschnitt.    Erziehung  und  Unterricht  der  Knaben 312 

Dritter  Abschnitt.    Die  Flauen  und  die  Ehe 341 

^Vierter  Abschnitt.    Zeitrechnung  und  Tageseinteilung 372 

Fünfter  Abschnitt.    Mahlzeiten  und  gesellige  Unterhaltungen 385 

Sechster  Abschnitt.    Bäder  und  Körperpflege 420 

Siebenter  Abschnitt.    Der  Verkehr 442 

Achter  Abschnitt.    Ärzte,  Tod,  Bestattung  und  Grabmäler 474 

Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten 512 

Erster  Abschnitt.    Jagd,  Vogelfang  und  Fischerei 512 

Zweiter  Abschnitt.    Die  Landwirtschaft 533 

Dritter  Abschnitt.    Handwerk,  gelehrte  und  andere  Berufe 589 

Vierter  Abschnitt.    Handel  und  Geldgeschäfte 6 In 

Jachträge  und  Berichtigungen 657 

Verzeichnis  der  Abbildungen 659 

Uphabetisches  Register 661 


Einleitung. 


TTtTenn  die  römischen  Privataltertümer,  was  die  darin  zu  behandelnden 
*  *  Gebiete  des  täglichen  Lebens  anlangt,  im  wesentlichen  mit  den 
riechischen  Privataltertümern  übereinstimmen,  so  besteht  dagegen  in  ge- 
wissen Beziehungen  ein  starker  Unterschied  zwischen  den  beiden  Disziplinen, 
ler  vornehmlich  durch  die  ganz  voneinander  abweichende  Beschaffenheit 
ler  für  sie  zu  Gebote  stehenden  Quellen  verursacht  ist.  Unsere  Kunde 
von  griechischen  Privataltertümern  beginnt  schon  in  der  prähistorischen 
£eit:  einerseits  die  homerischen  Gedichte,  andrerseits  die  in  noch  frühere 
Epochen  zurückreichenden  Funde  der  mykenischen  Kultur  machen  es  uns 
nöglich,  zwar  kein  vollständiges,  aber  doch  ein  für  zahlreiche  Gebiete  des 
rivatlebens  jener  Jahrhunderte  ziemlich  anschauliches  Bild  zu  entwerfen. 
Dann  tritt  freilich  eine  mehrere  Jahrhunderte  dauernde  Periode  ein,  aus 
ler  fHr  nur  äußerst  wenig  wissen:  die  Litteratur  versagt,  und  nur  einige 
Gräberfunde  geben  über  das  eine  oder  andre  Aufschluß.  Erst  mit  dem 
sechsten  Jahrhundert  fangen  die  Quellen  wieder  an  zu  fließen,  um  im 
linften  und  vierten  ihren  höchsten  Stand  zu  erreichen;  von  keiner  Periode 
ler  griechischen  Vergangenheit  können  wir  ein  annähernd  so  vollständiges 
Bild  des  häuslichen  Lebens  gewinnen,  wie  von  dieser.  In  der  helle- 
listischen  Zeit  sind  es  dann  viele  Gebiete,  die  uns  durch  schriftliche  und 
nonumentale  Quellen  noch  etwas  besser  erschlossen  werden  als  früher; 
lazu  kommen  die  immer  zahlreicher  werdenden  in  schriftlichen  Zeugnisse. 
kber  manche  andere  Gebiete  liegen  dafür  minder  deutlich  vor  uns,  als  in 
er  vorhergehenden  Periode.  Das  ist  das  eine,  was  die  griechischen  Privat- 
Itertümer  charakterisiert:  daß  wir  sie  am  besten  in  der  klassischen  Zeit 
ler  höchsten  Blüte  kennen,  aber  auch  über  die  heroische  Vorzeit  und  über 
lie  Zeit  des  Niedergangs  Kunde  haben.  Ein  zweites  ist  dies,  daß  wir 
nfolge  der  Beschaffenheit  unserer  Quellen,  abgesehen  von  der  homerischen 
Epoche,  ganz  vornehmlich  athenisches  Leben  kennen  lernen,  während  wir 
on  den  zahlreichen  anderen  Stämmen  und  Städten  Griechenlands,  auf  dem 
Estland  und  auf  den  Inseln  und  in  den  Kolonien,  zwar  hier  und  da 
inzelne  Züge  finden,  die  sich  in  das  Gesamtbild  einfügen  lassen,  aber  eine 
ollständige  und  durchweg  deutliche  Vorstellung  von  dem  in  manchen  Be- 
lebungen doch  von  athenischer  Sitte  stark  abweichenden  Privatleben  der 
brigen  Hellenen  sich  daraus  nicht  gewinnen  läßt. 

Bei  den  römischen  Privataltertümern  beginnt  die  Darstellung  mit  einer 
iel  späteren  Periode.  Von  prähistorischer  Zeit  ist,  abgesehen  von  einigen 
Gräberfunden,  so  gut  wie  gar  nicht  die  Rede;  aber  auch  die  Anfänge  der 
igentlich  historischen  Zeit,  die  ersten  Jahrhunderte  der  Stadt,  sind  für  uns  in 
ehr  vielen  Punkten,  wie  ja  auch  in  der  politischen  Geschichte,  so  hinsicht- 

Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft.    IV.  2,  •_>.    8.  Aufl.  1 


o  Einleitung. 

lieh  des  Privatlebens  ganz  in  Dunkel  gehüllt.  Da  und  dort  hat  sich  wohl 
einmal  in  späteren  Quellen  irgend  eine  Notiz  erhalten,  aber  wir  können  sie 
oft  nicht  einmal  auf  ihre  Zuverlässigkeit  prüfen.  Und  das  geht  eigentlich 
so  weiter  bis  ins  zweite  vorchristliche  Jahrhundert:  erst  von  da  ab  können 
wir  von  Schriftquellen  für  die  Privataltertümer  sprechen,  obschon  sie  auch 
da  zunächst  noch  recht  ärmlich  sind,  zumal  bei  den  Komikern,  die  sonst 
als  ganz  wesentliche  Quellen  gelten  müßten,  Griechisches  und  Römisches 
so  durcheinander  läuft,  daß  es  oft  schwer  ist,  beides  bestimmt  auseinander 
zu  halten,  während  diejenigen  Quellen,  die  uns  sicherlich  unschätzbares 
Material  liefern  würden,  die  volksmäßigen  Possen  der  Atellane  und  die 
nationalen  Lustspiele  der  Togata,  leider  verloren  sind.  Reichhaltiger 
werden  unsere  litterarischen  Quellen  aber  erst  im  letzten  Jahrhundert  der 
Republik,  um  dann  in  den  ersten  beiden  Jahrhunderten  der  Kaiserzeit 
ihren  höchsten  Stand  zu  erreichen.  Vor  allem  sind  es  die  Satiriker,  die 
uns  das  meiste  und  wertvollste  Material  liefern:  von  Lucil  leider  nur 
spärliche  Fragmente,  dann  Horaz,  Persius,  Petron,  Martial,  Juvenal.  Gegen 
diese  Quellen  stehen  alle  andern  erheblich  zurück.  Am  meisten  liefern 
uns  noch  die  Lyriker,  besonders  Catull,  Horaz,  Ovid,  Tibull,  Properz. 
Weiterhin  kommen  von  den  Prosaikern  in  Betracht  Cicero,  sowohl  in  den 
Reden  als  in  den  Briefen,  recht  stark  der  Philosoph  Seneca,  dann  die 
beiden  Plinius,  die  Historiker,  und  für  vereinzelte,  aber  oft  wertvolle  An- 
gaben die  Grammatiker,  Scholiasten,  besonders  auch  die  Glossen.  Dazu 
treten  dann  die  Inschriften,  die  freilich  nur  für  gewisse  Gebiete  Material 
liefern.  Indem  endlich  auch  die  Kirchenväter  und  die  Digesten  als  wichtige 
Quellen  nicht  zu  vergessen  sind,  ergibt  sich,  daß  wir  das  römische  Leben^ 
wenn  auch  nicht  auf  allen  Gebieten,  sondern  auf  dem  einen  mehr,  auf  dem 
andern  weniger,  aus  den  Quellen  vom  zweiten  Jahrhundert  v.  Chr.  ab  bis 
zum  Ausgang  des  Kaiserreichs  verfolgen  können. 

Ein  zweites  ist  dann  folgendes:  was  wir  aus  unsern  schriftlichen 
Quellen  erfahren,  das  bezieht  sich  weitaus  zum  größten  Teile  auf  das  Leben 
der  Hauptstadt,  auf  Rom  selbst.  Das  Leben  in  den  Munizipien,  auf  demj 
Lande,  in  den  Provinzen,  das  sich  in  so  vielen  Beziehungen  anders  geA 
staltete  als  in  dem  großen  Reich szentrum,  bleibt  uns  in  vielen  Hinsichten 
unbekannt;  nur  hier  und  da  fällt  einmal  etwas  Licht  darauf,  wie  etwa 
im  Roman  des  Petron  oder  in  den  Straßen  von  Pompeji.  Das  ist  denn 
freilich  durchaus  nicht  dasselbe,  als  wenn  wir  auf  griechischem  Boden 
wesentlich  athenisches,  viel  weniger  spartanisches,  thebanisches,  korin- 
thisches Leben  kennen  lernen;  denn  Athen  war  ja  nicht  das  Zentrum, 
nach  dem  die  andern  sich  richteten,  während  Rom  in  seiner  dominierenden 
Stellung  das  Beispiel  gab,  das  die  Kleinen  so  gut  sie  konnten  nachahmten! 
etwa  wie  heute  Paris  den  Ton  angibt  für  die  Provinz.  Aber  wie  es  verH 
fehlt  wäre,  wenn  jemand  die  französischen  Provinzialstädte  als  lauter  Klein-j 
Paris  betrachtete,  wenn  er  die  Schattenseiten  und  Laster  der  Hauptstadt] 
die  Romanciers  und  Satiriker  oft  grell  ausmalen,  auch  den  guten  Proi 
vinzialen  in  Bausch  und  Bogen  zuschreiben  wollte,  so  wäre  es  ebensd 
falsch,  wenn  wir  die  Schilderungen,  die  uns  Martial  und  Juvenal  von  der 
Sittenverderbnis  und  dem  Luxus  Roms  bieten,    in  verkleinertem  Maßstab! 


Einleitung.  3 

Ruf  die  Municipien  übertragen  wollten.  Dürfen  wir  doch  nicht  einmal  für 
Rom  selbst  verallgemeinern.  Denn  auch  das  hängt  mit  der  Beschaffenheit 
unserer  Quellen  zusammen,  daß  wir  vom  Leben  des  kleinen  Mannes,  des 
ehrsamen  Handwerkers  oder  des  fleißigen  Geschäftsmannes  eigentlich  herz- 
lich wenig  erfahren:  die  Vornehmen  und  Reichen,  die  Müßiggänger  und 
herumlungernden  Parasiten,  sie  sind  im  wesentlichen  das  Publikum,  von 
Hem  wir  das  meiste  zu  hören  bekommen,  und  auch  sie  lernen  wir  viel  mehr 
kuf  der  Straße  oder  in  der  Geselligkeit,  als  im  engern  Familienkreise 
kennen.  So  muß  denn  für  die  meisten  Gebiete,  die  wir  hier  zu  behandeln 
haben,  der  Vorbehalt  gemacht  werden,  daß  wir  vollständige,  alle  Zeiten 
Roms  und  alle  Klassen  der  Bevölkerung  umfassende  Darstellungen  nicht 
kieten  können.  Es  kommt  hinzu,  daß  die  Inschriften,  die  für  andere  Ge- 
kiete  des  antiken  Lebens  so  schätzenswerte  Aufschlüsse  geben,  solche  für 
Mas  private  Leben  begreiflicherweise  nur  spärlich  bieten,  und  daß  auch 
kie  Denkmäler  zwar  durch  eine  reiche  Fülle  von  Gegenständen  des  täg- 
lichen Gebrauchs  ungemein  lehrreich  sind,  aber,  was  Darstellungen  des 
läglichen  Lebens  betrifft,  nur  vereinzelt  in  Genreszenen  der  Wandmalerei 
kder  in  Grab-  und  Sarkophagreliefs  herangezogen  werden  können,  während 


iejenige  Denkmälerklasse,  die  bei  den  griechischen  Privataltertümern  so 
ankenswerte  Illustrationen  und  Erweiterung  unserer  Kenntnis  bietet,  näm- 
ch  die  Vasenmalerei,  hier  bekanntlich  gänzlich  fehlt. 

Dafür  besitzen  wir  freilich  eine  Quelle  von  unvergleichlichem  Wert, 
rie  sie  für  griechisches  Leben  nirgends  fließt,  in  Pompeji,  seinen  Straßen 
ind  Häusern  und  den  darin  ausgegrabenen  Geräten  und  Malereien.  Ist  es 
uch  eine  Provinzialstadt,  die  wir  hier  durchwandern  und  deren  einstige 
Jewohner  unserm  geistigen  Auge  wie  leibhaftig  entgegentreten,  so  dient 
s  doch  eben  gerade  deshalb  sehr  gut  als  Ergänzung  zu  jenen  Schrift- 
uellen,  die  uns  in  die  Straßen  der  Hauptstadt  versetzen.  Ein  Gang  durch 
ie  Totenstadt,  bei  dem  wir  in  die  Häuser  treten  und  sie  in  allen  ihren 
täumen  durchwandeln,  dann  wieder  ein  Besuch  jener  Säle  des  Museo 
azionale  in  Neapel,  in  denen  die  reiche  Sammlung  von  Hausrat  und 
llerlei  Gebrauchsgegenständen  aus  den  verschütteten  Städten  aufbewahrt 
3t,  das  bietet  eine  nie  versiegende  Fülle  von  Anschauung  und  Belehrung, 
urch  die  unsere  aus  den  Schriftquellen  geschöpften  Kenntnisse  in  glück- 
chster  Weise  illustriert  und  vermehrt  werden.  Daher  muß  Pompeji  mit 
einen  Resten  des  Altertums  bei  einer  Darstellung  der  römischen  Privat- 
ltertümer  eine  sehr  wichtige  Rolle  spielen. 

Was  die  Litteratur  der  römischen  Privataltertümer  anlangt,  so  ist 
ine  gründliche  Gesamtbehandlung  des  Stoffes  verhältnismäßig  recht  jungen 
)atums.  Zwar  sind  einzelne  Gebiete  daraus,  ebenso  wie  bei  den  griechischen 
[rivataltertümern,  schon  im  16.  und  17.  Jahrhundert  in  gelehrten  Einzel- 
phriften  behandelt  worden:  meist  nach  damaliger  Art  mit  sehr  gründlicher 
mrchforschung  der  litterarischen  Quellen,  aber  ohne  Kritik  und  Methode 
lud  ohne  Kenntnis  der  Bildwerke  und  der  erhaltenen  Reste  des  römischen 
Lltertums.  Diese  mit  großem  Fleiß  zusammengetragenen  Untersuchungen 
her  Kleidung  und  Schuhwerk,  über  Bäder  und  Spiele,  über  Bestattung 
BW.  kommen  heut  freilich  kaum  noch  in  Betracht,  da  das  in  ihnen   auf- 


4  Einleitung. 

gespeicherte  Material  längst  in  die  neuere  Fachliteratur  übergegangen  ist; 
verschiedene  davon,  von  deren  Aufzählung  hier  abgesehen  werden  kann, 
finden  sich  im  Thesaurus  antiquitatum  Romanarum  von  J.  G.  Graevius, 
12  Bände,  Utrecht  1694—99  (wiederholt  Venedig  1732),  und  im  Novus 
Thesaurus  antiquitatum  Romanarum  von  A.  H.  Sallengre,  3  Bände,  Haag 
1716 — 19  (Venedig  1735),  mit  Supplement  von  J.  Polenus,  5  Bände, 
Venedig  1737. 

Auch  im  18.  Jahrhundert  sind  es  vornehmlich  Arbeiten  über  einzelne 
Gebiete  der  Privataltertümer,  die  zu  verzeichnen  sind;  eine  Zusammen- 
fassung des  Ganzen  liegt  zum  ersten  Male  vor  in  dem  Buche  von  d'Arnay 
De  la  vie  privee  des  Romains,  Paris  1760  (auch  Lausanne  1760,  deutsch 
Leipzig  1761,  italienisch  Neapel  1783).  Allein  im  Gegensatz  zu  jenen  viel- 
fach sehr  eingehenden  und  fast  pedantisch  gründlichen  älteren  Schriften 
über  einzelne  Spezialgebiete  ist  dies  Büchlein  nichts  als  eine  kurze  und 
oberflächliche  populäre  Darstellung,  bei  der  man  heut  schwer  ihren  dan 
maligen  buchhändlerischen  Erfolg  begreift.  Besser,  wissenschaftlich  ver- 
tiefter und  auch  mit  einer  Auswahl  von  Belegstellen  versehen  ist  J.  H.  LJ 
Meierotto  Über  Sitten  und  Lebensart  der  Römer  in  verschiedenen  Zeiten 
der  Republik,  erste  Auflage  Berlin  1776,  dann  wiederholt  1802  und  in 
dritter  Ausgabe  von  Phil.  Buttmann  1814.  Freilich  trägt  auch  dies 
Buch  ganz  den  Charakter  einer  populären  Darstellung;  außerdem  ist  vonj 
einer  systematischen  Gliederung  des  Stoffes  noch  keine  Rede,  und  daa 
letzte  Kapitel,  in  dem  der  Luxus  der  Privatpersonen  im  1.  Jahrhundert  den 
Kaiserzeit  behandelt  wird,  ist  sogar  in  die  Form  eines  Dialoges  zwischen] 
Plinius  und  dem  berüchtigten  Regulus  gekleidet.  Und  wie  seinerzeit 
J.  J.  Barthelemy  seiner  Schilderung  griechischer  Sitten  die  Form  der  Reise-j 
beschreibung  eines  jungen  Skythen  gab,  um  dem  Publikum  den  trockenen) 
Stoff  mundgerechter  zu  machen,  so  verfaßte  L.  Ch.  Dezobry  sein  Romej 
au  siecle  d' Auguste  ou  voyage  d'un  Gaulois  ä  Rome  ä  l'epoque  du  regnet 
d'Auguste  et  pendant  une  partie  du  regne  de  Tibere,  welches  Buch  zuerst 
Paris  1835  (deutsch  von  Hall,  Leipzig  1838)  erschien  und  mehrfach,  zuletzt 
sogar  noch  1875,  neu  aufgelegt  worden  ist. 

Alle  diese  Versuche  können  aber  nicht  den  Vergleich  aushalten  mii| 
dem  heute  noch  unentbehrlichen  Werke  von  W.  A.  Becker  Gallus  öden 
römische  Szenen  der  Zeit  des  Augustus  zur  genaueren  Kenntnis  des 
römischen  Privatlebens,  zuerst  Leipzig  1838,  in  dritter  Auflage  besorgt 
von  W.  Rein  1863,  neu  bearbeitet  von  H.  Göll,  Berlin  1880—82.  Zwar, 
hat  Becker  es  noch  für  notwendig  gehalten,  dem  damaligen  Zeitgeschmack^ 
nachgebend  zur  Grundlage  seines  Buches  eine  kleine  historisch -archäo-* 
logische  Novelle  zu  machen,  bei  der  dann  die  gelehrten  Anmerkungen  und. 
vor  allem  die  zahlreichen  Exkurse  räumlich  wie  inhaltlich  die  Hauptsache 
sind;  aber  eben  diese  Anmerkungen  und  Exkurse  bieten  eine  Fülle  geJ 
lehrten  Materials  und  selbständiger  Forschung,  die  für  die  Nachfolger  eini 
reiche  Fundgrube  geworden  und  noch  ist.  Freilich  ist,  infolge  der  un- 
glücklichen Art  der  Einkleidung,  auch  der  Gallus  kein  systematische« 
Handbuch  der  Privataltertümer;  als  erster  Versuch  eines  solchen  kana 
gelten  Ch.Th.  Schuch  Privataltertümer  oder  wissenschaftliches,  religiöse! 


Einleitung.  5 

tand  häusliches  Leben  der  Römer,  Karlsruhe  1842,  bei  welchem  Buche 
freilich  nur  einige  Abschnitte  das  repräsentieren,  was  wir  heut  Privat- 
altertümer zu  nennen  gewöhnt  sind,  und  diese  fußen  fast  ganz  auf  Beckers 
Gallus. 

So  muß  man  denn  sagen,  daß  eigentlich  das  erste  durchaus  brauch- 
bare und  in  jeder  Hinsicht  wissenschaftlich  gründliche,  dabei  hinlänglich 
ausführliche  und  mit  ausreichenden  Quellennachweisen  .versehene  Hand- 
buch die  als  Band  V  von  Becker  und  Marquardts  Handbuch  der  röiöi- 
echen  Altertümer  erschienenen  römischen  Privataltertümer  von  Joachim 
Marquardt  sind,  Leipzig  1864 — 67,  die  dann  als  Band  VII  des  Hand- 
buches der  römischen  Altertümer  von  Marquardt  und  Mommsen  unter  dem 
Titel  Das  Privatleben  der  Römer  zuerst  1879,  dann  in  neuer,  von  A.  Mau 
besorgter  Auflage  1886  erschienen  sind.  Wie  dies  ganz  vortreffliche 
Handbuch  das  erste  wahrhaft  brauchbare  ist,  so  ist  es  bisher  auch  das 
einzige  geblieben;  denn  M.  Voigts  Römische  Privataltertümer  und  Kultur- 
geschichte, die  als  Band  IV  2  des  I.  v.  Müllerschen  Handbuchs  erschienen 
Bind  (zuerst  1887,  in  zweiter  Auflage  1898),  stellen  weit  mehr  den  Versuch 
einer  römischen  Kultur-  und  Wirtschaftsgeschichte  vor,  bei  dem  zwar  die 
Privataltertümer  auch  Berücksichtigung  gefunden  haben,  sogar  mit  dem 
Bestreben,  eine  historische  Darstellung  derselben  nach  Perioden  zu  geben 
[wofür  wir  jedoch  nur  auf  ganz  wenig  Gebieten  das  genügende  Material 
besitzen),  aber  sie  treten  doch  zu  stark  in  den  Hintergrund  und  werden 
pu  summarisch  abgemacht,  als  daß  sie  neben  Marquardts  eingehender  Be- 
handlung des  Stoffes  Bedeutung  beanspruchen  dürften. 

Als  muster-  und  meisterhaftes  Werk  in  seiner  Verbindung  fesselnder 
gemeinverständlicher  Darstellung  und  strengster  wissenschaftlicher  Ver- 
tiefung müssen  wir  L.  Friedländers  Darstellungen  aus  der  Sittengeschichte 
Iftoms  in  der  Zeit  von  August  bis  zum  Ausgang  der  Antonine  hier  an- 
rühren, 3  Bände,  zuerst  erschienen  Leipzig  1881,  in  sechster  neu- 
pearbeiteter  Auflage  1888—90.  Zwar  sind  es  nur  einzelne  Abschnitte 
llieses  Buches,  die  ins  Gebiet  der  Privataltertümer  gehören,  indessen  doch 
berade  solche  von  einschneidender  Bedeutung;  auch  geht  zwar  die  Dar- 
stellung wesentlich  von  dem  genannten  Zeiträume  aus,  beschränkt  sich 
[ledoch  nicht  gänzlich  darauf,  sondern  greift  gelegentlich  ebenso  zurück, 
Ivie  darüber  hinaus1). 

Von  lexikalisch  angelegten  Werken  ist  zu  nennen  Paulys  Real- 
Encyklopädie  der  classischen  Altertumswissenschaft  (6  Bände,  Stuttgart 
11837 — 52;  Band  I  in  zweiter  Auflage  1864 — 66);  die  neue  Bearbeitung. 
Iierausgegeben  von  G.  Wissowa,  in  Fortsetzung  von  W.  Kroll,  seit  1894 
Erscheinend,  ist  zurzeit  bis  zum  Buchstaben  F  fortgeschritten;  und  sodann 
er  großangelegte  Dictionnaire  des  Antiquites  Grecques  et  Romaines  von 
h.  Daremberg  und  Edm.  Saglio,  Paris  1877  ff.,  von  dem  bisher  7  Haib- 
ände (bis  zum  Buchstaben  R),  mit  zahlreichen  Abbildungen  ausgestattet, 
nrliegen. 


*)  Das  eben  erschienene  Buch  von  W.  W.  Fowler  Social  life  at  Rome  in  the  age  of 
Scero,  London  1909,  ist  mir  erst  während  des  Druckes  zugegangen. 


6  Einleitung. 

Von  den  neueren  populären  Darstellungen  der  Privataltertümer,  ad 
denen  kein  Mangel  ist  (zumal  an  solchen  für  Schulz  wecke),  will  ich  weiter] 
keine  namhaft  machen,  da  sie  ihrer  Tendenz  nach  und  wegen  des  BeiseiteH 
lassens  des  Quellenmaterials  und  der  Literaturnachweise  für  uns  nicht  inj 
Betracht  kommen.  Auch  die  so  ungemein  umfangreiche  Litteratur  übeij 
Pompeji  anzuführen  würde  über  den  Rahmen  dieser  Einleitung  hinausgehen;; 
es  mag  genügen,  auf  die  beiden  Hauptwerke  in  deutscher  Sprache  hin-i 
zuweisen:  J.  Overbeck  Pompeji  in  seinen  Gebäuden,  Altertümern  und, 
Kunstwerken,  zuerst  Leipzig  1856,  in  vierter  Auflage  (im  Vereine  mit- 
A.  Mau)  1884,  und  A.  Mau  Pompeji  in  Leben  und  Kunst,  Leipzig  1900^ 
zweite  Auflage  1908. 

Was  von  Speziallitteratur  Bedeutung  hat,  wird  jeweilen  an  der  Spitze 
der  einzelnen  Abschnitte  angeführt  werden. 


Erste  Abteilung. 

Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


Erster  Abschnitt. 

Das  städtische  Wohnhaus. 

Litteratur. 

Iazois  Le  palais  de  Scaurus,  Paris  1820  (2.  ed.  1822;  3.  exl.  1869);   deutsch  von  K.  E.  und 

E.  Fr.  Wüstemann.    Gotha  und  Erfurt  1820. 
fiKT  Die.  Geschichte  der  Baukunst  bei  den  Alten.    Berlin  1827.    III  267  ff.;  323  ff. 
umpt  Ueber  die  bauliche  Einrichtung  des  römischen  Wohnhauses.  Berlin  1844  (2.  Aufl.  1852). 
Iecker  Gallus.    Neubearbeitet  von  H.  Göll.    Berlin  1880  ff.  II  213  ff.  (ältere  Litteratur  S.  217). 
Iarqu*rdt  Das  Privatleben  der  Römer,  2.  Aufl.  besorgt  von  A.  Mau.  Leipzig  1886.  S.  213  ff. 

(ältere  Litteratur  ebd.  A.  1). 
Ionceaux  Artikel  Domus,  in  Daremberg  et  Saglio  Dictionnaire  des  Antiquites.   Paris  1887. 

II  349  ff. 
.  Marx  Die  Entwicklung  des  römischen  Hauses.    Neue  Jahrb.  f.  d.  klass.  Altert.  XII  (1909) 

I  547  ff. 

Pompejanisches   Haus. 

vellino    Descrizione   di    una   casa  Pompeiana.    Napoli  1837.    Descrizione   di  una  casa  di- 

sotterata  in  Pompei.    Napoli  1840. 
issex  Pompejanische  Studien.    Leipzig  1877.    S.  593  ff. 
verbeck  Pompeji.    4.  Aufl.  besorgt  von  A.  Mau.    Leipzig  1884.    S.  244  ff. 
.  Mau  Pompeji  in  Leben  und  Kunst.    2.  Aufl.    Leipzig  1908.    S.  250  ff. 
hkdknat  Pompei.    Histoire,  Vie  priväe.    Paris  1906.    43  ff. 

Wie  die  Wohnungen  der  ältesten  Ansiedler  auf  den  Hügeln  am  Tiber 
eschaffen  waren,  darüber  liegen  fast  gar  keine  Nachrichten  vor,  wenigstens 
icht  solche,  die  Anspruch  auf  Zuverlässigkeit  machen  dürfen.  Freilich 
'erden  wir  uns  diese  ersten  Wohnsitze  der  Römer,  dem  bäuerlichen 
'harakter  der  ältesten  Stadtgemeinde  entsprechend,  mehr  ländlich  als 
tädtisch  zu  denken  haben;  und  wie  man  noch  in  später  Zeit  eine  ein- 
gehe, mit  Stroh  gedeckte  Hütte  auf  dem  Palatin  als  Wohnstätte  des 
Jomulus  zeigte1),  so  wird  wohl  in  den  Anfängen  der  Königszeit  das 
lauernhaus  noch  die  gewöhnliche  Form  der  Wohnung  des  römischen 
►ürgers  gewesen  sein.    Solche  einfache  Hütten  {casae,  tuyuria),  deren  Form 

')  Ov.  fast.  I  199:  dum  casa  Martigenam  gurium Faustuli  (Solin.  V  18)  identisch.  Vgl. 
Wiebat  parva    Quirinum.     III    183:    quae   [    Schwegler  Rom. Gesch.  I  394;  über  die  Stelle. 

(t'rt't  nostri,  si  quaeris,  regia  nati,  |  aspice  de  wo  die  Hütte  des  Romulus  belegen  war,    s. 

mna  stramiuiimsque  domum.     Dion.  Hai.  I  Richter   Topogr.  v.  Rom  127;  133  f.     Auch 

9,  11:    .-ri/^nithour    <)tu    ;r/.<»r   y.ai  xaldficov  auf  dem  Kapitol  wurde  eine  xaÄrßt)  des  Ro- 

üt/vüc  avtOQoqxms,  Senec.  dial.  XII  9,  3:  istud  mulus  oder  Faustulus  gezeigt,  Cononnarr.48. 

wnile  twgurwm.     Damit  ist  wohl   das   tu-  Vitr.  II  1,  5. 


g  Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 

auch  später  noch  einzelne  Heiligtümer,  wie  das  der  Vesta  auf  dem  Forum 1), 
der  Laren  u.  a.2)  im  wesentlichen  bewahrten,  werden  uns  in  ihrer  primi- 
tivsten Anlage  verdeutlicht  durch  Aschenurnen,  wie  sie  vornehmlich  im 
älteren  Teile  der  Nekropole  von  Alba  Longa,  ferner  unterhalb  des  römischen 
Forums  und  anderwärts  in  Rom  gefunden  worden  sind  und  die  diese  ein- 
fachen Bauernhütten  in  charakteristischer  Weise  nachbilden3).  Diese 
tönernen  Urnen,  deren  Alter  nicht  genau  zu  bestimmen  ist  (die  albanischen 
stammen  aus  einer  Periode,  in  der  die  Vulkane  des  Albanergebirges  noch  in 
Tätigkeit  waren),  stellen  eine  rundliche  Hütte  dar,  deren  Wände  aus  Lehm, 
Reisig  und  dergleichen  Materialien4)  aufgeführt  sein  mochten;  das  Dach, 
das  aus  verschiedenen  Lagen  Stroh  oder  Binsen  bestand5),  hatte  spitze  Form 
und  wurde  durch  Rippen,  die  sich  über  dem  First  hörnerartig  fortsetzten, 
festgehalten.    Das  für  das  spätere  italische  Wohnhaus  bezeichnende  Com- 

pluvium  fehlt;  zur  Beleuchtung  des  weiten 
Innenraumes  und  um  den  Rauch  des  Herdes 
heraus  zu  lassen,  diente  eine  große  Türöffnung 
und  außerdem  bisweilen  noch  eine  kleine  drei- 
eckige Luke,  die  sich  an  einigen  dieser  Gefäße 
am  vordem,  mitunter  auch  am  hintern  Abfall 
des  Daches  angebracht  findet  und  wohl  bei 
geschlossener  Tür  in  Funktion  trat6);  siehe 
die  Abbildung  Fig.  1 7).  Ganz  ähnliche  Hütten- 
urnen haben  sich  auch  anderwärts,  namentlich 
in  Etrurien 8)  gefunden  und  repräsentieren  da- 
her jedenfalls  den  allgemein  italischen  Typus 
_   _    .    .  .    _,        .      „„„       des   alten  Bauernhauses.     Erhalten  hat  sich 

Fig.  1.   Aschenurne  in  Form  einer  Hütte.  .  • 

von  derartigen  Wohnanlagen  freilich  nichts 
mehr;    aber   die   auf   dem  Esquilin9)   und    unweit   Marino   bei   dem  Caput 


*)  Ov.  fast.  VI  265 :  forma  tarnen  templi, 
quae  nunc  manet,  ante  fuisse  dicitur.  Fest. 
262  b,  26 ;  vgl.  Richter  a.  a.  0.  88. 

2)  xaXiädec,  Dion.  Hai.  IV  14, 3 ;  y.aliäg  des 
Mars  auf  dem  Palatin  ebd.  exe.  XIV  2,  2  (5). 
Plut.  Camill.  32;  xaliädeg  legal,  Plut.  Numa  8; 
y.aliäg  rjpwcor,  Dion.  Hai.  III  70,  2;  y.aliäg  in 
Lavinium,  ebd.  I  57,  1,  letztere  auch  auf  rö- 
mischen Medaillen  dargestellt,  s.  Cohen  Me- 
daillesimper.  2.  ed.  II 393  n.  1171;  395  n.  1183. 
Fröhner  Med.  de  l'empire  50. 

3)  Die  Haupttypen  sind  zusammengestellt 
in  der  Archaeologia  XLII  (Lond.  1869)  I  99  ff. 
mit  Text  von  Pigorini  und  Lubbock.  Vgl. 
über  diese  und  ähnliche  Funde  in  anderen 
Gegenden  Italiens  die  bei  Daremberg-Saglio 
II  349  Note  165  zusammengestellte  Litteratur. 
Dazu  Rubino  Beitr.  z.Vorgesch.  Italiens  231. 
Bonstetten  Revue  d'  antiqu.  Suisses  (Bern  1 855) 
p.  16  f.  de  Blacas  Decouv.  de  vases  fune- 
raires  (in  den  Memoires  des  antiqu.  de  la 
France  T.  XXVIII).  Abeken  Mittelitalien  186. 
Helbig  Italiker  in  der  Poebene  50  ff;  die 
römischen  bei  Hülsen  Das  Forum  Romanum2 


201,  Abb.  111.  Mariani  Bull,  comunal.  1896, 
9  tav.  V  20.  Anderweitige  Funde  derart  s. 
Bull,  comun.  XXVI  (1898)  tav.  7,  11;  XXVIII 
(1900)  tav.  10, 17.  19.  11,16.18;  XXXl(1903) 
tav.  3.  Not.  d.  seavi  1894, 126 ;  1902, 142. 1 52  f. ; 
1903,  151;  Durchschnitt  und  Ansichten  1906, 
12.  43.  Mon.  d.  Lincei  XV  tav.  19,  10. 

4)  Nach  Fest.  12,  6  waren  die  ältesten 
Wohnhäuser  von  Holz ;  Ov.  fast.  VI  262  gibt 
Weidenruten  als  Material  der  alten  Hütten  an. 

5)  Isid.  XV  8,  4  führt  die  Etymologie 
von  eulmen  auf  eulmus,  Halm,  zurück,  weil 
die  Vorfahren  damit  ihre  Dächer  gedeckt 
hätten,  wie  es  noch  auf  dem  Lande  üblich 
sei.  Ov.  fast.  III  184:  de  canna  straminibus- 
que  domum ;  VI  261:  stipula  teeta.  Schilt 
zur  Bedachung  war  auch  später  noch  auf 
dem  Lande  üblich,  Plaut,  m.  gl  .18;  Rud.  122. 
Apul.  met.  IV  6. 

6)  Vgl.  Archaeologia  a.  a.  O.  pl.  IX  7  ff. 

7)  Nach  Ann.  d.  Inst. XLIII  (1871)  tav.  U9. 

8)  Martha  L'art  etrusque  35;  286. 

9)  Nardoni  und  de  Rossi  in  der  Zeitschr. 
II  Buonarroti  Ser.  II  Vol.  IX  (1874)  Marzo. 


Erster  Abschnitt.    Das  städtische  Wohnhaus.  9 

wquae  Ferentinae1)  ausgegrabenen  Reste  alter  Ansiedlungen  führen  auf  ent- 
sprechende Bauweise,  da  die  von  den  Fundamenten  eingeschlossene  Erd- 
schicht mit  ihren  Resten  von  Holzkohlen,  zersetzten  organischen  Körpern 
und  Manufakturen,  die  sich  ganz  deutlich  von  dem  umgebenden  unbewohnten 
Boden  unterscheiden,  zu  erkennen  geben,  daß  die  dort  erbauten  Wohnungen 
aus  vergänglichen  Materialien  aufgeführt  waren2). 

Aber  schon  frühzeitig  wird  diese  runde  Hütte  durch  das  viereckige 
Haus  mit  oblongem  Grundriß  verdrängt  worden  sein3).  Woher  diese  neue 
Form  des  Wohnhauses  kam,  steht  nicht  fest,  obschon  mehrfach  angenommen 
worden  ist,  daß  dies  unter  griechischem  Einfluß  geschehen  sei4);  doch  ist 
es  wahrscheinlich  Etrurien,  von  wo  diese  Hausform  zu  den  Römern  ge- 
kommen ist,  die  in  einfachster  Art  durch  etruskische  Aschenurnen  mit 
schräg  nach  allen  vier  Seiten  ab- 


fallendem Dach,  das  oben  eine 
Lichtöffnung  zeigt,  verdeutlicht 
wird5),  vgl.  Fig.  26).  Ursprüng- 
lich wird  auch  hier  ein  einziger 
Raum  als  Wohn-  und  Schlafstätte 
gedient  haben,  um  den  sich  dann 
im  Verlauf  der  weiteren  Entwick- 
lung die  andern  Räumlichkeiten 
gruppierten:  so  entstand  das  den 
Herd  enthaltende  Atrium,  das 
etruskischer  Herkunft  ist7)  und 
die  Grundlage  des  altitalischen 
Hauses  bildet.  Bevor  wir  jedoch 
dazu  übergehen,  den  Grundriß 
des  römischen  Normalhauses  zu  betrachten,  haben  wir  einiges  über  die 
vornehmlich  dabei  zur  Verwendung  gelangenden  Baumaterialien  zu 
bemerken. 

Die  Substruktionen  der  Häuser  (crepido,  fundamenta,  substrudio)8) 
wurden  aus  Feld-  oder  Bruchsteinen  hergestellt,  wobei  man  überall  den 
zunächst  zur  Hand  befindlichen  Tuffstein  oder  Peperin,  Travertin  und  der- 
gleichen nahm9).  Die  daraus  hergestellten  Grundmauern  wurden  ent- 
weder mit  sorgfältig  und  regelmäßig  zubehauenen  Steinen  in  horizontaler 


Fig.  2.    Aschenurne  in  Hausform. 


')  deRossi  A.  d.  I.  XXXIX  (1867)  41 ;  ders. 
im  Giornale  arcadico  N.  S.  Vol.  LVIII.  Ueber 
Böden  von  Hütten  in  alten  italischen  Ansied- 
lungen s.  Petersen  R.  M.  VI  (1891)  360:  auch 
Spuren  von  eingerammten  Pfählen,  die  durch 
Geflecht  verbunden  die  Wände  bildeten  und 
das  Dach  trugen,  s.  Not.  d.  scavi  1891,  19.  44. 
B13.  Ueber  die  ältesten  Wohnhäuser  in  Latium 
s.  1 :.  Pinza  Bull,  comun.  XXVI  (1898)  95  ff. 

*)  Helbig  a.  a.  0.  50  f. 

3)  Ueber  die  Entwicklung  der  Hütten- 
form.  den  Uebergang  von  der  runden  zur 
ovalen  und  von  dieser  zur  rechteckigen  Form 
s.  Barnabei  Not.  d.  scavi  1893,  200  ff. 

4)  Vgl.  Helbig  ebd.  55. 


5)  0.  Müller  Etrusker,  bearb.  v.  Deecke. 
I  239  A.26. 

6)  Nach  Abeken  Mittelitalien  Taf.  III  6; 
vgl.  Daremberg  -  Saglio  II  350  Fig.  2511. 
Martha a.a.O.290 Fig.  198.  Beil.  ant.  Skulpt. 
480  N.  1242. 

7)  Varr.  1.  l.V  161.  Diod.V  40,  1. 

8)  Belegstellen  s.  Blümner  Technologie 
d.  Gr.  u.  R.  III  133.  Vgl.  über  fundamenta 
ca*menticia  Brugi  im  Archiv,  giurid.  XXXVIII 
(1887)  493  ff. 

9)  Vitr.  II  7.  Vgl.  Jordan  Topogr.  von 
Rom  I  1,  6  ff.  Richter  Topogr.  von  Rom  25. 
In  Pompeji  nahm  man  Lava,  Nissen  Pompej. 
Studien  578. 


10 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


Schichtung  oder  aus  unregelmäßig  geformten  Bruchsteinen  mit  Mörtel  ald 
Bindemittel  aufgeführt1).  Der  Oberbau  wurde  in  der  republikanischen; 
Zeit  fast  immer  aus  gewöhnlichen  Luftziegeln  hergestellt  (als  parm 
httericius)2),  selten  aus  würfelförmigen  Stücken  einheimischen  Gesteins  iia 
der  Weise  des  opus  incertum  oder  des  opus  reticulatum3).  Der  Backstein- 
bau tritt  erst  verhältnismäßig  spät  auf;  in  Rom  reichen  die  Ziegelstempel 
nicht  über  die  augusteische  Epoche  hinaus,  außerhalb  Roms  in  Kolonien 
und  Munizipien  nicht  über  die  Zeit  Sullas4),  und  noch  Vitruv5)  empfiehlt 
den  Luftziegelbau  als  besonders  zweckmäßig,  selbst  für  öffentliche  Bau- 
werke, und  schreibt  nur  für  gewisse  städtische  Bauten  die  structurm 
testacea  (testa  ist  der  gewöhnliche  Ausdruck  für  den  later  coctus)  als  Ober- 
teil der  parietes  latericii  vorfi).  Es  hat  daher  nichts  Verwunderliches, 
daß  noch  in  der  Kaiserzeit  Häuser  aus  Luftziegeln  sehr  gewöhnlich  waren7).] 
Daß  das  kostbare  Material  des  Marmors  zum  Außenbau  von  Privathäusern' 
(abgesehen  etwa  von  Säulen  und  Ornamenten)  verwendet  wurde,  kam  wohl 
vor  der  Kaiserzeit  kaum  vor;  war  doch  vorher  die  Verwendung  von  Marmor 
selbst  für  Tempel  und  öffentliche  Gebäude  noch  vereinzelt  gewesen.8)* 
Zur  Bedeckung  des  Daches  kamen  die  in  alter  Zeit  üblichen  Schindeln 
{scandulae)  noch  bis  zur  Zeit  des  Pyrrhuskrieges  vor9);  doch  war  schon 
vor  dem  gallischen  Brande  Bedeckung  mit  gebrannten  Ziegeln  üblich  ge- 
worden, vielleicht  infolge  davon,  daß  der  Staat  Ziegelbrennereien  angelegt; 
hatte10).  In  der  Hauptstadt  wird  das  Ziegeldach  seit  jenem  von  Cornelius' 
Nepos  überlieferten  Datum  obligatorisch  geworden  sein;  auf  dem  Lande 
blieben  Schindeldächer  auch  später  noch  in  Gebrauch11). 

Was  die   bauliche  Anlage   des   römischen  Wohnhauses   betrifft,    so] 


1)  Näheres  bei  Choisy  L'art  de  bätir  chez 
les  Romains  (Paris  1873),  p.  13  ff.  Blümner 
a.  a.  0.  136  ff. 

2)  Cat.  r.  r.  14,  4.  Varro  b.  Non.  48,  9 
(Sat.  Menipp.  225,  9  Riese):  antiqui  nostri  in 
domibus  latericüs  paululum  modo  lapidibus 
suffundatis,  ut  umorem  ecfugerent,  habitabant. 
Cic.  de  divin.  II  47,  99 :  in  latere  aut  in  cae- 
mento,  ex  quibus  urbs  effecta  est.  Vitr.  II 
1,  7:  non  casus,  sed  etiam  domos  fundatas 
et  latericüs  parietibus  aut  e  lapide  structas 
materieque  et  tegula  tectas  perficere  coeperunt. 
Dio  Cass.  XXXIX  61  von  einer  Tiberüber- 
schwemmung vom  Jahre  54  v.  Chr.:  at  xs 
ovv  olxiai,  ex  jiXivdaov  yäo  ovvwxodo/irj/nevai 
rjaav,  bi6.ßr>vyoi  xe  eyevorxo  xai  xaxeQQaynaav. 
Vgl.  Blümneb  a.  a.  0.  II  9  A.  4. 

3)  Vitr.  II  8, 1  ff.,  vgl.  Nissen  a.  a.  0.  57  ff. 
Jokdan  a.  a.  0.  I  1,  14.  Blümner  a.  a.  0.  III 
146. 

4)  Jordan  a.  a.  0.  15  A.26. 

b)  Vitr.  II  8,  9.  So  konnte  Augustus  die 
Stadt,  wie  er  sie  vorgefunden,  als  latericia 
bezeichnen,  Suet.  Aug.  28. 

6)  Vitr.  a.  a.  0.  17  f. 

7)  Man  vgl.  die  Berichte  über  die  Tiber- 
überschwemmungen bei  Tac.  ann.  I  76  und 
hist.  I  86. 


8)  Siehe  die  bei  Marquabdt  618  f.  zu- 
sammengestellten Notizen.  In  Pompeji,  wo 
die  Verhältnisse  anders  lagen  als  in  Rom, 
unterscheidet  man  bei  den  Privatbauten  die 
Zeit  der  Kalksteinatrien,  d.  h.  der  Häuser, 
die  außen  Quaderfassaden  aus  Sarnokalkstein, 
im  Innern  Kalksteinfachwerk  aufweisen  (vor 
200  v.  Chr.);  die  Tuffperiode,  die  vornehmlich 
aus  grauem  Tuffstein  baut  (200—90  v.  Chr.); 
die  erste  römische  Zeit  (von  80  v.  Chr.  an), 
der  aber  keine  Wohnhäuser  angehören;  die 
Zeit  vom  Ausgang  der  Republik  bis  zum 
Erdbeben  von  63  n.  Chr.,  ohne  bestimmte 
Baumerkmale,  doch  mit  bestimmten  Stilen 
in  der  Wandmalerei,  und  endlich  die  Zeit 
nach  63,  durch  äußere  Merkmale  kenntlich, 
ohne  gemeinsamen  Baucharakter.  Siehe  Mau 
Pompeji  34  ff.  Overbeck  Pompeji  36.  Nissen 
49  ff. 

9)  Plin.  XVI  37:  scandula  contectam  fn- 
isse  Romam  ad  Pyrrhi  usque  bellum  annis 
CCCCLXX  Cornelius  Nepos  auctor  est. 

10)  Das  scheint  aus  Liv.  V  55.  3  und  Diod.j 
XIV  116,  8  hervorzugehen;  vgl.  Nissen  a.  a.  0. 
23  ff.  Ueber  die  verschiedenen  Arten  der 
Dachziegel  (imbrices  und  tegulae)  vgl  Mar- 
quardt 687.     Becker-Göll  II  291. 

")  Plin.  XVI  36;  ib.  42.  Pallad.  r.  r.  I  22. 


Erster  Abschnitt.    Das  städtische  Wohnhaus. 


11 


pind  wir  beinahe  für  die  ganze  republikanische  Zeit  lediglich  auf  unsre 
itterarischen  Quellen  angewiesen,  da  Reste  von  Privathäusern  erst  aus 
er  letzten  Zeit  der  Republik  erhalten  sind.  Auch  für  diese  und  für  die 
aiserzeit  sind  die  Reste  von  Privathäusern  in  Rom  selbst  sehr  spärlich, 
afür  bieten  uns  aber  die  in  Pompeji  in  großer  Zahl  ausgegrabenen  reichen 
Ersatz,  denn  es  unterliegt  keinem  Zweifel,  daß  wir  in  dieser  kampanischen 
Stadt  Wohnhäuser  nach  römischem,  nicht  nach  hellenistischem  Brauche 
/or  uns  haben 1). 

In  der  älteren  Zeit  der  Republik  lagen  die  meisten  Wohnhäuser  jeden- 
alls  noch  für  sich  allein,  waren  also  nicht  durch  gemeinschaftliche  Wände 
nit  den  Nachbarhäusern  verbunden.  Das  war  schon  notwendig  bei  der 
ilteren  Art  der  Dächer,  die  als  tectum  frectinatum  oder  tectum  testudina- 
um 2)  auf  zwei  oder  auf  vier  Seiten  nach  außen  abfielen  und  der  Ab- 
'iilmmg  des  Regenwassers  wegen  es  notwendig  machten,  daß  rings  um 
las  Haus  ein  freier  Raum  (ambitus)  blieb,  der  für  jedes  Haus  durch  das 
^wölftafelgesetz  auf  zweieinhalb  Fuß  normiert  war3).  Allein  jedenfalls 
nachte  die  Zunahme  der  Bevölkerung  und  die  Notwendigkeit,  die  speziell 
n  Rom  durch  das  Klima  geboten  war,  die  Niederungen  zu  meiden4),  ein 
Zusammenschließen  der  Wohnungen  notwendig  und  führte  zur  Anlage 
lebeneinanderliegender  Häuser  mit  parietes  communes6),  deren  Einführung 
n  Rom  freilich  nicht  sicher  datierbar  ist6).  Diese  veränderte  Bauweise 
latte  dann  zur  Folge,  daß  auch  die  Dachanlage  geändert  werden 
nußte;  da  das  Altertum  Dachrinnen,  die  das  Regenwasser  vom  Dache 
er  Hausmauer  entlang  zur  Erde  führen,  nicht  gekannt  zu  haben 
scheint,  so  mußte  die  schräge  Dachform,  bei  der  das  Regenwasser 
liach  außen  ablief,  aufgegeben  werden,  und  das  führte  zur  Anlage 
les  für  das  italisch-römische  Wohnhaus  charakteristischen  Innenhofes  mit 


')  Das  zeigt  namentlich  ein  Vergleich  mit 
len  in  Delos,  Pergamon  und  Priene  aufgedeck- 
,en  Häusern  hellenistischer  Anlage,  vgl.CouvE 
m  Bull,  de  corr.  hell.  XIX  (1895)  475.  Wie- 
nand und  Schrader  Priene  (Berlin  1904)  285  ff. 
rLuiptunterschied  ist  dabei,  daß  der  Haupt- 
aum  des  hellenistischen  Hauses  die  av/.)) 
nit  den  daran  anstoßenden  &äkauoi  ist,  der 
les  römischen  Hauses  das  Atrium  mit  alae 
ind  tablinum.  Auch  darauf  ist  hinzuweisen, 
laß  die  pompejanischen  Grundrisse  mit  denen 
ibcreinstimmen,  die  sich  auf  dem  kapitolini- 
chen  Stadtplan  von  Privathäusern  finden. 

2)  Fest.213 a,  6 :  pcctenatum  tectum  dicitur 
i  similitudine  pectinis  in  (Inas  partes  divisum, 
it  testudinatum  in  quattuor. 

3)  Varr.  1.  l.V  22:  ambitus  est  quod  cir- 
iutneundo  teritur,  nam  ambitus  circuitus,  ab 
oquc  XII  tabularum  interpretes  ambitus 
varietis  circuitum  esse  describunt.  Fest.  5, 4: 
imbitus  proprie  dicitur  circuitus,  aedificiorum 
yatens  in  latitudinem  pedes  duos  et  semissem, 
n  longitudinem  idem  quod  aedificiuw,  ebd. 
[6,  16.  Isid.  XV  16,  12.  Voigt  XII  Tafeln 
.1  620    bezeichnet    als    Zweck    des    ambitus 


einmal,  den  beiden  Nachbarhäusern  das  Licht 
für  die  seitlich  des  Atriums  belegenen  Räume 
zu  sichern,  und  sodann,  den  direkten  Zugang 
wie  die  Zufahrt  zum  Hofe  zu  gewähren,  s. 
ebd.  637.  Vgl.  Preller  Regionen  der  Stadt 
Rom  87. 

4)  Vgl.  Poehlmann  Die  Anfänge  Roms 
(Erlangen  1881).  5  ff. 

5)  Siehe  Voigt  BSGW  1874,  196  ff. 

6)  Nissen  a.  a.  0.  567  f.  setzt  sie  mit 
Rücksicht  auf  das  erwähnte  Zwölftafelgesetz 
nach  dieser  Epoche  an;  Lange  Haus  und 
Halle 53  möchte  im  Gegenteil  daraus  schließen, 
daß  vor  jenem  Gesetz  kein  Ambitus  fest- 
gehalten, folglich  mit  purictcs  communes 
gebaut  worden  sei.  Mau  bei  Marquardt  218 
A.  2  bemerkt,  daß  die  zwölf  Tafeln  zwar 
die  Bestimmung  über  den  Ambitus  enthalten, 
aber  nicht  überliefert  ist,  daß  sie  ihn  vor- 
schrieben. Nach  dem  großen  Brande  von 
63  n.  Chr.  befahl  Nero,  daß  zwischen  je  zwei 
Häusern  ein  Ambitus  freigelassen  werde. 
Tac.  ann.  XV  43.  Suet.  Nero  16.  Vgl.  Mau 
bei  P.-W.  1  1803.  Voigt  a.  a.  0.  Weknek 
De  incendiis  urbis  Romae  (Lips.  1906)  48  ff. 


12 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


Compluvium,   d.  h.  des  Atrium   Tuscanicum1),   einer  der   griechischen  Welta 
fremden  Bauweise2). 

Nach  der  Straße  zu  pflegte  das  römische  Wohnhaus,  falls  nicht  Kauf- 
läden darin  angelegt  waren,  wenigstens  im  untern  Stockwerk  (über  Fenster- 
im  obern  s.  u.),  keine  Öffnungen  weiter  zu  haben,  als  die  für  die  Haustür, 
das  Oßtium8).  Bevor  man  aber  von  der  Straße  aus  das  Haus  betrat,  hatte 
man,  wenigstens  in  zahlreichen  Hausanlagen,  erst  das  sogenannte  uesti-, 
bulum  zu  passieren4).  Freilich  gehen  über  die  Bedeutung  dieses  Wortes; 
sowie    über    seine    Etymologie    die   Meinungen    auseinander5),    was    daher 


')  Die  Annahme  von  Marquardt  216, 
Nissen  621,  Monceaux  bei  D.-S.  350  u.  a.,  daß 
das  altrömische  Haus  überhaupt  den  Namen 
atrium  geführt  habe,  wofür  man  sich  auf  die 
noch  später  üblichen  Namen  einzelner  Bau- 
lichkeiten, wie  atrium  Maenianum,  Titium, 
publicum,  sutrinum,  auctionarium  u.  dgl.  (vgl. 
Jordan  Forma  urbis  29  f.)  beruft,  hat  wenig 
Wahrscheinlichkeit;  vgl.  die  Bemerkungen  bei 
Becker-Göll  II  254  und  Voigt  in  Burs.  Jahres- 
ber.  XV  377. 

2)  In  Nordafrika  (Timgad)  ist  kein  Atrium 
Tuscanicum  noch  Impluvium  nachweisbar; 
auch  sonst  ist  das  römische  Atriumhaus  in 
den  Provinzen  nicht  üblich  geworden,  s.  Marx 
a.  a.  0.  555. 

3)  Ostium  und  ianua  sind  an  sich  nicht 
identisch,  vgl.  Plaut.  Persa  788:  ante  ostium 
et  ianuam.  Streng  genommen  ist  eben  die 
Tüi  ein  Teil  des  ostium,  indem  unter  letz- 
terem allgemein  der  Zugang  oder  Eingang 
des  Hauses  verstanden  wird,  Vitr.  IV  6,  1 ; 
vgl.  Serv.  ad  Aen.VI  43,  der  aber  fälschlich 
die  dort  mitgeteilte  Etymologie:  ostium  per 
quod  ab  aliquo  arcemur  ingressu,  ab  obstando 
dictum,  dem  Vitruv  zuschreibt.  Isid.  XV  74 
führt  außer  dieser  noch  einige  ebenso  falsche 
Etymologien  an  (quia  ostendit  aliquid  quod 
intus,  oder  quia  hostem  moratur);  vielmehr 
kommt  das  Wort ,  das  zunächst  allgemein 
Mündung  bedeutet,  von  os  her.  In  der  lex 
parieti  faciundo  CIL  I  577  ist  ostium  die  Tür- 
öffnung, für  die  Breite  und  Höhe  angegeben 
werden.  Daß  ostium  sehr  häufig  gleich- 
bedeutend mit  ianua  oder  fores  gebraucht 
wird,  bedarf  keines  Beleges. 

4)  Cic.  p.  Mil.  27,  75:  qui  parietem  super 
vestibulum  sororis  instituit  ducere  .  .  .,  ut 
sororem  non  modo  vestibulo  privaret,  sed  omni 
aditu  et  limine.  Cicero  verbindet  gern  vesti- 
bulum  und  aditus,  vgl.  de  orat.  II  79.  320; 
orat.  15,  50;  in  Verr.  act.  II,  II  66,  160;  pro 
Caecina  12,  35.  Ebenso  wird  vestibulum  mit 
Urnen  verbunden,  s  Liv.  II  49,  3  vgl.  mit  ebd. 
48.  10.  Verg.  Aen.  II  469.  Vgl.  Vitr.  VI  10 
(7),  5:  item  Jigößvoa  graece  dicuntur,  quae 
Bunt,  ante  ianua*  vestibula.  Die  Glossen  er- 
klären vestibulum  durch  jtooj-zvXouov,  ngödvQov 
oder  xQÖvaog,  s.  Corp.  Gloss.  LatVII  409. 

■)  Schon  im  Altertum  war  man  darüber 
im  Unsichern.  Varro,  der  nach  Serv.  ad  Aen. 


VI  273  auf  Etymologie  verzichtete  {vestibulum, 
ut  Varro  dicit,  etymologiae  non  habet  pro* 
prietatem,  sed  fit  pro  captu  ingeniij,  sagt 
1.  1.  VII  81  nur:  vestibulum,  quod  est  antt, 
domum.  Die  Unsicherheit  hängt  jedenfalls 
damit  zusammen ,  daß  die  Bedeutung  des 
Wortes  frühzeitig  beträchtlich  erweitert  worden 
ist,  andrerseits  der  ursprüngliche  Zweck  und 
Gebrauch  des  Vestibulums  später  aufgehört 
hatte,  sodaß  es  nach  Gell.  XV  5,  2  soga^ 
nicht  ungelehrte  Männer  gab,  die  den  vor-l 
deren  Teil  des  Hauses  mit  dem  Atrium  als 
Vestibulum  erklärten.  Daß  solche  Identi- 
fizierung beider  Begriffe  in  der  Tat  vorkam, 
zeigt  Liv.  V  41,  2,  wo  die  römischen  Greise 
beim  Einrücken  der  Gallier  medio  aediunt 
sitzen,  während  er  sie  ebd.  8  in  aedium  vesti-^ 
bulis  sitzen  läßt.  —  Die  gewöhnlichste  Ab-J 
leitung  der  Alten  brachte  das  Wort  mit 
Vesta  in  Zusammenhang,  weil  diese  dort  ver- 
ehrt worden  sei,  Ov.  fast.  VI  303.  Non.  53.  3. 
Serv.  ad  Aen.  II  469;  VI  273.  Dies  ist  sicher- 
lich falsch ,  da  der  Herdkultus  im  Innern 
des  Hauses  lag.  Ebenso  falsch  ist  die  Deu- 
tung: quod  ianuam  vestiat,  Serv.  11. 11.  Von 
vestis  wollte  auch  Mommsen  Rom.  Gesch.4 
I  237  es  ableiten,  als  „  Ankleideplatz",  wJ 
man  beim  Ausgehen  die  Toga  umwarf,  was 
schon  deswegen  unwahrscheinlich  ist,  weil 
das  sehr  mühsame  und  umständliche  Anlegen 
der  Toga,  zu  dem  es  fremder  Hilfe  bedurfte, 
sicher  innen  im  Hause  und  nicht  im  Vor! 
platz  vorgenommen  wurde.  Abgesehen  davon 
ist  auch  die  Ableitung  von  vestire  des  kurzen 
/  in  vestibulum  wegen  abzuweisen.  Die  wahr- 
scheinlichste ist  die  von  ve-stare ,  Sulpic. 
Apollinar.  bei  Gell.  a.  a.  O.  4  ff.  Macrob.  sata 
VI  8,  15  ff.  Non.  a.  a.  O.,  als  der  Platz,  wo 
man  abgesondert  draußen  vor  dem  Hause 
steht,  bevor  man  es  betritt;  so  erklärt  es 
auch  Ribbeck  Beitr.  z.  Lehre  v.  d.  lat.  Pari 
tikeln  10.  mit  Hinweis  auf  das  verwandte 
prostibulum,  und  Becker-Göll  230.  der  diel 
von  Nissen  632  mit  Rücksicht  auf  Vitr.  VI 
8  (5).  2  (wonach  in  Landhäusern  in  den  rem 
stibula  stabula,  tabernae  usw.  sind)  aufgestellte 
Ansicht,  vestibulum  sei  ursprünglich  der  Wir™ 
schaftshof  des  Bauernhauses  mit  StallungJ 
Düngerstätte  usw.  gewesen,  mit  Recht  ablehnt! 
obschon  Marquardt  227  sie  angenommen  hafl 
(dagegen  von  Mau  ebd.  A.  2  abgewiesen). 


Erster  Abschnitt.    Das  städtische  Wohnhaus. 


13 


)mmt,  daß  das  Wort  im  Lauf  der  Jahrhunderte  seine  Bedeutung  teils 
weitert,  teils  verändert  hat.  Da  sich  schon  an  den  altitalischen  Hütten 
pe  von  Pfählen  getragene  Vorhalle  nachweisen  läßt1),  so  ist  das  älteste 
estibulum  wahrscheinlich  ein  solcher  vor  dem  Hause  belegener  und 
gendwie  von  der  Straße  abgetrennter  Vorplatz  gewesen;  in  der  ältesten 
teile,  an  der  das  Wort  überhaupt  vorkommt,  scheint  es  in  der  Tat  diese 
edeutung  zu  haben2).  Allein  später,  als  die  Häuser  dichter  beisammen 
igen  und  die  meist  engen  Straßen  des  alten  Rom  solche  Vorbauten  nicht 
lehr  erlaubten,  mag  das  Vestibulum  zusammengeschrumpft  sein,  und  so 
akam  vermutlich  der  innerhalb  der  Hausmauern  belegene,  aber  nicht  ver- 
flossene Raum,  der  hinten  von  der  Haustür  und  seitlich  von  den  Wänden 
3s  ostium  begrenzt  war3),  den  gleichen  Namen4).  Diese  Form  des 
nerhalb  der  Hausarea  belegenen,  aber  durch  die  Tür  vom  Hausinnern  ge- 
ennten  Vestibulum  ist  in  Pompeji  nicht  selten  anzutreffen,  und  zwar  ebenso 
i  einer  Tiefe  von  1 — 2  Meter,  wie  viel  kleiner  und  auf  einen  unbedeutenden 
latz  reduziert5);  es  kam  auch  vor,  daß  zwei  benachbarte  Häuser  ein  ge- 
teinschaftliches  Vestibulum  hatten6).  Ihre  größte  Ausdehnung  erhielten 
iese  Vestibula  in  den  Palästen  der  Reichen  und  Vornehmen,  indem  die 
jr  Morgenbegrüßung  sich  einfindenden  Klienten  hier  warteten,  bis  sie  zu 
em  im  Atrium  sie  empfangenden  Patronus  zugelassen  wurden7),    und   so 


')  Man  vgl.  die  oben  Fig.  1  abgebildete 
ine.  dazu  die  Spuren  einer  Pfahlbauhütte 
ii  Bologna,  Helbig  Italiker  48. 

*)  Plaut.  Most.  81 7:  viden  vestibulum  ante 
dis  hoc  et  ambulacrum  quoiusmodi.  Dar- 
ich  kann  hier  an  ein  Vestibulum  innerhalb 
jr  Hausmauern  nicht  gedacht  werden.  Auf 
ne  ähnliche  Anlage  vor  dem  Hause  deutet 
laut.  Asin.  425 :  iussin  columnis  deici  operas 
wneorumt  So  wohl  auch  noch  später  öfters, 
B.  Macrob.  VI  8,  22:  tarnen  vestibulum  eon- 
iit  aream  diei,  quae  a  via  domum  dividit, 
i  hier  nicht  die  Tür,  sondern  das  Haus 
s  Grenze  bezeichnet  wird. 

3)  Dergestalt  wird  das  Vestibulum  ge- 
esen  sein,  in  das  Cicero  einmal  vor  Ver- 
lgern  flüchtet ,  nach  ad  Attic.  IV  3,  3, 
eil  es  dann  heißt:  gut  erant  mecum  facile 
ffreu  aditu  prohibuerunt.  Vestibulum  und 
üerior  medium  pars  einander  entgegensetzt 
Caecin.  31,  89;  vgl.  auch  de  har.  resp.  14, 
1.  Doch  ist  hier  ebensowenig  wie  bei  Liv. 
XXIX  12,  2  wegen  des  Gegensatzes  des 
'.stibulum  zum  inferior  pars  aedium  mit 
[abx  a.  a.  0.  557  unter  jenem  das  Vorder- 
aus mit  dem  Atrium  zu  verstehen;  so  ist 
ach  Verg.  Aen.  I  637  und  II  486  die  inferior 
omus  gemeint  (an  letzterer  Stelle  sind  gleich 
arnach  die  cavae  aedes,  d.  h.  das  cavaedium 
ler  atrium  als  identisch  genannt),  und  ebenso 
v.  met.VII  670,  wo  interius  spatium  den 
egensatz  zu  in  limine  v.  668  bildet.  Auch 
ei  Cic.  ad  Att.  IV  3,  5  bedeutet  vestibulum 
en  allerdings  geräumig  zu  denkenden  Vor- 
atz, und  Quint.  XI,  1,  20  setzt  direkt  vesti- 
ilum  und  atri/nu  einander  entgegen. 


4)  Nach  Annahme  von  Weiss  Jb.  f.  Ph. 
CXVII  (1878)  283  wäre  das  Vestibulum  eine 
von  der  Front  des  Vorderhauses  und  den 
daraus  hervorspringenden  Seitenflügeln  ein- 
geschlossene area  gewesen.  Allein  das  an- 
gebliche alte  römische  Freskogemälde  bei 
Rich  Worterb.  d.  röm.  Altertum.  683,  auf  das 
er  seine  Ansicht  gründet,  ist  kaum  zuver- 
lässig und  zeigt,  wenn  es  wirklich  antik, 
jedenfalls  eine  ganz  ungewöhnliche  Haus- 
oder Palastform. 

5)  Vgl.  Nissen  631.  Ovekbeck  Pompeji 
252;  dagegen  findet  sich  die  andere,  präch- 
tige Form  des  als  Portikus  gestalteten  Vesti- 
bulums  nur  in  einem  einzigen  Beispiel,  Mau 
Pompeji  253. 

6)  Cic.  p.  Mil.  27, 75:  qui  pa riete m  sie  per 
vestibulum  sororis  instituit  ducere,  sie  agere 
fundamenta,  ut  sororem  non  modo  vestibulis 
privaret  sed  omni  aditu,  et  limine.  Die 
Häuser  des  Clodius  und  des  Q.  Metellus  Celer, 
des  Gemahls  der  zweiten  Schwester  des  Clo- 
dius, lagen  auf  dem  Palatin  und  stießen  an- 
einander. Als  Rechtsfall  Digg.  X  3,  19:  de 
vestibuio  eommuni  binarum  aedium  arbiter 
eommuni  dividundo  inrito  utrolibet  dari  non 
debet,  quia  qui  de  vestibuio  lieeri  cogitur, 
necesse  habet  interdum  totarum  aedium  pre- 
tium  facere,  si  alias  exitum  non  habet. 

7)  Gell.  XV  5,  3:  C.  Äelius  Gallus  in  libro 
de  significatione  rerborum,  quae  ad  ins  eiri/e 
pertinent,  seenndo:  vestibulum  esse  dielt  mm 
in  ipsis  aedibus  neque  purtem  aedium,  sed 
locum  ante  ianuam  domus  vaeuum,  per 
quem  a  ria  aditu*  occessusque  ad  aedes  est 
(das  Weitere    ist    arg   verdorben    und    nicht 


14 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


hatten  auch  die  Kaiserpaläste  ihre  Vestibula1).  Sie  waren  hoch  und 
prächtig2),  manchmal  durch  mehrere  Stufen  über  die  Straße  erhöht3), 
und  enthielten  allerlei  Schmuck,  indem  hier  erbeutete  Trophäen  und  Ehren- 
zeichen angebracht4)  und  Statuen,  selbst  Viergespanne,  dort  aufgestellt 
wurden5).  In  den  Häusern  der  Magistrate  standen  hier  auch  die  fasces  der 
Liktoren6).  Im  Laufe  der  Zeit  hat  das  Wort  vestibulum  jedoch  eine  ver- 
allgemeinerte Bedeutung,  etwa  wie  Vorhalle  oder  Vorplatz,  erhalten,  und  so 
kommt  es,  daß  bei  den  Alten  die  Rede  ist  von  Vestibula  von  Tempeln 7)  und 
öffentlichen  Gebäuden8),  von  Grabdenkmälern9),  und  dann  weiterhin  im  Sinne 
von  allem,  was  den  Zugang  von  irgendetwas  bildet10);  ja  sogar  die  Vor- 
räume von  Vogelhäusern,  Bienenstöcken  und  dergleichen  werden  so  benannt11),: 
und  auch  in  übertragener  Bedeutung  wird  das  Wort  nicht  selten  gebraucht12). 

vor  dem  Hause  gewesen  sein;  vgl.Vespas.  25. 
luven.  7,  125:  huius  enim  stat  currus  aeneus, 
alti  |  quadriiuges  in  vestibulis.  Ohne  Nennung 
des  Vestibulum  Liv.  XXXVII!  43,  11  von  Sta- 
tuen, Sil.  It.  VI  434  von  Wagen. 

6)  Aur.Vict.  vir.  ill.  20.  1:  fasces  UctoriA 
foribus  adpositos.  Vgl.  Claud.  I  233;  VIII  416, 
allerdings  überall  ohne  Nennung  des  Vesti- 
bulums.  Hier  hielten  sich  auch  die  Liktoren 
für  gewöhnlich  auf.  Liv.  XXXIX  12,  2.  Bei 
Todesfällen  wurde  nach  Serv.  ad  Aen.  IV  507 
ein  Zypressenzweig  im  Vestibulum  aufgestellt. 

7)  Cic.Verr.  act.  II,  II  66.  160.  Liv.  epit. 
LXXXVI.  Val.Max.  18,  2;  ebd.  11.  Tac.hist. 
186.  Marx  a.  a.  0.  549  meint,  das  Vestibulum 
sei  erst  in  späterer  Zeit  von  der  Säulenvorhalle 
des  Tempels  auf  das  Haus  übertragen  worden. 

8)  Von  der  Curia  Liv.  148,1;  II 48, 10;  von 
Bädern  Cic.  p.  Cael.  26,  62;  von  Gefängnissen 
Cod.  Theod.  IX  3,  1  (vom  Jahr  320  n.  Chr.). 

9)  Cic.  de  legg.  II  24,  61,  wo  das  alte  ia 
den  XII  Tafeln  vorkommende  Wort  forum 
(als  Vorplatz  oder  Vorbau)  durch  vestibulutm 
sepulcri  erklärt  wird,  ebenso  Fest.  84, 12.  Vgl. 
CIL  III  2072:  vestibulum  et  ambitus  monur 
menti,  auch  bei  einem  Grabdenkmal. 

10)  So  nennt  Vitr.VII  praef.  16  das  Prosty- 
lon  in  Eleusis  vestibulum.  Liv.  spricht  XXV 
17,  4  vom  vestibulum  Punicorum  rostrorumk 
XXVI  32,  4  und  XXXVI  22,  11  vom  vestM 
bulum  urbis  (so  auch  auf  einer  Inschrift  aua 
Carthago  nova  von  589  n.  Chr.,  CIL  II  3420). 
Dichterisch  spricht  Verg.  Aen.  II  469,  VI  273 
(ebd.  555)  von  einem  vestibulum  Orci.  So 
nennt  Cic.Verr.  act.  II.  V  66, 170  die  nach  dem 
Meere  zu  belegene  Vorstadt  Messinas  resti- 
bulum  Siciliae,  pro  Mil.  7,19  das  Forum  #es#l 
bulum  senatus,  und  Apul.  de  mundo  6  di« 
Propontis  das  Vestibulum  des  Pontus. 

1 ')  Verg.  Geo. IV  20 :  palmaque  vestibulum 
(tut  ingens  oleaster  obumbret  (welche  Stelle 
Marquardt-Mau  225  A.  6  irrtümlich  als  Be- 
leg dafür  anführt,  daß  das  Vestibulum  bial 
weilen  mit  Gartenanlagen  versehen  gewes« 
sei.  wofür  keine  Zeugnisse  vorliegen).  Varr.r.M 
1117,4.  Colum.VIII3.  5;  4,  6;  8.  3;  1X12,  ll 

12)  Quintil.  I  5,  7;  IX  4,  10.  Fronto  ad  M. 
Caes.  IV  3  p.  62  (Naber). 


sicher  zu  rekonstruieren).  Ebd.  8:  qui  domos 
igitur  amplas  antiquitus  faciebant,  locum  ante 
ianuam  vacuum  relinquebant,  qui  inter  fores 
et  riam  medius  esset.  Ebd.  9 :  In  eo  loco  qui 
dominum  eius  domus  salutatum,  vener  ant, 
priusquam  admitterentur ,  consistebant  etneque 
in  via  stabant  neque  intra  aedis  er  ant.  Aehn- 
lich  Macr.VI8,  15.  Non.  53,  5.  Senec.  dial. 
VI  10,  1 :  ampla  atria  et  exclusorum  clientium 
turba  referta  vestibula.  Ebd.  XI  4,  2  semper 
ns/ /bulum  obsidens  turba.  Vgl.  Suet.  Tib.  32: 
si/hitandi  causa  pro  foribus  adstantem;  id. 
Otho  3.  luven.  1,  132:  vestibulis  abeunt  veter  es 
lassique  clientes,  wozu  Friedländer  bemerkt, 
daß  die  vestibula  hier  und  7,  126  zum  letzten 
Male  erwähnt  werden,  was  der  Einschränkung 
bedarf,  da  der  Jurist  Paulus  (3.  Jahrh.  n.  Chr.) 
Digg.  X  3,  19,  1  vestibula  erwähnt. 

x)  Suet.  Aug.  100;  Tib.  26;  Nero  31:  Vesp. 
25.  Auf  frühere  Zeit  überträgt  es  Curt.VII  4, 14. 

2)  Vitr.VI  8  (5),  2:  igitur  is,  qui  communi 
sunt  fortuna,  non  necessaria  magnifica  vesti- 
bula nee  tablina  neque  atria,  quod  magis 
al/ix  officio  praestant  ambiendo  quam  ab 
aliis  ambiuntur.  Ebd. :  nobilibus  vero  .  .  .  fa- 
ciunda  sunt  vestibula  regalia  alta.  Vgl.  dens. 
Vi  10  (7),  22:  habent  autem  eae  domus  vesti- 
bula egregia  et  ianuas  proprias;  I  2,  6:  cum 
aedifiriis  interioribus  magnificis  item  vestibula 
convenientia  et  elegantia  erunt  facta. 

■')  Sen.  ep.  84,  12:  praeteri  istos  gradus 
divitum  et  magno  adgestu  suspenso,  vestibula. 

4)  Cic.  Phil.  II  28,  68:  an  tu  illo  in  ve- 
stibula rostra  cum  aspexisti,  domum  tuam 
te  introire  putas?  Suet.  Tib.  26:  civicam  in 
vestibulo  coronam  recusavit.  Ohne  Nennung 
des  Vestibulums,  als  an  der  Tür  und  den 
Türpfosten  angebracht,  nennt  solche  Spolien 
Liv.  X  7,  9:  XXIII  23,  6;  XXXVIII  43,  11. 
Plin.  XXXV  7.  Tib.  1 1,  54.  Ov.  trist.  III 1,  33. 
Suet.  Nero  38;  auf  heroische  Zeit  überträgt 
den  Brauch  Verg.  Aen.  II  504;  V  393;  VII  183. 
Gelehrte  Reminiszenz  ist  Ennod.  carm.  112, 
4(11  17):  vestibulum  galeu  comitur  armigeri. 
.  6)  Suet.  Nero  31:  vestibulum  eius  (sc.  do- 
muß  aureae)  fuit,  in  quo  colossus  CXX  pedum 
stam  ipeius  efftgie;  hier  muß  das  Vestibulum 
des  Palastes  unbedacht,  also  ein  freier  Platz 


Erster  Abschnitt.    Das  städtische  Wohnhaus. 


15 


So    darf  man   denn    annehmen,    daß   die  Anlage   des  Vestibulums   im 

I  ufe  der  Jahrhunderte  allerlei  Veränderungen  durchgemacht  hat  und  dal.. 

€    je  mehr  die  Sitte  der  Salutatio  der  Klienten  abnahm,    allmählich  ver- 

s  iwand1). 

Abgesehen  von  den  oben  erwähnten  Zierden  des  Vestibulums  und  des 

]  ,useingangs,  die  vornehmlich  die  Wohnhäuser  der  Vornehmen  schmückten, 
b  es  auch  sonst  da  oder  dort,  und  auch  da,  wo  das  Vestibulum  fehlte,  be- 
leidenen  äußern  Schmuck.  So  gab  eine  Inschrift  den  Namen  des  Besitzers 
2)  oder  enthielt  einen  Segensspruch  für  das  Haus  und  seine  Bewohner3), 
dessen  Stelle  wohl  auch  der  Unheil  und  bösen  Blick  abwehrende  Phallus 
3r  sonst  ein  Zeichen  von  entsprechender  Bedeutung  angebracht  war4), 
ch  führten  manche  Häuser,  wie  bei  uns,  bestimmte  Namen,  die  allem 
schein  nach  auch  in  den  daran  angebrachten  Emblemen  zum  Ausdruck 
men;  so  hatte  in  Rom  der  Vicus  Capitis  Africae  wohl  von  einem  mit 
lern  solchen  Bildwerk  geschmückten  Hause  seinen  Namen5),  vielleicht 
ch  die  Stelle  ad  eapüa  hu  Inda  auf  dem  Palatin,  die  Geburtsstätte  des 
igustus0).  Namentlich  Wirtshäuser  hatten  solche  Insignien  und  führten 
mach  den  Namen7). 

Den  das  Haus  Betretenden  begrüßte  nicht  selten  ein  in  Mosaik  auf 
r  Türschwelle  eingelegtes  Salve*).  Daß  aber  dort  über  der  Tür  ein 
üg  hing  mit  einem  sprechenden  Vogel,    der  dem  Eintretenden  eine  Be- 


])  An  den  Häusern    des  kapitolinischen 
dtplanes  fehlt  es  gänzlich. 

*)  Das  war  aber  immerhin  selten,  wie 
npeji  zeigt,  auch  haben  wir  dafür  nur  ein 
■  tes  Zeugnis  Augustin.  comm.  in  Psalm. 
I  1:  sicut  <ili<iii(i»i  domutn  iiitraturi,  cnins 
I  et  ad  quem  pertineat  in  titulo  inspicimus. 
i  I.  0.  Jahn  BSGW  1855,  75. 

3)  So  z.B.:  Felix  hie  locus  est,  in  Pompeji, 

<  j  IV  2320;  Hie  habitat  [felicitas]  nihil  m- 
t  '  malt,  in  Salzburg,  ebd.  III  5561;  vgl.  Jahn 
i  i.  0.  Der  Schluß  der  letzten  Inschrift  er- 
i  ert  an  den  aus  Diog.  Laert.  VI  50  be- 
1  inten  Vers,  den  man  als  Graffito  an  einem 
]  leneingang  in  der  Strada  degli  Olconi  in 
]  npeji  gefunden  hat  (CIL  IV  733):  6  rov  Aid? 
i  s  xaXXivtxos  'Hoaxli).;  j  evdüfte  xarotxei' 
I  $ev  eIoizw  xaxöv.  Vgl.  Overbeck  165.  Aehn- 
1  1er  Art  sind  die  an  die  Mauern  geschrie- 
1  ich  deprecationes  incendiorum,  die  Plin. 
I  VIII  20   erwähnt,    und    der   dasselbe   be- 

<  itende  Spruch  arse  verse,  den  man  nach 
I  an.  b.  Fest.  18,  15    über   die   Tür   schrieb 

<  ch  auf  einer  Inschrift  aus  Cortona  in  der 
1  -m  ai-scs  mtrses,  Pauli  Corp.  inscr.  Etrusc. 
*.  L  Okelli  1384,  aber  wahrscheinlich  ge- 
f  seht). 

4)  Ant.  di  Ercol.  VI  393  u.  398.     B.  d.  I. 
J4.  35;  1835,  127;    vgl.  Jahn  a.  a.  0.  74. 

üiii  ck  380.     An    der   sogenannten    Casa 

questore  in  Pompeji  war  auf  dem  rechten 

rofeüer  Merkur  mit  Fortuna  aufgemalt,  s. 

liuc  Wandgemälde  8  N.  18.  Overbeck  335. 

ä)  Notit.  urb.  Romae,  reg.  II.  CIL  V  1039 


(aus  Aquileia) ;  VI  8982—8987.  Gatti  A.  d.  I. 
LIV  (1882)  191  ff.  Lanciani  Mon.  dei  Lincei 
I  500;  nach  Richter  Topogr.  335  von  einem 
in  der  Straße  stehenden  Bildwerk  entnommen. 
Noch  im  Mittelalter  hieß  darnach  die  Kirche 
S.  Stefano  rotondo  in  capite  Africae.  Viel- 
leicht hatte  der  Vicus  capitis  canteri  in  der 
XI II.  Region  eine  ähnliche  Entstehung;  der- 
selbe Name  kommt  in  Corduba  vor,  CIL  II 
2248. 

6)  Suet.  Aug.  5. 

7)  Am  bekanntesten  ist  die  imago  Qatti 
in  sento  Oimbrico,  das  Wahrzeichen  einer 
Taberne  am  Forum,  Cic.  de  or.  II  66,  266. 
Quint.  VI  3,  38.  Plin.  XXXV  25.  Auf  einer 
Inschrift  von  Narbo  CIL  XII  4377:  oepüalis 
a  gallo  gallinaceo.  Andere  Beispiele  von  Aus- 
hängeschildern   s.  Jordan  A.  Z.  XXIX  (1871) 

j  65  ff. ;  das  dort  abgebildete  Relief  der  drei 
Grazien  mit  einer  Alten  und  der  Inschrift 
Ad  sorores  IUI  war  vielleicht  auch  ein  solches 
(etwa  eines  Bordells).  Ueber  die  Ladenschilder 
s.  unten. 

8)  In  Pompeji  mehrfach  erhalten,  vgl. 
Overbeck  254;  326;  bei  der  Casa  del  Fauno 
ist  in  das  Trottoir  vor  der  Türöffnung  des 
Vestibulums  mit  großen  Buchstaben  Hare  in 
Mosaik  eingelegt,  ebd.  349.  In  einem  Haus, 
das  vermutlich  einem  Kaufmann  gehörte, 
sind  im  Fußboden  des  Ostiums  die  Worte 
Salve  hierum  eingelegt,  und  an  der  Wand 
ist  die  Inschrift  aufgemalt:  Otiosie  locus  h'<<' 
höh  est,  diacede  morator,  ebd.  321:475.  CIL 
IV  813. 


16 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


0/3 


grüßung   entgegenrief,    wie   im  Hause   des   Trimalchio1),    war   sicher    un- 
gewöhnlich. 
»  Die    Haustür2)! 

ianna31),  besteht  aus 
der  eigentlichen  ver-. 
schließbaren  Tür,  den 
beiden  seitlichen  Pfo- 
sten, der  Schwelle  und; 
dem  Türsturz4).  Über 
ihre  Einrichtung  geben 
uns,  abgesehen  von 
zahlreichen  darauf  be- 
züglichen Schriftstel- 
len ,  vornehmlich  die 
Häuser  Pompejis  Auf- 
schluß5), von  denen 
wir  in  Fig.  3  als  best-? 
erhaltenes  und  beson* 
ders  lehrreiches  Bei-? 
spiel  die  Haustüranlage 
im  Hause  des  Pansa  in» 
Grundriß  und  Durch- 
schnitt abbilden6).  Dn 
Pfosten,  postes  (AA),  pflegten  nach  Art  von  Anten  (daher  auch  antae  ge- 
nannt)   aus   der   Mauer   vorzutreten7);    sie    waren   mit   Holzverkleidungen, 


Fig.  3. 


Grundriß  und  Durchschnitt  der  Haustüranlage  im  Hause  des 
Pansa  in  Pompeji. 


')  Petr.28. 9.  Die  pica  salutatrix  erwähnt 
auch  Mart.  VII  87,  6;  XIV  76;  den  yalgs 
sprechenden  Papagei  Pers.prol. 8 ;  doch  mochten 
für  gewöhnlich  solche  sprechende  Vögel  ihren 
Platz  im  Innern  des  Hauses  finden. 

2)  Von  älteren  Spezialabhandlungen  hier- 
über ist  Sagittarius  De  ianuis  veterum.  Alten- 
burg 1672  (auch  in  Graevii  Thesaurus  VI  467), 
zu  nennen,  von  neuerer  Litteratur  Donaldson 
A  collection  of  the  most  approved  examples 
of  doorways,  London  1836.  Pottier  bei  D.-S. 
III 607  ff.  (die  hier  609  zitierte  Abhandlung  von 
Fazio  behandelt  antike  Häfen,  nicht  Türen). 

3)  lanua  ist  vornehmlich  die  Haustür 
im  engeren  Sinne,  insofern  andere  Türen  des 
Hauses  nicht  so  genannt  zu  werden  pflegen, 
vgl.  Nep.  Hannib.  12.  4:  puer  ab  ianua  pro- 
spiciens  .  .  .  imperavit  ei,  ut  omnes  fores 
aedificii  circumiret.  Vitr.  VI  8  (5),  3:  in  urbe 
atria  proxima  ianuis  solent  esse;  ebd.  10  (7), 
5:  quae  sunt  ante  ianuas  vestibula;  andrer- 
seits aber  ist  sie  die  Haustür  im  all- 
gemeineren Sinne,  d.  h.  sie  umfaßt  ebenso 
die  eigentliche,  den  Verschluß  bildende  Tür, 
als  deren  ganze  Umrahmung  mit  Pfosten  und 
Schwellen,  wird  daher  von  den  fores  unter- 
schieden, Tac.  ann.  139:  concursu  ad  ianuam 
fado  moliuntur  fores.  In  dieser  Bedeutung 
kann  sie  dann  aber  auch  in  identischem  Sinne 
mit   fores   gebraucht   werden,   wie    z.  B.  bei 


Cic.de  deor.  nat.  II  27,  67:  fores  in  liminifnis 
profanarum  aediurn  ianuae  noniinantur:  und 
in    dieser  Bedeutung   ist   sie  namentlich  b« 
Dichtern   häufig,    vgl.  die    an    die  ianua  ge- 
richteten Gedichte  des  Catull  67  u.  Tibull  I  2. 

4)  Diese  drei  Hauptteile,  Ihn i 'na,  postes, 
fores,  zusammen  genannt  bei  Lucr.  IV  117B 
Ov.  am.  I  6,  73:  crudeles  rigido  cum  limine 
postes  \  duraque  conservae  ligna  miete,  fores. 
Nur  postes  und  limina  verbunden  bei  Cat.  m 
r.  14,  1.  Verg.  Aen.  II  480.  Hör.  epod.  11,  21; 
postes  und  fores  Plaut.  Bacch.  1118. 

5)  Eine  Spezialuntersuchung   bietet  Iva- 
noff Varie   specie  di  soglie  in  Pompeji,    A4. 
d.  I.  XXXI  (1859)  52  ff.  mit  M.  d.I.Vl  28  unl 
tav.  D— F. 

6)  Nach  M.  d.  I.  VI  28,  3,  danach  Oyer- 
beck  253  Fig.  136.    Mau  254  Fig.  129. 

7)  Isid.  XV  7,  8  unterscheidet:  postes  et 
antae  quasi  post  et  ante.  Et  antae,  quia  ante 
stant  vel  quia  ante  ad  eas  accec/imns,  prius- 
quam  domum  ingrediamur.  Postes  eo,  qitod 
post  ostium  stant;  darnach  scheint  er  unte« 
antae  die  Pfosten  einer  Tür  zu  vorstehen, 
die  direkt  in  der  Straßenfront  liegt,  und  difl 
antenartig  nach  vorn  aus  der  Mauer  vom 
springen.  Wenn  dagegen  Fest.  16,  15  sagt* 
antae,  quae  sunt  latera  ostiorum,  so  sinfl 
damit  die  die  Tür  umrahmenden,  seitlich  aufl 
der  Mauer  vortretenden  Pfosten  gemeint,  s# 


Erster  Abschnitt.    Das  städtische  Wohnhaus. 


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itfepagmenta1),  versehen.  Die  Löcher  in  der  Schwelle,  in  denen  diese 
erschalungen  befestigt  waren  (W),  haben  sich  in  manchen  Häusern  noch 
•halten2).  In  prächtigen  Häusern  waren  freilich  die  Pfosten  von  Marmor 
ad  skulpiert3). 

Schwelle  (S)  und  Türsturz  werden  beide  mit  demselben  Worte 
uwii  bezeichnet4)  und  als  Urnen  inferum  und  superum  unterschieden6); 
e  untere  Schwelle  war  gewöhnlich,  der  Türsturz  vielfach  ebenfalls,  von 
sein6)  und  ragte  ein  wenig  über  den  Boden  hervor.  Die  eigentliche  Tür, 
»res,  war  in  der  Regel  zweiflügelig7),  meist  von  Holzs),  in  reicheren 
äusern  und  besonders  an  öffentlichen  Gebäuden  und  Tempeln  mit  Erz 
schlagen  und  sonst  reich,  mit  Elfenbein  und  dergleichen  mehr,  verziert9), 


ch  CIL  1  577.  Die  Qualität  der  Pfosten 
ielte  bei  der  Solidität  der  Tür  eine  wichtige 
die;  vgl.  Plauf.  Most.  818:  specta  postis, 
oiusmodi,  \  quanta  firmitate  facti  et  quanta 
ussitudine.     Ebd.  827    wird    erwähnt,    daß 

zur  Sicherung  gegen  Wurmfraß  und  Fäul- 

mit  Pech  bestrichen  wurden.  Die  Dichter 
brauchen  postes  vielfach  im  Sinne  von  Tür 
ernannt  oder  im  spezielleren  von  Türflügeln, 
B.  Tib.  I  1,  73:  frangere  postes;  ib.  2,  31: 
erat  postes.  Verg.  Aen.  II  480:  postisque  a 
rdine  reitet;  ib.  492;  "VIII  227.   Ov.  am.  I  6, 

u.  ö. 
!)  Vitr.  IV  6,  1 :  ostiorum  et  eorum  ante- 
gmentorum,  und  ebd.  öfters.  Teilweise 
Isch  ist  Fest.  8,  10:  antepagmenta  valvarum 
»amcnta,  quae  antis  appinguntur  id  estaffi- 
nfiir.  Inschriftlich  antepagmenta  dbiegnea, 
L  I  577,  doch  sind  da  die  Pfosten  ganz 
s  Holz  (forte  cum  postibus  aesculneis).  Doch 
ißen   auch   allerlei    auf  Wände  oder  sonst 

befestigende  Zieraten  antepagmenta,  so 
ito  r.  r.  14,  2  u.  4. 

2)  Avellino  Descriz.  di  una  casa  (1837) 
4.  M.  d.  I.  a.  a.  0.  Vgl.  Mau  R.  M.  III  (1888) 
4;  189;  193. 

3)  Plaut.  Most.  a.  a.  0.;  ebd.  824  werden 
ei  Minen  als  Preis  angegeben  {praeter  rectu- 
m).  PLM  (ed.  Baehrens)  IV  57  Nr.  53,  20: 
irmoreo  ianua  poste  nitet.  In  Pompeji  sind 
sweilen  die  antepagmenta  in  Stuck  (Relief 
d  Malerei)  nachgeahmt,  Mau  R.  M.  XVI 
901)  336. 

4)  Limina,  Vitr.  VI  9(6),  7;  ib.  11  (8),  2: 
fer  limina  secundum  pilas  et  antas  postes 

tupponentur.  Mart.  1X46,  1:  Gellins  aedi- 
atsemper:  modo  limina  ponit.  Im  Singular 
j  meist  die  untere  Schwelle  gemeint.  Plaut, 
il.  glor.  596:  coli  /bete  iiitra  Unten  etiam  vos 
•rumper.  Id.  Cas.  845.  Mart.  170,  13:  ne 
'tuasfastuslimenqiic  superbum.  Plin. XXXVI 
bedeutet  es  dagegen  den  Türsturz:  in  li- 
ve ipso,  qnod  foribus  imponebat;  und  sicher 
ch  bei  Petron.  28.  9. 

5)  Plaut.  Merc.  830:  Urnen  superumque 
fcriinique  salve;  vgl.  Bacch.  955;  987.  Non. 
6,  12:  Urnen  non  solum,  quod  sub  pedibus 

dicitur,   sed  etiam.  quod  superius  est  in- 
Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft.    IV. 


gressii.  Nor  ins  Macco  exule:  Urnen  superum, 
quod  mei  misero  saepe  confregit  Caput;  \  in- 
ferum autem,  ubi  ego  omnie  digitös  \saepe] 
di/freqi  meos.  Das  Wort  superlimen  ist  bei 
Plin.  XXIX  83  verdächtig  (Detlefsen  schreibt 
super  limine,  Mayhoff  super  Urnen) ;  doch  ist 
es  inschriftlich  bezeugt  als  superlimen  lapi- 
deum  CIL  XI  4123;  auch  super! lim  innre,  bei 
Augustin.  in  Psalm.  LV  1. 

6)  Hör.  ep.  I  18,  73:  iutra  marmoreum 
renerandi  Urnen  amici.  Verg.  Cir.  222:  mar- 
moreo  aeratus  stridens  in  limine  cardo.  Doch 
war  auch  der  Türsturz  von  Holz,  CIL  I  577. 

7)  Man  vgl.  die  Schilderung  der  geöff- 
neten Haustür  bei  Lucr.  IV  275:  primus 
enim  citro  postes  cum  cernitw  \aer}  inde 
fores  ipsae  dextra  laevaque  secuntur,  j  post 
extraria  lux  ocidos  perterget  et  a'er  |  alter 
et  illa  foris  quae  vere  transpiciuntur.  Plaut. 
Most.  452:  pultando  paene  confregi  hasce 
ambas  foris.  Capt.  831:  aperite  hasce  ambas 
foris.  Der  Singular  foris  ist  wesentlich  dich- 
terisch, Plaut.  Amph.  496;  Aul.  665;  Bacch. 
234;  Casin.  163  u.  ö.  Ter.  Ad.  264.  Hör. 
sat.  I  2,  67.  Ov.  am.  I  6,  2;  a.  a.  III  228;  ex 
Pont.  II  2 ,  42  u.  s.  Von  einem  Stadttor 
Amm.  Marc.  XXX  5,  17:  forem  ferratam; 
diese  Tore  mögen  öfters  nur  einflüglig  ge- 
wesen sein.  Ebenso  mag  die  Tür  der  Ipsi- 
tilla  bei  Catull.  32,  5  wegen  des  Ausdrucks: 
ne  quis  liminis  obseret  tabellam  nur  einen 
Flügel  gehabt  haben.  Doch  findet  sich  der 
Singular  foris  auch  sonst,  s.  Liv.  VI  34,  6. 
Plin.  VII  112. 

8)  Ov.  am.  I  6,  74.  Plin.  XVI  225;  vgl. 
Blümner  Technologie  II  321.  Sie  waren  aus 
einzelnen  Brettern  zusammengesetzt,  vgl. 
Plaut.  Most.  829:  viden  coagmenta  in  foribus  f 

9)  Plin.  XXXIV  13:  prisd  limina  etiam 
ac  valvas  in  templis  ex  aere  factitavere;  ebd.: 
Camillo  inter  crimina  obiecit  Spurins  Car- 
rilins  quaestor,  ostia  quod  aerata  haberet  in 
domo.  Verg.  Aen.  II  480:  postisque  (d.h.  die 
Tür,  s.  oben)  e  cardine  vettit  aeratos.  In- 
schriftlich valvae  aheneae  CIL  XI  4123;  me- 
tallene bullae  an  der  Tür  Plaut.  Asin.  426. 
Kostbar  verzierte  Tempeltüren  beschreibt  Cic. 
Verr.  act.  II,  IV  43,94;  ib.  56,  124  ff.;  dich- 
2.   3.  Aufl.  2 


18 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


auch  wohl  in  Gitterwerk  durchbrochen1).  Häufig  waren  die  Türflügel 
zusammenklappbar  und  heißen  dann  valvae2);  man  unterschied  solche! 
die  aus  zwei,  drei  oder  vier  zusammenklappbaren  Teilen  bestanden 3).  Ab- 
bildungen römischer  Haustüren  begegnen  uns  auf  den  Wandgemälden  nicht 
selten,  namentlich  solchen,  die  Straßenprospekte  darstellen ;  sie  sind  da 
meist  zweiflügelig,   und   bei    manchen   sind   auch    die  Klappflügel   deutlich 

erkennbar4).  Erhalten  haben  sich  Haus- 
türen in  Pompeji  zwar  nicht,  doch  ist  ei 
gelungen,  bei  einigen  von  dem  in  der 
Asche  gebliebenen  Abdruck  des  verkohlten 
Holzes  einen  Abguß  zu  nehmen.  Einige 
der  so  rekonstruierten  Türen  sind  sehl 
einfach  gehalten  (vgl.  Fig.  4) 5),  es  find« 
sich  aber  auch  zierliche  Arbeiten6)  mit  verl 
tieften  Feldern  oder  Füllungen  {tijmpantr) 
oder paginae8)).  Die  Türflügel  hingen  abel 
nicht,  wie  bei  uns,  seitlich  an  den  Pfoste« 
in  Angeln9),  sondern  in  Zapfen,  cardinM 
(///?),  die  oben  und  unten  angebracht  warei 


Fig.  4. 


Abguß  mich  einem  Haustürfragment 
aus  Pompeji. 


terische  Beschreibungen  Verg.  Georg.  II  463 ; 
III  26.  Lucan.  X  117;  vgl.  Blümner  a.  a.  0. 
365;  377.  Ueber  noch  vorhandene  Bronzetüren 
vgl. Braun  A. d. I.  XXVI  (1854)  108.  Bötticher 
Tektonik  der  Hell.2  506  f.  Donaldson  a.  a.  0. 
')  Foren  clatratae,  CIL  I  577. 

2)  Varro  bei  Serv.  z.  Aen.  I  449:  valvae 
autem  sunt,  quae  revolvuntur  et  se  velant. 
Falsch  ist  aber  jedenfalls  die  Unterscheidung 
von  fores  ebd.:  fores  proprie  dicuntur  quae 
foras  aperiuntur ,  sicut  apud  veter  es  fuit; 
ebenso  Isidor.  XV  7,  4:  fores  dicuntur,  quae 
foras,  valvae,  quae  intus  revolvuntur,  obschon 
der  Zusatz:  et  duplices  complicabilesque  sunt 
richtig  ist  (vgl.  dens.  differ.  I  308  und  Corp. 
Gloss.  IV  239,  25).  Das  Richtige  ist,  daß  alle 
valvae  auch  fores  heißen  können,  aber  nicht 
alle  fores  zugleich  valvae  sind,  vgl.Vitr.  IV 
6.  5:  fores  valvatae.  Inschriftl.  CIL  III  10917; 
11903. 

3)  Vitr.IV6,  6  setzt  bei  attischen  Tempel- 
türen bifora  (thyromata)  den  valvata  entgegen, 
also  solche  mit  zwei  einfachen  Türflügeln 
denen  mit  Klappteilen.  Wenn  Ov.  met.  II  4 
von  bifores  valvae  spricht,  so  wird  man  dies 
so  zu  verstehen  haben,  daß  jeder  der  beiden 
Türflügel  aus  zwei  Klappteilen  besteht,  die 
Tür  also  eigentlich  vierflüglig  ist;  eine  nur 
aus  zwei  Klappteilen  bestehende  Türe  wäre 
für  die  hier  geschilderte  regia  Solis  doch 
etwas  zu  einfach.  Daher  hat  man  die  quadri- 
foris  (sc.  ianua)  bei  Vitr.  IV  6,  5,  wo  es  sich 
um  Tempeltüren  handelt,  als  eine  zu  ver- 
stehen, bei  der  jeder  Flügel  sich  vierfach 
zusammfnklappen  läßt.  In  Pompeji,  wo  die 
Riegellöcher  in  der  Schwelle  vielfach  noch 
die  Konstruktion   der  Tür   erkennen   lassen, 


sind  vierflüglige  Türen  (im  obigen  SinnÄ 
nicht  selten,  vgl.  Overbeck  302.  310.  Drei 
flüglige  Türen  sind  auf  Wandgemälden  dar! 
gestellt  (ebd.  134  Fig.  77)  und  auch  an  man 
chen  Häusern  noch  nachweisbar  (ebd.  2521 
302;  349);  sie  boten  den  Vorteil,  daß  di| 
Flügel,  wenn  sie  geöffnet  waren,  wenig  Platl 
einnahmen  und  daß  man  den  Mittelflügel 
allein  öffnen  konnte ,  während  die  beide« 
andern  mit  ihren  Riegeln  befestigt  bliebe* 
Marquardt-Mau  229  A.  3  meint,  daß  Vitrul 
a.  a.  O.  diese  dreiflügligen  Türen  valvatM 
nenne  und  von  den  quadrifores  unterscheid! 
doch  läßt  sich  das  aus  Vitruvs  Worten  nichl 
entnehmen.  Ganz  falsch  wird  die  VitruvstelM 
erklärt  vonREBER  in  seinerVitruv-Uebersetzunl 
119  A.  2,  der  bei  den  quadrifores  eine  ho» 
zontale  Teilung  annimmt,  die  erlaubte,  sM 
wohl  die  beiden  obern  wie  die  beiden  u| 
tern  Flügel  für  sich  zu  öffnen.  Bei  zwei 
Hügligen  Türen  in  Pompeji  zeigen  bisweilel 
die  Riegellöcher,  daß  die  beiden  Türflügel 
ungleiche  Größe  hatten;  es  war  dann  vermufl 
lieh  immer  bloß  der  eine  geöffnet,  der  andrl 
für  gewöhnlich  geschlossen,  s.  Mau  R.  M.  III 
(1888)  190;  195;  IV  (1889)  14. 

4)  Vgl.  Pitture  di  Ercol.  IV  329 ;  V  329 ;  333* 
Auch  blinde  Türen  sind  mehrfach  zu  finde« 
so  im  Gebäude  der  Eumachia,  Overbeck  134 fl 
und  im  Hause  des  Sallust,  ebd.  304. 

5)  Nach  Overbeck  254  Fig.  137. 

6)  Ebd.  507  Fig.  266.  A.  d.i.  XXXI  (1859) 
105  tav.  E  Fig.  DE. 

7)  Vitr.  IV  6,  4  ff.  Die  Fugen  heißen  cM 
agmenta,  Plaut.  Most.  829. 

")  Plin.  XVI  225. 

9)  Doch  gab  es,  wie  die  Funde  besonders 


d  sich  in  Löchern  im  Türsturz  und  in  der  Schwelle  drehten1).  Diese 
pfen,  auch  scapi  ca retinales  genannt2),  waren  in  der  Regel  aus  starkem 
Ize  besonders  gearbeitet  und  in  die  Tür  verfalzt3),  bisweilen  auch  mit 
jen  oder  Erz  beschlagen4),  wie  denn  auch  die  Zapfenlöcher,  foramina*), 
üst  mit  eisernen  oder  bronzenen  Pfannen  oder  Kapseln  versehen  waren; 

solchen  haben  sich  in  den  Schwellen  pompejanischer  Häuser  und 
derwärts  nicht  selten  Exemplare  erhalten0).  Die  Folge  dieser  nicht 
lr  praktischen  Einrichtung  war,  daß  die  Türen  beim  Öffnen  oft  knarrten7), 
shalb  in  der  Komödie  mit  der  Erwähnung  dieses  Geräusches  (crepare, 
icrepare  und  dergleichen)  ganz  gewöhnlich  das  Auftreten  einer  neuen 
rson  vorbereitet  wird8).  Diese  Zapfen  sind  es  auch,  die  beim  gewan- 
nen Aufbrechen  einer  Tür  den  meisten  Widerstand  leisten  und  deren 
rtrümmern  als  Hauptsache  beim  Erbrechen  der  Haustür  bezeichnet 
rd9). 

Daß  sich  die  Tür  des  römischen  Hauses  nach  innen,  nicht  nach  außen 
nete,  das  lehren  nicht  nur  die  Beobachtungen  in  Pompeji,  wo  das  die 
gel  ist10),  sondern  auch  direkte  Nachrichten,  nach  denen  das  Gegenteil 
r  ausnahmsweise  vorkam,  als  eine  Auszeichnung  für  verdiente  Männer, 
ren  Häuser  dadurch  gewissermaßen  über  das  allgemeine  Gesetz  gestellt 
irden11).    An   der  Außenseite   war   in   der   Regel   ein   Griff  oder   Ring, 


Erster  Abschnitt.    Das  städtische  Wohnhaus. 


19 


i  Boscoreale  erwiesen  haben,  Türen,  die 
1  in  Scharnieren  drehten,  die  mit  Nägeln 
dir  Tür  und  der  Türeinfassung  befestigt 
ren  .  s.  Mon.  dei  Lincei  VII  410.  Pernice 
Jb.  XIX  (1904)  19. 

!)  Isid.  X V  7,  6:  cardo  est  locus,  in  quo 

K7)i  rertitnr  et  semper  movetur,  dictus  &no 

kaoölas,  quod  quasi  cor  kontinent  tot  um,  ita 

euneus  ianuam  regat  ae  inoveat.   Vgl.  den 

tikel  Cardo  von  L.Heuzey  bei  D.-S.  I  920. 

3nnVitruvlX9  (8).  11    bei   der  Beschrei- 

einer  kunstvollen  Wasseruhr  einen  cardo 

seid  im  und  einen  cardo  femina  unterscheidet, 

b.  Zapfen  und  Pfanne  (vgl.  ebd.  X  10  (15) 

ib.  14  (20),  1  f.),   so   ist  wohl   möglich, 

3  auch  bei  der  Tür  cardo  beides  bedeuten 

nnte. 

*)  Vitr.  IV  6,  4  f. 

3)  Plin.  XVI  210:  rigorem  fortissime  ser- 
n/nms,    oh   td    cardio  Ums  .  .  .    util issi oia , 

■oiiinn  ininime  torijiicfiir,  /icrmnfanda   tan- 

n  sie,  iit  cacumen  ah  inferiore  sit  cardine, 
h'.e  sn/ierior.  Ib.  230:  quippe  cum  ex  olea, 
/■issiino  ligno,  cardines  in  fori/ms  diutius 
moti  plantae  modo  germinaverint. 

4)  Verg.  Cir.  222:  marmoreo  aeratus  stri- 
iii   limine   cardo. 

6)  Apul.  met.  I  14:  cardines  ad  foramina 
leimt. 

6)  Braun  A.  d.  I  XXVI  (1854)  108  tav. 
ff.;   ebd.  XXXI  (1859)  105  tav.  E,  Fig.  E. 

uj  R.  M.  IV  (1889)  14.  Heüzey  a.  a.  O.  921 
fc  1 1 89 :  aus  Delos.  Couve  Bull.  d.  Corresp. 
11.  XIX  (1895)  47:.. 

7)  Plaut.  Trin.  1123:  sed  fores  hae  sonitu 
■i  tnoram  mihi  obiciunt  tncommode;  Bacch. 


798:  audio  aperiri  fores;  ebenso  Casin.  434; 
M.  gl.  1377:  sonifnni  feceriint  fores.  Verg.  Aen. 
I  449:  forihns  cardo  stridehat  aenis;  VI  573: 
horrisono  stridentes  cardine  sacrae  /xin- 
dnntur portae.  Hör.  carm.  II  10,  5:  audis  quo 
strepitn  ianna  reima/iat;  sat.  116,  111:  ingens 
valvanim  strepitas.  Tib.  I  2,  10:  neu  fnrtim 
rerso  cardine  aperta  sones.    Ov.  am.  16.  49: 

fallinnir  an  rerso  sonnernnt  cardine  postesf 
Daher  wird  es  denn  auch  besonders  bemerkt, 
wenn  die  Zapfen  sich  leicht  drehen  und  die 
Tür  sich  geräuschlos  öffnet,  Plaut.  Cure.  21 : 
quam  aperitur,  tacet;  94:  num  mnttit  cardo? 
est  lepidus.  Ov.  met.  XIV  782:  nee  strepitum 
rerso  Satnrnia  cardine  fecit.  luv.  4,  63:  ut 
ceSSitf  faciti  jiatiieritnt  cardine  ra/rae;  man 
begoß  sie  zu  diesem  Zweck  mit  Wasser  oder 
sonst  einer  Flüssigkeit.  Plaut.  Cure.  92;  160. 

8)  Pacuv.  ap.  Non.  505.  26.  Plaut.  Amph. 
496 ;  Bacch.  610  ;  Men.  348 ;  Most.  1002  u.  ö. 
Ter.  Andr.  682;  Ad.  682;  Eun.  1029;  Heaut. 
121 ;  613  u.  ö.  Seltner  wird  erspare  von  dem 
gesagt,  der  die  Tür  öffnet;  so  Plaut.  Bacch. 
833:  p/aeide,   ne  crepa. 

9)  Plaut.  Amph.  388:  haud  periclumsl 
cardines  nc  forihns  e/fi'ani/an/nr.  Lucil.  ap. 
Non  245. 1:!:  nemo  kos  aneipites  ferro  effringei 
cardines.  Verg.  Aen.  II  480 ;  ib.  492;  IX  724. 
Apul.  met.  I  11 :  grabbatulo  etiam  pone  car- 
dines supposito;  vgl.  ebd.:  ianuae  reserantur, 
inimo    rero    fractis    et    erolsis    funditns    ear- 

dinihns  prosternuntur. 

10)    OVERBECK  252. 

'*)  Plut  Poplic.  20  vom  Hause  des  Popli- 
cola  auf  dem  Palatin:  töv  d,äkXcov  nhe  dvoßtv 

slooi    tT^    oixiiu    .'/'-     zö    y.htoior    nvoiyoinroir, 

2* 


20 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


ansa1),  angebracht,  der  mitunter 
künstlerisch  verziert  war  (vgl.  Fig.5)2); 
man  zog  damit  beim  Verlassen  des 
Hauses  die  Tür  zu  und  konnte  ihn 
auch  beim  Anklopfen  als  Türklopfer 
benützen3).  Für  gewöhnlich  gab  der 
Einlaß  Begehrende,  da  Türklingeln 
nicht  bekannt  waren4),  seine  Anwesen- 


exeivrjg  fiovrjg  zijg  oixiag  enoirjaav  sxzog  anu- 
yeofrai  zrjv  avfoiov.  Dion.  Hal.V39,4:  xavzrjg 
xfjg  oixiag  .  .  .  al  xfaöiddeg  ftvgai  fxövai  zcöv  sv 
zjj  'Pcöfir/  dr//iooio)v  ze  xal  idicozixäv  ol'xaiv  sig 
zö  efcö  fiegog  dvoiyovrai.  Plin.  XXXIII 112:  de- 
creto,  ut  domus  eon«m(desPoplicola  und  seines 
Bruders)  fores  extra  aperirentur  et  ianua  in 
publicum  reiceretur.  Es  war  also  jedenfalls 
Gesetz,  daß  die  Haustüren  sich  nicht  auf 
den  öffentlichen  Boden  öffnen  durften;  daß 
auch  im  eigenen  Vestibulum  es  nicht  er- 
laubt gewesen  wäre,  die  Tür  nach  außen  sich 
öffnend  zu  machen,  ist  nicht  anzunehmen. 
Immerhin  wird  man  es  nicht  getan  haben, 
weil  es  von  vornherein  das  Gegebene  war, 
daß  die  Haustür,  die  der  ianitor  zu  öffnen 
hatte,  nach  innen  aufging;  vgl.  Becker-Göll 
238,  der  die  abweichende  Meinung  von  Fea 
mit  Recht  zurückweist. 

')  Petron.  96, 1 :  videbamus  nos  omniaper 
foramen  vulvae,  quod  paulo  ante  ansa  ostioli 
rupta  laxaverat.  An  der  blinden  Tür  im 
Gebäude  der  Eumachia  (Overbeck  134)  ist 
dieser  Ring  angegeben;  an  einer  auf  einem 
römischen  Sarkophag  dargestelltenTür(Beschr. 
d.  antiken  Skulpt.im  Berliner  Mus.  344  Nr.  863) 
sind  vier  Ringe  befindlich,  und  an  dem  Ringe 
unter  dem  Schloß  hängt  der  Schlüssel  (vgl. 
auch  ebd.  436  Nr.  1124).  Vgl.  die  Grabstelen 
Musee  de  Brousse  N.  76  ff.  Auch  an  der  Innen- 
seite der  Tür  waren  Ringe  oder  in  Oesen 
hängende  Haken  angebracht ,  um  die  Tür 
beim  Oeffnen  anzuziehen,  s.  Mazois  Pompei 
II  pl.  7,  2.  Mau  Pompeji  255.  Ein  Bronze- 
beschlag in  Form  eines  gekrümmten  Fingers 
wird  als  Türklinke  gedeutetRhein.  Jahrb.  CVII, 
244  Fig. 21. 

s)  Türklopfer  in  Ringform  mit  Köpfen 
von  Medusen ,  Löwen  u.  a.  sind  abgebildet 
bei  Babelon  Cabin.  des  antiques  pl.  32.  Ceci 
Piccoli  bronzi  d.  Mus.  Borb.  tav.  9,  2.  Mazois 
Pompei  II  pl.  7.  1.  Donaldson  a.  a.  0.  II  pl.8. 
Vgl.  Fig.5  nach  Gaz. archeol.  I  (1875)  pl.  17. 

3)  Die  Stelle  Plut.  de  curios.  3  p.  516  E: 
d/./.a  vvv  fiiv  sial  ■dvQUiQol,  näkai  de  QontQa 
XQOVOfieva  :roög  rtil^  Orrxag  al'o&)]oiv  jzaQfiysv 
geht  wohl  ebenso  auf  römische  wie  auf  grie- 
chische Sitte. 

4)  Hier  ist  sicher  Becker-Göll  235  f. 
gegenüber  Marquardt  236  im  Recht,  wenn 
er  das  Vorhandensein  von  Türklingeln  leugnet. 
Allerdings  werden  Suet.  Aug.  91  tintirmabula 


Pig.  5.    Bronzener  Türklopfer. 

erwähnt:   cum  dedicatam  in  Capitolio  aedem 
Tonanti  Iovi  assidue  frequentarct,  sonuiiavit 
queri  Capitolinum    Iovem,    cultores   sibi   atm 
duci,  seque  respondisse,  Tonantem  pro  ianitorm 
ei  appositum:  ideoque  mox  tintinnabulis  /«s» 
gium   aedis   redimivit,    quod   ea   fere  ianuiM 
dependebant.     Allein  in  einem  Tempel  hatte 
der  ianitor   keine  Zelle  wie    im  Privathaus; 
bei    geschlossener   Tür   mußte    der   wohl   in 
der  Nähe  wohnende  Tempeldiener  durch  eüfl 
lautes  Zeichen  herbeigerufen  werden,  und  zu 
diesem  Zwecke  mochten  Glocken  neben  den 
Tempeltüren  hängen.    Und  auch  das  ist  nicht 
einmal  sicher,  da  Dio  Cass.  L1V  4,  3  f.,  wo  efl 
dieselbe    Geschichte    erzählt,    den    Glocken! 
schmuck  des  Tempels  anders  deutet:  oi  ybM 
zag    avvoixiag    vvxzcoq    cpvläaaorzeg    xuiöwvom 
rpoQovoiv,   onwg    orjfAaiveiv  oq  iniv  oTiözav  8erjm 
OüxH  dvvwrzat.  Glocken  als  tönender  SchmuclH 
an  Bauwerken  kommen  auch  sonst  vor  (am; 
Grabmale  des  Porsena,Varro  bei  Plin. XXX  VI 


it  durch  Klopfen  mit  der  Hand,  pulsare,  kund1).  Gänzlich  verschlossen 
ir  die  Haustür  in  der  Regel  wohl  nur  bei  Nacht;  am  Tage  war  sie  zwar 
äist  augezogen,  aber  nicht  verschlossen,  so  daß  die  zum  Hause  Gehörigen 
ne  Anklopfen  hineingehen  konnten,  während  die  Fremden  selbstverständ- 
h  erst  durch  Klopfen  und  vielfach  wohl  auch  durch  lautes  Anrufen2) 
n  Türhüter  herbeiriefen 3),  zumal  auch  unter  Tags,  wenn  man  vor  Über- 
schungen  sicher  sein  wollte,  zugeschlossen  wurde4)  und  namentlich  ängst- 
he  Leute  ihre  Tür  beständig  geschlossen  hielten5). 

Was  den  Verschluß    der  römischen  Haustür   (und   der  Türen   über- 
upt)  anlangt6),   so  wurde   dieser  auf   sehr  verschiedene  Weise  bewerk- 


Erster  Abschnitt.    Das  städtische  Wohnhaus. 


21 


Im  Hause  aber  dienten  die  Glocken  dazu, 
Dienerschaft  Zeichen  zum  Aufstehen,  zur 
hlzeit  oder  sonst  zu  bestimmten  Verrich- 
gen  zu  geben,  vgl.  Luc.  de  merc.  cond.  24 
51;  und  darauf  geht  jedenfalls  auch  die 
Ue.  die  in  der  Regel  noch  als  Beleg  für 
rklingeln  angeführt  wird,Senec.dial.V35,3: 
(I  miser  <•/  pavescis  ad  clamorem  servi.  ml 
mtum  aeria  mit  ianuae  impulsumf  Dazu 
liente  mau  sich  aber  nicht  bloß  der  Glocken, 
dem  auch  der  mehrfach  in  Pompeji  ge- 
denen  großen  Bronzescheiben ;  disci  hießen 
und  sind  uns  besonders  aus  Gymnasien 
1  Bädern  bekannt,  wo  sie  zu  Signalen 
wendet  winden,  s.  Cic.  de  or. II  5, 21 :  tarnen 
um  auditorea  diseum  oudire  </i<am  philo- 
lunti  malunt;  qui  sinnt/  ut  increpuü  .  .  . 
to8ophum  omnes  auctionis  causa  relinquunt. 
»nto  ad  M.Oaes.lV6p.70(Nab.).  Mart.XIV 
!:  vedde  pilam:  somit  aes  ihermarum.  Sie 
tanden  aus  einer  kreisrunden  Bronzescheibe 
einer  Oeffnung  in  der  Mitte,  die  frei  schwe- 
d  hing  und  mit  einem  bronzenen  Klöppel 
chlagen  wurde,  vgl.  Saglio  bei  D.-S.  II  280 
.  2467.  Jüthner  Oesterr.  Jahresh.  VII  150 
Fig.  68  (wo  aber  der  Aufhänge- Apparat 
dein  ist). 
*)  Plaut.  Asin.  382:  Bacch.  578;  1117; 
I  aaechm.  178;  987;  Mil.gl.1254;  Merc. 444, 
st.  452;  898;  Poen.729;  739;  Pseud.  604; 
1;  Stich.  308;  Trin.  868.  Ter.  Andr.  633; 
f.;  Heaut.  275:  410.  Hör.  sat.  I  1,  10:  vgl. 
tn.  I  4.  13.  Ov.  met.V  484.  Sen.  de  benef. 
33,4.  Petron.  16,  1:  92,  1.  Apul.  met.  I  22; 
20.  Andere  Ausdrücke  dafür  sind  selten: 
><•  lMaut.Truc.254;  Menaechm.  176;  Amph. 
9;  Pseud.  1135;  percutere  Most.  508;  516; 
.  Höhere  Beamte  ließen  den  Liktor  mit 
lern  Stabe  [virga]  an  die  Tür  schlagen, 
lin.VII  112:  Cn.Pompeiua  confecto  Mi- 
dotico  In'lln  introturus  Posidonii  sopien- 
professione  clari  domutn  forem  percuti 
more  n  lictore  vetutt.  Stat.  silv.  1  2,  48 : 
i)  tu  pulsantur  Umhin  virga;  nach  Liv.VIl 
3  6  geschah  das  sogar  bei  dem  Betreten 
d    eignen  Hauses. 

2)  In  der  Komödie  ist  mit  dem  Klopfen 
■  häufig  das  Rufen:  heus  puer,  ecquis  hie 
•it  oder  dergleichen  verbunden,  s.  Plaut, 
eh.  582;  Capt.830;  Rud.413;762;  Pseud. 


J 


1 139 ;  1284 ;  Menaechm.  673 ;  Mil.  gl.  1296.  Ter. 
Ad.  634. 

3)  In  der  Komödie  gehen  nicht  nur  die 
Familienmitglieder,  sondern  auch  die  Sklaven 
ohne  weiteres  in  das  Haus,  in  das  sie  ge- 
hören, hinein,  wofür  Becker-Göli.  a.a.O. 
einige  Beispiele,  die  sich  leicht  vermehren 
lassen,  beibringt.  Ist  die  Tür  aber  einmal 
verschlossen,  so  erregt  das  Verwunderung; 
vgl.  Plaut.  Most.  444:    seil  quid  hoc?    orr/usn 

ianuast  interdius.  Puitabo.  Amph.  1018:  aed 
aedis  occhtserunt.  Feriatn  foris.  Aul.  388: 
sed  quid  ego  apertas  aedis  nostras  conspicorf 
Mil.  gl.  1251:  occUtsaemni  fort*.   Stich.  308: 

quid  Jior?  occ/usam  in  ii  na  m  rideo.  lbo  et 
puitabo  fores.  Letztere  Stelle  scheint  darauf 
hinzudeuten,  daß  man  es  der  Türe  von  außen 
ansah ,  ob  sie  verschlossen  oder  bloß  an- 
gezogen war;  wie  das  möglich  war,  dafür 
fehlt  freilich  jede  Andeutung.  Daß  das  Haus 
nachts  regelmäßig  verschlossen  war,  versteht 
sich  von  selbst;  so  findet  Sosias  in  Plaut. 
Amph. 449  das  Haus  seines  Herrn  verschlossen 
(vgl.  ebd.  1018),  und  bei  Apul.  met.  IX  20 
muß  auch  der  Hausherr  erst  klopfen,  da  er 
nachts  heimkehrt.  Ganz  offen  steht  die  Tür 
Plaut.  Stich.  87:  ihn  'nitro,  sed  apertast  foris. 
Bacch.  723  schauen  zwei  von  außen  durch 
die  Türe  dem  zu,  was  innen  vorgeht;  vgl. 
ebd.  833:  forem  hanc  pauciUulum  aperi,  zum 
selben  Zwecke.  Aehnlich  Rud.  1202;  vgl.  Ter. 
Andr.  365:  accessi,  infro  aspexi.  Das  Offen- 
halten der  Tür  wird  Menaechm.  351  mit  sine 
fores  sie  anbefohlen.  Uebrigens  geht  manch- 
mal auch  ein  Fremder  ohne  Anklopfen  ins 
Haus,  wie  Ter.  Heaut.  170;  Eun.  996. 

4)  So  z.B.  Plaut. Cist. 649 :  concludite  aedis 
pesstdis,  repagulis,  quom  extemplo  haue  ego 
tetulero  intra  Urnen. 

5)  So  befiehlt  der  Geizige  Plaut.  Aul.  274, 
wenn  er  das  Haus  verläßt,  es  zu  verriegeln; 
bei  Apul.  met.  I  22  findet  Lucius  die  Tür  des 
geizigen  Milo  firmiter  oppessulata.  Aber  auch 
die  ehrbare  Hetäre  bei  Ter.  Heaut.  278  hält 
ihr  Haus  am  Tage  verschlossen.  Eine  ganz 
besondere  Vorsichtsmaßregel,  aber  nicht  gegen 
fremde  Diebe,  ist  das  Versiegeln  der  Zimmer- 
tür, wie  Plaut.  Cas.  144:  obsignate  rcllus,  re- 
ferte  anulum  ml  mc. 

6)  Die    älteren    Arbeiten    hierüber,    wie 


22 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


stelligt,  doch  so,  daiä  an  manchen  Türen,  namentlich  wohl  an  den  Haus- 
türen, mehrere  dieser  Verschlußarten  gleichzeitig  angebracht  waren,  während 
bei  andern  bloß  die  eine  oder  andere  Art  zur  Anwendung  kam,  was  vor- 
nehmlich bei  den  Türen  im  Innern  der  Häuser  der  Fall  gewesen  sein 
mag1).  Nun  muß  man  aber  jedenfalls,  ebenso  wie  bei  uns  heutzutage, 
unterscheiden  zwischen  Vorrichtungen  zum  bloßen  Schließen  der  Tür  und 
solchen  zum  Verschließen.  Jenes  besorgt  bei  uns  heut  die  durch  die  Tür- 
klinke bewegliche  Zunge,  die  durch  Heben  oder  Senken  aus  den  fassenden 
Haken  gehoben  wird  oder  in  sie  eingreift.  Etwas  Ähnliches  haben  die 
Römer  auch  gekannt,  wie  die  Funde  von  Pompeji  zeigen;  nur  treten  an 
Stelle  unserer  Klinken  bewegliche  Bronzegriffe,  die  auf  einem  darunter 
befindlichen,  mit  Schlitzen  versehenen  Bleche  auf-  und  abzuschieben  sind 
und  damit  einen  Riegel  heben  oder  senken,  der  in  Haken  an  der  Tür- 
umrahmung eingriff2).  Literarisch  können  wir  diesen  Türschluß  nicht  nach- 
weisen; unsere  Quellen  sprechen  durchweg  von  den  verschiedenen  Arten 
des  Verschlusses.  Die  einfachste  und  älteste,  schon  in  die  früheste» 
prähistorischen  Zeiten  zurückreichende  Art  des  Verschlusses  war  die  durch 
einen  von  innen   der  Tür  vorgelegten  Balken,    sera3),   aus   festem  Holz4), 


Sagittarius  De  ianuis  veterum,  Altenburg 
1672  (auch  Jena  1694  und  in  Graevii  Thesaur. 
VI  417)  c.  9 — 15.  Salmasius  Exercit.  Plin. 
(Trai.  ad  Ehen.  1689)  p.  649  ff.  Molin  De 
clavibus  veterum,  in  Sallengre  Nov.  thes. 
antiqu. Roman.  III 795  ff.,  sind  für  diese  Frage 
heut  bedeutungslos,  ebenso  Böttiger  Schlösser 
u.Schlüssel  d.  Altert.,  in  Kl.  Sehr.  III  138  ff. 
In  Betracht  kommen  vornehmlich  Chubb  On 
the  construetion  of  locks  and  keys,  in  den 
Excerpt  Minutes  of  Proceedings  of  the  In- 
stitut of  civil  engineers  Vol.  IX,  London  1850. 
Gr.  Pkice,  A  treatise  on  fire-  and  stief-proof 
of  keys,  London  1856,  p.  178  ff.  (beide  Schriften 
mir  unzugänglich,  ebenso  Caming  History  of 
keys,  in  The  Journ.  of  the  Brit.  Archaeol. 
Association XII  (1856)  p.  117ff.und  XIII  (1857) 
p.  335  ff.)  Becker-Göll  II  320  ff.  Marquardt 
230  ff.  v.  Cohausen  Die  Schlösser  und  Schlüssel 
der  Römer,  in  d.  Annal.  d.Ver.  f.  Nassauische 
Altertumskunde  XIII  (1874)  135  ff.  J.  Fink 
DerVerschluß  beid.Gr.u.Röm.,Regensb.  1890. 
L.  Jacobi.  Das  Römerkastell  Saalburg  (Hom- 
burg v.  d.  H.  1897),  462  ff.  Brinkmann  üeber 
antike  Schlösser  und  Schlüssel,  in  den  SB  der 
Altertumsgesellsch.Prussia  XXI  (1900)  297  ff. 
Die  Schrift  von  E.  Nötling  Studie  üb.  altröm. 
Tür-  und  Kastenschlösser,  Mannh.  1870,  ent- 
hält nur  Mitteilung  über  die  von  ihm  gefer- 
tigten Modelle.  Wichtig  für  den  Vergleich 
mit  altgriechischem  Türverschluß  istH.DiELS 
Parmenides' Lehrgedicht  (Berlin  1897)  117  ff. 

J)  Daß  auch  diese  zum  Verschließen  ein- 
gerichtet waren,  zeigen  verschiedene  Stellen, 
die  sich  allerdings  nicht  auf  Privathäuser 
beziehen,  sondern  auf  Herbergen,  wie  Petron. 
97,7.  Apul.  met.  I  11  ff.,  oder  auf  Bordells, 
Mail.  I  34.  5;  XI  45,  3. 

-)  Siehe  die  Beschreibung  des  Türcfriffs 


mit  Schließvorrichtung  aus  Boscoreale  bei 
Pernice  A.  Jb.  XIV  (1904)  15  ff.  und  Mon.  dei 
Lincei  VII  505  Fig.  71. 

3)  Varr.  1.  1.  VII  108:  sei-ae,  qua  remoa 
fores  pandnntur.  Fest.  '25.  10:  ande  etiaM 
serae  appellantur ,  quia  foribus  admotae  oppo- 
nuntur,  defixae  postibus,  qaeniadniodiitu  ca, 
quae  terrae  inseruntur  (woraus  nicht  m» 
Fink  10  zu  schließen  ist,  daß  auch  die  in 
die  Schwelle  greifenden  Riegel  serae  hießen). 
Vgl.  Tib.  I,  2.  6;  ib.  8.  76.  Ov.  am.  I  6,  28;« 
a.  II  244.  Mart.  I  34,  5;  IX  46,  1 ;  X  28,  8;  W 
32,4;  ib.  45,  3.  Die  Glossen  erklären  serm 
mit  /.wyXog  ßvgag,  Corp.  Gloss.  VII  258.  Daß 
dafür  auch  die  Bezeichnung  patibalam  ge- 
braucht werden  konnte,  berichtet  nur  Non. 
366,  14:  patibulum,  sera  qua  ostia  obrludtndHt, 
quod  hac  remota  vulvae  pateant.  Titinins  FitU 
lonibus:  si  quisquam  hodie  praeterhar  ostiim 
nostrum  pepulerit,  patibulo  hoc  ei  Caput  ef- 
fringam.  Fink  11  führt  auch  Plaut.  Most.  360 
und  Tac.  ann.  XIV  33  als  Belegstellen  an, 
doch  mit  Unrecht;  bei  Plautus  ist  nur  von 
der  Stellung  am  patibulum,  als  dem  ober« 
Kreuzarm,  die  Rede,  und  bei  Tacitus  ledig- 
lich von  letzterem.  Daß  auch  jiessidas  für 
sera  gebraucht  werden  konnte,  wie  Becker- 
Göll  323  aus  Ter.  Heaut.  278  und  Eun.  608 
schließen  will,  ist  nicht  gerechtfertigt,  da 
an  beiden  Stellen  wohl  die  vertikalen  Riegel, 
die  in  die  limina  eingreifen  (s.  oben)  gemeint 
sind.  Vgl.  R.Vallois  bei  D.-S.  IV  1241. 

4)  Ov.  am.  II  1,  27:  carmiiiibus  eessefi 
fores  insertaque  posti  qua  iuris  robar  erat, 
carmine  vieta  serast;  ib.  1  6.  28:  roboribut 
duris  ianua  fulta  riyet.  Die  ferrea  sera  bei 
Plaut.  Persa  572  ist  auch  Beleg  dafür,  dafi 
die  sera  in  der  Regel  von  Holz  war.  denn 
hier  wird  der  Rat  erteilt,  zur  Sicherheit  alles 


Erster  Abschnitt.    Das  städtische  Wohnhaus. 


23 


er  in  den  Pfosten  in  Löchern  auflag1)  und  ganz  herausgehoben  werden 
bnnte2).  Daher  heißt  verschließen  aeram  ponere,  opponere9),  öffnen  aeram 
hmere,  excutere,  removere*),  am  häutigsten  jenes  6baerara*\  dieses  re- 
rare6), doch  haben  letztere  Ausdrücke  verallgemeinerte  Bedeutung  erhalten 
nd  werden  vom  Schließen  und  Öffnen  auch  bei  andern  Verschlußmitteln 7), 
►wie  in  übertragener  Bedeutung  gebraucht.  Ein  solcher  Verschlußbalken 
ird  auch  obex  genannt8),  doch  kann  dies  ebenso  einen  andern  Riegel- 
3rschluß  der  Tür9)  und  im  weiteren  Sinne  jedes  Hindernis  überhaupt  be- 
uten10). —  Neben  diesen  abnehmbaren  Querbalken  hat  man  aber  jeden- 
Jls  auch  noch  andere  Arten  von  Querriegeln  gekannt,  namentlich  solche, 
e  beweglich  in  Krampen  hangend  an  der  Tür  selbst  angebracht  waren; 
diesem  Falle  mußte  das  eine  Pfostenloch,  in  das  der  Balken  beim  Öffnen 
3r  Tür  zurückgeschoben  wurde,  tiefer  gemacht  werden,  als  das  andere, 
das  er  beim  Verschließen  zu  liegen  kam.  Ferner  konnten  statt  dessen 
ieinere  Querriegel  angebracht  werden,  die  die  beiden  Türflügel  in  der 
itte  verbanden,  wie  solche  heut  noch  üblich  sind;  und  diese  wird  man 
istatt  aus  Holz  aus  Eisen  gefertigt  haben,  damit  sie  dem  Verschluß 
ößere  Festigkeit  gäben11).  Etwas  Ähnliches  scheinen  die  repagida  ge- 
esen  zu  sein12),  deren  Bedeutung  freilich  nicht  ganz  sicher  festzustellen 
t13).  Allem  Anschein  nach  bezeichnete  man  damit  zwei  an  den  Pfosten 
^festigte  oder  auch  frei  darin  liegende  hölzerne  Querbalken,    die  sich   in 


n  Eisen  zu  machen,  was  sonst  von  Stein 
er  Holz  ist:  fores,  aedes,  limvna  und  die  sera 
bat  aneüus,  d.  h.  die  Klammer,  in  die  der 
ilken  eingeführt  wird. 

*)  Man  vgl.  den  Refrain  excute  poste  sc  nun 
iOv.  am.  16;  ebd.  II  1,27  (s.  vorherg.  Anm.). 
ese  Pfostenlöcher  sind  in  Pompeji  in  man- 
en  Häusern  noch  erkennbar,  sowohl  an  der 
iustür,  wie  an  Zimmertüren,  s.  Avellino 
scriz.  1837,  8;  1840, 13.  Fiokelli  im  (iiorn. 
scavi  1861. 1 13.  Overbeck253.  der  bemerkt, 
ß  sie  nicht  selten  mit  vier  Tonplatten  aus- 
setzt sind. 

2)  Petron.  16,2:  dumque  loquimur,  sera 
(i  sponte  delapsa  cecidit  redusaeque  subito 
res  admiserunt  intrantem. 

3)  Tib.18,76.  Ov.a.a.  II  244.  luv.  6,  347. 

4)  Ov.  fest.  I  265 ;  ib.  280 ;  a.  a.  I  6,  24  u.  ö. 
uro  1.1.  VII  108.    Fest.  25,  10  u.  s. 

5)  Obserare  fores,  Nep.  Dion.  9,  3.  (Jurt. 
4,  12.  lustin.  XIX  3,  12.  Suet.  Tit.  11; 
Um,    Plaut.  Mil.  gl.  352.     Ter.  Eun.  763; 

Mficium,  Liv.V41,7;  cellam  Mart.VII20,21. 

6)  Eeserare  fores,  Ov.  met.  X  384.  Petron. 
,  8;  postes,  Tib.  I  2,  31 ;  ianuam,  Ov.  her.  4, 
1.  Apul.  1  11;  ib.  14.  Vgl.  Pest.  282  a,  27. 
>n.  41,  8. 

7)  Vgl.  z.  B.  Tib.  I  2,  18:  seu  reserat  fi.ro 
nie  puettä  fores,  wo  die  Erwähnung  des 
hlüssels  {dem)  zeigt.  daf3  es  sich  um  ein 
hlofi  handelt. 

•  8)  Fest. \87, \:  obices ]>essii/i,ser<>e.  Plaut, 
s.  893:  forem  obde  obice.  im  Sinne  von 
•o  scheint  es  auch  gebraucht  zu  sein  Verg. 
Mr.  VIII  227:  ftdtosque  emunitt  obice  postes, 


und  Ov.  met.  XIV  780:  portasque  petunt,  quas 
obice  firmo  |  clauserat  Iliades. 

9)  Vgl.  Tac.  hist.  III  30.  Amm.  Marc.  XXI 
12,13;  XXIV  5,  2.  Senec. Herc.  1004.  Claud. 
XXXIII  172 

10)  So  z.  B.  Tac.  ann.  XIII  39.  Sil.  It.  IV 
23;  in  noch  weiterer  Uebertragung  Verg.  Geo. 
II  480;  IV  422.  Daher  wird  in  den  Glossen 
obex  durch  oppositio,  mimitio  erklärt,  Corp. 
Gloss.VII2. 

n)  Daher  ferrati  obices,  Tac.  hist.  III  30. 
Amm.  Marc.  XXI  12.  13. 

'*)  Leider  ist  Pest.  281  a,  6  sehr  schlecht 
erhalten:  repagula  sind,  ut  Verriiis  «it,  quae 
patefaciundi  gratia  [qua)  it"  figuntur,  ut  ex 
contrario  quae  oppanqantur;  immerhin  scheint 
so  viel  daraus  hervorzugehen,  daß  es  sich 
um  ein  Begegnen  von  entgegengesetzten 
Riegeln  handelt. 

13)  Marquardt  230  erklärt  sie  für  zwei 
Krampen  oder  Haken,  die  an  jedem  der  beiden 
Türpfosten  in  einer  Oese  beweglich  hängend 
in  einen  an  der  inneren  Seite  jedes  Türflügels 
befindlichen  festen  Ring  eingekrampt  wurden; 
dagegen  hält  sie  Mau  ebd.  Anm.  5  für  Quer- 
hölzer, die  je  an  einem  Pfosten  mit  einer 
Krampe  befestigt  waren,  an  dem  andern  mit 
einem  Haken  in  eine  Krampe  eingriffen. 
Becker- Göll  324  erklärt  sie  für  zwei  nicht 
an  den  Türflügeln  selbst  angebrachte,  sondern 
nur  aus  den  beiden  Türpfosten  hinausschieb- 
bare und  sich  begegnende  Riegel,  die  viel- 
leicht in  der  Mitte  durch  das  Schloß  ver- 
bunden waren,  in  manchen  Fällen  aber  sei 
das  Wort  allgemein  für  Verschluß  gebraucht : 


24 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


der  Mitte  kreuzten,  sodafi  dem  Erbrechen  der  Tür  ein  doppelter  Wider-; 
stand  entgegengesetzt  war1).  Weiterhin  scheinen  dann  freilich  auch  eiserne,^ 
auf  irgendwelche  Art  der  Tür  vorgelegte  Haken  die  Bezeichnung  repagtm 
erhalten  zu  haben 2).  Daß  es  solche  gab,  darauf  deuten  bestimmte  Erwäh- 
nungen hin3);  auch  finden  sich  in  Pompeji  Spuren,  daß  bisweilen  eine; 
schräge  Stütze  von  der  Mitte  der  Tür  hinterwärts  auf  den  Boden  des  Haus- 
gangs hinabging,  wo  durch  einen  eigenen,  über  dem  Boden  etwas  er- 
hobenen viereckigen  Stein  oder  auch  durch  ein  Loch  im  Fußboden  für. 
die  Aufnahme  ihres  untern  Endes  gesorgt  war4). 

Neben  diesen  horizontalen  oder  Querriegeln  waren  senkrechte  Riegel, 
pessuli  genannt5),  sehr  üblich,  die  unten  in  die  Schwelle  und  oben  in  den] 
Türsturz  eingriffen,  wie  sie  bei 'uns  üblich  sind6);  daher  das  Verschließen 
damit  oppessulare1).  In  Pompeji  finden  sich  diese  Riegellöcher  in  der 
Schwelle  noch  öfters  deutlich  erhalten  (an  unserer  Fig.  3  mit  yy  bezeichnet), 
und  zwar  für  jeden  Flügel  ein  besonderes8). 


und  Fink  11    meint,    repagulum  sei  nur  ein 
anderes  Wort  für  sera. 

1)  In  Betracht  kommt  vornehmlich  die 
Schilderung  bei  Ov.  met.V120ff.  Hier  heißt 
es  v.  120:  raptaque  de  dextro  robusta  repagula 
posti  |  ossibus  inlisit;  dann  v.  123:  demere 
temptabat  laevi  quoque  robora  postis;  und 
v.  124:  temptanti  dextera  fixa  est  |  cuspide  .  . . 
lignoque  cohaesit.  Wie  die  repagula  hier  mit 
den  postes  in  Verbindung  gebracht  werden,  so 
bei  Apul.met.  1 14,  wo  es  von  der  durch  Zauber 
erbrochenen  Tür,  die  sich  ebenso  durch  Zauber 
wieder  schließt,  heißt:  ad  postes  repagula 
redeunt  (so  nach  der  von  mir  im  Hermes  XXIX 
295  vorgeschlagenen,  von  van  der  Vliet  auf- 
genommenen Verbesserung  für  das  handschrift- 
liche postes  ad  repagula).  Marquardt  a.  a.  0. 
A.  5  erklärt  hier  postes  in  dichterischem  Ge- 
brauch als  Türen;  es  seien  also  repagula 
die  festen,  an  den  Türpfeilern  befindlichen 
Krampen,  die  nun  wieder  in  die  Krampen- 
löcher passen ;  aber  damit  widerspricht  er  der 
im  Text  gegebenen  Deutung,  nach  der  die  re- 
pagula in  den  Oesen  beweglich  hängen.  — 
Zu  der  oben  gegebenen  Erklärung  passen  auch 
die  Stellen,  die  von  den  repagula  an  Pferde- 
ställen handeln,  Ov.  met.  II  155:  pedlbusque 
repagula  pulsant.  Lucan.  Phars.  I  294:  quam- 
ns  ii im  carcere  clauso  j  inmineat  foribus  pedl- 
busque repagula  laxat.  Sil.  It.  XVI  317:  ubi 
prolato  sonuere  repagula  signo. 

2)  Darauf  deuten  die  Glossen,  die  repa- 
gulum erklären  durch  xöga£  oidngovg  dvgag, 
ItoyloT;  oyxivos ,  ferrum  curvum  u.  dgl.,  s. 
Corp.  Gloss.  VII 198:  ebd.  563  unter  xöoa$  und 
591  unter  öyxivog.  Andere  Stellen,  wo  die 
repagula  erwähnt  werden,  sind  so  allgemein 
gehalten,  daß  sich  daraus  nichts  über  ihre 
Konstruktion  entnehmen  läßt;  vgl.  Plaut.  Cist. 
649:  occludite  aedis  peaulis  repagulis.  Cic. 
Verr.  act.  II ,  IV  43,  94:  convolsis  repagulis 
effractisque  valvae;  id.de  divin.  I  34,  74:  valvae 
clausae  repagulis  subito  se  ipeae  aperuerunt. 


3)  Apul.met.  III 15:  pessuli*  iniectis  et  um 
cino  firmiter  immisso;  der  uncinus  wird  von 
Mau  a.  a.  0.  als  einfacher  Haken  erklärt,  der 
die  beiden  Flügel  verbindet,  mit  der  Hinzu- 
fügung, daß  sich  solche  an  einer  in  Gips 
abgegossenen  Tür  in  Pompeji  oberhalb  des 
Schlosses  noch  erhalten  haben,  und  zwar 
(s.  Mau  Pompeji  255 )  ein  eiserner  Querriegel 
und  zwei  Haken,  jeder  in  eine  Oese  des  andern 
Flügels  eingreifend,  endlich  zwei  henkelaitige, 
in  Oesen  hängende  Handgriffe  zum  Aufziehen. 
Vgl.  Corp.  Gloss.  VII  381 :  uncinus  xbga'E,  oidrj- 
govs  Orgag;  ebd.  563  unter  xogag~. 

4)  OVERBECK   253. 

5)  Daß  diese  Riegel  speziell  pessuli  ge-,' 
nannt  werden,  geht  hervor  aus  Marc.  Empir. 
17:  in  foramine,  in  quo  ianuae  pessuli  de~ 
scendunt,  quidquid  repereris  collige,  während 
Festusl87, 1  zeigt,  daß  sie  auch  obices  genannt 
werden  konnten,  was  eben  Riegel  schlecht- 
hin bedeutet.  Daß  daneben  auch  die  Fall- 
bolzen der  Schlösser  so  hießen,  wird  unten 
dargelegt.  Weniger  sicher  ist,  ob  Fink  recht 
hat,  wenn  er  S.  30  behauptet,  daß  auch  ein 
einfacher,  von  innen  angebrachter  Quenieuel 
pessulus  genannt  werden  konnte,  denn  die 
Stellen,  die  er  dafür  anführt,  Ter.  Eun.  Ii03: 
pessulum  ostio  obde,  und  Heaut.  278:  anu$ 
foribus  obdit  pessulum,  können  sich  ebenso 
gut  auf  den  senkrechten  Riegel  beziehen. 

6)  Plaut.  Aul.  103:  occlude  sis  fores  am 
bobus  pessuli s,  vgl.  Cist.  649:  occludite  aedis 
pessulis,  repagulis;  Truc.  351,  und  die  Am 
rede  des  Phaedromus  an  die  pessuli  im  Curcul. 
147  ff.,  bes.  v.  151:  sussulite,  obsecro,  et  mifm 
Ute  istanc  foras.  Ter.  a.  a.  0.  Prudent.  in 
Symm.  1  65:  nunc  foribus  surdis,  sera  quas 
vel  pessulus  artis  |  firmarunt  cuneis. 

7)  Petron.  97,  7.  Apul.  met.  I  22.  AmnJ 
XXXI 13, 15.  Vgl.  Heraeüs  Sprache  des  Pet  Kin 
25.  Landgraf  Arch.  f.  lat.Lexikogr.  IX  (ls'.Mi) 
402  über  oppessulare  in  den  Glossen. 

8)  Vgl.  Ivanoff  a.  a.  0.  An  unserer  Figurr! 


Erster  Abschnitt.    Das  städtische  "Wohnhaus. 


2.", 


Während  die  bisher  besprochenen  Vorrichtungen  lediglich  dazu  be- 
immt  sind,  die  Tür  von  innen  zu  verschließen,  ohne  ein  Offnen  derselben 
pn  außen  her  an  sich  zu  ermöglichen,  kannte  man  schon  sehr  früh  auch 
Hche  Verschlüsse,  die  vermittelst  eines  eingeführten  Schlüssels  ein  Schließen 
hd  Offnen  von  außen  wie  von  innen  erlaubten1).  Die  dazu  erforderlichen 
estandteile,  das  Schloß,  clanxtnnn-),  und  der  Schlüssel,  claviss),  konnten 
>n  sehr  verschiedenartiger  Konstruktion  sein;  doch  beruhen  alle  Systeme 
irauf,  daß  ein  Querriegel,  der  in  ein  Loch  oder  eine  Krampe  greift,  der 
Hr  vorgeschoben  wird,  und  das  Unterscheidende  liegt  in  der  Vorrichtung, 
ireh  die  der  Riegel  vor-  oder  zurückgeschoben  und  bei  Verschluß  fest- 
halten wird.  Wir  unterscheiden  darin  vornehmlich  drei  Arten:  1.  durch 
nfaches  Schieben  oder  Stoßen  des  Riegels;  2.  durch  Heben  oder  Fallen- 
ssen  von  Bolzen;  3.  durch  Drehung  des  den  Riegel  fortbewegenden 
mlüssels.  Die  älteste  und  einfachste  Art,  die  sich  schon  am  homerischen 
mlosse  findet,  aber  in  noch  viel  frühere  Zeiten  zurückgeht  und  die  sich 
iute  noch  vielerorts,  namentlich  in  Gegenden,  die  der  Kultur  ferner  liegen, 
halten  hat,  besteht  darin,  daß  der  Querriegel,  der  sich  in  Krampen  hin- 
ld  herschieben  läßt,  Vertiefungen  oder  Erhöhungen  hat,  in  die  der  von 
lßen,  durch  ein  in  der  Tür  befindliches  Loch  eingeführte,  etwas  gebogene 
hlüssel  eingreift,  sodaß  er  dadurch  imstande  ist,  den  Riegel  seitlich  zu 
oßen,  worauf  die  Tür  frei  wird4).  Daß  die  Römer  solche  Verschluß- 
)rrichtungen  gekannt  haben,  unterliegt  keinem  Zweifel,  aber  Stellen,  die 
ch  darauf  beziehen  lassen,  liegen  fast  gar  nicht  vor5).    Größere  Sicherheit 


,  wie  auch  anderwärts,  eine  flache  Rille  ö 
untlich,  die  der  eine  mangelhaft  aufgezogene 
egel  bei  häutigem  Öffnen  der  Tür  in  die 
hwelle  und  den  Fußboden  eingeschliffen  hat. 
')  Einige  Stellen  werden  dahin  gedeutet, 
ß  die  Türen  mitunter  von  beiden  Seiten 
hlösser  hatten.  In  diesem  Sinne  faßt  Beckek- 
jll  327  und  Makquabdt  234  A.  6  Plaut, 
ost.  405,  wo  Tranio  sagt:  da  rem  mihi  ha- 
rte aedium  \  iam  iube  efferri  intus:  hasce 
<)  aedia  obehtdem  hinc  fori*,  und  425 :  clavitn 
lo  atque  abi  iittro  atque  obelude  ostium,  \  et 
i  hinc  dbeludam.  Freilich  könnte  hier  der 
aereVerschluß  auch  bloß  durch  Riegel  erfolgt 
in.  DoppelterVerschluß  bei  Achill. Tat.  II 19 : 
xaxoifäCovoa  ds  dei  xi/v  Atvxinnnv  i)  fit'jxrjQ 
Jgftev  ivdo&sv  ri]v  sjti  xov  oxevojjxov  dvgav ' 
.oder  8s  xig  exegog  sjzexXeis  xai  xag  xkstg 
iXXe  öiä  xfjg  ojiijg '  rj  Sk  Xaßovoa  £<pvXaxxe  xai 
oi  xtjv  eo)  xalsoaoa  xov  et?  xovxo  imxexay- 
ror  dtißaXXe  nähr  ras  teksZs,  oüiwg  droi^eis. 
er  schließt  also  der  betr.  Schlüssel  nur  von 
ßen  auf.  Hingegen  bezieht  sich  die  vonMAB- 
ardt  angeführte  Stelle  beim  Schol.  ad  Arat. 
laen.  192:  x<o  kvdo&sv  trjQjuoo/Lih>t]v  elvat  xl/r 
p>  doya'ixiog'  ov  yäg  t6?  vvv  ixxög  sioev 
xXetdes,  dkl'  s'vdov  xö  Jiakaiov  Jiagd  Aiyv- 
/<»,-  xai  Adxoioiv  nicht  auf  verschiedene 
hlösser,  sondern  auf  ein  einziges,  das  man 
iher  inwendig,  jetzt  auswendig  anbringe. 
l)  Wie  man  heutzutage  Schloß  und 
hlüssel  mitsammen   kauft,    da    beides   zu- 


einander passen  muß,  so  auch  im  Altertum, 
Cat.  r.  r.  13,  2;  135,  2;  vgl.Varr.  b.  Non.  545, 
11.  An  den  meisten  Stellen,  wo  ein  Oeffnen 
oder  Schließen  der  Tür  durch  clanstra  er- 
wähnt wird  oder  ein  gewaltsames  Aufbrechen 
durch  revettere  derselben ,  werden  wir  an 
Schlösser  von  irgend  einer  der  oben  be- 
schriebenen Konstruktionsarten  zu  denken 
haben,  vgl.  Plaut.  Cure.  203.  Cic.Verr.  IV  23, 
52.  Liv.  V21,10.  Petron.  11,  2;  97,8.  Catull. 
61.  76.  Verg.  Aen.VII  185;  IX  758.  Ov.  am. 
I  6.  17.  In  verallgemeinerter  Bedeutung  Mail. 
X  28.  9:  ferrea  perpetua  daustra  tuere  s<>rn, 
wo  claustra  wohl  identisch  mit  fores  sind 
(am  Janustempel).  Die  Verfertiger  sind  die 
claustrarii,  Lampr.Heliog.12,2.  CIL  VI  9260; 
VIII  21 103  f. 

3)  Tib.  II  4,  31:  hinc  clarim  ianua  sensit', 
clavictUa,  (lermanic.  Aratea  196.  Auch  Nach- 
schlüssel kannte  man,  claris  adultera,  Ov. 
a.  a.  III  643,  oder  odwftermo,  Sali.  lug.  12,  3. 

4)  Man  vgl.  die  mannigfachen  Rekon- 
struktionsversuche bei  Fink  Verschluß  12  ff. 
Diels  Parmenides  129  ff.  Jacobi  Saalburg 
466  ff. 

5)  Vermutlich  ist  ein  solches  Schloß 
Apul.  met.  IV  10  gemeint.  Hier  wagen  Räuber 
nicht,  die  Tür  gewaltsam  zu  erbrechen,  des 
Lärmes  wegen;  der  eine  nun:  qua  davi  i»i- 
tnütendae  foramen  patebat  sensim  immissa 
mann  ektustrum  evettere  gestiebat,  was  aber 
mißlingt,    da   der   hinter    der  Tür   lauernde 


26 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


aber  gewährte  die  zweite  Art,  wobei  das  Festhalten  des  Riegels  dadurchj- 
erfolgt,  daß  im  Schloß  bewegliche  Fallbolzen,  die  ebenfalls  pessuli  heißen1)! 
bei  geschlossenem  Zustande  in  entsprechende  Hohlräume  des  Riegels  ein-* 
greifen  und  ihn  festhalten,  beim  Heben  vermittelst  eines  Schlüssels  aber? 
(clavem  subdere,  subducere) 2)  die  Bewegung  des  Riegels  freigeben.  Solche 
Schlösser  gab  es  von  Holz,  und  man  hatte  dafür  auch  hölzerne  Schlüssel3);! 
bei  festerem  Verschluß  aber  wurde  beides  von  Eisen  hergestellt.  Da  es 
wesentlich  darauf  ankam,  daß  jedes  Schloß  nur  durch  den  dazu  gehörigen' 
Schlüssel  aufgesperrt  werden  konnte,  so  waren  die  für  solche  Fallbolzen- 
schlösser erforderlichen  Schlüssel,  die  zwei,  drei  und  mehr  vorstehende 
Zinken  (dentesty)  zum  Heben  der  Bolzen  hatten,  von  sehr  mannigfacher 
Form,  wie  die  in  beträchtlicher  Zahl  gefundenen  Exemplare  uns  zeigen5). 


Fig.  6. 


Römische  Türschlösser. 


Fig.  7. 


Zur  Veranschaulichung  einiger  Typen  diene  die  Beschreibung  dreier  Schlösserj 
die  Baumeister  L.  Jacobi  nach  Originalen  von  der  Saalburg  hat  rekon- 
struieren  lassen6).     Fig.  6  ist    ein    hölzernes    Bolzenschloß,    bei    dem    der 


Hausbesitzer  ihm  die  Hand  an  die  Tür  fest- 
nagelt. Da  hier  das  Türloch,  durch  das  der 
Schlüssel  gesteckt  wird,  so  groß  ist,  daß  man 
eine  Hand  durchstecken  kann,  wird  man  an 
ein  Schloß  der  obigen  Art  zu  denken  haben. 

')  An  den  meisten  Stellen,  wo  pessuli 
erwähnt  werden,  ist  es  nicht  möglich,  die 
ebenso  benannten  Schwellenriegel  von  den 
Fallbolzen  zu  unterscheiden.  Sicher  ist  die 
Bedeutung  bei  Apul.  met.  1  11  ff.  Wenn  es 
hier  zunächst  heißt:  adducta  fore  pessulisque 
firmatis,  und  c.  14,  wie  die  durch  Zauber 
erbrochene  Tür  wieder  sich  schließt:  ad 
claustra  pes&uli  recurrunt,  so  geht  aus  der 
folgenden  Beschreibung,  wie  der  im  Zimmer 
befindliche  die  Tür  öffnen  will,  hervor,  daß 
es  sich  um  ein  Fallbolzenschloß  handelt: 
mbdita  clave  pessulos  reduco;  at  Mae  probae 
et  fideles  ianuae,  quae  sna  sponte  reseratae 
nocte  fuerant,  vix  i 'andern  et  aegerrime  tunc 
(■Iuris  sna,'  crebra  innnissione patefiunt.  Denn 
die  Schlüssel  zu  diesen  Schlössern  waren 
manchmal  recht  kompliziert  und  ihre  Ein- 
führung nicht  so  einfach,  sodaß,  namentlich 
trenn  jemand  aufgeregt  war,  wie  das  hier 
der  Fall  ist,  der  Versuch  leicht  mehrmals 
wiederholt  werden  mußte. 

•)  Apul.  met.  I  14;  IX  20:   tandem    clave 


pessulis   subducta    repandit   fores.     Gernian. 
Arat.  196. 

3j  Augustin.  de  doctr.  christ.  IV  11.  26: 
quid  prodest  claris  aurea,  si  aperire,  (jianj 
volumus,  non  potest,  auf  quid  obest  lignea, 
si  hoc  potest. 

4)  Tib.  I  2,  18:  seu  reserat  fi.ru  deute 
puella  fores.  German.  a.a.O.:  qualis  ferratos 
sabicit  claeicula  derdes,  j  succutit  et  forihns 
praeducti  vincula  claustri. 

5)  So  sind  auf  der  Saalburg  gegen  20Q| 
Schlüssel  gefunden  worden,  von  denen  jeder 
einen    anders    eingerichteten    Bart    aufweist! 
s.  Jacobi   Fig.  73— 75    und    Taf.  44.     Aratoa 
Phaen.  192 f.  vergleicht  die  Stellung  der  Sterne 
in    der   Kassiopeia   mit   der   der   dyjjeg ,    defl 
Bolzen,  an  einer  Türe,  darnach  German.  a.a.Ol 
Avien.  Phaen.  455:    vis    qualem  Curia    quon- 
dam  j  noverat  intrantem  per  claustra  teuacia 
clarein.     Den    lakonischen    Schlüssel    finden 
wir  bei  Plaut.  Most.  404  erwähnt,  allein  wenn 
schon  die  Form  desselben  auch  bei  den  Rö-' 
mein  üblich  gewesen  sein  wird  (vgl.  Fink  22) J 
so  wird  der  Name  doch  kaum  sich  erhalte™ 
haben  und   bei  Plautus    bloß  aus    dem  grie-1 
chischen  Original  herübergenommen  sein.     ! 

6)  Jacobi  Fig.  73  Nr.  30  u.  34.  Fig.  75 
Nr.  6  u.  11 ;  doch  sind  unsre  Abbildungen  nacH 


Erster  Abschnitt.    Das  städtische  Wohnhaus. 


27 


Ichlüssel  S  in  den  Riegel  R  selbst  eingeführt  wird;  er  hat  zwei  Zinken, 
lit  denen  die  beiden  Bolzen  Bß  aus  den  Riegellöchern  herausgehoben 
werden:  indem  die  Zinken  sich  in  die  leeren  Riegellöcher  einhaken,  kann 
lan  den  Riegel  durch  Zurückziehen  des  Schlüssels  aus  dem  Verschlusse 
ntfernen.  —  Fig.  7  ist  ebenfalls  ein  hölzernes  Schloß,  hier  sind  vier 
►olzen  B,  die  durch  einen  Schlüssel  mit  drei  Zinken  gehoben  werden.  Der 
chlüssel  S  liegt  hier  oberhalb  des  Riegels,  daher  haben  auch  die  zu 
ebenden  Bolzen  eine  besondere,  aus  der  Abbildung  ersichtliche  Form. 
)argestellt  ist,    wie  der  Schlüssel  die  Bolzen   gehoben   hat;    der  Riegel  R 


r— ~CMtr 


CSD 


31 


Fig.  8. 


Römisches  Türschloß. 


Fig.  9. 


st  nun  frei  und  kann  beiseite  geschoben  werden.  —  Fig.  8  und  9  zeigen 
in'  eisernes  Schloß  von  der  Außen-  und  der  Innenseite.  Außen  an  der 
Mir  sitzt  der  Schloßkasten,  darüber  der  in  eine  Krampe  eingreifende  Riegel, 
er  eine  inwendig  durch  einen  zweiten  Riegel  festgehaltene  Zunge  hat; 
echts  ist  das  Schlüsselloch  L  l).  In  dieses  Schlüsselloch  wird  der  Schlüssel  S, 
essen  verzahnter  Bart  rechtwinklig  zum  Griffe  steht,  eingeführt  und  nach 
nks  so  herumgedreht,  daß  die  Zinken  unter  die  im  Riegel  R  steckenden 
linken  der  drei  Bolzen  zu  liegen  kommen  (die  verschiedene  Form  der  Zinken 
eigt  die  Abbildung  des  Schlüssels).  Die  Bolzen,  die  durch  eine  Feder  F 
iedergedrückt  werden,  werden  nun  durch  den  Schlüssel  in  die  Höhe  ge- 
oben,  der  Riegel  R  wird  dadurch  frei  und  aus  der  Klammer  K  nach  links 
urückgezogen;  damit  wird  dann  die  äußere  Verschlußstange,  deren  Haspe 
er  Riegel  festhielt,  freibeweglich  und  kann  aus  dem  sie  festhaltenden 
tinge  nach  rechts  hin  herausgezogen  werden2). 

Die  dritte  Art  ist  das  Drehschloß,  das  sich  vom  heutigen  nicht 
wesentlich  unterscheidet.  Hier  sind  keine  Fallbolzen  vorhanden,  sondern 
er  Schlüssel,  dessen  Bart  in  der  Verlängerung  des  Griffes  liegt,  greift 
urch  Drehung  in  den  Riegel  ein  und  schiebt  ihn  vor-  oder  rückwärts. 
)erartige  Schlösser  sind  in  römischen  Ansiedelungen  zwar  nur  vereinzelt 
efunden  worden 3),    aber   dafür   um  so   zahlreichere  Exemplare    der   dazu 


iels  Fig.  31 — 34  gegeben,  da  diese  noch  an- 
;h;ml  icher  sind. 

')  Daß  diese  Art  von  Schloß  ganz  be- 
>nders  beliebt  gewesen  ist,  zeigen  nicht 
ur  die  häufig  gefundenen  Exemplare  davon, 
>ndern  auch  die  Denkmäler.  Auf  der  oben 
wähnten  Tür  des  römischen  Sarkophags, 
erlin.  Skulpt.  344  Nr.  863,  und  einer  Aschen- 
iste ebd.  436  Nr.  1 123,  sowie  Musee  de  Brousse 
6  Fig.  35  f..  sind  ganz  ähnliche  Schlofi- 
Diderseiten  nachgebildet,  und  ebd.  N.  78  Fig. 


37  geht  von  dem  Schloß  ein  weinblattai  tiger 
Riegel  aus,  der  über  die  beiden  Türflügel  sich 
legt   und  so  die  Tür  von  außen  verschließt, 

*)  Bei  diesen  Schlössern  bleibt  in  der 
Regel  der  Schlüssel,  wenn  er  geöffnet  hat. 
in  der  Oeffnung  stecken  und  kann  nur  zurück- 
gezogen werden,  indem  man  wieder  schließt. 
Vgl.  Petron.  94.7:  continuo  Urnen  egresaus  ad- 
duxii  repenie  ostium  ceüae  meque  nihil  tale 
expectantem  indusit,  ezemüqne  >-n/>tim  davim. 

3)  Abgesehen  von  der  Saalburg  auch  in 


28 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


gehörigen  Schlüssel  mit  den  mannigfachsten  Formen  des 
Bartes l).  Von  der  Art,  wie  die  Türschlüssel  manchmal 
kunstreich  verziert  wurden,  gibt  der  pompejanische 
Schlüssel  Fig.  10  eine  Vorstellung2). 

Hatte  man  die  Haustür  durchschritten3),   so  kai 
man   in   der  Regel   noch  nicht  sogleich  in  das  Atrium, 
sondern  in  einen  schmalen  Gang,  eine  Verlängerung  des 
Vestibulums  oder  Ostiums.  Welchen  Namen  dieser  Gang 
für    gewöhnlich 

führte,  steht 
nicht  fest,  doch 
kommt  die  Be- 
nennung fauces 
dafür  vor4).  Hier 
lag  meist  der 
Haushund ,  für 
den  bisweilen  ein 
besonderer 

Raum  vorhan- 
den   war5),    an 
der  Kette6);  zur 

Warnung  war 
mitunter  an  der 
Wand     die    In- 
schrift Cave  ca- 

Fig.  10.  Schlüssel  a.  Pompeji.  nßftl  '  an- 

gebracht, auch  wohl  der  Hund  selbst  in  Malerei  oder  Mosaik  dargestellt 7) 
(s.  Fig.  11).    Vornehmlich  aber  war  hier  der  Platz  des  mit  der  Hütung  der 


Fig.  11.    Haushund,  Mosaik  aus  Pompeji. 


andern  römischen  Niederlassungen  s.  F.  Keller 
in  d.  Mitteil.  d.  antiquar.  Gesellsch.  in  Zürich 
XV  (1864)  59  u.  62  mit  Taf.  I  1—3.  Jacobi 
Fig.  76  Nr.  1—24,  doch  ist  zu  bemerken,  daß 
hier  meist  Vorlegeschlösser  abgebildet  sind, 
deren  Mechanismus  sich  durch  das  ihn  um- 
gebende Gehäuse  weit  besser  als  bei  den  in 
Türen  eingelassenen  Schlössern  erhalten  hat. 

1)  Vgl.  Jacobi  a.  a.  O.  Nr.  25—42. 

2)  Nach  Mus.  Borb.  XVI  23,  5. 

3)  In  einigen  größern  Häusern  Pompejis 
findet  sich  die  Einrichtung,  daß  neben  der 
Haustür  und  mit  ihr  einen  rechten  Winkel 
bildend  noch  eine  kleine  einflüglige  Tür  liegt, 
auf  der  rechten  oder  linken  Seite  des  Vesti- 
bulums, die  zunächst  in  einen  Winkel  zwischen 
eben  dieser  Tür  und  der  entsprechenden  Seiten- 
wand des  Hausflurs  und  von  da  weiter  ins 
Haus  führte,  s.  Overbeck  254;  298.  Mau  253. 

4)  Vitr.  VI  3  (4),  6 :  vgl.  Ivanoff  a.  a.  0. 83. 
Daß  der  Gang  auch  ostium  genannt  worden 
sei,  wie  Becker-Göll  237  und  Overbeck  254 
behaupten,  läßt  sich  nicht  belegen.  Wenn 
außer  der  Haustür  noch  eine  besondre  Tür 
ins  Innere  führte,    so  nannten    die  Griechen 


nach  Vitr.  VI  7  (10,  1)  den  Raum  inter  duai 
ianuas  ftvgojQslov.  Ebd.  5  heißt  es:  item  .too- 
dvga  graece  dicuntur  quae  sunt  ante  ianuas 
vestibula,  nos  autem  appellamus  prothyra,  quae 
graece  dicuntur  biädvga.  Dies  Wort  kommt 
aber  nur  hier  vor,  wir  wissen  daher  gar  nicht. 
welchen  Raum  Vitruv  hier  im  Sinn  hat. 

5)  Vgl.  Overbeck  331.  Mau  R.  M.  VII 
(1892)  9. 

6)  Plaut.  Most.  849  ff.  Tib.II4,32;  ib.  6, 
114.  Hör.  sat.  I  2, 128.  Sen.dial.V  37,  2.  Suet. 
Vit.  16.  Petron.64,  7;  72,  7.  Der  Abguß  eines 
Haushundes  nach  der  in  der  Asche  erhaltenen 
Form  ist  abgebildet  bei  Presuhn  Pompeji  III 
Taf.  3. 

7)  Varr.  b.  Non.  153, 1 :  in  ianua  'Cave  <-<t- 
nem'  inscribi  iubeo.  Petron.  29, 1 :  ad  sinistratn 
enim  intrantibus  non  longe  ab  ostiarii  cella 
canis  ingens,  catena  vinctus,  in  pariete  erat 
pictus  superque  quadrata  litterascr/jttin»  'cave 
canem'.  Im  Hause  des  tragischen  Dichters  in 
Pompeji  war  im  Fußboden  ein  Mosaik  ein- 
gelegt, das  den  Haushund  an  der  Kette  und 
darunter  die  Inschrift  zeigt,  s.  Mus.  Borb.  II 56. 
Overbeck  255  Fig.  138;   auch  im  Hause  des 


Erster  Abschnitt.    Das  städtische  Wohnhaus. 


■2U 


Tür  beauftragten  Sklaven,  des  ianitor1)  oder  ostiarius2),  der  nachts  den 
Hausschlüssel  in  Verwahrung  hatte ;!).  Er  hatte  meist  seine  besondere 
ijj#a4);  daß  der  ältere  barbarische  Brauch,  nach  dem  der  ostiarius  an- 
gekettet war5),  später  allgemein  befolgt  wurde,  ist  sehr  unwahrscheinlich, 
zumal  diesem  Türhüter  eine  gewisse  Strafgewalt  gegen  Eindringlinge  zu- 
stand und  er  zu  diesem  Zweck  einen  Stab  (virga)  führte0).  In  Häusern, 
pn  denen  der  Hausherr  oder  ein  Mieter  ein  Geschäft  betrieb,  lagen  im 
Vestibulum  Stallungen  und  Läden,  letztere  mit  Zugang  auch  von  der 
ptraße  her7). 

Gegen  das  Atrium  zu  waren -die  fauces  in  der  Regel  nur  durch  einen 
[Vorhang  (velum)  abgeschlossen 8).  Daß  aber  hier  eine  zweite  Tür  nichts 
[Unerhörtes  war,  zeigen  Beispiele  pompejanischer  Häuser9). 

Das  Atrium10),  der  Raum,  in  den  man  aus  den  fauces  zunächst  ge- 
langte, war  im  altitalischen  Wohnhause  der  Hauptraum  und  bei  sehr  ein- 
fachen Wohnverhältnissen  der  älteren  Zeit  vielleicht  der  einzige  Wohnraum 
per  Familie11).  Hier  stand  dazumal  der  Herd12),  und  es  ist  auch  sehr  wahr- 
scheinlich, daß  der  Raum  (gleich  dem  griechischen  jueka&gov)  den  Namen 
lavon  erhalten  hat,  daß  der  in  den  alten  Wohnanlagen  nur  mangelhaften 
kbzug  findende  Rauch  die  Decke  schwärzte13).    Hier  im  Atrium  sammelten 


Laecilius  Iucundus  fand  sich  ein  Hund  in 
Mosaik.  Presuhn  a.a.O.  Taf.4  (darnach  unsere 
Fig.  11).  vgl.  ebd.  ITaf.3. 

»)  Varr.  1.  1.  VII  27.  Plaut.  Asin.  390; 
Most.  673.  Tib.  I  1,  56.  Hör.  carm.  III  14,  18. 
Wart.  V  22,  10.  CIL  IV  1894;  1921.  Bisweilen 
mochte    dies  Amt  auch   von    einer  Dienerin 

ersehen    werden.    Plaut.  Cure.  76:    anus  hie 
lotet  enbitare  eustos  ianitrix.  Vgl.  Pottier  bei 

>.-S.  III  602  ff. 

2)  Senec.  a.  a.  0.  Petron.  28, 8  erscheint  er 
Im  Hause  des  Trimalchio  in  glänzender  Livree. 
bsthtrii  auf  Inschr.  s.  CIL  III  13142;VI8995ff; 
1961  ff.;  9737  f.;  ostiaria  VI  6326. 

3)  Apul.  met.  I  15,  wo  der  Gast  in  der 
Herberge  zwar  aus  seinem  Zimmer  heraus 
lann,  aber  um  das  Haus  zu  verlassen  den 
|w//or  wecken  muß.  Ebd.  IV  18:  ianitorem 
wludio  eonjieit  e/arique  subtraeta  fores  ianuae 
fgpandü.    Vgl.  ebd.  IX  20. 

4)  Vitr.VI  7  (10),  1  erwähnt  die  cella  des 
kstiarins  nur  im  griechischen  Haus,  doch  ist 
te  sonst  bezeugt,  s.  Petron.  29, 1;  77,4.  Senec. 
Ind  Suet.  a.  a.  O.  Varr.  r.  r.  1 13,  2;  bei  Aurel. 
■  ict.  Caes.8.  6  tugurium  ianitoris.  In  pompe- 
fcnischen  Häusern  sind  diese  kleinen  Kämmer- 
Ihen  bisweilen  zu  finden,  Ovekbeck254;  vgl. 
133  u.  335  (in  letzterem  Hause  hat  die  cella 
Kn  Fenster  auf  die  Straße  hinaus,  durch  das 
ler  ostiarius  die  Einlaß  Begehrenden  inAugen- 
Ichein  nehmen  konnte). 

5)  Ov.  am.  16,1:  ianitor,  indignum,  dura 
meligate  catena.  Colum.  I  praef.  10:  an  putem 
«»rfittiatiiis  ii  ratenato  repulsum  ianitore  saepe 
Koctc  sera  forlbus  /»gratis  adiacere.  Suet.  de 
Biet.  3 :  L.  Voltacilius  Pilutus  servisse  dicitur  at- 
nieetiam  ostiarius  retere  more  in  catena  fuisse. 


6)  Senec.  dial.  II 14,  2:  üle  pusülo  animo 

est,  qili  sihi  ji/aeet,  i//ii>t/  ustiarin  lihere  re- 
spondit,  i/imit  virgam  eins  (regit.  Salvian.de 
gub.  dei  III  46:  ita  ut  si  quispiam  fuerit  in- 
solenter ingressus,  auf  caedatiir  mit  propel- 
tatur. 

7)  Vitr.VI  8  (5),  2:  qui  autem  fructibus 
riistleis  serriinit.  in  eurnm  restibnlis  stiilmln 
tabernae.    Ueber  die  tabernae  s.  unten. 

8)  Lampr.  Alex.  Sever.  4,  3:  cum  amieis 
tarn  familiariter  vixit,  ut ...  salutaretur  quasi 
unus  e  seun/oribiis  patente  velo. 

9)  Ovekbeck  255. 

10)  Ueber  das  Atrium  und  die  damit  zu- 
sammenhängenden Fragen  ist  vornehmlich  zu 
vgl.  Beckeb-Göll  II  238,  wo  ältere  Litteratur 
verzeichnet  ist.  Velissky,  Ztschr.  f.  d.  österr. 
Gymn.  XXVI  (1875)  811  ff.  Saglio  bei  D.-S. 
I  530  u.  981.  Monceaux  ebd.  II  350.  Nissen 
Pompej.  Studien  625  ff.  Bkugi  Archiv  giurid. 
XXXVIII  (1887)  493.    Mau  bei  P.-W.  II  2146. 

u)  Das  Atrium  ist  der  charakteristische 
Teil,  der  das  römische  Haus  vom  griechi- 
schen unterscheidet,  vgl.  Marx  a.  a.  O. 

w)  Varro  bei  Non.  83, 15:  ad  focum  hieme 
ac  f rigor ilms  cenitabant.  Ov.  fast.  VI  301: 
nt  focus  a  fiammis  et  quod  fovet  onniin,  dictus  ; 
qui  tarnen  in/irimis  aei/ibns  ante  fnit.  Serv 
ad  Aen.  1726:  ibi  (sc.  in  atrio)  et  culina  erat. 
Auf  dem  Lande  blieb  das  auch  später  noch 
so,  Hör.  sat.  II  6,  65  ff. 

13)  So  Serv.  a.a.O. :  tinde  et  afrinm  dietiim 
est;  atrum  enim  erat  ex  fumo.  Isid.  XV  3, 4: 
aliis  atrinni  i/nasi  all  igne  et  ti/elina  atrnm 
dixerunt.  Daneben  hatten  die  Alten  freilich 
allerlei  andere,  z.  T.  recht,  sonderbare  Deu- 
tungen   des  Namens:    so  leitet  es  Varro  1.1. 


30 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


sich  die  Hausgenossen1),  hier  wurde  gekocht  und  gespeist2),  hier  stand  derj 
Webstuhl  der  Hausfrau  und  ihrer  Mägde3),  und  hier  stand  auch,  dem  Eingang 
gegenüber  (daher  auch  lectus  adversus  genannt)4),  das  Ehebett,  lectus  geniali$b),  \ 
das  später  nur  noch  symbolische  Bedeutung  hatte  und  mehr   zum  Ehren- 
sitz  der  Hausfrau   als   seinem   ursprünglichen    Zwecke   diente6).     Solange 
das  Atrium  solche  Verwendung  hatte  und  somit  der  Hauptraum  des  Hauses 
war,    wird    es    höchst   wahrscheinlich,    worauf   auch    die   oben   (S.  8)   be-' 
sprochenen  runden  Hüttenurnen  deuten,    bedeckt   gewesen    sein;    als   man 
aber  im   städtischen    Wohnhause    anfing,    besondere   Räume    für   Kochen, 
Speisen,  Schlafen  etc.  anzulegen,  da  entstand,  und  zwar  wahrscheinlich  noch 
in  recht  früher  Zeit7),  der  Brauch,   das  Atrium  oben    zu    öffnen,   es    zum 
cavum  aedium  (cavaedium)  zu  machen,  mit  welchem  Namen  man  das  Atrium 
auch  zu  bezeichnen  pflegte8),    obschon   man    später   in   erweitertem  Sinne 
irgend  einen  zentral  gelegenen  Raum  des  Hauses   darunter  verstanden  zu 
haben  scheint9).    Vou  den  Atrien  unterscheidet  Vitruv,  unter  Hinzunahme 


V  161  von  der  Stadt  Atria  her  (ebenso  Fest. 
13, ll.Serv. a.a.O.);  oder:  quoda  terra  oriatur, 
quasi  aterrium,  Fest. ebd.; oder: quodaddantur 
ei  tres  porticus  extrinsecus,  Isid.  a.  a.  0.  Nicht 
weniger  unglücklich  sind  die  von  Neueren  ver- 
suchten Ableitungen  aus  dem  Griechischen 
(iü'üqiov,  äÖQoor,  Becker-Göll  251),  die  schon 
deshalb  zu  verwerfen  sind,  weil  das  atrium 
eine  spezifisch  italische,  den  Griechen  ganz 
fremde  Einrichtung  ist.  Die  oben  gegebene  Deu- 
tung ist  angenommen  worden  von  Schwegler 
Rom.  Gesch.  I  275.  Mommsen  Rom.  Gesch.  I 
236.  Nissen  628.  Marquardt  218. 

*)  Varr.  a.a.O.:  Cavum  aedium  dictum, 
qui  locus  tectus  intra  parietes  relinquebatur 
patulus,  qui  esset  ad  communem  omnium  usutn. 

2)  Cat.  b.  Serv.  a.  a.  0.:  et  in  atrio  et 
duobus  f er  cutis  epulabantur  antiqui;  vgl.  ebd. 
ad  Aen  IX  645 :  illic  enim  et  epulabantur  et 
deos  colebant. 

3)  Liv.  I  57,  9 :  Lucretiam  .  .  .  nocte  sera 
deditam  lanae  int  er  lucubrantes  ancillas  in 
medio  aedium  sedentem  inveniunt.  Nep.  praef. 
6 :  aut  cuius  non  mater  familias  primum  locum 
tenet  aedium  atque  in  celebritate  versatur? 
Ascon.  ad  Cic.  Milon.  p.  38  Kießl. :  iUmque  telas, 
quae  ex  vetere  more  in  atrio  texebantur,  di- 
ruerunt.  Arnob.  adv.  gent.  II  67:  matres  fa- 
milias  vestrae  in  atriis  operantur  domorum 
industrias  t  est  ificantes  suas?  Vgl.  auch  Plaut. 
Men.  796. 

4)  Laber.  b.  Gell.  XVI 9, 4:  mater  familias 
tua  in  /<'<■/<>  adrerso  sedet.  Prop.V(IV)  11,85: 
seu  tarnen  adversum  mutarit  ianua  lectum. 
Ascon.  a.  a.  0. :  lectulum  adversum  uxoris  eins 
Corneliae,  cuius  casti/as  pro  exemplo  habita 
est,  fregerunt. 

&)  Cic.  p.  Cluent.  5. 14 :  lectum  illum  genia- 
lem .  .  .  sibi  ornari  et  sterni  iubet.  Hör.  ep. 
11,87:  lectus  qenialis  in  aida  est.  Fest.  94, 11. 
Serv.  ad  Aen.  VI  603. 

6)  Vgl.  über  den  Platz  dieses  Ehebettes 
Nissen  642. 


7)  Darauf  deutet  der  jedenfalls  sehr  alte 
religiöse  Brauch  hin,  der  Gell.  X  15,  8  und 
Serv.  ad  Aen.  II  57  erwähnt  wird  und  das  1m- 
pluvium  zur  Voraussetzung  hat;  s.  Marquardt 
Rom.  Staatsverw.  111  318.  Voigt  Jahresbericht 
über  d.  class.  Altert,  f.  1878,  III  378. 

8)  Diese  Ausdrücke  kommen  nicht  häufig 
vor;  in  Betracht  kommt  vornehmlich  Varr.  1.1., 
V  161  (s.  Anm.  1)  und  Vitr.Vl  3,  1.  Becker 
a.  a.  0.  hat  eingehend  zu  erweisen  gesucht, 
daß  das  cavum  aedium  etwas  anderes  als 
das  atrium  sei,  doch  weist  Göll  ebd.  in  allen 
Punkten  seine  Aufstellungen  als  unrichtig 
nach.  Ebensowenig  sind  andere  Unterschei- 
dungsversuche haltbar,  wie  der  vonScHNEiDER; 
zu  Vitruv  VI  3,  1  (Bd.  II 432)  und  Lersch  Z.f. 
d.  A.W.  1838  Nr.  72,  wonach  das  rar  tan  aedium 
den  ganzen  inneren  Raum,  atrium  nur  die 
bedeckten  Teile  desselben  bezeichne;  oder 
der   umgekehrte   von  Mommsen  Rom.  Gesch. 

I  236,  der  cavum  aedium  für  die  Decken- 
öffnung erklärt.  Die  Ansicht  von  Velissky 
a.a.O.,  das  aus  dem  Viehhof  des  alten  Bauern-; 
hauses  entstandene  cavum  aedium  sei  später 
vergrößert  und  verschönert  als  Peristyl  und 
Sitz  des  Familienlebens  an  das  modernisierte 
Atrium  angesetzt  worden,  weist  Marquakdt 
223  A.  4  mit  Recht  zurück.  Vgl.  auch  Saglio 
bei  D.-S.  I  981  ff. 

9)  Diese  Auffassung  von  Mau  bei  P.-W. 
III  1799  hat  am  meisten  für  sich.  Un- 
gewiß zwar  ist  die  Bedeutung  Plin.  XIX 
24:  vela  .  .  .  rubent  in  cavis  aedium,  et  dui- 
scum  ab  sole  defendunt ;  denn  wenn  Mau  meint, 
es  seien  hier  Peristyle  gemeint,  weil  die  rela 
doch  mehr  in  diesen  als  in  den  Atrien  Ver- 
wendung fanden,  so  ist  letzteres  doch  zu  viel 
behauptet.    Wenn  aber  der  jüngere  Plin.  ep] 

II  17,  4  fg.  in  der  Beschreibung  seines  Lau- 
rentinums  einen  Unterschied  zwischen  atrium 
und  cavaedium  macht,  so  war  letzteres  wohl 
auch  ein  Atrium,  da  es  denjenigen  Platz  ein| 
nimmt,  den  nach  Vitr.Vl  5  (8),  3  dieses  in  der 


Erster  Abschnitt.    Das  städtische  Wohnhaus. 


31 


Ider  bedeckten,  fünf  Arten1).  Vier  davon  sind  oben  offen;  die  viereckige 
Bachöffnung  führt  den  Namen  compluvium,  während  der  darunter  belegene, 
vertiefte  Teil  des  Fußbodens,  in  dem  sich  das  Regenwasser  sammelte,  im- 
mßuvium  heißt2),  eine  Unterscheidung,  die  freilich  nicht  immer  ganz  streng 
festgehalten  wurde3). 

Die  ersten  drei  Arten  des  Atriums,  das  sogenannte  tuscanicum4),  das 
mtrastylum  und  das  corinthium,  hatten  das  Gemeinsame,  daü  das  in  der 
Mitte  offene  Dach  sich  auf  allen  vier  Seiten  nach  der  Mitte,  also  dem 
mmpluvium  zu,  senkte,  so  daü  das  Regenwasser  des  Daches  dem  impluvium 
zugeführt  wurde;  ihr  Unterschied  besteht  in  der  Dachkonstruktion.  Das 
Dach  des  atrium  tuscanicum  nämlich5)  hat  keine  vertikalen  Stützen, 
sondern  ruht  auf  zwei,  das  Atrium  der  Breite  nach  überspannenden  Balken 


Fi.-.  12.  Dachkonstruktion  des  tuskanisehen  Atriums. 

|(a   auf  unsern   Abbildungen  Fig.  12  und  13) 6),   die   ihrerseits   durch   zwei 
|Querbalken  b  verbunden   sind.     Von   den  Stellen,   wo   die  Querbalken   auf 

geführten  Stellen,  ferner  Plaut.  Amph.  1108; 
M.  gl.  159 ;  175 ;  287 ;  340.  Ter.  Eun.  589 ;  Phorm. 
707.  Darnach  scheint  es  ganz  üblich  ge- 
wesen zu  sein,  die  obere  Dachöffnung  im- 
pluvium zu  nennen. 

4)  NachVarr.  1.  l.V  161:  dictum  <t  Tuscis, 
■posteaquam  (darum  eamtm  aedium  simulare 
coeperunt.  Der  abweichenden  Ansicht  von 
Voigt  a.  a.  0.  300,  der  es  von  der  Stadt  Tus- 
cana  ableiten  wollte,  widerspricht  Göll  zu 
Becker  253  mit  Recht.  Wie  Marx  551  be- 
merkt, ist  eigentlich  bloß  das  atrium  tu- 
scanicum altrömisch;  die  andern  Formen  sind 
von  griechischer  Bauweise  entlehnt  und  heißen 
noch  atria,  sind  aber  streng  genommen  keine 
mehr. 

5)  Vitr.VI  3, 1 :  tuscanica  sunt  in  qutbus 
trabcs  in  utrii  latitudine  traiectae  habeant 
mterpensiva  et  coUidas  ab  anguiis  parietum 
ml  angulo8  tionorum  intercurrentet,  item  OS" 
seribus  stülicidiorum  in  medium  compluvium 
deiectis. 

6)  Die  Figuren  rühren  von  Mazois  II  pl. 
III  1  u.  2  her  und  sind  darnach  sehr  oft  re- 
produziert, s.  Marqüardt  237.  Ovekbeck  256. 
Mau  256  f. 


IVilla  haben  soll:  aber  Plinius  hat  die  Bezeich- 
nung gewechselt,  um  es  von  dem  vorderen, 
Iseiner  Lage  nach  dem  städtischen  Atrium 
■entsprechenden  Räume  zu  unterscheiden. 
lEbenso  sind  die  cavae  aedes  bei  Verg.  Aen. 
|II  483  die  Mittelräume  des  Hauses. 

')  Vitr.VI  3,1:  cava  aedi um  quinque  gene- 
hrihiis  sunt  distincta,  quorum  ita  fiaurae  nomi- 
mantur  tuscanicum,  corinthium,  tetrastylum, 
displuviatum,  testudinatum. 

2)  Varr.  1.  l.V  161:  si  relictum  erat  in 
Imedio  uz  lucem  caperet,  deorsum  quo  i»i- 
ypluebat  dictum  impluvium,   summ  qua   com- 

pluebat  compluvium,  titrumque  <>  pluvia.  Fest. 
l"v.  14:  impluvium,  quo  aqua  impluit  collect a 
\dc  fcc/o.  Compluvium,  quo  de  diversis  tectis 
\\ti</u(i  pluvialis  confluit  in  eandem  locum.  Ps.- 
lAscon.  ad.Cic.Verr.  p.  177  Or. :  impluvium  locus 
mine  tecto  in  aedibus,  quo  impluere  imber  i» 
uomum  possit.  Erwähnung  des  Kompluviums 
jVitr.  a.  a.  O.;  ebd.  2  u.  6.  Varr.  r.  r.  I  13,  3. 
ISuet.  Aug. 92;  des  Impluviums  Plaut.  Epid.  225. 
jCic.  inVerr.  act.  II,  I  23,  61.  Liv.  XLII1  13.  6. 
Quint.  XI  2.  20.  Serv.  ad  Aen.  II  512. 

3)  So  compluvium  für  impluvium  Suet. 
iAug.  92;    besonders   häufig   aber    impluvium 

für  compluvium,  so  an  den  oben  S.  30  A.  7  an- 


32 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


den  Hauptbalken  aufliegen,  gehen  vier  Strebebalken  d  in  die  Ecken  del 
Mauerwerks  hinauf;  die  auf  diese  Weise  entstehenden  vier  abgestumpften! 
Dreiecke  werden  mit  den  nach  innen  geneigten  Dachsparren  e  benagelt 
und  auf  diese  die  Dachziegel  (als  Flachziegel  f,  Deckziegel  g  und  Eckziegel  h) 
aufgelegt1).  Beim  tetrastylum2)  wird  das  compluvium  in  den  vier  Ecken 
durch  Säulen  gestützt,  auf  denen  die  Balken  a  ruhen;  die  Querbalken  b 
fallen  dabei  fort3).  Das  war  namentlich  wichtig  bei  großen  Atrien,  obschon 
es  auch  tuscanica  bis  zu  60  Fuß  Spannung  gab4);  es  hatte  aber  auch  den 
Vorteil,  daß  man  schwächere  und  daher  wohlfeilere  Balken  als  Träger 
benutzen  konnte5).  Beim  corinthium6)  ruht  das  compluvium  auf  mehr  als 
vier  Säulen,  das  Atrium  erhält  dadurch  Ähnlichkeit  mit  einem  Peristyl; 
auch  ruht  das  Dachgebälk  vornehmlich  auf  den  Säulen  und  die  Balken  a 
fallen  fort7).  Beim  atrium  displuviatum8)  aber  senkte  sich  das  Dach 
nicht  gegen  das  compluvium  hin,  sondern  von  diesem  aus  nach  außen 
gegen  die  Mauern  zu.  Das  hatte  im  Winter  den  Vorteil,  daß  dem  Atrium 
und  den  von  diesem  ihr  Licht  empfangenden  Nebenräumen  mehr  Licht 
zugeführt  wurde;  aber  die  Abführung  des  Regenwassers,  das  in  horizon- 
talen Röhren  (canales)  aufgefangen  und  durch  vertikale  Abflußrohre  (fistulae)] 
den  Wänden  entlang  in  die  Zisterne  geleitet  wurde,  hatte  ihre  Nachteile, 
da  die  Wände  leicht  feucht  wurden9). 

Selten,  wie  diese  letzte  Art,  war  jedenfalls  auch  die  fünfte,  das  atrium 
testudinatum10),  bei  dem  das  Dach  nach  außen  abfallend  den  ganzen 
Raum  ohne  Lichtöffnung  bedeckte.  Woher  ein  solches  Atrium  seine  Be- 
leuchtung bekam,  ist  ungewiß11).  Das  Regenwasser  wurde  hier  vermutlich 
ebenso  abgeleitet  wie  beim  atrium  displuviatum12). 


')  Weitaus  die  meisten  Atrien  der  pompe- 
janischen  Häuser  sind  tuskanische.  AlsWasser- 
speier  dienen  meist  Tierköpfe;  ein  schönes  Bei- 
spiel OvERBECK260Fig.l43.  MAu258Fig.l32. 

2)  Vitr.  a.  a.  0. :  tetrastyla  sunt  quae  sub- 
iectis  sub  angularibus  columnis  et  utilitatem 
(1.  vilitatem,  mit  Mau  Instit.  archaeol.  gratul. 
iuv.  Capitol.,  Rom.  1879,  p.  20)  trabibus  et  fir- 
mitatem  praestant,  quod  neque  ipsae  magnum 
impetum  coguntur  habere  neque  ab  interpen- 
sir/s  onerantur. 

3)  Diese  neue  Art,  das  Dach  des  Atriums 
durch  Säulen  zu  stützen,  ist  es,  die  Hör.  carm. 
III  1,  45  ff.  tadelt. 

4)  Vitr.  a.  a.  0.  5:  in  Pompeji  sind  die 
Hauptträger  meist  9 — 10  Meter  lang. 

5)  Daher  die  oben  erwähnte  Emendation 
von  Mau  zu  Vitr.  Tetrastyle  Atrien  in  Pompeji 
vgl. 0 verbeck  257  f.;  272;  344;  347  und  s.  die 
Tafel  S.  29. 

6)  Vitr.  a.  a.  0.  1 :  in  corinthiis  isdem  ra- 
tionibus  trabes  et  compluvia  conlocantur,  sed 
a  parietibm  trabes  recedentes  in  circumitione 
circa  columnas  componuntur. 

7)  Korinthische  Atrien  in  Pompeji  Over- 
BECK258f.;  298;  332;  335;  344;  395. 

8)  Vitr.  a.  a.0.2:  displuviata  autem  sunt, 
in  quibus  deliquiae  arcam  sustinentes  stilli- 
ddia  reiciunt.  haec  hibernaculis  maxime  prae- 


stant utilitates,  quod  compluvia  eorum  erectq 
non  obstant  luminibus  tricliniorum.  sei/  ea 
habeat  in  refectionibus  malest  iam  magna m, 
quod  circa  parietes  stillicidia  defluentia  con- 
tinent  fistulae,  quae  non  celeriter  recipium 
ex  canalibus  aquam  defluentem,  itaque  re- 
dundantes restagnant  et  intestinum  et  parietel 
in  eis  generibus  aedificiorum  corrumpunt . 

9)  Ein  sicheres  Beispiel  eines  solchen 
Atriums  hat  sich  in  Pompeji  nicht  nach- 
weisen lassen,  s.  Overbeck  274.  Mau  257; 
vgl.  B.  d.  I.  1874,  67. 

10)  Vitr.  a.  a.  0. :  testudinata  vero  ibi  fiunt, 
tibi  non  sunt  Impetus  magni  et  in  contignatio\ 
nibus  supra  spatiosae  redduntur  habitationesa 
Varr.l.  l.V  161:  in  hoc  locus  si  nullus  relictvA 
erat,  sub  divo  qui  esset,  dicebatur  testudo  ah 
testudinis  similitudine,  ut  est  in  praetor ia  in 
castris. 

1 1)  Nach  Nissen  629  vornehmlich  durch  die 
Tür,  vielleicht  auch  durch  Luftlöcher  von  den 
Seiten  her;  Overbeck  259  nimmt  Fenster  an. 

12)  In  Pompeji  kommen  nach  Overbeck 
a.  a.  0.  keine  ganz  bedeckten  Atrien  vor,  doch 
nennt  er  358  ein  „bedecktes  Nebenatrium " 
im  Hause  des  Popidius  Secundus.  Nach  Mau 
a.  a.  0.  erweisen  sich  einige  wenige  kleine 
Atrien  durch  das  Fehlen  des  Impluviums  als 
ganz  bedeckt. 


Erster  Abschnitt.    Das  städtische  Wohnhaus. 


33 


Was  die  Größenverhältuisse  des  Atriums  anlangt,   so  schreibt  Vit  in  v 
jar1),   es  solle  sich  die  Breite  zur  Länge  verhalten  wie  2:3  oder  wie    !:•"> 


ler  wie   die  Seite   des  Quadrats  zur  Diagonale;    daß  man   sich   an  diese 
I  leoretischen  Vorschriften  nicht  gehalten  hat,  zeigt  Pompeji,  w^o  zwar  die 


')  A.  a.  0.  3. 

Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft:.    IV.    2,  t.    9.  Aufl. 


34 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


meisten  Atrien  mehr  Länge  als  Breite  haben,  aber  doch  auch  nahezu? 
quadratische  vorkommen1).  Die  Größe  schwankt  in  Pompeji  zwischen  6:S 
und  12:17  Meter2);  Vitruv  kennt  Atrien  von  100  Fuß  Länge3).  Die  Größe! 
des  Kompluviums  schwankt  nach  Vitruv4)  zwischen  xk  und  Vs  der  Breite 
des  Atriums;  in  Pompeji  findet  sich  ersteres  Verhältnis  nur  in  wenigen 
Fällen,  letzteres  als  Regel5).  Für  die  Höhe  schreibt  Vitruv  3U  der  Breite 
vor6). 


Fig.  15.    Tischfüfie  aus  einem  pompejanischen  Atrium. 


Die  veränderte  Bedeutung,  die  das  Atrium  gegen  früher  erhielt,  hatte! 
ihre  Rückwirkung  auf  seine  Ausstattung.  Der  Herd,  der  ursprünglich  dorif 
stand,  wohin  nun  das  Impluvium  verlegt  wurde,  konnte  seinen  Platz  iml 
Atrium  nicht  mehr  behaupten7);  an  seine  Stelle  trat  ein  viereckiger  Stein«! 
tisch,  cartibulum  genannt8),  auf  dem  Geräte  Platz  fanden,  vielleicht  auch! 
gereinigt  wurden.    Ein  solcher  Tisch  hat  sich  in  vielen  Häusern  Pompejis,; 


»)  Mau  257. 

2)  Mau  bei  P.-W.  2147. 

3)  A.  a.  0.  4. 

4)  Ebd.  7. 

5)  OVERBECK  260. 

6)  A.  a.  0.  4. 

7)  Auch  die  ältesten  Häuser  von  Pompeji 
zeigen  keine  Spur  von  einem  Herd  im  Atrium, 
Mau  Pompejan.  Beitr.  89  f. 

8).  Varr.  1.  1.  V  125:  altera  vasaria  mensa 
erat  lapidea  quadrata  oblonga,  una  columella: 
vocabatur    rartibuhim.     Haec  in  aedibus   ad 


compluvium  apud  multos  me  pnero  ponebatun 
et  in  ea  et  cum  ea  aenea  vasa.  Darnach 
müßte  man  annehmen,  daß  der  Brauch  zur 
Zeit  Varros  schon  abgekommen  war:  daß  er 
in  Pompeji  sich  dauernd  erhalten  hat,  zeigen 
die  Funde,  s.  u.  Vgl.  auch  Corp.  Gloss.Vl  185 
cartibulum  mensa  quadrata  quae  in  <ttrit$ 
ponitur.  Ueber  den  Zusammenhang  dieses 
Tisches  mit  dem  alten  Herd  und  über  seine 
Verwendung  s.  Nissen  641.  Vgl.  Saglio  bei 
D.-S.  I  929.    . 


Erster  Abschnitt.    Das  städtische  Wohnhaus. 


35 


manchmal   in   sehr   schöner   künstlerischer  Ausführung   der  beiden  Träger 

ler  Marmorplatte,    noch   erhalten1),    vgl.  die  Ansicht    des   pompejanischen 

Ltriums  Fig.  14  mit  dem  Tisch 

Ind   den    Füßen   des   Marmor- 

leckens  im  Kompluvium2)  und 

iie  schön  skulpierten  Tischfttfie 

Fig.  15 3).  Auch  findet  sich  hier 

[läufig,  zwischen  Tisch  und  Im- 

tj>luvium,   eine   auf  einer  Basis 

Itehende  Brunnenfigur,  die  mit 

■ler  Wasserleitung    in   Verbin- 

llung  stand  und  einen  Wasser- 
strahl in   das  Impluvium   oder 

In  ein  dort  stehendes  Marmor- 
Lecken  entsandte4),  vgl. Fig.  16. 

E)as  Impluvium,   das  bisweilen 

Init  einem  Springbrunnen  ver- 
sehen war5),  hatte  einen  dop- 
aelten  Abfluß,  nämlich  einen  in 
lie  Zisterne,  deren  mit  zylinder- 
förmiger Einfassung  versehene 
Öffnung  sich  meist  an  der  Rück- 
eite  des  Impluviums  findet,  und 
einen  nach  vorn  auf  die  Straße, 
durch  eine  bedeckte  Rinne,  die 

auch  zur  Entfernung  des 
schmutzigen  Wassers  diente6). 
Sodann  hatte   nach   altem 


Fig.  16.    Fischer,  Brunnenfigur  aus  Pompeji. 


Brauch  die  eiserne  oder  eisenbeschlagene  Geldkiste  {arca)  ihren  Platz  im 
Atrium 7) ;  in  Pompeji  haben  sich  in  verschiedenen  Atrien  Exemplare  von 
eisernen,  kunstreich  verzierten  Geldkisten  gefunden8).  Bisweilen  war  auch 
die  Kapelle  der  Laren  im  Atrium  angebracht  (vgl.  Fig.  17)9).  Auch  sonst 
ließ  man  es  an  Verzierung  dieses  Raumes  nicht  fehlen,  namentlich  waren 
Vorhänge,   vela,   zum  Abhalten   der  Sonne    sehr   üblich,    sowohl   über  dem 


»)  Vgl.  Overbeck  298 ;  302 :  331 ;  344  u.  s. ; 
428  Fig.  229.  Presuhn  Pompeji  IV  Taf.  2.  Mau 
261  Fig.  134;  390. 

»)  Nach  Mau  260  Taf.  VII. 

3)  Nach  Photographie. 

4)  Overbeck  324;  Fig.  16  nach  Photo- 
graphie. 

b)  Ebd.  349. 

6)  Ebd.  257.  Mau  255. 

7)  Serv.  ad  Aen.  I  726 :  ibl  (sc.  in  atrio) 
ttiam  pecuniashabebant;  ebd.  IX  645:  census 
etiam  omni»  ittic  servabatur.  Appian.  b.  civ. 
IV  44:  Ovlviov  de  aneksvOegog  aörov  Oviviov, 
(pt/.i'/uof,  olxiav  Ksxtrjfievos  kaiuigdv,  iv  t<J> 
fisoairürco  tfjs  olxiag  ixgvtpsv  ev  läqray.i,  äg 
djro  oidrJQOV  eg  /gtjftäicov  ?)  ßißXicov  yyitvni  q  r- 
hjotrjv.   Dasselbe  erzählt  Dio  Cass.  XLVII  7,  4, 


ein  Beweis,  daß  diese  Kasten  oft  sehr  groß 
waren,  daher  luv.  13,  74:  arca  patula.  Vgl. 
ebd.  11, 26:  ferrataarca;  14,259:  aerataarea; 

Schol.  luv.  14,  261.  Varr.  1.  l.V  182.  Hör.  sat. 
I  1,  67.  Uebertragen  ist  arca  dann  der  Geld- 
vorrat, wie  wir  Kasse  sagen,  z.  B.  Cic.  ad  Att. 
19,  2;  ad  Qu.  fr.  II  11,  5  u.  s. 

8)  Overbeck  248;  331:  345;  425  u.  s. 
Mau  260  Fig.  133;  310;  340.  Saglio  bei  D.-S. 
I  363  Fig.  459  f. 

9)  Overbeck  209;  268:  296;  315;  der  La- 
renaltar Fig.  17  nach  Presuhn  VI  Taf.  1.  vgl. 
ebd.  I  Taf.  4.  Andere  Lararien  s.  Mau  R.  M. 
VIII  (1893)  26;  XIII  (1898)  43.  Not.  d.  scavi 
1897,  105.  Bisweilen  ist  das  Lararium  gleich 
hinter  der  Haustür  angebracht. 


36 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


Fig.  17.    Pompcjanisches  Lararium  im  At 


Impluvium,  als  zwischen  den 
Säulen1).  Einen  besondern  und 
eigentümlichen  Schmuck  aber 
erhielten  die  Atrien  in  vor- 
nehmen Häusern  dadurch,  daß 
in  den  alae  im  Hintergrund 
(s.  unten)  die  Schränke  mit 
den  imagines  der  Wachsmas- 
ken der  Vorfahren  aufgestellt 
waren2). 

In  kleineren  und  beschei- 
deneren Wohnhäusern  grup- 
pierten sich  die  Wohn-  und 
Schlafräume  in  der  Regel  um 
das  Atrium 3),  so  daß  dies  immer 
noch  ein  Zentral-  und  Sammel- 
punkt für  die  Familie  blieb, 
namentlich  in  der  guten  Jahres- 
zeit. In  größeren  Häusern  aber, 
in  denen  man  außer  dem 
Atrium  noch  einen  Säulenhof 
oder  Peristyl  anlegte  und  um 
diesen  wiederum  allerlei  Wohn- 
räume verteilte,  wurde  das 
Atrium  wesentlich  Repräsen- 
tationsraum. Namentlich  em- 
pfing hier  der  Patron  die 
Klienten4),  weshalb  man  es 
groß  anlegte  und  prächtig  aus- 


')  Ov.  met.X595:  hand  aliter,  quam  cum 
super  atria  velum  \  Candida  purpureum  simu- 
latas  inficü  umbras.  Plin.XIX24:  rubent(vela) 
in  cavis  aedium  et  muscam  ab  sole  defendunt. 
Digg.  XXXIII  7,  12,  20:  de  velis,  quae  in  hyp- 
aethris  extenduntur,  item  de  his,  quae  sunt 
circa  columnas,  Celsus  scribit  magis  supel- 
lectili  adnumeranda.  Einzeln  dastehend  ist 
ein  in  Pompeji  gefundenes  Eisengitter,  das 
am  Kompluvium  zum  Schutz  gegen  Diebe  an- 
gebracht war,  Fiorelli  Desciiz.  di  Pomp.  48 
n.  28.  B.  d.  I.  1874,  249. 

2)  Polyb.VI53,4:  uezä  öe  zavia  ddipavxsg 
xai  Jioirjoavxeg  xd  vouiQoueva  xißeaai  xrjv  slxöra 
xov  UExallä^avxog  sig  xov  tmcpavkoxaxov  xojtov 
rrjg  oly.iag,  Igvhva  vaidia  JiEoixidsvxsg.  Vitr.VT 
3,  6:  imagines  item  alte  cum  suis  ornamentis 
ad  latitudinem  alarum  sint  constitutae.  Ov. 
am.  18,  65:  nee  te  deeipiant  veteres  circum 
atria  cerae.  Id.  fast.  I  591 :  perlege  dispositas 
>/t " ii r rosa  per  atria  ceras.  Plin.  XXXV  6:  aliter 
apud  maiores  in  citrus  haec  erant,  quae  speeta- 
rettfur .  . .  expressi  cera  vultus  singulis  dispone- 


bantur  armariis.  Senec.  dial.  XI  14,  3:  vides 
omnes  has  imagines,  quae  implevere  Caesaruni 
atrium?  id.  ep.  44,  5:  atrium  plenum  fumosis 
imaginibus.  Mart.  II  90,  6 :  atriaque  immodicis 
artat  imaginibus;  V  20,  7:  imagines  superbae. 
luv.  8,  19:  tota  licet  veteres  exornent  undique 
cerae  \  atria.  Abbildungen  solcher  armaria 
in  Tempelform  sind  aus  der  Kaiserzeit  mehr- 
fach erhalten,  s.  Benndorp  u.  Schöne  Bildw. 
d.  Lateran.  Mus.  Nr.  343;  345;  535;  567:  vgl. 
Benndorf  Ant.  Gesichtshelme  u.  Sepulkral- 
mask.  74.   Mehr  darüber  Abt.  II  Abschn.  VIII. 

3)  Varr.  1. 1.  VI 62:  circum  cavum  aedium 
erant  unius  quoiusque  rei  utilitatis  causa 
parietibus  dissepta.  Man  vgl.  die  Privathäuser 
des  kapitolinischen  Stadtplans,  Jordan  Forma 
urbis  Fig.  137  u.  Taf.  36,  7.  In  Pompeji  finden 
sich  bald  an  allen  vier  Seiten  des  Atriums 
Zimmer,  bald  nur  an  der  Vorder-  und  Rück- 
seite, bald  auch  an  drei  Seiten,  Nissen  639. 

4)  Hor.sat.15,31:  atria  servantem postico 
falle clientem.  Senec. ep. 76, 12 :  frequens atrium 
(und  im  Gegensatz  dazu  atrium  vacuttm,  ib. 


Erster  Abschnitt.    Das  städtische  Wohnhaus. 


37 


stattete1),  indem  man  Statuen  zwischen  den  Säulen  aufstellte2),  Wand- 
gemälde, die  die  Ehren  des  Geschlechtes  verherrlichten,  anbrachte3)  oder 
Reliefporträts  der  Vorfahren  in  Medaillonform  aus  Erz  oder  Silber  (clipeaiae 
mnagines)*)  an  den  Wänden  aufhängte5). 

Das  Atrium  nahm  in  der  Regel  nicht  die  ganze  Breite  des  Hauses 
ein.  sondern  rechts  und  links  lagen  kleinere  Räume,  die  in  älterer  Zeit 
als  Schlaf-,  Speise-  und  Wohnzimmer6),  später  aber,  als  man  diese  Räum- 
lichkeiten anderswohin  verlegte,  meist  als  Aufbewahrungsorte,  doch  bis- 
weilen auch  als  Schlafzimmer  dienten,  da  sie  ihr  Licht  bloß  vom  Atrium 
her  bekamen,  also  sehr  mangelhaft  beleuchtet  waren.  In  der  Regel  nahm 
das  cavum  aedium  die  eine  Hälfte  des  Areals,  die  Zimmer  die  andere 
Hälfte  in  Anspruch 7).  Nach  hinten  aber  öffnete  sich  das  Atrium  wieder 
in  seiner  ganzen  Breite,  und  die  hier  rechts  und  links  sich  anschließenden, 
nicht  abgeschlossenen,  nischenartigen  Räume  führten  den  Namen  alaes). 
Erwähnt  werden  sie  selten;  daß  sie  aber  zum  Atrium  gerechnet  wurden, 
geht  daraus  hervor,  daß  als  Ort  der  oben  erwähnten  imagines  bald  die 
ah/r.  bald  das  Atrium  genannt  wird.   Vitruv  schreibt  vor9),  daß  bei  Atrien 


22.  9);  id.  dial.  X  14,  4:  refertum  dient ibus 
atrium;  vgl.  ib.VI  10, 1:  ampla  atria  et  exclu- 
sorum  dientium  turba  referta  restibula.  Mart. 
III  38.  11 :  atria  magna  colam;  IX  100,  2.  luv. 
7,91:  tu  nobilium  magna  atria  curas? 

!)  Hör.  carm.  III  1,  45:  cur  invidendis 
postibus  et  noeo  |  sublime  ritu  moliar  atrium? 
Dagegen  ist  auf  dem  Landgut  des  jüngeren 
Plinius  ep.V  6, 15  das  Atrium  ex  more  veterum. 
Beispiele  kostbarer  Ausstattung,  namentlich 
bei  den  mit  Säulen  versehenen,  Plin.  XVII  6: 
XXXVI  6.  Ascon.  ad  Cic.  p.  Scaur.  p.  27  Or. 

2)  Cic.  Verr.  act.  II,  I  23,  61 :  duo  signa 
pulcherrima,  qnae  nunc  ad  impluvium  tuum 
staut.  Apul.  met.  II  4,  wo  ein  reich  mit  Bild- 
werken und  Säulen  geschmücktes  Atrium  be- 
schrieben ist. 

3)  Laus  Pisonis  (PLM  I  15)  8:  nam  quid 
tmaginibus,  quid  avitis  fulta  triumphis  \  atria. 
luv.  8,  1 :  stemmata  quid  faciunt,  quid  prod- 
est,  Pontice,  longo  \  sanguine  censeri,  pictos 
ostendere  vultus  |  maiorum  et  stantis  in  cur- 
r ihus  Aemilianos.  Der  Ort  der  Aufstellung 
dieser  Ahnenbilder  ist  allerdings  hier  nicht 
genannt,  es  dürfte  aber  kaum  ein  anderer 
denkbar  sein  als  das  Atrium,  wo  jeder  Be- 
sucher die  Bilder  sah. 

4)  Siehe  Marquabdt  244  A.  4. 

5)  Stat.  Theb.  II 214:  laeto  regalia  coetu 
atria  complentur,  spcctes  est  cernere  avornm 
Continus  et  vivis  certantia  vultibus  aera.  Cod. 
Iust.  V  37,  22,  3:  nee  vero  domum  vendere 
Uceat,  in  qua  defeeit  pater,  minor  crerit,  in 
(lim  maiorum  imagines  an/  videre  fixas  out 
revulsas  non  videre  satis  est  lugubre  (aus  d. 
J.  326  n.  Chr.),  wo  nach  Makquardt  245  A.  1 
auch  solche  Porträtmedaillons  gemeint  sind. 

6)  Varr.  1.  l.V  162:  circum  cavum  aedium 
tränt  unius  quoiusque  rei  utilitatis  causa  pa- 
rietibus  dissepta:  ubi  quid  conditum  esse  r<>/t>- 


hunt,  a  cetandoceUam  appeUarunt ;  penariam, 
ubi  penus;  ubieubabant,  cubiculum,  ubi  coena- 
bunt,  coenaculum  vocitabant.  Nissen  650  ver- 
legt die  Erweiterung  und  Umbildung  des  itali- 
schen Hauses  etwa  in  den  Lauf  des  3.  Jahrb. 
v.  Chr.,  weil  sie  in  der  Komödie  bereits  voraus- 
gesetzt werde.  Hiergegen  bemerkt  Mau  zu 
Marquardt  219  A.  11,  daß  Plautus  für  Rö- 
misches nichts  beweise;  doch  machen  die 
meisten  hier  in  Betracht  kommenden  Stellen 
den  Eindruck,  als  ob  Plautus  sich  in  diesen 
nebensächlichen  Dingen  an  die  Verhältnisse 
des  römischen  Hauses  angeschlossen  habe. 
Was  freilich  Most.  758  ff.  über  die  Anlage 
eines  gynaeceum  gesagt  wird ,  wird  dem 
griechischen  Original  entnommen  sein,  worauf 
schon  der  fremde  Name  hindeutet. 

7)  Nissen  639. 

8)  Die  falsche  Ansicht,  die  Becker  infolge 
seiner  irrigen  Auffassung  des  Atriums  von 
den  alae  hat,  wird  von  Göll  259  berichtigt. 
Ueber  ihre  Entstehung  spricht  Michaelis  R.M. 
XIV  (1899)  211  f.  die  Vermutung  aus.  diese 
Räume  hätten  im  altrömischen  Haus  imtatrinm 
testudmatum  Fenster  gehabt,  durch  die  das 
Haus  Licht  bekommen  hätte,  die  aber  dann, 
als  man  Atrien  mit  Oberlicht  hatte,  wegfielen. 

9)  VI  3,4:  alis  dextra  et  smistra  latitudo, 
cum  sit  atrii  longitudo  ab  XXX  pedibus  ad 
pedes  XL,  ex  tertia  parte  eins  constituatur. 
ab  XL  ad  pedes  L  longitudo  dvoidatur  in 
partes  tres  semis,  ex  his  una  pars  alis  detur, 
rinn  unfein  erit  longitudo  ab  quinquaginta 
pedibus  ad  sexaginta,  quarta  pars  longitudinis 
alis  trihnatnr.  a  pedibus  LX  ad  LX XX  /ont/i- 
tudo  dividatUT  in  partes  (jnattnor  et  dimi- 
diam,  er  Ins  una  pars  fiat  alarinn  latitudo. 
a  pedibus  octoginta  ad  pedes  centnm  in  qnin- 
que  partes  diviSa  /un</i/i<i/i>  insfain  eansfi/uerif 
latitudinem   alarinn. 


38 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


von  30— 40  Fuß  Tiefe  die  alae  Vs,  also  10— 13  Fuß  Breite  haben  sollen, 
bei  40—50  Fuß  2/t,  also  12—14  Fuß,  bei  50—60  Fuß  1/4,  also  13—15  Fuß, 
bei  60—80  Fuß  2/9,  also  14—18  Fuß,  und  bei  80—100  Fuß  x/ö,  also  16  bis 
20  Fuß.  In  Pompeji  sind  meist  alae  am  hintern  Ende  des  Atriums  vor- 
handen, doch  finden  sie  sich  auch  in  der  Mitte  von  jeder  Seite  angebracht1). 
Sie  sind  in  prächtigeren  Wohnungen  mit  Säulen  zwischen  den  Anten  ge- 
schmückt und  auch  sonst  häufig  durch  schönere  Ausführung  des  Fußbodens, 
bisweilen  auch  durch  reichere  Wanddekoration  ausgezeichnet 2).  Andrer- 
seits sind  aber  in  Pompeji  nicht  selten  die  alae  mehr  wirtschaftlichen 
Zwecken  dienstbar  gemacht  worden,  indem  man  große  Schränke  in  ihnen 
anbrachte,  deren  steinerne  Untersätze  in  vielen  Fällen  noch  erhalten  sind  3). 
Auch  als  Speisezimmer  haben  sie  mitunter  gedient4). 

Nach  hinten  schloß  sich  an  der  Rückwand  des  Atriums,  aber  nicht 
in  deren  ganzer  Breite,  ein  Raum  an,  tablinum  genannt,  der  in  der 
älteren  Zeit  als  Speiseraum  diente.  Wie  nämlich  Varro  berichtet5),  speiste 
man  in  früherer  Zeit  Winters  beim  Herd,  Sommers  im  Freien,  und  zwar 
auf  dem  Lande  im  Hof,  in  der  Stadt  im  tabulinum,  worunter  man  einen 
aus  Brettern  gezimmerten  Erker  (maenianum)  verstehen  könne 6).  Von 
dem  hier  geschilderten  älteren  Zustande  geben  uns  die  pompejanischen 
Funde  freilich  keine  Vorstellung;  wahrscheinlich  lag  die  Sache  so,  daß 
man  im  städtischen  Wohnhaus,  wenn  hinten  ein  Garten  daranstieß  (und 
das  wird  in  älterer  Zeit  wohl  die  Regel  gewesen  sein),  hier  an  der  Rück- 
wand des  Atriums  eine  bretterne  Laube  oder  Veranda  errichtete,  die  im 
Sommer  als  Speiseraum  diente.  Wenn  ursprünglich  das  Atrium  an  der 
Rückseite  geschlossen  war  und  hier  das  Ehebett  stand,  so  wird  man,  als 
dieses  einen  anderen  Platz  bekam,  die  Rückwand  des  Atriums  geöffnet ' 
und  das  Atrium  so  mit  jenem  Grartenplatz  in  Verbindung  gesetzt  haben; 
im  Winter  mochte  dann  die  Wand  wieder  durch  einen  Bretterverschlag 
geschlossen  werden7).     Als    mit    der  Erweiterung    des  Wohnhauses   nach 


1)  Ovekbeck289;298.  Mau  326.  In  klei- 
neren oder  mittleren  Häusern  kommt  es  vor, 
daß  die  ala  nebst  den  übrigen  Seitenzimmern 
nur  an  der  einen  Seite  des  Atriums  sich  fin- 
det, oder  auch,  daß  sie  bei  beschränktem  Räume 
ganz  fehlen,  Overbeck  261;  277;  308;  320. 

2)  Overbeck  298. 

3)  Overbeck  261;  276;  283;  286.  Mau 
329.  Auch  das  Lararium  ist  mitunter  hier 
angebracht,  Overbeck  299. 

4)  B.  d.  I.  1882,  177. 

5)  Bei  Non.  p.  83,  15:  ad  focum  hieme  ac 
frigoribu8  cenitabant;  aestivo  tempore  in  loco 
propatulo;  rare  in  chorte ;  in  urbe  in  tabu- 
lino,  quod  maenianum  possumus  intellegere 
tabula  fabricatum. 

6)  Ueber  das  maenianum  als  Erker  s. 
unten.  Die  an  der  Atriumwand  angebaute 
Bretterlaube  konnte  recht  gut  mit  einem  aus 
der  Hausfront  herausstehenden  Erker  ver- 
glichen werden. 

7)  So  denkt  sich  Nissen  643  f.,  dem  sich 
Marquardt  220  anschließt,  den  Hergang, 
und  es  hat  das  wohl  die  meiste  Wahrschein- 


lichkeit für  sich.  Fraglich  ist,  ob  der  Raum, 
den  man  später  tablinum  nannte,  schon  vor- 
her da  war  oder  ob  er  erst  mit  der  Ein- 
richtung des  ursprünglichen  tablinum  (d.  h. 
der  Bretterlaube)  geschaffen  wurde.  Ersteres 
nimmt  Mau  263  an,  welcher  meint,  daß  das 
Ehebett  in  diesem  Zimmer  an  der  Rückseite 
des  Atriums  gestanden  habe;  als  durch  An- 
lage des  Kompluviums  der  alte  Brauch  abkam, 
der  Herd  in  die  Küche,  das  Ehebett  in  eine 
geschlossene  Kammer  gewandert  war,  habe 
der  alte  Schlafraum  die  neue  Bestimmung 
erhalten,  indem  man  seine  Rückwand  ent- 
fernte und  so  das  Atrium  mit  der  an  seine 
Rückwand  angebauten  Veranda  in  Verbin- 
dung setzte.  Allein  da  wir  nicht  wissen, 
wie  dieser  Raum  ursprünglich  geheißen  hätte, 
da  ferner  die  Benennung  tablinum,  die  er 
später  führt,  dafür  spricht,  daß  eben  hier 
jene  Bretterlaube  lag,  so  möchten  wir  lieber 
annehmen,  daß  in  alter  Zeit  das  Atrium 
ohne  jenen  hintern  Raum  mit  der  Rückwand 
direkt  abschloß.  Als  die  Sitte  der  Garten- 
veranda  mit   der  Vergrößerung   des  Hauses 


Erster  Abschnitt.    Das  städtische  Wohnhaus. 


39 


hinten  zu,  mit  der  Anlage  des  Peristyls  und  der  dieses  umgebenden  Ge- 
mächer das  tablinum  diese  seine  erste  Konstruktion  und  Anwendung  ver- 
lor, blieb  der  Name  an  dem  seiner  ganzen  Breite  nach  auf  das  Atrium 
sich  öffnenden  Zimmer  haften,  das  wesentlich  nur  als  breiter  und  bequemer 
Durchgang  zu  dem  hinteren  Teile  des  Hauses  diente  und  dem  Atrium,  das 
sonst  bloß  durch  das  Kompluvium  beleuchtet  wurde,  einen  breiten  Licht- 
strom vom  Peristyl  aus  zuführte.  Es  war  daher  auch  an  der  Atriumseite 
nie  durch  eine  Tür,  sondern  nur  durch  Vorhänge  verschlossen  l) ;  hingegen 
ist  es  wohl  möglich,  daß  auch  später  noch  die  offene  Seite  nach  dem 
IVristyl  zu  im  Winter  durch  einen  Bretterverschlag  geschlossen  werden 
konnte2).  Die  Pfosten  des  Tablinums  wurden  meist  als  Pilaster  gebildet 
und  oben  durch  ein  stattliches  Gebälk  verbunden,  wie  wir  es  in  Pompeji 
sehen.  Für  die  Größenverhältnisse  gibt  Vitruv3)  die  Vorschrift,  es  solle, 
wenn  das  Atrium  20  Fuß  breit  ist.  das  Tablinum  2/a  davon  beanspruchen, 
bei  einer  Breite  von  30 — 40  Fuß  die  Hälfte,  von  40 — 60  Fuß  2/ö  ;  für  die 
Höhe  des  Eingangs  wird  9/s  der  Breite  vorgeschrieben.  Doch  sind  diese 
Verhältnisse  in  Pompeji  in  den  Häusern  der  Tuffperiode  nicht  innegehalten, 
da  hier  das  Tablinum  durchweg  schmäler  und  im  Verhältnis  höher  ist;  erst 
in  der  römischen  Bauperiode  wird  es  weit  niedriger4).  —  In  den  Häusern 
von  Magistratspersonen  standen  im  Tablinum  die  Schränke  mit  dem  Archiv5), 
und  von  dieser  Verwendung  des  Raumes  kommt  die  falsche  etymologische 
Deutung,  die  spätere  Grammatiker  dem  Worte  tablinum  geben6).  In  Pompeji 
haben  die  meisten  Häuser  ein  Tablinum,  das  in  allen  uns  erhaltenen  Häusern 


nach  dieser  Seite  hin  abkam ,  behielt  der 
BUnmehr  seitlich  von  festen  Mauern  ein- 
gefaßte Platz  den  alten  Namen,  verlor  aber 
seine  Bedeutung. 

')  Im  Hause  der  silbernen  Hochzeit  in 
Pompeji  fanden  sich  an  den  Pilastern  des 
Tablinums  die  Halter  für  den  zurückgeschla- 
genen Vorhang  in  Form  kleiner,  mit  einem 
Schiffsschnabel  verzierter  Bronzescheiben,  Mau 
262  Fig.  135.  Sogliano  Not.  d.  scavi  1905, 255 ; 
man  vgl.  Petron.  30,  1.  Auch  im  Hause  des 
Voconius  Primus  sieht  man  die  Befestigungs- 
klammern des  Vorhangs,  Presuhn  III  S.  3. 

2)  Darauf  würde  sich  dann  beziehen  Digg. 
L  16,  242,  4:  straturam  loci  alicuius  ex  ta- 
pulis  factis,  quae  aestate  tollerentur  et  hieme 
monerentur,  aedium  esse  ait  Labeo. 

3)  VI  3,  5 :  tablino,  si  latitudo  atrii  erit 
pedum  viginti,  dempta  tertia  eins  spatio,  re- 
liquum  tribuatur.  si  erit  «l>  pedibus  XXX 
ml  XL,  ex  ((tri!  latitudine  tablino  dimidium 
tribuatur,  cum  autem  ab  XL  ad  LX,  latitudo 
dividatur  Iti  partes  quinque,  ex  his  duae 
tablino  constituantur.  Ib.  6:  altitudo  tablini 
<kI  trabem  adieeta  latitudinis  oetava  consti- 
tuatur,  lacunaria  eins  tertia  latitudinis  ad 
ßUitudinem  adieeta  extollantur. 

4)  Mau  262. 

5)  Daher  Vitr.  VI  8  (5),  1 :  igitur  is,  qtii 
communi  sunt  fortuna,  »o>i  necessaria  ma- 
gnifica  vestibula  nee  tablina  neque  airia.    Zur 


Sache  vgl.  Dion.  Hai.  I  74,  5 :  dt]/.ovzai  öe  ei- 
SXktov  n  noXX&v  xai  zcöv  xaXovpivaiv  ziftq- 
zixöjv  vjiofivij/iäzcov,  ä  diaÖE%£zai  Jiaig  jiaoa 
jiaxgo;  xai  moi  jio/J.ov  jioieliai  xolg  f.ie&  eavzoi' 
iaofidvoi;  wojifq  iega  jiaxQwa  naoadiöörai 
jtoW.oi  d'eiaiv  djio  zöjv  tiutjtixwv  otxcov  Svdges 
emcpavelg  oi  SiacfvXätzovzeg  avzu.  Plin.XXXV  7: 
tabulina  codieibus  Implebantur  et  monimeniis 
rerum  in  magistratu  gestarum.  Apul.fior. 23: 
sed  et  medici  cum  infrarerint  ad  aegriox  uti 
visant,  nemo  eorum,  qicod  tabulina  perpulchra 
in  aedibus  cernant . . .  aegrum  iubei  nt  sit  bono 
animo.  Marquakdt  246  nimmt  an,  daß  auch 
die  die  Familie  betreffenden  Urkunden,  na- 
mentlich Gastverträge  des  Herrn  mit  aus- 
wärtigen Gemeinden,  Patronatsdekrete  von 
Kollegien  u.  dgl.,  ihren  Platz  im  Tablinum 
erhielten,  doch  bezweifelt  Mau  ebd.  A.  1,  ob 
diese  Tafeln,  die  man  an  die  Wände  hängte, 
grade  im  Tablinum  angebracht  wurden. 

6)  Fest. 356  b,  33 :  tabUrmmproximeatrium 
/ochs  (licitiir,  guod  <i)iti</iii  magistratu»  in  tuo 
imperiotabuli8[reponendiseum  destinaverant], 
(nach  Mommsen  Abh.  d.  Beil.  Akad.  1864,  68: 
tabulis  rationum  ibi  habebamt  mtblicarum 
rationum  causa  factum  locum).  Die  bei  Mar- 
quakdt 220  A.  2  zitierte  Glosse:  tabUmm 
yaoTo<i  vXdauov,  ist  im  Corp.  Gloss.  Latin,  nicht 
zu  finden.  Marx  a.  a.  O.  548  schließt  sich 
dieser  Deutung  an  und  erklärt  tablinum  als 
die  , Schreibstube"  des  Hausherrn. 


40  Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 

der  ältesten  Zeit  nach  vorn  wie  nach  hinten  in  ganzer  Breite  geöffnet  die. 
Verbindung  zwischen  Atrium  und  Garten  bildet1);   erst   in    den    folgenden 
Perioden  erscheint  es  bisweilen  durch  eine  Brüstung  vom  Peristyl  getrennt, 
oder  auch  ganz  durch  eine  Mauer  geschlossen 2).    Wo  die  Raumverhältnisse 
die  Anlage  eines  Tablinums  nicht  gestatteten,   brachte  man   einen   in   der 
Breite  ihm  entsprechenden  Durchgang  zwischen  Atrium  und  Peristyl  an  3).i 
Auch  das  Tablinum  weist,  wie  die  alae,  oft  reichen  Mosaikschmuck  des  Fufi-i 
bodens  und  prächtige  Wandmalereien  auf4). 

Für  die  Erweiterung   des   bisher   besprochenen    einfachen  Hausplanes 
boten  sich  nun  zwei  Möglichkeiten:   man  konnte  entweder  das  Wohnhaus 
nach   hinten   vergrößern5),    oder    man    konnte    die   Zahl    der  Wohnräume 
durch  Anlage  eines  Oberstockes  vermehren.   Ersteres  Verfahren  war  wohl' 
der  Zeit  nach  das  frühere6).     Ursprünglich  hatten  vermutlich  die  meisten 
Häuser   hinten   einen  Hof  oder  Garten,   den  man  nun  teilweise  zur  Über- 
bauung  benutzte.     Zunächst  brachte   schon   die  Anlage   des  Tablinums  est 
mit  sich,  daß  zu  beiden  Seiten  desselben  Räume  angebracht  wurden;    und 
so  finden  wir  in   den   pompejanischen  Häusern   hier  Zimmer   belegen,   die 
die  gleiche  Tiefe  wie  das  Tablinum  haben  und  vermutlich  als  Speisezimmer 
dienten.    Sie  öffnen  sich  häufig  mit  weitem,  durch  valvae  zu  schließendem 
Ausgang  auf  Peristyl  oder  Garten  hin;  seltener  sind  sie  vom  Atrium  oder' 
von  den  alae,  an  die  sie  anstoßen,  aus  durch  eine  Tür  zugänglich,  obschon 
beim  Bau  in  der  Regel  eine  solche  auf  alle  Fälle  angebracht  wurde;  aber] 
man  hat  sie,   wo   man  sie  nicht  benutzen  mochte,    vermauert,    so  daß  siel 
als  blinde  Tür  dem  Atrium  noch  einen  besondern  Schmuck  verlieh 7). 

Wenn  nun  auch  das  Tablinum  mit  seiner  weiten  Öffnung  eine  bequeme 
Verbindung  zwischen  Vorder-  und  Hinterhaus  herstellte,  so  war  doch,  da] 
es  eine  Art  Wohn-  und  vielfach  auch  Repräsentationsraum  war,  geboten,' 
daneben  eine  zweite  Verbindung,  vornehmlich  für  die  Dienerschaft,  her-] 
zustellen,  und  das  geschah  durch  einen  schmalen  Gang,  der  zwischen  dem 
Tablinum  und  dem  einen  Nebenzimmer  hindurchführte  und  der  in  Pompeji 
in  den  Peristylhäusern  der  Tuffperiode  Regel  ist,  während  er  in  den  älteren 
Kalksteinatrien  noch  häufig  fehlt8).  Es  ist  üblich,  diesen  Gang  fauces  zu; 
nennen,  wie  den  zum  Atrium  führenden,  obschon  sich  dafür  kein  sicherer 
Beleg  beibringen  läßt9);   von  einigen  Seiten  ist  dafür  die   griechische  Be- 


Overbeck  249.    Mau  Pompejan.  Beitr.       domus  universa  coenacula  dicta,  möchte  man 


89:  ,wo  immer  nur  die  älteste  Form  des 
tablinum  kenntlich  ist,  da  ist  es  nach  hinten 
in  seiner  ganzen  Breite  geöffnet;  wo  es  jetzt 
geschlossen  erscheint,  da  ist  stets  der  jüngere 
Ursprung  dieser  Form  nachweisbar." 

■)  Oveebeck  261. 

3)  Ebd.  262. 

*)  Ebd.  317, -337.   Mau  305. 

5)  DieVergrößerung  des  römischen  Wohn- 
hauses geht  fast  durchweg,  wie  Pompeji 
zeigt,  in  die  Tiefe,  nur  ausnahmsweise,  wenn 
die  Raumverhältnisse  dazu  zwingen,  in  die 
Breite. 

6)  Nach  Varr.  1.  1.  V  162:  posteaauam  in 
superiore  parte  coenitare  coeperunt,  mperioris 


freilich  glauben,  daß  die  erste  Erweiterung 
der  Wohnräume  durch  das  Aufsetzen  des 
Oberstocks  erfolgte;  allein  die  Hausanlage 
mit  dem  offenen  Atrium  ließ  jedenfalls,  wo 
hinreichend  Bauterrain  vorhanden  war,  den 
Anbau  weiterer  Räumlichkeiten  auf  dem 
gleichen  Niveau  nach  hinten  zu  als  einfacher 
und  bequemer  erscheinen .  weshalb  in  der 
Regel  angenommen  wird,  daß  das  Aufkommen 
von  Oberstöcken  die  letzte  Erweiterung  des 
Hauses  war,  s.  Nissen  644.   Marquardt  221. 

'•)  Overbeck  263.  Mau  266. 

8)  Overbeck  262. 

s)  So  bei  Becker-Göll  263.  Overbeck 
263.    Marquardt  246,    unter   Berufung    auf 


Erster  Abschnitt.    Das  städtische  Wohnhaus. 


41 


eiclmung    andron   vorgeschlagen   worden1).     Diese   Zugänge    pflegten    an 
.oeiden  Enden  mit  Türen  versehen  zu  sein. 

Durch  einen  solchen  Gang  gelangte  man  nun  in  den  Garten,  hortus, 
riridarium2),  denn  auch  wenn  man  die  weiteren  Wohnräumlichkeiten  hier 
inlegte,  pflegte  doch  der  Garten  möglichst  in  der  Längsaxe  des  Haües 
md  demnach  in  der  Richtung  von  Atrium  und  Tablinüm  zu  liegen.  Er 
war  in  der  Regel  der  vom  Eingang  entfernteste  Teil  des  Hauses,  und  wenn 
ias  Haus  an  zwei  Straßen  lag,  so  befand  sich  hier  die  Hintertür,  pontiea*); 
äenn  man  pflegte,  wenn  die  Lage  des  Hauses  es  gestattete,  am  Hinter- 
hause, dem  posticum4),  einen  solchen  besonderen  Ausgang  anzubringen6). 
Die  Römer  waren  Blumenfreunde,  und  Gärten  fehlten  selbst  bei  den 
Häusern  der  Armen  nicht6).  Freilich  werden  diese  im  beschränkten  Areal 
der  Hauptstadt  immer  mehr  zusammengeschmolzen  sein7),  und  auch  in 
Pompeji,  wo  doch  Grund  und  Boden  jedenfalls  wohlfeiler  waren,  sind  sie 
meist  von  ungemein  kleiner  Ausdehnung.  War  der  Garten  mit  keinem 
Peristyl  versehen,  so  gestaltete  man  doch  die  Hausseite,  die  sich  darauf 
öffnete,  freundlich,  indem  man  ihr  entlang  eine  Säulenreihe  legte,  wie 
Beispiele  in  Pompeji  zeigen8).  Für  gewöhnlich  aber  legte  man  hier  das 
sogenannte   perüstylium9)    an,    eine    den    Garten    umgebende,    oben    offene 


Vitr.  VI  4,  6:  fauces  minoribm  atriis  <•  tablini 
latitudine  dempta  tertia,  maioribus  ditnidia 
constituantur,  weil  der  Vergleich  mit  dem 
Tablinüm  die  fauces  in  dessen  Nähe  ver- 
weise; allein  Mau  zu  Marquardt  A.  3  hat 
sicher  recht,  wenn  er  unter  den  fauces  hier 
das  Prothyron  versteht  (s.  oben  S.  28).  Vitruv 
vergleicht  eben  die  Breite  des  hintern  Durch- 
gangs mit  der  des  vorderen  Zugangs.  Auch 
würden  die  von  Vitr.  vorgeschriebenen  Maße, 
bei  kleineren  Atrien  2/s,  bei  großen  die  Hälfte 
der  Tablinumbreite,  den  Dimensionen  dieses 
Durchgangs  im  pompejanischen  Hause  gar 
nicht  entsprechen,  vielmehr  als  viel  zu  groß 
erscheinen.  Doch  ist  es  ganz  üblich  geblieben, 
in  den  Plänen  pompejanischer  Häuser  diese 
schmalen   Durchgänge   fauces   zu    benennen. 

*)  Mit  Rücksicht  auf  Vitr.  VI  10  (7),  5: 
iiiter  duo  autem  perist  \jlia  ad  hospitalia  itinera 
xioil  quae  mesaulae  dicuntur,  quod  inter  ChtOS 
anlas  media  sunt  interposita,  nostri  autem 
ras  andronas  appellant;  auch  der  Andron 
in  der  Villa  des  jüngeren  Plinius.  ep.  II  17,  22, 
scheint  ein  Gang  zu  sein,  obschon  an  andrer 
Stelle;  vgl.  Fest.  22,  8:  andron  locus  domi- 
cilii appellatur  angustior  longitudine;  auch 
wird  Corp.  Gloss.  IV  17,  40  angiportum  durch 
androna  erklärt.  Vgl.  Ivanoff  A.  d.  I.  XXXI 
97.  Mau  a.  a.  0.  und  zu  Marquardt  a.  a.  0., 
ders.  P.-W.  I  2161. 

2)  Hortus  ist  der  allgemeine  Ausdruck, 
der  ebenso  für  einen  Zier-  wie  für  einen 
Gemüse-  oder  sonst  einen  Nutzgarten  ge- 
braucht wird.  Dagegen  ist  viridarium  ein 
Lustgarten,  mit  Blumen  und  Bäumen  bepflanzt. 
vgl.Plin.XVHI7.  Petron.9,  10.  CIL  VI  29777. 
Digg.VII  1,  13,  4. 


3)  Bei  Plautus  wird  mehrfach  erwähnt, 
daß  man,  um  durch  die  2>ostica  das  Haus  zu 
verlassen,  den  Garten  passierte,  s.  Asin.  741: 
angiporto  per  hortutn  transät;  Merc.  1009: 
per  hortutn  <l<>inu»>  fruusibimus;  Stich.  437: 
per  hortutn  transibo;  cf.  ib.  614;  Mil.  gl.  340. 
Most.  1045;  Cas.  614;  Epid.660;  Persa  446; 
688;  Merc.  1009.  Auch  der  Verkehr  zwischen 
Nachbarhäusern  geschah  manchmal  durch  den 
Garten,  Plaut.  Stich.  614. 

4)  Das  Hinterhaus  heißt  posticum  oder 
postica  sc.  domus  oder  postica  pars  domus, 
s.Non.217,  12;  ebd.Titinius:  atque  duo  postica, 
quae  l<>co  mercede,  undLucil.  ebd.:  pistrinum 
adpositum,  posticum,  seUa,  culina.  Plaut.Most. 
931.  Liv.  XXIII  8,  8;  XLV  6,  4.  Val.  Max. 
V  7,  3.  Auch  posticuhtm,  Plaut.  Trin.  194  u. 
1085,  vgl.  dazu  Gell.  XVII  6,  7. 

5)  Postica,  Apul.  met.  IX  2.  Amm.  Marc. 
XXI 12.  \%:posticnla,  Apul.  met.  II 23  \  posticum 
ostium,  Plaut.  Stich.  449.  Fest.  220,  1 ;  auch 
bloß  posticum,  Hör.  ep.  1 5,  31.  Suet.  Claud.  18. 

ü)  Plin.  XlX51:  Bömae  quidem  per  se 
hortus  ager  pauperis  erat.  Der  Aermere  zog 
eben  in  seinem  Gärtchen  mehr  Gemüse  als 
Blumen,  daher  Plin.  fortfährt:  er  horto  plebei 
macelhim,  qnanto  innocentiore  victul 

'')  Vgl.  Plin.  XIX  59:  iam  in  fenestris 
su  is  plebs  urbana  imagine  hortorum  cotidiana 
oculis  rura  praebebdnt. 

8)  Overbeck  280;  300;  304.  Mau  267: 
290;  295;  326. 

9)  Die  lat.  Benennung  ist  porticus,  das 
zwar  meist  eine  größere  Säulenhalle,  aber 
bei  Plaut.  Most.  756.  Hör.  carm.  II  15,  16.  luv. 
14,  66  das  Peristyl  bedeutet  (vielleicht  auch 
Hör.  sat.  1 4,  134.  'luv.  6, 163.  Mart.  XII  50,  3). 


42  Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 

Säulenhalle,  die  man  ebenso  wie  den  Namen  dafür  dem  griechischen  Wohn-I 
hause  entlehnt  hatte,  für  das  das  Peristylium  eine  ähnliche  Bedeutung  hat, 
wie  das  Atrium  für  das  römische  Haus1).  Diese  Säulenhalle  umgab  de» 
Garten  bald  auf  allen  vier  Seiten,  bald  nur  auf  drei,  indem  die  mit  Halb-* 
säulen  oder  Pilastern  verzierte  Außenwand  des  Hauses  die  vierte  Seite  er4 
setzte,  oder  es  wTaren  auch  nur  an  zwei  Seiten  Säulengänge  angebracht2)^ 
Für  die  relativen  Größenverhältnisse  schreibt  Vitruv  vor3),  es  solle  die  Längen- 
des Peristyls  (d.  h.  der  Breite  des  Hauses  nach  gemessen)  um  ein  Drittel 
größer  sein  als  die  Breite  (oder  Tiefe);  doch  zeigen  die  Peri style  in 
Pompeji  zwar  meist  einen  oblongen  Grundriß4),  entsprechen  aber  sonsl 
dieser  Vorschrift  keineswegs.  In  Hinsicht  der  absoluten  Größe  finden  wir? 
in  Pompeji  ungemeine  Mannigfaltigkeit:  neben  kleinen,  nur  von  wenigen:« 
Säulen  umgebenen  finden  wir  großartige  Peristyle  mit  einem  wahren  Waläj 
von  Säulen5).  Die  Höhe  der  Säulen  sollte  nach  Vitruv  der  Breite  dea 
Peristyls  entsprechen;  hatte  die  eine  Seite  (wahrscheinlich  war  es  meist-] 
die  vordere)  höhere  Säulen  als  die  drei  andern,  so  hieß  ein  solches  Peristyls 
ein  rhodisches 6).  In  Pompeji  sind,  vornehmlich  in  den  Häusern  der  TufiM 
periode,  die  Säulenhallen  öfters  zweistöckig  angelegt,  sei  es  ringsum,  sei 
es  auch  nur  an  der  Vorderseite7). 

Der  von  dem  Peristyl  eingeschlossene  Platz  pflegte,  auch  wenn  ein! 
Haus  außer  dem  Peristyl  weiter  zurück  belegen  noch  einen  besondern 
Garten  hatte,  gartenartig  hergerichtet  zu  sein,  indem  hier  Blumenbeete* 
angebracht  waren  und  in  der  Mitte  vielfach  ein  Bassin  (piscina)  mit  einemj 
Springbrunnen,  das  seinen  Wasserzufluß  durch  Brunnenfiguren,  Masken] 
und  dergleichen  erhielt  oder  aus  kunstvoll  gearbeiteten  Nischen,  aus  denen! 
das  Wasser  über  Marmorstufen  herabrauschte8).  An  den  Säulen  und] 
zwischen  ihnen  wurden  Statuen  aufgestellt9).  Die  Anlage  der  Gartenbeete^ 
war,  wie  man  in  Pompeji  an  einigen  Beispielen  noch  deutlich  erkennen- 
kann,  meist  geometrisch;  die  mit  hochkantig  gestellten  Ziegeln  eingefaßten! 


!)  Siehe  oben  S.  11  A.  1.  Marx  555  nimmt  der,    daß    an   hellen  Wintertagen   recht  viel 

an,     die    Form    des    etruskisch-griechischen  Sonne  in  das  Peristyl  fallen  sollte. 

Hauses,   d.  h.  mit  Atrium   und  Peristyl,    sei  7)  Mau  267 ;  in  der  Casa  del  Centenario 

bald   nach   Erschließung  Kampaniens   durch  Overbeck  353;  355. 

die  Via  Appia,  also  nach  312,  von  Kampanien  8)  Darauf  geht  Senec.  ep.  86,  7:  quantum 

nach  Rom  gekommen.  aquarum  per  gradus  cum  fragore  labentiutm 

2)  Overbeck  264.  Mau  267.  hier  allerdings  von  den  Bäderanlagen  reicher 

3)  VI  4,  7:  peristylia  autem  in  trans-  j  Freigelassener.  Vgl.  Overbeck  294;  311;  318 
verso  tertia  parte  longiora  sint,  quam  intror-  \  u.  s.,  über  Brunnenfiguren  546  ff.  Mau  466  f. 
aus,  rolumnae  tarn  altae  quam  porticus  latae  a)  Cic.Verr.  act.  II,  1 19,  51:  quae  {sigrm 
fuerint.  j    quaero,    quae  apud   te   nuper   ad   omnes  <■<>- 

4)  Wenn  die  Raumverhältnisse  es  ge-  lumnas,  Omnibus  etiam  in  intercolumniis,  in 
bieten,  kommen  auch  ganz  unregelmäßige  silva  denique  disposita  sub  divo  vidimus.  In 
Formen  vor,  vgl.  z.  B.  Overbeck  282 ;  290.  welcher  geschmacklosen  Weise   dies  manch- 

5)  Das  Peristyl  im  Haus  des  Faun  hat  mal  geschah,  zeigt  das  überfüllte  Peristyl 
44  Säulen.  Vgl.  die  Zusammenstellung  bei  im  Hause  des  Lucretius,  Overbeck  318;  sehr 
Hi;i:ker-Göll  265.  reich  ist  auch  die  Ausstattung  des  Peristyls 

6)  Vitr.VI  10  (7),  3:  id  autem  per istylion  im   Hause    der  Vettier,    s.  Mau    342  f.    und 
quod  unam  altiorem  habet  porticum,   Bhodi-  Fig.  181.    Von  Blumentöpfen    aus   Ton    oder 
acum  dicüur.     Ein  Beispiel  s.  Mau  319   (im  Metall  Digg.  XXXIII  7,  26  pr.:   dolia  fidilia 
Hause  der  silbernen  Hochzeit),  vgl.  R.M.  VIII  j    item  plumbea,   quibus   terra   adgesta   est,   et] 
(1898)46.     Der  Zweck  dieser  war  jedenfalls  in  hü  viridaria  posita  aedium  'esse. 


Erster  Abschnitt.    Das  städtische  "Wohnhaus. 


43 


»eete  zeigen  ganz  architektonisch-symmetrische  Anordnung1).  Bisweilen 
'urde  auch  die  Hinterwand,  wenn  eine  solche  das  Peristyl  abschloß,  mit 
»äumen,  Sträuchern  und  Blumen  bemalt,  damit  so  das  kleine  Gärtchen 
ergrößert  erscheine2).  Mitunter  fand  auch  das  Lararium  oder  sonst  eine 
leine  Hauskapelle  ihren  Platz  im  Peristyl3).  Wie  im  Atrium,  so  scheinen 
uch  im  Peristyl  vielfach  Vorhänge  zwischen  den  Säulen  angebracht  ge- 
wesen zu  sein4). 

Wie  im  griechischen  Hause  um  das  Peristyl  herum  die  Familien- 
immer  lagen5),  so  wurden  auch  im  römischen  Speisezimmer,  Schlafzimmer, 
iresellschaftsräume  und  dergleichen  um  das  Peristyl  herum  angeordnet, 
hne  daß  sich  darüber  bestimmte  Regeln  aufstellen  ließen,  weil  hier  alles 
on  den  gegebenen  Raumverhältnissen  abhängt  und  die  Häuserpläne 
'ompejis  darin  ungemeine  Abwechslung  aufweisen.  Nur  das  mag  erwähnt 
werden,  daß  häufig  in  der  Mitte  der  Rückseite  des  Peristyls  ein  großes, 
ganzer  Breite  geöffnetes  Zimmer  angebracht  wurde,  welches  das  Motiv 
es  Tablinums  gewissermaßen  wiederholte  und  vermutlich  vielfach  als 
Speisezimmer  diente 6). 

Was  nun  diese  andern,  dem  speziellen  Familiengebrauch  bestimmten 
Räumlichkeiten  anlangt,  so  hießen  diese  Zimmer  mit  einem  allgemeinen 
tarnen  condavia1) ,  worunter  ebensowohl  schlechtweg  Wohnzimmer  ver- 
tanden  werden8),  als  Speisezimmer9)  oder  Schlafzimmer 10).  Hingegen  be- 
leutet  das  erst  in  der  silbernen  Latinität  aufkommende  Wort  diaeta  in 
ler  Regel  einen  ganzen  Komplex  von  Zimmern,  die  innerhalb  eines 
größeren  Ganzen  im  Hause  oder  in  der  Villa  eine  besondere  kleine 
iVohnung  für  sich  bilden11),  und  wird  nur  selten  von  einzelnen  Zimmern 
gebraucht12).  Im  einzelnen  unterscheidet  man  nach  der  Benützung  folgende 
Räumlichkeiten. 


!)  Beispiele  Overbeck  266  Fig.  144. 

2)  Ebd.  265;  275;  287;  338.  Marquardt 
524. 

3)  Overbeck  268. 

4)  In  der  Casa  del  Centenario  finden 
sich  im  Peristyl  an  den  Säulen  Reste  von 
äisernen  Nägeln  oder  Haken,  die  wohl  zum 
Anhängen  von  Vela  dienten,  Overbeck  355; 
ihnlich  im  Hause  des  Meleager  ebd.  310. 

5)  Vitr.V  10  (7),  2:  circum  autem  in  por- 
icibus  triclinia  cotidiana,  cubicula,  etiam 
tellae  familiaricae  constitiuintur. 

6)  Overbeck  265.  Mau  268;  Beispiele  s. 
Overbeck  296;  345. 

'')  Vgl.  Saglio  bei  D.-S.  I  1433. 

8)  Plaut.  Aul.  438;  Most.  843.  Ter.  Eun. 
583.     Liv.  XXXIX  14,  9.     Suet.  Aug.  72;  in 

inem  Bade  Sid.  Apoll,  ep.  II  2,  4.    Vgl.  Fest. 

38,  9:  conclavia  dicuntur  loca ,  quae  una 
■I'irc  clauduntur.  Donat.  ad.  Ter.  1.  1.:  con- 
Have  est  separatus  locus  in  interioribxs 
ectis;    ähnlich   erklären    es   die  Glossen  als 

locus  conclusus,  Corp.  Gloss.  IV  36,  16;  43,  30; 

497,  22.   V  279,  61. 

9)  Cic.  de  or.  II  86,  353;  inVerr.  IV  26,58. 
Hör.  sat.  II  6,  113. 

10)  Plaut.  Cas.  881.  Ter.Heaut.902.  Nepos 


Dion  9,  1.  Cic.  p.  Rose.  Am.  23,  64;  de  divin. 
I  15,  26.  In  den  Glossen  daher  öfters  durch 
cubiculmn,  y.ontöv,  erklärt,  II  354,  18.  IV  39, 
21;  222,  50  u.  s.  In  der  Kaiserzeit  hat  CO&- 
clave  die  Bedeutung  eines  öffentlichen  Ab- 
tritts bekommen  (man  vgl.  unser  ,  Apparte- 
ment"), s.  Mart.  V44,  6;  XI  77,  1.  Corp.  Gloss. 
II 106,  45;  107,  9.  III  20,  14;  313,  35.  s.  auch 
die  griech.-latein.  Glossen  unter  «.to.töto,-  und 
a.(peboon\ 

")  Plin.  ep.  II  17,  20;  ib.  24;  V  6,  20  f.; 
ib.  28  f.;  31;  VI  16,  14  ist  deutlich  das  cubi- 
culum  als  Teil  einer  diaeta  bezeichnet.  Vgl. 
über  diaeta  beim  jüngeren  Plinius  Winnefeld 
A.  Jb.  VI  (1891),  207  A.  14.  Mau  bei  P.-W. 
V  308.  Solche  diaetae  werden  namentlich  in 
Villen  und  Palästen  erwähnt,  Lampr.  Alex. 
Sev.  26,  9 ;  in  der  Form  zaeta  Lampr.  Heliogab. 
30,  7;  31,  4.  Ein  Gartenhaus  bedeutet  es 
Digg.  XXIV  1,  66;  XXIX  5,  1,  27;  vermutlich 
auch  VII  1.  13,  8.  Stat.  Silv.  II  2,  83:  ähnlich 
Plut.  Poplic.  15;  Luculi.  39.  Mau  a.  a.  O.  be- 
zeichnet einige  Zimmerkomplexe  pompejani- 
scher  Häuser  als  diaetae,  z.  B.  Overbeck  320; 
342.  Mau  Pompeji  339. 

'-)  Plin.  ep.  II  17.  12;  ib.  15.  wo  freilich 
auch   die  andere  Bedeutung   möglich   wäre; 


44 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


Die  Schlafzimmer  heißen  für  gewöhnlich  cubicula1);  da  man  jedoch 
auch  in  Wohnzimmern  Sofas  als  unentbehrliche  Möbel  stehen  hatte,  auf 
denen  man  auch  tagsüber  gelegentlich  ruhte,  so  unterschied  man  cubicula 
diurna  und  nocturna*)  und  nannte  die  zur  Nachtruhe  bestimmten  auch 
speziell  cubicula  dormitoria 3).  Bisweilen  hatte  das  Schlafzimmer  noch  einen 
besonderen  Vorraum,  procoeton  (ttqoxoitojv)  genannt4),  in  dem  der  für  den 
speziellen  Dienst  des  Hausherrn  bestimmte  Sklave,  der  cubicularius  oder 
a  cubiculo6),  sich  aufhielt.  Das  Bett  stand  mitunter  in  einer  besonderen 
Nische,  und  da  man  diese  auch  zur  Aufstellung  von  Statuen  benützte,  so 
bekam  sie  später  den  Namen  zotheca  (zothecula)6).  In  Pompeji  sind  die 
Schlafzimmer,  wo  sie  um  das  Atrium  herumliegen,  enge  und  hohe  Räume 
mit  hohen  Türen;  die  um  das  Peristyl  herum  belegenen  sind  dagegen  weit 
niedriger,  öffnen  sich  in  ganzer  oder  fast  ganzer  Breite  auf  die  Säulen- 
halle und  sind  häufig  durch  eine  kleine  Tür  mit  einem  anliegenden  Speise- 
zimmer oder  einer  nischenartigen  Erweiterung  der  Portikus  verbunden 7). 
Der  Platz  des  Bettes  ist  abgesehen  von  der  erwähnten  Nische  auch  daran 
kenntlich,  daß  er  im  Mosaikfußboden  weiß  und  von  dem  übrigen  Raum 
durch  einen  schwellenartigen  Ornamentstreifen  getrennt  ist;  auch  die  Wand- 
malereien sind  da,  wo  das  Bett  stand,  durch  Farbe  und  Einteilung  ab- 
weichend behandelt,  und  nicht  selten  ist  auch  die  Decke  verschieden,  nämlich 
über  dem  Bett  Tonnengewölbe,  im  übrigen  flache  Decke  in  der  Scheitel- 
höhe desselben8).    Besondern  Wert  legte  man  bei  der  Anlage  der  Schlaf- 


unbestimmt ist  auch  VII 5, 1.  Vgl.  Digg.  XXXII 
55,  3.  wo  diaetae  hypocaustae  erwähnt  sind. 
Ganz  deutlich  Sid.  Ap.  ep.  II  2,  11 :  diaetae  sive 
cenatiuncula.  Auch  Sklavenwohnungen  heißen 
so,  Plut.  de  curios.  1  p.  515  F.  Auf  Inschriften 
kommt  es  in  Verbindung  mit  Gräbern  vor, 
als  Wohnung  des  Wächters.  CIL  VI  10876; 
13823:  dieta  adiuncta  ianuae  custodiae  causa; 
IX  3750;  als  Fremdenwohnung  XII  2462: 
Jwspes  gut  in  diaeta  Asiciana  aut  Pavoniana 
hospitabitur. 

')  Plaut.  Most.  696.  Varr.  1. 1.  V  162.  Cic. 
de  or.  II  6b,  263;  inVerr.  III  23,  56;  ad  Qu. 
fratr.1111,2.  Plin.  ep.III17,  6;  ib.  10.  Quintil. 
VIII  6,  53;  X  2,  25;  XI  2,  20  u.  s.  Trimalchio 
bei  Petr.  77,  4  renommiert,  er  habe  außer 
dem  cubiculum,  in  dem  er  selbst  schlafe, 
cubicula  viginti. 

»)  Plin.  ep.  I  3,  1. 

3)  Plin.  nat.  hist.  XXX  52.  Plin.  ep.V6,  2. 
Sid.  Apoll,  ep.  II  2,  10.  Bei  Plin.  ep.  II  17,  22 
heißt  es  cubiculum  noctis  et  somni.  Vgl.  Saglio 
bei  D.-S.  II  387. 

4)  Varr.  r.  r.  II  pr.  2.  Plin.  ep.  II  17,  10; 
ib.  23;  einen  lateinischen  Ausdruck  dafür  gibt 
es  nicht.  In  Pompeji  finden  sich  solche  Vor- 
zimmerchen mehrfach,  Overbeck  284;  319: 
338;  393. 

5)  Cic.Verr.1114,8;  adAttic.VI2,5.  Suet. 
Caes.  4.  Senec.  dial.  II  14,  1.  Digg.  L  16,  203 
u.s.;  auf  Inschriften  kommen  diese  cubicu- 
larii,  die  die  persönliche  Bedienung  des  Herrn 
besorgten  und  daher  eine  Art  Kammerdiener 
waren,  auch  die  Besucher  anmeldeten  u.  dgl., 


sehr  häufig  vor,  s.  Marquardt  144  A.  5,  dazu 
CIL  12657;  VI  33749;  33770  ff.;  33842  ff. 
Auch  cubiculariae  kommen  vor,  s.  ebd.  93 13  ff. 
Vgl.  Dessau  Inscr.  Lat.  sei.  7406  ff.  Eine  sehr 
einflußreiche  Stelle  war  die  des  kaiserlichen 
cubicularius, s.  Marquardt  a.a.O.RosTowzEW 
bei  P.-W.  IV  1734. 

6)  Plin.  ep.  II 17,  21 :  contra  parietem  me- 
dium zotheca  perquam  eleganter  recedit,  quae 
specularibus  et  velis  obductis  reductisve  modo 
adicitur  cubiculo,  modo  auf ertur;  ib.V  6,  38. 
Sid.  Apoll.  ep.VIII  16,  3;  IX  11,  6.  Auch  auf 
Inschriften,  CIL  VIII  7079;  XIV  2793;  3543. 
In  Pompeji  findet  sich  eine  solche  Nische 
(auch  zwei  Bettnischen)  bisweilen  in  Schlaf- 
zimmern aus  älteren  Bauperioden,  Overbeck 
313;  331;  372.  Mau  Gesch.  der  dekorativen 
Wandmalerei  63;  71;  74;  88.  Statt  dessen 
findet  sich  auch  eine  bloße  Aushöhlung  in 
der  Wand  für  das  Bett,  Overbeck  292;  336: 
344  f. 

7)  Mau  Pompeji  268,  der  bemerkt,  der 
Zweck  dieser  Anordnung  sei  klar:  es  war 
unbequem,  die  große  und  schwere  Tür  oft 
öffnen  zu  müssen;  so  ließ  man  sie  im  Som- 
mer Tag  und  Nacht  offen  stehen  und  schloß 
den  weiten  Eingang  nur  durch  einen  Vor- 
hang; im  Winter  aber  öffnete  man  sie  etwa 
täglich  einmal,  um  zu  lüften  und  zu  reinigen, 
ging  aber  im  übrigen  durch  die  kleine  Tür 
aus  und  ein. 

8)  Ebd.  269  mit  Fig.  136;  321.  Overbeck 
264;  353;  356: 363.  MauA.  d.i. LVI(  1884) 308 
mit  M.  d.  I.  XII  5  a;  ders.  R.  M.  XVI  (1901)  301. 


Erster  Abschnitt.    Das  städtische  Wohnhaus.  | ;, 

zimmer  darauf,  daß  sie  gegen  Lärm  oder  Geräusche  möglichst  abgeschlossen 
waren1). 

Als  Speisezimmer  dienten  im  alten  römischen  Hause,  sobald  das 
Atrium  seinem  ursprünglichen  Zweck  entfremdet  worden  war,  die  beiden 
neben  dem  Tablinum  belegenen  Räume,  und  im  Sommer,  wie  wir  sahen, 
das  Tablinum  mit  seiner  Veranda2).  Vermutlich  führten  damals  die  dafür 
bestimmten  Räume  den  Namen  cenacula,  der  aber  schon  früh  auf  die  im 
Oberstock  belegenen  Zimmer  überging3),  während  für  die  Speisezimmer 
die  Bezeichnung  cenatio  blieb4),  jedoch  mit  der  Aufnahme  des  griechischen 
Brauches,  auf  drei  um  einen  Tisch  gruppierten  Sofas  sich  zu  lagern5),  der 
Käme  triclinia  üblich  wurde0).  In  größeren  Häusern,  wo  man  sich  den 
Luxus  mehrerer  Speisezimmer  gestatten  durfte,  hatte  man  besondere  für 
Sommer  und  Winter,  aestiva  und  hiberna1),  wie  große  Hausanlagen  über- 
haupt besondere  Winterwohnungen  (hibernacula)  hatten8);  die  triclinia 
mstiva  brachte  man  in  einer  der  Sonne  möglichst  wenig  ausgesetzten  Lage 
an,  mit  großen  Offnungen  gegen  das  Peristyl  hin,  die  hiberna  dagegen  an 
einem  möglichst  sonnigen  Platze,  so  daß  die  Wintersonne  sie  erwärmen 
konnte9),  mitunter  aber  auch  ganz  ohne  Fensteröffnungen  und  mit  kleinen 
Türen,  so  daß  sie  manchmal  ganz  finster  und  nur  bei  Lampenlicht  benutzbar 
waren10).  In  großen  Palästen  und  vornehmen  Villen  war  daher  die  Zahl 
der  Speisezimmer   oft  beträchtlich11).    Vitruv  schreibt  vor12),   das  Speise- 


')  Plin.  ep.  II  17,  22:  iunctum  est  cubi- 
culum  noctis  et  somni.  non  illud  voces  servu- 
lorum,  non  maris  murmur,  non  tempestatum 
motus,  non  fulgurum  /innen  ac  ne  dient  qui- 
dem  sentit,  nisi  fenestris  apertis.  tarn  ttlti 
abditique  secreti  illa  ratio,  quod  interiacens 
andron  parietem  cubiculi  hortique  distinguit 
atque  ita  omnem  sonum  media  inanitate  con- 
smnit. 

»)  Mau  269. 

3)  Varr.  1.  1.  V  162:  posteaqnam  in  su- 
per iore  parte  coenitare  coeperunt,  superioris 
domus  nn  iversa  coenacula  dicta.  Fest.  54,  6: 
eoe nacula  dicuntur,  (ul  quae  scalis  ascenditur. 
Mehr  s.  unten. 

4)  Senec.  dial.  I  4,  9;  IX  9,  5;  XII  9,  2; 
ep.  78.  23;  90,  9;  115,  8  u.  s.:  Colum.  I  6,  2. 
Plin.  XXXVI  30.  Plin.  ep.  II  17,  10  u.  12;  V6, 
21.  Mart.  1159,1.  luv.  7, 183.  Eine  cenatio  als 
öffentlicher  Speisesaal  CIL  XI  6222. 

5)  In  der  alten  Zeit  aß  man  sitzend,  wie 
Frauen  und  Kinder  auch  später  noch,  Isid. 
XX  11,  9:  sedes  dicta,  qnod  apud  veteres 
Romanornm  erat  usus  accumbendi,  nnde  et 
consedcrc  dicebantur.  Postea,  ut  alt  Varro 
de  vita  populi  Romani,  viri  discnmbere  coe- 
perunt, mulieres  sedere,  quia  turpis  visus  est 
in  mutiere  decubitus.  Serv.  ad  Aen.  VII  176: 
perpetuis  mensis  longis,  ad  ordinem  exae- 
quatis  sedentum:  maiores  enim  nostri  sedentes 
ejndabantnr. 

6)  Ursprünglich  bedeutet  triclinium  nicht 
das  Speisezimmer,  sondern  die  drei  Klinen 
oder  lecti  mit  dem  Tisch  in  der  Mitte,  daher 
triclinium  ponere,    Varr.  r.  r.  III  13,  2,    oder 


«fernere,  Varr.  1.  1.  IX  9.  Cic.Verr.IK  25,  61; 
im  Sinne  von  Zimmer  finden  wir  es  zuerst 
bei  L.  Scribonius  Libo,  Cic.  de  orat.  II  65,  263. 
Vgl.  Varro  1. 1.  VIII  29.  Phaedr.  IV  25,  28.  CIL 
III  4789. 

7)  Varr.  1. 1.  V  162 :  posteaquam  ubi  coena- 
bant  plura  facere  coeperunt,  at  in  castris  ah 
hieme  hiberna,  htbemum  </<>ntns  rocarnnt ;  con- 
traria (der  Rest  ist  verloren).  Id.  r.  r.  I  13,  7: 
quo  hi  laborant  nt  spectent  sna  aestira  tri- 
clinaria  ad  frigus  orientis,  hiberna  ad  solern 
oeeidentem.  Sid.  Apoll,  ep.  II  2,  10  hat  außer 
einem  matronale  und  einem  hiemale  triclinium 
eine  luftige  diaeta  eive  cenatittncula.  Vitr.  VI 
7  (4),  1  f.  gibt  nicht  nur  für  die  triclinia  hiberna 
und  aestiva  Vorschriften  betreffs  der  Lage, 
sondern  auch  für  verna  und  antinnna/ia:  jene 
sollen  nach  Westen  resp.  Norden,  diese  nach 
Osten  liegen.  Vgl.  Colum.  I  6,  2. 

8)  Vitr.  I  2,  7;  VI  3,  2;  VII  4, 4.  Plin.  ep. 
II  17,  7. 

9)  Vgl.  luv.  7. 183:  algentem  rapiet  cenatio 
solem. 

10)  Overbeck  264.  Mau  273. 

")  So  hatte  Lucullus  zahlreiche  6eatrrj- 
z?)ota,  Plut.  Luc.  41 ;  Trimalchio  rühmt  sich 
bei  Petr.  77, 4,  guattuor  emotiones  zu  haben. 

»*)  VI  5,  8:  tricliniorum  guanta  latilml» 
fncrit,  bis  tanta  longitndo  ficri  debchit.  alti- 
tudincs  oniniiun  conc/ariamni,  guae  obUmoo 
fncrint,  sie  habere  debent  rationetn,  u/i  long*- 
tudinis  et  latitudinis  mensura  componatnr  et 
ex  ea  summa  diniidmtn  sninatnr  et  Quantum 
fuerit  tantum  altitudini  iletur. 


46 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


zimmer  solle  doppelt  so  lang  als  breit  sein,  während  die  Höhe  die  Hälft« 
der  zusammengerechneten  Breite  und  Länge  betragen  solle,  was  also  be 
5  Meter  Breite  und  10  Meter  Länge  7,50  Meter  Höhe  ergibt.  Für  Pompej 
stimmt  das  nicht  ganz,  da  die  Triklinien  dort  meist  etwas  kürzer  sini 
(z.  B.  bei  3,50  —  4  Meter  Breite  etwa  6  Meter  lang).  Wenn  sie  am  Peristy 
liegen,  sind  sie  meist  durch  große  valvae  gegen  dasselbe  verschließbar1) 
Die  drei  Sofas  wurden  so  um  den  runden  T-isch  geordnet,  daß  ein  jede! 
an  einer  Wand  stand  und  sie  den  innersten  Teil  des  Zimmers  ganz  aus< 
füllten,  indem  sie  etwa  ein  Quadrat  von  3,50  Meter  Seitenfläche  einnahmen 
Hatte  man  kein  besonderes  Sommertriklinium,  so  wurde,  wie  das  ii 
Pompeji  häufig  vorkommt,  im  Garten  gespeist,  und  für  diesen  Zweck  sin< 
die  drei  Sofas  meist  aufgemauert,  ebenso  der  Fuß  für  die  Tischplatte 
Man  umgab  diese  luftigen  Speiseplätze  nicht  selten  mit  Säulen,  die  durcl 
Latten  verbunden  und  mit  Reben  oder  andern  Gewächsen  umrankt  waren 2) 
In  den  eigentlichen  Speisezimmern,  die  in  Pompeji,  zumal  in  den  Hausen 
der  älteren  Perioden,  meist  klein  und  unansehnlich  sind,  ist  oft  der  innere 
für  die  Sofas  und  den  Tisch  bestimmte  Teil  sowohl  durch  das  Muster  dei 
Mosaikfußbodens  wie  durch  die  Wandmalereien  und  die  Form  der  Deck« 
unterschieden,  gerade  so,  wie  wir  es  bei  den  Schlafzimmern  fanden3).  Ii 
den  Häusern  der  Kaiserzeit  finden  sich  auch  große  Speisesäle  von  7  :  ! 
oder  7  :  11  Meter  Ausdehnung4),  und  in  reichen  Palästen,  wo  besonder 
noch  Schmuck  durch  Vorhänge  und  Glasfenster  erwähnt  wird5),  kamei 
noch  größere  Dimensionen  vor6). 

Zu  den  notwendigen  Räumlichkeiten  eines  jeden  Hauses  gehörten  dam 
die  Kammern  für  die  Sklaven,  cellae  servorum1),  auch  cellae  familiäre 
oder  fa miliar icae8),  von  denen  wir  der  des  ostiarius  bereits  gedacht  haben9) 
sie  lagen  meist  entweder  in  den  hintern  Räumen  des  Hauses  oder  in 
Oberstock10).    Ferner  die  Küche11),  cidina12),  in  späterer  Zeit  auch  coquim 


»)  Mau  269. 

*)  Mau  271;  296;  321.  Overbeck  305. 
Fiobelli  Descr.  47  f.:  144.  B.  d.  I.  1874,  273; 
1879,  195. 

3)  Mau  271.  Overbeck  307.  B.  d.  1. 1880, 
219.  Mau  Gesch.  d.  dekorat.  Wandmal.  351  ff. ; 
ders.  R.  M.  X  VI  (1901)  302.  Auch  die  geringere 
Abnutzung  des  Fußbodens  gibt  manchmal  zu 
erkennen,  wo  die  Sofas  standen.  B.  d.  I.  1882, 
177.  Manche  Speisezimmer  haben  Nischen 
in  den  Wänden,  wie  die  Schlafzimmer,  Over- 
beck 299,  B.  d.  I.  1883,  76;  1885,  69. 

4)  Mau  272. 

5)  Senec.  nat.  qu.  IV  13,  7:  quamvis  coe- 
nationem  velis  ac  specularibus  muniant.  Ueber 
die  specularia  s.  unten. 

6)  Senec.  ep.  115,  8:  capacem ■  populi  coe- 
nationem.  Plut.  qu.  conv.Vö,  2  p.679B  spricht 
von  oixoi  (d.  h.  Säle)  toiaxovxäy.Xivoi  aal  fiei- 
tovg,  die  also  dreißig  und  mehr  Speisesofas 
faßten. 

7)  Colum.  I  6,  3;  cf.  ib.  8.  Cic.  Phil.  II  27, 
67.  Hör.  sat.  I  8,  8.  Quint.VIII  4,  25.  Senec. 
controv.VII21,4;  ib. 8.  Cellula,  Ter.Eun.  310. 

8)  Cat.  r.  r.  14,  1.  Vitr.VI  10  (7),  2. 


9)  S.  oben  S.  29.  Sonst  bedeutet  cella  auc 
jedes  ärmlichere  Zimmer,  Ter.  Ad.  552,  namem 
lieh  die  Wohnung  der  Armen,  Sen.  ep.  18, 1 
100,  6.  Mart.  III  30,  3;  ib.  48,  1;  VII  20,  21 
VIII  14,  5.  luven.  7,  28.  Vgl.  Olck  bei  P.-^ 
III  1874. 

10)  Overbeck  265.  Becker-Göll  276. 
n)  Ueber  die  Küche  im  römischen  Haus 

vgl.  Becker-Göll  II  277  und  die  Artikel  C% 
lina  von  Pottier  bei  D.-S.  I  1580  und  vo 
Mau  bei  P.-W.  IV  1742. 

12)  Die  Entstehung  des  Wortes  ist  ui 
gewiß.  Nach  Varr.  b.  Non.  55,  20  wäre  di 
alte  Form  colina,  dieta  ab  eo  quod  ibi  coli 
bant  ignem;  vgl.  Serv.  ad.  Aen.  III  134.  Ma 
a.  a.  O.  denkt  an  coqulina  mit  Abfall  d< 
ersten  Silbe.  Das  Wort  kommt  zuerst  b 
Plaut.  Most.  1  vor;  vgl.  sonst  Lucil.  b.  Noi 
207,  23.  Cic.  ad  fam.  XV  18,  1.  Hör.  sat.  I ! 
73;  II  5,  79.  Petron.  2,  1.  Sen.  ep.  95,  23  u.  i 
Im  weiteren  Sinne  bedeutet  cullna  (wie  cu 
sine  oder  auch  bei  uns  Küche)  die  Kochkuns 
s.  magna  culina  bei  luv.  14,  14,  oder  auch  di 
zubereiteten  Speisen,  Hör.  sat.  I  5,  38.  luv. 
162.   Plin.  XXIX  23,  doch  bleibt  der  Begri 


Erster  Abschnitt.    Das  städtische  Wohnhaus. 


47 


flenannt1),  die  zum  notwendigen  Bestandteil  des  Hauses  wurde,  nachdem  der 

Bte  Brauch,  im  Atrium  zu  kochen,  im  städtischen  Woltnliause  abgekommen 

rar    (über   das   Fortdauern   der    alten   Sitte   auf  dem    Lande   s.  unten   im 

L  Abschn.) 2).  Sie  lag  meist  wohl  im  hintern  Teile  des  Hauses3);  in  Pompeji, 
ro    kein    Haus    der 

üche  entbehrt4),  hat 
ie  freilich  keine  be- 
timmte  Stelle;  meist 
ndet  sie  sich  irgend- 
wo beim  Peristyl,  nur 
usnahmsweise  beim 
Ltrium 5).  In  der  Re- 
;el  ist  sie  klein,  selbst 
n  besseren  Häusern 
mr    3:4  Meter    und 

noch  kleiner;  die 
größten    haben    4  : 5 

oder  5:  6  Meter6). 
Doch  hatten  die  Häu- 
er der  Reichen  in 
lom  selbstverständ- 
ich  auch  geräumige 
md  gut  ausgestattete 
suchen7).  Der  Herd, 
bcus8),  der  gewöhn- 
ich     an     der    Wand 


Fig.  18.    Pompejaniseho  Küche. 

steht,  besteht  aus  einer  einfachen  rechtwinkligen  Aufmauerung,  die  in 
im  Hause  des  Pansa  1 : 2,50  Meter  mißt,  sonst  aber  meist  be- 
trächtlich kleiner  ist 9) ;  darauf  sind  häufig  kleine  gemauerte  Vorrichtungen 
n  Hufeisenform  angebracht,  um  darauf  Gefäße  über  Feuer  zu  halten;  wo 
iiese  fehlen,   kochte  man  auf  eisernen  Dreifüßen10).     Ein  Feuerungsraum 


des  Lokals,  in  dem  gekocht  wird,  immer 
darin  enthalten. 

*)  Non.  55,  14:  colinam  veteres  dixermit, 
non  coquinam,  iit  nunc  vulgus  pntat.  Acro 
ad  Hör.  sat.  I  5,  38  {quod  ibidem  dii  Penates 
cohnitur).  Pallad.  137,4.  August,  civ.  dei  XXII 
8 (p.  574, 15  Domb.).  Prise.  IV  1,  5  p.  120,  19  K. 
Corp.  Gloss.  II  363.  51;  496,  52.  III  191,  18: 
269,  11  (auch  in  der  Form  cocina  und  eucina). 

2)  Wie  Mau  a.  a.  0.  bemerkt,  bleibt  es 
zweifelhaft,  ob  die  Benennung  culina  für  den 
Hauptraum  der  ländlichen  Villa,  in  dem  ge- 
kocht, gespeist  und  gewohnt  wird,  alt  ist 
und  von  hier  aus  auf  die  später  entstandene 
ml  Ina  des  Stadthauses  überging,  oder  ob  auch 
auf  dem  Lande  der  Hauptraum  ursprünglich 
atrium  hieß  und  den  Namen  culina  erst  er- 
hielt, nachdem  im  Stadthaus  eine  besondere 
Küche  entstanden  war,  um  ihn  von  dem  jetzt 
wesentlich  verschiedenen  Atrium  des  Stadt- 
hauses zu  unterscheiden. 


s)  Varr.  bei  Non.  a.  a.  0.:  in  postica  parte 
erat  oulina. 

*)  Wo  sie  in  dem  allein  noch  erhaltenen 
Erdgeschoß  sich  nicht  findet,  muß  sie  im 
Oberstock  angesetzt  werden,  Mau  a.  a.  0. 1 743. 
Overbeck  277. 

5)  Overbeck  278. 

6)  Mau  a.  a.  0. 

7)  Sen.  ep.  64,  1:  Jautorum  culiuae;  ib. 
114,  16:  adspice  cnlinas  nostras  et  coneur- 
saniis  ixter  tot  ignes  coquos. 

8)  Vgl.  Gachon  bei  D.-S.  II  1194  ff. 

9)  Overbeck  325.  Mau  a.  a.  0. 

10)  Solche  haben  sich  im  Hause  derVettier 
noch  auf  dem  Herde  gefunden,  s.  R.  M.  XI 
(1896),  20.  Mau  Pompeji  274  mit  Abb.  140;  in 
einem  andern  Hause  dienten  demselben  Zweck 
die  spitzen  unteren  Enden  dreier  zerbrochener 
Tonamphoren. 


48 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


unter  dem  Herde  kommt  nur  vereinzelt  vor.    Für  gewöhnlich  kochte  man 
daher  wohl  mit  rauchlosen  brennenden  Holzkohlen  oder  auf  der  Herdplatte  > 
über  offenem  Feuer  (vgl.  Fig.  18) x).     Ein  Rauchfang  fehlt  meist,    obschonj 

nicht  nur  in  Bäckereien,  sondern 
auch  in  Privathäusern  Schorn- 
steine, aus  tönernen  Röhren  be- 
stehend, bisweilen  vorkommen2);, 
für  gewöhnlich  aber  zog  der  Rauch 
aus  der  absichtlich  öfters  höher 
als  die  übrigen  Räume  angelegten 
Küche  durch  die  Fenster,  deren 
meistens  eines  über  dem  Herde 
angebracht  war,  ab 3).  In  einigen 
Küchen  findet  sich  ein  gemauerter 
Küchentisch4),  sonst  genügte  wohl 
ein  einfacher  Holztisch.  Verein- 
zelt kommt  ein  Backofen  neben 
dem  Herde  vor,  der  aber  so  klein 
ist,  daß  er  nicht  für  Brotbäckerei 
gedient  haben  kann,  zumal  in 
späterer  Zeit  das  Brot  meist  nicht 
mehr  im  Hause  gebacken,  sondern 
vom  Bäcker  bezogen  wurde,  der 
also  wohl  für  Kuchenbäckerei  be- 
stimmt war5).  Ferner  finden  sich 
gemauerte  Wasserbehälter  mit  Off- 
nungen zum  Abfluß  des  gebrauchten 
Wassers6),  wofür  der  Name  coh- 
flurla1)  oder  fusoria9)  vorkommt. 
Mit  dem  Herde  war  auch  der  Dienst  der  Penaten  aus  dem  Atrium  in  die 
Küche  gewandert9),  und  daher  findet  man  in  Pompeji  in  den  Küchen  sehr 
häufig  Schlangen  als  Symbol  des  gen  ins  loci  oder  Bilder  der  Laren  auf- 
gemalt (vgl.  Fig.  19) 10). 


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1 

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Fig.  19.    Pompojanisches  Lararium  in  der  Küche. 


J)  Overbeck  440;  auf  dem  Küchenherd 
im  Hause  des  Pansa  soll  man  noch  die  Holz- 
kohlen gefunden  haben,  ebd.  327.  Vgl.  R.  M. 
XVI  (1901)  362.  Daher  die  Feuergefährlich- 
keit,  die  Colum.  I  6,  3  betont,  vgl.  Hör.  sat. 
I  5,  73:  vaga  per  veter em  dilapso  flammet  cu- 
linam  Volcano.  In  der  Fig.  18  (nach  Pkesuhn 
Pompeji  IV  Taf.  3)  abgebildeten  Küche  ist  ein 
Kupferkessel  in  den  ofenartigen  Aufbau  des 
Herdes  eingemauert. 

2)  Overbeck  386;  auch  ein  Herdmantel 
findet  sich  bisweilen,  ebd.  440. 

3)  Daher  die  Küche  öfteis  nigra  eulina 
heißt,  Mart.  I  92,  9;  III  2,  3;  X  66,  3.  Die 
Unannehmlichkeit  dieser  primitiven  Einrich- 
tung illustriert  Sen.  ep.  104,  6:  illum  odorem 
culinarum  fnmantium,  quae  motae  quidguid 
pestiferi  vaporis  obruertmt  mm  pulvere  effun- 
dunt.    Fenster  in  der  Küche  Mau  310;  322. 


4)  Overbeck  278;  295. 

5)  Ein  größerer  Backofen  im  Keller  der 
Casa  del  Centenario  (Overbeck  358)  diente 
nach  Mau  274  vielleicht  zur  Herstellung 
groben  Brotes  für  die  Sklaven. 

6)  Overbeck  339. 

7)  Varro  bei  Non.  544,  18. 

8)  Pallad.  I  37,  4.  Corp.  Gloss.  II  580,  60: 
cf.  VI  479. 

9)  Plaut.  Aul.  386:  haec  inponentur  !n 
focos  nostro  Lari.  Hör.  sat.  II  6,  65.  Serv.  ad 
Aen.II  469:  singula  enim  domus  sacrata  sind 
diis,  ut  eulina  penatibus.     Arnob.  II  67. 

10)  Helbig  Wandgemälde  12  N.  36-38;  19 
N.  60  f. ;  20  N.  63  f.  u.  s.;  auch  im  Pistrinum 
finden  sich  diese  Bilder.  19  N.  61  f.;  65;  66b. 
Mus.  Borb.  IX  20.  D.S.  I  1581  Fig.  2096. 
Unsere  Fig.  19  nach  Presuhn  IV  Taf.  3. 


Erster  Abschnitt.    Das  städtische  Wohnhaus. 


I'.i 


Der  Abtritt1).  Ic&rina  genannt2)  oder  ieUa*)  oder  mit  einem  grie- 
lischen  Ausdruck  lasanus4),  spätlat.  secessus6),  ist  wohl  erst  spät  ein  not- 
endiger  und  integrierender  Bestandteil  des  römischen  Hauses  geworden, 
ber  Anlage  und  Einrichtung  der  Abtritte  erfahren  wir  durch  die  Schrift- 
lellen  sehr  wenig;  um  so  mehr  verdanken  wir  ihre  Kenntnis  den  Häusern 
^mpejis,  die  fast  ausnahmslos  solche  aufweisen.  Wie  begreiflich,  legte 
an  ihn,  wie  die  Küche,  möglichst  entfernt  von  den  Wohnräumen  an6), 
eil  selbst  bei  Kanalisierung  diese  Gemächer  nicht  geruchlos  gewesen  sein 
erden7).  In  Pompeji  finden  wir  dementsprechend  den  Abtritt  zumeist  an 
er  abgelegenen  Stelle  des  Hauses,  sehr  häufig  neben  der  Küche 8)  oder 
rekt  in  der  Küche9),  manchmal  aber  auch  ganz  von  ihr  entfernt10),  unter- 
ilb  einer  in  den  Oberstock  führenden  Treppe11)  oder  im  Oberstock  selbst12). 


')  Vgl.  Becker-«  Jöll  279  und  den  Artikel 
Hna  von  H.  Thedenat  bei  D.-S.III  987 ff.; 
ssen  648. 

2)  Das  Wort  kommt  von  laralriua  her 
d  bedeutet  ursprünglich  den  Baderaum; 
i  dieser  mit  griechischer  Terminologie  bal- 
im  benannt  wurde,  ging  das  Wort  in  die 
deutung  Abtritt  über,  was  vermutlich  daher 
m,  daß  in  den  älteren  Anlagen  der  Abtritt 
:h  im  Baderaum  befand:  vgl.Varro  1.1.  IX  68: 
m  hoc  attiiqui  mm  balneum  sei  lavatrtnam 
wettare  consuessent',  ct'.V  118:  trua,  qua  e 
Una  in  laratrinam  aquam  funduut.  trua 
»d  travolai  ea  aqua.  Non.  212,  7:  latrina 
are  feminina,  et  est  lavatHna,  quod  nunc 
Ineum  dicitur.  Lucil.  Üb.  A  /.-  qui  in  latrina 
>iguet.  Thkdenat  a.  a.  0.  nimmt  an,  daß 
in  drei  Perioden  in  der  Bedeutung  des 
ortes  zu  unterscheiden  habe:  .1.  das  Bad; 
Bad  und  Abtritt;  3.  nur  Abtritt.  Für  die 
eite  Bedeutung  führt  er  Plaut.  Cure.  580 
:   ancilla   qit</<>  latrinam  lavat,   doch  paßt 

3r  die  dritte  besser,  da  eine  Sklavin  von 
?drigster  Beschäftigung  gemeint  scheint, 
äter  bekommt  latrina  auch  die  Bedeutung 
oake,  Suet.  Nero  24:  abici  in  latrinas  om- 
um  statuas  et  inntginee.  Die  Form  latrinum 
wähnt  Non.  a.a.O. :  neutro  Laber  ins  Con- 
talibus:  sequere  me  in  latrinum,  nt  aliquid 
stes  ex  Cynica  haeresi,  hie  latrinum  rentri 
lern  i/i.rit.  Lucilins  Itb.VI:  hac  tu  ab  re 
erii*  quemquant  latrina  petisse? 

3)  Lucil.  b.  Non.  217.  22 :  pistrinum  appo- 
um, postiaun.  selhi.  culina.  Mail. XI  98,  12: 
c  vindicabit  sella  saepius  chixa  (wo  freilich 
tiEDLÄNDEK  die  sella  auf  die  Sänfte  deutet); 
sonders  von  Medizinern  gebraucht,  Scrib. 
Jg.  193:  per  seUas  abundantius  eundem 
••norent)  deiciunt;  ib.  227,  Apul.  de  vir.  herb. 
,  Die  sellae  Patroclianae  bei  Mail.  XII  77,  9 
d   öffentliche    Abtritte,   nach   dem    Unter- 

hmer  oder  Pächter  benannt.  Bei  Cato  r.  r. 
7,11  findet  sich  die  Bezeichnung  sella 
rtusa;  die  sellae  familiaricae  bei  Varr.  r.  r. 
13,  4  sind  wahrscheinlich  Sklavenabtritte, 
ich  die  sella  in  der  Anekdote  bei  Sen.  dial. 
12,  7  ist  vermutlich  der  Abtritt. 


4)  Lasanus  bedeutet  weniger  das  geheime 
Gemach,  als  den  darin  aufgestellten  Nacht- 
stuhl, Petron.  41,  9:  Trima/chio  .  .  .  ad  la- 
sanum  surrexit;  ib. 47,  5:  '<•/  si  t/uirf  plus 
n-nii,  tonn  in  forat  parata  sunt:  aqua,  lasani 
et  cetera  minutalia.  Bekk.  Anecd.  51,  8  (vgl. 
106,30):  Äänara,  itp'  <}>  äjtonaxcßfttv.  Es  wird 
daher  auch  der  transportable  Nachtstuhl  damit 
bezeichnet  (wie  Anth.  Pal.  XI  74,  7:  ccV  ,/.<<- 
yavöv  fiot'  e&Ho,  ,66q*  netv&v,  eirdv  epiöet  t.n- 
narar.  Aristoph.  u.  Pherecr.  bei  Poll.  X  44  f.), 
so  sicherlich  Hör.  sat.  I  6,  109,  wo  es  auch 
Acro  so  erklärt  (ras  in  quo  txoneratur  vertier), 
während  manche  neuere  Erklärer  es  als  Koch- 
gerät  deuten.  Nach  Lampr.  Heliog.  32,  2  und 
Mart.  I  37  gab  es  sogar  solche  lasani  von 
Gold. 

5)  Corp.  Gloss.  IV  390.  13:  »eeessum  la- 
trina; III  216,  37:  ad  secessum  '$  rw  d<p- 
edowva:  cf.  ib.  232.  5;  651,  10;  VII  465:  im6- 
naxos  eone/aris ,  culina ,  recessue ,  8ecessu9. 
Daher  das  italienische  cesso. 

•)  Darauf  geht  Cic.  nat.  deor.  II  56,  141 : 
atque  nt  in  aedifidis  architecti  avertunt  ab 
oculis  naribusque  dominorum  ea,  quae  pro- 
fluentia  necessai-io  taetri  essent  aliquid  habi- 
tura  (wo  Thedenat  a.  a.  O.  sicher  mit  Un- 
recht ein  Wort  necessarium  als  Synonym  für 
Abtritt  annimmt,  während  neeessario  als  Ad- 
verb zu  fassen  ist;  gemeint  sind  allerdings 
Küche  und  Abtritt).  Es  ist  bezeichnend,  daß 
Lucilius  a.a.O.  jtistrinum,  posUeum,  Bella 
und  culina  nebeneinander  nennt,  lauter  ab- 
gelegene Räumlichkeiten. 

7)  Vgl.  Colum.  X  85 :  immundia  quaeeun- 
que  comit  latrina  cloacis.  Apul.  met.  I  17: 
apage  te  faetarem  extremae  latrinae;  IX  14: 
ut  in  quandam  caenosam  latrinam. 

8)  Overbeck  270ff.;  295;  313:  316:  339; 
343.  Mau  322 ;  327. 

9)  Overbeck273;  275: 278: 280:  304:307. 
10)  Ebd.  289;  323. 

»)  Ebd.  287.  R.  M.  XVI  (1901)  315.  Fio- 
relli  Descriz.  270  f.;  278  u.  ö. 

12)  Overbeck  292.  R,  M.  a.  a.  O.  863. 


Handbuch  der  klau.  Altertumswissenschaft.    IV.    2,  2.    S.  Aufl. 


50 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


In  größeren  Häusern,    namentlich   in  solchen,    die  von   mehreren  Parteien 
bewohnt  waren,    finden    sich    zwei  Abtritte1);    meist    sind  sie    klein,    un- 
ansehnlich   und   finster2),    doch    kommen    auch    solche  vor,    die    für    zwei! 
Personen  eingerichtet  sind 3),    und  manche   sind   geräumig,    durch  Fenster 
erleuchtet  und  mit  Wandmalereien   ausgestattet4).     Die  Sitze  waren   teila-v 
aufgemauert,  und  deren  haben  sich  noch  zahlreiche  in  den  Häusern  Pom-." 
pejis  erhalten,  teils  aus  Holz;   letztere  sind  natürlich  verschwunden,    docbj 
erkennt  man  vielfach  noch  ihren  Platz  an  den  Unterlagen,  auf  denen  der 
Sitz  ruhte 5).     Wie   die  Ausstattung   sehr  verschiedenartig   ist,    so   ist    es 
auch  die  Anlage;  sehr  viele  stehen  nur  mit  einer  Senkgrube  (sterquilinium)W 
in  Verbindung,    hatten    also    keine  Kanalisation7);    dagegen  stehen  andere-Ä 
durch  Röhrenleitung  mit  dem  Kloakensystem  in  Verbindung,    wie  das   bei 
den  öffentlichen  Abtritten  die  Regel  zu  sein  pflegt8).     Wo  der  Raum    gar 
keine   besondere  Anlage   zeigt,   darf  man  annehmen,    daß  darin  ein  trans-* 
portabler  Nachtstuhl  aufgestellt  war9). 

Ein  weiterer  notwendiger  Raum  des  Hauses  ist  eine  oder  mehrer« 
Vorratskammern10).  Wenn  es  auch  im  wesentlichen  nur  die  großen,, 
Wirtschaftsbetriebe  auf  dem  Lande  sind,  die  ihre  besondern  cellae  für  Ge-j 
treide,  Ol,  Wein  usw.  haben11),  so  mußte  doch  auch  das  städtische  Wohn-f 
haus  eine  cella  promptuaria  (oder  ein  promptuarium) 12)  haben,  eine  Kammer, 
in  der  vornehmlich  Speisevorräte,  doch  gelegentlich  und,  wenn  dafür  keine' 
besondern  Räume  vorhanden  waren,  auch  andere  Wirtschaftsgegenstände 
aufbewahrt  wurden13).  Dieser  Raum,  in  dem  das  cellarium  aufbewahrt»? 
wird14),  ist  von  der  cella  penaria15),  der  Kammer  für  das  penus16),  dadurch 

depromar.  Cato  r.  r.  11,  3 :  armarium  promp- 
tuarium. Amm.  Marc.  XIX  12,  13.  Tertull.  de 
resurr.  27  heißt  sie  cella  proma. 

13)  Apul.  met.  1 23 :  ex  promptuario  oleum 
unctui  et  lintea  tersui  et  cetera  lüde  eident 
usui  profers. 

4)  Serv.  ad  Aen.  I  703;  dagegen  ist  cellai 


')  Overbeck  280;  292  u.295:  304  u.307; 
343;  es  kommen  auch  zwei  Abtritte  in  einer 
Küche  vor,  Fiorelli  374. 

2)  Bisweilen  findet  sich  eine  kleine  Nische 
in  der  Wand  zum  Aufstellen  einer  Lampe, 
Fiorelli  44. 

3)  Overbeck  316. 

4)  Ebd. 339  (in  der  Casa  del  questore);ebd. 
348.   Fiorelli  137  (im  Hause  der  Dioskuren). 

5)  Vgl.  Fiorelli  39  und  die  Fig.  4365  bei 
Thedenat  990. 

6)  Vgl.  die  Vorschrift  über  Anlage  des 
sterquilinium  (stercilinum)  bei  Varr.r.r.  1 13, 4: 
in  eoque  quidam  sellas  familiaricas  ponunt. 
Für  gewöhnlich  ist  es  die  Düngergrube  auf 
dem  Lande. 

7)  Mau232.  Fiorelli Scavidi  1861-1872, 
10  N.  47  ff. 

8)  Mau  R.  M.  IV  (1889)  105  ;V  (1890)  238; 
VIII  (1893)  52.  Auch  die  Tonröhrenleitung 
vom  Oberstock  her  ist  mitunter  noch  erhalten, 
Overbeck  292.    R.  M.  XVI  (1901)  362. 

9)  Plaut.  Cure.  580  bezeichnet  die  ancilla 
meam  quae  latrinam  lavat  die  niedrigste 
Sklavenarbeit.  Vielleicht  war  auch  in  den 
privaten  Latrinen  ein  Schwamm  zur  Reinigung 
vorhanden,  wie  nach  Sen.  ep.  70,  20  in  den 
öffentlichen. 

10 )  Vgl.  Becker- Göll  281. 

11 )  Vgl.  Saglio  bei  D.-S.  I  988. 

12)  Plaut.  Amph.  156:  e  promptuaria  cella 


rium  Digg.  XXXII  41,  1  die  mit  einer  diaetm 
verbundene  Vorratskammer. 

15)  Varr.  1.  l.V  162:  ubi  quid  conditum 
esse  volebantf  a  celando  cellam  appellarunt; 
penariam,  ubi  penus.  Cic.  Cat.  mai.  16,  56: 
semper  enim  boni  adsiduique  domini  referta 
cella  vinaria,  olearia,  etiam  penaria  est.  IdJ 
Verr.  II  2,  5:  M.  Cato  sapiens  cellam  -penariam 
reipublicae  nostrae.  .  .  .  Siciliam  nominabat. 
Suet.  Aug.  6:  nutrimentorum  eius  ostendihir 
adhuc  locus  in  avito  suburbano  iuxta  Velitras 
permodicus  et  cellae  penariae  instar.  Digg. 
XXXIII  9,  3.  8. 

16)  Scaev.beiGell.IVl,17:^)<?>n/x  est  ij><<»l 
esculentum  aut  posculeyxtum  est,  quod  ipsius 
patris  familias  aut  matris  familic«  aut  li- 
berum patris  familias  aut  familiae  eins  .  .  . 
causa  paratum  est.  Cic.  nat.  deor.  II  27.  <ifi: 
omne  quo  veseuntur  homines  penus.  Fest 
211,  3:  penora  dieuntur  res  necessariae  <*d 
victum  quotidianum,  et  locus  eorum >■  penariu*. 
Doch  gehörten  nach  Catus  Aelius  bei  Gell, 
a.  a.  O.  20  auch  Weihrauch,  Wachskerzen  ul 
dgl.  zum  penus. 


Erster  Abschnitt.    Das  städtische  Wohnhaus. 


51 


■nterschieden,  daß  letztere  die  Vorräte  für  das  ganze  Jahr  aufzunehmen 
lat,  während  die  cella  promptuaria  bloß  den  Vbrrai  für  wenige  Tage  enthält, 
nehr  eine  Art  Speisekammer  ist 1).  Auch  gab  es  besondere  Räume  zur 
Aufbewahrung  des  Fleisches,  carnaria a).  Einen  bestimmten  Platz  im  Hause 
lahmen  diese  Vorratskammern  nicht  ein;  die  penaria  lag  in  alter  Zeit  beim 
Atrium8),  später  im  Hintergebäude,  dem  penetrale  des  Hauses4).  In  Pompeji 
werden  manche  Räume  vermutungsweise  als  solche  gedeutet,  weil  sich  in 
linen  Spuren  der  an  den  Wänden  angebrachten  Regale  erhalten  haben5). 
Auch  das  schon  mehrfach  erwähnte  sacrariwn*)  oder  lararium9)^  die 
Kapelle  für  die  Hausgötter,  wo  besonders  die  Laren,  die  Penaten  und 
ler  Genius  des  Hausherrn  verehrt  wurden,  pflegte  in  keinem  Hause  zu 
'ehlen.  Einen  bestimmten  Platz  dafür  gab  es  nicht;  da  es  aber  üblich 
var,  den  Laren  beim  Herde  zu  opfern  7).  so  war  in  älterer  Zeit  (und  auf 
lern  Lande  auch  später  noch)8)  das  Atrium,  später  im  städtischen  Wohn- 
laus  die  Küche  der  Ort,  wo  man  sie  anzubringen  pflegte,  wenn  auch  hier 
neist  in  Form  einfacher  Wandmalerei9).  Aber  auch  später,  als  das  Atrium 
seine  ursprüngliche  Bedeutung  längst  eingebüßt  hatte,  pflegte  man  in  einer 
Scke  desselben  ein  solches  sacrariwn  anzubringen,  oder  man  wählte  dafür 
iinen  Platz  im  Peristyl10)  oder  sonst  irgendeine  andere  Stelle  im  entlegenem 
Teil  des  Hauses11).  Wo  diese  Heiligtümer  nicht  durch  bloße  Wandmalerei 
jezeichnet  sind,  sind  es  entweder  kleine  Wandnischen,  in  denen  die 
Statuetten  der  Laren  oder  auch  bestimmter,  besonders  verehrter  Haus- 
götter aufgestellt  wurden,  denen  man  auf  dem  darunter  angebrachten 
ytare  opferte,  oder  es  sind  eigens  aufgebaute  Kapellen,  die  bemalt  und 
nit  Bronze-  oder  Marmorstatuetten  ausgestattet  wurden12).  Solche  Lararien 
tonnten  unter  Umständen  recht  groß  und  kostbar  sein,  wie  z.  B.  die  Haus- 
tapelle des  Heius  in  Messina  vier  wertvolle  Marmorbildsäulen  enthielt13). 
Dieser  Brauch  erhielt  sich  bis  in  die  späte  Kaiserzeit  hinein14). 


*)  Gell.  a.a.O.  17:  nam  quae  ad  edendum 
ibendumque  in  dies  singuios  prandii  aut 
zenae  causa  parantur,  penus  non  sunt;  sed  ea 
Otitis,  quae  huiusce  gener  is  longae  usUmis 
p-atia  conträhuntur  et  reconduntur,  ex  eo, 
]iwd  non  in  promptu  est,  sed  intus  et  pe- 
mtas  habeatur,  penus  dicta  est.  Serv.  ad 
A.en.  I  703:  inter  penum  et  cellarium  hoc  in- 
'.erest,  quod  cellarium  est  paucorum  dierüm, 
linde  et  in  cellam  dicitur  imperatum  frumen- 
\um,  penus  vero  tempori  longo.  Vgl.  Mar- 
ijuardt  143  A.  8  und  Staatsverw.  III  120. 

»)  Plaut.  Capt.  914:  Pseud.  198.  Lucil.  b. 
on.  11,  1.  Cat.  r.  r.  14,  1.  Varr.  r.  r.  II  4,  3. 
Petron.  135,  4;  136,  1.  Corp.  Gl.  I  183.  Vgl. 
Saglio  bei  D.-S.  I  923;  eine  Abbildung  auf 
einem  pompejanischen  Wandgemälde,  Mus. 
Borb.  IV  tav.  A. 

s)  Varr.  1.  l.V  162. 

4)  Daher  stellen  die  Alten  den  Namen  Pe- 
nates  mit  penus  und  mit  penetrale  zusammen, 
Cic.  a.  a.O.  Fest.  208.  6.  Serv.  ad  Aen.  III  12. 

h)  Overbeck  261;  264.  Mau  275. 

6)  Häufig  in  der  allgemeinen  Bedeutung 
Heiligtum:  speziell  von  der  Hauskapelle  Cic. 
Verr.  IV  2,  4;  3,  7,  vgl.  dens.  ad  fam.  XIII  2. 


Auch  sacellum  Trebat.  bei  Gell.  VII  (VI)  12,  5: 
sacellum  est  locus  parvus  deo  sacratus  cum 
ara ,  doch  sind  das  meist  kleine  an  der 
Straße  belegene  unbedeckte  Kapellen.  Fest. 
318  a,  33;  319,4.    Ter.  Ad.  57«. 

7)  Lampr.  AI.  Sev.  29,  2;  31.5. 

8)  Cator.r.143,2.  Col.r.r.  XI  1,19.  Plaut. 
Aul.  386. 

•')  Siehe  oben  S.  48. 

,n)  Vgl.  oben  S.  43  und  Overbeck  268; 
299;  325;  338;  353  u.  s. 

n)  So  z.B.  in  einer  afa,  s.  S.38  A.3,  oder 
an  einer  Wand  des  Gartens.  Mau  279  Fig.  143. 

")  Vgl.  Overbeck  268  Fig.  146.  Mau  277 
Fig.  142. 

13)  Cic.  Verr.  IV  2,  4  ff.  So  hat  auch  Tri- 
malchio  ein  stattliches  Sacrarium.  Petron.  29. 8: 
grande  armarntm  in  angulo,  iu  cuius  aedi- 
nilti  erant  Lore*  argentei  positi  Penerisgue 
Signum  mannoreum.  Nach  Lampridius  AI. 
Sever.  29,  2  hatte  dieser  Kaiser  in  seinem  La- 
rarium  et  divos  principes  sed  optimos  electoe  et 
animas  sauet inres  (darunter  angeblich  Christus, 
Abraham  und  Orpheus)  ac  maiontm  efßgies, 
nach  31.5  auch  das  Bild  Alexander  d.  Gr. 

14)  Hieron.  in  Esai.  VI  57:  mtüus  quifu-i 

4* 


52 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


Mit  den  bisher  besprochenen  Räumlichkeiten  waren  in  der  Regel  wohl 
die  Wohnhäuser  des  römischen  Mittelstandes  ausgestattet.  Daß  manch« 
davon  in  den  kleinen  Häusern  der  Ärmeren  fehlten,  ist  selbstverständlich! 
und  in  Pompeji  gibt  es  genug  ärmliche  Wohnhäuser,  die  nur  die  aller! 
notwendigsten  Zimmer  aufweisen,  mitunter  selbst  des  Atriums  entbehren  ^J 
Andrerseits  treten  zu  den  aufgezählten  Räumen  vielfach  noch  ander« 
hinzu,  die  entweder  den  Bequemlichkeitsbedürfnissen  und  dem  Luxus  den 
Besitzers  dienten  oder  für  den  Betrieb  eines  Gewerbes  oder  zum  Ver-I 
mieten,  also  für  geschäftliche  Ausnützung  bestimmt  waren.  Diese  Er-| 
weiterungsbauten  konnten,  je  nachdem  die  Umstände  und  die  Lage  deal 
Hauses  es  gestatteten,  auf  zweierlei  Art  erfolgen:  entweder  durch  Hinzu-J 
fügung  neuer  Räumlichkeiten  auf  dem  gleichen  Niveau  oder  durch  Auf-] 
Setzung  von  oberen  Stockwerken.     Wir  betrachten  zunächst  die   ersteren.l 

Ein  bescheidener  Luxus,  der  auch  in  minder  reichen  Häusern  sich! 
fand,  ist  die  Anlage  eines  Baderaumes.  Wir  sahen  schon,  daß  in  der! 
älteren  Zeit  dafür  der  Name  Javatrina  üblich  war,  der  später  durch  das] 
griechische  balanum  (aus  ßalaveiov)  verdrängt  wurde2).  Ursprünglich  waren j 
diese  Anlagen  von  sehr  einfacher  Art,  selbst  in  den  Häusern  der  Vor-j 
nehmen3),  während  in  der  Kaiserzeit  darin  ein  großer  Luxus  eingerissen! 
war,  sodaß  Ausstattung  mit  buntem  Marmor  und  Glas,  sogar  mit  Säulen,! 
Statuen,  Wasserkünsten  usw.  nichts  Ungewöhnliches  war  und  die  Bäder  inj 
den  Palästen  besonders  der  reichen  Freigelassenen  eine  unerhörte  Pracht! 
aufwiesen4).  In  den  Häusern  Pompejis  finden  sich  Badeanlagen  nicht: 
selten;    sie   sind   zwar  meist   klein,    sodaß   sie   kaum   von    mehreren   Per-1 


erit  locus,  qui  non  idololatriae  sordibus  in- 
quinatus  sit,  in  tantum,  ut  post  fores  domorum 
idola  ponerent ,  quos  domesticos  appellant 
Laves,  et  tarn  publice  quam  privatim  animarum 
suarum  sanguinem  funderent.  Hoc  errore 
et  pessima  consuetudine  vetustatis  multarum 
provinciarum  urbes  laborant,  ipsaque  Borna, 
orbis  domina,  in  singulis  insulis  domibusque 
Tutelae  simulacrum  cereis  venerans  ac  lu- 
cernis,  quam  ad  tuitionem  aedium  isto  ap- 
pellant nomine,  ut  tarn  intrantes  quam  exe- 
untes  domus  suas  incliti  semper  commone- 
antur  erroris.  Ueber  die  Verehrung  der  Tu- 
tela  s.  Marquakdt  240  A.  5.  Prellek-Jordan 
Rom.  Mythol.  II  202. 

*)  Vgl.OvEKBECK270ff.  Marquardt222. 
*)  Vgl.  oben  S. 49  A.2;  die  griechische  Be- 
nennung fand  etwa  seit  Mitte  des  3.  Jahrh. 
v,  Chr.  Eingang,  vgl.  0.  Keller  Lat.  Volks- 
etymol.  263.  Die  ältere  Zeit  kannte  überhaupt 
den  regelmäßigen  Gebrauch  des  Bades  nicht, 
vgl.  Senec.  ep.  86,  12.  Von  der  späteren  Zeit 
Varr.  1. 1.  IX  68:  ab  eadem  ratione  dornt '  suae 
quisque,  ubi  lavatur,  balneum  dixerunt;  et 
quod  non,  erant  duo,  balnea  dicere  non  con- 
suerunt,  cum  hoc  antiqui  non  balneum.  sed 
lavatrinam  appellare  consuessent. 

s)  Man  vgl.  die  Beschreibung,  die  Seneca 
von  dem  Bade  in  der  Villa  des  älteren  Scipio 
Afiicanus  macht,  ep.  86,  4:  balneolum  an- 
>/iis/n»i,  tenebric08um  ex  consuetudine  antiqua: 


non  videbatur  maioribus  nostris  caldum  nisi  j 
obscurum ;  ib.  5 :  sub  hoc  ille  tecto  tarn  sor-  ] 
•  dido  stetit,  hoc  illum  pavimentum  tarn  vile 
sustinuit:  ib.  8:  in  hoc  balneo  Scipionis  >ui- 
nimae  sunt  rimae  magis  quam  fenestrae  muro 
lapideo  exsectae,  ut  sine  iniuria  munimenti 
lumen  admitterent. 

4)  Sen.  a.  a.  0.  6:  at  nunc  quis  ext,  qui 
sie  lavari  sustineat?  pauper  sibi  videtur  ac 
sordidus,  nisi  parietes  magnis  et  pretiosis 
orbibus  refulserunt,  nisi  Alexandrina  mar-  I 
mora  Numidicis  crustis  distineta  sunt,  nisi 
Ulis  undique  operosa  et  in  picturae  modum 
variata  circumlitio  praetexitur ,  nisi  vitro 
absconditur  camera,  nisi  Thasius  lapis,  quon- 
dam  ramm  in  aliquo  speetaculum  templo, 
Piscinas  nostras  circumdedit,  in  quas  multa 
sudatione  corpora  exsaniata  demittimus,  nisi 
aquam  argentea  epitonia  fuderunt.  Daß  Seneca 
nicht  von  öffentlichen  Thermen,  sondern  von 
Privatbädern  spricht,  zeigt  das  Folgende,  §  7:  ] 
et  adhuc  plebeias  fistulös  loquor:  quid,  cum 
ad  balnea  libertinorum  pervenero?  quantin» 
statuarum,  quantum  columnarum  est  nihil 
sustinentium,  sed  in  ornamentum  positanon 
inpensae  causa?  quantum  aquarumper  gradus 
cum  fragore  labentium?  eo  deliciarum  per- 
venimus,  ut  nisi  gemmas  calcare  nolimus.  In 
einer  zahlreichen  Sklavenfamilie  gab  es  daher 
auch  solche,  die  das  Bad  zu  besorgen  hatten,  ] 
servi  n  balineo,  CIL  VI  33765. 


Erster  Abschnitt.    Das  städtische  Wohnhaus.  58 

onen  zugleich  benutzt  werden  konnten,  entbehren  aber  doch  nicht  der 
»equemlichkeiten,  die  die  öffentlichen  Thermen  in  größerem  Maßstabe  und 
eicherer  Ausstattung  aufweisen  l).  Meist  bestehen  sie  aus  zwei  Räumen, 
Ir  laues  und  heißes  Bad  (tepidarium  und  ealdärium))  das  Caldarium  war 
uch  heizbar,  indem  ihm  von  der  Küche  her,  neben  der  das  Bad  daher  in 
er  Regel  angelegt  wurde,  die  heiße  Luft  der  Herdfeuerung  durch  den 
ohlen  Fußboden  (die  suspensurae)  und  die  Hohlwände  zugeführt  wurde2). 
)azu  kommt  bisweilen  noch  ein  besonderer  Aus-  und  Ankleideraum  (apo- 
bteriutri)*)  und  vereinzelt  eine  Kammer  mit  Bassin  für  die  kalte  Über- 
ießung4)-  Die  Ausstattung  ist  in  der  Regel  sehr  einfach,  mit  schlichter 
Vandmalerei  und  Fußbodenmosaik. 

Eine  sehr  häutig  sich  findende  Erweiterung  des  Hausplanes  bestand 
arin,  daß  man  ein  zweites  Atrium  oder  ein  zweites  Peristyl  oder  beides  hinzu- 
legte. Nicht  selten  war  diese  Erweiterung  schon  von  vornherein  beim 
»au  des  Hauses  vorgesehen,  und  in  Pompeji  ist  das  namentlich  bei  den 
[äusern  aus  der  Tuifperiode 5)  der  Fall;  oder  der  Besitzer  hatte,  nachdem 
zuerst  sein  Haus  nach  einfacherem  Plane  erbaut  hatte,  später  ein 
lachbarhaus  dazugekauft  und  mit  seinem  Grundstück  verbunden,  in  welchem 
'alle  dann  der  Grundriß  unregelmäßiger  zu  erscheinen  pflegt  als  im  er- 
teren6).  Von  den  beiden  Atrien  diente  meist  das  erste  als  Eingangs- 
nd  Empfangsraum,  während  das  zweite  mehr  privaten  Charakter  hatte 
nd  mit  den  Wirtschaftsräumen  in  Verbindung  stand;  hier  fehlten  auch 
leist  die  alae  und  das  tablinum1). 

Wenn  jemand,  wie  man  heut  zu  sagen  pflegt,  „ein  Haus  machte"  und 
äste  in  größerer  Zahl  bei  sich  zu  empfangen  liebte,  so  konnten  die  ge- 
wöhnlichen Speisezimmer  oder  Triklinien  nicht  genügen;  es  wurde  dafür 
in  größerer  Speisesaal  angelegt,  den  man  mit  dem  griechischen  Worte 
Ixog,  das  in  der  hellenistischen  Zeit  die  Bedeutung  eines  Festsaals  be- 
ommen  hatte8),  oectis  nannte9).  Vitruv  unterscheidet  vier  Arten  davon: 
en  oecus  tetrastj/lus,  den  er  nicht  näher  beschreibt,  der  der  Benennung 
ach  eine  von  vier  Säulen  getragene  Decke  hatte;  den  Corinthiits,  bei  dem 
ine  größere  Zahl  von  Säulen  mit  Epistyl,  auf  dem  die  Decke  ruhte,  den 


x)  Mau  275.  6)  Etwa  das  2.  Jahrh.  v.Chr.,  s. Nissen 48. 


)  Siehe  Näheres  über  diese  Einrichtungen 
u  Abschnitt,  über  die  Bäder  (Abt.  II  Abschn. 
V):  über  die  Heizvorrichtungen  im  III.  Abschn. 
er  I.  Abt.  Vgl.  das  Haus  des  Caesius  Blan- 
us.  Overbeck  284.  die  Casa  del  Fauno,  ebd. 
48.  Mau  300,  del  Centenario.  Overbeck  358, 
as  Haus  der  silbernen  Hochzeit,  Mau  314; 
irner  noch  Overbeck  265;  364.  Mau  365: 
74:  378:  383;  387:  ders.  R.  M.  II  (1887)  133: 
III  (1893)  51  f.:   IX  (1894)  352.      Ein    drei- 


Overbeck  36.  Mau  38. 

6)  Overbeck  261;  644  A.  121.  Mau  261. 
Beispiele  für  ersteres  besonders  die  Casa  del 
Centenario.  Overbeck  353,  für  letzteres  das 
Haus  des  Siricus,  ebd.  320,  des  Lucretius, 
ebd.  344. 

7)  Vgl.  das  Haus  des  Fauns,  Overbeck  346. 
Mau 300;  die  Casa  del  Labirinto,  Overbeck342. 

8)  Poll.VI  7.  So  handelt  die  Schrift  Lu- 
kians  tuo\  rar  ofiww  nicht  von  einem  Hause. 


töckiges  Haus  enthält  ein  Bad  für  die  Herr-  sondern  von  einem  solchen  Prunksaal,  sollte 

chaft   und    ein  besonderes  für  die  Sklaven,  also  mit   dem   lateinischen  Titel   nicht,    wie 

verbeck  368  ff.  üblich,    de   domo,   sondern    de  oeeo  übersetzt 

3)  Apodyterium  in  den  Villen,  Varro r.  r.    \   werden.  Vgl.  Plin.  XXXVI  184:  quem  voeatU 
[  pr.  2;  in  einer  Villa  des  Cicero,  ad  Qu.  fratr.  asaroton  oeciou. 

[I  1,  1,  2.  9)  Vgl.  Becker-Göll  II  241.     Overbeck 

4)  Beispiele  Overbeck  343;  358;  368:  372.  264  f.   Mau  272.   Lange  Haus  und  Hof  244  ff. 
Tau  322;  378:  383.  Saglio  bei  D.-S.  IV  152. 


54 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


Wänden  entlang  angeordnet  war,  sodaß  zwischen  ihnen  und  den  Wänden 
ein  Eingang  entstand;  den  Aegypthis,  bei  dem  ebenfalls  Säulen  vor  den 
Wänden  standen,  diese  aber  auf  ihrem  Epistyl  eine  zweite,  niedrigere 
Säulenstellung  trugen,  auf  der  das  hohe  Dach  des  Mittelraumes  ruhte j 
während  der  Umgang  zwischen  Säulen  und  Wand  eine  flache,  auf  denj 
Epistyl  der  untern  Säulen  ruhende  Decke  hatte1);  und  endlich  den  zu 
Vitruvs  Zeit  in  Italien  nur  vereinzelt  vorkommenden  oecus  Ci/zicenus,  dei 
nicht,  wie  die  ersten  drei,  nach  Süden,  sondern  nach  Norden  angelegt  wa| 
und  den  Blick  auf  grüne  Parkanlagen  und  seitliche,  tief  herabreichende 
und  mit  Flügeltüren  versehene  Fensteröffnungen  hatte,  die  wohl  im  Wintei 
geschlossen  wurden,  während  im  Sommer  die  Speisenden  durch  dieselben 
die  Aussicht  ins  Freie  hatten2).  In  Pompeji  kommt  die  zweite  Art,  der 
oecus  Corinthius,  mehrfach  vor3);  mitunter  fehlen  aber  die  Säulen  und  es 
ist  nur  die  Größe  des  Saales,  die  es  erlaubt,  ihn  als  oecus  zu  bezeichnen  4)| 
Wahrscheinlich  standen  in  diesen  Sälen  die  Triklinien  im  Mittelraum, 
während  der  Umgang  zwischen  Wand  und  Säulenstellung  der  Zirkulation 
der  Gäste  und  der  Dienerschaft  diente.  Ein  ägyptischer  oecus  läßt  sich  in 
Pompeji  nicht  nachweisen;  vielleicht  war  die  prachtvolle  cenatio,  die  siel 
Callistus,  ein  Freigelassener  des  Claudius,  in  seinem  Hause  gebaut  hatte 
und  die  mit  dreißig  Säulen  aus  kostbarem  Gestein  verziert  war,  ein 
solcher5). 

Den  verfeinerten  Bedürfnissen  von  reichen  Gelehrten  und  Kunsti 
freunden  trugen  besondere  Räume  für  die  Bücher-  und  Gemälde- 
sammlungen Rechnung.  Die  Bücherliebhaberei  und  damit  die  Anlage  von 
Bibliotheken  hatte  sich  in  Rom  erst  seit  dem  Eindringen  der  griechischen 
Bildung  entwickelt,  dann  aber  rasch  zugenommen;  die  Staatsmänner  und 
Gelehrten  aus  dem  Ausgang  der  Republik  und  der  Kaiserzeit  besaßen  zum 
Teil  sehr  stattliche  Büchersammlungen6),  deren  Unterbringung  besondere 
und  oft  recht  umfangreiche  Räume  (bibliothecae)  erforderte.  Vitruv  schreibt] 
vor,  daß  dieselben  nach  Osten  verlegt  werden  sollten,  weil  auf  diesej 
Weise  die  Rollen  vor  Feuchtigkeit  und  Mottenfraß  am  besten  geschützt 
wären7).     Viel  seltener  werden  besondere  Räume  für  Gemäldesammlungen 


l)  Diese  Bauart  entspricht  also  der  An- 
lage der  Basilika,  vgl.  Lange  a.  a.  0. ;  daher 
werden  solche  oeci  auch  direkt  basilica  ge- 
nannt, Vitr.  VI  8  (5),  2. 

»)  Vitr.  VI  5,  8  ff. 

3)  So  in  der  Casa  di  Meleagro,  mit  Säulen- 
stellung (im  ganzen  zwölf,  von  denen  die 
beiden  den  Eingang  flankierenden  gekoppelt 
sind)  auf  drei  Seiten,  während  die  vierte, 
nach  dem  Peristyl  zu  offene,  keine  Säulen 
hat.  0 verbeck  311.  Lange  a.  a.  0.  250  Taf. 
VI  3;  ebenso  ist  nach  dem  Peristyl  zu  offen 
der  mit  zehn  Säulen  an  den  drei  Wandseiten 
geschmückte  oecus  in  der  Casa  del  Labirinto, 
Overbeck  346.  Lange  Taf.  VI  1.  Im  Hause 
der  silbernen  Hochzeit  ist  der  langgestreckte 
oecus  in  einen  inneren  Teil  und  einen  Vor- 
raum geteilt;  jener  hat  vier  auf  Postamenten 
stehende  achteckige  Säulen,  war  also  ein  oecus 


tetrastylus;  der  Mittelraum  war  der  Speise- 
saal, im  Vorderraum  bewegte  sich  die  Diener- 
schaft, s.  Mau  273  mit  Fig.  139;  321. 

*)  So  im  Hause  des  Pansa,  wo  er  10,40: 7,40 
Meter  mißt,  Overbeck  370;  ebenso  der  präch- 
tig ausgestattete  Saal  im  Hause  der  Dioskuren, 
ebd.  338. 

5)  Plin.  XXXVI  60:  nos  ampliores  {cm 
lumnas)  XXX  vidimus  in  cenatione,  quam 
Callistus  Caesar is  Claudi  libertorum,  potentid 
notus,  sibi  exaedifieaverat. 

6)  Vgl.  Saglio  bei  D.-S.  I  707  f.  Dziatzko 
bei  P.-W.  III  415  f. 

7)  VI  7  (4),  1 :  cubicula  et  bibliothecae  ad 
orientem  speetare  debent,  usus  enim  mafati- 
num  postulat  lumen,  item  in  bibliothecis  li- 
bri  non  putrescent.  nam  quaecumque  ad  nwri- 
diem  et  oeeidentem  speetant,  a  tineis  et  umorm 
libri  vüiantur,  quod  venti  umidi  advenientei 


Erster  Abschnitt.    Das  städtische  "Wohnhaus.  55 

fcewesen  sein;  denn  obschon  die  römischen  Großen,  nachdem  einmal  die 
iunstliebhaberei  aufgekommen  und  Mode  geworden  war,  Statuen  und  Ge- 
nälde  sammelten1),  so  dienten  diese  doch  vornehmlich  zur  Ausschmückung 
ler  Zimmer.  Immerhin  kamen  in  den  Palästen  der  Reichen  besondere 
5äle  (pinacothecae)  dafür  vor2),  und  Vitruv  empfiehlt,  sie  von  bedeutender 
jlrölie  vax  machen3)  und  nach  Norden  zu  legen,  damit  die  Farben  der  Ge- 
mälde nicht  durch  das  Sonnenlicht  Schaden  nähmen4). 

Liebhaber  gymnastischer  Übungen  ließen  sich  in  ihrem  Hause  auch 
äigene  Räume  für  solche  einrichten,   etwa  eine  paktestra  oder  ein   sphae- 

üterium  für  das  bei  den  Römern  ungemein  beliebte  Ballspiel5);  wir  über- 
sehen diese  Anlagen  hier,  da  wir  später  darauf  werden  zurückkommen  müssen. 
Aus  all  dem  Gesagten  geht   zur  Genüge   hervor,   welche  Ausdehnung 
md  welchen  Luxus  in  den  letzten  Zeiten  der  Republik  und  in  der  Kaiser- 

eit  die  Palastbauten  der  vornehmen  und  reichen  Römer,  um  von  den 
Kaiserpalästen  zu  schweigen,  aufgewiesen  haben  müssen.  Davon  sprechen 
auch  die  uns  vorliegenden  Nachrichten,  die  von  den  Ungeheuern  Preisen 
ier  Häuser  und  der  Pracht  ihrer  Ausstattung  berichten 6).     Das   sind   die 

egum  turres,  wie  Horaz  sie  nannte7),  die  den  Namen  Türme  wohl  auch 
deswegen  führen  durften,  weil  sie  bis  zu  bedeutender  Höhe  aufgeführt 
worden  waren. 

Wann  es  aufkam,  den  Häusern  ganz  oder  teilweise  ein  oberes  Stock- 
werk8) aufzusetzen,  läßt  sich  nicht  genau  bestimmen.  Zwar  soll  es  nach 
der  Tradition  bereits  im  6.  Jahrh.  v.  Chr.  zweistöckige  Wohnhäuser  in  Rom 
gegeben  haben9);  doch  fragt  es  sich,  inwieweit  man  vom  Königsschloß, 
das  hier  genannt  ist,  auf  andere  Bauten  schließen  soll.  Dagegen  ist  wohl 
die  Überlieferung  glaubwürdig,  daß  bei  der  Besiedelung  des  Aventin  durch 
die  Lex  Icilia  im  Jahre  455  v.  Chr.  die  Plebejer  sich  hier  Häuser  bauten, 
bei  denen  die  Untergeschosse  in  andern  Händen  waren  als  die  Obergeschosse10). 
Andere  Erwähnungen  oberer  Stockwerke  fallen  in  die  Jahre  218  und  186 
v.  Chr.11).    Da  man,  nach  Varros  Angabe12),  in  diesen  Oberstock  zunächst 


proereant  eas  et  ahmt  mfundenteaque  umidos  7)  Carm.  I  4,  14. 

Wpirüua   paliore  Volumina  eorrumpunt.    Vgl.  8)  Das  Stockwerk  heißt  im  allgemeinen 

ebd.  I  2,  7;  VI  10  (7),  3.  bei  Bauwerken  tabulatum,  Caes.  bell.  Gall.VI 

')  Vgl.  Friedländer  Sittengeschichte5  III  29;    bell.  civ.  III  9.    Vitr.  X  19  (13),  6;    auch 

270  f.  contit/natio.  das  ursprünglich  Balkendecke  be- 

2)  Plin.  XXXV  4.  Vitr.  VI  8  (5).  2.  Varr.  deutet  (so   besonders   häufig  bei  Vitruv),    s. 

r.  r.  I  59,  2  erwähnt,    daß    die  Pinakotheken  Caes.  b.  c.  II  9,  Liv.  XXI  62,  3.  Vitr.  II  8,  17. 

bisweilen    auch    als    Speisezimmer    benutzt  ■)  Liv.  141,4  von  Tanaquil:  ex. auperiore 


wurden. 

3)  Vitr.  VI  5,  8:  pinacothecae  uti  exedrae 
amplis  magnitudinibus  sunt  conatituendae. 


4)  VI  7  (4),  2:  non  minus  (ad  septentrio-       btunSaa  zum  Volke. 


parte  aedntm  per  fenestras  in  Novam  Viam 
veraas  popuhtm  adloquitur;  ebenso  spricht 
bei  Dion.  Hai.  IV  5,  1  die  Königin  i«&  trvQtot» 


nem  spectent)  pinacothecae  et  plutnariorum 
te.rtrina  p/ctonnn>pie  of/icinae,)tti  coloreseonun 
in  opere  propter  constantiam  luminia  inmu- 
tata  permaneant  qualitate.  Cf.  I  2,  7;  VI  10 
(7),  3 


10)  Dion.  Hai.  X  32, 5:  etat  d'o't  ovvdvo  xai 
ovvtQEtg  xai  en  mLeiovs  avviövreg  olxiav  xar- 
80xevd£orro  [liav  hegcov  per  ra  xaidysia  Xay- 

Vav6vX<OV,     KTFOIOV    6?    TU     VTtFOÜm. 

11)  Liv.  XXI  62,  3:  foro  boario  borein  in 


5)  Dergleichen  Anlagen  für  gymnastische  [  tertiam  eontignationem  sua  aponte  eaeendiase 
Zwecke  waren  freilich  mehr  in  den  Villen  '  atque  tnde  tttmutiu  habüatorum  territtnn  seae 
als  in  den  städtischen  Wohnhäusern  zu  finden,  deiecisse.  Id.  XXXIX  14.  2:  eenacuhtm  auper 
vgl.  Varro  r.  r.  II  praef.  2.  i  aedea  dotum  tat  aeolia  ferenHbus  in  publicum 

6)  Marquardt  222;  vergl.  die  eingehende  obaeratia. 

Schilderung  bei  Friedländer  a.  a.  0.  III  78  ff.  |  12)  Varr.  1. 1.  V  162:  poateaquam  iv  mpe- 


56 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


die  Speisezimmer  verlegte,  so  erhielten  die  Räume  überhaupt  den  Namen> 
cenacida  und  behielten  ihn  bei,  auch  nachdem  ihre  Bestimmung  vielfach 
eine  andere  geworden  war1).  Denn  es  war  sehr  gewöhnlich,  daß  Haus- 
besitzer bloß  das  untere  Stockwerk  selbst  bewohnten,  das  obere  aber  ver-i 
mieteten2).  Natürlich  erforderten  solche  mehrstöckige  Häuser  einen 
solideren  Unterbau  als  die  bloß  einstöckigen,  obschon  die  oberen  Stock- 
werke meist  sehr  leicht  und  unter  reichlicher  Verwendung  von  Holz 
erbaut  waren3). 

Den  Zugang  zu  diesen  Obergeschossen  vermittelten  ursprünglich  einfache 
Leitern,  scalae,  welche  Benennung  auch  blieb,  als  man  statt  ihrer  Treppen 
anlegte4),  die  freilich  vielfach  nicht  besser  als  Hühnersteigen  waren,  indemf 
an  Stelle  der  Sprossen  lediglich  Bretter  traten5).  Das  antike  Mietshaus 
kennt  aber  für  gewöhnlich  keine  gemeinschaftliche  Treppe  wie  das  mo- 
derne; war  der  Oberteil  des  Hauses  getrennt  und  besonders  vermietet, , 
so  hatte  er  auch  seine  besondere  Treppe,  die  sehr  häufig  direkt  von  der 
Straße  her  hinaufführte6).  Das  Material  der  Treppen  war  vielfach  nur  Holz,;- 
sonst  auch  Ziegelbau  oder  Stein7).  Wie  man  in  Pompeji  sieht,  waren  siea 
nicht  sehr  bequem;  die  Holztreppen  entbehren  meist  der  Verschalung,  auch] 
die  aufgemauerten  sind  sehr  steil  und  schmal8).  Fenster  (fenestrae)9'n 
hatten  die  oberen  Stockwerke  sowohl  nach  innen  zu,  wenn  sie  um  einen' 
Hof  herum  aufgeführt  waren,  als  nach  der  Straße  zu,  während  der  Unter-? 


riore   parte    coenitare    coeperunt,    superioris 
dorn  hs  untrer sa  coenacula  dicta. 

1)  Fest.  54,  6 :  coenacula  dicuntur ,  ad 
quae  scalis  ascenditur.  Daher  in  den  Glossen 
cenaculum  als  vjieqöjov  oder  drcoyscov,  aber 
auch  als  ÖEuiviarriQiov  oder  diaira  erklärt,  s. 
Corp.  Gloss.  VI  197.  Vgl.  Plaut.  Amph.  863. 
Cic.  de  lege  agr.  II  35,  96.  Hör.  ep.  1 1,  91.  Liv. 
XXXIX  14,  2.  Vitr.  II  8,  17.  Quint.  VI  3,  64. 
Suet.  Aug.  45.  Daß  die  cenacula  auch  als 
Gast-  und  Fremdenzimmer  dienten,  scheint 
aus  Suet.  Aug.  78  hervorzugehen.  Später  ist 
der  Begriff  so  erweitert,  daß  auch  einzeln, 
z.  B.  im  Garten  gelegene  kleinere,  besonders 
vermietete  Räume  cenacula  heißen ,  Digg. 
VIII  2,  41. 

2)  Das  sind  cenacula  meritoria,  Suet. 
Vitell.  7.  auch  bloß  meritoria,  luv.  3,  234. 
Digg.  VII  1,  13,  8.  Vgl.  luv.  10,  18.  Petron. 
38,  10..  Mart.  I  108,  3.  Daher  cenacularius, 
der  Mieter  einer  solchen  Wohnung,  Digg.  XIII 
7,  11,  5;  cenaculariam  exercere  von  dem,  der 
einen  Erwerb  daraus  macht,  ebd.  IX  3,  5,  1. 
An  pompejanischen  Häusern  finden  sich  ge- 
malte Aufschriften,  in  denen  cenacula  mit  Zu- 
behör (tabernae ,  pergulae  u.dgl.)  zur  Ver- 
mietung angezeigt  werden,  CIL  IV  138  {ce- 
nacula equestria,  wohl  eine  elegantere  Miets- 
wohnung „für  Herrschaften");  ebd.  1136;  I 
1341.  Auf  einem  Aushängeschild,  dessen  Dar- 
stellung auf  Wasser  bezüglich  ist,  wird  ein 
Mietsobjekt  angeboten,  nach  Sieveking  R  M. 
XXI  (1906)  89  ff.  ein  Nymphaeum,  das  Schöpf- 
gefäße u.  dgl.  ausleiht. 


3)  Vitr.  II  8,  17:    itaque    pilis    lapidea 
structuris  testaceis  parietibus  caementiciis  alM 
titudinis  extructae  et  contignationibus  crebrim 
coaxatae  coenaculorum  ad  summas  utilitates 
perficiunt  dispertitiones. 

4)  Siehe  Liv.  a.  a.O.  (oben  S.55  A.  11).  Hör. 
ep.  II  2, 15.  luv.  7,  118.  Mart  I  117,  7;  VII  20, 
20.  Eine  besondere  Art  waren  die  scalae 
Graecae'-  nur  auf  solchen  durfte  die  Gemahlin 
des  Flamen  Dialis  mehr  als  drei  Stufen  er- 
steigen, Gell.  X  15, 29;  der  Grund  war,  wie  aus 
Serv.  ad  Aen.  IV  646  hervorgeht:  ne  ulla  pars 
peduin  eins  crurumve  subter  conspiceretur,  sie 
waren  also  weniger  steil,  als  die  gewöhnlichen. 

5)  Nissen  602. 

6)  Das  zeigt  das  oben  S.  55  A.  11  erwähnte 
Prodigium,  auch  ein  anderes  Liv.  XXXV 1  37, 
2  erwähntes:  boves  duos  domitos  in  Carinii 
per  scalas  pervenisse  in  tegulas  aedificii. 
Dann  die  Geschichte  von  der  Hispala,  Liv. 
XXXIX  14.  Vgl.  Digg.  XLIII 17,  3,  7  •  9»  cena- 
culum ex  publico  aditum  habeat. 

7)  Eine  1,50  Meter  breite  Marmortreppe 
Not.  d.  scavi  1878,  28;  eine  Travertintreppe  in 
Ostia  ebd.  88.  Oft  sind  die  untersten  Stufen 
der  pompejanischen  Treppen  von  Stein,  wäh- 
rend die  oberen  von  Holz  waren.  O  verbeck  506. 

8)  Nissen  a.  a.  O.  Vitr.  IX  2,  8  gibt  Vor- 
schriften für  Anlage  einer  Treppe  mit  mäßiger 
Steigung. 

9)  Becker-Göll  312.  Nissen  639.  Er- 
wähnt werden  sie  öfters,  vgl.  Plaut.  Rud.  88; 
Casin.  132  u.  s. 


Erster  Abschnitt.    Das  städtische  Wohnhaus. 


57 


lock  solcher  meist  entbehrte 1).  Von  ihrer  Bauart  und  Verschluß  wird 
mten  (s.  den  III.  Abschn.)  noch  zu  sprechen  sein. 

In  Pompeji  sind  die  obern  Stockwerke  meist  zerstört,  doch  läßt  sich 
Ir  ehemaliges  Vorhandensein  vielfach  noch  feststellen,  und  in  einigen 
allen  ist  es  gelungen,  sie  bei  den  Ausgrabungen  durch  Einsetzung  neuen 
lolzwerks  zu  konservieren.  Wir  sehen  daraus,  daß  sehr  häutig  nur  ein 
leil  des  Hauses,  in  der  altern  Periode  die  um  das  Peristyl,  später  die  um 
las  Atrium  herum  belegenen  Räume  einen  zweiten  Stock  hatten,  mit  Fen- 
|:ern  nach  innen  und  außen2).  Diese  oberen  Räume  sind  aber  meist  sehr 
lein  und  unansehnlich;  sie  haben  oft  wohl  den  Sklaven  als  Schlafzimmer 
Bedient,  wenn  sie  nicht  an  die  Ladeninhaber  des  Unterstocks  vermietet 
raren  (s.  unten).  Eine  eigentümliche  Erweiterung  erfuhr  das  obere  Stock- 
rerk  mitunter  durch  einen  in  die  Straße  hinausgebauten  Erker3),  ein 
pgenanntes  Maenianum*);  eine  Einrichtung,  die  in  der  Hauptstadt  häufig 
jorgekommen  zu  sein  scheint,  weil  hier  der  hohe  Preis  des  Baugrundes 
kne  solche  Erweiterung  des  Areals  wünschenswert  machte5).  Da  dies  aber 
ift  zu  Unzuträglichkeiten  führte,  indem  den  Nachbarn  dadurch  das  Licht 
[eeinträchtigt  wurde6),  so  wurden  die  Maeniana  in  der  Kaiserzeit  mehr- 
lich durch  Edikte  verboten  oder  eingeschränkt7).  Hatte  der  Oberstock 
[in  flaches  Dach,  so  diente  dies  unter  der  Bezeichnung  solarium  als  Er- 
olungsplatz 8),  der  wohl  auch  mit  gartenartigen  Anlagen  geschmückt9) 
Ider  mit  einem  Dach  gegen  die  Sonnenstrahlen  versehen  wurde10). 

J)  Vgl.  die  Geschichte  von  der  Tanaquil,  !    den  Gladiatorenspielen  zuschauen   könne,   s. 


ben  S.55  A.9,  ferner  Prop.  V  (IV)  7, 15:  iamne 
\bi  exciderunt  vigilatis  furta  Suburae  |  et 
uea  nocturhie  trita  fenestra  dolls?  Per  quo» 
\emisso  quotiens  tibi  fune  pependi.  luv.  3, 
70:  (i.  81:  altae  caJiqantesque  fenestrae. 
lart.  I  86.  2;  VIII  14,  5;*  IX  46,  3;  XI,  61,  3. 
.pul.  met.  IX  42.  Daß  aber  in  Rom  doch 
ie  Erdgeschosse  vielfach  Fenster  hatten, 
eweist  Hör.  Carm.  I  25,  1 :  partim  hmctae 
iKitimit  feneefrae  \  iacttbus  crebris  iuven.es 
motervij  ferner  Plin.  XIX  59:  iam  in  fene- 
trü  suis  plebs  urbana  imagine  hortorum 
Dtidiana  ocuiis  rura  praebebant,  antequam 
raefigi  prospectus  omnis  coegit  multitudinis 
nnumerae  saeva  latrocinatio,  denn  die  Un- 
icherheit  der  Straßen  nötigte  doch  nur  zum 
^erschließen  der  Fenster  im  Unterstock.  Vgl. 
lart.  XI  18,  3  mit  der  Anm.  von  Friedländer. 
Die  von  Becker-Göll  a.  a.  0.  zitierten  Stellen 
,iv.XXIV21,  8.  Vitr.V  6,  8  beziehen  sich 
,uf  griechischen  Brauch). 

2)  Overbeck  265  f.    Mau  280;  288. 

3)  Ein  sehr  interessantes  Beispiel  ist  er- 
lalten  in  der  soe.  Casa  del  balcone  pensile, 
)verbeck  266  f.  mit  Fig.  145.  Mau  281  Fig. 
44.  Auch  auf  architektonischen  Wandgemäl- 
len  kommen  solche  Vorbauten  vor,  s.  Zahn 
)ie  schönsten  Ornamente  II  73. 

*)  Vgl.  Becker-Göll  II  287.  Lafaye  bei 
3.-S.I  I  1493. 

6)  Ursprünglich  hießen  Maeniana  die  Gale- 
ien  und  Balkone,  die  der  Zensor  L.  Maenius 
ber  den  alten  Tabernen  am  Forum  anbringen 
ieß    (318  v.  Chr.).    damit   man    von    da   aus 


Fest.  134  b,  22:  Maeniana  appellata  sunt  a 
Maenio  ceneore,  qui  primua  in  foro  ttUra 
columnas  tigna  proietit ,  quo  ampliarentur 
superiora  spectacula.  Vitr.V  1,2.  Isid.  XV 
S,  11;  vgl.  Richter  Topogr.  v.Rom  85.  Gilbert 
Gesch.  u.  Topogr.  d.  St.  Rom  III  206;  213  A.  1. 
Im  weiteren  Sinne  werden  dann  alle  derartigen 
Vorbauten  (proiecta)  so  benannt,  vgl.  Digg. 
L  16,  242,  1.    Inschriftl.  CIL  III  14322.  4. 

6)  Vgl.  Digg.  VIII  2,  20;  XLIII  8,  2,  6. 

7)  Amm.Marc.XXVII9,  10  aus  dem  Jahre 
368  n.  Chr. :  (Praetextatus)  et  Maeniana  sus- 
tiilii  otnnia,  fdbricari  Botnae  prüde  quoque 
petita  legibus.  Cod.lust.VIII10.il:  Maeniana, 
quae  Graeci  Ifcüoras  appeüant. 

8)  Plaut,  m.  gl.  340 :  neque  solarium  neqtte 
hortum,  nisi  per  iwplurixm  (cf.ib.378).  Macr. 
114,14.  SuetClaud.  10.  Isid.  XV  3,  12:  so- 
laria  quia  patent  soli.  Verwandt  damit  waren 
die  solar ia,  die  sich  auf  den  von  Nero  vor  den 
insulae  und  Privathäusern  erbauten  Portikus 
befanden,  Suet.  Nero  16:  excogitavU,  ut  nute 
insulas  ac  domos  porticus  essent,  de  guarum 
solariis  incendia  areerentur  (vgl.Tac.ann.XV 
33).  Bekanntlich  stammt  davon  unser  deut- 
scher „Söller". 

9)  Senec.  exe.  controv.V  53:  in  eummie 
euluminibus  mentita  nemora  et  navigabilium 
piecinarum  freta.  Senec.  epist.  122,  8:  mm 
vivunt  contra  natura»!,  qui  poinaria  in  eum- 
mie fnrrihus  eerwntf  quorutn  tifaae  in  teetie 
domorum  ac  fastigiis  nutant,  indc  (»-tis  ra- 
dieibue,  quo  improbe  eaeumina  egteeent? 

"')  CIL  VI  10234  (bei  einer  aedicula  cum 


58 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


In  Pompeji  wird,  wie  in  andern  Kleinstädten,  für  gewöhnlich  wohl 
nur  ein  Oberstock  aufgesetzt  worden  sein1).  Dagegen  wurden  zumal  di& 
Mietshäuser  in  Rom  recht  hoch  (wenn  auch  nur  nach  antiken  Begriffen) 
gebaut2)  und  mehrere  Stockwerke  aufeinander  gesetzt3).  Das  führte  zu 
Verordnungen,  welche  die  zu  bedeutende  Höhe  der  Häuser  einschränken 
sollten:  Augustus  normierte  da,  wo  die  Häuser  an  eine  Straße  stießen,  ihre 
Höhe  auf  siebzig  römische  Fuß4),  und  Trajan  soll  sie  sogar  auf  sechzig 
Fuß  herabgesetzt  haben5),  sodaß  die  Zahl  der  Stockwerke  wohl  selten  über 
vier  hinausgegangen  sein  wird.  Die  Häufigkeit  der  Häusereinstürze,  über 
die  geklagt  wird6),  ist  daher  mehr  dem  schlechten  Material  der  auf  Speku- 
lation gebauten  Mietshäuser,  als  ihrer  Höhe  zuzuschreiben.  Dagegen  mögen 
Häuser,  die  frei  lagen  und  vom  Verbot  nicht  betroffen  wurden,  erheblich 
höher  gebaut  worden  sein7). 

Ein  größerer  Komplex  von  Mietshäusern,  der  etwa  dem  entsprach, 
was  wir  heut  ein  Straßenviertel  nennen,  hieß  insula8),  im  Gegensatz  zur 
domus9).  Die  Besitzer  solcher  umfangreicher  Mietshäuser,  die  domini  im 
sularum10),  machten  damit  gute  Geschäfte11);  sie  ließen  die  Verwaltung  und 
das  Eintreiben  des  Mietzinses  durch  ihre  insularii  oder  procuratores  insm 
larum12)  besorgen. 

Wie  die  Mietshäuser,  und  besonders  deren  obere  Stockwerke,  dem  Er- 
werbe dienten,  so  auch  die  in  den  Erdgeschossen  angebrachten  Verkaufs- 


pergula  ist  ein  solarium  tectnm  iunctum,  in 
quo  populus  collegi  s.  s.  epuletur);  XII  5388; 
beim  Grabe,  mit  Rosen-  und  Weingarten, 
ebd.  XI  3895. 

')  Häuser,  bei  denen  auf  ansteigendem 
Terrain  mehrere  Stockwerke  übereinander  zu 
liegen  kommen,  dürfen  dabei  nicht  in  An- 
schlag gebracht  werden ;  so  die  dreistöckigen 
Häuser  Overbeck  366.  Mau  364. 

2)  Vitr.  II  8,  17:  ergo  moenibus  e  con- 
tignationibus  variis  alto  spatio  multiplicatis 
populus  Romanus  egregias  habet  sine  inpe- 
ditione  habitationes.  Schon  zu  Sullas  Zeit 
wurde  hoch  gebaut,  s.  Cic.  de  off.  III  16,  66. 
Val.Max.VIII2,  1.  Q.  Rutilius  Rufus  hielt 
sogar  eine  Rede  de  modo  aedificiorum,  Suet. 
Aug.  89. 

3)  Vgl.  Senec.  controv.  II 9, 1 1.  luv.  3, 669 ; 
6,  31.  Stat.  silv.  IV  4,  14.  Plin.  III  67.  Digg. 
XLIV7.5,  5.  Martial  wohnte  im  dritten  Stock, 
I  118,  7;  ein  von  ihm  Verspotteter  sogar,  wie 
er  VII  20,  20  übertreibend  sagt,  per  ducentas 
scalas  (nicht  Stufen,  s.  Friedländer  ebd.). 

4)  Strab.  V235:  (6  2'eßaozog  KaToag)  jzgög 
zag  ov/LiJzzwoeig  zä  vy>t)  zwv  xaivcöv  olxodofirj- 
fiäzaiv  xadtXoiv  xal  xoiXvaag  i^aigeiv  jzodcöv 
fßdo/ir'jxovia  zä  ngog  zalg  68olg  zaig  örjfiooiaig. 

5)  Aurel.  Vict.  epit.  13:  statuens  ne  do- 
rn ornm  altitudo  sexaginta  superaret  pedes, 
ob  ruinös  faciles. 

6)  Friedländer  a.  a.  0.  24  f. 

7)  Vgl.  ebd.  6  f. 

8)  Fest.  111,  5:  insulae  dictae  pi-oprie, 
quae  non  iunguntur  communibus  parietibus 
rinn  meinte,   circuituque  publico  auf  privato 


cinguntur;  vgl.  Cic.  p.  Cael.  7,  17.  Das  Wort? 
bedeutete  ursprünglich  ein  einzeln  stehendes 
Haus  oder  Hauskomplex,  dann  das  Miethaus, 
in  dem  eine  Anzahl  Familien  oder  Gewerbe- 
treibender beisammen  wohnen;  gegen  Aus- 
gang der  Kaiserzeit  hat  es  noch  eine  andere 
Bedeutung,  nämlich  Komplexe  von  Miets- 
wohnungen oder  Mietsräumen,  von  denen  erst 
mehrere  ein  Haus  ausmachten,  vgl.  Richter 
Hermes  XX  (1885)  91  ff.  und  Topogr.  380. 
Humbert  bei  D.-S.  III  546. 

9)  Insulae  und  domus,  als  Mietshäuser 
und  Privathäuser,  werden  einander  schon  früh 
gegenüber  gestellt,  vgl.  Senec.  de  benef.  VI 
15,  7:  quantum  nobis  praestat,  qui  labentem 
domum  suscipit  et  agentem  ex  imo  rimas 
insulam  incredibili  arte  susp>endit?  Tac.  ann. 
XV  41.  Suet.  Nero  16.  In  den  Regionsver- 
zeichnissen werden  domus  und  insulae  be- 
sonders gezählt;  da  das  Verhältnis  dabei  wie 
1  :  25  bis  30  ist,  sind  die  insulae  jedenfalls 
nicht  Häuserviertel ,  sondern  im  oben  er- 
wähnten Sinne  zu  verstehen.  Vgl.  Prellkk 
Regionen  d.  St.  Rom  86  ff.  Becker-Göll  219  ff 
Richter  a.  a.  O. 

10)  Suet.  Caes.  41 ;  Tib.  48. 

")  Vgl.Plut.Crass.2.Mart.IV37,4.  Digg 
XIX  2,  30:  qui  insulam  triginta  conduxerat, 
singula  cenacula  ita  locavit,  ut  quadraginta 
ex  omnibus  colligerentxr. 

12)  Petron.  95.8;  96,4.  Digg.  I  15,  4:  VII 
8,  16,  1.  Auf  Inschr.  sind  insularii  häufig, 
s.  Marquardt  162  A.  7;  auch  supra  insulas, 
ad  insulas,  CIL  VI  2927;  3973;  vgl.  noch 
8855 f.:  9479 ff. 


Erster  Abschnitt.    Das  städtische  Wohnhaus. 


59 


lid    Arbeitsräume.     Die  Verkaufsläden    führten    den    Namen    tabernae, 
peßen  also  ebenso,  wie  die  ursprünglich  als  Verkaufsplätze    üblichen  höl- 
rnen  Buden,   wie  sie  in  Rom  in  alter  Zeit  auf  dem  Forum  standen  und 
ch  in  der  Kaiserzeit,   als  sie  von  hier   längst   verschwunden  waren,  die 
raßen  der  Hauptstadt  verengten1).    Diese  Läden  dienten,  wenn  der  Haus- 
sitzer    selbst   ein    Gewerbe   betrieb,    ihm   zum   Verkauf    seiner   Waren; 
ufiger  noch  waren  sie  an  Gewerbtreibende  vermietet  und  standen  dann 
leistens   mit  einigen   Zimmern    des    Hauses,   besonders   des   Oberstockes, 
ie   dann    von   den   übrigen    Räumen  abgetrennt   waren   und   dem   Laden- 
lhaber  als  Wohnung  dienten,   in  Verbindung 2).     In   Pompeji  sind   Läden 
1    den    Hauptverkehrsstraßen    sehr    häufig3);    sie    sind    auch    fast   immer 
lit  Zimmern   des  Erdgeschoßes   oder   des  Oberstockes  verbunden4).    Was 
ire   Einrichtung   anbetrifft,    wofür   als   Beispiel   der   hier  in   Fig.  20   ab- 
ebildete    Grundriß    dienen    mag5),    so    haben    sie    einen    breiten    Eingang 
1)  von  der  Straße  her  (bisweilen  auch 
ach  den  fauces  hin),  der  nachts  durch 
Iretter  verschlossen  wurde,    die  unten 
a  der  Schwelle  und  oben  im  Türsturz 
q  Rillen  liefen  und  etwas  übereinander 
griffen  (vgl.  Fig.  21)6);    an   dem   einen 
Cnde  befand  sich  dann  noch  eine  kleine, 
e  Angeln  gehende  Tür.  Im  Innern  steht 
er  meist  aufgemauerte  und  mit  einer 
darmorplatte  bedeckte  Ladentisch  (2), 
ler   so   nahe   an  die  Schwelle  gerückt 
st,  daß  der  Käufer  von  der  Straße  aus 
lirekt  an  ihn  herantreten  kann;  zwischen 
hm  und  der  andern  Seite  des  Eingangs 
leibt   ein    offener   Zugang,   durch   den 
Käufer     den     Laden     selbst     betreten 
:onnten.    Dieser  Tisch  ist  meist  recht- 
vinklig;  große  Tongefäße  sind  darin  eingemauert,  die  die  Waren  (in  Gar- 
üchen  die  Speisen,  sonst  die  Vorräte  an  Früchten,  Getreide,  Mehl,  Öl  usw.) 
lufnahmen.    An  der  an  die  Eingangsmauer  anstoßenden  Seite  des  Laden- 
isches  befindet   sich    oft   ein  treppenartiges   Gestell    zum   Aufstellen   von 
llaßen,  Gefäßen,  Geräten  u.  dgl.;  am  Ende  des  innen  gerichteten  Schenkels 


Fig.  20. 
Grundriß  eines  Verkaufsladens  in  Pompeji. 


I1)  Vgl.  Gilbert  Topogr.  III 202  ff.  Richter 
Topogr.  85.  Jordan  Topogr.  I  1,  501 ;  2,  378  f. 
3ecker-GöllII282.  Friedländer  Sittengesch. 
:  8  f. 
2)  Cic.  ad  Attic.  XIV  9,  1:  tabernae  mihi 
luac  corruerunt  rcliquaeque  rimas  agunt ; 
'taque  non  sölum  inquilini,  sed  mures  etiam 
nigraverunt.  Id.  Phil.  II  9,  21:  nisi  sc  Ulv 
n  scalas  tabernae  librariae  coniedsset.  Suet. 
!Jero  37:  Salvidieno  Orfito  obiectum  est  quod 
'abernas  tres  de  domo  sua  circa  forum  ciri- 
atibus  ad  Stationen*  locasset.  Dig.  XXXIII 7,  7: 
abernam  cum  cenaculo  Pardufae  manumissae 
'estamento  legaverat  cum  mercibus  et  instru- 


menta. Auf  dem  kapitolinischen  Stadtplan 
sind  an  einigen  Häuserplänen  solche  Ta- 
bernen,  die  neben  den  Haustüren  liegen,  deut- 
lich erkennbar,  s.  Jordan  Forma  urbisFig.  1 14. 
s)  Vgl.  Overbeck  376  ff.  Mau  285  f.,  Bei- 
spiele Overbeck  328 f.;  360.  Mau  295;  300; 
329  u.s. 

4)  In  den  oben  S.  36  A.  2  erwähnten  In- 
schriften werden  daher  tabernae  und  cenacula 
zusammen  zur  Vermietung  ausgeschrieben. 

5)  Nach  Overbeck  377^  Fig.  182.  Mau  285 
Fig.  147 ;  Rekonstruktionsversuch  (nach  Mazois 
II  8)  Overbeck  Fig.  183.  Mau  Fig.  148. 

6)  Nach  Overbeck  378  Fig.  184  u.  185. 


60 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


des  Tisches  häufig  eine  Feuerstelle  (3).  Unser  Beispiel  zeigt  auch  die 
nach  den  Zimmern  des  Oberstocks  führende  Treppe  (4)  und  hinter  dem 
Laden  zwei  kleine  Hinterzimmer  (5).  —  Diese  Läden   sind  in  den  älteren 


^Ö 


Fig.  21.    Ansicht  und  Grundriß  eines  verschiebbaren  Ladenverschlusses 
aus  Pompeji  (nach  Gipsabguß). 


Bauten  Pompejis  sehr  hoch  (4,80 — 5,80  Meter);  doch  waren  sie  (etwa  in  der 
Höhe  von  3,80  Meter)  durch  einen  Zwischenboden  geteilt,  der  sich  zwar  nir- 
gends mehr  erhalten  hat,  von  dem  sich  aber  die  Spuren  des  Balken- 
werkes erhalten  haben  und  der  jedenfalls  durch  ein  Geländer  nach  der 
Straße  zu  abgeschlossen  war1).  Nach  einer  ansprechenden  Vermutung2) 
führten  diese  Oberräume,  zu  denen  vom  Laden  aus  eine  Treppe  empor- 
führte, den  Namen  pergula,  der  sonst  auch  mancherlei  andere  Bedeutungen 
hat3),   mehrfach  aber   in    Verbindung    mit   tabernae   vorkommt4).     In   den 


1)  Mau  a.a.O.;  vgl.  ebd.  302  Fig.  157  die 
restaurierte  Fassade  vom  Hause  des  Fauns, 
wo  dies  Geländer  angegeben  ist. 

2)  Mau  R.M.II  (1887)  214,  wo  die  Be- 
deutungen des  Wortes  pergula:  besprochen 
werden;  danach  ders.  Pompeji  286. 

3)  So  z.  B.  Laubengänge  in  den  Wein- 
gärten, s.  Becker-Göll  III  78.  Sonst  bedeutet 
es  in  der  Regel  einen  nach  vorn  offenen  Vor- 
bau eines  Hauses  oder  einer  Taberne,  so  bei 
Schulzimmern,  luv.  11, 136.  Suet.  de  gramm.  18; 
ferner  in  Bordellen,  Plaut.  Pseud.  214  u.  229. 
Namentlich  waren  solche  pergulae  bei  den 
Ateliers  der  Maler,  die  darin  ihre  Bilder  den 
Vorübergehenden  zur  Schau  stellten,  Plin. 
XXXV  84:  idem  (Apeiles)  perfecta  opera  pro- 
ponebat  in  pergula  transeuntibus.  Lucil.  bei 
Lactant.  inst.  I  22,  13  (Frg.  XV  10  Müller): 
pergula  pictorum,  veri  nihil,  omnia  ficta. 
Fronto  ad  M.  Caes.  IV  12  (p.  74  Nab.) :  scis  ut  in 
Omnibus  argentariis  mensulis,  perguleis,  taber- 
neie,  protecteis  (wofür  wohl  besser  proiecieis 


zu  lesen  ist,  cf.  Digg.  L  16,  242,  1),  vestibulis, 
fenestris  .  .  .  imagines  vestrae  sint  volgo  pro- 
positae.  Cod.  Theod.XIII  4,  4:  (picturae  pro- 
fessores)  pergulas  et  officinas  in  loci*  publicis 
sine  pensione  obtineant;  vgl.  Digg.  V  1,  19,  2. 
Wenn  diese  pergulae,  die  ungefähr  unsern 
Schaufenstern  entsprechen,  von  Wirkung  sein 
sollten,  so  mußten  sie  zu  ebener  Erde  sein; 
hingegen  deutet  auf  höhere  Lage  der  pergula 
die  Stelle  Digg.  IX  3,  5,  12:  nam  et  cum 
pictor  in  pergula  clipeum  veltabulam  expositam 
habuisset  eaque  excidisset  et  transeunti  damni 
quid  dedisset,  falls  nicht  hier  etwa  über  der 
pergula  angebrachte  Ladenschilder  (in  Me- 
daillon- oder  Tafel  form)  gemeint  sind.  Eine 
pergula  an  der  Bude  eines  Wechslers  erwähnt 
Plin.  XXI  8.  Vgl.  im  allgemeinen  noch  Mar- 
quardt  93  A  2.  Becker-Göll  288.  Lafaye 
bei  D.-S.  IV  392  f. 

4)  In  den  oben  S.  56  A.  2  erwähnten  In- 
schriften tabernae,  pergulae,  ceuacula  und 
tabernae  cum  pergulis  suis  et  cenacula,  vgl. 


Erster  Abschnitt.    Das  städtische  Wohnhaus. 


61 


Bauten  der  späteren  Periode  sind  die  tabemae  niedriger  und  an  Stelle 
|  der  Zwischenböden  treten  ebenfalls  niedrige,  gegen  die  Straße  geschlossene 
Zimmer,  die  oft  von  der  Straße  aus  direkt  durch  eine  Treppe  zugänglich 
sind  und  vielleicht  auch  pergulae  genannt  wurden1).  Häufig  waren  außen 
an  den  Läden  Inschriften  angebracht,  die  als  Ladenschilder  die  Waren  des 
Inhabers  empfahlen2);  bisweilen  wurde  diese  Empfehlung  noch  durch  ein 
Relief  unterstützt,  auf  dem  die  Hantierung  des  Ladeninhabers  oder  Beine 
Erzeugnisse  dargestellt  waren3),  vgl.  das  Schild  eines  Metzgers   Fig.  22 4). 

Endlich  muß 
noch  erwähnt 
werden,  daß  Kel- 
ler (hypoyea)  sehr 
selten  erwähnt 
werden5);  inPom- 
peji kommen  sie 
auch  nur  verein- 
zelt vor6). 

Um  von  den 
besprochenen 
Räumen  und  ihrer 

Anordnung  im  römischen  Wohnhause  eine  bessere  Vorstellung  zu  geben,  fügen 
wir  zum  Schlüsse  die  kurze  Beschreibung  einiger  pompejanischer  Häuser  hinzu. 
Fig.  23  ist  die  sogenannte  Casa  di  Modesto 7) ;  es  ist  ein  einfaches  Haus,  das 
in  der  ersten  Zeit  der  römischen  Kolonie  mit  Benutzung  von  Teilen  eines 
älteren  Hauses  erbaut  ist.  Es  grenzt  an  zwei  Straßen ;  an  der  einen  liegt  das 
oxtium  mit  den  fauces  1,  durch  die  man  das  Atrium  2  mit  dem  Impluvium  3 
betritt;  4  sind  zwei  Zisternenmündungen.  Links  im  Atrium  führt  eine 
Treppe  5  zu  einem  Oberstock.  Von  den  Zimmern  ist  6  vielleicht  ein  cttbi- 
cii/ioh,  7  ein  triclinium;  8  ist  wohl  eine  Sklavenzelle,  9  ist  die  Küche 
mit  Herd    und   Abtritt,    10   ein   mit   dem    Haus   in    Verbindung   stehender 


Fig.  22.    Ladenschild  eines  Metzgers  (Relief). 


Mau  507  f.  Vgl.  Digg.  V 1, 19, 2 :  sl  tabernulam, 
pergulam,  horreum,  armarium,  officinam  con- 
äuxit,  und  CIL  III  14322,  4. 

1)  So  ebenfalls  nach  der  Vermutung  von 
Mau,  weil  natus  in  pergula  eine  sprichwört- 
liche Bezeichnung  für  einen  in  dürftigen  Ver- 
hältnissen Aufgewachsenen  ist,  Petron.  74, 14. 
Bei  Auson.  epist.  4,  6  (p.  245  Peiper):  vilis 
harundineis  cohibet  quem  pergula  tectis  be- 
deutet es  soviel  als  Hütte. 

2)  Solche  Inschriften  sind  allerdings  nicht 
an  Ort  und  Stelle  angebracht  gefunden  worden, 
aber  diese  ihre  Bestimmung  geht  aus  dem 
Wortlaut  hervor,  z.B.  CIL  VI  9556:  X  7296. 

3)  Sicher  haben  verschiedene  der  Reliefs, 
die  Szenen  des  Handwerks  und  Handels 
darstellen  (Jahn  BSGW  1861,  291  ff.),  als 
Ladenschilder  gedient;  die  meisten  sind  frei- 
lich Grabreliefs.  In  Pompeji  waren  öfters 
an  den  Pfeilern  der  Ladentüren  solche  Aus- 
hängeschilder und  Ladenzeichen  aus  Ton  ein- 
gelassen oder  aufgemalt,  z.  B.  eine  Ziege  für 


einen  Milchhändler,  ein  Maultier  mit  Mühle 
bei  einem  Bäcker,  Männer  mit  einer  Amphora 
bei  einem  Weinhändler,  s.  Overbeck  379.  Ein 
Tabernenschild  mit  Inschrift  ist  aber  in  Pom- 
peji nicht  gefunden  worden. 

4)  Nach  Jahn  a.  a.  0.  353. 

5)  Vitr.  VI  11  (8)  1:  hypogea  concamera- 
tionesque.  Isid.  XV  3,  12:  ht/pogeum  est  ean~ 
strnetum  stih  terris  aedificium,  doch  ist  damit 
eine  unterirdische  Anlage,  aber  kein  Keller 
gemeint. 

6)  So  in  der  Casa  del  Centenario,  die 
zwei  hat,  davon  der  eine  in  mehrere  Räume 
geteilt,  Mau  275:  in  der  Villa  des  Diomedes, 
wo  der  Keller  (mit  kleinen  Fenstern)  auch 
als  Weinkeller  diente;  man  fand  hier  die 
Skelette  einiger  hierher  geflüchteter  und  um- 
gekommener Hausbewohner,  s.  ebd.  38 1 .  Over- 
beck 22  Fig.  4;  375.  Andere  ebd.  269;  281; 
284:  333.  Becker-Göll  284. 

7)  Nach  Overbeck  273  Fig.  151. 


62 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


Fig.  23.    Grundriß  der  Casa  di  Modesto  in  Pompeji. 


Laden,  dessen  Tisch  die  oben  erwähnte  Feuerstelle  aufweist;  es  wurd< 
also  hier  vermutlich  warme  Speisen  oder  Getränke  verkauft.  —  Fig.  ' 
ist  das  sog.  Haus  des  Chirurgen  (so  benannt  nach  dort  gefundenen  chiru 
gischen  Instrumenten)1);    es   ist  dies  das  einzige   im  Grundriß   vollständ 

erhaltene  Haus  aus  d 
Zeit  der  Kalkstei 
atrien,  also  sicher  v 
200  v.  Chr.  erbaut. 
Links  liegen  die  eigen 
liehen  Wohnräume 
durch  die  fauces  1  b 
tritt  man  das  tuskar 
sehe  Atrium  5,  um  d 
herum  verschieden« 
Zimmer  liegen,  mit 
bezeichnet;  2  ist  e 
mit  dem  Atrium 
Verbindung  stehend 
Laden,  in  dem  also  der  Besitzer  seine  Waren  feilhielt.  Hinten  schließ« 
sich  an  das  Atrium  das  tablinum  7  und  die  alae  8  an;  9  und  10  sii 
wohl  Speisezimmer,  die  von  den  alae  aus  zugänglich  sind.  Aus  dem  tablinu 
gelangt  man  in  eine  Portikus  16,  an  die  sich  das  Gärtchen  20  anschlieü 
Links  liegt  hier  ein  kleines  Schlafzimmer  21,  rechts  das  nach  dem  Gart« 
zu  sich  öffnende  Zimmer  (Sommertriclinium?)  19,  bei  dem  die  Treppe  ] 
zu  einem  über  dem  hintern  Teil  des  Hauses  befindlichen  Oberstock  fühl 
Weiterhin  folgt  ein  kleines  Zimmer  17,  dann  die  Küche  13  (mit  dem  A 
tritt  a);  daneben  führt  ein  schmaler  Gang  zu  einem  zweiten  Abtritt  ] 
und  zur  Hintertür  14.  Der  Küche  gegenüber  der  Raum  11  ist  vielleid 
eine  Vorratskammer;  der  schmale  Gang  12  führt  teils  zu  den  alae  zurü( 
(wohl  zum  Verkehr  für  die  Dienerschaft),  teils  zu  dem  fensterlosen  Raum  ' 
und  dem  unbedeckten  Platze  22,  in  den  das  Regenwasser  von  den  Däche: 
abfloß,  das  dann  auf  geneigtem  Boden  durch  eine  Rinne  nach  der  Strai 
abgeführt  wurde.  Ganz  außer  Zusammenhang  mit  dieser  Wohnung  ste' 
der  Laden  3  mit  dem  Hinterzimmer  4;  eine  Treppe  führte  zu  Zimme] 
im  Oberstock.  Mehrere  Räume  des  Hauses  entstammen  einem  Umbau  di 
ursprünglichen  Anlage;  das  Speisezimmer  10  war  ursprünglich,  wie 
quadratisch  und  ist  erst  später  verlängert  worden;  die  Portikus  16  öffne 
sich  früher  in  der  ganzen  Breite  des  Atriums  auf  den  Garten,  der  ebei 
falls  noch  größer  war,  und  ihr  Dach  wurde  von  vier  Pfeilern  getrage 
von  denen,  als  man  hier  die  Treppe  18  und  die  Zimmer  19  und  21  ai 
legte,  nur  noch  einer  stehen  blieb.  Ein  Peristyl  fehlt  noch.  —  Fig.  £ 
ist  das  sog.  Haus  des  Fauns  (so  benannt  nach  einer  dort  gefundene 
Bronzestatuette)2).  Es  ist  ein  vornehmes  Haus  aus  der  Tuffperiode,  i: 
2.  Jahrh.  v.  Chr.  erbaut  und  fast  ganz  so  erhalten.     Es    ist   an   allen  vi< 


')  Nach  Overbeck  279  Fig.  155;  vgl. Mau 
290  Fig.  149. 


Fig.  155. 


Nach  Overbeck347  Fig.  177.  Maü3( 


Erster  Abschnitt.    Das   städtische  Wohnhaus. 


68 


dt 


Seiten  von  Straßen  umgeben  und  hat  nach  der  einen  Strafte  zu  Läden  1 — 4, 
von  denen  1  und  2  mit  dem  Innern  des  Hauses  in  Verbindung  stehen,  8 
und  4  abgetrennt  sind  und  Zimmer  im  Oberstock  hatten,  zu  denen  Treppen 
hinaufführen;  zum  Laden  1  gehört  noch  ein  kleines,  auch  auf  das  Atrium 
mündendes  Nebenzimmer  5.    Das  Haus  vV  v  ,-.. 

seihst  hat  zwei  Atrien.  Zu  dem  einen, 
einem  Atrium  tetrastylum  7,  führt  das 
ogtium  6  mit  den  fauces;  seitlich  von 
diesen  liegt  eine  Kammer  8,  mit  Treppe 
zum  Oberstock;  der  Raum  9,  vom  Atrium 
aus  zugänglich,  ist  vielleicht  die  Cella 
des  Ostiarius.  Um  das  Atrium  herum 
liegen  verschiedene  Räume:  10  wohl  ein 
Schlafzimmer  (auch  vom  andern  Atrium 
ans  zugänglich),  11  eine  seitliche  ala, 
die  als  Durchgang  zum  andern  Atrium 
diente,  ihr  gegenüber  die  zweite  ala  14, 
rechts  davon  die  Schlafzimmer  13,  vom 
Atrium  aus  betretbar,  und  12,  nur  von 
13  aus  zugänglich  und  durch  ein  Fenster 
von  der  Strafte  her  beleuchtet;  links 
das  /immer  15.  An  der  Rückseite  des 
Atriums  führt  der  Gang  16  in  das  Peri- 
styl;  17  ist  ein  zu  den  Wirtschafts- 
rä  innen  führender  Durchgang  mit  zwei  Treppen  zum  Oberstock  und  daneben 
die  Sklavencella  18  mit  Fenster  nach  der  Strafte.  Ein  langer  Gang  19,  durch 
Fenster  vom  Peristyl  her  erleuchtet,  führt  nach  dem  Gartenzimmer  43; 
rechts  liegen  an  diesem  Gange  die  Kammer  20,  der  Abtritt  21,  die  beiden 
Badezimmer  22  und  23  mit  Fußbodenheizung  von  der  Küche  24  her,  end- 
lich das  Triclinium  25,  mit  weiter  Öffnung  auf  den  Garten  hin  und  einer 
Tür  zu  der  daneben  gelegenen  Exedra  43.  An  der  Mauer  der  Küche  führt 
wieder  eine  Treppe  ins  Obergeschoß.  —  In  das  zweite  Atrium  27,  ein 
tuskanisches,  führt  von  der  Straße  her  der  Eingang  20,  mit  vestibulum  <> 
und  out  ium  d.  Im  Atrium  liegt  rechts  ein  Schlafzimmer  28,  links  außer 
dem  erwähnten  Zimmer  5  die  Schlafzimmer  31  und  32,  hinten  die  alae  29 
und  30,  letztere  mit  weiter  Öffnung  nach  dem  ersten  Atrium  hin.  Das 
tablinum  33  ist  vorn  ganz  offen,  hinten  durch  eine  niedrige  Brüstung  gegen 
das  Peristyl  gesperrt.  Daneben  das  Zimmer  34  ist  vom  Atrium  aus  zu- 
gänglich, vom  Peristyl  durch  eine  Brüstungsmauer  getrennt,  und  war  viel- 
leicht ein  Sommertriclinium;  auch  der  entsprechende  Raum  35  auf  der 
andern  Seite  war  wohl  ein  Speisezimmer,  diente  aber  zugleich  als  Zugang 
vom  Atrium  zum  Peristyl  36.  Dieses  wird  von  24  ionischen  Säulen  ge- 
tragen; in  der  Mitte  liegt  ein  Marmorbassin.  Vom  ersten  Atrium  führen 
die  fauces  16  ins  Peristyl;  daneben  liegt  ein  Schlafzimmer,  das  vom  Peristyl 
aus  zugänglich  ist.  Rechts  und  links  begrenzen  Mauern  das  letztere; 
hinten  liegt  die  Exedra  37,  die  gegen  das  Peristyl  zu  offen  ist,  mit 
twei  Säulen    als  Trägern   der  Decke,   vom  Garten   durch    eine  Brüstungs- 


Fig.  24.    Grundriß  des  Hauses  des  OMtfBgWH 
in  Pompeji. 


64 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


mauer  geschieden;  hier  wurde  das  berühmte  Mosaik  der  Alexanderschlac 
gefunden.  Den  Zugang  zum  zweiten  Peristyl  39  vermittelt  der  Gang  l 
Die  Gartenanlage  umgeben  44  dorische  Säulen;  bei  40  und  41  befind 
sich  Zisternenöffnungen.    Auf  das  zweite  Peristyl  öffnet  sich  der  oecus  4 


W$tWmmmM$&M 


Fig.  25.    Grundriß  des  Hauses  des  Fauns  in  Pompeji. 

ein  kleineres  Gemach  43,  schon  oben  als  Gartenzimmer  erwähnt,  liegt  neb 
den  fances  38,  ein  andrer  Saal  44  neben  der  Exedra.  Kleinere  Zimm 
45,  46  liegen  an  der  Rückwand  dieses  Peristyls  und  waren  wohl  für  ( 
Dienerschaft  bestimmt;  47  ist  die  postica;  48  a  und  b  sind  wie  die  d 
zwischen  belegene  Nische  49  über  dem  Boden  erhöht  und  waren  nur  dur 
Holztreppen  zugänglich;  48  a  war  eine  Vorratskammer. 

Die  Sorge  für  das  Haus  und  die  einzelnen  Räumlichkeiten1),  für  ( 
Sauberkeit  und  Ordnung  war  verschiedenen  Sklaven  anvertraut,  der 
Zahl  mit  der  Größe  des  Hauses  wuchs  und  zumal  in  den  Kaiserpaläst 
sehr  beträchtlich  war.  Der  wichtigste  Posten  war  der  des  atriensis 
Ursprünglich  wohl  nur  der  Sklave,  der  im  Atrium  die  Herrschaft  bedien 
war  daraus  mit  der  Zeit  eine  Art  Haushofmeister  geworden,  der  die  Ai 
sieht  über  das  ganze  Haus,  Inventar  und  Sklavenschar  hatte,  aber  au 
die  Wirtschaft  führte,  Gelder  einnahm  und  verrechnete  und  die  Vom 
unter  sich  hatte3).  Indessen  diese  Stellung  änderte  sich  später,  ind( 
das  Rechnungswesen  an  den  dispensator  oder  procurator  überging  (s.  Absei 
VII);  der  atriensis  hatte  nun  bloß  für  Haus  und  Hausrat  zu  sorgen 
und  es  waren  ihm  zu  diesem  Zweck  Sklaven  unterstellt,  die  das  Feg( 
Putzen  etc.   besorgten5)   und   die   entweder   selbst   atrienses   hießen6)    od 


')  Es  gab  auch  besondere  Posten  supra 
aedificia,  CIL  VI  9132. 

»)  Vgl.  Mokel  bei  D.-S.  I  530.  Habel  bei 
P.-W.  II  2145. 

3)  In  dieser  Stellung  erscheint  er  be- 
sonders oft  bei  Plautus,  so  Asin.  264:  347  ff.; 
367 ff.;  432 ff.;  Pseud.  608;  Poen.  1283.  Cic. 
parad.  5,  37  f.  Petron.  29,  9;  53,  10;  72,  8.  Es 
ist  ein  Zeichen  eines  ärmlichen  Haushalts, 
wenn  der  Atriensis  zugleich  Koch  ist,  Cic. 
in  Pis.27,  67.  Vgl.  Varr.  1. 1.  VIII  61:  si  ab 
aede  et  tuendo  aeditumus  est,  cur  non  ab 
atrio  et  tuendo  potius  atrüumus  quam  atri- 


ensis?  Corp.  Gl.  III  305,  9  übersetzt  den  tri 
ensis  mit  olxocpvXat;. 

4)  Solche  sind  wohl  die  meisten  atrien 
der  Inschr.,  so  unter  den  Sklaven  und  Libt 
der  Livia  und  des  Augustus  CIL  VI  39' 
5187;  8738  ff.  Es  kommt  auch  vor,  daß  d 
atriensis  noch  andere  Aemter  übertraf 
werden,  z.  B.  des  Kochs,  XIV  2875,  odei 
supellectile,  X  6638. 

5)  Cic.  parad.  5,  37:  qui  tergunt,  qui  I 
qunt,  qui  verrunt,  qui  sparyunt. 

B)  Plin.ep.11119,3.  Colum.XlI3.9.  Phae 
II  5,  11.    In  diesem  Sinne  sind  atrienses  : 


::: 


Erster  Abschnitt.    Das  städtische  Wohnhaus. 


65 


atriarii1)  oder  auch  nach  ihrer  besonderen  Tätigkeit  benannt  waren,  wie  die 
seoparii*),  die  focarii 3)  u.  dgl.  Noch  später  scheint  der  atrUntit  direkt  mit 
dem  Türhüter  identisch  gewesen  zusein4).  Späte  Bezeichnungen  sind  auch 
für  die  das  Haus  beaufsichtigenden  Sklaven  diaetariusb)  und  dkutarcha*). 
Andere  Ämter,  wie  die  des  servus  ab  hospüiis1),  der  die  fremden  G 
bediente,  asacrario8),  der  das  Hausheiligtum  in  Ordnung  hielt,  ad  magu 
der  die  Ahnenbilder  besorgte,  kennen  wir  nur  aus  Inschriften;  neben  zahl- 
reichen tabularii  und  ihren  adiutores10)  finden  wir  den  custos  tabularii  als 
Oberbeamten  für  das  Archiv11),  die  Sklaven  a  bibliotheca12),  a  /nnacotheca1*) 
u.  dgl.  mehr.  Den  circitores  war  die  Bewachung  des  Hauses  anvertraut14). 
I  )ie  ianitores  oder  ostiarii  und  cubicularii  haben  wir  bereits  oben  (S.  29  u.  44) 
genannt,  von  den  für  den  Hausrat  angestellten  Dienern  wird  später  zu 
sprechen  sein  (s.  Abschn.  IV). 

Schließlich  noch  einige  Bemerkungen  über  diejenigen  Gewerbe,  die 
vornehmlich  bei  Erbauung  eines  Hauses  in  Tätigkeit  traten.  Die  für  den 
Bau  erforderlichen  Ziegel  lieferten  die  fiyünae,  da  mit  diesem  Namen 
(ebenso  wie  mit  figulus)  ebensowohl  die  Herstellung  von  Ziegeln,  wie  von 
Tongeschirr  und  überhaupt  jeglichem  Fabrikat  aus  Ton  bezeichnet  wird10); 
eine  Fabrik,  die  sich  lediglich  mit  Ziegelstreichen  (lateres  ducere)  beschäf- 
tigt, heißt  lateraria16).  Die  Ziegeleien  lagen  meist  auf  dem  Lande,  da  die 
Gutsbesitzer,  wenn  sich  auf  ihrem  Gebiet  gute  Tonerde  fand,  solche  an- 
legten; in  der  Kaiserzeit  waren  zahlreiche  Ziegeleien,  die  ihre  Produkte 
weithin  exportierten,  im  Besitze  der  Kaiser  oder  von  Mitgliedern  der  kaiser- 
lichen Familie17).  In  den  Provinzen  wurden  die  Legionssoldaten  mit  der 
Herstellung  von  Ziegeln,  zunächst  für  militärische  Zwecke,  dann  aber 
auch  für  anderweitige  Verwendung,  beschäftigt;  die  Stempel,  die  man 
den  Ziegeln  einzupressen  pflegte,  geben  über  ihren  Ursprung  Zeugnis18).  — 
Die  zum  Bau  erforderlichen  Steine  wurden  im  Steinbruch,  lapicidina19)  oder 


Inschriften  sehr  häufig,  s.  Habel  a.a.O.  Rug- 

auxto   Dizion.  epigraf.  1  762    und   unten   im 

VII.  Abschn. 

')  Digg.IV9,  1,5;  VII  1,  15,1;  XXXIII 
l.     Inschriftl.  in    den  Fast.  Ant.  CIL  X 

6638  B2.  7;  C  2,  6;  15;  27. 

2)  Digg.  XXXIII  7,  8,  1. 

3)  Ebd.IV9,  1,5.  Corp.  Gl.  II  557,  41  als 
l-vloxonos  erklärt;  vgl.  580,  33. 

4)  In  den  Glossen  wird  er  öfters  durch 
icmitor  oder  ostiarius  erklärt,  Corp.  Gl.  IV 208, 
10:  V  342,  15;  441,  54;  492,8. 

5)  Digg.  XXXIII  7,  12,  42.  Corp.  Gl.  II  22, 
28;  entstellt  auch  zetarius,  Paul.sent.III6, 58. 
Corp.  Gl.  V  519.  26. 

6)  CIL  VI  5187;  5196;  8643ff.  8818.ff. 
Corp.Gl.lI 22.29.  Vgl. FiEBiGEabeiP.-W.V 308. 

')  Cl  L  VI  7290 ;  9474.  Ein  ähnliches  Amt 
war  wohl    das   a  cura  amiconim  VI  8795  ff. 
Ebd. 4027. 
9)  Ebd.  3972. 

lü)  Auf  Inschr.  sehr  häufig,  s.  Makquardt 
150  A.  5  und  vgl.  CIL  VI  9055  ff. ;  9921  ff.; 
VIII  600  ff.;  12882  ff.  u.  s. 


")  Ebd. VI  12597. 

15)  Ebd. 8743  f.;  X  6638  C  1, 12;  2,  22  u. 
29"  3  2. 

«»)  Ebd.  VI  10234;  a  tabulis  3970;  a  sta- 
tu*« 4032. 

>«)  Petron.  53,  10.  Priap.  17,  1.  CIL  VI 
8749;  9527;  X  711. 

16)  Blümner  Technologie  II  6  f. 

16)  Plin.VIl  194;  der  Arbeiter  laterarius, 
Non.445,  20.  Corp.  Gl.  II  410,  14;  111201,25; 
367,  29.  Für  den  Dachziegelarbeiter  kommt 
teffularius  vor,  CIL  X  3729;  6637,  I  2;  6638 
C3,  21.  Corp.  Gl.  II  347,  57;  595,  6;  III  308, 
21  u.  ö  :  figlinae  teglaria*  in  der  Lex  met. 
Vipasc.  CIL  II  5181,2;  24;  38. 

,7)  Siehe  hierüber  Marqüardt  665  ff. 

18)  Ueber  das  Technische  der  Ziegelfabri- 
kation s.  Blümner  a.  a.  O.  8  ff.  Jamot  bei 
D.S.  II  1150  f.,  über  Legionsziegel  Birch  lli-t. 
of  anc.  pottery  II  404  ff. 

19)  Plaut.  Capt.  944.  Cic.de  div.  I  i 
Plin.  III  30:  VII  195.    Corp.  Gl.  VI  624.    Der 
lapicida  aber  ist  kein  Steinbrecher,  sondern 
der  Arbeiter,  der  die  Inschriften  einmeißelt. 


Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft.    IV.    2,  8.    3.  Aufl. 


66 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


lapidicina1),  auch  mit  dem  griechischen  Ausdruck  lautumia  genannt2),  voi 
Arbeitern,  die  meist  Verbrecher,  Kriegsgefangene,  verurteilte  Sklaven  usw 
waren3),  gebrochen4).  Die  weitere  Verarbeitung  des  Steins,  der,  wenn  e 
gewöhnlicher  Haustein  war,  schlechtweg  lapis  im  Gegensatz  zum  marmo 
hieß5),  besorgten  entweder  die  lapidarii6),  auch  speziell  lapidarii  quadratan 
genannt,  insofern  die  Steine  rechtwinklig  behauen  wurden7),  oder  die  mar 
morarii8).  Mit  dem  Zersägen  großer  Steinblöcke  waren  die  sectores  serram 
beschäftigt9).  Die  beim  Hausbau  beschäftigten  Arbeiter  heißen  architect 
mit  welchem  griechischen  Lehnwort  ebensowohl  die  gewöhnlichen  Hand 
werker,  Freigelassene,  Sklaven,  wie  die  Bauleiter  bezeichnet  wurden10^ 
Genauer  heißen  die  fabri,  die  Mauern  und  Häuser  bauen11),  structores  pa 
rietarii12)  oder  schlechtweg  structores 13)  oder  instructores  parietum14).  Fü 
den  in  den  Kalköfen,  den  fomaces  calcarli  oder  den  officinae  calcariae16 
bereiteten  Kalk  sorgten  die  calcarii  oder  calcariarii16). 

Was  endlich  die  für  den  Hausbau  nötige  Holzarbeit  betrifft,  so  lieferte 
die  negotiatores  lignarii11)  oder  materiarii18)  das  erforderliche  Material;  vei 
arbeitet    wurde   es   von   den   Zimmerleuten,    den   fabri   tignarii19),   seltne 


Varr.  1.  l.VIII  62.  Sid.  Ap.  ep.  III  12,  5;  vgl. 
Marquardt  624  A.  4.  (Die  Inschr.  Or.  3246  = 
CIL  XIV  31*  ist  falsch.) 

')  So  meist  bei  Vitruv,  s.  II  7, 1 ;  VIII 3,  9 ; 
X  6,  11.  Fest.  118,  13;  es  ist  ebenso  wie 
lapicidina  Kontraktion  aus  lapidicidina.  Der 
Arbeiter  lapidicina rias,  Corp.  Gl.  VI  624,  das 
aber  ebenso  als  Xax6g,og  wie  als  foftot;dos  er- 
klärt wird. 

2)  Plaut.  Poen.  817.  Varr.  1.1.  V  151:   la- 
tomia  lapidar -iae.  Plaut.  Capt.  723.    Doch  hat   i 
es  fast  immer  den  Nebensinn  des  Steinbruchs 
als  Gefängnis,  vgl.  Corp.  Gl.VI  631. 

3)  Auch  lapidarius  kann,  wie  allgemein 
einen  Steinarbeiter,  speziell  einen  Steinbrecher 
bedeuten,  Corp.  Gl. II 121, 10.  BeiPlin.XXXVI 
125  heißen  die  Arbeiter  exemtores. 

4)  Ueber  das  Technische  der  Arbeit  s. 
Blümner  a.  a.  0.  III  69  ff. 

5)  Vitr.  118,  3;  ebd.  16;  IV  4,  4.  Plin. 
XXXVI  45. 

6)  Digg.  XIII  6,  5,  7;  L  6,  7  (6);  häufig 
auf  Inschr.,  s.  Marquardt  623  A.  5.  Doch 
bedeutet  es  auch  einen  Steinmetzen,  wie 
Petron.  65,  5.  Corp.  Gl.  III  201,  8;  271,  14. 
Vgl.  A.  Jacob  bei  D.-S.  III  926.  Ein  nego- 
tiator  artis  lapidariae  CIL  XIII 8352.  Dessau 
7538 

')  Cod.Theod.XIII4, 2. Sid.  Ap.ep. III 12, 5; 
auch  auf  Inschr.,  s.  CIL  VI  9502;  33902.  Im 
Spätlat.  sind  quadratarii  sogar  Bildhauer,  die 
in  Steinbrüchen  tätig  sind,  s.  Blümner  a.  a.  0. 6 
A.  5;  ebd.  80  f. 

'  8)  Vitr.  VII  6.  Sen.  ep.  88,  10;  90,  15: 
ebenfalls  auf  Inschr.  häufig,  s.  Marquardt  623 
A.  7,  doch  gleichwie  lapidarius  ebenso  von 
größerer  wie  von  feinerer  Marmorarbeit  ge- 
braucht, und  häufiger  von  letzterer  (  —  hüo- 
ylvcpoQ,  Corp.  Gl.VI  681). 

9)  CIL  I  1108;  II  1131  ff.;  besonders  war 


ihre  Aufgabe  die  Herstellung  der  Marmo 
platten  zur  Wandtäfelung,  s.  Abschn.  III. 

10)  Vgl.  Caillemer  bei  D.-S.  1374  ff.  Blü 
ner  a.  a.  O.  88  f.  Marquardt  613;  auf  Insch 
sehr  häufig,  vgl.  Marquardt  157  A.  1.  Blümni 
89  A.  1.  Dessau  7728  ff. 

n)  Ueber  die  allgemeine  Bedeutung  v< 
faber  s.  Blümner  II  66.  Kornemann  bei  P.-T' 
VI  1888  ff. 

12)  Cic.adAtt.XIV3,l;  adQu.fr.  115. 

13)  Structores  sind  häufig  auf  Inschr.,  v 
sie  freilich  auch  den  Tafelanrichter  bedeut« 
können,  daher  oft  mit  Zusatz:  lapidar* 
structor,  Ed.  Diocl.  7,  2.  CIL  XIII  1034;  od 
structor  pari etar ins,  VI  6354;  9910;  oder  ni 
Abbildung  der  Maurerwerkzeuge,  wie  CIL  X 
4511;  XV  2656;  s.  Marquardt  633,  1.  Blü: 
ner  89  A.  3. 

14)  Cassiod.  var.  VII  5.  Späth  ist  macht 
Isid.  XIX  8,  2.  Corp.  Gl.V  168,  4:  220,  6. 

15)  Cat.  r.  r.  38,  1.  Vitr. VII  2,  1.  Plin.  XV 
53.  Digg.  XLVIII 19,  8, 10.  Not.  d.  scavi  189 
15.  Dessau  7663 ;  vgl.  Blümner  a.  a.  O.  III 10 

16)  Cat.  r.  r.  16.  CIL  X  3347 ;  3947  negotia, 
calcariarius;ebd.Y19S84:exonerator  calcark, 
von  Marquardt  626  A .  8  als  Kalkablader  < 
klärt;  calcarienses,  ebd.  9223  ff.  Cod.Th.  X 
1,  37 ;  calcis  coctor,  Ed.  Diocl.  7,  4. 

17)  Capitol.  Pertin.  1, 1  negotiatio  lignari 
inter  lignarios,  Liv.  XXXV  41,  10;  inschrif 
CIL  IV  951;  960.  Daß  lignarius  nicht  d 
faber,  sondern  der  negotians  ist,  zeigen  d 
Glossen,  die  es  durch  ^vlo^iöXt]?  erkläre 
Corp.  Gl.  II  378,  30 ;  III  309,  1 ;  520,  54. 

18)  CIL  XI  1620;  auch  bloß  materiarii 
Plaut,  m.  gl.  920.    CIL  VI  9561;  X  3965; 
6212.  Vgl.  Jacob  bei  D.-S.  III  1633. 

19)  Cic.  rep.  II  22,  59:  Brut.  73. 257.  Dig 
L 16,  235,1.  Corp.  Gl.  II 452, 48;  oft  auf  Insch 
vgl.  CIL  VI  9405  ff;  XIII  1606;  1640;    173 


Zweiter  Abschnitt.    Villen  und  Gärten.  67 

hnarii,  die  mehr  die  Vorarbeit  besorgen1),  und  für  den  inneren  Ausbau 
011  den  fabri  intestinarii2)  oder  subaedani*).  Über  andere  mit  der  Innen- 
trbeit  des  Hauses  beschäftigte  Gewerbe  siehe  Abschn.  III. 


Zweiter  Abschnitt. 

Villen  und  Gärten. 


Litteratur. 

Smi.uTZ  Archäologie  der  Baukunst  III  249  ff. 

Hirt  Geschichte  der  Baukunst  III  289  ff. 

Krause  Deinokrates  S.  551  ff. 

Witzschel  Artikel  Villa  in  Paulys  Real-Enzyklopädie  VI  2599  ff. 

Becker-Göll  Gallus  III  46  ff. 

Friedländer  Darstellungen  aus  der  Sittengeschichte  Roms  II  93  ff. 

I  > i  rh  Die  Baukunst  der  Etrusker  und  Römer,  Darmstadt  1885,  S.  285  ff. 


Pauly  Artikel  Hortus  bei  Pauly  III  1505  ff. 

Lafaye  Artikel  Hortus  bei  Daremberg-Saglio  III  276  ff. 


Makqüez  Delle  ville  di  Plinio  il  giovane.    Roma  1796. 

Winnefeld  Tusci  und  Laurentinum  des  jüngeren  Plinius.   Archaeol.  Jahrb.  VI  (1891)  201  ff. 

Schmidt  Ciceros  Villen.    Neue  Jahrb.  f.  d.  klass.  Altertum  V  (1892),  1  328  ff.;  466  ff. 

Die  ländlichen  Wohnsitze  der  Römer  trugen  in  den  früheren  Jahr- 
hunderten der  Republik  durchaus  praktisch-landwirtschaftlichen  Charakter. 
Es  waren  Landgüter,  bei  denen  der  darauf  betriebene  Ackerbau  nebst 
Viehzucht  und  sonstigem  ökonomischem  Betrieb  die  Hauptsache,  das  dazu 
gehörige  Wohnhaus  Nebensache  und  daher  einfach  und  schlicht  war.  Frei- 
lich fehlen  uns  aus  den  ersten  Jahrhunderten  Nachrichten  hierüber  gänz- 
lich; aber  was  wir  von  der  ältesten  Villa,  von  der  wir  Kunde  haben,  näm- 
lich von  der  des  älteren  Scipio  Africanus  erfahren,  läßt  darauf  schließen, 
daß  es  vorher  im  allgemeinen  nicht  anders,  eher  noch  primitiver  gewesen 
sein  wird.  Diese  Villa4)  war  zwar  massiv  aus  Quadern  aufgeführt,  weil 
sie  überhaupt  festungsartig  angelegt  war,  mit  Mauern  und  Türmen;  denn 


1939;  1966  u.  s.,  auch  bloß  tignarius,  Corp.    !   naritts  xoQvevtfc.    Sie  arbeiten  das  opus  In 


Gl.  VII 350.  Besonders  ist  die  Dachkonstruktion 
ihre  Aufgabe,  ebd.  V  581,  30:  qici  tecta  tignis 
tegit;   III  371,8:    tector   tignarius   aisyaozijg 

Tfy.TOV. 

J)  Isid.  XIX  19,  1  erklärt  es  durch  ligni 


testinum,  Türen.  Treppen,  Balustraden  usw., 
vgl.  Plaut.  Pseud.  343.  Varr.  r.  r.  III  1.  10. 
Plin.  XVI 225.  Vitr.  II  9.  7  u.  27;  IV  4.  1 ;  V  2. 2. 
Vgl.  Blümner  a  a.  O.  III  321.  Thedenat  bei 
D.-S.  III  567. 


opifex.      In   den    Glossen    ist   der   tignarius  3)  OeftersaufInschr.(vgl.VI7814;9558f.; 

öoxojzotög,  doxoTExrov,  tignorum  opifex,  aedi-  33875),  aber  nicht  sicher  erklärt,  s.  Marqüardt 

fiartnr  domus,  C.  Gl.  VII  350.    Ueber  die  auf  721  A.  2.  Marucchi  Bull,  comun.  V  257. 

Inschr.  besonders  häufigen  dendrophori,    die  4)  Senec.  ep.  86.  4:    vidi   illam    {viUam) 

Kollegien   von    zugleich    sakraler  Bedeutung  j    structam    lapide    quadrato,    mumm   circum- 

bildeten,  vgl.  Boissieü  Inscr.  de  Lyon  412  ff.  datum  ailtxte,  turres  quoque  in  propugtwcuhtm 

Marqüardt  719  f.  rill«,'  utrimtpu  totbrecta$,  dsttmom  aedificiis 

2)  CIL  VI  8173;  9401;  X  1922;  3957.  Cod.  I    et  viridtbtu  subditam,  qnae  sußcerr    tnusmt 

Theod.  XIII 4,  2.  Corp.  Gl.  III  307,  49:  intesti-  \    vel  exercitus  posset. 

5* 


68 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


Scipio  hatte  Ursache,  sich  in  seiner  ländlichen  Einsamkeit  gegen  Über- 
fälle politischer  Gegner  sicher  zu  stellen;  sonst  aber  war  sie  offenbar  ganz 
bescheiden  eingerichtet,  wenn  man  aus  dem,  was  über  das  darin  befind- 
liche Bad  berichtet  wird  (s.  oben  S.  52  A.  3),  einen  Rückschluß  auf  die 
übrigen  Baulichkeiten  machen  darf.  Befestigt  scheinen  auch  die  Villen 
des  Marius,  des  Pompeius,  des  Cäsar,  die  auf  den  Höhen  bei  Baiae  lagen, 
gewesen  zu  sein1).  Allerdings  trug  zu  der  Auswahl  eines  hochgelegenen 
Platzes  bei  Villen,  die  dem  Vergnügen  dienen  sollten,  auch  die  Vorliebe 
für  weite  Aussichten  mit  bei 2) ;  doch  galt  auch  noch  gegen  Ende  der  Re- 
publik eine  hohe  Lage,  die  Räubern  keine  Schlupfwinkel  bot,  für  sicherer3). 
Schlicht  und  einfach  waren,  nach  seiner  eigenen  Aussage4),  auch  die  Land- 
häuser des  alten  Cato,  die  Wände  sogar  nicht  einmal  verputzt;  in  seinem 
Buche  über  den  Landbau  ist  keine  Rede  von  irgendwelchem  besseren 
Schmuck  der  Villa5).  Derartige  Beispiele  von  bescheidener  Ausstattung 
der  Landhäuser  liegen  noch  mehrfach  vor6).  Daß  aber  schon  im  2.  Jahrh. 
v.  Chr.  neben  der  altvaterischen  Einfachheit  auch  prunkvollere  Ausstattung 
vorkam,  zeigt  die  Entrüstung,  mit  der  Cato  von  solchen  Neuerungen 
spricht7).  Ganz  allgemein  aber  wurde  die  Pracht  und  Verschwendung 
bei  den  Landsitzen  im  letzten  Jahrhundert  der  Republik.  Das  erfahren 
wir  z.  B.  von  der  Villa  des  Marius8);  Cicero,  obwohl  selbst  Besitzer  zahl- 
reicher Villen  an  verschiedenen  Punkten  Italiens9),  klagt,  daß  die  Kunst- 
schätze von  Griechenland  ^und  Kleinasien  in  wenigen  Villen  verschlossen 
seien10);  Sallust  bemerkt,  die  Landgüter  hätten  bereits  das  Aussehen  und 


l)  Ebd.  51,  11:  Uli  quoque,  ad  quos  pritnos 
fortuna  populi  Rotnani  publicas  opes  trans- 
tit/it,  ('.  Marias  et  Cn.  Pompeius  et  Caesar  ex- 
stra.rerant  quidem  villas  in  regione  Baiana,  sed 
illas  inposuerunt  summis  iugis  montium.  vide- 
halar  hoc  magis  militare,  ex  edito  speculari 
late  longeque  sabicrta.  adspice,  quam  positio- 
nem  elegerint,  quibus  aedificia  excitaverint 
hx-is  et  qualia :  scies  non  villas  esse,  sed  castra. 

l)  Ebd.  89,  21:  omnibus  licet  locis  tecta 
vestra  resplendeant,  aliubi  inposita  montibus 
in  postum  terrarnm  marisque  prospectum, 
aliubi  ex  piano  in  altitudinem  montium  educta. 
Vgl.  die  Schilderung  der  Ansicht  bei  Plin.  ep. 
V  6,  13  ff. 

*)  Varr.  r.  r.  I  12,4:  nimbi  repentini  ac 
torrentis  fktvii  perieulosi  Ulis,  qui in  humilibus 
ac  can'.s  loois  aedificia  habent,  et  repentinae 
praedomm  manus  quod  improvitos  facilius 
Opprimert  potswti,  ab  hac  utraque  superiora 
loca  tutiora. 

•i  Hell.  XIII  24  (23),  1:  M.  Cato,  conm- 
laris  et  centorku,  pubUcis  iam  privatisque 
opulentis  rebus  ,  rillas  saus  iiw.rcidtas  et 
rades ,  n,-  teCtOTtO  qyideto  /irae/ita.s  faisse 
dirit   u, I    atnium     MCglM    OetOtiS    8U06    $eptttfr 

um.  I'lut.  Cat  mai.  4:  t<öv  ijiavfo<»v  av- 
ini  ftrjdefikw  tirai  HtHanoftivrjv  [<pijol).  Wenn 
Cato  r.  r.  1*>  das  eubliner»  für  die  Mauer«  der 
Villa  als  notwendig  bezeichnet,  so  handelt 
es  Bich  dabei,  wie  Nissen  55  bemerkt,  nicht 
um  Auftragen  eines  (event.  zur  Bemalung  ge- 


eigneten) Stucks  oder  Verputzes,  sondern  um 
bloßes  Tünchen. 

5)  Cato  r.  r.  14  ff.  Bezeichnend  ist  die 
Vorschrift  3,  1:  ita  aedifices,  ne  villa  fundum 
quaerat  neve  fundus  villam;  sie  wird  zitiert 
Colum.  I  4,  8  und  Plin.  XIV  32. 

6)  Varr.  r.  r.  III  2,  3 :  sed  non  haec  villa, 
quam  aedificarunt  maiores  nostri,  frugalior 
ac  melior  est  quam  tua  illa  perpolita  in 
Reatino?  Vgl.  113,  6:  fruetuosior  est  certe 
fundus  propter  aedificia,  si  potius  ad  anti- 
corum  diligentiam  quam  ad  horum  luxuriam 
derigas  aedificationem.  Uli  enim  faciebani  ad 
fruetuum  rationem,  hi  faciunt  ad  libidincs 
indomitas.  Dann  das  Landgut  von  Ciceros 
Großvater,  das  Arpinum,  in  dem  Cicero  auf- 
wuchs, de  legg.  III,  3:  hanc  vides  villam, 
ut  nunc  quidem  est,  lautius  aedificatam  patris 
nostri  studio,  .  .  .  sed  hoc  ipso  in  loco,  cum 
avus  viveret  et  antiquo  more  parva  esset  villa, 
ut  illa  Curiana  in  Sabinis,  me  scito  esse  nattrni . 

7)  Bei  Festus  242  b,  20:  dicere  possum) 
quibus  villae  atque  aedes  aedificatae  atque 
expolitae  maximo  opere  citro  atque  eborc  at- 
que pavimentis  Poenicis  Stent. 

8)  Plut.  Mar.  34:  xai  yag  rjv  exeI  jisqI 
Miarjvovg  iw  MaQico  no/.vrekr]?  olxla  XQvepag 
iyovoa  xai  biaixag  &rjkvzEQag  rj  xaz  arbqa 
noliuwv  xoaovxwv  xai  axoaxeiä>v  avxovgyov. 

9)  Siehe  die  Aufzählung  von  Teuffel 
im  Pauly  VI  2207   und  bei  Schmidt  a.  a.  0. 

10)  Cic.Verr.V  48,  127. 


Zweiter  Abschnitt.    Villen  und  Gärten.  69 

den  Umfang  von  kleinen  Städten  bekommen1);  und  nach  Varro  suchten 
die  römischen  Vornehmen  es  in  Pracht  und  Umfang  ihrer  Landsitze  dem 
Metellus  und  Lucullus  gleichzutun2).  So  kam  es,  daß  mehr  und  mehr  die 
Landsitze  der  Reichen  und  Vornehmen  nur  prächtige  Sommeraufenthalte 
wurden,  nach  denen  die  Besitzer  sich  flüchteten,  um  dem  ungesunden 
Klima  Roms  zu  entgehen,  ohne  daß  sie  die  Pracht  und  Bequemlichkeit 
ihrer  städtischen  Wohnhäuser  zu  entbehren  brauchten,  daß  aber  die  land- 
wirtschaftlichen Zwecke  dabei  in  den  Hintergrund  traten,  ja  mit  den 
meisten  dieser  Prachtbauten  landwirtschaftlicher  Betrieb  überhaupt  gar 
nicht  verbunden  war3). 

Ein  Landgut  umfaßte  in  der  Regel  zwei  Hauptgebäude:  das  Herren- 
haus, die  sogenannte  villa  urbana*)  oder  pseudourbana^),  und  den  Ökonomie- 
hof  oder  die  Meierei,  villa  rustica6).  Freilich  gab  es  auch  Villen,  die 
des  Herrenhauses  entbehrten  und  wo  der  Besitzer  die  einfache  villa 
rustica  mit  seinen  Sklaven  teilte7).  Was  die  Lage  anbetrifft,  so  kam  es 
beim  Landgut  nicht,  wie  bei  der  Luxusvilla,  auf  schöne  Gegend  oder  weite 
Aussicht  an;  man  wählte  am  liebsten  natürlich  Gegenden,  die  sich  durch 
Fruchtbarkeit  und  gesunde  Luft  auszeichneten8);  man  sah  ferner  darauf, 
daß  es  bequeme  Zufahrten  gab,  reichliches  und  gutes  Wasser9);  wenn  ein 
schiffbarer  Fluß  in  der  Nähe  lag,  der  die  Zufuhr  und  Verfrachtung  von 
Waren  und  Produkten  erleichterte,    so  war  das  ein  besonderer  Vorzug10). 

Wir  versparen  uns  nun  die  Besprechung  der  villa  urbana,  des  Herren- 
hauses, auf  später,  da  hierüber  die  Quellen  andere  sind,  als  die  landwirt- 
schaftlichen Schriftsteller,  die  dafür  wenig  Interesse  ha^en,  und  wenden 
uns  der  Anlage  und  Einrichtung  der  villa  rustica  zu,  über  die  wir  durch 
Vitruv  und  die  römischen  Landwirte  unterrichtet  werden. 

Einen  genauen  oder  übersichtlichen  Plan,  wie  beim  städtischen  Wohn- 
haus, erhalten  wir  freilich  nicht,  und  es  gab  auch  wohl  gar  keinen  solchen, 
allgemein  gültigen;  nur  gewisse  Regeln  sind  es,  die  dabei  meist  befolgt 
wurden,  und  zwar  vornehmlich  folgende.    Zumeist  hatte  die  ganze  Anlage 


1)  Sali.  Catil.  12. 3 :  cum  domos  atque  villas 
cognoveris    in    urbium   modum  exaedificatas. 

2)  Varr.  r.  r.  1  13,  7. 

3)  Ebd.  III  2,  5 :  et  cum  villa  non  sit  sine 
fundo  magno,  et  eo  polito  cultura,  txa  ista 
neque  agrum  habet  ullum  nee  bovem  nee 
equam. 

4)  Es  ist  unrichtig,  wenn  fast  durchweg 
die  rilla  urbana  zu  der  villa  rustica  in 
(ieiiensatz  gestellt  wird ;  beide  gehören  viel- 
mehr zusammen  zum  fundus.  Vgl.  Cato  4,  1 : 
vittam  urbanam  pro  copia  aedificato:  in  bona 
praedio  si  bene  aedifieaveris,  bene  posiveris, 
ruri  si  rede  habitaveris,  libentius  et  saepius 
reiu'rs. 

b)  Vitr.VI8(5),3.  Ein  Unterschied  in  der 
Bedeutung  scheint  nicht  zu  existieren.  Da- 
gegen ist  eine  villa  suburbana  oder  ein  prae 


haus  mit  Speisesälen,  Schlafzimmern,  Bädern 
usw.;  eine  rustica  pars,  die  Oekonomiegebäude 
mit  Wohnungen  für  die  Sklaven.  Stallungen 
etc.;  und  die  fruetuaria  pars,  die  Speicher 
und  Scheunen  für  Feldfrüchte,  Oliven  etc. 
Varro  I  13,  6  von  der  Neuzeit  im  Gegensatz 
zu  früher:  illorum  villae  rusticae  erant  maioris 
preti  quam  urbanae,  quae  nunc  sunt  pleraque 
contra;  und  ebd.  7;  nunc  contra  villam  ur- 
banam quam  maximam  ac  politissimam  ha- 
beant,  dant  operam. 

7)  Varr.  III  2,  10:  cum  significasset  nutu 
nihilo  minus  esse  villam  eam,  quae  simpler 
esset  rustica,  quam  eam  in  qua  esset  utrum- 
que,  et  ea  et  urbana. 

•)  Cato  1.    Colum.  I  3.    Plin.  XVI  28  ff. 

9)  Cato  1,  3.  Colum.  1. 1.  3;  vgl.  Plin.  ep. 
VI  17,  2  f. 


iiiun  auburbanum  ein  in  der  Nähe  der  Stadt  10)  Varr.  I  12,  1.    Colum.  I  2,  3.    Im  all- 
gelegenen Landgut.  !    gemeinen    vgl.  über   die  Anlage  Varro  I  12. 

6)  Colum.  I  6,  1  teilt  ein  Landgut  in  drei  Colum.  I  4.    Pallad.  I  7  f. 
Teile:  die  urbana  pars,   ein  besseres  Wohn- 


70 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


zwei  Wirtschaftshöfe  (cohortes,  cortes1)).  Der  vordere  Hof  enthielt  die 
eigentliche  villa  rustica,  d.  h.  das  Wohnhaus  und  die  Wirtschaftsgebäude, 
während  der  hintere  oder  äußere  Hof  wohl  in  der  Regel  keine  eigentlichen 
Gebäude  enthielt,  sondern  die  Hürden  für  das  Vieh,  die  Geflügelhäuser  u.  dgl. 
mehr.  In  jedem  Hofe  befand  sich  daher  ein  größerer  Teich  (lacus,  piscina), 
der  im  vorderen  Teile  für  die  Wasservögel  und  zur  Tränke  für  das  Vieh, 
im  hinteren  zum  Einweichen  des  Flachses  u.dgl.  bestimmt  war2).  Was 
das  Wohngebäude  anlangt  (bei  dem  die  Schriftsteller  nur  das  für  die 
Dienerschaft  und  den  Wirtschaftsbetrieb  im  Auge  haben,  nicht  das  davon 
meist  ganz  getrennte  Herrenhaus),  so  pflegte  man,  da  auf  dem  Lande 
die  Platzfrage  nicht  die  wichtige  Rolle  spielte  wie  in  der  Stadt3),  nicht 
nur  weitläufiger  zu  bauen,  sondern  auch  häufiger,  als  beim  städtischen 
Wohnhaus  der  Fall  war,  den  Räumen  das  Licht  durchs  Fenster  zuzu- 
führen4). Ein  Atrium  hatte  die  villa  rustica  nicht;  es  war  aber  eine 
Reminiszenz  an  das  alte  Bauernhaus,  daß  der  Hauptraum  der  ganzen 
Anlage  die  Küche,  culina,  war,  die  groß  und  hoch  angelegt  wurde  und 
nicht  bloß  zum  Kochen,  sondern  der  Dienerschaft  auch  als  Speise-  und 
Erholungsraum  diente5).  Da  die  Haustür  vermutlich  für  gewöhnlich  nicht 
verschlossen  war,  brauchte  man  keinen  ostiarius,  dafür  hatte  der  vilicus, 
der  Verwalter  (der  aber  ebenfalls  ein  Sklave  war) 6),  dicht  bei  der  Haustür 
seine  Wohnung,  damit  er  beobachten  konnte,  wer  aus-  und  eingehe7).  Eben- 
dort,  aber  im  Obergeschoß  (denn  auch  ländlichen  Häusern  fehlte  ein  solches 


»)  Varr.I  13,  3.    Vitr.VI  9  (6),  1. 

*)  Varr.  a.  a.  0.:  cohortes  in  fundo  magno 
duae  aptiores,  una  ut  interdius  conpluvium 
habeat  lacum,  ubi  aqua  saliat  .  .  .  boves  enim 
ex  arvo  aestate  reducti  hie  bibunt,  hie  per- 
funduntur,  nee  minus  e  pabulo  cum  redierunt 
anseres,  sues,  porci.  in  cohorte  exteriore  lacum 
esse  oportet,  ubi  maceretur  lupinum,  item  alia 
quae  demissa  in  aquam  ad  usum  aptiora  fiunt. 
Pallad.  I  31:  Piscinae  duae  vel  solo  inpressae 
vel  caeso  lapide  circa  villam  esse  debebunt, 
quae  facile  est  aut  fönte  aut  imbre  subpleri, 
ut  una  ex  his  usui  sit  pecoribus  vel  avibus 
aquaticis,  alia  madefaciat  virgas  et  coria  et  lu- 
pinos  et  si  qua  rusticitas  consuevit  infundere. 

3)  Vitr.  a.  a.  0.  6:  omniaque  aedificia  ut 
luuiinosa  sint  oportet  curari,  sed  quae  sunt 
ad  villas,  faciliora  videntur  esse  ideo  quod 
partes  nullius  vicini  potest  obstare,  in  urbe 
autem  aut  communium  parietum  altitudines 
aut  angustiae  loci  inpediundo  faciunt  ob- 
scuritates. 

4)  Ebd.  7:  ad  summam  ita  est  guber- 
nandum,  ut  ex  quibuscumque  partibus  caelum 
prospici  poterit,  per  eas  fenestrarum  loca  re- 
linquantur,   sie  enim   lucida  erunt  aedificia. 

5)  Vitr.  a.  a.  0.  1 :  in  corte  culina  quam 
ealidis8imo  loco  designetur.  Varr.  a.  a.  O.  1 : 
famiUn  ubi  rersetur  providendum,  si  fessi 
opere  an/  frigore  aut  calore,  ubi  commodissime 
possini  se  quiete  reeiperare;  ib.  2:  in  primis 
culina  videnda  ut  sit  admota,  quod  ibi  hieme 
unteluc.anix  temporibus  aliquot  res  conficiuntur, 


eibus  paratur  ac  capitur.  Colum.  16,  3 :  et 
in  rustica  parte  magna  et  alta  culina  pon-etur, 
ut  et  contignatio  careat  incendii  periculo,  et 
in  ea  commode  familiäres  omni  tempore  anni 
morari  queant.  Daher  bei  Plaut.  Most.  1 : 
exi  e  culina  sis  foras,  mastigia,  wo  freilich 
es  sich  um  ein  städtisches  Wohnhaus  handelt. 

6)  Man  vgl.  die  Casina  des  Plautus.  Der 
vilicus  (denn  so  wird  das  Wort  immer  ge- 
schrieben) führte  die  Wirtschaft,  wofür  er 
dem  Herrn  oder  dem  procurator  Rechnung 
ablegte,  vgl.  Cat.  r.  r.  2,  5;  5,  4.  Colum.  XI  1  ff. 
Auf  Inschr.  kommt  er  öfters  vor.  vgl.  CIL  I 
1305;  II  1552;  1742;  1980;  VI  9983—90  u.  s. 
Ein  vilicus  hortorum  VI  623 ;  subvilicus  X  6638 
C  2,  9;  3,27;  subvilicus  hortorum  VI  1991. 
Manchmal  ist  der  vilicus  mit  dem  actor,  der 
ein  Gut  verwaltet  i  Plin.  ep.  III  19,  2),  identisch, 
vgl.  Makquardt  139  A.  3.  Die  vilica  hat  bei 
Colum.  XII  3,  9  die  Aufsicht  über  das  Haus- 
gerät und  die  mit  der  Reinigung  desselben 
beauftragten  atrienses.  Daß  aber  die  vilicae 
im  allgemeinen  keine  sehr  geachtete  Stellung 
einnahmen,  zeigt  Catull.  66.  132.  Mart.IV66, 
11.  luv.  11,  69. 

7)  Varr.  a.  a.  0.  2:  vilici  proximum  ia* 
nuam  cellam  esse  oportet,  eumque  scire,  qui 
introeat  aut  exeat  noctu  quidve  ferat,  prae- 
sertim  si  ostiarius  est  nemo.  Colum.  a.  a.  0.  6 : 
vilico  iuxta  ianuam  sit  habitatio,  ut  intran- 
tium  exeuntiumque  conspectum  habeat.  In 
der  villa  urbana  war  selbstverständlich  ein 
ostiarius  vorhanden,  vgl.  Mart.  X  30,  28. 


Zweiter  Abschnitt.    Villen  und  Gärten. 


71 


nicht1)),  bekam  aus  gleichem  Grunde  der  Oberaufseher,  procurator*),  seine 
Wohnung,  damit  er  seinerseits  wieder  den  viücus  beaufsichtigen  könne3). 
In  der  Nähe  der  großen  Küche  lagen,  wie  im  städtischen  Wohnhaus, 
die  Badezimmer,  die  auf  dem  Lande,  wo  es  keine  öffentlichen  Bäder 
gab,  wohl  zum  notwendigen  Bestandteil  des  Wohnhauses  gehörten4).  Ober- 
halb des  Bades  wurde  häufig  die  apotheca,  d.  h.  der  Raum,  in  dem  der 
gegorene  Wein  aufbewahrt  wurde,  angelegt,  indem  man  den  Rauch  von 
■er  Heizung  hindurchführte,  in  der  Meinung,  daß  das  Altern  des  Weines 
dadurch  befördert  werde5);  auf  jeden  Fall  lag  sie  im  Oberstock0),  zumal 
man  den  Wein  einer  solchen  Prozedur  nicht  zu  lange  aussetzen  durfte  und 
ihn  daher,  nach  genügender  Räucherung,  in  andere  Räume  transportierte  7). 
—  An  die  Küche  anstoßen  sollen  nach  Vitruv  die  Rinderställe  (bubüia), 
wobei  die  Krippen  so  anzulegen  sind,  daß  sie  nach  Osten  und  gegen  das 
Herdfeuer  hin  gerichtet  sind,  weil  die  Rinder  vor  Licht  und  Flamme  nicht 
scheuen8);  dagegen  sind  die  Pferdeställe  (equilia)9)  zwar  auch  an  einem 
möglichst  warmen  Platze  anzulegen,  aber  nicht  nach  dem  Herde  zu,  weil 
die  Pferde  davor  scheu  werden10).  Man  ersieht  aus  diesen  Vorschriften, 
daß  die  große  Küche  nach  den  daneben  angelegten  Ställen  hin  durch- 
brochene Wände  hatte,  wie  heut  noch  vielfach  auf  dem  Lande  Menschen 
und  Vieh  in  naher  Berührung  leben.  Columella  gibt  keine  besonderen  Vor- 
schriften für  die  Lage  der  Ställe;  er  sagt  nur,  man  solle  für  das  Zugvieh 
doppelte  Ställe  haben,  für  Winter  und  für  Sommer;  für  das  übrige  Vieh, 
das  innerhalb  der  Villa  gehalten  zu  werden  pflegt,  mit  hohen  Mauern  um- 
gebene Hürden,  die  teils  gedeckt,  teils  offen  sind,  damit  das  Vieh  im  Winter 


')  Vgl.  Vitr.  a.  a.  0.  7:  sin  autem  offirient 
trabes  seu  Umina  aut  contignationes,  de  su- 
perioribtis  partibus  aperiatur  (hinten)  et  Ha 
inmitlatur.    Colum.  3  (s.  oben). 

2)  Ueber  dieses  Amt  auf  dem  Lande  vgl. 
Becker-Göll  II  135. 

3)  Colum.  7:  proatratori  supra  ianuam 
ob  easdem  causas:  et  is  turnen  vilicum  ob- 
tervat  ex  vicino. 

*)  Vitr.  2:  balnearia  item  conitincta  sint 
culinae,  ita  enim  lavationi  rusticae  ministratio 
iio)i  erit  longe.  Auch  hier  handelt  es  sich 
um  die  Sklavenbäder,  vgl.  Colum.  19:  fu- 
marium  qtioque,  quo  materia,  si  non  sit  iam- 
pridem  caesa,  festinato  siccetur,  in  parte  ru- 
sticae  villaefieripotest  iunctum  rusticis  balneis. 
nam  eas  quoque  refert  esse,  in  quibus  familia, 
sed  tantum  feriis,  lavetur.  Von  der  Anlage 
eines  ländlichen  Bades,  das  aber  für  die  Herr- 
schaft  bestimmt  ist,    handelt  Pall.  I  39  (40). 

5)  Colum.  I  6,  20:  apothecae  rede  super- 
ponentur  his  Joris,  unde  plerumque  fumus 
exorttur,  quoniam  vina  celebrius  vetustescunt, 
qnae  fumi  quodam  tenore  praecoquem  ma- 
turitatem  trahunt.  Cf.  ib.  9  und  Vitr.  VI  8 1 5),  2. 
Hör.  carm.  III  8.  11 :  sat.  II  5.  7.  Plin.  XIV  97. 
Digg.  XXXIII  7.  12.  29  u.  34;  XLVII  2,  21,  6. 
Galen.  XIV  17  K.  Mehr  über  diesen  Gebrauch, 
der  auch  seine  Gegner  hatte,  s.  Becker-Göll 
III  427.    Im  weiteren  Sinne  ist  apotheca  jeder 


Vorratsraum,  in  oder  außer  dem  Hause.  Cic. 
inVat.5.  12;  Phil.  II  27,  67.  Plin.  ep.  II  17,  13. 
Digg.  XXXIII  7,  12,  34.  Vgl.  Ramie  bei  D.-S. 
I  323.    Mau  bei  P.-VV.  II  384. 

6)  Daher  die  Aufforderung  des  Her. carm. 
III  21,  7  an  den  Weinkrug:  descende;  ebd.  28, 7: 
dertpere  horreo  .  .  .  amphorum. 

7)  Colum.  20:  propter  qtwd  et  aliud  ta- 
bulatum  esse  debebit,  quo  antoveantur,  ne 
ruraus  nimia  suffitione  medieata  sint. 

8)  Vitr.  VI  9  (6),  1:  (culina)  conkmeta 
habeat  bubüia,  quorum  praesepia  ad  focum 
et  orientia  codi  regiertem  speetent,  ideo  guod 
boves  lumen  et  ignem  speetando  horridi  non 
finnt.  Ebenso  Pall.  I  21 :  boves  mtidiores  (ietit, 
si  forum  /»ro.rime  hubeant  et  hone»  ititeni/ant. 
Varro  I  13,  1  sagt  nur:  in  n'ila  facienda  sta- 
btilaita,  ut bubüia  sint  ibi,  hievte  qtiae  possttti 
esse  caldiora. 

9)  Vgl.  Lafaye  bei  D.-S.  II  743  ff.,  mit 
Abbildungen  noch  erhaltener  Pferdeställe. 

10)  Vitr.  ebd.  4:  eqni/ibus  guae  maxinte 
in  vitta  loca  calidissima  furrint  ronstituantur, 
dum  ne  ad  forum  speetent.  cum  enim  iumentu 
proxime  ignem  stabulantur,  horridi  fluni. 
Daneben  empfiehlt  er  ebd.  5,  Krippen  für  die 
Rinder  im  Freien,  nach  Osten  hin,  anzu- 
bringen: item  non  sunt  inutiliu  /trursrpiu, 
guae    eonlocantur   extra    ndinam    in   aperto 

contra   orie>\tem. 


72 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


dort,  im  Sommer  hier  verweilen  könne,  ohne  Gefahr  vor  Raubtieren ;  über- 
dies müssen  alle  Ställe  an  trocknen  Plätzen  angelegt  sein1).  Endlich  rät 
Palladius,  die  Ställe  für  Rinder  und  Pferde  nach  Süden  zu  öffnen;  auch 
nach  Norden  zu  sollen  sie  Fenster  bekommen,  die  man  im  Winter  ge- 
schlossen hält,  im  Sommer  der  Lüftung  wegen  öffnet2).  Für  die  Lage  der 
Schaf-  und  Ziegenställe  (ovilia  und  caprilia)3)  finden  sich  keine  beson- 
dern Vorschriften. 

Vielfach  lagen  neben  der  Küche,  und  zwar  in  der  Richtung  nach 
Osten,  die  Hühnerställe  (gallinaria),  damit  der  Rauch,  von  dem  man 
glaubte,  daß  er  den  Hühnern  zuträglich  sei,  hindurchziehen  könne4).  Wenn 
das  aber  nicht  möglich  war,  so  wurden  besondere  Geflügelhäuser  (aviaria5), 
omithones6))  angelegt,  in  denen  eigens  ein  Herd  angebracht  wurde,  dessen 
Rauch  in  die  einzelnen  Abteilungen  des  Stalles  ziehen  konnte 7).  Tauben- 
schläge (columbaria8),  peristereones  oder  peristerotrophia9))  wurden  als 
Türmchen  auf  dem  Dach  der  Villa  oder  sonst  in  der  Höhe  angebracht10). 

In  die  Nähe  der  culina  verlegt  Vitruv  auch  die  Kelter  (torcular)11); 
hier  weicht  aber  Columella  wiederum  ab.  Zwar  ist  auch  er  der  Ansicht, 
daß  die  Kelterrräume  und  die  Ölkammer  möglichst  warm  untergebracht 
werden  müssen,  aber  diese  Wärme  müsse  eine  natürliche,  durch  die  Him- 
melsrichtung gegebene  sein,  nicht  vom  Herdfeuer  herkommen,  weil  Rauch 
und  Ruß  den  Geschmack  des  Öls  beeinträchtigen;  daher  soll  der  Kelter- 
raum nach  Süden  zu  liegen,  damit  man  bei  der  Arbeit  des  Ölpressens  keine 
künstliche  Beleuchtung  nötig  habe12).   An  die  Kelterräume  anstoßend  wird 


')  Colum.  4:  pecudibus  fient  «tabula,  quae 
neque  frigore  neque  calore  infestentur.  do- 
), litis  armentia  duplicia  bubüia  fient,  hiberna 
atgue  «est int ;  caeteris  autem  pecoribus,  quae 
intra  vill«))i  esse  convenit,  ex  parte  tecta  loca, 
ex  parte  sub  <lio,  parietibus  altis  circumsepta, 
iit  illir  per  hiemem,  hie  per  aestatem  sine 
riulaiti«  feramm  conquiescant.  Sed  omnia 
Stabvia  sie  ordinentur,  ne  quis  humor  influere 
possit. 

2)  Pall.  a.  a.  0.:  stabula  equorum  vel 
boüm  meridianas  quidem  respiciant  partes, 
non  tarnen  egeant  a  septentrione  luminibus, 
quae  per  hiemem  clausa  nihil  noceant,  per 
aestatem  patefaeta  refrigerent. 

8)  Vitr.a.a.0.4.  Varr.II  3,  6  u.8.  Colum. 
VII  4,  5:  6.6. 

4)  Colum.  VIII  3,  1:   gallinaria    constitui 

debent  parte   villae,   quae   hibernum   spectat 

orisntem:   iuneta  sint  ea  furno  vel  culinae, 

ut  ad  avem  perveniat   fumus,   gut  est  huic 

praeeipue  salutaris, 

6)  Cic.  ad  Qu.  fratr.  III  1,  1.  Varr.  I  38,  2; 
MI  3,7;  4,3;  5,5  u.  s. 

6J  Varr.IIpr.2u  5;  III 3. 1— 7u.ö.Colum. 
V  III  1,  3;  3,  1.  Auch  ornühotrophion,  Varr. 
1115,8. 

7)  Man  vgl.  die  genaue  Beschreibung 
dieser  Anlage  bei  Colum.VlII  3.  Varro  III  4,  2 
unterscheidet  zwei  Arten  des  ornähon:  unum 

i  deUctatumis  causa,  d.  h.  für  die  Tafel 
es  Gutsherrn;   aUerum  fruetm  causa,  d.h. 


für  den  Verkauf.  Eine  dritte  Art  ist  das 
Vogelhaus  mit  Sing-  und  Ziervögeln,  das 
mehr  in  die  villa  urbana  gehört.  Varro,  der 
ein  sehr  großes  Vogelhaus  in  seiner  Villa  bei 
Casinum  besaß,  beschreibt  es  genau  III  5 — 7; 
vgl.  die  Litteratur  darüber  bei  Becker-Göll 
III  54. 

8)  Varr.  III  7,  4.  Colum.VlII  8,  3;  11,  3. 
Pall.  1 24.  Plin.  X  110,  Mart.  III  58, 18;  manche 
dieser  Schläge  faßten  gegen  5000  Tauben, 
Varr.  ebd.  2.  Vgl.  Becker-Göll  1 111.  Saglio 
bei  D.-S.  I  1333  f.   Samter  bei  P.-W.  IV  593. 

9)  Varr.  III  7,  2  f.  Colum.VlII  1,  3. 

10)  Varr.  a.  a.  0. 1.  Colum.VlII  8,3.  Pall. 
I  24.  Näheres  über  die  Geflügelzucht  der 
Römer  s.  im  V.  Abschn. 

u)  Vitr.VI  9  (6),  2:  torcular  item  pro.ri- 
mum  sit  culinae,  ita  enim  ad  olearios  fruetus 
commoda  erit  ministratio;  die  Begründung 
ist  nicht  ganz  verständlich. 

12)  Col.16, 18:  torcularia  praeeipue  celtae- 
que  oleariae  calidae  esse  debent,  quia  com- 
modius  omnis  liquor  vapore  solvitur  ac  fri- 
goribus  magis  constringitur ,  oleum,  quod 
minus  provenit,  si  congelatur,  fracescet.  Sed 
ut  calore  naturali  est  opus,  qtii  contingit  po- 
sitione  caeli  et  declinatione,  ita  non  est  opus 
ignibus  aut  flammis:  quoniam  furno  et  fuli- 
gine  sapor  olei  corrumpitur,  propter  quod 
torcular  debet  a  meridiana  parte  ittustrari, 
nee  necesse  habeamus  ignes  lucernamgue  ad- 
hibere,  cum  premitur  olea. 


Zweiter  Abschnitt.    Villen  und  Gärten. 


7:: 


nach  Vitruv  die  cella  vinaria,  d.  h.  der  Raum,  wo  der  Wein  den  Gärungs- 
prozeß durchmacht,  angelegt,  und  zwar  mit  Fenstern  nach  der  Nordseite, 
damit  nicht  die  Sonnenwärme  den  Wein  trübe  und  unhaltbar  mache1); 
dagegen  die  cella  olearia  muß  von  Süden  ihr  Licht  erhalten,  weil  das  Öl  bei 
Frost  gerinnt1').  Ähnliche  Vorschriften  geben  die  Landwirte3).  Für  beide 
cellae  wird  Anlage  auf  ebenem  Boden  empfohlen 4) ;  die  Kornböden 
((/ranaria5))  aber  und  die  Scheunen  (horrea*))  für  sonstige  Feldfrüchte 
mußten  in  oberen  Stockwerken  (tabulata)  fern  von  feuchten  Plätzen,  wie 
Ställen,  Dungstätten  u.  dgl.,  liegen  und  gegen  Nord  und  Nordost  gerichtet 
sein,  weil  der  Nordwind  mit  seiner  Trockenheit  dem  Getreide  nützlich  ist 
und  keine  Insekten  mitbringt,  wie  andere  Winde 7).  Fußböden  und  Wände 
wurden  namentlich  beim  Kornboden  besonders  sorgfältig  hergestellt;  auch 
bekam  dieser  Speicher  für  die  verschiedenen  Getreidearten  besondere  Ab- 
teilungen und  wurde  nach  Nordosten  zu  mit  Zuglöchern  versehen 8).  Ahn- 
lich beschaffen  waren  die  Obstkammern  (oporothecae9)),  die  ebenfalls 
trocken  und  mit  Fenstern  nach  Nordosten  versehen  sein  mußten,  die  aber 
verschließbare  Läden  hatten,  damit  das  Obst  nicht  zu  stark  austrockne; 
aus  demselben  Grunde,  um  das  Obst  kühl  und  frisch  zu  erhalten,  wurden 
die  Obstkammern  aus  Stein  erbaut  und  mit  steinernen  Fußböden  und  ge- 
wölbten Decken  versehen10). 


1)  In  der  Villa  in  Boscoreale  (s.  unten) 
ist  keine  cella  vinaria,  dafür  standen  die 
Dolien  unter  freiem  Himmel  bis  zur  Mündung 
eingegraben  im  Hofe,  vgl.  Mon.  dei  Lincei  VII 
483.  Mau  R.  M.  XI  (1896)  134;  auch  ander- 
wärts in  Pompeji  findet  es  sich  ähnlich,  s. 
bbd.  XVII  (1902")  314.  Das  geht  auch  aus 
Viir.  12,  4.  Plin.  XIV  136.  Geop.  VII  2  hervor. 

2)  Vitr.  a.  a.  O.:  habeat  (torcular)  con- 
mnetam  vinariam  cellam  habentem  ab  sep- 
tentrione  lumina  fenestrarum.  cum  enim  alia 
parte  habuerit  qua  sol  calfacere  possit,  vinum 
qiwd  erit  in  ea  cella  confusum  ab  calore 
efficietnr  inbecillitm.  olearia  autem  ita  est 
conlocanda,  ut  habeat  a  meridie  calidisque 
regionibus  lumen.  non  enim  debet  oleum  con- 
»elari  seil  tepore  caloris  extenuari. 

3)  Varr.  I  13,  7:  in  quam  partem  cella 
vinaria  aut  olearia  fenestras  haberet,  cum 
fruetus  in  ea  vinarius  quaerat  ml  dolia  aera 
frigidiorem,  item  olearia  calidiorem.  Colum. 
a.  a.  0.  Pall.  I  18,  1 ;  ebd.  20. 

4)  Varr.  a.a.O.  1:  fruetus,  ut  est  vinum 
et  oleum,  loco  piano  in  cellis,  item  vasa  vi- 
naria et  olearia  potius  faciendum:  aridus, 
vi  est  faba  et  faenum,  in  tabulatis.  Colum. 
a.  a.  0.  9  ff.  Damit  ist  aber  hauptsächlich 
gemeint,  daß  sie  nicht  im  Oberstock,  wo  es 
zu  trocken  ist,  liegen  sollen;  die  cella  vinaria, 
die  eine  terrena  ef  frigida  cella  sein  soll 
(Fall.  XI  17,  3),  lag  bisweilen  teilweise  unter 
dem  Erdboden,  immerhin  aber  so,  daß  ober- 
halb Fenster  ins  Freie  führten  (Plin.  XIV  133: 
latus  cellae  r/nariae  aut  certe  fenestras  ob- 
verti  in  aquilonem  oportere  vel  utique  in 
exortum    aequinoctialem),    s.  oben  A.  2.    dazu 


Becker-Göll1II51.  KEPPELßl.f.bayer.Gymn. 
IX  (1873)  l  ff. 

5)  Vgl.  de  la  Blanchere  bei  D.-S.  II 1651. 

6)  Vgl.  Thedenat  ebd.  III  268  ff.  Ueber 
den  Unterschied  von  granaria  und  horrca 
vgl.  Plin.  XVIII  301  ff. ' 

7)  Vitr.  a.  a.  0.  4:  granaria  sublimata  et 
ad  septentrionem  aut  aquilonem  speetantia 
disponantur,  ita  enim  frumenta  non  poternnt 
cito  conca/escere,  sed  adflatu  refrigeiata  diu 
servantur.  namque  ceterae  regiones  proer canl 
curculionem  et  reliquas  bestiolas,  qnae  fru- 
mentis  solent  nocere.  Vgl.  Colum.  a.  a.  0.  9. 

8)  Varr.  I  57,1:  granaria  snbiimia,  quae 
perflentur  vento  ab  exortu  ac  septentrionum 
regione,  ad  quae  nnlla  aura  «mala  ex  pro- 
pinqui»  loci»  adspiret.  Col.  a.  a.  0. 10:  gra- 
naria scalis  ai/eantnr  et  modictS  fenestellis 
aquüonibus  inspirentur;  vgl. ebd.  14.  Pall.1 19. 

9)  Varr.  I  59,  1:  ideo  oporothecas  qui  fa- 
cinnt  ad  aqnilonem  ut  fenestras  habeant  at- 
que  ut  eae  perflentur  curant,  neque  tarnen 
sine  foriculis,  ne,  cum  umarem  amiserinl, 
pertinaci  vento  vieta  fiant. 

10)  Ebd.  2:  ideoque  in  iis  camaras  mar- 
morato  et  parietes  pavimentaque  facitmt,  quo 
frigidins  s/t.  Varro  erwähnt  hier  auch,  daß 
man  bisweilen  die  oporotheca  als  Speisezimmer 
benutzte:  in  quo  etiam  quidam  triclininm 
stemere  solent  cenandi  causa.  Ja,  es  kam 
vor.  daß  manche  für  solche  Mahlzeiten  das 
Obst  in  Rom  einkauften  und  nach  der  opo- 
rotheca  transportierten.  Ueber  die  Art,  wie 
das  Obst  in  den  Kammern  aufbewahrt  wurde, 
s.  ebd.  3. 


74 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


Hg.  26.    Plan  der  Villa  rustica  in  Boscoreale. 


Die  Dreschtenne 
(area)  war   ein   eigens 

dazu  hergerichteter 
freier  Platz;  daneben 
lag  ein  gedeckter,  an 
der  einen  Seite  offener 
Schuppen  (nubilarium), 
wohin  man  bei  plötzlich 

eintretendem  Regen 
das  Getreide  in  Sicher- 
heit brachte1);  ein 
anderer  anstoßender 
Raum  diente  dazu,  die 
ausgedroschnen  Körner 
auszubreiten,  bevor  sie 
auf  den  Kornboden  ge- 
bracht wurden 2).  End- 
lich   müssen   noch   die 
Schuppen  erwähnt  wer- 
den,   in  denen  Wagen 
und  landwirtschaftliche 

Geräte  aufbewahrt 
wurden3). 

Alle  die  erwähnten 
Wirtschaftsgebäude 
befinden  sich  nach  Var- 
ros  Anordnung  in  der 
villa  urbana  selbst,  also 
innerhalb  der  diese  um- 
gebenden Einfriedi- 
gung4). Vitruv  rät,  die 
leicht  brennbaren  Vor- 
räte außerhalb  der  Villa 

aufzubewahren,  also 
dort    Getreidespeicher, 
Heuböden,    Mühlen    u. 
dgl.5)  anzulegen:  Colu- 


l)  Varr.  I  13,  5:  aedificium  facere  oportet, 
sub  quod  tectum  totam  fundi  subicere  possis 
memem,  quod  vocant  quidam  nubilarium.  id 
teeundutn  aream  faciendum,  ubi  triturus  sis 
frumentutn,  magniludine  pro  modo  fundi,  ex 
una  parti  apertnm,  et  id  ab  area,  quo  et  in 
tritura  proruere  fädle  poosit  et,  si  nubilare 
coepit,  inde  ut  Kursus  celeriter  reicere.  fe- 
nestras  habere  oportet  ex  ea  parti,  unde  com- 
modisaime  perfiari  possü,  Colum.  1  6,  24;  II 
20  (21).  3.  Pall.I  36.  2.  Inschriftlich  kommt 
Midi  nubilare  vor,  CIL  VI  2204. 

*)  Pall.I  19,2:    nihil   lernen  contmoditts 


erit  diu  custodiendis  frumentis,  quam  si  ex 
areis  in  alterum  vicinum  locum  transfusa 
refrigerentur  aliquantis  diebus  atque  IIa  hör* 
reis  inferantur. 

')  Varr.  a.  a.  0.  2:  faciundum  etiam  p/mi- 
stris  ac  cetero  instrumento  omni  in  cohorti 
uti  satis  magna  sint  tecta,  quibus  caelum  )>ln- 
vium  initnicum. 

4)  Ueber  diese  saepta  und  ihre  verschie- 
denen Arten  handelt  Varro  I  14,  vgl. III  12,  3. 

6)  Vitr.VI  9  (6),  5:  horrea  fenilia  farraria 
pistrina  extra  villam  facienda  videntur,  Kjj 
ab  i;/>tis  periculo  sint  villae  tutiores. 


Zweiter  Abschnitt.    Villen  und  Gärten.  75 

mella  aber,  der,  wie  erwähnt,  die  villa  rustica  von  der  villa  fructvaria 
unterscheidet,  verlegt  die  Räume  für  Öl  und  Wein,  die  Heuböden  (faenüia% 
palearia)  in  die  letztere,  sodaß  also  die  Gebäude  der  fructvaria  zu  ebener 
Erde  die  Räume  für  Wein  und  Öl  enthalten,  im  Oberstock  die  für  Feld- 
früchte u.  dgl.1). 

Von  den  eigentlichen  Wohnräumen  in  der  villa  rustica  erfahren  wir, 
abgesehen  von  der  culina,  nichts  Näheres.  Die  cellae  der  Sklaven2)  sollen 
nach  Süden  liegen  3);  dagegen  lag  das  ergastulum*),  wo  die  strafbaren  Sklaven 
schwere  Arbeit  (zumeist  das  Drehen  der  Mühle)  verrichten  mußten,  teil- 
weise unterirdisch  mit  hochangebrachten  schmalen  Fenstern5).  Endlich 
wird  auch  ein  Krankenzimmer  (valetudinaHum)  für  erkrankte  Sklaven 
erwähnt"). 

Daß  nicht  alle  ländlichen  Wirtschaftshöfe  allen  diesen  Vorschriften  der 
Landwirte  entsprachen,  ist  selbstverständlich;  die  Schriftsteller  haben  bei 
ihren  Theorien  eine  Musteranlage  im  Auge,  die  den  gesamten  landwirtschaft- 
lichen Betrieb,  Ackerbau  und  Viehzucht,  Wein-  und  Ölbau  umfassen  soll, 
und  geben  ihre  Vorschriften  für  die  rationellste  Art,  die  dafür  nötigen  An- 
lagen und  Baulichkeiten  zu  verteilen  und  einzurichten,  während  in  Wirk- 
lichkeit der  Betrieb  sich  vielfach  auf  diesen  oder  jenen  Zweig  beschränkte 
und  daher  auch  der  Plan  der  villa  rustica  dadurch  beeinflußt  wurde 7).  Einen 
guten  Begriff  von  einem  kleineren  Wirtschaftshofe  gibt  die  oberhalb  Pom- 
peji bei  Boscoreale  ausgegrabene  Villa,  deren  Besitzer  wesentlich  Wein- 
und  Ölbau  betrieben  zu  haben  scheint8).  Diese  Villa  (vgl.  den  Plan  Fig.  26 9)), 
die  ein  Oblong  von  40:25  m  bildet,  enthielt  Wirtschafts-  und  Wohnräume, 
letztere  scheinen,  der  wenn  auch  einfachen  Ausstattung  nach  zu  schließen, 
zum  Teil  für  den  Besitzer  bestimmt  gewesen  zu  sein,  sodaß  man  für  diese 
villa  rustica   wohl    keine    eigene   villa   urbana    vorauszusetzen   hat.     Durch 


])  Colum.  I  6,  9:  pars  autem  fructuaria 
dividitw  in  rellam  oleariam ,  torcnlariam, 
cellam  pinariam,  defrutariam,  foenilia  pale- 
ariaque  et  apothecas  et  horrea,  ut  ex  üs  quae 
sunt  in  piano,  custodia»!  recipiani  humidarum 
rerum  tanquam  vini  aut  o/ei  venalium;  siccae 
autem  res  congerantur  tabulatis,  ut  frumenta, 
foenum,    frondes,   paleae   caeteraque  pabula. 

*)  Cellae  familiae,  Cat.  14,  1.    Lieber  die 


Anlage  Näher  Rhein.  Jahrb.  LXX1X  64  ff. 
handelt.  Sie  sind  in  der  Regel  rings  von 
Mauern  umgeben;  innerhalb  derselben  liegt 
das  Wohnhaus  mit  einem  großen  Innenhof 
{atrinm  nennt  ihn  Näher,  doch  ist  diese  Be- 
zeichnung bei  der  ganz  andern  Disposition 
der  Räume  und  dem  Fehlen  des  Kompluviums 
kaum  gerechtfertigt),  an  den  sich  Wohnräume, 
z.  T.  mitHeizvorrichtung.  Schlafzimmer,  Küche, 


familia  rustica,  wie  die  auf  den  Landgütern  Vorratskammern    und   Keller  (der   hier    fast 

beschäftigten  Sklaven  hießen,  die  teils  beim  überall  zu  finden  ist,  vgl.  ebd.  68)  anschlie- 

Ackerbau,  teils  bei  den  Herden,  teils  in  der  ]    ßen;    ferner  Dienstgebäude,    Stallungen    mit 

Hofwirtschaft  tätig  waren,  s.  die  Zusammen-  |    den    einzelnen  Höfen  für  das  Hausvieh,    ein 

Stellung  bei  Marquarüt  139  ff.  j    Geflügelhof  mit  einem  Teich  und  das  Bade- 

3)  Colum.  a.  a.  0.  3:  optime  sohlt  ix  serris  haus.  Siehe  die  Pläne  bei  Näher  Taf.  II  Fig.  1. 
eellae  ineriilieni  aequ inoctialem spectantes  fient.  \    2,  6  u.  7.  Ueber  römische  Villen  in  den  Rhein- 

4)  Vgl.  Thedenat  bei  D.-S.  II  811.  Mau  landen  vgl  Hettner  Westdeutsche  Zeitschr. 
bei  P.-W.  VI  431.  II  (1883)  1  ff.  Schumacher  ebd.  XV  (1896)  1  ff. 

5)  Colum.  a.  a.  0.  3:  vinctis  (serris)  quam  J.  Asbach  Zur  Geschichte  u.  Kultur  der  röm. 
saluberrinnn»  subterraneum  ergastulum,  plu-  Rheinlande,  Berlin  1902.  Dragendorfp  Rhein. 
riniis  idque  angustis  illustratum  fenestris  at-  Jahrb.  CVII  240;  CXIII  234. 

qn.e  terra  sie  ei/ifis,  iie  manu  contingi  possint.  8)  Vgl.  Mau  R.  M.  IX  (1894)  349  ff.;   XI 

6)  Colum. XI  1,  18:  XII  3,  7;  ebd.  8  wird  i  (1896)  130  ff.;  ders.  Pompeji  382.  Sogli.vno 
über  die  Reinigung  und  Sauberkeit  derselben  Not.  d.  scavi  1895,  207.  Pasqui  Monum.  publ. 
gehandelt.  per  cura  d.R.  Acad.  dei  Lincei  VII  (1897)  397  ff. 

7)  Beachtung   verdienen    die    ländlichen  mit  tav.  XIV. 

Gehöfte  im  badischen  Zehntland,  über  deren  9)  Nach  Mau  Pompeji  382. 


yg  Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 

einen  breiten  Eingang  kommt  man  in  den  Hof  A,  der  an  drei  Seiten  Säulen- 
stellungen hat,  von  denen  zwei  Brüstungen  hatten,  die  die  Säulen  ver- 
binden. 1  und  5  sind  Zisternen,  2  ein  gemauertes  Wasserbassin,  3  ein 
Bleikasten  mit  hinanführenden  Stufen  4 ;  er  wurde  aus  der  Zisterne  gefüllt 
und  eine  Röhre  führte  das  Wasser  nach  Küche  und  Bad.  Die  Küche  B 
entspricht  in  ihrer  Lage  den  oben  angegebenen  Vorschriften;  1  ist  der 
Herd,  2  der  Bleikasten  für  das  Bad,  3  eine  Treppe  zum  Oberstock,  4  eine 
Grube  für  den  Ständer  des  Preßbaums  der  anstoßenden  Kelter  P.  Dicht 
an  die  Küche  stoßen  die  Baderäume :  C  der  Heizraum  mit  gut  erhaltenem 
Kessel  für  das  heiße  Wasser  *) ;  D  ist  das  Apodyterium,  E  das  Tepidarium, 
F  das  Caldarium;  dicht  in  der  Nähe  liegt  der  Abtritt  Gr.  Der  an  die 
Küche  anstoßende  Raum  H  wird  als  Stall  bezeichnet;  I  ist  eine  Kammer 
für  landwirtschaftliche  Geräte,  deren  mehrere  hier  noch  gefunden  wurden. 
K  und  L  sind  cubicula;  ein  weiteres,  vielleicht  die  Wohnung  des  vilicus 
(s.  oben  S.  70),  war  im  Oberstock  über  der  Eingangsseite.  In  der  Ecke 
liegt  ein  großer  Speisesaal  N  (es  haben  sich  hier  die  Reste  dreier  Speise- 
sofas gefunden)  mit  dem  Vorzimmer  M ;  zwei  große  Fenster  vermittelten 
das  nötige  Licht.  Zwischen  K  und  L  führt  ein  schmaler  Gang  zur  Bäckerei  0 
mit  der  Mühle  1  und  dem  Backofen  2 ;  P  ist  die  große  Weinkelter.  Durch 
den  Korridor  Q,  in  dem  einige  Fässer  in  die  Erde  gegraben  sind,  gelangt 
man  über  einige  Stufen  zu  der  höher  gelegenen  und  unbedeckt  gelassenen 
cella  vinaria  R,  in  der  zahlreiche  Weinfässer  2,  in  Erde  eingelassen,  sich 
befinden;  durch  eine  Röhrenleitung  floß  der  Wein  von  der  Nische  P  3  in 
die  Fässer.  3  ist  ein  Bleikessel  mit  einer  Feuerstelle  darunter,  vielleicht 
zum  Kochen  des  Weines,  4  eine  Zisterne.  Der  mit  der  cella  vinaria  in 
Verbindung  stehende  Raum  S  ist  von  unsicherer  Bestimmung;  doch  ver- 
mutet Wolters  wohl  mit  Recht  darin  das  oben  erwähnte  nubüarium,  da 
daneben  die  Tenne  T  liegt,  auf  die  sich  der  Raum  mit  einer  Tür  und  vier 
kleinen  Fenstern  öffnet.  Das  auf  der  Tenne  sich  sammelnde  Regenwasser 
floß  in  das  gemauerte  Doppelbassin  U  ab.  Der  erwähnte  Korridor  Q  führt 
dann  auch,  bei  den  Schlafkammern  V,  der  Kammer  W  und  dem  Raum  X 
mit  einer  Handmühle  vorbei,  zur  Ölkelter  Y  mit  der  Kammer  Z  für  die 
Olquetschmaschine. 

Über  das  Herrenhaus,  die  villa  urbana,  erfahren  wir  aus  den  land- 
wirtschaftlichen Schriftstellern  nur  wenig;  namentlich  über  die  einfacheren 
Wohnhäuser,  und  solche  hat  es  doch  selbstverständlich  zu  jeder  Zeit 
gegeben,  da  nicht  alle  Besitzer  von  Villen  reich  genug  waren,  um  sich 
prächtige  Häuser  zu  bauen,  sind  wir  gar  nicht  unterrichtet,  Oft  genug 
wird  freilich  auf  bescheidenen  Landsitzen  gar  kein  eigenes  Herrenhaus 
existiert,  sondern  die  villa  rustica  auch  dem  Besitzer  als  Wohnung  gedient 
haben;  das  sabinische  Landgut  des  Horaz  wird  von  dieser  Art  gewesen 
sein.  Vitruv  läßt  sich  auf  Anlage  und  Bauart,  eine  kurze  Bemerkung  ab- 
gerechnet (s.  unten),  gar  nicht  ein;  Varro  spielt,  wie  oben  erwähnt,  mehr- 
fach auf  den  darin  bereits  eingerissenen  Luxus  an  2);  Columella  macht  die 

von  nl™nir™dwdie  Einrifhtun?,'  d»euh]er       vollständig  erhalten  hat,   im  Abschnitt  über 
HrirnnTÄ     ^T^'   "tf/«11-?*6       die  Bäder  (Abt.  II  Abschn.  VI)  besprechen. 
He.zungsvornchtung  auch  m  den  Metallteilen  •)  Varr.  I  13,  6  vom  Gegensatz  der  alten 


Zweiter  Abschnitt,   Villen  und  Gärten. 


77 


villa  urbana  mit  wenigen  Worten  ab  und  erwähnt  nur  die  Speise-  und 
Schlafzimmer,  die  Baderäume  und  die  Wandelgänge1).  Die  genauere 
Kenntnis  der  prächtiger  eingerichteten  und  zahlreiche  Anlagen  umfassenden 
villi/  urbana,  für  die  man  in  der  Kaiserzeit  auch  die  Bezeichnung  praetorium 
gebrauchte2),  verdanken  wir  daher  vielmehr  den  erhaltenen  Schilderungen 
einzelner  Landhäuser3),  besonders  der  beiden  Villen,  die  der  jüngere  Plinius 
in  seinen  Briefen  eingehend  beschrieben  hat4);  daneben  kommen  einige 
poetische  Schilderungen  des  Statius  in  Betracht,  die  aber  mehr  die  Pracht 
der  Ausstattung  als  die  Anlage  der  Villen  betonen5).  Dazu  kommen  dann 
die  Reste  von  Villen,  soweit  sich  solche  erhalten  haben,  von  denen  freilich 
die  meisten,  etwa  abgesehen  von  der  Villa  Hadrians  bei  Tivoli6),  mit  den 
Schilderungen  der  Landhäuser  der  römischen  Großen  nicht  verglichen 
werden  können.  Außer  Italien,  wo  Reste  von  Villen  sich  überall  verstreut 
finden7),  kommen  vornehmlich  die  Schweiz,  Süd-  und  Westdeutschland, 
Frankreich,  England  und  Nordafrika  in  Betracht,  da  hier  überall  Reste 
von  Römervillen,  zum  Teil  recht  wohl  erhalten,  zu  finden  sind8). 


zur  neuen  Zeit:  Uli  faciebant  ad  fructuum 
rationem,  hi  faciunt  ad  libidines  indomitas; 
und  ebd.  7:  quo  hi  läborant  nt  spectent  sua 
aestiva  triclinaria  ad  frigus  orientis,  hiberna 
ad  soff  tu  occidentem,  potius  quam,  ut  antiqui, 
in  </i<«)>i  partem  cella  vinaria  aut  olearia 
mnestras  haberet.  Vgl.  II  pr.  2. 
')  Col.  I  6,  1. 

2)  Ursprünglich  das  Kriegszelt  des  Feld- 
herrn, im  obigen  Sinne  bei  Stat.  silv.  I  3,  25; 
II  2,  82.  luv.  1,  75.  Mart.  X  79,  1.  Suet.  Aug. 
72;  Tib.  39;  Calig.  37  u.  ö.  Pallad.  I  8,  2.  Cas- 
siod.Var.  XI  14,  3.  Es  ist  speziell  der  herr- 
schaftliche Landsitz,  auch  wenn  kein  Oeko- 
nomiebetrieb  damit  verbunden  ist,  Digg.  L 
16,  198:  urbana  praedia  <>»niio  aedificia  acci- 
pintus,  non  solum  ea,  quae  sunt  in  oppidis, 
sed  si  forte  stabula  sunt  vel  alia  tneritoria 
in  villis,  vel  si  praetoria  voluptati  tantum 
deservientia ,  quia  urbanum  praedmm  non 
locus  facit,  sed  materia.  Solche  Landsitze, 
die  lediglich  zur  Wohnung  dienten  und  keine 
Landwirtschaft  hatten,  gab  es  in  der  Kaiser- 
zeit sehr  häufig;  vgl.  den  Spott  Martials  III 
58.  45  und  das  suburbanum  des  Bassus  III 47. 

3)  Zu  den  litterarischen  Nachrichten  über 
die  römischen  Luxusvillen  s.  Rostowzew  A. 
Jb.  XIX  (1904)  111  ff. 

4)  Die  Villa  an  der  latinischen  Meeres- 
küste bei  Laurentum  (das  Laurentinum)  VI  17 
und  die  im  oberen  Tibertal  bei  Tifernum  Ti- 
berinum  (die  Tusci)  V  6  (über  seine  Villen 
am  Corner  See  IX  7).  Die  Litteratur  darüber 
(z.  T.  mit  Rekonstruktionsversuchen)  s.  oben, 
weitere  bei  Witzschel  bei  Pauly  VI  2607. 
Winnefkld  A.  Jb.VI  (1891)  203  A.  7.  Daneben 
kommen  Nachrichten  in  Betracht,  die  Cicero 
an  verschiedenen  Stellen  seines  Briefwechsels 
über  seine  Villen  macht,  vgl.  besonders  ad 
Qu.fr.  III  1. 

5)  DieVillaTiburtinadesManliusVopiscus 
silv.  I  3;  die  Villa  Surrentina  des  Pollius  Felix 


ebd.  II  2.  Die  Beschreibung  der  Villa  bei  Ap. 
Sid.  epist.  II  2  ist  eine  Nachahmung  der  pli- 
nianischen ,  aus  der  die  Benennungen  der 
Räume,  wie  Marx  A.  Jb.  X  (1895)  136  A.9 
bemerkt,  ohne  jedes  Verständnis  entlehnt  sind. 

6)  Die  tiburtinische  Villa  Hadrians,  deren 
gewaltige  Ruinen  heut  noch  unsere  Bewun- 
derung erregen ,  kann  hier  nicht  Berück- 
sichtigung finden;  sowenig  wir  beim  städti- 
schen Wohnhaus  die  Kaiserpaläste  heran- 
ziehen konnten,  sowenig  kann  dies  Unikum 
einer  fürstlichen  Villa  mit  all  ihren  der  Laune 
des  Herrschers  entsprossenen  Seltsamkeiten 
hier  als  Analogie  dienen.  Sie  ist  sehr  häutig 
behandelt  worden;  zuletzt  und  am  sorgfäl- 
tigsten vonWiNNEPELD  Die  Villa  des  Hadriau 
bei  Tivoli,  3  Ergänzungsheft  des  Jahrb.  d. 
archäol.  Instituts,  Berlin  1895,  wo  S.  1  ff.  die 
ältere  Litteratur  verzeichnet  ist;  dazu  ders. 
Preuß.  Jahrb.  XCIII  (1898)  467  ff. ;  s.  auch  Mau 
Katal.  d.  Bibl.  d.  arch.  Instit.  I  225  ff.  Prächtig 
waren  auch  die  Villen  des  Tiberius  auf  Capri, 
Tac.  ann.  IV  67.  von  denen  bloß  noch  dürftige 
Trümmer  übrig  sind  (vgl.  Fbiedländek  Sitten- 
gesch.  II  100);  ferner  die  Villa  Trajans  in 
Centum  Cellae  (Civita  vecchia),  Plin.  ep.  VI 
31.  15.  und  ganz  besonders  die  der  Gordiane 
an  der  Via  Praenestina,  lul.Capit.  Gord.tres  32. 

7)  Vgl.  Friedländer  Sittengesch.  II  95  ff. 
Hamilton  in  den  Transact.  of  the  roval  Soc. 
of  Liter..  London  1839,  III 108.  L.Tocco  B.  d.  I. 
1867,  209.  Lanciani  ebd.  1870.  14.  Westphal 
Die  röm.  Kampagne  (Berl.  1829)  39;  63;  118. 
Beloch  Campanien  (Beil.  1879)  82;  86;  179; 
188  u  ö.  GROSsi-GossiBull.com  XXVI(1898> 
tav.  XII.  Rostowzew  a.  a.  0.  119  ff. 

8)  Die  außerordentlich  umfangreiche  Lit- 
teratur, die  namentlich  in  den  Zeitschriften 
der  provinzialen  Altertumsvereine  zerstreut 
ist.  kann  hier  nicht  aufgezählt  werden;  einige 
Litteraturangaben  s.  bei  Becker-Göll  III  63. 


78 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


Wenn  es  bei  Anlage  einer  dem  landwirtschaftlichen  Betrieb  bestimmten 
Villa  vornehmlich  auf  guten  Boden  und  gesunde  Lage  ankam,  so  spielte 
bei  der  vi  IIa  urbana  als  solcher  neben  letzterer  besonders  die  Schönheit 
des  gewählten  Punktes,  die  weite  Aussicht  auf  Land  und  Meer,  die  Nähe 
von  Wald  und  Gebirge  und  Wasser  die  Hauptrolle1).  Ganz  besonders 
bevorzugte  man  die  Meeresküsten  und  die  Ufer  der  Landseen2);  man 
scheute  sich  dabei  nicht.,  bedeutende  Terrainveränderungen  vorzunehmen, 
hier  Berge  ab-  und  dort  welche  aufzutragen3),  und  namentlich  liebte  man 
es,  auf  gewaltigen  Substruktionen  weit  ins  Meer  hinaus  zu  bauen4). 

Was  die  Zahl  und  Größe,  die  Anordnung  und  Einteilung  der  einzelnen 
Räume  der  Villa  anlangt,  so  richtete  sich  das  natürlich  teils  nach  der  Lage 
der  Villa,  teils  nach  den  Mitteln  und  den  Wünschen  des  Besitzers.  Auf  jeden 
Fall  war  die  ganze  Anlage  weitläufiger5),  freier,  reichlicher  mit  Portiken 
und  mit  Fenstern  ausgestattet,  als  in  den  im  Raum  meist  mehr  oder 
weniger  beschränkten  Stadtwohnungen.  Ein  wesentlicher  Unterschied  im 
Plan  bestand  nach  Vitruv  darin,  daß  im  vorderen,  dem  Haupteingang 
zunächst  belegenen  Teile  des  Hauses  nicht  ein  Atrium,  sondern  ein  Peristyl 
lag,  weil  die  Zwecke,  für  die  in  den  späteren  Jahrhunderten  der  Republik 
und  in  der  Kaiserzeit  das  Atrium  vornehmlich  bestimmt  war,  auf  dem 
Lande  dahinfielen;  ein  Atrium  war  zwar  vielfach  noch  da,  aber  es  lag 
entfernter,  von  Säulenhallen,  Ringplätzen,  Wandelgängen  u.  dgl.  umgeben 6). 
Dem  entspricht  denn  auch  die  Villa  suburbana  des  Diomedes  bei  Pompeji, 
wo  eine  von  der  Straße  über  einige  Stufen  zugängliche,  einst  durch  ein 
von  zwei  Säulen  getragenes  Vordach  geschützte  Tür  unmittelbar  in  das 
Peristyl  führt,  ein  Atrium  freilich  fehlt7).  Daß  im  übrigen  die  Regel  von 
der  Lage  des  Peristyls  keine  unverbrüchliche  ist,  zeigt  das  Laurentinum 
des  Plinius,  das  in  seinem  vorderen  Teil  ein  Atrium  hatte,  an  das  sich 
weiterhin   eine   Portikus   und   ein   Cavaedium   anschlössen8).     Säulenhallen 


')  Die  Aus-  und  Fernsichten  werden  be- 
sonders gern  hervorgehoben,  vgl.Sen.ep.86,  8. 
Plin.  ep.  II  17,  5  ff. ;  12  u.  ö. ;  ebd.  V  6.  19 ;  23 
u.ö. 

s)  Siehe  die  Zusammenstellung  bei  Fried- 
läxder  a.  a.  0.  und  vgl.  Sen.  ep.  89,  20:  hoc 
fltoque  purum  est,  nisi  latifundiis  vestris 
murin  rh,.rislis,  nisi  trans  Hadriam  et  Ionium 
Aegaenmque  vester  vilicus  regnat,  nisi  insulae, 
dueum   domicüia  magnorum,  inter  vilissima 

m  numerantur.  Diese  Vorliebe  für  die 
Meeresküste  zeigt  sich  auch  darin,  daß  die 
pompejanischenLandschaftsbildchen,  die  Villen 
darstellen,  meist  solche  am  Meer  belegene 
zeigen,  mit  allerlei  Ausbauten  und  molen- 
artigen Anlagen  u.  dergl,  wie  denn  über- 
haupt diese  kleinen  Veduten  vielfach  Luxus- 
villen mit  ihren  Säulenhallen.  Rundbauten, 
Türmen  usw.  darstellen,  vgl.  Wörmann  Die 
hämisch,  in  d.  Kunst  d.  alt.  Völker  375  f.  Ro- 
8TOWZEW  a.  a.  0   103  ff. 

*)  Stat.  silv.  II  2.  54:  motu  erat  hie,  ubi 
/>iii,in  rit/rs,  et  lustra  fuerwnt,       guae  nunc 
Ucta  sniiis;  ubi  nunc  nsmora  aräua  cernit, 
hie  nee  terra  fuü.  Sali.  Catil.  20,  11:  diväias, 


quas  profundant  in  extruendo  muri  et  montibut 
coaequandis.  Vgl.  die  künstlichen  Höhlen  in 
der  Villa   des    Servilius  Vatia,   Sen.  ep.  55,  6. 

4)  Vgl.  Hör.  carm.  II  15;  ebd.  III  24,  3; 
ep.Il,83ff.  Ov.a.am.III126.  Sen.  ep.  89,  21. 
Manil. astr. IV 262.  Friedländer  a. a.  0. 111 90  £ 

5)  Senec.  ep.  114,  9  tadelt  es,  daß  man 
zu  seiner  Zeit  im  städtischen  Wohnhause  weit- 
läufig wie  auf  dem  Lande  baue  (ut  in  lu.ri- 
tatem  ruris  excurrant). 

6)  Vitr.VI  8  (5),  3:  earum  autem  reruM 
non  solum  erunt  in  urbe  aedificiorum  rationes, 
sed  etiam  ruri,  praeterquam  quod  in  urbe 
atria  proxima  ianuis  solent  esse,  ruri  autem 
pseudourbanis  statim  peristylia,  deinde  tunc 
atria,  habentia  circum  porticus  pavimentatas 
speetantes  ad  palaestras  et  ambulationes.  Das 
Peristyl  als  Teil  der  Villa  erwähnt  Vair.  II 
pr.  2;  dasselbe  ist  wohl  das  peripteron  ebd. 
Auch  mehrere  Atrien  kamen  in  der  Villa  vor; 
doch  will  Cicero  ad  Qu.  fr.  III  1,  2  ein  klei- 
neres (atriolum)  nur  da  angebracht  haben,  wo 
daneben  ein  größeres  vorhanden  ist. 

7)  Overbeck  369.  Mau  376. 

s)  Plin.  ep.  II  17,  4L:    cuius    in    /»-inia 


Zweiter  Abschnitt.    Villen  und  Gärten. 


7!» 


pflegten  überhaupt  in  den  Villen  überall  in  reichem  Maße  angebracht  zu 
sein1);  sie  dienten  vielfach  als  offene  Wandelhallen,  die  bei  Sonnenschein 
Schatten,  bei  liegen  Schutz  boten,  wie  die  öfters  erwähnten  ambtdationes, 
die  wohl  etwas  Ähnliches  waren2).  Manche  dieser  Säulenhallen  waren  so 
breii  angelegt,  daß  man  sie  mit  Wagen  befahren  konnte;  sie  dienten  na- 
mentlich zu  Spazierfahrten  bei  Regenwetter3).  Öfters  werden  auch  die  sog. 
cryptoporticus  erwähnt,  ganz  geschlossene  lange  Gänge,  die  einzelne  Teile 
der  Villa  verbanden  und  auf  beiden  Seiten  oder  auch  nur  auf  einer  mit 
Fenstern  versehen  waren,  die  je  nach  der  Witterung  geöffnet  oder  geschlossen 
mlialten  wurden4).  Andere  derartige  Gänge  waren,  wie  die  unterirdischen 
mryptoporticus,  ganz  ohne  Fenster  angelegt5). 

Von  den  Wohnräumen  sind  hervorzuheben  die  prächtigen  Speisesäle. 
die  gern  so  angelegt  wurden,  data  man  durch  die  breiten  Fenster  und 
Türen  eine  weite  Aussicht  genoß6);  man  hatte  solche  für  große  Gesell- 
schaften, wie  für  kleine  Zirkel7),  und  solche  für  den  Sommer  und  andere 
für  den  Winter8);  dasselbe  war  mit  den  Schlafzimmern  der  Fall9).    Worauf 


parte  atrium  frugi  nee  tarnen  sordidum ;  deinde 
porticus  in  D  litterae  similitudinem  circutn- 
aetae,  quibus  parvula,  sed  festiva  area  inclu- 
i/itiir,  egregium  adversus  tempestates  reeepta- 
culutn:  »am  specularibus  ac  multo  magis  im- 
minentihus  tectis  muniuntur.  est  contra  median 
eavaedium  hilare.  Winnefeld  A.  Jb.  a.a.O. 
BIS  meint,  daß  unter  eavaedium  hier  ein  Peri- 
st \  1  zu  verstehen  sei.  Da  sonst  aber  eavaedium 
immer  mit  atrium  identisch  ist  (s.  oben  S.  30), 
so  dürfte  wohl  eher  auch  hier  ein  zweites 
Atrium  zu  verstehen  sein.  Daß  es  von  Säulen 
getragen  war,  zeigen  die  Worte,  in  denen 
Plin.  §  5  die  rückwärtige  Ansicht  von  dem 
dahinter  liegenden  triclinium  beschreibt:  a 
iergo  eavaedium,  porticum,  aream,  porticum 
rursus,  mox  atrium,  Silvas  et  longinquos  re- 
tpicit  montes;  da  ist  anscheinend  eavaedium 
das  impluvium,  das  ebenso  von  Säulen  ura- 
reben  ist,  wie  die  area  des  Peristyls  von  einer 
Portikus.  Auch  in  seiner  tuskischen  Villa 
hatte  Plinius  ein  atrium  more  veterum,Y6,16. 

1)  Vgl.  Cic.  ad  Qu.  fr.  III  1,1:  speziell 
die  Portikus  in  Ciceros  Puteolanum  war  be- 
rühmt, Plin.  XXXI  6.  Auch  die  Tusci  des 
lungeren  Plinius  hatten  eine  solche  beim 
Garten,  V  6,  15;  ferner  Stat.  silv.II  2,  30.  Sie 
waren  auch  mit  Schlingpflanzen  bezogen, 
(leim  die  porticus  semper  verna  auf  dem  sub- 
urhanum  des  Canisius  Rufus  bei  Comum, 
Plin.  ep.  I  3,  1,  wird  wohl  so  zu  erklären  sein. 

2)  Cic.  a.  a.  0.;  auf  seinem  Tusculanum 
hatte  Cicero  mehrere,  da  er  Tusc.  IV  4,  7  eine 
inferior  amhulutio  erwähnt;  vgl.  de  or.  I  7,  28. 
Vitr.  V  11,  1 ;  VII  5,  2.  Colum.  I  6,  3.  Es  gab 
freilich  ebenso  offene  ambulationes,  wie  die 
von  Vitr.V  11.  4  angeführten  hypaethri  ambu- 
lationes der  Palaestren,  die  Vitruv  gar  nicht 
vom  Xystus  (s.  unten)  unterscheidet  (ebenso 
VI  10  (7),  5);  dagegen  eine  bedeckte  Cic.  ad 
Attic.  XIII  29.2:  teeta  ambulatiuneula  addenda 
est,    quam  nt  tantam   faciamus,    quantam  in 


Tusculano   feeimus,   prope    dimidio    minoris 
eonstabü  isto  loco.    Inschriftl.  CIL  X  7581. 

3)  Mart.  I  12  u.  82.  luv.  4,  5 ;  ebd.  7,  178 : 
balnea  sescentis  et  pluris  porticus,  in  qua  i/esti- 
tur  dominus  quotiens  pluit,  —  anne  serenum 
expectet  spargatque  lata  iumeufa  reeentif 

4)  Plin.  II  17,  16:  hinc  cryptoporticus 
prope  publici  operis  extenditur.  utrimque  fe- 
nestrae,  a  muri  plures,  ab  horto  singidae, 
sed  alternis  pauciores.  hae,  cum  serenus  dies 
et  inmotus,  omnes,  cum  hinc  vel  inde  ventis 
inquietus,  qua  venti  quieseunt,  sine  inhiria 
patent.  Vgl.  ebd.V6,27;  ib.  29:  aestiva  crypto- 
porticus in  edito  posita,  die  in  der  Mitte 
ein  Speisezimmer  hat  und  mit  latissimae  fe- 
nestrae  versehen  ist;  am  Ende  liegt  ein  cu- 
biculum.  Ebd.VI  121,2:  cryptoporticus  quoque 
adopertis  inferioribus  fenestristantum  umbrae 
quam  htm  in  ix  habet. 

5)  Plin.V6.30:  subest  cryptoporticus  sub- 
terraneae  simüis;  aestate  incluso  frigore 
riiid  contentoque  aere  suo  nee  desiderat  auras 
nee  admittit.  Eine  unterirdische  Kryptoportikus 
ist  auf  dem  Palatin  beim  Palast  des  Tiberius 
erhalten  (Richter  Topogr.  150):  Suet.  Cal.  58 
nennt  sie  cri/pta. 

6)  Coenationes,  Col.I  6,  2.  Plin.  II  17,  10; 
ebd.  12;  V  6,  21;  tricUnia,  ebd.  II  17,  5:  mox 
triclinium  satis  pulclirum,  quod  in  Utas  ex- 
eurrit,  ac  siquando  africo  mare  impulsum 
est,  fractis  iam  et  novissimis  fluetibus  leviter 
attuitur.  undique  valvas  auf  fenesfras  non 
mino?-es  valvis  habet  atque  ita  a  lateribus,  a 
fronte  quasi  tria  maria prospeetat:  ebenso  wird 
V  6,  19  f.  das  triclinium  mit  seinen  rat  nie 
und  fenesfrae  und  der  weiten  Aussicht  gerühmt. 

7)  Plin.  13,1 :  tricUnia  illa  populuria,  illa 
jiaueoru  m .  Kleinere  Speisezimmer  sind  wohl  das 
TrikliniumII17.13  und  das  fensterlose  V  6, 30. 

8)  Colum.  a.  a.  O.    Cic.  ad  Qu.  fr.  III  1,  2. 

9)  Cubicula,  Colum.  a.  a.  O.  Plin.  13.1: 
cubicnla  diurna  nocturna;  II  17,  6;  V  6,  21. 


80 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


/I     I»    /i   /«    /6 


man  aber  ganz  besonderen  Wert  legte,  in  der  Anlage  wie  in  der  Aus- 
stattung, das  waren  die  Bäder,  mit  ihren  Apodyterien  *)  und  ihren  mannig- 
fachen Räumen  für 
warme,  heile  und  kalte 
Waschungen, 
Schwimmbassins 
usw. 2) ;  sie  wurden 
nicht,  wie  früher,  mit- 
ten im  Hause  angelegt, 
wo  sie  meist  nur  durch 
künstliches  Licht  er- 
leuchtetwaren, sondern 
man  liebte  es,  sie  durch 
zahlreiche  Fenster  der 
Sonne  zugänglich  zu 
machen  und  sie  über- 
dies mit  verschwende- 
rischer Pracht  auszu- 
statten 3).  Damit  ver- 
band man  oft  ein  sphae- 
risterium,  wo  jedoch 
nicht  bloß  das  Ball- 
spiel gepflegt,  sondern 
auch  andere  Körper- 
übungen vorgenommen 
wurden4);  ein  Gymna- 
sium für  solche 
Übungen  befand  sich 
auf  Landgütern  schon 
zur  Zeit  Ciceros5).  — 
Bildersammlungen  und 
Bibliotheken,  wie  wir 
_.    „„   ,  sie     beim     städtischen 

Fig.  27.    Plan  der  sog.  Villa  des  Diomedes  in  Pompeji.  TT7-    ,      ,  .., 

Wohnhaus  erwähnten, 
fehlten  auch  auf  dem  Lande  nicht6).  Häufig  wurden:  obere  Stockwerke, 
turres,  bis  zu  beträchtlicher  Höhe  angebracht,  weil  man  von  ihnen  aus 
noch    eine    größere    Fernsicht   genoß7);    hier    lagen    kleinere   Wohnräume 


Die  Schlafzimmer  sind  öfters  mit   der   oben 

;lj  erwähntes  zothcca  versehen,  Plin.  II 
17.21;  V6.  88. 

')  Varr.  II  pr.  2.  Cic.  a.  a.  0.  Plin.V  6,  25. 

s)  Cic.  a.  a.  0. ;  ad  Att.  XIII  29.  2.  wo  bal- 
nearia  maiora  und  minora  unterschieden 
werden.  Colum.  I  6,  2.  Plin.  I  8,  1:  balineum 
fflud,  quod  plurimus  sei  implet  et  circumit. 
Ebd.  4.  1:  II  17.  11:  V  6,  25  f.  Stat.  silv.  I  3, 
44;  II  2.  17.  Mart.  X  79,  3. 

*)  Man  vgl.  die  Klage  des  Seneca  ep.  86, 
8  f.  und  die  Beschreibung  vom  balneum  des 
Claudius  Eiruscus  bei  Stat.  silv.  1  5. 


4)  Plin.  II  17,  12 ;  V  6,  27.  Digg.  XVII  1, 
16.  Eine  besondere  palaestra  als  Teil  der 
Villa  nennt  Vairo  II  pr.  2  und  Vitr.VI  8  (5),  3. 

D)  Vgl.Cic.adAttic.il,  5;  4,  3;  8,  2;  9,  2 
er  schmückte  es  mit  Hermen  und  andern 
ornamenta  yvfivaotwd?),  ebd.  6.  2;  10,3  (vgl. 
Ziehen  A.  A.  1906,  47  ff.).  Eine  palaestra 
im  Hause  desVerres,  Cic.Verr.V  72,  185.  Varr. 
r.  r.  11  pr.  2  erklärt  das  für  griechische  Nach- 
äfferei. 

6)  Varr.  12,  10.  Plin.  II  17,  8. 

7)  Tib.  I  7.  19.  Plin.  II  17.  12  f.  Mart.  III 
58,  46.  Vgl.  Becker-Göll  I  114. 


Zweiter  Abschnitt.    Villen  und  Gärten.  Q\ 

(diaetae,  s.  oben  S.  43)  mit  Schlaf-  und  Speisezimmern,  deren  Reiz  ganz 
besonders  gepriesen  wird1)- 

Wirtschaftsräume,  Sklavenzimmer  u.  dgl.  gab  es  natürlich  in  der  vitta 
nrhiina  auch  in  hinlänglicher  Anzahl,  sie  werden  aber  nur  selten  und  ganz 
kurz  erwähnt2).  Endlich  muß  erwähnt  werden,  daß  in  den  Villen,  da  man 
sich  häufig  auch  im  Winter  dort  aufhielt,  außer  dem  Badezimmer  auch 
noch  einige  Wohnräume  mit  Heizung  versehen  waren3);  die  Ruinen  rö- 
mischer Villen  nördlich  der  Alpen,  besonders  in  der  Schweiz,  in  Deutsch- 
land und  England  pflegen  durchweg  mit  solchen  versehen  zu  sein. 

Eine  bessere  Vorstellung  von  einer  römischen  Villa,  als  sie  uns  diese 
vereinzelten  Notizen  geben,  verschafft  uns  der  Blick  auf  den  Plan  einer 
in  den  Resten  noch  erhaltenen,  wenn  auch  im  Verhältnis  zu  den  Pracht- 
anlagen, wie  sie  Plinius  und  Statius  beschreiben,  recht  bescheidenen  Villa, 
der  des  Diomedes  in  Pompeji  (Plan  Fig.  27) 4).  Diese  ist  an  der  Gräber- 
straße vor  dem  Herculaner  Tor  belegen,  gegen  die  sie  im  schiefen  Winkel 
stößt,  was  damit  zusammenhängt,  daß  sie  an  einem  Abhänge  liegt,  den 
die  Straße  schräg  hinabsteigt.  Über  die  Treppe  1  gelangt  man  durch  die 
Haustür  2  in  das  Peristyl  3  mit  einem  Viridarium  im  Säulenumgange;  bei 
a  stehen  Puteais,  die  mit  der  unterirdischen  Zisterne  zusammenhängen. 
Rechts  führt  bei  4  eine  Treppe  zu  den  tiefer  belegenen  Wirtschaftsräumen. 
Rings  um  das  Peristyl  liegen  verschiedene  Räume,  teils  von  unsicherer 
Bestimmung,  teils  citbicula,  wie  die  mit  5  bezeichneten;  6  a  ist  eine  Art 
ala ,  8  ein  tablinum.  Besonders  bemerkenswert  ist  das  halbrund  ab- 
geschlossene cubiculum  14  mit  dem  Vorzimmer  (procoeton)  13,  dem  Bett- 
alkoven y,  dem  aufgemauerten  Waschtisch  <5,  der  Cella  ß  für  den  cubicularins. 
Dies  Schlafzimmer  mit  seinen  drei  der  Sonnenseite  zugewandten  Fenstern 
entspricht  ganz  dem  von  Plinius  in  seinem  Laurentinum  beschriebenen5). 
Davor  lag  ein  Garten,  auf  den  die  Seitentür  15  führt.  Die  Zimmer  16 
und  18  waren  wohl  Vorrats-  oder  Garderobenzimmer.  Der  dreieckige 
Hof  17,  den  an  zwei  Seiten  pfeilergetragene  Dächer  umgeben,  ist  der  Vorraum 
zum  Bade,  e  ist  ein  kleiner  gemauerter  Herd  (wohl  zur  Bereitung  warmer 
Getränke  nach  dem  Bade),  £  ein  Badebassin  (piscina),  das  durch  ein  von 
zwei  Säulen   getragenes  Holzdach   gegen   die  Sonne    geschützt  war.     Zum 


')  Plin.ll  17,  12  f.;  V6.  21.  Stat.  silv.  II 
2,  83.  Im  Laurentinum  lag  am  Nordende  der 
cryptoporticus  und  des  diese  umgebenden 
Gartens  eine  von  Plinius  selbst  angelegte  di- 
aeta,  zu  der  ein  hei  Iura  minus  gehörte,  II  17, 
20,  was  wohl  einen  von  der  Sonne  ganz  durch- 
wärmten Raum  bedeutet.  Das  Wort  kommt 
auf  einer  Inschrift  von  Smyrna  als  Teil  eines 


1,  16.    Ueber  das  Technische  der  Heizung  s. 
unten  Abschn.  III. 

4)  Overbeck  869  ff.  Mau  376  ff.;  unser 
Plan  nach  Ovekbeck  Fig.  181 .  Den  Namen  führt 
sie  nach  dem  gegenüber,  auf  der  andern  Seite 
der  Gräberstrafäe  belegenen  Grabmal  eines  M. 
Arrius  Diomedes,  also  ganz  ungerechtfertigter- 
weise.   Die  Villa  ist  in  den  Jahren  1771 — 74 


Gymnasions  vor,  CIG  3148  Z.  43,  als  Haus-  j  ausgegraben  worden;  eine  andere,  1763  aus- 
teil Digg.  VIII  2.  17.  gegrabene  (die  sog.  Villa  des  Cicero)  ist  wieder 
*)  Plin.ll  17,  9  sagt  bloß:  reliqua  pars  J  zugeschüttet  worden;  ein  mangelhafter  Plan 
mteris  huius  servorum  libertorumque  usibus  I  Pomp.  ant.  hist.  1  tab.  2.  Ueber  römische  Villen 
mtinetur,  plerisque  tarn  mundis,  ut  accipere  j  im  südlichen  Istrien  s.  Gnirs  Österr.  Jahres- 
hefte XI  (1908)  167  ff. 

5)  Plin.  II  17,  8:  cubicuktm  in  hapsida 
curvatum,  quod  ambitum  solis  frnesfris  omni- 
bus  sequitur. 


hospites  possint.  Ebd.  13  erwähnt  er  eine 
lata  apotheca  et  horreum,  in  einer  tnrris  im 
Oberstock  belegen. 

3)  Plin.  II  17,  9  u.  23;  V  6,  25.  Digg.  XVII 


Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft.    IV.    2,  2.    3.  Aufl. 


82 


Erste  Abteilung.     Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


Zweiter  Abschnitt.   Villen  und  Gärten.  83 

Bade  gehören  dann  das  Apodyterium  19,  das  Tepidarium  20,  das  Cal- 
darium  21  mit  der  Wanne  (alveus)  r\  und  der  Nische  #  für  das  labrum. 
Daneben  die  Küche  22  mit  dem  Herd  fi  und  dem  Backofen  X.  Bei  £  führte 
eine  Treppe  nach  oben.  In  der  Ecke,  beim  Hypokaust  x,  liegt  der  Abtritt. 
Im    Raum  23  war  der  Hauptwasserbehälter. 

Auf  der  anderen  Seite  des  Peristyls  liegt  eine  große  Galerie  26,  auf 
welche  die  fauces  6,  das  tablinum  8  und  die  Zimmer  9  und  10  münden; 
dieser  Gang,  den  man  wohl  als  ambulatio  bezeichnen  kann,  öffnete  sich 
ursprünglich  nach  der  oberhalb  des  Gartens  belegenen  Terrasse  28,  wurde 
aber  später  in  einen  geschlossenen  Korridor  verwandelt;  an  den  Enden 
wurden  die  Zimmer  25  und  26  und  auf  die  Terrasse  hinaus  der  große  Saal 
(oecus)  27  gebaut,  der  eine  prachtvolle  Aussicht  auf  das  Meer  hin  bot.  Um 
die  vier  Seiten  des  ausgedehnten  Gartens,  der  erheblich  tiefer  liegt,  ziehen 
sich  von  viereckigen  Pfeilern  getragene  Portiken  defgh,  die  oben  einen 
unbedeckten  Umgang  haben.  Die  Kabinette  29  und  30  sind  wohl  cubicula. 
Unter  der  Terrasse  28  liegen  eine  Reihe  von  Zimmern  i  und  k,  die  sich 
auf  die  Vorderportikus  d  des  Gartens  öffnen;  vom  Oberstock  führt  zu  ihnen 
die  Treppe  b,  von  den  ebenfalls  tiefer  belegenen  Wirtschaftsräumen  der 
schmale  Gang  aa.  Dazu  gehören  die  Eckzimmer  1  m:  am  Ende  des  Gartens 
liegen  die  luftigen  Gartenzimmer  n  o:  in  der  Mitte  der  Rückwand  führt 
die  Tür  über  eine  breite  Treppe  ins  Freie.  Unter  den  Portiken  e  f  g  h 
und  unter  den  Räumen  1  m  erstreckt  sich  ein  Keller  mit  kleinen  Fenstern 
nach  dem  Garten  zu,  durch  die  Treppe  bei  q  und  den  Gang  32  zugänglich; 
er  diente,  nach  den  dort  gefundenen  Tonamphoren,  auch  als  Weinkeller. 
Im  Garten  ist  r  ein  Fischteich,  s  eine  von  sechs  Säulen  umgebene  Laube. 

Endlich  liegt  rechts  anstoßend  und  etwas  tiefer,  durch  den  Gang  32 
vom  Wohnhaus  geschieden,  der  Hof  33  mit  einer  kleinen  Portikus  34  an 
der  einen  Seite,  mit  Küche,  Bäckerei  und  sonstigen  Wirtschaftsräumen 
an  der  andern;  doch  ist  diese  ganze  Abteilung  so  zerstört,  daß  Näheres 
sich  nicht  mehr  bestimmen  läßt. 

Fig.  28  gibt  das  im  Schweizerischen  Landesmuseum  in  Zürich  befind- 
liche Modell  der  bei  Pfäffikon  (Kanton  Luzern)  ausgegrabenen  Reste  einer 
römischen  Villa  wieder,  bei  der  die  einzelnen  Räume  zwar  nicht  bestimmbar 
sind,  die  aber  durch  die  umfangreichen  Heizanlagen,  wie  sie  das  nördliche 
Klima  gebot,  von  Interesse  ist. 


Nachdem  wir  die  Baulichkeiten  der  Villen  behandelt,  haben  wir  nun 
der  andern  Anlagen  zu  gedenken,  die  um  sie  herum  lagen.  Zunächst 
sind  das  solche,  die  direkt  zur  Landwirtschaft  gehören,  als  Ställe  für  das 
Federvieh,  abgesehen  von  den  schon  oben  erwähnten,  in  der  villa  rusücu 
angelegten  Ställen  für  Hühner  und  Tauben,  also  besonders  die  für  Gänse, 
Enten  und  Pfauen,  ferner  die  Teiche  für  die  Fischzucht,  die  Tiergärten, 
in  denen  Hasen  und  anderes  Wild  gehalten  wurde,  die  Anlagen  für  die 
Zucht  der  Schnecken  und  der  Haselmäuse,  die  Bienenhäuser  u.  a.  m. 
Hierauf  können  wir  indes  ebensowenig  wie  auf  andere  Gebiete  der  römischen 


84 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


Landwirtschaft  näher  eingehen  *).  Hingegen  wollen  wir  noch  einiges  über 
die  Gartenanlagen  der  Villen2)  hinzufügen. 

Wenn  schon,  wie  wir  sahen  (oben  S.  41),  der  Römer  in  seinem  Stadt- 
haus gern  einen  Garten,  und  mochte  er  noch  so  kleine  Dimensionen  haben, 
anbrachte,  so  bildete  der  hortus*)  beim  Landgut  einen  besonders  wichtigen 
Bestandteil.  Freilich  war  das  in  den  einfacheren  Zeiten  der  Republik  noch 
kein  Ziergarten;  Cato  bespricht  den  Garten  im  Anschluß  an  den  Obstbau 
und  läßt  zwar  Blumen  zu,  wünscht  aber  vornehmlich  nutzbare  Pflanzen4). 
Etwas  weiter  geht  Varro;  er  betrachtet  zwar  auch  den  Garten  nur  vom 
Standpunkt  des  Nutzens,  den  man  daraus  ziehen  könne,  aber  er  empfiehlt 
doch  für  Landgüter,  die  nahe  bei  der  Stadt  liegen,  Blumenzucht,  weil  sich 
die  Blumen  mit  Vorteil  in  der  Stadt  verkaufen  ließen5).  Aber  schon 
damals  liebten  es  die  Reichen,  große  Areale  ihrer  ländlichen  Besitzungen 
lediglich  der  Ziergartenkultur  zu  bestimmen,  nachdem  zumal  Lucullus 
mit  der  Anlage  seiner  ausgedehnten  Gärten  auf  dem  Mons  Pincius  und 
auf  seinen  zahlreichen  Villen  das  Beispiel  orientalischer  Fürsten  und  der 
Diadochenkönige  nachgeahmt  hatte6).  Immer  größer  wurde  die  Ausdehnung, 
immer  kunstvoller  die  Anlage  dieser  Gärten,  sodaß  es  an  Klagen  über  die 
dadurch  erfolgte  Verkümmerung  der  Natur  nicht  fehlt7).  In  den  Briefen  des 
Plinius,  in  denen  er  seine  Villen  beschreibt,  nimmt  die  Schilderung  der  Gärten 
einen  wesentlichen  Platz  ein;  in  seinem  Laurentinum  hat  er  mehrere,  neben 
dem  Ziergarten   auch   einen  für  landwirtschaftliche  Zwecke  bestimmten8). 

Aus  diesen  Beschreibungen  und  aus  andern  uns  vorliegenden  Angaben 
erkennen  wir,  daß  auch  die  Römer  den  anmutigen  Wechsel  von  parkartigen 
Anlagen  mit  Buschwerk  und  Waldpartien ,  mit  freien  Rasenplätzen  und 
Wasserbecken  einerseits  und  von  künstlich  gepflegten,  regelmäßig  angelegten 
Ziergärten  anderseits  wohl  kannten,  daß  aber  ihre  Parke  mit  den  modernen, 


')  Eine  genügende  ausführliche  Dar- 
stellung der  römischen  Landwirtschaft  fehlt 
noch  immer.  Die  Schrift  von  H.  Gummerus 
Der  römische  Gutsbetrieb  nach  den  Werken 
des  Cato.  Varro  u.  Columella,  Leipzig  1906, 
behandelt  nur  den  wirtschaftlichen  Organis- 
mus. 

'-')  Außer  der  oben  S.  67  verzeichneten 
Litteratur  ist  hierüber  zu  vergleichen  Böttiger 
Racemationen  zur  Gartenkunst  der  Alten,  in 
Kl.  Schriften  111  157.  Wüstemann  Ueber  die 
Kunstgärtnerei  bei  den  alten  Römern,  Gotha 
1846.  Simonis  Ueber  die  Gartenkunst  der 
Römer,  Blankenburg  1865.  F.Cohn  Die  Gärten 
in  alter  und  neuer  Zeit,  in  d.  Deutsch.  Rund- 
schau f.  1879,  I  250  ff.  Woksch  Der  römische 
Lustgarten .  Jahresber.  des  k.  k.  Staatsober- 
gymn.  in  Leitmeritz,  1881.  Anderes  noch 
bei  PaülyIII  1509  und  Daremberg  et  Saglio 
III  293. 

3)  Das  Wort  hortus  (vom  griech.  x<>QZ0<; 
herkommend;  die  Ableitung  bei  Festus  102, 
11:  hortus  apud  antiquos  omnis  villa  dice- 
luiliir,    quod    ihi,    qui   arma   capere  possint, 

ntur,  ist  natürlich  falsch)  bedeutet  ur- 
■prfinglich  nicht  den  Ziergarten,  sondern  das 
I  »•■konumieland ;  nach  Plin.  XIX  50  kennt  das 


XII  Tafelgesetz  noch  nicht  die  villa  im  spä- 
teren Sinne,  sondern  gebraucht  dafür  hortus, 
während  für  hortus  heredium  gesagt  wird 
(vgl.  Scholl  Leg.  XII  tab.  reliqu.  137).  Bei 
Varr.  I  1,  6  wird  das  olivetum  den  horti,  d.  i. 
den  Weinpflanzungen,  gegenüber  gestellt.  In 
der  Stadt  waren  die  horti  die  Gemüsegärten 
der  Aermeren,  Plin  1.  1.  51 :  Romae  quidem 
per  se  hortus  ager  pauperis  erat,  ex  horto 
plebei   macellum,    quanto   innocentiore   victut 

4)  Cato  8, 2:  sub  urbe  hortum  omne  genus, 
coronamenta  omne  genus,  bulbos  megaricos, 
murtum  coniugulum  et  album  et  nigrutn,  /<>- 
ream  delphicam  et  cypriam  et  silvaticam, 
nuces  calvas,  abellanas,  praenestinas,  graecas, 
haec  f actio  ut  serantur.  Daher  Cic.  Cat.  mai. 
16,  56:  tarn  hortum  ipsi  agricolae  succidiam 
alteram  appellant  („eine  zweite  Speckseite"). 

")  Varr.  116,  3:  itaque  sub  urbe  volct-s 
hortos  late  expedit,  sie  violaria  ac  rosari" ; 
vgl.  ib.  35,  wo  die  zu  ziehenden  Blumen  be- 
sprochen werden. 

6)  Plut.  Luculi.  39. 

7)  Vgl.  besonders  Hör.  carm.  II  15;  auch 
Verg.  Georg.  IV  147  f. 

8)  Plin.  ep.  II 17,  15:  hortus  alius  pinguü 
et  rusticus. 


Zweiter  Abschnitt.   Villen  und  Gärten. 


85 


namentlich  der  englischen  Landgüter,  nicht  wetteifern  konnten1),  und  ferner, 
dafä  die  Römer  hinsichtlich  ihrer  Ziergärten  einem  absonderlich  steifen  Ge- 
schmack huldigten,  der  an  die  verschnörkelte  Gartenkunst  des  Rokoko  er- 
innert. Wie  die  kleinen  Hausgärten,  von  denen  wir  sprachen,  in  geometrisch 
abgezirkelte  Beete  abgeteilt  waren,  so  waren  auch  die  großen  Ziergärten 
der  Villen  in  ähnlicher  Art  architektonisch  regelmäßig  angelegt.  Dieser 
Teil  des  Gartens  ist  es,  den  man  wesentlich  als  xystus  bezeichnete,  mit 
einem  griechischen  Ausdruck,  der  allerdings  in  dieser  römischen  Anwendung 
seine  eigentliche  Bedeutung  völlig  eingebüßt  hat2).  Man  verstand  darunter 
die  Gänge  und  Promenadenwege,  die  sich  seitlich  oder  hinter  den  Villen, 
oft  in  großer  Ausdehnung3)  und  mit  reichem  Schmuck  von  Bildwerken4), 
hinzogen;  sie  grenzten  vielfach  an  die  oben  erwähnten  Portiken6);  die 
Wege  waren  von  Blumenbeeten  begrenzt,  mit  künstlich  verschnittenem 
Buschwerk  eingefaßt,  alles  geometrisch  abgeteilt6).  Lagen  die  Beete 
(iircac,  areolae1))  etwas  höher  als  die  dazwischen  führenden  Gänge,  so 
wurden  auch  diese  pulvinus,  torus  genannten  Teile  mit  Immergrün  u.  dgl. 
bepflanzt8).  Worin  aber  diese  Gärten  denen  der  Rokoko-  und  Zopfzeit 
am  meisten  glichen,  das  war  in  der  bis  zum  Kindischen  getriebenen  Mode, 
Sträucher  und  Gebüsche,  auch  hohe  Bäume  in  künstlichen  Formen  und 
Figuren  zu  beschneiden.  Dieser  Brauch  soll  durch  den  römischen  Ritter 
C.  Matius  aufgekommen  sein9).  Man  verschnitt  Buchsbaum,  Zypressen 
und  andere  Pflanzen  nicht  bloß  in  geometrischen  Formen,  wie  Kegel  und 
Pyramiden,  sondern  auch  zu  Namenszügen,  zu  Figuren,  besonders  von 
Tieren,  ja  zu  ganzen  Gruppenbildern10). 

So  auch  Senec.  dial.  V  8,  4:  in 


J)  Vgl.  Fkiedländek  Sittengeschichte  III 
94  f. 

2)  Vitr.Vll,  4  gibt  an,  daß  die  Griechen 
die  bedeckten  Säulengänge,  die  in  den  Ring- 
schulen neben  den  freien  Uebungsplätzen  hin- 
liefen und  zur  Uebung  für  die  Athleten 
dienten,  tvaroi  genannt  hätten,  daß  dagegen 
bei  den  Römern  die  unbedeckten  Gänge,  in 
denen  man  bei  schönem  Wetter  die  Uebungen 
vornahm  und  die  bei  den  Griechen  Jiaga- 
Ögouides  hießen,  xysta  genannt  worden  seien; 
vgl. VI  10  (8),  5.  Vom  Garten  gebraucht  Vitruv 
das  Wort  noch  nicht;  auch  Cic.  Brut.  3,  10; 
de  opt.  gen.  or.  3,  8  gebraucht  xystus  von  sol- 
chen Säulengängen. 

3)  Plin.  ep.  IX  7,  4:  spatiosissimi  xysti. 
Phaedr.  II  5.  18.  Man  ging  darin  allein  oder 
mit  Freunden  spazieren,  Plin.  ep  IX  16,  3. 

4)  Cic.  ad  Attic.  I  8,  2,  wo  allerdings  die 
Bedeutung  von  xystus  nicht  deutlich  ist. 
Doch  ist  auch  ohne  dies  nicht  zu  bezweifeln. 
daß  ebenso  wie  in  Rom  zahlreiche  Kunst- 
werke in  den  öffentlichen  Gärten  standen, 
auch  die  Privatgärten  der  Villen  solchen 
Schmuck  nicht  entbehrten.  Davon  machten 
allerdings  die  Villen  des  Augustus  eine  Aus- 
nahme, Suet.  Aug.  72:  sua  quamvis  modica 
[praetoria)  non  tarn  statuarum  tabularum- 
que  pi  darum  ornatu,  quam  xyst/'s  et  ne- 
in oribus  excoluit. 

6)  So  der  xystus  bei  Plin.  ep.  II  17,  17  f. 


undV6,  16. 
xysto  maternorum  hortorum,  gut  porticuw 
a  ripa  separat.  Solche  xysti  wurden  auch 
in  den  öffentlichen  Anlagen  von  Städten  er- 
richtet und  finden  sich  inschriftlich  mitunter 
erwähnt,  z.  B.  CIL  XI  948;  XII  3155. 

6)  Plin.  ep.  V  6,  16:  ante  porti cum  xystus 
in  plurimas  species  distindus  concisusque  bunt. 

')  Col.  X  362;  XI  2, 30;  3, 13.  Pal).  I  34,  7. 
Plin.  XIX  60.  Plin.ep.V6.  16. 

8)  Varr.  I  35,  1.  Col.  XI  3,  20.  Pall.  III  24, 
13.  Plin.  XVII  159;  XIX  60;  XXII  76.  Plin. 
ep.  a.  a.  O. 

9)  Plin.  XII  13:  primus  C.  Matius  ex 
equestri  ordine,  divi  Auyusti  amlcus,  invenit 
nemora  tonsilia  ante  hoc  LXXX  annos. 

lü)  Plin.  XVI  140:  diu  metae  demum 
aspectu  non  repudiata  (cuprsssus)  distimjuen- 
dis  tautum  pinorum  ordinibns,  nunc  vero 
tonsilis  facta  in  densitate  parietum  coerdta- 
que  gracüitate  perpetuo  teres  trahitur  ttiam 
in  pieturas  operis  topiarii,  venatus  classesve 
et  imagines  rerum  tenui  folio  brerique  et 
virente  semper  vestiens.  Plin.  ep.V6,  16:  de- 
missus  pronusque  pulvinus,  cui  bestiarum 
effigies  invicem  adversas  busus  mscripsit; 
ebd.  35:  alibi  ipsa  buxus  interrenit  in  forntas 
müle  descripta,  Utteras  interdum,  qu<(e  modo 
nomen  domini  dicunt,  modo  artificis:  altern is 
metulae  surguwt,  alternis  inserta  sunt  poma. 
Frontin.  laus  negl.  p.  216  (Naber):    myrtion 


86 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


Einen  wichtigen  und  oft  erwähnten  Bestandteil  der  Gärten  machte 
die  gestatio  aus,  worunter  man  einen  Gang  oder  eine  Art  Allee  versteht  •), 
die  so  breit  war,  daß  man  sich  in  der  Sänfte  dort  spazieren  tragen  lassen 
konnte2),  und  die  bald  gerade,  bald  in  Windungen  sich  durch  den  Garten 


Fig.  29.    Römisches  Wandgemälde  mit  Darstellung  eines  Ziergartens. 

hinzog  oder  ihn  umgab3).  Seltner  wird  ein  hippodromus  erwähnt4),  wie 
Plinius  einen  in  seiner  laurentinischen  Villa  hatte5);  diese  Anlage  hatte 
ihren  Namen  wohl  vornehmlich  von  der  Ähnlichkeit  ihrer  Form  mit  der 
lang  gestreckten,  an  der  einen  Seite  rund  abgeschlossenen  Rennbahn,  ohne 
daß  sie  selbst  für  solche  Zwecke  bestimmt  war,  wenn  auch  die  durch 
Rabatten  abgeteilten  Wege  ein  Spazierenfahren  oder  Reiten  erlauben 
mochten6).  Mit  Laub  bewachsene  Gänge,  pergulae,  fanden  sich  ebenso  im 
Ziergarten  wie  in  den  Weinpflanzungen7);  auch  Lauben  (trichüae,  tricliae, 
triclae)  fehlten  nicht8).  Diese  wie  jene  bestanden  vornehmlich  aus  Gitter- 
werk, das  mehr  oder  weniger  dicht  mit  Kletterpflanzen  u.  dgl.  bewachsen 
war  (vgl.  Fig.  29) 9). 


buxumque  ceteraque  tonsilia  arbusta  atque 
rirgu/ta  summa  diligentia  et  studio  radi,  ri- 
;/(')■/,  conti  solita.  Vgl.  die  tonsae  pinus  Petron. 
131.8.  DieSitte  dauerte  bis  ins 4.  Jahrh. n.Chr., 
s.  Firm.  Mat.  VIII  10:  qui  buxeas  arbores  ton- 
dens  in  beluas  fingit  aut  virides  porticus  in 
circulum  flexis  vitibus  faciat. 

')  Plin.ep.II  17,  13  f.;  ebd.V  6,  17,  wo 
die  ambulatio  davon  unterschieden  wird ;  vgl. 
13,1:  quid  illa  mollis  et  tarnen  solida  ge- 
statio, was  wohl  auf  die  Beschaffenheit  des  Bo- 
dens geht;  Digg.VII  1,  13,  4:  si  forte  voluptati 
fuit  praedium,  viridaria  aut  gestationes  vel 
ili'innbulationes  arboribus  -infructuosis  opacas 
atque  amoenas  habens.  Wahrscheinlich  sind 
diese  ambulationes  die  schmaleren  Wege 
zwischen  den  Anlagen,  wie  die  noti  flexus 
des  xystus  bei  Phaedr.  II  5,  18;  vgl.  Petron. 
126,4,  wo  ein  daphnon  bei  der  ambulatio  liegt. 
Auch  auf  Inschriften,  s.  CIL  VI  29774  f..  vgl. 
Fiorelli  Not.  d.  scavi  1888,  709  ff.  de  Rossi 
und  Gatti  Bull,  comun.  1889,  355;  1890,  284  f. 

')  Das  hieß  ebenfalls  gestatio,  Senec. 
dial.  X  12,  6;  ep.  15.  6:  55,  1;  doch  ist  gestatio 
jede  derartige,  zur  Unterhaltung  oder  aus 
hygienischen  Gründen  unternommene  Beför- 
derung, s.  Cels.  II  15. 

3)  Plin.  a.  a.  0.;  ebd.  IX  7,  4:  illic  recta 
gutatic  largo  Jimite.  super  Htm  extenditar, 
hir  sjttttitisissimo  xysto  leniter  inflectitur.    Es 


ist  wahrscheinlich,  daß,  wie  Lapaye  bei  D.-S. 
III  285  vermutet,  ein  in  der  Villa  der  Livia  ad 
Gallinas  albas  (vor  Prima  Porta  bei  Rom) 
aufgefundenes  Wandgemälde,  das  einen  von 
einer  Balustrade  und  einem  Gitterzaun  ein- 
gefaßten Gang  mit  Bäumen,  Buschwerk, 
Vogelhäusern  u.  dgl.  darstellt  (s.  Denkm.  d. 
arch.Instit.il  (1887)  Taf.24;  vgl.ebd.ITaf.il. 
BKUNNB.d.I.1863,82.  Lafaye286  Fig.  2900) 
eine  solche  gestatio  wiedergibt.  Ueber  Dar- 
stellungen von  Gärten  auf  pompejanischen 
Wandgemälden  vgl.WöRMANN  Landsch.  i.  d. 
alt.  Kunst  374  ff. 

4)  Der  bei  Mart.  XII  50,  5  erwähnte  pul- 
vereus  hippodromus  gehörte  wohl  auch  zu 
einer  Villa,  worauf  die  daphnones,  platanones 
und  pituones  v.  1  hinweisen. 

ä)  Plin.ep.V6,  19;  ebd.  28  u.  32. 

6)  Wie  bei  Mart.  a.  a.  O.  Marx  A.  Jb.  X 
(1895)  135  ff.  spricht  die  Vermutung  aus,  daß 
das  sog.  Stadium  bei  den  Kaiserpalästen  des 
Palatins  ein  solcher  hippodromus  gewesen  sei. 

T)  Plin.  XIV  11;  ib.  42;  XIX  69.  Colum.  IV 
21,2;  XI  2,  32. 

8)  Caes.b.civ.III96.  Verg.Copa8.  Colum. 
X  378  u.  394.  Auch  auf  Inschriften,  CIL  VI 
10237;  15  593. 

a)  Auch  diese  sind  auf  Wandgemälden 
nicht  selten  zu  sehn,  s.  Pitture  di  Ercol.  II 
267.  Visconti  Bull,  comun.  1874,  145Taf.l7, 


Zweiter  Abschnitt.    Villen  und  Gärten. 


87 


Auf  das  Vorhandensein  von  natürlichen  oder  künstlichen  Teichen  oder 
kleinen  Seen,  von  Quellen  und  rieselnden  Bächen  legte  man  viel  Wert1) 
und  brachte  gern  Springbrunnen  (aquae  salientes)  und  sonstige  Wasserkünste 
dabei  an,  die  auch  in  den  Speise-  und  Schlafzimmern  Kühlung  brachten 2). 
Zugleich  wurden  diese  Anlagen  dazu  benutzt,  Wiesen-  und  Gartenanlagen 
zu  besprengen3).  Oft  standen  die  Bäche  und  Wasserleitungen  mit  künst- 
lichen Grotten  in  Verbindung,  die  aus  Tufstein,  Bimstein  u.  dgl.  aufgeführt 
waren1)  und  musaea  genannt  wurden5).  Bänke  und  Ruheplätze  waren 
da  und  dort  angebracht6),  und  auch  diese  wurden  manchmal  mit  den 
Wasserkünsten  in  Verbindung  gesetzt,  wie  bei  dem  von  Plinius  beschrie- 
benen stibadium 7). 

Mit  solchen  künstlichen  Gärten  und  Anlagen  wechselten  dann  wieder 
Baumgruppen  und  Wiesen 8),  sodafi  es  an  Mannigfaltigkeit,  die  gern  rühmend 
hervorgehoben  wird,  nicht  fehlte,  zumal  auch  die  Baulichkeiten  nicht  bei- 
sammen lagen,  sondern  hier  und  da  verstreut  und  von  Garten-  und  Park- 
partien unterbrochen. 

Viel  weniger  Abwechslung  aber,  als  unsre  modernen  Ziergärten  mit 
ihrer  reichen  Flora,  boten  die  Gärten  der  Römer  hinsichtlich  der  darin 
gezogenen  Blumen  und  Sträucher.  Der  heutige  Garten  prangt  mit  zahl- 
reichen herrlichen  Blumen,  die  erst  Mittelalter  und  Neuzeit  aus  allen 
Weltteilen  her  eingeführt  haben,  der  altrömische  mußte  sich  mit  weit 
weniger  benügen  und  dafür  die  Pracht  in  deren  möglichst  verschwenderischen 
Fülle  suchen9).     Seine  Hauptzierde  waren  Rosen10)  und  Violen  (Levkoien, 


8  (darnach  unsere  Fig.  29).  Bartoli  Sepolcro 
d.  Nasoni  Taf.  30  (Daremberg  et  Saglio  IV 
B92  Fig.  5568).  Helbig  Wandgemälde  415 
N.  1741;  416  N.  1748. 

')  Das  dazu  erforderliche  Wasser  wurde, 
wenn  es  die  Natur  nicht  von  selbst  bot, 
durch  Pumpwerke  und  Treträder  aus  benach- 
barten Flüssen  oder  Brunnen  herbeigeführt, 
Mart.  IX  18,4:  sed  de  volle  brevi,  quas  det 
sitientibus  hortis,  curva  laboratas  antlia  tollat 
aquas.  Ueber  die  Konstruktion  der  rota 
aquaria  (Lampr.  Heliog.  24,  5)  s.Vitr.  X  9  (4)  ff. 

2)  Plin.ep.  II  17,25;  V  6,  20;  ib.  23:  fon- 
Hculus  in  hoc,  in  fönte  crater;  circa  sijpun- 
culi  plures  miscent  iucundissimum  murmur; 
ib.  36.  Manil.  Astr.  IV  262  ff.  Ueber  sipun- 
culi,  die  wie  fistulae,  tubuli  u.  dgl.  die  Ver- 
teilung des  Wassers  durch  Röhren  besorgen, 
vgl.  Becker-Göll  75. 

s)  Plin.  ep.  V  6,  40:  per  totum  hippo- 
drotnum  inducti  fistulis  strepunt  rici  et  quo 
manus  ducit  secuntur:  hie  nunc  Hin  viridia, 
nunc  haec,   interdum    sinnt!  omnia  lavantur. 

4)  Varr  III  5,  9.  Plin.  XXXVI  154:  op- 
pettantur  quidem  ita  (pumices)  erosa  saxa 
in  aedifieiis,  quae  musaea  voeant,  dependentia 
(dl  imaginem  specus  arte  reddendam.  Senec. 
ep.  55.  6:  speluncae  sunt  duae  magni  operis, 
cuivis  ln.ro  atrio  pares,  mann  faetae,  quarum 
altern  solem  tum  reeipit,  altern  tisqae  in  oc- 
eidentem  tenet.  Ov.  met.  III 159.  wo  eine  natür- 
liche Tuffsteingrotte  den  künstlichen  gegen- 


über gestellt  wird;  ebd.VHI562:  pumice  mnlti- 
cavo  nee  levibus  atria  toplu's  \  strueta  subit. 
»)  Plin.  XXXVII  14  und  a.  a.  O.  Varr.  a. 
a.  0.,  auch  inschriftl.  CIL  VIII  2675.  In  an- 
derem Sinne  nennt  Plin.  ep.  I  9,  6  sein  ganzes 
Laurentinum  ein  ftovaeiov. 

6)  Plin.  ep.  V  6,  40:  sunt  locis  piurtbua 
disposita  sedilia  e  marmore,  quae  amhnlatione 
fessos  nt  cubicitlum  ipsuni  iuennt ;  fonticu/i 
setlilihus  adiacent. 

7)  Plin.  a.  a.  0.  36:  ///  capite  stibadium 
Candida  marmore  ritej>rote(/itar,  ritem  quattnor 
co/ameUae  Cari/stiae  subeunt.  e.r  stibadio  aqua 
velut  expressa  cubantium  pomlerc ,  sipu/n- 
Culis  ef/luit,  earato  iap'nle  suseipitur,  gracili 
marmore  continetur  atque  ita  OCCuUe  tempe- 
ratur,  ut  impleat  nee  redundet.  Ueber  sti- 
hatlia  s.  im  Abschn.  IV. 

8)  Plin.  a.a.O.  18;  ebd.  23  u.  35. 

9)  Vgl.  Friedländer  Sittengesch.  III  99. 

10)  Rosaria,  Rosenbeete,  Colum.  I  pr.  27 ; 
XI  2,  29.  Pall.  III  21;  IV  8,  2.  Verg.  Georg. 
IV119.  Prop.IVö.  61.  Ov. met. XV 708;  trist. 
V2,  23.  Auch  roseta,  Pallad.  XII  11.  Verg. 
ecl.  5,  17.  Ueber  die  Rose  ist  zu  vgl.  Wüste- 
mann Unterhaltungen  f.  Garten-  und  Blumen- 
freunde, Gotha  1854,  S.  35  ff.  Becker-Göll 
76  f.  Schleiden  Die  Rose,  Leipzig  1873. 
Nietner  Die  Rose.  Leipzig  1880.  Jovet  La 
rose  dans  l'antiquite  et  au  moyen  äge,  Paris 
1892.  Ueber  Rosen,  Lilien  und  Violen  Hehn 
Kulturpflanzen  u.  Haustiere 6  S.  243  ff. 


88 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


Goldlack)1);  rosaria  und  violaria  empfiehlt  Varro  als  rentable  Anlage2),  auch 
bei  den  andern  Landwirten  ist  von  diesen  Blumen,  die  namentlich  in  der 
Kranzbinderei  starke  Verwendung  fanden,  öfters  die  Rede.  Darnach  kommt 
die  Lilie  am  häufigsten  vor,  die  man  ebenfalls  in  eigenen  Beeten3)  oder 
zusammen  mit  Rosen  zog4).  Das  sind  die  drei  Hauptblumen  der  römischen 
Gärten;  daneben  kommen  in  Betracht  vornehmlich  Narzissen,  Anemonen, 
Hyazinthen5),  Mohn,  Verbenen,  Amarant,  Immortellen.  Krokus6)  und  andere 
mehr,  die  wir  hier  nicht  aufzählen  wollen7).  Dazu  kommen  verschiedene  Zier- 
sträucher8) und  Blätterpflanzen,  wie  Efeu,  den  man  an  Bäumen  und  Lauben, 
an  Wänden  und  Säulen  emporranken  ließ  oder  an  Girlanden  zog9),  und  wilder 
Wein10),  sowie  Akanthus,  der  für  den  Boden  (als  Teppichgärtnerei)  benutzt 
wurde11),  während  Buchsbaum12)  und  Rosmarin13)  zur  Einfassung  der  Beete 
dienten.  —  Unter  den  Bäumen  der  Gärten  und  Parks  sind  vornehmlich  zu 
nennen  die  Zypresse,  die  wie  der  Buchsbaum  in  barocker  Weise  zu  Figuren 
verschnitten  wurde,  aber  auch  sonst,  wie  im  heutigen  Italien,  ein  sehr  be- 
liebter Baum  war14),  die  Platane,  die  die  Römer  ebenso,  wie  die  Orientalen 
und  Griechen,  ihres  Schattens  wegen  zu  schätzen  wußten15),  die  Pinie16),  die 
Palme 1 7),  der  Lorbeer1 8),  die  Myrte L'-'),  der  Maulbeerbaum 20),  die  Feige2 ')  u.  a.  m. 


')  Violaria,  Varr.  I  35,  1.  Colum.  X  259. 
Hör.  «um.  II  15,  5.  Verg.  Georg.  IV  32.  Ov. 
a.a.  111  67;  fast.  IV  437.  Ueber  die  botanische 
Bestimmung  der  Violen  s.Hehn  a.a.O.  F.Cohn 
bei   Friedländer   Sittengeschichte  II  247  ff. 

-)  Varr.  I  16,  3. 

3)  Laieta,  Pall.  III  21,  2. 

*)  Plin.  XXI  22. 

5)  Daß  das  nicht  unsere ,  erst  in  der 
Neuzeit  eingeführten  Hyazinthen  waren,  son- 
dern eine  Iris- Art,  ist  hinlänglich  bekannt; 
vgl.  Cohn  a.  a.  0.  254  und  Bissinger  im  Progr. 
der  Studienanst.  zu  Erlangen  f.  1880. 

6)  Der  Krokus  ist  die  einzige  Blume,  die 
in  historischen  Zeiten  von  den  Römern  in 
Italien  eingeführt  worden  ist,  doch  geschah 
es  auch  da  nicht  der  Zierpflanze,  sondern 
des  Saffrangewinnes  halber,  vgl. Varr.  I  35,  1. 
Colum.  III  8,  4.    Plin.  XXI  31.    Mart.  VIII  14. 

7)  Mehr  bei  Wüstemann  Die  Kunstgärt- 
nerei bei  d.  a.  Rom.  23  ff. 

8)  Vgl.  Günther  Die  Ziergewächse  und 
ihre  Kultur   bei   den  Alten,   Bernburg  1861. 

9)  Cic.  ad  Quint.  fr.  III  1,  5:  topiarium 
laudavi:  ita  omni«  ccnvestivü  hedera,  qua 
iuisilh  vfflae,  qua  intercolumma  ambtdationis, 
ii  i  dmiam  Uli  paUiati  topiariam  facere  vi- 
deantur  <■/  hederam  vendere.  Prop.  IV  4,  3 
Plin.  XVI  144.  Plin.  ep.V  6,  32:  hedera  tnn<- 
<hiii  et  ramoa  pererrat  ricinaeque  platanos 
transitu  nto  copulat. 

10)  Plin.  ep.  a.  a.  0.  39:  ritis  per  omne 
tectum  in  cultnen  nüitur  <-t  aseendtt. 

»')  Verg.  Geo.  IV  123;  ecl.  4,  20.  Colum. 
X  241.  Plin.  XXII  76:  acanthi,  topiariae  et 
urbanae  herbae  int<>  Umgoque  foUo  crepidmea 
morotnum  adtsurgentiumque  pulvinorum  torox 

■>/is,  ,l,i,,  genera  sunt.  Plin.  ep.V  6,  16 
u.  36.    Vgl.  Wähler  bei  P.-W.  I  1148. 


»*)  Plin.  XVI  70.  Plin.  ep.  II  17,  14:  ge- 
statio buxo  aut  rore  marino,  ubi  deficit 
buxuü,  ambitur;  ib.  V  6,  17  f.  und  32.  Mart.  III 
20.  13;  buxeta,  ebd.  II  14,  15;  tonsili  buxeto, 
ebd.  III  58,  3.  Vgl.  Hehn  a.  a.  0.  224  ff.  und 
Max  C.  P.  Schmidt  bei  P.-W.  III  985  f. 

13)  Ov.met.  XII  410.  Plin.  XVII 98;  XXIV 
99.  Colum.  IX  4,  2.  Plin.  ep.  11  17,  14. 

u)  Plin.  XVI  140.  PJin.  ep.  V  6,  33;  sie 
dienten  auch  zur  Einfassung  der  Gutsgrenzen, 
Varr.  1 15.  Vgl.  über  die  Zypresse  Hehn  276  ff. 
und  den  ausführlichen  Artikel  von  Olck  bei 
P.-W.  IV  1904  ff. 

")  Hör.  carm.  II  11,  13.  Verg.Geo.IV  146. 
Mart.lX61,6.  Macr.  sat.HI  13,  3;  platanones, 
Petron.  131,1.  Mart.XII50, 1.  Vgl.HEHN a.a.O. 
283  ff. 

16)  Cat.  48,  3.  Varr.  I  15.  Verg.  ecl.  7,  65. 
Hör.  carm.  II  11,  14.  Ov.  a.  a.  III  692.  Petron. 
131,8:  tonsaeptnus.  Sil.  lt.VIII596;einPinien- 
-wä\dchen  pinetum  oder  pityon,  Mart.  XII  50, 1. 
Plin.  XXVII  66.  Vgl.  Hehn  a.  a.  0.  290  ff. 

17)  Sowohl  Dattelpalme  wie  Zwergpalme, 
doch  werden  sie  mehr  der  Früchte  und  der 
aus  den  Blättern,  dem  Bast  usw.  gefertigten 
Fabrikate  wegen  erwähnt,  als  in  ihrer  Eigen- 
schaft als  Zierbäume;  vgl.  Hehn  a.  a.  0.  262 ff. 

18)  Plin.  XV  127  ff.  Cato  133,  2.  Verg.  ecl. 
2..  54.  Ov.  a.a.  III  690.  Petr.  131,  8;  Lorbeer- 
hain lauretum  oder  daphnon,  Plin.  XV  138. 
Suet.  Galba  1.  Mart.  XII  50,  1.  Ueber  Lorbeer 
und  Myrte  vgl.  Hehn  a.  a.  0.  216  ff. 

,a)  Cato  8,  2.  Hör.  carm.  II 15,  6.  Plin.  XV 
119  f.;  sie  wurde  auch  geschoren,  Quint.  VIII 
3,  8:  tonsas  myrtos.  Myrtenhaine,  rnyrteta, 
Mart.  III  58,  2. 

:!ü)  Plin.  ep.  II  17,  15.  Colum.  V  10,  19. 
Pall.  III  25,  28. 

-l)  Plin.  a.  a.  0.;  als  Nutzbaum  ungemein 


Dritter  Abschnitt.    Die  innere  Ausstattung  des  Hauses. 


89 


Endlich  ist  noch  zu  bemerken,  daß  die  Römer  in  ihren  Gärten  zwar 
keine  Treibhäuser  mit  Heizung  nach  Art  der  unsrigen  kannten ,  doch 
immerhin  etwas  Ähnliches;  denn  daß  sie  Rosen  und  andere  Blumen  in 
Glashäusern  kultivierten,  ist  belegt:  man  erhielt  auf  diese  Art  auch  im 
Winter  frische  Blumen1).  In  solchen  Gewächshäusern  wurden  auch  Wein- 
trauben, Melonen  und  anderes  Obst  im  Winter  konserviert,  indem  man 
sie  in  transportablen  Beeten  zog2).  Das  war  aber  erst  möglich,  als  man 
Fensterglas  in  größeren  Platten  herzustellen  verstand,  ist  also  jedenfalls 
nicht  vor  dem  ersten  Jahrhundert  n.  Chr.  üblich  gewesen3). 

All  das  zu  besorgen  und  zu  pflegen  war  die  Aufgabe  des  topiarius*), 
wie  der  Gärtner  seit  der  Zeit,  wo  es  derartige  Ziergärten  gab,  mit  einem 
eigentümlichen  Ausdruck5)  genannt  wurde;  er  war  natürlich,  wie  alle  Diener 
der  Villa,  ein  Sklave.  Seine  Kunst  war  die  ars  topiaria 6),  seine  Schöpfungen 
ein  opus  topiarium1).  Der  Name  hortulanus,  der  unserem  Gärtner  ent- 
spricht, kommt  erst  später  auf  und  bedeutet  den,  der  die  Gärtnerei  als 
Beruf  betreibt8). 


V 


Dritter  Abschnitt. 

Die  innere  Ausstattung  des  Hauses. 


Über  die  innere  Ausstattung  des  römischen  Wohnhauses  in  den 
früheren  Jah.-hunderten  der  Republik  liegen  uns  fast  gar  keine  Nachrichten 
vor;  zieht  man  aber  in  Betracht,  wie  einfach  damals  die  ganze  Hausanlage 


faäufig  erwähnt.  Vgl.  Hehn  94  ff.  •  über  den 
Oelbaum  ebd.  101  ff.  Die  lediglich  als  Nutz- 
bäume, wegen  ihres  Holzes  oder  ihrer  Früchte, 
dienenden  kommen  hier  nicht  in  Betracht. 
Von  der  besprochenen  Flora  der  Gärten  gibt 
das  oben  (S.  86  A.  3)  erwähnte  Wandbild  aus 
der  Villa  der  Livia  eine  gute  Vorstellung.  Hier 
erkennt  man  im  Vordergründe  ein  mit  Blumen 
reich  bewachsenes  Unterholz;  unter  den  Blumen 
sieht  man  Rosen,  Granatblüten,  Narzissen, 
kamillenartige  u.a.  Blumen  mehr;  hinter  der 
Balustrade  sieht  man  allerlei  Baumgruppen, 
darunter  Palmen,  Lorbeer,  verschiedene  Frucht- 
bäume, wie  Granat-,  Aepfel-,  Quitten-,  Kirsch- 
baum (an  den  dargestellten  Flüchten  kennt- 
lich), in  den  Einbiegungen  stehen  Nadelhölzer, 
im  Hintergrund  sieht  man  Zypressen  hervor- 
ragen. Vgl.  Wörmann  Die  Landschaft  331. 
Möller  Die  Botanik  in  den  Fresken  der 
Villa  der  Livia,  R.  M.  V  (1890)  79  f. 

*)  Mart.  IV  22,  6:  condita  sie  puro  nume- 
rantur Ulla  vitro;  auch  XIII  127  scheint  auf 
solche  Treibhäuser  zu  gehen,  vielleicht  auch 
VI  80. 

2)  Mart.  VIII  14,  3:  hibernis  obieeta  notis 
specularia  puros  \  admittunt  soles  et  sine 
faece  dient;  ebd.VIII  68,  5:  condita  perspicua 


vivit  vindemia  gemma.  Plin.  XIX  64:  pjm- 
si/i's  conti»  hortos promoventibns  in  sotem  rotte 
olitoribus  rursusqnc  kibemis  i/ichiis  intra 
speeuiarium  munimenta  revöcantibuB.  Colum. 
XI  3,  52:  sed  nihilo  minus  gpeeulartbus  integi 
debebnnt,  nt  et  in  in  fritjoribns  screnis  diebns 
tuto  producantur  ad  sclem. 

3)  Vgl.  Senec.  ep.  90,  25. 

4)  Cic.  ad  Qu.  fr.  III  1,  2.  Plin.  XVIII  242. 
Plin.  ep.  III  19,  3.  Sehr  häufig  auf  Inschriften, 
s.  Marquardt  141  A.  6.  dazu  CIL  VI  33619;  X 
6638  A.  1,  3  f  ;  B  2,  9;  C  1, 10;  2, 14  u.  16;  25, 
3,  29;  XIV  3648.  Bull,  comun.  XXX  (1902)  98. 

5)  Es  kommt  von  topia  (wohl  von  mr<>, ;. 
das  Landschaftsgärtnerei  (Spart.  Hadr.  10)  und 
Landschaftsmalerei   bedeutet,  Vitr.VII  5,  2. 

6)  Cic.  a.a.O.:  topiaria  m  facere. 

7)  Plin.  IV  29;  XII  22:  XV  81;  122;  130 
u.  s.  Gartenpflanzen  sind  herbae  topiariae,  Plin. 
XXI  68;  XXII  62:  76. 

8)  Macr.  VII 3. 20.  Apul.  met.  IX  31.  Corp. 
Gloss.  Lat.  VI  528.  Auch  auf  Inschriften.  CIL 
VI  9472  f.  Vgl.  Lafaye  bei  L».-S.  III 275.  Ueber 
ri/iens  und  snbrilicn*  hortorum  s.  oben  S.  70 
A.  6;  supra  hortos  CIL  VI  4346:  rilicu*  mpra 
hortos  ebd.  9472:  ferner  ejr  hortis  VI  6241; 
6281;  6299;  6370. 


90 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


war,  in  der  kostbares  Material  noch  gar  nicht  zur  Anwendung  gelangte,  wie 
auch  im  zweiten  Jahrhundert  v.  Chr.  noch  luxuriöse  Ausstattung  der  Villen, 
wie  wir  oben  (S.  68)  gesehen  haben,  bloß  vereinzelt  vorkam,  so  werden 
wir  annehmen  dürfen,  daß  auch  im  Innern  des  städtischen  Wohnhauses 
die  altrömische  Einfachheit  lange  sich  erhalten  hat.  Die  Wände  waren 
vermutlich  bloß  getüncht  oder  mit  dünnem  Verputz  versehen,  der  noch 
nichts  von  der  sorgfältigen  und  komplizierten  Herrichtung  hatte,  die  der 
Stuck  bedurfte,  um  als  Untergrund  für  Malereien  dienen  zu  können.  Wann 
die  Sitte  aufkam,  die  Wände  mit  Malereien  zu  versehen,  wofür  in  der 
Tempelausstattung  schon  ziemlich  früh  Beispiele  vorliegen1),  entzieht  sich 
unserer  Kenntnis;  denn  es  ist  sehr  wahrscheinlich,  daß  die  bei  den  Ko- 
mikern öfters  erwähnten  Wandgemälde  athenischem  Brauch  angehören  und 
für  Rom  nichts  beweisen2).  Wahrscheinlich  ist  es  das  zweite  Jahrhundert 
v.  Chr.,  in  dem  die  Sitte,  die  Wände  zu  bemalen,  in  Rom  allmählich  Eingang 
fand  und  überhandnahm;  im  letzten  Jahrhundert  der  Republik  finden  wir 
sowohl  den  Verputz  mit  Stuck  (das  tectoriitm),  wie  die  mit  dieser  Arbeit 
betrauten  Handwerker  (tectores)3)  und  die  das  Glätten  der  Wandflächen 
besorgenden  politores*)  öfters  erwähnt;  in  Pompeji  gehen  die  ältesten  Bei- 
spiele verputzter  Wände  nicht  bloß  in  öffentlichen,  sondern  auch  in  Privat- 
gebäuden bis  ins  zweite  Jahrhundert  zurück5). 

Was  die  Technik  der  römischen  Wandmalerei  anlangt6),  so  haben 
wir  darüber  teils  allerlei,  zum  Teil  ziemlich  eingehende  Angaben  bei  den 
Schriftstellern,  teils  dienen  die  noch  erhaltenen  alten  Wandgemälde,  vor- 
nehmlich in  Pompeji,  sodann  auch  in  Rom  und  anderwärts,  als  Grundlagen 
für  die  Untersuchung.  Eine  sehr  wichtige,  für  die  Wirkung  der  Malereien 
ebenso  wie  für  ihre  Dauerhaftigkeit  bedeutsame  Prozedur  war  dabei  die 
Bereitung  und  Auftragung  des  Stuckes  (tectorium),  auf  den  gemalt  werden 
sollte7).  Diese  erfolgte  in  der  Weise,  daß  mehrere  (in  der  Regel  drei) 
Lagen   Sandmörtel   (d.  h.  Kalk   mit  Sand   vermischt)   auf  die   Wand   auf- 


')  Die  Angaben  des  Plin.  XXXV  16  ff. 
über  uralte  Malereien,  die  älter  als  die  Grün- 
dung der  Stadt  seien,  und  über  griechische 
Maler  in  Italien  um  664  verdienen  keinen 
Glauben,  s.  Brunn  Griech.  Künstler  II  4;  ebd. 
302.  Dagegen  unterliegt  keinem  Bedenken, 
was  von  den  durch  Fabius  Pictor  i.  J.  394 
v.  Chr.  im  Tempel  der  Salus  ausgeführten 
Gemälden  (Plin.  ebd.  19)  oder  von  den  Wund- 
malereien des  Pacuvius  (zirka  220—132  v.  Chr.) 
im  Tempel  des  Hercules  (Plin.  ebd.)  berichtet 
wird. 

-)  So  Nissen  Pompej.  Stud.  55  f.  wohl  mit 
Recht. 

3)  Vitr.VII  3,  10;  10,  2  f.;  14.  1.  Bei- 
spiele von  Inschriften  s.  Marquardt  157  A.  1 ; 
634  A.  1 ;  artifices  tectores,  also  bessere  Stuben- 
maler,  CIL  XIII  1734.  Helbig  Unters,  üb.  d. 
campan.  Wandmal.  139  u.  320  nimmt  freilich 
bereits  für  die  zweite  Hälfte  des  3.  Jahrh. 
v.  Chr.  Wandmalereien  im  römischen  Privat- 
hause an,   aber   nur   auf  Grund   von  Stellen 

l'lautus. 

*)  Siehe   über   diese  Tätigkeit  Blümner 


Technol.  III  181;  vgl.  CIL  VI  3820;  9462,  15; 
X  6838. 

5)  Overbeck  503  f.  Nissen  a.  a.  O. 

6)  Die  Litteratur  hierüber  ist  auf3er- 
ordentlich  umfangreich  und  geht  im  wesent- 
lichen von  den  pompejanischen  Wandmalereien, 
sowie  von  den  einschlägigen  Stellen  des  Vitruv 
und  Plinius  aus.  Wir  nennen  hier  nur  die 
Hauptarbeiten  der  neueren  Zeit,  nämlich 
O.  Donner  Die  erhaltenen  antiken  Wand- 
malereien in  technischer  Beziehung,  Leipzig 
1869  (als  Einleitung  zu  W.  Helbig  Wandgem. 
der  vom  Vesuv  verschütteten  Städte  Cam- 
paniens)  und  E.  Berger  Die  Maltechnik  des 
Altertums.  München  1904  (hier  ist  S.  63  ff.  die 
ältere  Litteratur  aufgezählt  und  besprochen); 
die  Resultate  der  letzteren  Schrift  faßt  kurz 
zusammen  Blümner  Jahrb.  f.  d.  klass.  Altert. 
f.  1904,  I  202 ff.;  vgl. auch  Gerlich  ebd.  1908. 
I  127  ff. 

7)  Die  Hauptstellen  hierfür  sind  Vitr.VII 
3,  5  ff.  Plin.  XXXVI  176;  vgl.  Blümner  Tech- 
nologie IV  432  ff. 


Dritter  Abschnitt.    Die  innere  Ausstattung  des  Hauses.  91 

getragen  wurden,  und  auf  diese  sodann  zwei  bis  drei  Lagen  Marmormörtel 
(Kalkmörtel,  der  mit  gröber  oder  feiner  gestoßenem  Marmor  angemacht 
ist),  wobei  die  einzelnen  Lagen  immer  feiner  hergestellt  und  schließlich 
mit  Putzhobeln  festgeschlagen  und  geglättet  wurden l).  Hinsichtlich  der 
Technik,  in  der  auf  diesen  Grund  gemalt  wurde,  galt,  nachdem  früher  die 
verschiedensten  Hypothesen  darüber  aufgestellt  und  die  kampanischen 
Wandgemälde  bald  als  Fresken,  bald  als  Temperabilder,  ja  sogar  als  en- 
kaustische  Gemälde  bezeichnet  worden  waren,  bis  in  die  neueste  Zeit  als 
ausgemacht  die  von  0.  Donner  ausführlich  begründete  Meinung,  daß  alle 
diese  Wandgemälde  mit  ganz  verschwindenden  Ausnahmen  Freskomalereien 
seien,  daß  sie  also  mit  den  für  diese  Technik  geeigneten  Farben,  d.  h.  im 
wesentlichen  mit  vegetabilischen,  da  animalische  und  mineralische  sich 
dafür  nicht  eignen,  auf  den  noch  nassen  Bewurf  gemalt  worden  seien2). 
Dem  entgegen  hat  neuerdings  E.  Berger  durch  abweichende  Auffassung 
der  Schriftquellen  und  genaue  Untersuchung  der  alten  Malereien,  sowie 
durch  eigene  praktische  Versuche  zu  erweisen  gesucht,  daß  das  Verfahren 
ein,  anderes  war:  daß  nämlich  in  der  Regel  die  letzte  Stuckschicht,  den 
Feldern  der  Wand  entsprechend,  in  verschiedenen  Farben,  schon  in  der 
Masse  gefärbt  aufgetragen,  auf  kaltem  oder  heißem  Wege  geglättet  und 
dann  die  Malereien  vermittelst  eines  Bindemittels  aufgetragen  worden 
seien,  also  in  Temperamanier.  Daneben  nimmt  freilich  auch  er  noch  eine 
Malweise  an,  bei  der,  immerhin  auch  mit  Hilfe  von  Bindemitteln,  auf  den 
noch  feuchten  Bewurf  gemalt  worden  sei.  Es  muß  einstweilen  abgewartet 
werden,  welche  dieser  beiden  Hypothesen  durch  die  erneuten  Untersuch- 
ungen der  Sachverständigen  sich  als  die  richtige  erweisen  wird3). 

Auf  die  stilistische  Entwicklung  der  kampanischen  Wandmalerei,  deren 
genaue  Kenntnis  und  chronologische  Fixierung  wir  den  Untersuchungen 
von  Mau  verdanken4),  näher  einzugehen,  ist  hier  nicht  der  Ort,  ebenso 
dürfen  wir  die  Stoffe  der  Figurenbilder  übergehen5). 

Unter  hellenistischem,  besonders  wohl  alexandrinischem  Einfluß  kam 
im  letzten  Jahrhundert  der  Republik  der  im  Orient  seit  frühen  Zeiten 
heimische  Brauch  auf,  die  Wände  mit  Platten  bunten  Gesteins  (crustae) 6)  zu 


*)    Das  Verfahren    bespricht    eingehend    I  b)  Die  Hauptlitteratur  über  Pompeji  und 


Berger  a.  a.  0.  83  ff. 

2)  Diese  Annahme  ist  denn  auch  in  den 
neueren  Werken  über  Pompeji  durchweg  fest- 
gehalten, vgl.  Overbeck  569.  Mau  472. 

3)  Die  Bemalung  der  Wände  besorgte 
der  pictor  parietarius,  der  die  einfache,  und 
der  pictor  imaginarins,  der  die  Wandgemälde 
ausführte.  Ed.  Diocl.  7,  8  ff.  (letzterem  weist 
Mau  bei  Marquardt  634  A.  6  mit  Unrecht  die 
Tafelmalerei  zu).  Sonst  schlechtweg  pictores, 
auch  unter  den  Sklaven,  vgl.  CIL  VI  4008  f.; 
9102;  X  6638  C  3,  18;  perfector  et  pictor  II 
4085;  vgl.  1624.  Der  colorator  grundierte 
vielleicht  nur  die  Wände,  ebd.  X  5352. 

*)  A.  Mau  Geschichte  der  dekorativen 
Wandmalerei  in  Pompeji,  Berlin  1882;  vgl. 
dens.  Giornali  degli  scavi  di  Pompei,  N.  S. 
II  386  ff.;  439  ff.  und  Pompejan.  Beiträge 
(Berlin  1879),  6  ff. 


Herculaneum  s.  bei  Marquardt  214  A.  2. 
Becker-Göll  306  f. ;  dazu  das  im  Erscheinen 
begriffene  große  Tafelwerk  von  P.  Hermann 
Denkmäler  d.  alten  Malerei,  München  1906  ff. 
6)  Vitr.VII  5,  1:  ex  eo  antiqui  qut  initia 
expolitionihns  instituerunt  imitati  sunt  \>ri- 
mum  crustarum  marmorearum  rarie/ates  et 
ecrUocationes.  Senec.  de  benef.  IV  6,  2:  tenues 
crustae  et  ipsa  qua  secantnr  laniina  gra- 
ciliores.  Id.  ep.  86,  6:  nisi  Alexandrina  mar- 
mora  Numidicis  crustis  distincta  funt.  Plin. 
XXXVI  47:  secandi  tn  crustas  nescio  an 
Cariae  fuerit  incentum.  Lucan.  X  114:  nee 
snnunis  ertutata  domus  tectisque  nitebat  mar* 
moribus.  Sid.  Apoll,  ep.  II  2,  7 :  iam  m  mar* 
mora  inquiras,  non  Ulk  qualem  Paros  Ca- 
rystos  Proconnesos,  Phryges  Numidae  Spar- 
tiatae  rupium  variatarum  posuere  CTUgtOB. 
Id.  carm.  22,  146:    sectilibus   paries    tabulis 


92 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


bekleiden,  das  sog.  Inkrustationsverfahren1).  Mamurra,  der  reiche  und 
liederliche  Anhänger  Cäsars,  soll  zuerst  diese  Art  der  Dekoration  in  seinem 
Hause  auf  dem  Caelius  angebracht  haben 2).  Wie  man  bei  fortschreitendem 
Luxus  die  Säulen  im  Atrium  und  im  Peristyl  aus  kostbarem  Marmor  her- 
stellte3), so  nahm  man  zu  solchen  Wandverkleidungen  mit  Vorliebe  bunt- 
farbige Gesteinsarten,  meist  ebenfalls  Marmor,  daneben  Alabaster,  Porphyr, 
Granit  u.  a.  m.,  die  man  aus  allen  Teilen  der  damaligen  Welt  bezog.  Lakonien, 
Euboea,  Thessalien,  Phrygien,  Numidien  waren  es  vornehmlich,  die  diese 
prächtigen  Gesteine,  von  denen  sich  zahlreiche  Überreste  in  den  Ruinen 
römischer  Bauten  gefunden  haben  und  noch  finden,  dem  Luxus  der  römischen 
Reichen  lieferten4).  Es  ist  begreiflich,  daß  diese  Pracht  ebenso  von  den 
Dichtern,  die  die  Herrlichkeiten  der  römischen  Bauwerke  zum  Stoff  nahmen, 
gepriesen5),  wie  von  strengen  Sittenrichtern  und  Lobrednern  altrömischer 
Einfachheit  streng  getadelt  wird0).  In  welcher  Weise  diese  Wanddeko- 
ration, bei  der  das  Gestein  vermittelst  Sägen7)  in  viereckige  oder  runde 
Platten  {abaci,  orbes) 8)  geschnitten  wurde,  malerische  Wirkung  ausübte, 
können  wir  teils  aus  den  gemalten  Nachbildungen  erkennen,  die  in  pom- 
pejanischen  Häusern  häufig  sich  finden  (im  sog.  Inkrustationsstil)9),  teils 
aus  den  noch  erhaltenen  Wänden  byzantinischer  Kirchen,  da  sich  diese 
Art  der  Wanddekoration  lange  forterhalten  hat.  Geschmacklos  war  es, 
wenn  man,  wie  es  unter  Nero  aufkam,  die  Zeichnung  des  Gesteins  durch 
Einsetzen  anders  gefärbter  Partien  willkürlich  veränderte10).  Scheint  diese 
Unnatur  sich  nicht  lange  in  der  Mode  erhalten  zu  haben,  so  fand  dafür  die 
angeblich  unter  Claudius  gemachte  Erfindung,  Figuren  von  Tieren  u.  dgl. 
in  Stein  als  Silhouetten  auszuschneiden  und  auf  einfarbigen  Steingrund 
einzusetzen11),  um  so  mehr  Anklang.    Es  war  dies  eine  auch  für  Fußböden. 


crustatus.  Isid.  XIX  13:  erustae  tdbulae  sunt 
marmorig,  unde  et  marmorati  parietes  et 
crustati  dicuntur.  Die;g.  XIX  1.  17.  3;  incru- 
stare  ebd.  VIII  2,  13,  1;  L  16.  79,  2. 

')  Senec.  controv.  II  9,  12:  in  hos  ergo 
exitus  varius  ille  xecatur  lapis,  ut  tenui  fronte 
pa rietem  tegat.  Senec.  ep.  114,  9:  deinde  in 
ipsas  domos  inpenditur  cura,  ut  in  laxitatem 
r ii rix  excurrant,  ut  parietes  advectis  trans 
um, -in  marmoribus  fulgeant;  ib.  115,9:  mi- 
ramur  parietes  tenui  marmore  inductos.  In- 
schriftl.  incruxUitio  marmorea,  CIL  III  6671: 
vgl.  XU  535. 

-)  Plin.  XXXVI  48:  prinmni  Romae  pa- 
rktet mixtii  marmorn  operutMe  totos  domns 
«nur  in  CaeUo  monte  Cornelius  Nepos  tradit 
Mamu r> -d »i ,  /•  'iirtn iix  natum  equitem  Romanum, 
praefectum  fabrwn  C.  Caesaris  in  Gattia. 

3)  Plin.  a.a.O.,  ebenfalls  von  Mamurra: 
hui, Ulm-  dilirit  ii/rm  "Nepos,  primum  totis 
aedtbus  mtHarn  nisi  e  marmore  cohmnam 
Imhiiisse  et  omnex  solidos  0  Carystio  aut  Lu- 
unixi.  Dagegen  ist  die  Ausstattung  der  Villen 
des  jüngeren  Plinius  in  dieser  Hinsicht  be- 
scheiden; er  verwandte,  wo  er  Marmor  hatte, 
einfachen  weißen,  und  nur  auf  dem  tuskani- 
schen  Landgut  trugen  vier  karystische  Säulen 
die  Weinlaube,  ep.V  6,  36. 


4)  Siehe  die  Aufzählung  der  Hauptsorten 
bei  Makquardt  620  f.  Blümner  Technologie 
III  11  ff. 

5)  Vgl.  besonders  Stat.  silv.  I  2,  143  ff. : 
3,  35:  5,  34 ff.;  II  2,  85  ff.;  IV  1,  26  ff.  Mart.  I 
55,  5;  VI  42,  11  ff.;  VIII  55,  8;  IX  75.  7  ff. 
Aus.  Mos. 48.  Sid.  Ap.  carm.  5.  38  ff.;  11,  17 ff: 
22,  137  ff.  u.a.  m. 

6)  Vgl.  Senec.  11.  11.  Plin.  XXXV  2. 

')  Isid.  XIX  13:  fiunt  autem  (ci-iisIhc, 
arena  et  ferro  serraque  in  praetenui  linec 
premente  arenas  tractuque  ipso  secante,  sea 
crassior  arena  plus  erodit  marmoris.  Sen.  dt 
benef.  IV  6,  2. 

8)  Plin.  XXXV  3.  Senec.  ep.  86,  6.  luv 
11,  175. 

9)  Vgl.  Mau  Gesch.  d.  dekor.Wandmalere  |; 
11  ff.;  ders.  Pompeji  474 f.    0 verbeck  521. 

10)  Plin.  a.  a.  0. :  Neronis  (principatu  in- 
ventum)  maculas,  quae  non  essent  in  crustis 
tnserendo  unitatem  variare,  ut  ovatus  esset 
Numidicus,  ut  pur  pur  a  distinguerefnr  Si/ii- 
nadicus,  qualiter  Mos  nasci  optassent  deliciae 

")  Ebd.  2:  (pictura)  nunc  in  totum  <| 
marmoribus  pulsa,  tarn  quidem  et  auro,  ne\ 
tantum  ut  parietes  toti  operiantur,  verum  e  j 
interraso  marmore  vermiculatisque  ad  effigieü, 
rerum  et  animalium  crustis.  non  placent  ian 


Dritter  Abschnitt.    Die  innere  Ausstattung  des  Hauses. 


93 


häufiger  aber  für  Wände  angewandte  Art  von  Mosaik,  Plattenmosaik,  wie 
man  es  heut  nennt1);  sie  wird  sehr  selten  erwähnt2)  und  es  hat  sich  auch 
nur  sehr  wenig  davon  erhalten,  doch  zeigen  diese  Reste,  daß  man  ganze 
figurenreiche  Gemälde  auf  diese  Art  herstellte  und  offenbar  darauf  ausging, 
die  Wirkung  von  Teppichwirkereien  zu  erzielen,  wobei  das  Material  der 
ausgeschnittenen  und  eingelegten  Figuren  und  Figurteile  bunter  Stein 
(Porphyr,  Alabaster,  Giallo  antico  u.  dgl.),  bunte  Glasplatten,  Perlmutter 
und  andere  farbige  Stoffe  mineralischer  oder  animalischer  Herkunft  waren3). 

Eine  andere,  häufigere  Art  der  Wanddekoration,  die  oft  mit  der  Wand- 
malerei in  Verbindung  trat  und  von  der  sich  auch  vielfach  noch  Reste  er- 
halten haben,  war  die  mit  erhabenen  Verzierungen  in  Gips  oder  Stuck, 
das  sog.  opus  albarium4).  Das  waren  teils  Ornamente  lediglich  architek- 
tonischer Art,  wie  Karniese  oder  Gesimse  (coronae)5),  teils  figürliche  (si- 
gilla)6),  wobei  entweder  das  feuchte  Material  in  Formen  gepreßt  und  dann 
an  der  Wand  angebracht  oder  aus  dem  auf  die  Wand  aufgetragenen  Stuck 
direkt  mit  der  Hand  die  Reliefs  herausgearbeitet  wurden7).  Derartige 
Arbeiten  wurden  nicht  bloß  an  den  Wänden,  sondern  auch  an  gewölbten 
Decken  (camerae)*)  angebracht,  und  es  hat  sich  davon  manches,  zum  Teil 
in  vorzüglicher  Ausführung,  erhalten9). 

Für  die  Decken  der  Zimmer  wurde,  sobald  sie  künstlerisch  behandelt 
wurden,  neben  der  Stuckdekoration  besonders  auch  Malerei  in  Anwendung 


abacinec  spatia  montis  in  cubiculo  dilatantia : 
eoepimus  et  lapide  fingere,  hoc  Claudi  prin- 
cipatu  inventum.  Vgl.  Blümneb  Technologie 
111  185  ff. 

')  Diese  Technik,  die  in  Italien  heut 
noch  ausgeübt  wird  (vornehmlich  für  Tisch- 
platten und  Altäre,  im  Kleinen  für  Schmuck- 
sachen, Geräte  u.  dgl.),  heißt  heut  bei  den 
Italienern  commesso,  sonst  gewöhnlich  Floren- 
tiner Mosaik.  Vgl.  Blümner  a.  a.  0.  339  ff. 
Marquardt  629. 

*)  Außer  der  angeführten  Stelle  und 
denjenigen,  die  auf  Fußböden  sich  beziehen 
(s.  u).  kommt  nur  noch  in  Betracht  Cassiod. 
Var.  I  6:  de  urbe  nobis  marmorarios  peritissi- 
mos  destinetis,  qui  eximie  divisa  coniungant 
ei  venis  conludentibus  illigata  naturalem  fadem 
laudabiliter  metiantur.  !>>■  arte  veniat,  quod 
trincat  naturam:  discolora  crusta  marmorum 
matissima  picturarum  varietate  texantur. 

3)  So  die  Darstellungen  aus  der  Basilika 
des  lunius  Bassus  (Konsul  des  Jahres  317  n. 
Chr.),  abgeb.  bei  Ciampini  Vet.  monum.  (Rom 
169U)  I  tab.  22— 24;  mit  genauer  Besprechung 
des  Technischen  bei  Nesbitt  in  der  Archaeo- 
logia  XLV  (1860)  267  ff.  mit  pl.  17  ff.  Wie  ein 
in  solcher  Technik  verzierter  Saal  eines  rö- 
mischen Hauses  aussah,  können  wir  aus  den 
Zeichnungen  beurteilen,  die  i.  J.  1465  Sangallo 
von  der  genannten  Basilika  aufnahm ,  die 
zwar  schon  im  S.Jahrh.  zur  christlichen  Kirche 
geworden  war,  deren  Mosaiken  sich  aber  bis 
dahin  erhalten  hatten;  s.  die  Abbildung  bei 
Ciampini a.a. 0.  tab. 21.  Nesbitt  a.a.O.  pl.21. 
de  Rossi  im  Bullet,  di  archeol.  crist.  1871  tav. 


1 — 4.  Vgl.  über  alle  diese  Darstellungen  Mar- 
qüabdt629£  Ueber  die  Verzierung  der  Wände 
durch  Mosaiken  wird   unten   die  Rede   sein. 

4)  Vitr.  V  2,  1 ;  10,  3.  VI  5.  8 ;  VII  2,  1. 
Plin.  XXXV  194;  XXXV  177;  183;  inschriftl. 
opus  albare  oder  albarium,  CIL  VIII  73;  1141 ; 
1143;  XIV  2995;  auch  bloß  alba tri um,  Vitr. 
VI  10  (7),  3;  älbarius  der  Arbeiter,  Tertull. 
de  idol.  8.  Cod.  Theod.  XIII  4,  2.  CIL  VI 
9139  ff.;  vgl.  IV  222  dealbator.  Gypearii  CIL 
IX  5378:  XII  4479.  Ed.  Diocl.  7,  30. 

»)  Vitr.V2,2;VlI3,3.  Plin.  XXXVI 183. 
Isid.  XIX  10,  20. 

6)  Plin.  a.  a.  0. 

7)  Ueber  das  Technische  vornehmlich 
Vitr.  VII  3,  3  f.    Blümner  a.  a.  0.  148  ff. 

8)  Vitr.V  10,  3;  VII  2,  2;  3.  1  ff.  u.  ö. 
Plin.  XXXIII  57;  XXXV  124.  Petron.  40,  1. 
Aehnlich  war  die  Art,  wie  Agrippa  im  Cal- 
darium  seiner  Thermen  die  gewölbte  Decke 
dekorierte,  nach  Plin.  XXXVI  189:  figlinum 
opus  encausto  pinxit  in  eaUdis,  reliqua  al- 
bario  adoruarit ;  während  also  in  den  übrigen 
Räumen  Stuckarbeit  angebracht  war,  waren 
dort  enkaustisch  gemalte  Tonreliefs  verwendet 
worden. 

9)  In  erster  Linie  sind  die  im  Garten  der 
Farnesina  in  Rom  gefundenen  Stuckreliefs 
zu  nennen,  die  aus  einem  antiken  Gebäude 
stammen,  das  den  Charakter  eines  vornehmen 
Stadthauses  mit  dem  einer  Villa  vereinigte, 
publ.  Mon.  del  Instit.  Supplem.  (Berl.  1889/91) 
tav.  32 — 36.  In  Pompeji  ist  Stuckarbeit  mit 
Malerei  sehr  häufig  verbunden,  vgl.  Overbeck 
529.  Mau  195;  209.  Vgl.  unten. 


94 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


gebracht.  Das  war  schon  in  Griechenland  üblich  gewesen,  wo  Pausias  der 
erste  gewesen  sein  soll,  der  an  Stelle  der  bis  dahin  üblichen  rein  orna- 
mentalen Behandlung  der  Decke  bildliche  Darstellungen  setzte '),  wobei  wir 
freilich  nicht  an  perspektivische  Plafondmalerei  denken  dürfen;  vielmehr 
scheint  diese  Verzierung  darin  bestanden  zu  haben,  daß  die  Decke  in  kleine 
Felder  geteilt  und  diese  mit  Tafelbildern  ausgefüllt  wurden2).  Dabei  handelte 
es  sich  nicht  nur  um  flache  Decken,  sondern  auch  die  gewölbten,  nament- 
lich die  Tonnengewölbe,  wurden  in  solcher  Weise  verziert,  indem  bestimmte 
Felder  oder  kassettenartige  Räume  ausgespart  und  mit  figürlichen  Dar- 
stellungen bemalt  wurden.  Solche  gewölbte  Decken,  bei  "denen  Wand- 
malereien mit  Stuckreliefs  abwechseln,  haben  sich  noch  erhalten3). 

Daneben  war  aber  eine  andere  Deckenverzierung  noch  beliebter,  die 
schon  in  der  griechischen  Architektur  sehr  übliche  Einteilung  der  Decke 
in  vertiefte  Felder  oder  Kassetten,  die  sog.  lacunaria  oder  laquearia*), 
die  sowohl  bei  flachen  wie  bei  gewölbten  Decken  Anwendung  fanden. 
Wenn  diese  bei  Prachtbauten,  wie  Tempeln,  Basiliken  u.  dgl.,  in  Stein  aus- 
geführt wurden,  so  nahm  man  im  Privathause  dafür  gern  kostbare  Holz- 
arten, besonders  das  afrikanische  Citrusholz5),  und  Elfenbein6).  Sie  wurden 
mit  ornamentalem  oder  figürlichem  Schnitzwerk  versehen7)  und  vielfach 
reich  vergoldet8),  sodafi  diese  kostbar  verzierten  Plafonds  einen  Haupt- 
schmuck der   Prunksäle   ausmachten9).     Ein  besonderes   Raffinement   war 

')  Plin.  XXXV  124:  idem  et  lacunaria 
primus  pingere  instituit,  nee  camaras  ante 
eum  taUtsr  adornari  mos  fiiit. 

8)  Vgl.HELBiG  Camp. Wandmalerei  132  f., 
der  dies  mit  Recht  gegen  Brunn  II  146,  der 
an   perspektivische   Malerei   denkt,   darlegt. 

3)  In  Gräbern  an  der  Via  Latina,  s.  Mon.  d. 
Instit.VI  43  ff. ;  vgl.  Petersen  A.  d.  I.  LX  (1888) , 
348:  LXI  (1889)  190,  und  im  allgemeinen 
Ronczewski  Cewölbeschmuck  im  römischen 
Altertum,  Berlin  1903.  Ueber  die  Verwendung 
von  Mosaiken  für  Deckenschmuck  s.  u. 

4)  Isid.  XIX  12:  laquearia  sunt,  quae  ca- 
meram  subtegunt  et  ornant,  quae  et  lacunaria 
dieuntur,  qttod  locus  quosdam  quadratos  vel 
rotimdoe  ligno  vel  gypso  vel  coloribus  habeant 
pictos  cum  signis  intermicantibus.  Principa- 
Uter  antritt  locus  diettur,  ut  LuciUus:  resul- 
tani  aedeeque  laeusque.  Die  Arbeiter  heißen 
loquearii  im  Cod.  Theod.  XIII  4,  2;  als  domo- 
rum  Hgnarii  erklärt  Corp.  Gloss.  IV  359,  16. 
Vgl.  Thkdenat  bei  D.-S.  III  902  ff. 

')  Hör.  carm.  IV  1,  20 ;  ponet  marmoream 
snh  trabe  cUrso.  Apul.  met.V  1:  summa  la- 
quearia  citri,  et  ebore  curiose  cavata  subeunt 
aureae  columnae.  Darauf  geht  jedenfalls 
ftueb  Varr.  r.  r.  III  2,  4:  nunc  übt  hie  tddes 
ctirum  mit  aurumf 

6)  Hör.  carm.  II  18,  1  :  non  ebur  neque 
tmreum  m$a  rmidet  in  domo  lacunar.  Senec. 
n.  qu.  I  prol.  7:  lacunaria  ebore  fulgentia. 
Aul  Deckenschmuck  geht  jedenfalls  auch 
Cato  bei  Festus  242  b,  20:  dicere  possum, 
attibtts  rilh, ,.  atque  aedes  aedificatae  atque 
expolitttr  maxtmo  optre  cttro  atque  ebore  at- 
i/nr  ittirimnttis  Poenicis  stent. 


7)  Zuerst  erwähnt  von  Ennius  bei  Cic. 
Tusc.  I  35,  85:  tectis  caelatis  laqueatis.  Sen. 
ep.  90. 42:  non  impendebant  caelata  laquearia. 

8)  Plin.XXXlII57:  laquearia,  quae  nunc 
et  in  privatis  domibus  auro  teguntur,  post 
Carthaginem  eversam  primo  in  Capitolio  in- 
aurata  sunt  censura  L.  Mummi.  inde  trans- 
iere  in  camaras  quoque  et  parietes,  qui  iattt 
et  ipsi  tamquam  vasa  inaurantur.  Vgl.  Hör. 
1.  1.  Verg.  Aen.  I  726:  dependent  lychni  la- 
quearibus  aureis.  Sen.  ep.  90,  9:  ut  er  i/lo 
(coenatione)  lacunaria  auro  gravia  penderrnt. 
Ebd.  114.  9:  ut  teeta  varientur  auro.  Sen. 
controv.  II  9, 11 :  ut  teeta  auro  fulgeant.  Lucan. 
X  112:  laqueataque  teeta  ferebant  j  divitüM 
crassumque  trabes  absconderat  aurum.  Claud. 
carm.  26,  223:  despiciens  auro  laquearia  dives, 
Daß  es  sich  dabei  nicht  bloß  um  einfache 
Vergoldung,  sondern  oft  um  Belegen  mil 
Goldblech  handelte,  zeigen  mehrere  der  an- 
geführten Stellen,  ausdrücklich  Sen.  ep.  115, 9 
scimtis  sub  Mo  auro  foeda  ligna  latitare.  nei 
tantum  pärietibus  aut  lacunaribus  ornamrn- 
tum  tenue  praetenditur :  omniunt  i  stör  ton 
quos  incedere  altos  vides,  bracteata  felicitoi 
est.  Sid.  Apoll,  ep.  II  10,  4  u.  8:  intus  /!<■> 
micat  atque  bratteatum  \  sol  sie  sollicitatw 
ad  lacunar,  \  fulvo  ut  concolor  erret  in  nie- 
tallo.  Wie  gewöhnlich  die  Vergoldung  war 
geht  daraus  hervor,  daß  in  den  Glossen  la- 
quearia erklärt  werden  als  catenae  aurea* 
(Corp.  Gloss.  VII  625),  auch  laquearia  auret 
oder  deaurata  zitiert  werden  (s.  IV  104,  35 
449,  18). 

9)  Daher  das  tectum  intueri  Quint.  II 1 1 , 4 
speetare   tectum,   ebd.  X  3,  15;    intueri  lacu 


Dritter  Abschnitt.    Die  innere  Ausstattung  des  Hauses. 


es,  wenn  in  Speisezimmern  diese  Kassettendecken  verschiebbar  eingerichtet 
wurden,  um  sie  sich  öffnen  und  daraus  auf  die  Gäste  allerlei  Überrasch- 
ungen, kleine  Geschenke,  namentlich  aber  Blumen  herabfallen  zu  lassen x). 
Eine  andere  Erfindung  ermöglichte  es,  die  Bildchen,  die  die  Decke  füllten, 
zu  verschieben  und  andere  an  ihre  Stelle  zu  setzen,  sodaß.  die  Decke  bei 
jeder  Veränderung  einen  neuen  Anblick  gewährte2). 

Für  den  Fußboden3)  war  hölzerne  Dielung  nicht  üblich4);  man  setzte 
an  ihre  Stelle,  vom  Einfachen  zum  Kostbaren  fortschreitend,  vornehmlich 
folgende  Herstellungsarten:  den  geschlagenen  Estrich,  den  Ziegel-  oder 
Tonplattenbelag,  den  Steinbelag  und  das  Mosaik.  Das  Einfachste  und  l'r- 
sprünglichste,  das  wohl  auch  in  den  älteren  Zeiten  der  Republik  das  allein 
Übliche  war,  ist  der  Estrich5),  das  sog.  pavimentum9),  welche  Bezeichnung 
freilich  schon  früh  eine  erweiterte  Bedeutung  bekommt,  indem  jeder  künst- 
lich hergerichtete  Fußboden  so  genannt  wird7).  Auch  vom  Estrich  gab 
es  verschiedene  Herstellungsarten.  Das  gewöhnlichste  Material  war  Kalk 
oder  Mörtel,  der  mit  Schutt,  kleinen  Steinchen,  Tonscherben  u.  dgl.  ver- 
mischt wurde,  welche  Masse  rudus  hieß8);  sie  wurde  bei  Räumen,  die  zu 
ebener  Erde  lagen,  auf  dem  festgestampften  und  gleichmäßig  geebneten 
Erdboden  in  mehreren  Schichten  aufgetragen  und  mit  hölzernen  Rammen 
(pila)  festgeschlagen9).  In  oberen  Stockwerken,  wo  der  Estrich  auf  eine 
Holzunterlage  (coassaüo)  zu  liegen  kam,  war  ein  komplizierteres  Verfahren 


nana,  ebd.  XI  3.  160.  Vgl.  luv.  1,  65:  doctus 
spectare  lacunar.  In  anderem  Sinne  Sen. 
controv.  a.  a.  0.:  mensam  et  lacunaria  intueri. 
!)  Val.  Max.  IX  1,  5:  cum  palmata  veste 
i-Dii  ri rid  celebrabat  demissasque  lacunaribus 
mir,  iis  conm«s  velut  caelesti  capite  recipiebat. 
Petron.  60,  3:  ecce  autem  diductis  lacunaribus 
subito  circuhis  ingens  .  .  .  demittitur,  cuius 
per  totum  orbem  coronae  aureae  cum  ala- 
bastris  unguenti  pendebant.  Suet.  Nero  31: 
eoenationes  laqueatae  tabulis  eburneis  versa- 
tilibus,  ut  /lorcs,  fistulatis,  ut  unguenta  de- 
supcr  spargerentur. 

2)  Sen.  ep.  90,  15:  versatilia  coenationum 
laquearia  ita  coagmentat ,  ut  subinde  alia 
facies  atque  alia  succedat  et  totiens  tecta  quo- 
Hens  fericula  mutentur.  Die  richtige  Deutung 
der  Stelle  gibt  Helbig  a.  a.  0.  369,  darnach 
Beckeb-Göll  310. 

3)  Vgl.  Beckeb-Göll  II  293  ff.  Fougebes 
bei  D.-S.  IV  359  ff. 

4)  Es  ist  möglich,  daß  in  Oberstocken, 
namentlich  solchen  von  leichterer  Bauart, 
hölzerne  Dielen  vorkamen,  zumal  sich  das 
Verheerende  der  römischen  Brände  am  besten 
erklärt,  wenn  man  für  die  großen  Mietshäuser 
Treppen  und  Böden  von  Holz  annimmt,  doch 
liegen  Belege  nicht  vor.  Die  einzige  Stelle, 
die  auf  Holzbedeckung  des  Bodens  deutet, 
ist  Stat.  silv.  I  5,  57  vom  Bade  des  Claudius 
Ktruscus:  quid  nunc  strata  so/o  referam  ta- 
buhtta  crepantes  \  auditura  pilas,  wo  aber 
Beckeb-Göll  a.  a.  0.  mit  Rücksicht  auf  die 
unmittelbar  daran  anschließende  Erwähnung 
des  Hypokaustes  und  unter  Hinweis  auf  Plin. 


ep.  II  17,  9  tubulata  einsetzen  wollte.  Allein 
Plinius  unterscheidet  ausdrücklich  euepen- 
sura  und  Inhalat io;  erstere  ist  die  Boden- 
heizung, letztere  die  Wandheizung  durch  tubi 
oder  tubuli  (vgl  Sen.  ep.  90.  25.  Digg.VlII  2, 
13pr.),  man  wird  also  wohl  für  gewisse  Räume 
des  Bades,  speziell  für  die  für  das  Ballspiel 
bestimmten,  Holzböden  anzunehmen  haben. 
Vgl.  Blümneb  Technologie  III  159  A.  2. 

5)  Vgl.  hierüber  Blümnbb  a.  a.  0.  159  ff. 

6)  Von  parire,  feststampfen,  vgl.  Cat.  r.  r. 
18,  7.  Varr.r.r.I  51,  1  Plin.  XIX  120:  XXXVI 
185:  parimenta  credo  primtm  facta  quae 
nunc  vocamus  barbarira  atque  mbtegukmea, 
in  Italia  fesluris  parita:  vgl.  parituoi  sohna, 
Colum.  I  6,  21.  In  der  eigentlichen  Bedeutung 
steht  pariwcalaia  z.  B.  Varr.  I  51,  2.  Col.  1  6. 
13.  Pallad.  I  9.  2.  Inschriftl.  CIL  I  570;  1474. 
Die  Arbeiter,  die  solche  Böden  erstellen,  sind 
aie  parimmfarü,  CIL  VI  243:  X  6638  C  3, 14. 
Vgl.  Fougebes  bei  D.-S.  IV  359. 

•)  Vgl.  Cic.  ad  Qu.  fr.  III  1,  1.  Caes.  b. 
civ.  III  105;  sehr  häufig  bei  Vitruv  und  sonst, 
auch  von  Mosaikböden. 

8)  Vitr.118,20:  VIIl.lu.ö.  Plin.XXXVI 
186.  Pallad.  I  9,  4  erklärt  es  als  saxa  con- 
tusa  duabus  paiiihus  et  an«  calce  teniperanfe. 
Als  Material  zur  Herstellung  flacher  Dächer 
Bell.  Hisp.  8:  rudere,  non  tci/iiüs  teffuntur; 
Bell  Alex.  1:  aedificia  .  .  .  tecta  sunt  rüdere 
auf  parimntfis.  Daher  die  Worte  erurferare, 
ruderatio,  Vitr.V  12,  6.  VII  1,  1. 

9)  Siehe  die  genaue  Beschreibung  bei 
Cato  18,  7. 


96 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


notwendig,  das  Vitruv  eingehend  beschreibt1).  Dies  pavimentum  war  am 
besten,  wenn  dem  Mörtel  verkleinerte  oder  zerstampfte  Tonscherben  bei- 
gemischt wurden;  man  nannte  diese  Art  pavimentum  testaceum2)  oder  auch 
opus  Signinum3),  weil  angeblich  die  Erfindung  davon  in  der  Stadt  Signia 
gemacht  worden  war.  Dieser  Estrich  konnte  glatt  geschliffen  werden4) 
und  ließ  keine  Feuchtigkeit  durch,  weshalb  er  namentlich  für  Badezimmer, 
Zisternen  u.  dgl.  angewandt  wurde.  Manchmal  wurden  in  die  ziegelrote 
Estrichmasse  zur  Verzierung  weiße  Steinchen  in  Mustern  eingelegt,  auch 
Inschriften  auf  solche  Weise  hergestellt5).  Besondere  Vorschriften  haben 
wir  dann  auch  für  Estriche  in  Speisezimmern6)  und  für  solche,  die  unter 
freiem  Himmel  sich  befanden  (pavimenta  subdialia),  also  bei  flachen  Dächern, 
Solarien  u.  dgl. 7). 

Vielfach  diente  aber  die  Estrichlage  nur  als  Unterlage  für  einen  Ziegel- 
oder Steinboden.  Sehr  gewöhnlich  (wie  heut  noch  im  Süden)  war  ein 
Belag  mit  Tonplatten,  und  zwar  verwandte  man  dazu  am  liebsten  schmale, 
längliche  Ziegel  (spicae)8),  die  ährenförmig  in  spitzem  Winkel  zueinander 
gelegt  wurden,  das  sog.  pavimentum  spicatum9).  Eleganter  und  dauerhafter 
war  der  Steinbelag.  Man  unterscheidet  dabei  die  einfachere  Art  mit 
größeren  quadratischen  Platten  (tesserae),  die  einfach  aneinandergefügt 
wurden10),  und  die  aus  verschiedenartig  geschnittenen  Platten  (das  opus 
sectile).  An  erstere  Art  wird  man  wohl  meist  auch  an  den  Stellen  zu  denken 
haben,  wo  nur  schlechtweg  von  marmornem  Fußboden  gesprochen  wird11); 
durch  Anwendung  bunten  Marmors  konnte  auch  hier  eine  reiche  Farben- 
wirkung erzielt  werden.  Noch  mehr  war  dies  beim  opus  sectile  der  Fall, 
dessen  Anwendung  für  Wanddekoration  wir  schon  oben  erwähnt  haben,  das 


')  Vitr.VlI  1;  er  unterscheidet  dabei  die 
erste  Unterlage  (statumen)  von  faustgroßen 
Steinen,  dann  die  Mörtelmasse  (rudus)  und 
darüber  die  obere  Estrichlage  {nucleus)  aus 
Kalk  und  zerstampften  Tonscherben ,  vgl. 
Blümner  a.  a.  0.  162  f. 

*)  Plin.  XXXVI  188.  Col.  I  6,  13.  Pallad. 

I  9,4. 

s)  Plin.  XXXV  165:  quid?  non  excogitavit 
n/n  fraetü  etkm  testü  utendo,  sie  ut  firmius 
durent,  tunais  <-alcr  addita,  quae  vocant  Si- 
gnina  f  <im>  genere  etiam  pavimenta  excogitavit: 
cf.XVH46.  Vitr.54.  3;  Vll,4;  VIII  7  (6).  14. 
Colum.  I  6.  12;  VIII  15, 3.  Pallad.  I  17, 1 ;  40, 4 
Doch  wurden,  wie  die  Belegstellen  zeigen,  aus 
dieser  Komposition  nicht  bloß  Fußböden,  son- 
dern auch  Wände  und  gewölbte  Decken  her- 
gestellt. 

*)  Vitr.VlI  4,  5,  vom  Estrich  in  Winter- 
Bpeigezimmern:  cote'  despumari,  auch  Plin 
XXXVI  187 

'-)  Vgl.  Zaun   Die  schönsten  Ornamente 

II  96    Ovbbbk m  507;  612.  Marquardt  626 

in.  VII  4.5.  Pallad.  19. 

;)  Plin.  XXXVI  186  (im  Gegensatz  dazu 
pavimenta  subtegulanea  ebd.  185).  Die  Vor- 
schrift nach  Vitr.VlI  1,  5. 

8)  Vitr.VlI  1,7.  Inschriftlich  spicamster- 
»rre,   CIL  VI  25  527. 


9)  Vitr.VlI  1,  4:  testacea  spicata  Tibur- 
tina  sunt  diligenter  exigenda,  ut  ne  habeant 
lacunas  nee  extantes  tumulos.  Warum  sie 
Tiburtina  hießen,  erfahren  wir  nicht.  Plin. 
XXXVI  187. 

10)  Vitr.  ebd.  3:  supra  nucleum  ad  regm 
lam  et  Ubellam  exaeta  pavimenta  struantur 
sive  sectilia  seu  tesseris;  ebd.  4:  si  tesseris 
struetum  erit,  ut  eae  onmes  angulos  habeant 
aequales.  Daß  Vitruv  hierbei  Steinböden  im 
Sinn  hat,  nicht  Bedeckungen  mit  tönernen 
tesserae,  geht  daraus  hervor,  daß  er  gleich 
darauf  die  testacea  spicata  ausdrücklich  da- 
von unterscheidet;  ebenso  Pallad.  I  9,  4:  vel 
testaceum  aeeipiant  pavimentum  vel  marmora 
vel  tesseras  aut  scutulas,  quibus  aequale  red- 
datur  angulis  lateribusque  coniunetis. 

n)  So  z.  B.  Ps.Tib.  III  3, 16:  marmoreuiq 
solum.  Apul.  Flor.  18:  pavimenti  marmoratio 
(vom  Theater).  Fest.  p.  242  b,  17:  pavimenta 
Poenica  marmore  Numidico  constrata,  aus 
einer  Rede  des  Cato.  Am  gewöhnlichsten 
sind  solche  aus  großen  Marmorplatten  er- 
stellte Fußböden  bei  Tempeln,  Portiken  u.  dgl. 
sowie  bei  Plätzen  unter  freiem  Himmel,  Vitr. 
VII  1,  6  f.,  wo  für  Anlagen  sub  diu  ein  pavi- 
mentum e  tessera  grandi  empfohlen  wird, 
darnach  Plin.  XXXVI 187,  der  etwas  ungenau 
von  tessella  grandis  spricht. 


Dritter  Abschnitt.    Die  innere  Ausstattung  des  Hauses. 


97 


aber  noch  häufiger  für  Fußböden  als  pavimentum  sectile  vorkam1),  indem 
Platten  aus  Porphyr,  Granit,  buntem  Marmor  u.  dgl.  in  geometrischen  Formen 
als  Quadrate,  Dreiecke,  Rauten  (scutulae),  Sechsecke  (favi)  geschnitten, 
genau  in  Mustern  aneinandergelegt  wurden2);  auch  diese  wurden  auf  eine 
Estrichunterlage  gelegt  und  sorgfältig  an  den  aneinanderstoßenden  Kanten 
abgeschliffen,  daß  sie  genau  paßten  und  das  Marmorpflaster  völlig  glatt 
und  eben  war3).  Diese  Art  des  Marmorbelags  wird  wohl  auch  als  Platten- 
mosaik bezeichnet,  wenn  auch  im  uneigentlichen  Sinne,  da  beim  Mosaik 
sich  die  dargestellten  Ornamente  oder  Figuren  erst  durch  die  Zusammen- 
fügung der  Steine  ergeben,  beim  opus  sectile  aber  die  Steine  selbst  schon 
die  geometrische  Form  haben. 

Doch  hat  sich  aus  dieser  Art  Fußboden  die  eigentliche  Mosaikkunst 
entwickelt,  die,  im  Orient  früh  schon  heimisch,  von  da  zu  den  Griechen 
und  von  diesen  im  2.  Jahrh.  v.  Chr.4)  zu  den  Hörnern  kam,  wo  sie  sogleich 
sehr  beliebt  wurde  und  zahlreiche  Anwendung  fand5).  Die  einfachste  Art 
des  Mosaiks  ist  das  pavimentum  tesseUatum 6),  wobei  kleine,  regelmäßig  qua- 
dratisch zugeschnittene  Marmorstückchen,  entweder  bloß  schwarz  und  weiß 
oder  auch  in  bunten  Farben,  bald  einfach  schachbrettartig,  bald  in  geo- 
metrischen Mustern  nebeneinander  gelegt  wurden7).  Je  komplizierter  dies 
Verfahren  sich  gestaltet,  indem  die  Steinchen  kleiner,  die  Farben  mannig- 
faltiger, die  Figuren  kunstvoller  werden,  um  so  mehr  wird  dies  opus   tes- 


1)  Vgl.  Blümner  a.  a.  0.  339  f. 

2)  Beispiele  derartiger  Fußböden  s.  Zahn 
Die  schönsten  Ornamente  I  15.  Schmidt  Rom. 
Baudenkm.  in  Trier  II  28.  Rich  Wörterbuch 
44')  u.  555.  Blümner  a.  a.  0.  340  Fig.  44. 

')  Vitr.  a.  a.  0.  4:  cum  ea  (sc.  pavimenta) 
extrueta  fuerint  et  fastigia  suam  extruetionem 
habuerint,  ita  fricentur  uti  si  sectilia  sint, 
nullt  gradus  in  scutulis  aut  trigonis  aut  qua- 
dratis  seil  faris  extent,  sed  coagmentorum 
tompositio  planam  habeat  inter  se  directionem. 
Pallad.  a.  a.  0.  Suet.  Caes.  46:  {prodiderunt 
eum)  in  expedüionibus  tesseüata  et  sectilla 
pavimenta  <  ircumtulisse.  Ein  aus  Rauten 
zusammengesetzter  Fußboden  Plin.  XXXVI 
185:  Romae  scutulatum  in  Joris  Capitolini 
aede  primum  factum  est  /ms/  tertium  bellum 
Punicum  initum.  Daß  neben  den  eckigen 
auch  runde  Platten  (orbes)  wie  bei  der  Wand- 
dekoration so  auch  beim  pavimentum  ver- 
wendet wurden,  ist  selbstverständlich  und 
wird  belegt  durch  luv.  11.  175:  qui  Lacedae- 
monium  pgtismate  lubrieat  orbem.  Eine  be- 
sondere Art  war  das  opus  Alexandrinum, 
Lampr.  Alex.  Sev.  25,  7:  Alexandrinum  opus 
marmoris  de  duöbus  marmoribux,  hoc  est 
porfgretico  et  Lacedaemonio,  primus  instituit; 
worin  aber  seine  Besonderheit  bestand,  ist 
unklar,  da  roter  Porphyr  und  grüner  lakoni- 
scher Marmor  wohl  auch  früher  schon  in 
Fußböden  kombiniert  wurden. 

4)  Plin.  a.  a.  0.:   frequentata   pavimenta 

ante  Cimbricum  magna  gratia  animorum  in- 

dicio  est  Lad  Hanns    Ulf    versus:    arte    pavi- 

menti  atque  emblemate  vermiculato.     (Dieser 

Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft.    IV. 


Vers  des  Lucilius  wird  auch.  z.  T.  vollstän- 
diger, zitiert  bei  Cic.  de  or.  III  43, 171 ;  or.  44. 
149;  Brut.  79,  274:  Quintil.  IX  4.  113.) 

6)  Die  Litteratur  über  die  Technik  der 
Mosaik  und  die  noch  vorhandenen  Mosaiken 
ist  außerordentlich  umfangreich ;  wir  verweisen 
auf  das  bei  Becker-Göll299  und  Marquardt 
625  A.  10  und  ebd.  631  Angeführte;  über  das 
Technische  Gernspach  La  mosaique,  Paris 
1881.  Blümner  a.  a.  0.  323  ff.,  und  instruk- 
tiv zusammenfassend  Gauckler  bei  D.-S.  III 
2088ff.,mitausführlicherBibliographiep.2129. 

6)  Suet.  a.  a.  0.  Sen.  nat.  qu.  VI  31,  von 
einem  Erdbeben:  tridisse  se  adßrmat  in  baineo 
tessel/as,  quibu8  80lum  erat  Stratum,  (dteram 
ab  altera  separari  iterumque  eommitti.  Vgl. 
CIL  I  576;  1165;  1477.  Daher  heißen  die 
Arbeiter,  die  solche  Fußböden  machen,  tes- 
serarii  oder  tessc/tarii.  CIL  V4508;  7044  (ein 
tesscrar.  lii/nar.  soilalieii  marmorarior.) J  VI 
8663.  Im  Cod.  Theod.  XIII  4.  2  werden  sie 
bestimmt  von  den  musirarii,  den  Erstellern 
der  feinen  Mosaikarbeit  (s.  u.),  geschieden, 
ebenso,  wenn  die  Ergänzung  richtig  ist,  im 
Ed.  Diocl.  7, 6  f.  Joh.  Schmidt  A.  M.  V  74  wollte 
beide  dahin  unterscheiden,  daß  die  Tätigkeit 
des  musiruriiis  sich  auf  die  Ausschmückung 
der  Wände  beschränkte,  der  tesse/iarius  da- 
gegen den  Fußboden  herzustellen  hatte.  Das 
ist  aber  nicht  zweifellos,  da  doch  wohl  auch 
in  der  späteren  Kaiserzeit  noch  auch  für  Fuß- 
böden gelegentlich  feine  Mosaikarbeit  zur 
Verwendung  kam. 

7)  Beispiele  Rich  Wörterbuch  450.  Blüm- 
ner a.  a.  0.  335  Fig.  41. 

2.  2.    3.  Aufl.  7 


98 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


sellatum  zum  eigentlichen  Mosaik,  zum  opus  vermiculatum1),  wie  es  zuerst 
heißt,  oder  lithostrotum,  mit  einem  vom  Griechischen  entlehnten  Aus- 
druck2); doch  scheint  man  unter  letzterem  eine  besonders  feine  Art  von 
Mosaik  verstanden  zu  haben,  vielleicht  die  Glasmosaik  im  Gegensatz  zur 
Steinmosaik3).  Später  ist  opus  musivum  (museum,  musium),  die  gewöhnliche 
Bezeichnung4);  die  Entstehung  dieser  Bezeichnung  ist  freilich  dunkel5). 
Was  das  Technische  dieser  bis  zur  höchsten  Vollendung  gelangten 
Kunst,  deren  Ausübung  den  musivarii  oblag6),  anlangt,  so  war  das  Ver- 
fahren im  wesentlichen  folgendes.  Die  aus  mannigfaltigem  Material:  ge- 
wöhnlichen Steinen,  in  prächtigeren  Arbeiten  auch  Halbedelsteinen7),    ge- 


x)  Die  älteste  Belegstelle  ist  die  schon 
angeführte  des  Lucilius;  vgl.  sonstPlin.XXXV 
2:  nee  tantam  ut  parietes  toti  (sc.  marmori- 
bus)  operiantur,  verum  et  interraso  marmore 
rrrmicithttisque  ad  effigies  verum  et  ani- 
malium  rrustis,  wo  mit  dem  interrasum  mar- 
mor  das  opus  sectile  zu  verstehen  ist.  Augustin. 
de  ordine  I  1,  2:  si  quis  tarn  minutum  cer- 
neret,  ut  in  vermiculato  pavimento  nihil  ultra 
n  ii  ins  tessellae  modulum  acies  eius  valeret 
ambire.  Auch  inschriftlich,  CIL  VI  25527: 
rermiadum  straverunt.  Der  Ursprung  der 
Bezeichnung  ist  nicht  sicher;  die  Deutung 
Secchis  (II  musaico  Antonino,  Rom  1843),  der 
das  Wort  von  der  roten  Farbe  des  Kermes- 
wurms  ableitete,  weist  Marquardt  626  mit 
Recht  zurück.  Entweder  kam  der  Name,  wie 
Visconti  annahm,  Mus.  Pio-Clement.  VII  234 
(Mail.  Ausg.),  von  der  Form  des  Mosaikstifts, 
die  nicht  kubisch,  sondern  länglich,  stäbchen- 
artig geformt  und  vielfach  abgerundet  ist 
und  deshalb  mit  Würmern  verglichen  werden 
konnte,  oder,  was  das  Wahrscheinlichere  ist, 
die  Arbeit  hieß  so,  weil  die  einzelnen  Stein- 
chen sich  in  schmalen  gewundenen  Linien, 
wie  lange  sich  windende  Würmer,  den  Kon- 
turen der  Figuren  nach  gelegt  sind;  so  Ciam- 
pini  Vet.  monum.  80.  Rich  450.  Dafür  spricht 
auch,  wie  Becker-Göll  298  bemerkt,  Quint. 
IX  4,  113,  wo  der  lucilische  Vers  zitiert  ist, 
aber  in  der  Form:  tesserulas,  ut  ait  Lucilius, 
gtrutt  rf  rei-miciilate  inter  se  lexis  (d.  i.  ks§si?) 
commtttet;  hier  bezieht  sich  vermiculate  offen- 
bar nicht  auf  die  Form  der  tesserulae,  sondern 
auf  ihre  Anordnung. 

s)  Varr.  r.  r.  III  1,  10:  cum  enim  villam 
haken*  opere  tectorio  et  intestino  ac  pain- 
mnifi's  nohilibtis  lithitstrotis  speetandam;  ib. 
2,  4:  num  quod  emblema  aut  lithostrotum 
(/•/V/f-x)?  Capitol.  Gord.  32,  6  von  einem  Bade: 
medium  vero  lithostrotum  .  .  .  quod  esset  de- 
ambuhttorium.  Aus  allen  diesen  Stellen  geht 
freilich  über  die  Qualität  des  lithostrotum 
'(Mosaik  bedeutet  Xtdöaigoixov  bei  Arr.  Epict. 
IV  7,  37.  Poll.  VII  121)  nichts  hervor.  In  den 
■Glossarien  ist  es  nur  durch  lapide  Stratum 
erklärt,  Corp.  Gloss.  Lat.  III  499,  16. 

3)  Plinius  unterscheidet  es  direkt  vom 
Mosaik. XXX  VI  184:  pavimenta  originem  apud 
'iraecoshmbeid  elaborata  arte  picturae  ratione, 


donec  lithostrota  expulere  eam  (was  natürlich 
angesichts  der  zahlreichen  Mosaikböden  aus 
der  Kaiserzeit  eine  arge  Uebertreibung  ist); 
ebd.  189:  lithostrota  coeptavere  iam  sub  Sulht, 
parvolis  certe  crustis,  extat  hodieque,  quod  in 
Fortunae  delubro  Praeneste  fecit.  Hierauf  folgt 
die  Notiz:  prdsa  deinde  ex  humo  pavimenta 
in  camaras  tr ansier e  e  vitro;  noviciuni  et  hoc 
inventum,  was  nicht  auf  die  Erfindung  der 
Glasmosaik,  sondern  auf  ihre  Verwendung 
für  gewölbte  Decken  geht  (s.  unten).  Daher 
nimmt  Becker-Göll  295  an,  daß  lithostrotum 
speziell  eine  Komposition  von  Glas  und  edeln 
Steinen  war;  Marquardt  627  bemerkt,  daß 
seine  Kostbarkeit  in  seinem  Kunstwert  lag. 
Unrichtig  ist  es,  wenn  Gauckler  2088  be- 
hauptet,   es  bezeichne  alle  Arten  pavimenta. 

4)  Spart.  Pesc.Nig.  6,  8:  pictum  de  musm 
videmus  sacra  Isidis  ferentem.  Treb.  Poll.  tyr. 
trig.  25,  4 :  pictura  est  de  museo.  August,  civ. 
Dei  XVI  8, 1 :  quae  musivo  pieta  sunt.  Oefters 
inschriftlich,  meist  in  der  Form  museum,  CIL 
VIII  993;  1323;  2657;  IX  6281. 

5)  Man  hat  das  Wort  vielfach  aus  dem 
Orientalischen,  speziell  dem  Hebräischen  ab: 
leiten  wollen,  s.  die  Litteraturangaben  bei 
Blümner  326  A.  6.  Gauckler  a.  a.  0.  Am 
wahrscheinlichsten  bringt  man  es  mit  den 
oben  (S.  87)  besprochenen  ftovoala  in  Ver- 
bindung. 

6)  Oder  musearü,  s.  Cod.  Iust.  X  66  (64), 
1.  Cod.Theod.XIII4,  2.  Ed.  Diocl.  7,  6.  Cas- 
siod.Var.VH5.  CIL  VI  9647.  Ueber  den  Unter- 
schied des  musivarius  und  tessellarius  s.  oben 
S.  97  A.  6. 

7)  Senec.  ep.  86,  7:  eo  deliciarum  per- 
venimns,  ut  nisigemmas  calcare  nolimus.  Lucan . 
X  116  vom  Palast  der  Kleopatra:  totaque  ef- 
fusus  in  aula  \  calcabatur  onyx.  Stat.  silv.  I  2, 
149 :  hie  flexus  onyx  et  concolor  alto  \  vena 
mari  rupesque  nitent.  Bei  Apul.  met.  V  1  ist 
der  Palast  des  Amor  in  Nachahmung  römi- 
scher Prunksäle  entsprechend  beschrieben: 
enimvero  pavimenta  ipso  lapide  prelioso  cae- 
sim  diminuto  in  varia  picturae  genera  dis- 
criminantur.  vehementer  Herum  ac  siepitu 
beatos  illos  qui  super  gemmas  et  monilia 
calcant!  Doch  ist  nicht  zu  übersehen,  daß 
die  erstangeführten  Stellen  auch  auf  <>pn- 
sectile  gehen  können. 


Dritter  Abschnitt.    Die  innere  Ausstattung  des  Hauses. 


99 


branntem  und  verschiedentlich  gefärbtem  Ton,  Glasflüssen  u.  dgl.  hergestellten 
Mosaiksteinchen  {tesserae,  tessellae  genannt,  seltner  crustqe1)),  die  im  all- 
gemeinen längliche  Stäbchenform  hatten,  aber  je  nach  Bedürfnis  des  darzu- 
stellenden Bildes  gespalten  und  zurechtgeschliffen  wurden,  wurden  in  einen 
sohl-  sorgfältig  bereiteten  feinen  Mörtelgrund,  dem  vermutlich  noch  ein 
kräftiges  Bindemittel  beigemischt  war2),  der  die  Vorlage  bildenden  Zeich- 
nung entsprechend  eingedrückt,  solange  der  Grund  noch  weich  und  feucht 
war.  Regelmäßige  Aneinanderreihung  dieser  Steinchen  ist  bei  feineren 
Mosaiken  nicht  nur  nicht  möglich,  sondern  wird  geradezu  vermieden,  Größe 
und  Form  derselben  war  je  nach  Bedarf  verschieden,  und  sie  wurden  in  der 
Weise  gelegt,  daß  sie  beinah  konzentrisch  den  Außen-  und  Innenkonturen 
der  dargestellten  Gegenstände  folgen,  also  alle  Krümmungen  derselben 
mitmachen3).  Dabei  wurde  selbstverständlich  mit  Richtscheit  und  Setz- 
wage gearbeitet4),  der  aus  den  Fugen  heraustretende  Mörtel  weggeschabt 
und  nach  der  Vollendung  das  Ganze  abgeschliffen5).  Die  ganze  Arbeit 
war  bei  feinen  Mosaiken0)  ungemein  mühselig  und  bedurfte  der  größten 
Sorgfalt,  auch  mußte,  um  den  mannigfaltigen  Farben  des  Originalgemäldes 
möglichst  nahezukommen,  eine  außerordentlich  reiche  Auswahl  an  Nuancen 
bei  diesen  Stiften  vorhanden  sein,  weshalb  die  Glasmosaik,  bei  der  die 
verschiedenen  Färbungen  am  leichtesten  zu  erzielen  waren,  besonders 
ausgedehnte  Anwendung  gefunden  hat,  was  freilich  auch  mit  dem  leuch- 
tenden Glanz  und  der  Dauerhaftigkeit  dieser  Mosaiktechnik  zusammen- 
hängt7). In  solcher  Weise  stellte  man  sowohl  größere  Platten  wie  ganze 
Fußböden  her;  es  wurden  auch  größere  oder  kleinere  Bilder  für  sich  her- 
gestellt und  in  den  Fußboden  oder  in  die  Wände  eingesetzt8).  Für  die 
Verzierung  von  gewölbten  Decken  mit  Mosaik,  angeblich  eine  Erfindung 
des  ersten  Jahrhunderts  n.Chr.9),  wurde  besonders  Glasmosaik  verwendet10). 
Beispiele  derartiger  Mosaiken  haben  sich   noch  erhalten,   und  bekanntlich 


')  Plin.  XXXV  2;  XXXVI  189.  Ob.  ent- 
sprechend dem  griechischen  dßay.ioxoi  (Ath. 
V  207  C),  auch  die  Bezeichnung  abaculus  vor- 
kam, muß  dahingestellt  bleiben,  da  in  der 
sonst  zitierten  Belegstelle  Plin.  XXXVI  199 
die  besten  Ausgaben  mit  dem  Cod.  Bamberg. 
dl)  oculis  lesen. 

-)  Darauf  deutet  Vopisc.  Saturn.  3,  2  hin: 
vitreis  quadraturis  bitumine  aliisque  medi- 
eamentis  insertis  domum  instruxisse  perhibe- 
tur.  Die  heutigen  Mosaikarbeiter  nehmen 
dafür  Gummitragant  u.  dgl. 

3)  Siehe  die  Beschreibung  des  Verfahrens 
sowie  der  Herstellung  der  aus  Glas  gearbei- 
teten   Stäbchen    bei  Blümner  a.  a  0.  331  ff. 

4)  Wie  auch  beim  pavimentum  sectile  und 
hssellatum,  Vitr.VIl  1,  3. 

5)  Vitr.  ebd.  4,  wenn  auch  nicht  vom 
eigentlichen   Mosaik. 

6)  Bei  dem  großen  Mosaik  mit  der  Ale- 
xanderschlacht kommen  150  Stifte  auf  einen 
Quadratzoll. 

7)  Vergoldung  und  Versilberung  der  Glas- 
stifte ist  beim  altrömischen  Mosaik  nur  ganz 
selten   zur   Anwendung   gekommen;    Engel- 


mann im  Rh.  M.  XXIX  (1874)  589  glaubt,  daß 
mit  Gold  bedeckte  Glasstifte  sich  nicht  vor 
dem  dritten  Jahrhundert  n.  Chr.  nachweisen 
lassen. 

8)  Plin.  XXXV  2,  wonach  man  wohl  an- 
nehmen darf,  daß  solche  besonders  gearbeitete 
Mosaikbilder  emblemata  hießen.  Die  oben 
zitierte  Stelle  des  Bucilius  (s.  S.  97  A.  4)  und 
ebenso  Varr.  r.  r.  III  2,  4  werden  das  bestä- 
tigen, zumal  letzterer  emblema  und  liihostro- 
tio»  unterscheidet.  So  erklärt  das  Wort  auch 
Gaucklek  a.  a.  0. 

")  Plin.  XXXVI  189:  puha  deinde  ex 
humo  pavimenta  in  camaras  fransiei'e  vitro, 
novicium  et  hoc  inventum;  Agrippa  etrU  in 
thermis,  quas  Romae  fecit,  figlinum  opus  en- 
causto  pinxit  in  calidis,  reliqua  alhario  ador- 
nattit,  non  dubie  *vitreas  facturus  eamara$, 
si  prius  inventum  id  fxisset. 

,0)  Stat.  silv.  I  5,  42:  effulgent  camerae, 
vario  fastiffia  vitro  |  in  species  animosque 
nitent.  Sen.  ep.  86.  6:  nisi  vitro  dbaconditur 
eamera.  Nach  Plin.  XXXVI  114  war  beim 
Theater  des  Scaurus  ein  Teil  der  scaena  mit 
Glasmosaik  geschmückt,  vgl.  ebd.  189. 

7* 


100 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


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ist  es  besonders  diese  Technik,  die  die  spätrömische  und  die  byzantinische 
Kunst  vom  Altertum  übernommen  hat. 

An  Mosaiken  aus  der  römischen  Kaiserzeit  ist  überhaupt  kein  Mangel J); 
nicht  nur  in  Rom  selbst,  in  Pompeji  und  Herculaneum,  in  der  Villa  des 
Hadrian  sind  Mosaikbilder  gefunden  worden,  sondern  auch  im  übrigen 
Italien  und  in  den  Provinzen  treten  überall,  wo  Römer  sich  niedergelassen 
),  haben,  zumal  in  den  Ruinen  von  Thermen  und 
$j!^ /^jr-^i^ 'Vv^?  |  Villen,  solche  zutage;  besonders  reich  daran  ist 
~  I  Nordafrika.  Die  Ausführung  ist  sehr  ungleich  und 
l  geht  vom  rohesten,  aus  gewöhnlichen  Flußkieseln 
•  jNitilj  in  plumper  Weise  hergestellten  Ornament  oder 
\  Vj  Bild  bis  zum  feinsten,  den  Wirkungen  der  Malerei 
sehr  nahe  kommenden  Gemälde.  Die  Stoffe  der 
figürlichen  Bilder  sind  sehr  mannigfaltig,  obschon 
gewisse  Gegenstände  mit  besonderer  Vorliebe  ge- 
wählt wurden;  sie  sind  ebenso  der  Mythologie  ent- 
nommen wie  der  Geschichte,  dem  täglichen  Leben 
wie  dem  sog.  Stilleben.  Besonders  beliebt  war 
für  Speisezimmer  das  sog.  asaroton  (äadgwrov,  un- 
gefegt),  angeblich  eine  pergamenische  Erfindung2): 
hierbei  wurden  auf  einem  neutralen,-  grau  oder 
weiß  gehaltenen  Untergrund  allerlei  Speisereste. 
wie  Austernschalen,  Muscheln,  Fischgräten,  Knochen,  Gemüse-  oder  Salat- 
blätter u.  dgl.,  naturgetreu  wiedergegeben.  Auch  von  dieser  Spezialität 
haben  sich  Beispiele  erhalten3). 

Von  den  Fenstern  (fenestrae)4)  im  römischen  Hause  ist  gelegentlich 
schon  mehrfach  die  Rede  gewesen5);  wir  haben  gesehen,  daß  der  Unter- 
stock für  gewöhnlich  nach  der  Straße  hinaus  der  Fenster  (wenigstens 
größerer,  die  diesen  Namen  verdienen)  entbehrte,  während  nach  innen  zu, 
nach  Peristyl  und  Garten,  solche  vorhanden  waren,  daß  in  den  oberen  Stock- 
werken Straßenfenster  allgemein  üblich  waren  und  namentlich  in  größeren 
Mietshäusern  nicht  fehlen  durften;  ferner,  daß  in  der  ländlichen  Villa,  wo 
es  an  Raum  nicht  fehlte  und  man  durch  Nachbarn  und  Gegenüber  nicht 
beengt  war,  auch  das  Erdgeschoß  viel  reicher  mit  Fenstern  versehen  war. 
als  im  städtischen  Wohnhause.  Wir  haben  daher  hier  nur  noch  von  ihrer 
Form  und  Ausstattung  zu  handeln,  Fragen,  bei  denen  die  pompejanischen 
Funde  von  besonderer  Bedeutung  sind.  Größe  und  Form  sind  sehr  ver- 
schieden.    Der  ältere  Quaderbau  scheint  nach  außen  hin  überhaupt  keine 


w-Ji 


Fig.  30.    Fenster  eine»  pompe 
janischen  Hauses. 


J 


')  Gaücklkr  a.  a.  0.  2089  bemerkt,  daß 
et  über  2000  griechisch-römische  Mosaiken, 
Attt  ungefähr  400  Fundorten  stammend,  in- 
ventarisiert hat.  Leider  tvird  ein  Corpus  der 
Mosaiken  noch  immer  entbehrt. 

')  l'iin.  a.  a.  O.  184:  celeberrtmus  fuit  in 
hoc  genere  Sosus,  qui  Pergami  stravit  quem 
vocant  asaroton  oecon,  quoniam  purgamenta 
cenae  in  pavitnentis  guaegue  everri  söhnt 
rrhit  relicta  fecerai  parvia  e  tessellü  tinctis- 
quein  varios  coloret.  Stat.ßilv.18,55:  varias 


uhi  picta  per  artes  |  gaudet  humus  super 
atque  novis  asarota  figuris.  Sid.  Apoll,  carm, 
23.  57:  aureasque  portas  exornas  amrotieis 
lapiUis.  Isid.  XV  8,  10. 

3)  Bull.  d.  inst.  1833,81.  Braun  Ruin.  u. 
Mus.  Roms  750.  Helbig  Oeffentl.  Samml.  in 
Rom »  I  535  N.  689. 

4)  Vgl.  Becker-Göll  312.  Chipiez  bei 
D.-S.  II  1032.   Mau  bei  P.-W.  VI  2180. 

5)  Vgl.  S.  56  f. ;  70. 


Dritter  Abschnitt.    Die  innere  Ausstattung  des  Hauses. 


101 


Fenster  in  unserm  Sinne,  sondern  mehr  bloße  Lichtspalten  gekannt  zu 
haben1);  so  finden  sich  in  Pompeji  in  den  älteren  Kalksteinbauten  die 
Fenster  als  schmale  Schlitze,  die  sich  schießschartenartig  nach  innen  er- 
weitern, um  die  Lichtwirkung  zu  verstärken  (s.  Fig.  30) 2);  und  namentlich 
wenn  der  Unterstock  nach  der  Straße  hinaus  Lichtöffnungen  hatte,  waren 
sie  in  dieser  Weise  und  zugleich  sehr  hoch  angebracht,  damit  niemand  von 
außen  hineinsehen  konnte3).  Allmählich  aber,  in  Pompeji  mit  Beginn  der 
Tuffperiode,  werden  die  Fenster  größer;  die  der  Zimmer  am  Peristyl  und 
Garten,  die  den  Ausblick  auf  diese  Innenhöfe  gewähren,  erreichen  sogar 
oft  eine  sehr  beträchtliche  Größe4)  und  waren  so  niedrig  angebracht,  daß 
man  sitzend  hinaussehen  konnte5).  Die  Fenster  im  Oberstock  sind  in 
Pompeji  von  mäßiger  Größe6),  und  auch  die  immer  noch  in  der  Höhe  an- 
gebrachten Straßenfenster  im  Unterstock  werden  etwas  vergrößert,  sodaß 
sie  den  Charakter  von  Schlitzen  verlieren7).  In  der  Regel  sind  sie  mehr 
hoch  als  breit,  im  Untergeschoß  öfters  quadratisch;  daß  die  Breite  größer 
ist  als  die  Höhe,  findet  sich  nur  vereinzelt8).  Die  äußere  Umrahmung  der 
Fenster  war  ähnlich  der  der  Türen  meist  einfach  gehalten,  mit  Gesimsen 
und  ausladenden  Ecken,  wie  man  sie  ähnlich,  nur  prächtiger  und  ver- 
zierter, an  Tempeln,  Basiliken  u.  dgl.  findet9). 

Ein  Verschluß  der  Fenster  war  sicher  nicht  überall  vorhanden  und 
namentlich  in  älterer  Zeit  so  primitiv,  wie  heut  noch  vielfach  im  Süden 
es  auf  dem  Lande  der  Fall  ist.  Zunächst  •  fand  sich  öfters  Vergitterung 
Wenestrae  clatratae10)).   Das  Material  des  Gitterwerks  war  verschieden:  Holz 


')  Sen.  ep.  86,  8:  in  hoc  balneo  Scipionis 
mini  nute  sunt  rimae  magis  quam  fenestrae 
muro  lapideo  exsectae,  ut  sine  iniwia  muni- 
»tcnti  lumen  admitterent.    Vgl.  Nissen  49. 

-)  Overbeck  271;  298  mit  Fig.  164  (dar- 
nach unsre  Figur  30).  Nissen  405;  655. 

3)  Overbeck  57.  Mau  288.  Nissen  ver- 
mutet S.  639,  daß  das  Wort  fenestra,  das 
wohl  griechischen  Ursprungs  sei  (7  «)'//oro«?), 
eigentlich  erst  aufgekommen  sei,  als  man 
im  Oberstock  größere  Fenster  anbrachte, 
weil  die  kleinen  Lichtspalten  im  Unter- 
stock kaum  als  Lichtspender  hätten  gelten 
können.  Dagegen  ist  aber  zu  hemerken,  daß 
im  Oberstock  doch  schon  eine  recht  frühe 
Zeit  größere  Fenster  gekannt  hat,  wie  die 
S.  55  A.  9  angeführten  Beispiele  zeigen,  und  ein 
andrer  Name  dafür  nicht  bekannt  ist.  —  Die 
Größe  der  Schlitzfenster  beträgt  etwa  0,50 
Höhe  zu  0,06  Breite  (von  außen).  Zum  Ver- 
gleich dienen  kann  auch  der  Straßenprospekt 
an  dem  Hause  der  Livia  auf  dem  Palatin, 
abgeb.  Daremberg-Saglio  II  356  Fig.  2517. 

*)  Im  Hause  des  Faun  bis  7  Meter  Breite, 
Mau  a.  a.  O.  Solche  breite  und  hohe  Fenster 
waren  zumal  in  den  Villen  beliebt,  s.  Plin. 
ep.  II  17,  5:  undique  valvas  aut  fenestra»  non 
minores  ni/ris  habet;  V  6.  29 :  laÜSSimi»  fe- 
rnst ris.  Von  den  großen  Fenstern,  wie  sie 
sich  in  den  öffentlichen  Bauten,  namentlich 
in  uen  Bädern   fanden  (Seneca  a.  a.  O.  sagt: 


at  nunc  blattaria  vocant  balneo,  si  qua  non 
ita  ap/a/a  sunt,  ut  totius  diei  so/ein  feues/ris 
amp/issiniis  reeipiant),  ist  dabei  abgesehen. 
b)  Plinius  rühmt  sehr  die  Aussicht  aus 
den  Fenstern  seiner  Villen,  s.  die  angeführten 
Stellen,  auch  II  17,  6  u.  20;  V  6,  23. 

6)  Im  Hause  des  Chirurgen  1,64  Höhe 
zu  1,68  Meter  Breite:  sonst  durchschnittlich 
1,25  zu  0,80  Meter.    Nissen  410. 

7)  Etwa  0,80  zu  0.60  Meter,  vgl.  Mau 
a  a.  O.  Nissen  646.  Siehe  die  Abbildung  eines 
Fensters  aus  dem  Hause  des  Epidius  Rufus 
bei  Chipiez  a.  a.  O.  1036  Fig.  2935;  dazu 
Daremberg-Saglio  II  350  Fig.  2519. 

8)  Chipiez  1037. 

9)  Vgl.  das  Fenster  eines  Hauses  in  Pale- 
strina,  Chipiez  a.  a.  O.  Fig.  2938. 

lü)  Plaut,  mil.  gl.  379:  der  Sinn  ergibt, 
daß  es  sich  dabei  um  größere  Fenster  han- 
delt, durch  die  ein  Mensch  ein-  und  aus- 
steigen kann.  Cato  r.  r.  14,  2  zählt  unter  den 
Dingen ,  die  in  der  Villa  gemacht  werden 
müssen,  auf:  fenestra»,  datros  in  fenestra» 
maioris  bipedali»  X.  Auch  die  transennae 
an  Fenstern  sind  als  solche  Gitter  zu  fassen, 
Cic.  de  or.  I  35,  162:  illam  copiatn  ornatnen- 
torum,  quam  consfjructam  una  in  loco  quasi 
per  fransennam  praetereuntes  sfriefini  aspe- 
xitnus.  Non.  180,  15:  transenna  non,  ut  qui- 
ll« m  putant,  transitus  est,  sed  fenestra.  Ver- 
gitterte Fenster  sind  auch  die  reticulatae  bei 


102 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


fand  dafür  wohl  selten  Anwendung,  Bronze  oder  Eisen  war  sicher  das 
häufigste,  und  zwar  wurde  solches  Gitter  entweder  im  Mauerwerk  unbeweg- 
lich fest  gemacht,  oder  es  war  so  angebracht,  daß  es  um  eine  vertikale 
Axe  gedreht  werden  konnte1].  Vielfach  aber  diente  ein  fest  vermauertes 
Gitter  aus  Marmor  oder  gewöhnlichem  Stein  als  Verschluß, 
doch  wesentlich  für  kleinere  Fensteröffnungen,  die  mehr  als 
Luftlöcher  zu  bezeichnen  sind;  Reste  von  solchen  haben  sich 
erhalten2),  und  ebenso  durchbrochene  Tonplatten,  die  in  Pom- 
peji hier  und  da  als  Luftzuführer  über  Türen  angebracht 
waren  (s.  Fig.  31),  also  nicht  zum  eigentlichen  Fensterver- 
schluß gerechnet  werden  können3).  Derartige  Vergitterung 
war  wohl  vornehmlich  bei  Fenstern  im  Erdgeschoß  üblich4). 

Eine  andere  und  wohl  die  am  meisten  verbreitete  Art  des  Fenster- 
verschlusses, zumal  für  die  Fenster  der  oberen  Stockwerke,  bei  denen  man 
weder  Hineinschauen  noch  Einsteigen  und  Diebstahl  zu  besorgen  hatte5), 
waren  die  hölzernen  Läden6).  Wenn  bei  den  Schriftstellern  bemerkt  wird, 
daß  verschlossene  Fenster  das  Licht  vollkommen  abschließen7),  so  haben 
wir  immer  an  Fensterläden  zu  denken;  daher  ist  fenestram  claudere  oder 
aperire  kein  Fensterschließen  oder  -öffnen  in  unserm  Sinne,  sondern  ein 
Schließen  oder  Öffnen   der  Läden8).     Gleich   den   Türen  waren   diese    oft 


Fig.  31.  Tönerner 

Fenster  Verschluß 

aus  Pompeji. 


Varr.  r.  r.  III  7,  3,  vgl.  das  von  Schneider 
z.  d.St.  angefühlte  Schol.zu  Iuvenal:  fenestris 
hitioribus  utrinque  et  reticulatis ,  yie  quis 
serpens  aliudve  quid  animal  inire  queat. 

')  Chipiez  1038.  Metallgitter  sind  auch 
auf  Darstellungen  von  Bauwerken  bisweilen 
abgebildet,  s.  ebd.  Fig.  2944. 

-)  Siehe  ebd.  Fig.  2943. 

3)  Siehe  die  Abbildung  des  in  der  Casa  del 
Labirinto  gefundenen  Exemplares  bei  Over- 
beck  344  Fig.  176  (darnach  unsere  Fig.  31); 
die  flaue  hat  wie  ein  Taubenschlag  sechs 
kleine,  oben  gerundete  Oeffnungen. 

4)  Plin.  XIX  59:  iam  in  fenestris  suis 
Ißlfhs  urbana  in  imagine  hortorum  cotidiana 
oeuUs  rura  praebebant,  antequam  praefigi 
prospedus  omnes  coegit  mulUtudinis  innu- 
merae  saeva  latrocinatio.  Welcher  Verschluß 
damit  gemeint  ist,  ist  allerdings  nicht  er- 
sichtlich, aber  da  dadurch  die  Blumenzucht 
im  Fenster  unmöglich  gemacht  wurde,  kann 
es  sich  wohl  nicht  um  Eisengitter,  sondern 
nur  um  einen  den  Raum  mehr  beanspruchenden 
und  die  Lichtzufuhr  beschränkenden  Verschluß 
handeln.  Uebrigens  bemerkt  Friedländer  zu 
M;ut.  XI  18,  2:  sed  rus  est  mihi  niaius  in 
fenestra,  daß  die  von  Plinius  erwähnte  Un- 
sicherheit gewiß  nur  eine  vorübergehende 
war  und  die  Fenstergärten  in  der  Zeit,  wo 
Martial  schrieb,  wieder  gewöhnlich  waren. 
Allein  Martin]  wohnte  in  Rom  in  einem  obein 
Stockwerk  eines  Miethauses,  und  dort  war 
sicherlich  keine  Nötigung,  die  Fenster  zu 
sichern,  vorhanden. 

•)  Daß  un1  er  Umständen  nicht  verwahrte 
Fenster  zum  Einsteigen  dienen  konnten,  zeigt 


Plaut,  mil.  gl.  a.  a.  0.,  falls  hier  nicht  eine 
bloße  Uebersetzung  des  griechischen  Originals 
vorliegt. 

6)  Foriculae  heißen  sie  bei  Varr.  r.  r.  I 
59,  1.  Unsicher  ist,  ob  luminar  dasselbe 
bedeutet.  Bei  Cato  14,  2  werden  neben  den 
fenestrae  auch  luminaria  genannt;  Schneider 
z.  d.  St.  erklärt  sie  als  Fensterläden.  Leider 
ist  die  Stelle  Cic.  ad  Attic.XV  26,  4,  wo  das 
Wort  auch  noch  vorzukommen  scheint,  so 
verdorben,  daß  man  gar  nichts  daraus  ent- 
nehmen kann.  Die  Glossen  erklären  lumi- 
naria (abgesehen  von  der  Bedeutung  Leuchter. 
(po)OTrjgeg,  Corp.  Gloss.  III  425,  1)  mit  Sin'/  arrj 
cpcoTioTijoia  hvyyixa  xal  qpcöra ,  II  125,  13: 
darnach  scheint  es,  als  ob  man  später  die 
durchsichtigen  Fensterscheiben,  die  specularia 
(mit  dicuparf/  erklärt  Gloss.  II  275,  28)  darunter 
verstanden  habe. 

7)  Plin.  ep.  9,  36,  1:  clausae  fenestrae  ma\ 
nent.  mire  enim  silentio  et  tenebris  ab  Ü8 
quae  avocant  abduetus  etc.  Sen.  dial.  VI  22,  6: 
atque  ita  iussit  lumen  omne  praecludi  et  »6 
in  tenebras  condidit.  Apul.  met.  II  23:  con- 
clave  quoddam  obseratis  luminibus  umbrosum. 

8)  Vgl.Ov.  am.I  5,  3:  pars  adoperta  futä 
pars  altera  clausa  fenestrae.  luv.  9, 104:  claude 
fenestras,  vela  tegant  rimas.  Plin.  ep.  a.  a.  0.: 
ebd.  II  17,  22:  non  fulgurum  lumen  ac  ne 
diem  quidem  sentit  {cubiculum),  nisi  fenestris 
apertis.  Mart.VIIl  14,  5:  non  tota  clusa  fe- 
nestra. So  ist  auch  luv.  3,  275:  nocte  patent 
vigiles  te  praetereunte  fenestrae:  ebd.  6,  31: 
cum  pateant  altae  caligantesque  fenestrae: 
Plin.  ep.  II  17,  16:  hae  (fenestrae)  . . .  cum  hine 
rel   inde   ventis    inquietus    (dies),    qua    venti 


Dritter  Abschnitt.    Die  innere  Ausstattung  des  Hauses. 


103 


mehrteilig1),  und  wenn  sie  wie  jene  zum  Auseinanderklappen  eingerichtet 
waren,  hießen  sie  auch  valvatae2).  —  In  der  Kaiserzeit  aber  kannte  man 
bereits  durchsichtige  Fensterverschlüsse,  die  specularia  genannt  wurden 
und  außer  in  Wohnzimmern3)  und  Bädern4)  in  Säulenhallen5),  Treib- 
häusern6). Sänften7)  und  anderm  mehr  Anwendung  fanden.  Das  Material, 
dessen  man  sich  hierfür  bediente,  war  ursprünglich  und  auch  später  noch 
vielfach  Marienglas,  der  sog.  lapis  specularis,  der  sich  in  dünne  Platten 
spalten  läßt 8).  Doch  haben  Funde  in  Pompeji  und  Hercuianeum  und  ander- 
wärts9) zur  Genüge  erwiesen,  daß  man  schon  in  der  frühen  Kaiserzeit 
auch  Fensterglas  kannte,  ziemlich  dicke,  anscheinend  in  Rahmen  ge- 
gossene Platten10).  Diese  Scheiben  saßen  in  hölzernen11)  oder  bronzenen 
Rahmen12),  die  sich  noch  verschiedentlich  in  Pompeji  erhalten  haben, 
zum  Teil  mit  den  Resten  des  Glases13).    Geöffnet  wurden  diese  Glasfenster, 


quiescunt,  sine  iniuria  patent,  an  Oeffnen  der 
Lüden  zu  denken;  ebenso  Hör.  carm.  I  25,  1: 
partim  iunctas  quatiunt  fenestras  \  ictibus 
crebris  iuvenes  protervi,  an  geschlossene. 

')  Darauf  deutet  der  in  der  vorigen  An- 
merkung zitierte  Vers  des  Ovid,  auch  der 
Ausdruck  iunctas  bei  Hör.  a.  a.  0.  Ov.  ex 
Pont.  III  3,  5  erwähnt  bifores  fenestras;  und 
ebd.  10:  et  gemuit  parvo  mota  fenestra  sono 
geht  auf  das  Oeffnen  der  Fensterläden.  Ferner 
wirden  wir  die  Erwähnung  von  Ritzen,  ritnae, 
bei  geschlossenen  Fenstern,  wie  oben  luv.  9, 
104  oder  Pers.  3,  1:  iam  darum  mane  fene- 
stras intrat  et  angustas  extendit  lumine  rimas 
nicht  mit  Becker-Göll  314  auf  Jalousien 
deuten,  sondern  auf  die  Spalten,  die  sich 
ergaben,  wo  die  beiden  Läden  zusammen- 
stießen. Daher  auch  noch  die  Vorhänge  bei 
luv.  a.  a.  0. 

2)  Vitr.VI  6  (3),  10,  vom  oecus  Cyzicenus: 
lumina  fenestrarum  valvata. 

3)  Sen.  dial.  14.9:  quam  specularia  semper 
ab  adflatu  rindicarerunt;  nat  qu.  IV  13,  7: 
quamvis  coenationem  velis  ac  specularibus 
muniant;  ep.  90,  25:  quaedam  nostra  demum 
prodisse  memoria  seimus,  ut  speadartorum 
usum  perlucente  testa  darum  transfnittentium 
hinten,  wobei  das  nostra  memoria  wohl  nicht 
ganz  wörtlich  zu  nehmen  ist.  Plin.  ep.  II  17, 
21 :  zotheca,  quae  specularibus  et  velis  ob- 
duetis  reduetisve  modo  adicitur  cubiculo,  modo 
fufertur.    Digg.  XXXIII  7,  12,  16  u.  25. 

4)  Sen.  ep.  86.  11:  quantae  nunc  aliquis 
rusticitatis  damnat  Seipionem,  quod  non  in 
ealdarium  sutim  latis  specularibus  diem  ad- 
Di  i 'sc  rat? 

')  Plin.  II  17,  4:  specularibus  ac  multo 
magis  imminentibus  tectis  muniuntur  (por- 
ticus  et  area). 

6)  Plin.  XIX  64:  {rotis)  hibernis  diebus 
hitra  specularia»)  niufünenta  (hortos)  revo- 
eantibus.  Mart.  IV  14.  3:  hibernis  obieeta  notis 
gpecularia  puros  admittunt  soles.  Colum.  XI 
3,  52:  sed  nihilo  minus  specularibus  integi 
debebunt. 


7)  luv.  4, 21:  quae  rcliitur  eluso  latis  specu- 
laribus antra. 

8)  Von  Plin.  XXXVI  160ff.  eingehend  be- 
handelt; vgl.  ebd.  182;  III 30;  IX  113;  XXXVII 
203;  mehr  bei  Blümner  Technologie  III  66. 
Marqüardt  757.  Bei  den  Griechen  heißt  er 
öiaqpavk,  s.  Corp.  Gloss.  VIII  284. 

9)  Vgl.  Overbeck  204;  207;  211;  247; 
350;  353;  373.  Mau  207;  288.  Anderweitige 
Litteraturangaben  s.  Marqüardt  758.  Becker- 
Göll  316.  Nissen  135:  596.  Daß  die  in- 
schriftlich öfters  vorkommenden  specidariarii 
(CIL  VI  4248;  5202  f.;  8659  f.;  9044;  9900 
und  mehr  bei  Marqüardt  691  A.  2,  dazu  X 
6638  C  2,  32;  3,  31.  A.  A.  1909,  281.  Dessau 
7646)  Verfertiger  von  solchen  Fensterscheiben 
waren,  darf  deswegen  als  sicher  gelten,  weil 
bei  einem  Inschriftstein,  der  die  ars  ispecla- 
raria  nennt,  ein  Fenster  eingemeißelt  ist, 
CIL  VI  33911.  Daher  sind  wohl  auch  die  a 
specularibus,  ebd.  4248  {a  specularis  ebd.  9044) 
hierher  zu  ziehen.  Wenn  Marqüardt  a.  a.  O. 
die  Digg.  L  6,  7  (6)  und  Cod.  Theod.  XIII  4,  2 
genannten  specularii  ebenfalls  hierher  zieht, 
so  ist  das  kaum  richtig,  denn  diese  werden 
Corp.  Gloss.  II  435,  37  durch  ojiey.konoiög  er- 
klärt, und  da  ebd.  36  speculum  durch  axey.lor 
übersetzt  wird,  so  sind  es  Spiegelfabrikanten. 

">)  Vgl.  Blümner  a.  a  O.  IV  402  f.  Die 
Dicke  beträgt  durchschnittlich  ljt  Zentimeter, 
s.  Chipiez  1639. 

n)  Overbeck  506.  Das  Tepidarium  in 
der  Villa  des  Diomedes  hatte  ein  Fenster 
von  1,25  :  1,15  Meter,  das  in  einem  Holzkreuz- 
rahmen vier  Scheiben  von  je  0.27  Meter  im 
Quadrat  enthielt ,  s.  Breton  Pompeji  293. 
Overbeck  373.   Mau  379. 

w)  Fensterrahmen  sind  es  wohl,  was  Plin. 
XXX  89  loricae  fenestrarum  nennt.  Daß  bei 
Paul.  sent.  III  6,  56  die  specularia  neben  den 
vela  zum  beweglichen  Inventar  gerechnet 
werden,  spricht  dafür,  daß  sie  abnehmbar 
waren. 

,3)  Overbeck  204;  207;  ein  Beispiel  eines 
bronzenen  Fensterkreuzes,  in  dem  die  Scheiben 


104 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


wie  man  dies  in  pompejanischen  Bädern  noch  nachweisen  kann,  dadurch, 
daß  der  Rahmen  sich  vertikal  um  zwei  Zapfen  in  der  Mitte  drehte  *).  An 
große  Glasscheiben  darf  man  freilich  nicht  denken,  solche  herzustellen 
verstand  weder  das  Altertum  Doch  das  Mittelalter;  letzteres  bedeutet  sogar 
in  der  Anwendung  der  Fensterscheiben  einen  erheblichen  Rückschritt  gegen 
die  römische  Kaiserzeit 2),  in  der  allerdings  Glasscheiben  bei  Schriftstellern 
ausdrücklich  erst  spät  erwähnt  werden3),  aber  die  Bekanntschaft  damit 
nicht  nur  aus  den  Funden,  sondern  auch  aus  schriftlichen  Andeutungen  zur 
Genüge  feststeht4). 

Endlich  dienten  noch  Vorhänge  zum  Abhalten  des  Lichts,  die  auch 
dann  zugezogen  wurden,  wenn  schon  ein  anderer  Verschluß,  der  aber  das 
Licht  nicht  genügend  abschloß,  vorhanden  war5). 

Wir  haben  sodann  von  der  Heizung  des  römischen  Hauses  zu 
handeln 6).  Daß  das  ganze  Altertum  hindurch  Öfen  in  unserm  Sinne  un- 
bekannt waren,  steht  hinlänglich  fest.  Man  bedurfte  im  Süden  nicht  so 
sehr  der  künstlichen  Erwärmung,  wie  bei  uns  im  Norden;  man  legte  die 
Zimmer,  besonders  die  Speisezimmer,  so,  daß  sie  im  Winter  so  viel  Sonne 
als  möglich  hatten,  und  daher  hatten,  wie  wir  sahen,  bessere  Häuser  Schlaf- 
und  Speisezimmer  doppelt,  solche  für  den  Sommer  und  solche  für  den 
Winter.  In  der  alten  Zeit,  als  noch  der  Herd  im  Atrium  stand,  sammelte 
sich  in  der  kalten  Jahreszeit  um  dessen  wärmende,  nie  verlöschende 
Flamme  die  Familie  mit  der  Dienerschaft;  und  auf  dem  Lande  behielt, 
wie  oben  erwähnt,  auch  später  noch  die  große  Küche  diese  Verwendung 
bei.  In  der  Stadt  aber,  wo  der  Herd  aus  dem  Atrium  verschwand  und 
die  meist  kleine  Küche  nur  noch   den   mit   der  Speisenbereitung  Beschäf- 


in  Rinnen  saßen  und  durch  Knöpfe  fest- 
gehalten wurden,  s.  Mazois  Ruines  de  Pomp. 
II  33,  77  pl.  1,  darnach  Chipiez  a.  a.  0.  Fig. 
2945. 

')    OVEKBECK    204. 

')  Vgl.  über  die  Geschichte  des  Fenster- 
glases Nissen  596  f. 

3)  Lactant.  de  opif.  dei  VIII  11:  et  mxtnt- 
festius  est,  mentem  esse,  quae  per  oculos  ea, 
quae  sunt  oppoaita,  transpiciat  quasi  per  fe- 
nestras  verhtcente  vitro  aut  speculari  lapide 
obductas.  Vgl.  das  Rätsel  des  Symphosius 
bei  Baehkens  Poet.  Lat.  min.  IV  378 ;  mehr 
bei  Makquardt  757  A.  9. 

')  [eh  betrachte  als  solche  Belegstelle 
l'lin.  XXXIII  162,  wo  es  von  einer  in  Puteoli 
bereiteten  blauen  Farbe  heißt:  idem  et  Pu- 
teolani  ums,  praeterque  ad  fenestras.  Es 
läßt  sich  schwer  eine  andre  Deutung  denken, 
als  daß  dies  Blau  zum  Färben  von  Fenster- 
scheiben benutzt  wurde.  Damit  haben  wir 
auch  einen  Beleg  dafür,  daß  die  Römer  bunte 
QUsfenster  kannten;  einen  zweiten  bietet 
Sen.  ep.  86,  8 :  blattaria  vocant  balnea,  si  qua 
»"„  Ua  apiata  sunt,  ut  tot  ins  <liei  solem 
fmtatri»  ampUsHmts  rtcipiant,  niti  et  la- 
vantttr  finita  et  coforantw,  darnach  waren 
solche  bunte  Scheiben  besonders  in  Bädern 
beliebt. 


5)  luv. 9, 105  (s. ob. S.  102  A.8).  Plin. ep.  VII 
21,  2:  cubicula  obductis  velis  opaca  nee  tarnen 
obscura  facio.  Vermutlich  ist  auch  Ov.  a.  a. 
III  807:  nee  lucem  in  thalamos  totis  admitte 
fenestris  von  Vorhängen  zu  verstehen.  Diese 
Stelle  dient  auch  zur  Erklärung  von  Mart. 
VIII  14,  5:  at  mihi  cella  datur,  non  tot«  clusa 
fenestra.  Von  sonstigen  Vorhängen,  mit  denen 
man  die  Türen  abschloß  oder  die  man  im 
Atrium  oder  zwischen  den  Säulen  des  Peristyls 
anbrachte,  ist  oben  die  Rede  gewesen  (S.  29 ;  35). 

6)  Die  Litteratur  darüber  ist  so  umfang- 
reich, daß  wir  hier  nur  auf  die  zusammen- 
fassenden Artikel  verweisen  können ,  vor- 
nehmlich Becker-Göll  1 1 3 16.  Marquardt 283. 
Thedenat  bei  D.-S.  III  345  (hier  p.  356  zahl- 
reiche andere  Litteraturangaben).  Mau  bei 
P.-W.  III  2748.  Morin  Note  sur  les  apparats 
de  chauffage  et  de  Ventilation  employes  par 
les  Romains,  in  Mem.  de  l'Acad.  des  Inscr., 
I  Se>.  VIII  2,  347.  Jacobi  Das  Römerkastell 
Saalburg  (Homburg  v.  d.  H.  1897),  241.  Die 
Schrift  von  O.  Krell  Altrömische  Heizungen, 
Münch.  u.  Berlin  1901,  will  die  Luftheizung 
durch  Tubulation  und  suspensurae  in  den 
meisten  Fällen  leugnen  und  die  betr.  Vor- 
richtungen als  Anlagen  zur  Trockenhaltung 
der  Mauern  und  Wände  erklären;  s  darüber 
unten. 


Dritter  Abschnitt.    Die  innere  Ausstattung  des  Hauses. 


10! 


tigten  Raum  bot,  mußte  man  auf  andere  Weise  für  etwas  Wärme  an  kalten 
Wintertagen  sorgen.  Daß  man  nun  dafür  Einrichtungen  kannte,  die  unsern 
Kaminen  entsprachen  und  auch  denselben  Namen  (caminus)  hatten,  ist 
zwar  vielfach  bestritten  worden x),  zumal  sich  in  Pompeji  keine  Spur  davon 
findet,  geht  aber  doch  aus  einer  Anzahl  alter  Belegstellen,  die  kaum  andere 
Deutung  zulassen,  mit  ziemlicher  Sicherheit  hervor 2).  Bisweilen  scheint 
auch  focus  dasselbe  zu  bedeuten 3).  Reste  von  Kaminanlagen  sind  außer- 
ordentlich selten4),  und  so  darf  man  wohl  annehmen,  daß  diese  Art  Heizungs- 
anlagen nicht  gerade  häufig  vorkam.  Es  mag  das  damit  zusammenhängen, 
daß  das  Altertum  keine  hohen,  durch  mehrere  Stockwerke  hindurch  geführte 
Schornsteine  kannte5);  für  mehrstöckige  Gebäude  war  daher  die  Anlage 
von  Kaminen  ausgeschlossen. 

Das  gewöhnlichste  Mittel,  im  Winter  Wohnräume  zu  erwärmen,  scheint 
im  Altertum  dasselbe  gewesen  zu  sein,  mit  dem  man  sich  heut  noch  im 
Süden  in  der  Regel  behilft,  nämlich  transportable  Kohlenbecken.  So 
wenig  von  solchen  in  unsern  Quellen  die  Rede  ist ö),  so  ist  doch  durch 
Funde  ihre  einstmalige  Anwendung  hinlänglich  bezeugt7).  Es  sind  aller- 
dings meist  eleganter  gearbeitete  Bronzeherde,  die  man  gefunden  hat;  ein- 
fachere Geräte,  deren  sich  die  gewöhnlichen  Leute  bedienen  mochten, 
scheinen   bisher   noch    nicht   nachgewiesen    zu   sein8).     Eines    der   besten 


!)  Vgl.  Saglio  bei  D.-S.  I  859. 

2)  Cic.  ad  fam.VII  10,  2:  vctlde  metuo  ne 
frigeas  in  hibernis:  quam  ob  rem  Camino 
luculento  utendum  eenseo.  Hör.  sat.  15,  79: 
nisi  nos  vicina  Trivici  \  ri/la  recepisset  la- 
crimoso  non  sine  fumo,  \  udos  cum  foliis  ra- 
tnos  urente  Camino.  Id.  ep.  I  11,  19:  Sextill 
mense  caminus.  Suet.  Vitell.  8:  nee  ante  in 
praetorium  rediit  quam  flagrante  triclinio 
i'.r  coneeptu  camini.  Sid.  Ap.  ep.  II  2,  11: 
hiemale  triclinium  ,  quod  a rennt ill  Camino 
saepe  ignis  animatus  pulla  fuligine  infecit. 
Von  Gallien  Iulian.  misop.  p.  341  C:  e&üIjiezo 
b'e  tö  öcofiünov  ovöaiiibg,  oüneg  ixdßsvöov, 
fivjtEQ  tuöihi  xqÖjiov  i'jid  iaig  xa/iiroig  zu  jioV.u 
tviv  oiy.nuäxoiv  ixei  deo/iaiveadai.  Ebenfalls 
caminus  heilst  auch  der  Schmelzofen  des 
Metallarbeiters,  der  Backofen  u.  a.  m. 

3)  Hör.  carm.  I  9,  5:  dissolve  frigus  ligna 
super  furo  large  reponens  geht  wohl  auch 
auf  einen  Kamin;  da  aber  das  Wort  allgemein 
einen  Herd  bedeutet  (einen  festen  wie  einen 
tragbaren),  so  ist  die  Bedeutung  Kamin  nir- 
gends mit  Sicherheit  festzustellen.  Vielleicht 
mit  Recht  bezieht  Becker-Göll  317  auch  Sen. 
nat.  qu.  IV  13,  7:  quamvis  coenationem  velis 
nc  specularibus  muniant  et  igne  multo  doment 
hiemem,  auf  Kaminheizung,  obschon  man  hier 
auch  an  Hypokauste  denken  könnte. 

4)  Einige,  die  heut  verschwunden,  aber 
in  Aufnahmen  erhalten  sind,  bespricht  Saglio 
a.  a.  0.  861  mit  den  Abbildungen  1057—1059; 
vgl.  auch  Rich  97. 

s)  Damit  soll  nicht  gesagt  sein,  daf3  die 
Römer  überhaupt  keine  Schornsteine  gekannt 
hätten;  in  Pompeji  sind  sie  zwar  selten,  aber 


doch  keineswegs  unerhört;  sie  bestehen  da 
aus  tönernen  Röhren,  s.  Overbeck  386.  Fio- 
relli  Scavi  dal  1861  al  1872  p.  12;  17:  20;  39. 
Becker-Göll  318.  Namentlich  der  Küchen- 
herd, der  Backofen  u.  dgl.  mußten  Essen  für 
den  Rauchabzug  haben.  Daß  aber  hohe  Schorn- 
steine unbekannt  waren,  zeigen  die  Prospekte 
von  Straßen  oder  Häusern  in  derWandmalerei, 
bei  denen  nirgends  Schornsteine  über  die 
Dächer  hinausragen.  Vgl.  auch  v.  Duhn  und 
Jacobi  Der  griech.  Tempel  in  Pompeji  (Heidel- 
berg 1890)  über  Schornsteinanlage  im  Frauen- 
bad der  Stabianer  Thermen ,  und  Jacobi 
a  a.  O.  246. 

6)  Wir  kennen  nicht  einmal  eine  Spezial- 
benennung  dafür,  sondern  können  nur  an- 
nehmen, daß  die  Namen,  die  überhaupt  jedem 
Herde  zukommen,  wie  focus,  caminus,  auch 
diesen  tragbaren  Herden  gegeben  wurden, 
und  daß  die  allgemeine  Bezeichnung  für 
Kohlenbecken,  auch  solche,  die  zum  Wärmen 
von  Speisen  und  Getränken  dienten.  caidaHum, 
ebenso  für  jene  angewendet  wurde.  Auf  letztere 
werden  wir  noch  im  VI.  Abschn.  der  II.  Abteil, 
zu  sprechen  kommen. 

7)  Man  vgl.  namentlich  die  Abbildungen 
bei  Daremberg-Saglio  I  821;  II  1196.  Over- 
beck 440  f.  Krell  a.  a.  O.  19.  Die  meisten 
und  am  besten  erhaltenen  Exemplarestammen 
aus  Pompeji.  Daß  die  schönverzierten  Drei- 
füße demselben  Zweck  gedient  hätten,  wie 
Krell  a.  a.  O.  annimmt,  ist  nicht  erweislich. 

8)  lieber  etruskische  Kohlenbecken,  Feuer- 
zangen und  Feuerschaufeln  vgl.  Friederichs 
Berl.  ant.  Bildwerke  II  190  f. 


106 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


Beispiele  ist  ein  mit  zinnenartigen  Spitzen  verziertes  Kohlenbecken,  das 
im  Tepidarium  der  kleineren  Thermen  in  Pompeji  gefunden  wurde;  es  hat 
ungefähr  2.20  m  Länge  und  0,78  m  Breite;  innerhalb  des  Zackenornaments 
ist  ein  eiserner  Rand  eingeschoben,  den  Boden  bildet  ein  Rost  von  Bronze- 
stangen, auf  dem  Ziegel  lagen,  über  diesen  Bimsstein,  auf  den  die  glühenden 
Holzkohlen  gelegt  wurden1). 

Die  Erfindung  einer  rationellen  Luftheizung,  bei  der  dem  Fußboden 
und  den  Wänden  der  Zimmer  erwärmte  Luft  zugeführt  wurde,  fällt  erst  in 
den  Anfang  des  letzten  Jahrhunderts  v.  Chr.  und  diente  ursprünglich  lediglich 
zur  Heizung  von  Baderäumen,  bei  denen  ja  eine  gleichmäßig  'erwärmte 
Temperatur  der  Gefahr  der  Erkältung  wegen  besonders  erwünscht  war. 
Ein  gewisser  C.  Sergius  Orata  ist  es,  dem  das  Verdienst  dieser  Erfindung 
zugeschrieben  wurde2);  sie  wurde  schon  frühzeitig  auch  auf  Wohnräume  aus- 
gedehnt. Die  Erfindung  scheint  sich  jedoch  anfänglich  auf  die  Boden- 
heizung beschränkt  zu  haben,  da  dabei  immer  nur  von  den  balnea  pensilia 
die  Rede  ist;  aber  jedenfalls  erfolgte  die  Erfindung  der  Wandheizung  durch 
Röhren  kurze  Zeit  nachher3).  Das  System  lernen  wir  aus  Vitruvs  Vor- 
schriften4) und  zahlreichen  Erwähnungen  bei  den  alten  Autoren,  die  sich 
nicht  bloß   auf  Bäder,   sondern  auch  auf  Wohnräume  beziehen5),   kennen, 


')  Overbeck208.  Mau  208.  Becker-Göll 
III 122.  Vgl. auch  Overbeck 223;  230.  Mau 202. 

*)  Val.  Max.  IX  1,  1:  C.  Sergius  Orata 
pensilia  balinea  primus  facere  instituit :  quae 
impensa  levibus  initiis  coepta  ad  suspensae 
calidae  aquae  tantum  non  aequora  penetravit. 
Letztere  Bemerkung  ist  natürlich  nicht  so 
zu  verstehen,  daß  die  Wannwasserbassins 
durch  die  Heizung  erwärmt  wurden  (was 
Krell  a.  a.  O.  32  ff.  mit  Recht  als  unmöglich 
bezeichnet),  denn  dafür  gab  es  in  den  Bädern 
besondere  Vorrichtungen,  sondern  man  hielt 
nur  den  Boden  unter  dem  Bassin  geheizt, 
damit  das  Wasser  weniger  rasch  abkühle. 
Daß  es  sich  aber  bei  der  Erfindung  des  Ser- 
gius Orata  nicht  um  bloße  Unterkellerung 
handelte,  wie  Krell  36  meint,  beweist  der 
Zusatz  calidae.  Vgl.  auch  Plin.  IX  168:  Ser- 
gitts  Orata  .  .  .  ut  qui  primus  pensilis  in- 
venerit  balinea*;  XXVI  16,  von  der  Zeit  des 
Asklepiades,  eines  Freundes  des  L.  Crassus: 
tum  primum  pensili  halinearum  usu  ad  in- 
finit um  blandienU.  Macr.  III  15,  3;  und  ohne 
Nennung  des  Erfindernamens  Cic.  bei  Non. 
194,  12:  primus  balneola  suspendit,  inclusit 
pisces. 

s)  Sen.  ep.  90,  25 :  quaedam  nostra  de- 
mum  prodisse  memoria  srinrus  ...  ut  sus- 
pensuras  balneorum  et  inpressos  parietihns 
tu  Ix  is,  per  quo»  cir  cum  funder  etur  calor,  qui 
'mm  simul  nr  summa  foveret  aequaliter. 
Baß  das  nostra  memoria  nicht  wörtlich  zu 
nehmen  ist,  haben  wir  schon  oben  (S.  103  A.  3) 
gesagt,  event.  bezieht  es  sich  nur  auf  die 
Heizung  durch  tubi,  die  früher  nicht  erwähnt 
wird  und  die  auch  Vitiuv  noch  nicht  gekannt 
zu  haben  scheint,  vgl.  Nissen  152.  Das  jüngere 


Alter  der  Tubulation  wird  bestätigt  durch 
die  Stabianer  Thermen  in  Pompeji,  bei  denen 
der  ursprüngliche  Bau  gar  keine  Heizanlage 
hatte,  dann  das  Caldarium  den  hohlen  Fuß- 
boden bekam  und  noch  später  die  Hohl- 
wäude,  s.  Mau  Pompej.  Beitr.  117  ff. ;  Pompeji 
200.  Aehnlich  heißt  es  in  einer  Inschrift 
CIL  XI  6040  von  einem  Gönner,  der  ein 
altes  Bad  neu  herrichtete:  balneum  suspendit, 
fubulos  .  .  .  fecit. 

4)  Vitr.VIO,  2:  suspensurae  caldarionnn 
ita  sunt  faciendae,  ut  primum  sesquipeda- 
libus  tegulis  solum  sternatur  inclinatum  ml 
hypocausim,  uti  pila  cum  mittatur  non  possit 
intro  resistere  sed  rursus  redeat  ad  praefur- 
ninm  ipsa  per  se.  ita  flamma  facilius  per- 
vagdbitur  sub  suspensione.  supraque  tatcr- 
ctdis  bessalibus  pilae  struantur  ita  dispositae, 
uti  bipedales  tegulae  possint  supra  esse  con- 
locatae.  altitudinem  autem  pilae  habeant  pedes 
duo  eaeque  struantur  argilla  cum  capitlo  sub- 
acta,  supraque  conlocentur  tegulae  bipedales 
quae  sustineant  pavimentum.  Darnach  Pallad. 
I  39  (40),  2. 

ä)  Sen.  dial.  I  4,  9:  cuius  pedes  int  er  fo- 
menta  subinde  mutafa  tepuerunt,  cuius  coe- 
nationes  snbditus  et  parietibus  drcumfusus 
calor  temperavit.  Stat.  silv.  I  5,  87:  straf n 
solo  .  .  .  ubi  languidus  ignis  inerrat  \  aedi- 
biis  et  tenuem  volvunt  hypocausta  vaporem. 
Plin.  ep.  II  17,  11 :  adiacet  unctorium  htfpo- 
causton  (so  ist  zu  lesen,  nicht  mit  Keil:  uncto- 
rium, hypocauston,  wie  bei  Marquardt  283 
A.  2  richtig  bemerkt  ist);  ebd.  23:  adplicitum 
est  cubiculo  hypocauston  perexiguum,  quod 
angusta  fenestra  suppositum  calorem,  ut  ratio 
exigit,  aut  effundit  aut  retinet.    V  6,  25:  CO- 


Dritter  Abschnitt.    Die  innere  Ausstattung  des  Hauses. 


107 


ganz  besonders  aber  aus  den  außerordentlich  vielen  noch  erhaltenen  Resten 
von  Heizanlagen;  es  ist  folgendes. 

Unter  dem  Fußboden  wurde  ein  Hohlraum,  die  sog.  suspensura,  an- 
gelegt, der  nach  Vitruvs  Vorschrift  zwei  Fuß  tief  sein  soll,  in  den  erhal- 
tenen Resten  aber  von  sehr  verschiedener  Tiefe  ist  (bis  zu  1  m).  Der 
Boden,  dem  man  eine  leichte  Neigung  nach  der  Richtung  des  Heizraumes 
hin  gab,  damit  die  heiße  Luft  stärker  hinaufstreiche  l),  ist  meist  mit  Zie- 
geln ausgelegt,  oft  bloßer  Estrich:  darauf  stehen  niedrige,  etwa  zwei  Fuß 
hohe  Ziegelpfeiler2)  reihenweise  in  bestimmter  Entfernung  voneinander, 
die  meist  so  bemessen  ist,  daß  die  etwa  zwei  Fuß  im  Quadrat  haltenden 
Ziegelplatten,  die  darüber  gelegt  werden,  um  die  Unterlage  für  den  Fuß- 
boden abzugeben,  zu  je  vier  auf  einem  Pfeiler  zusammentreffen,  also  jede 
Platte  auf  vier  Pfeilern  ruht.  Auf  diese  Tonplatten,  die  oben  öfters  ge- 
riefelt sind,  damit  die  Mörtelmasse  besseren  Halt  hat,  wird  dann  ein  Estrich 
von  der  oben  (S.'  95)  beschriebenen  Art  gedeckt  und  auf  diesen  kommt 
dann  ein  Stein-  oder  Mosaikboden.  Die  Estrichlagen  pflegen  sehr  sorg- 
fältig hergestellt  und  von  verschiedener  Beschaffenheit  und  Dicke  über- 
einander angelegt  zu  sein3);  namentlich  wo  Mosaikböden  darauf  zu  liegen 
kamen,  verfuhr  man  sehr  genau  und  legte  mitunter  auf  die  Deckziegel 
über  den  Pfeilern  noch  Randziegel4). 

Diese  suspensura  steht  in  Verbindung  mit  der  Feuerstelle,  hypocausisb), 
wo   das  Feuer    von   Holzkohlen6)    entzündet   wird,    dessen    Wärme    durch 


haeret  hypocauston,  et  si  dies  nubilus,  in- 
misso  vapore  solis  vicem  supplet.  Auson.  Mos. 
337:  quid  quod  fluminea  substructa  crepidine 
fumant  balnea,  ferventi  cum  Mtdciber  haustus 
pperto  volvit  anhelatas  tectoHa  per  cava  flam- 
mas,  inclusum  glomerans  aestu  spirante  va- 
porem?  Digg.  VIII  2.  13  pr.:  quidam  Hiberus 
nomine,  qui  habet  post  horrea  mea  insulam, 
balnearia  fecit  secundum  parietem  commu- 
nem:  non  licet  autem  tubulos  habere  admotos 
ml  parietem  communem  .  .  .  hoc  iuris  est, 
tpiod  per  eos  flammet  torretur  partes.  XXXII 
1,  55,  3:  lignis  autem  legatis  quod  comburendi 
causa  paratum  est  continetur,  sive  ad  balnei 
ealefactionem  sive  diaetarum  hypocaustarum. 

')  Vitruv  drückt  sich  nicht  genau  aus, 
wenn  er  hier  von  der  Flamme  spricht:  diese 
durfte  nicht  in  die  suspensura  eindringen. 
Die  Neigung  des  Fuf3bodens  ist  an  den  Funden 
oft  zu  beobachten,  s.  Jacobi  a.  a.  0.  251. 

*)  Diese  Pfeiler  sind  entweder  aus  Ziegeln 
Rufgemauert  oder  es  sind  eigens  zu  diesem 
Zweck  gebrannte  hohle  Tonsäulchen  (vgl. 
das  unten  besprochene  Beispiel  von  der  Saal- 
burg), s.  Mau  Pomp,  ßeitr.  149.  Not.  d.  seavi 
[878,  378;  1883,  211;  auch  viereckige  Röhren 
kommen  vor.  ebd.  1878,  376.  Marquardt  285 
A.  2.  Doch  kamen  nicht  bloß  Tonziegel  oder 
Röhren  zur  Verwendung,  sondern  auch  anderes 
Material:  die  Pfeiler  sind  bisweilen  aus  Stei- 
nen aufgemauert  oder  ganz  aus  Stein  gehauen, 
wie  denn  überhaupt  in  der  Anlage  der  suspen- 
iurae  große  Mannigfaltigkeit   herrscht,    vgl. 


Thedenat  a.  a.  0. 347.  Arneth  Jahrb.  d.  österr 
Zentralkomm.  VI  (1856)  54  Taf.  VI. 

3)  Vgl.  Bossler  Die  Römerstätte  bei  Vil- 
bel, im  Arch.  f.  hessische  Gesch.  und  Alter- 
tumsk.  X  31. 

4J  Vgl.  Buckman  u.  Newmarch  Remaiiis 
of  Roman  art  65.  Blümner  Technologie  III 
337  f.  Ueber  die  Ursachen,  weshalb  man 
diesen  Belag  so  dick  herstellt,  s.  Morin  a. 
a.  0.  355. 

5)  In  dieser  Bedeutung  steht  das  Wort 
bei  Vitruv  a.  a.  0.,  ferner  Plut.  qu.  conv.  HI 
10.  3  p.  658  E.  Oribas.  p.37.  Vgl.  Corp.  Gloss. 
II  466,  31,  wo  calefactio  und  snbustio  durch 
vjtöxavmi  erklärt  sind.  Dagegen  bedeutet 
hypoeaustus  (Adjekt.)  oder  lujpocattstum  einen' 
auf  die  angegebene  Weise  von  unten  her 
geheizten  Raum,  so  Pliu.  ep.  II  17,  11;  V  6, 
23.  Digg.  XXXII 1, 55, 3  (s.  oben  S.  106  A.  5) ;  in 
der  Lex.  metall.  Vipasc.  CIL  II  5181.  Nur  bei 
Stat.  silv  a.  a.  0.  scheint  hypocaustttm  den 
unterirdischen  Hohlraum  zu  bedeuten,  wie 
Marquardt  283  A.  2  bemerkt.  Der  heutige 
Sprachgebrauch   schließt  sich  ihm  darin  an. 

8)  Die  ganze  Anlage  der  Heizung  läßt 
es  als  unwahrscheinlich  erscheinen,  daß  man 
mit  Holz  geheizt  habe:  der  starke  Rauch  und 
Ruß,  den  eine  solche  Holzbeizung  entwickeln 
mußte,  hätte  die  aufsteigenden  Heizkanäle 
mit  ihren  kleinen  Querschnitten  bald  ver- 
stopfen müssen;  auch  die  Praefurnien  sind 
oft  so  klein,  daß  man  nur  an  Heizung  mit 
Holzkohlen    denken    kann.   Vgl.  Jacobi  248. 


108 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


einen  Kanal  nach  der  suspensura  geht;  davor  liegt  die  Kammer,  von  der 
aus  man  das  Feuer  anmacht,  mit  dem  Schürloch,  praefurnium l).  Damit 
bei  Beginn  der  Heizung  das  Feuer  schnell  Zug  habe,  brachte  man  an 
einem  von  der  Feuerstelle  entfernten  Punkte  ein  sog.  „Lockfeuer"  an2); 
auch  für  Ventilation  wurde  im  Zusammenhang  mit  der  Feuerung  gesorgt, 
indem  der  suspensura  durch  eine  Öffnung  frische  Luft  von  außen  her  zu- 
geführt wurde3).  Wo  bloße  Bodenheizung  ohne  Tubulation  der  Wände 
bestand,  mußte  natürlich  auch  für  den  Abzug  der  Luft  resp.  etwa  sich 
entwickelnden  Rauches  nach  oben  genügend  gesorgt  sein;  doch  sind  die 
dafür  bestimmten  Vorrichtungen  meistens  nicht  mehr  erhalten. 

Mit  dem  Hohlraum  der  suspensura  standen  seit  Erfindung  der  Tubu- 
lation die  Hohlräume  der  Wände  in  Verbindung,  indem  die  heiße  Luft  von 
der  suspensura  aus  an  den  Wänden  in  die  Höhe  geleitet  wurde4),  und 
zwar  wurden  diese  Hohlräume  auf  verschiedene  Weise  hergestellt.  Ent- 
weder setzte  man  oblonge  Tonröhren  oder  hohle  Tonzylinder,  tubi,  tubuli6), 
in  die  Mauer  ein;  diese  Kachelröhren  führten  nicht  nur  die  heiße  Luft  direkt 
in  die  Höhe,  sondern,  da  sich  vielfach  in  ihrer  Schmalseite  verschieden 
gestaltete  Öffnungen  finden,  konnte  die  heiße  Luft  sich  auch  seitlich  ver- 
breiten6). Oder  man  nahm  sog.  Warzenziegel,  tegulae  mammatae1),  d.h. 
Tonplatten,  die  an  den  Ecken  mit  warzenartigen  Vorsprüngen  versehen 
sind,  und  bekleidete  damit  die  Wand,  wodurch  schmale  Hohlräume  ent- 
standen8).    Indem  eine  oder  mehrere  Öffnungen  aus   den  Hohlräumen  der 


Daß  allerdings  Holzheizung  nicht  absolut 
ausgeschlossen  war,  zeigt  Digg.  a.  a.  0.;  doch 
handelt  es  sich  da  vermutlich  nur  um  Suspen- 
surenheizung,  nicht  um  Wandheizung.  Man 
bediente  sich  dazu  wohl  der  sog.  ligna  acapna, 
d.  h.  eines  eigens  nach  verschiedenen  Verfah- 
rungsweisen  präparierten  Holzes,  das  ohne 
oder  doch  nur  mit  sehr  schwacher  Rauch- 
entwicklung verbrannte,  vcl.  Cat.  r.  r.  130. 
Mart.XIII  15.  Plin.  XV  34.  Ueber  die  Methoden 
s.  Mokel  bei  D.-S.  I  14. 

1)Vitr.V10,2(8.obenS.106A.4);VII10,2; 
VIII  2,  4.  Das  ebd.  V  11,  2  und  Plin.  ep.  II 
17,  11  genannte  propnigeum  ist  damit  jeden- 
falls nicht  identisch,  sondern  scheint,  wie  Mau 
zu  Marquardt  a.  a.  0.  A.  4  bemerkt,  das  Te- 
pidarium  zu  bedeuten;  dafür  spricht  auch 
Corp.  Gloss.  III  217,  2  und  652,  10,  wo  jzqo- 
.iviyFÄa  und  tepidaria  identisch  sind. 

2)  Dessen  Stelle  ist  in  den  Stabianer 
Thermen  noch  nachweisbar,  Mau  197;  vgl. 
Rösslkr  Westdeutsche  Zeitschr.  IX  (1890)  260 
mit  Taf.  XI  fg. 

3)  Vgl.  die  Beschreibung  der  entspre- 
chenden Einrichtung  auf  der  Saalburg  bei 
Jacobi  253. 

4)  Es  kommt  übrigens  auch  vor,  daß 
heiße  Luft  direkt  aus  der  suspensura  in  den 
darüber  belegenen  Raum  aufsteigt,  indem  an 
den  Wänden  des  Gemaches  entlang  oben 
offne  Röhren  aus  Ton  angebracht  waren, 
».  die  Abbildung  Fig.  32.    Jedenfalls  wurden 


die  Oeffnungen  dieser  Röhren  während  der 
Heizung,  d.  h.  solange  das  Kohlenfeuer  in 
Brand  war,  durch  Deckplatten  verschlossen. 
Diese  Einrichtung  ergab  zugleich  die  Mög- 
lichkeit einer  Regulierung  der  Wärme;  eine 
ähnliche  Einrichtung,  die  Wärme  aus  der 
suspensura  einzulassen  oder  zurückzuhalten, 
muß  die  angusta  fenestra  gewesen  sein,  von 
der  Plin.  ep.  II  17,  23  spricht. 

J)  Sen.  ep.  90,  25.  Digg.  VIII  2,  13  (oben 
S.  106  A.  5).  Daher  heißt  ein  Zimmer,  das  Fuß- 
boden- und  Wandheizung  hat.  suspensus  et 
tubulatus,  Plin.  ep.  II  17,  9.  Auch  ctmiculi 
kommt  für  diese  Röhren  vor,  Digg.  XLIII 
21,  3,6. 

6)  Vgl.  Näher  Rhein.  Jahrb.  LXXIX  71 
mit  Taf.  II  12  u.  16.  Rössler  a  a.  O.  The- 
denat  848  Fig.  3944.  Oft  sind  die  Kachel- 
röhren noch  eigens  an  der  Wand  mit  eisernen 
Klammern  befestigt;  und  damit  die  aus  starker 
Stucklage  bestehende  Wandverkleidung  besser 
an  ihnen  hafte,  haben  sie  an  den  Außen- 
seiten diagonale  oder  schlangenförmige  Ein- 
furchungen.  Näher  a.  a.  O.  Fig.  16.  Middleton 
Archaeologia  LI  (1888)  1  pl.  III. 

7)  Diese  Benennung  findet  sich  Vitr.  VII 
4,  2.  Plin.  XXXV  159;  vgl.  Nissen  05  ff. 

8)  Eine  Zusammenstellung  der  pompe- 
janischen  Badezimmer,  bei  denen  tegulae 
mammatae  zur  Anwendung  gekommen  sind. 
s.  Mau  Pompej.  Beiträge  149  f. 


Dritter  Abschnitt.    Die  innere  Ausstattung  des  Hauses.  lO«j 

Wände  oben  ins  Freie  führten  und  gewissermaßen  als  Schornsteine  wirkten >), 
war  für  die  nötige  Zugluft  und  den  Abzug  von  Gasen  oder  schlechter  Luft 
genügend  gesorgt2). 

Man  konnte  nun  bei  dieser  Art  der  Heizungsanlage  sehr  verschieden- 
artig vorgehen,  wie  die  Funde  lehren.  Oft  begnügte  man  sich  bloü  mit 
der  Bodenheizung,  oder  man  brachte  nur  eine  Wandheizung  an,  und  je 
nachdem  man  die  Heizung  bloß  an  einer  Wand  oder  an  mehreren  oder 
allen  vier  Wänden  durchführte3),  ließen  sich  sehr  verschiedene  Wärme- 
grade erzielen,  wozu  auch  noch  die  verschiedene  Entfernung  der  zu  er- 
wärmenden Räume  von  der  Feuerstelle  beitrug.  Auch  darin  herrschte 
Mannigfaltigkeit,  daß  bisweilen  eine  einzige  Hypokausis  zur  Heizung  mehrerer 
Räume  diente4),  anderwärts  hinwiederum  derselbe  Raum  durch  zwei  ge- 
trennte Heizräume  bedient  wurde5).  Daß  sämtliche  Räume  eines  Hauses 
(d.  h.  des  Unterstocks,  da  zu  den  obern  Stockwerken  schwerlich  die  Heizung 
hinaufging)  in  solcher  Weise  Boden-  oder  Wandheizung  hatten,  war  un- 
gemein selten  und  jedenfalls  auch  in  den  Wohnhäusern  nördlich  der  Alpen, 
wo  das  Klima  größere  Ausdehnung  der  Heizanlagen  erforderte,  nicht  häufig, 
während  man  sich  im  Süden,  abgesehen  von  den  Bädern,  wo  in  der  Kaiser- 
zeit die  Heizung  wohl  allgemein  durchgeführt  und  selbst  bei  Privatbädern 
üblich  war,  mit  der  Heizanlage  bei  einigen  wenigen  Wohnräumen  begnügte 
oder  auch  ganz  darauf  verzichtete6). 

Noch  eine  andere  Art  der  Heizung,  die  wir  aber  nur  im  Norden  finden 
und  die  bloß  in  den  Kastellen  der  Grenzwälle  zur  Anwendung  gekommen 
zu  sein  scheint,  kann  als  Kanalheizung  bezeichnet  werden7);  es  führte 
dabei  vom  Heizraum  ein  Hauptkanal  unter  dem  Boden  direkt  nach  der 
Mitte  des  zu  heizenden  Raumes  und  verzweigte  sich  von  da  nach  den  vier 
Ecken,  in  denen  Schornsteine  nach  oben  führten.  Diese  Kanalheizungen 
konnten  mit  Holz  geheizt  werden,  was  für  manche  Grenzorte,  bei  denen 
vielleicht  nicht  immer  Holzkohle  leicht  zu  beschaffen  war,  von  Wichtigkeit 
sein  mochte.     In  der  Saalburg  finden  wir  auch  einige  Bodenheizungen,  bei 


»)  \\'1.MauR.M.II(1887)134;  VI  (1891) 
266;  Pompeji  192. 

2)  Es  muß  hier  bemerkt  werden,  daß 
K  rell  in  seiner  oben  S.  104  A.  6  zitierten  Schrift 
zu  erweisen  gesucht  hat,  daß  nur  einige 
wenige  der  hier  beschriebenen  Anlagen  (selbst- 
verständlich alle  diejenigen,  bei  denen  das 
praefurninm  noch  erhalten  ist)  wirklich  Heiz- 
anlagen waren,  weitaus  die  meisten  aber  gar 
nicht  zur  Heizung  dienten,  sondern  bloß  zur 
Abhaltung  der  Feuchtigkeit  von  Boden  und 
Wänden.     Allein,    wenn    auch    nicht   zu   be- 


hinlänglich festgestellt  ist.  Vgl.  die  Gegen- 
bemerkungen gegen  Krell  von  Blümner  Beil. 
phil.  Wochehschr.  1902  Sp.  398.  E.  Anthes 
Korrespondenzbl.  d.  Gesamtver.  d.  deutschen 
Gesch.-  u.  Altert.Vereine  f.  1903,  97  ff.  Graf 
Walderdorff  Verhandl.  d.  histor.  Ver.  f. Ober- 
pfalz u.  Regensburg  LTV  271. 

»)  Mau  Pompej.  Beitr.  a.  a.  0.;  ders.  R. 
M.VIII  (1893)53. 

*)  Ovekbeck  202  Fig.  116;  vgl   212. 

5)  Ebd.  236  mit  Fig.  126;  andere  Varie- 
täten s.  Thedenat  a.  a.  0.  346. 


zweifeln  ist.    daß  bisweilen  dieser  Zweck  in  B)  In  den  Villen  des  Plinius  sind  es  nur 

der  Tat  durch  dieselbe  Art  der  Anlage,  d.  h.    ;    einige  besondere  Zimmer,    die  solche  haben, 

durch    Suspensur    und    Tubulation,    erreicht  und    so    wird    es   in    den    meisten  Villen    in 

worden  ist,  so  muß  man  doch  dabei  behanen,  Italien  und  überhaupt  im  Süden  der  Fall  ge- 

tag    in    der    Mehrzahl    der    Funde    die    be-  wesen  sein.  In  Pompeji  sind  Heizungsanlagen 

sprochene  Anlage  zu  Heizzwecken  bestimmt  lediglich    in    den   Thermen    und    den    Bade- 

war.    was  in  zahllosen  Fällen,    auch  wo  das  räumen  der  Häuser,    aber  in  keinem  Wohn- 

Praefurnium  und  die  Hypokausis  sich   nicht  räume  zu  finden, 
mehr  erhalten  haben,  durch  das  Vorhanden-  T)  Vgl.  Jacobi  255  ff.  Krell  54  f. 

sein  von  Resten  von  Holzkohlen,  Asche,  Ruß 


110 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


denen  das  Hypokaustsystem  mit  der  Kanalheizung  verbunden  ist;  sie 
bieten  den  Vorteil,  daß  die  dem  Boden  und  den  Seitenwänden  der  Heiz- 
kanäle zugeführte  Wärme  durch  Luftzirkulation  für  die  Heizung  des  Ge- 
machs nutzbar  gemacht  werden  konnte1). 


vrv 


Fig.  32.    Heizanlage  von  der  Saalburg. 

Die  noch  erhaltenen  Beispiele  römischer  Heißluftheizungen  sind 
ganz  ungemein  zahlreich,  besonders  nördlich  der  Alpen,  in  der  Schweiz, 
in  Deutschland  und  England;  denn  wo  hier  Römer  sich  niedergelassen  und 
Villen  erbaut  haben,  da  waren  sie  auch  durch  das  rauhe  Klima  zur  An- 
lage von  Heizvorrichtungen  genötigt2).  Wir  besprechen  zur  Verdeutlichung 
des  oben  Gesagten  die  in  Fig.  32  abgebildete  Heizanlage,  die  sich  in  einer 
bürgerlichen  Niederlassung  des  Römerkastells  Saalburg  vorfindet3). 


')  Näheres  bei  Jacobi  257  und  Krell  55, 
wo  Abbildungen  das  System  erläutern. 

*)  Siehe  die  Besprechung  von  Beispielen 
aus  verschiedenen  Gegenden  bei  Thedenat 
a.  a.  0. 

3)  Nach  Jacobi  a.  a.  0.  Fig.  37,  darnach 


auch  bei  Krell  47  ff.,  der  sie  das  „  vielleicht 
typischste  Beispiel"  einer  Hypokaustenheizuns 
nennt.  Man  vgl.  auch  die  Heizanlagen  der 
römischen  Villa  Fig.  28,  die  die  Heizkanäle 
und  Luftzüge  gut  erkennen  lassen. 


Dritter  Abschnitt.    Die  innere  Ausstattung  des  Hauses.  \  \  \ 

Vom  Wohnhaus  1,50  m  abgerückt  liegt  0,80  m  tief  im  Boden  das 
1,30  auf  1,40  m  große  praefurnium  A,  zu  dem  zwei  Stufen  hinabführen. 
Gegenüber  öffnet  sich  das  36  cm  hohe  und  18 — 20  cm  breite  Feuerloch 
a  b  c,  das  aus  drei  schmiedeeisernen  Blöcken ')  und  einer  Basaltfußplatte 
zusammengesetzt  ist.  Von  da  zum  Gebäude  führen  zwei  elliptisch  aus- 
gebauchte backofenförmige  Hohlräume  (in  der  Zeichnung  punktiert  und 
mit  kl  bezeichnet);  der  erste,  mit  Basaltsteinen  und  Erde  überdeckt,  liegt 
noch  außerhalb  des  Baues  und  ist  die  Hypokausis,  in  der  das  Kohlenfeuer 
entzündet  wurde.  Die  suspensura  besteht  aus  sechsmal  acht  Pfeilern;  sie 
sind  durchschnittlich  74  cm  hoch  und  bestehen  aus  einer  quadratischen 
Fußplatte  von  30  cm  Seitenlänge  und  5  cm  Dicke,  einer  ebenso  großen 
Kopfplatte  und  zwölf  Ziegeln  von  20:26  cm  Seitenlänge  und  5  cm  Dicke. 
Dagegen  ist  die  Gruppe  der  Pfeiler,  die  mit  m  bezeichnet  sind,  aus  auf- 
recht stehenden  Heizröhren  zusammengesetzt,  die  mit  Backsteinbrocken 
und  Mörtel  ausgefüllt  und  noch  durch  einige  Ziegel  erhöht  sind,  um  das 
gleiche  Niveau  mit  den  anderen  zu  erzielen.  Die  Pfeiler  stehen  25 — 35  cm 
weit  auseinander;  die  darauf  gelegten  Deckplatten  sind  50 — 60  cm  groß 
und  5  cm  dick  und  oben  geriefelt;  darüber  liegt  der  15  cm  starke  Estrich, 
o!er  den  ganzen  Boden  überzieht;  nur  bei  h  i  ist  ein  50  cm  im  Quadrat 
haltendes  Einsteigloch,  das  durch  eine  Sandsteinplatte  geschlossen  wird. 
Dies  Loch  diente  dazu,  Reinigungen  oder  Reparaturen  der  suspensura  vor- 
zunehmen. —  Rings  um  den  Boden  geht  ein  Kanal,  aus  dem  sieben  mit 
Ziegeln  verkleidete  Tonröhren  r  aufsteigen,  von  denen  fünf  den  Querschnitt 
14:14  cm,  zwei  von  14:24  cm  haben.  Oben  stehen  sie  ein  wenig  über 
die  Estrichoberfläche  hervor.  Bei  f  g  liegt  ein  in  die  Wand  eingebauter 
Schacht,  der  durch  eine  Zunge  in  zwei  Abteilungen  getrennt  ist;  er  diente 
aber  wohl  kaum  als  Rauchabzug,  sondern  zur  Ventilation.  Zum  Abführen 
<les  Rauches  dienten  die  der  Einfeuerung  gegenüberstehenden  Hohlkacheln  n. 
Frische  Luft  kam  von  der  Öffnung  o  her;  sie  trat  von  da  in  den  Vorraum 
B  und  aus  diesem  durch  die  Öffnung  d  e  seitlich  in  die  suspensura  ein. 
Hier  nötigte  die  zungenartige  Einmauerung  q  die  eintretende  Außenluft, 
sich  mit  den  durch  den  Kanal  k  1  eintretenden  Heizgasen  zu  mischen.  So- 
wohl das  Schürloch  wie  die  Luftöffnung  u  konnten  durch  Ziegel-  oder 
Steinplatten  verschlossen  werden. 

Die  bei  der  innern  Ausstattung  des  Hauses  beschäftigten  Berufsarten, 
wie  vornehmlich  die  pavimentarii,  musivarli  und  tessellarü  für  die  Fußböden, 
•die  laquearii  für  die  Decken,  die  tectores,  pictores  und  coloratores  für  die 
Wände  sind  bereits  erwähnt  worden;  auch  die  im  ersten  Abschnitt  genannten 
fuhrt  intestinarü2)  hatten  jedenfalls  noch  manches  dabei  zu  tun. 


')  Siehe  Jacobi  Taf.  XLVII  7  u.  7  a. 
»)  Vgl.  S.  67. 


112  Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 

Vierter  Abschnitt. 

Der  Hausrat. 


Litteratur. 

Beckeb-Göll  II  329  ff. 

Mabquardt-Mau  635  ff. 

Blümner  Das  Kunstgewerbe  im  Altertum  II  2  ff. 

Overbeck  Pompeji  422  ff. 

Mau  Pompeji  389  ff. 

Wenn  man  sich  beim  Durchwandern  der  Häuser  Pompejis  bisweilen 
verwundern  mag  über  die  Kleinheit  der  meisten  Wohnräume,  so  muß  man 
sich  dabei  immer  in  Erinnerung  rufen,  daß  der  Römer  diese  Zimmer  meist 
nur  zum  Schlafen  oder  zum  Speisen  brauchte,  sich  aber  sonst  für  gewöhn- 
lich nicht  darin  aufzuhalten  pflegte;  dafür  war  ja  das  helle  und  luftige 
Atrium  da.  Aber  auch  das  muß  man  in  Anschlag  bringen,  daß  diese 
Räume  nicht,  wie  unsre  Stuben  heutzutage,  durch  zahlreiche  Möbel  ver- 
engt waren.  Die  Fülle  von  Schränken,  Kommoden,  Tischen  und  anderem 
mehr,  die  in  der  modernen  Wohnung  so  viel  Platz  beanspruchen,  fällt  im 
römischen  Hause  dahin;  zum  Aufbewahren  von  Kleidungsstücken,  Geräten 
usw.  dienten  die  zahlreichen  kleinen  Kammern,  die  jedes  Haus  aufwies: 
und  so  sind  es  im  wesentlichen  nur  einige  wenige  Möbel,  die  in  den  Wohn- 
zimmern Aufstellung  fanden,  insbesondere  Betten  und  Sofas,  Stühle  und 
Tische.  Abgesehen  von  diesem  quantitativen  Unterschied  im  Mobiliar  des 
römischen  und  des  modernen  Haushalts  bestand  ein  solcher  auch  hinsicht- 
lich des  Materials;  denn  obschon  Holz  als  solches  sehr  gewöhnlich  war, 
spielte  doch  daneben  für  Sitz-  und  Liegemöbel  das  Metall,  besonders  die 
Bronze,  eine  viel  bedeutendere  Rolle  als  heut,  wo  es  dafür  fast  gar  nicht 
oder  höchstens  in  Form  von  Beschlägen  zur  Verwendung  kommt,  und  für 
die  Tische  auch  Marmor,  der  bei  uns  in  der  Regel  in  Innenräumen  nicht 
dafür  verwendet  wird.  Für  unsere  nähere  Kunde  vom  alten  Mobiliar 
stehen  uns  neben  den  Nachrichten  der  Schriftsteller  und  den  Abbildungen 
von  Hausrat  auf  den  Denkmälern  auch  die  noch  erhaltenen  Originale  aus 
Pompeji  und  Herculaneum  sowie  aus  andern  römischen  Fundstätten  zu 
Gebote;  begreiflicherweise  aber  hat  sich  von  solchen  aus  Holz  nur  äußerst 
wenig  erhalten. 

Wie  wir  Liege-  und  Sitzmöbel  unterscheiden,  so  die  Römer  cubüia  und 
sedilia1).  Unter  den  Lagerstätten  ist  das  weitaus  verbreitetste  Möbel  der 
ledus  (lectidus)*),  der  der  griechischen  xkivrj  nach  Bedeutung  und  Form 
im  wesentlichen  entsprechend  sehr  mannigfaltigen  Zwecken  dient  und  nicht 
nur  unser  Sofa  und  Bett  zugleich  vorstellt,  sondern  in  seiner  Anwendung 

')  Doch  ist  zu    beachten,    daß  sedile   in  [    Sprache  gern  für  das  Ehebett  gebraucht,  z.B. 

der    KegeJ    einen    wirklichen    Sitz    bedeutet  Catull.  66,  21.  Hör.  epod   16.  38  u.  s. 

'.s.a""     7  Wilh,'<',"i  '■"'"'''■  im  allgemeinen  die  »)  Vgl.BECKER-GöLL  II  330.  Marquardt 

öwitte  ist,  an  der  man  sich  lagert,  gleichviel  i    724.  Girard  Artikel  Lectus  bei  D.-S.  111 1014. 

od  8'e  von  der  Natur  oder  durch  Kunst  her-  j   Mau  Artikel  Betten  bei  P.-W.  III  370.  Cafo- 

f, e8/7  , r,8t:  lm  letzteren  Sinne  z.B.Cic.Tusc.  line  L.  Ransom    Couches    and    beds   of  the 

uii,w.   Vai.  H.VII  116:   in  der  poetischen  Greeks,  Etruscans  and  Romans,  Chicago  1905. 


Vierter  Abschnitt.    Der  Hausrat. 


113 


noch  darüber  hinausgeht,  da  er  nicht  allein  als  Möbel  zum  Schlafen  dient 
I  (Ircfus  cubh'ularix) :),  oder  auch  nur  zum  Ausruhen 2),  und  als  Sofa  zum 
Speisen,  da  ja  die  Römer  wie  die  Griechen  bei  Tisch  lagen  (lectus  tridi- 
Bans)8),  sondern  auch  als  Lager  zum  Studieren,  da  man  vielfach  liegend 
las  oder  schrieb4)  (lectus  lucubratoriw)6)',  ja  es  ist  auch  das  Lager,  auf 
dem  der  Tote  zum  Verbrennungsplatz  getragen  und  verbrannt  wird'). 
Mochten  sich  diese  verschiedenen  Arten  der  lecti  auch  im  einzelnen  ihrer 
Bestimmung  entsprechend  in  einigen  Punkten  unterscheiden,  namentlich 
wohl  auch  in  der  Ausstattung,  so  war  doch  das  allen  gemeinsam,  daß  sie 
im  wesentlichen  mehr  Bett  als  Sofa  waren,  nämlich  nur  ein  auf  vier  (mit- 
unter auch  sechs) 7)  Füfsen  ruhendes  Rahmengestell,  das  erst  durch  Be- 
spannung, durch  Auflegung  von  Matratzen,  Kissen  und  Decken  zur  benutz- 
baren Lagerstätte  gemacht  wird8).  Gepolsterte  lecti,  bei  denen  die  Polster 
mit  dem  Rahmenwerk  durch  Tapezierarbeit  verbunden  sind,  wie  bei  unsern 
Sofas,  scheinen  gar  nicht  üblich  gewesen  zu  sein.  Dies  Rahmengestell  nun 
besteht  in  der  Regel  aus  verschiedenen  Teilen,  von  denen  aber  nicht  alle 
notwendigerweise  vorhanden  sein  müssen.  Der  oblonge  Rahmen  selbst 
führt  den  Namen  sponda9):  die  zumal  bei  lecti  cubiculares  meist  vorhandene 
hintere  Wandlehne,  die  in  den  Bildwerken  oft  ziemlich  hoch  hinauf- 
reicht, heißt  pluteus10);  die  Kopflehne,  die  bald  höher,  bald  niedriger  war, 


')  Varr.l.l.VIII32.  Cic.dediv.il  68, 134; 
Tusc.  V  20,  59  Lampr.  Heliog  20,  4.  Es  wird 
bei  ihm  öfters  hervorgehoben,  daß  er  über 
dem  Fußboden  erhöht  stand  und  auf  Stufen 
erstiegen  wurde,  Varr.  1.  l.V  168:  qua  sitnplici 
scansione  scandebant  in  lectum  non  altum, 
icabellum,  in  altiorem,  scamnum;  ib. VIII  32: 
nee,  cum  ad  tricliniarem  gradum,  item  ad 
eubicularem  (haberemus).  Serv.ad  Aen.  IV  685: 
lecti  antiquorum  alti  ei-anf  et  gradibus  ascen- 
debantur;  vgl.  Ov.  fast.  II  353:  lecfo  f/ra riter 
deiectus  <i/>  alto.  Lucan.  II  356:  gradibus 
adclinis  eburnis  ■  stat  tont*. 

2)  Cic.  de  or.  III  5,  17.  Sen.  ep.  123,  1. 
Das  Ehebett  ist  der  lectus  genialis,  Cic.  pro 
Cluent.  5.  14.  Hör.  ep.  I  1,  87  und  s.  unten 
Abt,  II  Abschn.  III 

3)  Varr.  1.  l.VJII  32.  Plin.  XXXVII  14. 
Lampr.  a.  a.  0.  Hygin.  fab.  274. 

4)  Vgl.Ov.am.  I  9,42:  a.a.  III  542:  trist. 
111,38.  Sen.  ep.  72.  2.  Pers.  1.52.  luv.  7,  105. 
Plin.  ep.V  5,  5. 

5)  Der  Ausdruck  ist  so  nicht  gerade  über- 
liefert, aber  lecticula  lucubratoria  bei  Suet. 
Aug.  78. 

fi)  Varr.  1. l.V  166:  ubi  lectus  mortui  fertur, 
dicebant  feretrum  nostri.  Mart  X 97, 3;  XI 54, 3. 

?)  Das  zeigen  erhaltene  Originale,  vgl. 
Mus.  Gregor.  I   pl.  15. 

*)  Vgl.  Hör.  epod.  12,12:  tenta  cubilia 
teetaque  rumpit,  d.  h.  also  die  Gurtenbespan- 
nung ebenso  wie  die  darüber  gelegten  Polster 
und  Kissen. 

9)  Diese  Bedeutung  des  Wortes  geht  aus 
zahlreichen  Stellen  hervor,  vgl.  Ov.  met.  VIII 
655:    coticutiuntque    forum   de  molli  finminis 

Handbuch  der  klass.  Altertuniswissenschaft.    IV. 


iilra     imvositum  lecto,  sponda  pedibusgue  sa- 

I  ig  nix.  Petron.  94,  8:  tarn  semicincHo  lecti 
stantis  ad  parietent  spondam  rin.reram;  ib. 
97,4.  Mart.  I  92.  5 :  midi  nee  sponda  <jra- 
bati;  XI  56,  5.  Die  Glossen  erklären  sponda 
regelmäßig  durch  ivtflatov,  was  griechisch 
der  Bettrahmen  ist,  s.  Corp.  Gloss.VIl  287.  Es 
ist  daher  nicht  richtig,  wenn  es  bei  Beoker- 
Göll  345  und  Marquarut  724  heißt,  sponda 
sei  die  offene  Seite  des  Betts  im  Gegensatz 
zu  pluteus.  Das  sagt  allerdings  Isid.  or.  XX 
11,  5:  sponda  e.rterior  pars  lecti,  phdens  in- 
ferior (ebenso  Schol.Pers.  1,  106),  auch  Mart. 
III 91, 9:  exciduntque  senem,  epondae  gui  parle 
iacebat :  namque  puer  p/uteo  vindice  tidtts  erat ; 
aber  weil  beim  Bett,  das  an  der  Rücken-  oder 
Wandseite  eine  Lehne  [pluteus)  hatte,  diese 
dort  an  Stelle  der  sponda  trat,  konnte  bei  einem 
solchen  der  Name  des  ganzen  viereckigen 
Rahmens  auf  die  Vorderseite  allein  über- 
sehen. Dagegen  zeigt  Suet.  Caes.  49,  wonach 
Dolabella  den  Cäsar  pe/icem  retinae,  spondam 
inferiorem  re;/iac  lecticae  nannte,  daß  man 
bei  der  sponda  den  äußern  und  innern  (d.  h. 
hintern)  Teil  unterschied  Und  nur  daher, 
daß  sponda  das  ganze  Bettgestell  bedeutet, 
erklärt  es  sich ,  daß  es  poetisch  auch  im 
Sinne  von  Bett  schlechtweg  gebraucht  wird. 
Verg.  Aen.  I  698.  Hör.  epod.  3.  22:  extrem« 
ei  in  sponda  cubet.  Ov.  fast.  II  345:  sponda- 
que  xibi  propiore  recumbit;  am.  III  14,  26: 
spondaque  laseiva  mobilitate  tremat;  und  wie 
lectus  wird  es  auch  von  der  Totenbahre  ge- 
braucht. Mart.  X  5.  9. 

I0)  Suet.  a.a.O.  Mart.  III  91,  10,  auswei- 
chen Stellen  hervorgeht,  daß  im  Ehebett,  das 
2,  ...    :s.  Aufl.  8 


114 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


wie  die  Denkmäler  zeigen,  ist  das  fulcrum  J).  Die  sponda  war  mit  Gurten 
bespannt,  fasciae*),  institae3),  auch  lora  genannt4);  hierauf  lag  das  unsrer 
Matratze  entsprechende  Polster,  tonts6),  und  über  diesem  die  verschiedenen 


an  der  Wand  stand,  die  Frau  auf  der  innern 
Seite  beim  ptuteus,  der  Mann  an  der  äußern 
lag  (vgl.  Artemid.  Onir.  I  74:  twv  8s  foyläriov 
tö  ft'ev  Iftü  idiax;  xhv  yvvaixa,  xo  de  sow  tov 
ävSga  onpairet);  auch  bei  Pers.  1,  106:  nee  plu- 
teum  caedit  (wo  Becker  346  an  eine  an  der  Kopf- 
lehne angebrachte  Vorrichtung  zum  Schreiben 
denkt)  ist  wohl  ebenso  die  Rücklehne  beim 
lectus  luntbratorius  gemeint,  wie  wir  Suet. 
Calig.  26  solche  auch  an  Speisesofas  finden: 
quosdam  stwtmia  honoribus  funetos  cenanti 
modo  ad  pluteum  modo  ad  pedes  stare  suc- 
cinetos  linteo  passus  est.  Hier  will  freilich 
Mau  Gott.  gel.  Nachr.  1896,  78  pluteus  für 
ein  am  Fußende  des  Bettes  angebrachtes 
fulcrum  (s.  u.)  erklären;  das  ist  aber  nicht 
richtig,  da  es  sich  sicherlich  um  die  beiden 
Plätze  hinter  dem  Speisesofa  und  an  dessen 
Fußende  handelt.  Sonst  sind  plutei  Wand- 
bretter, auf  die  man  Büsten  stellte  (luv.  2,  7. 
Digg.  XIX  1, 17  (18),  4).  oder  für  Bücher  (Sid. 
Ap.  ep.  II  9,4);  der  Fabrikant  von  solchen 
ist  der  p/utiarius,  CIL  VI  9819.  Im  Griech. 
entspricht  dem  pluteus  das  jiaoädega,  s.  Corp. 
Gloss.  VII  99. 

J)  Diese  Bedeutung  des  Wortes  hat  gegen- 
über Becker-Göll  345,  der  die  kunstvoll 
verzierten  Füße  darunter  verstand.  Mau  a.  a.  0. 
76  ff.  festgestellt.  Allerdings  ist  die  Bedeutung 
nicht  überall  leicht  ersichtlich;  so  Prop.  III 
5,5  (II  13,  21):  nee  mihi  tunc  fulcro  ster- 
natur  lectus  eburno  \  nee  sit  in  Attalico  mors 
mea  nixa  toro\  V  (IV)  7,  3:  Cynthia  nam- 
que  nii'o  risa  est  ineumbere  fulcro.  luv.  11,  94: 
quaHs  in  Oceano  fluetu  testudo  nataret, 
darum  Troittgenis  factura  et  nobile  fulcrum 
(vgl.  ebd.  6,  22);  aber  es  geht  daraus  zunächst 
schon  hervor,  daß  man  für  diesen  Teil  des 
Bettes  kostbares  Material,  wie  Elfenbein  und 
Schildkrot,  verwandte,  vgl.  die  aurea  fulcra, 
Verg.  Aen.VI  604,  und  Mart.  VIII 33, 6 :  brattea, 
de  fulcro  quam  reor  esse  tuo.  Wichtiger  ist 
Plin.  XXXIV  9:  tricliniorum  pedibusque  ful- 
rrisque,  weil  daraus  zunächst  schon  hervor- 
geht, daß  die  fulcra  nicht  die  Füße  waren; 
besonders  aber  Hygin.  fab.  27, 4:  antiqui  nostri 
in  Irdis  triiliniarilms  in  fulcris  capita  asel- 
Jortm  rite  aJUgeta  habuerunt;  denn  gerade 
an  den  Kopflehnen  der  lecti  pflegten  Köpfe 
von  Pferden,  Maultieren  u.  dgl.,  plastisch  vor- 
springend, als  Zieraten  angebracht  zu  werden, 
vgl.  Ransom  a.  a.  0.  pl.  8—17;  und  auf  den- 
selben Gebrauch  ist  angespielt  luv.  11,  96: 
8ed  nudo  totere  et  parvis  frons  aerea  ler/is 
vile  coronati  caput  otttndebat  aselli  (wo  doch 
wohl,  da  Hygin.  a.  a.  0.  erst  daraus  abgeleitet 
scheint,  vife  st.  eile  zu  lesen  sein  wird);  vgl. 
Isid.  XIX  26.3:  fulcra  sunt  ornamenta  lee- 
torum,    diitn    quod  fuleimnr   in   his,    id    est 


sustinemur,  vel  quod  toros  fulciunt  sire  caput, 
quae  reclinatoria  volgus  appellat.  So  erklären 
auch  dieGlossen  fulcra  mit  ornamenta  lectorum, 
IV 521, 3;  V  297, 20,  und  übersetzen  es  mit  dem 
im  Griech.  entsprechenden  aväxhvToov  oder 
avüxhioov,  s.  Corp.  Gloss.  VII 473.  Von  anderen 
Stellen  vgl.  noch  Ov.  ex  Pont.  III  3,  14:  fulcra 
tenens  laeva  tristis  acerna  manu.  Daß  es  nicht 
zum  notwendigen  Bestandteile  eines  jeden 
lectus  gehörte,  zeigt  Varr.  1. 1.  VIII  32:  quiut 
si  esset  analogia  petenda  supellectili,  o»> neu 
lectos  haberemus  domi  ad  unam  formam  et 
aut  cum  fulcro  aut  sine  eo.  Digg.  XLI  1,  26: 
si  quid  additum  erit,  toto  cedit,  ut  .  .  .  lecto 
fulcrum.  Uebertragen  kann  fulcrum  auch 
von  dem  dort  befindlichen  Kissen  gesagt 
werden,  Amm.  Marc.  XXVIII  1,  47:  fulcro 
plumeo  vultu  contractu  ineubuit.  Daß  in  den 
oben  angeführten  Stellen  des  Prop.,  Mart.  und 
luv.  fulcrum  für  das  ganze  Bett  gebraucht 
ist,  wie  Mau  a.  a.  0.  77  meint,  ist  möglich, 
doch  lassen  sich  die  Stellen  auch  bei  der 
eigentlichen  Bedeutung  ganz  gut  erklären. 
-)  Cic.  de  div.  a.  a.  0.  Mart.  V  62,  6:  pu- 
tris  et  abrepto  fascia  reste  iacet  (wozu  Fried- 
länder bemerkt,  restis  sei  die  Schnur  zur 
Befestigung  der  fascia  am  lectus;  doch  ist 
bei  Apul.  met.  I  16:  et  cum  dicto  restim,  qua 
erat  intextus  (grabatultis) ,  adgredior  expedire 
der  restis  mit  der  fascia  identisch;  vgl.  auch 
Cato  r.  r.  25:  lecto  restibus  subtento.  Lucil. 
bei  Non.  181.26:  tres  a  Deucalione  grabaH 
restibu'  tenti);  Mart.  XIV  159,  1 :  oppressae 
nimium  vicina  est  fascia  plunme,  d.  h.  hier 
liegt  das  Federkissen  direkt  auf  den  Gurten. 
Vgl.  XII  29,  13:  hoc  quoque  (sc.  nia utile)  si 
deerit,  medios  discingere  lectos  \  mensarumque 
pedes  non  timet  Hermogenes,  wo  Friedländer 
erklärt,  Hermogenes  beraube  in  Ermanglung 
von  mappae  die  lecti  der  Gurte.  Corp.  Gloss. 
III 321, 6 :  fascia  lecti  y.eioia.  Die  fasciae  waren 
in  der  Regel  wohl  ineinander  verflochten,  wie 
an  dem  in  einem  Grabe  von  Corneto  gefundenen 
Bronzebett,  Mus  Gregor.  I  15. 

3)  Petron.  97,  4:  imperavi  Gitoni,  nt  rup- 
tim  grabatum  subiret  annecteretque  pedes  et 
manus  institis,  quibus  sponda  euleitam  ferebat. 
Corp.  Gloss.  IV  447,  50:  institae  grabati  resti- 
culi;  vgl.V601,47. 

4)  Cato  r.  r.  10,5:  lectos  loris  subtados. 
b)  Bei  dem  überaus  häufigen  Vorkommen 

des  Wortes  genügen  einige  wenige  Beispiele: 
Ov.  met.  VIII  655  (s.  oben  S.  113  A.  9);  XI  610. 
Suet.  Aug.  73 :  netoroquidem  cubuisse aiunt  nisi 
humili  et  modice  instrato.  Petron.  17,  1;  18,  1. 
Bei  den  Dichtern  ist  das  Wort,  als  von  höherem 
Schwünge,  im  Sinne  von  Bett  überhaupt. 
Ehebett,  Sofa,  besonders  beliebt,  wofür  zahl- 
reiche Beispiele  vorliegen. 


Vierter  Abschnitt.    Der  Hausrat. 


115 


Kissen,  culcüa1),  pulruii2),  und  im  speziellen  die  Kopfpolster,  cervicalia3). 
Der  meist  buntfarbige4)  Überzug  der  Polster  war  von  Wolle  oder  Lein- 
wand5), kostbarere  von  Seide").  Als  Füllmaterial  (tomentum) 7)  diente  den 
Armen  Stroh8)  oder  Heu9)  oder  Schilf,  Seegras  u.  dgl.10);  auch  die  Blätter 
einer  gnaphalium  genannten  Pflanze  und  allerlei  ähnliche  vegetabilische 
»Stoffe  wurden  dazu  benutzt11).  Ein  besseres  und  weicheres  Füllmaterial 
aber  war  der  Abfall,  der  sich  beim  Kratzen  und  Scheren  der  wollenen 
Tücher  ergab  und  dessen  Anwendung  angeblich  von  den  Galliern  eingeführt 
worden  war12);  in  der  Kaiserzeit  scheint  das  von  den  Leuconern  (in  Gallia 
Belgica)  bezogene  tomentum  das  geschätzteste  gewesen  zu  sein13).  Aber 
auch  Federn  wurden  zum  Füllen  benutzt14),  und  zwar  nicht  bloß  für  Kopf- 


')  Cat.  r.  r.  10,4  und  11,  5  unterscheidet 
culcitas,  instragula,  pulvinos  und  operimenta. 
Van.  1.  l.V  167:  postea  quam  transierunt  ad 
culcitas,  quod  in  ras  actis  (so  Türnebus  für 
das  hdschr.  ea  sagas,  schwerlich  richtig)  auf 
tomentum  aliudve  quid  calcabant,  ab  incul- 
cando  culcüa  dicta.  Isid.  XIX  26,4:  culcitae  vo- 
catae,  quod  calcentur,  id  est  farciantur  plutna 
give  tomento,  quo  molliores  calidioresque  »int. 
Cic.Tusc.  HI  19,46.  Petron.  38,  5;  97,  4.  luv. 
5,  17.  MartV  42,  5.  Sen.  ep.  87,  2;  108.  23. 
Die  Verfertiger  von  Polstern  heißen  culcürarii, 
Diom.  I  p.  313  P.  Vgl.  Corp.  Gl.  VI  292. 

2)  Bedeutet  allerdings  jedes  Kissen,  nicht 
bloß  von  Bett  oder  Sofa,  sondern  auch  das 
auf  den  Stuhl  gelegte.  Auch  hier  genügen 
ein  paar  Beispiele:  Plaut. Stich.  94.  Catull.  6,9. 
Stn.  dial.V  37,  4;  VI  16,  2;  de  benef.  II  10,  1. 
Mait.  III  82,  7.  Pulvini  und  culcüa  weiden 
aber  unterschieden,  s.  oben  Cato  a.  a.  0.  Paul. 
s«ni.  III  6,  56.  Vgl.  Saglio  bei  D.-S.  IV  766. 

3)  Petron.  32,  1.  Mart.  XIV  146.  luv.  6, 
353  (in  der  Sänfte).  Plin.XX  217;  XXVIII  47. 
Suet.  Nero  6.  Isid.  a.  a.  0. :  cerricalia  autem 
'■o,  quod  ponantur  sab  cervice  vel  cubito.  Vgl. 
Saglio  bei  D.-S.  I  1087. 

*)  Prop.  I  14,  22:  quid  relevant  rariis 
eerica  textilibus?  ib.  IV  6  (III  7),  50:  fultum 
pluma  versicolore  caput. 

B)  Ldnteum  als  Polsterbezug.  Sen.dial.  VII 
25,  2.  Dafür  war  besonders  die  Leinwand 
der  Cadurcer  (in  Aquitanien)  beliebt,  Plin. 
XIX  13:  in  culcitis  praecipuam  gloriam  Ca- 
durci  obtinent.  Daher  hießen  solche  Polster 
geradezu  cadurca,  luv. 6. 735;  7,231.  Sulpiciae 
frg.  bei  Schol.  ad  luv.  6, 537 :  si  ine  cadurds  dis- 
eolutis  faseiis  nudam  Caleno  coneubantem pro- 
ferat.  Preise  leinener  Ueberzüge  von  Matratzen 
und  Kopfkissen  gibt  das  Ed.  Diocl.  28,46 — 55; 
hier  sind  die  besten  die  von  Tralles  und  Antinu- 
polis.  geringere  von  Damaskus  und  Cypern. 

6)  Hör.  epod.8, 15:  inter  sericos  pulviUoe. 
Mart.  III  82.  7:  effultus  ostro  Sericisque  pul- 
rinis.  Prop.  1   14,  22. 

7)  Varr.l.l.V  167.  Plin.VIII  192-  XIX  13; 
XXVII  88.  Sen.dial. VII 25. 2.  Tac.ann.VI23: 
cubile  tomentum.  Mart.  XIV  159;  ib.  160.  Suet. 
Tib.  54:  tomentum  e  culcüa.     Siehe  über  die 


verschiedenen  Arten  ^ow/fH^aBLÜMNEKTechnol. 
I  205  ff.;  Maximaltarif  d.  Diocl.  146  f. 

8)  Plin.VIII  193:  antiquis  enim  torus  e 
stramentis  erat,  qualiter  etiam  nunc  in  castris. 

9)  Sen.  dial.  VII  25,  2:  si  laeea  cervix 
mea  in  manipulo  foeni  adquiescet.  Mart.  XIV 
161:  fraudata  tumeat  fragÜis  tibi  culcüa 
mala :  |  non  venit  ad  duros  paUida  iura  toros. 

,0)  Ov.  met.  VIII  655  (s.  oben  S.  113  A.9). 
Plin.  XVI  158  vom  Schilf:  pro  pluma  strata 
cauponarum  implet.  Das  hieß  tomentum  Cir- 
cense,  Mart.  XIV  160:  tomentum  concisa  palus 
Circense  vocatur:  \  haec  pro  Leuconico  sfra- 
mina  pauper  emit  (nach  Friedländek  z.  d.  St. 
so  genannt,  weil  Kissen  mit  Binsenfüllung 
im  Zirkus  angeboten  wurden,  um  sie  auf  die 
Sitze  zu  legen);  auch  Sen.  a.a.O.:  si  super 
Circense  tomentum  per  sarturas  veteris  lintei 
efßuens  cubabo.  Edict.  Diocl.  18,  6  als  arth'/ltj 
tarinert,  vgl.  Blümner  z.  d.  St. 

")  Plin.  XXVII  88:  gnaphalium  aliqui 
chamaezelon  vocant,  cuius  foliis  a/bis  inolli- 
basi/ac  pro  tomento  a/anfar;  vgl  Diosc.  III 
120  (122).  Andere  pflanzliche  Füllstoffe  werden 
im  Ed.  Diocl.  18,  4  u.  5  als  iklxn  und  lv%vis 
aufgeführt.  Daß  die  Römer  auch  Baumwolle 
zum  Stopfen  der  Polster  benutzt  hätten,  ist 
nicht  überliefert  und  die  von  Marquardt  490  in 
dieser  Hinsicht  aufgestellte  Hypothese  irrtüm- 
lich, s.Cürtius  Gr.  Etymol.2-25.  Mau  a.a.O.  373. 

12)  Plin.VIII  192:  quippeaenis po/ientiinn 
extraetae  in  tomenti  usum  veniunt  Galliarum, 
ut  arbüror,  invenfo.  certe  Gallicis  hodie  m>- 
minibas  discernitur,  nee  faeile  dixerim,  qua 
id  aetate  coeperit,  vgl.  XIX  13.  Ed.  Diocl.  18, 
7  ff. :  KOfjUvxov  ijroi  yvatp&kkov.  Es  bedeutet 
also  tomentum  im  speziellen  Sinn  diese  Wollen- 
füllung, und  so  prahlt  Trimalchios  Gast  bei  Pe- 
tron. 38.5:  fftdea  tot  euleüras:  nalla  non  aut 

conehjiliatunt  an/  cncrininn  tomentum  habet. 

'*)  Mart.  XI  21.8:  culcüa  Leuconico  quam 

viduata  suo;  56,  9:  Leuconici*  agedutn  tumeat 
tibi  culcüa  lande;  XIV  159,  2:  eeüera  Leuco- 
nieis  aeeipe  rasa  sai/is;  ebd.  160,  2. 

14)  Varro  b.  Non.  86.  3:  quam  in  teetudtneo 
lecto  culcüa  plumea  in  rfiem  darmire.  Cic. 
Tusc.  III  19,46:  conlocemus  in  culcüa  plumea. 
Plin.  XVI  158.  Isid.  XIX  26,  4. 


116 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


kissen  u.  dgl..  sondern  auch  für  Matratzen1);  es  war  das  so  gewöhnlich 
geworden,  daß  pluma  geradezu  ein  Federkissen  bedeutet2).  Am  gesuch- 
testen waren  die  Daunen  der  germanischen  Gänse,  derentwegen  sogar  die 
römischen  Legionssoldaten  auf  solche  Jagd  machen  mußten3);  ferner  kommen 
solche  von  Schwänen  vor4),  von  Rebhühnern5)  und  sonst  von  allerlei  Vögeln H). 
Hingegen  werden  Roßhaare  u.  dgl.  nicht  erwähnt,  nur  einmal  Hasenhaar7). 
Auf  die  Matratzen  und  Kissen  kamen  dann  die  mannigfaltigen  Decken, 
stramenta*),  stragida9),  stragidae  vestes10),  mit  griechischen  Bezeichnungen 
peristromata11),  tapetia12),  die  im  engern  Sinne  als  Unterlagen  von  den  Bett- 
decken, die  der  im  lectus  Liegende  über  sich  breitet,  unterschieden  werden13). 
Nicht  ganz  sicher  ist  die  Bedeutung  des  einige  Male  genannten  toral14); 
doch  scheint  es  die  (auch  auf  Denkmälern  bisweilen  abgebildeten)  Behänge 
zu  bedeuten,  mit  denen  der  lectus  vom  torus  bis  zum  Boden  verhüllt  wurde15). 
Ebenfalls  einen  Bettvorhang  bedeutet  plaga  oder  plagula16).    Das  Material 


■)  Für  Kopfkissen  Prop.  IV  6  (III  7),  50: 
fultum  pluma  versicolore  Caput',  zur  Matratze 
Mail,  XIV  159. 

*)Tib.I2.  77.  Iuv.l,  159;  6,88;  10,362. 
Mart.  IX  92, 4;  X  13, 6;  XII  17, 8;  XIV  146,2. 

3)  Plin.  X  54  von  den  „gantae"  in  Ger- 
manien: pretium  plumae  eorum  in  libras  de- 
narii  quini.  et  inde  crimina  plerumque  auxi- 
liorum  praefectis  a  vigili  statione  ad  haec 
aucupia  dimissis  cohortibus  totis;  eoque  deli- 
ciae  processere,  ut  sine  hoc  instrumento  durare 
iam  ne  virorum  quidem  cervices  possint.  Ed. 
Diocl.  18,  1. 

4)  Mart.  XIV  161:  lassus  Amyclaea  po- 
leris  requiescere  pluma,  j  inferior  cygni  quam 
tibi  Iowa  dedit. 

5)  Lampr.  Heliog.  19,9 :  nee  cubuit  in  aecu- 
bitis  facile  nisi  is  quae  pilum  leporinum  ha- 
berent  auf  plumas  perdicum  siibalares,  saepe 
cuiciia»  mutans. 

6)  Ed.  Diocl.  18,  2:  yilov^iov  fiiaqiÖQcor  oq- 
ynor;  ebd.  3:  nrega  Xsxza  jioixOmv  oovemv, 
vgl.  dazu  Blümner  146. 

7)  Lampr.  a.  a  0.  Eine  Besonderheit  sind 
aufgeblasene  Luftkissen  (folles),  wie  bei  Lampr. 
Heliog.  25,  2. 

8)  Sen.  dial.  VII  25,  2:  pone  in  stramentis 
eplendenttims  et  delicato  apparatu.  Gewöhn- 
lich ist  sonst  stramentum  Stroh,  Streu  für  das 
Vieh,  auch  Pferdedecken:  vgl.  Hör.  sat.  II  3, 
117:  si  et  atramenUs  ineubet  unde-  :  octoginta 
anno$  miiiis,  nd  etragula  vesüs  \  .  .  .  piäre- 
srnt  in  arca. 

9)  Cic.  Tusc.  II  21.  61:  in  au  reo  Udo, 
st  min  puicherrimo  textili  straqido.  Plin.  VI  II 
226.  Mart.  II  16.  1;  XIV  147.  1;  148.  1. 

I0)  Cic.  p.  Rose.  Amer.  46.  133  Hör.  sat. 
a.  a.  0.  Liv.  XXXIV  7.  3;  XXXIX  6.  7.  Plin. 
VII  171.  Digg  XXXIII  10.  5  pr.;  L  16,  45. 
Die  Sklaven  a  vesU  eubicularia  hatten  jeden- 
falls mit  den  Polstern.  Kissen  und  Decken 
<I<t  Betten  zu  tun,  CIL  VI  33771. 

"i  Plaut. Stich.  878:  Babylonica  peristro- 
mata;  Pseud.  146:  perütromata  Campanica. 


Cic.  Phil.  II  27.  67:  conchyliata.  Die  Glossen 
erklären  es  durch  teqmina,  aceubitus,  s.  Corp. 
Gloss.  VII  73. 

")  Plaut.  Stich.  378;  Pseud.  147:  Alexan- 
drina beluata  tonsilia  tapetia.  Caecil.  b.  Non. 
229,  7;  Varr.  ebd.  542,  10:  cotidianus  cubo  in 
Sardianis  tapetibus.    Mart.  XIV  147  u.  s. 

13)  So  bei  Senec.  ep.  87,  2:  ex  duabus  pe- 
nulis  altera  stragulum,  altera  opertorium  facta 
est.  Varr.  1.  l.V  167:  quibus  operibantur,  operi- 
nienta.  Die  Glossen  erklären  opertorium  durch 
xEQißolmov  oder  ejiißoXaiov,  Corp.  Gloss  VII 23. 

14)  Hör.  sat.  II  4,  84:  et  Tyi-ias  dare  cir- 
eunt  inlota  toralia  vestis.  Petron.  40, 1 :  adiwuc- 
runt  ministri  ac  toralia  praeposuerunt  fori*, 
in  quibus  retia  erant  pieta  subsessoresque  cum 
venabulis. 

lh)  So  Becker-Göll  343,  vornehmlich  auf 
Grund  der  Petronstelle;  dafür  spricht  auch 
Varr.  1. 1.  V  167:  toral  quod  ante  forum.  Digg. 
XXXIII  10.  5  pr. :  de  tapetio  quaeri  potest,  qui- 
bus subsellia  caihedrariainstemi  sölent,  utrutn 
in  veste  sint,  sicut  stragula,  an  in  supellectüe, 
sicut  toralia,  quae  proprie  stragulorum  non 
stint.  Dem  würde  es  entsprechen,  wenn  es 
die  Gloss.  mit  Jifoixhroor  erklären,  III  370. 
15;  379,4:  465,45.  Solcher  Bettbehang  ist 
z.  B.  zu  sehen  auf  dem  kapitolinischen  Relief 
mit  dem  Leben  des  Achilles  (Mus.  Capit,  IV 
17.  Baumeister  Denkmäler  1  4  Fig.  5)  oder  auf 
dem  Wandgemälde  Roux  u.  Barre  Hercul. 
u.  Pomp.  II  20.  Doch  bemerkt  Göll  zu  Becker 
344  mit  Recht,  daß  torale  auch  im  weiteren 
Sinne  identisch  mit  stragulum  vorkommt,  so 
Non.  p  537,  19:  plagae,  grande  linteum  tegmen, 
quod  nunc  torale  vel  lectuariam  syndonem 
dieimus.  Corp.  Gloss.  II  439,  15  wird  toral 
mit  oTowurt)  übersetzt.  In  den  Arvalakten 
wird  öfters  erwähnt,  daß  die  Arvalen  dis- 
eumbentes  toralibus  albis  segmentatis  speisten, 
z.  B.  17.  Mai  117;  27.  Mai  118;  27.  Mai  122: 
vgl.  Henzen  Act.  Arval.  12. 

I6)  Liv.  XXXIX  6.  7  erwähnt  unter  den 
von  Asien  her  zu  den  Römern  gekommenen 


Vierter  Abschnitt.    Der  Hausrat. 


117 


der  Decken  war  je  nach  dem  Zweck  verschiedenartig:  zur  Unterlago 
dienten  Leintücher1),  zum  Zudecken  und  zum  Schmuck  wollene,  nament- 
lich die  zottigen,  friesartigen  Stoffe  (gausapina)  kamen  dafür  in  Anwen- 
dung2). Bunte  Farben  waren  dafür  gewöhnlich,  besonders  purpurne 
Decken  werden  oft  erwähnt3),  ebenso  buntgewirkte  oder  gestickte4).  Auch 
Kelle  wurden  zu  Bettdecken  benutzt5). 

Als  Material  für  die  lecti  kommt  zunächst  Holz  in  Betracht6),  und 
zwar  einfacheres  sowohl  wie  kostbares.  Als  verwendete  Holzarten  sind 
vornehmlich  zu  nennen:  Ahorn7),  Eiche8),  Lebensbaum  (Thuja,  citrus)») 
und  noch  verschiedene  andere10).  Die  teureren  Arten  darunter  pflegte  man 
nicht  massiv  zu  verarbeiten,  obschon  auch  das  vorkam,  sondern  als  Four- 
niere  (lamnae)  geschnitten  zum  Belegen  billigeren  Holzes  zu  verwenden, 
wie  das  auch  bei  andern  Möbeln  üblich  war11).  Dazu  kamen  dann  kost- 
bare Stoffe,  die  teils  ebenfalls  in  Platten  oder  Fourniere  geschnitten,  teils 
massiv  aufgelegt  oder  geschnitzt  zur  Verzierung  angebracht  wurden.  Be- 
sonders beliebt  war  dafür  das  Schildkrot12);  zur  Zeit  des  Nero  kam  die 
Geschmacklosigkeit  auf,  den  Schildkrotplatten  durch  Färben  den  Schein 
von  wertvollem  Holze  zu  verleihen13).    Nicht  minder  häufig  wurde  Elfen- 


Luxusartikeln  auch  die  plagtdas  et  alia  tex- 
tilia.  Non.  a.  a.  0.  identifiziert  plaga  und  to- 
rale;  vgl.  ebd.  378,  7:  plaga,  aliquando  pars 
lecti,  aliquando  omnis;  ebd.Varro:  ebumeis 
lectis  et  plagis  sigillatis;  Afranius:  pallam 
fac  cito,  Dentea,  et  plagulam  de  lecto.  Da 
sonst  plagae  oder  plagulae  Vorhänge  an  Sänf- 
ten sind,  so  ist  es  wahrscheinlich,  daß  sie  auch 
bei  den  Betten  etwas  Aehnliches  bedeuteten. 

')  Non.  537,  20.  Ed.  Diocl.  28,  16—26: 
eirSövfov  xottagiaiv,  in  verschiedener  Qualität. 

*)  Matt.  XIV  147 :  cubicttlaria  gausapina ; 
ehd.  152:  gausapum  quadratum.  Etwas  Aehn- 
liches sind  die  lodices,  ebd.  148:  nudo  stra- 
gula  ne  toro  paterent,  \  iunctae  nos  tibi  veni- 
niiis  sorores,  d.  h.  es  sind  doppelte  Decken, 
die  eine  als  Unterlage,  die  andre  zum  Zu- 
decken dienend.  Vgl.  über  diese  Stoffe  Blüm- 
nkr  Cewerbl.  Tätigkeit  101  f. 

3)  Cic.  Phil.  II 27. 67 ;  Verr.  IV  26, 59.  Liv. 
XXXIV  7.  3.  Tib.  12,75.  Prop.IV  6(111  7),  50. 
Mart.  II  16,  2;  XIV  147.  1. 

«)  Tib.  I  2,  77.  Mart.  XIV  150;  oft  sehr 
prächtig,  Phil.  vit.  cont.  6  p.  478  M.:  oiQiouvai 
(üottf/rL-  evvq  aofjsvoi'  %qvoov. 

~h)  Schaffelle  nach  Cic.  pro  Mur.  36,  75. 
Ben.  ep.  95,72;  Maulwurfsfelle  nach  Plin. VIII 
226  Vgl.  Digg.  XXXIV  2M:stragulapellicia. 
Von  den  im  Ed.  Diocl.  8,11—41  aufgeführten 
Pelzwaren  mögen  viele  als  Fußteppiche,  man- 
che aber  auch  als  Bettdecken  gedient  haben. 

fi)  Lecti  lignei,  Sen.  ep.  17,  12;  95,  12; 
triclinia  lignea.  Plin.  XXXIII  146.  Daher  ist 
der  faber  lectarius,  CIL  VI  7882:  7988;  9503. 
Coip.  Gl.  III  308.  26;  498,  35  u.  s.,  auch  bloß 
lectarius.  ebd.  II  350,  60;  III  201,  22,  jeden- 
falls ein  Schreiner. 

7)  Verg.  Aen.VIII  178.  Ov.  ex  Pont.  III 
8,  t.  Plin.  XVI  68;  233;  XXXIII 146.  Vermut- 


lich ist  auch  der  lectus  pavoninxis  bei  Mart. 
XIV  85  von  Ahorn,  da  nach  Plin.  XVI  66  eine 
Ahornart  crispo  maculamni  discursu  war, 
qui  ex m  exceUenUor  fuit,  a  stmüitudihe  cau- 
dae  pavonum  nomen  accepit.  Freilich  war 
nach  Plin.  XIII  96  auch  die  Thuja  von  einer 
den  Pfauenfedern  ähnlichen  Zeichnung. 

8)  Ter.  Ad.  585;  vgl  Plin.  XVI  229. 

9)  Verg.  Cir.  440.  Pers.1,52.  Plin.XXXUI 
146. 

,0)  So  Terebinthe,  Plin.  XVI 231 ;  233.  Das 
aus  Weidenholz  gefertigte  Bett  bei  Ov.  met. 
VI  656  f.  soll  die  große  Armut  des  Philemon 
andeuten. 

M)  Plin.  XVI  231:  quae  in  lamnas  secen- 
fur  quorumque  operimento  restiafur  alia  ma- 
teries,  praecipue  sunt  citrum,  tcrcbinthus, 
aceris  genera,  buxum,  pahna,  aquifolium,  ih:r, 
sabuci  radix,  popuhts.  (tat  et  alnus  tuber  sec- 
tile,  sicut  vit  nun  acerque.  Vgl.  ebd.  68:  nunc 
(lirnscnin)  intra  pugiüares  lectorumque  soli- 
dos  aut  Utmna8  raro  usu  spectatur;  ebd.  226; 
229.  Diese  Holzfourniere  heißen  auch  bratteae, 
ebd.  232.  Vgl.  Blümner  Technologie  11  328  f. 

")  Plin.  1X39:  testudinum  putamina  ee- 
care  in  Jaminas  tcctosque  et  repositoria  his 
vestire  Carmlius  PoIIio  instttuit)  XVI  233; 
XXXIII  146:  FenetteUa,  qni  obiit  novissimo 
Tiberii  Caesaris  principatu,  ait  et  testudinea 
[triclinia)  tum  in  nsum  rcnisse.  Varr.  1.  1.  IX 
47:  rogant,  si  similitudo  sit  scqnenda,  cur 
nia/iniits  habere  lectos  alias  »-,/■  ebore,  aiioe 
er  tesfudine;  vgl.  dens.  bei  Non.  p.  86.  3.  luv. 
6,  80:  11,  94.  Mart.  IX  59,  9;  XII  66,  5.  Apul. 
met.  X  34.  Digg.  XXXII  100,  4. 

,s)  Plin.  XVI  233:  nuper  pertentoets  in- 
gciiiis  principatu  Xcronis  inrenfuw,  uf  pig- 
menti» perderet  sc  {testudo)  plurisque  veniret 
inu'tata  lignum.  sie  lectis  pretia  quacruntur, 


118 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


bein  in  entsprechender  Weise  verwendet,  das  namentlich  auch  zu  Bett- 
füiäen  verarbeitet  wurde 1).  Auch  Onyx  als  Material  für  Bettfüfäe  wird  er- 
wähnt2). Sehr  üblich  war  die  Verwendung  von  Bronze;  doch  sind  die 
lecti  aerati,  die  angeblich  zuerst  im  Jahre  187  v.  Chr.  nach  Rom  kamen3), 
jedenfalls  nicht  massiv  bronzene  gewesen,  sondern  solche,  bei  denen  der 
hölzerne  Kern  mit  Bronzeblech  verkleidet  war,  das  in  getriebener  Arbeit 
künstlerisch  verziert  oder  mit  Silber  eingelegt  war4).  So  werden  auch  in 
der  Regel  diejenigen  Betten,  die  als  silberne5)  und  goldene0)  bezeichnet  wer- 
den, nur  mit  Silber-  oder  Goldplatten  (lamnae,  bratteae)  belegt  gewesen 
sein,  obschon  auch  welche  aus  massivem  Silber  erwähnt  werden7). 

Eine  besondere  Art  Betten,  deren  Beschaffenheit  aber  nicht  recht  klar  ist, 
hieß  lecti  Punicani 8) ;  andere  führten  ihre  Bezeichnung  nach  den  Fabrikanten 9). 


sie  terebinthum  vinci  iuvat,  sie  citrum  pretio- 
sius  fieri,  sie  acer  deeipi.  modo  luxuria  non 
fuerat  contenta  liqno,  iam  liqnum  e  testudine 
facit.  Siehe  ebd.  IX  139.  Sen.  'de  benef.  VII 9, 2. 
Vgl.  Blümner  a.  a.  0.  377. 

')  Wie  die  lecti  testudinei  mir  mit 
Schildkrot  belegte  sind,  so  sind  auch  die 
lecti  eburnei  keineswegs  ohne  weiteres  als 
massiv  elfenbeinerne  zu  betrachten;  daher 
heißen  sie  bei  Plaut.  Stich.  377  lecti  eburati. 
Vgl.  sonst  Varr.  a.  a.  0.  Hör.  sat.  II  6,  103. 
Suet.  Caes.  84.  Macr.  sat.  III  13, 11.  Galen.  V 
837  K.  Elfenbeinerne  Bettfüße  sind  in  Pom- 
peji gefunden  worden,  s.  Overbeck  348;  426. 
Reste  eines  schön  gearbeiteten  Lectus  aus 
Bein  aus  einem  Grabe  in  Norchia  s.  Pasqui 
Mon.  dei  Line.  I  233 ff.;  von  andern,  reichver- 
zierten aus  Gräbern  von  Ancona  Brizio  Not. 
d.  seavi  1902,  446  ff. 

2)  Plin.  XXXVI  59.  Verzierung  der  lecti 
mit  Edelsteinen  war  wohl  etwas  Ungewöhn- 
liches; die  Schilderung  Lucan.  X  122  macht, 
wie  die  ganze  Beschreibung  des  Palastes 
dort,  den  Eindruck  poetischer  Uebertreibung. 
Doch  erwähnen  die  Digg.  XXXIII  10,  3,  3  lecti 
gemmati,  Philo  de  vita  contempl.  6, 2  p.  478 M.: 
iQlxkiva  y.m  nsQixXiva  %eZ(ovr}G  i)  ikstpavio?  .  .  . 
&v  ra  jiXeinta  hftoxokh)xa.  Reste  eines  mit 
etwa  430  Edelsteinen  (Karneol,  Achat,  Chry- 
solith, Topas,  Lapislazuli,  Amethyst,  Granat 
u.  a.)  besetzten  Möbels,  dessen  Holzkern  mit 
vergoldeter  Bronze  bekleidet  war,  sind  auf 
dem  Esquilin  gefunden  worden,  Bull,  munic. 
VII  (1879)  251.  Die  von  Ransom  a.  a.  O.  56 
A.  7  als  Belege  angeführten  Stellen  Mart.  XII 
66,  5  und  Sen.  ep.  110,  12  sind  anders  zu  er- 
klären, von  Edelsteinen  als  Bettschmuck  be- 
sagen sie  nichts. 

»)  Liv.XXXIX6,7.  Plin.  XXXIV  14:  nam 
triclinia  aerata  abacosque  et  monopodia  Cn. 
Manlium  Asia  devieta  primum  invexisse  tri- 
umpho  suo,  quem,  duxit  anno  urbis  DLX  VII, 
L.  Piso  auetor  est.  Vgl.  Cic.  Verr.  IV  26,  60. 

*)  Derartige  Betten  sind  uns  noch  er- 
halten, teils  aus  Pompeji,  teils  aus  andern 
Fundorten:  s.  Overbeck  426 f.  Mau  389.  Ran- 
som a.  a.  0.  32  ff.     Ein  ganz  bronzenes  Bett, 


das  aber  sehr  einfach  gehalten  ist,  ist  das. 
in  Corneto  gefundene.  Mus.  Gregor.  I  15.  Bau- 
meister I  311  Fig.  326,  das  als  Totenbahre  ge- 
dient hat.  Besonders  geschätzt  waren  die 
lecti  Deliaci.  deren  Formen  nach  Plin.  XXXIII 
144  in  Silber  nachgeahmt  wurden;  nach 
XXXIV  9  lieferten  die  delischen  Fabriken  tri- 
cliniorum  pedes  fulcraque  aus  Erz. 

5)  Sie  sind  auch  erst  gegen  Ende  der 
Republik  allgemeiner  geworden,  Plin.  XXXIII 
146:  Cornelius  Nepos  tradit  ante  Sullae  vic- 
toriam  duo  tantum  triclinia  Romae  fuisse 
argentea.  Doch  heißt  es  ebd.  144 :  leetos  vero- 
iam  pridem  mulierum  totos  operiri  argento 
(seimus),  quaedam  et  triclinia.  Vgl.  Suet.  Calig. 
32 :  Romae  publico  epulo  servum  ob  detraetam 
lectis  argenteam  laminam  carnifici  confestim- 
tradidit.  Digg.  XXXIII 10,  3.  Namentlich  sil- 
berne Füße  werden  mehrfach  erwähnt,  die 
dann  wohl  als  massiv  zu  denken  sind,  luv. 
11,  128.  Clem.  Alex.  Paed.  II  3,  35  p.  188  P. 
Digg.  XXXII  100.  4. 

6)  Cic.  Tusc.V  21,  61  vom  Hofe  des  Dio- 
nysios;  auch  bei  Plaut.  Stich.  377  sind  die 
lecti  eburati  aurati  orientalischer  Luxus  und 
ebenso  bei  Suet.  Caes.  49.  Bei  Sen.  ep.  17,  12 
und  110.  12  erscheinen  aurei  lecti  als  Gipfel 
des  Luxus,  doch  ohne  daß  man  daraus  ent- 
nehmen kann,  inwieweit  er  auf  wirkliche 
Tatsachen  anspielt.  Bei  Mart.  VIII  33,  5:  an 
magis  astuti  derasa  est  ungue  ministri  brat- 
tea,  de  fulcro  quam  reor  esse  tuo?  handelt  es 
sich  um  sehr  dünne  Goldauflage;  vgl  IX  22. 6 : 
et  crepet  in  nostris  aurea  lamna  toris.  Lecti 
inaurati  Digg.  a.  a.  O.  Jedenfalls  war  dieser 
Luxus  weit  seltener  als  der  der  silbernen  ledü 

")  Lampr.  Heliog.  20.  Augustin.  serm.  277, 

4.  Digg.  a.  a.  O. 

8)  Sie  werden  erwähnt  von  Cic.  p.  Mur. 
63,  75  bei  einem  sehr  einfach  ausgestatteten 
Mahle  des  Q.  Tubero  (darnach  Val.  Max.  VII 

5,  1);  Sen.  ep.  95,  72  erklärt  sie  als  hölzerne, 
während  bei  Plin.  XXXIII  144  Carvilius  Pollio 
Punicana  triclinia  in  Silber  herstellt:  non  ut 
operiret  autDeliaca  specie  faceret,  sedPunicana. 

9)  So  sind  die  Archiaci  lecti  bei  Hör.  ep. 
15,1  offenbar  einfache  Möbel  eines  Schreiners 


Vierter  Abschnitt.    Der  Hausrat. 


119 


Lediglich  Bett  zum  Schlafen,  nicht  dem  lectus  gleich  auch  andern  Zwecken 
dienstbar,  war  die  dem  Haushalt  des  Armen  angehörige  Bettstelle,  die  mit 
(jnilxdus1)  (oder  grabatulus  •))  bezeichnet  wurde  und  sich  vom  gewöhnlichen 
lectus  tricliniaria  wohl  durch  geringeres  Material  und  Mangel  jeder  Verzierung, 
vielleicht  auch  durch  Fehlen  von  pluteus  und  fulcrum,  unterschied3).  Etwas 
Ähnliches  wurde  mit  einem  griechischen  Ausdruck  acimpodium  genannt1). 

Eine  besondere  Form  des  Speisesofas,  die  erst  zur  Kaiserzeit  aufkam, 
war  die,  dalä  man  an  Stelle  der  sonst  üblichen,  um  den  Speisetisch  auf- 
gestellten drei  lecti  trkliniares  ein  einziges  halbkreisförmiges  Lager  an- 
brachte, das  von  seiner  Form  sigma  genannt  wurde5),  daneben  auch  st  Um  - 
dium 6)  oder  accubitum  7)  hieß. 

Was  die  noch  erhaltenen  römischen  lecti  oder  Reste  von  solchen 
anlangt,    so    haben    sich    hölzerne    nicht    erhalten8),   wohl    aber    bronzene 


Archias;  altmodisch  die  von  Seneca  bei  Gell. 
XII  2.  11  genannten  lecti  Soferici. 

»)  Lucil.  h.  Non.  181.25  (frg.  VI  9  Müll.). 
Cic.  div.  II  63,  129:  concursare  omnium  mor- 
talium,  <pti  ubique  sunt,  non  modo  lectos, 
verum  etiam  grabatos.  Verg.  Mor.  5:  i-ili  gra- 
batu.  Petron.  97.4.  Senec.  ep.  18.  7:  grabafus 
Ule  et  sagum  et  panis  durus  ac  sordidus;  ib. 
20.9  u.  11.  Mail.  I  92,  5:  midi  sponda  grabaü 
(ebenso  XI  56,  5;  vgl.  IV  53.  5);  als  Sklaven- 
bett VI  39,  4;  XII  32,  11:  tripes  grabafus  et 
bipes  mensa  beim  Umzug  eines  Armen.  Aber 
Digg.  XXXIII  7,  20.  N:  crabatus  argento  inau- 
rato  tectus. 

2)  Apul.  met.  I  11  ff.;  II  15  u.  17.  Graba- 
tarius  als  Verfertiger  solcher  Bettstellen,  xkiva- 
Wv.  Corp.  Gloss.  III  367.28;  vgl.  ebd.  308,27. 

3)  Es  gehörte  wohl  dazu,  daß  es  mit 
einfachen  Stricken  bespannt  war,  vgl.  Lucil. 
a.  a.  0. :  tres  a  Deucalione  grabaü  restibus 
tcnt i.  Apul.  met.  116.  Zu  vgl.  ist  das  Relief 
von  einer  Tonlampe  bei  Rick  295. 

4)  Gell.  XIX  10,  1:  offendimus  eum  cu- 
bantem  in  scimpodio  Graeciensi;  hier  liegt 
ein  Gichtkranker  darin.  Bei  Dio  Cass.  LXXVl 
13,  4  ist  ein  oxiftjiödiov  xardateyov  ein  im 
Felde  benutztes  Tragbett  für  einen  Leidenden. 
Für  gewöhnlich  ist  der  griech.  oxlf.ia.ovs  das 
ärmliche  Bett  wie  der  grabafus,  s.  Beckek- 
Göll  Charikles  III  80;  so  erklären  auch  die 
Gloss.  grabatus  damit,  Corp.  Gl.  III  321,  7; 
vgl.  II  550,  46. 

5)  Mart.  X48,6:  Septem  sigma  capit;  XIV 
87:  accipe  lunata  scriptum  testudine  sigma. 
Octo  capit:  hier  ist  an  eingelegte  Verzierungen 
von  Schildkrot  zu  denken,  wie  wir  sie  bei 
den  lecti  gefunden  haben  (betr.  Bedeutung 
von  scriptum  s.  Fkieüländer  z.  d.  St.).  Spart. 
Hadr.  17,4.  Lampr.Heliog.  29,3.  Sid.Ap.  carm. 
17,  6.  Das  Wort  sigma  haftet  aber  nicht  nur 
am  Möbel,  sondern  auch  am  Brauch:  wenn 
anstatt  des  halbkreisförmigen  Sofas  die  Kis- 
sen in  derselben  Weise  auf  der  Erde  aus- 
gebreitet werden,  so  heißt  auch  dies  sigma, 
Lampr.  a.  a.  O.  25,2:  primits  denique  invenit 


Simma  in  terra  sternere,  mm  in  lectuiis;  vgl. 
ebd.  28,  5:  miram  riiletur  ipuni  didtur  ab 
60  factum,  ut  de  CTOCO  sigma  strarerit.  Biese 
Art  Speisesofas  wird  dann  auch  wohl  nach 
der  Zahl  der  Plätze,  die  es  faßte,  als  hexa- 
clinon,  heptaclinon,  octacMnon  bezeichnet. 
Mart.  IX  59,  9:  testudineunt  he.raclinou  (die 
andern  Bezeichnungen  sind  nur  in  griechi- 
schen Quellen  überliefert,  Ath.  II  47  P.  Ps.- 
Arist.  mir.  ausc.  1  p.830a,  16).  Vgl.  Corp. Gloss. 
V  558,  36;  579.  14:  sima,  locus  prumlii. 

6)  Mart.  XIV  87  im  Lemma.  Serv.  ad  Aen. 
1698:  aufiqui  stibadia  mm  habebant,  seil  st ra- 
tis  tribus  lectis  epulai/antur.  Sid.Ap.  ep.  111, 
14.  In  den  Glossen  öfters  in  der  Form  sti- 
fai/ium.  s.  Corp.  Gloss.  VII  739  unter  perist  m- 
mata.  v.  Sybel  Christliche  Antike  189  A.  9 
behauptet,  sttbadium  bedeute  an  sich  ganz 
allgemein  Ruhelager,  und  beruft  sich  auf  Sid. 
Ap.  ep.  II  2,  11,  wo  in  einer  cenatiuucula  ein 
stiliailium  und  ein  abacus  stehen;  da  der 
iilmcus  immer  rechtwinklig  war.  könne  ihm 
auch  nur  ein  rechtwinklig  hufeisenförmiges 
sttbadium  entsprochen  haben.  Aber  der  aba- 
cus als  Kredenztisch  (s.  unten)  steht  nicht 
wie  der  Speisetisch  in  der  Mitte  der  Speise- 
sofas.  Das  Wort  bedeutet  auch  eine  halbrunde 
Bank,  z.  B.  von  Marmor,  Plin.  ep.  V  6,36;  so 
wohl  auch  CIL  VI  2201. 

7)  Schol.  luv.  5,  17:  apml  referes  aecu- 
liitnrum  usus  mm  erat,  seil  in  lectulis  ilis- 
cumbentes  manilucabaut .  Lampr.  Heliog.  IM.  9  : 
25,2.  CIL  III  4441:  porticum  cum  aeeubüc 
retustate  cimlapsum  (also  war  das  Sofa  auch 
aus  Stein);  vgl.  Eph.  epigr.  IV  191.  Corp.  Gloss. 
11564,8:  accubiforium.fecfum  rega/em.  Lampr. 
AI.  Sev.  34,  8  ist  dafür  aeeubitio  gesagt.  Die 
dafür  notwendigen  großen  Deckteppiche 
hießen  aceubifa/ia,  Tieb.  Poll.  Claud.  14,10: 
aeenbiiulium  Cgpriorum  paria  dua.  Ed.  Diocl. 
19,  23:  Ta.-ri/^  ixxovßixäQtg  (tövoe  oxsxACcov 
Tue  äxxovßitov.  Vgl.  Mokel  bei  D  -S.  I  21. 

8)  In  Pompeji  konnten  von  Kopfenden 
hölzerner  Bettstellen  Gipsabgüsse  genommen 
werden,  s.  Overbeck  424  Fig.  225. 


120 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


(d.  h.  nicht  massive,  sondern  mit  bronzenen  Platten  und  Zieraten  belegte); 
solche  sind  ebenso  in  Pompeji  wie  anderwärts  gefunden  worden1);  sie 
zeigen  Füße,  deren  einzelne  Grundformen  (Scheiben.  Halbkugeln,  Kegel 
u.  dgl.)  Nachbildungen  von  Drechslerarbeit  scheinen,  während  die  fulcra 
meist  mit  Köpfen  von  Tieren  (Pferden  besonders,  auch  Schwänen),  seltner 
mit  menschlichen  Büsten  verziert  sind.  Vgl.  Fig.  33 2)  und  34 3).  Ein- 
lagen von  Silber  sind   dabei  häufig  angebracht.     Daß  sich  ferner  in  Pom- 


Fig.  33.    Bronzene  Bettstelle  ans  Pompeji. 

peji  Reste  elfenbeinerner  Bettstellen  gefunden  haben,  ward  oben  erwähnt; 
anderwärts  sind  lecti  aus  Knochen,  mit  Schnitzwerk  versehen,  zum  Teil 
in  sehr  guter  Erhaltung  zum  Vorschein  gekommen4).  In  Pompeji  sind 
in  den  Triklinien  und  auch  in  den  Schlafzimmern  sehr  häufig  die  Bett- 
stellen durch  Mauerwerk  hergestellt,  über  das  Matratzen  und  Kissen  gelegt 
wurden5). 

Daß  die  Römer  auch  Bettschirme  gekannt  haben,  ist  uns  zwar  nicht 
überliefert,  weshalb  wir  auch  keine  Benennung  dafür  kennen,   doch  ist  in 


1)Siehe0vERBECK426ff.RANS0Mpl.VlIIff. 
Pernice  A.  A.  1900.  178  f. 

2)  Lechu  tricliniaris  aus  Pompeji  nach 
Otbbbbok  427  Fig.  228,  vgl.  Mau  390  Fig.  206. 
Der  Bronzebeschlag  ist  reich  mit  Silber  ein- 
gelegt; das  Holzwerk  ist  restauriert;  die  Be- 
spannung mit  Gurten  fehlt. 

3)  Dieser  Lectus  aus  einem  Grabe  un- 
weit Amiternum  (bei  Aquila)  stammend,  ist 
im  Konservatoren  palast  in  Rom  fälschlich 
als  Biselliam  ergänzt,  s.  Bull,  munic.  11(1874). 


tav.  II  n.  1  (darnach  unsre  Abb.);  vgl.  unten. 
Die  fulcra  stellen  Eselsköpfe  vor. 

4)  So  in  Norchia,  Orvieto,  Ancona,  s.  Grae- 
ven  Antike  Schnitzereien  aus  Elfenbein  und 
Knochen  82  ff.  Brizio  Not.  d.  scavi  1902,  445. 
Arch.  Anz.  1903, 89.  Kansom  56  f.  mit  pl.  XX I 

b)  Sie  sind  durchschnittlich  2  Meter  lan£ 
1  Meter  breit  und  nur  0,50—0.70  Meter  hoc! 
in  den  Triklinien  ist  die  (rechte)  Kopfseit 
höher.  Vgl.  Overbeck  424.  Mau  270.  und  zr 
Stellung  der  Betten  ebd.  Fig.  137. 


Vierter  Abschnitt.    Der  Hausrat. 


121 


Pompeji   ein   verkohlter   hölzerner  Bettschirm   gefunden  worden,    von  dem 
ein  Gipsabguß  genommen  werden  konnte l). 

Daß  man  den  lectua  nicht  bloß  zum  Liegen,  sondern  auch  wie  unser 
Sofa  zum  Sitzen  benutzte,  zeigen  uns  die  Denkmäler,  auf  denen  wir  sehr 
häutig  Personen  auf  dem  lec&us  sitzen  sehen,  aber  zu  den  eigentlichen 
Sitzmöbeln2),  den  sedilia3),  gehört  er  nicht.  Man  unterscheidet  bei 
diesen    vornehmlich   Bänke,    Sessel   oder   Stühle   und  Throne.     Die  Bank, 


Fig.  94.    Bronzene  Bettstelle  (fälschlich  als  Bisollhim  ergänzt). 


framnum4),  «iffaetfium  *),  als  ein  schmaler  länglicher  Sitz  mit  vier  Füßen0), 
war   im    Haushalt   vornehmlich    die   Sitzgelegenheit   für   die  Sklaven   oder 


')  Abgeb.  Overbeok  424  Fig.  224;  er  ist 
dreiteilig,  der  in  halber  Höhe  durch  eine 
Querleiste  geteilte  Holzrahmen  eines  jeden 
Teiles  hat  als  Füllung  feines  .Stäbchengitter- 
werk und  ist  mit  starkem  zwillichartigem 
Stoff  bespannt;  bronzene  und  beinerne  Knöpf- 
chen dienen  zur  Verzierung. 

'-)  Vgl  Becker-Göll  II 347  ff.  Marquardt 
725  f. 

3)  Ov.met.  VIII  639.  Sen.  ep.  10.23.  Plin. 
ep.  V  6,  40  Gell.  II  2,  8.  Suet.  Aug.  43.  Spart. 
Hadr.  23.  8.  sowie  sonst  häufig,  ebenso  wie 
sedes.  wofür  Beispiele  nicht  erforderlich  sind. 
Ob  CIL  XII  3346  sess.  als  sessoriarius  zu  er- 
gänzen und  darunter  mit  Hirschfeld  ein 
Fabrikant  von  sessoria  oder  sedilia  zu  ver- 
stehen ist,  ist  ungewiß  (sessorium  für  Sessel 
Cael.  Aur.  acut.  I  11). 

4)  Ov.  fast.  VI  305:  ante  focos  olim  sea- 
mnis  considere  Jongis  j  mos  erat.  Bei  Mart.  V 
41,  7  ist  es  eine  Bank  im  Theater;  sonst  be- 
deutet es  am  häufigsten  eine  Fußbank.  z.B. 
eine  solche,  auf  der  man  ins  Bett  steigt, 
Varr.  1. 1.  V  168:  qua  simplici  scansionc  sean- 
debant    in  Irrtum    non   altum,   seabeNum,    in 


altiorem,  seamnum,  oder  um  beim  Sitzen  die 
Füße  darauf  zu  stellen,  Ov.  a.  a  I  162;  II 
211.  wonach  solche  scanina  unter  den  Sofas 
zu  stehen  pflegten.  Cat.  r.  r.  10,  4  verlangt  zur 
Anschaffung:  tcamna  magna  III,  seamnttm 
in  eitbieulo  I,  srabi/la  III,  sellas  III,  solia  II. 
Vgl.  Thedenat  bei  D.-S.  IV  1111  ff. 

ö)  Plaut.  Stich.  93;  ib.  698:  potkune  in 
subsellio  njnlcr  hie  accipimur  quam  in  lectis? 
immer  als  Zeichen  des  Niedrigen  und  Aerm- 
lichen,  der  Sitz  des  Parasiten,  der  daher  ein 
vir  imi  subse//i  heißt,  ebd.  489;  Capt.  471.  Vgl. 
Cels.  VII  26,  1.  Gewöhnlich  sind  sonst  sul>- 
sel/ia  die  Bänke  im  Theater  und  die  im  Senat, 
auch  bei  öffentlichen  Vorträgen.  Cic.  de  or.  I 
62,  264.  luv.  7.  45,  und  bei  Gerichtsverhand- 
lungen, Cic.p.  Cluent.34.93;  40,  111.  luv.  16. 
14  u.  44.  Vgl.  CIL  II  3728.  Der  supseüartua 
ebd.  VI  6055  ist  wohl  ein  Fabrikant  von  sub~ 
sellia. 

•)  Auf  Denkmälern  öfters  zu  finden,  vgl. 
Roux  u.  Barre  Hercul.  u.  Pomp.  II 84  auf  einem 
Handwerkerbilde,  ebd.  126  in  einer  Kneipen- 
szene, (vgl.  Mart.  V  70,  3:  in  sef/ariolis  POffUt 
popims);    erhalten    sind    in  Pompeji  Bronze- 


122 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


sonst  untergeordnete  Persönlichkeiten1);  daß  auch  die  Kinder,  die  noch 
nicht  auf  den  lecti  Platz  nehmen  durften,  auf  subseüia  bei  Tisch  saßen,  ist 
zwar  nicht  erweislich,  aber  nicht  unwahrscheinlich 2).  Das  allgemeine  Sitz- 
möbel  aber  war  der  Stuhl  oder  Sessel,  die  sella3),  bei  der  es  besonders 
charakteristisch  ist,  daß  sie  der  Rückenlehne  entbehrt.  Selbstverständlich 
gab  es  solche  Sessel  in  größter  Mannigfaltigkeit,  von  der  einfachsten  bis 
zur  kostbarsten  Ausstattung;  sie  entsprechen  darin  ganz  den  lecti,  wie 
auch  hinsichtlich  des  dafür  verwandten  Materials  und  des  Stiles  sie  mit 
diesen  übereinstimmen4).  Der  einfache  Holzstuhl  ist  der  Stuhl  des  Hand- 
werkers5), aber  auch  der  der  Kurtisane6);  überhaupt  gehört  er  zum  not- 
wendigen Bestandteil  der  Zimmereinrichtung7).  Ihre  eleganteste  und  zu- 
gleich offizielle  Form  fand  die  sella  in  der  mit  Elfenbein  fournierten  sella 
curulis  der   höhern   Magistrate8),   der   daraus   hervorgegangenen  sella  im- 


bänke,dieimTepidariumderkleinerenThermen 
aufgestellt  waren  (1,80  Meter  lang),  Overbeck 
208;  428.  Mus.  Borb.  II  54.  Subsellia  cathe- 
draria,  Digg.  XXXIII  10,  5  pr.,  wohl  etwas 
bequemere  Bänke  mit  Kückenlehnen. 

')  Siehe  die  oben  zitierte  Stelle  Ov.  fast. 
VI  305.  Dafür,  daß  die  subsellia  speziell  der 
Sklavensitz  waren  (so  Becker-Göll  II  166 f.; 
348.  Marquardt  175;  301;  725)  liegt  keine 
direkte  Beweisstelle  vor;  was  als  Beleg  an- 
geführt wird,  Sen.  dial.  II  15,  1:  non  accipiet 
ergo  sapiens  iniuriam  .  .  .  sl  in  convivio  re- 
gis  recumbere  infra  mensam  vescique  cum 
servis  ignominiosa  officio  sortitis  iubebitur, 
bezeichnet  nur  den  Platz,  nicht  die  Art  des 
Sitzes;  im  Gegenteil  spricht  hier  recumbere 
für  lecti,  nicht  für  subsellia.  Vgl.  die  zitierten 
Stellen  des  Plautus,  auch  Suet.  Vit.  Terent. 
vom  Besuche  des  Terenz  bei  Caecilius:  ad 
cenandum  cum  venisset,  dictus  est  initium  qui- 
dem  fabulae,  quod  erat  contemptiore  tiestitu, 
subsellio  iuxta  lecfulum  residens  legisse,  post 
paucos  vero  versus  invitatus  ut  accumberet 
cenasse  una. 

■)  Es  wird  zwar  bei  Becker-Göll  166  u. 
Marquardt  175  ausdrücklich  behauptet,  doch, 
wie  Mau  zu  Marquardt  A.  13  richtig  bemerkt, 
erwähnen  die  daselbst  angeführten  Beleg- 
stellen Tac.  ann.  XI II  16.  Suet.  Aug.  64:  ut 
ni  imii  1,'cto  assiderent;  ebd.  Claud.  32:  more 
veteri  ml  fulcra  lectorum  sedentes,  die  sub- 
sellia nicht;  es  geht  nur  das  daraus  hervor, 
daß  die  Kinder  an  besonderem  Platze  saßen, 
nicht  lagen.  Was  dabei  ad  fulcra  lectorum 
bedeutet,  setzt  Mau  Gott.  gel.  Nachr.  1896, 
77  f.  auseinander:  bei  den  drei  um  den  Speise- 
tisch aufgestellten  lecti  hatte  anscheinend  das 
innere  gar  kein  fulcrum,  die  beiden  andern 
hatten  es  an  den  nach  außen  gerichteten 
Enden,  sodaß  also  ad  fulcra  die  offene  Seite 
des  trirlinium  war.  Ebd.  80  ist  der  Grund- 
riß eines  pom  phänischen  trirlinium  mit  auf- 
gemauerten  lecti  abgebildet,  bei  denen  an 
dem  (von  außen  gerechnet)  linken  Arm.  der 
wie  meist  etwas  verlängeit  ist,  eine  schmale 


und  niedrige,  etwa  1,50  Meter  lange  Bank 
angemauert  ist;  es  ist  wahrscheinlich  der 
Platz,  an  dem  die  Kinder  aßen. 

3)  Sie  entspricht  dem  griechischen  bt'</  <j<k, 
Corp.  Gloss.  VII  252;  zu  beachten  ist,  daß  sie 
noch  zwei  Nebenbedeutungen  hat:  sella  ist 
auch  der  Abtritt  (s.  oben  S.  49)  und  die  Sänfte. 
Vgl.  im  allg.  Chapot  bei  D.-S.  IV  1179. 

4)  Beim  Holz  wird  vornehmlich  Ahorn, 
Buche  und  Eiche  genannt,  s.  Blümner  Techno- 
logie II  327.  Cäsars  sella  aurea  erwähnt  Plin. 
XI  186;  Sesselfüße  von  Onyx  ders.  XXXVI  59. 

5)  Cic.  Verr.  IV  25,  56:  kontinent  (auri- 
ficem)  in  foro  iubet  sellam  ponere  et  facere 
anulum  Omnibus praesentibus;  Catil.  IV  8, 17: 
illum  ipsum  sellae  atque  operis  et  quaestus 
cotidiani  Jocum.  Digg.  IX  2,  11  pr.:  sella  ton- 
soris,  für  den  Kunden  des  Barbiers.  Abbil- 
dungen s.  Mus.  Borb.  IV  50.  Roux  u.  Barre 
a.  a.  O.  II 127;  144.  Daher  heißen  die  Hand- 
werker sellularii  Cic.  ap.  Augustin.  adv.  Pelag. 
II  37.  Liv.  VIII  20,4;  sellularii  artifices,  Apul. 
flor.  15;  artes,  ebd.  9;  quaestus.  Gell.  III  1, 10. 

6)  Plaut.  Poen.  268.  luv.  3,  136;  in  seOa 
prostare.  Sen.  de  benef.  19,3;  daher  sellariae, 
Schol.  luv.  a.  a.  O.  Daß  dagegen  aus  Cic.  ad 
fam.  IX  18,  4  nicht  hervorgeht,  wie  Mar- 
quardt 725  meint,  daß  die  Schüler  in  Schul- 
zimmern  auf  Sesseln  saßen,  bemerkt  Göll 
zu  Becker  347  unter  Zustimmung  von  Mau 
(zu  Marquardt  a.  a.  O.)  mit  Recht;  ebd.  346 
wird  auch  die  sella  castrensis  bei  Suet.  Galba 
18  wohl  richtig  nicht  als  Soldatenstuhl  er- 
klärt (wie  bei  Marquardt  a.  a.  O.),  sondern 
als  einfachere  Form  der  aus  der  sella  curulis 
entstandenen  sella  imperatoria. 

7)  Prunksäle  mit  zahlreichen  Sesseln,  wie 
in  den  Kaiserpalästen,  hießen  sellaria,  Plin. 
XXXIV  84;  XXXVI  111.  Auf  Wandgemälden 
finden  wir  solche  Sessel  in  einfachen  wie 
eleganteren  Formen  häufig,  vgl.  Roux  und 
Barre  II  7;  11;  21;  49;  149:  III  77;  87  f;  123. 

8)  Es  ist  ein  Klappstuhl,  wie  die  Denk- 
mäler es  erweisen,  s.  Mommsen  Rom.  Staats« 
recht*  I  383.  Chapot  a.  a.  0.  1180. 


Vierter  Abschnitt.    Der  Hausrat. 


12» 


peratoria1)  und  dem  ebenfalls  eine  Auszeichnung  bedeutenden,  in  den  Muni- 
zipien  namentlich  den  Augustalen  als  Ehrenzeichen  verliehenen  üoppel- 
sessel,  dem  bisellium 2).  —  Ein  bequemerer  Stuhl,  dessen  Form  wie  Be- 
nennung die  Römer  von  den  Griechen  entlehnt  haben,  ist  die  cathedra^ 
die  meist  nach  außen  geschweifte,  schmucklose  Füße  und  eine  schräge, 
an  den  Rücken  sich  in  sanfter  Rundung  anschließende  und  dem  Sitzenden 
ungefähr  bis  zur  Schulterhöhe  reichende  Rückenlehne  hatte3).  Als  ein 
gewöhnliches  Möbel  für  Wohnzimmer  wird  sie,  zumal  in  der  Kaiserzeit, 
öfters  erwähnt4);  es  war  der  Stuhl,  den  man  den  Besuchenden  anbot5), 
auf  dem  auch  in  der  Regel  die  Frauen  saßen6),  und  in  den  Rhetoren-  und 
Gelehrtenschulen  waren  sie  die  Katheder  der  Lehrer7).  Gegenüber  diesem 
zwar  einfachen,  meist  wohl  aus  Holz  gearbeiteten8),  aber  sehr  bequemen 
Lehnsessel  ist  das  solium,  das  dem  griechischen  tigovog  entspricht  und 
gleich  diesem  der  Thronsessel  der  Götter  und  Herrscher  ist,  zwar  prächtig, 
aber  als  Repräsentationssitz,  auf  dem  vornehmlich  der  Hausherr  den  Morgen- 
gruß der  Klienten  in  Empfang  nahm  oder  sonst  Amtsgeschäfte  erledigte9), 
steif  und  unbequem.  Nach  den  Denkmälern  10)  ist  es  ein  hoher,  mit  einer 
Fußbank  versehener  Sessel  mit  geraden,  geschnitzten  oder  sonst  reich  ver- 
zierten Füßen,  gerader  Rückenlehne  und  Armlehnen,  auch  diese  sind  meist 
mehr  oder  weniger  reich  geschmückt. 

Wie  die  lecti,  so  hatten  auch  die  Sessel  keine  festen  Polster,  sondern 
wurden  mit  Kissen  und  Decken  belegt11);  der  Sitz,  der  in  den  erhaltenen 


J)  Spart.  Sever.  1.  9. 

2)  Varr.  1. 1.  V  128.  oft  auf  Inschriften,  s. 
juardt  710  A.  4.  Ruggiero  Dizion.  epigr. 

1 1007 ;  vgl.  Neumann  bei  P.-W.  III 502.  Saglio 
bei  D.-S.  I  712.  Die  bei  Overbeck  426  Fig.  227 
abgebildeten  bronzenen  Bisellien  aus  Pompeji 
beruhen  ebenso  wie  das  oben  Fig.  34  abge- 
bildete und  wie  das  im  Britischen  Museum, 
abgeb.  Ransom  pl.  VIII— X,  auf  falscher  Re- 
konstruktion, es  sind  Teile  von  lecti,  die  irr- 
tümlich zu  Bisellien  zusammengesetzt  worden 
sind,  s.  Ransom  p.  98.  Amelung  R.  M.  XVII 
(1902)  270  A.  1.  Wie  ein  bisellium  in  Wirk- 
lichkeit aussah,  zeigen  Grabreliefs,  wie  das 
am  Grabe  des  Calventius  Quietus  in  Pompeji. 
Mau  440  Fig.  260  (Saglio  a.  a.  O.  Fig.  863),  und 
an  dem  der  Naevoleia  Tyche  ebendort,  Over- 
beck 415  Fig.  214. 

3)  Saglio  bei  D.-S.  1  970,  mit  zahlreichen 
Abbildungen;  am  bekanntesten  ist  sie  aus  den 
Statuen  der  sog.  Agrippina  im  Kapitol  und  in 
Neapel.  Auch  in  den  Wandgemälden  trifft  man 
sie  häufig  an,  vgl.  Roux  u.  Barre  II  1 19 ;  123 ; 
III  2  f. ;  90. 

4)  Plin.  ep.  II 17, 21.  Mart.  XII 18. 18.  Die 
fratres  Arvales  sitzen  nach  dem  Opfer  auf 
cathedrae,  ebenso  nach  dem  Bade  die  Knaben 
bei  Tisch,  Act.  Arv.  27.  Mai  218;  Henzen  p.  14. 

6)  Sen.  de  clem.  I  9,  7:  cum  alteram  Cin- 
nae  poni  cathedram  iussisset;  bei  Vorlesungen 
im  Theater  wurden  für  die  geehrtesten  Zu- 
hörer solche  in  die  Orchestra  gestellt,  luv.  7,47. 

6)  Hör.  sat.  I  10,91:  discipulorum  inter 


cathedras.  Prop.  V  (IV)  5, 37.  luv.  6.91 ;  9, 52. 
Phaedr.  III  8,  4.  Mart.  II  14,  8:  III  63,  7:  inter 
femineascathedras;\Yl%,?>;XW^l;\l\  38.1. 
Oalpurn.  ecl.  7,  27.  Daß  es  auch  ein  Kranken- 
stuhl gewesen  sei,  geht  aus  Galen  XIV  636  K, 
was  man  als  Beleg  anführt,  nicht  hervor,  viel- 
mehr liegt  der  Kranke  hier  auf  einem  axifmove. 

7)  luv.  7.203.  Mart.  176, 14.  Sen.dial  X 
10, 1.  Auf  dem  Schulrelief  von  Trier  (Hettner 
Provinzialmus.  in  Trier  21  Nr.  21 ;  unten  Fig.  54) 
sitzt  der  Lehrer  und  jeder  seiner  beiden  Schüler 
auf  einem  bequemen,  einem  Bischofsstuhl  ähn- 
lichen Lehnstuhl.  Diese  Form  kommt  in  jener 
Gegend  auch  sonst  vor  (als  Rohrstuhl  ganz 
unsern  modernen  gleichend,  s.  ebd.  11).  doch 
findet  sie  sich  auch  in  Italien,  s.  Borsari  Not. 
d.  scavi  1894,  106  Fig.  7. 

8)  Plin.  XVI  174  erwähnt  Lehnsessel  aus 
geschälten  Weidenruten,  also  wie  unsere  Korb- 
stühle. 

9)  Cic.  de  legg.  I  3, 10:  quo  minus  more 
patrio  sedens  in  solio  eonsulentibua  respott- 
derem;  de  or.  II  55,  226;  III  33.  133.  Daher  ist 
ebd.  II  33.  143  die  Lesart  der  Hss.:  cum  8e  de 
turba  et  a  subselliis  in  otium  soliumque  con- 
ttilerit  wohl  falsch  und  in  so/itudiuemque  zu 
verbessern. 

10)  Vgl.  die  Wandgemälde  bei  Roux  und 
Barre  II  8;  13;  58;  63,  79;  80;  104;  wir  sehen 
hier  auch  öfters  Frauen  auf  diesem  mit  Kissen 
und  Decken  versehenen  solium  sitzen. 

")  Plaut.  Stich.  94.  luv.  9,  52.  Mart.  XII 
18, 17  f. 


124 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


Beispielen1)  oft  geschweifte  Form  zeigt,  war  wohl  meist  vom  gleichen 
Material  wie  der  Stuhl  selbst;  nur  die  Klappstühle,  die  wir  auch  unter 
den  abgebildeten  Sesseln  öfters  erkennen,  mochten  weiche,  aus  Tuch  oder 
Leder  hergestellte  Sitze  haben. 

Was  sodann  die  Tische,  mensae2),  anbetrifft,  so  bediente  man  sich 
solcher  im  Hausrat3)  im  wesentlichen  zu  zwei  Zwecken:  zum  Speisen  und 
zum  Abstellen  von  Gefäßen  u.  dgl.  Was  zunächst  die  Speisetische  anlangt, 
die  im  Triklinium  Aufstellung  fanden,  so  sind  diese  nach  Größe,  Form  und 
Material  sehr  mannigfaltig.  Waren  die  Triklinien  aufgemauert,  so  war 
auch  der  zwischen  den  lecti  befindliche  Tisch  ein  fest  aufgemauerter  Fuß, 
auf  den  man  eine  Platte  aus  Holz  oder  Stein  legte4).  Das  gilt  natürlich 
nur  für  die  im  Freien  angelegten  Sommertriklinien:  in  den  Zimmern  pflegten 
die  Tische,  ebenso  wie  die  Speisesofas,  transportabel  zu  sein.  In  einfachen 
Haushaltungen  waren  sie  von  gewöhnlichem  Holz,  z.  B.  Buche5);  als  man 
aber  mit  dem  beginnenden  Luxus  angefangen  hatte,  besonders  bei  den 
Tischplatten  Wert  auf  schöne  Maserung  des  Holzes  zu  legen,  da  griff  man 
zu  solchen  Holzarten,  die  sich  dadurch  auszeichneten,  wie  zu  Ahorn6),  bei 
dem  namentlich  gewisse,  durch  Auswüchse  des  Baumes  entstandene  Arten 
geschätzt  waren7);  vornehmlich  aber  war  es  der  von  Nordafrika,  zumal 
aus  Mauretanien  bezogene  Lebensbaum  oder  Thuja,  citrus8),  der  die  weit- 
aus am  meisten  geschätzten  und  teuersten  Tischplatten  lieferte 9).  Bei  den 
me.nsae,  citreae,  die  zuerst  bei  Cicero  erwähnt  werden10),  war  nämlich,  wie 
bei  den  acernae,  nicht  der  ganze  Tisch  daraus  gefertigt,  sondern  nur  die 
Platte,  die  man  aus  dem  nur  bis  zu  mäßigem  Umfang  wachsenden  Baume 
gewann11);  da  man  das  wertvolle  Material  nicht  durch  Beschneiden  ver- 
kleinern wollte,  so  beließ  man  sie  als  runde  Scheiben,  daher  solche  Tisch- 


')    OvERBECK  426. 

*)  Vgl.  Becker  Göll  II 350  ff.  Marquabdt 
310;  723.  de  RiDDERbeiD.-S.  111 172011.  Over- 

BECK  428. 

3)  Die  VerwendungderTische  in  der  Werk- 
statt der  Handwerker  kommt  hier  ebensowenig 
in  Betracht,  wie  die  Tische  der  Geldwechsler. 

4)  Overbeck  a.  a.  0.  Mau  270. 

5)  Mart.  II  43,  10. 

6)  Hör.  sat.  II 8. 10  Mart.  XIV  90:  Mensa 
acerna.  Non  sum  crispa  quidem  nee  silvae 
filia  Maurae,  \  sed  norunt  lautas  et  mea  ligna 
dapes.  Ov.  met.  XII  546  überträgt  die  mensae 
acernae  in  die  mythische  Zeit.  Nach  Strab.  XII 
546  kam  das  Holz  vom  Ahorn  (sowie  von  dem 
ebenfalls  zu  Tischen  verarbeiteten  dgoxÖQvw, 
Bergnußbaum)  aus  dem  Gebiet  von  Sinope. 

7)  Nach  Plin.  XVI  66  ff.  kam  der  Ahorn 
in  der  Wertschätzung  gleich  nach  dem  Citrus; 
die  schönsten  Arten  hießen  bruscum  und  mol- 
Imeum  {tuber utrumque  arboris  eins);  letztere 
war  nber  für  Tischplatten  zu  klein:  si  magnitu- 
dinem  menmrum  caperet,  haud  dubie  prae- 
ferretur  citro.  Doch  wurden  mensae  niqre- 
tteentes  aus  bruscum  gefertigt. 

8)  Vgl.  Blümner  Technologie  II  273  ff. 

•)  Am  gesuchtesten   waren   die    an   der 


Wurzel  sich  bildenden  krankhaften  Anschwel- 
lungen, Plin.  XIII  95:  proprieque  quod  tanti 
emitur  arborum  Vitium  est.  Sen.  de  benef.  VII 
9,  2 :  video  istic  mensas  et  aestimatum  lignum 
senatorio  censu,  eo pretios'ms,  quo  illud  in  plu- 
ris  nodos  arboris  infelicitas  torsit. 

lu)  Cic.  Verr.  IV  17,  37,  und  Plin.  XIII 102 
bestätigt,  daß  er  keine  ältere  Erwähnung 
solcher  Tische  kenne;  nach  dems.  ebd.  92  be- 
saß Cicero  selbst  einen  solchen  im  Preise  von 
500000  Sesterzen  (damals  87700  Mark);  das- 
selbe überliefert  Tert.  de  pallio  5. 

»)  Nach  Plin.  ebd.  9  3  f.  war  eine  Tischplatte 
im  Besitz  des  Königs  Ptolemäus  von  Maureta- 
nien, die4  '/*  Fuß  Durchmesserund  '/*  Fuß  Dicke 
hatte,  aus  zwei  Stücken  zusammengesetzt;  die 
größte  aus  einem  Stück,  die  Plinius  kannte, 
hatte  nicht  ganz  4  Fuß  Durchmesser  und  etwas 
unter  1  Fuß  Dicke,  im  Besitz  des  Freigelassenen 
Nomius;  dagegen  war  der  Citrustisch,  den  der 
Kaiser  Tiberius  besaß,  zwar  4  Fuß  im  Durch- 
messer und  J/8  Fuß  dick,  aber  nicht  massiv,  son- 
dern fourniert.  Wenn  daher  bei  Mart.  IX  59, 9 
ein  Prahlhans,  der  in  den  Saepta  die  ausgestell- 
ten Waren  betrachtet,  bedauert,  testudineum 
mensus  quater  hexaclinon  j  ingemuit  citro  non 
satis  esse  suo,  so  ist  das  eine  Aufschneiderei. 


Vierter  Abschnitt.    Der  Hausrat. 


1 25 


platten  orbes  hießen1).  Sie  waren  außerordentlich  gesucht2)  und  wurden 
mit  Ungeheuern  Preisen  bezahlt3);  es  entstand  eine  förmliche  Leidenschaft 
für  solchen  Besitz  unter  den  Reichen,  und  Liebhaber  legten  sich  Samm- 
lungen davon  an4).  Dabei  kam  es  sehr  auf  die  verschiedene  Art  der  Ma- 
serung an,  nach  der  man  tigrinae,  pardherinae,  apiatae  u.  dgl.  unterschied; 
ebenso  spielte  die  Farbe  eine  wichtige  Rolle5).  Die  Eingebornen  wußten 
dem  Holze  diese  Vorzüge  durch  besondere  Behandlung  zu  verleihen  oder 
sie  noch  zu  erhöhen 6).  Die  Seltenheit  guter,  größere  Platten  liefernder 
Stämme7)  führte  dazu,  daß  man  auch  Tischplatten  aus  Citrus  fournierte 
oder  sie  aus  mehreren  Stücken  zusammensetzte8).  Wegen  ihrer  Kost- 
barkeit pflegte  man  sie  nicht  offen  zu  lassen,  sondern  mit  Decken,  die  den 
ursprünglich  für  Handtücher  gebräuchlichen  Namen  mantele  führten9)  und 
zu  denen  man  gern  den  oben  (S.  117)  erwähnten  zottigen  Stoff  nahm,  der 
gauxa/ie  hieß10),  zu  bedecken.  Auch  kostbare,  bunte  und  goldgestickte 
Decken  wurden  darüber  gebreitet11). 

Diese  Citrustischplatten  pflegte  man  nicht  auf  mehrere  Füße  zu  stellen, 
sondern  als  monopodia1*)  nur  auf  einen  einzigen  festen  Fuß  oder  Unter- 
satz, für  den  besonders  Elfenbein  als  Material  beliebt  war,  das  daher  öfters 
in  Verbindung  mit  den  orbes  erwähnt  wird  13)  und  jedenfalls  meist  künstlich 


»)  luv.  1.137;  11.122.  Mart.  1143,9;  IX 
59,  7 ;  XIV  138.  Ov.  her.  16  (17),  87.  Lucan.  X 
144  f. 

2)  Erwähnt  werden  diese  kostbaren  Tische 
sehr  häufig:  vgl.  außer  den  oben  angeführten 
Stellen  Petron.  119  v.  28.  Lucan.  IX  426  ff. 
Mart.  IX  22,  5;  X  98.  6:  XIV  3;  ib.  89:  ib.  90; 
ib.  91.  Stat.  silv.  III  3,  94.  Stiab.  IV  202;  XVII 
826.   Digg.  XIX  1.21.2. 

3)  Plin.  1. 1.  berichtet  von  1  Million  Sester- 
zen  (217520««)  bis  zu  1300000  (282780««); 
daher  die  mensanwi  insania,  quae  feminae 
viris  contra  margaritas  regenint,  ebd.,  und 
die  Klagen  der  Schriftsteller,  daß  Leute  sich 
dadurch  ruinieren.  luv.  1, 137;  vgl.  ebd.  57. 

A)  Immerhin  möchte  man  es  für  Ueber- 
treibung  oder  für  eine  Korruptel  der  Hss. 
halten,  wenn  es  bei  Dio  Cass.  epit.  LXI 10, 3 
von  Seneca  heißt:  Tiet'taxooiovs  zgüiofiae  xi- 
xqivov  ir/.oc  F.Xf(favzö^o8as  l'aovg  y.ni  öuoiovc 
rr/r  y.ai  en'  avzwv  stozia.  An  dieser  oft  wieder- 
holtenNotiz  (vgl.MARQUARDT  723.  Friedländer 
Sittengesch. 5  III  102)  ist  manches  auffällig: 
daß  diese  Citrustische,  die  in  der  Regel  mono- 
podia  waren  (s.  unten),  hier  dreifüßig  heißen, 
daß  sie  elfenbeinerne  Füße  hatten,  was  eben- 
falls nur  bei  Monopodien  üblich  war.  daß  sie  alle 
gleich  groß  und  ähnlich  gewesen  sein  sollen.  Der 
Text  scheint  überhaupt  unzuverlässig  zu  sein. 

5)  Plin.  96  ff. 

6)  Ebd.  99. 

7)  Nach  Plin.  ebd.  95  war  der  AncoraritiB 
mons  in  Mauretania  citerior,  der  das  beste  Ci- 
trusliolz  lieferte,  zu  seiner  Zeit  schon  erschöpft. 

8)  S.  oben  S.  117. 

9)  Mart.  XIV  148;  vgl.  XII  29, 11  f.  Isid. 
or.  XIX  26,  6:   mantelia  nunc  pro  operiendis 


mensis  sunt,  quae,  ut  nonieu  ipse  indicat, 
o/iiii  tergendis  manibus  praebebantur.  Corp. 
Gloss.  III 197, 16: ma utile  em  tgcutd^tov ;  vgl.  ebd. 
269,50;  379,  6;  V  629,  56:  velamina  mens«,-. 

10)  Das  sind  die  villosa  Unten,  Mart.  XIV 
138;  auch  in  dem  Laden  des  Händlers  sind 
die  Tische  damit  zugedeckt,  ebd.  IX  59,  7.  Es 
scheint,  als  habe  man  diese  Gausapetücher 
früher  nur  zum  Abwischen  der  Tischplatten 
benutzt;  so  kommen  sie  vor  bei  Lucil.  frg.  XXI 
Müll. :  purpureo  tersit  tunc  latas  gausape  men- 
sa«,  und  Hör.  sat.  II  8,  11:  aeemam  gausape 
Purpuren  mensam  pertenü,  während  später, 
als  die  kostbaren  Citrustische  aufkamen,  sie 
als  Decken  dienten.  Nach  Mart.  XIV  13*:  rut- 
hiliux  villosa  tegant  tibi  I/nteu  eitruni:  \  or- 
bibus  in  HOStris  eirculus  esse  potest,  sollte 
man  annehmen,  daß  diese  Decken  auch  bei 
der  Mahlzeit  resp.  beim  Trinken  liegen  blieben, 
worauf  auch  Corp.  Gloss.  V  502,  19:  gausapa 
ilelieiae  epulae  hinzudeuten  scheint:  dem  wider- 
spricht freilich  die  Bemerkung  bei  Plin.  a.  a.  O. 
99:  nutriuntur  optime  splendescuntque  manu* 
siccae  fricatu  a  bulineis  maxinw,  nee  rinis 
laeduntur,  ut  iis  genitae. 

'■)  Lampr.  Heliog.  27,4;  Alex.  Sev.  37,2. 
Treb.  Poll.  Gall.duo  16.3.  Vopisc.  Aurel.  12,1 : 
mantelin  <'i/j>riu. 

li)  Nach  Liv.  XXXIX  6,7  und  Plin.  XXXIV 
14  kamen  die  monopodia  zuerst  durch  den 
Triumph  des  Gn.  Manlius  Piso  i.  J.  187  v.  Chr. 
aus  Asien  nach  Europa.  Nach  dem  oben  Ge- 
sagten hat  man  dabei  noch  nicht  an  Citrus- 
tische zu  denken,  es  handelt  sich  da  mehr 
um  die  Form  resp.  die  kostbaren  Füße. 

!»)  Lucan.  X  144.  Mart.  1143,9;  1X22,5; 
X  98,  6;  XI V  3;  ib.  91 :  vgl.  Lukian.  Gall.  14. 


126 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


geschnitzt  war1).  Es  war  eine  bescheidene  Nachahmung,  wenn  Tisch- 
platten aus  gewöhnlichem  Holze  auf  ähnliche  Träger  aus  gebranntem  Ton 
gestellt  wurden2). 

Für  viereckige  Tische,  wie  sie  in  Holz  und  Stein  üblich  waren,  gibt 
es  keine  besondere  Bezeichnung3).  Viereckig  waren  auch  die  abacii),  die 
aber  keine  Speise-,  sondern  Prunk-  oder  Kredenztische  und,  wie  es  heißt, 
zusammen  mit  den  Bronzebetten  und  monopodia  zu  Anfang  des  zweiten 
Jahrhunderts  v.  Chr.  nach  Italien  gekommen  waren5).  Man  benutzte  sie 
vornehmlich,  um  kostbare  Gefäße  aus  Silber  und  Gold  oder  aus  Edelsteinen 
zur  Schau  zu  stellen6),  und  manche  hatten  besondere  Vertiefungen  zum 
Einsetzen  der  Gefäße 7)  oder  unterhalb  der  Tischplatte  nocji  verschließbare 
Fächer  oder  eine  zweite  Platte,  auf  die  man  ebenfalls  Gefäße  stellen 
konnte8).  Das  Material  dieser  Prunktische  war,  nach  Darstellungen  zu 
urteilen,  teils  Holz,  teils  Stein;  auch  wohl  noch  anderes  Material  mochte 
zur  Verwendung  kommen9). 


Es  ist  daher  auch  bezeichnend,  daß  die  ebo- 
rarii  und  citriarii  zusammen  ein  corpus  bilden, 
s.  ihr  Statut  in  der  von  Gradenwitz  Ztschr. 
der  Savignystiftung  f.  Rechtsgesch.  XI  (1890), 
72  und  Hülsen  R.  M.  V  (1890),  287  behandelten 
Inschrift  CIL  VI  33885. 

')  Darauf  deutet  luv.  11,122  hin:  latos 
nisi  sustinet  orbes  \  gründe  ebur  et  magno  sub- 
limis  pardus  hiatu  ,  dentibus  ex  Ulis  quos  mittit 
porta  Sgenes  etc.  Man  vgl.  die  pompejanischen 
Tischfiiße  aus  Marmor  bei  Overbeck  zu  S.  422 
und  428  Fig.  229.  Pernice  A.  Jb.  XXIII  (1908) 
111  vermutet,  daß  bei  den  mensae  citreae  in 
der  Regel  die  Platten  besonders  aufbewahrt 
und  bei  Bedarf  auf  die  Tischuntersätze  gelegt 
wurden,  deren  es  also  nicht  für  jede  Platte 
einen  besonderen  gab.  Das  ist  wohl  möglich, 
nur  wird  man  dabei  nicht  an  die  leichten  ver- 
schiebbaren Bronzegestelle  denken  dürfen,  die 
Pernice  dabei  im  Auge  hat. 

2)  Ein  tönerner  knieender  Atlant  als  Tisch- 
fuß hat  sich  noch  erhalten,  s.  v.  Rohden  Terra- 
kotten von  Pompeji  Taf.  26, 2.  Overbeck  496. 
Darauf  deutet  man  auch  Mart.  II  43,  9  f.:  tu 
hibycoa.  Indis  suspendis  dentibus  orbes:  ful- 
cüur  testa  fagina  mensa  mihi;  doch  könnte 
man  hier  auch  an  eine  Situation  denken,  wie 
Ov.  met.  VIII  660:  mensam  succincta  tremens- 
<fiie  ponit  onus,  viensae  sed  erat  pes  tertius 
in  pur:    tata  parem  fecit. 

3)  Ausgenommen  das  oben  S.  34  erwähnte, 
im  Atrium  stehende  cartibulum. 

*)  Vgl.  den  Artikel  Abacus  von  Saglio 
in  D.-S.  I  1  ff.  Mau  bei  P.-W.  I  5.  Eigentlich 
bedeutet  das  Wort  schlechthin  eine  viereckige 
Platte,  wie  beim  Säulenkapitell  oder  beim 
Rechenbrett.  Bei  Cato  r.  r.  11,3  hat  abacus 
noch  nicht  die  später  übliche  Bedeutung,  son- 
dern ist  vermutlich  ein  zu  Wirtschaftszwecken 
dienender  Tisch. 

'')  S.  oben  S.  118. 

ie.  Verr.  IV  16,  35:  ab  hoc  abaci  vasa 
omnia,  nt  expoaüa  fuerunt,  abshUit;  vgl.  ebd. 


25,57:  abaci  vasa  aurea.  luv.  3,203:  ureeoli 
sex  |  ornamenturn  abaci  nee  non  et  parvulus 
infra  \  cantharus  et  reeubans  sub  eodem  mar- 
more  Chiro.  Letzteres  wird  in  der  Regel  da- 
durch erklärt,  daß  der  Chiron  der  Trapezophor 
gewesen  sei,  und  Marquardt  319  A.  7  weist 
darauf  hin,  daß  ein  Trapezophor  mit  Kentaur 
und  Skylla  noch  erhalten  ist  (Mus.  Borh.  1 48); 
allein  Friedländer  zu  luvenal  bemerkt,  daß 
ein  liegender  Kentaur  sich  wenig  zum  Trape- 
zophor eignete;  er  denkt  an  eine  damals  als 
Zimmerschmuck  beliebte  und  in  billigem  Ma- 
terial hergestellte  Figur.  Auch  inschriftlich, 
vgl.  CIL  Vi  10237:  abacum  cum  basi. 

")  Sid.  Apoll,  caim.  17,  7:  nee  per  multi- 
plices  abaco  splendente  cavernas  argenti  nigri 
pondera  defodiam;  daß  dies  verschließbare 
Fächer  sind,  wie  Marquardt  320  A.  1  meint, 
geht  aus  dem  Wortlaut  nicht  hervor,  cavernae 
wäre  dafür  kaum  ein  passender  Ausdruck. 
Wohl  aber  geben  die  in  Lambaesa  gefundenen 
Platten  von  Sepulkraltischen,  die  man  für  Opfer- 
zwecke auf  die  Gräber  stellte  (vgl.  Daremberg- 
Saglio  III  1721  Fig.  4903),  mit  den  vertieften 
Gefäßformen  einen  Begriff  von  dem,  was  Si- 
donius  meint. 

8)  Beides  erkennt  man  auf  Abbildungen 
von  abaci  auf  Denkmälern,  s.  Darembebg- 
Saglio  I  Fig.  6  u.  7;  auf  dem  Brett  unterhalb 
der  Platte  stand  bei  luv.  a.  a.  O.  der  parvulus 
cantharus. 

9)  Doch  spricht  Plin.  XXXIV  14  nicht,  wie 
MAubeiP.-W.a.  a.  O.sagt,  von  bronzenen  abaci, 
da  aeratos  dort  bloß  zu  lectos,  nicht  zu  den 
folgenden  abaci  und  monopodia  gehört.  Un- 
richtig istes  auch,  wenn  Mau  ebd. Plin. XXXVII 
18  u.  21  als  Beleg  dafür  anführt,  daß  abaci  auch 
aus  murra,  jenem  rätselhaften  Material  für 
Gefäße  (vgl.  Mabquardt  765.  Blümner  Tech- 
nol.  111  276),  verfertigt  worden  seien:  an  der 
ersten  Stelle  heißt  es  nur,  daß  die  murrina, 
die  man  zuerst  den  Göttern  weihte,  später 
auch  von  Menschen  in  Gebrauch  genommen 


Vierter  Abschnitt.    Der  Hausrat. 


127 


Wie  die  Speise-,  so  waren  auch  die  Prunktische  vielfach  anstatt  mit 
vier  Füßen  nur  mit  einem  einzigen  kunstvoll  gearbeiteten  Träger  versehen l) ; 
solche  Stützen  hießen  überhaupt  trapezophora*),  und  wir  können  diesen 
Namen  den  in  Pompeji  und  anderwärts  erhaltenen  marmornen  Tischträgern 
beilegen,  die  bildlich  verziert  sind  und  namentlich  häufig  phantastische 
Tierfiguren,  Sphinxe,  Greife  u.  dgl.  (vgl.  oben  S.  34  Fig.  15),  auch  sonst  allerlei 
figürliche  Ornamente  darstellen3).  Es  konnten  auf  solche  Träger  beliebig 
Holz-  oder  Steinplatten  gelegt  werden4);  wenn  ein  einziger  Tischfuß  vor- 
handen war,  vermutlich  meist  eine  runde5),  bei  zwei  Trägern  eine  oblonge 
Platte,  wie  bei  den  Tischen  im  Atrium.  Das  Wort  trapezophoron  scheint 
aber  in  der  späteren  Zeit  seine  Bedeutung  erweitert  zu  haben,  indem  es 
von  den  Trägern  der  Tische  auf  die  Prunktische  selbst  überging6). 

Eine  besondere  Art  Tische  führte  den  Namen  Delphicae,  welche  Be- 
nennung wohl  damit  zusammenhängt,  daß  sie  allem  Anschein  nach  drei 
Füße  und  vielfach  wohl  auch  die  Form  eines  Dreifußes  hatten7).  Sie 
werden  zuerst  bei  Cicero  genannt8),  und  zwar  als  marmorn,  doch  werden 
auch  eherne  erwähnt9).  Daß  sie  auch  dazu  dienten,  um  Gefäße  darauf 
zu  stellen,   geht   aus   verschiedenen   Belegstellen    hervor10);  von  den  abaci 


wurden:  abacis  ei  htm  escariisque  vasis  expe- 
HHs,  also  auf  Prunktischen  standen;  und  an 
der  andern  bedeuten  die  Worte:  amplitudine 
nutnquam  parvos  excedunt  (myrrhina)  dbaeos 
doch  weiter  nichts,  als  daß  niemals  so  große 
Gefäße  aus  diesem  Material  vorkamen,  daß 
sie  nicht  auch  auf  kleinen  abaci  Platz  gehabt 
hätten.  Daß  besonders  murrina  vasa  auf  den 
Prunktischen  zur  Schau  gestellt  wurden,  zeigt 
Poll.  X  69.  Ebensowenig  ist  es  richtig,  wenn 
Becker-Göll  II 353.  Petron.  73. 5  als  Beleg  für 
silberne  abaci  anführt,  da  hier  nur  von  mensae 
totae  argenteae  die  Rede  ist. 

1)  Vgl.  für  abaci  mit  vier  Füßen  die  Ab- 
bildungen bei  Daremberg-Saglio  Fig.  5 — 7;  ein 
von  zwei  Sphinxen  getragener  auf  dem  Pariser 
Onyxgefäß  bei  Müller- Wieseler  Denkm.  der 
alten  Kunst  II  50,  626b;  ein  abacus  mit  einem 
Fuß  auf  einem  cumanischen  Grabgemälde,  das 
ein  Gastmahl  darstellt,  Olfers  in  den  Abhandl. 
der  Berliner  Akad.  f.  1830  Taf.  2. 

*)  Das  Wort  kommt  zuerst  bei  Cic.  ad  fam. 
VII  23,  3  vor,  doch  geht  aus  der  Stelle  nicht 
hervor,  in  welcher  Bedeutung  er  es  gebraucht. 
Auch  was  das  Wort  bei  Artemid.  Oneir.  I  74 
bedeutet,  geht  aus  der  Stelle  nicht  hervor. 

3)  Vgl.  Overbeck  Tafel  zu  S.  422  u.  S.428 
Fig.  229.  Mau  Pompeji  390  Fig.  207  f.  deRidder 
a.a.O.  1724  Fig.  4911  ff. 

4)  Ein  Tisch  mit  Mosaikplatte  aus  einem 
Gartentriklinium  s.  Mau  417  Fig.  247. 

b)  Doch  kommen  auch  quadratische  Mono- 
podien  vor,  s.  de  Ridder  1721  Fig.  4904. 

B)  Diese  Bedeutung  nahm  Marquardt  319 
an  mit  Rücksicht  auf  Digg.  XXXI11 10,  3:  su- 
pellectile  legata  hacc  continentur:  mensae,  tra- 
pezophora,  delphicae,  weil  hier  die  abaci  fehlen 
und  durch  die  trapezophora  ergänzt  sind.  Zur 
Bestätigung  dient  Poll.  X  69:  fSfoti  de  zrjv  tgä- 


TtsQav  eq    //  ra  exnatfiaza  xazäxeixai,  tnQdnow 

tf  roäjiE^av  sijirir  xal  [tovöxovv,  xat  fi  zig  ßov- 
koiXO  </  l/.<)TlinJcii)(U  71QOS  Tl/C  Htuvottjta  zr)g  XQ*')- 
ofiog,  TQajteCoqpögov.  Man  sieht  hieraus,  daß 
die  Uebertragung  der  Bedeutung  vom  Tisch- 
träger (in  welchem  Sinne  er  in  dem  ebd.  ange- 
führten Fragment  des  Aristophanes  gebraucht 
war)  auf  den  Tisch  selbst  zur  Zeit  des  Pollux 
neu  war.  Vgl.  auch  Corp.  Gloss.  II 458, 13,  wo 
caliclare  (sonst  durch  ußa§  erklärt.  III  20,  46; 
22,20;  i-aliclarium  jiozngoßr'jxr],  ebd.  414,  46) 
durch  Tou.-ii-\oqö(>ov  übersetzt  ist.  Weshalb 
Mau  bei  P.-W.  a.  a.  O.  meint,  der  abacus  sei 
vom  caliclare  zu  unterscheiden,  da  dieser  zum 
Gebrauch  diente,  weiß  ich  nicht;  die  auf  dem 
abacus  aufgestellten  Gefäße  dienten  doch  wohl 
nicht  lediglich  zur  Schaustellung,  sondern  wur- 
den auch  benutzt. 

;)  Die  Erklärung  des  Namens  bei  Plin. 
XXXI V  14 :  ex  aere  factitavere  et  coriinas  tripo- 
dum,  nomine  {et)  Delphicas,  quoniam  donis 
maxime  Apollini  Delphico  dicabantur,  weist 
zwar  auf  Delphi  hin,  doch  ist  der  Text  hier 
stark  verdorben.  Vgl.  auch  Procop.  de  bello 
Vand.  I  21 :  iv  naXariq)  yag  iw  exi  'Pd>f*t)S,  irila 
avvF.ßaivs  anßäöag  rö?  ßaoiXecog  rlvai,  iQVZOVi 
fx  naXaiov  Fiozrjxsi,  iqp'  ov  dt]  zag  xvhxag  ot 
ßaodscog  oiro%6oi  ftH)fvzo,  Aüxpata  dk  tov 
tgbioda  y.a/.orai  'P(o/iaioi,  ijtel  JtQ&XOV  fv  AfX- 
qiolg  yiyove. 

8)  Cic.  Verr.  IV  59,  131. 

9)  Plin.  a.  a.  O.  und  auf  Inschr.,  CIL  VI 
10215:  dciphica  aenea  omni  cidtn  exornata; 
ebd.  30972;  XIV  2215.  Ob  die  TQÜtodse  y.uoivov 
-V/.or  bei  Dio  Cass.  LXI  10  auch  mensae  Del- 
phicae waren,  muß  dahingestellt  bleiben. 

I0)  Mart.  XII  66,  7:  argentinn  atqxe  aurum 
non  simplex  Delphica  portal.  Procop.  a.  a.  O. 
Bei  Hör.  sat.  I  6,  116:  et  lapis  albus    pocula 


128 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


unterschieden  sie  sich  wohl  nicht  bloß  durch  die  andere  Form  (da  ein  abacus 
nie  eine  runde  Platte  und  drei  Füße  hatte),  sondern  auch  durch  die  Größe, 
da  sie  vermutlich  nur  zum  Abstellen  weniger  Geräte,  nicht  gleich  jenen 
zur  Schaustellung  des  ganzen  Reichtums  an  kostbaren  Gefäßen  bestimmt 
waren1).  Wir  können  verschiedene  erhaltene  Geräte  als  solche  meitsae 
Delphicae  betrachten;  wenn  es  bei  einem  schweren  Marmortisch  aus 
Pompeji2)  zweifelhaft  erscheinen  könnte,  so  dürfen  dagegen  mehrere  der 
dort  gefundenen  Bronzedreifüße,  die  deutlich  als  Tischchen  dienten3),  so 
bezeichnet  werden.  Etwas  Ähnliches  sind  die  kleinen  und  niedrigen  drei- 
füßigen Tischchen,  die  man  auf  Denkmälern  mit  Darstellung  von  Gelagen 
sieht  und  die  den  Gästen  hingesetzt  wurden ,  wenn  die  Hauptmahlzeit 
vorüber  war  und  der  Nachtisch  serviert  wurde4). 

Daß  die  Römer  nicht  die  zahlreichen  Schränke  der  modernen  Haus- 
einrichtung besaßen,  ward  oben  bemerkt,  immerhin  haben  sie  solche  wohl 
gekannt5).  Sie  heißen  armaria6)  und  dienten  zum  Aufbewahren  von 
Geräten  und  Vorräten  für  die  Wirtschaft  (armaria  promytuaria) 7),  nament- 
lich aber  hob  man  darin  Kleider  auf8),  Decken  und  Teppiche9),  Schmuck 
und  andere  Wertsachen,  auch  Geld10),  besonders  aber  Bücher11);  die  Bücher- 
schränke waren  oft  als  Wandschränke  in  die  Mauer  eingelassen12),  Reiche 
stellten   sie   aus  kostbarem   Holz   mit   Elfenbeinverzierung   her13).     Kleine 


cum  cyatho  duo  sustinet  erklärt  Porphyrio: 
marmoream  delphicam  significat,  quae  scilicet 
pretii  non  magni  est. 

')  Daher  werden  in  den  Digg.  a.  a  0.  tra- 
pezophorct  und  delphicae  unterschieden,  wie 
Paul.  sent.  III 6, 56  delphicae  von  mensae  trennt. 
Doch  findet  sich  auch  in  den  Glossen  Identi- 
fizierung, s.  Corp.  Gloss.  II  3, 19:  abaci  delfica 
ftrfPMKQiOV  (d.h. iurioTEoior),öic'Ioi'ßevähoc,  mit 
Bezugnahme  auf  luv.  3,  204.  Vgl.  ebd.  42,  20; 
V  633.  44. 

*)  Overbeck 428 Fig.229 .  Mau 390 Fig.207 . 

3)  Overbeck  429  Fig.  230;  ebd.  ist  auch 
ein  vierfüf3iges  Tischchen  abgebildet  mit  Platte 
aus  Rosso  antico  und  vier  Bronzefüßen,  die 
durch  Scharniere  verbunden  und  verstellbar 
sind,  sodaß  der  Tisch  nach  Belieben  höher  und 
niedriger  gemacht  werden  konnte.  Ein  anderer 
ähnlicher  ist  bei  de  Ridder  1724  Fig.  4910  ab- 
gebildet. Entsprechende  Einrichtungen  finden 
sich  auch  an  dem  einen  der  bei  Overbeck  a.  a.  O. 
abgebildeten  Dreifüße,  sowie  bei  einem  silber- 
nen Dreifuß  aus  dem  Hildesheimer  Funde,  s 
Anh.  Anzeig.  1899,  121.  Pernice  A.  Jb.  XXIII 
(1908)  107  weist  nach,  daß  auch  der  schöne 
Dreifuß  aus  dem  pompejanischen  Isistempel 
ursprünglich  dieselbe  Einrichtung  und  Bestim- 
mung hatte. 

4)  Vgl.  Roux  u.  Barre  II  20.  de  Riddek 
1723  Fig.  4908.  Die  eigentümliche  Form  der 
griechischen  dreilüßigen  Speisetische  (s.  Blüm- 
ner Aich  Zeitung  LVl  (1884)  179)  ist  zwar  in 
Etrurien  nachweisbar,  fehlt  aber  auf  römischen 
Denkmälern. 

'')  Vgl  BBOKHR-Göu.859ff.;  Saglio  bei 
D.-S.  I  432:  Mau  bei  P.-W.  II  1176  ff. 


6)  Varr.  1. 1  V  128.  der  es  fälschlich  von 
arcere  ableitet;  es  hängt  jedenfalls  mit  arma 
zusammen,  was  ursprünglich  allerlei  Gerät  be- 
deutet. Isid.  or.XV5.4:  a rmarium  locus  est,  ubi 
quarumcunque  artium  instrumenta  ponuntur. 
Als  Hausrat  luv.  7.  11.  Marquardt  721  A.  5 
hält  den  armararius  Henzen  7219  (es  ist  eine 
christl. Inschrift,  s.  deRossi  Inscr. Christ.  1419) 
für  einen  armariarius,  d  h   Schreiner. 

;)  Cat.r.r.  11,3.  Plaut.  Capt.  918.  Welche 
spezielle  Bedeutung  die  armariola  Graeca 
(Plaut.  Truc.  55)  hatten,  ist  unbekannt. 

8)  Plin.  XXIX  101.  Digg.  XXXIII  10,3,2: 
sunt  qui  rede  putant,  capsas  et  armaria,  si 
librorum  aut  vestium  aut  armamentorumg  rat  ia 
parata  sint,  non  esse  in  supellectile.  Paul.  sent. 
III  6.  67.  Hieron.  ep.  22,  32. 
s)  Cic.  Verr.  IV  12.  27. 

lu)  Plaut. Men. 531.  Cic.proCluent.64,179; 
pro  Cael.  21, 52;  sie  waren  daher  verschließbar 
und  wurden  auch  versiegelt,  Plaut.  Epid.  308. 

1 ')  Vitr.  V 1 1  praef.  7.  Plin.  ep.  II  17, 8  Sid. 
Ap.ep.VIII16.3.  Digg.XXXlI52,3u.7.  Hieron. 
comm.  in  Matth.  IV  c.  23,  6;  ep.  49.  4;  53,3. 
Auch  in  den  öffentlichen  Bibliotheken  waren 
armaria  angebracht.  Vopisc.  Tac.  8, 1.  Abbil- 
dungen von  Bücherschränken  mit  Doppeltüren 
finden  sich  auf  Denkmälern,  s.  das  Sarkophag- 
relief bei  Saglio  a.  a.  O.  432  Fig.  524  und  nach 
einer  christlichen  Miniatur  ebd.  433  Fig.  525. 

J-)  Plin.  ep.  a.  a.  O.;  in  Pompeji  finden  sich 
namentlich  in  den  alae  häufig  die  Spuren  dort 
angebrachter  Wandschränke.  s.Overbeck336; 
363;  372  u.s. 

I3)  Sen.  dial.  IX  9,  6.  Auch  Bemalung  der 
armaria  wird  erwähnt,  Sulpic.  Sev.  dial.  1  21,4. 


Vierter  Abschnitt.    Der  Hausrat. 


129 


Schränkchen  waren  die  armaria,  in  denen  die  Waehsmasken  der  Vorfahren 
pmagines)  in  den  alae  oder  im  Atrium  aufbewahrt  wurden1);  sie  hingen 
wahrscheinlich  an  der  Wand,  während  die  größeren  gleich  unsern  Schränken 
auf  dem  Boden  standen2):  und  ähnlich 
mau  das  armarium  im  Hause  des  Tri- 
malchio  gewesen  sein,  dessen  Türen 
eine  aedicula  verschlossen,  in  der  sil- 
berne Götterbilder  und  andere  Kunst- 
sachen aufgestellt  waren 3).  Auf  Denk- 
mälern finden  wir  auch  Schränke  in 
den  Werkstätten  und  Läden  der  Hand- 
werker zur  Aufbewahrung  und  Schau- 
stellung ihrer  Waren4).  Das  Material 
war  wohl  in  der  Regel  Holz5)  (vgl. 
Fig.  35 6));  sie  waren  zum  Verschließen 
eingerichtet  und  wurden  auch  oft  noch 
versiegelt7). 

Häufiger  als  bei  uns,  wo  sie  fast 
ganz  aus  dem  Hausrat  verschwunden 
und  durch  Kommoden  ersetzt  sind, 
waren  die  Truhen8),  deren  gewöhn- 
licher Name  arca  ist  oder  arcula*). 
Diese  auf  dem  Fußboden  stehenden, 
mit  Deckel  versehenen  Kasten  dienten 
ebenfalls  zum  Aufbewahren  von  allen 
möglichen  Dingen,  vornehmlich  von 
Kleidern,  als  arca  vestiaria10)  (beson- 
ders arcula  kommt  häufig  in  dieser 
Anwendung  vor11)),  und  Decken12). 
Solche  arcae  gab  es  in  kleinen  Ver- 
hältnissen als  tragbare  Kästchen13)  und  andrerseits  solche  in  sehr  großen 
Dimensionen,  sodaß  ein  Mensch  sich  darin  verbergen  konnte14).  Die  arca 
schlechtweg   aber  ist   die  Geldkiste,   deren  Platz   im  Atrium   oben  (S.  35) 


Fig.  35.    Schrank  aus  der  Villa  bei  Boscoreale. 


i)  Plin.  XXXV  6. 

2)  Für  die  mehr  hohe  als  breite  Form  der 
meisten  armaria  spricht  auch  die  griechische 
Uebei  Setzung  desWortes  durch  Jivgyioxog, Corp. 
Gloss.  VI  95^  vgl.  ebd.  II  568,  2:  turriada. 

3)  Petron  29,8. 

4)  Siehe  Saglio  432  Fig.  522  f.  Schreiber 
Kultuihist,  Atlas  71.3;  72,  1. 

5)  Dafür  spricht  auch  Cic.  pro  Cluent.  64, 
179:  armarii  fundum  execuit. 

6)  Schrank  aus  der  Villa  rustica  in  Bos- 
coreale, nach  Mon.  d.  Lincei  VII  411  Fig.  6;  er 
hat  inwendig  vier  Bretter. 

')  Plaut.  Epid.308:  occlusum  atque  obsi- 
ifnatum  armarium.  Digg.  XXXII 52.9: armariis 
i'(  loculis  claustra  et  claves  cedunt. 

8)  Vgl.  Saglio  Artikel  arca  bei  D.-S.  1 363. 
Habel  bei  P.-W.  II  425. 

Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft.    IV. 


9)  Varr.  a.  a.  0.  leitet  auch  dies  von  ar- 
cere  ab:  ebenso  Isid.  or.  XX  9, 2;  vgl.  Serv.  ad 
Aen.  I  262. 

10)  Plaut.  Men.  803.  Cato  r.  r.  11,  3.  Plin. 
XXIX  101 ;  das  sind  die  arculae  muliebres,  Cic. 
de  off.  117,25. 

u)  Plaut. Most. 248.  Colum.XII45,5.  Mart. 
1146,4.  Sen.  dial.  1X1,5;  ep.  92.13. 

»)  Hör.  sat.  113,119. 

13)  Sodie.in  denen  Orakel  (sortes)  verschlos- 
sen waren.  Cic.  de  div.  II  41,  86.  Suet.  Tib.  63; 
Kästchen  für  Gifte.  Suet.  Calig.  39;  für  Weih- 
rauch, Fest.  18,7:  arcula  turoria,  vgl.  Serv. 
ad  Aen.  a.  a.  0. 

14)  Man  vgl.  die  Anekdoten  aus  den  Bürger- 
kriegen bei  App.  bell.  civ.  IV  44.  DioCass.XLVII 
7,4:  s.  auch  Hör.  sat.  II  7, 59 :  turpi  clausus  in 


arca. 
2,  i.  3.  Aufl. 


9 


130 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


erwähnt  wurde;  als  solche  kommt  sie  ohne  jede  nähere  Bezeichnung  überaus 
häufig  vor1),  daher  die  Redensart  ex  arca  eine  Zahlung  leisten,  im  Gegen- 
satz zu  denen,  die  eine  Anweisung  auf  ihren  Bankier  geben2),  wie  denn 
auch  arca  im  übertragenen  Sinne  ganz  dieselbe  Bedeutung  bekommt,  wie 
unser  Wort  Kasse,  und  daher  ebenso  für  den  Barvorrat,  den  man  im  Hause 
hat,  wie  für  das  Vermögen  von  staatlichen  Anstalten,  Gemeinden,  Religions- 
genossenschaften u.  dgl.  gebraucht  wird 3).     Diese  Geldkisten  waren  meist 

hölzern,  mit  Bronze  oder  Eisen  beschlagen4)  ; 
Reste  solcher,  mit  künstlerischen  Verzie- 
rungen, haben  sich  in  Pompeji  mehrfach 
erhalten  (vgl.  Fig.  36) 5). 

Während  die  arca  die  große  und  schwere 
Geldkiste  für  den  gesamten  im  Hause  auf- 
bewahrten Geldvorrat  war,  in  der  man  wohl 
auch   wichtige  Dokumente  u.  dgl.    aufbe- 
wahren mochte,  sind  loculi*),  worunter  man 
im  allgemeinen  transportable  Kästchen  mit 
Fächereinteilung  versteht 7),  im  besondern 
die  Geldkästchen8),  in  denen  man  so  viel 
Geld,  vermutlich  nach  den  Münzen  sortiert, 
aufbewahrte,  als  man  gerade  im  Augenblick  für  die  Bedürfnisse  des  Haus- 
halts brauchte 9).    Doch  kommen  sie  auch  als  Aufbewahrungsort  für  Kleider 
vor10).     Das  Material  war  teils  Holz11),  teils  Elfenbein12). 


Fig.  36.    Geldkiste  aus  Pompeji. 


J)  Vgl.  z.  B.  Afran.  bei  Fest.  359  a,  27.  Ca- 
tull.  23, 1 :  24. 5.  Cic.  off.  II 15, 52 ;  Parad.  6,44; 
Top.  3,16.  Hör.  sat.  1  1,66.  luv.  1,90;  3, 143; 
ebd.  181  u.  ö.  Mart.  176,5;  1130,4:  44, 9  u.  s. 
Senec.  de  benef.  IV  6, 1 ;  ep.  2,  6;  26,  8  u.  ö. 

*)  Donat.  ad  Ter.  Ad.  277  und  Phorm.  921. 
Vgl.  Petron.  53, 4:  in  arcam  relatum,  quod  col- 
locari  non  potuit,  wobei  die  Summe  sestertium 
centies  natürlich  lächerliche  Uebertreibungsein 
soll. 

3)  Näheres  s.  bei  Habel  a.  a.  0.;  Epi- 
graphisches bei  Ruggiero  Dizion.  epigr.  I 
627  ff. 

*)  App.  a.  a.  0.  luv.  11, 26:  14,  259. 

5)  Vgl. Saolio a.a.O. 363 Fig. 459 ff.  Over- 
beck  248 ;  425  u.  ö.  Mau  260  Fig.  133  (darnach 
unsere  Fig.  36);  310:  340. 

6)  Vgl.  über  die  mannigfaltige  Bedeutung 
des  Wortes  den  Artikel  loculi  von  Thedenat 
beiD.-S.  III 1292 ff.  Für  den  Verfertiger  kommt 
locularius  vor,  CIL  VI  9527  (wenn  loclar.  so  zu 
ergänzen  ist). 

7)  Isid.  or.  XX  9,3:  loculus  ad  aliquid  po- 
nendum  in  terra  fachte  locus,  seu  ad  vestesvel 
peeuniam  cuetodiendam,  unde  et  per  diminu- 
tionem  dicitur,  welche  Definition  aber  wohl  nur 
teilweiseder  ursprünglichen  Bedeutungund  An- 
wendung entspricht.  Man  vgl.dieloculataearcu- 
!'!>■  der  enkaustischen  Maler.  Varr.  r.  r.  III  17,4 
(dazu  die  noch  erhaltenenBeispielesolcherFarb- 
kasten,  s.  Thedenat  a.a.  O.  1294  Fig. 45 14 ff.): 


die  loculi  eburni  der  Aerzte  bei  0  vid.  fast.  V 1 74!» 
(mit  dem  Beispiele  bei  Thedenat  Fig.  45 1 3) ;  die 
Schmuckkästchen,  luv.  13, 139;  auch  wohl  die 
loculi,  in  denen  die  Schüler  ihre  Schreibuten- 
silien aufbewahrten.  Hör.  sat.  1 6, 74  (ep.  1 1 ,  56). 
All  das  spricht  dafür,  daß  die  Einteilung  in 
Fächer  das  Charakteristische  dieser  Kästchen 
war. 

8)  Der  Gegensatz  zwischen  loculi  und  arca 
tritt  am  besten  hervor  luv.  1,  89:  neque  enim 
loculis  comitantibus  itur  \  ad  casum  tabulae, 
posita  sed  luditur  arca.  Daß  beides  auch  iden- 
tisch gebraucht  worden  sei,  wIcThedenat  a.a.O. 
behauptet,  geht  aus  den  von  ihm  zitierten  Be- 
legstellen keineswegs  hervor. 

M)  Hör.  sat.  13, 17;  113,146:  ep.  II  1.175. 
Sen.nat.qu.II  31, 1 ;  52, 1 ;  rem.  fort.  10.3.  Mart, 
XIV  12.  luv.  10,  46:  11,  38.  Apul.  met.  IV  16. 
Digg.  XXXII  52,9.  Locelli,  Petron.  140.15. 
Mart.  XIV  13.  Verhält  sich  die  arca  zu  den 
loculi  wie  unser  Geldschrank  zur  Geldschwinge, 
so  entspricht  dann  der  sacculus  unserm  Porte- 
monnaie, Mart.  V  39,  7 :  excussi  loculosque  sac- 
culumque;  vgl.  XI  3,  6.  Catull.  13,  8.  Petron. 
a.  a.  O. 

10)  Plaut.  Men.  691.   Isid.  a.  a.  0. 

»)  Mart.  XIV  13.  Corp.  Gloss.  V  418,  60: 
loculo,  vase  ligneo. 

u)  Mart  XIV  12,  wo  die  loculi  eburnei  für 
Gold,  die  vilia  liqna  für  Silber  bestimmt  wer- 
den. Ov.  fast.  a.a.  0.   luv.  13, 139. 


Vierter  Abschnitt.    Der  Hausrat. 


131 


Eine  andere  Bedeutung,  als  die  arca,  hat  die  cista  (cistella,  cistula)1), 
die  nnserm  Wort  Kiste,  obschon  es  davon  herkommt,  nicht  ganz  entspricht 
und  eher  mit  Schachtel  übersetzt  werden  müßte.  In  der  Regel  ist  sie 
aus  Flechtwerk  hergestellt2)  und  meist  rund,  selten  viereckig3).  In  dieser 
Form  fand  sie  ihre  hauptsächlichste  Verwendung  als  Aufbewahrungsort 
für  Oliven,  Feigen,  Obst,  Rüben  u.  dgl.4),  jedoch  nicht  als  eigentliches 
Gerät  im  Hausgebrauch,  sondern  zur  Aufbewahrung  der  Dauer-  oder 
Winterware  und  zum  Versand  solcher.  Im  Haushalt  kommen  dann  cistae 
noch  in  verschiedenartiger  Verwendung  vor5):  für  Geld6),  Kleider7),  Bücher8), 
als  Reisekoffer9);  und  es  kommen  auch  cistae  von  solcher  Größe  vor,  daß 
ein  Mensch  darin  Platz  finden  konnte10).  Kleine  cistellae  wurden  zur  Auf- 
bewahrung von  Kostbarkeiten,  Schmuck  u.  dgl.  benutzt11).  Es  ist  jetzt 
üblich,  die  zylinderförmigen,  meist  aus  Bronze  gearbeiteten  und  künstlerisch 
verzierten  Gefäße12),  die  vornehmlich  in  Praeneste  gefunden  worden  sind 
und  zur  Aufbewahrung  weiblicher  Toilettengeräte  dienten13),  Cisten  zu 
nennen,  doch  fehlt  dafür  jeder  Beleg.  Anderweitige  Benutzung  von  cistae, 
wie  im  Kultus,  wo  sie  zur  Aufbewahrung  der  in  den  Mysterien  gebrauchten 
heiligen  Geräte  dienten  (die  sog.  cistae  mysticae)1*),  oder  wie  die  zur  Auf- 
bewahrung von  Stimmtäfelchen15),  gehört  nicht  hierher. 

Verwandt  damit  ist  die  capsa  {capsula,  capsella)16),  die  Zylinderform 
hat  und  aus  dünnen  Platten  gebogenen  Holzes  hergestellt  wird17).  Sie  ist 
der  gewöhnliche  Behälter  für  Bücher18),  kein  so  großer  wie  das  scrinium, 
vielmehr  nur  für  einige  wenige  Platz  bietend19);  daher  ist  sie  auch  der 
Behälter,  in  dem  die  Schulbücher  sind,  die  der  darnach  capsarius  benannte 
Sklave  dem  Knaben  nachträgt20).     Doch  kommt  die  capsa  auch  in  andrer 


')  Vgl.  über  die  mannigfaltige  Anwendung 
des  Wortes  Fernique  bei  D.-S.  1 1202.  Mau  bei 
P.-W.  III  2591. 

2)  Plin.  XVI  209  führt  eine  Anzahl  Sträu- 
cher an,  von  denen  er  sagt:  omnes  ad  cistas 
quaeque  flexili  crate  c<>>is/<oit  (utilissitnae);  vgl. 
XV  60  Ov.  met.  II  554:  texta  de  vimine  cista. 
Plaut.  Rud.  1109:  cistella  caudea,  vgl.  Fest. 
46. 11 :  caudeae  cistellae  er  Iiinco.  Corp.  Gloss. 
V  14. 18  (53, 12):  caudeam  iunceam. 

3)  Colum.  XII  56,  2:  quadrata  cista  vi- 
minea. 

*)  Plin.  XV  60.  Colum.  a.  a.  O.  Pallad.  IV 
10.  34.  Mart.  IV  46, 13;  XIII  36:  cistella  oli- 
varxm. 

5)  Als  Hausrat  schlechthin  genannt  luv. 
6,44:  7.11.   Digg.XVI3. 1.41. 

•)  Cic.Verr.  11185,197. 

;)  Quint.  VIII  3, 19. 

8)  luv.  3, 206,  aber  zum  Aufheben  für  ge- 
wöhnlich nicht  benutzbar,  also  nicht  ein  Ersatz 
für  armaria  oder  scrinia. 

9)  Hör.  ep.  117,54. 
10)  luv.  6.  44. 

n)  Plaut.  Cistell.  637  u.ö.;  Rud.  1109  (wo 
die  cistella  caudea  als  Binsengeflecht  gedeutet 
wird,  Schoell  z.  d.  St.);  Amph.  773.  Ter.  Eun. 
753.  Daher  heißt  die  Sklavin,  die  solche  unter 
sich  hat,  cistellatrix,  Plaut.  Trin.  252. 


12)  Ueber  diese  ist  vornehmlich  zu  vgl. 
Schöne  A.  d.  I.  XXXVIII  (1866)  151 ;  XL  (1868) 
413.  Friederichs  Berlins  ant.  Bildw.  II 125  ff. 
Schumacher  Eine  praenest.  Cista  im  Mus.  zu 
Karlsruhe,  Heidelberg  1891.  MAua.a.0. 2593  ff. 

13)  Das  erweist  der  vielfach  darin  gefundene 
Inhalt,  als  Spiegel,  Striegeln,  Kämme,  Schmink- 
büchschen.  Spangen  u.  a.  m. ;  s.  Schöne  A.  d.  I. 
XXXVIII 194.   Mau  2594. 

u)  Vgl.  Mau  a.  a.  O.  und  Lenormant  bei 
D.-S.  1 1205  ff. 

15)  Auct.  ad  Her.  I  12, 21.  Sisenna  bei  Non. 
91,24.  Plin.  XXXIII  31. 

16)  Vgl.  Saglio  bei  D.-S.  I  911  f.  Mau  bei 
P.-W.  III 1553. 

17)  Plin.  XVI  229:  facilis  et  fagus,  quam- 
quam  fragilis  et  tenera  eadem  sectilibus  la- 
mnis  in  tenui  flexilis  capsisque  ac  scriniis  s<>/tr 
utilis.  Die  Form  geht  auch  daraus  hervor,  daß 
capsa  griech.  xäfuiToa  oder  xä/uiioor  ist,  Corp. 
Gloss.  VI  79. 

18)  Cic.div.  in  Caec.  16,51.  Hör.  sat.  1 4, 22 : 
10,  63;  ep.  II  1,  268.  Digg.  XXXIII  10,  3, 1  f. 
Paul.  sent.  III  6.  67. 

19)  Catull.  68,  36:  huc  una  ex  multis  Ca- 
psula me  sequitur. 

20)  luv.  10,117.  Suet.  Nero  36.  Digg.  XL 
2, 13.  Den  capsarius  CIL  V  3158  faßt  Dessau 
7628  als  Fabrikanten. 

9* 


132 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


Anwendung  vor,  so  zur  Aufbewahrung  von  Obst,  wie  die  cista1),  vielleicht 
auch  für  Schmucksachen  u.  dgl.2) 

Die  gebräuchlichsten  Bücherbehälter  aber  sind  die  scrinia,  die  als 
solche  ungemein  häufig  erwähnt  werden3).  Wie  sie  sich  von  den  capsae 
unterschieden,  denen  sie  in  Bezug  auf  Material  und  zylindrische  Form 
glichen4),  läßt  sich  nicht  sicher  sagen;  daß  sie  aber  nicht  völlig  identisch 
waren,  geht  daraus  hervor,  daß  Plinius  beide  nebeneinander  nennt5). 
Wahrscheinlich  sind  sie  umfangreicher  gewesen  und  konnten  mehr  Rollen 
aufnehmen,  als  die  capsae6).  Sie  dienten  sodann  auch  für  andere  Schrift- 
stücke, für  Briefe7),  amtliche  Dokumente8)  und  Manuskripte  überhaupt9); 
daher  waren  sie  zum  Verschließen  eingerichtet  und  wurden  gelegentlich 
auch  versiegelt10),  was  darauf  führt,  daß  sie  meist  einen  Deckel  hatten. 
Auch  die  Buchhändler  hoben  ihre  Büchervorräte  in  scrinia  auf11),  ja  es 
scheint  sogar,  als  ob  selbst  die  Fischhändler,  die  alte  Bücher  als  Makulatur 
erstanden  und  zum  Einpacken  ihrer  Waren  benutzten,  sie  in  scrinia  dastehen 
hatten12).  Andere  Verwendung,  als  für  Bücher,  scheinen  die  scrinia  nicht 
gefunden  zu  haben13). 

Wir  gehen  nun  zu  den  Beleuchtungsgeräten  über14).  Wenn  wir 
davon  absehen,   daß   in   der   alten  Zeit   und    später   noch   auf  dem  Lande 


')  Plin.XV65;ebd.82.  Mart.XI8,3.  Digg. 
XXXIII  7, 12,1. 

«)  SofaßtMAua.a.O.  Vopisc.  Aurel  31,8: 
habes  trecentas  aurilibras  deZenobiae  capsulis, 
und  Sen.  ep.  115,2:  iuvenes  barba  et  coma  ni- 
tidus, de  Capsula  omnes;  doch  weiß  man  gar 
nicht,  was  jene  capsulae  der  Zenobia  waren, 
und  die  sprichwörtliche  Wendung  bei  Seneca 
entspricht  unserem  „wie  aus  der  Schachtel". 
Daß  auch  kleine  Kapseln,  in  denen  sich  Kost- 
barkeiten befanden,  die  man  aber  am  Halse 
trug,  capsulae  hießen,  zeigt  Petron.  67,9;  an- 
dere Anwendung  des  Wortes  s.  Gell.  X  15. 14. 
Plin.  XXX  102.  Senec.  lud.  3,4. 

3)  Hör.  sat.  I  1, 120;  ep.  II  1, 113.  Ov.  ex 
Pont.  11.24.  Sen.  ep.  27,  7.  luv.  6.278.  Mart. 
T  3,2;  VI  64,10;  XIV 37.  Plin.ep.  V5.5.  Corp. 
Gloss.  1 1 1  327, 24 :  scrinium  ßißhoqxigiov.  In  der 
späteren  Kaiserzeit  ist  scrinia  etwa  s.  v.  a.  Bu- 
reau, Cod.  Theod.  VI  26, 1.  Vgl.  Lecrivain  bei 
D.-S.  IV  1124.  Scriniarius  für  den  Verfertiger 
CIL  VI  9885.  Dessau  7629. 

4)  Das  zeigen  die  häufigen  Darstellungen 
solchci XV-////V/  in  Skulptur  und  Malerei,  s  Roux 
und  Barre  III  3;  IV  36;  vgl.  auch  Ov.  trist. 
I  1, 106:  scrinia  curva. 

6)  Plin.  XVI  229. 

fi)  Vgl.  Mart.  IV  33, 1 :  plena  laboratis  scri- 
nia libris ;  ebd .12,4:  scrinia  da  magn i»  (//bris). 
Rich  553  glaubt,  das  scrinium  sei  eine  capsa 
gewesen,  die  in  eine  Anzahl  besonderer  Fächer 
eingeteilt  war,  und  so  sei  Bach  das  scrinium 
nnyuentorum  in  einzelne  Fächer  zur  Aufnah- 
me von  Büchsen  abgeteilt  gewesen:  aber  s. 
unten  A.  13. 

7)Sall.Cat.46,6.  Sen. dial. III  23.4.  Plin. 
VII  94. 


8)  Vopisc.  Aurel.  9, 1 :  scrinia praefecturai 
urbanae;  daher  gab  es  bei  den  Kaisern  eigene 
Beamte  dafür,  scriniorum  principes,  Lampr. 
Alex.  Sev.  15.6;  vgl.  ebd.  26,6:  magister  scri- 
nii:  ebd.  31,1:  qui  scrinium  curabant.  Vgl. 
Hirschpeld  Kaiser].  Verwalt.  I  210;  über  die 
kaiserlichen  scriniarii  ebd.  II  320  A.  1 ;  326 
A.  1 :  337  A.  3;  vgl.  auch  CIL  X  527. 

,J)  Suet.  Nero  47.  Val.  Max.  VI  5, 6.  Daher 
wird  scrinium  Corp.  Gloss.  II 532. 6  und  475. 55 
mit  yaQToih'jy.i]  oder  yaorocpv/.äxior  übersetzt. 

,ö)  Val.  Max.  a.  a.  Ö.   Mail.  I  66,  6. 

")  Catull.  14,17. 

V2)  Darauf  deutet  Mart.  IV  86, 10:  si  (fand 
naverit,ad  salariornm  curras scrinia protinua 
licebit. 

u)  Eine  Ausnahme  könnte  scheinen  Plin. 
VII 108,  wonach  Alexander  d.  Gr.  ein  von  Da- 
rius  erbeutetes  unguentorum  scrinium,  quod 
erat  auro  margaritis  gemm isque  pretiosum,  zur 
Aufbewahrung  der  Gesänge  Homers  bestimmte 
(vgl.  ebenda  XIII  3);  allein  hier  ist  die  Benen- 
nung scrinium  wohl  nur  gewählt,  weil  der  König 
das  für  Salben  bestimmte  kostbare  Gefäß  zum 
scrinium  gemacht  hatte. 

14)  Vgl  Becker-Göll  II 389  ff.  Marquardt 
642  ff.:  710  f.  Loriquet  Essai  sur  l'eclairage 
chez  les  Romains,  Reims  et  Paris  1853.  J.  M. 
Miller  Die  Beleuchtung  im  Altertum  (Progr. 
der  Studienanstalt  Aschaffenburg),  Würzburg 
1886.  E.  Caetani-Lovatelli  I  lumi  e  le  lumi- 
narie  nell'  antichitk  (Nuova  Antol.  Ser.  3.  Vol, 
XXII).  Roma  1889.  Ueber  die  Mittel  zur  Ent- 
zündung des  Feuers  vgl.  M.  Planck  Die  Feuer- 
zeuge der  Griechen  und  Römer  und  ihre  Ver- 
wendung zu  profanen  und  sakralen  Zwecken. 
Stuttgart  1884. 


Vierter  Abschnitt.    Der  Hausrat. 


1133 


das  Herdfeuer  wie  Wärme  so  auch  das  zur  Vornahme  ländlicher  Arbeiten 
nötige  Licht  spenden  mußte1),  so  handelt  es  sich  vornehmlich  um  drei 
zur  Beleuchtung  dienende  Gegenstände:  Fackeln  oder  Kienspäne,  Kerzen 
und  Lampen2).  Eine  gemeinschaftliche  Benennung  für  alle  diese  Arten 
gibt  es  nicht,  doch  umfaiät  das  vom  Griechischen  herübergenommene,  vor- 
nehmlich bei  Dichtern  beliebte  latnpas9)  im  wesentlichen  die  beiden  ersten 
Arten  im  Gegensatz  zur  Lampe1),  bedeutet  aber  besonders  die  Fackel5), 
zumal  die  Hochzeitsfackel0);  seltener  kommt  es  in  der  Bedeutung  eines 
Kerzen-  oder  Fackel  halte  rs  vor7).  Von  den  Fackeln  nun,  die  nicht  zur 
eigentlichen  Hausbeleuchtung  zu  rechnen  sind,  aber  in  gewissen  Fällen, 
wie  nächtlichem  Heimweg,  Hochzeiten,  Begräbnissen  u.  a.,  zur  Anwendung 
kommen,  wird  an  anderer  Stelle  zu  handeln  sein;  und  wenn  auch  der 
Kienspan  (taeda,  fax)  in  alten  Zeiten  im  römischen  Hause  die  Beleuchtung 
bewirkt  haben  mag  und  später  noch  im  Bauernhause  sich  dieser  Gebrauch 
erhalten  hatte8),  so  spielt  er  doch  im  Hausgerät  keine  Rolle.  Zur  Be- 
leuchtung des  Wohnhauses  dienten  also  wesentlich  Kerzen  und  Lampen. 
Die  Kerzen,  candelaed),  die  die  Griechen  nicht  gekannt  zu  haben  scheinen10), 
galten  den  Römern  als  ältestes  Beleuchtungsmaterial,  das  vor  Erfindung 
der  Lampen  üblich  war11),  zumal  angeblich  der  Olbau  in  Italien  zur  Zeit 
des  Tarquinius  Priscus  noch  nicht  heimisch  gewesen  sein  soll12);  doch 
unterliegt    diese    Tradition    gewissen    Bedenken13).     Vielleicht   haben    die 


')  Miller  a.  a.  0.  13. 

-)  Apul.  met.  IV  19:  taedis  lucernis  cereis 
sebaciis  et  ceteris  nocturni  luminis  instrumentis 
elarescunt  tenebrae.  Vgl. auch  Prudent.cathem. 
V  13 :  pinguis  quodöleirore  madentibus  lychnis 
aut  facibus  pascimus  aridis :  quin  et  fila  scirpea 
floreis  |  presso  melle  prius  conlita  fingimus. 
Vivax  flammet  viget,  seu  cava  testula  \  sueum 
linteolosuggeritebrio,  seupinuspiceatnfertali- 
moniam   seu  ceram  teretem  stuppa  calens  bunt. 

3)  Vgl.  Toutain  bei  D.-S.  III  914. 

4 )  Daß  latnpas  wie  im  Griech.  laftads  den 
Gegensatz  zu  /.r/roc,  lucerna  bildet,  hebt  Tou- 
tain a  a.  0.  mit  Recht  hervor.  Beweisend  ist 
auch,  daß  die  Glossen  es  durch  faces  oder  can- 
delae,  nie  durch  lucerna  erklären, s.  Corp.  Gloss. 
111219,42;  234,39;  653.11:  IV  103,45  u.  ö. 

5)  Cic.  Verr.  II  47, 115.  Lucr.  II  24.  Verg. 
Aen.  IX  535.  Ov.  met.  IV  402;  fast.  IV  493;  ex 
Pont.  III  3.  60.  Stat.  silv.  IV  8,  51 ;  Theb.  VIII 
467.  Bei  Ov.  met.  XII  246:  primus  ab  aede 
lampadibus  densum  rapuit  funale  coruscis  hat 
mau  wohl  auch  an  Fackeln  zu  denken,  da 
Kerzen  bei  der  Hochzeit  des  Peirithoos  doch 
ein  zu  arger  Anachronismus  wären.  Ueber 
Fackeln  im  allgemeinen  vgl.  Pottier  bei  D.-S. 
II  1025  ff. 

6)  Ter.  Ad.  907.  Ov.  her.  12,138;  14,25. 
Stat.  silv.  12.4. 

7)  So  luven.  3, 287,  wo  eine  aenea  latnpas 
zum  Heimleuchten  dient:  ferreae  lampades  bei 
Golum.XII  18,5. 

8)  Verg.  ecl.  7.4'.):  hie  foeüs  et  taedae  pin- 
gues,  hie  plurimus  ignis     semper  et  adsidua 


/)Ds/,:s  fuliginc  nigri.  Daher  ist  das  Kienspan- 
schneiden eine  gewöhnliche  ländliche  Beschäf- 
tigung, Verg.  Georg.  1  291 :  et  quidant  serös  hi- 
berni  ad  luminis  ignis  \  perbigilat  ferroque 
faces  inspicat  acuto;  cf.  faces  ineidere  bei  Plin. 
XVII 1233.  Colum.1121,3. 

s)  Vgl.  Saglio  bei  D.-S.  1  869.  Mau  bei 
P.-W.  III 1460.  Blümner  Technologie  II 159  ff. 

10)  Es  gibt  kein  griechisches  Wort  dafür; 
Ath.  XV  701  Bsagt*«;  drjXa,  ebensoSuid.s.  h.v.; 
Schol.  Nie.  Ther.  763  nennt  ein  Insekt  xarbn- 
looßsozys-  Die  Glossen  übersetzen  candela  mit 
Xa^uiTtjo,  qrarog  oder  xrjQiotr,  Corp.  Gloss.  VII 
173;  letzteres  entspricht  dem  lat.  cereus,  das 
auch  Plut.  qu.  Rom.  2  p.  263F  durch  xngio»' 
wiedergibt. 

")  Varr.  1.1.  V  119:  candelabrum  a  can- 
dela, ex  liis  cii im  funieii/i  ardente»  flgebatttw. 
Lucerna  post  inventa,  quae  dieta  a  luce  ant 
quod  id  vocant  Graeei  /.i-yvor.  Mart.  XIV  48 
vom  candelabrum:  nomina  eandelae  nobis  an- 
Hgua  dederunt:  |  non  norat  parcos  uneta  lu- 
cerna patres. 

'*)  Plin.  XV  1 :  Fenestella  omnino  {oleum) 
non  fuisse  in  Ituliu  Hisjianiuque  auf  Africa 
Tarquinio  Prisco  regnante,  ab  annis  populi 
Bomani  CLXXIII;  doch  ist  diese  Nachricht, 
wieHEHN  Kulturpfl. u. Haustiere6 107 bemerkt, 
vielleicht  ein  Echo  von  Herod.  V  82,  der  be- 
richtet, daß  manche  behaupteten,  es  sei  noch 
nicht  lange  her,  daß  es  nirgends  Ölbäume  ge- 
geben habe,  als  in  Athen. 

'»)  Mau  bei  Marquardt  642  A.  6  bemerkt, 
daß    man  ja    in  Lampen  auch  Fett  brennen 


134 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


Römer  sie  von  den  Etruskern  übernommen,  auf  deren  Bildwerken  sie  uns 
begegnen1).  Jedenfalls  finden  wir  sie  in  der  historischen  Zeit  ganz  ver- 
breitet, und  zwar  im  Gegensatz  zur  Lampe  als  Beleuchtungsmittel  der 
Ärmeren2),  sowohl  im  Hause,  wie  auf  der  Straße3).  Es  gab  von  den 
Kerzen  je  nach  Material  des  Dochtes  und  des  Brennstoffes  verschiedene 
Arten.  Zum  Docht  (filum)*)  benutzte  man  das  Mark  einer  Binsenart 
(scirpus),  das  mit  Talg  oder  Wachs  bestrichen  wurde5),  oder  man  nahm 
mehrere  derartige  Faserdochte  oder  solche  aus  Hanf,  Werg,  Papyrus  u.  dgl. 
und  drehte  sie  zusammen  zu  funes  (funicidi),  die  dann  mit  Wachs  umgeben 
eine  Art  Wachsfackel  oder  dickere  Kerze  abgaben6),  für  die  auch  der 
Name  funale  vorkommt7)  und   die  speziell,  wenn  Wachs   das  Material   ist, 


konnte,  sowie  daß  in  dem  ältesten  Teil  der 
Nekropole  von  Alba  Longa  Lampen  gefunden 
worden  sind,  nach  de  Rossi  A.  d.  I.  XXXIX 
(1867)  53;  vgl.  Mon.  d.  1.  VIII  37  Fig.  61.  An- 
drerseits muß  aber  hervorgehoben  weiden,  daß 
die  ältesten  Lampen,  die  bis  jetztauf  römischem 
Boden  gefunden  worden  sind,  der  Nekropole 
vom  Esquilin  angehören,  und  daß  nach  Dressel 
A.d.  I.  LH  (1880)  266  ff.,  mit  tav.  d.'agg.  0, 
der  sie  für  kampanischen  Import  hält,  keine 
darunter  älter  ist,  als  ungefähr  300  v.  Chr. 

')  Vgl.  Conestabile  Pitture  murali  scop. 
presso  Orvieto  tav.  XI.  Blümner  Kunstgew. 
im  Altert.  II  74  Fig.  33;  dazu  kommen  die 
zahlreichen  noch  erhaltenen  Bronzeleuchter, 
die  deutlich  für  Kerzen  bestimmt  sind,  s. 
unten. 

2)  Mart.  XIV  40  nennt  die  candela  die 
ancllla  lucernae. 

;t)  luv.  3,  286:  me,  quem  luna  solet  dedu- 
cere  vel  breve  lumen  candelae  cuius  dispenso 
et  tempero  filum.  Es  muß  dahingestellt  bleiben, 
ob  hier  an  eine  Laterne  mit  candela  oder  an 
eine  dickere,  in  einem  Halter  getragene  Kerze 
zu  denken  ist.  Candelae  bei  der  Bestattung 
Pers.  3. 103. 

4)  luv.  a.a.O.  Maecen.  b.  Sen.  ep.  114, 5: 
tenuiwe  cerei  fila. 

B)  Plin.  XVI 178:  scirpi  fragiles  palustres- 
que  ....  detracto  cortice  candelae  luminibus  et 
funer ibus  (wofür  vielleicht  funalibus  zu  lesen 
ist)  serviunt ;  vgl.  Anth.  Pal.  VI  249, 1 :  lafuräda 
xnQoytTwva,  .  .  .  o/oirtn  y.cd  kenxj}  of/iyyo/usvnv 
jiajtrofo.  Anth.  Lat.  1 103  n.  94  (Riese):  lenta 
paludigenam  vestivit  cera  papyrum;  ebd.  n.95. 
Prudent.  cathem.  V  15  (s.  oben  S.  133  A.  2). 
Paulin.  Nol.  carm.  XIX  41 1 :  lumina  ut  inclusis 
reddantur  odora  papyris. 

6)  Varr.l.l.V119(obenS.133A.ll);ders. 
bei  Serv.  ad  Aen.  1 727.  an  einer  freilich  arg  ver- 
dorbenen Stelle:  facibus  auf  candela  simplici 
. . .  (tut  es  cd  fiiniculo  facto  (Thilo  vermutet: 
facibus  aut  candela  simplici,  er  cera  aut  ex  sebo 
et fiiniculo  facta).  Dazu  bemerkt  ServiuH  :funa- 
lia  sunt  quae  intra  ceram  sunt,  dieta  afumhus, 
quos  aiiti'  äs, na  papyri  cera  circumdatos  ha- 
buere  maiores:  unde  et  funera  dieuntur,  quod 


funes  incensos  mortui»  praeferebant.  Ebenso 
Isid.  or.  XX  10,5,  der  noch  dazu  bemerkt:  fu- 
nalia autem  Graeci  scolaces  dieunt,  quod,  sint 
scoliae,  id  est  intorti.  hos  Romani  funes  et  fu- 
nalia nominabant. 

7)  Ueber  funale  und  seine  verschiedenen 
Bedeutungen  s.  Miller  a.  a.  O.  17.  G.  Lafaye 
bei  D.-S.  II 1360.  Danach  bedeutet  funale  zu- 
nächst die  Fackel  selbst,  so  Hör.  carm.  III 26, 7 : 
wohl  auch  Verg.  Aen.  I  727:  noctem  flammis 
funalia  vineunt.  Claud.  carm.  X  206 :  funalibus 
ordine  duetis  \  plurima  venturae  suspendite 
lumina  nocti.  Corp.  Gloss.  II  74, 19  Xa/Ajrddiov; 
als  solche  werden  sie  vom  cereus  geschieden  in 
der  Inschrift  CIL  II  5439  1.  21;  doch  konnten 
jedenfalls  auch  starke  Kerzen  so  bezeichnet 
werden,  da  die  Glossen  auch  die  Erklärung 
candelae  in  modum  funium  intortae  geben,  V 
203, 32,  ja  sie  direkt  durch  cerei  erklären,  ebd. 
619,44;  634,54;  vgl.  oben  Isid.  a.  a.  O.  Sodann 
ist  funale  ein  Leuchter  für  solche  Kerzen,  und 
in  dieser  Bedeutung  gebraucht  bei  Ov.  met.  XII 
246 :  primus  ab  aede  j  lampadibus  densum  ra- 
puit  funale  coruscis;  vgl.  Isid.  a.  a.  O.:  funalia 
candelabra  apud  veteres  extantes  stimulos  h<i- 
buerunt  aduncos,  quibus  funiculi  cera  vel  huius- 
cemodi  alimento  luminis  obltta  figebantur.  Odern 
i/injiie  et  Stimuli  praeacuti  funalia  dicebantur. 
Daher  wird  funale  auch  in  den  Glossen  durch 
candelabrum  erklärt,  Corp.  Gl.  V  458, 1 2 ;  502 . 2. 
Welche  von  diesen  Bedeutungen  gemeint  ist, 
läßt  sich  freilich  oft  nicht  ausmachen;  so  kann 
es  eine  Fackel  oder  Kerze  mit  Halter  bedeuten, 
wenn  von  C.  Duilius  berichtet  wird,  daß  er 
die  Ehrung  erhielt,  sich  nachts  von  einem  fu- 
nale heimleuchten  zu  lassen.  Liv.  epit.  XVII. 
Sil.  It.  VI  667.  Flor.  1 18  (II  2, 10).  Aur.  Vict. 
vir.ill.38,vgl.dielnschr.HüLSENR.M.V(1890) 
305.  Gatti  Bull,  comun.  XIX  (1891)  165.  End- 
lich bedeutet  es,  wie  aus  Isidor  hervorgeht, 
auch  speziell  den  Stachel  zum  Anstecken  der 
Kerze;  so  auch  Donat.  ad  Ter.  Andr.  I  1,88: 
(funus)  quod  a  funalibus  dictum  est,  -i.e.  uncis 
vel  euneis  candelabroruni,  quibus  delibuti  funes 
pice  vel  cera  infiguntur.  Auch  dies  bestätigen 
die  Glossen,  V  634,  54:  candelae  vel  uncini  ad 


Vierter  Abschnitt.    Der  Hausrat. 


13! 


funales  cerei1)  oder  schlechtweg  cerei  heißen2).  Diese  eerei  galten  als  die 
bessern  und  teureren  Kerzen,  die  der  gewöhnlichen  candela  entgegengesetzt 
werden3);  es  gab  auch  dafür  besondere  Leuchter,  die  ceriolaria  liietien4). 
Es  scheint  aber,  dal.*  sie,  obschon  sie  als  Saturnaliengeschenke  besonders 
beliebt  waren5),  im  Hause  selbst,  abgesehen  von  den  Saturnalien,  an  denen 
man  sie  anzündete,  weniger  Anwendung  fanden,  als  außerhalb:  man  be- 
diente sich  ihrer,  um  sich  heimleuchten  zu  lassen G),  sie  wurden  zu  Kultus- 
zwecken7), bei  Hochzeiten8),  namentlich  aber  neben  Holzfackeln  auch  bei 
Begräbnissen  gebraucht9).  Billiger  und  daher  wohl  vornehmlich  vom 
gemeinen  Mann  gebraucht  waren  die  Talgkerzen,  sebaceae10);  sie  werden 
zwar  unter  diesem  Namen  selten  erwähnt,  es  ist  aber  anzunehmen,  daß 
überall,  wo  die  candela  im  Gegensatz  zum  cereus  erscheint,  eben  eine 
solche  einfache  Kerze  gemeint  ist11). 

Gebräuchlicher  im  Haushalte,  als  die  Kerzen,  waren  die  Lampen, 
lucernaeJ2),  seltner  und  meist  poetisch  mit  dem  griechischen  Namen  li/chni 
genannt13).  Sie  dienten  bei  den  mannigfaltigsten  Gelegenheiten  zur  Beleuch- 
tung, vornehmlich  bei  der  Mahlzeit14),  beim  Studium15),  als  Nachtlampe16), 
in  den  Bädern  usw.17)  Diese  verschiedenartige  Benutzung  hatte  zwar  eine 
große  Mannigfaltigkeit  in  Form,  Ausstattung  und  Material  der  Lampen 
zur  Folge,  doch  war  die  Konstruktion  resp.  das  Brennprinzip  das  ganze 
Altertum  hindurch  (und  im  wesentlichen  auch  in  der  Folgezeit  bis  zur 
Erfindung    des   röhrenförmigen  Dochtes   und  des  Glaszylinders18))  dieselbe 


')  Varr.  a.a.O.  Cic.  de  sen.  13,44:  «7. 
Duilius]  delectabatur  crebro  funali  et  tibicine, 
wo  vielleicht  (mit  Mommsen  Rom.  Staatsr.'2  I 
408  A.  6)  cereo  für  crebro  zu  schreiben  ist,  mit 
Rücksicht  auf  Val.  Max.  111  6,  4:  (C.  Duilius) 
ad  funalem  cereum,praeeunte  tibicine  et  fidicine 
(i  cena  domum  reverti  solitus  est.  Vgl.  den  Ar- 
tikel funalis  von  Lafaye  a.  a.  0. 1360  ff. 

2)  Plaut.  Cure.  9.  Maecen.  b.  Sen.  a.  a.  0. 
Digg.  XXXIII  9,  3,  9, 

3)  Festus  54, 16:  cereos  Saturnalibus  mu- 
tiert'dubaut  h  hm  Mores  potentioribus,  quia  can- 
delis  pauperes,  locupletes  cereis  utebantur.  So 
stehen  candela  und  cereus  Mart.  XIV  40  u.  42 
im  Gegensatz;  sie  sind  aber  beide  Geschenke 
Aermerer  an  Reiche,  s.  Fkiedländer  ebd.  277. 

4)  Inschriftlich,  s.  CIL  VI  18;  9254;  30972. 

5)  Fest.  a.a.O.  Mart.  1 11,48;  III  18,2;  X 
87,  5.  Eine  Erklärung  für  den  Brauch  versucht 
Macr.  sat.  I  7,  32. 

6)  Diese  Anwendung  meint  Mart.  XIV  42 
mit  seiner  Devise:  hie  tibi  nocturnos  prae- 
Btabit  cereus  ignes.  Dazu  konnte  man  die  Kerze 
entweder  in  eine  Laterne  stecken  oder  offen 
in  einem  ceriolare  tragen. 

7)  Cic.  de  off.  11120,80. 

8)  Plut.  qu.  Rom.  2  p.  263  F. 

9)  Sen.  dial.  1X11,7;  X,20,5;  ep.122,10. 
10)  Apul.  met.  IV  19;    faces   sebales   bei 

Amm.Marc.XVIlI6,15.  Colum.  II  21,  3  nennt 
candelas  sebare  als  ländliche  Beschäftigung. 
Die  sebacearia,  die  bloß  inschriftlich  nach- 
weisbar sind  (CIL  VI  2998  ff.;  vgl.  Pellegrini 


B.  d.  1. 1867,  8  ff.)  sind  nicht  Leuchter  für  Talg- 
lichter, sondern,  wie  Henzen  ebd.  30  meint,  ein 
mit  Anzünden  von  Talglichtern,  als  einer  Art 
Illumination,  verbundenes  Fest, vgl.  dens.A. d.i. 
XL  VI  (1874)  172  ff.  Besnier  bei  D.-S.  IV  1162. 
n)  Daher  auch  candela  simplex,  Varr.  b. 
Serv.ad  Aen.I  727.  Daß  auch  Pech  in  solcher 
Weise  zum  Bestreichen  von  fiin  iculi.  verwendet 
wurde,  zeigt  Donat  a.  a.  O.,  doch  dürfen  solche 
nicht  mit  den  eigentlichen  Pechfackeln,  die 
aus  pechgetränktem  Holze  bestehen,  verwech- 
selt werden. 

12)  Vgl.  Walz  bei  Pauly  IV  1161  ff.  Tou- 
tain  bei  D.-S.  III 1320  ff. 

13)  Enn.  und  Lucil.  bei  Macr.  sat.  VI  4. 18. 
Lucr.  V  295.  Verg.  Aen.  1 726.  Stat.  Theb.  I  521. 
Sid.  Ap.  ep.  IX 13, 5  v.  49 ;  in  Prosa  Cic.  p.  Cael. 
28, 67. 

14)  Hör.  carm.  1 27,5 ;  III 8, 14.  Petron.  64. 2. 
Mart.X  19,18.  luv. 6.305.  Apul.met.IIll;XI  10. 

15)  Mart.  IV  3,  18.  luv.  1,  51 ;  auch  in  den 
Schulstuben,  ebd.  7,  225. 

16)  Als  lucerna  cubicularis,  Mart.  XIV  39; 
vgl.  ebd.  X  38.  7.   Hör.  carm.  III  21,  23. 

17)  Mart.  III 93, 14;  in  Pompeji  fand  man  in 
den  alten  Bädern  gegen  tausend  Lampen.  Lam- 
penimBordellIuv.6,131.Mart.XII61,8.  Ueber 
die  zahlreichen  Gelegenheiten,  bei  denen  Lam- 
pen zur  Verwendung  kamen,  handelt  unter  Bei- 
bringung vieler  Belegstellen  Miller  a.a.O.  29  ff. 

ls)  Durch  Aime  Argand  im  Jahre  1789,  vgl. 
G.  Lunge  Beleuchtung  sonst,  jetzt  und  einst. 
Zürich  1900.  S.  12. 


136 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


ungemein  einfache  und,  wegen  des  dabei  sich  entwickelnden  Rauches  und 
Kusses1)  sowie  wegen  der  Notwendigkeit,  öfters  wieder  frisches  Öl  nach- 
zugießen ,  weil  die  Behälter  nicht  für  längere  Zeit  ausreichten 2) ,  sehr 
wenig  praktisch.  Die  Grundform  ist  ein  meist  flacher  Ölbehälter,  in  den 
das  Öl  durch  ein  an  seiner  obern  Fläche  angebrachtes  Loch  eingegossen 
wird 3) ,  und  die  aus  dem  Ölbehälter  etwas  vorstehende  Schnauze  oder 
Tülle,  die  bald  mit  dem  griechischen  Namen  mt/xa4),  bald  mit  dem 
entsprechenden  lateinischen  rostrumb)  genannt  wird.  Das  zum  Eingießen 
des  Öles  bestimmte  Loch  hatte  vielfach  noch  einen  besondern  Deckel,  durch 
den  es  verschlossen  werden  konnte,  der  freilich  in  den  meisten  erhaltenen 
Exemplaren  verloren  gegangen  ist6);  bisweilen  befindet  sich  in  der  Nähe 
noch  eine  zweite  Öffnung,  die  dazu  bestimmt  ist,  entweder  den  Docht 
vermittelst  einer  Nadel7)  (wie  sich  solche,  in  Kettchen  an  der  Lampe 
befestigt,  noch  erhalten  haben8))  vor-  oder  zurückzuschieben,  oder  auch, 
um  den  nötigen  Luftdruck  zu  vermitteln,  wenn  das  Eingußloch  durch  den 
Deckel  geschlossen  war;  vgl.  Fig.  37 9).  Die  meisten  Lampen  haben  bloß 
eine  einzige  Schnauze,  doch  gab  es  daneben  zahlreiche  mit  zwei,  drei  und 
mehr  Schnauzen10),  wie  sich  denn  solche  bis  zu  sechzehn  erhalten  haben11) 
und  eine  mit  zwanzig  erwähnt  wird12).  Viele  Lampen,  die  nicht  vom  Platz 
getragen  werden  sollten,  haben  nur  diese  Bestandteile;  die  meisten  aber 
haben,  da  sie  transportiert  werden  mußten,  einen  Griff  oder  Henkel,  der 
an  den  einfacheren  Exemplaren  oft  nur  ein  Ring,  an  besseren  kunstvoll  mit 
Palmetten,  Ranken  u.  dgl.  verziert  ist;    diejenigen  Lampen,   die   zum  Auf- 


')  Darüber  wird  oft  geklagt,  vgl.  Vitr.  VII 
3.4;4,4.  Plin.  XXVIII 163.  luv.  6, 131 ;  11, 172. 
Senec.  controv.  I  2,  21.  Mart.  XII  61,8. 

»)  Vgl.  Petron.  21,  3  u.  6.  Apul.  met.  II  24. 

3)  Es  ist  ungewiß,  ob  die  bronzenen  Känn- 
cben  mit  länglichem,  röhrenartig  zulaufendem 
Schnabel  bei  Roux  und  Barre  VI  70  dazu  be- 
stimmt waren,  frisches  Oel  auf  die  Lampen  zu 
gießen,  wie  ebd.  S.  65  und  bei  Becker-Göll  397 
angenommen  wird. 

4)  Mart.  XIV  41,  2. 

5)  Plin.XXVIIl  163.  Marquardt  643  A.6 
vermutet,  sie  habe  auch  nasus  geheißen,  wie 
die  .Schnauzen  an  Töpfen  und  Bechern;  Beleg- 
stellen dafür  liegen  nicht  vor. 

6)  Erhalten  z.  B.  Roux  und  Barre  VI  32; 
36  ff. 

7)  Acus,  Verg.  Mor.  10:  admovet  his  pro- 
nam  aubmdssa  fronte  lucernam  \  et  producä 
acu  stuppas  umore  carentis. 

8)  Vgl.  Roux  und  Barre  VI  34;  39;  44.  Mau 
Pompeji  392  Fig.  214.  Bisweilen  sind  zwei  Na- 
deln angebracht,  von  denen  die  eine  spitze,  wie 
BECKER-(iöLL389meint.dazu  diente, dieSchnup- 
pe  (funfftu,  Verg.  Georg.  I  392,  ebd.  Serv.  Plin. 
XVI II  357;  XX VIII  163)  vom  Docht  zu  entfer- 
nen, die  mit  Haken,  den  Docht  hervorzuziehen. 
Letzteren  Zweck  erfüllten  wohl  auch  die  zahl- 
reich in  Pompeji  gefundenen  kleinen  Zangen, 
Roux  n.  Bakkk  Vi  89.  Toütain  a.  a.  0.  1322 
Big.  4566. 


9)  Die  nach  Roux  u.  Barre  VI  39  (Ant. 
di  Ercol.  III 243)  wiedergegebene  Bronzelampe 
aus  Stabiae,  an  der  der  Docht  bei  der  Auf- 
findung noch  erhalten  war,  hat  zwei  Schnauzen 
und  hängt  in  Ketten;  die  kleinen  Zangen  und 
der  Haken  dienten  zum  Aufstochern  des  Doch- 
tes. Andere  Hängelampen  s.  unten  Fig.  41.  Mau 
393  Fig.  215. 

10)  Dafür  kommt  der  Ausdruck  lucerna 
polymyxos  bei  Mart.  XIV  41  vor.  Von  den 
andern  Bezeichnungen,  die  Becker-Göll  396 
anführt,  ist  in  römischen  Quellen  nur  die  lu- 
cerna bilychnis  bei  Petron.  30,3  zu  belegen; 
die  andern,  wie  öifwiog,  rgi/Avt-oi;,  kommen 
wohl  in  griechischen  Quellen  vor  (Ath.  XV 
700  F.  Poll.  VI  103),  sind  aber  in  lateinischen 
nicht  nachweisbar,  und  ntonomyxos  oder  mo- 
nolychnos  lassen  sich  überhaupt  nicht  be- 
legen. 

")  Ant.  di  Ercol.  VIII 81;  139.  Roux  und 
Barre  VI  32  ff. ;  36 ;  42  ff.  Mau  R.  M.  IV  (1889) 
15.  Not.  d.  scavi  1909,  119  Fig.  2;  namentlich 
die  Kronleuchter  (s.  u.)  pflegen  viele  Tüllen  zu 
haben,  so  der  herkulanische,  Roux  und  Bakkk 
VI  31.  Mau  393  Fig.  215,  neun,  eine  Tonlampe 
zum  Aufhängen  aus  Velletri  zehn,  Not.  d.  scavi 
1909,  118  Fig.  2,  und  der  prächtige  etruskische 
in  Cortona,  Mon.  d.  Inst.  III  41  f.  Blümner 
Kunstgewerbe  I  180  Fig.  117  ff.,  sogar  sech- 
zehn. 

")  Anth.  Pal.  VI  148. 


Vierter  Abschnitt.    Der  Hausrat. 


137 


■Ingen,  sei  es  an  einem  Leuchter  sei  es  an  der  Decke l),  bestimmt  waren, 
waren  mit  zwei  oder 
drei  in  kleinen  Ösen 
bangenden  und  ober- 
halb in  einemRing  ver- 
bundenen Kettchen 
versehen  (was  aber 
hei  Tonlampen  selten 
war).  DerBodenistbei 
den  ineisten  Lampen 
flach,  sodate  sie  be- 
quem stehen  konnten ; 
doch  kommen  auch 
solche  mit  hohlem  Bo- 
den oder  mit  einem 
Loch  im  Boden  vor, 
wenn  die  Lampe  auf 
einen  Leuchter  mit 
Spitze,  auf  die  sie  auf- 
gesteckt wurde,  zu 
stehen  kam2).  Die 
Bronzelampen  haben 
häufig  noch  einen  be- 
sondern  Fuß,  der  bei 
den  tönernen  nicht  üb- 
Kchist.  Daneben  kom- 
men Lampen  vor,  die 
allerlei  Formen  auf- 
weisen und  als  Tiere, 
Köpfe,  Füße,  Kähne  u. 
Ig],  gestaltet  sind3). 
Als  Brennmaterial 

j-  ii-i  Fig.  37.   Bronzelampe  mit  Xadel  und  Zangen  zum  Dochthenuisziehen, 

diente      vornehmlich  b  *  aus  stabiae. 

Olivenöl,   wenn   auch 

freilich  nichtdie  beste  Sorte  davon4);  auchRizinusöl  wurde  zumBrennenbenutzt5). 


')  Vgl.  Lucr.  V  295:  pendentes  lychni. 
V erg.  Aen.  1  726:  dependent  lychni  laquearibus. 
Petron.  30.  3:  lucerna  bilychnis  de  camerapen- 
debat.  Stat.  Theb.  I  521.  Claudian  X  207.  Sid. 
Apoll,  ep.  IX  13,  5  v.  48  f.  Paulin.  Nol.  carm. 
XIX  412:  at  medio  in  spatio  fixt  laquearibus 
ii/tis  yendebantper  a'ena  cani  retinacula  lych- 
ni. Nach  Isid.  XX  10.4  hätten  solche  Hänge- 
lampen lacunaria  geheißen :  lacunaria  jxmden- 
tia  lumina,  quasi  lucanaria,  id  est  in  a'ere  lu- 
centia,  So  auch  Corp.  Gloss.  IV  104,8;  253,43; 
532, 13  und  vgl.  dazu  Nettleship  im  Journ.  of 
philol.  XIX  (1891)  184. 

2)  Vgl.  Wieseler  G.g.N.  1870. 210.  Auch 
das  Umgekehrte  kommt  vor,  daß  sich  am  Boden 


ein  Stift  befindet,  der  in  die  Tülle  eines  Leuch- 
ters gesteckt  wurde,  s.  Toutain  1336Fig.4612. 

3)  Beispiele  bei  Toutain  1324  f.  Fig.  4580 
bis  4587. 

4)  Vgl.  Hör.  sat.  1 6. 274,  wo  einer  verhöhnt 
wird,  der  das  Lampenül  zum  Salben  des  Körpers 
benutzt.  Umgekehrt  erscheint  es  als  Luxus, 
wenn  wohlriechendes  Oel  auf  die  Lampe  ge- 
gossen wird,  wie  Petron.  70,  9;  Mart.  X  38,  8. 

5)  Diosc.  IV  161.  Plin.  XV  25;  doch  war 
es  nach  dems.  XXIII  84  nicht  empfehlenswert, 
da  es  zu  fett  sei  und  daher  kein  helles  Licht 
gebe.  In  einigen  Gegenden,  wo  Naphtha  und 
Erdöl  vorkam,  bediente  man  sich  desselben 
statt  Brennöls,  Plin.  XXXI  82;  XXXV  179. 


1/ 


138 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


Fig.  38.   Tonlampen  aus  Herkulaneum. 


Den  Docht  (ellychnium1) 
stellte  man  aus  Werg  von 
Flachs  oderHanf  her 2) ,  aus 
Binsen  und  papyrusähn- 
lichen Pflanzen  3),ausBlät- 
tern  des  Wollkrauts  (Kö- 
nigskerze), das  daher  thry- 
allis  oder  lychnitis  hieß4), 
und  andern  Stoffen  mehr5). 
Hergestellt  wurden  die 
Lampen  in  der  weitaus 
größten  Zahl  aus  Ton6). 
Die  Menge  der  auf  uns  ge- 
kommenen römischen 
Tonlampen  ist  unendlich 
groß7).  Sie  sind  durchweg 
in  Modellschüsseln  herge- 
stellt8), und  fast  immer 
enthält  die  obere  Fläche 
eineReliefdarstellung(vgl. 
Fig.  38 9)).  die  oft  in  ge- 
schickter Weise  der  Be- 
stimmung des  Gefäßes  an- 
gepaßt ist.  Doch  ist  das 
meiste  kunstlose  Fabrik- 
ware. Eleganter,  reicher 
verziert  und  oftmitgetrie- 
benen  Reliefs  oder  gegos- 
senenFiguren  geschmückt 
sind  die  Bronzelampen10), 
deren  namentlich  Pompeji 


')  Vitr.  VIII  1.5.  Stat.  silv.  IV  9,25. 

2)  Plin.  XIX  17.  Verg.  mor.  11. 

s)  Plin.  XXI  114;  XXVIII  168. 

«)  Plin.  XXV  121. 

b)  Plin.  XVI  38  nennt  ein  Parasitgewächs 
der  Eiche  als  dafür  brauchbar;  feiner  XXIII  84 
die  uvae  der  Rizinuspflanze,  was  unklar  ist; 
auch  Schwefel  kam  bei  der  Herstellung  der 
Dochte  zur  Anwendung,  ebd.  XXXV  75,  wie 
denn  Schwefelfäden  (sulphurata)  zum  An- 
zünden der  Lampen  benutzt  wurden,  Mart.  I 
41, 4; X 3, 3; XII 57, 14.  Stat. silv.  16, 73 f.  Vgl. 
Blümner  Technologie  II  160  A.  5. 

6)  LucernaefictileSfPetYon.  69.4.  Die  mar- 
morne Lampe  Not.  d.  scavi  1909. 28  f.  1  ff.  diente 
nuralsUnterlage  für  den  ausMetall  gearbeiteten 
Oelbehälter. 

')  Leider  gibt  es  kein  brauchbares  neueres 
Corpus  der  alten  Tonlampen,  und  die  älteren 


Sammelwerke  von  Licetus  De  lucernis  anti- 
quorum,  Utini  1652,  Santi  B  artoli  und  Bellori 
Le  antiche  lucerne  sepulcrali,  Lugd.  Bat.  1702, 
und  Passeri  Lucernae  fictiles,  Pisauri  1739  ff., 
sind  in  den  Abbildungen  teilweise  sehr  un- 
zuverlässig. Von  neueren  Arbeiten  kommen 
vornehmlich  in  Betracht  Kenner  Die  antiken 
Tonlampen,  Wien  1858,  und  Wieseler  Ueber 
die  Kestnersche  Sammlung  von  antiken  Lam- 
pen, G.  g.  N.  1870,  163  ff.  Anderweitige  Litera- 
tur s.  bei  Marquardt  642  A.  3  und  To utain 
1339. 

8)  Näheres  bei  Birch  History  of  anc.  pot- 
tery  II  271.   Blümner  Technologie  II  109. 

9)  Sieben  Tonlampen  ausHerkulannm.mit 
einer,  zwei  und  drei  Schnauzen,  nach  Roux  u. 
Barre  VI  41. 

10)  Lampen  aus  korinthischem  Erz  erwähnt 
Plin.  XXXIV  7. 


Vierter  Abschnitt.    Der  Hausrat. 


189 


und  Herkulaneum  eine  stattliche  Zahl  schönster  Exemplare  geliefert  haben. 
Hier  tritt  zum  Ornamentalen  sehr  häutig  die  menschliche  Figur  hinzu,  in- 
dem eine  solche  als  Träger  der  Lampe  erscheint  oder  auf  der  oberen  Fläche 
als  Zierat  angebracht  ist1)-  Auch  aus  andern  Metallen  wurden  Lampen 
angefertigt:  billige  aus  Blei2)  oder  Eisen3),  kostbare  aus  Silber4)  oder 
Gold5).    Seltner  ist  Stein  dazu  verwendet")  worden  oder  Glas7). 

Einen  nicht  unwichtigen  Bestandteil  des  Hausrats  bilden  die  Leuchter 
und  Lampenträger8).  Die  Kerzen  bedurften,  wenn  sie  nicht  wie  Fackeln 
bloß  in  einen  in  der  Hand  zu  tragenden  Griff  gesteckt  wurden,  was  wohl 
nur  der  Fall  war,  wenn  man  sich  ihrer  zum  nächtlichen  Heimweg  bediente, 
ganz  besonders  eines  Gestells,  für  das  wir  die  Bezeichnungen  funale  und 
ceriolare  schon  kennen  gelernt  haben9).  Der  eigentliche  Name  war  cande- 
labrum; doch  hatte  gerade  dieser  schon  früh  seine  ursprüngliche  Bedeutung 
eingebüßt  und  war  die  übliche  Benennung  für  den  Lampenträger  geworden10). 
Die  Befestigung  der  Kerzen  an  diesen  Leuchtern  geschah  auf  doppelte  Art: 
am  häufigsten  waren  am  Leuchter  Spitzen  oder  Stifte  angebracht,  auf  die 
die  Kerzen  aufgesteckt  wurden11),  und  in  dieser  Weise  sind  namentlich  an 
den  in  etruskischen  Gräbern  gefundenen  Bronzeleuchtern  die  Kerzen  be- 
festigt gewesen12);  oder,  was  sich  aber  seltener  findet,  es  war  anstatt  der 
Spitze  eine  zylindrische  Tülle  da,  in  die  die  Kerze  eingedrückt  wurde13). 
Zwei  Formen  kommen  vornehmlich  für  Kerzenleuchter  vor:  die  ungewöhn- 
lichere, in  einigen  Funden  vertretene14)  ist  die  eines  flachen  Tellers  oder 
einer  vertieften  Schüssel,  die  in  der  Mitte  einen  Stift  oder  eine  Tülle  zum 


*)  Zusammenstellungen  bei  Overbeck 
431  ff.  Fig.  231.  Mau  392  f.  Toutain  1328  ff. 
Roux  u.  Baske  VI  34  ff. 

2)  PASSERia.a.  O.Ip.  XIII.  Dressel  A.d.  I. 
LH  (1880).  333  tav.  d'agg.  P  20  f.  (doch  mehr 
Lampen  Untersätze  als  Lampen  selbst).  Vivanet 
Not.  d.  scavi  1891,  301.  Wieseler  a.a.O.  164. 

3)  Ant.  di  Ercol.  VIII  p.  2  N.  3. 
*)  Kenner  a.  a.  0.  24  A.  10. 

5)  Eine  goldene  Lampe  in  Form  eines 
Kahns  bei  einer  Prozession,  Apul.  met.  XI 10; 
auratilychni,  Stat.Theb.  1 521 ;  eine  in  Pompeji 
gefundene  goldene  Lampe  Brunn  B.  d.  I.  1863, 
90;  eine  mit  Gold  eingelegte  aus  Oberitalien 
Not.  d.  scavi  1894,  3. 

6)  Lioetus  De  lucern.  antiqu.p.  1136.  Ken- 
ner 25  A.  10;  vgl.  Toutain  a.  a.  0. 1321  A.  32. 
Eine  marmorne  Lampe  mit  acht  Schnauzen  s. 
Not.  d.  scavi  1909,  28  Fig.l. 

7)  Passeri  a.  a.  O.  I  tav.  1 ;  vgl.  Prudent. 
cathem.  V  144.  Paul.  Nol.  natal.  XI 416 :  vitre- 
olos  gestant  tamquam  sua  poma  caliclos  (sc. 
lychni). 

8)  Saglio  Artikel  candelabrum  bei  D.-S. 
I  869  ff.   Mau  bei  P.-W.  III 1461  ff. 

9)  Siehe  oben  S.  134  f. 

10)  Varr.  1. 1.  V  1 19 :  candelabrum  a  candela, 
txhis  enim  funiculi  ardentes  figebantur.  Plin. 
XXXIV  11:  nee  pudet  tribunorum  militarium 
salarüs  entere  (candelabra),  cum  ipsum  nomen 
acandelarum  honine  inpositumappareat.  Fest. 


46,7:  candelabrum  dictum,  quod  in  eocandelae 
figantur.  Isid.or.  XX  10,3:  eandeldbrwH  a  can- 
delis  dictum  est,  quasi  candeluferntu,  guod  cini- 
delamferat.  Serv.  ad  Aen.  1 727:  nonnuUiapud 
veteres  candelabra  dieta  tradunt,  quae  in  ca- 
liitibus  uncinos  haberent,  quibus  affigi  sole- 
bant  vel  candelae  vel  funes  pice  delibuti;  quae 
interdum  erani  minora,  ut  gestari  manu  et 
praeferri  magistrattbus  a  cena  remeantibus 
possent. 

n)  Das  sind  die  uncini  in  der  eben  an- 
geführten Stelle  des  Servius;  uneus  oder  cu- 
neus  nennt  sie  Donat.  ad  Ter.  Andr.  115;  Sti- 
muli adunci  Isid.  or.  XX  10, 5.  Vgl.  Paul.  Nol. 
a.  a.  O.  410:  (candelabra)  depietas  [1.  defixas] 
crtantes  gerunt  quae  cuspide  ceras. 

u)  Vgl.  Saglio  a.a.O.  872.  In  eigentümlicher 
Weise  sind  an  dem  oben  (S.  134  A.l)  erwähn- 
ten Leuchter  eines  etruskischen  Grabgemäldes 
die  Kerzen  angebracht:  der  Leuchter  läuft  oben 
in  drei  Vogelschnäbel  aus,  auf  denen  die  Kerzen 
seitlich  aufgespießt  sind.  Es  kommt  auch  vor, 
daß  die  Spitze  zum  Aufstecken  sich  in  einer 
kelchartigen  Hülse  befindet,  s.  Saglio  871  Fig. 
1080;  das  hatte  offenbar  den  Zweck,  daß  das 
herabträufelnde  Wachs  sich  dort  sammeln 
sollte. 

13)  Saglio  870  Fig.  1076  ff. 

14)  Mitteil,  der  antiquar.  Gesellschaft  in 
Zürich  XVI  Taf.  13  (oben  rechts).  Saglio  a.  a.O. 
Fig.  1075  f. 


140  Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 

Aufstecken  der  Kerze  und  als  Griff  einen  einfachen  Ring  haben;  von  der- 
artigen Leuchtern,  die  ganz  unsern  gewöhnlichen  Handleuchtern  gleichen, 
sind  bisher  nur  tönerne  Exemplare  bekannt1)-  Häufiger  ist  aber  die  Kande- 
laberform. Diese  Leuchter,  meist  aus  Bronze,  stehen  fast  immer  auf  drei 
Füßen2)  und  haben  einen  mehr  oder  weniger  hohen,  schlanken  und  oft 
reich  verzierten  Schaft,  der  oben  kelchartig  oder  in  Spitzen  ausläuft.  In 
der  Regel  ist  unterhalb  der  Spitze  eine  runde  Scheibe  mit  nach  unten  ge- 
bogenem Rande  angebracht,  die  den  Zweck  hatte,  die  Hand,  die  unterhalb 
davon  den  Leuchter  gefaßt  hielt,  vor  dem  herabträufelnden  Wachs  oder 
Talg  zu  schützen.  Die  etruskischen  Kandelaber,  die  zur  Zeit  der  Republik 
wohl  auch  im  römischen  Hause  üblich  wraren,  sind  meist  sehr  einfache 
Schäfte  mit  seitlich  daraus  hervorstehenden,  nach  oben  umgebogenen  Spitzen 
zum  Aufstecken  der  Kerzen3),  oft  aber  auch  figürlich  verziert:  mit  Tieren, 
die  am  Schaft  hinaufklettern,  oder  mit  menschlichen  Figuren,  die  den  Schaft 
oben  krönen  oder  unten  angebracht  den  Schaft  in  der  Hand  halten4). 

Die  als  Lampenträger  dienenden  Kandelaber,  deren  uns  namentlich 
eine  reiche  Auswahl  prächtiger  Stücke  aus  Pompeji  und  Herkulaneum  über- 
kommen sind5),  führen  mitunter  den  griechischen  Namen  lychniichas6).  Sie 
haben  im  wesentlichen  die  Leuchterform  mit  geringen  Veränderungen  über- 
nommen, vor  allem  indem  an  Stelle  der  zum  Aufstecken  der  Kerzen  be- 
stimmten Stifte  oder  Tüllen  eine  Scheibe  oder  ein  Teller  trat,  auf  den  die 
Lampe  gestellt  wurde.  Meist  sind  sie  ziemlich  hoch7)  und  dazu  bestimmt, 
auf  den  Fußboden  gestellt  zu  werden;  manche  haben  die  Einrichtung,  daß 
der  Schaft  länger  oder  kürzer  gemacht  oder  der  Lampenteller  in  einer 
Hülse  im  Schaft  auf-  und  niedergeschoben  werden  kann*).  Die  Füße  sind 
meist  als  Tierklauen  gestaltet;  über  ihnen  liegt  öfters,  um  ihnen  größeres 
Gewicht  gegenüber  der  Last  des  Schaftes  mit  den  Lampen  zu  geben,  eine 
runde  Platte,  aus  der  sich  der  glatte  oder  kannelierte,  schlanke  Schaft 
erhebt,  der  oben  durch  ein  Kapitell  in  den  glocken-  oder  kelchförmigen, 
manchmal  von  einer  Sphinx  oder  einer  Büste  getragenen  und  in  den  runden 
Lampenteller  endigenden  Abschluß  übergeführt  wird.  Andere  Kandelaber, 
die  dazu  bestimmt  waren,   auf  einen  Tisch  gestellt  oder  in  der  Hand  ge- 

')  Aehnliche  Exemplare,  aber  ohne  Hen-  leichter  verpackt  werden  konnte;  s.  Roux  u. 

kel.  mit  um  laufender  tellerartiger  Rinne  für  den  j  Barre  VI  25.    Overbeck  437  Fig.  234c. 

hei  abtriefenden  Talg,  sind  auf  der  Saalbarg  ge-  !  3)Mon.d.Inst.Suppl.tav  9,25.  Not.  d.scavi 

funden  worden,  s.  Jacobi  Das  Römerkastell  j  1894,  239;  1895,312  t'.;  1900,  481;  1908,  431. 

Saalburg460  Fig.72, 1  u.2.  Ebendaherstammen  :  4)  Mus.  Gregoriano  I  53.  Saglio  872  Eig. 

becherartige  Leuchter  aus  Weißmetall,  abgeb.  j  1087  f.  Blümner  Kunstgewerbe  im  Altert.  II 75 

ebd.  Nr.  5  u.  6.  sowie  Taf.  LVII17u.  9;sieglei-  i  Eig.  34.  Ueber  die  verschiedenartigen  Formen 

chen  unseren  Eierbechern  und  zeigen  die  prak-  vgl.  Eriederichs  Beil.  ant.  Bildwerke  II  169  ff. 

tische  Einrichtung,  daß  sich  oben  und  unten  i  »)  Roux  u.  Barre  VI  7  ff.    Overbeck  437 

eine  rtille  von  verschiedenem  Durchmesser  be-  j  Eig.  234.  Mau  394  Eig.  2 1 7.  Pernice  A.  A.  1900, 

Bildet,  sodaß  man  denselben  Leuchter  für  Ker-  180  ff.  Fig.  3  ff. 

zen  von  verschiedener  Stärke  benutzen  konnte.  |  «)  Nur  hat  das  Wort  einen^veiteren  Sinn, 


)  An  einem  Kandelaber,  der  aber  kein  j   indem  jeder  Lampenhalter  so^nezeiclmetx^ird, 

Kerzenleuchter,  sondern  ein  Lampentiäger  ist.  !    a.  Cic.adQu.fr.  III  7,2.  Plin/  XXXIV  14.  Suet. 

findet  sich  die  Vorrichtung,  daß  die  drei  als  j    Caes.  37;  Domit.  4. 

Tierklauen  gebildeten  Füße  mittelst  daran  be-  <)  Daher  Apul.  met.  II  l\ :  de  specula  can- 

hnd  lieber  Scharniere  zusammengelegt  werden  delabri. 

konnten,  sodaß  sie  parallel  lagen;    das  war  »)  Saglio  874  Fig.  1096.  Roux  u.  Barre 

vermutlich,    damit  der  Leuchter   auf  Reisen  VI  3  u. 25. 


Vierter  Abschnitt.    Der  Hausrat. 


141 


tragen  zu  werden,  zeigen  ähnliche  Formen,  aber  mit  niedrigem  Schaft ')  (vgl 
Fig.  39 2)).  Bisweilen  ist  der  Schaft 
naturalistisch  als  Baumstamm  be- 
handelt, der  sich  oben  in  mehrere 
Äste  teilt,  auf  denen  dann  die  Lam- 
penteller aufsitzen  (Fig.  40) 3).  oder 
wenn  der  Kandelaber  für  Hänge- 
lampen bestimmt  ist,  sind  diese  mit 
den  Ringen  der  Kettchen  an  den 
Zweigen  aufgehängt4).  Ahnliches 
kommt  dann  auch  in  stilisierter 
Form  vor.  indem  der  Schaft  als 
Säule  oder  Pfeiler  gebildet  ist  und 
oben  in  Hanken  und  Palmetten  aus- 
läuft, an  denen  die  Lampen  hängen 
(Fig.  41)6). 

Noch  niedriger  (etwa  0.15  Meter 
hoch)  sind  dann  die  Lampenunter- 
setzer, bei  denen  der  Teller  un- 
mittelbar über  den  drei  Füßen  auf- 
liegt, und  die  auch  auf  den  Tischen 
standen0).  Endlich  gab  es  auch 
Lampenhalter,  die  an  der  Decke 
schwebend  angebracht  waren,  lych- 
nuchi  pensiles7). 

Das  Material  der  Kandelaber  war 
für  die  einfachen  und  billigen  Exem- 
plare Holz8),  am  üblichsten  aber 
Bronze9),  aus  der  weitaus  die  Mehr- 
zahl der  erhaltenen  Exemplare  be- 
steht. Nach  Plinius  waren  in 
Aegina  und  Tarent  besonders   berühmt,  indem  Tarent  die  Schäfte  (ßcapi). 


Fig.  89.    Kandelaber  ans  Pompeji. 


der   Kaiserzeit   dafür   die   Fabriken   von 


*)  Vgl.  das  kutnüe  eanddabrum  in  der 
Anekdote  bei  Quint.il.  VI  3,  99,  oder  Petron. 
75,10:  tarn  magntis  er  Äsia  veni,  quam  hie 
candelabrus  est.  Beispiele  Overbeck  Fig.  233  a. 
Roux  u.  Bahre  VI  1. 

2)  Zwei  Kandelaber  aus  Pompeji,  nach 
Photographie. 

3)  Overbeck:  a.  a.  0.  b  und  d.  Saglio  873 
Fig.l097f.  Rouxu.  Barre  VI  10u.28.  Unsere 
Figur  40  nach  Photographie. 

4)  Overbeck  ebd.  c.  Mau  396  Fig.  220. 
Roux  u.  Barre  VI  2. 

')  Nach  Photographie,  auch  abgeb.  Over- 
beck a.  a.  O.  e.  Mau  Fig.  219.  Saglio  a.a.O 
Fig.  1 100.  Roux  u.Barre  VI  5:  andere  Beispiele 
ebd.  Taf.l—  4;  6. 

6)  Overbeck  435  Fig.  232.  Mau  Fig.  221. 
Roux  u.  Barre  VI  33:  35—37.  Pernice  A.  A. 
1900,  182  Fig.  7. 


•)  Plin.  XXXIV  14.  wo  es  aber  Kron- 
leuchtei  lui  Tempel  sind.  Verschiedene dei  oben 
S.  137  A.  1  angeführten  Stellen  können  anstatt 
auf  Hängelampen  auch  auf  Hängeleuchter  be- 
zogen weiden:  so  auch  Prud.  catb.  V  141 :  pen- 
dent  mobilibus  lumina  fauoäms,  quae  suffisea 
micani  per  laquearia. 

8)  Caecil.  bei  Non.  p.  202, 12.  Cic.  ad  Qu. 
fr.  III  7.  2.  Petron.  95,6.  Mart.  XIV 44  als  (be- 
schenk des  Armen.  Erhalten  sind  Reste  von 
vier  hölzernen,  mit  Knochenverzierungen  ver- 
sehenen Kandelabern  aus  einem  Grabe  bei  As- 
sisi.  Not.  degli  seavi  1 878. 128.  Die  oben  S.  1 39  f. 
erwähnten  Kerzenleuchter  sind  aus  Ton;  ein 
tönerner  Kandelaber  im  Museum  zu  Neapel 
gehört  nach  Mau  bei  P.-W.  1463  dem  4.  Jahrb. 
n.  Chr.  an. 

9)  Cic.  Verr  IV  26, 60;  auch  wohl  die  ebd. 
II  74,  183  erwähnten  waren  bronzene  Kande- 


142 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


Aegina  die  Oberteile  (superficies)  lieferte1).  Auch  Silber  und  Gold  wurden 
zu  "kostbaren  Kandelabern  verwendet2),  und  selbst  Verzierung  mit  Edel- 
steinen wird  erwähnt3).  Große  Marmorkandelaber,  die  sich  mehrfach  in 
teilweise  ganz  herrlich  skulpierten  Exemplaren  erhalten  haben4),    standen 


Fig.  40.    Kandelaber  mit  zwei  Lampen,  ans  Pompeji. 


wohl  nur  in  Palästen  und  Tempeln  und  dienten  auch  wohl  nicht,  um  Lampen 
darauf  zu  stellen,  sondern  für  Metallbecken  mit  Pechflammen  u.  dgl. 

Endlich  haben  wir  noch  als  eines  sehr  häufig  erwähnten  Beleuchtungs- 
gerätes der  schon  den  Griechen  bekannten  Laterne5)  (laterna  oder  lan- 
terna6))    zu    gedenken.     Sie    hatte    meist   runde    Form;    als    durchsichtige 


laber  aus  korinthischem  Erz,  obschon  Plin. 
XXXIV  12  behauptet,  es  gebe  keine  aus  echtem 
korinthischen  Erze.  Aber  in  der  Kaiserzeit 
war  das  ein  Name  nicht  für  die  Herkunft, 
sondern  für  die  Spezies  der  Bronze  geworden, 
und  so  figuriert  ein  candelabrum  Corvnihium 
auch  unter  den  Saturnaliengeschenken  bei 
Mart.  XIV  43.  Bronzene  Kandelaber  in  Tem- 
peln s.  CIL  VIII  12001.  Die  candelabrarii,  CIL 
VI  9227  f.,  waren  wohl  Erzarbeiter.  —  Eiserne 
Kandelaberwerden  nicht  erwähnt,kommen  aber 
in  Eunden  vor,  freilich  in  sehr  einfacher  Form, 
so  in  Pompeji,  Mau  a.  a.  0.  1462;  in  Heddern- 
heims..TAcoBiSaalburg460.  Kleine  Kandelaber 
aus  Blei,  die  nicht  bloß  Grabbeigabe,  sondern 
Kiauchgerät  zu  sein  scheinen,  aus  sardinischen 
Gräbern,  s.  Patroni  Mon.  d.  Line.  XIV  182. 


J)  Plin.  a.  a.  0.  11 :  privatim  Aegina  can- 
delabrorum  superficies  dumtaxat  elaboravit, 
sind  Tarentum  scapos,  in  iis  ergo  iuncta  com- 
mendatio  officinarum  est. 

■0  Digg.  XXXIV  2, 19,  8. 

3)  Cic.  Verr.  IV  28, 64 f.;  freilich  handelt 
es  sich  da  um  ein  Weihgeschenk  für  einen 
Tempel  und  um  griechische  Arbeit. 

4)  Vgl.  Mus.  Pio-Clem.  IV  1-5;  V  1—3; 
VII  37-40.  Saglio  873  Fig.  1091ff.  Bm}mner 
Kunstgewerbe  70  Fig.  30-32. 

ä)  Toutain  bei  D.-S.  III  924  f.  Becker- 
Göll  404. 

6)  Die  Form  lanterna  ist  die  ältere,  da  sie 
vom  griech.  XafinxrjQ  herkommt,  s.  Bücheler 
Rh.  Mus.  XVUI  (1863)  393.  Schmitz  ebd.  XIX 
(1864)  301.   Curtius  Gr.  Etymol.  265. 


Vierter  Abschnitt.    Der  Hausrat. 


11:; 


Scheiben  dienten  in  der  Zeit,  wo  das  Glas  noch  seltner  und  teurer  war, 
feingeschabte  Hornplatten1);  billiger  war  Tierblase2)  oder  geölte  Leinwand3). 
Später  war  Glas  wohl  das 
gewöhnliche,  obschon  es 
erst  spät  erwähnt  wird4). 
Das  Beleuchtungsmate- 
rial war  entweder  eine 
Kerze  oder  ein  kleinesda- 
rin  aufgestelltes  Öllämp- 
ehen5).  Man  bediente  sich 
der  Laterne  teils  im  Hau- 
st' ), teils  auf  derStraße7). 
Bronzene  Laternen  ha- 
ben sich,  wenn  auch  ohne 
Scheiben,  in  Pompeji  und 
anderwärts  mehrfach  ge- 
funden; sie  sind  rund, 
öffnen  sich  aber  nicht,  wie 
die  !  unsrigen .  seitlich , 
sondern  der  halbkugel- 
förmige, zum  Abzug  des 
Rauches  durchbohrte 
Deckel,  der  an  einem  be- 
sonderenKettchenhängt, 
ist  beweglich  und  kann  in 
die  Höhe  gehoben  wer- 
den; eine  kleine  Öllampe 
von     besonderer    Form 

Stellt  darin.    An  der  hier  *'£•  4*-    Kandelaber  mit  vier  Lampen,  aus  Pompeji. 

(Fig.42)  abgebildeten  La- 
terne8) gibt  1  die  Ansicht  mit  geschlossenem.  2  den  Durchschnitt  bei  auf- 
gezogenem Deckel.  3  ist  eine  der  Stützen,   die   den  Boden  und  den  obern 


')  Plaut.  Amph.  341.  Mart.  XIV  61.  Plin. 
XVI  49;  vgl.  ebd.  XI 126.  Priap.  32, 14.  Vgl. 
auch  Lucr.  II  388  und  das  Rätsel  des  Sympho- 
sius  n.  67  (Riese  Anthol.  Lat.  I  200). 

*)  Mail.  XIV  62  wird  die  lanterna  de  vesica 
der  cornca,  als  der  teureren,  gegenübergestellt. 

3)  Plaut.  Bacch.  446.  Cic.  ad  Att.  IV  3,  5. 
Welcher  Art  die  lanterna  Punica  Plaut.  Aul. 
566  war,  ist  unsicher;  die  Glossen  erklären: 
apettibus,  quas  ab  angulis  (al.  anculis)  regu- 
lanim  adflxas  extendunt,  Corp.  Gloss.  V  30.8; 

:  111,46;  darnach  möchte  man  annehmen, 
daß  hier  dünnes  Leder  zur  Anwendung  kam. 

<)  Isid.  or.  XX  10,  7. 

5)  luv.  5,  87  f. :  pallidus  .  .  .  caulis  oleblt 
lanternam.  Corp.  Gloss.  IV  104,  33:  lanternae 
arctdae  sunt  vitro  clausae,  intra  quas  ponuntur 
hicernae  auf  cirindelia,  quas  circumferunt  ad 
fraehendum  hinten,  quod  venti  flatus  adirc  non 


potest  etc.;  vgl.  V  111, 12;  215. 17  (cicindela ist 
spätere  Bezeichnung  für  cand e!a,ebd.  II 338, 24). 

6)  Cic.  ad  Att.  a.  a.  O. 

7)  Val.  Max.  VI  8. 1 ;  daher  der  begleitende 
Sklave  laterttarma  hieß,  Cic.  in  Pis.  9, 20.  Man 
vgl.  die  Darstellungen  von  solchen  Sklaven 
mit  der  Laterne  in  der  Hand,  zumal  die  Ton- 
figur des  Knaben  im  Cucullus,  der  beim  War- 
ten eingeschlafen  ist,  bei  Deohelette  Rev. 
archeol.  3  Ser.  XL  (1902)  392  ff.;  auch  Linden- 
schmit  Altert,  uns.  heidn.  Vorzeit  IV  Taf.  64,8. 
Auf  den  Gebrauch  der  Laternen  im  Seewesen 
und  im  Kriege  kann  hier  bloß  hingewiesen  wer- 
den :  vgl.  Toutain  a.  a.  O.  Miller  a.  a.  O.  71  f. 

8)  Mus.Borb.V12.  Rouxu.  Barre  VI  62. 
Toutain  Fig. 4337.  Overbeck  448  Fig. 246  (da- 
nach unsere  Fig.  42).  Eine  Laterne  aus  Bosco- 
reale  Mon.  d.  Line.  VII  500  Fig.  69.  Pernice 
A.  A.  1900,  193  Fig.  22  ff.   Laternenlämpchen 


144 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


Rand,  auf  dem  der  Deckel  ruht,  verbinden;  4  zeigt  den  Deckel  in  Ober- 
ansicht mit  Luftlöchern  für  den  Abzug  des  Rauchs,  und  5  ist  der  Licht- 
löscher. 

Der  tragbaren  Kohlenbecken,  die  zur  Heizung  dienten,  haben  wir 
bereits  oben  (S.  105)  Erwähnung  getan  und  können  uns  daher  hier  mit 
diesem  Hinweis  begnügen.    Spiegel,  die  bei  uns  zum  gewöhnlichen  Hausrat 

gehören,  spielen  im  römischen  keine 
wichtige  Rolle,  da  man  sich  meist  mit 
den  (unten  zu  besprechenden)  Hand- 
spiegeln begnügte;  immerhin  gab  es 
doch  schon  Wandspiegel  von  größeren 
Dimensionen,  und  wenn  auch  die  Er- 
wähnungen solcher  nicht,  häufig  sind 
und  vornehmlich  davon  berichtet  wird, 
daß  die  Barbiere  in  ihren  Läden  solche 
anbrachten1),  so  mögen  dergleichen  doch 
auch  in  den  Wohnungen  nicht  selten  zu 
finden  gewesen  sein2);  ja  Seneca  be- 
richtet3), daß  man  Spiegel,  die  die  ganze 
Figur  wiedergaben,  aus  Silber  und  Gold 
mit  Schmuck  von  Edelsteinen  herstellte. 
Allein  da  man  so  große  Spiegel  aus  Glas  noch  nicht  herzustellen  verstand 
und  Metallplatten  von  solchen  Dimensionen  jedenfalls  sehr  kostbar  waren, 
so  behalf  man  sich  öfters  damit,  daß  man  glattpolierte  Platten  von  dunklem 
Stein  in  die  Wand  einsetzte,  von  Obsidian4)  oder  von  dem  sogenannten 
Phengites5).    . 

Von  den  Vorhängen  (vela,  aulaea6)),  die  an  Türen  oder  an  den  Inter- 
kolumnien  von  Atrien  und  Peristylen   angebracht  waren,   ist  schon  früher 


Fig.  42.   Laterne  aus  Herkulaneum. 


jACOBiSaalburgTaf  LVIII8u.S.460 Fig. 72.4; 
vgl. Friederichs  Beil.  antike  Bild  w.  189  Nr. 760. 
Dragendorff  Rhein.  Jahrb.  113. 237.  Ein  lan- 
ternarius  als  Verfertiger  von  Laternen  CIL  X 
3970,  falls  nicht  damit  ein  Sklave  als  Laternen- 
träger gemeint  ist  (vgl.  Dessau  7643). 

')  Das  finden  wir  bereits  in  alexandrinischer 
Zeit,  vgl  was  Vitr.  IX  9  (8),  2  über  eine  Erfindung 
erzählt,  die  Ktesibios  im  Barbierladen  seines 
Vaters  an  dessen  Spiegeln  anbrachte.  Luc.  adv. 
ind.  29  erwähnt  unter  dem  Handwerkszeug 
eines  Barbiers  auch  xdtQjnga  ftsydfot,  im  Ge- 
gensatz zu  den  xdxojttga  ar/i/ieron  eines  ge- 
schickteren Kollegen. 

*)  Digg.  XXXIV  2, 19. 8:  speculum  purieti 
affixum.  Man  kann  als  Beleg  auch  die  schmu- 
tzige Geschichte  heranziehen,  die  Seneca  n.  qu. 
1 16  von  einem  Freigelassenen  Hostius  Quadra 
erzählt  und  die  bekanntlich  später  von  einem 
törichten  Scholiasten  vomHoraz  berichtet  wird 
(Schol.  Hör.  ep.  1 19, 1),  von  wo  sie  in  die  Sue- 
tonische  Vita  des  Horaz  übergegangen  ist,  s. 
Reiffekscheid  Suet.  rel.  389;  man  vgl.  Les- 
sings  Rettungen  deslloraz  (Schriften  III  1.  Ber- 
lin 1754). 


3)  Sen.  n.  qu.  117,8:  postea  iam  verum 
potiente  luxuria  specula  totis  paria  corporibus 
auro  argentoque  caelata  sunt,  gemmis  deinde 
adornata. 

4)  Plin.  XXXVI  196  vom  lapix  öbsiamtä 
der  allem  Anschein  nach  unser  Obsidian  ist: 
crassiore  visu  atque  in  speculis  parietum  prq 
imagine  umbras reddente ;  darnach  Isid.  or.XVI 
4. 21  und  ebd.  16. 5,  wo  der  Stein  obsidius  (resp. 
obsidianus)  lapis  genannt  wird.  Vgl.  Blümneb 
Technol.  III  273  f. 

5)  Suet.  Domit.  14 :  parietes pheng itc  lupide, 
distinxit,  c  cu ins  splendore  per  imagines  quid- 
quid  a  tergo  fieret  provideret.  Anders  ist  die 
Anwendung  des  Steins  bei  Plin.  XXXVI  163 
und  Isid.  or.XVI  4, 23.  Vgl.  Blümner  a.a.O.  68. 
Mau  B.  d.  I.  1883,  79  vermutete  daß  eine  an 
der  Wand  eines  pompejanisenen  Haukes  be- 
festigte dunkelblaue  Glasplatte  dem  gleichen 
Zweck  gedient  habe. 

6)  Aulaeum  (nach  dem  griech.  avla(a)  hat 
man  später  von  den  aulaea  Attalica  ableiten 
wollen,  indem  erst  durch  die  Attalen  von  I'er- 
gamon  solche  kostbare,  goldgewirkte  (Plin.  VIII 
196:   aurum  intexere  in  eadem   Asia  invenü 


Vierter  Abschnitt.    Der  Hausrat. 


145 


die  Rede  gewesen  (s.  oben  S.  29  u.  35).  Solche  wurden  auch  als  Zierde  und 
Ersatz  von  Wandmalereien  an  den  Wänden  aufgehängt1);  ob  sie  auch  bal- 
dachinartig horizontal  unter  der  Decke  ausgespannt  wurden,  ist  streitig2). 

Daß  die  Römer  für  ihre  Stein-  und  Mosaikböden  auch  Bodenteppiche 
gehabt  haben,  zumal  in  den  Schlafzimmern,  ist  von  vornherein  anzunehmen, 
obschon  es  sich  ausdrücklich  nicht  belegen  läßt,  da  der  für  Teppiche 
übliche  Ausdruck  tapetia  in  den  Belegstellen  entweder  allgemein  Teppiche, 
ohne  Angabe  der  Verwendung,  oder  speziell  Bettdecken  bedeutet  (s.  oben 
S.  116)3).  Jedenfalls  haben  sie  zum  gleichen  Zweck  sich  der  Tierfelle 
bedient;  es  ist  anzunehmen,  daß  die  im  Edikt  des  Diokletian  aufgeführten 
Felle  von  Hirschen,  Wölfen,  Bären,  Leoparden,  Löwen  wohl  vornehmlich 
zu  Fußteppichen  bestimmt  waren4). 

Waschtische  nach  moderner  Art  kannten  die  Römer  nicht;  bei  dem 
starken  Gebrauch  der  Bäder,  der  in  der  Kaiserzeit  zum  täglichen  geworden 
war,  war  das  Bedürfnis  nach  solchen  nicht  vorhanden.  Daher  wird  auch 
das  Waschgerät5),  abgesehen  vom  Waschen  der  Hände  beim  Mahle,  selten 
erwähnt;  am  häutigsten  eben  die  zum  Händewaschen  notwendigen  Gefäße, 
Waschbecken  und  Gießgefäße,  wobei  die  Anwendung  in  der  Regel  die  war, 
daß  ein  Sklave  dem  Herrn  in  der  einen  Hand  das  Waschbecken  unterhielt, 
mit  der  andern  ihm  aus  einem  Krug  oder  einer  Kanne  das  Wasser  über 
die  Hände   goß,   wenn   diese  Geschäfte   nicht  unter   zwei  Sklaven  verteilt 


Attalus  rex,  unde  nomen  Attalicis)  Vorhänge 
nach  Rom  gelangt  seien;  so  Serv.  ad  Aen.  I 
697 :  aulaeis  velis  pictis,  quae  ideo  aulaea  dicta 
sunt,  quod  primum  in  aula  Attali  regis  Asiae, 
(jui  populum  Romanum  scripsit  heredem,  in- 
renta  sunt;  vgl.  dens.  z.  Georg.  III  25  und  da- 
nach Isid.  or.  XIX  26,  8.  Allein  obgleich  der 
Ausdruck  aulaea  Attalira  sehr  gebräuchlich 
war  (Prop.  III  30  (II  32),  12.  Sil.  It.  XIV  659; 
■Attalica  peripetasmata  Cic.  Verr.  IV  12,  27), 
ist  die  Ableitung  doch  falsch,  wie  der  grie- 
chische Ursprung;  des  Wortes  bezeugt;  vgl. 
Saglio  bei  D.-S.  1561.  Reisch  bei P.-W.  II 2398. 
Uebrigens  kommt  das  Wort  am  häufigsten  in 
der  Bedeutung  Theatervorhang  vor. 

*)  Val.  Max.  IX  1,5:  cum  Attalicis  aulaeis 
eontectos  parietes  laeto  animo  intuebatur.  Ter- 
tull.  de  cult.  femin.  I  7:  sed  et  parietes  Tyriis 
et  hyacinthinis  Ulis  velis  . .  .pro  pictura  ab- 
Wtuntur.  Serv.  ad  Aen.  1. 1. :  ideo  autem  etiam  in 
domibus  tendebantur  aulaea,  ut  imitatio  ten- 
toriorum  fieret,  sub  quibus  bellantes  semper 
habitavere  maiores;  unde  et  in  thalamis  hoc 
//('/•/  hodieque  conspicimus.  Namentlich  in 
Speisezimmern  scheint  dies  üblich  gewesen  zu 
sein.  vgl.  Hör.  carm.  III  29, 14:  parvo  sub  lare 
pauperum  cenae  situ-  aulaeis  et  ostro,  und  bei 
^-feierlichen  Anlässen,  luv.  6,227:  pendentia 
linquit  ve/a  donms.  Auf  Wandgemälden  und 
Sarkophagreliefs  sind  solche  aalaea  öfters  dar- 
gestellt, vgl.  Marquardt  311  A.  5. 

2)  Die  einzige  Belegstelle  dafür  ist  Hör. 

sat.  II  8.  54:    interea   saspensa  gravis  aulaea 

ruinas  \  in  patinam  fecere,  trahentia  pulveris 

Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft.    IV. 


atri  |  qaantum  non  Aquilo  Campanis  excitat 
agris.  Porphyrio  erklärt  dies  im  Sinne  eines 
Baldachins:  consuetudo  apud  antiqaos  fuit,  ut 
aulaea  sub  Cameras  tenderent,  ut  si  quid  pul- 
veris caderet,  ab  ipsis  exciperetur;  die  sicher 
irrtümliche  Begründung  hat  er  dem  Varro  ent- 
lehnt, der  nach  Serv.  a.  a.  0.  behauptete:  vela 
solere  suspendi  ad  exci piendum  pidverea,  quia 
usus  camerae  ignorabatur.  Danach  ist  obige 
Deutung  der  Horazverse  oft  festgehalten  wor- 
den (vgl.  Becker-Göll  357),  während  Mar- 
quakdt a.  a.  0.  (mit  Fea  zu  Hör.  1. 1.)  sie  dahin 
erklärt,  daß  nicht  die  aulaea  auf  den  Tisch 
fallen,  sondern  nur  der  Staub  und  vielleicht 
der  abbröckelnde  Kalkputz  der  Wand.  Wir 
geben  jedoch  der  ersteren  Deutung  den  Vor- 
zug, da  sie  dem  Wortlaut  besser  entspricht 
und  die  Menge  Staub,  von  der  der  Dichter 
spricht,sich  auf  einem  horizontal  ausgespannten 
Velum  viel  mehr  ansammeln  mußte,  als  an 
einem  vertikal  aufgehängten. 

3)  Als  Bodenteppich  ist  wohl  zu  fassen 
Petron.  20,2:  ancilla  .  .  .  lödiculam  in  pavi- 
mento  diligenter  extendit. 

4)  Ed.  Diocl.  8.  23  ff.;  petUcttkte  haedinae 
für  Speisesofas  Cic.  p.  Mur.  36, 75.  Ein  solcher 
Fellteppich  ist  wohl  auch  die  cerrina  ptHUs 
in  aula.  Hör.  ep.  II  1,  66,  in  der  freilich  manche 
Erklärer  einen  ausgestopften  Hirsch  sehen 
wollen.  Doch  wurden  alle  jene  Felle  wohl  auch 
als  Bettdecken  verwendet. 

5)  Das  Waschgeschirr  heißt  lavatio  bei 
Phaedr.  IV  5,  22.  Digg.  XXXIV  2,  25,  10;  un- 
sicher ist  die  Bedeutung  Cic.  ad  fam.  IX,  3,  5. 

2, 2.   3.  Aufl.  10 


146 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


wurden.  Für  das  dazu  gebrauchte  Waschbecken,  das  nur  selten  mit  dem 
griechischen  Namen  lebes  genannt  wird1),  haben  wir  die  Bezeichnung 
malluvium,  in  der  der  Zweck  enthalten  ist2);  daneben  findet  sich  das 
anscheinend  alte  Wort  polybrum3),  und  am  gebräuchlichsten  war  wohl 
trulleum4*).  Der  Krug,  aus  dem  man  das  Wasch wasser  ausgießt,  heißt 
gutturniumb),  auch  urceus  (urceolus).  Ausdrücke,  die  freilich  weitere  Be- 
deutung haben  und  dem  griechischen  ordjuvog  entsprechen6);  ein  alter  Aus- 
druck ist  nassiterna,  worunter  man  aber  auch  allgemeiner  ein  Wassergefäß 
versteht7).  Als  ebenfalls  älterer  Ausdruck  erscheint  aquaemanale*),  im  spä- 
teren Latein  in  den  entstellten  Formen  aquimanile  (aquiminale),  aquiminarium, 
anscheinend  eine  Kanne  mit  (durch  einen  Stöpsel  oder  einen  Hahn?)  ver- 
schließbarer Mündung9);  doch  hat  sich  die  Bedeutung  dieser  Worte  mit 
der  Zeit  verändert,  indem  man  darunter  das  Waschbecken  oder  überhaupt 
den  ganzen  Waschapparat  verstand10).  —  Das  Becken  zum  Waschen  der 
Füße  heißt  pelluvium11),  doch  ist  dies  Wort  ebenso  wie  das  ihm  ent- 
sprechende malluvium  selten  und  dafür  pelvis  das  gewöhnliche12);    es  war 


x)  Serv.  ad  Aen.  III  466  erklärt  es  durch 
olla  aenea,  ebenso  die  Glossen,  Corp.  Gloss.  VI 
632.  Die  in  einigen  Hss.  des  Serv.  sich  findende 
Erklärung:  lebes  pro  vase  capitur,  in  quod 
aqua  dum  manus  luuntur  decidit,  beruht  auf 
Hom.  Od.  1 136. 

2)  Fest.  160,4  (vgl.  161a,  15):  malluvium 
dicitur  quo  manus  lavantur.  Corp.  Gloss.  V 
37,  20:  pelvis  ab  eo  quod  pedum  pelluvio  sit, 
ut  malluvium  manuum;  cf.  ib.  91,  23;  132,  35. 

*)  Non.  544,  20 :  polybrum,  quod  Graeci 
yjovißov,  nos  trulium  vocamus.  Livius :  argen- 
teo  polybro,  aureo  eglutro.  Unter  verschiedenen 
andern  Geräten  wird  es  bei  Arnob  II  23  an- 
geführt. Vgl.  Corp.  Gloss.  V  655, 10:  polybrum 
in  quo  manus  perluuntur,  quod  in  sinistra 
tenetur  et  aliud  vas  cum  aqua  in  dextera. 
Diesen  Notizen  gegenüber  erscheintFest.  247,1: 
pohibrum  pelluvium  vas,  quod  nos  pelvem  vo- 
camus, wonach  es  also  das  Becken  zum  Fuß- 
bad wäre,  verdächtig. 

4)  Non.  a.  a.  0.  Varro  bei  Non.  547, 6 :  ur- 
eeohitn  aquae  manale  vocamus,  quod  eo  aqua 
in  trulleum  effundatur;  ders.  1. 1.  V  118.  Cato 
r.  r.  10. 2;  11,  3.  Auch  die  Glossen  erklären  das 
Wort  durch  yjovißov,  Corp.  Gloss.  VII  370. 
Eherne  Waschbecken  {truflei)  erwähnt  PI  in. 
XXXIV  7. 

5)  Fest.  98,13:  gutturnium  vas,  ex  quo 
aqua  in  manus  datur,  ab  eo,  quod  propter  oris 
angustias  guttatim  fluat.  Corp.  Gloss.  II  36, 35. 
Dagegen  dient  der  gutus  in  der  Regel  zum 
Ausgießen  von  Wein  oder  Oel,  doch  sind  Corp. 
Gloss.  II  202,  31  trulleum,  gutus  und  aquimi- 
nale gleichgesetzt,  in  der  Bedeutung  x?,Qvißov. 

6)  Corp.  Gloss.  VII  384;  doch  ist  der  ur- 
ceolus speziell  der  Wasserkrug  bei  Varr.  b.  Non. 
a.  a.  O.,  dagegen  bei  luv.  3, 203  die  urceoli  an- 
scheinend kleine  Weinkrüge ;  bei  Mart.  XI 56, 3 ; 
XIV 105  f.  Bmdurceolusundurceus  Henkeltöpfe 
für  Trinkwasser;  bei  Colum.  XII  16,  4  dienen 


sie  sonstigen  wirtschaftlichen  Zwecken. 

7)  Daß  dies  eine  Gießkanne  mit  drei  Aus- 
güssen (nasi)  sei,  ist  gewiß  eine  falsche  Ety- 
mologie, wie  denn  überhaupt  die  Bedeutung 
Gießkanne  (so  Marquardt  656)  sehr  fraglich 
ist.  Bei  Plaut.  Stich.  352  dient  sie  freilich  zum 
Besprengen  des  Bodens:  andere  Stellen  aus 
Plautus  und  Cato  führt  Festus  169  a,  11  an, 
der  selbst  erklärt:  nassiterna  est  genus  vasi 
aquari  ansati  et  patentis,  quäle  est  quo  equi 
perfundi  solent.  Cato  r.  r.  10,  2  nennt  sie  zwi- 
schen matella  und  trulla,  11,3  zwischen  urcei 
aquarii  und  pelvis,  also  auch  als  Wasserkanne 
(danach  Varr.r.  r.  1 22,3).  Die  Glossen  erklären 
es  nur  allgemein  als  vas  aquarium,  Corp.  Gloss. 
V  34, 3  u.  ö.,  oder  als  vas  fictile  duas  aures  ha* 
bens,  11587,58.  Non.  546,  5:  nassiterna,  ras 
äquale.    Die  Form  ist  also  nicht  bestimmbar. 

8)  Varr.  bei  Non.  547,  6;  vgl.  Saglio  bei 
D.-S.  I  316.  Mau  bei  P.-W.  II  310. 

9)  Corp.  Gloss.  11507,19:  aquiminalium 
ubi  aqua  pisilo  (pessulo  Bücheier,  pistomio  = 
epistomio  Löwe,  epitoni  Rönsch)  dimitti  et  ob- 
strui  potest  ad  lavandas  manus. 

,u)  Als  %EQviß6x£ozQov ,  wie  vielleicht  Corp. 
Gloss.  11  202,  31  mit  Mau  a.  a.  O.  zu  lesen  ist; 
sonst  ist  byzantinisch  yeoviß6Seoxo%>,  vgl.  Du 
Cange  s.  h.  v.  Die  obigen  Geräte  kommen  in 
den  Rechtsquellen  öfters  vor,  teilweise  als 
silbern  bezeichnet,  s.  Digg.  XXXIII  10,3,3, 
XXXIV 2, 19, 12;  ebd.  21,2.  Paul.  sent.  III  6,56. 

11 )  Fest.  161a.  18;  207, 1.  Corp.  Gloss.  V 
37,  20  (s.  oben  A.  2). 

lä)  Varr.  1. 1.  V  1 19 : pelvi^ pedeluisUpedum 
lavatione.  Non.  543,20  gibt  eine  andere  Etymon 
logie:  sinus  aquarius  in  qi\o  vasa  pelluiuif nr ; 
die  Zitate  aus  Laberius  und  Caecilius  ergeben 
nichts  über  die  Bedeutung.  Fest.  247, 1.  Die 
Glossen  übersetzen  es  durch  Äsxävn,  virn/jo, 
XovtrjQ,  Corp.  Gloss.  VII  64;  als  rund  wird  es 
11389,16  bezeichnet.  Im  Gebrauch  für  Waschen 


Vierter  Abschnitt.    Der  Hausrat. 


147 


das  ein  weites,  rundes  Becken,  das  entweder  ohne  Fuß  oder  mit  niedrigen 
*Füßen  versehen  auf  den  Boden  gestellt  wurde1).  Alle  diese  Becken  konnten 
auch  mit  labrum  bezeichnet  werden2),  das  aber  allgemein  ein  bauchiges 
Gefäß  bedeutet,  in  dem  ebensogut  wie  Wasser  auch  Wein,  Öl,  Früchte 
u.  dgl.  aufbewahrt  wurden 3).  Das  Material  für  alle  diese  Waschgefäße  war 
im  einfachen  Haushalt  Ton,  im  besseren  Erz,  in  reichen  Häusern  nicht 
selten  Silber4). 

Hier  haben  wir  auch  des  vas  obscoenum5)  zu  gedenken,  des  Nacht- 
geschirrs, der  matula  oder  matella6),  welches  Wort  allerdings  ursprünglich 
eine  Wasserflasche  bedeutet  zu  haben  scheint7),  später  aber  allgemein  in 
jenem  Sinne  gebraucht  wird8).  Die  matula  ist  freilich  nicht,  wie  bei  uns, 
ein  Gerät  des  Schlafzimmers,  sondern  des  Trikliniums,  denn  sie  fand  ihre 
vornehmliche  Verwendung  bei  Trinkgelagen9);  und  zwar  war  es  bei  den 
reichen  Schlemmern  Brauch,  daß  sie  sich  das  Gefäß,  wenn  sie  dessen 
bedurften,  von  einem  Sklaven  reichen  oder  sogar  unterhalten  ließen10). 
Diese  Gefäße  waren  für  gewöhnlich  wohl  von  Ton11),  doch  werden  auch 
bronzene12),  ja  selbst  solche  von  Silber  und  noch  kostbarerem  Material 
erwähnt13).  Nicht  ganz  sicher  ist  ihre  Form;  es  scheint  aber,  daß  die 
matella  eher  einem  Krug  oder  einer  Flasche  mit  enger  Mündung  als  einem 


und  Salben  der  Füße  kommt  es  Petron.  70,  8 
vor,  und  zwar  silbern;  patulae  pelves,  die  aus 
den  Fenstern  auf  die  Straße  entleert  werden, 
luv.  3,  277,  wo  der  Schol.  erklärt:  conchas  in 
mtibus  pedes  lavant  aut  vasa  fictilia,  nodävui- 
r«  '.  Pelves  neben  conchae  nennt  Paul.  sent. 
III  l).  59:  eine  pelvis  aerea  Corinthia  CIL  X  6. 

')  Ueber  die  Form,  die  teils  aus  der  grie- 
chiscben  Xtxävri,  teils  aus  alten  Darstellungen 
hervorgeht  (vgl.  z.  B.  Roux  u.  Barre  II  76 ;  1 16), 
s.  Pottiek  bei  D.-S.  IV  375.  Eigentümlicher- 
weise spielte  eben  dies  Gefäß  im  Aberglauben 
und  Zauberwesen  eine  wichtige  Rolle,  vgl.  Plin. 
XXVIII  104;  146;  XXX  14;  XXXI 46. 

*)  Vgl.  Saglio  bei  D.-S.  III  881. 

3)  Cat.  r.  r.  10,4;  11,3  u.ö.  Verg.  Georg. 
II  (i.  Colum.  XII  52, 10  ff.  Ueber  das  labrum  in 
den  Bädern  s.  unten  Abt.  II  Abschn.  VI. 

4)  Eherne,  silberne,  vergoldete  pelves  wer- 
den mehrfach  erwähnt,  vgl.  Plin.  XXXI  46. 
Petron.  70,8.  luv.  6,431 ;  441 ;  10.64.  Für  Hand- 
waschbecken und  Krüge  s.  die  oben  angefühlten 
Stellen. 

5)  Sen.  ep.  77, 14. 

6)  Vgl.  Pottier  bei  D.-S.  III 1662. 

7)  In  diesem  Sinn  Non.  543,12:  matella, 
aquarium  ras,  nebst  einem  Zitat  aus  Plaut. 
Amphitrao,  in  dem  es  heißt:  matellam  aquae 
infinit//  in  caput;  wahrscheinlich  auch  bei  Cato 
v.  i.  10.2  und  11,3,  obschon  hier  ein  Anhalts- 
punkt für  die  Bedeutung  nicht  vorliegt.  Ledig- 
lich in  diesem  Sinne  scheint  das  damit  zu- 
sammenhängende matellio  gebraucht  worden 
zu  sein,  s.  Varr.  1. 1.  V  119:  accessit  matellio  a 
»nitida  dictus,  qui, posteaquam  longius  afigura 
matulae  discessit,  ah  aqua  aqualis  dictus;  ders. 
bei  Non.  547,  5  nennt  matellio  zusammen  mit 


tru/leum, pelvis  und  nassiterna,  also  mit  Wasch- 
geschirr. Vgl.  Festus  126,  3.  Cic.  parad.  5, 38, 
wo  ein  matellio  Corinthius  erwähnt  wird,  wird 
die  Bedeutung  keine  andere  sein  (nicht  Nacht- 
geschirr, wie  Merguet  Handlex.  d.  Cicero  400 
angibt). 

8)  Festus  125,18:  matula  rasurinac.  Da- 
mit hängt  es  wohl  zusammen,  wenn  matula 
ein  Schimpfwort  geworden  ist;  so  schon  bei 
Plaut.  Most.  386 :  iam  hercle  ego  vos  pro  ma- 
tula habebo,  nisi  mihi  matulam  datis;  ders. 
Pers.  533.    Petron.  45,  8. 

9)  In  diesem  Sinne  ist  der  Titel  der  Var- 
ronischen  Satire:  Est  modus  mafidae,  mit  dem 
Nebentitel  nsgi  /isDu*;  (Riese  Varr.  Satir.  reliqu. 
123)  zufassen;  ferner  die  Zitate  bei  Non.  a.a.O.: 
Varro Endi/Diioiiihus:  divitum  apothecas  Chias 
ad  communem  revocat  matellam;  idem  Manio. 
lecto  strato  matellam,  lucemam  cetera»  res  esui 
usuique  prae  se  portat.  Plaut.  Most.  386.  Sen. 
d.  benef.  III  26,  2.  Petron.  27, 3.  Man  vgl.  das 
pompejanische  Graffito:  Miriams  in  lecto;fa- 
teor,  peccavimus,  hosjics.  Si  tlices,  quare :  nnlla 
matella  fuit;  s.  Mau  Bull.  d.  Inst.  1884,  188. 
Bücheler  Carm.  Lat.  epigr.  II  431  n.  932. 

,0)  Man  pflegte  die  Sklaven  zu  diesem  ent- 
würdigenden Geschäft  durch  Fingerschnalzen 
(digitis  crepare)  herbeizurufen,  Mart.  III 82, 15 ; 
VI 89,1; XIV 119.  Petron.a.a.O.  Sen.ep.77.14. 
Daher  als  niedriger  Dienst  matella  mal  icuiprae- 
stare,  Mart.  X  11,3. 

")  Mart.  XIV  119:  matella  fictilis:  vgl.  XII 
32, 13:  matella  curto  rupta  latere  meiebat. 

12)  luv.  10,64. 

13)  Silberne  Petron.  a.  a.  O.  Plin.  XXXIII 
152.  Lampr.  Heliog.  32,2:  in  myrrhinis  et  onij- 
chinis  minxit. 

10* 


148 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


Topfe  glich1).  —  Während  die  matella  das  Nachtgeschirr  für  die  Männer 
war,  bedienten  sich  die  Frauen  des  schiffartig  geformten  scaphium2),  das 
schon  den  Griechen  in  dieser  Gestalt  und  Benennung  bekannt  war3).  Hier- 
her gehört  auch  der  oben  S.  49  erwähnte  lasanus,  der  im  Abtritt  oder 
im  cubiculum  aufgestellte  Nachtstuhl. 

Von  den  zahlreichen  andern  Gefäßen  und  Geräten,  die  wir  im  Haus- 
gebrauch finden,  wollen  wir  in  diesem  Abschnitt  nur  die  Vorratsgefäße  und 
das  Kochgeschirr  besprechen,  hingegen  werden  die  Speise-  und  Trinkgeräte 
im  Abschnitt  über  die  Mahlzeiten  und  das  Toilettengerät  gelegentlich  der 
Tracht  zur  Behandlung  kommen. 

Das  größte  Vorratsgefäß,  sowohl  für  flüssige  wie  für  trockene  Vor- 
räte, ist  das  Faß,  dolium4),  das  dem  griechischen  niftog  entspricht5)  und 
gleich  diesem  meist  zur  Hälfte  oder  bis  zum  obern  Rande  in  die  Erde  ein- 
gegraben wurde6),  seltner  frei  stand7).  Man  bewahrte  hierin  vornehmlich 
den  jungen  Wein,  der  noch  gären  sollte8),  auf;  diese  dolia  vinaria9)  ge- 
hören daher  zum  stehenden  Inventar  der  cella  vinaria10).  Sodann  dienten 
sie  zur  Aufbewahrung  von  Öl11),  von  Trockenfrüchten  vornehmlich  für 
Getreide12),  Hülsenfrüchte13),  Rosinen14)  u.  dgl.  m.  Meist  gehörte  dazu  ein 
hölzerner   oder  tönerner  Deckel15).     Am    häufigsten   waren   solche   Fässer 


')  Darauf  deutet  Mart.  VI  89, 1  ff. :  cum  fe- 
ieret seratn  media  iam  nocte  matellam  \  arguto 
madidus  pollice  Panaretus,  \  Spoletina  data  est 
(sc.  lagona);  auch  XII  32, 13  (s.  oben)  kann  so 
gedeutet  werden,  vielleicht  auch  III  82, 15 :  do- 
mini  bibentis  ebrium  regit  penem.  Auch  das 
Sprichwort  tamquam  mus  in  matella,  Petron. 
58,9,  erklärt  sich  bei  solcher  Form  am  besten. 

2)  Mart.  XI  11,5:  qui  Mentora  frangis  in 
scaphium  moechae  tuae  (also  von  Silber).  luv. 
6,264.   Digg.  XXX1V227.5. 

3)  Arist.  Thesm.  633.    Poll.  X  45. 

4)  Vgl.  Pottieb  bei  D.S.  II  332.  Mau  bei 
P.-W.  V  1284. 

5)  Corp.  Gloss.  VI  562. 

6)  Colum.  XII  18,5:  aliter  ea  {dolia)  quae 
demersa  sunt  humi,  aliter  quae  stant  supra 
terram.  Plin.  XIV  133:  mitiores  plagae  dolus 
condunt  infodiuntque  terrae  tota  aut  ad  por- 
tionem  situs.  Apul.  met.  IX  5 :  dolium  quod  erat 
in  angido  semiobrutum.  Digg.  XXXII 93, 4 :  vasa 
vmaria,  id  est  cupae  et  dolia,  quae  in  cella  de- 
fixa  sunt. 

')  Colum.  a.  a.  0.  Digg.  XXXIII  7,8  pr.: 
dolia,  licet  defossa  non  sint,  et  cupae. 

8)  Non.  p.  545, 8:  dolia  vasa  grandia  qui- 
bus  vinum  reconditur.  Varr.  r.  r.  I  65 :  quod 
mustum  conditur  in  dolium.  Hör.  ep.  2.47.  luv. 
9, 58.  Der  junge  Wein  heißt  daher  vinum  do- 
liare,  Digg.  XVIII  6, 1, 4;  vgl.  Sen.  epist.  36, 6: 
nonpa/i  aetatetn  (vinum),  quod  in  dolio plann'/. 

9)  Cato  r.  r.  10,4;  11, 1 ;  dolium  vini,  Plaut. 
Cist.  542.  Ein  alter  Name  für  das  Weinfaß  ist 
ealpar  (vielleicht  vom  griechischen  xaXnn), 
Non.  546,28:  ealpar  nomine  antiquo  dolium. 
Varro  de  vita  populi  Romani  Hb.  I:  quod  ante- 
ftiam  nomen  dolii  prolatum,  cum  etiam  id  ge- 


nus  vasorum  ealpar  diceretur,  id  vinum  ealpar 
appellatum.  Festus  46, 17.  Corp.  Gloss.  V  653, 
43;  der  Name  kam  aber  später  ab  und  ging 
auf  den  jungen  Wein  über,  Non.  a.  a.  0.,  doch 
wesentlich  im  sakralen  Gebrauch,  Fest.  65. 10: 
ealpar  vinum  novum,  quod  ex  dolio  demitur 
sacrificii causa,  antequamgustetur.  Corp.  Gloss. 
II  96,  34;  V  14, 10:  vgl.  Haupt  opusc.  111  81. 
Mau  bei  P.-W.  III  1363. 

10)  Ov.  fast.  V  270.  Colum.  XII  18,4.  Apul. 
met.  IX  34;  daher  fallen  sie  beim  Hauskauf 
als  Immobilien  dem  Käufer  zu,  so  schon  Varro 
bei  Non.  545,10:  haec  aedium  emtoi'ibus  ac- 
cedunt:  sellae  (Nachtstühle),  claves,  claustra, 
carnaria,  dolia.  Digg.  XXXIII  6,  3, 1 :  in  dolus 
non  puto  verum,  ut  vino  legato  et  dolia  debe- 
antur,  maxime  si  depressa  in  cella  vinaria 
fuerint  aut  ea  sint,  quae  pro  magnitudine  dif- 
ficile  moveantur.  Vgl.ebd.a.a.  O.  undL  16,206. 

u)  Dolia  olearia,  Cato  a.  a.  O.;  ebd.  69. 
Plin.  XV  33;  auch  für  die  amurca,  den  wäss- 
rigen  Abgang  beim  Oelpressen,  als  dolia  aitnn-- 
caria,  Cato  10,4. 

u)  Dolia  frumentaris,V&rr. r.r.  122, 4.  Cato 
10,4;  11.1. 

13)  Dolia  lupinaria,  Cato  10,4. 

14)  Dolia  acinaria,  Varr.  a.  a.  O.;  dolia  quo 
vinaeeos  condat,  Cato  l0,4;  11,1.  Auch  die  in 
den  öffentlichen  Bedürfnisanstalten  aufgestell- 
ten Töpfe  für  den  Urin  werden  als  dolia-  be- 
zeichnet bei  Lucr.  IV  1026. !, 

5)  Doliorum  opercula,  Cato  1 1 . 1 .  Hölzern 
sind  die  Deckel  auf  dem  A.  Z.  1877  (XXXV) 
Taf.  13  abgebildeten  Relief  eines  Weinhändlers, 
auf  dem  zahlreiche  dolia  in  die  Erde  eingegraben 
sind;  tönerne  mit  kleinem  Henkel  in  der  Mitte 
sind  noch  erhalten,  s.  Mau  a.  a.  O.  1286. 


"Vierter  Abschnitt.    Der  Hausrat. 


149 


■  in    den    Niederlagen    der   Wein-    und    Ölhändler    zu    finden;    in    der    viUa 

Mrustica   durften   sie   nicht  fehlen,    und   auch   der   Privatmann    hatte   solche 

Izum   Aufbewahren   von  Vorräten,    obschon    die   größten   Exemplare    wohl 

Imehr  für   den  Handel   als  für  den  Privatgebrauch  bestimmt  gewesen  sein 

I  mögen.     Denn  sowohl  die  Nachrichten  wie   die  Funde  zeigen  uns,   in  wie 

I gewaltigen  Dimensionen  solche  Fässer   hergestellt  wurden;    so  große,   daß 

ein  Mann   darin   bequem  Platz   fand,   waren   ganz   gewöhnlich  und  kamen 

auch  im  Privathaus  vor1);  bei  den  Schriftstellern  finden  wir  Fässer  erwähnt 

von  200  congii   (656  Liter)2),  von  \lf%  cullei  (30  Amphoren  =  788  Liter) 

und   darüber3).     Diese   Angaben  werden   durch   noch   erhaltene   dolia,   auf 

denen   mitunter   das  Hohlmaß  durch  eingeritzte  Inschriften  angegeben  ist, 

vollauf  bestätigt4).     Das  Material   dieser   Fässer   war   in   den   klassischen 

Ländern  stets  ein  grober,  rötlicher  oder  gelblicher  Ton5);   die  Herstellung 

solcher  tönerner  Riesengefäße  gehörte  zu  den  schwierigeren  Aufgaben  der 

Töpferei0),  und  es  waren  wohl  zumeist  eigene  Werkstätten,  die  sich  damit 

beschäftigten7).     Der   Form    nach    sind   die    tönernen    dolia,    die    wir   aus 

Abbildungen,  namentlich  aber  aus  zahlreichen  Funden  aus  Pompeji,  Bosco- 

ivale.  Ostia  u.  s.  kennen8),  mit  weiter  Mündung9),  bauchig,  nach  unten  sich 

verengend10),  unten  in  der  Regel  abgeplattet  und  meist  in  geschwungener 

Linie  in  eine  Art  Fuß  auslaufend,   dessen  Standfläche   der  Öffnung   gleich 

zu  sein  und  etwa  ein  Drittel  des  größten  Durchmessers  zu  betragen  pflegt11). 

Vermutlich  haben  die  doliola,  die  mehrfach  vorkommen12),  die  gleiche  Form, 

nur  viel  kleinere  Dimensionen  gehabt. 

Hölzerne  Fässer  oder  Tonnen,  die  gleich  den  heut  noch  üblichen  aus 
Dauben  (ta&ulae)1*)  und  Reifen  (eirculi)1*)  bestanden,  hießen  nicht  dolialb), 
sondern  cupae19).  Solche  kamen  vornehmlich  bei  den  weinbauenden  Völkern 
des  Alpengebiets,   und  zwar  manchmal  in  außerordentlicher  Größe,  vor17), 


')  So  im  Hause  des  Zimmermanns,  Apul. 
met.  IX  5  fT.;  immerhin  konnte  dies  der  Ver- 
käufer allein  auf  dem  Rücken  transportieren. 

2)  Pallad.  X  11,1. 

3)  Sesquiculearia  dolia,  Colum.  XII  18,7. 
Bei  Cato  69  und  112,3  kommen  dolia  quin- 
jtiagenaria  vor,  d.  h.  wohl  von  50  Amphoren 
(1313  L.). 

4)  Vgl.MARQUARDT646.  Mau  a.  a.  0. 1285. 
B)  Varr.  r.  r.  III  15,2:  dolia  qnae  figuli  fa- 

piunt.  Plin.  XXXV  159. 

6)  Vgl.BLÜMNEETechnologieII41,mitder 
Einschränkung  von  Mau  a.  a.  0. 

'')  FiglinaedoliorumfFlia.ni82.  Doch  ist 
doliare  <>j»<s  keineswegs  bloß  solches  Fabrikat, 
sondern  im  allgemeinen  grobe  Ware,  s.  Mar- 
quardt  635;  665. 

8)  OvERBECK297.PASQüiMon.ant.deiLin- 
cei  VIII 483;  andere  Litteratur  bei  Mau  a.  a.  0. 
1 284  f. 

9)  Colum.  XII  6,1. 

10)  Das  geht  hervor  aus  Colum.  XII 4, 5: 
paec  vasa  dedita  opera  fieri  oportent  patenti 
er,'  et  usque  ad  imum  aequalia  nee  in  modutn 
doliorum  formata;  und  ebd.:  semper  sint  iure 
tttbmersa.   quod,  in  utero  dolii  rix  fieri  posse 


propter  inaequalitatem  figurae. 

n)  Mau  a  a.  0.;  s.  die  Abbildung  bei  Pot- 
tier  a.  a.  0.  333  Fig.  2493. 

12)  Liv.  V  40, 8.   Colum.  XII  44, 3. 

13)  Pallad.  138.1. 

»«)  Petron.  60, 1.   Plin.  XIV  132. 

,5)  Ganz  vereinzelt  steht  Plin.  VIII  16;  die 
hier  erwähnten  dolia  müssen  hölzerne  sein,  da 
von  ihrer  Verwendung  zu  Flößen  die  Rede  ist. 
wie  bei  Lucan.  IV  420  cupae  zu  einem  solchen 
dienen  und  bei  Capitol.  Maxim.  22,4  die  cupae 
zu  einer  Brücke  benutzt  werden ;  Herod.VIII 
4, 9,  der  dieselbe  Geschichte  erzählt,  nennt  sie 
dort  y.eva  olvoqiooa  oxf.vij  jisQKfsoot^  tr/.<>r. 

1 6)  Vgl.  Rick  209.  Fernique bei  D.-S.  1 1 594. 
Das  Wort  ist  ursprünglich  griechisch  (xvmj); 
es  ist  ins  Deutsche  in  den  Formen  Kufe,  Kübel 
übergegangen,  s.  Hehn  Kulturpfl.  u.  Haustiere6 
558.  In  den  Glossen  wird  aber  cupa  durch 
ßoSvxn  uf-'u/.))  oder  yavhk  erklärt.Corp.Gloss.  II 
1 19. 15 :  204, 1 1 .  Als  Ver fertiger  (Küfer)  kommt 
inschriftl.  exparixs  vor,  CIL  X  7040;  XII 2669; 
XIII  3700. 

17)  Plin.  XIV  132:  circa  Alpes  (vinum)  li- 
gneis  vasis  condunt  tecÜS  ctrcultsque  fingiuit: 
so  spricht  Strab.  V  214  von  den  $i'hroi  nidoi, 


150 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


allein  auch  in  Mittelitalien  waren  sie  nicht  unbekannt,  wie  die  Erwähnungen 
zeigen1),  wenn  auch  in  der  Anwendung  von  den  dolia  abweichend2)  und 
wohl  vornehmlich  für  Flüssigkeiten  verwendet3). 

Öfters  zusammen  mit  dem  dolium  wird  als  Vorratsgefäß  erwähnt  die 
seria*),  sodaß  man  beide  als  zwar  ähnlichen  Zwecken  dienende,  aber  doch 
verschiedene  Gefäße  betrachten  muß.  Sie  war  gleich  dem  dolium  vor- 
nehmlich für  Wein  bestimmt  und  daher  in  der  cella  vinaria  aufbewahrt5); 
doch  wurde  sie  auch  für  Öl  benutzt6);  ferner  für  Getreide7),  für  ein- 
gesalzenes Fleisch8),  gelegentlich  selbst  für  Münzen  und  andere  Wert- 
gegenstände9). Über  ihre  Form  läßt  sich  nichts  Gewisses  sagen;  da  sie 
nicht,  gleich  den  dolia,  für  jungen,  noch  gärenden  Wein  bestimmt  war, 
sondern  für  schon  reifen,  andrerseits  aber  nicht  als  Verbrauchsgefäß  im 
Haushalt  diente,  sondern  in  der  cella,  vielfach  auch  im  Boden  eingegraben10) 
stand,  so  scheint  es,  daß  sie  wohl  etwas  kleiner  war,  als  das  dolium11); 
auch  war  sie  von  mehr  länglicher  Gestalt  und  hatte  einen  engen  Hals12); 
für  gewöhnlich  war  sie  wohl  mit  einem  Deckel  geschlossen13).  So  wird 
denn  ihre  Gestalt  im  allgemeinen  von  der  des  dolium  sich  durch  kleinere 
Dimensionen,  schmäleren  Rumpf  und  engere  Öffnung  unterschieden  haben14). 
Das  Material  war  wohl  durchweg  Ton15). 

Neben  diesen  großen  Vorratsgefäßen  sind  einige  kleinere  zu  nennen, 
die  zwar  auch  zum  Aufbewahren  von  größeren  Quantitäten  flüssiger  oder 
trockner  Nahrungsmittel  dienten,  aber  wesentlich  den  zum  Tagesgebrauch 
bestimmten  Vorrat    enthielten    und    daher    von    geringerem    Umfang    und 


in  denen  bei  Aquileia  Wein  und  Oel  trans- 
portiert wird,  und  von  der  Lombardei  erzählt 
er:  tov  b  oivov  16  Tzkrjdog  (xr\vvovoiv  oi  nidof 
SvXivoi  yag  /uei^ovg  ol'xmv  elol.  Daher  werden 
cupae  auch  in  transalpinen  Ländern  öfters  er- 
wähnt, so  in  Verwendung  bei  Belagerungen 
u.  dgl.,  Caes.  b.  Gall.  VIII  42;  bell.  civ.  II 11. 
ImGegensatz  zu  diesem  mehr  nordischenBrauch 
bemerkt  Plin.  ebd.  133:  mitiores  plague  dolus 
condunt.  Abbildungen  von  hölzernen  Fässern 
stammen  wesentlich  von  römischenBildwerken, 
die  nicht  italische  Verhältnisse  schildern,  so 
auf  der  Trajanssäule  (Fröhner  La  colonne 
Trajane  pl.  83.  Fernique  a.a.O.  Fig. 2141)  und 
auf  einem  Relief  aus  Augsburg  (Fernique  ebd. 
Fig.  2139.  Schreiber  Kulturhistor.  Atlas  Taf. 
66,  7). 

')  Varro  bei  Non.  83,19:  cupas  vinarias 
»irparenoli.  Digg.XIX2,81.  Nach  Plin.  XVI  42 
war  besonders  Kiefernholz  dafür  verwendbar. 

*)  Das  zeigt  namentlich  Cic.  in  Pis.  27, 67 : 
pistor  domi  nullus,  nulla  cella;  panes  et  vinum 
a  propola  atqtu  de  cupa  (falls  nicht  hier  cupa 
im  Sinne  von  copa  zu  fassen  ist).  Bei  Pall.  I 
18,  2  werden  cupae  neben  dolia  in  der  cella 
vinaria  zugelassen. 

3)Vgl.obenS.  149  A.  17:  für  Essig  Varro  bei 
Non.  a.  a.  0.  Ungewöhnlich  ist  die  Füllung  mit 
Salz  bei  Frontin.  strat.  III  14,3.  Die  Annahme, 
daß  cupa  auch  ein  kleineres  Gefäß  bedeutete 
(Fernique  a.  a.  0.),  beruht  auf  Hör.  sat.  II 2, 123 


und  Verg.  Copa  7,  doch  ist  an  beiden  Stellen 
cupa  verdorbene  Lesart. 

4)  Ter.  Heaut.  460:  relevi  omnia  dolia, 
omnes  serias.  Colum.  XII  18, 5;  28,  3.  Digg.  L 
16,206.  Der  Titel  einer  Satire  des  Varro  war 
Dolium  aut  seria,  s.  Riese  Varr.  satur.  Menipp. 
117. 

5)  Außer  obigen  Stellen  vgl.  noch  die  se- 
riola  bei  Pers.  4,29.  Isid.  or.  XX  6,6:  seriola 
est  orcarum  ordo  directus  vel  vas  fictile  vini. 

6)  Cato  10,4;  ebd.  12.  Varr.  r.  r.  III  2,8 
{seriae  oleariae).  Colum.  XII  52,14:  dolia  et 
seriae,  in  quibus  oleum  reponitur. 

'')  Digg.  a.  a.  0. 

8)  Colum.  XII 28, 1 ;  daraufgeht  wohl  auch 
Plaut.  Capt.  917:  cocum  percontabatur,  pos- 
sentne  seriae  fervescere. 

9)  Pers.  2, 11.   Lampr.  Heliog.  6,7. 
,0)  Vgl.  Pall.  Mart.  10,9. 

1 ' )  Colum.  XII 28, 1  erwähnt  seriae  ampho- 
rarum  septenum  (183, 8  Lit.). 

12)  Colum.  XII 55, 4  erwähnt  die  fauces  se- 
riae, was  auf  schmale  Mündungschließen  läßt; 
Schol.  Pers.  2,11  sagt  von  der  seriai^o/ii<»i 
fictile  oblongum.  i 

u)  Vgl. Ter. a.a.O.  Cato  10, 4 erwähnt oper- 
cula  dolus  seriis  priva. 

u)  Corp.  Gloss.  11407,46  wird  die  seria  als 
niftäxvr)  erklärt.  Das  Gefäß,  das  Rich  563  als 
seria  abbildet,  ist  eine  Amphora. 

15)  Vgl.  Isid.  und  Schol.  Pers.  a.  a.  0. 


Vierter  Abschnitt.    Der  Hausrat. 


151 


bequem  zum  Transport  eingerichtet,  meist  wohl  auch  mit  Henkeln  versehen 
waren.  Ein  solches  Gefäß  ist  der  cadus  (xadog)1),  womit  vereinzelt  ein 
bestimmtes  Hohlmaß2),  meist  aber  ein  Weingefäß  ohne  Rücksicht  auf  be- 
stimmtes Maß  gemeint  ist3),  und  zwar  sowohl  für  einheimische  italische,  wie 
für  ausländische  Weine4).  Der  cadus  diente  wie  die  amphora  dazu,  daß 
der  Wein  darin  der  Räucherung  (in  der  apotheca)  ausgesetzt  wurde5),  und 
er  war  auch  das  Transportgefäß,  in  dem  er  vom  Produktionsorte  versandt 
wurde  und  in  den  Magazinen  lagerte6);  beim  Privatmann  lagen  die  cadi 
wohl  meist  in  der  cella  vinaria  auf  Lager7).  Außer  für  Wein  benutzte 
man  den  cadus  auch  für  Ol8),  Honig9),  Rosinen10).  Feigen11)  u.  a.  m.12) 
Über  die  Gestalt  des  cadus  erfahren  wir  aber  nichts  Sicheres13);  anscheinend 
war  die  Mündung  eng,  da  sie  durch  Kork  verschlossen  wurde14).  Das 
Material  war  Ton15),  nur  zu  besonderen  Zwecken  kommt  auch  anderes 
vor16).  In  später  Zeit  scheint  aber  das  Wort  eine  andere  Bedeutung  er- 
halten zu  haben,  indem  man  damit  einen  Eimer,  und  zwar  eine  bronzene 
slt nid.  bezeichnete17). 


J)  Vgl.  Saglio  bei  D.-S.  I  777. 

2)  Nach  Isid.  or.  XVI  26, 13  und  Carm.  de 
ponder.  84  von  drei  Urnen  Inhalt,  also  39,39  L., 
vgl.  Hultsch  Metrologie  1 13  A.  4.  Daneben  aber 
spricht  Colum.  XII  28, 4  von  einem  cadus  du- 
«nun  umarum. 

3)  Non.  p.  544, 9:  cadi  vom,  quibus  vina 
eonduntur.  Besonders  häufig  bei  Dichtern, 
Plaut.  Amph.  429;  Asin.624;  Stich.  425.  Lucil. 
bei  Non.  a.  a.  0.  Verg.  Aen.  I  195.  Hör.  carm. 
135,26;  II  7.20;  III 29,2;  ep.II 2, 163.  Ov.met. 
XII 243  u.a.m.  In  den  Glossen  wird  cadus  öfters 
durch  vas  vinarium  erklärt,  s.  Corp.  Gloss.  IV 
432,24;  V  173,35. 

4)  Wenn  Marquardt  648  mit  Bezug  auf 
Plin.  XIV  97.  wo  nebeneinander  amphorae  Fa- 
lerni  und  cadi  Chii  genannt  sind,  sagt,  der 
cadus  sei  eigentlich  das  Gefäß  für  griechische 
Weine,  so  kann  das  aus  dieser  Belegstelle 
nicht  geschlossen  werden,  da  cadi  mit  itali- 
schen Weinen  noch  viel  häufiger  erwähnt  wer- 
den, als  solche  mit  griechischen,  vgl.  Hör.  sat. 
113,115:  positis  intus  Chii  veter  isque  Falerni  ; 
mille  cadis,  wo  also  gar  kein  Unterschied  ge- 
macht ist;  Mart.  118,2;  IV  66, 8;  1X2,6;  XII 
48,14;  XIII  118,2  u.  ö.  Für  griechische  und  an- 
dere ausländische  Weine  Varro  bei  Plin.  XIV  96. 
Tib.II1.28.  Hör. carm. III  19,5.  Mart.X36,2. 
Plin.  XXXVI  59. 

5)  Ov.  fast.  V  518:  fumoso  condita  vina 
cado.  Mart.  X36.2:  accipit  aetatem  quisquis 
ab  iqne  cadus. 

6)  Mart.  XIII  112.  Hör.  carm.  IV  12.17: 
cadum,  qui  nunc  Sulpiciis  accubat  horreis. 

7)  Plaut,  m.  gl.  850  ff.  (wo  aus  dem  cadus 
der  Wein  in  den  urceus,  v.  831,  oder  in  die 
<ml<(,  v.  854,  abgefüllt  wird).  Mart.  1  26;8;  XI 
39. 14.  Abgelagerter  Wein  ist  nie  im  dolinni, 
sondern  in  der  amphora  oder  im  cadus,  Hör. 
carm.  III 14, 18;  ib.  15, 16;  IV  11, 1.  Mart.  VI 
36, 5;  IX  93,  2. 


8)  Plin.  XVIII 307.  Mart.  1 43, 8 ;  auch  hier 
als  Versandgefäß. 

9)  Mart.  155,10. 
,0)  Plin.  XV  43. 

11 )  Plin.  XV  82. 

12)  Vgl.  Plin.  XXXIV  110,  wo  es  zur  Be- 
reitung der  aenigo  dient.  Bei  Verg.  Aen.  VI 
228  dient  ein  eherner  cadus  als  Aschenurne. 

13)  Keinen  rechten  Aufschluß  gibt  Plin. 
XXVII14,wof»/7/m^sc«rfor«mzumAnpflanzen 
von  Aloe  empfohlen  werden;  wenn  Rich  87 
daraus  schließt,  daß  die  ganze  Gestalt  die  eines 
Kindei  kreiseis  war,  so  entspricht  das  nicht  dem 
Wortlaut,  nach  dem  die  sog.  tiu-bine*  nur  ein 
Teil  der  cadi  sein  können. 

14)  Plin.  XVI  34.  vgl.  XXVII 14;  der  Ver- 
schluß ist  auch  bei  Tib.  II  1, 18:  Chio  solvite 
vincla  cadogememt.  Eskanndahernichtrichtig 
sein,  wenn  Saglio  a.  a.  O.  einen  Mischkrug  auf 
einer  griechischen  Vase  als  cadus  bezeichnet; 
aus  dem  cadus  wurde  nicht  geschöpft,  sondern 
unter  Senkung  eingegossen,  s.  Hör.  carm.  111 
29,2:  non  aide  verso  lote  merum  cado;  und 
Plaut,  m.  gl.  850:  crebri  capite  sistebant  cadi. 
Daß  der  cadus  ganz  identisch  mit  der  am- 
phora, war,  wie  Marquardt  648  behauptet,  ist 
nicht  erweislich  und  auch  nicht  wahrschein- 
lich, Plin.  XIV  97  würde  sonst  schwerlich  beide 
unterschieden  haben. 

15)  Mart.  1  18,  2  mit  der  Anm.  von  Fried- 
länder; ebd.  155,10  u.  IV  66, 8  deutet  ruber 
cad  äs  auf  Ton.  Dagegen  I  26, 8:  egerit  et  nigros 
Massica  cella  cado»  geht  niger  auf  die  Räu- 
cherung des  Weins. 

16)  So  Erz  bei  Verg.  a.  a.  O. ;  aus  Stein  Plin. 
XXXVI 158. 

17)  Die  Glossen  geben  neben  vögia,  y.ähni? 
öfters  die  Erklärung  sittda  aenea,  s.Corp.  Gloss. 
VI  161.  Dagegen  findet  es  sich  Digg.  XXXIII 
6. 15  in  der  alten  Bedeutung:  rinnin  in  cadis 
diffunditnr. 


152 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


Die  amphora1),  die  in  Form  und  Verwendung  wie  im  Namen  dem  grie- 
chischen äfMpoQEvs  entspricht,  ist  gleich  dem  cadus  ebenso  ein  bestimmtes 
Hohlmaß2),  wie  im  weitern  Sinne  ein  zur  Aufbewahrung  größerer  Quantitäten, 
vornehmlich  von  Flüssigkeiten,  dienendes  Gefäß,  ganz  besonders  dasjenige,  in 
das  man  den  Wein  aus  den  Fässern  abfüllte3).  In  der  amphora  wurde  der  Wein 
im  Hause  in  der  cella  vinaria  oder  in  der  apotheca  aufbewahrt  und  lagerte 
dort,  bis  man  ihn  zum  Gebrauch  herausholte4).  Ein  aus  Kork  oder  aus  Ton 
gemachter,  mit  Pech  oder  Gips  dicht  gemachter  Pfropfen  verschloß  die  Mün- 
dung5); bei  besseren  Weinen  wurde  Sorte  und  Jahrgang  außen  bezeichnet, 
entweder  aufgemalt6)  oder  auf  einem  am  Hals  des  Gefäßes  befestigten 
Täfelchen  aufgeschrieben 7) ;  an  den  Henkeln  sind  häufig  die  Fabrikstempel 
der  Töpfereien,  aus  denen  sie  stammen,  eingepreßt 8).  Ausländische  Weine 
wurden  sehr  gewöhnlich  in  Amphoren  versandt9).  Außer  für  Wein  wurde 
die  amphora  besonders  für  Öl  benutzt10),  ferner  für  Honig11),  Essig12),  Fisch- 
saucen13); auch  als  Gefäß  zum  Wasserholen  scheint  sie  gedient  zu  haben14), 
während  ihre  Verwendung  zur  Aufbewahrung  von  Geld  wohl  immer  eine 
mehr  gelegentliche  war15).  —  Was  ihre  Form  anlangt,  so  war  die  amphora 
ein  längliches,  bauchiges,  nach  unten  spitz  zulaufendes  Gefäß  mit  zwei 
Henkeln,  die  den  Hals  mit  dem  Bauche  verbanden16).  In  der  cella  wurden 
die  Amphoren  entweder,  wie  die  dolia,  in  die  Erde  eingegraben17)  oder  an 
die  Wand  gelehnt18);  beim  Gebrauch  stellte  man  sie,   da  sie   meist  unten 


»)  Vgl.  Saglio  bei  D.-S.  I  248.  Wernicke 
bei  P.-W.  1 1969. 

2)  Sie  entspricht  dem  attischen  Metretes 
und  mißt  zwei  Urnen  (26,26  L.);  s.  Hultsch 
Metrologie  112  ff.   Becker-Göll  III  399  ff. 

3)  Diese  Verwendung  der  amphora  ist  die 
weitaus  häufigste  und  namentlich  bei  Dichtern 
sehr  oft  erwähnt;  vgl.  Cato  r.  r.  127, 1.  Cic.  p. 
Font.  19.  Hör.  carm.  I  36,11;  III  16,34.  Sen. 
ep.  58, 32.  Petron.  34, 6.  Mart.  1 18, 8 ;  XII  65, 9 
u.  ö. 

4)  Hör.  carm.  III 28, 7.  Mart.  VI  27,8;  VIII 
45,4;  1X98,3;  XI  8, 7;  50,7;  XIII  117,1. 

b)  Hör.  carm.  III  8, 10:  hie  dies  corticem 
destrictum  pice  dimovebit  amphorae.  Petron. 
34,6;  71.11;  vgl.  Colum.  XII  39.2. 

6)  Das  nennt  Plaut.  Poen.  836  scherzhaft 
lüteratas  fictiles  epistulas,  |  pice  signatas:  no- 
mina  insunt  cubitum  longis  litteris.  An  den 
aufgefundenen  Amphoren  sind  die  Signaturen 
oft  mit  Farbe  aufgemalt,  vgl.  Mau  Pompeji  522 
und  die  Sammlung  der  pompejanischen  CIL 
IV  169  ff.  und  anderer  (meist  vom  Monte  Te- 
staccio  in  Rom)  ebd.  XV  Fase.  2.  Marquaedt 
462  f. 

')  Notae,  Hör.  carm.  II 3, 8,  oder  tituli,  luv. 
5,34;  die  Täfelchen,  aufdenen  die  tituli  stehen, 
heißen  bei  Petron.  a.a.  0.  pittacia. 

8)  Vgl.  Dressel  A.  d.  I.  L  (1878)  131  ff.  über 
die  Amphorenstempel  vom  Monte  Testaccio  in 
Rom ;  Bull,  munic.  VII  (1879)  38  u.  143.  Jacobi 
Römerkastell  Saalburg  340  ff. 

°)  So  sizilischer  Wein  bei  Mart.  XIII  117. 
Die  zahlreichen  Amphorenhenkel,   deren  In- 


schriften die  Herkunft  von  Thasos,  Rhodos, 
Knidos,  Chios  angeben  (vgl.  Hermann-Blümner 
Griech.  Privataltert.  230  A.  4)  sind  fast  durch- 
weg außerhalb  Italiens  gefunden. 

10)  Amphorae  oleariae,  Cato  10,2;  13,2. 

u)  Cic.  Verr.  11  74, 183.  Hör.  epod.  2, 15. 

»*)  Mart.  XIII  122. 

13)  Mart.  VI  93,6;  XIII  103. 

14j  Petron.  70.4:  subito  intraventnt  duo 
servi,  tanquam  qui  rixam  ad  lacum  fecissent; 
certe  in  collo  adhuc  amphoras  habebant.  Auch 
die  in  den  öffentlichen  Bedürfnisanstalten  auf- 
gestellten Töpfe  werden  als  amphorae  bezeich- 
net, Titius  bei  Macrob.  sat.  III  16, 15. 

15)  Wie  bei  der  bekannten  List  des  Hanni- 
bal,  Nep.  Hann.  9,3.  lustin.  XXXII  4,4;  vgl. 
Gell.  XV  12,4. 

16)  Der  Hals  heißt  Collum,  Cato  88, 1,  oder 
cervix,  Petron.  34,  6.  Mart.  XII  32. 14;  die  an- 
säe Cato  113.2.  Wegen  der  beiden  Henkel  wird 
sie  Hör.  sat.  I  9,  8  diota  genannt;  vgl.  Corp. 
Gloss.  I  54, 12 :  diota  d/xcpögiov,  oh>oq?ögioi>.  Ein 
anderer,  etymologisch  nicht  erklärlicher  Name 
ist  gastra,  Petron.  70.6,  wo  die  gastrae  vorher 
amphorae  hießen,  vgl.  ebd.  79, 3.  Heraeus 
Sprache  des  Petr.  19. 

u)  So  eine  ganze  Reihe  in  einem  1789  bei 
Porta  Flaminia  in  Rom  ausgegrabenen  Wein- 
keller, s.  d'Agincourt  Recueil  46  pl.  19,  29. 
Saglio  a.  a.  O.  Fig.  280.  Schreiber  Kulturhistor. 
Atlas  Taf.  66, 2. 

18)  So  im  Keller  der  Villa  des  Diomedes  in 
Pompeji,  s.  Overbeck  375;  451.  Mau  381;  in 
Boscoreale  Mau  13. 


"Vierter  Abschnitt.    Der  Hausrat. 


153 


in  eine  Spitze  auslief1),  in  ein  Kühlgefäß  oder  in  einen  besondern  Unter- 
satz, der  incitega  hieß*).  Das  Material  war  für  gewöhnlich  Ton,  für  klei- 
nere, die  nicht  zur  Aufbewahrung  im  Keller  dienten,  auch  Metall3),  Stein4) 
oder  Glas5).  Tönerne  Amphoren,  der  Mehrzahl  nach  für  Wein  bestimmt, 
sind  an  vielen  Orten  Italiens  und  der  Provinzen  in  zahlreicher  Menge 
gefunden  worden1*).  —  Die  orca1)  war  der  Amphora  ähnlich8),  nur  nicht 
bauchig,  sondern  gleichmäßig  schlank  und  mit  länglicher,  enger  Mündung9). 
Sie  diente  teils  für  Flüssigkeiten,  wie  Wein10),  Fischsaucen11),  seltner  wohl 
für  Wasser12),  teils  für  trockne  Früchte,  zumal  für  Feigen,  die  darin  ein- 
gelegt und  versandt  wurden13). 

Unter  den  Gefäßen,  die  für  kleinere  Quantitäten  von  Flüssigkeiten 
bestimmt  waren,  diente  die  urna  vornehmlich  zum  Wasserholen14);  sie  ent- 
spricht der  griechischen  vdgia ' 5)  und  hatte  daher  in  der  Regel,  wie  diese, 
drei  Henkel,  zwei  seitlich  horizontal  angebrachte,  um  damit  das  Gefäß  zu 
heben,  und  einen  senkrecht  stehenden  an  der  Schulter,  an  dem  man  das  Gefäß 
beim  Ausgießen  faßte  oder  wenn  man  es  in  der  Hand  trug:  denn  für  gewöhn- 
lich trugen  die  das  Wasser  vom  Brunnen  holenden  Frauen  das  Gefäß  (wie 
heut  noch  im  Süden  üblich)  auf  dem  Kopf16)  oder  auf  der  Schulter17).  Als 
Maß  war  die  urna  einer  halben  Amphora  gleich18).  Das  Material  war  in 
der  Kegel  Ton19),  doch  werden  auch  eherne20)  und  silberne  erwähnt21).  Auch 
der  schon  oben  erwähnte  urceus  war  ein  wesentlich  für  Wasser22),  seltner 
für  Wein23)  bestimmter  Krug,  der  aber  nur  einen  Henkel  hatte24);  meist 


')  Amphoren  mit  Fuß  kommen  auch  vor, 
aber  mehr  in  der  griechischen,  als  in  der  römi- 
schen Keramik. 

')  Festus  107,3:  incitega  machinnla,  in 
fua  constituebatur  in  convivio  vini  amphora, 
de  qua  subinde  deferrentur  vina.  Das  Wort 
ist  aus  ayyo&rjxn  oder  eyyv&rfxn  entstanden. 
Vgl.  Pottier  bei  D.-S.  IN  456  mit  Fig.  4029  ff. 

3)  Wie  solche  noch  erhalten  sind  aus 
Bronze  Mus.  Gregor.  I  58;  aus  Silber  Compte- 
rendu  de  St.  Petersb.  1864  pl.  1  f. 

4)  Aus  Onyx  Plin.  XXXVI  59 ;  aus  Ala- 
baster Anc.  marbl.  of  the  Brit.  Mus.  X  62. 

5)  Petron.  34, 6 ;  prachtvollepompejanische 
Amphora  aus  blauem  Glase  mit  Figuren  aus 
weißem  Ueberfangglas,  OvERBECK626Fig.320. 
Mau  435  Fig.  256. 

6)  Abbildungen  bei  Saglio  a.a.O.  Fig.277  ff. 
3VI AütjüARDT 647 Fig.  1 1  ff.  CIL IV p.  170, Tafel. 
Bull,  munic.  VII  (1879)  tav.  VII.  VIII. 

7)  Vgl.  Pottier  bei  D.S.  IV  226. 

8)  Isid.  or.  XX  6. 5 :  orca  est  amphorae  spe- 
cies.   Corp.  Gloss.  V  574,  37. 

9)  Festus  180. 10 :  orca  genus  marinae  be- 
hüte maximum,  ad  cuius  similitudinem  vasa 
ßearia  orcae  dicuntur,  sunt  enim  teretes  atque 
uniformi  specie.  Pers.  3,50:  angustae  collo  non 
fallier  orcae. 

10)  Varr.  r.r.  113.6. 
J1)  Hör.  sat.  II 4,  65.   Pers.  3,76. 
")  Isid.  VIII  11,42:   orca  appellatur  vas, 
fpiod  recipit  aquas. 


13)  Plin.XV82.  Colum.  XII  15,2:  daher  als 
vasa  ficaria  bezeichnet  bei  Isid.  a.  a.  O.  (Plin. 
XXXV  38  kommt  nicht  in  Betracht,  da  hier 
die  bessern  Hss.  tirceis  bieten). 

,4)  Plaut.  Pseud.  157.  Varr.  1.  1.  V  126: 
urnae  dictae,  quod  urinant  in  aqua  hau- 
rienda  ut  urinator;  daher  urnulae  äquales, 
Varr.  b.  Non.  544,8  (doch  wird  hier  äquales 
auch  substantivisch  gefaßt).  Daher  sind  ur- 
nae die  Gefäße  der  Danaiden,  der  Quell- 
nymphen und  Flußgötter,  vgl.  Becker-Göll 
II  369. 

15)  Die  Glossen  übersetzen  urna  teils  mit 
vdgia,  teils  mit  xälm?,  tc&Xmj,  ardfivog,  tjfii- 
aucpögior,  s.  Corp.  Gloss.  VII  384. 

16)  Prop.  V  (IV)  4, 16.  Ov.  fast.  III  14, 
vgl.  39. 

»)  Prop.  ebd.  11, 27  f.   Val.  Fl.  I  219. 

,8)  HüLTSCHMetrologiell6.  Ueberdiew/w 
zur  Asche  der  Verbrannten  s.  Abt.  II  Abschn. 
VIII. 

19)  Ov.  fast.  III 14.   Cic.  parad.  2,11. 

2°)  Digg.  XXXIII  7,13  pr. 

21)  Cic.  Verr.  1119,47. 

22)  Cato  r.  r.  10, 2:  13,  3.  Matius  b.  Gell.  X 
24,19.  Plin.  XIX  71.  Mart.  XIV  106,2.  Digg. 
XXXIII  7, 18, 3.  Ein  urceohts  fctilis  als  Tisch- 
gerät Petron.  95,5. 

2S)  Plaut,  m.  gl.  831. 

24)  Mart.  XI 56, 3;  XIV  106,1.  Die  Glossen 
übersetzen  urctus  mit  aiauvog,  Corp.  Gloss.  VII 
384. 


154 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


tönern1),  doch  auch  von  Erz2).  Ebenfalls  für  Flüssigkeiten  diente  die 
selten  erwähnte  kirnen*).  Größere  Weingefäße  sind  das  vas  vinarium4) 
oder  schlechtweg  vinarium0),  sowie  andere,  die  als  Tafelgeschirr  in  einem 
spätem  Abschnitt  zu  besprechen  sind  (siehe  Abt.  II  Abschn.  VI).  Zu  den 
kleineren,  sowohl  als  Vorrats-  wie  als  Verbrauchsgefäße  dienenden  gehört 
die  im  wesentlichen  der  griechischen  Xrjxvftog  entsprechende  ampulla6),  die 
schmal  und  enghalsig  vornehmlich  für  Ol  diente7),  doch  auch  als  Reise- 
flasche8) für  Wasser  oder  Wein  benutzt  wurde9).  Das  Material  war  bei 
Ölgefäßen  oft  kostbarer  Edelstein10),  sonst  Glas  oder  Ton11),  bei  Feldflaschen 
auch  Leder12).  Bloß  für  Öle  und  Salben  diente  das  henkellose,  birnenförmige 
alabastrum13);  als  Material  war  der  orientalische  Alabaster,  der  davon  seinen 
Namen  hatte,  besonders  beliebt14).  Ebenfalls  ein  kleines  Gefäß,  aus  dem 
man  Öl  tropfenweise  ausgoß15),  das  aber  auch  als  Weinbehälter  verwendet 
wurde16),  ist  der  gutus11).  Die  Form  war  der  ampulla  ähnlich18),  das  Material 
sehr  verschiedenartig19). 

Wir  wenden  uns  schließlich  noch  zu  den  Küchengeräten20)  (vgl. 
Fig.  4321)).  Zu  den  Kochtöpfen  (cocula22))  gehört  vor  allem  die  olla  {aula)*'6), 
ein  meist  ziemlich  großes  Gefäß24)  aus  Ton25)  oder  Erz26),  in  dem  Fleisch, 


")  Cator.r.  13,3.  Hor.a.p.22.  Mart.XIV 
106.  Colum.  XII  46,6. 

2)  Cat.  r.  r.  13, 1  (wo  allerdings  auch  ur- 
ceum  I,  ahenum  gelesen  wird  anstatt  urceum 


3)  Plaut.  Ampb.  429;  431  f.;  bei  Cato  r.  r. 
81  ist  es  eine  Kuchenform  (vgl.  unsern  , Napf- 
kuchen"). 

4)  Plaut.  Trin.  888.  Bei  Cic.  Verr.  IV  27, 62 
ist  vas  vinarium  Interpolation. 

5)  Plaut.  Poen.  838.  Hör.  sat.  118,39.  Pe- 
tron.  70. 9;  78,4. 

6)  Vgl.  Saglio  bei  D.-S.  I  250  f.  In  den 
Glossen  wird  ampulla  stets  durch  b'jxv&og 
wiedergegeben,  Corp.  Gloss.  VI  64. 

7)  Ampulla  olearia,  Apul.  flor.  I  9.  Plin. 
ep.  IV  30, 6.  Mail.  III 82, 26 ;  besonders  zu  gym- 
nastischen Zwecken.  Cic.  de  fin.  IV 12. 30.  Plaut. 
Stich.  228. 

8)  Plaut,  merc.  927;  Persa  124. 

9)  Als  ampulla  potoria,  Mart.  XIV  110; 
vgl.  VI  35,4.  Suet.  Dom.  21. 

,0)  Mart.  XIV  110. 

")  Mail.  VI  35, 3  f.  Plin.  XX  152. 

»*)  Fest.  263,5.  Plaut.  Stich.  228.  Colum. 
VIII  2,15  ;essinddie/r;x?r#o<,  die  nach  Plut.Sull. 
1 3  bei  Hungersnot  stpßoi  verzehrt  wurden,  eben- 
so Ath.  XIII  584F.  Diese  fertigte  der  ampul- 
larius,  Plaut.  Rud.  756.  CIL  XII 4455.  Corp. 
Gloss.  VI  64. 

13)  Digg.  XXX1V2,26.11.  Mart.  XI  8,9; 
zur  Form  vgl.  Plin.  IX  113;  XXI 14.  Doch  haben 
die  als  alabastra  zu  bezeichnenden  Gefäße  häu- 
fig Oesen,  um  an  einer  Schnur  getragen  zu  wer- 
den,vgl.  Saglio  a.a.O.l  76.  Mau  bei  P.-W.  11272. 

")  Plin.  XIII 19;  XXXVI  60;  daher  Corp. 
Gloss.  V  340, 53  alabastrum  als  vas  de  gemma 
erklärt  wird ;  vgl.  Blümner Technol.  III  62.  Aus 
gleichem  Grunde  heißt  ein  Salbgefäß  auch  onyx, 


vgl.Hor. carm.IV  12,17.  Prop.IlI5,14(II  13,30); 
IV  9  (III 10),  22.  Mart.  VII  94, 1 ;  XI  50, 6. 

l5)  luv.  3,262: 11,158.  Gell.  XVII 8, 5. 

,6)  Varr.  1. 1.  V  124.  Hör.  sat.  I  6, 118;  zu- 
mal bei  Opfern  bediente  man  sich  seiner,  Plin. 
XVI 185.  Varr.  a.a.O. 

17)  Vgl.  Pottier  bei  D.-S.  II 1 674.  Cohausen 
im  Arch.  d.  Ver.  f.  nassauische  Altertumskunde 
1879,  272  ff. 

18)  Corp.  Gloss.  V  654, 16:  gutus  ampulla 
brevis  a  breintate  dicta,  in  qua  oleum  fertur. 

19)  Holz  bei  Plin.  a.  a.  O.:  Hörn  bei  Mart. 
XIV  52. 

20)  Coquinatorium  instrumentum ,  Digg. 
XXXIV  2, 19,12;  vasa  coquinaria,  Isid.  or.  XX  8. 

2 ')  Die  Fig.  43  abgebildeten  pompejanischen 
Küchengeräte  (nach  Overbeck  444  Fig.  241. 
Mau  397  Fig.  222)  sind :  a  ein  Kessel  auf  Drei- 
fuß; b,  g,  h,  1  Kochtöpfe;  c,  d  Eimer;  e  Schöpf- 
löffel; f  Kasserolle;  i,  t  Backpfannen  für  kleine 
Kuchen ;  k  Krug ;  m  Küchenlöffel ;  n,  v  Eßlöffel  ; 
o.  p  Bratpfannen;  s  Kuchenform;  q,  u  Schöpf- 
löffel für  Wein;  r  Pfanne  mit  zwei  Griffen  (die 
Bestimmung  nach  Mau). 

■*)  Isid.  a.  a.  0. 1 :  omnia  vasa  coquendi  cau- 
sa parata  cocula  dicuntur.  Plautus:  aeneis  co- 
culis  mihi  excocta  est  omnis  misericordia.  Cato 
r.  r.  11,2.  Varro  bei  Non.  531, 27.  Fest.  39,  3. 
In  den  Glossen  werden  die  cocula  zumeist  als 
vasa  aerea  erklärt,  s.  Corp.  Gloss.  VI  226. 

2S)  Vgl.  Pottier  bei  D.-S.  IV  171. 

24)  Non.  543,5:  capacissimum  ^tm:  vgl. 
Plaut.  Cure.  368.  luv.  14, 171 :  grandes  fnnui- 
bant  pultibus  ollae. 

25)  Avian.  fab.  11,4.  Colum.  VIII  8,7;  vgl. 
Plaut.  Capt.  89 :  frangi  anlas  in  caput. 

26)  Cato  81.  Avian.  a.a.O.  Eine  besonders 
dafür  gebräuchliche  Erzmischung  hieß  danach 
ollaria,  Plin.  XXXI V  98. 


Vierter  Abschnitt.    Der  Hausrat. 


155 


Gemüse  und  namentlich  der  sehr  beliebte  Brei  (puls)  gekocht  wurde1), 
und  zwar  unmittelbar  auf  dem  Kohlenfeuer  selbst2).  Daneben  diente  das 
bauchige,  vermutlich  auch  meist  mit  Henkeln  versehene  Gefäß  auch  andern 
Zwecken,  und  zwar  vornehmlich  zum  Einlegen  von  Früchten,  wie  Wein- 
trauben3) und  Nüssen4);  gelegentlich  wurde  auch  Geld  darin  aufbewahrt5).  — 
Ebenfalls  zum  Kochen  dient  das  aenum  (ahenum)6),  ein  eherner  Topf,  wie 


Fig.  43.   Pompejanische  Küchengeräte. 


der  Name  besagt,  der  sich  aber  von  der  ehernen  olla  dadurch  unterscheidet, 
daß  er  nicht  direkt  auf  das  Feuer  gestellt,  sondern  darüber  aufgehängt 
wird7).     Er   wird    als    Kochgerät    öfters   erwähnt8)   oder    als   Gefäß    zum 


')  Festus  23,13:  aulicocia  exta  quae  in 
ollis  coquebantur.  Mart.  XII 18. 21 ;  XIII 8.  luv. 
a.  a.  0.  Sprichwörtlich:  ipsa  olera olla  legit,  bei 
Catull.  94,2,  und  Sociorum  olla  male  fervet  (viele 
Köche  verderben  den  Brei).  Petron.  38. 13,  falsch 
erklärt  bei  Otto  Sprichw.  d.  Römer  259,  richtig 
Friedländer  Petrons  Gastmahl2  241. 

2)  Digg.  XXXIII  7, 18,3;  vgl.  Plaut.  Cas. 
774:  anlas  praevortunt.  Plin.  XVIII  358:  cum 
tollentibus  ollas  carbo  adhaerescit.  Die  Glossen 
erklären  die  olla  durch  yüioa  oder  keßne,  Corp. 
Gloss.  VII  20. 

3)  Cato  7,2;  vgl.  143,3.  Plin.  XIV  29;  ebd. 
34;  vgl.  XXIII  32;  solche  Trauben  hießen  ttvae 
oUares,  Colum.  XII  45.  Mart.  VII  20, 9.  Stat. 
silv.  IV  9,42. 


4)  Plin.XV 90; ungewöhnlich istMart.XII 
32,21,  wo  Harz  zum  Enthaaren  darin  aufbe- 
wahrt ist. 

b)  So  in  der  Aulularia  des  Plautus,  vgl. 
Cic.  ad  fam.  IX  18,4.  Die  olla  als  Aschen- 
gefäß wird  an  anderer  Stelle  zu  besprechen 
sein. 

6)  Vgl.  Hünziker  bei  D.-S.  1 170. 

7)  Digg.  a.  a.  O.;  vgl.  Plin.  XVIII  358:  in 
a'eno  pendente. 

8)  Titin.  b. Non.87,11:  com'  magmim  ahe- 
num, quando  ferrif , pa uta  COnfutat  tntlla.  Varr. 
r.r.I22,3.  Petron. 74,4.  luv.  15,81.  In  andrer 
Anwendung  Varro  bei  Non.  547,20:  nt  fere  ha- 
ben* aeneum  Uli,  qu*  venditont  oleum,  wo  viel- 
leicht ein  anderes  Gefäß  gemeint  ist. 


156 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


Erwärmen  von  Wasser1);   man   hatte  es,   wie  alle   diese  Küchengeräte,    in 
sehr  verschiedener  Größe2). 

Sodann  ist  der  caccabus  zu  nennen3),  der  sowohl  zum  Kochen  gebraucht 
wurde4),  wie  zum  Einlegen  von  Früchten  u.  dgl.5),  und  namentlich  auch 
bei  der  Herstellung  von  Medikamenten  verwendet  wurde6).  Das  Material 
war  teils  Ton7),  teils  Metall8),  in  üppigen  Haushalten  sogar  Silber9).  Über 
seine  Form  erfahren  wir  nichts  Sicheres,  doch  war  dieselbe  anscheinend 
die  einer  einfachen,  henkellosen  Schüssel10);  wenn  er  wirklich  mit  der 
griechischen  xaxxdßrj,  von  der  er  den  Namen  erhalten  hat,  identisch  war11), 
so  muß  er  pfannenähnlich  gewesen  sein12).  —  Die  patina  {patella)1'6)  ent- 
spricht im  wesentlichen  der  griechischen  londg14),  ist  also  wie  diese  eine 
flache  Pfanne  oder  Schüssel15),  in  der  man  kochte  oder  briet16),  namentlich 
Fische  (und  dann  wohl  von  länglicher  Form)17);  daneben  fand  sie  Anwendung 
beim  Einkochen  von  Obst18)  und  namentlich  auch  bei  der  Bereitung  von 
Medikamenten19).  Aber  wie  bei  uns  die  „Schüssel"  sowohl  in  der  Küche 
zum  Kochen  gebraucht,  als  zum  Servieren  der  Speisen  benutzt  wird,  so 
war  auch  die  patina  gleichzeitig   ein  Tafelgeschirr20).     Das  Material  war 


1)  Serv.  ad.  Aen.  1213.  Bei  Dichtern  wird 
aenum  meist  ganz  allgemein  für  irgend  ein 
ehernes  Gefäß  gebraucht.  Von  den  ebenfalls 
aena  genannten  Wasserkesseln  der  Bader 
wird  anderwärts  die  Rede  sein  (Abt.  II  Ab- 
schn.  VI). 

2)  Cato  10,2  nennt  ein  ahenum  von  dreißig 
Quartarien  (4,10  L.).  11,2  eins  von  einem  cul- 
leus  (5,25  L.)-  Vgl.  Festus  28,4:  aenulum,  vas 
ex  aere  parvum. 

3)  Vgl.  Saglio  bei  D.-S.  I  774.  Mau  bei 
P.-W.  III 1163. 

4)  Varr.  1. 1.  V  127:  vas  ubi  coquebant  ci- 
bum,  ab  eo  caccabum  appellarunt.  Petron.  55, 
6;  74,  5.  Isid.XX8.3.  Digg.  XXXIII  7, 18.3. 
Iudic.  coci  et  pist.  79  (Riese  Anth.  Lat.  1 143). 
Vgl.  caccabulum,  Apic.  116. 

5)  Colum.  XII  42,1;  48,1. 

6)  Scribon.  comp.  45;  82;  157  u.  ö. 
')  Colum.  XII  42,1.  Digg.  a.a.O. 

8)  Erz  bei  Colum.  XII  48,1;  Zinn  ebd. 
42,1. 

9)  Lampr.  Heliog.  19,2.  Digg.  XXXIV  2, 
19,12. 

10)  Stat.  silv.  IV  9,45  spricht  von  einer  syn- 
thesis  alborum  calicum  atque  caccaborutn;  eine 
«lliithfsis  ist  das,  was  wir  einen  „Satz"  nennen, 
eine  Garnitur  von  Gefäßen  von  gleicher  Form, 
aber  von  immer  abnehmender  Größe,  die  in- 
einander gestellt  werden ;  das  ist  aber  nur  bei 
Gefäßen  von  einfacher  Form  und  ohne  Henkel 
möglich. 

n)  Die  Glossen  erklären  jedoch  caccabus 
nicht  dadurch,  sondern  durch  andere  Bezeich- 
nungen, wie  Jtavdeymg,  yvxpa,  /Jßrjc,  s.  Corp. 
Gloss.  VI  159. 

u)  Photius  s.  v.  xaxxäßn  erklärt:  öv  rjjuslg 
xdxxaßov  '  fciti  de  l(»7zada><)f><;,  rywv  c'f  enrror 
rgeTg  nööag.  Wenn  Mau  a.  a  0  daraus  schließt, 


daß  auch  der  caccabus  drei  Füße  hatte,  so  wider- 
spricht dem  die  erwähnte  synihesis  caccaborutn ; 
es  ist  daher  vielleicht  richtiger,  wenn  Saglio 
a  a  0  undRicH87  annehmen,  daß  der  caecal»* * 
beim  Kochen  auf  einen  Dreifuß  gesetzt  wurde. 
Eine  eigentliche  Pfanne  war  er  nicht,  da  Digg. 

XXXIII  7,  18,  3  patina  und  caccabus  unter- 
schieden werden. 

»)  Vgl.  Pottier  bei  D.-S.  III 1301 ;  IV  341. 
Doch  ist  patella  nach  heutiger  Annahme  nicht 
das  Diminutiv  von  patina,  sondern  von  patera, 
Schale,  und  bedeutet  daher  vielfach  eine  kleine 
Trinkschale,  besonders  die  beim  Opfer  ge- 
brauchte, wie  auch  die£wtera,s.WissowARelig. 
u.  Kult.  d.  Römer  430  A.  2. 

14)  Die  Glossen  erklären  sie  in  der  Regel 
durch  Xojiäg  oder  koxddtov,  daneben  durch 
(fidhj,  was  Am  patella  als  kleinen  patera  ent- 
spricht, auch  durch  lexdvi]  und  j/jyavov,  s.  Corp. 
Gloss.  VII  54  ff. 

15)  Isid.  or.  XX  8.2:  patella  quasi pafnla. 
I0)  Plaut.  Pseud. 840  Plin. XXII 162.  Apic. 

62 ;  67  u.  ö.  Digg.  a.  a.  O. 

17)  Eine  patina  ist  die  Fischschüssel,  für 
die  Vitellius  nach  Plin.  XX  XV 163  einen  eigenen 
Töpferofen  erbauen  ließ,  und  ebenso  luv.  4,  72 
u.  133,  wo  dieselbe  Geschichte  von  Domitian 
erzählt  wird. 

>8)  Colum.  XII  44, 2. 

19)  Plin.  XIX  171;    XXIII  68;    XXX  68; 

XXXIV  109. 

2»)  Plaut,  m.  gl.  759.  Ter.  Eun.  8r6vCic. 
ad  Att.  IV  8a,  1.  Vairo  bei  Non.  543.28.  Hor.^ 
ep.  15.2.  Pers.4,17.  Mart.V78,7.  Iuv.3.261: 
6,344;  namentlich  ist  sie  auch  da  die  Fisch- 
schüssel. Hör.  sat  118,43.  Mart.XIIISl.  Daher 
erklärt  Hirschfeld  den  patillus  copo  CIL  XII 
3345  als  einen,  qui  patinam,  i.  e.  eibum  in  pa- 
tina coctum,  venalem  proponit. 


Vierter  Abschnitt.    Der  Hausrat. 


157 


Ton x)  oder  Erz 2).  —  Ein  Tiegel  zum  Braten  oder  Kochen  ist  die  sartago 3), 
meist  wohl  aus  Erz4).  —  Die  cortina5)  ist  anscheinend,  wie  der  griechische 
fißrjg  (der  auch  lateinisch  als  lebes  vorkommt6)),  ein  metallener,  meist  wohl 
eherner  Kessel,  in  dem  über  Feuer  Wasser  heiß  gemacht  oder  gekocht 
wird7),  der  aber  auch  bei  der  Weinbereitung8)  und  bei  der  Klärung  des 
Öls  dient9),  sowie  bei  der  Färberei10).  Für  seine  beckenartige  Form  spricht, 
daß  auch  der  Kessel  des  Dreifußes  diese  Bezeichnung  führt11).  —  Unsicher 
ist  die  Form  der  cucuma,  in  der  auch  gekocht  oder  Wasser  erwärmt  wurde12); 
sie  scheint  tönern  gewesen  zu  sein13).  —  Ein  zu  mannigfachen  Zwecken 
gebrauchtes  Gefäß  war  die  fidelia1*),  die  im  Haushalt  ganz  besonders  als 
Einmachtopf  gedient  zu  haben  scheint15)  und  daher  auch  zugleich  Vorrats- 
gefäß ist16).  Daß  sie  die  Form  eines  großen  Topfes  hatte,  geht  daraus 
hervor,  daß  auch  die  Tüncher  sich  einer  fidelia  zum  Weißen  der  Wände 
bedienten17).  Das  Material  war  meist  Ton18),  bisweilen  auch  Glas19),  die 
Größe  war  wohl  sehr  verschieden 20). 

Die  situla21)  ist  das  Gefäß,  mit  dem  man  das  Wasser  aus  dem  Brunnen 
vermittelst  eines  Strickes  heraufholt22);  es  -war  also  ein  mit  Griff  ver- 
sehener, breiter  und  tiefer  Eimer.  Bronzene  situlae  von  verschiedenen 
Größen,  teilweise  auch  kunstvoll  verziert,  finden  sich  in  den  Sammlungen 
noch  häufig  und  haben  wohl  auch  zum  Wasserholen  gedient23).  Daneben 
bedeutet  aber  situla  (oder  sitella)  auch  ein  der  griechischen  Hydria  ähn- 
liches, mit  Henkeln,  engem  Hals  und  weitem  Bauch  versehenes  Gefäß, 
dessen   man   sich   bei  Abstimmungen   zur  Aufnahme  der  Lose  bediente24). 


')  Colum.XII44,2.  Plin. XXXIV 109.  Mart. 
XIV  114.  luv.  6.344.  Stat.  silv.  IV  9,43. 

2)  Plin.  a.a.O.  Pallad.  I  39  (40), 3. 

3)  Isid.  or.  XX  8,5:  sartago  ab  strepitu  soni 
vocatur,  quando  in  ea  ardet  oleum.  Corp.  GIoss. 
V  513,  24:  sartaginem  coquinariam  patellam; 
sonst  erklären  die  Glossen  es  durch  das  griech. 
ifyavov,  s.  ebd.  VII  233.  Vgl.  Plin.  XVI  55  und 
den  sprichwörtlich  metaphorischen  Gebrauch 
bei Pers.  1,79.  Augustin.  conf.  III 1.  Vgl.  Pottier 
bei  D.-S.  IV  1077. 

*)  luv.  10,64. 

5)  Vgl.  Saglio  bei  D.-S.  1 1540.  Mau  bei 
P.-W.  IV  1660. 

6)  Isid.  a.a.O.  4:  lebetes  aeneae  sunt  a 
Graeco  sermone  vocatae,  sunt  enim  ollae  mi- 
mores  in  usum  coquendi  paratae.  Corp.  Gloss. 
IV  107,49:  olla  aenea;  vgl.  VI  632.  Sonst  findet 
sich  die  Bezeichnung  nur  bei  Dichtern,  meist 
auch  als  eherne  Kessel,  Verg.  Aen.  V  266.  Ov. 
her.  3,31. 

7)  Plin.  XXXVI 191. 

8)  Colum.  16.19. 

u)  In  diesem  Falle  von  Blei,  Cato  r.r.  66, 1. 
Plin.  XV  22. 

10)  Plin.  IX  133;  XXXV  42;  ebd.  150. 

»)  Plin.  XXXIV  14:  vgl.  Mau  a.  a.  O. 

")  Isid.  a.a.O.  3.  Petron  185.4:  cueumam 
ingentem  f'oco  apposuit.  Digg.  XLV1II  8, 1,3. 

13)  Petron.  136,2:  frangitur  cervix  cucu- 
mulae.  Bei  Mart.  X  79.4  bedeutet  cucuma  einen 
geringwertigen  Badekessel.   Vgl.  Corp.  Gloss. 


III  379,  63,  wo  es  durch  dsQfio<pooov  erklärt 
wird. 

14)  Vgl.  Pottier  bei  D.-S  II 1115.  Mau  bei 
P.-W.  VI  2277.  Non  543,25  erklärt  sie  als  Sa- 
mium  vas  ad  usus  plurtnios. 

lb)  Zur  Bereitung  von  muria,  Colum.  XII 
7,3;  zum  Einlegen  von  Früchten,  wobei  sie 
verpicht  wurde,  ebd.  10,4;  für  Beeren,  Gemüse 
u.  dgl.,  ebd.  38, 1 ;  58, 1 :  für  Wein  oder  Met,  Pers. 
5,183.  Plaut.  Aul.  622. 

16)  Pers  3,73:  quod  multa  fidelia  putet  in 
locuplete pen  it. 

17)  Wie  das  Sprichwort:  duo  parietes  de 
eadem  fidelia  dealbare  besagt,  Cic.  ad  fam.  VII 
29  2. 

'  18)  Col.  XII  10,4;  38,1.  Pers.  3,22:  viridi 
non  cocta  fidelia  Umo. 

15)  Col.  XII  58.1. 

20)  Plaut.  Aul.  622  wird  eine  congialis  fide- 
lia erwähnt,  also  von  3, 28  L. 

21)  Auch  in  der  Form  situlus,  Cato  r.r. 
10,  2;  11,3.  Ueber  die  Formen  und  Verzie- 
rungen der  situla  in  frühitalischer  Zeit  s. 
GHiRARDiNiMon.d.Linc.lI161tf.;VIIlff.;Xlff. 

")  Plaut.  Amph.  676.  Vitr.  X  4,4;  daher 
sitithts  aquarii*8,  Cato  a.  a.  O.  Isid.  or.  XX  6,4: 
quod  süientibus  aü  apta  ad  bibenduM.  Digg. 
Will  1,40.6.  Am  Ziehbrunnen  waren  diese 
Eimer  wohl  für  gewöhnlich  von  Holz. 

'-3)  Siehe  Beispiele  bei  Marquardt  656  A.  8. 

24)  Plaut.  Cas.  296:  342  u.ö.  Cic.  nat.  deor. 
138,106.  Liv.  XXV  3, 10  u.s. 


158 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


Im  ersten  Jahrhundert  n.  Chr.  kam  die  bascauda1),  eine  Art  Spülgefäß  zum 
Reinigen  der  Becher  und  Töpfe2),  aus  Britannien  nach  Rom. 

Es  sind  sodann  noch  einige  Küchengeräte  namhaft  zu  machen,  die 
bei  der  Bereitung  der  Speisen  von  Wichtigkeit  sind.  Da  ist  zunächst  zu 
nennen  der  Mörser,  mortarium,  mit  dem  dazu  gehörigen  Stößel,  pistilliun3), 
in  dem  die  verschiedensten  Ingredienzien  zerstampft  oder  zerrieben  wurden4). 
Er  hatte,  wenn  man  nach  den  Bildwerken  urteilen  darf5),  die  Form  eines 
ausgehöhlten,  ziemlich  flachen  Beckens,  bisweilen  mit  einem  Ausguß  zur 
Entleerung  an  der  Seite6).  Das -jnsf Ulum  hatte,  wie  die  heutige  Mörser- 
keule, zwei  durch  einen  Handgriff  verbundene  dickere  Köpfe7).  Das  Material 
war  entweder  Stein8)  oder  Metall,  besonders  Erz9).  —  Siebe,  cribra10), 
kamen  zwar  vornehmlich  bei  der  Mehlbereitung  zur  Anwendung11),  mußten 
aber  natürlich  auch  in  der  Küche  in  verschiedenen  Formen  und  Größen 
zur  Hand  sein;  sie  waren  dann  wohl  in  der  Regel  von  Metall12),  und  es 
haben  sich  auch  solche  aus  Erz  erhalten,  vielfach  mit  Handgriff  und  mit 
Sieblöchern,  die  in  hübschen  geometrischen  Mustern  angeordnet  sind13).  — 
Wir  nennen  ferner  noch  den  Trichter14),  infundibulum10),  wovon  auch 
zahlreiche  Exemplare  aus  Bronze16)  wie  aus  Ton17)  sich  erhalten  haben, 
auch  solche  aus  Silber18)  und  aus  Glas19);  sodann  Rührkellen,  truae20)  oder 


')  Vgl.  Morel  bei  D.-S.  I  677.  Mau  bei 
P.-W.III41. 

2)  luv.  12,46  mit  Schol.:  vasa  ubi  calices 
lavabantur  vel cacabus.  Mart.  XIV  99.  Sie  waren 
muschelartig  und  von  Bronze,  nach  Corp.  Gloss. 
VI  130:  concae  acreae. 

3)  Vgl.  Baudrillakt  bei  D.-S.  III  2008. 

4)  Non.543,17:  vas  in  quo  teruntur  quae 
solvenda  sunt.  Plaut.  Aul.  94:  pistillum,  mor- 
tarium, quae  utenda  vasa  semper  vicini  ro- 
gant.  Cato  r.  r.  74  ff.  Colum.  XII  57, 1 .  Verg. 
Moret.93; 101.  In  den  Küchenrezepten  des  Api- 
cius  kommt  der  Mörser  sehr  oft  vor.  Isid.  or. 
IV  11, 6  führt  ihn  unter  den  ärztlichen  Geräten 
auf;  auf  den  Gebrauch  des  Mörsers  bei  der 
Bereitung  von  Medikamenten  beziehen  sich 
auch  die  meisten  Stellen  bei  Plinius,  wo  er 
erwähnt  wird  (z.B.  XXXIII  123;  XXXIV  168 
u.  s.),  und  ebenso  spielt  er  eine  wichtige  Rolle 
in  den  Rezepten  des  Scribonius  Largus. 

h)  Vgl.BAUDRiLLARTa.a.O.Fig.5151. Rich 
405;  Jacobi  Römerkastell  Saalburg  415  hält 
auch  dieaufTaf.27, 1 — 3  abgebildeten  Schalen 
am  Syenit,  Basalt  u.Sandstein  für  Mörser;  rich- 
tiger wäre  wohl  die  Bezeichnung  Reibeschalen. 

6)  Dabei  ist  abzusehen  von  denjenigen 
Mörsern ,  die  anstatt  der  Mühle  zum  Zer- 
stampfen des  Getreides  dienten  und  deren 
eigentlicher  Name  pila  ist.  s.  Blümner  Tech- 
nologie I  15  ff. 

7)  Vgl.  das  87.  Rätsel  des  Symphosius 
(Riese  Anth.  Lat.  I  205):  una  mihi  cervix,  ca- 
pihnn  seil  forma  duorum.  Anders  war  die  Form 
der  Reiber  für  Drogen,  Farben  u.dgl.,  wie  noch 
erhaltene  Originale  zeigen;  vgl.  Baudrillart 
a.a.O.  Fig. 516. 

8)  Plin.  XXXVI  157  f.  bespricht   die   für 


Mörser  (zumal  solche  für  Farben  und  Medi- 
kamente) besonders  geeigneten  Steinarten. 
Vgl.  XXXIII  93;  XXXIV  106. 

9)  Plin.  XXXIII  123;  bleierne  wurden  für 
bestimmte  Prozeduren  gebraucht,  nebst  blei- 
ernen pistilla,  XXXIV  168  ff. 

,0)  Vgl.  Saglio  bei  D.-S.  I  1568. 

J1)  Als  cribra  farinaria  oder  pollinaria, 
Näheres  Blümner  Technologie  I  49  ff. 

>*)  Fest.  106,  3:  cribro  aeneo.  Plin.  XVII 
73:  cribra  pollicis  crassitudine;  ehern  war 
sicher  auch  das  Sieb  der  Tuccia  in  der  be- 
kannten Sage,  Val.  Max.VIII  1,5.  Plin.  XXVIII 
12.  Augustin.  civ.  Dei  X  16. 

13)  Roux  u.  Barre  VI  68.  Overbeck  Pom- 
peji 445  Fig.  242.  Jacobi  Römerkastell  Saalburg 
Taf.48,5ff.  Rhein.  Jahrb.  LXIV  78.  PerniceA. 
A.  1900,  191  Fig.  19.  Siebe  von  Ton  Jacobi 
a. a.  0.  Textband  S.421 .  Vgl.  Friederichs  Berl. 
ant.  Bildw.  II 142  Nr.  585  ff. 

14)  Vgl.  Saglio  a.a.O.  III  516. 

15)  Cat.  10,2;  11,2;  13,2  (in  der  Form  i»- 
fidibulum,  wie  auch  Corp.  Gloss.  III  92, 46)  Co- 
lum. 11118,6.  Pallad.VII  7,2.  Vopisc.  Aurel.  50, 
4;  in  anderer  Anwendung  Vitr.  X  5,2;  7,2;  8,2. 

16)  Roux  und  Barre  VI  78.  Friederichs 
a.a.O.  587.  Not.  d.  scavi  1908, 295  Fig.  22. 

17)  Holder  Rom.  Tongefäße  von  Rottweil 
(Stuttgart  1889)  Taf.  22,  12  u.  14. 

18)  Gazette  archeol.  X  (1885)  317.  Saglio 
a.  a.O.  Fig.  4064,  aus  dem  Silberfunde  von  Mont- 
cornet  (Dep.  Aisne)  stammend,  er  ist  aber  kein 
Kochgerät,  sondern  gehört  zusammen  mit  einem 
silbernen  Weinsieb  zum  Tafelgeschirr. 

19)  Overbeck  451  Fig.  250  h. 

20)  Varro  bei  Non.  87. 11:  cocu'  magnum 
ahenum  quando  fervit,  paula  confutat  trua. 


Vierter  Abschnitt.    Der  Hausrat. 


159 


trullae1),  aus  Metall  oder  Holz2);  den  Bratrost,  crfäicula3),  in  der  Kegel 
von  Eisen4),  wie  das  craticulum,  auf  das  man  den  Bratspieß  legte5); 
den  Bratspieß,  veru6),  von  Holz  oder  von  Eisen7);  Dreifüße,  tripedes, 
um  darauf  Töpfe  übers  Feuer  zu  stellen8),  meist  eisern9).  Anderes,  wie 
Beile  und  Äxte  zum  Holzspalten,  Fleisch-  und  andere  Messer,  Löffel, 
Gewürzmühlen,  Reibeisen,  ebenso  die  mannigfachen  geflochtenen  Körbe 
und  Holzgeräte,  die  Wärmherde,  Schaufeln  u.  dgl.  m.,  müssen  wir  teils 
übergehen,  teils  wird  darauf  noch  an  anderer  Stelle  zurückzukommen 
sein. 

Alle  im  vorigen  aufgeführten  Gegenstände,  d.  h.  Möbel,  Teppiche  und 
Küchengeräte,  umfaßte  in  älterm  Sprachgebrauch  der  Begriff  supellex10); 
später  kam  auch  das  anfangs  davon  ausgenommene  silberne  und  goldene 
Eß-  und  Trinkgeschirr  dazu11).  Die  Aufsicht  darüber  führte  ein  Sklave, 
der  su pellecticarius 12)  oder  a  supellectile13)  hieß;  daneben  gab  es  in  größeren 
Häusern  und  namentlich  im  kaiserlichen  Haushalt  noch  zahlreiche  besondere 
Angestellte  für  die  einzelnen  Gattungen  des  Hausrats. 

Die  für  die  Herstellung  des  Hausrates  in  Betracht  kommenden  Ge- 
werbe sind  sehr  mannigfaltiger  Art;  für  die  Möbel  teils  Schreiner  und 
Drechsler,  fabrili),  lectarii16),  intestinarii u. dgl.,  teils  Erz-  und  Silberarbeiter, 


Fest.  9.12:  truam  quoque  vocant,  quo  permo- 
vent  coquentes  exta.  BeiVarrol.  1.  VI  18  in  anderer 
Anwendung:  trua,  qua  e  culina  in  lavatrinam 
aquam  fundunt,  also  ein  großer  Schöpflöffel. 

x)  Cat.  13, 2.  Varr. a.a.O.;  in  den  Glossen 
meist  durch  EoifWQvotQov,  Ccopögvat;  erklärt, 
Corp. Gloss. VII 370,  aber  zu  unterscheiden  von 
der  der  griechischen  xoivb]  entsprechenden 
tr/ti/a,  dem  Weinlöffel,  s.  ebd.  III  321,58. 

-')  Cato a.a.O.  Corp.Gloss.II202,33:*r«ZZa 
Ugnea. 

3)  Vgl.SAGLio  a.a.O.  11556 ff.  Catol3,l. 
Mail.  XIV  221. 

4)  So  der  in  Pompeji  gefundene,  Saglio 
a.  a.  0.  Fig.  2049,  der  einen  Ring  zum  Auf- 
hängen und  vier  Füße  hat;  vgl.  Corp.  Gloss. 
V420.48.  Bei  Petron.31,11  ist  die  craticula 
argentea,  auf  der  heiße  Würstchen  liegen, 
Täfelgerät ;  ebenso  70,7. 

5)  Vgl.  Saglio  a.  a.  0.  1557.  Fest.  53,  11 
bringt  craticulum  mit  dem  griechischen  y.ga- 
tevTt'jg  in  Verbindung.  Eine  ganz  scharfe  Schei- 
dung mag  wohl  zwischen  craticula  und  cra- 
ticulum  nicht  immer  gemacht  worden  sein; 
bei  Mart.  a.a.O.  ist  die  craticula  cum  veribm 
wohl  kein  Rost,  sondern  auch  ein  solches 
Bratspießgestell.  Ein  solches  in  Praeneste 
gefundenes  ist  nach  Helbig  A.  d.  I.  LI  (1879) 
15  tav.  C  4  bei  Saglio  Fig.  2051  abgebildet;  ein 
Feuerbock  aus  Chiusi  Fkiederichs  a.  a.  0. 140 
N.  584c;  aus  Pompeji  Mus.  Borb.  X  64,  1  u.  2: 
vgl.  Mon.  d.  Line.  IX  709  Fig.  28  u.  tav.  IV  10 
u.  23. 

6)  Varr.l.l.V127.  Verg.Georg.il  396;  Aen. 
1 212  ;V  103.  Ov.met.VI 646.  luv.  15. 82  Petron. 
95  8  •  137  12 

')  Ov.  fast.  II  363.  Plin.XXX88. 


8)  Isid.  or.  XX  8, 5  unter  den  vasa  coqui- 
|    naria  aufgeführt.  Corp.  Gloss. VII  367  als  m>- 

gioraTo;  erklärt,  und  vom  tripus,  der  in  der 
Regel  als  dreifüßiger  Tisch  erklärt  wird,  wohl 
zu  unterscheiden. 

9)  Corp.  Gloss.  II  202,4 :  tripes  ferreus,  ://•- 
j    QiaidzTjg. 

I0)   Digg.  XXXIII  10,1:   si/pel/cr  est  </,,„,,<- 

sticum  putri.s  familiae  instruntentum,  quod 
nvqne  anjmto  aurove  facta  rcl  vesti  annu- 
meratur;  ebd.  3:  supellectile  .  .  .  haec  conti- 
iwntiir:  mensae,  trapezophora,  düphica,  sn/>- 
sellia,  scamna,  lecti,  .  .  .  culcitrae,  toralia, 
vasa  aquarin,  pelvis,  aquiminaria,  candelabra, 
lucernae,    trullae,    item  rasa   aenea  vulgaria. 

n)  Ebd.  7,1:  nee  minim  est,  moribus  <-i- 
ritatis  et  //s/t  rcriau  appellationem  eins  nut- 
tatam  esse;  nam  ficfili  auf  lignea  mit  vitrea 
aut  aerea  deniqne  supellectile  utebantur,  nunc 
ex  ebore  atque  testudine  <■/  argento,  tarn  ex  auro 
etiam  atque  gemtnis  supellectile  i/tii/ttxi-,  quare 
speciem  potius  verum  quam  materiam  intueri 
oport/iit. 

'-)  Digg.XXXIII7, 12, 31,  CIL  X  1960;  sm- 
jiellectiliartus  ebd.VI  9914,  3.  So  ist  wohl  auch 
Petron.  34, 3  st.  lecticarius  zu  lesen,  s.  Fkied- 

LÄNUKH    Z.  d.  St. 

13)  CIL  VI  4035f.;  4357;  33758;  33913; 
X  6638  C  1,5;  3,4;  ad  supellect.Nl  9048. 

14)  Faber  ohne  nähere  Bezeichnung  be- 
deutet im  spätem  Sprachgebrauch  meistens 
den  Holzarbeiter,  sonst  aber  überhaupt  den. 
der  in  Holz,  Metall  u.  dgl.  (nicht  in  Stein) 
arbeitet,  vgl. Blümnek  a.a.O.  II 166.  Eine  Aus- 
nahme ist  der  faber  figulator,  Corp.  Gloss.  III 
371.10. 

15)  CIL  VI  7882;  7988;  9503;  XI  5439. 


160 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


die  fabri  aerarii1)  und  argentarii2);  oder  speziell  candelabrarii,  lanternarii 
(s.  oben).  Für  die  Vorrats-  und  Küchengeräte  sorgten  teils  die  Töpfer, 
(figuli),  teils  ebenfalls  Erzarbeiter. 


Fünfter  Abschnitt. 

Die  Nahrung. 


Litteratur. 

Becker-Göll  III  311  ff. 
Makquakdt-Mau  414  ff. 
Ed.  Foübnier  Artikel  Cibaria  bei  Daremberg-Saglio  1 1141  ff. 

Über  die  Nahrungsmittel  der  Römer  fließen  unsre  Quellen  sehr  reich- 
haltig, obschon  freilich  auch  hier  die  meisten  Nachrichten  erst  den  letzten 
Jahrhunderten  der  Republik  und  der  Kaiserzeit  entstammen.  Wir  wissen 
es  mehr  aus  der  Tradition,  als  aus  gleichzeitigen  Quellen,  daß  in  den 
älteren  Zeiten  der  Republik  das  römische  Leben  auch  hierin  noch  sehr 
einfach  war,  daß  ein  Brei  von  Feldfrüchten,  der  puls  (s.  unten),  die  Haupt- 
nahrung und  nicht  bloß  des  gemeinen  Mannes,  ausmachte3),  wozu  dann 
noch  grüne  Gemüse  und  Obst  kamen,  während  Fleisch  seltner,  namentlich 
bei  festlichen  Anlässen,  wie  Geburtstagen,  Opfermahlzeiten  u.  dgl.,  auf  dipn 
Tisch  kam4).  Aber  in  diesen  einfachen  Verhältnissen  trat  in  den  letzten 
Jahrhunderten  der  Republik  allmählich  eine  Veränderung  ein.  Teils  lernten 
die  Römer  von  den  Griechen,  namentlich  den  unteritalischen,  wo  immer 
Tafelluxus  geherrscht  hatte,  eine  größere  Mannigfaltigkeit  sowohl  in  der 
Auswahl  der  Speisen,  als  in  der  Art  ihrer  Bereitung  kennen,  teils  brachte 
der  immer  mehr  sich  ausbreitende  Handel,  der  schließlich  die  Produkte 
auch  der  entferntesten  Länder  der  alten  Welt  nach  Italien  führte,  die  ver- 
schiedenartigsten und  seltensten  Erzeugnisse  der  Flora  und  Fauna  fremder 
Gegenden  auf  die  römische  Tafel,  was  dann  auch  dazu  führte,  daß  viele 
in  Italien  ursprünglich  nicht  heimische  Gewächse  dort  angepflanzt,  manche 
zur  Nahrung  geeignete  Tiergattungen  gezüchtet  wurden.  Dieser  Luxus 
artete  namentlich  in  der  Kaiserzeit  sehr  aus  und  die  Kochkunst  wurde 
dadurch    immer    komplizierter,    das   Bestreben,    durch    seltene    und   teure 


0  Marquardt  688  A.4;  713. 

2)  Ebd.  695  A.lOf. 

3)  Varro  1.  l.V  105:  de  victu  antiquissima 
•puls.  Plin.  XVIII  83:  pulte,  non  pane,  vixisse 
longo  tempore  Romanos  manifestum.  Val.Max. 
[15,5:  erant  adeo  continentiae  adtenti,  ut 
frequentior  apud  eos  pultis  usus  quam  panis 
esset.  luv.  14, 169:  sed  magnis  fratribus  hö- 
rn in  n  aerobe  vel  aulco  redeuntibus  altera 
eena  amplior  et  grandes  fumabant  pultibus 
oüae. 

*)  Varro  bei  Non.  201 , 6 :  avi  et  atavi  nostri, 
cum  alium  ac  cepe  eorum  verba  olerent,  tarnen 


optume  animati  erant.  Iuv.l  1 ,  78 :  Cnrins parvo 
quae  legerat  horto  \  ipse  focis  brevtbus  ponebat 
holuscula;  ebd.  82:  sicci  terga  suis  retra  pen- 
dentia  crate  |  moris  erat  quondam  festis  ser- 
vare  diebus,  \  et  natalicium  cognatis  ponere 
lardum  I  accedente  nova,  si  quam  dabat  hostia, 
carne.  Man  vgl.  auch  die  charakteristische 
Schilderung  des  Kochs  in  Plaut.  Pseud.  810ff. 
Aber  noch  der  jüngere  Plinius  zählt  ep.  I  15, 1 
als  Bestandteil  einer  Mahlzeit  in  seinem  Hause 
lactucae,  Cochleae,  ovo,  alica,  olivae,  betacei, 
Cucurbitae,  bulbi  auf,  also  beinah  ein  Vege- 
tariermahl. 


Fünfter  Abschnitt.    Die  Nahrung. 


161 


Delikatessen,  durch  raffinierte  Art  der  Bereitung  den  Gaumen  zu  kitzeln, 
immer  größer.  Nicht  im  gleichen  Grade  kann  das  von  den  Getränken  gesagt 
werden,  bei  denen  im  wesentlichen  bedeutende  Änderungen  oder  Erweite- 
rungen nicht  erfolgten;  nur  die  Zunahme  der  Einfuhr  ausländischer  Weine 
kann  als  Zeichen  größerer  Üppigkeit  angeführt  werden,  ohne  daß  hier 
jener  Grad  törichter  und  verwerflicher  Schwelgerei  erreicht  worden  wäre, 
der  in  Wahl  und  Bereitung  der  Speisen  eingetreten  war. 

Bei  der  Aufzählung  der  wichtigsten  bei  den  Römern  üblichen  Speisen 
und  Getränken  (cibi  und  potiones  oder  potus1))  wenden  wir  uns  zunächst 
den  ersteren,  den  cibaria2),  escaez),  zu  und  behandeln  zuerst  die  Vegetabilien. 
Unter  den  Getreidearten  (frumenta)1),  deren  Beschaffung  und  Verkauf, 
soweit  es  nicht  öffentliche  Staatsangelegenheit  war5),  in  den  Händen  der 
frumenta rii  lag6),  war  in  Italien  in  älterer  Zeit  am  meisten  verbreitet 
und  auch  später  noch  sehr  viel  angepflanzt  der  Spelt  oder  Dinkel  (far)1), 
früher  auch  ador  oder  adoreum  genannt8),  später  auch  spelta9),  der  grie- 
chischen t^'a  entsprechend10).  Allein  geschätzter  war  in  den  spätem  Jahr- 
hunderten der  Republik  und  weiterhin  der  Weizen,  triticum11)  oder  frumentum 
xar'  E£o%t}v12),  bei  dem  man  verschiedene  Sorten  unterschied13),  zumal  die 
den  Namen  siligo  führende14);  er  ist  den  Römern  erst  im  5.  Jahrhundert 
v.  Ohr.  bekannt  geworden15).     Dagegen  spielt  der  Roggen,  secale16),  keine 


')  Oft  so  gegenübergestellt,  z.  B.  Cic.  de 
fin.  I  11, 37:  Tusc.V35, 100;  nat.  deor.  II  28, 90; 
54,134;  Cat.mai.l  1,31.  Liv.XXIV16,13.  Tac. 
ann  XIII 16.  Curt.VII  5, 14.  Cels.  II  18. 

2)  Varr.r.r.  119.  6;  111  16,4.  Hör.  sat.  II, 
\  32.  Colum.  XII 14.  Digg.XXXlVl,6:  ebd.12; 

ebd. 15,1. 

3)  Auch  escae  und  potiones  oft  gegenüber- 
gestellt. Plaut. Truc.  610.  Cic.de  div.  151,115: 
n.  deor.  II  23,  59;  de  fin.  II  28,  90.  Vgl.  Plaut. 
Most. 691  ;Men. 456;  Cas.492.  Hör. sat. II 2, 72 
u.  a.  m. 

4)  Vgl.  Mabchant  bei  D.-S.  II  1343  ff. 

5)  Ueber  die  staatliche  Annona  s.  Hum- 
bert bei  D.-S.  I  273.  Oehler  bei  P.-W.  I  2316. 
O.  Hirschfeld  Philol.  XXIX  (1870)1:  ders. 
Kaiserl.  Veiwalt.  I  128;  II  230. 

ü)  Cic.  de  off.  III  13.57;  16,67.  Liv.IV12, 
10:15.6;  XXXVIII 5, 35.  Oefters inschi  iftl.,  CIL 
VI  8 14 ;  9426 ;  9668 ;  mercatores  frumenti  et  olei 
Afrari,  ebd.  1620:  mercator  frumentarins  R. 
M.  1  (1886)  147.  Ueber  den  Getreidehandel  in 
Rom  und  Ostia  vgl.  Hirschfeld  a.  a.  O.  II  235. 

7)  Plin.  XXIII  62:  populum  Romanum 
farre  tantum  e  fnimento  CCC  annis  tisutn 
Verrius  tradit;  daher  der  Name  fartna,  der 
erst  später  die  verallgemeinerte  Bedeutung 
für  Mehl  schlechthin  erhielt,  ebd.  88:  farinam 
(/  fem:  dictum  nomine  ipso  apparet.  Seltsam 
etymologisiert Varr.l.l.V  106:  far  a  farciendo, 
quod  in  pistrino  fit.  Far  war  später  noch 
bei  den  Opfern  die  gebräuchlichste  Getreide- 
art, vgl.  Dion.  Hai.  II  25;  man  vgl.  die  con- 
farreatio  bei  der  Ehe,  farreum  libum  u.  dgl.m. 
Ueber  den  Anbau  des  Spelts  s.  Magerstedt 
Bild.  a.  d.  röm.  Landwirtschaft  V  283 ff. 

Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft     IV. 


8)  Plin.  a.  a.  O.  81 :  volgatissima  ex  his 
atque  pollentissima  far,  quod  adoreum  veteres 
appellavere;  vgl.  ebd.  163  ff.;  191.  Hör.  sat.  II  6, 
89.  Colum.  II  8,  5.  Festus  3, 10.  Non.  52, 14. 
Auch  far  adoreum,  Varr.  r.  r.  1  9, 4.  Colum. 
XI  2,  74.  Irrtümlich  bezeichnet  Isid.  or.  XVII 
3, 6  ador  als  tritici  r/enus. 

9)  So  Ed.  Diocl.'l,7,  andere  Stellen  bei 
Blümner  ebd.  S.  64.  Die  ebd.  1,  8  genannte 
scandula  ist  wohl  auch  eine  Speltsorte,  Isid. 
or.  XVII  3, 11. 

,0)  Plin.  a.  a.  O.  81  f.  Ueber  die  verschie- 
denen Arten  des  Spelts  handelt  Colum.  II 6, 3, 
der  vier  Sorten  unterscheidet. 

u)  Man  leitete  den  Namen  von  ttrere 
ab,  als  das  Dreschgetreide  im  Gegensatz  zum 
Spelt,  der  ursprünglich  durch  Dörren  enthülst, 
nicht  gedroschen  wurde,  Varro  1.  l.V  106.  Isid. 
or.  XVII  3, 4. 

12)  Cic.Verr.11175,164.  Liv.XXXI  l,6u.s.; 
im  Ed.  Diocl.  1,1  figuriert  frumentum  an  erster 
Stelle  der  Feldfrüchte. 

13)  Vgl.  M.Voigt  im  Rh  Mus.  XXXI  (1876) 
1 1 1  ff.  Im  allgemeinen  Gr.  Solms-Laubach  Wei- 
zen u.  Tulpe  und  deren  Geschichte,  Leipzig  1899. 

14)  Cato  r.  r.  35, 1,  wo  triticum  und  siliffO 
unterschieden  sind,  ebenso  Varr.  1 23, 2 ;  Colum. 
II  6, 1  und  Plin.  XVIII  63  kennen  bereits  eine 
größere  Anzahl  von  Weizensorten,  da  in  der 
Kaiserzeit  auch  ausländische,  namentlich  grie- 
chische Weizenarten  Eingang  fanden. 

15)  Nach  Voigt  Rh.  M.  XXIV  (1896)  66  erst 
seit  dem  Jahre  302  d.  St.  (453  v.  Chr),  entweder 
von  Kampanien  oder  von  Etrurien  her. 

,6)  Eine   andere  Benennung   für   Roggen 
ist  centetmm,  Isid.  or.XVII  3, 12.  Ed.  Diocl.  1.3. 
2.2.   3.  Aufl.  11 


162 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


Rolle;  er  galt  als  Unkraut,  für  genießbar  nur  in  Vermischung  mit  Spelt1). 
Von  andern  Feldfrüchten  ist  noch  zu  nennen  die  Gerste,  hordeum,  die 
zwar  auch  als  menschliche  Nahrung  in  verschiedener  Gestalt  diente,  aber 
für  geringwertig  galt2)  und  vornehmlich  als  Pferdefutter  verwendet  wurde3); 
Hafer,  avena,  war  lediglich  Viehfutter4)  und  wurde  nur  in  barbarischen  Län- 
dern zu  menschlicher  Nahrung  benutzt 5) ;  endlich  wurde  auch  die  Hirse,  milium, 
panicum6),  zu  den  Feldfrüchten  gerechnet  und  sogar  zu  Brot  verarbeitet7). 
Was  die  Art  der  Verarbeitung  der  Feldfrüchte  anlangt,  so  wurden 
dieselben  teils  gekocht  als  Brei,  teils  gebacken  als  Brot  genossen.  Volks- 
nahrung war  das  ganze  Altertum  hindurch  die  schon  erwähnte  puls,  ein  aus 
zerstampftem  (nicht  gemahlenem)  Spelt  mit  Wasser  und  Salz  bereiteter  Brei8), 
der  aber  auch,  mitunter  mit  allerlei  andern  Zutaten,  auf  bessere  Tafeln 
kam9).  Der  Name  puls  oder  pulticida  ging  dann  auch  auf  ähnliche  Mus- 
gerichte, die  aus  Weizenmehl,  Hirse  usw.  gekocht  wurden,  über10).  Etwas 
Ahnliches  war  die  ursprünglich  mehr  griechische  Speise  der  polenta  (die 
griechische  juä£a)11),  aus  gerösteter  und  gemahlener  Gerste12).  Als  neben 
dem  altitalischen  Spelt  der  Weizen  gebaut  wurde,  kam  zum  Mus  das 
gebackene  Brot  (panis)  hinzu,  dessen  Herstellung  —  das  Zerstampfen 
oder  Mahlen  der  Körner,  das  Sieben  des  Mehls  und  das  Backen13),  — 
ebenso  wie  die  der  puls  lange  Zeit  eine  häusliche  Arbeit  blieb;  erst  zu 
Anfang  des  2.  Jahrhunderts  v.  Chr.  entstand  in  Rom  ein  eigenes  Gewerbe 
der  Bäcker  {pistores)14).  Grobes  und  feines  Brot  wurde  natürlich  auch 
früher   schon   hergestellt,   aber   erst   die   gewerbliche    Technik   mochte  \  zu 

Nach  der  bei  Marquardt  414  A.  4  zitierten 
Abhandlung  von  A.  Kerner  Geschichte  des 
Roggens  (Innsbruck  1877)  wäre  secale  nicht 
Roggen,  sondern  Heidekorn  oder  schwarze 
Plente;  doch  spricht  dagegen,  daß  der  Name 
secale  noch  jetzt  durch  die  romanischen  Spra- 
chen hindurchgeht  und  auch  ins  Keltische 
eingedrungen  ist,  s.  Hehn  Kulturpfl.  u.  Haus- 
tiere6 537  f. 

')  Plin.  XVIII  141:  admiscetur  huic  far, 
ut  mitiget  amaritudinem  eins,  et  tarnen  sie 
quoque  ingratissimum  ventri  est. 

•)  Plin.  ebd.  74:  panem  ex  hordeo  antiquis 
usitatum  rita  damnavit,  quadrupedumque  fere 
eibus  est.  Doch  bemerkt  Colum.  II  9, 24,  die  Ger- 
ste sei  für  die  Menschen  immer  noch  ein  gesun- 
deres Nahrungsmittel,  als  schlechter  Weizen. 

3)  Colum.  VI  30,1.  Plin.  XIII 130.  Ander 
Mauer  des  horreum  einer  Villa  bei  Boscoreale 
sind  die  dort  aufbewahrten  Quantitäten  von 
hordeum  und  fabae  verzeichnet,  Not.  d.  seavi 
1897,402. 

*)  Plin.  XVIII  149  hält  den  Hafer  für 
entartete  Gerste.  Im  Ed.  Diocl.  1,17  wird  der 
Hafer  nicht  bei  den  Feldfrüchten,  sondern 
unter  den  Hülsenfrüchten  aufgeführt. 

5)  Plin.  a.a.O.  und  IV 95. 

c)  Es  ist  nicht  ganz  sicher,  wie  diese 
beiden  Arten  sich  unterschieden,  sie  werden 
aber  immer  auseinandergehalten,  vgl.  Mar- 
ohant  a.  a.  0.  1345.  Blümner  zum  Ed.  Diocl 
1,4  S.  63. 


')  Plin.XXVIII64;ebd.l00.  Colum.II9.17. 

8)  Daher  das  scherzhafte  Patronymikon 
Pultiphagonides  bei  Plaut.  Poen.  54;  vgl.  dens. 
Most.  828.  Pers.  6, 40.  Mart.  XIII  8,  und  im 
allgemeinen  Cipolla  in  der  Rivista  di  filol.  e 
d'istr.  class.VIl  (1878)  64ff. 

9)  Mart.V  78,9;  X  85;  vgl.  die  puls  pu- 
nica  bei  Cato  r.  r.  85  und  die  Rezepte  bei 
Apicius  185  ff. 

10)  Colum.  II  9,  19.  Plin.  XVIII 100;  XXII 
128.  Cels.1130  u.  s. 

n)  Plin.  XVIII  84:  videtur  tarn  puls  ignota 
Graeciae  fuisse  quam  Italiae  polenta. 

12)  Plin.  ebd.  72 f.  Colum.  VI  17,  18.  Ueber 
die  verschiedenen  Arten  der  Herrichtung  der 
Gerste  in  Griechenland  und  in  Italien  s.  Blüm- 
ner Technol.  112.  Als  Volksnahrung  war  zwar 
die  polenta  auch  in  Italien  bekannt,  aber 
lange  nicht  so  verbreitet  wie  die  puls.  Die 
heutigen  Italiener  bereiten  die  Polenta  aus 
Maismehl  (der  Mais  ist  erst  aus  Amerika  in 
Europa  eingeführt  worden). 

13)  Siehe  hierüber  Blümner  a.  a.  0.  15  ff. 
Marquardt  421  ff.  Mau  bei  P.-W.  II  2734  ff. 
Besnier  bei  D.-S.  IV  494. 

14)  Plin.  XVIII  107:  pistores  Romae  non 
friere  ad  Persicum  usque  bellum  an  nix  ab 
urbe  condita  super  DCXXX.  ipsi  panem  fa- 
ciebant  Quirites,  mulierumque  id  opus  maxime 
erat,  sicut  etiam  nunc  in  plurimis  gentium* 
Doch  wurde  die  Herstellung  des  Mehles  schon 
vorher  durch  eigne  pistores  besorgt,  ebd.  108. 


Fünfter  Abschnitt.    Die  Nahrung. 


163 


den  mannigfaltigen  Sorten  und  Abstufungen  geführt  haben,  die  man  später 
kannte l).  Man  unterschied  nämlich,  den  Weizensorten  und  der  Bearbeitung 
entsprechend,  als  Rohprodukte:  den  Schrot  {farina  schlechtweg)2),  das  feinste 
Mehl,  pollis  oder  pollen*),  wenn  es  aus  triticum,  floa  sifiginis,  wenn  es  aus 
siligo  bereitet  war4);  die  Mittelsorten  similago  oder  simila  aus  triticum6), 
siligo  aus  dem  gleichnamigen  Weizen0);  die  grobe  Mehlsorte  hielä  secundaria!» 
oder  cibarium1),  die  Kleie  furfur,  furfures").  Diesen  entsprechen  die  Brot- 
sorten: das  Schrotbrot,  panis  acerosus9),  später  verschiedentlich  benannt:  ple- 
beius10),  rusticus11),  <<tstrcnsis12),sordidusus\v.lii);  dasfeinste  Weizenbrot, panis 
candidus1*),  mu?iduslb);  das  Mittelbrot,  panis  secundarius1*),  entweder  aus 
siligo  als  panis  siligineus11)  oder  aus  simila18);  das  grobe  Brot,  panis  cibarius19). 
Das  eigentliche  Kleienbrot,  panis  furfureus,  war  nur  Hundefutter20). 

Weitaus  das  meiste  Brot  wurde  aus  Weizen  hergestellt,  anderes  nur 
in  bestimmten  Gegenden  oder  zu  gewissen,  z.B.  hygienischen  Zwecken;  so 
aus  Spelt21),  aus  Gerste22),  aus  Hirse23),  aus  Graupe24)  usw. 


')  Siehe  hierüber  Voigt  a.a.O.  114  ff.  Pi- 
Stores  sind  auf  Inschriften  überaus  häufig,  so- 
wohl Hausbäcker,  d.  h.  Sklaven,  als  selbstän- 
dige; vgl.  z.  B.  CIL  VI  4010  ff. ;  8998  ff. ;  9802  ff. 
Dessau  746411'.  Bäcker,  die  im  großen  Stil 
Geschäfte  betrieben,  hießen  pistores  maqnarii, 
CIL  VI  1692:  9810;  ein  redemptor  pistor  1958; 
11732.  Kollegien  kommen  oft  vor,  vgl.  ebd. 
1002;  1739;  6219  u.s.;  über  die  Kollegien  der 
kaiserlichen  pistores  s.  Hirschfeld  Kaiserl. 
Verwaltungsbeamte  243  A.  2. 

*)  Es  ist  wohl  ganz  richtig,  wenn  Voigt 
;i  .  a.  O.  betont,  daß  farina  von  vornherein  Schrot 
-(und  zwar  ursprünglich  /ar-Schrot)  bedeutet, 
aber  zu  weit  gegangen,  wenn  er  sagt,  der  lateini- 
schenSprache  fehle  eine  adäquate  generischeBe- 
zeichnung  für  Mehl ;  denn  sicher  hat  farina  eben 
diese  weitere  Bedeutung  mit  der  Zeit  erhalten. 

3)  Plin. XVIII  89:  ita  (sc.  pollen)  appellant 
in  tritico  quod  floretn  in  siligine.  Doch  gab 
es  davon  noch  eine  extrafeine  Sorte,  flos  pol- 
Unis,  ebd.  XIII  82.  Andrerseits  wird  aber 
auch  das  feinste  Mehl  von  andern  Getreiden 
pollen  genannt,  so  von  der  Gerste  Cato  r.  r. 
156,5;  157,9.  Plin. XVIII  74.  Pallad. XI  14,5. 

4)  Plin.  XVIII  86  u.  oben. 

5)  Cator.r.75.  Plin.  a.  a.  O.  82;  ebd.  89: 
similago  e  tritico  fit.  Mart.  XIII 10.  Ein  pistor 
fdmilaginarim  CIL  VI  9812  (=  1 1017). 

6)  Plin.a  a.0.86.  luv.  5, 70;  6,472;  dar- 
aus Gebackenes  siligineus,  Mart.  IX  2,  3;  XIV 
68.  Ein  pistor  siliginarius  CIL  VI  22;  corpus 
pistor.  siliginariorum  ebd.  1739. 

7)  Plin  a.  a.  O.  87  u.  89. 

8)  Seltnere  ältere  Ausdrücke  sind  canica, 
Lucil.  bei  Non.  88,  17  (nach  Fest.  46, 1  nur  die 
furfures  de  farre;  vgl.  Corp.  Gloss.V  639,29) 
und  cantabrum,  Corp.  Gloss.  III  314,9. 

9)  Fest.  187, 7:  panis  non  sine  paleis  ace- 
rosus  dicitur.  Non.  445, 14:  acerosum  namque 
panem  farre  minus  purgato  nee  sordibus  a 
candido  separat is  dicendum  veteres putaverunt. 

10)  Senec.ep.119,3.  Schol.Pers.3, 111. 


")  Plin.  IX  168. 

12)  Vopisc.Aurel.9,6. 

,3)  Plaut.  Asin.  142.  Suet.  Nero  48.  Non. 
93, 8:  auch  durus,  Sen.  ep.  18, 7.  und  ater,  Ter. 
Eun  939;  awtopyrus,  Plin.  XXII  138.  Petron. 
66,2.  Scribon.  comp.  227.  Cael.  Aurel.  chron. V  9. 
Natürlich  ist  zu  beachten,  daß  mit  diesen  Be- 
zeichnungen überhaupt  die  minderen  Brot- 
soiten,    nicht  eine  bestimmte,    gemeint  sind. 

14)  Petron.  64,8; 66.2.  Plin.XXII  139.  Quint. 
VI  3, 60.  Ein  pistor  candidarius  CIL  XII 4502 ; 
XIV  2302  (vgl.  den  pistor  Romaniensis  ebd. 
2213). 

15)  Lampr.Al.Sev.37,3.Vopisc  a.a.O.  Auch 
tener,  nireus,  luv.  5,70.  Sen.  ep.  123. 2. 

16)  Plin.  XVIII  90.  Suet.  Aug.  76;  bei  Hör. 
ep.  II 1, 123  panis  seeundus,  bei  Lampr.  a.a.O. 
sequens  genannt;  vgl.  Blümnek  a.  a.  0.79  A.  1. 

u)  Sen.  a.  a.  O.;  ebd.  1 19,3,  wo  plebeius  a.sili- 
gineus  einander  gegenübergestellt  sind ;  ebenso 
bei  Varro  ep.Non.88, 15  eibarius  und  ailigineus. 

1S)  Cels.  II  30:  panis  ex  siligine  vel  e.r 
simila.    Ein  Adjektiv  davon  kommt  nicht  vor. 

,9)  Cic.Tusc.IV34,97.  Plin. XVII 1  87u.90. 
Front.adAnton.I3p.l01(Nab.).Apul.met.VIll 
u.  20  u.a.m.  Ein  leicht  verdauliches  Brot  war  ver- 
mutlich i&s\om  2)istor  pepsianusbereitete,  CIL 
VI  9810.  In  der  Provinz  gab  es  Bäcker,  die  „nach 
römischer  Art"  Backware  herstellten,  pistores 
Romanienses,  CIL XII 4503  und  vgl.  oben  A.  14. 

™)  Gell.  XI  7, 3,  vgl.  Phaedr.  IV  18, 4. 

2I)  Plin.  a.  a.  O.  62,  in  Gallien  aus  einer 
brace  oder  scandala  benannten  Art;  nach  ebd. 
92  aus  arinca,  der  griechischen  o/.rou  (von 
unsicherer  Bedeutung,  vielleicht  Einkorn).  <hit- 
cissimus  panis. 

**)  Panis  hordaceus,  Plin. ebd.  102.  Sen.ep. 
18,10  und  s.obenS.162A.2. 

23)  Plin.  ebd.  54  u.  160.  Colum.II  9, 17. 

M)  Plin.  ebd.  106.  Ueber  Brot  aus  anderen 
Pflanzen,  wie  Eicheln,  Lotos  etc  ,  vgl.  Plin. 
XIII  108 ;  XVI 15 ;  XXII  56 ;  ebd.  67.  Besnier 
a.a.O.  498. 

11* 


164 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


Andere  Unterschiede  ergaben  sich  beim  Brot  durch  die  Art  der  Her- 
stellung. Das  meiste  war  allerdings  nach  gewöhnlicher  Art  im  Backofen 
gebacken,  also  panis  ftirnaceus1);  feiner  war  das  in  einem  besondern 
Apparat,  dem  clibanus2),  gebackene,  panis  cUbanieius3),  wohl  mehr  kuchen- 
artig. Anderes  wurde  auf  dem  Herde  gebacken,  panis  focarius*),  oder  in 
einer  Form,  artopticius 5)  oder  testuatius6).  Der  Form  nach  war  das  Brot 
in  der  Regel  rund,  mit  Einschnitten,  die  das  Brechen  in  vier  Teile  (quadrae) 
oder  auch  mehr  erleichterten7). 

Endlich  ist  noch  zu  erwähnen,  daß  gewisse  Getreidesorten  außer  zu 
Mehl  auch  zu  Graupe  (alica)  verarbeitet  wurden,  und  zwar  besonders  Spelt, 
aus  dem  man  in  Kampanien  und  anderwärts  durch  Zerstampfen  im  Mörser 
unter  Beimischung  weißer  Tonerde  Sorten  von  verschiedener  Feinheit 
herstellte8),  während  die  aus  andern  Getreidearten  hergestellte  als  nach- 
gemacht weniger  geschätzt  war9). 

Über  die  zahlreichen  Arten  der  Gemüse,  Hülsenfrüchte,  Salate  und 
anderer  Gartengewächse,  die  zur  römischen  Nahrung  gehörten,  sind  wir 
durch  die  landwirtschaftlichen  Schriftsteller  und  durch  Plinius,  nicht  minder 
durch  die  Arzte,  die  von  ihren  hygienischen  oder  pharmakologischen  Eigen- 
schaften handeln,  sehr  genau  unterrichtet10);  wir  müssen  uns  aber  auf  die 
wichtigsten  darunter  beschränken  und  halten  uns  dabei  im  wesentlichen 
an  die  Aufzählung  derselben  im  Edictum  Diocletiani  de  pretiis  rexum 
vrenaliumn). 

Was  der  Römer  mit  legumina  bezeichnet,  sind  der  Mehrzahl  nach 
unsere  Hülsenfrüchte12).  Darunter  waren  vornehmliche  Nahrungsmittel 
die   Bohnen,   faba13),   die   sowohl   in   grünem    Zustande14),    als   getrocknet/ 


')  Plin.  XVIII  88  u.  105:  gräzisiert  äorog 
rpovQväxios,  s.  Blümner  a.  a.  0.  74  A.  4. 

2)  Ein  Deckelgefäß  aus  Ton  oder  Metall, 
das  sich  nach  unten  erweiterte  und  mit  kleinen 
Löchern  versehen  war;  es  wurde  über  den 
Teig  gedeckt  und  Feuer  darunter  entzündet, 
s.  Blümner  a.  a.  0.  67.  Saglio  bei  D.-S  II 
1246. 

3)  Plin. a.a.O.  105.  Isid.or.  XX2. 15;  vgl. 
Festus  142,1.  Galen.VI489K.  Ein  pistor  cli- 
banarins  CIL  IV  677. 

4)  Isid.  a.  a.  0. 

5)  Plin.  a.a.O.  unterscheidet  panes  fur- 
nacei  vel  artopttcii  aut  in  clibanis  codi:  vel 
ebd. 88.  6  ' 

6)  Varr.  1.  l.V  106;  vgl.Verg.  Mor.  50.  Cato 
r.  r.  74.  Blümner  a.  a.  0. 80  A.  3. 

7)  Hör.  ep.  117,49.  Sen.de  benef.  IV  29, 2; 
s.die  Beschreibung  des  Verfahrens  Vers  Mor 
48ff.  ö 

8)  Beschreibung  des  Verfahrens  bei  Plin 
XVIII  112 ff.;  vgl.  Cato  r.r.  76,1.  Cels.1118- 
ebd.  20  u  s. 

9)  Plin.  ebd.  1 1 5  f.    Blümner  a.  a.  0.  55 ff. 
10)  Die    Scr.  rei  rusticae   an   zahlreichen 

Stellen;  Plinius  besonders  XIX  52—189  Dios- 
cor.H  126-217.  Galen.de  alim.  facult.  I  16— 
II  6(\I524-56-SK.).  Für  die  Identifizierung 
der  alten  Namen  mit  den  heutigen  Bezeich- 


nungen sind  vornehmlich  Jul.Billerbeck  Flora 
classica.  Leipz.  1824,  C.  Fraas  Synopsis  plan- 
tarum  florae  classicae,  München  1845,  und 
H.  0.  Lenz  Botanik  d.  alt.  Griech.  u.  Römer, 
Gotha  1859,  heranzuziehen. 

")  Es  kommen  von  diesem  Tarif  die  Ab- 
schnitte 1  u.  6  in  Betracht;  für  Genaueres  ver- 
weise ich  auf  meinen  Kommentar  zu  den  betr. 
Stellen  (Berlin  1893)  und  die  Bemerkungen 
bei  Marchant  a.  a.  0. 

,2)  Plin.  XVIII 165:  legumina  quae  re/Iiin- 
tur  e  terra,  non  subsecantur,  unde  et  legii- 
iii i im  appelJata,  quin  ita  leguntur;  dagegen 
ebd.  53  wird  das  includi  siliquis  als  Kenn- 
zeichen der  legumina  angeführt.  Vgl.Varr.  r.  r. 
123,2:  hoc  enim  quoque  legumen,  ut  cetera, 
quae  velluntur  e  terra,  non  subsecantur,  quae, 
quod  ita  leguntur,  legumina  dicta.  Ders.  1. 1. 
V64.  Non.61,13.  Se'rv. ad  Georg. I  74.  Corp. 
Gloss.V  650, 60.  Sie  entsprechen  den  griech. 
oojToia  (Corp.  Gloss.  VI  634),  vgl.  Galen.VI  524, 
oder  dem,  was  Theophrast  xeSgomi  nennt  (BT. 
pl.VIIl  2,1  u.ö.),  seltner  ekloßä (ebd.lll  14.4). 
Ueber  die  Bedeutung  von  legumina  handelt 
Röper  im  Philologus  IX  (1854)  239  ff. 

1S)  Siehe  den  ausführlichen  Artikel  Bohne 
von  Olck  bei  P.-W.  III  609 ff. 

14)  Im  Ed.Diocl.  6,38  als  faba  viridis  pur- 
gata  aufgeführt. 


Fünfter  Abschnitt.    Die  Nahrang. 


Ul 


gegessen  wurden1),  eine  altitalische  Volksnahrung  von  sakraler  Bedeutung2), 
später  aber  nur  ein  Gericht  der  unteren  Volksklassen,  das  billig  war  und 
sättigte3),  sonst  waren  sie  auch  gewöhnliches  Schweinefutter4);  Linsen, 
Uns,  lenticula,  seit  alter  Zeit  in  Italien  heimisch5)  und  ebenfalls  eine 
beliebte  Volksnahrung6);  dann  verschiedene  Arten  von  Erbsen,  wie  die 
gewöhnliche  Erbse,  pisum1),  die  Kichererbse,  cicer*),  die  grün  und  getrocknet 
gegessen  wurde9),  als  Brei  genossen  eins  der  verbreitetsten  und  billigsten 
Gerichte  des  untern  Volkes10),  das  zu  geringem  Preise  auf  der  Straße  feil- 
geboten wurde11),  und  andere  Sorten12).  Weniger  häufig  erscheint  das 
Bockskraut,  foenum  Graecum13),  auch  siliqua  (siUcia)1*),  als  Nahrungsmittel, 
während  die  Lupine,  lupin  um  (lupinus)16),  und  die  Schminkbohne,  phcusiolu8lt), 
auch  conchis  (wenn  sie  mit  der  Schale  gekocht  wurde)17),  gleich  Bohnen 
und  Erbsen  sehr  gewöhnliche  Volkskost  bildeten. 

Mit  olera  bezeichnen  die  Römer  alle  Gemüse,  sowohl  Blattgemüse, 
wie  Knollengewächse,  die  Salatarten  u.  dgl.  m.is)  Wir  finden  darunter 
sowohl  einfache,  die  zur  Volksnahrung  dienen,  wie  seltnere  und  teuere.  Zu 
letzteren  gehören  die  Artischocken,  Carduus19),  die  man  in  besonderer 
Qualität  aus  Spanien  und  Karthago  bezog20);  auch  der  Spargel,  asparayus21), 


')  Sie  wurden  in  geschrotenem  und  un- 
geschrotenem  Zustande  verwendet,  als  faba 
mlida  und  faba  fracta,  Plin.  XVIII  117  ff., 
oder /W/v  fresset  und  non  fresset-,  Ed.Diocl.  1,  9  f. 

*)  Pfund  De  antiquissima  apud  Italos 
l'aliac  eultura  ac  religione,  Berol.  1845. 

;!)  Eor.sat.116,68.  Mart.X48.16;  XI31, 
12;  immerhin  kamen  sie  doch  auch  auf  bessere 
Tafeln.  ebd.V78,10. 

*)  Varr.r.r.  H4,17.Mart.III47,12;IV46,6. 

5)  Hehn  a.a.O. 210. 

K)  Mart.  XI  31,  12.  Ed.  Diocl.  1,  11;  ge- 
schätzter war  die  ägyptische  Linse,  die  im- 
portiert wurde,  Plin.XVI  201;  XVIII  123.  Mart. 
XI II  9.  aber  auch  in  Italien  kultiviert  nach 
Verg.  Geo.  I  228. 

7)  Oder  pisa,  vgl.  Plin.  XVIII  58.  Colum. 
II  10,4  u.s.;  Hehn  a.a.O. 212.  Im  Ed.Diocl. 
1,13  f.  als  pisa  fracta  und  pisa  non  fracta 
aufgeführt,  aber  nicht  unter  den  grünen  Ge- 
müsen. 

8)  Hehn  a.a.O.  213. 

a)  Plin.XVlII  124.  Petron.14,3.  Ed.Diocl. 
1,15;  6.37. 

lu)  Hor.sat.I6,  114f.;  II  8,182;  Ars  poet. 
249.  Mart.V78.21. 

n)  Mart.  I  41,5;  103.10.  Petron.14,3. 

")  Das  Ed.  Diocl.  führt  1, 12  u.  16  ervilia 
und  ervum  an;  welche  Erbsenart  die  erste 
ist,  ist  unsicher,  s.  Blümner  z.  d.  St. ;  die  an- 
dere, unsere  Erve,  diente  wesentlich  als  Vieh- 
futter, s.Plin.  XVIII  57;  XXII  153. 

IS)  Plin.  XXIV 184.  Ed.Diocl.  1.18,  Apic. 
211:  s.  den  Artikel  Bockshornklee  von  Olck 
bei  P.-W.  III  580. 

14)  Plin.  XVIII  140.  Colum.  II  10,  33.  Hör. 
ep.II  1,123.  Pers.3,55.  luv.  11.58.  Dochdiente 
das   foenum  Graecum  vornehmlich  als  Vieh- 


futter, Colum.  XI  2,  71. 

15)  Im  Ed.  Diocl.  1, 19  f.  werden  lupinum 
crudum  und  coctum  aufgeführt,  wie  Mart.  V 
78,21  fervens  cicer  et  tepens  lupinus  anführt, 
vgl.  Petron.  14, 3;  die  Händler  damit  heißen 
lupinarii  bei  Lampr.  AI.  Sev.  32, 2. 

16)  Im  Ed.Diocl.  6,33:  fasioli  und  ebd. 39 
fasiolus  r iridis  purgatus  als  grünes  Gemüse, 
letztere  also  ausgehülst;  nach  Plin.XVI!!  125 
yhasiolorum  [süiquae)  manduntur  cum  ipsis 
granis.  In  getrocknetem  Zustande  Ed.  Diocl. 
1,21  fasiolus  siecus. 

17)  luv.  3, 293;  14,131.  Mart.  V  39, 10:  VII 
78,2;  XIII  7,1. 

,8)  lsid.or.XVH10,2:olusabalendodi( /'im. 
eo  quodprimum  homines  ab  oleribus  alerentur. 
Sie  entsprechen  den  griech.  h'c/ara,  Corp.Gloss. 
VI  525,  Stellensammlung  bei  Schuch  Gemüse 
und  Salate  der  Alten,  Rastatt  1853. 

19)  Plin.  XIX  54  klagt,  daß  sie  eine  Deli- 
katesse seien  Colum.  XI  3, 14  u.  28  nennt  sie 
mit  dem  griechischen  Ausdrucke  cinara.  Das 
Ed.  Diocl.  6, 1  f.  verzeichnet  cardui  maiores 
und  sponduli,  griech.  oqxivdvloi,  nach  Galen. 

VI  637  K.  ohv  xs<pakai  avziov.  Näheres  s.Olck 
bei  P.-W.  II  1455  f.  Schuch  a.  a.  O.  20. 

")  Plin.  XIX  152.  Arnob.  adv.  gent.  II  23 : 

VII  16. 

")  Man  unterschied  wilden  und  Garten- 
spargel, Ed.  Diocl.  6,  34  f.  Auf  seine  Kultur 
wurde  große  Sorgfalt  verwendet,  s.  Blümxku 
z.  d.  St.;  der  beste  Gartenspargel  kam  aus 
Ravenna,  Plin.XVlII  54.  Mart.  XIII  21;  doch 
wurde  im  allgemeinen  der  wilde  Spargel  (bes. 
von  der  Insel  Nesis,  heut  Nisida)  vorgezogen, 
Plin.  XIX  145 f.  Vgl.  den  Artikel  'Aä/fdgayos 
von  Wagler  bei  P.-W.II1712ff.  ScHUCHa.a.O. 
64  ff. 


166 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


der  sowohl  als  Gemüse  wie  als  Salat  zubereitet  wurde1),  war  eine  Speise 
der  Wohlhabenderen,  während  die  jungen  Stengel  des  Mäusedorns,  ruscum2), 
dafür  einen  billigen  Ersatz  lieferten.  Unter  den  Blattgemüsen  und  Salaten 
sind  vornehmlich  zu  nennen  die  Endivie,  intubiim3),  oder  Zichorie,  Cicho- 
rium*), Malve,  malva5),  der  besonders  beliebte  Lattich,  lactuca,  von  dem  es 
zahlreiche  Sorten  gab6)  und  mit  dem  man  gern  die  Mahlzeit  beschloß7); 
ferner  Ampfer,  rumexs)  oder  lapathus9),  verschiedene  Arten  Kresse,  lepi- 
dium10)  oder  sisymbrium11),  Rauke,  eruca12),  auch  Brennessel,  urtica,  die 
freilich  ein  ärmliches  Gericht  gab13).  Eine  allgemeine  und  billige  Volks- 
nahrung gaben  dann  die  verschiedenen  Kohlsorten,  die  so  verbreitet  waren, 
daß  olus  oft  speziell  Kohl  bedeutet14),  sonst  brassica15),  worunter  alle  die 
verschiedenen  Arten  inbegriffen  sind;  und  zwar  unterschied  man  die  größern 
Stengel,  caules,  caaliculi,  die  aber  nicht  zerhackt,  sondern  ganz  genossen 
wurden16),  und  die  vornehmlich  geschätzten  jungen  Sprossen,  cymae,  cymata11). 
Lauch,  porrum,  wurde  in  porrum  sectile,  Schnittlauch18),  und  pomim  capi- 


J)  Suet.  Aug.  86.  Apic.  66;  125  ff.  luv. 
5,82. 

2)  Das  Ed.  Diocl.  6,  36  führt  ruscum  un- 
mittelbar nach  asparagus  auf.  Als  Nahrungs- 
mittel erwähnt  es  Plin.  XXI  86;  weiteres  s. 
Blümner  z.  Ed.  Diocl.  a.  a.  0. 

3)  Im  Ed.  Diocl.  6, 3  f.  intuba  optima  und 
sequentia,  wohl  Gartenendivie  und  wildwach- 
sende, Plin.  XIX  129;  XX  73.   Apic.  103. 

4)  Plin.  XXI,  88  als  intubum  erraticum 
bezeichnet;  Hör.  carm.  I  16.  31  als  einfache 
Nahrung  erwähnt.  Ueber  die  Zichorie  vgl. 
Olck  bei  P.-W.  III  2537  ff.  Schuch  a  a.  0. 
27  ff. 

5)  Im  Ed.  Diocl.  6, 5  f.  maximae  und  se- 
quentes,  wahrscheinlich  wilde  und  zahme,  eine 
altgebiäuchliche,  aber  bescheidene  Kost,  die 
jedoch  wegen  ihrer  abführenden  Wirkung  ge- 
schätzt war,  Plin.  XX  222ff.  Cic.  ad  fam.VII 
26,2.  Hor.carm.I31.16;epod.2,57.  Mart.  III 
89, 1 ;  X  48, 1 ;  X  48, 7.  Vgl.  Schuch  49. 

6)  Plin.  XIX  125  ff.  sowie  Colum.XlSlff. 
und  XI  3, 26 f.  zählen  deren  eine  größere  An- 
zahl auf,  die  teils  nach  Form  und  Farbe,  teils 
nach  der  Herkunft  bezeichnet  werden,  vgl. 
Becker-Göll  252.  Schuch  a,  a.  0.  47.  Lenz 
Botanik  d.  Gr.  u.  Rom.  486 ff. 

7)  Verg.Moret.  76;  Matt.  XIII  14  tadelt 
die  neue  Sitte,  Lattich  an  den  Anfang  des 
Mahles  zu  stellen.  Ueber  seine  diätetische 
Bedeutung  s.  Plin.  a.  a.  0.  127  f.  Gels.  II  22 
u.  24. 

8)  Plaut.  Pseud.  815:  apponunt  rumicem, 
hrassicam,  betam,  blitum.  Plin.  XIX  184:  hoc 
(sc.  lapathum  silvestre)  in  sativis  rumix  vo- 
eatur.  Vgl.  Schuch  18ff. 

9)  Auch  lapathum,  Lucil.  bei  Cic.  de  fin. 
118,24.  Varro  bei  Non.  550. 12.  Hor.epod.2,57; 
sat.114,29;  nach  Plin  a.a.O.  der  zahme  Sauer- 
ampfer. 

10)  Plin.  XIX  166,  wonach  es  in  Italien  ur- 
sprünglich fremd  war.  Colum.  XI  3, 16  u.41. 
Schuch  43. 


11)  Plin.  ebd.  172  (während  die  XX  247  so 
genannte  Pflanze  wahrscheinlich  Minze  ist). 
Vgl.  Schuch  27  und  Blümner  zum  Ed.  Diocl. 
6,24. 

12)  Verg.  Mor.  85:  venerem  revocans  eruca 
morantem,   worauf  sich  auch  Mart.  III  75,3 
bezieht;  X48, 10  heißt  sie  deshalb  herbasala. 
Vgl.  luv.  9, 134.  Plin.  X  182.  Ov.  rem.  am.  799 
Schuch  62. 

,3)  Hör.  ep.  112, 8.  Pers.6,70;  sie  galt  aber 
für  gesund,  Catull.44, 15.  Plin. XXII 31  ff.,  auch 
als  Stimulans,  luv.  2, 128;  11,168.  Vgl.  Schuch 
59  f. 

14)  Speziell  atrum  holus,  Plaut.  Pseud.  814, 
auch  in  einem  Wort  olusatrum,  Plin.  XIX  162 
u.  ö.  Colum.  XI.  3, 18;  ebd.  X  123  olus  pullum. 
Vgl.  über  die  Kohlarten  Schuch  33  ff. 

' ä)  Cato  r.  r.  156, 1 :  brassica  est  quae  Omni- 
bus holeribus  antistat;  vgl.  Plin.  XIX  136:  olus 
caulesque,  quibus  nunc  principatus  hortorum, 
apud  Graecos  in  honore  fuisse  non  reperio. 
Ebd.  XX  78  ff.  Colum.  X  127  ff.  Die  crambe 
(sprichwörtlich crambe repetita, Iuv.7,154,  „auf- 
gewärmter Kohl"),  ist  nach  Plin.  XX  79  eine  be- 
sondere Art,  die  aber  selten  erwähnt  wird.  Zur 
Namensform  vgl.  A.Schöne  bei  Friedländer  zu 
luv.  a.  a.  0. 

16)  Mart. V 78, 6 f.;  sie  wurden,  damit  sie 
die  grüne  Farbe  behielten,  mit  Salpeter  ge- 
kocht, ebd.XIII17.  Plin. XXXI,  115,  sonstin 
Oel,  Salz  usw.,  Hör.  sat.  II  2,59.  luv.  5,  87. 
Immerhin  war  es  eine  einfache  und  billige  Kost, 
luv.  1, 134.  Vgl.  Blümner  zum  Ed.  Diocl.  6,  9. 

17)  Plin.  XIX  137;  XX  90.  Colum.  X  129. 
Ed.  Diocl.  6,11.  Beide  Sorten  wurden  auch  als 
Konserven  zubereitet;  vgl.  Schuch  33 ff. 

18)  luv.  3,293.  Pallad.  III  24,11;  auch 
sectivum,  Plin. XX  44 ff.  Mart.  XIII  18.  luv.  14. 
133,  oder  tonsile,  Mart.  X  48.  9,  vgl.  ebd.  XI 
52,  6;  der  beste  Schnittlauch  kam  aus  Tarent, 
Mart.  XIII  18.  Vgl.  über  den  Schnittlauch  und 
den  Lauch  überhaupt  Hehn  Kulturpfl.u.  Haust. 
189  ff. 


Fünfter  Abschnitt.    Die  Nahrung. 


167 


tatum,  Porre1),  unterschieden,  galt  aber  als  ärmliche  Speise2).  Dasselbe 
war  der  Fall  mit  dem  Mangold  (kleine  Runkelrübe),  betas),  die  außerdem 
ihres  faden  Geschmacks  wegen  nicht  sehr  geschätzt  war4).  Dann  hatte 
man  verschiedene  Rüben,  rapae5),  von  denen  man  die  pastinaca,  unsre 
Möhre6),  der  der  siser  verwandt  war7),  und  den  napus,  die  Steckrübe8), 
unterschied.    Verbreitet  war  auch  der  Rettig,  radix9)  oder  raphanus10). 

Wie  heute  noch  im  Süden,  so  waren  auch  im  alten  Rom  die  Zwiebeln, 
cepa11),  bulbus12),  sei/In13),  eine  namentlich  beim  niedern  Volk  beliebte  Speise, 
die  sie  auch  später  blieben,  als  die  bessern  Stände  vom  Genuß  der  rohen 
Zwiebeln,  der  unangenehmen  Folgen  wegen,  nichts  mehr  wissen  wollten14). 
Ganz  ebenso  verhielt  es  sich  mit  dem  Knoblauch,  alium16). 

Ebenfalls  zu  den  olera  gerechnet  wurden  die  verschiedenen  Arten  der 
Gurken gewächse  (Cucurbitaceen),  so  der  Kürbis,  Cucurbita16),  der  heut  noch 
im  Süden  einen  wichtigen  Teil  der  Volksnahrung  bildet  und  im  Altertum 
teils  gekocht  oder  gebraten,  teils  eingemacht  gegessen  wurde17),  ferner 
Gurken,  cucumis1*),  die  sehr  beliebt  waren  und  sogar  in  Glaskästen  kul- 
tiviert wurden19),  und  die  Melonen,  sowohl  die  Wassermelone,  pepon20),  wie 


l)  Colum.XI  3.30;  graves  porri,  Mart.V 
78.4;  der  beste  kam  von  Aricia,  ebd. XIII 19. 
Colum.  X  139.  Daher porrum  utrumque,  Mart. 
11147,8.  Betreffs  der  Zubereitung  s.  Blümner 
a.a.O.  6, 12  f. 

«)  Hor.ep.  112,21.  Iut. 3, 293;  durch  Nero, 
der  ihn  gern  aß.  kam  der  Schnittlauch  eine 
Zeitlang  in  die  Mode,  Plin.  XIX  108. 

3)  Plaut.  Pseud.  815.  Pers.  3,  114.  Mart. 
XIII  13;  vgl.  III 47, 9.  Plin.  XIX  133.  Schuch 
51  ff. 

4)  Catull.67,21.  Suet.Aug.87. 

'")  Die  Rübe  heißt  rapnm  oder  rapa, 
Varro  r.  r.  I  59,  4.  Mart.  XIII  16  als  Winter- 
gericht; das  Ed.  Diocl.  6, 18  f.  tarifiert  sie  nach 
der  Größe.  Mehr  bei  Plin.  XVIII 125  ff.  Colum. 
XI  3  59. 

•)  Plin.  XIX  88.  Col.  IX  4, 5.  Ed.  Diocl. 
6.  44  f. ;  dasselbe  ist  die  carota,  Apic.  1 13.  Daß 
sie,  wie  Becker-Göll  354  sagt,  nicht  geschätzt 
waren,  ist  nicht  richtig,  s.  Plin.  XXI  86. 

7)  Nach  Plin.  XIX  90  bei  Tiberius  beliebte 
Sorte,  die  er  vom  Rhein  bezog;  vgl.  XX  34. 
Nach  Corp.  Gloss.  II  185, 11  (vgl.  436,56)  ist 
sie  ei&oc  r>T<u/  vXivov,  d.  h.  eine  Art  Mohrrübe. 

8)  Plin.  XIX  75  ff.  Col.  II 10, 23 :  nach  Mart. 
XIII  20.  Plin.  XVIII  131;  XIX  77  kamen  die 
besten  aus  Amiternum  und  Nursia. 

9)  Hör.  sat.  II 8, 8.  Ov.  met.  VIII 666 ;  über 
die  Bedeutung  im  Unterschied  von  rapa  s. 
Blümner  zum  Ed.  Diocl.  6, 16  f. 

,0)  Cato  r.  r.  35, 2.  Plin.  XIX  78  ff.  Col.  XI 
3,47  u.s. 

n)  Ueber  die  verschiedenen  Arten  Plin. 
XIX  99  ff.  Col.  XII 10, 1 ;  das  Ed.  Diocl.  6, 20  ff. 
unterscheidet  eepete  siccae  und  virides;  man 
hatte  auch  verschiedene  Arten  der  Konser- 
vierung, s.  Plin.  ebd.  105  f.  Als  gemeine  Speise 
Mart.  III  77,5;  XII  32, 20. 

12)  Plin.  XIX  93  ff.    Cato  r.  r.  8,2.    Col.  X 


106 ;  die  megarischen  galten  für  die  besten.  Als 
Aphrodisiacum  Mart.  III 75, 3 ;  XIII 34.  Ov.  rem. 
am.  797 ;  als  Sklavenkost  luv.  7, 120.  Vgl.  den 
Artikel  Bokßk  von  Olck  bei  P.-W.  III  669  ff. 

13)  Die  Meerzwiebel,  Plin.  a.  a.  O.  Col.  XII 
33;  doch  fand  sie  in  der  Medizin  und  im  Sühne- 
kultus mehr  Anwendung,  als  in  der  Kost.  vgl. 
Cels.III27, 1 ;  V28, 12.  Ueber  die  verschiedenen 
Zwiebelarten  der  Alten  vgl.  Hehn a.a.O.  195 ff. 

14)  Varr.  b.  Non.  201, 6 :  avi  et  atavi  nostri, 
cum  alium  ac  cepe  eorum  verba  olerent,  tarnen 
optime  animati  erant.  Dagegen  Naevius  bei 
Prise.  VI  2  p.  681 :  ut  illnm  di perdant,  am  pri- 
mam  holitor  protulit  caepam!  Daß  sie  auch 
später  noch  Volksnahrung  blieben,  zeigt  Plut. 
quaest.  conv.  IV  4, 3  p.  669  B. 

15)  Plin.  XIX  111  ff.  Col.  X  314;  XI  3,20. 
Plaut.  Most.  38 :  at  te  Iuppiter  dique  omnes per- 
dant; fu,  obokiisti  alium.  Hör.  epod.  3,  3  ff. 
Ueber  den  Knoblauch  s.  Hehn  a.  a.  O.  200  f. 

I6}  Plin.  XIX  69  ff.  Col.  X  234 ff.;  XI  3,48. 
Ed.  Diocl.  6, 26  f.   Vgl.  Hehn  304  ff. 

17)  Nach  Mart.  XI  31  hätte  man  eine  ganze 
Mahlzeit  mit  verschiedenartig  zubereitetem 
Kürbis  ausrichten  können.  Vgl.  über  die  Arten 
der  Zubereitung  Blümner  z.  Ed.  Diocl.  a.  a.  O. 

18)  Plin.  XIX  64  ff.  Col.  a.a.O.  Pallad.  IV 
9,7.  Ed.  Diocl.  6, 28  f.  Nach  Hehn  310  war  die 
den  Alten  bekannte  Gurke  eine  jetzt  in  Europa 
nicht  mehr  angebaute  Art. 

19)  Plin.  a.a.O.   Col.  XI  3, 53. 

20)  Plin.  a.  a.  O.  65  rechnet  sie  zu  den  cii- 
cumeres,  von  denen  sie  sich  nur  durch  die 
Größe  unterscheidet;  bei  den  Scr.  rei  rust. 
kommt  sie  nicht  vor,  dagegen  öfters  bei 
den  Aerzten.  Vgl.  Apic.  79.  Ed.  Diocl.  6, 32. 
Corp.  Gloss.  VII  67.  Hehn  311  sagt,  es  lasse 
sich  nicht  erweisen,  daß  der  pepo  der  Alten 
die  Wassermelone  sei,  und  hält  diese  für  einen 
Ankömmling  des  Mittelalters;  doch  bemerkt 


168 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


die   Zuckermelone,    melopepon1),    melo2),    die    namentlich    in    der   spätem 
Kaiserzeit  eine  geschätzte  Frucht  war3). 

Endlich  gehören  zu  den  olera  noch  die  Kapern,  capparis*),  bei  denen 
man  sowohl  den  Stengel  wie  die  Früchte  verzehrte,  wie  denn  auch  beide 
eingelegt  wurden5),  und  die  heut  noch  im  Orient  beliebten  jungen  Triebe 
der  Zwergpalme,  germina  palmae6). 

Pilze,  fangt1),  wurden  viel  gegessen,  als  gewöhnliche  Sorte  die  fungi^ 
suilli,  eine  Art  Steinpilze8),  als  sehr  geschätzte  boleti,  Kaiserschwämme9), 
Champignons,  fungi  pratenses10),  und  Trüffeln,  tubera11).  Und  auch  der 
Oliven,  olivae,  oleae,  muß  hier  gedacht  werden,  die  kaum  bei  einer  Mahl- 
zeit zu  fehlen  pflegten12)  und  ebensowohl  frisch  wie  eingelegt  genossen 
wurden13). 

Hierzu  kamen  nun  eine  große  Menge  Küchenkräuter  und  Gewürze, 
olera  odorata1*),  condimenta -.18),  teils  einheimische,  wie  Eppich  (Sellerie), 
apium16),  Dill,  anathum1'1),  Raute,  rutals),  Alant,  inula19),  Minze,  menta20), 
Melde,  blitum21),  Dosten,  origanum22),  Fenchel,  feniculum23),  Anis,  anesum24), 
Mohn,  papaver2b),  teils  fremde,  deren  Anbau  man  in  Italien  einführte,  wie 


Engler  ebd.  312,  daß  sie  schon  in  den  ältesten 
Zeiten  von  Südafrika  nach  Aegypten  und  dem 
Orient  gelangt  und  noch  in  vorchristlicher  Zeit 
über  Südeuropa  verbreitet  worden  sei. 

')  Plin.XIX67.  Pallad.  IV  9, 6.  Ed.Diocl. 
6,  30  f.  Corp.  Gloss.'lII  317, 50. 

2)  Diese  Form  ist  später  die  üblichste,  vgl. 
Corp.  Gloss.  VI  689.  Pallad.  a.  a.  0.,  ebenso  bei 
den  Scr.  hist.  Aug. 

3)  Vopisc.  Carin.  17,3.  Treb.  Poll.  Gallien. 
16,2.  Iul.  Capit.  Albin.  11,3. 

4)  Plin.  XIII  127 :  XIX  163.  Col.  XI  3, 17 
und  54.  Als  Zukost  bei  Plaut.  Cure.  90; 
als  vulgäre  Nahrung  Mart.  III  77,  5.  Vgl. 
Schuch  33. 

5)  Plin.  XV  1 1 7 :  XX  1 65  f. ;  vgl.  Blümner  z. 
Ed.  Diocl.  6,25. 

f')  Ed.  Diocl.  6,40  aufgeführt;  auch  das 
sogenannte  Palmenhirn,  cerebrum  palmae, 
wurde  gegessen,  Plin.  XIII  39;  vgl.  XXI  97. 
Hehn  267. 

7)  Plin.  XXII  96  ff. 

8)  Mart.  III  60,  5:  sunt  tibi  boleti,  fungos 
ego  sumo  suillos;  sie  wurden  auch  getrocknet 
und  eingemacht,  Plin.  ebd.  98  f..  aber  wegen 
der  Gefahr  der  Vergiftung  waren  sie  weniger 
beliebt.  luv.  5, 146.  Plin.  a.  a.  O.  96. 

9)  Plin.  a.  a.  0. 92  ff.  luv.  5, 147 ;  mit  einem 
Gericht  solcher  wurde  Kaiser  Claudius  ver- 
giftet, ebd.  6, 620  f.   Suet.  Claud.  44. 

10)  Hör.  sat.  II  4  20. 

")  Plin.  XIX  33 ff.:  Mart.  XIII  50  läßt  sie 
nach  den  boleti  rangieren.  Die  besten  kamen 
ausAfrika,Iuv.5,119.  Plin. a.a.O.  Dochscheint 
die  schwarze  Trüffel  den  Alten  unbekannt  ge- 
wesen zu  sein,  s.  Marquardt  325  A.  14.  Becker- 
Göll  360. 

12)  Plaut.  Cure.  90;  Stich.  691.  Hör.  sat.  II 
2, 46.    Mart.  I  103, 7 ;  IX  26. 6  u.  ö. ;  die  besten 


kamen  von  Picenum,  ebd.  143,8  u.  das.  Fried- 
länder. 

13)  Cator.r.58;117.  Varr.  r.  r.  I  66.  Col. 
XII  49.  Plin.  XV  104.  Das  Ed.  Diocl.  e,  89  ff. 
zählt  drei  Sorten  Oliven  auf;  über  die  Art  des 
Einlegens  s.  Blümner  z.  d.  St.  Ein  Amphoren- 
henkel aus  Vindonissa  trägt  die  Aufschrift  Oliva 
nigr(a)  ex  def(ruto),  also  in  Most  eingelegte 
reife  Oliven  (vgl.  Cato  7, 4.  Varr.  r.  r.  1  60),  s. 
Eckinger  Anz.  für  Schweiz.  Altert.  1908,  320 
n.  35. 

14)  Isid.  or.  XVII  11. 

15)  Plaut.  Pseud.  820.  Cic.  de  fin.  II  28,90. 
Plin.  XIX  160.  Man  unterscheidet  condimenta 
viridia,  Küchenkräuter,  Col.  XII 8, 1,  und  arida, 
Gewürze,  ebd.  Vgl.  darüber  Pottier  bei  D.-S. 
1 1438  und  im  allgem.  über  Küchengewächse 
Beckmann  Beitr.  z.  Gesch.  d.  Erfind.  V  107  ff. 

1G)  Plin.  XX 1 1 3  ff.  Col.  XI  3,33.  Verg.  Georg. 
IV  121. 

17)  Plin.  XIX  167.  Col.  XI  3, 42.  Weiteres 
s.  Olck  bei  P.-W.  V  639  ff. 

18)  Plin.  XX  131  ff.,  in  älterer  Zeit  sehr  be- 
liebt, ebd.  XIX  156.  Col. XI 3, 38.  Mart.  XI  52,8. 

19)  Plin.  XIX  91  f.  Col.  XI  3, 35.  Hör.  sat. 
112,44;  ebd.  8,51. 

20)  Plin.  ebd.  159  f.  Col.  a.  a.  O.  37.  Mart. 
X  48, 10:  ruetatrix  menta.   Schuch  57. 

2  >)  Plin. XX  252.  Pall.  IV  9, 1 7.  Plaut.  Pseud. 
815.  Schuch  56. 

22)  Plin.  XIX  186.   Pall.  XII  22, 5. 

■3)  Plin.  XX  254  ff.  Schuch  31.  Olck  bei 
P.-W.  VI  2172. 

24)  Plin.  XIX 167 ;  besonders  aus  Aegypten, 
Col.  XII  51,2;  53,2 ;  auch  anisum,  Isid.  or.  XVII 
1 1 , 6.  A  usführliches  über  Pflanze  und  Gebrauch 
s.  Olck  bei  P.-W.  12215. 

25)  Vornehmlich  für  Brot  und  Kuchen  be- 
nutzt, Plin.  a.  a.  0. 168.   Petron.  1, 3. 


Fünfter  Abschnitt.    Die  Nahrung. 


169 


Petersilie,  petroselbwm1),  verschiedene  Arten  Kümmel,  aimutum2),  careum*), 
git  oder  melanthium*),  Koriander,  coriandrumb),  Thymian,  thymuni6),  ser- 
pi/llum1),  Majoran,  amaracus  oder  sampsuchum8),  Sesam,  sesamum9),  Senf, 
sinapi10)  u.  a.  m.  Bei  zunehmender  Verfeinerung  der  römischen  Küche 
kamen  auch  die  mannigfachen  Gewürze  des  Orients  in  Gebrauch11),  wie 
Pfeffer,  p iper12),  Ingwer,  zingiber13),  Kardamom,  cardamomum1 ').  Zimt,  ein- 
namomum16),  und  das  berühmte  Silphium,  das  die  Römer  laser  nannten10), 
der  Saft  der  laserpitium  benannten  Pflanze17);  doch  war  dessen  berühmteste 
Bezugsquelle,  die  Kyrenaika,  schon  zu  Anfang  der  Kaiserzeit  erschöpft18) 
und  man  bezog  eine  mindere  Qualität  aus  Persien  und  Armenien19). 

Sehr  reich  versehen  war  auch  die  römische  Tafel  mit  Obst20)  aller 
Art,  und  zwar  sowohl  solchem,  das  von  Natur  in  Italien  heimisch  war, 
als  mit  fremden  Sorten,  die  teilweise  schon  sehr  früh,  teils  aber  auch  erst 
gegen  Ausgang  der  Republik  und  in  der  Kaiserzeit  eingeführt  worden 
waren,  wie  endlich  auch  solchen  Früchten,  die  nur  in  getrocknetem  oder 
eingemachtem  Zustande   zur  Verwendung   und    auf   die   Tafel    der   Römer 


')  Die  Petersilie,  die  nach  Diosc.  VI  70 
(77)  und  Isid.  XVII  11,2  in  Makedonien  vorkam, 
diente  hauptsächlich  medizinischen  Zwecken 
(und  wird  wohl  deshalb  im  Ed.  Diocl.  32,56 
mitten  unter  Drogen  angeführt),  wurde  doch 
aber  auch  in  der  Küche  benutzt,  s.  Apic. 
29  ff.  Isid.  a.  a.  0.,  der  auch  hipposelinon  und 
oleoselinon  unter  den  Küchenkräutern  nennt. 

2)  Ein  sehr  beliebtes  Gewürz,  für  Speisen 
wie  für  Brot,  Plin.  XIX  160;  XX  218.  Col.  XII 
51,2;  oft  bei  Apicius.  Es  ist  der  sog.  römische 
oder  Pfefferkümmel,  der  am  besten  aus  Spanien, 
Nordafrika,  Kilikien  und  Galatien  kam,  Diosc. 
III  61  (68).  Vgl.  Ed.  Diocl.  1, 32.  Hehn  203  ff. 

s)  Der  eigentliche  Kümmel,  der,  wie  sein 
Name  besagt,  aus  Karien  gekommen  sein  soll, 
Plin.  XIX  164.  Colum.  a.  a.  0.  Apic,31 ;  336. 
Heiin  205. 

4)  Schwarzkümmel,  Plin.  XIX 167;  XX 182; 
in  Griechenland  war  der  Name  [iEkav&iov  der 
übliche,  die  Bezeichnung  qit,  die  sich  häufig 
findet,  z.  B.  Col.  VI  34, 1 .  Pall.  X  13, 3  (aber  bei 
Plaut  Rud.  1326  nur  in  verderbter  Lesart),  deu- 
tet auf  orientalische  Herkunft,  s.  Hehn  a.  a.  O. 

h)  Kam  am  besten  aus  Aegypten,  Plin.  XX 
216;  vgl.  über  seine  Anwendung  bei  der  Polenta 
ebd.  XVIII  73;  XIX  123.  Col.  XI  3, 29. 

6)  Garten-Thymian,  von  dem  man  den 
besten  Samen  aus  Attika  bezog,  Plin.  XXI  56  f., 
vgl.  ebd.  154  ff.  Col.  XI  3, 39.  Mart.  V  39,  3. 
Schuch  67  f. 

7)  Feld-Thymian,  gr.  eqjivUos,  am  besten 
aus  Thrakien,  Sikyon  und  Attika,  Plin.  XIX 
172;vgl.Cator.r.73.  Varr.r.r.I35,2.  Colum. 
a.a.O. 

8)  Aus  Aegypten,  Kypern,  Kleinasien  u.  s., 
Plin.  XIII  10;  XXI  163.  Col.  X  171;  ebd.  296. 
Der  amaractis  ist  das  ursprünglich  griechische 
Gewächs,  odmi'v/(>y,  eine  fremde,  ägyptische 
oder  syrische  Art,  vgl.  Wagler  bei  P.-W.  I 
1726  f. 


9)  Plin.  XVIII 48  rechnet  ihn  mit  Hirse  u.  a. 
zu  den  aestiva  frumenta;  vgl.  Petron.  1,  3.  Ed. 
Diocl.  1, 26.  Col.  II  10. 18  erwähnt  den  Sesam 
von  Kilikien  und  Syrien:  die  Pflanze  war  jeden- 
falls vom  Orient  her  importiert  worden. 

,u)  Plin.  XIX  170  f.  Col.  XII  57;  der  beste 
war  der  ägyptische,  Plin.  ebd.  171.  Vgl.  Hehn 
206  f.   Schuch  64. 

n)  Vgl.  die  Aufzählung  solcher  Gewürze 
Digg.  XXXIX  4,16.7. 

l»)  Kam  aus  Indien,  Plin.  XII  26  f. ;  XIX  58. 
Diosc  II  188(189);  vgl. Mart. XIII 5;  ebd.  13.2. 
Vgl.  Besnier  bei  D.S.  IV  485  f. 

13)  Aus  Arabien, Plin.  XII 28.  Diosc.  II 189 
(190).   Ed.  Diocl.  32,68. 

>4)  Ebenfalls  aus  Arabien,  Plin.  XII  50. 
Diosc.  I  5. 

»)  In  Arabien  nach  Plin.  XII  82  ff.  nicht 
heimisch,  kam  aber  durch  die  Araber  in  den 
Handel,  vgl.  Plin.  86  ff.,  der  Aethiopien  als  Hei- 
mat angibt.  Bestimmtes  wußte  man  aber  über 
den  Zimtbaum  nicht,  vgl.  Lenz  Botan.  d.  Gr.  u. 
R.  455. 

16)  Plin.  XIX  38;  ebd.  43  f.:  vgl.  ebd.  153. 
Col.  Xll  7,4;  59,4. 

'<)  Plin.  XIX  38  ff.  Col.VI17.7. 

18)  Plin.  V  33;  XVI  143;  nach  XIX  39  kam 
zum  letzten  Male  unter  Nero  ein  Stengel  kyre- 
naischen  Silphium  s  nach  Rom.  Ueber  die  Pflanze 
ist  zu  vgl.  Thrige  Res  Cyrenensium  (Hafniae 
1828)  230.  Hehn  111.  Oersted  Zeitschr.  für 
Ethnol.  III  (1871)  197  f.  Stüdniczka  Kyrene 
17  ff.  Else  Stkantz  Zur  Silphionfrage,  Ansbach 
1909. 

19)  Plin.  XIX  40. 

20)  Vgl.  Schneider  Ueber  den  Wein-  und 
Obstbau  der  alten  Römer,  Rastatt  1846.  Wal- 
ker Obstlehre  d.  Griech.  u.  Römer,  Reutlingen 
1845.  Krause  bei  Pauly  V  1839  ff.  Magerstedt 
Die  Obstbaumzucht  der  Römer,  Sondershausen 
1861.  Becker-Göll  Gallus  III  79  ff. 


170 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


gelangten.  Unter  poma  versteht  man,  was  der  Grieche  mit  öjiüjga  be- 
zeichnet, d.  h.  die  Früchte  des  Sommers,  die  frisch  genossen  werden, 
besonders  die  Baumfrüchte,  also  Kern-  und  Steinobst,  aber  auch  Feigen, 
Datteln,  Nüsse  usw.1),  wobei  im  einzelnen  wieder  mala  als  Kernobst  von 
den  mices  unterschieden  werden2);  bacae  ist  die  Bezeichnung  für  das 
Beerenobst,  aber  auch  für  beerenförmige  Früchte,  wie  die  Oliven3),  während 
acinus  (oder  acinum)  die  traubenförmig  beisammen  stehenden  Beeren,  also 
vornehmlich  Weintrauben,  bedeutet4).  Die  Hauptrolle  spielten  die  auf  dem 
Tisch  des  Reichen  wie  des  Armen  gleich  beliebten  Äpfel,  mala5),  von 
denen  man  eine  große  Anzahl  Sorten  hatte6),  die  teils  das  Äußere  oder 
den  Geschmack,  teils  die  Herkunft,  teils  die  Züchter  bestimmter  Arten 
bezeichneten7).  Ebenfalls  sehr  geschätzt  war  die  Birne,  pirum8),  auch  mit 
zahlreichen,  nach  Personen  oder  Züchtern,  nach  Herkunft  oder  nach  Geruch, 
Gestalt,  Farbe,  Reifezeit  u.  dgl.  benannten  Arten9).  Auch  von  den  Pflaumen. 
pruna,  gab  es  viele  Sorten10);  die  besten,  die  Damascener  Pflaumen,  wurden 
meist  getrocknet  versandt11).  Seit  alter  Zeit  heimisch  in  Italien  war  auch 
die  Feige,  ficus12);  doch  war  es  erst  die  Kaiserzeit,  die  eine  Unmenge  von 
Sorten  und  Benennungen  kannte13).  Getrocknete  und  gepreßte  wurden 
von  Kleinasien,  besonders  aus  Karien,  importiert14).  Frühzeitig  eingebürgert 
war  ferner  die  Quitte,  malum  Cydonium,  latinisiert  cotoneum16);  sie  wurde 
in  der  Regel   eingemacht,    als   Marmelade  u.  dgl.,    genossen16).     Auch   der 


»)  Vgl.z.B.Cat.r.r.7,3  Varr.  r.r.I  31,5; 
59,1.  Tib.11,8.  Mark III 58. 50;VII49,2u.a.m. 
Auch  Trüffeln  sogar  werden  poma  genannt, 
Mark  XIII  50,  2.  Daher  pomaria,  Obstgärten 
oder  Obstspeicher,  Hör.  carm.  I  7, 13.  Cic.  de 
sen.  15,54.  Varr.  r.  r.  12.6;  23,4,  und  pomarii, 
Obsthändler,  Hör.  sat.  II  3, 227.  Lampr.  Heliog. 
27,3;  häufig  auf  Inschriften,  s.  Marquardt 
466  A.  1. 

'-)  Macr.  III  19,  1 :  sunt  de  agricultura 
scriptores  qui  nuces  et  mala  sie  dividunt,  ut 
ii  ii n-s  dicant  omne  pomum  quod  foris  duro 
tegatur  et  intus  habeat,  quod  esui  est,  malum 
vero  quod  foris  habeat  quod  est  esui  et  durum 
intus  includat. 

3)  Plin.XV96u.  101.  Hör.  carm.  II  6,16; 
sat.  II  4, 69  u.  ö.  Mark  XIII  101, 1,  wie  denn 
überhaupt  baca  y.ar'  i£o/?/i'  die  Olive  bedeutet. 

4)  Pliu.  XV  100.  von  Flieder,  Efeu  u.a.m., 
vgl.  XXIV  52;  ebd.  77 ;  XXV  116  u.  s.,  aber  am 
häufigsten  von  der  Weintraube. 

5)  Vgl.  Olck  bei  P.-W.  I  2700  ff.  Hehn 
593  ff. 

6)  Aufzählungen  bei  Plin.XV47  ff.  Macrob. 
III 19, 2.  Col.  XII  47, 5.  Pallad.  III  25.  Olck 
a.  a.  O.  2705  f.  stellt  31  Sorten  zusammen. 

7)  Als  die  besten  galten  die  mala  Matiana 
(Ed.  Diocl.  6, 65),  die  nach  dem  Ritter  C.  Matius 
benannt  waren;  vgl.  Suet.  Domik  21.  Blümner 
zum  Ed.  Diocl.  a.  a.  O. 

8)  Vgl.  OLcxa.  a.  O.  III  491  ff. 

")  Plin.  XV53f.  zählt  gegen  30  Sorten  auf; 
dazu  Macr.  a.a.O.  6;  Magerstedt  a  a.0. 165 ff. 
gibt  ein  Verzeichnis  von  über  50  Sorten.    Die 


beste  Art  war  das  pirum  Crustuminum,  nach 
Plin.  a.  a.  O.  Colum.V  10, 18  nach  der  sabinischen 
Stadt  Crustumium,  vgl.  Serv.  ad  Georg.  II  88.    I 

10)  Plin.  XV  41:   ingens  turba  prunorumf 
versicolor.  Col.  X  404.  Doch  kannte  Cato  133,2 
diese  Mannigfaltigkeit  offenbar  noch  nicht;  s. 
Plin.  a.  a.  O.  46:  sed  pruna  quoque  omnia  post  \ 
Catonem  coepisse  manifestum  est;  vgl.  Hehn 
369  ff. 

11)  Stak  silv.  1 6, 14.  Mark  V  18,3;  XIII 29; 
vgl.  Blümner  z.  Ed.  Diocl.  6, 86  f. 

12)  Das  beweist  die  Rolle,  die  der  Feigen- 
baum in  der  Gründungsgeschichte  Roms  spielt. 
Vgl.  Solms-Laubach  in  den  Abh.  d.  Gott.  Ges. 
der  Wissensch.  XXVIII  (1882):  Die  Herkunft, 
Domestikation  und  Verbreitung  des  gewöhn- 
lichen Feigenbaumes.  Hehn  94  ff.  Olck  bei 
P.-W.  VI  2100. 

13)  Cato  8,1  nennt  nur  sechs  Sorten;  Plin. 
XV  72 :  postea  tot  subiere  nomina  atque  genera, 
ut  vel  hoc  solum  aestimantibus  appareat  mu- 
tatam  esse  vitam.  Aufzählungen  ebd.  68  ff.  Ma- 
crob. III  20,1.  Col.  V  10, 10  f. 

14)  Zumal  die  von  Kaunos,  Cic.  de  div.  II 
40, 84.  Plin.  a.  a.  O.  83 ;  Caricae  pressae,  Ed. 
Diocl.  6, 84 f.;  ebd.  88  sind  ficus  duplices,  ge- 
spaltene, angeführt,  vgl.  Hör.  sat.  II  2, 122. 

15)  Daß  sie  schon  früh  in  Italien  Eingang 
gefunden  hat  (zuerst  wohl  bei  den  unteritali- 
schen Griechen),  geht  aus  Prop.  IV  12  (III  13), 
27  hervor.  Plin.  XV  37  f.  führt  mehrere  Arten 
an,  Col.  V  10, 19  drei.   Vgl.  Hehn  241  ff. 

16)  Cator.  r.  7,3.  Plin.  a.a.  O.  60 u.  65  u.a. 
Vgl.  Blümner  z.  Ed.  Diocl.  6,  73  f. 


Fünfter  Abschnitt.    Die  Nahrung. 


171 


Granatapfel,  malum  Punicum  oder  granatum,  ist  alter  Besitz1),  trotz  des 
auf  spätere  Zeit  deutenden  Beinamens2).  Dagegen  wurde  die  Aprikose, 
malum  Armmiaeum  oder  praecox*),  erst  im  1.  Jahrhundert  n.  Chr.  aus 
Armenien  nach  Italien  gebracht4),  ebenso  der  Pfirsich,  malum  Persicum, 
aus  Persien0).  Die  Kirsche,  cerasus,  von  der  man  früher  nur  eine  wilde 
Art  und  die  sogenannte  Kornelkirsche,  cornvm,  gekannt  hatte6),  kam  erst 
nach  den  mithradatischen  Kriegen,  angeblich  durch  Lucullus,  vom  Pontus 
nach  Italien,  wo  sie  sich  sehr  schnell  ausbreitete7).  Datteln,  caryotae, 
<lacf ///iH).  ptihnae^),  kommen  an  den  in  Italien  wachsenden  Dattelpalmen 
nicht  zur  Reife;  sie  wurden,  wie  heut,  getrocknet  importiert,  und  zwar 
vornehmlich  aus  Äthiopien  und  Judäa10);  Kästchen  mit  solchen  waren  ein 
beliebtes,  auch  den  Armeren  zugängliches  Geschenk11).  Selten  erwähnt 
wird  die  Mispel,  mespilum,  die  zu  Catos  Zeit  noch  unbekannt  war12).  Um 
so  verbreiteter  war  dafür  der  Weinstock,  der  zwar  auch  nicht  in  Italien 
heimisch,  aber  schon  sehr  früh  von  Griechenland  her  eingeführt  worden 
zu  sein  scheint13);  frische  Weintrauben  wurden  viel  gegessen,  daneben 
getrocknete  (Rosinen),  nvae  passae1*). 

Die  heut  für  Italien  so  charakteristischen  Agrumi  waren  dort  ur- 
sprünglich fremd;  Limonen,  Pomeranzen  und  Apfelsinen  hat  das  Altertum 
überhaupt  nicht  gekannt15);  mit  der  Zitrone  (Zitronatzitrone),  die  die 
Griechen  seit  Alexander  d.  Gr.  als  medischen  Apfel  kannten,  hatte  man 
nach  dem  Bericht  des  Plinius  Kultur  versuche  gemacht,  die  aber  miß- 
glückt waren16).  Erst  ein  bis  anderthalb  Jahrhunderte  später  zog  man 
sie  an  warmen  Orten  als  Kübel-  oder  Treibhauspflanze17),  und  erst  im 
I.  Jahrhundert  n.  Chr.  erscheint  der  Baum  als  citrus,  malum  cüreutn 
in    gewissen    Gegenden    Italiens    akklimatisiert18).      Johannesbrot,    siUqua 


!)  Er  kam  wohl  von  Unteritalien  her,  wo 
er  früh  bezeugt  ist,  nach  Latium,  vermutlich 
schon  zur  Königszeit,  s.  Hehn  236  f.  Vgl.  Plin. 
XIII  112;  X39.   Col.V10,lu.5. 

2)  Wie  Hehn  a.  a.  0  annimmt,  nannten 
die  Römer  den  Granatapfel,  wie  die  Quitte, 
schlechtweg  malum,  der  Beiname  Punicum 
kam  auf,  als  sie  den  Reichtum  an  Granat- 
bäumen  im  Gebiet  der  Karthager  kennen  lern- 
ten, wo  noch  später  viel  Granatäpfel  herkamen, 
Plin.  XIII 112.  Mart.XIII42. 

3)  Wie  aus  praecox  oder  jyraecoqua  unser 
Aprikose  geworden  ist,  s.  bei  Hehn  416  f. 

4)  Plin.  XV  40:  (praecocia)  intra  XXX 
annos  reperta  et  primo  denariis  singula  venum- 
ddta.  Diosc.  1 165. 

5)  Plin.  a.  a.  O.  39  f.  Diosc.  1 164.  Col.  X 
405.  Pall.XH7,4.  Vgl.  Hehn  415  ff. 

6)  Daß  eine  wilde  Süßkirsche  schon  lange 
in  Europa  heimisch  und  die  aus  dem  Pontus 
verpflanzte  eine  edle  Sauerkirsche  war.  zeigt 
Hehn  390  f.  Ueber  die  Kornelkirsche  s.  Plin. 
XV  101;  XVI  105.   Col.  XII  10,  3. 

7)  Plin.  ebd.  102  ff.  Serv.  ad  Verg.  Geo.  II 
18.  Erste  Erwähnung  bei  Varr.  r.  r.  1 39,2;  daß 
sie  aber  schon  früher  im  Osten  bekannt  war, 
zeigt  Athen.  II  51 A. 


8)  Plin.  XIII  46.  Ed.  Diocl.  6, 81  ff. 

9)  Auch  die  Frucht  heißt  palma,  wie  der 
Baum,  Plin. XIII 34.  Ov.fast.I18">.  Pers.6,39. 
Im  Ed.  Diocl.  6,83  heißt  eine  Sorte  Datteln 
palmulae. 

10)  Varr.  r.  r.  II  1, 27.  Plin.  XIII  43  u.  49. 
Vgl.  Hehn  262  ff.   Blümner  z.  Ed.  Diocl.  6,81. 

")  Stet.  Silv.  I  6, 20.  Mari  VIII 33, 11 ;  XI 
31,10;  XIII  27. 

12)  Plin.  XV  84;  vgl.  VII  73.  Diosc.  1 170. 
Pall.  IV  10.19.    Auch  Varro  nennt  sie  nicht. 

13)  Vgl.  Hehn  65  ff.,  besonders  S.  71  f.  Plin. 
XVIII 84 bemerkt:  apiid  Romanos  multo  serior 
Vitium  cultura  esse  coepit ,  primoque,  ut  necesse 
erat,  arra  tantum  coluere. 

14)  Der  Name  kommt  vom  Ausbreiten  (pan- 
dere)  der  Trauben  zum  Trocknen,  nicht  wie 
Plin.  XIV  16  erklärt:  a  patioitia  nomen  acmis 
datur  passis.  Ueber  das  Verfahren  s.  Cato  r.  r. 
7, 2;  uvae  ollares  s.  oben  S.  155  A.  3;  mehr  bei 
Blümner  z.  Ed.  Diocl.  6,92. 

15)  Näheres  bei  Hehn  426  ff. 

"')  Plin. XII 16;  vgl.  XVI 135;  er  beschreibt 
die  Pflanze  nach  Theophr.  H.  pl.  IV  4, 2. 

17)  Geopon.  X  7. 

,8)  Pall.  IV  10, 1 1  ff.  Anthol.  Lat.  ed  Riese 
1 126  n.169  ff.  Sonst  ist  citrus  bekanntlich  der 


172 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


Graeca    oder    Syriaca,    kam    noch    im    2.   Jahrhundert    n.   Chr.    aus    dem 

Orient1)- 

Von   Beerenobst   erfahren   wir,   den  Weinstock   ausgenommen,  wenig. 

Am  häufigsten  wird  die  Maulbeere,  morum,  erwähnt2);  der  medisch-pon- 
tische  Baum,  der  den  Griechen  ziemlich  früh  bekannt  war,  kam  vermutlich 
aus  Unteritalien  nach  Latium.  Von  eigentlichen,  auf  Sträuchern  wachsenden 
Beeren  kannte  man  vornehmlich  die  Erdbeere,  fragum*),  die  Himbeere, 
rubus4*),  und  die  Brombeere,  die  ebenfalls  rubus  oder  gleich  der  Maulbeere 
morum  oder  morum  agreste  heißt5). 

Unter  nuces  begriff  man  ebenso  die  verschiedenen  Arten  Nüsse,  wie 
die  Mandeln  und  Kastanien,  bei  denen  in  früheren  Zeiten,  als  die  Produkte 
der  noch  nicht  in  Italien  heimischen  Bäume  nur  durch  den  Handel  dorthin 
gelangten,  auch  die  Spezialbezeichnungen  schwankend  waren,  sodafi  erst 
in  der  Kaiserzeit  eine  genaue  Unterscheidung  nachweisbar  ist6).  Von  Nüssen 
kommt  vornehmlich  die  Walnuß,  iuglans,  in  Betracht,  die  Cato  noch  nicht 
kennt7),  die  aber  seit  dem  1.  Jahrhundert  v.Chr.  allgemein  bekannt  ist 
und  oft  erwähnt  wird8).  Nuces  Avellanae  oder  Praenestinae  sind  die  aus 
Kampanien  stammenden  edleren  Hasel-  oder  Lambertsnüsse9),  die  ur- 
sprünglich vom  Pontus  gekommen,  aber  schon  früh  in  Latium  heimisch 
geworden  waren10).  Die  aus  Mittelasien  stammende  Pistazie,  pistacium11), 
deren  beste  Qualität  aus  Syrien  bezogen  wurde12),  wurde  erst  unter  Vitellius 
nach  Italien  und  Spanien  verpflanzt13).  Die  Mandel,  nux  Graeca  oder  Tkasia  u), 
später  mit  dem  griechischen  Ausdruck  amygdala10),  war  zu  Catos  Zeit  schon 
akklimatisiert10).    Ebenso  die  Kastanie,  nux  calva11),  nux  mollusca18),  später 


Thujabaum,  s.  oben  S.  124.  Das  minutal  dulce 
ex  citrus  bei  Apic.  175  ist  jedenfalls  nicht  aus 
Zitronen  bereitet:  nach  Schneider  Jnd.  ad  Scr. 
r.  r.  140  und  Schuch  zu  Apic.  1. 1.  aus  citrini  cu- 

')  Colum.V  10, 20  und  Plin.  XVII 136  sind 
fremde  Wirtschaftsregeln;  vgl.  Colum.VlI  9,  6. 
Plin.  XV 95;  XXIII  151.  Galen.VI  615 K.  Erst 
Pall.  Iil  25,27  scheint  den  Baum  aus  eigner 
Erfahrung  zu  kennen.    Näheres  Hehn  440  ff. 

2)  Plin.  XV  97;  XVII  124  u.  136.  Colum. 
V10, 20.  Sie  wurden  roh  und  getrocknet  ge- 
nossen, Hör.  sat.  II 4, 21.  Ed.  Diocl.  6, 77.  Im 
allgemeinen  s.  Hehn  373 ff. 

3)  Verg.  ecl.  3.  92.  Ov.  met.  I  104;  XIII 
815 f.  Plin. XV 98 f.;  XXI  86. 

4)  Prop.IV12  (III 13),  28.  Plin. XVI 180; 
XXIV 123;  sie  scheint  aber  meist  mit  der 
Brombeere  identifiziert  worden  zu  sein. 

5)  Verg.  Geo.  III  315.  Ov.  met.  1 104.  Plin. 
XV  97;  XVI  179  f.  Pall.  X  16. 

6)  Hehn  379  ff. 

7)  Cato  8, 2  nennt  folgende  Nußarten: 
nuces  calvae,  Avellanae,  Praenestinae,  Graecae ; 
die  Avellanae  und  Praenestinae  sind  edle  Hasel- 
nüsse, die  nuces  Graecae  (nach  Macr.  III 18, 8) 
Mandeln,  die  nuces  calvae  nach  der  Vermutung 
von  Hehn  382  Kastanien. 

8)  Varr.  1 16, 6.  Colum.V  10,4.  Pall.  II 15, 
14.  Plin.  XV 86 ff.;  nuces  ohne  nähere  Bezeich- 


nung pflegen  auch  Walnüsse  zu  sein,  so  Ed. 
Diocl.  6,  50  f.  die  nuces  virides  und  siccae. 

9)  Macr. a. a. 0. 5.  Cato  a.a.O.  Plin. XV 
88 ff.;  XVI  121.  Colum.V  10. 14. 

10)  Macr.  ebd.  6:  hanc  autem  nucem  Graeci 
Ponticam  vocant.  Plin.  XV  88;  ebd.  87  werden 
als  erste  Bezeichnungen  der  Haselnuß  bei  den 
Griechen  Persica  und  basilica  angegeben,  vgl. 
Diosc.I178f.  Hehn  380. 

n)  Auch  in  der  Form  psittacium,  Geop. 
X12.  Ed.  Diocl.  6, 55;  vgl.  Ath.  XV649C. 

»*)  Plin.XIIIöl;  vgl.  Hehn  405 ff. 

13)  Plin.  XV  91. 

14)  Macr.  a.  a.  O.  8:  nux  Graeca  haec  est, 
quae  et  amygdale  dicitur,  sed  et  Thasia  eadem 
nux  vocatur.  Columella  nennt  IX  4,  3  den 
Baum  amygdale,  die  Frucht  V 10, 12  u.  14  nux 

(jrVd€C(t 

15)  Vgl.WAGLER  bei  P.-W.  I  1990ff.  Der 
Name  amygdala  kommt  zuerst  Ov.  a.  a.  III 
183  vor. 

lfi)  Siehe  oben  A.  7.  Plin.  XV 90:  haecarbor 
an  fuerit  in  ltalia  Catonis  aetate  dubitatur, 
quoniam  Graecas  nominat,  doch  ist  dies  Beden- 
ken ungerechtfertigt,  s.  Hehn  382.  Amygdala 
amara  und  dulc'ta  unterscheidet  zuerst  Scrib. 
Larg.  comp.  5  u.  147.  dann  Plin.  XVII  252. 

17)  Cato  8,2,  s. Hehn  a.a.O. 

18)  Macr.  a.  a.  O.  9:  Plautus  in  Calceolo: 
molluscam  nucem  super  eins  di.rit  impendere 


Fünfter  Abschnitt.    Die  Nahrung. 


173 


fjastanea1)',  sie  wurden  teils  geröstet,  teils  in  gemahlenem  Zustande  ge- 
kocht2). Endlich  mögen  auch  die  heut  noch  in  Italien  als  Speise  beliebten 
Pinienkerne,  nuclei  pinei,  genannt  sein3). 

Wir  gehen  zu  den  Fleischspeisen  über,  die,  wie  wir  oben  (S.  160) 
sahen,  allmählich  immer  mehr  neben  der  vegetabilischen  Kost  der  älteren 
Zeit  Eingang,  Vermehrung  der  Fleischarten  und  Verfeinerung  in  der  Zu- 
bereitung fanden,  bis  letztere  im  Tafelluxus  der  Kaiserzeit  zu  törichtem 
und  protzenhaftem  Raffinement  führte4).  Wenn  man  den  spätem  Angaben 
aus  der  letzten  Zeit  der  Republik  glauben  soll,  so  wäre  Rindfleisch,  coro 
pubula  (oder  bubula  schlechtweg)  in  alter  Zeit  nicht  gegessen  worden,  weil 
das  Rind  der  Gehilfe  des  Menschen  beim  Ackerbau  war5);  in  der  historischen 
Zeit  aber  finden  wir  es  als  Volksnahrung  ganz  allgemein"),  nur  galt  es,  wie 
alles  schwarze  Fleisch,  als  weniger  leicht  verdaulich 7).  Minder  häufig  scheint 
Kalbfleisch,  vitulina,  auf  den  Tisch  gekommen  zu  sein8);  dagegen  war  Lamm- 
fleisch, agnina9),  gewöhnlich  und  billig10),  ebenso  Hammelfleisch,  rervecinall)y 
und  Ziegenfleisch,  caprina12),  haedina13).  Aber  weitaus  am  beliebtesten  war  bei 
den  Römern,  und  zwar  bei  vornehm  und  gering,  das  Schweinefleisch,  porcmau ). 
seltner  suilla  genannt15).    Die  Schweinezucht  blühte  auf  den  Landgütern16); 


tegulas;  er  erklärt  sie  als  nux  Persica  und 
zitiert  dafür  Suevius  im  Moretum,  wo  die 
nux  mottusca  als  aus  Petsien  stammend  be- 
zeichnet ist.  Nach  Enolek  bei  Hehn  386  wäre 
die  Einwanderung  der  Kastanien  in  Südeuropa 
jedenfalls  in  vorhistorischer  Zeit  ohne  Zutun 
der  Menschen  erfolgt. 

J)  Der  Name  findet  sich  zuerst  beiVerg. 
ecl.  1.81 ;  2, 52;  7,53.  Vgl.Plin.XV92ff.  Colum. 
IV  33  ;V  10, 14.  Ed.  Diocl.  6.49. 

2)  Plin.  a.a.O.  Diosc.1145. 

s)  Plin.XIV103;XXI189u.s.  Ed.Diocl. 
6,54;  öfteis  bei  Apicius,  auch  bloß  nuclei 
genannt,  s.  Blümner  z.  Ed.  Diocl.  a.  a.  0. 

4)  Vgl.  hierüber  Friedländer  Sittengesch. 
111  24ff. 

5)  Cic.  nat.  deor.  II  63, 159.  Varr. r  r.  115,4. 
Colum. VI  praef.  7.  Verg.  Geo.  II 537  mit  Servius 
z.  d.  St.  Plin. VIII  180;  darnach  wäre  sogar  das 
Schlachten  des  Kindes  als  todeswürdiges  Ver- 
brechen bestraft  worden.  Doch  hält  Maü  zu 
Marquardt  429  A.  3  dies  für  sentimentale  Auf- 
lassung späterer  Zeiten,  da  sich  in  den  Pfahl- 
dörfern der  Terremare  unter  den  Küchenab- 
fällen zahlreiche  Knochen  von  Rindern  finden, 
8.  Hklbig  Italiker  in  der  Poebene  14. 

6)  Plaut.  Aul.  374:  Cure.  367.  Daß  es  in 
der  Kaiserzeit  neben  dem  Schweinefleisch  die 
verbreitetste  Fleischkost  war,  zeigt  Lampr. 
A 1 .  Sev.  22, 7.  Vopisc.  Prob.  4, 6  und  Ed.  Diocl.  4, 
2,  wo  es  an  zweiter  Stelle  rangiert.  Rinds- 
leber Plin.  XXVIII  214;  Herz  Mart.  XIV219; 
Milz  Cels.IV16(9);  Rindsbrühe,  ins  bubulae, 
für  Patienten,  Scrib.comp.188f.  Vgl.  Apic.  356. 
Die  Glossen  haben  neben  bubula  auch  die 
Form  bovina  coro,  s.  Corp.  Gloss.  III  554,  27: 
M8.55;  vgl. VI  154. 

7)  Cels.  II  28;  kalt  genossen  sollte  es 
besser  verdaut  werden,  ebd.  IV 12.   Als  Heil- 


mittel bei  Bißwunden  u.s.,  Plin.  XXVIII 156 
u.  196.  Ein  gemeines  Essen  waren  Rindskal- 
daunen, omasum,  Hör.  sat.  II  5, 40;  ep.  1 15,34. 
Plin.  VIII  180.  Brühe  davon  als  Heilmittel,  ebd. 
XXVIII  161  u.  189. 

8)  Plaut.  Aul.  375.  Cic.  ad  fam.  IX  20, 1 :  <M- 
sumvitulinum.V gl.  Apic. 355 ff.  Corp.  Gloss. VII 
425.  Plin.  XXVIII 256  u.  ö.  erwähnt  caro  vitulina 
nur  zu  Heilzwecken.  Im  Ed.  Diocl.  ist  es  nicht 
tsriiiGrt 

9)  Plaut.  Aul.  374;  Capt.  819;  849.  Cels. 
II  18  Iudic.  coci  et  pist.  (Anth.  Lat.  ed.  Riese  I 
140  n.  199)  v.88.  Corp.  Gloss.  VI  44;  Zuberei- 
tungsarten  Apic.  359  ff. 

,0)  Hör.  epod.  2,  59;  ep.  I  15,  35.  Im  Ed. 
Diocl.  4,  47  ist  agnus  und  haeilus  nach  dem 
Pfundgewicht  tarifiert;  es  geht  daraus  her- 
vor, daß  Lämmer  und  junge  Ziegen  damals 
nicht,  wie  Rinds-,  Schweine-,  Ziegen-  und 
Hammelfleisch  einzeln  im  Pfund  verkauft 
wurden,  sondern  nur  die  ganzen  Tiere. 

")  Plaut.  Capt.  820.  Cod.  Theod.VII  4,  6. 
Ed.  Diocl.  4. 3.  Corp.  Gloss.  II  l  316,53;  vgl. VII 
407 .  ( 'cro  atrina  Corp.Gloss.  III 88, 28.  Schöpsen- 
maul  als  gemeine  Speise  luv.  3, 294;  eaptU 
rrrrrrinutn  Mart.  XIV  211. 

»)  Vopisc.  Prob.  4, 6.  Ed.  Diocl.  4.  3.  Corp. 
Gloss.VI  178  f. 

1S)  Hör.  epod.  2.  60;  sat.  II  2.121.  luv.  11, 
66.  Mart.  X  48, 10;  87,17;  XIII  39.  Cels.  II  18. 
Ed.  Diocl. 4, 48.  Corp.  Gloss.VI  510;  vgl.  Apic. 
a.  a.  O. 

14)  Plaut.  Capt. 849.  Lampr.  Alex.  Sev.  22, 7. 
Vopisc.  Aurel.  35. 2.  Ed.  Diocl.  4, 1. 

15)  Plaut.  Men.  210.  Varr. r.r.  II  4,8.  Plin. 
XXX  38.  Cels.  III  9. 

16)  Varr.  r.  r.  II  4, 3.  Cic.  de  sen.  16. 56:  ab- 
undat  porco,  haedo,  agno,  gatlinß.  Vgl.  Colum. 
VII  9.  Pall.  III  26. 


174 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


und  wie  das  Schwein  ein  sehr  gewöhnliches  Opfertier  war,  namentlich  für 
die  Laren1),  so  diente  es  auch  als  geschätzter  Festbraten2);  kein  anderes 
Fleisch  bot  so  mannigfaltigen  Geschmack  in  seinen  einzelnen  Teilen3).  Von 
diesen  galten  als  besondere  Leckerbissen  die  Gebärmutter,  vulva4),  das  Euter, 
sumen5),  die  Leber,  die  ficatum  hieß,  weil  sie  am  besten  von  Schweinen  kam, 
die  mit  trocknen  Feigen  gemästet  waren G),  sowie  die  nicht  sicher  zu  deu- 
tenden ylandia1).  Weniger  fein,  aber  auch  beliebt,  waren  die  Bauchlappen, 
abdomen*),  der  Kopf,  sinciput9),  die  Füße,  ungulae10).  Das  eingepökelte 
Schweinefleisch  hieß  lardum11)  oder  caro  larida1*),  das  Rippenstück  o/fw/«13), 
der  Schinken  perna14)  oder  petaso10)-,  die  besten  bezog  man  aus  Gallien  und 
von  den  Marsern16);  auch  von  der  Speckschwarte,  callum,  ist  die  Rede17). 

')  Vgl.  Marqüakdt  Rom.  Staats verw.  III 
200.  Wissowa  Relig.  u.  Kult.  d.  Römer  160  f. 

2)  Varr.  a.  a.  0. 10:  suillum pecus  donatum 
ab  natura  dicunt  ad  epulandum.  Ov.  fast.VI 
179.  luv.  11. 83.  Marl.  XIV  70,  doch  galt  Wild- 
schwein für  feiner,  ebd.  11137,2. 

3)  Daß  man  an  fünfzig  verschiedene  Zu- 
bereitungsarten  hatte  (Marquardt  429),  sagt 
Plin.VIII  209  nicht,  er  spricht  nur  von  den 
quinquaginta  sapores  des  Schweinefleisches, 
cum  ceteris  singuli. 

4)  Plin.  a  a.  O.  erwähnt,  es  seien  früher 
durch  zensorische  Verordnung  interdicta  cenis 
gewesen  abdomina,  glandia,  testiculi,  vulvae, 
sincipita  perrina.  Die  Erwähnungen  der  vulva 
sind  zahlreich,  vgl.Naev.  bei  Macrob.  III  18.6. 
Hör. ep. II 5, 41.  Mart. VII 20, ll.Plin.ep.il 5, 3; 
die  vor  dem  Werfen  aus  der  trächtigen  Sau 
geschnittene  hieß  eiecticia,  die  nachher  ge- 
schnittene^)orcrtr/«,Plin.XI210;manchezogen 
die  vulva  einer  jungen  Sau  vor,  Mart.  XIII  56. 
Während  man  das  gewöhnliche  Schweinefleisch 
pfundweise  aufschnitt,  wurde  die  vulva  (wie 
Euter  und  Leber)  besonders  verkauft,  Ed. 
Diocl.4,4ff.  Daß  sie  übrigens  nicht  bloß  ein 
Leckerbissen  feinerer  Tafeln  war,  zeigt  luv. 
11,81.  Daß  auch  die  testiculi  gegessen  wurden, 
zeigt  die  zitierte  Stelle  des  Plin. 

5)  Plaut.  Cure.  323  zählt  als  Hauptlecker- 
bissen auf  pernam,  callum,  abdomen,  sumen, 
qlandium :  ähnlich  Pseud.  166 ;  Capt.  903  f.  Vgl. 
Pers  1.53.  Plin.  a.  a.  O.  u.XI  211.  Mart.  II  37, 
2;  VII  78,3;  XIII  44u.ö.  luv.  11, 138.  Ueber 
die  Grausamkeiten,  die  zum  Erzielen  wohl- 
schmeckender Euter  begangen  wurden,  s.Plut. 
de  esu  carn.  II 1  p.997A. 

6)  Das  war  eine  Erfindung  des  Schwelgers 
Apicius,  Plin.VIII  209.  Wie  allgemein  das 
Gericht  war,  zeigt,  daß  es  im  Ed.  Diocl.  4, 6 
figuriert.  Im  Iud.coci  et  pist.  84  f.  ist  sycotum 
[oi'X(ot6v,  vgl.  Corp.  Gloss.VI  449)  von  ficatum 
unterschieden.  Rezepte  Apic.  263  f. 

7)  Plaut, Cure. 323;  Pseud.  166;  Stich.360; 
Capt.915;  Men.210.  Plin.VIII  209.  Die  apri 
Glandulae  bei  Mart.  III  82,20;  VII  20, 4  schei- 
nen dasselbe  zu  sein ;  Friedländer  zu  Mart. 
vermutet  darunter  Nierenstücke,  Becker-Göll 
eher  Halsdrüsen,  unter  Hinweis  auf  Colum. 
VII  9, 1.  Pall.  III  26, 1,  wo  von  glandulae  cer- 


vicis  beim  Schwein  die  Rede  ist. 

8)  Plaut. Cure. 383.  Plin.VIII  209;  X1211. 

9)  Plaut.  Men.  211.  Plin.VIII  209.  Petron. 
135,4.  luv.  13,85;  daß  er  nichts  Feines  war, 
geht  aus  Pers.  6,70  hervor. 

10)  Iud.coci  a.a.O.  Ed.  Diocl. 4, 12;  Zube- 
reitung Apic. 259.  Bei  Cels. II  18  weiden  un- 
gulae, rostrum,  aures,  cerebellum  zusammen- 
gestellt; bei  Apic.  a.a.O.  callum,  libelli  (nach 
Schuch  s.  v.  a.  lumbuli  oder  lubelli),  coticulae, 
ungellae;  im  Ed.  Diocl.  a.  a.  O.  wird  auch  der 
aqualiculus  (oder  ventricula,  Apic.  289)  mit 
tarifiert,  vgl  den  venter  Faliscus,  Mart.  I V46, 8. 
Varr.LLVlll. 

n)  Oder  laridum,  Plaut.  Capt.  210;  Men.x 
903 ;  vgl.  Stat.  silv.  IV  9, 34.  Mart.  V  78, 10 :  faba 
cum  rubente  lardo.  Ed.  Diocl.  4, 7.  Isid.  or.  XX 
2,24:  über  die  Herstellung,  das  Salzen  und 
Räuchern  Colum.  XII  55.  Pall.  XIII  6.  Dies/ 
Fleisch  war  ein  beliebter  Festschmaus,  luv. 
11,84.  Ov.  fast.VI  169.  Macrob.  1 12.33. 

12)  Cod.Theod.VlI4,17. 

1S)  Varr.  1. 1. VI  10:  ex  abdomine  eius  (sc. 
sueris)  offula,  dicia  ab  offa  minima  e  suere\ 
r.  r.  114, 11.  Colum.  XII  55,  4;  bei  Cato  162 
ofellae;  ebenso  Mart.  X  48, 15;  XII  48, 17;  XIV 
222  (von  Friedländer  aber  für  eine  Art  Wurst 
erklärt).  luv.  11,144. 

,4)  Plaut.  Capt.  903 ;  Cure.  323 ;  Pseud.  166 ; 
Men.210;  Stich.360.  Cato  a.a.O.  Hör.  sat.  II 
4,60.  Stat.  silv.  IV  9,34.  Mart.  X  48, 17  u.  s. 

15)  Es  ist  nicht  sicher,  wie  perna  und 
petaso  sich  unterscheiden.  Daß  sie  nicht  iden- 
tisch sind,  zeigt  Varr.  II  4, 10,  wo  pernae  und 
petasones  nebeneinander  genannt  sind,  ferner 
Mart.  XIII  54  f.  Schneider  zu  Cato  erklärt  die 
petasones  als  die  obern  Vorderfüße  (darnach 
Marquardt  430) ;  allein  der  Unterschied  war 
eher  der,  daß  die  perna  stark  eingesalzen 
und  geräuchert  war,  s.  Cato  a.  a.  O.  Hör.  sat. 
112,117:  fumosae  cum  pede  pernae,  der  pe- 
taso aber  nur  wenig  gesalzen,  daher  frisch  am 
besten,  s.  Mart.  III  77,6:  dubio  de  petasone; 
XIII  55:  mihi  cum  vetulo  sit  petasone  nihil', 
luv.  11,119:  siecus  petasunculus. 

16)  Varr.  II 4, 10.  Pers.  3,75.  Mart.  XIII 54; 
vgl.  Strab.  III  162;  IV 192;  V218. 

17)  Plaut. Capt. 904;  Cure.  323;  Pseud.  166; 
vgl.  Plin.  VIII  210:  callum  aprunum. 


Fünfter  Abschnitt.    Die  Nahrung. 


175 


Auch  das  Spanferkel,  porcellus,  hatte  seine  Liebhaber J),  und  sehr  allgemein 
waren  Wurstwaren,  farcitnina*),  von  denen  es  sehr  viele  Arten  gab,  die 
sich  durch  Form  oder  Zubereitungsart  unterschieden  und  nicht  nur  aus 
Schweinefleisch,  sondern  auch  aus  anderem  Fleisch  nebst  allerlei  würzigen 
Zutaten  bereitet  wurden:  so  die  hU/aeä),  circelli*),  besonders  aber  botuli  oder 
botellib),  die.tomacula*)  und  die  so  beliebten  Lucanicae1).  Etwas  Ahnliches, 
doch  mehr  Sülze  als  Wurst,  waren  die  isicia 8),  zu  denen  man  später  auch 
Seetiere  verwendete9). 

Für  Wild  hatten  die  Römer  von  jeher  eine  besondere  Vorliebe,  und 
da  die  Jagd  den  Bedürfnissen  nicht  genügte,  so  hatte  man  schon  früh 
angefangen,  nach  orientalischem  Muster  Tierparke  anzulegen,  in  denen 
allerlei  Wild  gehegt  wurde.  Angeblich  wären  bereits  die  in  einer  Rede 
des  jüngeren  Scipio  Africanus  erwähnten  roboraria  solche  gewesen10);  nach 
sichereren  Berichten  war  ein  gewisser  Q.  Fulvius  Lupinus  im  1.  Jahrhundert 
v.Chr.  der  Erfinder  solcher  Tiergärten  im  großen  Stil11),  die  anfangs  lvp<>- 
raria  hießen,  wie  die  schon  hundert  Jahre  früher  üblichen  Einzäunungen 
für  Hasen12),  später  vivaria13),  und  in  denen  auch  Hirsche,  Rehe,  Eber  u.  a. 
gehalten  wurden14);  doch  wurden  die  Fischbehälter,  in  denen  Seetiere,  Mu- 
ränen u.  a.  gefüttert  wurden,  ebenso  benannt15).  Ein  Lieblingsbraten  war  der 


»)  Plaut.  Men.  314.  Varr.  r.r.  II 4. 14.  Plin. 
XXX 47.  Mart.  XIII 41;  vgl.  III 47, 12.  Gell.  IV 
11,6.  Ed.Diocl.4, 46,  wie  agni  und  haedi  nach 
dem  Gewicht,  aber  im  Stück  tarifiert.  Rezepte 
Apic.372ff. 

*)  Das  ist  der  allgemeine  Name  dafür, 
Varr.  1.  l.V  111:  ab  eadem  fartura  farcitnina 
in  extis  appellata.  Isid.or.  XX  2,  28:  farcimen 
caro  concisa  et  minuta,  quod  eo  intestinum 
farciatur,  hoc  est  impleatur,  cum  aliarum 
rcnui)  commixtione.  Apic.  57.  Corp.  Gloss.  III 
184,17. 

3)  Hör.  sat.  II  4, 60;  vom  Schol.  Cruqu.  er- 
klärt als  furtum  salticium.  Zur  Deutung  dient 
Varr.  a.  a  0.:  in  quo  quod  tenuissimum  in- 
testinum furtum,  hilct  ab  hilo  dicta.  Fest.  101, 
•">:  hira  quae  diminutive  dicitur  hilla,  intesti- 
num est.  Plin.  XI  200. 

4)  Von  der  runden  Form,  Apic.  60.  Das- 
selbe sind  vielleicht  die  spirulae,  Arnob.  adv. 
gent.  II  42. 

5)  Nach  Gell.  XVI  7, 11  hätte  Laberius  in 
seinen  Mimen  zuerst  botulus  für  farcimen 
gebraucht.  Petron.49,10.  Mart.V78,9:  XI 31, 
13.  Arnob.  a.  a.  O.  Apic.  55.  Sid.  Ap.  ep.VHI  11, 
8  v.46.  Fest.  35, 13;  nach  Tertull.  apol.  9  waren 
die  botuli  cruore  distenti  (Blutwürste)  den 
Christen  verboten.  Die  Wurstmacher,  botu- 
larii  (denen  im  Testamentum  Porcelli,  abgedr. 
in  Büchelers  Petron4  243,  die  intestina  ver- 
macht werden),  riefen  ihre  Würste  auf  der 
Straße  mit  bestimmt  erMelodie  aus,Sen.  ep.  56,2. 

6)  Daß  das  eine  andere  Art  ist,  zeigt 
Petron.  a.  a.O.,  wo  botuli  und  tomacula  neben- 
einander genannt  sind:  Rostwürstchen,  toma- 
oula  super  craticülam  argenteam  ferventia 
posita,  ebd.  21,11.  Vgl.  Mart.  I  41,  8,  wonach 


sie  heiß  (fumantia  tomacla)  vom  Garkoch  auf 
der  Straße  verkauft  wurden;  scherzhaft  luv. 
10,355.  (Dasselbe  sind  wohl  die  tomacina  bei 
Varr.  r.  r.  II 4, 10,  wo  aber  Keil  mit  einigen 
Hss.  comatinae  schreibt.) 

7)  Varr.  1.  l.V  111.  Cic.  ad  fam.  IX  16,8. 
Mart.IV46,8;XIII35.  Apic.  56.  Corp.  Gloss. 
VI  656.  Das  Ed.  Diocl.  4,  15  f.  unterscheidet 
Lucanicae  (d.  h.  Schweins  wurste)  von  Lucu- 
ni cue  bubulae.  Auch  die  von  Varr. a.a.O.  an- 
geführten Sorten  fundolum,  apexabo,  longavo 
scheinen  Wurstarten  zu  sein. 

8)  Varr.  1.  l.V  110.  Macrob.VII8,  lf.  (der 
sie  als  schwer  verdaulich  bezeichnet).  Arnob. 
adv.  gent.  1142;  das  Ed.  Diocl.  4, 13  f.  unter- 
scheidet isicia  porcina  und  bubula.  Im  Testam. 
Porcelli  (s.  oben  A.  5)  bekommen  die  isiciarü 
die  femora  des  Schweins. 

9)  Nach  Lampr.  Heliog.  1 9, 6  eine  Erfindung 
dieses  Kaisers,  zahlreiche  Rezepte  Apic.  37  ff. 

l0)  Nach  Gell.  II  20, 4f.,  der  das  aber  vor- 
sichtig als  Meinung  einiger  docH  riri  be- 
zeichnet, appellata  a  tabulis  roboreis,  quibus 
saepta  essent;  vgl.  Colum.  IX  1,3. 

")  Varr. r.r. III  12,1.  Plin.VlH211. 

12)  Varr.  III  3,2:  leporaria  te  accipere  volo 
non  ea  quae  tritari  notttri  dicebant,  ubi  soli 
lepores  sint,  sed  nmniu  saepta,  adfirta  ri/luc 
quae  sunt  et  habent  imlnsa  unimalia,  quae 
pascantur.    Colum  VIII  1,4   heißen  sie  kayo- 

XQOfffÜl. 

u)  Bei  Varro  noch  nicht:  zuerst  Plin. a. a.O  , 
vgl.ebd.224.  Colum.  a.a.  O.  und  IX  1,3.  Digg. 
XLI2,3,14. 

14)  Varr. III  12,1;  13,2.  Colum. a.a.O. 

15)  Plin.  IX  168;  171;  173.  Sen.  de  dem. 
I18,2;nat.qu.Ill  18,4;  ep.  90,  7. 


176 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


Eber1),  dessen  geschätzteste  Sorte  aus  den  Wäldern  Lukaniens2),  Umbriens3)r 
Etruriens4),  von  der  laurentinischen  Küste5)  kam,  wobei  die  Unterschiede  in 
der  Qualität  auf  der  Verschiedenheit  der  Nahrung  beruhten.  Es  war  in  der 
letzten  Zeit  der  Republik  aufgekommen,  bei  größeren  Mahlzeiten  den  Eber 
ganz  auf  den  Tisch  zu  bringen6),  ein  Brauch,  der  sich  auch  in  der  Kaiser- 
zeit erhielt7),  obschon  daneben  einzelne  Teile,  wie  beim  zahmen  Schwein, 
besondere  Gerichte  und  Leckerbissen  abgaben 8)  und  das  Fleisch  auch  einzeln 
im  Pfunde  zu  kaufen  war9).  Kaum  weniger  beliebt  war  der  Hase10),  zumal 
sein  Fleisch  nach  einem  verbreiteten  Aberglauben  Verschönerung  bewirken 
sollte11);  man  schätzte  an  ihm  besonders  die  Schulterblätter,  armi12).  Dem 
Hirschfleisch,  cervina13),  das  für  schwer  verdaulich  galt14),  zog  man  das  Reh, 
capra16),  vor,  das  daher  auch  in  den  Tierparks  gehalten  wurde  16).  Seltneres 
Wildbret  waren  die  Gemse,  damma11),  Antilope  und  Gazelle,  dorcas18),  der 
wilde  Esel,  onager19).  Eine  eigentümliche  Delikatesse  bildeten  die  Hasel- 
mäuse, glires,  die  in  besondern  Gehegen,  gliraria,  gehalten  wurden20),  ein 
Luxus,  gegen  den  sogar  zensorische  Verordnungen  einschritten21). 

Auch  vom  Geflügel  dienten  allerlei  zahme  und  wilde  Arten  zur 
Nahrung  und  wurden,  teils  für  den  eigenen  Bedarf  des  Besitzers,  teils 
zum  Verkauf,  auf  den  Landgütern  in  den  oben  (S.  72)  erwähnten  Vogel- 
häusern oder  in  eigenen  Geflügelhöfen22)  gehalten,  gezüchtet  und  gemästet. 


')  Sehr  häufige  Erwähnungen  dieses  Ge- 
richtes, z.  B.  Hör.  sat.  II  2, 42  u.  89.  Mart.  III 
50,8;  77, 2;  VIII  22,1;  XIII98u.s.  Petron.40, 
3.  luv.  11, 138. 

a)  Hör.  sat.  II  3, 284;  ebd.  8.  6. 

3)  Hör.  sat.  II  4,40;  aber  nach  Stat.  silv. 
IV  6, 10  behauptete  man,  es  sei  der  Tuschs  aper 
generosior  Umbro. 

4)  Mart.  VII  24, 1 ;  XII  14,9. 

5)  Verg.Aen.X707.  Ov.fast.II231.  Mart. 
1X48,5;  X45,4;  aber  Hör.  sat.  II  4, 42  sagt: 
Laurens  malus  est,  ulvis  et  harundine  pinguis; 
die  andern  nährten  sich  dagegen  von  Eicheln. 

6)  Nach  Plin.VIII  210  trug  man  noch  zur 
Zeit  des  alten  Cato  den  Eber  zerteilt  auf; 
ganz  seit  Anfang   des   letzten  Jahrh.  v.  Chr. 

7)  Mart.  143,  freilich  mit  der  Klage,  daß 
es  für  die  große  Gesellschaft  zu  wenig  war. 
Iuv.1,140;  5,115.  Der  sparsame  Tiberius  aber 
ließ  halbe  Eber  auftragen.  Suet.Tib.  34. 

8)  Das  aintiput,  Macr.  III  13, 12;  Uinibi, 
ebd.  und  Plin.  a.  a.  O. ;  Uta,  Mart.  X  45, 4.  luv. 
5,136;  rliines,  luv. 5, 167;  glandulae  s.  oben 
S.  174  kj;callum,  Plaut.  Pers.  305;  Poen.  579, 
allerdings  sprichwörtlich  {callum  aprugnum 
cattere);    als   Nahrung   Cato   bei  Plin. a.a.O. 

9)  Ed  Diocl.4,48.  Zubereitung  Apic.330ff.; 
am  Bratspieß  Mart.  XIV  221, 2. 

10)  Besonders  Martial,  der  ihn  XIII  92  für 
das  beste  Gericht  erklärt,  erwähnt  diesen 
Braten  sehr  oft,  vgl.  III  47, 11 ;  77,2.  IV 66, 5 
u.s.,  luv.f),  167;  11, 138.  Ed. Diocl.4, 32.  Rezepte 
Apic.  895  ff. 

u)  Plin.  XXVIII  260.  Mart.V29,l.  Lampr. 
Alex.Sev.38. 

'-)  Hör. sat. II 4. 44;  8,89.  Mart. VII  20, 4. 


13)  Ed.  Diocl.4, 44.  Mart.  XIII  96.  Apic. 
341  ff. 

14)  Galen.VIp.664K. 

ib)  Auch  capreolus,  capra  fera,  mitunter 
auch  nur  capra,  s.  Keller  Tiere  d.  klass.  Alter- 
tums 102 ff.  Blümner  z.  Ed. Diocl.4, 45. 

16)  Colum.  IX  praef.  1 ;  doch  zog  man  nach 
Hör.  sat.  II  4, 43  die  erjagten  vor.  Vgl.  Mart. 
XIII  99.   Das  Fleisch  galt  für  gesund,    Cels. 

II  18. 

17)  Colum.  IX  1,1.  Mart.  XIII  94.  Iud.coci 
(s.  oben  S.  173  A.  9)  v.  68.  Das  Ed.  Diocl.  4, 45 
faßt  die  caprea,  damma  und  dorca  zusammen. 
Man  scheint  unter  damma.  auch  die  Antilope 
mit  inbegriffen  zu  haben,  s.  Keller  a.  a.  O. 
73  ff. 

18)  Auch  dorca,  Ed. Diocl. a.a.O.  Plin.VIII 
225;  als  Gericht  Mart.  XIII  98. 

19)  Mart.  XIII  100.  auch  lalisio,  ebd.  97. 
Plin.VIII  174:  pullis  eorum  (sc.  onagroruni) 
ceu  praestantibus  sapore  Africa  gloriatur, 
quos  lalisiones  appeJIant:  ebd.  170  wird  er- 
wähnt, daß  auf  die  Tafel  des  Maecenas  auch 
junge  zahme  Esel  kamen,  daß  man  aber  später 
die  wilden  bevorzugte.  Diese  Tiere  kamen 
vielfach  dadurch  auf  den  Tisch,  daß  sie  bei 
den  Venationen  im  Zirkus  verwendet  wurden, 
s.  Priedi.änder  Sittengesch.  II  496. 

20)  Varr.  r.  r.  III  15    Plin.  XVI 18. 

2 ')  Plin.VIII  223 ;  XXXVI 4 ;  daß  sie  nichts 
halfen,  zeigt  Petron.  31,  10.  Mart.  III  58,  36 ; 
XIII  59.  Apic.  408;  noch  Amm.  Marc.  XVIII  4, 
13  erscheinen  sie  als  Leckerbissen. 

22)  BeiVarro  wird  das  Vogelhaus,  ögvilhöv, 

III  2,  15,  besonders  ebd.  5,8ff.,  vom  onvn')o- 
ßooxiiov,  1119,2,  ebd.  4  u.  15,  unterschieden. 


Fünfter  Abschnitt.    Die  Nahrung. 


177 


Das  gemästete  Federvieh,  das  eigene  fartores  unter  sich  hatten *),  hieß  speziell 
alfili«2),  obschon  auch  andere  gemästete  Tiere  so  genannt  wurden3);  die 
eigentliche  Bezeichnung  dafür  ist  saginare4).  Viel  Sorgfalt  und  Pflege  ver- 
wandte man  auf  Zucht  und  Mast  der  im  chenoboscionb)  gehaltenen  Gänse6), 
bei  denen  man  die  ganz  weiße  Gattung  besonders  bevorzugte7).  Am  ge- 
schätztesten war  die  Gänseleber;  um  diese  recht  groß  und  schmackhaft  zu 
erhalten,  wurden  die  Gänse  mit  trocknen  Feigen  genährt8).  Auch  für  die 
Zucht  der  Enten,  anates,  hatte  man  ein  eigenes  ne8Wtrophion9\  doch  waren 
sie  als  Speise  nicht  gerade  sehr  geschätzt10).  Ganz  besonders  aber  wurde, 
und  nicht  bloß  auf  dem  Lande,  sondern  auch  in  den  Städten,  die  Hühner- 
zucht betrieben11),  da  diese  schon  der  Eier  wegen  gewinnbringend  war12); 
Hühnerfleisch  war  eine  beliebte  Nahrung13).  Auch  war  das  Nudeln  der 
Hühner  ebenso  gewöhnlich14),  wie  das  Verschneiden  und  Mästen  der  Ka- 
paunen, caponesvb).  Nicht  minder  verbreitet  war  die  Taubenzucht16),  bei 
der  man  freilich,  wenn  man  von  den  sorgfältig  angelegten  Taubenschlägen 
liest  (s.  oben  S.  72),  von  den  Mengen  der  darin  gehaltenen  Tiere,  den  zahl- 
reichen Rassen  und  den  kolossalen  Preisen,  die  dafür  gezahlt  wurden17), 
bedenken  muß,  daß  es  sich  dabei  um  eine  Liebhaberei,  wie  sie  heute  noch 
herrschend  ist,  handelt,  nicht  um  Zucht  der  Tiere  zur  Nahrung,  obschon 
selbstverständlich  auch  Tauben   viel  gegessen   wurden,   und  zwar  ebenso 


')  Colum.VIII7, 1;  auch  inschriftlich  CIL 
VI  8848  f.  Becker-Göll  III  369  hält  auch  die 
bei  Flaut.  Truc.  108  (wo  aber  besser  factores 
gelesen  wird),  Ter.  Eun.  257,  Hör.  sat.  II  3, 229 
erwähnten  fartores  nicht  für  Wurstmacher, 
sondern  für  Geflügelstopfer. 

2)  Hör.  ep.  17,35.  Plin.X139;  XXIV  71. 
Mart.XIII62.  Iuv.5,115  u.168.  Macr.11113,12. 

3)  So  Rinder,  Varr.  111,20;  Schnecken, 
Plin.lX174. 

4)  Varr. a.a.O.;  ebd. III 7,  9.  Colum.VIII 
7.3.  Plin.  VIII  207  u.ö.  Daher  nennt  Varr.  III 
10,  7  den  Maststall  der  Gänse  saginarium.  Die 
das  Mästen  des  Geflügels  einschränkende  Lex 
Fannia  vom  Jahre  161  v.  Chr.  (Plin.X  139)  be- 
hielt daher  jedenfalls  nicht  lange  Kraft.  Tert. 
de  poenit.  11  tadelt  die  altilium  enormis  sa- 
fina. 

5)  Varr.  III  10,  1 :  ubi  unseres  aluntur; 
es  folgen  eingehende  Vorschriften  über  die 
Wahl  des  Zuchtviehs  und  seine  Behandlung; 
anderes  bei  Col.VIH  13f.  Pall.  I  30.  Das  Ed. 
Diocl.4,  20  f.  unterscheidet  anser  pastus  und 
non  pastus. 

6)  Vgl.  Hehn  357  f.  Keller  a.  a.  O.  286 ff. 

7)  Varr. a.a.O.  Hör. sat. II 8, 88:  vgl.Mart. 
XIII  73, 1 :  ebd.  74  Ganze  Herden  von  Gänsen 
wurden  aus  Gallien  bis  nach  Rom  getrieben, 
Plin.X  53;  pastores  anserum  Paul.sent.  III  6, 
76.  Doch  findet  Petron.  93, 2  den  Geschmack 
des  Gänsefleisches  plebejisch. 

8l  Plin. VIII  209;  X  52.  Hör.  sat.  a,  a.  O. 
Pers.6.71.  luv.  5, 114.  Mart.XIII58;  ebd.  III 
82, 19  bekommen  sie  bei  einem  Protzen  die 
Hunde. 

Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft.    IV. 


9)  Varr.  III  11,1.  Colum.VIII  15. 1. 

10)  Petron.  93,  2  sagt  von  der  Ente  das- 
selbe, wie  von  der  Gans.  Mart.  XIII  52  emp- 
fiehlt, nur  Brust  und  Rücken  zu  genießen. 
Vgl.  sonst  Macr.11113,12.  Ed.  Diocl  4,27.  Die 
pontischen  Enten  werden  bei  Plin.  XXV  6; 
XXIX  106.  Gell.  XVII  26  nur  genannt,  weil 
ihr  Blut  als  Antidotum  bei  Vergiftungen  galt. 

11)  Gallinas  educere  nulla  mulier  nescit, 
sagt  Pallad.  I  27,1.  Vgl.  die  eingehenden  Vor- 
schriften über  Auswahl  der  Rassen,  Behand- 
lung usw.  bei  Varro  III  9.  Colum.VIII  2  u.3. 
Plin.X150ff.;vgl.Hor.ep  112,163.  Der  Hühner- 
stall gallinarium,  Colum.VIII  3, 1 ;  der  Wärter 
gallinarius  curator,  Varr.  III  9,  7. 

12)  Ganz  abgesehen-von  der  damit  oft  ver- 
bundenen Zucht  von  Kampfhähnen  (besonders 
rhodischen,  Mart.  III  58, 17  und  vgl.  Becker- 
Göll  I  110)  für  die  auch  bei  den  Römern  be- 
liebten Hahnenkämpfe. 

13)  Gallinae,  Hör.  sat.  II  4,18;  ebd.  2. 24. 
luv.  5. 124 ;  1 1 ,  135.  Pulli  (pulli gallinacei).  Hör. 
sat.13,92;  112,121.  Mart. X  48, 17;  XIII  45; 
femnr  pulli,  ebd.  III  57, 5.  Im  Ed.  Diocl.  sind 
nur  pulli  angesetzt,  4, 23,  keine  gallina.  Re- 
zepte Apic.  238  ff. 

14)  Gallinae  altiles,  Cato  r.  r.  89.  Macr.  III 
13,12;  sie  wurden  dabei  in  der  Regel  im 
Dunkeln  gehalten,  Varr.  III  9, 19.  Plin.  X  140. 
Mart.  XI II  62. 

15)  Capi  bei  Varr.  II  7, 15;  III  9,  3;  capones, 
Mart. III  58, 38 ;  XIII 63.  Petron.  55, 6  v.4  heißt 
er  galhis  spado. 

16)  Vgl.  Hehn  329  ff. 

17)  Vgl.  Becker-Göll  I  111. 

2,2.    3.  Aufl.  12 


178 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


die  Feldtaube  wie  die  Haustaube,  columba J),  ferner  die  Wild-  oder  Ringel- 
taube, palumbus*),  und  die  Turteltaube,  turtur*). 

Aber  auch  ursprünglich  wild  lebende  Vögel  wurden  in  den  Vogelhäusern 
und  Vivarien  gehalten  und  gemästet.  So  vor  allem  die  bei  den  Römern 
als  ganz  besonderer  Leckerbissen  (wie  die  Italiener  heut  noch  eine  Vorliebe 
für  dergleichen  haben)  geschätzten  Krammetsvögel  oder  Drosseln,  turdi4), 
die  zwar  auch  später  noch  wild  in  Schlingen  und  Netzen  gefangen5),  seit 
Lucullus  aber  auf  den  Landgütern  gemästet  wurden6).  In  den  Handel  kamen 
sie  in  Kränzen,  coronae,  zu  je  zehn  Stück 7).  Als  besondere  Delikatesse  galt 
auch  die  Feigendrossel,  ficedula8).  Ferner  wurden  in  den  Aviarien  gehalten 
Feld-  oder  Rebhühner,  perdices9),  die  aber  immer  teuer  geblieben  zu  sein 
scheinen10);  Wachteln,  coturnices,  deren  ursprüngliche  Schätzung11)  jedoch  in 
der  Kaiserzeit  ganz  abgenommen  hatte12) ;  ferner  Ortolane,  miliariae13),  Amseln, 
merulae14),  Stare,  sturnii5),  u.dgl. m.16).  Auch  Schwäne  kamen  auf  den  Tisch17) 
und,  was  uns  heut  noch  seltsamer  erscheint,  selbst  der  Storch,  ciconia18), 


')  Beide  Arten  unterscheidet  als  genus 
agreste  und  genus  domesticum  Varr.  III  7, 1 ; 
die  Haustaube,  die  von  dem  ihr  im  Schlage 
gereichten  Futter  lebt,  während  die  andere 
sich  ihr  Futter  selbst  frei  sucht,  war  weiß 
und  nach  Hehn  337  wahrscheinlich  von  Sizilien 
nach  Italien  gekommen  Die  Pflege  der  Tauben 
unterstand  dem  pastor  columbarius,  Varr.  III 
7,5  u.  7.  Im  Ed.  Diocl.4, 29  heißen  sie  colum- 
bini;  vgl.  Mart.  XIII  66.  Apic.  223  ff. 

2)  Mart.  XIII  67,  der  sie  torquuti  palumbi 
nennt;  sie  kamen  häufig  auf  den  Tisch,  s. 
Hör.  sat.  II  8,91.  Mart.  II  37,6;  38, 19.  Apic. 
213.  Ed. Diocl.4, 28. 

8)  Ueber  ihre  Pflege  u.  dgl.  Varr.  III  8. 
Colum.  VIII  9.  Pallad.  I  25 ;  vgl.  Plin.  X  107. 
Mart.  III  58, 19;  als  Speise  Plaut,  ßacch.  68; 
Most.47.  Mart.  11160,7,  wo  die  dunes  gerühmt 
werden,  wie  ebd.  82,21:  VII  20,  15;  XIII  53. 
luv. 6, 39.  Das  Ed. Diocl.4,  25 f.  unterscheidet 
singulares  und  agrestes.  Zubereitung  Apic. 
222  u.  s. 

*)  So  Hör.  ep.  1 15, 41:  nil  melius  turdo. 
Mart.  XIII  92:  inter  aves  turdus  .  .  .  matten 
prima.  Daher  als  Delikatesse  oft  erwähnt, 
Hör.  sat.  II  5, 10.  Pers.  6. 24.  Mart.  III  77, 1 ;  VI 
11,3;  75,1;  VII  20,6;  1X55,2.  Ihre  Zuberei- 
tung (am  Spieß,  mit  Muscheln  u.dgl.):  Hör. 
sat.  15, 72;  112,74.  Apic.  134;  194  u.s.  Siehe 
über  die  Drossel  im  Altertum  Olck  bei  P.-W. 
V  1721  ff. 

5)  Hör.  epod.  2, 34.  Mart.  II 40,  3 ;  III 58, 6 ; 
IV 66, 6;  XI  21,5.  Pallad.  XIII  6. 

6)  Plut.  Luculi.  40;  Pomp.  2.  Plin.  X  60. 
Wie  rentabel  diese  Pflege  auf  großen  Land- 
gütern war,  die  bis  zu  5000  Stück  im  Jahre  ver- 
kauften, zeigt  Varro  III  2, 14;  vgl.  Colum.VIII 
10.  Pallad.  126.  Mart.  IX  54,1.  Bei  Varro  1.1.  VI  2 
findet  sich  turdarium  für  den  Drosselkäfig. 
Nach  Schol.  Pers.  6,24  hätten  Feinschmecker 
unterschieden:  si  acinarius  an  cellarius  aut 
riinrius  sit. 


7)  Ov.a.a.  II  269.  Mart.  III  47, 10;  XIII51. 
Ed.  Diocl.4, 27;  das  gilt  überhaupt  von  kleinen 
Vögeln,  während  die  größeren  einzeln,  Tauben, 
Enten  u.  a.  paarweise  zum  Verkauf  kommen. 

8)  Sonst  auch  melancoryphus,  nach  Plin. 
X  86,  aber  die  gemästete  heißt  nur  ficedula 
(oder  ficella,  Lucil.b.Non.274,10),  Varr.  1.  IV 
76;  schon  in  dem  Menü  bei  Macr.  III  13, 12; 
vgl.  Petron.  33, 8.  Mart.  XIII  5, 1 :  ebd.  49.  luv. 
14,  9.  Unter  Tiberius  verfaßte  ein  gewisser 
Asellius  Sabinus  einen  Dialog,  in  quo  boleti 
et  ficedulae  et  ostreae  et  turdi  certamen  in-, 
duxerat,  Suet.  Tib.  42. 

°)  Mart.III58, 15;Plin.X  101  unterscheidet 
domiti  und  feri. 

10)  Mart.  XIII  65  bezeichnet  es  als  avis 
rarissima  auf  den  Tafeln;  vgl.  ebd.  76;  im  Ed. 
Diocl.4, 24  kostet  ein  Rebhuhn  30,  ebd.  30 
ein  Haselhuhn  nur  20  Denare. 

11)  Varr.  III 5, 2  rät,  Wachteln  und  Orto- 
lane zu  füttern,  weil  sie  fett  gut  bezahlt  wurden. 

12)  Man  verschmähte  sie,  weil  es  hieß, 
sie  fräßen  giftige  Sämereien,  Plin.X  101;  vgl. 
Lucr.  1V641.  Bei  luv.  12, 97  kommt  eine  Wach- 
tel billiger  zu  stehn  als  ein  blindes  Huhn; 
im  Ed.  Diocl.  4, 41  kosteten  zehn  Stück  nur 
20  Denare. 

13)  Varr.  a.  a.  O.  und  1.1.V76. 

u)  Varr.  r.r.  III  9, 17.  Hör.  sat.  II  8,91. 

I5)  Bei  Mart.  IX  54,  7  stur»/'  inopes  als  be- 
scheidene Gabe  der  ländlichen  chortis.  Ed. 
Diocl. 4. 42  im  gleichen  Preis  mit  den  Wachteln. 

,6)  Das  Ed.  Diocl.  4, 34  (der  lateinische  Text 
ist  hier  nicht  erhalten)  führt  äxavdvXUöe? ,  Stieg- 
litze (Distelfinken),  und  ozqov&oi,  Sperlinge,  an. 

17)  Mart.  XIII  77. 

1S)  Hör.  sat.  II  2, 49 ;  s.  ebd.  Porphyr.  Aber - 
man  wollte  später  nichts  mehr  davon  wissen, 
Plin.  X  60 :  Cornelius  Nepos  .  .  .  addidit  <■/'- 
conias  magis  placere  quam  grues,  cum  haec 
nunc  dies  inter  primas  expetatur,  illam  nemo 
velit  attigisse.   Petron.  55, 6  v.  5  ff . 


Fünfter  Abschnitt.    Die  Nahrung. 


179 


und  der  Kranich,  grus1).  Viele  Sorten  kamen  freilich  in  der  Gefangenschaft 
nicht  fort  und  mußten  nach  wie  vor  durch  Jagd  und  Vogelstellerei  beschafft 
werden,  wie  das  Haselhuhn.  gaUina  rustica*)  oder  rusticula*),  zumal  die 
mtogen  (oder  attagena)  genannte  Art,  von  der  die  besten  Exemplare  aus 
Ionien,  andere  aus  Gallien,  Spanien,  den  Alpen  kamen4),  ferner  Schnepfen, 
Kolopaces6),  Schneehühner,  lagopodes6),  u.  a.  m.7) 

Die  meisten  der  genannten  Vogelarten  waren  in  Italien  seit  alter  Zeit 
heimisch;  andere  kamen  von  fremdher,  namentlich  aus  dem  Orient  oder 
aus  Afrika,  und  wurden  teilweise  akklimatisiert.  So  kamen  von  Nordafrika 
her  die  Perlhühner8),  die  daher  aves  Afrae9)  oder  Numidicae10),  seltner  mit 
der  griechischen  Bezeichnung  Meleagrides  hießen11);  zur  Zeit  Varros  waren 
sie  noch  selten  und  teuer;  den,  wie  sein  Name  phasianus  angibt,  vom  fernen 
Kaspischen  Meer  stammenden  Fasan12)  lernten  die  Römer  jedenfalls  durch 
die  Griechen  kennen13)  und  züchteten  ihn14)  als  beliebtes  Gericht15);  auch 
der  aus  Medien  stammende  und  von  da  zu  den  Griechen  gekommene  Pfau, 
pavo16),  der  anfangs  noch  bei  den  Römern,  wie  bei  den  Griechen,  lediglich 
als  Ziervogel  gehalten  worden  war,  wurde  seit  dem  1 .  Jahrhundert  v.  Chr. 
als  ein  Leckerbissen  auf  die  Tafel  gebracht17),  und  da  man  merkwürdiger- 
weise daran  Geschmack  fand18),  so  nahm  die  Zucht  verbunden  mit  Mästen 
so  stark  überhand19),  daß  der  früher  seltne  und  teuer  bezahlte  Vogel  später 


»)  Varr.  r.  r.  III  2, 14.  Hör.  sat.  II  8, 87.  Ov. 
fast.  VI  176.  Apic.  213  f.  Sie  wurden  auch  in 
Schlingen  gefangen.  Hor.epod.2, 35.  Varro  bei 
Grell. VI  (VII)  16,5  nennt  grues  Melicae. 

2)  Varr.  III 9. 16.  Colum.VIIl  2,1;  ebd.  12: 
conviviorum  epulis  aptiores. 

3)  Plin.Xlll.  Mail.  XIII  76,  wonach  sie 
I  im  Geschmack  den  Rebhühnern  gleich,  aber 

billiger  sind. 

4)  Plin.  X  133  und  Varro  bei  Gell.  a.  a.  0. 
rühmen  die  Phrygia  attagena  \  Mart.  XIII  61 
von  der  ionischen:  inter  sapores  fertur  alitum 
primus.  Vgl.  dens.  II  37.3.  Hör.  ep.  2, 54.  Ov. 
last.  VI  175.  Ed.  Diocl.4,30.  Apic.  220. 

5)  Nemes.frg.de  auc.21  (Baehrens  Poet. 
Lat.min.IV204). 

6)  Plin.  X  133  rühmt  ihren  praecipuue 
sapor. 

7)  Mart.  XIII  68  nennt  galbali  (auch 
galbina,  ebd.  1);  ebd.  69  pannonische  cattae; 
beide  Arten  sind    nicht   zu    bestimmen,    vgl. 

FlUEDLÄNDER    Z.  d.  St. 

s)  Vgl.  Hehn  351  ff.    Becker-Göll  I  109. 

'■>)  Hör.  ep.  2, 53.  luv.  11, 142.  Colum.VIIl 
2,1  f.  Petron.  93,  2:  gallinae  Africanae  bei 
Van.  1119,1. 

,0)  Colum.  a.  a.  0.  und  VIII 12 ;  gallina  Nu- 
midica,  Petr.  55,  6  v.  4.  Plin.  X  132,  der  sie 
als  lange  akklimatisiert  bezeichnet.  Mart.  III 
•~>s.  15  nennt  sie  Numidicae  guttatae;  vgl. 
X 1 1 1  73 ;  ebd.  45  heif3en  sie  Libycae.  Stat.  silv. 
16,78. 

n)  Varr.  III  9, 18:  haec  novissimae  in  tri- 
clinium  introierunt  e  culina  . . .  veneunt  propter 
penuriam  magno.  Plin.  X  74.  Colum.VIIl  2. 2 
betrachtet  sie  als  eine  andere  Art,  den  Afri- 


canae ähnlich;  auch  bei  Suet.  Calig. 22  werden 
Numidicae  und  meleagrides  unterschieden. 

12)  Vgl. Hehn  354ff.  Becker-Göll  I  110. 
Wellmann  bei  P.-VV.  VI  2001. 

13)  Wohl  erst  zu  Beginn  der  Kaiserzeit, 
Varro  und  Horaz  nennen  ihn  nicht;  vgl.  Frieü- 
länder  Sittengesch.III  29  A.  1 ;  ebd.  51. 

14)  Mart  III  58, 16.  Pallad.  I  29 ;  vgl.  Plin. 
X  132.  Sen.  dial.  XII  10,  3;  es  gab  dafür  eigene 
Wärter,  phasianarii,  Digg.  XXXU  66.  Paul, 
sent.  III  6,  76  Das  Ed.  Diocl.  4,  17 ff.  unter- 
scheidet fasianus  pastue  und  agrestie  (d.  h. 
von  der  Weide),  fasiana  pasta  und  non  pasta. 

1J)  Mart. III  67.4;  XIII  72.  Petron.93.2; 
119  v.  36.  luv.  11,139,  wo  die  Sc ytkieae  volu- 
cres  Fasane  sind;  Vitellius  ließ  sich  nach  Suet. 
Vit.  13  Hirn  von  Fasanen  und  Pfauen  bereiten; 
vgl.  Lampr.  Heliog.  20.  6. 

16j  HEHN342ff.  Becker-Göll  I  109. 

,7)  Durch  den  Redner  Hortensius.  Varr. 
1116,6.  Plin.  X  45.  Macr.  III  13, 1. 

18)  Cic  ad  fam.  IX  20, 3.  Hör.  sat.  I  2. 115; 
112,23.  Ov.fast.VI177.  Mart.  XIII 70.  luv. 
1.143.  Rezept  Apic. 49.  Pfauenzungen  aß  Helio- 
gabal ,  Lamprid.  Hei.  20, 5. 

,9)  Das  Mästen  der  Pfauen  führte  nach 
Plin.  a.a.O.  M.  Aufidius  Lucroein,  der  sich  da- 
durch eine  Jahreseinnahme  von  60000  Se- 
sterzen  verschaffte.  Ueber  die  Pfauenzucht 
und  die  Mast  handeln  Colum.VIIl  11.  Pall.  I 
28;  sie  war  namentlich  auf  Inseln  beliebt. 
Varr.  III  6, 2.  Als  Bezugsort  wird  Samos  ge- 
nannt. Varr.  b.  Gell. VI  (VII)  16,5.  Vgl.  noch 
Mart.  III  58, 13.  Petron.  55, 6  v.  1.  Ein  curator 
oder  procurator patxmutn,  Varr.  III  6, 3.  Colum. 
VIII  11,2. 

12* 


180 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


ganz  gewöhnlich  geworden  war l).  Auch  der  Flamingo,  phoenicopterus,  wurde 
in  der  Kaiserzeit  gezüchtet2)  und  verzehrt3);  namentlich  die  Zunge  galt, 
seitdem  Apicius  ihren  Wohlgeschmack  entdeckt  hatte,  Schwelgern  als  ganz 
besondere  Delikatesse4).  Auch  den  Auerhahn,  tetrao5),  suchte  man  in  den 
Aviarien  zu  züchten,  doch  blieb  der  wilde  wohlschmeckender6). 

Das  Verspeisen  wertvoller  Singvögel,  z.  B.  von  Nachtigallen,  oder  von 
sprechenden  Vögeln,  wobei  nicht  der  Wohlgeschmack,  sondern  der  Preis 
das  Ausschlaggebende  war,  blieb  immer  eine  Extravaganz  törichter  Ver- 
schwender oder  wahnsinniger  Kaiser7). 

Was  endlich  die  Wassertiere  anlangt,  so  wird  zwar  überliefert,  daß 
die  Römer  in  älterer  Zeit  keinen  Geschmack  an  Fischen  und  andern  Wasser- 
tieren gefunden  hätten8),  allein  der  Fischgenuß  muß  doch  schon  sehr  früh 
allgemein  geworden  sein9),  und  auch  die  Vorliebe  für  teure  und  seltne 
Fische  zeigt  sich  schon  ziemlich  früh10).  Im  letzten  Jahrhundert  der  Re- 
publik wurde  es  üblich,  in  den  Villen  besondere  Fischteiche,  piscinae,  zu- 
nächst für  Süßwasserfische  anzulegen,  die  auch  vivaria  genannt  wurden 
(s.  oben  S.  175) n);  und  bald  darauf  brachte  Lucullus  es  auf,  in  den  nah 
am  Meer  belegnen  Villen  Behälter  für  Seefische  anzulegen,  denen  Meer- 
wasser durch  Leitungen  zugeführt  wurde12),  oder  durch  Molenbauten  einen 
Teil  des  Meeres  als  Behälter  abzugrenzen13). 


J)  Zur  Zeit  Varros  kostete  ein  Pfau  50  De- 
nare (35  Mark);  wie  zahlreich  die  Pfauen- 
herden später  geworden  waren,  zeigt  Athen. 
TX397A.;  XIV654D.  Im  Ed.  Diocl.  4,  39  f. 
ist  ein  Pfauhahn  zu  300,  eine  Pfauhenne  zu 
200  Denaren  angesetzt,  was  bei  dem  dama- 
ligen Geldwert  des  Denars  sehr  wenig  (nur 
das   Doppelte   vom  Preise    eines  Hasen)    ist. 

2)  Mart.  III  58, 14,  wo  der  Flamingo  (no- 
menque  debet  quae  rubentibus  pinnis)  als  Be- 
standteil der  chortis  zusammen  mit  Gänsen, 
Pfauen,  Rebhühnern,  Perlhühnern,  Fasanen 
u.a.  genannt  wird. 

3)  luv.  11,139.  Stat.  silv.  16,77.  Cels. 
II  18. 

4)  Plin.X  133.  Sen.ep.110,12.  Mart.  XIII 
71.  Suet.Vit.  13.  Auch  das  Gehirn,  Lampr. 
Heliog.  20,  6.  Vgl.  Friedländer  a.  a.  O. 

5)  Hehn356'  (und  darnach  Marquardt 
432)  hält  den  tetrao  für  identisch  mit  dem 
Fasan ;  daß  er  das  aber  nicht  ist,  zeigt  Suet. 
Cal.  22,  wo  phasiani  und  tetraones  neben- 
einander genannt  werden.  Vgl.  Schrader  zu 
Hehn  357. 

6)  Nach  Plin.  X  56  verloren  die  aus  den 
Alpen  und  den  nördlichen  Ländern  bezogenen 
Vögel  in  den  Aviarien  ihren  eigentümlichen 
Geschmack. 

7)  Man  vgl.,  was  Plin.X  141  und  Val.  Max. 
1X1.2  vom  tragischen  Schauspieler  Aesop 
berichten ;  fei  ner  Hör.  sat.  II  3, 245.  Lampr. 
Heliog.  20. 5  f. 

8)  Varro  bei  Non.216,9.  Ov.  fast.VI  173; 
es  ist  freilich  fraglich,  ob  dies  nicht  bloß 
eine  spätere  poetische  Fiktion  war,  da  nach 
Plin.  XXXII  20:  pisces  marinos  in  nsu  fuisse 


!  protinus  a  condita  Roma  auctor  est  Oassius 
Hemina,  der  eine  Verordnung  des  Numa  über 
Kauf  von  Seefischen  überlieferte. 

9)  Das  beweist  die  frühe  Existenz  eines 
eigenen  Fischmarktes ,  forum  piscatorium, 
Liv.  XXVI  27, 3,  oder  piscarium,  Varr.  1. 1.  V 
146;  es  lag  zwischen  Subura  und  Forum,  vgl. 
Richter  Topogr.  von  Rom  310. 

10)  Nach  Plut.qu.conv.IV4,2p.668B  hätte 
schon  der  alte  Cato  geklagt,  daß  ein  Fisch 
teurer  bezahlt  würde  als  ein  Rind,  und  nach 
Polyb.b.  Ath.  VI  275  A  bezahlte  man  zu  Catos 
Zeit  einen  Topf  mit  pontischen  marinierten 
Fischen  mit  300  Drachmen. 

u)  Nach  Plin.  IX  170  machte  Licinius  Mu- 
rena  zur  Zeit  des  marsischen  Krieges  damit 
den  Anfang?  ihm  folgten  bald  L. Philippus. 
Hortensius  und  andere  Vornehme;  vgl.  Macr. 
III 15, 1.  Varr.  r.  r.  III 17, 5.  Cicero  nannte  diese 
Leute  scherzhaft  piscinarii,  ad  Attic.  119,  6; 
20.3,  oder  piscinarum  Tritones,  ebd.  119, 1; 
vgl.  parad.  38.  Von  den  gewöhnlichen  piscinae 
der  Villa,  die  als  Tränken  für  das  Vieh  dienen, 
sind  sie  zu  unterscheiden. 

12)  Plin.  a.  a.  O.  Varr.  a..a.  0. 9.  Plut.  Luc. 
39.  Vell.  Pat.  II  33, 4.  Val.  Max.  IX  1, 1. 

13)  Colum.  VIII 16, 2.  Sen.  exe.  contr.V5: 
contr.  119.  Namentlich  die  Dichter  sprechen 
oft  von  diesem  Luxus,  so  Tib.  113,48.  Hör. 
carm.  III  1. 33.  Mart.  X  30,  21  u.  s„  vgl.  Mar- 
quardt 433  A.  4  (doch  gehen  viele  der  dort 
zitierten  Stellen  auf  den  Luxus  der  ins  Meer 
hinaus  gebauten  Villenanlagen  überhaupt,  eben- 
so bei  Becker-GöllIII58;  s.  oben  S.  78).  Ueber 
die  Anlage  solcher  Fischteiche  vgl.  Colum.  VIII 
17.  Geop.XXl. 


Fünfter  Abschnitt.    Die  Nahrung. 


181 


Wir  führen  aus  der  großen  Zahl  der  Fische,  die  uns  in  den  Quellen 
als  Gegenstände  der  Tafel  genannt  werden1),  eine  Anzahl  der  beliebtesten 
an,  und  zwar  in  alphabetischer  Reihenfolge  ihrer  lateinischen  Benennungen, 
weil  die  Identifizierung  mit  bestimmten  deutschen  Fischnamen  teilweise 
unmöglich  ist.  Der  acipenser,  den  manche  für  den  Stör  halten2),  war  ein 
seltner  und  teurer  Fisch,  der  in  der  Litteratur  seit  dem  Ende  des  3.  Jahr- 
hunderts v.  Chr.  auftaucht3).  Nach  Plinius  wäre  er  im  1.  Jahrhundert  n.  Chr. 
aus  der  Mode  gekommen4),  doch  kann  dies,  andern  Notizen  zufolge,  nur 
vorübergehend  gewesen  sein6),  und  namentlich  unter  Severus  war  er  wieder 
ein  immerhin  seltner  und  teurer  Leckerbissen6).  Dagegen  war  die  anguiäa, 
der  Flußaal7),  der  besonders  in  Oberitalien  vorkam8),  aber  auch  in  be- 
sondern Fischbehältern  gehalten  wurde9),  weniger  geschätzt l0).  Selten  erwähnt, 
in  älterer  Zeit  anscheinend  mehr  beliebt  als  später11),  wird  der  asellus,  ein 
Seefisch12);  ebenso  der  gleichfalls  unbestimmbare  attilus,  der  im  Po  vorkam 
und  ungewöhnliche  Größe  erreichte13).  Öfter  erwähnt  und  gerühmt  wird 
die  anratet,  die  Goldbrasse14),  deren  beste  Sorte  aus  dem  Lukriner  See 
kam15).  Der  conger,  Meeraal16),  wird  bei  den  Komikern  öfters,  später  selten 
erwähnt17).  Der  coracinus,  der  Meer-  oder  Wasserrabe,  war  ein  Nilfisch, 
der  aber  auch  in  Rom  zum  Verkauf  kam 1 8).  Unbestimmbar  ist  der  dop» 
oder  helops19),  der  in  den  italischen  Meeren  nicht  vorkam20),  ein  teurer  und 


»)  Vgl.  das  Verzeichnis  bei  Piin.  XXXII 
)    145  ff;  eine  ganze  Menge  zu  seiner  Zeit  be- 
/  liebter  Fische  nennt  Ennius   in  einem  Frag- 
'    ment  der  Hedyphagetika  bei  Apul.  apol.  39. 
Ueber  die  Fische  in  Ovids  Halieutica  vgl.  G. 
Schmidt  im  Philologus,  Suppl.  Bd.  XI  255  ff. 
*)  SoLENzZool.d.Gr.  u.  Rom.  520.  Becker- 
I  Göll  III  335.  Marquardt  433.  Fournier  bei 
D.-S.  1 1733.   Nissen  ltal.  Landeskunde  I  316; 
bestimmt  abgelehnt  von  Marx  bei  P.-W.  I  260. 
Der  Störheif3t  heut  Acipenser  sturio.  Die  Gleich- 
stellung mit  dem  griech.  £Mo»/;  lehnt  Plin.XXXlI 
153  ab,  die  mit  dem  rhodischen  ya/.sög  Ath.  VII 
294F,  der  selbst  das  Wort  J**/.-r/}a<o,,-  gebraucht. 

3)  Macr.  III  16, 1 ;  ebd.  2  findet  er  sich  in 
einem  Zitat  aus  Plautus,  auf  ein  Zitat  aus 
Lucilius  (Frg.I  V6  Müller)  wird  öfters  angespielt, 
s.  Cic  de  flu.  II  8,  25.  Hör.  sat.  II  2,  47  u.  das. 
Acro.  Er  war  auch  zu  Ciceros  Zeit  noch  selten, 
Tusc.  III  18.43;  Ovid.hal.  134  nennt  ihn  per- 
egrinis  nobilis  undis. 

4)  Plin.  1X60:  apudanUquospisdum  nobi- 
lissimus habitus acipenser,... nullo  nunc  in  ho- 
nore  est,  qitod  quidem  miror,  cum  sit  rartts  in- 
ventu. 

5)  Mart.XlII91  rühmt  ihn. 

6)  Macr.  a.  a.  0. 5  f. ;  nach  Ath.  a.  a.  0.  kam 
das  billigste  und  kleinste  Exemplar  auf  1000 
Drachmen  zu  stehen;  nach  Archestratos  ebd.  E 
trug  man  ihn  bekränzt  u.unterFlötenschall  auf. 

7)  Vgl.  über  ihn  Oder  bei  P.-W.  I  1  f. 

8)  Plin.  IX  75  erzählt,  daß  im  Herbst  an 
der  Mündung  des  Mincius  in  den  Lacus  Be- 
nacus  viele  Tausende  von  Aalen  in  eigens  dazu 
angelegten  excipula  gefangen  wurden. 

9)  Mart.X1131,5.   Pallad.  1 17,2. 


10)  Bei  luv.  5, 103  wird  sie  ziemlich  ver- 
ächtlich behandelt;  Rezepte  Apic  477  f. 

n)  Plin.  IX  61,  unter  Berufung  auf  Cor- 
nelius Nepos  und  Laberius;  doch  ist  er  auch 
bei  Petron.  24,  7  eine  bessere  Schüssel. 

")  Varr.  1. 1.  V  75.  Plin.  XXXII 145.  Ov. 
hal.  133;  die  besten  kamen  von  Pessinus,  Varr. 
bei  Gell.  VI  (VII)  16,5.  Griech.  heißt  er  fax 
oder  öviaxog,  vgl.  Marx  bei  P.-W.  II  1532. 

1S)  Plin.  IX  44.  Lenz  485  hält  ihn  für  einen 
Stör. 

u)  Colum.  VIII  16,8.  Cels.  II 18.  Apic.  151; 
473  f.;  von  seiner  Vorliebe  dafür  hatte  der  be- 
kannte Sergius  Orata  (s.  oben  S.  106)  seinen 
Beinamen.  Varr.  r.  r.  III 3, 10.  Colum.  VIII 16, 5. 
Mart.  III  15.2  (anders  Fest.  182b,  13). 

15)  Mart.  XIII  90. 

16)  Griech.  yöyygo;,  daher  auch  lat.  bis- 
weilen gonger  geschrieben,  vgl.  Corp.  Gloss. 
HI  186.54; sonstauch congrus.  Vgl.  Wellmann 
bei  P.-W.  IV  874. 

17)  Plaut.  Aul.  399  und  Persa  1 10  zusammen 
mit  der  Muräne,  ders.  m.  gl.  760.  Ter.  Ad.  377. 
Ov.  hal.  115.   Plin.  1X72.  Apic.  453. 

18)Plin.IX68;vgl.V51;XXXH56;erkam 
aber  auch  im  Meer  vor,  ebd.  145.  Mart.  XIII 85. 

1J)  Er  entspricht  dem  griech.  £Uoy»  und 
wird  bald  für  den  Schwertfisch,  bald  für  den 
Stör  oder  Sterlet  gehalten;  daß  ernichtmitdem 
acipenser  identisch  ist,  ist  oben  A.  2  bemerkt. 

2U)  Daher  Ov.  hal.  96:  prettoeua  c/ops,  no- 
stris  invognitus  unilis;  nach  Varr.  II  6,2  kam 
der  beste  vom  Meere  bei  Rhodus,  vgl.  Plin. 
IX  169;  nach  Colum.  VIII  16.  9  kam  er  nur  im 
pamphylischen  Meere  vor.  Doch  sagt  Ennius 
bei  Apul.  apol.  39:  Surrenti  far  emaa  dopet». 


182 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


trefflicher  Fisch1);  ebensowenig  läßt  sich  der  faber  (auch  zeus  genannt), 
der  von  Gades  kam2),  bestimmen.  Ein  geringer,  in  der  Regel  einge- 
salzen verzehrter  Seefisch  war  der  gerres3).  Der  gobüts  (oder  gobio),  ein 
kleiner  und  billiger  Fisch,  der  in  Venetien  heimisch  war,  aber  auch  in  der 
Mosel  vorkam  und  gern  als  Entree  vor  der  Mahlzeit  genossen  wurde  (wohl 
eingesalzen)4),  war  vielleicht  ein  Gründling5).  Ebenso  wurde  der  lacertns 
genossen6),  sonst  ein  geringer  Fisch,  der  häufig  vorkam7).  Unter  den 
einheimischen  Flußfischen  wird  besonders  häufig  erwähnt  der  lupus,  der 
Hecht,  der  auch  in  Fischteichen  und  Seen  gehalten  wurde8);  allerdings 
spielte  er  bei  den  Feinschmeckern  keine  besondere  Rolle9),  die  nur  dann 
vom  Tiberhecht  etwas  wissen  wollten,  wenn  er  bei  der  Tiberinsel  (inter 
duos  pontes)  gefangen  war10).  Doch  kamen  auch  andere  Hechte  in  Rom 
zum  Verkauf11),  besonders  die  sog.  lanati12),  und  die  Vorliebe  für  diesen 
Fisch  scheint  in  der  Kaiserzeit  sich  erhalten  zu  haben13).  Ein  kleiner, 
billiger  Meerfisch  war  die  maena  (oder  mena) 14),  die  vornehmlich  eingesalzen 
in  Töpfen  aufbewahrt  wurde  und  eine  gewöhnliche  Volksnahrung  abgab15). 
Die  merula,  Meeramsel,  wurde  vielfach  in  den  künstlichen  Seebecken  ge- 
halten, findet  sich  aber  selten  erwähnt16);  auch  der  mugil  (mugilis),  ver- 
mutlich die  Meeräsche,  fand  man  in  den  Piscinen17),  obschon  auch  sie  unter 
den  Gerichten  selten  vorkommt18).  Dagegen  war  der  mullus  (oder  mullus 
barbatus19)),  die  Seebarbe20),  gegen  Ende  der  Republik,  besonders  aber  in 
der  Kaiserzeit,   ein   sehr  beliebter  und  oft  erwähnter  Fisch21).     Man  hielt 


5)  Plin.  XXXII 153 :  helopipalmam  saporis 
inter pisces  multi  dedere.  Varr.  b.  Non.  216, 10. 

2)  Plin. IX 68.  Colum. a.a.O.  Ov.hal.  110. 

3)  Mart.  III  77, 7;  XII  32, 15.  Plin.  XXXII 
148. 

4)  Ov.hal.  130.  Colum.  VIII  17, 14.  luv. 
11,37.  Mart.  XIII  88.  Auson.  Mos.  131,  und 
das.  Böcking. 

5)  Lenz  a.  a.  0.  496. 

6)  Mart VII 78,1  ;X48,ll:XI27,3;52,7f. 

7)  Cels.  II 18.  Plin.  XXXII 146.  luv.  14, 
131.  Colum.  VIII 17, 12.  Apic.  467.  Dasselbe 
ist  das  lacertum,  Accius  bei  Non.  210, 35,  und 
wohl  auch  die  lacerta  bei  Cic.  ad  Attic.  II  6,1. 

8)  Colum.  VIII  16,2.  Mart.  X  30, 21;  vgl. 
Böcking  Rh.  Jahrb.  VII  Anh.  77. 

9)  Varr.  III  3.9;  daß  man  ihn  in  der  letzten 
Zeit  der  Republik  sehr  schätzte,  zeigt  Plin. 
1X61;  vgl.  X  193. 

,0)  Plin.  IX  162;  Macr.  III 16. 11  ff.,  wo  aus- 
führlich über  den  Tiberinus  lupus  gehandelt 
ist.  mit  Zitaten  aus  Titius  und  Lucilius;  nach 
Colum.  VIII  16,4  derjenige,  quem  Tiberis  ad- 
rcrso  torrente  fatigasset,  der  also  von  der  Mün- 
dung aufwärts  geschwommen  war.  Hör.  sat. 
II  2.31 :  und*  datum  sentis,  lupus  hie  Tiber mua 
an  <ilt<>  raptus  hiet?  pontisne  inter  iaetatus  an 
amnis  Ostia  sab  Tusci?  luv.  5, 103  bezeichnet 
den  Fisch,  den  er  glacie  aspersus  maculis  Tibe- 
rinus, nrnula  riparum  nennt,  als  ärmliches 
Gericht. 

n)  Mart.  XIII 89  rühmt  den  lupus  vom  Ti- 
mavus bei  Aquileia. 


12)  Plin.  IX  61.  Mart.  a.  a.  O.  nennt  diese 
Art  laneus. 

13)  Vgl.  Mart.  II  37.4;  IX  26,6;  XI  50,9. 
Cels.  II 18.  Dagegen  macht  sich  Auson.  Mos. 
120  ff.,  der  ihn  Lucius  nennt,  über  diesen  Fisch, 
Latio  risus praenomine,  lustig:  hie  null osmen- 
sarum  lectus  ad  usus  \  fervet  fumosis  olido  ni- 
dore  popinis,  vgl.  Böcking  z.  d.  St. 

14)  Ov.hal.120  Plin. XXXI 83; XXXII 149. 
Mart.  XI  31,14. 

1 5)  Von  Cic.  de  fin  1128,91  dem  aeipenser  ge- 
genübergestellt. Vgl.  Ov.  fast.  II 578.  Pers.  3. 76 
mit  Schol.  Mart.  XII  32, 15.  Im  Corp.  Gloss.  II 
512,14  wird  er  mit  der  d<pi<Tj  (Sardelle)  identi- 
fiziert; sonst  heißt  er  griech.  uaivig  oder  uaivrj, 
ebd.  VI  667.  Die  acpvt]  heißt  latinisiert  apua, 
Plin.  XXXI 95 ;  XXXII 145.  Corp.  Gloss.  VI  85. 

16)  Enn.  bei  Apul.  apol  39.  Ov.  hal.  114. 
Plin.  1X52;  XXXII  149.  Col.  VIII  16.8;  17.8. 

17)  Col.VIIIl7,8.  Mart.  X  30. 23;  vgl.  Ov. 
hal.  38.  Plin.  IX54;144u.ö. 

18)  Rezepte  Äpic.  437  ff.,  für  den  mugil 
salsus.  Eine  sehr  eigenartige  Verwendung  des 
mugil  findet  sich  Catull.  15,19.  luv.  10,  317. 

19)  Cic.  ad  Attic.  II  1,7:  parad.  38.  Varr. 
r.r.III  17.7. 

*0)  Vgl.  hierüber  Teuffel  bei  Pauly  V 
190  f. 

•■"J  Vgl.  Senec.  ep.  77.16;  95,26 u.  28.  luv. 
6,40;  11,37.  Martial  stellt  ihn  meist  mit  Ebern, 
Saueutern,  Austern  u.  dgl.  Delikatessen  zusam- 
men, vgl.  1140,4;  11177,1;  VII  78,3;  1X14,3; 
XII  48,9.  Lampr.  Heliog.  20,7  u.a.m. 


Fünfter  Abschnitt.    Die  Nahrung. 


183 


ihn  auch  in  den  Piscinen x),  doch  galten  die  direkt  aus  dem  Meer  kommenden 
für  besser,  namentlich  die  von  felsigen  Küsten,  wie  Korsika  oder  Tauro- 
menium,  stammenden,  die  mulli  saxatües2).  Sie  wurden  aber  nicht  groß, 
zweipfündige  waren  das  gewöhnliche 3),  doch  kamen  solche  von  vier  Pfund 
und  darüber  vor,  die  dann  freilich  von  Liebhabern  mit  Ungeheuern  Preisen 
bezahlt  wurden4).  Das  Scheußlichste  war  die  Tierquälerei,  die  manche 
Schwelger  damit  verbanden:  man  brachte  die  Tiere  nämlich  noch  lebendig 
in  gläsernen,  mit  Meerwasser  gefüllten  Gefäßen  auf  die  Tafel  und  kochte 
sie  vor  den  Augen  der  Gäste,  um  sich  an  dem  prächtigen  abwechselnden 
Farbenspiel  des  Opfers  zu  ergötzen5).  Ebenfalls  schon  frühzeitig  ge- 
schätzt6) war  die  Muräne,  muraena,  von  der  die  Licinier  wegen  der  Vor- 
liebe des  P.  Licinius  (Prätor  113  v.Chr.)  für  diese  Fische  ihren  Beinamen 
hatten 7) ;  dieser,  der  Erfinder  der  Fischteiche  (s.  oben  S.  1 80  A.  1 1),  hielt  sie  in 
seinen  Piscinen,  während  C.  Hirrius  zuerst  eigene  Fischbehälter  für  Muränen 
anlegte8),  wie  sie  später  in  den  Villen  ganz  allgemein  üblich  waren9).  Die 
besten  kamen  von  der  Meerenge  von  Sizilien10),  doch  wurden  auch  die  von 
Tartessus  und  Karpathus  bevorzugt11).  Unbestimmbar  ist  der  Fisch,  der 
mus  oder  musculus  marinus  hieß12).  Die  schon  von  Ennius  gerühmte  mustela, 
Aalraupe  (Lamprete,  Trüsche),  war  besonders  ihrer  Leber  wegen  geschätzt 13). 
Der  passer1*)  ist  eine  Art  Butte,   vielleicht  die  Stachelflunder lö);   der  viel 


')  Er  wurde  darin  sogar  recht  zahm,  Cic. 
a.  a.  0.  Varr.  a.  a.  0.  Mart.  X  30,24;  doch  ging 
er  leicht  ein,  Col.  VIII 17, 7,  und  Wachstum  war 
auch  durch  künstliche  Fütterung  nicht  erreich- 
bar. Hin.  IX  64. 

2)  Sen.  nat.  qu.  III  18,4;  vgl.  luv.  5,92. 
Mart.  X  37,7;  dagegen  waren  die  litorahs  min- 
der geschätzt,  Plin.  IX  65. 

3)  Mulli  h!l ihres,  Mart.  III  45,5:  XI  50,9. 
Plin.  IX  64:  binas  libras  ponderis  raro  admo- 
dmii  exsuperant;  allerdings  galt  dies  eher  als 
ein  Gewichtsminirnum,  Mart.  XIII  97,  und  der 
Gourmand  verachtete  solche,  die  weniger  als 
drei  Pfund  wogen,  ebd.  X  37. 7  f.  Hör.  sat.  II 
2,33;  recht  schwere  sind  immodici  mulli,  Mart. 
1143,11.  Daher  ist  ein  dimidius  mullus  eine 
Portion,  die  auf  einen  Gast  berechnet  ist,  ebd. 
II  37,4. 

4)  Ein  vierpfündiger  wird  bei  Mart.  X  31, 3 
mit  1 200  Sesterzen  bezahlt ;  einen  von  4  '/s  Pfund 
(was  bereits  eine  ingens  forma  ist)  bekam  Ti- 
berius  geschenkt,  schickte  ihn  aber  auf  den 
Markt  zum  Verkauf,  wo  er  von  einem  P.  Octa- 
vius  um  5000  Sesterzen  erstanden  wurde,  Sen. 
ep.  95, 42 ;  ein  sechspfündiger  wird  bei  luv.  4, 15 
mit  6000  Sesterzen  bezahlt,  und  unter  Caligula 
hätte  Asinius  Celer  für  einen  mullus  nach  Ter- 
tull .  de  pall.  5  sechs-,  nach  Macr.  11116,9  sieben-, 
nach  Plin.  IX  67  sogar  achttausend  Sesterzen 
bezahlt.  Dazu  bemerktMacrobius,  daß  zu  seiner 
Zeit  mulli  von  großem  Gewicht  vorkämen,  aber 
nicht  mit  solchen  enormen  Preisen  bezahlt  wür- 
den. Nach  Licinius  Mucianus  bei  Plin.  IX  68 
wäre  im  Roten  Meer  ein  mullus  von  80  Pfund 
Gewicht  gefangen  worden,  das  war  aber  sicher- 
lich kein  mullus. 


b)  Das  beschreibt  Sen.  nat.  qu.  III  17,2  ff. 
Plin.  IX  66 ;  Mart.  XIII 79  spielt  darauf  an.  Re- 
zepte Apic.  142;  160  f.;  455;  für  geräucherten 
mullus  440. 

6)  Vgl.  Plaut.  Amph.  319 ;  Pseud.  382 ;  Aul. 
399;PersallO.  Hör. sat. II 8,42.  Mart.1137,5. 
Rezepte  Apic.  460  ff. 

7)  VarroIII3,10.  Col.  VIII  16,5.  Plin.  IX 
170.  Macr.  III  15,2. 

8)  Plin.  IX  171. 

9)  Vgl.  Mart.  X  30,22:  Plin.  IX 1 72  berichtet 
von  den  Torheiten,  zu  denen  die  Vorliebe  für 
diese  Tiere  manche  Besitzer  führte.  Bekannt 
ist  die  Scheußlichkeit  des  Vedius  Pollio  (unter 
Augustus),  der  Sklaven,  die  sich  etwas  hatten 
zuschulden  kommen  lassen,  lebendig  den  Mu- 
ränen vorwarf,  Sen.  dial.  V  40. 2 :  de  clem  118.2. 
Plin.  IX  77.  Nach  Colum.  VIII  17. 10  hielt  sich 
die  Muräne  in  der  Gefangenschaft  besonders 
gut. 

10)  Varr.r.r.II6,2.  Plin. IX  169.  Mart.XIII 
80.  luv.  5,99.  Macr.  III  15. 7  f. 

»)  Varro  bei  Gell.  VI  (VII)  16. 5.  Col. a.a.O. 

12)  Enn.  bei  Apul.  apol  39.  Plaut.  Rud.  298. 
Plin.  IX  71 ;  XXXII  144.   Geis.  II  29. 

,3)  Enn.  a.  a.  O.  sagt  von  der  mustela  >im- 
rina :  omnibus praestat.  Plin.  IX  63  erwähnt  ihr 
Vorkommen  im  Bodensee.  Auson.  Mos.  106  in 
Donau  und  Mosel  (s.  Böcking  a.  a.  O.  76'.  (Die 
Leber  der  Aalraupe  wird  beut  noch  wie  Gänse- 
leber zu  Pasteten  verarbeitet.) 

>4)  Als  Gericht  Hör.  sat.  II  8,29. 

Vo)  Er  ist  dem  rhombus  ( s.  unten)  verwandt, 
wird  aber  doch  immer  von  ihm  unterschieden. 
Ov.hal.125.  Plin.  IX 72:  XXXII 150.  Col.  VIII 
16,7. 


184 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


höher  geschätzte  und  als  Leckerbissen  oft  erwähnte  rhombus1),  der  eine 
sehr  bedeutende  Größe  erreichte2),  ist  wohl  der  Steinbutt;  er  kam  in  bester 
Qualität  von  der  adriatischen  Küste,  besonders  von  Ravenna3),  wurde  aber 
auch  in  Piscinen  gehalten4).  Sehr  beliebt  war  schon  im  2.  Jahrhundert  v.  Chr. 
der  scarus,  wahrscheinlich  der  Lipp-  oder  Papageifisch 5) :  er  kam  ursprünglich 
nur  in  fremden  Meeren  vor6),  wurde  aber  unter  Tiberius  auch  im  tyrrhe- 
nischen  Meere  angesiedelt7).  Er  rangiert  auch  in  der  Kaiserzeit  mit  den 
besten  Fischsorten8).  Über  den  scomber,  die  Makrele,  der  frisch  wohl  nur 
ausnahmsweise  genossen  wurde,  siehe  unten  S.  186.  Der  silurus,  Wels,  der  in 
besonderer  Größe  im  Nil9),  aber  auch  in  Main.  Donau,  Mosel  u.  s.  vorkam10), 
wird  des  wohlschmeckenden  Fleisches  wegen  gerühmt,  war  aber  auf  den 
Tafeln  anscheinend  selten11).  Ebenfalls  selten  erwähnt  werden  die  solea, 
die  Scholle12),  und  der  turdus,  die  Meerdrossel13),  die  auch  in  Piscinen  fort- 
kam14). Man  sieht  aus  dieser  Übersicht,  wie  die  römische  Tafel  Fische 
selbst  aus  fernsten  Meeren  und  Flüssen  bezog15).  Wie  die  größtenteils  dem 
Griechischen  entlehnten  Namen  der  Fische  erweisen,  ist  die  Mehrzahl  der 
nicht  einheimischen  Fischsorten  den  Römern  erst  durch  die  Griechen  be- 
kannt geworden. 

Die  meisten  der  hier  aufgezählten  Fischarten,  vor  allem  die  einheimischen 
Fluß-  und  Seefische,  sowie  die  in  den  Vivarien  und  Piscinen  gehaltenen, 
wurden  frisch  zubereitet;  namentlich  von  den  teuren  und  seltnen  darf 
das  als  Regel  gelten.  Aber  sehr  verbreitet  war  der  Brauch,  Fische  durch 
Einsalzen   (Marinieren)   zu   konservieren16),   und   das   geschah   namentlich 


J)  Vgl.  Hör.  ep.  2, 50;  sat.  I  2, 116;  II  2,42; 
ebd.  8, 30.  Pers.6,23.  Mart.  11145,5;  ebd.  60, 6. 
luv.  11,121.  Die  ältere  Zeit  kannte  diese  Vor- 
liebe noch  nicht.  Hör.  sat.  II  2. 48  f. 

2)  Hör.  sat.  II  2, 95.  Mail.  XIII  81;  luv. 4, 
39  ff.  erzählt  dieGeschichte  von  dem  ungeheuren 
rhombus,  den  Domitian  geschenkt  bekam  und 
für  den  keine  Schüssel  von  genügender  Größe 
vorhanden  war. 

3)  Ov.  hal.  125.  Plin.  IX  169 ;  vgl.  XXXII 
150.  Colum.VIlI  16,  7. 

4)  Colum.VIlI  17.9.  Mart. X  30, 21. 

8)  Enn.  bei  Apul.  apol.  39  nennt  ihn  cere- 
brum  Iovis  paene  supremi.  Bei  Fest.  253  a,  20 
squarus. 

6)  Ennius  a.  a.  O.  gibt  Pylus  als  Bezugsort 
großer  und  schöner  scari  an,  Varro  bei  Gell,  VI 
(tfll)  16,9  Kilikien,  Petron.  119  v.  33  die  sizi- 
lische  Meerenge,  Plin.  IX  62  das  karpathische 
Meer.  Vgl.  Petron.  93,2:  ultimis  ab  oris  attra- 
ctus  scarus. 

7)  Ein  gewisser  Optatus  setzte  Tausende 
zwischen  Ostia  und  Kampanien  aus  und  ließ 
fünf  Jahre  lang  jeden  gefangenen  scarus 
wieder  ins  Meer  versetzen,  Plin.  IX  63.  Macr. 
III 16, 10.  Auch  in  den  Piscinen  kam  er  fort, 
Colum.VIlI  16.1. 

8)  Ov.hal.9u.  119.  Hor.epod.2,50;  sat. 
II 2. 22.  Plin.  IX  62 :  nunc  principatus  scaro 
(latur.  Wenn  daher  Mart.  XIII  84  von  einem 
scarus,  der  aequoreis  adesus  undis  ist,  sagt: 
msceribus  bonus  est,  cetera  vile  sapit,  so  war 


das  wohl  sein  besonderer  Geschmack  (anders 
erklärt  es  Gilbert  bei  Friedländer  z.  d.  St.). 
9)  Plin. IX  44;  XXXII  125;  daher  nennt 
luven. 4, 33  die  siluri  municipes  des  Aegypters 
Crispinus. 

10)  Plin.  IX  45;  XXXII  145;  vgl.  V  51. 
VI  205.  Auson.  Mos.  135.  dazu  Böcking  a.  a.  O. 
77. 

u)  Er  mochte  wohl  auf  dem  Transport 
oft  verderben;  vgl.  luv.  a.  a.  O.,  wo  er  zu  einer 
fracta  merx  gehört,  und  14, 132;  putri  siluro. 
Das  Fleisch  rühmt  Plin.  1X45. 

12)  Plaut. Cas.495.  Ov.hal.  124.  Colum.VIlI 
16,  .7.  Plin.  IX  72;  XXXII  151.  üeber  salsa- 
menta  vgl.  Besnier  bei  D.-S.  IV  1022. 

13)  Varr.l.l.V77.  Colum.VIlI  16,8.  Plin. 
IX  52;  XXXII  151. 

14)  Colum.VIlI  17,8. 

15)  Die  Moselfische,  die  Ausonius  Moseila 
85 — 149  besingt,  hat  Böcking  in  seiner  Aus- 
gabe (Rhein.  Jahrb.,  Heft  VII  Anhang,  1845) 
bestimmt  (vgl.  auch  de  Florencourt  ebd.  V 
302ff.  und  Oken  in  der  Isis  1845,  5 ff.);  es 
sind,  von  schon  erwähnten  abgesehen,  al- 
bumus  Weißfisch  (praeda  puerilibus  hamis, 
126),  alausa  Alse  {obsonia  plebis,  127),  barbu* 
Barbe,  capito  Aland,  perca  Barsch  (deliciae 
mensarum,  115),  rhedo  Aalraupe,  solar  Fo- 
relle, salmo  Lachs,  sario  Lachsforelle,  tinca 
Schleie  (vulgi  solacia,  125),  umbra  Aesche. 

16)  G.Eberl  Die  Fischkonserven  der  Alten. 
Progr.  Regensburg  1892. 


Fünfter  Abschnitt.    Die  Nahrung. 


185 


mit  den  in  großen  Mengen  vorkommenden,  die  in  diesem  Zustande  überall- 
hin versandt  werden  konnten  und  eine  billige  Volksnahrung  abgaben.  Das 
Einsalzen  heißt,  wie  beim  Fleisch,  sallre,  salsura l),  hingegen  bezeichnet 
man  mit  salsamenta  immer  marinierte  Fische2),  daher  der  Händler  mit 
solchen  salsamentarins  heißt3).  Wie  die  Griechen  diese  von  ihnen  xünr/jK 
genannten  Fischkonserven4)  aus  den  überall  an  den  Küsten  des  mittel- 
ländischen, ägäischen  und  schwarzen  Meeres  angelegten  Marinieranstalt m 
bezogen5),  so  kamen  auch  nach  Italien  die  Fabrikate  solcher  cetariae,  wie  sie 
mit  griechischem  Ausdruck  benannt  wurden6)  und  die  wohl  im  wesentlichen 
dieselben  waren,  wie  die  in  den  griechischen  Quellen  genannten.  Von 
ihnen  aus  wurden  die  Salzfische  in  tönernen  Gefäßen  versandt7).  Die 
Fabrikate  waren  vornehmlich  zweierlei:  nämlich  die  ganz  oder  in  Stücken 
versandten  marinierten  Fische  und  sodann  die  verschiedenen  Fischsaucen. 
Unter  den  Fischsorten,  die  in  mariniertem  Zustande,  vornehmlich  vom 
Pontus,  aus  Sardinien  und  Spanien,  nach  Italien  kamen,  nimmt  die  erste 
Rolle  der  Thunfisch  mit  seinen  zahlreichen  Abarten  ein  8).  Die  Römer  be- 
dienten sich  hierfür  durchaus  der  griechischen  Terminologie.  Der  General- 
name des  Fisches  ist  demgemäß  thynnus9);  speziell  ist  es  der  über  ein  Jahr 
alte  Fisch10).  Bei  der  Einsalzung  wurde  er  zerstückt;  als  beste  Stücke 
galten  die  Rücken-  und  Bauchstücke,  doch  die  dem  Kopf  nahen  als  besser, 
wie  die  Schwanzstücke.  Die  in  Scheiben  eingesalzenen  Stücke  hießen  melan- 
drya11).  Pelamys  hieß  der  junge  Thunfisch  (Thunling) 12);  die  daraus  bereitete 
Konserve  hieß  cybium  13).  Auch  sarda  ist  der  Name  für  eine  bestimmte  Spezies 


!)  Von  Fischen  Cels.  II 18.  Colum.  VI  32, 2. 
Apic.  437  ff. :  pisces  salsi  im  Ed.  Diocl.  5,  5; 
sahura  Colum. VIII  17,13. 

•)  Ter.  Ad. 380.  Cic.de  div. II 57, 117.  Varr. 
r.r .11117.7.  Colum.VIlI  17, 12;  XII 55,4.  Plin. 
1X92;  XXXII 19  u.ö.  Cels.  1  2.  Gell.  II  24,  7. 
Macr.VlI3,6. 

s)  Auct.  ad  Her.  IV  54,  67.  Suet  vit.  Hör. 
p.  44  Reiff.  Schol.  Pers.  1,43;  vgl.  Wölfflin 
Arch.  f.  lat.  Lexikogr.  XII  (1902)  366.  CIL  VI 
9667  (negotians  salsamentar.);  9873.  Auch  der 
negot.  Malacitanorum  ist  ein  Händler  mit  Fisch- 
konserven (vgl.  Strab.  III  156),  ebd.  9677,  wo 
der  negotians  salsarius  zum  corpus  negoti- 
antium  Malacitanorum  gehört. 

4)  Im  Lat.  kommt  tarichus  adjektivisch  für 
salsiis  vor,  Apic.  440.  Corp.  Gloss.  V  526,26; 
527, 1;  vgl.  VII 226  unter  salsamentum  u.  salsus. 

5)  Hierüber  handelt  eingehend  Köhler 
in  seiner  Schrift  Tägixog,  in  den  M£m.  de 
l'Acad.  imper.  des  sciences  de  St.  Petersbourg, 
Ser.VI  Vol.  1(1832),  347  ff.,  doch  wesentlich 
über  die  südrussischen  Anlagen.  Vgl.  Blümner 
Gewerbl.Tätigk.  d.Völk.  d.klass.  Altert. im  Re- 
gister unter  Fischfang.    Marquardt  436. 

6)  Cetariae  oder  cetaria,  Hör.  sat.  II  5,44. 
Plin.  IX  49;  ebd.  92;    XXXI  94;   XXXVII  66. 

7)  Salsamentarii  cadi,  Plin.  XVIII  308; 
XXXII  89;  testae,  ebd.  und  XXVIII  140;  vasa, 
Colum.  II  10, 16. 

8)  Ueber  die  Züge  der  Thunfische  und 
ihren  Fang  vgl.  Böttiger  in  der  Amalthea  II 


303  ff.  und  besonders  P.  Rhode  Thynnorum 
captura  quanti  fuerit  apud  veteres  momenti, 
N.  Jahrb.  f.  Philol.  Suppl.  Bd.XVllI  lff. 

s)  Oder  thunnus,  Lucil.  bei  Non.  159,30. 
Varro  ebd.  49, 15  und  1.  l.V  77.  Ov.  hal.  98.  Hör. 
sat.  II  5,44:  Plin.  IX  49  ff.  über  Größe,  Fang 
usw.;  vgl.  Apic.  439. 

lu)  Plin.  IX  47. 

n)  Plin.  ebd.  48:  hi  membratim  caesi  cer- 
vice  et  abdomine  commendaniur  afquc  didio 
(d.  i.  xXeiöior),  recenti  dumtaxat,  et  tum  quoque 
gravi  ructu.  cetera  parte  plenis  pidpamentis 
sale  adservantur.  melandrya  vocantur  quercus 
assulis  similia.  vilissima  ex  his  quae  caudae 
proxima,  quia  pingui  carent,  probatisshna 
quae  faucibus.  Daher  ist  die  cauda  thymii 
bei  Pers.  5, 183  eine  geringe  Speise.  Die  me- 
landrya erwähnt  Varro  1. 1.  a.  a.  O.  Mart.  III 
77,  7,  auch  als  billige  Kost.  Mehr  bei  Rhode 
a.  a.  0. 12  u.  56.  Das  Schwanzstück  hiefi  uraeunt 
(ovgalor),  Varr. a.a.O.;  das  Bauchstück  r.m- 
ydozoior,  vgl.  Rhode  54  ff. 

")  Plin  a.  a.  0. 47 ;  XXXII 146  u.  ö.  Colum. 
VIII  17,12;  Varro  bei  Gell.VI  (VII)  16,5  emp 
fiehlt  die  pelamys  Chalcedonia.  Vgl.  Schnei- 
der im  Index  ad  Scr.rei  rust.282  Bei  luv.  7, 
120  ist  ein  vas  pelamydum  ein  geringwertiges 
Geschenk. 

1S)  Das  war  ursprünglich  der  Name  des 
Fisches  selbst,  wenn  er  aus  dem  Pontus  nach 
der  Mäotis  zurückkam.  Plin.  XXXII  146;  in 
diesem  Sinne  bei  Varro  a.  a.  0.  Mart.  XI  27, 3: 


186 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


der  pelamys x) ;  doch  hat  man  damit  (und  mit  sardind)  schon  frühzeitig  andere 
Fischarten,  besonders  die  heut  noch  als  Sardellen  und  Sardinen  bezeichneten 
kleinen  Fische  bezeichnet2).  —  Von  andern  marinierten  Fischen  war  am  ver- 
breitetsten  der  scomber,  die  Makrele,  die  namentlich  die  spanischen  Cetarien 
verarbeiteten,  da  die  Thunfische  dorthin  nicht  zogen8);  er  wurde,  im  Gegen- 
satz zu  den  zerkleinert  eingesalzenen  Thunfischen,  als  ganzer  mariniert  und 
spielte  anscheinend  bei  den  Römern  dieselbe  Rolle,  wie  heut  bei  uns  der 
Hering4).  Ein  billiger,  vom  Pontus  bezogener  Salzfisch  war  auch  die  sa- 
perda*).  Andere  ebenfalls  zum  Einsalzen  verwendete  Fische,  wie  der  aci- 
penser,  mugil,  maena  etc.,  sind  oben  besprochen  worden.  Gegessen  wurden 
die  Salzfische  teils  ohne  weitere  Zutaten,  nachdem  sie  vorher  tüchtig  ge- 
wässert worden  waren6),  teils  mit  allerlei  Ingredienzien  gewürzt,  in  Fisch- 
saucen, Brühen  u.  dgl.  gekocht  oder  gebraten 7). 

Außer  diesen  Fischkonserven  bereiteten  die  meisten  Marinieranstalten 
auch  verschiedene  Arten  geschätzter  Fischsaucen8),  die  man  zu  Fleisch- 
und  andern  Gerichten  zusetzte,  etwa  wie  es  heut  mit  englischen  Saucen 
geschieht9).  Die  drei  Hauptarten  hießen  garum,  muria  und  allec.  Unter 
garum10)  verstand  man  den  aus  den  Eingeweiden  gewisser  Fische  prä- 
parierten Saft,  der  in  der  Weise  gewonnen  wurde,  daß  man  dieselben  ein- 
salzte und  in  die  Sonne  stellte  oder  über  Feuer  unter  beständigem  Um- 
rühren kochte;  war  die  Auflösung  erfolgt,  so  ließ  man  die  Masse  zwei 
Monate  gären  und  seihte  sie  durch:  was  zurückblieb,  war  das  allec  oder, 
allex,  der  abfließende  Saft  das  garum11).  Angeblich  kam  der  Name  von 
einem  Fisch  her,  der  griechisch  ydgog  hieß12),   doch  war  die  Verwendung 


dtto  frusta  cybii,  und  ebd.  31, 19:  cauda  cybii. 
Als  Name  der  zerstückten  Konserve  Plin.  IX 
48:  XXXII  151.  Mart.V78,5.  Vgl  Rhode  9 
u.  57.  Die  Alexandriner  nannten  denVespasian 
seiner  Habsucht  wegen  cybiosactes  (Herings- 
krämer), Suet.  Vesp.  19. 

')  Plin.  XXXII  151:  ita  vocatur  pelamys 
longa  ex  oceano  veniens;  vgl.Corp.Gloss.il 
329,  61 ;  407, 22 ;  III  379. 50  Galen.  IX  728 K. 
Rezepte  für  frische  und  marinierte  sardae 
Apic.  158 :  431  ff.  Andere  Namen  für  Thunfisch- 
Spezies  Plin.  XXXII  146:  cordyla;  149:  or- 
Cfftms:  150:  apolectus,  tritoneus,  vgl.  Rhode 
8  ff. 

2)  So  bereits,  wie  es  scheint,  bei  Colum. 
VIII  17, 12.  Isid.or.XII6,38.  Ed.  Diocl.5, 12. 
Auson.  epigr.  123  (82  Peiper).  6.  Corp.  Gloss.  VII 
232  unter  sardina,  die  dort  in  der  Regel 
durch  i)ot~/nnri,  ihnooa,  xor/Laz  übersetzt  wird. 
Vgl.  Rhode  10. 

8)  Plin. IX  49;  vgl. XXXII 151.  Plaut. Capt. 
851.  Colum. VIII  17.12. 

4)  Dabei-  die  häufigen  Anspielungen  dar- 
auf, dai  die  Werke  der  Dichter  vom  Krämer 
zum  Einwickeln  der  »eombri  benutzt  werden. 
Catull.  95,8.  Pers.  1,43.  Mart.  III  50,9;  IV 
86,8. 

5)  Pers.  5. 134:  mperdam  advehe  Ponto; 
das.  Schol.  Archestr.  b.  Ath.  III  117  A.  Festus 
324, 5  sagt  sogar :  saperda  genus  pessimi  piscis ; 


vgl.  325  b,  7.    Luc.  hist.  conscr.  56.    Athen.  II 
118B  und  VII  308  C  identifiziert  sie  mit  dem 
coracinus,  s.  oben  S.  181. 

6)  Plaut.  Poen.  241  ff.  Athen.  III  121  C  u. s. 

7)  Zahlreiche  Rezepte  bei  Apic.  158;  431  ff.; 
457 ff.;  vgl.  Köhler  a.  a.  0.  383.  Rhode  59 f. 
Ein  besonderes  Gericht,  bei  dem  Käse  mit 
Fischkonserven  zur  Verwendung  kam,  war 
die  patina  ti/rota rieht,  Cic.  ad  fam.  IX  16.  7 
u.  9;  ad  Att.  IV8a,  1;    XIV  16,  1.    Apic.  137. 

s)  Kaviar  scheint  den  Römern  nicht  be- 
kannt gewesen  zu  sein;  erwähnt  wird  er  im 
Altertum  überhaupt  nur  einmal,  von  Diphilos 
bei  Ath.  III  121 C;  vgl.  Marquardt  442.  Man 
verstand  sich  damals  wohl  noch  nicht  auf 
das  Einsalzen  desselben,  und  frisch  verträgt 
er  den  langen  Transport  nicht. 

9)  Vgl.  z.  B.  Plaut,  bei  Non.  120,  3.  Plin. 
XXVII 136.  Sen.nat.qu.  III  17,2. 

,0)  Vgl.  Daremberg-Saglio  II  1459. 

n)  So  wird  die  Prozedur  Geop.  XX  46  be- 
schrieben, wobei  allerlei  Fischsorten  als  Mate- 
rial angegeben  werden;  ebd.  86  wird  als  bestes 
das  ausThunfisch  bereitete  ai^iänov  bezeichnet, 
Plin.  XXXI  95:  Vitium  huius  (gari)  est  alle», 
atque  inperfecta  nee  eolata  faex. 

lv)  Plin.  ebd.  93:  hoc  olim  conficiebatur 
ex  pisce,  quem  Graeci  garon  vocabant,  capite 
eius  usto  suffitu  extrahi  seeundas  monstran- 
tes. 


Fünfter  Abschnitt.    Die  Nahrung. 


187 


von  Thunfischen,  mul/i,  maenae  u.  dgl.  dazu  ganz  gewöhnlich1);  das  meiste 
(jtiniiii  aber,  resp.  die  speziell  so  benannte  Sauce  wurde  aus  den  Ein- 
geweiden und  andern  Abfällen  vom  scomber  bereitet2).  Es  führte  auch  die 
Bezeichnung  liquamen  3),  obschon  dieser  Name  vielfach  auch  einem  andern 
und  anscheinend  geringern  Fabrikate  beigelegt  wird4).  Hergestellt  wurde 
das  garum  in  verschiedenen  Qualitäten,  von  denen  die  beste  sogar  recht 
teuer  war5).  Die  renommiertesten  Bezugsquellen  für  das  gar  um  waren 
Spanien.  Mauretanien,  Pompeji6),  Thurii,  Leptis,  Klazomenae7);  am  ge- 
schätztesten aber  war  das  aus  den  Fabriken  von  Xeukarthago  und  Carteia 
kommende,  das  unter  dem  Namen  garum  sociorum  in  den  Handel  kam8). 
Besonders  benannte  Sorten  garum  wurden  durch  Vermischung  mit  andern 
Flüssigkeiten  hergestellt:  durch  Zusatz  von  Wasser  das  hydrogarum9),  von 
Ol  das  elaeogarum  10),  von  Essig  das  oxygarum  n),  von  Wein  das  oenogarum1*). 
Etwas  anderes  war  die  mit  dem  Namen  mit  via  (griechisch  älfir])  be- 
zeichnete Flüssigkeit13).  Im  allgemeinen  bedeutet  muri«  freilich  eine  aus 
Wasser  und  Salz  angemachte  Salzlake14),  die  man  bei  allerlei  Speisen, 
Fleisch,  Fischen.  Gemüsen,  Oliven,  Käse  u.  dgl.  zusetzte15);  im  speziellen 
aber  ist  die  murin  eine  Fischlake,   sowohl  aus  andern  Fischen  bereitet16), 


')  R.  Geop.  a.  a.  0.  Diosc.  II 45.  Isid.  or. 
XX  3.  19.  Cael.  Aur.  de  morb.  chron.  II  1,  40. 
Manil.  Astr.V667ff. 

2)  Plin.  a.  a.  0. 94.  Mart.  XTII40 :  Hesperius 
\  scombri  liquor;    ebd.  120:    expirantis   odhuc 

Scombri  de  sanguine  primo.  Schol.  Pers.  1,43. 
Auch  auf  Inschriften  garum  scombri,  meist 
in  Abkürzung  geschrieben  (G.  SC.  F.  =  Ga- 
rum scombri  flos),  s.  Marquardt  440.  Sonst 
öfters  nur  G.F.  —  Garum  factum,  auf  Am- 
phoren, s.  CILIV2570ff.  mitZANGEMEiSTER  ebd. 
p  172;  auch  mit  Angabe  der  officiua,  Not.  d. 
seavi  1895.211.  Mon.  d  Line.  VII  422:  478. 

3)  Colum.VI2.  7.  Veget  mulom.V67,4; 
Isid.  a  a.  0.  20  Geop  a.a.O.  1:  hxovduer. 
Corp.  Gloss.  VI  649  (daher  Hquaminarius  yaoo- 
möb^,  ebd.  III 470, 48).  Ed.  Diocl.  3,6.  In  den 
Rezepten  des  Apicius  erscheint  liquamen  als 
eine  überaus  häufige  Zutat.  Auf  Inschriften 
von  Amphoren  u.dgl.  Versandgefäßen  kommt 
liquamen  oft  vor,  s.  CIL  IV  2586  ff  ;  Uq(uamen) 
f<  los)  e.rc{el/ens)  scom(bri)  ebd.  2588 :  liq(uamen) 
8com{bri)  excel(lens) , ebd.  III  12010.48.  Nach- 
baue s.  Eph.  epigr.  I  n.  1820°.;  ebd.  189  g{arum) 
sociorum.  Mau  R.  M.  IV  (1889)  21  ff.;  XIII 
(1898)30.  Sogliano  Not.  d.  seavi  1888,571. 

4)  Nach  Isid  a.  a.  0.  aus  kleinen  Fisch- 
cheu,  nach  Cael.  Aur.  de  morb.  chron.  II  1,  40 
aus  silurus;  dasjenige  liquamen,  das  nach 
Vopisc.  Aurel.  9, 6  den  Soldaten  geliefert  wurde, 
(rar  jedenfalls  eine  geringe  Sorte. 

5)  Nach  Plin.  IX  94  kosteten  zwei  Congii 
(6  V«  Liter)  1000  Sesterzen.  Das  Ed.  Diocl. 
a  a  0.  unterscheidet  liquamen  primum  und 
seeundum  (die  Preisangaben  sind  nicht  er- 
halten). Eine  besondere  Art  war  das  für  die 
Juden  bereitete  garum  castimoniale,  Plin.  a.a.O. 
'••1  (Pallad  III  25, 12  hat  ein  liquamen  de  piris 
castimoniale);  mit  dieser  Bezeichnung  auch  in- 


schriftlich, Marquardt  440  A.8. 

6)  Hier  sind  auch  Tonkrüge  gefunden  wor- 
den, die  garum  enthalten  hatten,  CIL  IV 2574  ff. 

7)  Plin.  IX  94. 

8)  Plin.  a.  a.  0.  und  IX  66.  Hör.  sat.  118,46: 
garo  de  sucia  pistis  Iberi.  Mart.  X1I1  102.  Sen. 
epist.  95,25.  Manil.  Astr.V  671  ff.  Auson.  epist. 
21  (25Peip.).  Auch  inschriftlich  kommt  das  ga- 
rum sociorum  vor.  Ephem.  epigr.  I  163  n.  189. 

9)  Lampr.  Heliog.  29,  5  (vgl.  hierzu  Mar- 
quardt 442  A.  5).   Apic.45;48. 

,0)  Apic.  157  u.  159  (nach  der  Emendation 
von  Schuch);  auch  yogikaiov  Hes.  8.  yaQikov. 

»)  Mart.  III  50,  4.    Apic.  33:  35;  353  u.  s. 

,2)  Apic.  32 ;  329 ;  379 ;  etwas  derartiges  sind 
wohl  die  mia&a  Walemagaro bei Mart.YII 27, 8 
und  Plin. XXXI 95 :  garum  ml colorem  mulsi  ><- 
teris  adeoque  suavitatem  düufum,  ut  hihi  possit. 

13)  Doch  kommt  es  vor,  daß  muria  mit 
garum  identisch  ist,  wie  bei  Auson.  a.  a.  0., 
der  unter  Bezugnahme  auf  ihm  übersandtes 
garum  von  Barcelona,  das  er  muria  nennt, 
schreibt:  scisautem  me  i<l  mimen  murin,',  quod 

in    KSK    rulgi  est,   nee  solere   nee  pOSSi  <ii<-ere. 

cum  seientissimi  peterum  et  Graeca  voeabula 

fastidientes  Latinum  in  </uri  u ppelJaiinne  mm 
habebant.  Vgl.  Pottier  bei  D.-S.  III  2046. 

14)  Fest.  158b,  28.  Isid.  or.  XX  3. 20. 

,5)  Cator.r.7.4;  ebd. 88. 2.  Colum.XII7. 
2;  55,4  Plaut. Poem 241.  Quint. VIII 2.3.  Geis. 
II 24:  IV  16  (9);  ebd.  22  (15).  Sogar  dem  Weine 
setzte  man  solche  muria  zu,  Cato  105.  Colum. 
XII  25.  Dieselbe  Bedeutung  hat  muria  wohl 
meistens  auch  da,  wo  Plinius  sie  als  Konser- 
vierungsflüssigkeit empfiehlt.  z.B.  XIV  119: 
XV 21:  XIX  74  u.s. 

";l  Murin  dt  menis,  Plin.  XXVI  33:  XXVII 
127;  XXXII  88;  die  muria  vom  scomber  be- 
zeichnet Mart.  XIII 103  als  minderwertig. 


188 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


als  ganz  besonders  vom  Thunfisch1).  Die  besten  Sorten  kamen  aus  Anti- 
polis  (in  Grallia  Narbonensis) 2),  ferner  aus  Byzanz3),  Thurii  und  Dalmatien4). 
In  welcher  Weise  sich  ihre  Bereitung  von  der  des  garum  unterschied,  läßt 
sich  nicht  erkennen5). 

Eine  dritte  Art  Marinade  hieß  allec  oder  allex6).  Angeblich  wäre  auch 
dies  der  Name  eines  kleinen,  zu  Marinaden  verarbeiteten  Fisches  gewesen7), 
für  gewöhnlich  aber  bedeutet  es  das  Residuum,  das  sich  bei  der  Herstellung 
des  garum  und  der  muria  ergab 8),  ein  jedenfalls  billiges  Fabrikat,  das  Arme 
und  Sklaven  zu  ihrer  Zukost  benutzten9).  Aber  nicht  nur  ging  der  Name 
auf  eine  im  Hause  selbstbereitete  Fischmarinade  über10),  sondern  es  wurde 
auch  allec  in  guter  Qualität  aus  besseren  Fischsorten  als  besonderes  Fabrikat 
hergestellt11),  ja  sogar  aus  Austern  und  andern  Schaltieren12). 

Sodann  wurden  zahlreiche  Weichtiere  verzehrt;  neben  den  auch  heut 
noch  in  Italien,  namentlich  bei  den  untern  Volksklassen,  beliebten  Tinten- 
fischen, die  als  lolligo,  sepia  und  polypus  unterschieden13),  als  Speise  nur 
selten  erwähnt  werden14),  beanspruchen  den  ersten  Platz  die  Austern, 
ostreae10),  eine  schon  zur  Zeit  der  Republik  hochgeschätzte  Delikatesse16),  die 
den  beliebtesten  Leckerbissen  der  Tafel  zur  Seite  gestellt  wird17).  Besonders 
begehrt  waren  die  Austern  der  Bucht  von  Baiae18),  vom  Lukriner  und 
Averner  See19)  und  von  Circei20);  vom  adriatischen  Meer  besonders  die  von 
Brundisium  und  Tarent21).    Doch  auch  von  entfernteren  Meeren  bezog  man 


qua 


])  Mart.IV88,5:  AntipoUtani  nee  quae  de 
mnqwine thynni \ testa ruhet;  X 48, 12 ;  XIII 103. 
'  *)  Mart.  a.a.O.  Plin. XXXI  94. 

3)  Hör.  sat.  II  4,  65 :  muria  . 
zantia  putuit  orca. 

4)  Plin.  a.a.O. 

5)  Die  Verse  des  Manil.  Astr.V667ff.,  in 
denen  er  Fang  und  Verarbeitung  der  Thun- 
fische beschreibt,  lassen  zwar  rdoiyog,  garum, 
ullex  und  muria  unterscheiden  (s.  Marquardt 
441  A.  6),  aber  nicht  die  Art  der  Zubereitung 
erkennen. 

6)  Vgl.  Marx  bei  P.-W.  I  1584. 

7)  Isid.  or.XH  6,39;  öfters  auch  im  Corp. 
Gloss.,  z.  B.  IV  205,  37 ;  V  520, 2 ;  560, 36 ;  vgl. 
VI  51.  Bei  Colum.V18,2;  VIII  15,6;  17,12 
ist  halecula  ein  kleiner  Fisch. 

8)  Plin  XXXI  95. 

9)  Bei  Cato  r.r.  58  bekommen  die  Sklaven 
zum  pulmentarium  Oel,  und  wenn  keins  vor- 
handen ist,  hallec  und  Essig.  Bei  Mart.  111 
77, 5  und  XI  27, 5  ist  allec  ärmliche  Nahrung. 

10)  Plin.  a.  a.  0.:  coepit  tarnen  et  privatim 
ex  inutili  pisciculo  minimoque  confici,  und 
zwar  nennt  er  als  solche  Fische  apuae,  Sar- 
dellen, und  einen  Fisch,  den  man  in  Forum 
Iulii  lupus  nannte. 

*')  Plin.  ebd.:  transiit  deinde  in  luxuriam, 
creveruntque  genera  ad  infinitum.  Allec  aus 
der  Leber  des  mullus  erwähnt  Plin.  IX  66. 
Bessere  Sorte  ist  jedenfalls  dem  Zusammen- 
hang nach  bei  Hör.  sat.  II 4,  73  und  ebd.  8,  9 
gemeint.  Die  Inschrift  eines  in  Pompeji  ge- 
fundenen urceus  nennt  hallex  optuma,   Mau 


B.  d.  1. 1877, 169.  Auch  bei  Apic.  262  u.  ö.  wird 
man  an  bessere  Sorte  denken  müssen. 

u)  Plin.  a.  a.  O  :  sie  allex  pervenit  ad 
ostreas,  echinos,  Urticas  maris,  mullorum  io 
cinera,  innumerisque  generibus  ad  sapore, 
gulae  coepit  sal  tabescere. 

13)  So  hält  sie  Plin.  IX  83  auseinander, 
Ov.  hal.  19,  32  u.  132,  Cels.  II  28;  ebenso  Api- 
cius.  s. folgende  Anm.  Vgl.  Cic.ad  Att.  IX  16,8. 

14)  Plaut.  Cas.  493:  emito  sepiolas,  lo- 
padas,  loliguncuJas;  ders.  Rud.  659.  Ennius 
bei  Apul.  apol.  39  empfiehlt  Polypen  von  Kor- 
kyra.  Apic.  38;  41 8  ff. 

16)  Vgl.  Marx  bei  P.-W.  II  2589  ff. 

I6j  Lucilius,  Turpilius,  Afranius  bei  Non. 
216,  4  ff.  Plin.  XXXII  59:  nee  potest  videri 
satis  dictum  esse  de  iis,  cum  palma  mensarum 
diu  iam,  tribuatur  Ulis.  Vgl.  Hör.  sat.  II  2,  21. 
Sen.ep.77,16;  108,15,  und  das  Loblied,  das 
Auson.  epist.  9  (5  Peiper)  der  Auster  singt 
Auf  die  mit  dem  Austerngenuß  verbundene 
Gefahr  weist  nur  Sen.  ep.  95, 25  hin. 

17)  Mart.  III 46, 6;  VII  78,  3;  1X14,3;  XII 
17,4;  vgl.  das  certamen  boleti  et  ficedulae  et 
ostreae  et  turdi,  Suet.  Tib.  42. 

18)  Mart.  X  37, 11.  luv.  11, 49.  Auson.  ep.7 
(15Peip.),l;  9  (5  Peip.),  30. 

la)  Hör.  epod.  2,  49.  Plin.  IX  168;  XXXII 
61.  Sen.ep.  78,23.  Mart.  III  60,3;  V  37,3;  VI 
11,5;  XIII  82;  ebd.  90, 2.  luv.  8, 85. 

*°)  Hör.  sat.  II 4,  33.  Plin.  XXXII  60.  luv. 
4,140. 

21)  Plin. a.a.O.  61.  Varro  bei  Gell.  VI  (VII) 
16,5. 


Fünfter  Abschnitt.    Die  Nahrung. 


189 


Austern,  vom  Hellespont.  besonders  Abydus l),  aus  der  Propontis,  vom  Bosporus 
und  Pontus2),  selbst  aus  Britannien,  Spanien  u.  s.  wurden  sie  geholt3),  zumal 
man  sich  darauf  verstand,  sie  so  zu  behandeln  (vermutlich  durch  Kon- 
servierung in  Meerwasser),  daß  sie  selbst  auf  bedeutende  Entfernungen 
noch  frisch  ankamen4).  Aber  man  trieb  auch  Austernzucht:  der  schon 
mehrfach  erwähnte  Sergius  Orata  war  der  erste,  der  ums  Jahr  100  v.Chr. 
einen  Austernpark  {ostrearum  vivarium)  im  Lukriner  See  anlegte5);  da 
das  ein  einträgliches  Geschäft  war,  fand  es  vielfach  Nachahmung").  Ge- 
nossen wurden  sie  sowohl  frisch  und  roh7),  als  gekocht,  gebacken  oder 
sonst  in  verschiedenartiger  Zubereitung  und  mit  andern  Seetieren  zu- 
sammen 8). 

Außer  den  Austern  wurden  aber  noch  zahlreiche  andere  Arten  von 
Muscheln,  conchae,  verzehrt9),  von  denen  wir  einige  anführen:  die  mituli, 
unsere  Miesmuschel10),  murices,  Purpurschnecken,  besonders  von  Baiae11),. 
pectines  (pectunculi),  Kammuscheln l2),  pelorides,  Gien-  oder  Riesenmuscheln 13), 
wphondyli,  Lazarusklappen u),  und  veneriae,  Venusmuscheln ' 5).  Verhältnismäßig 
selten  werden  Krebse  erwähnt,  vornehmlich  die  squilla,  womit  man  in  der 
Regel  einen  großen  Seekrebs,  Languste  oder  Hummer,  bezeichnet,  der  eine 
geschätzte  Delikatesse  war16);  doch  scheint  auch  eine  Sorte  kleiner  See- 
krebse diesen  Namen  geführt  zu  haben17).     Eine   bescheidene  und   billige 


')  Catull.  frg.  1  (bei  Terent.  Maur.  2734). 
Ennius  bei  Apul.  apol.  39.  Verg.  Geo.  I  207. 
Auson.  ep.  9  (5Peip.),29;  vgl.  Ath.IlI  92D. 

2)  Plin.  IX  52.  Lucan.  IX  959.  Priap.75. 
13.  Auson.  a.a.O.  38. 

3)  Man   vgl.  besonders   das  Verzeichnis 
\nach   Qualitäten,   das   Plin.  XXXII  62   nach 

Mucianus  gibt,  und  die  von  Auson.  a.  a.  0. 1 9  ff. 
aufgezählten  Sorten  von  den  gallischen  Küsten. 

4)  Ath.I7D.  Das  erklärt  es  auch,  daß 
sich  an  den  Plätzen  römischer  Ausgrabungen 
oft  grolle  Mengen  von  Austernschalen  finden, 
s.  Schaafhaüsen  Rhein.  Jahrb.  XC  (1891)  211. 
Fröhlich  Anz.f.schweiz.Aitert.N.F.VIII(1906) 
196.  Im  Ed.  Diocl.  5, 6  ist  das  Hundert  zu  100 
Penaren  angesetzt. 

■')  Plin.IX  168.  Val.Max.IX  1.1  (vgl.Cic. 
frg.  bei  Non.  a.  a.  O.).  Macr.  III 15, 3. 

6)  Colum.VIlI16,7.  Auson. a  a  0;auch 
aufs  Mästen  der  Austern  und  Versetzen  be- 
sonders geschätzter  Sorten  in  die  Austernparks 
verstand  man  sich,  Plin.IX  169;  XXXII  61. 
Sid.  Apoll,  ep.  VIII 12, 1. 

7)  Sen.  ep.  78, 23.  luv.  6,  302.  Macr.  III 13, 
12;  geschätzt  waren  besonders  die  cirri,  d.h. 
der  heut  meist  verschmähte  Bart,  Mart.  VII 
20.7. 

8)  Das  sind  die  patinae  ostrearum,  Macr. 
a.a.O.  Apic.  423;  eine  solche  aus  allerlei 
Zutaten  beschreibt  Sen.  ep.  95,  26  u  28. 

9)  Auch  die  Auster  wird  zu  den  conchae 
gezählt  und  so  bezeichnet  (Mart.V  37.3;  XIII 
82,  l);  daneben  werden  conchae  auch  von 
ihnen  unterschieden,  wie  Plaut.  Rud.  297  (s. 
ebd.  304) ;  und  die  vtles  conchae  bei  Hör.  sat.  II 


4,  28  sind  vielleicht,  wie  die  concha  brevis 
Mart.  X  37, 10,  Miesmuscheln,  wie  Becker-Göll 
337  vermutet. 

10)  Hör.  sat.  II  4, 28.  Mart.  III  60,4.  Apic. 
430.  Ath.  III  85  E:  man  hielt  sie  auch  in  den 
Piscinen,  Colum.VIIl  16,7.  Vgl.  Schneider  im 
Index  ad  Scr.  r.  r.  252. 

»)  Hör.  a.  a.  O.  32;  Mart.  XIII  87  iden- 
tifiziert die  Speisemuschel  direkt  mit  der  den 
Farbstoff  liefernden;  Ennius  bei  Apul.  apol.  39 
nennt  purpurn,  »turiruli,  murex  nebeneinan- 
der, ebenso  Macr.  III  13. 12  murices  und  pur- 
purne. Cels.  II  28. 

,2)  Varr.b.Gell.VI(VIl)16,5.  Petron  70,6. 
Colum.  a.  a.  O.;  Ennius  a.  a.  0.  rühmt  die  von 
Mytilene,  Hör.  sat.  II  4,  34  die  tarentinischen. 
Vgl.  Ath.  III  86C  Schneider  a.  a.  0.  281. 

u)  Varr.  1  1.V77.  Hör.  a.a.O.:  Lucriua 
pdorti.  Plin. XXXII 147.  Macr.  a.a.O.  Mart. 
VI  11.5  und  X  37,  9  bezeichnet  sie  als  fad 
und  stellt  ihnen  die  Austern  gegenüber;  vgl. 
auch  Cels.  II  29. 

,4)  In  dem  schon  oft  zitierten  Menü  bei 
Macr.  a.a.O  Plin.  XXXII 151.  Sen  ep.  95,  26 
u.28.  Colum.VIIl  16,  7.  Mart.  VII  20. 14.  Ed. 
Diocl.  5, 10.  Rezepte  Apic.  42;  444. 

15)  Plin.IX  103.  Sen.  ep.  95, 26. 

>•)  Lucil.  bei  Cic.de  fin.  II  8,  24  (bei  Cic. 
ad  fam.IX  10.2  ist  ingentium  sqtUUarum  un- 
sicher). Plin  XXXII  1*51.  Mart  XIII  83  luv. 
5,80;  vgl  Götte  bei  Friedländer  z.  d.  St.  Re- 
zepte Apic.  39  u.  163. 

17)  Die  ftqaillae  bei  Hör.  sat.  II 4, 58  und 
8, 42  scheinen  solche  kleine  Krebse  gewesen 


190 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


Speise  waren  die  cammari,  wahrscheinlich  Krabben  oder  Garnelen1);  die 
locusta  gilt  für  den  Heuschreckenkrebs2). 

Von  andern  Seetieren  sind  noch  zu  nennen  der  balanus,  die  Meer- 
eichel3), die  urtica  marina,  Seenessel4),  und  vor  allem  der  sehr  beliebte, 
den  Austern  gleichgeschätzte  echinus,  der  Seeigel5),  der  auch  mariniert  als 
Konserve  in  den  Handel  kam6).  Endlich  wurden  Schnecken,  Cochleae,  und 
zwar  sowohl  Land- wie  Wasserschnecken7),  gern  gegessen,  obschon  sie  für 
schwer  verdaulich  galten8);  man  züchtete  sie  in  eignen  cochlearia0)  und 
bezog  fremde  Sorten  aus  Afrika,  Illyrien,  von  den  Balearen  u.  s.10).  Von 
einzelnen  Arten  wird  besonders  die  lepas  (oder  lopas),  Napfschnecke,  ge- 
rühmt11). 

Wir  haben  sodann  eine  Anzahl  animalischer  und  vegetabilischer  Er- 
zeugnisse zu  nennen,  die  teils  an  sich  zur  Speise  dienten,  teils  bei  der 
Speisenbereitung  in  Betracht  kamen.  Da  spielten  zunächst  eine  wichtige 
Rolle  die  Eier,  und  zwar  wesentlich,  wie  bei  uns,  die  Hühnereier,  ova 
gallinacea12);  sie  wurden  beim  Frühstück13)  und  namentlich  zu  Anfang  der 
Hauptmahlzeit  gegessen14),  waren  aber  auch  sonst,  zumal  als  Beilage  zu 
Fischen,  Salaten  u.dgl.,  beliebt15),  und  zwar  hart  wie  weich  gekocht10),  und 
ebenso  in  rohem  Zustande lT).  Für  die  Konservierung  der  Eier  hatte  man  ver- 
schiedene Methoden18).  —  Käse19),  der  ebenso  an  sich  als  Speise  gegessen, 
wie  bei  andern  als  Zutat  verwendet  wurde20),  wurde  vornehmlich  aus  Kuh-, 


')  Plin.  XXXII  147.  Mart.  II  43,  12.  luv. 
5,  84  und  das.  Götte.  Apic.  a.  a.  0.  Daß  sie 
wenig  Weit  hatten,  zeigt,  daß  sie  als  Futter 
für  Geflügel  verwendet  wurden,  Varr.  r.  r.  III 
11,3.  Colum.  VIII  15,6. 

*)  Plin.  IX  95.  Cels  II 28;  III 6.  Apic.  163; 
490 ff.;  bei  Petron. 35, 4  locusta  marina. 

3)  Plaut.  Rud.  297;  im  Menü  bei  Macrob. 
a.  a.  0.  figurieren  balani  albi  und  nigri  (die 
man  besser  mit  Becker-Göll  III 338  als  Meer- 
eicheln faßt,  als  mit  Friedländer  Sittengesch. 
III  30  als  Marronen).  Plin.  XXXII  145.  Ath. 
III  87  F;  sie  wurden  auch  in  den  Piscinen 
gehalten,  Colum. VIII  16,7. 

4)  Plaut,  a.  a.  0.  Macr.  a.  a.  0.  Plin.  IX  146. 

5)  Plaut,  a.  a.  0.  Enn.  bei  Apul.  apol.  39. 
Varr.l.l.V77;  ders.  bei  Non.  216, 3.  Hor.sat. 
II 4,  33  lobt  die  von  Misenum,  ders.  ep.  II 8. 52. 
Plin.  IX  100.  Plin.  ep.  I  15,  3.  Mart.  XIII  86. 
luv.  4, 143.  Cels.  II  29.  Apic.  425 ff.  Vgl.  Del- 
brück bei  P.-W.  V  1921. 

6)  Das  Ed.Diocl.5,7ff.  unterscheidet  drei 
Arten:  rohe,  im  Hundert  verkauft,  purgati, 
d  h.  von  der  Schale  befreite,  nach  dem  Sex- 
tarius  verkauft,  und  salsi,  ebenfalls  nach  dem 
Sextarius.  Vorschriften  zur  Marinierung  Pallad. 
1116;  XIII  6,1;  vgl.  Apic.  128. 

')  Plin.  XXX  45. 

8)  Ath.  II  63  A.  Plin.  a.  a.  0. 44.  Mart.  IV 
46,11:  XIII  53,2;  XIV  121.  Cels.  II  20;  Zube- 
reitung Apic.  326  ff.  Das  Ed.Diocl.6,46f.  ver- 
zeichnet zwei  Qualitäten. 

9)  Vorschriften  über  Anlage  von  solchen 
bei  Varr.  III  12,2ff;  14,2ff.;  es  kam  das  nach 


Plin.  IX  173  f.  bald  nach    den    Bürgerkriegen 
auf.  Vgl  Schaafhausen  Rhein.  Jahrb.  XC  208. 

10)  Varro  und  Plin.  a.  a.  0.  geben  als  beste / 
Sorten  an:  große  weiße  von  Reate,  sehr  große/ 
aus  Illyrien,  mittelgroße  aus  Afrika;  Plin. 
XXX  45  bezeichnet  die  afrikanischen  als  die 
besten  (so  auch  Hör.  sat.  II  4,  58),  dann  die 
von  Astypalaea,  Sizilien,  Capri  u.  s.  Cochleae 
germanae  nennt  Veget.  mulom.  II  28  (I  56), 
17;  VI  (IV)  8,2. 

!')  Plaut.  Rud.  297;  Capt.493.  Plin.  XXXII 
149.  Ath.  III  85  E;  91 E. 

12)  Die  Pfaueneier  bei  Petron.  33,4  sind 
zwar  ein  kulinarischer  Scherz,  doch  geht  dar- 
aus hervor,  daß  auch  solche  gegessen  wurden. 
Die  Taubeneier  bei  Hör.  sat.  II  4, 56  und  Cels. 
VI  18, 7  sind  nicht  als  Speise  erwähnt. 

)3)  Plin.ep.  I  15,2.  Apul.met.  IX  33. 

14)  Hör.  sat.  I  3,  6  mit  Porphyrio.  Varr.  r.  r. 
12,11.  Cic.adfam.IX20,l. 

15)  Hor.sat.  112.45;  ep.  II  2, 163.  Mart.  I 
55, 12;  11158,50;  V78,5u.ö.  Iuv.5,84. 

16)  Ova  dura,  ova  niollia,  ova  assa  u.dgl., 
vgl.  Cels.  II  18:  ebd.  24  und  30;  Spiegeleier 
Mart.  XIII 40. 

17)  Ova cruda, Colum. VI 4,2;  sorbilia Cels.  II 
20.  Das  Weißei  heißt  album,  das  Dotter  vüettus, 
Hör.  sat.  II 4, 57.  Mart  XIII  40, 1.  Cels.  VI  6.1. 

18)  Varro  III 9, 12.  Colum.  VIII  6,1.  Pallad. 
I  27, 1 ;  transportiert  wurden  sie  in  Heu,  Mart. 
11147,14.  luv.  11,  70. 

13)  Vgl.  Cougny  bei  D.-S.  I  931  ff. 

20)  Plaut.  Capt.  851.  Cat.  r.  r.  75  ff.  Mart.  III 
58,50.  Apul.met.  14. 


Fünfter  Abschnitt.    Die  Nahrung. 


191 


Schaf-  und  Ziegenmilch  bereitet1);  Ziegenkäse  wurde  vielfach  geräuchert 
(caseus  fumosus) 2).  Sehr  guter  Käse  wurde  in  der  Umgegend  von  Rom 
bereitet,  ferner  in  den  Apenninen,  in  Umbrien,  Etrurien,  Ligurien3); 
anderer  kam  aus  Gallien4),  Dalmatien  und  selbst  dem  fernen  Bithynien, 
doch  galt  Alpenkäse  von  Gallia  Narbonensis,  der  caseus  Vatusieus,  für  den 
besten5).  Dagegen  war  Butter,  butyrum*),  den  Völkern  des  Südens  nur 
als  ein  innerlich  oder  äußerlich  zu  gebrauchendes  Heilmittel  bekannt,  das 
nur  Barbaren,  besonders  Germanen,  als  Speise  genossen7).  Zum  Kochen 
nahm  man  anstatt  der  Butter,  wie  heut  noch  im  Süden  gebräuchlich, 
Olivenöl8);  in  vorzüglicher  Qualität  wurde  solches  an  verschiedenen  Orten 
Italiens  produziert,  das  beste  in  Venafrum9),  ferner  im  Sabinerlande10),  in 
Casinum11),  Picenum1*);  außerhalb  Italiens  lieferten  besonders  Istrien  und 
Hispania  Baetica13)  treffliches  Ol.  Beim  Öl  selbst  unterschied  man  vor- 
nehmlich das  als  das  beste  geltende  oleum  viride  aus  unreifen  Oliven  und 
oleum  cibarium  oder  ordinarium  aus  reifen  Oliven14):  von  beiden  Arten  gab 
es  dann  wieder  Abstufungen,  indem  der  erste  Abfluß  der  beste  war15).  —  Wie 
statt  der  Butter  des  Öles,  so  bediente  man  sich  beim  Kochen,  Backen, 
Einlegen  von  Früchten  u.  dgl.  statt  des  Zuckers16)  des  Honigs17).  Auch 
den  Römern  galt,  wie  den  Griechen,  der  attische  Honig  vom  Hymettus 
und  der  sizilische  von  Hybla  für  den  besten  und  wurde  exportiert18);  vom 


»)  Varr.r.r.  II  11.3.  Plin.  XI  237  ff.,  der 
I  auch  Käse  von  Kamel-,  Pferde-  und  Eselmilch 
'  anführt,  vgl.  ebd.  241.  Ueber  ihre  Herstellung 
Colum.VlI8, 1.  Pallad.  VI  9,1.  Plin.  a.  a.  O. 
239.  Natürlich  wird  auch  frischer  oder  Weich- 
käs(i  von  eingesalzenem  Dauerkäse  unter- 
schieden, Ed.  Diocl.  6. 96:  caseus  recens;  5, 11 : 
caseus  siccus.  Ueber  Konservierung  vgl.  Colum. 
VHS;  XII  43.  Plin.  XXIV  148. 

*)  Plin.  a.  a.  O.  241.  Mart.  XIII  32.  Ath. 
IUI  13 E.  Digg.VIII5,8,5. 

3)  Plin.  a.  a.  0. 240f.,  wo  besonders  Sas- 
sina, Luna,  Vestini  als  Fabrikationsorte  guten 
Käses  hervorgehoben  werden ;  Käse  von  Luna 
»uch  Mart.  XIII  30;  von  Sassina  ebd.  143,  7; 
III  58,35,  wonach  diese  Käse  die  Form  einer 
Spitzsäule  hatten. 

4)  Plin.  a.a.O.  nennt  Nemausus,  Mart.  XII 
32, 18  Tolosa;  Colum  XII 59. 3  caseus  Galliens. 

6)  Plin.  a  a.  0.  Mart.  XIII  31.  Galen.  VI 
697  K. 

6)  Vgl.  Hehn  Kulturpfl.  und  Haust.  153  ff. 
Olck  bei  P.-W.III  1089 ff. 

7)  Plin.  XXVIII 133 :  e  lade  fit  et  butyrum, 
Jtarbararum  gentium  lautissimus  cibus  et  qiii 
divites  a  plebe  discernat.  Er  fügt  hinzu,  daß 
man  sie  meistens  aus  Kuhmilch  bereitet,  die 
fetteste  aus  Schaf-  und  Ziegenmilch.  Vgl.  XI 
239;  ebd.  284.  Ed.  Diocl. 4, 50.  Ueber  die  medi- 
zinische Anwendung  vgl.  auch  Marquardt  328 
A.2. 

8)  Ueber  die  in  Italien  um  die  Zeit  der 
Tarquinier  eingeführte  Kultur  der  Oliven  und 
deren  Verbreitung  nach  Spanien  und  Gallien 
s.  Plin.  XV  1  ff. ;  Hehn  a.  a.  0.  101  ff.  Besnier 
bei  D.-S.  IV  162  ff.  mit  der  Bibliographie  ebd. 


171.    Ueber   die   Herstellung   des   Oels  vgl. 
Blümner  Technologie  I  328  ff. 

9)  Plin.  XV  8.  Varr.12,6.  Hör.  carm.II  6, 
16;  sat. II 4, 69;  8,45.  Mart. XII  63,1:  XIII  101. 
luv.  5,86.  Ueber  den  Oelbau  in  Italien  vgl. 
Nissen  Ital.  Landeskunde  I  454. 

I0)  Galen.  XII  513.  Strab.V228.  Pallad. 
IV  9, 8 

n)  Varr.  bei  Macr.  III  16,12. 

'»)  Plin.  XV  16.  Mart.143,8;  IV  46,  12; 
XIII30u.ö. 

>3)  Plin.  XV  8;  XVII  31  u.  93.  Mart  VII 
28, 3;  XII 63, 1.  Pallad.VIIl  9.  Vgl. CIL II 1481 ; 
VI  1935:  mercator  o/ei  Rispani  ex  provincia 
Baetica;  ebd.  1625b;  29722. 

»)  Cator.r.65.  Colum.  XII  52,  2:  ebd.  21. 
Pallad.  XI  10. 

15)  Plin.  XV  5  u.  23.  Das  Ed.  Diocl.  3, 1  ff. 
unterscheidet  olei  flos  als  beste  Sorte,  dann 
oleumsequeiis  und  cibarium ;  s. Blümner  z. d. St. 

10)  Zuckerrohr,  saccharum,  kannten  die 
Alten  als  arabische  und  indische  Pflanze,  aber 
nur  im  medizinischen  Gebrauch,  s.  Diosc.  II 
104.  Plin.  XII 32.  Isid.  XVII  7,58. 

17)  Ueber  Bienenzucht  und  Honiggewin- 
nung bei  den  Römern  vgl.  Magerstedt  Bilder 
a.  d.  röm.  Landwirtschaft,  Heft  VI,  Sonders- 
hausen 1863.  Olck  bei  P.-W.  III 431  ff;  450 ff. 
Lafaye  bei  D.-S.  III  1701  ff. 

18)  Zahlreiche  Dichterstellen  erwähnen  bei- 
de: daß  das  nicht  bloß  poetische  Anspielungen 
sind,  sondern  daß  man  auch  beide  Sorten  nach 
Italien  bezog,  bezeugen  andere  Stellen,  z.  B. 
Varro  III  16,14;  Hör.  carm.  II  6, 14:  sat.  II  2. 15. 
Plin.  XI 32.  Mart  IX  26,4;  XI  42,3:  XIII  34.1; 
108,1.  Galen.  XIV  77 K  u.a. 


192 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


italischen  wurde  der  kalabrische  gerühmt1),  während  der  von  Korsika  und 
Sardinien  als  bitter  nicht  geschätzt  wurde 2).  —  Essig  bereitete  man  aus 
allerlei  Früchten  und  Pflanzen,  wie  Äpfeln,  Birnen,  Feigen,  Betonien  usw.3), 
den  meisten  jedoch  aus  minderwertigem  oder  umgeschlagenem  Wein4);  als 
trefflich  galt  der  scharfe  ägyptische5). 

Endlich  das  Salz6),  der  einzige  mineralische  Nahrungsstoff,  wurde 
entweder  in  Salzbergwerken  {saüfodinae)  als  sal  nativus  gewonnen7)  oder 
als  Meersalz,  sal  facticius,  aus  dem  Meerwasser  oder  salzigen  Seen  und 
Quellen8);  an  zahlreichen  Orten  Italiens  wurde  solches  Kochsalz  pro- 
duziert9). Ein  besonderes  Präparat,  das  auch  käuflich  zu  haben  war,  war 
das  mit  allerlei  Ingredienzien  gewürzte  sal  conditum,  das  als  appetitreizend 
galt10). 

Die  Herstellung  der  Speisen  lag  in  der  älteren  einfacheren  Zeit  in  den 
Händen  der  Sklavinnen,  und  auf  dem  Lande  mag  das  auch  später  noch 
vielfach  so  geblieben  sein.  Hatte  man  Gäste  zu  bewirten,  so  mietete  man 
einen  Koch11),  denn  die  römische  Hausfrau  scheint  sich  um  die  Küche  nicht 
sehr  bekümmert  zu  haben12).  Mit  dem  Eindringen  des  Tafelluxus,  besonders 
vom  Orient  her,  fing  der  coquus  eine  wichtige  Rolle  im  Haushalt  zu  spielen 
an  13),  und  gute  Köche  wurden  sehr  teuer  bezahlt14).  Im  bescheidenen  Haus- 
halt begnügte  man  sich  mit  einem  einzigen  Koch15),  der  dann  wohl  auch 
noch,  wie  in  alter  Zeit,  das  Brotbacken  mit  besorgte10);  aber  in  größeren 


J)  Hor.carm.III16,33. 

2)  Plin.XXI83;XXX28.  Mart.IX26.4; 
XI 42,  4.  Hör.  a.  p  375.  Das  Ed.  Diocl.  3, 10  f. 
verzeichnet  mel  optimum  und  secundum. 

3)  Plin  XIV 103;  XXV84.  Colum.  XII 17, 1. 
Pallad.  III  25. 11 ;  ebd.  19.  Vgl.  Saglio  bei  D.-S. 
123.  Stadler  bei  P.-W.  VI  689  ff. 

4)  Cato  104,2.  Colum.  XII  5.  Plin.  XXIII 
54  ff. 

5)  Cic.  bei  Non.  240,  40.  Mart.  XIII  122. 
luv.  13,85.  Ath.UI67C. 

6)  Vgl.  Baumstark  bei  PaulyVI694.  Hehn 
Das  Salz,  Berlin  1873.  M.  J.  Schleiden  Das 
Salz,  Leipzig  1875. 

7)  Plin.  XXXI  77.  Isid  or.  XVI  3, 2;  vor- 
nehmlich waren  Salzbergwerke  in  Kappodokien, 
Arabien,    Aegypten,  Kyrenaika,  Plin.  a.  a.  O. 

8)  In  salinae,  die  in  Latium  (bei  Ostia) 
schon  bis  in  die  Königszeit  zurückgingen, 
Liv.  133, 9.  Ueber  die  Methoden  der  Gewin- 
nung (durch  Verdunstenlassen  oder  durch  Ab- 
kochung, vel  cogendo  vel  coquendo)  vgl.  Plin. 
a.a.O.  73  ff. 

9)  Siehe  die  Zusammenstellung  bei  Nissen 
Ital.  Landeskunde  I  107  ff.  Das  feinste  und 
weißeste  lieferte  Tarent,  Plin.  a.a.  O.  84  ff. 

"')  Plin. XXXI  87;  Rezept  bei  Apic.  29; 
im  Ed.  Diocl.  3, 9  nach  dem  gewöhnlichen  Salz 
angeführt. 

n)  Plin.  XVIII 108:  nee  cocos  vero  habe- 
bant  hi  servitiis  eoeque  ex  macello  conduce- 
bant.  So  auch  bei  Plaut.  Pseud.  165 ff.;  Mercat. 
578;  Pseud.  168;  Aul  280,  wo  es  freilich  auch 
griechische  Sitte  sein  kann,  es  ist  daher  auch 


unsicher,  ob  das  forum  coquinum  Plaut.  Pseud. 
790  nur  Uebersetzung  aus  dem  Griechischen 
oder  eine  andere  Bezeichnung  für  das  ma-j 
cellum  ist.  wie  Richter  Topogr.  v.  Rom  310/ 
und  Jordan  Topogr.  v.  Rom  1 2. 434  annehmen ; 
nach  Ter.  Eun.  255  f.  standen  die  coqui  auf  dem 
macellum.  Bei  Plaut.  Aul.  324  ist  der  eocus 
nundinalis  nach  Fest.  317  b,  1  ein  geringerer 
Koch,  doch  ist  es  nicht  klar,  woher  die  Be- 
zeichnung kommt.  Mietspreise  bei  Plaut.  Aul. 
448;  Mercat.  776.  Nach  ebd.  781  brachte  der 
Koch  auch  sein  Kochgeschirr  mit. 

12)  Nach  Plut.  qu.Rom.85  p.284F  wären 
die  Frauen  schon  nach  dem  Raub  der  Sabi- 
nerinnen vom  Mahlen  und  Kochen  (uaysigsüeiv) 
von  ihren  Männern  dispensiert  worden. 

13)  Liv.  XXXIX  6, 9:  epulae  quoque  ipsae 
et  cura  et  sumptu  maiore  adparari  coeptae. 
tum  coquus,  vilissimum  antiquis  maneipium 
et  aestimatione  et  usu,  in  pretio  esse  et,  quod 
Ministerium  fuerat,  ars  haberi  coepta.  Man 
hatte  also  früher  schon  einen  Sklaven  als 
coquus,  sein  Amt  war  aber  unwichtig.  Vgl. 
Pottier  bei  D.-S.  I  1502. 

")  Sali.  lug.  85, 39. 

,5)  Auf  Inschr.  kommt  der  cocus  oft  vor, 
vgl.  CIL  VI  6246 ff.;  8753 ff.;  9263 ff.;  33838; 
XII  4468.  Der  Koch  Cylindros  in  Plaut.  Me-  j 
naechm.  ist  wohl  nach  dem  griechischen  Muster 
gezeichnet;  über  dieses  vgl.  E.  M.  Rankin  The  | 
role  of  the  fidysiooi  in  the  life  of  the  anc.  I 
Greeks,  Chicago  1907. 

16)  Festus  58, 14 :  coquum  et  pistorem  apud 
antiquos  eundem  fuisse  aeeepimus. 


Fünfter  Abschnitt.    Die  Nahrung. 


193 


Haushalten  gab  es  eine  Menge  Köche1),  an  deren  Spitze  ein  Oberkoch 
stand,  nach  griechischem  Brauch  archimagirns  genannt2)  oder  praepositus 
cocorum3).  Unter  ihm  stand  in  großen  Häusern,  zumal  am  Kaiserhofe,  ein 
Heer  von  niederen  Angestellten:  die  servi  fornacarii,  die  das  Holz  für  Herd 
und  Backofen  herbeizuschaffen  hatten4),  die  obsonatores,  die  die  Eßwaren 
auf  dem  Markte  einkauften6),  die  Küchengehilfen  K)  und  Unterköche,  wohl 
auch  die  verschiedenen  Kuchenbäcker,  wie  die  dulriarü1),  lactarii*),  libarii9), 
erustularii10),  placentarii  u.  a.  m.11). 

Die  Vorräte,  aus  denen  die  Speisen  bereitet  wurden,  standen,  soweit 
solche  nicht  täglich  neu  und  frisch  beschafft  werden  mußten,  wie  Fleisch, 
Fische,  Gemüse,  Obst  u.  dgl.,  in  großen  Haushalten  unter  der  Aufsicht  dafür 
bestimmter  Sklaven.  So  hatten  die  servi  a  frumento  die  Getreidevorräte 
unter  sich12),  die  a  trink  die  Weinvorräte13);  im  allgemeinen  sorgte  der 
mUarius  dafür,  der  die  cella  prompt  uaria  oder  penaria  verwaltete14). 

Die  Berufsarten,  die  den  Haushaltungen  die  Nahrungsmittel  lieferten, 
waren  teils  Produzenten,  teils  Händler.  Das  Schlachtvieh,  Ochsen,  Schweine, 
Lämmer  und  Ziegen,  bezogen  die  Fleischer  teils  von  den  Gutsbesitzern15), 
teils  von  Viehhändlern,  die  von  auswärts  es  einführten,  den  mercatores  oder 
negotiatores  pecuarii16)  oder  boarii11),  die  ihre  Ware  in  Rom  auf  dem  campus 
pecuariusls)  oder  dem  forum  boarium  am  Tiber19)  zum  Verkauf  brachten, 
ferner    den    negotiatores    porcinarii20)    oder    suarii21).      Die    Schlächter **)j 


J)  Sen.  ep.  1 14, 26 :  adspice  culinas  nostras 
et  concursantis  inter  tot  ignes  coquos.  Beson- 
ders im  kaiserlichen  Haushalt  war  die  Zahl 
der  Köche  groß;  sie  bildeten  sogar  unter  sich 
ein  collegium  cocorum,  CIL  VI  7458,  und  Kol- 
legien von  Berufsköchen  kommen  schon  in  frü- 
\  her  Zeit  vor,  s.  CIL  XI  3078  (Büchelek  Carm. 
epigr.  2) :  XIV  2875.  Ein  scriba  cocorum  VI  9262. 

2)  luv.  9, 109.  Sid.Ap.  ep.II9,6.  CIL  VI 
7458;  8750  f. 

3)  CIL  VI  8752;  auchsMpracocos,ebd.9261. 

4)  Digg.  IX  2, 27, 9 ;  servus  focarius,  an- 
cüla  focurta,  ebd.  IV  9, 1,  5 ;  XXXIII  7. 12,  5. 

5)  Plaut,  m.  gl.  667.  Sen.  ep.  47, 8.  Spart. 
Hadr.17,4.  CIL  VI  8945  f. 

6)  Das  sind  wohl  die  coctores  bei  Petron. 
95,8;  vielleicht  auch  die  culinarü  Scrib.  Larg. 
230. 

7)  Lampr.  Heliog.  27,  3.  Treb.  Poll.  Claud. 
14,11.  Apul.met.X13.  Corp.  Gloss.  II  263.31 ; 
408,34  u.ö.  CIL  VI  9374;  33854. 

8)  Lampr.  a.  a.  O.;  dagegen  ist  Corp.  Gloss. 
II  261,11  der  lactarius  ein  Milchhändler,  vgl. 
ebd.  585, 30. 

9J  Sen.  ep.  56,2,  allerdings  nicht  Sklave, 

sondern  Verkäufer.    CIL  IV  1768. 
io\  gen  a  a  o 

»)  Corp.  Gloss.' VII 94.  Paul.sent.  III  6,72; 
panchrestarii,  Arnob.  adv.  gent.  II  38;  scri- 
bUtarii,  Afran.  b.  Non.  131.  25;  vgl.  Blümner 
Technologie  I  96. 

12)  CIL  VI  8850ff.;  8926;  9423ff. 

,3)  Ebd.  9091  f. 

14)  Disg.  XXXIII  7. 12,  9.  CIL  VI  8745 f.; 
9243ff.;XIV17;  2864.10;  vgl.  oben  S.  163  f. 

Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft.    IV. 


15)  Varr.r.r.II5,ll;  1112,11.  Colum.VII 
3,13. 

16)  CIL  1 1130  (noch  aus  republikanischer 
Zeit);  VI  1770;  XIV  2878.  Cod  Theod.XIV4; 
sie  handelten  besonders  mit  dem  Kleinvieh, 
daher  CIL  VI  33887  ein  mercator  celeberrimnx 
siitiriae  et  pecuariae.  Sonst  sind  pecuarii  dte 
Pächter  der  öffentlichen  Weideplätze  in  den 
Provinzen,  Vai  r  r.  r.  II 4, 3.  Cic.  pro  Deiot.  9. 27. 
Liv. X23,13;  47,4;  auf  den  Inschriften  meist 
die  Aufseher  über  die  Viehherden  bei  den 
Heeren,  s.  Marqüardt  467  A.  1. 

17)  CIL  VI  1039 ;  emnegotiatoriuvenc(arins) 
X  5585,  vgl.  Gatti  Not.  d  scavi  1902,54. 

18)  CIL  VI  9660;  auch  in  der  Notit.  region., 
Anhang  5,  6  erwähnt,  s.  Jordan  Topogr.  II 216. 

1 9)  Jordan  1 2, 474  ff.  Richter  Topogr.  1 84  ff. 
Vermutlich  ist  der  campus  boarius  CIL  VI 
9226.    Not.  d.  scavi  1902,  54  damit  identisch. 

20)  Plaut.  Capt.  905  Cod  Theod.  a.  a.  O.; 
mercator  porcarius  CIL  III  14370. 

21)  Plin.VII54;  XXI 10.  CIL  V  2128;  VI 
1156;  1690;  IX  1506;  2128.  Cod  Theod. a.a.O. 
Symm.  ep.  X  14  (34)  unterscheidet:  hie  Janatt 
pecoris  invector  est,  ille  ad  victum  populi 
cogit  armentum,  hos  suillae  carnis  tenet  fioictio. 
Das  forum  ntarium  wird  öfters  erwähnt, 
Digg.  1 12. 11.  Not.  dign  Occ.4, 10.  CILVI 1156; 
3728  (-  31046);  9631;  vgl  Hülsen  Bull.com. 
XXIII  (1895)48;  über  seine  Lage  s.  Jordan- 
Hülsen  Topogr.  1 3. 452  f.  Richter  Topogr.  264. 
Darstellung  eines  Schweine  austreibenden  sti- 
arius  auf  einem  Grabcippus  aus  Bologna  s. 
Brizio  Not.  d.  scavi  1898,  479  Fig.  3. 

22)  Vgl.  Baudrillart  bei  D.-S.  III  921  ff. 

2,2.    3.  Aufl.  13 


194 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


lanii1),  laniones2),  auch  confectorarii3),  finden  sich  unter  den  alten  Zünften 
des  Numa  so  wenig  wie  die  Bäcker,  da  man  in  alter  Zeit  ebenso  zu  Hause 
mahlte  und  buk,  wie  man  wenigstens  Kleinvieh  selbst  aufzog  und  schlachtete4); 
später  erscheinen  sie  als  mißachtetes  Gewerbe,  obschon  es  damals  schon 
einträglich  war6).  In  der  Kaiserzeit  aber  finden  wir  sie  als  geachtete  Kor- 
porationen, die  allerlei  Vorrechte  genossen,  zumal  diejenigen,  die  das  Fleisch 
für  die  öffentlichen  Verteilungen  zu  beschaffen  hatten6).  Sie  hatten  ihre 
Schlachthäuser  und  Verkaufsläden7),  laniaria*),  lanienae9),  wo  sie  ihre  Ware 
ausstellten10);  noch  bis  ans  Ende  des  1.  Jahrhunderts  n.Chr.  engten  sie 
oft  die  Straßen  mit  ihren  Fleischbänken  ein11).  Bis  zum  5.  Jahrhundert 
der  Stadt  lagen  die  Tabernen  der  Fleischer  am  Forum,  damals  traten  dann 
an  ihre  Stelle  die  Wechslerbuden 12).  Die  Fleischerläden  waren  später  überall 
in  der  Stadt  verstreut,  besonders  beim  Velabrum  13),  bei  der  Basilica  Sem- 
pronia14)  und  bei  der  Piscina  publica15).  Doch  schickten  die  Fleischer  auch 
ihre  Gehilfen  mit  den  Fleisch  waren  in  der  Stadt  herum16).  Sodann  aber 
hatten  die  Fleischer  auch  ihre  Verkaufsplätze  auf  dem  allgemeinen  Markte, 
dem  macellum11);  die  dort  stationierten  macellarii18)  hielten  Fleisch  feil19), 
namentlich  Wildbret  und  Geflügel20),  sowie  Fische  und  andere  Viktualien21), 
weshalb  sie  den  Luxusgesetzen  unterstanden 22).    Doch  gab  es  auch  Spezial- 


J)  Ter.  Eun.  257.  Varr.  r.  r.  II 4,  8:  5,  11. 
Mart.  II 48, 1 ;  VII 61 , 9  u.  s.  Corp.  Gloss.  VI  623. 
Oftinschrif'tl.,CILVI167ff.;5000;9499(I1011); 
33870;  XII  4482;  XIV2877;  vgl.  Mommsen 
A.Z.  XXVII  (1869)  70. 

2)  Petron.  39,  10.  Digg.  I  2,  2,  24.  Corp. 
Gloss.  a.  a.  0.  CIL  IV  373 :  VIII  9332 ;  X  6493 ; 
XIII 941. 

3)  CIL  VI  1690:  9278:  vgl.Corp.Gloss.il 
477,48:  confectorium  yoiQoa(payeiov. 

,  4)  Varr.  r.  r.  II  4,  3:  patres  nostros  dicere 
ignavum  et  sumptuosum  esse,  qui  succidiam 
in  carnario  suspenderit  potius  ab  lanario 
quam  e  domestico  fundo. 

5)  Cic.  de  off.  I  42, 150.  Liv.  XXII 25, 18  f. ; 
es  geht  daraus  hervor,  daß  man  zwei  Arten 
von  Schlächtern  unterschied:  solche,  die  nur 
schlachteten  und  (wohl  en  gros)  verkauften, 
und  solche,  die  selbst  (als  institores)  das 
Fleisch  feilhielten. 

6)  Vgl.  Baudrillart  a.  a.  0.  923. 

7)  Siehe  die  Darstellung  eines  Metzger- 
ladens in  dem  Relief  bei  Jahn  BSGW  1861, 
352  Taf.XIIIl:  Schweineschlachten  auf  dem 
Relief  eines  Bogens  in  Reims,  Baudrillart 
a.a.O.  Fig.  4336.  Laden  eines  Schweinemetzgers 
auf  einem  Grabrelief  in  Dresden,  Arch.  Anzeig. 
1889, 102. 

8)  Varr.r.  r.  II  4,3;  auch  laniatorium,  Corp. 
Gloss.  VI  622 :  die  Schlachtbank  mensa  la- 
nionia,  Suet.  Claud.  15. 

9)  Plaut.  Epid.  199.  Liv.  XLIV  16, 10.  Tert. 
de  an.  33.  Corp.  Gloss.  V  31, 5;  80,6. 

,0)  Phaedr.  III  4, 1 ;  auch  das  ersterwähnte 
Relief  zeigt  die  Auslage. 

»')  Mart.  VII  61,9,  auf  Domitians  Verbot 


dieser  Tabernen  bezüglich. 

»»)  Varr  b.  Non.  532, 14:  für  die  frühere 
Zeit  Liv.  III  48,5:  IX  40,16.  Vgl.  Ritschi 
Opusc.  II  385  ff.  Urlichs  Rh.  Mus.  XII  (1857) 
215  ff.  Jordan  Topogr.  I  2,  379  f.  Richter  To/ 
pogr.  85. 

13)  Plaut.  Cure.  483. 

14)  Liv.  XLIV  16, 10. 

15)  Daher  die  lanii  piscinenses  genannt 
CIL  VI  167 ff.;  nach  Jordan  Topogr.  II  106 
identisch  mit  den  lanii  extra  Portam  (sc 
Capenam)  bei  Plaut.  Pseud.  326  ff.  Vgl.  ebd.  1 
3, 185. 

16)  Mart.  VI  64,  19:  quod  cum  pantieibuf 
laxis  et  cum  pede  grandi  \  et  rubro  pulmoni 
vetus  nasisque  timendum  j  omnia  crudelis  la- 
nius  per  compita  portat. 

17)  Plaut.  Aul.  373  ff.  Ter.  Eun.  255  ff. ;  vgl 
Thedenat  bei  D.-S.  III 1457 ff. 

1S)  Varr.  r.  r.  III  2, 11;  4, 2.  Suet.  Caes.  26 
Vespas.  19.  CIL  VI  9532  ;  XII 1593. 

1U)  Daher  erklären  die  Glossen  V  306,  'i 
laniones  durch  macellarii,  vgl.  ebd.  II  364,  5 
IV 104,  30 ;  V  462, 42,  sowie  die  Erklärungei 
von  macellarius  VI  665. 

20)  Varr.  a.  a.  O.  Auf  dem  Relief  aus  Villi 
Albani  Jahn  a.a  O.  Taf.  XIII  2  sind  Schweine 
Hasen  und  Geflügel  zum  Verkauf  aufge 
hängt. 

*>)  Plaut.  Aul.  373.  Varr.  1.1. V  147  Fest 
125,8.  Senep.  95,42.  Mart.  XIII 85.  luv  5,95 
als  Ort,  wo  man  allerlei  Leckerbissen  ersteht 
erscheint  das  macellum  Sen.  de  benef.  VII  19,3 
ep.77,17;  96,5.  Mart. X  37,19;  59,3;  96,9 
luv.  6, 40;  11, 10  u.  64. 

")  Suet.  Caes.  43 ;  Tib.  34. 


Fünfter  Abschnitt.    Die  Nahrung. 


195 


geschäfte  für  Schinken  u.  dgl.1),  sowie  besondere  Gefiügelhändler2).  Delika- 
tessen aller  Art,  zumal  fremden  Imports,  führten  die  auf  dem  forum  cup- 
pedinis'6)  feilhaltenden  cuppedinarii*).  Für  Fische,  die  die  /iis<-otoresb)  oder 
piscicapi1'')  lieferten,  gab  es  auch  einen  besondern  Markt,  das  forum 
//israrium1),  das  in  Rom  beim  Tiber  lag8);  hier  brachten  die  Fischer  ihren 
fang  zum  Verkauf,  während  die  Fischhändler9)  auf  dem  forum  pisca- 
torium10).  das  nördlich  vom  Forum  lag11),  ihre  Verkaufsplätze  hatten.  Ein 
besonderes  Gewerbe  bildeten  die  cetaril12),  die  auf  den  Thunfischfang  aus- 
gingen13) und  die  Fische  in  ihren  Itäucheranstalten  dörrten  und  marinierten 
oder  zu  Fischsaucen  verarbeiteten14);  ihre  Fabrikate  verkauften  die  saha- 
mentarii  (siehe  oben  S.  185),  liquaminarii16)  oder  muriarü19). 

Von  andern  Berufen  sind  zu  nennen  die  Gemüsehändler;  das  waren 
teils  die  Produzenten  selbst,  die  Besitzer  von  Küchengärten,  koHtores11),  die 
ihre  Waren  nach  dem  zwischen  Kapitol  und  Tiber  belegenen  forum  holi- 
fortum18)  brachten,  teils  die  Händler,  die  sie  von  den  Gärtnern  erstanden 
und  Kleinhandel  damit  trieben,  die  holerarii  oder  holeratores19),  dann  die 
Verkäufer   von   Hülsenfrüchten,   die   ler/uminaril20),    bei    denen    es    wieder 


')  EhiperHariusClL VI 31120 (vgl.Berlin. 
Skulpturen  64  n.  143);  ein  lardarius  ebd.  XII 
4483  (Brambach  Inscr.  Rhen.  363).  Ein  Laden- 
schild eines  pernarius  mit  fünf  Schinken  s. 
oben  S.  61  Fig.  22. 

2)  Ein  negotium  pullarius  CIL  VI  9674; 
der  anatiarius  ebd.  9143  gehört  vielleicht  auch 
hierher,  vgl.  Dessau  7498  a.  Hingegen  sind 
die  aviarii  altiliarii  CIL  VI  9201  (vgl.  4230) 
nicht  Händler,  sondern  Sklaven,  die  die  Ge- 
flügelmast besorgen. 

3)  Varr.l.l.V146.  Fest.  48, 15.  Symm.ep. 
VIII 19 ;  vgl.  Jordan  Topogr.  1 2,433  A.4.  Rich- 
ter Topogr.  309  f. 

4)  Ter.  Eun.  256  und  das.  Donat.;  vgl.  Amin. 
Marc.  XXVI  7, 1:  cupediarium  vilium  merca- 
toris.  Ein  mercator  omnis  generis  mewium 
transmarinarum  CIL  VI  4680. 

5)  Plaut.  Rud.  987.  Ter.  Eun.  257.  Cic.de 
off.  III  14.58.  Sen.  ep.  55,  6.  Petron.  114.  10. 
Mart.IV30.2;  häufig  auf  Inschr.,  s.  CIL  II 
5929:  V  7850,  besonders  das  römische  colle- 
gium  {corpus)  piscatorum  et  urinatorum  ebd. 
VI  1872  (darnach  ergänzt  ebd.  1080);  9799: 
29700  ff.;  XIV  409;  VI  9801  ist  die  piscatrix 
de  harreis  Galbae  jedenfalls  eine  Händlerin, 
keine  Fischerin.  Vgl  Lafaye  bei  D.-S.  IV  489. 

6)  Nur  inschriftlich,  CIL  IV 826 ; VI 9799ff. 

7)  Plaut.  Cure. 474.  Varr.l.  1.  V  146. 

8)  Jordan  Topogr.  I  1.  504.  Richter  To- 
pogr. IUI. 

»)  InderInschr.CILXlV409  (vgl. II  •>!>:>!>) 
heißen  sie  piscatores  propolae;  vgl.  Athen. 
VI  224  C:   oi   e.v  '  Piöun    iyilro^öihu. 

,0)  Liv.  XL  51.  ö'.  Colum.VIII  17,15. 

1  >)  Liv.  XXVI  27. 2.  Jordan  I  2, 433.  Rich- 
ter 309  f. 

»)  Ter.  Eun.  257. 

'*)  Varro  b.  Non.  49, 14:  non  animadverti$ 
cetarios,  cum  videre  volunt  in  muri  thunnos, 


escendere  in  malum  alte,  idpenitus  per  aquum 
perspicerent  pisces?  Ueber  den  Thunfischfang 
s.  die  oben  S.  185  A.  8  zitierte  Schrift  von 
Rhode. 

14)  Colum.VIII  17,12:  salsamentoi-um  om- 
ninm  purgamenta,  quae  cetariorum  officinis 
everruntur.  Donat.  ad  Ter.  a.  a.  O.:  ceUÜrü,  qtti 
cete  i.  e.  magnos  pisces  venditant  et  bolonas 
exercent  (nach  Corp.  Gloss.V8, 14;  50,11  ist 
bohna  redemptor  cetariarum  tabemantm,  >>i 
quibu8  salsamenta  condnmtw,  quas  Utbernas 
vulgo  cetarias  vocant).  Daher  erklären  die 
Glossen  cetarii  ebensowohl  durch  piscatores 
wie  durch  liquaminarii  oder  salsauientarii, 
Corp.  Gloss.  VI  204.  Vgl.  die  ktdi  n-turii,  Fi- 
scherspiele, bei  Tac.ann.  XVI  21,  wie  die  pi- 
scatorii  Imii  in  Rom,  Fest  238b,  23. 

,5)  Corp.  Gloss.  III  470,48;  IV  32, 23. 

'«)  CIL  XIII  1966. 

,7)  Varr.l.l.VI20.  Cic.ad  fam.XVI  18,2. 
Colum.  X  229 ;  XI  1, 2  u.  a.  Daher  erklären  die 
Glossen  den  holitor  ebenso  als  horticola,  ole- 
rum  eultor,  wie  als  venditor  holerum,  /.ny<t.v<>- 
nmXris,  Corp.  Gloss.  VI  525.  Vgl.  CIL  VI  9458 
(I  1057). 

18)  Varr.  1. 1.  V 146.  Liv.  XXI 62. 2.  Tac.ann. 
II  49.  Corp.  Gloss.  III  306.  21 :  528,  52.  Vgl. 
Jordan  11.504;  3. 507 f.  Richter  192f. 

19)  Corp.  Gloss.  II  358, 60;  III  308,  36;  528, 
56;  auch  holerar ium  für  kaxarontolsZcv,  ebd. 
11358,59;  III  214,  40  u.  s.  Vgl.  Petron.  6,  4: 
anicula,  quae  agreste  ho/ns  vendebat. 

20)  Corp.  Gloss.  11388.20;  111308,61  als 
oaJtQiombb]?  erklärt;  vgl.  II  586, 30.  Eine  ne- 
aoHatrix  frumentaria  et  Ugumtnaria  CIL  VI 
9683;  es  wurden  also  Getreide  und  Hülsen- 
früchte im  selben  Geschäft  geführt.  Ein  La- 
den, in  dem  solche  verkauft  werden,  ist  auf 
dem  Relief  bei  Jahn  a.  a.  O.  Taf.  XIII  4  ab- 
gebildet. 

13* 


196 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


Detailgeschäfte  gab1).  Ebenso  trieben  den  Obsthandel  teils  die  Garten- 
besitzer selbst2),  teils  die  pomarii3).  Die  salgamarii  handelten  mit  allerlei 
Konserven4),  die  conditarii  vermutlich  mit  eingelegten  Früchten  oder  Ge- 
müsen5). Endlich  sind  hier  noch  zu  nennen  die  Ölhändler,  olearii6),  die 
Honighändler,  mellarii1),  und  die  Salzhändler,  salinatores 8)  oder  salarii9). 

Wir  gehen  über  zur  Besprechung  der  Getränke10).  Mehr  auf  dem 
Lande,  als  in  der  Stadt,  war  Milch  als  Getränk  üblich11).  Man  trank  vor- 
nehmlich Schafmilch  und  Ziegenmilch  12),  weniger  Kuhmilch,  die  der  Land- 
wirt lieber  zum  Aufziehen  der  Kälber  verwandte13).  Das  hauptsächlichste 
Getränk  der  Römer  aber,  und  zwar  der  reicheren  wie  der  ärmeren  Be- 
völkerung, war  der  Wein14).  Allerdings  scheint  das  noch  nicht  von  der 
ältesten  Zeit  zu  gelten.  Zwar  war  der  Weinbau  in  Kampanien  und  Sizilien 
sowie  in  Oberitalien  heimisch,  und  zwar  in  Niederlassungen,  die  älter  sind,  als 
die  hellenischen  Einflüsse lö);  aber  darauf,  aus  den  Trauben  Most  und  Wein  zu 
bereiten,  scheint  man  sich  anfänglich  noch  gar  nicht  oder  nur  in  sehr  unvoll- 


:)  Eine  negotiatio  fabaria  CIL  VI  18.  Hin- 
gegen sind  die  fabarii  auf  Inschr..  wie  CIL 
XII 4472  und  die  fabaria  ebd.  III  153.  wohl 
Sänger,  s.  Isid.  de  eccl.  oft.  XII  3.    Corp.  Gloss. 

V  599, 44;  614,26.  Die  lupinarii  aber.  Lampr. 
AI.  Sev.  33, 2.  CIL  IV  3423  (ebd.  3483  lupini- 
polus ;  vgl.  Dessau  7494a),  handeln  mit  Bohnen- 
brei, nicht  mit  rohen  Bohnen,  s.  Corp.  Gloss. 

III  196,61:  d-EQ(.ionoiXslov  (lupini  sind  ßti^/uoi). 
Daß  die  lentiarii  nicht  Linsenhändler  sind, 
sondern  /mfgam,bemerktMARQUARDT485  A.  8. 

2)  Varr.r.r.  12, 10;  solche  Obstniederlagen, 
pomaria  (vgl.  Corp.  Gloss.  VII  103)  lagen  an 
der  Sacra  via,  Ov.  a.  a.  II  266.  Priap.  21,  3. 

3)  Hör.  sat.  II  3,  227:  aber  bei  Lampr. 
Heliog.  27. 3  sind  es  Küchengehilfen,  die  das 
Obst  unter  sich  haben.  Oeftersinschriftl..  s.  CIL 

IV  149 ;  180  u.  ö. ;  VI  9821  ff  ;  X  3956.  Relief 
mit  Obstladen  Jahn  a.a.O.  Taf. XIII  5. 

4)  Colum.  XII 56, 1  erwähnt  die  eingelegten 
Rüben  der  salgamarii:  Corp.  Gloss.  II  393, 48 
wird  es  durch  jiavzojtwlrjg  erklärt;  III  307,  13 
durch  ahimoji(tAif]c,  sie  führten  also  eingesal- 
zene Sachen. 

5)  CIL  VI  9272. 

6)  Bei  diesen  gab  es  Großhändler,  mer- 
catores  oder  negotiatores  olearii,  CIL  III  2936; 

VI  1620;  1935;  9716ff;  1X5307.  und  solche, 
die  es  im  Detail  verkauften,  diffusores  olearii, 
ebd.  II  1481.  Olearii  auch  CIL  III  14302b;  X 
1934;  XII  4499;  vgl.  oben  S  191  A.  13.  Relief 
mit  Darstellung  einer  taberna  olearia  (auch 
olearium,  Corp.  Gloss.  II  294,  6  u.  9)  s.  Jahn 
a.  a.  O.  Taf.  XIII  3. 

')  Varr.r.r. III 16, 17  u.  30.  Corp. Gloss. III 
308,58:530.3.  CIL  VI  9618. 

8)  Salinator  ist  eigentlich  ein  Salinen- 
arbeiter ,  s.  Marquardt  469  A.  3 :  auch  ein 
Salinenpächter,  Cato  bei  Serv.  ad  Verg.  Aen.  IV 
244;  hingegen  Salzverkäufer  bei  Arnob.  II  38. 

9)  Mart.  I  41,  8;  IV  86. 9  (vgl.  Marquardt 
a.  a.  O.).  Corp.  Gloss.  II  592, 14:  salarius,  salis 
venditor.  CIL  V  6670;  X  557.3,20. 


,0)  Der  Artikel  potus  von  Baudrillart  bei 
D.-S.  IV  606  f.  ist  sehr  dürftig.  Zu  vgl.  ist 
noch  K.  B.  Hopmann  Die  Getränke  der  Gr.  u. 
Rom.  vom  hygien.  Standpunkte  (a.  d.  Deutsch. 
Arch.  f.  Gesch.  d.  Medizin  Bd. VI),  Graz  1883. 

")  Cic.desen.16,56.  Colum.  VII  2,  1.  Im 
allgemeinen  vgl. Baudrillart  bei  D.-S  III  883ff. 

")  Verg  Georg.lII308ff.  Nach  PlimXX VIII 
123  (der  sich  an  Diosc.  II  75  anschließt)  galt 
nächst  der  menschlichen  die  Ziegenmilch  für 
die  nahrhafteste,  die  Kamelmilch  für  die  süße- 
ste, die  Eselsmilch  für  die  wirksamste;  für  den  I 
Magen  am  zuträglichsten  ebenfalls  Ziegen-/ 
milch,  dann  Kuh-  und  Schafmilch.  Varro  be- 
zeichnet zwar  118,2  Pferdemilch  als  nahrhafter 
als  Eselsmilch,  ordnet  aber  ebd.  11,1:  ovillum, 
equinum,  asininum,  bubulum,  caprinum.  Das 
Ed  Diocl.  6.  95  führt  nur  lac  ovillum  auf. 

l8)  Nach  Verg.  ecl.  3,  30  und  Georg.  III  176 
war  -in  Italien  das  Melken  der  Kühe  alter 
Brauch,  den  aber  Vergil  widerrät:  nee  tibi 
fetae,  |  more  patrum,  nivea  inplebunt  mule- 
traria  vaccae,  \  sed  tota  in  dulcis  consument 
ubera  natos. 

u)  Außer  der  eingehenden  Behandlung 
bei  Becker-Göll  III  413ff.  und  Marquardt 
443  ff.  sind  hierüber  zu  vgl.  Rein  bei  Pauly  VI 
2630 ff.  Magerstedt  in  den  Bild.  a.  d.  röm. 
Landwirtschaft,  Heft  I.  Sondershausen  1858. 
Schneyder  Ueber  den  Wein-  und  Obstbau  der 
Römer,  Rastatt  1846.  Hessel  Die  Weinvered- 
lungsmethode des  Altertums,  Marburg  1856. 
Lamarre  De  vitibus  atque  vinis  apud  Ro- 
manos, Paris  1863.  G.  Lehmann  De  vini  apud 
Romanos  apparatucultuque,  Wernigerode  1872. 
KEPPELDieWeinlese  der  alten  Römer,  Schwein- 
furt 1874.  Hehn  Kulturpfl.  u.  Haustiere  65  ff. 
A.  Kohl  Ueber  italischen  Wein  mit  Bezug- 
nahme auf  Horatius,  Straubing  1884.  Aeltere 
Litteratur  bei  Pauly  2638  und  Becker-Göll 
414. 

la)  Vgl.  Helbig  Italiker  in  der  Poebene 
109  ff.  Nissen  Ital.  Landeskunde  I  451  ff. 


Fünfter  Abschnitt.    Die  Nahrung.  197 

kommener  Art  verstanden  zu  haben,  und  daß  in  Latium  der  Weingenuß  ur- 
sprünglich unbekannt  war,  dafür  liegen  verschiedene  deutliche  Anzeichen  vor, 
zumal  im  Kultus l).  Auch  als  der  Weinbau  sich  ausbreitete  und  damit  auch  das 
Weintrinken  allgemeiner  wurde,  galt  der  in  Latium  wachsende  für  gering2), 
was  freilich  auch  damit  zusammenhing,  daß  man  sich  auf  sorgfältige  Pflege 
der  Reben  und  richtige  Behandlung  des  Weines  noch  nicht  verstand.  Dieser 
herbe  Landwein  hieß  mit  einem  alten  Worte  temetum 3),  das  später  ver- 
allgemeinert wurde,  aber  früh  außer  Gebrauch  gekommen  zu  sein  scheint4). 
Erst  als  man  die  unteritalischen  und  namentlich  auch  die  griechischen 
Inselweine  kennen  lernte,  ließ  man  dem  Weinbau  größere  Pflege  angedeihen, 
zumal  man  bald  merkte,  daß  keine  Kultur  so  leicht  und  dabei  so  einträglich 
sich  erwies,  als  die  des  Weinstocks5).  Man  lernte  die  fremde  Behandlungs- 
weise  nachahmen  und  verbessern  und  führte  vielfach  auch  fremde  Reben 
ein6).  Dadurch  wurde  der  Weinbau  so  allgemein  und  die  Produktion  derart 
verbessert  und  gesteigert,  daß  der  italische  Wein  nicht  nur  zu  den  aller- 
besten gerechnet  wurde7),  sondern  daß  sogar  die  Produktion  den  Bedarf 
überstieg  und  italische  Weine  weit  nach  außerhalb  versandt  wurden8),  ja 
daß  sogar  Domitian  einmal  die  allerdings  nicht  zur  Ausführung  gelangende 
Verordnung  erließ,  es  dürften  in  Italien  keine  neuen  Weinpflanzungen  mehr 
angelegt  werden9).  Freilich  lieferten  auch  alle  Weinländer  der  alten  Welt 
damals  ihre  Weine  nach  Italien,  und  die  starke  Konkurrenz,  die  namentlich 
die  gallischen  Weine  den  einheimischen  machten,  wie  andrerseits  der  Wunsch, 
sich  Gallien  als  Absatzgebiet  für  die  eigne  Produktion  zu  erhalten,  hatte 
sogar  schon  im  Jahre  129  v.  Chr.  in  den  transalpinischen  Provinzen  zu 
einer  gesetzlichen  Beschränkung  des  Weinbaus  geführt10). 

Wir  werden  über  den  Weingenuß  bei  der  Tafel  anderwärts  (siehe  Abt.  II 
Abschn.  V)  handeln;  hier  ist  noch  von  den  vornehmsten  Arten  zu  sprechen. 
Dabei  sind  zu  unterscheiden  die  verschiedenen  Traubensorten  nach  ihrer 
Art  und  weiterhin  (was  aber  oft  damit  zusammenfällt)  nach  ihrer  Pro- 
venienz; ferner  nach  Farbe,  Alter  des  Weins  u.  dgl.  Als  beste  Trauben- 
sorten, sowohl  was  Reichtum  des  Ertrages  als  Wohlgeschmack  anlangt, 
galten  folgende11):   die  Aminea1*),   von   der   man   wiederum   verschiedene 


>)  So  die  Libation  mit  Milch,  Plin.XIV 
88;  anderes  s.  Helbig  a.  a  0.  71.    HEHN71f. 

*)  Man  vgl.  die  bekannte  Anekdote  vom 
Kineas,  dem  Gesandten  des  Pyrrhos,  Plin. 
XIV  12.  Ueber  den  noch  in  der  Kaiseizeit  ge- 
fürchteten vatikanischen  Wein  s.  unten  S.  200. 


•)  Plin.  XIV  20ff.;  XVII  152 ff. 

■>)  Plin.  XIV  8.  Colum.1118,5. 

8)  Luc.  navig.  13.  Air.  peripl.  mar.  Erythr. 
6,49.  Galen.  XIV  77  K. 

B)  Suet.  Dom.  7  u.  14.  Philostr.  V.  Apoll. 
VI  42;  V.soph.I21,6. 


Plaut.  Truc.  833;    Aul.  350.    Cato  bei  10)  Cic.  rep.  III  9,  16;  das  Verbot  bestand 

Plin.  XIV  90.    Pomponius,    Novius,    Afranius  bis  auf  Kaiser  Probus,  Vopisc.  Prob.  18, 8.  Vgl. 

bei  Fest.  364a,  30ff.  Varro  bei  Non.5. 11.  Cic.  !   über  dies  Gesetz  und  seine  Bedeutung  Mar- 

de  rep.  IV  6.  Hör.  ep.  II  2, 163.  luv.  15.  25.  quardt  446  f. 

*)  Gell.  X  23, 1  rechnet  es  zur  prisca  lin-  ")  Sie  werden  aufgezählt  und  besprochen 

gua;  vgl.  Donat.  ad  Ter.  Andr. 229.  Die  Glossen  vornehmlich  bei  Plin.  XIV  20 ff.   Colum.1112; 

erklären  es  durch  ohos  dp yatog,  jtakainc  oder  dazu  vgl.  Cato  6  ff.    Verg.  Geo.  II  89  ff.    Macr. 

allgemein  durch  vinum,s.  Corp.  Gloss.  VII  337.  |   Sat.III20,7.  Pallad.  1119.  Isid.or.XVII  5. 

5)  Vgl.  über  die  Kosten  und  Verzinsung  I          1S)  Auch  Amminea  geschrieben;  der  Name 

von  Weinland  Colum.  III  3.  2:    ebd.8ff..    und  wäre    nach   Philarg.  ad  Verg.  Geo.  II  97    der 


darnach  Marquardt  445;  es  ergibt  sich  dar- 
aus eine  Verzinsung  von  etwa  18°/o  des  An- 
lagekapitals. 


einer  thessalischen  Völkerschaft  gewesen,  die 
diese  Weinsorte  in  Italien  angepflanzt  haben 
sollte,   während    Servius   ebd.  das  Wort    auf 


198 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


Spezies  unterschied1),  die  Nomentana,  auch  rubella  genannt2),  die  Eugenea 
(„Gutedel")3),  Allobrogica4),  Apiana5),  Apicia6),  Lucana1). 

Von  der  großen  Menge  von  Weinsorten,  die  nach  den  Produktions- 
orten  benannt  waren  und  Ruf  genossen,  können  wir  hier  nur  eine  kleine 
Auswahl  anführen,  da  sonst  das  Register  zu  lang  würde8);  Plinius  kennt 
nicht  weniger  als  achtzig  Arten,  wovon  zwei  Drittel  allein  auf  Italien 
fallen  und  wobei  diejenigen  Weine,  die  außerhalb  Italiens  geschätzt  waren, 
aber  nicht  exportiert  wurden,  noch  gar  nicht  mitgezählt  sind9).  Wenn 
wir  uns  bei  unsrer  Aufzählung  im  wesentlichen  an  Plinius  halten,  so  ist 
dabei  freilich  auch  dessen  Bemerkung  zu  berücksichtigen,  daß  es  ein  festes 
Urteil  über  Vorzüge  beim  Wein  nicht  gibt,  da  darin  die  Mode  wechselt  und 
ein  jeder  seinen  eignen  Geschmack  hat10).  So  erwähnt  Plinius,  daß  Livia 
den  bei  Aquileia  wachsenden  Puciner  Wein  bevorzugte,  dem  sie  es  zu- 
schrieb, daß  sie  ein  so  hohes  Alter  erreicht  hatte11),  während  Augustus 
den  bei  Forum  Appii  wachsenden  Setiner  schätzte12),  aber  auch  für  den 
rätischen  Wein  aus  dem  Gebiet  von  Verona  Vorliebe  hatte13). 

Zur  Zeit  des  Horaz  stand  in  allererstem  Ansehn  der  in  Kampanien 
am  Sinus  Caietanus  wachsende  Caekuber,  der  zur  Zeit  des  Plinius  durch 
mangelhafte  Pflege  der  Reben,  besonders  aber  durch  den  von  Nero  in  jener 
Gegend  gezogenen  Kanal  seinen  Ruf  eingebüßt  hatte14).  Doch  blieb  der 
Name  bestehen  als  Bezeichnung  für  edle  alte  Weine15).  Erst  in  zweiter 
Linie  kam  der  von  Horaz  in  zahlreichen  Liedern  verherrlichte  Falefner16)\ 


min  kirn,  als  von  der  Farbe  des  Weines  ge- 
meint, zurückführt,  was  sicher  falsch  ist;  vgl. 
Olck  bei  P.-W.  1 1836  f.  Vgl.  Colum.  a.  a  0.  9 
u.  12 f.:  XII 47, 6.  Macr.a.a  0.  Pallad.  III  9,4; 
Ed.Diocl.2,4;  auch  inschriftlich  CIL  X  114,29 
und  auf  einer  Amphora  faecula  Aminea,  Mau 
E.M.  XIII  (1898)  80. 

')  Vornehmlich  nach  der  Größe  der  Beeren 
maiusculum  (auch  murgentinum  genannt,  Cato 
6,4.  Varro  I  25;  die  uva  maior  hieß  auch 
Scantiana,  Varr.  ebd.  Plin.  XIV  47)  und  mi- 
nusculum,  ferner  gemettae,  u.  a.  m.,  s.  Plin. 
XIV  21  u.41f.  Cato  7,1. 

-)  Colum.  III  2,  14  f.  Macr.  a.  a.  0.  Plin. 
23  u.48f,  s.  unten. 

3)  Cat.  6, 4.  Varro  a.  a.  0.  Colum.  a.  a.  0. 
16.  Plin.  25  f.  u.  46. 

4)  Colum.  a.a.O.  Plin. 26. 

5)  Colum.  a.  a.  0. 17;  XII  39, 3 ;  47. 6.  Plin. 
23f.  u.81.  Macr.  a.a.O.  Pallad. III  9,5. 

6)  Cat.  6, 4.  Varr.  I  25  u.  58.  Macr.  a.  a.  0. 

7)  Cat.  a.  a.  0.  und  7, 1.  Varr.  1 25.  Plin.  46 
u.  69.  Die  minderen  Sorten  führen  Colum.  III 
2, 19  ff.  Plin.  XIV  27  ff.  an. 

8)  Hauptquellen  sind  Plin.  XIV  59  ff.  Ath. 
126  C  ff.  Mart.  X I II 109  ff.;  Zusammenstellungen 
geben  Becker-Göll  434  ff.  Marquardt  449  ff. 

•)  Plin.  a.a.O.  87. 

10)  Plin. ebd . b^'.  gener a autem vinicdia aliis 
graiiora  esse  quis  dubitet,  aut  non  ex  eodem 
lacn  aliud  praestanttus  altero  germanitatem 
praecedere  sive  testa  slve  fortuito  eventu  ?  quam- 
i)l> rmn  de  pHndpatu  se  quisque  iudicem  statuet. 

")  Ebd.  60,  wonach  dies  nicht  weit  vom 


Timavus  wachsende  vinum  Pucinum  mit  dem 
Praetutianum  identisch  war,  s.  ebd.  67,  wo-, 
nach  letzterer  bei  Ankona  wuchs.  / 

12)  Ebd.  61;  die  späteren  Kaiser  folgten 
ihm  darin;  er  galt  für  besonders  Verdauung 
fördernd,  Plin.XXIlI  36.  Horaz  erwähnt  ihn 
nicht,  wohl  aber  öfters  Martial  und  Iuvenal; 
vgl.Strab.V234u.237.  Stat.silv.  II  6,90.  Im 
Ed.  Diocl.  2, 5  heißt  er  Saitum. 

13)  Suet.  Aug.  77.  Plin.  67;  doch  verstand 
man  unter  rätischem  Wein  die  zahlreichen 
Arten  von  Südtirol,  Veltlin  etc..  s.  Strab.  IV 
206.  Verg.  Geo.  II 96.  Colum.  III  2, 27;  speziell 
veronesischen  Mart.  XIV  100, 2. 

14)  Plin.XIV61.  Vitr.VlII3.12.  Strab.V 
231;233f.  Hör.  carm.  I  20.9;  37,5;  1114,25; 
11128,3;  epod.9,lu.  36;  sat.II8, 15. 

15)  So  wird  der  Caekuber  erwähnt  bei 
Diosc.  V  10.  Athen.  I  27  A.  Der  von  Mart.  II 
40, 5  und  III  26,  3  erwähnte  Caekuber  aus  dem 
Konsulatsjahr  des  Opimius  (121  v.Chr.)  wird 
allerdings  schwerlich  echter  gewesen  sein, 
da  nach  Plin.  XIV  94  alle  Weine  aus  jenem 
Jahr  nur  den  Namen  des  Konsuls,  nicht  den 
der  Sorte  trugen;  vgl.  sonst  Mart.  VI  27, 9;  X 
98,1;  XI  56,  11;  XII  17.6;  60,9;  sicher  ist 
es  dagegen  der  Fall  XIII  115,  woraus  hervor- 
geht, daß  der  Weinbau  dort,  namentlich  bei 
Amyklae  (Amynclae.  Plin.  61)  noch  nicht  aus- 
gestorben war.  Vgl.  auch  Colum.  III 18, 5.  Galen. 
VI  805  u.  809;  X  834. 

16)  Vgl.  Pauly  III  418.  C.  F.Weber  De 
agro  et  de  vino  Falerno,  Marburg  1855/56. 
Pierson  im  Rh.  M.  XV  (1860)  39  ff. 


Fünfter  Abschnitt.    Die  Nahrung. 


199 


er  wuchs  nördlich  vom  Volturnus  und  östlich  von  Sinuessa1),  und  zwar 
in  herber,  süßer  und  mittlerer  Qualität2);  der  Lage  nach  unterschied 
man  vinum  Caucinum,  Fanstianum 3)  und  Falernum  xax  Igoxr/v4).  Zur 
Zeit  des  Plinius  hatte  der  Falerner,  vornehmlich  durch  Schuld  der  Pro- 
duzenten und  Händler,  viel  von  seinem  Renommee  verloren6),  doch 
spielt  er  auch  bei  den  Dichtern  der  Kaiserzeit  noch  immer  eine  große 
Rolle6). 

Nach  diesen  kommen  in  der  Anführung  des  Plinius  als  Weine  dritter 
Güte  der  von  Alba,  süßer  wie  herber7),  der  Surrentiner8),  der  namentlich 
von  den  Ärzten  verordnet  wurde9);  dann  die  Nachbarn  des  Falerners:  der 
Massiker10),  der  Stataner11)  und  Cedener12),  der  Wein  von  der  Südseite  des 
Mons  Gaurus13),  aus  der  Nähe  von  Rom  der  Fundaner  und  anderer14),  der 
von  Velitrae15)  und  Privernum16),  während  der  herbe  Wein  von  Signia  mehr 
im  medizinischen  Gebrauch  war17). 


In    vierter    Reihe    steht   der    Mamertiner   Wein    der    Umgebung 


von 


Messana18)  und  der  von  Tauromenium 19).   Zur  Zeit  des  Plinius  kamen  einige 


!)  Plin.62.  Strab.V233. 

2)  Plin.  63:  tria  eins  genera:  amtenon, 
dulce,  tenue.  Galen.  XIV  20  u.  267;  X  839. 
Ath.  26  C  unterscheidet  nur  avox^QÖg  und  yXv- 

3)  So  heißt  diese  Sorte  in  den  meisten 
Erwähnungen,  angeblich  nach  dem  Beinamen 
des  Sulla,  s.  Makquardt  450  A.  1.  Bei  Plin. 
62  liest  Mayhoff  nach  dem  Cod.  Moneus 
Wuustinianum. 

4)  Plin.  a.a.O.  Ath.27C.  Ueber  die  Farbe, 
den  Geschmack,  das  Feuer,  ferner  über  die 
Dauer  der  Lagerung  usw.  handelt  ausführlich 
Weber  a.  a.  0.,  besonders  auf  Grund  der 
Dichterstellen. 

5)  Außer  Plin.  a.  a.  0.  vgl.  auch  Galen. 
XIV  77.   ' 

6)  Martial  erwähnt  ihn  sehr  häufig,  auch 
unter  den  ausgewählten  Weinen  seiner  Xenia 
XIII  111.  Ferner  Pers.  3,  3.  luv.  4, 138;  6, 303; 
ebd. 430; 9, 116;  13,216.  Auch Trimalchio setzt 
seinen  Gästen  alten  Falerner  vor,  Petron.  34,6. 
Im  Ed.  Diocl.2,  7,  wo  alle  aufgezählten  Wein- 
sorten (mit  Ausnahme  der  billigen  Landweine 
ohne  Namen)  gleiche  Preise  haben,  steht  der 
Falerner  an  letzter  Stelle. 

7)  Plin.  64;  oft  gerühmt,  Horcarm.IV  11, 
l;sat.II  4.72;  8,16.  Col um.  1118,5.  Mart.XIII 
109.  luv.  13,  214.  Vgl.  Galen.  VI  334;  X  485. 
Ath.26D. 

s)  Plin.XlV22;  34;  64;  XXIII  33;  35f. 
Mart,  XIII  110.  Stat.  silv.  II  2,4.  Ed.  Diocl. 
2,6. 

9)  Pers.  3, 93.  Diosc.VIO.  Galen. X  831. 
Tiberius  freilich  bezeichnete  ihn  als  generosum 
acetmn  und  Kaiser  Gaius  als  nobilis  vappa, 
Plin.  XIV  64. 

10)  Von  Mart.XIII  111  wird  er  zum  Fa- 
lerner gerechnet,  von  Plin.  XIV  64  und  III  60 
davon  unterschieden.  Bei  Horaz  wird  er  sehr 
oft  gerühmt,  auch  von  Verg.  Geo.  II  143  und 


Aen.VII  726.  Stat.  silv.  IV  3,  64.  Mart.  I  26,  8; 
III  26, 3;  49,1;  IV  13, 4;  69,1.   Colum.  III  8,5. 

")  Plin.XIV  65undXXIlI36.  Strab.V234 
u.  243.  Ath.26E. 

'*)  Plin.  ebd.  Ath.  27  A.  Hör.  carm.I  20,9; 
31,9;  IV  12,14.  luv.  1,69. 

1S)  Plin.  XIV  64.  Stat.  silv.  III  1,147.  Ath. 
26F. 

14)  Von  Fundi,  Plin.  65.  Mart.XIII  113; 
115,1.  Ath.  27  A.  Strab.  234;  unter  den  alia 
ex  vicinia  nrbis  sind  namentlich  die  Weine 
von  Formiae  (Hör. carm.I  20, 11),  Labici  (Ath. 
26F),  Tibur  (Ath.26E.  Galen.  VI 434  u.ö.  Ed. 
Diocl.  2,  2)  hervorzuheben.  Der  Sabiner  war 
ein  leichter  und  angenehmer,  aber  kein  edler 
Wein,  Plin. XIV 38.  Hör. carm.I  20, 1.  Mart. 
X  49,  3.  Galen.  X  483 ff.  u.  ö.  Ath.  27  B.  Ed. 
Diocl.  2, 2.  Der  Nomentaner  wird  von  Martial. 
der  bei  Nomentum  ein  Gütchen  hatte  und  selbst 
Wein  produzierte,  öfters  gerühmt,  I  105, 1 ; 
X  48, 19:  XIII 119,  auch  Colum.  1113,3.  Nach 
Ath.  27  B  war  er  erst  nach  fünf  Jahren  trinkbar. 

15)  Plin.  65;  nach  Ath.  27  A  ff&vg,  evotö- 
fi-ayoc;. 

*16)  Plin.  ebd.  Ath.  26  E. 

17)  Plin.  ebd.:  natn  quod  Signiae  nascüur 
austerÜate  >ii»iia  continendae  utile  alvo  inter 
medicaminanumeratur;  vgl.  XXIII  36;  XXXII 
109.  Auch  Mart.XIII  116  hebt  die  adstringie- 
rende  Wirkung  hervor.  Cels.  IV  12  (5);  ebd.  26 
(19).  Galen.VI334;X831. 

18)  Er  hieß  Mamertinum  und  erhielt  seinen 
Ruf  durch  Caesar,  der  ihn  bei  seinen  öffent- 
lichen Gastmählern  gab.  Plin.  XIV  66  u.  97. 
Vitr.  VIII  3, 12.  Mart.  XIII  117.  Ath.  27  D. 
Nach  Plin.  66  hieß  eine  Sorte  davon  Potuhnta 
ab  auctore,  wofür  Detlefsen  mit  Rücksicht 
auf  ebd.  69  Potitiana  schreibt. 

,9)  Plin.  a.a.O.:  est  in  eadem  Sicilia  et 
Tauromenitanis  honos  lagoenis  pro.  Matner- 
tino  plerumque  subditis. 


200 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


kampanische  Weine  besonders  in  Aufnahme,  wie  der  Trebelliker  nicht  weit 
von  Neapel l),  der  Kauliner,  der  Trebulaner  und  Trifoliner 2). 

Gehörten  diese  hier  aufgezählten  italischen  Weine  teils  zu  den  aller- 
besten, teils  zu  den  besseren  Sorten,  so  waren  dafür  etliche  auch  geradezu 
als  Krätzer  verrufen;  so  besonders  der  Wein  vom  mons  Vaticanus3),  der 
von  Veji4),  der  Päligner5),  der  von  Caere6)  und  Spoletium7),  sowie  die  vina 
Tusca  im  allgemeinen8). 

Neben  diesen  und  zahlreichen  andern  einheimischen  Weinen  bezog  man 
allerlei  bessere  Sorten  aus  den  Provinzen.  Weniger  zwar  aus  Frankreich, 
obschon  dies  bereits  in  der  Kaiserzeit  ein  richtiges  Weinland  war  und 
gallische  Weine  von  manchen  goutiert  wurden,  trotz  der  etwas  eigen- 
tümlichen Behandlung9).  So  importierte  man  Wein  von  Massilia,  obschon 
dieser,  um  haltbarer  zu  sein,  so  stark  geräuchert  wurde,  daß  er  nach 
Rauch  schmeckte10);  ferner  den  mit  Pech  versetzten  von  Vienna11),  von 
Baeterrae12),  selbst  die  stark  mit  aromatischen  Kräutern  versetzten  Weine 
von  Gallia  Narbonensis13).  Beliebter  waren  die  spanischen  Weine,  besonders 
von  Hispania  Tarraconensis 14),  auch  der  Wein  von  den  Balearen15). 

Am  größten  aber  war  der  Import  der  griechischen  Weine,  die  man 
als  transmarina  mit  den  asiatischen  und  afrikanischen  zusammenfaßte.  Bis 
Anfang  des  letzten  Jahrhunderts  v.  Chr.  waren  griechische  Weine  in  Italien 
den  einheimischen  vorgezogen;  Falerner  oder  Caekuber  werden  vorher  nicht 
erwähnt,  Plautus  nennt  nur  Weine  von  griechischen  Inseln,  Cato  behandelt 
seine  einheimischen  Weine  künstlich,  um  ihnen  den  Geschmack  von  grie- 
chischen, besonders  koischen  Weinen  zu  geben16).  Auch  später,  als  neben 
den  heimischen  Weinen  der  Import  fremder  immer  mehr  zugenommen  hatte,/ 
war  der  Wein  von  den  griechischen  Inseln  sehr  beliebt,  während  vom  Fest- 
land wenig  bezogen  wurde17).  Von  den  ionischen  Inseln  ist  besonders  Leukas 
zu  nennen18);  von  den  Inseln  des  ägäischen  Meeres  Euböa19),  Peparethos20), 
Thasos,  von  dessen  bedeutendem  Export  noch  zahlreiche  mit  Stempeln  ver- 


')  Plin.69.  Ath.27C. 

2)  Plin.ebd.Ath.26E.  Mart.  XIII 114  gibt 
dem  Trifolinum  den  siebenten  Rang  unter 
den  Reben. 

3)  Mart.  I  18,2;  VI  92,3;  X  45,5;  XII 
48, 14. 

4)  Hör.  sat.  II  3, 143.  Pers.5,147.  Mart.  I 
103, 9 ;  II  53, 4 ;  III  49.  Es  war  ein  vinum  ru- 
bellum  (Schiller),  Plin.  XIV  23. 

5)  Mart.  126, 5.  Mart.  XIII 121. 

6)  Mart.  XIII  124. 

7)  Mart.XIV116;  das  Lob,  das  er  XIII 
120  erhält,  ist  ein  bedingtes,  dagegen  unein- 
geschränkt bei  Ath.  27  B. 

8)  Mart.  I  26, 6  (IX  2, 6  nach  Konjektur 
von  Ekiedländeb,  der  dagegen  XIII  118,2 
luscis  cadis  beanstandet).  Vgl.  Galen.  VI  335; 
X  833. 

9)  Plin.  XI V39  spricht  seine  Verwunderung 
darüber  aus;  vgl.  Hehn  76ff. 

,0)  Plin.  XIV  68.  Mart.  III  82,23;  X  36; 
XIII  123;  XIV  118.  Ath.  27 C  lobt  ihn.  Vgl. 
Strab.  IV  179. 


n)  Vinum  picatum,  Plin.  a.  a.  0.  18  u.  57. 
Mart. XIII 107.  Plut. qu. conv.  V 3, 1 ,  10 p.  822 D. 

li)  Plin.  68  schreibt  ihm  Ruf  zu.  Er  wird 
sonst  nicht  erwähnt,  hat  sich  aber  in  der  Auf- 
schrift einer  Amphora  erhalten,  Dressel  Bull, 
munic.  VII  (1879)  64. 

n)  Plin.  a.  a.  O.  will  nichts  von  ihnen  wissen. 

14)  Plin.  71,  besonders  der  von  Laura  (Lau- 
ronense)  und  Gades,  wie  Amphoreninschriften 
bezeugen,  Dressel  a.  a.  O.  48  n.  7;  61  f.  n.  18  f. 
Betreffs  des  Laeetanum  bei  Plin.  ebd.  und  La- 
letanum  Mart.  126,9;  VII  53,  6  sind  die  Les- 
arten unsicher,  s.  Marquardt  453  A.  8  und  die 
krit.  Anm.  von  Mayhoff. 

15)  Plin.  a.  a.  0. 

,6)  Cato  24;  105;  112. 

,7)  Plinius  nennt  nur  Sikyon,  Ambrakia, 
Maroneia,  XIV  53;  74;  76.  Mehr  nennt  Ath. 
28  ff.,  aber  nach  griechischen  Quellen. 

18)  Plaut.  Poen.  699.   Plin.  76. 

19)  Von  da  kam  das  bei  Plin.  ebd.  genannte 
vinum  Oreticum  (von  Oreos). 

20)  Plin.  ebd.;  vgl.  IV  72. 


Fünfter  Abschnitt.    Die  Nahrung. 


201 


sehene  Amphorenhenkel  Kunde  geben1),  besonders  aber  vonLesbos2)  und 
Chios3),  zumal  hier  einige  Sorten  ohne  den  Zusatz  von  Meerwasser,  den 
die  griechischen  Weine  der  Haltbarkeit  wegen  gewöhnlich  erhielten4),  ver- 
sandt wurden5).  Der  schon  früh  exportierte,  stark  mit  Seewasser  versetzte 
Wein  von  Kos6)  wurde  in  Italien  aus  einheimischen  Sorten  nachgemacht7); 
von  der  großen  Beliebtheit  des  rhodischen  Weines  geben  die  überall  in  der 
alten  AVeit  und  auch  in  Italien  gefundenen  Henkel  rhodischer  Amphoren 
Zeugnis8).  Von  kleinasiatischen  Weinsorten  nennen  wir  die  Weine  von 
Kyzikos9),  Smyrna10),  Klazomenae11),  Ephesos12),  vom  Berge  Tmolos13),  der 
mäonischeKatakekaumenites14),derWein  von  Apameia16),  Knidos10),  Kypros17) 
u.  a.  m.  Auch  Syrien  und  Palästina  lieferten  Wein,  so  Tripolis,  Berytos, 
Tyros18);  doch  fanden  die  Weine  Palästinas,  von  Gaza,  Sarepta  etc.,  erst 
zu  Beginn  des  Mittelalters  als  sehr  starke  und  edle  Weine  immer  mehr 
Aufnahme19). 

Endlich  blieb  auch  Afrika  nicht  unbeteiligt.  Nach  der  afrikanischen 
Küste  mögen  freilich  erst  die  Römer  den  Weinbau  gebracht  haben,  denn 
wir  erfahren  weder  von  kyrenäischem  noch  von  karthagischem  Wein;  aus 
Ägypten  aber  bezog  man  den  sebenny tischen  von  der  so  benannten  Nil- 
mündung20), und  der  bei  Alexandria  wachsende  mareotische  war  schon  von 
Vergil  und  Horaz  geschätzt21). 

Im  einzelnen  unterschied  man  die  Weine  nach  der  Farbe 22)  als  hellgelb, 
albus23),  dunkelgelb,  fulvus,  hellrot,  sanguineus,  dunkelrot,  niger24),  ater2b); 


')  Verg.  Geo.  II 91.  Plin.  XIV  73 ;  vgl.  über 
die  Traubensorten  ebd.  39;  74;  118.  Dumont 
in  den  Arch.  des  missions  scientif.,  2.  Ser.  VI 
(1874)  59. 

2)  Plaut.  Poen.  699.  Hör.  carm.  I  17,21; 
epod.  9. 34.  Vitr.  VIII  3. 12.  Plin.  a.  a.  0.  73. 
Gell.  XIII  5, 9.   Ath.  28  E  f. 

s)  Plaut,  a.  a.  0.  und  Cure.  79.  Hör.  ep. 
9.34;  carm.  III  19,5;  sat.  I  10,24;  II  3,115; 
8,48.  Tib.  II  1,28.  Plin.  73;  ebd.  97;  XXXIV 
104. 

4)  Cato  24.  Plaut.  Rud.  588.  Plin.  XIV  78. 
Colum.  XII  25. 

5)  Hör.  sat.  II  8,15:  Chium  maris  expers; 
vgl.  Pers.  6,39.  Besonders  war  das  nach  Galen. 
X833  beim  Ariusius  der  Fall,  den  auch  Verg. 
ecl.5.71.  Sil. It.VII210.  Plin. XIV 73 erwähnen : 
vgl.  Marquardt  455  A.  25. 

«)  Plaut,  a.  a.  0.   Plin.  78. 

7)  Rezept  bei  Cato  112;  vgl.  Plin.  79.  Ueber 
die  faecula  Coa,  ein  aus  koischem  Wein  be- 
reitetes, appetitreizendes  Präparat  (Hör.  sat.  II 
8,9),  vgl.  Marquardt  455  A.  8. 

8)  Plin.  a.  a.  0.  Dumont  a.  a.  0.  75  ff.  Hen- 
zen  B.  d.  I.  1865,  72  ff. 

9)  Hier  wuchs  der  von  Plin.  75  erwähnte 
hippodamantius,  Hesych.  s.  h.  v.  Galen.  VI 
801. 

10)  Nach  Plin.  XIV  54  wuchs  der  schon  bei 
Homer  erwähnte  und  berühmte  pramnische 
Wein  bei  Smyrna,  nach  Ephippos  bei  Ath.  I  28F 
auf  Lesbos,  nach  Alkiphr.  ebd.  31 D  bei  Ephe- 
sos; vermutlich  handelt  es  sich  um  eine  öfters 


kultivierte  Rebe. 

»)  Plin.  73. 

12)  Plin.  75;  er  war  mit  Seewasser  und  ein- 
gekochtem Most  (defrutum)  versetzt. 

'»)  Verg.  Geo.  II 98.  Vitr.  VIII  3, 12.  Sil.  It. 
VII  210:  nach  Plin.  74  nahm  man  den  süßen 
Tmolier  zum  Verschneiden  herber  Weinsorten. 

'*)  Vitr.  a.  a.  0.  Plin.  75. 

1 5)  Er  eignete  sich  besonders  zur  Bereitung 
des  Honigweins  (mulmm),  Plin.  a.  a.  0. 

16)  Plin.  ebd.  nennt  ihn  protropos,  den  Vitr. 
a.  a.  0.  und  Ath.  II  45  E  als  einen  lesbischen 
Wein  bezeichnen;  doch  ist  protropos  ein  Name 
für  eine  bestimmte  Art  der  Zubereitung,  s.  Plin. 
85.  Auch  knidische  Amphorenhenkel  werden 
häufig  gefunden,  s.  Dumont  a.a.O.  125 ff.  Mau 
R.  M.  XIII  (1898)  30. 

17)  Plin.  74. 

18)  Plin.  ebd. 

19)  Isid.or.XX3,7.  Sid.  Apoll,  carm.  17, 15. 
Cassiod.  Var.  XIII 12:  vgl.  Hehn  83  f.  Stark 
Gaza  und  die  philist.  Küste  561. 

20)  Plin.  a.  a.  0. 

21)  Verg.  Geo.  II  91.  Hör.  carm.  I  37, 14: 
vgl.  Colum.  III  2, 24.  Plin.  XIV  39. 

")  Plin.  80  zählt  diese  vier  Farben :  albus, 
fulvus,  sanguineus,  niger  auf. 

23)  Plaut.  Men.  915.  Hör.  sat.  114,29.  Verg. 
a.  a.  0. 

**)  Besonders  vom  Falerner,  Mart.  VIII 
56,14;  77,5;  1X22,8;  90,5u.s. 

25)  Plaut.  Men.  a.  a.  0.,  auch  fmeus,  Mart. 
II  40, 6. 


202 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


die  roten  Weine  sonst  auch  als  ruber1),  die  Schillerweine  bezeichnete  man 
mit  rubellus2). 

So  viel  von  den  reinen  Weinen,  insofern  man  dabei  von  den  mannigfachen 
Zusätzen,  die  nicht  dazu  dienten,  dem  Wein  einen  besondern  Geschmack,  son- 
dern nur  größere  Haltbarkeit  zu  geben,  absieht.  Zu  diesen  kommen  einige  be- 
liebte Weinfabrikate,  die  aber  auch  noch  als  rein  bezeichnet  werden  dürfen, 
weil  sie  keine  fremdartigen  Zusätze  hatten.  Als  ein  solches  Fabrikat  ist  das 
vinum  passum  zu  bezeichnen,  ein  Rosinenwein  oder  Sekt.  Hierfür  ließ  man 
Trauben,  besonders  von  der  Apiana  genannten  Sorte  (siehe  oben  S.  198), 
am  Stock  in  der  Sonne  trocknen,  oder  über  kochendem  Ol,  und  preßte  sie 
dann3).  Eine  geringere  Sorte,  passum  secundarium,  erhielt  man  aus  den 
Trestern,  indem  man  diesen  nach  Abfluß  des  ersten  passum  Wasser  oder, 
bei  besserer  Qualität,  guten  Wein  oder  Most  zusetzte  und  sie  so  zum 
zweitenmal  unter  die  Presse  brachte4).  Sodann  war  ein  beliebtes  Getränk 
eingekochter  Most,  bei  dem  man  je  nach  dem  Grade  des  Einkochens  zwei 
bis  drei  Arten  unterschied ö) :  der  bis  auf  die  Hälfte  eingekochte  Most  hieß 
sapa,  der  bis  auf  ein  Drittel  eingekochte  defrutum 6).  Eine  dritte  Sorte, 
bei  der  der  Most  nur  auf  zwei  Drittel  eingekocht  war,  hieß  caroenum1). 
Eine  mindere  Sorte,  die  muriola  hieß,  erhielt  man  auch  hier  aus  den 
Trestern,  indem  man  ihnen  sapa  zusetzte  und  sie  aufs  neue  preßte8). 
Sowohl  bei  der  Mahlzeit  wie  aus  hygienischen  Gründen  wurde  Honigwein, 
mulsum,  genossen9),  ein  aus  Honig  (besonders  hy mettischem)  und  frischem 


')  Plinius  unterscheidet  rubrum  und  n-i- 
grum,  stellt  also  ersteren  dem  sanguineum 
gleich,  XXIII 46;  vgl.  XXII 124  u  s.  Weiteres 
s.  Blümner  im  Arch.  f.  lat.  Lexikogr.  VI  (1889) 
412. 

2)  S.  oben  S.  198  und  vgl.  Blümner  a.a.O. 
und  Farbenbezeichn.  b.  d.  röm.  Dichtern  175. 

3)  Varro  b.  Non.  551. 22.  Plin.  XIV  81  f. 
Colum.  XII  39,1.  Pallad  XI 19.  Isid.  or.  XX 
3, 14.  Besonders  geschätzt  war  der  Rosinenwein 
von  Kreta,  Mart.  XIII  106.  luv.  14,270  (Plin. 
a.  a.  0.  liest  Mayhopf  mit  Cod.  Mon.  a  Graeco, 
nicht  a  Cretico). 

4)  Wasser  oder  guten  Wein  (vinum  ex- 
cellens)  empfiehlt  Plin.  82;  Most  (aus  andern 
Trauben)  Colum.  a.  a.  0.  2. 

5)  Die  Hauptquelle,  Fragmente  aus  Van  os 
lib.  I  de  vita  populi  Romani  bei  Non.  551,  9  ff., 
hatBücHELEKRh.M.XIV(1859)  448  zusammen- 
gestellt. Vgl.  K.  B.  Hofmann  Getränke  d.  Gr. 
u.R.  8 ff 

6)  Varr.  a.  a.  0. 19 :  sapam  appellabant  quod 
de  musto  ad  medium  partem  decoxerant ;  de- 
frutum, si  ex  duabus  partibus  ad  tertiam  red- 
egerant  defervefaciendo.  Aber  umgekehrt  bei 
Plin.  80:  siraeum,  quod  alii  hepsema,  nostri 
sapam  appellant,  ingeni,  non  naturae,  opus  est 
musto  usque  ad  tertiam  mensurae  decocto.  quod 
ubi  factum  ad  dimidiam  est,  defrutum  vocatur. 
Colum.  XU  21  stimmt  mit  Varro,  Pallad.  XI 18 
und  Isid  or.  XX  3, 15  mit  Plinius  überein.  Nach 
Non.  a.  a.  0.  hätte  man  die  sapa  später  mella- 


cium  genannt ;  vermutlich  dasselbe  ist  bei  Plaut. 
Pseud.  741  mella  (doch  ist  hier  die  Lesart  un- 
sicher). Zu  defrutum  vgl.  Plaut,  a.  a.  0.  Verg. 
Geo.  III  269;  syrisches  Mart.  IV  46,9:  zu  sapa 
Ov.  fast.  VI  780.  Mart.  VII  53,  6  (spanische). 
Die  Glossen  erklären  sowohl  defrtttum  als  sapa 
durch  sipnua,  letzteres  auch  durch  oraquöhng 
oho?,  s.  Corp.  Gloss.  VI  314;  VII  230. 

7)  Pallad. XI 18 :  caroenum,  cum  tertiaper- 
dita  duae partes remanserint.  Isid.  a.  a.O.  Corp. 
Gloss.  III  218,5;  652,11.  Im  Ed.  Diocl.  2,11 
wird  caroenum  Maeonium,  also  lydisches.  an- 
geführt; ebd.  15  decoctum  ist  wohl  sapa  (im 
griech.  Text  h/'nuk).  da  ebd.  16  eipnua  dem  de- 
frutum zu  entsprechen  scheint.  Dazwischen 
figuriert  Z.  14  noch  Chrysatticum,  wohl  auch 
ein  Rosinenwein. 

8)  So  Varro  bei  Non.  a.  a.  0.,  nach  der  Text- 
verbesserung Büchelers  oder  der  etwas  abwei- 
chenden von  Voigt  Rh.  M.  XXVIII  (1873)  57  ff. 
Das  passum  secundarium  unterscheidet  sich 
also  von  der  muriola  nur  durch  den  andern  Zu- 

'9)  Plaut.  Pers  87.  Varr.  r.r.  III  16.1  f.  Cic. 
de  or.  II 70,282;  Tuscul.  III  19,44.  Petron.34.1. 
Mart.  XIII  6, 1 ;  106,2.  Amphoren  mit  der  In- 
schrift mulsum  s.  Marquardt  323  A.  6;  460 
A.  1.  Inschriftlich  wird  auch  öfters  eine  Spende 
von  crustum  (Backwerk)  und  mulsum  an  die 
Bürger  erwähnt,  s.  CIL  XI  4789;  5222.  Ueber 
mulsum  als  Getränk  beim  Beginn  der  Mahlzeit 
s.  Abt.  II  Abschn.  V. 


Fünfter  Abschnitt.    Die  Nahrung. 


203 


Most  oder  gutem  Wein  (besonders  Falerner)  gemischtes  Getränk1).  Eine 
ähnliche,  aber  vom  mulsum  ausdrücklich  unterschiedene  Mischung  hieß 
melitites2). 

Schon  sehr  früh  scheint  es  üblich  gewesen  zu  sein,  dem  Weine  würzige 
Stoffe  zuzusetzen,  die  ihm  einen  besondern  Geschmack  verliehen,  vina  con- 
dit<(  herzustellen3).  Als  ein  in  alter  Zeit  beliebter  Zusatz  wird  Myrrhe 
genannt;  man  unterschied  dabei,  wie  es  den  Anschein  hat4),  vinum  mur- 
fatum,  bei  dem  Myrrhe  dem  Wein  (oder  Most)  einen  bittern  Geschmack 
verlieh5),  und  murrinum  oder  murrina  (potio),  wobei  mulsum  mit  Myrrhe 
parfümiert  war,  aber  so,  daß  der  Geschmack  süß  blieb6).  Außerordentlich 
groß  aber  war  die  Zahl  der  gewürzten  Kunstweine,  vina  fiäicia,  die  ent- 
weder durch  Abziehen  von  Kräutern,  Blumen  u.  dgl.  auf  Wein  oder  durch 
Vermischen  des  Weines  oder  Mostes  mit  wohlriechenden  oder  würzigen 
Essenzen  hergestellt  waren7).  So  machte  man  rosatum  aus  Rosenblättern 
und  Most8),  violatum  aus  Veilchen9),  murteum  aus  Myrtenbeeren10),  absinthium 
aus  Wermut11)  u.  dgl.  m.  Aus  mehreren  scharfen  Zutaten,  wie  Narde,  Pfeffer, 
Myrrhe,  und  Wein  oder  Honig,  resp.  beiden,  wurden  die  Kunstweine  be- 
reitet, die  aromatites12)  oder  auch  im  speziellen  Sinne  vinum  conditum  hießen, 
bei  starkem  Pfefferzusatz  auch  piperatum13).  Auch  allerlei  Obstweine,  meist 
ohne  Zutat  von  Traubenwein  bereitet,  waren  den  Alten  wohlbekannt,  und 
zwar  aus  Datteln,  Feigen,  Birnen,  Äpfeln,  Granatäpfeln,  Kornelkirschen. 
Mispeln,  Maulbeeren,  Ariesbeeren  u.  a.  m.u) 


*)  Hymettischer  Honig  und  Falerner  bei 
Hör.  sat.'ll  2. 15;  4,24.  Macr.  Vll  12,9.  Mart. 
XIII  108 ;  auch  Massiker  nahm  man  dazu,  Mart. 
IV  13,6,  und  Plin.  empfiehlt  die  Weine  von 
Apameia  und  Praetutia,  XIV  75.  überhaupt  aber 
alte.  ebd.  80,  vgl.  Diosc.  V  16.  Colum.  XII  41 
gibt  ein  Rezept,  wobei  frischer  Most  zur  Ver- 
wendung kommt;  andere  Vorschriften  finden 
sich  Pallad.  XI  17.  Geop.  VIII  25  f.  (4/s  Wein 
und  '/ö  Honig  oder  10/n  Most  und  '/n  Honig). 

*)  Nach  Diosc.  V  15  und  Plin.  XIV  85  aus 
herbem  Most,  Honig  und  Salz.  Der  griechische 
Name  für  mulsum  ist  oivöpsh,  Corp.  Gloss.  VI 
715;  doch  unterschied  man  dies  später  davon, 
indem  oenomeli  für  einen  Süßwein  gebraucht 
wurde,  Digg.  XXXIII  6,9. 

3)  Vgl.  K.  B.  Hofmann  a,  a.  0.  27  ff. 

4)  Hierüber  handelt  Voigt  a.  a.  0.  60  ff.; 
die  Belegstellen  sind  zum  Teil  abweichend,  was 
damit  zusammenhängt,  daß  anscheinend  gegen 
Ende  der  Republik  sowohl  die  murrata  wie  die 
murrina  vina  außer  Gebrauch  gekommen  wa- 
ren, weshalb  spätere  Schriftsteller  beide  öfters 
durcheinander  werfen. 

5)  Fest.  144,9:  158  b,  22.  Corp.  Gloss.  V 
224, 28. 

6)  Die  murrina,  die  anscheinend  den  Rö- 
mern erst  durch  die  Griechen  bekannt  wurde 
(otVo?  uvQQivw*;,  Ath.  I  32B.  Hesych.  s./ivgoirrjc), 
während  das  murratum  ein  altrömisches  Ge- 
tränk war,  wird  oft  erwähnt,  s.  Plaut.  Pseud. 
a.  a.  O.  Varro  bei  Non.  a.  a.  0.  Plin.  XIV  92  f., 
der  verschiedene  Dichterfragmente  zitiert,  vgl. 


XVI 107.  Gell.  X  23,2.  Festus  144,9.  wonach 
die  Griechen  dies  Getränk  auch  vyy.rao  nannten, 
vgl.  Corp.  Gloss.  IV  257. 23;  V  572, 37  u.  s.,  s. 

VI  720. 

7)  Verzeichnisse  Diosc.  V  26  ff.  Plin.  XIV 
98  ff.  Colum.  XII  28  ff. ;  vgl.  Marquärdt  460. 

8)  Rezepte  Diosc.  V  35.  Plin.  106.  Pallad. 
III 32;  VI  13:  Apic.4:  vgl. Lampr.  Heliog.21,6  ; 
Alex.  Sev.  37,12.  Ed.  Diocl.  2, 19.  Corp.  Gloss. 

VII  212 

9)  Pallad.  III  32. 

10)  Rezepte  Cato  125.  Diosc.  V  36  f.  Plin. 
XIV  104 ;  XV  123.  Col.  XII 38, 1 ;  auch  myrtites, 
Pall.1118;  11127,31  ;XIII2;  vgl.  die  Amphoren- 
inschrift /ii>OTFtT>]±  i£  oi'ror  I  'ipsfaiii  Cosmi,Not. 
d.  scavi  1899, 16. 

u)  Oder  absinthites,  Rezepte  Diosc.  V  49. 
Plin.  XIV  109.  Colum.  XII  35.  Pallad.  III  32. 
Apic.  3;  vgl.  Lampr.  Heliog.  a.  a.  O. 

»»)  Rezepte  Diosc.  V  64  f.  Plin.  107  f. ;  vgl. 
ebd.  92.  Apic.  1  f.  Dazu  gehörte  wohl  auch  das 
nardinum,  Plaut,  mil.  gl.  824.  das  vermutlich 
mit  dem  foliatum  bei  Mart.  XIV  110  identisch 
ist  (dagegen  sind  die  foliata  luv.  6,465  Narden- 
essenz). 

1S)  Plin.  108  bezeugt,  daß  diese  Weine  auch 
condita  oder  piperata  heißen;  das  ist  das  can- 
(litnm  im  Ed.  Diocl.  2, 17,  auch  griech.  xorblior 
genannt,  ebd.,  vgl.  Blümner  z. d.  St.  Zum pijx- 
ratam,  das  besonders  bei  den  Aerzten  eine  Rolle 
spielt,  vgl.  Marquärdt  461  A.  5. 

14)  Diosc.  III 32;  34; 40  ff.  Plin.  102  f.  Pallad. 
III  25.11  u.  19;  IV  10.10. 


204 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


Was  endlich  die  aus  Getreide  bereiteten  Getränke  anlangt,  so  ist  die 
in  der  Regel  aus  Gerste  oder  Gerstengraupe,  seltner  aus  Weizen  bereitete 
tisana  vornehmlich  ein  Krankengetränk,  obschon  es  auch  Gesunden  empfohlen 
wird1).  Das  Bier  aber2),  aus  Gerste  bereitet,  war  zwar  im  Altertum  be- 
kannt und  schon  früh  in  Ägypten  heimisch,  ferner  in  keltischen  Ländern 
und  anderwärts,  ist  aber  weder  in  Griechenland  noch  in  Italien  üblich  ge- 
worden. Die  dafür  gebräuchlichen  Bezeichnungen  cerevisia,  camum,  zythum3) 
sind  barbarischen  Ursprungs. 

WTas  den  Handel  mit  Getränken  betrifft,  so  kommt  hier  nur  der  Wein- 
handel en  gros  in  Betracht.  Am  besten  kennen  wir  die  Verhältnisse  in 
der  Hauptstadt,  wo  die  negotiatores  oder  mercatores  vinarii4),  auch  bloß 
vinarii  genannt5),  unter  Alexander  Severus  wie  andere  Berufe  in  eine 
Korporation  vereinigt  wurden6);  es  gab  hier  einen  besondern  Weinmarkt, 
forum  vinarium1),  sowie  für  die  zu  Schiff  ankommenden  fremden  Weine8) 
einen  portus  vinarius9).  Ähnliche  Verhältnisse  ergeben  die  Inschriften 
auch  für  verschiedene  Plätze  des  römischen  Reiches10).  Wer  über  die 
nötigen  Mittel  verfügte,  hielt  sich  natürlich  seinen  beim  negotiator  vinarius 
erstandenen  oder  von  seinen  eigenen  Weingärten  gewonnenen  Wein  im 
Hause  (in  der  apotheca  oder  im  Keller,  siehe  oben  S.  61);  bei  Kleinbedarf 
aber  ging  man  zum  caupo,  dem  Schenkwirt,  der  auch  Wein  über  die  Gasse 
verkaufte 1 1). 


*)  Eigentlich ptisana,  z.  B.  Cels.  II 20 ;  ebd. 
22 ;  doch  ist  die  Form  tisana  die  bessere,  s.  Van  o 
bei  Non.  550. 14.  Plin.  XVIII 71  u.  74 ;  XXII 136. 
Rezepte  bei  Apic.  179;  208  f. 

*)  Aeltere  Litteratur  sowie  überhaupt  über 
das  Bier  im  Altertum  s.beiMARQUAKDT461  A.7. 
Hehn  141  ff.  Champier  bei  D.S.  1 1087.  Olck 
beiP.-W.UI457ff. 

3)  Sie  finden  sich  alle  drei  im  Ed.  Diocl. 
2, 11  f.,  da  dies  vornehmlich  für  die  Provinzen 
des  Orients  bestimmte  Edikt  auch  die  nicht- 
italischen Konsumartikel  in  Betracht  zieht; 
ebenso  Digg.  XXXI II  6,9.  Ueber  cerevisia  (cer- 
visia,  cervesia)  s.  Plin.  XXII 164.  Isid.  XX  3, 17 ; 
nach  Corp.  Gloss.  III  315,69  wurde  es  aus  Wei- 
zen hergestellt;  vgl.  ebd.  V  177,24.  Serv.  ad 
Verg.  Geo.  III  380.  Camum  (nach  Hehn  145 
ein  keltisches  Wort)  ist  im  Spätrömischen  ge- 
bräuchlich, s.  Digg.  a.  a.  O.  Müller  Frgm.  hist. 
Gr.  IV  83.  Am  gebräuchlichsten,  schon  bei  den 
Griechen,  ist  zythum  (tvßog),  nach  Diod.  1 34,10 


ägyptischen  Ursprungs.  Im  Ed.  Diocl.  ist  es 
billiger,  als  die  beiden  andern  Sorten. 

4)  CIL  VI  712 ;  9627 ;  9676 ;  9679  ff. ;  9993 : 
X  6493 ;  X IV  409 ;  vgl.  VI  8326 :  negotiantes  cel- 
larum  vinariarum.  Es  gab  auch  Händler  für 
bestimmte  Weinsorten,  so  die  negotiantes  vini 
supernatis  et  Arimin.,  ebd.  1101. 

B)  Plaut.  Asin.  436.  Corp.  Gloss.  II  380, 
55;  597,23.  CIL  VI  1766;  9676;  9993 ff.;  XIV 
318. 

6)  Lampr.Al.Sev.  33,2. 

7)  CIL  VI  9181  f.;  XIV  409. 

8)  Die  negotiantes  vini  supernatis  CIL  VI 
1101  trieben  an  den  Küsten  der  Adria  {mare 
superum)  Handel. 

9)  Ebd.  9189  f.;  nach  Richter  a.a.  O.  264 
A.  2  lagen  wohl  Markt  und  Hafen  beisammen. 

10)  Siehe  Marqüardt  448. 

n)  Ueber  cauponae  s.  Abt.  II  Abschn.VII. 
Bei  Plaut.  Asin.  200  wird,  wie  das  Brot  beim 
pistor,  so  der  Wein  im  oenopolium  geholt. 


Sechster  Abschnitt.  Die  Tracht. 


205 


Sechster  Abschnitt. 

Die  Tracht. 


I.  Die  Kleidung. 

Litteratur. 

H.  Weiss  Kostümkunde  I  925  ff. 

Becker-Göll  III  189  ff.  (ältere  Litteratur  S.  190). 

Marquardt-Mau  475  ff. 

A.  Die  männliche  Kleidung. 

Litteratur. 

v.  Seckendorf  Die  Grundform  der  Toga  fragmentarisch  untersucht.    Göttingen  1842. 

J.  A.  Lalanne  De  vestitu  atque  ornamentis  infantium  et  adolescentium  apud  Romanos. 
Bellovaci  1850. 

v.  u.  Launitz  Ueber  die  Toga  der  Römer  und  die  Palla  der  Römerinnen.  Verhandlungen  der 
25.  Philologen- Versammlung  zu  Heidelberg  1865,  49  ff.  (auch  unter  dem  Titel  Hand- 
habung der  Toga  und  Palla.    Frankfurt  a.  M.  1866). 

Ed.  Hula  Die  Toga  der  späteren  Kaiserzeit.    Brunn  1895. 

Wie  die  Griechen  in  ihrer  Kleidung  zwei  Gattungen  unterscheiden,  die 
Unterkleider,  die  angezogen  werden  {hövfiaza),  und  die  Oberkleider,  die 
umgelegt  werden  (emßÄrjjuara),  so  beruht  auch  bei  den  Römern  auf  der  Art 
des  Anlegens  der  Tracht  das  Entscheidende,  wenn  sie  ihre  Kleider  teils 
zum  indutus  (indumenta),  teils  zum  amictus  rechnen1).  Diese  Unterscheidung 
dürfen  wir  schon  für  die  älteste  Tracht  voraussetzen;  nur  scheint  man  da 
unter  der  Toga,  die  immer  das  eigentliche  Oberkleid  war,  noch  nicht  die 
später  allgemein  übliche  Tunika  getragen  zu  haben2),  sondern  statt  ihrer 
einen  linnenen  Lendenschurz,  das  sogenannte  subligar  oder  subliyacidum9). 
In  alter  Zeit  war  anscheinend  der  Name  licium  dafür  gebräuchlich 4) ;  später 
heißt  dies  Kleidungsstück  auch  campestre5)  oder  cinctus6).  Dieser  Lenden- 
schurz war  später  noch  (als  alleiniges  Kleidungsstück)  gewöhnliche  Tracht 
von  Sklaven  und  Arbeitern 7)  und  wurde  auch  von  Schauspielern 8)  und  als 


»)  Varr.l.l.V131.  Apul.  apol.56;  Flor.  9. 
Isid.  or.  IX  22, 1.  Häufig  ist  amictus  vom  Ober- 
kleid, Cic.  ad  Att.  VI  1 , 1 7.  0 v.  met.  XI V  262  f. ; 
Tib.  18,13  unterscheidet  vestes  und  amictus. 
Induviae  bei  Plaut.  Men.  191  ist  wegen  des 
Wortspiels  mit  exuviae  gewählt,  aber  neben 
indumentum  gebräuchlich,  s.  Corp.  Gloss.  VI 
567. 

2)  Gell.  VI  (VII)  12,3:  vir*  Romani  qui- 
dem  sine   tunicis   toga   sola   amicti   fuerunt. 

3)  Non.  29. 17:  subl igaculum  est,  quo  pu- 
dendae  corporis  partes  teguntur.  Isid.  XIX 
22.5:  vestis  antiquissima  hominum  fuit  peri- 
zomatum,  id  est  succinctorium,  quo  tantum 
genitalia  conteguntur.  Im  Corp.  Gloss.  II 190  f. 
'witäsubligaculum  durch  SiaCwoiga,  jiEQiQfüaioa 
übersetzt,  ebd.  V  484,  28  subligar  durch  in- 
guinarium  erklärt. 

4)  Er  hat  sich  nur  in  der  Tradition  er- 
halten,   die  für  die  furti  conceptio  lanx  und 


licium  verlangte,  Gaius  III 192  f.  Fest.  117,2; 
vgl.  Voigt  XII  Tafeln  572  A.  19. 

5)  Angeblich  weil  die  auf  dem  campus 
Martins  Gymnastik  treibenden  ein  solches 
trugen,  Isid.  a.a.O.:  haec  et  campestria  nun- 
cupantur,  pro  eo,  quod  eisdem  iuvenes,  qui 
nudi  exercentur  in  campo,  pudenda  operiunt. 
August,  de  civ.  Dei  XIV  17.  Ascon.  ad  Cic.  p. 
Scaur.  p.  30  Orelli;  vgl.  Dion.  Hai.  VII  72,  2. 
Doch  kommt  das  Wort  nicht  häufig  vor,  8. 
Hor.ep.1 11.18.  Volcac.  Avid.  Cass.  4,  7.  Corp. 
Gloss.  V  174,  43:  campestria  lumbaria  sive 
praecinctoria. 

6)  Isid.  XIX  33,1.  Coi-p.Gloss.II402.44; 
III  323  39. 

7)  Suet.  Cal.  26.  Plin.XII52;  die  Abbil- 
dungen auf  Denkmälern  zeigen  diesen  Schurz 
oft,  auch  bei  den  Dienern  der  Opferszenen, 
vgl.  Daremberg-Saglio  I  1173. 

8)  Cic.  de  off.  135. 129.  luv.  6, 70. 


206 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


Badekostüm1)  getragen.  Der  Brauch,  nur  einen  solchen  Schurz  unter  der 
Toga  zu  tragen,  war  aber  schon  früh  abgekommen;  Zeugen  davon  waren 
später  noch  Bildsäulen,  die  die  Könige  oder  andre  alte  Römer  darstellten2), 
und  in  der  Familie  der  Cethegi  war  die  Sitte  erhalten  geblieben3);  auch 
die  Kandidaten  gingen  mit  campestre  und  Toga  herum4),  und  dasselbe  tat 
der  jüngere  Cato5).  Da  dies  Kleidungsstück  nicht  bloß  als  loser  Schurz 
getragen,  sondern  auch  zwischen  den  Schenkeln  durchgezogen  und  befestigt 
werden  konnte,  so  mag  es  auch  später  noch  zum  Schutz  gegen  Erkältung 
vielfach  unter  der  Tunika  getragen  worden  sein0). 

Wann  an  die  Stelle  des  Lendenschurzes  die  Tunika7)  als  Unterkleid 
trat,  ist  nicht  überliefert,  doch  muß  es  schon  sehr  früh  geschehen  sein. 
Ebensowenig  läßt  sich  mit  Bestimmtheit  sagen,  woher  die  Römer  dies 
Kleidungsstück  übernommen  haben,  obschon  manches  dafür  spricht,  daß 
es  von  fremdher  gekommen  ist8).  Die  Tunika,  die  ein  Kleidungsstück  für 
beide  Geschlechter  war  (tunica  virilis  und  muliebris9)),  war  eine  Art  Wollen- 
hemd, aus  zwei  Teilen  (plagulae),  einem  Brust-  und  einem  Rückenstück, 
zusammengenäht10);  sie  wurde  beim  Anziehen  über  den  Kopf  geworfen. 
Für  gewöhnlich  trug  man  sie  ziemlich  kurz  und  gegürtet11),  und  zwar  galt 
es  als  anständig,  daß  der  vordere  Teil  etwas  unterhalb  der  Knie  endigte, 
der  hintere  bis  zu  den  Kniekehlen  reichte12).  Diese  verschiedene  Länge 
war  aber  nicht  durch  den  Schnitt  des  Kleidungsstückes  an  sich  gegeben, 
sondern  sie  wurde  dadurch  bewirkt,  daß  man  die  Tunika  über  den  Gürtel 
(cinctus13))  mehr  oder  weniger  hinaufziehen  konnte;  daher  war  die  Tunika 


»)  Mart.11187,4. 

2)  Ascon.  a.a.O.:  Cato  praeter  iudicium, 
quia  aestate  agebatur,  sine  tunica  exercuit, 
campestri  sub  toga  cinctus.  in  forum  quoque 
sie  descenderat  iusque  dicebat,  idque  reppe- 
rerat  ex  vetere  consuetudine,  seeundum  quam 
et  Romuli  et  Tatii  statuae  in  Capitolio  et  in 
rostris  Camilli  fuerunt  togatae  sine  tunicis 
So,  ayitaw,  jisgi^co/nänov  eywv,  d.  h.  ohne  Tu- 
nika im  Lendenschurz,  empfing  der  pflügende 
Cincinnatus  die  römischen  Gesandten,  Dion. 
Hai.  X  17. 

3)  Hör.  a.  p.  50 :  fingere  cinetutis  non  ex- 
audita  Cethegis;  dazu  Porphyr.:  omnes  enim 
Cethegi  unum  morem  servaverunt  Romae  .  .  . 
nunquam  enim  tunica  usi  sunt,  ideoque  cin- 
ctutos  eos  dixit,  quoniam  cinetum  est  genas 
tunicae  infra  pectus  aptatae.  Anspielungen 
darauf  Lucan.  II  543;  VI  794.  Sil.  It.  VIII  585. 

4)  Plaut.  Coriol.  14;  qu.Rom.49  p.276C: 
doch  meint  Kubitschek  bei  P.-W.  III 1466,  daß 
sich  diese  Sitte  nicht  lange  erhalten  haben 
werde. 

")  Ascon.  a.  a.  0.  Plut.  Cat.  min.  6.  Val. 
Max.  1116,7. 

6)  Wenn  Voigt  Rom.  Privataltert.  329  das 
»ubligar  als  Schambinde  vom  campestre  als 
Lendenschurz  unterscheidet  und  annimmt, 
beide  zusammen  hätten  den  indutus  der  äl- 
teren Zeit  ausgemacht,  so  liegt  dafür  in  den 
Belegstellen  kein  Anhalt  vor. 

7)  Vgl.  Rein  bei  Pauly  VI  2248. 


8)  Tunica  gilt  für  punischen  Ursprungs, 
vgl.  Studniczka  Beitr.  z.  Gesch.  d.  altgr.  Tracht/ 
16  A.  42  u.  S.  42.  Die  Belegstellen  sind  aller- 
dings zweifelhaft.  Das  Fragment  des  Ennius  bei 
Gell.  VI  (VII)  12.7,  wonach  er  die  Karthager 
als  tunicataiuventus  bezeichnete  (vgl.Non.  536, 
31),  scheint  auf  Aermeltuniken  zu  gehen,  die 
punische  Tracht  waren.  Wenn  Voigt  Rom. 
Privatalt.  285  die  bei  den  ludi  Romani  ge- 
tragene Tracht  als  tunica  punica  bezeichnet, 
so  ist  das  ein  Mißverständnis  von  Dion.  Hai. 
VII  72,  6,  der  von  yjrcöveg  cpoivixeoi,  d.h.  schar- 
lachfarbenen,  spricht. 

9)  Varr.l.l.X27.Vopisc.Aurel.l2,l.Digg. 
XXXIV  2,23,1. 

10)  \arr.  a.  a.  0.  IX  79:  non,  si  quis  tuni- 
cam  in  usu  ita  (in  usum  ita  Spengel;  m- 
usitate  ita  Schulze)  consuit,  ut  altera  plagula 
sit  angustis  clavis,  altera  latis.  Suet.  Aug.  94: 
sumenti  virilem  togam  tunica  lati  clavi,  resuta 
ex  utraque  parte,  ad  pedes  deeidit. 

1!)  Daher  hat  auch  die  Tunika  einen 
sinus,  nicht  nur  die  Toga  (s.  unten),  und  darin 
trug  man  das  Geld,  Plaut.  Stich.  591. 

12)  Quint.  XI  3,  138:  cui  lati  clavi  ius  non 
erit,  ita  cingatur,  ut  tunicae  prior ibus  oris 
infra  genua  paulum,  posterioribus  ad  medios 
poplites  usque  perveniant;  nam  infra  mulii'- 
rum  est,  supra  centurionum. 

13)  Varr.  1. 1.  V 1 14  bezeichnet  cinctus  als 
Gürtel  der  Männer,  cingulum  als  den  der 
Frauen;    doch   hielt  man  daran  später  nicht 


Sechster  Abschnitt.    Die  Tracht. 


207 


bei  denjenigen,  die  keinen  Gürtel  trugen,  wie  z.  B.  die  das  Recht  des  latus 
clavus  besaßen,  länger1),  ja  mitunter  sogar  talaris,  bis  zu  den  Knöcheln 
reichend,  wie  bei  den  Frauen,  was  freilich  bei  Männern  verächtlich  schien2). 
Nur  daheim,  wo  man  bloß  in  der  Tunika  ging,  legte  man  wohl  auch  den 
Gürtel  ab3),  auch  Geschäftsleute  taten  das  in  ihren  Verkaufsläden4):  in  der 
Öffentlichkeit  jedoch  mit  ungegürteter  Tunika  (dücinchu)  zu  erscheinen, 
galt  für  nicht  anständig5).  Ebensowenig  schickte  es  sich,  die  Tunika  höher 
zu  schürzen,  als  die  oben  angeführte  Vorschrift  angibt:  nur  Reisende  nahmen 
unterwegs  sie  höher  auf6),  und  ebenso  war  es  Centurionentracht7).  Sie 
länger  zu  tragen,  galt  gleichfalls  als  unschicklich  und  weibisch*).  Die 
Männertunika  hatte  ferner  in  der  guten  Zeit  in  der  Regel  keine  Ärmel'-'). 
Zwar  gab  es  solche  mit  Ärmeln10),  chiridota,  manicata,  manuleata  genannt; 
aber  solche  zu  tragen,  war  ebenso  unanständig,  wie  das  Tragen  der  tunica 
talaris11),  nur  bei  schlechter  Witterung  oder  gegen  die  Kälte  waren  die 
langen  manicae  oder  eigene  ebenso  benannte  Handschuhe  erlaubt1*). 

In  dieser  Tracht  trat  aber  in  der  späteren  Kaiserzeit  eine  Veränderung 
ein.  indem  seit  dem  3.  Jahrhundert  die  langen  Tuniken  mit  Ärmeln  Mode 
wurden13).    Zugleich  kam  als  ein  prächtiges  Kleidungsstück,  das  sich  von 


mehr  so  fest:  so  cingulum  vom  Männergürtel 
Petron.21,2  (allerdings  bei  einem  Cinaeden), 
Tert.de  pall.  1,  und  bekanntlich  ist  cingulum 
speziell  der  Soldatengürtel,  vgl.  Saglio  bei  D.-S. 
1 1177  ff.  Domaszewski  bei  P.-W.  III  2561.  Zu 
einctus  vgl.  Plin.  XXVIII  42.  Suet.  Nero  51. 
Saglio  a.  a.  0. 1 1 172.  Mau  bei  P.-W.  III  2558. 
Sonst  auch  zona,  Plaut.  Cure.  220.  Hör.  ep.  II 
2,  40.  Petron.  114,  10.  Gell.  XV  12,  4.  Ed. 
Diocl.  10, 8  ff.  und  s.  ebd  Blümner. 

x)  Quint.  a.  a.  O.  139:  latum  habentium 
darum  modus  est,  ut  sit  paulum  cinetis  sum- 
Otissior  (tunica);  vgl.  Suet.  Caes. 45. 

2)  Cic.  in  Catil.  II 10,  22  von  der  Tracht 
der  Catilinarier:  manicatis  et  talaribus  tunicis; 
von  Verres  ders.  Verr.  V  13,  31 ;  33,  86.  Vgl. 
Isid.  XIX  22,  7. 

3)  Hör.  sat  II  1,73. 

4)  Prop.  V  (IV)  2, 38:  mundus  demissis  in- 
stitor  in  tunicis.  Ov.  a.  a.  1421;  auch  die  in 
den  Wirtsstuben  Bedienenden,  Plaut.  Poen. 
1298:  tunicis  longis,  quasi  puer  cauponius; 
vgl.  ebd.  1303.  So  auch  auf  Bildwerken,  s. 
Jahn  BSGW  1861,  329  Taf.  IX  9. 

5)  Maecenas  erlaubte  sich  das,  nach  Sen. 
ep.  1 14, 4  u.  6.  Eleg.  in  Maecen.  (Baehrens  Poet. 
Lat.  min.  1 122  ff.)  21.  Vgl.  Hör.  epod.  1, 34.  Pers. 
3. 31 ;  auch  discineta  tunica,  Hör.  sat.  I  2, 132. 
Im  Hause  gingen  auch  die  Sklaven  discineti, 
freilich  wohl  mit  kurzer  Tunika,  Pers.  4,  22. 

6)  Hör.  sat.  I  5.  6.    als  rdtius   praeeimii. 

7)  Quint.  a.a.  O. 

8)  Plaut,  a.  a.  0.  Hör.  sat.  I  2,  25,  dazu  Por- 
phyr. Cic.  p.  Cluent.  40, 111. 

9)  Gell.  VI  (VII)  12.3:  ririautem  Romani 
primo  quidem  sine  tunicis  toga  sola  amicti 
fuerunt,  postea  substrietas  et  breves  tunica» 
eüra  umerutn  desinentis  habebant,  quod  genus 


Graeci  dieunt  e^coulöag.  Non. 536, 15:  tunica 
est  vestimentum  sine  maniris. 

l0)  Maü  bei  P.-W.  IV  2025  schließt  aus 
Gell.  a.a.O.  (vermutlich  besonders  §  1 :  tunicis 
uti  virum  prolixis  ultra  bracchia  et  usque  in 
primores  manus  ac  prope  in  digitos,  liomae 
atque  in  omni  Lotio  indecorum  fuit),  daß  dies 
nicht  eigentliche  Aermel  waren,  sondern  diese 
durch  die  größere  Breite  des  Tuches  bewirkt 
wurden.  Das  wäre  aber  doch  nur  für  die  Ober- 
arme möglich  gewesen,  wie  beim  griechischen 
Chiton  es  öfters  vorkommt;  Aermel  aber,  die 
den  Unterarm  bedeckten  und  eventuell  bis  zur 
Hand  reichten,  müssen  besonders  angenäht  ge- 
wesen sein. 

")  Plaut.  Pseud.  738.  Cic.  Catil.  a.  a.  0. ; 
frg.  or.  in  Clod.  et  Curion.  5, 1.  Suet.  Calig.  52. 
Gell.  a.  a.  0.  und  Scipio  ebd.  5.  Isid.  a.  a.  0.  8: 
manicleata  tunica,  i<l  ttt  manicata,  eo  quod 
habeat  manicas.  Dagegen  ist  Suet.  Caes.  45 
nicht  anzuführen,  weil  hier  der  Text:  usus  enim 
lato  clavo  ad  manus  fimbriato  sicher  verdorben 
ist  (E.  Schulze  Rh.  M.  XXX  (1875)  122  ver- 
mutet clavo  adamussim  atriato,  d.  h.  der  latus 
dar us  war  genau  in  parallele  Streifen  gelegt). 

12)  Als  Handschuhe  finden  wir  sie  bei  Plin. 
ep.  III  5, 15  (im  Winter  für  den  notarius  des 
Plinius  auf  der  Reise):  manicae  <le  peüibus, 
Pallad.  I  43,4.  Im  allgemeinen  vgl.  über  ma- 
nicae in  ihrer  sehr  verschiedenartigen  Bedeu- 
tung Saglio  bei  D.-S.  III 1576  ff. 

IS)  Augustin.  de doctr. Christ. III  20:  tulurrs 
et  manicatas  tunicas  habere  apud  Romanos 
veteres  flagitium  erat,  nunc  autem  honesto  loco 
uafis,  cum  tunicati  sunt,  non  MM  liabere  flagi- 
tium est.  Daher  kommen  Vopisc.  Aurel.  48,5 
tunicae  albae  manicatae  als  Spende  vor,  vgl. 
Treb.  Poll.  Gallien.  16,4. 


208 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


der  gewöhnlichen  Ärmeltunika  wohl  weniger  durch  den  Schnitt,  als  durch 
den  Stoff  und  die  kostbarere  Ausstattung  unterschied,  die  ebenfalls  mit 
Armein  bis  zu  den  Händen  versehene  Dalmatika1)  auf,  die  zuerst  unter 
Commodus  erwähnt  wird2);  eine,  wie  der  Name  besagt,  ursprünglich  dal- 
matische Tracht3),  die  bekanntlich  später,  wenn  auch  mit  beträchtlichen 
Änderungen,  christlicher  Kirchenornat  geworden  ist4).  Sie  scheint  dann 
die  alte  Tunika  vollkommen  verdrängt  zu  haben,  zumal  bald  darauf  auch 
die  ärmellose  (oder  nur  mit  ganz  kurzen  Ärmeln  versehene)  Dalmatika 
unter  dem  Namen  colobium5)  auftritt6).  Das  Material  für  das  anscheinend 
nur  von  Männern  getragene 7)  colobium  war  Leinwand,  während  Dalmatiken 
sowohl  von  Leinwand  wie  aus  Wolle,  Seide  und  Halbseide  erwähnt  werden8). 
Zu  beachten  ist,  daß  zwar  die  Dalmatika  vielfach  als  Obergewand  getragen 
wurde,  eigentlich  aber  doch,  wie  die  Tunika,  ein  Unterkleid  war,  über  das 
man  einen  Mantel  anzog,  und  andrerseits,  daß  es  kein  eigentliches  Hemd 
war,  denn  das  ist  in  jener  Tracht  der  ausgehenden  Kaiserzeit  die  sogenannte 
strictoria9).  Diese  war  linnen,  enganliegend  und  mit  Ärmeln10);  darüber  zog 
man  dann  das  colobium  oder  die  Dalmatika,  eventuell  sogar  beide. 

Wenn  in  der  älteren  Zeit,  zu  der  wir  wieder  zurückkehren,  die  Tunika  als 
Unterkleid  unter  der  Toga  allein  genügte11),  so  kam  es  doch  schon  ziemlich 
früh  auf,  zwei  Tuniken  zu  tragen12),  von  denen  die  eine  gewissermaßen 
ein  Hemd  vorstellte  und  tunica  inferior13)  oder  subucula  genannt  wurde14). 
Kränkliche  Leute,  die  sich  wärmer  anziehen  mußten,  trugen  sogar  noch  mehr n 


')  Vgl.  über  diese  Bayet  bei  D.-S.  II  19. 
Mau  bei  P.-W.  IV  2025. 

*)  Lampr.  Commod.  8,8:  dalmaticatus  in 
publico  processit;  im  Nachlasse  befanden  sich 
chiridotae  Dalmatae,  die  von  den  tunicae  unter- 
schieden werden,  Capitol.  Pertin.  8, 2.  Ferner 
auch  von  Heliogabal  bei  Lamprid.  26,2:  dal- 
maticatus in  publico  post  cenam  saepe  visus 
est.  Dasselbe  ist  wohl  der  yirwv  ysiotdcorog 
onQixoz  hvxö?  des  Commodus  bei  Dio  Cass. 
LXXII17,2. 

s)  Isid.  a.  a.  0. 9 :  Dalmatica  vestis primum 
in  Dalmatia  provincia  Graeciae  texta  est. 

4)  Vgl.  Kraus  Realenzykl.  der  christlichen 
Altert.  II  207.  Wilpert  Die  Gewandung  der 
Christen  in  den  ersten  Jahrhunderten  (Köln 
1898),  20;  25;  36.  v.Sybel  Christliche  Antike 
147  ff. 

5)  Vgl.  Mau  bei  P.-W.  IV  483. 

6)  Zuerst  im  Ed.  Diocl.,  das  im  26.  Abschn. 
mehrfach  colobia  anführt;  dann  Cod.  Theod. 
XIV  10,1,  zusammen  mit  der  paenula  als  Se- 
natorentracht. Vgl.  ferner  Serv.  ad  Aen.  IX  613, 
der  direkt  die  früheren  ärmellosen  Tuniken 
colobia  nennt;  ebenso  Isid.  a.  a.  O.  24.  Corp. 
Gloss.  V  616,39:  colobium  vestis  qua  utebantur 
antiquipro  dalmatica.  Dagegen  stellt  Serv.  ad 
Aen.  I  282  das  colobium  der  toga  gleich. 

7)  Im  Ed.  Diocl.  26,39  (ebenso  49  und  59) 
heißt  der  Ansatz  OEluatixwv  ärdoeicov  rjroi 
xoXoßlatv,  bei  den  Frauenkleidern  nur  öeluati- 
xwv  ywaixioov. 

8)  Ed.  Diocl.  19, 8  f. ;  1 3 ;  28  ff. ;  22, 5 ;  vgl. 


Dio  Cass.  a.  a.  0. 

9)  Griechisch  oxiyn,  Ed.  Diocl.  7, 56  und  s. 
dazu  Blümner  115.  Vgl.  Corp.  Gloss.  VII  294 
unter  stica;  ebd.  II  189,18. 

10)  Hieron.  ep.  64,11  (I  614  Migne):  haec 
linea  adhaeret  corpori,  et  tarn  arcta  est  strictis 
manicis,  ut  nulla  omnino  in  veste  sit  ruga  et 
usque  ad  crura  descendat. 

n)  Varr.  b.  Non.  108,24:  mihi puero modica 
una  fuit  tunica  et  toga. 

12)  Schon  bei  Plaut.  Aul.  647  kommen  tu- 
nicae bei  e  i  n  e  r  Person  vor.  Von  tunicae  spricht 
auch  Quint.  XI  3. 138.   Calpurn.  ecl.  3,29. 

13)  Val.  Max.  VII 4, 5 ;  intima  Gell.  X  15, 20. 

14)  Varr.  1. 1.  V  131 :  indutui  alterum  quod 
subtus,  a  quo  subucula.  Festus  309  a,  29.  Hör. 
ep.  I  1,95.  Die  Annahme  von  Böttiger  Sabina 
II 1 13,  die  tunica  interior  habe  bei  den  Männern 
subucula,  bei  den  Frauen  intusium  geheißen, 
weist  Becker-Göll  210  als  falsch  zurück.  Wenn 
Varro  bei  Non.  542,20  sagt:  posteaquam  binas 
tunicas  habere  coeperunt,  instituerunt  vocare 
subuculam  et  indusium,  so  sprach  er  offenbar 
von  der  Frauentracht,  denn  nur  zu  dieser  ge- 
hört das  indusium,  vgl.  Marquardt  485  A.  2. 
Zur  subucula  vgl.  Corp.  Gloss.  V  514,26,  wo  sie 
als  tunica  linea  erklärt  wird ;  ebd.  623, 27 ;  auch 
subicula,  ebd.  II  352,29  u.  498, 6  durch  xolößiov 
erklärt.  Erst  im  4.  Jahrh.  n.  Chr.  kommt  dif 
camisia,  das  leinene  Hemd,  vor,  Hieron.  a.a.O. 
Isid.  XIX  22,29  (bei  Fest.  311,4  mit  subucuk 
identisch) :  vgl.  Saglio  a.  a.  0. 1  862.  Mau  bei 
P.-W.  III  1433. 


Sechster  Abschnitt.    Die  Tracht. 


209 


als  zwei  Tuniken1).  Wenn  im  3.  Jahrhundert  n.  Chr.  und  später  linnene 
Tuniken  erwähnt  werden2),  so  dürften  diese  mit  den  oben  genannten 
strktoriae  identisch  sein. 

Eine  sehr  gewöhnliche  Verzierung  erhielt  die  Tunika  durch  eingewebte 
oder  aufgenähte  Streifen,  die  sogenannten  claviz).  Diesen  Brauch  lernen 
wir  sowohl  aus  Schriftstellern4),  als  aus  Bildwerken  und  noch  erhaltenen 
spätrömischen  Gewandresten  kennen5);  am  bekanntesten  ist  er  in  der  An- 
wendung der  Purpurstreifen  zur  Kennzeichnung  bestimmter  Stände,  indem 
nämlich  die  Senatoren  das  Recht  des  latus  clavus6),  die  Ritter  das  des 
angustus  clavus  hatten,  wonach  auch  die  Tuniken  laticlavia  und  angusticlavia 
heißen7).  Was  die  Art,  wie  diese  Streifen  am  Kleide  angebracht  waren, 
betrifft,  so  steht  heute  fest,  daß  sie  in  zwei  Reihen  parallel  vom  Hals  oder 
den  Schultern  bis  hinab  zum  untern  Rande  liefen  und  sich  ebensowohl  auf 
der  Vorder-  wie  auf  der  Rückseite  befanden8). 

Auf  die  tunica  palmata,  die  mit  goldnen  Palmzweigen  bestickte  Tunika, 
die  zur  Tracht  des  Triumphators  gehörte,  wollen  wir  hier  nur  hinweisen; 
da  solche  Tempelinventar  des  kapitolinischen  Jupiter  waren,  aus  dem  sie 
die  Triumphatoren  nur  geliehen  bekamen,  und  sie  sonst  bloß  als  Aus- 
zeichnung an  fremde  Könige  verliehen  wurden,  haben  sie  mit  der  ge- 
wöhnlichen Tracht  nichts  zu  tun9).  Erst  der  späten  Kaiserzeit  gehört  der 
Luxus  der  mit  reichen  purpurnen  oder  goldenen  Bordüren  versehenen 
Tuniken  an,  die  nach  dieser  Verzierung  mit  dem  wahrscheinlich  syrischen 
Namen  paragauda  {paragaudis) 10)  bezeichnet  werden  und  wohl  weniger 
durch  einen  besondern  Kleiderschnitt,  als  durch  jene  luxuriöse  Ornamen- 
tierung gekennzeichnet  sind11). 

In  der  bloßen  Tunika  pflegte  der  römische  Bürger  der  bessern  Stände, 
wenn    er   in   der  Hauptstadt   weilte,   nur   im  Hause   herumzugehn,   in   der 


')  So  heißt  es  Suet.  Aug.  82  von  diesem 
Kaiser:  li lerne  quatemis  cum  2>ingui  toga  tu- 
nicis  et  subucula  et  tlmrace  laneo  et  femina- 
Ulms  et  tibialibus  muniebatur;  er  trug  also  ein 
wollenes  Leibchen,  ein  Hemd  und  darüber  noch 
vier  Tuniken,  außer  der  Toga. 

2)  Vopisc.  Aurel.  12,1;  48,5.  Augustin. 
sermon.  37,6:  hoc  conicere  audeo  ex  ordine 
vestimentorum  nostrorum  :  interiora  sunt  enim 
Tinea  vestimenta,  lanea  exteriora. 

3)  Die  grundlegende  Untersuchung  über 
den  clavus,  speziell  über  den  latus  und  angustus 
davus,  ist  die  von  Rubenius  De  re  vestiaria 
veterum,  praecipue  de  lato  clavo  libri  duo,  Ant- 
werpen 1665.  Von  neuerer  Litteratur  kommen 
in  Betracht  A.  Müller  im  Philol.  XXVIII  (1869) 
277  ff.  E.  Schulze  im  Rh.  M.  XXX  (1875)  120  ff. 
Heuzey  bei  D.S.  I  1242.  Hula  bei  P.-W.  IV 
8  ff. 

4)  Fest.  56,9:  clavata  dicuntur  aut  vesti- 
menta clavis  intertexta  aut  calciamenta  clavis 
confixa;  vgl.  274b, 34.    Serv.  ad  Aen.  II  616. 

5)  Vgl.  Karahacek  Die  Theod.  Graf  sehen 
Funde  in  Aegypten  34  ff. 

6)  Vgl.  Heuzey  bei  D.-S.  I  1242  ff.  Hula 
bei  P.-W.  IV  4  ff. 


Handbuch  dor  klass.  Altertumswissenschaft.    IV.  2,  •.> 


7)  Val.  Max.  V  1,7.  Corp.  Gloss.  VI  70; 
ebd.  628;  griech.  jT?.azva?]/io?  und  orsvöotifioe. 
Beide  Ausdrücke  werden  noch  häufiger  von 
den  Personen,  die  das  Recht  auf  den  latus  oder 
angustus  clavus  hatten,  gebraucht.  Ueber  diese 
vgl.  Mommsen  Rom.  Staatsrecht  III  513.  Hula 
a.  a.  0.  6  f. 

8)  Varr.  1. 1.  IX  79  (oben  S.206  A.  10) ;  ders. 
bei  Non.  536, 32 :  quam  istorum,  qtiorum  vitreae 
togae  ostentant  tunicae  clavos.  Quint.  XI  3, 138. 
Fest.  209  a,  23.  So  auch  auf  Abbildungen,  s. 
Marquakdt  547  A.  5.  Ueber  das  Technische 
s.  Karabacek  a.  a.  O.  35. 

9)  Vgl.  über  die  tunica  palmata  Mommsen 
a.  a.  0.  I  396  ff.   Marquardt  542. 

10)  Vgl.  Saglio  bei  D.-S.  IV  322. 

*')  So  spricht  man  von  festes  jurragaiutae, 
Vopisc.  Aurel.  46,6;  intcruhie  paragattdae, 
Vopisc.  Prob.  4,5;  andrerseits  paragaudes  als 
Subst.Treb.Poll.Claud.  17.6.  Ed.Di'ocl.  19.29. 
Cod.  Theod.  X  21 , 1.  Ein  Graffito  im  Pädagogium 
des  Palatin  verzeichnet  dafür  bdUtgmtda  i nebst 
tUUmatica,  lacerna  und  byrrus),  Correra  Bull, 
comun.  XXI  (1893)  257  n.  151.  Nach  loh.  Lyd. 
de  magistr.  I  17  (vgl.  II  4)  waren  sie  meist  von 
weißer  Farbe.  Vgl.  Blümner  z.  Ed.  Diocl.  152. 
3.  Aufl.  14 


210 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


Fig.  44.   Togastatue  des  Kaisers  Claudios  (Vatikan). 


')  Daher  bezeichnet  Mart.X  5 1,6  den  Land- 
aufenthalt als  tunicata  gutes;  vgl.  1 49,31 ;  XII 
18, 27.  luv.  3, 171 :  pars  magna  Italiae  est,  in 
qua  I  nemo  toyam  sumit,  nisi  mortuus.  Auch  in 
den  Uebungen  auf  dem  Marsfeld  erschien  man 
tunicatus,  Cic.  p.  Cael.  5,11. 

*)  luv.  3,179. 

3)  Plaut.  Poen.  1 1 2 1 .  Cic.  leg.  agr.  TI 34, 94. 
Hör.  ep.  I  7,65.  Tac.  de  orat.  7. 

4)  Plaut.  Amph.  368.  Sen.  dial.  V  12,5; 
X12,5. 

ö)  Non.  406,13:  et  est  toga,  sicut  in  con- 
suetudine  habetur,  vestimentum  </no  in  foro 
amicimur:  vgl.  Dio  Cass.  LVI31.3. 

6)  Der  griechische  Name  für  die  Toga  ist 
lifßewa  (oder  tyßewöc,  Dion.  Hai.  III  61,1,  vgl. 
(  oi  p.Giloss.  VII 352),  und  diese  bezeichnet  Phot. 
584. 17  als  Ifiduov  i)  yJ.ajAvg  o  (pogovoiv  Tvognvoi 
(Codd.  ivQawoi) ;  vgl.  Serv.  ad  Aen.  II 781.  Daß 
die  Toga  von  den  Pelasgern  zu  den  Lydern  und 
von  diesen  zu  den  Römern  gekommen  sei,  sagt 
Tert.  depall.  l,vgl.  O.Müllek  Etrusker2I247. 

')   Beispiele  bei  Müller  a.  a.  0.  248  A.  54. 


Provinz  aber  und  auf  dem  Lande 
herrschte  größere  Freiheit1),  so- 
daß  man  selbst  bei  Festen,  wo  in 
Rom  die  Toga  unerläßlich  war,  sich 
in  der  (allerdings  festlich  weißen) 
Tunika  zeigen  durfte2).  In  Rom 
aber  gingen  nur  Handwerker,  Ver- 
käufer u.  dgl.  in  dieser  Tracht3), 
gewöhnlich  auch  die  Sklaven4).  Für 
den  römischen  Bürger  jedoch  war 
es  eine  vom  Herkommen  geheiligte 
Pflicht,  daß  er,  wenn  er  in  der 
Öffentlichkeit  erschien,  über  der 
Tunika  die  wollene  Toga  anlegte5). 
Die  Toga  ist  höchst  wahrscheinlich 
etruskischer  Herkunft 6) ;  auf  etrus- 
kischen  Denkmälern  finden  sich 
öfters  Darstellungen  von  Männern, 
die  über  der  Tunika  oder  auch  auf 
dem  bloßen  Leibe  ein  der  römischen 
Toga  ganz  ähnliches  Kleidungs- 
stück tragen,  nur  weniger  faltig 
und  umfangreich,  als  die  Toga- 
statuen der  Kaiserzeit7).  Über 
Form  und  Schnitt  dieses  Kleidungs- 
Stückes,  sowie  über  die  Art,  wie 
man  es  anlegte,  liegen  zwar  eine 
Anzahl  alter  Nachrichten  vor8),  und 
römische  Porträtfiguren  in  Statuen 


8)  Die  Hauptstelle  ist  Quint.  XI  3, 139  ff.: 
ipsam  togam  rotundam  esse  et  apte  caesam  velim, 
aliter  enim  multis  modis  fiet  enormis.  pars  eins 
prior  mediis  cruribus  optime  terminatur,  poste- 
rior eadem  portione  altius  qua  cinctura.  sinus 
decentissimus,  si  aliquanto  supraimam  togam 
fuerit,  nunquam  certe  sit  inferior,  ille,  qui  sub 
humero  dextro  ad  sinistrum  oblique  ducitur 
velut  balteus,  nee  strangulet  nee  fluat.  p«>-s 
togae,  quae  postea  imponifur,  sit  inferior;  nam 
ita  et  sedet  melitis  et  continetur.  subducenda 
etiam  pars  aliqua  tunicae,  ne  ad  lacertum  in 
actu  redeat ;  tum  sinus  iniciendus  humero,  cuius 
extremam  oram  reiecisse  non  dedecet.  operiri 
autem  humerum  cum  toto  iugulo  non  oportet, 
alioqui  amictus  fi-et  angustus  et  dignitatem,  quae 
est  in  latitudine  pectoris,  perdet.  sinistriii» 
brachium  eo  usque  allevandum  est,  ut  quasi 
normalem  illum  unguium  faciat,  super  quod 
ora  ex  toga  duplex  aequaliter  sedeat.  Eine 
Uebersetzung  der  an  mehreren  Stellen  schwer 
verständlichen  Beschreibung  gibt  Mabquardt 
555  f.  und  eine  Besprechung BECKER-GöLL200n*. 


Sechster  Abschnitt.    Die  Tracht. 


211 


und  Reliefs  geben  uns  einen 
guten  Begriff  von  dem  Aussehen 
einer  wohlgeordneten  Toga  (vgl. 
Fig.  44  und  45) 1);  nichtsdesto- 
weniger ist  es  nicht  möglich,  mit 
völliger  Sicherheit  die  Grund- 
form und  die  Art  des  Arrange- 
ments anzugeben,  zumal  darin 
im  Laufe  der  J  ahrhunderte  mehr- 
fach Veränderungen  stattgefun- 
den haben  und  die  Einfachheit, 
die  in  früheren  Zeiten  auch  in 
Schnitt  und  Tracht  der  Toga  zu- 
tage trat,einerüppigenund  durch 
ihre  Umständlichkeit  ebenso  an- 
spruchsvollen wie  lästigen  Mode 
hatte  weichen  müssen.  Daher 
gehen  die  Versuche,  die  zum  Teil 
an  Modellfiguren  gemacht  wor- 
den sind,  um  die  Tracht  der  Toga 
zu  erläutern,  vielfach  auseinan- 
der2). Wir  verzichten  darauf, 
die  verschiedenen  Ansichten  dar- 
zulegen 3),  und  begnügen  uns  mit 
der  Angabe  dessen,  was  als  fest- 
stehend betrachtet  werden  darf. 
Das  ist  zunächst  der  Umstand, 
dau  die  Toga  nicht,  wie  das 
Himation  der  Griechen,  ein  vier- 
respekti  ve  rechteckiges,  sondern 

ein  gerundet  zugeschnittenes  Kleidungsstück  war4).  Dieser  Unterschied  ist 
so  charakteristisch,  daß  im  mithridatischen  Kriege  die  in  Kleinasien  lebenden 
römischen  Bürger  sich  durch  Annahme  des  viereckigen  Himations  statt  der 
Toga  vor  der  Verfolgung,  die' alle  Römer  traf,  retteten5).    Freilich  darf  man 


Fig.  41 


Tosastatue  i  Vatikan  i 


^Beispiele  bei  Marquardt  558  ff.  Fig.  2-6; 
andere  ebd.  559  A.2  und  560  A.  1  angeführt; 
doch  bemerkt  Göll  201  mit  Recht,  daß  die 
S.  558  nach  Becker  Augusteum  Taf.  117  ab- 
gebildete Statue  Fig.  2  griechische  Tracht  zeigt. 
Die  Togastatuen  in  unsern  Fig.  44  (Statue 
des  Claudius  im  Vatikan)  und  45  (angeb- 
licher Nerva  ebd.)  sind  nach  Photographien 
abgebildet. 

■)  Siehe  die  oben  S.  205  angeführten  Ab- 
handlungen von  v.  Seckendorff  und  v.  d.  Laü- 
mtz:  dazuWEiss  Kostümkunde- 43 1 .  A.Müller 
im  Philologus  XXVIII  (1869)  116  ff. 

3)  Zu  finden  bei  Becker-Göll  200  ff.  Mar- 
quardt  556  ff. 

4)  Quint.  a.  a.  O.  Dion.  Hai.  III  61, 1  nennt 


die  Toga  ein  „tf Qißölcuov  ov  tezQaymvov  r<j5  r,y>'t- 
fian,  dXV  yiny.vy./jor.  Isid.  XIX  24,3:  est  autem 
paUiumjmrHmfortna  rotunda  effusiore  et  quasi 

intniiliiiiic  sinn,  et  snbdextro  veniens  supra  hu~ 
merum  sinistrum  ponäur;  ebenso  Schol.  Pers. 
5, 14.  L.  v.  Sybel  Christi.  Antike  147  A.  1  ineint, 
die  Toga  sei  (schon  aus  webetechnischen  Grün- 
den) ursprünglich  viereckig  gewesen;  daß  sie 
zur  Zeit  des  Dion.  von  Halik.  schon  halbkreis- 
förmig war.  stehe  fest;  da  aber  Quint.  (a.  a.  O.) 
die  runde  Form  nur  empfehle  [velim  sagt  er), 
so  sei  diese  damals  noch  nicht  selbstverständ- 
lich und  allgemein  gewesen. 

5)  Posidon.  b.  Ath.  V  213  B;  vgl.  App.  bell, 
civ.  V  11:  oroltjv  eifts  ('Ariwriog)  VSTQaytOVOV 
'FAXr\vixi]v  uvti  zij*  naiQÜw. 

14* 


212  Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 

nicht  an  volle  Kreisform  denken,  vielmehr  führen  die  Bildwerke  darauf,  daß 
die  Toga  eine  ovale  oder  elliptische  Form  hatte,  und  ferner,  daß  dazu  ein 
die  menschliche  Körpergröße  um  das  Zwei-  bis  Dreifache  übersteigendes 
Stück  Stoff  genommen  wurde1)-  In  der  älteren  Zeit  freilich  wird  von  so 
gewaltigen  Stoffmassen  noch  nicht  die  Rede  gewesen  sein,  und  auch  später 
noch  trugen  einfache  oder  altvaterische  Leute  die  Toga  nicht  so  umfang- 
reich, sondern  mehr  dem  Körper  anliegend2).  Aber  schon  gegen  Ausgang 
der  Republik  war  es  Mode  geworden,  die  Toga  übertrieben  weit  zu  tragen, 
sodaß  man  sie  mit  Segeltüchern  vergleichen  konnte3);  namentlich  Stutzer 
konnten  sich  darin  nicht  genug  tun4),  und  eine  enger  anliegende  Toga 
galt  sogar  als  Zeichen  von  Ärmlichkeit5).  Bei  solchen  weiten  Togen  war 
natürlich  das  Anlegen  derselben,  das  an  und  für  sich  schon  große  Kunst 
erforderte,  doppelt  mühsam  und  eine  Arbeit,  zu  der  man  ganz  notwendig 
der  Beihilfe  von  Sklaven  bedurfte;  denn  solche  lange  und  breite  Stoffmengen 
konnte  man  allein  kaum  regieren.  Daher  mußte  man  auch,  wenn  man  einmal 
die  Toga  in  der  vorgeschriebenen  Art  umgelegt  hatte,  sich  wohl  in  acht 
nehmen,  daß  sie  nicht  in  Unordnung  gebracht  wurde6). 

An  sich  glich  die  Art  des  Umlegens  der  beim  griechischen  Himation 
üblichen,  nur  daß  man  bei  diesem  den  Stoff  einfach  nahm,  bei  der  Toga 
aber  ihn  doppelt  zusammenlegte.  Wie  dort  ist  das  Grundprinzip,  daß  man 
das  eine  Ende  über  die  linke  Schulter  wirft  und  es  nach  vorn  herabfallen 
läßt,  das  übrige  Stück  hinten  über  den  Rücken  weg  zur  rechten  Seite  zieht 
und  entweder  über  rechte  Schulter  und  Arm  weg  oder  unter  der  rechten 
Achsel  hindurch  nach  vorn  führt  und  das  letzte  Ende  quer  über  den  Leib 
entweder  über  die  linke  Schulter  nach  hinten  wirft  oder  über  den  linken 
Arm  fallen  läßt7).  Da  aber  die  Toga  viel  länger  und  weiter  war,  als  der 
griechische  Mantel,  so  ergaben  sich  allerlei,  auch  durch  den  andern  Schnitt 
bedingte  Unterschiede:  der  vorn  von  der  linken  Schulter  herabfallende  Zipfel 
reichte  beinahe  bis  zu  den  Füßen8),  und  vor  allem  arrangierte  man  den 
weiten  Stoff  in  Faltenzügen  und  Bauschen,  die  die  für  die  Toga  charakte- 
ristischen Erscheinungen  des  sinus  und  umbo  oder  nodus  hervorbrachten.  Der 
sinus,  den  die  ältere  Tracht  nicht  kannte  und  der,  als  er  aufkam,  noch  sehr 
eng  war9),  entstand,  wenn  man  das  unter  dem  rechten  Arm  durchgezogene 
Stück  nach  oben  umschlug  und  den  Stoff,    der  ja  doppelt  lag,   in   reichen 


s)  Marqtjardt  555  nimmt  für  die  Toga, 
von  der  Hör.  epod.  4,8  sagt:  cum  bis  trium 
üjnantm  toga,  \  ut  ora  vertat  huc  et  huc  eun- 
tium :  liberrima  indignatio,  an,  daß  sie  zu  die- 
sen zwölf  Fuß  Weite  etwa  vierzehn  Fuß  Länee 


Ov.  rem.  am.  680 :  nee  toga  sit  laxo  conspicienda 
sinu.  Sen.  contr.  14,2:  qiiod  laxior  usque  in 
pedes  demittitur  toga,  tuum  est. 

B)  Mart.  a.a.O.;  vgl.  XI  56,  6. 

6)  Bekannt  ist  die  Anekdote  von  Horten- 


hatte- sius,  der  einen  Kollegen,  der  ihm  im  Gedränge 


2)  Daher  nennt  Hör.  ep.  I  19,13  die  Toga 
des  jüngeren  Cato  exigua ;  vgl.  ebd.  18, 30 :  arta 
decet  sanum  comitem  toga.  Mart.  X  14.7  brevis 
toga.  Von  Augustus  wird  ausdrücklich  bei  Suet. 
Aug.  73  hervorgehoben:  togis  neque  restrictis 
neque  fusia  [usus  est). 

3)  Cic.  Catil.II  10,22  von  den  Catilinariern: 
velis  anUctos,  höh  togis. 

*)  Tib.  16,40:  flnit  effuso  cui  toga  faxet 
Htm;  II  3,80:  laxam  quid  iuvat  esse  togam. 


das  Arrangement  seiner  Toga  ruiniert  hatte, 
wegen  Beleidigung  verklagte,  Macr.  III  13,4  f. 

7)  In  der  spätem  Kaiserzeit  wurde  dieser 
Zipfel  der  Toga  frei  und  schleifenartig  über 
den  rechten  Arm  herabhängen  gelassen,  s. 
Heüzey  Revue  de  l'art  anc.  et  mod.  I  298 
Fig.  3  f.  Amelung  Skulpt.  d.  Vatikan.  Mus.  I 
285  n.l62Taf.  29. 

8)  Mart.  VII 33.  Suet.  Cal.35;  s.  oben  A.  4. 

9)  Quint.  a.  a.  O. 


Sechster  Abschnitt.    Die  Tracht. 


213 


Falten  auseinanderzog,  sodaß  sein  oberer  Rand  unter  der  Achsel,  der  untere 
am  Schienbein  lag;  der  umbo1)  entstand,  indem  man  den  unterhalb  des 
sinus  liegenden  Teil  der  Toga  hervorzog  und  auseinanderfaltete.  Das  alles 
ganz  kunstm&ßig  herzustellen,  war  recht  schwierig;  Elegants  ließen  sich 
sogar  von  einem  besonders  darin  geübten  Sklaven,  dem  restiplicus2),  die 
Toga  am  Abend  vorher  in  Falten  legen,  die  durch  Klammern  festgehalten 
wurden3).  Es  erklärt  sich  daher  auch  leicht,  daß  spöttische  Bemerkungen 
über  schlechtes  Sitzen  der  Toga  nicht  selten  sind4). 

Eine  besondere  Art,  die  Toga  zu  tragen,  die  aber  der  älteren  Zeit 
angehört,  ist  der  bei  Kultushandlungen,  namentlich  aber  im  Kriege  übliche 
cinctus  Gabinus6)',  er  bestand  darin,  daß  man  den  unter  dem  rechten  Arm 
hindurchgezogenen  Rest  der  Toga  nicht  nach  der  linken  Schulter  führte, 
sondern  als  Gürtel  um  den  Leib  zog,  sodaß  die  Toga  fester  saß  und  beide 
Arme  freiblieben 6).  Die  Tracht  kam  im  Felde,  als  dort  an  Stelle  der  Toga 
das  Sagum  trat,  ab,  blieb  aber  bei  gewissen  sakralen  Akten  noch  in  Ge- 
brauch. 

Die  Toga  war  von  je  das  nationale  Ehrenkleid  des  Römers;  der  Knabe,  der 
ins  Jünglingsalter  trat,  legte  sie  als  Zeichen  der  Mannbarkeit  und  des  Bürger- 
rechtes an  (s.  darüber  Abt.  II  Abschn.  II);  Nichtrömer  hatten  nicht  das  Recht, 
sie  zu  tragen7),  und  ebenso  war  den  Geächteten  ihr  Gebrauch  untersagt8). 
Wenn  aber  schon  gegen  Ende  der  Republik  der  Zwang,  in  der  Hauptstadt  in 

\  der  Toga  zu  erscheinen,  sehr  gelockert  war,  so  nahm  in  der  Kaiserzeit 
das  Tragen  dieses  feierlichen  und  unbequemen  Kleidungsstückes  mehr  und 

'  mehr  ab.  Zwar  blieb  sie  die  offizielle  Tracht  bei  den  öffentlichen  Spielen9), 
bei  Gerichtsverhandlungen  und  sonstigen  Amtsgeschäften10),  beim  Erscheinen 

f  am  Hofe  usw.11);  ganz  besonders  aber  waren  die  Klienten,  wenn  sie  morgens 

\zur  salutatio  sich  einfanden  oder  den  Patron  auf  seinen  Ausgängen  begleiteten, 
zum  Tragen  der  Toga  verpflichtet12).  Die  übrigen  aber  suchten  sich  so  viel 
als  möglich  davon  zu  emanzipieren  und  trugen  an  Stelle  der  Toga  andere, 
bequemere  Kleidungsstücke  über  der  Tunika  (siehe  unten);  und  so  kam  es, 
daß,  während  ursprünglich  gens  togata  eine  ehrenvolle  Bezeichnung  des 
Römervolkes  gewesen  war13),  man  immer  mehr  in  verächtlichem  Sinne, 
zumal  auf  die  hungerleiderischen  Klienten  hinzielend,  von  der  turba  togata 
sprach14),  ja  selbst  von  einer  plebs  togata15).    Die  Abneigung  gegen  die  Toga 

Aug.  40.  Lampr.  Comm.  16,6;  vgl.  Friedländer 
Sittengesch.  II  267. 

10)  Vgl.  0.  Hirschfeld  G.  g.  A.  1872,  680. 

n)  Friedländer  a.  a.  0. 1 151  u.  290. 

12)  Mart.  I  108. 7 ;  II  57, 5 ;  III  4, 6 :  46, 1 ; 
1X100,1;  X18.4;  74,3;  82,2;  XI  24, 11.  luv. 
1,96;  ebd.  119;  3,127;  8,142.  Die  Toga  der 
Klienten  wird  verächtlich  als  togula  bezeichnet 
von  Mart.  III  30.3;  IV  26,4;  V  22, 11 ;  VI  50,2; 
IX  100,5.  Vgl.  Friedländer  a.  a.  O.  I  340. 

ia)  Besonders  seit  dem  berühmten  Vers 
Verg.  Aen.  1  282:  Romanos,  verum  domino* 
gentemque  togatam.  Vgl.  Suet.  Aug.  40.  Laber. 
b.  Macr.  VI  5, 15.  Mart.  XIV  124, 1. 

u)  Mart.  VI  48. 1.  luv.  1.96;  dagegen  in 
gutem  Sinne  Prop.  V  (IV)  2,56. 

15)  Mart.  VII  2.8. 


*)  Fers. 5, 33 ;  nodos, Macr. a.a.O.  Balteus 
hiefs  er  nicht,  wie  manchmal  angenommen  wird, 
sondern  Quint.  a.  a.  0.  vergleicht  ihn  nur  mit 
einem  solchen  Wehrgehänge. 

2)  CIL  VI  7301;  9981. 

3)  Das  umständliche  Verfahren  beschreibt 
Tert.  de  pall.  5. 

4)  Hör.  sat.  I  3. 30:  rideri  eo,  quod  rusti- 
cius  tonso  toga  defluit;  ep.  I  1,96:  si  toga  dis- 
xi<li't  impar. 

5)  Vgl.  0.  Müller  Etrusker s  I  251  f.  Mau 
beiP.-W.III2558f. 

6)  Marquardt  560  f. 

7)  Vgl.  die  charakteristische  Anekdote 
Suet.  Claud.  15. 

8)  Plin.  ep.  IV  11,3. 

9)  Mart.  II 29, 4;  XIII 98;  luv.  11, 204.  Suet. 


214 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


wurde  auch  dadurch  vermehrt,  daß  sie  nicht  bloß  eine  unbequeme,  sondern 
auch  eine  kostspielige  Tracht  war.  Sie  war  nämlich  von  weißem  Wollen- 
stoff1), daher  schmutzte  sie  sehr  leicht  und  mußte  häufig  zum  Walker  ge- 
tragen werden2);  dadurch  wurde  sie  aber  sehr  bald  abgenutzt  und  schäbig3), 
und  namentlich  die  Togen  der  Klienten  mögen  in  der  Regel  wohl  so  un- 
ansehnlich gewesen  sein,  wie  etwa  heut  abgetragene  oder  altmodische 
Fräcke. 

Hinsichtlich  des  Stoffes  gab  es  freilich  große  Unterschiede  in  der  Fein- 
heit der  Wolle;  auch  nach  der  Jahreszeit  richtete  man  sich,  indem  man  im 
Sommer  eine  leichte  Toga  trug4),  die  bei  Stutzern  sogar  fast  durchsichtig 
war5),  während  im  Winter  dicke  Stoffe  bevorzugt  wurden6).  Meist  war  sie 
ohne  Schmuck  {toga  pura1));  die  toga  praetexta,  d.  h.  mit  breitem  Purpur- 
besatz, war  zwar  gewöhnliche  Knabentracht  (siehe  unten  S.  221),  bei  Männern 
aber  nur  die  der  kurulischen  und  einiger  andrer  Magistrate  und  der  Priester, 
also  eine  Amtstracht8),  auf  die  wir  hier  ebensowenig  einzugehen  brauchen, 
wie  auf  die  toga  picta  der  Triumphatoren,  die  mit  der  tanica  palmata  zu- 
sammengehört9), oder  auf  die  trabea,  eine  bunte,  schmale  Toga,  die  das 
Dienstkleid  von  Augurn  u.  a.  war10).  Endlich  zeigen  uns  die  konsularischen 
Elfenbeindiptychen  der  späten  Kaiserzeit,  daß  damals  eine  von  der  alten 
Toga  ganz  abweichende  Amtstracht  aufgekommen  war,  bei  der  das  Tuch, 
das  unter  der  rechten  Achsel  hervor  über  die  linke  Schulter  gelegt  wird, 
nicht  bloß  von  dort  auf  den  Rücken  herabfällt,  sondern  von  da  wieder  querx 
über  die  Mitte  des  Leibes  gezogen  wird11). 

An  Stelle  der  Toga  traten  allmählich  verschiedene  mantelartige  Kleidungs-  j 
stücke,  die  bequemer  waren,  als  das  römische  Nationalkleid,  in  der  Regel/ 
aber  fremden  Trachten,  anfänglich  griechischer,  später  nordischer,  entlehnt^ 
waren.  Das  griechische  Himation,  das  die  Römer  Pallium  nennen12),  trugen 
schon  in  republikanischer  Zeit  die  Römer,  die  als  Statthalter  u.  dgl.  in 
griechischen  Provinzen  sich  aufhielten13),  obschon  sie  dem  Tadel  wegen 
dieses  Mangels  an  Würde  nicht  entgingen14).  Aber  schon  unter  Augustus 
konnte  ein  Römer  auch  in  der  Hauptstadt  das  Pallium  tragen15),  und  unter 
den  späteren  Kaisern  wurde  die  Freiheit  darin  immer  größer16),  sodaß  das 


')  Mail.  II  29,4;  IV  34,2;  1X49.5. 

2)  Mart.  1103,5;  VII  33,1;  X  11,6.  luv. 
3,149. 

3)  Mart.  III 36.9;  IX  100,5;  XII  72,4;  XIV 
125,2;  nach  X  96, 11  f.  brauchte  man  in  Rom  in 
einem  Sommer  vier  Togen,  während  in  Spanien 
eine  einzige  vier  Jahre  aushielt. 

4)  Hör.  ep.  1 14,32.  Ov.  a.  a.  III 445.  Mart. 
VII  86.8:  als  toga  rasa  ebd.  II  85.4  bezeichnet 
(nach  Plin.  VIII  195  erst  seit  Augustus  aufge- 
kommen). Eine  Sommertoga  ist  auch  die  toga 
smliit rix  Mart.  XII  18,5. 

ä)  Viirro  bei  Non.  448.25  nennt  sie  vitrea 
toga;  vgl.  Sen.  dial.  II  18,3;  ep.  114,21. 

6)  Hör.  sat.  1 3, 14.  Mart.  IV  34, 2 ;  XII 36, 2 ; 
XIV  137,2. 

7)  Cic  ad  Att.  V  20,9;  VII  8,5;  IX  19,1. 
Plin.  VIII  194. 

8)  Vgl.  MoMMSENRöm.  Staatsrecht2 1 394 f. 


9)  Makquakdt  542  u.  562. 

,0)  Ebd.  507  A.  2;  562.  Helbig  im  Hermes 
XXXIX  (1904)  161  ff. 

11 )  Marqtjardt  563  ff. 

")  Vgl.  Lerotjx  bei  D.-S.  IV  295  ff. 

u)  Schon  der  ältere  Scipio  Africanus  in 
Sizilien,  Liv.  XXIX  19. 12.  Bei  Plaut.  Epid.  725 
sind  socci,  tunica  und  pallium  Tracht  für  den 
Freigelassenen,  aber  auch  Sklaventracht,Aulul. 
646.  Vgl.  Mil.  gl.  687  ff. 

u)  Cic.  Verr.  IV  24,54;  V  13.31;  52,137; 
ders.  Phil.  V  5, 14;  p.  Rabir.  Post.  10, 26  f.  Vgl. 
Suet.  Caes.  48. 

15)  Maecenas  erschien  sogar  auf  dem  Forum, 
den  Rostra  etc.  im  Pallium.  Sen.  ep.  114.6. 

Ili)  Tiberius  ging  mit  dem  Beispiel  voran, 
Suet.  Tib.  13.  Daher  spielen  auch  pallia  unter 
den  kaiserlichen  Geschenken  eine  Rolle,  Suet. 
Aug.  98.  Vopisc.  Aurel.  1 3, 3 ;  ders.  Carin.  20, 4  f. 


Sechster  Abschnitt.    Die  Tracht. 


215 


Pallium  als  Oberkleid  häufig  erwähnt  wird1).  Häufiger  aber  war  die  oft 
erwähnte  lacerva2).  Diese,  ein  der  griechischen  Chlamys  ähnlicher  Mantel3), 
der  wohl  gleich  dieser  auf  der  rechten  Schulter  oder  vorn  auf  der  Brust4) 
durch  eine  Spange  festgehalten  wurde8),  war  ursprünglich  Soldatenkleid6), 
und  sie  ist  das  auch  in  der  Kaiserzeit  geblieben7).  Da  sie  ebensowohl 
anstatt  der  Toga  über  der  Tunika  getragen  werden  konnte 8),  wie  man  sie 
zum  Schutz  gegen  die  Witterung,  namentlich  bei  Regenwetter,  über  die 
Toga  anzog9),  so  war  die  anfangs  als  unpassend  getadelte  Tracht10)  auch  bei 
Nichtmilitärs  beliebt11)  und  wurde  namentlich  bei  Schauspielen  im  Theater 
und  Amphitheater  viel  getragen12).  Im  übrigen  wurde  sie  je  nach  Bedürfnis 
ebenso  aus  feinen,  leichten  Stoffen  hergestellt13),  als  aus  dicken,  schwereren14); 
auch  in  der  Farbe  herrschte  Abwechslung:  man  trug  weiße15)  wie  dunkle 
naturfarbene16),  namentlich  aber  trugen  die  Elegants  scharlachne  und 
purpurne17).  Daß  sie  bisweilen  auch  mit  Kapuzen  versehen  waren,  ist  nicht 
erweislich  1S),  wohl  aber  hatte  eine  solche  in  der  Regel  die  paenula19),  eine 
Art  Pelerine,  die  vornehmlich  im  Winter  getragen  wurde 20).  Man  trug  diesen 


l)Mart.II  63.10;  VIII59,9;XI16,5;23,12; 
XIV  136,2.  Tertullian  in  seiner  Schrift  depallio 
setzt  die  Vorzüge  des  Kleidungsstückes  aus- 
einander; immerhin  bedeutetdie  sprichwörtliche 
Wendung  ebd.  5 :  a  toga  adpallinm  s.  v.  a.  „  vom 
Pferd  auf  den  Esel  kommen". 

2)Vi?l.TEUFFELbeiPauly  IV  709.  E.Schul- 
ze A.Z.  XXXIII  (1875)  Uff.  THEDENATbeiD.-S. 

III 901. 

3)  Doch  ist  die  griechische  Uebersetzung 
von  lacerna  nicht  %la.fivq,  sondern  ecpeaxglg,  s. 
Schulze  a.  a.  0. 17.  Corp.  Gloss.  VI  617. 

4)  So  auf  der  von  E.  Schulze  a.  a.  0.  Taf.  3 
publizierten  Porträtbüste,  bei  der  das  Gewand 
als  lacerna  erklärt  wird. 

5)  Daher  ist  das  Kleidungsstück,  das  im 
Ed.  Diocl.  9, 15  f.  u.  53  ff.  fibulatorium  {cpißovla- 
zdtgtov)  heißt,  wohl  etwas  Aehnliches  gewesen ; 
vgl.Treb.Poll.  trig.tyr.  10, 12:  sagafibulatoria; 
Vopisc.  Prob.  4,5:  pallia  Gallica  fibulata. 

6)  Schol.  Pers.  1,54:  lacerna paRium  fi»i- 
hriatu  Di,  quo  olimsolimilitesvelabantur;  ebenso 
Isid.  XXX  24, 14.  An  beiden  Stellen  fimbriatiuu 
in  fibulatum  zu  ändern,  wieMARQUARDT  569  A.  3 
mit  Buonarrotti  vorschlägt,  ist  nicht  nötig,  da 
Fransen  gerade  an  Kriegsmänteln  auch  sonst 
erwähnt  werden  (von  den  lacernae  sagt  es  aus- 
drücklich Amm.  Marc.  XIV  6, 9 ;  vgl.  auch  Suet. 
rel.  ed.  Pfeiffersch,  p.  277  Adn. :  lacernae  vestes, 
qnod  sunt  extrema  sua  parte  laceratae)  und  auch 
an  Denkmälern  kenntlich  sind. 

7)  Vell.  Pat.  II  70,2:  80.3.  Prop.  IV  11  (III 
12),  7 ;  V  (IV)  3, 18.  Ov.  fast.  II  746. 

8)  Cic.  Phil.  II  30, 76.  Gell.  XIII  22  (21),  1. 
luv. 1,27. 

9)  Mart.  II 29, 3 ;  VIII 28, 22 ;  XIV 137 :  vgl. 
XII 26, 11.  luv. 9.28;  16,45.  Suet. Claud. 6.  Da- 
her sagt  Plin.  XVIII  225,  daß  bei  Beginn  der 
Regenzeit  die  Kleiderhändler  mit  den  Preisen 
der  lacernae  aufschlugen. 

10)  Cic.  a.  a.  O.  Suet.  Aug.  40.  Auch  später 


noch  wurde  sie  von  strengeren  Männern  ge- 
tadelt. Gell.  XIII  21. 

»)  Pers.  1,54.  Mart.  I  92,7;  11138,9;  VI 
82.9.  luv.  3, 148;  14,287. 

>2)  Mart.IV2.2:V8,5u.ll; 23.7; XIV 137. 
Suet.  Claud.  6. 

13)  Mart.  VI  59,5:  vgl.  VII  92,7.  Sulpic. 
Sever.  dial.  I  21,4  (14):  fluentem  lacemam,  als 
motte  indumentum  im  Gegensatz  zur  vestis 
grosaior. 

u)  Mart.  VII  86.8.  luv.  9,28  mit  Schol. 

ir>)  Mart.  192,7;  XIV  137;  139. 

16)  Matt.  I  96,4;  IV  2,2;  XIV  133.  Suet. 
Aug.  40.   Dio  Cass.  LVII  13,5. 

17)  Mart.  II  29.3:  43, 7;  V  8,5:  23,5;  IX 
22,13;X87.10;XIII87,1;XIV131.  luv.  1.27. 
Sen.  ep.  114.21.  Echt  purpurne  kamen  sehr 
teuer,  nach  Mart.  IV  61.4  und  VIII  10  bis  auf 
10000  Sesterzen  (2175  Mark). 

18)  Das  ist  zwar  allgemein  angenommen,  s. 
Becker-Göll220.  Marquardt  568.  Thedenat 
a.  a.  O.  Mau  bei  P.-W.  IV  1740,  aber  die  Haupt- 
belegstelle bei  Mart.  XIV  132,  die  Devise  zum 
Geschenk  einer  Kappe  (pileuni,  nicht  cucuUutt) 
ist  mißverstanden.  Si  possem,  tefas  cuperem 
tnisisse  lacenius ;  nunc  tantutn  capiti  munera 
mitto  tuo,  sagtMartial;  die  Erklärung  liefert 
Stat.  silv.  IV  9, 23:  usque  adeone  defuertmt 
caesis  pilea  atda  de  lacernis.  Man  nähte  also 
Kappen  aus  alten  zerschnittenen  Lacernen.  Die 
Stelle  Hör.  sat.  II 7, 55 :  caput  obscurant  ist  wohl 
so  zu  verstehen,  daß  die  lacerna  (wie  auch  die 
Toga)  über  den  Kopf  gezogen  werden  konnte: 
vgl.  Vell.  Pat.  II  70,2:  laeema  caput  dreum- 
dedit. 

19)  lieber  diese  vgl.  Leroux  bei  D.-S.  IV  291 . 

20)  Hör.  ep.  1 1 1 ,  18 ;  zumal  als  Schutz  gegen 
Regen,  luv.  5,79.  Mart.  XIV 130.  Varro  bei  Non. 
537,13.  Quint.  VI  3,64.  Daß  man  sie  aber  auch 
im  Sommer  anlegen  konnte,  zeigt  Mart.  XIV 
145. 


216 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


schon  in  republikanischer  Zeit  üblichen x)  Mantel,  der  anscheinend  nur  einen 
Ausschnitt  für  den  Kopf  hatte,  der  also  vom  Hals  an  den  ganzen  Körper 
bedeckte2),  sowohl  über  der  Tunika3),  wie  über  der  Toga4);  er  war  meist 
von  dickem  Wollenstoff5),  zumal  war  Filz  (gausape)  dafür  geeignet6),  und 
auch  Fransen  fehlten  nicht7).  Da  sie  auch  Tracht  von  armen  Leuten  und 
Sklaven  war8),  so  gab  es  auch  lederne9).  Auch  bei  diesem  Kleidungsstück, 
das  anfangs  mehr  auf  den  Gebrauch  auf  Reisen  und  bei  Regenwetter  be- 
schränkt gewesen  war10),  nahm  die  Anwendung  immer  mehr  zu11),  namentlich 
für  die  Zuschauer  bei  Spielen12);  auch  Soldaten  scheinen  sie  getragen  zu 
haben,  dann  aber  wohl  mit  Armlöchern13).  Sonst  sind  aber  die  gewöhnlichen 
Militärmäntel  das  sagum  und  das  paludamentum,  von  denen  wir  hier  nicht 
zu  handeln  haben,  da  sie  rein  militärische  Kleidungsstücke  sind14);  jedoch 
gab  es  neben  dem  militärischen  sagum,  das  der  griechischen  Chlamys  glich, 
einen  bürgerlichen  Mantel  gleichen  Namens,   den   nicht  nur  Arbeiter  und 


])  Die  erste  Erwähnung  ist  Plaut.  Most. 
991 :  Hbertas  paenulast  tergo  tuo,  was  aber  nicht 
auf  die  paenula  der  Sklaven  geht,  da  paenula 
hier  übertragen  s.  v.  a.  Schutz  bedeutet. 

a)  Daß  die  paenula  sich  dem  Körper  eng 
anschloß  und  auch  die  Arme  darin  steckten, 
zeigt  Cic.  p.  Mil.  20,54:  Milo,  der  paenulatus 
in  raeda  vehebatur,  war  am  Kämpfen  gehindert, 
cum  paenula  inretitus  esset.  Tac.  de  orat.  39 : 
paenulas  istas,  quibus  astricti  et  velut  inclusi 
cum  iudicibus  fabulamur.  Bei  Cic.  ad  Attic. 
XIII  33,  4  heißt  es:  de  Varrone  loquebamur : 
lupits  in  fabula,  venu  enim  ad  me,  et  quidem 
id  temporis,  ut  retinendus  esset;  sed  ego  ita 
egi,  ut  non  scinderem  paenulam;  und  ebd.  von 
einem  andern  Besucher  horum  ego  vix  attigi 
paenulam :  tarnen  remanserunt.  Das  faßt  Mak- 
qüakdt  565  so,  daß  die  paenula  der  Länge  nach 
zugeknöpft  und  geheftelt  war,  sodaß  sie  die 
freie  Bewegung  der  Arme  hinderte  und  dem 
einkehrenden  Gaste  von  dem  ihn  empfangenden 
Wirte  aufgeknöpft  werden  mußte.  Das  wird 
von  Göll  216  wohl  mit  Recht  in  Zweifel  ge- 
zogen; scindere  würde  kaum  ein  Aufknöpfen 
bedeuten  können.  Auch  Otto  Sprichwörter  der 
Römer  261  f.  faßt  die  Redensart  sprichwörtlich : 
„ich  habe  ihnen  den  Rock  nicht  zerrissen" ,  d.h. 
sie  nicht  zum  Bleiben  genötigt.  Daß  die  paenula 
aber  nicht  aus  einem  einzigen  Stücke  Tuch  ge- 
schnitten, sondern  genäht  war,  zeigt  der  Traum 
bei  Artem.  Oneir.  V  29  von  den  yaivölai  fisoot 
?.elvfievoi  ix  xOn>  Qa<pä>v. 

3)  Non.  537,5:  paenula  est  vestis,  quam 
supra  tunicam  accipimus.  So  gekleidet  sind 
wohl  die  paenulati  bei  Mart.  II  57,4;  V  26, 1. 

4)  Mart.  1  103,5. 

6)  Nach  Plin.  VIII 190  nahm  man  dazu  gern 
apulische  Wollstoffe,  besonders  vonTarent  und 
Canusium ;  daher  sind  wohl  auch  die  Canusinae 
fmcae  Mart.  XIV  127  und  rufae  ebd.  129  pae- 
nulae,  und  der  cammnatus  Syrus  IX  22, 9  ein 
Sänftenträger,  der  mit  solcher  canusinischen 
paenula  bekleidet  ist. 


6)  Mart.XIV145;  auch  die  VI  59, 2  erwähn- 
ten gausapinae  werden  paemdae  sein. 

7)  Isid.  XIX  24, 14 : paenula  estpallium  cum 
fimbriis  longis. 

8)  Bei  Augustin.  conf.  116  sind  die  Schul- 
lehrer paenulati ;  wie  eine  Illustration  dazu  sieht 
der  Lehrer  auf  dem  herkulanischen  Forumbilde 
aus,  Jahn  Abh.  der  SGdW  V  Taf.  1,  3^  Eine 
mulionica  paenula,  als  Tracht  eines  mrltio,  Cic. 
pro  Sest.  38,82;  die  paenula  der  Sänftenträger 
s.  oben  und  Sen.  de  benef.  III  28, 5,  wo  sie  pae- 
nulati heißen. 

9)  Mart.  XIV  130:  paenula  scortea.  Da- 
gegen wird  bei  Sen.  nat.  qu.  IV  6,2:  hi  cum  Si- 
gnum dedissent  adesse  iam  grandinem,  quid  ex- 
pectas?ut  homines  ad  paenulas  discurrerent  aut 
ad  scorteas,  zwischen  paenulaxmA  scorteaunter- 
schieden.  Daß  die  jiaenulae, wie  oben  angegeben, 
vielfach  mit  Kapuzen  versehen  waren,  beweist 
weniger  die  Stelle  des  Pomponius  bei  Non.  537,7: 
paenulam  in  caput  induce,  als  daß  Plin.  XXIV 
1 38  die  Blätter  einer  Pflanze  mit  solcher  Kapuze 
{caput  paenularum)  vergleicht. 

10)  Lampr.  AI.  Sev.  27,4:  paenulis  intra 
urbem  frigoris  causa  ut  senes  uterentur  per- 
misit,  cum  id  vestitnenti  genus  semper  itlne- 
rarium  aut  pluviale  fuisset. 

n)  Selbst  bei  Gerichtsverhandlungen,  Tac. 
de  orat.  39 ;  beim  Regen  trugen  sie  auch  Volks- 
tribunen, Spart.  Hadr.  3,5. 

12)  Lampr.  Comm.  16,6. 

13)  Der  Legionär  auf  dem  von  Hübner  im 
26.  Berlin.  Winckelmanns-Progr.  von  1866  ver- 
öffentlichten Relief  ist  in  der  paenula  dar- 
gestellt, aber  mit  Aermelloch  für  den  rechten 
Arm ;  andere  Beispiele  s.  bei  Hübneb  11  f.  Auch 
der  Reisende  auf  dem  Relief  von  Aesernia,  Jahn 
BSGW  1861  Taf.  X  6,  ist  offenbar  in  der  mit 
Kapuze  versehenen  paenula  dargestellt  (nicht, 
wie  Jahn  ebd.  369  meint,  im  cucullus,  der  sicher- 
lich nicht  bis  zu  den  Knien  reichte),  die  für  den 
rechten  Arm  ein  Loch  hat. 

14)  Näheres  s.  Marquabdt  565  ff. 


Sechster  Abschnitt.    Die  Tracht. 


217 


Sklaven1),  sondern  auch  ärmere  Leute  trugen2).  Diese  ursprünglich  gallische 
Tracht3),  die  aber  auch  anderwärts  heimisch  war4),  bestand,  wie  wir  aus  Denk- 
mälern wissen5),  in  einem  viereckigen  Mantel,  der  einen  dreieckigen  Ausschnitt 
für  den  Kopf  und  Ärmel  oder  Ärmellöcher  hatte  und  bis  über  die  Knie  reichte 6). 

Wahrscheinlich  von  Griechenland  entlehnt,  worauf  der  Name  deutet7), 
wenn  auch  vielleicht  direkt  von  den  Etruskern  übernommen8),  war  die 
laena9),  ursprünglich  ein  mit  einer  Spange  befestigter  Mantel  der  flammes10), 
der  aber  später  gewöhnliche  Tracht  wurde.  Es  war  ein  dem  Sagum  ähn- 
licher11), rundgeschnittener12)  Mantel  von  dickem,  zottigem  Wollenstoff13). 
den  man  überdies  doppelt  zu  legen  pflegte14).  Er  wird  öfters  als  ein  reich- 
gefärbtes Kleidungsstück  erwähnt,  das  man  anlegte,  wenn  man  zur  Mahlzeit 
geladen  war15);  doch  kommt  sie  auch,  und  dann  jedenfalls  in  einfacherer 
Ausstattung,  bei  Ärmeren  vor16). 

Etwas  Ähnliches  scheint  die  abolla11)  gewesen  zu  sein,  von  der  wir 
freilich  nicht  viel  wissen,  da  sie  nur  selten  erwähnt  wird18).  Sie  war,  gleich 
der  laena,  ein  aus  dickerem  Stoff  gefertigter,  doppelt  zusammenlegbarer 
Mantel19),  der  ebenso  von  Soldaten  getragen  wurde20),  wie  nach  griechischer 

duplex. 

13)  Mail.  XIV  136:  Tempore  brunudi  tum 
multum  levia  prosunt,  j  calfaciunt  villi  pallia 
vestra  mei;  vgl.  Strabo  a.  a.  0.  Non.  541,4  er- 
klärt sie  als  vestimentum  militare,  quod  Bupra 
omnia  vestimenta  sumitur. 

"*)  Varro  1. 1.  V  133:  laena,  quod  de  lana 
multa  duarum  etiam  togariim  instar,  ut  unli- 
quissimum  mulicrum  ricinium,  sie  hoc  duplex 
virorum.  Festus  117,10.  Suet.  frg.  ed.  Reiffench. 
267,12.  Corp.  Gloss.  V  215,4.  Dagegen  faßt 
Helbig  Hermes  XXXIX  (1904)  164  duplex  im 
Sinne  „von  doppelter  Dicke"  und  meint,  die 
laena  sei  mit  der  trabea  identisch,  von  der  sie 
sich  nur  durch  die  größere  Dicke  des  Stoffs 
unterschieden  habe. 

lö)  Das  ist  sowohl  bei  der  hyacinthina 
laena  Pers.  1,  32,  wie  bei  der  coccina  luv.  3, 
283  der  Fall.  Beim  Mahle  selbst  legte  man 
sie  aber  wohl  ab. 

16)  luv.  5, 130;  7,73.  Mart.  XII  36,  2  als 
brevis  laena. 

17)  Vgl.  Saglio  bei  D.-S.  1 9.  Mau  bei  P.-W. 
I  105  f. 

18)  Auch  die  Herkunft  des  Namens  ist  un- 
bekannt: die  übliche  Ableitung  vom  griechi- 
schen avaßoh)  lehnt  Mau  a.  a.  O.  mit  Recht  ab. 

19)  Serv.  ad  Aen.  V421:  duplicou  amietum 
id  est  abol/am,  quae  duplex  est,  sicut  chlann/s: 
er  bezieht  hierauf  auch  Hör.  ep.  1 17,25:  contra 
quem  duplici  panno  pativntia  cciat.  Auch  in 
den  Gloss.  Pap.  wird  abolla  erklärt  als  genus 
togae,  vestis  senatoria  (wofür  vielleicht  cena- 
toria  zu  lesen  ist,  s.  u.),  duplex  amietm.  Als 
flockig,  fiaMtoit'i,  wird  die  abolla  Corp.  Gloss. 
111193,8;  272,59  erklärt,  und  ebd.  V  652, 9 
als  genus  vestimenti  rustici. 

*0)  Non.  538,  17:  abolla  vestis  mili/aris, 
nebst  einem  Zitat  des  Varro,  wo  die  Toga 
der  abolla  gegenübergestellt  wird.  Militär- 
mantel ist  sie  auch  luv.  4, 76. 


ii 


')  Cato  r.  r.  59:  saga  alternis  annis,  also 
jedes  zweite  Jahr  geliefert.  Colum.18,9.  Digg. 
XXXIV  2,23, 2. 

2)  Das  geht  aus  Mart.  I  3,8:  VI  11,8  her- 
vor: daher  verkauften  die  sagarii  (luv.  6,591 
und  sehr  häufig  auf  Inschr.,  s.  Marquardt  585 

13)  in  der  Regel  wohl  an  Private. 

3)  Isid.  XIX  24, 13:  sagum  autem  Gallicum 
nomen  est.  dictum  autem  sagum  quadrum  eo, 
quod  apud  cos  primiim  quadratum  cd  quadru- 
pler esset.  Vgl.Caes.b.Gall.V42.  Strab.IV196. 

In  Spanien,  Liv.  XXIX  3,5.    Val.  Max. 
12,21:  in  Germanien,  Tac.  Germ.  17.    Mela 
III  3,2;  in  Ligurien,  Strab.  IV  202. 

5)  Vgl.  Hettner  Römisches  Grabmonu- 
ment, gefunden  bei  Born,  Trier  1881 ;  ders.Röm. 
Steitidenkrn.  d.  Provinz.-Mus.  zu  Trier  81  n.  159. 
Vgl.  Thedenat  bei  D.-S.  IV  1008. 

7)  Daß  laena  das  griech.  ylalva  ist,  ist  sehr 
wahrscheinlich.  Wie  jene  der  Mantel  der  epi- 
schen Helden  ist,  so  auch  diese  im  römischen 
Epos  (Verg.  Aen.  IV  262.  Sil.  It.  XV  421) ;  auch 
werden  beide  als  dicke,  wollige  Winterkleider 
bezeichnet.  Plut.  Numa  7:  xai  yag  äg  scpöoovv 
oi  ßaoikeig  lah'ag  6  'Ioßag  ykaivag  cpr\olv  sivai; 
so  auch  Serv.  ad  Aen.  IV  262,  sonst  wird  laena 
auch  mit  ylavig  wiedergegeben,  Fest.  117,20. 
Corp.  Gloss.  11477,20. 

s)  Darauf  deutet  die  Verwendung  im  Kul- 
tus ;  dazu  Fest.  117,10:  quidam  appellatum  exi- 
stimant  Tusce,  quidam  Graece,  quam  ykavida 
dieunt. 

9)  Vgl.  Teuffel  bei  Pauly  IV  728.  Leroüx 
bei  D.-S.  IV  292. 

10)  Cic.  Brut.  14. 96.  Serv.  a.  a.  O. ;  vgl.  Festus 
113,15. 

1 ')  Strab.  IV 196 :  >)  ds  igsa  roayeTa  uiv  äxgo- 
uak/.og  de,  ä<p'  tjg  rovg  daastg  oäyovg  ei;i>qpaivovoiv, 
ovg  laivag  xalovaiv.  Auch  Corp.  Gloss.  V  306,56 
als  sagum  italice  dictum  erklärt. 

w)  Corp.  Gloss.  V  215,4:  amictus  rotundus 


218 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


Mode  von  Philosophen1).  Doch  gab  es  auch  elegante,  feingefärbte  abollae2), 
mit  denen  man,  wie  in  der  laena,  zur  Tafel  ging3).  Über  ihren  Schnitt 
und  ihre  Tragweise  wissen  wir  sonst  nichts  Näheres4). 

Sehr  verbreitet  war  ein  mit  Kapuze  versehener  Umhang,  der  nach 
ersterer  den  Namen  cucullus  (auch  cucullio,  später  cuculla6))  führte6).  Name 
wie  Tracht  kam  den  Römern  von  nordischen  Barbaren  her,  weshalb  auch 
die  Bezeichnung  bardocucullus  (von  dem  illyrischen  Volke  der  Bardäer7)) 
vorkommt.  Sonst  finden  wir  als  ihre  Heimat  besonders  Gallien  angegeben 8). 
Nach  den  Denkmälern  zu  schließen,  auf  denen  sie  uns  oft  begegnet9),  war 
sie  ein  nur  die  Schultern  und  den  obern  Rücken  bedeckendes,  vorn  über  die 
Achseln  herabfallendes,  mit  einer  spitzen  Kapuze10)  versehenes  Mäntelchen11) 
aus  grobem,  steifem  oder  zottigem,  dunkelgefärbtem  Wollenstoff12).  Es  war 
Sklaventracht13)  oder  die  von  armen  Leuten  und  Arbeitern14);  Leute  besseren 
Standes  trugen  sie  allenfalls  auf  Reisen  oder  bei  Schauspielen15),  besonders 
aber  bei  nächtlichen  Ausgängen,  auf  denen  man  unerkannt  bleiben  wollte16). 

Etwas  ganz  Ähnliches  war  der  birrus  (oder  byrrus)11),  der  mehrfach 
direkt  damit  identifiziert  wird18).  Er  hatte  also  wohl  auch  eine  Kapuze, 
war  von  dunkler  Farbe,  der  er  vielleicht  auch  den  Namen  verdankt19),  und 


J)  luv.  3,  115.  Mart.IV53,5;  darin  ent- 
spricht sie  dem  rgißcov  duiXovg,  Diog.  Laert. 
VI  22. 

2)  Purpurne,  Suet.  Calig.  35.  Mart.  X  48, 1. 

3)  Im  Zolltarif  von  Iulia  Zarai  CIL  VIII 
4508  wird  eine   abolla   cenatoria  aufgeführt. 

4)  Wenn  Saglio  a.  a.  0.  kriegerische,  phi- 
losophische und  elegante  abollae  auf  antiken 
Denkmälern  nachzuweisen  versucht,  so  ge- 
schieht das  ohne  zureichende  Beweise. 

5)  Isid.  XIX  24,  17,  öfters  bei  Kirchen- 
vätern. 

6)  Vgl.  S.  Reinach  bei  D.-S.  1 1579.  Mau 
bei  P.-W.  III 11  u.  IV  1739.  0.  Jahn  BSGW 
1861,  369.  Ueber  den  vermutlich  keltischen 
Namen  vgl.  Holder  Altkeit.  Sprachschatz  1 183. 

7)  Mart.  153,5;  XIV  128,  wo  aber  beide 
Male  damit  nicht  die  Herkunft  des  Fabrikates, 
sondern  des  Schnittes  bezeichnet  ist;  vgl. 
Capit.  Pertin.  8.  3 :  cuculli  Bardaici.  Auch  die 
cuculli  Liburnici,  Mart. XI VI 39,  führen  uns 
nach  Illyrien. 

8)  Santonici,  Mart.  XIV  128.  luv.  8,  145; 
Ungonici,  Mart.  I  53,  5.  Ob  die  Notiz  des 
Schol.  luv.  3, 170 :  ant  crassos  habitu  aut  quales 
cucullos  habent  Perusini  auf  Tatsächliches  zu- 
rückgeht, ist  zweifelhaft. 

J)  Namentlich  auf  etruskischen  Monu- 
menten, gallischen  Terrakotten  u.  a.,  s.  Jahn 
a.  a.  0.  370  und  bei  Reinach  Fig.  2093  ff.  Be- 
sonders charakteristisch  ist  das  pompejanische 
Kneipenbild,  Mus.  Borb.  IV  tav.  A.  Reinach 
Fig.  2092.  In  manchen  Fällen  könnte  freilich 
das  betreffende  Kleidungsstück  auch  als  pae- 
ii ii In  cucuttata  bezeichnet  werden. 

10)  Die  spitze  Form  zeigen  nicht  nur  die 
Denkmäler,  sondern  auch  der  Umstand,  daß 
die  Papierdtite,  in  der  man  Pfeffer,  Weihrauch 
u.  dgl.  kaufte,    cucullus  heißt,    Mart.  III  2,  5. 


u)  Man  muß  jedenfalls  darin  unterscheiden, 
daß  cucullus  ebenso  eine  als  eignes  Kleidungs- 
stück dienende  Kapuze  bedeutet,  die  dann 
offenbar  nach  unten  sich  verlängerte,  als  die 
an  Mäntel,  Tuniken  u.  dgl.  angenähte  Kapuze, 

lä)  Mart.  I  53,  4  f.  ;X  76, 8.  luv.  3, 170;  daß^ 
sie  abfärbten,  geht  aus  Mart.  XIV  139  hervor. 

13)  Cato  r.  r.  2, 3  ordnet  an,  daß  die  Skia-/ 
ven  sich  ihre  cuculiones  selbst  nähen  sollten/ 
Colum.  18,9  empfiehlt,  die  Sklaven  gegen  die 
Kälte  zu  versehen  pellibus  manicatis,  cen\ 
tonibus  confectis  vel  sagis  cucullis  (wofür 
Jahn  a.  a.  O.  A.  311  cucullatis  vermutet);  ebd. 
XI  1,  21  heißt  es  im  gleichen  Falle  pellibus 
manicatis  et  sagatis  cucullis:  also  größere 
Mäntel  mit  Kapuzen,  wie  Pallad.  I  42  (43),  4 
von    tunicae  pelliciae   cum   cucullis    spricht. 

14)  Als  ärmliche  Tracht  erscheint  sie  Mart. 
X  76, 8 ;  cucullio  mulionicus,  Lampr.  Heliog.  32, 
9 ;  cucullio  vulgaris  viatorius,  Capitol.  Ver.  4. 6. 

15)  Mart.V  14,6;  vgl.  XI  98,  10.  Die  Epi- 
gramme, mit  denen  Martial  das  Geschenk  von 
cuculli  begleitet.  XIV  128  u.  139,  gehören  der 
Rubrik  der  ärmlichen  Gaben  an  (vgl.  Fried- 
länder Martial  II  295 ff.). 

16)  luv.  8, 145.  Lampr. a.a.O.  Capit.  a.a.O.; 
daher  nocturni  cuculli,  luv.  6,118. 

17)  Vgl.  Saglio  a.a.O.  17 12.  MAubeiP.-W. 
III  498. 

18)  Schol.  luv.  8, 145 :  cucullo,  de  birro  Gal- 
ileo scilicet.  Cod.  Theod.  XIV  10, 1, 2 :  atit  byrrii 
aut  cucullis.  Corp.  Gloss.  V410, 18:  byrrus  cu- 
culla brevis.  Dagegen  ist  es  wohl  Verwechs 
lung,  wenn  der  Schol.  Pers.  1,54  trita  donan 
lacerna  erklärt  durch  scis  birrum  tritum  co- 
di i/i  condonare. 

19)  Burrus  ist  griechisch  jivqqös  ,  vgl 
Festus  31,  6;  mehr  bei  Marquardt  567  A.  10 
Corp.  Gloss  VI  157. 


Sechster  Abschnitt.    Die  Tracht. 


219 


von  dickem,  grobem  Wollenstoff1).  Doch  gab  es  in  der  spätem  Kaiserzeit 
auch  birri  von  feiner  Wolle  und  hohem  Preise2);  geliefert  wurden  sie  ebenso 
von  italischen  Webereien,  wie  besonders  in  Canusium3).  als  von  solchen  in 
Gallien,  besonders  von  Atrebaten  und  Nerviern,  in  Britannien,  den  Donau- 
ländern, Griechenland,  Phrygien,  Numidien  u.  s.4).  Wie  sich  der  birrus  vom 
cucidlus  unterschied,  wissen  wir  ebensowenig,  als  wir  ihn  von  der  auch  erst 
der  spätem  Kaiserzeit  angehörigen  caracalla6)  unterscheiden  können.  Diesen 
Namen  hatten  freilich  zwei  verschiedene  Kleidungsstücke:  das  eine  war  die 
caracalla  talarise),  nach  der  der  gleichnamige  Kaiser  seinen  Beinamen  er- 
hielt, weil  er  sie  nicht  nur  selbst  trug,  sondern  auch  bei  den  Soldaten  ein- 
führte7), und  die  daher  auch  als  Antoniniana  bezeichnet  wurde8).  Diese 
war  ein  langes,  bis  zu  den  Füßen  reichendes  Gewand,  das  sich  auch  später 
noch  im  Gebrauch  erhalten  hat  und  vermutlich  auch  mit  einer  Kapuze  ver- 
sehen war,  denn  diese  scheint  zur  caracalla  notwendig  zu  gehören9).  Die 
andere  caracalla  war  ein  ärmelloses10),  kurzes  Kleidungsstück,  das  auch  aus 
Leinwand  hergestellt  wurde  und  im  letztern  Falle  anscheinend  vornehmlich 
Frauentracht  war 1 l). 

Wir  erwähnten  schon,  daß  mehrere  der  oben  genannten  Mäntel  be- 
sonders, wenn  man  zu  Mahlzeiten  eingeladen  war,  angelegt  wurden.  Auch 
sonst  war  es  in  der  Kaiserzeit  üblich,  eigene  Dinertracht  anzulegen, 
eine  vestis  cenatoria12)  oder  ein  cenatoriiim13).  Als  besonders  hierfür  übliches 
Kleid  erscheint  die  synthesis  u).  Das  Charakteristische  bei  diesem  Kleidungs- 
stück, das  allem  Anschein  nach  zum  indutus  gehörte,  d.  h.  angezogen,  nicht 
umgelegt  wurde15),  scheint  darin  bestanden  zu  haben,  daß  man  davon  eine 
größere  Zahl,  eine  Garnitur,  denn  das  bedeutet  synthesis  auch  sonst16),  im 
Besitz  und  Gebrauch   hatte17);   Elegants   wechselten   dies  Kleid   bei   einer 


J)  Sulpic  Sev.dial.121,4  (14)  nennt  den 
birrus rigens ;  in  einem  Epigramm  der  Eucheria, 
bei  Haehrens  PLM  V  60, 5  wird  der  horribüis 
hurrus  der  nöbilis  purpura  entgegengesetzt. 

*)  Im  Ed.  Diocl.  19,  26  ff  haben  wir 
Preise  von  ßiggoi,  die  zwischen  1500  und 
10000  Denaren  variieren. 

3)  Vopisc.Carin.20,5. 

4)  Ebd.  und  Ed.  Diocl  19,26 f.  u.  32 ff.  Das 
Ediktenthältauch  7.42  f.  Posten  fürFabrikation 
und  22,21  ff.  solche  für  Waschen  von  birri. 

5)  Vgl.  Saglio  a.  a.  O.  I  915  ider  aber  zu 
falschen  Resultaten  kommt).  Mau  a.  a.  O.  III 
1565. 

6)  Aur.Vict.Caes.  21.1. 

7)  Dio  Cass.  LXXVIII  3,  3.  Spart.  Carac. 
9,7.  Aur.Vict.  a.a.O. 

8)  Spart,  a.  a.  O.  9, 8. 

9)  Corp.  Gloss.  II  338,  52  wird  xagaxälhov 
durch  cuculla  erklärt;  der  sogenannte  Ephod 
der  Juden  wird  bei  Hieron.  ep  64,15  (p.  615  M.) 
erklärt  als  palliolum  in  modum  caracallarum 
sed  absque  cucullo ;  vgl.  Corp.  Gloss.  a.  a.  O. :  ve- 
stimentum  sacerdotale  sine  cucullo  (wo  Loewe 
Prodr.  400  sive  cuculla  konjizierte). 

10)  Corp.  Gloss.  V  275. 26:  caracalla  vestis 
sine  manicis  auro  textet. 

n)  Das  Ed.  Diocl.  26. 120 ff.  zählt  verschie- 


dene Linnenstoffe  für  Caracallen  auf,  die  im 
Preise  zwischen  600  und  3500  Denaren  für 
den  forde  differieren.  Ebd.  7, 44 f.  sind  Arbeits- 
löhne für  caracallae  tarifiert;  da  sie  niedriger 
sind,  als  die  für  den  birrus,  kann  es  sich 
nur  um  Kleider  geringen  Umfanges  handeln 
Vgl.  Blümner  ebd.  1 13.  Mau  a.  a.  O.  1566. 

'*)  Capitol.  Maxim,  duo  30. 5 ;  die  vestimenta 
cubüoria  bei  Petron.30. 11  sind  wohl  dasselbe 
(Friedländer  schreibt  nach  Lipsius  aeeubi- 
toria):  oxoXfj  deusyius,  Dio  Cass.  LXiX  18,3. 

i3)  Petron.  21,5;  56. 9.  Mart.  X 87, 12 ;  XIV 
135;  cenatoria  alba,  Act.  Arval.  27  Mai  218; 
17  Mai  241. 

14)  Vgl.  Becker-Göll  I  15. 

15j  Suet.  Nero  51:    si/nfhesinam    indutus. 

16)  So  z  B.  von  Bechern,  Stat.  silv.  IV  9, 
44.  Mart.  IV  46, 15;  auch  eine  synthesis  1uni- 
carum,  Digg.  XXXIV  2,  38, 1.  Doch  ist  der 
Name,  wenn  er  auch  ursprünglich  die  Garni- 
tur von  mehreren  Exemplaren  bedeutet,  auf 
ein  einzelnes  Exemplar  übergegangen,  vgl. 
Act.  Arv.  19  Mai  91 :  cum  sintesibus  epulafi 
sunt,  s  Henzen  ebd.  15. 

,;)  Mart.  1146.4:  micat  inninneris  arcnlu 
synihesibus.  Aber  in  der  Provinz  brauchte  man 
sie  wenig,  ebd.  IV  66.4:  duxit  aestates  syn- 
thesis ii na  deran. 


220 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


Mahlzeit  zu  wiederholten  Malen1).  Man  trug  sie  in  bunten  Farben2),  und 
am  Saturnalienfest,  wo  die  Toga  verpönt  war3),  war  die  synthesis  beliebte 
Tracht4).  Über  ihre  sonstige  Beschaffenheit  erfahren  wir  aber  gar  nichts, 
und  es  hat  den  Anschein,  als  ob  dies  Kleidungsstück  nach  dem  1.  Jahr- 
hundert n.  Chr.  wieder  aus  der  Mode  gekommen  sei. 

Endlich  haben  wir  noch  die  endromis  zu  nennen 6).  Mit  diesem  Namen 
bezeichnete  man  jedoch  nicht,  wie  die  Griechen,  eine  Art  von  Fußbekleidung, 
sondern  ein  dickes,  deckenartiges  Tuch,  in  das  man  sich  im  Winter  und 
bei  schlechtem  Wetter  an  Stelle  der  laena  einwickelte6),  vornehmlich  auch 
nach  gymnastischen  Übungen,  um  sich  nicht  zu  erkälten7).  Sie  war  für 
gewöhnlich  wohl  von  grobem  Wollenstoff  oder  Filz8),  doch  kamen  auch 
feinere  Exemplare  vor9). 

Hosen,  die  mit  dem  keltischen  Worte  bracae  (oder  braccae)  bezeichnet 
wurden10),  sind  ursprünglich  der  römischen  wie  der  griechischen  Tracht 
fremd;  die  Barbaren  trugen  sie,  und  für  den  alten  Römer  war  das  ein 
Gegenstand  des  Spottes11).  Zwar  kam  es  vor,  daß  Römer,  die  lange  in 
nördlichen  Provinzen  sich  aufhielten,  diese  Tracht  annahmen,  es  erfuhr  aber 
Tadel12).  Erst  in  der  spätem  Kaiserzeit,  als  auch  Barbaren  auf  den  Kaiser- 
thron gestiegen  waren,  fanden  auch  die  Barbarenhosen  in  der  römischen 
Tracht  Eingang13);  zur  Zeit  Diokletians  gab  es  daher  bracarii,  die  nicht  bloß 
bracae,  sondern  auch  andere  Gegenstände  aus  dicken  Wollenstoffen  fertigten14). 

Einen  Ersatz  für  die  nicht  gebräuchlichen  Hosen  boten  die  schon  gegen 
Ausgang  der  Republik  üblichen  fasciae16),   Binden,  die  man  um  die  Beine 


')  Mart.V  79,2:  mutata  tibi  est  synthesis 
undecies. 

*)  Mart.X29,4;  vgl.  II 46, 4. 

s)  Mart.VI24. 

")  Mait.  XIV  1,1;  ebd.  141. 

5)  Vgl.AMELUNG  bei  P.-W.V2556. 

6)  Mart  XIV  126.  luv.  3. 103.  Sid.  Apoll, 
ep.  II 2. 2 :  endromidatus  exterius.  Im  Ed.  Diocl. 
19. 4 ff.  werden  verschiedene  Arten  ivögo/uidsg 
aufgeführt,  doch  erscheint  hier  die  Bedeutung 
des  Wortes  erweitert,  da  auch  Decken  für  Zelte 
und  Betten  daruntersind,  vgl.  Blümner  das.  149. 

7)  Mart.1V  19, 1  ff.,  der  es  von  lakedä- 
monischem Brauch  herleitet.   luv.  6, 246. 

8)  Mart.  a.  a.  0. :  Sequanicae  pinguem  tex- 
triris  ahmtmam.  Corp.  Gloss.  II  82, 20  ist  gau- 
sarus,  womit  ivdoofiig  erklärt  wird,  sicher 
gausapes,  d.  h.  Filz. 

9)  Tgriae  endromides,  luv.  6,  246. 

,0)  Vgl.  Saglio  bei  D.-S.  I  746.  Mau  bei 
P.-W.  I  2100.  Ueber  die  Hosen  der  Gallier 
und  den  Ursprung  des  Namens  braca  s.  de 
Joubainville  Rev.  arch.  IV  Ser.  I  337. 

")  Cic.  pro  Font.  15,  33;  in  Pison.  23,  53; 
ad  fam.  IX  15, 2.  Verg.  Aen.  XI  777.  Ov.  trist. 
IV  6, 47;  V7.49;  10,34.  luv.  8.  234.  Mart.  I 
92,8;  XI  21,9.  Suet.Caes.80.  Daher  die  Gallia 
bracata,  Plin.11131. 

w)  Von  Caecina  erzählt  Tac.  hist.  II  20, 
man  habe  es  ihm  verübelt,  quod  versicolori 
xngo,  bracas  barbarum  tegmen  indutus,  to- 
gatm  adloqueretur.  Die  im  Norden  stehenden 


Legionen  bedienten  sich  der  Hosen  schon  zur 
Zeit  Trajans,  wie  die  Reliefs  der  Säule  zur/ 
Genüge  zeigen. 

13)  Lampr.  Al.Sev.40,11:  bracas  albas  ha- 
buit  non  coccineas,  vi  prius  solebant ;  doch  ver- 
boten auch  Arcadius  und  Honorius  das  Tragen 
von  bracae  in  der  Residenz, Cod.Theod.  XI  V10,2. 

u)  Im  Ed.  Diocl.  7, 42  ff.  werden  die  Löhne 
für  den  bracarius  angesetzt,  Z.  46  für  bracae 
(im  Ed.  pro  bracibus),  sonst  für  den  burrus, 
die  caracallaund  für udones  (s.  u.),  vgl.  Blümner 
das.  113.  Schon  Lampr.  AI.  Sev.  24, 5  kommen 
bracarii  neben    linteones,  pelliones  u.  a.  vor. 

15)  Vgl.  Lafaye  bei  D.-S.  II  981.  Mau  bei 
P.-W.  VI  2008.  Mit  den  hier  gemeinten  fasciae 
sind  nicht  zu  verwechseln  die  zum  Schuhwerk 
gehörigen,  d.h.  die  ledernen  Riemen,  die  von 
den  Schuhen  hinaufgehend  die  Knöchel  oder 
auch  die  Waden  umwanden ;  solche  sind  die 
candidae  fasciae,  die  Pompejus  trug,  Val. 
Max.  VI  2,  7,  wie  auch  sonst  weiße  fasciae 
üblich  waren,  Cic.  ad  Attic.  II  3, 1.  Phaedr.  V 
7,37.  Vgl.  Plin.  VIII  221 :  fasciis  quibus  in 
calciatu  utebatur.  Eben  solche  sind  gemeint, 
wenn  die  purpurnen  fasciae  oder  fasciolae 
der  Frauentracht  erwähnt  werden,  Cic.  de 
har.resp.  21,44;  or.  in  Clod.  frg.  5, 1  (die  Mau 
a.  a.  O.  alle  als  fasciae  crurales  betrachtet). 
Ganz  außer  Betracht  fallen  natürlich  die  fa- 
sciae der  Aerzte,  d.  h.  chirurgische  u.  dgl.  Ver- 
bände, Cic.  Brut.  60,  217.  Cels.  V  26.  24;  VII 
20;  VIII  lOu.ö.Scrib.  comp.  131.  Suet.Galba21. 


Sechster  Abschnitt.    Die  Tracht. 


:i 


wickelte,  und  die  daher  auch  speziell  fasciae  crurales1),  feminalia  (femoralia)*), 
tibialia 8)  hießen.  Doch  pflegten  nur  ältere  oder  kränkliche  Leute  solche  zu 
tragen,  während  man  es  bei  andern  als  weichlich  betrachtete4);  indessen 
gehörten  sie  doch  auch  zur  Tracht  von  Soldaten,  Landleuten,  Jägern  u.dgl.5). 
Etwas  Ähnliches  scheinen  die  selten  genannten  impilia^)  gewesen  zu  sein 
(vielleicht  eine  Art  Wadenstrümpfe  aus  Filz) 7),  und  ebenfalls  die  Stelle  von 
Strümpfen  vertraten  die  um  die  Füße  gewickelten  fasciae  pedules*).  — 
Gleich  den  fasciae  werden  Leibbinden,  ventralia 9),  als  wesentlich  im  Gebrauch 
schwacher  und  kränklicher  Leute  erwähnt,  und  ebenso  die  Halstücher, 
focalia10),  die  sich  namentlich  Leute,  die  ihre  Stimme  schonen  mußten,  wie 
Vortragende,  umlegten11),  die  aber  auch  als  aurium  ligamenta  um  den  Kopf 
gebunden  wurden12).  In  der  Kaiserzeit  aber  trugen,  wie  die  Reliefs  der 
Trajans-  und  der  Markussäule  zeigen,  die  Soldaten  bei  den  Kriegen  im 
Norden  ganz  gewöhnlich  Halstücher,  deren  lange  Enden  auf  der  Brust 
herabhingen13).  Sonst  wurde  auch  das  Schweißtuch,  sudarium1*)  (später 
meist  orarium  genannt15)),  um  den  Hals  getragen16). 

So  viel  über  die  Kleidung  der  Männer,  von  der  sich  die  der  frei- 
gebornen  Knaben  vornehmlich  dadurch  unterschied,  daß  diese  bis  zur 
Pubertät  die  mit  einem  Purpurstreifen  verbrämte  toga  praetexta  trugen17). 
Als  besonderes  Knabenkleid  wird  auch  eine  Art  Jacke,  alicula,  erwähnt18). 


>)  Petron.40,5.  Digg.  XXXIV  2, 25, 4.  Vgl. 
Corp.  Gloss.  II  432, 56 :  crurarium  oxelödeafiov. 

*)  Suet.  Aug.  82 :  hieme  . .  .  et  feminalibus 
et  tibialibus  muniebatur.  Hieron.  ep.  64,  10 
p.  613M.  erwähnt  linea  feminalia.  Isid.  XIX  22, 
29 :  femoralia  appellata  eo  quod  femora  tegant. 
Corp.  Gloss.  II  403,27 ;  III 324, 15  werden  femi- 
alia  durch  negifirfQia,  nsgifinoidss  erklärt. 

3)  Suet.  a.a.O.~Digg.XLIX  16, 14,1.  Corp. 
Gloss.  III 208, 50 :  t Males  jisoiy.vgfua ;  vgl. ebd. 
23,58;  299,9. 

4)  Hör.  sat.  II  3,254:  insignia  morbi,  \  fa- 
sciolas,  cubital,  focalia.  Suet.  Aug.  a.  a.  0.  Quint. 
XI 3. 144 :  palliolum  sicut  fascias,  quibus  erura 
vestiuntur,  et  focalia  et  aurium  ligamenta 
sola  excusare  potest  valetudo.  Lampr.  Alex. 
Sev.  40. 1 1 :  fasciis  semper  usus  est.  Sid.  Ap. 
ep.  112, 2:  endromidatus  exterius,  intrinsecus 
fasceatus. 

5)  Petron.40,5.  Grat,  cyneg.  338. 

6)  Vgl.  Saglio  bei  D.-S.  III  434. 

7)  Nach  Plin.  XIX  32  machte  man  aus 
einem  Pflanzenfaserstoff  impilia  und  vestes 
quasdam;  es  ist  ein  Zitat  aus  Theophr.  h.  pl. 
VII  13,8,  der  jroösTa  sagt.  Daß  es  eine  Art 
von  Filz  war,  besagt  der  Name,  der  mit  mlog 
zusammenhängt  (griechisch  s/mtihov).  Digg. 
XXXIV  2,25,4:  fasciae  crurales  pednlesque  et 
impilia  Pestis  loco  sunt,  quin  partetn  corporis 
vestiunt.  alia  causa  est  udonum,  quin  usum 
eälciamentorum  praestant.  Darnach  können 
die  impilia  nicht  über  die  Füße  gezogen  wor- 
den sein,  wie  die  udones,  die  wohl  Filzsocken 
waren  (s.u.).  Die  Glossen  freilich  identifizieren 
beides,  indem  sie  ado  durch  iujti/uov  erklären, 
11296,25;  543, 19.  Vgl.  Saglio  bei  D.-S.  III 434. 


8)  Digg.  XXXIV  2,25,4;  auch  pedulia, 
Fest.  230b,  17.  Fronto  diff.  voc.  p.522, 19K. 
In  den  Glossen  kommen  pedules,  Corp.  III 
120,47;  224.45  u.  s.,  sowie  pedalia  vor,  8. 
VII  60. 

9)  Plin.  VII 52;  VIII 193:  villosu  ventralia. 
Digg.  XLVIII  20, 6  in  der  Form  centralis. 

10)  Vgl.  Gachon  bei  D.-S.  II  1193.  Mau 
bei  P.-W.  VI  2815.  Hör.  sat.  II  3, 255.  Quint. 
XI 3, 144.  Sen.n.qu.IV13.10.  Cels.115:  fauces 
lana  circumdare,  bei  gewissen  Krankheiten. 

»)  Mart.XlV142;  vgl.  IV  41. 

12)  Mart.  a.  a.  O. ;  daher  Corp.  Gloss.  II 580, 
40:focaleinatiris.  Besondere auriiim  ligamenta 
erwähnt  Quint.  a.  a.  O. 

13)  Siehe  Dabembebg-Saglio  a.  a.  O.  Fig. 
3116.   Rich  Wörterbuch  269. 

14)  Quint.  VI  3,  60  (schon  zu  Ciceros  Zeit); 
ebd.  XI  3, 148.  Catull.  12, 14;  25,  7  (aus  spani- 
scher Leinwand).  Suet.  Nero  48.  Val.  Max.  IX 
12, 7.   Apul.  apol.  53 ;  ebd.  55. 

>«)  Vopisc.  Aurel.  48,  5.  Treb.  Poll.  Claud. 
17,6.  August,  civ.  Dei  XXII  8.  Corp.  Gloss.  V 
411,24;  418,47.  Vgl.  Cahen  bei  D.-S.  IV  225. 

16)  Suet.  Nero  51.  Petron.  67,5. 

17)  Cic.  in  Verr.  act.  II,  I  44,  113,  mit  Ps.- 
Ascon.  z.  d.  St.  Macr.  I  6, 10.  Gell.  XVIII  4, 1 ; 
daher  heißt  der  freigeborne  Römerknabe  prac- 
textatus,  Quintil.decl.340.  Cic.  pro  Arch.  3,5; 
Phil.  II  18, 44.  Suet.  de  gramm.  16  u.  s. 

1H)  Digg.  XXXIV  2, 23, 2  unter  den  pueril ia 
vestimenta,  neben  praetexta«  und  ehiamtfde». 
Doch  kommt  sie  Mart.  XII  81,2  auch  als  ärm- 
liches Kleid  für  Erwachsene  und  Petron.  40, 5 
eine  alicula  polgmita  bei  einem  in  Jagdtracht 
auftretenden  Diener  vor. 


222 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


Die  Sklaven  trugen,  wie  oben  erwähnt,  teils  das  subligaculum  oder  eine 
kurze  Tunika,  teils  besondere  Livree,  wie  die  Sänftenträger.  Auf  dem 
Lande  gab  man  ihnen  auch  die  billigen,  aus  allerlei  Flicken  zusammen- 
genähten centones1)  und  als  Mantel,  wie  oben  erwähnt,  ein  sagum  oder 
eine  paenula.  Im  allgemeinen  aber  unterschied  sich,  wenn  man  natürlich 
von  der  Toga  absieht,  die  Tracht  des  römischen  Sklaven  von  der  des  ge- 
wöhnlichen einfachen  Bürgers  wenig  oder  gar  nicht2).  Pelzkleider  oder 
aus  Leder  gefertigte  waren  ursprünglich  Hirtentracht  und  auch  bei  den 
Sklaven  auf  dem  Lande  gebräuchlich3);  aber  erst  in  der  Kaiserzeit  wurden 
sie  auch  in  besseren  Kreisen  üblich,  obschon  mehr  für  Reisen  und  Auf- 
enthalt in  nördlichen  Ländern4). 

Was  die  Fußbekleidung  anlangt5),  so  kennt  die  römische  Tracht, 
gleich  der  griechischen,  Sandalen,  Schuhe  und  Stiefel,  sowie  verschiedene 
Zwischenarten;  aber  wie  bei  den  Kleidern  gewisse  Standesunterschiede  und 
Forderungen  der  guten  Sitte  sich  geltend  machen,  so  ist  das  auch  beim 
Schuhwerk  der  Fall.  Die  Sandalen  nämlich,  in  der  Regel  soleae6),  seltner 
sandalia  genannt7),  durfte  ein  auf  Anstand  haltender  Römer  zur  Toga  nicht 
tragen,  ja  nach  strengerer  Sitte  sollte  er  sich  überhaupt,  auch  in  andrer 
Tracht,  damit  auf  der  Straße  nicht  blicken  lassen8).  Doch  war  es  üblich, 
soleae  anzulegen,  wenn  man  zur  Mahlzeit  eingeladen  war;  man  legte  sie, 
wenn  man  sich  zu  Tisch  lagerte,  ab9)  und  übergab  sie  seinem  Sklaven  zur 
Aufbewahrung10).  Aber  auch  da  ließen  sich  feinere  Leute  in  einer  Sänfte 
hintragen,  um  nicht  in  Sandalen  auf  der  Straße  gehen  zu  müssen11);  wer 
das  nicht  konnte,  kam  wohl  auch  zur  Mahlzeit  in  Schuhen12).    Sonst  trug 


x)  Cato r.  r.  2, 3 ;  10, 5 ;  ebd.  59 :  quotiens cui- 
que  tunicam  aut  sagum  dabis,prius  veter  em  ac- 
cipito,  unde  centones  fiant.  Der  Sklave  schlief 
im  centunculus,  Sen.ep.  80, 8;  vgl.  Colum.  I  8, 
9.  Nach  Cato  135, 1  kaufte  man  fertige  cen- 
tones in  Rom  (doch  scheinen  die  inschriftlich 
oft  erwähnten  centonarii  wesentlich  die  eben- 
falls so  benannten  Decken  fabriziert  zu  haben, 
Marquardt  585).  Vgl.  Masqublez  bei  D.-S.  I 
1013.  Kubitschek  bei  P.-W.  III 1932  f. 

2)  Vgl.Artemid.On.il  3  (von  den  Römern): 
diä  yag  zo  zr/v  avzrjv  zoTg  deanözaig  cbg  em  zo 
jiXsiotov  s'xsiv  eoftfjza  im  xovzqj  zä>  ovsiqü) 
(nämlich  weiße  Kleider  zu  tragen)  oh  yivovzm 
ilevdeooi,  wojifq  oi  xü>v  'EXXrjvwv. 

3)  Colum.  a.  a.  0. 

*)  Felles  indutoriae,  Paul.  sent.  III  6,  79. 
Digg.  XXXIV  2, 23, 3. 

5)  Es  gibt  hierüber  zahlreiche  ältere 
Abhandlungen,  s.  Becker-Göll  III  227.  Mar- 
quardt 588,  jedoch  aus  neuerer  Zeit  keine 
zusammenfassende  und  genügende  Darstellung 
des  Gegenstandes. 

6)  Gell.  XIII  22  (21),  5:  omnia  ferme  id 
genus,  quibus  plantarunt  calces  tantum  in- 
fimae  teguntur,  cetera  prope  nuda  et  teretibus 
haben is  vincta  sunt,  soleas  dixerunt,  nonnum- 
qttam  voce  Graeca  crepidulas.  Isid.  or.  XIX 
34,  11:    soleae  sunt,   quibus   tantum  plantae 


teguntur,    dictae  a   solo  pedum;   vgl.  Festus 
301a,  3. 

7)  Turpil.  b.  Non.  343, 1 6 ;  ebd.  427, 27.  Ter. 
Eun.  1028.  Schol.  luv.  8, 175.  Die  Verfertiger 
von  Sandalen  sandaliarii,  CIL  X  3981,  dar- 
nach der  vicus  sandaliarius  mit  dem  gleich 
benannten  Apollo,  Suet.  Aug.  57.  CIL  VI  448, 
ebd.  761,  vgl.  Jordan-Hülsen  Topogr.  d.  St. 
Rom  I  3, 329  f.  Richter  Topogr.  d.  St.  Rom  307. 
Daneben  kommen  solearii  vor,  Plaut.  Aul.  514. 
CIL  VI  9404. 

8)  Afran.  b.  Non.  207, 37.  Cic.  Verr.  V  33, 86 : 
stetit  soleatus  praetor  populi  Romani  cum  pal- 
lio  purpureo  tunicaque  talari;  in  Pison.  6.  13. 
Tac.  ann.  II  59.  So  noch  im  2.  Jahrh.  n.  Chr., 
Gell.  XIII  22  (21),  1:  soleatos  tarnen  vos,  populi 
Romani  senatores,  per  urbis  inas  ingredi  ne- 
quaquem  decorum  est. 

9)  Soleas  deponere,  Mart.  III 50, 3 ;  demere, 
Plaut.  Truc.  367 ;  beim  Aufbrechen  soleas  po- 
scere,  Hor.sat.II  8,  77.  Sen.  contr.25.25;  vgl. 
Plaut.  Most.  384. 

10)  Mart.  VIII  59, 14;  XII  87,1. 

X1)  Hör.  ep.  I  13, 15  vom  tribulis,  der  vom 
Mahle  kommend  seine  soleae  unter  dem  Arm 
nach  Hause  trägt. 

12)  Plin.  ep.  IX  17, 3 :  quam  multl,  cum  la-lor 
aut  lyristes  aut  comoedus  inductus  est,  cal- 
ceos  poscunt. 


Sechster  Abschnitt.    Die  Tracht. 


223 


man  soleae  gewöhnlich  im  Hause1).  Diese  Sandalen  waren  in  der  Regel, 
wie  Denkmäler  und  noch  erhaltene  Exemplare2)  zeigen,  auf  den  Fuß  zu- 
geschnitten; das  Material  war  Leder3),  wobei  natürlich  in  der  Feinheit, 
Farbe  usw.  große  Unterschiede  obwalteten4);  manche  waren  mit  Wolle  ge- 
füttert5). Rote  Farbe  war  besonders  häufig6),  an  eleganten  Exemplaren 
selbst  Vergoldung  angebracht7).  Am  Fuß  befestigt  wurden  sie  durch  Riemen 
(habenae8),  amenta9),  obstragala10)),  die  zwischen  den  Zehen  durchgezogen 
wurden.  Zu  den  soleae  rechnete  man11)  die  von  den  Griechen  übernommenen12) 
crepidae1*),  die  schon  in  den  Zeiten  der  Republik  römische  Feldherrn  in  der 
Provinz  zur  Chlamys  oder  sonst  griechischer  Tracht  anlegten14),  was  in  der 
Kaiserzeit  auch  in  Rom  selbst  vorkam16).  Das  Charakteristische  der  crepidae 
war,  daß  sie  den  Ballen  des  Fußes  zum  Teil  bedeckten16),  und  ferner,  daß 
sie  nicht  auf  den  Fuß  zugeschnitten  waren17).  Ganz  ähnlich18)  scheinen  die 
Gallicae  gewesen  zu  sein19),  gallische  Sandalen,  die  später  sehr  Verbreitung 
fanden 20).  Sicheres  über  ihre  Form  und  inwieweit  sie  sich  von  den  crepidae 
unterschieden,  läßt  sich  nicht  feststellen21). 

Mit  soccus  bezeichnet  der  Römer  für  gewöhnlich  griechische  Schuhe, 
im  speziellen  aber  einen  Halbschuh  oder  Pantoffel  ohne  Riemen,  nur  zum 
Hineinschlüpfen22),  der  eigentlich  zur  Frauentracht  gehörte  und  daher  bei 


>)  Petron.  27,  2 ;  vgl.  Mart.  XII 12, 6.  Die 
arvalischen  Brüder  trugen  soleae  zu  sonst 
auch  nicht  römischer  Tracht  bei  den  ludi 
circenses,  s.  Henzen  Acta  fratr.  Arval.  38. 

2)  Ueber  noch  erhaltenes  römisches  Schuh- 
werk ,  vornehmlich  den  großen  Fund  von 
Mainz,  s.  Jahn  Abh.  d.  SGW.  V  (1868)  275. 
Makquakdt  588  A.  11.  Jacobi  Das  Römer- 
astell  Saalburg  495  ff.  H.Frauberger  Antike 
und  frühmittelalterliche  Fußbekleidungen  aus 
Achmim-Panopolis,  Düsseldorf  1896. 

s)  Bei  derben  Exemplaren  Holzsohlen, 
die  mit  Leder  überzogen  waren,  Isid.  a.a.O.: 
item  soleae  materiales,  ex  materia  corio  intecta. 

4)  Das  Ed.  Diocl.  9, 17  nennt  Babulonicae, 
die  von  sehr  feinem  Leder  waren,  ebd.  22  ff. 
inauratae,  taurinae  inauratae,  taurinae  la- 
watae. 

»)  Mart.  XIV  65:  soleae  lanatae.  Ed.  Diocl. 
9,25;  weiße  ebd.  19. 

6)  Pers.  5, 169.   Ed.  Diocl.  9, 18;  ebd.  23. 

7j  Ed.  Diocl.  9,  24. 

8)  Gell.  a.  a.  0. 

9)  Plin.  XXXIV  31. 

10)  Plin.  IX  114,  bei  crepidae. 

u)  Das  zeigt  vornehmlich  Gell.  a.a.O.  (s. 
oben  S.  222  A.  6). 

'*)  Pers.  1, 127:  crepidae  Graiorum.  Isid. 
XIX  34.3:  crepidas  Graeci  «nie  repertas  usi 

»")  Vgl.PoTTiEBbeiD.-S.II  1557.1nschriftl. 
crepidarU,  CIL  VI  9284;  sutor  crepidarius 
Gell.  a.a.O. 8. 

w)  Liv.  XXIX  19,  12  vom  altern  Scipio 
Africanus.  ebenso  Val.Max.II16, 1.  Cic.p.Rab. 
Post.  10, 27.  Val.  Max.  a.  a.  0.  2  vom  L.  Scipio; 


vgl.Cic.in  Pison.38,93. 

»»)  Suet.Tib.  13;  Calig.52;  Domit.4.  Un- 
glaubwürdig ist  die  Notiz  des  Serv.  ad  Aen. 
VIII  458,  der  zu  Tyrrhena  vincula  bemerkt: 
Tusca  calciamenta.  et  dicit  crepidas;  quas 
primo  habuere  senatores,  post  equites  Romani, 
nunc  milites. 

I6)  Gell.  a.a.O. 

")  Isid.  a.  a.  0. :  est  autem  genus  Singular  i 
forma,  et  idem  utrique  aptum  pedi,  vel  dex- 
tro  vel  sinistro. 

18)  Gell.  a.  a.  0.  3  werden  sie  zwar  von 
den  soleae  unterschieden:  plerique  ex  his,  qui 
audierant,  requirebant,  cur  soleatos  dixiwf, 
qui  gallicas,  non  soleas,  haberent;  Castricius 
erklärt  aber  beides  für  identisch,  und  Gellius 
selbst  meint,  ebd.  6,  das  Wort  sei  erst  durch 
Cicero  aufgekommen,  der  Phil.  1130,76  dem 
Antonius  vorwarf,  daß  er  cum  gallicis  et  /«- 
cerna  herumgelaufen  sei.  In  der  Ueberschrift 
im  Ed.  Diocl.  9, 12  werden  soleae  und  gallicae 
unterschieden. 

19)  Vgl.  Lafaye  bei  D.-S.  II 1453. 

20)  Das  zeigt  Ed.  Diocl.  9,  12  ff.,  wo  ver- 
schiedene Arten  gallicae  aufgeführt  werden, 
viriles  rusticanae  bisoles  (doppelsohlig).  viriles 
monosoles,  cursoriae,  und  zwei  Sorten  gallicae 
muliebres.  In  der  Inschr.  Not.  d.  scavi  1892, 271 
erscheinen  Festfeiernde  gallicati. 

2  >)  Lafaye  a  a.  0.  macht  den  Versuch,  doch 
zeigen  die  von  ihm  als  gallicae  nach  Denk- 
mälern abgebildeten  Halbschuhe  (Fig.  3479  ff.) 
sehr  verschiedene  Formen. 

22)  Isid.  a.a.O.  12:  socci  non  ttoaftikr,  sed 
tantttm  intromütunlwr.  Vgl.  Plaut.  Epidic.  725; 
Trin.  720  sind  sie  Sklaventracht. 


224 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


Männern  als  weibisch  betrachtet  wurde x) ;  doch  war  er  in  der  spätem  Zeit 
auch  für  Männer  Mode  geworden2). 

Die  eigentliche  Fußbekleidung  des  römischen  Bürgers,  die  ihn  ebenso 
als  solchen  kennzeichnet,  wie  die  Toga,  und  daher  auch  mit  dieser  zu- 
sammen getragen  wird3),  ist  der  calceus  (griechisch  xälziog)*),  ein  ge- 
schloßner  Schuh,  von  dem  es  aber  verschiedene,  den  einzelnen  Ständen 
zukommende  Arten  gab,  betreffs  deren  freilich,  zum  Teil  infolge  der  Un- 
sicherheit der  Quellen,  Meinungsverschiedenheiten  bestehen5).  Zu  den  calcei 
wird  zunächst  der  mulleus  gerechnet,  der  der  Beschreibung  nach  von  roter 
Farbe  war,  eine  hohe  Sohle  nach  Art  des  Kothurnes  hatte  und  am  obern 
Rande  mit  Häkchen  {malleoli)  zur  Befestigung  der  Schnürriemen  versehen 
war8).  Er  war  ursprünglich  eine  alte  Auszeichnung  der  Könige 7),  und  als 
solche  trug  sie  auch  Cäsar8).  Für  gewöhnlich  scheint  aber  dieser  Schuh 
außer  Gebrauch  gekommen  und  wesentlich  historische  Reminiszenz  geworden 
zu  sein,  obschon  bereits  alte  Quellen,  denen  sich  neuere  Forschungen  an- 
geschlossen haben,  den  mulleus  mit  dem  calceus  patricius  identifizieren9). 

In  der  historischen  Zeit  unterscheidet  man  zwei  Arten  offizieller  calcei: 
den  patrizischen  und  den  senatorischen.  Der  calceus  patricius,  der  das  Vor- 
recht der  patrizischen  Senatoren  war10),  wurde  mit  vier  Riemen  (corrigiae) 
gebunden  und  hatte  eine  Agraffe  in  Form  eines  Halbmondes  (lunula)11),  die 


>)  Sen.  deben.1112,1.  Suet.  Calig.  52. 

2)  Das  Ed.  Diocl.  9, 18  ff.  führt  socci  viri- 
les und  muliebres  an.  ferner  purpurei,  phoe- 
nicei,  Babulonici  purpurei  und  albi. 

3)  Cic.Phil. II  30.76.  Plin.  ep.  VII3,2.  luv. 
1,  119.  Quint.  XI  3, 137.  Suet.  Aug.  73;  vgl. 
Polyb.  XXX  19  (16),  3.  Plut.  Pomp.  24;  praec. 
coniug.  22  p.  141 A,  und  mehr  bei  Cobet  Mne- 
mosyne  N.  S.  VI  (1878),  17  f.  Makquardt  589 
A.  2.  Scherzhaft  nennt  Tertull.  de  pall.  5  den 
calceus  proprium  togae  tormentum.  Wie  man 
im  Hause  die  Toga  ablegte,  so  auch  die  calcei, 
Cic.  p.  Mil.  10,28;  de  republ.  I  12,  18;  anders 
Augustus,  s.  Suet.  Aug.  78,  der  aber  doch  auch 
im  cubiculum  sie  nur  zur  Hand  hatte  für  plötz- 
lich notwendige  Ausgänge,  ebd. 73.  DenSklaven 
war  der  calceus  untersagt,  Serv.  ad  Aen.  I  282. 

-1)  Vgl.  Heuzey  bei  D.-S.  I  815.  Mau  bei 
P.-W.  III 1340. 

6)  Vgl.  hierüber  außer  den  Artikeln  von 
Heuzey  und  Mau  noch  Willems  Le  senat  de 
la  republ.  Romaine  I  123 ff. 

*)  Isid.  or.  a.  a.  0. 10 :  mullei  similes  sunt 
COthttmorum,  solo  alto,  superiore  autem  parte 
cum  osseis  vel  aeneis  malleolis,  ad  quos  lora 
deUgabawbur.  dicti  autem  sunt  a  colore  rubro, 
(/iki/is  est  »mlli )>iscis.  Corp.  Gloss.  V  33,19 :  mul- 
leos  calceamenti  genus  a  colore  mullorum;  vgl. 
Plin.  IX  65  vom  mullus :  nomen  Ms  Fenestella  a 
colore  mullt'oriiiH  calciamentorum  datum  putat. 

7)  Nach  Festus  142b,  24  der  Könige  von 
Alba.  Corp.  Gloss.  V  466,  40  (vgl.  507,  41): 
mullei  calcei  quem  antiquitiis  reges  habere 
so/ifi  mint:   Vgl.V635,67. 

8)  Nach  Dio  Cass.  XLIII  43,2:  rf,  vnooioei 
. . .  y.ni  ci/'ij/.fj  tcai  t(>vl^i>o/od(i)  y.arä  zovg  ßaot/.mc: 


zoisg  ev  xrj  "Akßi]  jioxe  yevofievovg  .  .  .  EXQijxo. 

9)  Die  Hauptstelle  ist  Festus  142b,  24rx 
mulleos  genus  calceorum  aiunt  esse,  quibus 
reges  Albanorum  primi,  deinde  patricii  sunt 
usi.  M.  Cato  originum  li.  VII:  gut  magistra-  I 
tum  curulem  cepisset ,  calceos  mulleos  al- 
luta  ciniatos  (aluta  laciniatos  Müllek;  aluta 
cinctos  oder  vinctos  Jordan,  Mommsen:  a/it- 
taceos  Mau),  ceteri  perones.  Darnach  wird  der 
mulleus  von  Becker-Göll  234  und  Marquardt 
589  mit  dem  calceus  patricius  identifiziert, 
während  Mau  a.  a.  O.  widerspricht  und  meint, 
daß  Cato  den  Senatorenschuh  meinte  und 
mulleus  adjektivisch  gebrauchte ,  für  rote 
Schuhe,  wie  viel  später  Vopisc.  Aurel.  49,  7 
von  calcei  mulli  et  cerei  et  albi  et  hederacii 
spricht.  Allem  Anschein  nach  unterscheidet 
Cato  nur  zwei  Arten  Schuhe :  die  der  Beamten 
und  die  der  gewöhnlichen  Bevölkerung. 

10)  Man  vgl.  das  Elogium  des  Marius,  der 
zwar  Plebejer  war,  aber  nach  seinem  Triumph 
über  Iugurtha  mit  der  Triumphaltracht  auch 
die  zu  dieser  gehörigen  calcei  patricii  trug,  CIL 
I2  195:  veste  triumphali  calceis  patriciis  [itt 
senatum  venit).  Plut.  Mar.  12.  Schon  die  Kinder 
der  Senatoren  trugen  sie,  Stat.  silv.  V  2, 27  f. 

")  Isid.  a.  a.  O.  4:  patricios  cdlccos  1!<>- 
mulus  reperit  quatuor  corrigiarum  assutaqui 
luna.  iis  soli  patricii  utebantur.  luna  autem 
in  iis  non  sideris  formam,  sed  notam  cervte* 
narii  numeri  significabat,  quocl  initio  patricii 
senatores  centum  fuerint.  Als  Abzeichen  der 
evyereia,  d.  h.  des  Patriziats,  wird  der  Halb- 
mond auch  von  Plut.  qu.  Rom.  76  p.  282  A  be- 
zeichnet; vgl.  Schol.  luv.  7,  192:  hac  lunulA 
adsuta  calceis  discernuntur  patricii  a  noviciis, 


Sechster  Abschnitt.    Die  Tracht. 


225 


aus  Elfenbein  war1)  und  angeblich  die  Zahl  100,  als  die  ursprüngliche  der 
patrizischen  Senatoren,  bedeutete2);  doch  wurde  später  diese  Zierat  auch 
von  solchen  getragen,  die  kein  Anrecht  darauf  besaßen3).  Sie  war  oberhalb 
des  Knöchels  an  der  den  Schuh  verschließenden  Lederzunge,  ligula*),  an- 
gebracht5). Wie  die  Riemen  befestigt  waren,  wird  nicht  überliefert,  wahr- 
scheinlich aber  gingen  sie  etwas  höher  am  Bein  hinauf6).  Die  Farbe  des 
calceus  patricius  war  in  alter  Zeit  vielleicht  auch  rot,  später  aber  wohl 
schwarz7). 

Davon  wird  nun,  und  noch  in  der  späten  Kaiserzeit8),  der  calceus 
Mnatorivs  unterschieden.  Daß  dieser  gegen  Ausgang  der  Republik  und  in 
der  Kaiserzeit  aus  schwarzem  Leder  war,  steht  fest9);  aber  in  welcher 
bestimmten  Art  sich  der  Senatorenschuh  vom  Patrizierschuh  unterschied, 
wird  weder  überliefert,  noch  läßt  es  sich  aus  den  Denkmälern  schließen 
(vgl.  Fig.  46  und  47  10)).  Groß  können  die  Unterscheidungsmerkmale  nicht 
gewesen  sein,  da  bei  den  Schriftstellern  beide  Arten  oft  verwechselt  werden11). 

Dazu  kommen  dann  noch  die  gewöhnlichen  calcei  der  übrigen  Bürger, 
über  deren  Beschaffenheit  freilich  nichts  überliefert  wird12);  daß  sie  ungemein 


!)  Philostr.  V.  soph.  II  1,8:  imaq  vqiov  eXs- 
aävzivov  urjvoeidec. 

»)  Zonar.VII9  p.32  ed.  Bonn.  Isid.  a.a.O. 
loh.  Lyd.  de  mens.  I  19. 

3j  Mart.  II  29,7  von  einem  Ritter;  daß  die 
Nobilität  sich  auch  die  lunula  beilegte,  zeigt 
luv.  7,192.  wohl  auch  Mart.  1 49, 31.  Stat.  a.  a.  0. 

4)  Mart.  II  29.7:  non  hesterna  sedet  lu- 
nata  Ungula  planta;  vgl.  XIV  120.  luv.  5,20: 
lingulas  dimittere;  s.  Schol.  das.  Scrib.  comp. 
208:  melanterias,  quae  creta  sutoria  dicitur, 
qua  Mgulae  calceolorum  denigrantur.  Festus 
116,12:  a  xinulitudine  linguae  exertae,  ut  in 
calceis.   Corp.  Gloss.  II  263, 44;  V  621, 6. 

5)  Daher  imacpvotov,  Philostr.  a.  a.  O.  CIG 
6280  B,  31 :  Tvqotjvwv  äoyalov  sjiiocfVQiov  ysgas 
avdgwv. 

6)  Daß  sie  sich  kreuzten,  besagt  bei  Zo- 
nar.  a.a.O.  sjia.XXa.yri  twv  1/mxvtcüv.  Wahrschein- 
lich sind  die  bei  einigen  Kaiserstatuen  (vgl. 
Daremberg-Saglio  a.  a.  O.  Fig.  1016,  mehr  bei 
Mau  1342)  sichtbaren  Riemen,  die  am  Ober- 
leder festgenäht  auf  dem  Fußblatt  sich  kreu- 
zen und  gegen  den  Knöchel  laufen,  oberhalb 
dessen  das  Bein  ebenfalls  von  Riemen  uni- 
schnürt ist,  eben  diese  corrigiae;  charakte- 
ristisch ist,  daß  die  Enden  des  Knotens  der 
vorn  zusammengebundenen  Riemen  auf  beiden 
Seiten  lang  herunterfallen.  Die  lunula  ist  bisher 
noch  auf  keinem  Denkmal  nachgewiesen  wor- 
den. 

7)  Sonst  wären  Cäsars  rote  Schuhe  (oben 
S.  224  A.  8)  wohl  nicht  so  aufgefallen.  Bestimm- 
te über  die  Farbe  des  calceus  patricius  wird 
aber  nicht  überliefert.  Wenn  Ioh.Lyd.de  ma- 
gistr.  I  7  den  calceus  patricius  ünoön/MX  qm- 
vixnvv  nennt,  so  ist  dabei  wohl  alte  Ueber- 
lieferung  anzunehmen. 

8)  Das    Ed.  Diocl.  9,  7  if.    unterscheidet 


calcei  patricii  (im  Preise  von  150  Denaren) 
von  caligae  senatorum  (für  100  Denare) ; 
daß  auch  mit  letzteren  calcei  gemeint  sind, 
zeigt  der  griechische  Text,  der  xaXxiay»  avy- 
yhixixCov  lautet.  Vgl.  Cic.  Phil.  XIII 13, 28 :  est 
etiam  Asinius  quidam  Senator  vofuntnrius, 
f actus  ipse  a  se:  apertam  curiam  vidit  post 
Caesaris  mortem:  mutavit  calceos,  pater  con- 
scriptus  repente  f actus  est.  Serv.  ad  Aen.  VIII 
258. 

9)  Hör.  sat.  I  6,  27 :  ut  quisque  insanus 
nigris  medium  impediit  crus  j  pellibus.  luv.  7, 
192:  adpositam  nigrae  lunam  subtexit  alutat. 
Mommsen  Rom.  Staatsr.  III  889  f.  bezog  beide 
Stellen  nur  auf  die  Riemen,  was  Mau  1341 
wohl  mit  Recht  bekämpft.  Daß  er  ursprüng- 
lich auch  rot  war,  scheint  Schol.  luv.  1,  111 
anzudeuten:  Mo  enim  tempore  necdum  Sena- 
toren nigris  calceis  utebantur,  sowie  Cato  bei 
Festus  a.  a.  O.,  wenn  er  den  Senatorenschnh 
meint. 

10)  Fig.  46  von  einer  Statue  des  Caligula 
im  Louvre,  nach  Daremberg-Saglio  1817  Fig. 
1016;  Fig.  47  von  der  etruskischen  Statue 
eines  Redners  (sog.  Arringatore)  in  römischer 
Tracht,  ebd.  Fig.  1017. 

n)  So  meint  Sen.  dial.  IX  11,  9  mit  den 
lora  patricia,  Stat.  silv.  V  2,  28  mit  der  pa- 
tricia luna  offenbar  den  calceus  senatorius', 
vielleicht  auch  Plut.  de  tranqu.  an.  10  p.  4700. 

12)  Ed.  Diocl.  9,  9  nennt  ealicae  equestrw, 
d.  h.  calcei,  wie  wiederum  die  griechische 
Uebersetzung  erweist.  Ob  das  ein  besonderer 
Schuh  für  die  Ritterklasse  war,  von  dem  wir 
sonst  nichts  wissen,  muß  dahingestellt  bleiben; 
vielleicht  ist  es  nur  ein  Reiterschuh  ( vgl.Hesych. 
s.  y.ä).Toi  ■  vxodr/ftara  xolXa,  h>  6k  itutsvovoty), 
wofür  auch  der  billige  Preis  von  70  Denaren 
spricht. 


Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft.    IV.  2,  2.  3.  Aufl. 


15 


226 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


mannigfaltig  in  der  Form  waren,  zeigen  die  Denkmäler1),  und  man  trug 
sie  ebenso  von  schwarzem,  wie  von  buntfarbigem  Leder2);  auch  hielt  man 
darauf,  daß  der  calceus  dem  Fuße,  auf  den  er,  wie  die  Denkmäler  zeigen, 
gearbeitet  war3),  gut  paßte  und  weder  zu  weit  noch  zu  knapp  war4). 
Ebenso  war  es  unschicklich,  geflickte  Schuhe  zu  tragen 5).    Übrigens  hatte 

sich  der  Begriff  des  cal- 
ceus, der  ursprünglich 
ein  spezifisch  römischer 
Schuh  war,  so  erweitert, 
daß  auch  nichtrömisches 
Schuhwerk  so  bezeichnet 
wurde6). 

Zur  Zeit  des  Cato  Cen- 
sorius  trugen  die,  die 
nicht  das  Recht  auf  Pa- 
trizier- oder  Senatoren- 
schuhe hatten,  den  pero 7); 
später  aber  finden  wir 
diese  Fußbekleidung,  die  ■ 
nach  den  wenigen  Nachrichten  ein  aus  ungegerbtem  Leder  oder  Fell  her- 
gestellter, derber  Stiefel  war8),  nur  bei  Hirten  und  Landleuten9).  Im  all- 
gemeinen scheint  die  caliga10)  gebräuchlicher  gewesen  zu  sein.  Diese  war 
allerdings  ursprünglich  und  auch  später  noch  vornehmlich  eine  militärische 
Fußbekleidung,  und  zwar  wesentlich  für  die  gemeinen  Soldaten11);  doch 
wurden  diese  Stiefel,  bei  denen  das  Oberleder  sandalenartig  zugeschnitten/ 


Fig.  46.   Römische  Schuhe 
(von  einer  Statue). 


Fig.  47.    Römische  Schuhe 
(von  einer  Statue). 


')  Vgl.  Dabembeeg-Saglio  a.  a.  0.  Fig. 
1014  ff.  Mau  1343  f.  Eine  besondere  Form  ist 
der  calceus  repandus,  Schnabelschuhe,  wie  sie 
die  Iuno  Sospita  trug,  Cic.  deor.  nat.I  29,82, 
die  aber  wohl  auch  im  Leben,  wenn  auch 
vermutlich  bloß  von  Frauen,  getragen  wurden. 
Unklar  ist  der  duplex  calceus  bei  Scrib.  comp. 
161  (vielleicht  mit  Doppelsohle). 

*)  Vopisc.  Aurel.49,7.  Weiße  calcei  auch 
Mart VII  33,1;  rote  II  29, 8. 

3)  Es  geht  auch  aus  Suet.  August.  92  und 
Plin.1124  hervor. 

*)  Hör.  sat.  I  3,31:  male  laxus  in  pede 
calceus  haeret,  was  als  bäurisch  galt;  ep.  I 
10,42:  ut  calceus  olim,  \  si  pede  maior  erit, 
subvertet,  si  minor,  uret. 

5)  Mart.  1103,6:  calceus  est  sarta  terque 
quaterque  cute.   luv.  3, 1491'. 

6)  So  spricht  luv.  16, 13  f.  von  einem 
Bardaicus  calceus  (von  den  illyrischeu  Bar- 
daeern),  als  Centurionentracht.  Auch  das 
griechische  xgrjmg  wird  durch  calceus  über- 
setzt, vgl.  Cic.  de  or.  I  54,  231.  Für  die  Er- 
weiterung des  Begriffes  spricht  auch  die  von 
calcedlarius,  das  zwar  nur  Plaut.  Aul.  507 
vorkommt,  aber  sehr  verbreitet  gewesen  sein 
muß,  da  daraus  in  den  romanischen  Sprachen 
das  Wort  für  Schuster  überhaupt  geworden 
ist. 


7)  Siehe  oben  S.  224  A.  9. 

8)  Verg.  Aen.VII  690:  crudus  pero.  Corp. 
Gloss.  II  482,2:  mftoßvgotvov.  Sid.  Ap.  ep.  IV 
20,  2 :  setosus  pero.  Corp.  Gloss.  V  608, 55 :  cal- 
ciamento  pilosa. 

9)  Pers.  5,102:  peronatus  arator.  Apul. 
met.  VII  18.  Serv.  ad  Aen.  a.  a.  O.:  pero  est 
rusticum  calciamentum;  ebenso  Isid.  or.  XIX 
34,13.  Corp.  Gloss.  V  555,  50;  655,21.  Ein 
Bauernschuh  ist  auch  die  crepida  carbatina 
bei  Catull.  98,4,  vom  griechischen  xagßarivn, 
aus  einem  Stück  Leder  bestehend,  Poll.  VII 
88,  vgl.  Saglio  a.a.O.  I  915. 

10)  Vgl. Saglio  a.a.O.  1849.  MAubeiP.-W. 
III 1355. 

n)  Von  den  caligae  hatte  bekanntlich  der 
Kaiser  Gaius,  der  als  Knabe  im  Lager  mit 
kleinen  Soldatenstiefeln  herumlief,  seinen  Bei- 
namen Caligula,  Tac.  ann.  I  41.  Suet.  Cal.  9. 
Caligati  heißen  die  gemeinen  Soldaten,  Suet. 
Aug.  25;  Vitell.7.  Digg.IIl  2,  2  pr.;  XLVIII  3, 
9.  CIL  VIII  2848:  XI  3057,  caliga  ihr  Dienst, 
Sen.dial.X17,6;  de  benef.V16,2  und  öfters 
auf  Inschr.,  vgl.  CIL  III  7108;  1X5840;  XI 
3057  u.  s.  Sie  werden  als  caligae  militares  von| 
den  andern  unterschieden,  Plin.VII135.  Ed. 
Diocl.  9,6.  Eine  besondere  Art  scheint  die 
caliga  speculatoria  gewesen  zu  sein,  Suet. 
I    Cal.  59. 


Sechster  Abschnitt.    Die  Tracht. 


227 


ist  oder  Lederstreifen  von  der  Sohle  aus  den  Fuß  umspannen1),  und  bei 
denen  die  Sohle  öfters  dicht  mit  Nägeln  beschlagen  war2)  (Fig.  48) 3),  auch 
von  Landleuten,  Fuhrleuten  u.  dgl.  getragen4).  Doch  gab  es  anscheinend  auch 
feinere  Sorten5).  Ebenfalls  ein  Soldatenschuh  war  der  campagus*),  der  erst 
in  der  späten  Kaiserzeit  auftritt7), 
der  aber  häufiger  als  ein  an  die 
Stelle  des  calceus  patricius  tretender 
Schuh,  den  die  Kaiser  tragen,  er- 
wähnt wird8)  und  nach  der  Be- 
schreibung9) ein  schwarzer,  san- 
dalenartiger Schuh  war,  der  das 
Fuiäblatt  offen  ließ,  dagegen  die 
Zehen  bedeckte,  an  der  Ferse  hoch 
hinaufging  und  mit  Riemen  am 
Knöchel  kreuzweise 
wurde. 

Neben  diesen  Arten  wurden  noch  allerlei  fremdländische  Sorten  von 
Schuhwerk  getragen:  so  die  von  Griechenland  übernommenen  phaecasia10), 
die  wahrscheinlich  ägyptischen  baxeae11),  Sandalen  aus  Papyrus,  Palm- 
blättern u.  dgl.12),  die  Philosophen-  und  Frauentracht13),  später  auch  Luxus- 
schuhwerk waren14);  die  parthischen,  bis  ans  Knie  reichenden  zancae  aus 


aufgebunden 


Fig.  48.   Bronzelampe  in  Form  einer  caliga. 


x)  Eine  alte  Beschreibung  derart  liegt 
nicht  vor,  wir  können  das  nur  aus  den  Denk- 
mälern schließen,  teils  aus  den  Reliefs  der 
Trajanssäule,  teils  aus  andern  Darstellungen, 
vgl.  Mau  a.  a.  0.  und  den  von  Gatti  im  Bull. 
comun.  1887,  53  tav.  3  abgebildeten  Grabstein 
eines  caligarius,  der  oben  zwei  Schuhleisten 
zeigt,  von  denen  der  eine  mit  einer  caliga  be- 
kleidet ist. 

2)  Ioseph.  b.  lud.  VI  1,8;  diese  clavi  cali- 
gares  oder  caligarii  werden  öfters  erwähnt, 
▼gl.  Hin. IX  69;  XXXIV 143.  luv.  3, 248 ;  16,24. 
Sy niphos.  aenigm.  57.  Isid.  or.  XIX  34, 13  (der 
aber  eine  andere  Erklärung  gibt).  CIL  II 5181, 
34  (lex  met.  Vipasc,  mit  verschiedenen  Ver- 
ordnungen, das  sutrinum  des  Bergwerks  be- 
treffend). Da  im  Ed.  Diocl.  9.  6  die  caligae 
militares  (ebenso  wie  die  andern)  sine  clavis 
tarifiert  sind,  so  pflegten  wohl  die  Soldaten 
sich  ihre  Schuhe  selbst  zu  nageln. 

3)  Fig.  48  ist  eine  Bronzelampe  (nach 
Caylus  Recueil  IV  100, 5),  die  eine  mit  Nägeln 
beschlagene  caliga  nachahmt. 

4)  Das  Ed.  Diocl.  9,  5  a  hat  caligae  mu- 
lionicae  sive  rusticae.  luv.  3,  322  verspricht 
jemand,  caligatus  aufs  Land  zu  kommen. 

5)  Das  scheinen  die  bei  Cic.  ad  Att.  II 
3, 1  erwähnten  zu  sein ;  wohl  auch  die  caligae 
muliebres,  Ed.  Diocl.  9, 10,  obschon  sie  billiger 
sind,  als  die  der  Soldaten.  Treb.  Poll.  Gall. 
duo  16, 4  kommen  caligae  gemmeae  vor.  Cali- 
garii,  bei  Isid.  a.  a.  0.  2  seltsamerweise  von 
xa?.ö.-iovg  (Schusterleisten)  abgeleitet,  kommen 
auf  Inschriften  häufig  vor,  vgl.  Marquabdt  597 


A.  5.  G.  Kühn  De  opific.  Romanor.  condic.  pri- 
vata  (Halle  1910)  53. 

6)  Vgl.  Saglio  a.  a.  0.  862.  Mau  a.  a.  0. 
1433. 

7)  Campagi  militares,  Ed.  Diocl.  9, 11. 

8)  Capitol.  Maxim,  duo  28,  9.  Treb.  Poll. 
Gallien.  16, 4. 

9)  Bei  loh.  Lyd.  de  mag.  117.  Daß,  wie 
Saglio  a.  a.  0.  meint,  byzantinische  Mosaiken 
diesen  Schuh  zeigen,  weist  Mau  a.a.O.  ab; 
v.  Sybel  Christi.  Antike  I  130  nennt  den  aus- 
geschnittenen Halbschuh,  der  erst  600  n.  Chr. 
in  christlichen  Malereien  erscheint,  compagus. 

10)  Als  griechische  Philosophentracht  von 
Sen.  debenef.VII21,l  erwähnt;  vgl.epist.  113, 
1.  Daß  sie  auch  in  Italien  Eingang  gefunden 
hatte,  zeigt  Petron.  82, 3 :  als  Frauentracht  ebd. 
67,  4  phaecasiae  inauratae.  Vgl.  Leroux  bei 
D.-S.  IV  123,  wo  aber  das  Zitat  luv.  3,218  zu 
streichen  ist,  da  dort  nicht  phaecasianorum, 
sondern  haec  Asianorum  zu  lesen  ist. 

")  Vgl.  Saglio  a.  a.  0.683.  Mau aa.  0.176. 

Vi)  Isid.  XIX  34,  6.  Apul.  met.  II  28;  Pa- 
pyrus als  Material  zeigen  ägyptische  Funde, 
s.  Dabemberg-Saglio  Fig.  809  ff. 

13)  Apul. met.XI8;ders.Flor.  19. Isid. a.a.O. 
13.  Sie  werden  schon  bei  Plaut.  Men.  391  als 
Frauenschuhe  erwähnt  und  kommen  als  cal- 
ci'/ mulieris  alti  oder  calciamenta  mulierttm 
in  den  Glossen  sehr  häufig  vor,  vgl.  Corp. 
Gloss.  VI  133.  Isid.  a.a.O.  6  schreibt  sie  den 
comoedi  zu. 

,4)  So  bei  Tertull.  de  pall.  4;  de  idol.  8. 
Baxearii  inschriftlich,  s.  CIL  VI  9404. 

15* 


228 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


rotem  Leder1).    Bauern  und  Sklaven  trugen  Holzschuhe,  sculponeae*),  oder 
hölzerne  Sandalen3). 

Was  endlich  die  Kopfbedeckung  anlangt,  so  ging  für  gewöhnlich  der 
Römer  wie  der  Grieche  unbedeckten  Hauptes4);  bei  schlechtem  Wetter  zog 
man  wohl,  wie  wir  oben  sahen,  die  Kapuze  des  Mantels  über  den  Kopf.  In 
alten  Zeiten  freilich  scheint  in  Rom  wie  in  Etrurien  und  anderwärts  bei 
den  Italikern  eine  Filzkappe,  der  pitteus  (oder  pilleum)5),  üblich  gewesen 
zu  sein;  denn  der  apex,  galerus  und  tutulus  der  Priester  sind  vermutlich 
ebenso  noch  ein  Rest  der  alten  Tracht6),  wie  der  später  allgemeine  Brauch, 
daß  der  freigelassene  Sklave  zum  Zeichen  der  erlangten  Freiheit  den  pilleus 
aufgesetzt  erhielt7).  Mit  dieser  symbolischen  Bedeutung  des  pilleus  hing  es 
zusammen,  daß  am  Saturnalienfest  alle  Welt  mit  solcher  Kappe  herumlief8); 
außer  dieser  Zeit  trugen  sie  nur  gewöhnliche  Leute,  Arbeiter  u.  dgl.9).  Das 
Material  dieser  Kappen  war  teils  gröberer  Wollstoff,  Filz  u.  dgl.,  teils  Leder 
oder  Fell10).  Auch  der  thessalische  Hut,  den  die  Griechen  als  Reisehut  trugen, 
der  petasus11),  war  den  Römern  nicht  unbekannt:  er  wurde,  wie  auch  Bild- 
werke lehren,  von  Landleuten  und  Reisenden  getragen 12);  Augustus  trug  ihn, 
wenn  er  in  seinem  Hause  in  der  Sonne  spazierte13),  und  Oaligula  erlaubte  den 
Senatoren,  ihn  im  Theater  aufzusetzen 14).  Auch  die  causia lö),  ein  dem  Petasus 
ähnlicher  Hut,  ursprünglich  makedonische  Tracht16),  wurde  im  Theater  ge- 
tragen17).  Dagegen  scheint  ein  mit  dem  Namen  palliolum  bezeichnetes  Kopf- 


»)  Treb.Poll.Claud.l7,6.Cod.Theod.XIV 
10, 3  heißen  sie  tzangae  und  wird  ihr  Ge- 
brauch innerhalb  der  Residenz  untersagt,  vgl. 
ebd.  2.  Procop.  de  aed.  III 1  p.  247  Bonn.  Da- 
gegen gibt  Acro  z.  Hör.  sat.  1  6, 27  schwarzes 
weiches  Leder  an,  darnach  Corp.  Gloss.V  613, 
45;  vgl.  ebd.  563,  67.  Die  ebd.  625  gegebene 
Erklärung  (die  Goetz  VII  432  mit  Ausruf- 
zeichen versieht) :  sunt  ossa  erklärt  sich  durch 
Isid.  a.  a.  0.9,  der  ossa  unter  den  calciamenta 
aufführt. 

-)  Plaut  Casin.  495.  Cator.r.59;  135,1. 
Varr.  b.  Non.  164,  20.  Isid.  a.  a.  0.  13.  Corp. 
Gloss.  V  187, 13 ;  617, 21.  Vgl.  Chapot  bei  D.-S. 
IV  1136. 

3)  Soleae  ligneae,  Petron.  95, 8. 

4)  Plut.  qu.Rom.  14  p.  267A:  ovvr)Mox?,oov 
xaig  fiev  yvvai^iv  £yxsy.akvfxf.isvmg,  xolg  ö'av- 
ögäoiv  dxah'mxoig  sig  xo  drj/uöoiov  jxgotsvai. 
Etwas  anderes  ist  aperto  capite,  im  Sinne 
von  „ohne  sich  zu  schämen",  vgl.  Plaut.  Capt. 
475.  Petron.  57,5.  Sen.  dial.  VII  13,2.  Otto 
Sprichwort,  d.  Römer  75. 

B)  Vgl.  Paris  bei  D.-S.  IV  179.  Das  Wort 
wird  bald  pilleus  bald  pileus  geschrieben,  s. 
Fleckeisen  50  Artikel  f.  lat.  Rechtschreibg  35. 

6)  Vgl.  hierüber  W.  Helbig  Ueber  den 
Pileus  der  alten  Italiker,  in  den  SB  der  bayer. 
Akad.  f.  1880,  Phil.  hist.  Kl.  S.  487  ff. 

7)  Serv.  ad  Verg.  Aen.  VIII  564.  Daher 
heißt  Sklaven  freilassen:  vocare  ad  pilleum 
servos,  Liv.  XXIV  32, 9.  Sen.  ep.  47, 18.  Suet. 
Tib.4;  capere  pilleum,  frei  werden,  Plaut. 
Amph.  462;  pilleati,  die  Freigelassenen,  Liv. 


XXXIII  24,  6.  Vgl.  Pers.  5,  82.  Mart.  II  68,  4. 
Val.  Max.  VIII  6, 2.  Suet.  Nero  57.  Marquardt 
572  A.2. 

8)'  Mart.  XI  6, 4;  XIV  1,2;  daher  auch  Sa-/ 
turnaliengeschenk,  Mart.  XIV  132.  Stat.  silv.  j 
IV  9, 24. 

9)  Hör.  ep.  113, 15.  Suet.  Nero  26. 

10)  Daß  man  aus  alten  Lacernen  pillea 
machte,  ist  oben  S.  215  A.  18  erwähnt.  Filz  als 
Material  bezeugt  der  Name,  vgl.  Blümner  Tech- 
nologie I  211  f.  Pillei  Pannonici  aus  Fell,  von 
Soldaten  getragen,  s.  Veget.  r.  mil.  I  25;  vgl. 
Isid.  XIX  20, 5:  pilleum  autem  dictum  a  pelle 
hostiae,  unde  fiebat,  was  freilich  falsche  Ety- 
mologie ist. 

1 ')  Vgl.  Paris  a.  a.  0. 421 . Wüscher-Becchi 
Bull,  comun.  XXXII  (1904)  93. 

12)  Bei  Plautus  kommt  er  öfters  vor,  z.  B. 
Amphitr.  143;  443;  Pseud.  735,  doch  könnte  er 
da  durchweg  dem  griechischen  Original  ent- 
stammen. Die  erste  sichere  Erwähnung  rö- 
mischer Anwendung  ist  Varro  bei  Non.  352, 
26.  Bei  Cic.  fam.  XV  17. 1  tragen  ihn  die  Brief- 
boten. Vgl.  Arnob.  VI  12. 

13)  Suet.  Aug.  82. 

u)  Dio  Cass.  LIX  7,  8,  wo  er  jxtiog  Qea- 
aaXixos  heißt. 

lä)  Vgl.HEuzEY  bei  D.-S.  I  975. 

16)  Val.  Max.  VI,  ext.  4;  daher  setzte  ihn 
Caracalla,  der  Alexander  d.  Gr.  nachahmte, 
auf,  Herodian.  IV  8, 2. 

17)  Mart.  XIV  29.  Die  Erwähnungen  bei 
Plaut,  m.  gl.  1178;  Persa  155  gehen  wohl  wie- 
der auf  die  griechische  Quelle  zurück. 


Sechster  Abschnitt.    Die  Tracht. 


229 


tuch  nur  von  kranken  oder  weichlichen  Personen  getragen  worden  zu  sein  l). 
Die  udones  endlich  scheinen  Filzsocken,  eine  Art  Strümpfe,  gewesen  zu  sein2). 
Über  diese  mannigfaltige  und  umfangreiche  Garderobe  führten  in  reicheren 
Häusern  eigene  Sklaven,  die  servi  a  veste  oder  ad  vestem  hießen 3),  die  Aufsicht; 
andere  Bezeichnungen  dieser  Kammerdiener  oder  Zofen  für  die  weibliche 
Garderobe  sind  vestispicus  und  vestispica4)  oder  vestiplictts  und  vestiplica**). 

B.   Die   weibliche  Kleidung. 

Litteratur. 

C.  A.  Böttiger  Sabina  oder  Morgenszenen  im  Putzzimmer  einer  reichen  Römerin,  Leipzig  1803; 
neue  Auflage  1806;  3.  Ausgabe,  bearbeitet  von  Kael  Fischer,  Mttnchen-Gladbach  1878  6). 

Die  Tracht  der  Römerin  war  in  den  älteren  Jahrhunderten  der  Republik 
ähnlichen  strengen  Vorschriften  der  Sitte  unterworfen,  wie  die  der  Männer, 
und  erst  allmählich  brachte  der  überhandnehmende  Einfluß  der  Mode  und 
die  zunehmende  Lockerung  der  Sitten  eine  Änderung  darin  hervor,  sodaß 
die  Unterschiede,  die  in  der  Tracht  der  Matrone  und  der  Jungfrau,  der 
Bürgersfrau  und  derLibertine  bestanden  hatten,  mehr  und  mehr  verschwanden. 

Als  Unterkleid  trugen  die  Frauen  gleich  den  Männern  eine  hemdartige 
und  wahrscheinlich  ärmellose  oder  nur  mit  kurzen  Ärmeln  versehene,  wollene 
Tunika7),  die  vermutlich  auch  als  tunica  interior  bezeichnet  wurde  (siehe 
oben  S.  208),  aber  auch,  wie  bei  den  Männern,  subucula  hieß8).  Ein  anderer 
Name,  der  aber  erst  spät  auftritt,  ist  interula9);  doch  ist  es  nicht  sicher, 
ob  diese  mit  der  tunica  interior  identisch  ist,  wie  denn  überhaupt  bei 
den  litterarisch  überlieferten  Namen  weiblicher  Kleidungsstücke  sehr  viele 


»)  Quint.  XI  3,  144.   Sen.  n.  qu.  IV  13,  10; 
1.  Ov.  a.  a.  I  734. 

2)  Nach  Mart.  XIV  140  aus  Ziegenhaaren; 
nach  Digg.  XXXIV  2,  25,  4  vertraten  sie  die 
Stelle  von  calciamenta.  Als  Filz,  efj.jilkt.ov,  wird 
derwrfo  Corp.  Gloss. III 296, 26 ;  543, 1 9  bezeich- 
net, vgl.  111  69.65;  ebenso  im  Colloqu.  Leid. 
(Corp.  Gloss.  III 637, 1),  doch  erscheinen  sie  hier 
neben  den  calciamenta,  wie  im  Colloqu.  Monac. 
(ebd.  645,2)  die  pedules  neben  den  caligae. 

3)  Häufig  auf  Inschriften,  s.  Marquardt 
143  A.  14,  hier  auch  die  Belege  für  mancher- 
lei Unterabteilung  dieser  Garderobesklaven, 
da  in  der  kaiserlichen  Familie  besondere  a 
veste  castrensi,  forensi,  privata,  regia,  cena- 
toria  u.  dgl.  mehr  vorkommen. 

4)  Non.  12, 12.  CIL  VI  9912:  33393  f.  Not. 
d.  scavi  1899,  82  n.  76.  Ueber  die  Form  vesti- 
picu  s.  Leo  Melanges  Boissier  355. 

5)  Plaut.  Trin.  252.  Quint.  decl.  363.  CIL 
VI  7301;  8560;  9901;  9981;  IX  3318.  Dasselbe 
ist  wohl  die  plicatrix,  Plaut  m.  gl.  695. 

6)  Die  Abhandlung  von  Ant.  Hehler  Römi- 
sche weibliche  Gewandstatuen  (in  den  Münch- 
ner archäolog.  Studien,  dem  Andenken  Ad.  Furt- 
wänglers  gewidmet,  München  1909,  S.  107  ff.) 
behandelt  nicht  römische  Frauentracht,  son- 
dern griechische  in  der  römischen  Kunst. 

7)  Die  öfters  erwähnte  tunica  muliebris, 


vgl.  Varr.  1. 1.  X  27.  Ed.  Diocl.  7,54. 

8)  Varr.  bei  Non.  540. 20 : posteaquam  binas 
tunicas  habere  coeperunt,  instituerunt  vocare 
subuculam  et  indusium.  Daß  hier  von  denFrauen 
die  Rede  ist.  zeigt  die  Erwähnung  des  Indu- 
siums,  das  nicht  zur  Männertracht  gehört.  Ob 
die  tunica  inferior  den  Namen  stibucula  erst 
nach  Einführung  des  Indusiums  bekam  oder 
ob  sie  ihn  schon  früher  führte  und  nur  die 
Benennung  des  letzteren  neu  war,  ist  nicht 
auszumachen.  Wenn  bei  Festus311,4  mp- 
parus  und  subucula  identifiziert  werden :  sup- 
parus  vestimentum  puellare  lineuiu,  quod  et  su- 
bucida, id  est  camisia,  dicitur,  so  ist  das  ent- 
schieden irrig,  und  die  Worte  id  est  camisia 
sind  ein  Zusatz  des  Epitomators,  der  das  zu 
seiner  Zeit  übliche  Wort  für  Hemde  einsetzte; 
vgl.  Müller  z.  d.  St.  Marquardt  485  A.  2.  Mau 
bei  P.-W.  III 1483. 

9)  Apul.met.VIII9.  Aurelian  bei  Vopisc. 
Bonos.  15, 8:  interulas  diloras  duas  et  re- 
liqna  quae  matronae  conmniunt.  Daß  sie 
auch  zur  Männertracht  gehörten,  zeigt  Apul. 
Flor.  I  9,  der  von  der  tunica  interula  des  Hip- 
pias  spricht,  und  Valerian  bei  Vopisc.  Prob. 
4. 5,  wo  interulae  paragaudiae  erwähnt  wer- 
den. Da  sowohl  das  diloras,  wie  paragaudia 
auf  reiche  Verzierung  deutet,  ist  die  interula 
wohl   eher  ein  sichtbar  getragenes  Gewand. 


230 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


unbestimmbar  sind1).  Der  von  den  Männern  getragene  Lendenschurz,  das 
subligar  (siehe  oben  S.  205),  kommt  zwar  auch  bei  Frauen  vor,  anscheinend 
aber  nur  als  Badekleid2). 

Wie  die  Griechinnen,  so  trugen  auch  die  Römerinnen  ein  Busenband3). 
das  fascia  pectoralis4)  hieß,  auch  mamillare5)  oder  mit  griechischen  Namen 
strophium6)  oder  taenia1);  es  wurde  ebensowohl  auf  dem  bloßen  Leibe  wie 
über  der  Tunika  getragen8)  und  hatte  den  doppelten  Zweck,  sowohl  eine 
zu  starke  Entwicklung  des  Busens  zu  beschränken9),  als  die  schlaff  ge- 
wordenen Brüste  zu  heben10).  Etwas  anderes  aber  war  wohl  das  bisweilen11) 
fälschlich  mit  diesem  Buseribande  identifizierte  amictorium12),  das  ein  die 
Brust  verhüllendes  Kleidungsstück  von  unbestimmbarer  Form  gewesen  zu 
sein  scheint13).  Etwas  Ähnliches  war  möglicherweise  das  nur  in  älterer 
Litteratur  erwähnte  capitium  u),  anscheinend  ein  um  Brust  und  Arme  gelegtes 
Tuch  oder  Jacke16). 


l)  Man  vgl.  die  Aufzählung  bei  Plaut. 
Epid.  223  ff. ,  wo  freilich  die  meisten  Namen 
nicht  auf  den  Schnitt,  sondern  auf  Stoff  oder 
Farbe  des  Kleides  zu  gehen  scheinen.  So 
erklärt  auch  Non.  548,  24  die  ebd.  231  er- 
wähnte caltula  als  nach  der  gelben  Blume 
calta  benannt,  deren  Farbe  es  hatte,  dagegen 
Varro  ebd.  34:  caltula  est  palliolum  prae- 
cinctui,  quo  nudae  infra  papillas  praecingun- 
tur;  quo  mulieres  nunc  eo  magis  utuntur, 
postquam  subuculis  desierunt.  Darnach  sollte 
man  meinen,  daß  damals  die  caltula  an  die 
Stelle  der  subucula  getreten  und  eine  Art 
Hemde  war,  das  man  unter  der  Brust  gürtete. 

*)  Mart.  III  87, 4. 

3)  Vgl.LAFAYE  beiD.-S.II980.  Mau  bei 
P.-W.VI2007. 

4)  Mart.  XIV  134.  Ov.  a.  a.  III  274;  rem. 
am.  837.  Hieron.  ep.  22,  6  p.  398  M. 

5)  Mart.  XIV  66,  wonach  es  von  Leder 
war,  während  die  gewöhnliche  fascia  pecto- 
ralis wohl  meist  Wollenstoff  oder  Linnen  war. 

6)  Catull.  64,  65.  Cic.  de  har.  resp.  21, 44. 
Varr.  b.  Non.  538, 15.  Zwar  will  Mau  a.  a.  O. 
das  strophium  in  dieser  Bedeutung  nicht  gelten 
lassen,  sondern  es,  wie  im  altern  Griechisch 
oxQÖfpiov,  als  Gürtel  fassen.  In  dieser  Be- 
deutung kommt  es  allerdings  auch  vor  (Corp. 
Gloss.  VII  300),  daß  es  aber  auch  direkt  ein 
Busenband  ist,  zeigt  die  Definition  bei  Non. 
538,7:  strofium  est  fascea  brevis,  quae  vir- 
ginalem  horrorem  cohibet  pupillarum,  wofür 
die  unten  zitierte  Stelle  des  Turpilius  an- 
geführt wird ;  vgl.  Corp.  Gloss.  V  623, 42. 

7)  Apul.  met.  X  21 :  taenia  qua  decoras 
devinxerat  papillas;  vgl.  Poll.  VII  65. 

8)  Vgl.  Turpil.  bei  Non.  538,  9:  epistula 
excidit  mi  inter  vias!  j  infelix  inter  tuni- 
culam  ac  strofium  conlocaveram.  Die  Denk- 
mäler zeigen,  daß  man  die  Binde  meist  auf 
den  bloßen  Leib  anlegte,  s.  Daeemberg-Saglio 
a.a.O   Fig.  2879  ff.  Rich  Wörterb.  378. 

*)  Mart.  XIV  134:  er escentes  compesce pa- 
pillas.  Hieron.  ep.  117,7  p.  957  M.:  papillae 


fasciolis  comprimuntur  et  crispanti  cingulo  an- 
gustis pectus  artatur ;  ähnlich  Isid .  or.  XIX  33. 6. 
Non.  a.a.O.  Vgl.  die  Schilderung,  die  Ter.  Eun. 
314  ff.  von  einer  Jungfrau  entworfen  wird,  die 
die  Mutter  durchaus  schlank  haben  will,  vineto 
pectore,  ut  gracilae  sient. 

10)  Catull.  64, 65:  tereti  strophio  lactentis 
vineta  papillas.  In  diesem  Sinne  gehört  die 
fascia  zur  gewöhnlichen  Damentoilette,  wie 
Ov.  a.  a.  0.  Mart.  XI 104, 7,  sodaß  selbst  Her\ 
kules  mit  der  übrigen  Weibertracht  der  Om- 
phale  sie  anlegt,  Prop.V  (IV)  9,49:  mollis  et 
hirsutum  cepit  mihi  fascia  pectus.  Der  Unter- 
schied aber,  den  Beckek  annahm,  daß  das/ 
strophium  (oder  mamillare,  taenia)  den  Zweck  | 
hatte,  den  vollen  Busen  zu  heben,  die  fascia 
dagegen,  sein  Wachstum  zu  beschränken,  wird 
von  Göll  252  mit  Recht  bestritten. 

n)  So  von  Makquardt  484.  Saglio  bei 
D.-S.I229. 

,a)  Mart.  XIV  149:  mammosas  metuo,  te- 
nerae  me  trade  puellae,  \  ut  possint  niveo  pe- 
ctore lina  frui.  Daß  es  von  Linnen  war,  zeigt 
auch  Hieron.  in  Esai.  II  3  v.  23  p.  71 M. :  mu- 
lieres habent  sindones,  quae  vocantur  amictoria. 
Im  Sinne  von  amictus  schlechtweg  steht  es 
Isid.  XIX  25,  7. 

13)  So  Mau  bei  P.-W.  1 1830.  Etwas  an- 
deres sind  die  amictoria  im  Cod.  Theod.  VIII 
5,48,1,  grobe  linnene  Männerkleider.  Die 
Glossen  erklären  amictorium  durch  emßölaiov, 
jiEQißölaiov,  oxsjiaofxa,  s.  Corp.  Gloss.  VI  62. 

14)  Vgl.  Rich  Wörterbuch  1 02.  Saglio  a.  a.O. 
1901.  Mau  a.a.O.  III 1526. 

15)  Varro  bei  Non.  542,  23:  tunicas  neque 
capitia  neque  strofia  neque  zonas;  ders. ebd.: 
neque  id  ab  orbita  matrum  familias  institutumf 
quod  eae  pectore  ac  lacertis  erant  apertis  nee 
capitia  habebant.  Unklar  ist  Laberius  bei  Gell. 
XVI  7,  9:  induis  capitium  tunicae  pittacium, 
doch  läßt  es  wohl  nur  die  Deutung  zu,  daß 
das  capitium  der  Tunika  eng  anlag,  wie  ein 
Heftpflaster.  Jedenfalls  ist  Nonius  im  Unrecht, 
der  ohne  Kenntnis  des  Gegenstandes  capitia 


Sechster  Abschnitt.    Die  Tracht. 


231 


Von  Kleidern,  die  über  der  untern  Tunika  getragen  wurden,  werden 
uns  verschiedene  genannt.  Zunächst  ein  in  republikanischer  Zeit  übliches 
Linnengewand,  das  supparum  hieß l)  und  anscheinend  ein  bis  zu  den  Füßen 
reichendes  Frauenkleid  war 2),  das  man  aber  später  kaum  noch  dem  Namen 
nach  kannte 3).  Daß  es  nicht  mantelartig  war,  geht  daraus  hervor,  daß  es 
wie  die  subucula  zum  indutus  gerechnet  wird4).  Noch  unsicherer  ist  die 
Beschaffenheit  des  ebenfalls  früh  verschwundenen  Kleidungsstückes,  das 
indusium  hieß5)  oder  tunica  indusiata6).  In  alter  Zeit,  von  der  nur  die 
spätere  Tradition  noch  berichtete,  sollen  die  römischen  Matronen  über  ihren 
Unterkleidern  die  Toga,  wie  die  Männer,  getragen  haben7);  das  muß  aber 
schon  früh  aufgehört  haben,  denn  gegen  Ausgang  der  Republik  und  in  der 
Kaiserzeit  ist  die  Toga  die  Tracht  für  bescholtene  Frauen,  also  für  des 
Ehebruchs  überführte  Matronen8),  für  Libertinen  und  Dirnen9). 


als  capitum  tegmina  erklärte;  richtiger  Varro 
1.1. VI 31:  capitium  ab  eo  quod  capit  pectus, 
id  est,  ut  antiqui  dicebant,  comprehendit.  Das 
Kleidungsstück  war  jedenfalls  in  der  Kaiser- 
zeit verschwunden;  daher  auch  Corp.  Gloss. 
V  6 1 7 ,  40 :  capitium  est  summitas  vestis per  quod 
caput  hominis  egreditur,  nicht  darauf  geht, 
sondern  das  Kopfloch  eines  Kleidungsstücks 
bezeichnet,  wie  Hieron.  ep.  64, 14  p.  615  M.  und 
sonst  späte  Schriftquellen.  Da  zwischen  dieser 
Bedeutung  und  jener  sicherlich  ein  längerer 
Zeitraum  liegt,  ist  der  Schluß  von  Mau  a.  a.  0., 
daß  auch  jenes  Kleidungsstück  ringsum  ge- 
schlossen und  mit  einer  Oeffnung  versehen 
war,  kaum  berechtigt. 

*)  Eine  Spezialuntersuchung  über  dieses 
Wort  gibt  Röper  in  M.  Terentii  Varronis  Eu- 
menid.  reliquiae,  Part.  II  (Danzig  1861)  p.  12  ff. 
(mir  unzugänglich). 

2)  Die  von  Non.  540, 8  zitierten  Stellen 
aus  Plautus  (Epid.  232),  Novius,  Afranius  und 
Varro  geben  wenig  Aufschluß,  nur  daß  es 
von  Linnen  ist,  Frauenkleid  und  zum  indu- 
tus gehörig,  geht  daraus  hervor.  Nonius  de- 
finiert es  als  linteum  femorale  (Röper  unter 
Beziehung  auf  Lucan.  II  263,  wo  es  heißt: 
humerisque  haerentia  primis  |  suppara  nu- 
datos  cingunt  angusta  lacertos,  liest  dafür 
humerale;  doch  ist  das  kaum  richtig,  eher 
wird  femineum  oder  dgl.  zu  lesen  sein)  usque 
ad  talos  pendens,  dictum  quod  suptus  appareat. 
Dagegen  gibt  Van.  1.1. V  131  die  Etymologie 
von  supra,  bemerkt  aber  dabei,  daß  das  Wort 
oskisch  sei.  Es  hängt  wohl  (siehe  Makquakdt 
484  f.)  mit  siparum,  oicpago?  (Segel)  zusam- 
men. 

3)  Daher  wohl  die  falschen  Definitionen 
bei  Festus  311,4.  Corp.  Gloss.  IV  180, 1,  die  es 
zwar  als  vestimentum  puellare  linteum  be- 
zeichnen, es  aber  mit  der  subucula  identifi- 
zieren. Späte  Erwähnungen,  wie  bei  Bähkens 
PLM  IV  378  v.  23.  Tertull.  de  pall.4.  sind  wohl 
nur  gelehrte  Reminiszenzen.  Wenn  Marquardt 
a.  a.  0.  sagt,  die  Frauen  hätten  das  supparum 
beim  Ausgehen  auf  der  Straße,  im  Hause  da- 


gegen das  indusium  (siehe  unten)  über  der 
subucula  getragen,  so  liegen  Belege  dafür 
nicht  vor. 

4)  Varrl.l.V131. 

6)  Varro  a.  a.  0.  nennt  es  intusium  und 
sagt  darüber:  alter  ins  generis  (nämlich  vom 
amictus)  item  duo :  unum  quod  foris  ac  palam, 
palla;  alterum,  quod  intus,  a  quo  intusium. 
Diese  Etymologie  des  Wortes,  das  sonst  immer 
indusium  heißt,  ist  sicherlich  falsch;  aber 
darin  berichtet  Varro  wohl  das  Richtige,  daß 
die  Frauen  im  Hause  über  der  untern  Tunika 
das  indusium  trugen,  beim  Ausgehen  aber 
die  palla  anlegten.  Eine  andere  Stelle  des 
Varro  bei  Non.  542, 21  unterscheidet  subucula 
und  indusium  als  zwei  Frauentuniken;  und 
Non.  539, 35  definiert:  indusium  est  vestimen- 
tum, quod  corpori  intra  plurimas  vestes  ad- 
haeret,  quasi  intusium,  leitet  es  also  auch 
von  intus  ab.  Es  besteht  also  der  Wider- 
spruch, daß  das  indusium  bald  als  Tunika 
zum  indutus  gehört,  bald  zum  amictus  ge- 
rechnet wird. 

6)  Plaut.  Epid.  231,  indusiarii  als  Händler 
Plaut.  Aul.  509.  Es  ist  sicher,  daß  indusia 
später  unbekannt  waren.  Wenn  Apul.  met.  II 
19;  X  30  von  pulchre  indusiati  oder  VIII  27 
von  variis  coloribus  indusiati  spricht,  so  meint 
er  wohl  nicht  mit  indusium  (das  ja  ein  Frauen- 
gewand ist)  bekleidete,  sondern  gebraucht  in- 
dusiati für  induti. 

7)  Non.  540,32:  toga  non  solum  viri  sed 
etiam  feminae  utebantur.  Afranius  Fratriis: 
se  quidem  prandere  stantem  nobiscum,  in- 
cinctam  toga.  Varro  de  vita  populi  Romani 
Hb.  I:  praeterea  quod  in  lecto  togas  ante  ha- 
bebant;  [ante]  etenim  olim  toga  fuit  commune 
vestimentum  et  diurnum  et  nocturnum  et  mti- 
liebre  et  virile.  Serv.  ad  Aen.  1582:  bene  gen- 
tein (togatam),  quia  et  sexus  omnis  et  con- 
dicio  toga  utebatur. 

8)  luv.  2, 68.  Mart.II39,2;VI64,4;X52. 
Schol.  Cruqu.  ad  Hör.  sat.  I  2, 63. 

9)  Cic.Phil.  II  18,44.  Hör. sat.  I  2,63  u. 82. 
Tib.IV10,3;  vgl.  Mart.  I  53, 8. 


232 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


Indessen  das  eigentliche  Staats-  und  Ehrenkleid  der  römischen  Matrone, 
das  sie  ebenso  als  solche  kennzeichnete1),  wie  die  Toga  den  römischen 
Bürger,  war  die  als  obere  Tunika  getragene  stola2).  Das  war  ein  bis  zu 
den  Füßen  reichendes  Gewand3),  das  ursprünglich  auch  von  Männern  ge- 
tragen worden  zu  sein  scheint4),  mit  Halbärmeln5)  und  gegürtet6);  be- 
sonders charakteristisch  aber  ist  für  die  matronale  Stola,  cfafi  unten  ein 
besonderer  Streifen,  die  instita,  angenäht  war7).  Dies  Kleid  ist  etwa  seit 
dem  6.  Jahrhundert  d.  St.  allgemeine  Frauentracht  geworden,  dergestalt, 
daß  auch  Libertinen,  denen  das  Tragen  derselben  an  sich  nicht  zustand, 
durch  Verheiratung  mit  einem  römischen  Bürger  das  Recht  der  Stola  er- 
hielten8). Indessen  kam  in  der  Kaiserzeit  eine  besondere  Bedeutung  der 
Stola  auf:  indem  nämlich  Frauen,  die  Kinder  hatten,  dies  Kleid  als  ehren- 
volle Auszeichnung  trugen9),  und  in  der  Folgezeit  auch  solche,  die  keine 
Kinder  hatten,  trotzdem  wie  die  Männer  das  ins  trium  liberorum  und  damit 
die  Stola  der  Mütter  erhielten,  wurde  femina  stolata  zu  einem  auf  Inschriften 


')  Vgl.  außer  den  unten  angeführten  Stellen 
Festus  125, 15 :  matronas  appellabant  fere,  qui- 
bus  stolas  habendi  ius  est.  Mart.  I  35, 9  spricht 
von  stolatus  puäor;  vgl.  X  5, 1 :  stolaeve  pur- 
puraeve  contemptor.  Isid.  XIX  25,5:  amiculum 
est  meretricum  pallium  lineum.  hoc  apud  to- 
teres midieres  in  adulterio  deprehensae  in- 
duebantur,  ut  in  tali  amiculo  potius  quam  in 
stola  polluerent' pudicitiam.  erat  enim  apud 
veteres  Signum  meretriciae  vestis,  nunc  in  Hi- 
spania  honestatis. 

*)  Vgl.  Hübner  Comm.  philol.  in  hon. 
Momms.  104  ff.  mit  Nachtrag  Hermes  XIII 
(1878)  425  f. 

s)  Hör.  sat.  I  2,  99  (vgl.  71).  Tib.  1  6,  68. 
Ov.exPontollI3,52.  Macr.16,13.  Daß  sie 
über  der  Tunika  getragen  wurde,  zeigt  z.  B. 
Priap.  12, 11:  scissa  sub  tunica  stolaque  rufa. 

4)  Doch  ist  zu  beachten,  daß  das  dem 
Griechischen  entnommene  Wort  ursprünglich 
überhaupt  jede  Gewandung  bedeutete,  Non. 
537,23:  stolam  veteres  non  honestam  vestem 
solam,  sed  etiam  omnem  quae  corpus  tegeret 
dixerunt.  Im  speziellen  nannte  man  den  langen 
griechischen  Chiton  stola;  so  in  den  Frag- 
menten aus  dem  Telephus  des  Ennius  bei 
Non.  a.a.  0.,  ferner  Varr.  r.  r.  III  13,3.  Cic.  Verr. 
IV  34,  74.  Vitr.  11,5.  Dagegen  wird  unter  der 
stola  muliebris  wohl  immer  die  matronale 
verstanden,  so  in  den  Fragmenten  des  Varro 
bei  Non  a.a. 0.28;  vgl. dens.  1.1. VIII  28,  wo 
die  virilis  toga  mit  der  tunica,  die  muliebris 
stola  mit  dem  pallium  zusammengestellt  ist; 
s.  ebd.  IX  48. 

5)  Das  ist  nicht  bezeugt,  geht  aber  aus 
den  Bildwerken  hervor,  vgl.  Beckek-Göll253. 
Marquardt  577  A.  8.  Der  Verschluß  ist  in 
verschiedener  Art  bewirkt,  bald  durch  Knöpfe 
oder  Agraffen,  bald  durch  Naht. 

^  6)  Auch  dies  zeigen  die  Bildwerke;  ferner 
Ennius  bei  Non.  198, 1:  ecquis  illaec  est  quae 
lugubri  succinctast  stola.  Das  cingulum  wird 
zwar  nur  bei  der  Tracht  der  Braut  erwähnt 


(Festus  63,  5),  dagegen  gehört  die  zona  so- 
wohl zur  Braut-  wie  zur  gewöhnlichen  Frauen- 
tracht, vgl.  Catull.  2, 13.  Ov.  her.  2, 116;  rem. 
am.  602;  Fast.  II  320.  Mart.  XIV  151. 

7)  Hör.  sat.  I  2,29:  quarum  subsuta  talos 
tegat  instita  veste;  dazu  bemerkt  der  Schob 
Cruqu.:  quia  matronae  stola  utuntur  ad  imos 
usque  pedes  demissa,  cuius  imam partenpambit 
instita  subsuta,  id  est  coniuncta.  instita  autem 
Graece  dicitur  jieqijisSuov,  quod  stolae  sub- 
suebatur,  qua  matronae  utebantur :  erat  en  im 
tenuissima  fasciöla,  quae  praetextae  adicie- 
batur.  Doch  bezeichnet  Ovid.  a.  a.  I  32  und 
trist.  II  248  die  instita  als  longa:  als  Kenn- 
zeichen der  Matrone  erwähnt  er  sie  auch  a.  a. 
II  600.  Der  Annahme  von  Rich  Wörterb.  586, 
daß  die  instita  eine  an  den  Gürtel  angenähte 
lange  Schleppe  gewesen  sei  (wie  sie  allerdings 
manche  Denkmäler  zeigen),  widersprechen 
Göll  255  und  Marqüardt  574  A.  1  mit  Recht, 
zumal  dies  zur  sonstigen  Bedeutung  des  Worts 
(vgl.  oben  S.  114)  gar  nicht  paßt.  Auf  den 
Denkmälern  hat  sich  die  instita  bisher  noch 
nicht  nachweisen  lassen. 

8)  Das  geht  aus  dem  Bericht  bei  Macr. 
I  6, 13  hervor,  wonach  im  zweiten  punischen 
Kriege  die  libertinae  quae  longa  veste  ute- 
rentur,  zu  den  Kosten  eines  lectisterniums 
herangezogen  wurden.  Darauf  bezieht  Hübner 
a.  a.  O.  die  Grabschrift  einer  Freigelassenen 
CIL  I  1194:  ita  libertate  illei  me,  hie  me  dc- 
cora{r)at  stola,  Darauf  geht  wohl  auch  die 
bittere  Ironie  des  Cic.  Phil.  II  18,44:  sed  cito 
Curio  intervenit,  qui  te  a  meretricio  quaestu 
abduxit  et  tamquam  stolam  dedisset  in  matri- 
monio  stabili  et  certo  conlocavit.  Plin.  XXXIII 
40  unterscheidet  scherzhaft  zwischen  stola 
und  plebs  noch  einen  medium  feminarum 
equestrem  ordinem. 

9)  So  erklärt  Hübner  a.  a.  0.  die  Worte 
der  Cornelia  bei  Prop.V(IV)  11,  61f.:  et  ta- 
rnen emerui  generosos  vestis  honores,  \  nee 
mea  de  sterili  facta  rapina  domo. 


Sechster  Abschnitt.    Die  Tracht. 


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nicht  seltnen  Ehrentitel l).  Wie  sich  freilich  diese  Stola  von  der  der  andern 
Matronen  unterschied,  wissen  wir  nicht2).  Übrigens  hat  es  den  Anschein, 
als  ob  schon  im  ersten  Jahrhundert  n.  Chr.  die  matronale  Stola  vielfach 
von  den  Frauen  nicht  mehr  getragen  worden  sei3);  jedenfalls  war  sie  im 
dritten  Jahrhundert  ganz  abgekommen  und  an  ihre  Stelle,  wie  in  der  männ- 
lichen Tracht  an  die  der  Toga,  Dalmatika  und  Colobium  getreten4). 

Wenn  die  Frau  im  Hause  sich  mit  den  genannten  Gewändern  begnügte, 
so  kam  bei  Ausgängen  noch  als  amictus  ein  mantelartiges  Kleidungsstück 
hinzu.  In  älterer  Zeit  scheint  dies  das  schon  im  Zwölftafelgesetz  erwähnte 
riruiiiui)5)  oder  recinium6)  gewesen  zu  sein;  es  war  ein  einfaches,  viereckiges 
Mäntelchen7),  das  zur  Hälfte  über  den  Kücken  fiel8)  und  wahrscheinlich 
auch  über  den  Kopf  gezogen  wurde9).    Während  es  ursprünglich  wohl  eine 


')  Die  Inschriften,  die  nicht  über  das 
2.  Jahrb.  n.Chr.  zurückgehn,  sind  bei  Hübner 
a.  a.  0.  und  Marqüardt  575  A.  1  aufgeführt. 
In  allgemeinerem  Sinne  steht  stolatae  bei 
Petron.44, 18. 

2)  Hübner  S.  110  vermutet,  daß  die  Ehren- 
stola eine  mit  Purpur  verbrämte,  etwa  mit 
purpurner  instita  besetzte  Stola  gewesen  sei. 

3)  Nach  dem  von  Tert.  de  pallio  4  er- 
wähnten und  von  Marqüardt  581  A.  8  näher 
erklärten  Antrage,  den  Caecina  Severus  unter 

YTiberius  im  Senate  stellte,  daß  Matronen,  die 
»ine  stola  in  piiblico  erschienen,  bestraft  wer- 

/den  sollten.   Tertullian  bemerkt  dazu,  daß  zu 

/seiner  Zeit  die  Frauen  stola  und  supparum 
als  unbequem  abgelegt  hätten;  immerhin  er- 

\  wähnt  ülpian  Digg.  XXXIV  2,  23,  2  die  stola 
poch  unter  den  weiblichen  Kleidungsstücken. 

4)  Siehe  oben  S.  208  und  Ed.  Diocl.  26,  34 
u.  ö.:  als  besondere  Frauentracht  erscheinen 
hier  19, 8  ff.  und  22,6  die  öskuartxoiiaq^egua, 
die  den  spätlat.  mafortia  entsprechen,  s.  Serv. 
ad  A  en.  I  282.  Isid.  X IX  25, 4 ;  es  scheinen  dies 
Dalmatiken  mit  Kopfbedeckung  gewesen 
zu  sein,  denn  die  Glossen  erklären  maforte 
als  operimentum  capitum  mulierum ,  Corp. 
Gloss.  V  604,  30.    Siehe   unten   bei   ricinium. 

5)  Cic.  de  leg.  II  23,59  (wo  allerdings  Halm 
die  betreffenden  Worte  auswirft,  aber  vgl. 
Scholl  leg.  XII  tab.  reliqu.  57) ;  ebd.  25, 64  wird 
bemerkt,  daß  die  Bestimmung  betreffs  der 
tria  ricinia  bei  Bestattungen  eine  Herüber- 
nahme aus  solonischen  Gesetzen  sei;  nach 
Plut.  Sol.  21  sprach  die  solonische  Verordnung 
von  rgia  f/idria,  sodaß  die  Zwölftafeln  rici- 
nium im  allgemeinen  Sinne  von  Oberkleid 
gebraucht  zu  haben  scheinen,  nicht,  wie  Mar- 
qüardt 575  meint,  von  Teppichen,  mit  denen 
man  den  Scheiterhaufen  schmückte;  vgl.  das 
bei  Plut.  ebd.  erwähnte  Luxusgesetz:    igterat 

uan'o))'   tqhTjv   ii'tj   tiXeov  eyovoav  xsXsvoag. 

6)  Die  älteren  Belegstellen  haben  nur 
die  Form  ricinium,  die  auch  dem  jedenfalls 
vom  gleichen  Stamme  kommenden  rica  (s. 
unten)  entspricht:  recinium  haben  die  Gram- 
matiker (Festus  274b,  32:  275. 12.    Serv.  ad 


Aen.  I  282),  vielleicht  nur  wegen  der  von 
ihnen  gegebenen  falschen  Etymologie  von 
reicere,  die  schon  Varro  1. 1.  V  132  gibt:  auti- 
quissimis  amictui  ricinium.  i<l,  quod  eo  uic- 
bantur  duplici,  ab  eo  quod  dimidiam  partem 
retrorsum  iueiebant,  ab  reiciendo  ricinium 
dictum. 

7)  Festus  274b,  32  (nach  der  Emendation 
von  O.Müller):  recinium  omne  vestimentutn 
quadratum  ii,  qui  XII  interpretati  sunt,  esse 
dixerunt,  \'er)-ius  togam,  qua  midieres  uteban- 
tur,praetextam  clavo  purpureo.  Isid.  XIX 25,4: 
/'dem  (vorher  §  3  ist  die  stola  besprochen,  sodaß 
hier  wohl  ein  Irrtum  des  Isidor  vorliegt,  oder 
es  geht  auf  die  §  2  besprochene  palla)  et  rici- 
nium Latino  nomine  appellatum,  eo  quod  di- 
midia  eius  pars  retro  reicitur,  quod  vulgo 
mavortem  dieunt.  Non.  542, 1 :  ricinium,  quod 
nunc  mafurtiuion  dic/fur,  palleolum  femineum 
breve.  Varro  Tatpfj  Mevbuiov:  nihihon  magix 
decere  rmdierem  quam  ricinium ,  paUeum 
Simplex,  idem  de  tnta  populi  Romani  lib.I: 
ecquo  mulieres  in  adversis  rebus  ac  luctibus, 
cum  omnem  vestitum  delicatiorem  ac  lu.mri- 
osum postea  inst it >tt um  ponunt,ricinia  sumunt. 
Serv.  ad  Aen.  1282:  recinus  autem  dicitur  <d> 
eo,  quod  post  tergum  reicitur,  quod  vulgo 
mavortc  dieunt.  Vgl.  Corp.  Gloss.  V  525,41. 

8)  Marqüardt  a.  a.  O.  nimmt  an  ,  man 
habe  es  über  den  linken  Arm  oder  die  linke 
Schulter  zurückgeworfen,  ebenso  Becker-Göll 
265,  doch  sagen  die  Quellen  davon  nichts; 
ebensogut  kann  es  vom  Kopf  einerseits  über 
beide  Schultern  nach  vorn,  andrerseits  über 
den  Rücken  gefallen  sein,  wie  das  Rich  521 
annimmt. 

9)  Das  geht  daraus  hervor,  daß  die  spä- 
tem Grammatiker  es  mit  dem  nutrortc  oder 
mavortium  identifizieren,  denn  dies  (s.  oben 
A.  4)  bedeckte  den  Kopf,  vgl.  Isid.  a.  a.  0. :  vo- 
catum  ante»/  Marortent,  quasi  Marfan,  signum 
mim  maritalis   dignitatie  et  pottstatis  in  eo 

est.  caput  cnim  mulicris  riri  est,  indc  et  su/>er 
oaput  mulicris  est.  Corp.  Gloss.  V  525, 41;  604, 
30  u.  s.,  vgl.  VI  668;  s.  auch  Landgraf  Arch. 
f.  lat.  Lexikogr.  IX  (1896)  437. 


234 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


alltägliche  Tracht  war1),  scheint  es  später,  als  reichere  Überkleider  auf- 
kamen, als  Trauerkleid  angelegt  worden2)  und  dann  ganz  aus  der  Mode 
gekommen  zu  sein;  bloß  im  Kultus  erhielt  es  sich  noch  bis  in  die  Kaiser- 
zeit hinein3).  Hingegen  war  die  später  gleichfalls  aus  dem  gewöhnlichen 
Gebrauch  verschwundene,  nur  als  Tracht  der  ftaminica  noch  verbliebene4) 
rica  nicht  mit  dem  ricinium  identisch5),  sondern  ein  ebenfalls  quadratisches, 
aber  nicht  auf  den  Rücken  herabfallendes  Kopftuch6).  Dasjenige  Kleidungs- 
stück aber,  das  die  römischen  Frauen  in  den  letzten  Jahrhunderten  der 
Republik  und  den  ersten  der  Kaiserzeit  über  der  Stola  anlegten,  wenn  sie  in 
der  Öffentlichkeit  erschienen,  war  die palla'1).  Bei  den  Stellen  der  römischen 
Schriftsteller,  in  denen  die  palla  erwähnt  wird,  hat  man  aber  zwei  Be- 
deutungen zu  unterscheiden.  In  sehr  zahlreichen  Fällen  wird  damit  grie- 
chische Tracht  bezeichnet,  namentlich  wenn  sie  als  Gewand  von  Göttern 
und  Heroinen,  von  Schauspielern,  Kitharoeden  u.  dgl.  erscheint8):  da  bedeutet 
sie  den  Peplos  oder  den  langen,  bis  zu  den  Füßen  reichenden  Chiton9). 
Die  römische  palla  aber  entspricht  mehr  dem  griechischen  ljudnov10);  sie 
gehörte  daher  zum  amictus11)  und  war  ein  großes  viereckiges  Tuch,  das 
um  den  Körper  gelegt  wurde,  indem  man  es  von  der  linken  Schulter  über 
den  Rücken  nach  rechts  zog  und  entweder  über  die  rechte  Schulter  und 
Arm   oder   unter  dem  rechten  Arm  nach  vorn  über  den  Leib   führte   und 


')  Vgl.Novius  bei  Non.539,21. 

2)  Varro  bei  Non.  542,  3  (s.  oben) ;  ders. 
ebd.  549, 32. 

3)  Henzen  Act.  fratr.  Arval.  38.  Mar- 
quardt  576. 

4)  Festus  288, 10.  Serv.  ad  Aen.  IV  137 ; 
vgl.  Varr.  1.1. V  130.  Marquardt  Röm.Staats- 
verwalt.  III  318.  Daß  sie  noch  zu  Hadrians 
Zeit  üblich  gewesen  sei,  wie  Mau  zu  Mar- 
quardt 583  A.7  aus  Gell.  VII  (VI)  10,4  schlie- 
ßen will,  ist  schwerlich  richtig:  hier  heißt  es 
von  dem  als  Mädchen  verkleideten  Eukleides: 
er  trug  die  tunica  longa  muliebris,  das  pallium 
versicolor  und  war  caput  rica  velatus;  Gellius 
bezeichnet  also  nur  griechische  Tracht  mit  rö- 
mischen Namen,  ohne  daß  deshalb  die  rica 
noch  gebräuchlich  gewesen  zu  sein  brauchte. 
Ebenso  gilt  German.  Arat.  123  von  der  Ver- 
gangenheit. 

5)  Wie  Marquardt  575  und  Pottier  bei 
D.-S.  IV  868  meinen;  unterschieden  werden  sie 
von  Becker-Göll  255;  vgl.  Novius  bei  Non. 
539,21  wo  rica  und  ricinium  nebeneinander 
genannt  sind. 

8)  Die  Erwähnung  bei  Plaut.  Epid.  232 
besagt  nichts  Näheres,  ebensowenig  die  des 
Novius  oder  die  Zitate  aus  Serenus  bei  Non. 
ebd.  19  und  aus  Lucilius  ebd.  29;  dagegen 
vgl.  Turpil.  ebd.  35  (auch  549, 9) :  virginem  . . . 
in  capite  indutam  ostrinam  riculam.  Varro 
1.1. VI 30:  rica  ab  ritu,  quod  Romano  ritu 
sacrificium  feminae  cum  faciunt,  capita  velant. 
German.  Arat.  122:  ore  velato  tristisque  genas 
abscondita  rica  (daher  Becker-Göll  a.  a.  0. 
nicht  richtig  sagt,  daß  die  rica  das  Gesicht 


frei  ließ).  Gell.  a.a.O.  Festus  277a,  5:  ricae 
et  riculae  vocantur  parva  ricinia,  ut  palliola 
ad  usum  capitis  facta.  Daher  Corp.  Gloss.  IV 
278, 30  rica  durch  metri  (d.  i.  mitrae)  genus 
erklärt  wird.  Auffallend  ist,  daß  Non.  539 
17  sagt:  rica  est  quod  nos  sudarium  dicA 
mus. 

7)  Vgl.  Rich  Wörterbuch  434  ff.  Leroux 
bei  D.-S.  IV  292;  die  ältere  Litteratur  über 
die  viel  ventilierte  Frage  Marquardt  576 
A.7. 

8)  Siehe  Beispiele  bei  Marquardt  580  f. 
Nur  diese  palla  ist  gemeinsame  Tracht  beider 
Geschlechter,  nicht  die  römische,  wie  Mar- 
quardt 577  angibt,  wo  auch  die  Zitate  Auct. 
ad  Her.  IV  47,  60.  Ov.  met.  IV  483;  XIV  262 
nicht  am  Platze  sind,  da  sie  auf  griechische 
Tracht  gehen. 

9)  Serv.  ad  Aen.  I  479 ;  daher  auch  die 
Glossen  palla  teilweise  durch  jiejiXoq  wieder- 
geben, s.  Corp.  Gloss.  VII 40. 

10)  Daher  gehen  diejenigen  Glossen,  die 
palla  mit  nsgißkrjua  oder  avaßokaiov  erklären, 
auf  die  römische  palla. 

1 ')  Daher  Hör.  sat.  1 2, 99 :  circumdata palla. 
Varr.  bei  Non.  549,  32:  pullis  pallis  amictae. 
Gewöhnlich  nimmt  man  an,  daß  Varro  1.1.  V 
131  dem  widerspreche,  indem  er  da  Aie  palla 
zum  indutus  rechne  (so  Marquardt  577  A.  1 ; 
Becker-Göll  260) ;  das  ist  aber  nicht  richtig. 
Vielmehr  rechnet  er  zum  indutus  subucula 
und  supparum,  zum  alterum  genus,  d.h.  zum 
amictus,  palla  und  intusium  (da  er  dies  nicht 
von  induere,  sondern  von  intus  ableitet,  s. 
oben). 


Sechster  Abschnitt.    Die  Tracht. 


•j.ir» 


das  Ende  über  den  linken  Arm 
oder  die  linke  Schulter  herab- 
fallen ließ l)  (vgl.  Fig.  49) 2).'  Mit- 
unter wurde  sie  auch  über  den 
Kopf  gezogen3). 

Das  pallium,  das,  wie  wir  oben 
(S.  214)  sahen,  im  besondern  dem 
griechischen  Mantel  entsprach 
und  von  Männern  getragen  wur- 
de, kommt  auch  als  Frauentracht 
vor,  aber  abgesehen  von  solchen 
Stellen,  wo  es  direkt  als  griechi- 
sche Kleidung  bezeichnet  wird4), 
scheint  es  in  Rom  vornehmlich 
Tracht  der  Libertinen  gewesen 
zu  sein5),  ebenso  das  pallioliim*). 
Dagegen  wissen  wir  über  die  Be- 
schaffenheit des  nur  von  Gram- 
matikern erwähnten  tunicopal- 
lium1)  gar  nichts  Näheres8).   Im 

*)  So  beschreibt  Apul.  met.  XI  3  die 
Isis:  palla  .  .  .  quae  circumcisa  remeans 
et  sub  dexterum  latus  ad  umerutn  laevum 
recurrens,  umbonis  vicem  deieeta  parte 
laciniae  multiplice  contabulatione  depen- 
dula  ad  Ultimos  oras  nodxdis  fimbriarum 
decoriter  confluetuabat.  Die  Fransen  sind 
dabei  allerdings  speziell  zur  Tracht  der 
is  gehörig.  Isid.  XIX  25,2:  palla  est 
quadrum  pallium,  »ndiebris  vestis,  de- 
duetum  usque  ad  vestigia;  vgl.  Serv.  ad 
Aen.  XI 576.  Die  beiden  oben  angegebenen 
Arrangements  werden  durch  zahlreiche 
antike  Bildwerke  versinnlicht,  s.  Mar- 
quardt 577  A.  7  ff.   Leroux  a.  a.  0. 

2)  In  Herkulaneum  gefundene  Porträtfigur 
imMuseum  nazionale  inNeapel  (nachPhotogr.). 

3)  Wie  bei  der  bekannten  sog.  herkulani- 
schen  Matrone,  Becker  Augusteum  Taf.  19  ff. 
Gürtung  der  palla  fand  aber  wohl  nur  ganz 
ausnahmsweise  statt,  wie  Hör.  sat.  I  8. 23 :  ni- 
gra succinetam  palla  bei  der  Zauberin  Canidia. 
Die  von  Marquardt  578  A.  3  zitierten  andern 
Stellen  (Sen.Troad.92.  Verg.  Aen.  VI  555)  ge- 
hen auf  die  griechische  palla,  also  den  Peplos. 

4)  Tertullians  Schrift  de  pallio  handelt 
vom  griechischen  Mantel  der  Philosophen; 
das  pallium  war  aber  damals  speziell  Christen- 
tracht geworden  (cap.  5  ext.),  und  daher  ge- 
braucht es  Tertullian  auch  von  der  Frauen- 
tracht, de  virg.vel.  12. 

5)  Ov.  am.  1 4, 41 ;  ebd.  50 :  conscia  de  tergo 
pallia  deme  tuo.  Daß  es  ein  langer  Mantel 
war,  der  beim  Sitzen  oft  den  Boden  streifte, 
zeigt  Ov.  ebd.  III  2, 25  und  a.  a.  1 153,  daß  es 
viereckig  war,  Petron.  135,4. 


Fig.  49.   Römische  Frauenstatue  aus  Herknlatienni. 

6)  Mart.  IX  32, 1 :  palliolata ;  ebd.  XI  27, 8 
j  und  Hieron.  ep.  122, 7  p. 957  M.:/>rtW/ohoH  inter- 
\    dum  cadit,  ut  candidos  nudet  humeros.  Bei  luv. 

3,  94  geht  Dorida  mtüo  cid/am  pailiolo  auf 
'  Theaterkostüm.  Dies  pidVtolum  ist  nicht  zu 
verwechseln  mit  dem  ebenso  benannten  Kopf- 
tnche  (s.  oben  S.  229),  das  auch  Frauen  getragen 
zu  haben  scheinen;  vielleicht  geht  Digg.XXXlV 
2, 38, 1  auf  solche. 

7)  Acro  ad  Hör.  sat.  I  2,99.  Serv.  ad  Aen. 
1 648,  als  Erklärung  von  pallam  rigentem ;  eben- 
so Non.  537,31  für  palla.  Vereinzelt  stehen  die 
tunicae  palliolatae  bei  Vopisc.  Bonos.  15.8. 

8)  Wenn  Marquardt  578  f.  die  Tracht 
einer  herkulanischen  Bronze  (ebd.  Fig.  8)  als 
römische  beschreibt  und  tunicopaümm  nennt, 
so  ist  das  falsch:  mit  Recht  bemerkt  Mau 
ebd.  579  A.  3  und  580  A.  4,  es  handle  sich 
hier  um  griechische  Tracht  (es  ist  der  be- 
kannte dorische  Chiton),  die  mit  dem  tunico- 
pallium  nichts  zu  tun  habe. 


236 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


übrigen  fanden  verschiedene  der  oben  angeführten  männlichen  Oberkleider 
auch  in  der  Frauentracht  Anwendung:  so  kommt  als  solche  die  paenula 
vor1)  und  vereinzelt  auch  die  laena2). 

Was  die  Fußbekleidung  der  Frauen  anbelangt,  so  war  diese  im 
wesentlichen  von  der  der  Männer  nur  durch  größere  Zierlichkeit  oder 
kostbarere  Ausstattung,  nicht  dem  Wesen  nach  verschieden3).  Im  Hause 
wurden  Sandalen,  soleae,  getragen,  in  den  verschiedenen  Arten,  die  darin 
Mode  waren  und  oben  besprochen  worden  sind4);  beim  Ausgange  calcei% 
und  vornehmlich  solche  aus  feinem  Leder  {aluta)  von  weißer  oder  bunter 
Farbe6);  Vergoldung  war  sehr  gewöhnlich7),  größerer  Luxus  das  Besetzen 
mit  Perlen  und  Edelsteinen8),  worin  freilich  in  der  Kaiserzeit  auch  gecken- 
hafte Männer  mit  den  Frauen  wetteiferten.  Was  endlich  die  Kopfbedeckung 
betrifft,  so  war  es  für  verheiratete  Frauen  zwar  unziemlich,  auf  der 
Straße  mit  unbedecktem  Kopfe  zu  erscheinen9),  doch  trugen  sie  für  ge- 
wöhnlich keine  eigentliche  Kopfbedeckung,  wie  Hut  oder  Haube,  sondern 
zogen  die  Palla  über  den  Kopf10);  höchstens  wurden  Kopftücher  über  die 
Haare  gelegt,  wie  in  alter  Zeit  die  später  aus  der  Mode  gekommene  rica 
(siehe  oben  S.  234)  oder  die  griechischer  Tracht  entnommene  mitra11),  sowie 
die  calantica12),  die  von  der  mitra  meist  unterschieden  wird13).  Manche 
derartige  Kopfputze  gehören  aber  mehr  zum  Haarschmuck,  als  zur  Kopf- 
bedeckung, und  werden  daher  noch  unten  besprochen  werden. 


')  Lampr.  AI.  Sev.  27,  4:  matronas  intra 
urbem  paenulis  uti  vetuit,  in  itinere  permisit; 
paenulae  matronales  Treb.  Poll.  trig.  tyr.  14,4. 
Vgl.  Digg.  XXXIV  2, 23, 2. 

2)  Hieron.  ep.  22, 13  p.  615  M. :  super  hu- 
meros  hyacinthina  laena  Maforte  volitans. 

3)  Äel.  v.h.  Vll  11 :  Pwuaiwv  de  ai  TiolXal 
yvralxeq  y.al  rot  vsioöi'juaza  zavza  fpogeiv  zoig 
urdgaoiv  sidio/ievai  eioiv.  Varr.  1. 1.  IX  40:  ut 
calcei  muliebres  sint  an  viriles,  dicimus  ad 
similitudinem  figurae,  cum  tarnen  sciamus  non 
numquam  et  mulierem  habere  calceos  viriles 
et  virum  muliebris.  Tert.  de  virg.  vel.  12  sagt 
von  den  Frauen :  calceum  stipant  multiformem. 
Daß  Frauen  auch  caligae  trugen,  zeigt  Hieron. 
ep.  122,7  p.  957  M.:  caliga  quoque  ambulantis 
ntqella  ac  nidens  Stridore  ad  se  iuvenes  vocat. 

4)  Siehe  S.  222  f.  Das  Ed.  Diocl.  9,  15 ff. 
führt  als  spezielle  Frauensandalen  an  tau- 
rinas  muliebres  bisoles  und  monosoles  (doppel- 
und  einsohlig),  dann  socci  muliebres,  inau- 
ratae,  die  wohl  auch  speziell  Frauentracht 
sind,  u.  a.  m.  Die  bei  Plaut.  Trin.  252  er- 
wähnten sandaligerulae  trugen  wohl  den 
Frauen  beim  Ausgang  die  Sandalen,  die  sie 
beim  Besuche  anlegten,  nach. 

b)  Clem.Al.Paed.IIll. 

6)  Ov.  a.  a.  111  271:  pes  malus  in  nivea 
semper  celetur  aluta.  Apul.met.VII  8:  calcei 
feminini  albi  atque  tenues.  Vopisc.  Aur.  49, 7 
werden  calcei  mulli,  cerei,  albi,  hederacei  als 
Frauentracht  genannt. 

7)  Ed.  Diocl.  a  a.  0.  Petron.  67,4:  phae- 
casiae  inauratae   (s.  über  die  tpaix&oia  Mar- 

QUAKDT  594). 


8)Plin.]X114.Lampr.Heliog.4,4.TertuhV 
de  cult.  fem.  I  7.  Vgl.  Hübner  im  Hermes  I 
(1866)  354. 

9)  Plut.  qu.  Rom.  14  p.  267  B,  mit  der  Anek- 
dote, daß  Sulpicius  Gallus  seine  Frau  ver- 
stoßen  habe  E(/>sXHvaafisvt]v  idtov  y.aza  xecpaXfji 
xo  i/iäziov.  Val.Max.VI  3, 10:  uxorem  dimisit, 
quod  eam  capite  aperto  foris  versatam  cogno- 
verat. 

10)  Tac.  ann.  XIII  45  von  der  Poppaea: 
rarus  in  publicum  egressus,  idque  velata  parte 
oris,  ne  satiaret  aspectum,  vel  quia  sie  decebat. 

")  Digg.  XXXIV  2,  23,  2:  capitia,  zonae, 
mitrae  quae  magis  capitis  legendi  quam  or- 
nandi  causa  sunt  comparata.  Verg.  Copa  1 : 
Grata  redimita  mitella,  wo  sie  syrische  Tracht 
ist;  als  barbarisch  erscheint  sie  auch  sonst 
öfters,  s.  Friedländer  zu  luv.  3, 66 ;  vgl.  Digg. 
a.  a.  0.  25,10:  de  Ridder  bei  D.-S.  III  1956. 

12)  Non.  537,2:  calantica  est  tegmen  mu- 
liebre  quod  capiti  innectitur.  M.  Tullius  in 
Clodium:  tum  cum  vincirentur  pedes  faseeis, 
cum  calanticam  (hdschr.  auch  calvaticam)  ca- 
piti aecommodares.  Serv.  ad  Aen.  IX  613  iden- 
tifiziert sie  mit  der  mitra.  Vgl.  Saglio  bei 
D.-S.  I  814.  Mau  bei  P.-W.  III 1337. 

13)  So  Afran.  im  Schol.Bob.zu  Cic.ed.Or. 
V  2,  336.  Digg.  a.  a.  0.  Corp.  Gloss.  II  95, 14 
wird  sie  seltsamerweise  als  sldog  l,wvi)<;  er- 
klärt. Mau  a.  a.  0.  nimmt  an,  sie  habe  weiter 
herabgehangen  als  die  mitra,  Wüscher-Becchi 
Bull,  comun.  XXIX  (1901)  109  ff.  identifiziert 
die  calvatica  (welche  Form  er  für  die  rich- 
tigere hält)  mit  dem  palliolum  und  erklärt 
sie  als  ein  am  Hinterkopf  befestigtes  Tuch. 


Sechster  Abschnitt.    Die  Tracht. 


237 


Über  die  mit  der  Aufsicht  über,  die  Frauengarderobe  betraute  Diener- 
schaft siehe  oben  S.  229. 


C.  Die  Kleiderstoffe. 

Litteratur. 

Mongez  Recherches  sur  les  habillemens  des  Anciens.  in  den  Möm.  de  l'Instit.  royal  de  France 

Classe  d'hist.  et  de  litter.  anc.  IV  (1818)  222  ff. 
J.  Yates  Textrinum  antiquorum.    An  account  of  the  art  of  weaving  among   the  ancients. 

Part.  I.  London  1843  (nicht  mehr  erschienen). 
H.  Blümner  Technologie  und  Terminologie  der  Gewerbe  und  Künste  bei  Griechen  und  Römern. 

Leipzig  1875.    I  89  ff. 

Der  weitaus  am  meisten  zur  Kleidung  benutzte  und  zugleich  auch  der 
in  Italien  seit  Urzeiten  übliche  Stoff  war  die  Schafwolle1).  Die  Schafzucht 
war  in  Italien  schon  früh  einheimisch  und  blühend;  und  jedenfalls  schon  in 
sehr  früher  Zeit  waren  aus  Griechenland,  der  Heimat  vorzüglicher  Wollen- 
produktion, Schafe  edler  Rasse  nach  Italien,  besonders  nach  Großgriechen- 
land, eingeführt  worden2).  Zur  Zeit  des  Plinius  war  unter  den  Wollsorten 
Italiens  die  von  Apulien  am  meisten  geschätzt3),  zumal  die  von  Luceria4) 
und  Canusium5).  Die  apulische  Wolle  war  besonders  ihrer  Weichheit  und 
Feinheit  wegen  geschätzt6),  die  canusinische  auch  wegen  ihrer  braunen 
oder  roten  Naturfarbe7).  Zu  Togen,  zu  denen  nur  weiße  Wolle  genommen 
werden  konnte,  eignete  sie  sich  daher  wohl  weniger,  als  zu  Mänteln  u.  dgl.8), 
auch  zu  Staatslivreen  für  Sklaven9).  Nicht  minder  beliebt  war  die  Wolle 
von  Kalabrien10),  wo  neben  Brundisium11)  ganz  besonders  Tarent  ein  wich- 
tiger Produktionsort  war12).    Die  hier  heimische  Rasse13),  die  sehr  gepflegt 


J)  Vgl.  H.  Grothe  in  der  Deutsch.  Viertel- 
jahrsschrift 1866.  259.  Thedenat  bei  D.-S.  III 
9 14  ff.  Ueber  die  Hauptproduktionsorte  vgl. 
Büchsenschütz  Hauptstätten  des  Geweib- 
fleißes im  klass.  Altert.  58  ff.  Blümner  Die  ge- 
werbl.  Tätigk.  d.  Völker  d.  klass.  Altert.,  im  Re- 
gister unter  Wollenweberei.  Marquardt  475  ff. 

2)  Noch  spät  hießen  solche  aus  Griechen- 
land eingeführte  Schafe  griechische,  Plin.  VIII 
190:  lana  laudatissima  Apuia  et  quae  in  Italia 
Grraeci  pecoris  appettatur,  alibi  Italica.  Colum. 
VII  4,1:  Graecum  pecus,  quod  plerique  Ta- 
rentinum  vocant.  Die  alte  Freundschaft  zwi- 
schen Sybaris  und  Milet  ging  auf  solche  Be- 
ziehungen zurück,  Timaeus  bei  Ath.  XII  519  B. 

3)  Plin.  a.a.O.;  freilich  sagt  Colum. VII 
2,3:  gener is  eximii  Calabras  Apulasque  (oves) 
et  Milesias  nostri  existimabunt ,  earumque 
optima*  Tarentinas;  nunc  Gatticae pretiosiores 
habentur.  Vgl.  Mart.  II  46,6;  VIII  28. 3;  XIV 
155 ;  daher  auch  X  74, 8 :  Appnlos  velim  campos. 
Varro  besaß  Schafherden  in  Apulien,  r.  r.  II 
pi .  6.  die  im  Sommer  auf  die  Höhen  von 
Samnium  und  das  Gebiet  von  Reate  getrieben 
wurden,  ebd.  II  1,6;  2.9. 

4)  Hor.carm.III15, 13. 

5)  Plin.  a.a.O.  Ath.  III  97 E. 

6)  Mart.  VIII  28. 3.  Strab.  VI  284,  wonach 
sie  weicher  war,   als  die  tarentinische,    aber 


weniger  weiß.   Nach  Varro  1. 1.  IX  39  war  sie 
sehr  dauerhaft  im  Gebrauch. 

7)  Mart. XIV  127:  Canusinae  fuscae;  ebd. 
129:  Canusinae  rufae.  Plin.  VIII  191:  Canu- 
sium fulvi  (veUeris). 

8)  Besonders  für paenulae,  Plin.  VIII  190: 
Apulae  (lanae)  breves  villo  nee  nisi  paenulis 
celebres:  so  nach  Ath.  III  97 E  auch  canusini- 
sche, und  die  Canusinae  bei  Mart.  a.  a.  0.  sind 
wohl  auch  paenulae.  Vgl.  Vopisc.  Carin.  20.  6: 
birri  Canusini,  die  auch  Ed.  Diocl.  19,  38  auf- 
geführt werden. 

<J)  Mart.  IX  22, 9 :  canusinatus  Si/rus.  Suet. 
Nero  30:  canusinati  »ui/iones. 

10)  Colum.VII2,3.  Pers.2,65. 

11 )  Strab.  VI  282. 

»•)  Plin.  VIII  190;  XXIX  33  (in  medizini- 
scher Anwendung).  Colum.  a.a.O.  Mart. XIII 
125.  Calpurn.  ecl.  2,  69.  Im  Ed.  Diocl.  25,  1 
kommt  die  tarentinische  Wolle  als  die  teuerste 
an  erster  Stelle. 

13)  Nach  Colum.  VII 4, 1  wurden  griechische 
Schafe  auch  speziell  tarentinische  genannt, 
so  auch  XII 2, 35.  Pall.  XII  13.5,  und  in  die- 
sem Sinne  vermutlich  schon  Plaut.  Truc.  649. 
Speziell  waren  pecus  Tarentinum  weichwollige 
Schafe  im  Gegensatz  zum  pecus  hirtum,  Colum. 
I  pr.  26,  vgl.  VII  4, 1 :  ex  omnibus  Tarentimtm 
est  moüissimum. 


238 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


und  deren  Wolle  durch  Decken  oder  Felle  gegen  Unreinigkeiten  geschützt 
wurde1),  lieferte  Wolle,  die  ihrer  Naturfarbe  wegen  besonders  geschätzt 
war2),  und  zwar  sowohl  die  schwarze3),  als  vornehmlich  die  weiße4);  man 
schrieb  auch  dem  Wasser  des  Flusses  Galaesus  die  Kraft  zu,  der  darin  ge- 
waschenen Wolle  eine  blendende  Weiße  zu  verleihen5).  Daher  war  taren- 
tinische  Wolle  in  erster  Reihe  für  Togen  geeignet6);  auch  wurden  ganz  feine 
und  durchsichtige  Stoffe,  die  aber  wesentlich  zur  Frauengarderobe  gehörten, 
in  den  tarentinischen  Fabriken  hergestellt7).  Sonst  war  in  Unteritalien  nur 
noch  die  Wolle  von  Lukanien,  auch  ihrer  Naturfarbe  wegen,  geschätzt8); 
in  viel  höherem  Grade  war  das  aber  bei  den  Wollprodukten  des  cisalpinischen 
Galliens  der  Fall9).  Teils  wurde  hier,  namentlich  in  Gallia  circumpadana, 
feine  weiße  Wolle  produziert10),  teils  kamen  von  hier,  wie  aus  dem  Gebiete 
der  Ligurer  und  Insubrer,  gröbere  Stoffe,  sowohl  ganz  grobe,  die  für  Sklaven- 
kleidung benutzt  wurden11),  als  gleichfalls  dicke,  aber  feinere  Stoffe,  die  zu 
Togen,  Lacernen  u.  dgl.  geeignet  waren12).  Besonders  renommierte  Pro- 
duktionsorte waren  Parma,  dessen  für  Togen  beliebte  Wolle  der  tarentinischen 
gleichgesetzt  wurde 13),  Mutina,  mit  feiner  Ware 14),  die  auch  ihrer  Naturfarbe 
wegen  beliebt  war15),  Patavium,  dessen  Wolle  zwischen  der  feinen  muti- 
nensischen  und  der  groben  ligurischen  rangierte16);  es  wurden  daraus  Decken, 
Kleider,  namentlich  filzartige  (gausape),  sowie  andere  Stoffe  jeder  Art  ge- 
fertigt und  weit  exportiert17).    Ferner  sind  zu  nennen  Pollentia  mit  Stoffen 


»)  Varr.  r.  r.  II  2,  18.  Hör.  carm.  II  6,  10. 
vgl.  Colum.  VII 3, 10.  In  Griechenland  war  dies 
Verfahren  sehr  gewöhnlich. 

*)  Tert.  de  pall.  3. 

3)  Plin.  a.  a.  0.  191. 

4)  Strab.  VI  284.  Mart.  XII  63,3. 

5)  Stat.  Silv.  III  3,  93.  Mart.  V  37, 2;  VIII 
28,3;  XII  63, 3. 

ü)  Mart.  II 43, 3;  IV  48, 2. 

7)  Diese  xagavxivcöia  (Poll.  IV 104;  VII  76) 
werden  zwar  nur  bei  griechischen  Autoren 
genannt,  aber  wesentlich  bei  solchen  des  2. 
u.  3.  Jahrh.  n.  Chr.  (vgl.  bes.  Luc.  dial.  mer.  7. 2 ; 
cal.  non  tera.  cred.16;  rhet.  praec.  15),  dürfen 
also  zur  römischen  Tracht  gerechnet  werden: 
vgl.  Blümner  Gew.  Tätigkeit  123. 

8)  Man  schrieb  dies  auch  dem  Einfluß 
des  Trinkwassers  zu,  indem  das  Wasser  des 
Krathis  für  die  weißwolligen,  das  des  Sybaris 
für  die  schwarzwolligen  Schafe  nützlich  sei, 
Theophr.  bei  Ael.  n.  an.  XII  36.  Plin.  XXXI 13. 
Vitr.VIII3,14. 

9)  Varr.  1.1.  IX  39.  Colum.  VII  2,3. 

10)  Plin.  VIII  190:  alba  Circumpadanis 
nulla  praefertur,  nee  libra  centenos  nummos 
ad  hoc  aevi  excessit  ulla. 

n)  Strab.  V218:  xrjv  ös  xgayEiav  (ioeav)  r) 
Aiyvaxixrj  xai  f)  xcöv  Ivaovßgcov ,  e£  r\q  xb 
.-t)J:ov  xfjg  olxeitiag  xdv  'Ixa/Moxwv  äfiJieysxai ; 
ebd.  IV  202  werden  XiyvoxTvol  xe  ycxwvsg  xai 
adyoi  erwähnt. 

'-)  Der  bezeichnende  Ausdruck  für  diese 
Wollstoffe  ist  pinguis,  Hör.  carm.  III  16,  35: 
""   pinguia  Gallicis  creseunt  vellera  paseuis. 


Mart.  VI  11,7:  nie  pinguis  Gallia  vestit.  luv. 
9,28:  pinguis  lacernas  .  .  .,  duri  crassique 
coloris  |  et  male  percussas  textoris  pectine 
Galli.  Man  könnte  hier  freilich  auch  an/ 
Fabrikate  des  transalpinischen  Galliens  denken 
(vgl.  Mart.  IV  19,  1:  Sequanicae  pinguem  tex- 
t ria's  alumnam);  daß  aber  auch  Gallia  cis- 
alpina  solche  Stoffe  produzierte,  zeigt  Mart. 
XIV 153. 

13)Mart.II43,4;IV37,5;V13,8;XIV155; 
die  besten  Schafe  waren  die  von  den  Macri 
campi  zwischen  Parma  und  Mutina,  Colum. 
V112,3. 

14)  Strab.  V  218,  der  besonders  die  Herden 
beim  Skultanna-Flusse  rühmt.  Colum.  a.  a.  O. 
Von  der  Bedeutung  der  Fabrikation  gibt  auch 
der  reiche  Walker  aus  Mutina,  Mart.  III  59, 
Zeugnis.  Das  Ed.  Diocl.  erwähnt  19,  13 ff.;  20, 
3  u.  13;  21,  1  u.  22, 16  mutinensische  Kleider 
(Preise  und  Löhne  für  Weben,  Walken  und 
Sticken).  Vgl.  die  Graffito-Inschrift  vom  Päd- 
agogium des  Palatins:  Canusini  Mutinese, 
Cokrbra  Bull,  comun.  XXI  (1893)  257  n.  152. 

15)  Das  ist  wohl  der  bei  Non.  548, 22  er- 
wähnte Mutinensis  color. 

10)  Strab.  V  218:  xrjv  ös  /nsonv  oi  xeoi  Ila- 
xdoviov,  If  rjg  oi  xdjirjxsg  oi  jioXvxsküs  xai  yav- 
oäjzai  xai  xö  roiovxor  eidog  jtäv,  afi<plfiaXXöv 
xe  xai  exsQÖfiaklnr. 

17)  Strab.  V  213,  der  von  eoftt/g  Jiavxooa.-iij 
spricht.  Mart.  XIV  143  rühmt  dicke  tunicae 
Patavinae,  und  ebd.  152  ein  aus  Patavium 
bezogenes  gausapum  quadratum.  Ueber  den 
Stoff,  der  gausape  hieß,   vgl.  Blümner  Gew. 


Sechster  Abschnitt.    Die  Tracht. 


l':üi 


aus  schwarzer  Naturwolle1),  Aquileia2),  Verona3)  und  besonders  Altinum4) 
und  das  Gebiet  der  Veneter,  von  wo  die  groben  Kapuzen  kamen5). 

Trotzdem  also  Italien  Wollenstoffe  in  jeder  Qualität  lieferte,  wurden 
doch  solche  auch  noch  von  auswärts  bezogen,  namentlich  aus  Griechenland 
und  Kleinasien,  wo  überall  seit  alter  Zeit  die  Schafzucht  blühte.  So  wurden 
attische  Webereien  exportiert6),  achaeische7),  argolische8),  vielleicht  auch 
lakonische9),  und  aus  Kleinasien  vornehmlich  die  Fabrikate  von  Milet10), 
Laodikeia11)  und  Kolossae  in  Phrygien12),  Selge  in  Pisidien13),  Sardes14)  usw. 

Wenn  diese  Landschaften  größtenteils  feine  WTollenstoffe  lieferten,  so 
kamen  dagegen  gröbere  Webereien  aus  dem  Norden  der  Balkanhalbinsel: 
so  für  dicke  Mäntel,  Kapuzen  u.  dgl.  aus  Istrien15),  Illyrien16),  Liburnien17), 
Dalmatien18).  Dasselbe  gilt  von  den  Geweben,  die  das  mittlere  Europa  den 
Römern  lieferte,  wie  Noricum19)  und  ganz  besonders  das  transalpinische 
Gallien.  Die  dicken  und  zottigen  Stoffe,  die  vornehmlich  zu  Mänteln,  wie  saga20), 


Tätigkeit  101  f.;  Saglio  bei  D.-S.II1459;  ob 
auch  an  andern  Orten  dieser  Stoff  fabriziert 
wurde,  ist  nicht  überliefert.  Ueber  die  Ver- 
wendung der  gansape  zu  Bett-  und  Tischdecken 
s.  oben  S.  117  u.  125;  daß  sie  auch  zu  Klei- 
dern verarbeitet  wurde,  zeigt  Plin.  VIII  193: 
tu  iura  lati  clavi  in  niodutn  gausapae  texi 
nunc  pritnum  incipit.  Petron.  21,2  wird  eine 
myrtea  gaiisape  als  Kleidungsstück  erwähnt, 
28,4  eine  coccina  gausapa. 

')  Plin.  VII  191.  Mail.  XIV  157;  daher 
hnnt  tristis,  ebd.  158,  zu  besseren  Sklaven- 
kleidern verarbeitet.  Sil.  It.  VIII  597.  Colum. 
VII 2. 4. 

»)  Mart.  VIII 28, 7  (zu  Togen). 

3)  Auch  von  da  kamen  besonders  dicke 
^Stoffe  (lodices),  die  aber  mehr  zu  Decken,  Tep- 
pichen u.  dgl.,  als  zur  Kleidung  verwendet  wor- 
den zu  sein  scheinen,  Mart.  XIV  152 ;  vgl.  Blüm- 
kek  a.a.O.  102. 

4)  Nach  Mart.  XIV 155  kam  die  Wolle  von 
Altinum  an  dritter  Stelle  nach  der  von  Apulien 
und  Parma.  Vgl.  luv.  8,15.  Colum.  a.  a.  0.  3. 

'-)  luv.  3, 170. 

6)  Laber.  b.  Non.  212,20.  Plut.  de  aud.  9 
p.  42  D.  Dagegen  geht  Varr.  r.  r.  II  2, 18  auf 
attische,  nach  Italien  importierte  Schafe,  und 
bei  Plin.  XXIX  33  wird  die  Jana  Attica  nur  im 
medizinischen  Gebrauch  erwähnt. 

7)  Ed.  Diocl.  19,40:  argolische  Birri. 

8)  Ebd.  19,41. 

9)  Doch  kann  die  Spartana  chlamys  bei 
luv.  8,101  auch  auf  die  dort  blühende  Purpur- 
färberei gehn,  wie  das  bei  Hör.  carm.  II  18,  7 
wahrscheinlich  der  Fall  ist.  Import  megarischer 
Wollstoffe  (nach  Marqxjardt  477)  wird  durch 
Diog.  Laert.  VI  41  nicht  bezeugt. 

10)  Colum.  VII 2, 3.  Plin.VIII190(XXIX33 
nur  medizinisch).  Tert.  de  pall.  3.  Import  mile- 
sischer  Gewebe  bezeugt  Hör.  ep.  I  17,30  (vgl. 
ebd.  Porphyr.) ;  ihren  Ruhm  auch  bei  den  Rom  ein 
Verg.  Geo.  III 306 ;  IV  334  (wogegen  Mart.  VIII 
28. 10  auf  milesische  Purpurfärberei  geht);  vgl. 
Strab.  XII  578. 


u)  Plin.  a.  a.  O.  Strab.  a.a.O.  rühmt  die 
Weichheit  der  Wolle,  in  der  sie  noch  die  mile- 
sische übertreffe,  und  die  Naturfarbe,  die  sog. 
xooa^ij  xgöa  (über  diese,  eine  eigentümlich 
schwarze  Farbe,  s.  Makquardt  478  A.  4;  479 
A.  2) ;  nach  Vitr.  VIII 3, 14  schrieb  man  sie  auch 
hier  dem  Einfluß  des  Wassers  zu.  Die  Bedeu- 
tung, die  die  Stoffe  von  Laodikeia  in  der  spätem 
Kaiserzeit  hatten,  zeigt  Ed.  Diocl.  19, 16;  26  ff.; 
51;  20,4;  21,2;  22,19  f.;  22;  25,2,  sowie  Expos, 
tot.  mundi  42. 

12)  Strab.  a.a.O.  Ed.  Diocl.  19,41. 

13)  Tert.  de  pall.  3. 

14)  Varro  bei  Non.  539,  7.  allerdings  von 
Decken ;  doch  kamen  von  Lydien  auch  sonst 
gute  Wollwaren,  so  die  naturfarbenen  von  Ery- 
thrae  und  Klazomenae,  Vitr.  a.a.O.:  vgl.  Plin. 
VIII 191:  Asia  rutili  {coloris  oves)  quas  Ery- 
thraeas  vocant. 

16)  Plin.  a.  a.  O. :  Histriae  Liburniaeque 
{lanae)  pilo  propior  quam  lanae,  pexis  aliena 
t'i'st  iljits» 

16)  Treb.  Poll.  Claud.  17,6:  paentdam  Bly- 
ricianam;  vgl.  Iul.  Capit.  Pert.  8, 3:  cuculli  Bar- 
dctici 

»»)  Mart.  XIV  139.  Steph.  Byz.  s.  Aißvgvoi. 

15)  Treb.  Poll.  a.  a.  0.:  singüionea  Dal- 
matenses  Isid.  XIX  22,9;  die  Dalmatika  (s. 
oben  S.  208)  war  von  dorther  gekommen. 
Der  im  Ed.  Diocl.  19,  35  aufgeführte  ßlgQoe 
rPn.-T>'/ntoc  kam  von  der  untern  Donau,  s.  Blüm- 
ner z.  d.  St. 

19)  Ed.  Diocl.  19,43  f.,  wo  norische  Kleider 
mit  den  barbarischen  Namen  ßdvaza  und  ߣdo£ 
aufgeführt  werden ;  ein  ßi'ggo-'  Ncagotös  ebd.  22, 
24.  Vgl.  Expos,  tot.  mundi  57. 

20)  Strab.  IV  196:  r)  d'igea  rga^eia  [ihr  dxgö- 
fia'ÜM?  de,ä<p'  fjs  tovg  Saoelg  adyovg  igvqpaivoroir , 
ov?  kaivag  xakovoiv;  ebd.  197:  ovtu>?  d'  sazi  da- 
%1>ÜS)  xal  za  jzoi'/iria  xai  rä  vofpögßia  wotf  tv>r 
oäyojv  Hai  tTj;  Tiinr/fia?  aq>&oviar  inj  tfj'Pcbflfl 
%OQt]yeio&ai  finror,  a/.'/.a  xai  toi?  xÄeiotoi;  ftSQSOi 
tri?  'haliaQ.  Verg.  Aen.  VIII  660.  Sid.  Ap.  ep. 
IV  20,2.  Ed.  Diocl.  19,60. 


240 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


pallia1),  cuculli2)  u.  dgl.,  verarbeitet  wurden  und  bei  denen  gewürfelte 
(scutulata) 3)  oder  gestreifte  (virgata)*)  Muster  charakteristisch  waren,  wurden 
vornehmlich  fabriziert  in  Gallia  Belgica6),  bei  den  Santonen  in  Aquitanien6), 
bei  den  Nerviern7),  den  Atrebaten8),  den  Sequanern9),  Lingonern10)  und 
Laekonern11).  Sehr  geschätzt  waren  dann  die  Wolle  und  die  Gewebe  aus 
Spanien,  besonders  aus  Hispania  Baetica12);  sie  zeichneten  sich  namentlich 
durch  ihre  Naturfarbe  aus,  sowohl  die  weiße,  für  Togen  geeignete  Wolle13), 
als  die  rötliche  (namentlich  von  Corduba),  die  besonders  zu  Lacernen  ver- 
arbeitet wurde14),  und  die  tiefschwarze,  die  die  Spanier  zu  saga  verwebten15). 
In  Lusitanien  wurden  auch  gewürfelte  Stoffe  produziert,  wie  ki  Gallien16). 
In  der  spätem  Kaiserzeit  exportierten  auch  Britannien17)  und  Numidien18) 
Wollenkleider. 

Neben  der  Wolle  beginnt  die  Leinwand19)  erst  verhältnismäßig  spät 
eine  Rolle  in  der  römischen  Tracht  zu  spielen.  Zwar  steht  es  nicht  fest, 
ein  wie  hohes  Alter  der  Flachsbau,  der  in  Ägypten  und  Vorderasien  in 
das  höchste  Altertum  hinaufreicht,  auf  der  italischen  Halbinsel  hatte20); 
allein  in  Mittelitalien  hat  er  nie  Bedeutung  erlangt,  und  wenn  auch  die 
Nachricht,  daß  man  in  Italien  vor  der  Zeit  des  Pythagoras  Leinwand  nicht 
gekannt  habe21),  jedenfalls  auf  Irrtum  beruht,    so  wird   doch   das  meiste, 


')  Vopisc.  Prob.  4,5. 

2)  luv.  8, 144.  Mart.  XIV  128.  Auch  der 
Abfall  der  gallischen  Tuchfabriken,  die  als  Pol- 
sterfüllung dienenden  tomenta  (s.  oben  S.  115), 
kamen  aus  Gallien  nach  Italien,  Plin.  VIII 192; 
XIX  13.  Mart.  XIV  159  f. 

3)  Plin.  VIII 196:  scutulis  dividere  Gallia 
(instituit).  luv.  2,97.  Cod.  Theod.  XV  7, 11.  Et. 
magn.p.720,42.  Solche  gewürfelte  Stoffe  lieferte 
namentlich  Piscinae  in  Gallia  Narbonensis,Plin. 
a.a.O.  191. 

4)  Verg.  Aen.  VIII 660.  Prop.  V  (IV)  19,43. 
Diod  V30.1. 

5)  Strab.  IV  196. 

6)  luv.  8, 144  f.  mit  Schol.  Mart.  XIV  128. 

7)  Ed.  Diod.  19,27  u.  32;  22,31. 

8)  Treb.  Poll.  Gall.  duo  6,6.  Vopisc.  Carin. 
20,6.  Lyd.  de  mag.  I  17.  Suid.  s.  'Argaßanxög. 
Hauptsitz  war  wohl  Turnacum  (Tournay)  mit 
seiner  kaiserlichen  Weberei,  Not.  dign.  Occ. 
XI  57. 

»)  Mart.  IV  19,1. 
,0)  Mart.  I  53,4. 

")  Mart.  XIV  159,2;  160,2;  vgl.  XI  21,8; 
56,9. 

12)  Strab.  III  144:  jio/JJj  de  xai  eodr/g  ngö- 
regov  rjgyexo,  vvv  de  egia  [lällov  twv  y.oga^wv. 
Unverarbeitete  baetische  Wolle  Mart.XII65,2; 
vgl.  V  37,7.  Kleiderausfuhr  auch  später  noch, 
Expos,  tot.  mundi  59. 

13)  Mart.  VIII  28,5. 

14)  Plin.  VIII 191.  Mart. IV 28,2; XII 63,3: 
(Corduba)  nullo  murice  nee  cruore  mendax,  \  sed 
tinetis  gregibus  colore  vivo;  ebd.  98, 2 :  aurea  qui 
nitidis  vellera  Unguis  aquis  (sc.  Baetis);  XIV 
133:  lacernae  Baeticae;  vgl.  V  37,7. 

lb)  Diod.  V  33, 2 :  qpogovai  6'  ovzoi  aäyovg  fie- 


lavag  rgayeTg  xal  JiagajtXrjOiov  eyovxag  raeg  ai- 
yeiaig  dgitgiv.  Der  color  pullus  der  baetischen 
Wolle  (von  Corduba)  wird  von  ColunKvII  2,4 
hervorgehoben,  vgl.  Non.  549,30:  pullus  color 
est  quem  nunc  Spanum  vel  nativum  dieimus.  Die 
sgia  x(bv  xogaigwv,  Strab.  a.  a.  O.  ist  wohl  die- 
selbe, und  ebenso  ist  sie  gemeint,  wenn  Mart. 
196,4  der  amator  tristium  lacernarum  baeti- 
catus  atque  leueophaeatus  genannt  wird,  da 
man  hier  an  die  rötliche  Wolle  nicht  denken 
kann. 

16)  In  Salacia,  Plin.  VIII 191 :  et  quam  Sa- 
lacia  scutulato  textu  commendat  in  Lusitania. 

17)  Britannische  birri,  Ed.  Diocl.  19,36. 

18)  Numidische foVn», Ed. Diocl.  19.39.  Ex- 
pos, tot.  mundi  60 :  Numidianegotia  habet  vestem 
variam.  Aus  Africa  proconsularis  führt  das  Ed. 
Diocl.  19,42  ßiggogvAqwog  auf,  und  der  Zolltarif 
von  Iulia  Zarai  vestis  Afra,  CIL  VIII  1508; 
birri  Africani  auch  Vopisc.  Carin.  20.6. 

19)  Vgl.  Yates  a.a.O.  252.  Büchsenschütz 
Hauptstätten  d.  Gewerbfl.  58  ff.  Blümner  Ge- 
werbl.  Tätigkeit,  Register  unter  Leinweberei; 
ders.  Technol.  u.  Terminol.  1 178.  Heer  Ueber 
den  Flachs  und  die  Flachskultur  im  Altertum, 
Zürich  1872.  HEHNKulturpfl.u. Haustiere6 160. 
Marqtjardt  480.  Thedenat  bei  D.-S.  III 1260. 
Olck  bei  P.-W.  VI  2435. 

20)  Nach  Pigorini  Bull.  d.  Inst.  1878,  3  f. 
hätten  die  in  primitiven  Schichten  des  Esquilin 
gefundenenhörnernen  Werkzeuge,  die  sich  ähn- 
lich in  schweizerischen  Pfahlbauten  finden,  zum 
Auskämmen  des  Flachses  gedient. 

2 ')  Diog.  L.  VIII 1 ,  19 ;  vgl.  Hehn a.  a.  0. 169, 
der  die  Nachricht  nur  darauf  bezieht,  daß  das 
ionische  Linnenkleid  damals  in  Kroton  nicht 
üblich  war. 


Sechster  Abschnitt.    Die  Tracht. 


241 


was  aus  früherer  Zeit  von  Linnenstoffen  berichtet  wird1),  sich  auf  aus- 
ländisches, nach  Italien  importiertes  Fabrikat  beziehen2).  Dal.;  man  aber 
in  Rom  in  den  frühen  Jahrhunderten  nur  Wolle  trug,  ist  so  gut  wie  sicher3); 
wann  freilich  das  erste  linnene  Kleidungsstück,  von  dem  wir  erfahren,  das 
ppparum  der  Frauen  (siehe  oben  S.  231),  aufkam,  können  wir  nicht  sagen; 
denn  daß  der  in  alter  Zeit  übliche  Lendenschurz,  das  subligaculum  (siehe 
oben  S.  205),  von  Leinwand  gewesen  sei,  läßt  sich  ebensowenig  erweisen, 
wie  bei  den  von  den  Frauen  getragenen  Brustbinden4).  Ebensowenig  ver- 
mögen wir  anzugeben,  wann  die  Leinwand  in  der  Männertracht  aufkam; 
aber  da  noch  im  letzten  Jahrhundert  v.  Chr.  linnene  Kleider  eine  Kostbar- 
keit waren5)  und  Leinwand  mehr  für  Schweißtücher,  Servietten,  Bettüberzüge 
u.  dgl.  Verwendung  fand6),  so  war  ihre  Anwendung  in  der  gewöhnlichen 
Tracht  damals  und  auch  noch  in  der  ersten  Kaiserzeit  jedenfalls  spärlich7), 
und  Luxus  darin  trieben  nur  die  Kaiser  und  die  Reichen8).  Indessen  nahm 
mit  der  Zeit  der  Gebrauch  von  Linnenkleidern  mehr  und  mehr,  selbst  beim 
Volke,  überhand9);  das  Edikt  des  Diokletian  führt  Leinwand  in  einer  reichen 
Auswahl  von  Arten  an 10),  und  überall  im  Reiche  waren  kaiserliche  Leinen- 
fabriken angelegt,  die  den  immer  steigenden  Bedarf  zu  decken  hatten11). 
So  kam  es,  daß,  als  die  Toga  verschwand  und  die  Tunika,  Dalmatika  u.  dgl. 
das  ständige  Kleidungsstück  auch  in  der  Öffentlichkeit  geworden  war,  es 
wesentlich  noch  die  Mäntel  und  Überwürfe  waren,  die  aus  Wolle  gefertigt 
wurden,  während  für  jene  Leinwand  zwar  nicht  ausschließlich,  aber  doch 
vornehmlich  zur  Verwendung  kam12).  Man  stellte  daher  die  Leinwand  in 
sehr  verschiedenen  Qualitäten  her13),  von  der  sehr  feinen  Leinwand,  für  die 
seit  Plinius14)  der  im  Griechischen  viel  früher  übliche  Name  bijssus  vor- 
kommt15), bis  zu  den  groben  Geweben  für  Landleute  und  Sklaven16). 


')  So  die  libri  lintei,  der  Ihiteus  thorax  des 
\ Vjenterkönigs  Tolumnius,  Liv.  IV  20,7;  die 
Linnentracht,  die  Sil.  It.  IV  223  den  alten  Fa- 
liskern  zuschreibt,  vgl.  Grat.  Cyneg.  40,  u.  a.  m. 

2)  Vgl.  Helbig  Italiker  in  der  Poebene  66  ff., 
der  aber  den  von  Hehn  170  f.  ebenfalls  auf  über- 
seeischen Einfluß  zurückgeführten  Gebrauch 
der  Leinwand  bei  denSamniten  (Liv.  IX  40,3  u. 
X  38,  12)  lieber  einheimischer  Flachskultur  zu- 
weisen möchte,  s.  S.  69  f. 

3)  Ein  Beweis  ist  die  Notiz  bei  Plin.  XIX  8 : 
M.  \'d )■)■<>  tradit,  in  Serranorum  familia  gen- 
tilicium  esse,  fcminaslinteavestenonuti;  denn 
dergleichenFamilienbesonderheitenpflegenRe- 
ste  uralter  Kultur  zu  sein. 

4)  Für  beide  nimmtesMARQUARDT484an; 
es  ist  aber  kein  Beweis  dafür,  wenn  später  die 
Diener  bei  Tische  succincti  Unteo  aufwarteten, 
nach  Suet.  Calig.  26,  da  Linnentracht  der  Diener 
im  kaiserlichen  Haushalt  gewöhnlich  war.  siehe 
Phaedr.  115,11. 

5)  Bei  Cic.  Verr.  V  56,146  werden  sie  zu- 
sammen mit  tyrischem  Purpur,  Edelsteinen, 
Perlen  etc.  aufgeführt. 

6)  Vgl.  Makquardt  485  f. 

7)  Eine  Ausnahme  macht  der  Gebrauch  der 
Liunengewänder  im  Isiskultus,  bei  dem  er,  wie 
in  A  egypten  selbst,  zum  Ritus  gehörte,  vgl.  Tib. 

Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft.    IV. 


13,29.  Ov.a.a.I77.  Sen.  dial.  VII  26,8.  luv. 
6,533.  Mart.XII29.19.  Suet.  Otho  12. 

8)  Vgl.  Lampr.  Heliog.  26, 1 ;  Alex.  Sev.  40, 
10:  bonilinteammi»  adpetitor  fuit,  et  qmdem 
puri  (d.  h.  ohne  Purpui streifen). 

9)  Vopisc.  Aui'el.  12,l;4s.:,. 

10)  Abschn.  26—28;  vgl .  Blümner  Maximal- 
tarif 168  ff. 

u)  Sie  heißen  gynaecea  oder  linifphia  und 
werden  in  der  Notit.  dignit.  an  verschiedenen 
Stellen  aufgeführt,  vgl.  Or.  13,16.  Occ.  11,61-63 
{Unyphia);  Or.  13, 16.  Occ.  11,45  59  (f/i/naecea). 

'-)  Daher  sagt  Augustin.  serm.  37,6:  in- 
teviora  sioit  tmim  Hnea  ve&imenta,  lanea  <•./•- 
teriora.  Vgl.  Mommsen  Hermes  XX  V  (1890)  28. 

,3)  Das  Ed.  Diocl.  zählt  sowohl  für  die 
Leinengarne  wie  für  die  Gewebe  immer  neun 
Qualitäten  auf.  und  zwar  drei  erste  und  eine 
vierte  und  fünfte  in  je  drei  Sorten. 

14)  Plin.XIX 20; vgl.Isid.XIX 22,15; 27,4. 

15)  Die  früher  verbreitete  Meinung,  daß 
btf88U8  Baumwolle  sei,  hat  Yates  267  ff.  wider- 
legt, vgl.  Marquardt  48 1  A.  9 ;  nur  ist  das  Wort 
wie  für  feines  Linnen  so  auch  für  Baumwolle 
gebraucht  worden,  s.  Yates  274.  Makquakdt 
482  A.  3. 

,6)  AivovTQayvzegor eis  '/.<J'lr'n' TuirtbiroTtöv rr 
xai<pa/itihaoiy.wr  ,heif3tesimEd.Diocl.26,l0u.ö. 
,  2.    3.  Aufl.  16 


242 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


Den  mit  der  Zeit  immer  mehr  gestiegenen  Bedarf  an  Leinwand  konnte 
Italien,  wo  der  Flachsbau  stets  beschränkt  geblieben  ist1),  allein  nicht 
decken.  Immerhin  lieferte  namentlich  Oberitalien  vorzüglichen  Flachs;  was 
hier  zwischen  Po  und  Ticinus,  in  der  regio  Aliana,  wuchs,  ferner  bei  ßetovia 
und  Faventia,  das  lieferte  Leinwand,  die  zur  Zeit  des  Plinius  gleich  nach 
dem  am  meisten  geschätzten  Produkt  des  spanischen  Saetabis  kam  und  sich 
durch  Glanz,  Feinheit  und  Dichte  auszeichnete2).  Weniger  wichtig  war  die 
Industrie  von  Mittel-  und  Unteritalien,  wo  zwar  auch  an  verschiedenen 
Orten  Flachs  gebaut,  aber  weniger  zu  Kleidern,  als  zu  Segeltuch 3),  Netzen4), 
Bettbezügen5)  u.  dgl.  verarbeitet  wurde.  Dafür  lieferten  die  Provinzen  in 
der  letzten  Zeit  der  Republik,  und  besonders  in  der  Kaiserzeit  sehr  viel 
Leinen  waren.  An  erster  Stelle  stand  da  wohl  Ägypten,  wo  Flachsbau  und 
Leinenweberei  seit  sehr  früher  Zeit  heimisch  war6);  hier  gehörte  Linnen 
neben  Glaswaren  und  Papyrus  zu  den  beliebtesten7),  in  der  Kaiserzeit  mit 
Steuer  belegten8)  Ausfuhrartikeln,  obschon  die  Leinwand  nicht  gerade 
dauerhaft  und  dabei  teuer  war9).  Als  Hauptfabrikationsorte  der  Leinwand, 
die  wohl  meist  im  Gewebe  exportiert  wurde 10),  nennt  Plinius  Tanis,  Pelu- 
sion,  Butis  und  Tentyris11);  däneben  kommen  Alexandria12),  Kanopos13), 
Kasion14),  Arsinoe15)  und  Antinoupolis16)  in  Betracht.  Außer  Ägypten  führte 
auch  die  Nordküste  Afrikas,  die  sich  durch  guten  Flachs  auszeichnete, 
Leinenwaren  aus17).  Für  das  feinste  Linnen  aber  galt  in  der  Kaiserzeit  das 
spanische,  besonders  von  Hispania  citerior18),  wo  leinene  Kleider  nationale 


')  Die  Landwirte  empfehlen  ihn  nicht,  weil 
er  den  Boden  erschöpfe  und  nur  in  fettem,  feuch- 
tem Boden  gedeihe,  Colum.  II 10, 17.  Pall.  XI 2. 
Bei  Varro  kommt  er  gar  nicht  vor. 

2)  Plin.  XIX  9:  similiter  etiam  in  Italiae 
regione  Altana  inter  Padutn  Ticinumque  am  ms, 
ubi  a  Saetabi  tertia  in  Europa  Uno  palma;  se- 
cundatn  enim  in  vicino  Alianis  capessunt  Re- 
tovina  et  in  Aemilia  via  Faventina.  candore  Ali- 
anis semper  crudis  Faventina  praeferuntur; 
Retovinis  tenuitas  summa  densitasque,  candor 
qui  Faventinis,  sed  lanugo  nulla,  quod  apud 
dliiis  gratiam,  apud  alios  offensionem  habet. 

»)  In  Tarquinii,  Liv.  XXVIII45.15. 

4)  So  in  Kumae,  Plin.  XIX  10;  vgl.  Hör.  ep. 
I  18,46.  Grat.cyn.35. 

5)  Plin.XlX  13:  Italia  et  Paelignis  etiam- 
mint  Unis  honorem  habet,  sed  fullonum  tantum 
in  usu.  nulluni  est  candidius  lanaeve  similius. 
Da  gleich  nachher  von  culcita  und  tomenta  die 
Rede  ist.  so  können  sich  die  Worte  des  Plin. 
nur  auf  solche  Kissenbezüge,  die  die  Walker  mit 
den  Abfällen  vom  Scheren  der  Tuche  stopften, 
beziehen. 

6)  Vgl.  Yates  252  ff.  Blümner  Gewerbl. 
Tätigkeit  6  ff. 

;)  Cic.  pro  Rab.  Post.  14,40.  Linnen,  I  ilas 
und  Papier  werden  auch  von  Hadrian  in  seinem 
von  Vopisc.  Saturn.  8,  0  zitierten  Briefe  als 
Hauptfabrikate  der  Aegypter  angeführt. 

H)  Vopisc.  Aur.  45, 1 :  vectigal  ex  Aegypto 
urbi  Bomae  Aurelianus  vitri  Chartas  Uni  stup- 
pae  atque  anabolicas  species  aetemas  von  st  Unit. 


Hingegen  können  die  Ausdrücke  äanßo;  und 
an^ioyxög,  die  im  Ed.  Diocl.  19  ff.  öfters  bei 
Linnenwaren  vorkommen,  nicht  mehr,  wie  frü 
her  (vgl.  Marquardt  481  A.6)  auf  Zollstempe 
bezogen  werden,  sondern  sie  gehen  auf  einge- 
webte Purpurstreifen,  s.  Mommsen  a.  a.  0.  23- 
9)  Plin.  XIX  14:  Aegyptio  Uno  mini  m  um 
firmitatiSf  plurimnm  hier*. 

10)  Vgl.  Vopisc.  Auiel.  12,1;  48,5;  Carin. 
20,5.  Treb.  Poll.  Gall.  duo  6,4. 

u)  Plin.  a.  a.  O.;  Pelusiacum  linum  nennt 
Sil.  It.  III  24  u.  375,  wohl  im  Sinne  von  ägyp- 
tisch überhaupt. 

12)  Im  Ed.  Diocl.  26  ff.  kommen  wiederholt 
Linnenkleider  unter  der  Bezeichnung  Tcwaiy.ä 
'Als^ardoEivä  vor,  nach  Mommsen  Sorten  aus 
Tarsos  und  Alexandria.  aber  wohl  eher  tarsische 
Leinwand  nach  Art  der  alexandrinischen.  s. 
Blümner  z.  Ed.  Diocl.  169. 

13)  Grat.  Gyn.  42  f. 

,4)  Steph.  Byz.  s.  Käoior. 

15)  Peripl.  mar.  Erythr.  6  werden  'Agoivon- 
nxal  atonal  xai  aßöllai  als  Ausfuhrartikel  er 
wähnt. 

16)  Ed.  Diocl.  28,46. 

17)  Vopisc.  Aurel.  48,5  lineae  Afrae;  liby- 
sche Verg.  Ciris  179;  Garn  für  Netze  Grat.  cyn. 
34  f. 

18)  Die  hispanische  Leinwand  rühmen  Mela 
116,2  (86).  lustin.  XLIV  1,6;  besonders  Plin, 
a.a.O.  10:  et  ab  his  Hispania  citerior  habet 
splendorem  Uni  praecipuum  torrentis,  in  quc 
politur,  natura,   qui   adluit   Tarraconem,   ei 


Sechster  Abschnitt.    Die  Tracht. 


248 


Tracht  waren1);  und  zwar  werden  speziell  Tarraco2),  Saetabis3)  und  Bm- 
poriae4)  als  Produktionsorte  genannt,  während  in  Carthago  nova  das  in 
Spanien  häufig  vorkommende  Pfriemgras,  Spartimt  genannt,  sowohl  zu 
Kleidern,  wie  namentlich  zu  Decken,  Seilen,  Schuhwerk  u.  a.  m.  verarbeitet 
wurde5).  Dagegen  haben  die  Leinenfabrikate  von  Gallien,  obschon  hier 
später  kaiserliche  Webereien  errichtet  waren6),  mit  Ausnahme  der  von  den 
■adurcern  bezogenen  Polsterwaren7)  wenig  Bedeutung  für  die  römische 
Welt  gehabt8),  ebensowenig  die  von  Germanien9)  oder  Britannien10);  auch 
Griechenland11)  und  der  Norden  der  Balkanhalbinsel  waren  dafür  nicht  von 
Bedeutung 12).  Hingegen  bildeten  einen  wichtigen  Ausfuhrartikel  die  linnenen 
Kleider,  Bettbezüge,  Binden  etc.  aus  Syrien,  besonders  von  Damaskos13), 
Skythopolis,  Tarsos,  Byblos  und  Laodikeia  (in  Syrien)14).  Aus  Kleinasien  ist 
dann  noch  Tralles  zu  nennen15),  von  den  Inseln  besonders  Kypros10),  doch 
handelt  es  sich  hier  wie  dort  mehr  um  Kissenbezüge,  Tischtücher  u.  dgl., 
als  um  Kleiderstoffe. 

Neben  den  Woll-  und  Leinenstoffen  spielen  andere  Gespinste  in  der 
Tracht  eine  unbedeutende  Rolle.  Die  im  asiatischen  Osten  wie  in  Assyrien 
schon  früh  bekannte  Seide17)  kam  zu  den  Römern  erst  gegen  Ausgang  des 
letzten  Jahrhunderts  v.  Chr.18).  Zwei  Arten  sind  es  vornehmlich,  die  in  der 
Kaiserzeit  Bedeutung  erlangen,  die  vestes  bombycinae  und  die  sericae.  Die 
festes  bombycinae1*)  sind  hergestellt  aus  den  Kokons  des  zuerst  von  Aristoteles20) 


\ 


fenuitas  mira  ibi  primunt  carbasis  repertis. 
Büchsenschütz  Hauptstätten  79  versteht  hier 
earbasa  als  Segeltuch,  und  das  bedeutet  das 
Wort  (vom  griech.  xdg.-zaoog,  ursprünglich  von 
Baumwolle  gebraucht,  s.  unten)  ja  in  der  Tat 
sehr  häufig  (vgl.  Yates  334  f.);  aber  im  spe- 
ziellen bedeutet  es  sehr  gewöhnlich  ein  beson- 
cis  feines  Gewebe  (vgl.  Makquakdt  488),  und 
in  diesem  Sinne  ist  es,  dem  Zusammenhange 
nach,  hier  von  Plin.  gebraucht. 

')  Polyb.111114.  Liv.  XXII  46,6. 

-)  Plin.  a.  a.  0.:  eine  h'ntearia  daselbst 
erwähnt  CIL  114318  a. 

3)  Plin. a.a.O. 9.  Grat.cyn.40.  Sil. It.  III 
374;  besonders  feine  Tücher,  sudaria,  Catull. 
12,14:25,7. 

4j  Strab.  III  160. 

5)  Plin.  XIX  26 f.;  daher  auch  Carthago 
spartaria  genannt,  ebd.  XXXI  94.  Vgl.  Yates 
B18. 

6)  In  Trier,  Metz,  Rheims,  Autun,  ferner  in 
Lyon,  Arles  und  Vienne,  Not.  dign.  Occ.  10 ff. 

7)  Ihre  Leinenfabrikate  rühmt  Strabo  IV 
IUI  und  Plin.  XIX  8,  neben  diesen  die  der 
Rutener,  Caleter.  Bituriger,  Morener.  Darnach 
hief3en  eine  Art  Matratzen  cadurca,  luv.  6, 
£37;  7.221  mitSchol.Plin.X!X13.  Vgl.  Blüm- 
ner Gewerbl.  Tätigkeit  143.  Saglio  bei  D.-S. 
1777.  Ihm  bei  P.-W.  III 1171. 

8)  Daß  bei  den  Atrebaten,  deren  Wollen- 
gewebe Ruf  hatten  (s.  oben  S.  219),  auch  fei- 
nes Linnen  fabriziert  wurde,  schließt  Mar- 
<Hardt483  A.4  mit  Unrecht  aus  Hieron.  adv. 
Iovin.  II  21  p.  329  M. 

'■')  Daß  hier  die  Frauen  sich  in  das  grobe 


Segeltuch  kleideten,   sagt  Plin.  a.a.O.;  vgl. 
Tac.Germ.17. 

lü)  Wo  aber  in  Venta  eine  kaiserliche 
Weberei  war,  Not.  dign.  a.  a.  0. 

11)  Der  gelbe  Byssus  von  Elis,  Paus.V 
5, 2,  war  wohl  Baumwolle,  s.  u.,  obschon  Elis 
nach  Paus.  VI  26,  4  auch  Flachs  produzierte. 

1 2)  Kaiserliche  Webereien  waren  in  Illyrien , 
Not.  dign.  Or.  13,16,  in  Spalato  und  Salona 
(letztere  wurde  später  nach  Pannonien  verlegt), 
ebd.  Occ.  11,23  u.  48. 

13)  Ed.Diocl.28,46. 

u)  Ebd.26,13ff.  Die  Expos. tot. mundi  42 
nennt  ebenfalls  Skythopolis.  Laodikeia,  Byblos, 
außerdem  auch  Tyros  und  Berytos;  in  Sky- 
thopolis waren  kaiserliche  Webereien,  Cod. 
Theod.X20,8. 

15)  Ed.Diocl.28,46. 

16)  Ebd.,  vgl.  die  Cypria  nreubitalia,  Treb. 
Poll.  Claud.  14,  10,  und  die  mantelia  Cypria, 
Flav.  Vopisc.  Aurel.  12, 1. 

17)  Die  Litteratur  über  die  Seide  im  Alter- 
tum s.  Marquardt  491  A.  8.  Blümner  Tech- 
nol.  I  190;  dazu  der  Artikel  Sericum  von 
M.Besnier  bei  D.-S. IV  1251  ff. 

,8)  Die  erste  Spur  einer  Erwähnung  bietet 
Varro,  den  Plin.  IV  62  zitiert:  ex  hac  (näm- 
lich von  der  Insel  Keos)  profectam  <h'lic«tl- 
orein  feminin  veeUm  auetor  est  Varro.  Gemeint 
sind  die  vestes  Coae;  der  Irrtum,  daß  Co»  mit 
Ceos  verwechselt  wird,  fällt  wohl  dem  Varro 
zur  Last,  nicht  dem  Plinius. 

19)  Vgl.  Saglio  bei  D.-S.  I  720.  Maü  bei 
I'.  \V.IH678f. 

20)  Arist.  hist.  an.  V  19  p.  551  b.  9. 

16* 


244 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


erwähnten  vorderasiatischen,  wilden  Seidenwurmes  bombyx,  die  nicht,  wie 
die  des  chinesischen,  abgehaspelt,  sondern  gekratzt  und  gesponnen  wurden l) 
und  eine  gelbliche  Florettseide  ergaben.  Diese  vestes  bombycinae  waren  von 
leichtem2),  durchscheinendem3)  und  glänzendem  Stoff4);  sie  werden  vor- 
nehmlich als  Frauentracht  erwähnt,  doch  dienten  sie  auch  Männern  als 
leichte  Sommerkleider5).  Zu  den  bombycinae  gehören  die  im  Anfang  der 
Kaiserzeit  sehr  beliebten  und  häufig  erwähnten  Coae  vestes6).  Die  Fabrikation 
solcher  Gewebe  war  auf  Kos  anscheinend  schon  früh  heimisch7);  hier  fand 
nach  der  Angabe  des  Plinius  ein  doppelter  Betrieb  statt:  es  wurden  im- 
portierte assyrische  Kokons  verarbeitet8),  es  wurden  aber  auch  die  Kokons 
einer  dort  einheimischen  Bombyxart  verwendet9).  Diese  koischen  Gewänder, 
die  in  der  Litteratur  nach  Plinius  nicht  mehr  vorkommen10),  waren  an- 
scheinend nur  in  jener  Zeit  Mode;  sie  waren,  gleich  den  andern  bombycinae, 
durchscheinend11),  vielfach  bunt  gefärbt12)  oder  mit  Goldfäden  durchwirkt13) 
und  kostspielig14),  wurden  aber  wohl  weniger  von  anständigen  Frauen,  als 
von  den  Libertinen  getragen15);  daß  auch  Männer  koische  Stoffe  trugen, 
berichtet  nur  Plinius16). 


')  Vom  bombyx  und  den  bombyeina  han- 
delt eingehend  Plin.  XI  75  ff. :  er  unterscheidet 
assyrische  und  koische.  mit  der  Bemerkung, 
daß  letztere  auch  von  Männern  zu  Sommer- 
kleidern benutzt,  erstere  nur  von  Frauen  ge- 
tragen wurden  (78:  nee  puduit  has  vestes 
usurpare  etiam  viros  levitatem  propter  aesti- 
vam.  .  .  .  Assyria  tarnen  bombyce  adhuc  fe- 
minis  cedimus).  Prop.113, 15  spricht  von  Arabio 
bombyce,  womit  auch  wohl  der  assyrische  ge- 
meint ist. 

»)  Mart.VIII33,16.  luv.  6, 260. 

3)  Plin. a.a.O. 76.  Prop. a.a.O.  Mart.VIII 
69,7.  Alciphr.139,4. 

*)  Mart.  XIV  24, 1 :  splendida  bombyeina. 

°)  So  sind  bei  Mart.  XI  50,  5  bombyeina 
im  Besitz  eines  Mannes;  vgl. Plin.  a.  a.  0.  Doch 
ist  die  vitrea  toga  des  Varro  bei  Non.448,25 
schwerlich,  wie  Mau  a.  a.  O.  679  meint,  von 
Seide  zu  denken ;  die  Toga  war  sicher  immer 
ein  Wollenstoff  (vgl.  Quint.  XII 10, 47 :  do  tem- 
pori,  ne  hirta  toga  sit,  non  ut  serica)  und  um 
einen  solchen,  sehr  durchsichtigen  wird  es 
sich  hier  handeln.  Auch  wo  sonst  durch- 
sichtige Gewänder  erwähnt  werden,  ohne  Be- 
zeichnung des  Materials  (z.  B.  Senec.  controv. 
13,7;  15,4.  Senec.  dial.  XII  16,4;  de  benef. 
VII  9,5;  ep.  90,20.  luv.  2,78  u.  s.),  braucht 
man  nicht  überall  an  Seide  zu  denken,  da 
durchsichtige  Gewebe  auch  aus  Wolle,  Lein- 
wand und  Baumwolle  hergestellt  wurden. 

6)  Vgl.  L.  Demaison  Recherches  sur  la 
soie,  que  les  anciens  tiraient  de  l'ile  de  Cos. 
Reims  1884.    Amelung  bei  P.-W.  IV  127. 

7)  Der  erste  Bericht  findet  sich  bei  Aristot. 
a.  a.  O.,  wonach  sie  auf  eine  gewisse  Pam- 
phile  zurückgehen  soll;  so  auch  Plin.  a.a.O. 
76.  Isid.or.XIX22,13;  das  lag  wohl  schon 
weit  hinter  Aristot.  zurück.  Ueber  den  Irrtum 


des  Varro  (auf  dem  wahrscheinlich  der  bei 
Lucr.  IV  1130  beruht),  der  Ceos  für  Cos  setzt, 
s.  oben  S.  243  A.  18. 

8)  Plin.  a.  a.  0.  sagt  von  einer  assyrischen 
Bombyx-Art:    telas   aranearum  modo  texunt 
ad  vestem  luxumque  feminarum,  quae  bomby- 
eina appellatur.  prima  eas  redordiri  rursus- 
que   texer e  invenit   in  Coo  mulier  Pamphile,  I 
Plateae  filia,  non  fraudanda  gloria  exeogitatae/ 
rationis,   ut   denudet   feminas  vestis.     Dabei  \ 
darf  man  jedenfalls  nicht,   wie  vielfach   ge-  v 
schieht  (vgl.  Marquakdt  497)  an  das  Auflösen 
importierter   Gewebe   denken,   sondern  Plin. 
meint  (wie  aus  der  Vergleichung  mit  Aristot. 
a.  a.  0.,    der  wohl  seine  Quelle  war,   hervor- 
geht) die  Gewebe  der  Würmer,  die  aufgelöst 
und  neu  gewebt  werden;  ebenso  VI  54. 

9)  Plin.  XI  77  ff.  beschreibt  die  Gattung, 
die  Bäume,  auf  denen  sie  vorkommen,  die 
Gewinnung  und  Verarbeitung  der  Kokons. 
Dieser  wilde  Seidenwurm  kommt  angeblich 
noch  auf  der  Insel  vor,  nach  Pariset  Hist. 
de  la  soie  68;  abweichend  Rayet  Arch.  des 
missions  3.  Ser.  III  86. 

10)  luv.  8, 101  spricht  nur  von  der  auf 
Kos  heimischen  Purpurfärberei  (auf  die  auch 
Hör.  carm.  IV  13, 13  geht),  vgl.  Blümner  Ge- 
werbl.  Tätigkeit  50.  Isid.  or.  a.  a.  0.  ist  Exzerpt 
aus  Plinius. 

»)  Hor.sat.I2, 101.  Tib.  II 3,  53.  Prop.  I 
2, 2;  V  (IV)  5, 56.  Plin.  a.  a.  0. 

12)  Siehe  oben  Anm.  10;  Prop.  II  1,5  würde 
auf  Scharlachfärbung  deuten,  wenn  Lachmann 
mit  Recht  das  handschr.  sive  illam  Cois  fulgen- 
tem  incedere  cogis  in  coccis  ändert. 

13)  Tib.  113,53. 

14)  Tib.  II 4, 29;  Prop.  V  (IV)  5, 57. 

15)  Vgl.  Prop.  a.  a.  0.  23.    Ov.  a.  a.  II  298. 

16)  Plin.  XI  78,  s.  oben  Anm.  1. 


Sechster  Abschnitt.    Die  Tracht. 


245 


Die  echtchinesische  Seide,  die  Griechen  und  Kömer  nach  dem  von 
Ostasien  ihnen  überkommenen  Namen  des  Seidenwurms1)  serisch  nannten 
(vestes  sericae),  ist  den  Römern  auch  erst  in  der  Kaiserzeit  näher  bekannt 
geworden2),  und  zwar  zunächst  auch  nur  unvollkommen,  insofern  man  über 
die  Beschaffenheit  des  Produktes,  aus  dem  sie  gewonnen  wurde,  noch  sehr 
ungenau  unterrichtet  war3).  Anfangs  scheinen  nur  fertig  gewebte  Stoffe 
nacli  Europa  gekommen  zu  sein4);  diese  serica5),  die  gleich  den  bombyc'ma 
sehr  dünn  und  leicht6)  und  wohl  meist  buntgefärbt7),  oft  auch  reichgestickt 
waren8),  dienten  zu  Bettdecken  und  Polsterbezügen9),  besonders  aber  zu 
Gewändern,  und  zwar  nicht  bloß  für  Frauen10),  sondern  auch  für  Männer11), 
obschon  solcher  weichlicher  Luxus  diesen  vorübergehend  untersagt  war12). 
Immerhin  mögen  in  den  ersten  Jahrhunderten  der  Kaiserzeit  Seidenkleider 
noch  selten  gewesen  sein;  als  man  aber  im  3.  Jahrhundert  neben  den  ganz- 
seidenen Stoffen,  den  holoserica1*),  die  immer  ein  kostspieliger  Luxus  blieben, 
dessen  sich  selbst  manche  Kaiser  schämten1,1),  die  halbseidenen,  subserica16), 
kennen  lernte,  bei  denen  die  Kette  von  Leinen  und  nur  der  Einschlag  von 
Seide  war16),  da  wurde  der  Gebrauch  solcher  Stoffe  immer  allgemeiner  und 


*)  2qQ,  Paus.  VI  26,  6.  Hesych.  s.  ofjgsg; 
erst  darnach  haben  die  ostasiatischen  Völker, 
die  den  Seidenhandel  vermittelten,  selbst  den 
Namen  Serer  bekommen. 

*)  Daß  Cäsar,  wie  Dio  Cass  XLIII  24,2 
«richtet,  seidene  vela  im  Theater  aufgespannt 
habr.  ist.  wie  Marquardt  493  mit  Recht  be- 
merkt, eine  unverbürgte  Nachricht. 

3)  Verg.  G eorg.  II 12 1 .  Strabo  XV  693.  Plin. 
VI  54  (darnach  Solin.  50,3)  berichten,  das  Ge- 
spinst des  Seidenwurms  hänge  in  langen  Fä- 
den von  den  Bäumen  herunter  und  werde 
von  den  Serern  mit  Wasser  begossen  und 
heruutergekämmt  (depectere) ;  hier  liegt  aber 
offenbar  eine  Verwechslung  mit  den  Gespinsten 
wilder  Seidenwürmer  vor.  Der  erste,  der  eine 
richtige  Mitteilung  über  die  künstliche  Zucht 
des  Seidenwurms  gibt,  ist  Paus.  a.  a.  0. 

4)  Ueber  den  Weg,  den  die  chinesische 
Seide  vom  Produktionsort  nach  Westen  nahm, 
s.  P.  Vi  dal  de  la  Blache  CR  de  l'Ac.  des  Inscr. 
1896,  468  und  die  Karte  ebd.  und  bei  Darem- 
berg-Saglio  IV  1253  Fig.  6370. 

5)  Die  sericarii,  die  auf  Inschriften  häufig 
sind,  s.  Marquardt  498  A.  10  (vgl.  auch  CIL 
XI  \  3711  f.)  sind  natürlich  Händler  mit  serica, 
nicht  Fabrikanten,  also  negotiatores  sericarii, 
wie  CIL  VI  9687;  XIV  2793;  2812;  dagegen 
ist  die  sericaria  VI  9892  wohl  eine  Sklavin, 
die  die  serica  vestimenta  unter  sich  hat,  oder 
eine  Seidenweberin. 

6)  Sen.  de  benef.VH  9,5.  Claud.carm.XX 
33^ 

*7)  Prop.  114,22.  Plin.  XXI  11. 
8)  Daß  Lucan.X  141  und  Tert.  de  cultu 
femin.  1,  8  auf  Stickereien,  nicht  auf  Auflösen 
serischer  Gewebe  zu  deuten  sind,  nimmt  Mau 
bei  Marquardt  497  A.  1  gewiß  mit  Recht 
an. 


9)  Prop.  a.  a.  0.  Hör.  ep.  8, 15.  Mart.  III  82, 
7;  auch  die  serica  carpenta,  Prop.  V  (IV)  8, 23; 
werden  darauf  zu  deuten  sein. 

10)  Plin.  a.a.O.  Sen.de  benef.VII9,5;  ep. 
90,15;  frg.  52  (Haase).  Mart.  XI  8,  5.  Capit. 
M.  Ant.  phil.  17,  4;  namentlich  die  Hetären 
machten  gern  davon  Gebrauch,  Mart.  IX  37, 
3;  XI  27, 11. 

")  Stat.silv.1114,89.  Claudian.  carm.  XX 
338;  zumal  manche  Kaiser  frönten  diesem 
Luxus,  Suet.  Calig.  52.  Dio  Cass.  LIX  26,  10 
(als  Ausnahme  Vopisc.  Aurel.  45,  5). 

12)  Unter  Tiberius  durch  Senatsbeschluß, 
Tac.ann.II33.  Dio  Cass.LVII  15, 1. 

15)  Vlootjoixä  im  Ed.  Diocl.  19,  14;  20.2 
(nrt'/jj,  also  ein  Unterkleid);  ebd.  7,  10  u.  11 
(gewürfelt);  22,  12 ff.  (Unterkleider  und  Dal- 
matiken);  vgl.  24, 14.  CIL  VI  9893. 

!4)  Lampr.  AI.  Sev.  40, 1 :  vestes  sericas  ipae 
rarashabuit;  olosericam  nuinquam  induit,  sub- 
sericam  numquam  donavit.  Vopisc.  Aurel.  45, 
4;  nach  Lampr.  Heliog.  26,1  (vgl.  Herodian. 
V  5,4)  hätte  dieser  Kaiser  zuerst  holoserica  ge- 
tragen, während  früher  nur  subserica  im  Ge- 
brauch gewesen  seien ;  es  ist  aber  nicht  gerade 
wahrscheinlich,  daß  die  in  den  früheren  Jahr- 
hunderten erwähnten  serica  alle  Halbseide 
gewesen  wären.  Als  Geschenke  wurden  neben 
subserica  auch  holoserica  verteilt,  Symm.  ep. 
IV  8;  meist  aber  trugen  sie  doch  nur  Frauen, 
Cod.Theod.  XV  7, 11  (den  Männern  verbot  sie 
der  Kaiser  Tacitus,  Vopisc.  Tac.  10, 6). 

lä)  Ed.  Diocl.  19;  20;  22;  24  werden  öfters 
oovii')]Qixä  erwähnt,  besonders  für  Unterkleider 
und  Dalmatiken.  Als  Geschenke  bei  Fest- 
spielen Treb.  Poll.  Claud.  17,6.  Symm.ep.V 
20  (19) ;  dagegen  s.  Lamprid.  a.  a.  O. 

16)  Isid.XIX22, 14:  holoserica  tota  serica, 
tramoserica  stamine    lineo,    trama  e.r  ierico. 


246 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


'die  Erwähnungen  werden  häufiger1).  Damals  kam  auch  Seidengarn  nach 
Europa2)  und  Rohseide,  die  die  Bezeichnung  metaxa  führte3);  es  wurden 
also  Seidenstoffe  auch  in  Italien  gewebt4).  Daß  die  Kultur  des  chinesischen 
Seidenwurms  erst  unter  Iustinian  nach  Europa  verpflanzt  worden  ist.  ist 
eine  bekannte  Tatsache6). 

Neben  den  genannten  Stoffen  kommen  andere  Gespinste  nur  noch  wenig 
in«Betracht;  wir  führen  einige  davon  an.  Unter  den  aus  animalischen  Stoffen 
gefertigten  sind  die  Gewebe  aus  Ziegenhaaren  zu  nennen6),  die  cilicia 
hießen,  weil  sie  vornehmlich  in  Kilikien  gefertigt  wurden7),  die  aber  auch 
Phrygien,  Lykien,  Nordafrika  und  Spanien  lieferte 8).  Diese  Gewebe9)  dienten 
zwar  vornehmlich  zu  Bettdecken,  Fußteppichen,  Vorhängen,  Schutzdecken 
(auch  gegen  Feuersgefahr),  Putztüchern  u.  dgl.  m.10),  wurden  aber  auch  zu 
Mänteln  und  Seemannsjacken  benutzt11).  Noch  seltner  waren  Gewebe  aus 
andern  Tierhaaren,  wie  vom  Biber12),  vom  Hasen13)  oder  vom  Kamel14).  Eine 
Besonderheit,  die  uns  erst  aus  später  Zeit  berichtet  wird,  sind  Gewebe  aus 
den  Faserbüscheln  der  pinna,  einer  im  mittelländischen  Meer  vorkommenden 
Muschelart15). 

Unter  den  Pflanzenfaserstoffen  ist  nächst  dem  Flachs  am  wichtigsten 
die  Baumwolle10).  Von  dem  in  Ostindien  heimischen  Strauch  hatten  die 
Griechen  zwar  schon  ziemlich  früh  Kunde17),  doch  erst  durch  die  Feldzüge 


J)  Vgl.  Digg.  XXXIX  4, 16, 7.  Amm.  Marc. 
XXIII  6. 67. 

2)  Digg.  a.  a.  0.  führt  netna  sericum  auf, 
rijfxa  l'ijQixöv  auch  Arr.  peripl.  mar.  Er.  39 ;  49 ; 
64;  mehr  bei  Marquabdt  496  A.8. 

3)  Digg.  a.a.O.  ist  diese  Anwendung  des 
Wortes  (das  selbst  älter  ist,  s.  Lucil.  b.  Fest. 
265a,  14)  für  das  3.  Jahrh.  n.  Chr.  bezeugt:  vgl. 
Arr.  a.  a.  0.  64.  der  eqiov,  vrj/ua  und  oßoviov 
ot]oixöv  unterscheidet  und  vermutlich  die  me- 
taxa unter  fqiov  versteht.  Siehe  auch  Hesych. 
s.Zfjgec.  Cod.  Theod.X  20, 13.  Im  Ed.  Diocl. 
23  u.  24  werden  otjqixov  Itvxöv  und  /nsza^a- 
ßXaxTT)  unterschieden;  wahrscheinlich  ist  er- 
steres  die  ungefärbte  weiße  Rohseide,  letz- 
teres in  Purpur  gefärbte,  s.  Blümner  z.  d.St. 
164.  Auch  metaxarii,  Händler  mit  Rohseide, 
werden  genannt,  Cod.  Iust.  VIII  13  (14),  27. 
Vgl.  Saglio  bei  D.-S.  III 1874. 

4)  Dem  Weben  ging  das  Auflösen  und 
Zwirnen  der  importierten  Rohseide  voraus; 
daher  sind  im  Ed.  Diocl.  besondere  Posten 
angesetzt  für  das  Ivsiv  des  oijqixöv  23, 2  und 
ebenso  der  fieza^aßläzzrj  24,  13;  Tagelöhne 
für  Seidenweber,  die  dort  ebenfalls  sericarii 
heißen,  wie  die  Händler,  sind  20, 9  ff.  angesetzt, 
und  zwar  für  halbseidene,  ganzseidene  und 
gewürfelte  Stoffe, 

5)  Vgl.MARQUARDT499. 

u)  Vgl.YATEsl27.  Marquardt  479.  Sag- 
lio bei  D.-S.  I  1172.    Mau  bei  P.-W.  III  2545. 

')  Varr. r .  r.  II 1 1 , 1 2.  Plin.  VIII 203.  Colum. 
1  pr.26. 

8)  Varr.  a.  a.  0.  Ael.  n.  an.  XVI  30.  Verg. 
Geo.  III  311  (Colum.VIl6,2).Mart.VII95,13; 
711151,11.  Avien.or.marit.I218ff. 


9)  Nicht  Filz,  wie  Friedländer  ^zu  Mar- 
tial  VII  95, 13  bemerkt;  vgl.  Ps.Ascoh.  zu  Cic. 
Verr.  p.  185  Or.,  der  von  cilicia  texta  de  pllis 
spricht.  Immerhin  gab  es  auch  Filz  von 
Ziegenhaaren,  vgl.  Corp.  Gloss.  II  574,22:/ 
coactile,  qenus  cilicil.  Aus  solchem  waren/ 
wohl  die  udones  Cilicil,  die  Mart.  XIV  14C 
anführt. 

10)  Siehe  die  Belegstellen  bei  Yates  a.a.O. 

n)  Varr.a.a.O.  Verg.  a.  a.  0.313:  miserm 
velamlna  naiitis.   Isid.or.  XIX  26, 10. 

12)  Vestes  fibHnae,  castorinae,  Isid.  XIX 
22.16;  27,4.  Claud.carm.min.XLVII:  deblrrß 
castoreo;  daher  castorimttl  bei  Sid.Ap.  ep.V 
7,  4.  Vor  dem  4.  Jahrh.  n.  Chr.  werden  sie 
nicht  erwähnt;  vgl. Yates  145. 

1S)  Vestes  leporinae,  Plin.  VI11  219.  Digg. 
XXXII  1,70, 9. 

14 )  Kleider  aus  Kamelhaaren,  wie  Johannes 
der  Täufer  eins  trug  (Matth.3,4.  Marc.  1.6), 
waren  wohl  nur  im  Orient  üblich,  vgl.  Yates 
149. 

15)  Yates  152. 

16)  Die  Litteratur  über  die  antiken  Namen 
und  die  Verbreitung  der  Baumwolle  s.  bei 
Yates  334.  Marquardt  487  A.  5.  Blümner 
Technologie  1 187.  Schrader  Forschungen  zur 
Handelsgeschichte  und  Warenkunde  I  210  ff. 
Saglio  bei  D.-S.  I  915.  Olck  bei  P.-W.  III 
1572. 

1?)  Das  eqiov  a.7io  gvkov,  wie  es  die  Grie- 
chen nennen,  kommt  zuerst  bei  Herod.lII  47 
vor;  ebd.  106  erwähnt  er  den  indischen  Baum- 
wollenstrauch, den  er  aber  als  Öevdgea  äygia 
bezeichnet;  Kleider  daraus  trugen  die  Inder 
im  Hause  des  Xerxes,  ebd.  VII  65. 


Sechster  Abschnitt.    Die  Tracht. 


247 


Alexanders  des  Großen  erhielten  sie  genauere  Kenntnis  von  der  Pflanze1), 
wann  die  Kömer  zuerst  etwas  davon  erfahren  haben,  ist  nicht  auszumachen  -'.>: 
sie  haben  zwar  unzweifelhaft  Baumwollgewebe  kennen  gelernt,  aber  eine 
feste  Bezeichnung  dafür  nicht  gehabt3).  Zwar  kam  das  Wort  carbasus,  das 
von  karpasä,  wie  die  Baumwolle  im  Sanskrit  heißt,  entnommen  ist,  ebenso 
wie  y.äoTiaoog  bei  den  Griechen,  seit  dem  2.  Jahrhundert  v.  Chr.  öfters  vor: 
allein  es  bedeutet  vornehmlich  feine  Gewebe,  ohne  Rücksicht  auf  das  Ma- 
terial, ja  es  wird  sogar  auch  von  grobem  Segeltuch  gebraucht4),  und  die 
Stellen,  wo  es  unzweifelhaft  Baumwolle  bedeutet,  sind  wenig  zahlreich5). 
Ähnlich  steht  es  mit  dem  Worte  bijssus,  das  zwar  an  manchen  Stellen 
•  nt schieden  Baumwolle,  im  allgemeinen  aber  nur  ein  feines  Gewebe,  meist 
ein  Linnen,  bezeichnet6).  Der  Name  gossypiüm,  den  die  Baumwollstaude 
in  Oberägypten  führte,  kommt  nur  bei  Plinius  vor7).  Wahrscheinlich  ist 
der  Baumwollstrauch  im  Altertum  nie  in  klassischen  Ländern  angepflanzt 
worden,  auch  das  Rohprodukt  nicht  nach  Europa  gekommen8);  vermutlich 
■amen  nur  fertige  Gewebe,  indische  Musseline  u.  dgl.  durch  den  Handel 
nach  dem  Westen9).  —  Hanf  wurde  zwar  von  Barbaren10),  aber  schwerlich 
von  Griechen  und  Römern  zu  Kleiderstoffen  verwebt.  Stoffe  von  Fasern 
der  Malve,  molochina11).  waren  als  indischer  Import  den  Griechen  bekannt, 
aber  die  Erwähnungen  bei  älteren  römischen  Komikern  gehen  wohl  nur  auf 
ihre  griechischen  Vorbilder  zurück12),  und  es  ist  fraglich,  ob  diese  Gewebe, 
pe  später  nicht  mehr  erwähnt  werden,  überhaupt  zu  den  Römern  gekommen 
sind  l3).  —  Das  einzige  Gespinst  endlich  aus  mineralischem  Faserstoff  (wenn 
man  absieht  von  den  zu  Stickereien  und  Brokaten  verwendeten  Goldfäden), 
nämlich  aus  Asbest14),  ist,  wie  heut  noch,  immer  eine  Kuriosität  gewesen 
und  außer  zu  Kopftüchern  u.  dgl.  höchstens  zu  Kleidern  für  zu  verbrennende 
Leichen  benutzt  worden15). 

s)  Daf3  die  auf  Malta  gewebten  feinen 
Stoffe,  die  vestes  Melitenses,  Cic.  Verr.  II  72, 
176;  74,183;  IV  46, 103.  Varr.  b.  Non.  539,29 
(Lucr.  IV  1129  ist  unsicher),  Baumwollstoffe 
gewesen  seien,  ist  eine  unerwiesene  Hypo- 
these Ritters,  s.  Marquardt  490  f. 

9)  Dal.-s.svW"»  keineswegs  immer  indische 
Baumwolle,  sondern  ganz  allgemein  Zeuge 
oder  Kleiderstoffe  u.dgl.  bedeutet,  wird  heut 
entgegen  der  Behauptung  von  Ritter  all- 
gemein angenommen,  s.  Marquardt  489f. 

,0)  Herod.IV74;vgl.YATEs292.  Hkiin  186. 

")  Yates  296. 

12)  Caecil.  bei  Non.  548, 16.  Novius  ebd. 
539, 22  (wo  aber  moUicinam  steht),  vgl.  ebd. 
540,24;  moloch/narii  bei  Plaut.  Aul.  514. 

13)  Plinius  nennt  sie  nicht;  Isid.XIX  22, 
12:  molochinia,  q><ae  malrarnm  staminc  COn- 
fleitur,  ist  Grammatiker-Gelehrsamkeit,  die 
nichts  erweist;  Nonius  548. 16  weiß  gar  nichts 
Näheres,  da  er  die  »wlochiiia  vom  color  floris 
similis  malvae  erklärt. 

14)  Yates  356.  Marquardt  500.  Blüxkkb 
Technol.  I  194.  Saglio  bei  D.-S.  I  464.  Nies 
bei  P.-W.  I  1830. 

Js)  Plin.XIX  19.  Strab.X  446:  über  Reste 
von  solchen  Leichenkleidern  s.  Yates  359. 


l)  Darauf  beruht  die  Beschreibung  bei 
Theophr.  h.  pl.  IV  4, 8  und  7,  7.  Vgl.  Strab.  XV 
■8 f.   Arr.Indic.16,1. 

*-)  Daü  carbasina  zum  ersten  Male  in 
einem  Fragment  des  Caecilius,  bei  Non.  548, 
l£,  vorkommen,  kann  nur  einen  Anhaltspunkt 
für  die  Bekanntschaft  mit  dem  Worte  carbasus 
ergeben,  nicht  für  die  nähere  Kenntnis  baum- 
wollener Gewebe,  s.u.:  auch  hat  Caecilius 
hier  jedenfalls  nur  die  griechischen  Ausdrücke 
seines  attischen  Originals  herübergenommen. 

*)  Der  Ausdruck  Uma  arborea  ist  nir- 
gends überliefert  und  nur  aus  den  lanigerae 
Wrbores  bei  Plin.XII33  konstruiert. 

4)  Vgl.  Saglio  a.  a.  O.  Yates  u.  Marquardt 
a.a.O. 

5)  Vornehmlich  da.  wo  indische  Kleider  so 
genannt  sind,  s.  Curt.  VIII 9, 21  u.24.  Lucan.  III 
239.  Prop.  V  (IV) 3, 64, deraberauchsolche Klei- 
der carbasina  lina  nennt.  Wenn  aber  Plin.XIX 
1"  angibt,  die  carba*«  seien  den  Römern  von 
Tarraco  her  gekommen,  so  kann  er  damit  keine 
Baumwolle  meinen,  vgl.  Olck  a.a.O.  1573. 

6)  Siehe  oben  S.  241  und  vgl.  Schrader 
a.  a.  O.  I  208  ff.  Paris  bei  D.-S.  I  756.  Olck  bei 
P-W.  III 1108 ff. 

7)  Plin.XII39:XIX14. 


248 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


Was  die  Farbe  der  Kleiderstoffe  betrifft,  so  schätzte  man,  wie  oben 
mehrfach  erwähnt,  bei  Wollenstoffen  eine  schöne  und  reine  Naturfarbe 
ungemein,  mochte  es  sich  um  Weiß,  Goldgelb,  Rotbraun  oder  Schwarz 
handeln.  Die  Toga  der  Männer  war  (die  Trauerkleidung  ausgenommen) 
immer  weiß1);  im  gewöhnlichen  Leben  aber,  im  Haus  und  auf  der  Reise, 
trugen  die  Männer,  wie  die  Handwerker  und  die  Sklaven2),  die  weniger 
unpraktischen  Kleider  von  Mittelfarbe  oder  dunkle3),  wenn  auch  die  Staats- 
tunika in  der  Regel  weiß  und  durch  den  Purpurstreifen  verziert  war.  Bunte 
Stoffe  waren  bei  den  Männern  in  der  republikanischen  Zeit  wohl  nicht 
häufig,  um  so  mehr  dagegen  in  der  Kaiserzeit,  namentlich  für  leichte  Mäntel, 
wie  die  Lacerna,  oder  für  Besuchskleider,  wie  die  Synthesis4),  während  man 
für  Wettermäntel,  Kapuzen  u.  dgl.  die  dunkeln  Stoffe  vorzog.  In  stärkerem 
Maße  bedienten  sich  die  Frauen  der  bunten  Kleider,  und  zwar  nicht  bloß  die 
Hetären,  obschon  diese  wohl  noch  mehr  und  auffallender,  als  die  andern5). 
Allerdings  scheint  die  ältere  republikanische  Zeit  darin  noch  strenger  ge- 
wesen zu  sein6);  doch  war  das  nur  vorübergehend,  und  in  der  Kaiserzeit 
trugen  die  Frauen  wohl  in  der  Regel  bunte  Kleider7). 

Was  das  Technische  anlangt8),  so  wurden  für  gewöhnlich  die  Stoffe  nicht 
als  Gewebe  gefärbt9),  sondern  im  Rohzustande:  die  Wolle  nach  dem  Krem- 
peln10), die  Seide  als  Rohseide  oder  im  Garn11).    Von  Farbstoffen  kamen  nur 


')  Wenn  die  toga  Candida  speziell  die 
Tracht  der  sich  um  ein  Amt  Bewerbenden 
ist,  so  geht  das  nicht  auf  die  Farbe,  sondern 
darauf,  daß  die  weiße  Toga  durch  Bestreichen 
mit  Kreide  frischen  Glanz  erhielt,  Isid.  XIX 
24,6;  das  ist,  was  Pers.  5,  177  die  cretata 
ambitio  nennt. 

2)  Vgl.  Artemid.On.  II  3:  ov  yao  Jtgog  sgyco 
ovis?  oi  av&Qtojtoi,  xal  fxähoza  ol  zag  ßavav- 
oovg  ze%vag  sgyaCo/uevoi,  Xevxoig  i/uazioig  ygwvzai. 

3)  Die  colores  fusci,  Ps.Tib.  III  4,55.  Mart. 
196,9;XIV127;ebd.  129.  Der pullus color,  der 
die  eigentliche  Trauerfarbe  ist  (Mart.  XIV 157), 
wurde  sonst  besonders  von  Leuten  des  niedern 
Volkes  getragen,  die  davon  pullati  heißen, 
Mart.  X  76, 8 ;  XIV 158.  Quint.  II 12, 10 ;  VI  4, 6. 
Plin.  ep.  VII  17,  9.  Suet.  Aug.  40  u.  44;  daher 
Cic.  Verr.  IV  24,  54  es  dem  Verres  vorwirft, 
daß  er  cum  tunica  pulla  et  pallio  in  Sizilien 
herumgegangen  sei. 

4)  Siehe  oben  S.  219.  Daß  diese  Sitte 
bis  zum  Tragen  grellfarbiger  Kleider  ging, 
zeigt  Sen.n.qu.VII31,2:  colores  meretricios, 
matronis  quidem  non  induendos,  viri  sumimus. 

5)  Vgl.  Sen.  a.  a.  0. ;  an  Libertinen  geht 
der  Rat  Ovids  a.  a.  III  169ff.  über  die  Wahl 
der  Kleiderfarbe.  Aber  unrichtig  ist  es,  wenn 
Böttiger  Sabina  II  109  behauptet,  die  Ma- 
tronen hätten  außer  Gold  und  Purpur  nichts 
Farbiges  getragen ;  vgl.  Artemid.  On.  II  3 :  yv- 
raixi  de  noixllr)  xal  dv&nga  iaßtjg  av/itpigei, 
fiu/uozn  de  ezalga  xal  nXovalq  '  i)  ftsv  yag  diä 
trjv  EQyaoiav,  f]  Ös  8ia  ztjv  zgv(pi)v  dv&noalg 
eoOijai  yowvzai. 

6)  Die  Lex  OppJa  vom  Jahr  215  v.  Chr. 
bestimmte    für   die   Frauen    nee   veste    varii 


coloris  uti  nee  auri  plm  semunciam  habere, 
Val.  Max.  IX  1,  3;  sie  wurde  aber  Schon  20 
Jahre  darauf  durch  die  Lex  Valeria  Fundania 
wieder  aufgehoben,  da  die  Frauen  energisch 
dagegen  Opposition  gemacht  hatten,  vgl.  Liv. 

XXXIV  1  ff.  In  den  hierbei  gehaltenen  Reden / 
ist  allerdings  nur  von  Purpur  die  Rede,  Liv.! 
a.a.O. 3, 9  und  7,3. 

7)  Dafür  sprechen  auch  die  Wandgemälde 
von  Pompeji  und  Herkulaneum,  die  meist 
bunte  Kleider  zeigen.  Vgl.  Digg.  XXXI V  2, 32, 6. 

8)  Vgl.  Blümner  Technologie  I  215  ff.,  wo 
ältere  Litteratur  angegeben  ist. 

9)  Das  eigentümliche  Verfahren,  das  Plin. 

XXXV  150  beschreibt,  ist  kein  eigentliches 
Färben,  sondern  ein  künstliches  Hervorbringen 
bunter  Muster;  es  wird  auch  nur  als  ägyp- 
tische Erfindung  berichtet  und  darf  für  römi- 
schen Brauch  nicht  herangezogen  werden ;  das 
Bemalen  fertiger  Gewebe  mit  Ornamenten,  das 
Herod.  I  203  von  Völkern  des  Kaukasus  be- 
schreibt, fand  auch  in  römischer  Zeit  statt, 
wie    die  Funde  so  behandelter  Kleiderstoffe 

&10)'  Varro  bei  Non.  228,  25.    Cic.  Verr.  IV 
26,59.   Prop.V  (IV)  3.34. 

1 *)  Siehe  oben  S.  246  A.  3  und  Blümner  zum 
Ed.  Diocl.  163  f.  Leinwand  ist  für  gewöhnlich 
überhaupt  nicht  gefärbt  worden;  Plin.  XIX 
22  bemerkt  als  Ausnahme:  temptatum  est 
tingui  liniim  quoque,  ut  vestium  insaniam 
aeeiperet;  doch  ist  auch  da  nicht  von  bunten 
Kleidern ,  sondern  von  bunten  Segeln  die 
Rede.  Vgl.  ebd.  24:  cetera  mansit  candori  per* 
tinax  gratia.  Wenn  Leinwand  mit  Purpur- 
streifen erwähnt  wird,  wie  z.  B.  Vopisc.  Carin. 


Sechster  Abschnitt.    Die  Tracht. 


21!» 


(animalische  und  vegetabilische  zur  Anwendung;  mineralische  waren  den  Alten 
nicht  bekannt.  Unter  den  animalischen  war  von  jeher  der  prächtigste,  aber 
auch  kostbarste  Farbstoff  der  echte  Purpur1),  das  aus  dem  Saft  der  Purpur- 
schnecke (purpurn,  murex2))  bereitete  pelagium3);  doch  ergab  dieser  keines- 
wegs eine  bestimmte  Farbe,  sondern  je  nach  der  Qualität  und  der  Provenienz 
der  Schnecke  vom  Rötlichen  über  Violett  und  Blauschwarz  bis  zum  Schwan 
übergehende  Nuancen4).  Ein  zweiter  Purpurstoff  war  das  aus  der  Trompeten- 
schnecke (bucina)  gewonnene  bucinum,  das  scharlachähnlich  war,  mit  dem 
man  aber  für  gewöhnlich  nicht  allein  färbte,  da  es  nicht  dauerhaft  war5). 
Meist  bediente  man  sich  überhaupt  einer  Mischung  der  verschiedenen  Purpur- 
säfte; so  wurde  die  kostbare  tyrische  Färbung,  ebenso  wie  die  lakonische, 
dadurch  hervorgebracht,  daß  man  die  Wolle  erst  in  Pelagium  und  dann  in 
Bucinum  färbte,  wodurch  ein  schönes,  in  der  Sonne  glänzendes  Dunkelrot 
entstand").  Hingegen  ergab  eine  einmalige  Färbung  in  einer  Mischung  von 
schwarzem  Pelagium  den  sehr  beliebten  violetten  Purpur,  der  ianthinum 
oder  violaceum,  auch  amethystinum  oder  hyacinthinum  hieß7).  Diese  echten 
Purpursäfte  hießen  in  der  spätem  Kaiserzeit  blattet8). 

Hellere  Töne  erzielte  man  mit  den  sogenannten  Konchylienfarben,  d.  h. 
solchen,  bei  denen  das  Pelagium  mit  andern  Substanzen  als  Bucinum  ver- 
mischt wurde,  wie  mit  Wasser,  Urin,  fueus  marinus  (Orseille),  Honig,  Bohnen- 
mehl9); man  erhielt  auf  diese  Weise  teils  eine  bläuliche,  dem  Heliotrop  und 
der  Malve  ähnliche,  teils  eine  gelbe  Farbe,  die  der  Herbstviole  glich10). 
JW eitere  Farben  ergaben  sich  durch  Kombination  dieser  Färbungsmethoden: 
/wenn  man  die  Wolle  erst  in  Ianthinfarbe,  dann  nach  tyrischer  Art,  d.  h. 
erst  in  Pelagium  und  dann  noch  in  Bucin  tauchte,  erhielt  man  tijrianthinum11); 
nahm  man  zuerst  eine  Mischung,  wie  man  sie  zum  Konchylienpurpur  brauchte, 
und  färbte  dann  tyrisch,  so  gab  das  tyrischen  Konchylienpurpur,  und  wenn 
man  zuerst  Scharlach  nahm,  sogenannten  Hysginpurpur12). 


20,  5 :  lineae  . . .  micantes  purpura,  so  waren 
die  eingewebten  Purpurstreifen  allem  An- 
scheine nach  nicht  von  Leinwand,  sondern 
von  Wolle,  indem  solche  zum  Einschlagen 
genommen  und  die  leinenen  Kettenfäden  ver- 
deckt wurden.  Vgl.  Lampr.  Alex.  Sev.  40,  11 ; 
boni  linteaminis  adpetitor  fuit,  et  quidem  puri, 
dicens:  Si  lineae  ideirco  sunt,  ut  nihil  aspe- 
rum  habeant,  quid  ojms  est  purpura  in  Unea? 
Dabei  ist  also  purpura  Purpurwolle,  wie  Ed. 
Diocl.  24, 2  ff. ;  vgl.  Blümner  ebd.  163  f.  u.  173. 

])  Hauptwerk  über  die  Purpurfärberei  ist 
W.  A.  Schmidt  Forschungen  auf  dem  Gebiet 
d.  Altert.  I,  Berlin  1842.  Andere  Litteratur 
s.  Blümner  Technol.  1  224.  Marquardt  507 
A.7  und  Besnier  bei  D.-S.  IV  769  ff. 

-)  Murex  ist  zwar  die  eigentliche  Purpur- 
schnecke, wird  aber,  und  nicht  nur  bei  Dich- 
tern, noch  mehr  allgemein  für  Purpur  ge- 
braucht, s.  Blümner  Technol.  I  227. 

3)  Vom  Namen  der  Schnecke,  die  außer 
purpura  auch  pelagia  heißt,  Plin.  1X131; 
doch  ist  pelagium  nicht  der  unmittelbar  ge- 
wonnene, sondern  der  eingesalzene  und  ge- 
kochte Saft,  vgl.  ebd.  133  ff. 

4)  Nach  Vitr.  VII  13,2:    atrum,  lividum, 


violaceum,  rubrum,  vgl. Plin.  a.a.O.  126  u.  134. 
Gell.  II  26, 5. 

5)  Plin.  a.  a.  0.  134. 

6)  Ebd.  135;  das  sind  die  oft  genannten 
dibapha,  s.  Schmidt  a.a.O.  128 f. 

7)  Plin.  ebd.  134;  XXI  45;  XXXVII  122; 
mehr  bei  Schmidt  125 f. 

8)  Die  Stellen  bei  Schmidt  130 ff.;  daher 
die  oben  (S.  246  A.  3)  erwähnte  metaxablatta, 
die  blatta  serica  Cod.  Theod.  X  20, 18 ;  vgl.  Corp. 
Gloss.VI145. 

9)  Plin.  IX  138;  XXVI  103.  Vitr.  a.  a.  O. 
10)  Plin.  XXI  46;  vgl.  Schmidt  139.    Die 

so  getränkten  Stoffe  rochen  jedoch  übel,  Plin. 
1X127.  Mart.I49,32;II16,3u.s. 

")  Plin.  IX 139.  Mart.  153,5.  Vopisc.Carin. 
20,5. 

12)  Plin.  139f.;  letzterer  war  nach  einer 
Pflanze  Sopj  benannt,  die  bei  Xen.  Cyr.VlII 
3, 13  als  Färbemittel  vorkommt;  doch  dient 
sie  beim  Hysginpurpur,  von  dem  Plin.  spricht, 
offenbar  nur  zum  Vergleich  der  Farbennuance. 
Dagegen  ist  die  im  Ed. Diocl.  erwähnte  toyirr) 
sicherlich  nicht  identisch  mit  der  oben  er- 
wähnten kombinierten  Purpurfarbe,  da  sie 
dafür  viel  zu  billig  ist,  s.  Blümner  ebd.  166. 


250 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


Etwas  anders,  als  bei  Plinius,  dem  wir  diese  Angaben  verdanken,  waren 
die  zur  Zeit  Diokletians  im  Handel  üblichen  Bezeichnungen  für  echte  Purpur- 
sorten: man  unterschied  nämlich  blatta,  d.  h.  dunklen  tyrischen  Purpur  (ent- 
weder in  Seide  oder  in  Wolle,  siehe  oben  S.  248),  vnoßXdrxr],  vermutlich  eine 
etwas  blassere  Farbe,  die  ö£vtvqio.  oder  oxyblatto1),  zwar  wohl  eine  hochrote 
Nuance,  aber  im  Wert  bedeutend  geringer,  und  eine  Sorte,  die  änliov  hieß, 
weil  die  Wolle  nur  einmal  gefärbt  war2). 

Als  bester  echter  Purpur,  der  freilich  bei  den  Römern  erst  ziemlich 
spät  in  Gebrauch  gekommen  zu  sein  scheint3),  galt  auch  den  Römern,  wie 
den  Griechen,  der  phönikische4),  der  in  der  Regel  als  tyrisch  bezeichnet 
wird,  auch  wenn  man  dabei  nicht  immer  an  die  speziell  tyrische  Doppel- 
färbung zu  denken  hat5).  Zur  Zeit  des  Plinius  bestand  der  einzige  Ruhm 
der  einst  so  blühenden  Handelsstadt  nur  in  ihrer  Konchylien-  und  Purpur- 
färberei6); dieser  aber  erhielt  sich  dauernd,  und  ums  Jahr  300  wurde  hier 
eine  kaiserliche  Purpurfärberei  angelegt,  die  noch  bis  ins  Mittelalter  fort- 
bestand7). Nächstdem  galten  als  beste  Sorten  der  gaetulische  und  der  von 
der  Insel  Meninx 8)  (wie  denn  überhaupt  an  der  Nordküste  Afrikas  Purpur- 
fischerei und  -färberei  blühten9))  und  der  lakonische,  dessen  Ruhm  alten 
Datums  war10).  Neben  diesen  Hauptsorten  gab  es  freilich  noch  zahlreiche 
andere,  billigere  und  minder  geschätzte  Arten.  In  Italien  selbst  ist  zu  nennen 
Aquinum11),  Ankona12),  in  Kampanien  Puteoli13),  in  Kalabrien  Tarent14), 
in  Sizilien  Syrakus15).     Im  Norden  der  Adria  lieferte  die  illyrische/Küste 


1)  Cod.Iust.lV10,l. 

2)  Ed.Diocl  24.2ff.;vgl.BLÜMNEHdas.l65. 

3)  Nach  Nepos  bei  Plin.  IX  137  war  der 
Aedil  P.  Lentulus  Spinther  (i.  J.  63  v.  Chr.) 
der  erste,  der  doppelt  gefärbten  tyrischen 
Purpur  an  seiner  Praetexta  trug.  Vermutlich 
waren  die  purpurnen  clavi,  die  seit  frühester 
Zeit  zur  Amtstracht  gehörten  (Plin.  ebd.  136) 
von  italischem  oder  griechischem  Purpur. 

4)  Doch  bezeichnet  poeniceus  als  Kleider- 
farbe nicht  purpurn,  sondern  dasselbe  wie 
puniceus,  d.  h.  scharlachfarben,  wenn  es  auch 
im  allgemeinen  Sinn  von  rot  schlechthin  am 
häufigsten  vorkommt;  vgl.  Blümner  Farben- 
bezeichnungen b.  d.  röm.  Dicht.  199 f. 

5)  Die  Erwähnungen  sind  zahllos;  vgl. 
Schmidt  155.  Büchsenschütz  Hauptstätten  83. 
Blümner  Gewerbfleiß  20  f. 

6)  Plin.  V  76 :  unus  omnis eins nobüitas con- 
<lt?/ffoatque2)urpuraconstat;vgl.Striih.XVl757. 

7)  Cod.Theod.X20,18.  Amm.  Marc.  XIV 
9,  7.  Euseb.  eccl.  hist.  VII  32;  vgl.  Schmidt 
a.a.O.  176. 

8)  Plin.  IX  127  und  XXXV  45  nennt  tyri- 
schen, gaetulischen  oder  meningitischen  und 
lakonischen  als  jn-etiosissimae  purpurae.  Der 
gaetulische  (von  der  atlantischen  Küste)  wird 
Hör.  ep.  II  2, 181.  Ov.  fast.  II  319.  Sil.  lt.  XVI 
568.  Melalll  10,5  (104)  erwähnt;  der  von  der 
Insel  Meninx  (von  der  Mittelmeerküste)  hieß 
auch  nach  deren  anderem  Namen  girbitanisch, 
Treb.Poll.Olaud.  14,8;  in  der  spätem  Kaiser- 
zeit war  hier  eine  kaiserliche  Purpurfärberei, 


Not.  dign.  Occ.  11,70. 

9)  Afrikanischen  Purpur  nennt  Hör.  carm. 
II  16,  35;  mauretanischen  Treb.  Poll.  a.  a.  O. , 
Flav.  Vop.  Aurel.  12. 1.  Auf  den  kanarischen^ 
Inseln  soll  König  Iuba  Färbereien  angelegt 
haben,  in  denen  gaetulischer  Purpur  verwendet 
wurde,  Plin.  VI  101;  und  daß  außer  der  gir- 
bitanischen  noch  andre  kaiserliche  Purpur- 
färbereien in  der  Provinz  Afrika  waren,  ist 
Not.  dign.  Occ.  11,69  bezeugt. 

I0)  Plin.  a.a.O.  und  XXI 45;  vgl.  Paus.  III 
21,  6.  Hör.  carm.  II 18,  7.  Besonders  gerühmt 
wurde  der  Purpur  von  Kythera.  das  daher 
sogar  auch Porphyris  hieß,  Plin. IV 56.  Zweifel- 
haft ist,  ob  man  nach  Ov.  rem.  am.  707.  Mart. 
VIII 28, 9  auch  für  das  im  Binnenland  be- 
legene Amyklae  Purpur  färberei  annehmen  soll ; 
Büchsenschütz  Hauptstätten  86  A.  7  meint, 
die  Dichter  gebrauchten  nur  Amyclaeus  für 
Laconicus,  wie  Verg.  Geo.  III  345. 

")  Nach  Hör.  ep.I  10,26  und  Acro  z.d.St. 
wurde  der  Purpur  von  Aquinum  Unerfahrnen 
oft  als  echter  verkauft. 

li)  Sil.  It.  VIII  436. 

13)  Plin.  XXXV  45.  Hingegen  wird  Hör.  sat. 
II 4, 32  murice  Bat'ano  von  Marqixarot  irrtüm- 
lich auf  Purpur  bezogen,  da  dort  von  eßbaren 
Schnecken  die  Rede  ist. 

14)  Corn.Nep.beiPlin.IX137:  rubra  [pur4 
pnrd)  Tarentina.  Hor.ep.II  1,207.  Pers.2,65; 
vgl.  Serv.  z.  Verg.  Geo.  1 V  335.  Not.  dign.  1 1 .  65. 

u')  Hier  war  eine  kaiserliche  Purpurfärberei, 
Not. dign. Occ.  11,68.  Vgl.Prop.IV12(III13),6. 


Sechster  Abschnitt.    Die  Tracht. 


251 


Purpur,  den  die  kaiserliche  Färberei  in  Salona  verwertete1);  in  Griechen- 
land außer  Lakonien  Thessalien2),  Phokis3),  Argolis,  besonders  Hermione4); 
auf  Euböa  Eretria5);  in  Kleinasien  die  Propontis6),  Milet7),  Thyatira8). 
Smyrna9),  Phokäa10);  von  den  Inseln  Kos11),  Kypros12),  Rhodos13).  An  der 
phönikischen  Küste  werden  aus  der  spätem  Kaiserzeit  autk'r  Tyros  noch 
Sarepta,  Cäsarea,  Neapolis  und  Lydda  genannt14);  in  Spanien  war  Purpur- 
fischerei in  Carteia15);  kaiserliche  Färbereien  waren  auf  den  Balearen10)  und 
in  Gallien  in  Narbo  und  Telo  Martius  (Toulon)17). 

Ein  zweiter  animalischer  Farbstoff  war  der  Kermeswurm  18),  der  den 
Scharlach  (coccum)  lieferte,  aber  von  den  Alten  lange  Zeit  für  ein  pflanz- 
liches Produkt  gehalten  wurde19).  Wir  sahen  oben,  dafä  bei  einer  der  so- 
genannten Konchylienfarben  mit  Scharlach  gefärbt  wurde;  häutiger  aber 
färbte  man  damit  allein,  und  diese  Farbe  hieß  punisch  (puniceus,  poeniceus) 20), 
weil  namentlich  in  Nordafrika  viel  Scharlach  gefärbt  wurde21),  sonst  coccinus 
oder  coccineus22).  Außerdem  kam  Scharlach  von  Galatien,  Pisidien,  Kilikien  l 
und  Spanien24). 

Was  die  vegetabilischen  Farbstoffe  anlangt,  so  färbte  man  rot  mit 
Färberröte  oder  Krapp,  rubia25),  mit  Sandyx26),  besonders  aber  mit  Orseille. 
fucus  marinus  oder  alga  maris21),  die  eine  sehr  schöne,  aber  nicht  dauerhafte 


')  Die  Not.  dign.verzeichnetOcc.il,  66  die 
Färberei  von  Salona,  67  ein  bafium  Cissense, 
Ventilat'  ti  Histriae. 

2)  Lucr.11500.  Festus  124, 14. 

3)  Vgl.  Paus.  X  37,  3  über  die  Purpur- 
fischerei  in  Bulis. 

4)  Alciphr.  ep.III46.  Steph.  Byz.  s.'Aheig. 
»)   l'hilostr.  V.  Apoll.  I  24,  2.    Dio  Chrys. 

or.ll  p.220u.241R. 

G)  Hier  lag  die  Insel  Porphvrione,  Plin. 
V-151;  vgl.Ath.UIp.88F. 

7)  Verg.  Geo.  III  306  und  das.  Servius. 
Im  Ed.  Diocl.  24,  6 f.  rangiert  die  milesische 
Purpurwolle  gleich  hinter  den  echten  Sorten, 
und  zwar  in  zwei  Sorten:  doppelt  gefärbt  und 
einfach;  im  Preise  ist  jene  der  einfach  ge- 
färbten tyrischen  gleich,  also  jedenfalls  noch 
eine  der  besten  Purpurfarben.  Vgl.  auch  Ath. 
Xllp.  539F.   Expos,  tot.  mundi  47. 

8)  Acta  apost.  16,14;  vgl.  CIG  3496  ff. 

9)  Expos,  tot.  mundi  47. 
,0)  Ov.met.VI9. 

n)  Hor.carm.  IV 13, 14  und  das.  Acro.  luv. 
8,101.   loh.Lyd.de  mag.  II  13. 
»)  Isid.or.XIX28,3. 
»)  Vitr.  VII  13,2. 

14)  Expos,  tot.  mundi  31. 

15)  Strab.111145. 

IG)  Not.  dign.Occ.  11,71. 

17)  Ebd.  72  f.  Zur  Zeit  des  Plinius  wurde 
an  den  gallischen  Küsten  keine  Purpurfischerei 
botrieben,  XXII  3. 

ls)  Ueber  den  Scharlach  vgl.  Schmidt  a.  a.  0. 
100  f.  Beckmann  Beitr.  z.  Gesch.  d.Erfind.  III 1  ff. 

19)  Plin. IX  141;  XVI 32:  XXII 3;  vgl. Diosc. 
IV  48.  Paus.  X  36, 1  weiß  zwar  etwas  von  einem 
Insekt,  das  die  Kermesbeere  hervorbringe,  aber 
•nicht  klar,  daß  sie  selbst  das  Insekt  sei:  erst 


bei  Isid.  XIX  28, 1  heif3t  der  coecus  vermiculits. 

20)  Wie  die  Griechen  jto@qwQo&s  und  </<<>- 
vixovc;,  so  unterscheiden  die  Römer  immer 
purpureus  und  picmceus,  vgl. Van.  1.1. V  113. 
Tib.II  3,57.  Serv.z  Verg.  Aen. VII  612;  mehr 
bei  Schmidt  101. 

21)  Plin.  XXII 3.  Tib.  a.  a.  O.  Sil.  It.  XVI 354. 

22)  Petron.  28,4;  32, 1 :  38, 5.  Mart.  II 16, 2: 
29, 8 ;  39, 1 ;  43, 8 ;  IV 28, 2;  XIV  131 ;  vgl.  coc- 
cinatus,  ebd.  I  96, 6 ;  V  35, 2.  luv.  3, 283  u.  a.  m. 
Eigentümlich  ist,  daß  die  Römer  bei  der  trabea 
Scharlach  und  Purpur  nebeneinander  setzten, 
indem  diese  scharlachrote  Streifen  und  pur- 
purnen Saum  hatte,  s.  Marquardt  507  A.  2. 

25)  Plin.IX141;XVI32;  XXII  3.  Tert.  de 
pall.4;  die  Färberei  damit  scheint  in  Nikaea  be- 
trieben worden  zu  sein,  denn  im  Ed.  Diocl.  24.8 
wird  jioQ<pvgä  Neiy.atjvi]  xoxxrjgä  nach  dem 
milesischen  Purpur  aufgeführt,  die  aber  nur 
den  achten  Teil  vom  Preise  jener  kostet. 
Ueber  sonstiges  Vorkommen  in  Kleinasien 
s.  Diosc.  IV  48.  Plin.  XVI  32.  Paus.  X  36,1. 

24)  Besonders  von  Emerita  in  Lusitanien. 
Plin.  a.a.  0. 

26)  Plin.  XIX  47:  rubia  tinguendis  lania  ti 
coriis  necessaria;  XXIV  94. 

26)  Verg. eck 4, 45.  Prop.IlI  20  (II  25), 45; 
vgl.  Serv.  z  Verg.  a.  a.  0.  Doch  war  die  Pflanze, 
deren  heutigen  Namen  wir  nicht  wissen,  mehr 
im  Orient  bekannt  und  in  Anwendung,  als 
im  Occident.  s.  Vopisc.  Aurel.29, 3.  Blümner 
Tcchnol.1245  A.2. 

27)  Plin.  XIII 136;  XXXII  66.  Acro  ad  Hör. 
sat.  I  2,  83.  Im  Ed.  Diocl.  24,  9  ist  die  beste 
Sorte  der  Hysginwolle  d/.ym'/nto;  genannt,  was 
nach  der  allgemein  gebilligten  Vermutung 
Mommsens  (s.  Blümner  z.  d.  St.  166)  algt 
bedeutet,  d.h.  mit  alga  maris  gefärbt. 


252 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


Purpurfarbe  ergab x) ;  ferner  mit  Heidelbeeren,  vaccinium2),  einem  Farbstoff, 
der  wahrscheinlich  mit  der  vayq  genannten  Pflanze  und  mit  hyacinthus 
identisch  ist3),  sowie  mit  Granatblüten4).  Gelb  wurde  mit  Safran,  crocus, 
gefärbt5),  mit  Wau,  lutum0),  und  einigen  selteneren  Pflanzenstoffen7);  blau 
mit  Waid,  vitrum8);  braun  mit  Nußschalen9);  schwarz  mit  Galläpfeln10). 
Noch  manche  andere  Stoffe,  von  denen  uns  zufällig  keine  Nachricht  er- 
halten ist,  mögen  zur  Verwendung  gekommen  sein,  um  die  große  und 
mannigfaltige  Farbenmenge  herzustellen,  über  die  die  römische  Technik 
verfügte  und  von  der  uns  die  zahlreichen,  für  Kleiderstoffe  überlieferten 
Namen  der  Farbennuancen,  die  meist  an  Farben  von  Naturobjekten  an- 
knüpfen, Zeugnis  geben11). 

Von  allen  diesen  Farbstoffen  war  nur  das  Tragen  der  echten  Purpur- 
stoffe in  der  Kaiserzeit  vorübergehend  gesetzlich  beschränkt12);  wie  sehr 
aber  in  der  Kaiserzeit  das  Tragen  von  ganz  oder  teilweise  purpurnen 
Kleidern  sich  verbreitete,  zeigen  nicht  nur  die  zahlreichen  Erwähnungen 
bei  den  Schriftstellern,  sondern  auch  das  häufige  Vorkommen  von  Purpur- 
händlern  auf  den  Inschriften13).  Und  wie  es  in  der  spätem  Kaiserzeit  an 
zahlreichen  Orten  des  Reiches  kaiserliche  Leinwandfabriken  gab,  so  auch 
kaiserliche  Purpurfärbereien,  die  wir  oben  angeführt  haben14). 

Neben  diesen  einfarbigen  Stoffen  trug  man  dann  auch  Kleider,  bei 
denen  Mehrfarbigkeit  teils  durch  die  Art  des  Webens,  teils  durch  Stickereien 
oder  Besätze  hervorgebracht  war.     Unter  den  buntgewirkten  Stoffen  sind 


!)  Hor.carm.  III  5,27;  doch  rühmt  Plin. 
XXXII  66  der  kretischen  Orseille  nach,  sie 
sei  tinguendis  lanis  ita  colorem  adligans,  ut 
elui  p>ostea  non  possit. 

*)  Nach  Plin.  XVI  77  färbte  man  damit 
in  Gallien  Sklavenkleider. 

*)  Wenn  in  griechischen  Quellen  voyi- 
voßaqifj  genannt  werden  (s.  Blümner  a.  a.  0. 
247  A.  2),  so  ist  nicht  ersichtlich,  ob  da  mit 
voyr]  gefärbte  Stoffe  oder  der  oben  erwähnte 
Hysginpurpur  gemeint  ist,  der  seinen  Namen 
nicht  vom  Farbstoff,  sondern  von  der  Gleich- 
heit der  Farbennuance  hat.  Hingegen  sind 
die  im  Ed.  Diocl.  24,  9  ff.  aufgeführten  Sorten 
jioQtpvgag  ioyevng  sicher  nicht  echte  Purpur- 
wolle, da  sie  dafür  viel  zu  billig  sind,  son- 
dern mit  voyr]  gefärbte.  Diese  Pflanze  kommt 
als  Farbstoff  für  Maler  Vitr.  VII  14,2.  Plin. 
XXXV 45  vor;  und  wenn  bei  Diosc.  IV  63  der 
vaxiv&og  als  das  römische  vaccinium  erklärt 
ist,  andrerseits  Plin.  XXI  170  in  einer  sach- 
lich ganz  auf  Diosc.  beruhenden  Stelle  sagt: 
hyacinthus  in  Gallia  maxume  provenit,  hoc 
ibi  fuco  hysginum  tingunt,  so  scheinen  in 
der  Tat  hysge,  hyacinthus  und  vaccinium 
identisch  zu  sein. 

4)  Nach  Plin.  XIII  113:  Hos  {granati)  ba- 
laustium  vocatur,  et  medicis  idoneus  et  tin- 
guendis vestibus,  quarum  color  inde  nomen 
accepit. 

b)  Verg.  Aen.  IX  614.  Fest.  p.  82, 13.  Plin. 
XXI  31  f.  spricht  aber  vom  Safran  als  Farb- 
stoff nicht.  Wenn  Kleider  crocea,  crocina  u.  dgl. 


genannt  werden,  so  bedeutet  das  oft  nur  safran- 
farbig, nicht  safrangefärbt.  Ein  crocotarius 
infector  bei  Plaut.  Aulul.  510. 

6)  Verg.  ecl.  4,44;  als  Malerfarbe  Vitr.  VII 
14, 2.  Plin.  XXXIII  87.  Von  luteus  als  Farben-^ 
bezeichnung  gilt  dasselbe,  wie  von  croceus. 

7)  Mit  thapsus,  das  aber  nur  in  griech. 
Quellen  sich  findet,  s.  Blümner  a.  a.  0.  244 
A.  5;  mit  Eichenrinde,  Hesych.  s.  dgvoßaqpfj 
i/Lidzta;  mit  Ginster,  genista,  Plin.  XVI  74;  mit 
Lotoswurzel,  ebd.  124. 

8)  Vitr.  a.  a.  0.  und  Plin.  XXXV  46  nur 
als  Malerfarbe  erwähnt,  doch  ist  seine  An- 
wendung in  der  Färberei  durch  Diosc.  II  215. 
Galen.  XI  890  K.  bezeugt  (griech.  laäng). 

9)  Plin.  XV  87. 
10)  Plin.  XVI 26. 

")  Was  Ov.  a.  a.  III  169ff.  poetisch  aus- 
führt, ist  meist  die  Umschreibung  solcher, 
in  der  Technik  und  im  Handel  üblicher  Be- 
zeichnungen, deren  auch  Non.  p.  548,  lOff.  im 
Abschnitt  de  coloribus  vestimentorum  eine 
Auswahl  gibt,  womit  Plaut.  Epid.  231  ff.  zu 
verbinden  ist;  vgl.  Marqtjardt  505  f. 

12)  Zuerst  durch  Caesar,  Suet.  Caes.  43; 
dann  wieder  durch  Augustus,  Dio  Cass.XLIX 
16,1,  und  durch  Nero,  Suet.  Nero  32.  Daß 
das  nicht  dauernden  Erfolg  hatte,  zeigen  die 
häufigen  Erwähnungen  der  Tyria,  amethystina, 
lanihina  bei  luvenal  und  Martial. 

13)  Siehe  Marqtjardt  514  A.6ff. 

14)  Vgl.  Marquardt  515  f.,  auch  über  das 
5.  Jahrh.  n.  Chr. 


Sechster  Abschnitt.    Die  Tracht. 


253 


besonders  die  schillernden  (Changeant-Stoffe)  zu  nennen,  bei  denen  die  Kette 
von  anderer  Farbe  war,  als  der  Einschlag,  was  man  vestes  versicolores  nannte l). 
Von  gemusterten  Stoffen  werden  gestreifte,  vestes  virgatae,  genannt2)  und 
gewürfelte,  vestes  scutulatae3).  Kompliziertere  Muster  ornamentaler  oder 
figürlicher  Art  wiesen  die  Buntwebereien  auf,  die  man  mit  dem  griechischen 
Ausdruck  polymita4)^  lateinisch  multicia  nannte5),  die  freilich  noch  häufiger 
für  Teppiche,  Vorhänge,  Kissenbezüge  u.  dgl.,  als  für  Kleider  zur  Verwendung 
kamen,  obschon  auch  dies  vorkam.  Reste  solcher  Buntwirkereien  mit  allerlei 
Ornamenten  vegetabilischer  und  animalischer  Art,  namentlich  mit  allerlei 
Fabelwesen6),  meist  aus  später  Kaiserzeit  oder  dem  Anfang  des  Mittelalters 
herrührend,  haben  sich  verschiedentlich  erhalten,  besonders  in  ägyptischen 
Funden7).  Dabei  kam  vielfach  auch  Gold  zur  Verwendung8),  zumal  bei 
Seidenstoffen9),  wobei  in  der  Regel  der  Goldfaden10)  den  Einschlag  des 
Gewebes  bildete11).  Auch  ganz  goldne  Stoffe  (Brokate)  wurden  gewebt, 
solche  freilich  nur  zu  ganz  besonderem  Prunk12).  Auch  von  solchen  gold- 
durchwirkten Stoffen  besitzen  wir  Reste13). 

An  Stelle  der  Buntwirkerei  trat  vielfach   die  Stickerei14),   ebenfalls 
eine  orientalische  Fertigkeit  (daher  die  Sticker  phrygiones  hießen15)),  für  die 


i 


1)  Liv.VII  10,7.  Quint.X  1,33,  vgl.  die  Be- 
schreibung solcher  Schillerstoffe  bei  Aristaen. 
ep.  1  1 1  und  Philostr.  imag.  I  10.  Später  sind 
allerdings  vestes  versicolores  bunte  Kleider 
überhaupt;  s.  Digg.  XXXII  1,  70,  12;  XXXIV 
2,32,6.  Zweifelhaft  ist,  ob  Liv.  XXXIV  1,3 
mit  dem  durch  die  Lex  Oppia  (s.  oben  S.  248  A.  6) 
den  Frauen  verbotenen  vestimentum  versicolor 

\  nur  farbiger  oder  (wie  Marquardt  505  A.  2 
\will)  Schillerstoff  gemeint  ist;  Val.  Max.  IX 
Jr>3  spricht  in  der  gleichen  Sache  von  vestis 
varii  coloris,  bei  den  Reden  aber,  die  bei 
diesem  Anlaß  gehalten  wurden,  ist.  wie  oben 
erwähnt,  immer  von  Purpur  die  Rede,  wes- 
halb man  am  ehesten  an  schillernden  Pur- 
pur (vgl.  Ov.  met.  VI  61  ff.)  zu  denken  haben 
wird. 

2)  Verg.  Aen.VIII  660.  Sil.  It.  IV  155.  Val. 
Fl.  II  159:  virgae  heißen  die  Streifen,  Ov. 
a.  a.  III  269. 

3)  Siehe  oben  S.  240. 

4)  Plin.  VIII  196.  Isid.  XIX  22,21.  Pe- 
tron.40,5.  Mart.XIV  150;  vgl.  Marquardt  532 
A.  1.  mit  der  Erklärung  der  Etymologie  des 
Wortes. 

s)  luv.  2, 66  u.  76;  11, 188,  wo  sie  überall 
i'rauenkleider  sind,  vgl.  Schol.  zu  2,66:  aber 
tunicae  multiciae  viriles  bei  Vopisc.  Aurel.12, 1. 
Das  Wort  ist  wohl  eine  Zusammenziehung  aus 
mdtilicia  {Heia  sind  die  verschiedenen  „Ge- 
schirre" des  Webstuhls),  s.  Corp.Gloss.  V  524, 7 : 
multicia  vestis  quae  multa  licia  habet;  ebd. 
573, 13;  ebd.  653,5:  genus  vestis  pluribus  co- 
Iwibus  confeeta;  und  zu  polgmita  s.  ebd.  VII 
103. 

6)  Vgl.MARQUARDT533f. 

7)  Griechische  Buntwirkereien  aus  der 
Krim   zählt  Marquardt  530  A.  8  auf,  nebst 


einigen  römischen ;  über  ägyptische  Funde  ist 
zu  vgl.  Forrer  Rom.  u.  byzant.  Seidentextilien, 
Straßburg  1891. 

8)  Plin.  VIII 196  schreibt  diese  Erfindung 
irrtümlich  dem  Attalos  zu;  sie  ist  zwar  orien- 
talisch, aber  viel  älteren  Datums.  Ueber  die 
Attalica  peripetasmata  oder  aulaea,  die  wohl 
die  Veranlassung  zu  dem  Irrtum  des  Plinius 
gaben,  s.  oben  S.  144  A.  6. 

9)  Tib.  II  3,  53.  Ov.  met.  III  556;  a.  a.  II 
299.  Verg.  Geo.  11  464;  Aen.  III  483;  IV  262; 
VIII 167;  vgl.YATEs366ff. 

10)  Ueber  die  eigentümliche  Beschaffen- 
heit dieser  Goldfäden  vgl.  Bock  Gesch.  d.  li- 
turgischen Gewänder  I  42  ff. ;  ders.  Zur  Ge- 
schichte des  Goldfadens  in  alter  und  neuer 
Zeit,  in  Kunst  und  Gewerbe,  1884,  N.  6  u.  7. 
Semper  Der  Stil*  I  152.    Marquardt  536. 

n)  Verg.  Aen.  III  483:  fert  pietwraku 
auri  stibtegmine  vestes;  dazu  Servius:  male 
quidam  subtegmen  stamen  aeeipiunf ,  cum 
stamen  de  auro  esse  non  possit.  Nemes. 
cyneg.  91. 

")  Plin.  XXXIII  62  f.  Senec.ep.90,45. 

13)  Vgl.  Bock  a.a.O.  Raoul-RochetteMöui. 
de  l'Instit.  XIII  641.  Bull.  d.  Instit.  1836,  60 
u.  a.  m. 

,4)  Vgl.  Blümner  Technol.  1208  f.  Semper 
a.  a.  0. 1 181  ff.  Besnier  bei  D.-S.  IV  446  ff. 

lä)  Plin.  VIII 196:  acu  facere  hl  l'hrggvs 
fnvenerttnt,  ideoque phrggioniae  (vestes)  appel- 
latae  sunt.  Vgl.  Plaut.  Aul.  508.  Varro  u.  Titin. 
b.Non.  3,20f.  Serv.  ad  Verg.  Aen.  III  484;  IX 
614;  phrggia  für  eine  Stickerin,  CIL  XI  5111. 
Vestes  Phrggiae  Ov.  met.  VI  166;  vgl.  Sen. 
Herc.  Oet.  669.  Daß  der  phrggio  auch  Repara- 
turen und  Auffrischung  von  Kleidern  über- 
nahm, zeigt  Plaut.  Men.  426. 


254 


Erste  Abteilung.   Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


die  Römer  neben  dem  umschreibenden  Ausdruck  acu  fingere1)  die  in  ihrer 
Entstehung  nicht  ganz  sichere  Bezeichnung  ars  plumaria2)  haben,  die  ver- 
mutlich daher  kommt,  daß  die  beim  Sticken  am  meisten  geübte  Art,  bei 
der  die  Fäden  parallel  nebeneinander  aufgenäht  werden,  im  Gegensatz  zu 
der  auch  schon  geübten  Technik  des  Kreuzstichs3),  etwas  Ahnliches  hervor- 
bringt, wie  die  nebeneinander  liegenden  Fasern  der  Federbärte4).  Das 
Mittelalter  hat  die  verschiedenen  Techniken  der  Stickerei,  namentlich  auch 
die  mit  Goldfäden,  unmittelbar  übernommen5). 

Endlich  sind  noch  Verzierungen  zu  erwähnen,  die  nicht  eingestickt* 
sondern  an-  oder  aufgenäht  wurden6).  Ob  man  auch  in  römischer  Zeit, 
wie  es  bei  den  Griechen  und  Etruskern  durch  zahlreiche  Gräberfunde  nach- 
gewiesen ist7),  getriebene  Goldplättchen  mit  ornamentalen  oder  figürlichen 
Mustern  auf  die  Kleider  nähte,  ist  nicht  erweislich,  aber  immerhin  wahr- 
scheinlich8). Schon  erwähnt  haben  wir  die  mannigfachen  Besätze,  Borten 
und  Streifen,  die  als  instita,  limbus,  clavus  den  Kleidern  von  Männern  und 
Frauen  teils  als  Schmuck,  teils  als  Standesabzeichen  dienten9).  Im  letzteren 
Fall  war  die  Purpurfarbe  meist  die  vorgeschriebene,  im  ersteren  waren 
goldgestickte  Streifen,  patagia  genannt10),   ein  zumal  bei  Frauen  beliebter 


')  Ov.met.VI23.  Verg.  Aen.  IX  582;  XI 
777.  Mart.VIII  28, 17 f.;  vgl.  Plin.  VIII  195. 
Doch  sind  Gewänder  oder  Teppiche  u.  dg]., 
die  picta  genannt  werden,  z.  B.  Cic.  Tusc.  V 
21,61.  Tac.  ann.  VI  34.  Ov.  her.  12,20  u.a., 
ebensowohl  gestickt,  wie  buntgewirkt,  vgl.  Ov. 
met.  III  556:  pictis  intextum  vestibus  aurum, 
und  Lucr.  II  35:  textiles picturae.  (Die  Angabe 
bei  Blümner  Technol.  1  209,  daß  die  Sticke- 
rinnen ornatrices  heißen,  ist  unrichtig:  Festus 
p.  9,6:  acus  dicitur,  qua  sarcinatrix  vel  etiam 
ornatrix  utitur,  geht  auf  die  zum  Haarordnen 
benutzten  Nadeln  der  Kammerzofen.) 

2)  So  zwar  nur  bei  Hieron.  ep.  29,  6 
p.  440 M.  und  in  mittelalterlichen  Quellen  (vgl. 
Georges  in  der  Zeitschr.  f.  d.  österr.  Gymn. 
XXIV  (1873)  832);  aber  plumarius  für  den 
Sticker  kommt  schon  bei  Varr.  b.  Non.  162, 21 
(wo  der  plumarius  deutlich  vom  textor  ge- 
schieden wird)  und  Vitr.  VI  4,  2  (wo  aller- 
dings ihre  Werkstätten  plumariorum  textrina 
heißen)  vor,  beiFirm.Mat.math.il!  6, 4;  11,18, 
sowie  häufig  auf  Inschriften;  auch  xlovfiägiog 
Ed.  Diocl.  20. 1  (ebd.  nlovfjägioi?,  19,  6  u.  25); 
plumatile  bereits  Plaut.  Epid.  bei  Non.  548, 15 
u.  549, 1  (einem  zwar  unechten,  aber  vermut- 
lich schon  früh  interpolierten  Verse) ;  plumatus, 
von  Stickereien,  Petron.  55,  6  v.  3.  Lucan.X 
125.    Anderes  bei  Marquardt  538. 

3)  Wahrscheinlich  war  dies  besonders  die 
Arbeit  der  phrygiones,  da  die  Technik  schon 
in  Aegypten  heimisch  war,  Marquardt  a.  a.  0. 

4)  Die  Deutung  der  ars  plumaria  und  der 
dazu  gehörigen  entsprechenden  Ausdrücke  ist 
freilich  bestritten.  Georges  Philologus  XXXII 
(1873)  530  erklärte  sie  fürBuntwii  kei  ei;  Semper 
a.a.O.  für  Stickerei  mit  Vogelfedern;  Becker 
Gallus  II  337  f.  für  Goldstickerei;  Kiessling 


Anecd.  Basil.  20  für  Verfertigung  von  Brokat; 
die  oben  angeführte  Ansicht  ist  die  von  Mar- 
quardt a.  a.  O.,  gebilligt  auch  von  Göll  zu 
Becker  339  und  Blümner  a.  a.  0.  210. 

5)  Näheres  mit  Belegstellen  bei  Mar- 
quardt 540 ff.;  ebd.  über  die  toga  picta  und 
die  tunica  palmata,  vgl.  oben  S.  209  u.  214.    i 

6)  Dazu  gehören  auch  die  Fransen,  firnl 
briae  (vgl.  Varr.  1.1.  V  79.  Festus  90, 3),  die  man 
oft  auf  Denkmälern  an  Tuniken,  Halstüchern 
etc.  von  Soldaten,  sowie  an  Decken  und  Tü- 
chern findet,  s.  Paris  bei  D.-S.  II 1136.  Maxj 
bei  P.-W.  VI  2320.  Erwähnt  werden  sie  selt- 
ner, vgl.  Varr.  a.  a.  0.  Plut.  Luculi.  28.  Plin 
VII 171.  Petron.  32, 2. 

7)  Marquardt  543  ff. 

8)  Wahrscheinlich  geht  auf  solche  Zie- 
raten Festus  115,  13:  leria  ornamenta  tuni- 
carum  aurea,  denn  leria  ist  doch  wohl  iden 
tisch  mit  fojgoi,  erwähnt  Poll.  V  101.  Anth 
Pal. VI  292, 2:  h]gä>v  olygüoeoi  xa.lafj.oi.  Hesych 
S.  lf]Qoi'  ja  jteqI  toTs  yvvaixeioig  yirwoi  xe/gv- 
ocofisva.  Phot.s.  Irjgoi;  denn  daß  dies  nicht  Gold 
Stickereien,  sondern  getriebene  Goldplättchei 
waren,  zeigt  Luc.  Lexiph.  9 :  Ät]g6r  xiva  exgö- 
tovv  xal  sXlößia,  sagt  ein  Goldarbeiter. 

9)  Siehe  oben  S.  209  u.  232;  im  Zusammen 
hang  besprochen  von  Marquardt  544  ff. 

10)  Non.  540,  3:  patagium,  aureus  clavu. 
qui  pretiosis  vestibus  inmitti  solet.  Tertull 
de  pall.  3.  Ein  solches  Kleid  hieß  vestis  pata 
giata,  Plaut.  Epid.  231,  vgl.  Festus  221,2;  di< 
Verfertiger  davon  patagiarii,  Plaut.  Aul.  509 
Nicht  richtig  ist  es,  wenn  Marquardt  541 
in  dem  mit  Szenen  der  Gigantomachie  be 
stickten  Streifen  am  Gewand  der  Dresdene 
Pallas  ein  solches  patagium  erkennen  will 
Vgl. Saglio  bei  D.-S.  IV340. 


Sechster  Abschnitt.    Die  Tracht. 


255 


Luxus1)-  Ebenfalls  goldgestickt2)  und  purpurn  waren  die  vornehmlich  bei 
Frauenkleidern3),  aber  später  auch  in  der  Männertracht  häufigen  segnunta4)^ 
runde,  eckige  oder  streifenförmige5)  Einsatzstücke,  wie  man  sie  auch  an 
Kissen,  Polstern  u.  dgl.  anbrachte G).  Auf  römischen  Denkmälern,  namentluli 
auf  den  Darstellungen  der  konsularischen  Diptychen,  sind  diese  Verzierungen 
häutig  genau  wiedergegeben7). 

Schließlich  nennen  wir  noch  die  Berufsarten,  die  sich  mit  der  Her- 
stellung der  Kleiderstoffe  und  Kleider,  sowie  mit  deren  Verkauf  beschäftigt»  in8 ). 
Dal.*  in  alter  Zeit  das  Spinnen  und  Weben  Hausgeschäfte  waren,  indem  die 
Mägde  unter  der  Aufsicht  der  Hausfrau  oder  in  großen  Sklavenfamilien 
unter  einem  lanipendius9)  als  lanificae10)  spannen  und  webten,  ist  schon  er- 
wähnt worden;  allein  obschon  auch  später  noch,  und  selbst  in  der  Kaiser- 
zeit, die  Frauen  und  Mädchen  dazu  angehalten  wurden,  so  kamen  doch 
schon  früh  Berufsarten  auf,  die  das  Herstellen  der  Gewandstoffe  gewerbs- 
mäßig betrieben.  Die  Wolle  lieferte  als  Rohmaterial  der  negotians  lanarius11) 
dem  Wollarbeiter,  lanarius12),  vielfach  schon  im  hergerichteten  Zustande. 
lach  dem  sie  der  lanilutor13)  gewaschen  und  der  carnünator 14)  oder  pedinator15) 
gekrempelt  hatte.  Der  Leinweber,  linteo1*),  linarius17)  oder  linteariuslb),  lieferte 
sein  Fabrikat  dem  negotiator  Untearius1*);  feingewebte  dünne  Stoffe  verkaufte 


')  Iuv.6,482  mit  Schol.Vopisc.Tac.il, 6. 

-')  Wobei  wobt  ebenfalls  die  oben  erwähn- 
ten ( loldplättchen  verwandt  wurden,  vgl.  Sid. 
Apoll,  ep.  V1I1  6,6,  wo  von  einer  [tunica)  Sar- 
ranis  ebria  sucis  inter  crepitantia  segmenta 
wßmata  die  Rede  ist. 

3)  Vgl.  Corp.  Gloss.  V  623. 20:  segmenta m 
est  Pestis  mulierum;  s.  ebd.  513,  52;  526,13; 
(579, 12.  Symm.  ep.  IV  42:  alba  velamina  non 
pegmentatiamictus.]$a,chVa\.Ma,x.Y2, 1  hatten 

ie  Frauen  zum  Dank  für  ihren  Beistand  gegen 
Coi  iolan  das  Recht  bekommen,  purpurea  veste 
et  aureis  uti  segmentis. 

4)  Ov.  a.  a.  III 169.  luv.  2, 124;  daher  seg- 
mentatae  vestes,  Isid.  XIX  22, 18 ;  vgl. Symmach. 
a.a.O.  Die  Kleider  in  den  Katakombenmale- 
reien zeigen  teils  Streifen,  lora,  teils  segmenta, 
s.  v.  Svbel  Christi.  Antike  I  150. 

5)  So  bei  Isid.  a.a.O. :  segmentata  zdnis 
qiiibtisdam  et  quasi  praecisamentis  ornata. 
Der  Begriff  segmentum  entspricht  dem  be- 
sonders, vgl.  Plin.  VI  211 :  segmenta  mundi, 
qnae  nostri  circulos  appellavere,  Graeci  par- 
atte/ns. 

6)  luv.  6, 89.  In  den  Acta  fratr.  Arv.  wird 
das  discumbere  toralibus  albis  segmentatis 
öfters  erwähnt,  s.  Henzen  12. 

7)  Vgl.  Wieseler  Das  Diptychon  Quirini- 
anum  44  ff.    Marquardt  549  f. 

s)  Ueber  die  Fabrikation  im  einzelnen 
vgl.  die  oben  S.  237  angeführte  Litteratur. 

9)  Digg.  XXIV  1.31  pr.  Schob  luv.  6, 475. 
Corp.  Gloss.  II  120,  50;  436,  33.  Oft  (ebenso 
lanipenda)  auf Inschr ,  s.  Marquardt  156  A.3. 

,0)  Digg.  XXXIII  7, 12,5.  Paul.  sent.  III  6, 
37;  auch  qnasillaria  Petron.  132,  3.  CIL  VI 
6339  ff. :  9495 ;  9849  f.;  doch  ist  ein  quasillarius 
Corp.  Gloss.  III  461,  74  ein  y.oq  iro.-roiög   (qua- 


si/las ist  der  Woll-  oder  Spinnkorb). 

")  CiL  VI  9669;  XI  862:  eine  lanaria  (sc. 
taberna)  ebd.  IX  2226. 

12)  Den  Wollarbeiter  bedeutet  lanarius  bei 
Plaut.  Aul.  508  (wo  allerdings  einige  Hss.  dafür 
linarias  lesen).  Arnob.  II  38.  Hieron.  ep.  53,6 
p.  544  M.  Firm.  Mat.  math.  1118,7;  daher  werden 
auch  die  lanarii  der  Inschr..  wie  CIL  VI 9489  ff. ; 
33869 ;  IX  826 ;  XII 4480 f..  A.  A.  1909, 223,  die 
Marquardt  504  A  3  für  Wollhändler  erklärt, 
Wollarbeiter  sein,  vgl.  das  sodalicium  lana- 
riorutn  camtinatorum, CIL XI 1031.  Sonstauch 
lanifieus,  lanifex,  vgl.  Corp.  Gloss.  III  271,07: 
369. 37. 

,3)  Corp.  Gloss.  111453,72;  485,38;  auch 
laultor,  II  314,22. 

»)  CIL  XI  1031. 

,s)  Ebd.V25S8;lanarii/>eeti'nariiebdA50l. 
Corp.  Gloss.  II 355, 63;  III  201,59u.s.  Dagegen 
sind  peetinarii  Kammacher,  ebd.  111201,61. 
CIL  V  2543,  und  faber  pectinarius  ebd.  98 
{refector  peetinarlus  VI  7569;  IX  1711). 

16)  Plaut.  Aul.  a.  a.  O.  Serv.  ad  Aen.  VII 14. 
Firm. Mat. math.1116,4;  10,18;  IV  14,13.  Cod. 
lust.  X  48  (47).  7.  CIL  V  1041 ;  3217 ;  XII 5970. 

17)  CIL  V  5923.   Corp.  Gloss.  II  361, 20. 

18)  Wie  Marquardt  584  A.  3  bemerkt, 
sind  lintearii  Digg.  XIV  4,  5,  15  u.  ebd.  3.  5, 4 
Händler,  dagegen  Cod.  Theod.  X  20, 16  Weber; 
in  den  Glossen  wird  lintearins  ebenso  durch 
nDorm^iohjs  wie  durch  hrovoyoi  erklärt.  Corp. 
Gloss.  VI  649.  Inschriftlich  sind  es  wohl  meist 
Arbeiter,  vgl.  CIL  II  4318a:  III  5800;  VI  7468; 
9526 ;  X  6638C  2, 21 ;  XI 6228;  XII  3340;  44S4. 
XIII  1998. 

,9)  CIL  VI  9670:  negotiator  ImÜarim  et 
eastrensiariusV  5932;  neqot.artls  rrstlariae  et 
Untraricu  III  5800. 


256 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


der  teninarius  oder  negotiator  tenuiarius1).  Vom  einfachen  Weber,  dem  textor 
schlechtweg2),  wird  der  Kunstweber,  der  buntgewirkte  Stoffe  herstellt, 
unterschieden,  der  polgmitarius3)  oder  multiciarius*).  Ein  sehr  wichtiges, 
in  der  Litteratur  wie  in  der  Epigraphik  sehr  häufig  genanntes  Gewerbe 
sind  die  Walker,  fullones5),  auch  lavatores  oder  lotores  genannt6);  denn 
diese  hatten  nicht  nur  die  neugewebten  Stoffe  zu  walken  und  zu  appretieren, 
sondern  auch  die  getragenen  zu  waschen  und  neu  herzurichten7).  Filz- 
waren, coactilia8),  wurden  vom  lanarius  coactor9)  hergestellt,  Filzpantoffeln 
vom  impiliarius10).  Über  die  sericarii,  die  Seidenhändler,  siehe  oben  S.  245. 
Das  Färben  der  Stoffe,  das  meist  schon  im  Rohzustande  vor  dem  Weben 
erfolgte,  besorgte  der  infector11),  offector12),  tinctor 13).  Der  purpurarius 14)  war 
sowohl  Purpurfärber,  als  Händler  mit  Purpur  und  mit  Purpurstoffen15);  auch 
für  andere  Klassen  der  Färber  kommen  Spezialbezeichnungen  vor10).  Die 
Sticker,  phrygiones  oder  plumarii,  wurden  bereits  oben  erwähnt17);  auch  die 
segmentarii,  als  Verfertiger  der  gestickten  segmenta,  gehören  hierher18). 

Dann  gibt  es  Verfertiger  besonderer  Kleider  oder  von  Kleiderteilen, 
zumal  der  weiblichen  Garderobe19),  wie  denn  überhaupt  Schneider  und 
Schneiderinnen,  sowohl  als  selbständige  Handwerker,  wie  als  Sklaven,  öfters 
erwähnt  werden;  doch  ist  der  sartor20)  oder  sarcinator21),  ebenso  wie  die 
sartrix22)  oder  sarcinatrix2A),  mehr  mit  Ausbessern  und  Flicken  der  Kleider 


*)  Auf  Inschr.,  s.  Marqüardt  585  A.  14. 
CIL  VI  33923.   Dessau  7575. 

2)  Besondere  textor  es  tunicarum  Firm. 
Mat.math.III  11,18. 

3)  Corp.Glos8.V576,21  u.30. 

4)  CIL  VIII 14314. 

6)    Vgl.MABQUARDT527ff.  BLÜMNERTech- 

nol.1 157 ff.  R.Fisch  Die  Walker,  Berlin  1890. 
Jacob  bei  D.-S.  II 1349  ff.  Ueber  Darstellungen 
des  Handwerks  Jahn  Abh.  d.  SGW  V  (1868) 
305 ff.,  über  die  Fullonicae  in  Pompeji  Over- 
beck  390  ff.  Mau  353  f.;  412  ff. 

6)  Ed.Diocl.7,54.  CIL  V  801.  Corp.  Gloss. 
11410,32. 

7)  Die  neuen  Kleiderstoffe  hießen  rudia 
oder  de  telu,  die  gebrauchten  ab  usu,  Ed.  Diocl. 
7. 53 ff.  wo  die  Preise  für  den  Walker  fixiert 
sind.  Die  Lex  met.  Vipasc.  CIL  II  5181  Z.43 
unterscheidet  vestimenta  rudia  und  recurata. 

8)  Vgl.SAGLio  bei  D.-S.  I  1264.  Mau  bei 
P.-W.  IV  125. 

9)  CIL  V  4504 ff.;  auch  lanarius  coacti- 
Uarius,Y\9i9A;  die  Filzfabrik  taberna  coa- 
ctiliaria,  Capitol.  Pertin.  3,  3. 

10)  CIL  VI  33862. 

n)  Plaut.  Aul.  521.  Varr.  b.  Non.  228,  25. 
Cic.  ad  fam.  II 16, 7.  Plin.  XX  59.  Corp.  Gloss. 
VI  570.  CIL  II  5519:  V997;  VI  33861. 

12)  Fest.  p.  112,6;  192,10.  Corp.  Gloss.  III 
130, 15.    Ephem.  epigr.  IX  248.  Dessau  7595. 

u)  Firm.  Mat.  math.  III  6,  3ff.:  11,  18;  IV 
13.1;  14,13.  CIL  VI  9936.  Corp.  Gloss.  VII 
350. 

14)  Auf  Inschriften  überaus  häufig,  vgl. 
Marqüardt  514;  dazu  CIL  VI  4016;  9843 ff.; 
XIV  473;  2433;  negotiator  artis  purpurariae 


III  5824. 

15)  Marquardt513.  W.  A.  Schmidt  Forsch, 
auf  d.  Gebiet  d.  Altertums  1 165  ff.  So  wird  auch 
in  den  Glossen  purpurarius  bald  durch  ttoo- 
cpvQ07ux)'Kr]s,  bald  durch  jrooqpvQoßäcpos  erklärt./ 

16)  Bei  Plaut.  Aul.  510  flammarii  und  rlo-j 
larii  (die  cerinarii  ebd.  beruhen  auf  Konjektur, 
die  Hss.  haben  carinarii,  was  Brandt  N.  Jahrb; 
f.Phil.CXVII(1878)  385  als  semitisches  Wort 
für  eine  Art  von  Weißfärbern  erklärt) ;  ebd. 
521 :  crocotarü. 

17)  Siehe  oben  S.  254:  auch  die  phrggia 
CIL  XI  5111  ist  wohl  eine  Stickerin.  Victor 
acu  CIL  VI  6182  (Bücheler  carm.  epigr.  1150). 
Hierher  gehören  auch  die  Goldsticker,  qui 
neto  auro  vestes  pingunt,  Firm.  Mat.  math.  III 
3, 14;  vgl.  ebd.  23,  und  die  auri  netrix  CIL 
VI  9213  (xovaovyoTQia  Corp.  Gloss.  III  309, 63). 

18)  Vgl.  oben  S.  255.   CIL  VI  9889. 

19)  Doch  ist  es  nicht  sicher,  ob  die  bei 
Plaut.  Aul.  508  ff.  erwähnten  indusiarii,  stro* 
phiarii  und  limbölarii  nicht  vielleicht  nur 
scherzhafte  Erfindung  des  Komikers  sind. 

20)  Plaut.  Capt.  661.  Non.  7, 28;  auch  sar- 
citor,  CIL  V  4509. 

21)  Plaut.  Aul.  515.  Lucil.  b.  Non.  175,  33. 
Serv.ad  Aen.XII13.   CIL  VI  6348. 

ri)  Cael.  Aur.acut.  III 9, 100 :  sartrix  quae- 
dam  cum  chlamydem  scissam  sarciendavi  su- 
meret.  Fronto  de  differ.  vocab.  p.  520, 15  (Keil) 
unterscheidet:  sartrix  quae  sarcit,  sarcinatrix 
quae  sarcinas  servat. 

")  Non.  56,  23.  Digg.  XV  1,  27.  CIL  VI 
3940 ;  4029  ff. ;  4467 ;  6349  ff. ;  9037  ff. ;  9875  ff. ; 
33907  u.  s  ;  vgl.  Dessau  7567.  Corp.  Gloss.  II 
178,46;  222,38. 


Sechster  Abschnitt.    Die  Tracht. 


257 


beschäftigt,  als  mit  dem  Zuschneiden  derselben,  was  Sache  des  vttUfieut '  i 
oder  vestitor*)  ist,  während  die  vestiarii  mehr  Händler  als  Fabrikanten 
gewesen  zu  sein  scheinen3).  Die  Kaufläden  solcher  vestiarii  linden  sich 
öfters  in  Reliefs,  die  vermutlich  teilweise  als  Ladenschilder  dienten,  dar- 
gestellt4). Diese  Händler  handelten  teils  mit  Tuchen,  teils  mit  fertigen 
Kleidern5),  und  es  gab  sogar  Spezialgeschäfte,  die  nur  mit  bestimmten 
Kleidungsstücken  handelten,  wie  die  paenularii6),  sagarii1),  bracarii*);  die 
von  den  Sklaven  getragenen,  aus  Flicken  hergestellten  centones9)  und  die 
ähnlich  gearbeiteten  Decken  stellten  die  centonarii  her10).  Filz  zu  Kleidern, 
Kappen,  Decken  etc.  fertigte  der  lanarius  coactor11)  oder  coactiliarius1*). 

Mit  Pelzen  und  daraus  gefertigten  Kleidern  oder  Teppichen  handelten 
die  Kürschner,  pelliones13)  oder  peUarii14).  Die  Bereitung  des  Leders  für 
Sattler  und  Schuster  fiel  den  Gerbern,  coriarii15),  coriorum  confectores16), 
seine  Verarbeitung   für   Schuhwerk   sowohl   wie   für   andere   Zwecke   dem 


»)  CIL  VI  8554;  9979  f.;  vestifex  ebd.  7467; 
vestifica  ebd.  5206;  9744:  vestificina  Tert.de 
pall.  3 :  vestificium  Corp.  Gloss.  II  332, 13. 

•)  Lampr.Al.Sev.41,3. 

3)  Die  Sklaven,  die  als  vestiarii  bezeichnet 
werden  (z.  B.  CIL  VI  4044;  6373;  9963  u.  ö.) 
sind  mit  der  Aufsicht  und  Aufbewahrung  der 
Garderobe  betraut,  weshalb  die  Glossen  das 
Wort  in  der  Regel  durch  qit  i  vestibuspraeest  oder 

Juattoq  r/.u;  erklären,  s.  Corp.  Gloss.  VII 409. 
Sonst  ist  der  vestiarius,  der  zumal  inschrift- 
'lich  häufig  vorkommt  (s.Marquakdt585  A.  10, 
ferner  CIL  II  2240;  VI  33920ff.;  VIII  21848; 
XI  963:  6109;  XII  4422;  4520f.;  XIII  3168; 
•3705.  Not.  d.  scavi  1896,  147).  ein  Händler, 
iptniomhis,  Corp.  Gloss.  III  286,  21 :  307,50; 
5J8,  8;  negotiatores  vestiarii  Digg.  XXXVIII 
l.r..Cod.iustX47,7.CILIII5816;VI9961ff.; 
338X9  (Dessau  7568 ff.);  vestiarius  tenuiarius 
VI  1926;  6852;  9977  ff.:  33922.  Ein  vesti- 
arius Italiens  ebd.  XII  3202.  Nach  Suet.  gr. 
27  hatte  auch  der  Grammatiker  Q.  Remmius 
Palaemon  ein  solches  Geschäft,  officinae  pro- 
mercalium  vestium.  Makquakdt  586  nimmt 
an.  daß  die  vestiarii  auch,  wie  bei  uns  Tape- 
ziere oder  Dekorateure,  die  Ausstattung  der 
Häuser  mit  Decken,  Teppichen,  Vorhängen 
u.  dgl.  besorgten,  da  diese  Dinge  auch  als 
vestis  bezeichnet  werden.  Erweislich  scheint 
diese  Vermutung  aber  nicht  zu  sein. 

4)  O.  Jahn  BSGW  1861.  371  ff.  Dütschke 
Ant.Bildw.inOberital.III221n.507;236n.533; 
V  405  n.982.  Amelung  Antik,  in  Florenz  108 
n.l67f. 

6)  Schon  zur  Zeit  des  alten  Cato  kaufte 
man  in  Rom  fertige  tunicae,  togae,  saget,  cen- 
tones, Cat.  r.r.  135,1. 

"^Nov.b.Non.  149,1.  CIL  VI  4000;  IX  3444; 
X  1945;  mercator paemdarius  XII 5973;  negot. 
fbenul.  XIII  6366. 

7)  Digg.  XIV  4, 5,15;  XVII 2,  52, 4.  Häufig 
auf  Inschr.,  sowohl  sagarius  allein,  als  mer- 
cator oder  negotiator  {negotiam)  sagarius,  CIL 
IV  753;  V  5925;  5929;  VI  339;  9675:  7971; 


9864ff.;  33906;  XII  1898;  1930;  4509;  XIII 
2008 ;  vgl.  Marquakdt  585  A.  1 3.  Dessau  758 1  ff. 
Ein  sagarius  Romanensis  CIL  XII  1928;  negot. 
sagar. et  })ell{icarius)Y592S;  sagarius  dehomis 
Galbianis  Not.  d.  scavi  1898,  279  n.4.  Vgl.  den 
saga  vendens  luv.  6. 591. 

8)  Siehe  oben  S.220. 

9)  Cat.r.r.2,3;  10,5;  11,5;  59.  Colum.  I 
8,9. 

10)  Petron.45, 1;  doch  sind  die  auf  Inschr. 
der  Provinzen  häufigen  collegia  fabrum  et  cen- 
tonariorum  Feuerwehren,  da  man  centones  zum 
Löschen  nahm,  vgl.  Maue  Vereine  der  fabri, 
centonarii  und  dendrophori,  Frankf.  a.  M.  1886. 
Kubitschek  bei  P.-W.  III 1933. 

1!)  CIL  V  4504  ff. 

12)  CIL  V  9494. 

,3)  Plaut.  Men.  404.  Lampr.  AI.  Sev.  24.  5. 
Firm.  Mat.  math.  III  11,  18.  Digg.  L  6,  6  (wo 
allerdings  auch  poliones  gelesen  wird).  Cod. 
Theod.XIII4,2.  CIL  XII  4500.  Die  Glossen 
erklären  es  durch  ÖFg/uaTovQyög,  öeouaTooätpog, 
<ho[taToxdM>i*  u.dgl.,  Corp. Gloss. VII  63;  ebd. 
II  589,  37  ist  es  durch  coriarius  erklärt,  da 
die  Felle  ja   auch   gegerbt  werden   mußten. 

14)  Firm.  Mat.  a.  a.  O.  IV  14, 13.  Corp.  Gloss. 
II  144,46;  eine pelliaria,  Pelzhandlung,  schon 
bei  Varr.  1.1.  VIII  55,  doch  als  künstlich  gebil- 
detes Wort.  Hierher  gehören  auch  die  qaiom- 
carii  CIL  VI  9431  (vgl.  Varr.  1.  IV 167),'  da  die 
griech.  xavräy.t)  ein  Pelzkleid  war.  Vgl.  die 
Grabschrift:  »ofns  in  urbe  sacra  vendenda 
pelle  caprina,  CIL  IX  4796. 

15)  Plin.  XVII  51;  258;  XXIII  22;  XXIV 
175.  Scribon.  comp.  41 ;  47.  Corp.  Gloss.  VI  277. 
Firm.  Mat.  a.  a.  O.  IV  14, 13;  ebd.  20.  CIL  III 
lU92;V19280t.;n,riariussld><l(iariusWl9219 
(X  1916):  corpus  coriar.  magnarior.  VI  1682, 
vgl.  1 1 1 7  f . ;  negotians  eoriariorunt9ß6T. 

'«)  Firm.  Mat.  III  8,7;  10,8;  ebd.  11,  18 
coriorum  infectores,  die  Lederfärber.  Ueber 
das  Technische  der  Gerberei  s.  Blümner  Tech- 
nologie 1  260  f.  Lafaye  bei  D.-S.  I  1505.  Mau 
bei  P.-W.  IV  1227  ff. 


Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft     IV.    2.  2.    3.  Aufl. 


17 


258 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


sutor1)  zu.  Auch  hier  war  Arbeitsteilung  sehr  gewöhnlich;  wir  finden  daher 
Bezeichnungen  von  Verfertigern  bestimmter  Schuhwaren,  wie  solearius 2),  san- 
daliarius3),  calceolarius4),  crepidariusb),  caligarius6),  gallicarius1),  baxeariuss); 
der  Schuhflicker  heißt  sutor  cerdo9)  oder  sutor  veteramentarius10). 


II.  Schmuck. 

Litteratur. 

Beckek-Göll  III  243  ff.;  276  ff. 

Marquabdt-Mau  701  ff. 

Blümnek  Das  Kunstgewerbe  im  Altertum  II  175  ff. 

Von  Schmucksachen  trugen  die  Männer  im  wesentlichen11)  nur  Ringe 12), 
obschon  diese  ursprünglich  nicht  zum  Schmuck,  sondern  zum  Siegeln 
dienten13).  Der  Brauch  war  jedenfalls  schon  im  ältesten  Rom  heimisch14), 
angeblich  von  den  Sabinern15)  oder  Etruskern16)  überkommen,  doch  war 
die  Sitte  sicherlich  altitalisch.  Freilich  sollen  die  ältesten  Ringe  eiserne 
gewesen  sein17),  wie  solche  auch  später  noch  teilweise  üblich  blieben18), 
namentlich  bei  Sklaven19);  aber  schon  früh  war  der  goldene  Ring  ein 
Standesabzeichen  geworden,  ursprünglich  der  Senatoren,  dann  auch  der 
noblles,  der  Ritter,  Magistrate  usw.,  bis  in  der  Kaiserzeit  der  Gebrauch 
allgemeiner  wurde,  da  die  Kaiser  von  dem  Recht  der  Verleihung  des  goldnen 

n)  Nicht  in  Betracht  kommen  die  als  mili- 
tärische Auszeichnungen  verliehenen  Schmuck- 
stücke, wie  phalerae,  armillae  u.dgl.,  sowie 
die  Extravaganzen  mancher  Kaiser  oder  weich-/ 
lif*npr   (ttPCkpti  / 

12)  Vgl.  Krause  Pyrgoteles,  Halle  185ßf, 
131  ff.;  169 ff.  W. Rein beiPaulyl*  1034 ff. (hier 
istl037  die  ältere  Litterat.verzeichnet).BECKER- 
Göll  III  243 ff.;  280.  King  Antique  gems,  Lon- 
don 1860,  ders.  Antique  gems  and  rings,  London 
1872.  SAGLiobeiD.-S.I293ff.  Deloche  Leport 
des  anneaux  dans  l'antiquite romaine  et  dans  les 
premiers  siecles  du  moyen  äge,  M6m.  de  1' Acad. 
des  Inscr.  XXXV  (1896)  2.  Makshall  Catal.  of 
the  finger-rings  of  the  Brit.  Mus.,  London  1907. 

13)  Vgl.  Ateius  Capito  bei  Macrob.  VII  13, 
12:  veteves  non  ornatus  sed  slgnandi  causa 
anulum  secum  circumferebant. 

14)  Nach  Plin.  XXXIII  9  hatten  von  den 
Königsstatuen  auf  dem  Kapitol  nur  Numa 
und  Servius  Tullius  Ringe    an   den  Fingern. 

lä)  Liv.111,8.   Dion.Hal.II38.3. 

16)  Flor.  15,6. 

17 )  Plin.  a.a.O. 

1 8)  Appian.  Libyc.  104.  Macr.  a.  a.  O.  luv.  1 1 
129.  Es  haben  sich  auch  solche  noch  erhalten 
s.  King  Ant.  gems  1  352.  Marshall  a.  a.  O.  223 
Zur  Erinnerung  an  den  alten  Brauch  trugen  di< 
Triumphatoren  auch  später  noch  eiserne  Ringe 
Gesandte  den  ihnen  verliehenen  goldnen  nui 
öffentlich,  während  sie  zu  Hause  den  eiserner 
anlegten,  und  noch  zu  Plinius'  Zeit  gab  de 
Bräutigam  der  Braut  einen  eisernen  Verlobungs 
ring  ohne  Stein,  Plin.  a.  a.  0. 11  f. 

19)  Plin.  a.a.O.;  ebd.  23. 


*)  Plaut.  Aul.  513 :  sedentarü  sutores ;  das 
atrium  sutor  tum  in  Rom  Varr.  1.  l.VI  14.  Fest. 
352  a,  22.  Inschriftl.  CIL  II  5812;  5934;  IV 
1995 ;  VI  33914f. ;  XV  5929  u.  ö. ;  ein  collegium 
sutorumebd  II 2818.  Vgl.  Blümner a.a.O. 271. 
Marquardt  596.  Nur  Schuhhändler  ist  der 
comparator  mercis  sutoriae  CIL  V  5927. 

*)  Plaut.  Aul. 512.  CIL XII 4510;  dasselbe 
sind  wohl  diesolatarn,  VI  9897;  vgl.  ebd.  1 1 17f. : 
corpus  coriariorum  sölatariorum. 

3)  CIL  X  3981 ;  der  vicus  Sandalia>-ius 
und  der  ebenso  benannte  Apollo  (Suet.  Aug. 
57)  haben  davon  den  Namen,  Gell.XVIH  4, 1. 
Galen.  XIV  620 K. ;  s.  S.  222  A.  7. 

4)  Plaut.  a.a.O.;  das  Geschäft  calcearia, 
Varr.  1. 1.  VIII  55 :  calciamentarnis  Corp.  Gloss. 
11466,3;  calciator  CIL  VI  3939. 

5)  Gell.  XIII  21  (22),  8.  CIL  VI  9284. 

6)  Firm.Mat.math.IV14,13.  Lampr.  AI. 
Sev.  33, 2.  Isid.  or.  XIX  34,  2;  Corp.  Gloss.  VI 
168;  öfters  inschriftl.,  s.  Marquakdt  597  A.  5, 
dazu  CIL  III  14239,1;  14305;  VI  9225;  sutor 
institor  caligar.  IX  3027 ;  vgl.  die  Grabschrift 
quicaliculis  (d.i.  caligulis)  lanapelliculisvitam 
toleravit,  ebd.  3193.' 

7)  Firm.  Mat.  a.  a.  O.  III 10, 8.  Hieron.  praef. 
in  regul.  S.  Pachom.  6  p.  7  M. 

8)  CIL  VI  9404:  colleg .perpet.fabrum  soli- 
ariutn  et  baxiarium. 

9)  Mart.  III 16, 1 ;  59, 1 ;  99, 1.  luv.  4, 153 ; 
8,182,  hier  wie  anderwärts  als  Bezeichnung 
niedrigsten  Standes,  vgl.  Corp.  Gloss.  V  653, 
34.   CIL  IV  6869. 

10)  Suet.Vit.2.  Corp.  Gloss. II  392,35;  III 
201,50  durch  7talaiooä(p(K  erklärt. 


Sechster  Abschnitt.    Die  Tracht. 


259 


■  Ringes  einen  sehr  umfassenden  Gebrauch  machten1).  Daher  trug  man 
I  ursprünglich  nur  einen  einzigen  Ring2),  und  zwar  gewöhnlich  am  vierten 
I Finger  der  linken  Hand3),  der  deshalb  auch  der  Ringfinger  hieß4);   allein 

■  schon  früh  fing  man  an,  mehrere  zu  tragen5),  und  in  der  Kaiserzeit  trug 
Iman  nicht  nur  am  Daumen  und  am  kleinen  Finger  Ringe6),  sondern  an 
I  allen,  und  selbst  an  jedem  Finger  mehrere,  sogar  über  das  zweite  Finger- 
Iglied  hinaus,  worüber  verständige  Leute  freilich  spotteten7).  Manche  ge- 
I fielen  sich  auch  darin,  sehr  große  und  schwere  Ringe  zu  tragen8).  Daher 
I  hatten  viele  Leute  eigene  Kästchen,  dadyliothecae9),  in  denen  sie  ihre  Ringe 
I  auf  bewahrten  und  in  die  man  sie  nachts  oder  beim  Waschen  ablegte10). 

Mit  der  Manie,   viele  Ringe   zu   tragen,   wurde   auch   der  Luxus   der 

■  dafür  verwendeten  Edelsteine  immer  größer11).  Wann  man  in  Rom  statt 
der  massiven  Gold-  oder  Eisenringe,  in  die  das  Siegel  eingraviert  war12), 
anfing,  geschnittene  oder  geschliffene  Edel-  und  Halbedelsteine  zu  tragen, 
ist  nicht  überliefert;  die  Nachricht,  daß  der  ältere  Scipio  Africanus  zuerst 


d 


gl 


')  Vgl.  Rein  a.a.O.  Dähne  De  iure  au- 
feorum  anulorum,  Halle  1863.  Humbert  bei 
D.-S.  I  296  ff.  Friedländer  Darstellungen  1 5 
249  f.  Es  war  üblich,  als  Zeichen  der  Landes- 
trauer die  goldenen  Ringe  ab-  und  dafür 
eiserne  anzulegen,  Plin.  a.  a.  0. 18.  Liv.  IX  7, 8. 
Inet.  Aug.  100. 

')  Ateius  Capito  a.  a.  0. :  unde  nee  plus  ha- 
bere nimm  unum  licebat  nee  cuiquam  nisi 
ibero,  quos  solos  fides  deceret  quae  signaculo 
kontinetur.  Isid. XIX  32,4:  apud  veteres  ultra 
■Union  iniuliini   uti  infame  habitum  viro. 

3)  Gell.  X  10.  Isid.  XIX  32. 2;  nach  Plin. 
a.a.O.  24  trugen  ihn  auch  die  (natürlich  erst 
viel  später  entstandenen)  Bildsäulen  des  Numa 
und  Servius  Tullius,  s.  o.  Ateius  Capito  a.  a.  O. 
12  behauptet,  man  habe  den  Ring  ursprünglich 
ganz  beliebig  getragen,  ut  quisque  vellet,  qua- 
cumque  manu,  quolibet  digito;  als  die  Ringe 
mit  kostbaren  Steinen  geschmückt  wurden, 
habe  man  die  linke  Hand  allein  dafür  bestimmt, 
weil  die  Ringe  an  der  rechten,  der  damit 
vorgenommenen  Beschäftigungen  wegen,  viel 
leichter  Beschädigungen  ausgesetzt  waren. 

4)  Digitus  anularis,  Isid.  XI  1,78. 

5)  Gracchus  bei  Isid.  XIX  32, 4  macht  es 
noch  einem  zum  Vorwurf,  der  mehrere  Ringe 
an  der  Linken  trägt:  qui  propter  mulierum 
cupiditatem  ut  mulier  est  ornatus.  Wenn,  wie 
ebd.  erzählt  wird,  Crassus  im  Alter  zwei  Ringe 
trug,  causam  praeferens,  quod  peeunia  ei  im- 
mensa  creverit,  so  war  er  sicher  nicht  der 
erste,  wie  Saglio  a.  a.  0.  295  meint;  vgl.  Sen. 
de  benef.  III  25.  Drei  Ringe  erscheinen  noch 
zur  Zeit  des  Horaz  auffallend.  Hör.  sat.  II 
7, 9.  Trimalchio  trägt  bei  Petron.  32, 3  zwei 
Ringe,  will  aber  auf  seinem  Grabdenkmal  mit 
fünf  Goldringen  abgebildet  sein,  ebd.  71,9. 

6)  Nach  Plin.  a.  a.  0.  24  war  dies  das 
Nächste,  nachdem  man  vom  Brauch,  bloß  den 
vierten  Finger  zu  schmücken ,  abgegangen 
war;  bloß  der  Mittelfinger  pflegte  damals  noch 
frei  zu  bleiben  :  hie  nunc  solus  ex'cipitur,  eeteri 


omnes  onerantur,  atque  etiam  privatim  <nii- 
culi  minoribus  aliis. 

7)  Sen.n.qu.VII31,2.  Mart.V  11;  61,  5; 
XI  59,  1 ;  auch  an  der  rechten  Hand,  Macr. 
a.  a.  0.  6.  Quint.  XI  3, 142  empfiehlt  dem  Red- 
ner, seine  Finger  nicht  mit  Ringen  zu  über- 
laden, namentlich  nicht  über  das  Mittelglied 
hinaus.  Beispiele  für  die  Art,  die  Ringe  zu 
tragen,  nach  Händen  von  Statuen  u.  s.  vgl. 
bei  Saglio  295  Fig.  350  ff. 

8)  Plin.  a.  a.  0.  25.  Luc.  Gall.  12.  Mart.  III 
29;  XI  37,  3;  XIV  123.  luv.  7,140.  Nach  luv. 
1,28  scheinen  sogar  Elegants  im  Sommer  leich- 
tere Ringe  getragen  zu  haben,  als  im  Winter. 

9)  Mart.  XI  59,4;  XIV  123.  Digg.  XXXII 
1, 52, 8.  Denselben  Namen  führen  auch  die  aus 
künstlerischer  Liebhaberei  angelegten  Gem- 
mensammlungen, Plin.  XXXVII  11. 

10)  Daß  man  beim  Waschen  die  Ringe  ab- 
legte, zeigt  das  Colloqu.  Montepessul.  (Corp. 
Gloss.  III  655,4),  wo  der  Herr,  nachdem  er 
die  Toga  angelegt  hat,  zum  Sklaven  sagt:  da 
paenulam  et  anulos. 

11)  Eine  Uebersicht  über  die  bei  den  Alten 
verwendeten  Edel-  und  Halbedelsteine,  die 
natürlich  nicht  nur  für  Ringe,  sondern  auch 
für  den  übrigen  Schmuck  in  Betracht  kommen, 
s.  bei  Blümner  Technologie  III  227  ff.  (wo  an- 
derweitigeLitteratur  hierüber  zu  finden  ist); 
kürzer,  aber  vollständiger  Babelon  bei  D.-S. 
II 1460  ff.  Das  Beste,  was  in  neuerer  Zeit  über 
Material,  Technik  und  Geschichte  der  alten 
Steinschneidekunst  erschienen,  ist  das  Buch 
von  A.  Fürtwängler  Die  antiken  Gemmen, 
Leipzig  1900,  3  Bde. 

12)  Ateius  Capito  a.  a.  0. :  imprimebatur 
autem  sculptura  materiae  auuli,  sen  e.e  ferro 
seu  ex  auro  foret.  Dazu  steht  freilich  im 
Widerspruch  Plin.  XXXIII  23:  contra  vero 
multi  nullas  admittunt  gemmas  anroque  ipso 
signant.  id  Claudii  Caesar is  prindpatu  reper- 
tum;  aber  erhaltene  Exemplare  solcher  Ringe 
sind  z.T.  erheblich  älter,  s.  King  Ant.gems279. 

17* 


260 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


eine  Sardonyxgemme  in  seinem  Ringe  trug1),  ist  schwerlich  authentisch. 
Geschnitten,  und  zwar  sowohl  vertieft  zum  Siegeln  (als  Intaglien),  wie  er- 
haben zum  Schmuck  (als  Kameen)2),  wurden  vornehmlich  Halbedelsteine, 
wie  Onyx,  Sarder,  Bergkristall,  Jaspis,  Chalcedon  u.  a.  m.;  die  kostbaren, 
durch  ihre  Farbenpracht  wirksamen  Edelsteine,  wie  der  Diamant3),  Rubin, 
Beryll,  Smaragd  usw.,  wurden  in  der  Regel  nicht  graviert.  Erhalten  haben 
sich  von  Ringen  mit  ungeschnittenen  Edelsteinen  sehr  wenig,  während  die 
Zahl  der  gefaßt  oder  ungefaßt4)  erhaltenen  Gemmen  so  unübersehbar  ist, 
wie  die  unendlich  mannigfaltige  Fülle  der  Darstellungen5).  Als  Material 
kommt  außer  Gold  und  Eisen6)  in  erhaltenen  Ringen  noch  Silber,  Bronze, 
Blei  vor,  sowie  auch  solche  aus  Bernstein,  Elfenbein,  Bergkristall  u.  a.  m. 
geschnitten  wurden7). 

Die  Frauen  sollen  zwar  in  älterer  Zeit  außer  dem  vom  Bräutigam 
erhaltenen  Verlobungsring,  von  dem  später  noch  die  Rede  sein  wird  (siehe 
Abt.  II  Abschn.  III),  keine  Ringe  getragen  haben 8),  doch  scheint  auch  da 
das  Tragen  von  mehreren  Ringen,  und  zwar  meist  goldenen,  da  den  Frauen 
gegenüber  keine  Beschränkung  bestand9),  schon  früh  allgemein  geworden 
zu  sein,  sowohl  bei  Mädchen,  wie  bei  verheirateten  Frauen10).  Von  denen 
der  Männer  unterscheiden  sie  sich  durch  größere  Zierlichkeit,  manchmal 
auch  durch  die  daran  angebrachten  Inschriften,  die  einen  Glückwunsch  des 
Gebers  enthalten11). 

Den  größten  Luxus  aber  trieben  die  Frauen  in  anderem  Schmuck12), 
zumal  nachdem  die  oben  schon  erwähnte  Lex  Oppia  vom  Jahre  215  v.  Chr., 


J)  Demostratus  bei  Plin.  XXXVII  85. 

2)  Letztere  heißen  ectypa,  Plin.  a.  a.  0. 
173.   Sen.debenef.III26,l. 

3)  Vgl.  Pinder  De  adamante,  Berlin  1829. 
Als  Ringstein  erwähnen  ihn  luv.  6, 156.  Mart. 
Vll.l.  August,  civ.  Dei  XXI  4. 

4)  Der  Teil  des  Ringes,  wo  der  Stein  an- 
gebracht wird,  heißt  funda,  Plin.  XXXVII 116 
u.  126;  wenn  er  massiv  (d.h.  der  Stein  nicht 
ä  jour  gefaßt)  ist,  pala,  Cic.  de  off.  III  9,  38. 
Philarg.  zu  Verg.  Geo.  III  53.  Vgl.  über  das 
Fassen  der  Steine  noch  Plin.  XXXIII  23. 

5)  Vgl.  die  Zusammenstellung  einiger  von 
historischen  Persönlichkeiten  getragenen  Ring- 
darstellungen bei  Saglio  295.  Das  Tragen  von 
Kaiserbildnissen  war  zur  Zeit,  da  Majestäts- 
beleidigungen in  Kleinigkeiten  erblickt  wurden, 
gefährlich,  s.  Suet.  Tib.  38.  Sen.  de  benef.  III 
26;  unter  Claudius  war  es  ein  besonderes  vom 
Kaiser  verliehenes  Vorrecht,  was  aber  Vespa- 
sian  beseitigte.  Plin.  XXXIII 41. 

6)  Eine  eigentümliche  Kombination  von 
beiden  waren  die  sog.  samothrakischen  Ringe. 
Plin.  a  a.  0.  23:  nee  non  et  servitia  iam  ferrum 
fi-uro  cingunt, .  . .  cuius  licentiae  origo  nomine 
ipso  in  Samothrace  id  institutum  declarat.  Isid. 
a.  a.  0.  5 :  Samothracius  anulus  aureus  quidem, 
sed  capitulo  ferreo;  vgl.Lucr.VI  1044.  Etwas 
anderes  ist  der  Ring  des  Trimalchio,  Petr. 
32.3,  der  zwar  totus  aureus,  sed  plane  ferreis 
veluti  stellis  ferruminatus  ist:  da  Trimalchio 
den  wirklichen  Goldring  nicht  tragen  darf  (als 


Abzeichen  des  Ritterstandes),  bringt  er  Eisen 
daran  an  (nur  als  Sevir  trägt  er  wirkliche 
Goldringe,  ebd.  71, 9). 

7)  Artemid.  On.  II 5  bezeichnet  oovxivoi  xai 
eXeoxxvxivoi  xai  oooi  alXoi  8axiv?uoi  yivovrai  als 
lediglich  Frauen  zukommend;  vgl.  Suid.  s.  oov- 
xivoi .  Beispiele  erhaltener  Exemplare  bei  Saglio 
296  und  vgl.  überhaupt  Marshall  a.  a.  0. 227  ff. 

8)  Das  behauptet  Isid.  a.  a.  0.  4:  feminai 
non  usae  anidis,  nisi  quos  virgini  sponsus 
miserat,  er  widerspricht  sich  aber  selbst  durch 
den  Zusatz:  neque  amplius  quam  binos  a nu /<>.* 
aureos  in  digitis  habere  solebant. 

9)  Nach  Plaut.  Casin.  710  durften  sogar 
Sklavinnen  solche  tragen. 

10)  Vgl.  Plaut.  Asin.  778.  Ter.  Hec.  574  u. 
829;  Heaut.650.  Hör.  carm.I  9,23.  Tib.  16,25. 
Mart.  VIII  5.  Clem.  AI.  Paed.  III  11,57  p.  287  P. 

»)  Becker-Göll  280. 

'*)  Plin.  XXXIII  40:  habeant  feminin-  in 
armillis  digitisque  totis,  collo,  auribus,  spiris; 
discurrant  catenae  circa  latera  et  in  secreto 
margaritarum  saeculi  e  collo  dominarum  auro 
pendeant,  ut  in  somno  quoque  unionum  con- 
scientia  adsit.  Nach  IX  117  hatte  der  Schmuck 
von  Smaragden  und  Perlen,  den  Lollia  Paulina, 
die  Gemahlin  des  Caligula,  am  Kopf,  Hals, 
Ohren,  Armen  etc.  trug,  einen  Wert  von  40 
Millionen  Sesterzen  (etwa  83/*  Millionen  Mark). 
Ueber  die  verschiedenen  Arten  des  Frauen- 
schmuckes (ornamenta  muliebria)  s.  Hübner 
Hermes  1(1866)  345  ff.  u.  die  Inschr.  CIL  II 3386. 


Sechster  Abschnitt.    Die  Tracht. 


261 


die  ihnen  nur  den  Besitz  von  einer  halben  Unze  Goldschmuck  gestattete, 
schon  zwanzig  Jahre  darauf  wieder  abgeschafft  worden  war1).  Zwar  waren 
die  Nadeln  oder  Spangen,  die  zur  Befestigung  der  Gewänder  dienten,  die 
sogenannten  fibulae2),  die  auch  zur  Männertracht  gehörten3),  namentlich 
auch  zur  militärischen4),  meist  und  bei  gewöhnlichen  Leuten  wohl  immer 
von  Bronze,  und  dergleichen  haben  sich  noch  in  sehr  bedeutender  Menge 
erhalten;  aber  es  gab  auch  silberne5)  und  goldene,  und  besonders  zu  Ge- 
schenken, für  welche  fibulae  beliebt  waren6),  wird  man  wohl  meist  solche 
gewählt  haben,  zumal  es  auch  ganz  kostbare,  mit  Edelsteinen  besetzte,  gab 7). 
Für  den  eigentlichen  Frauenschmuck  kommen  neben  den  verschiedenen 
Arten  von  Edelsteinen  vornehmlich  die  Perlen  (margaritae,  bacae8))  in  Betracht, 
für  die  die  Römerinnen  seit  der  Eroberung  des  Orients  eine  immer  mehr 
steigende9),  fast  unsinnige  Vorliebe  hatten10);  man  schmückte  sogar  die 
Schuhe  damit11).  Perlen  von  besonderer  Größe  hießen  elenchi12),  wenn  sie 
birnenförmige  Gestalt  hatten,  sonst  uniones1'9);  die  blendend  weißen  waren  am 


■)  Liv.XXXIVl,vgl.obenS.248A.6.  Daß 
es  übrigens  damit  auch  während  dieser  20  Jahre 
nicht  so  genau  genommen  wurde,  zeigt  Liv. 
XXVI  36,5,  wo  der  Konsul  Laevinus  i.  J.  210 
den  Vorschlag  macht,  daß  bei  der  Finanznot 
des  Staats  jeder  seinen  Besitz  an  Gold  und 
Silber  im  Staatsschatz  deponieren  solle,  be- 
halten aber  mögen  Männer,  Frauen  und  Kinder 
die  Ringe,  die  Söhne  die  goldenen  bullae  und 
die  Frauen  und  Töchter  jede  eine  Unze  Gold- 
BChmuck;  vgl.  Oros.  IV  17, 14. 

-)  Fibulae  römischer  Provenienz  sind  in 
sehr  reicher  Zahl  und  in  den  mannigfachsten 
7ormen  erhalten,  weitaus  die  meisten  aus 
ronze ;  eine  Zusammenstellung  gibt  Dütschke 
Rhein.  Jahrb.  LXIV80ff.  mit  Taf.  5ff..  sowie 
Humbert  bei  D.-S.  II  1101  ff.;  vgl.  auch  Frie- 
derichs Beil.  ant.  Bildw.  II  96 ff. 

3)  Nicht  für  die  Toga,  wohl  aber  für  die 
Mäntel,  wie  die  lacerna,  chlaena  usw.;  vgl. 
Isid.  XIX  31,  17:  fibulae  sunt,  qnibus  pectus 
feminarum  ornatur  vel  pallium  tenetur,  a 
Wirts  in  humeris,  seu  cingulum  in  lumbis. 
Im  spätem  Latein  heißen  diese  Kleidungs- 
stücke fibulata,  Vopisc.Prob.  4, 5,  oder  fibula- 
torin  ,  Treb.  Poll.  trie;.  tyr.  10,  12;  <ptßovXa- 
tcÖQta  Ed.  Diocl.  19, 15  f.;  ebd.  53  ff.;  22, 18  f.; 
vgl.  Corp.  Gloss.  II  414,  3  (hier  aber  s.  v.  a. 
fibula);  iV361,  10  wird  limbus  durch  fibulato- 
i*i h  })i  Grkläi't" 

4)  Mark  V  41, 5.  Plin. XXXIII  39:  fibulae 
tribuniciae.  Vgl.  Friedländer  Sittengesch.  I 
176.   Humbert  a.  a.  O.  1 104  n.  5  ff. 

5)  Treb.  Poll.  Claud.  14,  5.  Vopisc.  Aurel. 
46,4. 

6)  Liv.  XXVII 19, 12;  XXXIX  31, 18.  Val. 
Max.Vl,7.  Suet.  Tib.  6;  auch  die  aurea  lu- 
nula  bei  Plaut.  Epid.  638  ist  wohl  eine  fibula. 
In  der  spätem  Kaiserzeit  trugen  selbst  ge- 
meine Soldaten  goldene  fibulae,  Vopisc.  Aurel. 
a.  a.  O. 

7)  Gemmatae  fibulae  et  aureae,  Treb.  Poll. 


Gall.  duo  16,4;  fibula  aurea  cum  gemtnis,  B. 
Mommsen  BSGW  1852,  241.  Dagegen  wird 
von  Hadrian  erwähnt,  daß  er  sich  einer  fibula 
sine  gemmis  bediente,  Spart.  Hadr.  10, 5.  Bei 
den  Kaisern,  die  viele  und  kostbare  Fibeln 
besaßen,  gab  es  einen  eigenen  praeposüua  a 
fibulis,  CIL  III  536,  nach  Friedländer  Sitten- 
gesch. a.  a.  O.  ein  Unterbeamter  des  praepo- 
situs  thesaurorum. 

8)  Hör.  ep.  8, 14;  sat.113,240.  Verg.  Cul. 
68.  Ov.met.X116;ebd.265.  Petron.  55,6  u.9; 
aber  bacata  monilia,  Verg.  Aen.  I  654.  Sil.  It. 
VIII 134.  Lampr.Alex.Sev.41,  1  sind  Ketten 
mit  beerenförmigen  Anhängseln,  s.  Hübner 
a.  a.  O.  350. 

9)  Nach  Fenestella  bei  Plin.  IX  123  seit 
Sulla,  was  aber  Plinius  als  Irrtum  bezeichnet. 

10)  Für  diese  Perlen  wurden  ganz  exorbi- 
tante Preise  gezahlt,  sodaß  Seneca  de  benef. 
VII  9, 4  sagen  konnte,  manche  Frauen  trügen 
bina  ae  terna  patrimonia  in  den  Ohren;  vgl. 
rem.  fort.  16,  7.  Die  Frauen  hielten  dagegen 
den  Männern  ihren  Luxus  in  Citrustischen 
vor,  Plin.  XIII  91.  Vgl.  Friedländer  Sitten- 
gesch. III  72  ff. 

»)  Plin.  IX  114.  Sen.  de  benef.  II  12,  1. 
Tertull.  de  cult.  fem.  1,  7 :  in  peronibus  uniones 
emergere  de  luto  cupiunt;  auch  Caligula  trug 
solche  Schuhe,  Plin.  XXXVII 17. 

u)  Plin.  IX  113:  elenchos  appellant  fasti- 
gata  longitudine  alabastrorum  figura  in  ple- 
niorem  orbem  desinentes;  vgl.  luv.  6,459.  Digg. 
XXXIV  2,  32,8. 

1S)  Plin.  a.a.O.  109:  ebd.  112  u.ö.  Sen.de 
benef.  VII  9,  4.  Mart.  VIII  81,  4;  XII  49, 13. 
Treb.  Poll.  trig.  tyr.  32, 6.  Lampr.  AI.  Sev.  51, 2. 
CIL  II  3386.  Ueber  die  Perlen,  ihre  Herkunft, 
Arten  usw.  ist  vornehmlich  Plin.  IX  106 — 123 
zu  vergleichen  und  der  Artikel  von  Babelon 
bei  D.-S.  III  1595 f.,  sowie  K.  Möbius  Die 
echten  Perlen  (Abhandl.  aus  d.  Gebiet  der 
Naturwissensch.  IV),  Hamburg  1858. 


262 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


meisten  geschätzt1)-  Von  den  Edelsteinen  kam  der  Diamant  anscheinend 
nicht  für  andere  Schmucksachen,  als  für  Ringe,  in  Betracht,  obschon  er  für 
den  kostbarsten  unter  allen  galt2);  die  nach  ihm  wertvollsten  und  am  meisten 
für  Schmucksachen  verwendeten  waren  Smaragd,  Beryll,  Opal  und  Sardonyx3). 
Geringere  Edelsteine  wurden  zylindrisch  geschliffen  (daher  auch  öfters  als 
cylindri  erwähnt4))  und  durchbohrt  namentlich  für  Halsketten,  Armbänder 
u.  dgl.  verwendet6).  Inwieweit  auch  ärmere  Frauen  Aufwand  in  Schmuck 
trieben,  geht  aus  unsern  Quellen  nicht  hervor;  es  ist  aber  anzunehmen,  daß 
sie  nach  Art  der  heutigen  Südländerinnen  sich  auch  so  viel  als  möglich  mit 
Goldschmuck  behängten6).  Auch  Bernstein,  im  transpadanischen  Gallien  ein 
beliebter  bäuerlicher  Schmuck7),  war  bei  den  Römerinnen  anscheinend  nicht 
beliebt8);  die  Benutzung  der  Korallen  zu  Schmucksachen  wird  erst  in  der 
späten  Kaiserzeit  erwähnt9). 

Im  einzelnen  sind  von  weiblichen  Schmucksachen  vornehmlich  folgende 
namhaft  zu  machen.  Zum  Haarputz  gehören  in  erster  Linie  Nadeln10); 
hierbei  mochten  zum  Aufstecken  der  Haare  und  Locken  für  gewöhnlich 
einfachere  genügen11),  hingegen  war  die  als  Zierde  in  den  Haarknoten  ge- 
steckte Nadel,  die  acus  comatoria12)  oder  crinalisld),  meist  von  Gold  und  mit 
Perlen  oder  sonst  mehr  oder  weniger  reich  verziert14).  Derartige  Exemplare 
haben  sich  noch  in  oft  sehr  schöner  Ausführung  erhalten15),  daneben  auch 


J)  Plin.  a.  a.  0. :  dos  omnis  in  candore, 
magnitudine,  orbe,  levore,  pondere;  ebd.  113: 
summa  laus  coloris  est  exaluminatos  vocari. 

*)  Plin.  XXXVII  55. 

3)  Plinius,  der  sie  a.a.O.  55 — 84  in  obiger 
Reihenfolge  aufführt,  bemerkt:  hactenus  de 
principatu  convenit  mulierum  maxime  senatus- 
consulto,  während  bei  den  Männern  singu- 
lorum  libido  pretia  singulis  facit.  Vgl.  Fried- 
länder a.a.O.  71. 

4)  Plin. XXXVII  78;  ebd.  113.  Iuv.2,61. 
Digg.  XXXIV  2,  32,  9.  CIL  II  2060;  3386 ;  XI 
364. 

5)  Vgl.  Hübner  a.  a.  0.  356  ff. 

6)  Friedländer  a.  a.  0.  76. 

7)  Plin.  a.  a.  0.  44:  hodieque  Transpada- 
norum  agrestibus  feminis  monilium  vice  su- 
cina gestantibus,  maxime  decoris  gratia,  sed 
et  medicinae. 

8)  Die  sucina,  von  denen  Plin.  a  a.  0.  30 
sagt:  proximum  locum  in  delictis,  feminarum 
tarnen  adhuc  tantum,  sucina  optinent,  eandem- 
que  omnia  liaec  quam  gemmae  auctoritatem, 
waren  kein  Schmuck,  sondern  Bernsteinkugeln, 
die  die  Damen  in  den  Händen  zu  tragen  liebten, 
um  sie  zu  reiben  und  sich  an  dem  so  entstehenden 
Geruch  zu  erfreuen,  s.  Ov.  met.  II  364  ff.  (nu- 
ribus  gestanda  Latinis).  Mart.  III  65, 5:  V  37, 
11:  XI  8,6.  luv.  6,573;  daher  nennt  sie  Fronto 
ad  M.  Anton,  de  orat.  p.  157  Nab.  olfactoria 
sucina. 

9)  Claud.  carm.  X  169.  Auson.  Mos.  69  f. 
Vgl.  Blümner  a.  a.  0.  378  f. 

10)  Vgl.  Böttiger  Sabina  I  147  f.  Saglio 
bei  D.-S.  I  61  ff. 

u)  Vgl.  z.  B.  Mart.  II  66,  1:    nnus  de  toto 


peccaverat  orbe  comarum  j  anulus,  incerta  mm 
bene  fixus  acu.  Ov.  am.  I  14, 18;  a.  a.  III  239. 
Isid.XlX  31,9:  acus  sunt,  quibus  in  feminis 
ornandorum  crinium  compago  retinetur,  ne 
laxius  fluant  et  sparst  dissipentur  capilli ;  ähn- 
lich Hieron.  in  Esai.  II  3  v.  23  p.  71 M. 

12)  Petron.  21,  1. 

,3)  Apul.  met.  VIII  13.  Dagegen  ist  die 
acus  discriminalis  bei  Hieron.  adv.  Rufin.  III 42 
p.  510M.  wohl  nicht  damit  identisch,  sondern 
die  Nadel,  deren  sich  die  ornatrix  (s.  Festus  9, 6) 
bedient,  um  der  Herrin  damit  den  Scheitel  zu  ma- 
chen (das  comas  acu  comere,  Quint.  II 5, 12).  die 
acus  crinibus  distinguendis,  Tertull.  de  poenit. 
11.  Eine  solche  wird  Ov.  am.  1 14,15  u.30;  a.a.I 
510.  Sil.  It.  XV  26.  Claud.  X  284.  Serv.  ad.  Aen. 
XII  100  erwähnt,  und  ist  auch  luv.  6,498  ge- 
meint (vgl.  das.  die  Schol.),  wo  Friedländer 
unrichtig  an  Nadelarbeit  denkt.  Auf  dem  Grab- 
stein einer  ornatrix  (CIL  VI  9727)  ist  links  ein 
Kamm,  rechts  eine  solche  Nadel  abgebildet; 
erhaltene  Exemplare,  z.  T.  sehr  anmutig  ver- 
ziert, s.  Caetani-Lovatelli  R.  M.  XVI  (1901) 
382  ff.  Nach  Fronto  ad  M.  Ant.  de  eloqu.  1 
p.  143  (Naber):  capillus  et  si  non  cotidie  acu 
ornandus,  tarnen  pectine  cotidie  expediendus 
est  scheint  es,  als  ob  auch  die  Männer  von  dieser 
acus  discriminalis  Gebrauch  gemacht  hätten. 

14)  Mart.  XIV  24.  Digg.  XXXIV  2,  25,  10: 
acus  cum  margarita,  quam  mulier  es  habere 
solent. 

16)  Vgl.  Arneth  Gold-  und  Silbermonum. 
in  Wien  40  N.  282  ff.  Catal.  des  bijoux  du 
Mus.  Napol.  III,  Epingles  37.  48  u.  s.  Die  Nadel 
Roux  und  Barre  Hercul  u.  Pomp.  VI  94  ist 
keine  Haarnadel. 


Sechster  Abschnitt.    Die  Tracht. 


263 


einfachere  aus  Bronze,  geschnitzte  aus  Elfenbein,  Knochen  u.  dgl.  m.1).  Auf- 
steckkämme scheinen  nicht  beliebt  gewesen  zu  sein2).  Die  Haarnetze, 
reticula,  gehören  eigentlich  zur  unten  zu  behandelnden  Haartracht,  müssen 
aber  auch  hier  angeführt  werden,  da  sie  oft  aus  Goldfäden  hergestellt 
waren3).  Auch  die  um  den  Kopf  gelegten  Binden  (vittae,  mit  rar,  siehe 
unten)  waren  oft  mit  Gold  und  Edelsteinen  verziert,  besonders  das  bei  den 
Männern  nur  als  Symbol  der  königlichen  Würde  übliche  diadema4)  oder 
pasilium6).  Für  die  Ohrringe,  inaures6),  waren  neben  Edelsteinen,  zumal 
Smaragden,  große  schöne  Perlen  ganz  besonders  beliebt7);  wenn  mehrere 
solcher  frei  hängend  angebracht  waren,  nannte  man  die  Ohrringe  crotalia8). 
Im  allgemeinen  waren  die  Ohrringe  der  Römerinnen,  wie  sowohl  die  Bild- 
werke als  die  noch  erhaltenen  Exemplare  zeigen9),  den  griechischen  ähnlich. 
Die  Halsgeschmeide10),  monilia  genannt11),  seltner  collaria12),  zeigen  sehr 
mannigfache  Formen;  besonders  häufig  findet  man  auf  Denkmälern  und  in 
noch  erhaltenen  Originalen13)  neben  aus  Golddraht  geflochtenen  Ketten  oder 
Gliederketten14)  solche,  an  denen  Anhängsel  in  Form  von  Ringen,  Amphoren, 


')  Mus.  Borb.  IX  15.  Roux  und  Barre 
a.  a.  0.  93.  0 verbeck  Pompeji  453  Fig.  252. 
Mai:  Pompeji  400  Fig.  229.  Saglio  a.  a.  0. 
Jacobi  Römerkastell  Saalburg  453  Taf.  72, 
1 1  ff.  Friederichs  Berl.  ant.  Bildw.  II  94  ff. 
Mon.  d.  Line.  XVI  103  Fig.  124. 

2)  Die  einzige  Stelle,  die  darauf  bezogen 
wird  (Becker-Göll  III  273),  Ov.  a.  a.  III  147: 
haec  placet  ornari  testudine  Cyllenea,l&&t  auch 
andere  Deutung  zu.  Doch  ist  zu  bemerken,  daß 
bei  den  Griechinnen  solche  Aufsteckkämme 
üblich  waren;  sie  hießen  tävia,  Hesvch.  s.  v. 
Suid.  s.  v.  Et.  magn.  612,  23.  Phot.  307, 15. 
Darnach  darf  man  sie  wohl  auch  bei  den  Rö- 
merinnen annehmen. 

3)  Petron.  67,  6:  retictUum  aureutn,  quem 
ex  obrussa  esse  dicebat.  luv.  2,  96.  Lampr. 
AI.  Sev.  41,  1.    Treb.  Poll.  trig.  tyr.  14,  4. 

4)  Lampr.  Heliog.23,5:  roluit  uti  et  dia- 
detnate  gemmato,  quo  pulchrior  fieret  et  magis 
ad  feminarum  vultum  aptus.  Isid.  XIX  31,  1: 
diadema  ext  omamentum  capitis  matronarum 
er  auro  et  gemmis  contextum. 

5)  CIL  II  3386;  XIV  2215;  eigentlich  der 
ägyptische  königliche  Kopfschmuck,  vgl.  Hüb- 
ner a.  a.  O.  348. 

6)  Isid.  XIX  31,  10:  inaures  ab  aurium 
foi  ■(>  in  inibus  nuneupatae,  quibuspretiosagenera 
lapidum  dependent.  Plaut.  Men.  541  nennt  sie 
stalagmia,  das  sind  also  tropfenförmige.  Lampr. 
AI.  Sev.  51,3.  Der  THnmependentes  für  Ohrringe 
ist  spätlat.,  s.  Hübner  a.  a.  0. 349  f.  Ueber  Ohr- 
ringe vgl.  außer  der  älteren  Schrift  von  Bartho- 
lin! s  De  inauribus  veterum,  Amstelod.  1676,  J 
Pottier  bei  D.-S.  III  440  ff. 

7)  Hör.  sat.  II  3,113.  Ov.  med.  fac.  22.  Sen. 
de benef.  VII 9, 4.  Plin. IX 1 14.  Hieron. ep.  130, 7 
p.  1118M.;  vgl.  107.5  p.  872:  cave  ne  aures  eius 
perfores.  CIL  XIV  2215:  inaures  ex  gemmis. 

8)  Plin.  a.  a.  0.:  hos  digitis  (das  sind 
vermutlich     die     einem     gebogenen     Finger 


gleichenden  Drähte,  an  denen  die  Perlen 
hingen)  suspendiere  et  binos  ac  ternos  auribus 
feminarum  gloria  est,  subeuntque  luxuria« 
eius  nomina  externa,  exquisita  perdito  nepo- 
tatu,  si  quidem,  cum  id  fecere,  crotalia  ap- 
pellant,  ceu  sono  quoque  gaudeant  et  oollisu 
ipso  margar 'darum.   Vgl.  Petron.  67,  9. 

9)  Vgl.  Pottier  a.  a  0.  Fig.  4023  ff.  Over- 
beck  Pompeji  623  Fig.  319.  Auch  die  stalag- 
mia (siehe  oben)  bei  Plaut.  Men.  541  sind  grie- 
chischer Schmuckstil.  Ueber  den  älteren  ita- 
lischen Typus  (Mus.  Gregor.  I  72ff.)  vgl.  Helbig 
Homer.  Epos  273.  Ghirardini  Not.  d.  seavi 
1893,411. 

10)  Vgl.  Karo  bei  D.-S.  III  1984  ff. 

")  Zuerst  Afran.  b.  Non.  150,  34.  Fest. 
138  b,  31.  Isid.  a.  a.  0.  12:  monile  ornanum- 
tum  ex  gemmis  est,  quod  solet  ex  feminarum 
pender e  collo;  dictum  autem  a  munere,  welche 
Etymologie  ebenso  falsch  ist,  wie  die  von 
Böttiger  Sabina  II  151,  der  es  von  mono- 
linum  (vgl.  Capitol.  Maxim,  duo  27,  7)  ab- 
leitet. Quint.  XI  1,  3.  Claud.  carm.  III  187. 
Das  Wort  hat  dann  auch  allgemeinere  Be- 
deutung von  Schmuck  aus  Edelsteinen  über- 
haupt erhalten,  Isid.  a.  a.  0.  13:  plerumupu 
autem  et  per  monile  omnia  ornamevta  mn- 
tronarum  significantur;  vgl.  Apul.  met.V  1. 

u)  Collare  ist  gewöhnlich  ein  Halsring 
für  einen  Hund  oder  einen  Sklaven,  vgl.  Mao 
bei  P.-W.  IV  363;  aber  ein  collare  ex  gem- 
mis berylis  CIL  XIV  2215. 

13)  Vgl.  Marquardt  702  f.  Hübner  350. 
Karo  a.  a.  0.  1990.  Mus.  Gregor.  I  tav.  77  ff. 
Mus.  Borb.V  14.  Ghirardini  a.  a.  0.  413. 
Falchi  ebd.  500;  505.    Overbeck  a.  a.  O. 

,4)  Sen.  Med.  576:  auro  te.rtili  monile  ful- 
gens.  Marquardt  702  A.  10  vermutet,  daß  die 
im  Spätlat.  bisweilen  vorkommenden  titurenae 
oder  mnrenulae  solche  geflochtene  Drahtketten 
waren  (Hieron.  ep.  24,3  p.  427  M.);  vgl.  Isid. 


264 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


Beeren1),  Medaillons,  Zylindern,  kleinen  Figürchen  oder  Geräten  u.  dgl.  m.  be- 
festigt sind.  Halsketten,  die  an  einer  Schnur  oder  einem  Golddraht  aufgereihte 
Perlen  oder  durchbohrte  Edelsteine  enthielten,  hießen  lineae2);  das  die  Enden 
des  Halsbandes  verbindende  Schloß  clusura 3).  Die  catenae  oder  catellae  sind 
die  feinen  langen  Goldketten,  die  die  Frauen  vom  Hals  über  den  Busen  bis 
zur  Hüfte  hängend  trugen  und  die  wir  aus  antiken  Bildern  kennen4);  sie 
gehörten  wohl  vornehmlich  zum  Schmuck  der  Libertinen5).  Endlich  spielen 
eine  wichtige  Rolle  im  Frauenschmuck  die  Armbänüer6),  die  als  männlicher 
Schmuck  nur  bei  Weichlingen  oder  wahnsinnigen  Kaisern  vorkommen7), 
abgesehen  von  den  Armringen,  die  als  Auszeichnungen  an  Soldaten  ver- 
liehen wurden 8).  Die  allgemeine  Bezeichnung  dafür,  sowohl  für  die  um  das 
Handgelenk,  wie  die  um  den  Oberarm  getragenen,  ist  armilla9)-,  in  älterer 
Zeit  hatte  man  auch  das  griechische  spinther10),  das  aber  früh  außer  Ge- 
brauch gekommen  zu  sein  scheint11),  während  später  das  keltische  viria  oder 
viriola  dafür  gebräuchlich  war12);  daneben  findet  sich  die  Bezeichnung  spa- 
talium,  speziell  für  Armbänder  am  Handgelenk13),  brachiale1*)  oder  brachialis 


a.  a.  0.  14:  murena  vulgo  vocatur,  quod  scilicet 
auri  metallo  in  virgulis  lentescente  quaedam 
ordinis  flexuosi  catena  contexitur  in  simili- 
tudinem  murenae  serpentis,  quae  ad  collum 
ornandum  aptatur.  Dagegen  werden  Corp. 
Gloss.  V  311,52  murenulae  als  inaures  erklärt. 
J)  Das  ist  wahrscheinlich  das  monile 
bacatum  Verg.Aen.I654.  Lampr.Al.Sev.41,1 ; 
entsprechend  erklärt  Hübner  350  das  quadri- 
bacium  der  Inschrift  CIL  II  3386.  Vgl.  Mus. 
Borb.  II  14. 

2)  Digg.  XXXIV  2,  40,  2;  XXXV  2,  26. 
CIL  II  2060;  Hübner  356  f.;  ebd.  kommt  auch 
der  Ausdruck  fascia  für  eine  Kette  aus  Zy- 
lindern und  Perlen  vor.  Vgl.  Tert.  cult.  fem. 
I  9:  uno  Uno  decies  sestertium  inseritur. 

3)  Nur  CIL  a.  a.  O.  vorkommend,  im  Plur. 
clusurae,  weil  es  aus  zwei  besondern  Teilen 
besteht,  Hübner  352. 

4)  PUn.  XXXIII  40:  discurrant  catenae 
circa  latera.  Fronto  ad  M.  Caes.  II  16  p.  37 
(Nab).  Isid.  a.  a.  O.  15  (vgl.  ebd.  11):  catellae 
sunt  catenulae  colli  invicem  se  comprehenden- 
tes  in  modum  catenae.  Vgl.  Saglio  bei  D.-S. 
1  970  mit  Fig.  1247  f. 

5)  Hör.  ep.  I  17,  55.  An  solche  Brust- 
ketten wird  man  luv.  6,  122  zu  denken  haben, 
da  die  auratae  pupillae  schwerlich  etwas 
anderes  bedeuten  können.  Vielleicht  geht 
hierauf  auch  Digg.  XXXIV  2,  32,  9,  wo  statt 
ornamentum  mamülatum  wohl  mamillarium 
zu  lesen  ist. 

6)  Bartholinus  De  armillis  veterum, 
Amstelod.  1676.  Saglio  bei  D.-S.  I  435  ff.  Mau 
bei  P.-W.  II  1180.  Hübner  a  a.  0.  353. 

7)  Petron.32,4  trägt  Trimalchio  eines  am 
rechten  Oberarm;  bei  Mart.  XI  21,  7  ein  Ki- 
näde;  von  Kaisern  s.  Suet.  Nero  6;  Calig.  52. 
Hei  odian  V  5,  3.  Darauf  zielt  Plin.  XXXIII  39 : 
(aurtim)  habeant  in  lacertis  iam  quidem  et  viri, 
qttod  ex  Dardanis  venu. 

8)  Marquarut  Staatsverwaltung  II 2  574. 


C.  de  la  Berot  bei   D.-S.  I  438.     v.  Doma- 
szewski  bei  P.-W.  II  1189. 

9)  Plaut.  Men.  536.  Petron.  67,  6.  Plin. 
XXVIII  41;  ebd.  172.  Digg.  XXXIV  2,  25, 10. 
CIL  II  2060.  Noch  allgemeiner  ist  circuhis. 
etwa  was  wir  Reif  nennen;  Isid.  XIX  31,  16 
unterscheidet:  ab  intellectu  autem  circuli  non 
discrepat  armilla,  quia  ipsa  quoque,  üb/  po- 
nitur,  ambiendo  constringit,  sed  armilla  la- 
tius  extenditur,  circulus  rotundus  fit.  Tert. 
cult.  fem.  I  2:  circuli  ex  auro  quibus  brachia 
artentur.  Bei  Petron.  32,  4  trägt  Trimalcbio 
eine  armilla  aurea  und  einen  eboreus  circu- 
lus lamina  splendente  conexus. 

10)  Plaut.  Men.  527 ;  682 ;  807.  Festus  333  b, 
6 :  spinther  vocatur  armillae  genus,  quod  mu- 
lieres  antiquae  gerere  solebant  brachio  sutnmo 
sinistro  (ergänzt  aus  p.  332,3). 

u)  Die  Grammatikerstellen  beweisen  nichts 
für  das  Fortleben  des  Wortes ;  die  Glossen  wis- 
sen die  Bedeutung  schon  nicht  mehr  recht  und 
erklären  es  sowohl  durch  armilla  wie  durch 
fibula  humeri,  s.  Corp.  Gloss.  V  515, 38 ;  579. 36. 
Vgl.  Prise.  V  3, 16  p.  151, 8 K.:  spinter,  quod 
äxQo%£Qtov  auf  fibulam  in  umeris  aut  armillam 
significat. 

12)  Plin.  XXXIII  39.  Isid.  a.  a.  O.  leitet  es 
irrtümlich  von  viri  ab ;  daß  es  aber  nicht 
lediglich  ein  von  Männern  getragenes  Arm- 
band bedeutet,  zeigen  die  zahlreichen  Glossen, 
die  es  mit  yshov,  ßqayäXiov ,  jieotyJgim>  u.  dgl. 
erklären,  Corp.  Gloss.  VII  421,  sowieTert.de 
pall. 4.  Digg. a.a.O. und XVIII  1,14;  XXXIV 2, 
40,2. 

1S)  Plin.  XIII 142.  Tert.  de  cult.  fem.  II 13: 
nescio  an  manus  spatalio  circumdari  solitae 
in  duritiam  catenae  stupescere  sustineant.  CIL 
II  2060 ;  XIV  2215.  Corp.  Gloss.  III  324. 23. 

14)  Plin.  XXV  129;  XXVIII  82;  XXXII  8. 
durchweg  von  dem  in  der  Heilkunde  üblichen 
Aberglauben,  Gegengifte,  Sympathiemittel  u. 
dgl.  im  silbernen  Armring  zu  tragen. 


Sechster  Abschnitt.    Die  Tracht. 


26; 


(sc.  anulw)1)  für  den  Reif  am  Oberarm,  dextrocherium  für  das  Arm- 
band am  rechten  Handgelenk2).  Alle  diese  Armbänder  oder  Armringe 
waren  ungemein  mannigfaltig  in  Form  und  Ausstattung3);  die  Form  der 
Schlange,  deren  Kopf  Edelsteinaugen  hatte,  war  dabei  ganz  besonders 
beliebt4).  Ringe  um  die  Fußknöchel,  pediculi*),  mit  dem  griechischen 
Namen  periscelides  genannt6),  wurden  wohl  am  meisten  von  Libertinen 
getragen,  da  sie  bei  der  Matrone  mit  der  langen  Stola  nicht  sichtbar 
waren7).  Verschiedenen  Sklaven  war  die  Aufsicht  über  den  Schmuck  an- 
vertraut: es  gab  einen  auri  custos*),  servi  ab  ornamentis9),  ad  marga rifun U)), 
a  fibulis11). 

Die  Herstellung  all  dieser  Schmucksachen  lag  wohl  größtenteils  in 
der  Hand  der  Goldarbeiter,  der  aurifices12)  oder»  fabri  aurarii1*),  da  Silber- 
schmuck selten  war  und  der  argentarius  mehr  Gefäße  arbeitete14).  Der 
Goldschmied  war  aber  zugleich  auch  Juwelier,  da  die  Edelsteine  zum 
Schmuck  gehörten  und  von  ihm  gefaßt  wurden;  der  Handel  mit  Edel- 
steinen lag  allerdings  in  der  Hand  der  gemmarii16),  wie  der  mit  Perlen 
in  der  der  mßrgarüarii19),  und  das  Schleifen  und  Schneiden  besorgten  die 
mmmarum  scalptores11)  oder  politores18)   oder   caratores19),   für  Ringsteine 


1)  Treb.  Poll.  Claud.  14,  5;  Vopisc.  Aurel. 

7.  7,  beide  im  militärischen  Gebrauch.  Vgl. 
Marqüakdt  705  A.  5.  Hübner  353. 

2)  Capitol.  Maxim,  duo  6,  8  u.  27,  7.  Treb. 
Poll.  trig.  tyr.  14,  4,  immer  im  Gebrauch  von 
Frauen.  Etwas  ähnliches  steht  in  der  ver- 
dorbenen Stelle  Isid.  a.  a.  0.:  dextras  com- 
munes  esse  virorum  ac  mulierum,  quia  utrius- 
que  sexus  dextrae  sunt,  wo  die  Vulgata  dex- 
walia  korrigiert. 

3)  Beispiele  bei  Saglio  a  a.  0.  Braun 
A.  (1.  I.  XXVI  (1854)  112  mit  tav.  33,  1.  2. 
Falchi  Not.  d.  scavi  1893,  498;  504;  besonders 
in  dem  reichhaltigen,  auch  Ringe,  Ohrgehänge, 
Anhängsel,  Fibeln,  Schlösser,  Nadeln  und  Hals- 
bänder enthaltenden  Goldschmuck  von  Lyon, 

8.  Comormond  Descript.  de  l'öcrin  d'une  dame 
Romaine  trouve  a  Lyon  en  1841,  Paris  et  Lyon 
1844  (Marqüardt  704). 

4)  Vgl.  Mus.  Borb.  II  14;  VII  46;  XII  44;    i 
A.  d.  I.  XII  (1840)  tav.  C  8.    Roux  u.  Barre 
VI  92.     Overbeck  622   Fig.  318.     Mau  401 
Fig.  233. 

5)  Digg.  XXXIV  2,  32  pr.:  pediculis  ar- 
genteis adinncta  sigilla  aenea.  Corp.  Gloss.  II 
410,  54  als  nodoy&Xiov  erklärt. 

6)  Hör.  ep.  I  17,  56.  Petron.  67,  6;  auch 
feriscelium,  Tert.  cult.  fem.  II  13. 

7)  Plin.  XXXIII  39 :  mulierum  pedibus 
tturum  gestatum;  ebd.  40:  etiamne  pedibus  in- 
duetur  atque  inter  stolam  plebemque  hunc  me- 
dium feminarum  equestrem  ordinem  faciet? 
So  trägt  auch  die  Hetäre  bei  Petron.  126,  17 
ein  auri  gracile  vinculum  am  Fuß.  Vgl.  CIL 
II  2060  mit  Hübner  352;  armillae  tibiarum, 
Corp.  Gloss.  III  324,  12. 

8)  Plaut.  Trin.  752. 

9)  Häufig  auf  Inschr.,  s.  Marqüardt  144 


A.  1;  auch  ad  ornamenta,  CIL  VI  3991  f.  Ein 
procurator  rationis  ornamentorum  ebd.  VI 
8950. 

10)  CIL  VI  7884;  9543. 

11)  CIL  III  536:  praepositus  a  fiblis. 

,2)  Sie  kommen  auf  Inschriften  sehr  häufig 
vor,vgl.MARQUARDT700.  DESSAu7685ff.  Kühn 
De  opific.  cond.  priv.  45;  das  collegium  aurifl- 
e?(mbestand  schon  in  der  Königszeit  und  dauerte 
bis  zur  Kaiserzeit  fort.  Die  Kaiser  hatten  eigene 
Goldarbeiter  unter  ihren  Sklaven.  s.Marquardt 
A.  6,  und  auch  bei  Privaten  war  das  nicht  selten 
der  Fall,  s.  Cic.  Verr.  IV  24,54,  und  die  in- 
schriftlichen Beispiele  bei  Marqüardt  157 
A.  2;  ein  tervus  maurator  CIL  II  6107:  VI 
3928.  Ueber  die  brattiarii  (ebd.  VI  6939; 
9210  f.;  33836;  colleg.  brattiar.  maurat  VI 
95)  s.  Blümner  Technol.  IV  307.  Marqüardt 
686  A.  1. 

13)  CIL  VI  196;  9209;  VIII  1816.  Corp. 
Gloss.  II  27,  13;  569,9. 

14)  Auf  Inschr.  kommt  bisweilen  eine  Ver- 
bindung von  beiden  vor,  aurarius  et  argen- 
tarius, CIL  VI  9209;  XI  3821. 

16)  CIL  VI  245;  9433  ff.;  IX  4795. 

16)  CIL II 496;  VI 641;  1925;  5972;  9544 ff.; 
X  6492;  negotians  margaritarins  VI  9675 ;  s. 
mehr  bei  Marqüardt  707  A.  1 1 .  Dessau  7602  f. 
Bei  Firm.  Mat.  math.  III  11,18:  gemmas  mit 
margaritas  aliqua  rationc  tractonteS',  ebd. 
12,10:  marqariiarum  »iercatores;vg\.lV 11,2 ; 
13,1. 

17)  Plin.  XX  134;  XXXVII  60;  63;  gem- 
marüu  sculptor  CIL  VI  9436;  »eulptor  atm- 
larius  Corp.  Gloss.  III  307, 32 ;  513. 62. 

18)  Firm.  Mat.  math.  IV  14,  20. 

,9)  CIL  VI  9239;  insignitores  aumnarUM 
August,  civ.  Dei  XXI  4. 


266 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


die  anularii1).     Sonst  kam   spezielle  Arbeitsteilung  in  diesem  Berufe  wohl 
nicht  vor2). 

Noch  zwei  Geräte  haben  wir  hier  zu  nennen,  die  zum  speziellen  Ge- 
brauch der  Frauen  gehören:  Fächer  und  Sonnenschirm.  Der  Fächer3), 
flabellum*),  dessen  sich  bisweilen  auch  weichliche  oder  empfindliche  Männer 
bedienten5)  und  der  den  Damen  auch  wohl  durch  eine  begleitende  Sklavin 
nachgetragen  wurde6),  war  oft  aus  Pfauenfedern  gearbeitet7);  sonst  war, 
wie  die  Denkmäler  zeigen,  namentlich  Blatt-  und  Palmettenform  beliebt8). 
Der  Sonnenschirm9),  der  gleich  den  unsern  aus  einem  runden,  mit 
Stoff  bezogenen  Stabgestell  bestand10)  und  buntfarbig  oder  selbst  ver- 
goldet war11),  hieß  umbraculum12)  oder  umbella13);  auch  ihn  ließen  sich 
die  Damen  durch  Sklavinnen  nachtragen14).  —  Bei  den  Männern  sind 
Stöcke,  die  bei  den  Griechen  allgemein  üblich  waren,  nicht  gebräuchlich 
gewesen15). 


*)  Die  anularii,  die  auf  Inschr.  (auch  als 
Kollegien)  mehrfach  vorkommen,  vgl.  CIL  VI 
9144;  XI  1235;  XII  4456.  Not.  d.  scavi  1892, 
124  (scalae  anidariae  beim  Forum  Suet.  Aug. 
72)  sind  wohl  nicht  mit  Säglio  bei  D.-S.  I  293 
als  Goldarbeiter,  sondern  nach  Cic.  Acad.  pr.  II 
26,86  mit  Mau  bei  P.-W.  I  2651  als  Gemmen- 
schneider zu  erklären.  Einem  Juwelen  verarbei- 
tenden Goldschmied  gilt  die  Grabschrift  CIL 
VI  9437 :  noverat  hie  doeta  fabricare  monilia 
dextra  et  motte  in  varias  aurum  disponere 
gemmas. 

1 )  Ein  armillarius,  y>F,)uojioi6g,  Corp.  Gloss. 
II  25,  33. 

3)  Vgl.  Böttiger  Sabina  II 230  ff.  Becker- 
Göll  266.  Fougeres  bei  D.-S.  II 1149  ff.  Mau 
bei  P.-W.  VI  1959  ff. 

4)  Ter.  Eun.  595.  Varr.  r.  r.  I  31.  3. 

5)  Suet.  Aug.  82.  Mart.  III  82,  10.  Claud. 
carm.  XVIII  109. 

6)  Flabelliferae,  Plaut.  Trin.  252.  Ter.  Eun. 
595;  so  auf  einem  pompejanischen  Wand- 
gemälde Mon.  d.  Lincei  VIII  (1898)  345,  vgl. 
R.  M.  XI  (1896)  76.  Vgl.  auch  Amm.  Marc. 
XXVIII  4,18.  Claud.  a.  a.  0.  463. 

7)  Mart.  und  Claud.  a.  a.  O.  Prop.  III  18 
(II  24),  11;  auch  auf  Wandgemälden  kennt- 
lich, Pitt.  d'Ercolano  III  24.  Fougeres  a.  a.  0. 
1151  Fig.  3071;  sehr  häufig  sind  die  Feder- 
fächer bei  Deckelfiguren  auf  etruskischen 
Urnen,  s.  Mau  a.  a.  0.  1961.  Etwas  anderes 
ist  das  muscarium  pavoninum  Mart.  XIV  67, 
ein  Fliegenwedel,  der  allerdings  unter  Um- 
ständen auch  als  Fächer  dienen  konnte  (daher 
Corp.  Gloss.  V  295, 44;  628,  72  durch  flabellum 
erklärt),  aber  mehr  Besenform  hatte,  weshalb 
die  billigeren  Exemplare  aus  Kuhschwänzen, 


muscarium  bubulum,  Mart.  XIV  71,  auch  als 
Staubwedel  dienten  (daher  muscarium  auch 
den  Pferdeschwanz  bedeutet,  Veg.  vet.VI  1.  1 
u.  ö.).  Vgl.  Corp.  Gloss.  VI  720.  Saglio  bei  D.-S. 
III  2070.  Fraglich  erscheint,  ob  man  auch 
die  tabellae,  mit  der  nach  Ov.  am.  III  2,  87 
und  a.  a.  I  161  der  junge  Römer  im  Zirkus 
oder  Theater  seiner  Geliebten  Luft  zufächelte, 
mit  Böttiger  244.  Fougeres  1150  u.  a.  für 
einen  leichten  Brettchenfächer  oder  .  nicht 
eher  für  das  Programm  der  Spiele  zu  halten 
habe. 

b)  Das  sind  vielleicht  die  prasina  flabella 
bei  Mart.  III  82,  10.  Aurata  flabella  kommen 
bei  Amm.  Marc.  XXVIU  4,  18  vor.  Auf  Denk- 
mälern sind  diese  Blattfächer  sehr  häufig, 
s.  Mau  a.  a.  0..  der  als  Material  für  die  Mehr- 
zahl davon  Leder  annimmt. 

9)  Hiervon  handelt  eine  ältere  Abhand- 
lung von  Paciaudi  De  umbellae  gestatione, 
Rom  1752. 

10)  Ov.  a.  a.  II  209:  distenta  suis  umbra- 
cula  virgis. 

n)  Virides  umbellae,  luv.  9, 50;  aurea  u»i- 
bracula,  Ov.  fast.  II  311. 

>*)  Ov.  a.a.O.  Mart.  XIV 28,1.  Claud.  carm. 
XVIII  464;  übertr.  Tibull.  II  5.  97.  Etwas  an- 
deres bedeutet  es  bei  Amm.  Marc.  XXVIII  4, 
18:  si  .  .  .  per  foramen  umbraculi  •jmixilis 
radiolus  inruperit  solis,  wohl  ein  Schatten- 
dach aus  Leinwand  oder  dgl. 

13)  luv.  a.  a.  0.  Mart.  a.  a.  0. 

14)  Mart.  XI  73,  6. 

15)  Alte  Leute  bedienten  sich  ihrer,  luv. 
3, 27,  oder  Hinkende  und  Kranke,  Plaut.  Asin. 
427,  oder  Wanderer,  Apul.  met.  VII  25.  Vgl. 
im  allgemeinen  Saglio  bei  D.-S.  I  639  ff. 


Sechster  Abschnitt.    Die  Tracht. 


267 


III.  Haar-  und  Barttracht. 

Litteratur. 

J.H.Krause    Plotina  oder  die  Kostüme  des  Haupthaares  bei   den  Völkern  der  alten  Welt 

Leipzig  1858  (ungenügend). 
E.  Labatut  La  coiffure  des  femmes  chez  les  Romains.    Paris  1881  (mir  unzugänglich). 
M.  M.  Evans  Hairdressing   of  Roman   ladies   as   illustrated    on    coins,   in  The   numismatic 

Chronicle  1906,  37  ff. 
Becker-Göll  III  237  ff.;  269  ff. 
Marquardt-Mau  597  ff. 
Pottier,  Albert  und  Saglio  bei  Daremberg-Saglio  I  1355  ff. 

Die  Tradition  der  Römer  berichtete,  daß  die  Männer  in  den  ersten 
Jahrhunderten  der  Stadt  Haar  und  Bart  hätten  lang  wachsen  lassen1), 
weshalb  auch  später  die  Kunst  die  alten  Könige  und  Feldherren  (von  denen 
es  gleichzeitige  Porträts  freilich  nicht  gab)  in  dieser  Haartracht  darstellte2) 
und  Dichter  und  Schriftsteller  die  Vorfahren  häufig  durch  entsprechende, 
darauf  hinweisende  Bezeichnungen  in  Gegensatz  zur  modernen  Zeit  setzten 3), 
wobei  das  Vorhandensein  des  Bartes  vornehmlich  betont  wird,  bei  den  Kopf- 
haaren mehr  der  Mangel  an  künstlicher  Pflege4).  Eine  andre,  anscheinend 
gut  beglaubigte  Nachricht  erzählt,  daß  erst  im  Jahre  300  v.  Chr.  durch 
P.  Ticinius  Mena  die  ersten  Barbiere  (tonsores)  aus  Sizilien  nach  Rom  ge- 
kommen seien,  während  es  vorher  gar  keine  gegeben  habe5).  Allein  daraus 
darf  nicht  ohne  weiteres  geschlossen  werden,  daß  den  Römern  der  Gebrauch 
der  Schere  (forfex)6)  zum  Schneiden  (tondere)  von  Kopf-  und  Barthaar, 
sowie  des  Schermessers  (novaculd) 7)  zum  Rasieren  {rädere)  vorher  gänzlich 
unbekannt  gewesen  sei.  Denn  wenn  auch  die  alten  Römer  den  Bart  stehen 
ließen  und  das  Haar  lang  trugen,  so  ist  damit  doch  nicht  ausgeschlossen, 
daß  sie  ein  mäßiges  Beschneiden  der  Haare  kannten  und  sich  dazu  der 
in  Griechenland  schon  zur  Zeit  des  Aristophanes   gebräuchlichen  Schere8) 


')  Liv.  V  41,  9,  von  den  langen  Barten 
der  Senatoren  beim  Galliereinfall.  Sen.  n.  qu. 
I  17,  7  bezeichnet  die  prominens  barba  und 
das  effundere  des  Haupthaares  als  alten  Brauch. 

*)  Cic.  p.  Cael.  14.33:  illo  austero  more  ac 
modo  .  .  .  iJla  horrida  {barba),  quam  in  Statuts 
antiquis  et  imaginibus  videmus.  Vai  r.  r.  r.  II 1 1 , 
10.  So  auch  die  Könige  und  Helden  der  Republik 
auf  den  späteren  Münzen,  s.  Beknoulli  Rom. 
Ikonogr.  I  Münztaf.  I  1  — 10;  eine  Ausnahme 
macht  der  bartlose  Postumius  ebd.  11,  der  aber 
sicher  auch  kein  authentisches  Porträt  ist. 

3)  Indem  sie  sie  als  intonsi  bezeichnen, 
Hör.  carm.  II  15,  11.  Tib.  II  1,  34.  Ov.  fast.  II 
30;  VI  264;  oder  als  pilosi,  Mail.  IX  27,  6; 
incomptis  capittis,H.or.ca,rm.1 12,41 ;  vgl.  Verg. 
Aen.VI809:  nosco  crines  incanaque  rnenta 
regis  Romani;  barbati  heißen  die  Vorfahren 
Cic.  pro  Mur.  12.  26:  pro  Sest.  8, 19;  de  finib. 
IV  23.  61.  luv.  4.  103;  vgl.  16,  31:  dignum 
parba  .  .  .  dignumque  capillis  maiorum. 

4)  Wenn  Sen.  a.  a.  O.  sagt:  tunc  quoque,  cum 
antiqui  Uli  viri  inconditeviverent, . .  cura  comere 
capillumfuitacprominentembarbamdepectere, 
so  ist  das  wohl  lediglich  seine  Vermutung. 

5)  Varror.  r.  II 11, 10  (bei  der  Bemerkung, 
daß  man  den  Schafen  die  Wolle  früher  aus- 


gerupft habe:  omnino  tonsores  in  Italiam  pn- 
mum  venisse  ex  Sicilia  dicuntur  />.  B.  c  o. 
CCCCLIII,  ut  scriptum  in  publice  Ardeae  in 
litteris  extat,  eosque  adduxisse  Pub/ in m  T'ni- 
nium  Menam.  oJim  tonsores  »od  fuisss  ad- 
sigtu'ficant  antiquorum  statnac,  quod  phraegue 
habent  capillum  et  barbam  magnam. 

6)  Vgl.  hierüber  S.  Reinach  bei  D.-S.  II 
1241  f.    Mau  bei  P.-W.  VI  2853. 

7)  Vgl.  über  die  novacula  G.  Lafaye  bei 
D.-S.  IV  108  f.  und  über  die  Barttracht  der 
Römer  im  allgemeinen  Saglio  ebd.  1 667.  Mau 
bei  P.-W.  III  31. 

8)  Vgl.  Arist.  bei  Poll.VII  95  (Frg.  386  M.), 
wo  v.  1  Svqöv,  Schermesser,  und  i)>u/.ifiut,  Schere, 
nebeneinander  genannt  sind ;  s.  auch  Arist.  Ach. 
849,  wo  die  Schere  uia  /id/ainn  heißt.  Die  Sche- 
ren der  Alten  waren  zum  Teil  anders,  als  un- 
sere: sie  bestanden  aus  einem  gebogenen  Me- 
tallblech, dessen  geschärfte  Seiten  sich  durch 
Druck  der  Hand  näherten,  s.  die  Abbildungen 
bei  Reinach  a.  a.  O.  und  vgl.  Blümner  in  A.  Z. 
XXXII  (1874)  141  f.  Daß  aber  auch  die  bei  uns 
üblicheForm  vorkam,  zeigt  die  Eisenschere  aus 
Priene,  Guide  to  the  Exhib.  illustr.  Greek  and 
Rom  life  (British  Mus.),  London  1908,  S.  160 
Fig.  106. 


268 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


bedienten,  wenn  auch  diese  erst  sehr  viel  später  und  im  Gebrauch  für  die 
Menschen  überhaupt  sehr  selten  erwähnt  wird1);  andrerseits  wird  die  no- 
vacula  bereits  in  einer  Sage  der  Königszeit  erwähnt2),  und  jene  Bronze- 
messer, die  man  mit  großer  Wahrscheinlichkeit  für  Rasiermesser  hält, 
kommen  schon  in  sehr  frühen  Gräbern  Oberitaliens,  Etruriens  und  in  Rom 
selbst  vor3);  sie  sind  halbmondförmig,  an  der  äußern  Seite  geschärft,  oben 
meist  mit  ringförmigem  Griff  versehen4).  Daß  die  novacula,  die  als  Werk- 
zeug des  Barbiers  häufig  erwähnt  wird5),  auch  später  noch  diese  anscheinend 
sehr  alte  Form  beibehalten  hat,  dafür  liegen  verschiedene  Anzeichen  vor6); 
daß  es  jedoch  daneben  noch  andere  Formen  der  novacula  gab,  die  mehr 
unserm  heutigen  Rasiermesser  glichen,  mit  geradliniger  Schneide,  dafür 
sprechen  nicht  nur  Denkmäler 7),  ferner  Schriftstellen,  in  denen  die  novacula 
in  solcher  Weise  erwähnt  wird,  daß  man  dabei  kaum  noch  an  jene  ältere 
Form  denken  kann8),  und  auch  die  erweiterte  Bedeutung,  die  das  Wort 
bekommen  hat9),  sondern  wir  haben  auch  solche  von  mannigfacher  Form, 
darunter  auch  zweischneidige,  noch  erhalten10).  Wahrscheinlich  sind  auch  mit 
dem  cultellus11)  oder  culter  tonsorius12)  solche  Rasiermesser  gemeint,  obschon 
auch  andere,  wie  sie  die  Barbiere  zum  Beschneiden  und  Reinigen  der  Nägel 


1)  Meist  wird  die  Schere  gelegentlich  der 
Schafschur  u.  dgl.  erwähnt,  vsl.  Mart.  VII  95, 
12.  Apul.  met.  III  17.  Calp.  ecl.  5,  73.  Serv. 
ad  Verg.  Aen.  VIII  453  u.  s.  Im  Gebrauch  des 
tonsor  Verg.  Catal.  8,  9:  bidente  forfice;  das- 
selbe bedeutet  Verg.  Cir.  213  ferro  bidente. 
Vgl.  Corp.  Gloss.  II  511,  6:  ymlig  xwv  xovQecov; 
V  501,  43:  forpices  de  quibus  capilli  incidun- 
tur;  ebd.  202,  20. 

2)  In  der  Geschichte  vom  Augur  Attus 
Navius.  Liv.  I  36,  4.  Cic.  de  div.  1 17,  32.  Val. 
Max.  I  4,  1. 

3)  Verzeichnis  der  Fundstellen  bei  Goz- 
zadini  Intorno  agli  scavi  fatti  dal  Sig.  Arn. 
Veli  p.  59 ff.;  ergänzt  von  Helbig  Das  home- 
rische Epos1  248  A.  3.  Vgl.  Brizio  Mon.  dei 
Lincei  V  248  pl.  8,  9;  pl.  10,  5  u.  37.  Lafaye 
a.  a.  0.  A.  7. 

4)  Diese  Messer  galten  früher  als  Instru- 
mente für  Schuster  oder  Lederarbeiter,  s.  Frie- 
derichs Berl.  ant.  Bildw.  II 254.  Blümner  Tech- 
nol.1 282;  ihre  eigentliche  Bedeutung  erkannte 
zuerst  Helbig  Im  neuen  Reich  1875,  I  14; 
vgl.  dens.  Italiker  in  der  Poebene  20  (die  Ab- 
bildung Taf.  I  3  zeigt  hier  zwei  solche  durch 
einen  Griff  verbundene  Klingen).  Abbildungen 
bei  Helbig  Homer.  Epos  248.  Reinach  a.  a.  O. 
Fig.  5333  u.  a. 

5)  Petron.  103.1.  Mart.  II  66,  7:  VII  61,7; 
XI  58,5.  Plin.  XXIX  107.  Geis.  VI  4.  Lampr. 
Heliog.  31,  7.  Der  novacularius,  ^vqotioioq, 
Corp.  Gloss.  III  308, 69:  520, 52. 

6)  Bei  Mart.  XI  58,  9  heißt  das  Etui  für 
das  Rasiermesser  curva  theca,  was  auf  Krüm- 
mung des  Messers  hindeutet;  dann  ist  zu 
vergl.  die  Darstellung  des  Kairos,  der  die 
Wage  auf  einem  solchen  Rasiermesser  trägt, 
auf  einem  römischen  Relief,  s.  Curtius  A.  Z. 
XXXII f  (1875),  6  Taf.  12. 


7)  Grabreliefs  frühchristlicher  Zeit  zeigen 
unter  andern  Barbierwerkzeugen,  wie  Kamm, 
Spiegel,  Schere,  auch  ein  eigentümliches  Werk- 
zeug, das  nicht  gut  etwas  anderes,  als  ein 
Schermesser  sein  kann,  s.  Garrucci  Storia  dell' 
arte  cristiana  tav.  488, 6 — 8  mit  p.  218  ff.  Lafaye 
Fig.  5334.  Schermesser  und  Schere  auf  dem 
Grabstein  eines  tonsor  CIL  XII  4517. 

8)  Vornehmlich  Suet.  Calig.  23,  wo  vom 
Halsabschneiden  die  Rede  ist,  ebenso  Petron. 
108, 10  f. ;  besonders  Apul.  met.  V  20  u.  22.  wo 
die  novacula  das  Werkzeug  ist,  mit  dem  Psyche 
dem  Drachen  den  Kopf  abschneiden  soll,  wo- 
für die  alte  Form  ganz  ungeeignet  gewesen ' 
wäre. 

9)  So  die  sucinae  novaculae  zum  Pilze- 
schneiden, Plin.  XXII  99,  oder  für  Rüben, 
Colum.  XII  56,1. 

10)  Vgl.  Petersen  R.  M.  XIV  (1899)  285 ff., 
der  unter  den  Fundstücken  unterscheidet: 
blattförmig  gerade,  zweischneidig  und  spitz; 
einschneidige  mit  geschweiftem  Umriß;  zwei- 
schneidige mit  geschweiftem  Umriß,  aber  vorn 
breit.  Die  zweischneidigen  haben  meist  einen 
Ausschnitt,  der  breit  und  eckig  oder  schmal 
und  rund  ist.  Vgl.  auch  Not.  d.  scavi  1892,  439; 
1897,186;  1902,  36 f.;  ebd.  189 ff.;  1907,  233 ff. 
und  wiederum  in  anderer  eigenartiger  Form  in 
Funden  von  Timmari  bei  Quaglioti  Mon.  de 
Line.  XVI  87  ff.  Siehe  auch  Guide  to  the  Exhib. 
etc.  137  Fig.  127  (ein  schön  verziertes  Rasier- 
messer aus  Sardinien,  dessen  Typus  aber  sich 
ebenso  in  Karthago  findet  und  phönikischen  Ur- 
sprungs ist). 

n)  Digg.  1X2, 11  pr. ;  allgem.  ferramenta 
tonsoris  in  der  Lex  met.  Vipasc.  (CIL  II  5181) 
Z.  39. 

12)  Plaut.  Capt.  266.  Cic.  de  off.  II  7,  25. 
Plin.  VII  209.   Petron.  108, 11. 


Sechster  Abschnitt.    Die  Tracht. 


269 


gebrauchten,  den  gleichen  Namen  geführt  zu  haben  scheinen1).  Neben  dem 
Schneiden  und  Rasieren  kam  auch  das  Ausrupfen  (vellere)  der  Haare  mit 
einer  Zange  (volsella) 2)  in  Betracht,  indem  zumal  Elegants  mitunter  alle  drei 
Arten  bei  der  Behandlung  des  Bartes  gleichzeitig  zur  Anwendung  brachten 3). 
Die  Sitte,  den  Bart  ganz  abrasieren  zu  lassen,  scheint  gegen  Ende 
des  3.  Jahrhunderts  v.  Chr.  aufgekommen  zu  sein;  unter  den  Münzbüdern 
historischer  Persönlichkeiten  ist  die  erste  bartlose,  der  wir  begegnen, 
M.  Claudius  Marcellus,  der  Eroberer  von  Syrakus4).  Nach  der  Überlieferung 
wäre  Scipio  Africanus  es  gewesen,  der  sich  zuerst  täglich  hätte  rasieren 
lassen5),  doch  ist  nicht  klar,  ob  damit  der  ältere  oder  der  jüngere  Africanus 
gemeint  ist6).  Der  Brauch  hat  sich  dann  bis  ins  2.  Jahrhundert  n.  Chr. 
hinein  erhalten,  wie  uns  die  Porträtbilder  aus  jener  Zeit  zeigen7).  Der 
Tag,  an  dem  man  sich  zum  ersten  Male  rasieren  ließ,  die  sogenannte 
uepösitio  barbae,  wurde  in  der  Kaiserzeit  nicht  selten  festlich  begangen 
und  das  abgeschnittene  Haar   den  Göttern   geweiht8),   wie   man   es   (nach 


»)  So  Hör.  ep.  I  7,  50.  So  führt  Mart.  XIV 
36  drei  ferramenta  tonsoria  auf:  tondendis 
h/icc  arma  tibi  sunt  apta  capittis,  unguibus 
liic  longis  utilis,  illa  genis,  also  die  Schere 
für  die  Haare ,  das  Nagelmesser  und  das 
Scliermesser.  Daß  man  sich  aber  die  Nägel 
auch  mit  dem  Rasiermesser  schnitt,  zeigt  Val. 
.Max.  III  2,15.  Eine  Nagelfeile  aus  Bronze  s. 
Guide  to  the  Exhib.  a.  a.  0.  Fig.  128. 

»)  Plaut.  Cure.  577.  Mart.  IX  27,  5.  Vgl. 
Sen.  n.  qu.  I  17,  2:  ad  speculum  barbam  vellere. 

3)  Von  Cäsar  berichtet  Suet.  Caes.  45 :  circa 
corporis  curam  morosior,  ut  non  solum  ton- 
deretur  diligenter  ac  raderetur,  sed  velleretur 
etiam;  und  Mart.  VIII  47  spottet:  pars  ma- 
xillarum  tonsa  est  tibi,  pars  tibi  rasa  est,  \ 
pars  vulsa  est.  Unum  quis  putat  esse  caput? 
vgl.  Sen.  ep.  114,  21 :  quot  vides  istos  sequi,  qui 
auf  vellunt  barbam  aut  intervellunt,  qui  labra 
pressius  tondent  et  abradunt  servata  et  sub- 
missa  cetera  parte.  Caracalla  und  Heliogabal 
ließen  sich  in  dei  Regel  die  Barthaare  aus- 
rupfen, was  als  Zeichen  der  Weichlichkeit 
galt,  Dio  Cass.  LXXVII  20.  1;  LXX1X  14,  4. 
Vom  Ausrupfen  anderer  Körperhaare  wird 
unten  die  Rede  sein.  Ganz  ungewöhnlich  ist 
es.  wenn  Commodus  Haar  und  Bart  aus  Furcht 
vor  dem  tonsor  durch  Absengen  kürzte,  wie 
Dionysios,  Lampr.  Commod.  17, 3. 

4)  Bernoulli  Rom.  Ikonogr.  I  29  mit 
Münzt.  I  16  f. 

5)  So  nach  Plin.  VII  211 :  primus  omnium 
radi  cotidie  instüuit  Africanus  sequens,  dirus 
Augustus  eultris  semper  usus  est.  Die  An- 
nahme, daß  sequens  hier  soviel  wie  minor 
bedeute  (so  z.B.  Becker-Göll  239.  Bernoulli 
a.  a.  0.  53),  ist  nicht  haltbar:  die  Stelle  ist 
jedenfalls  verdorben.  Mau  bei  Marquardt  599 
Ä..3  denkt  an  den  älteren  Africanus,  der  in 
den  Porträts  stets  glatt  rasiert  erscheint,  doch 
unterliegt  es  Bedenken,  ob  dieser  Porträt- 
typus, der  einen  ganz  kahlen  Kopf  zeigt,  den 


altern  Scipio  darstellt,  von  dessen  promissa 
caesaries  i.  J.  206  v.  Chr.  Liv.  XXVI11  35,  6 
spricht,  und  ähnlich  Sil.  It.  VIII 559  f.  Immer- 
hin spricht  für  die  Identität  das  pompejani- 
sche  Wandgemälde  mit  dem  Tode  der  Sopho- 
niba  (Bernoulli  Taf.  4),  obschon  Bernoulli 
56  f.  die  Richtigkeit  der  Deutung  bestreitet. 
Die  auf  Scipio  d.  Ae.  gedeuteten  Köpfe  s.  ebd. 
Taf.  1—3  und  Münzt.  I  18  f. 

6)  Daß  der  jüngere  Scipio  Africanus  glatt 
rasiert  ging,  zeigt  die  Gell.  III  4  erzählte  Ge- 
schichte, daß  er  als  Angeklagter  neque  bar- 
bam desisse  radi  neque  non  Candida  res/e 
uti,  wozu  dann  bemerkt  wird:  comperinuis 
autem  ceteros  quoque  in  isdem  tempoHÖUS  n<>- 
biles  viros  barbam  in  eiusmodi  aetate  (d.  h. 
über  40  Jahre)  rasitavisse  ideircoque  plcrus- 
que  /miii/ines  veterum  non  admodum  semun, 
sed  in  media  aetate,  ita  faetas  ridrnuis.  Das 
bezieht  sich  also  auf  die  zweite  Hälfte  des 
2.  Jahrhunderts,  der  Brauch  war  aber  jeden- 
falls älter. 

')  Es  ist  möglich,  daß  er  anfangs  noch 
nicht  allgemein  beobachtet  worden  ist;  wenig- 
stens zeigt  der  Münzkopf  des  T.  Quinctius 
Flamininus  einen  Bart,  vgl.BERNOULi.il  60  mit 
Münzt.  I  20.  Für  die  Kaiseizeit  bezeugen  den 
Brauch  sowohl  die  Kaiserporträts  als  die  histo- 
rischen Reliefs,  z.B.  von  der  Ära  Pacis  oder 
vom  Triumphbogen  Trajans  in  Benevent,  s. 
Petersen  R.M. VII  (1892)  253ff.  Ueber  die 
Barttracht  auf  den  römischen  Münzen  vgl. 
Borghesi  Oeuvres  I  93  ff.  In  den  Gemälden 
der  Katakomben  sind  die  Männer  in  den  ersten 
Jahrhunderten  bartlos,  seit  Hadrian  vereinzelt 
bärtig,  s.  v.  Sybbl  Christi.  Antike  I  150. 

8)  Daher  barbatorimn  facere,  Petron.  73, 
6;  vgl.  Corp.  Gloss.  VI  128  (immer  durch  .t<»- 
ycovoxovgia  erklärt).  Der  eitle  Trimalchio  hob 
seine  Barthaare  in  einer  pg.vis  ttnrea  non  pu- 
sil/a  auf,  Petron.  29,8,  wohl  in  Nachäffung 
Neros,  s.  unten.  Vgl.  Anth.  Pal.  VI  42;  X  19. 


270 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


altgriechischer  Sitte)  mit  dem  ersten  Haupthaar  tat1),  und  manche  Kaiser 
machten  das  sogar  zu  einem  öffentlichen  Feste2).  Jedoch  folgte  aus 
dieser  Zeremonie  keineswegs  immer,  daß  der  Betreffende  sich  von  nun  ab 
regelmäßig  rasierte;  vielmehr  trugen  sowohl  im  letzten  Jahrhundert  der 
Republik  als  in  der  ersten  Kaiserzeit  nicht  bloß  ganz  junge  Leute,  sondern 
auch  Männer  bis  zum  vierzigsten  Jahre  noch  den  Bart,  wenn  auch  etwas 
gestutzt3),  und  Elegants  pflegten  auf  den  Bartschnitt  große  Sorgfalt  zu 
verwenden4).  Dagegen  blieb  die  Sitte  des  glattrasierten  Gesichts  für  Männer 
in  mittleren  Jahren5).  Davon  machten  freilich  gewöhnliche  Leute  oder 
solche,  die  ihr  Äußeres  vernachlässigten,  keinen  Gebrauch6);  namentlich 
aber  ließen  Leute,  die  angeklagt  oder  verurteilt  waren,  sich  das  Haar  lang 
wachsen  und  den  Bart  stehen 7),  wie  das  auch  bei  Familientrauer  geschah s) 
und  manche  bei  besondern  nationalen  Unglücksfällen  taten9).  Sonst  aber 
taten  das  vornehmlich  Philosophen  oder  die  durch  solches  Äußere  dafür 
gelten  wollten10).  Für  das  Rasieren  sowie  für  die  Haarpflege  überhaupt 
hatten  Leute,  die  über  eine  größere  Sklavenzahl  verfügten,  unter  dieser  ihren 
eigenen  tonsor11);  doch  war  schon  früh  dieser  Beruf  zu  einem  eignen,  oft 
erwähnten  Gewerbe  geworden12),  und  die  tonstrinae  wurden  daher  von  vielen 


')  Censorin.  de  die  nat.  1,  10.  luv.  3, 186. 
Mart.IX  17.    Stat.  silv.  III 4. 

2)  Octavian  beging  die  depositio  barbae 
erst  mit  24  Jahren,  Dio  Cass.  XLVI1I  34,  3; 
Caligula  bei  Anlegung  der  toga  virilis,  im 
19.  Jahr,  Suet.  Cal.  10.  Auf  einer  Grabschrift 
heißt  es  vom  Toten,  er  sei  gestorben  barba 
deposita  peragens  tertium  et  vicensimum  an- 
num,  Not.  d.scavi  1900,578  n.  35.  Nero  depo- 
nierte seinen  Bart  in  einer  goldnen,  perlen- 
verzierten Büchse,  Suet.  Ner.  12.  Dio  Cass.  LXI 
19, 1  (er  trug  aber  auch  später  noch  hie  und  da 
einen  kurzen  Bart,  s.  Bernoulli  II  1,387):  auch 
Heliogabal  beging  das  Pest,  ebd.  LXXIX  14,4. 

3)  Ov.  a.  a.  I  518:  sit  coma,  sit  scita  barba 
resecta  manu;  darauf  gehen  auch  die  oben 
(S.  269  A.  3)  angeführten  Stellen.  Mart.  VIII 117. 
Sen.  ep.  114,  21.  Selbst  Cäsar  erscheint  auf 
einer  nach  seinem  Tode  geprägten  Münze, 
die  ihn  als  Jüngling  darstellt,  mit  leichtem 
Flaum,  s.  Saglio  a.  a.  O.  670  Fig.  788.  Ber- 
>toulli  a.  a.  O.  Münzt.  II  68.  Den  Bart  zu  lang 
zu  tragen,  schien  barbarisch,  vgl.  Capitol.  Verus 
10,6:  barba  prope  barbarica  demissa. 

4)  Daher  Ciceros  Spott  über  diese  barbatuli, 
ad  Att.  I  14,5;  ebd.  16,1;  pro  Cael.  14,33:  non 
hac  barbula,  qua  ista  delectatur,  sed  illa  hor- 
rida;  vgl.  de  lege  agr.  II  5,13;  Catil.  II  10,22. 

5)  Vgl.  luv.  6, 105 :  nam  Sergiolus  iam  rä- 
dere guttur  coeperat;  ebd.  215:  tarn  senior, 
cuius  barbam  tua  ianua  vidit. 

6)  Mart. VII 95, 10 ff.;  XII  59, 8:  menti do- 
minus pediculosi.  Die  Soldaten  auf  derTrajans- 
säule  sind  z.  T.  bärtig  abgebildet,  und  daß 
auch  sonst  die  Soldaten  den  Bart  trugen, 
zeigt  Sen.  ep.  77,  18:  unus  ex  custodiarum 
(igniine  demissa  nsque  in  pectus  veter e  barba. 

7)  Die  barba  reorum,  Liv.  XXVII  34,  5. 
Mart.  II  36, 3;  daher  der  Freigesprochene  ton- 


sus  reus,  Mart.  II  74,3;  vgl.  die  Bemerkung 
bei  Gell.  III  4, 1,  wo  Scipio,  obschon  angeklagt, 
auffallenderweise  rasiert  erscheint. 

8)  Barbam  capillumque  submittere,  Sen. 
dial.XI  17,5. 

9)  Siehe  die  Beispiele  von  Cäsar,  Cato, 
Brutus,  Antonius,  Octavian  bei  Marquardt 
601.  Die  Münzen  bestätigen  das.  bei  Brutus 
für  die  beiden  letzten  Jahre  seines  Lebens 
(nach  Lucan.  II  372  ff.  hätte  er  sich  schon  seit 
Beginn  des  Bürgerkriegs  nicht  mehr  rasiert), 
vgl.  Eckhel  Doctr.  num.  VI  22.  Bernoulli  I 
187 ff.;  für  Octavian  während  des  Krieges  mit 
S.  Pompejus,  vgl.  ebd.  II  12  f.  und  Taf.  32,  1. 

10)  Sen.  ep.  48,  7:  in  hoc  barbam  dentis!  mns  % 
Hör.  sat.  II  3,  35:  sapientem  pascere  barbam. 
Noch  später  sind  barba  et  pallium  Kennzeichen 
des  Philosophen,  Gell.  1X2,4;  XIII  8,  5;  so 
auch  bei  den  Griechen  (vgl.  das  Sprichwort 
änö  nwyoyvog  oocpiazai,  Apostol.  prov.  VI  93  e). 

n)  Das  Lob  solcher  geschickter  tonsor es 
kündet  Mart.  VI  52  u.  VIII  52.  Auf  Inschr. 
sind  diese  tonsores  häufig,  vgl.  Marquardt 
145  A.  3  und  CIL  VI  4359;  4474:  6366  ff.;  X 
1963 ff.;  auch  weibliche  Barbiere  kommen  vor; 
eineFrau  als  tonso;-XII4514,und  auch  tonst ri res 
kommen  inschriftl.  (bei  Plaut.  Truc.  131  ist  es 
Konjektur)  mehrfach  vor,  CIL  VI  6368;  9493: 
9941 ;  sie  bedienten  wohl  auch  nur  Männer. 
Sklaven  wurden  einem  Berufsbarbier  (mer- 
cennarius  tonsor  heißt  er  Petron.  108,  8)  in 
die  Lehre  gegeben.  Digg.  XXXII  65,  3,  und 
lernten  die  Kunst  zuerst  mit  einer  stumpfen 
novacida,  Petron.  94,  14. 

12)  Vgl.  CIL  VI  9940;  XII 45 15  ff.:  im  Gegen- 
satz zum  Schafscherer  nennt  sich  einer  tonsor 
humanus,  XII  4517.  Im  metallum  Vipascenm 
war  das  Barbiergeschäft  an  einen  conduetor 
verpachtet,  CIL  II  5181,  37  ff. 


Sechster  Abschnitt.    Die  Tracht. 


271 


Kunden  besucht  und  waren  beliebte  Sammelpunkte  für  Müßiggänger  und 
Neugierige1),  sodaß  der  Beruf  ein  recht  einträglicher  war2).  Die  Sitte 
des  Rasierens  hörte  mit  Hadrian  auf,  der  sich,  angeblich  um  Narben  oder 
Muttermale  zu  verdecken3),  wieder  den  Bart  stehen  ließ4),  worin  ihn  die 
meisten  seiner  Nachfolger  nachahmten5),  wie  denn  auch  für  die  Bevölkerung 
dies  das  gewöhnliche  geblieben  sein  wird;  erst  mit  Constantin  tritt  dann 
wiederum  die  fortan  mehrere  Jahrhunderte  üblich  bleibende  Bartlosigkeit 
auf6),  von  der  nur  Julian,  in  beabsichtigtem  Gegensatz  zu  christlichem 
Brauch,  eine  vereinzelte  Ausnahme  machte7). 

In  der  Haartracht  der  Männer  ergaben  sich  ebenfalls  teils  durch  das 
Lebensalter,  teils  durch  Streben  nach  Eleganz  oder  durch  die  wechselnde 
Mode  einige  Unterschiede.  Lang,  d.  h.  über  Nacken  und  Schultern  fallend, 
trug  man  es  zwar  für  gewöhnlich  nicht  mehr;  nur  die  jungen  und  schönen 
Sklaven,  die  zur  persönlichen  Bedienung  des  Herrn  oder  zum  Aufwarten 
bei  der  Mahlzeit  bestimmt  waren,  hatten  wohlgepflegte  lange  Locken8), 
und  so  gingen  auch  die  freien  Knaben  bis  zur  Anlegung  der  toga  virilis9). 
Der  Freie  aber  kürzte  das  Haar  mehr  oder  weniger  mit  der  Schere10),  und 
wer  einigermaßen  auf  sein  Äußeres  hielt,  behandelte  es  täglich  mit  dem 
Kamm11)  (wie  man  auch  den  Bart  kämmte12)),  obschon  zu  peinliche  Sorgfalt 
darin  leicht  zum  Vorwurf  gemacht  werden  konnte13).   Stutzer  ließen  sich  die 


')  Bei  Plaut.  Epid.  198  f.  wird  jemand  ge- 
sucht per  medicinas,  per  tonstrinas,  in  ijij- 
mnasio  <tt<im-  in  foro,  \  per  myropolia  et  la- 
nienas  circumque  argentarias,  wo  neben  athe- 
nischen Verhältnissen  wohl  auch  römische  mit 
hineinspielen;  Asin.  343 f.  sitzen  Sklaven  in 
der  tonstrina  und  schwatzen  miteinander. 
Von  der  Geschwätzigkeit  und  Neugier  der 
liarbiere  spricht  Hör.  sat.  1  7,2,  s.  das.  Por- 
phyr: vgl.Plut.de  garrul.l3p.  508F. 

-)  luv.  1,24;  10,225.    Mart.VII64. 

3)  Spart.  Hadr.  26,1. 

4)  Und  zwar  geschah  das  schon  vor  seiner 
Thronbesteigung,  da  er  sowohl  auf  den  traja- 
nischen  Reliefs  des  Constantinbogens  wie  am 
Triumphbogen  von  Benevent  bärtig  erscheint, 
s.  Petersen  R.M.  IV  (1889)  3 19;  324;  VII  (1892) 
252;  die  Deutung  auf  Hadrian  wird  freilich 
von  Bernoulli  II  2,  117  bestritten. 

5)  Dio  Cass.  LXVIII  15,  5.  lulian.  Caes. 
311  D.  Ausnahme  machen  Caracalla  während 
eines  Aufenthalts  in  Antiochia.  Dio  Cass. 
LXXVII  20,1 ,  und  Heliogabal,  ebd.  LXX1X  14,4; 
doch  kommt  auf  des  letzteren  Münzköpfen  ein 
sehr  leichter  Bart  vor,  s.  Bernoulli  II  3,84. 

6)  Bernoulli  a.  a.  0.  212. 

7)  Ammian.  XXV  4. 22  spricht  von  seiner 
hirsuta  barba  in  acutum  desinente;  vgl.  Ber- 
nollli  241.  Als  Cäsar  mußte  er,  als  er  an 
den  Hof  kam,  sich  den  Bart  abnehmen  lassen, 
Iul.ep.  ad.  Ath.  374C.  Zu  vgl.  ist  seine  satiri- 
sche Schrift  Mioonihycov. 

8)  Sen.ep.  119, 14:  crinitns  puer.  Petron. 
27.  1:  pueri  capiOati;  vgl.  ebd.  29,  3;  57,  9; 
70,  8.  Mail.  I  31 ;  II  57, 5 ;  III  58, 31 ;  XII  49, 1 ; 
70,9;  97,4.   Daß  man  sogar  die  Sklaven  nach 


der  Haartracht  in  besondere  Abteilungen  teilte, 
zeigt  Sen.  ep.  95,24:  ut  eadem  ommbtu  laeeitas 
Sit,  eadem  primae  mensura  laniu/inis,  eadem 
epecies  cetpiUorum,  ne  quis,  cid  rectior  est 
coma,  erisptdis  misceatur. 

9)  Als  cirrati,  Pers.  1,  29.  Mart.  IX  29. 7. 
Mart.  Cap.  III 326,  oder  capiUati,  Mart.  X  62,  1 . 
Vgl.  Jahn  zu  Pers.  a.  a.  O.  und  Abh.  d.  SGW 
V  288  A.  95. 

10)  Die  beiden  Hauptarten  der  Kürzung 
des  Haupthaares  nennt  Plaut.  Capt.  268 :  ged 
nfrum  stridimneadtonsuriim  dicam  esse  an  per 
pectinem,  nescio. 

u)  Namentlich  bei  festlichen  Anlässen; 
so  erscheint  man  bei  öffentlichem  Auftreten 
pexue,  Pers.  1,15;  zur  Feier  der  Verlobung 
luv.  6,  26.  Petron.  126.  1  sind  flexae  peetine 
comae  Zeichen  der  Gefallsucht,  während  auch 
Hadrian  nach  Spart.  Hadr.  26, 1  fie.ro  ad  pe- 
ctinem capillo  ging.  Bei  Hör.  carm.  1  15, 14  ist 
das  caesariem  pectere  ebenso  das  Zeichen  sorg- 
fältigerer Körperpflege ;  hingegen  darf  luv.  11, 
149 :  tonei  recUque  capitti  atque  hoc  die  tantmm 
propter  con  viviapexi  nicht  als  Beleg  für  seltnen 
Gebrauch  des  Kammes  angeführt  werden,  da 
es  sich  hier  um  aufwartende  Sklaven  handelt. 

•»)  Mart.VII58.2.  luv.  14. 216. 

13)  Cic.Catil.  1110,22:  qnos  pexo  capiUo, 
)iitidos,  auf  imberbis  aut  bene  barbatos  ri- 
detis;  daher  pexua  übertr.  affektiert  bedeutet, 
Quint.  15,14.  Selbst  0  vid.  a.  a.  III 434  warnt  die 
Mädchen  vor  den  Männern,  qui  mmu  pommi 
in  gtoHoru  eonias;  und  von  Caligula  heißt  es 
bei  Sen.dial.  IV  33, 3,  er  habe  sich  bei  einem 
römischen  Ritter  mundttüa  eins  et  ctdüoräm» 
eapülia  offensus  gefühlt. 


272 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


Haare  mit  dem  Brenneisen  (calamister,  calamistrum1))  zu  Locken  {cincinni, 
anuli*))  kräuseln  und  mit  Ölen  und  Pomaden  salben3).  Namentlich  in  der 
Kaiserzeit  verwendeten  die  Stutzer  sehr  viel  Zeit  und  Sorgfalt  auf  ihre 
Frisur4).  Doch  hielt  auch  der  einfachere  Mann  wenigstens  auf  gleichmäßigen 
Schnitt  der  Haare6),  und  im  allgemeinen  galt  als  Regel,  daß  man  die  richtige 
Mitte  zwischen  Vernachlässigung  und  Pflege  der  Haare  innezuhalten  habe 6). 
Aber  schon  unter  M.  Aurel7)  kam  die  Mode,  wenn  auch  nur  vorübergehend, 
auf,  das  Haar  ganz  kurz  (iv  %q&,  strictim)  zu  scheren,  nach  Art  von  Stoikern 
und  Athleten8),  und  seit  Macrinus  trugen  sich  die  meisten  Kaiser  bis  auf 
Constantin  in  dieser  Weise9).  Kurz  geschnittenes  Haar  und  ein  bärtiges 
Kinn,  bisweilen  ein  mit  der  Schere  gekürzter  Schnurrbart,  war  damals  auch 
die  für  die  Christen  anständige  Haartracht10). 

Erheblich  größer  ist  die  Mannigfaltigkeit  der  Frisuren  bei  der  Frauen- 
welt. Zu  dem  steten  und  namentlich  in  der  Kaiserzeit  oft  recht  schnellen 
Wechsel  der  Mode  kam  hier  noch  der  individuelle  Geschmack  und  die 
eigene  Erfindungsgabe  hinzu,  sowie  auch  der  Umstand,  daß  die  Sitte  den 
jungen  Mädchen  eine  andere  Haartracht  vorschrieb,  als  den  verheirateten 


1 )  Unter  den  W  ei  kzeugen  d es tonsor  PI aut. 
Cure.  577.  Varrol.  1.V129:  calamistrum,  quod 
his  calef actis  in  einer  e  capillus  ornatur;  ders. 
bei  Charis.  1  p.  80,  1 1  Keil  (Riese  Varr.  Sat. 
Men.  234, 8).  Cic.  post  redit.  in  sen.  5,16:  frons 
calamistri  notata  vestigiis.  Petron.  102,  15: 
crines  calamistro  convertere.  Es  wird  bald  als 
Röhre  bezeichnet,  Non.  546, 12:  calamistrum, 
fistula  brevis,  qua  cirri  concinnantur,  bald 
als  Nadel,  Serv.  ad  Aen.  XII  200 :  calamistrum 
est  acus  maior,  quae  calefacta  et  adhibita  in- 
torquet  capillos;  ebenso Isid.  XX  18,4.  Daher  die 
so  behandelten  calamistrati  heißen ,  verächtlich 
bei  Plaut.  Asin.  627.  Cic.  pro  Sest.8, 18;  post 
redit.  in  sen.  6,  12.  Apul.  met.  II  19  sind  die 
pueri  calamistrati  aufwartende  Sklaven.  Cala- 
mistrum wird  daher  auch  öfters  übertr.  von  ge- 
künsteltem Redeschmuck  gebraucht,  z.  B.  Cic. 
Brut.  75, 262.  Vgl.  Saglio  bei  D.-S.  I  811.  Da 
das  Brenneisen  über  glühender  Asche  heiß 
erhalten  wurde,  heißt  der  Sklave,  der  es  be- 
nutzte, auch  ciniflo  oder  cinerarius,  Varr.  1. 1. 
V129.  Catull.61,134.  Hör.  sat.  I  2, 98  u.  das. 
Acro.  Sen.dial.  II  14, 1.  Tertull.  ad  uxor.  II  8. 
Coi-p.Glos8.II100.30;  ebd. 45;  265,44.  Vgl. 
Mau  bei  P.-W.  III  2559,  der  aber  die  Etymo- 
logie von  cinis  ablehnt  und  an  die  bei  Acro 
und  Porphyr,  a.  a.  O.  gegebene  Erklärung  von 
ciniflo  durch  xtxiwojtöXos  erinnert. 

2)  Mai  t.  II  66, 1  f.  Sen.  dial.  X  12, 3.  Quint. 
XII  10,7. 

3)  Auch  von  den  cincinni  und  den  cin- 
cinnati  spricht  Cicero  oft  verächtlich,  s.  post 
redit.  in  sen.  5, 12 :  cincinnatus  ganeo;  in  Pison. 
11,  25 :  compti  capilli  et  madentes  cincinno- 
rum  fimbriae;  pro  Rose.  Amer.  46,  135.  Als 
Zeichen  weibischer  Art  Plaut.  Capt.  648 :  mil. 
gl.  923;  vgl.  Cic.  pro  Sest.  11, 26.  Selbst  Ovid 
warnt,  a.  a.  I  505 :  sed  tibi  nee  ferro  placeat 
torquere  capillos. 


4)  Sen.  ep.  124,  22:  quid  capillum  ingenm 

diligentia  comis?  Besonders  bezeichnend  ist 
die  Schilderung  bei  dems.  dial.  X  12,3:  Quid? 
Mos  otiosos  vocas,  quibus  apud  tonsorem  muU 
tae  horae  transmittuntur ,  dum  decerpitur,  si 
quid  proxima  nocte  suecrevit,  dum  de  singulis 
capillis  in  consilium  itur,  dum  aut  disiectä 
coma  restituitur  aut  deficiens  hinc  atque  Mine 
in  frontem  conpellitur?  quo  modo  iraseuntur^ 
si  tonsor  paulo  negligentior  fuit,  tamquani 
virum  tonderet?  quomodo excandeseunt,  si  quid. 
ex  iuba  sua  decisum  est,  si  quid  extra  ordinem 
iaeuit,  nisi  omnia  in  anulos  suos  recidenuit? 
quis  est  istorum,  qui  non  malit  rempublicam 
suam  turbari  quam  comam  ?  qui  non  sollicitior, 
sit  de  capitis  sui  decore  quam  de  salnte?  </ui 
non  comptior  esse  malit  quam  honest ior?  l/us  tu 
otiosos  vocas  inter  pectinem  specuhimque  occw> 
patos  ? 

5)  Capilli  pares,  Sen.  ep.  82, 15. 

6)  So  rät  Quintil.  XII  10,47:  ne  intonsioit 
caput,  non  in  gradus  atque  amdos  comptum  (sit). 
Wie  man  sieht,  galt  auch  der  abgestufte  Haar- 
schnitt, den  Nero  liebte  (Suet.  Ner.  51:  com4 
semper  -in  gradus  formata)  als  geckenhaft. 
Quint.  I  6,44  stellt  comam  in  gradus  frangere 
auf  eine  Stufe  mit  den  schlechten  Gewohn- 
heiten des  velli  und  des  Trinkens  im  Bade. 
Vgl.Manil.Astr.V146ff. 

7)  Galen.  XVII  2, 150  K.:  xaUnsQ  *W  'AÄ 
zcorivov  tov  Koupoöov  naxQog  oi  ovvövxeg  cbiav- 
rsg  sv  xqü>  xtiQÖfxsvoi.  Aovxio?  8k  fiiuo/.oyov? 
avzovg  ajiExdXei  y.ai  8iä  xovxo  näfov  sxöuov  <>i 

flFT.'  FXFIVOV. 

8)  Hör.  ep.  1 18,  7.  Pers.  3,  54.  luv.  2, 15. 
Vgl.  Jahn  z.  Pers.  a.  a.  O. 

9)  Das  zeigen  die  Münzen,  vgl.  Darem- 
berg-Saglio  I  1366.  Bernoülli  II  3  Münzt.  II 
7  ff.  Marquardt602  A.5. 

10)  Clem.Al.Paed.  III  11,60  p.  289 P. 


Sechster  Abschnitt.    Die  Tracht. 


273 


Frauen x),  um  von  gewissen  bei  priesterlichen  Ämtern  üblichen  Frisuren  zu 
schweigen2).  Allerdings  scheint,  wie  überhaupt  die  Tracht,  so  auch  die  Haar- 
mode in  der  altern  Zeit  ziemlich  einfach  gewesen  zu  sein,  sodate  gekräuselte 
und  gelockte,  mit  Pomaden  behandelte  Haare  mehr  zu  den  Toilettenkünsten  der 
Buhlerinnen  gehörten3).  Für  Mädchen  war  die  schicklichste  Frisur,  das  Haar 
nach  griechischer  Art  nach  hinten  zu  kämmen  und  im  Nacken  in  einen  Knoten 
zusammenzufassen4);  oder  es  wurde  in  Zöpfe  geflochten  und  kranzartig  um  den 
Kopf  gelegt,  der  Knoten  oben  auf  dem  Scheitel  angebracht5).  Hierzu  dienten 
teils  Nadeln,  teils  Bänder,  vittae  (bei  der  Tracht  der  Priesterinnen  infulae6)), 
deren  Gebrauch  nur  freigebornen  Mädchen  und  Frauen  zustand 7).  Die  ver- 
heirateten Frauen  nahmen  eine  andere  Haartracht  an.  Bei  der  Toilette  der 
Braut  wurden  die  Haare  in  sechs  Flechten  (crines)  geteilt  und  mit  Binden 
umwunden  und  auseinander  gehalten  (Näheres  darüber  siehe  unten  Abt.  II 
Abschn.  III).  Diese  Haartracht  galt  aber,  wie  es  scheint,  nur  für  den  Tag  der 
Vermählung,  während  die  Matrone  freier  in  der  Wahl  ihrer  Frisur  war.  In 
älterer  Zeit  banden  sich  die  Frauen,  nach  einer  aus  Etrurien  überkommenen 
Mode,  das  Haar  mit  der  doppelten  Binde,  die  ihr  Vorrecht  blieb,  auf  dem 
Scheitel   zu   einem   hohen  Aufsatz   auf,   der  tutulus   hieß8).     Diese  Tracht 


*)  Den  Unterschied  in  der  Haartracht  der 
Mädchen  und  der  Frauen  bezeugt  nicht  nur  für 
die  ältere  Zeit  Plaut,  m.  gl.  791 ,  sondern  auch  für 
die  spätere  Tert.  de  virg.vel.  1 2:  vertäut  capillum 
et  acu  lasciviore  comam  ibi  inserunt,  erinibus 
afrontedivisisopertamprofessae  mulier  itatem. 

2)  Außer  der  Flaminica  kommen  da  vor- 
nehmlich die  Vestalinnen  in  Betracht.  Die- 
sen wurde  zwar  bei  ihrem  Eintritt  das  Haar 
abgeschnitten,  aber  nur  das  eine  Mal,  als 
Opfer,  Plin.  XVI  235,  vgl.  Festus  57, 17.  Die 
eigentümliche  Kopftracht,  die  sie  zu  tragen 
hatten  und  die  in  einer  Reihe  wulstartig 
um  den  Kopf  gelegter  Binden  das  Haar  voll- 
ständig verdeckten,  ist  an  den  im  Atrium 
Vestae  in  Rom  gefundenen  Vestalinnenstatuen 
sehr  genau  zu  erkennen,  vgl.  Not.  degli  scavi 
1883  tav.  18,1—  3.  Springer-Michaelis  Handb. 
der  Kunstgesch.8  439  Fig.  829.  Wir  kommen 
auf  diese  Haartracht  und  die  der  Bräute  unten 
(Abt.  II  Abschn.  III)  zurück. 

3)  Plaut.  Truc.  287:  htm  hercle  ego  tstos 
fictos  comptos  crispos  cincinnos  tuos  |  ungtien- 
tatos  usque  ex  cerebro  evellam. 

4)  Hör.  carm.  II  11,23:  mcomptam  La- 
caenae  \  niore  comam  religata  modo.  Ov.  met. 
III  IG!» :  sparsos  per  colla  capillos  \  colligit  in 
nodum;  VIII  319:  crinis  ertd  simplex.  nodum 
collectus  in  unum;  a.  a.  III  143:  altera  8UO 
oinctae  religetur  more  Dianae. 

h)  Das  empfiehlt  Ov.a.a.  III 139:  exiguum 
summa  nodum  sibi  fronte  relinqui,  ut  pateant 
anres,  nra  rotunda  volunt.  Apul.  met.  II  9: 
uberes  enim  crines  leviter  remissos  et  cervice 
dependulos  ac  dein  per  colla  dispositos  sensitn- 
que  sinuato  patagio  residentes,  paüUsper  ad 
finem  conglobatos  in  summum  verticem  nodus 
adstrinxerat.  Auch  von  christlichen  Autoren 
wird  diese  Frisur  als  die  passendste  für  Mäd- 
Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft.    IV. 


chen  empfohlen,  Clem.  AI.  paed.  Hill,  GOp.  290 : 
Talg  yvvat^l  ös  äiro^ot]  paXäaasiv  rag  roi/ii; 
xai  avadslodai  ztjv  xöfiqv  evxeXtbg  negdrij  rtri 
hzfj  Jiaga  xov  avyjva  ufpskei  {kgcouiq  ovrav- 
g~ovoaig  sie  xälkog  yvf/oiov  zag  oojqioovag  xöpag. 
So  warnt  Paul,  ad  Timoth.  I  2, 9  die  Frauen 
vor  den  xazajr/Jyfiaza,  Petr.  ep.  13,3  vor  der 
ifutkoxtj  zQiywv.  Vgl.  Tertull.  de  cult.  fem.  II  7 ; 
de  virg.vel.  7:  {virginutn)  ornatus  ipse  p>-<>- 
prie  sie  est,  ut  coneumulata  in  verticem  (coma) 
ipsam  capitis  arcan  ambüu  criniunt  amteqerit. 

6)  Serv.  ad  Aen.  X  538,  Varr.  1. 1.  VII  24. 
Fest.  113, 1  u.s.  Vgl.  Fougeres  bei  D.-S.  III 
515.  Eine  in  Pozzuoli  gefundene  Frauenstatue, 
die  diese  quer  über  den  Kopf  gehenden  Binden 
(ganz  ähnlich  der  Vestalinnentracht)  zeigt,  ist, 
wie  das  neben  ihr  stehende  Gerät  für  Rauch- 
opfer und  die  Verhüllung  des  Hinterkopfes 
vermuten  lassen,  eine  Priesterin,  s.  Farinelli 
Not.  d  scavi  1902, 58  ff.   Gabrici  ebd.  64. 

7)  Varr.  b.Non.  236, 2G :  minores  natu  capüe 
aperto  crant,  capillo  pc.ro,  vittisque  innexü  cri- 
n Oms :  vgl.  Ov.  trist.  II 252 ;  ex  P.  III  3,51.  Verg. 
Dirae  156  (Lyd.  53).  Hieron.  in  Esai.  II  3  v.23 
p.  71 M.  Die  Dichter  übertragen  die  Sitte  auf 
mythische  Zeit,  Verg.  A  en.  II 1 68.  Val.  Fl.  VIII 6. 

8)  Varr.  1. 1.  VII 44:  tutulus  appcllatas  ah 
eo  quod,  ntatres  fami/ias  crines  conrolnfos 
ad  verticem  capitis  qnos  hahent  ritta  rc/atos, 
dicebantur  tutnli.  Auf  römischen  Denkmälern 
ist  diese  Tracht  nicht  nachweisbar,  wohl  aber 
findet  man  sie  häufig  auf  etruskischen  Bild- 
werken in  Form  einer  steifen,  unten  eng  dem 
Schädel  anliegenden,  jedoch  über  denselben 
emporragenden  Haube,  die  in  der  Höhe  des 
Scheitels  von  einem  dicken  reifartigen  Bande 
und  über  der  Stirn  von  einer  mehrfach  ge- 
fältelten Zeugbinde  umgeben  ist,  s.  Helbig  a. 
a.  0.  513  f.  mit  Taf.  II. 


3.  Aufl. 


18 


274 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


scheint  aus  dem  gewöhnlichen  Leben  schon  ziemlich  früh  verschwunden  zu 
sein,  blieb  aber  das  Vorrecht  der  Gattin  des  Flamen  dialis,  der  Flaminica x). 
Sonst  aber  blieben  Binden  ein  besonderes  Kennzeichen  der  Haartracht  der 
Matronen,  wenn  auch  die  Art,  dieselben  anzubringen,  mit  der  Mode  wechseln 

mochte2). 

Gegen  das  Ende  der  Republik,  besonders  aber  in  der  Kaiserzeit,  finden  wir 
bei  der  römischen  Damenwelt  eine  so  ungemeine  Fülle  von  Frisuren  üblich, 
daß  Ovid  es  für  ganz  unmöglich  erklärt3),  sie  alle  aufzuzählen4);  nicht  bloß 
die  Tyrannei  der  Mode  machte  sich  dabei  geltend,  sondern  auch  die  Besonder- 
heit jeder  einzelnen  Dame,  die  gern  eine  Frisur  wählte,  bei  der  ihre  Figur, 
ihre  Kopfform,  ihr  Teint  etc.  sich  am  vorteilhaftesten  ausnahmen5).  Am 
besten  lernen  wir  diese  Mannigfaltigkeit  aus  den  Büsten  und  Münzbildern  der 
Kaiserinnen  und  Prinzessinnen  kennen6).  Wenn  in  der  letzten  Zeit  der 
Republik  und  zu  Anfang  der  Kaiserzeit  wir  vornehmlich  das  in  der  Mitte 
gescheitelte7),  seitlich  zurückgestrichene  und  hinten  zopfartig  zusammen- 
gefaßte oder  frei  fallende  Haar  finden8),  so  kommen  daneben  mehr  und  mehr 
in  Mode  die  Frisuren  mit  zahlreichen  Locken,  die  Stirn  und  Schläfe  umgeben 
oder  auf  Schultern  und  Nacken  herabfallen9).  Unter  den  Flaviern  kommen 
die  hohen  Frisuren  auf10),   bei   denen   die  Stirn   von  einem  in  zahlreichen 


*)  Festus  355  a,  29 :  tutulum  vocari  aiunt 
Flaminicarum  capitis  ornamentum,  qnod  fiat 
vitta  purpurea  innexa  crinibus  et  extractum 
in  altäudinem.  Wenn  aber  Helbig  315  meinte, 
diese  Anordnung  des  Haares  sei  identisch  mit 
den  sechs  crines  der  Braut  und  der  Vestalin- 
nen,  so  hat  die  Auffindung  der  erwähnten 
Statuen  gezeigt,  daß  bei  letzteren  von  einer 
Auftürmung  des  Haares,  wie  sie  die  Flami- 
nica und  die  alte  mater  familias  trug,  nicht 
die  Rede  ist.  Die  von  Becker-Göll  271  als 
Beleg  für  Fortdauer  der  tutulus-F  risur  an- 
geführte Inschrift  Henzen  6285  ist  unecht, 
s.  Henzen  Comm.  in  hon.  Momms.  632. 

2)  Serv.  ad  Aen.VII  403:  crinales  vittas, 
quae  solarum  matronamm  erant.  Plaut,  m. 
gl.  791:  ex  matronamm  modo  \  capite  compto 
crinis  vittasque  habeat  adsimuletque  se  |  tuam 
esse  uxorem.  Prop.  V  (IV)  3,  15 :  nee  reeta  ca- 
jiillis  |  vitta  data  est:  nupsi  non  comitante  deo; 
ebd.  11,  33:  mox,  ubi  iam  faeibus  cessit  prae- 
te.rta  maritis,  \  vinxit  et  aeeeptas  altera  vitta 
comas.  Marquardt  a.  a.  0.  A.  3  versteht  das 
von  einem  doppelten  Bande,  während  die  Jung- 
frau ihr  Haar  nur  mit  einem  einzigen  zu- 
sammengehalten hätte,  und  bezieht  darauf 
das  Privilegium  der  Matronen  bei  Val.  Max. 
V  2,  1 :  vetustis  aurium  insignibus  novum  vit- 
/"<■  (Uscrimen  adiecit.  Vgl.  Rossbach  288. 

8)  Vgl.  Böttiger  Sabina  I  155  ff. 

*)  Ov.a.a.III149ff.;  vgl.Tib.18,9:  quid 
tibi  nunc  molles  prodest  coluisse  capillos  j 
saepeque  mutatas  disposuisse  comas. 

h)  Ov. a.a.O.  \Zh:necgenusor»atusnnumst: 
qnod  quamque  decebit,  \  elegat  et  speculum  con- 
sulat  ante  suum,  worauf  er  einige  Ratschläge 
folgen  läßt. 


°)  Vgl.  die  Zusammenstellung  bei  Daresc- 
berg-Saglio  I  1368  ff.  Fig.  1855  ff. 

7)  Der  Scheitel,  der  auch  bei  den  Männer- 
frisuren üblich  war,  scheint  nach  Mart.  VI 
74,  2  semita  geheißen  zu  haben,  s.  Fried- 
länder das. 

8)  Ov.  a.  a.  0.  137:  longa  probat  facies 
capitis  discrimina  puri.  Man  vgl.  besonders 
die  Porträts  der  Livia,  Bernoülli  II  1,83  ff. 
Taf.  32,  9—13. 

9)  Ov.  ebd.  141:  alterius  crines  umem 
iactentur  utroque;  ders.  am.  1  5,  10:  Candida 
dividua  colla  tegente  coma.  Die  Locken  heißen 
außer  cincinni  und  anuli  (s.  oben)  capronae, 
wenn  sie  in  die  Stirn  fallen,  Non.  22,  3:  ca- 
pronae dieuntur  comae,  quae  ante  frontem 
sunt,  quasi  a  capite  pronae.  Lucilius  Satgra- 
rum  lib.  VII:  iaetari  caput  atque  comas  fluitare 
capronas,  \  alias,  frontibus  inmissas,  ut  mos 
fuit  Ulis.  Nach  Fest.  48, 12  und  Corp.  Gloss.  IV 
29,49;  V  649, 37  von  Pferdehaaren,  doch  zeigt 
Apul.  flor.  I  3,  daß  es  auch  vom  Menschen 
gesagt  wurde.  Ebd.  sind  antiae  anscheinend 
die  an  Schläfen  und  Wangen  hangenden  Locken. 
Fest.  17,  5:  antiae  muliebres  capilli  dernissi 
in  frontem.  Isid.  XIX  31,  8:  anciae  sunt  ein- 
cinni  dependentes  prope  auriculas.  Vgl.  Tert. 
depall.4.  Charis.I  p.  33,  7  (Keil);  exc.p.549,1. 
Häufig  in  den  Glossen  als  y.6/.iai  ai  diu  i&v 
xoozäqxov  xoe^iäfievai1  yvvaix(bv,  .Corp.  Gloss. 
II  21,  22;  vgl.  VI  76.  Vgl.  die  Agrippina-Bild- 
nisse,  Bernoulli  a.  a.  0.  242  u.  373,  Taf.  15; 
19  ff.;  33,  17—19;  35,2—7. 

lu)  luv.  6,  502:  tot  premit  ordinibus,  tot 
adhuc  compagibus  altum  aedificat  caput. 
Andromachen  a  fronte  videbis,  \  post  minor 
est,  credas  aliam.    Stat.  silv.  12,  113:  celsae 


Sechster  Abschnitt.    Die  Tracht. 


275 


Stockwerken l)  sich  aufbauenden  oder  durch  Einlagen  aufgebauschten  Haar- 
diadem2) oft  sehr  erheblich  überhöht  wird,  wofür  in  den  Porträts  ganz 
bizarre  Beispiele  vorliegen3).  Die  Herstellung  solcher  Frisuren,  bei  denen 
das  Brenneisen  eine  wichtige  Rolle  spielte,  erforderte  große  Mühe  und 
Sorgfalt,  sowie  eine  Menge  falschen  Haares.  Auch  in  der  Folgezeit  blieben 
die  Frisuren  noch  sehr  künstlich,  und  wenn  die  hohen  Aufbauten  ver- 
Bchwinden,  so  kommen  dafür  zahlreiche  Zöpfe,  die  doppelt  und  dreifach  um 
den  Kopf  gelegt,  oben  nestartig  zusammengenommen  oder  hinten  in  einem 
Knoten  aufgebunden  sind,  noch  hinzu4).  Im  dritten  Jahrhundert  sind  die 
gewellten  Scheitel,  die  sich  in  mannigfaltigen  Formen  über  den  Kopf,  an 
Schläfen  und  Nacken  anlegen  und  die  Ohren  verdecken,  besonders  beliebt5); 
und  dazu  kommt  dann  häufig  die  Mode,  daß  das  hintere  Kopfhaar  geflochten 
vom  Nacken  in  die  Höhe  genommen  und  mit  Bändern  oder  Nadeln  am 
Hinterkopf  befestigt  und  bis  zur  Scheitelhöhe  geführt  wird6).  Mit  diesen 
Hauptformen  ist  die  Fülle  der  Formen,  die  die  Mode  in  der  Frauenfrisur 
geschaffen  hat,  noch  bei  weitem  nicht  erschöpft,  zumal  durch  Beifügung 
von  Schmuck,  wie  Nadeln,  Agraffen,  Diademe,  Perlenschnüre,  Netze  usw. 
noch  eine  Menge  von  Nuancen  hineingebracht  wurde7). 

Unzählig  sind  die  Öle,  Salben  und  Pomaden  (capillaria8)),  mit  denen 
Männer  wie  Frauen  die  Haare  tränkten  und  einschmierten,  teils  nur 
des  Wohlgeruchs  halber,  teils  um  sie  geschmeidig  zu  machen  und  zu 
kräuseln9),  ihr  Ausfallen  oder  das  Grauwerden  zu  verhindern  und  das  Wachs- 
tum zu  befördern10).    Nicht  minder  zahlreich  und  mannigfaltig  waren  die 


proctll  adspice  frontis  honorem  j  suggestumque 
eomae.  Aelmliche  hohe  Frisuren  erwähnen 
die  Kirchenväter,  so  Tertull.  de  cult.  fem.  II  7 : 
affigitis  praeterea  nescio  quas  enormitates  ca- 
pillamentorum,  nunc  in  galer i  modum,  quasi 
vaginam  capitis  et  operadum  verticis,  nunc 
in  cervicem  refro suggestum.Frudent.Psychom. 
183:  turritum  tortis  caput  accumularat  in 
altum  crinibus,  extructos  augeret  ut  addita 
eirros  congerias  celmmque  apicem  frans  ar- 
dua  ferret.  Hieron. ep.  130,7p.lll3M.:or»f7rc 
crinem  et  alienis  capillis  turritum  verficem 
Btriiere.  Doch  können  das  nicht  die  aufgetürm- 
ten Frisuren  der  Flavierzeit  sein,  da  diese  in 
den  Münzbildern  nicht  wiederkehren,  sondern 
andere  hohe  Frisuren  der  folgenden  Jahr- 
hunderte. 

')  Das  sind  die  ordines  bei  luv.  a.  a.  0. 

2)  Vermutlich  orbis  genannt,  nach  Mart. 
II  66,  1:  unus  de  toto  peccaverat  orbe  coma- 
rum  anulus.  In  anderem  Sinne  Ov.  am.  1 14, 
25:  quam  se  praebuerunt  ferro  patienter  et 
igtti,  ut  fieret  torto  nexilis  orbe  sinus;  so  auch 
Claud.  carm.  XXXV  15:  Uli  multifidus  crinis 
tinuatur  in  orbes. 

3)  Man  vgl.  Bernoulli  II  2  Taf.  13  ff.; 
20  f. :  29  ff. ;  Münzt.  II 5—8 ;  12- 15 ;  III 6— 14. 

4)  Vgl.  ebd.  Taf.  46  f.;  65.  Münzt.  III  18 
bis  20;  IV  8— 10;  19—21. 

5)  Schon  bei  der  Crispina,  ebd.  Münzt.  V 
15 — 18;  dann  bei  der  Iulia  Domna,  ebd.  II  3 


Taf.  15  ff.  Münzt.  I  13—15,    sowie   sonst,   s. 
Taf.  31  f.;  Münzt.  II  1  f.;  18—21. 

6)  So  besonders  bei  der  Otacilia,  ebd. 
Taf.  43.  Münzt.  IV  6  ff.;  auch  sonst,  s.  ebd. 
Münzt.  V  7;  13—15;  VI  9  f.;  VII  1;  so  auch 
noch  Helena,  die  Mutter  Constantins,  ebd. 
VIII  2,  und  überhaupt  im  4.  Jahrh.,  ebd.  VIII 
5;  IX  1.  Vgl.  auch  v.  Sybel  Christi.  Antike 
1151. 

7)  Bezeichnend  ist  Tert.  cult.  fem.  II  7: 
quid  crinibus  vestris  quiescere  non  licet, 
modo  substrictis,  modo  relaxatis,  modo  aus- 
citdtis,  modo  ellxis?  dliae  gest'nuit  ix  ri>i- 
cinnos  coercere,  dliae  ut  vagi  et  volucres  cl<i- 
baiitur,    höh    bona   simp/icitate. 

8)  Mart.  III  82,  28.  Die  Erwähnungen 
dieser  nnguenfa  bei  Prosaikern  und  Dichtern 
sind  zahllos:  vgl.  z.  B.  Plaut.  Cas.  226.  Cic. 
Catil.II  3,  5;  inPis.11,25.  Hör.  carm.  I  29,8; 
117,7.  Tib.  17,51.  Ov.  her.  21,  161.  Mart.  VI 
55,  1;  74,2;  XIV  146. 

9)  Plin.  XXII  62;  72.  XXIV  26;  XXVIII 
91;  XXXI  14:  auch  bei  den  Aerzten  öfters 
erwähnt,  Galen  XII 434K.;  ebd.  445,  und  mehr 
bei  Marqüardt  787  A.  7. 

10)  Eine  Menge  dahin  gehender  Angaben 
und  Rezepte  bei  Plinius,  z.  B.  XXIII 148 :  XXVI 
18;  XXVI II  164;  XXX  134;  auch  Mittel  gegen 
das  Ausfallen  der  Haare,  der  Augenbrauen 
und  Wimpern  gehören  hierher,  Plin.  XXVIII 
163  ff.,  und  mehr  bei  Marqüardt  786  A.  8. 

18* 


276 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


Haarfärbemittel1);  man  färbte  die  Haare  teils  dunkelbraun2),  teils  schwarz3), 
teils  blond.  Denn  die  Vorliebe  für  diese  bei  den  Südländerinnen  seltne  Haar- 
farbe war  bei  den  Frauen  schon  zu  den  Zeiten  des  alten  Cato  aufgekommen4), 
wobei  es  sich  dann  nicht  nur  um  ein  Färben  grauer  Haare  handelte,  sondern 
um  ein  Beizen  des  dunkeln  Haares,  das  dieses  hellblond  (flavus)  machte, 
wozu  man  meist  Pflanzensäfte  nahm5),  oder  rotblond  (rutilus),  wofür  ver- 
schiedene aus  keltischen  und  germanischen  Ländern  bezogene  Beizen  ver- 
wendet wurden,  besonders  eine  sapo  genannte  Mischung  von  Fett  und 
Pflanzenasche6),  die  auch  spuma  hieß7).  Doch  waren  manche  dieser  Mittel 
nicht  nur  für  die  Haare,  sondern  auch  für  die  Kopfhaut  gefährlich  und 
ihre  Anwendung  konnte  schwere  Folgen  nach  sich  ziehen8). 

Verbreitet  waren,  sowohl  bei  Männern  wie  bei  Frauen,  die  im  Orient 
schon  sehr  früh  bekannten  Perücken9),  galeri10)  oder  capülamenta11)',  man 
trug  sie,  abgesehen  von  dem  seltneren  Zweck  der  Unkenntlichmachung12), 
teils  um  Kahlköpfigkeit  zu  verbergen13),  teils  der  Mode  halber,  da  die  er- 
wähnte Vorliebe  der  Frauen  für  blonde  Haare  dazu  führte,  daß  man  sich 
blonde  Perücken  aufsetzte14),  deren  Haare  besonders  aus  Deutschland  be- 
zogen  und   in   den  Friseurläden  Roms  verkauft  wurden15).     Man  trug  sie 


x)  Veneria  nennt  sie  Ov.  am.  I  14,  44,  was 
hier  nicht  bloß  eine  Uebersetzung  von  <pdg- 
fiaxov  sein  soll,  sondern  auf  den  nachteiligen 
Einfluß  dieser  Mittel,  die  oft  Kahlköpfigkeit 
verursachten,  hindeutet;  das  ganze  Gedicht 
ist  eine  Warnung  vor  solchen  Mitteln.  Eine 
große  Zahl  solcher  Rezepte  gibt  Plinius,  s. 
v.Jan  Indic.  Plin.  81  unter  capillus;  vgl.  auch 
Galen  XII  434;  439  K. 

2)  Besonders  mit  Nußschalenextrakt,  Tib. 
I  8,  44.  Plin.  XV  87;  andere  Mittel  ebd.  XXIII 
67;  91. 

3)  Mart.III  43,  1;  IV  36;  VI  55,  2;  XII 
17,  7;  besonders  mit  Saft  von  Blättern  der 
schwarzen  Akazie,  Dioscor.  1 133.  Plin.  XXIV 
110,  vgl.  Petron.  23,  5.  Andere  Färbemittel 
Plin.  XXIII  99;  160;  164;  XXIV  10;  15;  79; 
XXVI  164  u.  s. 

4)  Cato  bei  Serv.  ad  Aen.  IV  698  und  bei 
Charis.  I  p.  101, 14  (Keil).  Vgl.Val.  Max.  II 1, 5 : 
quo  formam  suam  concinniorem  efficerent, 
summa  cum  diligentia  capillos  cinere  rutila- 
runt.  Festus  262  b,  18:  rutilum  rufum  signi- 
ficat,  cuius  coloris  studiosae  etiam  antiquae 
mulieres  fuerunt. 

6)  Plin.  XXVI 164.  Luc.  Amor.  40.  Hieron. 
ep.  107,5  p.  872.  Tertull.  cult.  femin.  II 6.  Auch 
für  graue  Haare  nahm  man  germanische  Färbe- 
mittel, Ov.  a.  a.  III 163:  femina  canitiem  Ger- 
manis in  ficitherbis;  doch  auch  schwarze  Farbe, 
Tert.  a.  a.  O.:  quamvis  et  atrum  ex  albo  co- 
nantur,    quas  poeniteat    ad  senectam   usque 

ri.rixse. 

6)  Plin.XXVIII  191 :  prodest  et  sapo,  Gal- 
liarum  hoc  inventum  rutilandis  capillis.  fit 
ex  sebo  et  cinere,  optimus  fagino  et  caprino, 
duobns  modle,  sjjissus  ac  liquidus,  uterque 
apud  Germanos   maiore   in   usu  viris  quam 


feminis.  Vgl.  die  A.  5  zitierten  Stellen,  ferner 
Seren.  Samm.  52.  Galen  XIV  392  und  sonst 
bei  den  alten  Aerzten,  s.  Marquardt  787  A.  1; 
vgl.  Besnier  bei  D.-S.  IV  1062.  Weiteres  noch 
bei  Beckmann  Beitr.  z.  Gesch.  d.  Erfind.  IV  5  ff. 

7)  Spuma Batava,Mart.Yim3, 19f. ;  ( 'hal- 
tten .spuma,  ebd.  XIV  36;  dasselbe  sind  die 
pilae  Mattiacae,  als  sapo  bezeichnet  ebd. 
XIV  27. 

8)  Tert.  cult.  fem.  II  6:  atqui  et  detri- 
mentum  crinibus  medicaminum  vis  irmrit 
et  cerebro  perniciem  etiam  ciiiuslibet  sineeri 
humoris  assiduitas  reservat,  tum  solis  ani- 
mando  shnul  et  siccando  capillo  exoptahilis 
ardor  nocet. 

9)  Vgl.  Krause  Plotina  191  ff.  S.  Reinach 
bei  D.-S.  II  1452  ff. 

10)  Eigentlich  bedeutet  galerus  eine  eng- 
anliegende Kappe,  namentlich  von  Landleuten 
getragen  (vgl.  Corp.  Gloss.VI  481);  so  z.B.Val. 
Fl.  IV  138 ;  galericulum  Mart.  XIV  50.  Im  Sinn 
von  Perücke  luv.  6, 120.  Suet.Oth.  12.  Avian. 
fab.  10,  7. 

11)  Petron.  110,  5.  Suet.  Calig.  11.  Tert. 
cult.fem.II7.  Ein  seltner  Ausdruck  ist  corym- 
bium,  Petron.  110,  1. 

12)  Wir  haben  dafür  nur  die  Beispiele 
der  Kaiser,  Suet.  Calig.  11 ;  Nero  26  (wo  jedoch 
der  galerus  auch  eine  Kappe  sein  könnte), 
und  der  Messalina,  luv.  6,  120. 

13)  Suet.  Oth.  12 :  galericulo  capiti  j/ropter 
raritatem  capillorum  adaptato  et  adne.ro,  ul 
nemo  dinosceret.  Avian.  a.  a.  O. 

u)  luv.  a.  a.  O.  Petron.  110,  5. 

15)  Ov.  am.  I  14,  45:  nunc  tibi  captivoa 
mittet  Germania  crinis;  a.  a.  III  165.  Mart. 
V  68;  VI  12, 1;  XII 23, 1.  Perücken  aus  Indien 
werden  Digg.  XXXIX  4,  16,  7  erwähnt. 


Siebenter  Abschnitt.    Die  Sklaven.  277 

teils  über  dem  eignen  Haare1),  teils  auf  dem  glattrasierten  Kopfe2).  Die 
Sitte  dieser  oft  sehr  umfangreichen  Perücken  läßt  sich  auch  an  den  Porträts 
der  Frauen  vom  Kaiserhofe  verfolgen3). 

Seltner  kommt  Bestreuen  des  Haares  mit  Goldstaub  vor*),  und  das  von 
Martial  erwähnte  Aufmalen  von  Haaren  vermittelst  schwarzer  Farbe  ist 
wohl  nur  ein  Scherz5). 


Siebenter  Abschnitt. 

Die  Sklaven. 


Litteratur 

Becker-Göll  II  115  ff'.  (Litteratur  121  ff.). 

Mar^uardt-Mau  135  ff.  (mit  Angabe  der  älteren  Litteratur  S.  135  A.  1). 

Caqüebay  De  l'esclavage  chez  les  Romains.    Paris  1864. 

H.  Wallon  Histoire  de  l'esclavage  dans  l'antiquitö;  2  6d.  Paris  1879.    Band  II  und  III. 

T.  Trincheri  Studi  sulla  condizione  degli  schiavi  in  Roma.    Roma  1888. 

L.  Halkin  Les  esclaves  publics  chez  les  Romains.    Bruxelles  1897. 

L.  Bauchet  und  V.  Chapot  Artikel  Servi  bei  Daremberg-Saglio  IV  1260  ff. 

Wenn  wir  an  dieser  Stelle  von  der  Sklaverei  bei  den  Römern  handeln, 
so  ist  das  insofern  berechtigt,  als  diese  unter  den  Grundbedingungen  des 
römischen  Lebens  eine  sehr  wichtige  Rolle  spielt  und  die  Entwicklung,  die 
der  römische  Staat  genommen  hat,  ohne  die  Einrichtung  der  Sklaverei  gar 
nicht  denkbar  wäre,  wie  andrerseits  die  Veränderungen,  denen  das  Sklaven- 
wesen im  Lauf  der  republikanischen  und  dann  der  Kaiserzeit  unterlag,  aufs 
engste  mit  dem  gesamten  Kulturgang  und  mit  den  Schicksalen  des  Römer- 
reichs zusammenhängen. 

Sklaven  gab  es  in  Rom  seit  den  ältesten  Zeiten6).  Ein  Staat,  der  noch 
wesentlich  eine  ackerbauende  Bevölkerung  hatte,  bedurfte  der  Leibeignen 
zur  Bestellung  seiner  Felder.  Gedanken  über  Rechtmäßigkeit  oder  Natur- 
notwendigkeit dieser  Institution  machte  sich  jene  Zeit  der  rauhen  Kriege, 
wo  der  unterliegende  Teil  die  ganze  Härte  des  Siegers  empfinden  und  auf 
sich  nehmen  mußte,  natürlich  nicht;  erst  die  Philosophie  bringt  ihre  Ge- 
danken darüber  vor,  ohne  an  der  Notwendigkeit  der  Einrichtung  zu  zweifeln7). 
Das  spricht  sich  auch  darin  aus,  daß  die  Sklaven  mit  zur  Familie  gehören, 
so   gut  wie   die   Angehörigen   des   Hauses,  nur  daß   die   Gewalt,   die   der 

5)  Messalina   ging    nigrum  ffaro  crinem   I   zwei  Artenv<mSk]aven:  $>•/■>•/  oH/iiiniasciuititr 
mbscondente  galero,  luv.  a.  a.  0.  I    aut  fiunt,  Instit.  I  3,4.   In  den  älteren  Zeiten 


2)  Luc.  dial.  mer.  5,  3. 

3)  Vgl.  Bernoulli  II  3,  93  Taf.  27. 

4)  Iul.  Capit.  Verus  10, 7.  Treb.  PolL  Gall. 
duo  16,4;  41.4. 

5)  Mart.  VI  57, 2 :  mentiris  fictos  unguento, 
Phoebe,  capillos  et  tegüur  pictis  sordida  calva 
wpmis. 

6)  Die    Rechtswissenschaft    unterschied 


war  die  erste  Klasse,  die  der  vernae  (s.  unten) 
natürlich  noch  sehr  schwach  vertreten. 

7)  Sen.  de  benef.  III  20,  1:  errat,  9*  gwft 
existimat  Servituten*  in  tofinn  hominem  descen- 
dere:  pars  melior  eins  excepta  est:  corpora 
obnoxia  sunt  et  adscripta  domin it,  nun»  <pii- 
dem  sui  iuris,  —  eine  Distinktion,  die  frei- 
lich dem  Sklaven  wenig  half. 


278 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


Hausherr  rechtlich   über  sie   ausübt,  nicht  wie  bei  den  Deszendenten  die 
patria  potestas,  sondern  die  dominica  potestas  ist1). 

In  den  früheren  Zeiten  der  Republik  werden  die  meisten  Sklaven  wohl, 
Kriegsgefangene  gewesen  sein,  weshalb  sie  zu  den  mancipia  gehören2).  An 
Kriegen  fehlte  es  damals  ja  nicht;  Eigentümer  der  Gefangenen  war  der 
Staat,  der  sie  durch  die  Quästoren3)  auf  öffentlichem  Markte  sub  hastai) 
oder  sub  corona5)  verkaufte.  Auch  die  auswärtigen  Kriege6)  lieferten  den 
Märkten,  namentlich  dem  vonDelos7),  reichliches  Sklavenmaterial.  Neben 
den  Kriegen  war  es  aber  das  ganze  Altertum  hindurch  auch  der  Menschen- 
raub, der  zahlreiche  Sklaven  lieferte,  zumal  in  Zeiten,  wo  die  Meere  durch 
Kriege  unsicher  waren 8) ;  auch  das  Land  war  nicht  sicher,  wenn  auch  dort 
der  Menschenraub  nicht  im  großen  ausgeübt  werden  konnte,  wie  zur  See 
oder  in  den  Barbarenländern  des  Ostens9).  So  waren  denn  alle  Natio- 
nalitäten aller  drei  Erdteile  auf  den  Sklavenmärkten  vertreten,  nach  ihren 
guten  oder  schlechten  Rasseneigentümlichkeiten  bekannt  und  im  Dienste 
entsprechend  verwendet10).  Außer  den  Sklavenhändlern  brachten  auch 
Sklavenbesitzer  ihre  Sklaven  auf  den  Markt,  wenn  sie  aus  irgend  einem 
Grunde  sie  nicht  mehr  behalten  wollten  oder  wenn  bei  einem  Todesfall  die 
Erbschaftsregulierung  Anlaß  zum  Verkaufe  gab11).  In  älteren  Zeiten  konnten 
auch  freie  Römer  auf  rechtlichem  Wege  in  Sklaverei  geraten,  da  der  Vater 
das  Recht  hatte,  den  Sohn  zu  verkaufen12),  auch  wer  sich  dem  Kriegsdienst 
oder  dem  Census  entzog,  mit  Verlust  der  Freiheit  bestraft  wurde13);  doch 
kamen  solche  nicht  in  den  römischen  Sklavenhandel.  Dagegen  mochte  in 
den  Provinzen  das  harte  Schuldrecht,  bei  dem  der  Schuldner  nicht  nur  mit 
seiner  Habe,  sondern  mit  seiner  und  der  Seinigen  Person  dem  Gläubiger 
haftete,  den  römischen  Sklavenmärkten  manchen  ehemals  Freien  zuführen14). 


:)  Ueber  den  Begriff  der  familia  vgl.  Leon- 
hard  beiP.-W.VI1980  und  die  dort  S.  1984 
angeführte  Litteratur. 

2)  Von  manu  capere,  vgl.  Böcking  Pan- 
dekten 1 177  A.  19.  Rein  Privatrecht  d.  Röm.198. 

3)  Plaut.  Capt.  34 ;  1 1 1 ;  453.  Da  hier  immer 
quaestores  genannt  sind,  so  kann  man  nur  an 
die  quaestores  urbani  denken. 

4)  Liv.VI4,22;  XX1II7, 13;  griech.  vjio 
ööqv  noikeTodai,  Dion.  Hai.  IV  24, 2. 

5)  Weil  die  zum  Verkauf  kommenden  einen 
Kranz  auf  dem  Kopf  trugen,  Cael.  Sab.  bei  Gell. 
VI  (VII)  4,  3.  Von  Liv.  II  17,  6  schon  für  das 
Jahr  500  v.  Chr.  berichtet  und  sonst  ofterwähnt, 
vgl.  IV  34, 4.  Varr.  r.  r.  II 10, 4.  Caes.  b.  gall.  III 
16  u.  a.  m.  Nach  Festus  306b,  4  war  der  Kranz 
das  Zeichen,  daß  keine  Verantwortlichkeit  für 
Fehler   oder  Gebrechen  übernommen  wurde. 

6)  Vgl.WALLONlI30ff. 

7)  Strab.  XIV  668. 

8)  So  besonders  während  des  Seeräuber- 
krieges, wo  die  Piraten  nicht  nur  die  asiati- 
schen und  griechischen,  sondern  auch  die  itali- 
schen Küsten  überfielen  und  plünderten,  vgl. 
Plut.  Pomp.  24.  Die  Versuche  der  römischen 
Regierung,  die  Frechheit  der  kilikischen  See- 
räuber  zu   unterdrücken,   waren   meist    ver- 


geblich; der  Menschenfang  war  ein  blühendes 
Gewerbe  und  die  römischen  Kaufleute  die 
besten  Kunden  auf  den  Sklavenmärkten,  Momm- 
sen  Rom.  Gesch.  II  65;  76;  401.  Die  Haupt- 
fangplätze waren  Syrien  und  das  innere  Klein- 
asien, vgl.  Wallon  42  ff. 

9)  Der  Menschenraub  war  freilich  ver- 
boten (durch  die  Lex  Fabia  de  plagiariis,  Cic. 
pro  Rabir.  perd.  3,  8;  die  Zeit  steht  nicht  fest, 
Mommsen  Rom.  Strafrecht  780  A.  4  setzte  sie 
nach  den  Bürgerkriegen  an),  aber  die  Geraubten 
pflegten  in  den  ergastula  der  Großgrundbesitzer 
zu  verschwinden,  Suet.  Aug.  32;  Tib.  8.  Senec. 
controv.  10, 33.  Digg.  XXXIX  4, 12, 2. 

10)  Vgl.  die  Aufzählung  bei  Marquardt 
169  f. 

n)  Siehe  die  Auktionsankündigung  Plaut. 
Men.ll57ff. 

12)  Siehe  unten  Abt.  II  Abschn.  1. 

13)  Ueber  diese  und  andere  Fälle  s.Wallox 
II 18.  Marquardt  170  und  Rom.  Staatsverwalt.2 
II  383.  Walter  Gesch.  d.  röm.  Rechts  §  476. 
Karlowa  Röm.  Rechtsgesch.  II  11 16  f. 

14)  Plut.  Luculi.  20.  Tac.  ann.  IV  72 ;  auch 
die  Germanen,  die  im  Spiel  ihre  Freiheit  ein- 
gesetzt und  verloren  hatten,  wurden  nach  aus- 
wärts verkauft,  Tac.  Germ.  24. 


Siebenter  Abschnitt.    Die  Sklaven. 


279 


Bei  dem  großen  Bedarf  an  Sklaven,  der  mit  dem  riesigen  Latifundien- 
besitz und  dem  zunehmenden  Luxus  immer  mehr  gestiegen  war,  war  der 
Sklavenhandel  ein  sehr  einträglicher,  wenn  auch  nicht  gerade  für  anständig 
geltender  Beruf1).  Diese  Sklavenhändler,  manc/ones  oder  venalicii2),  bereisten 
die  öffentlichen  Märkte  mit  ihrer  Ware  oder  hatten  stehende  Läden3).  Für 
von  auswärts  eingeführte  Sklaven  hatten  sie  einen  Eingangszoll  und  eine 
nach  dem  Verkaufspreis  sich  richtende  Steuer  zu  zahlen4),  die  sie  gern 
umgingen5),  wie  denn  überhaupt  diese  mangones  im  Rufe  der  Betrügerei 
standen6)  und  sich  auch  auf  allerlei  Kunstgriffe  verstanden,  um  ihre  Ware 
für  den  Verkauf  recht  verlockend  erscheinen  zu  lassen7).  Es  war  Sache 
der  Ädilen,  darüber  zu  wachen,  daß  keine  Betrügereien  vorkamen8).  Die 
zum  Verkauf  kommenden  Sklaven  wurden  auf  einem  Gerüst,  catasta  genannt9), 
das  drehbar  gewesen  zu  sein  scheint10),  ausgestellt,  besonders  wertvollere 
nicht  im  vorderen  Laden,  sondern  in  einem  besondern  Hinterzimmer11);  bei 
Auktionen  dagegen  wurde  der  Sklave  auf  ein  steinernes  Postament  gestellt12). 
Die  frisch  von  auswärts  zum  Verkauf  gelangenden  Sklaven  hatten  mit  Gips 
oder  Kreide  bestrichene  Füße13).  Um  den  Hals  hatten  sie  einen  Zettel 
Uitulus)1*),  auf  dem  alle  Personalien  des  Betreffenden:  seine  Heimat,  sein 
Alter,  seine  Kenntnisse,  aber  auch  seine  körperlichen  Gebrechen  oder 
moralischen   Fehler  verzeichnet  waren   oder   wenigstens  verzeichnet  sein 


J)  Plaut. Capt. 98 f.;  nach  Plut.Cat.mai.  21 
trieb  der  praktische  Cato  zwar  nicht  gerade 
Sklavenhandel,  ließ  aber  durch  seine  eigenen 
Sklaven  solchen  treiben,  wobei  der  Gewinn  wohl 
wesentlich  in  seine  Tasche  floß. 

2)  So  Cic.  or.  70, 232.  Suet.  de  rhet.  1 ;  mer- 
catores  venalicii  CIL  VI  9632;  venaliciarius 
Digg.XIV4, 1 ;  XXI  1,44  u.ö.  Daher  venalicium, 
der  Sklavenhandel,  Petron.  29,  3.  Digg.  XXI 
1,  65;  mangonica  venalicia  Plin.XXI  170;  vgl. 
Corp.  Gloss.  II  398. 

3)  Dieselben  lagen  z.  T.  hinter  dem  Kastor- 
tempel,  Plaut. Cure.  481.  Sen.dial.ll  13,4:  qui 
(c/  <  astoris  negotianturneguam  maneipia  emen- 
tes  vendentesque,  quorum  tabemae  pessimorum 
servorum  turba  refertae  sunt.  Auch  in  den 
Saepta,  Mart.  IX  59, 3,  und  an  der  Sacra  via, 
Mnit.  II  63,  lf.  (Friedländer  denkt  hier  an 
ein  Bordell). 

4)  Der  Einfuhrzoll  war  in  den  verschie- 
denen Provinzen  differierend,  s.  Marquardt 
Römische  Staatsverwalt.  IT  277.  Die  Verkaufs- 
steuer trug  bis  Augustus  der  Käufer,  von  da 
ab  der  Verkäufer,  Dio  Cass.  LV31,4.  Tac.  ann. 
XIII  31. 

5)  Vgl.  das  Beispiel  Quintil.  deck  370 ;  auch 
Suet.  de  rhet.  1. 

6)  Sie  gingen  vornehmlich  darauf  aus, 
Fehler  und  Gebrechen  der  Sklaven  zu  ver- 
bergen oder  den  Käufern  zu  verheimlichen, 
Sen.  ep.  80.  9,  oder  sonst  zu  täuschen,  Plin. 
VII  56;  XXI  170:  Quintil.  inst.  or.  II 15,  25. 

7)  Plin.  XXIV  35 ;  XXX  41 ;  daher  bedeutet 
mangonicare  etwas  für  den  Verkauf  zustutzen 
oder  verschönern,  Plin.  IX 1 68;  XXIII 26:  XXXII 
135.  Auch  das  Kastrieren  der  Eunuchen  ließen 


sie  besorgen,  Mart.  IX  6, 4. 

8)Digg.XXIl.   Cic.de  off.  III  27,71. 

9)  Pers.  6,77,  mit  Schol.:  apud  anUguos 
renales  in  catasta  ponebantur,  ut  in  eis  possent 
omniu  membra  conspici.  Tib.  II  3, 59  f.  Mart. 
VI  29, 1 ;  X  76, 3.  Suet.  de  gr.  13.  Plin.  XXXV 
200;  Qu.Cic.de  pet.  cons.  2,  8  nennt  es  ma- 
ch i  na. 

10)  Das  schließt  man  aus  Stat.  silv.  II 3, 59 : 
nee  te  barbaricae  versabat  turbo  entastete.  An- 
ders Saglio  bei  D.-S.  I  968  und  Mau  bei  l'.-W  . 
III  1785,  die  die  Worte  auf  das  Gedränge  der 
Sklaven  auf  der  catasta  beziehen.  Einheimisch 
geborne  Sklaven  (vemae)  kamen  nicht  auf  die 
catasta,  Mart.  VI  29,  1;  sie  heißt  daher  bar- 
bara,  Tib.  und  Stat.  a.  a.  O. 

")  Mart.  IX  59, 4 f. 

12)  Plaut.  Bacch.  814.  Cic.  in  Pis.  15,  35. 
Colum.  III  3, 8;  das  ist  der  ngar^g  /.iaoe,  Poll. 
III  78  u.  126.  Die  Auktion  lag  in  der  Hand 
eines  praeco,  Mart.  VI  66. 

13)  Pedes  gypsati  oder  cretati,  Tib.  II  3, 59. 
Plin.  XXXV  199 :  pedes  venaUum  träne  murin 
advectorum  [creta)  denotare  instituerunt  ma- 
tores;  vgl.  ebd.  201.  Prop.  V(IV)  5, 52.  Ov.  am. 
1 8, 64.  luv.  1,111.  Allerdings  scheint  Tibull. 
a.a.O.:  quem  saepe  coegtt  barbara  gypsatos 
fem'  catasta  pedes  darauf  hinzudeuten,^  daß 
auch  schon  früher  verkaufte  solches  Kenn- 
zeichen bekamen;  Becker-Göll  127  erklärt 
es  damit,  daß  überhaupt  der  Ausländer  (im 
Gegensatz  zum  rerna)  so  gezeichnet  zu  wer- 
den pflegte. 

»)  Prop. a.a.O.  Petron. 29, 3.  Sen. ep. 47, 9. 
Dasselbe  ist  wohl  die  tabula,  Claud.carm.XVIII 
34. 


280 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


sollten1).  Für  die  Richtigkeit  dieser  Angaben  war  der  Verkäufer  haft- 
pflichtig2), und  er  leistete  wohl  auch  dem  Käufer  noch  eigens  dafür  durch 
eine  stipulatio,  wie  sie  auch  bei  andern  Verkäufen  üblich  war,  Gewähr3). 
Wenn  aber  der  Verkäufer  nicht  in  der  Lage  war,  sich  für  die  Eigen- 
schaften des  Sklaven  zu  verbürgen,  so  wurde  das  durch  einen  diesem 
aufgesetzten  Hut  (pilleus)  zu  erkennen  gegeben4).  Daß  der  Verkäufer 
und  ebenso  bei  Auktionen  der  praeco  die  guten  Eigenschaften  seiner 
Ware  so  viel  als  möglich  herausstrich,  versteht  sich  von  selbst5);  auch 
durften  die  Käufer  die  Sklaven  nicht  nur  aufs  genaueste  betrachten  und 
untersuchen6),  sondern  diese  mußten  auch  Proben  ihrer  Fertigkeiten  ab- 
legen7). 

Was  die  Preise  der  Sklaven  anlangt,  so  waren  diese,  auch  wenn  man 
von  ungewöhnlich  niedrigen 8)  oder  exorbitant  hohen 9)  absieht,  je  nach  den 
Zeitverhältnissen  und  dem  damit  zusammenhängenden  Verhältnis  von  Angebot 
und  Nachfrage,  dann  aber  auch  nach  Alter  und  Geschlecht,  Schönheit  und 
Körperkräften,  Fertigkeiten  und  Kenntnissen  unendlich  verschieden10).  Über- 
dies liegen  uns  nur  vereinzelte  und  zufällige  Preisangaben  vor.  Bei  PJautus 
variieren  die  Preise  für  ein  schönes  Mädchen  zwischen  20  und  60  Minen 
(1560  bis  4680  Mark) ");  für  ein  Kind  werden  6  Minen  gezahlt  (468  Mark) 12). 
Um  dieselbe  Zeit  kostet  ein  Ackersklave  6000  HS  (1052  Mark)13);  zur  Zeit 
des  Horaz  ein  geschickter,  des  Griechischen  kundiger  verna  8000  HS 
(1403  Mark),  ein  gewöhnlicher  Sklave  nur  2000  HS  (350  Mark)14);  ebensoviel 
im  1 .  Jahrhundert  n.  Chr.  ein  Weingärtner15).  Aber  schon  in  republikanischer 
Zeit  finden  wir  sehr  hohe  Preise  für  geschickte  oder  schöne  Sklaven: 
100000  Sesterzen  (17  540  Mark)  für  einen  guten  Koch16)  oder  einen  schönen 


*)  Gell.  IV  2,1:  in  edicto  aedilium  curu- 
lium,  qua  parte  de  mancipii»  vendundis  cau- 
tum  est,  scriptum  sie  fuit :  Titulus  singulorum 
scripta*  sit  curato  ita,  ut  intellegi  recte  possit, 
quid  morbi  vitiive  cuique  sit,  quis  fugitivus 
errove  sit  noxave  solutus  non  sit;  das  Edikt 
steht  Digg.  XXI  1,1;  vgl.  ebd.  32. 21 ;  daß  die 
Kenntnisse  auch  angegeben  waren,  zeigt  Suet. 
degramm.  4;  vgl.  Plin.  ep.  V  19, 3. 

2)  Cic.  de  off.  III  17,  71.  Porphyr,  ad  Hör. 
sat.  II  3, 284:  qui  vendunt  maneipia  solent  hoc 
adicere :  sanum  corpore  et  animo  putes.  Digg. 
XXI  1,1,1;  ebd.  1,19;  vgl.  Walter  Gesch.  d. 
röm.  Rechts  §  602.  Rein  Privatr.  710.  Kar- 
lowa  Röm.  Rechtsgesch.  II  1789.  Wallon  II 
56  ff. 

3)  Varr.  r.  r.  II  10, 5. 

4)  Gell.  VI  (VII)  4. 

5)  Anschaulich  geschildert  bei  Hör.  ep.  II 
2,  lff.;  vgl.  Mart.  VI  66  und  die  Schilderung 
der  Sklavenauktion  in  Lukians  Bicov  jigäoig. 

6)  Daher  wird  das  Entblößen,  das  Be- 
tasten usw.  öfters  erwähnt,  Pers.  6,  77.  Sen. 
ep.  80, 9.  Sen.  contr.  I  2, 3.  Suet.  Aug.  69.  Mart. 
1X59,3.  Luc.  vit.auct.  6;  Eunuch.  12.  Daß  der 
Käufer  selbst  einen  Arzt  zuzog,  um  verbor- 
gene Fehler  zu  erkennen,  zeigt  Claud.  carm. 
XVIII 35. 

7)  Prop.V  (IV)  5,  52   müssen   sie    medio 


foro  tanzen. 

8)  Große  Billigkeit  konnte  in  Kriegen  ein- 
treten, wenn  viel  Kriegsgefangene  verkauft 
wurden,  wie  nach  dem  mithradatischen  Kriege 
solche  für  4  Drachmen  zu  kaufen  waren,  Plut. 
Luculi.  14.  HannibalverkaufteKriegsgefangene 
für  2000  Sesterzen  das  Stück  (350  Mark). 

9)  Beispiele  von  solchen  gibt  Plin.  VII 
128  f.  Der  damals  bekannte  Höchstpreis  war 
700000  Sesterzen  (122780  Mark)  für  den 
Grammatiker  Daphnis  (auch  Suet.  gramm.  3); 
ein  Eunuch  wurde  mit  500000  Sesterzen  be- 
zahlt. Nach  Plin.  hätten  Schauspieler  noch  mehr 
als  jenen  Höchstpreis  für  ihre  Freiheit  gezahlt, 
ein  dispensator  sie  für  130000  erkauft;  ein 
spado  des  Sejan  erzielte  500000  Sesterzen  als 
Preis.  Aber  das  sind  eben  Liebhaberpreise: 
hoc  pretium  belli,  non  hominis,  fuit  tarn 
Hercules  quam  libidinis,  non  formae,  sagt 
Plinius. 

10)    Vgl.WALLONlI  168  ff. 

n)  Plaut.  Pseud.  52;  Rud.  45;  Epid.  52; 
Merc.429;  Pers.  665;  Cure.  63.  Bei  Ter.  Phorm. 
557  beträgt  der  Preis  30  Minen. 

12)  Plaut.  Capt.  974;  vgl.  Poen.  897. 

13)  Plut.  Cat.  mai.  4. 

u)  Hör.  ep.  112,5;  sat.  II  7,43. 

,5)  Colum.  III  3,  8. 

16)  Varr.  b.  Gell.  XV  19,  2. 


Siebenter  Abschnitt.    Die  Sklaven. 


281 


Knaben1),  und  dieser  Preis  ist  noch  zur  Zeit  Martials  ein  üblicher2),  auch 
für  einen  servus  Uteratus3).  Bei  den  Preisangaben  der  Digesten  und  des 
Justinianischen  Kodex  variieren  die  Preise  je  nach  Alter  und  Können 
zwischen  180  und  2200  Mark4). 

Noch  größer,  als  in  den  Verkaufspreisen,  sind  die  Wandelungen,  die 
sich  hinsichtlich  der  Zahl  der  Sklaven  im  Lauf  der  Jahrhunderte  vollzogen. 
Zwar  sind  wir  über  die  frühen  Jahrhunderte  nicht  näher  unterrichtet;  aber 
schon  die  Sklavennamen,  die  vom  Namen  des  Herrn  und  puer  gebildet  sind, 
wie  Marcipor,  Publipor,  Quintipor,  Gaipor,  Lucipor,  Olipor,  Naepor5),  deuten 
darauf  hin,  daß  man  sich  sehr  häufig  mit  einem  Sklaven,  wenigstens  zu 
seiner  persönlichen  Bedienung,  behalf,  und  noch  viel  später  begnügten  sich 
auch  vornehme  Leute  mit  einigen  wenigen  Dienern 6).  Nur  mußte  natürlich, 
wer  Landwirtschaft  betrieb,  für  diese  eine  größere  Sklavenzahl  halten,  und 
auch  die  Sitte,  durch  Sklaven  ein  Handwerk  betreiben  zu  lassen  (siehe  unten), 
die  in  den  letzten  Jahrhunderten  der  Republik  aufkam,  brachte  eine  Erhöhung 
der  Sklavenzahl  mit  sich.  Aber  wenn  diese  Kategorien  nutzbringender 
Sklaven  auch  späterhin  bestehen  blieben,  so  wuchsen  seit  Ende  der  Re- 
publik7) und  dann  besonders  in  der  Kaiserzeit  die  Scharen  der  zur  Be- 
dienung von  Herrn  und  Herrin,  zur  Besorgung  der  Hausgeschäfte,  zur 
Unterhaltung  oder  zur  wissenschaftlichen  Hilfsarbeit  bestimmten  Sklaven- 
scharen  ins  Ungeheuere 8),  und  auch  wenn  man  von  dem  kaiserlichen  Haus- 
halt absieht,  der  über  ein  Riesenheer  von  Sklaven  verfügte9),  erregt,  was 
wir  über  die  Zahlen  der  Sklaven  von  Privatleuten  erfahren,  unsere  Ver- 
wunderung10). Selbst  einfachere  Leute  verfügten  über  viel  mehr  Bedienung, 
als  heut  Leute  des  Mittelstandes11),  und  das  waren  schon  ganz  arme  Schlucker, 


1)  Plin.  VII  56,  wobei  allerdings  ein  be- 
sonderer Grund  vorlag,  da  es  Zwillinge  waren 
resp.  für  solche  ausgegeben  wurden. 

2)  Für  Knaben  Mart.  I  58,  1 ;  XI  70,  1 ; 
auch  das  Doppelte,  III  62,  1 ;  für  ein  Mädchen 
II  63,  1.  Für  einen  Kretin  (und  wohl  auch 
Zwerg),  einen  morio,  nennt  Mart.  VIII 13  als 
Preis  20000  Sesterzen  (4350  Mark).  Bei  der 
Auktion  einer  Dirne  werden  600  Sesterzen 
(130  Mark)  geboten,  Mart.  VI  66.  9,  ein  ab- 
sichtlich angenommener,  sehr  niedriger  Preis. 

3)  Sen.  ep.  27,7. 

4)  Siehe  die  Angaben  bei  Wallon  169  ff. 
Makquardt  174. 

5)  Quint.14,26.  Fest.257a,  17.  Prise. VI 
ji.  236.  Plin.  XXXIII  26 :  apud  antiquos  singuli 
Marcipores  Luciporesque  dominorum  gentiles 
onnicmvictum  inpromiscuo  habebant.  Sie  kom- 
men auch  inschriftl.  vor,  CIL  1 1034;  1386;  VI 
2247:  6907  (1 1076);  9430(1  1539  e);  30914;  IX 
2818  (Olipor,  Marpor,  Naepor  u.  dergl.).  Vgl. 
Mcoimsen  Rom.  Staatsr.  III  201  A.  3.  Oxe  Rh. 
Mus.  LIX  (1904)  108. 

6)  Diese  Einfachheit  der  alten  Zeit  wird 
spater  öfters  hervorgehoben,  vgl.  Plin.  VII 104. 
Iuv.ll,145ff.  Val.Max.IV4,ll.  Apul.apol.17. 

7)  Aus  der  Zeit  Ciceros  liegen  eine  Anzahl 
von  Nachrichten  vor,  die  diesen  Luxus  belegen, 


Cic.  ad  Att.  VI  1,25;  p.  Mil.  10,28;  21,55. 

8)  Ath.VI272D  sagt,  daß  viele  Römer 
10000,  20000  und  mehr  Sklaven  besäßen, 
begeht  aber  den  Irrtum,  wie  Makqüardt  459 
bemerkt,  diese  alle  als  zur  persönlichen  Be- 
dienung bestimmt  zu  betrachten.  Gegenüber 
diesen  Zahlen  erscheinen  die  400  Sklaven  des 
Pedanius  Secundus,  Tac.  ann.  XIV  43,  selbst 
die  4116  des  Caecilius  Claudius  Isidorus,  Plin. 
XXXIII 135  (sie  waren  aber  größtenteils  in  der 
Landwirtschaft  beschäftigt),  als  geringfügig. 

9)  Vgl.  Friedländer  Sittengesch.  I  70  ff. 
10)  Was  im  Roman  des  Petron.37,9;  47, 

12;  53,  1  ff.  von  dem  Sklavenheer  des  Trimal- 
chio  berichtet  wird,  ist  freilich  humoristische 
Uebertreibung,  der  aber  doch  faktische  Ver- 
hältnisse zugrunde  liegen.  Ueber  den  Sklaven- 
luxus in  der  Kaiserzeife  s.  Friedländer  a.  a.  O. 
III  123  ff. 

n)  Horaz  hatte  zur  Bedienung  bei  Tisch 
drei  Sklaven,  sat.  I  6,  116,  für  sein  ganzes 
Hauswesen  also  jedenfalls  mehr;  der  Sarde 
Tigellius  hatte  nach  I  3.  17  bald  200,  bald 
10  Sklaven,  wobei  letztere  als  sehr  geringe 
Zahl  gesetzt  ist.  Für  die  Exilierten  bestimmte 
Augustus,  daß  sie  nicht  mehr  als  20  Sklaven 
oder  Freigelassene  zur  Bedienung  haben  soll- 
ten, Dio  Cass.  LVI  27,  3. 


282 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


die  sich  mit  einem  oder  gar  ohne  Sklaven  behelfen  mußten1).  Alles  in  allem 
muß  die  Sklavenzahl  in  Rom  sehr  groß  gewesen  sein2),  doch  stehen  alle 
Versuche,  sie  zu  schätzen,  auf  sehr  unsicherem  Boden3).  Wo  solche  große 
Sklavenfamilien  waren,  pflegten  sie  nach  dem  Muster  der  städtischen  Kol- 
legien in  Klassen,  je  nach  ihrer  Beschäftigung,  geteilt  zu  sein4),  die  unter 
besondern  Aufsehern  standen5)  und  im  einzelnen  wieder  in  Dekurien,  die 
unter  Dekurionen  standen,  geordnet  waren  6). 

Der  großen  Zahl  entsprach  die  Mannigfaltigkeit  der  Verwendung. 
Im  allgemeinen  unterscheidet  man  Staatssklaven,  servi  publici,  und  Privat- 
sklaven, servi  privati.  Von  ersteren,  die  im  öffentlichen  Dienst  oder  zur 
Ausführung  von  Staatsarbeiten  Verwendung  fanden,  haben  wir  hier  nicht 
zu  sprechen 7) ;  die  Privatsklaven  schied  man  je  nach  ihrer  Verwendung  in 
die  familia  rustica  und  die  familia  urbana8),  jene  für  den  Betrieb  der 
Landwirtschaft  auf  einer  Villa,  diese  für  die  Geschäfte  im  städtischen  Wohn- 
hause. Darnach  waren  die  Aufgaben  beider  im  wesentlichen  sehr  ver- 
schiedene, doch  gab  es  gewisse  Beschäftigungen,  die  auf  dem  Lande  ebenso 
wie  in  der  Stadt  sich  ergaben,  sodaß  nur  diejenigen,  die  direkt  auf  Land- 
wirtschaft Bezug  haben,  speziell  der  familia  rustica  anheimfallen.  Auch 
hinsichtlich  der  Leitung  und  Oberaufsicht  finden  sich  für  beide  Familien 
die  gleichen  Bezeichnungen.  Derjenige  Sklave,  der  dem  Herrn  am  nächsten 
steht,  ihn  vertritt  und  alles  anordnet,  was  der  Herr  nicht  persönlich  leitet, 
gewissermaßen  sein  Generalbevollmächtigter,  war  der  procurator9);  solche 
gab  es  besonders  für  Landgüter10),  doch  auch  für  die  städtischen  Geschäfte11), 


!)  Mart.  XII  87,  3;  man  vgl.  den  Hohn 
Catulls  gegen  Furius,  cui  neque  servus  est 
nee  circa,  23,  1 ;  24,  5.  Wenig  Bemittelten 
war  der  Unterhalt  der  Sklaven  doch  zu  kost- 
spielig: magno  servorum  ventres  sagt  Iuvenals 
Freund  Umbricius  3, 166,  der  nicht  einmal  einen 
Sklaven  nachts  zur  Begleitung  hat  (v.  286). 

2)  Noch  im  Jahre  24  n.  Chr.  hatte  man 
in  Rom  Furcht  vor  einem  neuen  Sklaven- 
kriege, Tac.  ann.  IV  27. 

3)  MAKQUARDTStaatsverwalt.il  120  nahm 
für  die  Hauptstadt  die  Sklaven  wenigstens 
um  die  Hälfte  höher  an  als  die  Freien  (etwa 
900000  auf  1610000  Gesamtbevölkerung); 
gegen  seine  Berechnung  erhebt  Friedländer 
I  53  Widerspruch.  Vgl.  auch  Wallon  II  97  ff. 

4)  Plin.  ep.  VIII  16,  2:  nam  servis  res- 
pubiica  quaedam  et  quasi  civitas  domus,  was 
Mommsen  De  coli,  et  sod.  102  A.  18  auf  die 
Sklavenkollegien  bezieht,  ihm  folgend  Mar- 
quardt  154  A.  2.  Die  Trennung  der  Arbeits- 
gebiete in  der  familia  rustica  erwähnt  Col. 
I  9,  7 :  propter  quod  separandi  sunt  aratores 
a  riiiitoribus,  iique  a  mediastinis;  für  die 
familia  urbana  geben  die  Inschriften  Material, 
s.  Marquardt  a.  a.  O. 

5)  Das  wird  durch  supra  ausgedrückt, 
z.  B.  supra  cocos,  CIL  VI  9261 ;  supra  oubt- 
nüaricos,  ebd.  3954  f.;  4439  u.  ö.;  oder  durch 
praepositus,  z.B.  praepositus  cocorum,  8752; 
praepositm  cubiculo,  Suet.  Dom.  16.  Ueber  die 


Einteilung  speziell  der  cubicularii  s.  Mar- 
quardt 144  A.  5.  Rostowzew  bei  P.-W.  IV 
1736  f. 

6)  Sen.  ep.  47,  9.  Colum.  a.  a.  O.  Petron. 
47,  11.  Suet.  Dom.  17.  Vitr.VII  3, 10. 

7)  Vgl.  Wallon  II  85  ff.  Rein  bei  Pauly 
VI  1102  f. 

8)  Digg.  L  16,  166:  urbana  familia  ei 
rustica  non  loco  sed  genere  distinguitur;  vgl. 
XXXII  99  pr.  Versetzung  von  einer  Klasse 
in  die  andere  fand  je  nach  Bedürfnis  statt, 
Colum.  Ipr.  12.  Vgl.  CIL  VI  1747;  IX  825:  3028; 
XII  1025. 

9)  Die procuratores konnten  Sklaven  sein, 
waren  aber  vielfach  auch  Freigelassene;  vgl. 
Beauchet  bei  D.-S.  IV  662.  Zu  unterscheiden 
sind  davon  Unteraufseher,  wie  der  procura- 
tor  peni,  Plaut.  Pseud.  608,  der  procurator  der 
Pfauenzucht,  Varr.  r.  r.  III 6, 3,  oder  der  Bienen, 
Colum.  IX  9,  2;  ein  procurator  a  veredis  CIL 
X  121. 

,0)  Cic.deor.158,249;  ad  Att.XIV  16, 1. 
Plin.  ep.  III  19,2,  woraus  hervorgeht,  daß  zwei 
nahgelegene  Landgüter  unter  einem  j>r<>- 
curator  stehen  konnten,  aber  jedes  seinen 
eigenen  actor  (s.  unten)  hatte.  Inschriften  s. 
Dessau  7386  ff.  Colum.  I  6,  6  f.  über  die  Woh- 
nung des  procurator  und  des  vilicus,  s.  oben 
S.  71. 

u)  Petron.  30,  1.  Sen.  ep.  14, 18.  Quintil. 
decl.  345;  ebd.  361. 


Siebenter  Abschnitt.    Die  Sklaven. 


283 


und  in  der  Kaiserzeit  war  es  nicht  selten,  daß  reiche  Frauen,  die  ihr  Ver- 
mögen für  sich  hatten,  sich  für  dessen  Verwaltung  einen  eigenen  proeurator 
hielten1).  Das  Amt  des  Rechnungsführers,  der  Gelder  einzukassieren  und 
auszuzahlen  hatte,  fiel  dem  dispensator  zu2);  es  gab  solche  ebenso  in  der 
familia  rustica5),  wie  in  der  familia  urbana*);  seine  Stellung  war  verschieden, 
indem  er  mancherorts  dem  proeurator  unterstellt  war5),  anderwärts  dem 
Hausherrn  selbst  Rechnung  ablegte6). 

Die  Oberaufsicht  über  die  familia  rustica  führte,  wenn  nicht  der  Besitzer 
selbst  sich  deren  annahm,  der  vilicus1),  auch  actor  genannt8),  dem  darin  seine 
Frau,  die  vilica,  beistand9);  doch  waren  beide  gleichfalls  Sklaven,  ebenso  wie 
die  magistri  officiorum  oder  operum,  die  in  größeren  Anwesen  die  einzelnen 
Abteilungen  des  landwirtschaftlichen  Betriebes  unter  sich  hatten10).  Im 
einzelnen  gab  es  dann  die  Sklaven  für  die  Feldwirtschaft,  den  Ol-  und 
Weinbau,  für  die  Viehzucht,  für  die  Hofwirtschaft,  als  Geflügelzucht,  Wild- 
park, Fischzucht,  Bienenzucht,  für  Obst-  und  Gemüsegärten  u.  dgl.11).  Doch 
ist  zu  bemerken,  daß  sicherlich  nur  solche  Beschäftigungen,  die  das  ganze 
Jahr  hindurch  in  gleicher  Weise  weitergingen,  ein  stehendes  Personal  mit 
bestimmten  ihnen  zugewiesenen  Aufgaben  erforderten,  während  für  andere, 
bei  denen  die  Jahreszeiten  oder  die  Witterung  kürzere  oder  längere  Arbeits- 
pausen mit  sich  brachten,  natürlich  die  Beschränkung  auf  eine  einzige 
Tätigkeit  ausgeschlossen  war.  Die  große  Zahl  einer  solchen  familia  rustica 
erforderte  aber  auch  ein  Personal,  das  mit  ihrer  Beköstigung,  Kleidung. 
Pflege  usw.  betraut  war:  es  gehörten  also  auch  Müller,  Bäcker,  Köche,  Küchen- 
mägde, Verwalter  der  Nahrungsvorräte,  Wasserträger,  Wollarbeiterinnen, 
selbst  Ärzte  und  Krankenpfleger  zur  Sklavenschar  eines  großen  Gutes12). 

Bei  der  familia  urbana  war,  wie  oben  (S.  64)  erwähnt,  in  älterer  Zeit 
der  atriensis  die  Hauptperson.    Seine  Stelle  im  Haushalt  nahm  später  der 


!)  Diese  Prokuratoren  einer  Ehefrau,  die 
nicht  selten  deren  Liebhaber  waren,  waren 
wohl  meist  Freie  oder  Freigelassene.  Vgl. 
Mart.V  61.  Sen.  contr.VII  20.  Sen.  frg.  13,  51 
Haase;  auch  inschr.  CIL  VI  9449.  Weiteres  s. 
Fkiedländeb  I  419. 

«)  Vgl.  G.  Bloch  bei  D.-S.  II  280  ff.  Lie- 
benam  bei  P.-W.  V  1189  f.  Das  Wort  stammt 
schon  aus  der  Zeit,  wo  es  noch  kein  ge- 
münztes Geld  gab,  s.  Varr.  1.  1.  V  183.  Fest. 
72,  9;  vgl.  Plin.  XXXIII  42. 

3)  Digg.  L  16, 166;  er  stand  da  neben  dem 
vilicus  (vgl.  Mart.  VII  71,  3:  XI  39,  6),  indem 
dieser  naturam  agri  novit,  dispensator  litteras 
seit,  d.  h.  lesen,  schreiben  und  rechnen  kann, 
Cic.  de  rep.  V  3,  5.  Doch  konnte  der  vilicus 
zum  dispensator  aufrücken,  CIL  VI  278,  und 
ebenso  der  (mit  dem  vilicus  oft  identische) 
actor,  ebd.  IX  4186. 

4)  Cic.  ad  Att.  XI  1,  1 :  ders.  b.  Non.  493, 
ll.Mart.V42,5.  luv.  1,91;  7,219.  Auflnschr. 
kommt  der  dispensator  häufig  vor,  vgl.  Liebe- 
nam  a.  a.  0.  Dessau  7379  ff. 

5)  Bei  Petron.  30  führt  der  proeurator 
die  Rechnung,  während  der  dispensator  im 
Atrium  Geld  zählt;  immerhin  ist  auch  dessen 


Kompetenz  eine  ziemlich  weitgehende. 

6)  Macrob.114,31.  Suet.Ner.44;  Vesp.22. 

7)  Ueber  die  Tätigkeit  des  vilicus  s. 
Colum.  XI  1  ff.;  vgl.  Cato  r.  r.  5  u.  142.  Varr. 
r.  r.  I  2,  14;  16,  5  u.  s.  In  der  Regel  wird 
das  Wort  vilicus  geschrieben.  Inschriftl.  CIL 
VI  8684;  9989;  IX  3028;  X  1750;  3550;  7041; 
XI  871;  XIV  2726;  2751;  vilicus  supra  hortos 
VI  9472;  das  Verbum  vilicare  X  5081. 

8)  Der  actor  kann  mit  dem  vilicus  iden- 
tisch sein,  wie  Colum.  I  7,  7;  8,  5;  XII  3,  6, 
ist  aber  sonst  im  allgemeinen  der  Geschäfts- 
führer, auch  in  der  familia  urbana.  Auf 
größeren  Gütern  hat  der  vilicus  die  Oekonomie 
unter  sich,  der  actor  das  Rechnungswesen, 
Digg.  XXXIII  7,  20;  der  proeurator  ist  ihnen 
übergeordnet.  Auf  Inschriften  kommt  der 
actor  sehr  häufig  vor,  Näheres  s.  Mab<juabdt 
139  A. 3.  BECKEB-GöLLl35f.  Ruggiebo  Dizion. 
epigr.  I  66.  Habel  bei  P.-W.  I  329. 

»)  Cat.  r.  r.  143.  Colum.  XII  1  ff. 

10)  Colum.  I  8,  11;  ebd.  17;  XI  1,  27. 

n)  Siehe  die  vornehmlich  auf  den  Scri- 
ptores  rei  rusticae  beruhende  Zusammenstel- 
lung bei  Makquabdt  139  ff.  u.  vgl.  oben  S.  71  f. 

12)  Wallon  95. 


234  Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 

procurator  oder  der  dispensator  ein;  in  größeren  Haushalten,  wo  der  Haus- 
herr außerstande  war,  alle  Geschäfte  persönlich  abzumachen,  gab  es  sowohl 
einen  procurator  wie  einen  dispensator,  und  unter  ihnen  stand  vermutlich 
(wenn  er  nicht  direkt  ihre  Stelle  einnahm)  der  arcarius,  der  die  Kasse 
verwaltete1),  oder  der  auf  Inschriften  öfters  vorkommende  sicmptuarius2). 
Was  nun  die  einzelnen  Aufgaben  der  Haussklaven  betrifft,  über  die  uns 
neben  den  Schriftquellen  vornehmlich  die  Inschriften  Kunde  geben,  so  ist 
deren  Zahl  so  groß  und  so  mannigfaltig,  daß  wir  hier  nicht  im  einzelnen 
alle  anführen  können3);  manche  davon  sind  schon  in  den  vorhergehenden 
Abschnitten  genannt  worden,  andere  werden  später  noch  an  ihrer  Stelle 
Erwähnung  finden.  Die  wesentlichsten  Gebiete,  auf  die  sich  die  Arbeit  in 
einem  großen  Hauswesen  verteilte,  sind  folgende:  die  Verwaltung  und 
Reinigung  des  Hauses,  der  Wohnräume,  der  Vorräte,  die  Beaufsichtigung 
und  Instandhaltung  des  Hausrats,  der  Kunstgegenstände,  der  Garderobe  und 
des  Schmuckes;  die  Bedienung  des  Herrn,  der  Frau  und  der  erwachsenen 
Kinder,  die  Besorgung  des  Bades  und  die  Dienstleistung  bei  und  nach 
dem  Bade;  die  Bereitung  des  Brotes  und  der  Speisen,  sowie  die  dazu  ge- 
hörigen Hilfeleistungen  untergeordneter  Art;  die  Tischbedienung;  die  Be- 
gleitung bei  Ausgängen,  das  Tragen  der  Sänfte,  die  Besorgung  von  Pferden 
und  Wagen,  namentlich  auch  auf  Reisen,  die  Pflege  des  Marstalls,  die  Be- 
förderung von  Briefen;  die  Unterhaltung  durch  musikalische  oder  poetische 
Vorträge,  durch  Tänze  und  Possen;  die  Besorgung  der  Korrespondenz,  das 
Schreiben  nach  Diktat,  das  Abschreiben  und  Exzerpieren  von  Büchern,  das 
Vorlesen  u.  dgl.  m.  Natürlich  hat  es  niemals,  selbst  im  kaiserlichen  Haus- 
halt, eine  familia  urbana  gegeben,  in  der  alle  die  mannigfaltigen  Funktionen 
besondern  Sklaven  derart  anvertraut  waren,  daß  sie  nur  zu  diesen  und  zu 
keinen  andern  verpflichtet  waren ;  viele  darunter  sind  so  beschaffen,  daß  sie  nur 
einen  sehr  kleinen  Teil  der  täglichen  Beschäftigung  ausmachten,  ja  manchmal 
tagelang  oder  noch  länger  überhaupt  nicht  in  Anspruch  genommen  wurden. 
Es  ist  daher  sicher,  daß  in  der  Regel  ein  Sklave  nur  ein  Amt  als  haupt- 
sächliches hatte,  hingegen  je  nach  Bedürfnis  und  Eignung  auch  mit  andern 
betraut  wurde4),  nur  durften  sie  nicht  zu  heterogener  Art  sein5).  Gewisser- 
maßen eine  Sonderstellung  nahmen  diejenigen  Sklaven  ein,  die  den  Herren 
nicht  direkt  durch  ihre  Dienstleistung  nützten,  sondern  ihnen  durch  ihre 
Fertigkeiten  und  Kenntnisse  Geld  verdienten.  In  gewissem  Sinne  war  das 
ja  auch  bei  den  landwirtschaftlichen  Sklaven  der  Fall,  insofern  in  großen 

l)  Digg.  XL  5,  41, 17.  Paul.  sent.  III 6,  72.    I  3)  Eine  sehr  detaillierte  Aufzählung  gibt 

Cod.  Theod.  X  1,  11.  Auf  Inschr.  häufig,  s.  MARQUARDTl42ff.,  dem  ich  mich  in  der  oben 
CIL  III 1955;  VI  64,  3937  f.;  8718  ff.;  9146  ff.; 
33830  ff.;  vgl.  Ruggiero  Dizion.  epigr.  I  632. 
Ueber  arcarii  im  allgemeinen  (als  Beamte 
der  Finanzverwaltung,  im  Heere  usw.)  Habel 
bei  P.-W.  III  429.  Hirschfeld  Kaiserl.  Ver- 
waltungsbeamte II 461.  Ein  römisches  Sarko- 
phagrelief scheint  einen  arcarius  darzustellen, 
der  auf  dem  Deckel  der  arca  Münzen  zählt 
(doch  könnte  auch  ein  argentarius,  d.h.  Bankier, 
dargestellt  sein),  s.  Not.  d.  scavi  1904, 7  u.  das. 
Brizio. 

*)  CIL  VI  9912;  33912;  vgl.  III  12285. 


gegebenen  Einteilung  anschließe;  kürzer Wal- 
lon  104  ff.  Becker-Göll  139  ff. 

4)  Mart.III58.  Digg.  XXXII  65,  2;  auch 
inschriftlich  kommen  Sklaven  mit  mehreren 
Aemtern  vor,  z.  B.  CIL  IX  1880:  domini  di- 
lectus  quoquo  iret  semper  comes,  poculi  mi- 
nister, doctus  palaestrae  puer;  anderes  s.VI 
4305;  9253  und  mehr  Marquardt153  A.2. 

5)  Cic.  in  Pis.  27,  67  findet  es  ärmlich, 
daß  der  Koch  zugleich  atriensis  ist.  Aber 
bei  Atticus  konnten  die  pedisequi  auch  Vor- 
leser und  Schreiber  abgeben,  Nep.  Att.  13. 


Siebenter  Abschnitt.    Die  Sklaven. 


285 


[Gütern  das  durch  ihre  Arbeit  Produzierte  nicht  bloß  im  Haushalt  auf- 
gebraucht wurde,  sondern  zum  Verkaufe  gelangte.  Aber  es  war  doch  immer 
Inoch  etwas  anderes,  als  wenn  der  Herr  direkt  gegen  die  Arbeit  seiner 
[Sklaven  oder  gegen  das  durch  diese  Arbeit  Hervorgebrachte  Geld  einnahm 
lund  so  von  der  Arbeit  der  Sklaven  lebte.  Gewisse  Berufe  waren  auf  diese 
(Sklavenarbeit  geradezu  angewiesen:  der  leno,  der  Sklavinnen  kaufte  für  sein 
■Bordell  oder  um  sie  an  Liebhaber  für  kürzere  oder  längere  Frist  mietweise 
jabzugeben  (vergleiche  darüber  unten  Abt.  II  Abschn.  III),  der  Inhaber  von 
[Schulen  für  Zither-  und  Flötenspielerinnen  oder  Tänzerinnen,  die  ebenfalls 
pur  Unterhaltungszwecke  zu  mieten  waren  (siehe  Abt.  II  Abschn.  V);  auch 
(Gladiatoren  wurden  für  Spiele  vermietet  und  der  Besitz  zahlreicher  Fechter 
l'vvar  eine  einträgliche  Kapitalanlage1).  Ebenso  waren  die  kistriones  des 
ISchauspieldirektors  in  der  Regel  seine  Sklaven,  die  er  entweder  selbst 
lauftreten   ließ   oder   für  Aufführungen  vermietete2).     Daß  ein  Herr  einen 

>k luven,  der  irgend  eine  Fertigkeit  besaß,  gegen  Geld  zeitweise  abgab, 
Ikam  schon  in  republikanischer  Zeit  vor3)  und  war  in  der  Kaiserzeit  ganz 
[gewöhnlich4);  man  konnte  in  Rom  auch  Sklaven  zu  persönlichen  Dienst- 
leistungen mieten5).  Namentlich  aber  war  es  üblich,  in  fabrikmäßigem  Be- 
triebe, wie  ihn  schon  die  Griechen  kannten,  Waren  aller  Art,  wie  Kleider, 
|Hausrat,  Bücher  usw.  herstellen  zu  lassen6);  oder,  wenn  der  Besitzer  selbst 
Isich  damit  nicht  abgeben  wollte,  streckte  er  etwa  einem  Sklaven  ein  Kapital 
Ivor,  damit  dieser  ein  Gewerbe  damit  betreibe  und  ihm  dafür  die  Zinsen 
bder  eine  jährliche  Abgabe  zahle7). 

So  verschieden,  wie  ihre  Beschäftigungen,  so  verschieden  war  auch  die 
[Stellung,  die  die  Sklaven  im  Hauswesen  und  untereinander  innehatten8). 
^Diejenigen,  die  regelmäßig  mit  etwas  betraut  waren,  werden  mitunter  als 

wdinarii  bezeichnet9);  ihnen  entgegengesetzt  sind  die  servi  vicarii10).    Der 


')  Ueber  die  Gladiatorenschulen  und  die 
Verwendung  von  Sklaven  als  Gladiatoren  s. 
Friedländer  II  325  ff. 

2)  So  war  Roscius  ein  geborner  Sklave, 
Plin.VI1128;  vgl.  Sen.  ep.  80,  7  f.  Plaut.  Asin. 
J.  Digg.  XXI  1,  34,  und  überhaupt  Fried- 
länder a.  a.  0.  424  f. 

3)  Cato  vermietete  seinen  Sklaven  Chilo 
als  Lehrer  für  fremde  Knaben,  Plut.  Cat. 
mai.  20. 

4)  Digg.  XXXIII  7,  12,  8:  gervi  si  aliqua 
»arte  anni  per  eos  ager  colitur,  aliqua  parte 
n  mercedem  mittuntur,  nihilominus  in  in- 
strumenta continentur.  Daher  wünscht  sich 
emand  bei  luv.  9,  145  einen  vaelator  oder 
sinen  Maler,  nicht  um  sie  selbst  zu  beschaf- 
fen, sondern  um  sie  zu  vermieten. 

5)  luv.  6,  352  ff. 

6)  Auf  diese  Weise  wurde  auch  der  Buch- 
aandel  betrieben,  indem  Sklaven  die  Bücher- 
ibschriften  besorgten :  damit  hatte  schon  Atti- 
:us  Geld  verdient,  Nep.  Att.  13.  3.  Cic.adAtt. 
IV  4  b.  und  vgl.  Marquardt  826.  Dziatzko 
■  P.-W.  III  981. 

7)  Plut.  Cat.  mai.  21.  Digg.  XXXIII  7,  20, 
l;  vgl.  ebd.  XIV  4. 

8)  Aber  daß  es  bestimmte  Klassen  unter 


den  Sklaven  gegeben  habe,  wie  Beoker-Göll 
133  auf  Grund  von  Digg.  XLVII  10,  15  an- 
nimmt, nämlich  ordinarii,  vulgares,  mediastmi 
and  qnu/esquafes,  ist  sicher  nicht  richtig;  das 
zeigt  schon  der  Wortlaut  dieser  Stelle:  muH  um 
interest,  qiialis  servus  sit:  bonae  frugi,  Ordi- 
narius, dispensator,  an  vero  vulgaris  vel  me- 
diastinus  an  qualisguaUs.  Die  Bezeichnungen 
Ordinarius  und  mediastinus  kommen  zwar 
vor,  letztere  für  allerlei  Beschäftigungen  in 
Feld  und  Haus,  Lucil.  b.  Non.  143,  5.  Colum. 
I  9,  3;  II  12,  7.  Hör.  ep.  I  14,  14;  auch  als 
Badediener,  Non.  a.  a.  O.,  als  Arztgehilfen,  Plin. 
XXIX  4,  öfters  auf  Inschr.,  CIL  VI  8894;  9102, 
aber  es  sind  schlechtweg  Gehilfen  oder  Hand- 
langer, nicht  eine  Sklavenklasse. 

9)  Digg.  XIV  4, 5, 1  wird  der  servus  Ordi- 
narius dem  vicarius  entgegengesetzt;  Suet. 
Galba  12  kommt  ein  Ordinarius  dispensator 
vor,  der  dem  Kaiser  das  breviarium  rationum 
vorlegt.  Sen.  de  benef.  III  28,  5:  ad  hm- tos 
alicuius  >ie  ordinariutn  quidem  hobenüs  offi- 
cium ;  vgl.  ep.  1 10, 1,  wo  es  zum  Vergleich  dient. 
10)  Ueber  diese  vgl.  H.  Erman  im  Recueil 
publie  par  la  faculte  de  droit  de  l'universite 
de  Lausanne,  k  l'occasion  de  l'Exposition  natio- 
nale Suisse  (Lausanne  1896)  391  ff. 


286 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


servus  vicarius  ist  der  Sklave  eines  Sklaven;  und  zwar  gehörte  entweder 
dieser  Sklave  dem  Herrn,  war  aber  von  diesem  einem  servus  Ordinarius 
als  Gehilfe  beigegeben x) ;  oder  der  servus  Ordinarius  hatte  sich  aus  seinem 
peculium  (siehe  unten)  einen  vicarius  angeschafft 2),  über  den  er  frei  ver- 
fügen konnte3);  in  der  Regel  scheinen  nur  servi  ordinarii  einen  eigenen 
solchen  vicarius  gehabt  zu  haben4). 

Seinen  Namen5)  erhielt  der  Sklave  ohne  Rücksicht  auf  den,  den  er 
vorher  geführt  hatte,  in  der  Regel  wohl  erst  durch  den  Käufer,  falls  dieser 
nicht  vorzog,  ihm  seinen  ursprünglichen,  oft  barbarischen  Namen  zu  be- 
lassen. Die  oben  erwähnten  alten  Namen,  wie  Marcipor,  Publipor  usw., 
blieben  zwar  noch  bestehen6),  aber  man  reichte  damit  bei  weitem  nicht 
aus  und  erfand  nun  neue,  die  man  nach  Belieben  wählte7).  Häufig,  und 
zumal  aus  den  Komödien  bekannt,  sind  die  von  der  Heimat  des  Sklaven 
entnommenen,  wie  Syrus,  Lydus,  Thrax,  Thessala,  Mysis  u.  dgl.;  dann  wählte 
man  mythologische  Namen,  Königsnamen,  griechische  oder  römische  Eigen- 
namen, und  im  Haus  geborne  vernae  bekamen  mitunter  das  Cognomen  ihres 
Herrn.  In  offiziellen  Dokumenten,  wie  die  Inschriften  es  sind,  wird  dem 
Sklavennamen  noch  der  mehr  oder  weniger  vollständige  des  Herrn  im 
Genitiv,  mit  oder  ohne  servus,  hinzugefügt8). 

Was  die  Lage  der  Sklaven  anlangt,  so  waren  sie  dem  Gesetze  nach 
ihrem  Herrn  gegenüber  völlig  rechtlos,  eine  bloße  Sache9),  über  die  der 
Herr  nach  Belieben  verfügen  konnte,  bis  zu  Marter  und  Tod10).  Juristisch 
konnte  er  keine  Familie,  kein  Eigentum,  kein  Zeugnisrecht  haben,  wenn 
auch  in  Wirklichkeit  das  nicht  so  streng  und  wörtlich  befolgt  wurde.  Denn 
ein  iustum  matrimonium,  eine  rechtmäßige  Ehe  nach  römischem  Gesetz, 
konnte  ein  Sklave  mit  einer  Sklavin  nicht  eingehen,  sowenig  es  eine  solche 
zwischen  Sklaven  und  Freien  gab;  wenn  er  mit  einer  Mitsklavin  (conserva11)) 
zusammenlebte,   so   war   das   ein   vom  Herrn  geduldetes,    an  und  für  sich 


')  Dieser  Fall  scheint  vorzuliegen  Plaut. 
Pseud.  607;  mil.  gl.  825  (vgl.  837;  868);  in- 
schriftl.  s.  Erman  312  f. 

2)  Vgl.  Cic.Verr.  III  38,  86:  hie  Diogne- 
tus  .  .  .  vicarium  nulluni  habet,  nihil  omnino 
peculi;  daher  heißt  ein  solcher  Sklave  auch  ser- 
vus peculiaris,  Plaut.  Pers.  201.  Suet.  Caes.  76. 

3)  Plaut.  Asin.  433;  im  Persa  haben  die 
beiden  Sklaven  Toxilus  und  Lemniselenis  ihre 
eigenen  Sklaven.  Cic.Verr.  I  36,  93:  peculia 
omnium  vicariique  retinentur.  Hör.  sat.  II  7, 
79 :  sive  vicarius  est,  qui  servo  paret.  Vgl.  auch 
Sen.  dial.  IX  8,  6.  Mart.  II  18,  7.  Inschriften 
von  servi  vicarii  s.  Erman  414  ff. 

4)  Digg.  XV  1,  17:  si  servus  meus  Ordi- 
narius vicarios  habet,  id  quod  vicarii  mihi 
debent,  an  deducam  expeculio  servi  ordinarii? 

b)  Vgl.  Oxe  Zur  älteren  Nomenklatur  der 
röm.  Sklaven,  Rh.  M.  LIX  (1904)  108  ff.  Eine 
Untersuchung  über  die  Namen  der  römischen 
Sklaven,  wozu  die  Inschriften  reiches  Material 
bieten,  fehlt  noch. 

6)  Sallust.  hist.  bei  Prise. VI  p.  700  (fr.  69 
Dietsch);  eine  Satire  Varros  hieß  Marcipor; 
auch  inschriftl.  CIL  I  1034;  VI  1057. 


7)  Varr.  1. 1.  VIII 21 :  sie  tres  quom  emerunt 
Ephesi  singulos  servos,  nonnumquam  alius  de- 
clinat  nomen  ab  eo  qui  vendit  Artemidorus  at- 
que  Artemidorum  sive  Artemam  appellat,  alim 
a  regione,  quod  ibi  emit,  ab  Ionia,  Iona,  alius 
quod  Ephesi,  Ephesium,  sie  alius  ab  alia  ali- 
qua  re,  ut  visum  est. 

8)  Vgl.  Marquardt  20  f.  Beim  Uebergang 
an  einen  neuen  Herrn  wird  dem  Namen  das 
Cognomen  des  früheren  Besitzers  mit  dem 
Suffix  anus  (Crescentianus,  Sestianus)  hinzu- 
gefügt, s.  ebd.  21  A.  4. 

9)  Siehe  Wallon  II  175  ff.  Rein  Privatr. 
d.  Röm.  560  ff. 

10)  Gai.  Inst.  I  52 :  domin  is  in  servos  vitae 
necisque  potestas.  Was  das  Gesetz  römischen 
Bürgern  gegenüber  verbot,  war  einem  Sklaven 
gegenüber  kein  Verbrechen;  adulterium  oder 
stuprum  ihnen  gegenüber  gibt  es  nicht,  Digg, 
XLVIII  5,  6  pr. 

51)  Varr.  r.  r.  I  17,  5.  Apul.  met.VHI  22; 
oft  auf  Inschr.,  so  VI  8645;  27790;  IX  321; 
706;  2472;  3721 ;  XI  4752.  Doch  werden  sie 
zumal  auf  Inschr.,  auch  häufig  maritus,  con- 
lux,  uxor  genannt,  s.  Marquardt  176  A.  10 


Siebenter  Abschnitt.    Die  Sklaven. 


287 


rechtloses  contubernium1);  die  daraus  hervorgehenden  Kinder  sind  Eigentum 
des  Herrn.  Solche  Sklavenehen  wurden  vom  Herrn  nicht  bloß  geduldet, 
sondern  sogar  gern  gesehen2),  da  in  den  Kindern  billige  und,  da  sie  im 
Hause  heranwuchsen,  auch  meist  anhängliche  Sklaven  erstanden.  Für 
gewisse  Sklavenämter,  z.  B.  den  vilicus,  war  es  sogar  von  Wichtigkeit,  daß 
Verheiratete  sie  führten,  weshalb  in  solchen  Fällen  auch  die  Herren  die 
Verheiratung  anordneten3).  Andrerseits  besaß  der  Sklave  zwar  kein  eigent- 
liches Vermögen;  aber  in  der  Regel  wurde  ihm  doch  gestattet,  Ersparnisse, 
die  er  von  seinem  Nahrungsdeputat  (siehe  unten)  machte4),  oder  Geld,  das 
er  sich  durch  eine  Fertigkeit  oder  Dienstleistungen  erwarb5),  für  sich  als 
peculium  zu  behalten6).  An  diesem  peculium  konnte  sich  der  Herr  für 
Schaden,  den  der  Sklave  angerichtet,  schadlos  halten7),  andrerseits  der 
Sklave  es  benutzen,  um  sich  vom  Herrn  die  Freiheit  zu  erkaufen  (siehe 
unten).  In  der  Kaiserzeit  gab  es  Sklaven,  die  ein  ganz  bedeutendes  Ver- 
mögen besaßen8). 

Was  sodann  die  Behandlung  der  Sklaven  seitens  ihrer  Herren  be- 
trifft, so  ist  es  im  allgemeinen  zwar  richtig,  daß  der  Römer  ein  strengerer 
Herr  für  seine  Sklaven  war,  als  der  Athener9);  aber  so  schlechthin  ver- 
allgemeinern läßt  sich  das  nicht,  denn  es  kommen  hierbei  nicht  nur  die 
verschiedenen  Charaktere  ebenso  der  Herren,  wie  der  Sklaven  in  Betracht, 
nach  denen  sich  schon  von  selbst  Unterschiede  in  der  Behandlung  ergeben 
müssen,  sondern  auch  die  äußern  Umstände,  die  Zugehörigkeit  zur  familia 
urbana  oder  rustica,  mußten  solche  Unterschiede  mit  sich  bringen,  und  ganz 
besonders  hat  auch  im  Lauf  der  tausend  Jahre  römischer  Geschichte  manche 
Wandlung  in  diesen  Verhältnissen  stattgefunden.  Die  ältere  Zeit,  die  nur 
eine  beschränkte  Sklavenzahl  kennt,  hatte  sich  noch  manches  Patriarchalische 


*)  Vgl.  Masquelez  bei  D.-S.1 1489.  Leon- 
hakd  bei  P.-W.  IV  1164;  die  Verheirateten, 
die  aus  derselben  Sklavenfamilie  sein  mußten, 
hief3en  contubernales,  Digg.  XXXIII  7, 12,  33. 
Da  es  keine  richtige  Ehe  war,  so  gab  es 
beim  contubernium  auch  keinen  Ehebruch; 
aber  in  der  Kaiserzeit  galt  dasselbe  doch 
als  ein  festes  Band.  Digg.  a.  a.  0.  §  7. 

2)  Der  alte  Cato  gestattete  seinen  Sklaven 
das  contubernium  nur  gegen  eine  Geldabgabe, 
Plut.  Cat.  mai.  21,  das  war  aber  nur  eine  Be- 
sonderheit des  in  Geldsachen  sehr  eigentüm- 
lichen alten  Herrn,  der  auch  sonst  seinen 
Sklaven  gegenüber  kein  Gemütsmensch  war. 
Er  aß  und  trank  zwar  mit  ihnen,  wie  er  ihre 
Arbeit  teilte  (Plut.  ebd.  3),  und  seine  Frau 
nährte  bisweilen  Sklavenkinder  selbst  (ebd. 
20) ;  aber  er  empfiehlt  ganz  ruhig,  einen  alten 
und  kranken  Sklaven  zu  verkaufen,  r.  r.  2,  7. 

s)  Colum.  I  8,  5.  Varr.  r.  r.  T 17, 5 ;  II 10, 6. 

4)  Ter.  Phorm.43:  quod  ille  nnciatim  vix 
de  demenso  suo  \  suom  defrudans  genium  con- 
persit  miser.  Sen.  ep.  80,  4:  peculium  suum 
quod  conparaverunt  rentre  fraudato.  Das  ge- 
schah freilich  manchmal  auch  auf  unrechtem 
Wege,  s.  Apul.  met.  X  14.  Vgl.  Petron.  75,  4 
und  über  Sklavenlohn  s.  u. 


5)  Ueber  diese  mit  Gelderwerb  verbun- 
denen Sklavenbeschäftigungen  s.  u.  Aber  auch 
die  anderen  Sklaven  konnten  sich  daneben 
etwas  verdienen,  so  die  Hirten  durch  Auf- 
ziehen von  eigenem  Vieh,  Plaut.  Asin.  540  ff. 
Auch  die  Geschenke  der  Klienten  kamen 
noch  hinzu,  luv.  3,  189. 

6)  Digg.  XV  1,  5,  4:  peculium  .  .  .  quod 
servus  domini  permissu  separatum  a  ratio»  i- 
bus  dominicis  habet,  dedueto  iudc,  ei  quid 
domino  debetur.  Varr.  a.  a.  O.:  danda  opera, 
nt  habeant  peculium.  Bei  Plaut.  Cas.  258  ist 
sogar  ein  Sklave,  der  sich  kein  jwculium  er- 
worben hat,  ein  homo  improbus,  dagegen 
Rud.  112  der  2><'r'<Ho*u>i  servus  probus,  vgl. 
Asin.  498.  Sen.  de  benef.  VII  4,  4. 

7)  Digg.  XV  1,  4  u.  11:  XXXIII  8,  9. 

8)  Plin.  XXXIII  134.  Sen.  de  benef.  III 
28,  5. 

9)  Die  dreisten  und  durchtriebenen  Sklaven 
der  römischen  Komödie  sind  nach  den  atti- 
schen Vorbildern  gezeichnet  und  entsprechen 
nicht  römischer  Sitte;  daher  heißt  es  naiv 
genug  bei  Plaut.  Stich.  146:  atque  id  »e  vos 
miremini,  homines  servolos  j  jwtare.  amme 
atque  ad  cenam  condieere:  licet  haec  Atheui* 
nobis. 


288 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


bewahrt,  wie  sich  das  ja  schon  in  der  Bezeichnung  der  Sklaven  als  familiäres, 
als  zur  Familie  gehörige,  ausspricht1),  was  später  außer  Gebrauch  kam. 
In  der  alten  Zeit  pflegten  auch  die  Sklaven  mit  der  Familie  des  Hausherrn 
zusammen  die  Mahlzeiten  einzunehmen2),  wenn  auch  nicht,  wie  der  Haus- 
herr, liegend,  sondern,  wie  Kinder  und  sonst  geringere  Tischgäste,  auf 
Bänken  sitzend3);  und  auch  in  der  Kaiserzeit  gab  es  noch  Herren,  die 
bessere  Sklaven  an  ihren  Tisch  zogen4).  Namentlich  die  aus  Sklavenehen 
hervorgegangenen  Sprößlinge,  die  vernae  oder  vernaculi  genannt  wurden5), 
hatten  eine  bessere  Existenz  als  die  übrigen;  man  hielt  ihnen  wohl  sogar 
eine  eigene  Amme6),  sie  wuchsen  zusammen  mit  den  Herrenkindern  auf 
und  saßen  auf  dem  Lande  beim  Mahle  mit  der  Familie  zusammen  beim 
Herde7).  Dadurch  wurden  sie  zwar  geschwätzig  und  auch  dreist  und  vor- 
laut8), aber  sie  galten  für  zuverlässig,  treu  und  besonders  zur  persönlichen 
Bedienung  geschickt9).  Fort  lebte  noch  die  Erinnerung  an  die  gute  alte 
Zeit  in  der  Feier  der  Saturnalien.  Nicht  nur,  daß  die  Sklaven  an  diesen 
Tagen  frei  von  Geschäften  waren  und  sich  alle  möglichen  Freiheiten  gegen 
ihre  Herrschaft  erlauben  durften10),  auch  ihre  Sklaventracht  mit  der  bürger- 
lichen vertauschten11),  die  Sklaven  aßen  auch  an  diesen  Tagen  nach  der  Väter 
Sitte  mit  den  Herren  zusammen12),  ja  diese  bedienten  sie  sogar  dabei13). 
Allein  das  waren  schnell  vorübergehende  Tage;  im  allgemeinen  war  das 
Verhältnis  zwischen  Herrn  und  Sklaven  wohl  immer,  wenn  auch  nicht 
gerade  ein  feindseliges,  so  doch  ein  kaltes,  obschon  es  vorkam,  daß  manche 
Herren  zu  denjenigen  ihrer  Sklaven,  die  durch  Bildung  und  Charakter  sich 


')  Plaut.  Amph.  359;  Epid.  2.  Sen.  ep.47, 
14:  (maiores  nostri)  dominum  patrem  familiae 
adpellaverunt,  servos,  quod  etiam  in  mimis 
adhuc  dural,  familiäres.    Macrob.  I  11,  11. 

2)  Plut.  Coriol.  24;  daß  auch  beim  alten 
Cato  dieser  Brauch  bestand,  ward  oben  er- 
wähnt, und  er  mag  überhaupt  auf  dem  Lande 
sich  länger  erhalten  haben  als  in  der  Stadt. 

3)  Sen.  dial.  II  15,  1:  si  (sapiens)  in  con- 
vivio  regis  recumbere  infra  tnensam  vescique 
cum  servis  ignominiosa  officia  sortitis  iube- 
bitur.  Vgl.  oben  S.  121. 

4)  Sen.  ep.  47,  2  u.  15.  Macr.  a.  a.  0.  1. 
Colum.  I  8,  5  empfiehlt,  tüchtige  Aufseher  an 
Feiertagen  zum  Mahle  zuzuziehen. 

D)  Cael.  b.  Cic.  ad  fam.VIII  15,  2.  lustin. 
XXXVIII  6,  7.  Val.  Max.  III  4,  3;  auch  ver- 
nula,  Sen.  dial.  IX  1,  7;  frg.  55  Haase.  Plin. 
XXII  44.  luv.  10,  117;  14,168;  vernaculus, 
Capitol.Macrin.  13, 3.  Vgl.  Corp.  Gloss. VII  404. 
Das  Wort  wird  von  ver  abgeleitet,  als  Früh- 
lingskind, Fest.  372  a,  1 :  vernae,  qui  in  villa 
n-n'  nati,  quod  tempus  duce  natura  feturae 
est.  Andere  Deutungsversuche  s.  Becker-Göll 
131.  Curtius  Griech.  Etym.  207. 

6)  Nach  Plaut,  m.  gl.  696 ;  daß  Catos  Frau 
Sklavenkinder  selbst  nährte,  ward  oben  er- 
wähnt. Das  trat  aber  wohl  nur  ein,  wenn 
die  Mutter  selbst  aus  irgendeinem  Grunde 
nicht  stillen  konnte  oder  bei  der  Geburt  ge- 
storben war. 

7)  Hör.  epod.  2,  65;  sat.  II 6, 66.  Mart.  III 


58.  22.  Eine  gute  Hausfrau  nahm  sich  über- 
haupt der  vernae  an,  Tib.  I  5,  25;  vgl.  Mart. 
II  90,  9. 

8)  Tib.  a.  a.  O.  Hör.  sat.  a.  a.  0.;  die  li- 
centia  vernaculorum  wird  öfters  erwähnt.  Sen. 
dial.  11,6;  vgl.  II 11,  3.  Mart.  141,  2;  X  3.  1; 
Tac.  hist.  II  88  nennt  es  vernacula  urbanitas 
(vgl.  Petron.  24,2),  da  vernaculus  verallgemei- 
nerte Bedeutung  bekommen  hatte. 

9)  Hör.  ep.  II 2, 6.  Nep.  Att.  13.4.  Tac.  ann. 
XIV 44;  vgl. Mart.VIII  59,  11;  XII26,11;87, 
2;  XIV  119, 1  und  besonders  V87,  seine  Klage 
über  den  Tod  einer  vernula.  Daher  bezeichnen 
sich  auf  Inschriften  auch  Freigelassene  bis- 
weilen als  vernae.  CIL  II  1062;  VI  1887;  IX 
577;  2751. 

10)  Macr.  17,26:  Saturnalibus  tota  servil 
licentia  permittitur.  Hör.  sat.  II  7,  4.  Lucian. 
Saturn.  5. 

n)  Dio  Cass.  LX  19,  3:  iv  ml;  Kgorinu  ot 
bovXoi  tö  Ttör  öeairoTÖJv  o/jjfia  (jLsxaXafißävovxez 
toQtä'QovGi.  Sie  liefen,  wie  alle  Festfeiernden, 
mit  dem  pilleus  (dem  Zeichen  der  Freiheit,  s. 
unten)  auf  dem  Kopfe  herum,  Mart.  XI  6,4; 
XIV  1  f. 

12)  Macr.  124,  33;  vgl.  10,  22;  11,1.  Sen. 
ep.  47. 14.  lustin.  XLIII 1,  4.  Accius  bei  Macr. 
I  7,  37. 

13)  Luc.  a.  a.  0.  18.  Ath.  XIV  p.  639  B. 
Auson.  ecl.  15,  16.  Eine  Bewirtung  der  Mägde 
durch  die  Hausfrauen  fand  auch  am  1.  März 
statt,   Macr.  1 12,  7.  loh.  Lyd.  de  mens.  III  15. 


Siebenter  Abschnitt.    Die  Sklaven. 


2S!) 


[auszeichneten,  auf  vertrautem,  selbst  freundschaftlichem  Fuße  standen1), 
Bund  daß  aus  der  Geschichte  uns  Beispiele  von  aufopfernder,  sogar  den  Tod 
[nicht  scheuender  Liebe  von  Sklaven  zu  ihren  Herren  bekannt  sind2),  wie 
[es  andrerseits  nicht  ungewöhnlich  war,  daß  gewandte  und  durchtriebene 
Sklaven  sich  ihren  Herren  nicht  nur  unentbehrlich  zu  machen,  sondern 
[schließlich  sie  ganz  zu  beherrschen  wußten3). 

Seitdem  die  alte  Sitte,  daß  die  Sklaven  mit  der  Herrschaft  speisten, 
[abgekommen  war,  bekamen  sie  ein  bestimmtes  Deputat  an  Lebensmitteln 
mibaria)*);  es  hieß  demensumf>)  und  wurde  in  der  Regel  in  monatlichen6), 
[doch  mitunter  auch  in  täglichen  Rationen7)  verabfolgt.  Ein  festes  Maß  bestand 
dafür  wohl  nicht,  es  mag  in  Qualität  und  Quantität  sehr  verschieden  beschaffen 
|gewesen  sein;  doch  werden  4 — 5  modii  (35,02 — 43,77  Liter)  Weizen  mehr- 
fach als  übliches  Maß  erwähnt8).  Daraus  bereiteten  sie  sich  jedenfalls  das 
[Nationalgericht,  den  puls  (siehe  oben  S.  162);  Fleischnahrung  wird  eben  so 
[selten  gewesen  sein,  wie  heut  in  der  untern  Bevölkerung  Süditaliens.  Als 
[Getränk  bekamen  sie  zwar  Wein,  aber  in  bescheidener  Quantität 9)  und  noch 
bescheidnerer  Qualität10).  Außerdem  erhielten  sie  noch  etliche  Zutaten  zur 
[(Nahrung 1  l).  Erwähnt  wird  auch  ein  bar  ausgezahlter  Lohn  von  fünf  Denaren 
jjmonatlich12),  doch  ist  es  nicht  gewiß,  ob  das  allgemeiner  Brauch  war  oder 
(vielleicht  nur  da,  wo  keine  Zutaten  zum  demensum  geliefert  wurden. 

Als  Kleidung  bekam  der  Sklave  nach  Catos  Vorschrift  vom  Herrn  tunica 
und  sagum  nebst  Holzschuhen13).  Da  auch  der  gewöhnliche  römische  Bürger 
[keine  andere  Tracht  trug,  insofern  ja  die  Toga  nur  Staatskleid  war,  so  unter- 


')  So  Cicero  zu  Tiro,  Atticus  zu  Alexio, 
rgl.  ÜßUMANN  Gesch.  Roms  V  66  f.;  VI  405  ff. 

||Von  Melissus,  dem  grammaticus  des  Maecen, 
sagt  Suet.  de  gr.  21 :  cui  cum  se  gratum  et 
icceptum  in  modum  amici  videret.  Wenn  Sen. 

jie  benef.  VI  16,  1    von  Aerzten  und  Lehrern 

l^agt,  daß  sie  ex medico  acpraeceptore  in  amicum 
'ranscK  nt,  scheint  er  allerdings  nicht  an  Sklaven 

ku  denken,  wie  Marquardt  181  A.  4  meint. 

2)  Macr.  I  11,  16  ff.  und  Val.  Max.  VI  8 
bieten  eine  Menge  von  Beispielen,  vgl.  Sen. 
Sie  benef.  III  23.    Namentlich  in  den  Bürger- 

<ri<\s;en  kamen  solche  Fälle  hingebender 
[Sklaventreue  vor. 

3)  Publik  Syr.  sent.  544:  qui  docte  servil, 
oartem  dominatus  tenet.  Ambros.  ep.  II  7,5  (III 

h.  1133  Migne) :  denique  famulo  sapienti  midti, 
U  scriptum  est,  serviunt  liberi,  et  est  servus 
'ntelligens,  qui  regat  dominos  stultos.  Die  ein- 
flußreiche Stellung,  die  zumal  in  der  Kaiser- 
fceit  viele  Freigelassene  einnahmen,  ging  oft 
jn  ihren  Anfängen  auf  die  Sklavenzeit  zurück. 
*)  Cat.  r.  r.  56.  Sen.  de  benef.  III  21,2. 
D)  Ter.  Phorm.  43  und   das.  Donat.,  vgl. 
Maut.  Stich.  60. 

6)  Plaut,  a.  a.  0.;  vgl.  Trin.  944. 

7)  Diaria,  Hör.  ep.  I  14,  40;  sat,  I  5,  67. 
|?etron.  75,  4  (vgl.  136.  4).  Mart.  XI  108,  3. 

8)  Cato  r.  r.  56  schreibt  für  die  Arbeiter 
,  ür  den  Sommer  4,  für  den  Winter  4'/^  modii 

*or.  für  vilicus,  vilica,  epistata  und  opilio  nur 

5;  letztere  mochten  daneben  andere  Bezüge 

Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft.    IV. 


!   haben.  4  modii  nennt  auch  Donat.  a.  a.  O. ;  5 

|   Seneca  ep.  80,  7. 

9)  Cato  57  schreibt  vor:  zur  Weinlese- 
zeit während  dreier  Monate  lora,  d.  i.  Trester 
(Plin.  XIV  86  bezeichnet  dies  Getränk,  die 
mit  Wasser  vermischten  Trester.  als  vinq 
operaria),  und  zwar  nach  Belieben;  dann  im 
4.  Monat  täglich  1  hemina  (0,27  L.),  im  5. — 8. 
Monat  1  sextarius  (0,54  L.)  und  vom  9. — 12. 
Monat  3  heminae  (0,72  L.). 

10)  Der  Kunstwein,  zu  dem  Cato  104  das 
Rezept  gibt,  ist  dadurch  gekennzeichnet,  daß 
er  sich  bis  zur  Sommersonnenwende  hält  und 
nachher  noch  als  acetum  acerrimum  etptdcher- 
rimum  dienen  kann. 

n)  Nach  Cato  58  zum  [ndmenhirium  Oliven; 
wenn  solche  aufgebraucht  sind,  Fischsauce  (W- 
lec,  s.  oben  S.  188)  und  Essig;  ferner  monat- 
lich 1  sextarius  Oel,  und  Salz  im  Jahre  1  mo- 
diu8  (8,75  L.).  So  ist  wohl  römische  Kost, 
wenn  der  Sklave  Plaut.  Rud.  937  sagt:  sed 
hie  rex  cum  aceto  pransurusi  d  sale,  sine 
bono  pulmento.  Etwas  reicher  ist  das  Menü 
im  Stich.  689:  hoc  convivium  |  pro  oj>il>n.< 
nostris  satis  commodulumst  nueibus,  fabulü, 
ficulis,  oleis,  intubtdo,  lupiUo  comminuto, 
crustulo. 

12)  Sen.  a.  a.  O. 

13)  Cat.  r.  r.  59;  ein  sagttm  und  die  scnl- 
poneae  alle  zwei  Jahre;  die  alten  Kleider 
sollten  abgeliefert  und  zu  Centimes  verarbeitet 
werden  (s.  oben  S.  222). 

2.5.  3.  Aufl.  19 


290 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


schied  sich  der  Sklave  in  der  Tracht  jedenfalls  nur  wenig  von  seinem  Herrn1). 
Auf  dem  Lande,  wo  die  Sklaven  auch  in  der  Kälte  im  Freien  arbeiten  mußten, 
wurden  ihnen  auch  wärmere  Kleider  geliefert2).  Von  den  Wohnräumen  der 
Sklaven  sprechen  wesentlich  auch  nur  die  landwirtschaftlichen  Schriftsteller 3); 
diese  cettae  waren  natürlich  so  bescheiden  wie  möglich.  Doch  dürfen  wir  nicht 
vergessen,  daß  alles  dies  von  den  Sklaven  im  großen  und  ganzen  gilt,  daß  aber 
die  Sklaven  in  vornehmen  Häusern  oft  erheblich  besser  gestellt  waren,  und 
daß  namentlich  die  kaiserlichen  Sklaven  vielfach  eine  behaglichere  Existenz 
hatten,  als  ein  römischer  Bürger  in  bescheidenen  Verhältnissen4). 

Die  Behandlung,  die  die  Sklaven  durch  ihre  Herren  erfuhren,  war 
meistens  streng.  Ein  vertraulicheres  Verhältnis  fand  wohl  in  früheren 
Zeiten,  wo  die  Sklaven  noch  mit  in  der  Familie  lebten,  und  auch  auf  dem 
Lande  statt,  wenn  der  Herr  dort  lebte5);  aber  je  mehr  es  Brauch  wurde, 
daß  der  Besitzer  der  villa  rustica  sich  in  der  Stadt  aufhielt  und  die  Auf- 
sicht dem  vilicus  überließ6),  um  so  schlimmer  wurde  die  Lage  der  Sklaven 
in  der  familia  rustica 7),  die  der  Willkür  der  Aufseher  preisgegeben  waren 8). 
Daher  galt  eine  Versetzung  aus  der  familia  urbana  in  die  familia  rustica 
direkt  als  Strafe9).  Zwar  wird  von  Varro  und  Columella  empfohlen,  die 
Sklaven  mit  Milde  zu  behandeln,  sie  mehr  durch  gute  Worte,  als  durch 
Schläge  zu  leiten,  sich  mit  ihnen  zu  unterhalten,  auch  wohl  einen  Scherz 
zu  riskieren  und  einen  solchen  ihrerseits  nicht  übel  zu  nehmen,  über 
die  Arbeit  mit  ihnen  Rat  zu  pflegen  usw.10);  aber  die  große  Menge  der 
Sklaven,    ihre    verschiedene    Nationalität11),    der    Mangel    religiösen    Ein- 


J)  Das  findet  Sen.  I  24, 1  auch  sehr  nütz- 
lich, denn  sonst  liege  eine  Gefahr  darin,  wenn 
die  Sklaven  auf  diese  Weise  ihre  Herren  zählen 
könnten.  Die  Absicht  des  Alexander  Severus, 
nach  Lamprid.  27, 1,  alle  Stände  und  so  auch 
die  Sklaven  durch  die  Tracht  zu  unterscheiden, 
unterblieb  auf  Rat  der  Juristen.  Wenn  bei 
Tac.  ann.  XIII  25  von  servilis  vestis  die  Rede 
ist,  so  geht  das  wohl  mehr  auf  den  groben 
Stoff,  als  auf  den  Schnitt  der  Kleider. 

2)  Colum.  I  8,9:  cultam  vestitamque  fami- 
liam  magis  utiliter  quam  delicate  habeat  muni- 
tamque  diligenter  a  vento  frigorepluviaque;quae 
nitida  prohibentur  pellibus  manicatis,  centoni- 
bus  confectis,  vel  sagt's  cucullis;  ebd.  18  werden 
neben  der  allgemeinen  Tracht  noch  manicae 
und  pedum  tegmina  besonders  hervorgehoben. 

3)  Cato  erwähnt  sie  nur  kurz,  14,  1,  zwi- 
schen equile  und  carnaria,  was  schon  einen 
Schluß  auf  ihre  Qualität  gestattet.  Varro  I 
13,  1  spricht  zwar  von  einem  gemeinschaft- 
lichen Ort  für  die  Sklaven  und  von  der  Woh- 
nung des  vilicus  (s.  oben  S.  70),  doch  nicht 
von  den  cellae.  Colum.  I  6,  8  empfiehlt,  die 
cettae  der  Hirten  nah  bei  den  Viehställen  zu 
machen.  In  Pompeji  lassen  sich  nicht  bestimmte 
Räume  als  Sklavenzimmer  nachweisen;  sie 
lagen  wohl  meist  im  Oberstock.  Auch  die 
Räume  des  sog.  Pädagogiums  auf  dem  Palatin 
können  nicht  herangezogen  werden,  da  die 
Bedeutung  dieses  Gebäudes  ganz  unsicher  ist, 
s.  Jordan-Hülsen  Topogr.  v.  Rom  I  3,  91  f. 


4)  Vgl.  Friedländer  I  110  ff. 

5)  Die  Begrüßung  des  Herrn  durch  die 
Sklaven  am  Morgen  und  zur  Nacht  war  schon 
früh  abgekommen,  Suet.  Galb.  4. 

6)  Die  Klagen  über  Betrügerei  des  vili- 
cus sowohl  dem  Herrn,  als  den  andern  Sklaven 
gegenüber,  waren  gewiß  nicht  unbegründet, 
s.  Colum.  I  1,20;  8,13  u.  17. 

7)  Diese  kannten  ihren  Herrn  oft  gar  nicht, 
s.  Lucan.  I  167  ff.  Ueber  die  Nachteile  zu  aus- 
gedehnten Landbesitzes  überhaupt  handelt 
Colum.  I  3,  8 ff. 

8)  Colum.  I  8, 16  ff.  empfiehlt,  daß  der  Herr 
sich  selbst  überzeuge,  ob  der  vilicus  nicht  will- 
kürlich Sklaven  in  Fesseln  gelegt  oder  Gefes- 
selte ohne  Wissen  des  Herrn  befreit  habe;  er 
solle  sich  auch  darum  kümmern,  ob  sie  ihre  Klei- 
dung und  sonst  das  ihnen  Gebührende  richtig  er- 
halten. Ein  guter  pater  familias  prüft  selbst  die 
Qualität  von  Speise  und  Trank  der  Sklaven  und 
untersucht  die  Beschaffenheit  der  Kleidung. 

9)  So  schon  Plaut.  Asin.  342.  Vgl.  Hör. 
sat.  117,  117  f.  Sen.dial.V29, 1.  Petron.69,3. 
Digg.  XXVIII  5, 35,  3.  Colum.  I  pr.  12  tadelt, 
daß  man  alte  und  kraftlose  pedisequi  und  Iccti- 
carii  zur  Feldarbeit  aufs  Land  schicke. 

10)  Varr.  r.  r.  I  17,  5.  Colum.  I  8, 10  u.  15. 
Aeußerungen  christlicher  Schriftsteller  im  glei- 
chen Sinne  s.  Marquardt  180  A.  1. 

1 ')  Varr.  a.  a.  O.  rät,  nicht  zu  viele  Sklaven 
gleicher  Nationalität  zu  erwerben,  da  daraus 
offensiones  domesticae  entständen.  Landsleute 


Siebenter  Abschnitt.    Die  Sklaven. 


291 


flusses1),  all  das  brachte  es  mit  sich,  daß  der  Charakter  der  Sklaven  im 
allgemeinen  nicht  ohne  Grund  für  minderwertig  galt.  Freilich  waren  die 
Hauptfehler,  die  man  ihnen  vorwarf:  Verstocktheit2),  Naschhaftigk' 
Plauderhaftigkeit4),  zum  Teil  Folgen  des  ganzen  Systems,  wie  denn  auch 
die  mit  so  elementarer  Gewalt  ausbrechenden  Sklavenkriege  mit  ihren 
Greueln  Folgen  der  harten  Behandlung  waren,  was  Einsichtige  wohl  er- 
kannten5). So  war  es  sprichwörtlich  geworden,  man  habe  so  viel  Feinde, 
als  man  Sklaven  habe6),  und  gegen  diese  Feinde  wollte  man  sich  so  gut 
als  möglich  schützen;  daher  wurden  Sklaven  nicht  bloß  zur  Strafe  gefesselt 
und  ins  ergastulum  geschickt  (siehe  unten),  sondern  auch  solche,  die  der 
Flucht  verdächtig  waren  oder  denen  man  sonst  nicht  traute7). 

In  der  famüia  urbana,  zumal  wenn  sie  zahlreich  war,  hatten  es  die 
Sklaven  zwar  im  allgemeinen  leichter,  da  ihre  Aufgaben  körperlich  weniger 
anstrengend  waren,  als  auf  dem  Lande;  aber  sie  waren  der  Willkür  und 
den  Launen  des  Herrn  und  der  Herrin  noch  mehr  preisgegeben.  Ein  ver- 
traulicheres Verhältnis  zwischen  Herrn  und  Sklaven  konnte  kaum  aufkommen, 
da  letztere  zum  Stillschweigen  angehalten  waren8).  Die  niedrigsten  und 
entwürdigendsten  Dienstleistungen  mußten  sie  ohne  Murren  verrichten9), 
schöne  Mädchen  und  Knaben  waren  gegenüber  den  Begierden  der  Herren 
schutzlos,  wofür  sich  freilich  die  Ehefrauen  nicht  selten  ihrerseits  an  den 
Sklaven  schadlos  hielten10).  Dazu  kamen  die  oft  sehr  rohen  und  grau- 
samen Ausbrüche  des  Zornes,  wenn  der  Sklave  irgend  einen  kleinen 
Fehler  beging11),  worin  namentlich  die  römischen  Damen  sehr  erfinderisch 


mochten  sich  eben  leichter  zu  Verschwörungen 
zusammentun. 

x)  Es  gab  keinen  Gottesdienst  für  die 
.Sklaven,  dn  Herr  opferte  für  sie,  Cato  r.  r. 
143.  Selbst  der  vilicus  (der  nach  Cato  5,  3 
niu'  an  den  Compitalien  opfern  darf)  soll  nach 
•  nhiin.  a.  a.  0.  5  nur  auf  Befehl  des  Herrn 
( (pfer  darbringen.  Haruspices,  augures,  Wahr- 
sauer  u.  dgl.  zu  befragen,  war  allen  Sklaven 
verboten.  Cat.  a.  a.  0.  4.   Colum.  a.  a.  0.  6. 

2)  Plaut.  Asin.  318  ff.;  Bacch.  361  ff.;  Pseud. 
151. 

3)  Hor.sat.  I  3,80;  II  4.  79;  daher  pflegte 
mau  die  Vorräte  unter  Verschluß,  ja  selbst 
unter  Siegel  zu  halten.  Plaut.  Cas.  144.  Cic.  ad 
lau.. XVI 26.  Hör. ep. II 2. 134.  Plin. XXXIII 26. 
Man.  1X87,7.   Tac  ann.  II  2. 

4)  luv.  9, 102 ff.;  daher  galt  ein  Geheimnis 
iles  Herrn  bei  ihnen  nicht  für  sicher,  Mart. 
il  82.  Vgl.  Friedländer  I  383. 

■"')  Vgl.  Colum.  a.a.O.  Plaut.  Pseud.  137 ff. 
Sen.  ep.  47.  3  lobt  dagegen  die  alte  Zeit,  wo 
die  Sklaven  freier  gehalten  waren  und  mit 
den  Herren  vertrauter  verkehrten,  aber  dafür 
um  so  treuer  waren:  in  conviviis  loquebantur, 
\-<i'<l  in  tormentis  tacebant. 

6)  Sen.  ebd.  5:  eiusdem  arrogantiae  pro- 

\verbinm    iactatur:    totidem    hoste*    esse    quot 

\serros.    non  habemus  illos  hostes,  sed  facimus. 

Macr.  111,13.    Fest.  261a,  29:    freilich    war 

<lii  ser  Standpunkt  auch  griechisch,  vgl.  Hermog. 

rhet.  III  19, 9  Walz.  Curt.  VII  8,  28. 


7)  Vgl.  Plaut.  Capt.  1 10  ff.,  wo  es  sich  aller- 
dings um  eben  gekaufte  Kriegsgefangene  han- 
delt. Daß  ein  Sklave  ohne  Erlaubnis  des  Herrn 
das  Haus  nicht  verlassen  durfte  (was  freilich 
von  den  Sklaven  der  Komödie  nicht  gilt), 
war  wohl  nicht  bloß  im  Hause  des  Trimalchio 
vorgeschrieben  (Petron.  28,7:  quisquis  servus 
sinedominicoiussn  foras  cricrit,  aecipiet  piagas 
centum,  wo  nur  die  exorbitante  Strafe  das  Be- 
sondere ist),  sondern  allgemeine  Vorschrift. 
s.  Fronte  epist.  Graec.  5  p.  247  (Nab.),  wonach 
der  Türhüter  darüber  zu  wachen  hatte. 

8)  Sen.  ep.  47,3:  at  infelicibus  servis  mo- 
vere labra  ne  in  hoc  quidem,  ut  loguantur, 
licet,  virga  murmur  omne  conpescitur,  et  //<■ 
fortuita  quidem  verberibus  excepta  sunt,  tussis, 
sternumenta,  singultus. 

9)  Sen.  a.a.O.  5:  alia  Interim  crudelia, 
inhumana  praetereo,  quod  nc  tamquam  homi- 
nibus  quidem,  sed  tamquam  iumentis  nbutt- 
mur,  (/not/  cum  ml  coenandum  diseubuimus, 
///ins  gputa  deterget,  ///ins  reliquias  temulen- 
torum  subditus  coUigit.  Dazugehörte  besonders 
das  Darreichen  des  Nachtgeschirrs,  Mart.  III 
82, 15;  VI  89, 2;  XIV  119.  Petron.  27,  5.  Nicht 
jeder  tröstete  sich,  wie  Trimalchio:  necturpe 
est,  quod  dominus  iubet,  Petr.  75, 11. 

lu)  Mart.  I  81;  VI  39;  XII  49,4:  ebd.  58. 
Petron.  45,  7;  126,5.  luv. 6, 331  ff.  Vgl. Fried- 
länder I  429  f. 

n)  Ohrfeigen,  colapha,  die  zugleich  für  so 
beschimpfend  galten,  daß  es  Sklaven  gab,  die 

19* 


292 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


waren *).  Die  Strafen,  zu  denen  die  Sklaven  wegen  größerer  oder  geringerer 
Vergehen  von  ihren  Herren  verurteilt  wurden,  waren  sehr  verschieden  an 
Art  und  Schwere.  Sehr  gewöhnlich  war,  wie  oben  erwähnt,  die  Verweisung 
aufs  Land,  in  die  familia  rustica;  war  das  Vergehen  schwerer,  so  kamen  sie 
in  das  ergastulum2)  oder  in  das  pistrinum  zum  Drehen  der  Mühle3),  und  noch 
furchtbarer  war  die  Verurteilung  zur  Arbeit  in  den  Steinbrüchen4).  Meist 
war  damit  Fesselung  der  Füße  verbunden5),  um  sie  am  Entlaufen  zu  ver- 
hindern, das  man  auch  dadurch  zu  verhüten  suchte,  daß  man  ihnen  den 
Kopf  zur  Hälfte  kahl  schor6);  in  schwereren  Fällen  kamen  auch  Hand- 
fesseln7) und  Halsring 8)  hinzu  (an  dessen  Stelle  auch  manchmal  das  Hals- 
eisen, boia,  trat,  an  dem  der  Bestrafte  befestigt  wurde9)),  und  so  wurden 
die  Sklaven  auch,  zu  erhöhter  Pein  mit  Gewichten  an  den  Füßen  be- 
schwert, an  einem  Balken  in  die  Höhe  gezogen  und  gepeitscht10).    In  der 


lieber  sich  peitschen  ließen,  Sen.  dial.  II  5, 1 ; 
vgl.  lud.  de  mort.  Claud.  15,  2.  Petron.  34,  2; 
dazu  hatten  sie  das  Gesicht  hinzuhalten  (os 
praebere),  Ter.  Ad.  215;  ferner  Faustschläge 
auf  den  Mund,  Mart.XIV68.  Galen.  V  17  K. 
bemerkt,  daß  oft  Sklaven  durch  Faustschläge 
Zähne  oder  Augen  ausgeschlagen  wurden,  und 
führt  allerlei  Beispiele  von  grausamer  Züch- 
tigung an.  Anderes  s.  Marquardt  183  A.  7. 
*)  Ueber  die  Leiden  der  Kammerzofen  bei 
der  Toilette  vgl.  Ov.  am.  I  14.  15 ff.;  a.  a.  III 
239  ff.  Mart.  II  66.  3  f.  luv.  6. 475  ff.  Vgl.  Fried- 
länder I  430.  Hadrian  verbannte  zwar  eine 
Frau  wegen  ihrer  Grausamkeit  gegen  die  Skla- 
vinnen auf  eine  wüste  Insel,  Digg.  I  6,2;  doch 
hat  er  selbst  im  Zorn  einem  Sklaven  mit  dem 
Schreibgriffel  ein  Auge  ausgestochen,  Galen, 
a.  a.  0. 

2)  Siehe  oben  S.  75.  Die  Aufsicht  dar- 
über hatte  der  ergastularius,  Colum.  18,  17. 
Amm.  XIV  11, 33,  doch  unter  Oberaufsicht  des 
vilicus,  Colum.  a.  a.  0.  16  u.  XI  1,22. 

3)  Diese  auch  bei  den  Griechen  übliche 
Strafe  erwähnen  die  Komiker  öfters,  vgl.  Plaut. 
Asin.  31  ff. ;  Bacch.  781 ;  Epid.  121 ;  Poen.  827. 
Ter.  Andr.  199;  Phorm.  249;  Heaut.  530.  Cic. 
deor.  1  11,46. 

4)  Plaut.Capt.723;  730ff.;  1000;  Poen.  827. 

5)  Mit  compedes  und  catenae  als  genus 
ferratile,  Plaut.  Most.  19;  vgl.  Menaech.  80  u. 
85.  Ter.  Phorm.  249.  Cato  r.  r.  56.  Tib.  II  6, 55. 
Ov.tr.  IV  1.5.  Sen.  dial.  V  24, 2;  IX  10.1.  luv. 
11,80.  Plin.  XVIII  21.  Die  Fesseln  wurden 
vom  Schmied  festgemacht,   Plaut.  Capt.  733. 

6)  Catull.  59,  5.  wo  freilich  der  Sklave 
wieder  aus  dem  Gefängnis  heraus  ist,  da  er 
als  ustor  fungiert.  Apul.met.  IX  12.  Artem. 
On.  121;  manchmal  wurden  sie  auch  ganz 
kahlgeschoren,  Petron.  103,  1  u.  3  (auch  die 
Brauen).   Ach.  Tat.  V  17. 

')  Manicae,  Lucil.  b.  Non.  36,  21.  Plaut, 
Most.  1065;  Capt.  659.  Hör.  ep.  I  16, 76. 

8)  Collare,  Plaut.  Capt.  357.  Lucil.  a.  a.O., 
wo  daneben  der  catulus  genannt  wird,  nach 
Fest.  45,  11  genus  quoddam  vinculi,  qui  iu- 


terdum  canis  appellatur;  und  so  Plaut.  Cure. 
691:  delicatum  te  hodie  faciam  cum  catello 
ut  aceubes,  I  ferreo  ego  dico;  Cas.  389:  ut  qui- 
dem  tu  hodie  et  canem  et  furcam  feras  (die 
Bezeichnung  ist  jedenfalls  scherzhaft  aus  ca- 
tella  entstanden).  Nicht  alle  collaria  aber  waren 
Fesseln ;  man  legte  fluchtverdächtigen  Sklaven 
eiserne  oder  bronzene  Halsbänder  mit  einer 
Inschrift,  in  der  um  Rückgabe  des  Flüchtigen 
ersucht  wurde,  um,  vgl.  de  Rossi  Bull,  crist. 
1874,49;  ders.  Bull.  comun.XX(1892)  11, wodie 
Aufschrift  lautet :  Servus  sunt  domui  Scholastici 
V(iri)  sp(ectabilis).  Tene  me  ne  fugiam  de  domo 
pulverata.  Eine  mit  vier  Löchern  versehene 
Scheibe  (zur  Befestigung  am  Halsring)  gibt 
den  Namen  des  Besitzers  und  dazu:  Fora* 
muru{m)  exivi,  tene  me  quia  fugi,  reduc  me 
ad  Flora{m)  ad  to{n)sores,  s.  Hülsen  R.  M.  VI 
(1891)341.  Vgl.  Class.  Rev.  1907, 19.  Ueber 
collare  vgl.  Saglio  bei  D.-S.  I  1289  (mit  Abbil- 
dung von  Halsbändern  von  fugitiviF\g.l7l2f.). 
Mau  bei  P.-W.  IV  363. 

9)  Boiam  terere,  Plaut.  Capt.  818;  vgl. 
Asin.  550;  nach  Fest.  35, 12  genus  vineulorum, 
tarn  ligneae  quam  ferreae  dieuntur.  Isid.  or. 
V  27,  12:  boia,  id  est  torques  damnatorum, 
quasi  iuga  boum  ex  genere  vineulorum.  Die 
Glossen  erklären  es  durch  xkoiög,  Corp.  Gloss. 
II  350,  63  ;  521,  45;  es  war  also  ebenso  das 
Halseisen,  wie  der  Holzblock,  in  den  der  Ver- 
brecher gespannt  wurde. 

10)  So  Plaut.  Asin.  303:  ad  pedes  guemdq 
adligatumst  aequom  centumpondium,  ubi  »i<<- 
nus  manicae  conplexae  sunt  atque  adduetae 
ad  trabem,  \  nee  dependes  nee  propendes,  quin 
malus  nequamque  sis.  Daher pendentem  ferire 
oder  caedere,  Plaut.  Trin.  247 ;  Most.  1167.  Ter. 
Phorm.  220;  Eun.  1021.  Einen  ganzen  Katalog 
von  Sklavenstrafen  bietet  Plaut.  Asin.  549 :  sti- 
mulos,  lamminas,  crxicesque  conpedesque,  ner- 
vös, catenas,  carceres,  numellas,  pedicas,  boias, 
inductoresqueacerrumosgnarosquenostritergi. 
Daher  auch  die  scherzhaften  Epitheta  Trin. 
1022:  eollicrepidae,  cruricrepidae,  ferriteri, 
mastigiae. 


Siebenter  Abschnitt.    Die  Sklaven. 


-.»:; 


Kegel  war  wohl  die  Fesselung  derart,  daß  der  Bestrafte  dadurch  nicht  an 
der  Arbeit  verhindert  wurde;  ein  Binden  mit  Stricken  (nervi)  fand  daher 
wohl  mehr  vorübergehend x)  oder  bei  Gefängnisstrafe 2)  statt.  Sehr  gewöhnlich 
waren  Schläge  und  Geißelungen3),  und  zwar  mit  Ruten  oder  Stöcken4),  mit 
Riemen  und  Lederpeitschen5)  oder  Knuten  aus  Stricken  oder  Draht6).  Zwar 
pflegen  die  gegen  Prügel  abgehärteten  Sklaven  der  Komödie  über  solche 
Züchtigungen  ihre  Witze  zu  machen7);  aber  in  Wirklichkeit  waren  sie 
schwerlich  so  unempfindlich.  Das  Verfahren  wurde  manchmal  dadurch  noch 
erschwert,  daß  das  Peitschen  sub  furca  stattfand 8).  Ursprünglich  war  das 
Tragen  der  einen  Teil  des  Wagens  bildenden  furca9),  die  die  Form  eines  V 
hatte,  mehr  eine  entehrende,  als  eine  schmerzhafte  Strafe:  die  Delinquenten 
mußten  sie  über  den  Nacken  nehmen,  die  Hände  wurden  ihnen  an  den  beiden 
Balken  angebunden  und  so  wurden  sie  durch  die  Straßen  geführt10);  dazu 
trat  dann  bei  schwereren  Vergehen  das  Durchpeitschen,  und  nicht  selten 
ging  es  der  Kreuzigung  voraus  u).  Manche  dieser  Strafen  waren  schon  direkt 
als  Folter  zu  bezeichnen  und  gehörten  in  der  Tat  auch  zu  den  Torturen, 
durch  die  man  im  Gerichtsverfahren  Geständnisse  zu  erpressen  suchte; 
dahin  gehören  auch  die  glühenden  Metallbleche,  die  man  den  Verbrechern 
auflegte12),  ferner  der  eculeus,  bei  dem  der  Körper  gewaltsam  gestreckt  und 

6)  Das  flagnim  oder  flagellum  scheint  die 
schlimmste  Art  der  Geißelung  gewesen  zu 
sein,  Plaut.  Pseud.  1240.  Hör.  epod.  4, 11 ;  sat.  I 
2,  41.  Mart.  VIII  23,3;  XIV  79;  scherzhaft  ein 
Sklave  ggmnasium  flagri,  Plaut.  Asin.  297. 
Nicht  ganz  sicher  ist  die  Bedeutung  der  öfters 
genannten  st i midi,  Plaut.  Cure.  128:  Aul.  45 
u.  48;  Pseud.  1240;  Men.  951 ;  Most.  56  f.  Da 
sie  ausdrücklich  von  den  flagra  unterschieden 
werden  und  forare  oder  fodere  von  ihnen 
gesagt  wird,  so  hält  sie  Göll  bei  Becker  177 
für  Ochsenstachel,  zustimmend  Mau  bei  M;u 
quardt  182  A.  6. 

7)  Vgl.  Plaut.  Asin.  318;  547;  Bacch.365. 

8)  Das  fand  auch  bei  Freien  statt,  aber 
nur  als  eine  der  Todesstrafe  oder  dem  Ver- 
kauf vorausgehende  Prozedur,  Liv.  I  26.  10; 
epit.  1.  LV.  Suet.  Nero49.  Tac.  ann.  II 32 :  X  V 1 1 1 . 
Vgl.  Plaut.  Men.  943. 

9)  Es  war  eine  gabelförmige  Vorrichtung, 
um  die  Deichsel  des  unbespannten  Wagens 
zu  stützen,  s.  Mau  bei  Marquardt  185  A.  6. 

I0)  Donat.  ad  Ter.  Andr.  618.  Plut.  Coriol. 
24,  die  das  blof3e  Tragen  der  furca  als  Sklaven- 
strafe bezeichnen ;  vgl.  Plut.  qu.  Rom. 70  p.  280E. 
Plaut.  Cas.  389 :  ut  et  canem  et  furcam  feras : 
Pers.  855:  dabis  (manus)  sub  furds.  Hör.  sat. 

II  7,  66:  ibis  sub  furcam.  Daher  das  beliebte 
Schimpfwort  fureifer,  das  bei  Plautus  u.  Terenz 
Dutzende  von  Malen  vorkommt,  vgl.  Plut.  a.  a.O. 

u)  Siehe  unten  S.  295. 

12)  Die  lamminae  Plaut.  Asin.  549.    Lucr. 

III  1017;  vgl.  Cic.  Verr.  V  63, 163.  Hör.  ep.  1 
15,  36.  Quint.  decl.  18,  11  u.  15.  Nach  Galen. 
V584K.  brannte  man  damit  bei  entlaufenen 
Sklaven  die  Beine,  bei  diebischen  die  Hände, 
bei  geschwätzigen  die  Zunge,  bei  naschhaften 
die  Stelle  des  Magens. 


J)  Plaut.  Cure.  690 :  'da  te  nervo  torquebo, 
itidem  ut  catapultae  solent.  Wenn  es  Ter.  Andr. 
865  heißt:  quadrupedem  constringito,  so  ist 
wohl  an  ein  Zusammenbinden  von  Händen 
und  Füßen  zu  denken.  Später  bekommt  nervus 
speziell  die  Bedeutung  Fußfessel,  Fest.  165  a, 
23 :  nervutn  appellamus  etiam  ferreum  vineu- 
htiu,  quo  pedes  impediuntur:  so  auch  Corp. 
Gloss.V524.  15;  573,24;  ebd.  II  133,45  durch 
l-vkonidr)  erklärt;  auch  Tert.  ad  mart.  2 ;  eult. 
fem.  18.  Da  es  immer  nur  im  Singular  vor- 
kommt, war  es  nicht  eine  Fessel  für  jeden 
Fuß,  sondern  für  beide  zugleich,  ein  hölzerner 
oder  eiserner  Fußblock.  Auch  die  numella 
(Plaut.  Asin.  550)  war  ein  solcher  Block:  ma- 
chinaegenus  ligneum  ad  discruciandos  noxios, 
quo  ff  Collum  et  pedes  inmittunt,  Fest.  173,18. 
Vgl.  Corp.  Gloss.V  34,2  u.ö. 

2)  Daher  bekommt  nervus  direkt  die  Be- 
deutung von  Gefängnis.  Plaut.  Cure.  720.  Ter. 
Phorm.  325;  696. 

3)  Hör.  sat.  I  3,  119  f.  führt  als  Haupt- 
instrumente dafür  scutica,  flagellum  und  ferula 
auf;  dieselben  luv.  6,479f. 

4)  Das  sind  die  ferulae,  auch  rirgae,  Plaut. 
Bacch.365;  779;  Asin.  298:  Men.  943;  fitstes, 
Aul.  48;  da  Ulmenholz  dazu  genommen  wurde, 
gibt  das  den  Komikern  zu  allerlei  Witzen  An- 
laß, so  heißt  Plaut.  Pers.  278  ein  Sklave  ul- 
mitriba,  Amphitr.  1029  ultuorum  Acheruns; 
vgl.  Asin.  363:  nos  futuros  ulmeos;  Rud.  636: 
tibi  idmeam  ni  tnetere  speras  virgedemiam. 

5)  Die  lora  führen  die  bei  Plaut,  in  den 
Captivi  auftretenden  lorarii;  vgl.  Ter.  Ad.  182. 
Hör.  ep.  1 16, 47.  Mart.  X  62, 8.  Lederpeitschen 
sind  auch  die  scutica,  Hör.  sat.  I  3,119.  luv. 
a.  a.O..  und  die  habenae,  Hör.  ep.  II  2, 15.  Digg. 
XXIX  5,  1,33. 


294 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


aus  den  Gelenken  gerissen  wurde1),  Verstümmelungen2),  Zerbrechen  der 
Beine3)  u.  dgl.  m.,  sodaß  zu  einer  großen  Sklavenschar  auch  Folterknechte, 
tortores,  gehörten4).  Für  gewisse  Vergehen,  besonders  Diebstahl  und  Flucht, 
war  das  Aufbrennen  eines  Brandmals,  stigma6)  oder  nota6),  in  der  Regel  auf 
die  Stirn7),  sehr  üblich;  es  bestand  in  Buchstaben,  die  das  begangene  Ver- 
gehen andeuteten 8).  Freigelassene  Sklaven  hatten  große  Mühe,  diese  Brand- 
male zu  vertilgen9)  oder,  wenn  das  nicht  anging,  wenigstens  zu  verdecken10). 
Das  Äußerste,  was  der  Herr  über  den  Sklaven  verhängen  konnte,  war  der 
Tod,  —  dieser  freilich  in  der  mannigfaltigsten  und  schrecklichsten  Gestalt11). 
Durfte  doch  ein  Scheusal  seine  Sklaven  geringer  Vergehen  wegen  lebendig 
von  seinen  Muränen  fressen  lassen12);  und  wenn  das  auch  ein  einzelner  Fall 
blieb,  so  war  es  dafür  um  so  gewöhnlicher,  daß  Sklaven  in  die  Arena  zum 
Kampf  mit  den  wilden  Tieren  geliefert  wurden13),  auch  das  lebendig  Ver- 
brennen wird  mehrfach  erwähnt14).    Die  üblichste  Todesstrafe  aber  für  die 


!)  Unter  den  Sklavenstrafen  bezeugt  durch 
Sen.  dial.  V  3,  6.  Weiteres  über  dies  Folter- 
werkzeug s.  Hitzig  bei  P.-W.  V  1931  f.  Auch 
die  fidicida,  bei  Sen.  ebd.  erwähnt,  gehört  dazu, 
ein  Strick,  mit  dem  Körperteile  zusammen- 
geschnürt werden,  vgl.  Suet.  Tib.  62.  Val.  Max. 
III  ext.  3,5. 

2)  So  Abschneiden  derZunge.wasgewöhn- 
lich  der  Kreuzigung  vorausging,  Cic.proCluent. 
66,  187.  Mart.  II  82;  Abhacken  der  Hände, 
Plaut.Epid.il.  Suet.Calig.32.  Sen.  dial.  V  3, 6 
zählt  auf:  eculei  et  fidiculae  et  ergastula  et 
cruces  et  circumdati  defossis  corporibus  ignes 
et  cadavera  quoque  trahens  uncus,  varia  vin- 
culorum  genera,  varia  poenarum,  lacerationes 
membrorum,  inscriptiones  frontis  et  bestiarum 
immanium  caveae. 

3)  Plaut. Poen. 886.  Sen. dial. V  32, 1.  Suet. 
Aug.  67;  Tib.  44;  es  geschah,  wie  man  aus  der 
Passionsgeschichte  weiß,  öfters  auch  bei  der 
Kreuzigung,  Cic.  Phil.  XIII 12, 27. 

4)  Petron.49,6.  luv.  6,  280;  14,  21. 

5)  Petr.  45,  9;  69,  1  u.  ö.  Quint.  VII  4, 14: 
si  quis  fugitivo  Stigmata  scripserit.  luv.  10. 183 ; 
auch  übertr.  Stigmata  imponere,  Vitr.  II  8,  15; 
inscribere,  Sen.  benef.  IV  37, 3. 

6)  Suet. Cal. 27 :  stigmatum  notae:  Mart.  III 
21,1 :  frons  notata.  Gebrandmarkteheißen  stig- 
matiae,  Varr.  1. 1.  VII  108.  Cic.  de  off.  II  7, 25, 
oder  st igmosi.  Petron.  109,  8:  inscripti,  Mart. 
VIII  75.  9.  Plin.  XVIII  21.  luv.  14,  24  kühn: 
inseripta  ergastula.  Scherzhaft  heißen  sie  bei 
Plaut.  Cas.  401  litterati. 

1)  Sen.  dial.  V  3.  6 :  inscriptiones  frontis. 
Petron.  103.  2;  105,16.  Mart.  XII  61,  11.  Val. 
Max.  VI  8,  7 :  inexiyiabili  litterarnm  nota  per 
sumrnam  oris  contumeliam  inustus.  Doch  wur- 
den auch  Hände  oder  Füße  gebrandmarkt, 
Cod.  Iust.  IX  47, 17. 

8)  Daher  die  erwähnten  Bezeichnungen  in- 
scribere, inscriptiones,  litterati,  vgl.  die  frontes 
litterati,  Apul.met.  IX  12.  Unsicher  ist,  ob  ein 
einzelner  Buchstabe  eingebrannt  wurde  oder 
mehrere  (s.  Beckek-Göll  175),  und  wenn  Cic. 


p.  Rose.  Am.  20,57:  litteram  Main,  cid  cos  us- 
que  eo  inimici  estis,  ut  etiam  Kai.  omnis  ode- 
ritis,  ita  vehementer  ad  caput  adfigent  für 
ersteres  zu  sprechen  scheint,  so  ist  doch  sonst 
immer  von  litterae  die  Rede,  Petron.  105,  2. 
Val.  Max.  a.  a.  O.  Scrib.  Larg.  231,  und  daher 
Inschriften  wie  Für,  Fug.,  Kai.  für  Diebe, 
Ausreißer  und  Verleumder  wahrscheinlich. 
Vgl.  Petron.  103,4:  implevit  Eumolpus  frontes 
utriusque  ingentibus  litteris  et  notttui  fugiti- 
vorum  epigramma  per  totam  fadem  liberali 
manu  duxit;  da  kann  von  einem  Buchstaben 
nicht  die  Rede  sein.  Daher  deutet  man  wohl 
mit  Recht  Plaut.  Aul.  325:  trium  Ittterarum 
homo  auf  Brandmarkung. 

9)  Damit  gaben  sich  manche  Aerzte  ab, 
s.  Mart.  VI  64, 26;  X  56.  6.  Ein  sehr  einfaches 
Rezept  empfiehlt  Plin.  XXX  30:  columbinus 
fimus  ex  aceto;  komplizierter  ist  das  bei  Scrib. 
Larg.  231. 

10)  Entweder  strich  man  die  Haare  in  die 
Stirne,  Petron.  105,2,  oder  man  klebte  Schön- 
pflästerchen  (splenia)  darüber,  Mart.  II  29,  9. 

n)  Es  war  alter  Brauch  (Tac.  ann.  XIV  42} 
und  seit  10  n.  Chr.  sogar  Gesetz,  daß  bei  Mord- 
versuch gegen  den  Herrn  oder  Ermordung  die 
ganze  Sklavenfamilie  den  Tod  erlitt,  wenn  der 
Urheber  nicht  zu  vermitteln  war,  Digg.  XXIX 
5,1,26;  6  pr.  17u.s. 

12)  Vedius  Pollio,  Plin.  IX  77.  Sen.  dial.  V 
40,  2  (wonach  ein  Sklave  dem  grausen  Tode 
durch  Augustus  entrissen  wurde,  der  den  Herrn 
dadurch  bestrafte,  daß  er  alle  seine  Kristall- 
gefäße zerschlagen  und  die  piscina  mit  den 
Scherben  anfüllen  ließ,  ebenso  Dio  Cass.LIV 
23);  de  dem.  I  18.2. 

13)  Sen.  dial.  V  3,  6.    Gell.  V  14, 27. 

14)  Plaut.  Capt.  597.  Sen.  a.  a.  O.  Bekannt 
ist,  daß  die  Delinquenten  dabei  die  mit  Pech 
bestrichene  tunica  molesta  trugen,  Mart.  X  25, 5. 
luv.  8, 235.  Plaut.  Epid.  119  und  Cas.  309  wird 
auch  das  Verbrennen  im  Backofen  erwähnt, 
doch  hält  Becker-Göll  181  das  wohl  mit  Recht 
für  Uebertreibung. 


Siebenter  Abschnitt.    Die  Sklaven. 


295 


Sklaven  war  die  Kreuzigung1),  die  in  der  republikanischen  Zeit  bei 
römischen  Bürgern  unerhört  war2)  und  in  der  Kaiserzeit  die  Hauptstrafe 
für  Verbrecher  blieb3).  Der  Kreuzigung  gingen  in  der  Regel  noch  andere 
Qualen  voraus,  wie  das  Ausschneiden  der  Zunge4),  namentlich  aber  die 
Geißelung 5).  Der  Delinquent  wurde  dann  entweder  mit  der  furca,  unter  der 
er  die  Geißelhiebe  empfangen  hatte6),  oder  mit  dem  Querholz  des  Kreuzes, 
dem  sogenannten  patibulum 7),  an  dem  seine  Hände  angebunden  oder  an- 
genagelt waren8),  zu  dem  außerhalb  des  Tores  aufgerichteten  Kreuzbalken 
geführt9)  und  dabei  noch  gepeitscht  oder  mit  Stachelstöcken  gestochen10). 
Am  Richtplatz  war  das  Kreuz  errichtet,  in  der  Regel  wohl 1 1)  nur  ein  senk- 


l)  Ueber  die  Kreuzigung,  speziell  die  Form 
des  Kreuzes  und  die  Art  der  Strafvollziehung 
handeln,  abgesehen  vonBECKER-GöLLl78ff.  und 
Marquardt  185ff.  eine  Anzahl  Spezialschriften, 
bes.  Zestermann  Die  bildliche  Darstellung  des 
Kreuzes  und  die  Kreuzigung  Jesu  Christi,  Leip- 
zig 1867  f.  Degen  Das  Kreuz  als  Strafwerkzeug 
und  Strafe  der  Alten.  Aachen  1874.  Fulda  Das 
Kreuz  und  die  Kreuzigung,  Breslau  1878;  dazu 
Saglio  bei  D.-S.  I  1573  ff.  Hitzig  bei  P.-W.  IV 
1728  ti. 

*)  Sie  ist  das  eigentliche  servile  suppli- 
cium. Tac.  hist.  IV  11.  Volcac.  Avid.  Cass.4, 6; 
vgl.  Plaut,  m.  gl.  359  u.  372.  Hör.  ep.  1 1 6, 47.  Liv. 
XXII  33, 1.  Cic.  Verr.  V  6, 12;  pr.  Cluent.  66, 
187  u.s. 

3)  Vgl.  Hitzig  a.a.O.  1729. 

4)  Siehe  oben  S.  294  A.  2. 

»)  Cic.  Verr.  V  62,  162  f.  Man  vgl.  die  Ge- 
schichte der  Passion  Christi  und  für  Sklaven 
die  oft  wiederholte  Geschichte  von  der  Grün- 
dung gewisser  Zirkusspiele,  Cic.  de  div.1 26,55. 
Liv. II 36, 1 .  Dionys. Hai.  VII 68.  Val. Max.  17.4. 
Macrob.  13,11.  Lactant.  II  7, 26.  Arnob.  VII 39. 

6)  In  der  erwähnten  Geschichte  sprechen 
zwar  manche  Schriftsteller  nur  vom  caedi 
sub  furca,  doch  handelte  es  sich  um  nach- 
herige Kreuzigung,  vgl  Val.  Max.  a.  a.  0.  Wenn 
Macr.  a.  a.  0.  statt  der  furca  das  patibulum 
nennt,  so  hat  er  wohl  nur  das  zu  seiner  Zeit 
allgemein  übliche  an  die  Stelle  gesetzt;  iden- 
tisch sind  furca  und  patibulum  sicher  nicht 
gewesen.  In  den  Digesten  kommt  dann  freilich 
die  furca  als  Todesstrafe  vor,  XL VIII  19  (ad 
furcam  damnare,  furca  figere  oder  suspendere, 
in  furcam  tollere,  furcae  subicere),  und  Mau 
bei  Marquardt  185  A.  6  meint,  daß  es  sich 
dabei  um  eine  Uebertragung  des  Namens 
(furca  für  patibulum)  handle.  Wahrschein- 
licher ist  aber  die  Meinung  von  Marquardt 
ebd.  und  Hitzig  a.a.  0. 1730,  daß  nach  Abschaf- 
fung des  Kreuzes  durch  die  christlichen  Kaiser 
die  Strafe  des  Erhängens  an  der  furca  an 
die  Stelle  trat,  wobei  die  Delinquenten  mit 
dem  Nackenholz  an  einem  gabelförmig  enden- 
den Pfahl  aufgehängt  wurden,  was  Amm. 
Marc.  XV  7,  4  viridis  post  tergum  mau  Ums 
suspendere  nennt,  Isid.  V  27,  34  suspendere 
et  strangulare,  der  hier  zwar  patibulum  und 
furca  identifiziert,  aber  von  der  crux  unter- 


scheidet: patibulum  SUepensos  staliut  c.raui- 
mal,  crux  autem  suffixos  diu  cruciat.  Man 
verstand  also  später  unter  furca  und  puli- 
hu/um  ein  Erhängen,  wie  es  die  bei  Darem- 
berg-Saglio  I  1575  Fig.  2085  abgebildete  Mi- 
niatur einer  vatikanischen  Handschrift  zeigt. 

7)  Wie  die  furca  vom  Wagen,  so  ist 
das  patibulum  ursprünglich  von  der  Tür  ent- 
nommen, als  der  von  innen  vorgeschobene 
Querbalken,  s.  oben  S.  22.  Marquardt  186 
glaubt,  daß  das  patibulum  ein  aus  zwei  Teilen 
bestehender  Halsblock  war,  in  den  der  Ver- 
brecher mit  dem  Kopf  eingeschlossen  wurde; 
doch  geht  das  aus  den  von  ihm  dafür  an- 
geführten Stellen  nicht  hervor,  vgl.  Mau  ebd. 
187  A.  1  und  Zestermann  a.  a.  O.  I  21.  Da 
das  patibulum  ein  integrierender  Teil  der 
Kreuzigung  ist,  wird  es  häufig  direkt  im 
Sinne  von  Kreuz  gebraucht,  vgl.  Cic. Verr.  IV 
41,90.  Non.366,  12;  Sen.  dial.VII  19,  3:  nisi 
ex  patibulo  suos  spectatores  conspuerent;  ep. 
101,  12:  patibulo  pendere,  und  auch  in  den 
Glossen  wird  es  so  erklärt,  s.  Corp.  Gloss.  VII 54. 

8)  Plaut,  m.  gl.  360:  dispessis  manibus 
patibulum  quam  Jiabebis.  Sen.  dial.VI  20,  3: 
alii  brachia  patibulo  explicucruut:  frg.  124 
Haase:  sive  extendendae  per paHbula  mauus. 
Dion.  Hai.  VII  69,2:  ol  <5'  äyovzsg  tov  fregoxorra 
Im  zi]v  ziLMOQiav  tag  yelnag  djzozsirarzeg  dp- 
(foztgag  xai  tgi'lco  jcgoodtjoarzeg  Tzagä  zu  ozegva 
zs  xai  zovg  (ouovg  xai  ueyqi  zwv  xaQJt&v  A"y- 
xovzi  izaonxoXov^ovv  l-alvorzeg  pdozik~i  yvuvov 
ovza  (wo  Mau  a.  a.  0.  erklärt,  daß  das  pati- 
bulum vielleicht  nicht  auf  dem  Nacken,  son- 
dern vor  dem  Halse  lag). 

9)  Licin.  b.  Non.-221,  13:  ad  patibulos  de- 
ligantur  et  circumferuntur,  cruci  defiguntw; 
ebd.  Plaut.:  patibulum  f erat  per  urbem,  deinde 
adftgatur  cruci.  Kreuzigungsplatz  extra  por- 
tam,  Plaut,  m.  gl.  369.  So  nimmt  man  in 
der  Regel  an,  daß  auch  Christus  das  pati- 
bulum, nicht  das  ganze  Kreuz  getragen  habe. 

10)  Plaut.  Most.  56:  ita  te  forabunt  paH- 
bulatum  per  vias  stimulia. 

1J)  Gewiß  mit  Recht  nimmt  Hitzig  a.a.O. 
an,  daß  die  Strafe  zu  verschiedenen  Zeiten 
und  je  nach  der  Laune  des  Schergen  ver- 
schiedene Formen  angenommen  habe,  vgl. 
Sen.  dial.VI  20,  3:  rideo  istic  cruecs  uou  unius 
quidem  c/encris,  sed  dliter  ab  aliis  fabricatas, 


296 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


recht  in  die  Erde  gerammter  Pfahl1),  der  daher  auch  palus9)  oder  stipes5) 
heißt.  An  diesem  Pfahl  wurde  der  Delinquent  mitsamt  dem  patibulum  in 
die  Höhe  gezogen4),  das  letztere  als  Querholz  am  Pfahl  befestigt,  sodaß 
die  eigentliche  Kreuzesform  entstand,  und  die  Füße  wurden  am  Pfahl  fest- 
genagelt6). 

In  diesen  Verhältnissen  mit  ihrer  barbarischen  Härte,  der  Schutz-  und 
Rechtlosigkeit  der  Sklaven  trat  aber  schon  seit  Beginn  der  Kaiserzeit  eine 
Milderung  ein,  indem  dem  Herrn  manche  Rechte  genommen,  dem  Sklaven 
gewisse  Rechte  zugesprochen  wurden.  Noch  aus  der  ersten  Kaiserzeit  rührt 
das  Gesetz  her,  das  dem  Herrn  verbot,  von  sich  aus  einen  Sklaven  zum  Tier- 
kampf zu  bestimmen,  und  das  Recht  dazu  auf  den  praefectus  urbi  oder  den 
Statthalter  übertrug6);  dann  bestimmte  Claudius,  daß  jeder  wegen  Alters  oder 
Krankheit  von  seinem  Herrn  verstoßene  oder  ausgesetzte  Sklave  frei  sein  und 
die  Tötung  eines  Sklaven  wie  Mord  bestraft  werden  solle7).  Unter  Hadri an 
wurde  dem  Herrn  überhaupt  das  Recht,  den  Sklaven  zu  töten,  genommen8), 
die  Kastration  verboten9),  ebenso  ungerechte  Mißhandlungen10),  und  der 
Verkauf  eines  Sklaven  an  einen  lanista,  einer  Sklavin  an  einen  Uno  unter- 
sagt11). Da  diese  Verbote  zunächst  nicht  viel  gefruchtet  zu  haben  scheinen, 
wurden  sie  von  Antoninus  Pius  wiederholt  und  verschärft:  wer  seinen 
Sklaven  tötete,  unterlag  derselben  Strafe,  wie  wenn  er  einen  fremden 
Sklaven  getötet  hätte;  ein  Herr,  der  seinen  Sklaven  grausam  behandelte, 
durfte,  wenn  dieser  sich  beschwerte,  zum  Verkauf  des  Sklaven  gezwungen 
werden12).  Aber  erst  Constantin  verfügte,  daß  die  absichtliche  Tötung  eines 
Sklaven  wie  jeder  andere  Mord  bestraft  werden  solle13). 

Auch  in  andern  Beziehungen,  in  vermögensrechtlichen  und  privat- 
rechtlichen überhaupt,  gestalteten  sich  im  Laufe  der  Kaiserzeit  die  Ver- 
hältnisse der  Sklaven  günstiger.  Den  Anstoß  dazu  gaben  teils  die  Lehren 
der  Philosophen,  die  immer  mehr  die  allgemeinen  Menschenrechte  der 
Sklaven  betonten,  teils  die  durch  die  veränderten  politischen  Verhältnisse 
bedingte  Abnahme  der  Sklaven  und  der  Zwang  für  die  Freien,  in  der  Arbeit 
mit  den  Sklaven  zu  konkurrieren,  sodaß  der  Unterschied  zwischen  dem 
Sklaven   und  dem  freien  Handwerker  oder  Lohnarbeiter   mehr   und   mehr 


capite  quidem  conversos  in  terram  suspendere, 
alii  per  obscoena  stipitem  egerunt,  alii  brachia 
patibulo  explicuerunt  (bei  der  mittleren  Strafe 
ist  Pfählung  gemeint,  die  hier  unter  crux 
mitverstanden  wird). 

l)  Daher  heifit  es  crucem  figere,  erigere, 
statuere  u.  dgl.,  Cic.Verr.V  66, 169.  Suet.  Gall. 
9.  Firm.  Mat.  math.  VI  31. 

4)  Cic.  Verr.  V  5,  11  spricht  zuerst  von 
dem  palus,  an  den  die  zu  Geißelnden  ge- 
bunden werden,  und  identifiziert  *ihn  ebd.  6, 
12  mit  der  crux  für  damnati  servi. 

3)  Sen.  dial.VII  1 9, 3 :  ad  supplicium  tarnen 
acti  stipitibus  singulis  pendent. 

4)  Firm.  Mat.  a.  a.  0. :  nam  istis  facinori- 
bus  comprehensus  severa  animadvertentis  sen- 
tentia  patibulo  sufßxus  in  crucem  crudeliter 
erigUur. 

b)  Plaut.  Most.  359:  ego  dabo  ei  talentum, 


primus  qui  in  crucem  excucurrerit :  \  sed  ea 
lege,  ut  offiguntur  bis  pedes,  bis  brachia.  Er- 
wähnung der  Kreuznägel  Sen.  dial.VII  19,  3. 
Plin.  XXVIII  46;  daher  Artem.  Onir.  II  53:  sti 
^vXcov  xai  i'jioov  yeyovev  6  oravQog;  ebd.  56: 
otavQü)  jiQoarjXovadai. 

6)  Digg.  XL  VIII  8,  11,  2;  XIII  7,  24,  3. 
Tac.  ann.  VI  11:  vgl.  über  dies  Gesetz  Rein 
Rom.  Privatr.  561  f. 

7)  Suet.  Claud.  25.  Dio  Cass.  LX  19,  7. 

8)  Spart.  Hadr.  18,  7. 

9)  Digg.  XLVIII  8,  4,  2. 
10)  Digg.  I  6,  2. 

")  Spart,  a.  a.  0. 

12)  Gai.  I  53.  Digg.  I  6,  1,  2.  Inst.  I  8,  2. 
Straflos  blieb  die  Tötung,  wenn  der  Sklave 
im  Ehebruch  mit  der  Frau  seines  Herrn  be- 
troffen wurde,  Digg.  XLV  1,  96. 

13)  Cod.Iust.IX14,l.  Cod.Theod.IX12,l. 


Siebenter  Abschnitt.    Die  Sklaven. 


297 


schwand;  und  endlich  zuletzt  der  Einfluß  des  Christentums  und  seiner  Lehre 
von  der  Gleichheit  aller  vor  dem  Gesetz l). 

Wir  haben  schließlich  noch  einiges  über  die  Freilassung  der  Sklaven, 
die  manumissio,  zu  sagen2).  Man  hat  dabei  zwei  Arten3)  und  bei  jeder 
derselben  verschiedene  Formen  zu  unterscheiden.  Die  eine  Art  ist  eine 
feierliche,  die  zur  Folge  hat,  daß  der  Freigelassene  römischer  Bürger  wurde, 
und  von  dieser  gab  es  drei  Formen:  vindicta,  censu,  testamento4-).  Bei  der 
manumissio  durch  vindicta  befolgte  man  die  Formen  eines  Eigentumsstreites. 
Ein  in  libertatem  assertor,  später  immer  ein  Lictor,  vindizierte  den  Sklaven 
mit  den  Worten:  hunc  hominem  ex  iure  Quiritium  meum  esse  aio  secundum 
mam  causam;  sicut  dixi,  ecce  tibi  vindictam  imposui6),  und  damit  legte  er 
dem  Sklaven  die  sogenannte  vindicta,  einen  Stab,  auf  das  Haupt6).  Der 
Herr  des  Sklaven  faßte  ihn  an,  drehte  ihn  im  Kreise  herum7)  und  sagte 
dabei :  hunc  hominem  liberum  esse  volo,  worauf  er  ihn  wieder  losließ 8) ;  dann 
erklärte  der  anwesende  Beamte  den  Sklaven  für  frei9),  und  dieser  empfing 
die  Glückwünsche  der  Umstehenden10).  Diese  etwas  umständliche  Form 
wurde  später  vereinfacht,  immerhin  blieb  die  Gegenwart  eines  Magistrats 
unerläßlich.  Die  zweite  Form,  die  manumissio  censu,  bestand  darin,  daß  der 
Herr  den  Sklaven  als  Bürger  in  die  Censuslisten  eintragen  ließ,  wodurch  er 
Freiheit  und  Civität  erhielt11).  Bei  der  dritten  Form,  der  manumissio  testa- 
mento, genügte  der  im  Testament  ausgesprochene  Wille  des  Erblassers12);  und 
zwar  wurde  der  Sklave  dann  unmittelbar  frei,  während  er  mittelbar  frei  wurde, 
wenn  der  Testator  bestimmte,  daß  der  Erbe  den  Sklaven  freilassen  solle13).  — 
Die  nichtfeierliche  Freilassung,  durch  die  nur  ein  faktischer  Zustand  der 
Freiheit  entstand,  bestand  in  der  bloßen  Privaterklärung  des  Herrn,  daß 
der  Sklave  frei  sein  sollte14);  diese  wurde  ausgesprochen  entweder  in  Gegen- 
wart von  Fremden,  die  Zeugenstelle  vertraten15),  oder  durch  schriftliche 
Erklärung  der  Freilassung16),  oder  dadurch,  daß  der  Herr  den  Sklaven  wie 
einen  Freien  an  seinen  Tisch  zog17),  oder  durch  Erklärung  des  Herrn  auf 
seinem  Sterbebette  oder  am  Sterbebett  des  Sklaven18). 

Ap.  carm.  2,  546.  lsid.  IX  4,  48. 

7)  Pers.  5,  75  ff.  mit  Schol.  Quint.  decl.  342. 
App.  b.  civ.  IV  135.  Epict.  diss.  II 1,  26. 

8)  Fest.  159,  1. 

9)  Das  heißt  addicere,  Cic.  ad  Att.  VII  2,  8. 
Varr.  1.  l.VI  30. 

10)  Plaut.  Men.  1031:  quom  tu  Über  es, 
gaudeo. 

u)  Cic.  pro  Caec.  34,99.  Ulp.  1.8:  jedenfalls 
war  dazu  erforderlich,  daß  der  Sklave  sich 
ein  peculium  erworben  hatte,  vgl.  Marquardt 
164  A. 8. 

12)  Schon  in  den  XII  Tafeln.  Ulp.  1.9;  vgl. 
Dionys.  Hai.  IV  24,6.  Petron.  71, 1. 

13)  Jenes  ist  die  libertas  directa,  dieses  die 
libertas  fideicommissa,  s.Digg.  XL  4,35.  Ulp.  2,7. 

14)  Quint.  decl.  340  u.  342. 
lä)  Als  manumissio  inter  amicos,  Plin.  ep. 

VII  16,  4.  Gai.  I  41  u.  44. 

16)  Manumissio  per  epistolam,  Paul.  IV  12, 
4.  Inst.  15,  1. 

17)  Manumissio  per  mensam,  Inst.  I  5,  4. 
ls)  Appian.  b.  civ.  IV  135.  Mart.  I  101. 


J)  Diese  Veränderung  im  Wesen  der  Skla- 
verei während  der  Kaiserzeit  und  ihre  Ursachen 
bdiandeltsehrausführlich  der  dritte  Band  Wal- 
lons;  andere  Litteratur  s.  bei  Marquardt  189 
A.  1. 

2)  Vgl.  Rein  a.  a.  0.  569  ff.  und  bei  Pauly 
I V  1 504  ff.  Wallon  II  385  ff.  Lecrivain  bei 
D.-S.  III  1585  ff. 

3)  Tac.  ann.  XIII  27,  Sen.  dial.  VII  24,  3 
unterscheidet  sie  als  insta  libertas  und  inter 
amicos  data. 

4)  Sie  bestanden  schon  seit  früher  Zeit, 
vgl.  Plaut.  Cas.  504:  tribus  non  conduci  pos- 
tum libertatibus.  Cic.  Top.  2, 10:  si  neque  censu 
nee  vindicta  nee  testamento  über  factus  est, 
>it>n  est  Über. 

5)  Gai.  IV  16. 

6)  Die  vindicta,  Hör.  sat.  117,76.  Pers.  5, 88, 
die  das  Symbol  der  hasta  war  (s.  oben  S.  278), 
heißt  auch  festuca,  Plaut,  m.  gl.  561.  Pers.  5, 
175.  Gai.  a.  a.  O.  oder  virga,  Boeth.  ad  Cic. 
a.a.O.  Schol.  Pers.  5, 88.  Daraus  wurde  später- 
em Backenstreich,  Claud.  carm.  VIII  615.  Sid. 


298 


Erste  Abteilung.    Die  allgemeinen  Grundlagen  des  Lebens. 


Der  Freigelassene  (libertus)1)  führte  den  Gentilnamen  seines  Herrn2) 
und  seinen  früheren  oder  einen  beliebig  gewählten  Vornamen3);  seit  dem 
7.  Jahrhundert  erhielt  er  mit  dem  Recht,  die  Toga  zu  tragen4),  den  Vor- 
namen seines  Freilassers5).  Das  Haupt  trug  er  in  der  Regel  geschoren6) 
und  mit  einem  Hut  (pilleus)  oder  einer  weißen  wollenen  Binde  bedeckt7). 
Obschon  sie  römische  Bürger  waren,  standen  sie  doch  den  Freigebornen 
nicht  gleich:  sie  konnten  keine  Ehren-  und  Priesterstellen  bekleiden8),  waren 
im  Heiraten  beschränkt9)  u.  dgl.  m.  Namentlich  aber  waren  sie  dem  Frei- 
lasser, als  ihrem  patronus,  gegenüber  in  vieler  Hinsicht  gebunden,  freilich 
auch  dieser  dem  Freigelassenen  gegenüber.  Denn  der  Herr  übernahm  auch 
nach  der  Freilassung  eine  gewisse  Garantie  für  die  Existenz  des  libertus, 
indem  er  ihm  entweder,  wenn  er  kein  peculium  hatte,  ein  Kapital  zur  Be- 
gründung eines  Geschäftes  vorschoß  oder  schenkte 10)  oder  ihm  Wohnung 
und  Unterhalt  in  seinem  Hause  gewährte  * l) ;  dafür  stand  der  Freigelassene 
ganz  unter  der  Gerichtsbarkeit  seines  Patrons12),  mußte  diesen,  wenn  er 
bedürftig  war,  mit  seinem  Vermögen  unterstützen  oder  ganz  unterhalten13), 
überhaupt  aber  alle  bei  der  Freilassung  dem  Herrn  gegenüber  eingegangenen 
Verpflichtungen,  die  er  meist  auch  beschworen  hatte  und  die  sich  manchmal 
noch  bis  über  den  Tod  des  Patrons  hinaus  erstreckten,  pünktlich  erfüllen14). 
Starb  der  Freigelassene  kinderlos,  so  war  der  Herr  sein  Erbe15)  und,  wenn 
er  Töchter  oder  unmündige  Kinder  hinterließ,  deren  Vormund16).  Und  auch 
im  Tode  blieb  der  Freigelassene  noch  im  Zusammenhang  mit  seinem  ehe- 
maligen Herrn,  indem  dieser  für  die  Bestattung  Sorge  trug  und  ihm,  wenn 
möglich,  einen  Platz  im  Familiengrabe  einräumte17). 


J)  Vgl.  Rein  bei  Pauly  IV  1026  ff.  Lecri- 
vain  bei  D.-S.  III  1200  ff. 

2)  Das  bedeutet,  daß  er  an  den  Gentil- 
rechten  des  Herrn,  Festen  und  Gräbern,  An- 
teil hat,  vgl.MoMMSENRöm.ForschungenI371. 
Samter  Familienfeste  32. 

3)  Quint.  decl.  311.  Beispiele  s.  bei  Mar- 
qüardt  21  A.  6. 

4)  Polyb.  XXX 16.  App.  Mitbr.  2.  Pers.  5, 78. 

5)  Vgl.  Mommsen  Rom.  Forsch.  I  30.  Le- 
crivain  a.  a.  0. 

6)  Serv.  ad  Aen.  VIII  564.  Non.  528,  19. 
Plaut.  Amph.  462.  Liv.  XLV  44, 19.  Da  sonst 
langes  Haar  das  Zeichen  des  Freien  ist,  so 
bedeutet  das  Rasieren  des  Kopfes  hier,  daß 
das  Haar  den  Göttern  zum  Opfer  dargebracht 
wird,  Jahn  z.  Persius  p.  138.  Samter  a.  a.  O. 
46  f. 

7)  Plaut.  a.a.O.  Liv. XXIV  16, 18;  32,  9; 
XXX45,5;XXXIV52,12;Polyb.a.a.O.Petron. 
41,  4  u.  a.  m.  Wie  Samter  Philol.  LIII  (1894) 
535  ff.  und  Familienfeste  33  ff.  darlegt,  ist  der 
pilleus,  der  ja  auch  alte  Priestertracht  ist,  bei 
den  Priestern  wie  bei  den  Freigelassenen  ein 
Ersatz  für  die  Verhüllung  des  Kopfes,  also 
gleich  dieser  als  Lustrationsritus  zu  betrachten. 

8)  Auch  die  Söhne  in  der  Regel  nicht, 
erst  die  Enkel  (duöbus  ingenuis  orti)  Liv. VI 


40,  6.  Plin.  XXXIII 32.  In  der  Kaiserzeit  wur- 
den davon  allerdings  sehr  oft  Ausnahmen  ge- 
macht und  es  ist  bekannt,  daß  Freigelassene 
die  höchsten  Ehrenstellen  bekleideten;  aber 
manche  Kaiser  hielten  an  der  Regel  fest,  Spart. 
Hadr.  21,  2.  Lampr.  AI.  Sev.  19,  4. 

9)  Die  Ehe  zwischen  Freigeborenen  und 
Freigelassenen  galt  als  ignominia,Liv.XXXlX 
19,  5.  Cic.  pr.  Sest.  52, 110;  Phil.  II  2, 3.  Plut, 
Cat.  m.  24. 

10)  Mommsen  Rom.  Forsch.  I  367.    Mar- 

QÜARDT  165  A.  4. 

n)Plin.ep.II17,9.Digg.VII8,2,l;IX  3,5,1. 

1S)  Früher  ganz  direkt,  s.Val.  Max. VI  1,4 
Suet.  Caes.  48,  später  war  Klage  beim  prae- 
fectus  urbi  erforderlich,  Digg.  XXXVII 14, 1 ; 
ebd.  10. 

13)  Digg.  XXV  3.  5,  18  ff. ;  XXXVII 14, 24; 
auch  Besorgung  der  Leiche  des  Patrons  konnte 
ihm  anheimfallen,  App.  Mithr.  60. 

14)  Cic.  ad  fam.XIV4,  4;  ad  Att.VII2,8. 
Digg.  XXXVIII  1. 

15)  Ursprünglich  nur,  wenn  der  libertus 
kein  Testament  gemacht  hatte,  später  empfing 
er  allemal  einen  Teil  der  Erbschaft  als  Pflicht- 
teil, s.  Rein  a.  a.  O.  1033. 

16)  ülp.  11,3.  Inst.  117.  Dkg.  XXVI 4. 

17)  Vgl.  Abt.  II  Abschn.  VIII. 


Zweite  Abteilung. 

Das  Leben. 


Erster  Abschnitt. 

Geburt  und  Kindheit. 


Litteratur. 

Beckek-Göll  II  61  ff. 

Makquardt-Mau  60  ff. 

E.  Pottier  bei  Daremberg-Saglio  II  477  ff. 

G.  vanHoorn  De  vita  atque  cultu  puerorum  monumentis  antiquis  explanato.  Amstelodami  1909. 

Nach  dem  Glauben  der  Römer  hat  jeder  Mensch  seinen  eignen  Genius l), 
der  mit  ihm  geboren  wird,  während  seines  ganzen  Lebens  sein  Schützer 
und  Geleiter  ist  und  zuletzt  mit  ihm  stirbt2);  ihm  ist  der  lectus  genialis, 
das  Ehebett3),  geheiligt,  er  wird  mit  Penaten  und  Laren  von  den  Haus- 
bewohnern verehrt4).  Daher  ist  denn  auch  bei  den  Römern  dem  Geburts- 
tage eine  besondere  Feier  gewidmet  gewesen5).  An  diesen  Tagen  wurden 
dem  Genius  natalis  Opfer  dargebracht,  meist  unblutiger  Art6),  und  Gebete 
an  ihn  gerichtet,  zumal  am  Geburtstag  des  Hausherrn,  an  dem  auch  die 
Sklaven  dem  Genius  Weihgaben  brachten 7).  Ebenso  beteiligten  sich  Freunde 
und  Bekannte  daran,  die  auch,  gleich  den  Familienangehörigen,  dem  Geburts- 
tagskinde Geschenke  darbrachten8).  In  der  Regel  fand  auch  ein  Schmaus 
statt9),  an  dem  die  Verwandten  und  die  eigens  dazu  eingeladenen  Freunde10) 
teilnahmen  und  bei  dem  auch  der  Geburtstagskuchen  eine  Rolle  spielte11) 
und  die  Feiernden  in  weißen  Festgewändern  erschienen12).    Etwas  weniger 


')  Vgl. Preller-Jordan Röm.Myth.I77ff.; 
II  195  ff.  Wissowa  Rel.  u.  Kult.  d.  Rom.  154 ff. 
Doch  hat  streng  genommen  nur  der  Mann 
einen  Genius,  die  Frau  im  gleichen  Sinne  eine 
Inno.  Plin.  II  16.  Sen.  ep.  110,  1;  daher  sagt 
Quai  Ulla  bei  Petron.  25,4:  Iunonem  meamira- 
tam  habeani. 

2)  Censor.  de  d.  nat.  3,5.  Hör.  ep.  V  2, 187. 

3)  Siehe  oben  S.  30. 

4)  Die  in  Pompeji  oft  an  den  Außenmauern 
oder  im  Innern  bei  der  aedicula  aufgemalten 
Schlangen  sind  Symbole  des  Genius,  s.  Pers. 
1.  113.  Overbeck  Pompeji,  im  Register  unter 
jchlangenbilder.  Mau  Pompeji  241;  280. 

5)  P.  G.  Schoene  De  veterum  sollemnibus 
natalibus,  Halberstadt  1832.  Wilh.  Schmidt 
Geburtstag  im  Altertum,  Gießen  1908  (hier 
S  XIII  ältere  Litteratur). 

6)  Besonders  Wein,  Tib.  I  7,  50:  II  2,  8. 
Ov.  tr.  V  5, 12.  Pers.  2, 3,  und  Kuchen,  Ov.  tr.  III 


13, 17.  Calpurn.  ecl.  5,  27.  Mart.  X  24,  4;  auch 
Weihrauch,  Tib.  II 2,  3 ;  IV  5,  9.  Ov.  am.  II 1 3, 
23,  und  mehr  bei  Schmidt  a.  a.  O.  26. 

7)  Inschriftl.  Beispiele  bei  Wissowa  155 
A.ll. 

8)  Beispiele  von  Geburtstagsgeschenken 
Mart.  X  87;  mehr  Schmidt  29.  So  beschenkte 
der  Vater  die  Kinder,  Plaut.  Rud.  1171,  der 
Bruder  die  Schwester,  ders.  Cure.  656.  Ab- 
wesende gratulierten  schriftlich,  vgl.  z.B.Fronto 
ad  M.  Caes.  III  9  p.  47  (Nab.). 

9)  Die  eena  natalicia,  Cic.  Phil.  II  6.  15. 
Plaut.  Capt.  174 ;  Pseud.  1 65  ff. ;  Pers.  768  ff.  u.  s. ; 
vgl.  Marquardt  251  A.  8. 

10)  Vgl.  Schmidt  28. 

")  Ov.  am.  I  8,  94;  tr.  IV  10, 12.  Tib.  I  7, 
54;  112.  8;  III  13,  17. 

,2)  Ov.  tr.  III  13,  14;  V  5.  7.  Hör.  sat.  II  2, 
60.  Auf  das  Anlegen  besonderen  Schmuckes 
deutet  Pers.  1,  15  mit  Schol. 


300 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 


festlich  wurden  die  Geburtstage  der  Frauen  und  Kinder  begangen x).  Dies 
vorausgeschickt,  gehen  wir  vom  Geburtstage  zum  Tage  der  Geburt  über. 
Der  Akt  der  Entbindung,  wie  die  ganze  ihm  vorausgehende  Zeit  der 
Schwangerschaft2),  stand  bei  den  Römern,  die  für  alle  Lagen  und  Bedürfnisse 
des  täglichen  Lebens  ihre  besondern  schützenden  Gottheiten  hatten3),  unter 
dem  Schutz  der  Iuno  Lucina4).  Die  jedenfalls  hygienischen  Zwecken  dienenden 
Binden,  mit  denen  sich  die  schwangern  Frauen  den  Leib  umwickelten,  wurden 
vorher  im  Tempel  der  Lucina  geweiht5);  im  selben  Tempel  verrichteten  die 
Frauen  während  der  Schwangerschaft  ihre  Gebete6);  Iuno  Lucina  rief  die 
Gebärende  in  ihren  Wehen  um  Beistand  an 7),  und  ihr  wurde  nach  glücklich 
erfolgter  Entbindung  geopfert s).  Bei  der  Entbindung,  zu  der  man  eine 
Kerze  anzuzünden  pflegte9)  und  die  wohl  meist  in  der  Liegestellung  vor 
sich  ging10),  leistete  in  den  meisten  Fällen11)  eine  Hebamme,  obstetrix12), 
Beistand.  Diese  Frauen,  die  mitunter  in  vornehmen  Häusern  sich  unter 
den  Sklavinnen  fanden13),  waren  in  der  Regel  wohl  von  geringer  Bildung14), 


')  Ov.  tr.  IV  5, 1.  Sen.  dial.  IV  33,  4;  frg. 
51  Haase. 

2)  Iuno  Lucina  überwachte  auch  die  Ent- 
wicklung des  Kindes  im  Mutterleib  und  führte 
davon  den  besonderen  Beinamen  Ossipaga  oder 
Ossipagina,  Arnob. III 13;  IV  7  f.,  als  solidatrix 
ossuum.  Vgl.  H.  Peter  bei  Röscher  II  209.  Ter- 
tull.  de  an.  37  erwähnt  als  besondere  Schutz- 
göttin des  Kindes  im  Mutterleib  die  Alemona, 
ebd.  eine   Göttin  Partula   als   Geburtsgöttin. 

3)  Siehe  den  Artikel  Indigitamenta  von 
Peter  bei  Röscher  II 129  ff.  Die  Hauptquellen 
darüber  sind  die  aus  Varro  stammenden  Auf- 
zählungen bei  Tertull.  ad  nat.  II 11;  de  anima 
37  u.  39.  August,  civ.  Dei  IV  11  u.  21;  VII  2 
u.  3 ;  Zusammenstellung  bei  Peter  a.  a.  0. 143  f. 

4)  Verg.  ecl.  4, 10.  Hör.  epod.  5, 5.  Ov.  fast. 
II  451.  Prop.V  (IV)  1,  99.  Plut.  qu.  Rom.  77 
p.  282  C  u.  a.  m. ;  daß  Lucina  auch  Diana  sein 
kann,  zeigt  Catull.34,  13.  Hör.  carm.  saec.  14  f. 
In  dergleichen  Eigenschaft  als  Geburtshelferin 
heifitIunoauchOpifera,Festus  200,7.  Mart.Cap. 
II 149.  Vgl .  Preller-Jordan  Rom.  Myth.  1271. 
Wissowa Relig.  u.  Kult.  d.  Römer  116.  Röscher 
II 581.  Andere  Geburtsgottheiten  s.  Marquardt 
Röm.Staatsverw.IIIll,  und  über  die  sog.  Nixi 
Di,  deren  Bedeutung  von  WissowAPhilol.Abh. 
M.  Hertz  dargebr.  156  ff.  bestritten  wird,  vgl. 
v.  Basiner  Rh.  M.  LX  (1905)  614  ff. 

5)  Tert.  de  an.  39 ;  mit  diesen  Binden  wurde 
nach  der  Geburt  der  Lucina  eine  ganze  Woche 
lang  ein  Opfertisch  gedeckt,  s.  ebd. 

6)  Plaut.  Truc.  476 :  und  zwar  nahten  sie 
sich  der  Göttin  mit  offenem  Haar  und  ohne 
Knoten  in  der  Kleidung,  weil  jede  Verknotung 
als  der  Geburt  hinderlich  galt,  Serv.  ad  Aen. 
IV  518.  Ov.  fast.  III  257. 

7)  Plaut.  Aul.  692.  Ter.  And.  473.  Cic.  nat. 
deor.  II 27, 68.  Macr. VII 16, 27  u.  s.  Es  gab  auch 
besondere  Gottheiten  für  die  Kindslage,  Prorsa 
für  die  normale,  Postverta  für  die  Steifslage, 
Varro  b.  Gell.  XVI  16,  4.  Tert.  ad  nat.  Uli; 
vgl.PETERa.a.0.216f.  Ob  es  römischer  Brauch 


war,  daß  die  Gebärende  die  Götter  operto  ca- 
pite  anrief,  wie  Plaut.  Amph.  1094,  wissen  wir 
nicht. 

8)  Tert.  de  an.  39.  Schol.  Bern,  ad  Verg. 
ecl.  4,  62. 

9)  Daher  auch  Candelifera  eine  Geburts- 
göttin ist,  Tert.  ad  nat.  Uli;  Mutter  und  Kind 
sollten  dadurch  vor  den  in  der  Dunkelheit 
schwärmenden  bösen  Geistern  geschützt  wer- 
den, s.  Crusius  bei  Röscher  I  850. 

10)  Obschon  die  Alten  auch  Geburtsstühle, 
dicpgoi  IoxeToi,  kannten,  Artemid.  On.V  73.  Suid. 
s.  loyaloi  SlcpQoi.  Soranus  gynaec.  I  67  p.  236 
Rose  nennt  als  Erfordernis  zur  Entbindung 
diqpgov  fiaiwztxov  rj  xaüsdgav.  Vgl.  BÖTTIGER 
Kl.  Sehr.  III  4  f.  v.  Siebold  Gesch.  d.  Geburts- 
hilfe (Berlin  1839)  I  71.  Den  gewöhnlichen  Her- 
gang schildert  Plaut.  Truc.  478 :  face  ut  adeum- 
bam,  accede,  adluta:  em  sie  decet  puevperam.  | 
soleas  mihi  deduce,  pallium  inice  in  nie  huc. 
So  sieht  man  auf  römischen  Denkmälern  mit 
Darstellung  einer  Geburt  die  Mutter  auf  dem 
Bett  liegen,  vgl.  das  Gemälde  aus  den  Titus- 
Thermen  Daremberg-Saglio  I  219  Fig.  241. 
Schreiber  Bilderatlas  Taf.  82, 3. 

n)  Ausnahmen  sind  selbstverständlich;  so 
Plaut.  Cist.  141. 

,2)  Vgl.  Plaut.  Capt.  629.  Ter.  And.  299.  Sen. 
ep.  117.  30;  im  allgem.  s.  Böttiger  Ueber  die 
Geburtshilfe  bei  den  Alten,  Kl.  Sehr.  III  1  ff. 
H.  Ploss  Das  Weib  in  der  Natur-  u.  Völker- 
kunde3 II 107  f.;  183.  Curatulo  Die  Kunst  der 
Iuno  Lucina  in  Rom  (Berlin  1902)  32 ff.;  55 ff. 

13)  Das  sind  bisweilen  die  auf  Inschr.  ge- 
nannten obstetrices,  s.  CIL  VI  4458;  8947  ff.; 
vgl.  ebd.  9718  ff.  Vgl.  Marquardt  156  A.  9. 
Curatulo  56  ff.  Eine  Berufshebamme  war  da- 
gegen die  Iulia  Primigenia,  die  in  ihrer  Grab- 
schrift von  sich  sagt:  fiala  jioDm?  acüaaoa  yv- 
vaixag  ovx  stpvyov  Moioag,  Not.  d.  seavi  1908, 
269  n.  3. 

14)  Vgl.  die  Schilderung  der  obstetrix  bei 
Ter.  And.  228.    Ziemlich  hohe  Anforderungen 


Erster  Abschnitt.    Geburt  und  Kindheit. 


301 


Isie  verstanden  sich  aber  auf  allerlei  Mittel,  die  freilich  vielfach  nicht  viel 
Imehr  als  Sympathiemittel  oder  dergleichen  waren1);  sie  übernahmen  wohl 
lauch  die  erste  Pflege  des  Neugebornen  und  der  jungen  Mutter2)  und  wurden 
dafür  honoriert3).  Vorher  aber  hatte  der  Vater  das  Kind  anzuerkennen,  und 
Izwar  geschah  dies  in  der  Form,  daß  dasselbe  auf  den  Boden  gelegt4)  und 
vom  Vater  von  diesem  aufgehoben  wurde5),  daher  dieser  Akt  der  Anerkennung, 
dem  die  Göttin  Levana  vorstand6),  mit  tollere  oder  suscipere  bezeichnet  wurde7). 
Dem  Vater  stand  nämlich  das  Recht  zu,  das  Kind  auszusetzen8),  und  wenn 
auch  schon  sehr  früh  dies  Recht  eingeschränkt9)  und  wesentlich  auf  Miß- 
geburten angewandt  wurde,  die  man  ertränkte10),  so  kam  der  barbarische 
Brauch  doch  noch  lange  nicht  ab11).  Sehr  viele  der  ausgesetzten  Kinder 
kamen  dabei  ums  Leben;  die  von  jemandem  gefunden  und  auferzogen 
wurden,  waren  dessen  Sklaven12)  und  wurden  oft  nur  zum  Betteln  oder 
zur  Prostitution  abgerichtet13).  Erst  unter  Alexander  Severus  wurde 
Kindesaussetzung  als  Mord  betrachtet14),  doch  mußte  das  Verbot  wiederholt 
erneuert  werden15),  und  auch  christliche  Schriftsteller  sprechen  noch  von 
der  Unsitte16). 

Dies  Recht  der  Aussetzung  beruhte  auf  der  fast  unbeschränkten  Gewalt 
des  Vaters  über  die  Kinder,  der  patria  potestas,  von  der  hier  nur  das  Wichtigste 
angegeben  werden  kann,  da  der  Gegenstand  eigentlich  ins  römische  Privat- 


an  eine  gute  Hebamme  stellt  Soranus  gynaec. 
1 3p.  172,  u.a.  auch  Kenntnis  der  einschlägigen 
Fachliteratur. 

»)  Plin.  XXVIII  255;  erführt  namentlich 
Rezepte  und  Mittel  berühmter  griechischer  Heb- 
ammen (Elephantis,  Lars,  Salpe,  Sotira)  an,  ebd. 
81  ff.;  XXXII  135;  darunter  auch  Mittel  zur 
Kindsabtreibung,  womit  sich  die  alten  Heb- 
ammen wohl  ebenso,  wie  die  modernen,  ab- 
gegeben haben  mögen,  ebd.  70;  doch  spricht 
er  an  einer  andern  Stelle,  ebd.  67,  achtungsvoll 
von  der  obstetricum  nobilitas.  Tert.  de  an.  39 
spricht  von  der  idololatria  obstetrix,  zu  der 
in.  a.  das  Umwickeln  des  Unterleibs  mit  in- 
fulae  gehörte. 

2)  So  war  es  ihre  Sache,  die  blutigeWäsche 
zu  waschen.  Hör.  epod.  17,  51. 

3)  Plaut,  m.  gl.  697 :  tum  opstetrix  expostu- 
lavit  mecum,  parum  missum  sibi. 

4)  Samter  Familienfeste  59  ff.  erklärte 
diesen  auch  bei  andern  Völkern  sich  finden- 
den Brauch  damit,  daß  das  Kind  dadurch  unter 
den  Schutz  der  Hausgötter  gestellt  werde;  im 
Anschluß  an  Dieterich  Mutter  Erde  (Leipzig 
1905)  nimmt  er  A.  A.  1908, 523  an,  daß  zugleich 
durch  das  Legen  auf  die  Erde  das  Kind  der 
Gottheit  der  Erde  geweiht  werden  solle. 

5)  Varro  b.  Non.  528.  12:  natus  si  erat  vi- 
\talis  ac  sublatus  al>  obstetrice,  statuebatur  in 
\terra,    ut  aspiceretur,  num  rectus  esset.    Ov. 

tr.  IV  3, 46.  Plin.VII  2.  Suet.  Aug.  5 ;  Nero  6. 

6)  Tert.  ad.  nat.  II  11.  Augustin.  civ.  Dei 
IV  11:  vgl.  Peter  a.  a.  0.  201 

7)  Plaut.  Amph.  501 :  Truc.  398;  Most.122; 
Cist.550.  Ter.Andr.219;  Heaut.628;  Hec.571. 
Hör.  sat.  II  5.  46.  Verg.  Aen.  IX  203.  Cic.  ad 


Att.  XI  9,  3.  Plin.  ep.VIII  23,  7  u.  s. 

8)  Gaius  I  55. 

9)  Nach  Dion.  Hai.  II  15,  2  wäre  schon 
unter  Romulus  bestimmt  worden:  äjiaoav  ä(j- 
geva  yeveav  luxgirpeiv  xal  ftvyaieQcov  lag  jtq(o- 
xoyevovg,  anoxxivvvvai  de  fit)Ökv  xcüv  yevvcopsvcor 
vewzfoov  xgtsxovg,  jtXrjv  el'xi  yivoixo  jzaidiov  dvd- 
jirjQOV  i)  xegag  svdiig  anö  yovfjg. 

10)  Nach  dem  Zwölftafelgesetz,  Cic.  delegg. 
III 8. 19;  vgl.dieProdigiensühnungLiv.XXVII 
37,  5  f. ;  und  daß  dies  noch  in  der  Kaiserzeit 
gebräuchlich  war,  zeigt  Sen.  dial.  III  15,  2:  li- 
beros  quoque,  si  debiles  monstrosique  editi  sunt, 
mergimus. 

11)  So  auf  Befehl  des  Augustus  ein  Kind, 
das  seine  Enkeltochter  Iulia  nach  ihrer  Verurtei- 
lung bekommen  hatte,  Suet.  Aug.  65.  Andere 
Beispiele  Dio  Cass.  XLV  1,  5.  Suet.  de  gramm. 
7:  ebd. 21.  Sen.  controv.  1X26.  Am  Sterbetage 
des  Germanicus,  als  einem  dies  ater,  wurden 
viele  Kinder  ausgesetzt.  Suet.  Cal.  5. 

12)  Plin.ep.adTrai.66(72);  73(78)Momms. 

13)  Sen.  contr.  X  33.  Die  Juristen  haben 
den  Gegenstand  öfters  behandelt;  vgl.  auch 
Zumpt  Ueber  d.  Stand  d.  Bevölkerung  i.  Altert. 
67  ff.  Becker  Die  Behandlung  verlassener  Kin- 
der im  klass.  Altert.,  Frankfurt  a.M.1871,  und 
im  allg.  Rein  Rom.  Privatrecht  485  und  den 
Artikel  Expositio  von  Humbert  in  D.-S.  II 939  ff., 
wo  anderweitige Litteratur  angegeben  ist.  Dazu 
vgl.  noch  E.  Diehl  im  Rh.  M.  LX1I  (1907)  391  ff. 

14)  Digg.  XXV  3,  4. 

15)  Cod.  IustVIII  51  (52),  2.  Cod.  Theod. 
IX  14,  1  verbietet  nur  die  Tötung. 

16j  Vgl.  Becker-Göll  II  65.  Marqüardt 
3  A.  1. 


gQ2  Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 

recht  gehört1).  Die  patria  potestas  dauerte,  die  unten  zu  nennenden  Aus- 
nahmen abgerechnet,  bis  zum  Tode  des  Vaters,  mochten  die  Kinder  noch 
so  alt  werden  und  die  Söhne  eine  eigene  Familie  begründen  oder  hohe 
Ehrenstellen  bekleiden2),  und  sie  verlieh  dem  Vater  ursprünglich  das  Recht, 
den  Sohn  körperlich  zu  züchtigen,  in  die  Sklaverei  zu  verkaufen,  ja  zu 
töten3).  Das  Tötungsrecht,  das  von  dem  Zwölftafelgesetz  ausdrücklich 
bestätigt  worden  war,  blieb  bis  in  die  Kaiserzeit  hinein  zu  Recht  bestehn4); 
und  daß  dies  Recht  nicht  bloß  ein  papierenes  war,  belegen  eine  Anzahl 
glaubhaft  bezeugter  Fälle,  wo  der  Vater  den  Sohn  tötete,  bis  ins  erste  Jahr- 
hundert v.  Chr.  hinein5);  nur  scheint  es,  daß  in  der  Regel  ein  Familienrat 
beigezogen  wurde6).  Erst  in  der  Kaiserzeit  kam  der  Brauch  ab7),  obschon 
er  erst  in  der  christlichen  Zeit  wie  Mord  bestraft  wurde8).  Beschränkter 
war  das  Verkaufsrecht  des  Vaters;  schon  als  Verordnung  des  Numa  galt 
es,  daß  ein  verheirateter  Sohn  nicht  verkauft  werden  dürfe9).  Die  Be- 
stimmung der  zwölf  Tafeln,  daß  der  Vater  den  Sohn  nur  dreimal  verkaufen 
dürfe10),  war  nur  eine  Form  der  Emanzipation;  daß  aber  Fälle  wirklichen 
Verkaufes  vorkamen,  ist  nicht  zu  bezweifeln,  wenn  sie  auch  selten  erwähnt 
werden,  weil  sie  mehr  in  den  untersten  Schichten  der  Bevölkerung  vor- 
gekommen sein  werden11).  Ein  bestimmtes  Verbot  des  Verkaufs  erfolgte 
unter  Diocletian12),  doch  gestattete  ihn  Constantin  noch  im  Falle  großer 
Armut  der  Eltern13).  Alle  diese  Rechte  der  patria  potestas  übte  der  Vater 
nicht  nur  über  seine  Söhne,  sondern  auch  über  deren  Nachkommen  aus; 
sie  wurden,  abgesehen  vom  Tode  des  Vaters  oder  des  Sohnes,  nur  durch 
folgende  Umstände  aufgehoben:  bei  Söhnen  1.  wenn  Vater  oder  Sohn  die 
Civität  verlor,  durch  Exil,  Gefangenschaft  u.  dgl.;  2.  wenn  der  Sohn  von 
jemand  adoptiert  wurde,  wodurch  er  aber  nur  aus  der  potestas  des  natür- 
lichen in  die  des  Adoptivvaters  überging14);  3.  durch  die  Arrogation  des 
Vaters,  d.h.  wenn  dieser  sich  adoptieren  ließ;  4.  durch  Emanzipation,  d.h. 
durch  dreimaligen  Scheinverkauf  mit  dreimaliger  Freilassung;  5.  wenn  der 
Sohn  Flamen  dialis  wurde;  bei  den  Töchtern:  1.  wenn  sie  heirateten,  wo- 
durch sie  aber  nur  aus  der  potestas  des  Vaters  in  die  manus  des  Mannes 
übergingen;  und  2.  wenn  die  Tochter  Vestalin  wurde15). 


J)  Vgl.  Maeqüakdt  2  ff.  Rein  Privatrecht 
d. Rom. 468ff.KAELOWARöm.  Rechtsgeschichte 
II  79  ff.  Waltek  Gesch.  d.  röm.  Rechts  II 100  f. 
L.  Beauchet  bei  D.-S.  IV  344  ff. 

2)  Dion.  Hai.  II  26,  4 :  6  de  xwv  'Pco/mxicov 
vofiodezt]?  äjiaoav  w?  eliieiv  edaixev  egovoiav 
jiargi  y.ad?  viov  xal  Jiaga  ndvxa  zov  zov  ßiov 
yqövov. 

3)  Ebd.:  edv  re  eiQyeiv,  edv  ze  [Aaoziyovv, 
edv  re  deo/MOV  ejil  xcbv  xax'  äygöv  egycov  xaxe/eiv, 
edv  re  dnoxTivrvvcu  jipotatoijxat. 

4)  Cic.  de  domo  29,  lf.  Liv.  I  26, 9.  Gell.V 
19,9.  Sen.contr.il  11, 15.  Digg.  XXVIII 2. 11. 

5)  Die  erhaltenen  Beispiele  sind  aufgezählt 
bei  Rein  483  f. 

6)  Val. Max. III  5,1;  V8,2;  ebd. 9,1.  Sen. 
de  clem.  1 15,  3. 

7)  Was  Sen.  de  clem.  I  15,  1  von  einem 
Ritter  Tricho  erzählt,  der  seinen  Sohn  zu  Tode 
geprügelt  hatte  und  vom   erbitterten  Volke 


gelyncht  wurde,  könnte  heut  ebensogut  vor- 
kommen. 

8)  Cod.  Iust.  1X15;  ebd.  17. 

9)  Dion.  Hai.  II  27.  Plut.  Numa  17. 

10)  Si  pater  filium  ter  venum  duit,  filim 
apatre  Über  esto,  Ulp.  10, 1.  Gaius  1 132;  IV  79. 

n)  Gegen  Rein  486,  es  seien  Beispiele  des 
Verkaufs  nicht  nachzuweisen,  spricht  die  be- 
stimmte Ausdrucksweise  Cic.proCaec.  34,  98: 
de  or.  I  40,  181. 

12)  Cod.  Iust.  IV  43. 1. 

13)  Ebd.  2. 

14)  Für  die  Adoption  und  das  dabei  üb- 
liche, sehr  umständliche  Verfahren,  auf  das 
wir  hier  nicht  näher  eingehen  können,  ver- 
weise ich  auf  Rein  472  ff.  Baudry  bei  D.-S.  I 
78.  Leonhard  bei  P.-W.  1 398,  wo  anderweitige 
juristische  Litteratur  angegeben  ist. 

15)  Siehe  die  Belegstellen  bei  Rein  a.  a.  O. 
496  ff. 


Erster  Abschnitt.    Geburt  und  Kindheit. 


:l(i:; 


Kehren  wir  nach  dieser  Abschweifung  wieder  zum  Neugebornen  zurück. 
Dieses  wurde  sofort  nach  der  Geburt,  der  zu  Ehren  man  die  Haustür 
bekränzte1),  wie  man  denn  auch  der  jungen  Mutter  Glückwünsche  dar- 
zubringen pflegte2),  von  der  Hebamme  oder  einer  älteren  Verwandten  in 
einem  Becken  (alveus9))  gebadet4),  in  Windeln  (fasciae0),  auch  runabula*)) 
gewickelt,  und  zwar  nach  einem  auch  bei  den  Griechen  und  heut  noch  im 
Süden  herrschenden  Brauche  derart,  daß  der  ganze  Körper  mit  Armen  und 
Beinen  eng  damit  umschnürt  wurde7);  auch  der  Kopf  pflegte  mit  eingehüllt 
oder  mit  einem  Mützchen  bedeckt  zu  werden  s).  So  wurde  das  Kind  in  die 
mit  Kissen  versehene  Wiege,  cunae9),  die  zum  Schaukeln  eingerichtet  war10), 
getan  und  durch  darüber  befestigte  Bänder  vor  dem  Herausfallen  geschützt11). 
Während  der  ersten  acht  Tage,  primordial),  fanden  verschiedene  reli- 
giöse Zeremonien,  namentlich  für  Iuno  Lucina  und  die  besondern  Gott- 
heiten des  ersten  Kindesalters13),  statt14);  das  in  der  Regel  noch  namenlose 


J)  luv.  9,  85. 

-)  Plaut.  Truc.  384  u.  516. 

z)  Capit.  Albiu.  5, 6,  wo  erwähnt  wird,  daß 
dazu  damals  in  der  kaiserlichen  Familie  Schild- 
patt das  übliche  Material  dafür  war. 

4)  Plaut.  Amph.  1 103 ;  Truc.  902.  Ter.  Andr. 
483.  Ausführlich  handelt  über  das  Kinderbad, 
Zusätze  zum  Badewasser  u.dgl.  Soranusgynaec. 

I  8]  f.  p.  251:  er  verwirft  das  kalte  Bad  der 
Germanen  und  Skythen  und  empfiehlt  Salz, 
Nation  u.  dgl.  als  Zusatz.  Dies  Bad  ist  dar- 
gestellt auf  dem  oben  S.  300  A.  10  erwähnten 
Gemälde  der  Titus-Thermen,  auf  dem  Relief 
mit  Szenen  aus  dem  Leben  des  Achilles  Bau- 
meister Denkmäler  4  Fig.  5,  auf  einem  römi- 
schen Sarkophag,  RAOUL-RooHETTEMonum.in- 
ed.  PI.  77.  Amelung  Skulpt.  d.  vatican.  Mus.  I 
591  n.  424  Iva,  Taf.  61  (vgl.  Dakembekg-Saglio 

II  479  Fig.  2608.  Schreiber  Taf.  82, 5)  u.  s. 

5)  Plaut.  Truc.  905 ;  fasciolae,  Vopisc.  Au- 
rel.  4,  6;  sie  waren  nicht  immer  weiß,  sondern 
auch  rot.  rmsulae  fasciolae,  Capitol.  Albin.  5, 
1U.  und  in  Kaiserfamilien  auch  purpurn.  Hero- 
dian.  1 5, 5.  Daher  kommt  wohl  die  Redensart: 
mm  es  nostrae  fasciae,  Petron.46,  1,  die  frei- 
lich Heraeus  bei  Friedländer  CenaTrimälch. 
267  anders  deutet,  doch  schwerlich  mit  Recht. 
Vom  Wickeln  der  Kinder  handelt  Soranus  I 
83  ff.  p.  252.  Eine  sorgsame  Mutter,  wie  die 
Frau  des  alten  Cato,  besorgte  das  Baden  und 
Wickeln  der  Kinder  selbst,  Plut.  Cat.  mai.  20. 
Vgl.  im  allg.  Mau  bei  P.-W.VI  2006. 

6)  Verg.  ecl.  4,  23.  Cic.  de  div.  I  36,  79 ; 
doch  bedeutet  dies  Wort  auch  die  Wiege,  die 
Glossen  erklären  es  daher  ebenso  durch  o.iäo- 
yava,  panni  in  quibus  infantes  obroIrnntur,v?ie 
durch  ßaßähov,  liy.rov,  ras  in  quo  iacent  in- 
fantes, cunae,  s.  Corp.  Gloss.VI  295.  In  über- 
tragener Bedeutung  ist  es  sehr  häufig,  vgl. 
Colum.  I  3,  5.  Apul.  met.  II  31. 

7)  Abbildungen  von  Wickelkindern  zeigen 
diese  Art  des  Einhüllens,  s.  z.B.  Gerhard  Ges. 
Abhandl.  I  Taf.  80, 2.  Daremberg-Saglio  II 979 
Fig.  2877,  und  mehr  bei  Lafaye  ebd.  980  A.  3 
und  van  Hoorn  6  ff. 


8)  Beispiele  s.  van  Hoorn  16  f. 

9)  Plaut.  Truc.  905;  Pseud.  1177;  AmpL 
1 107.  Mart.  IX  8,  3.  Vopisc.  Aurel.  4, 6  Capitol. 
Albin.  5,  8;  Abbildungen  finden  sich  öfters, 
vgl.  die  Terrakottafigürchen  bei  Winter  Typen- 
katalog II 271.  Saglio  bei  D.-S.  1 1588,  beson- 
ders die  Skulptur  des  Museums  von  Beaune, 
ebd.  Fig.  2130.  Beschützerin  des  in  der  Wiege 
liegenden  Kindes  ist  die  Cunina,  Varr.  b.  Non. 
167,  25.  Aug.  civ.  D.  IV  8;  ebd.  11  u.  s.:  vgl. 

rFTFR  fl     £L     \)     1  Qn 

10)  Mart.  XI  39,1.  Galen  VI  37  unterschei- 
det drei  Arten  der  Bewegung  des  Kindes  durch 
die  Amme:  das  Schaukeln  der  Wiege,  des  auf- 
gehängten Bettchens  und  auf  den  Armen,  und 
teilt  die  Ansichten  von  Aerzten  über  Nutzen 
oder  Schädlichkeit  davon  mit. 

n)  Das  sind  die  incunabula,  Plaut.  Amph. 
1104;  der  ganze  Apparat  wird  Truc.  905  auf- 
gezählt: fasriis  OpUS  es/,  pulrinis,  cunis,  iu- 
cnnahulis;  die  Vorrichtung  ist  an  der  erwähn- 
ten Figur  von  Beaune  deutlich  zu  sehen.  In- 
cunabula hat  dann  ebenso  wie  cunae  die  übertr. 
Bedeutung  von  Herkunft,  Ursprung  bekommen, 
vgl.  Liv.  IV  36,  5.  Cic.Verr.  IV  49, 107  u.  s.  In 
reichen  Häusern  waren  die  Wiegen  und  die 
Kissen  dazu  oft  kostbar  ausgestattet;  das  sind 
die  cunae  segmentatae,  luv.  6,  89.  Plaut.  Truc. 
906  zählt  als  Erfordernisse  der  Wochenstube 
auch  Oel  und  Mehl  auf,  wohl  beides  für  das 
Kind  (das  Mehl  zum  Einstäuben). 

12)  Serv.  ad  Verg.  ecl.  4.  1. 

u)  Zumal  diejenigen,  die  vom  Kinde  den 
bösen  Einfluß  des  Silvanus  abhalten.  Inter- 
cidona,  Deverra  und  Pilumnus  oder  Picumnus, 
August,  civ.  Dei  VI  9.  Varro  b.  Non.  528,  24. 
Serv.  ad  Aen.  X  76.  Tert.  de  an.  29:  dum  per 
istam  hebdomadern  Inno»!  mensa  propon&ur, 
dum  ultima  die  Fata  Scribunda  advOcantur, 
dum  prima  etiam  constitutin  infantis  super 
terram  Statinae  deae  sacruni  ext.  Vgl.  Mar- 
quardt  Rom.  Staatsverw.  III 12.  Peter  a.  a.  O. 
197;  200;  213  f. 

u)  Serv.  ad  Verg.  ecl.  4, 62.  Tert.  de  an.  39. 
Ob  das  bei  Plaut.  Truc.  423  erwähnte  Opfer 


304 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 


Kind x)  hieß  in  dieser  Zeit  pupus  oder  pupa,  ein  Kosewort,  das  auch  älteren 
Kindern  noch  verblieb  und  daher  auf  Grabschriften  häufig  ist2).  In  der  Regel 
aber  bekam  das  Kind  seinen  Namen  (d.  h.  das  praenomen,  denn  das  nomen  als 
Name  der  Gens  und  das  cognomen  als  Name  der  Familie  waren  gegeben3)) 
am  sogenannten  dies  lustricus,  der  bei  den  Mädchen  der  achte,  bei  den 
Knaben  der  neunte  Tag  nach  der  Geburt  war4).  Diese  mit  Opfer  ver- 
bundene Feier,  bei  der  das  durch  den  Geburtsakt  noch  unreine  Kind  seine 
religiöse  Reinigung  und  Weihe  empfing 5),  fand  in  Anwesenheit  der  nächsten 
Verwandten  statt  und  war  zugleich  ein  Familienfest6). 

Eine  offizielle  Anmeldung  der  Geburt  bei  einer  Behörde  war  in  der 
republikanischen  und  der  ersten  Kaiserzeit  nicht  üblich,  nur  war  es  alter 
Brauch,  ein  Geldstück  an  den  Tempelschatz  der  Iuno  Lucina  abzuliefern, 
wie  bei  Anlegung  der  toga  virilis  ein  solches  an  den  Schatz  der  Iuventas 
und  bei  einem  Todesfalle  an  den  der  Libitina  gezahlt  wurde7).  Amtliche 
Geburtslisten  führte  aber  erst  Marc  Aurel  ein,  und  zwar  mußte  der  Vater 
innerhalb  dreißig  Tagen  den  Tag  der  Geburt  und  den  Namen  des  Kindes 
anmelden,  in  Rom  beim  praefectus  aerarii,  in  der  Provinz  bei  den  tabularii 
publici*);  von  den  darüber  ausgestellten  Urkunden  kam  die  eine  ins  Archiv, 
während  die  andere  der  Familie  eingehändigt  wurde9). 


am  fünften  Tage  (die  griech.  Amphidromien) 
auch  römischer  Brauch  ist,  ist  nicht  sicher, 
Maequardt  Privatleb.  83  A.  7. 

*)  Doch  kommen  inschriftlich  Fälle  vor, 
wo  innerhalb  der  ersten  acht  Tage  verstorbene 
Kinder  bereits  mit  Namen  aufgeführt  werden, 
s.  C1LX  2221:  2454;  8131. 

2)  So  auf  Inschriften  jung  verstorbener  Kin- 
der, auch  wenn  diese  mit  ihren  richtigen  Namen 
angeführt  werden,  CIL  III 1236 ;  4471 ;  V  5505; 
VI  27556 ;  IX  2789 ;  X  2221 ;  XIII  1985 ;  vgl.  X 
2454  (wo  ein  Mädchen  von  4  Jahr  10  Monat  und 
ein  Knabe  von  1  Jahr  6  Monat  als  femina  und 
puer  bezeichnet  sind).  Not.  d.  scavi  1902,  95. 
Zum  Gebrauch  als  Kosewort  s.  Varro  b.  Non. 
156, 17.  Suet.  Calig.  13.  Der  Annahme  von  Ca- 
gnat  Cours  de  l'Epigr.  latine  45  ff.  und  Hübneb 
im  Handbuch  1 2  654  f.,  daß  pupus  auch  als  Vor- 
name gebraucht  worden  sei.  widerspricht  Joh. 
Schmidt  im  Philol.  Anzeiger  1887,  5,  der  an- 
nimmt, daß  nur  zuweilen  in  praxi  der  wirk- 
liche Vorname  des  Kindes  dadurch  so  gut  wie 
verdrängt  worden  sei.  Vgl.  auch  Michel  Du 
droit  de  la  cite  Romaine  142.  Fred  Hellems  im 
Amer.  Journ.  of  Archaeol.  2.  Ser.  III  (1899)  203. 

3)  Auf  die  römischen  Namensverhältnisse, 
die  im  Laufe  der  Zeit  mannigfache  Verände- 
rungen durchmachten  und  bei  den  Mädchen 
andere  waren,  als  bei  den  Knaben,  kann  hier 
nicht  näher  eingetreten  werden,  vgl.  besonders 
Mommsen  Römische  Forschungen  I  1  ff.;  eine 
gut  zusammenfassende  Darstellung  gibt  Mab- 
quabdt  7  ff.,  wo  anderweitige  Litteratur  zu 
finden  ist;  ferner  Rein  bei  Pauly  V  673 ff.  und 
C.Morel  bei  D.-S.  IV  92 ff.;  über  das  Signum, 
den  Schlag-  oder  Rufnamen,  s.  E.  Diehl  Rh.  M. 
LXII  (1907)  390  ff. 


4)  Darnach  hieß  die  Göttin  Nundina,  Macr. 
I  16,  36:  est  etiam  Nundina  Romanorum  dea 
a  nono  die  nascentium  nuncupata,  qui  lu- 
stricus dicitur:  est  autem  lustricus  dies  quo 
infantes  lustrantur  et  nomen  accipiunt,  sed  is 
maribus  nonus,  octavus  est  feminis.  Plut.  qu. 
Rom.  102  p.  288  B.  führt  als  Grund  an,  daß 
in  der  Regel  am  siebenten  Tage  der  Nabel- 
schnurrest abfällt.  Festus  120,19.  Suet.  Nero  6. 
Arnob.  III  4. 

5)  Daher  solennitas  nominalium,  Tert.  de 
idol.  16.  Daß  Mabquardt  83  aus  Suet.  Calig.  23 
zu  Unrecht  auf  eine  Darstellung  des  Kindes 
im  Tempel  schließt,  bemerken  Mau  ebd.  und 
Becker-Göll  68  unter  Bezugnahme  auf  los. 
ant.  lud.  XIX  2  mit  Recht. 

6)  Vgl.  Suet.  a.  a.  O.,  die  Abhaltung  eines 
Festmahles  ist  allerdings  nicht  bezeugt. 

7)  L.  Piso  bei  Dion.  Hai.  IV 15, 5,  der  diese 
Einrichtung  dem  Servius  Tullius  zuschreibt 
und  als  Zweck  angibt,  es  sollte  dadurch  jedes 
Jahr  konstatiert  werden,  wer  und  wieviel  das 
kriegpflichtige  Alter  erreicht  hätten.  Darnach 
könnte  es  scheinen,  als  ob  der  Brauch  bloß 
für  Knaben  resp.  Männer  galt.  Vgl.  Levison 
Die  Beurkundung  des  Civilstandes  im  Altertum, 
Rhein.  Jahrb.  CII 1  ff. 

8)  Capitol. M.Anton. ph. 9,7;  vgl. Digg. XXII 
3,16;  ebd.  3, 29, 1 ;  XXVII  1, 2, 1.  Die  Littera- 
tur hierüber  verzeichnet  Mabquardt  87  A.l. 

9)  Apul.  apol.  89.  Serv.  ad  Verg.  Georg.  II 
502.  Diese  populi  tabularia  befanden  sich  in 
dem  aerarium  Saturni  im  Saturntempel  am 
Forum.  Der  mehrfach  aufgestellten  Annahme, 
daß  diese  Register  in  den  acta  diurna,  dem 
offiziellen  Amtsblatt,  publiziert  worden  seien, 
treten  Marquardt  88  und  Becker-Göll  75  mit 


Erster  Abschnitt.    Geburt  und  Kindheit. 


305 


Schon  bald  von  der  Geburt  an,  nicht  minder  aber  in  den  ersten  Kinder- 
jahren, kamen  allerlei  abergläubische  Gebräuche  in  Anwendung,  an  denen 
außer  den  Müttern  und  weiblichen  Anverwandten  sich  namentlich  auch  die 
Ammen  und  Kinderwärterinnen  beteiligten x);  man  glaubte  nämlich,  daü  gerade 
hilflose  kleine  Kinder  am  meisten  dem  schädlichen  Einfluß  des  bösen  Blicks 


Fig.  50.    Halsband  mit  Amuletten. 


(derfascinatio)  ausgesetzt  seien2).  Wie  die  Griechen,  so  hängten  auch  die  Römer 
den  Kindern  zur  Abwehr  Amulette  (anmietet3),  auch praebia  genannt4))  um  den 
Hals,  allerlei  Figürchen  schützender  Gottheiten,  auch  Vorstellungen  obseöner 
Art,  die  für  besonders  wirksame  Zauberabwehr  galten5)  (vgl.  Fig.  50 6));  aber 
spezifisch  römischer,   von  den  Etruskern   übernommener7)  Brauch  war  es, 


Recht  entgegen.  Ueber  die  Art,  auf  die  man 
vorging,  das  Alter  von  jemandem  zu  konsta- 
tieren, bei  dessen  Geburt  die  professio  beim 
aerarium  unterblieben  war,s.MARQUAKDTa;a.O. 
A.  lf. 

')  BeiPers.  2, 31  ist  es  die  Grof3mutter, 
die  den  Knaben  aus  der  Wiege  nimmt:  frontem- 
que  atque  uda  labella  infami  digito  et  Ixstra- 
libus  ante  salivis  <'.rjii<<t;  vgl.  das.  Jahn.  Der 
Speichel  galt  als  besonders  kräftiges  Mittel 
gegen  den  bösen  Blick,  weshalb  die  Kinder- 
wärterinnen  die  Kinder  anspieen,  wenn  ein 
Fremder  sie  lobte,  vgl.  Plin.  XXVIII  35  u.  39 
und  mehr  bei  Sittl  Gebärden  d.  Gr.  u.  Römer 
118;  vgl.  auch  Riess  bei  P.-W.  I  88. 

2)  Vgl.  Jahn  BSGW  1853,  40.  Kuhnert 
bei  P.-W.  VI  2009. 

3)  Das  Wort  amtdetum  findet  sich  erst 
bei  Plinius,  z.B.  XXIII  20;  XXV  115:  XXVIII 
35  ff.  u.  ö.  (vgl.  Corp.  Gloss.  II 16, 39;  473. 49;  566, 
18),  und  zwar  im  allgemeinen  Sinn  für  jedes 
sympathetische  oder  abergläubische  Schutz- 
mittel. Seine  Ableitung  ist  ungewiß.  Wünsch 


Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft.    IV.  2,  2.   3.  Aufl 


handelt  darüber  in  der  Glotta  II  219ff.;  er 
bringt  es  mit  aninlum  =  amylum  (äfivXor),  d.h. 
Stärkemehl,  in  Verbindung,  da  dieses  außer 
bei  der  Nahrung  auch  in  der  Medizin  häufige 
Anwendung  fand,  vgl.  Plin.  XXII 137.  Vgl.  über 
Amulette  im  Altertum  Labatdt  bei  D.-S.  I 
252  ff.   Riess  bei  P.-W.  I  1984  ff. 

4)  Varr.  1.1.  VII 108:  praebia  a  praebendo, 
quodsvnt  riincdiaincoEopiieris.  Festus235, 3; 
238b.  32;  vgl.  Corp.  Gloss.  II  473,  49;  497,  52 
(griech.  (pv'/MXTi'jQia). 

5)  Dieses  Halsband  (nach  Jahn  a.a.O.  Taf. 
V  2)  stammt  zwar  aus  einem  Grabe  bei  Kertsch, 
kann  aber  auch  für  römischen  Brauch  als  Beleg 
gelten.  Charakteristisch  unter  den  Anhängseln 
sindbesondersdiephallischenFiguren.dieHand, 
die  die  Gebärde  der  „Feige"  macht,  u.  dgl.  m. 

6)  Eine  Aufzählung  der  verschiedenen 
Amulette  gegen  den  bösen  Blick  gibt  Jahn 
a.a.O.  45 ff. 

7)  Daher  luv.  5, 164  diebirf/a  auntm  Etru- 
scum  nennt.  Ueber  die  buUa  bei  den  Etruskern 
s.Marquardt85A.2.  Mau  bei  P.-W.  III 1049  f. 

20 


306 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 


diese  Amulette  in  einem  besondern,  medaillonartigen  Behälter,  der  sogenannten 
bulla.  den  Kindern,  besonders  den  Knaben,  um  den  Hals  zu  hängen1).    Diese 

bulla  war  bei  den  Kindern  2)  vornehmer  Ge- 
schlechter, später  bei  allen  Freigebornen,  von 
Gold3),  zum  Teil  mit  aus  dem  Grunde,  weil  man 
das  Gold  für  zauberabwehrend  hielt4);  solche 
goldene  Medaillons,  die  man  auf  antiken  Bild- 
werken häufig  abgebildet  sieht5),  sind  in  nicht 
unbeträchtlicher  Zahl  erhalten,  meist  aus  Kin- 
dergräbern stammend  (vgl.  Fig.  51) 6).  Diese 
Medaillons  trugen  die  Knaben  bis  zur  An- 
legung der  toga  virüis,  bei  der  sie  sie  den  Laren 
weihten7).  Diejenigen  Knaben,  die  nicht  das 
Recht  der  bulla  aurea  hatten  oder  deren  Väter 
zur  Anschaffung  einer  solchen  zu  arm  waren8), 
trugen  statt  ihrer  einen  ledernen  Riemen  um 
den  Hals,  in  den  das  Amulett  verknotet  war 
oder  an  dem  ein  dasselbe  enthaltendes  Leder- 
säckchen  hing9).  Von  ähnlicher  Bedeutung, 
obschon  daneben  wohl  auch  den  Kindern  als 
Spielzeug  dienend,  waren  die  sogenannten 
crepundia10),  allerlei  aus  Metall  gefertigte 
Figürchen,  wie  Schwerter,  Beile,  Sicheln,  Halbmonde,  Hände,  Tierfiguren 
u.dgl.11),  die  man  den  Kindern  ebenfalls  um  den  Hals  hängte12). 


Fig.  51.   Goldene  bulla  eines 
römischen  Knaben. 


!)  Die  Litteratur  über  diese  bullae  ist  recht 
umfangreich;  zu  vgl.  ist  vornehmlich,  außer 
BECKER-GöLL70ff.  und  MARQUARDT84ff. .  Saglio 
bei  D.-S.  I  754  und  Mau  a.  a.  0.  1048 ff. 

*)  Daß  auch  Mädchen  die  bulla  trugen, 
schließt  Mau  a.  a.  0.  aus  Plaut.  Rud.  1171  wohl 
mit  Recht. 

3)  Nach  Plin.  XXXIII  10  hätten  sie  seit 
Tarquinius  Priscus  die  Söhne  der  Ritter  ge- 
tragen, nach  Macr.  I  6. 11  zuerst  nur  die  patri- 
zischen  Kinder,  dann  die  von  curulischen  Magi- 
straten. Zu  Ciceros  Zeit  gehört  die  bulla  aurea, 
die  in  der  Regel  mit  dem  Recht  der  toga  prae- 
texta  verbunden  ist,  zu  den  Vorrechten  d  er  Söhne 
von  Freigeborenen,  Cic.  Verr.  act.  II,  I  58, 152, 
und  wohl  auch  damals  schon  der  freigebornen 
Söhne  von  Freigelassenen,  Macr.  I  6, 13;  daher 
insignia  ingenuitatis,Val.  Max.  V  6, 8;  vgl.  Cic. 
a.  a.  0.  44, 113.  Ueber  das  Recht  der  bulla  han- 
delt speziell  M.  Voigt  BSGW 1878, 186  A.  128 f. 

4)  Plin.  XXXIII  84. 

5)  Aufzählung  bei  Marquardt  84  A.  10. 

6)  Siehe  ebd.  85  A.  1.  Mau  a.a.O.  1050 f. 
Die  Fig.  51  abgebildete  (nach  Archaeol.  Journ. 
VIII 166)  trägt  den  Namen  Host(us)  Hos{tilius), 
d.  h.  des  Knaben,  der  nach  Macrob.  VI  6,  16 
von  Romulus  die  erste  goldene  Bulla  erhalten 
haben  soll;  sie  stammt  von  der  Via  Appia. 

7)  Pers.  5,  31. 

8)  Vgl. denFall Cic. a. a. 0. 58, 152; diegold- 
ne  bulla  war  immer  ein  Zeichen  von  Vornehm- 


heit,d&snobile  pectoris  awumfit&t.silv.Y  3,120. 

3)  Macr.  1 6, 14.  luv.  5, 165,  mit  Schol.  Ps.- 

Ascon.  zu  Cic.  Verr.  p.  199  Or.  Vgl.  sonst  noch  zu 

äenpueribullatilnY.  13, 33;  14, 5.  Macr. III  14.7. 

lft)  Der  Name  kommt  wohl  davon,  daß  man 
mit  ihnen  klapperte,  um  das  Kind,  wie  mit  dem 
crepitaculum.  (s.u.),  zu  unterhalten.  Vgl.  über 
crepundia  Becker-Göll  69.  Marquardt  120. 
Saglio  bei  D.-S.  1 1561.  Mau  bei  P.-W.  III 1706. 

1!)  Eine  Aufzählung  solcher  crepundia  bei 
Plaut. Rud.  1154 f.;  eine  lunula  ebd.  Epid.  640 ; 
vgl.  im  allg.  Plaut  Rud.  1081  u.  1363 ;  Cist.  656 ; 
m.gl.  1399.  Plin. XI 270.  Cic.Brut.91,313.  Man 
hob  sie  später  in  einem  Kästchen,  einer  eist  eil«, 
auf  (Ter.  Eun.  753:  cistella  cum  monumentis), 
und  im  Lustspiel  dienen  sie  öfters  als  äva- 
yvoiqiof.iaxa  ausgesetzter  Kinder,  wie  im  Rudens 
und  in  der  Cistellaria;  vgl.  Corp.  Gloss.VI  286 
(erklärt  durch  yvcogiouara,  insignia  vel  indicia 
quae  expositis  infantibus  adhibentur).  Ein  sol- 
ches Halsband  mit  crepundia  aus  Gold  befindet 
sichin  Wien,  abgeb.  bei  Saglio  a.  a.  O.  Fig.  2066 : 
auch  auf  Denkmälern  sieht  man  sie  manchmal, 
s.  ebd.  Fig.  2065.  Uebertragen  hat  a  crepundiis 
dieselbe  Bedeutung  erhalten  wie  ab  incunO' 
bulis:  über  das  daraus  entstandene  Mißverständ- 
nis, daß  crepundia  auch  Windeln  bedeute,  s. 
Mau  a.  a.  O. 

,2)  Plaut. m.gl.  1399;  daher  Corp.  Gloss.  II 
264, 11  als  jrsQiÖEQata,  ebd.  V  352, 39  als  monile 
gutturis  erklärt. 


Erster  Abschnitt.    Geburt  und  Kindheit. 


:;ii7 


Die  Nahrung  des  Kindes  bildete  in  den  ersten  Tagen  eine  abgekochte 
Honiglösung1),  sodann  aber  die  Muttermilch 2),  die  nicht  nur  für  besonders 
nahrhaft,  sondern  auch  als  bestes  Mittel  gegen  Krankheiten  galt 3).  In  den 
guten  Zeiten  der  Republik  pflegte,  wenn  irgend  möglich,  die  Mutter  selbst 
dem  Kinde  die  Brust  zu  reichen4)   (vgl.  den  den  Lebenslauf  eines  Kindes 


Fig.  52.    Sarkophag  mit  Darstellungen  aus  dem  Kinderleben. 

darstellenden  Sarkophag  Fig.  52 5));  wenn  aber  die  Mutter  keine  Nahrung 
hatte  oder  zu  schwächlich  war,  trat  an  ihre  Stelle  eine  Amme  {nutrix)6), 
was  in  der  Kaiserzeit  bei  den  besseren  Ständen  das  Gewöhnliche  gewesen  zu 
sein  scheint7).  Die  Amme  blieb  häufig  noch  beim  Kinde,  wenn  es  entwöhnt 
war8);   sie   hatte   dann   das  Kind  mit  Brei  oder  vorgekauter  Nahrung  zu 


')  Das  ist  die  Vorschrift  des  Soranus  I  86 
p.  258 R.,  der  ausdrücklich  von  der  von  andern 
empfohlenen  Butter  (von  Diosc.  II  81.  Plin. 
X  X  X  VIII 257  vornehmlich  für  das  Zahnen  emp- 
fohlen) warnt. 

*)  Diese  eisten  Kindertage  hatten  auch 
ihre  besondern  Gottheiten:  dem  Schreien  der 
Kinder  [vagitus]  steht  der  deus  Vagitamis  vor, 
der  freilich  schon  früh  durch  Mißverständnis 
zu  einem  deus  Vaticanus  geworden  ist,  s.Varro 
1).  i  teil.  XVI 17, 2  und  August,  civ.  D.  IV  8 ;  ebd. 
1 1  u.  21 ;  s.  Peter  a.  a.  0.  171  u.  228.  Dann  die 
Potina,  die  Göttin  des  Trinkens  des  Kindes, 
Varro  b.  Non.  108, 15,  wie  die  Edusa  dem  Essen 
vorstand,  ebd.  und  bei  Donat.  ad  Ter.  Phorm. 
4:»:  mehr  bei  Peter  143;  197;  217.  Dafür,  daß 
die  Mutter  reichliche  Nahrung  hatte,  sorgte  die 
f/ir«   Rumina,  s.  ebd.  219. 

3)  Fronto  ad  M.  Anton.  I  2  p.  99  (Nab.). 

4)  So  z.  B.  die  Frau  des  alten  Cato,  die 
auch  noch  oft  Sklavenkinder  an  ihre  Brust 
nahm.  Plut.  Cat  mai.  20,  während  bei  Plaut, 
m.  gl.  698  eine  nutrix,  quae  vernas  alit,  vor- 
kommt. Ausdrücklich  empfiehlt  das  Selbst- 
stillen der  Mütter  aus  verschiedenen  Gründen 
Plut.  de  lib.  educ.  5  p.  3C  (freilich  hatte  dessen 
Frau  ihre  jüngste  Tochter  selbst  nicht  nähren 
können.  Cons.  ad  ux.  2  p.  608  D) ;  ebenso  Favori- 
nusbeiGell.XII  1.  Soranus 1 87p. 258 empfiehlt, 
anfangs  das  Kind  an  einer  andern  Brust  trinken 
zu  lassen,  weil  die  Muttermilch  während  der 
ersten  drei  Wochen  zu  käsig  und  schwer  ver- 
daulich sei;  während  dieser  Zeit  solle  der  Mutter 
die  Milch  auf  andere  Weise  entzogen  werden. 


5)  Im  Louvre,  nach  A.  Z.  XL1II  (1885)  Taf. 
14, 2.  Von  dem  dritten  Bildchen,  das  den  Knaben 
auf  einem  Wagen  darstellt,  ist  nur  der  Kopf  des 
Kindes  mit  dem  Ende  der  Peitsche,  den  Zügeln 
und  dem  Kopf  des  Tieres  alt;  an  der  letzten 
Szene  nur  der  Kopf  des  Knaben  und  der  Ober- 
körper des  Vaters  oder  Lehrers,  s.Wernicke 
ebd.  S.211f. 

•)  Die  Gründe  für  und  gegen  die  Ernährung 
durch  eine  Amme  sind  bei  Gell.  a.  a.  0.  be- 
sprochen. Ueber  die  Wahl  einer  guten  Amme 
handelt  Soranus  1 88  p.  260 ;  über  deren  Kost  ebd. 
93  ff.  p.  268.  Daß  die  Ammen  reichlich  alten 
Wein  zu  trinken  bekamen,  zeigt  Plaut.  Truc. 
903.  Auch  die  Amme  wird  bisweilen  mater  ge- 
nannt. Plaut.  Men  19,  dazu  Non. 343, 30 ;  423, 23. 
Serv.  ad  Aen.VIII  632.  Vgl.  im  allgemeinen  Na- 
varre  bei  D.-S.  IV  123.  Mau  bei  P.-W.  1 1844. 

')  Schon  im  letzten  Jahrhundert  v.  Chr. 
waren  sie  allgemein  üblich,  s.  Euer.  V  230.  Cic. 
Tusc.  III  1,2;  für  später  vgl.  Sen.  de  benef.  III 
29.7;  VII  28, 2;  ep.60,1;  99,14.  Darum  hebt 
Tac.  Germ.  20  es  ausdrücklich  von  den  (ier- 
manen  hervor:  eua  quemque  mater  ubertbtu 
alit,  nee  ancülis  mit  nutricibus  delegantur. 
Aermere  Frauen  nährten  in  der  Regel  selbst, 
luv.  6,  592.  Auf  Inschriften  kommen  >u<tri<-cs 
häufig  vor,  s.  Marquardt  89  A.  1.  Navarre 
a.  a.  O.  n.  26. 

8)  Ueber  Zeit  und  Art  des  Entwöhnens 
handelt  Soranus  1 115ff.p.287R.  Dienichtmeln 
stillende  Amme  heißt  dann  tusa  nutrix,  luv. 
14.  208  mit  Schol.  Front,  ad  Anton.  I  5  p.  103 
(Nab.).   Non.  57,8. 

20* 


308 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 


füttern1),  es  zu  baden  und  zu  wickeln,  die  Wiege  zu  schaukeln.  Sie  lehrte 
das  Kind  laufen2),  brachte  ihm  das  Sprechen  bei3),  erzählte  ihm  Märchen 
und  sang  es  in  Schlaf4),  und  an  den  abergläubischen  Prozeduren,  von  denen 
oben  die  Rede  war,  fiel  der  Amme  ein  nicht  kleiner  Anteil  zu5).  Wenn 
die  Zeit,  wo  das  Kind  in  der  Obhut  der  nutrix  blieb,  um  war,  wurde  diese 
doch  häufig  noch  im  Hause  behalten;  solche  Frauen  wurden  die  Vertrauten 
namentlich  der  Töchter,  die  sie  manchmal  auch  nach  der  Verheiratung  noch 
bei  sich  behielten6). 

Zahlreich,  im  allgemeinen  aber  sich  wenig  von  den  bei  den  Griechen 
wie  zur  heutigen  Zeit  üblichen  unterscheidend,  waren  die  Spiele  und  Spiel- 
sachen der  ersten  Kinderjahre7).  Die  kleinsten  unterhielt  man  mit  dem 
Lärm  der  Klapper,  crepitaculum8);  wenn  sie  älter  wurden,  so  waren  ein 
Lieblingsspielzeug  die  aus  Ton,  Wachs,  Knochen  u.  dgl.  angefertigten  Puppen, 
pupae  und  pupi$),  deren  sich  noch  viele,  auch  mit  beweglichen  Gliedmaßen 
versehen,  erhalten  haben10);  die  Mädchen  weihten  dies  Spielzeug  nach  ihrer 
Verheiratung  den  Laren11).  Auch  aus  denselben  Stoffen  gearbeitete  Figuren 
von  allerlei  Tieren  oder  von  Früchten,  Hausrat  und  sonstigen  Gegenständen 


J)  Cic.  de  or.  II  39, 162 :  qui  omnia  minime 
mansa  ut  nutrices  infantibus  pueris  in  os  in- 
serant.  Pers.  5, 17:  pappare  minutum,  s.  Schol. 
das.  Doch  scheint  man  auch  das  Aufziehen  mit 
der  Flasche  gekannt  zu  haben ;  Mau  Pompeji 
394  erklärt  tönerne  G  eräte  von  besonderer  Form 
als  „Biberon",  um  den  Kindern  die  Milch  ein- 
zuflößen, vgl.  das  Gefäß  Mon.  dei  Lincei  XVII 
172  Fig.  132  und  van  Hoorn  25  f.  Die  Abhand- 
lung von  H.  Coulon  Sur  les  vases  appeles  bi- 
berons  trouves  dans  les  sepultures  d'enfants 
(Paris  1906)  ist  mir  nicht  zugänglich. 

2)  Daß  man  dafür  besondere,  käfigartige 
Laufapparate  hatte,  ersieht  man  aus  einem  römi- 
schen Relief  in  der  Sammlung  Torcetta  bei 
Fiume,  Schneider  Arch.-epigr.  Mitt.  a.  Oesterr. 
V  (1881)  174  n.41.  Das  ist  wohl  der  von  So- 
ranus  I  114  p.  287  erwähnte  diygog  vnöxqoyog. 
Das  Stehenlernen  der  Kinder  stand  unter  der 
Obhut  des  Statanus  oder  Statilinus  oder  der  Sta- 
tina,  Varro  b.  Non.  532, 17.  August,  civ.  D.  I V  21 . 
Tert.  de  an.  39 ;  vgl.  Peter  a.  a.  0.  224. 

3)  Die  ersten  gelallten  Worte  verzeichnet 
Varr.  bei  Non.  81,  2:  cum  cibum  ac  potionem 
pappas  ac  buas  vocent  et  matrem  mammam, 
patrem  tatam.  Mart.  1 100.  Die  Ausdrücke  waren 
auch  in  der  Umgangssprache  üblich,  wie  Grab- 
schriften zeigen,  s.  Friedländer  zu  Mart,  a.a.O. 
Man  hielt  daher  darauf,  daß  die  Ammen  eine 
gute  Aussprache  hatten,  Quint.1 1,4;  vgl.Plut. 
de  lib.  educ.  6  p.  3  F.  Der  darüberwachende  Gott 
hieß  Locutius,  allerdings  erst  nach  Konjektur 
zu  Tert.  ad  nat.  Uli;  s.  Peter  203.  Dem  Fa- 
bulinus  opferteman,  wenn  das  Kind  zusprechen 
anfing,  Varr.  b.  Non.  532, 19.  Peter  198.  In  der 
Kaiserzeit  war  es  üblich,  griechische  Ammen 
zu  nehmen,  damit  das  Kind  möglichst  früh  Grie- 
chisch lerne,  Tac.  de  orat.  29.  Soran.  1 88  p.264. 
Für  gewöhnlich  waren  die  Ammen  wohl  Skla- 
vinnen: aut  serva  aut  servil is  et,  ut  plerum- 


que  solet,  extemae  et  barbarae  nationis,  Gell. 
XII  1,17. 

4)  Cic.  deor.  nat.  III 3, 12  und  Hör.  sat.  II 6, 
77  sprechen  von  diesen  aniles  fabellae,  die 
sprichwörtlich  waren,  vgl.  Otto  Sprichw.  d.  Kö- 
mer 28  n.  122.  Vgl.  Lucr.  a.  a.  O.  Arnob.  V  14. 

5)  Dahin  gehört,  daß  man  den  Kindern  zur 
Erleichterung  des  Zahnens  einen  Wolfszahn 
umhing,  Plin.  XXVIII  257.  Auch  verzogen  die 
Ammen  die  Kinder  wohl  zumeist;  daß  sie,  wie 
heute,  den  Stein,  an  den  das  Kind  sich  gestoßen 
hatte,  schlugen,  erwähnt  Epictet.  III  19,  4. 

6)  So  schon  von  Liv.  III 44. 7  von  der  n  utriM 
der  Virginia;  vgl.  Catull.  64,  376.  luv.  6,  354. 
Mart.  Xr  78,  7.    Apul.  met.  VIII  10. 

7)  Hauptwerk  über  die  Spiele  (auch  der  Er- 
wachsenen)imAltertum  istBECQ  deFouquieres 
Les  jeux  des  anciens,  Paris  1869  (2.  ed.  1873), 
vgl.  ferner  Grasberger  Erzieh,  u.  Unterr.  im 
klass.  Altert.  1  1  ff. 

8)  Quint.  IX  4,  66.  Mart.  XIV  54.  Colum. 
IX  12,2  (wo  die  aus  Blech  oder  Ton  gefertigten 
zum  Scheuchen  eines  Bienenschwarms  dienen). 
Mart.  Cap.  17;  IX  909 ;  ib.  927 ;  crepitaculum, 
Lucr.  V  229.  Tert.  adv.  Marc.  HI  8;  adv.Iud.9. 
Noch  erhaltene  Exemplare  s.  Saglio  bei  D.-S. 

I  1561.  Fig.  2063f.  Becq  de  Fouquieres  6 f. 
Stephani  Compte  rendu  de  St.Petersb.  1874,9. 
van  Hoorn  26  f. 

9)  Varr.b. Non.  156,17. Pers. 2, 70.  Lactant. 

II  14, 12  f.    Becq  de  Fouquieres  a.  a.  O.  27  ff. 

10)  Vgl.  Jahn  zu  Pers.  a.  a.O.  Becq  de  Fou- 
quieres a.  a.  0.  E.  Caetani-Lovatelli  Antichi 
monum.  illustrati  (Roma  1889)  221.  G.Lafaye 
bei  D.-S.  IV  768  f.  Winter  Typen  d.  ant,  Terra- 
kotten 1 165—173.  Brit.  Mus.  Guide  to  the  ex- 
hib.  illnstr.  Gr.  and  Rom.  life  189  Fig.  197 ff. 

1 ')  Varr.  b.  Non.  538, 15  (wo  sie  maniae  hei- 
ßen, nach  der  Konjektur  von  Meursius).  Schol. 
Cruqu.  z.  Hör.  sat.  I  5,  66.    Schol.  Pers.  a.  a.  0. 


Erster  Abschnitt.    Geburt  und  Kindheit. 


:',(!!) 


■dienten  dem  Spielzweck  l).  Knaben  ergötzten  sich  daran,  den  mit  tönenden 
I Ringen  oder  Schellen  versehenen  Reifen,  trochus2),  mit  einem  gebogenen 
I Stäbchen,  clavis3),  zu  treiben.  Auch  das  Spiel  mit  dem  Kreisel,  turbo,  kannten 
Idie  römischen  Knaben4),  sowie  das  Steckenpferdreiten5),  das  Spiel  mit  einem 
lan  einem  Stab  befestigten  Scheibenrad6)  u.  dgl.  m.  Mancherlei  Spiele  be- 
I durften  keines  eigenen  Spielzeuges,  namentlich  die  in  größerer  Gesellschaft 
I geübten,  wie  das  uralte  Königsspiel7)  und  das  Maallaufen s)  u.  dgl.  m.;  dann 
lall  die  Spiele  mit  Knöcheln,  Münzen,  Steinchen,  die  die  Griechen  ebenfalls 
I kannten9),  ferner  die  mannigfaltigen  Arten  des  Ballspieles10)  und  ganz  be- 
I  sonders  das  Spiel  mit  Nüssen11),  von  dem  es  ebenfalls  zahlreiche  Arten  gab12). 
lAuch  mit  allerlei  lebendigen  Tieren  wurde  gespielt13),  und  mancher  junge 
I  Römer  lenkte  sein  von  einem  Ziegenpaar  gezogenes  Wägelchen  selbst u). 


*)  Vgl.  Becker-Göll  78. 

2)  Ov.  a.  a.  III  383 ;  trist.  II 486 ;  III 12, 20. 
Mart.  XI  21,  2;  XIV  168  f.  Vgl.  Gbasberger 
a.a.O. 81.  Becq  de  Fouquieres  159ff.  van 
Hoorn  72.  Daß  das  Spiel,  an  dem  sich  auch 
noch  Erwachsene  ergötzten,  von  Griechenland 
hergekommen  war,  bezeugt  die  Benennung  (or- 
l)is  nennt  ihn  Cic.  ad  Attic.  II  9, 1);  Hör.  carm. 
III  24,  7  spricht  direkt  vom  Grraecus  trochus. 

3)  Prop.  IV  13  (III  14),  6. 

4)  Bei  Verg.Aen.  VII  378ff.  genau  beschrie- 
ben. Cic.  de  fato  18,42.  Tib.15,3.  Pers.3,51, 
wo  er  nur  buxum  heißt,  weil  er  meist  aus  Buchs- 
baum gefertigt  wurde.  Er  wurde,  wie  bei  uns, 
mit  einer  Peitsche  getrieben,  s.  Jahn  zu  Pers. 
a.  a.  0.  Grasberger  77.  Becq  de  Fouquieres 
170ff.  vanHoorn68.  Ein  Tonmodell  eines  sol- 
chen Kreisels  s.Brit.Mus.Guide  etc.  193  Fig.202. 

5)  Hör.  sat.  II  3, 248:  equitai-e  in  harun- 
äine  longa.  Vgl.  Grasberger  28.  Becq  de  Fou- 
quieres 73  f. 

6)  Vgl.  Amelung  Skulpt.  d.  vatik.  Mus.  I 
451  n.205  Taf.46;  551  n.  108  Taf.  101. 

7)  Darauf  spielt  Hör.  ep.  I  1,  59  an;  Suet. 
Nero  35  heißt  es  ducatns  et  imperia  ludere,  vgl. 
Grasberger  53.    Becq  de  Fouquieres  68  f. 

8)  Eine  Art  Versteckspiel,  wobei  jeder  an 
dasMaal,  an  dem  der  Suchende  sich  die  Augen 
zugehalten  hat,  zu  gelangen  sucht,  aber  selbst 
„blinzeln"  muß,  wenn  er  vorher  abgefangen  wird 
(das  griech.  ajzodidoaoxivda,  Poll.  IX  117);  bei 
Hör.  a.  p.  417  geht  die  Formel:  occupat  ex- 
tremum  Scabies  hierauf,  s.  die  Schol.  z.  d.  St. 
Mehr  bei  Grasberger  46.  Eine  Darstellung 
des  Spieles  (durch  Eroten)  auf  einem  herku- 
lanischen  Wandgemälde  Ant.  di  Ercol.  I  33. 
Schreiber  Taf.  79,  9. 

9)  Es  ist  wahrscheinlich,  daß  die  römische 
Jugend  all  die  zahlreichen  Spiele  der  griechi- 
schen, die  wir  namentlich  aus  Pollux  kennen, 
auch  gekannt  hat;  aber  die  Ueberlieferung  fehlt 
in  den  meisten  Fällen.  Das  Schnellen  von  Stei- 
nen oder  Tonscherben  über  eine  Wasserfläche 
(„Schirken"  oder  „Schnellem")  beschreibt  Mi- 
nuc.Fel.Oct. 3  ext.; vgl. Grasberger 60.  Auch 
das    „Kopf  oder  Wappen  "-Spiel,   capüa    auf 


navia,  wird  als  Knabenspiel  erwähnt,  Macr. 
1  7,  22. 

10)  Es  war  aber  noch  mehr  ein  Spiel  der 
Erwachsnen  und  wird  daher  an  andrer  Stelle 
(Abschn.  VI)  besprochen  werden. 

u)  Namentlich  an  den  Saturnalien,  wenn 
Ferien  waren,  Mart.  IV  30, 8 ;  84, 1 ;  XIII  1,7; 
XIV  1, 12;  185,2.  Vgl.  auch  Phaedr.  III  14,2. 
Hör.  sat.  II  3,  171.  Sen.  dial.  II  12,  2 ;  III 12, 4. 
Beliebt  war  namentlich  ein  Spiel,  bei  dem  ein 
Häufchen  übereinandergelegter  Nüsse  durch 
einen  Wurf  mit  einer  andern  auseinander  ge- 
trieben werden  mußte,  s.  Caetani-Lovatelli 
Bull.comunale  X  (1882).  56ff.  Amelung  Skulp- 
tur, d.  Vatikan.  Mus.  I  638  n.  497  A  Taf.  68. 
Nuces  relinquere  ist  s.v.a.  die  Kinderschuh  ab- 
legen, Pers.  1,  10  (obschon  auch  Erwachsene 
manchmal  au  diesem  Nußspiel  teilnahmen,  wie 
Augustus,  Suet.  Aug.  93);  und  daher  bei  Catull. 
61, 128  der  Zuruf  an  den  Lieblingssklaven  des 
Bräutigams:  sat/s  diu  Uisisti  nucihus. 

u)  Diese  Arten  sind  beschrieben  in  der 
pseudo-ovidischen  Elegie  Nux  (bes.  v.  77ff.),  bei 
Baehrens  Poet.Lat.min.  1 88 ;  darnach  bei  Gras- 
berger 65.  Marquardt  839.  v.  Wilamowitz 
in  den  Comment.  Momms.  390  ff.  Auf  römi- 
schen Reliefs  ist  das  Spiel  mit  Nüssen  öfters 
dargestellt,  s.  Friedländer  A.  d.  1.  XXIX  (1857) 
142  tav.  BC.  E.  Caetani-Lovatelli  a.  a.  O.  55. 
Lafaye  bei  D.-S.  IV  115. 

u)  Dazu  gehören  die  Hahnenkämpfe,  die 
auf  Denkmälern  öfters  als  Kinderspiel  dar- 
gestellt sind,  vgl.  Schreiber  Taf.  79,  1  u.  4. 
Hühner,  Tauben,  auch  Affen  als  Haustiere  bei 
Plaut,  m  gl.  162 ;  Hasen  ebd.  Pers.  436 :  Tauben, 
Sperlinge  Fronto  ad  amic.  1 12  p.  182  (Nab.).  Im 
allgemeinen  vgl.  Becq  de  Fouquieres  159 ff. 

1 4)  So  auf  mehreren,  das  Leben  eines  Knaben 
in  einzelnen  Szenen  darstellenden  Sarkophagen, 
s.  Wernicke  A.  Z.  XLIII  (1885)  209.  Darem- 
berg-Saglio  II 479  f.  Fig. 2608 ff.  (oben  Fig.  52). 
AMELUNGa.a.O.I179n.l9a;667n.539Taf.70. 
Uebrigenshat  man  wohl  auch  Kinderwagen,  d.h. 
Handwägelchen,  in  denen  man  die  Kinder  zog. 
gekannt;  das  cMramaxion  bei  Petron.  28,  4 
scheint  ein  solches  zu  sein. 


310 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 


Im  allgemeinen  waren  die  Kinder  in  den  ersten  Lebensjahren,  bevor 
der  Unterricht  begann,  in  der  Zeit  der  Republik  jedenfalls  strengerer  Zucht 
unterworfen  und  besser  behütet,  als  in  der  Kaiserzeit.  Mehr  wie  eine  Nach- 
richt bezeugt  es  uns,  data  in  den  früheren  Jahrhunderten  die  Knaben  zumal 
in  strengem  Gehorsam,  Zucht  und  Sitte  erzogen,  zu  Anstand  und  Mäßigkeit 
angeleitet  wurden,  indem  die  Väter  selbst  sich  möglichst  früh  schon  ihrer 
annahmen1).  Das  änderte  sich  in  der  Kaiserzeit  nach  mehr  als  einer 
Richtung.  Während  da  Klage  darüber  geführt  wird,  daß  die  Kinder  ver- 
zogen und  verweichlicht2),  ja  sogar  in  Sänften  herumgeführt  würden3), 
wird  gleichzeitig  der  Vorwurf  erhoben,  daß  sie  unter  rohen  und  ungebildeten 
Sklaven  aufwachsen  und  frühzeitig  Schlechtes  sehen  und  hören4).  Immerhin 
müssen  wir  uns  hüten,  die  Verhältnisse,  über  die  solche  Klage  geführt  wird, 
zu  sehr  zu  verallgemeinern;  und  wie  auch  später  noch  zahlreiche  Mütter  ihren 
Kindern  selbst  die  Brust  reichten,  so  wird  es  auch  nicht  an  guten  Bürger- 
familien gefehlt  haben,  wo  die  Kinder  in  der  Obhut  der  Mutter  aufwuchsen5). 

Wenn  der  Knabe  älter  wurde  und,  sei  es  zur  Schule,  sei  es  zu  sonst 
einem  Anlaß,  auf  die  Straße  hinaus  mußte,  so  war  es  nicht  üblich,  ihn 
allein  gehen  zu  lassen.  Entweder  folgte  ihm,  wie  dem  römischen  Bürger 
bei  seinen  Ausgängen,  ein  Sklave  als  pedisequuse),  oder  es  wurde  ihm  ein 
Freund  des  Hauses,  der  sich  dazu  bereit  finden  ließ,  oder  ein  zuverlässiger 
Freigelassener  beigegeben7);  im  Notfall  übernahm  der  eigne  Vater  dies 
Amt8).  Indessen  war  es  schon  früh  üblich  geworden,  dafür  Sklaven  zu 
verwenden,  die  als  custodes  bezeichnet  werden9);  sonst  kommt  auch  die 
Bezeichnung  comes  vor10)  oder  monitor11),  rector12).  Mit  dem  Überhandnehmen 


»)  Vgl.  Plut.  Cat.  mai.  9 ;  ebd.  20.  Varro  bei 
Gell.  IV 19  und  bei  Non.  108, 24.  Dion.  Hai.  II 26. 

2)  Quint.  I  2,  6 :  infantiam  statim  delictis 
solvimus.  mollis  illa  educatio,  quam  indulgen- 
tiam  vocamus,  nervös  omnes  mentis  et  corporis 
frangit :  quid  non  adultus  concupiscet,  qui  in 
purpuris  repit. 

3)  Ebd.  7:  in  lecticis  crescunt;  si  terram 
attigerint,  e  manibus  utrinque  sustinentium 
pendent.  Eine  Terrakotte  aus  Pompeji  stellt  ein 
in  einer  Sänfte  getragenes  Kind  dar,  v.Rohden 
Terrak.  v.  Pompeji  50  Taf.  38,  1.  Daremberg- 
Saglio  III 1006  Fig.  4378.  Schreiber  Taf.  62, 9. 

4)  Tac.  de  orat.  29 ;  auch  daß  die  Eltern 
in  Gegenwart  der  Kinder  Unziemliches  tun  und 
sprechen,  wird  hier  und  bei  Quint.  a.a.O.  ge- 
tadelt.  Vgl.  auch  luv.  14, 47  ff. 

5)  Das  in  gremio  matris  educari  wird 
von  Tac.  de  or.  28  dem  Aufwachsen  in  cella 
emptae  nutricis  gegenübergestellt.  So  heißt 
es  Tac.  Agr.  4  von  Agricola,  er  sei  in  huius 
(sc.  matris)  sinu  indulgentiaque  educatus  ge- 
wesen; ebenso  der  Sohn  des  jüngeren  Plinius, 
Plin.  ep.  III  3,  3;  vgl.  ebd.  IV  19,  6;  VII  24,  3. 
Cic.  Brut.  58,  211.  Ein  anmutiges  Familien- 
bild entwirft  Catull.  61,  212  ff. 

6)  Auct.  ad  Her.  IV  52,  65,  wo  der  pedi- 
sequus  puerorum  Gorgias  heißt;  er  war  also 
ein  Grieche. 

')  Quint.  12,5:  amicum  gravem  virumaut 


fidelem  libertum  lateri  filii  sui  adiungere,  cuius 
comitatus  etiam  Mos  meliores  faciat,  qui  titne- 
buntur. 

8)  Wie  es,  wohl  der  beschränkten  Ver- 
mögenslage halber,  der  Vater  des  Horaz  tat, 
Hör.  sat.  I  6,  81. 

9)  Sen.  de  benef.  III  11,  2:  et  quia  utile 
est  iuventuti  regt,  imposuimus  Uli  quasi  do- 
mesticos  magistratus,  sub  quorum  custodia  con- 
tineretur.  Plaut.  Pseud.  865.  Ter.  Phorm.  287. 
Hor.sat.  14, 118;a.p.  161.  Sen.  ep.  11,9.  Petron. 
94,  2.  luv.  7,  218:  10,  117.  Verg.  Aen.V  546 
überträgt  den  Brauch  auf  die  epische  Zeit. 
Bei  Mart.  XI  39,  1  f.  ist  der  pueri  custos  as- 
siduusque  comes,  der  Charidemus  heißt  und 
also  Grieche  ist,  schon  der  cunarnm  motor 
gewesen,  also  seit  der  frühesten  Kindheit  mit 
der  custodia  betraut. 

»•)  Ver*.  Aen.  II  86;  V  546.  Liv.V  27.  1. 
Mart.  a.  a.  Ö.  Stat.  silv.  V  2,  60.  Suet.  Claud. 
35.  In  anderem  Sinne  heißt  bei  Suet.  Tib.  12. 
M.  Lollius  comes  et  rector   des  Gaius  Cäsar. 

»•)  Sen  ep.  94,  11;  vgl.  ebd.  72.  Stat.  silv. 
V3,  147;  Theb.  XII  205. 

12)  Plin.  ep.  III  3,  4:  cui  in  hoc  lubrico 
aetatis  non  praeceptor  modo,  sed  custos  eti<im 
rectorque  quaerendus  est.  Suet.  Aug.  48.  Da- 
gegen auch  für  Jünglinge,  s.Verg.  Aen.  IX 173. 
Tac.  ann.  XIII 2.  Vgl.  Hör.  carm.  I  36,  8:  actai 
non  alio  rege  puertiae. 


Erster  Abschnitt.    Geburt  und  Kindheit. 


311 


des  griechischen  Kultureinflusses  wurde  es  immer  mehr  üblich,  dies  Amt 
griechischen  Freigelassenen  oder  Sklaven  zu  übergeben,  damit  die  Kinder 
schon  in  frühen  Jahren  Übung  im  Griechisch-Sprechen  hätten1),  und  seitdem 
wird  auch  die  Benennung  paedagogus2)  immer  gewöhnlicher3),  doch  war  in 
dessen  Stellung  gegenüber  dem  custos  kein  besonderer  Unterschied4).  Ver- 
ständige Väter  nahmen  es  mit  der  Wahl  dieser  Persönlichkeit,  die  so  viel 
Bedeutung  im  Leben  des  heranwachsenden  Knaben  hatte,  ernst5);  und  da 
diese  Leute  ihre  Pflegebefohlenen  nicht  bloß  zur  Schule  zu  begleiten  hatten 6) 
oder  ins  Theater7)  oder  zu  einer  Gerichtsverhandlung8),  sondern  sie  auch  über 
Anstand  und  Benehmen  belehren  und  ihnen  ein  Vorbild  abgeben  sollten9), 
so  war  es  in  der  Tat  nicht  gleichgültig,  welchen  Bildungsgrad  die  Gewählten 
besaßen.  Nichtsdestoweniger  kam  es,  und  selbst  in  vornehmen  Familien, 
nicht  selten  vor,  daß  ganz  ungeeignete  Persönlichkeiten  dazu  genommen 
wurden10),  die  von  Pädagogik  keine  Ahnung  hatten  und  bald  ihre  Pfleglinge 


1)  Quint.  I  1,  12  empfiehlt  ausdrücklich, 
bei  den  Knaben  mit  dem  Griechischsprechen 
anzufangen,  das  Lateinische  komme  schon  von 
selbst.  Beispiele  s.  oben;  der  .laidaycoyög  des 
Octavian  war  ein  griechischer  Freigelassener. 
Dio  Cass.  XLVlil  33,  1 ;  auf  Inschriften  sind 
griechische  paedagogi  häufig,  s.  Marquardt 
112  A.  5,  ferner  CIL  VI  33756,  doch  kommen 
auch  Nichtgriechen  als  solche  vor:  so  war  der 
paedaqoqus  desClaudius  einBarbar,  Suet.Claud. 
2;  vgl.  CIL  VI  6327. 

*)  Vgl.  über  die  paedagogi  Navakre  bei 
D.-S.  IV  273.  Unterscheiden  muß  man  diese 
vom  paedagogus  als  Leiter  der  Pagenschule. 
s.  Marquardt  158;  auch  der  paedagogus  lit- 
terarius  bei  Spart.  Hadr.  14, 1  ist  etwas  anderes. 

3)  Dio  Cass.  LVI  5,  1  vom  Pädagogen  des 
Antonius.  Auct.  ad  Her.  IV  10,  14.  Cic.  Brut. 
50.210;  adAtt.XI133,2.  Suet.  Aug.  67.  Quint. 
I  2,  10.  Mart.VHI  44,  2;  IX  27.  11;  X  62,  10. 
Oefters  auf  Inschr.,  vgl.  CIL  II  1482;  1981; 
VI  3998;  7290;  8968  ff.;  9739  ff.;  33894;  VIII 
12649  ff.:  XI  5440  u.  s.  Daß  paedagogi  auch 
gemietet  werden  konnten,  zeigt  das  Ed.  Diocl. 
7,  65,  wo  ein  Lohn  für  sie  tarifiert  ist,  und 
zwar  monatlich  für  einen  Knaben  50  Denare 
(90  Pf.);  solche  übernahmen  also  jedenfalls 
eine  größere  Zahl  von  Kindern  zur  Aufsicht, 
s.  Blümner  das.  S.  116  f. 

4)  Oefters  werden  beide  Ausdrücke  ver- 
bunden, ohne  daß  damit  verschiedene  Persön- 
lichkeiten gemeint  sind.  s.  Petron.  94,  2.  Sen. 
ep.  11,  9:  dagegen  werden  die  paedagogi  von 
den  capsarii  unterschieden  Suet.  Nero 36.  Die 
niedrige  Stellung  der  paedagogi,  zugleich  aber 
auch  der  Einfluß  auf  ihre  Zöglinge  spricht  sich 
darin  aus,  daß  sie  oft  mit  den  nutrices  auf 
eine  Stufe  gestellt  werden,  Cic.  de  am.  20,  74. 
Sen.  dial.  IV  21,  9;  ep.  60,1. 

5)  Quint.  11,8:  de  paedagogis  hoc  antp/ius, 
ut  auf  sint  eruditi  plane,  quam  primam  esse 
curam  velim,  auf  se  non  esse  eruditos  sciant. 
Auf  die  Wichtigkeit,  daß  sie  gewählt  sprechen. 
weist  Cic.  Brut.  50,  210  hin:   magni  interest 


quos  quisque  audiat  cotidie  dornt,  quihuscum 
loquatur  a  puero,  quemadmodum  patres,  pae- 
dagogi, matres  etiam  loquantur.  Daß  die  Mütter 
hier  nach  den  Pädagogen  kommen,  ist  sehr 
bezeichnend. 

6)  App.b.civ.IV30.  Hor.sat.16,78;  daß 
solche  Sklaven  auch  wohl  beim  Unterricht  an- 
wesend blieben,  zeigt  das  Beispiel  des  Q. 
Remmius  Palaemon,  der  nach  Suet.  de  gr.  23 
herilem  filiam  dum  comitatur  in  scholam  lit- 
teras  didicit.  Die  capsarii  trugen  aber  bloß 
den  Knaben  die  Schultaschen  nach,  Suet.  Nero 
36.  luv.  10,  117. 

7)  Augustus  wies  den  Pädagogen  Plätze 
in  der  Nähe  ihrer  Pflegebefohlenen  an.  Suet. 
Aug.  94. 

8)  Daß  dies  vorkam,  zeigt  die  von  Quint. 
VI  1,  41  erzählte  Anekdote,  die  freilich  viel- 
leicht griechischen  Ursprungs  ist. 

9)  Bezeichnend  sind  dafür  die  Ermah- 
nungen des  Pädagogen,  die  Sen.  ep.  94,  8  f. 
anführt:  sie  incede,  sie  coena.  hoc  viro,  hoc 
feminae,  hoc  marito,  hoc  caelibi  convenit;  er 
fügt  freilich  hinzu :  ita  enim  qui  diligentissime 
monent,  ipsi  facere  non  possunt.  Mart.  XI 39, 
7.  Plut.  an  virt.  doc.  poss.  2  p.  439  F :  xaixoi 
didäoxovotv  ol  naioaywyoi  xexvyöxag  iv  xatg 
SdoTg  jiEQiJiaxslv,  ivi  baxxvXco  xo  xägiyog  ägao&at, 
Svai  xbv  lyßvv,  oixov,  xgeag'  ovxco  xa&rjo&ai, 
xo  iudxiov  ovxcog  avalaßelv. 

10)  Tac.  de  or.  29:  ac  nunc  natus  infans 
delegatur  Graeculae  alicui  ancillac,  cid  ad- 
iungitur  unus  aut  alter  ex  ontnibus  servis  ple- 
rumque  ri/is.simus nee cuiquam  serio  »u'nisttriu 
aecommodatus.  Plut.  de  lib.  educ.  7  p.  4  A  f.  spot- 
tet: xü>v  ydg  dovlcov  xä>v  ojiovdaiojv  xovg  ftkv 
yewgyovg  äjxoöeixvvovoi,  xovg  de  vavxkrjoovg  xovg 
d'ifiJiogovg  xovg  <5'  olxovöuovg  xovg  de  davsioxdg' 
o  xi  d'  av  svgwoiv  dvdgdjxodov  otVd/.»;.Trov  xai 
Xlxvov,  Jigog  jxäoav  xgayuaxeiav  aygtjoxov,  xovxto 
(pegovxeg  vnoßälAovoi  xovg  viovg.  Der  Pädagog 
des  Claudius  war  ein  ehemaliger  Stallmeister, 
Suet.  Claud.  2;  Nero  hatte  einen  Tänzer  und 
Barbier  als  Pädagogen,  Suet.  Nero  6. 


312  Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 

durch  zu  große  Nachgiebigkeit  verzogen1),  bald  von  dem  ihnen  zustehenden 
Züchtigungsrechte2)  einen  unverständigen  Gebrauch  machten.  Diese  Pädagogen 
pflegten  den  Knaben  beigegeben  zu  bleiben,  bis  diese  mit  Annahme  der  toga 
virilis  ins  Jünglingsalter  traten3). 


Zweiter  Abschnitt. 

Erziehung  und  Unterricht  der  Knaben. 

Litteratur. 

Fr.  Cramer  Geschichte  der  Erziehung  und  des  Unterrichts  im  Altertum.    Elberfeld  1832/38. 

1363  ff.;  II  558  ff. 
E.  Egger  Müde  sur  l'education  et  particulierement  sur  l'education  litteraire  chez  les  Romains 

depuis  la  fondation  de  Rome  jusqu'aux  guerres  de  Marius  et  de  Sylla.    Paris  1833. 
J.  H.  Krause  Geschichte  der  Erziehung,  des  Unterrichts  und  der  Bildung  bei  den  Griechen, 

Etruskern  und  Römern.    Halle  1851.    S.  215  ff. 
G.  A.  Hulseboos  De  educatione  et  institutione  apud  Romanos.    Traj.  ad  Rhen.  1867. 
J.  L.  Ussing  Darstellung  des  Erziehungs-  und  Unterrichtswesens  bei  den  Griechen  und  Römern. 

Altona  1870,  2.  Aufl.  Berlin  1885.    S.  77  ff. 
L.  Grasberger  Erziehung  und  Unterricht  im  klassischen  Altertum.  3  Bände.  Würzburg  1864/81. 
E.  Juxlien  Les  professeurs  de  litterature  dans  l'ancienne  Rome  et  leur  enseignement,  depuis 

l'origine  jusqu'ä  la  mort  d'Auguste.    Paris  1885. 
J.-P.  Rossignol  De  l'education  et  de  l'instruction  des  hommes  et  des  femmes  chez  les  anciens. 

Paris  1888. 
H.  Bohatta  Erziehung  und  Unterricht  bei  den  Griechen  und  Römern.    Gymnasial-Bibliothek 

Heft  21.   Gütersloh  1895. 
A.  Hartmann  Die  Schule  in  der  römischen  Litteratur.  39.  Jahrbuch  des  Vereins  schweizerischer 

Gymnasiallehrer.    Aarau  1910.    S.  36  ff. 
Bernhardy  Geschichte  der  römischen  Litteratur.    Braunschweig  1872.    5.  Aufl.    S.  35  ff.  (wo 

ältere  Litteratur  verzeichnet  ist). 
Becker-Göll  II  82  ff. 
Marquardt-Matj  92  ff. 
E.  Pottier  bei  Daremberg-Saglio  II  480  ff. 

Unsere  Nachrichten  über  die  Erziehung  und  den  Unterricht  der  Knaben 
sind  für  die  ersten  fünf  Jahrhunderte  der  Stadt  sehr  spärlich.  Zwar  ließ 
die  Tradition  schon  Romulus  und  Remus  eine  Schule  in  Gabii  besuchen4), 
doch  ist  selbstverständlich  darauf  ebensowenig  etwas  zu  geben,  wie  wenn 
es  von  Tarquinius  Priscus  heißt,  er  habe  den  Servius  Tullius  zusammen  mit 
seinen  eigenen  Söhnen  selbst  unterrichtet5).  Dagegen  scheinen  die  Nach- 
richten, die  vom  Bestehen  von  Schulen  im  5.  Jahrhundert  v.  Chr.  berichten6), 
auf  Wahrheit  zu  beruhen. 

Genauere  Kenntnis  des  römischen  Unterrichtswesens  beginnt  für  uns 
erst  mit  dem  2.  Jahrhundert  v.  Chr.  Von  da  ab  und  für  die  Folge- 
zeit  finden   wir   für   die   Knaben    (nur   von   diesen  ist  hier   zunächst   die 

»)  Sen.  dial.  IV  21,  6.  I    Weiber  und  Würfel  verbieten  wolle.    Plaut. 

2)  Suet.  Claud.  2.  Mart.  X  62,  10;  XI  39,  Bacch.  422:  nego  tibi  hoc  annis  viginti  fuisse 
10;  sie  führen  die  Rute,  ferula,  als  Züchti-  primis  copiae,  |  digitum  longe  a  paedagogo 
gungswerkzeug.  Quint.  11,8  nennt  sie  im-  pedem  ut  ecferres  aedibns,  was  Marquardt 
periost  atque  interim  saevientes.  a.  a.  O.  für  komische  Uebertreibung  hält. 

3)  Stat.  silv.  V  2, 68.  Plut.  a.  a.  0.  p.  5  A.  4)  Plut.  Rom.  6. 

Bei  Mart.  XI  39  klagt  der  Sprechende,  daß  er  ")  Cic.  de  rep.  II  21,  37. 

schon  ein  Mann  sei  und  sein  custos  ihm  Wein,  6)  Liv.  III  44,  6  und  s.  u.  S.  314. 


Zweiter  Abschnitt.    Erziehung  und  Unterricht  der  Knaben. 


313 


Rede,  von  dem  Unterricht  der  Mädchen  wird  später  zu  sprechen  sein) 
vornehmlich  zwei  Wege:  den  des  häuslichen  und  den  des  Schulunter- 
richts. Bei  ersterem  gab  es  auch  wiederum  zwei  Möglichkeiten:  ent- 
weder übernahm  der  Vater  den  Unterricht  selbst,  oder  er  übertrug  ihn 
einem  dafür  geeigneten  Sklaven  oder  Freigelassenen.  Das  erstere  war 
besonders  bei  den  Römern  vom  alten  Schrot  und  Korn  üblich;  der  alte 
Cato  Censorius  unterrichtete,  obschon  er  einen  dafür  geeigneten  Sklaven 
besaß,  seine  Kinder  in  den  Elementen  selbst,  wie  er  ihnen  auch  im  Turnen, 
Speerwerfen,  Fechten,  Reiten,  Schwimmen  Lehrmeister  war;  ja  er  schrieb 
ihnen  sogar  eigenhändig  mit  großen  Buchstaben  ein  Geschichtsbuch,  aus 
dem  sie  lesen  lernten1).  So  wrar  auch  der  jüngere  Scipio  Africanus  von 
seinem  Vater  Aemilius  Paulus,  obschon  dieser  daneben  ihm  einen  Hauslehrer 
hielt2),  selbst  unterrichtet  worden3);  und  auch  später  noch  fand  dieser 
väterliche  Unterricht  statt4).  Es  beruhte  auf  dem  gleichen  Prinzip,  wenn 
die  Knaben  bei  allerlei  Anlässen  den  Vater  begleiten  durften6),  ihm  bei 
religiösen  Zeremonien  Beistand  leisteten 6)  u.  dgl.  m. 

Aber  schon  früh  kam  der  Brauch  auf,  die  Kinder  durch  einen  litterarisch 
gebildeten  Sklaven  oder  Freigelassenen  im  Hause  unterrichten  zu  lassen, 
wozu  man  in  der  Regel  einen  Griechen  nahm 7),  und  so  war  es  auch  in  der 
Kaiserzeit  noch  üblich 8).  Wann  man  mit  dem  Unterricht  begann,  darüber 
liegen  keine  sichern  Nachrichten  vor;  Quintilian  bezeichnet  das  Alter  von 
sieben  Jahren,  das  viele  für  das  geeignetste  hielten,  als  zu  spät9). 


*)  Plut.  Cat.  mai.  20. 

2)  Plin.  XXXV  135. 

3)  Plut.  Aem.  Paul.  6 :  rovg  jiaiSag  daxcöv 
T//r  fisv  imywgiov  naidelav  xal  näxoiov,  coojzeq 
avros  t'joy.tjxo,  zip'  d' cEXh]iny.i]v  <piXoTi[iöxEQOV. 
Darauf  spielt  auch  Scipio  an  bei  Cic.  de  rep. 
I  22,  36. 

4)  Plaut.  Most.  126:  expoliunt,  doccnt  lit- 
teras,  iura,  leges  sumptu  suo  et  labore  (in  man- 
chen Ausgaben  sind  diese  Verse  gestrichen). 
Vom  Vater  des  Atticus  berichtet  Nep.  Att.  1, 
2:  hie,  prout  ipse  amabat  litteras,  Omnibus 
tloctrinis,  quibus  puerilis  aetas  impertiri  de- 
bet,  filium  erudivit;  und  Cicero  rühmt  sieh  ad 
Att.  VIII 4. 1 :  Cicerones  nostros  meo  potius  la- 
bore subdoceri  quam  nie  alienum  iismagistrum 
fuaerere.  In  der  Kaiserzeit  scheint  das  aber 
ungewöhnlich  gewesen  zusein;  vgl.  Plin.  ep. 
\  III  14,  5,  wo  die  Worte:  suus  cuique  parens 
pro  magistro,  out  cid  parens  non  erat,  maxi- 
mus  quisque  et  vetustissimus  pro  parente  die 
Sitte  der  Vorfahren  schildern,  im  Gegensatz 
zur  Neuzeit. 

5)  Nach  Plut.  qu.  Rom.  33  p.  272  C  nahmen 
die  Römer  in  älterer  Zeit  die  Knaben  mit, 
wenn  sie  auswärts  speisten,  was  sowohl  diesen 
nützte,  indem  sie  von  den  Reden  der  Erwach- 
senen lernten,  als  den  Männern  den  Zwang 
auferlegte,  in  Gegenwart  der  Kinder  sich  aller 
unpassenden  Worte  zu  enthalten.  Daß  in  der 
älteren  Zeit  die  Söhne,  wenn  der  Vater  Land- 
wirt war,  bei  den  Feldarbeiten  halfen,  ist 
natürlich,  vgl.  Hör.  carm.  III  6,  37  ff.  und  was 


Cato  bei  Festus  281  a,  21  von  seiner  harten 
Jugendzeit  erzählt. 

6)  Sowohl  bei  den  häuslichen  Opfern,  Varro 
b.  Non.  156, 15,  als  bei  öffentlichen  als  ccunilli. 
s.  Wissowa  Relig.  u.  Kult.  d.  Römer  426  A.  1. 

7)  Das  älteste  Beispiel  ist  das  des  T.  Li- 
vius  Andronicus,  der  nach  Suet.  bei  Hieron. 
chron.  Ol.  148,  2  die  Kinder  seines  Herrn,  des 
Livius  Salinator,  unterrichtete.  Der  Sklave 
Catos,  der  von  ihm  als  Hauslehrer  vermietet 
wurde,  hieß  Chilon,  Plut.  Cat.  mai.  20.  Hin- 
gegen war  Metrodoros,  den  Aemilius  Paulus 
zur  Erziehung  seiner  Kinder  sich  von  Athen 
kommen  ließ,  ein  freier  Grieche.  Magister 
heißt  der  Hauslehrer  bei  Plaut.  Bacch.  432; 
/itferator  bei  Suet.  de  gr.  4. 

8)  Der  gelehrte  Freigelassene  M.  Verrius 
Flaccus  war  der  Hauslehrer  von  Augustus' 
Enkeln,  Suet.  de  gr.  17.  Plin.  ep.  III 3. 3  schreibt 
von  seinem  Sohn:  adhuc  illum  pueritiae  ratio 
intra  contubernium  tenuit,  praeeeptores  domi 
habuit,  tibi  est  erroribus  modica  rel  etiam  iiu/i" 
materia.  Quint.  I  2  erörtert  eingehend  die 
Frage:  utilius  domi  an  in  scholis  < nx/imt/iir. 
und  entscheidet  sich  für  letzteres. 

9)  Quint.  11,15.  Ein  wahres  Wunderkind 
lernen  wir  aus  der  Grabschrift  CIL  VI  33929 
kennen:  Dahnatio  filio  dvlcweimo  tot  ins  m- 
gemositatis  ac  eapieniüu  puero,  quem  eepUm 
annis  perfrui.  patri  mfeliet  non  Ucttü,  qui 
$htdena  litteras  Oraeea*  non  monttratae  übi 
Laüna»  adripuü.  Der  Unterricht  des  Knaben 
hatte  also  auch  mit  Griechisch  begonnen. 


314 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 


Was  sodann  die  Schulen  anlangt,  so  fällt  die  erste  sichere  Nachricht, 
die  uns  von  solchen  berichtet,  ins  Jahr  449  v.  Chr.  Damals  befanden  sich 
bei  den  Buden  am  Forum  Elementarschulen,  die  wahrscheinlich  von  Knaben 
und  Mädchen  besucht  wurden1).  Ein  halbes  Jahrhundert  später  werden 
öffentliche  Schulen  in  Falerii2)  und  in  Tusculum  erwähnt3).  Wahrscheinlich 
haben  ältere  Einrichtungen  der  Etrusker  und  Sabiner  den  Römern  bei  den 
Anfängen  ihres  Unterrichtswesens  zum  Vorbilde  gedient4).  Darum  erscheint 
die  Nachricht,  daß  der  Freigelassene  Spurius  Carvilius  um  die  Mitte  des 
3.  Jahrhunderts  die  erste  Schule  in  Rom  aufgetan  habe,  verdächtig5). 

Der  eigentliche  Name  für  die  Schule  ist  nicht  das  griechische  schola, 
das  erst  gegen  Ende  der  Republik  anfängt,  in  dieser  Bedeutung  gebraucht 
zu  werden6),  meistens  aber  auch  nur  von  Schulen  höherer  Art  (der  Philo- 
sophen, Rhetoren  u.  dgl.)  oder  im  allgemeinen  Sinne 7),  sondern  ludus8),  häufig 
(zur  Unterscheidung  vom  ludus  gladiatorius,  fidicinus  etc.)  speziell  als  ludus 
litterarius  bezeichnet9)  oder  litterarum10)  u.  dgl.11),  wonach  denn  auch  der 
Lehrer,  dessen  allgemeine  Bezeichnung  magister  istla),  ludi  magister  heißt13). 
Doch  gehen  diese  Bezeichnungen  zumeist  auf  die  unterste  oder  Elementar- 
schule u).    Denn  wenn  auch  in  den  frühen  Jahrhunderten  der  Republik  es 


1)  Erwähnt  werden  sie  gelegentlich  der 
Geschichte  der  vom  Decemvir  Appius  Clau- 
dius verfolgten  Verginia,  Liv.  III  44,  6:  vir- 
gini  venienti  in  forum,  ibi  namque  in  tabernis 
(die  besten  Hss.  tabernaculis)  litterarum  ludi 
erant.  Dion.  Hai.  XI  28,  3.  Wenn  es  damals 
also  Mädchenschulen  gab,  ist  das  Vorhanden- 
sein  von   Knabenschulen   selbstverständlich. 

2)  Liv.  V  27,  1 :  mos  erat  Faliscis  eodem 
magistro  liberorum  et  comite  uti,  simulque 
plures  pueri,  quod  hodie  quoque  in  Graecia 
manet,  unius  curae  demandabantur .  Hier  war 
also  der  Lehrer  zugleich  der  comes  der  Knaben 
verschiedener  Familien.  Plut.Camill.  10:  xoiv<p 
yäg  eyowvTO  zw  dibao/täXto ,  &ojieq  "Ekkrjvs?,  ol 
<PaXegioi.  Dion.  Hai.  XIII 1, 1  nennt  den  Lehrer 
diMoxalos  ygauudzcov.  Polyaen.VIlI  7.  Val. 
Max.  VI  5,  1. 

3)  Liv.VI  25,  9.  Plut.  Cam.  38.  Für  Rom 
vgl.  Gell.  XV  11,  2  (Edikt  gegen  die  Rhetoren 
vom  Jahr  92  v.  Chr.):  maiores  nostri  quae  li- 
beros  suos  discere  et  quos  in  ludos  itare  vellent 
histituerunt. 

4)  Man  vgl.  Liv.  I  18,  4,  der  von  der  di- 
sciplina  tetrica  ac  tristis  vetermn  Sabinorum, 
quo  genere  nullum  quondam  incorruptius  fuit 
spricht;  dazu  Cic.  rep.  IV  3,3:  principio  di- 
sciplinam  puerilem  ingenuis  .  .  .  nullam  cer- 
tam  aut  destinatam  legibus  aut  publice  ex- 
positam  aut  unam  omnium  esse  voluerunt.  Zu 
vergleichen  ist  auch,  was  Cicero  ebd.  II  21, 
37  über  die  Erziehung  des  Servius  Tullius 
durch  Tarquinius  Priscus  sagt. 

5)  Plut.  qu.  Rom.  59  p.  278  E:  ö?/>e  5'  ijg- 
%avzo  fiiadov  didäoxeiv  xai  ngwzog  ävew^s  yga/n- 
uazodidaoxakelov  UtiÖqioc  Kaoßlhog.  Becker- 
Göll  84  nimmt  an,  er  sei  einer  der  ersten  ge- 
wesen, die  grammatische  Schulen  in  Rom  er- 
richteten. 


6)  Cic.  de  or.  II  7,  28.  Quint.  I  2,  1  u.  ö. 
Plin.  ep.  II  14,  2.  Mart.  I  35,  2.  Suet.  de  gr.  6; 
ebd.  18.  Augustin.  conf.  I  9. 

7)  Wie  z.  B.  Sen.  ep.  106,  12:  non  vitae, 
sed  scholae  discimus. 

8)  Plaut.  Pers.  173.  Cic.  de  imp.  Cn.  Pomp. 
10,28;  ad  fam.  IX  18, 1.  Hor.sat.I6,  72:  ebd. 
10,75.  Nep.  Att.  10, 3.  Suet.  rhet.  1.  Aur.Vict. 
vir.  ill.  23,  1 ;  oft  übertragen,  z.  B.  Ter.  Hec. 
203.  Cic.  de  or.  III  9,  35. 

9)  Plaut.  Merc.  303.  Sen.  ep.  94, 9.  Quint. 
14,27.  Tac.  ann.III66.  Plin.  IX  25.  Suet.  Cal. 
25.  CIL  X  3969  v.  5  (Bücheler  Carm.  epigr.  91). 

10)  Liv.  11144,6;  VI  25,  9. 

11 )  Cic.  ad  Qu.  fr.  1114,6:  ludus  discendi, 
non  lusionis.  Suet.  de  gr.  4:  ludus  grammatici. 

12)  Auch  doctor  kommt  für  Lehrer  vor, 
Hör.  sat.  I  1,  26  für  Elementarlehrer,  sonst 
aber  überhaupt  für  Lehrer  aller  möglichen 
Wissenschaften  und  Künste  (vgl.  Saglio  bei 
D.-S.  II  323),  z.  B.  artis  grammaticae  doctor, 
CIL  XIII  1393;  am  häufigsten  für  den  Fecht- 
meister der  Gladiatoren,  s.  Pollack  bei  P.-W. 

V  1253.  Ferner  praeceptor,  Plin.  ep.  IV  13.  3; 

V  16,  3.  luv.  7.  230  u.  s.,  aber  auch  besonders 
häufig  in  verallgemeinerter  Bedeutung. 

13)  Cic.  nat.  deor.  I  26,  72;  divin.  in  Caec. 
14,  47.  Mart.VII  64,  7:  IX  68,  1;  X  62,  1;  XII 
57, 4.  Val.  Max.VI  5,  1.  lustin.  XXI  5, 8.  Auch 
inschriftl..  so  in  der  Lex  met.Vipasc.  (CIL  II 
5181)  Z.  57;  VI  9529;  X  3969.  Vgl.  Courbaud 
bei  D.-S.  III  1379  ff. 

u)  Daß  ludimagister  in  der  Regel  der  Ele- 
mentarlehrer ist,  zeigen  nicht  nur  die  obigen 
Stellen,  sondern  auch  die  griechischen  Ueber- 
setzungen  in  den  Glossen:  yoau/,iazodidäoxa/.oc;, 
Corp.  Gloss.  II  124,49;  264^56.  111327,8.  Vgl. 
Ps.Ascon.  ad  Cic.  divin.  in  Caec.  1. 1.:  magist ri 
ludi  dicuntur  qui  primas  litteras  docenf. 


Zweiter  Abschnitt.    Erziehung  und  Unterricht  der  Knaben. 


315 


keine  andern  gegeben  haben  wird,  so  kamen  doch  im  Lauf  der  Zeit,  zumal 
seit  dem  immer  mehr  Boden  gewinnenden  Einfluß  der  griechischen  Bildung, 
noch  höhere  Schulen  verschiedener  Art  hinzu,  sodaß  wir  in  der  Kaiserzeit 
drei  aneinander  anschließende  Schulen  finden:  die  Elementarschule  des 
litterator,  die  höhere  Schule  des  grammaticus  und  die  Schule  des  Rhetors1). 
Die  Elementarschule  wurde  vom  litterator  geführt,  der  dem  griechi- 
schen yQajujLianozijg  entspricht2),  wofür  später  auch  litteratus  gesagt  wurde, 
das  früher  nur  einen  wissenschaftlich  Gebildeten  bezeichnet  hatte3),  seltner 
magister  litterarius4);  er  hatte  seinen  Namen  nicht  von  den  litterae  als 
Wissenschaften,  sondern  von  der  litteratura,  d.  h.  dem  Alphabet6),  das  zu 
lehren  eine  seiner  Hauptaufgaben  war.  Da  die  Schulen  zwar  öffentliche, 
d.  h.  einem  jeden  zugängliche,  aber  nicht  vom  Staat  unterhaltene,  sondern 
immer  Privatunternehmen  waren,  so  war  der  Lehrer  der  eigentliche  Inhaber 
der  Schule  und  mußte  seinen  Lebensunterhalt  von  dem  Schulgeld  (merces) 6) 
bestreiten,  das  ihm  die  Schüler  für  gewöhnlich  monatlich  entrichteten 7),  das 
aber  sehr  gering  war8),   weshalb   manche  zur  Erhöhung  ihrer  Einnahmen 


*)  Apul.  Flor.  20 :  prima  creterra  littera- 
toris  rudimento  (so  nach  Goldbacher)  eximit, 
secunda  grammatici  doctrina  instruit,  tertia 
rhftoris  eloquentia  armat. 

2)  Catull.  14, 9.  Messala  Corv.  b.  Suet.  gr.  4, 
und  ebd.  Orbilius.  Apul.  Flor.  20;  zu  vgl.  Wit- 
tich De  grammatistarum  et  grammaticorum 
apud  Romanos  scholis,  Eisenach  1844.  Die  Be- 
merkung von  Ussing  a.  a.  0. 102,  daß  diese  Be- 
zeichnung im  goldenen  Zeitalter  der  Litteratur 
verschwunden  sei  und  man  sich  dafür  des 
griechischen  <7raww«ft'.9to  oder  derBezeichnung 
htdi  magister  bedient  habe,  ist  nicht  richtig. 

3)  BeiMart.  Cap.  III  p.  229  sagt  die rgaftfia- 
nxrj :  itaque  assertor  nostri  nunc  litteratus  di- 
eitur,  litterator  antea  vocabatur.  Wie  schwan- 
kend der  Sprachgebrauch  war,  zeigt  Suet.  de 
gr.  4,  nach  dem  die  grammatici  früher  litte- 
rati  geheißen  hätten;  Cornelius  Nepos  libello 
quo  distinguit  litteratum  ab  erudito,  litteratos 
quidem  vulgo  appellari  ait  eos,  qui  aliquid 
diligenter  et  acute  scienterque  possint  aut  di- 
cere  aut  scribere,  ceterum  proprie  sie  appel- 
landos  poetarum  interpretes,  qui  a  Graecis 
grammatici  nominentur.  Sueton  bemerkt  dann 
weiterhin:  sunt  qui  litteratum  a  litteratore 
distinguant,  ut  Graeci  grammaticum  a  gram- 
matista,  et  ilium  quidem  absolute,  hunc  medio- 
criter  doctum  existimant;  und  dazu  stimmt 
die  ebd.  angeführte  Stelle  des  Orbilius,  wo- 
nach man  beim  Verkauf  von  Sklaven  die  in 
den  Elementen  erfahrenen  als  litteratores,  nicht 
als  litterati  bezeichnete.  Es  ist  also  nicht  rich- 
tig, wenn  Grasberger  II 202  litteratus  und  lit- 
terator als  identisch  bezeichnet.  Wenn  Messala 
Corvinus  bei  Suet.  a.  a.  0.  den  Dichterund  gram- 
maticus Valerius  Cato  einen  litterator  nannte, 
so  war  das  nicht  die  Bezeichnung  seiner  Stel- 
lung, sondern  ein  spöttischer  Ausdruck  (wie  bei 
uns  „ Schulmeister"). 

4)  Vopisc.  Tac.  6,  5.   Im  Ed.  Diocl.  7,  66 


heißt  er  magister  institutor  litterarum  (in  der 
griechischen  Fassung  /afiai8iödoxa?.og ,  was  im 
Corp.  Gloss.  II  475,  16  s.  v.  a.  ludimagister  ist); 
bei  Augustin.  conf.  I  13  primus  magister. 

5)  Cic.  de  part.  or.  7,  26.  Tac.  änn.  XI 13; 
vgl.  Sen.ep.  88, 20:  quemadmodum  prima  illa, 
ut  antiqui  vocabant,  litteratura,  per  quam  pue- 
ris  elementa  traduntur,  non  docet  liberales 
artes.  Der  Unterricht  im  Alphabet  (d.  h.  Lesen 
und.  Schreiben)  heißt  daher  auch  litteratio, 
Varr.  b.  Isid.  13,1  und  bei  Augustin.  de  ord.  II 
35.  Mart.  Cap.  a.  a.  0. 

6)  Fronto  ad  M.  Ant.  15  p.  103  (Naber): 
litteratores  etiam  isti  discipulos  suos,  quoad 
puerilia  dieunt  et  mercedem  pendunt,  magis 
diligunt. 

7)  Doch  kommt  auch  jährliche  Zahlung 
am  Schluß  des  Schuljahrs  vor,  Macr.  I  12,7: 
hoc  mense  (sc.  Martio)  mercedes  exsolvebant 
magistris  quas  completus  annus  deberi  fecit. 
Auch  nach  luv.  7,  241  wird  das  Schulgeld  be- 
zahlt, cum  se  verterit  annits. 

8)  Zur  Zeit  des  Horaz  betrug  das  Schulgeld 
für  den  Schüler  monatlich  8  As  (35  Pf.)  nach 
Hör.  sat.  I  6, 75,  wo  man  besser  mit  den  besten 
Handschriften  (vgl.  O.  Keller  Prolegomena  zu 
Horaz  480)  liest:  (pueri)  ibant  octonos  refcrrii- 
tes  idibus  aeris,  als  (wie  Marquardt  94.  Gras- 
berger 253)  oetottia  idibus  aera,  woraus  dann 
geschlossen  wird,  daß  vier  Monate  (Mitte  Juni 
bis  Mitte  Oktober)  Ferien  gewesen  seien  und 
das  Schulgeld  nur  für  acht  Monate  bezahlt 
worden  sei.  Zur  Zeit  des  Diocletian  betrug  das 
Schulgeld  50  Denare  (etwa  90  Pf.).  Wie  ärm- 
lich das  Einkommen  der  Lehrer  war,  besagt 
auch  Ov.  fast.  III  829,  wo  sie  turba  fere  eensu 
fraudata  heißen.  Später  scheinen  den  Lehrern 
allerdings  auch  vom  Staate  neben  den  Schüler- 
honoraren noch  Gehälter  ausgerichtet  worden 
zu  sein;  dafür  spricht  August,  conf.  I  16,  wo 
es  in  Bezug  auf  die  Schulen  am  Forum  heißt: 


316 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 


noch  einen  Nebenerwerb  trieben1).  Zwar  kamen  an  verschiedenen  Feier- 
tagen im  Jahre  noch  Geschenke  seitens  der  Schüler  hinzu 2),  doch  werden 
diese  weder  obligatorisch  noch  sehr  erheblich  gewesen  sein.  Es  ist  daher 
begreiflich,  daß  der  Beruf  des  Elementarlehrers  und  selbst  des  grammaticiis 
kein  besonders  geschätzter  war,  und  daß  die  Schriftsteller  meist  in  etwas 
verächtlichem  Tone  von  ihnen  sprechen  *).  Wenig  erfahren  wir  über  die 
Lokalitäten  der  Elementarschule.  In  der  Geschichte  der  Verginia  heißt  es, 
daß  die  Schulen  damals  in  tabernae  am  Forum  gewesen  seien4);  später 
werden  pergulae,  offene  Vorbauten  an  der  Straße  (siehe  oben  S.  60),  als 
Schullokalitäten  genannt5);  gegen  die  Straße  hin  waren  sie  durch  Vorhänge 
abgeschlossen ö).  Daß  mitunter  auch  auf  offener  Straße  Unterricht  abgehalten 
wurde,  zeigen  Wandgemälde  aus  Herkulaneum,  auf  denen  neben  andern  Szenen 
des  Forumlebens  auch  Unterricht  und  Züchtigung  eines  Schülers  dargestellt 
ist  (Fig.  53) 7).  Solche  Elementarschulen,  die  natürlich  auch  in  geschloßnen 
Räumen  abgehalten  werden  konnten,  mochte  es  in  der  Hauptstadt  wohl  sehr 
viele  geben,  und  auch  in  den  Munizipien  sowie  in  der  Provinz  dürfen  wir 
sie  in  genügender  Menge  voraussetzen,  während  auf  dem  Lande  freilich 
dafür  wenig  gesorgt  sein  mochte8). 


in  conspectu  legum  supra  mercedem  salaria 
decernentium.  Doch  war  das  vielleicht  nur  in 
der  Provinz  der  Fall;  so  nahmen  in  den  Muni- 
zipien auch  die  ludimagistri  mitunter  an  den 
munera  municipaliateW.,  s.  CIL  II 5181  Z.49  mit 
den  Bemerkungen  von  Hübner  und  Mommsen. 
J)  Ein  mag  ister  ludi  litterarii  in  Capua 
schrieb  als  Nebenbeschäftigung  Testamente, 
CIL  X  3969. 

2)  Vornehmlich  das  sog.  Minerval  am  Feste 
der  Quinquatrus  (19.  März),  Varr.  r.  r.  III 3, 18. 
Ov.  a.  a.  0.;  ferner  zu  Neujahr,  an  den  Festen 
der  cara  cognatio  (22. Febr.),  des  Septimontium 
(11. Dez.)  und  der  Saturnalien  (17.  Dez.  u.  ff.)  nach 
Hieron.  comm.inep.adEphes.l.  III  cap.6,4p.574 
und  Tertull.  de  idol.  10 ;  vgl.  Marquardt  94  A.  6. 
An  allen  diesen  Tagen  fiel  wohl  auch  die  Schule 
aus ;  vom  Feste  der  Minerva  bemerken  es  Hör. 
ep.  11 2, 197.  Ov.  fast.  III  815.  Symmach.ep.V 
85(83).  Die  Worte  luv.  10,116:  quisquis  adhuc 
uno  parcam  colit  asse  Minervam  erklärt  Fried- 
länder mit  dem  Schol. nicht  als  Schulgeld  oder 
Geschenk,  sondern  als  das  vilioris  pretii  fictile 
Minervae  Signum,  das  die  Schüler  an  diesem 
Fest  der  Minerva  weihen. 

3)  Vgl.  A.  A.  Bergmann  Zur  Geschichte 
der  sozialen  Stellung  der  Elementarlehrer  und 
Grammatiker  b.  d.  Römern.  Leipzig  1877. 

4)  Liv.  III  44,  6,  wo  freilich  die  besten 
Hss.  lesen:  ibi  namque  in  tabernaculis  littera- 
rum  ludi  erant,  was  Weissenborn  beibehält, 
indem  er  meint,  daß  enge,  nach  dem  Markt 
zu  offene  Buden  weniger  zu  Schulen  geeignet 
waren,  als  zeitweilig  aufgeschlagene  Zelte. 
Allein  bekanntlich  war  das  Forum  in  alter 
Zeit  an  beiden  Langseiten  von  Tabernen  be- 
setzt (vgl.  0.  Richter  Topogr.  d.  Stadt  Rom  85), 
und  sodann  wird  man  die  Liv.Vl  25,  9  bei  der 
Einnahme  von  Tusculum  erwähnten  tabernae 


apertae  ebenso  auf  die  nachher  genannten 
opifices,  wie  auf  die  ludi  litterarum  beziehen 
dürfen. 

5)  luv.  11,  137.  Suet.  de  gr.  18.  Dadurch 
erklärt  es  sich  auch,  daß  man  die  laut  ihre 
Lektion  aufsagenden  Schüler  so  deutlich  hörte, 
wie  in  Tusculum  die  Indus  litterarum  strepere 
discentium  vocibus,  Liv. a.a.O.,  und  die  Klagen 
Martials  über  Störung  der  Nachtruhe,  IX  68; 
XII  57,  4. 

6)  August,  conf.  1 13 :  at  enim  vela  pendent 
liminibus  grammaticarum  scholarum. 

7)  Nach  Jahn  Abh.  d.  SGW  V  288  Taf.  1, 
3.  Schreiber  Kulturhist.  Atlas  Taf.  89,  3.  Das 
Forum  ist  durch  die  Säulen  im  Hintergrunde 
angedeutet.  Davor  sitzen  die  Schüler  in  langen 
Haaren  (cirrati,  Pers.  1, 29.  Mart.  IX  29, 7)  und 
langen  Kleidern  und  halten  ihre  Leserollen  auf 
dem  Schoß;  links  steht  der  bärtige  Lehrer,  im 
Hintergrund  hören  erwachsene  Personen  zu. 
Rechts  wird  ein  bis  auf  den  Lendenschurz  ent- 
kleideter Knabe  an  Armen  und  Beinen  von  zwei 
andern  in  der  Schwebe  erhalten  und  von  einem 
jungen  Mann  mit  einer  Rute  gezüchtigt.  Vgl. 
Dio  Chrys.  or.  XX  p.  264  M. :  oi  yag  xüv  yga/i- 
/nariov  didaoxaXot  jusra  tcöv  Jiaidtov  sv  xaig  ööotg 
xäßtjvrat,  xal  ovdsv  avzoig  i/ujzodwv  eoziv  iv  zo- 
aovzc»  jiXrj&si  rov  Sidäoxeiv  xai  fiavdäreiv.  Daß 
auch  später  noch  die  Schulen  häufig  am  Markte 
lagen,  zeigt  August,  a.  a.  0.  16:  et  magna  res 
agitur,  cum  hoc  agitur  publice  in  foro. 

8)  Plin.  IX  25  erzählt  eine  Anekdote  von 
einem  Knaben,  der  täglich  von  einem  Land- 
gut bei  Baiae  nach  Puteoli  in  den  ludus  lit- 
terarius  ging.  Bei  Plin.  ep.  IV  13,  3  geht  ein 
in  Comum  ansäßiger  puer  praetextatus  in  die 
Schule  zu  Mailand,  weil  in  seiner  Heimat  keine 
Lehrer  sind.  Wenn  Vergil  nachDonat.Vit.Verg. 
6  (Suet.rel.p.54Reiffersch.)  zuerst  zu  Cremona 


Zweiter  Abschnitt.    Erziehung  und  Unterricht  der  Knaben. 


317 


Das  Schuljahr  begann  im  März,  nach  dem  Feste  der  Quinquatrus1); 
längere  Ferien  waren  sowohl  während  dieses  Festes2)  als  während  der 
Saturnalien3);  außerdem  fiel  wohl  an  den  einzelnen  Feiertagen  die  Schule 


Fig.  53.    Schulunterricht  auf  dem  Forum  (Wandgemälde  aus  Herkulaneum). 

aus,  und  vielleicht  auch  an  den  nundinae,  d.  h.  jeden  neunten  Tag  des 
Monats4).  Daß  der  Unterricht  auch  während  der  heißen  Sommermonate 
ausgesetzt  wurde,  ist  wahrscheinlich,  aber  nicht  überliefert5).  Der  Unterricht, 


in  die  Schule  ging,  so  war  das  wohl  auch  ge- 
schehen, weil  es  in  seinem  Heimatsdorf  Andes 
keine  gab.  Wieweit  überhaupt  die  Elementar- 
bildung unter  der  römischen  Bevölkerung  ver- 
breitet war,  ist  nicht  zu  ermessen;  daß  Veget. 
r.  mil.  II 19  empfiehlt,  für  Führung  der  Regi- 
mentskasse u.  dgl.  litterati  milites  zu  wählen, 
die  stenographieren  und  rechnen  können,  be- 
sagt nicht.  daß  die  übrigen  nicht  hätten  lesen 
und  schreiben  können. 

')  Ov.  fast.  III  830:  discipulos  attrdhit  Uta 
(sc.  Pallas)  novos,  vgl.  luv.  10.  115. 

2)  Hör.  ep.  II  2,197:  acpotius,  ptter  ut  festis 
Quinquatribus  olitn,  exiguo  gratoque  fruaris 
tempore  rapt  im.  luv.  a.a.O.  Sie  dauerten  vom 
19.— 23.  März.  Ov.  fast.  III  809  f. 

3)  Mart.  V  84, 1:  iam  tristis  nucibus  puer 
relictis  \  clamoso  revocatw  «  magistro.  Fun. 
ep.VIII  7,1. 

4)  Varr.  b.  Non.  133,  18:  atri  magis  sunt 
pueri?  hi  pusilline,  qni  spectant  nundind,  ut 
magister  dimittat  lusum   (wo  Beckek-Göll  91 


fälschlich  lusum  für  lutum  gesetzt  erklärt,  es 
ist  vielmehr  das  Supinum).  In  der  Rhetoren- 
schule  scheinen  nach  Suet.  gr.  7  die  nundinae 
auch  kein  Unterrichtstag  gewesen  zu  sein. 

5)  Gewöhnlich  wird  aus  Mart.  X  62  ge- 
schlossen, daß  von  Juli  bis  15.  Oktober  Ferien 
gewesen  seien :  so  Beruhardy  49.  Gkasberger 
253.  Marquardt  94.  womit  dann  die  oben  (S.  315 
A.  8)  besprochene  falsche  Lesung  von  Hör. 
sat.  I  6,  75  in  Verbindung  gebracht  und  dahin 
gedeutet  wird,  daß  die  Schüler  nur  für  8  Monate 
Schulgeld  bezahlt  hätten.  Aber  mit  Recht  haben 
BECKER-GöLL88ff  und  Mau  zu  Marquardt  a.a.O. 
dagegen  Einsprache  erhoben;  denn  wenn  wirk- 
lich die  Ferien  offiziell  gewesen  wären,  so  hätte 
Martini  nicht  nötig  gehabt,  den  Lehrer  dazu 
aufzufordern,  solche  eintreten  zu  lassen,  v.8  B. : 
cirrata  . . .  pellis  . . .  ferulaeque  tristes  .  . .  ces- 
scni  rf  Taus  dormiant  in  Octobres  (was  aber 
nicht  mit  Mau  wörtlich  zu  fassen  ist,  sondern 
wirklich  ein  Aussetzen  der  Schule,  nicht  bloß 
ein  Ruhenlassen  der  Züchtigungsinstrumente 


318 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 


•der  meist  für  Knaben  und  Mädchen  gemeinsam  erteilt  wurde1),  und  dem 
wohl  auch  Erwachsene  gelegentlich  beiwohnen  durften2),  begann  häufig 
schon  in  den  frühen  Morgenstunden3);  die  Schüler  kauften  sich  daher 
unterwegs  ihr  Frühstücksbrötchen  beim  Bäcker4),  mittags  wurden  sie  dann 
zum  prandium  nach  Hause  entlassen5).  Das  wird  ebenso  für  die  Elementar- 
wie  für  die  Grammatikerschule  gelten,  wie  wir  denn  hier  diese  Schulen 
überhaupt  nicht  auseinanderhalten  können.  Über  die  Dauer  des  Unterrichts 
erfahren  wir  erst  aus  später  Zeit,  daß  sechs  Stunden  das  gewöhnliche 
waren6);  es  wird  das  wohl  auch  für  die  frühere  Zeit  gelten.  Die  Aus- 
stattung der  Schulräume  wird  vermutlich  sehr  einfach  gewesen  sein;  und 
wenn  wir  in  der  Schulstube  eines  Grammaticus  Bilder  von  Horaz  und 
Vergil  finden7),  so  werden  in  der  Elementarschule  sich  nicht  viel  mehr 
als  Schulbänke,  subsellia8),  ein  Stuhl  für  den  Lehrer9),  ein  Tisch10)  und 
einige  sonstige  Schulutensilien  befunden  haben. 

bedeutet).  Vermutlich  hing  es  vom  Belieben 
jedes  Lehrers  resp.  seinen  Abmachungen  mit 
den  Eltern  ab,  wann  und  auf  wie  lange  er  in 
der  heißen  Zeit  Ferien  machen  wollte.  Auf 
regelmäßige  Ferien  deutet  Auson.  idyll.  4,  9: 
longum  delinitura  laborem  \  intervalla  damus. 

')  Ov.  trist.  II 370,  wo  allerdings  die  Schule 
des  grammaticus  gemeint  ist;  um  so  mehr  war 
es  wohl  in  der  Elementarschule  der  Fall.  Vgl. 
besonders  Mart.  VIII  3, 15;  IX  68, 2.  Auf  dem 
Relief  vom  Grabmal  des  ludi  magister  von  Ca- 
pua  (s.  oben  S.  316  A.  1)  steht  zur  Rechten  des 
sitzenden  Lehrers  ein  Knabe,  zur  Linken  ein 
Mädchen,  s.  Nissen  im  Hermes  I  147.  Vgl. 
Friedländer  Sittengeschichte  I  409. 

')  Ueber  die  Anwesenheit  der  Pädagogen 
s.  oben  S.  311 ;  als  solche  sind  auch  (mit  Fried- 
länder  Sittengesch.  I  285)  auf  dem  oben  er- 
wähnten herkulanischen  Wandgemälde  die  hin- 
ter den  Schülern  Stehenden  zu  betrachten  (von 
Jahn  a.  a  0.  289  für  Hospitanten  erklärt).  Daß 
aber  auch  andere  Zutritt  hatten,  scheint  aus 
Plut.  Cic.  2  geschlossen  werden  zu  dürfen,  wo- 
nach die  Väter  der  Schüler  in  die  Schule  kamen, 
um  die  staunenswerten  Leistungen  des  jungen 
Cicero  zu  sehen. 

3)  0  v.  am.  113,17  sagt  von  der  ersten  Tages- 
stunde :  tupueros  somno  fraudas  tradisque  ma- 
gistris. Mart  IX  68. 3 ;  XII 57, 4 ;  XI V223.  Auson. 
id.  4,  28;  vgl.  Colloqu.  Harl.  1  (Corp.  Gloss.  III 
638):  manica  ante  omnia  in  scholam  inluce- 
scente  caelo.  Daher  wurde  der  Unterricht  oft 
noch  bei  Lampenlicht  erteilt,  Iuv.7,222ff.  Vgl. 
Friedländer  a.  a.  0. 1  283. 

4)  Mart.  XIV  223. 

5)  Apul.  met.  X  5:  filius,  post  matutinum 
laborem  studiorum  domumserecipiens,prandio 
iam  capto sitiens  etc.  Daß  sie  aber  nachher  wie- 
der in  die  Schule  zurückkehrten,  geht  aus  Luc. 
paras.  61  hervor.  Vgl.  das  Colloqu.  Leid.  7  (Corp. 
Gloss.  III  638) :  rogavi,  ut  me  dimitteret  domum 
ad  prandium,  et  ille  me  dimisit.  ego  Uli  bene  va- 
lere  dixi.  resalutavit  me.  postquam  pranderam, 
reversusreddidi:  vgl.  das  Colloqu.  Harl.  10  (ebd. 
640) :  vade  et  prande  et  a  prandio  citius  veni. 


6)  Auson.  epist.  18,  10  von  einem  gram- 
maticus. 

7)  luv.  7, 226 :  cum  totus  decolor  esset  Flac- 
cus  et  haereret  nigro  fuligo  Maroni;  vom  Scho- 
liasten  auf  Codices  bezogen,  von  Friedländer 
z.d.St.  auf  Büsten  der  Dichter;  aber  wegen  des 
decolor  hat  man  wohl  eher  an  Gemälde  zu 
denken. 

8)  Auson.  id.  4,  31.  Im  Colloqu.  Leid.  2 
(Corp.  Gloss.  III  637)  sind  scamnum,  scamellum 
und  sella  als  Sitzgelegenheiten  der  Schule  auf- 
geführt. Eine  sella  apud  magistrum  hat  der 
Schüler  Plaut.  Bacch.  431.  Das  Sitzen  war  für 
die  Schüler  wohl  das  Gewöhnliche,  daher  bei 
Seu  ep.49,2  modo  apud  Sotionem  philosophum 
puer  sedi  s.  v.  a.  bin  ich  sein  Schüler  gewesen. 
Wenn  es  bei  luv.  7, 225  heißt:  tot  olfecisse  lu- 
cernas,  quot  stabant  pueri,  so  hängt  das  damit 
zusammen,  daß  die  Schüler  in  der  Rhetoren- 
schule  beim  Lesen  saßen,  hingegen  beim  Dekla- 
mieren standen,  luv.  7,  152:  nam  quaecumqi/r 
sedens  modo  legerat,  haec  eadem  stans  jwr- 
feret,  was  auch  vom  Lehrer  gilt,  Pollux  VIII  pr.; 
vgl.  luv.  4,  34  und  überhaupt  Jahn  a.  a.  0.  291. 

9)  Der  Lehrersaß  in  der  Regel,  s.  luv.  7, 223. 
Prudent.  perist.  IX  21.  Suet.rhet  6;  die  Reliefs, 
die  Lehrer  darstellen,  zeigen  sie  meistens  auf 
einer  sella  oder  cathedra,  vgl.  Suet.  gr.  9  und 
die  Aufzählung  bei  Jahn  a.  a.  0.  292.  Auf  dem 
Trierer  Relief  (unten  Fig.  54)  sitzen  zwar  die 
Schüler  auch  auf  Lehnstühlen,  es  ist  aber  hier 
keine  öffentliche  Schule,  sondern  der  Privat- 
unterricht der  Söhne  eines  Großgrundbesitzers 
dargestellt.  Interessant  ist  auch  das  Terrakotta- 
relief mit  Darstellung  der  Karrikatur  einer 
Schule  bei  Wissowa  R.  M.  V  (1890)  1  ff.  Taf.  I ; 
der  Lehrer,  derauf  der  cathedra  sitzt,  hat  einen 
Eselskopf,  die  Schüler,  die  teils  stehen,  teils 
auf  Bänken  sitzen  und  Tafeln  auf  den  Knieen 
halten,  haben  Affenköpfe.  In  den  Elementar- 
schulen niedrigster  Art  mögen  aber  Lehrer  wie 
Schüler  oft  auf  dem  Boden  gesessen  haben,  wo- 
durch der  Name  xa/uaidtdäoxa?.os  (s.  ölen  S.  315 
A.  4)  sich  erklärt. 

10)  Mart.  X  62, 3. 


Zweiter  Abschnitt.    Erziehung  und  Unterricht  der  Knaben. 


319 


Die  Schuldisziplin  war  im  allgemeinen  streng.  Zwar  wurden  die  Elemente 
des  Alphabets  den  Kleinen  zunächst  mehr  im  Spiel  beigebracht1),  aber  für 
gewöhnlich  spielten  doch  die  Schläge  beim  Unterricht  eine  große  Rolle,  und 
die  Klagen,  wie  sie  Horaz  über  den  plagosus  Orbilius  führt2),  gehen  durch 
das  ganze  römische  Altertum  hindurch3),  obschon  es  nicht  an  Gegnern 
dieser  Prügelmethode  fehlte4).  Die  gewöhnlichen  Züchtigungsinstrumente 
waren  die  Rute  oder  Gerte,  ferula*),  virga6),  mit  denen  vornehmlich  auf 
die  Hände7),  und  der  Lederriemen,  scutica8),  an  dessen  Stelle  auch  eine 
Peitsche  aus  Aalhaut,  angailla,  trat9),  womit  auf  den  Hintern  geschlagen 
wurde10).  Daß  nichtsdestoweniger  auch  die  römische  Schuljugend  ihren 
Lehrern  alle  möglichen  Streiche  spielte,  die  Schule  schwänzte,  faule  Aus- 
reden für  nicht  gemachte  Aufgaben  ersann  u.  dgl.  m.11),  versteht  sich  von 
selbst.  Hingegen  erfahren  wir  von  Schulprämien  für  besonders  Fleißige 
nur  ausnahmsweise12). 

Was  nun  die  Unterrichtsgegenstände  anlangt,  die  der  litterafor  zu 
lehren  hat,  so  sind  es  wesentlich  die  Fertigkeiten,  die  speziell  elementa 
genannt  werden13),  nämlich  Lesen  und  Schreiben,  und  zwar  zunächst  der 
lateinischen  Sprache.  Das  Lesen 14)  begann  mit  dem  Kennenlernen  der  Buch- 
staben, die  für  gewöhnlich  den  Kindern  wohl  auf  einer  Tafel  aufgeschrieben 
vorgezeigt  wurden;  ob  der  bisweilen  erwähnte  Brauch,  ihnen  Buchstaben 
aus  Holz,  Elfenbein  u.  dgl.  vorzuweisen15),  nur  im  Privatunterricht  oder  auch 


')  Quint.1 1,26.  Auch  bekamen  die  Kinder 
beim  Anfang  des  Lernens  Süfsigkeiten,  wie  aus 
Hör.  sat.  I  1,25.  Hieron.  ep.  128, 1  p.  1096  M. 
hervorgeht. 

2)  Hör.  ep.  111,70;  vgl.  Suet.  gr.  9,  der  den 
Vers  des  Domitius  Marsus  zitiert:  si  quos  Or- 
mlius  fertda  scuücaque  cecidit. 

3)  Schon  bei  Plaut.  Bacch.  433  f.  und  sehr 
drastisch  geschildert  Auson.  id.  4, 26  ff.,  woraus 
hervorgeht,  daß  auch  die  Mädchen  davon  nicht 
verschont  blieben. 

4)  Quint.  1 3, 13  f.  will  nichts  davon  wissen, 
ebensowenig  Plut.  de  lib.  educ.  12  p.  8F.  Selbst 
der  strenge  Cato  war  ein  Gegner  des  Prügeins 
und  unterrichtete  auch  deswegen  seine  Söhne 
selbst,  damit  nicht  ein  Sklave  das  Recht  habe, 
sie  zu  schimpfen  oder  am  Ohr  zu  ziehen,  Plut. 
Cat.  mai.  20. 

")  Mart.  X  62. 10:  feruiaeque  tristes,  scep- 
tra paedagogonim,  XI  39. 10:  XIV 80.  Hör.  sat. 
13.120.  luv.  1,15.  Auson.  id. 4, 29.  Isid.XVlI 
9,  95.  wonach  sogar  einige  den  Namen  a  feri- 
endo  ableiteten.    Vgl.  Paris  bei  D.-S.  II  1095. 

6)  luv.  7,210.  Auson.  a  a.  O  :  quod  ma/ta 
fupellex  virgea. 

-')  Ov.  am.  I  13.  18;  a.  a.  I  16.  luv.  1,  15: 
et  hos  ergo  manum  ferulae  subduximus,  was 
sprichwörtlich  wurde.  Macr.  III  10, 2  und  andre 
Stellen  bei  Otto  Sprichw.  d.  Römer  135  n.  658. 
Vgl.  Plut,  Ca  es.  61. 

8)  Hör.  sat.  I  3, 119.  Auson.  id  4,25:  quod 
fallax  seuticam  praetexit  aluta.  Mart.  X  62, 8 
nennt  sie  cirrata  loris  horridis  Scgthae  pellis. 
Die  unechte  Einleitung  zu  Hör.  sat.  I  10  spricht 


v.  5  von  dem,  qui  muUum  puerum  est  Iuris  et 
funibus  udis  exhortatus. 

9)  Verrius  bei  Plin.  IX  77.  Isid.  V  27, 15 
identifiziert  sie  mit  der  scutica ;  vgl.  Corp.  Gloss. 
V  42 1 .  30 :  anguilla,  genus  flagelli :  ebd. 591,50; 
615.24. 

10)  Das  zeigt  das  oben  abgebildete  herku- 
lanische  Wandgemälde;  vgl.  Prudent.  perist.  X 
696  ff.,  dessen  Schilderung  ganz  dem  Gemälde 
entspricht,  speziell  in  dem  sublime  tollere,  und 
Liban.  or.  XIX  48  (646  R.) :  ägcarree  agt/vif  xaxa 
zov  EJii  zovg  Tialbag  tov<;  iv  zrp  öi8aoxa).sioig  vofwv 
fTr.-iTov  i'fiavu  zd  je  röjza  xai  rii.  iura  toStO 
xäroi.  Das  scheint  man  mit  catomitUare  be- 
zeichnet zu  haben,  Petron.  123, 2. 

n)  Als  Beispiele  vgl.  man,  was  der  sonst 
so  brave  Persius  3,44  von  seiner  Schulzeit  er- 
zählt, oder  die  Anekdote  vom  jungen  Nero,  Suet. 
Ner.  22.  August  conf.  1  19  berichtet  von  seinen 
Schülerstreichen.  Anderes  bei  Gkasbergeb  II 
173;  247.    Fkiedländer  Sittengesch.  I  284f. 

,2)  Abgesehen  von  Sertorius,  der  die  besten 
Schüler  mit  goldnen  Halsketten  beschenkte. 
Plut.  Sert.  14,  ist  nur  der  Fall  des  Grammatikers 
M.  Verrius  Flaccus  bekannt,  der  schöne  oder  sel- 
tene Bücher  als  Preise  aussetzte,  Suet.gr.  17. 

13)  Cic  de  or.  1 35, 1 63.  Hör.  ep.  1 20, 17 ;  auch 
prima  elementa,  Hör.  sat.  I  1,26.  Quint.  I  1,35; 
bei  Suet.  Caes.  56  sind  elementa  direkt  das  Al- 
phabet. 

u)  TJeber  den  Unterricht  im  Lesen  vgl. 
Grasberger  254  ff. 

16)  Quint.  I  1,26:  non  excludo  aatem,  id 
quod  est  notum,  irritandae  ad  äiseendum  in- 


320 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 


in  den  Schulen  vorkam,  ist  ungewiß1).  Was  die  Methode  anlangt,  so  war 
es  zur  Zeit  Quintilians  das  Gewöhnliche,  daß  die  Schüler  zuerst  die  Namen 
und  alphabetische  Reihenfolge  der  Buchstaben  und  dann  erst  ihre  Formen 
lernten;  er  selbst  erklärt  sich  nicht  einverstanden  damit  und  rät,  Namen 
und  Form  gleichzeitig  zu  lehren 2).  Wie  bei  den  Griechen  schritt  man  auch 
im  lateinischen  Leseunterricht  von  den  Buchstaben  zu  den  Silben,  von  den 
Silben  zu  Wörtern,  von  den  Wörtern  zu  Sätzen  fort3).  Hier  empfiehlt  Quin- 
tilian,  nicht  nur,  wie  üblich,  die  leichtern  Buchstabenzusammensetzungen 
voraus  zu  nehmen,  sondern  auch  die  schwierigsten  Silben  einzuüben,  in 
allem  aber  nicht  zu  hasten,  sondern  ruhig  und  methodisch  vorzugehen,  bis 
alles  fest  sitzt4).  Wenn  die  Schüler  im  Lesen  geübter  waren,  dienten  als 
Lesestoff  vornehmlich  die  Dichter,  indem  Niederschreiben  nach  Diktat,  Vor- 
lesen des  Diktierten,  Auswendiglernen  und  Aufsagen  damit  verbunden 
wurden5).  Gelesen  wurde  aus  Rollen,  die  die  Schüler  sitzend  mit  beiden 
Händen  (um  auf-  und  zurückrollen  zu  können)  auf  den  Knieen  zu  halten 
pflegten6)  (vgl.  Fig.  54 7)). 

Beim  Schreibunterricht8),  der  auf  dieser  Stufe  in  der  Regel  dem- 
selben Lehrer  zufiel,  während  es  besondere  Lehrer  für  Bücherschrift  (librarii)9) 
und  für  Stenographie  (notarii)10)   gab,   bediente   man    sich   zu  Anfang  der 


fantiae  gratia  eburneas  etiam  litterarum  for- 
mas  in  lusum  offerre ;  darnach  handelt  es  sich 
mehr  um  eine  Art  Spielzeug,  und  das  bezeugt 
auch  Hieron.  ep.  107,4  p. 871:  fiant  eilitterae 
vel  buxeae  vel  eburneae  et  suis  nominibus  appel- 
lentur;  ludat  in  eis,  ut  et  lusus  eins  eruditio  sit. 

J)  Die  Geschichte  von  den  24  Buchstaben- 
sklaven, die  Herodes  Atticus  seinem  gänzlich 
unbegabten  Sohne  zum  Kennenlernen  des  Al- 
phabets gehalten  haben  soll,  nach  Philostr.  V. 
soph.  II  1,10  p.  240,  klingt  wie  eine  erfundene 
Anekdote. 

2)  Quint.  a.  a.  0. 24 :  neque  enim  mihi  illud 
saltem  placet,  quod  fieri  in  plurimis  video,  ut 
litterarum,  nomina  et  contextum  prius  quam 
formas  parvuli  discant;  ebd.  25:  quapropter 
optime  sicut  hominum  pariter  et  habitus  et  no- 
mina edocebuntur.  Um  zu  verhindern,  daß  die 
Schüler  die  Buchstabenformen  aus  der  alpha- 
betischen Reihenfolge  mehr  errieten  als  kenn- 
ten, wurden  sie  von  den  Lehrern  auch  in  um- 
gekehrter Folge  oder  bunt  durcheinanderge- 
mischt vorgenommen,  Quint.  ebd. 

s)  Quint.  ebd.  26  u.  31.  Dion.  Hai.  de  comp, 
verb.  15.  Vgl.  Plaut.  Merc.  303 :  hodie  ire  occepi 
in  ludum  litterar ium :  I  Lysimache,  ternas  scio 
(am.  Lys.  Quid  ternas?  Dem.  Arno.  So  schreibt 
auch  Hieron.  ep.  128, 1  p.  1096 :  itaque  Pacatala 
nostra  hoc  quidem  epistolium  postea  lecturasus- 
<-''l>i<d.  Interim  modo  literarum  dtmenta  rogno- 
8cat,  iungat  syllabas,  discat  nomina,  rerba  con- 
societ. 

4)  Quint.  a.a.O.  30 ff. 

"')  Hör.  ep.  I  20. 17  sieht  voraus:  hoc  quo- 
qne  te  manet,  ut  pueroa  elemmta  docentem  \  occu- 
pet  extremis  in  vicU  balba  eenectus. 

c)  So  die  Schüler  auf  dem  herkulanischen 


Forumbilde,  s.  oben;  zahlreiche  Beispiele  für 
diese  Art  des  Lesens  bringt  aus  den  Denkmälern 
bei  Birt  Die  Buchrolle  in  der  Kunst  138  ff. 

7)  Nach  Hettner  Führer  durch  d.  Provin- 
zialmus.  in  Trier  S.  21 :  es  sind  die  Söhne  eines 
GroßgrundbesitzersbeimUnterrichtdargestellt. 
„Der  Hauslehrer,  vermutlich  ein  Grieche  von 
der  höheren  Bildungsstufe  Aergrammatici,  und 
die  zwei  älteren  Söhne  sitzen  in  Lehnstühlen ,  aus 
Papyrusrollen  einen  alten  Schriftsteller,  ver- 
mutlich Homer,  traktierend.  Auch  der  Lehrer 
wird  eine  Papyrusrolle  gehalten  haben.  Von 
rechts  her  tritt  grüßend  ein  dritter  Sohn  heran 
mit  einem  Band  zusammengebundener  Wachs- 
tafeln, welcher  mit  einem  Henkel  versehen  ist. 
Dieser  jüngste  Sohn  soll  nachher  Schreibunter- 
richt haben."    (Hettner  a.  a.  O.) 

8)  Vgl.  Grasberger  300  ff. 

9)  Isid.  1 3, 1:  primordiagrammaticae  artis 
litterariae  communes  existunt,  quas  librarii  et 
calculatores  sequuntur.  Digg.  L  6, 7  (6)  unter- 
scheidet librarii,  qui  docere  possunt,  et  l/or- 
reorum  librarii  et  librarii  depositorum  et  li- 
brarii caducorum.  Im  Ed.  Diocl.  7, 69  werden 
für  den  librarius  sire  antiquarius  (in  der  griech. 
Uebersetzung  hßQÜgiog  rjrot  aQ%ai6Xoyos)  50 
Denare  pro  Schüler  und  Monat  ausgesetzt.  al>o 
ebensoviel  wie  für  den  Elementarlehrer.  Diese 
librarii  waren  vornehmlich  Bücherabschreiber 
(daher  die  zweite  Bezeichnung),  lehrten  aber 
zugleich  ihre  Kunstfertigkeit  als  doctores  libra- 
rii, CIL  XIII  444;  vgl.  den  litteratus  Graecis 
et  Latin  ist ihr/t  r  ins  ebd. XI 1236.  Auf  Inschriften 
kommen  sie  häufig  vor,  s.Marquärdt  151  A.  7; 
825  A.  7.    Blümner  z.  Ed.  Diocl.  a.  a.  O. 

10)  Notarii  sind  die  in  der  Tachygiaphie 
geübten  Schreiber,  die  in  dieser  Fertigkeit  auch 


Zweiter  Abschnitt.    Erziehung  und  Unterricht  der  Knaben. 


321 


Wachstäfelchen  und  ging  erst  bei  fortschreitender  Übung  zum  Schreiben  mit 
der  Kohrfeder  auf  Papyrus  oder  Pergament  über1);  die  Schüler  brachten  diese 
Schulutensilien  in  einem  Kästchen  (loculi,  capsa)  in  die  Schule  mit2).    Auf 


Fig.  54.   Privatunterricht  (Grabrelief  ans  Trier). 


den  Wachstafeln  schrieb  der  Lehrer  dem  Schüler  die  Buchstaben  oder  Worte 
vor  und  ließ  sie  darunter  von  ihm  nachschreiben,  wobei  er  ihn  zunächst 
mit  der  Hand  über  die  Vorlage  führte  und  dann  diese  nachschreiben  ließ3). 


Unterricht  erteilten:  im  Ed.  Diocl.  7,  68  ist 
ihr  Honorar  auf*  75  Denare  angesetzt,  also 
höher  als  das  des  librarius.  Auch  sie  kommen 
bei  Schriftstellern  und  auf  Inschriften  häufig 
vor.  s.  Marquardt  151  A.  1 ;  826  A.  3  und  CIL 

II  3119;  V  8722:  VI  9130;  9704 f.;  33890;  VI11 
8501;  12620fF.;  12899ff.;  eine  »otaria  Graeca 
VI  33892.  besonders  interessant  ist  die  Grab- 
schi ift  XIII 8355  (DESSAu7756.BücHELEKCarm. 
epigr.  219:  puer  .  .  .  iam  doctus  in  compendio 
tot  literarum  et  nominum  notare  currenti  stilo, 
quot  lingua  currens  diceret.  iam  nemo  supe- 
ravit  legem,  iam  roce  erili  coeperat  ad  omne 
dictatum  volans  aurem  vocari  ad  proximam 
(s.  dazu  Rubensohn  im  Arch.  f.  Stenogr.  LIII 
(1901)26:  LV  (1903)  104).  Vgl.auch  Lecrivain 
bei  D.-S.  IV  105.  Wenn  Grasbergek  201  und 
Ussing  104  (vgl  112)  den  notarius  schlechtweg 
„Schreiblehrei "  nennt,  so  ist  das  nicht  richtig. 

])  Geber  die  Schreibmaterialien  wird  an 
anderer  Stelle  (Abschn.  VII)  gehandelt  weiden. 
Da  Papyrus  immer  ein  ziemlich  kostbares  Ma- 
terial war.  pflegte  man  den  Kindern  die  Rück- 
seiten beschiiebener  und  sonst  wertloserSchrift- 
Btücke  zu  ihrenSchreibübungen  zu  geben,  Mark 
IV  Mi.  11:  inversa  pueris  annale  charta  (sc. 
Ubelle).  Doch  wird  Hör.  ep.  I  20. 1 7  ff.  von  Por- 
phyrie zu  Uniecht  darauf  bezogen.  In  einem 
Leydener  Papyrus  haben  sich  solche  Schreib- 
ttbungen    noch  erhalten,    s.  Reuvejjs  Lettres 

III  111. 

-)  Hör.  sat.  I  6.  73 :  piieri . . .  laevo  suspensi 
hculos  tabulamque  lacerto  (wiederholt  ep.  I  1. 
56).  Den  Söhnen  reicherer  Väter  trug  dies  der 
Pädagog  oder  ein  besondrer  Sklave  nach,  der 
capsarixs.  luv.  10,  187:  quem  sequitur  eustos 
angnstae  vernula  capsae.  Suet.  Nero  36.  Digg. 
XI,  2, 13:  capsarius,  i<l  est  qui portal  libros.  Im 
Haivdbneli  der  klass.  Altertumswissenschaft.    IV. 


Colloqu.  Harl.  10  (Corp.  Gloss.  III 646)  trägt  der 
puer  scriniarius  dem  Schüler  tabulae,  theca 
graphiaria  und  praeductorium  nach.  In  den 
höheren  Schulklassen,  in  denen  der  Lesestoff 
umfangreicher  war,  erreichten  die  mitzuneh- 
menden Bücher  wohl  ein  ganz  erkleckliches 
Gewicht,  daher  Liban.  or.  XXV  51  (II  81 R.) :  oi 
7«  ßißkla  lolg  veoic;  ht'  wfuov  <p&QOVttt. 

3)  Sen.  ep.  94,  51 :  pueri  ad  praescriptum 
discunt.  digüi  illorum  tenentur  et  aliena  manu 
per  Htterarum  sitnulacra  ducuntur.  deinde  imi- 
lari  inheataretatl  illa  reformareetiiriif/raphaar. 
vgl.  Vopisc.  Tac.  6,  5:  pueros  et  inpubere»  et 
quibu8  ((>/  eubecribendum  magistri  litterarii 
manu8  teneant.  Quintilian  empfiehlt,  anstatt  in 
Wachs,  die  Schrift  in  Holz  zu  schneiden  und 
von  den  Schülern  mit  dem  Griffel  nachfahren 
zu  lassen,  a.a.O. 27:  cum  vero  iam  duetus sequi 
coeperit,  non  inutile  erit  eas  tabeüae  quam 
optime  inseuipi,  nt  per  ttlos  velut  suleos  duea- 
tur  stillt*,  natu  neque  errabit,  quetnadmodutH 
in  ceris  [continebitur  enim  tttrinque  margini- 
bm  neque  extra  praescriptum  egredi  poterit) 
et  celerius  ae  saepius  sequendo  certa  vestigia 
ftrmabit  arüculos,  aet\ue  egebtt  adiutorio  iaa- 
num  suam  manu  superimposita  regentis.  Vgl. 
dens.  V  14,31:  velut  praeformatas  infantibus 
littcras  persequentium;  X2.2:  sie  litUrarum 
(Inet ns,  ut scribendi  fiat  usus,  pueri sequuntur. 
All  (Hei  Schreibübungen  römischer  Schuljugend 
halitn  sich,  auf  die  Wand  gekritzelt,  in  ein  Tori- 
gefäß geritzt  usw..  noch  mehrfach  ei  halten. 
8.  \  A.  1868,92.  Lepsius  A.d.I.  VIII  (1836) 
186 ff.  tav.  C  (etruskisches  Gefäß  mit  einge- 
kratzten griechischen  Alphabeten,  das  eine  mit 
Silbenbildung);  Alphabete  in  pompejanischen 
Graffiti  CIL  IV  1364  Taf.  27.  8.  Not.  d.  Bcari 
1897,  28;  1899.  234  n.  107ff.;  mehr  bei  Jahn 
•j.  .*).  Anfl.  21 


322 


Zweite  Abteilung.   Das  Leben. 


Auch  hier  folgten  den  Buchstaben  die  Worte1),  dann  die  Sätze,  wobei 
ein  guter  Lehrer  nicht  beliebige  Banalitäten,  sondern  belehrende  Sprüche 
u.  dgl.  wählte2).  Wenn  dann  die  Fertigkeit  der  Schüler  weiter  fort- 
geschritten war3),  so  trat  an  die  Stelle  der  Vorschrift  das  Diktat4),  und 
diese  Diktate  wurden  in  der  Regel  auswendig  gelernt  und  in  der  Schule 
aufgesagt5).  Dieser  Brauch  des  Diktierens  blieb  auch  in  der  Schule  des 
Grammatikers  bestehen,  vornehmlich  weil  das  Kaufen  von  Büchern  eine 
zu  kostspielige  Sache  war  und  die  Diktate  die  Schulbücher  zu  ersetzen 
hatten6).  Als  Stoff  dazu  nahm  man  mit  Vorliebe  die  Dichter7),  in  früherer 
Zeit  zum  Beispiel  die  Odyssee  in  der  Übersetzung  des  Livius  Andronicus 8), 
später  vornehmlich  Horaz  und  Vergil9).  Auch  Prosa  wurde  so  diktiert  und 
auswendig  gelernt,  wie  Aussprüche  berühmter  Männer10),  und  in  Ciceros 
Jugendzeit  sogar  die  Zwölftafelgesetze11).  All  das  bezog  sich  zumeist  nur 
auf  lateinische  Schrift,  Sprache  und  Litteratur;  das  Griechische  lernten  zwar 
die  Kinder  in  der  Kaiserzeit  oft  schon  früh  durch  Ammen  oder  Pädagogen 
sprechen,  wie  oben  erwähnt,  aber  als  Unterrichtsgegenstand  spielte  es,  so- 
weit wir  das  noch  beurteilen  können,  in  der  Elementarschule  wohl  keine 
Rolle,  sondern  erst  in  der  des  Grammatikers12). 

Das  dritte  Fach  des  Elementarunterrichts  war  das  Rechnen13),  auf  das 
die  praktischen  Römer  von  jeher  einen  großen  Wert  gelegt  haben14),  und 
das  sowohl  theoretisch  mit  unbenannten  Zahlen,  wie  mit  benannten  Werten15), 


a.a.O.  296.  Grasbekger  303.  Etwas  anderes 
sind  die  in  Stein  gehauenen  Alphabete,  als 
Schreibübungen  von  Steinmetzen  erklärt  von 
Hülsen  Rh.  M.  XVIII  (1903)  73  ff. 

')  Quint.  I  1.  34:  illud  non  poenitebit  cu- 
rasse,  cum  scribere  nomina  puer  (quemadmo- 
dum  moris  est)  coeperit,  ne  hanc  operam  in  vo- 
cabulis  vidgaribus  et forte  oecurrentibus  perdat. 

*)  Ebd.  35:  ii  quoque  versus,  qui  ad  imi- 
tationem  sertbendi  proponentur,  non  otiosas 
velim  sententias  habeant  sed  honestum  aliquid 
monentes. 

3)  Quint.  ebd.  28  empfiehlt,  man  solle  ler- 
nen, bene  ac  velociter  zu  schreiben. 

*)  Hör.  ep.  I  18, 13:  ut  puerum  saevo  cre- 
das  dietata  mag  ist  ro  red  der  e:  vgl.  ebd.  1 1, 55. 
Cic.  ad  Qu.  fr.  III  1,4,  11. 

5)  Das  hieß  reddere.  Hör.  a.a.O.,  vgl.  die 
oben  S.  318  A.  5  zitierte  Stelle  des  Leydener 
Schulgesprächs  und  Coli.  Harl.  10  (Corp.  Gloss. 
III  646). 

6)  Quint.  X  3,  19  ff.  spricht  sich  aber  für 
die  reiferen  Schüler  gegen  das  Diktieren  aus, 
weil  der  Diktierende  oft  dränge  und  der  Nach- 
schreibende infolgedessen  nachlässig  und  feh- 
lerhaft schreibe. 

7)  Hör.  ep.  II  1, 126 :  os  tenerum  pueri  bal- 
bumquepoeta  figurat.  Quint.  1 1, 36 :  etiam  dieta 
clarorum  virorum  et  electos  ex  poetis  maxime 
(namque  eorum  cognitio  parvis  gratior  est)  locos 
ediscere  inter  lusum  licet.  Pers.  1,29:  ten  cir- 
ratorum  centum  dietata  fuisse  J  pro  nihilo 
pendas ? 

8)  Hör.  ep.  II  1,69. 

*)  Siehe  die  Belegstellen  unten  S.  325. 


10)  Quint.  a.a.O. 

n)  Cic.  de  legg.  II  23, 59:  discebamus  enim 
pueri  XII,  ut  Carmen  necessarium,  quas  iam 
nemo  discit. 

,a)  August,  conf.  1  13 :  quid  autem  erat  cau- 
sae  curGraecas  litterasoderam,  quibus  puerulus 
imbuebar,  ne  nunc  quidem  mihisatis  explicutu  »i 
est.  adamaveram  enim  Latinas,  non  quasprimi 
magistri,  sed  quas  docent  qui  grammatici  vo- 
cantur.  nam  illas  primas  ubi  legere  et  scribere 
et  numerare  discitur,  non  minus  onerosas  poe- 
nalesque  Jiabebam,  quam  omnes  Graecas.  Er 
unterscheidet  also  den  lateinischen  Elementar- 
unterricht, den  lateinischenLitteraturunterricht 
und  den  griechischen  Elementar-  und  Littera- 
turunterricht  (omnes  Graecas  litteras). 

13)  Eingehend  behandeln  das  Rechnen  der 
Alten  Feiedlein  Die  Zahlzeichen  und  das  ele- 
mentare Rechnen  der  Griechen  und  Römer  u.  d. 
christl.  Abendlandes,  Erlangen  1869,  bes.  S.87ff. 
H. Stoy  Zur  Geschichte  des  Rechenuntenichtes 
I.Jena  1876.  GRASBERGERlI325ff.  Marquardt 
97ff.  Vgl.  auch  F.  Hultsch  Ein  Beitrag  z.  Kennt- 
nis d.  volkstüml.  Rechnens  bei  d.  Römern,  N.  Jb. 
f.  Phil.  CXXXIX  (1889)  335. 

u)  Cic. Tuscul.  1  2, 5:  in summo apud  Mo* 
(sc.  Graecos)  honore  geometria  fuit,  itaque  nihil 
mathematicis  inlustrius;  at  nos  metiendi  ratio- 
cinandique  utilitate  huius  artis  terminavimus 
modum. 

I5)  Ein  bekanntes  Beispiel  ist  die  vielbe- 
sprochene Stelle  Hor.a.p.325ff.,  wo  Kopfrech- 
nen mit  dem  As  und  seinen  Teilen  an  einem  Bei- 
spiel vorgeführt  wird.  Die  ersten  Worte :  Bo- 
mani pueri  longis  rationibus  assem    diseunt  in 


Zweiter  Abschnitt.    Erziehung  und  Unterricht  der  Knaben. 


323 


vornehmlich  in  den  vier  Spezies1)  sowie  in  der  komplizierteren  Bruch- 
rechnung 2)  eingeübt  wurde.  Die  Römer  verstanden  sich  in  besonderer  Weise 
auf  das  Rechnen  mit  den  Fingern,  digiüs  computare3);  man  stellte  mit  der 
linken  Hand  alle  zwei-  und  einziffrigen,  mit  der  rechten  alle  drei-  und  vier- 
ziffrigen  Zahlen  dar*).  Eine  andere  Hilfe  gewährte  das  ganz  allgemein  ange- 
wandte Rechenbrett5),  abacus6),  tabula 7),  eine  Tafel  aus  Holz,  Stein  oder  Metall, 
auf  der  man  mit  Rechensteinen  oder  Marken,  calculi8),  die  auf  bestimmte. 
Tausender,  Hunderter  usw.  bedeutende  Linien  gesetzt  wurden,  rechnete. 
Eine  andere  Art  Rechenbretter  waren  behufs  des  Rechnens  mit  vertikalen 
Einschnitten  versehen,  in  denen  sich  verschiebbare  Knöpfchen  bewegten. 
Von  dieser  Art  haben  sich  noch  einige  Exemplare  erhalten9);  die  ziemlich 
verwickelte  Rechenmethode,  die  auch  schwierigere  Bruchrechnungen  aus- 
zuführen erlaubte,  ist  danach  ermittelt  worden,  aber  zu  umständlich,  als  daß 
wir  hier  näher  darauf  eingehen  könnten.  Wer  über  das  elementare  Rechnen 
hinausgehen  wollte,  für  den  gab  es  noch  besondere  Rechenlehrer,  calculatores10). 
In  den  älteren  Jahrhunderten  der  Republik  mochte  die  in  der  Schule 
des  litterator  erhaltene  Elementarbildung  in  der  Regel  wohl  genügt  haben11); 
wer  seinen  Söhnen  noch  weitere  Bildung,  namentlich  auch  im  Griechischen, 
das  allmählich  sich  neben  dem  Lateinischen  immer  mehr  Geltung  verschaffte, 
zuführen  wollte,  der  nahm  irgendeinen  litterarisch  gebildeten  Freigelassenen 
als  grammaticus  in  sein  Haus,  der  den  heranwachsenden  Knaben  Privat- 
unterricht im  Griechischen  erteilte12).    Erst  als  um  die  Mitte  des  2.  Jahr- 

II  826  ff.  Güillaume  bei  D.-S.  I  1  ff.  Hultsch 
bei  P.-W.  I  5  ff. 

6)  Pers.  1,  131:  denselben  Namen  führt 
die  mit  Sand  belegte  Tafel  für  geometrische 
Zeichnungen,  vgl.  Plut.  Cat.  min.  70.  Cic.  u. 
deor.  II  18,  48.  Sen.  ep.  74,  27. 

7)  luv.  9,  40  f.  Petron.  46,  3. 

8)  Calculum  ponere,  luv.  a.  a.  0.  Colum. 

III  3,  7 ;  sehr  oft  in  übertragener  Bedeutung. 
vgl.  Plin.  ep.  1 24, 9 ;  II 19. 9 ;  V  2, 1  u.  s. ;  über- 
haupt erhält  calcuhts  die  Bedeutung  von  Rech- 
nung. 

9)  Aufgezählt  bei  Marquardt  100  A.  7. 
10)  Mart.  X  62,  1.  Isid.  I  3,  1 ;  auch  auf  In- 
schriften, S.CILV3384;  VIII 12902;  ein  doctor 
tirtis  nileulntnrae  XIII  6247;  ein  calculatt»-. 
der  comtnentarioe  artis  sitae  reliquit,  XIV  472. 
Im  Ed.  Diocl.  7,  67  wird  sein  Honorar  wie  das 
des  votartus  auf  75  Denare  festgesetzt.  Vgl. 
Saglio  bei  D.-S.  1 820.  Mau  bei  P.-W.  III 1345. 

")  Suet.gr.  1:  grammatica  Ronuu  »e  in 
usu  quidem  olim,  necdum  in  honore  ><//<>  erat. 
rudi  sciUcet  ac  bellicosa  etiamtnm  eirititte  nee- 
dum  magnopere  liberalibtis  diseipUnis  raennfe. 

'•)  Suet.  a.  a.  O.:  initiion  quoque  eins  me- 
dioere  e.rtitit,  s/qm'dem  antiqinssimi  doetomm, 
qui  iidem  et  poetae  et  semigraeci  ertmt  { Li- 
rin m  et  Ennium  dt'co,  quos  wtraqut  Ungtta 
domi  forisque  doeuisse  adnotatum  est)  nihil 
amplius  quam  Graecos  interpretabantur,  auf 
aiquid  ipsi  I Ailine  eoinposnissent,  praelegvha nt . 
Wie  Livius  Andronicus  im  Hause  des  Livius 
Salinator,  so  unterrichtete  Metrodor  in  dem 
des  Aemilius  Paullus,  Plin.  XXXV  135. 

21* 


partes  centum  diducere  beziehen  Grasberger 
B26  und  Ussing  116  auf  die  langen  Bruchrech- 
nungen, worin  die  Knaben  eingeübt  wurden, 
Mahquardt98  A.  2  auf  die  Berechnung  der  Pro- 
zente eines  Kapitals,  die  je  nach  dem  Zinsfüße 
als  centesimae  bezeichnet  würden,  Berech- 
nungen, die  durch  das  bei  den  Römern  übliche 
Diuxlezimalsystem  (1  As  —  12  unciae)  sehr  er- 
schwert wurden,  vgl.  Friedlein  N.  Jb.  f.  Ph. 
KCHI  (1866)  569  ff. 

')  Addei-e,  niultiplicare,  divideve  sind  die 
alten  Ausdrücke,  hingegen  heißt  subtrahieren 
deducere,  Cic.  de  off.  I  18, 59 ;  de  legg.  II  21, 53. 
Liv.VI  15.10. 

2)  Vgl.  Marquardt  102  f.  Wichtig  ist  da- 
für das  unvollständig  erhaltene  metrologische 
Büchlein  des  Volusius  Maecianus  (2.  Jahrh. 
n.Chr.).  Hultsch  Script,  metrol.  Rom.  61. 

s)  Plaut,  m.  gl.  204:  dextera  digiüs  ratio- 
nem  computat.  Quint.  I  10,  35.  Plin.  XXXIV 
33;ebd.88.  luv.  10,  249.  Suet. Claud. 21;  das- 
selbe ist  bei  Ov.  exP.  113, 18:  sollicitis  sup- 
putat  ar/ieit/is.  Vgl.Macr.VII13  10.  Apul.apol. 
ö9.  Vgl. Fröhnek Le comput digital.  Macon  1884 
(a.  d.  Annuaire  de  la  Soc.  de  Numism.). 

4)  Aufschluß  darüber  gibt  die  Schrift  des 
Xikolaos  von  Smyrna  "Exfppaoig  xov  daxrvli- 
y.or  fisxQov,  bei  Schneider  Ecl.  physic.  I  477  ff. 
und  II  316  ff.  Ausführlicher  besprochen  bei 
Fkiedlein  a.  a.  O.  Rödiger  in  der  Zeitschr.  d. 
deutsch,  morgenländ.  Gesellsch.  f.  1845, 121  ff. 
Marquardt  98  A.  3. 

5)  Hierüber  vgl.  die  bei  Marquardt  99 
A.  5  angefühlte  Litteratur,  ferner  Grasberger 


324 


Zweite  Abteilung.   Das  Leben. 


hunderts  v.  Chr.  durch  Krates  von  Mallos  das  Interesse  für  griechische 
Litteratur  auch  in  weitere  Kreise  gedrungen  war1),  erstanden  Schulen,  in 
denen  solche  grammatici  eine  größere  Anzahl  von  Knaben  zusammen  unter- 
richteten, und  die  Sache  fand  solchen  Anklang,  daß  es  noch  in  der  republi- 
kanischen Zeit  bisweilen  mehr  als  zwanzig  solcher  Schulen  in  Rom  gab 2), 
wenn  auch  daneben  für  die  weitere  Ausbildung  der  Privatunterricht  im 
Hause  vielfach  bestehen  blieb3).  Diese  höheren  Lehrer  hießen,  im  Gegensatz 
zu  den  lüteratores,  grammatici*),  und  zwar  unterschied  man  den  grammaticus 
Graecus  ausdrücklich  vom  grammaticus  Latinus5),  wenn  es  auch  daneben 
immer  noch  Lehrer  gab,  die  in  beiden  Sprachen  unterrichteten 6).  Der  Beruf 
des  Grammatikers  war  nicht  gerade  gesucht;  in  Suetons  Mitteilungen  über 
berühmte  Grammatiker  des  1.  Jahrhunderts  v.  Chr.  finden  wir  öfters  die 
Angabe,  daß  sie  früher  einen  andern  Beruf  getrieben  hätten:  Orbilius  war 
erst  Magistratsdiener,  dann  Soldat  gewesen,  Qu.  Remmius  Palaemon  Weber; 
verschiedene  Sklaven  und  Freigelassene  sind  darunter.7).  Ihre  Stellung  war 
daher  keine  sonderlich  geachtete8),  zumal  die  meisten  sich  wohl  mit  einem 
recht  bescheidenen  Einkommen  begnügen  mußten9).  Die  große  Konkurrenz 
drückte  die  Preise  herunter,  die  Väter  suchten  die  wohlfeilsten  Schulen  für 
ihre  Söhne  aus10);  der  Sklave,  die  Amme  oder  wer  sonst  das  Schulgeld  über- 
brachte, nahm  davon  ein  Trinkgeld  für  sich  in  Anspruch,  und  manchmal 
fingen  die  Abzüge  schon  beim  dispensator  an,  der  das  Geld  aus  der  Kasse 
des  Herrn  auszahlte11).  Auch  wenn  der  Lehrer  durch  bestimmte  Kontrakte 
über  die  Höhe  des  Honorars  sich  zu  schützen  suchte12),  kam  es  doch  vor, 
daß  ein  Schüler  vor  Jahresschluß  ohne  Bezahlung  durchbrannte  und  der 
Lehrer  seine  Forderung  gerichtlich  einklagen  mußte13).     Daneben  gibt  es 


*)  Suet.  gr.  2;  doch  gründete  Krates  keine 
Schule,  sondern  hielt,  durch  seinen  Beinbruch 
in  Rom  zurückgehalten,  öffentliche  Vorträge 
über  griechische  Litteratur  (acroasis).  was  dann 
von  römischen  Grammatikern  auch  für  die  la- 
teinische Poesie  Nachahmung  fand,  Suet.  ebd. 

2)  Suet.  gr.  3. 

3)  Vgl.  Quint.  I  2,  10:  at  fere  minores  ex 
conscientia  suae  infirmitatis  haerere  singulis  et 
officio  fungi  quodammodo  paedagogorum  non 
indignantur. 

4)  Früher  angeblich  auch  litterati,  s.  oben 
S.315  A.  3. 

5)  Im  Ed.  Diocl.  7,  70  sind  beide  neben- 
einander genannt:  auch  sonst  kommen  sie  auf 
Inschriften  sehr  häufig  vor.  s.  Blümner  z.  Ed. 
Diocl.  S.  118.  Marquardt  106  A.  1  f. ;  dazu  CIL 
III  406:  yQajUfiarixog'Ptouaixög;  12702:  artift 
gmmmaticae  Graecae  peritissimus;  vgl.  VI 
9454.  Dessau  7768  ff.  Grammatici  Latini  CIL 
II  2892;  V  3433;  5278;  VI  9455. 

6)  Die  Bezeichnwag  grammaticus  ohne  Zu- 
satz ist  auf  Inschr.  ebenfalls  häufig,  s.  Mar- 
quardt 105  A.  6;  auch  magister  artis  gram- 
maticae, CIL  II  3872;  vgl.  XIII  1393:  artis 
(grammatices)  doctor  morummie  magister  II 
2236. 

7)  Friedländer  Sittengesch.  1  283. 

8)  Vgl.  Ann.  Flor.  frg.  im  Florus  ed.  Halm 


p.  108:  o  rem  indignissimam !  et  quam  aequo 
fers  istud  animo,  sedere  in  scholis  et  puerii 
praecipere?  Das  von  Friedländer  a.  a.  O.  zi- 
tierte Epigramm  des  Ausonius(136)  stammt  aus 
dem  15.  Jahrh..  s.  Peiper  Auson.  p.  426  n.  15. 
9)  Die  Nachrichten  darüber  stammen  aus 
sehr  verschiedenen  Zeiten  und  lauten  daher 
auch  sehr  verschieden.  Nach  luv.  7,  242  be- 
kam der  grammaticus  am  Schluf3  des  Jahres 
victori populus  quod postulat  aurum,  nach  den 
Schol.fünfGoldstücke(500Sesterzen  =  108M.); 
im  Ed.  Diocl.  7,  70  sind  für  den  grammaticus 
für  Monat  und  Schüler  200  Denare(3, 60  M.)  aus- 
gesetzt, was  erheblich  weniger  ausmacht.  Im 
5.  Jahrh.  n.  Chr.  ist  gar  für  das  ganze  Jahr 
nur  von  einem  Solidus  (12,69  M.)  die  Rede, 
Anth.  Pal.  IX  174,  9.  In  einer  hispanischen 
Stadt  bezog  der  grammaticus  Latinus  seinen 
Gehalt  von  der  Stadt.  CIL  II  2892. 

10)  luv.  7.  175. 

")  Ebd  215  ff.  Anth.  Pal.  a.  a.  O.  7  f. 

l*)  Das  war  wohl  das  Gewöhnliche;  von 
Antonius  Gnipho  berichtet  Suet.  gr.  7:  nee  un- 
quam  de  mercedibus  pactus,  eoqueplura  ex  Jibe- 
ralitate  discentium  consecutus.  Vgl.  auch  Luc. 
Hermot.  80. 

13)  luv.  7.157  u.  228.  Anth.  Pal  a.a.O.  In 
dem  Buche,  das  nach  Suet.  gr.  9  Orbilius  unter 
dem  Titel  Peiialogos  herausgegeben  hatte  und 


Zweiter  Abschnitt.    Erziehung  und  Unterricht  der  Knaben. 


325 


freilich  Ausnahmen:  besonders  gesuchte  Lehrer  wurden  nicht  nur  sehr  gut 
honoriert,  sondern  sammelten  sogar  Reichtümer l).  Solche  mögen  denn  auch 
genötigt  gewesen  sein,  wegen  der  Menge  der  Schüler  die  Klassen  zu  teilen-) 
und  Unterlehrer,  die  sie  selbst  zu  honorieren  hatten,  anzustellen8). 

Der  Zweck  des  Unterrichts  des  Grammatikers  war  die  Erwerbung  der 
Fähigkeit  zum  guten  mündlichen  und  schriftlichen  Ausdruck  und  die  Kenntnis 
nr  Dichter,  und  zwar  sind  diese  Ziele  im  griechischen  wie  im  lateinischen 
Unterricht  die  gleichen4),  wobei  namentlich  auf  die  Einführung  in  die  Dicht- 
kunst in  beiden  Sprachen  das  Hauptgewicht  fiel5).  Ganz  besonderer  Wert 
wurde  auf  das  Griechische  gelegt0),  mit  dem  daher  auch  der  Unterricht 
des  grammaticus  anfing7).  Als  Lektüre  kam  dabei  in  erster  Linie  Homer  in 
Betracht8);  ferner  mit  Auswahl  Tragiker,  von  Komikern  besonders  Menander, 
Lyriker,  Fabeln  Aesops  u.  dgl.  m.9).  Für  das  Lateinische  dienten  bis  zum  Ende 
der  Itepublik  die  älteren  Dichter,  wie  Livius  Andronicus  und  Ennius,  als 
Lesestoff10);  auch  tragische  und  komische  Autoren,  jedoch  mit  besonnener 
Auswahl11);  seit  der  Kaiserzeit  stand  im  Lateinunterricht  Vergil  ebenso  an 
der  Spitze,  wie  Homer  im  Griechischen12),  nicht  minder  Horaz,  der  dies  Los 
schon  vorausgeahnt  hatte13).  Später  wurde  es  Dichtern  nicht  selten  noch 
bei  ihren  Lebzeiten  zuteil,  daß  ihre  Werke  in  den  Schulen  gelesen  wurden14); 
so  wurde  Lucans  Epos  gleich  nach  seiner  Veröffentlichung  in  den  Schulen 
traktiert 15),  und  des  Statius  Thebais,  noch  bevor  der  Schlußgesang  erschienen 


in  dem  querelae  de  iniuriis,  quas  professores 
neglegentia  aut  ambitione  parentum  acciperent 
Stauden,  mag  auch  über  derartiges  Klage  ge- 
führt worden  sein,  denn  Orbilius  starb,  beinahe 
hundertjährig,  arm  in  einer  Dachwohnung. 

')  Verrius  Flaccius,  der  mit  seiner  ganzen 
Schule  nach  dem  Palatin  übersiedelte,  als 
Augustus  ihn  zum  Lehrer  seiner  Enkel  wählte, 
bekam  von  diesem 'jährlich  100000  Sesterzen 
(etwa  21750  M.),  Suet.  gr.  17;  Remmius  Palae- 
mon  bezog  von  seiner  Schule  sogar  das  Vier- 
fache davon  und  hatte  sich  außerdem  ein  be- 
deutendes Vermögen  gesammelt,  ebd.  23.  Vgl. 
BUBDLÄKDBB  a.  a.  O.  286  f. 

*)  Quint  I  2,  23 

3)  Hypodidascalus  heißtein  solcher  Unter- 
lehrer bei  Cic.  ad  fam.  IX  18,  4;  später  kommt 
die  Bezeichnung  xubdoctor  vor,  Auson.  prof. 
Burdig.22.  Corp  Gloss.  III  198,22;  222,9  u.  ö.: 
fei.  subdocere,   Aug.  conf.  V11I  6,  13. 

A)  Quint.  14,2:  haec  igitur  professio,  cum 
brevissime  in  duas  partes  dividatur,  recte  lo- 
quendi  scientiam  et  poetarum  enarrationem, 
plus  habet  in  recessu  quam  fronte  promittit; 
vgl.  ebd.  1:  nee  refert,  de  Graeco  an  de  La- 
tino  loquar,  quanquam  Graecum  esse  priorem 
macet. 

5)  Hör.  ep.  II  1, 126:  os  tenerumpueri  bal- 
bumque  poeta  fujurat.  Cic.  Tusc.  III  2,3:  acce- 
dunt  etiam  poetae,  qui  cum  magnam  speciem 
doctrinae  sapientiaeque  prae  se  tuleruut,  au- 
diunfnr,  leguntur,  ediscuntur  et  inhaerescimt 
penitus  in  mentibus  (aber  ebd.  II  11.  27  in  ta- 
delndem Sinne:  at  vero  nos,  docti  scilicet  a 
Graecia,  haec  a  pueritia  et  legimus  et  disd- 


mus,  hanc  eruditionem  liberalem  et  doctrinam 
putamus).  Davon  wußte  die  ältere  Zeit  frei- 
lich noch  nichts:  Cato  bei  Gell.  XI  2,5  sagt: 
poeticae  artis  honos  non  erat. 

6)  Siehe  Cic.  a.  a.  O.  und  de  rep.  I  18,30. 
Sen.  ep.  88,  20  ff. 

')  Quint.  14,1. 

8)  Hör.  ep.  II  2,  42.  Quint.  I  8,  5:  ideoque 
optime  iustifutu»!  est,  ut  ab  Homero  atque 
Vergilio  lectio  inciperet.  Petron.  5  v.  9  ff.  Plin. 
ep.  II  14,  2.  Das  blieb  auch  später  noch  so. 
August,  de  civ.  Dei  I  3;  conf.  I  14,23.  Auson. 
prof.  Burdig.  21,  16. 

9)  Quint.l8,6f.;9,2.  Ov.trist.II369.  Stat. 
silv.  II  1,114.  Auson.  idyll.  4,46.  In  der  Schule, 
die  der  Vater  des  Statius  in  Neapel  hielt,  wur- 
den eine  Menge  griechischer  Lyriker  gelesen, 
u.a.Pindar.  Alkman,  Sappho.  Kallimachosetc. 
Stat.  silv.  V3, 146  ff.  Hierbei  war  wohl  wesent- 
lich, daß  sich  in  Neapel  griechische  Sprache 
und  Sitte  behauptet  hatte,  s.  Friedländkk 
Sittengesch.  III  333  f. 

10)  Siehe  oben  S.  322. 

n)  Vgl.  darüber  Quint.  I  8,  8  ff. 

")  Quint.  I  8,5.  luv.  7,227.  Macr.  I  24,  •".. 
August,  civ.  D.  1 3.  Auson.  idyll.  4, 57.  Nach  Smt . 
gr.  16  war  es  Q.  Caecilius  Epirota,  ein  Frei 
gelassener  des  Atticus,  der  zuerst  zeitgenössi- 
sche Dichter  behandelte  und  daher  von  Do- 
mitius  Marsus  teneilorum  »utricula  ratum 
genannt  wurde. 

,3)  Hör.  ep.  120, 17.  Quint.  a.  a  O.6.  luv. 
a.  a.  0.  Auson.  a.  a  0.  56. 

**)  Vgl.  Pers.  1.29.  Mart.VIlI  3. 15. 

l5j  Tac.  de  or.  26.  Suet.  vita  Lucani. 


326 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 


war1).  Daneben  blieb  natürlich  die  Lektüre  der  großen  Dichter  der  Ver- 
gangenheit, des  Terenz,  Vergil,  Horaz,  auch  des  Lucrez  und  Varro?),  be- 
stehen. Weniger  Berücksichtigung  scheinen  die  Prosaiker  gefunden  zu 
haben3).  Als  dann  im  2.  Jahrhundert  n.  Chr.  eine  Reaktion  gegen  die  zeit- 
genössische Litteratur  eintrat,  als  man  selbst  Vergil,  Horaz,  Cicero  zugunsten 
von  Ennius,  Plautus,  Pacuvius,  Cato,  Gracchus  beiseite  legte,  da  hatte  diese 
altertümliche  Richtung  natürlich  auch  auf  die  Schule  ihre  Wirkung  und  behielt 
sie,  von  Hadrian  und  den  Antoninen  begünstigt,  das  2.  Jahrhundert  hindurch4). 
Was  die  Methode  des  Unterrichts  anlangt,  so  war  dieselbe  ungefähr 
folgende.  Der  Lehrer  las  die  zur  Behandlung  kommenden  Dichtungen  zu- 
nächst den  Schülern  vor  (praelegere)5),  wobei  es  besonders  auf  richtige 
Betonung  {sonus)  ankam6);  der  Schüler,  der  das  Vorgelesene  zu  wiederholen 
hatte,  mußte  lernen,  richtig  den  Atem  zu  verwenden,  Vers-  und  Satzenden 
zu  unterscheiden,  die  Stimme  je  nach  dem  Sinn  zu  heben  oder  zu  senken, 
bald  schneller,  bald  langsamer  zu  sprechen,  Gefühl  und  Empfindung  in  den 
Vortrag  zu  legen  u.  dgl.  in.7).  Da  die  Schüler  nicht  immer  Texte  der  be- 
handelten Dichter  zur  Hand  hatten,  so  spielte  auch  in  der  Schule  des 
Grammatikers  das  Diktieren  eine  wichtige  Rolle8).  Derartiger  Unterricht 
setzte  aber  beim  Lehrer  das  volle  Verständnis  des  Schriftstellers  voraus9), 
und  davon  hatte  er  auch  durch  eingehende  Besprechung  und  Erklärung 
des  Gelesenen  Zeugnis  abzulegen.  Allerlei  war  es,  was  dabei  zu  berück- 
sichtigen war10):  ebenso  Fragen  der  Metrik  und  Musik11),  der  Grammatik 
und  der  Literaturgeschichte12),   wie   der  Geschichte,  Geographie,  Physik, 


*)  Stat.  Theb.  XII  815. 
-)  Quint.  I  4,  4. 

3)  Die  von  Bebnhardy  62  A.  40  angenom- 
mene Lektüre  Ciceros  wird  von  Marquabdt 
106  A.7  bestritten.  Daß  immerhin  außer  Dich- 
tern auch  andere  Schriftsteller  gelesen  wurden, 
beweist  Quint.  I  4, 4,  was  sich  wohl  nicht  bloß 
auf  „ältere  Schüler"  bezieht.  Unter  den  von 
Mart.  XIV  183—196  angeführten  Geschenk- 
büchern finden  sich  an  Prosaikern  Cicero,  Livius 
und  Sallust;  doch  ist  nirgends  angedeutet,  daß 
es  sich  hier,  wie  Birt  DieBuchrolle  in  der  Kunst 
25  u.  31  annimmt,  um  Schulbücher  handelt. 

4)  Schon  Quint.  I  8,  8  spricht  sich  für  die 
Lektüre  der  veteres  Latini  aus,  obschon  sie 
mehr  ingenio  quam  arte  wirkten,  vornehmlich 
wegen  der  copia  verborum.  Vgl.  Friedländer 
a.  a.  0.  336  f. 

5)  Mart.  I  35,  2;  VIII  3, 15.  Quint.  I  8, 8; 
ebd.  13.  Suet.  gr.  16.  Macr.  I  24,5. 

6)  Cic.deor.I42. 187.  Quint.  1 10,23:  vgl. 
die  Grabschrift  CIL  VI  9447. 

7)  Man  vgl.  die  Vorschriften  bei  Quint. 
I  8, 1  ff.,  der  aber  vor  dem  zu  seiner  Zeit  üb- 
lichen affektieiten  Vortrag  (den  in  canticum 
dissoluta,  plasmate,  ut  nunc  a  plerisque  fit, 
effeminata,  ebd.  2)  warnt,  den  auch  Pers.  1, 17 
verspottet.  Vgl.  auch  ebd.  I  10,25. 

8)  So  Hör.  ep.  II  1,71  von  Orbilius. 

9)  Quint.  I  8,  2:  ut  omnia  ista  facere  pos- 
8Ü,  intelligat. 

10)  Quint.  I  2,  14  bezeichnet  als  die  Auf- 


gaben des  grammaticus :  de  loquendi  ratione 
disserere,  quaestiones  explicare,  historias  ex- 
ponere,  poemata  narrare;  4, 1  teilt  er  äiegram- 
matice  in  zwei  Aufgaben,  die  rede  loquendi 
scientia  und  die  poetarum  enarratio,  indem  er 
bemerkt,  daß  mit  jener  auch  die  scribendi  ratio 
verbunden  ist,  daß  der  enarratio  die  emendata 
lectio  vorhergeht,  und  daß  bei  all  diesen  Auf- 
gaben das  iudicium  die  Hauptrolle  spielt.  Die 
Erklärung  der  Dichter  ist  die  enarratio. 

1 !)  Quint.  14,4:  tum  neque  citra  musicen 
grammatice  potest  esse  perfecta,  cum  ei  de 
metris  rhythmisque  dicendum  est;  ebd.  8,  13. 
Sen.  ep.  88,  3 :  grammaticus  circa  curam  ser- 
monis  versatur  et,  si  latius  evagari  vult,  circa 
historias,  idm  ut  longissime  fines  suos  pro- 
ferat,  circa  carmina;  dazu  braucht  es  sylla- 
barum  enarratio  et  verborum  diligentia  et  fa- 
bularum  memoria  et  versuum  lex  ac  modificatio. 

Vi)  Quint.  1 8, 13 :  in  praelegendo  gramma- 
ticus et  illa  quidem  minora  praestare  debebit, 
ut  partes  orationis  reddi  sibi  soluto  versu  de- 
sideret.  Das  poemata  narrare  (in  Gegensatz 
zur  enarratio)  bestand  wohl  in  der  Erzählung 
des  Inhalts  von  nicht  in  der  Schule  gelesenen 
Dichtwerken.  In  welcher  Weise  der  gram- 
maticus in  der  Geschichte  der  Sprache  be- 
wandert sein  mußte,  zeigt  Quint.  14, 13  ff.  an 
Beispielen;  ebd.  Cap.  5  ff.  wird  über  andere 
Fragen,  die  mit  der  Erlangung  eines  guten 
Stils  und  einer  reinen  Sprache  zusammen- 
hängen, gehandelt. 


Zweiter  Abschnitt.    Erziehung  und  Unterricht  der  Knaben. 


327 


Astronomie1),   besonders   aber   der  Mythologie,   auf  die   viel  Wert  gelegt 
wurde 2). 

Die  Aufgaben  der  Schüler  waren  teils  mündliche  teils  schriftliche.  Jene 
bestanden  im  Auswendiglernen  von  Dichterstellen,  von  Sentenzen  u.  dgl.3), 
im  Wiedererzählen  von  äsopischen  Fabeln  oder  vom  Inhalt  von  Dichtungen 
in  Prosa4),  diese  in  kleineren  Aufsätzen,  Erzählungen,  Chrien6).  Wem 
diese  Bildung  in  der  Schule  des  grammaticus  noch  nicht  genügte,  der  konnte 
bei  Privatlehrern  sich  noch  in  einigen  Fächern  besonders  unterrichten  lassen, 
wie  im  Rechnen,  von  dem  oben  die  Rede  war;  doch  wurde  es  erst  in  der 
Kaiserzeit  üblich 6),  daß  die  Knaben,  ehe  sie  aus  der  Schule  des  Grammatikers 
in  die  des  Rhetors  übergingen,  noch  in  den  Fächern  Unterricht  nahmen,  die 
die  Griechen  als  eyxvxXiog  jzaidela  bezeichneten7).  Das  geschah  besonders  in 
der  Musik8),  in  der  vornehmlich  Gesang  und  Saitenspiel  Unterrichtsgegenstände 
waren9);  doch  blieben  von  dem  alten  Vorurteil  gegen  diese  griechische  Sitte10) 


J)  Quint.  14,  4:  nee,  si  rationem  siderum 
ignoret,  poetas  intelligat,  qui(ut  alia  omittam) 
totiens  ortu  occasugue  signorum  in  declaran- 
ilis  temporibus  utuntur;  nee  ignara  philoso- 
phiae  (grammatice),  cum  propter  plurimos  in 
um  n  Ums  fere  carminibus  locos  exintima  natura- 
Uum  quaestionum  subtilitate  repetitos,  tum  etc. 
Eigener  Unterricht  in  Geschichte,  Geographie 
u.dgl.  wurde  nicht  erteilt,  sondern  diese  Fächer 
nur  gelegentlich  gelehrt,  was  Tacit.  de  or.  30 
bedauert. 

'.)  Cic.Verr.  act.  II,  1 18, 47 :  si  in  pueritia 
ii oh  his  artibus  ac  disciplinis  institutus  eras, 
ut  ea,  quae  litteris  mandata  sunt,  disceres  at- 
qiie  cognosceres.  Tert.  deidol.  10  führt  als  Auf- 
gabe der  Lehrer  {professores  litterarum)  an: 
deos  ii<itionumpraedicare,nomina,genealogias, 
fabulas,  ornamenta  honorifica  quoque  eorum 
cmi ii t iure  tum  sollemnia  festaque  eorundem  ob- 
tervare.  August,  conf.  I  14, 23  spricht  von  den 
tuavitates  Graecae  fabulosarum  narrationum. 
Die  historiarum  enarratio  oder  cognitio  (Cic. 
de  or.  I  42,  187.  Quint.  I  2, 14;  8, 18.  Sen.  ep. 
80,  3)  bedeutete  zwar  ganz  allgemein  die  von 
den  Grammatikern  gegebene  Sacherklärung 
der  Dichter  (vgl.  Friedländer  De  historiarum 
enarratione  in  ludis  grammaticis,Regim.  1874), 
es  wird  aber  gerade  da  die  Mythologie  eine 
Hauptrolle  gespielt  haben. 

s)  Sen.  ep.  33,  7.  Quint,  II  7,  1.  August. 
conf.  I  17,27. 

4)  Das  solvere  versus,  Quint.  I  9.  2;  vgl. 
August,  a.  a.  0. :  tale  aliquid  dicere  solutis  ver- 
bis,  quae  poeta  dixisset  versibus. 

b)  Suet  de  gr.  4  nennt  quaedam  genera 
institutionum  ad  eloquentiam  praeparandam, 
ut  problemata,  paraphrasis,  alloeutiones,  etho- 
logiae  atque  alia  hoc  genus.  Quint.  I  9,  3:  sen- 
tentiae  quoque  et  chriae  et  ethologiae  subiectis 
dictorum  rationibus  apud  grammaticos  scri- 
bantur.  Auch  narratiuneulae  <i  poetis  cele- 
bratae,  ebd.  6.  Im  übrigen  bemerkt  Quint.  ebd., 
daf3    dem   grammaticus   Latinus    auch    noch 


größere  und  schwierigere  Aufgaben  zufielen, 
weil  die  lateinischen  Rhetoren  dergleichen 
vernachlässigten,  was  bei  den  griechischen 
nicht  der  Fall  war. 

6)  Cic.  Tusc.  I  2, 4  f.  hebt  als  Unterschied 
von  griechischer  und  römischer  Erziehung  her- 
vor, daß  in  jener  Musik  und  Geometrie  eine 
wichtige  Rolle  spielten,  in  letzterer  nur  das 
Rechnen  geschätzt  war. 

7)  Quint.  1 10,  1:  nunc  de  ceteris  artibus, 
qu  Ums  instH iicndos,  priusquam  rhetori  trn- 
ilinitnr.  pueros  existimo,  strictim  subiungam, 
ut  efficiatur  orbis  ille  doctrinae,  quem  Graeci 
iyxvxhov  jiaidsiav  vocant.  Er  bespricht  dann 
nur  Musik  und  Geometrie,  während  bei  den 
sog.  artes  liberales  noch  Rhetorik,  Philosophie, 
Astronomie  hinzukommen.  Doch  sind  die  Ab- 
grenzungen der  syxvxhog  .-ratdeia  keine  fest- 
stehenden, vgl.  Grasberger  II  235  ff. 

8)  Ueber  die  Musik  als  Lehrgegenstand 
s.  Quint.  a.  a.  O.  9  ff.  Am  kaiserlichen  Hofe 
wurde  die  Musik  meist  gepflegt;  so  war  Titus 
ne  musicae  quidem  rudis,  ut  qui  emitiiret  et 
psnlleret  inen  iuie  sei,-ntenjne;  unter  den  Lehrern 
des  M.  Aurel  figuriert  auch  ein  inusicus,  Iul. 
Capit.  M.  Anton,  phil.  2,  2.  Hadrian  verkehrte 
viel  mit  Musikern,  Spart.  Hadr.  16,  10,  und 
Alexander  Severus  war  ad  mu»icatn  pronut, 
Lampr.  AI.  Sev.  27,  5. 

9)  Gesangsunterricht  war  schon  wegen  der 
Mitwirkung  bei  den  religiösen  Festen  not- 
wendig, zuerst  erwähnt  bei  Liv.  XXVI  137.7  für 
das  Jahr  207;  Livius  Andronicus  hatte  das 
Lied  gedichtet  und  wohl  auch  komponiert, 
vgl.  Festus  333  a,  22.  Vgl.MARQUARDT  1 18  A. 3. 
und  Rom.  Staatsverw.  III 181  A.  4.  Der  Musik- 
unterricht in  den  vornehmen  Häusern  Roms 
war  sehr  einträglich,  luv.  5, 175  f.  Mart.  III 4, 9 ; 
V  56,  9.  Vgl.  Friedländer  Sittengesch.  III 
315. 

10)  Nep.  Epam.  1,  2:  seinms  mint  mueicen 
nos/ris  morihiis  abesse  aprineipis  /lersunn,  sa/- 
tare  etiani   in  rifiis  poni. 


328 


Zweite  Abteilung.   Das  Leben. 


noch  immer  Spuren  übrig1).  Dazu  kam  bisweilen  noch  Unterricht  in  der 
Geometrie,  deren  hohen  Bildungswert  man  wohl  erkannte2). 

Von  den  in  den  Schulen  der  Grammatiker  verwendeten  Lehrmitteln, 
namentlich  solchen,  die  dem  Anschauungsunterrichte  dienten,  erfahren  wir 
sehr  wenig.  Eigentliche  Schulbücher,  d.  h.  solche,  die  für  die  Bedürfnisse 
der  Schule  verfaßt  waren  und  den  Schülern  als  Lese-  und  Lernmaterial 
in  die  Hände  gegeben  wurden,  scheint  es  wenig  gegeben  zu  haben3),  doch 
treffen  wir  im  Ausgang  der  Kaiserzeit  auf  das  noch  erhaltene  Grammatik- 
buch des  Dositheus4),  und  die  in  den  Handschriften  meist  damit  verbundenen 
doppelsprachigen  Schulgespräche  mannigfachen  Inhalts5)  haben  ebenfalls 
Unterrichtszwecken  gedient.  Landkarten  kannte  man  zwar6);  da  aber  die 
Geographie  kein  Unterrichtsgegenstand  war,  werden  wohl  in  den  Schulstuben 
für  gewöhnlich  solche  nicht  zu  finden  gewesen  sein.  Ebenso  hat  man  bei 
den  mythischen  Darstellungen,  die  in  flachem  Relief  und  oft  sehr  flüchtiger 
Arbeit  die  Hauptszenen  eines  Sagenzyklus,  wie  zum  Beispiel  die  Ilias,  vor- 
führen und  daher  in  der  Regel  als  „Bilderchroniken"  bezeichnet  werden 7), 
bei  ihren  meist  ganz  kleinen  Dimensionen  wenigstens  für  den  öffentlichen 
Schulunterricht  wohl  keine  Verwendung  anzunehmen 8). 

Neben  der  geistigen  Ausbildung  der  Knaben  ging  die  körperliche 
einher,  aber  in  viel  beschränkterem  Maße,  als  es  bei  den  Griechen  der  Fall 
war.  Zwar  hielt  man  in  der  bessern  Zeit  der  Republik  darauf,  daß  die 
Knaben  vornehmlich  in  solchen  körperlichen  Fertigkeiten  geübt  wurden, 
die  sie  zur  Ertragung  der  Strapazen  des  Kriegsdienstes  besonders  befähigten 


J)  So  übte  Alexander  Severus  seine  Ge- 
sangskunst nur  im  engsten  Kreise  aus,  Larapr. 
AI.  Sev.  27.  7.  An  und  für  sich  scheinen  die 
Römer  auch  nicht  stark  musikalisch  veranlagt 
gewesen  zu  sein,  vgl.  Polyb.  b.  Ath.  XIV  p.  6 15  B. 
Grasberger  363  f. 

2)  Noch  nicht  zur  Zeit  Ciceros,  Tusc.  1 2, 5, 
wohl  aber  Quint.  1 10,  34  ff.,  und  zwar  schon 
für  das  frühe  Kindesalter.  Vgl.  Sen.  ep.  88, 10. 
Unter  den  Elementarlehrern  des  M.  Aurel  wird 
auch  ein  mus/cus  und  ein  geometra  aufgeführt, 
Capitol.  2,  2;  und  im  Ed.  Diocl.  7,  70  erscheint 
der  geometra  mit  demselben  Honorar  wie  der 
grammaticus. 

3)  Zur  Zeit  Catos  sicherlich  nicht,  da  dieser 
nach  Plut.  Cat.  mai.  20  seinen  Kindern  selbst 
einen  Leitfaden  der  Geschichte  niedergeschrie- 
ben hatte.WennMARQUARDTl09  für  die  Kaiser- 
zeit die  Verwendung  von  Geschichtskompen- 
dien, chronologischen  Tafeln  usw.  annimmt,  so 
bemerkt  er  selbst,  es  sei  zweifelhaft,  ob  sie  in 
der  »Schule  Anwendung  fanden  oder  zum  häus- 
lichen Gebrauch,  für  die  Lehrer  oder  sonstwie, 
dienten.  Da  die  Geschichte  kein  eigener  Unter- 
richtszweig war,  ist  die  Benutzung  von  Ge- 
schichtskompendien in  der  Schule  unwahr- 
scheinlich. 

4)  Die  ars  desDositheus  mit  griechischer 
Übersetzung  s.  Keil  Gramm.  Lat.  VII  376  ff. 
Die  üebersetzung  ist  wahrscheinlich  für  Grie- 
chen bestimmt,  die  Lateinisch  lernen  wollten, 
s.  Krümbacher  Rh.M.  XXXIX  (1884)  352.  Die 


Chronologie  des  Dositheus  ist  unsicher;  jeden- 
falls ist  die  Datierung  in  das  Jahr  207,  die  noch 
Michaelis  bei  Jahn  Gr.  Bilderchron.  81  auf- 
recht erhielt,  unmöglich,  s.  Götz  bei  P.-W.V 
1607. 

5)  Herausg.  v.  Böcking,  Bonn  1832,  jetzt 
Corp.  Gloss.  III  1  ff.  Neben  Glossen,  Schul- 
gesprächen, Genealogie  u.  a.  m.  enthalten  sie 
auch  Aesopische  Fabeln  und  eine  I  nhaltsangabe 
der  Ilias.  Solche  jToiqxiy.al  imoüeoeig  scheinen 
im  Unterricht  beliebt  gewesen  zu  sein,  s.  Plut. 
de  aud.  poet.  1  p.  14  E. ;  vgl.  Michaelis  a.  a.  O. 

6)  An  öffentlichen  Gebäuden,  Tempeln 
usw. ,  Varro  r.  r.  1 2, 1 ,  oder  zu  Hause  zum  Selbst- 
studium, Prop.  V  (IV)  3,  37.  Dio  Cass.  LXVH 
12,  4.  Benutzung  beim  Unterricht  ist  erst  im 
4.  Jahrh.  n.  Chr.  nachweisbar,  s.  Marquardt 
109  A.  1.   Becker-Göll  105. 

7)  Siehe  die  Schrift:  Griechische  Bilder- 
chroniken, bearb.  v.  O.  Jahn,  herausgeg.  u.  be- 
endigt von  A.Michaelis,  Bonn  1873.  Römische 
Reliefs  der  Art,  d.h.  mit  lateinischen  Inschriften, 
sind  nicht  bekannt. 

8)  Michaelis  a.  a.  0. 86  ff.  nimmt  allerdings 
solche  Benutzung  an,  allein  die  Kleinheit  der 
Bilder  und  Inschriften  wäre  nur  dann  ohne 
Bedenken,  wenn  jeder  Schüler  ein  Exemplar 
vor  sich  gehabt  hätte,  was  doch  sehr  unwahr- 
scheinlichist. Daher  lehnt  auch  Marquardt  102 
ihre  Verwendung  in  der  Schule  ab.  Im  Privat- 
unterrichte aber  konnten  sie  gute  Dienste 
leisten. 


Zweiter  Abschnitt.    Erziehung  und  Unterricht  der  Knaben. 


329 


oder  im  Kriege  von  Nutzen  sein  konnten1);  doch  trat,  je  weniger  der 
römische  Bürger  selbst  noch  Kriegsdienste  tat,  diese  Seite  der  Leibesübungen 
immer  mehr  in  den  Hintergrund2).  Derartige  Übungen  waren  besonders 
der  Lauf3),  für  den  die  Jiömer  von  jeher  eine  Vorliebe  hatten1),  und  der 
Sprung  in  seinen  verschiedenen  Arten5),  und  als  Fertigkeiten  Fechten"), 
Schleudern  von  Wurfspeeren  u.  dgl.7),  sowie  Reiten8)  und  Schwimmen9). 
Seltner  scheinen  andere,  von  den  Griechen  übernommene  Leibesübungen  von 
der  Jugend  vorgenommen  worden  zu  sein.  Zwar  der  Faustkampf,  der  eine 
altitalische  Übung  ist10),  war  den  Römern  nicht  erst  von  den  Griechen  über- 
kommen, aber  wie  der  Ringkampf11)  wohl  nur  in  älterer  Zeit  noch  Gegen- 
stand des  Jugendunterrichts12);  griechischem  Brauch  entnommen  waren  die 
Übungen  mit  der  Wurfscheibe  (dem  Diskus) l  a)  und  die  vielfach  rein  hygienische 
Zwecke  verfolgenden  mit  Hanteln  oder  ähnlichen  Geräten 14).  Indessen  von 
dem  griechischen  Brauch,  daß  die  Knaben  in  der  Palästra,  d.  h.  einer  öffent- 
lichen Turnschule,  in  allen  diesen  Fertigkeiten  unterrichtet  wurden,  wollten 


!)  Diese  schon  in  der  Jugend  zu  treibenden 
Hebungen  für  den  Kriegsdienst  empfiehlt  Hör. 
lärm.  III  2.1  ff. 

2)  So  klagt  schon  Hör.  carm.  III  24,  51  ff. 
darüber,  daß  die  freigeborenen  Knaben  nicht 
mehr  zum  Reiten  und  zur  Jagd  Lust  hätten  und 
nach  griechischem  Brauch  Reifenspiel  und  Wür- 
fel bevorzugten.  In  starken  Ausdrücken  tadelt 
Quint.  I  2,  6 f.  die  Verweichlichung  der  Jugend. 

3)  Die  Bedeutung  des  Laufes  für  den  Krieg 
hebt  Stat.  Theb.  VI  550  hervor,  ebenso  Veget. 
r.  m.  I  9,  allerdings  mehr  in  der  Form  des  am- 
bularecele.riteretaequaliter,vf&a&uchAi\gxiBt\i8 
als  Mann  noch  übte,  Suet  .Aug.  83 :  deambulabat, 
itii  ut  in  extremis  spatiis  subsultim  decurreret. 
Vgl.  Hör.  carm. III  12,9.  Mart.II  14,4;  VII  32, 
11.  Sen.  ep.  15,  4. 

4)  Ein  gewaltiger  Läufer  war  Papirius  Cur- 
sor nach  Liv.IX  16. 13.  doch  hatte  schon  dessen 
Großvater  den  Beinamen  Cursor  geführt,  s.ebd. 
VI  11,1. 

6)  Sen.  ep.  15, 4  zählt  folgende  auf:  saltus 
vel  illi\  qui  corpus  in  altum  lernt,  vel  ille,  qui 
in  longum  mittit,  vel  ille,  i<t  ita  dicam,  saliaris 
aut,  ut  contumeliosius  dicam,  fullonius;  also 
Hochsprung,  Weitsprung  und  Sprung  am  Platze 
(mit  Unrecht  meint  Beckek-Göll  III  187,  daß 
letzterer  eine  Art  Tanz  gewesen  sei:  es  ist  eine 
auch  heut  noch  gebräuchliche  Freiübung).  Die 
Bedeutung  des  Sprunges  im  Kriege  hebt  Veget. 
1  9  hervor. 

6)  Plut.  Cat.  mai  20.  Hör.  carm.  I  8,  10. 
Ov.  tr.  III 12, 14.  Sen.  ep.  88, 19  bezeichnet  aber 
hastilia  iacere,  sudem  torquere,  equum  agitare, 
arma  tractare  als  bei  den  Vorfahren  übliche 
Jugendbeschäftigungen. 

7)  Plut.  a.  a.  0.  Verg.  Geo.  II  530.  Hör. 
a.  a.  0.  12.  Ov.  a.  a.  III  383.  Sen.  a.  a.  0. :  vgl. 
Sil.  It.  XVI  557  ff.  Ueber  die  speziell  militäri- 
schen Uebungen  mit  sudes  und  vectisvgl.  Mar- 
qüardt  121  A.  6. 

8)  Plut  a.  a.  0.  Hör.  carm.  I  8.  6;  III  7, 25; 
24.  54.  Ov.  trist.  III  12,  19;  a.  a.  III  384.  Stat. 


silv.  V  2, 1 13.  Veget.  I  18.  Vgl.  Lafaye bei  D.-S. 
II  750. 

9)  Plut.  a.a.O.  Hör. carm.  18, 9:  III  7,27; 
12,  7.  Ov.  tr.  III  12,  21.  Veget.  1  3;  ebd.  10.  In 
der  Regel  wird  der  Tiber  als  Schwimmgelegen- 
heit genannt.  Beim  Schwimmenlernen  nahm 
man  leichte  Binsengeflechte  zu  Hilfe,  Plaut. 
Aul.  595.  oder  Korkgürtel.  Hör.  sat.  1  4,  120. 

10)  Auf  etruskischen  Bildwerken  begegnet 
er  häufig;  über  seine  später  noch  anhaltende 
Beliebtheit  bei  den  Spielen  vgl.  Marquardt  121 
A.  5  und  Friedländer  bei  Marquardt  Rom. 
Staatsverw.  III  504  A.  2.  In  der  Kampfweise 
blieb  der  Unterschied  zwischen  italischer  und 
griechischer  Art  bestehen,  daher  bei  Suet.  Aug. 
45  jmgiles  Latini  und  Graeci  unterschieden 
werden. 

")  Sen.  a.a.O.  Auch  bei  Verg.  Geo.  II  531 
erscheint  die  agrestis  palaestra  als  Belustigung 
der  Väter. 

'*)  Plut.  Cat.  mai.  a.  a.  0.  Hör.  carm.  III 
12,8. 

13)  Die  Anwendung  des  Diskus  auch  bei 
den  Römern  bezeugt  Hör.  carm.  I  8,  11:  sat.  II 
2, 13.  Mart.  XIV  164;  doch  zeigt  die  Zusammen- 
stellung bei  Hör.  a.  p.  380  mit  Ball-  und  Reifen- 
spiel, daß  er  mehr  zum  Spiel  gerechnet  wurde, 
wenn  auch  zu  solchen,  die  als  gesundheit- 
fördernd betrachtet  wurden. 

u)  Die  Hautein  kommen  in  der  griech.  Be- 
zeichnung kälteres  bei  Mart.  VII  67, 6  vor,  hier 
in  der  Hand  von  Frauen;  ebd.  XIV  40.  mit 
deutlichem  Ausdruck  der  Abneigung  gegen 
diese  Art  der  Gymnastik.  Gemeint  sind  sie 
auch  bei  Sen.  en,  15,  4  mit  den  Worten  cum 
(i/itjtio  pondere  manne  motae,  und  ebd.  56, 1, 
wo  es  vom  Lärm  in  den  Thermen  heißt:  cum 
fortiore*  exercentur  et  manue  phtmbo  graves 
iactant.  Die  Hanteln  hatten  in  der  römischen 
Zeit  vornehmlich  die  Form,  wie  sie  römische 
Statuen  von  Athleten  oderWandgemälde  zeigen, 
s.  J  üthner  Ueber  a  ntike  Turngeräte  (Wien  1896) 
S.  10  Fig.  11  f. 


330 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 


die  Römer  nichts  wissen,  teils  aus  sittlichen  Bedenken *),  teils  aus  pädago- 
gischen Gründen2);  und  als  durch  Neros  Vorliebe  für  griechische  Gymnastik 
diese  auch  unter  der  römischen  Jugend  weitere  Verbreitung  fand,  als 
hygienisch  gepriesen  und  zur  Aufnahme  in  den  Jugendunterricht  empfohlen 
wurde3),  da  erhob  sich  dagegen  starke  Opposition4).  Palästren  im  Sinne 
der  Griechen  hat  es  daher  bei  den  Römern  nicht  gegeben5);  dagegen  wurde 
es  mehr  und  mehr  üblich,  bei  den  Bädern  Turnplätze  anzulegen,  die  den 
Namen  palaestra  bekamen6),  und  von  diesen  wird  an  anderer  Stelle  noch 
zu  sprechen  sein.  In  Rom  diente  sonst  für  die  Übungen  der  Jugend,  zumal 
für  Laufen,  Springen  u.  dgl.,  das  Marsfeld  als  reichlich  Raum  bietendes 
Terrain7).  Der  Unterricht  wurde  in  der  Regel  von  besondern  Turn-,  Fecht- 
oder Reitlehrern  erteilt8),  die  ersteren  waren  in  der  Kaiserzeit  wohl  meist 
Griechen9).  Tanzen  wurde  nach  dem  zweiten  punischen  Kriege  auch  ein 
eigner  Unterrichtsgegenstand10),  doch  vornehmlich  nur,  damit  bei  festlichen 


J)  Es  war  namentlich  die  Entblößung  des 
Körpers  und  die  damit  verbundenen  sittlichen 
Gefahren,  die  die  ernsteren  Römer  zu  Gegnern 
der  griechischen  Gymnastik  machten,  vgl.Plin. 

XXIX  26:  illa  perdidere  imperii  mores,  illa, 
quae  sani  patimur,  luctatus,  ceromata  ceu  vale- 
tudinis  causa  instituta,  balineae  ardentes;  ib. 

XXX  V  168:  in  ceromatis,  quibus  exercendo  iu- 
ventus  nostra  corporis  vires  perdit  animorum. 
Und  von  den  Zuschauern  Sen.  dial.  X  12,  2: 
illum  tu  otiosum  vocas, . . .  quiin  ceromate  {nam, 
pro  facinus,  ne  Romanis  quidem  vitiis  labora- 
mus)  sectator  puerorum  rixantium  sedet?  Frei- 
lich meint  Plut.  Cat.  mai.  20,  daß  die  Römer, 
nachdem  sie  von  den  Hellenen  die  Entblößung 
übernommen  hatten,  noch  unsittlicher  gewor- 
den seien  als  diese,  wobei  er  allerdings  vor- 
nehmlich die  Sitte  der  gemeinschaftlichen  Bä- 
der im  Auge  hatte. 

2)  Mart.VII32,5ff.  Plin.  paneg.  13;  vgl. 
besonders  die  Klage  des  Lucan.  Phars.  VII 270: 
Grais  delecta  iuventus  \  gymnasiis  oderit  studio- 
que  ignava  palaestrae  |  et  vix  arma  ferens. 

3)  Vgl.  die  Bemerkungen,  die  Seneca  da- 
gegen macht,  besonders  ep.  15,2:  stulta  est  et 
minime  conveniens  literato  viro  occupatio  exer- 
cendi  lacertos  et  dilatandi  cervicem  ac  latera 
firmandi,  und  ebd.  88, 18:  aeque  luctatores  et 
totam  oleo  ac  luto  constantem  scientiam  expello 
ex  his  studiis  liberalibus.  Ueber  diese  ganze 
Richtung  vgl. Friedländer  Sittengeschichte  II 
442  ff. 

4)  Die  angeführten  Aeußerungen  des  Pli- 
nius,  Seneca,  Lucan,  Martial  (auch  XIV  49,  s. 
oben),  sind  wohl  vornehmlich  dadurch  hervor- 
gerufen ;  vgl.  Tac.  ann.  XIV  20,  der  hervorhebt, 
daß  die  Jugend  studiis  externis,  gymnasia  et 
otia  et  turpes  amores  exercendo  entarte.  Plin. 
XV  19  vom  Gebrauch  des  Oeles:  usum  eins  ad 
luxuriam  vertere  Graecivitiorum  omnium  geni- 
tores  in  gymnasiis  publicando. 

5)  Die  Erwähnungen  bei  den  Komikern 
gehen  auf  die  griechischen  Vorbilder  zurück, 


ebenso  der  häufige  metaphorische  Gebrauch  des 
Wortes ;  andere  Erwähnungen  bei  Dichtern  u.  s. 
gehen  auf  griechische  Verhältnisse.  Vitr.Vll,  1 
sagt  von  den  Palästren :  etsi  non  sint  Italicae 
consuetudinis. 

6)  Auch  in  den  Villen  wurden  solche  an- 
gelegt, was  Varro  r.  r.  II  pr.  2  bereits  als  Kenn- 
zeichen der  Verweichlichung  rügt. 

7)  Strab.  V236  spricht  von  der  großen  Aus- 
dehnung des  Marsfeldes,  das  auch  für  Wagen- 
rennen undReiterübungengenügendPlatz  biete, 
ungeachtet  der  großen  Menge  derer,  die  sich 
im  Ball-  und  Reifenspiel  und  im  Ringkampf 
übten,  vgl.  Jordan-Hülsen  Topogr.  d.  St.  Rom 
I  3,  499.  Richter  Topogr.  d.  St.  Rom  -  222  f. 
Als  Stätte  der  gymnastischen  Uebungen  wird 
es.  meist  schlechtweg  als  camptcs  oder  als 
Tiberufer,  oft  erwähnt,  z.  B.  Hör.  carm.  I  8, 4; 
1117,26;  sat.  16, 126;  116,49.  Mart.V20.9. 
luv.  1, 19.  Stat.  silv.  V  2, 113.  Auch  die  militäri- 
schen Uebungen  fanden  dort  statt,  Veget.  I  10; 
daher  hießen  die  Exerziermeister  campi  docto- 
res,  Veget. 1 13;  II  23;  III  6;  ebd.  8;  ebd.  26. 
Lampr.  AI.  Sev.  53,  9:  auch  auf  Inschr.,  CIL 
VI  533;  2658;  2697;  vgl.  II  4083  (wo  Mommsen 
praep.  simul  et  campi  als  praepos.  equitum 
simul  et  campi  doctor  eorum  erklärt)  und 
Beurlier  Melanges  Graux  297  ff. 

8)  Daß  Plut.  Cat.  mai.  20  ausdrücklich  er- 
wähnt, daß  Cato  beim  Unterricht  seiner  Söhne 
selbst  den  yv^vaarrjg  machte,  beweist,  daß 
schon  damals  eigene  Lehrer  dafür  da  waren. 
Aus  späterer  Zeit  vgl.  Mart.  VII  67,  8. 

9)  Plin.  paneg.  13:  postquam  exercitatio- 
nibus  nostris  non  veteranorum  aliquis,  cui  dc- 
cus  muralis  aut  civica,  sed  graeculus  magister 
adsistit,  was  sich  allerdings  zunächst  auf  die 
Exerzier  Übungen  der  Soldaten  bezieht;  vgl. 
Grasberger  III  146. 

10)  Macr.  III  14,  4:  inter  duo  bella  Punica 
ingenui,  quid  dicam  ingenui,  filii  Senator n  tu 
in  ludum  saltatorium  commeabant  et  illic  cro- 
tala  gestantes  sultare  discebant. 


Zweiter  Abschnitt.    Erziehung  und  Unterricht  der  Knaben. 


331 


Anlässen  Knaben  und  Jünglinge  mit  den  Mädchen  die  feierlichen  Reigen- 
tänze aufführen  konnten !). 

Den  Abschluß  der  höheren  Bildung  brachte  die  Schule  des  Rhetors2); 
doch  wird  man  annehmen  dürfen,  daß  es  verhältnismäßig  nur  ein  kleiner 
Bruchteil  war,  der  nach  der  Schule  des  Elementarlehrers  und  des  Grammatikers 
noch  die  des  Rhetors  besuchte3),  und  damit  mag  es  zusammenhängen,  daß 
nicht  selten  auch  später  noch,  als  die  anfangs  verpönten  Rhetorenschulen 
allgemein  geworden  waren,  der  grammaticus,  wie  es  vor  deren  Aufkommen 
üblich  gewesen  war,  auch  noch  Unterricht  in  der  Rhetorik  gab  und  ebenso 
zu  schriftlichen  Arbeiten  wie  zu  Redeübungen  anleitete4).  Bis  zum  Ausgang 
des  2.  Jahrhunderts  n.  Chr.  gab  es  aber  in  Rom  für  einen  jungen  Mann, 
der  sich  zum  Staatsmann  oder  Juristen  ausbilden  wollte,  noch  keine  andere 
Vorbildung;  damals  führten  die  Väter  oder  angesehene  ältere  Freunde  den 
Jüngling  in  diese  praktische  Tätigkeit  ein5),  und  das  Reden  galt  noch  nicht  als 
eine  Kunst,  die  gelehrt  werden  müsse.  Die  Rhetorik  als  Kunst  der  Rede  kam 
den  Römern  von  den  Griechen  zu;  im  Anfang  des  ersten  Jahrhunderts  v.  Chr. 
machten  verschiedene  römische  Rhetoren  den  Versuch,  Schulen  zu  begründen, 
in  denen  nach  griechischem  Muster  lateinische  Beredsamkeit  gelehrt  wurde6). 
Allein  während  man  gegen  die  griechischen  Rhetoren  keine  Bedenken  gehabt 
hatte,  weil  man  bei  ihnen  außer  der  Übung  in  der  fremden  Sprache  doch 
auch  höhere  Bildung  und  Kenntnisse  erwarb  7),  warf  man  den  lateinischen 
Rhetoren  vor,  sie  beförderten  nur  die  Unverschämtheit  und  lehrten  bloß  ein 
freches  Auftreten8),  weshalb  die  Censoren  Crassus  und  Domitius  im  Jahre  92 
v.  Chr.  die  lateinischen  Rhetorenschulen  aufhoben9),  was  freilich  nur  eine 
ganz  vorübergehende  Maßregel   gewesen   zu   sein  scheint10),   obschon   das 


J)  Ebd.  7  ist  eine  Aeußerung  des  Jüngern 
Scipio  mitgeteilt,  daß  er  mit  Entrüstung  in  einer 
solchen  Tanzschule  unter  andern  Knaben  einen 
puer  bullatus  gefunden  habe,  der  mit  Krotalen 
tan/.te:  quam  saltationem  impudicus  servulns 
koneste  saltare  non  posset.  Dagegen  Tänze  an 
den  ludi  saeculares,  s.  Plin.  VII  159. 

2)  Vgl.  Wittich  De  rhetoribus  Latinis  eo- 
rumque  scholis,  Eisenach  1853.  Grasberger 
III  35 3  ff.  Bernhardy  Rom.  Litteraturgesch. 
85  ff.;  297  ff.  Sievers  Libanius  16  ff.  Fried- 
Länder  Sittengesch.  III343ff.  Hauptquelle  über 
den  Unterricht  in  der  Rhetorik  ist  Quintilians 
Institutio  oratoria;  zu  vgl.  Volkmann  Die  Rhe- 
torik d.  Gr.  u.  Römer2.  Leipzig  1885. 

3)  Suet.  de  gr. 4 :  audiebam  etiam,  memoria 
patrum  quosdam  e  grammatici  statim  ludo 
transisse  in  forum  atque  in  numerum  praestan- 
Hssimorum  patronorum  receptos.  Daß  dies  als 
Ausnahme  registriert  wird,  kommt  daher,  daß 
von  Juristen  und  Staatsmännern  die  Rede  ist. 

4)  Ebd.:  reteres  grammatici  et  rhetoricam 
docebant.  secundam  quam  consuetudinem  poste- 
riores quoque  existimo,  quamquam  iam  discretis 
professionibus,  nihilominus  vel  retinuisse  vel 
i 'nsfif aisse  et  ipsos  quaedam  genera  instituti- 
onum  ad  eloquentiam  praeparandam,  ut  pro- 
HematafparaphrasisfallocHtiones,ethologiasat- 
gue  alia  hocgenns,  ne  scilicet  sicci  omnino  atque 
arid  i  puer  i  rhetoribus  traderentur.    Beispiele 


solcher  Grammatiker  ebd.  7  u.  10.  Quint.  111,2. 

5)  Vgl.  Tac.  de  or.  34.  Gell.  1 23, 4:  mos  ante», 
seuatoribus  Romae  fuit,  in  curiam  cum  prae- 
te.rt litis  fi/iis   inire. 

6)  Sen.contr.IIp.ll6,18Bu.  Cic.  bei  Suet. 
deihet.2.  Quint.  114,42; vgl. Brzoska bei P-W. 
III 557 u  2008.  Alserster,  dereinesolcheSchule 
in  Rom  einrichtete,  wird  Plotius  Gallus  bezeich- 
net; wenn  aber  dies  von  Hieronym.  bei  Euseb. 
chron.  a.  1929  ins  Jahr  88  v.  Chr.  versetzt  wird, 
so  widerspricht  das  ebenso  der  Tatsache,  daß 
schon  i.  J.  92  die  lateinischen  Rhetorenschulen 
verboten  wurden,  wie  der  Bemerkung  des  Cicero 
a.a.O.:  equidem  memoria  teneo,  piteris  nohis 
primutn  Laune  docere  coepisse  Plotium  guen- 
(1  ii m.  Denn  i.J.  88  war  Cicero  schon  18  Jahre  alt. 

7)  Allerdings  war  i.J.  161  ein  Verbot  gegen 
philosoph i  und  rhetores  ergangen  (Gell.  XV  11, 
1),  das  sich  nur  auf  griechische  beziehen  kann; 
es  kam  aber  nie  zur  strengen  Durchführung. 

b)  Cic.  de  or.  11124,93,  wo  diese  Aeuße- 
rungen  dem  Censor  Crassus  in  den  Mund  ge- 
legt sind;  wiederholt  weiden  diese  Vorwürfe 
noch  bei  Tac.  de  or.  35. 

9)  Gell.  XV  11,2.  Suet.derhet.  1.  Cic.  und 
Tac.  a.a.O.  Gell,  a  a.  0.  2. 

10)  Vielleicht  bedeutet  das  oben  angeführte 
Jahr  88  die  Wiedereröffnung  der  Schule  des 
Plotius.  Die  Schule  des  VoltaciliusPlotus  wurde 
nach  Hieron.  ann.  1936  i.  J.  81  eröffnet. 


332 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 


Vorurteil  gegen  die  lateinischen  Rhetoren,  das  sicherlich  nicht  unbegründet 
war1),  fortbestand2). 

Das  Alter,  in  dem  der  Unterricht  des  Rhetors  (bisweilen  auch  sophista 
genannt3))  einsetzte,  war  kein  feststehendes;  meist  waren  es  reifere  Knaben4), 
die  damit  begannen,  doch  hing  dabei  sehr  viel  von  Fleifä  und  Begabung  ab5); 
dadurch,  daß,  wie  oben  erwähnt,  häufig  der  grammaticvs  in  das  Gebiet  des 
Rhetors  übergriff,  wurde  der  Anfang  des  Unterrichts  nicht  selten  weiter  hinaus- 
gerückt6). Daher  kam  es  wohl  oft  vor,  daß  Jünglinge,  die  bereits  die  toga 
virilis  angelegt  hatten,  in  die  Rhetorenschule  gingen 7).  Der  eigentliche  Zweck 
des  Unterrichts  war  die  Ausbildung  in  der  Beredsamkeit;  daher  waren  der 
Ausgangspunkt  der  Studien,  wie  in  der  Schule  des#Grammatikers  die  Dichter, 
so  in  der  des  Rhetors  die  Prosaiker,  und  zwar  dienten  zur  Lektüre  vor- 
nehmlich die  Redner  und  Geschichtschreiber8).  Auch  da  spielte  bei  der 
Wahl  der  Autoren  die  gerade  herrschende  litterarische  Richtung  eine  wichtige 
Rolle,  wie  es  bei  der  Wahl  der  Dichter  in  der  Schule  des  grammaticus  der 
Fall  war.  Während  Quintilian  für  Anfänger  Livius  und  Cicero,  für  Fort- 
geschrittenere Sallust  empfiehlt,  vor  Gracchus  und  Cato  aber  warnt9),  wurden 
eben  diese  letzteren  von  Fronto  in  erste  Linie  gesetzt10);  immerhin  blieb 
Cicero  auch  zu  der  Zeit,  wo  die  Altertümelei  in  der  Litteratur  Mode  war,  in 
hoher  Wertschätzung11).  Die  eigentliche  Unterweisung  bestand  in  mündlichen 
und  schriftlichen  Übungen,  die  von  leichteren  zu  schwereren  Aufgaben  fort- 
schritten.  Den  Anfang  machte  gewöhnlich  die  narratio,  d.  h.  die  schriftliche 
Erzählung  historischer  Ereignisse12),  womit  Untersuchungen  über  die  Wahr- 
scheinlichkeit irgendeiner  Überlieferung  verbunden  wurden  13).  Dann  folgten 
schwerere  Aufgaben:  Lob  berühmter,  Tadel  schlechter  Persönlichkeiten14), 


')  Den  Plotius  nannte  M.  Coelius  in  einer 
Rede  ordearlum  rhetorem,  deridens  ut  infatum 
ac  levem  et  sordidum,  Suet.  rhet.  2.  Als  Cicero 
ihn  gern  gehört  hätte,  riet  man  ihm  ab,  weil 
der  Geist  durch  griechische  Uebungen  mehr 
gefördert  werde,  ebd. ;  und  erhielt  auch  noch  bis 
zu  seiner  Prätur  (66)  griechische  Redeübungen, 
ebd. 1. 

-)  Man  vgl.  die  Bemerkung  desTac.  de  or. 
35 :  sed  ut  dicere  instltueram,  deducuntur  (adu- 
lescentuli  nostri)  in  scholas,  in  quibus  non  facile 
dixerim  utrumne  locus  ipse  an  condiscipull  an 
genus  studiorum  plus  mall  ingenüs  adferant. 

3)Iuv.7,167.Quint.XI3,126;imEd.Diocl. 
7,71  orator  sive  sofista.  Im  Cod.  Theod.XIV 
9.  3, 1  heißen  die  römischen  Rhetoren  oratores, 
die  griechischen  sophistae.  Ein  rhetor  eloquii 
LattniGILVl  33904. 

4)  Vgl.Pers.3,44ff.  luv.  7,  213.  Plin.ep. 
IV  13,3;  ein  15 jähriger  studiosus  eloquentiae 
auf  einer  Inschrift,  CIL  VI  2188.  so  auch  noch 
später,  Auson.profess.  17, 10;  Mosella  403. 

&)  Quintil.  II  1  behandelt  ausführlich  die 
Frage;  quando  rhetori  tradendus  slt  puer,  und 
betont  §  7  nachdrücklich :  non  id  aestimandum, 
cuitts  quiaque  sit  aetatis,  sed  quantum  in  studiis 
tarn  effecerit. 

B)  Hierüber  klagt  Quint.  a.  a.  0.  1 :  tenuit 
COmuetudo,  quae  cotidie  magis  invalescit,   ut 


praeceptoribus  eloquentiae,  Latinis  quidem  sem- 
per  sed  etiam  Graecis  interim,  discipuli  seriul 
(/i(a»i  ratio  postnlat  traderentur,  und  er  führt 
unter  anderen  Gründen  namentlich  den  obigen 
an,  ebd.  2  u.  8  ff. 

7)  Tac.  de  or.  35  unterscheidet  bei  den  Schü- 
lern des  Rhetors  pueri  und  adulescentuli.  Von 
iucenes  als  Schülern  der  Rhetoren  ist  Tac.  ann. 
XV  71.  Gell.  XIX  9,  2  die  Rede;  vgl.  Auson. 
idyll.  4,  73.  Zusammenstellung  von  Altersan- 
gaben aus  der  spätem  Kaiserzeit  bei  Sievers 
Libanius  20. 

s)  Quint.  11  5  handelt  de  lectione  oratontm 
et  historicorum  apud  rhetorem. 
M)  Ebd.  §18 ff. 

10)  Fronto  ad  M.  Caes.  II  13  p.36  (Nab.); 
III 18 p.  56  u.  s.;  vgl.  Teuffel  Rom.  Liter. * 893 II. 

n)  Gell.X  3,  der  sich  darüber  ereifert,  daß 
manche  den  C.  Gracchus  dem  Cicero  vorzogen. 

lj)  Quint.  II  1, 8;  4, 1  ff.  Suet.  rhet,  1 :  nar- 
rationes  cum  breviter  ac  pressius  tum  latius 
et  uberius  explicare.  Die  narratio  eines  Mythus, 
die  Inhaltsangabe  einer  Komödie  u  dgl  fiel 
noch  dem  grammaticus  zu,  Quint.  114,  2. 

ia)  Beispiele  Quint.  ebd.  18 ff. 

,4)  Laudare  claros  virus  et  vituperare  itm 
probos,  wozu  auch  die  Uebuny;  der  comparatio 
kam,  Quint.  ebd.  20 ff.:  vgl  II  1,  9;  lll  7:  de 
laude  et  vituperatione.    Suet.  rhet.  1. 


Zweiter  Abschnitt.   Erziehung  und  Unterricht  der  Knaben.  333 

ferner  die  sogenannten  communes  loci,  d.  h.  kleinere  Abhandlungen  über  Laster, 
Verkehrtheiten  u.  dgl.1),  oder  sogenannte  theses,  Vergleichungen  aus  dem  täg- 
lichen Leben  (zum  Beispiel  über  Land-  und  Staatsleben,  über  verschiedene 
Berufsarten) 2),  Untersuchungen  über  gewisse  Gebräuche,  mythologische  Vor- 
stellungen usw.3).  Hingegen  wünscht  Quintilian,  daü  Lob  oder  Tadel  von 
Gesetzen  erst  den  vorgerückteren  Schülern  als  Aufgabe  gestellt  werde4). 

Wenn  von  diesen  Aufgaben  manche  nicht  bloß  schriftlich  ausgearbeitet, 
sondern  auch  als  Deklamationen  vorgetragen  werden  mochten,  so  machten 
doch  den  Hauptgegenstand  der  letzteren  die  sogenannten  Suasorien  und 
Kontroversen  aus,  von  denen  sich  zahlreiche  Proben  vom  Rhetor  Seneca 
erhalten  haben.  Die  suasoriae  (sc.  declamationes)b)  waren  Monologe,  in  denen 
Personen  der  Sage  oder  der  Geschichte  mit  sich  selbst  über  einen  wichtigen 
Entschiuli  zu  Rate  gingen  und  die  Gründe  für  und  wider  gegeneinander 
abwogen,  zum  Beispiel:  Agamemnon  überlegt,  ob  er  Iphigenie  opfern  solle; 
Hannibal  überlegt,  ob  er  seine  Truppen  gegen  Rom  führen  solle;  Catos 
Monolog  vor  seinem  Selbstmord6).  Diese  Übungen  fielen,  als  die  leichteren, 
in  der  Regel  den  jüngeren  Schülern  zu,  dagegen  die  schwierigeren  contro- 
Wtrsiae,  d.  h.  Streitfragen,  bei  denen  zwei  Schüler  einander  gegenübertraten, 
der  eine  als  Ankläger,  der  andere  als  Verteidiger,  den  fortgeschritteneren7). 
Allein  während  man  anfänglich  dazu  historische  Vorgänge  wählte,  aus  älterer 
oder  jüngerer  Zeit8),  fielen  solche  Themata  zwar  später  auch  nicht  völlig 
fort,  aber  es  wurde  mehr  und  mehr  üblich,  rein  erdichtete  Fälle  zum  Aus- 
gangspunkt zu  machen,  und  zwar  nicht  bloß  immer  solche,  die  jederzeit  sich 
ereignen  konnten,  was  einsichtsvolle  Lehrer  fordern9),  sondern  gerade  mit 
Vorliebe  die  allerabenteuerlichsten,  unwahrscheinlichsten,  wenn  sie  nur  zu 
pikanten  oder  effektvollen  Darlegungen  Gelegenheit  boten,  zumal  Motive 
des  Ehebruchs,  Vatermorde,  Familiengreuel  jeder  Art,  Räubergeschichten 
u.  dgl.10);  besonders  aber  war  Tyrannenmord  ein  beliebtes  Thema,  wunder- 
licherweise gerade  zu  der  Zeit,  da  die  Cäsaren  das  schlimmste  Beispiel 
von  Tyrannenherrschaft  gaben,  nur  daß  freilich  bei  diesen  Deklamationen 
nicht  mit  der  Gegenwart  exemplifiziert  wurde11).  Für  die  praktische  ge- 
richtliche  Beredsamkeit  —   eine   politische   war   in  jenen   Zeiten   ohnehin 


Quint.  II  4,  22ff.  ex  historia  trdhebemtHr,  stettt  sane  nonmtUae 


*)  Ebd.  24 ff. ;  Suet.a.a  O.t  quaedametiam 
ad  usum  communis  vitae  instituta  tum  utilia 
et  necessaria,  tum  perniciosa  et  supervacanea 

osfttnlere. 

3)  Quint.  ebd.  26,  mit  Beispielen. 

4)  Ebd.  33. 

'")  Der  Name  findet  sich  zuerst  beim  Rhetor 
Seneca;  Cicero  nennt  die  Empfehlungsreden 
suasiones,  /..  15.  de  or.  II  81,  333;  orat.  11,  37. 
Quintil.  nennt  jede  beratende  Rede  suasoria, 
s.  Volkmann  Rhetorik  294. 

6J  Pers.  3.  44;  Quint.  III  8,  53.  luv.  1,16; 


usque  adhttC/  tuä  ex  veritate  <ic  re,  ei  qua  re- 
cens  (ireidisset;  er  fuhrt  zwei  Beispiele  der 
letztem  Art  an,  juristische  Streitfälle,  die  sich 
wirklich  ereignet  hatten. 

9)  Quint.  II  10,4  verlangt:    sini  et  ipatte 
moteriae,  qttae  fingentur,  quin»  aimUUnuu 
tatis;  vgl  V  12,  17  ff. 

I0)  Tac.  a.a.O.:  qualee,  perfidem,  et  quam 
vnci'edibüiter  compositae!  Zahlreiche  Beispiele 
aus  den  Kontroversen  des  Seneca  und  den  De  k  1  a 
mationen  Quintilians  bei  Friedländer  347 ff. ; 
vgl.  auch  Petron.  1.  luv.  7.  169  ff. 


7,161;zahlreicheBeispieleinSenecasSuasorien.  M)  Daf3  freilich  manchmal  auch  die  rein 

Tac.  de  or.  35 :  ex  ///>■  suasoriae  quidem ,       theoretischen  Tiraden  gegen  die  Tyrannen  den 


tamquam  plane  leviores  et  minus  prudentiae 
exigentes,  pueris  delegantur,  controversiae  ro- 
bustioribus  adsignantur. 

8)  Suet.  rhet.  1 :  veteres  controversiae  aut 


Rhetoren  Verbannung  und  selbst  Tod  bringen 
konnten,  zeigen  die  Beispiele  Dio  Cass.  LIX 
20.  6  (vom  J.  39  n.  Chr.)  und  ebd.  LXVII  12,5 
(vom  J.  91). 


334 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 


ausgeschlossen  —  nützten  solche  Übungen  mit  ihren  einer  unwirklichen 
Welt  entnommenen  Themen  begreiflicherweise  gar  nichts1);  dagegen  ver- 
führten sie  zu  schwülstiger  Redeweise,  zu  hohlen  Tiraden  und  öder  Phrasen- 
drescherei und  zu  übertrieben  pathetischem,  durch  affektiertes  Wesen  und 
gezierte  Sprache  doppelt  unleidlichem  Vortrag2).  Und  diese  in  der  Schule 
erlernten  und  geübten  Vorträge  wurden  dann  auch  öffentlich  vor  geladenem 
Publikum  produziert,  und  da  törichte  Eltern  noch  auf  diese  Leistungen  ihrer 
Söhne  stolz  waren,  so  mußten  die  Lehrer  wohl  oder  übel,  wollten  sie  zahl- 
reiche Schüler  haben,  diesen  Unsinn  mitmachen 3).  Berühmte  Rhetoren  hatten 
denn  auch  starken  Zulauf  und  oft  sehr  erhebliche  Einnahmen4),  wie  denn 
auch  ihre  soziale  Stellung  eine  angesehenere  war,  als  die  der  Grammatiker5); 
allein  wenn  sie  auch  ein  höheres  Honorar,  als  diese,  bezogen6),  so  war  doch 
die  Konkurrenz  sehr  groß,  was  auf  die  Preise  drückte7),  und  überdies  war 
auch  hier  die  Klage  häufig,  daß  die  Schüler  die  Bezahlung  des  Schulgeldes 
verzögerten  oder  ganz  verweigerten 8).  Besser  war  die  Lage  der  vom  Staate 
angestellten  und  besoldeten  ßhetoren;  denn  während  die  Elementar-  und  die 
Grammatikerschule  immer  Privatunternehmen  blieben,  wurden  im  1.  Jahr- 
hundert n.  Chr.  in  Rom 9)  und  seit  dem  2.  Jahrhundert  auch  außerhalb  Roms, 
selbst  in  kleineren  Städten10),  Professoren  der  lateinischen  und  griechischen 
Beredsamkeit  vom  Staat  oder  von  den  Gemeinden  angestellt  und  teilweise 
recht  hoch  bezahlt11). 


')  Tac.  a.  a.  0.:  sie  fit  ut  tyrannicidaruni 
praemia  aut  vitiatarum  electiones  aut  pesti- 
lentiae  remedia  aut  incesta  matrum  aut  quid- 
quid  in  schola  quotidie  agitur,  in  foro  vel  raro 
vel  nunquam,  ingentibus  verbis  persequantur. 

2)  Man  vgl.  die  Schilderung  des  Auftretens 
eines  Vorlesers  (die  darin  der  damaligen  Vor- 
tragsmode folgten)  bei  Pers.  I  15  ff.  u.  98,  mit 
den  Anm.  von  Jahn;  dagegen  die  Vorschriften 
de  pronuntiatione  bei  Quint.  XI  3,  besonders 
§14  ff. 

3)  Petron.  3,  2 :  nihil  nimirum  in  his  exer- 
cüutionibus  doctores  peccant,  qui  necesse  ha- 
bent  cum  insanientibus  furere;  ebd.  4, 1 :  pa- 
rentes  obiurgatione  dign-i  sunt,  qui  nolunt  li- 
beros  suos  severa  lege  proficere.  Quint.  II 4, 16 : 
hinc  parentium  inperitorum  inane  gaudium. 

4)  Vgl.  Fkiedländer  a.  a.  0. 1  287. 

5)  Vor  Augustus  waren  nur  Freigelassene 
Lehrer  der  Rhetorik  gewesen,  dann  wählten 
selbst  römische  Ritter  diesen  Beruf,  Sen.  con- 
trov.  II  prooem.;  daß  Rhetoren  hohe  Aemter 
bekleideten,  war  später  nicht  selten,  S.  FRIED- 
LÄNDER  289. 

6)  Iuv.7,186  nennt  2000 Sesterzen  (435 M.) 
als  ein  hohes  Rhetorenhonorar;  daß  die  rhe- 
thoris  aera  höher  sind,  als  die  des  gramma- 
ticus,  sagt  er  ebd.  216  ff.  Im  Ed.  Diocl.  7,  71 
wird  das  Honorar  des  orator  sive  sofista  für 
Schüler  und  Monat  auf  250  Denare  normiert 
(4,75  M.),  um  50  Denare  höher  als  das  des 
grammaticus,  allerdings  erheblich  niedriger 
als  Iuvenals  Angabe;  es  sind  hier  wohl  Pro- 
vinzialverhältnisse,  die  bei  den  hauptstädti- 
schen Rhetoren  nicht  in  Betracht  kommen. 


Im  Cod.  Theod.  de  med.  et  prof.  111  ist  das 
Gehalt  der  Rhetoren  noch  einmal  so  hoch, 
als  das  der  Grammatiker. 

7)  luv.  7,  165  ff.,  Tac.  de  or.  29  sagt  von 
den  Lehrern:  colligunt  diseipulos  non  severitate 
discipUnae  nee  ingenti  experimento,  sed  anibi- 
tione  salutationum  et  inlecebris  adulationis. 
Die  traurige  Lage  der  Rhetoren  schildert  an- 
schaulich luv.  7.  215  ff. ;  und  in  späterer  Zeit 
führt  Augustin.  conf.  V  8,  14  Klage  über  die 
Zuchtlosigkeit  der  in  Karthago  studierenden 
Jünglinge. 

8)  luv.7, 157  ff.:  daher  ebd.  203:  paenituii 
multos  vanae  sterilisque  cathedrae,  welchen 
Ausdruck  Auson.  prof.  10,20  wiederholt.  Man 
vgl.  die  Bemerkungen  bei  Augustin.  conf.V  12, 
22  und  Sievers  Libanius  38  ff. 

9)  Vespasian  war  es,  der  den  ersten  Lehr- 
stuhl für  Rhetorik  errichtete,  Quintilian  dessen 
erster  Inhaber,  luv.  7,  186.  Hieron.  ann.  2104 
(88  n.  Chr.),  welcher  Ansatz  aber  zu  spät  ist; 
vgl.  Suet.  Vesp.  18 :  primus  e  fisco  Latinis  Grae- 
cisque  rhetoribus  annua  centena  constituit.  Zo- 
aar.  XI 17.  Noch  weiter  dehnte  Hadrian  die  Be- 
günstigung der  Rhetoren  aus,  Spart.  Hadr.  16,8. 

10)  Plin.  ep.  IV  13.  Capitol.  Anton.  Pius  11. 
3.  In  Gallien  gab  es  schon  zur  Zeit  Strabos 
öffentlich  angestellte  Lehrer  der  Beredsamkeit 
Strab.IVISl;  für  später  vgl.  des  Ausonius  Com 
memoratio  professorum  Burdigalensium;  an 
deres  bei  Sievers  Libanius  18. 

n)  Nach  Suet.  a.  a.  O.  betrug  der  Gehall 
in  Rom  100000  Sesterzen.  Von  hohem  Gehali 
spricht  Luc.  apol.  15;  Auson.  prof.  17.  10  vor 
der  grandis  merces  docendi. 


Zweiter  Abschnitt.   Erziehung  und  Unterricht  der  Knaben. 


:;:;:, 


Neben  dem  Unterricht  in  der  lateinischen  Rhetorik  wurde  auch  der  in 
der  griechischen,  der,  wie  oben  erwähnt,  früher  der  einzige  gewesen  war. 
noch  fortgesetzt,  zumal  sich  die  griechische  Bildung  immer  mehr  erweitert 
und  auch  den  Westen  des  Reiches  erobert  hatte;  Lehrer  der  griechischen 
Rhetorik  waren  seit  Vespasian  ebenso  vom  Staate  besoldet,  wie  die  der 
lateinischen1).  In  ihrem  Unterricht  spielten  die  Kontroversen  mit  ihren 
abenteuerlichen  oder  sentimentalen  Themen  auch  eine  wichtige  Rolle2),  doch 
wurden,  da  es  den  griechischen  Lehrern  mehr  auf  die  schöne  Form  als  auf 
gewandte  Dialektik  ankam,  die  Suasorie  und  die  Prunkrede  (emöei^iq)  mehr 
in  den  Vordergrund  gestellt3).  Doch  machte  sich  mit  der  Zeit  gegen  die 
griechische  Bildung  auch  Opposition  geltend4),  und  in  der  spätem  Kaiserzeit 
waren  diese  Studien  sehr  zurückgegangen5). 

Die  im  Vorhergehenden  geschilderte  Erziehung  war  in  der  Regel  mit 
dem  vollendeten  17.  Lebensjahre  abgeschlossen,  denn  mit  diesem  Termin  trat 
der  junge  Mann  ins  öffentliche  Leben  ein  und  begann  für  ihn,  wenigstens 
in  der  älteren  Zeit,  die  Verpflichtung  zum  Kriegsdienst6).  Noch  im  2.  Jahr- 
hundert v.  Chr.  trat  der  Jüngling  auf  diesen  Zeitpunkt  direkt  aus  der  häus- 
lichen Erziehung  in  das  Heer  ein 7).  Aber  in  der  Regel  erfolgte  schon  vorher 
der  die  körperliche  Reife  (pubertai)  bezeichnende  feierliche  Akt,  der  durch 
die  Anlegung  der  toga  virilis  äußerlich  gekennzeichnet  wurde 8).  Allerdings 
scheint  hierfür  kein  bestimmter  Termin  vorgesehen  gewesen  zu  sein,  nur 
daß,  da  der  Akt  gewisse  rechtliche  Folgen  hatte9),  das  vollendete  14.  Lebens- 
jahr als  untere  Altersgrenze  festgesetzt  war 10).  Sonst  aber  hing  diese  Reife- 
erklärung wohl  von  äußern  Umständen,  besonders  von  der  körperlichen  und 
geistigen  Reife  des  Knaben  ab,  und  es  stand  daher  die  Festsetzung  des 
Termins  im  Belieben  des  Vaters  oder  Vormundes11).  Daß  demnach  dieser 
Termin  sehr  wechselnd  war,  liegt  in  der  Natur  der  Sache;  immerhin  ergibt 
eine  Zusammenstellung   der  uns  überlieferten  Daten12),   daß,  mit  wenigen 


')  Suet.  a.  a.  0.  Inschriftl.  Erwähnung  des 
rhetor  Graecus  CIL  II  1738;  rhetor  LatinusYl 
33904;  sonst  rhetor  1112127a;  VI  9857:  XI 
6342;  XIV  4201  u  s. 

*)  Beispiele Philostr.v  soph.H4,2p.246K. 
Luc.  de  salt.  65. 

3)  Vgl.  Friedländer  a.  a.  0.  III  349. 

4)  Zwar  wurde  M.Aurel  noch  durch  latei- 
nische und  griechische  Rhetoren  unterrichtet, 
Capit.M.  Ant.phil.2,4;  aber  sein  Lehrer  Fi  onto 
war  ein  Gegner  der  griechischen  Sprachstudien 
und  warnte  seinen  Schüler  davor,  s.  Front,  epist. 
Graec.  6  p.  252  (Nab.) 

5)  Auson.  prof.  8, 6  spricht  mit  Bezug  dar- 
auf von  fructus  exilis  tenuisque  sermo;  ebd. 
14:  neque  disciplinis  adpulit  Graecis  pueri* 
Us  aevi  noxius  error.  Vgl.  Bernhardy  Rom. 
Litter.  88  f. 

6)  Die  Ansichten  über  diesen  Termin  gehen 
freilich  insofern  etwas  auseinander,  als  Becker 
Handb.  d.  röm.Altert.  II  1,215  denBeginn  des  17. 
Lebensjahres  annahm.  Mommsen  Rom.  Gesch.  1 
35  das  laufende,  Marquardt  123  (und  ihm  fol- 
gend Becker-Göll  II 108,  Ussing  150)  das  voll- 
endete 17.  Lebensjahr.  Daß  letztere  Ansicht  die 


richtige  ist,  zeigt  die  bei  Gell.  X  28, 1  überlieferte 
Bestimmungderservianischen  Verfassung,  daß 
die  unter  17  Jahren  pueri  sind,  die  zum  Kriegs- 
dienst verpflichteten  von  1 7- 46  Jahren  iuniores, 
die  darüber  hinaus  seniores;  ferner  der  Um- 
stand, daß  der  Praetor  iirbaiius  erst  von  sol- 
chen, die  das  17.  Jahr  vollendet  hatten,  eine 
Klage  annahm,  Üigg.  III  1,1,3;  vgl.  I  7,  40. 1 ; 
XLII 1, 57.  Instit.  111,4.  Liv.  XXII 57, 9 ;  XXV 
5,8. 

7)  Plut.  C.  Gracch.  5;  Cat.  mai.  1. 

8)  Die  umfangreiche,  großenteils  juristi- 
sche Litteratur  über  diesen  Akt  verzeichnet 
Marquardt  124  A.  3. 

9)  Der  puber  steht  zwar  noch  immer  unter 
derjyatria  potestas,  darf  aber  Schulden  machen 
und  heiraten ;  wenn  er  vaterlos  ist  und  unter 
Vormundschaft  steht,  wird  er  mündig  und  darf 
über  sein  Vermögen  verfügen  und  testieren; 
Belegstellen  s.  Marquardt  127  A.  1 — 7. 

10)  Ebd.  A.  8. 

11)  Ebd.  128  A.  1—3. 

12)  Eine  solche  gibt  Marquardt  128  ff.,  auf 
dessen  Untersuchungen  das  oben  gegebene  Re- 
sultat beruht. 


336 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 


Ausnahmen x),  die  Annahme  der  toga  virilis  in  der  Kaiserzeit,  aus  der  unsere 
meisten  Nachrichten  herrühren,  im  15.  und  16.  Lebensjahr  erfolgte.  Wie 
früher  erwähnt,  hatte  der  Knabe  bis  dahin  die  toga  praetexta  getragen  (siehe 
oben  S.  2 2 1 ) a) ;  am  Feste  der  Liberalia  (17.  März)3),  das  man  gern  zu  diesem 
religiösen  Akte  wählte4),  doch  auch  an  irgendeinem  beliebigen  andern  Tage5), 
fand  die  feierliche  Handlung  statt,  die  folgenden  Verlauf  nahm.  Der  Knabe, 
der,  als  bisher  die  Kinderkleidung,  noch  nicht  das  Ehrengewand  des  Römers 
tragend,  investis  war6),  legte  vor  dem  Hausaltar  der  Laren7)  die  Knaben- 
tracht, d.  h.  die  purpurverbrämte  Toga  und  die  bulla  (siehe  oben  S.  306),  ab 
(daher  praetextam  ponere  den  Austritt  aus  dem  Knabenalter  bedeutet8))  und 
kleidete  sich  mit  der  schmucklos  weißen  Männertoga,  der  toga  pura*),  daher 
auch  toga  virilis10)  oder  libera  genannt11),  womit  er  an  diesem  Tage  vesticeps 
ist12);  dazu  kam  als  Unterkleid  die  tunica  recta,  die  auch  Brauttracht  war13). 
Die  bulla  wurde  am  Altar  der  Laren  als  Weihgabe  aufgehängt14)  und  diesen, 
wie  es  scheint,  auch  ein  Opfer  gebracht15).  Sodann  geleiteten  Eltern,  Ver- 
wandte und  Freunde16)  den  jungen  Mann  auf  das  Forum17),  und  es  wurde 


')  Sie  betreffen  vornehmlich  Mitglieder 
des  Kaiserhauses,  bei  denen  Anlegung  der 
toga  virilis  auch  im  Alter  von  17 — 19  Jahren 
vorkommt  (Caligula  im  19.  Jahre,  Suet.Cal.  10; 
Tib.  Caesar,  Sohn  des  jüngeren  Drusus,  im  18., 
ebd.  15).  Ebenso  ist  es  Ausnahme,  wenn  Nero 
noch  vor  zurückgelegtem  14.  Jahre  die  toga 
virilis  erhielt,  Tac.  ann.  XII 41. 

2)  Sie  heißt  daher  auch  puevilis  toga,  Gell. 
XVIII  4,  1. 

3)  Es  führte  seinen  Namen  nach  den  Göt- 
tern Liber  und  Libera,  denen  es  galt,  Wissowa 
Relig.  u.  Kult.  d.  Rom.  243  ff.  Die  von  Ov.  fast. 
III 777  gegebene  Erklärung,  daß  Liber  der  Gott 
der  Freiheit  sei.  ist  wohl  nur  späterer  Deu- 
tungsversuch. Rossbach  Rom.  Ehe  409  meint, 
da  Liber  der  Gott  der  Zeugungskraft  sei,  wür- 
den die  Jünglinge  dadurch  für puberes  erklärt; 
Samter  Familienfeste  77  denkt  an  Sühnopfer 
an  unterirdische  Gottheiten,  zu  denen  auch 
Liber  gehört. 

4)  Ov.  fast.  III  771  ff.  Cic.  ad  Att.VI  1, 12. 

5)  Beispiele  solcher  bei  Marquardt  124 
A.  2. 

6)  Doch  findet  sich  diese  Bezeichnung  erst 
spät.  Macrob.  1118,7  (von  pueri  und  puellae). 
Apul.met.V28;apol.98.  Pallad.  VIII 7,  wo  der 
Begriff  des  impubes  darin  liegt,  ebenso  XI  14, 
16.  Tertull.  de  anim.  56.  Non.  45.  23  erklärt 
die  investes  zwar  als  impuberes,  deutet  das 
Wort  aber  falsch  als  Mangel  an  Behaarung 
des  Körpers  oder  von  Vesta  herkommend; 
erstere  Deutung  auch  bei  Serv.  ad  Aen.  VIII 
659. 

7)  Prop.V  (IV)  1,  132. 

8)  Cic.  Lael.  10.  33.  Sen.  ep.  4,  2. 

9)  Catull.  68,15:  vestis  pura.  Phaedr.  III 
10,9.  Cic.  ad  Att.V  20,  9;  VI  1,  12;  1X17,1; 
ebd.  19,  1.  Plin.VIIl  194. 

10)  Gewöhnlicher  Ausdruck  togam  virilem 
mmere,  Cic.  Phil.  II  18,  44;  Lae'l.  1,  1.   Sen. 


a.a.O.  Vgl. Cic.  p.  Sest.  69, 144.  Liv.  XXVI 19. 
5;  XLII34,2.  Suet.  Aug.  94;  Claud.  2.  Apul. 
apol.  70;  ebd.  73. 

M)  Ov.  fast. III  777.  Prop. a.a.O. \toga  lilx'- 
rior,  Ov.  trist.  IV  10,  28. 

12)  Fest.  368.9.  Gell.V  19.7.  Apul.  apol. 
98.  Auson.  id.  4.  73.  Tertull.  de  an.  56. 

13)  Plin.VIIl  194:  rectum  tunicam,  gualn 
cum  toga  pura  tirones  induuntur  novaequt 
nuptae.  Festus  p.  289  a,  2:  ut  etiam  in  togii 
virilibus  dandis  observari  solet.  Ueber  die  Be- 
deutung der  Bezeichnung  s.  unten  Abschn.  III. 
Bei  vornehmen  Jünglingen  war  sie  mit  dem 
latus  clavus  versehen,  Suet.  Aug.  94.  Ov.  tr.  IV 
10,29. 

14)  Pers.  5,  31 :  bullaque  succinctis  La r Ums 
donata  pependit.  Schol.  Hör.  sat.  I  5,  65.  Da- 
gegen bezieht  sich  bei  den  Laves  bullati  Pe- 
tron.  60.  8  die  Bezeichnung  auf  die  an  den 
Götterbildern  angebrachte  bulla,  s.  Friedlän- 
der zu  Petron.  312.  Daß  auch  die  toga  pvae- 
texta  über  dem  Herde  aufgehängt  wurde,  wie 
Becker-Göll  109  meint,  ist  nicht  überliefert 
und  sehr  unwahrscheinlich. 

15)  Daß  ein  häusliches  Opfer  gebracht 
wurde,  schließt  Marquardt  125  A.7  wohl  mit 
Recht  aus  Tertull.  de  idol.  16,  während  aus 
Prop.V  (IV)  1,132  das  nicht  hervorgeht. 

16)  Man  legte  "Wert  auf  zahlreiches  Geleit 
und  lud  selbst  Fernerstehende  dazu  ein,  vgl. 
Cic.  pro  Mur.  33,  69 :  qua  in  civitate  vogati  in- 
fimovum  hominum  filios  pvope  de  nocte  ex  ul- 
tima saepe  urbe  deductum  venire  soleamus. 
Plin.  ep.  I  9,  2.  Plut.  Brut.  14.  App.  bell.  civ. 
IV  30.  Als  Ausnahme  verzeichnet  Suet.  Claud. 
2:  toga  virilis  die  civca  mediam  noctem  sine 
sollemni  officio  lectica  in  Capitolium  latus 
est. 

17)  Was  deduceve  in  forum  heißt,  Sen.  ep. 
4,2.  Suet.  Aug.26;Tib.l5;Nero7.  Mon.Anr.vr. 
III  3;  vgl.  Cic.  a.  a.  O. 


■^ 


4 


' 


Zweiter  Abschnitt.    Erziehung  und  Unterricht  der  Knaben. 


337 


hier  in  dem  dazu  bestimmten  Amtslokal  oder  Archiv  (tabuiarium)1)  in 
die  Tribuslisten  sein  Name  eingetragen2),  der  erst  hierbei  seine  offizielle 
Feststellung  gefunden  zu  haben  scheint3);  auch  wurde  im  Tempelschatz  der 
Iuventas  ein  Geldstück  entrichtet4).  Daran  schlössen  sich  allerlei  Festlich- 
keiten, wie  Opfer5),  gemeinschaftliche  Mahlzeiten6)  und  mitunter  auch  Spenden 
an  das  Volk7). 

Es  ist  wahrscheinlich,  daß  in  den  republikanischen  Zeiten  die  Anlegimg 
der  tocja  virilis  noch  nicht  so  sehr  die  bloße  Formsache  war,  zu  der  sie  in  der 
Kaiserzeit  geworden  zu  sein  scheint.  Die  ganze  Art  der  Feierlichkeit,  die 
Einschreibung  in  die  Bürgellisten  usw.  bezeugen,  daß  ursprünglich  der  so 
mündig  Erklärte  in  alle  bürgerlichen  Rechte  eintrat,  politisch  und  privat - 
rechtlich  selbständig  wurde  und  auch  in  der  Kegel  sofort  in  Kriegsdienst 
trat;  für  alles  das  wäre  er  aber  in  dem  Alter,  in  dem  in  der  Kaiserzeit 
dieser  Akt  vorgenommen  wurde,  zu  jung  gewesen.  Daher  wird  gewiß  mit 
Recht  angenommen8),  daß  in  der  früheren  Zeit  die  toga  virilis  erst  im 
18.  Lebensjahr  angelegt  wurde;  dadurch  erklärt  es  sich  auch,  daß  damals 
junge  Leute,  die  sich  der  militärischen  Laufbahn  widmen  wollten,  noch  als 
praetextati  in  die  Armee  eintraten,  freilich  erst  als  tirones(J).  Und  als  dann 
später  der  Termin  der  Annahme  der  toga  virilis  durchschnittlich  ein  früherer 
geworden  war,  da  blieb  dieser  Brauch  des  Tirociniums  bestehen:  die  Zeit, 
die  zwischen  jenem  Akte  und  dem  Eintritt  in  den  Kriegsdienst  oder  in  die 
öffentliche  Tätigkeit  lag,  hieß  jenachdem  tirocinium  militiae  oder  tirocinium 


l)  Ueber  diese  tabularia  vgl.MAKQUARDT 

125  A.  10;  in  Rom  lag  das  tabuiarium  am 
Südabhang  des  Capitols,  vgl.  Jordan  Topogr. 
I  2,  135  ff.  Richter  Topogr.  131. 

*2)  Dies  eyyQcupetv  h  iq  rjßove  wird  nur  in 
griechischen  Quellen  erwähnt.  Dio  Cass.  LV 
22, 4:  LVI  29, 5.  App.  b.  civ.  IV  30  (wo  in  den 
Worten  äqn'io  eyygacpsvTog  avtov  toic  niva^iv 
unter  den  nivaxeg  sicherlich  nicht  mit  Becker- 
Göll  111  die  Proskriptionstafeln  zu  verstehen 
sind).  Dion.  Hai.  IV  15, 5 :  xwv  eig  ävdgag  F.yyga- 
(pofiercor. 

8)  Entweder  wird,  was  das  gewöhnliche 
war,  der  bisher  tatsächlich  geführte  Name 
jetzt  öffentlich  anerkannt  oder  dem  nicht  ord- 
nungsmäßig benannten  Kinde  ein  geschlechts- 
gebräuchlicher Name  gegeben  und  der  bisher 
tatsächlich  geführte  beseitigt  oder  etwa  zum 
persönlichen  Beinamen  herabgesetzt,  Mommsen 
Rom.  Forsch.  I  32.  Marquardt  10  A.  5. 

4)  Nach  Piso  bei  Dion.  Hai.  a.  a.  0.  hätte 
das  schon  Servius  Tnllius  eingeführt.  Auf 
diese  Spende  geht  vermutlich  Augustin.  civ. 
Dei  IV  11:  ipse  (Iuppiter)  dea  Iuventas,  quae 
pdst  praetextam  excipiat  iuvenalis  aetatis 
exordia. 

5)  In  Rom  scheinen  sie  auf  dem  Capitol 
stattgefunden  zu  haben,  nach  App.  a.a.O.  Val. 
Max.  V  4,  4.  Suet.  Claud.  2  (daher  bei  Petron. 
88,8  antequam  Urnen  Capitolii  tangunt  vor  An- 
legung der  toga  virilis  bedeutet).  Marquardt 

126  A.4  und  Becker-Göll  a.  a.  0.  nehmen  an. 


Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft.    IV.    2,  t 


daß  dies  Opfer  an  der  ara  Liberi  erfolgt  sei, 
da  hier  nach  dem  Kalend.  Farn,  am  17.  März 
(den  Liberalia)  Opfer  stattfanden  (vgl.  Momm- 
sen im  CIL  I  388);  allein  Serv.  ad  Verg.  ecl. 
4,50  sagt:  saue  Iovetu  merito  puerorum  dicunt 
incrementa  curare,  quia  cum  pueri  toga m  vira- 
lem Sutnpserint,  ad  Capital  ium  cunt;  daher 
nimmt  Jordan  Topogr.  I  2,  39  A.  38  nur  ein 
Opfer  am  Altar  des  Iuppiter  an,  vgl.  jedoch 
Preller-Jordan  Rom.  Mythol.  I  261,  wo  an- 
genommen wird,  daß  der  junge  Bürger  vor 
der  Iuventas  und  dem  Iuppiter  anbetete.  Die 
Kapelle  der  Iuventas  war  eben  in  den  Tempel 
des  Iuppiter  0.  M.  eingeschlossen,  Wissowa 
Rel.  u.  Kult,  d  Rom.  125. 

6)  Apul.  apol.  88.  Plin.  ep.  adTrai.  1 16  (117). 
Tert.  deidol.  16  nennt  es  communis  so/lcmti/tas 
togae  purae. 

7)  Besonders  bei  solchen  Anlässen  im 
Kaiserhause,  Suet.  Tib.  54;  Nero  7  (was  nach 
Cal.  10  bei  Caligula  unterblieb).  Tac.  ann.  III 
29,  vgl.  Mommsen  Hes  gestae  div.  Aug.  p.  39. 
CIL  VI  688  werden  crustulum  et  mulsum  bei 
diesem  Anlaß  an  das  Volk  ausgeteilt. 

8)  Siehe  Marquardt  131  ff.,  der  sich  darin 
den  Juristen  anschließt. 

9)  Beispiele  bei  Marquardt  133  A.  4,  be- 
sonders das  des  älteren  Scipio  Africanus.  der 
mit  17  Jahren  am  Ticinus  mitkämpfte  und 
doch  noch  praetcxtatus  oder  puer  heißt.  Sen. 
de  benef.  HI  33, 1.  Florus  II  6.  Sil.  It.  IV  426; 
454;  475. 

3.  Aufl.  .  22 


338  Zweite  Abteilung.   Das  Leben. 

fori l)  und  war  in  den  letzten  republikanischen  Jahrhunderten  in  der  Regel 
auf  ein  Jahr,  also  das  17.  Lebensjahr,  ausgedehnt2).  Während  dieser  Zeit 
schloß  sich  der  junge  Soldat  einem  älteren  Offizier  an,  der  ihn  in  den  Kriegs- 
dienst einführte3),  während  derjenige,  der  sich  dem  öffentlichen  Leben  widmen 
wollte,  von  einem  darin  erfahrenen  Manne  in  die  Geschäfte  und  die  Praxis 
des  Forums  eingeführt  wurde4).  Das  hörte  in  der  Kaiserzeit  freilich  auf, 
wenn  auch  der  Name  blieb,  und  daher  wurde  es  mehr  und  mehr  üblich, 
als  Termin  der  Annahme  der  toga  virilis  den  Eintritt  der  Pubertät  (der 
im  Süden  ziemlich  früh  fällt)  anzusetzen,  ohne  den  der  geistigen  Reife 
abzuwarten. 

In  den  früheren  Jahrhunderten  der  Republik,  da  der  junge  Mann  nach 
seiner  Aufnahme  in  die  Bürgerschaft  sein  Tirocinium  absolvierte,  um  dann 
sich  alsbald  selbsttätig  am  staatlichen  oder  militärischen  Leben  zu  beteiligen, 
war  von  irgendwelchem  Unterricht  nach  jenem  Termin  im  allgemeinen  nicht 
die  Rede.  Wer  sich  in  irgendeiner  Wissenschaft  oder  Technik  weiter 
auszubilden  das  Verlangen  hatte,  tat  dies  privatim  oder  suchte  sich  dafür 
eine  geeignete  Persönlichkeit  als  Lehrer  aus.  Als  aber  im  2.  Jahrhundert 
die  ersten  griechischen  Rhetoren  und  Philosophen  nach  Rom  kamen  und 
trotz  wiederholter  Ausweisungen 5)  sich  dort  zu  behaupten  wußten,  da  wurde 
es  immer  mehr  üblich,  daß  jüngere  wie  ältere  Männer  bei  diesen  Griechen 
nicht  nur  Unterricht  in  der  griechischen  Beredsamkeit  nahmen,  sondern 
sich  auch  in  die  griechische  Philosophie  einführen  ließen,  deren  verschiedene 
Richtungen  auf  diese  Weise  Anhänger  unter  den  Römern  gewannen.  So 
kam  es,  daß  im  letzten  Jahrhundert  der  Republik  die  Zahl  der  in  Rom  sich 
niederlassenden  griechischen  Lehrer  der  Rhetorik  und  Philosophie  immer 
mehr  zunahm,  und  daß  es  auch  mehr  und  mehr  Brauch  wurde,  daß  bildungs- 
bedürftige Römer  Studienreisen  nach  Griechenland  und  Kleinasien  unter- 
nahmen6). Und  obgleich  die  altrömische  Abneigung  gegen  die  Philosophie 
nie  ganz  verschwand,  sogar  in  der  Kaiserzeit  noch  wuchs7),  nahm  doch 
die  Verbreitung  griechischer  Philosophie  an  Umfang  und  Stärke  immer  mehr 
zu.  Nicht  nur  gingen  die  jungen  Römer  auch  weiterhin  zu  solchen  Studien 
nach  dem  Ausland,  nach  Athen,  Rhodos,  Mytilene,  in  der  Kaiserzeit  auch 
nach  Apollonia  (in  Epiros),  Massilia  und  Mediolanum 8),  sondern  auch  in 
Rom  selbst  entstanden  Philosophenschulen,  an  denen  vornehmlich  Griechen 
lehrten,  und  es  wurde  üblich,  daß  der  junge  Römer  nach  Beendigung  des 
grammatischen  und  rhetorischen  Unterrichts  Philosophiestudien  betrieb,  meist 

')  Val.  Max. V  4, 2.  Suet.  Aug.  26.  Tib.  54   j    als  er  im  Alter  von  27  Jahren  nach  Griechen- 
u.s. ;  daher  tirocinium  ponere,  vom  ersten  Auf-   j    land,    zunächst   nach  Athen   und  Kleinasien 


treten  in  der  Oeffentlichkeit,  Liv.  XLV37,3. 
Doch  heißt  auch  der  Anfang  dieser  Zeit,  also 
der  Tag  der  toga  virilis,  tirocinium,  so  Suet. 
a.  a.  0.  und  Calig.  10. 

*)  Cic.  pro  Cael.  5, 11. 

3)  Serv.  ad  Aen.V  546. 

4)  Cic.  Lael.  1.1;  Brut.  89,  306;  de  legg. 
14,13;  pro  Cael.  4,9. 

5)  ImJ.173,161u.l55,  vgl.TBUPFKLRöm. 
Litter.5  94. 

6)  Cicero  hatte  in  Rom  bereits  den  Epi- 
kureer Phaedrus  und  den  Rhetor  Molo  gehört, 


ging,  wo  er  bei  Philosophen  verschiedener 
Richtungen  und  bei  Rhetoren  zwei  Jahre  lang 
Studien  machte;  vgl.  Cic.  Brut. 90, 308 ff.  Auch 
sein  Bruder  Quintus  hörte  in  Athen  bei  Philo- 
sophen und  Rhetoren,  und  auch  seinen  Sohn 
Marcus  ließ  Cicero  in  Athen  studieren. 

7)  Vgl. Friedländer Sittengesch.  III616ff. 

8)  Apollonia  Suet.  Aug.  8:  89;  94  f ;  Mas- 
silia Strab.  IV  181.  Tac.  Agr.  4;  Mediolanum 
Plin.  ep.  IV  13,  3.  Vgl.  Grasberger  III  107; 
mehr  bei  Gräfenhan  Gesch.  der  Philol.  I] 
302  ff. 


Zweiter  Abschnitt.    Erziehung  und  Unterricht  der  Knaben.  339 

also  nach  Anlegung  der  toya  virilis  in  eine  solche  Schule  eintrat1).  Und 
auch  ältere  Männer  nahmen  an  solchem  Unterrichte  noch  gern  teil 2).  Ge- 
lehrt wurde  vornehmlich  Logik  (und  Dialektik),  Physik  und  Ethik,  bei  den 
Piatonikern  auch  Mathematik3),  und  zwar  nicht  bloß  in  Vorträgen,  sondern 
auch  in  praktischen  Übungen  und  Disputationen,  wobei  auch  Belehrung 
über  Anstand,  Benehmen,  sittliche  Grundsätze  usw.  nicht  ausgeschlossen 
war4).  Zum  selben  Zweck  wurde  es  gegen  Ausgang  der  Republik,  besonders 
aber  in  der  Kaiserzeit,  üblich,  daß  Reiche  und  Vornehme  griechische  Philo- 
sophen in  ihr  Haus  aufnahmen,  nicht  nur  zur  Erziehung  der  Kinder,  sondern 
auch  als  Gesellschafter  und  Berater  des  Hausherrn,  wobei  der  kaiserliche 
Hof  mit  dem  Beispiel  voranging.  Aber  da  diese  Philosophen  in  ihrer  Stellung 
vom  Herrn  abhängig  waren,  der  ihnen  Nahrung  und  Honorar  zahlte,  so 
ergaben  sich  oft  allerlei  Ubelstände:  es  waren  nicht  immer  die  besten 
Elemente,  die  sich  zu  solchen  Stellungen  drängten;  die  Behandlung,  die 
ihnen  von  den  Familienangehörigen  und  selbst  von  den  Sklaven  zuteil  wurde, 
war  oft  sehr  erniedrigend,  und  die  Schilderungen,  die  uns  über  diese  Haus- 
philosophen erhalten  sind,  lassen,  obschon  manchmal  etwas  übertrieben, 
diese  Persönlichkeiten  in  einem  recht  bedenklichen  Lichte  erscheinen5). 
Unabhängiger  waren  die  privatim  Lehrenden,  am  gesuchtesten  aber  die 
kaiserlichen  Lehrstühle.  Schon  Vespasian  hatte,  wie  wir  sahen,  den  Lehrern 
der  Rhetorik  ein  festes  Gehalt  aus  Staatsmitteln  ausgesetzt;  Hadrian  ging 
auf  diesem  Wege  weiter,  indem  er  in  Rom  eine  Art  Universität,  das  Athenäum, 
gründete,  wo  Rhetoren,  Philosophen  und  Dichter  öffentliche  Vorlesungen 
hielten,  die  aber  nicht  bloß  von  Studierenden,  sondern  auch  von  andern 
Zuhörern,  selbst  den  Kaisern,  besucht  wurden6),  wofür  amphitheatralische 
Säle  zur  Verfügung  standen7).  Diese  Lehrstühle  (ftgovoi8),  cathedrae9)),  wie 
solche  später  auch  in  Athen10),   seit  Antoninus  Pius  auch   in   den   andern 


*)  Sen.ep.4,2:  malus exspecta,  cum pueri-  j    aus  späterer  Zeit,  DioCass.LXXlII  17,4.  Cap.- 

leiu  animum  deposueris  et  te  in  viros  philo-  |   toi. Pertin.  11,  3;  Gord.3,4.  Lampr.  Al.Sev. 85, 

sojilun  tramcripserit.   Doch  war  der  Beginn  2;  vgl.  Philostr.V.  soph.  II 10.  5.  Die  Lage  des 

der  Studien  sehr  verschieden;  Gellius  scheint  Gebäudes  ist  nicht  überliefert;  Richter  Topogr. 

sie  erst  mit  25  Jahren  angefangen  zu  haben  v.  Rom  248  f.  setzt  es  bei  den  Hadriansbauten 

(Friedländer  a.a.O.  472),  dagegen  Marc  Aurel  j    des  Marsfeldes  an;  gegen  die  Ansetzung  von 

schon  im  12.  Jahre  (Capitol.  M.  Anton,  phil.  2,  j    Preller  Region,  d.  St.  Rom  170  s.  auch  Jordan 

6),  was  natürlich  eine  Ausnahme  war.  Persius  Topogr.  I  2,  61. 

begann  seine  philosophischen  Studien  gleich  !            "•)  Sidon.  Apoll,  ep.  II  9,  4;  IX  14,  2. 

Bach  Annahme  der  Männertoga,  5,  30  ff.,  nach  8)  So  hießen  schon  die  Lehrstühle  in  den 

der  Vita  mit  16  Jahren;  auch  Seneca  tat  es  im  älteren  Philosophenschulen,  später  ist  es  die 

ersten  Jünglingsalter,  ep.  49,  2;  108,  17.   Vgl.  offizielle  Bezeichnung  der  öffentlichen  Lehr- 

Friedländer  ebd.  645.  stellen,  oft  bei  Philostrat.  Aristides  u.  s. 

2J  Seneca  hörte  als  Sechziger  den  Philo-  9)  Nach  dem  Sessel,  auf  dem  sitzend  man 

sophen  Metronax  in  Neapel  und  sagt  ausdrück-  vorzutragen  pflegte,   vgl.  luv.  7,  203.   Mart.  1 

lieh:  omnis  aetatis  homines  haec  schola  admit-  76. 14.    Auson.  prof.  9,  1. 

tit,  ep.  76.2.  io)  Philostr.V.  soph.  I  23,  1,  wonach  Lolli- 

3)  Näheres  über  diese  Studien  s.  Fried-  ;    anos  der  erste  war.  der  dort  den  Lehrstuhl  für 


LÄNDER  646  ff. 

4)  Ebd.  651  ff. 

5)  Am  eingehendsten  schildert  sie  Lukian 


Sophistik  innehatte.  vgl.GRASBERGERllI442f. 
Neue  besoldete  Lehrstühle  gründete  Marc 
Aurel  in  Athen,  Dio  Cass.  LXXI  31.  3.    Ueber 


in  der  Schrift  ITsgl  rwv  em  tundih  awövrcov,  die  griechischen  Hochschulen  in  der  Kaiserzeit, 

vgl.  Friedländer  657  f.;  über  die  Stellung  der  über  die  Professoren  und  ihre  Lehrtätigkeit, 

Philosophen  am  Hofe  ebd.  659.  Besoldung,  Stellung  sowie  über  die  Studenten, 

6)  Die  Stiftung  wird  seltsamerweise  von  ihre  Gebräuche  usw.  handelt   das  Buch    von 

Hadrians  Biographen  Spartian  nicht  erwähnt,  John  W.  H.Walden  The  universitiesof  ancient 

wohl  aber  von  Aurel. Vict.  Caes.  14,  sonst  nur  Greece,  New  York  1909. 

22* 


340 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 


Provinzen  eingerichtet  wurden1),  waren  begehrte  Posten2),  denn  abgesehen 
von  dem  festen  Gehalt,  den  die  Lehrer  dafür  vom  Staat3)  oder  von  der 
Gemeinde4)  bezogen,  zahlten  ihnen  auch  die  Schüler  Honorar,  und  manchmal 
recht  hohes,  denn  eine  feste  Summe  war  dafür  in  der  Regel  nicht  aus- 
gesetzt5). Dazu  kamen  noch  allerlei  Privilegien,  die  den  Lehrern  (wie  auch 
den  Ärzten)  von  den  Kaisern  bewilligt  wurden6).  Gegen  Ausgang  der  Kaiser- 
zeit waren  derartige  Hochschulen  mit  zahlreichen  Studenten  nicht  bloß  in 
Rom,  Athen,  Alexandria  und  im  hellenischen  Orient,  sondern  auch  im  Norden 
und  Westen,  in  Autun  (Augustodunum),  Bordeaux,  Trier7).  Das  Studenten- 
leben, das  sich  seit  dem  2.  Jahrhundert  n.  Chr.  an  diesen  Universitäten 
entwickelte,  hatte  im  Verbindungswesen,  in  den  Zeremonien  der  Aufnahme 
von  Füchsen,  dem  Treiben  in  den  Kollegien  usw.  manche  Ähnlichkeit  mit 
den  Verhältnissen  des  spätem  Mittelalters8).  Im  ganzen  lassen  die  Nach- 
richten erkennen,  wie  der  Niedergang,  der  sich  in  der  alten  Welt  im  Staats- 
wesen und  in  der  Religion,  in  Kunst  und  Wissenschaft  überall  zeigt,  auch 
in  der  Erziehung  und  dem  Unterrichtswesen  sich  geltend  macht,  trotz  schein- 
baren Glanzes  der  Hochschulen.  Das  Versinken  in  Barbarei,  wie  es  im 
Mittelalter  vor  sich  ging,  bereitet  sich  schon  gegen  den  Ausgang  der  Kaiser- 
zeit allmählich  vor9). 


')  Capitol.  Ant.  Pius  11.3. 

2)  Vgl.  besonders  Luc.  Eunuch.  3. 

3)  Er  betrug  im  2.  Jahrh.  10000  Drach- 
men nach  Luc.  a.  a.  O.  Philostr.  V.  soph.  112.1. 
6000  Drachmen  (ein  Talent)  werden  ebd.  20, 1 
angegeben,  15000  bei  Tatian.  ad  Graecos  19 
p.20, 28  (Schwartz).  Mehr  über  diese  Verhält- 
nisse bei  Ahrens  De  Athenarum  statu  politico 
69  ff.  O.  Müllek  Quam  curam  respublica  apud 
Graecos  et  Romanos  literis  doctrinisque  co- 
lendis  et  promovendis  impenderit  (Göttingen 
1837)  15.  CG.  Zumpt  Ueber  den  Bestand  der 
Philosoph.  Schulen  in  Athen  (Berl.  1843)  23  ff. 
Kuhn  Verfass.  d.  röm.  Reichs  I  97.  Sievers  Li- 
banius  16  ff. 

*)  Digg.L9,4,2. 

5)  So  zahlte  nach  Philostr.  a.  a.  O.  II  23, 2 
ein  reicher  Schüler  dem  Aristeides  und  Adri- 
anos  je  10000  Drachmen.  Andrerseits  wurde 
Aermeren  oft  die  Zahlung  erlassen,  vgl.  Sievers 
a.a.O.  39,  und  ehrgeizige  Sophisten  brachten 


sogar  nochGeldopfer,  um  Zuhörer  zu  bekommen. 
Liban.  or.  I  65  p.  45  R.  Das  Schulgeld  wurde  am 
1.  Januar  entrichtet,  Sievers  a.  a.  O. 

6)  Digg.  XXVII  1,6,2,  eine  Verfügung  des 
Antoninus  Pius  für  Aerzte  und  Lehrer  in  Asien. 
Aehnlich  später  in  Konstantinopel,  Cod.Theod. 
XIV  9,  3,  1.  Ueber  die  Zahl  der  honorierten 
Lehrer  vgl.  Zumpt  a.  a.  O.  26.  Grasberger  III 
445. 

7)  Cod.  Theod.  XIII  1,11;  vgl.  Ussing 
172  ff. 

8)  Die  Belege  dazu  liefern  vornehmlich 
Augustin,  Gregor  von  Nazianz.  Libanios  u.  a., 
vgl.  Grasberger  415  ff.  Sievers  32  ff. 

9)  Vgl.  Amm.  Marc.  XIV  6, 18:  quod  cum 
ita  sit,  paucae  domus  studiorum  seriis  cuUibus 
antea  celebratae  nunc  ludibriis  ignaviae  tor- 
pentis  exundant,  vocali  sonn,  perflabili  tinnitu 
fidium  resultantes.  denique  pro philosopho  can- 
tor  et  in  locum  oratoris  doctor  ort  tum  hidicra- 
rum  accitur.   Ebd.  XXX  4.  8  ff. 


Dritter  Abschnitt.    Die  Frauen  und  die  Ehe.  QJI 

Dritter  Abschnitt. 

Die  Frauen  und  die  Ehe. 


Litteratur. 

A.  Rossbach  Untersuchungen  über  die  römische  Ehe.    Stuttgart  1853. 

Kaklowa  Die  Formen  der  römischen  Ehe  und  Manus.    Bonn  1868. 

Bbokeb-Göll  II  5  ff. 

Marquakdt-Mau  28  ff.  (ältere  und  juristische  Litteratur  ebd.  A.  1). 

Fkiedländer  Darstellungen  aus  der  Sittengeschichte 5  I  403  ff. 

Ch.  Leokivain  bei  Daremberg-Saglio  III  1654  ff.  (Litteratur  p.  1662). 

In  den  ersten  Lebensjahren  wuchsen  Knaben  und  Mädchen  gemeinsam 
unter  der  Obhut  der  Mutter  und  etwa  einer  Amme  oder  Kinderwärterin 
auf,  erfreuten  sich  an  gemeinschaftlichen  Spielen l)  und  unterlagen  der 
gleichen  Zucht.  Wenn  dann  die  Zeit  des  Lernens  gekommen  war,  so  be- 
suchten die  Mädchen  gleich  den  Knaben  die  Elementarschule  des  litterator, 
um  Lesen,  Schreiben  und  Rechnen  zu  lernen,  und  wir  haben  gesehen  (siehe 
oben  S.  314),  daß  der  Unterricht  auf  dieser  Stufe  vielfach  noch  ein  gemein- 
schaftlicher war,  und  daß  dieser  Brauch  auch  noch  in  der  Kaiserzeit  bis 
spät  sich  erhalten  hat.  Bis  zu  welchem  Alter  freilich  dieser  gemeinschaft- 
liche Unterricht  beider  Geschlechter  sich  erstreckte,  das  ist  nicht  über- 
liefert; im  allgemeinen  darf  man  wohl  annehmen,  daß  er  über  die  ersten 
Schuljahre  nicht  hinausging,  zumal  bei  dem  frühen  Eintritt  der  körperlichen 
Reife  bei  den  Südländerinnen.  Leider  sind  unsere  Nachrichten  über  die 
geistige  Ausbildung  der  jungen  Römerinnen  sehr  spärlich 2).  Daß  sie  in 
besseren  Häusern  seit  der  Zeit,  wo  man  auf  Kenntnis  der  griechischen 
Sprache  Wert  legte  und  zu  diesem  Zweck  griechische  Sklaven  und  Sklavinnen 
im  Hause  zu  halten  pflegte,  auch  in  dieser  Sprache  sich  auszudrücken  und 
zu  lesen  lernten,  darf  man  als  sicher  annehmen;  erfahren  wir  doch,  daß 
die  Mädchen  Komödien  des  Menander  lasen3);  schon  zur  Zeit  des  Lucrez 
verkehrten  Liebende  gern  in  griechischer  Sprache  miteinander4),  und  die 
Satiriker  spotten  darüber,  wenn  auch  noch  ältliche  Damen  verliebte  grie- 
chische Phrasen  gebrauchen5).  Noch  in  der  späten  Kaiserzeit  finden  wir 
Homer,  Orpheus  und  Sappho  als  Lektüre  einer  römischen  Dame6).  Lesen 
und  Erklären  ausgewählter  Stücke  aus  der  römischen  und  griechischen 
Litteratur  war  also  auch  bei  den  Mädchen  ein  Hauptgegenstand  des  Unter- 
richts; von  der  weiteren  Ausbildung,  wie  sie  bei  den  Knaben  sich  an  den 
Elementarunterricht  anschloß,  war  aber  bei  den  Mädchen  nicht  die  Rede. 
teils  weil  die  Mädchen  in  der  Regel  schon  sehr  früh  heirateten,  teils  weil 


')  Ueber  Mädchenspiele  speziell  vgl. Becq 
de  Fouquieres  Jeux  des  anc.  32  ff. 

*)  Plin.ep.  IV  16,3  erwähnt  bei  seiner  ver- 
storbenen Tochter  die  nutrices,  paedagogi  und 
praeceptores,  d.  h.  wohl  in  chronologischer  Rei- 
henfolge, indem  die  Mädchen  aus  der  Hand  der 
nutrix  in  die  des  paedagogus  übergingen  und 
von  diesem,  der  keinen  Unterricht  erteilte  (s. 


paedagogus  eines  Mädchens  erwähnt  auch  Cic. 
ad  Att.  XII  33.2. 

3)  Ov.tr.  II  369  f. 

4)  Vgl.Lucr.  IV1160ff. 

»)  luv.  6.  185  ff.    Mart.  X  68. 

G)  Claudian.  X  232ff.  Bei  christl.  Schrift- 
stellern wird  geklagt,  daß  Jungfrauen  die  heid- 
nischen Dichter  lesen.  Grasbergeb  Erz.  u.  Un- 


oben  S.311),  zu  den  praeceptores  kamen.  Den       terr.  III  523  A.  2. 


342 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 


die  Übungen  des  grammaticus  und  noch  mehr  die  des  Rhetors  sich  für  das 
weibliche  Geschlecht  gar  nicht  eigneten,  obschon  es  auch  im  römischen 
Altertum  gelehrte  Blaustrümpfe  gab,  die  sich  mit  Grammatik  und  Rhetorik 
beschäftigten1),  und  verschiedentlich  der  Wunsch  laut  wurde,  daß  auch  den 
Töchtern  dieselbe  wissenschaftliche  Bildung  zuteil  werden  sollte,  wie  den 
Söhnen 2). 

Dafür  war  es  altrömisches  Herkommen,  daß  die  Mädchen  zu  weiblichen 
Arbeiten  angehalten  wurden,  vornehmlich  zum  Spinnen  und  Weben,  da  es 
Brauch  war,  daß  die  für  die  Familie  erforderliche  Kleidung  im  Hause  selbst 
von  der  Hausfrau,  ihren  Töchtern  und  den  Mägden  hergestellt  wurde3),  ein 
Brauch,  der  auch  in  der  Kaiserzeit  sich  noch  erhielt4).  Auch  die  Kunst  des 
Stickens.  die  im  Gewerbe  wesentlich  eine  männliche  Beschäftigung  war5), 
scheint  den  Frauen  gelehrt  worden  zu  sein 6).  Turnunterricht  scheinen  die 
Mädchen  nicht  erhalten  zu  haben;  wenn  wir  in  der  Kaiserzeit  von  Frauen 
hören,  die  gymnastische  Übungen  betrieben7)  oder  fochten8),  so  sind  das 
eben  abschreckende  Beispiele  von  Emanzipation9).  Dagegen  legte  man 
besondern  Wert  auf  die  Ausbildung  der  Mädchen  in  Musik  und  Tanz10). 
obschon  das  früher  nicht  unbedenklich  erschien11).  In  der  Musik  lernten 
sie  vornehmlich  das  Spiel  der  Saiteninstrumente,  zumal  um  sich  beim  Gesang 
selbst  begleiten  zu  können12),  und  die  Gesangskunst,  in  der  berühmte  Musiker 
Unterricht  erteilten13),  und  zwar  wurde  sowohl  Chorgesang  geübt,  für  den 


')  Solche  schildert  und  verspottet  luv.  6. 
434 ff.;  Mart.  II  90.  9  und  XI 19  spricht  seinen 
Abscheu  vor  gelehiten  Frauen  aus. 

a)  Musonius  Rufus  bei  Stob.  exe.  flor.  123 
(IV  212  Mein.)  und  Plutarcbs  Schrift  özi.  xal 
yvvaTy.ag  jiaiöevieor,  ebd.  ecl.  XVI II  28  u.  32; 
XLIH136u.s. 

3)  Daher  es  auch  bei  der  verheirateten  Frau 
immer  ein  Ruhmestitel  war,  der  öfters  auch 
auf  den  Grabstein  gesetzt  wurde,  wenn  sie  in 
diesen  Arbeiten  erfahren  und  fleißig  war.  vgl. 
Liv.1 57, 9  für  die  Königszeit,  später  Plaut.  Men. 
796:  curare  una  opera  pensum  postules,  inter 
ancillas  sedere  iubeas,  lanam  carere.  Davon 
machten  auch  die  Libertinen  keine  Ausnahme, 
Tib.  I  3, 85 ff.  Prop.  I  3,4t ;  IV  5  (III 6),  15.  Dar- 
auf bezügliche  Inschriften  s.  Friedländer  I 
409.   Marquardt58  A.2. 

*)  Vgl.  die  Grabrede  des  Vespillo  auf  seine 
Gemahlin  Turia,  CIL  VI  1527,  a 30;  und  von  Au- 
gustus'  Frau.  Schwester,  Tochter  und  Enke- 
linnen Suet.  Aug.  64  u.  73.  Freilich  hört  man 
auch  über  Abnahme  des  Brauches  klagen. 
Colum.  XII  praef.  9:  nunc  vero  cum  pleraeque 
sie  luxu  et  inertia  difßuant,  ut  ne  lanificii 
quidem  ewam  suseipere  dignentur,  sed  domi 
confeetae  vestes  fastidio  »int. 

5)  Marquardt  537.  Blümner  Technologie 
1209. 

B)  Varro  bei  Non.  162,  21:  etenim  nutta, 
quae  non  didicii  pingere,  potent  iudicare,  quid 
sü  bene  pictum  plwmario  aut  textori  in  pul- 
vinaribus,  plagt»,  was  Friedländer  408  wohl 
unrichtig  dahin  versteht,  daß  die  Mädchen  im 


Malen  unterrichtet  werden  sollten;  pingere 
allein  bedeutet,  wie  diese  und  andere  Stellen 
zeigen  (vgl.  Blümner  a.  a.  O.  A.  2)  auch  soviel 
wie  acu  pingere. 

7)  luv.  6,  419 ff.;  die  Fhilaenis  bei  Mart. 
VII  67. 

8)  luv.  6, 246  ff.  Daß  Frauen  reiten,  kommt 
gar  nicht  vor. 

9)  luv.  2, 53 :  luctantur  paucae,  comedunt 
colijphia  paucae. 

'•)  Vgl.  Friedländer  a.  a.  O.  410  f. 

u)  Sali.  Catil.  25, 2  von  Sempronia,  der  Ge- 
liebten des  Catilina:  psallere  saltare  elegant  in* 
(doeta)  quam  necesse  est  probae;  vgl.  Macr.  III 
14,5:  taceo  quod  matronae  etiani  saltationeni 
non  inhonestam  putabant,  sed  inter  probas  quo- 
que  earuni  erat  saltandi  cura  dummodo  non 
curiosa  usque  ad  artis  perfectionum. 

")  Ov.  am.  114,  27.  Prop.  II  3, 19.  Stat. 
silv.  III  5. 64 f.  Plin.ep.IV19,4;  daher  kommt 
auf  Grabdenkmälern  bisweilen  eine  Zither  in 
der  Hand  eines  Mädchens  vor,  vgl.  Jahn  Abh. 
d.SGW1868,291  A.107.  Gewisse  Saiteninstru- 
mente, wie  das psalterium  (eine  Art  Harfe)  und 
der  spadix  (eine  Art  Lyra.  Poll.  IV  59.  Corp. 
Gloss.  II  262.44)  galten  als  virginibus  probte 
recusanda,  Quint.  I  10,31,  und  die  christlichen 
Jungfrauen  sollten  nach  Hieron.  epist.  107,  8 
p.875  von  Flöte,  Lyra  und  Zither  nichts  wissen. 
Vgl  die  Inschr.  auf  eine  doeta  lyra  grata  et 
gestu  formosa  puella  CIL  XI  6249. 

13)  Hör.  sat.  I  10,  90 f.:  Demetri,  teque,  Ti- 
gelli  \  diseipularum  inter  inbeo  plorare  ca- 
ihedras. 


Dritter  Abschnitt.   Die  Frauen  und  die  Ehe. 


:\.\:\ 


Feste,  Hochzeiten,  Bestattungen  usw.  auch  die  Gelegenheit  zu  öffentlicher 
Betätigung  boten1),  wie  Einzelgesang2),  ja,  manche  verstanden  sogar,  selbst 
Melodien  zu  erfinden3).  Bei  der  Tanzkunst  handelte  es  sich  auch  teils  um 
Chortänze4),  teils  um  Einzeltanz5),  doch  galten  gewisse,  namentlich  die  von 
Ionien  gekommenen  Tänze  für  nicht  passend6). 

Eine  Pubertäts-  oder  Mündigkeitserklärung,  wie  sie  bei  den  Söhnen 
durch  Anlegung  der  toga  virilis  stattfand,  gab  es  bei  den  Mädchen  nicht; 
letztere  schon  deshalb  nicht,  weil  sie,  solange  sie  unverheiratet  im  Hause 
lebten,  in  der  patria  potestas  des  Vaters  (resp.  Großvaters),  verheiratet  aber 
in  der  manus  des  Gatten  (siehe  unten  S.  345)  sich  befanden,  also  niemals  selb- 
ständig im  juristischen  Sinne  wurden.  Wenn  aber  die  Mädchen  die  körperliche 
Reife  erreicht  hatten  (was  äußerlich  öfters  dadurch  dokumentiert  wurde,  daß 
sie  ihre  Puppen  den  Laren  oder  der  Venus  weihten7)),  pflegten  sie  bald  ver- 
mählt zu  werden.  Dafür  gab  es  natürlich  kein  bestimmtes  Alter;  zwar  war 
gesetzlich  als  unterste  Altersgrenze  bei  der  Verheiratung  für  Knaben  das 
vollendete  vierzehnte,  für  Mädchen  das  zwölfte  Lebensjahr  festgesetzt8), 
doch  wie  die  Jünglinge  in  der  Regel  erst  später  heirateten,  so  war  auch 
bei  den  Mädchen  diese  untere  Altersgrenze  bei  Verheiratung,  obschon  nicht 
selten,  doch  jedenfalls  nicht  so  häufig,  wie  die  Verheiratung  in  späteren 
Jahren,  vornehmlich  zwischen  dreizehn  und  fünfzehn9).  Allerdings  finden 
sich  sogar  Beispiele  von  Mädchen,  die  in  noch  jüngeren  Jahren  vermählt 
wurden10);  allein  in  solchen  Fällen  blieben  sie  bis  zum  vollendeten  zwölften 
Jahre  sponsae,  erst  dann  wurden  sie  rechtmäßige  Gattinnen11).    Die  Männer 


*)  So  wurde  das  Carmen  saeculare  von  27 
Knaben  und  ebensoviel  Jungfrauen  gesungen, 
Hör.  carm.  saec.  6,  vgl.  Catull.  64  und  sein  Hoch- 
zeitsa;edicht  62;  dreimal  neun  war  die  übliche 
Zahl,  vgl.  Liv.  XXVII  37,  7  u.  12;  andere  Bei- 
spiele Hör.  carm.  IV  1,25;  ebd.  6,  41  ff.  Suet. 
Aug.  100;  Cal.  16.  Herodian.  IV  2,5. 

2)  Ov.  a.a.O.  25 f. 

8)  Stat.  a.a.O.  Plin.  a.a.O. 

4)  Prop.  a.  a.  0.  17:  quantum  quod  posito 
formose  saltat  Iaccho,  \  egit  ut  euhantes  dux 
.  1  riadne  choros.  Auch  Reigentänze  dienten  bei 
religiösen  Festen  zur  Weihe,  Liv.  a.  a.  0.  14. 

5)  Ov.  a  a.  0. 29:  illa  placet  gestu  numero- 
eaque  br-achia  ducit  et  tenerum  molli  torquet 
al>  arte  latus.  Es  spielten  eben  dabei  auch  die 
Armbewegungen  eine  wichtige  Rolle,  Stat. 
a.  a.  0.  66:  Candida  seu  molli  diducit  brachia 
motu. 

6)  Hör.  carm.  III  6,  21  ff.  Nach  einer  bei 
Macr.  III  14,  7  ff.  mitgeteilten  Aeußerung  des 
Jüngern  Scipio  Africanus  gab  es  in  Rom  im 
2.  Jahrh.  v.  Chr.  Tanzschulen  (ludi  saltatorii), 
in  denen  Mädchen  und  Knaben  (pueriingeinti) 
zu  Krotalen  tanzen  lernten.  Das  war  allerdings 
eine  frivole  Art  des  Tanzes,  und  der  Tanzlehrer 
jedenfalls  ein  Grieche;  nach  Plin.  VII 159  war 
der  erste,  der  Tanzunterricht  gab,  ein  gewisser 
Stephanio  unter  Augustus. 

7)  Schol.  Cruqu.  ad  Hör.  sat.  1 5, 66 :  egressi 
annos  pueritiae  iam  sumpta  toga  diis  Pena- 
tibus  bullös  suas  consecrabant,  ut  puella  piipas. 


Auch  nach  Porphyr,  z.  d.  St.  und  Varro  bei  Non. 
538,  14  wurden  sie  den  Laren  geweiht,  nach 
Pers.2,70  der  Venus  (was  Marquardt43  A.12 
für  griechischen  Gebrauch  hält,  doch  wurden 
sie  da  der  Artemis  dargebracht,  Anth.Pal.VI 
280).  Außer  den  Puppen  wurde  auch  anderes 
Spielzeug,  wie  Bälle,  oder  Mädchenkleider  ge- 
weiht, überhaupt  virg'nütatis  tfana,  vgl.  Varro 
a.a.O.,  ders. beim  Schol. ad Pers.  a.a.O.  Arnob. 
II  67. 

8)  Bio  Cass.  LIV  16,  7.  Macr.  sat.  VII  7, 6. 
Cod.  Iust.  V  4,  24.  Tert.  de  virg.  vel.  11 :  nam 
feminas  quidem  a  duodeeim  annis,  mtMCufafh 
vero  a  duobus  amplius  ad  negotia  permittnnt, 
pubertatem  in  annis,  non  sponsalibus  out  m<- 
ptiis  decernentes.  Als  Eintritt  der  Pubertät  galt 
aber  auch  bei  den  Mädchen  das  14.  Jahr,  Macr. 
in  somn.  Sc.  I  6,  71. 

9)  Eine  Zusammenstellung  des  Heirats- 
alters nach  Inschriften  gibt  Friedländer  III 
504 ff.;  als  Durchschnittsalter  ergibt  sich  das 
14.  Jahr,  wie  bei  Epict.  ench.  40. 

10)  Flut.  Lyc.  etNum.  comp.  4;  Octavia.  die 
Gemahlin  Neros.  Tac.  ann.  XIV  64 ;  inschrift- 
liche Beispiele  von  Verheiratung  mit  10  und 

11  Jahren  b.  Friedländer  505. 

»)Digg.XXIII2,4;XXIVl,32,27;XLVIII 
5, 13, 8.  Das  ging  aber  nur  auf  die  rechtlichen 
Folgen,  mit  den  geschlechtlichen  hatte  es  nichts 
zu  tun.  Wird  doch  sogar  an  der  letzten  Stelle 
die  Frage  des  adulterinms  einer  Frau  unter 

12  Jahren  besprochen. 


344  Zweite  Abteilung.   Das  Leben. 

heirateten  oft  bald  nach  Anlegung  der  toga  virilis;  Augustus,  der  für  Kinder- 
losigkeit Strafen  aussetzte,  ließ  diese  für  Männer  im  Alter  über  fünfund- 
zwanzig Jahre,  für  Frauen  von  über  zwanzig  Jahren  eintreten1),  nahm  also 
als  obere  Grenze  des  passenden  Heiratsalters  für  Männer  vierundzwanzig, 
für  Frauen  neunzehn  Jahre  an. 

Da  ein  römisches  Mädchen,  öffentliche  Feste  ausgenommen,  wenig  Ge- 
legenheit hatte,  mit  jungen  Männern  zusammenzukommen,  war  von  Liebes- 
verhältnissen, die  dann  zur  Ehe  geführt  hätten,  nicht  viel  die  Rede2):  die 
Ehen  wurden  nicht  von  den  beteiligten  Gatten,  sondern  von  deren  Eltern 
oder  durch  Mittelspersonen,  die  sich  an  diese  wandten,  zustande  gebracht3). 
Freilich  mußten  dabei,  ehe  es  zur  Verlobung  kam,  verschiedene  Vorfragen  er- 
ledigt sein,  zumal  wenn  es  sich  um  eine  in  jeder  Hinsicht  vollgültige  Ehe,  ein 
iustum  matrimonium,  handelte4).  Von  diesen  zu  erfüllenden  Vorbedingungen 
ist  die  eine,  das  zur  Heirat  notwendige  Alter,  schon  besprochen.  Die  wich- 
tigste aber  war  die,  ob  zwischen  den  zur  Ehe  bestimmten  Personen  das 
ins  conubii  bestand5),  das  für  eine  vollgültige  Ehe  notwendig  war.  Hierin 
vollzog  sich  bekanntlich  im  Lauf  der  Jahrhunderte  eine  starke  Änderung. 
Ursprünglich  war  eine  Ehe  zwischen  Patriziern  und  Plebejern  ungesetzlich; 
gestattet  wurde  sie  445  v.Chr.  durch  die  Lex  Canuleia 6).  Dieses  Vorrecht 
der  römischen  Bürger  erhielten  dann  die  Völker  des  latinischen  Bundes7), 
mit  der  Zeit  die  Italiker  überhaupt  und  unter  Caracalla  alle  römischen  Unter- 
tanen8). Bis  dahin  hatten  die  Latiner  jüngeren  Rechts  und  die  Peregrini 
das  ius  conubii  nur,  wenn  es  ihnen  besonders  erteilt  war,  und  auch  dann  be- 
standen noch  besondere  Unterschiede;  nur  die  Ehe  zwischen  einem  römischen 
Bürger  und  einer  Peregrina  mit  Conubium  war,  gleich  der  Ehe  zwischen 
römischen  Bürgern,  völlig  legitim,  d.  h.  das  Kind  wurde  römischer  Bürger 
und  stand  unter  der  patria  potestas;  bei  der  Ehe  eines  Peregrinus  mit  Co- 
nubium aber  und  einer  römischen  Bürgerin  folgte  das  Kind  dem  Vater, 
d.  h.  es  wurde  Peregrin  und  stand  nicht  unter  der  patria  potestas.  Nicht 
legitim  waren  die  Ehen,  wo  der  eine  Teil  kein  conubium  hatte9). 

Eine  weitere  Vorbedingung  der  Ehe  war,  daß  nicht  gewisse  Verwandt- 
schaftsgrade vorlagen,  innerhalb  deren  jede  geschlechtliche  Gemeinschaft 
untersagt   war.     Die  Römer  gingen   da   mit  den   verbotenen   Graden   viel 


>)  Digg.XVIl,2.  Gai.IIlll;286.  Ueber 
die  Heirat  von  Ueberjährigen,  d.  h.  Männern 
von  über  60,  Frauen  von  über  50  Jahren,  s. 
Rossbach  419. 

2)  Nicht  bloß  die  Tochter  muß  den  zum 


ebd.  1172).  Humbert  bei  D.-S.  1 1445  (ebenfalls 
mit  Litteraturangaben). 

6)  Liv.IVlff.;  XXIII  4.  Dion.Hal.X60; 
XI 28 ;  doch  nimmt  Mommsen  Rom.  Staatsr.  III 
79  f.  an,  daß  die  Ehe  zwischen  einem  Plebejer 


Mann  nehmen,   den  ihr  die  Eltern  bestimmt  und  einer  Patrizierin  schon  vorher  rechtliche 
haben,  auch  beim  Sohn  ist  es  selbstverständ-    |    Geltung  hatte. 

lieh,    daß  er  bei  der  Heirat  dem  Willen  des  7)  Makquardt  Rom.  Staatsr.  128:  bei  Auf- 
Vaters folgt,  Gell.  II  7,  18.  lösung  des  Bundeswurde  es  wieder  aufgehoben, 

3)  Digg.  XXIII  1, 18;  L  14,3,  wonach  es  Liv.VIII  14,9. 
in  Rom   sogar   eine  Art   von  Heiratsbureaus  8)  Durch  die  constitutio  Antoniniana  vom 

gegeben  zu  haben  scheint,  aber  das  Gewerbe  Jahre  212,  die  allen  Untertanen  das  römische 

galt  als  sordidum.  Bürgerrechtverlieh,DioCass.LXXVII9,5.  Vgl. 


*)  Gaius  1 67  ff.  Vgl.  Rossbach  390  ff.  Mar- 
quardt  28  ff. 

5)  Vgl.  außer  der  oben  angeführten  Litte- 
ratur  Leonhard  bei  P.-W.  IV  1170  (Litteratur 


Aristid.  or.  XIV  p.  226. 

9)  Näheres  über  diese  Verhältnisse  s.  Ross- 
bach 464  f. 


Dritter  Abschnitt.   Die  Frauen  und  die  Ehe. 


345 


weiter,  als  andere  Völker  des  Altertums1).  Man  mied  die  Ehe  mit  allen 
Blutsverwandten  bis  zum  vierten  Grad  der  Seitenlinie,  aber  auch  Verwandt- 
schaft durch  Verschwägerung  oder  Adoption  bildete  ein  Hindernis,  nur  daü 
im  Laufe  der  Jahrhunderte  auch  darin  mit  der  Zeit  eine  mildere  Praxi* 
eintrat2).  So  blieb  bei  Blutsverwandten  zwar  selbstverständlich  die  Ehe 
zwischen  Aszendenten  und  Deszendenten  jeden  Grades  sowie  zwischen  Ge- 
schwistern und  ebenso  die  Ehe  mit  Geschwistern  der  Aszendenten  oder  mit 
Geschwistern  der  Deszendenten  (Onkel  und  Tante  mit  Neffen  und  Nichten) 
untersagt3);  dagegen  wurde  die  Ehe  zwischen  Geschwisterkindern  schon  seit 
der  Zeit  des  zweiten  punischen  Krieges  gestattet4),  und  um  dieselbe  Zeit, 
jedenfalls  schon  etwas  vorher,  die  Ehe  von  Blutsverwandten  im  sechsten 
Grade5).  Bei  Affinität  (Nicht-Blutsverwandtschaft)  waren  die  Ehen  zwischen 
Schwiegereltern  und  Schwiegerkindern  und  zwischen  Stiefeltern  und  Stief- 
kindern untersagt,  während  Schwägerschaft  in  der  gleichen  Seitenlinie  kein 
Hindernis  war");  bei  Adoption  galten  im  allgemeinen  dieselben  Verhältnisse, 
wie  bei  wirklicher  Blutsverwandschaft,  doch  waren  gewisse  Ausnahmen 
gestattet7). 

Die  letzte  Forderung  war  der  Consensus  aller  Teile,  in  der  altern  Zeit 
freilich  nur  derer,  in  deren  patria  potestas  die  zu  Verheiratenden  standen, 
später  aber  auch  der  der  Beteiligten  selbst 8).  Zur  rechtsgültigen  Ehe  war 
aber  vor  allen  Dingen  die  Zustimmung  des  Vaters  erforderlich,  die  bei 
einem  Sohne  ausdrücklich  gegeben  werden  mußte,  bei  einer  Tochter  schon 
im  bloßen  Stillschweigen  inbegriffen  war9).  Diese  Einwilligung  wurde  in 
der  altern  Zeit  offiziell  durch  die  Verlobung  (sponsalia)  erklärt,  was  in  der 
historischen  Zeit  zwar  auch  noch  häufig  geschah,  doch  waren  die  Spon- 
salien  weder  zur  Ehe  erforderlich,  noch  hatten  sie  bindende  Kraft10),  ob- 
schon  gewisse  rechtliche  Folgen  auch  später  noch,  solange  das  Verlöbnis 
bestand,  damit  verbunden  waren11).  Diese  sponsalia lB),  die  oft  schon  lange 
vor  der  Hochzeit,   unter  Kindern,   abgeschlossen   wurden13),   hatten   ihren 


x)  Plut.qu.Rom.  108  p.289  D.  sucht  die  Ur- 
sachen davon  zu  ergründen,  erkennt  aber  nicht 
den  wahren  Grund,  das  aus  der  alten  Strenge 
und  Ehrwürdigkeit  der  Familienverfassung  her- 
vorgegangene sehr  starke  Gefühl  der  Verwandt- 
schaft aller  unter  einer  patria  potestas  ste- 
henden Personen;  vgl.  Rossbach  420 f. 

2)  Rossbach  422  ff. 

3)  Die  einzige  Ausnahme  ist  die  als  Incest 
betrachtete  Ehe  des  Kaisers  Claudius  mit  Agrip- 
pina,  der  Tochter  seines  Bruders  Germanicus, 
Rossbach  426.  Es  mußte  infolgedessen  den 
Bürgern,  wenn  auch  mit  gewissen  Einschrän- 
kungen, das  gleiche  erlaubt  werden,  Tac.  ann. 
XII 7.  Suet.  Claud.  26 ;  erst  i.  J. 342  wurde  dieser 
Senatsbeschluß  wieder  aufgehoben  und  solche 
Ehen  aufs  neue  untersagt,  Cod.Theod.  III  12,1. 

4)  Wenigstens  ist  sie  da  zum  ersten  Male 
nachweisbar,  Liv.  XLII  34,  3;  Plut.  a.  a.  0.  6 
p.  265  D  gibt  keinen  deutlich  bestimmbaren 
Zeitpunkt  an,  vgl.  Rossbach  431.  Unter  den 
christlichen  Kaisern  wurde  die  Ehe  der  cott- 
sobrini  verboten  und  erst  396  wieder  erlaubt, 


Cod.  Theod.  a.  a.  0.  3. 

5)  Vom  siebenten  Grade  ab  waren  sie  wohl 
immer  erlaubt,  s.  Klenze  Zeitschr.  f.  geschichtl. 
Rechtswissensch.  VI  17ff.,  was  Rossbach  432 f. 
Rein  Privatrecht  405  auch  für  Ehen  des  fünften 
und  sechsten  Grades  annehmen;  daß  ursprüng- 
licher aber  erst  vom  siebenten  Grade  ab  das 
Verbot  nicht  bestand,  zeigt  das  von  Ki;n.i:i:  im 
Hermes  IV(1870)  372  behandelte  Fragment  des 
Livius. 

6)  Rossbach  435  ff.   Rein  406. 
')  Rossbach  439  ff. 

8)  Ebd.  393  ff.   Rein  413. 

»)  Digg.  XXIII  1.7,1;  ebd.  2,  35. 

10)  Was  früher  der  Fall  gewesen  zu  sein 
scheint,  Rossbach  394.  Rein  407.  Ueber  die 
Wirksamkeit  des  Ehegelöbnisses  vgl.  Dikksen 
Abb.  d. Berl.  Akad. d.Wiss.  1848, 89 ff.  Huschke 
Zeitschr.  f.  gesch.  Rechtswiss.  X  315  ff. 

u)  Rein  411.   Makquabdt  40. 

")  Cic.  ad  Qu.  fr.  II  5,  2;  ad  Alt  VI  6,  1. 
Suet.  Aug.  53. 

,3)  Friedländer  Sittengesch.  I  504. 


346 


Zweite  Abteilung.   Das  Leben. 


Namen  von  den  dabei  gebräuchlichen  Formeln,  indem  die  beiden  kontra- 
hierenden Teile  mit  der  Frage  Spondesne?  und  der  Antwort  Spondeo  ihre 
Übereinstimmung  zu  erkennen  gaben1),  was  despondere  hieß2);  das  Braut- 
paar hieß  nun  sponsus  und  sponsa3).  Diese  Verlobung  war  an  sich  kein 
juristischer  Akt,  doch  kam  es  vor,  daß  man  Zeugen  hinzuzog  (sponsores)4), 
auch  wurden  in  der  späteren  Kaiserzeit  die  schriftlichen  Eheverträge  {pacta 
nuptialia,  tabulae  nuptiales),  die  sonst  erst  bei  der  Hochzeit  unterzeichnet 
wurden,  schon  bei  der  Verlobung  aufgesetzt5).  Vou  Verlobungsgeschenken 
im  eigentlichen  Sinn  erfahren  wir  nichts;  das  Handgeld,  das  der  Bräutigam 
der  Braut  gab  {arra  sponsalitia),  war  nur  das  Symbol  des  Kontraktes,  das  der 
Bräutigam,  wenn  er  zurücktrat,  einbüßte,  wenn  die  Braut  zurücktrat,  von  ihr 
wiederbekam6);  statt  dessen  diente  oft  ein  Ring7),  den  die  Braut  am  vierten 
Finger  der  linken  Hand  trug8).  Die  Verlobung  pflegte  am  Morgen  statt- 
zufinden9); am  Abend  folgte  meist  ein  Festmahl10),  zu  dem  Verwandte  und 
Freunde  eingeladen  wurden11)  und  bei  dem  die  Braut  Geschenke  empfing12). 
War  keine  Auflösung  der  Verlobung  (repudium)1*)  erfolgt,  so  folgte 
nach  längerer  oder  kürzerer  Frist14)  die  Hochzeit.  Ehe  wir  auf  deren 
Gebräuche  eingehen,  haben  wir  die  verschiedenen  Formen  der  Eheschließung 
zu  besprechen.  Während  man  heut  zwei  Formen  der  Eheschließung  kennt, 
die  gesetzliche  Ziviltrauung  und  die  kirchliche  Trauung,  gab  es  bei  den 
Römern  vier  verschiedene  Arten,  von  denen  allerdings  mehrere  auf  gewisse 
Fälle  beschränkt  waren  und  namentlich  in  späteren  Zeiten  mehr  und  mehr 
in  Abnahme  kamen.  Für  die  ursprüngliche  Mannigfaltigkeit  der  Formen 
gibt  es  eine  Menge  Erklärungsversuche15),  doch  wird  sie  heut  meist  als 
das  Resultat  der  historischen  Entwicklung  betrachtet,  indem  sich  Formen, 


»)  Plaut.  Aul.  255;  Trin.500;  1157;  Cure. 
674 ;  Poen.  1 157.  Gell.  IV 4, 2.  Digg.  XXIII  1,2. 

2)  Varr.  1.  1.  VI  69  ff. ;  besonders  von  der 
Tochter,  Ter.  Andr.  102;  Heaut.  784;  Hec.  124 
u.  ö. 

3)  Varr.  a.a  0.;  beide  auch  consposi,  Fest. 
41, 14.  Die  Braut  auch  pacta,  Plaut.  Trin.  500; 
andere  Ausdrücke  Rein  408  A.  3. 

4)  Phit.  Cat.mai.  24.  Macrob.  I  6,  29.  Isid. 
IX  7,  4. 

5)  Rein  426  f.  und  s.  unten. 

6)  Isid.  a.  a.  O.  6.  Cod.  Iust.V  1,  3.  Digg. 
XXIII  2,  38  pr.  Auch  die  kostbaren  Gaben  bei 
Capitol.  Maxim,  duo  27,  7  sind  zwar  insignia 
sponsaliorum,  zugleich  aber  arrae  regiae. 

7)  Bei  Plaut,  m.  gl.  957  daher  als  arrabo 
bezeichnet,  luv.  6,  27  als  pignus.  Digg.  XXIV 
1,  36, 1.  Isid.  XIX  32, 4.  Bei  Tert.  apol.  6  heißt 
er pronubus anulus;  nach  Plin. XXXIII 12  wäre 
es  ein  eiserner  Ring  ohne  Stein  gewesen,  doch 
war  das  wohl  nur  älterer  Brauch,  denn  Tertull. 
a.  a.  0.  spricht  von  goldenen  Ringen,  und  er- 
haltene Goldringe,  die  zwei  verbundene  Hände 
zeigen,  stellten  wohl  die  dextrarum  iunetio  vor 
und  waren  daher  Verlobungsringe.  Vgl.  Ross- 
bach Rom.  Hochzeits-  u.  Ehedenkm.  27ff.  Mar- 
shall  Catal.  of  the  Finger  Rings  in  the  Brit. 
mus.XXI.  Ein  goldner  Verlobungsring  im  Mün- 
chenerAntiquariumträgtdie  Inschrift  Sitineum 


concordi  (CIL  XIII  10024,  50),  was  Bücheler 
Glotta  I  4  deutete  als:  sit  in  {a)e(v)um  con- 

8)  isid.  de  eccl.  off.  II  20, 8.  Gell.  X  10. 

9)  Sen.  de  benef.  IV  39,  3.  Daß  vorher  Ein- 
holung von  omina  stattfand,  wie  man  aus  Cic.  de 
div.  146,104undVal.Max.I5,4schließenkönn- 
te,  lehnt  Becker-GöllII  23  wohl  mit  Recht  ab. 

10)  Plin.  IX  117.  Cic.  ad  Qu.  fr.  11  5. 2  (6, 1) 
Tert.  de  idol.  16  unterscheidet  sponsalia  und 
nuptialia. 

n)  Cic.  a.a.O.  Sen.  a.a.O.  Suet.Aug.53. 
Plin.  ep.  I  9,  2. 

12)  Digg.  XVI  3,  25. 

13)  Repudium  remitiere  oder  renuntiare, 
sponsalia  dissolvere,  Plaut.  Aul.  784;  799.  Ter. 
Phorm.677.  Digg.  L  16,101,1.  Cod.Iust.  V  1,1. 
Die  Trennung  der  Ehe  heißt  aber  sowohl  re- 
pudium als  divortium,  wie  Mau  zu  Marquardt 
41  A.  2  richtig  darlegt,  vgl.  Rein  446  A.  3.  Bei- 
spiele von  aufgelösten  Verlöbnissen  Plut.  Cat. 
min.  7;  Caes.  14.  Suet.  Caes.  21 ;  Aug.  62  u.  s. 

1 4)  Daß  Verlobung  und  Hochzeit  auf  einen 
Tag  fallen,  wie  Plaut.  Aulul.  261  f.,  war  jeden- 
falls ungewöhnlich. 

15)  Besprochen  bei  Rossbach  Rom.  Ehe 
162ff. ;  am  gewöhnlichsten  ist  der  Versuch,  sie 
auf  die  verschiedenen  italischen  Völker  zurück- 
zuführen, s.  ebd.  165. 


Dritter  Abschnitt.    Die  Frauen  und  die  Ehe.  347 

die  bis  in  die  Urzeit  zurückgehn.  um  ihrer  religiösen  Weihe  willen  bis  in 
historische  Zeiten  erhalten  hatten  und  dann  neue,  weniger  feierliche,  aber 
auch  weniger  umständliche  und  antiquierte,  hinzukamen l).  Diese  verschie- 
denen Formen  gehen  jedoch  im  Grunde  nur  auf  zwei  zurück,  nämlich  ob 
die  Ehe  mit  oder  ohne  manus  geschlossen  wird.  Während  nämlich  die 
Gewalt,  die  das  Familienhaupt  über  sämtliche  Deszendenten  ausübt,  als 
patria  potestas  bezeichnet  wird,  führt  die  Gewalt,  die  der  Gatte  über  die 
ihm  unter  bestimmten  Formen  vermählte  Gattin  ausübt,  den  Namen  manus2). 
Der  Unterschied  besteht  vornehmlich  darin,  daß  die  Frau,  die  durch  ihre 
Heirat  aus  der  patria  potestas  ihres  Vaters  oder  Gewalthabers  ausscheidet, 
zwar  im  allgemeinen  in  der  Familie  ihres  Gatten  die  Stellung  einer  Haus- 
tochter einnimmt,  aber  nicht  gleich  dieser  vom  pater  familias  getötet,  ver- 
kauft oder  abgetreten  werden  kann3).  Wahrscheinlich  sind  in  alter  Zeit 
alle  Ehen  manus-JZhen  gewesen,  nur  verschieden  in  der  Form,  nicht  in  der 
Wirkung4).  Von  der  mawws-Ehe  gab  es  nun  dreierlei  Formen5),  die  teils 
sakralen,  teils  juristischen  Charakter  haben.  Sakralen  Charakter  hat  die 
durch  confarreatio  geschlossene  Ehe,  die  älteste  Form  der  Eheschließung6), 
die  vermutlich  von  Anfang  an  nur  für  Patrizier  zulässig  war7).  Ihren 
Namen  hat  die  Ehe  von  dem  beim  feierlichen  Opfer  dargebrachten  Spelt- 
kuchen,  dem  libum  farreum8);  dies  Opfer,  zu  dem  außer  dem  Speltkuchen 
ein  Schaf  diente9),  sowie  die  vorhergehenden  Auspizien  wurden  vom  Pon- 
tifex  maximus  und  dem  Flamen  Dialis  vollzogen10),  worauf  mit  gewissen 
feierlichen  Formeln,  die  uns  nicht  überliefert  sind,  aber  sicherlich  auch 
religiösen  Charakter  hatten,  die  confarreatio  unter  Anwesenheit  von  zehn 
Zeugen  erfolgte11).  Inwieweit  noch  andere  der  uns  überlieferten  Hochzeits- 
bräuche, von  denen  unten  die  Rede  sein  wird,  und  welche  davon  auch  bei 
der  Confarreationsehe  üblich  waren,  ist  nicht  überliefert. 

')  Vgl.  die  Darlegung  bei  Rossbach  239  ff. ;       nicht  aus ;  in  der  historischen  Zeit  ist  die  Con- 
zusammen fassend  Rein  376.   Marquardt  35,       farreation  nur  Patriziern  eigentümlich.     Ihre 


etwas  abweichend.  G  F.  Gamurrini  II  matri- 
monio  Italico,  R.  M.  IV  (1889)  89  ff.  erweist 
durch  Darstellungen  eines  altertümlichen  etrus- 
kischen  Cippus,  daß  gewisse  Formen  der  Ehe- 
schließung altitalischen  Ursprungs  waren. 

*)  Die  Ansicht  von  Rossbach  27  ff.,  daß 
in  frühester  Zeit  kein  Unterschied  zwischen 
potestas  und  manus  bestanden  habe,  widerlegt 
Marquardt  2  A.  3. 

Rossbach  23  ff.  Rein  373  ff.  Karlowa 


sakrale  Bedeutung  betont  Dion.  a.  a.  0.,  indem 
er  sie  ifool  yd/wi  nennt. 

8)  GaiusI112.  Fest. 88,11.  Plin.XVIIl  10; 
vgl.  Serv.  a.  a.  0.:  farre,  cum  per  ponttfleem 
maximum  et  Dialern  flaminem  per  fruga  et 
molam  salsam  coniungebatur,  an  de  confarre- 
atio appellabatar,  e.r  aiiibus  nupHis  patrimi  et 
matrimi  tuucebantur. 

9)  Serv.  ad  Aen.  IV  374:  bei  der  Ehe  eines 
Flamen  mit  einer  Flaminiea  ließen  sich  diese 


Rom.  Rechtsgesch.  II  151  ff.    Marquardt  5  f.  auf  Stühlen,  die  mit  dem  Fell  des  geopferten 

4)  Erweisen  läßt  sich  das  freilich  nicht;    j    Schafes  bedeckt  wurden,    nieder.    Rossbach 

Marquardt  36  nimmt  sogar  an.  daß  die  ältesten  103  meint,  das  ursprüngliche  Opfertier  sei  ein 

außerhalb    der  patrizischen  Bürgerschaft  ge-  Schwein  gewesen,  weil  dies  nach  Varr.  r.  r  II 

schlossenen  Ehen  iusta  matrimonia  und  gewiß  4,9  in  Etrurien  das  erste  Opfer  der  Neuver- 

Ehen  ohne  manus  gewesen  seien,    was  aber  mahlten  war. 
wenig  wahrscheinlich  ist.  10J  Serv. ad  Verg.  Geo.  a. a.  0.  Die  Anwesen- 

s)  Gaius  I  109  f.  Serv.  ad  Verg.  Geo.  I  31 ;  heit  von  Priestern  bei  der  confarreatio  wie  bei 

vgl.  Loewe  im  Rh.  Mus.  XXXIII  (1878)  631.  der  diffarreaHoi*.  unten)  ist  auch  bezeugt  durch 

G)  Dion.  Hai.  II  25. 2  führt  ihren  Ursprung  eine  Inschrift  der  Kaiserzeit  CIL  X  6662.^und 

auf  Romulns  zurück.   Vgl.  im  alle.  Rossbach  für  letztere  allein  Plut.  qu.  Rom.  50  p.  276  D. 
löff.  REiN378ff.  LE0NHARDbeiP.-W.IV862ff.,  »)  Gaius  a.a.O.:  am  certis  et  solUmnibus 

wo  weitere  Litteratur  angegeben  ist.  ,-erbls  praesatibus  deeem  lestibus;  ebenso  V\u. 

7)  Dion.  Hai.  a.a.O.  spricht  sich  darüber  9.  1. 


348  Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 

Die  beiden  anderen  Formen  der  manus-Ehe  beruhen  auf  juristischen 
Grundlagen.  Die  eine  ist  die  Form  der  coemtio,  d.  h.  die  Ehe  durch  einen 
symbolischen  oder  Scheinkauf1),  eine  Art  mancipatio  mit  besondern  Formeln, 
in  Anwesenheit  von  fünf  Zeugen.  Es  fragten  dabei  Bräutigam  und  Braut 
sich  gegenseitig,  ob  sie  paler  und  mater  familias  sein  wollten2).  Auch 
gehörte  wie  bei  einem  wirklichen  Verkauf  der  libripens  mit  der  Wage  dazu3). 
Die  Auffassung  der  symbolischen  Handlung,  ob  die  Tochter  vom  Vater 
gleichsam  verkauft  wurde  oder  ob  sie  sich  mit  dessen  Zustimmung  selbst 
verkaufte,  steht  nicht  fest,  doch  ist  das  erstere  wahrscheinlicher4).  Die 
erwähnten  Fragen  aber  mit  ihren  Antworten  sollten  andeuten,  daß  die  Frau 
durch  diesen  Verkauf  zwar  aus  der  Gewalt  des  Vaters  entlassen,  aber  nicht 
Eigentum  des  Käufers,  d.  h.  ihres  Gatten  wird,  was  sonst  die  Wirkung  der 
mancipatio  war5).  Auch  hier  kamen  natürlich  noch  anderweitige  Zere- 
monien hinzu,  und  dasselbe  war  der  Fall  bei  der  dritten  Form  der  manus- 
Ehe,  nämlich  durch  usus&).  Diese  Form  beruht  auf  dem  Rechtsbegriff 
der  usucapio,  die  darin  besteht,  daß  man  einen  Gegenstand,  den  man  in 
gutem  Glauben  in  Besitz  genommen  hat,  als  Eigentum  erhält,  wenn  man 
ihn  eine  gewisse  Zeit  hindurch  (bewegliche  Gegenstände  ein  Jahr,  unbeweg- 
liche zwei)  in  ununterbrochenem  Besitz  gehabt  hat7).  Dementsprechend  ging 
die  Frau,  die  ein  ganzes  Jahr  lang  ohne  Unterbrechung  im  Hause  des  Mannes 
zugebracht  hatte,  in  dessen  manus  über8).  Da  die  Frau  also  erst  nach  Ab- 
lauf des  Jahres  in  die  manus  des  Mannes  kam,  so  setzt  diese  Form  der  Ehe 
das  Vorhandensein  der  vierten  Eheform,  der  ohne  manus,  voraus;  die  Usus- 
Ehe  ist  demnach  nicht  eine  Form  der  Eheschließung,  wie  confarreatio  und 
coemtio,  sondern  eine  erst  ein  Jahr  nach  der  Eheschließung  eintretende 
Wirkung  auf  das  rechtliche  Verhältnis  der  Ehegatten. 

Diesen  drei  Formen  der  Manus-Ehe  stand  die  Ehe  sine  in  manum  Con- 
ventions gegenüber9).  Die  rechtlichen  Folgen  einer  solchen  Ehe  bestehen 
darin,  daß  die  Frau  nicht  mater  familias  in  der  Familie  ihres  Mannes  mit 
Erbrecht  wird,  wie  in  der  Manus-Ehe,  sondern  nur  uxor10);  sie  bleibt  also  in 
der  potestas  ihres  Vaters  und  im  Erbrecht  ihrer  Familie11). 

Wann  und  wie  sich  diese  verschiedenen  Formen  der  Ehe  entwickelt 
haben,   darüber  fehlt  es  an  authentischen  Nachrichten,  und  die  Ansichten 


')  Gaius  1118;  sie  wird  erst  bei  Cicero  und 
Varro  erwähnt,  war  aber  jedenfalls  schon  lange 
vorher  üblich,  vgl.  Rossbach  65  ff.  Rein  382  ff. 
Leonhard  a.a.O.  198  ff.  mitLitteraturangaben. 

*)  Cic.  Top.  3,  14  und  Boethius  z.  d.  St. 
p.  299  Or.  Sei  v.  ad  Aen.  IV  214. 

3)  Gaius  a.  a.  0.  lieber  die  Formen  der 
mancipatio,  die  eine  imaginaria  venditio  ist, 
s.  Gaius  ebd.  119.  Der  Kaufende  schlug  mit 
einem  As  (dem  aes  raudusculum,  Varr.  1. 1.V163) 
an  die  Wage  und  hielt  den  gekauften  Gegen- 
stand, wenn  es  ein  beweglicher  war.  dabei 
mit  der  Hand  gepackt,  Gai.  a.  a.  0. 121 ;  HI  167. 

4)  S.  übet  diese  Streitfrage  Rossbach  72  ff. 
6)  Das   ist  manchmal  intümlich  als  ein 

gegenseitiger  Kauf  betrachtet  worden.  Serv. 
a.  a.  0.  IV  103:  mulier  atque  rir  i  titer  se  quasi 
emotionem  faeiunt;  vgl.  dens.  zu  Geo.  1 31.  Isid. 


V  25,  26:  antiquus  nuptiarum  erat  ritus,  quo 
se  maritus  et  uxor  invicem  emebant,  ne  vide- 
retur  uxor  ancilla. 

6)  Rossbach  146  ff.  Rein  388  ff. 

7)  Vgl.  Rein  246  ff. 

8)  Nach  den  XII  Tafeln  wurde  die  Usu- 
capion  aufgehoben,  wenn  die  Frau  drei  Nächte 
hintereinander  außerhalb  des  Hauses  des  Man- 
nes verweilt  hatte,  Gai.I  111.  Gell.  III  2.  12 f. 
Macrob.  1  3,  9.    Serv.  ad  Geo.  I  31. 

9)  Cic.  top.  3. 14:  genus  est  uxor ;  eius  duai 
formae:  una  matrumfamilias,  eae  sunt,  quae 
inmanum  convenerunt ; altera earum,  quae  tan- 
tum  modo  uxores  habentur.  Vgl.  Rossbach  42  ff. 
Rein  391  ff 

10)  Gell. XVIII 6,9.  Quint.V  10,62.  Ulpian. 
26,  7. 

u)  Diüa.  XLIII  30,1,5. 


Dritter  Abschnitt.   Die  Frauen  und  die  Ehe. 


349 


der  Neueren  hierüber  gehen  sehr  auseinander1).  Wahrscheinlich  gab  es, 
wie  schon  oben  angedeutet,  in  der  ältesten  Zeit  nur  Manus-Ehen,  und  zwar 
für  Patrizier  in  der  feierlich-religiösen  Form  der  confarreatio,  für  Plebejer 
in  der  juristischen  der  coemtio2).  Daneben  kam  dann  die  freie  Ehe  ohne 
manus  auf,  und  das  hatte  wieder  die  Einrichtung  der  Usus-Ehe  zur  Folge, 
indem  ja  die  Ehe  ohne  manus  nach  Ablauf  eines  Jahres  ehelicher  Gemein- 
schaft zur  Manus-Ehe  wurde3).  Für  diejenigen,  die  das  nicht  wünschten, 
sanktionierte  das  Zwölftafelgesetz  die  vielleicht  schon  vorher  übliche  Be- 
stimmung, daß  die  Abwesenheit  der  Frau  während  dreier  Nächte  hinter- 
einander den  usus  aufhob.  Schließlich  aber  wurde  die  Ehe  ohne  manus  die 
gewöhnliche  Form.  Daneben  fristeten  die  andern  Eheformen  nur  zum  Teil 
ihr  Leben  noch  fort.  Die  confarreatio  wurde  immer  seltner  und  fand  in  der 
Kaiserzeit  noch  mehr  Einschränkung:  unter  Tiberius  fielen  ihre  privat- 
rechtlichen Folgen  fort4),  und  später  kam  sie  überhaupt  nur  noch  bei 
Priestern  vor5).  Schon  viel  früher  scheint  die  Usus-Ehe  verschwunden  zu 
sein:  zu  Ciceros  Zeit  bestand  sie  noch6),  zu  der  des  Gaius  war  sie  außer 
Gebrauch  gekommen7).  Dagegen  bestand  die  coemtio  in  der  Kaiserzeit  fort 
und  war,  da  die  confarreatio  hinsichtlich  der  manus  beschränkt  worden  war, 
die  einzige  Form,  die  manus  zu  erwerben8);  wann  sie  abkam,  ist  nicht  er- 
sichtlich9). Jedenfalls  wurde  sie,  wegen  der  mit  der  Manus-Ehe  verbundenen 
Beschränkung  der  Frau,  die  den  überhandnehmenden  Emanzipationsgelüsten 
der  Römerinnen  zuwider  war,  immer  seltner  und  die  freie  Form  der  Ehe 
ohne  manus  die  allgemein  übliche. 

Wir  gehen  nun  zur  Darstellung  der  Hochzeitsgebräuche  über10). 
Dabei  ist  vorauszuschicken,  daß  jedenfalls  nicht  alle  die  einzelnen  Bräuche 
und  Zeremonien,  die  uns  überliefert  sind,  bei  jeder  Hochzeit  stattfanden, 
sondern   daß   nur   gewisse   darunter,   namentlich   solche,  die  der  Ehe  ihre 


J)  So  nimmt  Rossbach  162  ff.  an,  die  co- 
emtio sei  ein  Kest  der  alten  indogermanischen 
Sitte  des  Brautkaufs  und  daher  die  älteste  Form 
der  Ehe;  alle  Ehen  waren  damals  Manus-Ehen 
und  Unterschiede  zwischen  der  Eheschließung 
verschiedener  Stände  nicht  vorhanden.  Dann 
sei  von  den  Patriziern  die  Eheschlief3ung  bloß 
zur  religiösen  Handlung  gemacht  worden  (als 
confarreatio),  für  die  Ehe  durch  Kauf  aber 
sowohl  für  Patrizier  wie  für  Plebejer  der  sym- 
bolische Scheinkauf  eingetreten.  Die  nächste 
Stufe  sei  die  zur  Vermeidung  der  manus  ein- 
geführte usus-Ehe  gewesen,  bis  die  freie  Ehe 
(ohne  manus)  selbständige  Form  gewann  und 
im  Laufe  der  Zeit  die  übrigen  Formen  ver- 
drängte. Marquardt  35  ff.  betrachtet  die  con- 
farreatio als  die  älteste,  aber  nur  den  Patri- 
ziern zustehende  Form  der  Ehe:  die  ältesten 
nicht-patrizischen  Ehen  seien  keine  iusta  ma- 
trimonia gewesen,  erst  allmählich  hätten  auch 
die  Plebejer  iusta  matrimonia  mit  manus  ge- 
schlossen, und  zwar  zuerst  in  der  Form  des 
usus,  dann  auch  in  der  coemtio,  die  die  jüngere 
sei.  während  daneben  auch  die  Ehen  ohne  manus 
als  iusta  matrimonia  anerkannt  wurden.  Der 
oben  eingenommene  Standpunkt  ist  der  von 


Mau  zu  Marquardt  38  A.  1   vertretene. 

2)  Daß  für  die  coemtio  kein  Beleg  vor  Cicero 
vorliegt,  ist  kein  Beweis  jüngeren  Datums,  da 
die  ganze  symbolische  Form  auf  hohes  Alter- 
tum deutet. 

3)  Daß  der  Zustand  während  des  «MM- 
Jahres  überhaupt  keine  Ehe  war,  wie  man- 
che meinen,  ist  nicht  wahrscheinlich,  stimmt 
auch  nicht  dazu,  daß  die  Frau  bei  Gai.  I  111 
nupta  heißt.  Rossbach  158  f.  setzt  die  Ent- 
stehung der  freien  Ehe  nach  der  der  usus- 
Ehe  an. 

*)  Tac.  ann.  IV  16. 

5)  Boethius  ad  Cic.  top.  a.  a.  0.  Zur  Zeit 
des  Boethius  und  des  Servius  (ad  Aen.  I  374; 
ad  Geo.  1 3 1 )  existierte  sie  gar  nicht  mehr,  beide 
sprechen  davon  im  Praeteritum. 

6)  Cic.  pro  Flacc.  34,  84. 

7)  Gai.I  111. 

8)  Gai.  I  130  spricht  von  der  coemtio  als 
einer  noch  bestehenden  Form,  ebenso  Ulpian 
bei  Boethius  a.  a.  0. 

9)  Servius  a.  a.  0.  und  Isid.  V  24,  26  spre- 
chen davon  als  von  einer  längst  vergangenen 
Institution. 

10)    R0SSBACH253ff.    BECKER-GöLLlI24ff. 


350 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 


religiöse  Weihe  gaben,  stehende  gewesen  sein,  andere  im  Belieben  der 
Teilnehmer  gestanden  haben  werden.  Eine  Beschränkung  des  Zeremoniells 
fand  namentlich  bei  der  Wiederverheiratung  von  Witwen  statt,  bei  der  man 
möglichst  Prunk  vermeiden  wollte1),  weil  die  Sitte  ursprünglich  sie  nicht 
billigte2). 

Zunächst  war  schon  die  Wahl  des  Hochzeitstages  nicht  gleichgültig3). 
Wenn  man  Festtage  vermied,  damit  nicht  die  Gäste  dadurch  an  der  Teil- 
nahme verhindert  würden4),  so  waren  es  sonst  religiöse  oder  abergläubische 
Bedenken,  weshalb  man  gewisse  Tage  ausschloß,  die  als  unglückbringend 
galten:  so  die  Kaienden,  Nonen  und  Iden  nebst  dem  darauf  folgenden  Tage5), 
ferner  die  erste  Hälfte  des  März6),  der  ganze  Mai7),  die  erste  Hälfte  des 
Juni8),  die  der  Totenfeier  geweihten  dies  parentales,  vom  13. — 21.  Februar9), 
die  drei  Tage,  wo  die  Unterwelt  offen  steht  (ubi  mundus  patet),  nämlich  der 
24.  August,  5.  Oktober  und  8.  November10),  endlich  alle  sonstigen  dies  religiosi 1 1). 
Dagegen  galt  die  zweite  Hälfte  des  Juni  als  die  günstigste  Zeit  für  die  Ehe- 
schließung12). 

Schon  am  Abend  vor  der  Hochzeit13)  legte  die  Braut  ihre  Mädchentracht, 
die  toga  praetexta,  ab  und  weihte  sie  wie  ihr  Spielzeug  (siehe  oben  S.  308)  den 
Laren  oder  sonst  einer  Gottheit 14) ;  dafür  legte  sie  schon  jetzt  das  Hochzeits- 
kleid an,  die  tunica  recta  oder  regilla,  nebst  einem  rötlich  gefärbten  Kopftuch, 
womit  sie  zu  Bett  ging 15).  Das  Kleid  war  eine  weiße  Tunika  ohne  Besatz;  wes- 
halb sie  aber  recta  hieß,  ist  nicht  sicher:  die  Alten  bezogen  es  darauf,  daß  sie 
auf  dem  Webstuhl  der  älteren  Art,  an  dem  man  stehend  und  nach  oben  webte, 
hergestellt  worden  sei16),  während  eine  neuere  Deutung  die  Benennung  darauf 


>)  Plut.qu. Rom.  105 p. 289 A. Varr. b. Non. 
480,  2. 

2)  Daher  auf  den  Grabschriften  so  häufig 
das  Lob  der  Frau,  die  als  univira  gestorben  war, 
s.  Marquardt  42  A.  6. 

3)  Vgl.  Rossbach  264  ff. 

4)  Eben  deshalb  wählten  sie  Witwen,  die 
keine  große  Gästezahl  wünschten,  Plut.  a.  a.  0., 
einen  symbolischen  Brauch  will  Verrius  Flaccus 
bei  Macr.  I  15,21  darin  erkennen. 

5)  Macr.  a.  a.  O.  Fest.  179, 2.  Als  dies  atri 
werden  sie  bezeichnet,  nebst  Erklärung  der 
Gründe,  Varr.  1. 1.  VI  29.  Ov.  fast.  I  55  ff.  Gell. 
V  17,  1  f.  Plut.  qu.  Rom.  25  p.  269  E. 

6)  Ov.  a.  a.  0.  III 393 ;  ungenau  vom  ganzen 
März  Porph.  ad  Hör.  ep.  II  2,  209. 

7)  Ov.  a.  a.  0.  V  487  ff.  Plut.  a.  a.  0.  86 
p.  284  F. 

s)  Ov.  a.a.O. VI  225. 

9)  Ov.  a.  a.  0.  II  555  ff;  vgl.  Marquardt 
Rom.  Staatsverwalt.  III  298  u.  548.  Wissowa 
Relig.d.Röm.  187. 

1  °)  Fest.  142  a,  23 ;  154b,  30.  Varro  bei  Macr. 
1 16, 18.  Vgl. Makqüardt  a. a.  0. 351 .  Wissowa 
a.  a.  0. 189. 

u)  Wie  z.B.  das  Datum  der  Schlacht  an 
der  Allia  (18.  Juli),  vgl.  Makquakdt  a.  a.  0.  283. 
WissowAa.a.O.376;imallgem.Festus278b,10. 

12)  Ov.  fast.  VI  223  f. 

13)  Das  Bad  vor  der  Hochzeit  ist  griechi- 


scher Brauch,  vgl.  Hermann  Griech.  Privatalt. 
270;  doch  gehörte  es  wohl  auch  zur  römischen 
Hochzeitssitte,  s.  Plaut.  Aul.  579. 

14)  Festus  245  a,  9.  Varr.  bei  Non.  538, 14. 
Prop.  V  (IV)  11,  33.  Arnob.  II  67. 

lä)  Dies  alles  gehörte  zur  Tracht  nach  Fest. 
286  b,  33,  nach  dem  damit  bekleidet  pridie  hu- 
ptiarum  dlem  virgines  cubitum  ibant  ominii 
causa,  ut  etiam  in  togis  virilibus  observari  solet. 
Wenn  Makqüardt  43  A.  13  behauptet,  es  sei 
selbstverständlich,  daß  dies  nicht  derselbe  An- 
zug ist,  den  die  Braut  am  Hochzeitstage  trägt, 
so  gilt  das  wohl  nur  vom  Kopftuch,  nicht  vom 
Kleid,  da  die  tunica  recta  das  Hochzeitskleid  ist. 

16)  So  erklärt  es  Festus  a.a.O.:  regiUid 
tunicis  albiSf  et  reticulis  luteis  utrisque  rectis, 
textis  sursum  versum  a  stantibus.  Isid.  XIX 
22,18;  auch  Plin.  VIII 194  ea  (Tanaquil)  primae 
texuit  rectam  tunicam,  quales  cum  toga  pura 
tirones  induuntur  novaeque  nuptae  scheint  die- 
selbe Ableitung  zu  meinen.  Es  ist  zu  beachten, 
daß  die  von  Marquardt  44  (vgl.  125).  Becker- 
Göll26.  Blümner  Technologie  1122  vertretene 
Ansicht,  daß  man  später  am  horizontalen  Web- 
stuhl webte,  die  tunica  recta  aber  am  vertikalen 
Webstuhl  hergestellt  war,  unrichtig  ist,  wie 
Ahrens im  PhilologusXXXV  (1876)  385ff.  und 
Schröder  A.  Z.  XLII  (1884)  169  ff.  dargetan 
haben.  Den  horizontalen  Webstuhl  scheint  das 
Altertum  überhaupt  nicht  gekannt  zu  haben; 


Dritter  Abschnitt.    Die  Frauen  und  die  Ehe. 


351 


zurückführt,  daß  die  Tunika  gerade  herabfiel  und  keinen  Faltenbausch  über 
die  Gürtung  bildete1);  ebenso  bleibt  die  Entstehung  der  zweiten  dafür  üb- 
lichen Bezeichnung  reg'dla  dunkel2).  Dieses  Brautkleid,  das  die  Braut  auch 
am  Hochzeitstage  anzog,  war  gleich  der  von  den  verheirateten  Frauen  ge- 
tragenen Stola  ein  langes  Gewand3);  es  wurde  mit  einem  aus  Schafwolle 
gefertigten  Gürtel  (cingulum)  *)  in  einer  besondern  Art  Knoten,  dem  nodua 
Herculeus6),  geschürzt,  den  der  Bräutigam  in  der  Hochzeitsnacht  löste"). 
Sodann  gehörte  zur  Tracht  ein  den  Kopf  und  den  größten  Teil  des  Gesichts 7) 


der  jüngere  Webstuhl  unterschied  sich  (abge- 
sehen von  einigen  andern  konstruktiven  De- 
tails) vom  älteren  vornehmlich  dadurch,  daß 
man  an  ihm  sitzend  und  nach  unten  webte, 
am  älteren  stehend  und  nach  oben.  Näheres 
in  der  1911  erscheinenden  2.  Auflage  meiner 
Technologie. 

*)  So  Rossbach  277  (dem  sich  Mau  zu 
liarqnardt  a.  a.  0.  A.  2  anschließt),  obschon 
er  die  Herstellung  auf  dem  alten  Webstuhl 
mit  Festus  a.a.O.  und  277a. 8  annimmt.  Dem 
steht  entgegen,  daß  dtr  Bausch  gar  nicht  zur 
römischen  Frauentracht  gehört.  Der  ooöoozä- 
diog  /itojv  der  Griechen  kann  damit  nicht  ver- 
glichen werden.  Dagegen  waren  die  rectae,  die 
später  als  Männertracht  erscheinen  (Vopisc. 
Aurel.  46,  6.  Hesych.  s.  gexrog),  jedenfalls  an- 
dern Ursprungs. 

')  Sie  kommt  zuerst,  aber  nicht  als  Braut- 
kleid, Plaut.  Epid.223  vor,  wo  der  Scherz:  quid 
trat  induta?  an  regillam  inductdam  an  men- 
dtculam?  auf  dieselbe  Ableitung  von  regina 
deutet,  die  Isid.  XIX  25,1  und  Non.  539, 9  geben; 
das  ebd.  zitierte  Fragment  des  Varro:  regilla 
tunica  purpura  distingitur  zeigt,  daß  auch  er 
nicht  die  bräutliche  regilla  meint.  Marquakdt 
a.  a.  0.  lehnt  die  Etymologie  ab,  Rossbach  277 
und  Mau  nehmen  sie  an.  Etymologisch  hängen 
recta  und  regilla  nur  indirekt  zusammen.  Viel- 
leicht war  die  tunica  recta  alba  alte  Tracht 
der  Königinnen. 

3)  luv.  2, 124:  segmenta  et  longos  habituß 
et  flammea  sumit;  es  heißt  auch  direkt  stola 
bei  Cic.  II  18,44:  qui  te  a  meretricio  quaestn 
abduxit  et  tamquam  stolam  dedisset,  in  matri- 
monio  certo  et  stabili  conlocavit.  Aus  Lucan. 
II  363:  umerisque  haerentia  primis  suppara 
nudatos  cingunt  angusta  lacertos  darf  man 
schließen,  daß  sie  eng  anliegende,  den  Ober- 
arm bedeckende  Aermel  hatte.  Daß  aber  die 
tunica  recta  mit  der  stola  der  Matronen  völ- 
lig identisch  war,  wie  Becker-Göll  27  dar- 
aus schließt,  daß  die  vitta  matronarum  ebenso 
zur  stola  wie  zum  Brautschmuck  gehörten  (s. 
oben  S.  273  und  unten),  ist  doch  nicht  wahr- 
scheinlich; zum  mindesten  unterschied  sie  sich 
in  der  Farbe  und  vielleicht  auch  im  Schnitt.  Hin- 
gegen wird  ebd.  mit  Recht  es  abgelehnt,  wenn 
Rossbach  274  ff.  auch  die  toga  pura  zur  Braut- 
tracht rechnet;  denn  bei  Plin.  VIII 194  (s.  oben 
S.  350  A.  16)  ist  cum  toga  pura  nur  auf  die 
Knaben  zu  beziehen. 


4)  Fest.  63,  5:  cingulo  nova  nupta  prae- 
cingebatur,  <[i«>il  vir  in  lecto  edfoebat,  factum 

ex  lana  ovis.  Daher  nennt  Hieron.  ep.  147,  6 
p.  1200  das  ciugu/uui  dotolepignus.  Doch  gehört 
der  Gürtel  nicht  bloß  zur  Brauttracht,  vgl.  oben 
S.  232.  Ein  mit  Edelsteinen  besetzter  baÜeu»  er- 
scheint als  Brautschmuck  Lucan.  II  362. 

5)  Der  nodua  Her culeus {vgl.  über  diesen  be- 
sonders Stephani  Compte  rendu  de  St.  Petersb. 
1880. 30  ff.)  ist  nicht  bloß  der  Brauttracht  eigen- 
tümlich, sondern  war  eine  besonders  künst- 
liche Art  der  Knüpfung,  die  Schutz  gegen  Be- 
zauberung gewähren  sollte  und  z.  B.  auch  beim 
Verbinden  von  Wunden  Anwendung  fand,  Plin. 
XXV III  63;  vgl.  Sen.  ep.  87, 33.  Bei  der  Braut- 
tracht brachte  man  allerdings  noch  allerlei 
Symbolisches  damitin  Verbindung,  Fest.  a.a.O.: 
hunc Her culaneo  modo  rinctum  vir  sotrit  ontinis 
oratio,  ut  sie  ipse  feli.r  sit  in  auscipitndis  li- 
beris,  ut  fuit  Hercules,  qui  septuugnitu  liberos 
reliquit.  Vgl.  Rossbach  278  f.  Saglio  bei  D.S. 
IV  87  f.  Auch  zur  Amtstracht  der  Vestalinneu 
gehört  ein  wollener,  im  Herkulesknoten  ge- 
knüpfter Gürtel,  wie  denn  überhaupt  die  Ve- 
stalinnen  in  ihrer  Tracht  vieles  von  der  Braut- 
tracht  entlehnt  haben  (ähnlich  wie  die  Nonnen 
als  „ Bräute  Christi"  in  Brauttracht  erscheinen), 
s.  Dbagendorff  Rh.  Mus.  LI  (1896)  289. 

6)  Fest.  a.a.O.  und  ebd. 9:  rüixiae  luno- 
nis  mnetum  kabebatur  in  nuptiis,  guod  initio 
coniugii  solutio  erat  cinguli,  quo  nova  nupta 
erat  emeto.  Dieser  Beiname  der  Juno  ist  auch 
der  Name  einer  besondern  Hochzeitsgottheit 
Cinxia  geworden,  Arnob.  III  25,  vgl.  Preller- 
Jordan  Rom.  Myth.  I  280;  II  218.  Wissowa 
Rel.  d.  Rom.  119.  Peter  bei  Röscher  II  195. 
Aust  bei  P.-W.  III  2563. 

7)  Zwar  wird  gewöhnlich  behauptet,  das 
flammeum  habe  das  Gesicht  unbedeckt  ge- 
lassen (Rossbach  280.  Becker-Göll 29.  Helbig 
SB  d.bayer.  Akad.  1880, 1521);  allein  dagegen 
sprechen  Stellen  wie  Mart.  XII  42,2:  re/arunt 
flammeo  vultus.  Lucan.  II  361 :  lutea  demisaos 
velarunt  flammeo  vultus.  (Jlaudian.  XXXV  324: 
vuUibus  addunt  flammea;  auch  ebd.  XXII 358: 
trepido  iam  flammea  suhle  rat  ore  viryinis;  daß 
die  Augen  verhüllt  waren,  erweist  auch  XIII  4: 
iam  produnt  Uterimao  flammeo  simplieee.  Wenn 
die  Sarkophage  mit  Darstellung  der  Eheschlie- 
ßung das  größtenteils  nicht  zeigen,  so  ist  das 
kein  Gegenbeweis,  da  sie  überhaupt  nicht  treu 
nach  dem  Leben  darstellen. 


352 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 


verhüllendes  schleierartiges  Tuch1),  das  nach  seiner  gelbroten  Farbe2)  flam- 
meum hieß3);  und  so  bedeutungsvoll  war  dies  Kleidungsstück,  daß  von  der 
Verhüllung  damit  die  Heirat  für  die  Braut  mit  dem  Worte  nubere  bezeichnet 
wurde4).  Unter  diesem  Schleiertuch  trug  die  Braut  das  Haar  in  einem  be- 
sondern Arrangement,  zu  dem  man  sich  nicht  der  gewöhnlichen  Toiletten- 
geräte, sondern  eines  besondern  gekrümmten  Instrumentes5)  bediente,  das 
hasta  caelibaris  hieß6),  dessen  Ursprung  und  Bedeutung  aber  dunkel  ist7). 
Geordnet  wurde  das  Haar  in  die  sogenannten  sex  crines,  die  auch  die  Vesta- 


*)  Allem  Anschein  nach  ist  das  nach  Fest. 
286b,  33  (s.  oben  S.350  A.  15)  am  Abend  vor 
der  Hochzeit  angelegte  reticulum  luteum,  das 
wie  die  tunica  als  rectum  bezeichnet  wird,  kein 
Haarnetz,  sondern  mit  dem  flammeum  iden- 
tisch, wie  Rossbach  280  meint.  Marquakdt  45 
will  freilich  beide  unterscheiden  und  erklärt 
das  flammeum  als  einen  langen  Schleier,  der 
wie  die  palla  getragen  wurde  und  seine  Ei- 
gentümlichkeit nur  in  dem  Stoffe  und  der  Farbe 
hatte.  Allein  das  flammeum  scheint  vielmehr 
in  seiner  Form  mit  der  oben  (S.  234)  bespro- 
chenen rica  identisch  zu  sein,  die  ein  schleier- 
artiges Kopftuch  war.  Die  Glossen  erklären 
flammeum  als  mavorte  virginale,  Corp.  Gloss. 
IV  517,  29;  dieses  aber  wird  ebd.  V  604.30  als 
operimentum  capitum  mulierum  erklärt,  vgl. 
ebd.  VI  668;  Isid.  XIX  25,4  erklärt  es  als  Si- 
gnum maritalis  dignitatis  und  bemerkt,  daß  es 
super  caput  mulierts  est;  vgl.  auch  Blümner 
Maximaltar,  d.  Dioclet.  149. 

*)  Es  wird  mehrfach  als  luteum  bezeich- 
net, Fest.  a.a.O.  Plin.XXI46.  Lucan.11361; 
es  ist  das  aber  (obschon  der  Schol.  luv.  6,225 
vom  flammeum  sagt:  est  sanguineum  propter 
ruborem  custodiendum)  keine  direkt  rote  Farbe, 
wie  Marquardt  a.  a.  0.  sagt,  sondern  rotgelb, 
wie  die  Flamme;  so  schon  Rossbach  280  und 
Becker-Göll  2S:  vgl.  Blümner  Technol.  I  243: 
Farbenbezeichn.  bei  d.  röm.  Dicht.  125f.  Dies 
Bedenken  steht  daher  der  Deutung  entgegen. 
die  Samter  Familienfeste  52  ff.  von  der  roten 
Farbe  des  flammeum  gibt,  indem  er  meint,  es 
ahme  die  Farbe  des  Bluts  nach  und  sei  als  ein 
Ersatz  für  das  blutige  Opfer  zu  bezeichnen; 
die  Belegstellen,  die  er  für  solche  Bedeu- 
tung roter  Gewandstücke  beibringt,  sprechen 
auch  alle  von  Purpur  oder  Scharlach  und 
beweisen  daher  nichts  für  das  lutum  flam- 
meum. 

3)  Das  flammeum,  das  bis  ins  späte  Alter- 
tum Brauttracht  blieb,  wird  an  zahlreichen 
Stellen  als  solche  erwähnt  (auch  bei  den  Kir- 
chenvätern, vgl.  Tert.  adv  Valent.  32.  Ambros. 
de  viel.  9,  59.  Hieron.  a.  a.  O.),  vgl.  Rossbach 
279 ff.,  der  die  Bedeutung  der  Verschleierung 
sowie  der  Feuerfarbe  mit  der  Verhüllung  beim 
Opfer  und  dem  dabei  angezündeten  Feuer  er- 
klärt, weshalb  es  auch  die  ständige  Tracht  der 
Flaminica  war;  vgl.  Fest.  89, 13,  der  sogar,  ob- 
schonsicher  falsch, den  Namen  von  flaminica  ab- 
leitet (richtiger  92, 1 6  von  der  Farbe  des  Feuers 


resp.  Blitzes).  Dagegen  ist  die  Notiz  bei  Non. 
541,  28:  flammeus,  vestis  vel  tegmen,  quo  capita 
matronae  tegunt,  sicher  nicht  mit  Rossbach  282 
so  zu  deuten,  daß  auch  die  übrigen  römischen 
Frauen  das  flammeum  getragen  hätten.  Dra- 
gendorff  a.  a.  0. 292  ff.  nimmt  nicht  ohne  Wahr- 
scheinlichkeit  an,  daß  das  von  den  Vestalinnen 
getragene  Kopftuch,  das  suffibulum  heißt,  ur- 
sprünglich mit  dem  flammeum  identisch  war, 
obschon  letzteres  gelbrot,  jenes  weiß  mit  Pur- 
purverbrämung war. 

4)  Fest.  170  b,  24:  nuptias  dietas  esse  .  . . 
qaia  flammeo  caput  nubentis  obvolvatur,  quod 
antiqui  obnubere  vocarent.  Isid.  IX  7, 10 :  nuptue 
dietae,  quod  vultus  suos  velent.  Daß  das  Ver- 
hüllen des  Hauptes  ein  auch  bei  andern  Völkern 
ganz  verbreiteter  Brauch  ist,  belegt  Samter 
a.  a.  0. 48  ff.  mit  Beispielen,  doch  scheint  es  nach 
dem  etruskischen  Relief  R.  M.  IV  (1889)  Taf.  IV 
altitalischer  Brauch  gewesen  zu  sein,  daß  nicht 
nur  die  Braut,  sondern  auch  der  Bräutigam  ver- 
hülltwurde. Man  sieht  hier  nämlich  zwei  Frauen 
(wohl  die  promibae),  die  ein  großes  Tuch  über 
die  Köpfe  von  drei  Personen  decken,  in  denen 
Gammurini  ebd.95  das  Brautpaar  und  den  Braut- 
vater erkennen  möchte;  er  möchte  auch  das 
Wort  conubium  davon  herleiten  und  den  Ge- 
brauch von  nubere  beim  Bräutigam. 

5)  Ov.  fast.  II  560:  comat  virgineas  hasta 
recurva  comas. 

6)  Fest.  62, 16:  coelibari  hasta  caput  nu- 
bentis comebatur.  Arnob.  II  67:  cum  in  matri- 
monium  convenitis  .  .  .  nubentibus  crinem  coeli- 
bari hasta  muleetis.  Plut.  qu.  Rom.  87  p.  285  B: 
diu  zl  xibv  yapovjiEvcov  alyjifj  öogariov  zt]V  xöf.inv 
diaxQivovotv:  ders.  Romul.  15. 

7)  Festus  und  Plut.  a.  a.  0.  geben  verschie- 
deneDeutungsversuche;  nach  ersterem  hätte  die 
Lanze  aus  der  Leiche  eines  Gladiators  gezogen 
sein  müssen,  was  wohl  nur  späterer  Aberglaube 
ist,  von  Rossbach  289  aber  irrig  als  bloßes 
Gleichnis  betrachtet  wird,  es  ist  vielmehr  dabei 
an  eine  schützende  sympathetische  Kraft  ge- 
dacht (s.  Jahn  BSGW  1855.  95  f.),  wie  denn 
überhaupt  ein  gewaltsamer  Tod  Zauberkraft 
verlieh  (Plin.  XXVUI 34  von  der  hasta  velüaria 
evulsa  corpori  hominis),  vgl.  Riess  bei  P.-W. 
I  92.  Die  Deutung  von  Rossbach  2911,  man 
habe  der  Braut  früher  mit  der  hasta  das  Haar 
abgeschnitten  und  später,  als  man  dazu  die 
Schere  nahm,  die  hasta  nur  symbolisch  an- 
gewandt, ist  unwahrscheinlich. 


Dritter  Abschnitt.   Die  Frauen  und  die  Ehe. 


358 


linnen  trugen  *) ;  anscheinend  wurde  das  Haar  dabei  in  sechs  um  den  Kopf 
gelegte  Abteilungen  geordnet2).  Dazu  kamen  noch  Binden,  vittae,  die  ja 
besonders  bei  der  Haartracht  der  verheirateten  Frauen  wichtig  waren  (siehe 
oben  S.  273) 3),  und  unter  dem  flamtneum  ein  Kranz  von  Blumen,  die  die 
Braut  selbst  gepflückt  hatte4),  und  bisweilen  ein  hoher,  mauerkronenartiger 
Aufsatz5).  Endlich  trug  sie  über  der  tunica  recta  die  pcdla,  die  ebenso  die 
hochzeitliche  gelbrote  Farbe  hatte6),  wie  das  Schuhwerk7).  Auch  Schmuck 
scheint  nicht  gefehlt  zu  haben8). 

Von  einer  besondern  Hochzeitstracht  des  Bräutigams  erfahren  wir  nichts. 
Er  trug  jedenfalls  die  Toga,  in  späterer  Zeit  auch  einen  Kranz9),  wie  denn 


')  Fest.  339  a,  23:  senis  crinibua  nubentes 
omantur,  qiiod  ortiatus  vetustissimus  fuit,  qui- 
dam  quod  eo  Vestales  virgines  ornantur.  Daß 
sie,  wie  Eossbach  287  sagt,  den  Weibern  über- 
haupt gemein  waren,  ist  nicht  richtig;  Plaut. 
in.  gl.  791 :  ex  matronarum  modo  capite  compto 
crinis  vittasque  hdbeat  besagt  nur,  daß  die  Haar- 
tracht der  Frauen  sich  von  der  der  Jungfrauen 
unterschied. 

2)  Marquardt  45  und  Becker-Göll  30 
deuten  diese  sex  crines  als  Locken  (in  welcher 
Bedeutung  crinis  auch  sonst  nachweisbar  ist); 
Helbig  a.a.O.  515  meint,  es  seien  die  Haare  auf 
der  Vorder-  und  auf  der  Rückseite  des  Kopfes  in 
je  drei  Partien  gesondert  gewesen,  die  nach  dem 
Scheitel  emporgezogen  und  daselbst  befestigt 
worden  seien.  Hingegen  nahm  Jordan  in  den 
Histor.  u.  philol.  Aufs.  f.  E.  Curtius  2 17f.  an,  daß 
der  an  den  Köpfen  der  Statuen  von  Vestalinnen 
(s.  Not.  degli  scavi  1883  tav.  18, 3.  Jordan  Der 
Tempel  der  Vesta,  Berlin  1886,  Taf.  8, 1 ;  9, 10; 
10, 11)  sichtbare  Kopfputz,  der  aus  sechs  parallel 
nebeneinander  um  den  Kopf  gelegten  Wülsten 
besteht,  diese  sechs  crines  bedeute:  nur  daß 
diese  bei  den  Bräuten  vermutlich  von  denHaaren 
gebildet  wurden,  während  sie  bei  den  Vesta- 
linnen (denen  bei  ihrer  Einkleidung  die  Haare 
abgeschnitten  wurden,  Plin.XV1235)  dafür  zu 
künstlichen  Wülsten  wurden.  Indes  bestreitet 
dies  Dragendorff  a.  a.  0. 286  ff.  wohl  mit  Recht, 
da  die  runden  bunten  Wollenbinden  Haarflech- 
ten doch  zu  unähnlich  sehen;  er  weist  auf  die 
nicht  durch  den  Mantel  verhüllten  Vestalinnen- 
köpfe  hin  (vgl.  ebd.  281  Fig.  1),  an  denen  man 
deutlich  mehrere  Flechten  erkennen  kann,  die 
um  den  Kopf  geschlungen  sind.  Man  wird  also 
wohl  auch  bei  der  Braut  sich  die  sechs  crines 
um  den  Kopf  gelegt  denken  dürfen  und  daneben 
noch  die  infulae,  die  zur  Braut- wie  zur  Vesta- 
linnentracht  gehören.  Andrer  Meinung  freilich 
ist  Wüscher-Becchi  Rom.  Quartalschr.  XVI 
(1902)  312  ff. 

3)  Die  meisten  Stellen,  in  denen  vittae  <■>•!- 
Haies  oder  matronales  erwähnt  werden,  beziehen 
sich  allerdings  auf  verheiratete  Frauen,  daß  sie 
aber  auch  zur  Brauttracht  gehörten,  zeigt  Prop. 
V  (IV)  3, 15:  nee  recta  capülis  vitta  data  est: 
mipsi  non   comitante  deo. 

4)  Fest.  63, 14:  corollam  novo  nupta  deflo- 

Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft,    IV. 


ri/nts,  verbenis  herbisgu»  an  lectissubamdeulo 
ferebat.  Bei  Catull.61,6:  ringe  temppra  flori- 
bus  suare  dentis  amarari  ist  dieser  Kranz  (wie 
ebd.  8  das  flamme«  m)  auf  den  Hymenaeus  über- 
tragen. Vgl.Ov.ep.20(21),  161:  saepecoronatis 
stillant  unguenta  capülis. 

")  Lucan.11358:  turritaquepretntnefron- 
tem  matrona  Corona.  Der  oben  erwähnte  Kopf 
einer  Vestalin  (Arndt  Einzelverkauf  161/62) 
zeigt  eine  solche.  Die  Lucan-Kommentare  er- 
klären: mos  fuit  nubentiiou  virginum  capita 
coronai-!  in  flgvram  matri»  deum;  ebenfalls  auf 
Kybele  wird  es  zurückgeführt  bei  Synes.  ep.  3 : 
in'/./.Fi  yäo  eic  rijv  fauoSoav  ißdöfttff  raivtwoE- 
oflai  t£  xai  xvQyoqpÖQO?  xaOä.-rnj  t)  KvßiXtj  jagt- 
skevasa&ai.  Doch  führt  Dragendorff  294  ff.  aus, 
daß  der  zylindrische  Kopfschmuck  ältesteFeier- 
kleidung  war,  von  den  Menschen  auf  die  Götter 
überging  und  sich  dort  teils  zum  Modius.  teils 
zur  Mauerkrone  umgestaltete.  Daß  heut  noch 
vielerorts  die  Bräute  eine  hohe  Krone  tragen, 
ist  bekannt. 

6)  Ov. a.a.O.  162:  ettrahitur  muUosplen- 
dida  palla  croco  (so  auch  Hymenaeus  Ov.  met. 
XI:  croceo  velatas  amirtu);  daß  dies  Safran- 
gewand nicht  rein  gelb,  sondern  rötlich  war, 
zeigt  v.  168:  quigue  trat  in  palla,  transit  in 
ora  rubor.  Daß  die  Braut  über  der  Tunika  noch 
den  Mantel  trug,  zeigen  auch  die  Ehesarko- 
phage. 

7)  Was  Catull.  61,9  von  Hymenaeus  sagt: 
huc  veni  niveo gerens  luteum  petU  SOCCUtn  wird 
man  ebenfalls  auf  die  Brauttracht  beziehen 
dürfen.  Die  Vorliebe  für  die  gelbe  Farbe  bei 
der  Hochzeitfeier,  die  auch  im  griechischen 
Brauch  sich  zeigt,  tritt  auch  in  dem  bekannten 
Gemälde  der  aldobrandinischen  Hochzeit  her- 
vor, vgl.  Böttiger  Aldobrand.  Hochzeit  195. 
Rossbach  283. 

8)  Bei  Lucan.  II  363  colla  monile  deeens 
(bc.  cingit)  gehört  dasHalsband  zur  Brauttracht. 

9)  Plaut.  Casin.  796.  Plut.  Pomp.  55.  Tert. 
de  Corona  13.  Apul.met.  IV  27:  daher  geminat 
coronae,  Claud.  X  203;  vgl.  Sid.  Apoll,  ep.  1  5, 
1 1 ;  nach  griechischem  Brauch  waren  überhaupt 
alle  Teilnehmer  an  der  Hochzeit  bekränzt,  vgl. 
Claud.XIIIlf.:XXXI96;XXXV328;s.HEim1. 
A.d.I.XXXVIII(1866)453ff.DiLTUEYebd.XLI 
(1869)44A.l. 

,  2.    3.  Aufl.  23 


354 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 


auch  die  Türen  der  beiden  Häuser,  der  Braut  wie  des  Bräutigams,  mit 
Blumen,  grünen  Zweigen  (zumal  von  Myrten  und  Lorbeer),  Binden  und 
bunten  Teppichen  geschmückt  wurden1). 

Der  eigentlichen  Feier  voraus  ging  die  Einholung  der  Auspizien2), 
um  zu  erkunden,  ob  die  Götter  der  Schließung  der  Ehe  geneigt  waren3). 
Der  Brauch  war  ursprünglich  wohl  ein  rein  patrizischer  und  bei  der  con- 
farreatio  unerläßlich4);  später  wurde  er  für  alle  Eheschließungen  üblich5). 
Anfangs  bestanden  die  Auspizien  in  wirklicher  Beobachtung  des  Vogelfluges6) 
und  man  zog  dafür  besondere  auspices  hinzu7);  indessen  kam  der  Brauch 
mit  der  Zeit  ab,  indem  zwar  der  Name  dafür  blieb  und  die  vom  Brautpaar 
Beauftragten8)  auch  weiterhin  auspices  hießen,  aber  an  Stelle  der  Vogelflug- 
beobachtung die  Eingeweideschau  trat9).  Das  dazu  notwendige  Opfer  fand, 
wie  die  eigentlichen  Auspizien,  am  frühen  Morgen  statt10),  als  Opfertier 
diente  bei  der  confarreatio  ein  Schaf  (siehe  oben  S.  347).  Allem  Anschein 
nach  fiel  aber  später  auch  dies  Auspizienopfer  weg11),  indem  man  sich  mit 
dem  einen,  zur  Hochzeitsfeier  selbst  gehörenden  Opfer  begnügte12)  und 
die  nur  noch  den  Namen  führenden  auspices  meldeten,  daß  die  Auspizien 
günstig  seien 13)."  Diese  Meldung  wurde  dem  Brautpaar  vor  den  versammelten 


')  luv.  6. 227 -.ornatas pernio  ante  fore9,pen- 
dentia  linquit  \  vela  domus  et  adhuc  virides  in 
limine  ramos;  vgl.  ebd.  51 :  necte  coronam  j  po- 
stibus  et  densos  per  limina  tende  corymbos,  und 
79 :  ornentur  postes  et  grandi  ianua  lauro.  Ca- 
tull.  64, 293 :  restibulum  ut  mölli  velatum  fronde 
vireret.  Lucan.  II  354:  festa  coronato  non  pen- 
dent  limine  serta,  \  infulaque  in  geminos  discur- 
rit  Candida  posfo;s.  Stat.  silv.  12, 231.  Apul.met. 
IV  81.  Claud.X208.  Plut.amator.10  p.755A. 
Solcher  Schmuck  war  auch  sonst  bei  festlichen 
Anlässen  üblich,  vgl.  luv.  9,  85;  12,91. 

2)  Rossbach  293  ff.  Darstellungen  der 
Auspizieneinholung  sind  aber  auf  römischen 
Ehesarkophagen  nicht  nachweisbar,  s.  Ross- 
bach Röm.Hochz.  u.  Ehedenkmäl.55  A.99. 

3)  Serv.  ad  Aen.  I  346 :  seeundnm  Romanos 
locutus  est,  qui  nihil  nisi  captatis  faciebant 
auguriis,  et  praeeipue  nuptias;  s.  Varro  ebd. 
ad  IV  45.  Auspizien  wurden  in  alter  Zeit  vor 
jeder  wichtigeren  Handlung  vorgenommen,  s. 
ebd.  IV  340.  Cic.  de  div.  I  2, 3.  Val.  Max.  II  1, 1. 

4)  Die  confarreatio  mußte  bei  Gewitter 
unterbleiben,  Serv.  ad  Aen.  IV  339;  vgl.  ebd. 
166. 

5)  Cic.  de  div.  I  16,  28.  Val.  Max.  a.  a.  0. ; 
sie  bestanden  auch  in  der  Kaiserzeit  noch  fort, 
Tac.ann.  XI  27;  XV  37.  Suet.  Claud.  26.  Stat. 
silv.  I  2,  229.  Bei  Wittwenehen  unterblieben, 
wie  andre  Zeremonien,  auch  die  Auspizien,  Cic. 
pro  Cluent.  5,  14. 

6)  Plin.  X21:  accipitrttm  genera  sedeeim 
invenimus,  ex  his  aegithum  claud  um  altera  pede 
prosperrimi  augurii  nuptialibus  negotiis. 

7)  Plaut.  Cas.  86:  nitro  ibit  nuptutn  —  non 
manebit  auspices.  Varro  bei  Serv.  a.a.O. 

8)  Das  Brautpaar  waren  die  beauftragen- 
den, Serv.  ad  Aen.  IV  45;  als  auspices  dienten 


oft  Freunde  des  Hauses,  Lucan.  II  371. 

9)  Cic.  de  div.  1 16, 28:  nihil  fere  quondanb 
maioris  rei  nisi  auspieiis  ne  privatim  quidem 

gerebatur,  quod  etiam  nunc  nuptiarum  auspi- 
ces declarant,  qui  re  omissa  nomen  tantum  te- 
nent.  nam  ut  nunc  extis  .  .  .  sie  tum  avibus 
magnaeres  inpetrarisoiebant.  Val.  Max.  a.  a.  0. : 
quo  ex  more  nuptiis  etiam  nunc  auspices  inter- 
pommtur,  qui  quamvis  auspicia  petere  desU 
erint,  ipso  tarnen  nomine  veteris  consuetudinis 
vestigia  usurpantur.  luv.  10,  336:  veniet  cum 
signatoribus  auspex. 

10)  Plaut.  a.a.O.  Gell.  III  2, 10.  Stat. silv. 
I  2,  229. 

n)  Serv.  ad  Aen.  III 136:  apud  veter  es  neqtm 
uxor  dnei  neque  ager  arari  sine  sacrifieiis  per- 
actis  poterat. 

12j  Rossbach  307  ff.  (vgl.  300)  nimmt  nur 
e  in  Opfer  an,  indem  dasTier,  dessenEingeweide 
man  untersucht  hatte,  als  solches  dargebracht 
wurde;  doch  ist  das  Auspizienopfer  allem  An- 
schein nach  vom  Hochzeitsopfer  zu  trennen, 
nach  Karlowa  Rom.  Ehe  7,  der  drei  Opfer 
unterscheidet :  1 .  ein  der  Eheschließung  voraus- 
gehendes, konsultatives  Opfer:  2.  das  in  histo- 
rischer Zeit  hauptsächlich  wohl  nur  bei  der 
confarreatio  vorkommende  Opfer,  wodurch  die 
Ehe  begründet  wird;  3.  das  von  den  jungen 
Eheleuten,  zwischen  denen  nun  Gemeinschaft 
der  sacra  besteht,  unmittelbar  nach  der  Schlie- 
ßung der  Ehe  dargebrachte  Opfer.  Vgl.  Stude- 
mund  Palimps.  d.  Gaius  (Leipz.  1869)  6. 

,3)  Diese  Meldung  sind  vermutlich  die  bei 
Tac.  ann.  XI  27  erwähnten  auspicum  verba. 
Auch  beim  Antritt  der  Magistrate  meldeten 
die  auspices,  daß  die  Zeichen  günstig  wären, 
ohne  daß  man  solche  noch  einholte,  Cic.  de 
div.  II  35,  74.   Dion.  Hai.  II  6,  2. 


Dritter  Abschnitt.   Die  Frauen  und  die  Ehe. 


355 


Hochzeitsgästen  gemacht1),  wohin  die  pronuba  die  Braut  geleitete2):  als 
Gäste  wurden  vornehmlich  die  Verwandten  und  Freunde  des  Hauses,  und 
bei  großen  Hochzeiten  meist  in  bedeutender  Anzahl,  eingeladen3). 

Wenn,  was  keineswegs  ein  notwendiges  Erfordernis4),  aber  doch  sehr 
gewöhnlich  war,  ein  förmlicher  Ehekontrakt  vollzogen  wurde,  die  tabula* 
uuptiales6),  dotales  u.  dgl.6),  so  erfolgte  jetzt  die  Unterzeichnung  durch  einige 
Zeugen,  meist  zehn,  wie  sie  bei  der  confarreatio  üblich  waren7).  Daran 
schloß  sich  wahrscheinlich  die  beiderseitige  Erklärung  des  Brautpaares,  daß 
sie  der  Ehe  zustimmten,  was  unter  gewissen  feststehenden  Formeln  geschehen 
zu  sein  scheint,  die  aber  vielleicht  nur  bei  der  Manus-Ehe  gesprochen  wurden8). 
Nun  trat  die  sogenannte  pronuba  in  Funktion,  die  eine  verheiratete  Frau 
(aber  nur  in  erster  Ehe)  sein  mußte9);  sie  legte  die  rechten  Hände  des 
Brautpaares  zur  dextrarum  iunctio  ineinander10),  was  als  wichtigste  sym- 
bolische Handlung  der  Hochzeitszeremonien  auf  römischen  Denkmälern11), 
besonders   Sarkophagen,   häufig   dargestellt  ist   (vgl.  Fig.  55) 12).     Bei  der 


')  Das  geht  aus  Tac.  a.  a.  0.  Suet.  Claud. 
26.  luv.  10,  336  hervor. 

»)  Stat.  silv.  I  2,  11.    Claud.  XXXIII  124. 

3)  Die  Einladung  zur  Hochzeit  galt  als  ein 
officium,  dem  man  sich  anstandshalber  nicht 
entziehen  durfte,  Suet.  Calig.  25;  Claud.  26; 
Nero  28.  Petron.  25,  7.  luv.  2, 132  ff.  Plin.  ep. 
I  9, 1.  Tert.  de  idol.  16.  Als  Besonderheit  wird 
das  Fehlen  dieser  pignora  bei  der  Hochzeit  des 
Cato  erwähnt  Lucan.  II  370. 

*)  Qnintil.V  11,32.  Digg.  XXXIX  5,31  pr.; 
XLV  1,143. 

6)  Tac.ann.XI30.  Apul.apol.68;  88.  Cod. 
Iust.  V  4, 9. 

6)  Digg.  XXIII 4, 29 pr. ;  XXIV 1 ,  60 ;  andere 
Ausdrücke  s.  Rein  Rom.  Privatr.  426.  Mar- 
quardt  48  A.  2.  Die  Hauptsache  war  dabei  die 
Bestimmung  der  Mitgift,  Suet.  Claud.  26.  luv. 
10,  335.  Auf  den  Hochzeitssarkophagen  hat 
der  Ehemann  öfters  diesen  Kontrakt  in  Form 
einer  Rolle  in  der  linken  Hand,  Rossbach  Rom. 
Hochz.u.Ehedenkm.17.  Ueber  die  Mitgift  (dos) 
vgl.  Rein  423,  mehr  bei  Baüdry  bei  D.-S.  II 
395  ff.    Leonhard  bei  P.-W.  V  1580  ff. 

7)  Suet.  Claud.  26:  dote  inter  auspices  con- 
signata.  luv.  2, 119:  10,336.  Tac.  ann.  XI  27. 
Ueber  die  Zehnzahl  s.oben;  Ambros.de  lapsu 
virg.  20. 

8)  Ob  der  Bräutigam  eine  bestimmte  For- 
mel sprach,  ist  nicht  überliefert;  von  der  Braut 
heißt  es  bei  Plut.  qu.Rom.  30p.271D:  öia  ri 
rijr  rriuj  t/r  eioäyovzFg  }Jystv  xsXevovgiV  ojiov 
ov  [Yuog,  iyw  Fata;  was  mit  quando  (oder  übt) 
tu  Gaius,  ego  Gaia  übersetzt  wird.  Der  Sinn 
ist  wahrscheinlich  der,  daß  damit  die  Braut  er- 
klärt, daß  sie  nun  in  die  gens  des  Mannes  ein- 
trat, s.  Mommsen  Rom.  Forsch.  I  11  ff.  (anders 
Karlowa  Rom.  Ehe27 ff.;  Rom.  Rechtsgesch.  II 
157).  DaßdieFormelbeidercoew^/ogesprochen 
wurde,  zeigt  Cic.  pro  Mur.  12, 27 :  in  omni  deni- 
que  iure  civili  aequitatem  reliquerunt, . . .  pu- 
tarunt,  omnes  midieres,  quae  coemtionem  fa- 
ce reut,  Gaias  vocari;  daß  sie  auch  zur  sakralen 


Seite  der  Feier  gehörte,  scheint  aus  Quint.  I 
7, 28:  quid  tarn  Gaias  esse  voettatas  quam  Gaios 
etiam  ex  nuptialibus  SOCris  uppuret  hervor- 
zugehn.  Die  eigentliche  Bedeutung  der  Formel 
war  schon  den  Alten  entschwunden,  s.  Plut. 
a.  a.  O.,  der  sie  auf  die  Herrschaft  im  Hause 
deutet,  während  der  Auct.  de  praenom.  7  (und 
Fest.  95, 18)  den  Brauch  auf  Gaia  Caecilia,  die 
Gemahlin  des  Tarquinius  Priscus,  zurückführt 
und  angibt,  die  Formel  sei  erst  vor  der  Tür  des 
Bräutigams  ausgesprochen  worden,  was  viel- 
leichtspäter, als  ihre  Anwendung  lediglich  eine 
Formalität  war,  wirklich  sich  so  verhielt.  Kar- 
lowa a.  a.  0.  setzt  sie  nach  dem  Akt  der  con- 
farreatio an,  s.  dagegen  Marquardt  49  A.  2. 

9)  Fest.  242  b.  29:  pronubae  adbibentur 
nuptis,  quae  semel  nupserunt,  ut  matrimonii 
perpetuitatem  auspicantes;  ebd.  244,  3.  Serv. 
ad  Aen.IV166:  Varro  pronubam  dicit,  quae 
ante  nupserit  quaegue  uni  tantum  nupta  es/, 
ideoque  auspices  deligutttur  ml  ntuptku.  Isid. 
IX  7, 8.  Donat.  ad  Ter.  Eun.  593;  Sid.  Apoll,  ep. 
I  5,11;  II  10,4;  vgl.  Corp.  Gloss.  VII  144. 

10)Claud.XXXI31;  128.  Corp.  Gloss.V38,l; 
95, 6 ;  bei  Stat.  silv.  1 2. 1 1  wird  Venus  selbst  als 
pronuba  eingeführt;  vgl.  Treb.  Poll.  Gall.  duo 
11,7,  wo  der  Oheim  an  die  Stelle  der  pronuba 
tritt,  wie  bei  Lucan.  II  371  Brutus.  Wissowa 
Relig.  d.  Rom.  119  vermutet,  daß  bei  der  con- 
farreatio die  Flaminica  die  pronuba  war. 

")  Vgl.  Brunn  A.  d.  I.  XVI  (1844)  186  ff. 
(Kl.  Sehr.  14.)  RossBACHHochz.Denkmäler37ff. 
Lecrivain  bei  D.-S.  III  1655  N.  20.  Bisweilen 
ist  anstatt  der  pronuba  Iuno  dargestellt,  die 
als  Ehegöttin  Iuno  Pronuba  ist,  Verg.  Aen.  IV 
166.   Serv.  ad  Aen.  IV  56. 

12)  Relief  von  einem  Sarkophag  in  Florenz 
nachDAREMBERG-SAGLio  III 1656  Fig.  4872  (vgl. 
Rossbach  a.a.O.  119.  Dütschke  Ant.  Bildw. 
in  Oberitalieu  III  24  n.  62.  Amelüng  Antiken 
in  Florenz  18  n.  18).  Dargestellt  ist  das  Braut- 
paar, sich  die  rechten  Hände  reichend ;  der  Bräu- 
tigam hält  in  der  Linken  die  tabuUu  ttupüals», 

23* 


356 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 


confarreaüo  erfolgte  wahrscheinlich  hierauf  das  obenerwähnte  unblutige  Opfer, 
bei  dem  der  symbolische  Speltkuchen  nicht  fehlen  durfte x) ;  vollzogen  wurde 
es  bei  dieser  Form  der  Eheschließung  vom  flamen  dialis,  und  es  galt  den 
Göttern  der  Ehe  und  den  agrarischen  Gottheiten2).  Bei  diesem  Opfer  saß 
das   Brautpaar   verhüllten   Hauptes   auf  zwei   untereinander   verbundenen 


iieiisiiiiiiiigi 


i 


C'll!!l  I11'1", 
Fig.  55.   Dextrarum  innctio,  von  einem  römischen  Sarkophag. 

Stühlen,  über  die  das  Fell  des  zu  den  Auspizien  geopferten  Schafes  gebreitet 
war3).  Ein  weiterer  Brauch  war,  daß  Braut  und  Bräutigam  Gebete  sprechend 
den  Altar  umwandelten,  wobei  dieser  ihnen  zur  Rechten  bleiben  mußte4); 
ihnen  schritt  ein  Knabe  (camillus)  voraus,  der  ein  Gefäß  oder  einen  Korb, 
cumerum  genannt,  trug5),  über  dessen  Inhalt  aber  nichts  überliefert  ist0). 


den  Ehekontrakt.  Die  Braut  wird  von  einer 
jugendlichen  Brautführerin  geleitet,  der  Mann 
von  einem  älteren  Trauzeugen.  Zwischen  dem 
Brautpaar  steht  Iuno  Pronuba,  ihre  Arme  um 
beider  Schultern  legend,  zu  ihren  Füßen  der 
kleine  Hymenaeus  mit  der  Hochzeitsfackel. 
(Das  links  davon  dargestellte  Opfer  gehört  zu 
einer  andern  Szene  des  Sarkophages.) 

')  Außerdem  kamen  auch  Feldfrüchte  und 
mala  salsa  zur  Anwendung,  Serv.  ad  Geo.  I  31. 

2)  Rossbach  Rom.  Ehe  301  ff.  Wissowa 
a.a.O.  104;  119;  324. 

3)  Serv.  ad  Aen.  IV  374:  mos  enim  apud 
'■(■irres  flaminiet  flaminicae,  cum  (codd.  ut)  per 
farreationem  inmanusconvenirent,  sellas  duas 
iugatas  ovili  pelle  superiniecta  poni  eius  ovis, 
quae  hostia  fuisset,  ut  (codd.  et)  ibi  nubentes 
velatis  capitibus  in  confarreatione  flamen  et 
fluni  inicaresiderent.  Fest.  114, 17.  Siehe  hier- 
zu Rossbach  112  ff. 


4)  Val.  Fl.  VIII  246 :  dextrum  paterae  ver- 
guntur  in  orbem  (bei  der  Hochzeit  des  Iason), 
mit  Serv.  ad  Aen.  IV  62.  Ueber  diesen  auch  sonst 
erwähnten  Brauch  RossBACH314ff.  DieReihen- 
folge  der  verschiedenen  Zeremonien  steht  frei- 
lich nicht  fest;  so  nimmt  Rossbach  325  an, 
daß  die  Verlobten  erst  nach  dem  Umwandeln 
des  Altais  sich  auf  das  Schaffell  setzten. 

6)  Varrol.l.VII34:  dicitur  (in)  nuptiis  ca- 
millus, qui  cumerum  fert,  in  quo  quid  sit,  in 
ministerio  plerique  nesciunt.  Festus  50, 7 :  cu- 
merum (codd.  cumeram)  vocabant  antiqui  vas 
quoddam,  quod  opertum  in  nuptiis  ferebant,  in 
quo  erant  nubentis  utensilia,  quod  et  camillwn 
dicebant.  Wann  diese  Zeremonie  stattfand,  ist 
freilich  nicht  überliefert;  Rossbach  317 ff.  ver- 
legt sie  hierher  (ebenso  Makqüakdt  51),  weil  er 
annimmt,  daß  der  Korb  die  mola  salsa  enthielt. 

6)  Becker  Gallus  II 16  nahm  an.  die  nu- 
bentis utensilia  seien  die  Spinngeräte  der  Braut 


Dritter  Abschnitt.   Die  Frauen  und  die  Ehe. 


357 


Jedenfalls  wurde  dabei  auch  Weihrauch  in  die  Flamme  des  Altars  gestreut1). 
Alle  diese  Bräuche  der  eonfarreatio  fanden  entweder  im  Hause  des  Braut- 
vaters oder,  wie  mehrfach  angenommen  wird,  in  der  Kurie  statt2). 

Ob  bei  der  eonfarreatio  außer  dem  Auspizienopfer  noch  ein  anderes 
blutiges  Opfer  stattfand,  ist  ungewiß3).  Als  aber  die  Auspizien  zu  einer 
bloßen  Formalität  geworden  waren  und  die  Konfarreations-Ehe  immer  seltner 
geworden  war,  da  ist  ein  solches  Opfer  eines  Rindes,  Schweines  u.  dgl.4) 
vermutlich  überall,  wo  die  Verhältnisse  es  gestatteten,  üblich  gewesen.  Es 
ist  wahrscheinlich,  daß  dieses  Opfer  bisweilen  nicht  im  Brauthaus,  sondern 
an  irgendeinem  Tempelaltar  stattfand5),  wofür  auch  die  Bildwerke  zu  sprechen 
scheinen6):  doch  war  ersteres  wohl  das  häufigere,  schon  wegen  des  an  das 
Opfer  sich  anschließenden  Mahles.  Denn  nachdem  all  die  Pflichten  gegen 
die  Götter  erfüllt  waren,  und  manche  der  bei  der  eonfarreatio  erwähnten 
Zeremonien  fanden  sicherlich  auch  bei  andern  Eheschließungen  statt7),  dann 
folgte  zumeist  im  Hause  des  Brautvaters8)  das  Hochzeitsmahl,  die  cena 
fuptialis,  an  der  die  geladenen  Gäste  teilnahmen9)  und  bei  dem  eine  be- 
stimmte Art  Kuchen  gereicht  und  an  die  Gäste  verteilt  wurde10).  Ging  die 
Feier  am  Abend  vor  sich,  so  war  dabei  das  Haus,  besonders  das  Atrium 
mit  den  geöffneten  Schreinen  der  Ahnenbilder,  festlich  erleuchtet11). 

annimmt,  ist  zweifelhaft,  vgl.  Rossbach  378  ff. 

7)  Bei  irgend  einer  derselben,  beim  Opfer 
oder  sonst,  war  es  wohl  auch,  wo  die  Gäste 
ihre  Glückwünsche  mit  dem  Ausdruck  feUciter 
darbrachten;  bei  luv. 2, 119  wird  es  nach  der 
Unterzeichnung  des  Ehekontrakts  gesagt. 

8)  Allerdings  kommen  Fälle  vor,  wo  die 
cena  im  Hause  des  Bräutigams  abgehalten  wird , 
doch  lag  da  wohl  jedesmal  ein  bestimmter 
Grund  dafür  vor,  wie  Plaut.  Cure.  728,  wo  die 
Braut  nur  einen  Bruder  ohne  eignen  Hausstand 
hat  (Aulul.  294  ff.  ist  der  Brautvater  zu  arm 
dazu,  der  Bräutigam  rüstet  die  reua  aus.  aber 
im  Hause  der  Braut,  ebd.  263 ;  551).  Andere  Bei- 
spiele sind  Cic.  ad  Qu.  fr.  II  3.  7.  luv.  6,  202. 
Daß  die  cena  im  Hause  der  Braut  das  Gewöhn- 
liche war,  geht  daraus  hervor,  daß  die  doinxm 
deduetin  sich  daran  anschloß. 

9)  Catull.62,3.  luv.  2. 119  f.  Capitol.Ant. 
Pins  10,2.  Im  centonuptialis  des  Ausonius  (Idyll. 
13)  ist  dieReihenfolge  der  einzelnenAkte  folgen- 
de: cena  mtp&ialis,  deseriptio  egredientis  epon- 
sae,  descriptio  egredientis  isponsi,  oblatio  ninne- 
rum,epithalamium  utrique,ingre88ua  in  eubieu- 
//r^  Vgl.  Dio  Cass.  XLVJ  1144,3.  Tac.  ann.  XI 27. 

10)  Mmtacea,  luv.  6, 202 ;  Rezept  bei  Cat. 
r.  r.  121.  Vgl.  Corp.  Gloss.  V  653,  6:  tmutaeia 


gewesen;  Rossbach  320  f.  Marquakdt  51. 
Bbckeb-Göll  37  halten  die  mola  salsa  und  an- 
dere Opferrequisiten  für  den  Inhalt;  Mau  zu 
Marquardt  A.  3  bezweifelt  beide  Annahmen. 
Allerdings  ist  cumera  ein  Gefäß  für  Getreide 
(Hör.  sat.  1 1, 53;  ep.  I  7, 30.  Corp.  Gloss.  V  283, 
20):  ob  dies  aber  mit  cumernm  identifiziert 
werden  darf  (wie  Olck  bei  P.-W.  IV  1754  tut), 
ist  doch  zweifelhaft. 

')  Daß  bei  der  Hochzeit  Weihrauch  ge- 
opfert wurde,  zeigt  Val.Fl.VIII  248,  auch  hält 
der  auf  Bildwerken  (z.  B.  Gerhard  Ant.  Bildw. 
I  Taf.74f.  Mon.d.Inst.arch.IV9)  dargestellte 
ca m  ilhis  die  Weihrauchbüchse  {acerra)  in  der 
Hand.  s.  Mau  a.  a.  O.,  und  öfters  sind  Braut  oder 
Bräutigam  weihrauchspendend  dargestellt,  vgl. 
Rossbach  38 1 .  Vgl.  auch  Senec.  Octav.  700.  Tac. 
ann.  XI  27. 

2)  So  nach  Karlowa  Rom.  Ehe  13;  Rom. 
Rechtsgesch.il  155.  Marquardt  35  f.  Becker- 
Göll  36 ;  im  Hause  der  Braut  setzt  sie  Ross- 
bach 109  an,  in  dem  des  Bräutigams  Rein  379. 

3)  Marquardt  a.  a.  O.  nimmt  es  an. 

4)  Ein  Schwein  bei  der  Hochzeit  zu  opfern, 
war  nach  Varro  r.  r.  II  4,  9  etruskische  und  alt- 
latinische  Sitte;  das  Rind  erscheint  als  Opfer- 
tier auf  den  Denkmälern,  s.  Marquardt  52  A.  1. 

5)  Senec.  Oct.  700  ff.,  wo  das  öffentliche 
Opfer  u.  der  Zug  dahin  geschildert  ist ;  nach  Tac. 
ann.  XI  27  opferte  auch  Messalina  apud  deos. 
Dagegen  wird  Apul.  met.  IV  36,  welche  Stelle 
Marquardt  52  A.  4  heranzieht,  von  Becker- 
<iüll  38 f.  mit  Recht  auf  griechischen  Brauch 
bezogen  (ebenso  Mau  zu  Marquardt  a.  a.  O.) 

6)  Vgl.  die  Darstellung  von  Tempel-Säulen- 
hall en  beim  Opfer,  die  freilich  Rossbach  379 
und  387  als  Atrium  deutet;  ob  Bartoli  Admir. 
tav.  58  ein  Opferzug  ist,  wie  Marquardt  a.  a.  O. 


mtae  veteres  erogabant  in  nuptiis.  Den  Luxus, 
der  bei  Hochzeitsmahlen  eingerissen  war. 
schränkte  Augustus  durch  die  lex  IuJia  ein, 
die  die  Kosten  dafür  auf  1000  Sesterzen  nor- 
mierte, was  aber  schwerlich  innegehalten  wor- 
den ist,  Gell.  II 24. 14.  Dio  Cass.  L1V  _'. :',. 

ll)  Claud. X  206:  funaiibtu  ordine  düctie 
phn-rma  venturaesuspenditehinUnanocti.  Poet, 
lat.  min.  ed  Baehrens  III  42, 61.  Auch  bei  Apul. 
met  IV  36  ist  das  Haus  vor  der  deduetio  mit 
Fackeln  beleuchtet. 


358 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 


Nach  Beendigung  der  Mahlzeit,  in  alter  Zeit  regelmäßig  erst  bei  An- 
bruch der  Nacht1),  erfolgte  die  Heimführung,  deductio,  der  Braut2),  die 
dadurch  eingeleitet  wurde,  daß,  in  Erinnerung  an  die  uralte  Form  des  Braut- 
raubes3), der  Bräutigam  die  scheinbar  widerstrebende  Braut  aus  der  Um- 
armung der  Mütter  entführte4).  Der  Hochzeitszug,  an  dem  alle  Gäste  teil- 
nahmen, bewegte  sich  beim  Scheine  der  Fackeln,  die  auch  dann  brannten, 
wenn  die  deductio  am  hellen  Tage  stattfand5),  und  deren  Träger  vor  dem 
Hause  der  Braut  den  Beginn  der  Heimführung  erwarteten6),  unter  dem 
Klang  der  Flöten7)  durch  die  Straßen  der  Stadt,  in  denen  sich  die  zu- 
schauende Volksmenge  versammelte8),  zum  Hause  des  Bräutigams.  Das 
Brautpaar  ging  dabei  nicht  mitsammen9),  sondern  die  Braut  wurde  von 
drei  Knaben,  die  nach  altem  Aberglauben  noch  beide  Eltern  am  Leben 
haben,  also  patrimi  und  matrimi  sein  mußten,  und  von  denen  zwei  sie  an  den 
Händen  hielten,  geleitet10),  während  der  dritte  eine  besondere  Fackel  voran- 
trug, die  nicht  gleich  den  andern  aus  Kienspänen11),  sondern  vom  Holz  des 
Weißdorn  (spina  alba)1*),  das  symbolische  Bedeutung  hatte13),  gefertigt  war 
und  am  Herdfeuer  des  Brauthauses  entzündet  wurde 14) ;  wenn  der  Zug  an- 
gelangt war,  wurde  die  Fackel  von  den  Teilnehmern  erbeutet  und  zerteilt, 
da  sich  abergläubische  Vorstellungen  damit  verknüpften15).    War  die  Fackel 

J)  Serv.  ad  Verg.  ecl.  8, 29 :  Varro  in  Aetiis 
dicit  sponsas  icleo  faces  praeire,  quod  antea  non 
nisi  per  noctem  nubentes  ducebantur  a  sponsis. 
Festus  245  a.  3  quia  noctu  nubebant.  Daher  der 
Anfang  des  Hymenaeus  bei  Cat.  62, 1 ;  vesper 
adest,  iuvenes,  consurgite. . .  j  surgere  iam  tem- 
pus,  iam  pingues  linquere  mensas. 

2)  Auch  für  diesen  Akt  gab  es  besondere 
Indigetes,  den  Domiducus,  August,  civ.  Dei  VI9, 
und  die  Iterduca,  nach  Mart.  Cap.  II 149  (als 
Beiname  der  Iuno  bei  Mai  Class.  auct.  VIII 292, 
wo  so  anst.  Interduca  zu  lesen  ist,  während 
bei  August,  civ.  D.  Vit  3  die  Iuno  Iterduca  die 
Kinder  auf  ihren  Wegen  beschützt,  wie  die  Iuno 
Domiduca).  vgl.  Peter  bei  Röscher  II 197;  200. 

3)  Vgl.  Rossbach  328  ff.  Gamuerini  R.  M. 
VI  (1889)  93  meint,  daß  die  Formel  Ita  te 
amata  capto,  mit  der  der  Pontifex  maximus 
dieVestalinnenkonsekrierte  (Gell.1 12,14),  auf 
den  alten  Brautraub  zurückgehe,  indem  der 
Pontifex  gewissermaßen  den  Bräutigam  der 
Gottesbraut  vorstellte. 

4)  Fest.  289  a,  4:  rapi  simulatur  virgo  ex 
gremio  matris  aut,  si  ea  non  est,  ex  proxima 
necessitudine,  cum  ad  virum  trahitur,  quod 
videlicet  ea  res  feliciter  Romulo  cessit.  Catull. 
61, 3 ;  ebd.  56  ff. ;  62, 20  ff.  Macrob.  I  15, 21 ;  vgl. 
Claud.  XIV  3. 

5)  Plaut.  Cas.  118;  ebd.  839.  Ter.  Ad.  907. 
Cic.  pro  Cluent.  6, 15  u.  a.:  daher  die  häufigen 
Erwähnungen  der  taedae  oder  faces  nuptiales, 
iugales  etc.,  s.  die  Stellen  bei  Rossbach  337  A. 
1138. 

6)  Cat.  61,  76  ff. 

7)  Plaut.  Cas.  798.  Ter.  Ad.  905.  Auct.  ad 
Herenn.  IV  33,44.  Apul.  met.  IV  33.  Claud.  XIV 
30  und  mehr  bei  Rossbach  342  A.  1155.  Ein 
Flötenbläser  ist  auch  auf  dem  oben  S.  347  A.  1 


erwähnten  Relief  abgebildet. 

8)  Stat.silv.I2,229ff.  Claud.  X  286;  XIV 
31.  Bei  großen  Hochzeiten  wurden  sogar  Ge- 
rüste in  den  Straßen  für  die  Zuschauer  errichtet, 
luv.  6, 78,  s.  das.  Friedländer.  Manche  unter 
dem  Volke  schlössen  sich  dem  Zuge  an,  Quintil. 
decl.  306. 

9)  Daß  die  Braut  auf  einem  Wagen  fährt, 
ist  nur  griechischer  und  etruskischer  Brauch, 
s.  Becker-Göll  44 :  ders.  ChariklesIII371.  Auf 
zu  Fuß  gehen  deuten  auch  Quintil.  a.  a.  O. 
Senec.  Oct.  704  hin. 

10)  Fest.  245  a,  1 :  patrimi  et  matrimi pueri 
praetextati  tres  nubentem  deducunt :  unus,  qui 
facem  praefert,  ex  spina  alba,  quia  noctu  nu- 
bebant, duo  qui  tenent  nubentem.  Catull.  61,176: 
mitte  brachiolum  teres,  j  praetextate,  puellidae. 

")  Ov.  fast.  II  558.  Verg.  Cir.  439.  Sen. 
Med.  37;  111. 

li)  Fest.  a.  a.  O.  Varro  bei  Non.  112,  23. 
Plin.  XVI  75 :  spina  nuptiarum  facibus  auspi- 
catissima,  quoniam  inde  fecerint  pastores  qui 
rapuerunt  Sabinas.  Dagegen  gibt  Serv.  ad  Verg. 
ecl.  8,  29  Hartriegel  (cornus)  als  Material  an. 

13)  Varro  bei  Charis.  I  144K.  Ov.  fast.  VI 
129;  165.  Daß  der  Weißdorn  der  Ceres  heilig 
war,  wie  Marquardt  55  nach  Rossbach  339 
sagt,  geht  aus  Fest.  87. 11 :  facem  in  nuptiis  in 
honorem  Cereris  praef 'er ebant  nicht  hervor,  wie 
Mau  zu  Marquardt  A.  7  bemerkt. 

14)  Varro  bei  Non.  112,23:  cum  anovanupta 
ignisin  face  offerretur  afoco  eiussumptus,f ari. r 
spina  alba  esset  et  cum  puer  ingenuus  anteferret. 

16)  Unwahrscheinlich  ist  die  Deutung,  die 
Festus  289a,  7  dem  Brauche  gibt,  wahrschein- 
licher Serv.  a.a.  0. :  quos  rapiunt  tanquam  vitae 
praesidia.  namque  his  qui  sunt  potiti,  diutius 
feruntur  vixisse. 


Dritter  Abschnitt.   Die  Frauen  und  die  Ehe. 


359 


das  Symbol  des  häuslichen  Feuers,  so  bezeichneten  Rocken  und  Spindel,  die 
der  Braut  nachgetragen  wurden,  ihre  Tätigkeit  als  fleißige  Hausfrau J). 
Auch  der  Bräutigam  scheint  eine  Fackel  getragen  zu  haben2).  Während 
des  Zuges  sangen  die  Teilnehmer  nicht,  wie  in  Griechenland,  einen  Hyme- 
näus 3),  sondern  lustige  und  kecke,  oft  auch  mit  dreisten  Anspielungen  durch- 
setzte Spottverse,  die  Feszenninen4),  von  denen  sich  auch  Beispiele  erhalten 
haben5)  und  für  die  der  Gebrauch  des  Refrains  charakteristisch  war6);  dazu 
ertönte,  wohl  auch  vom  zuschauenden  Publikum  her,  der  alte,  in  seiner  ur- 
sprünglichen Bedeutung  nicht  sicher  zu  erklärende  Zuruf  talasse"1).  Dabei 
streute  der  Bräutigam  unter  die  begleitende  Menge  Nüsse  aus 8),  was  auf  die 
Fruchtbarkeit  der  Ehe  hindeuten  sollte9). 

Wenn  der  Zug  am  Hause  des  Bräutigams,  das  gleich  dem  der  Braut  mit 
Kränzen  geschmückt  und  festlich  erleuchtet  war  (siehe  oben),  angekommen 
war,  so  wurden  wiederum  mehrere  symbolische  Handlungen  vorgenommen. 
So  schmückte  die  Braut  die  Tür  mit  Wollenbinden10)  und  bestrich  die  Pfosten 
mit  Fett11)   oder  Öl12);   auch   scheint   später,   als   die   altern  Formen   der 


1)  Plin.  VIII 194:  inrfe  factum  utnubentes 
virgines  comitaretur  colus  compta  et  fusus  cum 
Itamine;  vgl.  Cic.  de  or.  II  68,  277.  Plut.  qu. 
Rom.  31  p.  271  F:  avzij  d'eiocpeQei  [iev  (tj  vvficpn) 
))'/.ny.uT t]v y.aiTtjr uroay.Tov.  Vgl.Ro-SSBACH35Üff. 

2)  Plaut.  Gas.  796. 

s)  Catulls  Gedicht  62  ist  die  Nachbildung 
eines  solchen;  auch  Plaut.  Cas.  798 f.  geht  auf 
das  griechische  Original  zurück. 

4)  Cat.  61, 122:  ne  diu  taceat  procax  \  Fe- 
seennina  locutio.  Fest.  85,18;  zum  Unterschied 
von  andern  nuptiales  genannt,  Plin.  X  V86.  Serv. 
ad  Aen.VII695.  Sen.contr.VII21,12.  Bei  dem 
oft  obscönen  Inhalt  ist  die  Ableitung  des  Wortes 
von  fascinum,  d.  h.  dem  Phallus  (der  zugleich 
Abwehr  des  bösen  Blickes  ist),  wie  es  Festus 
a.  a.  0.  erklärt,  wahrscheinlicher,  als  die  sonst 
verbreitetere  von  der  etruskischenStadtFescen- 
nia.  vgl.  Rossbach  340  ff.  und  im  allgemeinen 
Teüffel  Rom.  Litt.5  S.  5.  Schanz  Rom.  Litter. 
I  13. 

5)  Allerdings  nicht  von  den  kunstlosen 
Volksgesängen  oder  Improvisationen,  sondern 
Kunstpoesie  wie  Catulls  Gedicht  61,  Claudian. 
carm.  XI — XIV  und  der  stark  obscöne  (aber 
nicht  zum  Singen  bestimmte)  cento  des  Auson. 
Idyll.  13, 101  ff. 

6)  Catull  wendet  ihn  im  61.  und  62.  Ge- 
dichte an. 

7)  Die  gewöhnlichste  Deutung  leitet  ihn 
von  einer  früh  verschollenen  italischen  Gott- 
heit Talassus  oder  Talassio  etc.  (vgl.MAKQUARDT 
54  A.4)  her;  die  Alten  selbst  führten  ihn  auf 
tälaros,  Spinnkorb,  zurück  und  sahen  darin  eine 
Hindeutung  auf  den  Beruf  der  Frau.  Fest.  351  b, 
27.  mit  Mercklin  Ind.  schol.  Dorpat.  1860,  13. 
Vgl.  Preller- Jordan  Rom.  Mythol.  II  216  und 
die  Erklärer  zu  Cat.  61, 127.  Gamurrini  a.a.O. 
94  will  ihn  als  Oa/.äaoiog  dem  Neptun  gleich- 
setzen und  darin  eine  alte  Symbolisierung  des 
Wassers  als  Befruchters  der  Erde  erkennen. 

8)  Fest.  172, 6:  nuces  fiagitanlur  >iitptis  et 


iaciuntur  pueris,  ut  novae  nupttte  intranti  do- 
mumnovinutriti  secunduni  fiat  auspicium.V erg. 
ecl.  8,  30:  sparge  marite,  nuces.  Catull.  61, 
121  ff.  scheint  aber  mit  der  wiederholten  Auf- 
forderung concubine,  nuces  da  nicht  den  Bräu- 
tigam zu  meinen,  sondern  den  jungen  Burschen, 
der  bis  zur  Hochzeit  der  puer  delicatus  des 
Bräutigams  gewesen  ist,  vgl.  v.  129  ff.  (anders 
erklärt  Rossbach  348). 

9)  Diese  Deutung  gibt  Plin.  XV  86 :  nee 
non  et  honor  iis  naturae  peeuHaris  geminopro- 
teetis  operimentOf  .  .  .  quae  causa  eas  nvptUe 
fecit  religiosas,  tot  niodis  fetn  munÜQ.  Sonst 
wurde  erklärt,  daß  das  Fallen  der  Nüsse  be- 
deutungsvollen Klang  haben  sollte  (Plin.  ebd.) 
oder  daß  der  Lärm  der  die  Nüsse  Aufhebenden 
die  Klagerufe  der  Braut  übertöne,  Serv.  ad 
Verg.  ecl.  8, 29,  oder  endlich,  daß  damit  sym- 
bolisch das  Ende  der  Knahenzeit  mit  ihren 
Spielen  angedeutetsei,  so  Serv.  ebd.,  und  Cat.  61 , 
125  folgt  dieser  Deutung.  Vgl.  Rossbach  347  ff. 

I0)  Plut.  a.a.O.  Serv. ad  Aen. IV 458 tmoris 
enimfuerat, utnubentes pmellae,  si imil  venissent 
ad  Urnen  mariti,  postes  antequam  ingrederoi- 
t  in-,  i  tropter  a  u  spie  i umeastüat  is  or  narentla  n  ei» 
vittis.  Isid.  or.  IX  7, 12.  Donat.  ad  Ter.  Hec.  135. 

1 ')  Donat.  a.  a.  O. ;  nach  Plin.  XXVIII 135 : 
certe  novae  nuptae  tntrvntes  ttiam  nunc  sol- 
lemne  habent  postes  eo  (sc.  adipe  suillo)  attni- 
gere  war  es  Schweinefett;  nach  Masurius  ebd. 
142  Wolfsfett:  ne  quid  mal*  medicamenti  in- 
ferretur,  vgl.  Serv.  a.  a.  0. 

la)  So  nach  Serv.  und  Isid.  a.  a.  0.  (mit  der 
albernen  Etymologie,  daß  von  diesem  unguere 
der  Name  ii.ror  herkäme,  quasi  itn.rores).  Auch 
diese  Handlung  hatte  ihre  besondere  Indiges 
in  der  bei  Arnob.  III  25  erwähnten  Unxia,  wie 
es  auch  eine  Iuno  Unxia  gab,  Mai  t.  Cap.  II  149 ; 
vgl.  Preller-Jordan  Rom.  Mythol.  1280:  II 21 7. 
Wissowa  Rel.  d.  Rom.  119.  Peter  bei  Röscher 
II  228.  Ueber  ähnliche  Bräuche  bei  andern 
Völkern  s.  Sajiter  Familienfeste  81  ff. 


360 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 


Eheschließung  abgekommen  waren,  die  oben  (S.  355  A.  8)  erwähnte  Formel, 
wonach  die  Braut  auf  die  Frage  des  Bräutigams  sich  als  Gaia  bezeichnete,  auf; 
diesen  Zeitpunkt  vor  dem  Eintritt  in  das  neue  Heim  verlegt  worden  zu  sein1). 
Dann  wurde  die  Braut  von  den  Brautführern  über  die  Schwelle  des  Hauses 
gehoben2),  ein  Brauch,  der  wohl  nicht,  wie  einige  andeuten,  auf  den  alten 
Brautraub  zurückging3),  sondern  den  Zweck  hatte,  ein  Stolpern  an  derj 
Schwelle,  das  nach  verbreitetem  Aberglauben  ein  unglückliches  Omen  war,  s 
zu  verhindern4).  Im  Hause  selbst  wurde  die  junge  Frau  ,vom  Gatten  durch 
die  Zeremonie  des  igni  et  aqua  accipereb)  in  die  Gemeinschaft  der  neuen 
Familie  und  ihrer  sacra  aufgenommen6);  doch  ist  ungewiß,  in  welcher  Weise 
diese  Zeremonie  stattfand,  namentlich  welche  Rolle  dabei  die  von  der  Braut 
im  Zuge  vorangetragene  Fackel  spielte7);  das  Wasser  war  wohl  das  des 
Hausbrunnens,  mit  dem  die  Braut  besprengt  wurde8).  Diese  Zeremonie  hat 
sich  lange  im  Gebrauch  erhalten,  während  der  alte  und  seltsame,  aber  gut 
bezeugte  Brauch,  daß  die  Braut  drei  Asse  mitbrachte9),  wahrscheinlich 
früh  verschwunden  war. 


')  Nach  dem  Auct.  de  praenomin.  7 :  ideo 
■institutum,  ut  novae  nuptae  ante  ianuam  ma- 
riti  interrogatae,  quaenam  vocarentur,  Gaias 
esse  se  dicerent.  Vielleicht  ist  auch  bei  Plut. 
qu.  Rom.  30  p.  271 D  das  ri]v  vv^cpr/v  eladyovrsg 
auf  die  Heimführung  der  Braut  zu  beziehen. 

2)  Lucan.  II 359 :  translata  vitat  contingere 
limina  plantet.  Nach  Plut.  qu.  Rom.  29  p.  271 D 
sind  es  die  Jioojiefxjiovzss,  die  sie  hinüberheben. 

3)  Diesen  Grund  gibt  Plut.  a.  a.  0.  an,  neben 
andern  Deutungen  (Symbol  des  Zwanges,  oder 
daß  sie  das  Haus  nur  ebenso  gewaltsam  wieder 
verlassen  werde,  wie  sie  es  betreten  habe). 
Dieser  Deutung  hat  sich  Rossbach  359  f.  an- 
geschlossen. 

4)  So  scheint  Plaut.  Gas.  815  es  zu  fassen, 
wo  allerdings  nur  vom  vorsichtigen  Ueber- 
schreiten  der  Schwelle,  nicht  vom  Getragen- 
werden gesprochen  wird :  sensim  supera  Urnen, 
tolle  pedes  mea  nova  nupta :  '•  sospes  iter  ineipe 
hoc;  auch  Catull.  61, 162:  transfer  omine  cum 
bono  Ihnen  aureolos  pedes.  Dieser  Deutung  folgt 
Becker-Göll  46.  Marquakdt  54  A.  11.  Noch 
andere  Deutungen  des  Brauches  geben  Serv. 
ad  Verg.  ecl.  8,  29  und  Isid.  IX  7, 12. 

5)  Novius  bei  Non.  516, 18:  puriter  volo 
facias  aeeipi  hunc  (1.  hanc)  igni  atque  aqua. 
Varro  b.  Serv.  ad  Aen.  IV 167 :  aqua  et  igni  ma- 
riti  uxores  aeeipiebant;  nach  Varro  1.  1.  V  61 
geschah  es  in  limine,  d.  h.  innerhalb  des  Hauses, 
wobei  Rossbach  361  unter  Urnen  den  Platz  im 
Innern  des  Hauses  versteht,  zunächst  der  Tür- 
schwelle, Samter  Familienfeste  15  A.  1  diese 
selbst;  das  geht  aber  natürlich  nur  auf  das 
aeeipere,  die  Zeremonie  selbst  mußte  sich  im 
Innern  vollziehen.  Vgl.  Ov.  fast.  IV  791  f.  Stat. 
silv.  I  2,  5  f.  Val.  Fl.  VIII  245.  Plut.  qu.  Rom. 
1  p.263D.  Dion.  Hai.  II  30,  6.  Serv.  ad  Aen.  IV 
103.  Festus2,15:87,ll.  Digg.  XXIV  1,66, 1. 
Lactant.instit.il  9,21. 

6)  Ueber  die  Bedeutung  von  Feuer  und 


Wasser  für  die  Hausgemeinschaft  s.  Mar- 
quardt  Röm.Staatsverwalt.III329.  Rossbach 
361  ff. 

7)  In  Betracht  kommt  besonders  Varro  bei 
Non.  112,  23:  cum  a  nova  nupta  ignis  in  face 
adferretur  e  foco  eius  sumtus,  und  ebd.  182, 19 
(und  302,6):  contra  a  novo  marito  cum  item  e 
foco  ignis  in  titione  ex  feleici  arbore  et  in  aquali 
aqua  adlata  esset.  Marquardt  56  A.3  nimmt 
darnach  an,  daß  beide  Gatten  gemeinsam  das 
Herdfeuer  entzündeten;  doch  bemerkt  Samter 
a.  a.  0.  17,  daß  dies  schon  deshalb  nicht  denk- 
bar sei,  weil  der  neue  Herdkult  keine  Bezie- 
hungen zu  dem  im  Elternhause  der  Braut  hat. 
Er  meint  vielmehr,  daß  der  Bräutigam,  wenn 
die  Braut  das  Haus  betrat,  am  Herdfeuer  einen 
Brand  entzün  deteund  dannmit  beiden  Fackeln 
eine  Zeremonie  vollzogen  wurde;  vielleicht  sei 
die  am  väterlichen  Herdfeuer  entzündete  Braut- 
fackel im  Quellwasser  verlöscht  und  dann  die 
Braut  mit  der  am  Herde  des  Bräutigams  ange- 
zündeten Fackel  berührt  und  mit  dem  Wasser 
besprengt  worden.  Aehnliches  nahm  schon 
Bergk  Piniol.  XI  (1856)  385  an.  Aber  ein  aeei- 
pere in  limine  wäre  das  auch  nicht. 

8)  Prop.  V  (IV)  3,  15:  Stygio  tum  sparet 
lacu.  Fest.  87,  11:  aqua  aspergebatur  nova 
nupta,  sive  ut  casta  puraque  ad  virum  veniret, 
sive  ut  ignem  atque  aquam  cum  viro  comminü- 
caret.    Vgl.  Varro  a.  a.  0. 

9)  Er  wird  nur  erwähnt  von  Non.  531,  8: 
nubentes  veteri  lege  Romana  asses  III  ad  »ta- 
ritum  venientes  solitae  provehere  adque  unum, 
quem  in  manu  tenerent,  tamquam  emendi leau sa 
marito  dare,  alium,  quem  in  pede  haberent,  in 
foco  Lariam  familiariumponere,tertium,quem 
in  saeeiperione  condidissent,  conpito  vicinali 
sacra re;  nach  der  Schlußbemer-kung  stammt 
die  Notiz  aus  Varro  de  vita  populi  Romani, 
sie  ist  aber  entweder  korrumpiert  oder  nach- 
lässig   exzerpiert,    vgl.  Rossbach  373 ff.,    der 


Drittel-  Abschnitt.   Die  Frauen  und  die  Ehe. 


Ml 


Im  Atrium  war  das  Familien-Ehebett,  der  lectua  genudis,  an  der  dem 

[Eingang  gegenüber  gelegenen  Wand,  wo  es  im  alten  römischen  Hause 
ursprünglich  seinen  Platz  gehabt  hatte  (siehe  oben  S.  30),  aufgeschlagen 
und  von  der  pronuba  hergerichtet  worden1);  nachdem  die  Braut  hier  noch 
ihre  Gebete  zu  den  Göttern  des  neuen  Hauses  verrichtet  hatte2),  zog  sich 
äas  Hochzeitsgeleite  zurück3).  Am  Tage  nach  der  Hochzeit  brachte  die 
junge  Frau  am  Hausaltar  den  Laren  und  Penaten  ein  Opfer  dar,  bei  dem 
sie  in  matronaler  Tracht  erschien4);  auch  empfing  bisweilen  die  Frau  eine 
Morgengabe  vom  Gatten 5).  Daran  schlössen  sich  dann  häufig  die  sogenannten 
repofia,  ein  Mahl,  an  dem  die  Verwandten  teilnahmen0). 

Wir  fügen  diesen  Darlegungen  einige  Bemerkungen  über  die  Scheidung 
der  römischen  Ehe  hinzu7).  Hier  muiü  man,  ebenso  wie  bei  den  Formen 
der  Eheschließung,  nach  den  Zeiten  unterscheiden.  In  den  ersten  Jahr- 
hunderten der  Republik  nämlich  scheint  die  Scheidung  der  Ehe  (dirortiuvt). 
bei  dem  heiligen  und  zugleich  rechtlichen  Charakter,  den  sie  trug,  ziemlich 
erschwert  und  daher  auch  selten  gewesen  zu  sein,  wenn  auch  freilich  die 
mehrfach  überlieferte  Angabe,  daß  die  ins  Jahr  231  v.  Chr.  fallende  Scheidung 
der  Ehe  des  Sp.  Carvilius  Ruga8)  der  erste  Fall  von  Scheidung  sei,  ein 
ißverständnis  ist,  da  es  sich  nur  um  die  Art  des  Falles,  nicht  um  die 
^atsache    der    Scheidung    überhaupt,    handelt9).      Die    durch    confarreatio 


ichtig  bemerkt,  daß  die  beiden  andern  Asse 
als  Opfergaben  aufzufassen  sind,  zumal  mit 
dem  zweiten  der  Schutz  der  am  Herd  verehrten 
Laren  erworben  werden  soll  (vgl.  Samter  19), 
während  das  dritte  As  den  Laren  des  Stadt- 
viertels, in  dem  der  Gatte  wohnt  (das  eom- 
pitum  rirlnale  ist  wohl  das  nächstgelegene  sa- 
cellum  der  Laren),  dargebracht  wird  (Samter 
24  f .) .  An  dem  oben  S.  347  A.  1  erwähnten  Cippus 
scheint  an  der  einen  Seite  dargestellt,  wie  die 
Braut  dem  Bräutigam  in  Gegenwart  der  Pro- 
nuba einen  Gegenstand  (Frucht  oder  Beutel) 
zeigt  und  von  ihm  eine  Münze  erhält,  welche 
Szene  Gamurrini  ebd.  99  auf  die  coemtio-Ehe 
bezieht. 

')  Siehe  die  oben  S.  30  A.  4  f.  angeführten 
Stellen;  dazu  Catull.  64.47.  Verg.  Aen.  VI  603. 
luv.  10. 334.  Apul.  met.  X  34  und  mehr  bei  Ross- 
bach 367  ff.  Nach  Arnob.II  67  wurde  über  den 
ttctus  genialis  eine  Toga  gebreitet. 

')  Nach  Arnob.  a.  a.  0.  zum  Genius  des 
Bräutigams,  doch  wird  sich  das  Gebet  nicht 
darauf  beschränkt  haben. 

3)  Die  eigentümliche  Zeremonie,  daß  die 
Braut,  um  fruchtbar  zu  werden,  der  priapischen 
Gottheit  MutunusTutunus  (vgl. über  diese  Prel- 
ler-Jordan  Rom.  Mythol.  II  218.  Wissowa 
a.a.O.  195.  Peter  bei  Röscher  II  204 ff.)  auf 
den  Phallus  gesetzt  worden  sei,  wird  nur  bei 
den  Kirchenvätern  erwähnt  (s.  die  Stellen  in 
den  oben  angeführten  Werken),  ist  aber  ein 
jedenfalls  uralter  Brauch,  der  freilich  nicht  als 
allgemein  üblich  wird  betrachtet  werden  dürfen, 
da  es  sicher  in  den  wenigsten  Häusern  Bild- 
säulen dieses  Gottes  gab.  Als  besondere  in- 
digetea  der  Brautnacht  werden  noch  genannt 


die  dea  Virginiensis,  der  deus  Subigus,  die  dea 
Prema,  Pertunda  und  Perfica,  August,  civ.  Dei 
VI  9.  Arnob.  IV  7,  vgl.  Peter  a.  a.  0. 219 ;  227: 
231. 

4)  Macrob.  1 15, 22.  Acro  ad  Hör.  sat.  II  2.60. 

5)  Nur  luv.  6, 204  erwähnt,  wo  sie  in  einer 
mit  Goldstücken  gefüllten  Schale  besteht. 

6)  Fest. 281a,  3.  Gell. II 24, 14.  Hör.  a.a.O. 
und  Acro  das.  Auson.  ep.  9,  50;  vgl.  Rossbach 
372  f. 

7)  Vgl.REiNRöm.Privatr.445ff.  Karlowa 
Rom.  Rechtsgesch.  II  185  ff.  Marquardt  68  ff. 
Becker-Göll  51  ff.  Baurry  bei  D.-S.  II  321  ff. 
Leonhard  bei  P.-W.  V  1241  ff. 

8)  Diese  Zeit  gibt  Dion.  Hai.  II 25.  7  unter 
Nennung  der  Konsuln  an;  die  übrigen  Angaben 
schwanken,  indem  bei  Gell.  IV  3, 2  das  Jahr 
227,  dagegen  XVII  21, 44  das  Jahr  230  über- 
liefert ist:  bei  Val.  Max.  II  1,  4  scheint  die 
Zahlenangabe  korrumpiert  zu  sein.  Unglaub- 
würdig ist  aber  ebenso  die  Angabe  des  Plutarch 
comp.  Thes.  et  Rom.  6  und  comp.  Lyc.  et  Num.  3, 
daß  dies  Ereignis  ins  Jahr  524  v.  Chr.  falle, 
wie  die  des  Tertull.  apol.  6  und  de  monog.  9, 
der  es  erst  154  v.  Chr.  ansetzt.  Vgl.  Hertz  zu 
Gell.  IV  3, 2. 

9)  Aus  Gellius  a.  a.  0.  geht  hervor,  daß 
Carvilius  sich  von  seiner  Frau  schied,  quia  liberi 
ex  ea  corporis  ritin  tum  gignerentw  (ebenso 
XVII  21,44:  qnod  steril ls  esset)  und,  obschon 
ihm  dies  nur  im  Falle  einer  Verschuldung  der 
Frau  zugestanden  hätte,  doch  deren  Mitgift 
zurückbehielt.  Der  Fall  war  also  nur  der  erste 
einer  Scheidung  der  Ehe  ohne  Verschuldung 
und  Schuldigerklärung  der  Frau.  Die  juristi- 
sche Litteratur  hierüber  s.  bei  Marquardt  71 


362 


Zweite  Abteilung.   Das  Leben. 


geschlossene  Ehe  scheint  ursprünglich  unlösbar  gewesen  zu  sein1),  wie  es 
die  des  flamm  dialis  und  der  flaminica  auch  später  noch  war2);  nur  der  Tod, 
trennte  eine  solche  Ehe,  und  wenn  daher  durch  gewisse  todeswürdige  Ver-d 
brechen  der  Frau3)  die  Fortdauer  der  Ehe  unmöglich  geworden   war,   so 
mußte  das  Todesurteil  an  der  Frau  vollstreckt  werden,  eine  Härte,  für  dia£ 
uns  kein  Beispiel  überliefert  ist  und  die  daher  wohl  nur  in  äußersten  Fällen 
zur  Anwendung  gekommen  ist  und   nur  auf  Beschluß  eines  Familienrates 
erfolgen  konnte4).  Nach  einer  vielverbreiteten  Ansicht  hätte  der  Vollziehung 
des   Todesurteils   die  feierliche   Zeremonie   der   diffarreatio 5)   vorausgehen 
müssen 6) ;  allein  es  ist  wahrscheinlicher,  daß  dies  eine  in  späterer  Zeit,  wo 
die  Konfarreations-Ehe  seltner  und  die  Auffassung  von  ihrer  Unlösbarkeit 
aufgegeben  worden  war,  eingeführt  wurde,  um  eine  so  feierlich  geschlossene 
Ehe  auch  feierlich  auflösen  zu  können7).    Von  den  dabei  stattfindenden  For- 
malitäten wissen  wir  weiter  nichts,  als  daß  sie  die  Anwesenheit  der  Priester 
erforderten  und  einen  schreckenerregenden  Charakter  hatten8). 

Bei  den  andern  Formen  der  Ehe,  der  Manus-  wie  der  freien  Ehe,  wird 
die  Scheidung  in  der  Regel  mit  divortium  bezeichnet9),  und  ebenso  allgemein, 
wie  einseitig  vom  Mann10)  oder  von  der  Frau11);  ein  anderer  Ausdruck  ist 
repudium12).  Bei  der  Manus-Ehe  bedurfte  es  dabei  wohl  einer  eigenen 
emancipatio,  d.  h.  die  Frau  mußte  aus  der  manus  des  Mannes  entlassen  werden; 
doch  sind  uns  die  dabei  gebräuchlichen  Formen  nicht  überliefert13).  Bei  der 
Ehe  ohne  manus  vollzog  sich  die  Scheidung  natürlich  leichter,  aber  auch  da 


A.  1  und  Rein  451  A.  1.  Daß  Ehescheidungen 
schon  früher  vorkamen,  zeigt  Cic.  Phil.  II  28, 
69,  wo  eine  Bestimmung  der  XII  Tafeln  dar- 
über erwähnt  wird,  und  der  bei  Val.  Max.  II 
9,  2  erwähnte  Fall,  der  nach  Liv.  IX  43, 25  ins 
Jahr  306  v.  Chr.  gehört. 

1)  Diese  auf  Dion.  Hai.  II 35, 3  ff.  beruhende 
Ansichtist  freilich  nicht  unbestritten  geblieben, 
indem  Rein  447  (und  andere,  s.  die  Litteratur 
ebd.)  die  Nachricht  des  Plut.  Rom.  22,  wonach 
schon  in  der  Königszeit  der  Mann  die  Frau  bei 
bestimmten  Verbrechen  habe  verstoßen  dürfen, 
in  den  Vordergrund  stellten  und  bei  der  Angabe 
des  Dion.  Hai.  annahmen,  daß  dieser  nur  an  die 
konfarreierten  Ehen  seiner  Zeit  gedacht  habe. 

2)  Gell. X  15,22.  Plut. qu. Rom. 50p. 276 D. 
Fest.  89, 13.  Serv.  ad  Aen.  IV  29.  Gegen  Rein 
449  s.  Makquabdt  70  A.  2  und  Kaelowa  II 186. 

3)  Als  solche  gibt  Dion.  Hai.  a.  a.  0.  Ehe- 
bruch und  Weintrinken  an,  Plut.  a.  a.  0.  außer 
Ehebruch  noch  den  Gebrauch  von  Nachschlüs- 
seln und  tfwg/iiaxia.  zsxvcov,  nach  Kaelowa  187 
Beibringung  von  Zaubertränken,  aber  wohl  eher 
Vergiftung  der  Kinder. 

4)  Dion.  Hai.  a.  a.  0.  6:  ravia  8h  oi  ovyys- 
vetg  pera.  tov  dvögog  sdlxa^ov. 

h)  Die  diffarreatio  kommt  nur  bei  Festus 
74, 13  und  Plut.  qu.  Rom.  50  p.  276  E,  sowie  in 
einer  Inschrift  der  Kaiserzeit  vor,  in  der  ein  sa- 
cerdos  confarreationum  et  diffarreationum  ge- 
nannt wird,  CIL  X  6662. 

6)  So  Böckino  Pandekten  I  181.  Mab- 
qüabdt  69. 


7)  Das  ist  die  Meinung  von  Rein  455  f. 
Kaelowa  186;  Leonhaed  bei  P.-W.  V481  be- 
zeichnet sogar  die  andere  Ansicht  als  allgemein 
aufgegeben. 

8)  Plut. qu. Rom.  a.a.O.  von  den  Priestern: 
jioXXa  (pgixcöörj  xal  aXXöxoxa  xal  axvOg(o.~za 
dqöjvjeg,  vgl.  Rossbach  127. 

9)  Digg.  XXIV  2,  2, 1 ;  L  16, 101.  Isid.  IX 
7,25. 

10)  Divortium  facere  cum  aliqua,  Cic.  de 
or.  I  40, 183 ;  ad  Attic.  XIII  7, 1.  Suet.  Caes.  6. 

1 ')  Plaut,  m.  gl.  1 167.  Cic.  pro  Cluent.  5, 14; 
ad  fam.  VIII  7.  2. 

12)  Isid.  IX  7,  24:  repudium  est,  quod  sub 
testimonio  testium  vel  praesenti  vel  absenti  mit' 
titur.  Man  sagt  repudium  mitter e,  remitiere, 
Plaut.  Aul.  799.  Suet.  Tib.  11;  Calig.  36;  auch 
repudium  renuntiare,  Plaut.  Aul.  784.  Ter. 
Phorm.  677.  Häufig  dafür  nuntium  remitiere 
Plaut.  Truc.  848.  Cic.  de  or.  I  40, 183;  top.  4. 19 ; 
ad  Att.  I  13, 3.  Apul.  met.  IX  28.  Der  Unter- 
schied zwischen  divortium  und  repudium  liegt 
wohl  nur  darin,  daß  jenes  den  wirklich  erfolgten 
Scheidungsakt  bedeutet,  dies  die  in  der  Regel 
schriftliche  (eineAusnahmeTac.ann.III  22,  wo 
es  daher  repudium  dicere  heißt)  Erklärung  eines 
von  beiden  Teilen,  daß  er  die  Ehe  auflöse,  s. 
Leonhaed  a.a.O.  1242.  Andere  Ausdrücke  sind 
diseidium,  Mart.  X  41 , 8 ;  matrimonü  dissolutio, 
Cod.  Just. IX  9, 3 ;  aktiv  exigere,  eicere,  Ter.  Hec. 
242.  Cic.  Phil.  II  28, 69 ;  passiv  discedere,  Ter. 
Andr.  568;  abire,  Plaut,  m.  gl.  1167. 

13)  Vgl.  Leonhaed  a.  a.  0.  1243. 


Dritter  Abschnitt.    Die  Frauen  und  die  Ehe. 


:;.;:; 


Kar  sie  in  den  früheren  Jahrhunderten  jedenfalls  noch  nicht  so  erleichtert, 
Ikvie  gegen  Ausgang  der  Republik  und  in  der  Kaiserzeit.  So  waren  vermutlich 
klie  Scheidungsgründe  anfänglich  beschränkt,  obschon  außer  den  oben  an- 
Igeführten  auch  noch  andere  geltend  gemacht  werden  konnten l) ;  und  wenn 
Iwir  zunächst  auch  nur  von  der  Befugnis  des  Mannes,  sich  von  der  Frau  zu 
Beneiden,  erfahren,  so  war  doch  dazu  ein  Familiengericht  erforderlich 2).  War 
die  Frau  schuldig  erklärt,  so  ging  sie  der  Mitgift  verlustig3);  da  aber  immer 
Smehr  Fälle  vorkamen,  in  denen  der  Mann  die  Frau  aus  nichtigen  Gründen 
und  ohne  deren  Verschulden  verstieß,  so  wurde  in  Streitfällen  die  Frage, 
|was  mit  der  Mitgift  geschehen  solle,  vor  dem  Richter  entschieden4).  Bei 
der  Ankündigung  der  Scheidung,  die  mit  der  Zeit  ebenso  ein  Recht  der  Frau, 
Iwie  des  Mannes  geworden  war,  bediente  sich  der  die  Scheidung  wünschende 
Teil  daher  der  anscheinend  nicht  sehr  alten5)  Formel:  tuas  res  tibi  habeto6); 
Beine  andere  Formalität  war,  daß  der  Frau  die  Schlüssel,  die  sie  als  mater 
mkmüias  führte,  abgenommen  wurden7).  Der  Ehekontrakt,  wo  ein  solcher 
Ivorhanden  war,  wurde  vernichtet8).  Seit  dem  2.  Jahrhundert  v.  Chr.  fing 
Iman  an,  es  mit  den  Scheidungsgründen  leichter  zu  nehmen:  nichtige  Vor- 
Kvände  oder  auch  der  bloße  Wunsch,  eine  neue  Ehe  einzugehen,  genügte 
«ebenso  für  den  Mann,  wie  für  die  Frau9).  Das  wurde  gegen  das  Ende  der 
iRepublik  und  in  der  Kaiserzeit  immer  gewöhnlicher;  wir  finden  Männer  oder 
'Frauen,  die  vier-  oder  fünfmal  verheiratet  waren,  ohne  daß  sie  eine  Frau  durch 
Iden  Tod  verloren  hatten10),  und  die  Satiriker  haben  in  dieser  Häufigkeit  der 
iScheidungen  und  der  Wiederverheiratungen  ein  dankbares  Feld  ihres  Spottes11). 


')  Wir  erfahren  aber  nur  von  solchen,  die 
die  Frau  betreffen ;  M.  Cato  bei  Gell.  X  23, 4 
führt  außer  Weintrinken  und  Ehebruch  (der 
ilMann  durfte  sogar  die  Frau,  die  er  in  flagranti 
«nvischte,  töten)  ganz  allgemein  an :  si  quid  per- 
verse taetreque  factum  est  a  mutiere,  wofür  der 
Manu  sein  Imperium  ausüben  durfte. 

2)  Den  L.  Annius  stießen  i.  J.  306  v.  Chr. 
die  Konsuln  aus  dem  Senat:  quod  quam  vir- 
il inem  in  matrimonium  duxerat  repudiasset, 
nullo  amicorum  consilio  adhibito,  Val.  Max.  II 

!  9.  2.    Aber  die  Scheidung  blieb  anscheinend 
dessenungeachtet  bestehn. 

3)  Siehe  den  oben  S.  361  angeführten  Fall 
jdes  Sp.  Carvilius,  der  zu  Unrecht  die  Mitgift  der 
unschuldigen  Frau  behielt;  vgl.  Rein  Privatr. 
1 1 v.  Diese  Bestimmung  wurde  durch  die  spä- 
tere Gesetzgebung  gemildert,  Ulp.  6, 12.  Digg. 

XXIV  3.  47.   Rein  435. 

4)  Die  sog.  actiones  rei  uxoriae,  bei  denen 
jes  sich  darum  handelte,  utrius  culpa  divortium 
factum,  Quint.  VII  4,11;  vgl.  ebd.  38.  Plin.XIV 
90.  wonach  selbst  Uebermaß  im  Weingenuß  zum 
Verlust  der  Mitgift  führen  konnte.  Vgl.  Rein 

|436f.   Kaelowa  2 14  f. 

5)  Wann  sie  in  der  Form  tuas  res  tibi  ha- 
i/'i'fn  fixiert  wurde,  ist  nicht  auszumachen,  sie 
begegnet  uns  zuerst  bei  Plaut.  Trin.  266.  Im 
X1IT  afel-Gesetz  scheint  sie  noch  nicht  gestan- 
den zu  haben;  Bücheler  N.  Jb.  f.  Ph.  CV  (1872) 
565 f.  vermutete  auf  Grund  von  Varro  bei  Non. 
(7.22:  annos  multos  quod  parere  ea  non  po- 


terat,  mulierem  foras  betere  iussit,  sie  habe  da- 
mals :  baete  foras  mulier  gelautet.  In  der  Regel 
wird  angenommen,  daß  die  Formel  mit  dem 
Aufkommen  der  cautiones  rei  uxoriae  einge- 
führt wurde,  Mabqüakdt  71  A.l.  Becker-Göll 
55 ;  Leonhard  a.  a.  0.  führt  sie  auf  die  Macht 
der  Gewohnheit  zurück. 

6)  Digg.  XXIV  2, 2, 1 :  in  repudüa  autem, 
id  est  renuntiatione,  comprobata  sunt  haec 
rerba:  Tuas  res  tibi  habeto,  item  haec:  Tuas 
res  tibi  agito.  So  bei  Plaut,  a.  a.  0. ;  Amph.928. 
Cic. Phil. II  28,69.  Sen.contr.il  13,9;  suas.1,7. 
Mart.X41,2;  scherzhaft  umschrieben  luv.  6, 
146  mit  collige  sarcinulas.  Eine  andere  Formel 
scheint  vade  oder  exi  foras  gewesen  zu  sein, 
Varro  bei  Non.  77, 16.  Plaut.  Cas.  212.  Mart. 
XI  104,  1. 

7)  Das  claves  adimere,  nach  Cic.  a.  a.  0. 
schon  in  den  XII  Tafeln  erwähnt. 

8)  Tac.  ann.  XI  30.  luv.  9,  75. 

9)  Vgl.Val.Max.VI3,10ff.,woalsGründe 
erscheinen,  daß  die  Frau  mit  bloßem  Kopfe 
auf  der  Straße  gegangen  sei  oder  daß  sie  mit 
einer  Libertine  insgeheim  gesprochen  habe 
u.  dgl. 

,0)  Man  vgl.  die  historischen  Beispiele  bei 
Marquardt  72,  für  die  Kaiserzeit  Friedländer 
Sittengeschichte  I  427. 

»»)  luv.  6, 142ff.;  224ff.  Mart.  VI  7;  X  41. 
Auch  Sen.  de  benef.  11116,2:  numquid  iam  u/In 
repudio  erubescit,  postquam  inlustres  qttoedam 
ac  nobile*  feminae  non  eonsuktm  numero,  sed 


364 


Zweite  Abteilung.   Das  Leben. 


Besonders  die  Frauen  müssen  es  in  dieser  Hinsicht  sehr  leicht  genommen 
haben,  denn  wir  hören  in  der  Kaiserzeit  viel  mehr  von  ihren  zahlreichen 
Scheidungen  und  Ehen,  als  von  denen  der  Männer,  und  daß  eine  Frau  ihr 
ganzes  Leben  lang  die  Gattin  eines  einzigen  Mannes  gewesen  ist,  erscheint 
als  besonderes  Lob  auf  Grabschriften1). 

Die  Gründe  für  diese  zunehmende  Häufigkeit  der  Ehescheidungen  haben 
wir  in  den  veränderten  Zuständen  des  Familienlebens  und  der  Sitten  über- 
haupt zu  suchen2).  An  und  für  sich  war  die  Stellung,  die  die  römische 
Hausfrau  innerhalb  der  Familie  und  im  Hauswesen  einnahm,  von  Anfang 
an  eine  ehrenvollere  und  einflußreichere,  als  es  bei  den  Griechen,  zumal  bei 
den  Athenern,  der  Fall  war.  Die  römische  Tradition  schrieb  manche  der 
Vorrechte  der  Frauen  bestimmten  Verdiensten  zu,  die  sie  sich  um  den  Staat 
erworben  hatten 3) ;  doch  ist  hierbei  jedenfalls  etruskischer  und  namentlich 
sabinischer  Einfluß  von  starker  Bedeutung  gewesen4).  Obschon  die  Frau 
durch  die  Ehe  in  die  manus  des  Mannes  kam,  war  sie  in  ihrer  häuslichen 
Stellung  ihm  doch  gleichgeordnet5);  sie  führte  das  gesamte  Hauswesen6), 
hatte  die  Aufsicht  über  alle  Vorräte  und  daher  auch  die  Schlüssel7),  und 
nicht  nur  die  Sklaven8),  sondern  auch  der  eigene  Gemahl  ehrte  sie  durch 
die  Anrede  domina9).  Von  den  häuslichen  Arbeiten  fiel  ihr  vornehmlich  die 
Wollarbeit  zu,  während  sie  von  den  anstrengenderen  Tätigkeiten  des  Mahlens 
und  Kochens  befreit  war10);  dafür  nahm  sie  sich  der  Erziehung  und  des 
ersten  Unterrichts  der  Kinder  an  (siehe  oben  S.  310  u.  341).  Da  das  rö- 
mische Haus  keine  besondere  Frauenwohnung  kennt,  wie  das  griechische11), 
so  bewegte  sich  die  Frau  mit  den  andern  Familienmitgliedern  im  Atrium  und 
nahm  an  den  Mahlzeiten,  wenn  auch  nicht  liegend,  wie  der  Mann,  sondern 
sitzend,  teil12),  freilich  sich  des  Weines  enthaltend,  dessen  Genuß  bei  Frauen 


maritorum  annos  conputant  et  exeunt  matri- 
monii  causa,  nubunt  repudii?  ist  bittere  Satire. 
Gesetzlich  sollte  eine  Witwe  die  Trauerzeit 
um  den  Mann  (zehn  Monate)  abwarten,  ehe  sie 
wieder  heiratete,  da  sonst  sie  und  der  zweite 
Mann,  sowie  beider  Väter,  infam  wurden,  Digg. 
III  2, 1 ;  11,4.  Dagegen  durfte  der  Witwer  so- 
fort wieder  heiraten. 

')  Siehe  solche  Grabschriften  von  univirae 
Marquakdt  42  A.  6.  Friedländer  a.  a.  0.  465 
A.  1 ;  auch  die  Grabrede  auf  die  Turfa,  CIL  VI 
1527.  Im  Kultus  waren  sie  bevorzugt,  zu  ge- 
wissen Opferdiensten  nur  solche  zugelassen, 
vgl.  Becker-Göll  57.  Marquardt  a.  a.  0. 

2)  A  eitere  Litteratur  über  die  Stellung  der 
römischen  Frauen  s.  bei  Becker-Göll  11  f. 

3)  Die  Intervention  der  Frauen  beim  Raub 
der  Sabinerinnen,  Plut.  qu.  Rom.  85  p.  284  F; 
die  Rettung  der  Stadt  vor  Coriolan,  Val.  Max. 
V2, 1. 

4)  Die  Sabinerinnen  galten  auch  später 
noch  als  besonders  severae,  Hör.  carm.  III  6, 
39;  epod.2,39fF. 

5)  Das  charakterisiert  sehr  hübsch  Colum. 
XII  praef.  7 :  erat  enim  summa  reverentia  cum. 
concordia  et  diligentia  mixta,  flagrabatque  mu- 
tier pulcherrima  diligentiae  aemulatione,  stu- 
dens  negotia  viri  cum  sua  maiora  atque  meliora 


reddere.  nihil  conspiciebatur  in  domo  divi$% 
duum,  nihil  quod  aut  maritus  aut  femina  pro- 
prium esse  sui  iuris  diceret,  sed  in  commune 
conspirabatur  ab  utroque,  ut  cum  forensibus 
negotiis  matronalis  industria  rationcm  parevft 
faceret. 

6)  Dion.  Hai.  II  25, 5 :  acorpoovovaa  fi'sv  ovk 
xai  Jiävra  xG)  ysyaßijxozi  jzsi{}ofn:ri)  yvvi/  xvnia 
xov  ol'xov  töv  avxov  zqöjtov  tjv,  iöo.tfo  xal  6  drijoi 

Plut.  qu.  Rom.  80  p.  271 E. 

7)  Plaut.  Men.  120  ff.  Colum.  a.  a.  0.  Cic. 
ad  fam.  XVI  26.2.  Tertull.  exhort.  castit.  12. 
August,  conf.  IX  8, 17. 

8)  Plaut.  Stich.  296:  Cist.772.  Ter.Heaut. 
298;  628. 

9)  In  republikanischer  Zeit  allerdings  nicht 
nachweisbar;  für  die  Kaiserzeit  vgl.  Verg.  Aen. 
VI  397.  Ov.  trist.  IV  3, 9  Senec.  frs?.  1 3, 51  Haase. 
Suet.Claud.39.Mart.V61,3;VI21,3;86,lu.ö. 
Vgl.  Friedländer  Sittengesch.  I  400  f. 

10)  Plut.  qu.  Rom.  85  p.  284F.  Zum  lani 
ficium  vgl.  Liv.1 57,9.  Ascon.in  Milon.p.430r. 
Colum.  a.  a.  0.  Arnob.  II  67.  Inschriftliches 
Marquardt  58  A.  2. 

n)  Diesen  Gegensatz  hebt  Com.  Nep.  in 
seiner  Praefatio  hervor. 

12)  Plut.  praec.  coniug.  15  p.  140A.  Val.  Max. 
II 1. 2.  Aber  schon  seit  Augustus  lagerten  sich 


Dritter  Abschnitt.   Die  Frauen  und  die  Ehe. 


365 


Ifiir  unschicklich  galt1).   Ihr  Geburtstag  wurde  festlich  begangen2),  und  auch 
in  den  Matronalien  (1.  März)  empfing  sie  Glückwünsche  und  Geschenke3), 
ptreng  wurde  darauf  gehalten,  daß  in  ihrer  Gegenwart  nichts  Unpassendes 
gesprochen  oder  getan  wurde4). 

Auch  hinsichtlich  des  Verkehrs  außerhalb  des  Hauses  war  die  römische 
Frau  nicht  so  beschränkt,  wie  die  griechische5),  wenn  sie  auch  in  der  Kegel 
nicht  ohne  Geleit  in  der  Öffentlichkeit  erschien,  wo  man  ihr  ehrfurchtsvoll 
Platz  machte6).  Sie  nahm  an  gemeinschaftlichen  Mahlzeiten  auch  außer  dem 
Hause  teil7),  besuchte  die  gottesdienstlichen  Feste,  zumal  die  speziell  den 
Frauen  geweihten8),  erschien  im  Theater  und  bei  Festspielen9)  und  sogar 
vor  Gericht,  nicht  bloß  als  Zeugin10),  sondern  auch  um  Fürbitte  einzulegen11). 
Es  ist  begreiflich,  daß  diese  freie  und  zum  Teil  selbständige  Stellung,  die 
Sitte  und  Gesetz  den  Frauen  einräumte,  gewisse  Gefahren  in  sich  barg  und 
unter  Umständen  bald  zur  Zügellosigkeit12),  bald  zur  Herrschsucht13)  führen 
j  |  konnte,  die  vielleicht  auch  etwas  im  Charakter  der  römischen  Frau  begründet 
lag.  Diesen  richtig  zu  beurteilen,  ist  für  uns  heute  freilich  nicht  leicht,  denn  es 
ist  immer  bedenklich,  vereinzelte  Klagen  über  Herbheit14),  über  Adelsstolz15), 
Prunksucht16)  u.  dgl.  zu  verallgemeinern.  Es  kann  aber  nicht  geleugnet  werden, 
daß  schon  ziemlich  früh,  lange  vor  dem  Ausgang  der  Republik  und  den  für 
die  sittlichen  Zustände  so  verhängnisvollen  Bürgerkriegen,  die  Sittlichkeit 


uch  die  Frauen  bei  der  Mahlzeit,  vgl.  Ov.  am. 
14.16.  Suet.Cal.24.  Plut.qu.conv.  VII  8,4p. 
712E. 

!)  Das  scheint  notwendig  gewesen  zu  sein, 
da  die  Römerinnen  leicht  trunksüchtig  wurden, 
js.Dion.Hal.II  25, 6.  Val.Max.VI  3,9;  sie  be- 
kamen daher  die  Schlüssel  zur  cella  vinaria 
Dicht  in  die  Hand,  Plin.XIV89.  Vgl.  Gell.  X 
23,  1.  Plut.  qu.  Rom.  6  p.205B.  Serv.  ad  Aen. 
I  737.  Das  gilt  aber  nur  von  der  altern  repu- 
blikanischen Zeit,  später  tranken  auch  die 
Frauen  Wein  beim  Mahle. 

*)  Ovid.  tr.  V  5,  1  f.   Senec.  a.  a.  0. 

3)  Tib.  III  1, 1  ff.  Pompon.  b.  Macrob.  VI 
4,13.  Digg.XXIVl.31,8. 

4)  Tac.deorat.28.  Plut.  Romul.  20;  dabei 
wurde  freilich  in  der  Prüderie  manchmal  etwas 
weit  gegangen,  wie  die  Geschichte  des  älteren 
Cato  zeigt,  die  Plut.  Cat.  mai.  18  und  coniug. 
praec.  13  p.  139E.  zeigt. 

5)  Daß  sie  ohne  Wissen  des  Mannes  nicht 
hätten  ausgehen  dürfen,  was  Makquakdt  60 
annahm,  geht  aus  Val.  Max.  VI  3,  10 ff.  nicht 
hervor,  wie  Mau  richtig  bemerkt;  es  handelt 
sich  da  teils  um  ihre  Kleidung,  teils  um  ihr 
Benehmen  auf  der  Straße.  Plaut.  Merc.  809  ist 
wohl  griechischer  Sitte  entlehnt. 

6)  Plut.  Romul.  20.  Val.  Max.  V  2. 1. 

7)  Com.  Nep.  praef.  Cic.  pro  Cael.  8, 20;  ad 
Attic.  V  1,  3;  auch  Vestalinnen  und  die  Flami- 
nica  nahmen  an  solchen  Mahlzeiten  teil,  Ma- 
crob. III  13,11. 

8)  Liv.XXII  10,8;  XXVII  51,7.  Macrob. 
1 12,  28.  luv.  9,  24.  Ueber  die  Frauenfeste  s. 
Makquardt  60  A.  8. 

9)  Cic.  de  har.  resp.  12,  24.  Plut.  Sulla  35. 


Suet.  Aug.  44;  doch  war  dazu  die  Erlaubnis 
des  Gatten   erforderlich,    Val.  Max.  VI  3,  12. 

10)  Ascon.  in  Milon.  p.  41  Or.  Tac.  ann.  III 
49.  Digg.  XXII  5. 18;  XXVIII  1,  20,  6.  Doch 
taten  die  meisten  Frauen  das  nur  ungern,  Cic. 
Verr.  I  37,  94,  und  manchmal  weigerten  sie 
sich  sogar,  Tac.  ann.  II  34. 

»)  Cic.  pro  Font.  21, 46;  pro  Cael.  2,4.  Cato 
frg.  p.  28  Jord.  Auch  als  Klägerinnen  traten  sie 
auf,  bis  angeblich  die  Prozeßsucht  der  Afrania 
oder  Carfania  (f  48  v.  Chr.)  ein  prätorisches  Ver- 
bot, in  anderer  als  der  eignen  Sache  zu  plä- 
dieren, veranlaßte,  Val.  Max.  VIII  3,  2;  vgl. 
Rein  Privatr.  154  f. 

12)  Ein  Beispiel  dafür  noch  aus  republi- 
kanischer Zeit  ist  das  Benehmen  der  Frauen 
bei  den  Verhandlungen  über  die  Aufhebung 
der  lex  Oppia,  195  v.Chr.,  Liv. XXXIV  1. 

13)  Daher  der  alte  Cato  gesagt  haben  soll: 
jidviEC  äv&Qox-ioi  iwv  yvvaixwv  aq^ovoiv,  ////f?,- 
de  Jidvzcov  dvdgojjicov,  fffiäiv  de  al  yvva.ly.es,  Plut. 
apophth.  p.  198  D. 

14)  Daß  die  von  Mabquakdt  61  dafür  gel- 
tend gemachten  Stellen  bei  Plut.  coniug.  praec. 
27  p.  141  F  und  29  p.  142  A  nicht  beweisend 
sind,  bemerkt  Becker-Göll  10  mit  Recht. 

15)  Daran  mag  allerdings  etwas  gewesen 
sein,  vgl.  Suet.  Tib.  2.   luv.  6. 167 ff. 

'•)  Die  Klagen  über  den  Hochmut  reicher 
Frauen,  die  sich  öfters  bei  Plautus  finden  (vgl. 
Marquardt  61  A.  4),  sind  wohl  den  griechi- 
schen Originalen  entnommen,  in  denen  die 
„ Erbtöchter "  eine  Rolle  spielen.  Immerhin 
kam  dergleichen  natürlich  auch  in  Rom,  wie 
überall,  vor,  vgl.  Hör.  carm.  III  24,  19.  luv.  6, 
460. 


366 


Zweite  Abteilung.   Das  Leben. 


der  römischen  Frauen,  und  zwar  besonders  unter  den  vornehmen  Klassen, 
erheblich  gelitten  hatte x).  Aber  am  schlimmsten  stand  es  damit  doch  erst 
in  der  Kaiserzeit.  Allerdings  fehlt  es  auch  da  nicht  an  Beispielen  trefflicher 
Frauen,  die  an  Seelengröße,  Aufopferung  und  Treue  bis  in  den  Tod  Muster 
für  alle  Zeiten  geblieben  sind2);  aber  ihnen  gegenüber  stehen  die  Klagen 
der  Satiriker  und  die  leichtfertigen  Spaße  Martials,  die  —  mag  auch  noch 
so  viel  Übertreibung  dabei  angenommen  werden,  —  bezeugen,  wie  weit  die 
Sittenlosigkeit  besonders  in  den  Kreisen  der  Geburts-  und  Geldaristokratie 
bei  den  Frauen  eingerissen  war,  zumal  das  schlechte  Beispiel  an  allerhöchster 
Stelle  gegeben  wurde.  Das  heut  noch  im  Süden  bekannte  Cicisbeat  fand 
man  schon  bei  den  damaligen  Römerinnen,  und  die  Stellung,  die  bei  reichen 
Damen  ihre  procuratores,  die  ihnen  das  Vermögen  verwalteten,  einnahmen, 
war  oft  eine  nichts  weniger  als  bloß  geschäftliche3);  Verhältnisse  vornehmer 
Damen  mit  Gladiatoren,  Schauspielern,  Wagenlenkern  u.  dgl.  waren  ganz 
gewöhnlich4),  der  Ehebruch  überhaupt  sehr  häufig5).  Das  mag  in  den  mittleren 
und  unteren  Schichten  der  römischen  Gesellschaft  besser,  und  überhaupt 
mögen  diese  Verhältnisse  in  der  Provinz  sittenreiner  als  in  der  Hauptstadt 
gewesen  sein,  aber  die  litterarischen  Quellen  geben  uns  darüber  keinen 
Aufschluß  und  nur  die  Grabschriften  bieten  dafür  etwas  Material,  das  aber 
keine  Gewähr  der  Zuverlässigkeit  enthält,  da  Grabschriften  im  Altertum 
ebenso  unzuverlässige  Zeugnisse  waren,  wie  sie  es  heute  sind6). 

Nach  alledem  darf  es  nicht  wundernehmen,  daß  die  Zahl  der  ehelosen 
Männer  in  Rom  immer  mehr  überhandnahm7).  Freilich  sind  die  Klagen 
darüber  und  die  staatlichen  Maßregeln  dagegen  schon  alten  Datums8),  und 


J)  Bei  der  großen  Giftmordgeschichte  vom 
Jahr  331  v.  Chr.,  die  Liv.  XVIII  18  und  Val. 
Max.  II  5,  3  berichten,  wonach  170  Matronen 
ihre  Männer  vergiftet  haben  sollten,  wird  wohl 
viel  Uebertreibung,  resp.  die  Veranlassung  zu 
der  ganzen  Erzählung  eine  Epidemie  gewesen 
sein.  Aber  nicht  zu  bezweifeln  sind  die  ähn- 
lichen Nachrichten  vom  Jahre  180,  Liv.  XL 
37,5,  und  von  154,  Liv.  epit.  lib.  XL VIII.  Val. 
Max.  VI  3, 8.  Vgl.  Mommsen  Rom.  Gesch.  I  884. 
Wie  tief  im  letzten  Jahrhundert  der  Republik 
die  Sittenlosigkeitin  derFrauenwelt  eingerissen 
war,  zeigen  eine  Clodia,  Fulvia  u.  a.,  von  denen 
wir  aus  Cicero  und  Catull  die  schändlichsten 
Dinge  erfahren. 

2)  Vgl.  die  Zusammenstellung  bei  Fried- 
länder I  459  ff. 

3)  Mart.V61.  Sen.  frg.lZ,  51:  procurator 
calamistratus  et  in  longam  securamque  libi- 
dinem  exsectus  spado,  sub  quibus  nominibus 
aäulieri  delltescunt;  daher  „der  schöne  Pro- 
kurator"  eine  beliebte  Figur  in  den  Ehebruchs- 
dramen der  Kontroversen  ist,  vgl.  Sen.  contr.  5 
(20) .  Meist  waren  es  Freigelassene,  Mail.  XII 49. 

4)  luv.  6, 73 ff.:  379 ff.  Mart.XIV215.  Dio 
Cass.LVII21,3.Vgl.FRiEDLÄNDERa.a.0.434ff. 

5)  Eine  Zusammenstellung  von  solchen 
Grabschriften  gibt  Friedländer  463  ff. 

6)  Ueber  die  Wiederverheiratung  von  Wit- 
wern liegen  wenig  Nachrichten  vor;  jedenfalls 
wird  der  Mann,  der  CIL  VI  18659  schreibt:  tres 


uxores  h(abui :  eas)  quldem  dolui,set  non  sunt. 
Qua{m  velim)  modo  quartaria  sort{e)  duetam 
su{perstitem  habeam),  eine  Ausnahme  gewesen 
sein. 

7)  Schon  403  v.  Chr.  wurden  die  caelibel 
von  den  Censoren  mit  einer  besonderen  Strafe 
belegt,  Val.  Max.  II 9, 1 ;  es  war  überhaupt  Sache 
der  Censoren,  das  Cölibat  möglichst  einzudäm- 
men, vgl.  Liv.  epit.  LIX.  Cic.  de  legg.  III  3,  7; 
Plut.  Cam.  2;  Cat.  mai.  16.  Festus  379,  1,  wie 
sie  auch  sich  um  die  Rechtsgültigkeit  einer 
Eheschließung  und  die  Zahl  der  legitimen  Kin- 
der kümmerten,  Dion.  Hai.  IV  15,  6;  V  75,3. 
Gell.  IV  20,2. 

8)  Ueber  die  juristische  Seite  des  Ehe- 
bruchs {adulterium)  s.Rein  Rom.  Privatr.  140. 
Walter  Gesch.  d.röm.  Rechts  II 811.  und  mehr 
bei  Daremberg-Saglio  I  85  ff.  Hartmann  bei 
P.-W.  1432  ff.  Wie  bei  den  Griechen,  so  ist 
auch  bei  den  Römern  ein  adulterium  nur  auf 
Seiten  der  verheirateten  Frau  vorhanden,  die 
Umgang  mit  einem  andern  Manne  pflegt,  und 
des  Mannes,  der  diesen  Umgang  pflegt,  nicht 
aber  auf  Seiten  des  verheirateten  Mannes,  der 
seiner  Frau  untreu  wird.  Das  Gesetz  erlaubte 
dem  Gatten,  dio  auf  frischer  Tat  ertappten 
Schuldigen  beide  zu  töten,  Cato  bei  Gell.X 
23, 4  ff.,  welches  Recht  die  Lex  Julia  de  adul- 
terils  coercendls  einschränkte.  Prügel  drohen 
dem  Ehebrecher  Plaut,  m.  gl.  1401,  nach  1420 
sogar  Kastration. 


Dritter  Abschnitt.    Die  Frauen  und  die  Ehe. 


367 


lie  Auffassung,  data  die  Ehe  ein  zwar  notwendiges  Übel,  aber  immerhin  doch 
sin  Übel  sei,  begegnet  uns  schon  früh 1).  Aber  die  zunehmenden  Kosten  des 
Baushalts,  der  zugleich  immer  anspruchsvoller  und  luxuriöser  wurde,  der 
Wunsch  der  Männer,  frei  von  den  Fesseln  der  Ehe  ganz  ihren  Neigungen 
und  Ausschweifungen  leben  zu  können,  die  Klagen  über  die  Sittenlosigkeit 
ier  Frauen,  —   all  das  trug  dazu  bei,   die  Zahl  der  Eheschließungen  und 

omit  auch  der  Geburten  so  stark  herabzusetzen,  daß  Augustus  durch  zahl- 
reiche Gesetze,  die  teils  den  Ehelosen  Strafen,  teils  den  Verheirateten  und 
Kinderzeugenden  Belohnungen  aussetzten 2),  dem  Unheil  zu  steuern  suchte. 
Ä.ber  damit  wurde  nichts  erreicht:  wenn,  um  den  Plackereien  und  An- 
gebereien 3)  zu  entgehen  oder  sich  die  Vorteile  einer  kinderreichen  Ehe  zu 

ichern,  die  Eheschließungen  häufiger  wurden,  so  wurden  die  Ehen  selbst 
darum  doch  nicht  sittlicher,  und  das  in  Rom  sehr  alte  und  sehr  verbreitete 
Laster  der  Erbschleicherei  fand  dabei  nur  neue  Nahrung4). 

Einen  starken  Anteil  an  der  zunehmenden  Ehelosigkeit  hatte  aber  auch 
das  Dirnenwesen5),  das  den  Männern  den  Genuß  der  Liebe  auch  außerhalb 
der  Ehe  ungemein  erleichterte.  Unsere  Nachrichten  über  diese  Verhältnisse 
im  alten  Rom  rühren  zwar  größtenteils  erst  aus  der  letzten  Zeit  der  Republik 
und  der  Kaiserzeit  her6),  aber  öffentliche  Dirnen  waren  in  Rom  schon  in 
früheren  Jahrhunderten  zu  finden,  und  die  große  Nachsicht,  mit  der  man 
bei  jungen  Männern  den  Umgang  mit  solchen  beurteilte7),  spricht  für  die 
Allgemeinheit  ihrer  Verbreitung.  Der  gewöhnliche  Name  für  diese  Mädchen 
war  davon  entnommen,  daß  sie  durch  diesen  Beruf  sich  ihren  Unterhalt  ver- 
dienten 8) :  meretrix <J) ;  ein  gemeinerer,  aber  häufig  gebrauchter  Ausdruck  ist 
scortum10),  woneben  noch  eine  ganze  Menge  teils  scherzhafter,  teils  erniedri- 
gender Ausdrücke,  die  wohl  vornehmlich  in  der  Volkssprache  üblich  waren  und 

fitit  ut  quod  licet,  non  liceretf  Nur  das  Ueber- 
maß  wurde  getadelt,  und  wenn  nach  Hör.  sat. 
I  2,  31  der  alte  Cato  zu  einem  Jüngling,  den 
er  aus  dem  Bordell  kommen  sah,  macte  rir- 
tute  esto  sagte,  weil  das  besser  sei  als  alienas 
permolere  uxores,  so  sagte  er  nach  dem  Schol. 
z.  d.  St.  demselben,  als  er  ihn  wieder  dabei 
erwischte:  adulescens,  ego  te  laudavi,  quod  in- 
terdutn  huc  venire»,  non  quod  hie  habitaree. 
So  heißt  es  auch  bei  Liv.  XXXIX  9, 6  von  dem 
Verhältnis  des  P.  Aebutius  zur  Libertine  Hi- 
spala:  minime  adulescentis  out  rei  auf  fatnae 
damnosa;  und  den  Standpunkt  der  Kaiserzeit 
zeigtSenec.controv.il  12,10:  nihil peeeaverat ; 
amat  meretricem,  solet  fieri;  aduUseens  ett, 
exspeeta,  emendabüur,  ducei  uxorem.  Wie 
selbst  das  Christentum  die  Dirnen  als  not- 
wendiges Uebel  betrachtete,  zeigt  der  bekannte 
Ausspruch  des  Augustin  de  ord. II  12:  aufer 
meretrices  de  rebus  humemis,  turbaveris  otnnia 
Ubidinibus. 

8)  Das quaestum corporefaeere, corm&cor- 
pore  alere,  Plaut,  m.  gl.  785;  Cist.  563. 

9)  Isid.  or.  X  182:  meretrix  dir/n  eo,  quod 
pretium  lihidinis  mereotur. 

10)  Titin.  b.  Non.  406, 19.  Plaut.  Asin.  867; 
Truc.64  u.ü.  Ter.  Ad.  965.  Hor.ep.  1 18,34.  Vgl. 
Varr.  1. 1.  VII  84.  Fest.  331.1. 


»)  Gell.  I  6,  lf.  in  einer  Rede  des  Q.Me- 
tellus  Macedonicus  (Censor  131 ,  vgl.  Liv.  a.  a.  0. 
Drumann  Gesch.  Roms  II  20;  Gellius  schreibt 
sie  irrtümlich  dem  Metellus  Numidicus,  Censor 
102,  zu. 

2)  Näheres  über  diese  verschiedenen  Ge- 
setze (leges  Iuliae  und  die  lex  Papia  Poppaea) 
s.  bei  Marquardt  75  ff.  Dazu  gehört  auch  die 
Verfügung,  daß  Witwen  nach  einem  Jahre  nach 
demTode  des  Mannes,  geschiedeneFrauen  sechs 
Monate  nach  der  Scheidung  wieder  heiraten 
sollten,  nach  der  lex  Iidia;  die  lex  Papia  verlän- 
gerte die  Fristen  auf  2  und  l1/«  Jahre,  Ulp.  14. 

3)  Ueber  den  Unfug  der  Delatoren,  der  das 
Familienleben  mit  ihren  Schnüffeleien  nach 
Ehebruch  u.  dgl.  unsicher  machte  und  oft  zu 
Erpressung  führte,  s.  Marquardt  79  A.l. 

4)  Plut.  de  am.  prol.  2  p.  493  E.  Ueber  die 
Erbschleicherei  in  Rom  vgl.  Friedländer  367ff. 

5)  Hierüber  vgl.  Becker-Göll  III 89  ff.  Na- 
varre  bei  D.-S.  HI  1834 ff. 

6)  Plautus  und  Terenz  sind  dafür  nicht  zu 
verwerten,  da  sie  attische  Hetären  nach  ihren 
Vorbildern  schildern. 

7)  Charakteristisch  ist  dafür  Cic.  pro  Cael. 
20,  48,  der  von  den  meretricii  a mores  sagt: 
quando  hoc  non  factum  est,  quando  reprehen- 
sinn ,  quando  non  permissum?  quando  denique 


368 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 


daher  von  den  Komikern  gebraucht  wurden,  vorkamen *) ;  die  niedrigste  Gattung 
ist  die  der  prostibula2),  womit  diejenigen  bezeichnet  werden,  die  an  den  Türen 
ihrer  Wohnung  oder  eines  Bordells  stehend  (prostantes)  ihre  Dienste  anboten3). 
Diese  Mädchen  waren,  und  das  gilt  nicht  bloß  von  den  gewöhnlichen 
Dirnen,  sondern  auch  von  der  bessern  Klasse  der  Hetären,  von  der  unten 
noch  die  Rede  sein  wird,  in  der  Regel  nicht  aus  dem  römischen  Bürger- 
stande, sondern  Fremde  oder  ehemalige  Sklavinnen  oder  Kinder  von  Frei- 
gelassenen; namentlich  Griechenland  und  der  griechische  Orient  stellten  dazu, 
wie  schon  die  Namen  zeigen  (obschon  dieselben  allerdings  vielfach  nicht  die 
ursprünglichen,  sondern  beigelegte  sind),  ein  starkes  Kontingent.  Daß  aber 
bisweilen  auch  Frauen  aus  dem  Bürgerstande  sich  diesem  Gewerbe  ergaben, 
um  entweder  sich  ihren  zügellosen  Begierden  hingeben  zu  können,  ohne  daß 
der  Umgang  mit  ihnen  unter  das  strafbare  Vergehen  des  stuprum  oder  des 
adulterium  fiel,  oder  um  sich  auf  diese  Art  Geld  zu  verdienen,  erfahren  wir 
aus  der  Nachricht,  daß  die  Ädilen  die  Meldung  von  Freigeborenen,  daß  sie 
unter  die  meretrices  eingereiht  werden  wollten,  entgegennehmen  durften1). 
Bei  solchen  sowohl,  wie  bei  gewöhnlichen  Dirnen  kam  es  nicht  selten  vor, 
daß  der  Ehemann  mit  diesem  Erwerb  seiner  Frau  einverstanden  war,  weil 
er  Nutzen  daraus  zog5).  Viele  meretrices  hatten  daneben  noch  einen  andern 
Beruf,  waren  Flöten-  oder  Zitherspielerinnen,  Tänzerinnen  (so  die  ambubaiae*)) 
u.  dgl.  Die  Preise  waren  natürlich  außerordentlich  verschieden :  während  die 
gemeinsten  Dirnen  ihre  Gunst  schon  um  einen  oder  wenige  As  hergaben 7), 
forderten  bessere  höhere  Preise,  und  besonders  beliebte  Kurtisanen  sogar 
erhebliche  Summen 8).  Daher  wird  wohl  auch  die  unter  Caligula  eingeführte 
Gewerbesteuer  dieser  Dirnen  verschiedene  Höhe  gehabt  haben9). 


')  Lupa,  Cic.proMil.21,55.  Amm.  XXVIII 
4,9.  Corp.  Gloss.  VI  661,  von  ihrer  Habgier, 
Isid.X  163;  XVIII 42,2.  Ferner miracida,schoe- 
nicula,  scrupeda,  alicaria  u.  a.  m.,  s.  Rein  bei 
Pauly  IV  1866.  Beckeb-Göll  a.  a.  0.  96. 

a)  Non.  423, 12 :  prostibula,  quod  ante  sta- 
ll n(  am  starent  quaestu  s  diui  -ni  et  nocturni  causa. 
Plaut.  Cist.  331;  Stich.  765. 

3)  Hör.  sat.  I  2, 30.  Ov.  am.  I  10, 17  u.  21. 
luv.  3,  65;  6, 123  u.  s.  Daneben  kommt  auch, 
weil  diese  Dirnen  oft  auf  Stühlen  an  den  Türen 
saßen,  die  Bezeichnung  proseda  vor,  Plaut. 
Poen.  266.   Fest.  226, 2. 

4)  Nach  Tac.  ann.  II 85  war  es  alter  Brauch, 
daß  die  Aedilen  die  licentia  stupri  entgegen- 
nahmen; da  i.  J.  19  n.Chr.  eine  Frau  aus  präto- 
rischer  Familie  dies  getan  hatte,  erließ  der  Senat 
das  Gesetz,  daß  das  quaestum  corpore  facere 
für  Frauen,  deren  Großvater,  Vater  oder  Gatte 
römischer  Ritter  gewesen  war,  verboten  wurde. 
Sen.  Tib.  35 :  feminae  famosae,  ut  ad  evitandas 
leyum  poenas  iure  ac  dignitate  matronali  ex- 
8olverentur,  lenocinium  profiteri  coeperant.  Vgl, 
Paul.  II  26, 11.  Digg.  XL VIII 5, 14  (13),  2.  Rein 
Rom.  Krimin  ah  echt  841  f.  und  bei  Pauly  a.  a.  0. 

5)  Hör.  carm. III 6, 25.  Apul. apol.  75.  Digg. 
XLVIII5,2,2ff.  Am  bekanntesten  ist  die  Ge- 
schichte von  Cipius.mit  Beinamen  Pararencho, 
quod  äimularet  dormientem,   quo  impunitius 


uxor  eins  moecharetur,  mit  dem  geflügelten 
Wort:  non  omnibus  dormio,  Fest. 173a,  5  nach 
Lucilius.  Cic.  ad  fam.  VII  24, 1 ;  von  einem  ge- 
wissen Gabba  am  Hofe  Augusts  erzählt  Plut. 
amat.  16;  vgl.  luv.  1,55  ff. 

6)  Hör. sat.  12, 1 ;  vgl.  Schol.  ebd.  Suet.Nero 
27  werden  scorta  und  ambubaiae  direkt  neben- 
einandergestellt.  Petron.  74,  13. 

7)  Mart.  1 103, 10:  constat  et  asse  Venus ;  II 
53, 7 :  siplebeia  Venus  getnino  tibi  iungiturasse; 
1X32,3;  solche  scorta  nennt  Plautus  nach  seiner 
griechischen  Quelle  diobolaria,  Poen.  270  und 
bei  Varr.  1. 1.  VII  64.  Vgl.  Fulgent.  expos.  serni. 
ant.  32.  Wessnek  Comment.  len.  VI  2, 119.  In 
der  pompejanischen  Mauerinschrift  CIL  IV  2450 
zahlen  drei  Männer  zusammen  15  As,  s.Wachs- 
muth  Rh.  M.  XVII  (1862)  138.  Bücheler  ebd. 
XVIII  (1863)  394.  Eine  andere  pompejanische 
Inschrift  gibt  16As  an,  CILIV 1751,  die  Inschrift 
auf  dem  Relief  von  Aesernia  (ebd.  IX  2689)  8  As. 

8)  Zwei  aureoli  (ungefähr  43,50  M.)  Mart. 
1X4,1.  In  dem  boshaften  Epigramm  X  7,  5 
geht  eine  Hetäie  von  den  zuerst  geforderten 
20  000  Sesterzen  (4350  Mark)  im  Lauf  der  Jahre 
auf  die  Hälfte,  auf  2000,  auf  4  auri,  100  Sester- 
zen und  schließlich  100  quadrantes  (wenig  über 
1  Mark)  herunter. 

9)  Nach  Suet.  Cal.  40  wäre  dieselbe  so  hoch 
gewesen,  wie  ihr  Durchschnittspreis:  e.r  cajituris 


Dritter  Abschnitt.    Die  Frauen  und  die  Ehe. 


369 


Obgleich  man  den  meretrices  überall  in  den  Straßen  Korns  begegnete, 
namentlich  aber  an  öffentlichen  Orten,  wie  beim  Zirkus,  in  Theatern,  Bädern 
usw.1),  hatten  sie  ihre  Wohnungen  doch  meist  in  bestimmten  Quartieren, 
vornehmlich  in  der  Subura  am  Esquilin2)  und  in  einer  gewissen  Gegend  an 
der  Stadtmauer3).  Auch  die  Bordelle,  lupanaria,  fornices1)^  waren  wohl  viel- 
fach in  diesen  bestimmten  Quartieren,  obschon  auch  andere  Stadtteile  solche 
aufwiesen5)  und  sie  auch  in  kleineren  Provinzialstädten 6)  und  selbst  auf  dem 
Lande 7)  nicht  fehlten.  Der  Besitzer  oder  Mieter  eines  solchen  Hauses  war 
der  Uno  (oder  eine  lena8)),  der  in  der  Regel  die  Mädchen  als  Eigentum 
besaß9),  obschon  auch  die  Einrichtung  bestanden  zu  haben  scheint,  daß  sich 
Dirnen  dort  einfanden,  die  sonst  ihre  Wohnung  anderswo  hatten  und  ver- 
mutlich dem  Uno  dafür,  daß  er  ihnen  die  Gelegenheit  zum  prostate  gab, 
eine  gewisse  Summe  von  ihren  Einnahmen  zahlten  10).  Bisweilen  unternahm 
der  Uno  auch   Reisen  mit  seinem  Personal   zu   Festversammlungen,   nach 


prost /futurum  quantum  quaeque  uno  concubitu 
mereret.  Natürlich  mußten  auch  die  Bordell- 
halter eine  Steuer  entrichten,  Lanipr.  AI.  Sev. 
24,B:lenonum  vectigalet  meretricum.  Tert.^e 
fug.  in  persec.  13. 

')  luv.  3,  65:  ad  circum  iussas  prostare 
puellas,  wo  es  sich  nach  dem  Ausdruck  um 
Dirnen  handelt,  die  Eigentum  eines  leno  sind. 
Tac.hist.  III  83.  Lampr.  Heliog.  26,3:  o»uies  de 
Circo,  de  theatro,  de  stadio  et  Omnibus  locis 
et  balneis  meretrices  collegit  in  aedes  publicas. 
Anthol.Lat.  I  190,  7  (Riese):  ille  habuit  doetas 
drei  prostare  puellas.  Priapea  27,  1 :  deliciae 
populi,  magno  notissima  circo,  Quintia.  Vgl. 
Friedländer  II  286.  Selbst  bei  den  Grabdenk- 
mälern an  den  Landstraßen  trieben  sich  Dirnen 
der  niedrigsten  Klasse  herum,  Mart.  134,  8; 
bustuariae  tnoechae  heißen  sie  III  93,  15. 

2)  Hör.  ep.  5,  58.  Pers.  5,  32  mit  Schol. 
Mart.  VI  66,  2;  XI  61,  3;  78.11.  Priap.  40,  1. 
Liv.  III  13,  2  scheint  anzunehmen,  daß  die 
Subura  schon  im  5.  Jahrhundert  v.  Chr.  solchen 
Zwecken  gedient  habe.  Vgl.  Jordan-Hülsen 
Topogr.  d.  St.  Rom  I  3,  331.  Richter  Topogr. 
■  I.  St.  Rom  309. 

3)  Die  summoenianae  kommen  öfters  bei 
Martialvor,  134,6;  11182,2;  XI 61, 2;  XII 32, 
22.  Göll  bei  Becker  97  bezog  das  auf  die 
den  Circus  und  die  Theater  umgebenden  Ge- 
wölbe ;  richtiger  nahm  Jordan  a.  a.  0.  II 70  ein 
Quartier  an  der  alten  Stadtmauer  an.  Hülsen 
ebd.  I  3,  236  denkt  an  den  Südabhang  des 
Caelius  unterhalb  der  Serviusmauer,  da  die 
Notitia  urb.  Rom.  dort  lupanaria  ansetzt  (s.  u.), 
Richter  298  an  den  an  den  Serviuswall  stoßen- 
den Teil  des  Quirinals. 

4)  Fornix  bedeutet  eigentlich  eine  Wöl- 
bung oder  einen  Schwibbogen :  da  die  lupanaria 
vielfach  in  solchen  Räumen  angelegt  waren, 
so  bekam  das  Wort  die  spezielle  Bedeutung 
Bordell,  wie  Hör.  sat.  12. 30;  ep.  114.21.  luv. 
3,156;  10.239;  11.172.  Sen.  dial.  VII  7,  3. 
-Mart.  134,  6;XI61,4.  Daherkommen  die  Aus- 
Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft.    IV. 


drücke  fornicari,forniccctor,fornicaria  u.dgl., 
die  namentlich  bei  den  Kirchenvätern  sich 
finden,  vgl.  Saolio  bei  D.-S.  II 1264. 

5)  Die  alten  Regionenbeschreibungen  (Cu- 
riosum  und  Notitia)  erwähnen  zwar  nur  in  der 
2.Region  (Caelimontium)  lupanar  ins  (vielleicht 
ein  virus  lujtanariontm,  Jordan-Hülsen  I  3, 
236),  zählen  aber  im  ganzen  in  der  Hauptstadt 
45  (resp.  46)  lupanaria.  s.  Jordan  II  543  und 
573. 

c)  In  Pompeji  sind  mehrere  Lupanare  auf- 
gefunden worden,  bei  denen  die  dort  ange- 
brachten obseönen  Wandmalereien  (Roux  et 
Barre  Pomp,  et  Hercul.  VII  15;  18  ff.,  Helbig 
Wandgemälde  370  Nr.  1506)  die  Deutung  kon- 
statieren; bei  andern  dafür  ausgegebenen  Ge- 
bäuden steht  die  Deutung  nicht  fest,  vgl.  Na- 
varre  bei  D.-S.  III 1836.  Bei  Petron.  7,2  (vgl. 
8, 3)  liegt  das  lupanar  in  einer  obskuren  Neben- 
gasse der  Stadt. 

7)  Digg.V3,  27:  in  multorum  lionestorum 
virorum  praedüs  lupanaria  exercentw, 

8)  Ein  von  Jordan  A.  Z.  XXIX  (1871)  65 
publiziertes  Relief,  das  die  drei  Grazien  und  eine 
daneben  sitzende  Matrone  nebst  der  Inschrift 
Ad  sororea  IUI  zeigt,  ist  vermutlich,  wie 
Becker-Göll  99  annimmt,  ein  Ladenschild 
eines  Bordells,  mit  der  lena  darauf. 

9)  Quint.V10,47;  VII  1,55.  Cod.  Theod. 
XV  8,  2.  Nach  Spart.  Hadr.  18,  8  erließ  dieser 
Kaiser  ein  Verbot,  eine  Sklavin  an  den  leno 
zu  verkaufen  causa  »<>u  praestita.  Daß  die 
lenones  auch  Handel  mit  ihren  Dirnen  trieben, 
scheint  aus  Mart.  II  63  und  Lampr.  Heliog. 
31,1  hervorzugehen,  wo  beidemale  der  be- 
deutende Preis  von  100000  Sesterzen  ange- 
geben ist. 

10)  Das  scheint  aus  luv.  6,  115  ff.  hervor- 
zugehn,  da  der  Besitzer  des  lupanar.  in  dem 
Messalina  eine  Zelle  für  sich  vorbehalten  hat 
(122:  cellam  vaatam  atque  suam),  nach  v.  127 
in  später  Nacht  seine  Mädchen  entläßt,  lenom 
stias  iani  dimütente  puellas. 

2,  2.   3.  Aufl.  24 


370 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 


besuchten  Fremdenorten  u.  dgl.1).  In  den  Bordellen  standen  oder  saßen2)  die 
Mädchen  in  freiester  Tracht,  halb  oder  ganz  nackt3),  an  den  Türen  ihrer 
Zimmer,  der  cellae,  deren  jede  ihre  eigene  hatte4),  über  der  ein  titulus  mit 
ihrem  Namen  befestigt  war5);  gegen  die  übrigen  Räume  des  Hauses  waren 
die  cellae  durch  Vorhänge,  centones  oder  vela,  abgeschlossen,  konnten  aber 
auch  durch  Türen  mit  Schlössern  verschlossen  werden6).  Das  Honorar  wurde 
anscheinend  von  den  Besuchern  gleich  beim  Eintritt  an  die  Mädchen  ent- 
richtet7), die  es  ihrerseits  dem  le no  einhändigten8).  Im  allgemeinen  waren 
diese  lupanaria  unreinliche,  von  schlechter  Luft  erfüllte  Orte9),  die  wohl 
in  der  Regel  nur  von  den  niedern  Klassen  der  Männerwelt  aufgesucht 
wurden10);  anscheinend  waren  sie  nur  abends  und  nachts  geöffnet11).  Übrigens 
waren  auch  die  Wirtshäuser  und  gewöhnlichen  Kneipen  meist  bordellartig 
eingerichtet,  indem  die  dort  die  Bedienung  machenden  Mädchen  den  Gästen 
zur  Verfügung  standen12). 

Wesentlich  verschieden  von  den  hier  geschilderten  meretrices  der  niederen 
Klassen  waren  die  Mädchen  oder  Frauen,  die  zwar  auch  gegen  Geld  oder 


»)  Strab.XII578.  DioChrys.LXXVII651M. 
Clem.  AI.  paed.  III  3,  22  p.  264  P. 

2)  Siehe  ob.  S.  368  üherprostare,  prostibula 
und  prosedae.  Am  häufigsten  wird  das  Stehen 
erwähnt  (außer  prostare  auch  stare,  luv.  10, 
239.  Sen.  contr.  I  2,  7),  doch  auch  das  Sitzen 
findet  sich  luv.  3,  136:  alta  Chionen  deducere 
sella.  Mart.  VI  66,  2;  nach  d.  Schol.  zu  luv. 
a.  a.  0.  hätten  solche  Dirnen  sellariae  geheif3en. 
Vgl.  Artemid.  IV  42.  Dio  Cass.  LX  31, 1  und 
Fkiedländer  zu  luv.  a.  a.  0. 

J)  luv.  6,  122.  Petron.  7,  3.  Publil.  Syr. 
ebd.  55,  6 :  prostare  nudam  in  nebula  linea. 
Tac.anu.XV97.  Dio  Cass.  LXXIX  13,3.  Doch 
wird  auch  Kleidung  erwähnt,  Sen.  a.  a.  0.  luv. 
3,  135,  wo  Friedländek  vermutet,  daß  die 
vornehmeren  Dirnen  sich  dadurch  unter- 
schieden. 

4)  Suet.  Cal.  41 :  lupanar  in  Palatio  con- 
stituit  distinctisque  et  instructis  pro  loci  digni- 
tate  compluribus  cellis,  in  quibus  matronae  in- 
genuique  starent.  Mart.  XI 45, 1.  luv.  6, 122. 
Sen.  contr.  II 1, 1.  Bei  Plaut.  Pseud.  214  u.  229 
heißt  eine  solche  Zelle  pergula.  Bei  Petr.  8, 4 
tritt  eine  meretrix  ihre  cella  gegen  ein  As  an 
andere  zur  Benutzung  ab. 

5)  luv.  6, 123vonMessalina:  titulum  men- 
tita  Lyciscae.  Petron  7, 3 :  video  quosdam  inter 
titulos  nndasque  meretrices  furtim  spatiantes. 
Sen.  a.a.O.  und  ebd.  5  u.  7.  Aus  Plaut.  Asin.  760 
scheint  hervorzugehn,  daß  die  Dirne,  wenn 
sie  in  ihrer  cella  Besuch  hatte,  an  die  Tür 
occupata  anschrieb. 

6)  Mart.  I  34, 5 :  at  meretrix  abigit  testem 
veloque  seraque;  XI  45,3.  luv. 6, 121:  calidum 
veteri  centone  lupanar.  Petron.  7, 2. 

7)  Nach  luv. 6, 125:  excepitblanda  intran- 
tis  atque  aera  poposcit.  Sen.  contr.  I  2, 1 :  de- 
ducta  es  in  lupanar,  accepisti  locum,  pretium 
constitutum  est,  titidns  inscriptus  est;  ebd.  3: 
etipem  rogasti;  7:  pretia  stupri  accepisti.  Ov. 


am.  110, 21:  stat  meretrix  certo  cuivis  mercai 
bitis  aere. 

8)  Sen/a.a.  0.2:  da  mihi  lenonis  rationesa 
captura  conveniet  (cf.ebd.7:  manus  quae  '/in 
datura  erat  sacra  capturas  tulit). 

9)  Namentlich  wegen  des  Russes  und  Ge- 
ruchs der  Lampen,  Hör.  sat  I  2, 31 :  olenti  in 
fornice.  luv.  6,  131:  fumoque  lucernae  ;  foedä 
lupanaris  tulit  ad  pulvinar  odorem •■;  11,172: 
olido  stans  fornice.  Sen. a.a.O. 21:  redolet  ail- 
huc  fuliginetn  fornicis. 

10)  Die  Schilderung  bei  Plaut.  Poen.  831  ff. 
ist  sehr  bezeichnend:  quodvis  genus  ibi  /><>- 
minum  videas  quasi  Acheruntem  veneria, 
equitem,  peditem,  lioertinum,  furem  an  fngi- 
tivom  velis,  \  verberatum,  vinctum  addicttan, 
und  Pseud.  187  ff.  treffen  wir  als  Bordell- 
besucher Kornhändler,  Fleischer  und  Oel- 
händler.  Vgl.  Sen.  a.a.O.  8:  omnis  sor<l!<l<t 
in'nn-iosaque  turba  hucinfluit;  ebd.  10  werden 
Gladiatoren  und  Trunkene  als  Besucher  auf- 
geführt. 

n)  Dafür  liegen  allerdings  nur  Scholien- 
angaben  vor;  der  Schol.  zu  Pers.  1,  133  er- 
klärt: nonaria  dicta  est  meretrix,  quia  apud 
veteres a nonahora prostabant,  ne  matte  omissa 
exercitatione  militari  illo  irent  adolescentes, 
was  allerdings  eine  ebenso  verkehrte  Erklärung 
ist,  wie  beim  Schol.  luv.  6, 116:  quoniam  antea 
meretrices  propter  sacrorum  celebratiortet))  nli 
hora  nona  totam  noctem  prostabant,  inde  etiam 
nonariae  dictae  sunt. 

12)  Vgl.  die  Wirtsrechnung  auf  dem  oben 
S.368  A.7  erwähnten  Relief  von  Aesernia;  fer- 
ner Digg.  XXIII 2, 43, 9 :  si  qua  cauponam  exer~ 
cens  in  ea  corpora  quaestnaria  habeat,  ut  multae 
assolent  sub  praetextu  instrumenti  cauponii 
prostitutas  midieres  habere,  dicendum  hanc 
quoque  lenae  appellatione  contineri;  ebd.  pr. 
Cod.Iust.IV56.3;  vgl.  Suet.  Nero 27.  Paul.sent. 
1126,11. 


Dritter  Abschnitt.   Die  Frauen  und  die  Ehe. 


371 


Geschenke  ihre  Liebe  verkauften,  aber  doch  in  der  Regel  an  einen  einzigen, 
dem  sie  so  lange  treu  blieben,  als  seine  Mittel  reichten  oder  bis  ein  Reicherer 
kam  und  sie  ihrem  bisherigen  Verehrer  abspenstig  machte,  wobei  Kupple- 
rinnen die  Vermittlerinnen  zu  spielen  pflegten1).  Diese,  mit  den  filles  entre- 
tenues  unsrer  Zeit  vergleichbaren  Hetären  lernen  wir  am  besten  aus  den 
Gedichten  des  Horaz  und  Ovid,  des  Tibull  und  Properz  kennen;  denn  die 
meisten  der  von  diesen  Dichtern  besungenen  Schönen  gehören  dieser  Gat- 
tung an2).  Auch  diese  waren  in  der  Regel  Fremde  oder  Freigelassene; 
sie  lebten  meist  allein  mit  einer  Magd  oder  mit  ihrer  Mutter3);  manche 
waren  auch  verheiratet,  doch  an  nachsichtige  Ehemänner.  Unter  diesen 
Mädchen  und  Frauen  gab  es  welche,  die  eine  gewisse  Bildung  erhalten 
hatten,  doctae  puellae,  die  in  Litteratur  und  Musik  erfahren  waren  und 
ihren  Liebhabern  auch  eine  edlere  Art  der  Unterhaltung  gewähren  konnten, 
als  die  gewöhnlichen  meretrices;  manche  darunter  versuchten  sich  sogar 
selbst  in  der  Poesie4).  Treue  gehörte  freilich  in  der  Regel  nicht  zu  ihren 
Tugenden5),  vielmehr  ist  die  Habsucht  ein  bei  ihnen  sehr  gewöhnlicher 
Fehler  ß). 

So  gefeiert  viele  dieser  Schönen  bei  der  römischen  Jugend  aber  auch 
waren,  so  sehr  ihre  Gunst  erstrebt,  so  viel  Schätze  ihnen  auch  zu  Füßen 
gelegt  wurden,  so  standen  sie  doch  in  gesellschaftlicher  und  rechtlicher 
Hinsicht  auf  einer  sehr  niedrigen  Stufe7).  Schon  daß  sie  sich,  wie  oben 
(S.  231)  erwähnt,  durch  ihre  Tracht  von  den  ehrbaren  Jungfrauen  und 
Matronen  unterscheiden  mußten,  ist  ein  Kennzeichen  dafür8);  ebenso 
war  ihnen  die  matronale  Haartracht  (siehe  S.  273)  untersagt,  doch  hatten 
sich  in  der  spätem  Kaiserzeit  diese  Unterschiede  schon  vielfach  ver- 
wischt9). In  rechtlicher  Hinsicht  waren  die  meretrices  infames10),  wie  die 
lenones  auch11);  sie  durften  weder  Zeugnis  ablegen,  noch  Legate  oder 
Erbschaften  empfangen,  selbst  wenn  sie  ihr  Geschäft  nicht  mehr  be- 
trieben12). 


>)  Tib.15,48.  Ov.  met.III5,40. 
*)  Vgl. die  Darstellung  bei  Paldamüs  Rom. 
Erotik  45  ff. 

3)  Man  vgl.  besonders  die  Verhältnisse  der 
DeliaTibulls,z.B.I3,83ff.;  6,57ft.;  auchProp. 
116,11. 

4)  Eine  solche  docta  puella  war  die  Ge- 
liebte des  Properz,  Cynthia  (mit  ihrem  eigent- 
lichen Namen  Hostia),  vgl.  Prop.I7,  11;  III 2 
(II11),6;  III4  (II13),11;  ihre  eignen  Gedichte 
erwähnt  Prop.1 2,27;  II  3,21. 

ö)  Die  Geliebte  des  Cornelius  Gallus,  Cy- 
theris  (mit  ihrem  Pseudonym  Lycoris),  war 
nacheinander  die  Mätresse  des  Volumnius 
Eutrapelus,  des  M.  lunius  Brutus,  des  M.An- 
tonius, des  Gallus,  und  diesem  auch  nicht  treu; 
vid.  Ribbeck  Gesch.  d.  röm.  Dichtung II 185.  Die 
Untreue  der  Delia  wie  der  Nemesis  beklagt 
Tibull  öfters. 

6)  So  sagt  Tib.15,  68  von  der  Türe  der 
Delia:  plena  est  percutienda  manu;  von  der 
Begehrlichkeit  der  Nemesis  ist II 3. 51  ff.;  4,14 
u.s. die  Rede;  über  die  Habsucht  der  Cynthia 


klagt  Prop.  III  8  (II 16),  15  ff.  Letztere  hatte 
übrigens  neben  ihren  guten  Eigenschaften  (zu 
denen  Fertigkeit  in  weiblichen  Arbeiten  ge- 
hörte, 13,41)  das  Laster  der  Trunksucht,  119, 
21;  IV  7  (III 8),  3  f. 

7)  Es  ist  bezeichnend,  wie  sich  Cic.  ad 
fam.IX26,2  bei  Paetus  deswegen  entschuldigt, 
daß  er  bei  Volumnius  Eutrapelus  an  einem 
Essen  teilgenommen  habe,  bei  dem  auch  dessen 
Geliebte  Cytheris  zugegen  war:  noti,  mehemde, 
suspicatus  sunt  ülam  adfore. 

8)  Außerhalb  Roms  trugen  die  meretrices, 
um  ihr  Gewerbe  nicht  gleich  erkennen  zu 
lassen,  statt  der  kurzen  Tunika  manchmal  eine 
tunica  talaris,  vgl.  Afranius  bei  Non.541,7. 
Doch  erhielten  auch  meretrices  durch  die  Ehe 
das  Recht,  eine  matronale  Stola  zu  tragen, 
Cic.  Phil.  II 18, 44 ;  vgl.  Friedländer  1 515. 

9)  Vgl.  Tert.  de  cult.  fem.  12;  de  pall.4. 
10)  Quint.VI3,51.  Digg.XXII5,3.5. 

»)  Suet.  Tib.  35.  Digg.  XXIII 2. 43. 6  ff. 
12)  Suet,  Dom.  8.  Digg.  a.  a.  0. 2, 43,  4  u.  ö. 
Vgl.  Rein  Röm.  Privatrecht  142. 

24* 


372 


Zweite  Abteilung.   Das  Leben. 


Schließlich  mag  noch  darauf  hingewiesen  werden,  daß  an  der  Abnahme 
der  Ehen  und  der  Zunahme  der  Sittenlosigkeit  auch  das  in  Italien  schon 
früh  bekannte1),  in  der  späteren  Zeit  aber  immer  allgemeiner  gewordene 
Laster  der  Knabenliebe2)  mit  Schuld  trug. 


Vierter  Abschnitt. 

Zeitrechnung  und  Tageseinteilung. 


Litteratur. 

Ideler  Handbuch  der  mathematischen  und  technischen  Chronologie  II  1  ff. :  Zeitrechnung  der 

Römer. 
Oettinger  bei  Pauly  III  1455 ff.;  1483 ff. 
Becker-Göll  II  406  ff. 
Marquardt-Mau  250  ff.;  789  ff. 

Bilfinger  Antike  Stundenzählung.   Progr.  d.  Eberh.-Ludw.-Gymn.  in  Stuttgart  1883. 
Bilfinger  Die  Zeitmesser  der  antiken  Völker.   Stuttgart  1886. 
Bilfinger  Die  antiken  Stundenangaben.   Stuttgart  1888. 

Fintan  Kindler  Die  Zeitmesser  bis  zur  Erfindung  der  Pendeluhr.  Progr.  v.  Einsiedeln  1897. 
Ardaillon  bei  D.-S.  III  256 ff.  (Litteratur  p.  264). 

Sowenig  man  heutzutage  von  einer  allgemein  gültigen  Art,  die  Ge- 
schäfte und  Beschäftigungen  des  Tages  auf  bestimmte  Zeitpunkte  zu  ver- 
legen, sprechen  kann,  sowenig  ist  das  für  das  Leben  der  Alten  oder 
speziell  der  Römer  möglich.  Die  Zeitpunkte  des  Aufstehens  und  des 
Schlafengehens,  der  Mahlzeiten,  der  Arbeit,  um  von  nicht  regelmäßigen 
Dingen,  wie  Bad,  Siesta,  Spaziergängen,  Theaterbesuch  usw.,  zu  schweigen, 
sind  von  zu  vielen  und  zu  mannigfaltigen  Voraussetzungen  abhängig,  als 
daß  sie  sich  irgendwie  fixieren  ließen3).  Für  den  langen  Zeitraum  der 
römischen  Geschichte  vom  Anbeginn  der  Stadt  bis  zum  Ausgang  der 
Kaiserzeit  natürlich  schon  gar  nicht,  denn  in  den  Verhältnissen  des  Privat- 
lebens haben  sich  ja  in  diesem  mehr  als  tausendjährigen  Zeitraum  die 
bedeutendsten  Veränderungen  vollzogen;  aber  auch  für  denselben  Zeit- 
punkt geht  es  nicht  an,  denn  anders  lagen  die  Verhältnisse  in  der  Stadt, 
als  auf  dem  Lande,  anders  in  der  Hauptstadt,  als  im  kleinen  Municipium, 
anders  beim  Vornehmen,  als  beim  Armen,  anders  beim  Beamten,  beim 
Militär,  beim  Rechtsgelehrten  usw.,  als  beim  Handwerker  oder  Tagelöhner. 
Und  ganz  abgesehen  von  diesen  prinzipiellen  Verschiedenheiten  in  der 
Tageseinteilung  ist  auch  der  Umstand  einer  erschöpfenden  Darlegung  dieses 
Gegenstandes  hinderlich,  daß  uns  nur  eine  verhältnismäßig  kleine  Zahl  von 


*)  Vgl.  Liv.  VIII  28;  XXIX  13,10;  42,8. 
Dion.  Hai.  VII 2, 4 ;  XVI  4, 2.  Val.  Max.  VI  1, 7 
u.9ff. 

2)  Die  scheußlichsten  Dinge  darin  werden 
von  den  Kaisera  selber  gemeldet.  z.B.  Suet. 
Tib.43.  Tac.  ann.VI  1.  Lampr.Heliog.  5. 1 ;  33, 1 ; 
die  Ausschweifungen  des  Caligula,  Nero  u.a. 


sind  bekannt.  In  der  Litteratur  ist  auf  Catull, 
Martial,  Petron  und  die  Priapea  zu  verweisen. 
3)  Vgl.  Fronto  ad  M.  Ant.  de  eloqu.  1  p.  141 
(Nab.):  aliud  prandium  gubematori  commune 
et  aliud  pugili  de  integris  tegoribus.  aliud 
prandendi  tempus,  alia  lavatio,  alius  somnus, 
alia  pervigüatio. 


Vierter  Abschnitt.    Zeitrechnung  und  Tageseinteilung. 


373 


sichern  und  unzweideutigen  Nachrichten  darüber  zu  Gebote  steht.  Wir 
können  also  nur  einige  allgemeine  Tatsachen  mitteilen,  die  im  wesent- 
lichen den  Ausgang  der  Republik  und  die  Kaiserzeit  betreffen  und  sich 
auf  das  Leben  der  gebildeten  Klassen  in  diesem  Zeitraum  beziehen.  Da 
es  sich  aber  hierbei  um  Zeitbestimmungen  des  Tages  und  der  Nacht  han- 
delt, so  haben  wir  zunächst  davon  zu  handeln,  wie  die  Römer  diese  zeit- 
lichen Termine  bestimmten  und  welcher  Hilfsmittel  sie  sich  dabei  bedienten. 
Die  Einteilung  des  Tages  in  Stunden x)  ist  den  Römern  erst  sehr  spät, 
im  ',\.  Jahrhundert  v.  Chr.,  durch  die  Einführung  der  Sonnenuhren,  wovon 
unten  die  Rede  sein  wird,  bekannt  geworden2).  Zur  Beurteilung  und  un- 
gefähren Einteilung  der  Tages-  und  Nachtzeit  mußten  bis  dahin  die  Himmels- 
körper dienen,  am  Tage  die  Sonne,  in  der  Nacht  die  Gestirne 3);  bei  bedecktem 
Himmel  war  selbst  diese  Zeiteinteilung  nicht  möglich.  Den  Tag  teilte  man 
ursprünglich  in  zwei  Teile:  von  Sonnenaufgang  bis  Mittag,  und  von  Mittag 
bis  Sonnenuntergang;  das  ist  die  Einteilung,  die  sich  noch  im  XII  Tafel- 
gesetz ausspricht4).  Die  Mittagszeit  wurde  von  einem  Amtsdiener  der 
Konsuln  ausgerufen,  sobald  dieser  von  der  Curie  aus  zwischen  den  Rostra 
und  der  Graecostasis  die  Sonne  im  Meridian  erblickt  hatte5).  Vermutlich 
hatte  man  die  Nacht  ursprünglich  auch  so  in  zwei  Teile,  vor  und  nach 
Mitternacht,  geteilt,  aber  militärische  Rücksichten  hatten  schon  sehr  früh 
zu  einer  Vierteilung  der  Nacht  (den  vier  vigiliae)  geführt,  deren  Trenn- 
punkte durch  Hornsignale  angezeigt  wurden15).  Infolgedessen  wurde  es 
üblich,  auch  den  Tag  in  vier  gleich  lange  Teile  zu  zerlegen7),  und  dafür 
wurden  die  Bezeichnungen:  meine  für  das  erste  Viertel  von  Sonnenaufgang 
ab,  ad  meridiem  für  das  zweite  bis  Mittag,  de  meridie  für  das  dritte  von 
Mittag  ab  und  suprema  für  das  vierte  bis  Sonnenuntergang  üblich8).     Als 


J)  Vgl.  darüber  Humbert  bei  D.-S.  II 169  ff. 
and  unten  zur  Sonnenuhr. 

')  Wenn  die  Historiker  in  Ereignissen,  die 
vor  diesem  Zeitpunkt  liegen,  Stundenangaben 
machen,  so  ist  das  Uebertragung  späterer  Ver- 
hältnisse auf  diese  früheren  Zeiten. 

s)  Vgl.  die  Sternbeobachtung  bei  Plaut. 
Amph.  273  ff. 

4)  Censor.  de  die  nat.  23, 8 :  horarum  nomen 
tum   minus  annos  trecentos  Romae  ignoratum 

redibile  est:  nam  XII  tabulis  nusquam 
nominatas  horas  invenies,  ut  in  aliis  postea 
legibus,  sed  ante  meridiem,  eo  videlicet  quod 
partes  diei  bifariam  tum  divisi  meridies  dis- 
cemebat.  Plinius  ist  im  Irrtum,  wenn  er  VII 
212  schreibt:  serius  etiam  hoc  (sc.  horarum 
dbservatio)  Romae  contigit.  XII  tabulis  orlus 
tantum  et  occasus  nominantur,  post  aliquot 
annos  adiectus  est  et  meridies,  accenso  con- 
8ulum  id  pronuntiante,  cum  a  curia  inter 
Rostra  et  Graecostasim  prospexisset  solem; 
denn  in  der  Tat  kommt  meridies  als  Zeitbe- 
stimmung in  den XIITafeln  vor,  vgl. Gell. XVII 
2, 10.  Scholl  XII  tab.  rel.  1 8  u.  9. 

5)  Plin.  a.  a.  0.,  der  hinzufügt:  a  columna 
Maenia  ad  carcerem  inclinato  sidere  supre- 
mam  pronuntiavit,  sed  hoc  serenis  tantum  die- 


bus.  Letzteres  bezieht  sich  natürlich  auf  Mit- 
tag- und  Abendverkündigung.  Die  Ankündi- 
gung der  suprema  erfolgte  aber  erst,  nach- 
dem die  Vierteilung  des  Tages  üblich  gewor- 
den war. 

6)  Mit  der  bucina,  Liv.  VII  35, 1;  XXIV 
46,  2.  Tac.  hist.  V  22  u.  s. 

7)  Censor.  a.a.O.  23,9:  alii diem  quadri- 
pertito,  sed  et  »octem  similiter  dividebanf. 

8)  Ebd.  24,  3:  seeundum  dÜuculum  voea- 
lur  ma»e,  cum  lux  videtur  sole  (orto);  post 
hoc  ad  meridiem ;  tunc  meridies,  quod  est  medii 
diei  nomen;  inde  de  meridie;  hinc  suprema, 
qttamvis  phtrimi  supremam  post  oceasum  actis 
esse  existimant,  quia  est  in  XII  tabulis  scri- 
ptum sie,  solis  occasus  suprema  tempSStas  esto. 
Es  geht  daraus  hervor,  daf3  man  mit  suprema 
auch  noch  eine  andere  Bedeutung  verband; 
Bilfinger  Stundenangaben  52  ff.  weist  aus 
Varr.  1. 1.  VI  5.  Censor.  a.  a.  0.  Gell.  XVII  2, 10 
nach,  daf3  in  älterer  Zeit  suprema  bei  den  Ju- 
risten einfach  „Schluf3  der  Verhandlungen" 
bedeutete;  später,  als  man  den  Schluß  auf 
Mittenachmittag,  d.h.  die  hora  nona,  verlegte, 
bekam  es  die  Bedeutung  des  letzten  Tages- 
viertels, was  Bilfinger  auch  aus  Tertull.  de 
ieiun.  2  erweist. 


374 


Zweite  Abteilung.   Das  Leben. 


man  die  Stundeneinteilung  durch  Uhren  kennen  gelernt  hatte,  fielen  di( 
Trennungspunkte  auf  die  dritte,  sechste  und  neunte  Stunde,  und  dies* 
wurden  in  Rom  ebenso  wie  im  Lager  die  Vigilien  durch  Hornsignale  ver- 
kündet1). Diese  Einteilung  diente  vornehmlich  für  die  Gerichtssitzungen 
bei  denen  der  Amtsdiener  des  Prätors  die  Hauptabschnitte  des  Tages  ab- 
rief, und  zwar  vor  Einführung  der  Stundenrechnung  nach  der  ungefährer 
Berechnung  des  Prätors2).  Für  die  Nacht  gab  es  im  bürgerlichen  Leber 
noch  eine  ganze  Anzahl  von  Bezeichnungen  der  einzelnen  Teile,  die  abei 
nicht  offizielle  waren,  weshalb  auch  in  den  Angaben  darüber  keine  lieber- 
einstimmung  herrscht.  So  findet  man  vornehmlich  acht  Teile,  von  Sonnen- 
untergang ab  gerechnet:  vespera,  prima  face  (auch  himinibus  accensis),  con 
cubia,  intempesta  (bis  Mitternacht),  mediae  noctis  inclinatio  (oder  de  medit 
nocte),  gallicinium,  conticinium,  dilucidum  3). 

Als  man  nach  Einführung  der  Uhren  den  Tag  in  24  Stunden  teilte 
unterschied  man  den  bürgerlichen  Tag,  der  von  Mitternacht  zu  Mitternach 
ging  und  für  alle  geschäftlichen  und  juristischen  Bestimmungen,  für  Arnts^ 
antritte,  Datierung  usw.  Geltung  hatte,  vom  natürlichen  Tag  im  Gegensat: 
zur  Nacht,  der  von  Sonnenaufgang  bis  Sonnenuntergang  ging4).  Sowoh 
der  bürgerliche  Tag,  wie  der  natürliche  mit  der  Nacht  zusammen,  wurder 
in  24  Stunden  geteilt;  allein  während  die  Stunden  des  bürgerlichen  Tages 
das  ganze  Jahr  hindurch  die  gleichen  (Aequinoktialstunden)  blieben5)  unc 
nur  im  Gebrauch  der  Astronomen  waren,  waren  die  Stunden  des  natür- 
lichen Tages  wie  der  Nacht  das  ganze  Jahr  hindurch  von  wechselnde] 
Länge  und  nur  an  den  Äquinoktien  in  Übereinstimmung  mit  den  Stunder 
des  bürgerlichen  Tages.  Daher  waren  die  Tagesstunden  im  Sommer  länger 
im  Winter  kürzer6).  Selbstverständlich  war  das  an  jedem  Orte  anders,  j( 
nach  der  Polhöhe,  was  man  in  Rom  anfangs  freilich  nicht  erkannte,  da  mar 
sich  der  ersten,  von  Katina  in  Sizilien  eingeführten  und  für  diesen  vier  Gra( 


x)  Daß  bei  Sen.  Thyest.  798  nondtim  in 
noctem  vergente  die  tertia  misit  bucina  Signum 
(wobei  die  tertia  bucina  die  neunte  Stunde  ver- 
kündet) nicht  etwa  „ Lokalton  der  griechischen 
Heroenzeif,  sondern  römischen  Brauch  be- 
deutet, erweist  Bilfingek  a.  a.  0.  59  aus  Sen. 
contr.  VII  praef.  1,  wo  es  vom  Kedner  Albucius 
heißt:  saepe  declamante  illo  ter  bucinavit,  dum 
cupit  in  omni  controversia  dicere  non  quid- 
quid  debet  dici,  sed  quidquid  potest.  Er  sprach 
also  oft  über  6  Stunden. 

2)  Varr.  1. 1.  VI  89 :  accensum  solitum  eiere 
Boeotia  ostendit,  quam  comoediam  Aquilii  (al. 
Attilii,  cf.  Gell.  III 3, 4;  Ribbeck  Com.  Rom.  34) 
esse  dieunt,  hoc  versu:  tibi  primum  accensus 
clamarat  meridiem.  hoc  idem  Cosconius  in  acti- 
onibus  scribit,  praetorem  accensum  solitum 
esse  iubere,  ubi  ei  videbatur  horam  esse  tertiam, 
inclamare  horam  tertiam  esse,  itemque  meri- 
diem  et  horam  nonam.  Hier  sind  schon  die 
Stundenzahlen  eingesetzt,  die  später  an  die 
Stelle  der  alten  Bezeichnungen  traten. 

3)  So  vornehmlich  Macr.  sat.  I  3,  12  ff. 
Censor.  24, 2  u.  4  ff.  Serv.  ad  Aen.  II 268.  Fronto 
ad  M.  Caes.  II  6  p.  31  (Naber)  rechnet :  media 


nox,  gallicinium,  conticinium,  matutinum,  dilti 
eulum,  antemeridie,  meridies,  vespera,  coneuba 
nocte.  Andere  Ausdrücke  sind  crepusculun 
(auch  crepusculum  matutinum),  lucifer,  aurora 
albente  coelo  u.  a.  m. ;  vgl.  Serv.  a.  a.  0.  III  587 
Varr.  1. 1.  VI  4  ff.  Isid.  V  31.  Apul.  met.  II  25 
über  die  Einteilung  überhaupt  vgl.  Dissen  D< 
partibus  noctis  et  diei  ex  divisionibus  veterum 
Kl.  Schriften  130  ff. 

4)  Censor.  23,  2:  naturaliter  dies  est  tem 
pus  ab  exorienie  sole  ad  solis  occasum,  cuiu. 
contrarium  tempus  est  nox  ab  occasu  solis  a( 
exortum.  civiliter  autem  dies  vocatur  tempu. 
quod  fit  uno  caeli  circumactu,  quo  dies  veru 
et  nox  continetur.  Ebd.  3:  Romani  a  medit 
nocte  ad  medium  noctem  diem  esseexistimarunt 
Varr.  bei  Macr.  13,  2:  homines  qui  ex  medit 
nocte  ad  proximam  mediam  noctem  his  Jtori 
viginti  quatuor  nati  sunt,  uno  die  nati  dieuntw 
(auchbei  Gell.  1112,2);  vgl.  Isid.  or.V  30,1.  Digg 
1112,8.  Suet. reliqu.  ed.  Reifferscheid  p.  149  ff 

■')  Galen.  VI  405;  X  479  K. 

6)  Daher  horae  aestivae,  Mart.  XII  1.4 
Veget.  r.  mil.  I  9;  horae  brumales,  Censor.  16, 6 
hora  hiberna,  Plaut.  Pseud.  1304. 


Vierter  Abschnitt.    Zeitrechnung  und  Tageseinteilung. 


375 


südlicher  liegenden  Ort  berechneten  Sonnenuhr  ganz  unbekümmert  bediente; 
erst  ein  Jahrhundert  später  wurde  der  Irrtum  erkannt1)-  So  betrug  denn 
in  Rom  am  längsten  Tage,  der  15  Stunden  6  Minuten  beträgt,  die  Tages- 
stunde 1  Stunde  155/g  Minuten,  am  kürzesten,  der  8  Stunden  54  Minuten  be- 
fragt, nur  444/y  Minuten;  es  war  also  an  jenem  die  hora  tertia  (d.h.  8  l  In-, 
an  den  Äquinoktien  punkt  9  Uhr  nach  unsrer  Zeitrechnung)  um  8  Uhr 
13  Minuten  30  Sekunden,  am  kürzesten  Tage  aber  um  9  Uhr  46  Minuten 
:»0  Sekunden2).  Zur  Bezeichnung  der  Stunden  bediente  man  sich  nicht,  wie 
bei  uns,  der  Kardinal-,  sondern  der  Ordinalzahl,  sodaß  also  hora  tertia  ■'>  Ihr. 
fjpra  nona  9  Uhr  bedeutete3).  In  den  Häusern  reicher  und  vornehmer  Leute, 
die  Sonnen-  oder  Wasseruhren  in  ihrem  Besitz  hatten,  war  es  üblich,  daß 
ein  bestimmter  Sklave  darauf  zu  achten  und  die  jedesmalige  Stunde  laut 
auszurufen  hatte4).  Für  die  Bruchteile  einer  Stunde  war  die  Teilung  in 
Minuten  und  Sekunden,  die  ja  nur  bei  der  Aquinoktialstunde  anwendbar  ist. 
nicht  bekannt5);  wollte  man  einen  Teil  einer  Stunde  bezeichnen,  so  bediente 
man  sich  der  gewöhnlichen  Bruchformeln,  die  man  zur  Zahl  der  vollendeten 
Stunde  hinzufügte,  also  z.  B.  hon/  quarta  et  dimidia  =  4*/2  Uhr6)- 

Von  den  verschiedenen  den  Alten  bekannten  Zeitmessern 7)  oder  Uhren, 
wenn  man  sie  so  nennen  darf  (horologia)*),  die  freilich  das  ganze  Altertum 


')  Plin.  VII  213.  Censor.  23,  7. 

'-)  Vgl.  die  Tabellen  bei  Becker-Göll  II 
409  f.  (nach  Ideler  Handb.  d.  Chronol.  II  13, 
rektifiziert  nach  Biliinger).  Marquardt  257  f. 
und  Bilfinger  Stundenangaben  159. 

')  Das  ist  von  Bilfinger  a.  a.  0.  6  ff.  un- 
widerleglich dargetan  worden;  vorher  hatte  man 
angenommen,  die  Ordinalzahl  habe  dieselbe 
Bedeutung  wie  bei  uns,  d.h.  die  hora  tertia 
Bei  die  Stunde  von  2 — 3,  die  hora  nona  von 

I.  Ausnahmen,  d.  h.  daß  die  Ordinalzahl 
die  angefangene  oder  laufende  Stunde  bedeutet, 
sind  ganz  vereinzelt,  s.  Bilfinger  131  ff,  nur 
die  hora  prima  macht  eine  besondere  Aus- 
nahme, da  man  damit  sehr  häufig  den  Tages- 
anfang resp.  Sonnenaufgang  bezeichnet.  Selten 
sind  die  Fälle,  wo  bei  Angabe  einerTagesstunde 
die  Kardinalzahl  gebraucht  ist,  wie  Mart.  VIII 
67. 1 .  Macr.  III 16, 15 ;  vgl.  Bilfinger  15  ff 

4)  Mart.  a.a.O.  luv.  10,215.  Sen.dial.X 
12.0.  Plin.  ep.  III  1,8.  Sid.  Apoll.  ep.II9,6; 
selbst  den  Göttern  wurden  so  die  Stunden  an- 
gesagt, Senec.  frg.  36  Haase.  Mart.  X  48,  1. 
Apul.  met.  XI  20.  Der  Protz  Trimalchio  läßt 
die  Stunden  aber  durch  einen  bucinator  aus- 
trompeten, Petr.  26,  9.  Daher  werden  auch  die 
Sklaven  befragt,  wie  spät  es  sei,  Plin.  VII 182. 
Suet.  Dom.  16. 

' )  Nach  Bilfinger  89  ist  die  Sexagesimal- 
rechnung  (die  an  sich  schon  den  Babyloniern 
und  durch  diese  den  Griechen  geläufig  war), 
wahrscheinlich  zuerst  von  den  arabischen  Astro- 
nomen angewandt  worden.  Im  Osten  findet  sie 
sich  zuerst  um  1000  n.  Chr..  in  der  europäischen 
Litteratur  erst  im  Ausgang  des  Mittelalters. 

6)  M.  Aurel  bei  Fronto  ad  M.  Caes.  II 4  p.  29 
(Naber).  Ueber  die  in  größere  Bruchteilung 
gehenden  Angaben  in  der  Tabelle  der  Mond- 


Auf-  und  Untergänge,  die  Cassianus  Bassus  in 
den  Geop.  I  7  gibt.  vgl.  Bilfinger  93  ff.  (und 
N.  Jahrb.  1884,  488  ff),  dessen  Korrektur  der 
sehr  verdorbenen  Zahlen  Beckii  in  seiner  Aus- 
gabe verwertet  hat.  Ueber  die  Inschrift  von 
LamasbainNumidienCILVIII4440,beiderdie 
Benutzung  der  Wasserleitung  nach  Bruchteilen 
von  Stunden  geregelt  ist.  s.  Bilfinger  103  ff. 

J)  Von  der  Bestimmung  der  Zeit  durch 
Messen  des  eignen  Schattens  nach  dem  Fuß- 
maß, das  vielfach  als  ein  in  Attika  übliches 
Verfahren  aus  Stellen  der  Komiker  erschlossen 
wird,  findet  sich  bei  den  Römern  keine  Spur, 
außer  in  der  Stundentabelle  des  Palladius,  der 
am  Schlüsse  jeden  Monats  einen  Abschnitt 
de  horis  hat,  in  dem  neben  den  Tagesstunden 
bestimmte  Zahlen  von  Füßen,  die  von  2 — 29 
gehen,  angegeben  sind ;  diese  Zahlen  sind  meist 
darauf  bezogen  worden,  daß  man  auf  dem 
Lande,  wie  in  früher  Zeit  in  Athen,  den  Brauch 
gehabt  habe,  den  eigenen  Schatten  durch  Ab- 
schreiten zu  messen  und  darnach  die  Stunde 
zu  bestimmen.  Diese  Deutung,  die  besonders 
Salmasiüs  Exerc.  Plinian.447  aufgestellt  hatte, 
wird  von  Bilfinger  Zeitmesser  10  ff. ;  55  ff, : 
ders.  Stundenangaben  75  ff.  verteidigt,  von 
Becker-Göll  Charikles  II  322  ff.  bezweifelt. 

8)  In  der  Regel  für  Sonnenuhren  gebraucht, 
so  Cic.  ad  fam.  XVI  18,3.  Vitr.  1  1, 10;  VIII  7 
(6),  15 ;  IX  8  (7),  1  u.  s.  Plin.  II 187.  Aufstellung 
von  horoloaia  wird  auf  Inschr.  öfters  als  Ver- 
dienst von  Bürgern  erwähnt,  vgl.  CIL  II  1685; 
4316:  XII  535;  1246;3100;  doch  können  damit 
auch  Wasseruhren  gemeint  sein,  so  z.  B.  CIL 
XII  2522,  wo  der  Stifter  nicht  nur  das  Geld 
zur  Herstellung,  sondern  auch  Mittel  für  einen 
Sklaven,  der  das  horologium  bedient,  hergibt. 
Renovation  einer  Uhr  durch  den  Staatebd.  1893. 


376 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 


hindurch  ebenso  wie  im  Mittelalter  recht  unvollkommene  Instrumente 
waren1),  lernten  die  Römer  zuerst  die  Sonnenuhren  (solaria)  kennen2). 
Doch  war  es  nicht  die  älteste  Art,  die  damals  eingeführt  wurde,  der  sog. 
yvwjucov,  wobei  ein  senkrecht  in  der  Erde  stehender  Stab  oder  Säule  oder 
dergleichen  Schatten  warf,  dessen  Länge  gemessen  die  jeweilige  Tageszeit 
ergab3),  sondern  die  vervollkommnetere  Einrichtung,  bei  der  nicht  die 
Länge,  sondern  die  Lage  des  Schattens  die  Stunde  angibt.  Eine  solche 
Sonnenuhr  kam  nach  den  wahrscheinlichsten  Angaben4)  im  Jahr  263  v.Chr. 
nach  Rom,  in  welchem  Jahre  M'.  Valerius  Messala  eine  bei  der  Einnahme 
von  Katina  auf  Sizilien  erbeutete  Sonnenuhr  nach  Rom  brachte  und  dort 
aufstellte.  Wie  schon  oben  erwähnt,  merkte  man  nicht,  daß  die  Uhr  für 
Rom  nicht  stimmte;  erst  164  v.  Chr.  ließ  Q.  Marcius  Philippus  eine  richtig 
konstruierte  Sonnenuhr  aufstellen5).  Von  da  ab  nahm  ihre  Zahl  sehr 
schnell  zu,  sowohl  auf  den  öffentlichen  Plätzen,  Märkten  usw.6),  als  auch 
in  Bädern  und  Tempeln,  in  Villen  und  Häusern7).  Da  eine  sehr  beträcht- 
liche Zahl  von  Sonnenuhren,  zumal  in  Rom  und  Umgebung,  doch  auch 
sonst  an  den  verschiedensten  Punkten  des  römischen  Reiches  gefunden 
worden  sind8),  so  ist  deren  Konstruktion  hinlänglich  bekannt,  sowie  die 
verschiedenen  Arten,  deren  man  sich  bediente.  Es  gab  nämlich  drei  ver- 
schiedene Arten  von  Sonnenuhren:  1.  solche,  die  für  einen  bestimmten  Ort. 
an  dem  sie  aufgestellt  werden  sollten,  berechnet  sind,  wie  jene  erste  von 
Katina  war;  sie  ergaben  die  je  nach  der  Jahreszeit  an  Länge  wechselnden 
Tagesstunden;  2.  solche,  die  für  den  Gebrauch  an  verschiedenen  Orten,  für 
Transport  und  Reise  eingerichtet  waren  und  ebenfalls  die  wechselnden 
Tagesstunden  anzeigten9):  und  3.  solche,  die  die  unsern  heutigen  ent- 
sprechenden Aquinoktialstunden  anzeigten  und  vornehmlich  astronomischen 


*)  Bezeichnend  dafür  ist  Sen.  lud.  2,  3: 
horam  non  possum  certam  tibi  dicere:  faci- 
lius  inter  philosophos  quam  inter  horologia 
convenit :  tarnen  inter  sextam  et  septimam  erat. 

2)  Ueber  die  Sonnenuhren  der  Alten  ist 
außer  der  oben  angegebenen  Litteratur  vor- 
nehmlich zu  vgl.  Woepcke  Disquisitiones 
archaeologico-mathematicae  circa  solaria  vete- 
rum,  Berol.  1842;  ältere  Litteratur  bei  Becker- 
Göll  Gallus  II  413  und  Ardaillon  bei  D.-S. 
III  256  ff. 

3)  Ein  solcher  yvo'jucov  war  der  von  Au- 
gustus  auf  dem  Marsfeld  errichtete  Obelisk 
(heute  auf  Monte  Citorio  stehend),  bei  dem 
Metallstreifen  in  den  ihn  umgebenden  Stein- 
boden zum  Messen  der  Schattenlänge  eingelegt 
waren,  Plin.  XXXVI 72.  Amm.  Marc.  XVII 4,12 ; 
vgl.  Jordan  Hülsen  Topogr.  1 3, 610  ff  Richter 
Topogr.  252  mit  dem  Entwurf  der  Linien  im 
Paviment  Abb.  26. 

4)  Die  andere  Angabe  ist  die  bei  Plin. 
VII  213,  wonach  L.  Papirius  Cursor  i.  J.  293 
v.  Chr.  die  erste  Sonnenuhr  beim  Tempel  des 
Quirinus  aufgestellt  hätte.  Doch  gibt  Plinius 
auch  die  varronische  Tradition. 

5)  Plin.  ebd.  214:  M.  Varro  primum  sta- 
tutum  in  publico  (horologitaii  Solarium)  secun- 
dum  Kontra   in  columna  traclit  hello  Punico 


primo  a  M'.  Valerio  Messala  cos.  Catina  capto 
in  Sicilia,  deportatum  inde  post  XXX  annos 
quam  de  Papiriano  horologio  traditur,  anno 
urbis  '  CCCCLXXXX :  nee  congruebant  ad 
horas  eins  lineae,  paruerunt  tarnen  ei  annis 
undecentum,  donec  Q.  Marcius  Philippus,  qiti 
cum  L.  Paulo  fuit  censor,  düigentvus  ordinatum 
iuxtaposuit,  idque  munus  inter  censoria  opera 
gratissima  aeeeptum  est.   Vgl.  Censor.  23.  6  f. 

6)  Cic.  Brut.  54, 200 ;  zu  Anfang  des  7.  Jahr- 
hunderts d.  St.  war  tarn  oppletum  oppidum 
solariis,  Com.  bei  Gell.  III  3,  5  (vgl.  Ribbeck 
Com.  Rom.  fr.  33,  als  plautinisch  von  Varro  bei 
Gell,  bezeichnet,  s.  Plauti  frgm.  bei  Ritschl- 
GötzIVö,  141). 

7)  Vgl.  Luc.  Hipp. 8.  Cic.  ad  fam.  XVI 18. 3. 
Digg.  XXXIII  7, 12, 23.  Fundorte  von  Sonnen- 
uhren sowie  von  Inschriften,  in  denen  die  Auf- 
stellung von  Sonnenuhren  oder  deren  Stiftung 
durch  private  Wohltäter  erwähnt  wird,  s.  Mar- 
quardt  271  A.  1;  789  A.5;  vgl.  CIL  1  1166: 
II  1685;  4316;  III  1070;  V  2035;  IX  831;  X 
2324;  XII  2522;  solaria  V  8801;  IX  1027. 

8)  Siehe  die  Litteraturangaben  bei  Mar- 
quardt  789  ff. 

9)  Vgl.A.ScHLiEBEN  Römische  Reiseuhren, 
Annal.  d.  nassauisch.  Altert. -Vereins  XXIII 
(1891)115. 


Vierter  Abschnitt.    Zeitrechnung  und  Tageseinteilung. 


377 


Zwecken  dienten.  Am  verbreitetsten  war  diejenige  Form,  bei  der  man  in 
Nachahmung  der  Himmelshalbkugel  eine  ausgehöhlte  Halbkugel  nahm,  auf 
der  man  den  Schatten  des  Zeigers  (des  gnomon)  wandern  ließ;  diese 
Sonnenuhren  führten  speziell  den  Namen  hemicycliwn  l)  (vgl.  Fig.  56 2)).  Im 
einzelnen  die  Konstruktion  zu  beschreiben,  wäre  ohne  weitläufige  mathe- 
matische Details  nicht  möglich  und  muß  daher  hier  unterbleiben3). 

Die  Wasseruhren, 
mit  dem  griechischen 
Namen  clepsydrae  ge- 
nannt, kamen  zuerst 
im  Jahre  159  v.  Chr. 
nach  Rom4).  Hier  hat 
man  zu  unterscheiden 
zwischen  den  eigent- 
lichen clepsydrae,  die 
nur  einen  bestimm- 
ten Zeitraum  maßen 
und  die  streng  genom- 
men keine  Uhren  sind 
(so  wenig  wie  unsere 
Sanduhren)  und  den- 
jenigen, die  die  zwölf 
Tages-  oder  Nacht- 
stunden in  ihrer  wechselnden  Dauer  anzeigten.  Erstere  sind  die  bekannten 
Zeitmesser,  die  in  Athen  schon  früh  bei  Gerichtsverhandlungen  zur  An- 
wendung gekommen  waren,  die  man  aber  in  Rom,  wo  man  dem  Gerichts- 
redner ebenfalls  auf  diese  Art  die  Zeit  zumaß,  erst  viel  später  kennen  lernte, 
obschon  den  Zeitpunkt  näher  zu  bestimmen  nicht  möglich  ist6).  Diese 
mepsydrae  waren  amphorenartige,  nach  unten  spitz  zulaufende  Gefäße  aus 
Ton   (in  späterer  Zeit  wohl  auch  aus  Glas6),   die  unten  in  einem   dünnen 


Fig.  56.    Sonnenuhr  aus  Pompeji. 


1)  Genauer  sagt  Vitruv,  der  IX  8  f.  (7  f.) 
die  Konstruktion  einer  solchen  Sonnenuhr  be- 
schreibt, deren  Erfindung  man  dem  Chaldäer 
Berosos  zuschrieb,  ebd.  9,1:  hemicycliüm  ex- 
cavatum  est  quadrato  ad  enclimaque  succisum, 
s.  die  Erklärung  dieses  Ausdrucks  bei  Bilfinger 
Zeitmesser  25  f. 

2)  Die  unter  Fig.  56  abgebildete  Sonnen- 
uhr stammt  aus  Pompeji  (nach  0 verbeck  460 
Fig.256)  und  hat  eine  oskische  Inschrift.  Die 
Höhlung,  auf  die  der  Schatten  des  Zeigers 
fällt,  ist  durch  gerade  Linien  geteilt,  die  als 
Radien  in  dem  Punkt  zusammenlaufen,  in 
dem  der  Gnomon  horizontal  befestigt  ist.  Die 
schneidenden  Kreislinien  beziehen  sich  auf 
die  verschiedenen  Jahreszeiten  und  die  Länge 
des  Schattens  in  ihnen:  die  oberen  Linien  be- 
zeichnen den  Stand  der  Sonne  im  Winter,  die 
unteren  den  im  Sommer. 

3)  Ich  verweise  auf  die  oben  angeführte 
Abhandlung  von  Wöpcke  und  auf  Bilfin&er 
a.a.O.  23  ff.;  für  die  tragbaren  Sonnenuhren 
ist  zu  beachten  F.  Kenner  Sonnenuhren  aus 


Aquileia20ff.,  sowie  die  bei  Forbach  gefundene, 
von  Ardaillon  bei  D.-S.III260  Fig.  3889  ab- 
geb.  und  besprochen  (Litteratur  ebd.A.5). 

4)  Plin.VI1215:  ScipioNasica  coUega  Lae- 
nati  priniKs  aqua  dirixit  horas  aequs  nocföUm 
ac  dierunr,  idque  horologium  sub  Udo  dicavit 
anno  urhis  DXCV.  Censor.  23,7. 

5)  Die  Angabe  bei  Tac.  de  orat.  38,  daß  die 
Beschränkung  der  Rededauer  i.  J.  52  v.  (  In 
eingeführt  worden  sei,  ist  ein  Irrtum,  wie 
Marqüardt  794  darlegt,  da  von  dieser  Be 
schränkung  schon  i.  J.  70  die  Rede  ist.  Cic. 
Verr.  act.  II,  1 9.  25,  ebd.  1 1 ,  32 ;  vgl.  auch  pro 
Rabir.  2, 6 ;  pro  Flacc.  33, 82.  Es  wäre  übrigens 
denkbar,  daß  diese  sehr  einfachen  chp&ffdrae, 
die  den  Athenern  schon  im  5.  Jahrb.  bekannt 
waren,  auch  nach  Rom  lange  vor  159  ge- 
kommen und  bei  Gericht  eingefühlt  waren; 
denn  daß  sie  erst  nach  der  Einführung  der 
eigentlichen  Uhren  in  den  Gebrauch  bei  Ge- 
richt kamen,  wie  Marqüardt  794  behauptet, 
ist  doch  nicht  erweislich. 

6)  Siehe  Marqüardt  793  A.  2. 


378 


Zweite  Abteilung.   Das  Leben. 


Loch  durchbohrt  waren,  durch  welches  das  Wasser,  womit  es  gefüllt  wurde 
in  einem  bestimmten  Zeitraum  in  einen  darunter  befindlichen  Behälter  ab 
floß1).  Das  Maß  war  anscheinend  verschieden2);  vermutlich  waren  e 
Teile  einer  Stunde,  doch  wie  sie  sich  zu  den  wechselnden  Tagesstunde 
verhielten,  weiß  man  nicht3). 

Was  dann  die  zur  Tageseinteilung  bestimmten  Wasseruhren  anlangi 
deren  Erfindung  dem  Plato4)  und  Verbesserung  dem  Ktesibios  von  Alexandri 
zugeschrieben  wird5),  so  sind  wir  da,  in  Ermanglung  erhaltener  Exemplare 
ganz  allein  auf  die  Nachrichten  der  alten  Schriftsteller  angewiesen6),  be 
sonders  auf  die  Beschreibungen  von  solchen  bei  Vitruv7)  und  Galen8).  Da 
Prinzip  ist  dabei  das  gleiche,  wie  bei  den  oben  besprochenen  clepsijt/rac 
daß  nämlich  aus  einem  Gefäß  Wasser  durch  eine  enge  Öffnung  abfließt 
nur  daß  nicht,  wie  dort,  das  Ausfließen  der  vorhandenen  Wassermenge  de: 
Ablauf  eines  bestimmten  Zeitraums  angibt,  sondern  daß  dieses  Ausfließe: 
der  Länge  des  Tages  resp.  der  Nacht  entspricht  und  die  jedesmalige  Höh 
des  Wasserstandes  im  Gefäß  die  Stunde  angibt.  Jedenfalls  gab  es  auci 
bei  den  Wasseruhren  zwei  Arten:  solche,  die  die  sich  gleich  bleibende: 
Äquinoktialstunden,  und  solche,  die  die  wechselnden  Tages-  und  Nacht 
stunden  anzeigten.  Erstere  herzustellen  war  nicht  schwierig9),  umstand 
licher  dagegen  die  Herstellung  der  zweiten  Gattung.  Hierfür  gab  es  zwe 
Wege:  entweder  man  regulierte  den  Wasserabfluß,  indem  man  ihn  bah 
langsamer  bald  schneller  machte;  oder  man  ließ  ihn  unverändert,  bezeichnet 
aber  dafür  die  Veränderlichkeit  der  Stunden  durch  Skalen,  die  an  der  Uh 
angebracht  waren.  Von  der  ersten  Methode  kennen  wir  eine  bei  Vitru1 
beschriebene  Vorrichtung,  die  freilich  umständlich  ist  und  auch  kaum  zi 
genauen  Resultaten  geführt  haben  kann10).  Bei  der  zweiten,  von  Galei 
beschriebenen  Art  nahm  man  für  den  Behälter,  in  dem  das  Wasser  langsan 
in  die  Höhe  stieg,  ein  rundes,  durchsichtiges,  seit  Vervollkommnung  de: 
Glasfabrikation  wohl  in  der  Regel  gläsernes  Gefäß.    An  diesem  bezeichnet« 


1)  Senec.  ep.24,20.  Apul.  met.  III 3. 

2)  Hin.  ep.  II  11,  14  erwähnt,  er  habe  zu 
den  ihm  zuerst  bewilligten  12  clepsydrae,  die 
spatiosissimae  waren,  noch  4  dazu  bewilligt 
bekommen. 

3)  Man  möchte  aber  doch  als  wahrschein- 
lich annehmen,  daß  sie  Teile  einer  festen,  z.  B. 
der  Aequinoktialstunde  waren,  weil  nur  so  die 
Möglichkeit  unparteiischer  Zuteilung  gegeben 
war  (die  Athener  hatten  in  der  Gerichtspraxis 
die  Stunden  des  kürzesten  Tages  zugrunde 
gelegt).  Freilich  erscheinen  bei  Mart.VI35,l 
schon  7  clepsydrae  als  reichlich  bemessen, 
während  Plin.a.a  0.16  erhalten  hat. 

4)  Nach  Athen.  IV 174C. 

5)  Vitr.IX9  (8),  2.  Plin.VII125.  Athen. 
a.  a.  0. 

6)  Die  meist  ältere  Litteratur  über  die 
Wasseruhren  verzeichnet  Marquardt  795  A.  7. 

7)  Vitruv  a.a.O.  beschreibt  die  Wasseruhr 
des  Ktesibios ;  eine  Erklärung  seiner  Beschrei- 
bung gab  Perbault  in  seiner  Vitruv-Ausgabe 
(Paris  1684)  p.  285  ff.,  und   darauf  fußen  die 


meisten  Arbeiten  über  die  alten  Wasseruhren 

8)  Galen.  V  82  K. ;  ausführlich  behandel 
von  Marquardt  Galeni  locus  qui  est  de  Jwro 
logiis  veterum  emendatus  et  explhatiis,  Goth 
1865;  verbesserter  Text  von  Sauppe  Philologu 
XXIII  448  ff. ;  vgl.  Galeni  scripta  minora  ed 
Joann.  Marquardt  (Lips.  1884)  I  63  ff.  und  fü 
die  letzte  Partie  der  Beschreibung  Bilfingei 
Zeitmesser  40  f. 

9)  „Man  durfte  nur  das  reeipierende  Ge 
faß  mit  gleichmäßigem  Durchmesser  konstrn 
ieren,  die  Höhe  desselben,  bis  zu  welcher  da 
dem  Nychthemeron  entsprechende  Wasser 
quantum  reichte,  in  24  gleiche  Teile  einteile] 
und  mit  Sonnenauf- oder  -untergärig  das  Wasse 
laufen  lassen,  so  konnte  man  durch  das  Steige] 
des  "Wassers  den  Veifluß  der  Stunden  kon 
trollieren",  Bilfinger38.  Wenn  auch  solch 
Wasseruhren  nicht  ausdrücklich  erwälmtwer 
den,  so  haben  sie  doch  im  Gebrauch  der  Astro 
nomen  sicher  existiert. 

,0)  Vitr.  IX  9  (8),  11  f.,  dazu  Bilfingei 
38  f. 


Vierter  Abschnitt.    Zeitrechnung  und  Tageseinteilung. 

man  durch  vertikale  Linien  die  Höhe,  die  das  Wasser  am  kürzesten  und 
am  längsten  Tage  und  an  den  beiden  Äquinoktien  erreichte;  indem  man 
diese  Linien  in  12  gleiche  Teile  zerlegte,  erhielt  man  die  Stundenskala 
für  die  genannten  vier  Tage.  Um  auch  für  die  übrige  Zeit  des  Jahres 
die  Stundenlänge  ablesen  zu  können,  verband  man  die  gleichen  Stunden- 
punkte der  vier  senkrechten  Skalen  durch  gerade  Linien,  die  um  das 
Gefäß  herumgehend  erst  aufstiegen  und  dann  wieder  niederstiegen.  Freilich 
erhielt  man  so  nur  eine  ungefähre  Schätzung  der  Stundenlänge  für  die 
zwischen  jenen  vier  Jahrespunkten  liegenden  Tage;  aber  vielleicht  erleich- 
terte hier  eine  am  obern  Rand  des  Gefäßes  angebrachte  Skala  für  die 
einzelnen  Tage  des  Jahres  und  ein  dort  angebrachtes  verschiebbares  Lot 
die  Feststellung  des  am  Gefäß  selbst  nicht  angebrachten  Tagesstriches 
und  damit  die  Ablesung  der  Stunden  eben  für  diesen  Tag x).  Etwas  anders 
war  die  Einrichtung,  wenn,  wie  bei  der  Uhr  des  Ktesibios,  ein  undurch- 
sichtiges Gefäß  genommen  wurde.  Man  setzte  dann  auf  das  Wasser  einen 
schwimmenden  Gegenstand,  etwa  eine  Scheibe  aus  Kork,  die  dem  Wasser- 
stand folgte  und  irgend  einen  senkrecht  darauf  angebrachten  Gegenstand 
nach  oben  über  dem  Rand  des  Gefäßes  erscheinen  ließ,  der  entweder  selbst 
eine  Skala  enthielt  oder  mit  einer  solchen  in  Verbindung  gesetzt  war.  Bei 
der  Uhr  des  Ktesibios  war  auf  dem  schwimmenden  Kork  eine  gezahnte 
Stange  befestigt,  deren  Zähne  in  ein  Zahnrad  eingriffen;  so  erhob  sich 
eine  Figur  mit  einem  Stabe  in  der  Hand,  die  auf  eine  mit  den  Stunden- 
linien versehene  Säule  hinwies2).  Es  gab  auch  Wasseruhren,  bei  denen 
durch  einen  besondern  Mechanismus  die  abgelaufene  Stunde  durch  Bewegung 
von  Figürchen,  Herabfallen  von  Steinchen  oder  eiförmigen  Körpern,  durch 
einen  Trompetenton  u.  dgl.  angezeigt  wurde 3). 

Gehen  wir  nunmehr  dazu  über,  auf  welche  Art  sich  die  Beschäftigungen 
des  Tages  auf  die  verschiedenen  Tageszeiten  und  Stunden  verteilten4). 
Die  Stunde  des  Aufstehens  war  natürlich  je  nach  dem  Beruf  sehr  ver- 
schieden. Im  Winter,  wo  die  Sonne  erst  spät  aufgeht  (am  kürzesten  Tage 
in  Rom  7  Uhr  33  Minuten),  fingen  nicht  nur  Handwerker,  sondern  auch 
Schullehrer  ihre  Beschäftigung  mitunter  schon  vor  Tagesanbruch  an5);  daß 
Gelehrte  in  aller  Frühe  an  die  Studien  gingen,  Staatsmänner,  Beamte  usw. 


*)  Siehe  die  schematische  Zeichnung  bei  Vitruv  nennt  diese  Uhren   horohffia  kiberna 

Bilfinger  40  Fig.  7  und  ebd.  Fig.  8  für  die  Tages-  j   oder  anafkoHcet. 

und  Nachtstunden.  4>  Eine  interessante,  obschon  nicht  voll- 

2)  Die  Rekonstruktion  von  PfiKRAüLTp.285  ständige  Zusammenstellung  von  der  Tagesein- 
ist  wiederholt  bei  Ardaillon  a.a.O. 262  Fig.  teilung  eines  Römers  im  1.  Jahrh.  n.  Chr.  gibt 
0890.  Ueber  die  Regulierung  solcher  Uhren  ,  Mart.  IV  8;  vgl.  d.Behandlung  dieses  Epigramms 
durch  Drehung  der  Säule  vgl.BiLFiNGEa42.  bei  Bilfinger  Stundenangaben  117  ff.  Wieder 

3)  Vitr.a.a.0.5:  item  aliae  regulae  aliaque  jüngere  Plinius  auf  dem  Lande  seine  Zeit  zu- 
Wmpana  cd  eundem  modum  dentata  una  mo-  brachte,  schildert  er  ep.  IX  36:  und  Seneca  be 


tione  coacta  versando  faciunt  effectus  varie- 
tatesque  motionum,  in  guibus  moventur  sigilla, 
tertuntur  metae.  calculi  mit  <>r<'  proiciuntur, 
bucinae  canunt,  reliquaqueparerga.  Ueber  eine 
besondere  Art  von  Uhr,  derenAufzugsmechanis- 
nuis  schon  sehr  an  unsre  modernen  Gewichts 


schreibt  die  Beschäftigungen  einesTagese|i.^>. 
5)  Mart. XII 57, 4:  neqant  vüam  \  Judimo- 
gistri  matte,  nocfe  pistores:  1X68, 3:  HOnthtm 
cristati  mpere  8Ütniia  gaüt:  murmure  (am 
aaevo  verberibusque  tonas;  XIV  223.  Ov.  am.  I 
13,17.  luv.  7.222.  Daß  sich  alle  diese  Angaben 


uhren  erinnert,  handelt  Vitruv  ebd.8ff.in  einer  nur  auf  die  kurzen  Wintertage  beziehen,  ist 
schwer  verständlichen  Stelle,  über  die  Bil-  zwar  nirgends  ausdrücklich  gesagt,  aber  wohl 
finger  43  ff.  Klarheit  zu  verbreiten  gesucht  hat.       selbstverständlich. 


380 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 


dringende  Arbeiten  erledigten,  war  nichts  Ungewöhnliches1).  Auch  die 
Klienten,  die  zur  Morgensalutatio  bei  den  Patronen  gingen,  mußten  oft  in 
finstrer  Nacht  sich  erheben2);  und  daß  die  Kinder,  die  früh  zur  Schule 
mußten,  und  die  Sklaven,  die  die  Hausgeschäfte  zu  besorgen  hatten,  früh 
aufstanden,  ist  selbstverständlich3).  Aber  auch  abgesehen  davon  galt  das 
bis  in  den  hellen  Tag  hinein  Schlafen  (dormire  in  medium  diem)  für  weichlich 
und  verwerflich4). 

Nach  dem  Aufstehen  folgte  das  Ankleiden,  das  für  gewöhnlich  bei 
den  Männern  wohl  wenig  Zeit  in  Anspruch  nahm,  während  freilich  die 
Elegants,  die  auf  Hautpflege,  Haar-  und  Barttoilette  große  Sorgfalt  ver- 
wandten, längere  Zeit  unter  den  Händen  des  tonsor,  ciniflo  usw.  (siehe  oben 
S.  272)  zubringen  mochten.  Sonst  genügte  beim  Ankleiden  wohl  die  Hilfe 
eines  Sklaven,  der  zumal  die  umständliche  und  faltenreiche  Toga,  die  man 
aber  erst  zum  Ausgang  anlegte,  anziehen  half5).  Die  Toilette  der  Frauen 
nahm  natürlich,  schon  der  kunstvollen  Frisur  wegen,  mehr  Zeit  in  Anspruch, 
bis  sie  aus  den  Händen  ihrer  ornatrices6)  völlig  angekleidet  hervorgingen7). 
Nachdem  der  Paterfamilias  die  Morgenbegrüßung  von  Kindern  und  Sklaven 
entgegengenommen  hatte8),  verrichtete  er  das  tägliche  Opfer  an  die  Haus- 
götter9). Dann  erschienen  bei  Personen  von  Bedeutung  die  Klienten,  teils 
bloß  zur  pflichtmäßigen  Begrüßung,  teils  um  beim  Patron  in  persönlichen 
Angelegenheiten  sich  Rat  zu  holen;  diese  Begrüßung  (scdutatio)  fand  in  der 
Regel   während   der   beiden  ersten  Morgenstunden  statt10).     Ob   man   das 


')  Cic.  ad  Qu.  fr.  III 2, 1 ;  parad.  prooem.  5. 
Hör.  ep.  12,35:  posces  ante  diem  librum  cum 
lumine;  111,112:  prius  orto  \  sole  vigil  cala- 
mum  et  Chartas  et  scrinia  posco.  Plin.  h.  n. 
praef.  18.  Quint.X3,26f.  Fronto  ad  M.  Caes. 
IV6p.69(Nab.).  Plin.  ep.  III 5, 8  f.  Suet.Tib. 
19;  Vesp.21.  Lampr.Al.Sev.29,5.  Amm.Marc. 
XVI 5, 4.  Auch  dies  galt  vornehmlich  von  den 
Wintermonaten,  vgl. luv.  14. 189 f.:  at  nunc\ 
post  finem  autumni  media  de  nocte  supinum  j 
clamosus  iuvenem  pater  excitat  etc.  Der  ältere 
Plinius  freilich  begann  seine  Lucubrationen, 
wie  man  diese  Frühstudien  nannte,  schon  an 
den  Volcanalien  (23. August),  Plin.  ep.  1115,8. 

2)  Mart.  IX  92, 5 ;  X  70, 5 ;  XII  18,15;  26, 3 ; 
68,1.  luv.  5, 19.  Sen.dial.X14,4.  Stat.silv.VI 
9,48.Plin.ep.III12,2FrontoadM.Caes.I3p.6. 
Luc.  Nigrin.  22. 

3)  Hör.  sat.  II 6,  1 10  ff.  Luc.  de  merc.  cond. 
30;  das  Zeichen  zum  Aufstehen  wurde  in 
größern  Haushaltungen  mit  einer  Glocke  ge- 
geben, s.  ebd.  24  u.  31. 

4)  Hör.  ep.  1 2, 30;  dormire  in  lucem;  ebd. 
18, 34.  Sen.  ep.  122, 1 :  turpis  qui  alto  sole  semi- 
somnus  iacet.  Gell.  Vll  (VI)  10,  5:  opperiri 
prape  ad  meridiem,  donec  discipuli  nocturnum 
omne  vinum  edormiant;  vgl.  Pers.  3,  3:  ster- 
timus,  indomitum  quod  despumare  Falernum  \ 
sufficiat,  quinta  dum  linea  tangitur  umbra. 
Doch  gesteht  auch  Horaz  sat.  1 6, 122 :  ad  quar- 
tam  iaceo  (im  Sommer,  s.  ebd.  125),  was  immer- 
hin ziemlich  spät  ist  (am  längsten  Tage  9  Uhr 
29  Min.). 


5)  Für  gewöhnlich  leistete  die  Hilfe  beim 
Ankleiden  wohl  der  cubicularius  (s.  S.  44); 
ornator  kann  Marquardt  145  A.  2  als  Titel  nur 
bei  Firm.  astr.  III  6,  9  (ornator  deorum)  und 
CIL  VI  8956  (ornator  glabrorum,  für  die  Lieb- 
lingsdiener) nachweisen.  Doch  kommt  ornator 
=  xoifitJTrjg  Corp.  Gloss.  II 353, 61 ;  III 76, 3  vor. 
Für  Anlegen  der  Fußbekleidung  (Plin.  ep. III 
16,8:  servulos  aliquos,  quorum  e  manu  ethum 
capiat,  a  quibus  vestiatur,  a  quibus  calci  et  nr) 
waren  besondere  calceatores  da,  CIL  VI  3939. 

6)  Suet.  Claud.  40.  Ov.am.I14.6;  a.a.III 
239.  Corp. Gloss. II 139, 53;  296, 33 u.  s.;  häufig 
auf  Inschr.,  s.  Marquardt  a.  a.  O.  A.  5.  CIL  II 
1740;  VI  8890 ;  8944 ;  9462 ;  9727  ff. ;  33784  u.  s. 
Vgl.  Saglio  bei  D.-S.  IV  239. 

7)  Vgl.Plaut.Poen.219:  ex  industria  am- 
bae  numquam  concessamus  j  lavari  aut  fricari 
aut  tergeri  aut  ornari,  \poliri  expoliri,  pingi 
fingi;  und  ebd.  230:  numquam  lavando  et  fri- 
cando  scimus  facere  metam. 

8)  FrontoadM.Caes.IV6p.69.  Suet.Galb. 
4,  wo  freilich  die  Sitte,  daß  die  Sklaven  dem 
Herrn  früh  guten  Tag  und  abends  gute  Nacht 
bieten  mußten,  als  retus  exoletusque  mos  be- 
zeichnet wird. 

9)  Besonders  dem  La)-  fa miliaris,  Plaut. 
Aul.  24.  Ov.  fast.  II 631;  635  ff. 

10)  Nach  Mart.  IV  8. 1:  prima  salutantes 
atque  altera  continet  (v.l.contcrif)  hora.  Bil- 
finger  Ant.  Stundenzählung  39  f.  hatte  hier- 
für ebenfalls  die  obenerwähnte  Bedeutung  der 
Ordinalzahl  angenommen,  sodaß  also  der  Sinn 


Vierter  Abschnitt.    Zeitrechnung  und  Tageseinteilung. 


381 


bescheidene  Frühstück,  das  Ientaculum  oder  iantaculum1),  bald  nachdem 
Aufstellen  oder  erst  in  späterer  Stunde  nahm,  lag  selbstverständlich  im 
Belieben  eines  jeden;  Nachrichten  darüber  sind  spärlich2),  die  Ärzte  emp- 
fehlen 3  oder  4  Uhr  nach  Sonnenaufgang3).  Es  bestand  meist  aus  etwas 
Brot  mit  Salz  oder  sonst  einem  Gewürz4),  wozu  wohl  auch,  wie  bei  den 
Griechen  ein  Schluck  Wein  genommen  wurde5);  sonst  werden  erwähnt 
Oliven,  Kapern,  Milch,  Käse,  Eier,  Honig,  Mulsum  u.  dgl.  m.°). 

Die  Stunden  des  Vormittags  waren  nun  mit  allerlei  Beschäftigungen 
amtlicher  und  nichtamtlicher  Art,  namentlich  auch  mit  Gerichtssitzungen 
ausgefüllt7);  vornehmlich  fielen  in  diese  Zeit  die  mannigfachen  officio  pri> 
rata,  zu  denen  Hausfreunde  und  Verwandte  sich  in  den  eine  Verlobung, 
eine  Hochzeit,  eine  Anlegung  der  toga  virilis  u.  dgl.  feiernden  Familien  ein- 
zufinden hatten8).  So  kam  die  Zeit  für  das  Mittagsmahl  heran.  Hier  fand 
freilich  im  Lauf  der  Zeit  eine  gewisse  Verschiebung  statt.  Ursprünglich 
nämlich  war  die  um  die  Mittagszeit  stattfindende  Mahlzeit,  cena,  die 
Hauptmahlzeit  des  Tages,  während  die  minder  konsistente  Abendmahlzeit 
vespernd  hieß;  als  aber  das  hauptstädtische  Geschäftsleben,  das  sich  bis 
zur  9.  oder  10.  Tagesstunde  ausdehnte,  es  unpraktisch  erscheinen  ließ,  die 
Arbeit  durch  eine  größere  Mahlzeit  zu  unterbrechen,  verlegte  man  diese 
auf  den  Abend  und  ließ  mittags  an  ihre  Stelle  eine  Art  von  zweitem 
Frühstück  treten,  das  man  prandium  nannte,  während  nun  das  Abend- 
brot  cena    hieß   und   der  Name   vesperna  verschwand9).     Die   Zeit   dieses 


wäre  „ein  und  zwei  Uhr  findet  die  Besucher 
an  ihrem  Geschäft"  d.h.  das  eine  Mal  brauchte 
man  zu  den  Besuchen  bis  ein  Uhr,  das  andere 
Mal  bis  zwei  Uhr.  Dem  widerspricht  Fried- 
länder z.d.  St.,  der  als  Smn  annimmt:  die 
ersten  beiden  Stunden  schließen  die  Morgen- 
besucher in  sich,  d.h.  die  Morgenbesuche  füllen 
diese  Stunden  aus.  Da  damals  die  meisten 
Klienten  mehrere  Patrone  besuchten,  war  die 
Besuchszeit  vermutlich  ziemlich  ausgedehnt; 
ich  halte  daher  die  letzte  Erklärung  für  richtig, 
obschon  Bilfinger  Stunden  angaben  121  an  der 
seinigen  festhält. 

1)  Man  leitet  das  Wort  von  ieiunium  ab, 
Isid.XX2, 10:  iantaculum  est  primus  cibus, 
quo  ieiunium  solvitur,  unde  et  nuncupatum. 
Nigidius:  nos  ipsi  ieiunia  iantaculis  levibus 
solmmus.  Vgl.  Plaut.  Cure.  73.  Mail.  1 87. 3 ;  XIII 
31.1:  XIV  223,  1.  Suet.Vit.13.  Das  Verbum 
ientare  Varr.  b.  Non.  126,  14,  auch  ieientore, 
ebd.  9  u.  1 3,  doch  ist  ersteres  (auch  in  der  Form 
iantare)  das  gewöhnlichere,  s.  Mart.  VIII 67, 
10.  Suet.Vit.7;  vgl.  Corp.  Gloss.VI  534. 

2)  Mart. VIII 67,  9  f.  besagt  nur,  daß  um 
fünf  Uhr  es  längst  vorbei  war. 

3)  Galen.VI332f.;  412K.Paul.Aegin.I23. 

4)  Galen. VI412.  Vopisc.Tac.il, 3  ist  vom 
ientaculum  nicht  ausdrücklich  die  Rede,  doch 
wird  die  Stelle  von  Salmasius  darauf  bezogen. 

5)  Festus  346.  2:  süatum  antiqui  pro  eo 
quod  nunc  ientaculum  dieimus  appellabant, 
quod  ieiuni  vinum  sili  conditum  (Vgl.  Diosc.III 
53  (60))  ante  meridiem  absorbebant.  Auch  Plaut. 


Cure.  72  ff.  ist  von  Wein  die  Rede ;  daher  gilt 
Fulgent.  diff.  vocab.  88:  ientaculum  dicitur  </u- 
statio  sicca  nur  bedingter  Weise. 

6)  Plaut. a.a.O. Mart. XI II 31 . Galen. VI 332. 
Apul.  met.  118.  Der  Kaiser  Alexander  Severus 
nahm  als  Frühstück  nach  dem  Bade  Milch.  Brot 
und  Eier,  später  noch  etwas  mulsum  (s.  o.  S.  202) . 
Das  Frühstück ,  das  sich  die  Knaben  in  die  Schule 
mitnahmen,  ist  bei  Mart.  XIV  223  ein  frisches 
adipatum,  d.h.  ein  in  Fettgebackenes  Brötchen. 

7)  Mart.  IV  8,2  f.:  exereei  raueos  tertia 
causidicos ;  \  in  quintam  varios  extendit  Roma 
labores.  Darnach  (vgl.  Bilfinger  Stundenang. 
122)  begannen  die  Gerichtsverhandlungen  in 
der  Regel  um  3  Uhr,  wie  auch  aus  Hör.  sat.  I  9, 
35  hervorgeht;  daß  sie  manchmal  auch  schon 
früher  begannen,  ist  selbstverständlich,  vgl. 
Ascon.  in  Cic.  Milon.  p.  42  Cr.  Ihre  Zeitdauer 
war  unbegrenzt,  da  manche  Redner  ja  5 — 7 
Stunden  sprachen  (vgl.  Plin.  ep.  II  11, 14;  IV 
16,2.  FrontoadM.Caes.il  14  p.  37;  V  59  p.  95). 
Die  varii  labores,  die  bis  5  Uhr  gehen,  umfassen 
ebenso  die  officio  pricata,  wie  das  prandium. 

8)  Stat.  silv.  I  2, 229.  luv.  2, 132  f.  Sen.  de 
benef.  IV  39, 3.  Festus  245  a,  7. 

9)  Festus  54,4:  cena  apud  anüquo*  äice- 
batur,quod  nunc  est  prandium  ;  vesperna,  quam 
nunc  cenam  appeUamus;  vgl.  223,  5;  338,4. 
Wenn  also  Isid.  XX  2, 14  sagt:  est  antun  cena 
vespertinus  cibus,  quam  respernam  antiqui 
dicebant;  in  USU  cnim  non  tränt  prandia,  so 
heißt  das  nur,  daß  der  Name  ein  anderer  war. 
nicht  daß  kein  prandium  genossen  wurde. 


382 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 


prandium  war  ungefähr  die  Mittagszeit1),  das  gewöhnlichste  auch  wohl 
die  richtige  Mittagstunde,  d.  h.  6  Uhr2);  doch  finden  wir  auch  die  Belege, 
daß  man  schon  eine  Stunde  früher  speiste3),  und  wer  kein  ientaculuml 
sondern  nur  ein  prandium  nahm,  sich  also  mit  zwei  Mahlzeiten  am  Tag  be- 
gnügte4), speiste  wohl  noch  früher5),  wie  andrerseits  manche  das  prandium 
auf  eine  spätere  Stunde  verlegen  mochten6).  Vor  5  Uhr  (römisch)  ein  solches, 
meist  doch  schon  reichliches  Frühstück,  bei  dem  auch  getrunken  wurde,  zu 
nehmen,  war  Schlemmerei7).  Denn  man  aß  zum  prandium  ziemlich  reichlich 
allerlei  Fleisch8)  und  Fische9),  und  zwar  sowohl  kalt10)  wie  warm11),  dazu 
Brot,  Käse,  Nüsse,  Feigen,  Oliven 12),  und  trank  dazu  mulsum 13)  oder  Wein 14). 
Nach  dem  prandium  war  eine  Mittagsruhe  sehr  gewöhnlich15),  und 
sicherlich  schon  seit  früher  Zeit,  nicht  erst,  wie  mitunter  angenommen 
wird,  infolge  späterer  Verweichlichung16);  namentlich  im  Sommer  war  eine 


1)  Tac.  arm.  XIV  2 :  medio  diel  per  vinum 
et  epulas  incalescere.  Suet.  Aug.  78:  post 
cibum  meridianum ;  Claud.  34:  ut . . .  meridie 
dimisso  ad  prandium  populo  persederet.  Plut. 
qu.  conv.  VIII 6, 5  p.  726  E. :  xö  ö'  ugioxov  sy.h'jOn 
jigävdiov  ujiÖ  xrjg  d'jgag  '  evdiov  yao  xo  dei/.iror, 
xai  trjv  /Ltei'  ägiozov  avänavoiv  svöid^eiv.  Doch 
braucht  mit  der  Mittagsbezeichnung  nicht  ge- 
nau die  Mittagstunde  gemeint  zu  sein. 

2)  Dafür  liegen  indirekte  Zeugnisse  vor, 
so  Cic.  ad  fam.  VII  30, 1,  wo  es  heißt,  da  der 
nur  für  einen  Tag  zum  Nachfolger  des  plötzlich 
verstorbenen  Q.Fabius  Maximus  ernannte  Kon- 
sul C.  Caninius  erst  um  7  Uhr  antrat:  ita  Cani- 
nio  consule  scito  neminem  prandisse;  um  7 
war  also  das  prandium  vorbei.  Dann  das  Epi- 
gramm Anth.  Pal.  X  43:  ig  <Lgai  ßdy&oig  ixa- 
vwxaxai,  a'i  de  [ist1  avxdg  \  ygdfiuaoi  detxvv/usvai 
ZHQI  leyovoi  ßgoxoig,  mit  dem  Schol.:  öeT 
f-iEXQ1  rV$  k'xxng  *VS  rj^iEQag  igyd^eoüai,  /.texd  8k 
xavxnv  in'  ägiaxov  sgyeadai.  Alciphr.  III  4  fg. 
Bei  Mart.  VIII  67, 1 :  horas  quinque  puer  non- 
dum  tibi  nuntiat,  et  tu  \  iam  conviva  mihi, 
Caeciliane,  venis  ist  ungewiß,  ob  Caecilianus 
zum  prandium  oder  zur  cena  geladen  ist. 

3)  So  ist  wohl  Mart.  IV  8, 4  zu  fassen ;  er  er- 
wähnt das  prandium  nicht,  sagt  aber  dafür :  sex- 
ta  quies  lassis,  septima  finis  er  it.  Da  er  vorher 
5  Uhr  als  Ende  der  Geschäfte  bezeichnet,  6 — 7 
als  Zeit  der  Mittagsruhe,  so  wird  5 —6  die  Stunde 
des  prandium  sein  (so  Bilfinger  124 ;  Mau  bei 
Marquardt263  A.  6  zieht  daraus  den  Schluß,  daß 
das2)randium  von  6 — 7  gedauert  habe).  Ferner 
Augustin.  serm.  345,  5  (vgl.  Bilfinger  125). 
Anth.  Pal.  V  183,  6:  wgag  yag  jiefuzxrjg  jzdvxeg 
äftgoiCoftsda,  d.h.  zum  ägioxov.  Auson.  ephem. 
138:  quod  cum  per  horas  quattuor  \  inclinet 
ad  meridiem,  j  monendus  est  iam  Sosias;  und 
149:  Sosia,  prandendum  est:  quartam  iam 
totus  in  horam  j  sol  calet :  ad  quintam  flectitur 
umbra  notam.  Von  einem  ientaculum  ist  in 
seinem  Tagebuch  freilich  keine  Rede. 

4)  Das  taten  besonders  mäßige,  hygienisch 
lebende  Leute,  s.  die  Stellen  der  Aerzte  bei 
Mabquardt  264  A.  4. 

b)  So   Sidonius   Apollinaris   auf  Reisen, 


epist.  IV  8,  3;  carm.  23,  487  ff.;  dagegen  epist. 
II  9,  6  nimmt  er  das  prandium  um  5  Uhr. 

6)  Beispiele  für  7  Uhr  gibt  Galen.  VI  332  f. 
(s.Makquakdt  264  A.3);  die  Aerzte  empfahlen 
diese  Stunde  denjenigen,  die  zwischen  Früh- 
stück und  Mittagessen  badeten.  Vgl.  auch 
Capitol.  Clod.  Albin.  5,  8. 

7)  Cic.  in  Pison.  6, 13 ;  Phil.  II 41, 104.  Sen. 
nat.qu.IV13,  6. 

*)  Plaut.  Men.  208  ff.  werden  Schinken  u. 
a.  genannt;  ebenso  Cure.  323;  Persa.  105.  Wild 
Mart.  149,  13  f.;  Geflügel  Hör.  sat.  II  3,  245. 

9)  Plaut.  Pers.  107  f.  Galen.  VI  332  f.  Bei 
Front,  ad  M.  Caes.  IV  6  p.  69  (Nab.)  besteht  das 
Frühstück  nur  aus  Brot,  Bohnen,  Zwiebeln  und 
Seefisch  (maenae). 

10)  Plaut.  Cure.  321  dienen  die  reliquiai 
der  cena  vom  Tage  vorher  als  prandium;  vgl. 
Persa  105  f. 

n)  Die  reliquiae  wurden  auch  aufgewärmt, 
Plaut.  Pers.  a.  a.  O.  Warmes  prandium  auch 
Poenul.  759;  Casin.  159;  Bacch.  716.  Auson. 
a.  a.  O.  153  f. 

12)  Weißbrot,  Oliven.  Käse,  Feigen  und 
Nüsse  nebst  frischem  Wasser  bilden  das  Früh- 
stück des  Schülers  im  Colloqu.  Monac.  2  (Corp. 
Gloss.  III 646).  Seneca  nahm  als  prandium  nur 
Brot  und  getrocknete  Feigen,  ep.  87.  3.  Aber 
Mangold,  die  fatuae  betae,  sind  fabroram  jiran- 
dia  bei  Mart.  XIII  13,1.  Käse  von  Luna  als 
prandium  für  Knaben  ebd.  30, 2.  Maulbeeren 
als  Schluß,  Hör.  sat.  II  4,22. 

1S)  Cic.  pro  Cluent.  60, 166.  Galen.  VI  412. 

14)  Tac.  ann.  XIV 2.  Cic. Phil.  a.a.O.  Sen. 
ep.  122,  6.  Bei  einem  ihm  in  einem  Körbchen 
übersandten  prandium  vermißt  Mart.  1X72, 4 
die  lagona. 

15)  Catull.32, 10: pramus  iaces.  Suet.  Nero 
6.  Sid.  Apoll,  ep.  119,  7.  Daß  man  es  sich  dabei 
bequem  machte,  zeigt  Fronto  ad  M.  Caes.  IV5 
p.  68  (Naber) :  caJceis  detractis,  vestinwntlx 
positis  in  lectulo  ad  duas  horas  commoratui 
sum.  Vgl.  Cens.  de  fer.  Als.  3  p.  224. 

1 6)  Das  behauptete  Teuffel  zu  Hör.  sat.  116, 
61.  Rein  zu  Beckers  Gallus  III 228 ;  aber  s. Mab- 
quardt 269,  dem  Becker-Göll  I  83  zustimmt. 


Vierter  Abschnitt.    Zeitrechnung  und  Tageseinteilung. 


383 


Siesta,  die  freilich  nicht  zu  lange  ausgedehnt  werden  durfte1),  —  Martial 
setzt  sie  auf  die  Zeit  von  6 — 7,  also  gleich  nach  Mittag  an2),  —  hygienisch 
notwendig3),  obschon  freilich  auch  manche  sie  für  nicht  empfehlenswert 
hielten4).     Diese  Siesta  hieß  meridiatio5). 

Die  Stunden  des  Nachmittags  bis  zur  cena  fanden  für  die,  welche 
nicht  durch  Gerichtsverhandlungen,  Beruf  oder  andere  Geschäfte  in  An- 
spruch genommen  waren,  mannigfache  Verwendung,  u.  a.  zum  Besuch  der 
sehr  häufigen  und  geradezu  zur  Plage  gewordenen  Rezitationen6),  vor- 
nehmlich aber  für  Baden  und  gymnastische  Übungen.  Allerdings  badeten 
viele  auch  schon  vormittags,  zwischen  ientaeulum  und  prandhtm 7).  und 
namentlich  taten  das  die,  welche  die  mit  Recht  als  weichlich  getadelte 
Sitte  hatten,  täglich  zweimal  und  selbst  noch  öfter  ein  warmes  Bad  zu 
nehmen8).  Die  Bäder  vormittags  pflegten  aber  jedenfalls  im  Hause  oder 
in  Privatbädern  genommen  zu  werden,  denn  die  öffentlichen  Thermen 
wurden  erst  nachmittags  geöffnet9)  und  waren  in  gewissen  Perioden  der 
Kaiserzeit  sogar  erst  von  8  Uhr  ab  zugänglich10).  Am  beliebtesten  scheinen 
daher  8  und  9  Uhr  als  Badestunden  gewesen  zu  sein11). 


')  Suet.  Aug.  78:  post  cibum  meridianwn 
.  .  .  retectis  pedibus  paulisper  conquiescebat. 
Plin.ep.  J II  5,  11  von  seinem  Onkel:  deinde 
gustabat  dormiebatque  minimum.  Senec.  ep. 
83, 6 :  brevissimo  somno  utor  et  quasi  int  er  iungo. 
Bid.  Ap.  ep.  II  1,  7:  dapibus  expleto  somnus 
meridianus  saepe  nuttiis,  semper  exiguus. 

•)  Siehe  oben  S.  382  A.  3.  Lamprid.  Alex. 
Sev.  61,3:  cum  quiesceret  post  convivium  hora 
Hei  fertne  septima. 

3)  So  schon  Varro  r.  r.  12,  6:  aestivom 
diem  si  non  diffinderem  meo  insiticio  somno 
meridie,  vivere  non  possum.  Plin.  ep.  1X40, 2 
berichtet,  daß  er  im  Winter  den  meridianus 
wmnus  unterläßt;  vgl.  VII 4,  4.  Cic.  de  div. 
II 68. 142  bemerkt:  nunc  quidetn propter  inter- 
inissionem  forensis  operae  et  lucubrationes 
detraxi  et  meridiationes  addidi,  quibus  uti 
(inti'u  non  solebam. 

4)  Plaut.  Most.  692  ff.  sagt  zwar  Simo  von 
seiner  Frau:  prandium  uxor  mihi  perbonum 
dedit :  \  nunc  dormitum  iubet  me  ire,  er  findet 
aber  v.  697:  non  bonust  somnus  de  prandio. 

5)  Cic.  a.  a.  0.;  das  Verbum  meridiare 
Catull.  32,3.  Cels.  I  2.  Suet.Cal.38;  Nero  6. 
Corp.  Gl.  II 368.  8;  111339,22. 

6)  Ueber  diese  Rezitationen  vgl.  beson- 
ders Hör.  a.p.  472  ff.  Sen.  ep.95,2.  Mart.I63; 
III  44:  JX  83.  luv.  1,1  ff;  3,9u.  s.:  im  allg. 
Friedländer  Sittengesch.  III 372  ff. 

7)  Bei  Plaut.  Stich.  533  geht  jemand  in- 
pransus  ins  Bad,  und  selbst  ein  Sklave  badet 
vor  der  Mahlzeit,  ebd.  668;  vgl.  Pers.  90.  luv. 
11.204:  iam  nunc  in  balnea  salva  \  fronte 
licet  vadas,  quamquam  solida  hora  supersit  \ 
ad  sextam  bezieht  sich  auf  Landleben,  zeigt 
aber  gerade,  daß  in  der  Hauptstadt  diese  Bade- 
stunde ungewöhnlich  war;  daß  man  hier  nicht 
notwendig  mit  Märquardt  270  A.  4  an  ein 
Hausbad    zu    denken   habe,   bemerkt  Fried- 


länder z.  d.  St.  Alexander  Severus  badete 
nach  Lampr.  30,  5  noch  vor  dem  ientaeulum. 
Vgl.  Märquardt  a.  a.  O.  A.  1. 

8)  Das  wird  besonders  von  verschiedenen 
Kaisern  berichtet,  sogar  bis  zu  7 — 8  mal  am 
Tage,  Lampr.  Comm.  11,5;  Capitol.  Gord.  tres 
6, 6.  Treb.  Poll.  Gall.  duo  17,4 ;  vgl.  Märquardt 
ebd.A.2. 

9)  Vitr.  V  10, 1:  maxinte  tempus  lavamli 
a  meridiano  ad  resperum  est  constitutum.  Ge- 
wöhnlich wird  8  oder  9  Uhr  genannt,  so  sagt 
Mart.  X  48, 3  von  der  octava:  temperet  haee 
thermas,  nimtO  prior  horu  rapore  j  Im/uf  et 
immodico  sexta  Nerone  calef,  d.  h.  am  besten 
badet  man  um  8,  um  7  ist  noch  zu  viel  Dampf, 
um  6  sind  die  Thermen  Neros  noch  überheiß 
(so  am  besten  zu  erklären  mit  Bilfinger  127; 
Friedländer  z.  d.  St.  faßt  es  so,  daß  in  der 
siebenten  Stunde  das  Schwitzbad,  in  der 
sechsten  ein  sehr  heißes  Wasserbad  bereit- 
stand). 

10)  Unter  Hadrian,  Spart.  Hadr.  22,  7 :  ante 
octava m  lioruni  in  pub/ico  neminem  uisi  ae- 
g nun  lavari  passus  est.  Das  hatte  aber  schwer- 
lich Bestand;  vgl.  Lampr.  AI.  Sev.  24,  6,  wo 
aber  die  entscheidenden  Worte  verdorben  sind: 
addidit  et  oleum  luminibus  thermarnm,  cum 
contra  et  ad  nonam  (codd.  et  annonam;  Sal- 
masius:  ad  nonam;  Gruter:  ante  nonam  non) 
ju/ferent  et  ante  solis  oerasum  clauderentur. 
Ueber  die  Dauer  der  Badezeit  in  den  Thermen 
s.  u.  Abschn.  VI. 

n)  Die  achte  oder  neunte  Stunde  ist  auch 
bezeugt  bei  Cic.  ad  Att.  XIII  52, 1  (aber  hier 
außerhalb  Roms).  Plin.  ep.  IUI.  8  gibt  an, 
daß  Spurinna  im  Winter  um  9,  im  Sommer 
um  8  badete.  Mart.  IV  8,  5:  suffivit  in  nonam 
nititlis  octava  palaestris  geht  auch  auf  die 
Badestunde,  da  die  gymnastischen  Uebungen 
mit  den  Bädern  verbunden  zu  werden  pflegten 


384 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 


Ein  bescheidenes  Vesperbrot,  namentlich  für  ländliche  Arbeiter,  scheint 
die  merenda  gewesen  zu  sein1).  Allerdings  ist  die  Bedeutung  dieses  früh 
verschwundenen  Ausdruckes  unsicher:  die  Späteren,  die  sich  in  künstlichen 
Etymologien  des  Wortes  ergehen2),  haben  sie  mehrfach  mit  dem  prandium 
identifiziert3),  und  so  haben  es  auch  Neuere  erklärt4),  während  andere  sie 
direkt  für  identisch  mit  der  cena  halten5).  Allein  zieht  man  die  wenigen 
Stellen  in  Betracht,  wo  das  Wort  noch  als  lebendig  erscheint,  so  wird  man 
zugeben  müssen,  daß  es  weder  prandium  noch  cena  bedeutete6),  sondern 
einen  zwischen  beiden,  aber  der  cena  näher  liegenden  Imbiß7),  anscheinend 
einen  einfachen,  der  den  Lohnarbeitern  auf  dem  Lande  gereicht  wurde8). 

Für  die  Abendmahlzeit,  die  cena,  als  eigentliche  Hauptmahlzeit  ist  die 
neunte9)  oder  zehnte  Stunde  des  Tages10),  jenachdem  jemand  das  Bad, 
das  vorausging11),  genommen  hatte,  die  gewöhnlichste,  d.  h.  man  wird  sich 
wohl  dabei,  wie  mit  dem  Bade,  nach  der  Jahreszeit  gerichtet  haben.  Aber 
Personen,  deren  Beschäftigung  sich  noch  über  diese  Zeit  hinaus  erstreckte, 
oder  solche,   die  nur  eine  frugale  und  daher  kurze  Abendmahlzeit  zu  sich 


(über  die  Ausdrucksweise  s.  Bilfinger  a.a.O.); 
auch  XI  52,3:  octavam  poteris  serrare :  lava- 
bimur  una.  Wer  aber  die  cena  später  nahm, 
verschob  auch  die  Badestunde ;  so  nennt  Mart. 
III  36.  5  zehn  Uhr:  lassus  ut  in  thermas  de- 
cima  vel  serius  hora  \  te  sequar  Agrippae; 
auch  X  70, 13:  balnea  post  decimam  lasso  . .  . 
petuntur. 

x)  Vgl.  Saglio  bei  D.-S.  III  1823. 

2)  Meist  wird  es  mit  meridies  zusammen- 
gebracht. Non.  28,  32:  merenda  dicitur  cibus 
post  meridiem  qui  datur.  Fest.  123, 23 :  meren- 
dam  antiqui  dicebant  proprandio,  quod  scilicet 
medio  die  caperetur.  Isid.  XX  2,  12,  der  aber 
ebd.  3,  3  noch  eine  andere  Ableitung  gibt: 
liinc  et  merenda,  quod  antiquitus  id  temporis 
pueris  operariis  cibus  panis  merus  dabatur. 

3)  Festus  a.  a.  0. ;  Marc  Aurel  bei  Fronto 
ep.  IV  6  p.  69  (Nab.)  gebraucht  es,  als  Lieb- 
haber von  Archaismen,  in  diesem  Sinne :  deinde 
ad  merendam  itum.  Quid  nie  censes  prandisse  ? 
Panis  tantulum.  Da  er  aber  nachher  zu  einer 
Weinlese  geht  und  hora  sexta  zurückkehrt, 
war  das,  was  er  merenda  und  prandium  nennt, 
sein  ientaculum. 

4)  So  Becker-Göll  III  321.  Lorenz  zu 
Plaut.  Most.  966. 

5)  Göll  bei  Becker  a.a.O.  Marquardt  269. 

6)  Entscheidend  ist  dafür  Plaut.  Vidul. 
51  ff.,  woNicodemussagt:  nee  mihi  nisi  uuuiu 
prandium  quiequam  duis  \  praeter  mercedem, 
und  auf  die  Frage  des  Dinia:  Quid  merendam? 
antwortet:  Ne  duis,  neque  cenam.  Er  verlangt 
also  außer  dem  Lohn  nur  das  prandium,  aber 
weder  merenda  noch  cena. 

')  Das  Fragment  des  Afranius  bei  Non. 
a.  a.  0. :  interim  merendam  oecurro  ad  cenam 
cum  veni,  iurat,  ist  nur  erklärlich,  wenn  die 
merenda  zeitlich  der  cena  nahe  liegt  Aus  Plaut. 
Most.  966  geht  nur  so  viel  hervor,  daß  die 
Zeit  des  prandium   schon  vorüber  ist,    aber 


nicht,  daß  dies  mit  merenda  identisch  sei. 
Uebrigens  scheint  doch  auch  später,  als  das 
Wort  verschwunden  war,  die  Tradition,  daß 
es  zur  Abendzeit  gehörte,  geblieben  zu  sein; 
so  sagt  lsid.  XX  2, 12:  merenda  est  cibus,  ijui 
declinante  die  sumitur,  quasi  post  meridiem 
edenda  et  proxima  cenae;  unde  et  antecenia 
a  quibusdam  vocantur;  und  die  Glossen  er- 
klären merenda  nicht,  wie  cena,  durch  deLtrov, 
sondern  durch  äoioxov  8f.iIivöv  (deiXivrj,  dsi/.iona 
u.dgl.),  s.  Corp. Gloss.VI 695,  was  auch  wegen 
äoiüTov  auf  einen  einfacheren  Imbiß  deutet. 

8)  Dafür  spricht  die  zitierte  Stelle  aus 
Plaut. Vidul.  sowie  Isid.XX3, 3;  auch  wohl  der 
Umstand,  daß  merenda  sich  in  der  Bedeutung 
Futter  für  das  Vieh  findet,  Ennius  b.  Fest.  59,4: 
Cyprio  bovi  merendam,  und  Calpurn.  ecl.5, 60: 
verum  tibi  declivi  iam  nona  tepescere  sole  in- 
cipit  et  seraeque  videbiturhora  merendae,  wo  die 
Lesart  allerdings  unsicher  ist  (Baehrens  PLM 
III  92  schreibt  iam  sera  und  ineipü  atque  seri 
videbitur  hora  premendi,  mit  besseren  Hss.). 
Sklaven  nahmen  die  merenda  auch  in  irgend- 
einer caupona  und  tranken  auch  dazu,  Plaut. 
Most.  966  f. 

9)  Cic.  ad  fam.  IX  26, 1 :  aembueram  liora 
nona.  Hor.ep.I7,  71 :  post  imnnni  venies.  Mart. 
IV8,  6 :  imperat  e.rtructos  frangere  nona  toroSi 
Das  war  auch  in  den  Fastenordnungen  der 
christlichen  Kirche  die  regelmäßige  Zeit  der 
cena,  Bilfinger  128.  Für  Rom  ist  die  nona 
im  Sommersolstitium  3  Uhr  46  Min.,  im  Winter 
2  Uhr  13  Min. 

10)  Auct.adHer.IV51,64.Mart.VII51,10; 
auch  1 108, 9  geht  darauf:  ipse  salutabo  deeima, 
tesaepiushora,  d.h.  der  Klient  will  den  entfernt 
wohnenden  Patron  lieber  zur  Zeit  der  cena 
aufsuchen  (10  Uhr  im  Sommer  5  Uhr  2  Min., 
im  Winter  2  Uhr  58  Min.). 

")  Mart.  VI  53. 1.  Acta  fratr.  Arv.  p.  CCIII 
Henzen.Plin.ep.IIIl,  8. 


Fünfter  Abschnitt.    Mahlzeiten  und  gesellige  Unterhaltungen.  385 

nahmen,  mögen  die  cena  meist  später  angesetzt  haben;  denn  es  ist  kaum 
denkbar,  daß  man,  da  nach  der  cena  ja  nichts  mehr  gegessen  wurde,  von 
4  oder  5  Uhr  nachmittags  ab  bis  zum  nächsten  Morgen  gar  nichts  mehr 
genossen  haben  sollte.  Freilich  pflegten  auch  bescheidenere  Leute  die 
Ibendmahlzeit  auszudehnen  und  lange  bei  Tisch  zu  bleiben1),  und  es  galt 
weniger  für  Schwelgerei,  das  Mahl  bis  in  die  Nacht  (die  ja  im  Winter 
ohnehin  zeitig  anbricht)  zu  verlängern2),  als  vielmehr  mit  der  cena  schon 
um  Mittag  zu  beginnen,  also  prandium  und  cena  gleichsam  in  eins  über- 
gehen zu  lassen3),  was  man,  da  das  daran  sich  anschließende  Trinkgelage 
zur  Hauptsache  wurde,  ein  tempestivum  convivium  nannte4).  Dali  man 
vor  der  Mahlzeit  Wein  trank,   kam  vor5),   wird  aber  selten  gewesen  sein. 


Fünfter  Abschnitt. 
Mahlzeiten  und  gesellige  Unterhaltungen. 


Litteratur. 

BECKER-GÖLLHI311ff. 

M.\i;oiardt-Mau  297  ff.  (ältere  Litteratur  ebd.  A.  2). 
C.  M.  bei  Daremberg-Saglio  I  1276  ff. 
Mau  bei  Pauly-Wissowa  III  1895 ff. 

Wir  haben  hier  vornehmlich  von  der  Art  und  Einrichtung  der  Haupt- 
mahlzeit, der  cena,  zu  sprechen,  die,  wie  wir  gesehen  haben,  in  älterer  Zeit 
um  die  Mittagsstunde,  später  gegen  Abend  eingenommen  wurde.  Auf  sie 
beziehen  sich  die  meisten  der  uns  vorliegenden  Nachrichten;  denn  das 
mntaculumw&r  überhaupt  keine  eigentliche  Mahlzeit,  und  auch  das  pran~ 
mum,  das  an  die  Stelle  der  mittäglichen  cena  getreten  war,  war  bei  man- 
chen Leuten  so  einfach,  daß  sie  dazu  nicht  einmal  eines  Tisches  bedurften6); 
und  auch  wenn  man  etwas  reichlicher  speiste,  erreichte  es  doch  nie  die 
Länge  der  cena  und  bestand  nicht  wie  diese  aus  mehreren  Gängen  7). 

')  Plin.  a.a.  0.  9  von  Spurirma,  der  eine  |  öetava  Marias  hihil,  wo  nicht  die  frühe  Stunde 
ci-nn  non  minus  nitida  quam  frugi  liebte:  su-  der  cena,  sondern  des  Trinkens  das  Anstößige 
mit  aliquid  de  nocte,  etiam  aestate,  und  von       ist. 


seinem  Oheim  III 5. 13:  surgebat  aestate  a  cena 
luee,  hieme  intra  prima»*  noctis;  und  das  war 
bei  ihm  parsimonia  temporis. 

*)  C'ic.  Catomai.  14.46  sagt  Cato  von  sei- 
nem Aufenthalt  auf  dem  sabinischen  Land- 
gut: convivium  vicinorum  cotidie  conpleo,quod 
ml  multam  noctem  quam  maxime  possumus 
rario  sermone  produeimus. 

Das  ist  das   de  die  cenare  oder  epu- 


')  Ueber  tempestivum  conririmn  und  die 
Streitfrage,  ob  man  davon  ein  imiempestivum 
zu  unterscheiden  habe,  s.Marquardt300A.1. 
Es  handelt  sich  dabei  aber  immer  um  größere 
Mahlzeiten  mit  geladenen  Gästen,  nicht  um 
das  Familienmahl,  weshalb  auch  der  Ausdruck 
tempestiva  cena  nicht  üblich  ist.  Vgl.  über  das 
conririmn  den  nächsten  Abschnitt. 

6)  Plaut.  Men.  214. 


H 


l'iri,  Liv. XXIII 8.6:  meist  freilich  auch  dies  6)  Senec. ep. 83, 6:  jxinis  dcimlr  *fa 

vom  convivium,   daher  vom  Trinken   gesagt.  sine  mensa  prandium,  pott  quod  mm  sunt  la- 

Ter.  Ad.  965.  Catull.  47. 5 :  de  die  potare,  Plaut.  vandae  manus. 

Asin.825.  Hör.  sat.  II 8, 3 :    media  potare   die;  7)  Von  dieser  Einfachheit  in  der  altern  Zeit 

vgl.carm.I1.19f.;  genauer  luv.  1,49:  exulab  ist  öfters  die  Rede.  vgl.  luv.  11,77;  11, 169 f. 

Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft.    IV.  2,  2.  3.  Anfl.                                                       25 


386 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 


In  der  älteren,  einfacheren  Zeit,  als  noch  die  Familie  des  Hausherrn 
nach  ländlicher,  auf  dem  Lande  auch  später  noch  bewahrter  Art  mit  den 
Sklaven  zusammen  das  Mahl  nahm,  war  der  Ort,  wo  dies  geschah,  das 
Atrium1);  dann  muß  eine  Zeitlang,  aus  der  uns  aber  bestimmte  Nach- 
richten nicht  vorliegen,  es  Brauch  gewesen  sein,  die  Mahlzeiten  in  einem 
Zimmer  des  Oberstockes  einzunehmen2),  bis  jedes  einigermaßen  geräumige 
Haus  sein  eigenes  Speisezimmer,  nach  der  Einrichtung  triclinium  genannt, 
erhielt,  und  manche  sogar  mehrere  derart,  für  Sommer  und  Winter  be- 
rechnet3). Ein  anderer  Unterschied  der  späteren  Zeit  gegen  die  frühere 
ist  der,  daß  die  Römer  in  alter  Zeit,  wie  die  Griechen  in  der  homerischen 
und  später  noch,  sitzend  speisten4).  Dann  kam,  wohl  unter  etruskischem 
oder  griechischem  Einfluß,  es  auf,  daß  die  Männer  sich  lagerten,  während 
die  Frauen  saßen5),  obschon  daneben  in  gewissen  Fällen  auch  für  die 
Männer  das  Sitzen  üblich  blieb6).  Nachdem  aber  mit  dem  Liegen  bei 
Tisch  die  Buhlerinnen  vorangegangen  waren7),  folgten  auch  die  ehrbaren 
Frauen  diesem  Beispiel8).  Dagegen  blieb  der  Brauch,  daß  die  Kinder  an 
einem  besondern  Tische  sitzend  speisten,  bis  in  die  Kaiserzeit  bestehn9) 
und  wurde  selbst  in  der  kaiserlichen  Familie  beobachtet10). 

Gemeinschaftliche  Mahlzeiten,  bei  denen  geladene  Gäste  zugegen  waren 
und  die  daher  sich  durch  größeren  Aufwand  in  Speisen  und  Getränken, 
durch  allerlei  gesellige  Unterhaltungen  und  Spiele,  sowie  meist  auch  durch 
ein  daran  sich  anschließendes  Trinkgelage  von  der  gewöhnlichen,  nur  auf 
die  engere  Familie  beschränkten  cena  unterschieden,  pflegte  man  convivia 
zu  nennen11).  An  allerlei  Gelegenheiten  und  feierlichen  Anlässen  zu  solchen 
gemeinschaftlichen  Mahlzeiten  fehlte  es  nicht;  wir  haben  schon  der  Geburts- 
tags- und  Hochzeitsmahle  gedacht12),  von  den  Leichenmahlen  wird  noch  zu 


')  Vgl.  oben  S.  30.  Auf  dem  Lande  war 
die  geräumige  culina  der  gemeinsame  Speise- 
raum, s.  oben  S.  70;  die  Sklaven  aßen  hier  am 
Herd,  Hör.  epod.  2, 65.  Sen.  ep.47  plädiert  da- 
für, daß  man  auch  in  der  Stadt  zusammen  mit 
den  Sklaven  essen  soll,  freilich  nur  mit  den 
besseren. 

*)  Das  ist  nur  daraus  zu  schließen,  daß 
diese  Zimmer  im  Oberstock  den  Namen  cena- 
cula  behalten  haben,  auch  als  sie  längst  dieser 
ursprünglichen  Bestimmung  entfremdet  waren, 
s.  oben  S.  56. 

3)  Siehe  oben  S.45. 

4)  DasbezeugtnachVarroServ.adAen.Vil 
1 76 :  maiores  enim  nostri  sedentes  epulabantar; 
vgl.  ebd.I79;  214;  708.  Isid.  or.  XX  11.9.  So 
läßt  auchVerg.  Aen.  VII 176  u.  VIII 179  die  Hel- 
den sitzen,  dagegen  I  79  die  Götter  und  1708 
die  Karthager  mit  ihren  Gästen  liegen. 

5)  Varro  bei  Isid.  a.a.O.:  postea  viri  dis- 
cumbere  coejwunt,  mulieres  sedere,  qnia  tur- 
pis  visua  est  in  midiere  decubitus.  Val.  Max. 
II  1.2:  feminae  cum  viris  cubantibus  sedentes 
cenitabant. 

6)  Nach  Colum.  XI 1, 19  soll  der  vilicus,  der 
(intsveiwalter,  nur  an  Festtagen  sich  lagern. 
Der  jüngere  Cato  aß  nach  der  Schlacht  bei 


Pharsalos  nur  noch  sitzend,  als  Zeichen  der 
Trauer,  Plut.  Cat.  min.  56.  woraus  man  wohl 
schließen  darf,  daß  dies  auch  bei  Todesfällen  in 
der  Familie  üblich  war.  Auf  einem  Relief,  publ. 
von  Persichetti  R.M.  XXIII  (1908).  15  Taf.4 
ist  links  ein  Mahl  (vermutlich  Leichenschmaus) 
abgebildet,  bei  dem  sechs  Teilnehmer  um  den 
Tisch  gelagert  sind,  je  zwei  auf  einem  lectus  ; 
rechts  davon  ist  eine  zweite  Tischgesellschaft, 
die  aber  um  den  Tisch  herum  sitzt:  vielleicht 
Freigelassene  des  Verstorbenen,  während  die 
andern  die  Verwandten  sind. 

7)  Cic.inCatil.il  5,  10;  ad  fam.  IX  26,  2. 
Liv.XXXIX43,3.  Ov.a.a.I566. 

8)  Mart.VlI  67,9;  XI  23,11.  luv.  2, 120; 
und  vgl.  oben  S.  364  A.  12. 

9)  Acta  fratr.Arv.27.Mai2l8:  pueri.M 
in  cathedris  con.se/crinif  et  epulaM  sunt. 

10)  Suet.  Aug.  64;  Calig.  32.  Tac.  ann.  XIII 
16. 

11)  Vgl.  Mau  bei  P.-W.  IV  1201  ff.  Der  Teil- 
nehmer am  convivium,  aber  nur  insofern  er  ge- 
ladener Gast  ist,  heißt  conviva,  der  (Gastgeber 
dagegen  convimtor.  Hör.  sat.  II  8,73.  Senec.  dial. 
V  37,4.  Das  Zeitwort  ist  convirere  oder  convi- 
vari. 

12)  Siehe  oben  S.  299  u.  357. 


Fünfter  Abschnitt.     Mahlzeiten  und  gesellige  Unterhaltungen. 


:;X7 


reden  sein;  auch  zu  Neujahr  gab  es  solche  Mahlzeiten  ')  und  an  den  mancherlei 
Feiertagen  des  römischen  Kalenders2),  zumal  an  den  Saturnalien3);  ferner 
bei  Besuch  und  Ankunft  von  Fremden4)  u.  dgl.  m.  Beim  Mahle  pflegte 
man  sich  der  Triklinien  zu  bedienen,  d.  b.  der  drei,  um  drei  Seiten  eines 
meist  quadratischen,  seltner  runden  Tisches  aufgestellten  Speisesofas,  auf 
deren  jedem  drei  Personen  sich  lagern  konnten5)  und  nach  denen  die  Speise- 
zimmer ihren  Namen  bekommen  hatten6).  Aber  schon  ein  Mahl,  an  dem 
im  ganzen  nur  drei  Personen  teilnahmen,  war,  wenn  darunter  geladene 
Gäste  waren,  ein  convivium,  und  Varro  erklärte,  daü  die  Zahl  der  Teilnehmer 
am  besten  zwischen  drei  und  neun  sich  bewege7).  Neun  war  denn  auch 
die  häufigste  Zahl8),  obschon  sie  nicht  selten  überschritten  wurde9),  auch 
ganz  abgesehen  von  großen  Festmahlen10),  bei  denen  eine  sehr  bedeutende 
Zahl  von  Personen  bewirtet  wurde11);  es  gab  daher  auch  Speisesofas,  die 
für  mehr  als  drei  Personen  Platz  boten12),  zumal  die  halbrunden  sübudiu1*). 
Sank  dagegen  die  Zahl  unter  neun,  so  nahmen  auf  einem  lectus  nur  zwei 
Personen  oder  gar  nur  eine  einzige  Platz14). 

Bei  einer  Gesellschaft  mit  geladenen  Gästen15)  herrschte  inbezug  auf 
die  Plätze,  die  die  Gäste  auf  den  drei  Speisesofas  angewiesen  erhielten,  eine 
strenge  Etikette.  Von  diesen  lecti,  die  den  Tisch  von  drei  Seiten  so  um- 
gaben, daß  immer  die  linke  Seite  eines  lectus  (also  die,  an  der  die  Speisenden 


')  Lampr.  AI.  Sev.  37,  6.  Augustin.  serm. 
198,2.  Ueber  die  zu  Neujahr  üblichen  Geschenke 
(strenae)  vgl.  Marquardt  251  ff. 

2)  Siehe  die  Aufzählung  bei  Marquardt 
&62. 

8)  Dazu  wurden  besonders  dieKlientenein- 
geladen,  vgl.  Luc,  Cronosol.  17  f.;  opist.  Saturn. 
1.22;  4, 38.  Ueber  die  Saturnalienfeier  vgl. 
Scheifele  bei  Pauly  VI  824  ff. 

4)  Eine  cena  riatica Plant. Bacch.  94;  vgl. 
101;  536. 

~°)  Es  kam  aber  auch  vor,  daß  man  mehr 
Personen  auf  einem  lectus  unterbrachte,  frei- 
lich sehr  unbequem,  vgl.  Cic.  in  Pison.27.67: 
Gh'aeci  stipati,  quini  in  lectis,saepe  plures;  vgl. 
Hör.  ep.  I  5,  29.  Andrerseits  kann,  wenn  neun 
Personen  speisen,  kein  weiterer  Gast  Platz 
finden  bei  Plaut.  Stich.  487.  Das  galt  aber 
wohl  nur  für  die  frühere  Zeit;  bei  Petron.  31  ff. 
nehmen  mehr  als  fünfzehn  Personen  am  Tri- 
klinium  Platz  (s.  Friedländer  ebd.  S.  221);  ein 
Speisezimmer  in  Pompeji  hat  drei  lecti,  die 
mindestens  auf  zwölf  Personen  berechnet  sind, 
Et.  d.i.  1883,80. 

6)  Siehe  oben  S.  45. 

7)  Varr.6.  Gell.  XIII 11,  2:  dieit  atdem, 
convivarum  numerum  ineipere  oportere  a  Ora- 
tiarum  numero  et  progredi  ad  Musarum,  1<I 
est  proficisci  a  tribus  et  consistere  in  novem,  ut, 
rinn  paucissimi  convivae  sunt,  non  pauciores 
sint,  </h<i»i  tres,  cum  plurimi,  non  plures  quam 
novem.  Schon  sechs  bezeichnete  als  Maximum 
ein  geflügeltes  Wort  des  Kaisers  Veras,  Capitol. 
Ver.  5, 1:  Septem  convivium,  novem  rero  con- 
vicium  (wiederholt von  Auson.eph.  146).  Sieben 
siiul  bei  dem  convivium,  bei  dem  Sertorius  er- 


mordet wird.  Sali.  hist.  frg.  III 4;  ebensoviel  bei 
Mart. X48. 6 :  acht  Mart. 1 99, 14 ;  XI V87.  Sidon. 
ep.111,10. 

8)  Neun  sind  beim  Gastmahl  des  Nasi- 
dienus,  Hör.  sat.  II  8,  20 ff.;  vgl.  Plaut.  Stich. 
487:  verum  hie  aput  me  cenant  alieni  novem 
(wobei  freilich  der  Wirt  sich  nicht  mitrech- 
net); auch  die  bildlichen  Darstellungen  von 
Mahlzeiten  zeigen  öfters  neun  Personen,  s.Hel- 
big  Wandgemälde  n.  1481  (abgeb.  Niccolini 
Case  di  Pompei  1 1  tav.  3.  Daremberg-Saglio  I 
1279  Fig.  1703);  Marquardt  305  A.  2. 

ö)  Auch  die  Zwölfzahl  war  beliebt,  Hör. 
sat  14.86:  aaepe  trilms  lectis  Videos  cenare 
quaterno*.  Suet.  Aug.  70.  Capitol. Ver.  5. 1.  Bei 
dem  Gastmahl  des  Trimalchio  bei  Petron  schei- 
nen vierzehn  Teilnehmer  zu  sein. 

10)  So  besonders  bei  Hochzeiten,  luv.  2.119. 

")  Am  ärgsten  trieben  es  darin  die  Kaiser, 
nicht  nur  mit  großen  Volksbewirtungen,  die 
hier  nicht  in  Betracht  kommen  (so  die  600  Per- 
sonen, die  Claudius  bewirtete,  Suet.  Claud.  32), 
sondern  auch  mit  Mahlzeiten  speziell  gela- 
dener Gäste;  so  100  Personen  bei  Caligula,  Sen. 
dial.  IV  33,4.  Der  Speisesaal  im  palatinischen 
Kaiserpalast  war  ungeheuer  groß.  vgl.  Mart. 
VIII  39,  1,  Stat.silv.IV2, 18  ff. 

12)  Vgl.  Mau  Bull.  d.  Inst.  1883, 80. 

1S)  Siehe  oben  S.  119. 

u)  luv.  5.  17.  Unanständig  ist  es,  wenn 
der  Wirt  die  Gäste,  etwa  Klienten  oder  Para- 
siten, zu  mehreren  auf  einen  leetu»  plaziert, 
selbst  aber  für  sich  einen  einzigen  in  Anspruch 
nimmt,  wie  Cic.  in  Pison.  27,  67.    luv.  1,  135. 

lb)  Die  einladenden  Sklaven  hießen  hn-i 
tatores,  CIL  VI  3975:  8857  ff. 

OB  * 


388 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 


sich  aufstützten,  da  die  Lagerung  schräg  zum  lectus  erfolgte)  direkt  vor  der 
Tisch  sich  befand  (siehe  das  Schema  Fig.  57)l)i  war  der  links  vom  lectu\ 
medius  B  befindliche  A  der  ehrenvollste,  daher  lectus  summus  genannt,  währen  j 
der  rechts  befindliche  C  lectus  imus  hieß 2).  Dieselbe  Reihenfolge  und  Benennung 
hatten  die  drei  Plätze  auf  jedem  lectus:  der  linke  war  der  summus,  der  recht 
der  imus3).  Daher  sind  besonders  der  lectus  summul 
und  medius  für  die  Gäste  bestimmt,  und  der  erste  Plati 
darunter  der  summus  locus  des  summus  lectus,  währen' 
auf  dem  imus  lectus  in  der  Regel  der  Wirt  {dominus  com 
vivii*)  oder  magister  cenae6))  mit  seinen  Angehörige] 
Platz  nahm 6).  Die  Bezeichnungen  für  diese  Reihenfolg' 
sind:  supra  und  infra  aliquem  accumbere1),  oder  als  su 
perior  und  inferior8).  Aber  wenn  ein  Konsul  in  der  Ge 
Seilschaft  war,  so  hatte  dieser  nicht  den  ersten  Platz  au 
dem  lectus  summus  inne,  sondern  den  dritten  auf  dem  medius,  der  daher  der  locu 
consularis  hieß :  ein  alter  Brauch,  dessen  Bedeutung  nicht  mehr  feststand9).  Wa 
also  in  solchem  Fall  dieser  Platz  der  ehrenvollste,  so  scheint  der  geringste  de 
liberum  locus  gewesen  zu  sein,  doch  steht  nicht  fest,  wo  er  sich  befand10) 
Wir  haben  noch  verschiedene  Beispiele  solcher  Tischordnungen,  bei  denei 
strenge  Etikette  herrschte  und  leicht  empfindliche  Personen  verletzt  werdei 
konnten11),  erhalten12);  in  vornehmen  Häusern  war  ein  eigener  Sklave  als 


r  * 

■ 

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•  1 

1             2             3            4             Co 
1              1              1              ,              .               1 

Fig.  57.  Schema  des  Trikliniums. 


')  Diese  Anordnung  der  lecti  ist  die  in 
Pompeji  bei  den  gemauerten  lecti  gewöhn- 
liche, s.  Mau  bei  Marquardt  303  A.  5 ;  ders. 
Pompeji  270  Fig.  137  und  darnach  unsere 
Fig.  57.  Die  sonst  häufig  abgebildete  Auf- 
stellung, wobei  je  ein  lectus  einer  Tischseite 
entspricht  und  die  lecti  nicht  aneinanderstoßen 
(s.  z.  B.  Guhl  u.  Koner  Leben  d.  Gr.  u.  Rom.4 
555  Fig.  446.  Schreiber  Kulturhist.  Bilderati. 
Taf.  77,3)  ist  ungewöhnlich,  scheint  aber  der 
von  Plut.  qu.  conv.  I  3  p.  619  C  gemeinten  zu 
entsprechen,  da  dort  von  dem  Winkel  die 
Rede  ist,  der  zwischen  dem  zweiten  und  dritten 
lectus  gebildet  ist  und  von  dem  aus  Diener, 
Boten  usw.  an  den  dort  Gelagerten  herantreten 
können. 

*)  Sali.  frg.  hist.  III 4.  Suet.  Aug.  64.  Sen. 
suas.  7, 13.  Sen.  dial.  III 10. 2.  Mart.  VI  74, 1. 
Petron.  38, 7. 

3)  Plaut.  Stich.  493.  Mart.  a.  a.  0.  Petr. 
a.  a.  0. 

4)  Varr.  b.  Gell.  XIII 11, 5.  Liv.  XXIII 8,  7. 
Cic.  in  Vatin.  13,31.  Petron.  34,5.  Non.  281, 
14. 

5)  Mart.  XII  48, 15. 

6)  Plut.  a.  a.  0.  619  C:  zwv  SveTv  tekivcöv 
ajiodedofiEvcov  zoig  jzagaxs>ckrj^.evoig,  i)  zoizt)  xai 
xavzrjg  6  7toä>zog  xöizog  /Lidhoza  zov  eozuovzög 
eoziv;  der  Wirt  lag  also  auf  dem  ersten  Platze 
des  imus  lectus.  Doch  war  das  natürlich  nicht 
unverbrüchlich.  Bei  Nasidienus  liegt  dort  No- 
mentanus  und  Nasidienus  auf  dem  zweiten 
Platz,  Hör.  sat.  II  8,  23.  Bei  dem  erwähnten 
letzten  Mahl  des  Sertorius  (s.  S.  387  A.  7)  lasen 


je  zwei  Personen  auf  dem  lectus  medius  um 
summus,  auf  dem  imus  der  Hausherr  Perpern; 
und  zwei  geringere  Gäste.  Neben  dem  Wir 
lag  meist  seine  Frau,  manchmal  auch  stat 
deren  die  Geliebte.  Liv.  XXXIX  43,3.  Cic.ac 
fam.  IX  26, 2.  Sen.  contr.  IX  25, 2 ;  anders  Suet 
Calig.  24. 

')  Cic.  a.a.O.  Sali.  a.a.O.  Hör.  a.  a  0 
20  ff.  Tac.  ann.  III 14.  Suet.  a.  a.  0.  Gell.  X  15 
21.  Serv.  ad  Aen.  II  2.  Festus  185  a,  22. 

8)  Plaut.  Most.  43.  Sali.  a.a.O. 

9)  Plut.  a.a.O.  gibt  drei  Erklärungen,  u.  a 
die,  daß  es  der  Platz  neben  dem  Wirt  war 
vgl.  zu  der  Stelle  Becker-Göll  380  ff.  Be 
Petr.  65,  7  heißt  er,  da  kein  Konsul  zugeger 
ist,  locus  praetorium. 

10)  Marquardt  304  A.  3  und  Mau  bei  P.-W 
IV  1206  nehmen  an,  es  sei  der  imus  in  imt 
gewesen;  aber  bei  Petron.  38  sitzt  ein  anderei 
an  diesem  Platz,  der  vom  libertini  locus  unter 
schieden  wird.  s.  Friedländer  zu  Petr.  cens 
Trim.-  238  u.  240.  Die  sog.  umbrae,  die  vor 
irgendjemand  zum  Mahle  mitgebrachten,  nichl 
speziell  geladenen  Gäste,  hatten  wohl  kein« 
festen  Plätze,  vgl.  Hör.  sat.  II  8,  22,  wo  sie 
auf  dem  medius  lectus  bei  Maecenas  liegen 
der  sie  mitgebracht  hat;  ep.  15.28:  locus  em 
et  pluribus  umbris.  Plut.  a.  a.  0.  VII  6,  1  p, 
707A. 

n)  Vgl.  Luc.  deor.  dial.  13,  1;  conviv.  13, 
Plut.  conv.  VII  sap.  3  p.  148 F. 

V2)  Das  Mahl,  bei  dem  Sertorius  72  v.Chr. 
ermordet  wurde,  Sali.  a.  a.  0.;  die  cena  des  Na- 
sidienus, Hör.  sat.  II  8. 


Fünfter  Abschnitt.    Mahlzeiten  und  gesellige  Unterhaltungen.  :;s<.) 

nomenclator  angestellt,  der  den  Gästen  ihre  Plätze  anwies1),  während  man 
si(  li  unter  guten  Freunden  zwanglos  setzte,  wo  man  wollte2),  Bei  den  runden 
Sofas,  die  selten  mehr  als  acht  Plätze  gehabt  zu  haben  scheinen3),  war  die 
Reihenfolge  eine  andere:  hier  waren  die  cornua  benannten  Eckplätze  die 
ehrenvollsten,  und  zwar  zunächst  der  rechte,  dann  der  linke;  von  di< 
aus  folgten  die  andern  in  der  Reihenfolge  nach  rechts  hin4).  Wenn  aber 
bei  vollbesetzter  Lagerstatt  noch  ein  ungeladener  Gast  erschien,  so  mußte 
er  sich  mit  einem  Stuhle  begnügen5).  Daß  das  Arrangement  des  Sigma, 
auch  die  Form  des  dafür  benutzten  Speisetisches  mannigfache  Formen  auf- 
wies, lehren  die  Denkmäler  der  Kaiserzeit6);  doch  ist  der  angeblich  von 
Heliogabal  eingeführte  Brauch,  die  Kissen  für  die  Speisenden  auf  die  Erde 
zu  legen7),  wohl  nie  sehr  verbreitet  gewesen. 

Von  den  Kissen  und  Polstern,  sowie  den  Decken  und  Teppichen,  mit 
denen  die  Speisesofas  versehen  waren 8),  ist  oben  (S.  114  f.)  die  Rede  gewesen. 
Da  der  Speisende  auf  den  linken  Arm  sich  stützte,  während  er  die  Füfie 
schlag  nach  hinten  ausstreckte,  so  war  für  jeden  ein  besonderes  Armkissen 
notwendig;  wer  den  linken  Eckplatz  eines  lechis  innehatte,  hatte  außerdem 
noch  den  Vorteil,  sich  an  die  hier  befindliche  Seitenlehne  stützen  zu  können. 
f)ie  Aufgabe,  Tische  und  Sofas  zur  Mahlzeit  herzurichten,  das  triclinium 
stcntere9),  fiel  besondern  Sklaven  zu,  den  unter  einem  tricliniarcha  stehenden 
pricliniarii10). 

Die  Einrichtung,  daß  man  bei  Tische  lag,  nicht  saß,  brachte  es  nun  mit 
sich,  daß  auch  die  Art,  die  Speisen  zu  sich  zu  nehmen,  eine  andere  war, 
als  die  bei  uns  übliche.  Für  uns  ist  der  Tisch  die  Unterlage  der  Mahlzeit, 
auf  ihm  steht  der  Teller,  auf  dem  wir  uns  die  Speisen  schneiden  und  von 
dem  wir  essen.  Für  den  Römer  dient  der  Tisch  nur  zum  Hinsetzen  der 
Schüsseln,  aus  denen  er  sich  bedient,  oder  zum  Absetzen  der  leeren,  von 
denen  er  gegessen  hat;  beim  Essen  hält  die  Hand  des  aufgestützten  linken 
Anns  die  Speiseschüssel  oder  den  Teller,  während  die  Rechte  die  Speisen 
mit  oder  ohne  Gerät  zum  Munde  führt.  Damit,  daß  man  zwar  am,  aber 
nicht  vom  Tische  ißt,  hängt  es  wohl  zusammen,  daß  ein  Tischtuch  in  der 


l)  Ath.  II  47  E. :    fisra    xavxa    uvaareivTsg    \  4)  So  nach  Sid.  Apoll,  ep.  I  11,  10.    Auch 

y.uTty.'/Jihjtifv  wg  exaorog  ij&sXev,   ov   jreoifiei-       die  andern  Erwähnungen  der  cormta  gehören 


vavzeg  dvofiaxkrjToga  zov  twv  dei'jtvcov  za!-i- 
wjynv.  Wenn  Klienten  zum  Mahle  geladen 
wurden,  blieb  sogar  bisweilen  die  Auswahl 
diesem  überlassen,  Sen.  ep.  19,  11:  alioquin 
habebis  eonvivas,  quos  ex  turba  salutantium 
nomenclator  digesserit;  daher  auch  die  Klagen 
iiltet  die  nomenclatoris  superbia,  Sen.dial.II 
14.  1.  Eine  andere  eigentümliche  Aufgabe  der 
Sklaven  ewähnt  ders.  ep.  47,  8:  alius,  cui  con- 
rininuii  censura  permissa  est,  perstat  infelix 
et  exspectat,  quos  adulatio  et  intemperantia 
anl  gnlae   axt  linguae  revocet  in  crastinum. 

*)  Ath  a.a.O.  Luc.  Cronosol.  17.  Plut. 
qu.  conv.  I  2  p.  615  C  ff. 

3)  Siehe  oben  S.  119  A.5;  es  hängt  das 
wolil  auch  damit  zusammen,  daß  die  runden 
Citrustische  keine  sehr  großen  Platten  hatten. 


Ausnahmen  s.  Marquardt  307  A.  13.  !    146  A.  10  u.  12. 


schon  dem  Mittelalter  an,  in  dem  das  runde 
Sofa  im  Gebrauch  blieb. 

5)  Macr.  1  7, 13.  Luc.  conv.  13. 

6)  Wandgemälde  und  Reliefs,  s.  Mar- 
quardt 308  ff.;  vgl.  auch  Nogara  Le  nozze 
Aldobrandine  tav.  45  B.  G.  Rodenwaldt  Die 
Komposition  der  pompejanisch.  Wandgemälde 
(Beil.  1909)  92  Abb.  14. 

7)  Lampr.  Heliog.  25, 3. 

8)  Bei  dem  im  Colloqu.  Montepessul.  12 
(Corp.  Gl.  III  656)  besprochenen  Mahle  sind 
die  ersten  Anweisungen:  e.reutite  culeitmm, 
ponüe  pitlrinuni,  operite  stra</u/<i  et  uprrtori«, 
(/tieite   8COVam,   stenu'te  trie/inin. 

8)  Varr.  1.1.  IX  9.  Cic.  Verr.  III  25,  61 ;  IV 
15,33;  pro  Mur.  36,  75. 

°)  Häufig  auf  Inschriften,  s.  Marquarut 


390 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 


Regel  nicht  aufgelegt  wurde:  es  gab  nicht  einmal  einen  besondern  Namen 
dafür1);  wurden  Tische  von  den  darauf  gesetzten  Schüsseln  schmutzig,  so 
wischten  die  Diener  sie  von  Zeit  zu  Zeit  mit  Tüchern  ab2).  Erst  in  der 
spätem  Kaiserzeit  werden  Tischtücher,  und  zwar  von  kostbaren  Stoffen,  bunt 
gestickt  oder  gewebt,  mit  Streifen  von  Purpur  oder  Scharlach,  auch  mit 
Goldwirkereien3),  erwähnt;  ihre  Bezeichnung  aber,  mantele4),  bedeutet  ur- 
sprünglich ein  Handtuch5),  wie  man  es  bei  Opfern6)  und  sonst  bei  Mahl- 
zeiten zum  Abtrocknen  der  Hände  nach  dem  Waschen7)  benutzte:  rauhe, 
zottige  Leintücher,  wie  das  meist  hervorgehoben  wird 8).  Ursprünglich  etwas 
anderes,  obschon  später  oft  damit  identifiziert9),  ist  die  mappa,  die  etwa 
unsrer  Serviette  entspricht  und  zum  Abwischen  von  Mund  und  Händen 
beim  Speisen  dient10),  sowie  dazu,  daß  die  Gäste  bisweilen  etwas  vom  Mahle 
darein  wickelten,  um  es  mit  nach  Haus  zu  nehmen11).  Wenn  daher  auch 
der  Wirt  seinen  Gästen  in  der  Regel  diese  mappae  zum  Gebrauch  bei  Tische 
lieferte12),  so  pflegten  doch  die  letztgenanntem  Zwecke  dienenden  von  den 
Gästen  selbst  mitgebracht  zu  werden 13).  Diese  Servietten,  die  man  wohl  auch 


')  Kostbare  Tische,  namentlich  dieteuern 
Citrustische,  winden  allerdings  für  gewöhnlich 
bedeckt  gehalten  (so  im  Kaufladen  Mart.  IX 
59, 7),  aber  diese  Tischdecken  (man  nahm 
dazu  gern  Fries,  gausape,  s.  oben  S.  125)  sind 
natürlich  nicht  mit  Tischtüchern  zu  verwech- 
seln. 

*)  Auch  dazu  wurden  Friestücher,  in 
reichen  Häusern  sogar  purpurne,  genommen, 
Lucil.  bei  Prise,  p.  870.  Hör.  sat.  II  8. 11. 

3)Lampr.Heliog.27,4;Al.Sev.37,2.Treb. 
Poll.  ({all.  duo  16,  3;  auch  die  mantelia  Cypria 
paria  duo  bei  Vopisc.  Aurel.  12, 1  gehören  wohl 
hierher.  Hingegen  scheint  Mart.  XII  29,  11: 
attulerat  mappam  nemo,  dum  furta  timentur ; 
mantlle  e  mensa  surpuit  Hermogenes,  welche 
Stelle  in  der  Regel  als  erste  Erwähnung  eines 
Tischtuchs  betrachtet  wird  (Friedländer  z.  d. 
St.  Marquardt312  A.7.  Becker-Göll  III 387), 
sich  eher  auf  Handtücher  zu  beziehen,  die  auf 
dem  Tisch  für  die  Gäste  bereit  lagen :  ein  Tisch- 
tuch wäre  zum  Stehlen  doch  zu  groß,  auch  der 
Diebstahl  wegen  der  darauf  stehenden  Geräte 
nicht  so  leicht  gewesen. 

4)  Neben  mantele  kommt  mantlle,  nian- 
tela  u.  a.  vor,  vgl.  Corp.  Gloss.  VI  678.  Hie  erste 
Erwähnung  findet  sich  bei  Lucil.  bei  Philarg. 
ad  Geo.  IV  377,  dann  Varro  1.  1.  VI  85:  mante- 
linm  ubi  manus  terguntur. 

5)  Serv.  ad  Verg.Geo.  IV  376;  Philarg.  ebd. 
377.  Festus  133a,  31.  Die  Glossen  erklären  es 
teils  durch  zFAoofiaxzoov,  yeioo/uayetov  oder  das 
synonyme  mappa  (s.  u.).  teils  im  spätem  Sinn 
durch  KjiiTQajiFCiov,  velamina  ntensae,  mappae 
villosae  mensales  u.  dgl.,  s.  Corp.  Gloss.  a.  a.  0. 
Vgl.  sonst  den  Artikel  mantele  von  Pottier 
bei  D.-S.  III  1579  ff. 

6)  Serv.  ad  Verg.  Aen.  I  701.  Acta  fratr. 
Arv.  29.  Mai  218;  17.  Mai  241:  vgl.  Henzen 
p.  16.   Ov.  fast.  IV  933. 


-•)  Verg.  Geo.  IV  376  f. :  Aen.  I  701.  Mart. 
XIV  138.  Vgl.  Isid.  XIX  26,  6:  mantelia  nunc 
pro  operiendls  mensis  sunt,  quae,  ut  nomen 
ipsum  indicat,  olim  tergendis  manibus  prae- 
bebantur. 

b)  Mart.  a.  a.  O. :  villosa  lintea.  Serv.  a.  a.  O. ; 
auch  die  Glossen  heben  es  hervor.  Dagegen  bei 
Verg.  a.a  0.:  tonsis  mantelia  vittis.  Auffallend 
ist  Plin.  VII  12,  der  von  skythischen  Anthro- 
pophagen  sagt:  cutibus  cum  caplllo  pro  man- 
telibus  ante  pectora  uti  Isigonus  {prodidit). 
Pottier  a.a.  0.  1581  weist  mit  Recht  es  ab, 
daß  Plinius  an  das  Vorbinden  von  Servietten 
denke:  die  Wilden  trugen  nur  diese  Trophäen, 
die  ihnen  als  Handtücher  dienten,  vor  der  Brust. 
9)  So  erklären  die  Glossen  mantele  durch 
mappa  und  letzteres  ebenso  wie  jenes  durch 
XeiQÖ/uaxTQov  u.  da;l.,  s.  Corp.  Gloss.  VI  680. 

10)  Vgl.  Pottier  a.  a.  0.  III  1593  ff.  Nach 
Quint.  I  5, 57  wäre  es  ein  punisches  Wort.  Die 
erste  Erwähnung  ist  Varr.  1. 1. 1X47.  Der  Sklave, 
der  sie  unter  sich  hat,  heißt  a  mappis,  CIL  VI 
8891  f. 

»)  Mart.  II  37,  7 ;  IV  88,  4.  Petron.  60,  7; 
66,  4.  Auch  heimlich  mitgenommene  Lecker- 
bissen werden  darin  eingepackt.  Mart.  VII  20, 
8  u.  13. 

12)  Hör.  sat.  II  4,  81 :  rilibus  in  aeopis,  in 
mappis,  in  scobe  quantus  consistit  sumptus? 
ep.  I  5,22:  ne  sordida  mappa  conruget  naris. 
Daß  man  diese  mappae  tricliniarea  möglichst 
als  Garnitur,  d.h.  gleichmäßig  beschaffte,  zeigt 
Varr.  a.  a  0.:  quis  facit  mappas  tricliniarea 
non  8imües  inter  ae?  welche  Worte  Pottier 
a.  a.  0.  A.  4  mit  Unrecht  auf  Draperien  des  Tri- 
kliniums  deutet. 

u)  Daher  die  Klagen  über  diebische  Gäste, 
die  die  mappa  des  Hauswirts,  als  hätten  sie 
selbst  sie  mitgebracht,  einstecken,  Mart.  VIII 
59,8:  XII  29, 1  ff. 


Fünfter  Abschnitt.    Mahlzeiten  und  gesellige  Unterhaltungen. 


391 


am  Halse  befestigte1),  waren  oft  mit  bunten  Streifen  und  Fransen  verziert-), 
für  gewöhnlich  aber  wohl  nur  einfache  Leintücher3). 

•  Was  das  Eßgeschirr  anlangt4),  so  besaß  man  einen  großen  Reichtum 
namentlich  an  Schüsseln,  in  denen  die  mannigfaltigen  Speisen  aufgetragen 
wurden.  Da  waren  die  patinae  oder  patellae,  tiefe  bedeckte  Schüsseln,  in 
denen  manche  Speisen  zubereitet5)  und  aufgetragen  wurden6),  oft,  zumal 
bei  Fischen,  von  riesiger  Größe7);  man  gebrauchte  das  Wort,  wie  bei  uns 
Schüssel,  vielfach  für  den  Inhalt8).  Ferner  die  tiefen  napfartigen  catina 
{(■dthii)  oder  catilli  für  breiartige  Speisen,  Suppen,  Gemüse  u.  dgl.f>),  die  eben- 
sowohl als  Kochgeschirr  dienten10),  als  die  Speisen  darin  aufgetragen  wurden11) 
und  man  direkt  daraus  aß12).  Lediglich  zum  Auftragen  von  Speisen  aller 
Art13)  diente  vornehmlich  die  bald  flache,  bald  tiefe,  rund  oder  rechteckig 
geformte  lanx1*),  die  besonders  zu  den  Bestandteilen  des  Silberservices  ge- 
hörte15) und  als  wertvolle  Gabe  ein  beliebtes  Saturnaliengeschenk  war16). 
Öfters  wird  auch  die  parapsis11)  als  Servierschüssel  für  mannigfaltige  Ge- 
richte erwähnt18);  ihre  Form  ist  ebenso  ungewiß19),  wie  die  der  seltner  er- 
wähnten gabata20)  oder  der  scidula21). 


')  So  Trimalchio,  Petron.  32,2:  circa  one- 
ratas  veste  cervices  laticlaviam  imtniserat  tnap- 
pam  fimbriis  hinc  atque  Mine  pendentibus. 

*)  Mart.  IV  46, 17:  lata  variata  mappa  clavo. 
Petron.  a.  a.  0. 

3)  Sie  gehören  daher  zu  den  billigsten  Sa- 
tin miliengeschenken,  Mart.  V  18, 1;  VII  53,4; 
72.  2;  X  87,  6. 

4)  Vgl.BECKEK-GÖLLlII396ff.  Marquardt 
654  f. :  über  das  Kochgeschirr  s.  oben  S.  154  ff. 
Sehr  interessant  sind  die  in  einem  Grabe  von 
Anxur  (Terracina)  gefundenen,  kleinen  Blei- 
objekte, die  wohl  einem  Kinde  als  Spielzeug 
dienten  und  in  zierlicher  Arbeit  Mobiliar  (Lehn- 
stuhl, dreifüßigerTisch,  Kandelaber,  Bank  oder 
Repositorium  u.dgl.),  sowie  Schüsseln,  darunter 
einige  mit  daraufliegenden  Fischen,  in  allerlei 
Formen  (rund,  viereckig,  muschelförmig  etc.), 
Schalen  u.  dgl.  m.,  auch  einen  kleinen  Rost 
darstellen,  s.  Borsari  Not.  d.  seavi  1894, 106  ff. 

5)  Plaut.  Pseud.  840 ;  Capt.  846.  Plin.  XXIII 
68.  Digg.  XXXIII  7, 18,  3;  daher  so  bereitete 
Speisen  das  Beiwort  patinarius  bekommen, 
Plaut.  Asin.  180;  Men.  102. 

6)  Plaut,  m.  gl.  759.  Varr.  b.  Non.  543.  28. 
Cic.  ad  fam.  IX  16,  7;  ad  Attic.  IV  8a,  1.  Hör. 
sat.  118.43;  ep.I5.2.  Pers.2.42.  luv.  3,  261; 
6.344.    Mart,  V  78,  7. 

7)  Plin.  XXXV  163.  Suet.Vit.  13.  luv.  4, 
129  ff.;  vgl.  Mart.  XIII  81.  Aber  auch  ganz 
kleine,  luv.  5,  85. 

8)  Senec.  ep.  95, 26.  Plin.  a.  a.  0. 162.  Val- 
gius  bei  Diom.  I  382.  Macrob.  III  13, 12;  oft  bei 
Apicius  121  ff.,  wo  die  betreffenden  Gerichte  in 
einer  patina  bereitet  und  aufgetragen  werden. 

9)  Varro  1.1.  V  120:  rasa  in  mensa  eaca~ 
ria,  ubi  ptdtetn  an/  iurulenti  t/i<i</  ponebant,  a 
capiendocatinum  nominarunt.  AuchfürWasser 
werden  sie  benutzt,  Varr.  r.  r.  1 63,1.  Va;l.  Saglio 
beiD.-S.  I  971  ff. 


10)  Cator.r.84;  157,9. 

1  >)  Hör.  sat.  I  3,  92 ;  6,  1 15 ;  II  2, 39 ;  4,  77. 
Pers.  3, 111;  5,  182.    luv.  6,  343;  11,108. 

Vi)  Val.  Max.  IV  3.  5. 

,3)  Für  warmes  oder  kaltes  Fleisch  Hör. 
sat.  II  4.41.  Plaut.  Cure.  324;  für  Gemüse  Cic. 
ad  Attic.  VI  1, 13;  für  Krebse  Mart.  II  43,  12. 
luv.  5,  80;  für  Obst  Ov.  ex  P.  III  5.  20. 

14)  Mart.  XI  31, 19.  Digg.  VI  1,6;  XXXIV 
2,19,4;  ebd.  31. 

,5)  Cic. a.a.O.  Mart.spect.29,6;  VII 72,4; 
XIV97.Iuv.  6,204;  11, 218;  12.43.Plin.XXXlII 
145.  Petron.  31, 10.  Treb.  Poll.  trig.  tyr.  32,  6. 
Vgl.  Pottier  bei  D.-S.  III  925. 

16)  Mart.  VII  72,  4;  X  29,  1 ;  XIV  97. 

17)  XJeberdieFormen jiarajisi'siuid jiiii-opxis 
s.  Bücheler  Rh.  M.  XXXIX  (1879)  426.  Die 
apsis  als  Schüssel  kommt  nur  Digg.  XXXIV  2, 
19,6;  ebd.  32,1  vor. 

)S)  Petron.  34, 2;  50,60.  luv.  3, 142.  Mail. 
XI  31, 18.  Sid.  Ap.  ep.  II  9, 6 ;  für  Gemüse  Suet. 
Galba  12;  für  Leckereien  und  kleinere  Bei- 
gaben kommen  die  nagoxpldes  in  griechischen 
Quellen  vor.  s.  Ath.  IX  367 C  ff.;  X459C. 

Iy)  Isid.XX4, 10  bezeichnet  sie  als  vier- 
eckig; in  den  Glossen  wird  parapsis  durch  ga- 
bata,  i-atimnn  oder  patena  erklärt,  IV  136,30; 
V231.9;  sonst  meist  durch  iQvßXta»,  VII  47. 

")  Mart.  VII  48,  3;  XI  31, 18.  Isid.  XX  I. 
11;  vgl.  Saglio  bei  D.S.  II  1428. 

21)  Mart.  VIII  71,  7;  als  Uvea  bezeichnet  X I 
31, 19  (hiei  werden  f/aliat ar  parapaidesque,  Uvea 
scutuloe  catoeque  lancea  mitsammeu  genannt). 
Vermutlich  hatten  sie  oblonge  oder  Carreau- 
form,  wie  die  Muster  der  veatea  aeuhdotoa :  denn 
von  seilt  um  wird  man  es  ableiten  müssen,  nicht 
von  scutra,  wieBECKER-GöLL  III  397,dadie  sett- 
tra  nach  Plaut.  Pers.  88.  Caecil.  b.  Non.  134, 15. 
Cat.  r.r.  157, 11.  Serv.  ad  Ceorg.  1110  ein  Koch-, 
kein  Tafelgeschirr  ist;  vgl.  Corp.  Gloss.  VII 247. 


392 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 


Das  Material  für  dieses  Tafel-  und  Speisegeschirr  war  in  den  älteren 
einfacheren  Zeiten  und  später  noch  in  bescheidenerem  Haushalte  (und  das- 
selbe gilt  von  den  Trinkgefäßen,  siehe  unten)  Ton x),  manche  Schüsseln  aber, 
zumal  auf  dem  Lande,  waren  hölzern2).  Kostspieliger  waren  gläserne  Ge- 
fäße3) oder  bronzene4).  In  der  römischen  Kaiserzeit  aber  war  in  wohl- 
habenderen Familien  das  Tafelgeschirr  in  der  Regel  von  Silber  (aryentum 
escarium)6).  In  der  älteren  Zeit,  noch  im  2.  Jahrhundert  v.  Chr.,  kannte  man 
diesen  Luxus  noch  nicht:  nur  das  Salzfaß  (salinuin),  das  immer  auf  dem 
Speisetische  stand,  wie  auch  das  Essiggefäß  (acetabulum)6),  war  silbern,  selbst 
in  bescheidenem  Haushalte7),  und  erbte  sich  in  der  Familie  fort8).  Aber  an 
Tafelsilber  war  das  frühere  Rom  so  arm,  daß  einmal  die  karthagischen  Ge- 
sandten bei  jeder  Mahlzeit,  zu  der  sie  geladen  waren,  dasselbe  Silber  fanden, 
das  von  Haus  zu  Haus  geliehen  war9);  der  jüngere  Scipio  Africanus  hinterließ 
nur  32  Pfund  Silbergeschirr10).  Allein  infolge  der  Eroberung  Spaniens  mit 
seinen  reichen  Silbergruben,  sowie  durch  die  Feldzüge  in  Kleinasien  kamen 
ungeheure  Mengen  des  Edelmetalls  nach  Rom11);  in  reichen  Häusern  wurde 
die  Menge  des  Silbergeschirrs  immer  größer,  und  selbst  für  Küchengeräte 
und  zu  noch  gewöhnlicheren  Zwecken  wurde  Silber  verwendet12);  von  dem 
Reichtum  und  der  Mannigfaltigkeit  dieser  Silbergeräte,  sowie  von  der  Kunst 
der  Arbeit  und  der  vollendeten  Technik  können  die  Funde  größerer  Silber- 
schätze, wie  besonders  derer  von  Hildesheim  und  Boscoreale13),  einen  Begriff 
geben,  wozu  die  Nachrichten  über  den  Besitz  einzelner  Nabobs  an  Silber- 
geschirr  weitere    Belege   liefern14).      Viele    sammelten   alte   Silberarbeiten 

1)  So patinae,  Matt.  V 78, 7;  XIV 114.  vgl. 
die  große  patina  luv.  4,  133;  catina,  Cat.  r.  r. 
84.  Pers.  5,  182.  luv.  6,343;  lances,  Mart.  II 
43,  12;  paropsides.  Mart.  XI  27,  5. 

2)  So  catilli  lignei,  Plin.  XXX  54.  Val.  Max. 
IV  3,  5. 

3)  Suet.  Galb.  18.  Petron.  50, 7  zieht  Glas- 
geschirr dem  von  korinthischem  Erze  vor. 

4)  Petron.  50, 6  nennt  catitta  und  paro- 
psides aus  korinthischem  Erz:  in  Pompeji  sind 
zahlreiche  Tafel-  und  Eßgefäße  aus  Bronze 
gefunden  worden;  vgl. auch  Fkiedkkichs  Ber- 
lins ant.  Bildwerke  II  142  n.  594  ff. 

°)  Paul.sent.III6.86.  Digg.XXXIV2,32, 
2;  daher  die  Sklaven  ab  argento,  ad  arqentum 
u.dgl.,  CIL  VI  3941;  4425;  5185  f.;  5197;  5746 
u.s.  Vgl.MARQUAKDTl43  A.5.  Das  Tafelservice 
überhaupt  heißt  minister  tum,  Paul.  a.  a.  0. 
Lampr.  AI.  Sev.  34,  1. 

6)  Das  steht  auf  dem  Tische  im  Colloqu. 
Monacense  11  (Corp.  Gloss.  III  653) :  von  Silber 
Digg.  XXXIV  2,  19,  9,  und  so  steht  es  auch  in 
den  Glossen  immer  in  der  Rubrik  De  argenteis, 
Corp.  Gloss.  III  22,49;  203,26;  324.68.  Vgl. 
Funck  im  Philologus  LIII  (1894)  127.  Freilich 
hat  das  Wort  seine  Bedeutung  verallgemeinert, 
sodaß  überhaupt  jedes  ö|^a</)orsoheißt,Quint. 
VIII  6, 35;  vgl.  Saglio  bei  D.-S.  I  22.  Hultsch 
bei  P.-W.  1  155. 

7)  Das  safinum  und  die  patera,  die  Opfer- 
schale, sind  die  üblichen  Silbergeräte,  Plin. 
XXXIII 153.  Val.  Max.  IV4, 3.  Liv.  XXVI 36, 6. 
Vgl.  Besnier  bei  D.-S.  IV  1022. 


8)  Hör.  carm.  1116, 14.  Pers.  3, 25 ;  nur  ganz 
Bedürfnislose  begnügen  sich  statt  dessen  mit 
der  concha  salis  puri,  Hör.  sat.  1 3, 14.  Dagegen 
ist  selbst  bei  Trimalchio  die  bei  Tisch  benutzte 
Pfefferm  ühle  (mola  piperaria,  Caper  p.  2239K.) 
von  Buchsbaum,  Petron.  74,5. 
a)  Plin.  XXXIII  143. 

,0)  Ebd.  141 ;  nach  Plut.  reg.  apophth.  199F 
hinterließ  er  33  Pfd.  Silber  und  2  Pfd.  Gold- 
geschirr. Oft  berichtet  wird  die  Anekdote,  daß 
der  Censor  Fabricius  Luscinius  (Konsul  282 
v.  Chr.)  den  Cornelius  Rufinus  aus  dem  Senate 
gewiesen  habe,  weil  er  Silbergerät  im  Gewicht 
von  10  Pfd  (bei  Plin.  a.  a.  O.  142  sogar  nur 
5  Pfd.)  gekauft  habe,  Plin.  XVIII  39.  Liv.epit. 
l.XIV.Val.Max.II9,4.Gell.IV8.7;XVII21,39. 

n)  Vgl.  Friedländer  Sittengeschichte  III 
106  ff. 

>«)  Plin.  XXXIII 140;  XXXVII  12.  Lampr. 
Heliog.  19,3. 

13)  Der  Hildesheimer  Silberschatz  ist  am 
besten  publiziert  bei  E.  Pernice  und  F.  Win- 
ter Der  Hildesheimer  Silberfund  der  kgl.  Mu- 
seen zu  Berlin,  Berlin  1901 ;  der  von  Boscoreale 
von  H.  de  Villefosse  in  den  Monum.  Piot  Vol.  V 
(1894).  Ueber  einen  Silberfund  von  Tarent  s.  Pa- 
troni  Not.d.scavi  1896,  376  ff. 

u)  Nach  Plin.  XXXIII 143  führte  Pompeius 
Paullinus,  der  Schwiegervater  des  Seneca,  als 
Feldherr  in  Germanien  i.  J.  58  n.  Chr.  12000 
Pfd.  Silber  mit  sich;  dagegen  hatte  Alexander 
Severus  bei  Gastmählern  nicht  über  200  Pfd. 
in  Verwendung,  Lampr.  AI.  Sev.  34,  1. 


Fünfter  Abschnitt.    Mahlzeiten  und  gesellige  Unterhaltungen. 


Ißrühmter  Meister,  die  großen  Kunstwert  hatten1);  doch  war  weitaus  das  meiste 

moderne  Arbeit,  in  einer  der  vielen  dafür  bestehenden  Offizinen  eines  Silber- 
schmieds  gefertigt2).  Dabei  gaben  zumal  die  reichen  Parvenüs  mehr  auf  rechi 
großes  Gewicht  ihrer  Silberschüsseln,  als  auf  deren  kunstvolle  Ausstattung: 
ein  Gewicht  von  L00  römischen  Pfund  (fast  38  Kilogramm)  war  für  eine 
hn/.r  etwas  Gewöhnliches3),  es  gab  aber  auch  welche  von  noch  viel  größerem 
Gewicht4).  Sonst  waren  als  Verzierungen  für  Schüsseln,  Teller.  Schalen  usw. 
vornehmlich  Blattornamente  üblich,  sodaß  man  sie  sogar  nach  den  dafür 
verwandten  Pflanzen  benannte6).  Auch  Verzierung  mit  Gold  kam  vor6),  bei 
Trinkgefäßen  besonders  auch  mit  Edelsteinen7):  dagegen  wird  ganz  goldenes 
Eßgeschirr  seltner  erwähnt 8),  und  sein  Gebrauch  war  sogar  zeitweise  verboten9). 
Bei  größeren  Diners,  bei  denen  jeder  einzelne  Gang  aus  einer  Anzahl 
von  Schüsseln  bestand,  wurden  diese  nicht  einzeln  für  sich  hereingebracht, 
sondern  zusammen  auf  einem  Gestell10),  einem  sogenannten  repoaitorium,  das 
die  Sklaven  auf  den  Tisch  setzten11).  War  der  Gang,  während  dessen  sich 
die  Gäste  entweder  selbst  von  den  Schüsseln  bedienten12)  oder  von  den 
Dienern  Portionen  gereicht  bekamen13),   zu  Ende,   so  wurden  die  Gestelle 


')  Wie  weit  die  Leidenschaft  hierin  ging, 
sagt  Plin.  a.  a.  0.  157  mit  den  Worten:  subito- 
qtic  ars  harr  Ha  exolevit,  ut  sola  iam  vetustate 
eenseatur  usuque  attritis  caelaturis  sie,  ar  //- 
gura  discerni  possit,  auctoritas  constat.  Vgl. 
Friedländer  a.  a.  0.  271. 

2)  Plin.  a.  a.  0.  139:  vasa  ex  argento  mire 
inconstantia  humani  ingenii  variat  nulluni 
(/cHiis  officinae  <lii<  probando.  nunc  Furniana, 
nunc  Clodiana,  nunc  Gratiana  —  etenim  ta- 
bernas  mensis  adoptamus,  —  ...  quaerimus. 

3)  Schon  vor  den  Bürgerkriegen  gab  es  in 
Rom  über  150  lances  von  je  100  Pfd.  Silber, 
deren  Eigentümer  deshalb  teilweise  der  Pro- 
skription zum  Opfer  fielen.  Plin.  XXXI II  145. 
Vgl.  Lampr.  Helios?.  19,  3.  Tieb.  Poll.  trig.  tyr. 
^2,6 

4)  Nach  Plin.  a.  a.  O.  besaß  ein  Sklave  des 
Claudius  namens  Rotundus  eine  Silberschüssel 
von  500,  seine  Begleiter  acht  zu  250  Pfd.  Es 
war  üblich,  bei  den  Silbergeräten  die  Angaben 
des  Gewichts  einzugravieren,  s.  Petron.  31. 10; 
33,  6.  CIL  111  4806:  phiahi  argentea  p.  II:  ebd. 
II  2103;  wie  sich  denn  solche  Gravierungen 
audiauferhaltenenSilbergefäßen  häufig  finden, 
s.  Friedländer  a  a.  O.  111  u.  146  ff.,  sowie  zu 
Petrons  Cena  Trimalch.  31  S.  222. 

5)  So  die  lances  fih'catae  oder  felicatae.  Cic. 
ad  Att.  VI  1.  13;  parad.  I  2,  11.  Festus  86,  5; 
bei  Treb.  Poll.  Claud.  17,  5  werden  genannt: 
discus  corymbiatus  argenteus,  lanx  argentea 
pampinata,  patena  argentea  hederacia.  Erhal- 
ten«' Beispiele  s.  Marquardt  696  A.  12. 

6)  Die  sog.  chrysendeta,  Mart.  II 43. 1 1 :  53, 
5;  VI  94, 1 ;  XI  29.'  7;  XIV  97;  es  sind  Gefäße 
mit  Goldrand.  V  g\.  die  au  reaemble>nata,quae  in 
apsidibus  argenteis  essent,  Digg.  XXXIV  2, 32,1. 

7)  Die  gemmata  rasa,  Treb.  Poll.  a.  a.  O. 
und  Gall.  duo  16,  4.  Mart.  XIV  109;  vgl.  Plin. 
XXXIII 5;  XXXVII 14.  Daher  Sklaven  aha  uro 


gemmato  CIL  VI  8734 ff. 

8)  Auruiu  i'scariuiu.  CIL  VI  8782;   aurro 

supellex,  Sen.  ep.  87,7.  Manil.V293.  Fronto 
ad  M.  Caes.  1  7  p.  18  (Naber).  Dagegen  war  es 
bei  Trinkgefäßen  häufiger,  s.  unten. 

9)  Durch Tiberius,  I  ac.ann. 1133:  dagegen 
gestattete  Aurelian  den  Gebrauch  des  Goldes 
für  Gefäße  und  Becher.  Flav.Vop.  Aur.  46,  2. 
Von  Alexander Severus  aber  heißt  es  bei  Lam  pr. 
34,1:  in  convivio  aurum  nescit. 

10)  Siehe  den  Artikel  von  Saglio  bei  D.S. 
IV  839;  was  aber  hier  Fig.  5924 f.  als  reposi- 
toria  abgebildet  ist,  sind  gewöhnliche  Tische, 
die  auf  dem  Boden  stehn. 

n)  So  kommt  bei  Trimalchio  Petron.  33,3 
schon  während  der  gustatic  ein  repotüorittm 
cum  corbe;  beim  ersten  Gang  35.2  ein  rotun- 
ilnm  reposüorium,  dessen  oberer  Teil  abnehm- 
bar ist,  36, 1  (solche  mit  mehreren  Stockwerken 
meint  Plin.  XXXIII 140:  iam  vero  et  menaas 
reposüoriis  imponimua  adsustinenda  obsonia); 
dann  kommen  andere:  40,  3  eins,  auf  dem 
ein  ganzer  großer  Eber  liegt;  49,  1  eins  mit 
einem  sehr  großen  Schwein;  60,  4  eins  mit 
Kuchen.  Griech.  heißt  das  reposüorium  tga- 
rmx£,  Corp.  Gloss.  III  321,  26.  Nach  Plin. 
XVIII 365  bedeutete  es  schlechtes  Wetter,  wenn 
die  Schüsseln  einen  feuchten  Eindruck  auf  den 
Repositorien  zurückließen. 

vi)  So  Petron.  60,  5;  das  nennt  Plut.  qu. 
conv.  II  10  p.  642F.:  ix  xotvov  dsutrstr. 

l3)  Petron.  33,4,  wo  es  aber  durch  die  ver- 
zwickte Art,  die  (scheinbaren)  Eier  zu  ver- 
stecken, motiviert  ist;  ähnlich  40,  7 f.  Doch 
tadelt  Mart.  VII  48  nicht,  wie  Marquardt  321 
A.  6  meint,  das  Herumreichen  der  Portionen 
als  schlechte  Sitte,  sondern  daß  die  Speisen 
präsentiert  werden  [tranacttrruni  gabatae  vo- 
lantqut  Innres),  anstatt  daß  die  Schüsseln  auf 
dem  Tisch  stehn. 


394 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 


fortgetragen x)  und  neue  gebracht.  Dasjenige  Gestell,  auf  dem  die  Vorspeisen 
(gustaüo,  promulsis,  siehe  unten  S.  397  f.)  hereingebracht  wurden,  hieß  danach 
auch  gustatorium2)  oder promulsidare*).  Diese  Aufsätze  waren  in  älterer  Zeit 
von  Holz,  später  reich  verziert  mit  Silber,  Schildkrot  u.  dgl.4).  Auch  figürliche 
Tafelaufsätze,  wie  sie  bei  uns  vorkommen,  waren  den  Alten  bekannt5). 

Was  die  beim  Speisen  benutzten  Instrumente  betrifft,  so  aßen  die  Römer 
so  wenig  wie  die  Griechen  mit  Messer  und  Gabel,  was  bei  der  Sitte,  bei 
Tisch  zu  liegen,  auch  gar  nicht  ausführbar  gewesen  wäre.  Feste  Speisen, 
besonders  Fleisch,  bekam  daher  jeder  Gast  schon  zerschnitten.  Das  geschah 
in  der  Regel  wohl  schon  draußen  in  der  Küche;  wenn  aber,  wie  es  bei  Gast- 
mählern üblich  war,  der  ganze  Braten,  z.  B.  ein  Eber,  ein  Hase,  Geflügel  usw., 
auf  den  Tisch  kam,  dann  tranchierte  ihn  ein  damit  vertrauter  Diener,  der 
strudor6).  dessen  Amt  überhaupt  das  Anrichten  der  Speisen  war7);  oft 
auch  gab  es  dafür  unter  den  Sklaven  einen  eigenen  Zerleger,  der  scissor*) 
oder  carptor9)  hieß.  Man  verlangte  von  einem  solchen  nicht  nur  absolute 
Sicherheit  und  Geschicklichkeit  im  Tranchieren,  sondern  auch  Eleganz  und 
zierliche  Bewegungen10).  Die  Essenden  führten  die  Speisen  vielfach  mit  den 
Fingern  zum  Munde 1 l) ;  der  Gebrau  ch  von  Messern l  2)  oder  Gabeln 1 3)  ist  nirgends 


J)  Plin.  XXVIII  26.  Petron.  34,  1;  39,  1. 
Hör.  sat.  II  8,  10. 

2)  Petron.  34,  1.  Mart.  XIV  88.  Plin.  ep. 
V6,  37.  Corp.  Gloss.VI507. 

3)  Petron.  31,  9.  Digg.  XXXIV  2,  19,  10. 
CIL  X  1598:  promulsidaria  arqentata. 

4)  Plin.  XXXIII 146:  Cornelius  Nepos  tra- 
dit,  .  .  .  repositoriis  argentum  addi  sua  memo- 
ria coeptum.  Fenestella . . .  ait  et  testudinea  tum 
in  usum  venisse,  ante  se  autem  paulo  ligyiea, 
rotunda,  solida  nee  multo  maiora  quam  mensas 
fuisse,  se  qiiidem  puero  quadrata  et  vompaeta 
aut  acere  operta  aut  citro  coepisse,  moxadditiun 
argentum  in  anqidos  lineasque  per  c&mmissuras. 
Schildkrot  auch  Mart.  XIV  88;  nach  Plin.  IX 
39  zuerst  von  Carvilius  Pollio  eingeführt. 

D)  Bei  Petron.  31, 9  steht  auf  dem  Speise- 
brett ein  Esel  aus  korinthischem  Erz  mit  einem 
Quersack,  dessen  eine  Seite  grüne,  die  andere 
schwarze  Oliven  enthält;  ebd. 36, 3  sind  an  den 
Ecken  des  Speisebretts  vier  Marsyasfiguren,  aus 
deren  Schläuchen  Sauce  über  die  Fische  fließt. 

6)  Seine  Tätigkeit  schildert  luv.  11. 136  ff., 
woraus  auch  hervorgeht,  daß  es  eigene  Lehrer 
in  der  ars  scindendi  gab,  vgl.  5,  120;  man 
lernte  die  Kunst  an  hölzernen  Modellen  (ulmea 
cena,  luv.  11,141).  Das  ferrum  struetoris  Mart. 
X  48,  15. 

7)  Petron.  35, 2.  luv.  7, 184.  Lampr.  Heliog. 
27, 3.  Iul.  Capit.  Verus  5.2;  vgl.  Serv.  ad  Aen.  I 
704 :  struere  ordinäre,  conponere,  unde  et  stru- 
ctores  dicunturferculorum  conpositores.  Häufig 
auf  Inschriften,  vgl.  Marquardt  146  A.  13. 

8)  Petron.  36. 6;  öfters  spricht  Seneca  von 
der  ars  scindendi,  s.  dial.  VII  17,2;  X  12,5; 
ep.  47,  6. 

s)  luv. 9, 1 10 ; carperes.  v. a. scindere,  Mart. 
III  13, 1 ;  hei  Petron.  36  heißt  der  scissor,  dem 
Trimalchio  sein  carpe  carpe  zuruft.    Carpus. 


Auch  lacerare  kommt  dafür  vor.  Petron.  36,  6; 
40,5;  74,5. 

10)  Sen.  a.a.O.  luv.  5, 120:  struetorem.  in- 
terea  .  . .  saltantem  spectes  et  chironomunta 
volanti  j  cultello;  bei  Petron.  36.  6  tranchiert 
der  scissor  unter  Musikbegleitung. 

11)  Bezeichnend  ist  Ov.  a.  a.  III  755:  carpe 
eibos  digitis:  est  quiddam  gestus  edendi;  ora 
nee  inmunda  tota  perimge  manu.  Man  zerklei- 
nerte also  die  Speisen  noch  mit  den  Fingern. 
So  wird  Mart.  III 67, 1  f.  ein  heißer  Kuchen  und 
V  78,  6  f.  ein  Kohlstengel  mit  den  Fingern  ge- 
gessen. 

u)  Man  bezieht  mehrfach  (vgl.  Marquardt 
314  A.  4)  Varr.  b.  Non.  195,  15:  noctu  eultro 
coquinari  se  traiecit ;  nondum  enini  invecti  erant 
cn  f  teil i  empaestei(E/u.jiatoToiBüche]ei)  eßitli  g  » in 
darauf,  daß  hier  die  Einführung  der  Tischmesser 
aus  Bithynien  bezeugt  sei;  doch  bemerkt  Göll 
bei  Becker  a.  a.  O.  ganz  richtig,  daß  man  hier- 
bei nicht  an  solche  zu  denken  brauche.  Ueber 
erhaltene  Messer,  diein  römischen  Funden  nicht 
selten  sind,  s.  ebd.,  auch  S.  Reinach  bei  D.-S. 
I  1582  ff. 

13)  Gabeln  finden  sich  unter  alten  Funden 
zwar  auch,  doch  ist  ihre  Bestimmung  als  Tisch- 
gabeln sehr  unsicher,  vgl.  Marquardt  316  f. 
Das  gilt  auch  von  den  zierlichen  Silbergabeln, 
die  Castellami  im  Bullet,  municipale  II  (1874) 
tav.  9  publizierte  und  der  Zeit  der  Antonine  zu- 
schrieb, die  aber  überdies  hinsichtlich  ihres 
Altertums  sehr  verdächtig  sind,  s.  Mau  bei 
Marquardt  317  A.  2.  Ueber  Funde  von  Gabeln 
auf  der  Saalburg  s.  Jacobi  Römerkastei]  Saal- 
burg 439  f.  Bekanntlich  ist  der  Gebrauch  der 
Gabel  bei  Tisch  in  Europa  erst  im  späten  Mittel- 
alter nachweisbar,  s.  Marquardt  a.  a.  O.  und 
zur  Geschichte  der  Gabel  Beckmann  Beitr.  z. 
Gesch.  d.  Erfindungen  V  287  ff. 


Fünfter  Abschnitt.    Mahlzeiten  und  gesellige  Unterhaltungen.  ;',m;, 

direkt  bezeugt;  nur  zum  Zerschneiden  des  Obstes  scheint  man  sich  besonderer 
Messer  aus  Knochen  bedient  zu  haben1).  Dasjenige  Gerät  aber,  mit  dem 
man  am  gewöhnlichsten  aß,  war  der  Löffel,  ligula*)  und  cochlear*).  Nach 
der  heut  allgemein  angenommenen  Unterscheidung4)  war  die  ligula  ein 
iröfierer,  unsern  heutzutage  gebräuchlichen  ähnlicher  Löffel,  wie  man  solche 
in  Pompeji  und  anderwärts  aus  Silber, 
Bronze.  Eisen,  Hörn  und  Knochen  gefun- 
den hat  (vgl.  Fig.  58),  darunter  hübsch 
gearbeitete  Stücke,  deren  Griff  in  einen 
Tierfufä  ausläuft5).  Von  solchen  Löffeln, 
mit  denen  man  Suppen  und  Speisen  in 
Brühe  u.  dgl.  ate6),  waren  leichte  sil- 
berne Exemplare  beliebte  Saturnalien- 
geschenke7). Dagegen  war  das  cochleare, 
das  seinen  Namen  vom  Gebrauch  beim 
Schneckenessen  hatte8),  kleiner  und 
leichterundhattebesondereForm9):der 
Löffel,  der  bei  der  ligula  tiefer  und  oval 
ist .  ist  hier  flacher  und  kreisrund,  wäh- 
rend der  Stiel  in  eine  Spitze  ausläuft 10). 
Diese   Spitze   diente   zum   Offnen  von 

Eiern,  sowie  beim  Essen  von  Muscheln11).  Auch  diese  Löffel  waren,  wenn 
silbern,  häufige  Saturnaliengeschenke12).  Als  Tischgerät  ist  dann  auch  der 
Nußknacker,  nucifrangibula1*),  zu  erwähnen. 

Die  Aufwartung  und  Bedienung  beim  Mahle  lag  vornehmlich  den  Sklaven 
des  Hausherrn  ob.  Bei  großen  Mahlzeiten  war  die  Oberaufsicht  über  die 
ganze    Anordnung    in    den    Händen    des    triclittiarch«14),    dem    die    andern 


Fig.  58.    l.üll'ol  ans   l'ompeji. 


>)  Colum.XII  14;  ebd.  47. 4;  vgl.Plin.XIl 
115.  Bei  der  im  Colloqu.  Montepessul.  17  ge- 
schilderten Mahlzeit  (Corp.  Gloss.  III  658)  be- 
kommt man  zu  den  Rettichen  ein  Messer.  Die 
Bernsteinmesser  zum  Zerschneiden  der  Pilze, 
Plin.  XXII  99,  dienten  in  der  Küche. 

2)  Vgl.  darüber  die  Abhandlung  von  Pa- 
gano  La  ligula.  Napoli  1836,  und  Thedenat 
bei  D.-S.  III 1253  f.  Die  Nebenform  lingula  ver- 
wirft Mart.  XIV  120  als  nur  von  indocti  gram- 
matici  gebraucht;  gebräuchlich  scheint  eben 
beides  gewesen  zu  sein  (vgl.  Corp.  Gloss.  VI 
648),  während  die  Zunge  am  Schuh  in  der  Regel 
lingula  hieß.  vgl.  Fest.  116,  12. 

3)  Vgl.  Saglio  bei  D.-S.  I  1246.  Mau  bei 
P.-W.  IV  156. 

4)  Besonders  durch  Becker  a.  a.  0.  fest- 
gestellt,gegenüberderverfehltenUntersuchung 
von  Pagano. 

5)  Abbildungen  bei  Thedenat  a.a.O.  Mar- 
quardt  314.  Museo  Borbonico  X  46  (darnach 
unsere  Fig.  58).  Mau  Pompeji  397  Fig.  222  n,v. 
Heron  de  Villefosse  Tresor  de  Boscoreale 
(Monum.  Piot  V)  114,  61  f.,  pl.  38,  2  f.  Jacobi 
a.  a,  0.  440. 

6)  Cat.  r.  r.  84.  Mart.  VIII  59,  7. 


7)  Mart.  V  18,  2:  19,  1;  VIII  33,  22;  71,9; 
XIV  120. 

8)  Mart.  XIV  121. 

9)  Das  ist  konstatiert  durch  das  pompe- 
janische  Wandgemälde  bei  Helbig  Wandgem. 
n.  1668,  wo  zwei  Eier,  ein  Eierbecher  und  dar- 
über zwei  gekreuzte  cocJih>ti r/o  abgebildet  sind. 

10)  Abbildungen  a.  a.  0.  und  bei  Saglio 
Fig.  1688  f. 

n)  Daher  Mart.  a.a.  O.imm  eoehleishabüis, 
sed  nee  minus  utüis  Ovis.  Vgl.  Plin.  XXVIII 19. 
Petr.  33, 6.  Die  spätere  Zeit  scheint  den  Unter- 
schied nicht  mehr  gekannt  zuhaben,  die  Glossen 
a.  a.  0.  erklären  ligula  ebenso  durch  ftvargcv 
oder  uvorolov  wie  durch  y.(>y/.t<T>or;. 

12')  Mart.  a  a  0..  ferner  VIII  33, 24 ;  7 1 .  1 0 ; 
an  einem  Exemplare  findet  sich  eine  griechische 
Inschrift,  die  auf  diese  Bestimmung  bezogen 
wird,  s.  Antiqu.  du  Bosph.  Cimmer.  pl.  30. 5,  doch 
ist  das,  da  es  dem  3.  Jahrh.  v.  Chr.  angehört. 
unwahrscheinlich. 

13)  Plaut.  Bacch.  598. 

14)  Petron.  22,  6,  wo  er  auch  für  die  Be- 
leuchtung sorgt;  öfters  auf  Inschriften,  CIL 
III  536  (ein  Freigelaßner.  der  zugleich  noch 
eine  Menge  anderer  Hausämter  hat) :  VI  1884 


396 


Zweite  Abteilung.   Das  Leben. 


Bedienenden  untergeordnet  waren1).  Den  strudor  oder  scissor  haben  wir 
schon  erwähnt.  Die  aufwartenden  Diener,  die  die  Speisen,  wenn  das  nötig 
war,  herumreichten2),  hießen  ministri  oder  ministratores3),  die  den  Wein 
einschenkenden  vini  ministri*),  servi  a  poticneb),  a  lagona6),  a  cyatho1)  oder 
pincernae8).  Alle  diese  trugen  öfters  die  gleiche  Tracht  und  waren  hübsche, 
glattwangige  Burschen  (daher  auch  glabri  genannt9)),  sorgfältig  frisiert, 
mit  zierlich  arrangierten  und  gebrannten  Locken10).  Die  Bedienung  mußte 
in  größter  Stille,  ohne  Sprechen  oder  sonstige  Geräusche,  besorgt  werden11). 
Vorkoster,  praegustatores,  gehörten  vornehmlich  zur  kaiserlichen  Tafel12). 
Das  Abräumen  der  Tische  und  Reinigen  des  Bodens  besorgten  die  analectae13). 
Zu  diesen  Sklaven  des  Hausherrn  kamen  aber  bei  größeren  Diners  noch  die 
der  Gäste  hinzu,  denn  es  war  üblich,  daß  man  sich  von  seinem  Sklaven 
begleiten  ließ,  der  während  der  Mahlzeit  zu  Füßen  seines  Herrn  (daher  der 
Ausdruck  ad  pedes)  zu  stehen  oder  zu  sitzen  pflegte )4).  Diese  Sklaven  nahmen 
die  vom  Herrn  abgelegten  Sandalen  in  Verwahrung15),  leisteten  ihm  während 
des  Mahles  kleine  Dienste16)  und  trugen  die  apophoreta  (siehe  unten)  oder 


ist  er  zugleich  a  potione  item  a  layuna;  ebd. 
9083.  Vgl.  Friedländer  Sittengesch.  I  171. 
Später  auch  architricliuus,  Corp.  Gloss.  III  489 
(wo  es  aber  unrichtig  als  princeps  convivan- 
tium  erklärt  ist);  ebd.  IV 406. 12;  V  1683  als 
maior  domus. 

')  Die  Inschriften  Orelli2884  (CIL  VI  943  *) 
und  6367  (XIV  164*)  mit  servi  triclinarii  sind 
falsch.  Bei  Plaut.  Pseud.  162  kommt  ein  lecfi- 
sterniator  vor.  der  das  Silbergeschirr  zu  reinigen 
und  aufzustellen  hat.  Auf  einem  römischen 
Wandgemälde  sind  servi  triclinarii  in  weißen, 
hochgeschürzten  A  ermeltuniken  abgebildet.mit 
Servietten  oder  Tüchern  in  den  Händen,  bei 
ihnen  der  tricUniarcha  mit  einer  Gerte,  s.Mar- 
chetti  Not.  d.  scavi  1892,  45. 

2)  Petron.33,4:40.7.Lucian.ep.Saturn.22. 

3)  Petron.  31, 2 ;  40,  1 ;  auf  Inschr.  CIL  VI 
8914 ff.;  9635 ff.  u.  ö. 

4)  Sen.  ep.  47, 7 :  diese  jungen  hübschen  Bur- 
schen gingen  oft  in  weibischer  Tracht  einher 
und  waren  daneben  die  Lustknaben  des  Herrn : 
in  cubiculo  rir,  in  ronvivio  puer  est.  Auch  po- 
culi  minister,  CIL  IX  1880. 

5)  CIL  VI  1884. 

6)  Ebd.  III  10186.21;  VI  8866. 

7)  Ebd.  VI  3963:  8815  ff. ;  auch  a  caliculis, 
Corp.  Gloss.  V  615.  20. 

8)  CIL  VI  9798.  Corp.  Gloss.  V  233,26.  Ueber 
ihr  Aeußeres  vgl.  Hör.  carm.  I  29,  7 :  puer  quis 
ex  aula  capillis  j  ad  cyathum  statuetur  unctis 
(so  ad cyathum  stare,  Suet.  Caes.  49).  luv.  9, 46 : 
tenerum  et  puerum  te  et  pulchrum  et  dignum 
cyatho.  Cic.  de  fin.  II  8, 23.  Plut.  Cato  mai.  4. 
Luc.  Gall.  11. 

9)  Catull.61,135.  Phaedr.lV5,22.  Sen. 
dial.  X  12.5:  epist.  47,  7.  Inschriftl.  ornator 
glabrorum,  CIL  VI  8956;  glaber  a  cyato,  ebd. 
8817 ';  paedagor/us  qlabrorum,  Not.  d.  scavi  1899, 
78n.51. 

10)  Sen.  ep.  119,  13:  quaeris,  quali  mensa, 


quali  argento,  quam  paribus  ministeriis  et  lae- 
vibus  adferatur  etbus?  Vgl.  ebd.  14.  Mart.  II 
57,5;  11158,31;  XII  70.9.  Petr.27,  1;  57,9; 
70,8.  Apul.met.II19.  Phil.vit.cont.6p.479M. 
Daher  waren  tonsi  ministri  ein  Zeichen  der  Ein- 
fachheit, Mart.  X  98,  9;  XI  11,  3;  Xll  18,  25; 
XIV  158, 1. 

n)  Sen.  ep.  47. 3:  infelicibus  servis  movere 
labra  ne  in  hoc  quidem,  ut  loquantur,  licet,  virga 
murmur  omne  conpescitur,  et  ne  fortuita  qui- 
dem verber ibus  excepta  sunt,  tussis,  sternumen- 
ta,  sinyultus.  Daher  sind  die  ewig  singenden 
Sklaven  beim  Mahle  des  Trimalchio  um  so  lä- 
cherlicher, Petron.  31,  4  f. 

'»)  CIL  VI  9004  f.  Tac.ann.XII  66;  XIII 
16.  Suet.  Claud.  44;  doch  auch  sonst  in  vor- 
nehmem Hause,  Plin.XXI  12.  Dasselbe  ist  wohl 
der  gustator  CIL  XII  1754. 

1 3^  Mart.  VII  20, 1 7;  XIV  82,2;  übertr.  Sen. 
ep.  27,  7. 

14)  Ad  pedes  stare,  Petron.  58, 1.  Sen.de 
benef.  11127,1;  ep.27,6.  Mart.  XII  87,  2;  vgl. 
III  23.  Suet.  Galba  22.  Caligula  ließ  so  Sena- 
toren im  Dienerschurz  hinter  sich  stehn,  Suet. 
Cal.  26.  Diese  Sklaven  heißen  daher  apedibus. 
Cic.  ad  Att.VIII5,l.  CIL  VI  4001;  oder  circum 
pedes,  Cic.  Verr.  I  36,  92.  Bei  Petr.  64,  13  und 
68, 4  sitzen  die  Sklaven  ad  pedes. 

15)  Mart.  XII  87.1. 

16)  Dazu  gehörte  anscheinend  auch  das 
Darreichen  des  Nachttopfes,  vgl.  Sen.  de  benef. 
III  26 ;  vgl.  Mart.  III  82, 15;  VI  89, 1 ;  XIV  119. 
Wie  wenig  man  sich  dabei  vor  den  andern 
Gästen  genierte,  zeigt  Petron.  27,  5;  zum  la- 
sanns  freilich  steht  Trimalchio  41,9  auf;  vgl. 
Plaut.  Cure.  362:  dico  nie  ire  quo  saturi  solent. 
Noch  andere  niedrige  Dienste  hatten  diese  Skla- 
ven zu  verrichten,  vgl.  Sen.  ep.  47, 5:  quod  cum 
ad  coenandum  diseubuimus,  alius  sputa  de- 
terget,  alius  reliquia$  temulentorum  subdit/ta 
cciligü. 


Fünfter  Abschnitt.    Mahlzeiten  und  gesellige  Unterhaltungen. 


397 


die  Speisen,    die    sein  Herr   in  die  mitgenommene  Serviette  gepackt  hatte 
(siehe  oben),  nach  Hause l). 

Betrachten  wir  nun  den  Gang  einer  Mahlzeit,  wobei  wir  uns  immer 
gegenwärtig  halten  müssen,  dafä  es  sich  nicht  um  das  gewöhnliche  häusliche 
Mahl  der  Familie,  von  dem  wir  aus  den  Quellen  nur  wenig  erfahren,  sondern 
um  größere  Mahlzeiten,  bei  denen  Gäste  bewirtet  werden,  handelt2).  Man 
pflegte  sich  hierbei  von  der  unbequemen  Tracht  der  Toga  zu  emanzipieren3) 
und  in  einer  leichten  vestis  cenatoria4),  einer  syntliesü  u.  dgl.6)  zu  erscheinen, 
sowie  in  Sandalen6),  die  die  Sklaven  den  Gästen  vor  Beginn  des  Mahles 
abnahmen7).  Bevor  die  Mahlzeit  begann,  pflegten  die  Gäste  zu  sitzen8). 
Dann  lagerte  man  sich,  wobei  mitunter  ein  Sklave  als  nomendator  die  vorher 
festgesetzte  Reihenfolge,  in  der  die  Gäste  Platz  nehmen  sollten,  angab0). 
Hierauf  reichten  die  Sklaven  Wasser  zum  Händewaschen  herum10),  und  das 
wiederholte  sich  während  des  Essens  noch  mehrmals,  da  die  starke  Ver- 
wendung der  Finger  beim  Speisen  es  notwendig  machte11).  Auch  fand  die  Ver- 
wendung von  Salben  (siehe  unten)  manchmal  schon  vor  Beginn  der  Mahlzeit 
statt12).  Bisweilen  sprach  man  auch  ein  Gebet  an  die  Götter 13),  was  aber  wohl 
kein  stehender  Brauch  war.  Nun  begann  das  Mahl14),  das,  wenn  Gäste  geladen 
waren,  immer  aus  Vorspeisen,  der  eigentlichen  Mahlzeit  und  einem  Nachtisch 
bestand.  Den  Anfang  machte,  unsern  Entrees  oder  Hors  d'oeuvre  entsprechend, 
die  gustatio16)  oder  gustus16);  diese  Einrichtung  scheint  in  der  älteren  Zeit 


1 )  Mart.  1 1 1 23,  wo  allerdings  noch  eine  ande- 
re Erklärungmöglich  ist,  s.  Friedländer  z.  d.St. 

2)  Hauptquellen  dafür  sind  das  Mahl  des 
Nasidienus,  Hor.sat.  118,  und  das  des  Trimal- 
chio,Petron.26 — 78;  nur  darf  man  hei  letzterem 
nicht  vergessen,  daß  alles  scherzhaft  über- 
trieben  ist  und  die  geschmacklosen  Protzereien 
eines  reichenParvenus  verspottet  werden  sollen. 

3)  Sen.  ep.  18,  2.    Spart.  Hadr.  22,  2. 

4)  Oder  cenatorium,  Mart.  X  87,  12;  XIV 
135.  Capitol.  Max.  duo  30,  5.  Acta  fratr.  Arv. 
27/V218,  219;  17/V241. 

*)  Siehe  oben  S.  219. 

6)  Siehe  oben  S.  222.  Vermutlich  sind  auch 
die  trechedipna  bei  luv.  3,67  solche  Sandalen, 
nach  der  von  Bücheler  Rhein.  Mus.  XXIX 
(1874)  637  gebilligten  Deutung  des  Scholiasten 
gaUiculae  Graecae  currentium  ad  cenatn.  Vgl. 
Friedländer  z.  d.  St. 

7)  Soleas  demere,  Plaut.  Truc.  367;  soccos 
(/('//■(ilicrc  beim  heimkehrenden  Hausherrn  Ter. 
Heaut.  124;  dargestellt  auf  dem  Wandgemälde 
bei  Rodenwaldt  Kompos.  d.  pompejan.  Wand- 
gem.  92  Abb.  14;  vom  Gast  deponere  soleas, 
Mart.  III 50,  B;poscere  soleas  vom  Aufbrechen- 
den, Hör.  sat.  II  8.  77:  Sen.  controv.  IX  25. 25; 
calceos  poscere,  Plin.  IX  17,  3  (wie  bei  Mart. 
XII  87.6  excalceatus  für  „ohne  Sohlen");  vgl. 
Plaut. Most.  384.  Wenn  der  Sklave,  der  sie  auf- 
zuheben hatte,  nicht  aufpaßte,  kamen  die  San- 
dalen wohl  auch  abhanden. wie  bei  Mart.XII87. 
Bei  den  oben  S.391  A  4  erwähnten  Bleifiguren, 
die  die  Requisiten  einer  Mahlzeit  darstellen,  sind 
auch  die  abgelegten  Sandalen  nicht  vergessen, 
Not.  d.  scavi  1894,  108  Fig.  8. 


8)  Vgl.Mart.III  44, 15;  VIII  67.6.  Iuv.2, 
120 ;  und  so  heißt  es  beim  Anfang  des  Mahles  im 
Colloqu.  Monac.  11  (Corp.  Gloss.  III  652):  date 
hie  cathedra*,  Bellas,  scatm/ium,  bisetUwn,  cer- 
vicale.  sede;  und  erst  nach  Genuß  der  cälida: 
si  vultis,  discumbamus. 

9)  Ath.  II  47  E,  vgl.  Corp.  Gloss.  IV  369,7: 

nomen  est  ÖfflcH,  per  mmien  elanuire  ml  />r<in- 
<linin ;  ebd.  V  524,  18.  Mitunter  hatte  auch  ein 
solcher  die  Aufgabe,  den  Gästen  die  einzelnen 
Speisen  zu  benennen,  vgl.  Petron.  47.  8.  He- 
raeus  Sprache  des  Petron.  47.  Ueber  die  Be- 
deutung des  nomenclator  überhaupt  vgl.  Fabia 
bei  D.-S.  IV  96  f. 

10)  Plaut.  Pers.769;  Most.  308.  FabiusPictor 
bei  Non.  544,  22;  bei  Petron.  31.3  bringen  die 
Sklaven  dazu  eisgekühltes  Wasser,  während 
andere  den  Gästen  die  Nägel  an  den  Zehen  be- 
schneiden. 

1 ')  Petron.  34, 4  wird  nach  der  gustat  io  Wein 
zum  Händewaschen  gereicht;  vgl. sonst  Lampr. 
Heliog.  25,9.  Nach Sid.  Apoll,  ep.  1 1 1 ,  14  scheint 
es  auf  besonderes  Verlangen  gereicht  worden 
zu  sein.  Im  oben  erwähnten  Colloqu.  Monac.  1 1 
heißt  es  am  Schluß  des  Mahles  date  aquam 
manibns;  ebenso  da  aquam  ad  manu*  im 
Colloqu.  Montepessul.  18  (Corp.  Gloss.  III  658). 

*«)  So  bei  Plaut.  Most.  309. 

>3)  Quint.  decl.  301  p.  187,  16  Ritter. 

u)  Bei  Plaut,  a.  a.  O.  wird  der  Tisch  erst 
nach  dem  Händewaschen  aufgestellt.  Daß  man 
bei  Mahlzeiten  auch  Räucherwerk  anzündete, 
zeigt  Plaut.  Men.  354. 

»»)  Petron.  21.  6;  31,8. 

1(i)Mait.X48,13;XI31,4;52,12;XlII61.2. 


398 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 


freilich  unbekannt  gewesen  zu  sein x),  war  aber  später  selbst  bei  bescheideneren 
Mahlzeiten  üblich.  Die  gustatio  bestand  in  der  Regel  aus  kalten  Speisen 2), 
und  zwar  besonders  solchen,  die  geeignet  waren,  den  Appetit  zu  reizen3): 
das  waren  vornehmlich  Eier4),  Salate  und  Gemüse5),  ferner  Schnecken, 
Austern,  marinierte  Fische6),  auch  kalte  Fleischspeisen7).  Zu  dieser  gustatio 
trank  man  das  aus  Most  oder  Wein  und  Honig  bereitete  mulsum  8),  weshalb 
diese  Einleitung  des  Mahles  auch  promulsis  heißt9). 

Die  eigentliche  Mahlzeit  bestand  in  der  älteren  Zeit  und  auch  später 
aus  einem  einzigen l0),  später  und  zumal  bei  geladenen  Gästen  aus  mehreren 
Gängen11),  die  fercula12)  oder  missus13)  hießen,  auch  wohl  als  cena  prima, 
altera,  tertia  unterschieden  wurden14).  Eine  solche  „ordentliche"  Mahlzeit 
hiefä  cena  rectalb).  Die  mannigfaltigen  Speisen,  die  bei  diesen  Gängen  auf- 
gestellt wurden,  haben  wir  in  einem  früheren  Abschnitt  (oben  S.  160  ff.)  be- 
sprochen16); wie  weit  der  Tafelluxus  schon  in  den  Zeiten  der  Republik,  ganz 
besonders   aber   an   dem   Hofe   schwelgerischer  Kaiser   ging,    dafür   liegen 


')  Nach  Cato  bei  Serv.  ad  Aen.  1 726  kannte 
man  in  älterer  Zeit  nur  zwei  Gänge  (fercula), 
und  nach  ebd.  VIII  283  war  das  die  Mahlzeit 
und  der  Nachtisch  (Fleischgericht  und  Obst). 
Aus  Mart.  XIII 14  geht  hervor,  daß  Lattichsalat 
früher  am  Schluß  des  Mahles  kam,  während 
sie  später  zu  den  Entrees  gehörte.  Diese  Aen- 
derung  war,  wie  Verg.  Moret.  74  zeigt,  erst  nach 
August  eingetreten.  Vgl.  über  diese  Aende- 
rungen  Heindorf  zu  Hör.  sat.  II  4,  59.  Mar- 
quardt  324  A.  1. 

2)  Daher  frigida  mensa,  n>vyoai  igouiE^ai, 
Plut.qu.conv.  VIII  9,3  p.733T;  vgl.  Salmasiüs 
ad  Iul.  Capit.  Gord.  tres  21  p.  262  A. 

3)  Hör.  sat.  II  4,  27  ff. ;  8,  9.  Das  Mahl  im 
Colloqu.  Monac.  11  beginnt  mit  hydrogaron 
(s.  oben  S.  187)  und  Malven;  das  im  Colloqu. 
Montepessul.  1 7  mit  Beta  oder  Kürbis,  liquamen, 
Rettichen,  Oxogarum,  Lattich  und  Gurken. 

4)  Als  Anfang  der  Mahlzeit  erwähnt  Cic. 
ad  fam.  IX  20, 1.  Varr.  r.  r.  I  2, 11.  Hör.  sat.  II 
4,  12:  daher  das  Sprichwort  ab  ovo  usque  ad 
mala  (die  den  Beschluß  machten),  Hör.  sat.  I 
3,6  und  dazu  Porphyrio:  vgl.  Otto  Sprichw. 
d.  Römer  261  n.  1319.  Eier  aß  man  aber  auch 
als  gmtulm,  zum  zweiten  Frühstück  nach  un- 
serem Sprachgebrauch,  Mart.  XII  19.  Apul.met. 
1X33. 

5)  Allerlei  angeführt  bei  Cels.  II  29;  vgl. 
oben  S.  165  ff. ;  besonders  Lattich,  Rettiche,  Rü- 
ben u.  dgl.,  Hör.  sat.  II  8,  8;  Kohl,  von  Cat.  r.  r. 
156  empfohlen. 

6)  Plin.ep.  I  15,  2 f.  Cels.  I  2. 

7)  Bei  Mart.  V  48,  4  f.  besteht  der  gmtns 
aus  Lattich,  Lauch,  Eiern  und  gesalzenem  Thun- 
fisch; X  48,  7  ff.  aus  Malven,  Lattich,  Lauch, 
Minze,  Rauke,  Eiern,  Thunfisch  und  Saueuter 
in  Fischsauce;  XI  52,  5ff.  in  Lattich,  Lauch, 
mariniertem  Thunfisch,  Raute,  Eiern,  Käse  und 
Oliven.  Eine  Fülle  von  Speisen  aller  Art  bietet 
die  gustatio  des  üppigen  Mahles  bei  Macr.  sat. 
III  13, 12,  darunter  eine  Menge  kalter  Fleisch- 


sorten.  Vgl.  den  Gegensatz  der  einfachen  En- 
trees gegen  kostspielige  bei  Plin.  ep.  I  15. 

8)  Siehe  oben  S.  202;  vgl.  besonders  Hör. 
sat.  II  4,  24.  Petron.  34,  1.  Die  Arvalbrüder 
bekommen  beim  Mahle  urnalia  mulsi  singu- 
lorum,  Act.  Arval.  an.  219  (p.  CCVI1I),  vgl. 
Henzen  ebd.  35.  Was  die  ebd.  erwähnten  cam- 
panae  sind,  ist  freilich  ganz  unsicher.  Im  Col- 
loqu. Monac.  11  wird  noch  vor  der  Mahlzeit, 
während  die  Gäste  sitzen,  vinum  conditum,  ca- 
roenum  (s.  oben  S.  202)  und  callda  offeriert. 

»)  Cic.  ad  fam.  IX  16,  8;  20,  1.  Vgl.  Corp. 
Gloss.  IV  378, 55:  pransorium  promulsarium. 

,0)  Mart.  X  48.  13;  vielleicht  ist  bei  Cato 
b.  Serv.  ad  Aen.  I  637 :  in  atrio  et  duobus  fcr- 
culis  epulabantur  «iitiqiti  auch  nur  gustus  und 
ein  Gang  der  cena  gemeint. 

1 1)  Drei  Gänge  waren  gewöhnlich,  Mart.  XI 
31 . 5  f.;  Augustus  gab  gewöhnlich  drei,  nur  wenn 
es  besonders  üppig  herging,  sechs,  Suet.  Aug. 
74;  auch  sieben  Gänge  kommen  vor,  luv.  1,  94. 
Philo  de  vita  contempl.  6  (II  p.  479  M).  Aber 
selbst  bei  Trimalchio  besteht  die  eigentliche 
cena  nur  aus  vier  Gängen,  vgl.  Friedländfr 
zu  Petron.  310. 

15)  Hör.  sat.  II  6,  104.  Prop.  V  (IV)  4,  76. 
Sen.ep.95. 18;  ebd.27u.ö.  Petron.35,1.  luv. 
1.94;  7,184;  11,64.  Mart.  III  50,5;  IX  81,3; 
XI  31,21.  Suet.  a.  a.  O.  Ursprünglich  bedeu- 
tete es  die  Platte,  auf  der  die  Speisen  auf- 
getragen wurden,  so  noch  Sen.  n.  qu.  III  18,2; 
vgl.  Mau  bei  P.-W.  VI  2207. 

13)  Lampr.Heliog.27,4;  30,4;  32,4.  Ca- 
pitol.  Pertin.  12,  3. 

14)  Mart.  XI  31,  5  f.  Der  Hauptgang  hieß 
caput  cenae,  Mart.  X  31.4. 

,5)  Mart.  II  69,  7;  VII  20,2;  VIII  50,  10. 
Suet.  Aug.  74;  Domit.  7.   CIL  VI  33885  Z.  17. 

16)  Einiges  über  die  römische  Kochkunst, 
namentlich  über  die  Zutaten  zu  den  Speisen. 
ihre  Temperatur  usw.  stellt  Marquardt  328  ff. 
zusammen. 


Fünfter  Abschnitt.    Mahlzeiten  und  gesellige  Unterhaltungen. 


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zahlreiche  Belege  vor1).  Man  muü  sich  aber  hüten,  hier  zu  verallgemeinern 
und  namentlich  die  Klagen  des  altern  Plinius  und  des  Philosophen  Seneca 
über  unnatürliche  Schwelgerei  zu  ernst  zu  nehmen2);  auch  erklären  sich 
manche  Nachrichten,  die  von  einer  Unzahl  von  Gerichten  aller  Art  melden8), 
dadurch,  daß  ein  einzelner  Gang  nicht  bloß,  wie  heut  üblich,  aus  einem 
Gericht,  sondern  aus  mehreren,  die  zur  Auswahl  gestellt  wurden,  bestand, 
wie  das  auch  bei  Diners  im  18.  und  Anfang  des  19.  Jahrhunderts  noch 
üblich  war4).  Immerhin  hatte  die  Völlerei  einen  hohen  Grad  erreicht5),  und 
bei  der  Vorliebe  für  scharfe  Gewürze6),  für  glühend  heiße  oder  eiskalte 
Gerichte 7)  und  der  Masse  der  verzehrten  Speisen  konnten  die  nachteiligen 
Folgen  für  die  Gesundheit,  wie  sie  die  Schriftsteller  schildern,  nicht  aus- 
bleiben8). Beim  Essen  bediente  man  sich  der  Zahnstocher,  dentiscalpia9); 
das  Material  derselben  war  Holz  oder  Metall  oder  eine  Federpose10);  sonst 
aber  nahm  man  Federn,  um  durch  Kitzeln  im  Gaumen  Brechreiz  hervor- 
zurufen, was  ursprünglich,  wie  der  Gebrauch  der  Vomitive,  lediglich  eine 
hygienische  Maßregel  gewesen  war11),  aber  zu  den  Zeiten  der  ärgsten  Völlerei 
mißbraucht  wurde,  um  nach  ausgeleertem  Magen  aufs  neue  essen  zu  können12). 
Als  Getränk  wurde  bei  der  Mahlzeit,  nach  dem  Honigwein  der  gustatio, 
reiner  Wein  herumgereicht13);  allein  das  eigentliche  Trinkgelage  pflegte  erst 
nach  der  cena  zu  erfolgen  und  wurde  oft  mit  dem  Nachtisch  verbunden. 
Zwischen  diesen  und  die  cena  fiel  das  Speiseopfer,  das  man  den  Laren  dar- 
brachte14), nachdem  die  Tische  weggeräumt  worden  waren15);  der  Fußboden 

multos  morbos  multa  fercula  feceruiit :  iiat.  qu. 
IV  13,  6.  Galen.  Xp.  3f.K. 

y)  Mart.  Vll  53,  3;  XIV  22.  Corp.  Gloss. 
111325,21;  495,74;  512,35. 

,0)  Mart.  111 82.1):  pinnas  rubentescuspides- 
que  lentisci;  XIV  22:  si  tibi  frondea  euepU 
defuerit,  dentes  pinna  levart  potest;   vgl.  VI 
74,3.  Bei  Petron.  33,  1  dient  eine  pinna  ur- 
gentea  dazu. 

u)  Hierüber  Darembekg  zu  Oribasius  II 
289  ff.  Friedländer  a.a.O.  35  f.  So  erzäblt  Cic. 
ad  Att.  XIX  52, 1  vom  Caesar:  post  //.  17//  In 
balneum ;  unetus  est,  aepubuit;  Ipttuctp?  agebat ; 
itaque  et  edit  et  bibit  idetos  et  iueunde. 

«)  Wie  Sen.  dial.  XII  10,  3  sagt:  vomunt 
ii t  edant,edunt  ut  vomant ;  vgl.  debenef.  VII  9, 3 ; 
ep.  18,4:83,24:95,28. 

13)  Petron.  34, 1  werden  Amphoren  mit  Fa- 
lerner  nach  dem  gustus  gebracht  und  es  wird 
getrunken,  bevor  noch  der  erste  Gang  der  ema 
aufgetragen  ist;  dann  wird  wieder  39.  1  ge- 
trunken, 48. 1  eine  neue  Sorte  angeboten:  52, 8 
ist  Trimalchio  schon  beinahe  betrunken.  Bei 
Hör.  sat.  II  8, 13  ff.  werden  gleich  nach  der  au- 
statio  diverse  griechische  Weine  serviert.  Vgl. 
luv.  11,  145  ff.:  160. 

,4)  Verg.  Aen.  VIII 283.  Serv.ad  Aen.I  730. 
Hör.  sat.  II  2. 124.  Petron.  60, 8:  das  Opfer  be- 
stand teils  in  der  mala  salsa  (den  frUffts  U- 
batae  der  Arvalen.  Hekzen  Acta  fr.  Arv.  42), 
teils  in  einer  Weinspende.  Hör.  carm.  IV  5. 31. 

15)  Nach  Serv.  a.  a.  0.   Bei  Petron  erfolgt 
dasWegnehmen  iermensae primae  erst  c.  88,1, 
|   als  Trimalchio  den  Nachtisch  bringen  läßt. 


J)  Eine  Darstellung  bei  Meierotto  Ueber 
Sitten  und  Lebensart  d. Römer 3  S.  111  ff.  Fried- 
länder Sittengeschichte  III  24  ff. 

'-)  Das  setzt  Friedländer  a.a.O.  31  ff. 
sehr  gut  auseinander.  So  ereifert  sich  z.  B. 
Seneca  ep.  95,  25  über  den  Genuß  von  Pilzen, 
Austern,  Fischsauce  u.  dgl. 

3)  So  z.  B.  das  Menü  des  priesterlichen 
Antritts  mahl  es  bei  Macr.lII  13, 12,  besprochen 
von  Böttiger  Kl.  Sehr.  III  217  ff.  Vgl.  ferner 
Sen.  de  berief.  I  10,  2,  der  die  culina  foedissi- 
niKiii  patrimoniomm  exitiumneixnt.  Mart. X 31. 
luv.  4, 28  ff.  Bei  Plaut,  Capt.  846  ist  freilich  bei 
der  Zusammenstellung  des  üppigen  Menüs  die 
ausschweifende  Phantasie  eines  Parasiten  tätig. 
EinschränkendeVerordnungen  gegen  denTafel- 
luxus  erließ  Hadrian,  Lampr.  Hadr.  22,  5. 

*)  So  enthält  bei  der  cena  des  Trimalchio 
der  erste  (iang  c.  35 f.  allerlei  nach  den  Him- 
melszeichen  am  Rande  der  Schüssel  ausge- 
wählte Kleinigkeiten,  ferner  Geflügel,  Saueuter, 
Hasenbraten,  der  dritte  c.  49  Schweinebraten 
und  Würste.  Bei  Luc.  conv.  38  enthält  ein  Gang 
Geflügel.  Schweine-  und  Hasenbraten.  Fische, 
Sesamkuchen  und  Konfekt. 

5)  Schon  in  republikanischer  Zeit  waren 
Gesetze  gegen  Tafelluxus  (leges  sumptuariae) 
erlassen  worden.  Cic.  ad  fam.  VII  26, 2.  Gell. 
II  24.  Macr.  II  13,  13.  Vgl.  J.  F.  Hoüwing  De 
Romanis  legibus  sumptuariis,Lugd.Batav. 1883. 
M.Voigt  BSGW1890.Phil.hist.Kl.XLII  244  ff. 

6)  Vgl.  Plut.  qu.  conv.  VII I  9,  3  p.  733 F. 

7)  Sen.  ep.  78. 23 :  95, 25.  Galen.  X  p.  468  K. 

8)  Plin. XIV  142.  Sen. ep  95. 15 ff.;  ebd.  18: 


400 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 


wurde  gereinigt1),  dann  wurde  auf  neuen  Tischchen2)  der  Nachtisch,  mensae 
secundae3),  hereingebracht,  nach  seinen  Hauptbestandteilen  auch  bellaria  ge- 
nannt4) oder  griechisch  epideipnidesb).  DieHauptbestandteilediesesNachtiscb.es 
waren  Kuchen6)  und  Früchte7),  mitunter  auch  noch  kleinere  Fleischspeisen8). 
Für  gewöhnlich,  namentlich  wenn  es  sich  um  das  tägliche  Familien- 
mahl handelte,  war  die  Mahlzeit  mit  dem  Nachtisch  zu  Ende;  es  folgte  nur 
noch  die  unerläßliche  Händewaschung.  War  es  aber  ein  convivium,  eine 
Mahlzeit  mit  Gästen,  so  schloß  sich,  wenn  auch  nicht  regelmäßig,  so  doch 
sehr  häufig  noch  ein  dem  griechischen  Symposion  entsprechendes  Trinkgelage 
an,  die  sogenannte  comissatio^).  In  älterer  Zeit  blieben  die  Frauen  dabei 
fern,  da  ihnen  ja  der  Weingenuß  verboten  war10),  doch  scheint  schon  gegen 
Ausgang  der  Republik  und  dann  in  der  Kaiserzeit  ihre  Teilnahme  nichts 
Seltnes  mehr  gewesen  zu  sein11).  Aber  auch  Gäste,  die  vorher  bei  der  cena 
nicht  anwesend  gewesen  waren,  stellten  sich  als  comissatores1*)  zum  Trinken 
ein;  man  ging  oft  von  einem  solchen  Trinkgelage  zum  andern13).  Die  comissatio 
begann  in  der  Regel  schon  beim  Nachtisch,  wie  es  denn  auch  Brauch  war, 
daß  während  ihrer  Dauer  von  Zeit  zu  Zeit  Speisen,  zumal  durstreizende, 
gereicht  wurden;  doch  kam  es  auch  häufig  vor,  daß  eine  comissatio  ohne 
vorangegangene  cena  veranstaltet  wurde  oder  an  einem  andern  Ort,  als 
diese14).  Zunächst  wurden  unter  die  Teilnehmer  Kränze  und  Salben  verteilt15), 


')  Bei  Petron.  a.  a.  0.  streuen  die  Sklaven 
mit  Rötel  und  Saffran  gefärbte  Sägespäne  und 
pulverisiertes  Marienglas  [lapis  specularis)  auf 
den  Boden. 

2)  Das  ist  bei  Trimalchio  der  Fall ;  wenn 
Becker-Göll328  meint,  daß  essich  hier  nurum 
einen  Witz  handle,  sonst  aber  an  einen  Wechsel 
der  Tische  nicht  zu  denken  sei,  so  ist  das  wohl 
nicht  begründet;  die  Tische  für  den  Nachtisch 
scheinen:  den  Denkmälern  zufolge,  nur  kleine 
runde,  dreifüßige  gewesen  zu  sein. 

s)  Petron.  68, 1.  Macrob.  II  8,3;  III 18, 1. 
Gell.  XIII  11,6. 

4)  Varro  bei  Gell.  a.  a.  0.  Macrob.  a.  a.  0. 
und  III 19, 1.  Plaut.  Truc.  479.  Zur  Etymologie 
vgl.  Donat.  zu  Ter.  Ad.  590 :  ad  irritandam  gu- 
lam  cibi  bellaria  dieuntur. 

5)  Ath.XIV664E.  Mart.  XI  31.  7.  Petron. 
69,  6.  Eine  alte  Bezeichnung  war  auch  im- 
pomenta,  Fest.  108.  18. 

6)  Ein  heißer  Kuchen  Mart.  III 17, 1 :  spe- 
ziell sind  das  die  bellaria,  Gell. XIII  11,7:  quae 
Jie/uiiaza  Graeci  auf  zgayrjfiaia  dixerunt,  ea  ve- 
teresnostribellariaappellaverunt.  Vgl.  Colloqu. 
Monac.  11 :  ebd.  zum  Nachtisch  dulcia placenta. 
Auch  colustrum,  die  erste  Milch  des  Viehs  nach 
der  Geburt,  die  als  Delikatesse  galt  (Mart.  XIII 
38)  kam  beim  Nachtisch  vor,  s.  Colloqu.  Mon- 
tepessul.  18  (Corp.  Gloss.  III  658),  nebst  Honig 
und  einem  Kuchen,  derGelonian um  hieß  (griech. 
Honzrj,  auch  lat.  copta,  Mart.  XIV  68) ;  vgl.  Al- 
ciphr.  I  22.  Corp.  Gloss.  III  288, 25  und  Haupt 
Opusc.  II  449. 

7)  Frisches  sowohl  wie  eingelegtes,  Mart. 
V  78,  11  ff.;  X  48, 18.   Lampr.  AI.  Sev.  37.  10. 

8)  Petron.  69,  6  ff.  besteht  der  Nachtisch 


aus  Krammetsvögeln,  die  aus  Kuchenteig  ge- 
macht und  mit  Rosinen  und  Nüssen  gefüllt 
waren,  aus  Quittenäpfeln,  aus  einer  Schüssel, 
auf  der  eine  Gans,  Fische  und  verschiedene 
Vögel  alle  aus  Schweinefleisch  hergerichtet 
waren  (Friedländer  Gastm.  Trimalch.  337 hält 
das  für  ein  Schaugericht),  ferner  aus  Austern, 
Kammuscheln  und  warmen  Schnecken. 

9)  Vgl.  Ch.  M.  bei  D.-S.  I  1373  f.  Mau  bei 
P.-W.  IV  610  ff.  Wie  der  Brauch,  so  hatte  auch 
die  Bezeichnung  griechischen  Ursprung,  von 
xw/.iog,  y.oj,udCetv;  als  lateinische  Uebersetzung 
von  ovfmöaiov  hat  Cic.  Cat.  mai.  13,45  und  ad 
fam.  IX  24,  3  compotatio. 

10)  Plin.  XIV  90.  Gell.  X  23;  vgl.  oben 
S.  364  f. 

»)  Cic.Verr.126,66.  Plin.  XIV  141.  Beim 
Gastmahl  des  Trimalchio  bleiben  die  Frauen 
auch  beim  zweiten  Teil  zugegen,  c.  65  ff. 

12)  Ter.  Ad.  783.  Cic.proCael.28,67.  Quint. 
1116,26.  Mart.  IV  5, 3;  V  16, 9;  IX61,15;sehr 
häufig  auch  das  Zeitwort  com issari,  schon  Plaut. 
Stich.  686;  Most.  317;  335.  Ter.  Eun.442  u.  s. 

13)  Plaut.  Most.  a. a.  O.  Petron.  65,3:  nnu'- 
ctus  veste  alba  . .  .  comissator  intravit,  also  im 
Festkleid 

14)  Vgl.Liv.XL  7.5;  9,1.  Suet.  Dom.  21. 

15)  Daher  deren  häufige  Erwähnung  bei 
Horaz,  vgl.  Garcke  De  Horatii  corollis  convi- 
valibus,  Altenburg  1860;  mehr  über  den  Ge- 
brauch der  Kränze  überhaupt  bei  Becker-Göll 
III 443  ff.  (wo  ältere  Litteratur  verzeichnet  ist). 
Saglio  bei  D.-S.  I  1520ff.  Fiebicer  bei  P.-W. 
IV  1636 ff.  Vgl.  Sen.  dial.  IV  33, 4;  auch  bei  den 
Mahlzeiten  der  Arvalbrüder  werden  unguenta 
und  coronae  verteilt,  Acta  fr.  Arv.  27/V  218; 


Fünfter  Abschnitt.    Mahlzeiten  und  gesellige  Unterhaltungen. 


401 


wobei  letztere  ebenfalls  für  die  Haare  bestimmt  waren1).  Auch  pflegte  man, 
bevor  es  ans  Trinken  ging,  die  Laren  und  den  Genius  des  Hausherrn,  später 
auch  den  des  Kaisers  anzurufen2). 

Das  Trinken  bei  der  comissatio  erfolgte  nach  bestimmten  Vorschriften, 
was  man,  da  die  ganze  Sitte  den  Römern  von  Griechenland  her  überkommen 
war,  more  Graeco  bibere  nannte3),  d.  h.  man  trank  nach  einem  gewissen 
Komment,  über  dessen  Innehaltung  ein  von  der  Gesellschaft  erwählter4) 
Magister  oder  arbiter  bibendi6)  oder  rex  wachte6).  Dieser  bestimmte  zunächst, 
da  auch  beim  Trinkgelage  der  Wein  in  der  Regel  nicht  ungemischt  getrunken 
wurde,  die  Verhältnisse  der  Mischung  mit  Wasser7),  wobei  zumeist  das 
Wasser  überwog8).  Schon  der  Wein,  der  bei  der  cena  getrunken  wurde, 
wurde  mit  Wasser  vermischt,  und  zwar  je  nach  Wunsch  mit  heißem  Wasser, 
was  besonders  beliebt  war9),  oder  mit  kaltem,  das  ebenso  wie  das  warme 
Wasser  von  den  Dienern  den  Gästen  zugegossen  wurde l0).  Zum  Warmhalten 
des  Wassers  gab  es  besondere  Geräte  (mit  griechischem  Namen  authepsa, 
Selbstkocher,  genannt),  die  in  der  Regel  von  Bronze,  in  üppigerem  Haushalt 
von  Silber  waren11),  und  in  denen  das  Wasser  durch  glühende  Holzkohlen  warm 
gehalten  wurde;  sie  waren  oft  von  zierlicher  Arbeit  und  standen  im  Speise- 
zimmer zur  Benutzung  der  Gäste  bereit 12)  (siehe  Fig.  59 13)).  Ein  anderes  Gerät 


17  V  241  und  rosa  soluta,  s.Henzen  13;  27;  39. 
Auch  für  die  Kränze  waren  Rosen  besonders 
beliebt,  Hör.  carm.  I  36, 15;  II  11, 14;  III  29,  3. 
Mart.  III 68,5-; X  19,20.  BeiPetron. 60, 3kommt 
noch  vor  Auftragen  des  Nachtisches  ein  großer 
Reifen  mit  goldnen  Kränzen  und  Salbfläschchen 
behangen  von  der  Decke  herunter. 

x)  So  wird  Christi  Haupt  beim  Mahle  ge- 
salbt. Ev.  Matth.26,7.  Marc.  14,  3.  Daß  bei  Pe- 
tron.  70,  8  den  Gästen  die  Beine  mit  Kränzen 
umwunden  und  die  Füße  gesalbt  werden,  gehört 
zu  den  Besonderheiten  dieses  Gastmahls.  Nach 
l'lin.  XIII  22  war  das  Salben  der  Fußsohlen 
etwas  Ungewöhnliches;  daß  Fußsalbung  bei 
Tisch  aber  nicht  ganz  unerhört  war,  zeigt  das 
Beispiel  der  Maria  Ev.  Johann.  12,  3. 

2)  Hör.  carm.  IV  5,  31.  Petron.  60.  7  (hier 
allerdings,  wohl  absichtlich,  an  unpassender 
Stelle).  Dio  Cass.  LI  19,7.  Serv.  ad  Aen.  I  730. 
Vgl.  Henzen  Acta  fr.  Arv.  42 f. 

3)  Cic.  Verr.  I  26,  66:  discumbitur ;  fit  ser- 
tno  inter  eos  et  invitatio,  ut  Graeco  more  bibe- 
rc/nr;  vgl.  Pseud.  Ascon.  z.  d.  St. 

4)  Das  geschah  wohl  in  der  Regel  durch 
Würfeln,  Hör.  carm.  II  7, 25 :  quem  Venus  (d.  h. 
der  Venuswurf)  arbitrum  \  dicet  bibendi?  Luc. 
Sat.  4. 

5)  Hör.  a.  a.  O.  Cic.  Cat.  mai.  14,  46 ;  auch 
potandi  Dtoderator,  Varr.  b.  Non.  142,  6. 

6)  Hör.  carm.  I  4,  18. 

')  Hierüber  handelt  eingehend  Athen.  X 
426  u.  430  f.,  auch  für  römische  Verhältnisse 
gültig,  über  die  uns  spezielle  Nachrichten  nicht 
überliefert  sind. 

8)  Plut.qu.conv.III9,l  p.657  erklärt  die 

alte  Regel  rj  jievte  jziveiv  i)  toi'  fj  fiij  reaaaga 

durch  die  drei  Verhältnisse  3:2,  2:1,  3:1; 

Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft.    IV. 


dagegen  Ath.  X  426  E  durch  5  :  2  und  3  :  1 
für  die  beiden  ersten  Arten ;  doch  bezog  sich 
die  Regel  wohl  eher  auf  das  Maß  des  Getrun- 
kenen, wie  bei  Plaut.  Stich.  707,  wo  sie  sich 
auf  die  Zahl  der  ci/athi  bezieht,  s.  unten. 

9)  Doch  ist  calda  nicht  der  mit  heißem 
Wasser  vermischte  Wein,  wie  früher  vielfach 
behauptet  wurde  (s.  die  ältere  Litteratur  bei 
Marquardt  332  A.8),  sondern  wie  Saglio  bei 
D.-S.  I  820  und  Mau  bei  P.-W.  III  1346  richtig 
bemerken,  nur  das  zur  Mischung  benutzte  heiße 
oder  warme  Wasser,  vgl.  Mart.  I  11,  3;  VIII 
67,  7;  XIV  10,5.  luv.  5. 63.  Sen.dial.  III  12,4; 
ep.  77,  9.  Bei  Petron.  65,  7  fordert  jemand  ri- 
nn »i  ff  ealdam.  Zur  Bereitung  vgl.  Colloqu. 
Monac.  11 :  misce  mihi  calidum,  noli  ferventem 
nee  tepidum,  sed  temperatum  [et]  effunde  deimlc 
modicum.  mitte  recentem.  adice  merum. 

10)  Varr.  r.r.  III  5, 16.  Mart.  XIV  105.  luv. 
a.a.O.  Petron. 68. 3.  Tac.ann.XIII  16.  Amm. 
Marc.  XXVIII  4, 16.   Galen.  X  492  K. 

u)  Die  authepsa  ist  bei  Cic.  p.  Rose.  Am. 
46,  133  aus  Bronze,  aber  sehr  wertvoll,  bei 
Lampr.  Heliog.  19,  3  aus  Silber.  Vgl.  Saglio 
bei  D.-S.  I  585  u.  820.  Mau  bei  P.-W.  II  2594. 

12)  Ein  sehr  hübsch  gearbeitetes  Bronze- 
Exemplar  aus  Neapel  s.  Mus.  Borb.  III  63. 
Becker-Göll  II  365.  Overbeck  Pompeji  443 
Fig.  240.  Mau  Pompeji  398  Fig.  224.  In  Pom- 
peji sind  auch  sehr  hübsch  ausgeführte  Wärm- 
becken für  Kohlen  gefunden  worden,  deren 
Wände  hohl  waren  und  Wasser  enthielten,  das 
durch  einen  Hahn  entleert  wurde,  s.  Overbeck 
a.  a.  0. 441  Fig.  238  f.  Mau  a.  a.  0. 399  Fig.  226. 
Saglio  a.a.O.  821  Fig.  1027  f. 

1S)  Dies  Gefäß  (nach  Overbeck  a.  a.  O.  Fig. 
237)  besteht  aus  einem  Zylinder  von  Eisenblech 
2.  2.    3.  Aufl.  26 


402 


Zweite  Abteilung.   Das  Leben. 


zum  Wasserwärmen  war  das  miliarium,   das   diesen  Namen  wegen   seiner! 
einem  Meilenstein   ähnlichen  Form   erhalten   hatte,  d.  h.  es  war  eng  und! 

hoch1);  das  Wasser  wurde  in  Röhren,  die  um  die 
im  Gefäße  befindlichen  brennenden  Holzkohlen  sich 
herumzogen,  erwärmt2).  Wer  aber  den  Wein  kalt  zu 
trinken  liebte,  der  konnte  ihn  mit  Schnee  kühlen3), 
oder  man  mischte  ihm  kaltes  Wasser  bei4);  daß  man 
es,  was  angeblich  eine  Erfindung  des  Nero  war5),  da- 
für erst  abkochte  und  dann  wieder  abkühlte6)  (daher 
decocta1)),  konnte  in  hygienischer  Hinsicht  nur  vor- 
teilhaft erscheinen.  Während  jedoch  bei  der  Mahlzeit 
jeder  Gast  sich  nach  Belieben  warmes  oder  kaltes 
Wasser  in  seinen  Becher  mit  Wein  gießen  ließ,  wurde 
bei  der  comissatio  eine  für  alle  Teilnehmer  gleiche 
Mischung  im  Krater,  dem  Mischkrug8),  der  oft  sehr 
bedeutenden  Umfang  hatte9),  hergestellt;  da  der 
Wein  aber,  infolge  der  etwas  unrationellen  Behand- 
lung der  römischen  Weinbereitung,  viel  Hefe  oder  Satz  enthielt,  pflegte  man 
ihn  vor  dem  Eingießen  zu  filtrieren,  zu  welchem  Zwecke  man  ein  Sieb,  coluut 10), 


Fig.  59.   Warmwassergefafi 
aus  Pompeji. 


mit  beweglichem  Henkel  am  obern  Rande; 
darin  ist  oben  ein  bronzener  Kessel  von  fast 
zwei  Drittel  der  Höhe  des  Zylinders  eingelassen; 
der  Raum  darunter  ist  für  die  Kohlen,  die  durch 
eine  kleineTür  hineingelegt  wurden;  kleine,  mit 
Löwenköpfen  verdeckte  Löcher  sorgten  für  den 
nötigen  Luftzug,  um  die  Kohlen  brennend  zu  er- 
halten. Die  richtige  Bezeichnung  für  diese  Ge- 
fäße ist  wohl  caldarium,6bschon  diesWortinder 
guten  Latinität  in  diesemSinne  nicht  vorkommt. 
x)  Pallad.  V  7  (8),  7:  vas  aeneum  miliario 
simlle  id  est  altum  et  angustum.  Ath.  III  p.  98  A : 
rö  fiihägiov  xakov^itvov  vno  'Pcojuaitov  rl  eis  xrjv 
rov  -&SQIA.OV  vdazog  naxEQyaalav  xaxaaxEvatöfisvov 
mvoleßrjTa  dvofiaCovres.  Corp.  Gloss.  II 474,  56. 

2)  Sen.  nat.  qu.  III  24,  2:  facere  solemus 
dracones  et  miliaria  et  conplures  formas,  in 
quibus  aereas  fistulas  struimus  per  declive  cir- 
cumdatas,  ut  saepe  eumdem  ignem  ambiens  aqua 
per  tantum  fluat  spatii  quantum  efßciendo  ca- 
lori  sat  est.  frigida  itaque  intrat,  effluit  calida. 
Daß  auch  dies  Gerät  beim  Trinken  zur  Bereitung 
der  Calda  auf  demTisch  stand,  zeigtLuc.Lexiph. 
8 :  6  fiEvrot,  Ijivoleßrjg  vjtsgjxaylä^wv  ig  XEcpalrjv 
fj/uv  ejzexqejie  xovs  äv&gaxag ;  vgl.  Schol.  z.  d.  St. : 
tjivoksßns,  xo  kv  zfj  ovvrj&Etq  [tihagiov.  Die  zu  An- 
denken für  Badereisende  bestimmten  Silber- 
becher von  Vicarello  (vgl.  Henzen  im  Rh.  Mus. 
IX(1853)  29  ff.)  habenzwar  die  Form  von  Meilen- 
steinen, sind  aber  keine  miliaria  der  obigen  Art. 

3)  Sen.  dial.  IV  25,  4:  vinum  nive  diluere; 
vgl.  ep.  78,  23;  nat.  qu.  IV  13. 3.  Mart.  V  64, 2; 
VI  86. 1;  1X22,8;  XII  17,6;  XIV  117  nennt 
er  es  nivem  potare.  Freilich  tadeln  Sen.  a.a.O. 
und  ebenso  Plin.  XIX  55  dies  Kühlen  der  Ge- 
tränke als  verwerflichen  Luxus;  vgl.  Fried- 
länder Sittengesch.  III 19.  Daß  man  auch  Eis 


dazu  kommen  ließ,  zeigt  Plin.  a.  a.  0.  und  Sen. 
n.qu.  IV  13,  8;  ep.  78,  23. 

4)  Dazu  dienten  besondere  Kühlgefäße 
(spätlat.  gillo,  Corp.  Gloss.  VI  493,  dem  griech. 
ßavxahs  entsprechend);  auch  im  Brunnen  wurde 
es  gekühlt,  Plut.  qu.  conv.  VI  4, 1  p.  690 B. 

5)  Plin.  XXXI  40;  Neronis  principix  im 
ventum  est,  decoquere  aquam  vitroque  demissam 
in  nives  refrigerare;  doch  ist  das  Verfahren 
schon  lange  vorher  üblich  gewesen,  vgl.  Mau 
bei  P.-W.  IV  2287. 

6)  Plin.  XIX  55 :  decocunt  alii  aquas,  mox 
et  Mas  hiemant.   Mart.  II  85,  1.    Plut.  a.  a.  0. 

7)  Mart. XIV  116.  luv. 5, 49 f.;  die  decocM 
wurde  aber  gewöhnlich  ohne  Wein,  als  pures 
Wasser,  gegen  heftigen  Durst  getrunken,  vgl. 
Mart.  XIV  117  f. 

8)  Die  griechische  Form  crater  ist  mehr 
dichterisch,  die  übliche  Prosaform  ist  cratera 
oder  creterra,  Fest.  53, 10.  Non.  547, 23.  Serv. 
ad  Aen.  I  724.  Die  lateinische  Form  mixtariuk 
findet  sich  nur  bei  Lucil.  ap.  Non.  546,  26. 

9)  luv. 12,44:  urnae  cratera  capacem,  d.h. 
er  faßte  eine  halbe  Amphora  (13,13  L.). 

10)  Schon  bei  der  Weinbereitung  kam  mehr- 
fach ein  Sieb  zur  Anwendung,  s.  Mau  a.  a.  0. 
590;  da  der  Wein  aber  trotzdem  nicht  genü- 
gend klar  wurde,  filtrierte  man  ihn  nochmals 
vor  dem  Trinken,  entweder  durch  ein  über  den 
Becher  gehaltnes  colum,  und  derartige  Siebe 
sind  noch  mehrfach  in  Originalen  gefunden 
worden  (vgl.  Mus.  Borb.  VIII  14,4  u.  5).  oder  auf 
die  oben  beschriebene  Weise,  vgl.  Mart.  XIV 
103,  wo  das  colum  nivarium  vermutlich  von 
Silber  ist.  Mau  a.  a.  O.  591  vermutet,  daß  das 
Sieb  Mus.  Borb.  II  60  solchem  Zwecke  gedient 
habe.  Vgl.  auch  Saglio  a.  a.  0.  1331. 


Fünfter  Abschnitt.    Mahlzeiten  und  gesellige  Unterhaltungen. 


10:; 


über  den  Mischkrug  legte;  doch  bediente  man  sich  bei  geringeren  Wein- 
Borten  auch  eines  leinenen  Filtrierbeutels,  saccus  oder  saeculus1).  Man  tat 
dann  wohl  auch,  wenn  der  Wein  gekühlt  werden  sollte,  den  Schnee  in  das 
Sieb  oder  das  Filtertuch2).  Übrigens  nahm  man  auch  an,  daß  der  Wein 
durch  das  Filtrieren  weniger  stark  werde3).  Als  Sehöpfgefäß  diente  in  der 
Siegel  ein  an  langem  Stiel  befindlicher  Löffel,  der  einen  cyathus  (Vi*  Sex- 
itarius  =  0,045  Liter)  maß  und  auch  diesen  Namen  führte4).  Die  Zahl  der 
legathi,  die  in  den  Becher  gefüllt  wurden  (weshalb  bei  der  comissatio  größere 
jpecher  in  Gebrauch  kamen,  als  vorher  bei  der  cenab)),  bezeichnete  man  mit 
den  für  die  Teile  des  As  gebräuchlichen  Namen.  Davon  werden  die  kleinsten: 
eine  uncia  (1  cyathus)6),  ein  sextans  (2  cyathi)1)  und  ein  quadran»  (8  cyathi)*) 
wohl  nur  selten  zur  Anwendung  gekommen  sein;  am  häufigsten  waren  wohl 
(die  mittleren  Quanta9),  für  die  es  zum  Teil  auch  besondere  Becher  von  der 
entsprechenden  Größe  gab,  nämlich  der  triens  (4  cyathi)10),  der  quincunx 
(5  cyath  i)11),  die  hemina  (6  cyathi) 1 2),  der  septunx  (7  cyathi) 1 8),  der  bes  (8  cyath'i) l4) ; 
dann  wohl  wieder  seltner  die  größeren  Maße,  der  dodrans  (9  cyathi)15),  der 


!)  Bezeichnend  Mart.  a.  a.  0. :  pauperiore 
mero  tingere  lina  potes;  vgl.  XIV  204:  saccus 
mvarius;  doch  werden  nach  TI  40,5:  VIII  45,3; 
XII  60,9  auch  teuere  Weine  durch  Leinwand 
filtriert  (was  saccare  heißt,  sonst  colare,  de- 
faecare,  liquare.  s.  Marquardt  334  A.  9).  Zwar 
saut  Hör.  sat.  II  4,  54,  daß  der  Massiker  da- 
durch seinen  Geschmack  verliere,  doch  meint 
M  ai  a.  a.  O.,  daß  dies  nicht  auf  den  Gegensatz 
von  colum  und  saccus  gehe,  sondern  daß  dieser 
Wein  überhaupt  nicht  filtriert  werden  sollte. 
Daß  der  saccus  sehr  häufig  angewandt  wurde, 
Beigen  die  unten  zitierten  Stellen  des  Plinius, 
auch  Sen.ep.  77,  16.  Vgl.  im  allgemeinen  über 
den  saccus  vinarius  (und  nivarius)  Lafaye  bei 
D.S.  IV  933,  und  über  Filter  überhaupt  Olck 
bei  P.-W.VI2317. 

2)  Mart.  IX  2,  5;  XIV  103  f. 

3)  Vgl.  über  die  ganze  Prozedur  und  ihre 
Bedeutung  Plut.  qu.  conv.  VI  7  p.  692  B.  Daher 
nannte  man  das  Filtrieren  auch  vinum  (oder 
vini  vires)  frangere,  Mart.  XIV  103.  Plin.  XIV 
138;  XXIII 45,  oder  castrare,  ebd.  XIX  53.  Vgl. 
Lucil.b.  Cic.de  fin.  118,23. 

4)  Daher  der  bedienende  Sklave  puer  ad 
cyatkum  heißt.  Hör.  carm.  129, 8.  Suet.Caes.49, 
oder  a  ci/atho,  öfters  auf  Inschriften,  CIL  VI 
8963;  8815ff.;  vgl.  luv.  9,  47.  Zur  Form  vgl. 
M  ukjuardt  651  Fig.  19  f.  Pottier  bei  D.-S.  I 
1675.  Daß  aus  dem  cyathus  selbst  getrunken 
wurde,  wie  es  für  die  Griechen  Vasenbilder 
dartun  (vgl.  Becker-Göll  III  403),  ist  für  die 
Römer  nicht  erweislich. 

5)  Cic.Verr.  126,66.  Hör.  epod.9,33;  sat. 
II  8,35.   Petron.  65,8. 

6)  Bei  Mart.  I  106  1  f.  trinkt  jemand,  wenn 
ihn  der  Gefährte  (durch  Zutrinken,  s.  u.)  dazu 
nötigt,  raram  diluti  unciam   Falerni. 

7)  Nach  Suet.  Aug.  77  trank  Augustus, 
quotiem  largissime  se  invitaret,  nicht  mehr  als 


sechs  sextantes,  also  im  ganzen  12  ci/athi.  Als 
kleines  Maß  Mart.XI  128. 1;  vgl.V64,l'.HuLTSCH 
Metrologie  118  A.  6  meint,  daß  es  auch  Becher 
vom  Inhalt  eines  Sextans  gab. 

8)  Bei  Cels.  III  15  einem  Kranken  verord- 
net: bei  Mart.  IX  93  trinkt  der  Dichter  zwei 
quadrantes  (halb  Falerner,  halb  Wasser)  zu 
Ehren  des  Caesar  (6  cyathi,  weil  Caesar  soviel 
Buchstaben  hat).  Ob  es  auch  besondere  Becher 
von  der  Größe  des  Quadrans  gab,  wie  Hui.tsch 
a.  a.  O.  annimmt,  ist  ungewiß. 

9)  Besonders  3  und  5  cyath  i,  nach  der  grie- 
chischen Regel  bei  Plaut.  Stich.  707:  >/  jfAf'  // 
igia  i)  fii)  Tsoaaga,  vgl.  das.  Ritschl. 

,0)  Sie  werden  als  die  anscheinend  üblich- 
sten Trinkgefäße  oft  erwähnt,  Pers.  3,  100.  Prop. 
IV  9  (III  10),  29.  Mart.  1106,8;  IV  82,  5;  VI 
86,  1;  VIII  51,  24;  IX  87,  2;  90,  5:  X  13,  5: 
49,1  (amethystinos  trientes)',  XI  6,  9;  39,13; 
XIV  103. 1.  ' 

n)  Mart.127,2:  quiucunces puto j>osf  dcmn 
peractos;  II  1,9;  XI  36,7:  quincunces  et  sex 
cuaihoB  bestemque  bibamus. 

,2)Sen.dial.lV33,4.Vopisc.Tac.  11,1  (hier 
als  Maß  des  den  ganzen  Tag  getrunkenen  Wei- 
nes).  Mart.  XI  36,  7  sex  cyathi. 

13)  Mart.  III  82, 29 ;  VIII 51, 25 ;  seftmi  cy- 
athi, Plaut.  Pers.  771. 

14)  Mart.  XI  36,  7. 

15)  In  diesem  Sinne  wird  Hör.  carm.  III  19, 
11 :  trihus  aut  novem  miseerUur  cyaihia  pocula 
commodis  von  Marquardt  335  A.  12  und  Göu 
zum  Gallus  1 207  auf  das  Maß  des  Getrunkenen, 
nicht,  wie  von  Rein  zum  Gallus3  I  203  auf  das 
Mischungsverhältnis  bezogen.  Da  der  Dichter 
die  3  cyathi  auf  die  Zahl  der  Grazien,  die  9  auf 
die  der  Musen  deutet,  so  ist  sicher  vom  Maß 
der  getrunkenen  cyathi  die  Rede.  Doch  ist  io- 
drana  in  der  Bedeutung  von  9  cyathi  nicht  nach- 
weisbar. 

26* 


404 


Zweite  Abteilung.   Das  Leben. 


dextans  (10  cyathi) x),  der  deunx  (1 1  cyathi) 2),  endlich  der  sextarius  (12  cyathi) 3). 
Außer  dem  Mischkrug4),  aus  dem  den  Trinkern  diese  Quantitäten  gemischten 
Weines  eingegossen  wurden,  kamen  noch  andre  Weinbehälter,  in  denen  der 
ungemischte  Wein  aufgetragen  wurde,  ins  Triklinium :  so  der  oenophorus0), 
der  oft  bedeutende  Größe  hatte8),  und  das  acratophorum1),  wofür  früher  noch 
andere  Bezeichnungen  gebräuchlich  waren 8).  Ein  Weinkrug,  aus  dem  man 
einschenkte,  war  die  lagoena,  dem  griechischen  Xäyvvog  entsprechend  und 
gleich  diesem  bauchig  mit  engem  Halse  und  etwas  sich  erweiterndem  Ausguß 
und  einem  Henkel9);  man  setzte  sie  bei  den  Mahlzeiten  auf  den  Tisch10),  und 
auch  in  Wirtshäusern  war  sie  gebräuchlich11).  Seltner  kommt  die  lagoena 
als  Vorratsgefäß  vor12),  und  sie  hatte  dann  auch  abweichende  Gestalt13). 
Das  Material  war  wohl  in  der  Regel  Ton  14).  Wenn  der  Wein  in  einer  Spitz- 
amphora auf  den  Tisch  gesetzt  wurde,  so  stand  diese  in  einem  besondern 
Behälter,  der  das  Umfallen  verhütete  und  incitega  hieß15). 

Die  Regeln,  nach  denen  getrunken  werden  sollte,  bestimmte  wohl,  wie 
in  Griechenland,  der  arbiter  bibendi,  der  eine  Art  von  Herrschergewalt  aus- 
übte und  auch  sonst  den  Teilnehmern  gewisse  Leistungen  vorschreiben 
durfte16).     Dem  heutigen  studentischen  Komment  entsprach  die  Sitte  des 


')  Dies  Maß  ist  nicht  nachweisbar;  bei 
Mart.  I  26,  9 :  si  plus  quam  decies  bibis  ist 
nicht  von  zehn  cyathi,  sondern  von  zehn- 
maligem Trinken  die  Rede,  s.  Friedländer 
z.  d.  St. 

2)  Mart.  VI  78,7:  misceri  sibi  protinus 
deunces;  VII  67,  10:  Septem  meros  deunces; 
XII  28, 1 ;  es  erscheint  überall  als  Unmäßig- 
keit. 

3)  Der  sextarius  (0,547  L.)  als  Maß  des  auf 
einmal  Getrunkenen  bei  luv.  6,  427.  Für  ge- 
wöhnlich gingen  wohl  auch  die  maiora  pocula 
nicht  hierüber  hinaus  (ein  3  sextarü  enthal- 
tender calix  Plin.  XXXVII 18) ;  als  Maß  des  vor- 
gesetzten Weines  scheint  er  das  übliche  ge- 
wesen zu  sein,  Hör.  sat.  I  1,  74;  vgl.  die  In- 
schrift von  Aesernia,  CIL  IX  2689. 

4)  Die  camella,  die  in  der  Regel  sonst  eine 
Opferschale  ist  (Petron.  135  f.  Ov.  fast.  IV  779) 
konnte  auch  als  Mischkrug  dienen,  wie  bei 
Petron.  64,  13;  vgl.  über  das  Wort  Heraeus 
Sprache  des  Petron.  16. 

B)  Lucil.b.Non.173,14.  Hör.  sat.  I  6, 109. 
Pers.  5,  140.  Mart.  VI  89,  6.  luv.  7,  11.  Isid. 
XX  6,  1. 

6)  Bei  luv.  6,  425  f.  faßt  er  eine  urna 
(13,13  L.).  Bezüglich  der  Gestalt  vermutet  Mar- 
quardt  650  mit  Rücksicht  auf  die  spätlat.  Ko- 
mödie Aulularia  sive  Querolusp.38,4  (Peiper), 
daß  das  oenophoron  ein  Henkelgefäß  war,  das 
man  umkehrte,  um  es  auszugießen,  vgl.  Lucil. 
a.  a.  O.  Dagegen  hält  Friedländer  zu  Mart. 
a.  a.  O.  oenophorum  für  den  allgemeineren  Na- 
men für  die  ebd.  v.  4  genannte  lagona. 

7)  Cic.  de  fin.  III  4, 15.  Varr.  r.  r.  I  8,  5. 
Corp.  Gloss.V162, 18. 

8)  Varro  in  den  Schol.  Veron.  ad  Verg.  ecl. 
7,33  und  Prise.  VI  714P.  nennt  lepestam  aut 


galeolam  aut  sinum;  tria  enimpro  quibus  nund 
dieimus  acratophoron ;  vgl.  dens.  1.  1.  IX  21. 
Weiteres  über  diese  Gefäßnamen  siehe  unten 
S.  407  A.  8.  Meist  wird  hervorgehoben,  daß  der 
Wein  in  diesen  Gefäßen  auf  den  Tisch  gesetzt 
wurde. 

9)  Beschreibung  Anth.  Pal.  V  135;  vgl. 
Apul.  met.  II  15.  Colum.  XII  47,  2.  Phaedr.  I 
26,  8;  eine  erhaltene  mit  der  Inschrift  Mart  iah 
soldam  laqonam  bestätigt  die  Form,  s.  Jahn 
BSGW  1857, 197.  Marquardt  649  Fig.  14.  Vgl. 
Couve  bei  D.-S.  III  907. 

)0)  Hör. sat.  II  8,41.  Quint.V13,10.  Petron. 
22,  3.  luv.  5,  29.   Mart.  IV  46,  9  u.  ü. 

n)  luv.  8,  162:  daher  hingen  sie  auch  vor 
der  Tür  der  Weinschenken,  Mart.  VII  61,5. 

12)  So  Cic.  ad  fam.  XVI 26, 2 :  sicut  olim  ma- 
trem  nostram  facere  memini,  quaelagonas  et  ia m 
inanis  obsignabat,  ne  dicerentur  inanes  aliquot, 
fuisse,  quae  furtimessentexsiccatae.  Feiner  luv. 
7,  121 :  14,  271 ;  als  Giftflasche  Mart.  IV  43, 5 ; 
für  Schneewasser  (laqona  nivaria)  ebd.  XIV 
116. 

13)  So  trägt  eine  Flasche  in  Form  eines 
Ringes  (Rev.  archeol.  1868,  226.  Gaz.  archeol. 
X  262)  die  inschriftliche  Bezeichnung  lagona; 
s.  überhaupt  Couve  a.  a.  O. 

14)  Nigra  lagona,  Mart.  VII  53,  6. 

15)  Fest.  107,  3:  machinula,  in  qua  consti- 
tuebatur  in  convivio  vini  amphora,  de  qua  sub- 
inde  ferrentur  vina.  Vgl.  Pottier  bei  D.-S. 
III  456. 

16)  Das  sind  die  leqes,  quae  in  pocu/is  j>t>- 
nuntur,  Cic.  Verr.  V  il,28;  Hör.  sat.  II  6,69 
nennt  sie  legesinsanae.  Vgl.Lucian.Sat.4.  Doch 
wurde  die  Zahl  der  zu  trinkenden  cyathi  manch- 
mal auch  durch  Würfel  bestimmt,  Plin.  XIV 
140. 


Fünfter  Abschnitt.    Mahlzeiten  und  gesellige  Unterhaltungen. 


in:, 


Vortrinkens,  propinare l) ;  davon  gab  es  aber  verschiedene  Arten :  entweder 
ging  der  Trunk  in  der  Reihenfolge  der  Plätze  um  den  ganzen  Tisch  herum, 
wobei  jeder  seinem  Nachbar  zur  Rechten  zutrank2),  ein  Brauch,  der  in  Rom 
früh  abgekommen  zu  sein  scheint3);  oder  man  trank  einem  beliebigen  andern 
zu.  indem  man  den  geleerten  Becher  neu  füllen  ließ  und  ihn  dem  andern 
zum  Austrinken  reichte4).  Austrinken  mit  einem  Zuge  und  bis  auf  den 
Grund  gehörte  zum  Komment5).  Ferner  war  es  üblich,  auf  das  Wohl  einer 
an-  oder  abwesenden  Person  zu  trinken  und  dabei  so  viel  cyathi  in  den 
Becher  einschenken  zu  lassen,  als  der  Name  Buchstaben  hatte6);  die  dabei 
übliche  Formel  war  bene  mit  dem  Dativ  oder  Akkusativ  der  gefeierten  oder 
angeredeten  Person7),  während  die  andern  dem  Trinkenden  ein  unserem 
Prosit  entsprechendes  vivas  zuriefen8).  In  der  Kaiserzeit  war  es  Gebrauch, 
in  solcher  Weise  bei  Tisch  des  Kaisers  zu  gedenken9). 

Was  die  Formen  der  Trinkgeschirre  (allgemein  poeula10))  anlangt11), 
so  sind  dreierlei  zu  unterscheiden:  Schalen,  Becher  und  Hörner.  Die  runde 
Schale,  die  flach  und  ohne  Handhabe  war,  heißt  mit  dem  lateinischen  Aus- 
druck patera,  womit  zwar  später  meist  eine  Opferschale  bezeichnet  wird12), 
die  aber  ursprünglich  ein  Trinkgefäß  war13);  mit  den  griechischen  Trink- 
sitten kam  aber  dafür  das  griechische  phiola  auf14).  Die  übliche  Trinkschale 
ist  der  oft  erwähnte  calix16),  der  die  Form  der  griechischen  xvh£  hatte,  von 
der  auch  sein  Name  kommt16),  d.  h.  er  war  mit  Fuß  und  Henkel  versehen17); 


')  Man  sagte  vermutlich  griechisch ^toojkVw 
aoi ;  erhalten  ist  uns  die  lateinische  Formel  pro- 
mno  tibi,  Plaut.  Stich.  707 ;  710;  vgl.  Cure.  359. 
Cic.  Tusc.  I  40, 96.  Seltner  ist  das  lateinische 
]tr(h'li//),'/i',s.Cic.Tusc.l  40,96.  Apul.met.X16. 

2)  Das  heißt  ab  summo  bibere,  Plaut.  Asin. 
891;  Pers.  771. 

3)  Es  wird  nur  bei  Plautus  erwähnt;  Cic. 
Cat.  mai.  14,  46  spricht  nicht  vom  Trinken  a 
sii anno,  sondern  vom  sernio  in  poculo,  der  auf 
dieselbe  Art  herumging. 

4)  Verg.  Aen.  I  737  f.  überträgt  es  in  heroi- 
sche Zeit,  worauf  Mart.  VIII  6, 13  anspielt.  Vgl. 
Plaut.  Pers.  775  f.  Sen.  dial.  IV  33,  4.  Mart.  I 
68,3;  1115,1;  11182,25;  31;  VI  44,6;  X  49,3; 
XII  74,  9.   luv.  5,  127. 

5)  Plin.XIV  145 ;  für  spätere  Zeit  siehe  die 
von  Marquardt  336  A.  6  und  Becker-Göll  I 
209  angeführten  Stellen  des  Ambrosius. 

6)  Plaut.  Pers.  77 1 ,  wo  allerdings  der  Haus- 
herr die  Gäste  auf  sein  eignes  Wohl  trinken 
läßt.  Mart.  I  71,  1 :  Laevia  sex  cyathis,  Septem 
Lisi  Irin  bibatur,  quinque  Li/cas,  Lyde  quattuor, 
Ida  tribtis ;  IX  93,  3 ;  XI  36, 7 ;  XIV 170, 2.  Daß 
dabei,  wenn  die  betreffende  Person  zugegen  war 
und  angerufen  wurde,  die  Buchstaben  desVoka- 
tivs gezählt  wurden,    zeigt  Mart.  VIII  51,20. 

7)  Plaut.  Pers.  773  lautet  es  bene  mihi,  bene 
Vobis,  bene amicae ;  ebd. 775:  bene  otnnibus  nobis ; 
ders.  Stich.  709 :  bene  vos,  bene  nos,  bene  te,  bene 
me,  bene  nostram  etiam  Stephanium.  Das  sind 
allerdings  sehr  summarische  Trinksprüche;  spe- 
ziellere Tib.  II 1, 31 :  bene  Messalam.  Ov.  a.  a.  I 
60 1 :  fast.  II 637 .  Aber  auch  bei  der  Mahlzeit  wur- 
de wohl  ein  Hoch,  besonders  auf  den  Wirt  aus- 


gebracht, wie  das  Gaio  feliciter  bei  Petron.  50, 1. 
s)  Dio  Cass.  LXXI1  18,  2:  daher  auch  die 
Inschrift  vivas  auf  Trinkbechern,  s.  Rhein. 
Jahrb.  XIII  105;  XVI  71;  XXI  57. 

9)  Das  geschah  oft  in  Form  einer  Spende,Dio 
Cass.LI  19,7,  vgl.sonstOv.  a.a.O.  Mart.  IX  93,4. 

10)  Poculum  ist  ein  Trinkgefäß  ohne  Rück- 
sicht auf  seine  Form,  ob  Schale,  Becher,  Krug 
(man  vgl.  die  Tongefäße  mit  der  Inschrift  po- 
colom,  CILI440ff.),  oder  auf  das  Material; 
vgl.  Karo  bei  D.-S.  IV  520. 

n)  Vgl.  Marquardt  651  ff.  Becker-Göll 
III  404  ff. 

12)  Varr.l.l.V122.  Hör.  sat.  I  6.118  ;carm.I 
31,2;IV5,34u.ö.  Vgl.PoTTiERbeiD.-S.IV541. 

1S)  Varr.a.a.O.  Verg.  Aen.  1729.  Mart. VIII 
6,14.  Macr.  sat.  V  21,4. 

14)  Plin.  XXXIII 156.  luv.  5,  39.  Mart.  III 
41. 1 ;  VIII  33, 2  und  23;  51, 1 ;  XIV  95.  Digg. 
XXXI V  2, 19, 13.  CIL  II  2326:  III  4806.  Vgl. 
Pottier  bei  D.-S.  IV  434. 

15)  So  bei  Horaz,  sat.  II 4, 79 :  6, 68 ;  8, 35 ; 
ep.  15,19.  Pers.  6,20.  luv.  1,57;  5,47;  8, 168; 
11. 145;  sehr  oft  bei  Martial  u.  s. 

16)  Macr.  V  21. 18.  Corp.  Gloss.  VI  168. 

17)  Vgl.  Jahn  Vasensamml.  d.  Kön.  Ludw. 
Taf.  1 12.  Marquardt  652  Fig.  21.  Saglio  bei 
D.S.  I  850  f.  Daß  der  calix  oft  sehr  tief  war, 
zeigt  Plin.  XXXVII 18,  wo  ein  myrrhinus  calix 
erwähnt  ist,  der  3  Sextare  (also  1,64  L.)  faßte, 
und  der  calix  crystallina*  bei  Capitol.  Ver.  10,9 : 
humanae  potionis  rnodum  supergressus.  Auch 
warme  Speisen  wurden  in  einem  calix  serviert, 
z.B.  Brei  und  Gemüse,  Varr.  1. 1.  V  127.  Ov.  fast. 
V509. 


406 


Zweite  Abteilung.   Das  Leben. 


doch  gab  es  auch  calices  von  besonderer  Form l).  Seltner  brauchte  man  das 
nachenförmige,  länglich  und  tief  gestaltete  cymbium2)  oder  scaphium3).  wo- 
neben noch  einige  seltnere  oder  veraltete  Namen  vorkommen4). 

Auch  für  die  Trinkbecher  sind  die  Spezi albenennungen  ebenso  wie  die 
Formen  griechisch.  Am  häufigsten  findet  sich  der  in  der  Mythologie  dem 
Herakles  als  eigentümlich  zugeschriebene  scyphusb),  mit  tiefer,  oft  ein  großes 
Quantum  fassender  Wölbung6),  bald  mit,  bald  ohne  Fuß  und  Henkel  üblich7). 
Seltner  scheint  der  in  den  Kunstwerken  dem  Dionysos  zukommende  can- 
tharus8)  mit  meist  hohem  Fuß  und  Henkeln,  die  oft  den  Rand  des  Bechers 
überragen,  in  Gebrauch  gewesen  zu  sein,  da  ihn  vornehmlich  nur  die  Dichter 
erwähnen9);  noch  seltner  das  ähnlich  geformte  carchesium10).  Ganz  vereinzelt 
kommt  das  ciborium  vor11).  Das  Trinken  aus  einem  Hörn  (rhytion)12),  wobei 
man  den  Weinstrahl  aus  dem  spitzen  Ende  des  hochgehaltenen  Hornes  ia 
den  Mund  laufen  ließ,  war  zwar  den  Römern  auch  bekannt13),  aber  jedenfalls 
viel  weniger  üblich,  als  bei  den  Griechen. 

Neben  diesen  bei  den  Mahlzeiten  und  Trinkgelagen  gebräuchlichsten 
Trinkgefäßen,  die  größtenteils  erst  unter  dem  Einfluß  der  griechischen  Trink- 
sitten Aufnahme  gefunden  hatten,  erhielten  sich  die  mannigfach  benannten 
Gefäße  der  früheren  Zeit  teils  im  Gebrauch  des  Volkes,  teils  als  Opfergerät. 
Ein  solches  ist  die  mit  Henkeln  versehene,  meist  tönerne  capis14),  die  aber 
auch  später  noch  als  Trinkgefäß  aus  edeln  Materialien  hergestellt  wurde15). 
Dasselbe  ist  wohl  die  capedo,  die  aber  nur  als  tönerne  Opferschale  vorkommt16). 


')  So  die  calices  Vatiniani,  nach  einem 
Lustigmacher  Neros  benannt,  Mart.  X  3,4;  XIV 
96.  luv.  5,46. 

2)  Varr.  b.  Non.  545, 24.  Verg.  Aen.  III 66 ; 
V267.  Mart.  VIII 6,2.  Digg.XXXIV2.32, 1.  Zur 
Entstehung  (griech.  xviA.ßn)  Fest.  51,10.  Macr. 
V  21,9;  vgl.  Pottibr  bei  D.-S.  1 1698. 

s)  Plaut.  Bacch.  70;  ders.  Stich.  693  be- 
zeichnet scaphia,  cantJiari,  batiolae  als  Trink- 
gefäße der  Reichen.  Vgl.  auch  Cic.  Verr.  IV  17, 
37;  24,54.  Pottier  bei  D.-S.  IV  1114. 

4)  Der  yaulus  Plaut.  Rud.  1319,  wohl  auch 
nachenförmig,  da  yavlog  eine  Schiffsform  ist; 
ferner  die  baüola,  Plaut.  Stich.  691,  wo  Ritschi 
batiochis  schreibt,  Löwe  batiocis,  Camerarius  ba- 
tiolis.  Nach  den  Glossen  ist  aber  die  batioca  eine 
Opferschale  (vgl.  die ßauäy.i/.  Dipbil.bei  Ath.  XI 
484  E,  und  die  pattioca  Arnob.  II  23),  hingegen 
die  batiola,  die  Non.  545, 16  aus  dem  Colax  des 
Plautus  belegt,  ein  jioxfjQiov  rpiaXoeidec  oder  ein 
calix  latus,  non  angustus;  s.  Corp.  Gloss.  VI  132. 

5)  Plaut.  Asin.  444.  Cic.  ad  fam.  VI  22.  Hör. 
carm.  127,1;  epod.  9,33.  Sen.  nat.  qu.  IV  13, 10. 
Mart.  VII  72, 4:  VIII  6, 11.  Hölzern  ist  er  der 
Milchbecher  der  Hirten,  Serv.  ad  Aen.  VIII 278 : 
vgl.  Tib.  1 10.8.  Athen.  XI  498  F. 

6)  Daher  scyphi  capaces,  Sen.  dial.  V  14,2; 
ep.  78,23;  selbst  ein  Riesenpokal,  ein  scyphus 
urnalis,  kommt  bei  Petron.  52, 1  vor,  doch  ist 
das  wohl  als  Aufschneiderei  des  Trimalchio  zu 
fassen. 

7)  Vgl.  Digg.  VI  1, 23, 2.  Athen.  XI 500  A. 

8)  Vgl.  Saglio  bei  D.-S.  I  893  ff. 


9)  Amhäufigsten,vermut)ichim Anschluß 
an  seine  griechischen  Originale,  Plautus,  z.  B. 
Asin.  906;  Stich.  693;  710;  738;  Pseud.  957; 
Rud.  1319;  Men.  177  u.ö.  Sonst  vgl.  Hör.  carm. 
I  20.2;  ep.  15.23.  luv.  5.265. 

10)  Vgl.  Saglio  a.a.O.  919  f.  Beschreibung  bei 
Ath.XI474E;  nach  Macr.  V21.3:  Graecistan- 
tummodonotum.  Als  Trinkgefäß,  bei  Opfern  etc. 
erwähnt  s.  Verg.  Geo.  IV  380;  Aen.  V  77.  Ov.met. 
VII 246;  XII 318.  Val.  Fl.  11656.  Sil.  It.  XI 301. 

11)  Nur  Hör.  carm.  II  7,22;  es  hatte  seinen 
Namen  von  der  Aehnlichkeit  mit  dem  Gehäuse 
einer  so  benannten  Bohne,  Ath.  XI 477  E.  Schol. 
zu  Hör.  a.  a.  O.  Vgl.  Saglio  a.  a.  0. 1 1 7 1 . 

12)  Mart.  II  35,2;  Corp.  Gloss.  III  324,53  in 
der  Form  rutium.  Vgl.  Bähkens  im  Arch.  f.  lat. 
Lexikogr.  II  (1885)  476. 

n)  Das  zeigen  römische  Wandgemälde  und 
Originale,  s.  Mus.  Borb.  V  20;  VIII  14.  Vgl.  im 
allgemeinen  Pottier  bei  D.-S.  IV  865  ff. 

14)  Auch  capula,  nach  Varr.  1. 1.  V  121  a  ca- 
piendo,  quod  ansatae  ut  prehendi  possent  id  est 
capi.  harum  figuras  in  vasis  sacris  ligneas  ac 
fictilis  antiquas  etiam  nunc  videmus;  vgl.  dens. 
bei  Non.  547, 11.  Fest.  p.  48,9;  als  Opfergerät 
Liv.X7,10.Prisc.VI708.Corp.Gloss.V617,41. 

15)  So  die  myrrhina  capis,  für  die  Nero  eine 
Million  Sesterzen  zahlte.  Plin.  XXXVII 20 ;  auch 
die  1000  capides,  die  Trimalchio  zu  besitzen  be- 
hauptet, sind  Trinkbecher.  Ueber  die  Form  vgl. 
Saglio  bei  D.-S.  I  896.  Mau  bei  P.- W.  III 1504. 

16)  Cic.n.deor.III  17,43 ;parad.I  ll;derep. 
VI  2,2;  vgl.  Corp.  Gloss.  VI  176. 


Fünfter  Abschnitt.    Mahlzeiten  und  gesellige  Unterhaltungen. 


I<»7 


Ein  vulgäres  Trinkgefäß  mit  breitem  Boden  war  die  obba1),  »leren  man  rieh 
auch  bei  den  Grabspenden  bediente2);  dagegen  war  die  trulla  ein  Gefäß,  das 
nach  Art  einer  Schöpfkelle  einen  langen  Griff  hatte3),  man  benutzte  es  aber 
jedenfalls  nicht  bloß  zum  Schöpfen  des  Weines  aus  dem  Mischkrug,  wie  den 
cf/<ithiis,  sondern  auch  zum  Trinken4).  Sie  kam  ebenso  aus  einfachem  Ton6), 
wie  aus  kostbaren  Stoffen  vor6).  Andere  Namen  finden  sich  entweder  nur 
vereinzelt,  wie  der  Modiolus1),  oder  waren  veraltet,  wie  die  lepesta,  die  yaleola 
und  das  sinum,  in  denen  früher  der  Wein  auf  den  Tisch  gekommen  war8). 
Endlich  kamen  auch  obszöne  Formen  vor,  etwa  als  Spezialität  von  perverser 
Phantasie9). 

Das  Material  für  all  diese  Trinkgefäße  war  auch  später  noch  vielfach, 
wie  in  den  älteren  einfachen  Zeiten,  Ton10),  wenn  auch  nur  im  bescheidenen 
Haushalt11);  allein  schon  früh  war  der  Luxus  in  edeln  Metallen  auch  hier 
allgemein  geworden  und  zum  argentum  escariutn  das  aryentum  potorium  ge- 
treten12). Die  meisten  der  genannten  Gefäße  wurden  in  Silber  gefertigt13), 
und  zwar  spielte  auch  hier  das  alte  Silbergerät,  dessen  Urheberschaft  irgend- 
einem berühmten  griechischen  Toreuten  zugeschrieben  wurde,  eine  wichtige 
Rolle14).    Unter  den  uns  erhaltenen  Silberarbeiten  befinden  sich  auch  sehr 


l)  Pers.  5, 148:  sessilis  obba :  vgl.  Varro  b. 
Non.  146,10;  nach  dems.  545,1  poculigtnus  vel 
ligneu m  vel  ex  spar/o.  Laber.  b.  Gell.  XVI  7,9. 
Tei  t.  apol.  13.  Vgl.  Pottiek  bei  D.-S.  IV  133. 

")  Corp.  Gloss.  11137,29. 

3)  Nach  Fest.  31,1  ein genus  ras/s  longioris 
manubrii;  vgl.  Cic.  Verr.  IV  27, 6"^:  et  ttna  gem- 
iiki  pergrandi  trulla  excavata  <-nn>  inanubrio 
aureo.  Varr.  1. 1.  V  118  vergleicht  sie  mit  der 
trua,qua  e  culina  in  lavatrinam  aqua  in  f und  mit, 
nur  daß  sie  kleiner  sei;  die  Glossen  übersetzen 
trulla  mit  Caifiäovoig, £copähotQos  u.dgl.,  Corp. 
Gloss.  VII 370. 

4)  Digg.  XXXIV  2, 36  wird  sie  zusammen 
mit  scyphi,  modioli  und  phialae  genannt;  als 
Trinkgefäß  auch  Hör.  sat.  II  3, 143,  wohl  auch 
Petron.  75,4.  Hingegen  sind  die  trullae  ligneae 
und  dheneae  bei  Cat.  r.  r.  1 3. 2  keine  Trinkgefäße, 
sondern  gewöhnliche  Schöpfkellen ;  und  bei  luv. 
B,  1 1 18  steht  trulla  in  übertragener  Bedeutung,  s. 
Friedländer  z.  d.  St.  Ueber  die  ?>•«//«  alsMaurer- 
kelle  s.  Blümner  Technol.  III 110.  Unsicher  ist 
Kart.  IX  96, 1,  wo  es  Friedländer  als  Medizin- 
löffel  erklärt;  dazu  würde  aber  die  Form  der 
Schöpfkelle  schlecht  passen. 

5)  Hör.  a  a.  0. 

6)  Aus  Edelstein,  Cic.  a.  a.  0. ;  aus  Myrrha, 
Plin.  XXXVII 20 ;  CIL  X  6  trulla  argentea  ana- 
mhfpta. 

7)  Digg.  a.  a.  0.;  wohl  ein  zylindrisches,  dem 
modius  ähnliches  Trinkgefäß. 

8)  Nach  Varro  bei  Non.  547, 18  (auch  bei 
Sei  v.  ad  Verg.  ecl.  7,33  und  Prisc.VI  7 14P.)  hätte 
man  später  statt  dieser  drei  das  acratophoron 
(s.  oben)  gehabt.  Die  lepesta  (oder  lepista)  war 
nach  Varr.  bei  Non.  547,20  bei  den  Sabinern  im 
Kultus  üblich,  meist  von  Ton  oder  Erz,  vgl.  dens. 
1.  1.  V  123.  Corp.  Gloss.  VI  637;  es  ist  die  grie- 
chische Ifnaartj.   Die  galeola  bezeichnet  Non. 


547, 15  wie  das  sinum  als  vas  sinuoeum;  das 
sinum  diente  ebensowohl  alsMilchnapf,  Colum. 
VII 8. 2.  Vere.  ecl.  7, 33. Mart.  III 58. 20.  Bährens 
PLM 1 12, 12,  wie  für  Wein,  Plaut.  Cure.  78 
Afran.  b.  Schol.  Verg.  ecl.  7, 32;  ebd.  Cicero.  Van  o 
1. 1.  V  123:  vas  vinarium  grandius.  Die  blossen 
erklären  es  als  vas  testeum,  s.  Corp.  Gloss.  VII 
273  (die  Form  sinum  ist  die  gewöhnlichere,  ob- 
schon  auch  sinus  vorkommt.  Plaut.  Cure.  82; 
Rud.  1319.  Afran.  a.  a.  0.). 

9)  So  der  gläserne priapus,  luv.  2,95;  vgl. 
Plin.  XXXIII 4:  mpoeulislibidinescadareiuvcft 
<<<■  per  obecenüates  bibere.  Quint.  1 2.8  sagt  von 

den  conriria:  /»ident/a  dictu  spretantur. 

10)  Besonders  die  calieex.  Plaut.  Capt.  916. 
Cic.  in  Pis.  27, 67.  Varro  bei  Non.  545. 19.  Mart. 
IX  59.22;  XIII 110;  XIV  96;  108;  157,2.  luv. 
1 1 ,  145.  Suet.  Calig.  32 ;  Galb.  18.  Capit.  Ver.  4, 7. 
Lampr.  Comm.  1,8.  Eine  _»atem  Hör.  sat.  I  6, 
118;  ein  cyvihium  Mart. VIII  6.2.  Holzwarwohl 
selten;  Paul.  sent.  III  6,67  nennt  neben  cristal- 
Una,  urgenten,  vitrea  vasa,  tarn  teearia  quam 
pocularia,  auch  Im.rina. 

»)  Vgl.  luv.  3.168;  10,25. 

12)  Digg.  XXXIV  2. 32, 2.  Paul.  sent.  III  6, 
86  (auch  vasa  pocularia,  ebd.  67);  auf  Inschr. 
Sklaven  ad  argentum  potnrium,  CIL  VI  8730; 
praepoeiUiS  argenti  potori,  ebd.  8729. 

13l  Paterae,  Plin.  XXXIII 153.  Mart.  VI 92; 
VIII  6.14;  phialae.  Plin.  a.a.O.  156.  Mart.  III 
41 ;  Vni  51,1;  ci/mbia.  Verg.  Aen.  V  267.  Digg. 
XXXIV  2,32, 1;  scaphia,  Cic.  Verr.  IV  17,37. 
Plaut.  Stich.  693;  besonders  sci/phi.  Varro  bei 
Gell.  III  14.3.  Cic.  Verr.  II  19,47:  IV  14,32. 
Mart.  VIII  6, 11:  XII  69, 1.  Treb.  Poll.  Claud. 
14,4. 

")  Vgl.  bes.  Mart.  III  41 ;  IV  39;  VIII  51 : 
XI  11,5;  XII  69;  XIV  93.  Siehe  Friedländer 
Sittengesch.  III  274. 


408 


Zweite  Abteilung.   Das  Leben. 


schön  ausgeführte  Becher,  Schalen  u.  dgl.1).  Es  sind  daher  ganz  besonders  die 
argentarii,  die  solche  Efi-  und  Trinkgeschirre  herzustellen  haben2),  speziell 
die  argentarii  vascularii*),  während  die  vascularii  ohne  nähere  Bezeichnung 
wohl  Gefäße  verschiedener  Art  führten4)  und  wie  die  negotiatores  argentarii 
vascularii  nur  Händler  waren5).  Auch  die  caelatores  oder  caelatores  anagly- 
ptarii6),  die  crustarii1)  u.  dgl.  sind  Fabrikanten  solchen  Geschirrs 8).  Während 
die  Bronze  für  Trinkgeräte  nicht  beliebt  gewesen  zu  sein  scheint9),  war 
dagegen  das  kostbare  Gold  häufig10),  wenn  auch  oft  das  Gold  sehr  dünn 
oder  nur  Inkrustation  oder  Vergoldung  war11).  Dafür  wurden  in  besonders 
reichen  Häusern  die  goldenen  Becher  mit  kostbaren  Edelsteinen  besetzt,  als 
pocula  gemmata12).  Hingegen  waren  Trinkgefäße,  die  von  Gemmenschneidern, 
den  oben  erwähnten  scalptores  gemmarum13),  ganz  aus  Halbedelsteinen  ge- 
schnitten waren  (besonders  aus  Onyx),  immer  seltne  Kostbarkeiten14),  wie  sich 
deren  einige  wenige  noch  erhalten  haben15);  etwas  häufiger  anscheinend  die 
aus  Bergkristall  geschnittenen  crystallina1*),  bei  denen  die  aus  tadellos  reinem 
Stein  {acenteta)  am  geschätztesten  waren17);  diese  Gefäße  waren  aber  auch 
sehr  kostbar,  obschon  man  sie  in  Glas  täuschend  nachzuahmen  verstand18). 


x)  Vgl.  Overbeck  Pompeji  624  f.  Mau  Pom- 
peji 402.  Mon.  Piot  V  pl.  5  ff. 

2)  Auf  den  Inschriften  kommen  argentarii 
häufig  vor,  doch  ist  es  nicht  immer  ersichtlich, 
ob  Wechsler  (Bankiers)  oder  Silberarbeiter  da- 
mit gemeint  sind,  wenn  nicht  sonstige  Anzei- 
chen für  letztere  Bedeutung  vorliegen,  also  sie 
etwa  mit  aurarii  zusammen  genannt  sind,  wie 
CIL  VI  9209;  XI  3821;  vgl.  Marquardt  695 
A.  1 1 ;  so  auchLampr.  AI.  Sev. 24, 5.  Cod. Theod . 
XIII 4, 2.  Sonst  kommen  fahrt  arqentarii  öfters 
vor,  Digg.  XXXIV  2,39  pr.  CIL  III 1632;  VI  2226; 
9390 ff.;  XI  5285;  6077;  XII  4474;  XIII 1963. 

3)  CIL  II  3749;  V  3428;  VI  9958.  Digg. 
XLIV  7, 61  pr.  Marquardt  695  A.  9. 

4)  Marquardt  ebd.  A.  10.  Corp.  Gloss.  II 
433, 18 :  oxsvojtüXris ;  ebd.  596, 23 :  vasavendens. 
Ein  aerarius  vascularius  CIL  VI  9138. 

5)  CIL  XIII  1948. 

6)  CIL  II  2243;  VI  9221. 

7)  Plin.  XXXIII  157,  nach  den  vasa  cru- 
stata,  vgl.  Fest.  53, 6 :  crustaria  taberna.  Ueber 
crustae  und  emb/emata  vgl.  H.  de  Villefosse 
MeL  Boissier  277  ff. 

8)  So  der  argentarius  caelator,  CIL  VIII 
21106;  der  tritor  argentarius  VI  9950  (d.i.  xo- 
Qsvrtjs,  s.  Corp.  Gloss.  IT  202, 13);  der  excussor 
argentarius,  Dessau  7698;  der  artis  argenta- 
riae  exclusor  CIL  XIII 2024  (erklärt  durch  Au- 
gustin. enarr.  in  ps.  67, 39 ;  de  spir.  et  litt.  10, 27) ; 
auch  wohl  der  inpaestator  VIII  9427  (der  die 
Kunst  der  i/.uiaiouxr'j  ausübt) ;  vgl.  20953. 

9)  Bronzene  Trinkgeräte  werden  selten  er- 
wähnt und  haben  sich  auch  nur  wenig  erhalten, 
vgl.  Friederichs  Berl.  ant.  Bildw.  II 164. 

10)  Aurum  potorium,  CIL  VI  8733;  aurea 
potoria,  Plin.  XXXIII 136.  Goldne  phiala,  Mart. 
XIV  95 ;  scaphium,  Cic.  Verr.  IV  24, 54 ;  scyphus, 
Plaut.  Rud.  32. 

n)  Mart.  VIII  33,2.  Digg.  XXXIV  2,31; 


Prop.  III  31  (II  33),  40. 

12)  Plin.  XXXVII  17;  vgl.  XXXIII  5 :  turba 
gemmarum  potamus  et  zmaragdis  teximus  ca- 
'lices;  vgl.  Mart.  IX  59,17.  luv.  10,26.  Digg. 
XXXIV  2. 19, 13u.20.  So  calices gemmati,  Mart. 
XIV  109.  Treb.  Poll.  Claud.  17,5;  paterae  und 
scyphi,  ebd.;  vasa  gemmata,  ders.  Gall.duol6,4. 
Sklaven  ab  auro  gemmato,  CIL  33764.  Der 
Brauch  war  vom  Orient  gekommen,  vgl.  Cic. 
Verr.  IV  27, 62. 

13)  Siehe  oben  S.  265 ;  das  war  zumal  Arbeit 
des  sculptor  vascularius,  CIL  VI  9824. 

14)  Eine  trulla  ex  una gemma pergrandi  ex- 
cavata,  manebrio  aureo,  bei  Cic.  Verr.  IV  27, 62 ; 
vgl.  Verg.  Georg.  II  506.  Prop.  IV  4  (III  5),  4. 
Plin .  XXXVII 95  erwähnt  Gefäße  aus  indischem 
Karfunkel  (Rubin),  die  einen  Sextarius  faßten; 
vgl.  ebd.  104.  Apul.  met.  II 19.  Mart.  XIV  110. 

15)  Vgl.  Marquardt  764  f. 

16)  Trinkgefäße  aus  Bergkristall  Mart.  1 53, 
6 ;  III 82, 25;  VIII 77, 5;  IX  22, 7;  73, 5;  1X59. 13; 
X  13,5;  66,5;  XIV 111  (doch XII 74, 1  sind  cry- 
stalla  Glasgefäße).  luv.  6, 155.  Sen.  dial.  V  40, 
2  f . ;  de  ben.  VII  9,3;  ep.  119, 3 ;  123,  7.  Plin. 
XXXVII  29.  Stat.  silv.  III  4, 58.  Capitol.  Ver. 
10,9;  Anton,  phil.  17,4.  Besondere  Sklaven  a 
crystall-inis,  CIL  III 536.  Man  pflegte  sie  nur  zu 
kalten  Getränken  zu  benutzen,  Plin.  a.a.O.  26. 
Isid.  XVI  13,1.  Vgl.  überhaupt  Blümner  Tech- 
nol.  III  250. 

17)  Plin.  XXXVII  28.  Fronto  de  fer.  Ath.  3 
p.  224  Naber.  Apul.  met.  II  19:  crystallum  h>- 
punctum. 

18)  Plin.  a.  a.  O.  29 :  nitre  hie  ad  similitudi- 
nem  accessere  vitrea,  sedprodigii  modo,  ut  suum 
pretium  auxerint,  crystalli  non  diminuerint. 
Fraglich  ist  der  Sinn  von  Mart.  IX  59,13:  tur- 
bata  brevi  crystallina  vitro.  Becker  II 382  ver- 
stand darunter  ein  unreines,  etwa  grünliches 
Stück  oder  Stelle;  Göll  ebd.  Kristallgefäße,  mit 


Fünfter  Abschnitt.    Mahlzeiten  und  gesellige  Unterhaltungen. 


10!» 


Koch  erhaltene  Kristallgefäße  sind  sehr  selten1).  Vermutlich  waren  auch 
lie  als  Trinkgefäße  öfters  genannten  vasa  murrina2),  die  ebenfalls  für  eine 
feroße  Kostbarkeit  galten,  zumal  die  größeren  Exemplare 3),  von  irgendeinem 
keltnen  Stein,  doch  ist  die  sichere  Beantwortung  der  Frage,  aus  welchem 
Material  sie  bestanden,  noch  immer  nicht  gelungen4),  obschon  so  viel  fest- 
lieht,  daß  dasselbe  kein  künstlich  erzeugtes  war5).  Doch  verstand  man  sich 
null  darauf,  die  murrina  in  Glas  täuschend  nachzuahmen6).  Selten  und 
kostbar  waren  auch  Trinkgefäße  aus  Bernstein7).  Hingegen  waren  Trink- 
Uefafie  jeder  Art  aus  Glas,  die  früher  auch  noch  teuer  gewesen  waren,  durch 
Ige  Fortschritte  in  der  Technik  der  Glasarbeit  (der  vitrearii8))  und  die  Ver- 
breitung der  Fabrikation  über  Italien  und  die  Provinzen9)  immer  häufiger 
|md  billiger  geworden  und  werden  daher  als  calices  vitrei  u.  dgl.  Öfters  er- 
kühnt10). Indes  blieben  die  Erzeugnisse  der  ägyptischen,  besonders  der 
hlexandrinischen  Glasfabrikation  immer  noch  wertvoll11),  namentlich  die  mit 
Erhabenen  Verzierungen  versehenen12),  die.  in  einer  auf  farbigen  Untergrund 
aufgelegten  weißen  Überfangschicht  ausgeschnitten,  dem  Gefäß  das  Aussehen 
feines  in  Halbedelstein  gearbeiteten  verliehen13).  Auch  die  Meisterwerke 
römischer  Glasarbeit,  die  von  durchbrochenem  Glasfadennetz  umgebenen  vasa 


rlasgeschirr  untermischt  (des  Betruges  wegen); 
Friedländer  zu Mart.  ein  Kristallgefäß  mit  ein- 
geflicktem kleinem  Stück  Glas. 
J)  Vgl.  Marqüabdt  765  A.  7. 
■j  M nrra , »ix rr i na , in >( i-i-i'a,besonAevsvoii 
iPlin.  XXX VII  18—22  besprochen;  sie  kamen 
danach  zuerst  im  Jahre  61  v.  Chr.  durch  Pom- 
ipeius  mit  der  mithradatischen  Beute  nach  Rom. 
Erwähnt  weiden  sie  oft,  vgl.  noch Plin.  XXXIII 
15;  XXXV  158;  163;  XXXVII  204.  Prop.  IV  9 
(III  10),  22;  V  (IV)  5,26.  Sen.  ep.  123,7.  Mart. 
III  26, 2 ;  IV  85, 1 ;  IX  59, 10;  X  80, 1 ;  XI  70, 8 ; 
XIII  110,1;  XIV  113.  luv.  7,133.  Stat.  silv.  III 
4,58  u.  s. 

3)  Einen  calix,  der  drei  Sextarien  faßte,  er- 
mähnt Plin.  XXXVII  18 ;  ebd.  und  19  f.  werden 
((Preisangaben  gemacht,  von  70000, 300000  und 
jlMillionSesterzen(15226,65256u.217521^.). 

Ihre  Zusammenstellung  mit  Goldgefäßen  (z.  B. 
JLucan.  IV  380)  zeigt  ihren  Wert  also  nur  sehr 
allgemein  an.  Vgl.  Friedländer  Sittengesch. 
III  101  u.  103. 

4)  Sie  sind  früher  mit  Unrecht  fürPorzellan 
erklärt  worden,  jetzt  hält  man  sie  für  Flußspat 
oder  Achat;  s.  die  Litteraturangaben  nebst  Be- 
handlung der  Frage  bei  Becker-Göll  II  385  ff. 
M  akcjuardt  765  ff.  Blümner  Technol.  III  276. 
Babelon  bei  D.-S.  III  2046  ff. 

»)  Vgl. besonders  Plin.  XXX III 5;  XXXVII 
21.  Sid.  Apoll,  carm.  11,20;  daß  sie  aber  auch 
nicht  zu  den  gemmea  vasa  gerechnet  wurden, 
zeigt  Digg.XXXIV2. 19, 19. 

6)  Plin.  XXXVI  198. 

')  luv.  5, 38  (was  allerdings  Becker-Göll 

II  380  nur  auf  Metallgefäße  mit  Bernsteinver- 

I  zierung  beziehen  will).  Apul.met.lI19:sMc/««w 

in  irr  cavatum.  Die  vasa  electrina  Digg.  XXXIV 

2,  32, 5  sind  wohl  nicht  aus  Bernstein,  sondern 


aus  Elektron,  d.  h.  Gold-  und  Silbermischung; 
vgl.ebd.XLll,7.Instit.IIl,27.Mart.VHI51,5. 

8)  Sen.  ep.  90, 31;  häufiger  auf  Inschriften 
erwähnt,  z.  B.  CIL  III  9542;  VIII  9430;  ein 
opifex  artls  vitriae  XIII  2000.  In  Rom  gab  es 
einen  vicus  vitrarius,  Richter  Topogr.  342. 
JoRDANTopogr.il, 515;  3,219;  in Puteoli einen 
clivus  vitriarius,  Not.  d.  scavi  1885,  393. 

9)  Vgl.  Marquardt  745  ff. 

10)  Mart.  XI  11,1;  XIV  94  als  calices  au- 
daces,  d.  h.  bei  denen  man  sich  nicht  sehr  in 
acht  zu  nehmen  braucht,  vgl.  XII  74,  lff.;  IV 
85  wird  das  Glas  der  kostbaren  murra  entgegen- 
gesetzt. Ihre  allgemeine  Verbreitung  bezeugt 
Plin.  XXXVII  199:  usus  eorum  ad  potandum 
argmti  metälla  <i  muri  pcpu/it.  Trimalchio  bei 
Petron.  50,  7  zieht  sie  korinthischen  Bronzen 
vor,  weil  sie  nicht  riechen,  und  fügt  hinzu :  quod 
rtnon  fnmgerentur,  mattem  mihi  quam  attrum: 
nunc  autem  vilia  sunt.  Anderes  s.  luv.  2,  95. 
Prop.V  (IV)  8,37  (wo  das  Glas  als  acstiva  su- 
pellex  bezeichnet  wird  bei  einem  Mahl  im  Gar- 
ten).  Sen.  dial.  III  12,  4. 

11)  Mart.  XII  74.1.  Treb.Poll.  Claud.  17,5. 
Capit.Ver.5,3. 

>*)  Die  toreuMOta  rltri.  Mart.  a.  a.  O.  5;  XI 
1 1, 1 ;  XIV 1 15  sind  eben  solche  gemeint :  qttibtu 
addere  phira  dum  cttpit,  ah  quotiais  pirdidü 
auetor  opus. 'Daher  spricht  Quintil.  II _21,9  auch 
von  einer. -tcidpfnni  des  Glases;  vgl.Plin.  XXXVI 
193. 

13)  Die  wenigen  erhaltenen  Exemplare  der 
Art  zählt  Marquardt  759  f.  auf;  zu  vgl.  sind 
überhaupt  A.  Deville  Histoire  de  l'art  de  la 
verrerie  dans  l'antiquite,  Paris  1873.  W.  Froeh- 
ner  La  verrerie  antique,  Le  Pecq  1879.  A.  Kisa 
Das  Glas  im  Altertum,  Leipzig  1908.  Zum  Tech- 
nischen Blümner  Technol.  IV  379  ff. 


410 


Zweite  Abteilung.   Das  Leben. 


diatreta x),  dienten,  obschon  sehr  zerbrechlich  und,  nach  den  erhaltenen  Exem- 
plaren zu  schließen,  meist  ohne  Fuß,  als  Trinkbecher,  wie  die  mehrfach  daran 
angebrachten  Inschriften  lehren2).  Wertvoll  waren  auch  die  (zumal  in  Alexandria 
besonders  prächtig  hergestellten)  farbigen  Gläser,  in  denen  man  die  mannig- 
faltigsten Edelsteine  nachahmte  und  die  auch  zu  Trinkgefäßen  verarbeitet 
wurden 3).  Daneben  gab  es  schlichte  und  billige  Gläser,  einfach  glatt  oder  in 
Formen  gegossen  oder  mit  gepreßten  Reliefs4);  die  in  öffentlichen  und  Privat- 
sammlungen in  großer  Menge  erhaltenen  Gläser  zeigen,  wie  mannigfaltig  in 
Form  und  Herstellung  die  römische  Glasfabrikation  zu  arbeiten  verstand. 

Während  der  comissatio  fehlte  es  nicht  an  Unterhaltungen  von  allerlei 
Art.  In  guter  Gesellschaft  freilich  betrachtete  man,  wie  die  Griechen,  ein  ge- 
bildetes Gespräch  für  die  beste  Unterhaltung 5) ;  oft  wird  allerdings  die  Kon- 
versation den  Charakter  des  Stadtklatsches  getragen  haben6).  Nicht  gerade 
bei  den  Gästen  beliebt,  wenn  auch  häufig,  waren  Vorlesungen,  acroamata1), 
sei  es  nun,  daß  der  Hausherr  selbst  etwas  Eignes  vorlas8),  sei  es,  daß  er 
durch  einen  besondern  lector9)  oder  einen  Schauspieler 10)  etwas  vortragen  ließ, 
zumal  Gedichte,  die  am  beliebtesten  waren11),  und  zwar  nicht  bloß  neuere 
Erzeugnisse,  sondern  auch  Stellen  der  Klassiker12).   Verschiedenartig  waren 


!)  Die  Bezeichnung  findet  sich  nur  Mart. 
XII 70, 9  undDigg.IX2,27,29;  ihre  Beziehung 
auf  jene  durchbrochenen  Gefäße,  vonFflöiiNER 
a.a.O.  87ff.  bestritten,  ist  zwar  nicht  erweislich, 
aber  sehr  wahrscheinlich,  s.  Makqüardt  754  ff. 
Blümner  401,  sowie  Friedrich  Rhein.  Jahrb. 
LXXIV  176  ff.  Vermutlich  waren  die  im  Cod. 
Theod.  XIII  4,  2  und  Cod.  Iust.  X  66  (64),  1  er- 
wähnten diatretarii  Verfertiger  solcher  Ar- 
beiten. 

*)  Etwa  Bibe  vivas  multis  annis,  vgl.  Mar- 
quardt  a.  a.  0. 

3)  Vopisc.  Saturn.  8, 10  werden  ägyptische 
calices  allassontes  versicolores  erwähnt.  Ueber 
bunte  Gläser,  Millefiori  u.  dgl.  s.  Marquardt 
750  f.   Blümner  396  ff. 

4)  Bei  Apul.met.II  19  wird  unter  den  man- 
nigfaltigen Trinkgefäfien  auch  vitrum  fahre  si- 
gillatum  aufgeführt. 

5)  Das  wird  als  Brauch  der  Vorfahren  ge- 
rühmt und  empfohlen  Cic.  Cat.  mai.  14, 46 ;  vgl. 
Plut.  qu.  conv.  VII 8, 4  p.  713  B.  Ueber  die  Tisch- 
gespräche und  ihren  mannigfachen  Inhalt  vgl. 
Friedländer  Sittengesch.  I  387 ff. 

6)  Vgl. Mart. II  6,8;  VII 97, 11;  IX  35.  luv. 
1 .  145 ;  im  allgemeinen  s.  Saglio  bei  D.-S.  1 33  ff. 
Mau  bei  P.-W.  I  1197. 

7)  Nep.Attic.l4,l.Plin.ep.VI31,13;doch 
werden  damit,  wie  mit  acroasis,  auch  öffentliche 
Vorträge  bezeichnet,  sowie  alles,  was  bei  priva- 
ten oder  öffentlichen  Anlässen  für  Auge  und  Ohr 
geboten  wurde,s.im  allgemeinen  Plut.  qu.  conv. 
VII  8  p.  711  f.  und  vgl.  Petron.  53, 12.  Lampr. 
AI.  Sev.  34, 2.  Eine  serva  acroam.  Graeca  CIL 
VI  8693. 

8)  Den  Schrecken,  den  solche  Rezitationen 
einflößten .  schildert  drastisch  Mart.  III 44  u.  45 ; 
ebd.  50  erfahren  wir,  daß  sie  auch  schon  wäh- 


rend der  cena  stattfanden;  vgl.  V  78,25:  nee 
crassum  dominus  leget  volumen.  Auch  Hör.  carm. 
III 1 1 , 6  spielt  darauf  an,  vgl.  Plut.  a.  a.  O.  I  4, 3 
p.  621 C,  und  nach  Plin.  ep.  IX  17,3  brachen 
manche  Gäste,  wenn  eine  Vorlesung  oder  ein 
musikalischer  Vortrag  begann,  auf  oder  lagen 
gelangweilt  da. 

9)  Plin.  a.  a.  O.  und  1 15, 2.  Suet.  Aug.  78; 
öfters  mit  dem  griech.  Ausdruck  anagnostes,  wie 
Cic.adfam.V9,2;adAtt.I12,4.Nep.Att.l4,l. 
Gell.  XVIII  5,2;  vgl.  Mau  bei  P.-W.  I  2025. 
Boissier  bei  D.-S.  III  1012  f.  Diese  lectores 
waren  meist  gebildete  Sklaven  (inschriftl.  CIL 
VI  3978 ;  auch  lectrices  kommen  vor,  ebd.  8786 ; 
33473.  Not.  d.  seavi  1899.  78  n.52;  oder  ana- 
gnostrices,  ebd.  33830 ;  34270),  die  ihren  Herren 
auch  bei  oder  nach  dem  häuslichen  Mahle,  beim 
Bade,  vor  dem  Schlafengehen  oder  sonst  vor- 
lasen, vgl.  Plin.  ep.  III  5.11  u.  14:1X36,4.  Suet. 
Aug.  78.  Favorinus  ließ  gleich  bei  Beginn  des 
Mahles  einen  Sklaven  etwas  Griechisches  oder 
Lateinisches  vorlesen,  Gell.  III  19.1. 

,0)  Plin.  ep.  115,2;  III  1,9;  1X17.3;  Plut. 
a.  a.  O.  VII  8,3  p.  712B  empfiehlt  dafür  Me- 
nander. 

")  Pers.  1.30.  Mart.  IV  82,5;  X  19,20  f. 

12)  So  aus  Homer  und  Vergil,  luv.  11, 179  ff. 
Varro  bei  Gell.  I  22, 5  schreibt  vor:  in  conviviä 
legi  nee  omnia  debent  et  ea  potissimum,  quae 
simul  sitit  ßwxpakf)  et  delectent;  bei  Favorinus 
wurde  in  eoninvio  familiari  aut  vetus  carmeti 
melici  poetae  aut  historia  partim  Graecae  lin- 
guae,  alias  Latinae  vorgelesen,  ebd.  II 22, 1.  Es 
gab  Sklaven,  die  den  Homer  oder  den  Hesiod 
auswendig  wußten,  Sen.  ep.  27,  6.  Plin.  ep.  V 
19,  3  rühmt  an  seinem  Vorleser:  tarn  commode 
orationes  et  historias  et  carmina  legit,  ut  hoc 
solum  didicisse  videatur.  Der  Vortrag  scheint 


Fünfter  Abschnitt.    Mahlzeiten  und  gesellige  Unterhaltungen. 


111 


sodann  die  musikalischen  Unterhaltungen.  Zwar  die  alte  Sitte,  daß  bei  den  M  fthl- 
zeiten  von  den  Teilnehmern  gemeinschaftlich  anter  Flötenbegleitung  Tafel- 
lieder, besonders  Lob  und  Preis  der  Vorfahren  enthaltend,  gesungen  wurden  ' ). 
oder  daß  Knabenchöre  solche  vortrugen2),  war  schon  sehr  früh  abgekommen  | : 
wurde  in  späterer  Zeit  einmal  von  den  Zechgenossen  gesungen,  so  scheinen 
es  Lieder  von  recht  zweifelhafter  Art  gewesen  zu  sein4).  Immerhin  trugen 
stimmbegabte  Gäste  hier  und  da  irgendeinen  Gesang  vor5),  wie  denn  auch 
sonst  die  Gäste,  die  sich  auf  irgend  etwas  verstanden,  eine  Produktion  zum 
besten  gaben6).  Für  gewöhnlich  aber  besorgten  gemietete  Musiker  oder 
musikalisch  gebildete  Sklaven  des  Hausherrn  diesen  Teil  der  Unterhaltung7): 
bei  einem  solchen  Hauskonzert,  symphonia  genannt8),  wirkten  tibicines  mit, 
deren  Anwesenheit  schon  wegen  der  bei  den  Spenden  üblichen  Flötenbegleitung 
erforderlich  war9),  ferner  cornicines10),  lyristae11),  citharoedi12),  sambucitiriae1*), 
die  wohl  auch  zu  ihrem  Spiele  sangen  oder  den  Gesang  anderer  begleiteten14). 


dabei  zwischen  Deklamation  und  Gesang  die 
Mitte  gehalten  zu  haben,  und  manche  trieben 
solche  Vorträge  als  (iewerbe,  s.  die  Grabschrif- 
ten CIL  VI  9447  (Anth.  Lat.  ed.  Bücheier  467 
n.  1012)  und  ebd.  10097  (Anth.Lat.511n. 1111). 
Vgl.  Friedländer  zu  luv.  a.  a.  0.  und  Sitten- 
gesch.  III  295. 

')  Cic.Brut.  19, 7h:utinamextarentillacar- 
mina,  quae  multis  saeclis  ante  suam  aetatem  in 
epulis  esse  cantata,  c  singulis  convivis  de  claro- 
rum  virorum  laudibus  in  originibus  scriptum 
reliquit  Cato  (nach  Mommsen  Rom.  Gesch.6  I 
212  erst  spätere,  vermutlich  den  Griechen  ent- 
lehnte Sitte);  vgl.  dens.  Tuscul.  I  2.3;  IV  2,3. 
Val.  Max.  II 1, 10.  Nach  Cic.  de  or.  III  51,197. 
Quint.  I  10,20  wurde  der  Brauch  auf  Numa  zu- 
rückgeführt. 

2)  Varro  bei  Non.  77, 2. 

3)  Daß  aber  Aehnliches  doch  auch  später 
noch  vorkam,  zeigt  Hör.  carm.  IV  15, 25  ff.,  wo 
der  Dichter  die  Trinkgenossen  auffordert,  inter 
iocosa  munera  Liberi  \  cum  prole  matronisque 
nostris,  \  rite  deos  prius  adprecati,  \  virtute 
functos  more  patrum  duces  j  Lt/dis  remixto  car- 
mine  tibiis  zu  besingen.  Vgl.  ebd.  1 12.  und  über 
den  Brauch  überhaupt  Zell  Ferienschriften  II 
170  u.  193. 

4)  Quint.  12,8:  omne  convivium  obscenis 
canticis  strepit. 

5)  Man  erinnere  sich  an  den  Sardus  Tigel- 
lius.  der  oft  ab  ovo  usque  ad  mala  sang.  Hör.  sat. 
1  3, 1  ff. ;  bei  Petron.  64,5  singt  ein  Gast  griechi- 
sche Lieder. 

6)  So  werden  Anekdoten  erzählt,  wie  bei 
Petron.  61.  63;  Szenen  aus  Theaterstücken  vor- 
getragen, ebd.  64,2;  Tierstimmen  oder  Instru- 
mente nachgeahmt.  64, 5 ;  68, 3  u.  a.  m. 

7)  Nach  Liv.  XXXIX  6,8  wäre  diese  Sitte, 
die  psaltriae  sambucistriaeque  et  convivalia  h<- 
dorum  oblectamenta,im  Jahre  187  v.Chr.  mit  an- 
derem Luxus  aus  Asien  nach  Rom  gekommen. 
Solche  musikalische  Sklaven  und  Sklavinnen 
hießen  symphoniaci,  Cic.  Verr.  V25,64;  28,73; 
pro  Mil.  21.55 ;  in  Pison.  34.83.  Macrob.  114,28. 


Petron.  28,5;  auch  inschiiftl.  CIL  II  8565  [sym- 
phoniaca);  VI 4472:6356;6888;  VIII21101:  X  II 
3348;  musicarü  ebd.  II  2241 ;  VI  4454;  9649  f.; 
XII 3344.  Besonders  waren  Gesang,  Saiten- und 
Flötenspiel  erforderlich,  Cic.  pro  Rose.  Am.  46, 
134.  Gell.  XIX  9, 3.  Beim  Mahle  des  Trimalchio 
hört  die  Musik  fast  nie  auf,  selbst  das  Auftragen 
der  Speisen,  das  Abräumen  usw.  erfolgt  unter 
Gesang  und  Instrumentalbegleitung  der  Skla- 
ven. Vgl.  über  die  Musikmanie  jener  ZeitFaiED- 
länder  Sittengesch.  III 309  f. ;  über  Musikskla- 
ven Marquardt  151  A.  8. 

8)  Cic.  Verr.  III  64,105;  ad  fam.  XVI  9,3. 
Hör.  A.  P.  374.  Sen.  ep.  12,8.  Petr.  31,2. 

9)  Quint.  1 10, 20  von  der  alten  Zeit,  ebenso 
Cic.  Tusc.  I  2,3;  IV  2,3  u.  s.;  der  tibien  beim 
Opfer  Plut.qu.conv.  VII 8, 4  p.  7 12  F.  Bei  Prop. 
V  (IV)  8, 39  ist  ein  ägyptischer  tibicen  und  eine 
crotaliatria  beim  Mahle.  Daß  die  Flötenmiisik 
bei  Tisch  oft  recht  lästig  wurde,  zeigt  Mart.  IX 
77,5:  quod  optimum  Kit  guaeritii  eonvkriumt 
In  quo  choraules  nun  erü,  obschon  er  selbst  V 
78, 30  einem  Freunde  zu  einem  bescheidenen 
Mahle  die  parvi  tibia  condyli  verspricht:  und 
Horaz  fragt  carm.  III 19, 18  den  Hausherrn:  e*r 
pendet  taetta  fistula  cum  lyraf  Ein  choraults 
als  Sklave  Mart.  VI  39, 19';  XI  75,  3;  eine  cht- 
rauie  CIL  VI  10122. 

10)  Petr.  53, 12 ;  78. 5 ;  sonst  wohl  ungewöhn- 
lich. 

»)  Plin.ep.I15.2;  IX  17,3;  36,4.  Sid.  Apoll, 
ep.  12,9. 

")  Ein  Sklave  als  citharoedus  CIL  VI  7286; 
psaltriae  Macr.  II  1,5.  Vgl.  Plut.  a.  a.  < ). 

,s)  Liv.  a.  a.  O. ;  vgl.  Plaut.  Stich.  8fl  1 . 

14)  Bei  Hör.  ep.  II 2, 9  als  Empfehlung  eines 
Sklaven:  quin  etiatn  canet  btdoctum,  std  dulet 
bibenti.  Bei  einer  «iesellschaft  feingebildeter 
Männer  bei  Gell.  IX  9,  3  f.  tragen  Knaben  und 
Mädchen  Lieder  von  der  Sappho.  von  Anakreon 
und  Elegien  moderner  Dichter  zur  Kithar  vor. 
Bei  Trimalchio  singt  die  ganze  Sklavenschar, 
Petr.  28.5;  31,  4  f.;  32,1  u.  ö.  Contricu  als 
Sklavinnen  CIL  VI  7285;  9230;  33794. 


412 


Zweite  Abteilung.   Das  Leben. 


Sehr  beliebt  war  das  Auftreten  von  Tänzerinnen x),  zumal  den  berüchtigten 
Mädchen  aus  Grades2)  oder  Syrien3),  die  entweder  zur  Musikbegleitung  oder 
selbst  mit  ihren  Kastagnetten  sich  begleitend  (crotalistriae)4)  üppige  Tänze 
aufführten.  Auch  Mimen  traten  bei  den  Gastmählern  auf5),  Possenreißer,  deren 
meist  unglaublich  fade  Witze  eifrig  belacht  wurden6),  Zwerge7),  Gaukler  und 
Taschenspieler8)  u.  dgl.  m. 

Nicht  selten  aber  mag  an  Stelle  des  Gesprächs,  der  musikalischen  Pro- 
duktionen oder  irgendeiner  andern  Unterhaltung  das  eine  oder  andre  Spiel9) 
getreten  sein,  wie  sie  in  geselligen  Kreisen  üblich  waren,  vornehmlich  ein 
Glücksspiel,  wie  das  Würfeln10).  Vom  Würfelspiel,  das  im  allgemeinen,  ohne 
Unterschied  des  dabei  verwendeten  Wurfmaterials,  alea  hieß11),  gab  es  zwei 
Arten:  das  Spiel  mit  Knöcheln  und  das  mit  eigentlichen  Würfeln.  Beim  Spiel 
mit  Knöcheln  (Astragalen),  tali12),  wurde  mit  den  kleinen,  in  den  Hinter- 
füßen von  Rindern,  Ziegen,  Schafen  oder  Antilopen  u.a.  befindlichen  Knochen13) 
oder  mit  Nachbildungen  von  solchen  aus  Knochen,  Elfenbein14),  Metall,  Stein 
u.  a.15)  gespielt,  und  zwar  teils,  wie  namentlich  die  Kinder,  mitunter  aber 
auch  die  Erwachsenen  taten,  indem  man,  wie  mit  Nüssen,  Steinchen  u.  dgl., 
Gerade  oder  Ungerade  (par  impar)16)  oder  das  im  Auffangen  geworfener 


')  Saltatric.es,  CIL  VIII  12925. 

2)  Mart.V78,26:  VI  71,2;  XIV 203.  luv. 
11,162.  Plin.  ep.  I  15,2. 

3)  Verg.  Copa  1.  Auch  die  ambubaiae,  Hör. 
sat.  I  2, 1.  Suet.  Nero  27.  Petron.  74, 13,  waren 
syrische  Tänzerinnen  und  Flötenbläserinnen, 
s.  Acro  zu  Hör.  a.  a.  0.;  vgl.  luv.  3,  26  f.  Mit 
Bezug  auf  diese  Produktionen  sagt  Quint.  I  28, 
8  von  den  Mahlzeiten:  pudenda  dictu  spe- 
ctantur. 

4)  Prop.  V  (IV)  8,39.  Vgl.  über  diese  Tänze 
O.Jahn  BSGW  1851, 168 ff. 

5)  Plut.  a.a.O.  712E,  wonach  diese  Auf- 
führungen oft  so  gemein  waren,  daß  sie  die 
Sklaven,  die  die  Sandalen  der  Herren  hielten, 
nicht  hätten  anhören  dürfen,  während  doch 
Frauen  und  Knaben  zugegen  waren.  Sie 
heißen  auch  plam'pedes,  luv.  8, 191.  Macr.  II 
1,9. 

6)  Man  erinnere  sich  an  die  Szene  bei  Hör. 
sat.  I  5, 51  ff.  Sie  heißen  scurrae,  auch  cinaedi, 
moriones  oder  sabulones,  Plin.  ep.  IX  17.  1  f. 
Macr.  a.  a.  0.  Lampr.  AI.  Sev.  34, 2.  Mart.  VIII 
13, 1 ;  XIV  210;  auch  derisores,  Plaut.  Capt.  71. 
Hor.ep.I  18,11. 

7)  Nani  (nanae)  oder  pumiliones,  die  auch 
tanzten,  Prop.  a.  a.  0.  41  f.  Suet.  Aug.  83;  vgl. 
Beckek-Göll  II  149.  Ein  pumilio  als  Sklave 
CIL  VI  9842. 

8)  Petron.  53, 1 1  treten  petauristarii,  Akro- 
baten auf,  vgl.  über  deren  Künste  Grasberger 
Erziehung  u.  Unterricht  1 120  ff.  Daß  man  Gla- 
diatoren kämpfen  ließ,  waren  Exzesse  einzel- 
ner Kaiser,  s.  Capitol.  Ver.  4, 9.  Lampr.  Heliog. 
&o,  7. 

9)  Ueber  Gesellschaftsspiele  ist  vornehm- 
lich zu  vgl.  Becq  de  Fouquieres  Les  jeux  des 
Anciens,  2.  ed.  Paris  1873;  ältere  Litteratur  s. 


Becker-Göll  III  456.  Makquardt847  A.  1. 

10)  So  wird  nach  der  Mahlzeit  gewürfelt  bei 
Plaut.  Cure.  354;  Asin. 904;  Capt.  73;  vgl. Verg. 
Copa  37.    Suet.  Aug.  71. 

n)  So  bei  Plaut.  Cure.  354 f.:  talos  poscit 
sibi  in  manum,  j  provocat  me  in  aleam  ut  ego 
ludam.  Vgl.  Suet.  Caes.  32;  Aug.  71.  Petron. 
122  v.  174.  Darnach  das  Würfelbrett  tabula 
aleatoria,Fest.8,ll;  tabellaalearis,  Cael.Aurel. 
chron.II  1,25. 

1 2)  Vgl.  hierüber  Becq  de  Fouquieres  325  ff. 
Voemel  im  Philol.XIIl  (1858)  302ff.  L.Bolle 
Das  Knöchelspiel  der  Alten,  in  der  Festschrift 
für  Direkt.  Nölting,  Wismar  1 886.  Mau  bei  P.-W. 
II  1793  ff.  Mitunter  wird  aber  talus  auch  im 
Sinne  von  Würfel  {tessera)  gebraucht,  Sen.  lud. 
15,1. 

1 3)  Der  Knochen ,  den  Aristot.  de  part.  anim. 
IV  10  p.  690  a,  1 1  und  hist.  an.  II 1  p.  499  b,  20 
beschreibt,  ist  der  von  Bolle  Taf.  II  in  verschie- 
denen Ansichten  abgebildete,  der  heut  noch  bei 
allen  Wiederkäuern  in  der  Fußwurzel  derHinter- 
beine  (also  zwischen  Unterschenkel  und  Mittel- 
fußknochen, nicht,  wie  Bolle  10  sagt,  zwischen 
Ober-  und  Unterschenkel)  sich  findet  und  heut 
noch  talus  oder  astragalus  heißt. 

14)  Prop.  III  18  (II  24),  13.   Mart.  XIV  14. 
lö)  Von  Gold  Suet.  Tib.  12,  hier  allerdings 

in  Verwendung  bei  der  sog.  Astragalomanteia 
(vgl.MAU  a.a.O.).  Abbildungen  erhaltener  Astra- 
galen aus  Bronze,  Achat,  Bergkristall  u.  a.  bei 
Ficoroni  Sopra  i  tali  ed  altri  strumenti  lusori 
(Rom  1734)  tav.  3;  andere  Nachweise  Heyde- 
mann  Die  Knöchelspielerin  im  Palazzo  Colonna 
(Halle  1877)  6  A.  14  und  vgl.  CIL  II  6246,  8. 
Not.  d.  seavi  1899,  487. 

,6)  Doch  wird  bei  Suet.  Aug.  71  vel  talis  vel 
par  impar  ludere  unterschieden. 


Fünfter  Abschnitt.    Mahlzeiten  und  gesellige  Unterhaltungen. 


418 


Astragalen  bestehende  „ Fünfsteinspiel "')  oder  ein  ähnliches  spielte2),  teils 
indem  man  die  Astragalen  wie  Würfel  zu  einem  Glücksspiel  benutzte3). 
Diese  Astragalen  hatten  längliche  Form  und  sechs  Seiten,  von  denen  aber 
beim  Wurf  zwei  einander  gegenüberliegende  kleinere  (die  sogenannten  HeQCueu) 
nicht  in  Betracht  fielen,  da  die  tali  beim  Fallen  nicht  (oder  nur  ausnahms- 
weise) darauf  zu  stehen  kamen,  sondern  es  galten  nur  die  vier  andern,  etwas 
länglichen  Seiten,  die  aber  bestimmt  unterschieden  wurden4).  Je  nachdem 
der  Astragal  auf  eine  dieser  Seiten  fiel,  hatte  der  Wurf  verschiedenen  Wert6): 
die  eine  Seite,  das  sogenannte  %lov,  galt  am  wenigsten,  nämlich  nur  eins,  und 
dieser  Wurf  hieß  der  Hundewurf,  canisß),  auch  vulturius1);  am  meisten  galt 
die  gegenüberliegende  Seite,  die  sechs  zählte  und  griechisch  M0og,  lateinisch 
senio  hieß8).  Die  beiden  Breitseiten,  jigaveg  und  vnxiov  bei  den  Griechen9), 
galten  drei  und  vier.  Man  würfelte  mit  vier  tali10),  die  man  in  der  Hegel  nicht 
aus  der  Hand11),  sondern  aus  einem  Becher,  wie  man  sich  dessen  auch  bei 
den  gewöhnlichen  Würfeln  bediente,  und  der  pyrgw1*),  turricula1*),  fritillus1*), 
whimus16)  hieß,  herausfallen  ließ,  und  zwar,  wenn  nicht  direkt  auf  den  Tisch, 


J)  Griech.,-TfV7:e;.u'>C«»',Poll.IX  126.  Phot. 
411.3.  Ueber  diese  Kinderspiele  mit  Astragalen 
vgl.  Heydemann  8  f. 

2)  Ueber  künstlerische  Darstellungen  der 
Astragalenspiele  s.  Heydemann  1 1  ff. 

Wir  verdanken  unsere  Kenntnis  der  Ge- 
setze dieses  Spiels  einer  aus  Sueton  stammen- 
den Nachricht  bei  Poll.  IX  99.  Eust.  z.  II.  XXIII 
88  p.  1289,  50;  z.  Od.  I  107  p.  1397,  35.  Schol. 
Plat.  Lysis  p.  206;  vgl.  Suet.  reliqu.  p.  322  ff.  u. 
402  f.  (Reiff.). 

4)  Bei  Aristot. hist. an. a. a. 0.  heißen  sie: 
xo  fisv  Tigaveg  r'^co,  xo  8'  vnxiov  sicco,  xal  zä  ftsv 
xum  h'io^:  ioxga/i/neva  xoö<;  äXkrjXa,  xa  de  yla 
xaXovueva  r'gco.  Bei  dem  Bolleschen  Astragal 
(s.  Taf.  II)  ist  darnach  das  vjxxiov  tief  ausge- 
höhlt, das  Ttoaveg  stark  konvex;  xcpov  und  yior 
sind  flach  (letzteres  gleicht  einem  mensch- 
lichen Ohre).  Anders  beschreibt  Mau  a.  a.  O.: 
bei  ihm  ist  das  %iov  zwar  voll,  das  xcpov  aber 
eingedrückt. 

5)  Die  Meinungen,  ob  die  unten  oder,  wie 
bei  den  Würfeln,  die  oben  liegende  Seite  ent- 
schied, gehen  ausein  ander :  Makquardt  850  A.  5 
entscheidet  sich  für  ersteres,  Bolle  1 1  f.  für 
letzteres,  was  der  heut  noch  in  Griechenland 
üblichen  Berechung  entspricht,  vgl.  Ulrichs 
Reisen  u.  Forsch,  in  Griechenl.  I  437. 

6)  Ov.a.a.II206;tiist.II474.  Prop.V(IV) 
8,46.  Mart.XIII  1,6.  Suet.  Aug.  71;  camcula. 
Pers.  3.  49. 

')  Plaut.  Cure.  357. 

8)  Pers.  3,48.  Mart.  a.  a.  O.  Suet.  a.a.O., 
woraus  hervorgeht,  daß  die  Bemerkung  von 
Friedländer  zu  Mart.  a.  a.  0.,  der  senio  sei  nur 
der  beste  Wurf  bei  den  Würfeln,  nicht  bei  den 
tali,  nicht  richtig  ist.  Marquardt  a.  a.  0.  meint, 
der  xu>o;  sei  deshalb  der  beste  Wurf,  weil  der 
Astragal  am  seltensten  auf  diese  Seite  zustehen 
kam,  ebenso  der  xvcov  der  schlechteste,  weil 
er  der  häufigste  war;  hingegen  behauptet  Bolle 


11,  nach  seinen  Versuchen,  daß  ein  Unterschied 
zwischen  xioov  und  ilixior  in  der  Fallneigung 
nicht  zu  konstatieren  sei  und  daß,  wie  bei  den 
Würfeln,  nur  der  Zufall  entschieden  habe. 

9)  Isid.  XVIII  65  hat  für  die  3  und  4  beim 
Würfel  die  Benennung  mppu»  und  planus. 

10)  Cic.  de  div.  I  13,23;  II  21,48;  daher 
sieht  man  auch  auf  den  Darstellungen  des  Astra- 
galenspiels  so  viele,  s.  Heydemann  9. 

1 ')  Daß  aber  dies  auch  vorkam,  lehrt  Mart. 
XIV  16. 

12)  Er  war  unten  schmäler  als  oben  und 
innen  mit  stufenartigen  Absätzen  versehen,  s. 
Anth.  Latina  134  n.  193  Riese:  in  parte  alveoH 
pyrgus  vehtt  uma  resed&j  <jni  vomü  interne» 
tesserulaa  grodibus.  Sid.  Ap.  ep.  VIII 12, 5 :  hie 
tessera  frequois  eboratis  resultatura  pyrgorum 
gradibus  expeetat;  ebd.  V  17,6.  Schol. luv.  14,5. 
Auson.  prof.  1, 27.  Diese  Stellen  ergeben  auch, 
daß  das  Material  dafür  Holz  oder  Elfenbein  war. 

13)  Mart.  XIV  116. 

14)  Diese  Bezeichnung  findet  sich  am  häu- 
figsten, s.  Mart. IV  14, 8;  V  84, 3 ;  XI  6, 2:  XIII 
1,7;  XIV  1,  3.  luv.  14, 5.  Sen.  lud.  12, 3  v.  61 ; 
14,4;  15, 1.  Sid.  Ap.  ep.  II  9,4.  Corp.  Gloss.  V 
457,52;  501,48.  Vgl.  Saglio  bei  D.-S.  II 1341, 
mit  Abbildung  eines  erhaltenen  Exemplars  Fig. 
3297 ;  in  richtiger  Turmform  auf  dem  Kalender- 
bilde ebd.  Fig.  3298  (nach  Strzygowski  Chro- 
nogr.  vom  Jahr  354  Taf.  32). 

15)  Das  griech.  qniiö?,  Hor.sat. II  7, 17 :  wit- 
teret in  phimum  talos:  vgl.  Schol.  luv.  14,  5: 
fritilhix,  pyxis  earnea,  <//>>'  tptftoe  Qraece  </iri- 
tur.  Es  ist  sicher  unrichtig,  wenn  Salmasius 
ad  Scr.hist.Aug.il  755  den  phimus  für  etwas 
anderes  hält,  als  den pgrgus  oder  friti//ns.  oder 
Teuffel  zu  Hör.  sat.  a.  a.  0.  den  phimus  zwar 
mit  dem  fritilhix  identifiziert,  als  Würfelbecher, 
unter  m/rgus  oder  tttrricula  aber  einen  turm- 
ähnlichen Zylinder  versteht,  in  den  die  Würfel 
aus  jenem  geworfen  wurden  und  aus  dem  sie 


414 


Zweite  Abteilung.   Das  Leben. 


so  wohl  auf  das  auch  beim  Würfeln  übliche  Brett,  die  tabula  aleatoria x)  oder 
alveus2),  das  mitunter  von  erheblicher  Größe  war3).  Mit  den  vier  Astragalen 
waren  35  Kombinationen  möglich,  von  denen  die  beste,  wenn  jeder  Astragal 
auf  eine  andere  Seite  fiel,  also  eins,  drei,  vier,  sechs,  Venus  hieß4)  oder 
iactus  Venerius0).  Auch  von  den  übrigen  Würfen  hatten  manche  Namen,  die 
uns  aber  nur  für  griechische  Spielregeln  überliefert  sind6);  es  gab  auch 
allerlei  besondere  Kombinationen  bei  der  Wertberechnung7),  und  mitunter 
wurde  auch  nleioToßollvda  gespielt,  d.h.  es  gewann  die  höchste  Augenzahl8). 
Noch  verbreiteter  war  das  Spiel  mit  Würfeln9),  tesserae,  die  in  Form 
und  Zahlen  ganz  den  unsern  glichen10)  und  in  der  Regel  aus  Knochen  oder 
Elfenbein  gefertigt  waren11).  Wie  bei  den  Knöcheln  hieß  die  eins  canis,  die 
andern  Würfe  wurden  in  der  Regel  nach  der  Zahl  benannt12).  Man  spielte 
mit  zwei  oder  drei  Würfeln13),  und  zwar  entweder  nleioroßolirda  oder  nach 
bestimmten  Regeln14).  Man  warf  die  Würfel,  wie  oben  erwähnt,  aus  dem 
Würfelbecher  auf  das  Spielbrett;    vielfach  rief  man  dabei  den  Namen  der 


dann  erst  auf  das  Würfelbrett  rollten.  Wenn 
Marquardt  848  nach  dem  Vorgang  anderer 
auch  orca  als  Bezeichnung  dafür  anführt,  unter 
Berufung  auf  Pers.  3, 50  und  Pompon.  bei  Prise. 
III  6  p.  615  P,  so  beruht  das  auf  einer  falschen 
Deutung,  da  an  jenen  Stellen  jedenfalls  von 
einem  Kinderspiel  die  Rede  ist,  bei  dem  ein 
talus,  calculus  oder  dgl.  in  ein  enghalsiges  Gefäß 
geworfen  werden  mußte;  vgl.  Jahn  zu  Pers. 
a.  a.  0.  p.  153. 

»)  luv.  1,  90.  Cael.  Aur.  chron.  II  1,  25. 

*)  Cic.  de  fin.V  20,  56;  alveolum  poscere, 
pro  Arch.  6. 13.  Varro  b.  Gell.  T  20,  4.  Vitr.  V 
pr.4.  Suet.  Claud.  33.  Val.  Max.  VIII  8,2.  Fest. 
8,1.  Bei  Petron.  33,  2  ist  das  Spielbrett  von 
Terpentinholz.  Sie  dienten  auch  bei  den  Brett- 
spielen, s.  u.;  eine  Abbildung  auf  einem  pom- 
pejanischen  Bild,  Not.  d.  seavi  1876  tav.  6.  Vgl. 
Mau  bei  P.-W.  I  1705. 

3)  Ein  von  Pompeius  mitgebrachter  alveus 
lusorius  aus  zwei  Edelsteinen  (vermutlich  Onyx 
oder  Achat)  war  3  Fuß  breit  und  4  Fuß  lang, 
Plin.  XXXVII 13. 

4)  Daß  dies  der  Venuswurf  war,  zeigt  Mart. 
XIV  14:  cum  steterit  nullus  vultu  tibi  talus  eo- 
dem,  munera  me dices magna dedisse tibi;  noch 
deutlicher  Luc.  Amor.  16.  Vgl.  Hör.  carm.  II  7,25. 
Prop.  V  (IV)  8,  45.   Suet.  Aug.  71. 

5)  Plaut.  Asin.  905.  Cic.de  div.  I  13,23; 
1121,48;  59,121. 

6)  So Stesichoros, Euripides u.a., vgl. Mar- 
quardt 852  f.   Mau  a.  a.  O.  1794. 

7)  So  in  dem  von  Augustus  bei  Suet.  a.  a.  O. 
in  einem  Briefe  beschriebenen,  wo  canis  und 
8enio,  d.h.  viermal  1  und  viermal  6,  Einsatz 
zahlten,  Venus  alles  gewann.  Daher  Ov.  trist. 
II  471 :  sunt  aliis  scriptae,  quibus  alea  luditur, 
artes :  \  quid  valeant  tdli,  quo  possis  plurima 
iactu  !  flgere. 

8)  Poll.  IX  117;  vielleicht  war  der  basilicus 
bei  Plaut.  Cure.  359  ein  solcher  Höchstwurf. 
Bolle  22  f.  nimmt  an,  daß  auch  bei  Pers.  3, 48 


mit  demdexter  senio  nicht  ein  einzelnerAstragal, 
sondern  vier  senio- Würfe  gemeint  seien  =  24; 
doch  zeigt  der  Zusammenhang  bei  Persius,  daß 
man  nicht  so  einfach  zählte,  sondern  daß  be- 
sondere Rechnungsmethoden  existierten;  das 
geht  auch  aus  Ov.  a.  a.  III  353:  talorum  diceri 
iactus  ut  sciat  hervor. 

9)  Vgl.  Becker-Göll  III  456  ff.  H.  Sauppe 
Philol.  XI  (1857)  36 ff.  K.W.  Müller  bei  Pauly 
I  690  ff.   Becq  de  Fouquieres  302  ff. 

10)  Gell.  I  20,4:  xvßog  enim  est  figitra  ex 
omni  latere  quadrata,  quales  sunt,  inquit  M. 
Varro,  tesserae,  quibus  in  alveolo  luditur.  Nach 
Isid.  XVIII  62  wäre  der  alte  Name  iacuJum  ge- 

»)'  luv.  11, 132.  Mart.  XIII  1,6.  Trimalchio 
hat  Würfel  aus  Bergkristall,  Petron.  33, 2 ;  auch 
die  tesserae  bei  Plin.  XXXVII 13  waren  wohl 
von  Edelstein.  Erhalten  haben  sich  noch  sehr 
viele  Exemplare,  vgl. Marquardt  847  A.5.  Sie 
gleichen  auch  darin  den  heutigen,  daß  immer 
die  Punkte  auf  zwei  entgegengesetzten  Seiten 
zusammen  7  ausmachen.  Ueber  eine  besondere 
Art  Würfel,  die  12  Seiten  und  auf  diesen  teils 
Buchstaben,  teils  Zahlen  aufweisen,  s.  van 
Vleuten  Rhein.  Jahrb.  LVII  191. 

12)  Nach  Isid.  XVIII  65  unio  oder  canis,  hi- 
nio,  trinio  oder  suppus,  quaternio  planus,  qui- 
nio,  senio. 

1  s)  Mit  zwei  Würfeln  spielt  Claudius  bei  Sen. 
lud.  15,  1 ;  mit  dreien  Ov.  a.  a.  III  355.  Nach 
Eust.  z.  Od.  I  107  p.  1397,  16  wäre  das  Spiel 
mit  dreien  das  ältere,  mit  zweien  das  später 
übliche  gewesen.  Daß  in  der  Regel  die  Zahl 
der  tesserae  kleiner  war,  als  der  tali,  zeigt  Mart. 
XIV  15. 

14)  Darauf  spielt  Ov.  a.a.  III 354  an:  ut  sciat 
et  vires,  tessera  missa,  tuas ;  die  folgenden  Verse : 
et  modo  tres  iactet  numeros,  modo  cogitet,  apte 
quam  subeatpartem  callida  deuten  ein  Spiel  an, 
bei  dem  der  Spielende  vor  dem  Wurf  die  Be- 
rechnung bestimmte. 


Fünfter  Abschnitt.    Mahlzeiten  und  gesellige  Unterhaltungen. 


415 


Geliebten  oder  einer  Gottheit  an1).  Gegenüber  dem  Knöchelspiel  galt  das 
Würfelspiel  als  das  gefährlichere  Hazardspiel2),  um  so  mehr,  als  immer 
um  Geld,  und  oft  sehr  hoch  und  leidenschaftlich,  gespielt  wurde3).  Es  ist 
daher  kein  Wunder,  daß  das  Würfeln  um  Geld  längere  Zeit  verboten  war4), 
nur  an  den  Saturnalien  herrschte  darin  Freiheit6);  doch  scheint  dies  Verbot 
in  der  Kaiserzeit  entweder  aufgehoben  oder  nicht  beachtet  worden  zu  sein6). 
Weniger  Hazardspiele  waren  die  bis  in  frühestes  Altertum  zurückgehenden, 
schon  bei  den  Ägyptern  üblichen  Brettspiele7),  die  mit  einer  tabula  lusoria*), 
auch  abacus  genannt9),  und  Spielsteinen,  calculi10),  gespielt  wurden.  Unserm 
Schachspiel  verwandt  war  der  ludus  latrunculorum11),  eine  Art  Belagerungs- 
spiel. Die  Tafel,  tabula  hdnineularia1-),  war  durch  sich  kreuzende  Linien  in 
Felder  geteilt13),  die  vermutlich  durch  Farben  unterschieden  waren;  die  Zahl 
der  Felder  ist  unbekannt,  auch  die  der  Spielsteine  ist  nicht  überliefert14). 
Diese  Steine  hießen  latrones,  d.  h.  Soldaten15),  gewöhnlich  latrimculi16),  auch 


')  Plaut.  Cure.  356  u.  358;  Capt.  73;  vgl. 
Asin.  905:  te,  Philaenium,  mihi  atque  uxori 
mortem.  Sid.  Apoll,  ep.  il  9,  4;  ebd.  1  2,  7  wird 
das  Würfeln  gut  geschildert:  tesseras  colligit 
rapide,  inspicit  soll  leite,  volvit  argute,  mittit 
instanter,  ioculanter  compellat,  patienter  ex- 
pee/af. 

*)  Mart.  IV 46, 15  und  das.  Friedländer; 
ebd.  XIV  15.  Kinder  spielten  es  daher  für  ge- 
wöhnlich nicht,  vgl.  Petron.  81,  4:  cuius  anni 
ad  tesseram   venierunt. 

3)  Vgl.  die  Schilderung  luv.  1 ,  88  ff. ;  Klagen 
über  das  Zunehmen  des  verderblichen  Spiels  8. 
10: 11,176;  14,4.  Galen. XVI  310 K.  Augustus 
erzählt  von  einem  Spielverlust  von  20000  Se- 
sterzen  (4350  M.),  sagt  aber,  er  hätte,  wenn  er 
nicht  denGewinn  meist  andern  überlassen  hätte, 
50000  (10876  M.)  gewonnen;  es  zirkulierten 
also  in  seiner  Hand  15226  M.,  s.  Suet.  Aug.  71. 
Nero  spielte  den  Point  (in  punctum)  zu  400 
Sesterzen  (77  M.),  Suet.  Nero  30.  Vgl.  Fried- 
länder Sittengesch.  I  376  f. 

4)  Plaut. m. gl.  164  erwähnt  eine  lexa/earia, 
auf  die  auch  Cic.  Phil.  II  23,  56.  Hör.  carm.  III 
24.  58.  Ov.  trist.  II  471  anspielen:  gemeint  ist 
wahrscheinlich  das  Digg.  XI  5, 2  erwähnte  Se- 
natuskonsult,  das  in  peeuniam  ludere  verbot; 
ein  ebd.  1  mitgeteiltes  prätorisches  Edikt  be- 
stimmt, daß  eine  Klage  wegen  Ungebühr  von 
jemandem,  der  in  seiner  Wohnung  Spiel  ge- 
duldet hatte,  nicht  angenommen  wurde. 

5)  Mart.  IV  14,  7 f.;  V  84;  XI  6,  1  f.  Suet. 
Aug.  71. 

6)  Daß  auch  in  der  Kaiserzeit  in  den  Knei- 
pen das  Würfelspiel,  außer  an  den  Saturnalien, 
verboten  war,  zeigt  Mart.  V  84.  Ein  direktes  Ver- 
bot des  Spielens  um  Geld  scheint  erst  Iustinian 
wieder  erlassen  zu  haben,  s.  Cod.  lust.  III  43, 1 ; 
vgl.  Becker-Göll  111  467. 

7)  Griech.rr£TT£ta;  eine  lateinische  Bezeich- 
nung für  das  Brettspiel  überhaupt  kennen  wir 
nicht;  es  hieß  wohl  schlechtweg  lusiis  calcu- 
hrum,  wie  Plin.  ep.  VII  24,  5  sagt.    Vgl.  im 


allgemeinen  Becq  de  Fouquieres  a.a.O.  304 ff. 

8)  Die  bei  Mart.  XI VI 7  beschriebene  diente 
auf  der  einen  Seite  dem  Indus  latrunculorum, 
auf  der  andern  den  duodeeim  scripta,  lieber 
die  den  Brettspielen  dienenden  tabulae  htaoriae 
vgl.LAFAYE  beiD.-S.III  1103 ff.  HETTNERRöm. 
Steindenkmäl.  z.  Trier  220. 

9)  Macr.  I  5,  11 ;  vgl.  Suet.  Nero  22. 

10)  Das  Material  der  calculi  war  sehr  ver- 
schiedenartig: Elfenbein  im  Epigramm  Anth. 
Lat.  I  374, 1  (Riese);  ebd.  376,  8;  gläserne  er- 
wähnt Ov.  a.  a.  II  208.  Laus  Pisonis  (Bährens 
PLM  I  221)  193:  citreo  milite;  Mart.  VII  72,8; 
auch  XII  40, 3  gemma  ludere  und  XIV  20  gem- 
meus  miles  erklärt  Friedländer  wohl  richtig 
als  ritrei.  Calculi  aus  Stein  und  Knochen  bei 
Daremberg-Saglio  III  994  Fig.  4369  f.  Statt 
calcuhis  kommt  in  älterer  Litteratur  auch  ealx 
vor,  Plaut.  Poen.  908.  Fest.  46, 2. 

u)  Vgl.  Becq  de  Fouquieres  422  ff.  Lapaye 
a.a.O.  992 ff.,  mit  Litteraturangaben 995.  Wel- 
cher Beliebtheit  sich  dies  Spiel  erfreute,  zeigt 
die  einem  doctori  Ubrario  lusorilatruncuiorum 
geweihte  (Trabinschrift  (aus  Auch)  CIL  X III 444. 

»«)  Sen.  ep.  117,  30. 

'*)  Varr.  1. 1.  X  22:  ad  hunc  quadruplictm 
fontem  online*  diriguntw  bini,  uui  transversi, 
a/teri  direefi,  uf  in  tabula  solet,  in  qua  latrun- 
eu/is  halunt.  Vgl.  Poll.  IX  98,  wonach  beim 
griechischen  Städtespiel,  das  diesem  verwandt 
gewesen  zu  sein  scheint,  die  Felder  .-to/.kc 
hießen. 

14)  Man  nimmt  gewöhnlich  in  Analogie  mit 
dem  griechischen  rro/.£(?-Spiele,  auf  Grund  von 
Poll.  a.  a.  O.  Hesych  s.  öiayoun/iaTia/KK.  Phot. 
p.  439, 1,  60  Spielsteine  an. 

Va)  Die  eigentliche  Bedeutung  von  latro  i»t 
nicht  Räuber,  sondern  Soldat,  so  bei  Plaut,  m. 
gl.  75;  Stich.  135;  Cure.  548.  Festus  118,  16. 
Varr.  1.1. VII 52.  Latrones  heißen  die  Spielsteine 
bei  Ov.  a.  a.  III  572.  Mart.  VII  72. 8;  XIV 20, 1 ; 
vgl.  Ov.  a.  a.  O.  II  207. 

■«)  Sen.  ep.  106, 11.  Macr.  I  5, 11. 


416 


Zweite  Abteilung.   Das  Leben. 


milites1);  sie  hatten,  wie  bei  uns,  zweierlei  Farben 2),  anscheinend  weiß  und  I 
schwarz3).  Ob  auch  sonst  Unterschiede  in  den  Steinen  stattfanden,  etwa 
wie  beim  Schach,  muß  dahingestellt  bleiben,  da  die  Bedeutung  der  einige 
Male  erwähnten  mandrae  unsicher  ist4).  Von  den  Einzelheiten  des  Spieles 
erfahren  wir  nur  so  viel5),  daß  zwei  Spieler  mit  je  einer  Hälfte  der  Steine 
spielten  und  daß  es,  wie  bei  unserem  Damenspiel,  darauf  ankam,  dem  Feinde 
die  Steine  abzunehmen  oder  so  einzuschließen,  daß  er  nicht  ziehen  konnte6). 
Das  Ziehen  der  Steine  erfolgte  teils  in  gerader  Richtung,  teils  unregelmäßig 
oder  springend;  man  unterschied  danach  calculi  ordinarii  und  vagi'1).  Der 
eingeschlossene  Stein  hieß  incitus8);  besiegt  war,  wer  überhaupt  nicht  mehr 
ziehen  kann  (ad  incitos  redigitur)9).  Der  Sieger  hieß  Imperator10),  und  sein 
Sieg  war  um  so  rühmlicher,  je  weniger  Steine  er  selbst  eingebüßt  hatte11). 
Anderer  Art  war  das  Spiel,  das  duodecim  scripta  hieß12).  Dazu  gehörte 
ein  Spielbrett,  auf  dem  zwölf  Linien  eingezeichnet  waren,  die  in  der  Mitte 
durch  eine  Senkrechte  geteilt  waren,    sodaß  also  24  Linien  entstanden13); 


*)  Laus  Pison.  193.  Ov.  trist.  II  477  ;  bella- 
tores  ebd.  III  359.  Daß  sie  wirkliche  Figuren 
waren,  wie  Becker-Göll471  und  Marqüakdt 
856  A.  4  annehmen,  beruht  auf  einer  falschen 
Konjektur  Harduins  zu  Plin.VIII  215.  Die  an- 
geblich von  Fauvel  in  einem  athenischen  Grabe 
gefundene  Schachfigur  (Raoul-Rochette  Mem. 
de  l'Instit.XIII  638)  scheint  apokryph,  und  die 
eburnae  quadrigae,  mit  denen  Nero  nach  Suet. 
Ner.  22  in  abaco  spielte,  können  gewöhnliches 
Spielzeug  gewesen  sein. 

*)  Ov.tr.  II 477.  Mart.  XIV 17.  Sid.Ap.ep. 
VIII  12,5  (Plin.  XXXVI 199  gehört  wohl  nicht 
hierher).  Anth.  Lat.  (ed.  Riese)  I  372,  1 ;  376, 8. 

3)  Laus  Pison.  194.   Petron.  33.  2. 

4)  Sie  kommen  vor  Mart.  VII 72, 7:  sie  vin- 
cas  Noviumque  Publiumque  \  mandris  et  vitreo 
latrone  cltcsos,  und  Laus  Pis.  203 :  ut  cutis  ec- 
fraeta  prorumpat  in  agmina  mandra.  Darnach 
werden  die  mandrae  von  Beckek-Göll  474. 
Marquardt  856.  Friedländer  zu  Mart.  a.a.O. 
als  Bauern  im  Gegensatz  zu  den  latrones,  den 
Offizieren,  erklärt;  allein  nach  der  sonstigen  Be- 
deutung von  mandra  dürfte  es  keinen  einzelnen 
Stein,  sondern  eine  umschließende  Anzahl  sol- 
cher, etwa  eine  Hürde,  bedeuten,  vgl.  Mart.V 
22,7.   luv.  3,  237. 

5)  Am  eingehendsten ,  aber  vielfach  dunkel, 
ist  es  behandelt  in  der  erwähnten  Laus  Pisonis 
v.  180  ff. 

6)  Ov.  a.  a.  III  357:  unus  cum  gemino  cal- 
cium hoste perit ;  es  mußten  ihn  also  zwei  Steine 
einschließen,  so  auch  trist.  II  478:  cummedius 
gemino  calculus  hoste  perit.  Mart.  XIV  17,2: 
calculus  hoc  gemino  discolor  hoste  perit.  Perire 
sagt  man  also  vom  Stein,  wie  bei  uns  „verloren 
gehn",  wenn  er  nicht  mehr  heraus  kann  und 
festsitzt  als  alligatus,  Sen.  ep.  117,30,  aus  wel- 
cher Stelle  aber  hervorgeht,  daß  er  durch  ge- 
schicktes Spiel  wieder  herauskommen  (exire) 
konnte.  Das  Festlegen  heißt  in  der  Laus  Pison. 
194  alligare.  202  obligare. 

7)  Isid.  XVIII 67:  calculi  partim  ordinemo- 


ventur  partim  vage;  ideo  alios  ordinarios  alioi 
vagos  appellant.  Darnach  scheint  es,  als  ob 
nicht  jeder  Stein  bald  so  bald  so  gezogen  werden 
durfte,  sondern  nur  bestimmte,  die  sich  ent- 
weder durch  ihre  Form  oder  durch  ihren  Platz 
auf  den  Feldern  unterschieden. 

8)  Isid.  a.a.O.:  at  vero  qui  moveri omnino 
non  possunt,  incitos  dieunt. 

9)  Plaut.  Trin.  537;  Poen.  907;  beide  Male 
übertragen,  wie  Apul.  met.  III  28:  ad  extrem  as 
incitos  dedueti.  Mamert.  grat.  act.  (Baehrens 
Paneg.  Lat.  XI  p.  244  ff.)  9, 1 :  ad  incitos  depressi. 

10)  Vopisc.  Procul.  13,2. 

»)  Sen.  dial.  IX  14,  7.  Laus  Pison.  206  f. 
Vgl.  die  Bezeichnung  artifex  artis  tesselariai 
lusoriae  CIL  VI  9927.  Hülsen  R.  M.  XI  (1896) 
227  hat  die  Vermutung  aufgestellt,  daß  gewisse 
Arten  von  Tesseren  vonElfenbein  oderKnochen, 
in  Stäbchenform  mit  zylindrischem  Griff,  die 
sonstalsMarkenfürGetreideausteilungen  u.dgl. 
betrachtet  werden,  während  Gamurrini  Not. 
d.  seavi  1887, 398  sie  für  Spielmarken  hielt,  die 
zu  einer  Art  von  Lotteriespiel  gedient  hätten, 
für  den  Indus  latruneulorum  bestimmtgewesen 
seien.  Auf  einer  ist  ein  Paar  abgebildet,  das 
beim  Brettspiel  sitzt  und  dabei  steht  MORA; 
morari  aber  bedeutet  beim  Brettspiel  so  viel, 
wie  bei  unserm  Schachspiel  jemand  mattsetzen, 
vgl.  Becq  de  Fouquieres  497. 

ia)  Cic.  de  or.  I  50, 217  und  bei  Non.  170, 22. 
Ov.  a.  a.  III  363.  Quint.  XI  2,38,  beschrieben  in 
zwei  Epigrammen,  Anth.  Lat.  ed.  Riese  I  133 
n.  192  f.  (Baehrens  PLM  IV  318  n.  372  f.)  Vgl. 
über  dies  Spiel  Becq  de  Fouquieres  357  ff.  Sag- 
lio  bei  D.-S.  II  414. 

13)  Mart.  XIV  17.  Anth.  Lat.  192  f.  Ov.a.a. 
III 363.  Gilbert  bei  Friedländer  zu  Mart.  a.  a.  O. 
nimmt  statt  der  Linien  Punkte  an,  an  denen 
der  Wurf  der  Würfel  nachgezählt  wurde;  da 
Mart.  sagt:  hac  mihi  bis  seno  numeratur  tes- 
sera  puncto,  und  Non.  170, 22  scripta 'mit puneta 
tesserarum  erklärt  (vgl.  auch  Corp.  Gloss.V  647, 
17),  so  ist  das  nicht  unmöglich. 


Fünfter  Abschnitt.    Mahlzeiten  und  gesellige  Unterhaltungen. 


417 


ferner  Spielsteine  in  zweierlei  Farben1),  und  zwar  scheint  jeder  Spieler 
15  Stück  gehabt  zu  haben  2),  und  endlich  Würfel  (vermutlich  zwei)  mit  dem 
Würfelbecher.  Je  nach  dem  getanen  WTurfe  wurden  die  Steine  auf  dem 
Spielbrett  bewegt,  was  calculum  dare  oder  promovere  heißt3);  man  durfte 
aber  auch  einen  Zug  zurücknehmen,  calculum  reducere*),  vermutlich  solange 
man  noch  den  Finger  daran  hielt.  Doch  war  das  Spiel  insofern  kein  reines 
Glücksspiel,  als  durch  das  Resultat  des  Würfeins  kein  bestimmter  Zug 
geboten  war:  über  die  Art  des  Zuges  entschied  der  Wurf  allerdings,  aber 
dem  Spieler  blieb  immer  noch  genug  Freiheit6).  Einzelheiten  des  Spieles, 
oder  wie  der  Sieg  gewonnen  wurde,  sind  uns  unbekannt6). 

Neben  diesen  beiden  gab  es  noch  eine  Menge  anderer  Arten  von 
Brettspielen7),  von  denen  wir  aber  auch  nichts  Näheres  wissen.  Von 
einem  solchen,  das  sehr  beliebt  gewesen  sein  muß,  haben  sich  noch  in 
beträchtlicher  Zahl  die  dafür  benutzten  steinernen  Spieltafeln  erhalten8). 
Es  sind  das  Steintafeln  von  mäßiger  Größe9),  die  durchweg  in  gleicher 
Art  bearbeitet  sind:  jede  trägt  auf  der  obern  Fläche  in  drei  Zeilen,  die 
durch  Zeichen  in  der  Mitte  in  zwei  Kolonnen  getrennt  sind,  36  Buch- 
staben, sodaß  also  sechs  Halbzeilen  zu  je  sechs  Buchstaben  dastehen,  von 
denen  jeder  ein  Feld  zum  Ziehen  der  Spielsteine  bedeutet10);  die  trennenden 
Zeichen  sind  Kreise,  Halbkreise  u.  dgl.  Die  36  Buchstaben  bilden  meist 
sechs  einzelne  Worte  oder  Wortgruppen  aus  je  sechs  Buchstaben11),   und 


')  Nach  Petron.  33, 2  weiße  und  schwarze ; 
nach  Anth.  Lat.  192.  2  u.  193, 10  weiß  und  rot. 

2)  Das  wird  erschlossen  sowohl  aus  dem 
griechischen  Epigramm  Anth.  Pal.  1X482,  als 
aus  dem  Cento  Vergilianus  De  alea.  Riese  Anth. 
Lat.  I  24  n.  8  v.  55  ff. ;  vgl.  Marqüardt  858  A.  2. 

3)  Quint.  XI  2, 38.  Ov.a.a.II  204;  trist.  II 
476:  daher  datum,  der  Zug.  Cic.  b.Non.  a.  a.  0. 

4)  Cic.  bei  Non.  a.a.O. 

5)  Ter.  Ad. 739  L:Ita  vitast  homintim,  quasi 
(/kihh  ludas  tesseris,  si  illud  quod  maxume 
opus  est  iactu  non  vadit,  j  illud  quod  cecidit 
forte,  id  arte  ut  corrigas.  Ov  a.  a.  II  204;  III 
369;  tr.  II 476.  Anth.  Lat.  1373, 5.  Oft  in  grie- 
chischen Belegstellen,  s.  Marquakdt  858  A.  4. 

6)  Die  runden  Marken,  die  auf  der  einen 
Seite  Zahlen  von  1  — 15  aufweisen  und  die  in 
der  Regel  für  Theatermarken  mit  Angabe  der 
eunei  gehalten  werden,  deutet  Hülsen  a.  a.  0. 
238  ff.  als  Spielmarken  für  den  ludus  duodecim 
seripforum.  Die  Alt  ihrer  Verwendung  läßt  sich 
freilich  nicht  bestimmen.  Noch  weniger  weiß 
man  über  Tonkugeln,  die  mitZiffern  bis  zur  Höhe 
von  gegen  100  beschrieben  sind  und  von  man- 
chen als  Steine  für  eine  Art  von  Lottospiel  be- 
trachtet werden,  s.  Rhein.  Jahrb.  LXXXVIII 
115;  CI 115.  Korrespondenzbl.d.  Westdeutsch. 
Zeitschr.  1904  Sp.  37. 

7)  Ein  solches  meint  Ov.  a.  a.  III  365  mit 
den  Versen:  parva  tabella  capit  ternos  utrini- 
que  lapillos, '  in  qua  vicissest  continuasse  suos; 

*   auf  das  gleiche  Spiel  geht  trist.  II  481  fast  mit 
denselben  Worten,  und  Ovid  fährt  hier  483  fort: 
quiqite  <ilii  lusus  —  neque  enim  nunc  persequar 
Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft.    IV. 


omnes,  —  |  perdere  rem  caram,  tempora  nostra 
solent.  Das  griech.  Spiel  ini  nbne  ygapu&p  mit 
der  Ugä  ;'<.>«/'.'"/  (Poll.  IX  97  f.)  war  den  Römern 
gewiß  auch  bekannt,  es  wird  aber  nicht  erwähnt. 

8)  Darüber  handeln  Brüzza  Ann.  d.  Inst. 
XLIX(1877)58 ff.;  ders. Bullet. munic.V(1877) 
81.  Ihm  Römische  Spieltafeln,  in  den  Bonner 
Stud.f.Kekule  (Berl.1890)  223;  ders.  Rom.  Mit- 
teil. VI  (1891)  208  ff.  und  Rhein.  Jahrb.  XCV  251. 
Hier  ist  die  Zahl  der  bekannten  Tafeln  (inkl. 
der  1 2  Sprüche  der  duodecim  sapientes,  s.  unten) 
auf  76  gebracht;  einige  weitere  fügt  Lafaye 
a.  a.  0. 1404  A.  4  hinzu,  andere  Hülsen  R.  M. 
XIX  (1904)  143  ff.  Weitaus  die  Mehrzahl  dieser 
Tafeln  stammt  aus  Rom  (z.  T.  aus  den  Kata- 
komben). 

9)  Es  kommt  vor,  daß  die  Zeichen  und 
Inschriften  statt  auf  beweglichen  Tafeln  auf 
Pflasterplatten  eingegrabeu  sind,  so  in  Rom  auf 
dem  Pflaster  der  Basilica  Iulia  am  Forum  (Ihm 
n.  69)  und  auf  dem  Paviment  des  Forums  von 
Timgad  in  Numidien  (ebd.  n.  48). 

10)  Daß  dies  der  Fall  ist,  zeigt  ein  Beispiel 
(Ihm  n.  71),  wo  bloß  in  der  mittleren  Zeile  die 
Worte  Latina  gaudes  stehen,  während  in  der 
oberen  und  unteren  statt  der  Buchstaben  eben- 
soviel kleine  Kreise  stehn.  Es  gibt  auch  ganz 
inschriftlose  Tafeln,  auf  denen  statt  der  Buch- 
staben Striche  oder  andere  Zeichen  stehn,  s. 
Ihm  Bonn.  Stud.  225. 

n)  Bisweilen  bilden  sechs  Buchstaben  zwei 
Worte,  oder  es  wird  ein  einzelnes  Wort  in  zwei 
Gruppen  eingeteilt;  vgl.  z.  B.  Ihm  n.  22 :  Victus 
lebate  ludere  nesci*  daluso\rilocu(fürloci(in). 
.  a.    3.  Aufl.  27 


418 


Zweite  Abteilung.   Das  Leben. 


diese  Worte  bilden  einen  oder  mehrere  Sätze,  die  in  der  Regel  sich  auf 
Spiel  und  Spielerglück:  beziehen,  eine  Anrede  an  den  Spieler,  einen  Sieges- 
wunsch u.  dgl.  enthalten,  z.  B.  SEMPER  IN  HANC  TABVLA  |  HILARE  \  LV- 
DAMV  |  S  AMICI  i)  oder  SI  TIBI  |  TESSEL  j  LA  FAVE  |  T  EGO  TE  j  ST VDIO  | 
VINCAM2).  Manche  davon  bilden  einen  Hexameter3).  Wie  diese  Spieltafeln 
benutzt  wurden,  ist  nicht  bestimmt  zu  sagen,  doch  geht  aus  einigen  der 
Inschriften4)  hervor,  daß  Würfel  dazu  gehörten,  sowie  daß  man  einen  un- 
günstigen Wurf  doch  für  das  Ziehen  der  Spielsteine  geschickt  ausnutzen 
konnte5).  Es  war  also  kein  bloßes  Ziehspiel,  wie  unsre  Dame  oder  Mühle, 
sondern  eher  eine  Art  Triktrak 6).  Wahrscheinlich  saß  der  eine  Spieler  auf 
der  rechten,  der  andere  auf  der  linken  Seite  der  Tafel,  sodaß  jeder  achtzehn 
auf  drei  Reihen  verteilte  Felder  vor  sich  hatte,  auf  denen  er  die  calculi 
bewegte.  —  Es  gibt  dann  noch  andere  Spieltafeln,  die  durch  die  eingravierten 
Zeichen 7)  oder  Löcher  in  unregelmäßiger  Stellung 8)  sich  als  solche  zu  er- 
kennen geben;  und  auch  einige  mit  Inschriften  und  Zahlen  versehene  Mo- 
saiken scheinen  ähnlichen  Zwecken  gedient  zu  haben9). 

Von  andern  Spielen  mögen  noch  manche  bei  der  comissatio  oder  nachher 
zur  Anwendung  gekommen  sein,  ohne  daß  wir  davon  unterrichtet  sind;  auch 
das  in  Griechenland  beliebte  und  auch  in  Italien  sicherlich  sehr  alte,  heut 
noch  allgemein  verbreitete  Morraspiel,  das  die  Römer  digitis  micare10)  oder 
auch  nur  schlechtweg  micare  nennen11),   mag   dabei   nicht   gefehlt  haben. 


')  harn.  18. 

*)  Ihm  n.  15.  Andere  haben  gar  keine  Bezie- 
hung auf  das  Spiel,  sondern  bieten  etwa  Anspie- 
lungen auf  den  Zirkus  (circus  \  plenus  |  clamor  j 
ingens,  Ihm  n.43)  oder  sonst  einen  allgemeinen 
Sinn,  wie  ebd.  19:  turdus  \  stupet  merula  \ 
cantat  j  auceps  |  captat ;  oder  47 :  abemus  j  in 
cena  \  pullum  |  piscem  \  pernam  |  paonem. 

3)  So  z.  B.  Ihm  16:  Invida  \  puncto  j  iubent 
felice  |  ludere  \  doctum.  Das  ist  namentlich  der 
Fall  bei  den  handschriftlich  erhaltenen  Mono- 
sticha  de  rationetabulae  (carminaduodecim  sa- 
pientium,  Riese  Anthol.  Lat.  1 2, 49  n.  495—906 
(Baehkens  PLM IV  1 19  n.  132),  bei  Ihm  n.  1  bis 
12;  z.B.  Sperrte  lucrum  versat  j  mentes  j  insana  j 
cupido  (n.  1 ) :  oder:  Nullus  |  ubique  potest  \  felici  \ 
ludere  \  dextra.  Die  Bedeutung  dieser,  dem  4. 
oder  5.  Jahrh.  n.  Chr.  angehörigen  Hexameter 
hat  zuerst  Bücheler  Korrespondenzblatt  der 
Westdeutsch.  Zeitschrift  1889,  119  erkannt. 

4)  Ihm  n.  15  u.  16  (s.  oben). 

6)  Deshalb  hat  Marquardt  859  A.  2  mit 
Unrecht  die  oben  angeführten  Verse  Ov.  a.  a.  II 
481  u.  III  365  hierher  bezogen,  vgl.  Ihm  Bonn. 
Stud.  228. 

6)  Vermutlich  bezieht  sich  darauf  Isid. 
XVIII  64 :  tribus  tesseris  ludere  perhibent  pro- 
pter  tria  saeculi  tempora,praeterita,praesentia 
et  futura,  quia  non  staut,  sed  decurrunt.  sed 
et  ipsas  vias  senariis  locis  distinctas  propter  ho- 
minum  aetates  ternarüs  Uneis  propter  tempora 
argumentantur :  inde  et  tabulam  ternis  descri- 
ptam  dicunt  Uneis.  Die  ternae  lineae  und  die  se- 
narii  entsprechen  den  Tafeln.  Eine  andere  Auf- 


fassung des  Spiels  gibt  Hülsen  R.  M.  XIX  ( 1 904) 
145;  er  meint,  die  Tafeln  hätten  nicht  zum 
Ziehen  von  Spielsteinen  gedient,  sondern  man 
habe,  wie  bei  einer  Tombola,  die  einzelnen  Fel- 
der oder  Buchstaben  besetzt  und  derjenige  habe 
gewonnen,  der  zuerst  seine  18  Felder  besetzt 
hatte.  Der  Venuswurf,  dreimal  sechs,  gewann 
sofort;  waren  durch  den  ersten  Wurf  die  Reihen 
verschieden  angefangen,  so  sei  es  darauf  an- 
gekommen, die  weiteren  Sätze  geschickt  zu 
machen  und  möglichst  nicht  gleiche  Reihen  zu 
haben.  Dann  hätte  jeder  Spieler  eine  eigene  Ta- 
fel vor  sich  haben  müssen,  und  dem  scheint  der 
oben  mitgeteilte  Spruch :  Semper  in  hctnc  usw. 
zu  widersprechen. 

7)  Vgl.MARüccm  Bull,  comun.  XVI  (1888) 
474.  Lafaye  1404  Fig. 4677.  Aehnliche  Zeichen 
finden  sich  auf  dem  Pflaster  der  Basilica  Iulia 
in  Rom  eingemeißelt;  andere,  ungefähr  entspre- 
chende sind  nach  Funden  alter  Treppenstufen 
bei  der  Via  nazionale  in  Rom  von  Gatti  Not. 
d.  scavi  1904, 153  Fig.  17  ff.  abgebildet;  vgl.  CIL 
XIV 4125. 

8)  Brüzza  Ann.  d.  Inst.  a.a.O.  tav.  FG  n.  26. 
Lafaye  Fig.  4679. 

9)  Lafaye  a.  a.  O.  mit  Fig.  4678. 

10)  Vgl.O.JAHNA.Z.XVlIl(1860)84;Ann. 
d.  Inst.  XXXVIII  (1866)  326  Heydemann  A.  Z. 
XXIX  (1871)  151.  Becq  de  Fouquieres  290. 
Lafaye  a.  a.  O.  111  1889  f. 

u)  Am  häufigsten  erwähnt  in  der  sprich- 
wörtlichen Redensart,  es  sei  jemand  so  ehrlich, 
daß  man  mit  ihm  in  tenebris  micare  könne, 
Varr.  b.  Non.  347,  27.  Cic.  de  off.  III  19,  77;  de 


Fünfter  Abschnitt.    Mahlzeiten  und  gesellige  Unterhaltungen. 


419 


Abwechslung  brachte  in  das  Trinkgelage  auch  der  ebenfalls  von  Griechen- 
land überkommene  Brauch,  den  Gästen  kleine  Geschenke,  sogenannte  apo- 
phoreta1),  zum  Mitnehmen  zu  verteilen,  was  manchmal  schon  während  der 
ceint  geschah.  Die  mannigfaltigsten  Gegenstände,  je  nach  den  Verhältnissen 
des  Gastgebers  kostbar  oder  bescheiden2),  kamen  dabei  zur  Verteilung,  und 
wenn,  wie  bisweilen,  diese  durch  eine  Verlosung  erfolgte3),  so  gab  die  Willkür 
des  Zufalls  Anlaß  zu  allerlei  Überraschungen  und  Scherzen4). 

So  vergingen  die  Stunden  des  zuletzt  oft  zu  einer  wüsten  Orgie  aus- 
artenden und  manchmal  mit  Streit  und  Schlägerei  endigenden6)  Gelages, 
bis  endlich  die  Gäste  sich,  oft  in  sehr  vorgerückter  Nachtstunde,  von  ihren 
Sklaven  die  Sandalen  und  Mäntel  reichen  ließen  (siehe  oben  S.  397),  um  sich 
auf  den  Heimweg  zu  machen,  auf  dem  ihnen  die  Sklaven  mit  Fackeln  oder 
Laternen  vorleuchteten6).  Der  griechische,  an  das  Symposion  sich  oft  an- 
schließende Komos  war  aber  nicht  römischer  Brauch;  immerhin  fehlte  es 
nicht  an  allerlei  Unfug,  den  die  römische  Jeunesse  doree  auf  dem  Heimweg 
verübte7).  Die  gute  alte  Sitte,  daß  die  älteren  Leute  beim  Heimgehen  von 
einer  Mahlzeit  von  den  jüngeren  geleitet  wurden8),  mag  wohl  früh  ver- 
schwunden sein. 


In.  II  16, 52.  Petron.  44,  7 ;  Fronto  ad  M.  Caes. 
I  4  p.  13  (Naber)  nennt  es  ein  scurrarum  pro- 
verbium,  während  esCic.de  off.  a.a.O.  von  den 
rustici  herleitet;  vgl.  Otto  Sprichw.  d.  Römer 
221  n.  1109.  Sonst  ist  es  erwähnt  Cic.  de  off.  III 
23,90.  Calpurn.  ecl.  2,26;  auch  bei  ernsten  An- 
gelegenheiten wurde  es  bisweilen  anstatt  der 
Entscheidung  durch  Losen  oder  Würfeln  ange- 
wandt, Cic.dedivin. 1141,85.  Suet.Aug.  13.  CIL 
VI  1770  {ratione  docuit utilitate suadente,  con- 
Utetudine  micandi  summota  sub  exagio  potius 
pecora  vendere,  quam  digitis  conludentibus  tra- 
dere,  wonach  also  selbst  Kaufgeschäfte  so  er- 
ledigt wurden),  daher  erklären  die  Glossen  es 
meist  durch  kayiiö?,  s.  Corp.  Gloss.  VI  698.  Dar- 
stellungen des  Spiels  s.  bei  Lafaye  a.  a.  0. 

')  Das  war  namentlich  an  den  Saturnalien 
üblich,  Mart.  XIV  1,9.  Suet.Vesp.  19,  sowie  bei 
Hochzeiten,  Schol. luv.  6,203.  Vgl. im  allgemei- 
nen Morel  bei  D.-S.  I  322.  Mau  bei  P.-W.  II 
174. 

2)  Im  XIV.  Buch  des  Martial  sind  Devisen 
für  221  der  verschiedenartigsten  Apophoreta 
{jede  aus  einem  Distichon)  gegeben,  meist,  nach 
der  Ankündigung  1,  5:  divitis  alternas  et  pau- 
peris  accipe  softes,  je  ein  wertvolles  und  ein 
wohlfeiles  zusammengestellt;  vgl.  Friedlän- 
der ebd.  295  ff.  Unter  den  ersteren  sind  oft  recht 
kostbare,  Kunstsachen,  teure  Möbel,  Kleider, 
•Slimuck,Bücher,Sklaven,lebendeTiere  u.a.m., 
unter  den  ärmlichen  allerlei  Kleinigkeiten,  auch 

3en.  Auch  bei  Petron.  56  findet  sich  eine 
Aufzählung. 

3)  Mart.  XIV  1, 5;  40, 1.  Suet.  Aug.  75.  Pe- 
tron. a.  a.  O.,  wo  die  einzelnen  Etiketten  aller- 


lei Wortwitze  enthalten,  vgl.  Friedländer  z. 
d.  St.  und  zu  Martial.  a.  a.  O. 

4)  Das  liebte  Augustus,  s.  Suet.  a.  a.  0., 
auch  Heliogabal,  Lampr.  Hei.  22, 1,  wo  der  eine 
decem  camelos,  der  andere  decem  muscas  ge- 
winnt u.dgl.  Einen  besondern  Scherz  leistet  sich 
Trimalchio  bei  Petron.  60:  die  Kassettendecke 
öffnet  sich  plötzlich,  ein  Reif  schwebt  herab, 
an  dem  goldne  Kränze  und  Salbgefäße  hängen, 
die  auch  als  apophoreta  verteilt  werden.  Etwas 
Aehnliches  erwähnt  Val.  Max.  1X1,5  von  einem 
Gastmahle  des  Q.  Metellus  Pius  79  v.  Chr. 

b)  Schlägereien,  wie  sie  Luc.  conv.  43 ff. 
schildert,  mögen  auch  bei  römischen  Gastmäh- 
lern vorgekommen  sein,  vgl.  Philo  de  vita  con- 
templ.  5  p.  477  M. 

6)  In  der  altern  Zeit  der  Republik  war  es 
noch  eine  besondere  Ehre,  wenn  verdienten 
Personen,  wie  dem  C.  Duilius,  gestattet  wurde, 
sich  nachts  von  einem  Flötenspieler  und  einem 
Fackelträger  heimbegleiten  zu  lassen,  Cic.  Cat. 
m.  13,44.  Liv.  epit.  1.  XVII.  Val.  Max.  III  6,4: 
später  war  Fackelgeleit  sehr  gewöhnlich,  s.  luv. 
3,  285.  Petron.  79.  1 ;  solche  Sklaven  werden 
erwähnt  Cic.  in  Pis.  9,  20  (als  loHtemarütt), 
Suet.  Aug. 29.  Val. Max.  VI  8, 1 ;  auch  inschriftl. 
als  lampadarii,  CIL  VI  8867  ff.;  etnlrtemoHtoi 
ebd.  X  3970.  Die  lampadarii  gehörten  beson- 
ders zur  Dienerschaft  der  Magistrate,  der  Kaiser 
u.  s.,  s.  Toutain  bei  D.-S.  III  909. 

7)  Vgl.  die  drastische  Schilderung  luv.  3, 
282  ff. 

8)  Gell.  II  15,  2,  nach  dem  die  Römer  dies 
von  lakedämonischemBrauch  übernommen  hät- 
ten. 


27" 


420 


Zweite  Abteilung.   Das  Leben. 


Sechster  Abschnitt. 

Bäder  und  Körperpflege. 


Litteratur. 

Becker-Göll  III  104  ff.;  168  ff.  (Litteraturangaben  109  f.). 
Marquardt-Mau  269  ff.  (ältere  Litteratur  ebd.  A.  7). 
Saglio  bei  Daremberg-Saglio  I  648  ff. 
Mau  bei  Pauly-Wissowa  II  2743  ff. 

In  der  altern  Zeit  war  bei  den  Römern  der  regelmäßige  oder  gar  tägliche 
Gebrauch  des  warmen  Bades  nicht  üblich,  indem  man  sich  für  gewöhnlich  mit 
kalten  Abwaschungen  begnügte1).  Häufiger  mögen  die  Schwimmbäder  im 
Tiber  gewesen  sein 2),  die  ja  auch  später  noch,  besonders  nach  den  Übungen 
im  Marsfelde,  üblich  blieben 3) ;  aber  im  allgemeinen  scheint  der  Römer  der 
altern  Zeit  mit  der  äußerlichen  Anwendung  des  Wassers  sehr  sparsam  ge- 
wesen zu  sein4),  zumal  eine  häufige  Anwendung  warmer  Bäder  nicht  mit 
Unrecht  als  körperschwächend  galt5),  während  ein  warmes  Bad  nach  einer 
körperlichen  Anstrengung  oder  Ermüdung  als  nützlich  betrachtet  wurde6); 
auch  als  man  anfing,  anstatt  wie  früher  in  der  Waschküche  (lavatrina)  zu 
baden,  sich  ein  eigenes  Badezimmer  anzulegen,  war  dasselbe  noch  sehr 
primitiv  und  nicht  einmal  das  Wasser  immer  ganz  rein7).  Dieser  Brauch, 
besondere  Badekabinette  zu  erbauen,  die  man  mit  dem  griechischen  Namen 
(da  die  Sitte  von  den  Griechen  übernommen  wurde)  balneum  nannte 8)  oder 
balneare9),  seltner  lavacrum10)  oder  lavatio11),  kam  um  die  Mitte  des  3.  Jahr- 
hunderts v.  Chr.  auf  und  war  im  2.  Jahrhundert  schon  ziemlich  allgemein 
geworden12);  in  den  Villen  pflegten  Bade  Vorrichtungen  nie  zu  fehlen13),  und 
wie  gewöhnlich  sie  in  den  Privathäusern  selbst  in  kleineren  Provinzial- 
städten  geworden  waren,  sehen  wir  in  Pompeji 14).    Freilich  handelte  es  sich 


*)  Sen.  ep.  86,12:  brachia  et  crura  cotidie 
abluebant,  quae  scilicet  sordes  opere  collegerant : 
ceterum  toti  nundinis  lavabantur ;  so  sagt  noch 
Cato  bei  Non.  108, 25,  er  habe  als  Knabe  nicht 
täglich  gebadet.  Die  kalte  Waschung  am  Mor- 
gen war  aber  wohl  das  Gewöhnliche,  s.  Plaut. 
Most.  157,  und  das  blieb  auch  später  so,  zumal 
bei  Leuten  von  einfacher  Lebensweise,  vgl.  Plin. 
ep.  III  5, 11;  VI  16,5.  Sen.  ep.  53,3;  83,5. 

2)  Der  alte  Cato  unterrichtete  selbst  seinen 
Sohn,  rä  dtvd)8tj  xai  xqaivvovxa  tov  Jioza/iov 
öiavr/'/ofisvov  äjioßiä£eo{)ai,  Plut.  Cat.  m.  20. 

»)  Cic.  pro  Cael.  15,  36.  Hör.  carm.  I  8,  8; 
1117,27;  12,7;  sat.  II  1,8.  Maximian.  eleg.I  37 
(Baehrens  PLMV318).  Veget.r.mil.  I  3;  ebd. 
10.  Vgl.  oben  S.  329. 

4)  Helbig  Italiker  in  der  Poebene  63. 

5)  Colum.  I  6, 20:  neque  enim  corporis  ro- 
bori  convenit  frequens  usus  earum  (sc.  balne- 
arum).  Daher  sollen  die  Sklaven  nur  an  Feier- 
tagen ein  Bad  nehmen. 

6)  Plaut. Truc.  328;  Merc.l26;Bacch.l08. 

7)  Sen.  ep.  86, 11  und  s.  oben  S.  49  A.  2. 

8)  Varro  1. 1.  IX  68.  Non.  212,  7;  s.  oben 
S.  52. 


9)  Cic.  ad  Qu.  fr.  III  1, 1  u.  2;  ad  Att.  XIII 
29.2.  Vitr.VI7(4),l;  ebd. 9  (6), 2.  Colum.  16,2. 
Sen.dial.IX9,7;nat.qu.III24,3;  IV  9.  Es  ist 
insofern  deutlicher,  als  balneare  (wie  balneae) 
nur  das  Lokal  des  Bades  (Zimmer  oder  Anstalt) 
bedeutet,  balneum  aber  auch  das  Bad  selbst. 

10)  Gell.  I  2, 1 :  lavacris  nitidis  et  abundis 
et  collucentibus ;  sonst  nur  spät,  Claud.  carm. 
XX  410.  Aurel.  Vict.  epit.  V  3.  Corp.  Gloss.  V 
214,  29  u.  s.,  auch  auf  Inschr.,  CIL  III  324; 
6379;  7000;  8153. 

n)  Vitr.  VI  9  (6),  2.  Corp.  Gloss.  III 585. 43. 

12)  Iustia.  XLlV  2,  6:  aqua  calida  lavari 
post  secundum  Punicum  bellum  a  Romanis  di- 
dicere  (Hispani) . 

u)  So  in  der  des  Scipio,  Sen.  a.a.O.;  des 
Cicero,  Cic.  ad  Qu.  fr.  III  1,1 ;  des  jüngeren  Pli- 
nius,  ep.  II  17,  11;  V  6,25.  Vgl.  oben  S.  71. 
Man  unterschied  selbst  bei  den  Privatbädern 
kleinere,  nicht  heizbare,  und  größere,  hiberna, 
Cic.  ad  Att.  XIII  29,  2.  Thermae  hiemales  auf 
Inschriften  s.  CIL  III  1805:  XI  4094  f.;  9697; 
aestivales  X  5348. 

14)  Siehe  die  Aufzählung  bei  Mau  a.  a.  O. 
2746. 


Sechster  Abschnitt.    Bäder  und  Körperpflege. 


421 


dabei  immer  um  besondere  Kabinette  für  Einzelbäder;  der  Benutzung  größerer 
gemeinschaftlicher  Bassins  mochte  wohl  längere  Zeit  noch  die  altrömische 
Scheu  entgegenstehen,  daß  Väter  und  Söhne  oder  Schwiegersöhne  sich  nicht 
gegenseitig  nackt  sehen  sollten1).  Immerhin  entstanden  doch  schon  im 
2.  Jahrhundert  v.  Chr.  in  Rom  die  ersten  öffentlichen  Badeanstalten,  die  man 
anfangs  von  den  privaten  balnea  durch  die  feminine  Bezeichnung  balneas 
unterschied2),  doch  wurde  diese  Unterscheidung  später  nicht  mehr  aufrecht 
erhalten 3),  dafür  aber  die  großen,  mit  den  Räumen  für  gymnastische  Übungen. 
Unterhaltung  usw.  ausgestatteten  umfangreichen  Badeanstalten  flirr  map.  ge- 
nannt4). Diese  öffentlichen  Badeanstalten  waren  entweder  städtische  oder 
von  reichen  Wohltätern,  dann  von  den  Kaisern  erbaute,  oder  es  waren  Privat- 
unternehmungen, die  dem  Besitzer  Zinsen  brachten.  Anfangs  gab  es  in  Rom 
nur  wenig  öffentliche  Bäder5),  da  aber  der  Gebrauch  des  Badens  schnell  über- 
hand nahm  und  zumal  Private  immer  häufiger  solche  balnea  meritoria*)  an- 
legten, die  nach  ihren  Eigentümern  benannt  wurden 7),  so  gab  es  in  Rom  im 
Jahre  33  v.  Chr.  schon  gegen  170  öffentliche  Bäder8),  und  in  den  Regions- 
verzeichnissen wird  die  Zahl  der  balinea  mit  858  angegeben9);  auch  in  der 
Provinz  waren  sie,  wie  besonders  die  Inschriften  zeigen,  sehr  verbreitet10). 
Die  ersten  großen  Thermen  erbaute  bekanntlich  Agrippa  auf  dem  Marsfeld, 
denen  dann  die  der  Kaiser  folgten11). 

Die  öffentlichen  Bäder  wurden  entweder  vom  Besitzer  selbst  verwaltet 
oder,  was  bei  städtischen  Anstalten  wohl  das  Gewöhnliche  war.  gegen  eine 


J)  Vgl.  Plut.  Cat.  mai.  20.  Cic.  de  off.  I 
35,129.  Val.  Max.  II  1.7.  Wir  finden  diese 
Schamhaftigkeit  noch  später,  Capitol.  Gord. 
tres  6,4. 

2)  Varro  1. 1.  IX  68 :  publicae  balneae  non 
balnea,  contra  quod  privati  dicant  unum  bdl- 
neum.  Charis.  I  p.  99, 3.  So  auch  Cic.  pro  Cael. 
25,  62;  26,  62.   Frontin.  de  aquaed.  108. 

3)  Siehe  die  inschriftl.  Belege  bei  Mar- 
quardt 272  A.  5. 

4)  So  die  des  Agrippa,  Plin.  XXXIV  62; 
XXXV  26;  XXXVI  189:  des  Nero,  Suet.  Nero 
12  u.  a.  m.  Vgl.  Preller  Regionen  d.  St.  Rom 
106.  Zur  Differenzierung  der  Bezeichnungen 
vgl.  Sen.  dial.  IX  9,  7:  inter  balnearia  et  ther- 
mas bibliotheca  quoque  .  .  .  expolitur,  wo  jenes 
die  Baderäume,  dieses  die  für  Gymnastik  usw. 
bedeutet;  vgl.  auch  Mart.  IX  75, 10:  subice  bal- 
neum  thermis.  Dagegen  unterscheidet  CIL  X 
1063  thermae  von  Seewasser  und  balneae  von 
Süßwasser(inPompeji).Vgl.V5279;XIV2101: 
in  locum  balnearum,  quaeper  vetustatem  in  usu 
$88e  desierunt,  thermas  .  . .  ampliatis  locis  et 
cell  In  a  fundamentis  extruxit.  Sonst  auch  wer- 
den Thermen  und  Privatbäder  unterschieden, 
so  im  Colloqu.  Monac.  10  (Corp.  Gloss.  III  651): 
übt  iubes?  ad  thermas  aut  in  privato? 

5)  Sen.  ep.  86, 9 :  olim  et  paitca  erant  bal- 
nea nee  ullo  cultu  exornata;  ebd.  10  wird  er- 
wähnt, daß  solche  balnea  obscura  et  gregäli 
tectorio  indueta  zur  Zeit  des  altern  Cato,  des 
Fabius  Maximus,  der  Cornelier  existierten,  die 
als  Aedilen  sie  beaufsichtigten.  Die  Vornehmen 


selbst  benutzten  aber  diese  Volksbäder  [qua* 
populum  reeeptabant)  offenbar  nicht. 

6)  Plin.  ep.  II  17,26. 

7)  Cic.  de  or.  II  55,  223:  pro  Rose.  Amer. 
7,18;  proCluent.51, 141;  pro Cael.25.62.  Mart. 
159,3;  II 14, 11  f.;  11120,16.  CIL  VI  29764ff. 
Außer  nach  den  Besitzern  kamen  auch  andre 
Benennungen  vor;  so  in  Pompeji  balneum  Ve- 
nerium  et  nongentum,  CIL  IV  1136;  balneum 
Veneris  B.  d.  I.  1885,  14.  Dessau  5693. 

8)  Plin.XXXVl  121.  wonach  Agrippa  als 
Aedil  dem  Volke  Gratisbenutzung  derselben 
schenkte  (so  richtig  Mau  a.  a.  O.  2747,  nach 
Dio  Cass.  XLI V  43, 3 :  von  Marquardt  274  u. a. 
falsch  verstanden),  wobei  Plin.  hinzufügt:  quae 
nunc  Romae  ad  mfimtum  attxere  mtmerum. 
Eine  Aufzählung  der  uns  mit  Namen  bekannten 
Privatbäder  gibt  Jordan  im  Hermes  IX  (1875) 
417  und  Forma  urb.  Rom.  42. 

9)  So  im  Curiosum :  die  Notitia  zählt  956, 
die  Redaktion  des  Zacharias  (nach  403)  927, 
s.  Jordan  Topographie  von  Rom  II  573  und 
577. 

10)  Man  vgl.  die  Indices  zum  CIL  unter  bal- 
nea; auch  Marquardt  272  A.5.  Als  Empfeh- 
lung galt  in  der  Provinz,  daß  man  mart  ttrbieo 
baden  könne,  CIL  XI  721  (in  Bononia).  In  See- 
städten gab  es  auch  warme  Meerbäder,  ther- 
mae maritimae,  CIL  XIV  137. 

u)  Zur  Zeit  Martials  waren  es  drei:  des 
Agrippa,  Nero  und  Titus.  II 14, 13;  die  Regions- 
verzeichnisse zählen  10—11  auf,  Jordan  To- 
pogr.II220f. 


422 


Zweite  Abteilung.   Das  Leben. 


bestimmte  Summe  verpachtet1),  wofür  der  condudor  das  Recht  erhielt,  vom 
Besucher  ein  Badegeld,  balneaticum,  zu  erheben2),  das  der  Bademeister  oder 
Verwalter,  balneator3),  oder  ein  ihm  Untergebener4)  einzog  und  das  in  Rom 
einen  Quadrans  {lU  As  =  2Vö  Pfennig)  betrug5),  sonst  aber  je  nach  Ort  und 
Umständen  verschieden  bemessen  war6);  Kinder  waren  meist  bis  zu  einem 
gewissen  Alter  frei7).  Auch  die  großen  Thermen  waren  also  der  Bevölkerung 
nicht  ganz  unentgeltlich  geöffnet8);  doch  kam  es  vor,  daß  reiche  Gönner, 
besonders  Beamte  während  ihrer  Amtsdauer,  den  Mitbürgern  freies  Bad 
gewährten,  indem  sie  die  Kosten  dafür  übernahmen9),  eine  Freigebigkeit, 
die  auf  Inschriften  manchmal  rühmend  erwähnt  wird 10).  Die  staatliche  Auf- 
sicht über  alle  Bäder  lag  in  der  Hand  der  Adilen,  die  namentlich  über  die 
Reinlichkeit,  Salubrität,  Temperatur  des  Wassers  etc.  zu  wachen  hatten11) 
und  anscheinend  auch  die  Lieferungskontrakte  über  das  Heizungsmaterial 
abschlössen12). 


J)  luv.  7, 4:  balneolum  Gabiis,  Romae  con- 
ducere  fumos.  Digg.  XIX  2, 58,  2;  XX  4,  9  pr. 
Die  Verordnung  desmetalhimVipascensein  Spa- 
nien (CIL  II  5181)  schreibt  dem  conductor  bali- 
nei  oder  seinem  socius  allerlei  vor  über  Zeitdauer 
des  Offenhaltens,  Wassermenge,  Badegeld ,  Kes- 
selreinigung, Holzverbrauch  etc.  Manchmal 
scheint  eine  Gemeinde  ihr  Bad  selbst  verwaltet 
zu  haben,  wenigstens  wird  die  Inschrift  CIL 
IX  5144:  publicum  Intermnnitum  vectigal  bal- 
nearum  von  Borghesi  Oeuvres  VI  510  so  ge- 
deutet. Dessau  n.  5681  bezieht  es  aber  auf  eine 
Steuer  der  Einwohner  von  Castrum  novum  an 
die  Interamniten  für  Wasserabgabe,  vgl.  Momm- 
sen  CIL  IX  p.  485. 

2)  Schol.Iuv.  2, 152.  Corp.Gloss.III  467,46. 

3)  Balneatores  schon  bei  Plaut. Poen.  703; 
Truc.325;Rud.527.  Cic.pro  Cael.26,  62;  Phil. 
XIII  12,26.  Plin.  XVIII 156.  Serv.ad  Aen.XII 
159.  Digg.  VII 1, 15  (19),  1.  Corp.  Gloss.  VI  127, 
auch  balnitor,  ebd.  III  217,3;  652.  10.  Bei  Pe- 
tron.  ap.  Serv.  a.  a.  0.  kommt  auch  eine  bal- 
neatrix  vor.  Manchmal  war  auch  der  Besitzer 
oder  der  Pächter  selbst  balneator.  Digg.  III  2, 
4, 2;  VII  1,15,1;  XIX  2, 30,1.  Auchinschriftl., 
so  unter  den  kaiserlichen  Beamten  CIL  VI  6243 ; 
7601;  8742;  9102c,  13;  9216f.  Dagegen  hatte 
der  faber  balneator  CIL  VI  9395  f.  wohl  die 
Badeeinrichtung  zu  besorgen. 

4)  Der  arcarius  ihermarum  in  der  Inschr. 
Not.  d.  scavi  1892, 352  h  ist  wohl  der  Kassierer 
der  Bäder. 

5)  Hör.  sat.  I  3, 137.  Mart.  III  30,  4;  VIII 
42;  daher  nennt  Sen.  ep.  86,9  das  Baden  eine 
res  quadrantaria.  Daß  Frauen  ein  etwas  hö- 
heres Eintrittsgeld  zahlen  mußten,  geht  aus 
luv.  6,  447  hervor. 

6)  InderLexmet.Vipasc.CILII5181,19ff. 
ist  das  Badegeld  für  Männer  '/*  As,  für  Frauen 
1  As.  Im  Ed.  Diocl.  11, 76  sind  2  Denare  als  Zah- 
lung an  den  balneator  privatarius  festgesetzt. 

7)  Immerhin  sagt  Frontoepist.  Graec.p.  247 
(Nab.) :  Xovzga  za  per  önuöaia  Jtäatv  xai  JtgoTxa 
avslzai,  za  de  zwv  idtoozwv  vjzö  oiöngä  xXeiöi  xai 


zivi  ßvgo(pvXaxi '  xai  /mo&ov  ixXJyovoiv  naga  zcov 
Xovofisvmr.  Das  geht  auf  die  großen  Thermen 
in  Rom,  wo  kein  Badegeld,  sondern  nur  für 
Garderobeaufbewahrung  zu  bezahlen  war. 

8)  luv.  2, 152  m.  SchoL;  ebenso  sind  in  der 
Lex  Vipasc.  die  impuberes  frei,  was  in  Bononia 
nach  CIL  XI  720  nicht  der  Fall  war. 

9)  So  i.  J.  60  v.  Chr.  Faustus  Sulla,  Dio 
Cass.  XXXVII  51,4;  Agrippa  i.  J.  33  als  Aedil, 
s.  oben.  Auch  die  Kaiser  taten  das  bisweilen, 
so  Antoninus  Pius,  Capitol.  7, 6,  und  Augustus 
nach  Dio  Cass.  LIV  25,4  i.  J.  13  bei  seiner  Rück- 
kehr aus  Germanien,  allerdings  nur  für  einen 
Tag.  Nach  Dio  Cass.  LIV  29, 4  hätte  Agrippa 
seine  Thermen  dem  Volke  testamentarisch  zur 
unentgeltlichen  Benutzung  hinterlassen  und 
Ländereien  zur  Bestreitung  der  Kosten  ange- 
wiesen, doch  wird  das  von  Mau  2749  mit  Rück- 
sicht auf  Mart.  III  36,  6  bezweifelt.  Vgl.  auch 
Digg.  XXXII  53,  3.  Solche  Freibäder  wurden 
etwa  auf  ein  Jahr  gestiftet,  Digg.  XIX  2.30, 1, 
oder  auf  10  Monate,  ebd.  XXXII  35,  3,  wo  ein 
Tiburtiner  seinen  Mitbürgern  testamentarisch 
Freibad  in  seinem  eigenen  Badehause  für  diesen 
Zeitraum  einräumt.  Aus  XIX  2, 30, 1  geht  aber 
auch  hervor,  daß  mitunter  das  Bad  dem  Besitzer 
nicht  für  die  ganze  Zeit  des  Tages  abgemietet 
war  und  daß  daher,  wer  außer  dieser  Zeit  baden 
wollte,  dem  balneator  Eintrittsgeld  zahlen 
mußte. 

,0)  CIL  XI  720  (mit  der  Beschränkung  auf 
viri  et  impuberes  utriusque  sexus);  XI 6167  (für 
municipes,  incolae,  hospites,  adventores,  uxores, 
servi,  ancillae);  IX  5074;  XII  594;  XIV 2978; 
auch  Gemeinden  taten  das  bisweilen  auf  Kosten 
der  Staatskasse,  ebd.  V  376,  wo  den  coloni,  in- 
colae und  peregrini  Freibäder  zugesprochen 
sind. 

u)  Sen.  ep.  86, 10:  nam  hoc  quoquc  iiobi- 
lissimi  aedtles  fungebantur  officio  intravrfi  ea 
loca  quae  populum  receptabant  exigendique 
munditias  et  utilem  ac  salubrem  temperaturam. 
Vgl.dens.Dial.VII7,3. 

12)  Plut.  qu.  conv.  III  10,  3  p.  658  E. 


Sechster  Abschnitt.    Bäder  und  Körperpflege. 


t28 


Von  der  Anlage  und  Einrichtung  der  Hausbäder  ist  früher  die  Rede 
gewesen  (siehe  oben  S.  52  f.);  die  der  öffentlichen  Badeanlagen  kennen  wir 
teils  aus  den  Angaben  der  alten  Schriftsteller,  besonders  aus  der  freilich 
nur  kurzen  und  nicht  ganz  klaren  Beschreibung  Vitruvs1),  teils  aus  den  noch 
erhaltenen  Resten  römischer  Bäder2),  wobei  allerdings  zu  bemerken  ist,  daß 
natürlich  in  Anlage,  Verteilung.  Größenverhältnissen,  Nebenräumen  usw.  sehr 
bedeutende  Unterschiede  bestanden,  da  ein  bescheidenes  Provinzialbad  sich 
mit  dem  Notwendigsten  begnügen  mußte,  während  große  Thermen,  die  ganze 
Stadtviertel  einnahmen,  in  allem  auf  das  reichste  ausgestattet  waren.  Eine 
Anzahl  Räumlichkeiten  sind  es,  die  für  jedes  öffentliche  Bad  unerläßlich 
waren.  Da  ist  zunächst  der  An-  und  Auskleideraum,  das  apodyterium s),  das 
in  der  Regel  ungeheizt  war4).  Hier  befanden  sich  meist  Bänke  längs  den 
Wänden  und  Nischen  in  der  Mauer  zur  Aufbewahrung  der  Kleider5);  mit- 
unter findet  man  hier  bereits  Bassins  für  kalte  Waschungen6).  Sodann  das 
kalte  Bad,  das  frigidarium1)  oder  die  cella  frigidaria8),  ein  in  der  Regel  mit 
Oberlicht  versehener  gewölbter  Raum 9) ;  dazu  gehörte  vornehmlich  ein  kaltes 
Bassin,  die  piscina10),  seltner  cisterna11)  oder  baptisterium  genannt12),  die  oft 
sehr  groß,  zum  Schwimmen  eingerichtet13),  auch  mit  kostbarem  Marmorrand 
eingefaßt  war14);  bisweilen  gab  es  auch  zwei  Bassins  im  Frigidarium15),  und 


')  V  11  (10)  f. 

2)  In  Betracht  kommen  vornehmlich  die 
drei  Badeanlagen  in  Pompeji  (sog.  Stabianer 
Thermen,  Forums- und  Zentralthermen),  in  Rom 
dieThermendesCaracallaundDiokletian,  ferner 
Bäder  in  den  Provinzen,  z.  B.  in  Badenweiler, 
Trier,  Wasserliesch,  Bregenz,  Deutsch-Alten- 
burg (bei  Preßburg),  andere  in  England,  in 
Afrika  u.  s.  Vgl.  Matz  bei  Baumeister  Denk- 
mäler 1766  ff.  Eine  Aufzählung  noch  erhaltener 
Reste  von  Bädern  gibt  Marqtjardt  275  ff. 

3)  Cic.  ad  Qu.  fr.  III  1 .  2,  hier  von  einem 
Hausbad.  ebenso  Plin.  ep.  V  6.  25:  von  öffent- 
lichen Aristid.or. XXIII  p.281,3.  Isid.XV2.41. 
Corp.  Gloss.  VI  81  (z.  B.  II 567, 12 :  locus  übt  m  tt- 
tuntur  vestimenta  balnientiutn);  auchinschriftl., 
CIL  X  3922  (Vitruv  erwähnt  es  nicht).  Die  Be- 
zeichnung ist  vom  entsprechenden  Räume  der 
griechischen  Gymnasien  entnommen,  s.  Mau 
bei  P.-W .  I  2820.  In  großen  Bädern  gab  es  auch 
mehrere  Räume  dafür,  bei  Luc.  Hipp.  5  ajtoMoeis 
genannt. 

4)  Bei  Galen.  X  723  K.  ist  der  erste  von  drei 
nebeneinanderliegenden  Sälen  (olxoi)  ungeheizt 
und  dient  als  Auskleideraum,  sowie  als  cella 
frigidaria.  In  den  Thermen  von  Badenweiler 
ist  das  eine  Apodyterium  heizbar,  vermutlich 
gehört  es  zur  Frauenabteilung. 

5)  So  in  beiden  Abteilungen  der  Stabianer 
Thermen  von  Pompeji;  die  Wandnischen  sind 
in  der  Frauenabteilung  etwas  niedriger  ange- 
bracht, als  im  Männerbad.  In  den  Forumsther- 
men fehlen  diese  Nischen,  dagegen  sind  solche 
zum  Aufstellen  von  Lampen  vorhanden. 

6)  Besonders,  wenn  kein  eigenes  Frigi- 
darium da  ist,  wie  in  der  Frauenabteilung  der 
Stabianer  Thermen  und  in  den  (unvollendeten) 


Zentralthermen ;  hier  wird  die  Wanne  durch  drei 
an  den  umgebenden  Wänden  angebrachte  Was- 
serstrahlen gespeist;  vgl.  Mau  Pompeji  195. 

7)  Vitr.Vll. 2. Corp.Gloss.  1173.42; 481,36. 

8)  So  im  Hausbad  bei  Plin.  ep.  V  6, 25  f. :  fri- 
gidaria  bei  Sid.  Ap.  ep.  II  2,5. 

9)  So  in  den  Stabianer  und  in  den  Forums- 
thermen; in  den  Zentralthermen  fehlt  das  Fri- 
gidarium. 

,0)  Sen.  ep.  56, 2.  Lampr.  Heliog.  19, 6 ;  24. 1 . 
Sid.  Ap.  a.  a.  0.  Corp.  Gloss.  VII  91  meist  durch 
y.o'/.iiißijOoa  erklärt.  Bei  Luc. Hipp.  5  sind  drei 
Piscinen  im  Frigidarium.  Bei  Pallad.  I  39  (40),  4 
heißt  der  Raum  im  Privatbad,  wo  die  /iis<;„<i 
liegt,  piscina/ is  ceüa.  Inschriftl.CIL  XIV  2119. 
Diese  piscina  muß  von  der  caUda  piscina  (s.u.) 
unterschieden  werden,  sowie  von  den  pi$ctnae 
mit  der  ursprünglichen  Bedeutung  der  piscina 
als  Fischteich  (so  die  piscina  marina  bei  Mart. 
IV  4,  3;  XI  20,  11;  XII  32,  17:  ein  Teich  für 
Meerfische). 

n)  Petron.  73,  2:  cisterna  frigidaria. 

l»)  Plin.  ep.  V  6, 25.  Sid.  Ap.  a.  a.  0.  - 
ptiaterium  et  ceUa  CIL  IX  4974. 

1S)  Mart.  III  44, 13.  Sen.  a.  a.  0.;  cdla  »a- 
tatoria  CIL  III  p.7342.  Man  vgl.  das  große  Fri- 
gidarium der  Caracalla-Thermen,  bei  dem  die 
Piscina,  zu  der  man  auf  6  Stufen  hinabstieg, 
unbedeckt  gewesen  zu  sein  scheint. 

,4)  Sen.ep  86,6.  In  den  Stabianer  Thermen 
geht  um  die  Marmorbekleidung  des  Bassins  ein 
schmaler  Rundgang,  der  durch  vier  runde  Ni- 
schen erweitert  ist.  Zu  Badenweiler  finden  sich 
außer  halbkreisförmigen  Anbauten  und  Wand- 
nischen fürBänke  auch  marmorausgelegteBade- 
bassins. 

»*)  Plin.  ep.  II  7,11. 


424 


Zweite  Abteilung.   Das  Leben. 


für  solche,  denen  das  Bassin  zu  kalt  war,  ein  im  Freien  belegenes,  dessen 
Wasser  von  der  Sonne  durchwärmt  war1).  Das  tepidarium2)  oder  die  cella  \ 
tepidaria 3)  war  kein  eigentlicher  Baderaum,  sondern  ein  mäßig  erwärmter, 
mit  Bänken  oder  andern  Sitzgelegenheiten4)  ausgestatteter  Saal,  in  dem  man 
sich  aufhielt,  um  zu  schroffe  Temperaturübergänge  zu  vermeiden5);  dagegen 
war  das  caldariums)  oder  die  cella  caldaria1)  ein  stark  erhitzter  Raum,  in 
dem  man  ebensowohl  schwitzte,  als  sich  in  warmem  Wasser  wusch  oder 
badete.  Vitruv  schreibt  dafür  einen  länglichen,  mit  Tonnengewölbe  bedeckten 
Saal  vor8);  an  der  einen  Breitseite  lag  der  alveus9),  eine  die  ganze  Breite 
einnehmende  Badewanne  für  warmes  Wasser,  in  die  man  auf  einer  Stufe 
hineinstieg10);  sie  heißt  auch  solium11)  (bisweilen  griechisch  pyelus12)),  und 
zwar  ganz  gleich,  ob  es  sich  dabei,  wie  in  kleinen  und  Hausbädern,  nur  um 
eine  Wanne  für  eine  einzelne  Person  oder  um  ein  größeres,  für  mehrere 
Raum  bietendes  Bassin  handelt13).  In  großen  Bädern  gab  es  mitunter  ent- 
weder an  Stelle  des  alveus  oder  neben  diesem  noch  ein  warmes  Schwimm- 
bassin, eine  calida  piscina1*),  deren  erste  Einrichtung  dem  Maecenas  zu- 
geschrieben wurde15);  so  war  in  den  Thermen  des  Caracalla  ein  besonders 
prachtvoll  ausgestatteter,  hoher  und  gewölbter  Raum,  der  als  cella  soliaris 
bezeichnet  wird,  also  vermutlich  für  zahlreiche  Wannenbäder  bestimmt  war16). 
An  der  dem  alveus  entgegengesetzten  Breitseite  lag  eine  halbrunde  Nische 


*)  Ebd.V6,  25.   Sid.  Ap.  carm.  19. 

2)  Vitr.  V 10, 1  ff.  Cels.  I  3  f.  Corp.  Gloss. 
II  477,  26.   CIL  XI  6040. 

3)  CIL  VI  1703.  Corp.  Gloss.  III  217,  2; 
652,  10. 

4)  Solche  (von  Bronze)  sind  im  Tepidarium 
derStabianer  Thermen  gefunden  worden.  Bänke 
u.  dgl.  bilden  das  instrumentum  balnearium, 
Digg.  XXXIII  7,13, 1 ;  17, 7,  oder  balneatorium, 
Paul.  sent.  III  6,  65,  zu  dem  scamna  et  hi/po- 
podia  gerechnet  werden. 

5)  Es  ist  daher  in  der  Regel  von  kleinen 
Dimensionen,  mehr  ein  Durchgangsraum,  wie  in 
den  Stabianer  Thermen,  wo  aber  auch  eine  Bade- 
wanne vorhanden  ist  für  solche,  die  in  der  kalten 
Jahreszeit  ein  mäßig  kühles  Bad  nehmen  woll- 
ten. Im  Männerbad  der  Forumsthermen  diente 
das  Tepidarium,  wie  die  Wandnischen  zeigen, 
zugleich  als  Apodyterium.  In  den  Caracalla- 
Thermen  war  das  Tepidarium  sehr  groß  an- 
gelegt und  hatte  in  den  Eckpfeilern  große  Bas- 
sins mit  Porphyrwannen. 

6)  Vitr. a.a.O.;  VII 2, 4.  Cels.  14.  Sen.ep. 
86,  11. 

'')  Plin.  ep.  V  6,  26.  Marc.  Emp.  25.  CIL 
XI  3103.  Sid.  Apoll,  ep.  II  2,4  nennt  sie  aqua- 
rum  cella  coctilium. 

8)  A.  a.  O.  4:  die  Breite  soll,  abgerechnet 
alveus  und  schola  labri,  zwei  Drittel  der  Länge 
betragen ;  so  auch  bei  Pallad.  I  40.  Das  Verhält- 
nis 3 : 2  findet  sich  auch  im  Männercaldarium 
der  Stabianer  Thermen  in  Pompej i ,  während  das 
der  Forumsthermen  das  Verhältnis  2  :  1  auf- 
weist. 

9)  Auct.  ad  Her.  IV  10, 14.   Cic.  pro  Cael. 


28,  67.  Vgl.  Mau  bei  P.-W.  I  1704. 

10)  Vitr.  a.  a.  0.4:  alvei  latltudo  inter  pa- 
rietem  et  pluteum  (d.  i.  der  vordem  Schranke) 
ne  minus  sit  pedes  senos,  ut  gradus  inferior 
inde  auf  erat  et  pulvinus  (d.  i.  die  geschweifte 
Rückseite  zum  Anlehnen)  duos  pedes.  Vgl.  Mau 
a.  a.  O.  I  1704.  Die  Tiefe  des  alveus  ist  meist 
unbedeutend,  da  man  sitzend  badete,  vgl.  Mau 
Pompeji  198.  Im  Bad  bei  Luc.  Hipp.  7  stehen 
drei  ftsofiai  nvekoi. 

1X)  Cels.  13 f.;  II  17;  III  22.  Scrib.  Larg. 
120,  wohl  auch  Pallad.  I  41, 1. 

l2)  Plaut.  Stich.  568;  Bacch.  108;  vgl.  Karo 
und  Pottiee  bei  D.-S.  IV  781. 

1S)  Solium  als  Badewanne  für  eine  einzelne 
Person  Vitr.  IX  pr.  10.  Liv.XLIV6,l.  Lucr.VI 
800.  Cat.r.r.10,4.  Cels.  VII  26,5.  Plin. XI 238; 
XXVIII 183 ;  hölzerne  Wanne  bei  Suet.  Aug.  82 ; 
silbernePlin.XXXlII  152;  ebenso  aZw?ws,Capitol. 
Albin.  5,6,  wo  es  eine  kleine  Kinderbadewanne 
bedeutet  (mit  Schildpatt  belegt).  Daß  aber  die 
Beschränkung  des  Festus  298b,  22:  alvei  quo- 
que  lavandi  gratia  instituti,  quo  singuli  descen- 
d-unt,  solia  dicuntur,  nicht  richtig  ist,  zeigt  z.  B. 
Petron.  a.  a.  O. ;  auch  das  solii  capacis  hemicy- 
clium  bei  Sid.  Ap.  a.  a.  O.  hatte  wohl  für  mehrere 
Personen  Platz. 

14)  Plin.  ep.  II  17,11  hatte  eine  in  seiner 
Villa,  anscheinend  in  einem  besondern  Räume ; 
xoXvixßrj&ga  fiep/uov  vdarog,  Dio  Cass.  LV  7,  6 
(über  den  Namen  colymbeihra  vgl.  Saglio  bei 
D.-S.  1 1335).  Vgl.  Suet.  Nero  27.  Val.  Max.  IX 
1,1. 

15)  Dio  Cass.  a.  a.  O. 

16)  Spart.  Carac.9,4f. 


Sechster  Abschnitt.    Bäder  und  Körperpflege. 


425 


fahola),  in  der  auf  etwas  erhöhtem,  durch  Stufen  zugänglichem  Platz  ein 
rundes,  flaches  Becken  stand,  das  labrum1),  das  zu  kalten  Abwaschungen 
bestimmt  war2).  Diese  Normalform  findet  sich  jedoch  keineswegs  in  allen 
Badeanlagen :  so  fehlt  manchmal  die  Nische  mit  dem  labrum  ganz,  oder  an 
ihre  Stelle  tritt  eine  Badewanne  u.  dgl.  m.8);  in  den  großen  Thermen  war 
eine  größere  Zahl  von  Wannen  und  labra  erforderlich,  was  zu  andrer  Kaum- 
disposition führte*).  Da  das  Caldarium  derjenige  Baderaum  war,  in  dem  man 
sich  am  längsten  aufhielt,  so  legte  man  es  gern  so  an,  daß  es  recht  viel 
Licht  hatte,  das  im  Gegensatz  zu  den  altern  Bädern,  die  nur  wenige  und 
kleine  Fenster  hatten5),  durch  viele  und  große  Fenster  einfiel6).  In  der  Regel 
lagen  diese  bisher  genannten  Räumlichkeiten  dicht  beisammen,  das  Tepi- 
darium  gewöhnlich  in  der  Mitte7). 

Kein  regelmäßiger  Bestandteil  einer  Badeanlage  war  das  zuerst  bei 
Cicero8)  erwähnte  laconicum  oder  Schwitzbad,  auch  assa  sudatio9)  oder 
fcsswm10)  genannt,  eine  Einrichtung,  die  die  Römer  von  den  Griechen  über- 
nommen hatten11),  obschon  nicht  gerade,  wie  man  aus  dem  Namen  schließen 
möchte,  von  den  Lakoniern12).  Es  war  ein  kreisrunder  Raum  mit  Halbkugel- 
wölbung, bei  dem  das  Licht  durch  eine  in  der  Kuppel  befindliche,  durch 
eine  bronzene  Scheibe  verschließbare  Öffnung  hineinfiel13).    Hier  wurde  die 


')  Vitr.V  10,4:  scholasmüem  läbrorum  ita 
fieri  oportet  spatiosas,  uti  cum  priores  oecu- 
paverint  loca,  circumspeetantes  reliqui  rede 
Btare  possint.  Vgl.  Isid.  or.  X  6,28.  CIL  X  817; 
auch  in  den  Bädern  des  Metallum  Vipascense, 
ebd.  II  5181,  sowie  im  Bad  in  Ciceros  Tuscu- 
lanum,  Cic.  ad  fam. XIV 20.  Ein  labrum aeneum 
cum  foculo  in  einem  Frauenbad  CIL  IX  3677; 
2>ixri)ii<,  labrum  aeneum  cum  salientibus  XIV 
2119.  Stellen  christlicher  Autoren,  bei  denen 
es  das  Taufbecken  bedeutet,  bei  Makquärdt 
287  A.  3. 

2)  Kalte  Uebergießungen  werden  öfters  er- 
wähnt, s.Plin.  XXVIII 55.  Mart.VI42,18.  Cels. 
14. 

s)  Im  Frauen  caldarium  der  Stabianer  Ther- 
men steht  das  labrum.  mit  einer  Oeffnung  in 
der  Mitte,  aus  der  das  Wasser  aufsprudelte,  im 
Räume  selbst  an  der  Wand;  in  den  Zentral- 
thermen sind  zwei  große,  26—28  Personen  fas- 
sende alvei  an  den  beiden  Schmalseiten,  in  der 
Mitte  der  einen  Langseite  eine  kleinere  Wanne, 
die  das  fehlende  labrum  vertrat. 

4)  Meist  so,  daß  vier  rechteckige  Nischen 
des  großen  oblongenRaumes  die  alvei,  drei  runde 
(an  der  Stelle  der  vierten  lag  der  Eingang)  die 
labra  enthielten.  In  den  Thermen  des  Caracalla 
war  das  Caldarium  rund.  Vgl.  Mau  a.  a.  0. 

5)  Sen.  ep.86,6. 

6)  So  in  den  pompejanischen  Zentralther- 
men, während  in  den  kaiserlichen  Thermen  das 
Caldarium  nach  Süden  aus  der  Mauer  heraus- 
gebaut ist,  damit  es  recht  viel  Sonne  aufnehmen 
kann;  so  sagt  auch  Plin.  ep.V6,26  von  seiner 
cella  caldaria:  caldariae  magis  (sc.  so/  betii- 
gnissime  praesto  est):  prominet  enim,  und  Sid. 
Apoll,  ep.  II  2,  4  spricht  von  der  abundantia 


Iuris  inc/usae  in  seinem  Caldarium;  vgl.Mart. 
VI  42,  8 ff.  Pallad.  I  39  (40),  1.  Man  vgl.  auch 
die  Vorschrift  des  Vitruv  a.  a.  0.  1 :  ipm  gutem 
caldaria  tepidariaque  ktmen  habeant  ab  oc- 
eidente  hiberno,si  indem  natura  loci  impedierit, 
utique  a  meridie;  und  ebd.  4:  labrum  uttqtu 
sub  lumine  faciundum  rii/e/ur,  ne  stantes  eir- 
cum  suis  umbris  dbscureni  lucem, 

7)  Daher  sie  bei  Plin.  a.  a.  0.  cetta  media 
genannt  ist,  bei  Galen.  X  724  6  peaog  oly.<>~. 

8)  Cic.  ad  Attic.  IV  10,  2. 

9)  Cels.  III  27,  3;  vgl.  ebd.  II  17:  aieem 
calor.  Corp.  Gloss.  III  353, 79:  assa  cella  aqpi- 
dQüitrjQiov.  Für  Schwitzbad,  ob  trocken  oder 
feucht,  kommt  sonst  sudatio  oder  tudatorium 
vor.  Vitr.116,2;  V10.4;  11,2.  Sen.  dial.  VIII 
7,  3;  ep.  51,  6.  Corp.  Gloss.  II  331,  2. 

10)  Cic.  ad  Qu.  fr.  III  1,2. 
n)  Die  unetiones  Graecae  audatoHae  er- 
wähnt Plaut.  Stich.  229. 

12)  Der  Name  kommt  überhaupt  nicht  sehr 
häufig  vor;  vgl.noch  Vitr.V  10,6;  11,2-  VII 
10,  2.  Cels.  II  17,  1.  Colum.  I  pr.  26.  CIL  1 
1251  (X  829). 

13)  Vitr.V  10,6:  Laconicum  sudutiones'/ur 
sunt  comungenda  tepidario,  eaque  quam  lata« 
fnerint,  tantum  a/titudinem  habeant  ad  inmm 
cumtfunim  hemisphaerii  mediumque  lumrn  in 
hemisphaerioreUnqnatnre.vfoquerliptiunu,-,,,- 
um  catenis  pendeat,  per  cuius  reduetiones  ,-t 
demissiones perfleietursudationis  temperatura. 
ipsiimquv  ad  circintm  fieri  oporUrt  pidetur,  ut 
aequaliter  a  medio  flammae  vaporitqtU  vi»  p*  r 
cunxrturae  rotundationetpervofetur.  Ihm  ent- 
spricht im  griechischen  Bade  der  £//<>»-  &6Xoe, 
Alciphr.l23.Alex.Aphrod.I41.Eratosth.b..\th. 
XI 501 D;  vgl.  die  thofi  balnearum  Amm.  Marc. 


426 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 


größte  Wärme  der  Heizung  konzentriert,  weshalb  das  Lakonikum  in  größte: 
Nähe  der  Heizeinrichtung  angelegt  wurde 1).  In  den  erhaltenen  Badeanlagei 
läßt  sich  das  Lakonikum  nur  vereinzelt  nachweisen2). 

Zu  diesen  Räumlichkeiten,  die  für  den  allgemeinen  Gebrauch  bestimm 
waren,  kamen  in  großen  Badeanstalten  noch  Einzelzellen  mit  besonden 
Wannen  oder  Badestühlen 3),  die  beide  oft  aus  kostbarem  Stein  hergestell 
und  kunstvoll  verziert  waren4).  Außerdem  aber  boten  die  öffentlichen  Thermer 
noch  manche  andere  Räume  und  Anlagen  dar.  So  fehlt  selten  die  Palästra 
als  ein  säulenumgebener  Platz  für  gymnastische  Übungen  mit  einem  großen 
unter  freiem  Himmel  belegenen  Schwimmbassin5).  Erwähnt  werden  fernei 
für  solche  Thermen,  bei  denen  mit  dem  Bad  noch  Gelegenheit  zu  körper- 
lichen Übungen  und  Unterhaltung  geboten  war,  aber  auch  in  Privatbädern 
besondere  Räume,  wie  Säle  zu  gemeinschaftlichem  Aufenthalt  vor  und  nacr 
dem  Bade6),  ein  unctorium  zum  Ölen  und  Salben 7),  ein  destridorium8)  zurr. 
Reinigen  vorn  Staube  der  Palästra,  bevor  man  ins  Bad  ging,  ein  sphaeristerium 
für  das  beliebte  Ballspiel9),  sowie  andere  Annexe,  die  mit  dem  eigentlicher 
Bade  nichts  zu  tun  haben10). 


XXVIII 4, 9.  Bei  der  Beschreibung  der  Palästra 
gibt  Vitr.  V  1 1 , 2  an :  proxima  Jntrorsus  e  re- 
gione  frigidarii  conlocetur  concamerata  sudatio 
longitudine  duplex  quam  latitudo,  quae  habeat 
in  versuris  ex  una  parte  laconicum  ad  eundem 
modum  uti  quod  supra  scriptum  est,  compo- 
situm, ex  adverso  laconici  caldam  lavationem. 
')  Cic.  ad  Qu.  fr.  a.  a.  0. :  in  balneariis  assa 
in  alterum  apodyterii  angulum  promovi,  pro- 
pterea  quod  ita  erant  posita,  ut  eorum  vapora- 
torium  esset  subiectum  cubiculis. 

2)  In  Pompeji  findet  es  sich  nur  in  den 
Zentralthermen,  wo  es  ein  runder,  durch  vier 
halbrunde  Nischen  erweiterter,  von  einer  halb- 
runden Kuppel  bedeckter  Raum  ist,  den  man 
vom  Tepidarium  wie  vom  Caldarium  her  be- 
treten kann.  Nun  besagt  allerdings  eine  bei 
den  Stabianer  Thermen  gefundene  Inschrift  aus 
sullanischer  Zeit  (CIL  X  829  =  I  1251),  daß 
die  Duumvirn  G.  [Julius  und  P.  Aninius  für  das 
Bad  ein  Lakonikum  und  ein  destrictorium  er- 
stellt hätten.  Da  nun  aber  von  einem  Lako- 
nikum keine  Spur  da  ist,  so  nahm  Nissen  Pom- 
pej.  Studien  156  an,  es  sei  damit  (ebenso  wie 
bei  Dio  Cass.  LIIl  27, 1  mit  dem  jivguxvqQtov  tu 
Aaxmvtxov  des  Agrippa)  das  Caldarium  gemeint, 
welcher  Ansicht  sich  Mau  Pompej.  Beitr.  146  f. 
(auch  in  Overbecks  Pompeji  232,  vgl.  Mau 
Pompeji  194),  anschließt.  Erhalten  hat  sich  ein 
Lakonikum  in  Pompeji  außer  in  den  Zentral- 
thermen in  der  Villa  der  IuliaFelix.s. Mau  Pom- 
pej. Beitr.  144  ff.,  sowie  in  England  in  den  Bädern 
von  Wroxeter  (Leighton  in  der  Archaeologia  IX 
328)  und  Caerwent  (Morgan  in  der  Archaeo- 
logia XXXVI  2,  432,  auch  Marquardt  292  f.). 

3)  Nach  Olympiodor.  bei  Photios  Bibl.  p.63a. 
23  Bekker  hatten  die  Caracalla-Thermen  1600 
xadedgag  ix  /tag/iägon  xareaxsvaouevag  Igeotov, 
die  diokletianischen beinah  die  doppelte  Anzahl. 

4)  Eine  marmorne  Badewanne  aus  den  rö- 


mischen Thermen  s.  Clarac  Musee  de  sculpt 
255,  637;  einen  Badestuhl  (mit  hufeisenförmig 
ausgeschnittenem  Sitze,  damit  das  Wasser  bei 
den  Uebergießungen  ablaufe)  ebd.  260,  631; 
eine  Porphyrwanne  ebd.  261,639  (sämtlich  im 
Louvre).  Vgl.  auch  Rick  Wörterbuch  559. 

5)  Piscina  subdialis,  Colloqu.  Monac.  10 
(Corp.  Gloss.  III  652).  Cella  natatoria,  CIL  III 
7342;  auch  der  bei  Bädern  bisweilen  erwähnte 
toc?ts(CILI1166;XI6040)istwohlalsSchwimm- 
bassin  zu  betrachten.  In  den  Stabianer  Ther- 
men ist  es  12,7  :  8  Meter  und  1,50  Meter  tief, 
ganz  mit  weißen  Marmorplatten  ausgelegt;  die 
Forumsthermen  haben  nur  einen  Garten,  keine 
Palästra  noch  Schwimmbad ;  bei  den  Zentral- 
thermen war  dagegen  beides  beabsichtigt,  aber 
noch  nicht  vollendet.  In  den  großen  römischen 
Thermen  bot  der  außerhalb  der  eigentlichen 
Badeanlage  befindliche,  von  einer  Mauer  um- 
faßte Raum  reichlich  Platz  für  solche  palästri- 
schen  Zwecken  dienende  Anlagen. 

6)  SolcheRäume  in  prächtiger  Ausstattung 
erwähnt  Luc.  Hipp.  5. 

7)  Plin.ep.II  17,11,  auch  das  Bad  bei  Luc. 
Hipp.  6  hat  neben  dem  Tepidarium  einen  oixog 
sv  fiäla  cpaiSgög,  äleiyaaOai  jrgomp'tog  nag- 
e%6uevog;  er  ist  auch  von  der  Palästra  aus  zu- 
gänglich. Das  elaeothesium  bei  Vitr.  V  11,2  ge- 
hört zur  Palaestra. 

8)  Siehe  oben  Anm.  2. 

9)  Bei  Plin.  ep.  V  6,27  liegt  es  direkt  beim 
apodi/tcriiini. 

10)  Das  gilt  auch  von  den  bei  Vitr.  a.a.O. 
nach  griechischen  Palästren  angeführten  ephe- 
beum  und  conisterium.  Auch  tabernae  waren 
mit  den  Bädern  verbunden,  CIL  IX  1667.  Es 
ist  selbstverständlich,  daß  auch  Abtritte  da  wa- 
ren; erwähnt  werden  sie  im  Colloqu.  Monäc.  10 
(Corp.  Gloss.  III  651):  numquid  vis  venire  ad 
secessum  ?  Bene  me  admonuisti,  venter  nie  cogit. 


Sechster  Abschnitt.    Bäder  und  Körperpflege. 


427 


Notwendiger  aber,  als  diese  Nebenräume,  war  es,  daß  in  öffentlichen 
Bädern  eine  besondere  Frauen abteilung  angelegt  wurde.  Diese  Ein- 
richtung, daß  in  den  Bädern  solche  angelegt  wurden,  scheint  von  Anfang 
an  getroffen  worden  zu  sein1),  wo  die  Mittel  es  erlaubten;  wo  das  nicht 
der  Fall  war,  waren  den  Frauen  besondere  Stunden  zur  Benutzung  ein- 
geräumt2). Im  letzten  Jahrhundert  der  Republik  gingen  selbst  vornehme 
Damen  in  die  öffentlichen  Frauenbäder3);  und  daß  solche  ganz  allgemein 
waren,  zeigen  die  Bäder  in  Pompeji,  in  Baden weiler,  in  Thelepte  (Afrika), 
die  besondere  Männer-  und  Frauenabteilungen  mit  getrennten  Eingängen 
aufweisen4),  während  die  großen  Thermen  in  Rom  allerdings  nur  für  Männer 
berechnet  gewesen  zu  sein  scheinen.  Das  mag  damit  zusammenhängen,  daß 
diese  Anlagen  ganz  besonders  auch  für  körperliche  Übungen  bestimmt  waren6). 
Wo  die  doppelten  Badeeinrichtungen  bestanden,  legte  man  sie  gern  so,  daß 
die  Vorrichtungen  zur  Heizung  der  Wasserkessel  und  der  Luftheizung  nur 
einmal  angelegt  wurden  und  beide  Abteilungen  bedienten6);  in  manchen 
Anlagen  sind  die  beiden  Abteilungen  genau  symmetrisch  auf  die  beiden 
Hälften  des  Baues  verteilt,  doch  kommt  es  auch  da  vor,  daß  eine  große 
Piscina  nur  einmal  vorhanden  und  so  in  die  Mitte  der  trennenden  Achse 
verlegt  ist,  daß  sie  von  beiden  Seiten  zugänglich  war7).  In  solchem  Falle 
müssen  Männer  und  Frauen  dort  gemeinschaftlich  gebadet  haben,  und  dieser 
Brauch,  der  im  1.  Jahrhundert  n.  Chr.  aufkam8),  hatte  sich  in  der  Tat  auch 
nach  den  Provinzen  verbreitet9).  Allerdings  galt  es  für  unschicklich,  und 
anständige  Frauen  werden  die  Unsitte  nicht  mitgemacht  haben;  immerhin 
waren  es  nicht  bloß  Dirnen,  die  das  taten,  sondern  selbst  Damen  besserer 


J)  Und  daher  scheint  die  Pluralbezeich- 
nung  balnea  oder  balneae  herzurühren,  s.Varr. 
1. 1.  IX  68:  quod  primum  balneum  publice  ibi 
consedit,  ubi  hina  essent  coniuncta  aedificia  la- 
vandi  causa,  unum  tibi  viri,  alterum  ubi  mu- 
lieres  lavarentur;  etwas  abweichend  Charis.  I 
p.  99,  3  (Keil) :  balneum  veteres  dixerunt  sive 
balineum,  nihil  enim  differt  publicum  a  pri- 
vatis:  in  publicis  autem  feminin!  generis  et  qui- 
dem  numero  semper  plurali  frequenter  balneas 
et  balineas,  nee  immerito:  nam  parsimoniae 
causa  uno  igni  duplex  balneum  calfaciebant, 
pariete  interiecto,  ut  pudor  viris  mulieribusque 

cottsffti  'ff 

2)  NachderLexVipasc.(s.obenS.422A.6) 
waren  den  Frauen  die  ersten  sieben  Tagesstun- 
den, die  übrigen  (bis  zur  zweiten  Stunde  der 
Nacht)  den  Männern  eingeräumt. 

3)  Die  Mutter  des  August  besuchte  solche 
publica  balinea,  Suet.  Aug.  94  (die  Stelle  be- 
weist auch,  daß  die  Frauen  keine  Badekleider 
trugen,  sowenig  wie  solche  bei  den  Männern 
üblich  waren;  die  balnearis  vestis  bei  Lampr. 
AI.  Sev.  42,  1  ist  nur  das  Kleid,  in  dem  man 
das  Bad  besuchte).  Doch  gab  es  auch  beson- 
dere Frauenbäder,  vgl.  die  Inschr.  aus  Lanu- 
vium  CIL  XIV  2121,  wo  zwei  Männerbäder 
und  ein  Frauenbad  genannt  sind;  IX  1667: 
balneum  virile  et  muliebre;  3677:  balneum 
muliebre.    Im  2.  Jahrhundert  v.  Chr.  gab  es 


in  kleinen  Orten  nur  balncn  ririlin,  s.  Gell. 
X3,3. 

4)  In  Pompeji  haben  nur  die  Zentralther- 
men bloß  eine  einfache  Anlage,  dagegen  die 
Stabianer  und  die  Forumsthermen  besondere 
Frauenbäder,  allerdings  etwas  kleiner  und  auch 
in  der  Zahl  der  Räume  beschränkter  als  die 
Männerbäder. 

B)  Sie  werden  daher  manchmal  direkt  Gym- 
nasien genannt,  Dio  Cass. LIII 27, 1 ;  LXI  21,1; 
LXVIII  15,  3.   Tac.  ann.  XIV  47. 

°)  Siehe  Charis.  a.  a.  0.  Vitr.  V  10, 1 : 
item  est  animadvertendum  uti  caldaria  mu- 
liebria  et  ririlia  coniuncta  et  in  iadem  rc- 
gionibus  sint  conlocata.  sie  enim  ef/ieiefnr  nf 
in  vasaria  et  hypocausis  communis  .»■//  eonim 
utrisque. 

7)  Das  ist,  wie  ich  aus  Mau  bei  P.-W.  II 
2756  (nach  Arch.  des  miss.  scient.  3.  Se>.  XIII 
116 ff)  entnehme,  in  Thelepte  der  Fall;  auf 
jeder  Seite  sind  hier  besondere  Apodyterien. 
Auch  in  den  Bädern  von  Badenweiler  (vgl.  Bau- 
meister Denkmäler  1770  Taf.  69),  wo  sonst 
alle  Räume  doppelt  vorhanden  sind,  liegt  in  der 
Achse  ein  gemeinschaftlicher  Raum,  der  aber, 
da  er  Heizungsvorrichtung  hatte,  eher  ein  Cal- 
darium  war. 

8)  Plin.  XXXIII  153. 

9)  Nach  Plut.  Cat.  mai.  20  war  er  nach 
Griechenland  gedrungen. 


428 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 


Stände1),  wie  es  denn  auch  nichts  Ungewöhnliches  war,  daß  sich  Fraueii 
im  Bade  von  männlichen  Sklaven   bedienen   ließen2).     Zwar  erließen  ver 
schiedene  Kaiser  Verbote  des  gemeinschaftlichen  Badens3);  aber  eben  dal j 
dies  Verbot  mehrfach   erneuert  werden   mußte,   beweist,   wie   sehr  diese  i 
Unfug   eingerissen   war,   über   den   noch   in   der   christlichen  Zeit   geklag 
wurde4). 

Über  die  Heizungsvorrichtungen  in  den  Bädern  sind  wir  ebenfall: 
durch  litterarische  Quellen  wie  durch  die  erhaltenen  Ruinen  von  Baden 
unterrichtet.  Es  handelt  sich  dabei  um  zweierlei:  um  die  Vorrichtungen  zuj 
Erwärmung  des  Badewassers  und  um  die  Einrichtungen  für  die  Luftheizung 
der  Baderäume.  Was  erstere  anlangt,  so  dienten  zur  Wasserversorgung  dei 
Bäder  drei,  von  der  nächstbelegenen  Wasserleitung  gespeiste  eherne  Kesse 
(aena5))  für  kaltes,  laues  und  heißes  Wasser,  die  so  untereinander  verbunder 
waren,  daß  der  zweite  aus  dem  ersten,  der  dritte  aus  dem  zweiten  gespeisi 
wurde6).  Diese  Kessel  lagen  mit  Ausnahme  des  für  kaltes  Wasser  über  den 
Heizraum,  der  hypocausis1),  auch  fornax8)  genannt.  In  einigen  der  erhaltener 
Bäder  sind  die  Plätze  der  Kessel  noch  deutlich  zu  erkennen9),  und  in  einei 
Badeanlage  einer  Villa  hat  sich  ein  solcher  sogar  noch  erhalten  (Fig.  60) 10), 
In  einem  einfachen  Hausbade  aber,  wo  man  nur  warme  Wannenbäder,  keine 
eignen  Caldarien  und  Tepidarien  hatte,  genügte  ein  metallener  Ofen  von  der 
Form  des  miliarium  (siehe  oben  S.  402),  der  den  Wannen  das  heiße  Wasser 


*)  Nach  Quint.V9, 14  ist  es  ein  Signum 
adulterae  lavari  cum  viris.  Martial  erwähnt  es 
öfters,  s.  III  51 ;  72;  87;  VII  35;  XI  75.  Daß 
die  Frauen  dabei  einen  Schurz  {subligar)  trugen, 
zeigt  III 87 ;  dagegen  waren  die  Männer  anschei- 
nend ganz  nackt,  nach  VII  35, 5.  Noch  Amin. 
Marc.  XXVIII  4, 9  erwähnt,  daß  gemeine  Dir- 
nen die  Schwitzbäder  der  Männer  besuchten. 

2)  Mart.  VII  35, 1,  wonach  der  Sklave  suc- 
cinctus  nigra  aluta  ist;  XI  75,  1  ist  er  theca 
tectus  ahenea.  Ein  männlicher  Masseur  {aliptes) 
im  Frauenbad  luv.  6, 422. 

3)  Solche  Verbote  erließen  Hadrian,  Spart. 
Hadr.  18, 10.  Dio  Cass.LXIX  8, 2;  Marc  Aurel., 
Capit  M.Anton.23,8;AlexanderSeverus,Lampr. 
AI.  Sev.  24,  2.  Heliogabal  hatte  das  gemein- 
schaftliche Baden  erlaubt,  Lampr.  ebd.  und  He- 
liog.31.7.  Eine  römische  Inschrift  des  3.Jahrh. 
verbietetden  Frauen  die  Benutzung  der  Männer- 
Piscina,  CIL  VI  579 :  ne  qua  mulier  velit  in  pi- 
scina  virili  descendere. 

4)  Clem.Al.paed.  III  5,32  p.272P.  Cypr. 
de  virg.  hab.  19:  quid  vero  quae  promiscuas 
balneas  adeunt .  .  .  quae  cum  viris  adque  viros 
nudae  vident  turpiter  ac  videntur.  Für  spätere 
Zeit  vgl.  die  bei  Marquardt  283  A.  1  angeführ- 
ten Stellen. 

5)  CIL  II  5181  Z.20:  oder  aeneum,  Vitr.  V 
10,2. 

6)  Vitr.  V  10, 1:  aenea  supra  hypocausim 
tria  sunt  componenda,  unum  caldarium,  alte- 
rum  tepidarium,  tertiumfrigidarium,  etita  con- 
locanda  uti  ex  tepidario  in  caldarium  quantum 
aquae  caldae  exierit  influat,  de  frigidario  in 


tepidarium  ad  eundem  modum. 

7)  Vgl.  oben  S.  107. 

8)  Scrib.  Larg.  60:  fornax  balneariorum. 
Sid.  Apoll,  ep.  II  2,  4.  Fronto  ad  M.  Caes.  I  3 
p.  7  (Naber) :  fornaculae  balnearum.  Was  ders. 
V  44  p.  89  ostium  balnei  nennt,  ist  das  prae- 
furnium  der  hypocausis. 

9)  In  den  Stabianer  Thermen  sowie  in  den 
Forumsthermen  stand  der  Heißwasserkessel 
direkt  über  der  Feuerstelle,  der  für  laues  Wasser 
über  einem  mit  der  Feuerstelle  in  Verbindung 
stehenden  Hohlraum;  der  Kessel  für  kaltes 
Wasser  stand  in  den  Stabianer  Thermen  aul 
massivem  Mauerwerk,  in  den  Forumsthermen 
über  einem  Hohlraum,  der  mit  der  suspensura 
in  Verbindung  stand.  Siehe  Mau  Pompeji  179  f. 
und  bei  P.-W.  2749.  In  einem  Privatbade  in 
Pompeji  erkennt  man  die  Stellen,  wo  der  Heiß- 
und  der  Warmwasserkessel  standen,  während 
das  kalte  Wasser  sich  in  einem  gemauerten  Be- 
hälter in  der  Nähe  befand,  s.  Mau  Rom.  Mitteil. 
III  (1888)  204. 

10)  Nach  Mau  Pompeji  383  Fig.  204.  Hier 
findet  sich  über  der  Hypokausis  ein  zylindri- 
scher Bleikessel  für  heißes  Wasser;  der  ge- 
mauerte Behälter  für  kaltes  Wasser  ist  in  der 
Nähe,  während  ein  Behälter  für  lauwarmes 
Wasser  fehlt.  Durch  Röhren,  die  durch  Hähne 
geöffnet  und  geschlossen  werden  konnten,  floß 
das  Wasser  aus  dem  Kalt-  in  den  Heißwasser- 
kessel, ebenso  konnte  heißes  wie  kaltes  Wasser 
sowohl  dem  alveus  wie  dem  labrum  zugeführt 
werden;  s.  Mau  Rom.  Mitteil.  IX  (1894)  353  ff.; 
vgl.  Mon.  d.  Line.  VII  453  f. 


Sechster  Abschnitt.    Bäder  und  Körperpflege. 


129 


zuführte1).  Eine  besondere  Vorrichtung  bestand  manchenorts  zur  Warm- 
haltung des  Wassers  in  den  Marmorwannen.  Wie  die  Stabianer  Thermen 
zeigen,  führte  unter  dem  Heizkanal,  durch  den  die  heiße  Luft  in  den  1 1 1 >li  1- 
raum  unter  dem  Fußboden  eintrat,  ein  halbzylinderförmiger  Bronzekessel, 
dessen  eines  Ende  sich  in  den  alveus  öffnete;  indem  das  Wasser  zugleich 
mit  der  Wanne  auch  den  Kessel 
füllte,  wurde  es  stets  von  neuem 
erwärmt2).  Die  Heizung  der  Bade- 
räume erfolgte  ursprünglich  durch 
Kohlenbecken,  und  auch  später 
noch  ist  dies  in  solchen  Bädern, 
die  keine  Heizanlagen  hatten3), 
üblich  gewesen4).  Aber  seit  der 
in  den  Anfang  des  letzten  Jahr- 
hunderts v.  Chr.  fallenden  Erfin- 
dung des  C.  Sergius  Orata,  von  der 
oben  (S.  106)  die  Rede  war,  pflegte 
man  die  Fußböden  durch  die  sus- 
pcHsurae  (daher  die  so  gebauten 
Bäder  balineae  pensiles  hießen5)) 

und  die  Wände  durch  die  erwärmten  Hohlräume  zu  heizen,  vornehmlich 
tep'xhtrhtm,  caldarium  und  Laconicum.  Die  Hypokausis  diente  auf  diese 
Weise  beiden  Zwecken:  das  Feuer  erhitzte  das  Wasser  in  den  Kesseln  und 
die  Luft  in  den  suspensurae6). 

Zur  Veranschaulichung  des  Gesagten  mögen  die  Grundrisse  von  zwei  Bade- 
anlagen Pompejis  dienen.  Fig.  61  gibt  den  Grundriß  der  Stabianer  Thermen7), 


Fig.  60. 


Wasserkessel  und  Kührenleitiing  des  Bades 
in  der  Villa  rustica  bei  Boscoreale. 


')  Das  schreibt  Pallad.  I  39  (40).  3  so  vor: 
miliarium  plumbeum,  cui  aerea  patina  subiecta 
est,  inter  soliorum  spatia  forinsecus  statuamus 
fernace  subiecta,  ad  quod  miliarium  fistida  fri- 
gidaria  dirigatur  et  ab  hoc  ad  solium  similis 
magnitudinis  fistula  procedat,  quae  tantum  ca- 
lidae  ducat  interius,  quantum  fistida  illifrigidi 
Ugtioris  intulerit.  Diese  Oefen  waren  jedenfalls 
nicht,  wie  die  vorher  erwähnten  Wasserkessel, 
eingemauert,  sondern  transportabel ;  nur  so  er- 
klärt es  sich,  wenn  sie  Paul.  sent.  III  6,65  zum 
instrumentum  bahieatorium  rechnet.  Die  an- 
dern Stellen,  die  Marquardt  288  A.  3  anführt, 
haben  mit  diesem  Badeofen  nichts  zu  tun,  son- 
dern betreffen  das  miliarium  zur  Bereitung  der 
ealda.  Was  Eich  394  und  Daremberg-Saglio 
1 661  Fig. 765  (vgl.  III 1899)  als  Bädermiliarium 
abbildet,  nämlich  ein  Wasserkessel  der  pompe- 
janischen  Forumsthermen,  hat  damit  gar  nichts 
zu  tun. 

3)  MAuPompejil79;derBronzekesselhieß 
nach  Vitr.  a.  a.  0.  testudo  alveoli,  s.  Mau  Gott, 
gel.  Nachr.  1896,  80. 

s)  Mehrfach  werden  Sommer-  und  Winter- 
bäder unterschieden;  so  thermae  aestivae  und 
hiemales,  Capitol. Gord.tres32. 7 ;  balneaaestiva 
und  hiemalia  Pallad.  139  (40), 4;  inschriftl.CIL 
III  1805.   Vielleicht  waren  die  aestiva  solche, 


die  keine  Heizvorrichtung  hatten;  bei  Pallad. 
a.a.O.  sollen  die  cellae  piscinales  im  Sommer- 
bad nach  Norden,  im  Winterbad  nach  Süden  zu 
liegen. 

*)  Im  Tepidarium  der  Forumsthermen,  das 
nicht  (wie  die  ursprünglich  auch  ohne  suspen- 
surae  angelegten  Stabianer  Thermen)  später 
umgebaut,  sondern  ohne  Heizvorrichtung  ge- 
blieben war,  diente  auch  zur  Zeit  der  Zerstörung 
Pompejis  ein  Kohlenbecken  zur  Erwärmung, 
vgl.  Overbeck  Pompeji  286.  Mao  Pompeji  208. 
Ueber  den  Umbau  und  die  nachträgliche  Tubu- 
lation  der  Stabianer  Thermen  s.  Schöne  Quae- 
stion.  Poinpeianar.  specimen,  Lips.  1868.  Nissen 
Pompej.  Studien  140  ff.  Mau  Pompej.  Beiträge 
117  ff. 

B)  Val.  Max.  IX 1, 1  und  mehr  oben  S.  106  ff. 
Vgl.  die  Inschrift  CIL  XI  6040:  balnetm  aus- 
pendit,  tubulos  . . .  laeus  piscinamque  fecit.  Das 
angeblich  alte  Gemälde  mit  der  Inschrift  lud. 
Faustines,  aqua*  pensiles  (CIL  VI  29830)  ist 
verdächtig,  siehe  Jordan  A.  Z.  XXVI  (1868), 
92  f. 

6)  Cassiod.  Var.  II 39  wird  diese  Wirkung 
anschaulich  geschildert. 

7)  Nach  Mau  Pompeji  191  ff. ;  der  Grundriß 
195  Fig.  95 :  vgl.  dens.  bei  P.-W.  2753  und  Over- 
beck 215  ff. 


430 


Zweite  Abteilung.   Das  Leben. 


Fig.  61.   Grundriß  der  Stabianer  Thermen  in  Pompeji. 


die  an  zwei  Seiten  von  Läden,  die  nichts  mit  dem  Bad  zu  tun  haben,! 
umgeben  sind,  mit  einer  dritten  an  ein  Nachbarhaus  grenzen.  A  ist  derj 
Zugang   zum    Männerbad;    er   führt   zunächst   zu   der   von   Säulenhallen  B| 

umgebenen  Palästra  C,  zu  der  auch 
von  der  andern  Straße  her  der  Zu- 
gang L  führt.  An  der  einen  Seite  der 
Palästra  liegt  das  offene  Schwimmbad 
F;  die  zu  beiden  Seiten  davon  befind- 
lichen Räume,  die  ursprünglich  be- 
deckt waren,  enthielten  je  ein  flaches 
(0,65  Meter  tiefes)  Bassin,  das  durch 
einen  aus  der  Westwand  kommenden 
Wasserstrahl  gespeist  wurde,  und 
dienten  vermutlich  zu  Abwaschungen 
und  Duschen,  doch  ist  das  Bassin  G 
später  ausgefüllt  un  d  der  Raum  ander- 
weitig verwertet  worden.  Der  Raum 
D  scheint  ein  Auskleideraum  gewesen 
zu  sein,  da  sich  an  den  Wänden  Spuren 
von  Schränken  finden.  Nicht  sicher  ist  die  Bedeutung  von  K;  da  es  sich  auf 
die  Westseite  der  Palästra  öffnet,  die  statt  der  Säulenhallen  eine  2,48  m  breite 
Bahn  aus  Tuffsteinen  hat,  auf  der 
zwei  schwere  Steinkugeln  gefunden 
wurden,  so  nimmt  man  an,  daß  von 
hier  aus  ein  Kugelspiel  gespielt  wur- 
de. J  ist  vielleicht  die  cella  eines  Auf- 
sehers der  Palästra.  Die  Räume  I  bis 
VIII  sind  sodann  die  der  Männer- 
Badeanstalt:  I  und  II  ein  Vorraum 
mit  einer  Bank,  vermutlich  für  die 
ihren  Herrn  erwartenden  Sklaven x), 

IV  der  Durchgang  von  der  Palästra 
zum  Apodyterium  VI,  das  auch  von 
dem  gleichfalls  mit  Bänken  ver- 
sehenen Vorraum  X  von  der  östlichen 
Straße  her  betreten  werden  konnte. 

V  ist  das  Frigidarium,  VII  das  Tepi- 
darium,  VIII  das  Caldarium,  IX  der  Heizraum  mit  den  Kesseln.  Das  Frauen- 
bad, das  von  Osten  und  Westen  her  durch  die  Zugänge  1  und  5  betreten  wird, 
umfaßt  die  Räume:  2  das  Apodyterium,  3  das  Tepidarium,  4  das  Caldarium; 
der  bedeckte  Gang  6  führt  zur  Palästra.  Bei  dem  von  Westen  her  führenden 
Eingang  a  liegen  vier  Einzelbäder  e;  k  ist  der  Abtritt. 

In  den  Zentralthermen  Fig.  62 2),   die  auch  von  Läden  umgeben  sind, 
ist  d  die  Palästra  mit  dem  Schwimmbad  h,  zu  der  drei  Eingänge  a  führen; 


Fig.  62.   Grundriß  der  Zentralthermen  in  Pompeji. 


')  Im  Bade  des  Hippias  bei  Luc.  Hipp.  5  ist 
bald  am  Eingang  ein  oixog  evfieys&rjg,  ixavrjv 
f,X<tiv  im?]Qhaig  xal  äy.olovdoig  öiaTQißrjv. 


2)NachMAü212ff.;derGrundrißFig.l04; 

Vgl.  OVEBBECK  233  ff. 


Sechster  Abschnitt.    Bäder  und  Körperpflege. 


431 


p  ist  das  Apodyterium  mit  Wanne,  q  das  Tepidarium,  s  das  Caldarium,  r  das 
Lakonikum ;  bei  x  und  y  liegen  die  Heizräume,  e  ist  der  Abtritt,  f  und  g 
Auskleide-  oder  Warteräume,  b  und  c  (beim  Nordeingang)  vielleicht  Zellen 
für  den  balneator  und  den  capsarius.  Was  die  Ausstattung  der  Bäder  anlangt, 
so  sind  die  pompejanischen  zwar  bescheiden,  aber  geschmackvoll  mit  Wand- 
malereien und  Stuckverzierungen  versehen,  auch  ist  weißer  Marmor  für  die 
Badeeinrichtungen  verwendet ;  aber  von  dem  Luxus,  der  in  den  großen  Thermen 
in  Rom  herrschte,  von  der  prachtvollen  Ausstattung  namentlich  mit  bunten 


Fig.  63.   Tepidarium  der  Forumsthermen  in  Pompeji. 

Marmorarten,  können  wir  uns  kaum  einen  Begriff  machen1).  Noch  üppiger 
freilich  waren  die  Privatbäder  der  Reichen,  von  denen  uns  die  Schilderungen 
einiger  Schriftsteller  berichten 2).  Fig.  63 3)  stellt  das  Tepidarium  im  Männer- 
bade der  Thermen  beim  Forum  von  Pompeji  vor;  es  entbehrt  der  Hypokaust- 
heizung,  die  Erwärmung  geschah  durch  ein  Kohlenbecken;  die  Nischen,  an 
deren  Zwischenwänden  tönerne  Atlanten  das  Gesims  tragen,  dienten  zur  Auf- 
bewahrung der  Kleider. 

Sehen  wir  uns  nun  die  Art,   wie   diese  Badeanlagen   benutzt  wurden, 
etwas  näher  an4).    In  Rom  pflegten  die  öffentlichen  Bäder  in  der  Kaiserzeit 


')  Bezeichnend  ist  Sen.  ep.  86.6:  pauper 
tibi  videtur  ac  sordidus,  nisi  parietes  magnis  et 
pretiosis  orbibus  refulserunt,  nisi  Alexandrina 
marmora  Numidicis  crustis  distincta  sint,  nisi 
Ulis  undique  operosa  et  in  picturae  modum 
variata  circumlitio  praetexitur,  nisi  vitro  ab- 
seonditur  camera,  nisi  Thasius  lapis,  quondam 
ramm  in  aliquo  spectaculum  templo,  piscinas 
nostras  circumdedit,  in  quas  multa  sudatione 
corpora  exsaniata  demittimus,  nisi  aqtiam  ar- 
gentea  epitonia  fuderunt. 


»)  Vgl.  bei  Sen.  a.  a.  0.  die  Beschreibung 
von  den  balnea  libertinoruM,  feiner  bei  Stat.silv. 
Ih&a&balnenHi  Cl"i«i;  l'Jn^cr.vsXM&xt.NUZ. 

3)  Nach  Mau  208  Fig.  101. 

4)  Daß  man  sich  nicht  bloß  bis  an  das  Bad. 
sondern  auch  in  diesem  selbst  in  einer  Sänfte 
an  Ort  und  Stelle  und  wieder  hinaustragen  ließ, 
kam  wohl  nur  bei  Weichlingen  vor  (wie  bei 
Trimalchio  Petron.  28,4)  oder  bei  kränklichen 
Leuten,  denen  das  Gehen  beschwerlich  fiel  (so 
Fronto  ad  M.  Caes.  V  44  p.  89  Nab.). 


432 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 


um  die  Mittagsstunde  oder  erst  am  Nachmittag  geöffnet  zu  werden1),  wozu 
eine  Glocke  das  Zeichen  gab2);  auch  waren  wohl  in  allen  Bädern  Sonnen- 
uhren aufgestellt3).     Mit  Einbruch   der  Nacht   wurden   sie  in  Born  in  der 
Regel  geschlossen4),  während  man  in  der  Provinz  auch  noch  in  den  ersten 
Nachtstunden  baden  konnte6).    In  den  größeren  Thermen,  die  eine  Palästraj 
oder  ein  Sphäristerium  u.  dgl.  hatten,   machte  man  häufig,  bevor  man  insl 
Bad   ging,   irgendeine   körperliche  Übung6);    namentlich  das  Ballspiel  war 
dafür  sehr  beliebt7).    Vielfach  mußte  man  sich  schon  für  diese  Spiele  und 
Übungen  entkleiden8),  und  auch  sonst  war  als  Vorbereitung  auf  das  Bad  ein 
Sonnen-  und  Luftbad  in  völliger  Nacktheit  üblich  und  empfohlen9);    sonst 
begab  man  sich  nun  ins  Apodyterium  und  legte  dort  seine  Kleider  ab.    Wer 
einen  Sklaven  mitgebracht  hatte,  der  dann  auch  das  Badegerät,  vornehmlich 
bestehend  aus  dem  Schabeisen,  strigilis,  und  dem  Ölfläschchen,  ampidla10)y\ 
sowie  den  zum  Abtrocknen  nötigen  Leintüchern,  lintea11),  sabana12),  dem  Herrn 


1)  Von  der  Tageszeit,  in  der  man  zu  baden 
pflegte,  ist  oben  S.  383  die  Rede  gewesen.  All- 
gemeine Bestimmungen  darüber  gab  es  natür- 
lich nicht,  sie  wechselten  nach  Ort  und  Zeit. 
So  war  das  Bad  im  Metallum  Vipascense  von 
Tagesanbruch  bis  2  Uhr  nachts  offen,  also  14 
Stunden,  s.  oben  S.  422  A.  1. 

2)  Mart.  XIV  163:  Tintinabulum.  Eedde 
pilam :  sonat  aes  thermarum.  Ludere  pergis  ?  \ 
Virgine  vis  sola  lotus  abire  domum.  Darnach  war 
also  die  Palästra  und  sonstige  Räume  für  das 
Ballspiel  schon  vorher  zugänglich.  Wer  auf  das 
Glockenzeichen  nicht  ins  Bad  ging,  riskierte, 
keinenPlatz  zu  finden,  und  mußte  sich  mit  einer 
kalten  Uebergießung  aus  der  von  der  aqua  Virgo 
gespeisten  Piscina  begnügen. 

3)  So  in  Pompeji,  Overbeck212;  219;  238. 
Mau  185;  191 ;  195.  Bei  Luc.  Hipp.  8  sind  zwei 
Uhren  im  Bade,  eine  Wasseruhr,  die  mit  lauter 
Stundenangabe  versehen  ist.  u.  eine  Sonnenuhr. 

4)  Allerdings  muß  auch  da  unterschieden 
werden.  Nach  Lampr.  AI.  Sev.  24, 6  hätten  die 
Thermen  vor  diesem  Kaiser  vor  Sonnenunter- 
gang geschlossen  werden  müssen,  während  Ale- 
xander Severus  Oel  für  die  Beleuchtung  spen- 
dete, also  das  Baden  zur  Nachtzeit,  gestattete; 
verboten  wurde  es  aufs  neue  durch  den  Kaiser 
Tacitus,  Vopisc.  Tac.  10,2.  Für  Konstantinopel 
ist  später  Beleuchtung  der  Bäder  bezeugt  durch 
Cod.  Theod.  X  V  1,52.  Cod.  Iust.  VIII 11  (12),  19, 
und  daß  das  auch  in  Rom  in  der  spätem  Kaiser- 
zeit der  Fall  war,  ist  sehr  wahrscheinlich. 

5)  In  Pompeji  sind  in  den  Forumsthermen 
Nischen,  z.  T.  von  Ruß  geschwärzt,  zur  Auf- 
stellung von  Lampen  in  den  Baderäumen  an- 
gebracht, und  über  1000  Lampen  sind  in  den- 
selben Thermen  gefunden  worden,  Overbeck 
203;  205;  208;  211.  Mau  208.  Die  Ansicht  von 
Nissen  Pomp.  Stud.  135,  daß  diese  nur  dazu  ge- 
dient hätten,  die  dunkeln  Gänge  und  Säle  zu 
erhellen ,  weist  Mau  zu  Marquardt  2  7 1 A .  4  wohl 
mit  Recht  zurück.  Betreffs  des  Metallum  Vi- 
pascense s.  oben.  Baden  nach  Sonnenuntergang 
bezeugt  auch  Libanios  or.  XXII  6  (II  3R.)  und 


LI  5  (II 593 R.);  nach  Tertull.  de  ieiun.  16  blie- 
ben die  Bäder  bis  zur  9.  Stunde  geschlossen. 

6)  Vgl.  das  oben  erwähnte  Kugelspiel  in 
den  Stabianer  Thermen;  auch  Hantelübungen 
scheinen  üblich  gewesen  zu  sein,  denn  darauf 
geht  wohl  Sen.  ep.  56, 1 :  cum  fortiores  exer- 
centur  et  manus  plumbo  graves  iactant,  cum  aut 
laborant  aut  labovantem  imitantur:  denn  an 
Faustkämpfer  mit  den  bleibeschlagenen  Hand- 
riemen wird  man  hier  wohl  nicht  zu  denken  ha- 
ben. Uebung  im  Fechten  bezeugt  Mart.  VII 32, 8. 

7)  Petron.  27.  Mart.  VII  32,  7;  XII  82, 3; 
XIV  163.  Plin.  ep.  III 1, 6 :  V  6, 27.  Seneca,  der 
über  einem  Bade  wohnte,  beklagt  sich  a.  a.  O.: 
st  vero  piltcrepus  super  venit  et  numerare  coepit 
pilas,  actum  est.  (Ueber  die  verschiedenen  Arten 
des  Spieles  s.  unten.) 

8)  Das  Ballspiel  wurde  auch  oft  nackt  vor- 
genommen, Mart.  VII  72,9.  Plin.  ep.  III  1,8; 
bei  Petron.  27, 1  spielt  Trimalchio  allerdings  in 
der  Tunika. 

9)  Die  sog.  apricatio,  Cic.  de  sen.  16,57; 
ad  Attic.  VII 11, 1;  vgl.  Plin.  ep.  III  1,8;  5, 10. 
DastatmanauchimWinter,Varr.b.Non.76,13. 

10)  Plaut.  Pers.  124;  Stich.  228.  Cic.  de  fin. 
IV  12,  30.  Apul.  Flor.  I  9.  Varr.  r.  r.  I  55, 4: 
(oleum)  dominum  in  balneas  et  guminasium  se- 
quitur.  luv.  3,263;  vgl.  Jahn  Ficoron.  Cista  38. 
Ein  ganzer  Badeapparat,  bestehend  aus  vier. s/r/- 
giles,  einer  ampulla  und  einer  flachen  Schale,  in 
die  man  das  Salböl  goß,  alles  an  einem  Ring  be- 
festigt, ist  in  den  Forumsthermen  in  Pompeji  ge- 
funden worden,  s.  Museo  Borb.  VII 16.  Over- 
beck 452  Fig.  251.  Mau  399  Fig.  228. 
*  » J)  Plaut.  Cure.  578.  Mart.  XII  70, 1 ;  82, 7 ; 
XIV  51,  2.  Plin.  XXVIII  55.  Apul.  met.  I  23. 
Petron.  91,1;  dagegen  läßt  sich  ebd.  28,2  Tri- 
malchio abtrocknen  non  linteis,  sed  pallii*  c.c 
lana  mollissinia  factis. 

12)  Pallad.  VII  7, 3.  Veget.  mulom.  V  46  (III 
47),  1 1 .  Corp.  Gloss. III 287, 21 ;  514, 63  u.  ö. :  vgl. 
VII 220;  speziell  als  Badetücher  in  den  vom  Bade 
handelndenStellenderColloquiaPs.-Dositbeana 
Corp.  Gloss.  III  638,8;  644,28;  651, 10;  657, 16. 


Sechster  Abschnitt.    Bäder  und  Körperpflege. 


433 


r 


nachtrug1),  übergab  diesem  seine  Kleider  zur  Bewachung2);  wer  keinen  mit- 
hatte, gab  sie,  wenn  er  vorsichtig  war,  dem  capsarius  gegen  eine  kleine  Ver- 
gütung zur  Aufbewahrung3);  wer  das  nicht  tat,  sondern  seine  Kleider  in 
den  dafür  im  Apodyterium  angebrachten  Nischen  unbewacht  ließ,  riskierte, 
dal.':  sie  ihm  von  den  schon  im  Altertum  sehr  häutig  genannten  Badediebeu 
gestohlen  wurden4).  Sehr  gewöhnlich  war  es,  daß  man  sich  noch,  bevor 
man  badete,  mit  Ol  salbte5).  Die  Sitte,  sich  mit  Öl  einzureiben,  war  nämlich 
sehr  verbreitet,  weshalb  mitunter  Wohltäter,  wie  solche  etwa  freien  Besuch 
der  Bäder  den  Einwohnern  zum  Geschenk  machten,  so  Öl  zum  Salben  in 
die  Thermen  stifteten 6).  Man  ließ  sich  wohl  in  der  Regel  im  durchwärmten 
Tepidarium  einreiben7),  wenn  nicht  ein  besonderer  Raum  dafür  vorhanden 
war8);  doch  war  ein  bestimmter  Zeitpunkt  für  das  Salben  nicht  vorgeschrieben: 
man  tat  es  ebensowohl  vor  wie  während  des  Schwitzbades9)  und  wiederholte 
es  auch  wohl  noch  nachher10).  Auch  zu  den  Übungen  in  der  Palästra 
war  teilweise  das  Salben  erforderlich;  manche  erwärmten  sich,  anstatt  im 
Tepidarium,  auf  diese  Weise  und  gingen  dann,  nachdem  sie  sich  vom  Ol 
und  Staub  der  Palästra  mit  der  strigilis  gereinigt  hatten11),  nochmals  ins 
Bad.  Das  Salben,  Abreiben,  Massieren  u.dgl.12)  besorgte  man  teils  selbst, 
teils  ließ  man  es  durch  den  Sklaven  vornehmen,  wenn  man  einen  solchen 
mitgebracht   hatte13);   in  manchen  Thermen   waren    wohl   auch   besondere 


')  Im  Colloqu.  Monac.  10  (Corp.  Gloss.  III 
651)  befiehlt  der  Herr  dem  Sklaven:  deferte  Sa- 
bona ad  balneum,  strigilem,  faciale  (das  Hand- 
tuch für  das  Gesicht.  jiQoooipldiov).  peda/e  (Tuch 
für  die  Füße,  ^obexpayeTov),  ampullam,  aphro- 
nitrum  (statt  Seife).  Daß  auch  die  Frauen  ihre 
Badeutensilien  mitnahmen,  zeigt  Tert.  de  virg. 
vel.  12:  plus  instrumenti  ad  balneas  deferunt 
(nämlich  die  Matronen,  als  die  Jungfrauen). 

*)  Vgl.  das  erwähnte  Colloqu.  Monacense: 
expoh'a  me,  discalcia  me,  compone  vestimenta, 
cooperi,  serva  bene,  ne  addormias propter  fures. 

3)  Digg.  I  15, 3. 5 ;  im  Ed.  Diocl.  7, 75  wer- 
den ihm  von  jedem  Badenden  zwei  Denare  (etwa 
8'  2  Pf.)  als  Lohn  zugesprochen.  Ein  capsarius 
der  Caracalla-Thermen  CIL  VI  9232.  Vgl.  ebd. 
3952;  9232  f.  Dessau  7621.  Ov.  a.  a.  III  639. 
Bei  Mart.  XII 70, 2  hütet  eine  alte  Frau  die  Klei- 
der. Digg.  1112,4,2:  (si)  balneator,  velut  in  qui- 
busdam  provinciisfit,  in  balineis  adcustodienda 
cestimenta  conducta  habeat  mancipia. 

4)  Die  fures  balnearii,  Catull.  33, 1 ;  vgl. 
Petron  30.8.  Tertull .  apol.  44 ;  de  fuga  in  persec. 
13:deidolol.5.  Digg.  XLVII  17  handelt  eigens 
defuribusbalneariis,  vgl. Paul.  sent.  rec.  V  3.5. 
Daß  trotz  Aufsicht  solche  Diebstähle  häufig  wa- 
ren, zeigt  außer  Petr.  a.  a.  0.  Plaut.  Rud.  383  ff. ; 
vom  für  deprehensus  und  dem  Lärm  dabei 
spricht  Sen.  a.a.O.  Vgl.  Humbert  bei  D.-S.  II 
1409. 

5)  So  im  Colloqu.  Montepessul.  (Corp.  Gloss. 
III 657)  als  erstes:  da  mihi  olcion.it  nge  me;  dann 
int:  eamus  intro. 

b)  Dio  Cass  XXXVII  51  4.  CIL  II  4514; 
XII  372:  1236;  vgl.  XII  5717. 

7)  Für  Kranke  empfiehlt  Cels.  1 4 :  sub  peste 

Handbuch   der  klass.  Altertumswissenschaft     IV. 


prinnini  paulum  in  Upidario  hiaudare,(biungi. 

8)  Siehe  oben;  eine  cella  ungnentaria  er- 
wähnt Sid.  Apoll,  ep.  112,4,  sie  scheint  zwischen 
Frigidarium  und  Caldarium  zu  liegen.  In  den 
pompejanischen  Bädern  sind  eigene  unptoria 
nicht  erkennbar,  eventuell  ist  nach  der  Vermu- 
tung von  Mau  207  ein  kleiner  dunkler  Raum  der 
Forumsthermen  vielleicht  zur  Aufbewahrung 
des Oels bestimm t.obschon  ein elacothesinm  nur 
beim  Gymnasium  bekannt  ist,  s.  oben  S.  426  A.7. 

9)  Galen.  X  724K.  Oribas.  X  1,21  (II  377 
Dar.),  wobei  es  sich  allerdings  um  Patienten 
handelt.  Im  Colloqu.  Monac.  wird  der  Badende 
in  der  cella  tepiduria  eingesalbt,  im  Monte- 
pessul. aber  vor  Betreten  der  Baderäume;  da- 
gegen läßt  er  sich  hiernach  dem  Schwitzen  mit 
aphronÜrwn  abreiben. 

,0)  Galen.  X  725.  Petron.  28,2. 

11 )  Dafür  war  wohl  das  oben  S.426  A.  2  er- 
wähnte iettrictorium  der  Stabianer  Thermen 
bestimmt  (Raum  D). 

'*)  All  die  Prozeduren,  die  dabei  in  Betracht 
kamen,  zählt  Lucil.bei  Non.95, 15  auf:  rador, 
8ubveUor,de8quainor,pumicor,ornor,  txpolior, 
pingor.  Auf  Massieren  geht  Sen.  ep.  65, 1 :  mm 
in  aliquem  inertem  et  hae  plebein  nnctionc  con- 
tent um    inddi,   audio   frepitiim    inlisoe  mnnns 

humeris,  gttae  proui  plana  ptrvmü  mit  con- 

Cava,   i/n  sonnm   inntiit. 

1 3)  Vgl.  Spart.  Hadr.  17,6:  cum  guodam  tem- 
pore veter  annm  ijneiit/nm  no/nm  xibi  in  militio 
ilorsnm  et  cetera in  jiar/em  corporis  cidissct  ml- 
terere,  percontotUS,  cur  sc  marmorihiis  ilestrin- 

gendum  daret,  uibi  audivii,  hoc  iddrco  jieri, 
quod  serrnm  n<m  haheret,  et  servis  eum  donorit 
et  siimptibus. 
.2.    3.  Aufl.  28 


434 


Zweite  Abteilung.   Das  Leben. 


Angestellte  für  diese  Dienste  da,  die  nach  griechischer  Sitte  aliptae1)  oder! 
wenn  sie  ihr  Amt  in  hygienischer  Weise  zu  besorgen  wußten,  iatraliptae*} 
hießen,  falls  es  nicht  bloße  unctores  waren3). 

Die  Reihenfolge,  in  der  man  die  Badeeinrichtungen  benutzte4),  wai 
keine  feststehende,  manchmal  auch,  wenn  es  sich  um  Leidende  handelte 
vom  Arzt  besonders  vorgeschrieben;  in  der  Regel  aber  ging  man  wohl  von 
Tepidarium,  in  dem  man  sich  mäßig  erwärmte,  ins  Caldarium,  teils  um  ii 
der  dortigen  feuchten  Wärme  zu  schwitzen,  teils  um  ein  warmes  Bad  zi 
nehmen,  und  eventuell  noch  ins  Lakonikum,  wo  trockne  Hitze  herrschte5),  un 
mit  einer  kalten  Übergießung ö)  im  Frigidarium  zu  schließen  oder  eventuel 
nach  derselben  nochmals  ein  Schwitzbad  zu  nehmen7).  Ein  Unfug,  der  zi 
Anfang  der  Kaiserzeit  eingerissen  war,  war  der,  daß  man  extreme  Tempera- 
turen des  Wassers  liebte:  übermäßig  heiße  Bäder8)  und  eiskalte  Piscinen9) 
Eine  andere  Art  des  Raffinements  war  es,  dem  Badewasser  wohlriechend* 
Essenzen,  Wein  u.  dgl.  beizumischen10).  Ein  ebenfalls  in  der  Kaiserzeit  auf- 
gekommener Mißbrauch  war  die  unsinnige  Übertreibung  in  der  Benutzung 
der  Bäder,  indem  man  nicht  nur  stundenlang  darin  verweilte,  sondern  mehr- 
mals am  Tage  die  erschlaffenden  heißen  Bäder  nahm11),  ganz  besonders  abei 


')  Deraliptes  (älsljizrjg)  besorgte  allerdings 
das  Oelen  nicht  nur  in  den  Bädern,  sondern 
auch  in  den  Ringschulen,  s.Cic  ad  fam.  I  9, 15. 
luv.  3,  76;  6.  422.  Cels.  I  1;  doch  hatten  auch 
Private  ihren  alipta,  vgl.  Fronto  ad  M.  Caes. 
II  12  p.  35  (Naber).  Allerdings  ist  der  aXeUxng 
in  griechischer  Athletik  etwas  anderes,  nämlich 
der  Lehrer  der  Athleten,  s.  Bussemaker  und 
Saglio  bei  D.-S.  1  184  f.  Mau  bei  P.-W.  I  1362 
und  vgl.  Grasberger  Erzieh,  und  Unterricht  I 
267 f.;  341  f. 

2)  Petron.  28,  3  sind  drei  iatraliptae  im 
Bade.  Bei  Plin.  ep.  ad  Trai.  5  (4),  1  ist  es  ein 
richtiger  Arzt,  dessen  Kunst  Plin.  XXIX  4  als 
iatraliptice  erwähnt.  Vgl.  CIL  VI  9476. 

3)  Plaut.  Trin.  252.  Cic.  ad  fam.  VII  24,2. 
Mart.  VII  32,6;  XII  70. 3.  Quint.XI  3,26.  Plin. 
XXIX  4.  Oefters  auf  Inschr.,  s.  CIL  IV  6890; 
VI  4336;  5540;  6376 ff.;  9902  u.  s.;  vgl.  Mar- 
qüardt  145  A.  5 ;  scriba  unctorum  CIL  VI  9995 ; 
auch  unctrices  für  die  Frauen,  ebd.  4045 ;  4252; 
9097;  XIV 3035. 

4)  Lehrreich  für  die  Reihenfolge  beim  Ba- 
den ist  das  Gespräch  10  im  Colloqu.  Monac. 
(Corp.  Gloss.  III 651) :  erst  läßt  sich  der  Badende 
vom  Sklaven  entkleiden ;  dann  spielt  er  Ball  und 
übt  am  Ringplatz  (in  ceromate).  Zuerst  geht's 
dann  in  die  cella  tepidaria:  hier  wird  der  bal- 
nitor  bezahlt,  der  einreibt  und  massiert.  Von  da 
geht's  ins  sudatorium,  dann  ins  trockne  Schwitz- 
bad (assa)  und  zum  solium,  wo  man  übergössen 
wird;  hierauf  wird  in  der  piscina  subdivalis  et- 
was geschwommen,  und  schließlich  beim  Bade- 
becken nochmals  übergössen.  Dann  kommt  die 
Sti  igilis  zur  Anwendung,  und  hierauf  trocknet 
der  Sklave  den  Herrn  ab  und  hilft  ihm  beim  An- 
ziehn.  Aehnlich,  nur  abgekürzt,  Colloqu.  Monte- 
pessul.  16  (Corp.  Gloss.  III  657).  Hier  geht  ein 
Sklave  voraus  und  belegt  für  den  Herrn  einen 


Platz  in  der  Badeanstalt:  occupate  locum,  be 
fiehlt  dieser. 

5)  Mart.  VI  42, 16  f. 

6)  Kalte  Uebergießungen  waren  überhaup 
sehr  beliebt  und  galten  für  gesund,  vgl.  Plin 
XXVIII  55.   Galen.  X  722 

7)  Das  schreibt  Galen.  X  7 14  vor.  Bei  Mart 
a.  a.  O.  folgt  auf  das  Lakonikum  die  kalte  Wa 
schung;  ebenso  bei  Petron.  28, 1  auf  das  Schwitz 
bad  das  Frigidarium;  von  Augustus  berichtet 
Suet.  82:  sudabat  ad  flatnmam,  deinde  perfun- 
debatur  egelida  aqua  vel  sole  multo  tepefacta 
Bei  Luc.  Hipp.  7  führt  ein  besonderer  Gang  von 
Caldarium  ins  Frigidarium.  Eine  stehende  Arl 
dieser  Reihenfolge  darf  aber  wohl  nicht  mit  Mai 
bei  P.-W.  2757  angenommen  werden. 

8)  Sen.  ep.  86,  10  erwähnt,  daß  früher  di< 
Aedilen  auf  eine  utilis  et  salubris  temperaturc 
hielten,  non  hanc,  qnae  nuper  inventa  estsiiiiilh 
incendio,  adeo  quidem,  ut  convictum  in  aliqiu 
scelere  servum  vivum  lavari  oporteat.  Cels.  1 1 
spricht  vom  balnenm  fervens.  Bei  Petron.  72,  t 
sagt  Trimalchio  vom  Bade:  sie  calet  tanquan 
furnus  Mart.  X  48,  4:  immodico  sexta  Neront 
calet  faßt  Friedländer  als  Bezeichnung  einei 
von  Nero  eingeführten  Art  des  heißen  Bades 
aber  s.  oben  S.  383  A.  9. 

9)  Suet.  Nero  27:  refotus  saepius  cah'dii 
piscinis  ac  tempore  aestivo  nivatis. 

10)  Lampr.  Heliog.  19,  8:  hie  non  nisitm 
gaento  nobili  aut  croco  piscinis  infectis  natavit 
21,6:  condito  piscinas  et  solia  temperavit  e> 
rosato  atque  absintato.  Plin.  XIII  22  erwähnt 
nee  non  aliquem  e  privat is  audimus  iussis8< 
spargi  parietes  balnearumunguento.  Schol.  luv 
8,85:  Cosmus  luxuriosus  fuit,  qui  solium,  ii 
quod  descendebat,  multis  diversoru»)  unguen- 
torum  odoribus  miscebat. 

")  Siehe  oben  S.401. 


Sechster  Abschnitt.    Bäder  und  Körperpflege. 


435 


ü(rt  die  Benutzung  der  Schwitzbäder  unmittelbar  nach  Tisch,  weil  man  glaubte, 

daß  dies  die  Verdauung  befördere  und  den  Durst  reize1);  die  nachteiligen 

Folgen  einer  derartigen  Gewohnheit   pflegten  nicht  auszubleiben8).     Nicht 

w$  minder  verwerflich  war  die  Unsitte  der  Kaiserzeit,  im  Bade  Wein  zu  trinken3), 

Mwenn  auch  an  und  für  sich  ein  mäßiges  Essen  und  Trinken  in  den  Bade- 

*  räumen,  nicht  im  Wasser,  unbedenklich  war  und  häufig  vorkam4);  in  manchen 

s  Thermen  gab  es  eigene  Wirtschaften,  deren  Diener  Speisen  und  Getränke 

5  den  Badenden  anboten5);  auch  in  der  Nähe  der  Thermen  pflegten  sich  popinae 

■Hzum  Gebrauch  der  Badenden  zu  befinden6). 

Wir  fügen  hieran  eine  Darlegung  der  sonstigen  Verfahren  und  Hilfs- 
^  mittel,  deren  sich  die  Römer  zur  Körperpflege  sowie  zur  Kosmetik  be- 
y  dienten7).  Der  obenerwähnte  Brauch  des  Salbens  war  auch  außerhalb  der 
Dlj Bäder  sehr  verbreitet8),  da  man  dies  für  gesund  hielt  und  als  Schutz  gegen 
^Erkältung  betrachtete9);  auch  die  Frauenwelt  schloß  sich  davon  nicht  aus10). 
'4  Es  geschah  dies  teils  mit  gewöhnlichem  Olivenöl11),  teils  mit  allerlei  mit 
ij  pflanzlichen  Wohlgerüchen  vermischten  Salben12).  Da  nun  das  Salben,  wie 
t  wir  sahen,  im  Bade  und  bei  der  Mahlzeit  üblich  war,  so  salbten  sich  manche 
b  mehrmals  am  Tage13).  Gesalbt  oder  geölt  wurden  teils  Kopf  und  Barthaar 
j|  (siehe  oben  S.  272),  teils  der  übrige  Körper  bis  zu  den  Füßen  herab14);  der 


1)  Colum.  I  praef.  16:  mox  deinde  ut  apti 
veniamus  ad  ganeas,  quotidianam  cruditatem 
Laconicis  excoquimus  et  exsucto  sudore  sitim 
quaerimus.  Hör.  ep.  I  6,61:  crudi  tumidique 
lannnur. 

2)  Pers.  3,  95:  turgidus  hie  epulis  et  albo 
venire  lavatur.  luv.  1, 143:  turgidus  et  crudum 
pari  in  cm  in  balnea  portas;  I  hinc  subitae  mor- 
tem atque  intestata senectus.  Sen.  ep.  15,3:  bibere 
ti  sudare  vita  cardiaci  est.  Daher  der  Spruch 
Balnea  vina  Venus  corrump  mit  corporanostra, 
CI L  VI  15258;  vgl.  Anth.Lat.  ed.  Bücheier- Riese 
II  705  n.  1499. 

s)  Sen.  ep.  122. 6 :  frequens  hoc  adulescen- 
tium  vitium  est,  qui  vires  exeolunt,  ut  in  ipso 
paene  balinei  limine  inter  nudos  bibant,  imtno 
potent  et  sudorem,  quem  moverunt  potionibus 
(■nl>risacferventibus,subindedestringant.~M.&rt. 
XII  70.5.  Quint.  I  6,44:  in  balneis  perpotarc. 
Sen.  dial.  VII  7, 3:  voluptatem  . . .  circa  balinea 
ac  sudatoria  ac  loca  aedilem  metuentia,  möllern, 
tnervem,  mero  atque  unguento  madentem. 

4)  Schon  bei  Plaut.  Trin.  406:  exessum, 
txpotum,  exunetum,  elutum  in  balneis. 

5)  Sen.  ep.  56, 2  führt  unter  dem  Lärm  der 
Bäder  auch  an :  libarii  varias  exclamationes  et 
botulariorum  et  crustulariorum  et  omnes  po- 
pinarum  institores  mercem  suam  quadam  et 
insignita  modulatione  vendentes.  luv.  8,  268: 
ihermarum  calices.  Mart.  XII  19:  in  thermis 
tumit  lactucas,  ova,  lacertum.  Bei  Luc.  Hipp.  5 
sind  es  die  £?  igixpijv  jtageaxsvaofisra  olxi'jfiara, 
die  diesen  Zwecken  dienen.  In  den  pompejani- 

u  Thermen  lassen  sich  solche  Lokale  nicht 
nachweisen,  doch  könnten  in  den  Zentralther- 
men  einige  mit  den  Bädern  in  Verbindung  ste- 
hende Läden  dazu  gedient  haben. 


6)  Luc.  Hipp.  5  wird  ein  xantfalov  neben 
dem  Bade  erwähnt,  ein  ebensolches  bei  den 
Thermen  des  Nero  Philostr.  V.  Apoll.  IV  42. 

7J  Vgl.  Becker-Göll  III 157  ff.  und  für  die 
Kosmetik  der  Frauen  BöTTiGEaSabina,  Leipzig 
1803.  2.  Aufl.  1806. 

8)  Hör.  sat.  I  6, 123.  Suet.  Aug.  82:  verum 
tantam  hifirmitatem  magna  cura  tuebatur,  in 
primis  lavandi  raritate  (unguebatur  enim  sae- 
pius).  Daher  gab  es  in  der  Sklavenschaft  eigene 
servi  ad  unguenta  oder  ab  lOK/ncxtis,  CIL  VI 
4046;  9098  ff 

9)  Plin.XIVISO:  duosuntliquoreshutna- 
nis  corporibus  gratissimi,  intus  vini,  fori»  6Ui, 
arborum  e  genere  ambo  praeeipui,  sed  olei  ne- 
cessarius ;  vgl.  das  Lebensrezept  ebd.  XXII 114: 
intus  niulso,  foris  oleo. 

10)  So  erscheintPlaut.Trin.252  im  Sklaven- 
gefolge einer  Konkubine  auch  der  unetor.  Aber 
Plaut.  Most.  272  f.  wird  der  Gebrauch  von  mw- 
guenta  den  Frauen  widerraten:  quia  eeaator 
mulier  rede  ölet,  ubi  nil  ohi. 

")  Vgl.  Diosc.  I  30.   Gell.  XVII  8, 12. 

")  Digg.  XXXIV  2,  21,  1  werden  unter- 
schieden unguenta  quibus  unguimur  roluptatis 
causa  und  solche  valetudini»  tmuta;  vgl.  ebd. 
25,12.  Diosc.  I52ff.  Die  Wachssalbe,  die  ce- 
roma  hieß,  wurde  zwar  vornehmlich  von  Ath- 
leten u.  dgl.  angewandt,  Sen.  ep.  57, 1.  luv.  6. 
246,  doch  auch  sonst,  zumal  von  Elegants,  be- 
nutzt, s.  luv.  3. 68.  Vgl.SAGLio  bei  D.S.  1 1080. 

vi)  Sen.ep.  86, 13:  parum  Stimmer*  un- 

guentu»),  nisi  bis  dir  terque  renora/nr,  M 
nescat  in  corpore.  Auf  die  häufige  Erwähnung 
der  Salben  bei  den  Dichtern  genügt  es  hinzu- 
weisen. 

•«)  Siehe  oben  S.  401  A.  1. 

28* 


436 


Zweite  Abteilung.   Das  Leben. 


Bedarf  an  wohlriechenden  Ölen,  Essenzen,  Pomaden  und  Salben  war  dahe: 
sehr  groß  und  die  Fabrikate,  die  teils  von  auswärtigen,  zumal  orienta^ 
lischen  Salbenfabriken  kamen,  teils  im  Inland  hergestellt  wurden1),  voi 
außerordentlicher  Mannigfaltigkeit  der  Ingredienzien  und  der  Bereitungs- 
art2); man  bewahrte  sie  in  besondern  Kästchen  (narthecia)  auf3).  Es 
werden  daher  auch  die  unguentarii  als  Fabrikanten  und  Händler  sehr  häufid 
erwähnt4). 

Von  anderweitigen  Mitteln  zur  Hautpflege5)  sind  am  wenigsten  bekannl 
gewesen  die  Seifen,  denn  was  die  Römer  sapo  nannten,  war,  wie  wir  ober 
(S.  276)  gesehen  haben,  ein  Haarfärbemittel.  Statt  dessen  setzte  man  dem 
Waschwasser  allerlei  Bestandteile  zu,  wie  Natron  oder  Soda6),  feine  Ton- 
erde7), Bohnenmehl8).  Um  die  Haut  fein  und  weiß  zu  erhalten,  bedienten 
sich  die  Damen  der  Eselsmilch9),  oder  sie  legten  über  Nacht  einen  nassen 
Brotteig  auf  das  Gesicht,  der  am  Morgen  mit  Eselsmilch  abgewaschen  wurde10). 
eine  Prozedur,  der  sich  selbst  männliche  Gecken  unterzogen11).  Wie  diese 
Mittel  die  Haut  jugendlich  zart  erhalten  sollten,  so  gab  es  solche,  die  die 
Runzeln  glätteten  oder  zudeckten12).  Eine  besonders  verschönernde  Wirkung 
schrieb  man  dem  oesypum  zu,  d.  h.  dem  schweißigen  Schmutz  der  ungereinigten 
Schafwolle13).  Auch  Schönpflästerchen,  splenia  genannt,  waren  den  Römern 
der  Kaiserzeit  bekannt,  und  obschon  sie  in  den  meisten  Fällen,  zumal  wenn 
sie  von  Männern  getragen  wurden,  dazu  dienten,  Hautfehler,  Brandmale  u.  dgL 


1)  Vgl.  Büchsenschütz  Hauptstätten  d. 
Gewerbfleißes  94 ff.  Blümner  Gewerbl.  Tätig- 
keit, Register  unter  „  Salbenfabrikation ". 

2 )  Vgl.  Becker- Göll  1 60.  Marq üardt785  f . 
Blümner  Technologie  I  348  ff. 

3)  Cic  de  fin.  II  7,  22.  Mart.  XIV  78;  auch 
unguentorum  scrinia;  Plin.VII  108;  XIII  3. 

4)  Cic.  de  off.  1 42. 150;  ad  Attic.  XIII 46. 2. 
Hor.sat.  113,228.  Plin.XXXI  119;  oftauflnschr., 
s.MARQUARDT782A.3:dazuCILIV609;2184; 
VI999ff;  33929:  XI 5839;  XII1594:XIII2602; 
ein  institor  unguentarius  VI  10007.  Die  se- 
plasiarii  (sie  hatten  ihren  Namen  nach  einer 
Straße  Seplasia  in  Capua,  wo  Salben  verkauft 
wurden,  Cic.  in  Pis.  1 1 ,  24.  Val.  Max.  IX  1  ext.  1) 
handelten  überhaupt  mit  kosmetischen  Artikeln, 
vgl.  Lampr.  Heliog.  30, 1 ;  daher  in  den  Glossen 
durch  jiavrox<akti$  erklärt,  II  182,  20;  393.  48; 
V  244, 13.  Auch  in  Inschriften,  CIL  III  15088 
(in  Dalmatien);  V  7454  (in  Montferrat);  XIII 
6778  (in  Mainz);  ebd.  8354  (in  Köln)  u.  s.;  vgl. 
Besnier  bei  D.-S.  IV  1205. 

B)  Die  kosmetischen  Kunstgriffe  einer  vor- 
nehmen Dame  schildert  eingehend  Luc.  Amor. 
39  ff. ;  ferner  ist  zu  vgl.  Ov.  a.  a.  1 1 1197  ff. ;  medic. 
fac.  51  ff.  Kriton,  der  Arzt  der  Kaiserin  Plotina. 
war  Verfasser  einer  geschätzten  und  verbrei- 
teten Schrift  über  Kosmetik,  s.  Galen.  XII  446 
u.460. 

'')  Nitrum  und aphronitrum  (spuma nitri), 
Plin.XXXI  107;  113.  Mart.  XIV  58.  Caelius 
bei  Cic.  ad  fam.  VIII  14.4:  auch  in  Bädern  an- 
gewandt. Plin.  ebd.  116.  Vgl.  Jacob  bei  D.-S. 
IV  85  f.  Hingegen  ist  bei  Plaut,  m.  gl.  1000  mit 


der  Asche  wohl  das  Scheuern  von  Metallgeräten 
gemeint. 

7)  Galen.  XII 180 ;  sie  kam  von  Selinus  und 
Chios. 

8)  Caelius  a.a.O.:  persuasum  est  ei,  ven- 
suram  lomentum  aut  nitrum  esse.  Bei  Mart.  III 
42. 1  und  XIV  60  ist  das  lomentum  dagegen  ein 
Mittel  zum  Verdecken  der  Runzeln.  Vgl.  Jacob 
a.  a.  O.  III  1300. 

9)  Plin.  XI  238  sagt  von  ihr:  conferre  ali- 
quid et  candori  in  mulierum  cute  existimat)n\ 
und  berichtet,  daß  Poppaea  Wannenbäder  in 
Eselsmilch  nahm  und  500  Eselinnen  auf  Reisen 
mitzuführen  pflegte;  vgl.  auch  XXVI II  183. 

10)  Ov.  a.  a.  III  211;  med.  fac.  53  ff.  ist  ein 
kompliziertes  Rezept  für  einen  solchen  Teig  ge- 
geben; eine  besondere  Masse  derart  hatte  auch 
Poppaea  erfunden,  luv.  6,  461  ff.;  vgl.  Galen. 
XII  446. 

11)  Das  tat  Kaiser  Otho,  Suet.  Oth.  12.  luv. 
2,107;  sonst  Kinäden  und  junge  Sklaven,  Apul. 
met.VIII  27.   Sen.  ep.  128,  7. 

12)  So  das  sog.  tentipellium,  nach  Titin.  b. 
Fest.  364 b.  22 :  tentipellium  inducitur,  rugae  in 
ore  extenduntur.  Ein  besonderes  Schönheits- 
wasser scheint  Tert.  de  virg.  vel.  12  zu  meinen : 
faciem  morosiorem  lavacro  macerant.  Ueber 
lomentum  s.  oben  A.  8. 

1 3)  Plin.  XXX  28 :  maculas  in  facie  oesypum 
cum  melle  Corsico  .  .  .  extenuat.  Ov.  a.  a.  III 
213.  wonach  sogar  von  Attika  oesipa,  wie  Ov. 
es  nennt,  importiert  wurden ;  vgl.  rem.  am.  354. 
Mittel  gegen  Sommersprossen  erwähnt  Galen. 
XII  448  K. 


m 


Sechster  Abschnitt.    Bäder  und  Körperpflege. 


437 


zu  verdecken l),  so  ist  doch  auch  sicher,  dafü  man  sie  in  Absicht  bestimmter 
Effekte  anbrachte,  zumal  auf  der  Stirn2). 

Sehr  verbreitet  war,  vornehmlich  bei  den  Frauen 3),  der  Gebrauch  der 
Schminke4),  der  sehr  alt  war  und  bis  in  die  christliche  Zeit  hinein  fort- 
dauerte5). Zum  Weißschminken  benutzte  man  Kreide,  creta*),  und  Bleiweiß, 
centssa1),  zum  Ilotauf legen  besonders  Lackmusflechte,  fucus*),  das  in  den 
Purpurfärbereien  bereitete  purpurissum9),  Rötel,  rubrica10).  Mit  bläulicher 
Farbe  hob  man  die  Adern  hervor11),  mit  Schwarz,  aus  Ruß  bereitet,  fuligo1*), 
oder  pulverisiertem  Antimon,  stibium1*),  färbte  man  Brauen  und  Wimpern14). 
Es  ist  daher  begreiflich,  daß  eine  römische  Dame  auf  ihrem  Toilettentischchen 
neben  ihrem  Handspiegel15)  (speculum,  auch  orbis16)),  der  entweder  von 
Bronze17)  oder  von  Silber18)  und  in  den  bessern  Exemplaren  reich  verziert 


')  Gegen  Hautkrankheiten  Plin.XXIX  131; 
XXX104;zumVerdeckenvonBrandmalenMart. 

II  29,  9  f.    Unsicher  ist  der  Sinn  ebd.  X  22. 

2)  So  Regulus,  der  ein  candidum  splenium 
über  den  Brauen  anbrachte,  Plin.  ep.  VI  2. 2; 
von  Frauen  Ov.a.a.  III 201 :  arte  supercüii  con- 
finianndarepletis  parvaquesineerosvelataluta 
genas  (wonach  feines  Leder  das  Material  war). 
Daß  sie  mondförmige  Gestalt  hatten,  geht  aus 
Mart.VIII  33,22  hervor,  ebenso  daß  sie  sehr 
dünn  und  fein  waren. 

3)  Junge  Mädchen  brauchten  sie  freilich 
in  der  Regel  nicht,  Plaut.  Most.  262  f.  Daß  auch 
Männerdavon  Gebrauch  machten,  zeigtdieWar- 
nung  Ciceros  orat.  23,  79:  fucati  medicamenta 
candoris  et  ruboria  omnia  repellentur;  bei  Pe- 
tron.  23,  5  ist  ein  alter  Kinäde  mit  Kreide  ge- 
schminkt. Bei  Cic.  in  Pis.  11, 25  ist  die  Lesart 
ganz  unsicher. 

4)  Vgl.  Galen.  XII  434K.  Luc.  Amor.  39. 
Einen  eignen  Namen  für  Schminke  gibt  es  aber 
nicht,  da  medicamentum  oder  pigmentum  all- 
gemeinere Bedeutung  haben;  man  unterscheidet 
nur  die  einzelnen  Arten,  doch  hat  von  diesen 
fuais  allgemeinere  Bedeutung  bekommen,  so- 
daß  fucare  schlechtweg  schminken  heißt;  nach 
Ov.  tr.  II  478  gab  es  Bücher,  die  von  der  fu- 
eandi  cura  coloris  handelten. 

5)  Tert.  de  cultu  fem.  2. 5 ;  de  virg.  vel.  12. 
Cypr.  de  hab.  virg.  14:  Uli  et  oculos  circuniducto 
nigrore  fucare  et  genas  mendacio  ruboria  ei 
mutare  adulterinis  coloribus  .  .  .  docuerunt. 
Hieron.  ep.  54. 7;  107, 5 ;  130, 7.  Daß  auch  Mägde 
von  Schminke  Gebrauch  machten,  zeigt  Plaut. 
Tmc.  290ff. 

6)  Plaut  Truc.  294.  Hör.  ep.  12, 10.  Ov.  a.  a. 

III  199.  Mart.  1141,11;  VI  93,  9;  VIII  33,  17. 
Bei  Petron.  a.  a.  0.  dient  diese  Schminke  zum 
Ausfüllen  der  Runzeln. 

7)  Plaut.  Most.  258.  Ov.med.fac.  73.  Plin. 
XXX1V176.  Mart.  172.  6;  1141,12;  VII  25.2; 
ebd.  X  22,  2  nimmt  es  Martial  zu  den  Lippen, 
um  krank  zu  erscheinen 

8)  Plaut.  Most.  275.  Cic.  a.  a.  O.  Tibull.  I 
8.  11.  Plin.  XXXI  91;  Quint.  VIII  prooem.  19. 
Von  der  großen  Verbreitung  gerade  dieser 
Schminke  ist  Beweis,  daß  fucus  und  fucare  in 


übertragener  Bedeutung  (etwa  „ blauer  Dunst") 
viel  häufiger  vorkommen,  als  in  der  ursprüng- 
lichen. 

9)  Plaut.  Most.  261;  Truc.  290.  Non.218, 
28.  Apul.  apol.  76.  Die  oben  zitierten  christ- 
lichen Autoren  sprechen  zumeist  von  eerutsa 
und  purpurissum. 

10)  Plaut.  Truc.  294.  Minium,  das  ebenso 
Mennig  wie  Zinnober  bedeuten  kann  (vgl.  Blüm- 
nek  Technol.  IV  479  ff.)  kommt  nur  bei  einem 
späten  christlichen  Dichter  vor,  s.Wernsdorf 
PLMI1I  110. 

11)  Prop.  III  11,9(11  18,31). 

u)  luv.  2, 93;  man  liebte  es  besonders,  die 
Brauen  auf  diese  Weise  zu  verlängern  und  mit- 
einander zu  verbinden,  vgl.  Petron.  126, 15.  Ov. 
a.a.HI201.  Mart.  IX  37, 6.  Luc.  Amor.  39.  Tert. 
cult.  fem.  12:  illum  ipsum  nigrum  jiuherem, 
quo  oculornm  exordia  produewntur.  Diese 
Schminken  für  die  Brauen  hießen callibtephara, 
Varro  b  Non.  218,  22.    Plin.  XXVIII  168. 

»)  Plin.XXXIII  102. Galen.VI489. Hieron. 
ep.  54, 7.  Allerlei  andere  Ingredienzien  empfiehlt 
Plin.XXI  123;  XXIII 97 ;  XXXV  194,  doch  sind 
diese  mehr  medizinischer  Art. 

14)  Vgl. Luc. Amor. 39.  Plin.ep.VI2,2.  Apul. 
met.VIII  27.  Petron.  110,  2.  Nach  luv.  a.a.O. 
trug  man  die  Farbe  mit  einer  Nadel  auf. 

15)  Das  Hauptwerk  über  Spiegel  istE.GftB- 
hakd  Etruskische  Spiegel, fortgesetzt  von  Klüg- 
mann u.  Körte.  Berlin  1843 ff.;  doch  kommen 
hier  nur  die  gravierten,  die  der  weitaus  größ- 
ten Zahl  nach  etruskischer  Herkunft  sind,  in 
Betracht.  Immerhin  sind  auch  gravierte  Bronze- 
spiegel mit  lateinischen  Inschriften  gefunden 
worden.  Daß  die  Kammerzofe  der  Herrin  den 
Spiegel  vorhält  (teuere,  jwrriaere).  wird  öfters 
erwähnt,  vgl.  Ov. a.  a.  II 215  f.  Prop.  V ( IV)  7. 76. 
luv.  2.99.  Petron.  128,4. 

■«)  Mart.  IX  17,5.   Sen.  nat.  qu.  I  17,  6. 

17)  Plin.  XXXIII  130  bezeichnet  die  aus 
Kupfer  und  Zinn  hergestellten  Spiegel  von  Brun- 
disium  als  die  besten;  vgl. XXXIV 160.  Blüm- 
ner Technol.  IV  194:  265. 

18)  Plaut.  Most.  273.  Vitr.  VII  3.  9;  nach 
Plin.  XXXIV  160  hatten  zu  seiner  Zeit  selbst 
Mägde  Silberspiegel.   Daß  die  Mode  erst,  zur 


438 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 


war1),  eine  Unmenge  von  Büchsen,  Töpfen,  Fläschchen  u.  dgl.  liegen  hatte2). 
Die  Aufsicht  darüber  hatten  teils  die  ornatrices  (siehe  S.  380),  teils  vielleicht 
die  cistellatricess). 

Zur  Pflege  der  Zähne  kannte  man  Zahnpulver,  dentifricium4),  wozu 
man  allerlei  tierische  und  pflanzliche  Substanzen  nahm5),  zum  Teil  auch 
recht  merkwürdige,  ekelhafte  Dinge,  die  darauf  hindeuten,  daß  der  Aber- 
glaube dabei  eine  Rolle  spielte 6) ;  Zahnbürsten  aber  scheint  man  nicht  ge- 
kannt zu  haben.  Der  Gebrauch  falscher  Zähne,  die  mit  Golddraht  befestigt 
waren,  war  sehr  alt,  da  er  schon  im  Zwölftafelgesetz  erwähnt  wird7).  Daß 
man  den  Atem  durch  wohlriechende  Pastillen  zu  verbessern  suchte,  wissen 
wir  aus  einer  bekannten  Stelle  des  Horaz8).  Auch  den  Nägeln,  an  den 
Fingern  wie  an  den  Zehen,  ließ  man  sorgfältige  Pflege  angedeihen;  das 
Schneiden  derselben  besorgten  Sklaven9)  oder  der  tonsor10),  und  es  gab  allerlei 
Mittel,  um  Rauheiten  zu  glätten  und  Auswüchse  zu  beseitigen11). 

Sehr  allgemein,  und  zwar  nicht  bloß  bei  den  Frauen,  sondern  auch  bei 
Männern,  die  in  weibischer  Art  und  meist  auch  zu  päderastischer  Betätigung 
eine  glatte  Haut  haben  wollten12),  war  die  Sitte,  die  Haare  am  Körper  zu 
entfernen.  Das  geschah  teils  durch  Ausrupfen,  vettere13),  mit  einer  kleinen 
Zange,  volsella14),  wie  bei  Barthaaren  oder  überhaupt  Haaren  im  Gesicht15), 
teils  durch  Salben  oder  Pflaster,  psilothrum  genannt16)  oder  dropax11).    Mit 


Zeit  des  Pompejus  begonnen  und  Pasiteles  die 
ersten  gefeitigt  hätte,  wie  er  XXIII  130  be- 
hauptet, muß  auf  einem  Irrtum  beruhen.  Ueber 
erhaltene  Silberspiegel  vgl.  Blümner  a.  a.  0. 

')  Teils  durch  Gravierung  der  Rückseite, 
teils  durch  künstlerisch  ausgeführte  Griffe.  Daß 
es  Spiegel  von  sehr  hohem  Preise  gab,  zeigt 
Sen.  n.qu.  I  17,9. 

2)  Hübsch  sagt  Mart.  IX  37,  4  von  einer 
alten  Kokette:  (cum)  iaceas  centum  condita py- 
xidibus. 

3)  Eine  cistella  diente  wohl  zur  Aufbewah- 
rung der  Toilettengeräte,  Plaut.  Trin.  253. 

4)  Mart.  XIV  56.  Ov.  a.  a.  III  216.  Apul. 
apol.6.  Luc. a.a.O.  Tert.depoenit.  11:  pulveres 
dentibus  elimandis.  Vgl.  Mau  bei  P.-W.V221. 

5)  Rezepte  bei  Scribon.  Larg.  59  f.  Plin. 
XXVIII  178 ff.;  XXIX  46;  XXXI  117;  XXXII 
65;  82;  XXXVI  153;  156.  Apul.  a.  a.  0.  (vgl. 
dazu  Abt  Die  Apologie  d.  Apul.  94 f.);  anderes 
bei  Marquakdt  788  A.  8. 

6)  Plin.  XXX  22;  27.  Galen.  XII  884  ff. 
Catull.  39, 17  ff.  bezeichnet  es  als  keltiberische 
Sitte,  Urin  dazu  zu  benutzen,  vgl.  Apul.  a.  a.  0. ; 
dasselbe  berichtet  Diod.  V  33, 5  und  Strabo  III 
164. 

7)  Cic.  de  legg.  II  24.  60 :  cid  auro  dentes 
iuncti  esunt.  Mart.V43;  IX  37,3:  XII  23;  XIV 
56.  Luc.  rhet.  praec  24.  Ueber  Funde  falscher 
Gebisse  in  Gräbern  s.  Marquardt  778  A.  5. 

8)  Sat.  I  2,  27  u.  4,  92.  Die  pastillarü  fa- 
brizierten vielleicht  solche,  CIL  VI  9765  f. 

9)  Petron.  31,3. 

10)  Plaut.  Aul.  312.  Tib.  I  8,11.  Mart.  III 
74,  3  und  s.  oben  S.  269  A.  1. 


1 ')  Plinius  gibt  für  die  scabrities  der  Nägel 
eine  Menge  Rezepte,  so  auch  gegen  Nietnägel 
{par Onychia),  vgl.  die  Indices  unter  paronychial 
pterygia  und  ungues.  Tert. de  poen.  11  erwähnt 
bisulcum  cdiquid  ferri  vel  aeris  unguibus  re~ 
pastinandis.  —  Zu  den  Toilettengeräten  gehört 
auch  das  auriscalpium  zum  Reinigen  des  Ohres, 
Mart.  XIV  23.  aus  Knochen  oder  Elfenbein  und 
in  manchen  Exemplaren  noch  erhalten,  Saglio 
bei  D.-S.  I  372.   Mau  bei  P.-W.  III  2550. 

12)  Plin.  XXVI  164:  psilothrum  nos  quidem 
in  muliebribus  medicamentis  tractamus,  verum 
tarn  et  viris  est  in  usu;  und  so  sagtSenec.  contr.  I 
praef.  8  von  den  Jünglingen  seiner  Zeit,  sie 
wollten  mollitia  corporis  certare  cum  feminisi 

1S)  Daher  heißen  solche  Männer  volsi,  Plaut. 
Aul.  403  (vgl.Non.530,21).  Prop.  V  (IV)  8,23: 
volsi  nepotis.  Quint.  II  5.  12;  VIII  prooem.  19. 

w)  Plaut.  Cure.  577  besteht  das  Toiletten- 
gerät des  leno in  volsellae, pecten,  specülum,  ca- 
lamistrum, xgl.M&rt.  1X27,5.  Tertull.de  pall.  4; 
griech.  roi^oläßiov  oder  iQi%okaßis,  Corp.Gloss. 
VII  430.  Pers.  4, 40  nennt  sie  forceps  adunca. 

15)  Vgl.  oben  S.  269.  Auch  die  grauen  Haare 
rupfte  man  damit  aus. 

,6)  Mart.  III  74, 1 ;  VI  93, 9.  Lampr.  Heliog. 
31,  7:  eine  Menge  von  Rezepten  dafür  (vor- 
nehmlich Harz,  resina,  Mart.  III  74,4;  XII  32, 
22.  Tertull.  a.  a.  O.)  gibt  Plinius,  ferner  Galen. 
XII 453 ff.,  sowie  andere  Aerzte,  s.  Marquardt 
787  A.  8.   Saglio  bei  D.-S.  IV  743. 

17)  Mart.  III  74, 1,  woraus  hervorgeht,  daß 
psilothrum  und  dropax  nicht  identisch  waren; 
X  65.  8 ;  dropacista,  doomaxioztjc,  Corp.  Gloss. 
II  281, 19.   CIL  XII  5687,  35. 


Sechster  Abschnitt.   Bäder  und  Körperpflege. 


189 


Besen  Mitteln  vertrieb  man  vornehmlich  die  Haare  unter  den  Achseln1), 
an  den  Armen2),  an  Brust  und  Beinen3),  auch  an  der  Scham4);  zum  Glätten 
der  Haut  bediente  man  sich  des  Bimsteins5). 

Was  endlich  die  Pflege  des  Körpers  durch  Vornahme  von  Leibes- 
übungen anlangt,  so  wurde  hierzu  besonders  das  Ballspiel6)  gerechnet, 
das,  wie  wir  oben  sahen,  namentlich  in  den  Bädern  gespielt  wurde,  aber 
so  beliebt  war,  daß  Reiche  in  ihren  Villen  eigne  Spielplätze,  sphaerist*  rin, 
anlegten7);  auch  auf  dem  Marsfeld,  das  auch  sonst  der  Platz  für  körperliche 
Übungen  war,  wurde  das  Spiel  geübt8).  Nicht  wenig  Männer,  die  in  der 
Geschichte  einen  großen  Namen  haben,  waren  leidenschaftliche  Ballspiel«  t 
und  Meister  darin9).  Man  bediente  sich  dabei  sehr  verschiedener  Arten  von 
Bällen,  die  sich  teils  nach  der  Größe10),  teils  nach  der  Qualität  unterschieden. 
Der  allgemeine  Name  für  den  gestopften  Ball  ist  pila;  als  Einzelbezeichnungen 
finden  sich  pila  trigonalis11)  oder  trigon12),  von  dem  wir  nichts  Näheres  wissen, 
die  harpasta,  ein  kleiner  fester  Ball13),  die  größere  pila  paganica,  die  mit 
Federn  gestopft  war14);  dagegen  hieß  der  größere,  mit  Luft  gefüllte  Ball 
follis  oder  folUculuslb).  Das  Material  war  wohl  meist  Leder,  das  bunt  gefärbt 
oder  mit  bunten  Lappen  benäht  war16);  die  Füllung  entweder  Federn  oder 
Haare17).  Was  die  Arten  des  Spieles  anlangt,  so  ist  volle  Klarheit  hierin 
kaum  zu  erreichen.  Einzelspiele,  d.  h.  daß  einer  allein  mit  einem  oder  mit 
mehreren  Bällen  spielte,  war  wohl  wesentlich  Kinderspiel18);  daß  diejenige 


])  Sen.  ep.  114,14.  luv.  11,157.  Tertull. 
a.a.O.;  die  Heilgehilfen,  die  das  besorgten, 
hießen  älipili.  Sen.  ep.  50,2:  alipilum  cogita 
tenuem  et  stridulam  eocem,  quo  sit  notabilior, 
gubinde  exprimentem  nee  umquam  tacentem, 
nisi  du  in  vellit  alas  et  «linmpro  seclamarecogit. 
Corp.  Gloss.  II  14,42:  alipilartus  downaxioTr)? ; 
ebd.  281, 19;  auch  inschriftl.  CIL  VI  9141.  Vgl. 
Saclio  bei  D.-S.  I  184.  Mau  bei  P.-W.  I  1494. 

-)  Mart.1129,6;  62,1:  11163,1. 

3)  Mart.  II  62. 1.  Sen.  ep.  114, 14. 

4)  Pers.  a.  a.  0. 

5)  Das  taten  Frauen  wie  Männer,  Plin. 
XXXVI  139;  154;  die  Sitte  wird  oft  erwähnt, 
vgl.  Blümner  bei  P.-W.  III  474. 

6)  Vgl.  darüber  außer  Becker-Göll  III 
168  ff.  und  Marquardt  841  ff.  (hier  ist  ältere 
Litteratur  angegeben)  besonders  Krause  Gym- 
nastik u.  Agonistik  1 299  ff.  G.  Eitner  De  sphae- 
rist ica  apud  Graecos  et  Romanos,  Vratisl.  1860. 
Grasberger  Erz.  u.  Unterr.  I  84.  Becq  de  Fou- 
quieres  Les  jeux  des  anc.  199ff.  Mau  bei  P.-W. 
II  2832.  Lapaye  bei  D.-S.  IV  475  ff.  G.  Goepel 
Beitr.  z.  Gesch.  des  Ballspiels,  Progr.  v.  Ebers- 
walde 1909.  Nach  Ov  trist.  II  485  gab  es  Lehr- 
gedichte über  die  formae  iactusque  pilarum. 

7)  SoPlin.ep.II17,12;  V6.27:  vgl.Suet. 
Vespas.  20.   Inschriftl.  CIL  X  7004. 

8)Sen.ep.l04.33.Hor.sat.I6.26;II6,48f. 

9)  So  der  Pontifex  Mucius  Scaevola,  Cic.  de 
or.I50,217.Val.Max.VIII8,2;Augustus.Suet. 
Aug.  83;  Maecenas,  Hör.  sat.I  5,48;  auch  der 
jüngere  Cato  trieb  das  Spiel,  Senec.  a.a.O.,  ferner 
Caesar,  Macr.  II  6,5,  und  Alexander  Severus. 
Lampr.  AI.  Sev.  30,  4.    Nach  Plaut.  Cure.  296 


spielten  Sklaven  sogar  auf  der  Straße  Ball.  Daß 
manche  ihre  ganze  Zeit  mit  Ballspiel  zubrachten, 
sagt  Sen.  dial.  X  13, 1.  Daß  Seneca  selbst  im 
Ballspiel  wohl  erfahren  war,  zeigen  seine  Ver- 
gleiche de  benef.II  17,3ff.  und  32, 1  ff.  Ptlarii 
sind  Kunstballspieler,  die  mit  mehreren  Bällen 
jonglieren,  Quint.  X  7, 11.  CIL  VI  8997;  XII 
4501  (mit  Abbildung  von  Bällen). 

u>)  Der  Größe  nach  unterscheidet  Oribas. 
VI  32  (I  529  ff.  Dar.)  fünf  Arten. 

ll)  Mart.  XIV  46. 

1J)  Mart.  IV  19, 5;  VII  72, 9;  XII 82, 2.  Hör. 
sat.  I  6,  26. 

,3)  Mart. IV  19.6;  XIV48.  Marquardt 842 
vermutet,  daß  sie  mit  der  bei  Isid.  XVIII  69,2 
erwähnten  pila  arenaria  identisch  war. 

")  Mart.VII32,7;  XIV  45. 

•*)  Mart.XIV47, wonach  vornehmlich  Kna- 
ben und  Greise  damit  spielen  sollten ;  vgl.  ebd. 
45,  2;  IV  19,  7;  XII  82,  5.    Athen.  I  p.  14 F. 

16)  Ov.met.X262.  Petron.27,2.  Sen.nat. 
qu.lVll,3;VergoldungClaud.cann.\XI\  1  II. 

,7)  Symphos.  aen.  59  (Anth.  Lat.  ed.  Riese 
I  199). 

18)  Doch  spielen  auf  einem  Wandgemälde 
der  Titusthermen,  Daremberg-Saglio  IV  477 
Fig.  5667.  drei  Männer  jeder  mit  zwei  Bällen 
für  sich.  Makquardt  842  A.5  bezieht  auf  sol- 
ches Einzelspiel  auch  in  derLausPisonis(BAEH- 
rens  PLM  I  225)  185 ff.:  MM  tibi  mobil  itus  mi- 
nor est,  si  forte  ro/ontem     out  i/eminore  pihim 

(prellen)  aut  revocare  eadtntem  (auffangen) 
et  non  sperotofiujientem  retldere  </estu  (zurück- 
werfen).   Mau  2834  bezieht  die  Verse  auf  ein 
Massenspiel. 


440 


Zweite  Abteilung.   Das  Leben. 


Art  des  Spieles,  wobei  der  Ball  nicht  in  die  Luft,  sondern  an  die  Wand 
oder  auf  den  Boden  geworfen  und  wieder  aufgefangen  oder  zurückgeprellt 
wurde,  die  griechische  änoggafis l),  das  expulsim  ludere  der  Römer  gewesen 
sei2),  ist  nicht  erweislich3).  Das  gewöhnlichste  Spiel  war  wohl  der  Fangball 
zu  zweien,  was  vermutlich  datatim  ludere  hieß4),  und  wobei  der  vom  einen 
geworfene  Ball  vom  Mitspieler  entweder  aufgefangen  und  zurückgeworfen 
oder  mit  der  Handfläche  zurückgeschleudert  wurde5).  In  ähnlicher  Weise 
wurde  auch  von  mehreren  Personen  gespielt;  beim  Spiele  mit  dem  trigon 
waren  drei  beteiligt6),  allein  die  Art,  wie  es  gespielt  wurde,  ist  unbekannt7); 
daß  dabei  die  gut  aufgefangenen  oder  geschickt  zurückgeworfenen 8)  Bälle 
gezählt  wurden  und,  wer  die  höchste  Zahl  hatte,  Sieger  war,  ist  wahr- 
scheinlich9). Dann  gab  es  Massenspiele,  die  sphaeromachia  hießen10),  bei 
denen  es,  wie  bei  einem  heutigen  Fußball-  oder  Lawn-Tennis-Match  sehr 
lebhaft  zuging  und  viel  Publikum  zuströmte11).  Sie  wurden  daher  auf  einem 
großen  öffentlichen  Platze  gespielt12);  es  scheint  aber  mehrere  Arten  davon 
gegeben  zu  haben,  über  die  wir  zwar  nur  aus  griechischen  Quellen,  aber 
solchen  der  Kaiserzeit,  unterrichtet  sind,  sodaß  man  annehmen  darf,  daß 
sie  auch  römischer  Sitte  entsprechen13).    Bei  der  einen  Art,  die  imoxvgog 


')  Poll.IX  103  u.  105.    Hesych.  s.  v. 

2)  Nur  erwähnt  von  Varro  bei  Non.  104, 28 ; 
darnach  Corp.  Gloss.  V  641,  5;  vgl.  unten. 

3)  MARQUARDT843nimmtesan,  Mau  2833 
bezweifelt  es;  Lafaye  a.a.O.  hält  es  für  ein 
Spiel  zwischen  mehreren,  wobei  der  Ball  zurück- 
geschlagen wurde,  s.  u. 

4)  Naevius bei Isid.  125,2.  Plaut.  Cure. 296; 
andere  Stellen  aus  Komikern  zitiert  Non.  96, 
14  ff.  Vgl.  Corp.  Gloss.  V  640, 20;  das  Zuwerfen 
heißt  nämlich  dare,  sonst  auch  mittere  oder 
iaetare,  das  Fangen  facere  oder  excipere,  das 
Zurückwerfen  remitiere  oder  repercutere,  Sen. 
de  benef.  a.a.O.,  wo  alle  diese  Ausdrücke  vor- 
kommen, daher  die  Parteien  datores  und  fa- 
ctores,  Plaut,  a.  a.  O. 

5)  Für  letztere  Art  spricht  besonders  Sen. 
de  benef.  II  17,4:  utcumque  enim  venerit  {pila), 
manus  illam  expedita  et  agilis  repercutiet ;  auch 
das  scite  et  diligenter  excipere,  das  apte  et  ex- 
pedite  remitiere  ebd.  32,  1  deutet  darauf  hin. 

6)  Isid.  XVIII  69, 2 :  trigonaria  est  qua  in- 
ter  tres  lud  Hur. 

7)  Die  Beschreibung,  die  Marquardt  844 
davon  gibt,  liest  zu  viel  aus  den  Stellen  des 
Martial  (s.  oben)  heraus;  daß  die  linke  Hand 
dabei  eine  Rolle  spielte,  zeigt  VII  72,  11  und 
XIV  46;  daß  man  aber  auch  mit  der  Rechten 
auffing,  scheint  XII  82, 3  anzudeuten,  falls  hier 
nicht  (wie  Friedländer  erklärt)  jemand  ge- 
meint ist,  der  Bälle  auffängt,  ohne  Mitspieler 
zu  sein.  Daß  man  beim  Auffangen  in  der  Regel 
beide  Hände  nahm,  zeigt  die  Macr.  II  6,  5  er- 
zählte Anekdote. 

8)  Dafür  spricht  Petron.  27, 3 :  alter  nume- 
rabat  pilas,  non  quidem  eas,  quae  inter  manus 
lusu  expellente  ribrabant,  sed  eas,  quae  in  ter- 
ram  deeidebant.   Dem  expettere  entspricht  das 


expulsare  bei  Mart.XIV46, 1.  Daher  ist  es  ver- 
mutlich dieses  Spiel,  das  expulsim  ludere  heißt; 
es  war  wohl  nur  eine  besondere  Art  des  da- 
tatim ludere. 

a)  Auf  das  Zählen  deutet  Mart.XII  82,4: 
imputet  exceptas  ut  tibi  saepe  pilas.  Das  Zählen 
scheint  dabei  das  Amt  des  pilicrepus  gewesen 
zu  sein  (wie  bei  uns  früher  der  „Marqueur"  die 
gelungenen  Billardstöße  zählte),  Sen.  ep.  56, 1 : 
si  vero  pilicrepus  supervenit  et  mimerare  coe- 
pit  pilas,  actum  est.  Das  Wort  bedeutet  aber 
in  den  Inschriften  meist  einen  Ballspieler,  s.  CIL 
1V1 147;  1905 ;  1926 ;  VI  9797.  Bei  Petron.  a.a.O. 
ist  es  die  Besonderheit  des  Trimalchio,  daß  er 
die  auf  der  Erde  liegenden  Bälle  zählen  läßt. 
In  einer  pompejanischen  Inschrift  CIL  IV  1936 
wird  ludere,  petere  und  numerare  genannt; 
Marquardt  845  A.  1  meint,  petere  sei  so  viel 
wie  bei  Mart.XII  82, 5  colligere  et  referre,  das 
Aufheben  und  Zurückbringen  der  Bälle. 

10)  Sen.  ep.  80,  1.  Stat.  silv.  IVpraef.  Poll. 
X  107. 

u)  Sen.  a.a.O.;  auch  in  der  oft  brutalen 
Kampfweise  scheint  eine  Aehnlichkeit  mit  dem 
Fußballspiel  vorhanden  gewesen  zu  sein,  ebd.  3 : 
si  corpus  perduci  exercitatione  ad  lianc  patien- 
tiam  potest,  qua  et  pugnos  pariter  et  calces  non 
un-ius  hominis  ferat,  qua  solem  ardentissimum 
in  ferventissimo  pulvere  sustinens  aliquis  et 
sanguine  suomadens  diem  ducat.  Auf  Trainieren 
dafür  deutet:  Uli multo  eibo,  multapotione  <>i>u* 
est,  multo  oleo,  longa  denique  opera. 

Vi)  Bei  Sen. ebd. 2  im  Stadium:  ecce-ingens 
clamor  ex  stadio  profertur. 

13)  Galen  in  seiner  Schrift  jisqi  tov  Stä  /«- 
xgäg  oepaigag  yvuvaaiov  V  599  K.  Antvllos  bei 
Oribas.  VI  32. 7.'  Poll.  IX  104  f.  Eustath.  ad  Od. 
VIII  376  p.  1601,  30.   Ueber  alle  diese  Stellen 


Sechster  Abschnitt.    Bäder  und  Körperpflege. 


Ml 


hieß1),  spielten  zwei  Parteien,  die  in  der  Mitte  durch  eine  mit  Steinen  bezeich- 
nete Linie,  axvgog,  getrennt  waren,  zwei  andere  Linien  hinter  den  Parteien 
bezeichneten  die  Schranken,  über  die  die  Partei  nicht  zurück  durfte.  Der 
Ball  lag  auf  dem  oxvqoq;  die  Partei,  die  ihn  auf  ein  gegebenes  /eichen  zuerst 
erreichte,  fing  das  Spiel  an,  das  im  Hinüber-  und  Herüberwerfen  des  Balles 
bestand  und  so  lange  währte,  bis  eine  Partei  hinter  ihre  Grenzlinie  zurück- 
getrieben war.  Eine  zweite  Art  hieß  (pevlvda*);  diese  ist  nicht  ganz  klar: 
es  wird  bemerkt,  daß  der  Werfende  sich  stellte,  als  wolle  er  den  Ball  irgend- 
einem bestimmten  Mitspieler  zuwerfen,  während  er  ihn  dann  ganz  woandershin 
warf;  daß  auch  hier  zwei  Parteien  waren,  ist  nicht  überliefert3).  Etwas  Ahn- 
liches scheint  das  römische  harpasta-Spie\  gewesen  zu  sein:  gerade  hierbei, 
wo  jeder  den  geworfenen  Ball  erhaschen  wollte,  um  ihn  seinerseits  wieder 
weiterzuwerfen,  gab  es  Streit  und  Stöße4),  großen  Lärm5)  und  viel  Staub6). 
Es  ist  möglich,  daß  die  paganica  ein  ähnliches  Spiel  war,  obschon  die  Deutung 
des  Namens  von  einem  Wettspiel  des  ganzen  Dorfes  (pagus)  durchaus  un- 
sicher ist7).  Gar  nichts  Näheres  wissen  wir  auch  über  das  Spiel  mit  dem 
follis;  wahrscheinlich  war  er  groß  und  konnte  nicht  leicht  mit  der  Hand 
gefaßt  werden,  weshalb  er  oft  am  Boden  lag8).  —  Das  Spiel  mit  dem  Glas- 
ball, der  pila  vitrea,  war  jedenfalls  nur  Jongleurkunst,  die  aber  auch  in  den 
Thermen  produziert  wurde9). 

Von  anderweitigen  körperlichen  Übungen,  die  bei  den  Römern  mehr  oder 
weniger  beliebt  waren,  wie  Laufen  und  Springen,  Hanteln  und  Diskuswurf, 
Fechten  und  Schwimmen,  ist  schon  oben  die  Rede  gewesen  (S.  328  ff.). 


handelt  eine  Schrift  von  Joh!  Maequardt,  in 
der  die  Schrift  Galens  ediert  und  eine  Abhand- 
handlung de  sphaeromachiis  veterum  beigefügt 
ist.  Güstrow  1879  (mir  unzugänglich,  die  Re- 
sultate teilt  Marquardt  845  mit);  neuerdings 
ist  Galens  Schrift  ediert  von  Guil.  Schäfer  in 
einer  Baseler  Dissertation,  1908.  Vgl.  dazu 
K.  Koch  Die  Geschichte  des  Fußballs  im  Altert. 
u.  in  d.  Neuzeit  (SA.  aus  d.  Monatsschr.  f.  d. 
Turnwesen),  Berlin  1894.  S.  8  ff. 

')  Hierüber  Poll.  u.  Eustath.  a.a.O.;  dar- 
nach hieß  das  Spiel  auch  syrjßixrj  oder  sxixoivog. 
Vgl.  Geasberger  a.  a.  0.  I  89  f. 

2)  Poll.  a.a.O.  105.  Schol.  ad  Clem.  AI. 
paed.  III  10,50  p.  367, 12  Ddf.  Hesych.  s.  v. ;  die 
Sein  eibweise  nach  Joh.  Marquardt  a.  a.  O.  15 
A.  2.  Vgl.  auch  Grasberger  90  ff. 

•)  Auf  dies  Spiel  bezieht  Joh.  Marquardt 
a.a.O.  auch  Sid.Ap.ep.V  17, 7;  doch  scheintsich 
die  Art  dieses  Spieles  nicht  näher  bestimmen 
zu  lassen. 

4)  Vgl.  oben  die  Schilderung  Senecas,  ferner 
Galen.  V902K.  Epictet. diss.  115,15.  Artemid. 
Onirocr.  1 55.  Digg.  IX  2.52  (53),  4.  Marquardt 
846  A.  3  beziehrauch  Plaut.  Truc.  705:  totus 
gaudeo,  meapila  est, &ufdiesSi>iel.  Koch  a.a.O.9 


hält  das  harpastüm  direkt  für  ein  Fußballspiel. 
B)  Antiphan.  b.  Ath.I  p.  15  A.  Senec. a.a.O. 

6)  Bei  Martial  heißt  die  horpasta  IV  19, 6 
pulverulenta,  ebenso  VII 32, 10:  XI V  46  istauch 
vom  Staub  die  Rede. 

7)  So  erklärt  von  Marquardt  842.  In  einer 
Inschrift  CIL  Vlll  16368  stiftet  jemand  paga- 
nicum  r/  portieus  »7  caldarium  et  chartern  cum 
omnibus  ornamentis;  hier  ist  vielleicht  das  pa- 
ganicum  ein  Ballspielplatz. 

8)  Mart.  XII  82,5:  colliget  et  referet  laxum 
de  pulvere  foUem.  Auch  sonst  bezeichnet  er  den 
follis  als  la.cus,  IV  19, 7 ;  XIV  45, 2,  während  er 
die  horpasta  als  pulverulenta  (s.  oben)  und  den 
trigon,  der  anscheinend  am  wenigsten  zur  Erde 
he'l.  als  tepidus  bezeichnet.  IV  19,5;  XII  82,3 
(was  Becker-Göll  180  auf  die  erhitzende  Natur 
des  Spiels  bezieht). 

I  Vgl.  die  Inschrift  despilicrepiis  CIL  VI 
9797  (Bücheler  carm.  epigr.  n.  29):  togatus  vi- 
trea quiprimus  pila  lusi  decenter  cum  meis  h<- 
Boribut,  laudanU  populo  maximis  damoribue 
thermis  Traiani,  thermis  Agrippa*  tt  TUi 
»mittun  et  Neronis.  Vgl.  Mommsen  Eph.  epigr. 
I  55.  Diese  Jongleurkunst  erwähnt  auch  Nice- 
phor.  Gregor.  VIII  10  p.  350  Bonn. 


442 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 


Siebenter  Abschnitt. 

Der  Verkehr. 

(Straßenleben,  Wirtshäuser,  Reisen,  Briefwesen.) 


Litteratur. 

BECKEK-GöLLl67ff.;   III  lff. 

Marquardt-Mau  469  ff. 
Friedländer  I  1  ff. ;  II  1  ff. 

Heinr.  Stephan  Das  Verkehrsleben  im  Altertum,  in  Raumers  Historischem  Taschenbuch  4.  Folge 
IX  (1868)  1  ff. 

In  der  Stadt  Rom  war  in  der  republikanischen  und  selbst  noch  in  der 
ersten  Kaiserzeit  der  Straßenverkehr  nichts  weniger  als  bequem.  Die  Häuser- 
quartiere (insulae1))  waren  unregelmäßig,  die  Straßen  eng  und  gewunden2); 
noch  zu  Ciceros  Zeit  zogen  sie  sich  die  Hügel  hinauf  und  zwischen  den  Tälern 
hinab  und  waren  dazu  in  schlechtem  Zustand,  die  Seitenstraßen  sehr  eng, 
sodaß  das  in  der  Ebene  seine  Straßen  bequem  ausbreitende  Capua  als  die 
bei  weitem  schönere  Stadt  erschien3).  Man  unterschied  die  Hauptstraßen, 
die  viae  hießen4),  von  den  Nebenstraßen,  die  bisweilen  angiportus  genannt 
werden5),  für  gewöhnlich  aber  und  mit  ihrem  offiziellen  Namen  vici6),  nur 
daß  dies  Wort  weitere  Bedeutung  erhalten  hat  und  später  ebenso  Haupt- 
straßen bezeichnet,  wie  diese  mit  ihren  Nebenstraßen  und  den  anstoßenden 
Häusern 7).  Das  Fremdwort  platea  kam  erst  durch  die  griechische  Komödie 
für  breitere  Straßen  auf,  aber  nur  im  Sprachgebrauch,  während  es  wenigstens 
in  Rom  niemals  offizielle  Bezeichnung  einer  Straße  gewesen  ist8).  Fußwege, 
wie  sie  sowohl  neben  den  Landstraßen  als  auch  in  der  Stadt  für  sich  ge- 
sondert angelegt  wurden,  heißen  semitae9),  als  Trottoire  neben  den  Straßen 
margines10)  oder  crepidines11),  die  in  Pompeji  die  meisten  Straßen  haben12). 


')  Ueber  die  Bedeutung  von  insula  s.  Jor- 
dan Topogr.  d.  St.  Rom  1 1 ,  537  ff.  0.  Richter  im 
Hermes  XX  (1885)  91  ff.  Marchi  Ricerche  intor- 
no  alle  Insulae  di  Roma,  in  den  Rendiconü  dell' 
Istit.  LombardoSer.il Vol  XXIV Fase.  12  (1891). 

*)  Liv.V55,4.  Tac.ann.XV43.  Die  Breite 
der  Straßen  Roms  ist  schwer  zu  beurteilen,  da 
wenig  Material  dafür  vorliegt;  Jordan  a.  a.O. 
494  berechnet  nach  dem  kapitolinischen  Stadt- 
plan als  gewöhnliche  Breite  4.50  bis  5  Meter,  für 
größere  Hauptstraßen  6.50  Meter.  Die  Straßen 
Pompejis  haben  durchschnittlich  die  größeren 
7  bis  8  Meter  und  darüber,  die  kleineren  3  bis 
6  Meter  Breite,  s.  Overbeck  Pompeji  633  A.  25. 
Mau  Pompeji  210.  Nissen  Pompej. Studien  536. 

3)  Cic.  de  leg.  agr.  II  35. 96;  noch  zur  Zeit 
Domitians  stand  Capua  nicht  weit  hinter  der 
Hauptstadt  zurück.  Stat  silv.  111  5.  76. 

4)  Viae  sind  die  Wege,  die  Lasttiere  und 
Lastwagen  passieren  können.  Unter  den  Stra- 
ßennamen der  Hauptstadt  gibt  es  aber  nur  sehr 
wenige,  die  via  heißen  (sacra,  novo,  lata  via), 
alle  andern  heißen  vici,  s.  Jordan  513. 

5)  Oder  angiportum,  Varr.  1. 1.  V 145 ;  VI  41. 


Fest.  17, 10;  das  Wort  ist  bei  den  Komikern  und 
in  der  klassischen  Litteratur  häufig,  später  selt- 
ner. In  der  Komödie  haben  die  Häuser  meist  den 
hintern  Ausgang  durch  den  Garten  auf  den  an* 
giportus,  der  manchmal  eine  Sackgasse  ist,  es 
aber  nicht  zu  sein  braucht,  vgl.  Plaut  Asin.741; 
Most.  1045;  Pseud.  961.  Ter.  Ad.  578.  Zur  Be- 
deutung vgl.  Nissen  a.  a.  0. 543.  Mau  bei  P.-W. 
12101. 

6)  Varr.  l.l.V145.Fest,371a,16;  vgl.  Nissen 
a.a.O. 

7)  Jordan  514. 

8)  Jordan  520  ff. ;  über  den  Sprachgebrauch 
Nissen  542.  In  den  Inschr.  der  Kaiserzeit  ist  es 
im  Sinne  von  via  lata  häufig,  s.  CIL  VIII 1 1329; 
XIII  6364;  6776;  7335  ff  u.ö. 

9)  Es  bedeutet  eigentlich  den  halben  Weg, 
Varr.  a.  a.  0.  V  35.  Isid.  or.  XV  16:  vgl.  Jordan 
520.  Nissen  561. 

lü)  Liv.XLI27,5. 

"»)  CIL  I  1231;  V  2116.  Nissen  534. 

Vi)  Sie  liegen  da  teils  fast  im  Niveau  der 
Fahrstraße,  teils  darüber,  manchmal  sogar  bis 
zu  einem  Meter,  Overbeck  60. 


Siebenter  Abschnitt.   Der  Verkehr.  |  | ; ; 

Jahrhundertelang  waren  die  Straüen  Roms  ungepflastert1);  die  erste  Nach- 
richt, die  von  Pflasterung  von  Straßen  innerhalb  der  Mauern  berichtet,  fällt 
in  das  Jahr  237  v.  Chr.2).  Aber  auch  dann  noch  wurde  die  Straßenpflasterung 
erst  sehr  allmählich  durchgeführt;  als  Caesar  45  v.  Chr.  seine  Lex  Iulia 
municipalis  erließ,  war  sie  noch  keineswegs  in  der  ganzen  Stadt  vorhanden3). 
Wie  alt  in  Pompeji  die  Pflasterung  ist,  läßt  sich  nicht  feststellen;  zur  Zeil 
der  Verschüttuug  war  sie  fast  allgemein  durchgeführt,  und  zwar  in  sehr 
sorgfältiger  Weise  durch  polygonale  Lavaplatten4).  In  den  meisten  Straßen 
haben  die  Räder  der  Wagen  in  einer  Spurweite  von  etwa  0,90  Meter  Rillen 
von  oft  beträchtlicher  Tiefe  eingegraben5).  In  Pompeji  finden  wir  auch  in 
vielen  Straßen  auf  dem  Fahrdamm  Trittsteine,  selbst  bis  zur  Zahl  von  fünf, 
für  die  Fußgänger,  große,  oben  flache  Steinblöcke,  die  in  gleichen  Abständen 
voneinander  in  die  Fahrbahn  gelegt  sind,  damit  man,  ohne  sich  die  FfLfie 
zu  beschmutzen  oder  naß  zu  machen,  die  Straße  überschreiten  könnte6). 

Von  dem  Verkehr,  der  in  den  Straßen  der  Hauptstadt  herrschte,  können 
wir  uns  aus  den  Schilderungen  der  Schriftsteller,  zumal  Iuvenals  und  Martials, 
ein  ziemlich  lebhaftes  Bild  machen.  Eins  freilich  fehlte  in  dem  Trubel  der 
Weltstadt  fast  ganz,  was  heute  für  das  Straßenleben  jeder  Großstadt  cha- 
rakteristisch ist,  nämlich  der  Wagen  verkehr7).  Zur  Zeit  der  Republik 
durften  Wagen  in  der  Stadt  nur  zum  Zweck  des  Gottesdienstes  und  öffent- 
licher Feierlichkeiten  gebraucht  werden,  weshalb  die  Vestalinnen,  Frauen, 
die  priesterliche  Funktionen  verrichteten  oder  sich  zu  Spielen  begaben 8), 
sowie  Beamte  bei  Triumphen,  Spielen  usw.  sich  solcher  bedienen  durften, 
während  Privatleute  nur  ausnahmsweise  die  Erlaubnis  dazu  bekamen ,J). 
Darin  änderte  sich  in  der  Kaiserzeit  nicht  viel.  Die  Lex  Iulia  municipalis 
Caesars  vom  Jahre  45  verbot  das  Wagenfahren  in  Rom  während  der  ersten 
zehn  Stunden  des  Tages;  ausgenommen  von  diesem  Verbot  waren  auch  jetzt 
noch  die  Vestalinnen,  aber  eben  nur  diese10),  der  Rex  sacrorum,  die  Flamines 
bei  den  öffentlichen  Spielen,  die  triumphierenden  Feldherren,  die  Wagen  Ihm 


')  Zur  Geschichte  des  Strafienpflasters  vgl.  j   Entstehung  bloß  durch  langjährigen  Gebrauch 

Beckmann  Beitr.  zur  Gesch.  der  Erfindungen  II  oft  kaum  zu  erklären. 

338  ff.  6)  Overbeck  59.  Mau  a.  a.  0.  Es  ist  dabei 

'-)  Es  ist  der  ctivus  PubUdm,  Vair.  1. 1.  V  j   darauf  Bedacht  genommen,  daf3  die  Zwischen- 

158.  Jobdan  522  meint  wohl  mit  Recht,  daf3  es  '<   räume  breit  genug  sind,  damit  die  Zugtiere  hin- 

sich  bei  dem  aedificare  nicht  bloß  um  Appla-  durchgehen  konnten  und  die  Wagenräder  Platz 

nierung  des  Terrains,  sondern  um  Pflasterung  hatten.  Wo  in  engen  Gäßchen  nur  ein  solcher 

oder  Chaussierung  handelte.    Zur  Geschichte  Trittstein  in  der  Straßenmitte  liegt,  war  der 

der  Pflasterung  bei  den  Römern  vgl.  Nissen  Wagenverkehr  wohl  ausgeschlossen. 

516  ff.  7)  Ueber  den  Gebrauch  der  Wagen  in  Rom 

3)  Joedan  527.  vgl.MABQUABDT728.BECKER-GöLLlII12.FKiED- 

4)  Ovebbeck  58.  Mau  211.  ■   Länder  I  60. 

»)  Ovebbeck  a.a.O.  Nissen 572  Ob  nicht  i           8)  Liv.  V  25,9.  Ov.  fast.  I  619. 

diese  auch  an  andern  römischen  Straßen  zu  be-  j            9)  Es  ist  uns  nur  der  eine  Fall  des  blinden 

obachtenden  Furchen  ursprünglich,  wenn  auch  Pontifex  Metellus  bekannt.  Plin.  VII  141. 

natürlich  weniger  tief,  absichtlich  vorgearbeitet  ;          10)  Später  wurde  dies  Vorrechtauch  einigen 

waren,  um  auf  diese  Weise  eine  Bahn  für  die  j   Kaiserinnen  erteilt,  Bio  Cass.  LX  22,2;  33.2; 

Wagen  zu  schaffen,  durch  die  das  Schleudern  j    vgl.  Suet.  Claud.  17.  Tac.  ann.  XII 42.  Wenn  bei 

auf  den  glatten  und  namentlich  bei  Scirocco  j    Plaut.  Aul.  168unterdenBedürfnissen einer vor- 

und  Regen  sehr  schlüpfrigen  Lavaplatten  ver-  nehmen  Dame  eburna  vekickl  angefahrt  wei  den 

mieden  ward?  Da  sich  die  Rillen  auch  auf  breiten  und  ebd.  501  f.  die  Frau  muH,  muHme»  and  >;■- 

Straßen  finden,  wo  die  Wagen  nicht  stets  der-  hicla  verlangt  (vgl.  ebd.  505  f.),  so  ist  das  nicht 

selbenSpurhättenzufolgenbrauchen,wäreihre  römischer  Brauch. 


444 


Zweite  Abteilung.   Das  Leben. 


den  öffentlichen  Spielen,  sodann  aber  die  Fahrten  von  Lastwagen  behufs 
öffentlicher  Bauten,  Tempelbauten  u.  dgl.,  ferner  von  Wagen,  die  bei  Nacht 
in  die  Stadt  gekommen  waren,  aber  nur  wenn  sie  leer  waren  oder  Mist  aus- 
führten1). Dies  Gesetz  blieb  während  der  beiden  ersten  Jahrhunderte  der 
Kaiserzeit  in  Kraft;  erst  im  3.  Jahrhundert  wurde  der  Gebrauch  des  Wagens 
ein  Vorrecht  der  höchsten  kaiserlichen  Beamten2),  und  Alexander  Severus 
erteilte  den  Senatoren  das  Recht,  silberbeschlagene  Wagen,  zu  benutzen3). 

Auch  in  den  andern  Städten  des  römischen  Reichs  galt  das  oben  er- 
wähnte Gesetz  Caesars,  wurde  aber  jedenfalls  weniger  streng  innegehalten, 
sodaß  erneute  Verordnungen  nötig  waren4),  die  auch  nicht  immer  halfen5). 
In  Pompeji  war  jedenfalls  das  Fahren  auch  sehr  beschränkt;  das  Forum  war 
überhaupt  durch  die  umgebenden  Säulenhallen  für  jeden  Wagen  vollständig 
unbetretbar,  und  auch  die  nördlichen  Zugänge  und  die  eine  der  auf  das  Forum 
führenden  Hauptstraßen  waren  unfahrbar6).  Aber  auch  das  Reiten  in  den 
Straßen  war  in  der  Regel  untersagt7). 

Wie  groß  in  den  engen  und  gewundenen  Straßen  Roms,  zumal  in  der 
Hauptgeschäftszeit,  das  Gedränge  der  Menschenmengen  gewesen  sein  mag, 
davon  kann  man  sich  leicht  eine  Vorstellung  machen,  wenn  man  bedenkt, 
daß  zu  der  zahlreichen  Bevölkerung  der  Riesenstadt8)  noch  ein  sehr  großer 
Fremdenzufluß  hinzukam9).  Da  eilten  Handwerker  zu  ihrer  Arbeit,  Träger 
von  Balken  oder  Fässern  stießen  rücksichtslos  die  nicht  rechtzeitig  Aus- 
weichenden an;  von  allen  Seiten  wurde  man  gedrängt,  gestoßen,  wurde  einem 
mit  derben  Schuhen  auf  die  Füße  getreten  oder  Löcher  in  die  Kleider  ge- 
rissen10). Auch  über  die  Lastwagen,  deren  Ladung,  riesige  Baumstämme 
oder  schwere  Steinblöcke,  den  Fußgängern  stets  Gefahr  drohen,  wird  Klage 
geführt11).    Zu  gewissen  Stunden  wurde  das  Treiben  der  Menge  besonders 


')  Der  Text  des  Gesetzes  ist  in  den  Bronze- 
tafeln von  Heraclea  erhalten,  CIL  I  206,  bes. 
Z.  56  ff. 

-)  Als  erstes  Beispiel  führt  Fkiedländer 
a.a.O.  einen  Fall  aus  dem  Jahre  205  an,  Dio 
Cass.LXXV14, 1. 

:i)  Lampr.  Al.Sev.43,1. 

4)  Claudius  erinnerte  daran,  daß  die  Rei- 
senden die  Städte  Italiens  nur  zu  Fuß  oder  in 
der  Sänfte  resp.  Tragsessel  passieren  sollten, 
Säet.  Claud.  25. 

5)  Die  Klage  des  Seneca  ep.  56, 4  über  den 
Lärm  der  essedaetranscurrentes  geht  auf  Baiae; 
freilich  mochten  hier  manche  Häuser  an  der 
Landstraße  liegen.  Es  ist  bezeichnend,  daß  noch 
Aurelian  in  Antiochia,  obwohl  verwundet,  nicht 
im  Wagen  einfuhr,  sondern  sich  eines  Reit- 
pferdes bediente.  Vopisc.  Aurel.  1,1.  Vgl.  Galen. 
XI  302  K.:  xarä  xi  yiooiov  svda  tü>v  oyrjfiärcov 
anoßalvFAv  tiolv  eWtOfifarot. 

6)  Nissen  114. 

7)  Suet.  Claud.  25;  dann  aufs  neue  durch 
Hadrian,  Spart.  Hadr.  22, 6,  und  abermals  durch 
Antoninus  Pius,  Capitol.  M.  Ant.  phil.  23,8. 

8)  Friedländer  51  ff.  berechnet  sie  für 
den  Anfang  der  Kaiserzeit  auf  viel  mehr  als 
eine  Million,  für  später  auf  2  Millionen  und 


darüber. 

9)  Vgl.dieSchilderungbeiFRiEDLÄNDERl9. 
Drastisch  schildert  dies  Gedränge  Sen.  de  clem. 
16,1:  cogita,  in  hac  civitate,  in  qua  turba  per 
latissima  itinera  sine  intermissione  defluens  eli- 
ditur,  quotiens  aliquid  obstitit,  quod  cursum  eins 
vel  torrentis  rapidi  moraretur,  in  qua  tribus 
eodem  tempore  theatris  viae  postulantur.  Daß 
Seneca  dabei  an  das  Menschengedränge  beim 
Erdbeben  des  Jahres  5 1  gedacht  haben  soll,  wie 
Friedländer  a.  a.  0.  meint,  ist  unwahrschein- 
lich. 

1  °)  Man  vgl.  die  Schilderungen  luv.  3, 245  ff. 
Sen.dial.V6,4;IX12,4. 

J1)  luv.  3. 254 ff.;  andere  Stellen,  in  denen 
von  solchen  schwerbeladenen  Wagen,  die  am 
Tage  dureh  die  Straßen  fahren,  die  Rede  ist,  s. 
Friedländer  60  f.  Das  können,  der  Lex  Iulia 
wegen,  nur  Wagen  gewesen  sein,  die  Material 
für  öffentliche  Bauten  beförderten.  Allerdings 
verbot  dann  Hadrian  den  Verkehr  solcher  Wa- 
gen, Spart.  Hadr.  22,6 :  vehicula  cum  ingentibua 
sarcinis  urbem  ingrediprohibuit,  doch  geschah 
das  wegen  der  Gefahr,  die  von  der  Erschütterung 
des  Pflasters  für  die  anstoßenden  Häuser  und 
für  die  Kloaken  zu  besorgen  war,  vgl.  Sen.  ep. 
90, 9.  Cic.  pro  Scauro  22, 45;  Friedländer  61. 


Siebenter  Abschnitt.   Der  Verkehr. 


145 


lebhaft:  so,  wenn  frühmorgens  die  zahlreichen  Klienten  sich  zum  Morgengruiä 
zu  den  Patronen  begaben  und  in  der  Besorgnis,  nur  ja  nicht  zu  spät  zu 
kommen,  rücksichtslos  von  ihren  Ellenbogen  Gebrauch  machten1),  oder  wenn 
sie  nach  beendigter  Salutatio  sich  aus  den  Häusern  ergossen 2)  oder  ihren 
Patron  auf  das  Forum  begleiteten  und  ihm  im  Gedränge  gewaltsam  Platz 
zu  machen  suchten3).  Den  Patronen  schlössen  sich  dann  noch  Sklaven, 
manchmal  in  beträchtlicher  Menge4),  an:  außer  den  nomenclatores,  die  ihnen 
die  Namen  der  etwa  zu  Begrüßenden  angaben5),  besonders  mehr  oder  weniger 
pediseqiä6)  (wie  auch  den  Damen  pedisequae  folgten7)),  deren  es  in  reichen 
Häusern  eine  ganze  Menge  gab8).  Vielfach  bedienten  sich  die  Patrone  sowie 
sonst  Vornehmere  bei  ihren  Geschäften  in  der  Stadt  einer  Sänfte9),  welchem 
auch  auf  Reisen  viel  benutzten  Beförderungsmittel  wir  hier  einige  Worte 
widmen  wollen10). 

Es  gab  vornehmlich  zwei  Formen  von  Sänften:  die  zum  Sitzen  ein- 
gerichtete des  Tragsessels,  sella,  und  die  zum  Liegen  eingerichtete  der  eigent- 
lichen Sänfte,  lectica11).  Die  sella  war  ein  mehr  oder  weniger  kostbar  aus- 
gestatteter12) Sessel,  der,  wenn  er  die  bequeme  Form  der  cathedra  hatte,  auch 
diesen  Namen  führte13),  sonst  speziell  sella  gestatoria1*),  fertoria,  portatoria  ge- 
nannt15). Sie  waren  meist  geräumig16)  (kleinere  hießen  sellulae11)),  sodafi  auch 
wohl  zwei  Personen  nebeneinander  Platz  fanden18).    Die  meisten  Tragsessel 


Immerhin  blieb  für  die  Prachtbauten  der  Kai- 
serzeit der  Transport  mächtiger  Steinblöcke  un- 
tmgänglich. 

»)  luv.  3,243. 

*)  Verg.  Geo.  II  461:  foribus  domua  alta 
tuperbis  mane  salutantum  totis  vomlt  aedibus 
undam. 

s)  Mail.  II  74.1;  III  46.5.  Laus  Pison. 
(Bäehrens  PLM  I  15)  134  ff. ;  daher  heißen  sie 
anteambulones,  Suet.  Vesp.  2.  Mail.  II  18,5:  III 
7,2;  X74,3. 

4)  Noch  Ammian.  XIV  6, 16  spricht  von  den 
familiarumagminatanquampraedatoresglobos 
post  terga  trahentes:  vgl.  Wallon  Hist.  de  l'es- 
clavage«III331  A.5. 

5)  Ueber  diese  und  andere  Aufgaben  des 
nomenclator  s.  Marquardt  144  A.  5;  148  A.  3, 
wo  die  Stellen  sowie  inschriftliche  Beispiele 
angeführt  sind;  Fabia  bei  D.-S.  IV  96. 

6)  Nep.  Attic.  13,3.  Cic.  ad  Att.  II  16, 1. 
Phaedr.  IV  5, 36.  Colum.  I  pr.  12. 

7)  Plaut.  Asin.  183;  Aul.  807.  Ter.  Andr. 
123.  CIL  VI  9775. 

8)  Auf  Inschriften  sind  sie  sehr  häufig,  s. 
M.MUiUARDT  148  A.l.  dazu  CIL  VI  33788;  33896; 
VIII  12641ff.;12916;XIII1285;XIV3560.  Not. 
d.  scavi  1899. 139  n.  146. 

9)  Mail.  II  57, 6;  III  36, 4;  46, 4;  IX  22, 9; 
100, 3 ;  X  10, 7.  luv.  3, 242.  Sen.  ep.  22, 9. 

10)  Vgl.  hierüber  Becker  Göll  III  1.  wo  äl- 
tere Litteratur  angegeben  ist.  Marquardt  736. 
Teuffel  bei  Pauly  IV  837.  P.  Girard  bei  D.-S. 
III 1002. 

n)  Diese  beiden  werden  stets  auseinander 
gehalten,  vgl.  Mail.  X  10,  7;  XI  98, 11  ff.  Suet. 


Claud.  25;  Dom.  2.  Sen.  dial.  X  12,  6.  Mit  Un- 
recht führt  Becker-Göll  7  f.  Mart.  IV  51  als 
Beweis  an,  daß  eine  lectica  auch  sella  heißen 
konnte,  weil  die  dort  als  ingens  hexaphoron  be- 
zeichnete sella  nur  eine  lectica  sein  könne. 
Allein  daß  nicht  bloß  Sänften,  sondern  auch 
Tragsessel  sechs  Träger  haben  konnten,  zeigt 
luv.  1,64  f. 

'*)  Vgl.  Lampr.  Heliog.  4,4:  quae  sc//"  vo- 
heretiir  et  utrum  peUicia  an  ossta  an  eborata  an 
argentata. 

13)  luv.  a.  a.  O. ;  bei  Cael.  Aurel.  morb.  chron. 
V  1, 14  wird  der  fertorhu  leetlts  der  cathedra  vel 
sella  entgegengesetzt ;  vgl.  ebd.  II 1 3. 1 6 1 .  wo  die 
sella  portatoria  und  die  cathedra  longior  em- 
pfohlen werden.  Daß  die  cathedra  aber  spe- 
ziell ein  Frauentragstuhl  war,  wie  Marquardt 
737  sagt,  ist  nicht  richtig,  wie  luv.  a.  a.  O.  lehrt, 
und  daß  eine  besondere  Art  se/la  lampena  ge- 
heißen habe  (Röxsch  Jahrb.  f.  Phil .  CX IX,  1879, 
534.  Marquardt  737  A.  10),  beruht  auf  einem 
Irrtum  (es  ist  Bezeichnung  für  Stella,  nicht  für 
sella,  s.  Corp.  Gloss.  I  622). 

1 4)  Suet.  Ner.  26 ;  VitelU  6.  Cael.  Aur.  a.  a.  O. 
11,15.  CIL  XIII  5708. 

15)  Cael.  Aur.  chron.  I  1, 18;  II  13. 161;  V 
1,14. 

16)  Sen.  dial.  II 14, 1 :  sella  laxa  der  Frauen. 
,7)  Tac.  hist.  III  84.  Fronto  ad  M.  Caes.  V 

44  p.  89  (Naber). 

1S)  Nach  Plin.  ep.  III  5. 15  hatte  der  ältere 
Plinius,  wenn  er  in  Rom  sich  der  sella  bediente, 
seinen  iiotarinsueben sich; auch beiTac.ann.  XI 
33sitzen  zweiin  (W.w;/.'.>^oh/h<' (was  aber  auch 
ein  Fuhrwerk  sein  könnte,  vgl.  Sen.  ep.  122, 15). 


446 


Zweite  Abteilung.   Das  Leben. 


waren  durch  ein  bogenförmiges  Verdeck  (arcus)  *)  mit  Vorhängen 2)  bedeckt 
und  geschlossen3);  wenn  offne  sellae  genannt  werden,  so  können  ebensowohl 
solche  gemeint  sein,  wie  sellae,  die  überhaupt  kein  Verdeck  hatten4).  Be- 
sonders pflegten  die  Frauen  sich  solcher  Tragsessel  zu  bedienen5),  doch  auch 
Männer  machten  häufig  davon  Gebrauch6),  zumal  es  bequem  war,  daß  sie,  nach 
Entfernung  der  Tragstangen,  sogleich  als  Sitzgelegenheiten  dienen  konnten7). 
Die  lectica  hatte  die  Form  eines  lectus8)  und  war  gleich  diesem  mit 
Gurten,  Polstern  und  Kissen  (pulvinar,  cervical,  torus)  ausgestattet9);  gleich 
der  sella  war  sie  mit  einem  Verdeck  versehen10),  das  Fensteröffnungen  hatte, 
die  durch  Vorhänge  (vela)11)  und  mitunter  sogar  durch  wirkliche  Scheiben 
aus  lapis  specularis  geschlossen  waren12).  Darauf,  und  wohl  nicht  auf  eine 
ganz  offene  Sänfte,  ist  es  zu  beziehen,  wenn  lecticae  apertae13)  im  Gegensatz 
zu  opertae14)  erwähnt  werden.  Sie  waren  meist  so  groß  und  bequem,  daß 
man  darin  ebenso  schlafen,  wie  lesen  und  schreiben  konnte15),  und  es  gab 
sogar  solche,  in  denen  zwei  Personen  nebeneinander  Platz  fanden16).  Gleich 
den  sellae  waren  sie  oft  aufs  kostbarste  ausgestattet  (vgl.  Fig.  64) 17). 


*)  Tac.  ann.  XV  57,  wo  sich  eine  Frau  daran 
erhängt.  Doch  erklären  die  Gloss.  sella  arcuata 
durch  ftgövos,  Corp.  Gloss.  III  366, 6.  Pompe- 
janische  Terrakotten ,  die  vermutlich  als  Kinder- 
spielzeugdienten, zeigen  an  einem  vonzweiSkla- 
ven  getragenen  Tragsessel  dies  Verdeck  sehr 
deutlich,  s.  v.  Rohden  Terrakotten  v.  Pompeji 
Tat".  38, 1.  Daremberg-Saglio  a.a.O.  1006 Fig. 
4378.  Schreiber  Kulturh  ist.  Bilderati.  Taf.62.9. 
—  Fraglich  ist,  ob  es  auch  sellae  ohne  Verdeck 
gab,  wie  Becker-Göll  8  annimmt,  der  dies  sogar 
für  die  gewöhnliche  Form  hält.  Nach  Dio  Cass. 
LX  2,  3  hätte  erst  Claudius  den  diqpoog  xaxä- 
azeyog  erfunden;  aber  dem  widerspricht,  daß 
Dio  Cassius  selbst  solche  aus  früherer  Zeit  er- 
wähnt, XL VII  23,3  u.  LVI43,2,  auch  die  Notiz 
bei  Suet.  Aug.  53. 

*)  Mart.  II  57, 6 :  recensque  sella  Unteisque 
lorisque,  wo  die  lintea  die  Vorhänge,  die  lora 
die  Tragriemen  sind. 

3)  luv.  1, 124.  Mart.XI  98,12.  Suet.Otho 6. 

4)  Sen.  rem.  fort.  16,  7.  Suet.  Aug.  53.  luv. 
1 .  65.  Wenn  aber  Sen.  de  benef.  19,3  von  Frauen 
auf  der  sella  sagt:  si  quis  coniugem  suam  in  sella 
prostare  vetuit  et  volgo  admissis  inspectoribus 
vehi  perspicuam  undique,  so  genügt  es  nicht, 
an  bloßes  Zurückziehen  derVorhänge  zu  denken : 
entweder  ließ  sich  das  Verdeck  zurückschlagen, 
oder  es  war  überhaupt  keines  da. 

5)  luv.  1,124;  6,353.  Sen.  a.a.O.;  daher 
muliebris  sella,  Suet.  Oth.  6. 

«)Mart.  III  36,4;  1X22.9;  100,3;  X  10, 7; 
nach  dem  Bade,  Sen.  dial.  X  12,  7.  Auch  zur 
Jagd  ließ  man  sich  in  der  sella  tragen,  CIL 
XIII  5708  werden  unter  den  ad  venandum  et 
oucupandum  dienenden  Dingen  auch  lecticae 
und  eine  sella  gestatoria  erwähnt. 

7)  So  luv.  6,  353;  9,142. 

8j  Daß  sie  auch  des  pluteus,  der  Kopf  lehne, 
nicht,  wie  Becker-Göll  2  meint,  entbehrte, 
zeigt  die  noch  erhaltene  kapitolinische  Sänfte. 
s.  unten. 


9)  Cic.Verr.Vll,27.  Ov.a.a.I487.  Sen. 
dial.  VI  16,  2.  luv.  1, 158;  6,  353. 

10)  Es  ist  auch  hier  eine  streitige  Frage,  ob 
es  unbedeckte  lecticae  gegeben  habe,  wie  Böt- 
tiger Sabinall  200  annahm,  allein  erweislich 
ist  es  nicht. 

nj  Mart.  XI  98,  11 :  lectica  tuta  pelle  velo- 
que,  wobei  pellis  wohl  das  lederne  Verdeck  be- 
deutet; daß  die  vela  auch. plagae  hießen,  ist  ein 
Irrtum  von  Becker-Göll  5  (bei  Suet.  Tit.  10 
heißt  es:  cum  indelecticaauferretur,suspexisse 
dicitur  dimotis  plagulis  coelum, nicht plagis). 

lt)  luv.  4,  21:  quae  vehitur  cluso  latis  spe- 
cularibus  antro.  Hingegen  kann  3, 242  die  clausa 
fenestra  nicht  dafür  angeführt  werden,  da  es 
sich  da  auch  um  Vorhänge  handeln  kann. 

ls)  Cic.  Phil.  II  24, 58 :  daher  lecticam  ape- 
rire,  Cic.  ad  Att.  IX  11,1.  Vgl.  die  Schilderung 
der  im  octophoron  getragenen  Dame  als  improba 
iuvenum  circumspectatrix,  immodica  sui  osten- 
tatrix  bei  Apul.  apol.  76. 

14)  Cic.  Phil.  II  41, 106;  de  div.  II  36,  77; 
vgl.  Gracch.  b.  Gell.  X  3,  5.  Auch  Cic.  Phil.  II 
32.82:  caput  in  aversam  lecticam  inserens  be- 
zieht sich  auf  Vorhangverschluß.  Bekanntlich 
erlitt  Cicero  den  Tod  in  der  Sänfte,  als  er  aus 
ihr  den  Kopf  herausstreckte,  Plut.  Cic.  48.  Sen. 
suas.  6,17.  Ein  (pogslov  xaräoreyov  auch  Dio 
Cass.  XLVII  10.3. 

15)  luv.  3,  240. 

,6)  Cic.  ad  fam.  VII  1,5.  Suet.  Ner.  9.  Dio 
Cass.  LXI  3, 2.  Eine  so  geräumige  Sänfte  nennt 
luv.  4, 21  antrum,  Plin.  XXXVII  17  spricht  von 
cubilia  viatoria  des  Nero. 

17)  So  die  oben  erwähnten  des  Nero  mit 
Perlen.  Die  Fig.  64  (nach  Photographie)  ab- 
gebildete, mit  bronzenen,  mit  Silber  einge- 
legten Reliefs  verzierte  Sänfte  (die  Holzteile 
sind  ergänzt),  ist  auf  dem  Esquilin  gefunden 
worden  und  befindet  sich  im  Konservatoi  t-n- 
palast  in  Rom,  s.  Castellani  Bull,  comun.  1 88 1 , 
217  tav.  1511.    Schreiber  a.a.O.  62,  8. 


Siebenter  Abschnitt.   Der  Verkehr. 


117 


Getragen  wurden  aellae  und  lecticae  auf  die  gleiche  Art,  nämlich  an 
[beweglichen1)  Tragstangen  (asseres)*);  wenn  die  Sänftenträger,  die  lecticarii3). 
Isellarü4),  sie  in* den  Händen  trugen,  hingen  sie  in  Kiemen  (lora),  die  sich 
die  Träger  über  die  Schultern  legten6);  oder  sie  nahmen  die  Stangen  auf 


Fig.  64.    Komische  Siinfte  vom  Esqnilin. 


die  Schultern6)  und  trugen  so  die  Sänfte  hoch  über  der  Menge7).  Für  die 
erste  Art  des  Tragens  genügten  zwei  Mann 8),  während  für  die  andere  Art 
mindestens  vier  erforderlich,  sechs  bis  acht  aber  (wonach  die  Sänfte  als 
hcruphoros  oder  octophoros  bezeichnet  wird9))  sehr  gewöhnlich  waren.  Wer  sich 


')  Daß  die  Tragstangen  herausgezogen 
weiden  konnten,  zeigt  Suet  Calig. 58:  lecticarii 
cum  asseribus  in  auxilium  accucurrerunt;  auch 
dal.!  die  sella  als  gewöhnlicher  Sessel  benutzt 
weiden  konnte,  s.  oben. 

»)  Iuv.3,245;  7,132.  Mart.IX22,9.  Suet. 
a.  a.  O. 

3)  Das  ist  die  gewöhnliche  Bezeichnung, 
unter  der  wohl  auch  die  Träger  von  Tragsesseln 
mitinbegriffen  wurden;  vgl.  Cic.  p.  Rose.  Am. 
46, 134.  wo  die  lecticarii  mit  coqui  und  pistores 
als  niedrige  Berufsart  bezeichnet  werden :  ad 
lam.  IV  12,  3.  Suet.  Cal.  58.  Häufig  auf  In- 
schriften, wo  collegia  lecticariorum,  praepo- 
witi,  decuriones  u.  dgl.  vorkommen,  CIL  VI 
5198:  6218;  6301;  6308;  631 3;  8872 ff.;  9504 ff.; 
irgl.  Marquardt  149  A.  7.  Not.  d.  seavi  1908. 
176. 

4)  Corp.  Gloss.II  279, 21;  593.9;  in  anderer 
Bedeutung  Tac.  ann.VI  1. 

•)  Mart.  II  57.  6:  eine  veraltete  Bezeich- 
nung ist  struppi,  Gracchus  a.  a.  0.  An  den  oben 


S.  446  A.  1  erwähnten  Terrakottafiguren  wird 
die  Sänfte  in  dieser  Weise  getragen. 

6)  Catull.  10.23:  in  collo  collocare;  Suet. 
Claud.  10:  sueco/tarc. 

7)  luv.  3,  240.  Sen.  ep.  80,  8.  Plin.  paneg. 
24,5:  die  Betreffenden  werden  dabei  auf  die 
schon  von  den  lecticarii  getragene  Sänfte  em- 
porgehoben. Suet.  a.  a.  O.;  Ueticat  imponere, 
Petron.  28.  4:  indem,  Tac.  ann.  III  14;  XII  69; 
vgl.  Sen.  dial.  X  12,  7:  inter  tnnnus  elatus  et  in 
sella  posltus. 

8)  So  luv.  9,  142.    Petron.  96,  4. 

9)  Vier  kommen  in  griechischen  Quellen 
öfters  vor.  Luc.  epist.  Sat.  28;  Gall.  10:  lectica 
hecaphoros.  Mart.  II  81,  1:  IV  51,2;  VI  77, 10. 
luv.  1,64:  octophoros.  Cic.  ad  Qu.  fr.  II  8  (10), 2; 
Verr.  V  11,27;  sonst  octophoros.  Mart.  VI  84,1. 
Suet.  Calig.  23.  Apul.  apol.  76;  vgl.  Catull.  10, 
20.  Daß  man  in  der  Zahl  wetteiferte,  zeigt  Sen. 
dial.  II  14. 1 ;  ep.  31.  10.  In  großen  Häusern 
hatten  die  Frauen  sogar  eigene  lecticarii.  Digg. 
XXXII  l,49pr. 


448 


Zweite  Abteilung.   Das  Leben. 


lecticarii  unter  seinen  Sklaven  hielt,  wählte  dazu  gern  große,  kräftige  Leute r), 
meist  Barbaren2),  denen  man  eine  gleichmäßige  und  stattliche  Livree  gab3). 
Wer  aber  keine  eigenen  hatte,  konnte  sich  welche  samt  der  Sänfte  mieten4). 

Eine  dritte  Art  der  Sänfte,  die  aber  erst  in  der  spätem  Kaiserzeit  auf- 
kommt5), war  die  basterna6).  Sie  war  einem  Wagenkasten  ähnlich,  also  jeden- 
falls geräumig;  getragen  wurde  sie  zumeist  von  Maultieren  oder  Eseln,  die  vorn 
und  hinten  in  die  Tragstangen  (amites)1)  gespannt  waren,  oder  von  Männern8). 
Da  sie  nach  den  Beschreibungen  dicht  geschlossen  war9),  bedienten  sich  ihrer 
vornehmlich  die  Frauen10),  doch  wurde  sie  auch  von  Männern  benutzt11). 

Wann  die  Römer  die  Sänften,  die  sie  jedenfalls  im  Orient  kennen  gelernt 
hatten,  bei  sich  eingeführt  haben,  läßt  sich  nicht  sicher  bestimmen;  allein 
da  sich  bei  Plautus  keine  Erwähnung  davon  findet,  obschon  es  an  Gelegenheit 
dazu  nicht  gefehlt  hätte,  so  ist  es  jedenfalls  erst  nach  dessen  Zeit  geschehen12). 
Daß  sie  aus  Bithynien  zu  ihnen  gekommen  sei,  ist  eine  nicht  sichere  Ver- 
mutung13). Im  1.  Jahrhundert  v.  Chr.  finden  wir  sie  allgemein  in  Anwendung, 
sodaß  Caesar  sich  veranlaßt  sah.  ihren  Gebrauch  in  der  Stadt  zu  beschränken14). 
In  der  Kaiserzeit  waren  sie  sowohl  zum  Verkehr  in  der  Stadt  wie  für  Reisen 
sehr  verbreitet,  und  namentlich  waren  es  die  Frauen,  die  sich  ihrer  bedienten. 
Allerdings  waren  es  in  der  Regel  Damen  vom  Stande,  die  so  in  der  Öffentlich- 
keit erschienen15);  allein  daß  es  kein  streng  gehandhabtes  Gesetz  gab,  das 
andern  Frauen  die  Benutzung  der  Sänfte  verbot,  lehren  die  Beispiele111). 


')  Catull.  a.  a.  0.  nennt  sie  recti;  formosi 
calones  Sen.  ep.  110,  17. 

2)  Syrer,  Mark  IX  2,  11;  22.10  (vgl.  VII 
53, 10).  luv.  6,351;  Kappadokier,  Mark  VI  77.4; 
Bithynier,  Catull.  a.  a.  0.;  Moesier,  luv.  9, 143; 
Maeder  (aus  Thrakien) :  ebd.  7, 132 ;  Germanen. 
Tertull.  ad  uxor.  I  4.  Unsicher  ist,  ob  luv.  3, 240 
auf  liburnische  lecticarii  oder,  wie  der  Schol. 
meint,  auf  eine  Sänfte  in  Form  eines  liburni- 
schen  Schiffes  geht. 

3)  Mark  IX  22,9  nennt  sie  canusinati,  d.h. 
in  roten  canusinischen  Wollstoff  gekleidet  (vgl. 
ebd.  XIV  129).  Bei  Sen.  de  benef.  III  28, 5  hei- 
ßen sie  paenulati  in  militum  quidem  non  vul- 
garem cultum  subornati. 

4)  luv.  6,  353.  Nach  der  Notitia  lag  ihr 
Standplatz  (castra  lecticariorum)  in  der  14.  Re- 
gion, vgl.  Jordan-Hülsen  Topogr.  I  3,  669. 

5)  Die  erste  Erwähnung  istLampr.Heliog. 
21,  7. 

6)  Vgl.  Ginzrot  Wagen  d.  Alten  II  280. 
Morel  bei  D.-S.  I  682.  Mau  bei  P.-W.  III 119. 

7)  Pallad.  VII  2,  3;  es  sind  darnach  kurze 
Deichseln. 

8)  Corp.  Gloss.V348,5:  similis  curru,  de 
corio  facta  tota  et  portatur  semper  ab  homini- 
bus  velasinis,  nullam  rotam  habens;  vgl.  ebd. 
492. 43;  582, 29.  Baehrens  PLM IV  289  (Riese 
Anth.  Lat.  1 104)  beschreibt  sie  als  an  den  Seiten 
ausgebogen:  quae  radians  pandum  gestat 
utrumque  latus,  j  Hanc  geminus  portat  duplici 
sub  robore  burdo,  \  provehit  et  modico  pendula 
septa  gradu.  Daß  die  Beförderung  nicht  bloß 
durch  Maultiere  geschah  (wie  Marquardt  738 
meint  und  Becker-Göll  III 21),  zeigen  auch  die 


Glossen,  die  es  durch  tecta  manualis  erklären, 
s.  Corp.  Gloss.  VI  131.   Loewe  Prodrom.  67. 

9)  Daher  nennt  sie  das  zitierteEpigramm 
pudica. 

10)  PLM  a.  a.  O :  provisum  est  caute,  ne  per 
loca  publica  pergens  \  fucetur  visis  casta  maritä 
viris.  Amm.  Marc.  XIV  6,  16.  Corp.  Gloss.  V 
520,24:  genus  vehiculi  quo  nobiles  Romanontm 
matronae  vel  virgines  vehebantur,  ebd.  562,  34. 

n)  Symm.ep.VI  15. 

1J)  Die  erste  Erwähnung  ist  in  der  Rede 
des  Gracchus  bei  Gell.  a.  a.  O. 

1S)  Sie  gründet  sich  darauf,  daß  nach  Cic. 
Verr.  V  11.27  die  Könige  von  Bithynien  sich  auf 
Oktophoren  tragen  ließen,  was  doch  nur  für 
die  Achtzahl  bezeichnend  ist,  und  daß  nach 
Catull.  10,  15  Bithynien  als  Heimat  besonders 
tüchtiger  lecticarii  galt.  Vgl.  Haupt  Opuscula 
III  578. 

14)  Er  verlieh  das  Vorrecht  der  Benutzung 
bloß  den  Ehefrauen  und  Müttern  von  mehr  als 
40  Jahren,  und  zwar  nur  für  bestimmte  Tage, 
Suet.  Caes.43.  Reifferscheid  Suet.  rell.357,3. 

15)  luv.  10,35  zählt  daher  die  lectica  unter 
allerlei  Standesvorrechten  mit  auf;  nach  Dio 
Cass.  LVII  15,  4  bediente  sich  die  Senatoren- 
frau der  lectica  (oy.i/ijiödtov  xazäoigyov). 

1 6)  Allerdings  rührt  Cic.  Phil.  II  24, 58  (die 
Geliebte  des  Antonius)  ebenso  wie  die  Dirne 
bei  Catull  10  aus  republikanischer  Zeit  her; 
auch  die  Klientenfrau  bei  luv.  1, 124  wird  nicht 
von  höherem  Stande  gewesen  sein;  die  Dame 
bei  Ov.  a.  a.  1  487  ist  eine  Libertine,  und  ebenso 
ist  es  bei  Mart.  IX  2, 11  eine  Hetäre,  die  eine 
octophoros  benutzt. 


Siebenter  Abschnitt.    Der  Verkehr,  449 

,  Kehren  wir  nach  dieser  Abschweifung  wieder  in  die  Straßen  Roms  zu- 
Kick. Man  kann  sich  vorstellen,  wie  sehr  solche  Sänften  mit  ihren  sechs  bis 
kcht  stämmigen  Trägern  und  mit  ihrer  Begleitung  von  beflissenen  Freunden 
und  Klienten  den  Verkehr  hemmten.  Dazu  kamen  noch  Aufzüge  von  Genossen- 
schaften, die  sich  geschlossen  zu  irgend  welchem  Feste  begaben1),  u.  dgl.  m. 
Begreiflicherweise  wird  daher  öfters  über  den  Straßenlärm  der  Hauptstadt 
geklagt,  der  schon  in  aller  Frühe  anhebt2);  so  schon  von  Horaz,  der  be- 
sonders die  geräuschvollen  Transporte  von  Baumaterial  durch  Maultiere  und 
Träger,  den  Lärm  der  Maschinen,  die  Balken  und  Steine  in  die  Höhe  winden, 
|das  Knarren  der  Leichenwagen  anführt,  daneben  freilich  auch  über  wütende 
Hunde  und  schmutzige  Säue  klagt,  die  sich  in  den  Straßen  herumtrieben3). 
Das  war  nun  mit  dem  zunehmenden  Verkehr  immer  ärger  geworden,  und 
luvenal  wie  Martial  bieten  uns  reichlich  Belege  dafür.  Schon  vor  Tage  fingen 
die  Bäcker  an,  ihre  Waren  auszurufen4);  ihnen  folgten  alle  die  mannigfaltigen 
Straf.'senhändler,  die  Verkäufer  von  Schwefelfaden,  von  Erbsenbrei  und  Würsten, 
die  Hausierer  (circtiores)  mit  allen  möglichen  Dingen5),  die  alle  mit  besonderer 
Melodie  ihre  Waren  ausriefen,  wie  das  heute  noch  im  Süden  und  anderwärts 
üblich  ist,  und  sicher  mit  nicht  minderer  Lungenkraft,  als  ihre  Nachkommen6). 
Dazu  kamen  dann  allerlei  Gaukler,  die  ihre  Künste  auf  der  Straße  produzierten 
und  mit  Geschrei  zum  Zuschauen  einluden7),  Bettler  und  Schiffbrüchige,  die 
ihr  auf  einer  Tafel  abgemaltes  Ungemach  in  kläglichen  Versen  hersangen8), 
Aufzüge  und  Produktionen  herumziehender  Bettelpriester9);  und  all  diesen 
Lärm  vermehrten  noch  die  nach  südlichem  Brauch  auf  offner  Straße  ihr  ge- 
räuschvolles Gewerbe  treibenden  Kupferschmiede  und  andere  Handwerker10). 
Ja  selbst  die  im  Freien  unterrichteten11)  und  laut  ihr  Pensum  aufsagenden 
Schulknaben  mit  ihrem  schimpfenden  und  prügelnden  Lehrer  konnten  die 
Ruhe  der  Nachbarschaft  unliebsam  stören12).  Fast  noch  mehr,  als  über  diesen 
Lärm  am  Tage,  wird  über  die  nächtliche  Unruhe  geklagt,  die  die  Bewohner 
belebter  Stadtteile  und  namentlich  der  Mietwohnungen  nicht  schlafen  läßt13); 
ganz  besonders  störten  die  durch  die  engen  Gassen  rumpelnden  Reisewagen, 
die  ja  tagsüber  nicht  fahren  durften,  dann  die  Herden  von  Maultieren,  die 
von  laut  rufenden  und  scheltenden  Treibern  durch  die  Stadt  geführt  wurden14). 
Und  daß  die  nächtlich  vom  Gelage  heimkehrenden  Trunkenen  oder  die  unter 
Gesang,  bisweilen  auch  mit  Gewalt  Zutritt  bei  einer  spröden  Schönen  be- 
gehrenden jungen  Leute15)  sich  wenig  um  die  Ruhe  ihrer  Mitbürger  kümmerten, 
ist  bei  dem  Mangel  einer  organisierten  Straßenpolizei  sehr  begreiflich.  Zwar 


')  Das  beschreibt  luv.  3,  249ff. 

2)  Schilderung  bei  Friedländer  I  22  ff. 

3)  Hör.  ep.  II  2,  72  ff. 

4)  Mart.XII57.  5;  XIV  223. 

5)  Mart.I41,3ff.;  103,10;  V78,21;X3, 
3  ff. ;  XII  57,  14;  auch  mit  Kleidern,  Linnen 
u.dgl.   Digg.XlV3,5,4. 

6)  Sen.ep.56,2  (allerdings  von  Baiae):  iam 
libarü  vartas  exclamationes  et  botularium  et 
erustularlum  et  omnes  popinarum  institores 
mercetn  sua  quadam  et  insignita  modulatione 
t'i'n(/f'ntes 

7)  Mart.  141,7.  Galen.  XI  143  K.  erwähnt 


die  Marser  als  aomdoigöyoi  (Manil.  Astr.  V  390 
geht  nicht  darauf:  der  anguÜenen*  ist  der  6q  1- 
ov%os,  das  Sternbild). 

8).Pers.  1,88.  luv.  14,301.  Mart.XII57.12f. 

9)  Mart.V  41,  3;  XI  84.  3;  XII  57, 12. 

,0)  Mart.  IX  68,5;  XII  57,  6. 

!')  Vgl.  oben  S.  316. 

12)  Mart.  IX  68;  XII  57,  5. 

18)  luv.  3,234:  natu  guae  meritoria  so- 
mmtm  admithtnt?  »t<i</nis  opibiis  donnifur  in 
urbe. 

'<)  Ebd.  236ff. 

15)  Pers.  5, 166.   luv.  3,  282  ff. 


Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft.    IV.  2.  2.   3.  Aufl.  <s9 


450 


Zweite  Abteilung.   Das  Leben. 


gab  es.  und  zwar  schon  seit  früher  Zeit1),  staatliche  Nachtwächter,  vigilesl 
noctumi,  die  von  August  reorganisiert  worden  waren 2) ;  allein  diese  hatten 
vornehmlich  die  Aufgabe,  auf  Feuersgefahr,  Einbrüche,  Straßenraub  u.  dgl. 
zu  achten3)  und  für  die  Sicherheit  der  Bewohner,  aber  nicht  für  deren 
Nachtruhe  zu  wachen,  und  daß  sie  auch  ihre  eigentliche  Aufgabe  nicht 
immer  zu  erfüllen  imstande  waren,  das  zeigen  die  häufigen  Klagen  über 
die  Unsicherheit  auf  den  Straßen  bei  Nacht,  über  Diebstahl  und  räuberische 
Überfälle4),  Übelstände,  die  jede  Großstadt  mit  sich  bringt,  die  aber  in  Rom, 
das  der  Straßenbeleuchtung  entbehrte5),  erst  recht  zu  fürchten  waren.  Erst 
im  3.  Jahrhundert  werden  besondere  Nachtwächter  erwähnt,  die  eine  Glocke 
trugen,  mit  der  sie  sich  gegenseitig  Zeichen  gaben 6)  und  vermutlich  ganz 
ebenso  die  Diebe  rechtzeitig  zur  Flucht  veranlaßten,  wie  heut  noch  in  Kon- 
stantinopel ihre  Kollegen  mit  den  eisenbeschlagenen  Stöcken7). 

Eine  nicht  unwichtige  Rolle  pflegen  im  Leben  und  Verkehr  einer  modernen 
Großstadt  die  Wirtshäuser  zu  spielen.  Das  war  im  alten  Rom  weniger  der 
Fall,  und  zwar  vornehmlich  deswegen,  weil  es  zwar  Wirtshäuser  gab 8),  diese 
aber  von  sehr  geringer  Beschaffenheit  waren  und  in  der  Regel  nur  vom 
niedern  Volk,  nicht  von  den  bessern  Ständen  benutzt  wurden9).  Es  gab 
vornehmlich  zwei  Arten  davon,  die  freilich  vielfach  ineinander  übergehen, 


')  Nach  Lyd.  de  mag.  I  50  und  Schol.  luv. 
13, 157  seit  dem  gallischen  Brande;  die  erste 
Erwähnung  bei  Liv.  IX  46, 3  fällt  ins  Jahr  304 
v.  Chr.  Plaut.  Amph.  351  spielt  vielleicht  auf 
römische  Sitte  an. 

2)  Zander  De  vigilibus  nocturnis,  Ham- 
burg 1843.  Pkellek  Regionen  d.  St.  Rom  93. 
Rein  bei  Pauly  VI  2594.  Becker-Göll  112. 
Joedan  Topogr.  I  1,  304  ff. 

3)  Vgl.  Sen.  ep.  64, 1.  Petron.  78,  7. 

4)  Friedländee  I  24. 

5)  Nur  bei  festlichen  Anlässen  gab  es  in 
der  Kaiserzeit  Straßenbeleuchtung,  d.  h.  eine 
Art  Illumination,  Suet.Calig.  18.DioCass.LXIII 
4, 1  (auch  Neros  „lebende  Fackeln",  Tac.  ann. 
XV  44,  gehören  hierher);  daß  bei  Ciceros  Ein- 
schreiten gegen  die  Catilinarier  die  Stadt  be- 
leuchtet wurde,  Plut.  Cic.  22,  war  eine  beson- 
dere Ehrung  für  ihn.  Mabquabdt  643  A.  4 
nimmt  gewiß  mit  Recht  auch  für  die  Tag  und 
Nacht  andauernden  Säkularspiele  Beleuchtung 
der  Stadt  an.  Daß  es  aber  für  gewöhnlich  in 
den  Straßen  der  alten  Städte  nachts  stockfinster 
war,  zeigt  Petron.  79, 1.  Apul.  met.  II  32.  Das 
erste  uns  überlieferte  Beispiel  von  regelmäßiger 
Straßenbeleuchtung  bietet  Antiochia.  s.Liban. 
or.  XI  267  p.  363  R. ;  vgl.  von  der  Beleuchtung 
der  Straße  vor  den  Bädern  dens.  or.  XVI  41 
p.  500,  und  daß  die  Beleuchtung  durch  Later- 
nen, die  an  Stricken  über  die  Straße  hingen, 
geschah,  zeigt  ebd.  or.  XXII  6  p.  4R.  Ueber  die 
Anfänge  derStraßenbeleuchtung  vgl. Beckmann 
Beitr.  z.  Gesch.  d.  Erfind.  T  63 ff.;  II  520 ff. 

6)  DioCass. LIV 4, 4;  Friedländer  a.a.O. 
meint,  daß  sie  von  den  Bewohnern  oder  Be- 
sitzern der  Mietshäuser  angestellt  waren. 

7)  Ueber  Nachtwächter  in  alter  Zeit  vgl. 


Beckmann  a.a.  O.  IV  119  ff. 

8)  Vgl.  Zell  Ferienschriften  (Freiburg  i.  Br. 
1826)  I  l'ff.  Becker-Göll  III  27  ff.  (ebd.  43  äl- 
tere Litteratur).  MARQUARDT469f.  FrANCISQUE- 
Miquel  et  Fournier  Histoire  des  Hotelleries. 
(Paris  1859)  1 51  ff.  Friedländer  a.a.  O.  II  31  ff. 
Saglio  bei  D.-S.  I  973  f.  Mau  bei  P.-W.  III 
1806  ff. 

9)  Wenn  öfters  betont  wird,  daß  es  auch 
Tabernen  gab,  in  denen  vornehme  Leute  durch 
feinere  Genüsse  gefesselt  wurden  (Marquardt 
470.  Mau  1807.  Saglio  974),  so  ist  das  doch 
sehr  cum  grano  salis  zu  verstehen.  Die  Copa 
Vergils  rühmt  zwar  sehr  die  schöne  Lage  ihrer 
Kneipe  am  murmelnden  Bach,  ihre  Blumen- 
beete und  Lauben,  die  musikalischen  Produk- 
tionen, die  Gaben  der  Ceres,  des  Amor  und  des 
Bromius;aberihreta&erwaistdoch/wMOsa(v.3), 
ihren  Wein  bezeichnet  sie  naiv  genug  selbst  als 
vappa  (v.  11).  und  von  Eßwaren  werden  nur 
Käse,  Obst,  Gurken  u.  dgl.  angepriesen  (v.  18  ff.). 
Allerdings  wird  nicht  selten  von  Leuten  bessern 
Standes  berichtet,  daß  sie  in  Kneipen  verkehr- 
ten, Cic. inPis.6, 13.  Catull.  37,  lff.  Suet. gramm. 
15.  Mart.V70.  luv.  8, 158;  aber  daß  diese  po- 
pinae  oder  cauponaeLokale  besserer  Art  waren, 
wird  nicht  gesagt,  vielmehr  ist  der  Verkehr  dort 
für  die  Betreffenden  schimpflich,  und  das  läßt 
doch  darauf  schließen,  daß  es  gewöhnliche  Knei- 
pen waren.  Bei  Apul.  met.  VIII  1  bedeutet  lu- 
xuria popinalis  nicht  Schwelgerei  in  popinae, 
sondern  das  Herumtreiben  in  solchen.  Und 
bei  Mart.  V  44, 9  ist  popina  dives  nicht  eine 
elegante  Kneipe,  sondern  popina  bedeutet  hier, 
wie  auch  sonst  öfters  (z.B.  Gell. XV 8, 2.  Sen. 
dial.  VI  22,  2;  XII  10,  3  u.  s.)  Schlemmerei;  s. 
Müller  bei  Friedländer  zu  luv.  8,  158. 


Siebenter  Abschnitt.   Der  Verkehr. 


451 


ilj  lämlich  popinae1)  und  cauponae.  Die  popina  ist  vornehmlich  eine  Garküche, 
tei  n  der  es  Speisen  verschiedener  Art  gab,  die  man  entweder  an  Ort  und  Stelle 
verzehrte  oder  bloß  dort  kaufte  und  mit  nach  Hause  nahm2);  auch  schickten 
rei  He  Besitzer  solcher  Garküchen  Diener  mit  den  darin  bereiteten  Speisen  zum 
Verkauf  auf  die  Gasse  oder  trugen  sie  selbst  herum3);  manche  Speisen  wurden 
mch  dort  von  herumziehenden  Köchen  feilgeboten4).  Hingegen  ist  die  cau- 
oonab)  ursprünglich  überhaupt  ein  Kram-  oder  Viktualienladen,  in  dem  man 
allerlei  für  den  Hausbedarf  kaufen  kann6);  insbesondere  aber  bedeutet  es 
3in  Weingeschäft,  wo  man  Wein  ebenso  für  den  häuslichen  Bedarf  kaufen 
als  an  Ort  und  Stelle  trinken  kann7).  Dieser  Unterschied  verwischte  sich 
allerdings  einigermaßen,  da  man  in  der  popina  auch  zu  trinken 8)  und  in  der 
caupona  auch  zu  essen  bekam9);  aber  im  wesentlichen  war  doch  die  popina 
die  Garküche  für  Speisen,  obschon  freilich  in  der  Kaiserzeit  verschiedentlich 
beschränkende  Verordnungen  bezüglich  der  von  ihnen  feilgebotenen  Speisen 
erlassen  wurden10),  durch  die  die  Bürger  an  Einfachheit  gewöhnt  werden 
sollten11).  Es  waren  all  diese  Kneipen  in  der  Regel  unansehnliche  finstere 
Lokale12),  unsauber,  dunstig,  verräuchert13),  oft  versteckt  gelegen,  weil  allerlei 
Ungehöriges  dort  getrieben  wurde 14).  In  den  bessern  Lokalen  lag  man  bei 
Tisch,  wie  zu  Hause15);  aber  es  gab  auch  solche,  wo  man  auf  Stühlen  um 
einen  Tisch  saß16),  wahrscheinlich  wo  das  Trinken  die  Hauptsache  war  und 


')  Der  Wirt  einer  popina  heißt  popa,  das 
zwar  sonst  gewöhnlich  einen  Opferschlächter 
faictimarius)  bedeutet,  aber  doch  auch  in  jenem 
Sinne  vorkommt,  so  bei  Cic.  pro  Mil.  24,  65: 
popa  Licinius  de  circo  maximo.  Corp.  Gloss. 
V381.  1:  tabernarius;  658,35:  quidam  pro- 
prium nomen  volunt,  quidam  coponem.  CIL  VI 
9824.  Ferner  popinarius,  ebd.  9825 ;  popinaria 
XIV  3709  (Bücheler  Carm.  epigr.  603);  in  den 
Glossen  kommt  popinarius  nur  als  &vrng  vor, 
s.  VII  105.  Popino  ist  einer,  der  sich  in  popinae 
heiumtreibt.Varrou.Lucil.b.Non.161,10.  Hör. 
sat.  II 7, 39.  Suet.  gr.  15 ;  nach  Non.  a.  a.  0.  kann 
es  auch  einen  tabernarius  bedeuten;  vgl.  Corp. 
Gloss.  V  646, 23. 

2)  Hör.  sat.  II  4,  62 :  quaecmnque  immun- 
dis  fervent  allata  popinis. 

3)  Sen.  ep.  56,  2. 

*)  Mart.  141,9:  fumantia  qui  tomacla  rau- 
cus    circumfert  tepidis  cocus  popinis. 

B)  Caupona  oder  copona,  auch  cauponium, 
cauponula,  s.  Corp.  Gloss.  VI  192, der  Wirt  cöm^o 
oder  copa,  die  Wirtin  copa.  wie  bei  Vergil,  oder 
auch  caupona,  Lucil.  b.  Prise.  VI  684  (III  24 
Müller).  Apul.  met  17  ff.  Cauponam  exercere, 
Digg.IV9, 1,5. 

6)  Es  entspricht  dem  griech.  xajxn/.elov;  so 
übersetzen  es  regelmäßig  die  Glossen  und  caupo 
mit  xauinXog,  Corp.  Gloss.  VI  192. 

7)  Dieser  Unterschied  zwischen  popina  und 
ranpona  tritt  besonders  in  den  Glossen  hervor, 
wo  popina  als  mponcolsTov  erklärt  wird,  Corp. 
Gloss.  VII  105;  das  Getränk  spielte  hier  eben 
nicht  die  Hauptrolle. 

8)  Plaut.  Poen.  835 :  bibitur,  esiur,  quasi 
in  popina. 


9)  Digg.  XXXIII  7, 13  erwähnt  unter  dem 
instrumenta»)  der  taberna  cauponia  auch  trul- 
lae,  quae  circa  coenam  solent  traiiei. 

lu)  Suet.  Tib.  34 :  dato  aedilibus  negotio  po- 
pinas  ganeasque  usque  eo  inhibendi,  ut  ne  opera 
quidem  pistoria  proponi  venalia  sinerent.  Von 
Claudius  Dio  Cass.  LX  6,  7:  td  ze  xannlela,  ig 
ä  avvövzeg  emvov,  xazsXvas  xai  noooexag'E  pt'jzs 
xgeag  Jtov  eqpftov  ^<»?^'  i'öcoo  deo/tiöv  mnga- 
oxFaOat;  von  Nero  Suet.  Ner.  16 :  mterdictum 
ne  quid  in  popinis  cocti  praeter  Irgionina  atU 
holera  veniret,  cum  antea  nulluni  nOH  ohsonii 
genusproponeretur  (dasselbe  berichtet  DioCass. 
LXII  11,2);  und  dies  Verbot  wurde  vonVespa- 
sian  erneuert,  Dio  Cass.  LXVI  10,  3.  Die  Auf- 
sicht über  die  popinae  hatten  die  Aedilen  bis 
auf  Claudius,  der  sie  ihnennahm,Suet.Claud.  38. 

n)  Mau  a.a.O.  meint,  die  Verordnungen 
hätten  sich  gegen  die  Schwelgereien  der  Reichen 
in  den  popinae  gerichtet;  aber  von  solchen  war 
wohl  schwerlich  die  Rede.  Daß  die  Verbote 
immer  erneuert  werden  mußten,  zeigt,  daß  sie 
nicht  innegehalten  wurden. 

•*)  Cic.inPis.8,18:  ex  tenebricosa  popina. 
Mart.  VII  61,8:  nigra  popina. 

,s)  Cic.  a.a.O.  6, 13:  nun  feto  ore  foetido 
taeterrimam  nobispopinam  inhalasses.  flor.ep. 
I  14,  21 :  uneta  popina;  ders.  sat.  II  4,  62:  im- 
mundis  popinis.  Mart.  1  41,9:  tepidis  popinis. 
luv.  11,81:  calidae  popinae.  Auson.  Mos.  124: 
fumons  popinis. 

iA)  Mart.  V  84,  4:  arcanae  popina.  Sen.  IX 
7,  3 :  popina  secreta;  ders.  bemerkt  ep.  51, 4,  er 
möchte  nicht  inter  popina*  wohnen. 

15)  luv.  8, 173:  ebd.  176.  Verg.  Copa  5  f. 

,6)  Mart.V  lOSnenntsie  cellariolaepojiinue. 

29* 


452 


Zweite  Abteilung.   Das  Leben. 


nur  etwa  eine  Kleinigkeit  dazu  gegessen  wurde.  Pompejanische  Wandgemälde, 
die  sich  in  Tabernen  befinden,  zeigen  die  Gäste  auf  Bänken  sitzend  und  mit 
Essen,  Trinken  oder  Würfeln  beschäftigt;  ihre  Tracht  läßt  sie  als  Angehörige 
unterer  Klassen  erkennen1)  (vgl.  Fig.  65 2)),  und  oft  führen  charakteristische 


Fig.  65.   Trinkszene  in  einer  römischen  Weinstube.   Wandgemälde  aus  Pompeji. 


Inschriften,  die  dabei  stehen,  uns  mitten  in  dies  Kneipenleben  hinein3).  Denn 
die  Gesellschaft,  die  diese  Wirtschaften  vornehmlich  besuchte,  setzte  sich 
aus  den  niedersten  Gesellschaftsschichten  zusammen4),  und  da  nicht  selten 
Kuppelei  und  verbotenes  Würfelspiel  damit  verbunden  war5),  so  werden  diese 
popinae  von  den  Schriftstellern  oft  mit  Bordellen  und  ähnlichen  Lokalen  in 


')  Helbig  Wandgemälde  1504ff.  Vier  sol- 
cher Kneipenbilder  aus  einer  caupona  an  der 
Strada  di  Mercurio  in  Pompeji  bespricht  M .  Col- 
ugnon  in  den  Melanges  Boissier  (Paris  1903) 
127  ff.,  mit  Abbildungen  nach  Aquarellen.  Jn 
den  Szenen  eines  vierseitigen  mit  Reliefs  ver- 
sehenen Cippus,  der  vermutlich  aus  Amiternum 
stammt,  will  der  Herausgeber  F.  Weege  R.  M. 
XXIII  (1908),  26  ff.  Vorgänge  in  einem  privaten 
Haushalt,  R.  Engelmann  Beil.  phil.  Wochen- 
schr.  1908  Sp.  1581  Szenen  in  einer  caupona 
erkennen. 

*)  Nach  Mus.  Borb.  IV  tav.  A  (auch  bei 
Becker-Göll  III 43.  Daremberg-Saglio  1  973 
Fig.  1257.  Schreiber  Kulturhistor.  Bilderatlas 
Taf.78,2  und  sonst  öfters) ;  den  gegenwärtigen, 


sehr  veränderten  Zustand  zeigt  Taf.  I  2  bei 
Collignon  a.a.O.).  Wir  sehen  vier  Trinker  um 
ein  Tischchen  sitzend,  ihre  Tracht  (Tunika  mit 
cucullus)  ist  für  ihren  niederen  Stand  bezeich- 
nend. Rechts  kommt  der  bedienende  Knabe  her- 
bei, an  der  Wand  hängen  Würste  und  andere 
Eßwaren. 

3)  So  z.  B.  Da  fridam  (d.  i.  frigidam)  pm 
sillum,  CIL  IV 1 29 1 ;  oder  Adde  calicem  Setinum, 
ebd.  1292.    Andere  s.  unten  zu  Fig.  67. 

4)  luv. 8, 173:  invenies  aliquo  cumpercum 
sore  iacentem,  \  permixtum  nautis  et  furibus  ae 
fugitivis,  \  inier  carnifices  et  fabros  san<l<t}>i- 
larum  !  et  resupinati  cessantia  tympana  GallL 

5)  luv.  8.  162.  Maii.  V  84,  4;  vgl.  Vergil» 
Copa,  bes.  v.  33 ff.   Cod.  Theod.  IX  7,  1. 


Siebenter  Abschnitt.   Der  Verkehr. 


453 


arallele  gesetzt1).  Es  ist  daher  begreiflich,  daß  der  Verkehr  in  diesen 
)rten  Leuten  bessern  Standes  zum  schweren  Vorwurf  gemacht  wurde2),  und 
laß  solche  Kneipenbesucher  diesen  Verkehr  möglichst  geheim  zu  halten 
iuchten3).  Einen  Anziehungspunkt  mochten  sie  für  manche  freilich  dadurch  be- 
kommen, daß  man  hier  den  neuesten  Klatsch  der  Hauptstadt  sehr  bald  erfuhr4). 
In  um  nichts  besserem  Rufe  stand  die  caupona  oder  taberna  cauponia6), 
vomit  die  taberna  vinaria6)  wrohl  identisch  ist;  auch  taberna  schlechtweg 
vird  oft  in  diesem  Sinne  gebraucht7).  Noch  verrufener  freilich,  als  diese 
»Virtschaften  selbst,  waren  ihre  Inhaber,  die  copones:  sie  galten  für  be- 
rügerisch  und  durchtrieben8),  als  Weinpantscher  schlimmster  Sorte9),  ja 
loch  viel  Ärgeres  wurde  ihnen  nachgesagt10);  das  Gewerbe,  das  vielfach  in 
ien  Händen  von  Orientalen  lag11),  gehörte  zu  den  niedersten  Berufsarten12). 
\.ber  in  kleineren  Orten,  besonders  auf  dem  Lande,  war  die  caupona  nichts- 
lesto weniger  unentbehrlich13),  zumal  sie  da  nicht  bloß  Schenke,  sondern  (was 
>ei  der  popina  nicht  der  Fall  ist)  auch  Gasthaus  zum  Übernachten  war, 
)bschon  ein  Reisender,  der  etwa  bei  einem  Gastfreund  einkehren  konnte, 
liese  schmutzigen  und  unheimlichen  Häuser  mit  ihrem  Ungeziefer14)  mied. 
Solche  cauponae  oder  tabernae  gab  es  ebenso  innerhalb  der  Stadt,  wie  namentlich 


*)  Sen.  dial.  VII  7,3:  fornices  etpopinas; 
jp.  29,  5  Digg  IV  8,  21,  11  sind  popina  und 
upanarium  als  loca  irihonesta  gleichgestellt; 
IL  XLVII  10.  26. 

2)  Cic.  inPis.6,13;  8,18;  Phil.  II  28, 69. 
Vlart.V70,3.  luv.  8, 172.  Sen.  a.  a.O.;  daher 
urpis  popina,  Luc.  bei  Non.  161,  14.  Für  die 
leiden  des  petronischen  Romans  sind  die  po- 
oinae  freilich  das  richtige  Milieu,  vgl.  Petron. 
98,  6. 

3)  Daher  Jatere  in  popina,  Sen.  dial.  I  5,4; 
gl.  IX  7,3  und  die  Verse,  die  Hadrian  an  Florus 

ächtete:  ego  nolö Florus  esse,  ambulare  per 
labernas,  \  latitare  per  popinas,  \  culices  pati 
Wundos,  Spart.  Hadr.  16,4. 

4)  luv.  9, 108,  vom  caupo,  was  wohl  von 
:1er  popina  ebenso  galt. 

5)  Digg.  XXII  2,  43  pr.  {cauponiam  exer- 
zere);  das  Inventar  heißt  instrumentum  caupo- 
nium,  ebd.  43,  9;  XXXIII  7,  17,  2;  auch  bloß 

auponium,  ebd.  15  pr.  Doch  wird  ebd.  7, 13  die 
taberna  cauponia  von  der  caupona  unterschie- 
den: bei  letzterer  ist  Handel  dabei. 

6)  Apul.  apol.  57.  Non.  532, 13. 

7)  Verg.  Copa  3.  Catull.  37,  1.  Hör.  ep.  I 
14, 24 ;  Non.  a.  a.  0. :  tabernas  non  vinarias  so- 
lum,  ut  nunc  dieimus,  sed  omnes  quae  sunt  po- 
pinaris  usus,  auetoritas  Romana  patefecit.  Da- 
her sind  tabernarii  ungefähr  dasselbe  wie  cau- 
pones.  Firm.  Mat.  adv.  math.  II  6, 4;  IV  14, 13. 
Die  Bezeichnung  thermopolium  (vom  Trinken 
des  mit  heißem  Wasser  gemischten  Weines)  fin- 
det sich  nur  bei  Plautus,  Cure.  292 ;  Pseud.  742 ; 
Rud.  529;  Trin.  1013,  ist  daher  vielleichtnur  dem 
Griechischen  entlehnt:  aber  diese  Lokale  waren 
nicht  anders,  als  die  popinae,  und  die  dort  ver- 
kehrenden Gäste  (collicrepidae,  cruricrepidae, 
ferriteri,  mastigiae,  Trin.  1022)  sind  denen  der 


popina  durchaus  würdig.  Allgemeiner  ist  ga- 
nea  oder  ganeum,  das  jeden  Ort  bezeichnet,  wo 
Liederlichkeit  und  Schwelgerei  getrieben  wird, 
Liv.  XXVI  2.  15;  Ter.  Ad.  359.  Cic.  pro  Sest. 
9,20.  Suet.Tib.34;  Cal.ll;  Nero  27.  So  findet 
man  es  mit  adulteria,  popinae,  deversoriae  ta- 
bernae, lenocinia  u.dgl.  verbunden,  und  die  Glos- 
sen erklären  es  mit  noQvslov,  taberna  vel  popina, 
popina  latebrosa  u.  dgl.,  s.  Corp.  Gloss.  VI  488, 

8)  Bei  Hör.  sat.  I  1,  29  heißen  sie  perfidi, 
ebd.  5,4  maligni.  Die  Glossen  erklären  caupo 
nicht  bloß  durch  xamjkoe  oder  taberna  rins,  son- 
dern geradezu  durch  negotiator  fraudidentm, 
Corp.  Gloss.  IV 49 1,29.  Vgl.Artemid.Onir.I  23. 

9)  Darauf  geht  es,  wenn  nach  Petron  .39,12 
die  im  Zeichen  des  Wassermanns  geborenen 
caupones  werden.  Martial  spielt  darauf  an,  156; 
III 57.  und  eine  pompejanische  Inschrift  bei  Bü- 
cheler  Carm.  epigi.  Lat.  430  n.  930.  Auch  Un- 
terschlagung des  für  die  dort  untergebrachten 
Tiere  bestimmten  Futters  warf  man  ihnen  vor, 
Mark  XIII  11. 

lü)  Vgl.  die  Geschichte  bei  Cic.  de  div.  I 
27,  57  (cf.  II  66, 135)  und  de  inv.  II  4, 14. 

n)  Besonders  Syrer,  Lucil.  b.  Non.  und  b. 
Prise,  a.  a.  O.;  Verg.Copa  1.  luv.  8, 159. 

»)  Mark  III  59,  2.  Digg.  IV  9, 1 :  XXIII  2, 
43;  XXXIII  7,  13.  Paul,  senk  II  26, 11;  über 
die  männliche  und  weibliche  Bedienung  der  ta- 
/«'/•«««  Cod.  Theod.  VII  13,8;  IX  7,1;  vgl.  Mar- 

QUARDT  471   A.  5. 

Vi)  Martial  II  48, 1  f.  verlangt  coponem  Im- 
niumque  balneumque  tonsorem  neben  einem 
guten  Freund  und  einem  tüchtigenDiener.  dann 
wolle  er  den  Komfort  Roms  entbehren. 

14)  Plin.  IX  154  spricht  von  den  caupona- 
non  aesfira  anima/ia:  vgl.  die  Verse  Hadrians 
oben  A. 3. 


454 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 


vor  den  Toren  und  an  der  Landstraße1);  die  in  der  Nähe  wohnender 
Grundbesitzer  legten  manchmal  solche  Tabernen  an,  um  sie  von  ihren  Sklaven 
oder  von  Pächtern  bewirtschaften  zu  lassen2).    Sehr  häufig  war  auch  mii 

diesen  Wirtshäusern  Bordellwirt- 
schaft verbunden  (vgl.  Fig.  66)3),  und 
nicht  bloß  die  weibliche  Bedienung 
mochte  dabei  eine  Rolle  spielen4), 
sondern  nach  südlichem  Brauch  wohl 
auch  die  pueri  cauponariib).  Da  so 
Wein,  Weiber  und  Würfel  die  Köpfe 
der  Besucher  erhitzten,  war  Streit 
und  Zank  in  diesen  cauponae  wohl  an 
der  Tagesordnung  (vgl.  Fig.  67) 6). 

Wenn  demnach  die  popina  ledig- 
lich Speise  und  Trank,  aber  kein 
Nachtquartier,  die  caupona  eins  wie  das  andere  bietet,  so  ist  das  deversorium 
in  erster  Linie  die  Herberge  für  die  Reisenden,  die  natürlich  auch  für  deren 
leibliche  Bedürfnisse  sorgen  mußte7)  und  daher  öfters  auch  taberna  deversoria 


Fig.  66.    Wirtshausszene.   Belief  aus  Aesernia. 


!)  So  finden  wir  bei  Hör.  sat.  I  5,51  Caudi 
cauponae;  Cic.  Phil.  II  31,77  eine  cauponula 
ad  saxa  rubra  nahe  bei  Rom  (vgl.  Gell.  VI  (VII) 
1 1,  4) ;  an  der  Via  Appia  bei  Prop.  V  (IV)  8, 19 
emearcanataberna;  ebendort  nach  Fest.  45, 13 
Caeditiae  tabernae  (vgl.  CIL  1 1199),  und  nach 
Cic.  ad  Att.  II  12,  2  und  Act.  apost.  28,  15  die 
sog.  Tres  tabernae,  womit  zu  vgl.  Plaut.  Pseud. 
638 :  ego  devortor  extra  portam  huc  in  taber- 
nam  tertiam.  An  der  Via  Latina  lagen  diePictae 
tabernae,  Strab.V237.  Nero  ließ  in  Thrakien 
an  den  Militärstraßen  tabernae  et  praetoria  an- 
legen, CIL  II  6123  (letztere  sind  vornehmere 
Einkehrhäuser  für  Beamte,  vgl.  ebd.  2809). 
Tabernae  hießen  von  diesen  Einkehrhäusern 
überhaupt  verschiedene  Stationsorte  an  den  rö- 
mischen Heerstraßen;  der  deutsche  Ortsname 
Zabern  (Bergzabern)  kommt  davon  her. 

*)  Varr.  r.  r.  1  2. 23 :  si  ager  secundum  viam 
et  opportunus  viatoribus  locus,  aedificandae  ta- 
bernae deversoriae,  quae  tarnen,  quamvis  sint 
fructuosae,  nihilo  magis  sunt  aqriculturae  par- 
tes.  Vitr.  VI  8  (5),  2.   Mart.  III  58.  24. 

3)  Relief  von  Aesernia,  nach  0.  Jahn  BSG  W 
1861  Taf.  X  6.  Saglio  974  Fig.  1258.  Schrei- 
ber a.  a.  0.  Taf.  62, 12,  hier  ohne  die  Inschrift 
(CIL  IX  2689),  die  folgende  Unterredung  zwi- 
schen Wirtin  und  Gast  wiedergibt :  Copo  compu- 
temus.  —  Habes  vini  sextarium  unum,  panem, 
assem  unum;  pulmentarium  asses  duos.  — 
Cotwenit.  —  Puellam,  asses  octo.  —  Et  hoc  con- 
venit.  —  Faenum  mulo,  asses  duos.  —  Iste  mu- 
lus  nie  ad  factum  dabit.  Vgl.  auch  Suet.  Nero  27: 
dispositae  per  litora  et  ripas  deversoriae  ta- 
bernae parabantur  insignes  ganea  et  matro- 
narum  institorio  copas  imitantium  atque  hinc 
inde  hortantium  ut  appeller  et.  Hör.  sat.  I  14, 
24 f.   Copones  auf  Inschr.  vgl.  CIL  V  5931 ;  XII 


5968;  XIII  2936. 

4)  Cod.  Theod.  IX  7, 1  werden  die  anciUm 
tabemarum  ohne  weiteres  zu  den  meretrices 
gerechnet. 

5)  Plaut.  Poen.  1298. 

6)  Vgl.  Prop.  ä.  a.  0.:  turpis  in  arcana  so- 
nuit  cum  rixa  taberna.  Auf  dem  pompejani- 
schen  Dipinto  Fig.  67  nach  Presuhn  Pompeji  V 
Taf.  VII  ist  ein  solcher  Streit  drastisch  geschil- 
dert. Links  sitzen  zwei  beim  Brettspiel  und 
fangen  an  zu  streiten:  Exsi,  sagt  der  eine;  Xon 
tria,  duas  est,  der  andre.  Rechts  ist  die  Rauferei 
im  Gange,  der  Wirt  kommt  dazu  und  drängt  sie 
mit  den  Worten  Itis  foris  rixsatis  hinaus.  Vgl. 
Mau  Bull.  d.  Inst.  1878, 192. 

7)  In  diesem  Sinne  z.  B.  Auct.  ad  Her.  IV 
51,64.  Cic.  ad  Att.  IV  1 2.  Liv.  1 5 1 , 2 ;  XLV  22, 2. 
Suet.  Vit.  7;  ders.  Caes.  72  (deversoriolum  von 
einer  sehr  bescheidenen  Herberge).  Sen.  de  ben. 
VI  15,  7.  Petron.  9, 10;  15,8;  19,2  u.ö.;  ein 
parvum  deversorium  ebd.  124,  2.  In  den  Glos- 
sen durch  Jiavboyziov ,  xaxakvixa  übersetzt,  Corp. 
Gloss.VI  336;  ebd.  kommt  für  den  Wirt  dever- 
sorianus  vor,  II  393, 17;  durch  stabularius,  ho- 
spltarius  erklärt  ebd.  577, 15,  während  der  dort 
einkehrende  Gast deversitor heißt,  Petron.  79, 6; 
81,1.  Jedoch  bedeutet  das  Wort  streng  genom- 
men jedes  Einkehrhaus,  auch  das  private;  und 
vermögende  Leute,  die  häufig  auf  Reisen  waren, 
kauften  sich  wohl  in  der  Provinz  kleine  Häuser, 
um  auf  der  Reise  nicht  im  öffentlichen  Wirts- 
haus einkehren  oder  einenGastfreund  inkommo- 
dieren zu  müssen,  s.  Cic.  ad  fam.  VI  19, 1;  VII 
23,  3;  XII  20;  ad  Attic.  XI  5,  2;  XIV  8.  Sonst 
gebraucht  Cicero  gern  dasWortim  übertragenen 
Sinn,  vgl.  de  sen.  23, 84;  de  or.II  57,234;  71, 
290;  Phil.  II 41, 104;  ebenso  Seneca,  ep.  89, 21 ; 
108,  6. 


Siebenter  Abschnitt.   Der  Verkehr. 


455 


avi 


genannt  wird x).  Dafür  wird  öfters  hospitium  gebraucht,  obschon  darin  auch 
die  Aufnahme  des  Gastes  durch  den  Gastfreund  liegt2).  Hingegen  ist  atabulum, 
ursprünglich  wohl  nur  den  Stall  bedeutend3),  ein  Wirtshaus  mit  Ausspann 
für  die  Reit-  oder  Zugtiere  der  Reisenden4),  mit  dem  stabulariuß  als  Wirt5). 
Solcher  Einkehrhäuser  gab  es  im  römischen  Reiche  überall6);  die  meisten 


Fig.  67.    Brettspiel  und  Rauferei  in  einem  Wirtshaus.    Dipinti  aus  Pompeji. 

freilich  nicht  besser,  als  die  oben  geschilderten  cauponae.  Pferdeknechte, 
Maultiertreiber,  Matrosen  waren  stehende  Gäste7),  die  Bewirtung  in  den 
meisten  Fällen  sehr  bescheiden8),  Zimmer  und  Betten  unsauber9),  die  Wirte 
verdächtige  Subjekte10).  Freilich  scheinen  auch  die  Preise  nicht  hoch  ge- 
wesen zu  sein11).     Zwar   gab   es   hier  und   da  auch  Gasthäuser  besserer 


')  Plaut.  Men.  436;  Truc.  697.  Varr.  r.r.  I 
2.  23.  Suet.  Nero  27;  auch  taberna  meritoria, 
Val.  Max.  I  7  ext.  10. 

2)  Im  Sinne  von  Wirtshaus  bei  Plaut.  Poen. 
673,  wo  der  leno  gegen  Geld  Aufnahme  in  ho- 
spitium optumum  verspricht;  Hör.  sat.  1  5, 1 
wird  das  moclicum  hospitium  in  Aricia  auch  in 
der  Regel  so  erklärt.  Ferner  vgl.  Sen.  de  ben. 
VI  15,  7.  Plin.  ep.  VI  19,  4.  Apul.  met.  I  7,  so- 
wie die  Inschr.  Mau  Bull.  d.  Inst.  1882, 116.  Es 
war  sicherlich,  wie  die  Inschriften  zeigen,  die 
feinere  Form:  der  Besitzer  bezeichnete  sein 
Wirtshaus  weder  als  caupona  noch  als  deverso- 
riii»),  sondern  als  hospitium;  vgl.  CIL  IV  807: 
hospitium  hie  locatur,  triclinium  cum  tribus 
/, ,  tis.  Der  Wirt,  hospitarius,  s.  oben  S.  454  A.  7. 

s)  So  wohl  auch  Plaut.  Poen.  268. 

4)  Cic.  Phil.  II  28,  69.  Petron.  6,  3;  8,  2; 
16,4u.ö.  Mart.VI94,3.  Spart. Sev.  1,10.  Apul. 
met.  115;  ebd.  21.  Der  Unterschied  vom  caupo 
ist  definiert  Digg.  IV  9, 5  pr.:  caupo  {mercedem 
aeeipit) ,ut  viatores  mauere  in  caupona  patiatur, 
st  (il>)darius,ut  permittat  iumenta  apud  eum  sta- 
bula  vi.  Daher  iststabulum  in  den  Glossen  sowohl 
ijx.tonxäaiov  wie  JiavdoxeTor,  Corp.  Gloss.  VII 290. 

5)  Sen.de ben.  1 14, 1.  Apul.met.1 17.  Digg. 
a.a.O.;  die  Wirtinnen,  stabulariae,  waren  ver- 
rufen, bei  August.  civ.Dei  XVIII 18  sogar  als  der 


Zauberei  verdächtig,  wie  die  caupona  Meroe  bei 
Apul.  met.  I  7  eine  Hexe  ist. 

6)  Vgl.  über  die  Häufigkeit  der  Gasthäuser 
Friedländer  a.  a.  0. 33  f. 

7)Suet.Vit.7.Plut.desan.tuendal6p.l30E. 

8)  Die  von  Galen.  VI  663;  XII 254  erzählte 
Geschichte  von  dem  Wirt,  der  den  Gästen  Men- 
schenfleisch vorsetzte,  klingt  sehr  abenteuer- 
lich. 

9)  Dm derersoriiun,  indemi.J.  167  v.Chr. 
dierhodischen  Gesandten  in  Rom  untergebracht 
waren,  wird  von  diesen  selbst  als  sordidum  be- 
zeichnet, Liv.  XLV  22, 2.  Bei  Apul.  met.  I  1 1 
ist  das  Bett,  in  dem  Lucius  schläft,  zu  kurz,  es 
fehlt  ein  Fuß,  und  es  ist  auch  sonst  morsch.  Die 
Kissen  in  den  cauponae  waren  in  der  Regel  nur 
mit  Rohrbüscheln  gestopft,  Plin.  XVI  58. 

10)  Bezeichnend  heißt  es  bei  Apul.  met.  1 17: 
non  inmerito  stabidarios  liosomnes  hospites  dc- 
testantur. 

M)  Im  2.  Jahrh.  v.  Chr.  zahlte  man  in  den 
Wirtshäusern  des  cisalpinischen  Galliens  für 
Wohnung  und  Kost  ein  halbes  As  (damals  2 
bis  3  Pf.),  Polyb.  II 15.  Daß  aber  auch  in  der 
Kaiserzeit  die  Preise  noch  recht  niedrig  waren, 
zeigt  die  oben  S.  454  A.  3  angeführte  Wirts- 
hausrechnung, wo  Wein,  Brot  und  Zukost  3  As 
(etwa  20  Pf.)  kosten. 


456  Zweite  Abteilung.   Das  Leben. 

Gattung1),  doch  scheinen  sie  Ausnahmen  gewesen  zu  sein.  Übrigens  kam 
die  Dürftigkeit  der  meisten  Herbergen  wohl  nicht  von  der  Beschaffenheit 
der  Gäste,  sondern  hing  damit  zusammen,  daß  man  im  Süden  an  anspruchs- 
lose Wirtshäuser  gewöhnt  ist  und  die  Alten  es  vielleicht  noch  mehr  waren, 
als  die  heutigen  Italiener  oder  Griechen2). 

Wohl  die  meisten  Wirtshäuser  und  Herbergen  hatten,  wie  es  heute 
üblich  ist,  Namen3)  und  sehr  oft  ein  Schild  oder  Abzeichen4),  öfters,  wie 
heut  noch,  irgendein  Tier,  nach  dem  dann  das  Wirtshaus  auch  seinen  Namen 
führte5).  Auch  Inschriften  mit  Empfehlung  der  Aufnahme  und  Verpflegung 
fehlten  nicht6),  oder  Flaschen,  die  an  den  Ladenpfeilern  aufgehängt  waren, 
luden  zum  Besuch  der  Schenke  ein 7). 

In  Pompeji  haben  sich  zahlreiche  Lokalitäten  erhalten,  die  man  als 
popinae  oder  cauponae  ansprechen  kann,  da  sie  teils  durch  die  Beschaffenheit 
des  zum  Wärmen  von  Speisen  und  Getränken  eingerichteten  Ladentisches, 
teils  durch  Inschriften  und  Wandmalereien  sich  als  solche  zu  erkennen  geben. 
Die  einfachsten  darunter  haben  neben  dem  Ladenraum  nur  einige  bescheidene 
hintere  Zimmer;  andere  haben  ein  oder  mehrere  Speisezimmer,  aufgemauerte 
Triklinien  im  Garten,  kleine  Schlaf  kammern,  die  wohl  der  Prostitution  dienten, 
u.  dgl.  m.8).  Auch  einige  größere  Gasthäuser  sind  in  Pompeji  gefunden  worden, 
mit  interessanten  Inschriften,  die  die  Gäste  auf  die  Wände  gekritzelt  haben9). 
Sie  haben  zum  Teil  Stallungen,  die  in  der  Nähe  der  Tore  belegenen  eine  gepfla- 
sterte Einfahrt  für  Wagen;  auch  die  Tränken  für  die  Zugtiere  sind  erkennbar10). 

Wir  dürfen  annehmen,  daß  in  der  Kaiserzeit  überall  an  den  das  weite 
römische  Reich  durchziehenden  Straßen  und  ebenso  in  den  meisten  größeren 
Ortschaften  derartige  Gasthäuser  angelegt  waren,  denn  sie  waren  für  den 
größten  Teil  der  Reisenden,  nämlich  für  alle,  die  nicht  ein  eigenes  Absteige- 
quartier hatten  oder  bei  einem  Gastfreunde  einkehren  konnten,  eine  Not- 
wendigkeit. Das  Reisen  aber  war  schon  in  der  republikanischen  Zeit  etwas 
recht  Häufiges  geworden  und  hat  jedenfalls  in  der  Kaiserzeit  noch  eine  be- 
deutende Steigerung  erfahren11).    Wenn  in  früheren  Jahrhunderten  neben 

')  Epict.  diss.  II  23. 36  f.  nennt  sie  jtavdo-  I  malum,  adpirum.  Daß  die  imago  Galli  in  scuto 
xsia  xald  oder  xofiipd.  Namentlich  Aegypten  |  Cimbrico  picta  (Quint.  VI  3,  38)  auch  der  betr. 
scheint  in  der  Kaiserzeit  solche  elegantere  Gast-    I    Taberne  den  Namen  ( ad  scutum  Oimbricum)  ge- 


häuser  besessen  zu  haben,  Strab.  XVII  801. 

*)  So  gewiß  mit  Recht  Friedländer  a.  a.O. 
32. 

3)  Die Pictae  Tabernaesind  schon  erwähnt, 
s.  oben  S.  454  A.  1. 

4)  Ueber  Ladenschilder  s.  oben  S.  61. 

5)  So  in  Narbo :  ospitalis  a  gallo  gallinacio, 
CIL  XII  4377;  in  Pompeji  ein  Gasthaus  zum 
Elefanten:  Sittius  restituit  elefantu,  darunter 
hospitium  hie  locatur,  triclinium  cum  tribus 
lectis  et  comm{odis) ,  CIL  IV  806  f.  Artemid.  Onir. 
I  4  erwähnt  ein  i;evoöo%sTov  xo  xakovfxevov  xd- 
f-ttjlos,  mit  dabei  abgebildetemKamel.  Mi tWahr- 
scheinlichkeit  vermutet  Marquardt  474,  daß 
auch  die  Stationennamen  der  Itinerarien  ad 
aquilam  minorem,  ad  aquilam  maiorem,  ad  dra- 
cones,  ad  olivam  etc.  ihre  Namen  von  Tabernen- 
schildern  erhalten  haben;  ebenso  andere,  wie 
ad  Mercurios,  ad  Dianam,  ad  Herculem,  ad 


geben  habe,  ist  nicht  nachweisbar,  aber  wahr- 
scheinlich. Vgl.  Jordan  A.Z. XXIX  (1871)  65 ff. 
Friedländer  35  f. 

6)  So  in  Lyon  CIL  XIII  2031:  Mercuriiis 
hie  hierum  promittit,  Apollo  salutem:  Septu- 
manus  hospitium  cum  prandio.  Qui  venerü,  me- 
lius utetur.  Post,  hospes,  ubimaneas  prospice. 
Marquardt  473  vermutet,  daß  das  Haus  Ad 
Mercurium  et  Apollinem  geheißen  habe. 

7)  Mart.VlI61,5. 

8)  Vgl.OvERBECK377;379f.MAubeiP.-W. 
a.  a.  0.  und  Pompeji  393 ff. 

9)  Mau  Pompeji  394. 

10)  Ebd.  395. 

11)  Eingehend  handelt  über  die  Reisen  im 
Römerreich,  ihre  Veranlassung,  Häufigkeit  und 
Schnelligkeit  u.  a.  m.  Friedländer  II 1  ff. ;  lehr- 
reich ist  auch  der  oben  (S.  442)  zitierte  Aufsatz 
von  Heinr.  Stephan  S.  102  ff. 


Siebenter  Abschnitt.   Der  Verkehr.  |,",7 

iai»  ien  Militärs  und  den  Staatsbeamten,  die  von  Berufs  wegen  in  Italien  und 
tä  ien  Provinzen  herumreisen  mußten,  es  vornehmlich  die  Kaufleute  waren, 
^  iie  durch  ihre  Geschäftsinteressen  beim  Ein-  und  Verkauf  von  Waren  bis 
ren  an  die  fernsten  Grenzen  des  Reichs  und  oft  noch  darüber  hinaus  gefühlt 
wurden1),  so  kamen  mit  der  Zeit,  und  je  länger  je  mehr,  die  Reisen  zu 
»ti  wissenschaftlichen  und  künstlerischen  Zwecken  hinzu,  von  Gelehrten,  Ärzten, 
lv'i  Rhetoren,  Bildhauern,  Malern,  Schauspielern  usw.  unternommen2);  erst  zuletzt 
:1«  wohl  die  Reisen  der  Touristen,  die  gemacht  wurden,  um  historisch  berühmte 
"ü  Stätten  aufzusuchen,  Bau-  und  Kunstwerke  zu  sehen,  fremde  Länder  und 
Völker  kennen  zu  lernen3).  Erleichtert,  vielfach  erst  ermöglicht  wurden 
diese  Reisen  durch  das  ausgedehnte  Netz  vorzüglicher  Landstraßen,  das  sich 
über  das  ganze  römische  Reich  spannte,  die  entlegensten  Provinzen  durchzog 
und  selbst  vor  dem  Schnee  und  Eis  der  Alpen  nicht  Halt  machte4).  I  ml 
so  lebhaft,  wie  wir  uns  den  Verkehr  auf  diesen  Straßen  denken  müssen,  so 
war  er  meist  auch  auf  dem  Meere;  denn  wenn  auch  die  Seefahrt  haupt- 
sächlich auf  Frühjahr,  Sommer  und  Frühherbst  beschränkt  war,  so  konnte 
sie  doch  auch  im  Winter  nie  völlig  ruhen,  namentlich  wo  es  sich  um  Berufs- 
reisen, um  Überbringung  wichtiger  Nachrichten,  auch  wohl  um  kaufmännische 
Interessen  handelte5) ;  freilich  wartete  man  günstiges  Wetter  ab.  Im  allgemeinen 
zog  man  sicherlich  bei  Reisen  nach  den  ferneren  Provinzen  die  schnellere 
und  meist  bequemere  Seereise  vor,  auch  wenn  die  betreffende  Gegend  auf 
dem  Landwege  erreichbar  war. 

Was  die  Tracht  anlangt,  in  der  man  reiste,  so  war  da  natürlich  das 
Staatskleid,  die  Toga,  nicht  üblich,  sondern  je  nach  der  Jahreszeit  die  bloße 
Tunika  oder  diese  mit  Mantel  darüber,  besonders  mit  den  früher  besprochenen 
Kapuzenmänteln6).  Der  gewöhnliche  Reisende,  der  ohne  Sklaven  war,  trug 
sein  Reisegeld  im  Beutel,  dem  marsupium1),  bei  sich,  das  am  Gürtel  befestigt 
zu  sein  pflegte8).  Die  Mittel,  deren  man  sich  zum  Reisen  auf  dem  Lande 
bediente,  waren  dieselben,  wie  sie  es  bis  zur  Erfindung  der  Eisenbahnen 
gewesen  sind,  nämlich  für  diejenigen,  die  nicht  vorzogen,  zu  Fuß  zu  gehen, 
Reittiere,  Sänften  und  Wagen.  Bei  Fußreisen  handelte  es  sich  in  der  Regel 
nicht  um  sehr  große  Entfernungen;  Fußwanderungen  zum  Vergnügen,  um 
Natur  und  Landschaft  recht  genießen  zu  können,  scheinen  die  Römer  so 
wenig  gekannt  zu  haben  wie  die  Griechen9).  Zu  Fuß  reisten  vornehmlich 
Ärmere,  denen  die  Mittel  für  andere  Beförderungsmittel  fehlten,  dann  aber 
besonders  Briefboten,  wenigstens  innerhalb  Italiens10).  Sehr  gewöhnlich 
war  wohl  das  Reisen  zu  Pferd  oder  Maultier,  schon  deswegen,  weil  ein  Reiter 


1623. 

8)  Daher  heifit  der  Beutelschneider  Meter 
zonarins,  Plaut.  Trin.  882. 

9)  Man  vgl.  bei  Friedläm>ki:  1 '.'•"> ff.  den 
Abschnitt  über  die  Entwicklung  des  Gefühls 
für  das  Romantische  in  der  Natur  im  Gegen- 
satz zum  antiken  Naturgefühl,  bes.  S.  235  f. 

10)  Wenn  Cicero  auf  seinem  Gut  bei  Pom- 
Fig.  66  und  unten  Fig.  69.  |    peji  Briefe  aus  Rom  durchschnittlich  am  nerton 

7)  Plaut.  Epid.  185;  Rud.  1313:  Men.  I  oder fünften.frühestensam dritten erhält(BARDT 
254  u.  ö.  Varr.  b.  Non.  142,1  und  r.  r.  III  17,2.  Quaestion.Tullianae  8  f.),  so  ist  der  tabellarius 
Corp.  Gloss.  I  682.   Vgl.  Lapaye  bei  D.-S.  III       sicher  zu  Fuß  gereist. 


')  Friedländer  55  ff. 

2)  Ebd.  71  ff. 

s)  Ueber  die  mannigfaltigen  Interessen  der 
römischen  Touristen  s.  ebd.  152  ff.  Interessant 
ist  die  Darlegung  Senecas  ep.  104, 15  über  den 
Nutzen  des  Reisens. 

*)  Vgl.  Friedländer  1  ff. 

5)  Ebd.  20. 


458 


Zweite  Abteilung.   Das  Leben. 


auf  Wegen  fortkommt,  wo  ein  Wagen  nicht  passieren  kann1);  auch  konnte 
man  dem  Reittier  sein  Gepäck  aufladen2).  Von  den  Sänften  als  Reisevehikel 
ist  schon  oben  die  Rede  gewesen;  es  war  das  wohl  bei  Frauen  von  Stande 
die  gewöhnliche  Art  zu  reisen3),  doch  wurde  sie  auch  von  Männern  nicht 
verschmäht4).  Diejenige  Art  des  Reisens,  die  am  meisten  Schnelligkeit  mit 
Bequemlichkeit  verband,  war  die  zu  Wagen.  Das  gibt  uns  Anlaß,  von  den 
verschiedenen  Arten  der  bei  den  Römern  üblichen  Wagen  überhaupt  einiges 
zu  sagen5). 

Die  ganz  allgemeine  Bezeichnung,  wie  sie  unserem  Wagen  und  dem 
griechischen  ägjua  entspricht,  ist  currus;  das  Wort  ist  aber  nur  für  die  alten 
Streitwagen,  für  den  Prunkwagen  des  Triumphators  und  den  Rennwagen  in 
den  Zirkusspielen  üblich  geblieben6),  also  für  einen  zweirädrigen  Wagen, 
dessen  runder  Wagenkasten  vorn  geschlossen  und  von  hinten,  wo  er  bestiegen 
wurde,  offen  war.  Da  er  nur  jenen  bestimmten  Zwecken  diente,  kommt  er 
hier  nicht  in  Betracht7).  Bei  den  für  den  gewöhnlichen  praktischen  Gebrauch 
bestimmten  Wagen  unterscheidet  man  Lastwagen  und  Wagen  zur  Personen- 
beförderung. Der  Lastwagen  heißt  mit  einer  allgemeinen  Bezeichnung  plaustrum 
oder  plostrum. 8),  und  zwar  dient  er  teils  zum  Transport  von  allerlei  Lasten, 
wie  Baumaterial  u.  dgl.9),  teils  für  die  Zwecke  der  Landwirtschaft,  vornehm- 
lich zum  Einbringen  der  Ernte  und  zum  Mistfahren10);  seltner  findet  sich 
Verwendung  zum  Leichentransport11)  oder  als  Vehikel  für  Lebendige12).  Meist 
hatte  das  plaustrum  zwei,  seltner  vier  Räder13),  und  zwar  nicht  Speichen- 
räder, sondern  Scheibenräder,  tympana  genannt14),  die  mit  der  Achse  fest 


')  Vgl.  den  Anfang  von  Apul.  metam.  I  2; 
der  Erzähler  reitet,  steigt  dann  vom  Pferde  ab 
und  führt  es  am  Zügel  weiter,  dann  schließt  er 
sich  zwei  vor  ihm  gehenden  Fußwanderern  an. 
Siehe  auch  das  Relief  von  Aesernia  Fig.  66. 

2)  So  sagt  Hör.  sat.  I  6, 104:  nunc  mihi 
curto  ire  licet  mulo  vel  si  Übet  usque  Tarentum,  j 
mantica  cui  lumbos  onere  ulceret  atque  eques 
armos. 

3)  Cic.  ad  Att.  X  10,  5. 

4)  Cic.ad  fam.VII  1.  Suet.  Aug.  29;  Tib. 
60.   Plin.  ep.  III  5, 15. 

5)  Eine  neuere  Spezialarbeit  hierüber  ist 
seit  dem  in  vielen  Punkten  willkürlichen  Buche 
von  Ginzrot  Die  Wagen  u.  Fuhrwerke  d.  Gr.  u. 
Römer,  München  1817,  nicht  mehr  erschienen. 
Zu  vgl.  ist  sonst  Becker-Göll  III  15  ff.  Mar- 
quardt  731  ff.;  Reliefs  mit  Darstellungen  von 
Reisen  zu  Wagen  s.  unten  und  vgl.  Amelung 
Skulptur,  d.  Vatikan.  Mus.  I  356  n.  69  Taf.  38; 
579  n.  408  Taf.  61;  621  n.  469  Taf.  66:  668  n. 
540  Taf.  70. 

6)  Vgl.  Saglio  bei  D.-S.  I  1641  f.  Rich 
Wörterbuch  210. 

')  Ebensowenig  die  tensa,die  ähnliche  Form 
hatte  und  zum  Herumführen  von  Götterbildern 
diente,  Corp.  Gloss.  II 198, 18  -.tensaeaQ/xa  üewr; 
vgl.  Cic.  Verr.  V  72, 186.   Suet.  Vesp.  5  u.  s. 

8)  Vgl.  Lafaye  bei  D.-S.  IV  504.  Es  ent- 
spricht dem  griech.  a>ct£ct,  Corp.  Gloss.  VII  97; 
ein  kleiner  Lastwagen  heißt  plaustellum,  ebd. 
IV  419,39;  V473, 17;  der  Fabrikant  plaustra- 


rius, ebd.III 271,42  (CILX  3989;  lignariusplo- 
strarius  ebd.  IV  485)  durch  äßa^ojioiög  erklärt; 
sonst  kann  es  auch  ein  Fuhrmann  sein,  wie 
Digg.  IX  2,27,33;  vgl.  Blümner  Technol.  II 
325. 

' 9)  Cic.  Verr.  act.  II 1. 1  20,  53.  Varr.  1.  l.V 
140.  Verg.Aen.  XI  138.  Hör.  sat.  I  6,42.  Ov. 
met.  XII  282.  Vitr.  X  1,  3    luv.  3,  256. 

10)  Plaut.  Aul.  505.  Cator.r.2,7;  10,2.  Varr. 
r.  r.  I  22,  3.  Cic.  de  div.  I  27.  57.  Verg.  Geo.  I 
163;  II  206;  III  536.  In  der  Lex  Iulia  munici- 
palis  (s.oben  S.443)  sind  die  plaustra  die  Last- 
wagen, die  Lasten  in  die  Stadt  bringen  und  am 
Tage  leer  oder  mit  Mist  hinausfahren  dürfen. 

n)Hor.  ep.II  2,74. 

12)  Ov.  fast.  VI  680.  DieWagen  der  Skythen, 
in  denen  sie  mit  den  Familien  nomadisieren, 
heißen  auch  plaustra,  Hör.  carm.  III  24,  10. 
Verg.  Geo.  III  362.  Ov.  trist.  III  10,59;  vgl. 
Amm.  Marc.  XXXI  2, 18.  Der  Wagen  des  The- 
spis  heißt  plaustrum  bei  Hör.  a.  p.  276.  Auch 
das  Sternbild  des  Wagens  (großer  Bär)  wird  so 
bezeichnet,  Ov.  met.  II  177.   Mart.  VIII  41,4. 

13)  Isid.or.  XX  12,3:  plaustrum  vehiad  um 
duarum  rotarum,  quo  onera  deferuntur.  Vier- 
rädrige plaustra  finden  sich  auf  alten  Bild- 
werken, s.  Mus.  Borb.  V  48. 

14)  Prob,  ad  Verg.  Geo.  1 163:  sunt  enim  vm 
Tticula,  quorum  rotae  non  sunt  radiatae,  sed 
tympana  cohaerentia  axi  etiuncto  caniho  ferreo.r 
axis  autem  cum  rota  volvitur,  nam  rotae  circa 
eiusdem  cardinem  adhibentur.  Vgl.  Verg.  Geo. 


Siebenter  Abschnitt.   Der  Verkehr. 


■I.V.) 


I  verbunden  waren  und  sich  mit  ihr  zusammen  drehten,  weshalb  diese  Lastwagen 
Bübel  knarrten1).    Das  obere  Wagengestell  war  meist  aus  Latten2)  und  offen, 
Idoch  zeigen  die  Abbildungen  auch  geschlossene  Wagenkörbe3).  Als  Zugtiere 
Idienten  Rinder,  Maulesel  und  Esel4),  am  gewöhnlichsten  die  ersten6).  —  Im 
gleichen  Gebrauche  zum  Transport  von  schweren  Lasten6)  oder  landwirt- 
schaftlichen Produkten7),  gelegentlich  auch  für  Massentransport  von  Leichen8), 
[war  das  serracum  oder  sarracum9);  es  war  vom  plaustrum  wohl  nur  dadurch 
unterschieden,  daß  es  niedrige  Scheibenräder  hatte10).  Ein  militärischer  Pack- 
wagen war  der  carrus11),  der  ebenso  wie  das  Wort  keltischen  Ursprungs  ist 
und  den  die  Römer  bei  Galliern,  Helvetiern  usw.  kennen  gelernt  hatten12). 
Endlich  die  arcera,  die  vornehmlich  in  älterer  Zeit  erwähnt  wird,  war  ein 
kastenartiger  Wagen13),  der  von  allen  Seiten  geschlossen  war14)  und  der, 
abgesehen  von  anderem  Gebrauch,  auch  von  Kranken  und  Greisen  benutzt 
wurde15). 

Von  den  für  die  Personenbeförderung  und  zwar,  da  das  Fahren  in  den 
Straßen  am  Tage  verboten  war  (siehe  oben  S.  443),  besonders  für  Reisen 
bestimmten  Wagen  war  das  cishiml&)  ein  leichter  zweirädriger,  unserm  Gig 
oder  Phaethon  ähnlicher  Wagen17),  mit  dem  man,  wenn  man  kein  Gepäck 


II  444.  Varr.  r.  r.  III  5,  15.  Plaustra  mit  sol- 
chen Scheibenrädern  finden  sich  öfters  auf  alten 
Denkmälern,  s.  Daremberg-Saglio  a.  a.  0.  Fig. 
5705  ff.  Schreiber  Kulturhistor.  Bilderatlas 
Taf.  64, 9. 

')  Daher  stridentia  plaustra,  Verg.  Geo. 

III  536.    Ov.  trist.  III  10,59. 

2)  Varr.  1. 1.  V  140:  plaustrum  ab  eo  quod 
noti  ut  in  his  quae  supra  dixi,  sed  ex  omni  parte 
palam  est  quae  in  eo  vehuntur,  quod  perlucent, 
Ut  lapides,  asseres,  tignum. 

3)  Vgl.  Ov.  fast.  VI  680,  wo  er  aus  Binsen 
geflochten  ist. 

4)  Cat  r.  r.  62  schreibt  vor,  der  Landwirt 
solle  so  viele  Joch  Rinder,  Maulesel  und  Esel 
haben,  als  er  plostra  hat.  Asini plostrarii  ebd. 
11,  1. 

5)  Verg.  Geo. II 206;  III 140.  Colum.VI2, 9. 

6)  luv.  3, 255.  SisennabeiNon.195,25.  Sid. 
Apoll,  ep.  IV 18, 1.  Amin.  Marc.  XXXI  2, 18. 

7)  Vitr.  X  1,  5. 

8)  Bei  einer  Pest,  Capit.  M.  Ant.  phil.  13, 3. 
Daß  Personen  damit  befördert  werden,  ist  Aus- 
nahme, vgl.  Cic.  bei  Quint.VIII  3,  21,  wo  die 
Bezeichnung  serracum  als  sordidum  nomen  be- 
merkt wird.  Bei  luv.  5,  23  heißt  das  Sternbild 
ierraea. 

9)  Die  Form  serracum  ist  in  den  Hss.  die 
häufigere:  es  kommt  auch  serraca  als  Singul. 
vor,  Sid.  Ap.  a.  a.  O. 

10)  Corp.  Gloss.  V  654. 22 :  sarracum  genus 
vehiculi  cum  humilibus  et  solidis  rotis.  Sonst 
erklären  es  die  Glossen  durch  äua$a  oder  plau- 
strum, s.  ebd.  VII  233.  Im  Ed.  Diocl.  15,  31  ff. 
kommt  es  in  der  Form  oagäyagor  vor,  vgl. 
Blümner  das.  140  f.;  das  Attribut  ßiocota,  das 
Marquardt732  A.  5  anführt,  ist  Versehen  eines 
Steinmetzen.    Vgl.  Lafaye  bei  D.-S.  IV  1077. 

u)  Sisenna  und  Varro  bei  Non.  a.  a.  0.  Im 


Ed.  Diocl.  15, 38  f.  kommen  vierrädrige  vor,  doch 
sind  es  dort  offenbar  kleinere  Packwagen,  wie 
aus  dem  niederen  Preise  hervorgeht,  s.  Blümner 
ebd.  141 .  Ginzrot  I  Taf.  9  bildet  Gepäckwagen 
von  der  Trajans-  und  Markus-Säule  ab,  die  er 
für  carri  hält,  die  aber  alle  zweirädrig  sind. 
Vgl.  auch  Saglio  a.  a.  0. 1  928.  Mau  bei  P.-W. 
III  1615. 

12)  Caes.  b.  Gall.  I  3 ;  6 ;  24;  51  u.  ö.  Liv.  X 
28,9. 

15)  Varr.  1. 1.  V  140:  quod  ex  tabulis  vehicu- 
lum  erat  factum  ut  arca,  arcera  dictum.  Corp. 
Gloss.  V  7,  2:  arceram  vehiculum  in  arcae  mo- 
dum  confixum,  non  utique  (dafür  liest  Nettle- 
ship  convexum  muiiitumquc)  plaustrum,  id  est 
carrum.  Sonst  erklären  sie  die  Glossen  nur 
durch  plaustrum  oder  vehiculum,  VI  89. 

u)  Non.  55,3:  arcera  plaustrum  et  rusti- 
cum  tectum  undique,  quasi  arca. 

lb)  XII  Taf.  bei  Gell.  XX  1,25;  vgl.  ebd.  29: 
arcera  autem  vocabatur  plaustrum  tectum  un- 
dique et  munitum,  quasi  arca  qnaedam  magna, 
restinumtis  instrata,  qua  nimis  uegri  auf  senes 
portari  cubantes  solcl>a>it.  Vgl.  Non.  a.  a.  0.. 
nach  dem  das  Wort  bei  Varro,  aus  dem  eine 
Stelle  zitiert  wird,  und  bei  Cicero  vorkam.  Das 
Wort  war  zwar  antiquiert,  aber  nicht  vergessen ; 
Auson.  ecl.  13, 18  nennt  das  Sternbild  des  Wa- 
gens arcera. 

16)  Vgl.  Lafaye  bei  D.-S.  I  1201.  Mau  bei 
P.-W.  III  2588. 

17)  Non.  86,  28:  rehiculi  bimti  genus.  Der 
Wagenkasten  des  cisium  hieß  lat.  capsa.  mit 
einem  keltischen  Wort,  das  Catull.  97.  6  ge- 
braucht, ploxenum,  s.  Festus  230  b,  7.  Quint,  I 
5,8.  Daß  es  bisweilen  mit  drei  Pferden  bespannt 
wurde,  zeigt  Auson.  epist.  8. 3:  rel  cisin  triiugi 
insilias.  Vermutlich  hatten  bloß  zwei  Personen 
darin  Platz,  der  Fahrgast  und  der  Kutscher. 


460 


Zweite  Abteilung.   Das  Leben. 


hatte,  sehr  schnell  reiste x).  Die  cisiarii,  wie  die  Kutscher  dieser  Mietwagen 
hießen,  kommen  auf  Inschriften  öfters  vor2),  sie  hatten  ihre  Stationen  vor: 
den  Toren3).  Dagegen  war  die  reda  (auch  rheda  oder  raeda  geschrieben)4), 
ein  in  Gallien  üblicher  Wagen,  der  nebst  der  Benennung  von  dort  über- 
kommen war5),  der  eigentliche  Reisewagen6),  auf  dem  viel  Personen  Platz 
hatten7),  sowie  noch  Gepäck  untergebracht  werden  konnte8).  Es  waren  das 
starke  vierrädrige  Wagen9),  die  zwei-  oder  vierspännig10)  von  Pferden11)  oder 
Maultieren 1 2)  gezogen  wurden  und  für  gewöhnlich  eine  viel  langsamere  Be- 
förderung bedeuteten,  als  die  durch  ein  cisium15).  Man  konnte  auch  redae 
mieten14),  obschon  die  Reichen  natürlich  ihre  eignen  hatten15);  die  reda. 
war  auch  das  gewöhnliche  Gefährt  der  Staatspost16)  (vgl.  Fig.  68 17)).  —  Von 
gleicher  Herkunft  war  das  essedum  (oder  esseda)18),  ursprünglich  ein  keltischer, 
in  Britannien  und  Gallien  üblicher  Streitwagen19),  der  aber  auch  dort  als 


')  Cic.  Phil.  II  31,77;  pro  Rose.  Am.  7.  19 
legt  ein  Bote  56  röm.  Millien  (gegen  83  km)  in 
10  Stunden  zurück,  indem  er  sich  der  cisia  (d.  h. 
mit  frisch  untergelegten  Pferden)  bedient.  Sen. 
ep.  72, 2  gibt  zwar  zu,  daß  man  im  cisium  sich 
etwas  notieren  könne,  aber  nur  flüchtig.  Auson. 
epist.  14, 13  stellt  das  schnelle  cisium  dem 2»'ger 
veraedus  entgegen.  Nach  Verg.  catal.  8,  1  ff. 
suchten  die  Kutscher  sich  im  Schnellfahren  zu 
überbieten,  worauf  auch  Digg.  XIX  2, 13  pr.  geht. 

2)  Gisiarii  geschrieben ;  so  in  Pompeji  an 
der  Grenze  des  Stadtgebietes  CIL  X  1064;  in 
Tibur  VI  9485;  in  Cales  X  4660;  ein  collegium 
der  cisiarii  war  in  Praeneste,  XIV  2874,  eins 
von  iuvenes  cisiani,  was  wohl  dasselbe  ist,  in 
Ostia,  ebd.  409, 16  (vgl.  1 1129).  Corp.  Gloss.  II 
338, 61 :  cisiarius  xagovyäoiog.  Vgl.  Digg.  a.  a.O. 
Unsicher  ist.  ob  der  cisiarius  von  Sena  Gallica 
CIL  XI  6215  Kutscher  oder,  wie  öfters  ange- 
nommen wird,  Fabrikant  von  cisia.  ist. 

3)  Ein  zweispänniger,  zweirädriger  Per- 
sonenwagen auf  dem  Denkmal  von  Igel,  abgeb. 
Dabemberg-Saglio  Fig.  1540,  könnte  ein  ci- 
sium sein. 

4)  Vgl.  Saglio  bei  D.-S.  IV  862:  über  die 
Namen  Revue  de  l'instruct.  publ.  en  Belgique 
1864,56;  1867,390. 

5)  Caes.b.Gall.151;  VI  30  Quint.15,57 
u.  68.  Die  Glossen  erklären  es  mit  xüqqov,  xag- 
Qovyiov,  oagdyaQor,  Corp.  Gloss.  VII 180.  Reda- 
rius  ist  ebensowohl  der  Kutscher  (Cic.  pr.  Mil. 
10, 29),  wie  der  Fabrikant  (Capit.  Max.  et  Balb. 
5,  1 :  raedarius  vehicularius  fabricator). 

6)  Varr.b.Non.167.20.  luv.  3, 236;  4, 118. 
Ed.  Diocl.  15,33. 

7)  Cic.p  Mil.  10.28;  20,54;  Phil.  II  24,58; 
ad  Att.VI  1,25.  Hor.sat.II  6,42.  Mart.III47, 
5;  X  13,1. 

8)  luv.  3,10  hat  die  reda  den  Hausrat  und 
die  Familie  eines  von  Rom  Fortziehenden  aufzu- 
nehmen; Mart.  III  47,  5  ist  sie  mit  ländlichen 
Produkten  beladen.  Nach  Cod.  Theod.VIII  5, 
8,  1  konnte  eine  reda  bis  1000  Pfund  tragen. 

9)  Isid.  or.  XX  12,  2:  reda  genus  vehicidi 
quatuor  rotarum.   Cod.  Theod.  a.  a.  O.  2  wird 


die  reda  der  birota  entgegengesetzt;  jene  soll 
im  Sommer  mit  acht,  im  Winter  mit  zehn  mu- 
lae  bespannt  sein,  diese  bloß  mit  drei. 

10)  Helv.  Cinna  bei  Gell.  XIX  13, 5 :  me  . . . 
bigis  raeda  raptat  citatis  manis.  Venant.  For- 
tun, carm.  III  17, 1 :  curriculi  genus  est,  memo- 
rat  quod  Gallia  raedam:  molliter  incedens  or- 
bita  sulcat  humum,  \  exiliens  duplici  biiugo 
volat  axe  citato  \  atque  movet  rapidas  iuneta 
quadriga  rotas. 

1 ')  Varr.  r.  r.  II  7,  15.   Helv.  Cinna  a.  a.  O. 

12)  Varr.  r.  r.  III  17,7:  mulae  redariae. 

n)  Bei  Hör.  sat.  I  5,86  macht  die  Reise- 
gesellschaft mit  ihren  raedae  in  einem  Tage  nur 
24  Millien  (35,5  km).  Daß  Cic.  ad  Att.V  17, 1 
einen  Brief  sedens  inraeda  diktiert,  sprichtauch 
für  langsames  Fahren.  Bei  schnellen  Fahrten, 
wie  sie  Suet.  Caes.  57  erwähnt,  kamen  jeden- 
falls leichtere  Gefährte  zur  Anwendung. 

14)  Sog.  redae  meritoriae,  Suet.  a.a.O.;  vgl. 
Calig.39.   Sen.  de  ben.  VII  5,3. 

15)  Nach  Lampr.  AI.  Sev.  43,  1  gestattete 
dieser  Kaiser  den  Senatoren  die  Benutzung  sil- 
berbeschlagener carrucae  und  redae. 

16)  Sulpic.Sev.dial.il  7:  reda  fiscalis;  vgl. 
Corp.  Gloss.  V  525,  37;  577,  35:  raeda  fiscalis, 
quoddam  curriculi  genus  apud  Gallos.  Digg. 
XXXIII  10,  4 ff.  werden  die  Bänke,  sedularia, 
und  die  Decken,  tapetia  vel  lintea,  der  redae 
erwähnt.  Saglio  a.  a.  O.  glaubt,  daß  ein  auf 
einem  bei  Langres  gefundenen  Relief  (ebd.  Fig. 
5939,  nach  Rev.  archeol.  XI  (1854)  pl.  236)  ab- 
gebildeter, einem  Char  ä  bancsähnlicherWagen 
mit  vier  Maultieren  eine  reda  vorstellt. 

17)  Relief  von  Maria-Saal  in  Kärnten,  nach 
Jabobnegg  Kärntens  Altertümer  (Klagenf.1871) 
Taf.  5, 1  (auch  bei  Müzik  u.  Pebschinka  Kunst 
u.  Leben  im  Altert.  Taf.  161,  1). 

,8)  Vgl.LAFAYE  bei  D.-S.  II  815.  Pollack 
bei  P.-W.VI687. 

,9)  Die  erste  Erwähnung  ist  in  der  Schlacht 
bei  Sentinum295  v.Chr.,  Liv.X  28,9;  dann 
Caes.  b.  Gall.  IV  33;  V  9  u.  ö.  Cic.  ep.  ad  fam. 
VII  6, 2 ;  7, 1 .  Ven?.  Georg.  III  204.  Pers.  6, 47. 
Plin.  XXXIV  163.  Sil.  It.  III  337.  Diod.V21,5. 


Siebenter  Abschnitt.   Der  Verkehr. 


461 


Keisewagen  benutzt  wurde1).  Bei  den  Römern  finden  wir  ihn  schon  im  1.  Jahr- 
hundert v.  Chr.  als  solchen  üblich2);  in  der  Folgezeit  wurde  sein  Gebrauch 
iils  Reisewagen  wie  als  eleganter  Spazierwagen  immer  häufiger3),  und 
Minentlich  die  Kaiser  bedienten  sich  seiner  gern  auf  Feldzügen4).  Der 
Form  nach  war  der  keltische  Schlachtwagen  dem  homerischen  ähnlich,  also 
Zweirädrig  und  zweispännig6);  ob  das  römische  essedum  ganz  entsprechend 


Fig.  68.    Vierrädriger  Reisewagen  (reda?).    Relief  aus  Maria-Saal. 


war,  läßt  sich  nicht  sagen,  da  Beschreibungen  fehlen  und  sichere  Abbildungen 
nicht  nachweisbar  sind6).  Jedenfalls  dürfen  wir  nicht  daran  denken,  daß  die 
Wagenkasten  denen  der  griechischen  Schlachtwagen,  die  offen  sind  und  nur 
zwei  stehenden  Personen  Raum  gewähren,  glichen,  denn  solche  Wagen  wären 
für  längere  Reisen7)  ganz  unpraktisch  gewesen.  Es  muß  sowohl  kleinere, 
leichte  und  schnelle  gegeben  haben8),  die  man  auch  wohl  selbst  lenkte9),  als 
größere,  die  ein  essedarius lenkte10).  Denn  dafür,  daß  das  essedum  nicht  stets  und 


')  Diod.V29,  1. 

2)  Bei  Cic.  Phil.  II  24, 58  reist  Antonius  im 
essedum,  seine  Geliebte  in  der  lectica  und  seine 
Begleiterin  der  raeda,  ebenso  hatad  Att.VI  1,25 
eine  Reisegesellschaft  zwei  esseda,  eine  raeda 
und  eine  lectica. 

s)  Ov.  ex  Pont.  II  10.  34:  am.  II  16,49. 
Prop.II  1,76:  III  30  (II  32), 5.  Mait.X  104.7. 

4)  Suet.Aug.76;  Calig.  19;  26;  51;  Claud. 
33;  Galba6;  18. 

5)  Diod.  V  2 1 , 5  vergleicht  sie  mit  den  Streit- 
wagen der  homerischen  Helden;  V  29,  1  be- 
zeichnet er  sie  als  avvooolg. 

•)  Lafaye  a.a.O.  bildet  Fig. 2767 ff.  Mün- 
zen ab;  auf  denen  er  das  gallische  essedum  er- 
kennen will,  doch  ist  das,  wie  Pollack  688 
bemerkt,  zweifelhaft. 


7)  Nach  Mart.  X  104, 6  fuhr  man  z.  B.  von 
Tarraco  nach  Bilmlis  (d.  h.  224  Millien)  im  mm- 
dum.  Den  Ausdruck  quinto  essedo  erklärt  Mar- 
quardt  734  dahin,  daß  der  Wagen  auf  den  Sta- 
tionen gewechselt  wurde;  Friedländer  meint, 
es  könne  auch  ein  nachlässiger  Ausdruck  sein 
für  „nach  dem  fünften  Ausspann". 

8)  Ov.am.II  16,49  nennt  sieparra  esseda: 
ex  Ponto  II  10,34:  esseda  agüi  rata.  Hör.  ep. 
II  1,  192:  esseda  festinaut. 

9)  So  die  Dame  Ov.  am.  a.a.O. 

10)  Marqüardt  734  behauptet  zwar,  das 
essedum  habe  keinen  Sitz  für  den  Kutscher  ge- 
habt: aber  wenn  Augustus  nach  Suet.  Aug.  76 
im  essedum  aß  (wenn  auch  nur  Brot  und  Dat- 
teln) und  Claudius  nach  Suet.  Claud.  33  sich 
daran  eine  Vorrichtung  zum  Würfelspiel  (nebst 


462 


Zweite  Abteilung.   Das  Leben. 


überall  dieselbe  Bauart  hatte,  spricht  die  Tatsache,  daß  es  in  späteren  Quellen 
auch  als  Lastwagen  vorkommt1).  Eigentümlich  ist  auch,  daß  gerade  bei  den 
esseda  ein  mit  ihrem  Fahren  verbundener  starker  Lärm  hervorgehoben  wird, 
der  wohl  nicht  bloß  von  den  Rädern  allein  herkam2).  Daß  es  bisweilen 
Luxuswagen  waren,  zeigt  die  kostbare  Ausstattung3).  Als  Bespannung  dienten 
in  der  Regel  Pferde4)  oder  Maultiere5).  —  Vom  essedum  kann  sich  der  covinus6) 
nur  wenig  unterschieden  haben:  er  war  gleich  diesem  ursprünglich  ein  kel- 
tischer (britannischer  oder  belgischer)  Streitwagen7),  und  ebenso  in  die 
Zirkusspiele  eingeführt8).  Daß  er  als  Personenwagen  sich  vom  essedum  unter- 
schied, ist  gewiß,  doch  ist  nur  so  viel  über  ihn  bekannt,  daß  zwei  Personen 
darin  Platz  hatten,  von  denen  die  eine  selbst  kutschierte9).  Ebenfalls  gallischen 
Ursprungs  ist  das  petorritum10),  ein  größerer  vierrädriger  Wagen11),  der  den 
Römern  wohl  zuerst  durch  Triumphzüge,  in  denen  er  aufgeführt  wurde,  bekannt 
geworden  ist12).  In  Gallien,  wo  man  wie  die  esseda  auch  die  petorrita  mit  Silber- 
beschlägen verzierte13),  war  es  noch  in  der  späten  Kaiserzeit  ein  beliebtes  Be- 
förderungsmittel14); in  Italien  hat  sich  diese  Wagenform  anscheinend  nicht 
eingebürgert15).  Bespannt  war  es  sowohl  mit  Pferden,  wie  mit  Maultieren16). 


alveus)  hatte  anbringen  lassen,  so  müssen  diese 
doch  besondere  Kutscher  gehabt  haben,  wenn 
auch  vielleicht  kein  Sitz  für  sie  vorhanden  war. 
Essedarius,  das  auf  Inschriften  nicht  selten  ist 
(s.  Lafaye  a.  a.  0. 827.  Pollack  a.  a.  0.  684f), 
bedeutet  zwar  in  der  Regel  einen  auf  dem  es- 
sedum fahrenden  Zirkuskutscher,  da  bei  den 
Zirkusspielen  diese  Wagenform  beliebt  war; 
doch  könnte  CIL  VI  4385  wohl  auf  einen  ge- 
wöhnlichen Lenker  eines  essedum  gehn  (wie 
auch  Marquardt  727  A.  17  annimmt,  während 
Dessau  7627  a  darin  einen  Fabrikanten  sehen 
will).  Corp.  Gloss.  IV  233, 12 ;  V  499,  6  wird  es 
durch  mulio  vehiculi  erklärt. 

1)  Sid.  Ap.  epist.  II  10,  24  mit  sarracum 
gleichgestellt,  worin  Marquardt  a.  a.  0.  A.  6 
bloß  eine  Sonderbarkeit  seiner  Ausdrucksweise 
sehen  möchte;  doch  auch  Auson.  epist.  21,32: 
heroicorum  versuum  plenum  essedum  führt  auf 
die  Bedeutung  Lastwagen  hin. 

2)  AndenSchlachtwagenwirddasGeräusch 
der  Räder  allerdings  hervorgehoben,  Liv.  a.a.O. 
Caes.  b.  Gall.  IV  33.  Tac.  Agric.  35;  von  dem 
Lärm  der  Luxuswagen  sprechen  Mart.  IV  64, 
19;  XII  57, 23.  Sen.  ep.  56,  4.  Sid.  Apoll,  epist. 
II  10,4  v.  24:  stridentum  moderator  essedorum. 
Claudian.  LI  18:  esseda  multisonor a. 

8)  Prop.  II 1 ,  76 :  esseda  caelatis  iugis.  Suet. 
Claud.  16:  essedum  argenteum  sumptuose  fa- 
ctum. Senec.  frg.  48  (Haase)  nennt  unter  den 
Bedürfnissen  einer  vornehmen  Frau  eine  esseda 
deaurata.  Plin.  XXXIV  163  (von  gallischen 
Fabrikaten). 

4)  Ov.  am.  II  16,  49.   Sil.  It.  III  337. 

5)  Claudian.  a.  a.  0.  Bei  Mart.  I  104, 8  ge- 
hören die  turpes  bisontes,  die  esseda  ziehen,  zu 
einer  Vorstellung  im  Amphitheater. 

6)  Vgl.  Fernique  bei  D.-S.  11551.  Mau  bei 
P.-W.  IV  1679. 

7)  Pomp.  Mela  111  6.  Tac.  Agr.  35.  Sil.  It. 


XVII  417.   Lucan.  1426. 

8)  Sid.Ap.  carm.  23,  251. 

9)  Mart.  XII 24  zieht  den  covinnus  der  car- 
ruca  und  dem  essedum  vor,  weil  man  durch 
keinen  Kutscher  geniert  plaudern  könnte.  Mau 
a.  a.  0.  schließt  daraus,  daß  der  covinus  kleiner 
war,  als  das  essedum;  vgl. Pollack  a.a.O.  689. 
Im  Corp.  Gloss.  II  117, 27  wird  der  covinus  als 
h6.qqi.ov  xa&edQcoxöv,  also  mit  bequemer  Sitz- 
gelegenheit, definiert. 

10)  Varr.  b.  Gell.  XV  30,  7.  Quint.  I  5,  57. 
Acro  u.  Porph.  zu  Hör.  sat.  I  6, 104;  ep.  II  1, 19. 
Nach  Fest.  206  b,  30  führte  man  den  Ursprung 
des  Wortes  auch  auf  das  Oskische  zurück  oder 
auf  das  Aeolische,  doch  ist  es  sicher  keltisch, 
nach  Holder  Altkeit.  Sprachschatz  u.  d.  W .  von 
petor,  vier,  und  ritos  oder  rotos,  Rad.  Vgl.  La- 
faye bei  D.-S.  IV  423. 

11)  Festus  a.  a.O.  Isid.  XX  12,  4  stellt  ihn 
mit  dem  pilentum  (s.  unten)  zusammen. 

If)  Hör.  a  a.  0.,  zusammen  mit  essedae  und 
pilenta.  Nach  Acro  ebd.  waren  es  vehicula  fa- 
mularum  captivarum,  nach  Porphyr,  wurden 
die  familiae  requm  darin  aufgeführt. 

1S)  Plin.  XXXIV  163. 

'*)  Auson.  epist.  5, 35;  8,5;  14, 13ff.  rät  er 
einem  Freunde,  ein  cisium  oder  einen  veraedus 
(ein  Postpferd,  d.  h.  er  soll  sich  der  Staatspost 
anvertrauen,  s.  u.)  zu  nehmen,  hingegen  keine 
raeda,  kein  feuriges  Pferd  und  kein petorritutn : 
caniheris  moneo  male  nota  petorrita  vites.  Der 
Grund  zu  dieser  Warnung  ist  freilich  nicht  klar. 

1 5)  Die  einzige  Erwähnung,  die  für  Gebrauch 
spricht,  ist  Hör.  sat.  I  6,  104;  aber  Quintilian 
a.  a.  0.  führt  es  ausdrücklich  an,  daß  Horaz  dies 
Wort  gebraucht  hat.  In  den  Glossen  ist  sein 
Vorkommen  nicht  gesichert ;  nur  1158,28:  prae- 
torium Eiöog  äQfiarog  vermutete  Cuiacius  dafür 
petorritum. 

16)  Auson.  an  den  angeführten  Stellen. 


Siebenter  Abschnitt.   Der  Verkehr. 


463 


Gegenüber  diesen  von  fremdher  eingeführten  Vehikeln  sind  das  carpentum 
und  das  pilentum  altitalisehe  Wagenformen.  Üas  carpentum l)  begegnet  uns 
schon  in  früher  Zeit  als  der  Wagen,  in  dem  die  Frauen  in  der  Stadt  fuhren, 
solange  ihnen  dies  uneingeschränkt  gestattet  war2);  seit  der  Lex  Iulia 
municipalis  aber  war  es  ein  Vorrecht  der  kaiserlichen  Familienangehörigen, 
in  der  Stadt  das  carpentum  zu  benutzen3).    Da  die  Münzen  der  kaiserlichen 


ix  y  -i(  v v  »  );  v  v *  ir y  vvn  v  v  v  v  v v  y  u  v  x  v  iunn  u  x.v  y.v  xx *  n  it  ynm 

Fig.  69.    Reisewagen,  nach  einem  etrnskischon  Relief. 

Damen  öfters  auf  dem  Revers  diesen  ihr  Vorrecht  bildenden  Wagen  dar- 
stellen4), so  erkennen  wir  daraus  die  Gestalt  des  carpentum:  es  ist  ein 
zweirädriger,  zweispänniger  Wagen  mit  einem  gewölbten  Schutzdach,  das 
seitwärts  bald  offen,  bald  geschlossen  und  bei  diesen  kaiserlichen  Luxus- 
wagen meist  reich  verziert  ist  (vgl.  Fig.  69  und  70 5)).  Ähnlich  werden  wir 
uns  das  carpentum  zu  denken  haben,  das  außerhalb  der  Stadt  als  Reisewagen 


')  Vgl.  Saglio  bei  D.-S.  I  926.  Mau  bei 
P.-W.  III  1606. 

*)  Mit  ihm  fährt  Tullia  über  die  Leiche 
des  Servius  Tullius,  Liv.  I  48,  5  ff.  (Varr.  1. 1.  V 
159);  vgl.  I  34,  8.  Ov.  fast.  I  619.  Nach  Liv.  V 
25,  9  durften  die  Frauen  seit  395  v.  Chr.  im 
pilentum  zu  Opfern  und  Spielen,  im  carpentum 
festo  profestoque  fahren  (vgl.  XXXIV  3, 9),  was 
nur  für  die  Dauer  der  Lex  Oppia  (215 — 195 
v.Chr.)  verboten  war.  Liv.  XXXTV  1,3.  Vgl. 
oben  S.  248  A.  6. 

3)  Diese  Ehre  wurde  von  Caligula  und  Clau- 
dius nach  dem  Tode  ihrer  Mütter  deren  Bildern 
in  der  Pompa  circensis  (daher  wohl  Isid.  or.  XX 
12,3  das  carpentum  als  pompaticitm  genus  ve- 
hiculi  erklärt)  zugesprochen,  s.  Suet.  Cal.  15; 


Claud.  1 1 ;  von  Messalina  und  der  Jüngern  Agrip- 
pina  berichten  es  DioCass.lX22,3;  33,2.  Suet. 
Claud.  17.  Tac.  ann.  XII 42.  Für  andere  Kaise- 
rinnen und  Prinzessinnen  liegen  keine  Nachrich- 
ten vor,  doch  dienen  die  Münzen  als  Belege. 

4)  Mau  a.  a.  0.  gibt  die  Zitate  aus  Cohen 
M£d.  impe>.;  vgl.  Saglio  Fig.  1194. 

&)  Nach  spätetruskischen  Reliefs;  Fig.  69 
(nach  Clarac  Mus.  de  sculpt.  151  bis,  794)  zeigt 
den  mit  zwei  Maultieren  bespannten  Wagen  in 
Begleitung  eines  Reiters ;  ein  Knabe  im  cucuihu 
geht  voraus.  Fig.  70  (nach  Micali  Ant.  monum. 
etr.  tav.  27)  zeigt  in  verunglückter  Zusammen- 
stellung einen  Wagen,  eine  Sänfte  und  einen 
Reiter  nebst  Begleitern.  Die  Wagen  sind  beide- 
mal zweirädrig  und  haben  ein  rundes  Verdeck. 


464 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 


diente1),  zumal  für  Frauen2),  doch  auch  von  höheren  Beamten  benutzt3). 
Jedenfalls  aber  waren  die  car petita  keineswegs  alle  gleich  gestaltet:  es  gab 
neben  verdeckten  solche  ohne  Verdeck4),  kleinere  und  größere5);  so  erklärt 
es  sich,  daß  auch  Lastwagen  diesen  Namen  führen6),  wie  denn  überhaupt 


rx'A  XA"A  A  A  A  A  A  7.  IX1IXXX»^-ATAXA  AAA  AXXT*  1  ITA  ) 


y/7""T7r7.. /.../  /  /  777T7T7  ■ 


Fig.  70.    Reisewagen  und  Sänfto,  nach  einem  etruskischen  Relief. 


das  Wort  eine  erweiterte  Anwendung  gefunden7)  und  beinahe  die  Bedeutung 
von  Wagen  schlechtweg  bekommen  hat8).  Bespannt  waren  auch  die  carpenta 
mit  Pferden  oder  Maultieren9).  Dem  carpentum  ähnlich,  aber  vornehmer10), 
war  das  pilentum11);  gleich  jenem  hatte  es  ein  Verdeck12),  aber  vier  Räder13).' 
Ursprünglich  bedienten  sich  seiner  die  Flamines,  die  Vestalinnen  und  die 


')  Prop.  V  (IV)  8,  23.  luv.  8,  147;  9,132. 
Apul.  met.  X  18;  XI  26;  florid.  20.  Lampr.  He- 
liog.  4,  4. 

2)  EmanzipierteDamen  kutschierten  selbst, 
luv.  8, 147.  Prop.  a.a.O.;  aus  letzterer  Stelle  er- 
fahren wir,  daf3  der  Kutschersitz  vom  Platz  der 
Beförderten  getrennt,  primo  temone,  am  Deich- 
selanfang war.  Die  Serica  carpenta  ebd.  sind 
wohl  auf  seidene  Vorhänge  zu  beziehen. 

3)  Vopisc.  Aurel.  1,1. 

4)  Apul. met. XI 26  nennt decora raedarum 
carpenta  partim  contecta,  partim  revelata.  Der 
eigentümliche  Ausdruck  raedarum  (wie  man 
allgemein  statt  des  unverständlichen  hdschr. 
praedorum  liest),  ist  wohl  so  zu  erklären,  daß 
dadurch  die  der  reda  ähnlichen  Reisewagen  (vgl. 
Schol.  zu  luv.  8,  147)  von  andern  carpenta  un- 
terschieden werden;  ähnlich  Cod. Th.  VIII  5,30. 

5)  Darauf  führt  die  Glosse  grandiosa  car- 
penta, Corp.  Gloss.  III  481,  46. 

6)  Pallad.  X  1 , 2.  Auson.  epist.  10, 39.  Veget. 
r.  mil.  II  25;  III  7;  vgl.  IV  15.  Veget.  mulom. 
IV  (III)  pr.  3. 

7)  So  heißen  carpenta  die  Nomadenkarren 
der  Cimbern  bei  Flor.  I  38  (III  3).  16,  der  Hun- 
nen bei  Ammian.XXXI  2, 11  und  der  Gepiden 
bei  Cassiod.  var.V  10.3;  ferner  GaUica  carpenta, 
Liv.  X  30.5;  XXXI  21. 17;  XXXIU  23.4.  Flor. 
I  13  (18),  27,  und  die  der  Britannier,  ebd.  I  45 


(III 10),  17.  Daß  hier  nicht,  wie  Mau  1607  meint, 
Streitwagen  gemeint  sind,  zeigt  ihre  Verwen- 
dung zum  Transport  von  Beutestücken  u.  dgl., 
wozu  sich  Schlachtwagen  gar  nicht  geeignet 
hätten. 

8)  Carpentarius  bedeutet  in  der  Regel  all- 
gemein einen  Wagenbauer:  carpentarius  arti- 
fex,  Lampr.  AI.  Sev.  52,  1;  vgl.  Digg.  L  6,  6. 
Veget.  r.  mil.  I  7;  II  11.  Isid.  or.XIX  19,  1.  Cod. 
Th.XIII  4,2.  Corp.  Gloss.  V  564. 14:  carpenta- 
rii  carrarii;  vgl.  III  308,25:  carrocarpenta- 
rius  xaQQOTinyot.  Ed.  Diocl.  7, 10.  CIL  V  5922; 
carpentaria  fabrica  Plin.  XVI  34.  Sonst  heißt 
der  Wagenbauer  auch  carrarius,  Corp.  Gloss. 
VI  185.  Als  Kutscher  kommt  carpentarius  nur 
Cod.Theod.VIH5,  31  vor. 

9)  Prop.V8,23,  von  detonsimanni gezogen 
Lampr.  Heliog.  4, 4 :  carpentum  mulare. 

I0)  Nach  Liv.  V  25, 9  durften  die  Frauen  es 
nur  für  die  Fahrt  zu  Opfern  und  Spielen  be- 
nutzen (vgl.  Fest.  245  a,  4);  so  auch  Verg.  Aen. 
VI  1 1 665,  und  noch  in  der  späten  Kaiserzeit  wer- 
den pilentum  und  carpentum  so  unterschieden, 
Treb.  Poll.  trig.  tyr.  30,  17. 

")  Vgl.LAFAYE  bei  D.-S.  IV  479. 

12)  Bei  Liv.  1 21,4  ist  der  zweispännige  <nr- 
rus  arcuatus  vermutlich  ein  pilentum. 

13)  Isid.  XX  12, 4,  der  auch  angibt,  sie  hät- 
ten früher  blaue  Farbe  gehabt,  später  rote. 


Siebenter  Abschnitt.    Der  Verkehr. 


4 «... 


Matronen  bei  festlichen  Gelegenheiten1);  später  scheint  ihr  Gebrauch  all- 
gemeiner, aber  nur  für  Frauen  üblich  gewesen  zu  sein2).  —  Ebensowohl 
Staats-  wie  Reisewagen  war  die  erst  in  der  Kaiserzeit  erscheinende  eornti 
Jrsprünglich  war  sie  wohl  für  Reisen  bestimmt4);  es  gab  daher  auch  solche, 
lie  zum  Schlafen  eingerichtet  waren,  carrucae  dormitoriae*).  Da  diese  Wa-vu 
ft  sehr  kostbar  ausgestattet  waren6),  so  wurden  sie  auch  als  Luxuswagen 
>enutzt,  als  der  Gebrauch  von  Wagen  in  der  Stadt  zugenommen  hatte;  doch 

ar  die  Benutzung  von  carrucae  argentatae  anfangs  nur  Beamten  verstattet7), 
ipäter  auch  den  Senatoren8);  erst  Aurelian  erlaubte  auch  den  Privatleuten, 
ie  vorher  sich  mit  bronzenen  und  Elfenbeinzieraten  hatten  begnügen  müssen, 
ie  Silberbeschläge9).     Auch  die  Kaiser  bedienten  sich  dieses  Gefährts10). 

ine  Form  ist  nicht  gewiß11),  doch  scheint  wenigstens  die  Reise-carruca  der 
c(/<i  ähnlich,  also  wohl  gleich  dieser  vierrädrig  gewesen  zu  sein12).  Als  Bespan- 
ung  dienten  vornehmlich  Maultiere13).  Überhaupt  war  die  Verwendung  der 

aultiere  für  Last-  und  Reise  wagen  so  allgemein14),  daß  der  mulio  die  Bedeu- 
ung  des  Kutschers  schlechtweg  bekam15).  Es  gab  muliones,  die  das  Vermieten 
ron  Maultieren  und  Wagen  als  Geschäft  betrieben10)  oder  selbst  gegen  Tag- 
ohn  gemietet  wurden17) ;  aber  auch  unter  den  Sklaven  gab  es  muliones,  die  auch 
vohl  eigne  Livree  trugen18).  Auf  Inschriften  begegnen  wir  ihnen  sehr  häufig19). 


')  Liv.  a.  a.  0.  und  V  25,  9.  Verg.  a.  a.  0. 
ind  Servius  ebd.  Verr.  Flacc.  bei  Macr.  sat.  I 
1,15  (wo  aber  arca  pilenti  wohl  nicht  derWa- 
;enkasten  ist,  in  dem  die  Priesterin  sitzt,  wie 
Jecker-Güll  111  18  meint,  sondern  ein  beson- 
lerer  Behälter  für  die  sacra).  Prud.  c.  Symm. 
1 1089.  Fest.  204, 10.  Isid.  a  a.  0.  Corp.  Gloss. 
1  233  22. 

")  Lampr.  Heliog.  4,  4.  Claudian.  X  286. 
)aß  außer  den  Flamines  Männer  das  pilentum 
»enutzt  hätten,  ist  nicht  überliefert. 

3)  Vgl.  Saglio  bei  D.-S.  I  928.  Mau  bei 
*.-W.  III  1614.  Das  Wort  ist  vermutlich  wie 
urrus  keltischen  Ursprungs. 

4)  Mart.UI  47,13;  XII  24,2.  Digg.  XIII 
i,  17, 4.  Nero  führte  nach  Lampr.  Heliog.  31, 5 
,uf  seinen  Reisen  500  carrucae  mit,  nach  Suet. 

IKero  30  sogar  1000. 

5)  Nach  Digg.  XXXIV  2, 13  besonders  von 
brauen  benutzt;  das  Ed.  Diocl.  führt  15,  34 ff. 
wei  Sorten  von  doo/niro)gin  auf,  ebd.  37  ein  xa- 
<ory_or:  dormitoria  heißen  sie  auch  bei  Hieron. 

■n  lerem.  16,  20.  # 

s)  Bei  Mart  I II 62, 5  hat  eine  carruca  aurea 
len  Wert  eines  Landguts.  Plin.  XXXIII 140  er- 
mähnt welche  mit  Silberbeschlägen. 

7)  Ammian.XIV6,9.  Cod. Theod. XIV  12,1 
carrucae  biiugae).    Cod.  Inst.  XI  20  (19). 

8)  Lampr."  AI.  Sev.  43,  1. 
s)  Vopisc.  Aurel.46.  3. 

,0)  Capitol.  Max.  duo  30,  4. 

»)  Daß  die  Wagen,  die  Saglio  Fig.  1197  f. 
kach  römischen  Reliefs  aus  Vaison  und  Trier 
Jbbildet.  carrucae  sind,  ist  ganz  unsicher.  Daß 
s  höhere  und  niedrigere  gab,  geht  aus  Ammian. 
i.  a.  O.  hervor. 

12)  Mart.  III  47,5  nennt  denselben  Wagen 

Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft.    IV. 


reda.  den  er  ebd.  13  carruca  nennt. 

,s)  Mulae  carrucariae,  Digg. XXI  1,38,8; 
vgl.  XXXIV  2,  13.  Der  Kutscher  heißt  mulio 
carrucarius  bei  Capitol.  a.a.O.;  auch  bloß  car- 
rucarius, Digg.  XIX  2, 13  pr.,  wo  er  dem  <isi- 
arius  gleichgesetzt  ist. 

u)  Vgl.  Lafaye  bei  D.-S.  IV  2020. 

15)  Lafaye  a.  a.  0. 2010 ;  daher  ist  auch  die 
mtdomedicina  s.  v.  a.  griech.  batuague^,  die 
Heilkunde  der  Zugtiere. 

16)  Ein  solcher  mulio  war  P.  Ventidius  Bas- 
sus,  der  Konsul  des  Jahres  43  v.  Chr.,  in  seiner 
Jugend  gewesen,  Gell.  XV  4 ;  er  lieferte  nament- 
lich den  in  die  Provinzen  abgehenden  .Mn^i- 
straten  Wagen  und  Maultiere,  vgl.  Cic.  ad  fam. 
X  18,  3.  Plin.  VII  135  und  besonders  die  dem 
Vergil  zugeschriebene  Parodie  des  Catullschen 
Phaselus,  Catal.  8.  Ein  solcher  mulio  hieß  auch 
■mulio  perpttuarkut,  Senec.  lud.  6, 1 ;  bei  Plin. 
a.  a.  O.  ist  mulio  costrenaia  der  bei  der  Armee 
angestellte. 

17)  Im  Ed. Diocl.  7, 19  werden  für  den  mulio 
25  Denare  als  Taglohn  nebst  der  Kost  angesetzt ; 
vgl.  ebd.  9,  5a  die  toUgoe  mulumietut,  10,  18 
das  ftogellum  muliouiciu».  Sie  bildeten  in  den 
Städten  Kollegien.  CIL  IV  97;  113;  134;  X  143. 

,8)  Suet.Nero30:  cauuximtti  wwUones]  vgjL 
Suet.Vesp.23.  Sen.ep.87,15  rechnet  den  mulio 
neben  dem  bubuleu»  zu  den  servi  wordidiori» 
operae,  Paul.  sent.  III  6.72  nennt  ihn  unter  Wen 
urbana  ministeria.  Vgl.  auch  Plaut.  Aul.  501. 
Digg.  XXXIII  7, 12.  9. 

»)  CIL  III  10557;  IV  97;  113;  134;  5092; 
5114;  V  7837;  VI  7409;  9646;  33884;  XI  962; 
XII 2462;  ein  coUeff.muliommet  asiitar.  X  1  18. 
Ueber  die  mulionc«  der  kaiserlichen  Posts.  Hu- 
demann Rom.  Postwesen  69. 

2,2.   3.  Anfl.  30 


466 


Zweite  Abteilung.   Das  Leben. 


Die  Schnelligkeit,  mit  der  man  auf  den  römischen  Landstraßen  ver- 
mittelst dieser  Beförderungsmittel  reiste,  war  begreiflicherweise  sehr  ver- 
schieden, da  sie  von  der  Zahl  und  Beschaffenheit  der  Zugtiere  und  von  der 
Menge  des  mitgeführten  Gepäcks  abhing,  sowie  davon,  ob  jemand  mit  eignem 
Gefährt  und  Bespannung  reiste  oder  auf  Mietfuhrwerke  angewiesen  war. 
Denn  da  die  Einrichtung  einer  Post  für  private  Reisende  unbekannt  war, 
so  mußte  das  Mieten  neuer  Pferde,  die  von  den  iumentarii  besorgt  wurden  1)1 
oder,  wenn  solche  nicht  zu  haben  waren,  die  den  alten  notwendig  zu  gönnende 
Ruhe  häufig  kürzere  oder  längere  Aufenthalte  verursachen.  Nach  den  ver- 
einzelten Nachrichten,  die  sich  darüber  erhalten  haben,  kann  man  annehmen, 
daß  bei  Reisen  mit  Mietfuhrwerken  in  der  Regel  40 — 50  Millien  (59 — 63,7  km) 
täglich  zurückgelegt  wurden 2).  Die  schnellste  Beförderung  blieb  immer  noch 
das  Reiten3).  Auch  dann  pflegten  selbst  minder  begüterte  Reisende  einen 
oder  mehrere  Sklaven  mitzuführen4),  die  bei  längeren  Wagenreisen  ebenfalls 
zu  Wagen  folgten6).  Reiche  und  Vornehme  reisten  schon  zur  Zeit  der  Re- 
publik mit  großer  Dienerschaft6),  und  in  der  Kaiserzeit,  wo  manche  Kaiser 
auch  beim  Reisen  das  Beispiel  unsinniger  Verschwendung  gaben7),  artete 
das  in  der  ärgsten  Weise  aus8):  namentlich  wurde  es  Mode,  sich  durch 
prächtig  gekleidete  Vorreiter,  in  der  Regel  Afrikaner  resp.  Neger9),  oder 
durch  Scharen  von  Läufern,  cursores10),  Platz  machen  zu  lassen11).  Vornehme 
Häuser  hatten  solche  Läufer  in  großer  Anzahl  und  eigene  Lehrer,  um  sie 
für  diesen  Beruf  auszubilden12).  Dieser  großen  Dienerschaft  entsprach  die 
Menge  des  mitgeführten  Gepäcks:  wurden  doch  nicht  nur  kostbares  Geschirr, 
Statuen  u.  dgl.,  sondern  selbst  Mosaikböden  auf  Reisen  mitgenommen13). 

Wer  mit  solchem  Aufwand  zu  reisen  in  der  Lage  war,  der  hatte  es 
auch  nicht  nötig,  sein  Nachtquartier  unterwegs  in  einem  jener  fragwürdigen 
Wirtshäuser  zu  nehmen,  sondern  führte  entweder  Zelte  bei  sich,  unter  denen 


*)  Die  iumentarii  sind  auf  Inschriften  häu- 
fig und  bildeten  in  verschiedenen  Städten  Ita- 
liens Innungen,  s.  CIL  V  4211 ;  4294;  5872;  XI 
4749;  6136.  Vgl.  Friedländer  16. 

*)  Zu  diesem  Resultat  kommt  Friedländer 
17  ff.,  wo  die  erhaltenen  Nachrichten  über  die 
Dauer  einzelner  Reisen  zusammengestellt  sind. 
Ueber  die  Schnelligkeit  des  Reisens  zur  See 
s.  ebd.  21  ff. 

3)  Apul.Flor.20ff.,  der  bei  derWagenbe- 
förderung  als  hemmend  anführt:  molestiae sar- 
einarum  et  pondera  vehiculorum  et  morae  or- 
bium  et  salebrae  orbitarum. 

4)  Lucian.Luc.  1 ;  daß  auch  der  Lucius  des 
Apuleius  einen  Sklaven  bei  sich  hat,  obschon  da- 
von zu  Anfang  nichts  gesagt  ist,  zeigt  met.  II 31 . 

5)  Sen.  ep.  87,  2. 

6)  Cic.  pro  Mil.  10, 28 ;  ad  Att.VI  1 ,  25.  Plut. 
Cat.  min.  20. 

7)  Ueber  den  Luxus  des  Marc  Anton,  des 
Nero,  der  Poppäa  s.  Friedländer  29. 

8)  Sen.  ep.  87,  9. 

9)  Numidier,  Sen.  a.  a.  O.  und  ep.  123,  7. 
Suet.  Ner.  30 ;  Mauren.  Mart.X  6, 7 ;  Libyer,  ebd. 
13,2;  XII  24,  6. 

10)  Nach  Sen.  ep.  87,  9  war  das  ein  neuer 


Brauch,  über  den  der  alte  Cato  sich  höchlichst 
verwundert  hätte:  er  erwähnt  ihn  auch  ep.  78, 
20;  123,7.  Ferner  Suet. Nero  30.  Mart.  III  47, 14; 
XII  24, 7  (sie  heißen  succincti,  weil  sie  nur  kur- 
zen Schurz  trugen).  luv.  5,  52:  Cursor  Gaetitr 
licus.  Galen.  XIX  4.  Spartian.  Helius  5,  10. 
Lampr.  AI.  Sev.  42, 2.  Digg.  XXXII 1, 99, 5.  Die 
kaiserlichen  hatten  besondere  Uniform,  die  eist 
Aurelian  auch  andern  erlaubte,  Vopisc.  Auiel. 
49, 7.  Auf  Inschriften  sind  die  cursores  häufig, 
vgl.  CIL  VI  241 ;  8801  f.;  9316  f. ;  XIII  3689  f.; 
ein  praeposUus  cursorum  VI  8800,  ein  scriba 
cursorum  Not.  d.  scavi  1902,  555.  Dabei  ist 
allerdings  zu  beachten,  daß  die  cursores  auch 
zum  Ueberbringen  von  Botschaften,  Briefen 
u.  dgl.  gebraucht  wurden,  Plin.  ep.  VII  12,  6. 
Mart.  III  100,  1.  Suet.  Nero  49;  Tit.  9.  Apul. 
met.  X  5. 

1 ')  Der  Protz  Trimalchio  läßt  sogar  vor  sei- 
ner Sänfte  in  der  Stadt  vier  phalerati  cursores 
vorausgehn,  Petron.  28,  4. 

12)  Petron.  29,  7:  notavi  etiam  in  porticu 
gregem  cursorum  cum  magistro  se  exercentem. 
Ein  servus  exercitator cursorum  CIL  VIII 12622; 
doctor  cursorum  ebd.  12904. 

13)  Von  Cäsar,  Suet.  Caes.  46. 


Siebenter  Abschnitt.   Der  Verkehr. 


407 


man  bei  gutem  Wetter  sehr  gut  aufgehoben  war1),  oder  er  besaß  da  oder  dort 
in  eigenes  Absteigequartier  (siehe  oben  S.  454  A.  7),  oder  endlich  er  kehrte 
ei  einem  Gastfreunde  ein2).     Dagegen  waren   die  Hausbesitzer  in  Italien 
ie  in  den  Provinzen  verpflichtet,  den  reisenden  Staatsbeamten,  Richtern, 
ilitärs  usw.  Quartier  zu  geben,   was  namentlich   für  die  Provinzialen  oft 
eine  schwere  Last  war3).     Noch  mehr  wurden  den  kaiserlichen  Beamten, 
sobald  sie  Dienstreisen  zu  machen  hatten,  diese  erleichtert  durch  die  von 
Augustus  eingerichtete  Staatspost,  den  sogenannten  cursus  publicus*),  auf 
de  ton  Einrichtung,  über  die  wir  genauere  Nachrichten  erst  seit  dem  4.  Jahr- 
hundert n.  Chr.  besitzen,  hier  nicht  näher  eingetreten  werden  kann,  da  sie 
dem  Privatverkehr  nicht  diente,  obschon  gelegentlich  auch  private  Reisende 
durch  kaiserliches  Diplom  das  Recht  zur  Benutzung  dieser  Einrichtung  er- 
halten konnten5).     Diese  kaiserliche  Post   war   auch  zur  Beförderung   der 
amtlichen  Schreiben  und  Depeschen  bestimmt;  das  führt  uns  darauf,  auch 
dem  römischen  Briefwesen  einige  Worte  zu  widmen  und  im  Zusammenhang 
damit  zunächst  das  dabei  zur  Verwendung  kommende  Schreibmaterial  zu 
behandeln G). 

Von  den  verschiedenen  Materialien,  von  denen  die  Römer  im  Lauf  der 
Entwicklung  ihres  Schriftwesens  Gebrauch  gemacht  haben7),  kommen  für 
Briefe  eigentlich  nur  Wachstafeln  und  Papyrus  in  Betracht.  Das  Pergament, 
membrana8),  ist  bekanntlichdasjenigeSchreibmaterial,  das  zuletzt  aufgekommen 
ist,  obschon  die  Überlieferung,  daß  es  erst  im  2.  Jahrhundert  v.  Chr.  in  Per- 
gamon  erfunden  worden  sei9),  nicht  so  zu  verstehen  ist,  als  ob  nicht  schon 
vorher  Felle  oder  Leder  zum  Schreiben  verwendet  worden  wären10);  vielmehr 
wird  jene  Nachricht  vermutlich  darauf  zurückgehen,  daß  man  in  Pergamon 
ein  Gerbverfahren  erfand,  durch  das  das  Leder  zu  einem  besonders  geeigneten 
Schreibmaterial  gemacht  wurde11).    Für  Briefe  ist  jedoch  Pergament  in  der 


')  Plut.  Cato  min.  38;  Anton.  9.  Siel.  Ap. 
ep.  IV  8.  2. 

2)  Ueber  die  römische  Gastfreundschaft  s. 
Becker-GöllII  188ff.  Marquakdt  195ff.  Baum- 
stark bei  Pauly  III  1518ff.  Lecrivain  bei  D.-S. 
III  298  ff.  (wo  anderweitige  Litteratur  S.  302 
zu  finden  ist). 

3)  Vgl.  Friedländer  32  f. 

4)  Hierüber  ist  vornehmlich  zu  vgl.  Rü- 
diger De  cursu publico  imperiiRomani,  Breslau 
1846.  Henzen  A.  d.  I.XXIX  (1857)  94 ff.  Naudet 
in  Mem.  de  l'Acad.  des  Inscr.  XXIII  2  (1858) 
166  ff.  Hudemann  Gesch.  d.  röm.  Postwesens 
während  d.  Kaiserzeit,  Berlin  1878.  Humbert 
bei  D.-S.  I  1645  ff.  (mit  umfangreicher  Biblio- 
graphie S.  1672).  Seeck  bei  P.-W.  III  1846  ff. 
Hirschfeld  Kaiserliche  Verwaltungsbeamte  II 
190  ff. 

5)  Plin.  ep.  ad  Traian.  121.  Sen.  de  clem.  I 
10,3.   Digg.XLIV  1,137,2. 

6)  Vgl.  hierüber  Geraud  Essai  sur  les  li vres 
dans  l'antiquite  particulierement  chez  les  Ro- 
mains. Parisl840.  Preller  bei  Pauly  IV  1040ff. 
Lafaye  bei  D.-S.  HI  1177.  Wattenbach  Das 
SchriftwesenimMittelalter340ff.  Gardthaüsen 
Griech.  Paläographie,  Leipz.  1879,  S.  19  ff.  Birt 


Das  antike  Buchwesen,  Berlin  1882,  S.  46  ff. 
Becker-Göll  II  425ff.  Marquardt  799ff.  Selbst- 
verständlich ist  in  diesen  Schriften  nicht  bloß 
das  Brief-,  sondern  auch  das  Buchwesen  behan- 
delt, von  dem  hier  nicht  weiter  zu  sprechen  ist. 
Speziell  über  Briefwesen  ist  zu  vgl.  A.  de  Roth- 
schild Histoire  de  la  poste  aux  lettres.  Paris 
1872.  Dziatzko  bei  P.-W.  III  836  ff.  Becker- 
Göll  II  456  ff. 

7)  Der  älteren  Zeit  gehören  Blätter,  Bast, 
Linnen.  Felle  u.  dgl.  an,  s.  Marquardt  800  ff. 

8)  Catull.  22.  7.  Hör.  a.  p.  389.  Cic.  ad 
Att.  IV  46, 1  u.  s.  Vgl.  Lafaye  bei  D.-S.  III 
1709. 

9)  Varro  bei  Plin.  XIII  70.  Isid.VI  11,1. 
Die  Bezeichnung  pen/amena  tritt  erst  spät  auf, 
zum  erstenmal  im  Ed.  Diocl.  7.  38. 

10)  Vgl.  Herod.  V  58.  Diod.  11  32, 4.  Die  äl- 
teste römische  Urkunde,  das  Bündnis  mit  Gabii. 
war  auf  Ochsenhaut  geschrieben,  Dion.  Hai.  IV 
58,4.   Fest.  56, 1. 

1 ')  Die  alten  ÖufOtoai  von  Ziegen  oder  Scha- 
fen waren  wohl  nicht  besonders  zum  Schreiben 
präpariert.  Birt  a.  a.  O.  52  vermutet,  daß  die 
Pergamener  das  Pergament  in  die  Litteratur 
eingeführt  haben. 

30* 


468 


Zweite  Abteilung.   Das  Leben. 


Regel  nicht  zur  Anwendung  gekommen1)-  Für  kürzere  Briefe  bediente  man 
sich  seit  alters  der  mit  Wachs  bestrichenen  Schreibtafeln,  wie  man  sie 
auch  für  andere  Zwecke  brauchte2):  dünne  Täfelchen,  tabellae3),  von  Holz4), 
die  einen  vorstehenden  Rand  hatten 5)  und  innerhalb  desselben  mit  Wachs, 
das  meist  gefärbt  war6),  bestrichen  waren  und  deshalb  auch  cerae  heißen7), 
wie  denn  jede  einzelne  Platte  oder  Seite  eines  aus  mehreren  Täfelchen  zu- 
sammengesetzten codicillus  cera  heißt8).  In  der  Regel  wurden  mehrere 
Täfelchen  miteinander  verbunden,  indem  die  einfassenden  Rahmen  durch- 
bohrt und  Draht  oder  Schnur  hindurchgezogen  wurde9);  das  auf  diese  Weise 
entstandene  Büchlein  hieß  codex10)  oder  noch  häufiger,  da  es  sich  meist  um 
Täf eichen  kleineren  Formats  handelt,  codicilli11)  oder  pugillares12).  Je  nachdem 
sie  aus  zwei,  drei  oder  mehr  Täfelchen  zusammengesetzt  sind,  heißen  sie 
duplices,  triplices  usf.13)  oder  griechisch  diptycha,  triptycha,  polyptycha1*).  Beim 
Diptychon  wurden  die  inneren  Seiten  mit  Wachs  überzogen,  die  äußeren 
dienten,  wenn  die  Täfelchen  zusammengelegt  waren,  als  Deckel;  der  vor- 
stehende Rahmen  verhinderte,  daß  die  Wachsflächen  einander  berührten. 
So  war  es  auch  bei  den  drei  und  mehr  Tafeln  enthaltenden  codicilli,  indem 
die  Außenseiten  der  ersten  und  letzten  Tafel  die  Deckel  bildeten,  alle  übrigen 


')  Birt  61 :  „  Briefe  auf  Membrane  sind  für 
die  bessere  Zeit  nicht  nachweisbar."  Eine  Aus- 
nahme ist  nur  ein  Brief  der  Inder  an  Augustus, 
Strab.  XV  719,  während  bei  Ioseph.  ant.  lud. 
XII  2,  10  kein  Brief  gemeint  ist,  sondern  eine 
Prachtniederschrift  der  Gesetze.  Erst  in  später 
Zeit  finden  sich  Angaben,  daß  man  zum  Briefe 
Pergament  nahm,  wenn  es  an  Papier  (charta) 
fehlte,  s.  Birt  62. 

2)  Siehe  die  Beispiele  bei  Marquardt  804  f. 

3)  Als  erforderlich  zum  Briefschreiben 
nennt  Plaut.  Bacch.  715:  stilum,  ceram  et  ta- 
bellas,  linum;  also  Täfelchen,  Griffel,  Faden 
(zum  Zubinden)  und  Wachs  (zum  Siegeln) ;  vgl. 
ebd.  728.  Von  den  tabellae haben  die  Briefboten, 
tabellarii,  ihren  Namen,  Pest.  359  a.  8. 

4)  Ueber  die  gebräuchlichen  Holzarten 
vgl.  Blümner  Technol.  IV  556  unter  „ Schreib- 
tafeln ".  Für  elegante  tabellae  nahm  man  auch 
Elfenbein,  Mart.  XIV  3,  2;  ebd.  5. 

5)  Ov.  a.  a.  I  437:  cera  vadum  temptet  rasis 
infusa  tabellis. 

6)  Ov.am.1 12, 11;  1117,29.  Mart.XIV5,2. 

7)  Ov.met.IX529.  Quint.1 1.27;  X  3.31; 
XI  2,  32.  Mart.X  88,2;  XIV  5,  1;  ebd.  7,  1. 
Plin.  ep.  I  6,  1.    luv.  1,  63;  14,  29;  ebd.  191. 

8)  So  sagt  man  prima  cera,  Hör.  sat.  115, 
53;  ima  cera,  Suet.  Caes.  83 ;  extrema  cera,  Cic. 
Verr.  I  36,92;  ultimae  cerae,  Mart.  IV  70,2; 
praecipua  cera,  luv.  4, 19.  So  auch  Plaut.  Cure. 
410:  explevi  totas  ceras  quattuor. 

9)  Siehe  z.  B.  Overbeck  Pompeji  489  Taf. 
Schreiber  Kulturhist.  Bilderatlas  Taf.  91,3. 

l0)  Sen.  dial.  X  13,4:  plurium  tabula  mm 
contextus  caudex  apud  antiquos  vocatur,  unde 
publicae tabulae  Codices  dieuntur.  Catobei  Fron- 
te ad  M.  Ant.  I  2  p.  99 :  iussi  caudicem  profcrrl, 
übt  mea  oratio  scripta  est.  Ueber  die  erweiterte 
Bedeutung  des  Wortes  s.  Birt  a.  a.  0.  95  ff. 


u)  Isid.VI  8, 18:  ante  cartae  et  menibra- 
narum  usum  in  dolatis  ex  ligno  codicilli*  epU 
stolarum  eloquia  scribebantur.  Vgl.  Cic.  ad  fam. 
IV  12, 2;  VI  18, 1.  Catull.  42,  10  u.  ö.  Sen.  de 
dem.  115,4.  Quint.  VII  2,52.  Plin.  ep.  VI  16,8. 
Suet.  Cal.  55;  Otho  10.  Im  Briefverkehr  bedeu- 
ten codicilli  kürzere,  auf  Täfelchen  geschrie- 
bene, dagegen  epistolae  längere  auf  Papier  ge- 
schriebene Briefe,  vgl.  Cic.  ad  Qu.  fr.  II  9  ( 1 1 ),  1 . 
Senec.  ep.  55, 11.  Mart.  V  51,  3  f.  Schon  Plaut. 
Asin.  761  ff.  unterscheidet  epistula  von  der  ce- 
rata  tabula.  Die  auch  von  Marquardt  804  A.  5 
wiederholte  Meinung  von  Lipsius,  daß  die  epU 
stolae  an  Abwesende,  die  codicilli  an  Einhei- 
mische geschrieben  wurden,  bekämpft  Becker- 
Göll  II 458  mit  Recht:  nur  Material  und  Länge 
machen  den  Unterschied,  während  litterae  für 
beides  gebraucht  wird. 

12)  Es  bedeutet  tabulae,  die  man  bequem  in 
der  Faust  hält;  so  Sen.  ep.  15,  6  (wo  sie  dem 
über  entgegengesetzt  werden);  87.3;  108,6. 
Plin.  XIII  69;  XVI  68.  Mai  t.  XIV  3  ff.  Plin.  ep. 
16,3;  22, 11;  VI  5, 6:  1X6,1.  Auch  pugillaria, 
Catull.  42,  5.  Gell.  XVII  9, 17.  Daß  sie  mit  co- 
dicilli identisch  sind,  zeigt  Catull.  a.  a.  O.  deut- 
lich ;  daß  auch  Büchlein  aus  Pergamentblättern 
so  heißen,  die  Inschr.  CIL  X  6 :  pugillares  mem- 
branacei  operculis  eboreis. 

13)  Tabellae duplices,  Suet. Aug.  27:  triplices, 
Cic.  ad  Att.  XIII  8.  Mart.  VII  53, 3;  72,2;  X  87, 
6;  XIV  6;  quinquiplices,  ebd.  XIV  4.  Eine  be- 
sonders zierliche  Sorte,  die  sich  namentlich  für 
Liebesbriefe  eignete,  hieß,  vermutlich  nach  dem 
Fabrikanten,  Vitelliani,  Mart.  II  6,  6;  XIV  8  f. 
Der  Fabrikant  solcher  Täfelchen  heißt  pu<i'd- 
lariarius.  CIL  VI  9841. 

14)  Diptycha  Cod.Theod.  XV  9, 1.  Symm. 
ep.  II  81  (80):  V  56  (54);  pohjptycha  Veget.  r. 
mil.  II  19.   Cod.  Theod.  XI  26,  2;  28, 13. 


Siebenter  Abschnitt.   Der  Verkehr. 


469 


gleiten  zum  Schreiben  dienten.  Täfelchen  der  Art  haben  sich  in  nicht  un- 
beträchtlicher Zahl  erhalten  (vgl.  Fig.  71  und  72)  *)  und  Abbildungen  davon 
(begegnen  uns  in  Denkmälern,  besonders  Wandgemälden,  nicht  selten.     In 


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Fig.  71.    Römisches  Diptychon  (von  außen  und  innen)  nebst  Griffeln. 

die  Wachsschicht,  die  nicht  zu  hart  sein  durfte 2),  ritzte  man  die  Schrift  mit 
einem  Griffel,  stilus*),  graphium*),  von  Metall,  meist  von  Eisen,  oder  von 
Knochen  oder  Elfenbein5);  er  war  an  der  einen  Seite  zugespitzt,  an  der 
andern  abgeplattet6),  um  damit  das  beschriebene  Wachs  wieder  zu  glätten, 


>)  Fig.  71  (nach  Bull,  comun.  II  (1874) "tav. 
7  u.  8)  zeigt  ein  hölzernes  Diptychon  von  außen 
(mit  der  Signatur  des  Besitzers)  und  innen,  so- 
wie die  dazu  gehörigen  Griffel  aus  Knochen ; 
Fig.  72  (nach  Mau  Pompei  517  Fig.  292)  eins 
der  im  Hause  des  Bankiers  L.  Caecilius  lucun- 
dus  gefundenen,  Quittungen  enthaltenden  Tri- 
ptychen  (vgl.  über  diese  Petra  Memorie  d.  re- 
ale Accad.  d.  Liucei  Ser.  II T.  III.  Mommsen  Her- 
mes XII  (1877)  88.  Ovekbeck  Pompeji  489). 
Ueber  Triptychen  aus  Siebenbürgen  vgl.  CIL 
III  p.  921  ff. 

2)  Vgl.  Colloqu.  Leid.  6  (Corp.  Gloss.  III 
638):  cera  dura  est.  mollis  (lebet  esse. 

3)  Plaut.Bacch.713:996;mil.gl.38.  Cic. 
Brut.  24.  93.   Quintil.  I  1,  27  u.  s. 

4)  Ov.  am.  1 11, 23.  Plin.  XVI 184.  Sen.  de 
dem.  1 15, 1 ;  n. qu.  IV  6, 3.  Suet.  Caes.  82;  Cal. 
28:  Claud.  15.  Daher  heißen  die  Behälter  für 
Griffel  graphiaria,  Mart.  XIV  21. 


5)  Ov.  met.  IX  522.  Isid.  VI  9, 1 ;  knöcherne 
ebd.  2.  Erhalten  haben  sich  Schreibgriffel  zu 
vielenTausenden  (vgl.  u.a.  Lindenschmit  Altert, 
uns.  heidn.  Vorzeit  V  303  ff.);  ein  besonders 
hübsch  gearbeiteter  bronzener  (aus  Orvieto) 
Schreiber  Taf.  89, 5.  Unter  den  von  E.  Majo- 
nica  in  der  Festschr.  f.  0.  Hirschfeld  (Berlin 
1908)  S.  360  besprochenen  antiken  Schreib- 
requisiten aus  Aquileia  finden  sich  Reste  von 
Elfenbeintäfelchen,  eiserne  Stili,  eine  Feder  aus 
Elfenbein  (mit  Griff  in  Form  eines  Pferdehufes), 
bronzene  Tintenfässer  und  ein  eisernes  Falz- 
bein. 

6)  Siehe  die  Beschreibungen  bei  Prudent. 
peristeph.  9,51:  inde  aUi  tUmtha  et  oetimi- 
na  ferrea  vibremt,  '/""  parte  arati»  cera  ml- 
cis  scrihititr,  et  qua  MCti  apiees  aho/entnr  et 
aequorishirti  rurttu  mtescetuimtoot&urarto. 
Symphos.  aen.  1  (Baehrens  PLM IV  365).  Au 
gustin.  de  verarel.  39  (vgl.MARQUARDTSOl  A.4). 


470 


Zweite  Abteilung.   Das  Leben. 


sei  es,  daß  der  Schreiber  selbst  etwas  korrigieren  wollte,  oder  daß  die  Schrift 
ganz  getilgt  und  die  Wachsschicht  aufs  neue  benutzt  werden  sollte;  daher 

die  Redensart  stilum  vertere1). 
Für  die  Absendung  band  man 
einen  Faden  um  die  Täf ei- 
chen2), der  beim  Empfang 
durchgeschnitten  wurde 3) ; 
öfters  waren,  zu  größerer 
Sicherheit  des  Briefgeheim- 
nisses, die  Tafeln  an  den 
Rändern  oder  in  der  Mitte 
durchbohrt,  dann  wurden  die 
Fäden  durch  diese  Löcher  ge- 
zogen4) und  verknotet.  Die 
Enden  wurden  mit  einem 
Siegel,  signum6),  zu  dem  man 
sich  in  der  Regel  des  Wach- 
ses6), sonst  auch  einer  dazu 
geeigneten  Tonerde7)  und  des 
Ringes  bediente,  der  oft  das 
Bild  des  Absenders  trug,  ver- 
sehen 8). 
Als  die  Römer  das  in  Ägypten  erfundene  und  zunächst  auch  nur  dort 
fabrizierte  Papier  aus  Papyrus,  von  ihnen  charta  genannt9),  kennen  lernten 
und  bei  sich  einführten,  dann  auch  in  Italien  selbst  fabrizierten10),  wurde 


Fig.  72.   Triptychon  (mit  Quittungen)  aus  Pompeji. 


')  Cic.Verr.1141,101.  Hör.  sat.  I  10,  72. 
Es  kam  auch  vor,  daß  der  Empfänger  eines 
Briefes  auf  die  geglättete  Wachsschicht  gleich 
die  Antwort  niederschrieb.  Fest.  359  a,  8:  ta- 
bellis  pro  chartisutebantur antiqui,  quibus nitro 
citro,  sive  privatim  sive  publice  opus  erat,  cer- 
tiores  absentes  faciebant.  Vgl.  Mart.  XI V6.  Prop. 
IV  (III)  23,  lff.  Noch  Augustin.  ep.  15, 1  bittet 
um  Rücksendung  seiner  tabellae. 

*)  Linum,  Plaut. Bacch. 713;  748;  Pseud. 
42.   Cic.Cat.III5,  10. 

8)  Linum  incidere,  Cic.  a.  a.  0. 

4)  Das  zeigen  verschiedene  der  oben  S.  470 
A.  9  angeführten  Abbildungen.  Einen  andern 
Verschluß  zeigen  dieTriptychen  der  erwähnten 
Quittungsurkunden  deslucundus:  hier  sind  nur 
die  beiden  ersten  Tafeln,  die  die  Urkunde  ent- 
hielten, durch  einen  in  einer  Rinne  der  ersten 
und  vierten  Seite  laufenden  Faden  zusammen- 
gebunden und  auf  der  vierten  Seite  sind  die 
Siegel  der  Zeugen  auf  den  Faden  gedrückt,  s. 
Mau  a.  a.  O.  Aehnlich  ein  Triptychon  aus  Sie- 
benbürgen, Marqüabdt  806. 

5)  Cic.  Cat.  a.a.O.;  ebd.  3,  6. 

6)  Plaut.  Bacch.  748 :  cedo  te  ceram  ac  li- 
num actutum :  aqe  obliga,  obsigna  cito.  Cic.  pro 
Flaccol6,37.   Ov.  am.  II  15,  16. 

7)  Crcta  asiatica,  Cic.  a.  a.  O. ;  Verr.  IV  26, 
58;  auch  Pech  wurde  dazu  verwendet,  Plaut. 


Poen.  837. 

8)  Plaut.  Pseud.  56.   Ov.  ex  P.  II  10,  lff. 

9)  Ueber  die  Geschichte  und  Technik  der 
Papyrusfabrikation  vgl.  außer  den  ob.  S.  467  A .  6 
angeführten  Schriften  Blümner  Technologie  I 
308  ff.,  wo  ältere  Litteratur  angegeben  ist.  und 
Blass  in  Müllers  Handbuch  I*  333  ff.,  wo  die 
neuere  zu  finden  ist;  dazu  Becker-Göll  II  428. 
Marquardt  807.  Lafaye  bei  D.-S.  IV  319. 
Wünsch  bei  P.-W.  II  2185,  besonders  aber 
Dziatzko  Untersuchungen  über  ausgewählte 
Kapitel  des  ant.  Buchwesens  S.  49  ff. :  Die  Zu- 
bereitung der  Charta. 

10)  Nach  Plin.  XIII  75  gab  es  in  Rom  die 
officina  eines  Fannius,  die  eine  besondere 
Papyrussorte,  die  charta  Fanniana,  herstellte; 
es  scheint  aber,  nach  seinem  Wortlaut,  daß  diese 
Fabrik  nicht  das  Rohmaterial  aus  Aegypten  be- 
zogen, sondern  ägyptisches  Papier  (und  zwar 
die  sog.amphitheatrica)  umgearbeitet  und  durch 
AuseinandernehmenundZwischenlegen  passen- 
der Streifen  eine  neue  Sorte  hergestellt  hat, 
vgl.  Birt  248.  Wünsch  2190.  Später  aber  im- 
portierte man  wohl  auch  unverarbeiteten  Pa- 
pyrus, daher  Digg.  XXXII  1, 52,  6  chartae  von 
papyrus  ad  Chartas  paratus  resp.  chartae  non- 
dum  perfectae  unterschieden  werden.  Die  Pa- 
pierfabrik heißt  chartaria  officina,  Plin.  XVIII 
89;  die  Fabrikanten  oder  Händler  charta r/i, 


m 


Siebenter  Abschnitt.    Der  Verkehr. 


471 


£ere| 

leiij. 


dieses  fortan  mit  Vorliebe  für  längere  Briefe  und  besonders  für  solche,  die 
nach  größeren  Entfernungen  gingen,  benutzt,  zumal  eine  bestimmte  Sorte, 
die  Charta  epistolaris1).  Zum  Schreiben  nahm  man  ein  mit  einem  Feder- 
messer2) spitz  zugeschnittenes  Rohr,  calamus'6),  dessen  beste  Sorten  aus 
Ägypten  oder  Knidos  kamen4).  Doch  stellte  man  solche  Schreibrohrfedern 
auch  aus  Bronze  her5).  Die  Tinte,  mit  der  man  schrieb,  atramentum9), 
war  eine  Art  Tusche,  besonders  aus  Kienruiä  und  Gummi  bereitet7)  oder 
aus  Sepia8).  Auch  eine  Art  sympathetischer  Tinte,  die  erst  durch  gewisse 
Prozeduren  sichtbar  gemacht  wurde,  kannte  man  und  wandte  sie  vornehmlich 
für  geheime  Korrespondenzen  an 9).  Von  andern  Geräten,  die  zum  Schreiben 
mit  Rohr  und  Tinte  gehören,  sind  zu  nennen  ein  Schwamm,  mit  dem  man 
die  Schrift  auslöschte10),  vielleicht  auch  einer  zum  Auswischen  der  Federn11), 
ein  ßleiplättchen  zum  Linienziehen12)  u.a.m.,  Dinge,  die  zum  Teil  nur  der 


Diom.  I  p.  313.  CIL  VI  9255  f.;  XII  3284.  In 
Rom  gab  es  besondere  Magazine  für  Papier, 
korrea  cartaria,  Jordan-Hülsen  Topogr.  I  3, 
329.   Richter  Topogr.  324. 

')  Mart.  XIV  11;  es  war  jedenfalls  von 
kleinerem  Formate,  da  im  Epigramm  vorher 
Chart ue  maiores  entgegengesetzt  werden.  Nach 
Plin.  XIII  80  war  die  charta  Augusta  (früher 
Itierntiai  genannt,  ebd.  74)  für  Briefe  beson- 
ders beliebt,  nachdem  unter  Claudius  die  zu 
große  Dünne  des  Papiers,  infolge  deren  die  Tinte 
auf  der  andern  Seite  durchschlug,  beseitigt  wor- 
den war.  Die  verschiedenen  Qualitäten  Papier, 
die  die  ägyptischen  und  römischen  Fabriken 
herstellten,  unterschieden  sich  teils  durch  die 
Beschaffenheit  der  dazu  verwandten  Mark- 
streifen des  Papyrus,  teils  durch  das  Format. 

2)  Scalprum  Ubrarium,  Suet.Vitell.2.  Tac. 
ann.VS:  scalpellum,  Colloqu.  Harlei.  7  (Corp. 
Gloss.  III  640). 

s)  Cic.  ad  Qu.  fr.  II  14  (15  b),  1;  ad  Attic. 
VI  8,1.  Hör.  a.p.447,  Pers.  3,  12.  Mart.  VII 
1 1. 1 :  17, 7;  IX  73,9 ;  XIV 19, 1.  Iuv.7,27.  Quint. 
X  3.  31;  speziell  calamus  scriptorius,  Cels.  V 
28,  12;  VII  11  u.  ö.  Marc.  Emp.  10;  calamus 
phartarius,  Apul.  Flor.  9.  Mehr  poetisch  ist 
harundo,  Pers.  3,  11.  Mart.  13,  10;  1X13,3: 
XIV  209, 2,  oder  fistula,  Pers.  3, 14.  Vgl.  Saglio 
bei  D.-S.I  811.   Wünsch  bei  P.-W.VI  2098. 

4)  Plin.  XVI 157.  Mart.  XIV  38.  Apul.  met.  I 
1.  Auson.  ep.  4, 77 :  7, 49 ;  nach  Plin.  a.  a.  O.  auch 
vom  anaetischen  See  am  Euphrat,  nach  Mart.  X 
78. 12  vomTajo.  Eine  wirkliche  Feder, peuna.  als 
Schieibinstrument  erwähnt  zuerst  Isid.  VI  14, 3. 

5)  Solche  haben  sich  noch  vielfach  erhalten, 
s.B.  d.i.  1849, 169;  1880, 68f.Mitt.d.antiqu.(a'.s. 
in  Zürich  X  VI  Taf.  18. 3.  Rhein.  Jahrb.  LXXII 96, 
Taf.6.11f.  Schreiber  a.a.O.  Taf.  89, 11  ff  ;  ebd. 
10 und  Daremberg- Saglio  a.a.O.  Fig.  993  eine 
zum  schnittene  Rohrfeder  aus  Herkulaneum. 

6)  Cic.  ad  Qu.  fr.  a.  a.  O.  Plin.  XXVII  52; 
XXXV 43.  Petron.  102, 13;  atr'amentum  scripto- 
rium.  Cels. VIII  4.  Vgl.  Graux  bei  D.-S.I  529. 
Der  Name  atramentarium  für  das  Tintenfaß  ist 
erst  spät  (s.  Marquardt824  A.  2),  aber  erhalten 
haben  sich  viele  antike  Tintenfässer  vonTon  und 


Metall,  z.  T.  in  kunstreicher  Arbeit,  s.  ebd.  und 
Graux  a.  a.  O.  528  Fig.  619  ff.;  auch  auf  Abbil- 
dungen von  Schreibgerät cii  sind  sie  erkennbar, 
ebd.  Fig.  622  f.,  unten  Fig.  73  f.  Vgl.  auch 
Gabdthausen  a.  a.  O.  75. 

7)  Auch  aus  Harz,  Leim,  Kupfervitriol, 
Weintrestern  u.dgl.  m.;  Rezepte  bei  Diosc.  I 
86;  V  182.  Vitr.VII  10.  Plin.  XXXV  41  ff.  Vgl. 
Blümner  Technol.  I  326.  Die  chemische  Unter- 
suchung vonTintenresten  aus  demRemerkastell 
Saalburg  ergab  ein  Gemisch  von  Ruß,  Harz, 
Eisen  und  organischen  Stoffen,  s.  G.  Kassner 
im  Archiv  f.  Pharmakol.  246,  329.  Rote  Tinte 
kam  für  Briefe  nicht  in  Anwendung,  in  Büclui  n. 
Aktenstücken  u.  s.  für  Titel  und  Ueberschriften, 
s.Ov.tr.1 1,7.  Mart.111 2, 11,  wonach  das  Färbe- 
material Scharlach  war;  diese  Titel  u.  dgl.  hei- 
ßen daher inbricae,  Pers. 5, 90.  Quint. XII  3.11. 
luv.  14, 192.  Digg.  XL1II  1,  2,  3:  vgl.  die  Ubra 
rubrioata  (tlihri)  bei  Petron.  46,  7. 

8)  Das  wird  zwar  von  Plin.  a.  a.  O.  43  ge- 
leugnet, geht  aber  aus  Pers.  3, 12.  Auson.  ep. 
4,76;  7.54  unzweideutig  hervor. 

9)  Ov.a.a.lII627ff.Plin.XXVI62.  Auson. 
ep.  23,  21 ;  vgl.  Blümner  a.  a.  O. 

10)  Varr.  bei  Non.  96, 11  nennt  ihn  qpongta 
deletilis.  Suet.Aug.85;  Calig.20.  Mart.  IV  10, 
5  ff.  Aus.  ep.  7,  54.  Daß  das  nicht  nur  bei  Bü- 
chern vorkam,  sondern  daß  auch  der  Brief- 
empfänger manchmal  den  erhaltenen  Brief  zum 
Palimpsest  machte  und  die  Antwort  darauf 
schrieb,  zeigt  Cic.  ad  fam.  VII  18,2. 

1 ')  Im  griech.  Epigramm  des  Phanias  Anth. 
Pal.  VI  295  als  anoyyos  KaXdfuav  ipaioxtßQ  er- 
wähnt; wie  notwendig  er  war,  zeigt  Pers.  3, 12; 
vgl.  Hör.  sat.  II  3,  7. 

12)  In  den  griechischen  Epigrammen,  die 
Schreibmaterialien  aufzählen  (s.  Marquardt 
823  A.  4),  öfters  erwähnt;  Catull.  22, <^  :  fontta 
plumbo.  Es  heißt  »raetfactel, Colloqu. Harleian. 
3  (Corp.  Gloss.  III 639)  mit  membranae,  vugü- 

Ittns.  locett US,  nt  raninit  u  mnwAcminne  alsSchul- 
mateiial  erwähnt,  vgl.  Coli.  Leid.  6  (ebd.  638): 
praedurcre  nescio,  tu  mihi  praedue,  guomodo 
sei*.  Auch  Corp.  Gloss.  II  156,3;  III  23,7;  327, 
37  u.s.  (griech.  naQ&fQiupoe). 


472 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 


Bücher-,  nicht  der  Briefschreiber  brauchte.  Zur  Aufbewahrung  dieses  Schreib- 
geräts diente  die  theca  calamaria,  graphiaria  oder  libraria1).  —  Für  die  Ab- 
sendung wurde  das  Chartablatt  entweder  zusammengefaltet2)  oder  gerollt 
und,  wie  die  tabellae,  mit  einem  Faden  umwickelt  und  dieser  mit  einem  Siegel 
versehen;    der  größern  Vorsicht   halber  wurde  der  Faden  bisweilen  durch 

das  gerollte  Papier  durchgezogen, 
bevor  man  ihn  umwickelte3),  wäh- 
rend andrerseits,  wenn  Eile  not  tat 
und  keine  Vorsicht  geboten  war, 
die  Siegelung  auch  wohl  unter- 
blieb4). Auf  die  Außenseite  schrieb 
man  die  Adresse  des  Empfängers 
im  Dativ5),  manchmal  auch  den 
Namen  des  Absenders6).  Die  mei- 
sten dieser  verschiedenen  Schreib- 
geräte und  Briefformen  sehen  wir 
auf  den  Fig.  73  und  74  abgebil- 
deten pompejanischen  Wandmalereien  dargestellt7). 

In  der  Regel  schrieb  wohl  der  Absender  seinen  Brief  eigenhändig;  allein 
Personen,  die  sehr  durch  Geschäfte  in  Anspruch  genommen  waren,  zumal 
Beamte,  pflegten  ihre  Briefe  zu  diktieren 8),  und  zwar  entweder  einem  Frei- 
gelassenen9) oder  e^nem  gewandten  und  zuverlässigen  Sklaven,  einem  Ubra- 
rius10)  oder  (servus)  ab  epistolis11),  a  litteris,  a  codicillis12),  auch  ad  manum, 


Fig.  73.    Schreibtafel,  Brief  und  Schreibgerät. 
Pompejaniscb.es  Wandgemälde. 


»)  Suet.  Claud.  35.  Mart.  XIV  19;  ebd.  21 
ist  das  graphiarium  wohl  nur  ein  Behälter  für 
still  (armata  suo  ferro).  Corp.  Gloss.  III  198,41: 
theca  calamarion  (daher  das  ital.  calamajo). 

2)  Compllcare,  Cic.  ad  Qu.  fr.  III 1, 17;  ad 
Att.  XII  1,2.  Sid.  Apoll,  ep.  IX  9, 3. 

3)  Front,  ad  M.  Ant.  I  8  p.  24  (Nab.) :  char- 
tam  dilig enter  Uno  transui  et  ita  linum  obsi- 
gnavi,  ne  musculus  iste  aliquid  aliqua  rimari 
possit.  Vgl.  Ov.  tr.  IV  7,  7 :  qnotiens  alicui  car- 
tae  sua  vincida  dempsi. 

4)  Prop.  IV  (III)  23,4:  usus,  qui  non  si- 
gnatas  (tabellas)  iusslt  habere  fidem. 

5)  Cic.  ad  Att.  VIII  5.2;  X  11,5;  ad  fam. 
VII  32, 1.  Sid.  Ap.  ep.  II  35,  6;  IV  30,  2.  Vgl. 
den  Rollenbrief  in  Fig.  73.  Papyrusbriefe  mit 
Adressen  sind  öfters  erhalten,  s.  Dziatzko  bei 
P.-W.  a.a.O.  838. 

6)  Gardthausen  56.  Dziatzko  a.a.O.  Paß 
es  nicht  Regel  war,  zeigt  Ov.  a.  a.  0. 

7)  Fig.  73  (nach  Mus.  Borb.  XIV  tav.  A  B) 
zeigt  ein  offnes  Diptychon  (mit  Löchern,  durch 
die  beim  Verschluß  der  Faden  gezogen  wurde), 
daneben  der  stilus;  rechts  oben  ein  zusammen- 
gerollter und  versiegelter  Brief  mit  der  Adresse 
M.  I/ucretio  flam{ini)  Martis,  decurioni  Pom- 
pei(s),  unten  ein  Doppeltintenfaß  mit  calamus. 
Fig.  74  (nach  Mus.  Borb.  1 12)  zeigt  vier  Wand- 
malereien vereinigt:  in  1  ein  Triptychon.  ein 
Tintenfaß  mit  calamus,  eine  Schriftrolle;  in  2 
oben  Geldbeutel  und  Münzen,  unten  Tintenfaß, 


Rolle,  Täfelchen  mit  stilus,  ein  Täfelchen  zum 
Aufhängen  (für  Notizen);  in  3  eine  einfache 
Schreibtafel,  ein  scrinium  für  Bollen,  ein  offnes 
Diptychon,  Geld;  in  4  oben  Diptychon  u.  Schreib- 
zeug, unten  einige  Rollen  und  ein  Triptychon. 

8)  Das  Diktieren  erwähnt  Cicero  sehr 
häufig;  so  diktiert  er  z.  JS.propter  lippitudinem, 
ad  Att.  VII 13, 7 ;  14,1;  VIII  12,1;  13,1  ;X  14,1; 
17, 2;  ad  Qu.  fr.  II  2, 1 ;  oder  wegen  Geschäfts- 
überhäufung, ad  Att.  II  23. 1 ;  IV  16, 1 ;  manch- 
mal diktiert  er  bei  Tisch,  ebd.  XIV  21,4;  ad  Qu. 
fr.  III  1,19,  oder  unterwegs  im  Reisewagen,  ad 
Att.  V  17, 1.  Aus  allen  Stellen  aber  geht  hervor, 
daß  man  an  Freunde  gern  eigenhändig  schrieb 
und  sich  eigens  entschuldigte,  wenn  man  einen 
diktierten  Brief  sandte. 

9)  So  hat  Cicero  viele  Briefe  dem  Tiro  dik- 
tiert, vgl.  ad  Att.  XIII  25,3;  ad  Qu.  fr.  III  1,19. 

,0)  Cic.  ad  Att.  IV  16, 1 ;  ad  Qu.  fr.  II  15, 1  ; 
III 13, 1.  Plin.  VII 91.  Der  librarius  ist  zugleich 
der  Bücherschreiber,  vgl.  Marqüakdt  151  A.  1 
u.  7;  über  librarii  als  Beruf  ebd.  825  f. 

n)  Oft  auf  Inschr.,  z.  B.  CIL  VI  8596  ff. ;  X 
6638,  C  2, 24 ;  XI 1434 ;  3886 ;  es  kommen  auch 
besondere  Unterschiede  nach  der  Sprache  vor, 
ab  epistulis  Graecis  VI  8606  ff.,  ab  epistulis  La- 
tinis  8609  ff.;  XI 1434  (die  Inschr.  Or.  2437  [CIL 
VI  964*]  ist  falsch).  Ueber  die  kaiserlichen  ah 
epistidis  s.  Hirschfeld  Kaiserl.  Verwaltungs- 
beamte II  321  ff. 

")  CIL  VI  8441;  XIV  4011. 


Siebenter  Abschnitt.   Der  Verkehr. 


473 


eih  i  manu,  amanuensis1),   obschon  damit  überhaupt  ein  als  Sekretär  funkt i<>- 
k  lierender  Sklave  bezeichnet  wird.    Die  Beförderung  der  Briefe 2)  war,  da  es 
eine  öffentliche  Briefpost  gab  3),  Sache  des  Briefschreibers.    Leute,  die  über 
>ine  größere  Sklavenzahl  verfügten,  hatten  darunter  auch  einen  oder  mehren 


Fig.  74.   Pompejanisehe  Wandmalereien  mit  Schreibgeräten  u.  a. 


Brief  boten,  tabellarii  genannt4);  auch  die  cursores,  die  in  jeder  größeren 
Sklavenfamilie  waren,  wurden  dazu  benutzt6);  diese  Boten  pflegten  dann 
auch,  wenn  irgend  möglich,  die  Antwort  des  Briefempfängers  mitzunehmen6). 
Doch  waren  auch  diese  nicht  immer  disponibel;  es  war  daher  ganz  gewöhnlich, 


*)  Suet.Caes.74;Ner.44;Tit.3.  Paul,  seilt. 
III  6, 70.  CIL  VI  9523  f. ;  vgl.  Dessau  7392  ff. 
Ueber  die  kaiserlichen  Sekretäre  s.  Fkiedlän- 
der  196  ff.;  160  ff. 

2)  Vgl.  hierüber  Stephan  a.  a.  0.  67  ff. 

3)  Etwas  anderes  war  es  mit  amtlichen 
Briefen.  Zwar  zur  Zeit  der  Republik  wurden 
auch  diese  durch  tabellarii  an  Ort  und  Stelle 
gebracht,  Liv.  XLV  1,9.  Cic.  ad  fam.  XII 12. 1 ; 
seit  aber  August  den  cursus  publicus  einge- 
richtet hatte,  waren  auch  für  die  Beförderung 
der  litterae  publicae  Vorkehrungen  getroffen, 
indem  zuerst  junge  Burschen  die  Briefe  auf  den 
Militärstraßen  von  einer  Station  zur  andern 
trugen  und  sie  dort  dem  nächsten  übergaben, 
dann  aber  die  staatlichen  Postwagen  die  Be- 
förderung der  Briefe  wie  der  Personen  über- 
nahmen, Suet.  Aug.  49. 

4)  Cic.  Phil.  II  31.77;  ad  Att.  V.  18,4;  VI 
1,24;  ad  fam.  II  7,3;  X31, 1  u.s.  Plin.  ep.  III 
17,  2.  Symmach.  ep.  VI  54  f.   Auson.  ep.  19; 


ebd.  21  u.  ö.  Auch  auf  Inschr.  häufig,  s.  CIL  VI 
12623  ff. ;  12908  ff. ;  XII 4512.  Cicero  bezeichnet 
seine  Briefboten  öfters  als  pneri.  ad  Att.  II 
1, 1;  11, 1;  III  7, 1  u.  s. ;  auch  die  Bezeichnung 
Schnelläufer.rv/cr/y^Ä'.gebraucht  er,  ebd.  IX  7, 1 . 

5)  Siehe  oben  S.  466.  Auf  dem  Grab- 
stein eines  cursor  ist  der  Verstorbene  abge- 
bildet in  der  Tunika,  in  der  rechten  Hand  eine 
Rolle,  in  der  linken  einen  Beutel  haltend,  CIL 
VI  9317;  de  Rossi  Bull.  arch.  crist.  1873, 136. 
Von  einem  Cursor  heißt  es,  daß  er  am  Tage 
94  Millien  machte,  CIL  III  2007;  die  Durch  - 
Schnittsleistung  scheint  nach  Fronto  ad  M.Caes. 
II  1  p.  26  (Nab.)  60  Millien  gewesen  zu  sein 
(88,71  km).  Beamte  benutzten  oft  ihre  Diener 
\viatore8,  statores,  geruli)  zur  Besorgung  von 
Briefen,Cic.adfamJI17,l;19,2.Sid.Ap.ep.IX 
4, 1 ;  8. 1  u.  s.  Im  Spätlat.  heißen  die  Brief  boten 
auch  baiitli.  Svmm.  ep.  III 34.  Sid.  Ap.  ep.  I V  7 . 1 

6)  Fronto  ad  M.  Caes.  I  2  p.  6  u.  8  (Nah): 
ebd.  8  p.  24. 


474 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 


daß  man  Briefe  an  tabellarii  von  Bekannten,  wenn  diese  denselben  Weg 
zu  machen  hatten,  mitgab1);  und  da  oft  viele  eine  solche  Gelegenheit  be- 
nutzten, so  wurden  dann  die  Briefe  alle  eingesammelt  und  dem  Boten  als 
Brief bündel  mitgegeben2).  Doch  scheint  es  auch  gewerbsmäßige  tabellarii 
in  Rom  gegeben  zu  haben3),  die  ihre  bestimmten  Standplätze  hatten,  an 
denen  man  sie  aufsuchte4).  Aber  auch  außerdem  fehlte  es  nicht  an  Gelegen- 
heiten, Briefe  aufzugeben:  Kaufleute  oder  Schiffer  nahmen  solche  mit6), 
oder  gute  Freunde,  die  fortreisten,  Beamte,  die  in  die  Provinz  gingen, 
empfingen  sie  zur  Beförderung6).  Wenn  aber  gerade  solche  Gelegenheiten 
fehlten  und  tabellarii  nicht  zur  Hand  waren,  dann  mußten  die  Briefe  oft 
liegen  bleiben,  bis  sich  eine  bot7).  Es  liegt  auf  der  Hand,  wie  ungewiß  und 
unsicher  diese  ganze  Art  der  Briefbeförderung  war,  und  man  begreift,  daß 
Klagen  darüber  und  über  Verlorengehen  von  Briefen  nicht  selten  sind 8). 


Achter   Abschnitt. 


Ärzte,  Tod,  Bestattung  und  Grabmäler. 


Litteratur. 

Ueber  römische  Aerzte: 
Becker-Göll  II  139  ff. 
Marquardt-Mau  771«ff. 
Friedländer  I  298  ff. 

Sal.  Reinach  Artikel  Medicus  bei  Daremberg-Saglio  III  1669  ff.  (hier  p.  1699  eine  sehr  reich- 
haltige Litteraturangabe,  besonders  von  französischen  Schriften)9). 

Ueber  Bestattung  und   Grabmäler: 
Becker-Göll  III  481  ff. 
Marquardt-Mau  340  ff. 
Pauly  Artikel  Funus,  bei  Pauly  III  543  ff. 

Ed.  Cuq  Artikel  Funus  bei  Daremberg-Saglio  II  1386  ff.  (mit  anderweitiger  Litteratur  p.  1409). 
Mau  Artikel  Bestattung  bei  Pauly- Wissowa  III  345  ff. 
E.  Cahen  Artikel  Sepulcrum  bei  Daremberg-Saglio  IV  1209  ff. 

Arzte  von  Beruf  hat  es  in  Rom  jahrhundertelang  gar  nicht  gegeben 10), 
doch  waren  sicherlich  schon  in  frühester  Zeit  gewisse  durch  Tradition  und 


»)  Cic.  ad  Att.  II  9, 1 ;  V  19, 1 ;  ad  fam.  III 
7, 1 ;  VI  20, 1  u.  ö.  Wie  aus  zahlreichen  Stellen 
Ciceros  hervorgeht,  schickte  oft  jemand,  der 
einen  Brief  boten  absandte,  zu  seinen  Freunden 
u.liefi  fragen, ob  sie  etwas  mitzuschicken  hätten. 

2)  Cic.  ad  Qu.  fr.  II 10  (12), 4;  ad  Att.  VIII 
5,2;  XI  9, 2;  XIII  8. 

3)  Das  hat  Mommsen  Hermes  I  (1866)  343 
geleugnet,  O. Hirschfeld  Kaiserl.  Verwaltungs- 
beamte 1 107  A.  5  angenommen,  unter  Berufung 
auf  Petron.  79,6.  Plin.  ep.  II  12,6;  III  17.2; 
VIII  3,2;  doch  lassen  diese  Stellen  auch  eine 
andere  Erklärung  zu. 

4)  CIL  VI  9918 :  tabellarius  a  ripa;  9921 : 
a  porta  Fontinali;  vgl.  9051  ff.;  9915  ff.;  X  1961. 
In  der  alten  Regionenbeschreibung  kommen 
auch  die  castra  tabellariorum  vor,  vgl.  Richter 
Topogr.  376  u.  389. 

5)  Plaut,  m.  gl.  131.  Cic.  ad  Qu.  fr.  II  6, 1. 

6)  Derartige  Gelegenheiten  werden  bei  Ci- 


cero unzählige  Male  erwähnt,  vgl.  z.  B.  ad  fam. 
II  1, 1 ;  6, 1 ;  ad  Qu.  fr.  III  8, 1 ;  ad  Brut.  I  9.  3; 
ad  Att.  I  9, 1 ;  auch  anderweitig.  Sen.  ep.  3, 6. 
Symm.  ep.  III  32.  Sid.  Ap.  ep.  I  10, 1. 

7)  Cic.  ad  Att.  15, 3;  ad  Qu.  fr.  IUI,  2  lu.ö. 

8)  Cic.  adfam.  X31,l;  XII 15, 2;  ad  Att. 
I  13, 2 ;  IV  15, 3.  Symm.  ep.  II 48, 1  u.  s.  m. 

9)  Verglichen  können  auch  werden  die  be- 
treffenden Abschnitte  in  den  die  Geschichte  der 
Medizin  behandelnden  Büchern  von  Sprengel 
(4.  Aufl.  von  Rosenbaum,  Leipzig  1846),  Isen- 
see  (Berlin  1840  ff.),  Daremberg  (Paris  1851 ), 
Häser  (3.  Aufl.  Jena  1875),  Wunderlich  (Stutt- 
gart 1859),  Leupoldt  (Berlin  1863),  Pinto  (Rom 
1880),  Guardia  (Paris  1884),  Puschmann,  Neu- 
burger und  Pagel  (Jena  1901  ff).  Dazu  die 
Habilitationsschrift  von  Th.  Meyer  Gesch.  des 
röm.  Aerztestandes,  Jena  1907. 

10)  Nach  Cassius  Hemina  bei  Plin.  XXIX  12 
kam  der  erste  griechische  Arzt,  Archagathus, 


Achter  Abschnitt.    Ärzte,  Tod,  Bestattung  und  Grabmäler. 


17! 


Empirie  bekannte  Heilmittel  und  Methoden  verbreitet1),  und  wenn  auch  die 
Behandlung  innerer  Krankheiten  noch  auf  einer  sehr  niedrigen  Stufe  war 
und  man  namentlich  den  häufigen  Epidemien  ratlos  gegenüberstand,  so  mochte 
doch  bei  den  zahlreichen  Kriegen  die  Wundbehandlung  Fortschritte  gemacht 
haben,  und  es  ist  kaum  zu  bezweifeln,  daß  sich  schon  in  früher  Zeit  Wund- 
ärzte bei  den  Heeren  befunden  haben2).  Sonst  waren  es  vornehmlich  die 
Priester,  die  im  Besitz  gewisser  medizinischer  Kenntnisse  waren  und  davon 
Gebrauch  machten.  Denn  schon  früh  wurde,  allerdings  unter  griechischem 
Einfluß,  Apoll  als  Heilgott  {Apollo  medicus)  verehrt  und  ihm  als  solchem  im 
Jahre  433  v.  Chr.  ein  Tempel  gelobt  und  431  eingeweiht3).  Ganz  aber  nach 
griechischem  Muster  eingerichtet  wurde  der  293  v.  Chr.  anläßlich  einer 
schweren  Seuche  eingeführte  Dienst  des  Äskulap;  in  seinem  auf  der  Tiber- 
insel belegenen  Tempel  fanden,  wie  in  griechischen  Asklepieen,  Kranke  Auf- 
nahme und  Pflege4)  oder  suchten  Heilungsvorschriften  im  Tempelschlaf6). 
Außerdem  aber  vererbte  sich  ein  gewisser  Schatz  medizinischer  Hausmittel, 
bei  denen  freilich  der  Aberglaube  und  die  Sympathie  eine  große  Rolle  spielten, 
in  den  Familien  von  einem  Hausvater  auf  den  andern6),  und  der  römische 
pater  familias  pflegte  seine  Kinder  wie  seine  Sklaven  ohne  Arzt  zu  kurieren7). 
Eigentliche  ärztliche  Kunst  und  Wissenschaft  wurden  in  Rom  aber  erst 
heimisch,  als  griechische  Arzte  sich  dort  niederließen.  Als  der  erste,  der 
dies  tat,  wird  der  Peloponnesier  Archagathos  genannt,  als  Zeitpunkt  das 
Jahr  219  v.  Chr.8).  Dieser  gelangte  bald,  zumal  durch  seine  chirurgischen 
Kenntnisse,  zu  hohem  Ansehen,  sodaß  der  Senat  ihm  das  römische  Bürgerrecht 


i.  J.  535  d.  8t.  (219  v.  Chr.)  nach  Rom.  Daß  es 
sich  dabei  nur  um  das  erste  Auftreten  der  grie- 
chischen, schulmäßigen  Heilkunde  handelt,  ist 
selbstverständlich.  BKiAuRev.arch.3Ser.,  1885, 
V  385  ff. ;  VI  192  ff.  nimmt  die  Kenntnis  der  Heil- 
kunde und  deren  Einführung  in  Latium  schon 
für  sehr  frühe  Zeit  an,  indem  er  medicus  mit 
dem  oskischen  meddix  tuticus  (das  einen  hohen 
Magistrat  bedeutet)  in  Beziehung  bringt:  aber 
diese  Etymologie  ist  unrichtig,  obschon  sie  Rei- 
nach a.  a.  0.  angenommen  hat;  vgl.  Brugmann 
Grundr.  d.  vergl.  Gramm,  d.  indogerm.  Sprachen 
II  461.  Breal  Biet,  etymol.  latin  197.  Eher 
dürfte  Briau  mit  seiner  weitern  Annahme,  daß 
die  medizinischen  Kenntnisse  dem  altern  Rom 
vornehmlich  durch  Etrusker  und  deren  Priester 
zukamen,  recht  haben.  Aber  auf  die  Angaben 
späterer  Autoren  über  die  Existenz  von  Aerzten 
in  der  Frühzeit  (Dion.  Hai.  1 78, 1  läßt  sogar  den 
Amulius  Aerzte  zur  Rhea  Silvia  schicken,  um 
ihren  Zustand  zu  untersuchen!)  oder  in  den  fol- 
genden Jahrhunderten  (soVal.Max.  114,5.  Dion. 
Hai.  X  53, 1)  ist  kaum  das  Gewicht  zu  legen, 
das  Briau  ihnen  zuschreibt;  vgl.  die  richtigen 
Bemerkungen  von  Th.  Meyer  a.  a.  0.  9  A.  5. 

')  Sen.  ep.  95,15:  medicina  quondam  pau- 
carum  fuit  scientia  herbarum,  guibus  sisteretur 
fluens sanguis,  volnera  coirent.  Plin.  a.a.O.  11 
sagt:  ceu  vero  non  milia  gentium  sine  mtdicis 
degant,  neetamen  sine  medicina,  sinttl  poptdus 
Romanus  ultra  sexcentesimum  annum,  neque 


ipse  in  aeeipiendi*  artibus  lentuB,  medicinae 
vero  etiam  avidus,  dotier  expertam  damnavit. 

*)  Darüber  haben  sich  allerdings  keine 
Nachrichten  erhalten ;  vgl.  Briau  a.  a.  0.  VI  202. 

3)  Liv.  IV  25, 3 ;  29, 7 ;  vgl.  Wissowa  Rel. 
u.  Kult.  d.  Rom.  240. 

4)  Allerdings  erst  aus  der  Kaiserzeit  be- 
zeugt, Suet.  Claud.  25,  vgl.  Dio  Cass.  LX  29, 7, 
doch  sicherlich  von  vornherein  üblich. 

6)  Vgl.  die  Inschr.  CIL  VI  1—20;  über  den 
römischen  Aeskulapdienst  überhaupt  Wissowa 
a.  a.  0.  253  f.  Welcher  Kl.  Sehr.  III  1 12  ff. 

6)  Darauf  gehen  jedenfalls  zahlreiche  der- 
artiger, bei  Plinius  angeführter  Rezepte  zurück, 
die  besonders  viel  Gebrauch  von  ekelhaften  und 
widerwärtigen  Ingredienzien  machen.  Bespre- 
chen von  Krankheiten,  Beschwörungsformeln 
u.  dgl.  war  seit  den  Urzeiten  üblich  und  erhielt 
sich  auch  später  noch.  Vgl.  Plin.  a.  a.  0. 

7)  So  hatte  der  alte  Cato  Censorius  einen 
commentariiis  <jti<>  medeatur  fi/io,  Bertis,  fami- 
Uaribus  (Plin.  ebd.  15).  offenbar  ein  altes,  aus 
Hausmitteln  zusammengestelltes  Rezeptbuch. 
Welcher  Art  diese  waren,  zeigen  die  Beispiele 
in  seiner  Schrift  de  re  rust.  156, 2  ff. ;  160  u.  s., 
auch  die  Rezepte  für  das  Vieh  ebd.  70  f.  Etwas 
anderes  war  es,  wenn  in  der  Kaiserzeit  der  ge- 
bildete Laie  anfing,  sich  für  Medizin  zu  inter- 
essieren und  medizinische  Bücher  zu  lesen,  vgl. 
Gell.  XVIII 10.  Plut.detuendasan.24p.  135  B. 

8)  Siehe  oben  S.  474  A.  10. 


476 


Zweite  Abteilung.   Das  Leben. 


verlieh  und  ihm  eine  Offizin  auf  Staatskosten  kaufte;  allein  seine  etwas 
gewaltsame  Methode,  durch  Schneiden  und  Brennen  Eingriffe  zu  machen, 
ließ  das  Urteil  bald  umschlagen,  sodaß  er  carnifex  tituliert  wurde1).  Dies 
Vorurteil,  das  vielleicht  nicht  unbegründet  war,  wandte  sich  auch  gegen  die 
andern  griechischen  Ärzte,  die  von  da  ab  immer  mehr  Rom  zum  Schauplatz 
ihrer  gewinnverheißenden  Tätigkeit  erkoren;  der  alte  Cato  warnte  seinen 
Sohn  vor  diesen  Quacksalbern  und  Charlatanen,  die  sich  verschworen  hätten, 
alle  Barbaren  durch  ihre  Medizinen  zu  töten,  und  die  sich  noch  dazu  dafür 
bezahlen  ließen2),  und  Plautus  schildert  uns  einen  solchen  Arzt  in  einem 
nichts  weniger  als  günstigen  Lichte3).  Auch  in  der  Folgezeit  blieben  es 
wesentlich  Griechen  und  Orientalen,  besonders  Ägypter4),  die  die  Heilkunst 
in  Rom  ausübten  und  viel  Patienten  fanden5),  da  nicht  wenige  sich  gerade 
durch  Ausländer  imponieren  ließen6),  obschon  an  dem  Gewerbe  nach  alt- 
römischer Anschauung  der  Makel  des  Gelderwerbes  haftete7).  In  der  Tat 
waren  die  Einnahmen  der  Arzte  von  Ruf  mitunter  überaus  glänzende8),  da  oft 
für  einzelne  Kuren  horrende  Summen  gezahlt  wurden9);  auch  trug  zur  Hebung 
des  Standes  bei,  daß  Caesar  den  fremden  Ärzten  in  Rom  das  Bürgerrecht 
verlieh10),  wozu  dann  später  noch  allerlei  andere  Privilegien,  Befreiung  von 
Abgaben,  von  Verpflichtung  zum  Kriegsdienst  u.  dgl.  kamen11).  Das  führte 
denn  auch  dazu,  daß  mit  der  Zeit  auch  Römer,  die  sich  anfänglich  von 
dem  etwas  gering  geachteten  Berufe   ferngehalten  hatten12),   sich   diesem 


')  Plin.  a.  a.  0.  12  f.  Die  Vermutung  von 
Wellmann  bei  P.-W.  II 433,  daß  vielleicht  nur 
der  Name  („guter  Anfang")  zu  der  Tradition, 
daß  er  der  erste  (griechische)  Arzt  in  Rom  ge- 
wesen sei,  Anlaß  gegeben  habe,  geht  wohl  zu 
weit. 

2)  Plin.  ebd.  14 :  iurarunt  inter  se  barbaros 
necare  omnes  medicina,  sed  hoc  ipsum  mercede 
faciunt,  ut  fides  iis  sit  et  facile  disperdant;  vgl. 
Plut.  Cat.  mai.  23. 

3)  Plaut.  Men.  882  ff.  Man  vgl.  auch  den 
Ausspruch,  den  Ath.  XV  666 A  zitiert:  sl  /urj 
largoi  fjoav,  ovösv  av  rjv  zcöv  ygafifj-auxcöv  fi<o- 
qötsqov. 

*)  Aegyptische  Aerzte  wurden  gelegentlich 
zur  Behandlung  von  Krankheiten  berufen. dieim 
Orient  heimisch  waren,  Plin.  XXVI  3  f.;  XXIX 
93.  Galen.  XI 142.  Bei  Luc.  Tragodop.  265  kom- 
men syrische  A  erzte  aus  Damaskos  zur  Heilung 
des  Podagra.  Vgl.  Friedländer  a.  a.  0.  299. 

5)  So  besonders  im  ersten  Jahrh.  v.  Chr. 
AsklepiadesausBithynien,  der  durch  eine  selt- 
same Verbindung  von  zweckmäßiger  Therapie 
und  Charlatanerie  (Plin.  XXVI  12  f.)  sich  einen 
Weltruf  und  großes  Vermögen  erwarb,  s.Fried- 
länder  321. 

6)  Plin.  XXIX  17  sagt  bezeichnend:  immo 
vero  auctoritas  (nämlich  der  römischen  Aerzte) 
aliter  quam  Graece  eam  (artem)  tractantibus 
etiam  apud  inperitos  expertesque  linguae  non 
est,  ac  minus  credunt  quae  ad  salutem  suam 
pertinent,  si  intellegant. 

7)  Ebd.  16:  non  rem  antiqui  damnabant, 
sed  artem,  maxime  vero  quaestum  esse  mani- 


pretio  vitae  recusabant. 

8)  So  verdiente  Q.  Stertinius  jährlich 
600  000  Sesterzen  (130  512  Mark),  nach  Plin. 
ebd.  7 ;  der  Chirurg  Alkon  hatte  sich  ein  Ver- 
mögen von  10  Millionen  (2175  000  Mark)  er- 
worben, und  als  ihm  dies  durch  Claudius  kon- 
fisziert wurde,  gewann  er  es  in  wenig  Jahren 
aufs  neue,  ebd.  22.  Daher  sagte  Plin.  a.  a.  O.  2 
mit  Recht,  daß  fructuosior  nulla  (ars)  sei.  Denn 
als  ars,  nicht  als  scientia,  betrachteten  die  Rö- 
mer die  Heilkunde. 

s)  So  für  Behandlung  eines  Ausschlags 
200000  Sesterzen  (43500  Mark),  Plin.  XXVI 4; 
dieselbe  Summe  zahlte  ein  reicher  Provinziale 
dem  Charmis,  ebd.  XXIX  22.  Andere  Beispiele 
ärztlicher  Honorare  s.  Friedländer  304  ff. 

10)  Suet.  Caes.  42;  bei  der  Suet.  Aug.  42  er- 
wähnten Ausweisung  der  peregrini  blieben  die 
Aerzte  und  Lehrer  ausgenommen.  Augustus 
gewährte  auch  den  Aerzten  Steuerfreiheit.  Dio 
Cass.  LIII  30, 3.  Ob  die  Bestimmung  Caesars 
auch  für  die  ganze  Kaiserzeit  galt,  ist  ungewiß ; 
Th.  Meyer  21  f.  leugnet  es,  führt  aber  mit  Un- 
recht Plin.  ep.  ad  Trai.  5  (4),  1  u.  f.  an.  da  es  sich 
hier  um  die  Erteilung  des  Bürgerrechts  an  einen 
nicht  in  Rom  praktizierenden  iatraliptes  han- 
delt. 

")  Vgl.  Th.  Meyer  36  ff. 

12)  Cic.  de  off.  I  42, 151  nennt  architectura 
und  medicina  zwar  honestae  artes,  aber  eben 
nur  iis,  quorum  ordini  conveniunt ;  bei  Varr.  r.  r. 
1 16,4  werden  die  medici  mit  den  fullones  und 
fahrt  zusammengestellt.  Aber  Sen.  de  benef. 
VI  15, 1  sagt  von  Aerzten  und  Lehrern :  omnium 


Achter  Abschnitt.    Ärzte,  Tod,  Bestattung  und  Grabmäler. 


177 


«a  uwandten1).  Aber  auch  später  noch  blieb  es  eine  sehr  verbreitete  Einrichtung, 
aß  reiche  Leute,  die  über  eine  große  Sklavenzahl  verfügten,  unter  dieser  auch 
dnen  Arzt  hatten2),  der  bei  einem  Berufsarzt  die  Heilkunst  erlernt  hatte3),  und 
lamentlich  am  kaiserlichen  Hofe  waren  solche  servi  medici*),  die  auch  sonst 
mf  Inschriften  uns  sehr  häufig  begegnen,  zahlreich  vertreten6);  ebenso  weib- 
iche  (medicae),  die  wohl  bei  Entbindungen  und  Frauenleiden  Hilfe  leisteten6), 
n  großen  Sklavenfamilien  gab  es  solcher  Arzte  sogar  mehrere,  die  unter 
inem  Oberarzt  standen 7),  und  es  gab  auch  eigene  Krankenhäuser  für  die 
Sklaven  (valetudinaria),  zumal  auf  dem  Lande8)  und  am  Kaiserhofe1').  Auch  die 
Mehrzahl  der  Privatpraxis  ausübenden  Arzte10)  waren  ehemalige  Sklaven,  die 
sich  die  Freiheit  erkauft  oder  sie  von  ihrem  Herrn  geschenkt  erhalten  hatten1 1), 
fielfach  allerdings  mit  der  Verpflichtung,  diesen  fortan  umsonst  zu  behandeln 1 2). 
Vuch  diese  waren  der  Mehrzahl  nach  Griechen;  es  gab  unter  diesen  griechischen 
irzten  sehr  tüchtige,  selbst  Männer  von  hervorragender  wissenschaftlicher 
Bedeutung,  wie  vor  allen  Galen13),  aber  die  Mehrzahl  war  wohl  von  jener  Art, 
lie  Iuvenal  zusammen  mit  Grammatikern,  Rhetoren,  Wahrsagern,  Seiltänzern 
isw.  als  „hungernde  Griechlein"  verspottet14).  Denn  da  der  Beruf  einträglich 
var  und  auch  sonst  mancherlei  Vorteile  mit  sich  brachte15),  andrerseits  aber 
ler  Staat  vom  Arzte  so  wenig  wie  vom  Lehrer  oder  Advokaten  die  Ablegung 
jiner  Prüfung  verlangte16),  sodaß  jeder  beliebige  sich  als  Arzt  auftun  konnte, 


wrutn  apud  nos  magna  Caritas,  magna  reve- 
entia  est,  und  ebd.  16, 1:  ex  medico  ac  prae- 
•eptore  in  amicumtranseunt.  Die  ältere  Litte- 
■atur  über  die  Frage,  ob  der  ärztliche  Stand  in 
Rom  ein  anständiger  gewesen  sei,  führt  Mar- 
quardt 771  A.  5  an. 

J)  Beispiele  bei  Plin.  a.  a.  0. 7  f.  Galen.  XIII 
1027:  vgl.  Marquardt  773  f.  Friedländer  299  f. 
Bezeichnend  ist  die  Schulaufgabe  bei  Quint.  VII 
,38.  wo  die  Frage  gestellt  wird,  ob  der  Redner, 
der  Philosoph  oder  der  Arzt  dem  Staat  am  nütz- 
liehst  GH  SGI 

»)  Varr.  r.  r.  I  16,4.  Sen.  de  benef.  III  24. 
Suet.Nero2.  Wahrscheinlich  gab  essolche  servi 
media'  schon  vor  dem  Auftreten  griechischer 
Aerzte  in  Rom. 

3)  Wenn  kein  solcher  da  war,  so  ließ  der 
Herr  auch  auf  seine  Kosten  einen  Sklaven  in  der 
Heilkunde  ausbilden,  Digg.  XXXVIII  1,  25,  2. 

*)  Apul.  met.  IX  2;  apol.  33.  Digg.  XL  5, 
41, 6.  Daß  solche  Sklaven  auch  anderweitig  zur 
Ausübung  ihrer  Kunst  vermietet  wurden,  zeigt 
Digg.  a.  a.  0. 

5)  Siehe  die  Beispiele  bei  Marquardt  156 
A.9,dazuII470;1483:2237;3118;3666:5390; 
vgl.  431 3 :  artis  medicae  doctissimus;Ylll  12921 
bis  23;  vgl.  Dessau  7786  ff. 

6)CILII497;VI8711;8926:9614ff.  Dessau 
7803  ff.  Vermutlich  gehörte  hierher  auch  die 
iatromea,  CIL  VI  9477  f.,  die  als  largdfiatä  eine 
ärztlich  geschulte  Hebamme  sein  mochte. 

7)  Ein  solcher,  meist  ein  Freigelassener, 
hieß  snpra  medicos,  CIL  VI  3982;  ein  super- 
positus  medicorum  ebd.  8504. 

8)  Colum.  XI 1, 18;  XII  3,  7  f.  Varr.  r.  r.  I 
16,4  empfiehlt,  auf  dem  Lande  lieber  anniver- 


sarii  vicini  als  Aerzte  zu  nehmen,  anstatt  sich 
solche  auf  der  Villa  selbst  zu  halten,  da  das  ein 
teurer  Besitz  sei.  Sklaven  ad  valetud.  CIL  VI 
9084  f. ;  a  valetud.  X  6637 ;  II  9. 

9)  Siehe  Marquardt  a.a.O.  Sogar  Spezial- 
ärzte  (s.  unten)  befanden  sich  unter  denen  der 
kaiserlichen  Familie,  so  Chirurgen, CIL  VI  3986; 
4356;  Augenärzte,  ebd.  3987;  8909  f.;  Ohren- 
ärzte 8908. 

10)  Auch  solchesind  auf  Inschriften,  nanu  nt 
lieh  Grabsteinen,  häufig  zu  finden,  vgl.  CIL  XI 
3943;  3946;  4423;  4847;  6137;  6536;  XII  725; 
3341  f.;  4485  ff.;  XIII  640;  1994;  2674;  3475; 
8349;  XIV  468;  471;  2652;  3710.  Eph.  epigr. 
IX  n.  386;  486;  548;  ebd.  p.  363  n.  16. 

1 ')  So  der  Arzt  des  jüngeren  Cato,  Plut.  Cato 
min.  70,  ferner  Antonius  Musa.  der  Leibarzt  des 
Augustus.  Dio  Cass.  LIII 30.  auch  zahlreiche  li- 
berti  medici  auf  Inschr.,  s.  Marquardt  772  A.  6. 
Mitunter  kehrten  solche  Freigelassene,  zumal 
frühere  Aerzte  am  kaiserlichen  Hofe,  später  in 
die  Heimat  zurück,  wo  Inschriften  von  ihnen 
Kundegeben. so  in  SidymainLvkien.BENXDORF 
u.  Niemann  Reisen  in  Lykien  1 63;  in  Magnesia 
am  Mäander,  Kern  Inschr.  von  Magnesia  101 
n.  113. 

»)  Digg.  XXXVIII  1.27. 

I3)  Siehe  außer  den  oben  angeführten  Ge- 
schichten der  Medizin  Köstlin  bei  Pauly  IV 
1699  ff.  Friedländer  320  f. 

«*)  luv.  3, 75  ff. 

15)  Bürgerrecht  und  Steuerfreiheit,  wie  oben 
erwähnt. 

■6)  Auch  die  Verantwortlichkeit  für  falsche 
Behandlung  beschränkte  sich  im  wesentlichen 
auf  fahrlässige  Tötung  bei  Operationen,  auf 


478 


Zweite  Abteilung.   Das  Leben. 


so  drängten  sich  allerlei  Ungebildete,  Schuster,  Zimmerleute,  Färber,  Schmiede 
u.  dgl.  hinzu1).  Medizinische  Hochschulen,  an  denen  die  angehenden  Ärzte 
sich  ihre  Kenntnisse  hätten  erwerben  können,  gab  es  nicht:  sie  lernten  die 
wichtigsten  Diagnosen,  therapeutischen  Verfahrungsweisen  usf.  empirisch, 
indem  sie  erfahrenen  Ärzten,  denen  sie  ein  Lehrgeld  zahlten,  bei  ihren 
Krankenbesuchen  sich  anschlössen2).  Diese  Lehrlinge  hatten  auch  ihren 
Meister  zu  unterstützen,  indem  sie  bei  der  Bereitung  der  Arzneien  halfen, 
Umschläge  machten,  zur  Ader  ließen,  schröpften  oder  Kly stiere  gaben3); 
eigene  Praxis  konnte  ihnen  aber  der  Patron,  wenn  er  ihre  Konkurrenz 
scheute,  untersagen4). 

Freilich  war  schon  im  römischen  Altertum  das  Wesen  der  Spezialärzte 
sehr  üblich,  da  es  nur  ganz  wenige  gab,  die  über  ein  allgemeineres  Wissen 
verfügten5).  Abgesehen  von  den  als  clinici  (d.h.  Ärzte,  die  die  Kranken  in 
ihrer  Behausung,  im  Krankenbett,  aufsuchten)  bezeichneten  Ärzten  für  innere 
Krankheiten6)  gab  es  Spezialisten  für  Frauenkrankheiten7),  für  Ohrenleiden8), 
für  Fisteln9),  Zahnärzte10),  besonders  aber  Augenärzte,  medici  ocularii11);  von 
den  steinernen  Stempeln,  die  sie  zu  ihren  in  Form  viereckiger  Stäbchen  ge- 
preßten Salben  oder  Kollyrien  benutzten,  haben  sich  sehr  zahlreiche  Stücke 
erhalten,  die  in  den  meisten  Provinzen  des  römischen  Reichs  gefunden  worden 
sind  und  den  Namen  des  Arztes,  die  Bestimmung  und  Zusammensetzung  .des 


Grund  der  Lex  Aquilia,  Digg.  IX  2,  7,  8.  Vgl. 
Plin.  a.  a.  0. 18 :  nulla  praeterea  lex,  quaepuniat 
inscitiam  capitalem,  nulluni  exemplum  vindi- 
ctae.  discuntpericulis  nostris  et  experimentaper 
mortes  ctgunt,  medicoque  tantum  kontinent  occi- 
disse  inpunitas summa  est.  In  der  spätem  Kaiser- 
zeit wurde  das  anders :  als  die  Gemeinden  eigene 
Aerzte  anstellten  und  besoldeten  (s.  unten),  da 
fand  eine  Auswahl  und  Prüfung  der  Anzustel- 
lenden durch  die  Obrigkeit  statt,  vgl.  Digg. 
XXVII  1,6,6;  L  4,11,3;  ebd.  9, 1.  Th.  Meyer 
a.  a.  0.  29  f.  Aber  für  die  übrigen  Aerzte.  also 
weitaus  die  Mehrzahl,  gab  es  weder  Prüfung 
noch  Approbation. 

*)  Galen.  X  5.  Thessalos,  der  ursprünglich 
der  Lehrling  seines  Vaters,  eines  Webers,  ge- 
wesen war,  hatte  unter  Nero  als  Arzt  ungeheure 
Erfolge;  er  gab  an,  ein  halbes  Jahr  genüge  zur 
Erwerbung  der  nötigen  medizinischen  Kennt- 
nisse, ebd.  Doch  auch  umgekehrt  kam  es  vor, 
daß  ein  Arzt,  wenn  er  als  solcher  keinen  Erfolg 
hatte,  einen  andern  Beruf  ergriff;  so  wird  bei 
Mart.  147  ein  ehemaliger  Arzt  Totengräber  (vgl. 
I  30),  ebd.  VIII  87  Fechtmeister.  Daher  sagt 
Plin.  XXIX  17:  in  hac  artium  sola  evenit,  ut 
cuicumquemedicum  se  professo  statint  credatur. 

2)  Digg.  XXXVIII  1,26  pr.  Die  Zahl  dieser 
begleitenden  Schüler  war  oft  sehr  beträchtlich, 
und  wenn  auch  die  1 00  discipuli  desSymmachus 
bei  Mart.  V  9  humoristische  Uebertreibung  sind, 
so  spricht  doch  Philostr.  V.  Apoll.  VIII 7  p.  322K. 
von  über  30.  Wie  lästig  diese  Besuche  dem 
Kranken  wurden,  zeigt  Mart.  a.  a.  0.  Doch  taten 
sich  manche  auch  weiter  um,  wo  sie  sich  Kennt- 
nisse erwerben  könnten ;  so  heißt  es  CIL  XI 5836 


von  einem,  er  sei  ein  medicus  fora  multa  secutus. 

Kmmedicusmagister'Not.d.  scavi  1900, 574  n. 4. 

s)  Galen.  XVIIB,  229.  luv.  13. 125. 

4)  Digg.  a.a.O.  26. 

5)  Vgl.  Philostr.  gymn.  15  (28)  p.269K.: 
laxQixrjV  jiäoav  ov8[slg  yivdioxei,  d/A'  6  fisv  tstqio\- 

(ISVCOV    oiösv,    6    ÖS    ^VVlEVai    JlVQEXtÖVTCOV,    6    OE 

o^&a^^ucovxwv^  6e  <pßiaiy.<övvyiä>gäjixExai  (nach 
der  Ergänzung  von  Jüthner  SB  d.  Wien.  Akad. 
CXLV  (1902)  29).  So  werden  bei  Mart.  X  56  be- 
sondere Aerzte  genannt  für  kranke  Zähne,  Au- 
gen.Hals, für  Brandmale  und  Darmbrüche;  Digg. 
L  13, 1,  3  nennt  Aerzte,  qui  alicuius  partis  cor- 
poris  vel  certi  doloris  sanitatem  pollicentur. 

6)  Plin.  XXIX  4  bezeichnet  Hippokrates  als 
denjenigen,  der  die  medicina,  quae  clinice  vo- 
catur,  einführte.  Clinici  als  Aerzte  Mart.  I  30, 
2;  IV  9,  1;  IX  96,  1;  vgl.  Corp.  Gloss.  III  296, 
29:  visitator,  xhvixog.  Auch  inschriftl.,  CIL  VI 
2532;  XI  5400  ist  einer  medicus  clinicus  chir 
rurgus  ocularius,  also  allgemein  praktischer 
Arzt.  Digg.  XXVII  1,  6, 1  heißen  die  Kliniker 
jiEoiodsvxai  iaxQol. 

7)  Digg.  a.  a.  O.  Mart.  a.  a.  O. 

8)  Auricularii,  Digg.  a.a.  O.  CIL  VI  8908. 

9)  Soran.  de  mul.  äff.  47  (p.  191,15  ErraJ 
10)  Die  Tatsache,  daß  schon  zur  Zeit  der 

XII  Tafeln  falsche,  mit  Gold  angesetzte  Zahne 
bekannt  waren  (Cic.  de  legg.  II  24,60),  läßt 
wohl  darauf  schließen,  daß  es  schon  damals 
Zahntechniker  gab.  Das  Zahnausziehen  erwähnt 
Mart.  a.  a.  O. 

n)Cels.VI6,8.Scrib.comp.37.CILI11737; 
5035:  V3490;  VI  6192;  9605-9;  XI  5400; 
5441  u.  s.  Vgl.  Galen.  V  846  ff. ;  X  941 ;  1019. 


Achter  Abschnitt.    Ärzte,  Tod,  Bestattung  und  Grabmäler. 


479 


e  IMittels  sowie  die  Art  der  Auflösung  angeben x).  Sehr  zahlreich  waren  aiuli 
'jdie  Chirurgen,  die  mit  diesem  Namen2)  oder  als  oulnerum  media*)  bezeichnet 
"D  Jwerden  und  sich  von  der  Behandlung  innerer  Krankheiten  meist  fernhielten4). 
scl  Auch  in  der  Chirurgie  gab  es  Spezialisten  für  Brüche,  Steinoperationen, 
Amputationen  u.  dgl.  m.5).  Zu  den  Spezialisten  gehören  auch  die  früher  er- 
wähnten iatraliptae,  die  Salben  und  Massieren  kunstgerecht  betrieben  und 
bisweilen  direkt  als  Ärzte  fungierten6).  Weibliche  Ärzte,  die  wohl  vornehmlich 
als  Hebammen  wirkten7),  doch  auch  Frauenkrankheiten  behandelten8),  gab 
es  nicht  bloß  unter  der  Sklavenfamilie,  sondern  auch  selbständig  prakti- 
zierende9). Die  Fortschritte,  die  die  Wissenschaft  im  Laufe  der  Jahrhunderte 
in  diesen  verschiedenen  Disziplinen  gemacht  hatte,  waren  freilich  sehr  ver- 
schiedenartig. Während  die  Chirurgie  anscheinend  einen  verhältnismäßig 
ziemlich  hohen  Stand  erreicht  hatte,  wie  das  auch  die  noch  erhaltenen 
chirurgischen  Instrumente  lehren10),  steckte  die  innere  Medizin  noch  in  den 
Kinderschuhen.  Man  fuhr  fort,  Geheimmittel,  Sympathie,  Besprechung,  Magie 
u.  dgl.  zur  Anwendung  zu  bringen,  und  selbst  bedeutendere  Ärzte  von  wissen- 
schaftlichem Ruf  hielten  sich  davon  nicht  ganz  frei11). 

Die  Privatärzte  übten  ihre  Praxis  teils  in  ihren  Behausungen  oder  Sprech- 
zimmern, wie  wir  sagen  würden,  teils  in  Besuchen  bei  den  Kranken  selbst 
aus12).    Die  Tabernen  der  Ärzte  hießen  medicinae1*)',  Charlatane  staffierten 


')  Vornehmlich  gesammelt  von  Grotefend 
Die  Stempel  der  röm.  Augenärzte,  Hannover 
1867.  Die  spätere  Litteratur  verzeichnet  Mar- 
qi :.ujdt780  A.3.  Friedländer  319  A.  3.  Rei- 
naiii  bei  D.-S.  III  1678  A.  25.  Esperandieu 
Recueil  des  cachets  d'oculistes  Romains.  Paris 
1895  iausRev.archeol.3Ser.  Bd.XXIVu.XXV). 
Werkzeuge  eines  römischen  Augenarztes  publi- 
zierte Carbonello  in  den  Atti  d.Accad.di  To- 
rinoXL  127. 

*)  Cels.VII  praef.  Scrib.  comp.  201 :  209. 
Mmt.  I  30. 1.  Corp.  Gloss.  III  296,  31.  CIL  VI 
4350 ;  XI 5400.  Vgl.  den  Artikel  Chlrnrgia  von 
Briau  bei  D.-S.I  11 06  ff. 

3)  Plin.  XXIX  22;  ebd.  13  nennt  er  den 
Archagathus  mdnerarius. 

4)  Das  Zusammenwirken  von  Chirurgen 
und  andern  Aerzten  bemerkt  Plut.  de  frat.  am. 
15  p.  486  C;  nach  Galen.  X  454  führten  Nicht- 
chirurgen  in  der  Regel  keine  Operationen  aus. 
Doch  fanden  wir  in  der  oben  S.478  A.  6  erwähn- 
ten Inschrift  einen  Arzt,  der  innere  Krank- 
heiten, äußere  und  Augenkrankheiten  behan- 
delte. 

5)  Mart.  XI  84,  5.  Galen.  V  846  ff.  Auch 
die  Kastration  der  Eunuchen  besorgten  Aerzte, 
luv.  6.  370. 

6)  Plin.  ep.  ad  Trai.  5  (4),  1 :  6  (22),  1  u.  ö. 
Vgl.  oben  S.  434. 

7)  Siehe  oben  S.  477  A.  6.  Im  Corp.  Gloss. 
IV  363, 19 ;  V  603, 61  sind  medica  und  obstet  rix 
Erklärungen  von  unla. 

«)  Mart.XI71.7.  Galen.  VII 414:  vgl.  luv. 
2.  141. 

9)  Apul.met.V  10.    CIL  XII  3343. 


,0)  Solche  sind  in  großer  Zahl  und  z.  T.  in 
feiner  und  sorgfältiger  Ausführung  gefunden 
worden,  besonders  in  Pompeji,  vgl.  Overbeck 
Pompeji 461  Fig.  258.  Mus.  Borb. XI V  36;  andere 
s.  Rhein.  Jahrb.  IX  33.  Not.  d.  scavi  1904, 293  ff. 
Deneffe  Etüde  sur  la  trousse  d'un  Chirurgien 
gallo-romain,  Anvers  1893 ;  eine  reiche  Auswahl 
bei  Daremberg-Saglio  1 1 108  Fig.  1 369  ff.,  auch 
bei  C.  Brunner  Die  Spuren  d.  röm.  Aerzte  auf  d. 
Boden  d. Schweiz,  Zürich  1894.  Auch  Arzneikäst- 
chen (artis medicae na rthec ia .  Mart.Xl  V  7S)ha- 
ben  sich  erhalten,  s.Rhein.  Jahrb.  XIV  33  Taf.lf. 
Anzeig.  f.  Schweiz.  Gesch.  1857  Nr.  3,  mehr  bei 
Brunner  a.  a.  0. 44  f.  Auf  einem  Grabstein  eines 
Arztes  ist  dieser  selbst  im  Lehnstuhl  abgebildet, 
neben  ihm  ein  offener  Schrank,  in  dem  man 
Schriftrollen  und  eine  Schale  sieht,  und  oben 
drauf  ein  aufgeklapptes  Besteck  mit  Instrumen- 
ten, s.  Petersen  R.  M.  XV  (1900)  171  ff.  Grab- 
stein mit  chirurgischen  Instrumenten  s.  (Jar- 
rücci  Storia  d.  arte  crist.  tav.488, 5.  Sehr  lehr- 
reich ist  auch  der  von  Apollonios  von  Kition 
(l.Jahrh.  v.Chr.)  verfaßte  Kommentar  zu  der 
Schrift  des  Hippokrates  xegi  üniloc»-.  mit  Minia- 
turen einer  Hdschr.  des  10.  Jahrb.,  die  aber 
offenbar  auf  Vorlagen  aus  der  spätem  Kaiser- 
zeit zurückgehn,herausg.vonH.ScHOEM:.Lti|i/.. 
1896;  Proben  bei  Reinach  a.a.  O.  1686 f. 

M)  Ueber  den  medizinischen  Aberglauben 
vgl.  Friedländer  322 f.:  zahlreiche  Beispiele 
bei  Riess  bei  P.-W.I29ff. 

lt)  Perambvlori  nennt  es  Sen.de  benef.VI 
16,2. 

1S)  Plaut.  Epid.  198;  Amph.  1013.  Donat. 
ad  Ter.  Ad.  584;  vgl.  Cic.  pro  Cluent.  63, 178. 


480 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 


sie,  um  die  Patienten  zu  blenden,  mit  silbernen  Schröpfköpfen,  Messern  mit! 
vergoldeten  Griffen,  elfenbeinernen  Büchsen  u.  dgl.  aus1).  Über  das  Benehmend 
der  Ärzte  am  Krankenbett2)  wird  vielfach  Klage  geführt:  besonders  lautes» 
Sprechen,  grobes  Benehmen,  rücksichtslose  Diagnosen  u.  dgl.  wurden  von  den! 
Patienten  oft  peinlich  empfunden3).  Schlimmer  freilich  war,  daß  manche! 
selbst  Schwerkranke  erst  in  Behandlung  nahmen,  wenn  ihnen  das  verlangte 
Honorar  zugesichert  worden  war4).  Andrerseits  fehlte  es  auch  nicht  an 
solchen,  die  sich  den  Wünschen  der  Kranken  anpaßten,  um  die  Kundschaft 
zu  behalten,  die  es  überhaupt  verstanden,  sich  im  Hause  unentbehrlich  zu 
machen,  was  dann  zu  den  sicher  nicht  ganz  unbegründeten  Beschuldigungen 
führte,  daß  die  Ärzte  ganz  besonders  ehebrecherische  Verhältnisse  mit! 
Patientinnen  anknüpften5),  daß  sie  Erbschleicherei  und  sogar  Giftmischerei 
trieben6).  Aber  auch  sonst  standen  die  römischen  Ärzte  nicht  im  besten 
Rufe;  namentlich  wurde  ihnen  Hochmut,  Eitelkeit,  Streitsucht,  Brotneid  u.dgl. 
vorgeworfen 7).  Dem  stehen  freilich  auch  genug  Äußerungen  gegenüber,  in 
denen  die  Sorgsamkeit  und  Gewissenhaftigkeit  der  Ärzte,  sowie  ihre  auf- 
opfernde Pflege  gepriesen  werden8). 

Neben  den  frei  praktizierenden  Ärzten,  die  vielfach  als  Hausärzte  feste 
Gehalte  bezogen9),  gab  es  solche  mit  festen  Anstellungen10).  Dahin  gehören 
vor  allem  die  Leibärzte  am  kaiserlichen  Hofe11);  während  die  zahlreichen 
medici  servi,  über  die  der  Hof  verfügte12),  wohl  vornehmlich  die  Sklaven  zu 
behandeln  hatten,  waren  für  den  Kaiser  und  seine  Familie  besondere  Ärzte  mit 
hohem  Gehalte  angestellt13);  meistens  waren  es  Griechen,  oft  Freigelassene14).- 
Außer  ihren  Honoraren  und  andern  Belohnungen15)  erhielten  sie  in  der  spätem 
Kaiserzeit  auch  den  Titel  archiater  (äQxiarQog),  der  auch  andern  verdienten 
Ärzten  verliehen  wurde16).    Gemeindeärzte,  die  man  in  griechischen  Städten 


*)  Luc.  adv.  ind.  29. 

2)  Vgl.  Friedländer  306  ff.  Ilberg  Aus 
Galens  Praxis,  N.  Jahrb.  f.  d.  kl.  Alt.  XV  (1905), 
276  ff. 

3)  Galen.  X  VII  b,  144  ff. 

4)  Plin.  XXIX  21. 

5)  Plin.  ebd.  20.  Mart. VI  31.  Senec.frg.18 
(Haase).  Auch  die  kaiserlichenLeibärzteVettius 
Valens  und  Eudemus  lebten  in  ehebrecheri- 
schem Verhältnis  mit  kaiserlichen  Damen,  Plin. 
ebd.  8.  Tac.ann.  IV  3. 

6)  Plin. a.a.O.  Apul.met.X25.  Quintil.decl. 
321.  Liban.  IV  p.  908  R.  Daß  beim  Arzte  Gift 
leicht  erhältlich  war,  zeigt  Plaut.  Merc.  472. 

7)  Friedländer  319.  Von  manchen  wurde 
sogar  behauptet,  sie  machten  eine  Krankheit 
absichtlich  noch  schlimmer,  um  durch  ihre  Hei- 
lung größeren  Ruhm  zu  erwerben,  Sen.  de  ben. 
VI  36, 2.  Beispiele  von  charlatanartigem  Auf- 
treten, Prablsucht  u.  dgl.  bei  Plin.  a.  a.  O.  9  f. 

8)  Sen.dial.  II  13,2;  III  6,2;  de  benef.III 
9,  2;  VI  16, 1. 

9)  Q.  Stei  tinius  wies  dem  Kaiser  Claudius 
sein  Einkommen  enumeratisdomibus  nach, Plin. 
a.  a.  0. 7.  Ueber  die  Höhe  der  Honorare  s.  oben 
S.  476. 

10)  Vgl.  Kuhn  Stadt,  u.  bürgert.  Verfass.  d. 


röm.  Reichs  1  83  ff. 

n)  Vgl.  Friedländer  144  f. 

12)  Die  laxqoi  der  avki]  Avyovozov  führt 
M.  Anton.  comm.VIII  31  an;  die  Inschriften 
liefern  zahlreiche  Belege  dazu. 

1S)  Wir  erfahren  von  250000  bis  500000 
Sesterzen  (54000  resp.  108000  Mark),  Plin. 
a.  a.  0. 7.  Unter  Alexander  Severus  gab  es  sechs 
Hofärzte,  von  denen  aber  nur  einer  ein  salariutn 
empfing,  während  die  übrigen  Naturalliefe- 
rungen  bezogen,  Ael.  Lampr.  AI.  Sev.  42,  3. 

14)  Siehe  die  Beispiele  bei  Friedländer 
a.  a.  O. 

15)  So  bekam  Antonius  Musa,  der  Leibarzt 
des  Augustus,  eine  Bildsäule,  die  Erlaubnis, 
Goldringe  zu  tragen,  und  Abgabenfreiheit  für 
sich  und  seine  Kollegen,  Dio  Cass.  LIII  30.3. 

,6)  Das  scheint  ursprünglich  in  der  Tat  nur 
ein  Titel,  kein  Amt  gewesen  zu  sein,  doch  ist 
Sicheres  darüber  nicht  bekannt.  Vgl.  Briau 
L'archiatrie  Romaine,  Paris  1878.  und  bei  D.-S. 
I  373  f.  Doch  bekamen  nicht  bloß  Hofärzte  die- 
sen Titel,  sondern  auch  Gemeindeärzte.  Vor- 
steher ärztlicher  Genossenschaften,  Aerzte  der 
Gymnasien  und  die  derVestalinnen  führten  ihn, 
und  namentlich  in  den  Gemeinden  scheint  auch 
eine  bestimmte  Amtstätigkeit  damit  verbunden 


Achter  Abschnitt.    Ärzte,  Tod,  Bestattung  und  Grabmäler. 


481 


chon  sehr  früh  kannte,  finden  wir  in  Rom  erst  sehr  spät:  die  Anstellung 
on  vierzehn  archiatri,  einem  für  jede  Region,  die  die  Armen  umsonst  zu  be- 
andeln  hatten  und  dafür  festen  Gehalt  bezogen,  erfolgte  zum  ersten  Male  im 
alno  368  n.Chr.1).  Doch  trat  staatliche  Fürsorge  für  die  Ärzte  schon  früher 
in.  indem  Alexander  Severus  ihnen  ebenso  wie  Rhetoren,  Grammatik,  in  und 
ndern  Gelehrten  Gehälter  aussetzte,  Lehrsäle  (audüoria)  anwies  und  frei- 
;eborne  Schüler  mit  Stipendien  ausstattete2).  In  der  Provinz  wurden  Stadtärzte 
chon  früher  eingeführt,  zuerst  für  Asien  durch  Antoninus  Pius,  wobei  je  nach 
er  1 1  röfie  der  Stadt  fünf,  sieben  oder  zehn  solcher  Ärzte  von  den  Stadtbehörden 
mannt  wurden,  die  von  Abgaben  frei  waren3).  Aus  den  Inschriften  lernen 
rar  solche  Ärzte  mit  dem  Titel  archiatri4)  in  vielen  Städten  Kleinasiens  und 
Lnderer  Provinzen,  sowie  in  Italien  selbst,  kennen5).  Seit  dem  Ausgang  der 
epublikanischen  Zeit  gab  es  auch  festbesoldete  Militär-  oder  Legionsärzte, 
nscheinend  24  bei  jeder  Legion,  während  bei  der  kaiserlichen  Leibwache 
md  bei  den  Vigiles  der  Stadt  Rom  auf  jede  Kohorte  vier  Ärzte  kamen6), 
luch  die  Gladiatorenschulen  hatten  ihre  eignen  Ärzte7),  ebenso  gab  es  solche 
ür  das  Theaterpersonal8),  für  Gymnasien9),  die  Zünfte  hatten  ihre  Ärzte, 
ie  Vorgänger  der  heutigen  „Kassenärzte"10)  usw.;  mancherorts  taten  sich 
ie  Arzte  selbst  zu  Kollegien  zusammen11). 

Ein  paar  Worte  sind  hier  auch  zu  sagen  über  die  Herstellung  der 
leilmittel.  Apotheken,  wo  die  Medikamente  nach  den  Rezepten  der  Ärzte 
ind  unter  Aufsicht  oder  Kontrolle  hätten  zubereitet  werden  können,  gab  es 
licht.  Die  hauptsächlichsten  Medizinalstoffe  und  auch  fertige  Medikamente 
varen  bei  den  Salbenhändlern  (iinguentarii,  seplasiarii)12),  bei  den  Händlern 


ewesen  zu  sein.  vgl.  Vercoutre  Rev.  arch. 
.  Ser.  XXX IX  (1880)  321  ff.  Marquardt  774  f. 
Vellmann  bei  P.-W.  II 464  ff.  Th.  Meyer  Rom. 
kerztestand  54ff.  Inschriftl.  vgl.  CIL  V  8741 ; 
^1  9563.  Der  Titel  medicus  Palatinus  findet 
ich  zuerst  unter  Alexander  Severus,  Ael. 
jampr.  a.  a.  0.,  für  die  spätere  Zeit  s.  Mar- 

(ÜARDT  776. 

l)  Cod.  Theod.  XIII  3,  8.  Cod.  Iust.  X  53 
52  ,9 ;  über  das  Datum  s.  Marquardt  778  A.  2. 
!ie  wurden  von  den  Bürgern  gewählt,  dem 
Collegium  der  archiatri  vorgeschlagen  und 
on  diesem,  nach  Prüfung  der  Kenntnisse  der 
Kandidaten,  aufgenommen;  vgl.  Di«g.  L  9, 1; 
3, 1  ff. 

* )  Lampr.  AI.  Sev.  44, 4.  Da  doch  nicht jeder 
leliebige  Arzt  auf  diese  Vergünstigungen  An- 
pruch  machen  konnte,  so  darf  man  wohl  für 
liese  Zeit  approbierte  Aerzte  annehmen,  worauf 
Th.  Meyer  30  f.  mit  Recht  hinweist. 

3)  Digg.  XXVII  1,  6,  2. 

4)  Doch  finden  wir  Gemeindeärzte  auch 
•hne  diesen  Titel,  so  CIL  II  2348:  medicus  co- 
onorum  coloniae  Patriciae  in  Corduba;  ebd. XII 
»342  einen  medicus  coloniae. 

5)  Eine  Zusammenstellung  gibt  Briau 
i.  a.  0.  68 f.;  von  griechischen  Städten  Mar- 
juardt  777  A.  4. 

6)  Ueber  die  Militärärzte  handeln  Gaüpp 
Das  Sanitätswesen  in  den  Heeren  der  Alten, 

Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft.    IV. 


Blaubeuren  1868.  Briau  Du  Service  de  sante 
militaire  chez  les  Romains,  Paris  1866;  ders. 
L'assistance  medicale  chez  les  Romains,  Paris 
1870.  Fröhlich  Ueber  die  Kriegschirurgie  der 
alten  Römer,  im  Arch.  f.  klin.  Chirurgie  XXV 
(1880),  285 ff.;  darnach  Brunner  a.a.O.  lff. 

7)  Bekanntlich  war  Galen  in  seiner  Vater- 
stadt Pergamon  von  158 — 164  Gladiatorenarzt. 
Die  Aerzte  hatten  nicht  nur  die  erkrankten  I  Ha- 
diatoren  zu  behandeln,  die  Wunden  zu  heilen, 
sondern  auch  über  ihre  Diät  und  Trainierung 
zu  wachen,  vgl.  Friedländer  II  338  f. 

8)  Ein  medicus  rattoni»  summt  choragii 
CIL  VI  10085. 

9)  Wenn  Gothofredus  im  Cod. Theod.  XIII 
3, 12  mit  Recht  (treh  int  er  porticm  Xysti  emen- 
diert  hat. 

10)  CIL  XI 1 355 ;  vgl.  Th.  Meyer  a.a.O.  52  f. 
Liebenam  Zur  Gesch.  u.  Organisation  d.  röm. 
Vereinswesens  117. 

u)  Th.  Meyer  65  ff.  Es  begegnen  uns  solche 
collei/ia  meilieorum  z.B.  in  Benevent.  CIL  IX 
1618.  und  in  Rom,  ebd.  VI  9566.  wo  ein  »criba 
med iear Km  genannt  wird.  Eine  Vereinigung  der 
Aerzte  von  Turin  ebd.  V  6970.  Was  die  selmln 
medieorum  in  Rom  war.  CIL  VI  29805.  wissen 
wir  nicht  (die  Inschr.Orelli  4226  mit /(//'»/"//(/x 
scholae  medicorum  gilt  für  falsch,  s.  CIL  VI  •"> 
n.  978). 

>*)  Siehe  oben  S.  436. 

2.  i.    3.  Aufl.  31 


482 


Zweite  Abteilung.   Das  Leben. 


mit  Gewürzen,  Drogen,  Spezereien  u.  dgl.  (aromatarii,  thurarii,  pigmentarii)  l)\ 
käuflich;  auch  die  griechische  Bezeichnung  pharmacopolae  ist  häufig,  abeil 
meistens  mit  der  Nebenbedeutung  von  Charlatanerie  und  Quacksalberei2).} 
Zur  Zeit,  da  es  noch  keine  oder  wenig  Berufsärzte  gab,  lieferten  diese  Händler) 
den  Kranken  die  üblichen  Heilmittel;  dann  fingen  die  Ärzte  an,  selbst  zu  dis-| 
pensieren,  indem  sie  die  Rohstoffe  von  den  Händlern  bezogen,  die  Zusammen-l 
setzung  aber  selbst  besorgten,  und  das  erhöhte  ihre  Einnahmen  bedeutend,! 
zumal  viele  Leute  die  Medikamente  für  um  so  besser  hielten,  je  teurer  sie 
waren3).  Doch  klagt  der  ältere  Plinius  darüber,  daß  die  Arzte  nicht  ge-! 
nügende  Kenntnis  der  Drogen  hätten  und,  anstatt  selbst  die  Rezepte  zu 
bereiten,  wie  früher,  die  fertigen  Salben  und  Pflaster  im  Laden  kauften, 
obschon  gerade  auf  diesem  Gebiet  Betrügereien  so  gewöhnlich  seien4).  Die 
Klagen  über  Verfälschung  der  für  Medikamente  nötigen  Substanzen  sind 
sehr  häufig,  und  es  gehörte  oft  bedeutende  Erfahrung  dazu,  das  Echte  vom 
Nachgemachten  zu  unterscheiden5).  Ein  tüchtiger  Arzt  mußte  die  besten 
Bezugsquellen  kennen,  möglichst  direkt  und  an  Ort  und  Stelle  einkaufen 
und  selbst  weite  Reisen  zu  diesem  Zwecke  nicht  scheuen6). 


Wir  gehen  nun  zu  den  Bräuchen  der  Bestattung  über7).  Hierbei  ist 
vorauszuschicken,  daß  es  sich  da  vornehmlich  um  die  oberen  Klassen,  um 
Reiche  und  Vornehme  handelt,  denn  auf  diese  beziehen  sich  die  meisten 
der  uns  vorliegenden  Nachrichten,  während  von  der  schlichten  Bestattung 
der  niedern  Klassen,  bei  der  nicht  viel  Umstände  gemacht  wurden,  selten 
die  Rede  ist. 

Wenn  jemand  infolge  von  Krankheit  zum  Sterben  kam,  so  pflegten  sich 
die  Angehörigen  um  das  Sterbebett  zu  versammeln.  Vielfach  nahm  man  den 
Sterbenden  vom  Lager  herunter  und  legte  ihn  auf  die  Erde8),  was  jedenfalls 


')  Vgl.  Marquardt  782.  Die  thurarii,  die 
auf  Inschriften  häufig  vorkommen  (vgl.  Dessau 
76 12 ff.),  wohnten  in  Rom  im  vicus  thurarius, 
wie  bei  späten  Grammatikern  der  vicus  Tuscus 
heißt,  Porph.  zu  Hör.  ep.  I  20, 1;  II  1, 269.  Ps.- 
Ascon.  p.  200  Or.,  vgl.  Richter  Topogr.  386. 
Jokdan  Top.  I  2, 469  A.40.  Doch  gab  es  einen 
solchen  auch  in  Puteoli,  Not.d.scavi  1885,393 
(regio  clivi  vitrarii  sive  vici  turarii).  Ein  col- 
legium  aromatariorum  in  Rom,  CIL  VI  384  (Or. 
114  =  CIL  XI 426*  ist  falsch).  Pigmentarii oder 
institores  pigmentarii,  Cic.  ad  fam.  XV  17,  2. 
Digg.  XLVIII  8, 3, 3.  CIL  VI  9745 ;  9796,  han- 
delten vornehmlich  mit  Farbstoffen  und  Salben, 
daher  in  den  Glossen  erklärt  durch  fWQOJicblrjs, 
(pag/uaxojiGohrjs,  Ofirjy/iiarojicokrjg,  fivQsyiöc,  %qoo- 
(Mzojiü'Arjs,  Corp.  Gloss.VII87;  vgl.  Firm.  Mat. 
math.  III  6,  3:  qui  odorum  pigmenta  faciunt; 
6,4:  piqmentorum  inventores,  auch  ebd.  12, 10; 
IV  11,  2  u.s. 

2)  Cato  b.  Gell.  1 15,9.  Cic.  pro  Cluent.  14, 
40.  Hör.  sat.  I  2, 1.  Scribon.  comp.  199  nennt 
sie  execratissimi  -pharmacopolae.  Ein  col- 
legium  farmacopolarum  publicorum  in  ßrixia, 


CIL  V  4489.  Im  allgemeinen  ist  über  Be- 
schaffung und  Bereitung  der  Medikamente 
die  Darstellung  bei  Friedländer  310  ff.  zu 
vergleichen. 

3)  Plin.  a.a.O. 24;  ebd.  28. 

4)  Plin.  XXXIV  108. 

5)  Plinius  behandelt  meist  auch  die  Her- 
stellung der  unechten  Medizinalstoffe:  Galen 
klagt  auch  über  den  Betrug  der  Drogenhändler, 
vgl.  XIII  571;  XIV  7  u.s. 

6)  Das  tat  Galen  öfters,  s.Friedländer  312. 

7)  Diesatirische  Verknüpfung  von  Arzt  und 
Totengräber  ist  schon  den  Alten  geläufig,  Mart. 
I30u.47. 

8)  Das  ist  das  öfters  angeführte  deponer* 
Lucil.  b.  Non.  279,  25.  Verg.  Aen.  XII  395.  Ov. 
tr.  III  3,40;  ex  Ponto  II  2,  47.  Petron.  133,  4; 
auch  übertragen  depositus  animae,  Caecil.  b. 
Non.  ebd.  40 ;  vom  Staat  Cic.  Verr.  act.  II,  I  2, 5. 
Daß  diese  depositio  nicht  mit  der  Leiche  vor- 
genommen wurde  (wie  BECKER-GöLL487meint), 
sondern  mit  dem  Sterbenden,  heben  Mau  347 
und  Samter  Festschr.  f.  O.  Hirschfeld  249  mit 
Recht  hervor. 


Achter  Abschnitt.    Ärzte,  Tod,  Bestattung  und  Grabmäler. 


483 


iiif  alte  religiöse  Vorstellungen  zurückging1);  auch  den  letzten  Hauch  mit 
linem  Kusse  aufzufangen,  war  nicht  ungewöhnlich2).  Nach  eingetretenem 
Pode  schloß  man  dem  Verstorbenen  die  Augen,  was  in  der  Kegel  ein  Familien- 
mitglied tat3).  Vermutlich  bald  darauf  erfolgte  die  sogenannte  conchimulio*), 
ll.  h.  die  anwesenden  Familienangehörigen  riefen  den  Verstorbenen  zu  wieder- 
holten Malen  laut  mit  Namen  an5),  was  wohl  auch  ein  alter,  in  seiner  ur- 
sprünglichen Bedeutung  später  nicht  mehr  erkannter  religiöser  Brauch  war6). 


')  Serv.ad  Aen.  a.a.O.  gibt  als  Gründe  an: 
monsuetiido  erat  iit  desperati  ante  ianuas  suas 
molloearentur,  vel  ut  extremum  spiritum  redde- 
went  terrae  velut  possent  a  transeuntibus  forte 
i,guiaUquandosimililaboraverantmorbo 
■so  auch  Isid.  or.  X  72) ;  doch  ist  der  zweite 
lirund  bestimmt  falsch:  es  liegt,  wie  Samter 
li.a.O.  bemerkt,  eine  Vermischung  mit  andern, 
Ivirklich  oder  angeblich  üblich  gewesenen  Bräu- 
chen vor  (vgl.  Herod.  1 197.  Strab.  III 155.  Max. 
Iryr.  XII  2).  Die  eigentliche  Bedeutung  des 
[3rauches  war  wohl  die,  daß  man  den  Sterbenden 
Init  der  Erde  in  Verbindung  setzen  wollte. 

2)  Dieser  Brauch,  auf  den  die  Dichter  öfters 

uispiden  (Verg.  Aen.  IV  684.    Stat.  silv.  V  1, 

|l95;dochebd.Hl,173undTheb.XII417gehen 

liuf  Küsse,   die  den  Toten  gegeben  werden), 

prird  auch  sonst  erwähnt,  vgl.  Cic.Verr.V45, 

118.  Gonsol.  ad  Liviam  (Baehrens  PLM  I  97) 

17 u.  158.  Quintil.decl.6,22.  Sen.  dial.VI  3,  2; 

\\  15,  5.  Auson.  parent.  23, 13,  war  aber  wohl 

|aicht  allgemein;  Suet.  Aug.  99  ist,  wie  es  scheint, 

nuders  zu  deuten. 

s)  Das  heißt  oeuloscondere,  Ov.her.l.  113; 
10, 120;  trist.  1113,44.  Consol.  ad  Liv.  157;  pre- 
lmm.<,Verg.Aen.IX489.  Ov.am. III  9,49;  com- 
Vprimere,  Cons.  ad  Liv.  159;  tegere,  Ov.tr.  IV 3, 
1 1 ;  operire,  Plin.  XI 150.  Sen.  controv.  IX  27,5; 
Yiclaudere,  Lucan.  III  740;  suggillare,  Varr.  b. 
Non.  171.  10.  Auch  inschriftl.  erwähnt,  CIL 
llXIII  1862:  qui  höh  Heult  nuotibus  suis  patris 
\oculos  tegere.  Die  Handlung  ist  auf  einem  Grab- 
irelief  aus  Volterra  dargestellt,  Gerhard  A.  Z. 
IV  (1S46)  Taf.47.  Cuq  a.a.O.  1387  Fig.  3359. 
Daß  das  Abziehen  des  Siegelrings  nicht,  wie 
man  früher  meinte,  zu  den  Bräuchen  nach  Ein- 
tritt des  Todes  gehörte,  legt  Becker-Göll  III 
1485  f.  richtig  dar. 

4)  Liv.  IV  40,3.  Lucan.  II  22.  Sen.dial.IX 
11.7;  de  dem.  I  25, 5  ;ep.  17, 3;  52, 13.  Quintil. 
decl.8.10.  Stat.  silv.  II  6,5.  Fronto  ad  M.Caes. 
V41p.88(Nab.).  Apul.met.  I  6;  II  27.  Amm. 
Marc.  XXX  10. 1.  Auson.  idyll.  5, 15.  Dasselbe 
nennt  Ov.tr.III  3,43  den  clamor  supremus  und 

!  Prop.  V  (IV)  7,23  tnclamare.  In  übertragenem 
Sinn  Ter. Eun.348:  tarn  conclamatum  est,  d.h. 
es  ist  alles  vorbei. 

5)  Serv.ad  Aen. VI  218:  Plinius  in  natu- 
:  /"//  historia  dicit  hanc  esse  causam,  ut  mortui 
I  et  nitida  abluantur  ei  per  intervalla  concla- 

mentur,  quod  solet  plerumque  vitalis  Spiritus 

exclusus  putari  et  homines  fallere.   Doch  liegt 

liier  ein  Irrtum  des  Servius  vor:  Plin.  berichtet 

i  /.war  VII 173 ff.  von  Fällen  von  Scheintod,  sagt 


aber  nichts  vom  Waschen  und  von  der  ean- 
clamatiii. 

6)  Der  Zweck ,  den  er  nach  Ser  v.  hatte,  einen 
etwa  Scheintoten  zu  erwecken,  war  sicher  späte 
Erfindung;  wird  doch  bei  Liv.  IV 40, 3  die  con- 
clamatio in  den  Häusern  von  den  auf  dem 
SchlachtfeldGefallenen,derenLeichen  gar  nicht 
im  Hause  sind,  angestimmt  (was  Mau  34f<  nur 
uneigentlich  verstehen  will)  und  Tac.  ann.  III  2 
in  den  Straßen  der  italischen  Städte,  durch  die 
die  Leiche  des  Germanicus  geführt  wird.  Auch 
Quintil.  decl.  146:  corpus  meum,  quod  . . .  fa- 
miliae  conclamatione  excitari  höh  potuü  will 
wohl  nicht  mehr  besagen,  als  wenn  wir  heut  da- 
von sprechen,  daß  keine  Klagen  den  Toten  mehr 
aufwecken.  Wie  bei  Tac.  a.  a.  O.  die  laerimae 
von  den  condamaHones  unterschieden  werden, 
so  Lucan. II 22  conclamatio  und  pkmctiu,  Apul. 
met.  I  6  deflere  und  conclamare.  Wasmanns- 
oorp  Die  religiösen  Motive  derTotenbestattung 
b.  d.  verschiedenen  Völkern  16  meint,  der  Sinn 
des  Brauches  sei  gewesen,  daß  man  die  Seele 
des  Toten  rief,  um  ihr  zu  versichern,  daß  sie 
nicht  lange  der  Bestattung  entbehren  werde. 
Uebrigens  kennt  die  Neuzeit  bei  Bestattung  vor- 
nehmer Adelsgeschlechter  Aehnliches.  Daß 
auch  bei  der  Bestattung  selbst  Anrufen  desToten 
beim  Namen  erfolgte,  zeigt  Verg.  Aen.  III  67. — 
Daß  schon  bei  der  conclamatio  Tuben  und  Hör- 
ner geblasen  worden  seien,  wie  mehrfach  an- 
genommen wird  (Jahn  z.  Pers.  3, 103.  Mau  bei 
Marquardt  346  A.  5  und  bei  Pauly-Wissowa 
348),  ist  nicht  wahrscheinlich;  Petron.78, 5  be- 
deutet wohl  überhaupt  nur  Begräbnisbrauch 
(wie  Marquardt  351  A.  7  annimmt);  daß  bei 
Pers.  3, 103  die  tubae  vor  der  Ausstellung  ge- 
nannt werden,  ist  nicht  beweisend,  da  auch  die 
candelae  dort  angeführt  werden,  die  doch  sicher 
erst  neben  das  Paradebett  gestellt  wurden,  und 
von  den  dafür  angeführten  Reliefs  gilt  das  im 
Louvre  (Clarao  154. 182.  Baumeister  Denk- 
mäler I  309  Fig.  325)  heut  für  ein  Werk  der 
Renaissance.  Das  andere  als  Beweis  angeführte 
Relief  Maffei  Mus.  Veron.  p.420,2.  Darembero- 
Saglio  a.  a.  O.  4387  Fig.  3558  (bei  Dütschkk 
Ant.  Bildw.  in  Oberitalien  Bd.  IV  nicht  aufge- 
führt) zeigt  rechts  vom  Schild  mit  dem  Brustbild 
des  Toten  diesen  auf  dem  lectus,  wie  eine  Frau 
ihm  die  Augen  zudrückt,  dabei  eine  andere  mit 
Trauergestus.  links  vier  Männer,  von  denen 
einer  in  eine  Tuba  bläst,  ein  andrer  ein  Tamburin 
schüttelt.  Auch  hier  wird  man  wohl  eher  Be- 
ziehung auf  die  Ausstellung  der  Leiche  als  auf 
die  conelaniatia  annehmen. 

31* 


484 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 


Dann  begannen  die  Vorbereitungen  zur  Ausstellung  der  Leiche1):  man 
wusch  sie  in  warmem  Wasser2),  was  entweder  ein  weibliches  Mitglied 
der  Familie  oder  der  Dienerschaft  besorgte  oder  ein  mit  dem  pollingere'6) 
vertrauter  Angestellter  der  Libitina  (siehe  unten  S.  489),  der  pollinctor*), 
dessen  Beruf  es  war,  die  Leichen  für  die  feierliche  Aufbahrung  herzu- 
richten5). Da  mit  dieser  eine  mehrtägige  Ausstellung  der  Leiche  verbunden 
war,  so  kam  es  dabei  vornehmlich  auf  zweierlei  an:  die  Zeichen  der  be- 
ginnenden Verwesung,  also  den  Übeln  Geruch  und  das  häßliche  Aussehn, 
zu  verbergen  und  die  Leiche  auch  sonst  würdig  zu  schmücken.  Dem  Zwecke 
des  Konservierens  diente  zunächst  die  unctura^),  das  Einreiben  mit  Salben 
und  andern  Stoffen,  die  die  Verwesung  aufhielten7);  auch  die  Mundhöhle 
scheint  man  mit  solchen  wohlriechenden  Stoffen  gefüllt  zu  haben,  und  man 
wird  in  vielen  Fällen  sogar  an  eine  wirkliche  Einbalsamierung  der  Leichen  zu 
denken  haben8).  Dann  wurde  die  Leiche  angekleidet9),  und  zwar  römische 
Bürger  für  gewöhnlich  mit  der  weißen  Toga10),  wovon  nur  bei  Ärmeren,  die 
keine  besaßen,  abgegangen  wurde11),  Beamte  aber  in  der  toga  praetexta  oder 
sonst  einem  ihnen  zukommenden  Ehrenkleide12),  wie  denn  überhaupt  prächtige 


*)  Unsicher  ist  das  supra  genua  tollere, 
d.  h.  daß  die  Leiche  von  jemand  (einem  Ver- 
wandten oder  dem  pollinctor)  über  die  Knie  ge- 
legt wurde,  was  man  aus  der  Verordnung  des 
Numa  bei  Festus  178b,  21:  si  kontinent  ful- 
minibus  (fulmen  Iovist)  occisit,  ne  supra  genua 
tollito{r)  schließen  will,  vgl.  Kirchmann  De  fu- 
nerib.  Roman.  20,  was  Cuq  a.  a.  O.  darauf  zurück- 
führt, daß  nach  Plin.  XI  250  den  Knien  inest 
vitalitas.  Antike  Darstellungen  derart  (wie  etwa 
die  Pietä  der  christlichen  Kunst)  gibt  es  nicht. 

2)  Serv.  ad  Aen.  VI  218  (mit  derselben  Be- 
gründung, dadurch  etwa  Scheintote  zu  er- 
wecken). Enniusebd.219:  Tarquinicorpusbona 
femina  lavit  etunxit.  Apul.  met.  VIII 14.  Galen. 
X915.  Luc.  deluctull.  Serv.  ad  Aen.  VI  485: 
Romana  consuetudo  fuit  ut  mortui  lavarentur. 

3)  Plaut.  Poen.  63.  Apul.  Flor.  19.  Val.  Max. 
VII  7,  4.   Amm.  Marc.  XIX  1, 10. 

4)  Die  Erklärung,  die  Serv.  ad  Aen. IX  485 
von  dem  Namen  gibt:  pollinctores  appellatos 
dicunt,  gut  mortuis  os  polline  oblinebant,  ne 
livor  appareret  extincti  beruht  wohl  auf  fal- 
scher Etymologie.  Eine  andere  gibt  Fulgent.ex- 
pos.  serm .  ant.  2 :  pollinctores  dicti  sunt  qui  fu- 
ner a  morientia  curant  .  .  .  quasi  pollutorum 
unctores  id  est  cadaverum  curatores;  vgl.  dazu 
Wessner  in  dea-Comment.  Ienenses  VI  2, 106. 
Die  Glossen  übersetzen  es  mit  Fvzaquaar,))g  und 
erklären :  qui  mortuos  sepelit  oder  qui  sepulcra 
praebent  mortuis,  Corp.  Gloss.  VII 102;  die  rich- 
tige Bedeutung,  die  Non.  157,21  gibt:  pollin- 
ctores sunt  qui  mortuos  curant,  war  also  später 
verloren  gegangen,  indem  der  pollinctor  mit 
dem  funerarius  (von  dem  ihn  Firm.  Mat.  math. 
III 9. 3  unterscheidet)  identifiziert  wurde,  Corp. 
Gloss.V645,77. 

b)  Plaut.Asin.910;Poen.63.Mart.X97,3. 
Firm.  Mat.  a.  a.  O.  und  IV  13, 7;  14, 14.  Sid.  Ap. 
ep.  III  13,5.   Digg.  XIV  3,  5,  8. 


6)  Ennius  b.  Serv.  ad  Aen.  VI  219.  Pers.3, 
104.  Plin.  XIII  3.  Mart.111  12.  Iuv.4,103.  Plin. 
ep.V16,  7.    Apul.  Flor.  19. 

7)  Als  solche  werden  vornehmlich  angeführt 
Salz,  Plin.  XXXI  98;  Zedernöl,  ebd.  XXIV  17; 
Myrrhen,  Apul. Flor. 32;  Amomum,  luv. a.a.O. 
u.  dgl.  m.  Der  Honig,  von  dem  Plin.  XXII  108 
auch  die  konservierende  Kraft  rühmt,  diente 
nicht  zum  Salben,  sondern  um  Leichen  darin 
zum  Transport  aufzubewahren,  vgl.  Stat.  silv. 
III  2, 1 1 7.  Unklar  ist,  was  Varro  bei  Fest.  158  b, 
25  als  Gesetz  der  XII  Tafeln  von  der  murrata 
potio  anführt:  ne  mortuo  indatur;  ebenso  die  Ver- 
ordnung, die  Cic.  de  leg.  II 24, 60  zitiert:  servil «I 
unctura  tollitor,  doch  geht  letzteres  wohl  nicht 
auf  die  Salbung  der  Leichen,  sondern,  wie  die 
Fortsetzung  omnisque  compotatio  zeigt,  auf  ein 
Verbot  für  die  Sklaven,  sich  zu  salben  und  Trink- 
gelage zu  halten.  —  Daß  man  die  Leichen  auch 
geschminkt  habe,  will  Mau  a.  a.  O.  aus  Serv. 
ad  Aen.  IX  485  schließen;  doch  abgesehn  da- 
von, daß  dessen  Angabe  nur  um  der  Etymo- 
logie willen  erfunden  scheint,  spricht  er  auch 
von  Einstäuben  mit  Mehl,  nicht  von  Schminke 
Und  dafür,  daß  man  für  gewöhnlich  das  Ge- 
sicht nicht  schminkte,  spricht  Dio  Cass.  LX 
7.  4,  wonach  das  Gesicht  des  Britannicus  mi 
Gips  bestrichen  wurde,  um  die  an  der  Haut 
sichtbaren  Spuren  des  Giftes  zu  verbergen. 

8)  Apul.  Flor.  19:  iant  miseri  illius  mem- 
bra  omnia  aromatis  perspersa,  iant  os  ipsius 
unguine  odoro  delibutum. 

9)  Enn.  b.  Macr.  II  6.21.  Apul.  met.  X 
12.  Luc.  de  luct.  11.  Digg.  XI  7,  14,  4:  XXX 
113,5. 

10)  luv.  3, 171.  Mart.IX57,8.  Apul.  Flor.  4. 
Artemid.  On.  II  3.  Digg.  XV  3,  19. 

u)   Artemid.  a.  a.  O. 

u)  Liv.  XXXIV  7,  3.  Polyb.VI53, 1:  xo- 
ulCeiai  fiszä  roü  koutov  xöofiov. 


Ii 

! 


Achter  Abschnitt.    Ärzte,  Tod,  Bestattung  und  Grabmäler. 


is:, 


purpurne  und  goldgestickte  Gewänder  dafür  üblich  waren1),  auch  bei  reichen 
oder  vornehmen  Frauen2).  Dazu  kam  bei  den  Männern  der  Siegelring,  den 
sie  im  Leben  getragen  hatten3),  bei  Frauen  auch  anderer  Schmuck4).  Auch 
Kränze  wurden  dem  Toten  aufgesetzt,  und  zwar  sowohl  künstliche,  von  Gold 
gefertigte5),  zumal  Ehrenkränze,  die  der  Verstorbene  im  Leben  sich  durch 
Tüchtigkeit,  durch  Siege  in  Wettkämpfen  u.dgl.  erworben  hatte6),  als  auch 
solche  von  natürlichen  Blumen 7).  So  wurde  der  Leichnam,  in  der  Kegel  von 
den  nächsten  Angehörigen8),  auf  das  hohe9),  mit  prächtigen  Kissen  und 
Decken  geschmückte10)  Paradebett,  den  lectusfiinebris11),  hinaufgehoben,  was 
mmponere1*)  oder  collocare13)  genannt  wird,  und  im  Atrium14),  mit  den  Füüen 
nach  dem  Ausgang  hin15),  ausgestellt  (vgl.  Fig.  75 16)).  Daneben  stellte  man 
brennende  Kerzen  oder  Kandelaber  mit  Lampen  oder  Pechflammen17)  auf, 
sowie  Weihrauchpfannen,  acerrae1*),  und  über  das  Lager  wurden  Blumen, 
Kränze,  Binden  u.  dgl.  verstreut19),  während  als  weiteres  Kennzeichen  des 
Trauerhauses  Zweige  von  Zypressen20)  oder  Rottannen21)  vor  der  Haustür 
angebracht  wurden22).  Als  weiteres  Zeichen  der  Trauer  wurde  das  Herdfeuer 


»)  Verg.Aen.VI  221.  Val.  Max.V5,4.  Suet. 
Nero  50.   Lactant.  II  4,  9. 

-)  Prop.V(lV)  11,61. 

s)  Diese  wurden  der  Leiche  auch  beim  Be- 
graben belassen  (daher  viele  Ringfunde  in  Grä- 
bein), bei  der  Verbrennung  vermutlich  vorher 
abgezogen,  obschon  auch  nicht  immer,  s.  Prop. 

V  ( 1 V)  7, 9.  Daß  nicht,  wie  man  früher  meinte, 
(vgl.  Kirchmann  De  funeribus  44)  aus  Plin. 
XXX 111 27  undSuet.Tib.  73  der  Brauch  gefolgert 
werden  könne,  daß  man  den  Toten  den  Siegel- 
ring abzog,  um  ihn  der  Leiche  auf  dem  Scheiter- 
haufen wieder  anzustecken,  legt  Becker-Göll 
483  richtig  dar. 

4)  Da  die  Frauen  ihren  Schmuck  vielfach 
ins  Grab  mitnahmen  (Quintil.  decl.  373.  Digg. 
XXXIV  2, 40, 2),  was  auch  die  zahlreichen  Grä- 
berfunde erweisen,  so  war  sicherlich  die  Leiche 
schon  bei  der  Ausstellung  damit  geschmückt. 

5)  Das  ergeben  ebenfalls  die  Gräberfunde, 
vgl.  RAOUL-RocHETTEMem.  de  1'  Acad.  des  Inscr. 
XIII  653.  B.  d.  1. 1835, 203;  vgl.  Cic.  proFlacco 
31,75.   Plin.X  122. 

6)  Nach  den  XII  Tafeln  bei  Cic.  de  leg. 
II  21.60.  Plin.  XXI  7;  vgl.  Serv.  ad  Aen.  XI  80. 

7)  WasBECKEK-GöLL491  wohl  mit  Unrecht 
nur  als  griechischen  Brauch  bezeichnet, vgl. Luc. 
de  luct.  11.  Minuc.  Fei.  Oct.  12.  Tertull.  de  cor. 
10;  auch  Denkmäler  erweisen  das,  wie  dasHa- 
terier-Relief  Fig.  75.  Das  XII  Tafel-Gesetz  ver- 
bot nur  die  longae  coronae,  d.  h.  wohl  lange,  über 
den  Körper  gelegte  Girlanden,  wie  sie  an  etrus- 
kischen  Figuren  auf  Aschencisten  vorkommen. 

8)  Das  scheint  aus  Dio  Cass.  L VIII  2,  1 
hervorzugehn. 

9)  Pers.  3,  103.    Stat.  silv.  V  1,  214. 

10)  Stat.  a.  a.  O.  Petron.  78, 5 ;  man  vgl.  auch 
das  Paradebett  auf  dem  Haterier-Relief. 
n)  Petron.  114, 11  ;vgl.Tib.1 1,61.  Quintil. 

VI  1,31. 

12)  Pers.  a.a.O.  Ov. met. IX  504.  Sen.dial. 


X  20  3. 

")  Suet.  Aug.  100.   Capit.  Ant.  Pius  5,  1. 

14)  Sen. ep.  12, 3.  DieAusstellungder Leiche 
des  Augustus  im  Vestibulum  seines  Palastes, 
Suet.  a.a.O.,  ist  ebenso  eine  Ausnahme,  wie 
die  Ausstellung  von  Leichen  auf  dem  Forum, 
Dion.  Hai.  XI  39. 5.  Dio  Cass.  XLIV  35, 4 ;  LIV 
35.4;  LV2,2,  oder  in  öffentlichen  Gärten,  Ca- 
pitol.  a.  a.  O. 

15)  Pers.  3,  105:  in  portam  rigidas  calces 
extendet.   Sen.  a.  a.  O. :  foras  spectat. 

16)  Relief,  wahrscheinlich  zum  Grabmal  der 
Haterier  gehörig,  gefunden  an  der  Via  Labicana 
nicht  weit  von  Centocelle,  jetzt  im  Lateran 
(Benndorf  u.  Schöne  Bildwerke  d.  lateran.  Mus. 
221  n.348);s.Mon.d.  Inst. V 6.  Braun  A. d.i. 
XXI  (1849)  365.  Dargestellt  ist  die  coOoeatio 
der  Leiche,  ihre  Bekränzung,  die  Trauer  der 
Angehörigen  und  Dienerschaft  u.  a.  m. 

17)  Solche  sieht  man  am  Haterier-Relief, 
und  darauf  gehen  auch  jedenfalls  die  candelae 
bei  Pers.  3, 103. 

1S)  Fest.  18, 7:  acerra  ard  quae  ante  mor- 
tuum  poni  solebat,  in  qua  odores  ivcendebant. 
Es  war  wohl  ein  kleiner  tragbarer  Räucherältar, 
was  Verg.  Aen.  IV  453  turicrema  ara  nennt, 
s.  die  Abbildungen  bei  Daremberg-Saglio  1 348 
Fig.414f.  Auf  dem  Haterier-Relief  stehen  außer 
den  Kandelabern  auch  turibula  beim  Parade- 
bett. Nach  Cic.  a.  a.  O.  enthielten  die  XII  Tafeln 
auch  ein  Verbot  der  acerrae. 

19)  Dion.  Hai.  XI  39,  6.  Plin.  XXI  10. 

20)  Hor.carm.II  14,23.  Lucan.  III 442.  Plin. 
XVI 139.  Serv.  ad  Aen.  II 714;  III 64;  ebd.  680; 
VI  216.  Fest.  63, 15. 

21)  Plin.  XVI  40. 

")  Nicht  im  Vestibulum,  wie  Marqüardt 
3118  sagt,  sondern  außerhalb,  ad  fores,  Plin. 
a.  a.  O.;  anU  etotmtm,  8«T.  Aen.  III  64:  das 
Haus  sollte  eben  schon  von  außen  als  Trauer- 
haus kenntlich  sein. 


486 


Zweite  Abteilung.   Das  Leben. 


im  Hause  gelöscht1).  Endlich  hatten  auch  die  Römer  den  bei  den.Griechen 
und  Etruskern  allgemeinen  Brauch,  dem  Toten  als  Fährgeld  für  den  Charon 
eine  Kupfermünze  in  den  Mund  zu  geben2);  die  Allgemeinheit  dieses  Brauches 
haben  zahlreiche  Gräberfunde  bestätigt3). 


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Fig.  75.   Ausstellung  der  Leiche  und  Totenklage.    Relief  vom  Grabmal  der  Haterier. 

Während  der  mehrere  Tage  andauernden  Ausstellung  der  Leiche  wurde 
von  den  Angehörigen,  vornehmlich  den  weiblichen  Familienmitgliedern,  wieder- 
holt die  Leichenklage  angestimmt4),  mit  all  den  äußeren  Bezeugungen  der 
Trauer,  wie  sie  auch  bei  der  Bestattung  selbst  üblich  waren;  und  schon  hierbei 
scheinen  Musikinstrumente,  Tuben  und  Flöten,  beigezogen  worden  zu  sein5). 


l)  Apul.  met.  II  24.   Schol.  luv.  3,  214. 
*)  Prop.  V  (IV)  11,  7.   luv.  3,  267.    Apul. 
met.  VI  18. 

3)  Siehe  Marquardt  349.  Mau  a.  a.  0. 349. 
Cüq  1388;  die  Funde  ergeben,  daß  der  Brauch 
die  ganze  republikanische  und  Kaiserzeit  hin- 
durch bestand. 

4)  Luc.  de  luctu  12:  olfimyai  de  eji'i  zovzoig 
xai  xoixvzoq  yvvaixwv  xai  iraga  nävxiov  ddxgva 
xai  ozsgva  zvnzöueva  xai  onagazzofMevri  xö/un 
xai  (poiviaoöftsvcu  izageiai'  xai  nov  xai  softes 
xadaQQrjyvvzai  xai  xövig  im  zfj  xetpalfj  jidzrerat. 
All  dies  geschieht  während  der  noöfteoig  der 
Leiche,  und  so  sehen  wir  auf  dem  Haterier-Relief 
Frauen  mit  aufgelösten  Haaren  und  Männer 


beim  Totenbett  stehen  und  mit  den  Händen  die 
Brust  schlagen,  während  andere,  die  durch  den 
Pilleus  als  testamentarisch  freigelassene  Skla- 
ven kenntlich  sind,  nur  in  Trauerstellung,  die 
Hände  um  das  eine  Knie  faltend,  dabei  sitzen; 
die  eigentliche  Totenklage  war  also  nur  Sache 
der  Angehörigen.  Marquardt  347  A.  9  hält 
allerdings  die  sitzenden  Frauen  für  die  eigent- 
lichen Leidtragenden  (die  funer eae,  nach  Serv. 
ad  Aen.  IX  486  Schwester  und  Mutter),  doch 
spricht  der  Pilleus  dagegen. 

5)  Darauf  geht,  wie  schon  oben  angenom- 
men, Pers.  3,  103  und  die  bildlichen  Darstel- 
lungen; auch  am  Haterier-Relief  sitzt  ein  Flö- 
tenbläser am  Fußende  des  Bettes. 


Achter  Abschnitt.    Ärzte,  Tod,  Bestattung  und  Grabmäler. 


487 


Die  Dauer  dieser  Ausstellung  der  Leiche  war,  wie  es  scheint,  keine  bestimmte. 
Während  Angehörige  der  ärmeren  und  niederen  Klassen,  für  die  auch  der  Brauch 
der  Aufbahrung  in  der  Regel  dahinfiel,  wohl  sehr  bald,  meist  schon  am  Tage 
nach  dem  Tode,  bestattet  wurden1),  blieben  vermutlich  die  meisten  andern 
Leichen  mehrere  Tage  ausgestellt2),  und  in  besondern  Fällen,  zumal  bei 
Kaisern3),  erfolgte  die  Bestattung  sogar  erst  nach  einer  Woche.  Jedenfalls 
wurden  bei  längerer  Ausstellung  Vorkehrungen  getroffen,  um  die  im  Süden 
schnell  eintretende  Verwesung  aufzuhalten,  wie  durch  die  erwähnte  An- 
wendung von  Spezereien  oder  durch  Einbalsamierung,  oder  sie  den  Blicken 
zu  entziehen,  indem  man  das  Gesicht  mit  einer  vom  Gesicht  des  Toten  bei 
Lebzeiten  oder  nach  dem  Tode  abgenommenen  Wachsmaske  bedeckte4). 
Während  der  Zeit,  da  die  Leiche  noch  im  Hause  war,  hielt  ein  Verwandter 
oder  ein  dafür  Bezahlter  die  Leichenwache,  schon  weil  man  den  Toten 
vor  den  Hexen  und  Zauberern  schützen  zu  müssen  glaubte5). 

Was  nun  die  Art  der  Bestattung  anlangt,  so  ist  in  Italien  die  Ver- 
brennung der  Leichen  seit  ältesten  Zeiten  üblich  gewesen 6),  doch  tritt  schon 
früh  (etwa  im  achten  Jahrhundert)  die  Bestattung  daneben  auf7).  Von  da 
ab  sind  beide  Bestattungsarten,  wie  aus  den  Grabfunden  hervorgeht,  immer 
nebeneinander  hergegangen8),  nur  daß  in  gewissen  Fällen  die  eine  oder  andere 
Form  bevorzugt  wurde9)  oder  in  bestimmten  Epochen  überhaupt  die  üblichere 


«)  So  bei  Varr.  r.  r.  I  69,2.  Cic.  pro  Cluent. 
9,27.  Xenoph.  Eph.  1117,4.  An  Feiertagen  aber 
durfte  keine  Bestattung  stattfinden,  Cic.  de  leg. 
1122,55.  Colum.  II  21  (22),  4. 

2)  Die  Angabe  des  Serv.  ad  Aen.  V  64  (vgl. 
VI  218),  daß  die  Leiche  sieben  Tage  ausgestellt 
blieb  und  am  achten  verbrannt  oder  am  neunten 
begraben  wurde,  ist  schon  von  Kirchmann  123 
angezweifelt  worden  und  vermutlich  Verall- 
gemeinerung eines  nur  bei  hochgestellten  Per- 
sönlichkeiten geübten  Brauches,  s.  Becker- 
Göll494.    Mau  349. 

3)  Herodian.  IV  2,  4;  doch  ist  da  von  der 
Ausstellung  des  den  Verstorbenen  vorstellenden 
Wachsbildes  die  Rede. 

4)  Daß  die  imagines,  die  Wachsmasken  (s. 
unt.  S.  493),  auch  zu  diesem  Zwecke  benutzt  wur- 
den, ist  zwar  nicht  bezeugt,  wird  aber  von  Benn- 
dorf  Ant.Gesichtshelme  u.  Sepulkralmasken73 
mit  Wahrscheinlichkeit  angenommen;  zustim- 
mend Becker-Göll  I  39 ;  III  494.  Mau  a.  a.  0. 
Ob  das  Anfertigen  der  Masken  auch  Sache  des 
pollinctor  war,  wie  Benndorf  annimmt,  muß 
dahingestellt  bleiben. 

5)  Vgl.  Apul.  met.  II  21  ff.  Das  sind  die 
custodes  mortuorum  cadaverum,  Firm.  Mat. 
math.  III  9, 3. 

6)  Das  erweisen  die  Gräberfunde  in  den 
oberitalischen  Pfahlbauten,  in  Etrurien,  am  Al- 
baner See  u.  s.,  s.  Helbig  Ital.  in  der  Poebene 
82;  ders.  A.  d.  I.  LVI  (1884),  111  ff.  Mau  bei 
Marquardt  374  f.  und  bei  P.-W.  345. 

7)  Helbig  a.  a.  0.;  Gräberfunde  in  Rom, 
deRossi  Bull.comun.  1885, 39 ff.;  in  der  Nekro- 
pole  auf  dem  Forum,  deren  älteste  Gräber  dem 
8.  oder  9.  Jahrh.  v.  Chr.  angehören,  sind  beide 


Bestattungsarten  vertreten,  jedoch  die  Bestat- 
tungsgräberjünger, als  die  Brandgräber,  s.  Hül- 
sen R.  M.  XX  (  1905),  95  ff. ;  ders.  Forum  Roma- 
num2 199  ff.  Ebenso  gehen  auf  dem  Friedhof  von 
Terranova  Fausania  (dem  alten  Olbia)  auf  Sar- 
dinien bei  162  aufgedeckten  Gräbern  Brand- und 
Bestattungsgräber  durcheinander,  doch  wiegen 
erstere  vor,  s.  Tamponi  Not.  d.  scavi  1895.  97  ff. 

8)  Die  römische  Tradition  freilich  behaup- 
tete, daß  das  Begraben  bei  den  Römern  die  äl- 
teste Bestattungsform  gewesen  sei,  Plin.  VII 
187:  ipsuni  cremore  apud  Romanos  nun  fnit 
veteris  inst  ituti;  terra  condehnntiir.  atpostqiiam 
longhiijuis  beiiis  obrvtOS  erui  cognonre,  tum- 
instihdum.  Vgl.  Cic.  de  leg.  II  22,  56.  Zur  Zeit 
der  XII  Tafeln  waren  beide  Formen  gleich  üb- 
lich, wie  die  Verordnung  Cic.  a.  a.  O.  23,  58: 
homiiicin  mortuutn  hi  urbe  tu  sipeUto  neve  m-ito 
beweist. 

9)  In  manchen  Familien  wurden  die  Toten 
nur  begraben,  wie  in  der  Gens  Cornelia,  wo 
Sulla  der  erste  war,  der  sich  verbrennen  ließ, 
Plin.  a.  a.  0.  Cic.  a.  a.  0.  22, 56.  Auch  die  Sci- 
pionen  waren  in  ihrem  Grabe  an  der  Via  Ap- 
pia  in  Sarkophagen  beigesetzt,  vgl.  Richter 
Topogr.  353.  Jordan-Hülsen  I  3, 210.  Kinder, 
die  noch  keine  Zähne  hatten,  wurden  stets  be- 
graben, Plin.  VII  72.  luv.  15,140.  Fulgent.  ex- 
pos.  serm.  ant.  7:  priori  tempore  nifffrwtdaria 

anti<liii<Ii<eliai>tx<piilera  i>ifanfiinn,qi(i  neeilnin 

quadraginta  dies  impUvissent,  quin  tue  bueta 
iliri  poterant,  quin  ossa  qiiae  combiomn/nr 
non  erant,  nee  finita  inunanitas  cadatrris,  qaae 
locum  tumesceret,  s.dazu  Wessner  Comment. 
Ienenses  VI  2, 109.  Vgl.  Not.  d.  scavi  1887, 61 . 
Auch  Arme  wurden  in  der  Regel  begraben,  weil 


488 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 


war1).  In  der  Kaiserzeit  nahm  das  Begraben  wieder  überhand2),  bis  es  unter 
dem  Einfluß  des  Christentums,  das  vom  Verbrennen  nichts  wissen  wollte, 
allmählich  das  allein  Übliche  wurde3). 

Die  Bestattung  der  Leichen  war  bei  den  Römern,  wie  bei  den  Griechen, 
durch  die  religiösen  Pflichten  geboten,  da  erst  dadurch  der  Schatten  der  Ver- 
storbenen Aufnahme  in  der  Unterwelt  fand;  sogar  die  Leichen  hingerichteter 
Verbrecher  wurden  den  Verwandten  zur  Bestattung  ausgeliefert4).  Selbst 
Fremde,  die  am  Wege  einen  unbeerdigten  Leichnam  antrafen,  warfen  dreimal 
eine  Handvoll  Erde  auf  ihn,  als  Symbol  der  Bestattung5).  War  die  Leiche  eines 
Anverwandten  überhaupt  nicht  zu  erlangen,  da  er  etwa  in  der  Fremde  gestorben 
oder  ertrunken  oder  verschollen  war  u.  dgl.,  so  wurde  dieser  Ritus  der  terrae 
iniectio  doch  symbolisch  vorgenommen6)  und  ein  leeres  Grabmal  (cenotaphium) 
errichtet7).  Der  Wunsch  auch  des  Ärmeren,  einer  solennen  Bestattung  teil- 
haftig zu  werden,  führte  zur  Stiftung  von  Begräbnisvereinen  {collegia  funera- 
ticia),  bei  denen  die  Mitglieder  einen  monatlichen  Beitrag  in  die  Kasse  zahlten, 
wofür  entweder  die  Familie  beim  Tode  eine  bestimmte  Summe  {funer aticium) 
für  die  gesamten  Bestattungskosten  oder  einen  Teil  derselben  erhielt  oder 
der  Verein  selbst  dies  auf  einer  eigenen,  ihm  gehörigen  Begräbnisstätte  be- 
sorgte, und  zwar  sowohl  als  Beerdigung  wie  als  Verbrennung8).  Etwaige 
Nichterfüllung  der  Bestattungspflicht  wurde  alljährlich  von  der  Familie  durch 
ein  Opfer  (die  sogenannte  porca  praecidaned)  gesühnt9),  wobei  wohl  auch 
Sühne  für  Vernachlässigung  des  Totenkultus  mit  inbegriffen  war10). 

Unter  funns,  das  eigentlich  den  Leichenzug  bedeutet11),  versteht  man 
im  weiteren  Sinne  alles  zur  Bestattung  Gehörige,  also  die  Aufbahrung,  den 
Leichenzug  und  die  Beisetzung  oder  Verbrennung.  Dabei  wurden  hinsichtlich 


es  billiger  war,  als  das  Verbrennen,  und  zwar 
die  Aermsten  in  gemeinschaftlichen  Gräbern, 
puticuli,  Varro  1. 1.V25.  Fest.  216,6:  217b, 8. 
Schol.Cruqu.ad  Hor.sat.I  8,10;  in  Rom  lag  der 
gemeinschaftliche  Begräbnisplatz  der  Armen  bis 
zur  Zeit  des  Augustus  auf  dem  Esquilin,  Hör. 
sat.  a.  a.  0. ;  über  Funde  daselbst  Lanciani  Bull, 
comun.  1875,41. 

')  In  Rom  ist  das  Verbrennen  seit  dem 
Ausgang  der  Republik  das  Gewöhnliche,  sodaß 
es  Tac.  ann.  XVI 6  als  Romemus  mos  bezeichnen 
konnte.  In  Pompeji  enthalten  nur  die  vorrömi- 
schen Gräber  unverbrannte  Leichen,  Mau  Pom- 
peji 399. 

2)  Die  meisten  römischen  Sarkophage  rüh- 
ren aus  der  Zeit  seit  dem  2.  Jahrh.  n.  Chr.  her; 
vgl.  Marquardt  377  A.  5.  Auch  in  der  Rhein- 
provinz zeigen  die  Funde,  daß  sich  im  2.  Jahrh. 
die  Sitte  des  Bestattens  allmählich  neben  der 
Verbrennung  eingebürgert  hat,  Dragendorfp 
Rhein.  Jahrb.  CXIII  237. 

s)  Macrob.sat.VII7,5sagt(um400n.Chr.): 
licet  urendi  corpora  defunetorum  usus  nostro 
saeculo  nullus  sit.  Daß  aber  noch  zur  Zeit  Karls 
d.  Gr.  die  Verbrennung  nicht  ganz  verschwun- 
den war,  zeigt  Wylie  Archaeologia  XXXVI l 
(1857),  463. 

4)  Digg.XLVIII24,lu.3.  Ueber  die  Aus- 
nahmen im  Pontifikalrecht  vgl.  Mau  bei  P.-W. 


346. 

5)  Verg.Aen.Vl  365.  Hor.carm.  I  28, 23 f. 
Petron.  114, 11.  Quintil.  decl.  5,  6.  Claud.  carm. 
III 371.  Bei  den  im  Meere  Ertrunkenen  tröstete 
man  sich  damit,  daß  der  Meeressand  dies  be- 
sorgte, Prop.IV6  (III  7),  25 f.  Petron.  a.  a.  0. 
Senec.  exe.  controv.VIII  4. 

6)  Serv.  ad  Aen.VI  366:  et  circa  cadaverA 
et  circa  absentium  corpora  quibusdam  solle- 
mnibus  sacris. 

7)  Hyg.fab.273.  Lampr.  Al.Sev.63.3.  Vo- 
pisc.  Tac.  15  (Florian.  2),  1.  Digg.  XI  7,  6.  1; 
lateinisch  heißt  es  tumulus  inanis,  Verg.  Aen. 
III  304.  Ov.  met.  VI  568,  oder  honorarius,  Suet. 
Claud.  1. 

8)  Vgl.ScHiESS  Die  römischen  collegia  fu- 
neraticia,  München  1888.  Waltzing  Etudes 
histor.  sur  les  corporations  professionnelles  chez 
les  Romains  (Bruxelles  1895)  1  286  ff.  Korne- 
mann  bei  P.-W.  IV  389. 

9)  Varr.  b.  Non.  163,  17.  Fest.  218a.  17; 
223,19.   Gell.  IV  6,  7. 

10)  Lürbert  Comm.  pontific.  78.  Wissowa 
Relig.  u.  Kultus  d.  Römer  160. 

11 )  Hör.  sat.  I  6,43:  coneurrantque  foro 
tria  funera.  Suet.  Tib.  57:  praetereunte  funere', 
daher  funus  ducere,  Cic.pro  Quinct.  15,50.  Suet. 
Aug.  100.  luv.  1,  146;  10,  240;  funere  efferri, 
Cic.  de  or.  II  55,  225.  Suet.  Ner.  9 ;  ebd.  30  u.  s. 


Achter  Abschnitt.    Ärzte,  Tod,  Bestattung  und  Grabmäler. 


IS!) 


ler  Art  der  Ausführung   oder   der  damit  verbundenen  Umstände  gewisse 
Jnterschiede  gemacht.    Im  allgemeinen  unterschied  man  private  und  öffent- 
iclie  Bestattung,  das  funus  privatum,   das  die  Familie  veranstaltete,   vom 
funus  publicum,  das  eine  Gemeinde  oder  der  Staat  übernahm,  um  den  Ver- 
storbenen dadurch  zu  ehren1),  womit  in  der  Regel  auch  die  Stiftung  eines 
legräbnisplatzes  verbunden  war2).    Das  prunklose  Begräbnis  der  Ärmeren 
rar  ein  funus plebeium*)  oder  tacitum4);  dagegen  hieß  die  feierliche  Art  der 
Bestattung  auch  funus  indictivumb),  weil  ein  Herold  dazu  öffentlich  einlud 
(siehe  unten  S.  491).  Begräbnisse  von  Kindern  und  Knaben  vor  Anlegung  der 
toga  virilis,  die  ohne  größere  Umstände  stattfanden,  hießen  funera  acerba6). 
Die  Besorgung  der  ganzen,  oft  recht  umständlichen  Veranstaltung  wurde 
tn  der  Regel  an  eine  besondere  Gesellschaft,  eine  Art  Entreprise  des  pompes 
|funebres,  vergeben7),  nämlich  an  die  libitinarii,  die  ihren  Namen  von  der 
renus  Libitina,   einer  alten  Todesgöttin6),   hatten,   in   deren  Tempel   ihre 
reschäftsräume  belegen  waren9).  Diese  libitinarü™)  (auch  futierarii11))  hatten 
3in  großes  Personal12),  indem  sie  sowohl  die  pollinctores  für  die  Aufbahrung, 
jals  die  beim  Leichenzuge,  beim  Begräbnis  oder  der  Verbrennung  nötigen  Per- 
sönlichkeiten (siehe  unten  S.  491  ff.)  stellten  und  auch  die  notwendigen  Gerät- 
schaften, die  Bahren,  Wagen,  Leuchter  usw.,  herliehen13).  Auch  die  Ärmeren 
Inahmen  die  Dienste  der  Libitina  in  Anspruch:  diese  stellte  die  Leichenträger, 


1)  Cic.  Phil.  IX  7, 16.  Tac.  ann.  III 5;  VI  1 1. 
|  Apul.  met.  II 27;  publicae  exequiae,  Tac.  ann.  III 
|48 ; publica sepultura,  Vell.  Paterc.  II 62, 4.  Bei- 
j  spiele  von  funera  publica  sowie  von  Fällen,  in 

denen  das  Volk  freiwillig  eine  Sammlung  ver- 
anstaltete zur  standesgemäßen  Bestattung,  s. 
»ei  Marquakdt  350.  Inschriftl.  Erwähnungen 
lebd.  A.ll.  vgl.  noch  CIL  XII 4106;  4244;  4399. 
Unter  Umständen  geschahen  auch  vulgaria  fu- 
nera  sumptu  publico,  wie  bei  der  Pest  Capitol. 
M.  Ant.  phil.  13, 6.  Daß  das  bei  Tac.  ann.  IV  15; 
VI  27:  XIII  2;  bist,  IV  47  erwähnte  funus  cen- 
Borium  nicht,  wie  Nipperdey  zu  Tac.  ann.  III  5 
meinte,  damit  identisch,  sondern  das  eines  ehe- 
maligen Censors  ist,  der  im  Purpurgewande  be- 
graben wurde,  eventuell  also  auch  ein  funus  pri- 
vatum sein  konnte,  bemerken  Göll  zu  Becker 
500  und  Marquardt  351  A.  1  richtig. 

2)  Diese  Anweisung  eines  locus  sepulturae 
findet  sich  auf  Inschr.  häufig,  s.  Marquardt 
a.a.  0.  A.  11. 

s)  Prop.'lll  5,  8  (II  13,  24). 

4)  Ov.tr.  13,22.  Bei  Capitol. a.a.O.  heißt 
es  nilgare  funus.  Ganz  unsicher  ist  die  Bedeu- 
tung der  Bezeichnung  simpludiarea  funera. 
Fest.  334b,  24  (325,5). 

ä)  Fest.  106, 13 :  indietivum  funus,  ad  quod 
per  praeconem  evocabantur. 

B)  Plaut.  Asin.  595.  Verg.  Aen.VI  429.  luv. 
11.44.  Tac.  ann.  XIII  17.  Sen.dial.  VI  9,2.  Sie 
hießen  acerba.  weil  sie  immatura  waren.  Hör. 
sat.  118,  59.  Tib.  116,29.  Sen.  dial.  IX  11,  7; 
X  20,  5;  rem.  fort.  13,  2;  ep.  122.  10.  Serv.  ad 
Aen.  XI  143. 

7)  Daher  funus  locare,  Val.  Max.  V  2, 10. 
Plin.VII176.   Sen.dial.  IX  11,10;  ep.  99,22. 


8)  Vgl.  Preller- Jordan  Rom.  Mythol.  1 
440.  Wissowa  Relig.  u.  Kult.  d. Römer  197  und 
bei  Röscher  Mythol.  Lexik.  II  2034. 

9)  In  diesem  Tempel  wurden  auch,  und 
zwar  angeblich  schon  seit  Servius  Tullius,  alle 
Todesfälle  angemeldet,  Dion.  Hai.  IV 15, 5,  wo- 
nach jedesmal  auch  eine  Kupfermünze  in  die 
Kasse  der  Libitina  abge fühlt  wurde,  das  lunir 
Libitinox,  CIL  V  5128  (nach  Mommsen  ebd.pe- 
cunia  slve  ei  deae  sirc  reipublicae  pro  funert 
solvenda);  es  wurden  auch  Register  darüber  ge- 
führt. Suet.  Nero  39. 

'")  Sen.  vit.  beat.  VI  38,4.  Digg.XIV3,5,8. 
Corp.Gloss.il  122,53;  300,  19;  375,  32.  Man 
sagt  auch  libitmam  exercere,  Val.  Max.  V  2, 10, 
und  Libitina  wird  überhaupt  sehr  gewöhnlich 
mit  Sterben  und  Bestatten  in  Beziehung  gesetzt, 
s.  Hör.  carm.  III  30,  7;  sat.  II  6,  19.  Mart.  VIII 
43,4.  luv.  12,122;  auch  der  ganze  Bestattungs- 
apparat wird  Libitina  genannt,  Plin.  XX  XV II 45. 
Mart.  X  97, 1.  Es  wird  mehrfach  erwähnt,  daß 
bei  großen  Epidemien  die  Libitina  nicht  allen 
Anforderungen  entsprechen  konnte,  Liv.  XL 
19,  3;  XL1  21,6.  Das  Gewerbe  war  für  Freie 
nicht  anständig  und  schloß  von  den  städtischen 
Magistraten  aus,  s.  Marquardt  Rom.  Staats- 
verw.  I  179  A.  1;  in  der  Gesellschaft  Trimal- 
chios  ist  der  libi/itutrius  freilich  noch  ein 
Mann,  der  eine  honesta  ntgoUaÜO  ausübt,  Pe- 
tron.  38,  15. 

'»)  Firm.  Mat.  math.  III  5,  23:  9,3.  Corp. 
Gloss.  11309,35;  581.2. 

l*J  Daß  diese  z.  T.  Sklaven  waren,  zeigt 
Digg.  a  a.  O.:  vgl.  Petron.  78,  6. 

IS)  Ascon.  argum.  Cic.  Milon.  Val.  Max. 
a.  a.  O.   Plut.  qu.  Rom.  23  p.  269  A. 


490 


Zweite  Abteilung.   Das  Leben. 


vespillones  genannt1),  die  die  Leiche  in  einem  schlichten  Holzsarg,  der 
capulus  oder  capulum2),  in  seiner  geringsten  Form  als  enger  Kasten,  für 
ganz  Arme  und  Verbrecher,  sandapila  hieß3),  zum  Begräbnisplatz  trugen4). 

Was  die  Zeit  der  Bestattung  anlangt,  so  fanden  in  den  historischen 
Zeiten  im  wesentlichen  nur  die  von  Kindern  {acerba  funera,  siehe  oben)5) 
und  armen  Leuten6)  bei  Nacht  statt,  sonst  erfolgten  sie  in  der  Regel  am 
Tage7).  Ob  die  bei  späten  Grammatikern  überlieferte  Nachricht,  daß  in 
alter  Zeit  alle  Bestattungen  nachts  stattgefunden  hätten,  auf  guter  Tradition 
beruht,  kann  man  nicht  feststellen8).  Unter  Iulian  wurde  die  nächtliche 
Bestattung  durch  Gesetz  allgemein  verordnet9). 

Die  Bestattungsgebräuche,  von  denen  im  folgenden  die  Rede  ist,  sind ,  wie  er- 
wähnt, im  wesentlichen  nur  bei  Bestattungen  vornehmer  und  reicher  Persönlich- 
keiten zur  Anwendung  gekommen,  zumal  bei  Angehörigen  alter  Geschlechter10). 
Hier  hatte  schon  früh  das  Bestreben  eingesetzt,  Prunk  zu  entfalten  und  dem  zu- 
schauenden Volke  ein  glänzendesSchauspielzu  bieten,  sodaß  bereits  die  XII  Tafeln 
verschiedene  Verfügungen  gegen  übermäßigen  Aufwand  dabei  treffenmußten11); 


»)  Mart.  I  30,  1;  47,  lf.;  II  61,  3  (immer 
in  der  Form  vispillo).  Suet.  Dom.  17.  Eutrop. 
VII 23  (15).  Amm.  Marc.  II 6, 13.  Fulgent.  expos. 
serm.ant.  2.  Fest.  368,17:  man  leitete  das  Wort 
von  vesper  ab,  weil  die  funera  plebeia  und  acerba 
nachts  stattfanden,  Serv.ad  Aen.  XI 143.  Fest. 
a.  a.  0. ;  vgl.  Keller  Lat.  Etym.  127.  Wessneb 
a.  a.  0.  104  f.  Die  Glossen  erklären  es  durch  ve- 
XQoO<xjixrig,vExooq)6Qog,fossarius\i.  dgl.,s.  Corp. 
Gloss.  VII  409" 

*)  Non.  4,  18 :  sarcophagum,  id  est  sepul- 
chrum,  capulum  dici  veteres  volunt,  quod  Cor- 
pora capiat,  wofür  Plaut.  Asin.  892  capuli  de- 
cus  (von  einem  Alten),  mil.  gl.  628  capularis 
im  gleichen  Sinne  zitiert  wird,  sowie  Pomponius, 
Luciliusu.Varro;  vgl.  Apul.IV18;VIII  13;  X12. 
Daß  im  capulum  die  Toten  nicht  nur  beigesetzt, 
sondern  auch  zu  Grab  getragen  wurden,  zeigt 
Fest.  61, 12 :  capulum . . .  quo  mortui  efferuntur. 
Serv.  ad  Aen.  VI  222.    Corp.  Gloss.  VI  180. 

3)  Fulgent.  a.  a.  0. 1 :  sandapilam  antiqui 
dici  voluerunt  feretrum  mortuorum,  id  est 
loculum,  non  in  quo  nobilium  corpora,  sed  in 
quo  plebeiorum  atque  damnatorum  cadavera 
portabantur  (s.  dazu  Wessneb  a.  a.  0.  103 f.). 
Mart.  II  81, 2;  VIII  75, 14:  angusta  sandapila; 
IX  2, 12;  X  5,9  nennt  er  sie  Orciniana  sponda. 
Suet.  a.  a.  0. :  populari  sandapila.  Corp.  Gloss. 
VII 229 ;  darnachheißen  die  Träger  auch  sanda- 
pilarii,  Ap.  Sid.  ep.  II  8, 2  (wo  sie  aber  von  den 
vispillones  unterschieden  werden)  oder  sanda- 
pilones,  Corp.  Gloss.  II  178,21.  Diesen  Armen- 
sarg meint  Hör.  sat.  18,9  mit  der  vilis  arca, 
vgl.  Lucan.  VIII  736.  Daß  ihre  Verfertiger 
Handwerker  niederster  Art  waren,  zeigt  luv.  8, 
175.  Nach  Mart.  VIII  75, 9  waren  bei  der  ärm- 
lichsten Bestattung  nur  vier  Träger,  sonst  wohl 
sechs,weshalb  hexaphoros  nicht  nur  eine  Sänfte, 
sondern  auch  eine  Totenbahre  bedeutet.Mart.il 
71  mit  der  Anm.  von  Fbiedländeb;  VI  77, 10. 

4)  In  Pestfällen,  wo  großes  Sterben  war, 


nahm  man  freilich  auch  davon  Abstand,  so  Ca- 
pitol.  M.  Ant.  phil.  13,  3:  tanta  autem  pestilrn- 
tia  fuit,  ut  vehiculis  cadavera  sint  exportata 
serracisque. 

5)  Serv.ad  Aen.  XI  143.  Sen.  dial.  IX  11 
7;  X  20, 5;  ep.  122, 10,  woraus  hervorgeht,  daß 
dabei  nicht  bloß  Fackeln  (faces),  sondern  auch 
Wachskerzen  (cerei)  getragen  wurden. 

6)  Vgl.  Hör.  sat.  1 6, 42  f.;  ep.  II 2, 74.  CIL  VI 
13782:  elalus  est  hora  III  frequentia  maxima. 

7)  Dion.Hal.IV40,5.  Fest.  368, 17.  Mart. 
VIII  75. 

8)  Serv.  a.a.O.  Donat.adTer.  Andr.1 1,81 
u.  88.  Es  scheint  aber  nur  aus  dem  Gebrauch  der 
Fackeln,  die  auch  bei  Tage  angezündet  wurden, 
darauf  geschlossen  worden  zu  sein  und  aus  der 
Etymologie,  funus  mit  funes  incensi,  funa/ia, 
in  Verbindung  zu  bringen,  s.  Serv.  a.  a.  0.  und  zu 
1727;  VI  224.  Isid.or.XX  10,5.  Immer  ist  die 
nächtliche  Bestattung  üblich  geblieben  bei 
nachträglicher  Beisetzung  einer  Leiche,  der  sog. 
translatio  cadaveris,  Paul.  sent.  I  21,  1;  eine 
solche  Bestattung  hieß  tralaticium  funus,  Suet. 
Ner.  33. 

9)  Cod.Theod.IX  17,5;  griechisch  s.Hebt- 
lein  Hermes  VIII  167  ff.  Im  Cod.  Iust.  steht 
das  Gesetz  nicht,  es  war  also  nur  vorübergehend 
gewesen. 

10)  Die  wichtigsten  sind  aufgezählt  bei  Cic. 
p.  Mil.  32, 86 :  ut  sine  imaginibus,  sine  cantu  at- 
que Iridis,  sine  exequiis,  sine  lamentis,  sine  lau- 
dationibus,  sine  funere  .  .  .  ambureretur. 

»)  Ueberliefert  bei  Cic.  de  leg.  II  23.  59  f., 
der  bemerkt,  daß  dieselben  großenteils  solo- 
nischen  Gesetzen  entnommen  waren.  Verschie- 
dene haben  wir  schon  oben  erwähnt  (S.  485), 
andere  s.  unten.  Ueber  den  Bestattungsluxus 
überhaupt  vgl. LabatutLcs  funerailleschezles 
Romains.  L'ödit  et  les  lois  sumptuaires,  Paris 
1878.  BAUDEiLLABTHistoire  du  luxe,  Paris  1878, 
II 484.  Fkiedländer  Darstellungen  III  112  ff. 


Achter  Abschnitt.    Ärzte,  Tod,  Bestattung  nnd  Grabmäler. 


19] 


auch  Sulla  hat  noch  solche  erlassen1),  die  freilich. später,  zumal  in  der  Kaiser- 
zeit,  nicht  streng  innegehalten  worden  zu  sein  scheinen2),  obschnn  die  idileo 
für  deren  Befolgung3)  ebenso  Sorge  zu  tragen  hatten,  wie  ihnen  die  Aufrecht- 
grhaltuag  der  Ordnung  bei  den  Leichenzügen,  die  Sorge  für  Sicherheit  gegen 
Feuersgefahr  bei  der  Verbrennung  u.  dgl.4)  übertragen  war. 

Zu  einem  feierlichen  Leichenbegängnis  (execjuiae)6)  wurde  vorher  durch 
einen  Herold,  der  in  der  Stadt  herumging,  eingeladen  (funus  ImlicereY),  wobei 
sich  derselbe  stehender,  althergebrachter  Formeln  bediente7).  Vor  dem  Sterbe- 
haus versammelten  sich  die  Leidtragenden  und  sonstigen  Teilnehmer,  denen 
dissignatores,  von  Liktoren  in  schwarzer  Tracht  unterstützt,  ihren  Platz  im 
Zuge  anwiesen8).  An  der  Spitze  derpompa9)  (vgl.  Fig.  76 10)),  wie  man  annehmen 
darf,  ging  die  Musik11),  und  zwar  Bläser  von  Flöten12),  Trompeten  {tubae)1*) 


1)  In  der  Lex  Cornelia  sumptuaria,  v.J.  81, 
Plut,  Süll.  35 ;  auch  Cic.  ad  Att.  XII  36, 1 ;  XIII 
35,  2  scheinen  sich  darauf  zu  beziehn. 

2)  Schon  Sulla  überschritt  nach  Plut.  a.  a.O. 
beim  Begräbnis  der  Metella  seine  eigne  Ver- 
ordnung. 

3)  Cic.  Phil.  IX  7, 17.  Ov.  fast.  VI  663 ;  auch 
inschriftl.  bezeugt,  CIL  VI  1375;  12389. 

4)  So  schon  nach  den  XII  Tafeln,  Cic.  de 
leg.  II  24, 61 ;  betr.  die  Lage  der  ustrinae  auch 
das  Senatuskonsult  CIL  VI  3823. 

a)  Daher  sagt  man  exequiasire,  Ter.  Phorm. 
1026.  Ov.am.II6,2.  Sil.  It  XV394:  auch  exe- 
qnias  prosequi,  Cic.  pro  Cluent.  71,  201. 

6)  Cic.  a.a.  0.;  de  prov.cons.  19,45.  Suet. 
Caes.  84.  Daher  funus  indictivum  (oben  S.489), 
Fest.  334b,  27.  Varr.  1. 1.  V  160;  VII  42.  Es  ge- 
schah das  vornehmlich,  wenn  Magistrate  be- 
stattet wurden  und  öffentliche  Spiele  damit  ver- 
bunden waren. 

7)  Vermutlich  erfolgten  mehrere  Anzeigen: 
zuerst  die  des  Todes,  nach  Varr.  VII  42.  Fest. 
254a,  27  mit  den  Worten:  ollus  Quirls  (d.  h. 
dafür  wurde  der  Name  des  Betreffenden  ein- 
gesetzt) leto  datus  est.  Dann,  wenn  der  Tag  der 
Bestattung  gekommen  war,  wurde  angezeigt, 
daß  es  Zeit  sei,  sich  dazu  einzufinden;  bei  Ter. 
Phorm.  1026  heißt  es:  exequias  (Jhremeti  qutbus 
est  commodum  ire,  em  tempus  est;  nach  Varr. 
1. 1.  V 160  wurde  verkündet,  daß  die  Leiche  aus 
dem  Hause  getragen  werde,  ex  aedibus  efterri, 
auch  wenn  der  Tote  aus  einer  taberna  getragen 
wurde.  Daher  hat  efferre  die  allgemeine  Bedeu- 
tungbestatten bekommen,  Plaut.Most.999;  Aul. 
568.  Ter.  Andr.  117.  Hör.  sat.  II  5, 82  u.  s.  Wo 
keine  solchen  Formalitäten  stattfanden,  mel- 
dete ein  Sklave  oder  Freigelassener  den  Tod 
und  lud  zur  Bestattung  ein,  wie  bei  Varro  r.  r. 
169,2. 

8)  Die  dissignatores  oder  deslgnatoi-es  wa- 
ren wohl  auch  Beamte  der  Libitina.  denen  als 
Gehilfen  Liktoren  beigegeben  waren,  Hör.  ep. 
I  7, 6.  Sen.  de  benef.VI  38,4  stellt  designatores 
und  llbitinarü  zusammen;  Tertull.de  spect.  10 
nennt  sie  arbitri  funerum.  Ein  praeco  idem 
dissignator  CIL  X  5429;  vgl.  Acro  und  Schol. 


Cruq.  ad  Hör.  a.a.O.  Ein  deatgnator  Deetmw 

kommt  bei  Cic.  ad  Attic.  IV  3,  2  vor;  vgl.  auch 
CIL  VI  8846;  9373.  Bei  Cic.  de  leg.  a.  a.  0.  ist 
ein  accensus  mit  Liktoren  beim  fun  tu  indiet  im  »i 
dabei.  Die  Lex  Iuliamunicipalis  vom  J. 45  v.Chr. 
untersagte  allen,  die  mit  den  funera  zu  tun 
hatten,  die  Bewerbung  um  gewisse  Aemter, 
CIL  l  206  Z.  94;  104.  Vgl.  Pollack  bei  P.W. 
V  1199. 

»)  Cic.  pro  Mil.  13,33.  Nep.  Attic.  22.  4. 
Prop.  III  5,  3  (II  13, 19).  Ov.  fast.  VI  663  u.s. 

10)  Darstellung  eines  Leichenzuges  auf 
einem  Relief  aus  Amiternum,  nach  Hülsen 
R.  M.  V  (1890)  72.  Daremberg-Saolio  [I  1392 
Fig.  3361.  Persichetti  R.  M.  XXIII  (1908)  15 
mit  Taf.  4. 

u)  Die  Annahme,  daß  diese  Leichenbläser 
sitifines  geheißen  hätten  (Marquardt  351. 
Becker- Uöll  502),  geht,  wie  Mau  350  bemerkt, 
nur  auf  eine  Vermutung  des  Ateius  Capito  zu- 
rück, Gell.  XX  20, 1:  sitidnes  appettatos,  <pti 
apud  sitos  canere  sollt  i  eeeent,  hoc  est  vita  fun- 
ctos  et  sepultos,  eosque  habuisse  proprium  gen  tu 
tubae,  quo  canerent,  a  ceterorutn  tuoMnum  dif- 
ferens.  Ebenso  bei  Non.  54, 20.  Das  Wortscheint 
früh  verschollen  zu  sein. 

")  Schon  früh  üblich;  die  XII  Tafeln  er- 
laubten nur  zehn  tiblcines,  Cic.  de  leg.  11  23, 
59  (von  Halm  als  Interpolation  gestrichen). 
Ov.  fast.  VI  663.  Sie  werden  oft  erwähnt,  vgl. 
Ov.  tr.  V  1,48.  Sen.  lud.  de  morte  Cl.  12.  1. 
Plin.  X  122.  Suet.  Caes.  84.  Dio  Cass.  LXXIV 
5.  3.  Artemid.  On.  I  56.  Fest.  93,  1  nennt  sie 
funebres  tlbiae.  Mau  a.  a.O.  vermutet,  nach  Serv. 
ad  Aen.V  138:  eeiendum,  matoriscutaüs  funera 
ad  tubam  ädere  proferri,  mtnorie  veroad  ttbüu, 
ut  Statins  (Theb.  VI  121)  de  Arehemoro,  daß 
bei  Kindern  nur  Flötenmusik  üblich  war;  allein 
es  ist  doch  anzunehmen,  daß  ein  funue  acerbutn 
(s.  oben)  ohne  Musikbegleitung  stattfand. 

13)  Hör.  sat.  16,44.  Ov.  am.  116,6;  her.  12, 
140.  Prop.  II  7,12;  1115.4(11  13,20);  V  (IV) 
11,9.  Serv.  ad  Aen.  a.a.O.  und  XI  192.  Plut. 
de  soll.  anim.  19p.973C.  Artemid.  a.  a.  O.  Vd. 
ad  tubicmes  mittere  als  Zeichen  des  nahenden 
Todes,  Petron.  129, 7. 


492 


Zweite  Abteilung.   Das  Leben. 


und 
den 


Hörnern  (cornua)1).  Zugleich  mit  den  Musikern  und  überhaupt  wohl  über 
ganzen  Leichenzug  verteilt  schritten  die  Träger  der  Fackeln2),  die  bei 

einem  solennen  Lei- 
chenbegängnis ebenso 
unerläßlich  waren,  wie 
bei  einer  Hochzeit3). 
Ferner  gingen  im  Zuge 
die  sogenannten  prae- 
ficae,  die  Klageweiber, 
die  eigens  (wohl  auch 
von  der  Libitina)  ge- 
mietet waren4) ,  um  die 

1)Hor.sat.I6,44.  Senec. 
a.  a.  0. ;  die  monumentarii 
ceraulae  bei  Apul.  Flor.  4 
scheinen   sich   auf  solche 
Hornbläser  zu  beziehen.  Da- 
gegen haben  wir  die  corni- 
cines  Petron.  78, 5,  wie  die 
|       tubae  Pers.  3, 103,  auf  die 
£       Totenklage  bezogen.    Das 
|       Fig.  76  abgebildete  Relief 
j:       zeigt  neben  Flöten  und  Hör- 
m       nern   auch   den  krummen 
5       Lituus,  die  Kriegstrompete; 
.2        Pebsichetti  will  in  diesem 
Jg       Bläser    einen    sähen    er- 
kennen. 
|  2)Verg.Aen.XI143.Tac. 

g       ann.  III 4.  Serv.  ad  Aen.  VI 

1  224. 

2  3)  Auf  diese  doppelte  An- 
g  wendung  der  Fackeln  wird 
■g  oft  angespielt,  s.Prop.V(  IV) 
|  11,46.  Ov.  epist.  20  (21), 
g  172.  Mart.VIlI43.  Sil.  Ital. 
o.  II  184.  Apul.  met.  IV  33. 
^  Doch  unterschied  man  sie 
g  nach  dem  Material:  zu  den 

Hochzeitsfackeln  nahm 
man  Weißdorn  (siehe  oben 
S.  358),  zu  den  Leichen- 
fackeln Pinienholz,  Ov.fast. 
II  558.  Doch  vgl.  Verg.  Cir. 
439.  Daß  außer  Fackeln 
auch  Wachskerzen  (cerei, 
candelae)  beimLeichenzuge 
benutzt  wurden,  zeigt  Sen. 
dial.  IX  11,7;'X20,5;  ep. 
122,10:  vgl.  Plin.  XVI 178: 
candelae  luminibus  et  fune- 
rtbus  servinnt. 

4)  Plaut.  Truc.  495.  Naev. 
b.Varr.l.l.VH70:Äa«:gwf- 
dem  hercle,  opinor,  prae- 
fica  est,  nam  mortuum  col- 
laudat.  Lucil.  b.  Non.67,5: 
ut  mercede  quae  condu- 
rtae  flens  alieno  in  funere  \ 


»'II 


Achter  Abschnitt.    Ärzte,  Tod,  Bestattung  und  Grabmäler. 


193 


nur/litt1),  das  Klagelied  auf  den  Verstorbenen,  zu  singen ■),  das  entweder  ein 
allgemeines,  meist  auf  frühe  Zeit  zurückgehendes  Totenlied3)  oder  eigens 
für  den  zu  Grabe  Geleiteten  gedichtet  war4).  Bei  besondern  Gelegenheiten 
wurden  aber  solche  Leichengesänge  auch  von  eigenen  Chören  vorgetragen5). 
Bei  besonders  pomphaften  Leichenzügen  gingen  Tänzer  und  Mimen  mit6), 
von  denen  bisweilen  einer  den  Verstorbenen  selbst  darstellte  und  sich  sogar 
dabei  allerlei  Scherz  erlaubte7).  Einen  Hauptteil  des  Zuges  aber  bildete  die  I  Y<>- 
zession  der  Ahnenbilder,  der  imagines6).  Wir  haben  früher  erwähnt  (S.  36),  daß 
diese  Masken  in  den  Atrien  alter  Familien  in  eigenen  Schränken  aufbewahrt 
wurden9).   Es  ist  wahrscheinlich,  daß  die  Entstehung  dieses  Brauches  darauf' 


praeficae  multo  et  capillos  scindunt  et  cla- 
mant  magis.  Varro  a.  a.  0.:  praefica  dieta 
midier,  ad  hictum  quae  conduceretur,  quae  ante 
dorn  um  mortui  laudes  eins  caneret.  Non.66, 27. 
Fest.  223, 16.  Daß  sie  vor  der  Bahre  gingen, 
bezeugt  Corp.  Gloss.  II  156,35:  praefica  fj  jtqö 
xfj?  x)dvt)s  ev  ti~i  ixtpogq  xomo(xsvr\,  Doi/rcodog 
bt' ixtpogä;  ebd. V  324, 65:  midier  lamentatrix 
ante  feretrum.  Auf  sie  und  sonst  gemietete  Be- 
gleiter geht  Hör.  a.  p.  431 :  ut,  qui  condueti  plo- 
rant  in  funere,  dieunt  et  faciunt  prope  plura 
dolentibus  ex  animo;  vgl.  Stat.  silv.  V  3.  244. 
Fat).  Aesop.  369  (Halm).  Der  Name  praeficae 
scheint  allerdings  später  nicht  mehr  üblich  ge- 
wesen zu  sein  (nach  Varro  b.  Non.  67.  10  nur 
bis  zu  den  punischen  Kriegen),  aber  die  Sache 
selbst  erhielt  sich  bis  in  die  Kaiserzeit  hinein, 
s.  unten  A.  2. 

')  Eine  alte  Bezeichnung  war  lessum  oder 
lessus,  was  nach  Cic.  de  leg.  II  23. 65  schon  die 
alten  Grammatiker  nicht  sicher  zu  deuten  wuß- 
ten: nach  L.  Aelius  war  es  die  lugnbris  eiulatio, 
also  wohl  die  Totenklage,  nicht  die  Nänie,  was 
Cicero  billigt.  Plaut.  Truc.  731  ist  lessum  facere 
Konjektur  (Hss.  lassa). 

2)  Varro  bei  Non.  145,  26:  ibi  a  midiere, 
tpiae  optuma  voce  esset,  perquam  laudari;  dein 
neniam  caniari  solitam  ad  tibias  et  fides.  Fest. 
163.1.  Corp.  Gloss.  VI  733.  Spätere  Erwäh- 
nungen sind  häufle,  vgl.  Cic.  pro  Mil.  32,  86. 
Hör.  carm.  II  20,  21.  Quint.  VHl  2,  8.  Lucan. 
VIII  734  u.s. 

3)  Der  Brauch,  solche  Loblieder  auf  die 
Toten  zu  singen,  fand  ursprünglich  bei  dem  Lei- 
chenschmause  statt;  vgl.Cic.de  leg.  II  24,62: 
honoratorum  virorum  laudes  in  contione  me- 
morentur  easque  etiam  cantus  ad  tibicinem  pro- 
tequatur,  cui  nomen  neniae.  Die  alten  Nänien 
aber  in  ihrer  vermutlich  sehr  einfachen  und 
naiven  Form  erschienen  den  Spätem  ge- 
schmacklos und  roh,  Non.  145,24:  nenia,  in- 
eptiim  et  inconditum  carmen.  Gell.  XVIII  7,3; 
daher  bezeichnet  Plaut.  Asin.  808  die  mortualia 
(wie  diese  Totengesänge  auch  heißen,  s.  Cato  bei 
Gell.  a.a.O.)  als  nugae.  So  hat  nenia  die  Bedeu- 
tung „dummes  Zeug"  erhalten,  wie  bei  Petron. 
46.  4:  47, 10;  die  Glossen  erklären  nenia  durch 
&toxia,fabidae,deliramenta,mendacium,8uper- 
fuae  loquacitates  u.dgl.m.,  Corp.  Gl.  VI  733.  Im 
weiteren  Sinne  bedeutet  naenia  ein  Trauerlied 


überhaupt,  Plaut.  Truc.  213;  Pseud.  1278.  Hör. 
carm.  II  1,38,  und  bei  Hör.  epod.  17,29  ein  Zau- 
berlied, ebd.  ep.  1 1,63  ein  Kinderlied,  cerm.  III 
28, 16  ein  Schlummerlied.  Vgl.überdiesr  Nänirii 
J.  Wehr  im  Ugoneftmatöv  für  E.  Curtius  (( lüt- 
tingen  1868),  11  ff.  Es  gab  darnach  auch  eine 
(JöttinNenia,  August. civ.Dei  VI  9.  Arnob.  IV  7. 
vgl.Wisso\VARel.d.Röm.l97.  Pkkllek-Jordw 
Röm.Mythol.  II  220;  sie  hatte  ihrSacellum  auf 
dem  Viminal,  Fest.  163,  6:  s.  Jordan-Hülsen 
Topogr.  13.373. 

4)  So  die  Nänie  bei  Cäsars  Leichenbegängnis, 
Suet.  Caes.  84.  Die  Parodie  einer  Nänie  gibt 
Senec.  lud.de  mort.Claud.  12.  Das  sind  die  me- 
ditata  ad  memoria  in  virtutiscarmina.  Tac  ann. 
III  5. 

5)  So  beim  Leichenbegängnis  des  AngnsJ  08, 
Suet.  Aug.  100:  canentibus  neniam  prineipunt 
liberis  utrnuaue  sexus;  bei  dem  des  Pertinax 
waren  es  yoooi  näfätov  xai  dydgdfo?,  Dio  Cass. 
epit  LXXIV4.5. 

6)  Suet.  Caes.  84  bemerkt,  daß  die  tibicints 
und  aeemd  artiflea  für  diesen  Anlaß  Kleider 
ausderGarderobefürdieTriumphzügeangelegt 
hatten.  Dion.  Hai.  VII  72,  12  erwähnt,  daß  er 
bei  &p8qööv  iHiatjfi<ov  tatpat  Chöre  von  Satyrn, 
die  die  Sikinnis  tanzten,  gesehen  habe,  zumal 
bei  Begräbnissen  von  Reichen.  Nach  Fest.  334b, 
25  nahmen  auch  desuÜorea  daran  teil  (Corp. 
Gloss.V496,39:  desuüor  qui  de  «quo  in  equum 
tratisilit.  vgl.  596.58). 

")  Suet.  Vespas.  19,  bei  dessen  Bestattung 
ein  arch  im  im  US  in  der  Macke  des  Kaisers  Witze 
über  dessen  Sparsamkeit  machte.  Daß  der  Ver- 
storbene in  Gang  und  Erscheinung  nachgeahmt 
wurde,  sagtDiod.exe.  XXXI 25, 2:  wahrschein- 
lich trug  der  Darsteller  auch  eine  genaue  Mask  e 
des  Toten. 

8)  Ueber  die  imagines  handeln  Eichstädt 
De  imaginibus  Romanorum,  Petrop.  1806  Qua- 
tremere  de  Quincy  Le  Iupiter  Olympien  36  f. 
Raoul-Rochette  Peintures  antiques  inedites 
334 ff.,  besonders  aber  Benndorf  Antike  Ge- 
sichtshelme und  Sepulkralmaski'ii  (Denkschr. 
d.  philol.-hist.  Kl.  der  k.k.  Akad.d.Wissensch. 
Bd.  XXVIII),  Wien  1878.  Coürbaud  bei  D.-S. 
III  412. 

9)  Einzig  dieTotenmaske  des  älteren  Scipio 
Africanua  wurde  im  lupitertempel  auf  dem  Ca- 
pitol  aufbewahrt,  Val.  Max.  VI! I  15.  1. 


494 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 


zurückgeht,  daß  man  bei  der  Ausstellung  der  Leichen,  um  etwa  schon  starkl 
vorgeschrittene  Verwesung  oder  Veränderung  der  Gesichtszüge  zu  verdecken,! 
diese  mit  einer  Maske  versah,  die  über  dem  Toten  geformt  worden  war1),! 
wie  man  solche  Totenmasken  bei  andern  Völkern  des  Altertums  aus  ver- 
schiedenem Material  auch  gekannt  und  vielfach  den  begrabenen  Leichen  mit- 
gegeben hat2).     Diese   imagines,   an  denen  Inschriften  Namen,  Amter  und 
Taten  des  Verstorbenen  angaben3),  bildeten  zugleich,  indem  sie  chronologisch 
geordnet  und  durch  Linien  miteinander  verbunden  waren,  den  Stammbaum 
{stemma)  des  betreffenden  Geschlechtes4).    Die  Schränke,  die  für  gewöhnlich 
verschlossen  waren,  wurden  an  Festtagen  geöffnet5)  und  bekränzt6).     Ein 
eigentümlicher  Gebrauch  wurde  nun  von  diesen  imagines  bei  den  Bestattungen) 
gemacht,  indem  Männer7)  diese  Masken  oder  wohl  eher  zu  diesem  Zweck ! 
angefertigte  Duplikate  davon8)  über  den  Kopf  stülpten9)  und  mit  den  Amts- 
kleidern, die  die  Betreffenden  bei  Lebzeiten  getragen  hatten,  als  Konsuln, 
Prätoren,  Censoren  unter  Vorantritt  von  Liktoren  mit  Ruten  und  Beilen  der 
Leiche  voranzogen10),  zur  Zeit  des  Polybius  auf  Wagen11),  sodaß  gewisser- 
maßen  alle  die  stolzen  Vorfahren  in  langer  Reihe  dem  Nachkommen  das 
Geleit  zur  Grabstätte  gaben12).  Jedenfalls  waren  diese  Almen  auf  den  Wagen 


')  Benndorf  73  nimmt  an,  daß  der  pol- 
linctor  es  war,  der  vor  der  Balsamierung  das 
Gesicht  der  Leiche  zu  formen,  die  Hohlform 
in  Wachs  auszugießen  und  den  Wachsausguß 
auszubessern  und  zu  bemalen  hatte.  Das 
Verfahren  wird  wohl  ein  derartiges  gewesen 
sein  (obschon  daneben  auch  schon  Abformen 
vom  Gesicht  der  Lebenden  anzunehmen  sein 
dürfte,  nach  Plin.  XXXV  153  eine  Erfindung 
des  Lysistratos,  des  Bruders  Lysipps),  doch 
wird  das  schwerlich  der pollinctor,  sondern  ein 
mit  solcher  Arbeit  vertrauter  Wachsbossierer 
vorgenommen  haben. 

2)  Vgl.  Benndorf  65  ff. 

3)  Die  Inschriften  hießen  tituli,  Liv.  X  7, 
1 1 .  Val.  Max.  IV  4. 1 ;  V  8, 3,  oder  indices,  Tib. 
IV  1,  30,  wohl  auch  eloqia,  s.  Mommsen  CIL  I 
277  ff.  Vgl.  auch  Ov.  fast.  I  591.  Tac.  ann.  XVI 
7.  Nep.  Attic.  18,  6. 

4)  Plin.  XXXV  6 :  stemmata  vero  lineis  dis- 
currebant  ad  imagines  pictas.  Sen.  de  benef. 
11128,2.  Mart.IV40,  1.  luv.  8,1.  Suet.  Nero 
37;  Galba2.  Das  Recht,  imagines  zu  besitzen  und 
bei  Bestattungen  vorzuführen  (ius  imaginum) 
hatten  nur  die  Familien,  deren  Vorfahren  kuru- 
lische  Aemter  bekleidet  hatten,  Polyb.  a.  a.  0. 
Cic.  ad  fam.  IX  21, 2.  Wenn  bei  jemandem  sich 
nach  seinem  Tode  herausstellte,  daß  er  ein  Ver- 
brecher gewesen  war,  konnte  seine  imago  zer- 
brochen werden,  luv.  8, 18 ;  vgl.  Mommsen  Rom. 
Staatsr.  1 3  444  A.  2. 

5)  Polyb  a.a.O.;  daher  aperire  imagines, 
Cic.  pro  Sulla  31, 88.  Senec.  controv.  VII  21, 10, 
und  noch  bei  Vopisc.  Florian.  10  (6),  6,  was  die 
Fortdauer  der  imagines  belegt.  Die  Angabe  des 
Plin.  XXXV  4.  daß  die  imaginum  pictura  ex- 
olevit,  geht  daher  wohl  nicht  auf  diese  imagines, 
sondern  auf  Porträtmalerei. 

6)  Cic.  p.  Mur.  41 ,  88.   Polyb.  a.  a.  0. 


7)  Daß  es  Schaupieler  waren,  ist  nicht  über- 
liefert, war  auch  schwerlich  erforderlich,  nur 
der  den  Verstorbenen  selbst  darstellte,  mußte 
mimisch  begabt  sein,  s.  Diod.  exe.  XXXI  25, 2: 
tu/ur/rag  ix  Jiavzog  tou  ßiov  jiaQaxsTi]Qrjx6xag  ri)v 
rs  jioosiav  xal  zag  xaxa  /,isgog  I8uht]tag  rijg  sfi- 
(päaecog.  Die  Darsteller  der  Ahnen  verhielten 
sich  vermutlich  ganz  bewegungslos. 

8)  Benndorf  76  nimmt  das  mit  Wahr- 
scheinlichkeit an,  teils  weil  die  Masken  zu  die- 
sem BehufeNase,  Augen  und  Mund  durchbohrt 
haben  mußten,  was  bei  den  im  Atrium  auf- 
gestellten kaum  denkbar  ist,  teils  weil  letztere 
durch  den  Gebrauch  stark  gelitten  hätten.  Man 
bewahrte  also  wohl  die  Hohlform  auf  und  stellte 
daraus  Abgüsse  her,  die  auch  eine  Geschlechter- 
tochter bei  der  Verheiratung  ins  Haus  des  Man- 
nes mitbringen  mochte. 

9)  Sie  waren  vermutlich,  wie  die  Theater- 
masken, als  Kopf  mit  Haaren  gearbeitet. 

10)  Genaueste  Beschreibung  bei  Polyb.a.a.O.; 
vgl.  dazu  Diod.  a.  a.  0.  Hör.  epod.  8,  11.  Prop. 
III  4.  3  (IV  13, 19). 

n)  Wie  lange  die  Wagen  in  Gebrauch  blie- 
ben, wissen  wir  nicht.  Daß  der  Platz  der  Ahnen- 
bilder vor  dem  Sarge  war,  besagt  sowohl  Diod. 
a.a.O.  Hör.  a.a.O.  wie  Sil.  It.  X568;  wennsiebei 
der  Bestattung  des  Augustus  der  Leiche  folgten, 
Dio  Cass.  LVI 24, 2,  so  war  das  eine  Ausnahme. 

12)  Da  nicht  nur  die  Ahnen  der  eigenen  Fa- 
milie, sondern  auch  die  der  verwandten  und 
verschwägerten  Familien  mit  aufgeführt  wur- 
den, Tac.  ann.  III  76;  IV  9  (daher  gentilicia  fu- 
nera,  Plin.  XXXV  6),  so  war  dieser  Aufzug  [fei 
rälis  pompa  nennt  ihn  Lucan.  VIII  733)  oft  sehr 
lang.  Prop.  a.a.  0;  nach  Serv.  ad  Aen.  VI  861 
wären  beim  Begräbnis  des  Marcellus  600,  bei 
dem  des  Sulla  gar  6000  imagines  gewesen,  was 
doch  stark  übertrieben  erscheint. 


Achter  Abschnitt.    Ärzte,  Tod,  Bestattung  und  Grabmäler. 


495 


nicht  stehend,  sondern  auf  Ruhebetten  gelagert1),  und  so  wurden  sie  später, 
als  die  Sitte  der  Wagen  abkam,  einhergetragen2).  Diesem  prunkvollen  Zuge 
schlössen  sich  die  Träger  von  allerlei  Gegenständen  an,  die  auf  die  Taten 
des  Verstorbenen  Bezug  hatten:  Beutestücke,  Bilder  oder  Symbole  von  ihnen 
bezwungener  Städte  oder  Völker,  Tafeln  mit  darauf  bezüglichen  Inschriften, 


am 


Ehrenkränze  u.  dgl. 


in.3). 


Unmittelbar  vor  der  nun  folgenden  Bahre  schritten,  der  Würde  des 
Toten  entsprechend,  die  schwarzgekleideten  Liktoren  mit  gesenkten  faaa  a  ' ) 
und,  wenn  der  Verstorbene  testamentarisch  Sklaven  die  Freiheit  geschenkt 
hatte,  häufig  auch  diese  mit  dem  Pilleus  bedeckten  neuen  Freigelassenen6). 
Die  Leiche  lag  nicht  in  einem  geschlossenen  Sarge,  sondern  mit  unbedecktem 
Gesicht6),  in  der  Kleidung  des  Lebens7)  und  auch  sonst  einem  Lebenden 
gleichend8)  auf  einem  prunkvollen  lectus9).  Als  Transportmittel  diente  wohl 
in  der  Regel10)  eine  Tragbahre,  feretrum11).  In  alter  Zeit  war  es  Brauch, 
daß  die  nächsten  Verwandten,  besonders  die  Söhne,  die  Stangen  der  Trag- 
bahre auf  ihre  Schultern  nahmen12),  und  das  wird  auch  später  noch  in  einer 


*)  Serv.  a.  a.  0.  spricht  daher  von  lecti. 

*)  Sil.Ital.X  567 ':  aut y,celsi8 demore  feretris 
praecedens  prisco  exequ/as  decorabat  hnago. 
Vom  Tragen  der  imagines  sprechen  auch  Dio 
Cass.  a.a.O.   Tac.  ann.  III  76. 

3)  Dion.Hal.VIII59,3.  Tac.  ann.  18.  Dio 
Cass.  LVI  34,3;  LXX1V  4,  5. 

4)  Das  wird  allerdings  nur  von  Leichen- 
kondukten durch  das  Land  erwähnt,  wie  bei 
Appian.  b.  civ.  I  105  bei  der  Ueberführung  der 
Leiche  des  Sulla,  Tac.  aiin.lll  2  bei  der  des 
Germanicus,  darf  aber  wohl  auch  bei  städti- 
schen Leichenzügen  vorausgesetzt  werden.  Den 
Brauch  der  umgekehrten  fasces  erwähnt  auch 
die  Consol.  ad  Liv.  140  f.  (Baehrens  PLMI 109) ; 
so  das  Senken  der  Waffen  bei  Begräbnissen, 
Verg.  Aen.  XI  91.    Stat.  Theb.  VI  214. 

5)  Liv.  XXXVIII  55,  2.  App.  b.  Mithr.  2. 
Schol.  Fers.  3, 105  f.  Dion.  Hai.  IV  24,  6.  Cod. 
lust.  VII  6,  5;  es  geht  aus  diesen  Stellen  her- 
vor, daß  der  Platz  vor  der  Bahre  nicht  die  Regel 
war,  sondern  daß  die  Freigelassenen  auch  neben 
oder  hinter  ihr  gingen. 

6)  Das  wird  zwar  nur  selten  bezeugt,  Dio 
Cass.  LXI  7,  4  und  Vell.  Paterc.  II  4,  6,  wo  es 
als  Besonderes  erwähnt  wird,  daß  der  jüngere 
Scipio  velato  capite  bestattet  wurde,  war  aber 
wohl  das  Uebliche.  App.  b.  civ.  II 147  ist  nicht 
anzuführen,  weil  dort  vom  Wachsbild  Cäsars 
die  Rede  ist 

7)  Val.Max.V5.4.  Lactant.II  14,19;  von 
Verg.  Aen.VI  221  auf  die  Sagenzeit  übertragen. 
Daß  man  wohl  auch  besondere  Leichenkleider 
hatte  und  diese  (die  euphemistisch  vitalia  ge- 
nannt wurden)  bei  Lebzeiten  sich  selbst  machen 
ließ,  zeigt  Petron.  77,7:  profer  vitalia,  in  gut- 
hus  volo  nie  efferri,  worauf  stragida  albula  et 
praeterta  gebracht  wird,  vgl.  Sen.ep.  99,2.  Man 
darf  aber  annehmen,  daß  meist  die  Leiche  in 
denselben  Kleidern  einhergetragen  wurde,  die 
sie  bei  der  Ausstellung  gehabt  hatte. 

8)  Wenn  Polyb.  VI  53,  1  sagt,    der  Tote 


werde  auf  das  Forum  getragen:  jiot«  uhv  roTo>; 
evaoyrjg,  ajraviwg  de  xaxay.ey./uinriK ,  so  ist  er- 
steres  sehr  auffallend:  wie  sollte  die  Leiche 
stehend  vorgeführt  werden  ?  Man  muß  an  künst- 
liche Stützen  denken  (Benndork  74  nimmt  Er- 
satz durch  ein  Wachsbild  an),  und  der  lectus 
fiel  dann  dahin.  Für  gewöhnlich  scheint  man 
den  Toten  in  die  beim  Liegen  auf  dem  leetu» 
übliche  Stellung  gebracht  zu  haben ;  das  wird 
mit  dem  xaxaxlivsaöai  gemeint  sein,  nicht  das 
Langausgestrecktliegen,  und  so  wird  der  Tote 
getragen  auf  dem  Relief  Fig.  76. 

9)  Es  war  jedenfalls  auch  derselbe  lectus 
funebris,  der  bei  der  Aufbahrung  gedient  hatte. 
Elfenbein  war  dafür  besonders  beliebt,  und 
kostbare  Decken  fehlten  nicht,  wie  es  Prop. 
III  5, 5  f.  (II  13,21)  beschreibt.  Wurde  statt  des 
Toten  sein  Wachsbild  einhergetragen  (s. unten), 
so  war  der  lectus  nicht  minder  prunkvoll  aus- 
gestattet, vgl.  Dio  Cass.  LVI  34, 1  (von  Augu- 
stus).   Herodian.  IV  2,  2. 

I0)  Der  Gebrauch  eines  Leichenwagens  ist 
nicht  direkt  überliefert;  angenommen  wird  er 
von  Marquardt  355  A.9  mit  Rücksicht  darauf, 
daß  nach  Cod.  Iust.  VII  6, 5  die  Freigelassenen, 
wenn  sie  nicht  vor  der  Leiche  gingen,  in  ipoo 
leetulo  standen,  was  bei  einer  Tragbahre  kaum 
möglich  gewesen  wäre. 

1 ')  Varr.  1.  l.V  166 :  ubi  leetu*  mortui  fertur, 
dicebani  feretrum  nostri.  Serv.  ad  Aen.  XI  64. 
Isid.  XX  11,  7.  Die  Glossen  erklären  es  durch 
leet/is  defuneti,  lectus  in  quo  mortui  portantur, 
Corp. Gloss.VI  444.  Vgl. Verg.  Aen. XI 149.  Stat. 
silv.  II  1,20.  Die  Tragbahre  glich  bisweilen 
einer  Sänfte.  Tac.hist.III  67  (nach  Nep.  Atti< . 
22  ließ  sich  Atticus  sogar  in  leetieulu  zu  (irabe 
tragen),  und  so  hat  sie  auch  auf  dem  Relief 
Fi«.  76  eine  Art  von  Baldachin. 

"  ,a)  So  Verg.  Aen.VI  222;  das.  Serv.:  pro- 
ptnquioribu*  enim  virüisstxus hoc dabatur  offi- 
cium. Lucan.  VIII 732:///  Romana auumgesteni 

pia  eolla  parentem. 


496 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 


Anzahl  von  Fällen  ausdrücklich  erwähnt1);  bei  Begräbnissen  hochstehender 
Persönlichkeiten,  zumal  der  Kaiser,  übernahmen  das  Magistratspersonen  unc 
Senatoren2).  Sonst  erwiesen  die  freigelassenen  Sklaven  ihrem  alten  Herrer 
diesen  Dienst3)  oder  es  übernahmen  ihn  Freunde  des  Verstorbenen4) 
In  besondern  Fällen5),  zumal  aber  bei  der  feierlichen  Konsekration  dei 
Kaiser6),  wurde  bisweilen  nicht  die  Leiche  des  Verstorbenen,  sondern  statl 
.deren  eine  Nachbildung  mit  Wachsmaske7)  auf  dem  lectus  liegend8)  einher- 
getragen,  wobei  dann,  wenn  nicht  schon  die  eigentliche  Bestattung  vorher- 
gegangen war9),  die  Leiche  in  einem  Behälter  unterhalb  des  lectus  ver- 
borgen war10). 

Hinter  der  Leiche  gingen  die  Verwandten  und  Freunde  des  Verstorbenen1 1), 
und  zwar,   wie  wohl   schon   während   der  vorhergehenden  Tage   seit   dem 


*)  So  bei  Q.  Caecilius  Metellus  Macedoni- 
cus,  was  deshalb  so  oft  erwähnt  wird,  weil  die 
vier  Söhne,  die  ihn  trugen,  alle  Konsuln  (teils  ge- 
wesene, teils  designierte)  waren,  Cic.  Tusc.  1 36, 
85.  Vell.Pat.  I  11,  7.  Val.  Max.  VII  1,  1.  Plin. 
VII  146.  Plut.  fort.  Rom.  4  p.  318 B;  bei  der 
Octavia  trugen  die  Schwiegersöhne  die  Leiche, 
Dio  Cass.  LI  V  35, 5. 

2)  So  nach  Plut.Num.22  schon  bei  Numa; 
bei  Sulla,  App.  b.  civ.  1  106;  bei  Caesar,  Suet. 
Caes.  84;  Augustus,  Dio  Cass.  LVI  34, 2,  und 
späteren  Kaisern,  Herodian.  IV  2,4.  Nach  Vell. 
Pat.  und  Suet.  a.  a.  0.  geschah  dies  Tragen  aber 
erst  auf  der  Strecke  von  den  Rostra  zum  Schei- 
terhaufen, und  das  scheint  das  Uebliche  gewesen 
zu  sein,  s.  Mau  a.  a.  0.  352. 

3)  So  bei  Pers.  3,  106. 

4)  Plut.  Aemil.  39.  Plin.  XVIII  16. 

5)  Da  man  nach  Tac.  ann.  III  5  bei  der  Be- 
stattung der  Asche  des  Germanicus,  dessen 
Leichein  Antiochia  verbrannt  worden  war,  unter 
den  veterum  instituta  die  proposita  toro  ef- 
figies  vermißte,  so  wird  es  Brauch  gewesen  sein, 
solche  Wachsfiguren  im  Zuge  zu  führen,  wenn 
die  Leiche  nicht  mehr  vorhanden  war.  Wenn 
nach  Plut.  Sulla  38  bei  Sullas  Tode  von  den 
römischen  Frauen  eine  solche  Unmasse  von 
Gewürzen  gespendet  wurde,  daß  man  damit 
nicht  nur  210  Tragbahren  füllte,  sondern  auch 
aus  kostbarem  Weihrauch  und  Zimt  eine  Ko- 
lossalfigur des  Sulla  selbst  und  eines  Liktoren 
herstellte,  so  hat  das  (entgegen  Benndorf 
74  und  Makquardt  355)  mit  dem  oben  be- 
handelten Brauch  gar  nichts  zu  tun.  wie  Mau 
352  richtig  bemerkt.  Da  Polyb.  VI  53, 1  nichts 
von  einer  Nachbildung  des  Toten  sagt  (siehe 
oben  S.  495  A.  8),  so  ist  die  Sitte  der  Wachsfigur 
des  Verstorbenen  vor  Augustus  nicht  nach- 
weisbar. 

6)  Daß  es  nicht  der  stehende  Brauch  war, 
geht  daraus  hervor,  daß  die  Schriftsteller  die 
einzelnen  Fälle  eigens  namhaft  machen.  Hero- 
dian. IV  2, 2  bezeichnet  es  allerdings  als  allge- 
meinen Brauch  bei  der  Apotheose,  daß  man  die 
Leiche  nach  gewöhnlicher  Sitte  pomphaft  be- 
stattete, das  Wachsbild  des  Toten  aber  im  Ve- 


stibulum  des  Kaiserpalastes  ausstellte  und  so 
sieben  Tage  dort  beließ.  Daß  diese  Wachsfigur 
den  Kaiser  als  Kranken  und  bleich  dargestellt 
habe,  daß  während  der  sieben  Tage  täglich 
Aerzte  gekommen  seien,  sie  wie  einen  wirk- 
lichen Kranken  untersucht  und  eine  jedesmalige 
Verschlimmerung  bis  zum  schließlichenEintritt 
des  Todes  konstatiert  hätten,  klingt  allerdings 
ganz  unglaublich,  zumal  dasselbe  Wachsbild 
nach  §  4  ff .  erst  zum  Forum  und  dann  zum 
Scheiterhaufen  getragen  wurde. 

7)  Mit  Recht  nimmt  Benndorf  75  an,  daß 
außer  Antlitz  und  Hals  höchstens  Hände  und 
Füße  sichtbar  und  aus  Wachs  waren,  während 
der  übrige,  mit  Kleidern  bedeckte  Körper  aus 
anderem  Material  gefertigt  war  (doch  nicht  bei 
Caesar,  s.  Anm.  8). 

e)  Es  scheint  allerdings  darin  verschieden 
gehalten  worden  zu  sein.  Beim  Begräbnis  Cae- 
sars war  nach  App.  b.  civ.  II  147  die  nachge- 
bildete Figur  drehbar  und  am  ganzen  Körper 
und  im  Gesicht  die  23  Dolchstiche  der  Ver- 
schwornen  nachgebildet;  hier  stellte  also  das 
Wachsbild  den  toten  Caesar  vor  (und  daher 
nicht  aufgerichtet,  wie  Mau  a.  a.  0.  sagt).  Da- 
gegen war  beim  Begräbnis  des  Pertinax  nach 
Dio  Cass.  LXXIV  4, 2  der  Kaiser  zwar  liegend 
dargestellt,  aber  lebend  und  schlafend  gedacht, 
da  ein  Knabe  neben  der  Figur  mit  einem  Wedel 
die  Mücken  von  ihm  abwehrte  (worauf  auch  Cod. 
Iust.  VII  6, 5  geht:  sed  et  qui  domini  funus pil- 
leati  antecedunt  vel  in  ipso  lectulo  stantes  ca- 
daver  ventilare  videntur). 

9)  Was  Herodian.  a.  a.  0.  als  das  Gewöhn- 
liche bei  der  Konsekration  annimmt. 

10)  So  bei  Caesar,  Appian.  a.a.O.,  und  bei 
Augustus,  Dio  Cass.  LVI  34,1;  außer  der  Wachs- 
figur wurden  bei  der  Bestattung  des  Augustus 
noch  zwei  Statuen  des  Kaisers  im  Zuge  auf- 
geführt, eine  goldene  und  eine,  deren  Material 
nicht  angegeben  wird.  s.  ebd. 

1 ')  Das  heißt  sequi,  Prop.  III 5, 1 1  (II 13, 27), 
oder prosequi,  Sen.  ep.  30. 5.  Ov.  tr.  I  8, 14.  Pe- 
tron.  111,2,  oder  exequl,  Plaut.  Epid.  174.  Enn. 
b.  Cic.  Tusc.  1 48, 115.  Gell.  X  15, 25 ;  daher  exe] 
quiae,  exequias  ire,  s.  oben  S.  491  A.  5. 


N 


ei 


Achter  Abschnitt.    Ärzte,  Tod,  Bestattung  und  Grabmäler. 


497 


eingetretenen  Tode1),  in  der  dunkeln2)  oder  in  der  Regel  ganz  schwarzen 
Trailerkleidung3)  (lugubria4)),  an  deren  Stelle  in  der  Kaiserzeit  bei  den  Frauen 
die  weiße  trat5).  Jedes  Rangabzeichen6),  sowie  Schmucksachen  wurden  ab- 
gelegt7); die  männlichen  Anverwandten  gingen  mit  verhülltem  Haupte8), 
in  gebückter  Haltung9),  die  Frauen  mit  offenen,  aufgelösten  Haaren10),  auch 
wohl  mit  entblößter  Brust11).  Dabei  erhoben  die  Frauen  laute  Wehklage  und 
äußerten  ihren  Schmerz  in  der  leidenschaftlichen  Art  des  Südländers  durch 
Schlagen  an  die  Brust  (daher  planctus)12),  Zerkratzen  der  Wangen13),  Raufen 
der  Haare14),  Zerreißen  der  Kleider16);  auch  der  Name  des  Toten  wurde 
dabei  immer  wieder  angerufen16). 


')  In  früher  Zeit  scheint  allerdings  in  der 
Trauerkleidung  der  Frauen  ein  Unterschied 
stattgefunden  zu  haben  nach  Varr.  b.  Non.  549, 
3 1 :  ut  dum  supra  terratn  esset,  ricinus  lugerent, 
futtere  ipso,  ut  pullis  palliis  amictae.  Dieser 
Unterschied  betraf  aber  wohl  nicht  die  Farbe 
der  Kleider  (über  ricinia  s.  oben  S.  233). 

2)  Pullae  vestes,  von  der  schwarzen  Natur- 
farbe der  Wolle,  luv.  3,213;  vgl.  Varr.  a.a.O. 
Mart.  XIV  157. 

3)  Ps.Tib.  III  2, 18.  Prop.  V  (IV)  7.28.  luv. 
10, 245.  Tac.  ann.  III  2  u.  5.  Macr.  III  15,  4. 
Apul.  met.  II 23;  III 8;  VII  27.  Artem.Onir.lI  3. 
Dion.  Hai.  V  17. 2;  VIII  62. 2.  Nur  der  dominus 
funeris,  dem  die  Ausrichtung  der  Bestattung 
oblag,  durfte  am  dunkeln  Trauergewand  den 
Purpurstreifen  als  Abzeichen  seiner  Würde, 
also  die  praetexta  pulla  tragen,  Fest.  237  b,  24. 
Wenn  (Jato  bei  Serv.  ad  Aen.  III  64  von  den 
Frauen  sagt:  deposita  veste  purpurea  usas 
caerulea  cum  Iitgerent.  so  ist.  wie  Serv.  bemerkt, 
hier  caeruleus  für  niger  gebraucht.  Sid.  Ap.  ep. 

V  7,3  tadelt,  daß  manche  albati  ad  exequias, 
pullati  ad  nuptias  kämen. 

4)  Ov.  met.  XI  66. 9 ;  trist.  IV  2, 73.  Prop. 

V  (IV)  11, 97.  Sen.dial.VI2.5:XlI  16,2. 

5)  Plut.  qu.  Rom.  26  p.  270  D  Herodian.  IV 
2,3;  wenn  Paul.  sent.  I  21,14  weiße  Trauer- 
kleider untersagt  werden,  muß  sich  das,  wie 
Mau  zu  Makquardt  356  A.  10  bemerkt,  nur  auf 
die  Männer  beziehen,  auf  die  ja  auch  das  Ver- 
bot der  Teilnahme  an  convivia  ebd.  geht. 

6)  Das  Ablegen  des  latus  clavus  bei  den 
Senatoren,  des  goldnen  Ringes  bei  den  Rittern 
erwähnt  Liv.  1X7.8  als  Zeichen  der  Trauer  nach 
der  caudinischen  Niederlage;  es  war  aber  wohl 
der  Totentrauer  nachgeahmt.  Am  Tage  der  Be- 
stattung des  Augustus  trugen  die  Ritter  statt 
der  goldnen  Ringe  eiserne,  Suet.  Aug.  100. 

7)  Das  bezog  sich  vornehmlich  auf  die 
Frauen,  s.  Liv.  XXXIV  7, 10.  Ter.  Heaut.  288. 
Dion.  Hai.  V  48. 4 ;  VIII 62, 2.  Herodian.  a.  a.  O.; 
vgl.  Paul.  a.  a.  O. 

8)  Plut.  qu.  Rom.  14  p.  267  A. 

9)  Prop.  V  (IV)  7. 27. 

10)  Liv.  I  26,2.  Plut.  a.  a.  O.  Ter.  Phorm. 
106;  Heaut.  290.  Catull.  64,350.  Ov.  her.  10, 
137;  fast.  II  813.  Tib.  I  1,67;  3,8.  Petron. 
111,2;  man  vgl.  die  Frauen  auf  dem  Relief 

Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft.    IV. 


Fig.  75.  Hier  hält  Samter  a.  a.  0.  251  die  drei 
Frauen  am  Kopfe  des  Lagers,  die  pilleusaitige 
Kopfbedeckungen  tragen  und  deswegen  in  der 
Regel  als  Freigelassene  erklärt  werden,  für  An- 
gehörige und  den  Pilleus  für  das  Zeichen  der 
Verhüllung;  wenn  Plut.  a.a.O.  die  Verhüllung 
bloß  den  Männern  zuschreibe,  den  Frauen  aber 
nicht,  so  beziehe  sich  das  entweder  bloß  auf  die 
Töchter,  oder  die  Sitte  war  bei  der  Collocatio 
vom  eigentlichen  funus  verschieden.  Allein  der 
Umstand,  daß  diese  Frauen  langes  Haar  haben, 
kann  wohl  nichts  beweisen,  da  der  Brauch,  daß 
die  Freigelassenen  den  Kopf  schoren  (s.  oben 
S  298),  sich  schwerlich  auf  die  Frauenerstreckt 
haben  wird,  auch  kann  ein  den  Hinterkopf  be- 
deckendei  Pilleuskaum  als  Verhüllung  betrach- 
tet wei  den.  —  Daß  auch  das  Bestreuen  der  Haare 
mit  Asche  bei  der  Trauer  im  Hause  vorkam, 
zeigt  Catull.  a.a.O.  Verg.  Aen.  X  844;  XII 611. 

11 )  Petron.  a.a.O.  Prop. III  5,11  (II  13,27). 
Daß  man  auch  barfuß  gegangen  sei,  wie  Samter 
a.  a.  0.  aus  der  einen  Frau  des  Haterierreliefs 
unter  Bezugnahme  auf  Ter  Phorm.  106  schlie- 
ßen will,  ist  sonst  nicht  belegt. 

'«)  Ov.epist.  15,113.  luv.  13,130.  Luc.de 
luctu  12.  Vgl.  auch  die  Grabinschrift  Not.  d. 
scavi  1898.  347:  quid  mater  ventrem  laceras, 
quid  pectora  plangis  ? 

,ä)  Das  Verbot  der  XII  Tafeln:  mulieres 
genas  ne  radunto,  Cic  de  leg.  II  23.59.  Plin.  XI 
157.  Fest.  273  b,  30,  wurde  offenbar  nicht  be- 
richtet 

u)  Tib.,  Prop.  u.  Petron.  a.  a.  O.  Catull.  64, 
351.  Ov.  tr.  III  3. 51 ;  am.  II  6, 4  Verg.  Aen.  IV 
673.  Quintil.decl.  10.  Luc.deluctu  12.  Artemid. 
On.  I  30.  Cic.  Tüsc.  III  26.62  zählt  unter  den 
varia  et  detestabilia  genera  lugend  i  auf ':  pedores 
(d.  i.  Unterlassen  des  Waschens),  muliebres  hi- 
cerationes  genarum,  pectoris,  feminum,  capitis 
percussiones.  Varro  bei  Serv.  ad  Aen.  III  67: 
mulieres  in  exequiis  et  luctu  ideo  solitas  ora 
lacerare,ut  sanguine  ostenso  inferis  satisfaciant. 
was  gewiß  nicht  richtig  ist. 

l5)  Verg.  Aen.  XII  609.  luv.  a.a.O.  Stat. 
silv.  II 1, 171 ;  V  1,20   Sil.  It.  XIII  389. 

'«)  Verg.  Aen.  III  68.  Prop.  III  5,12  (II 13, 
28).  Das  geschah  auch  beim  Anzünden  des 
Scheiterhaufens  als  ultima  conclamatio,  Serv. 
ad  Aen.  VI  218. 

2,  2.    3.  Aufl.  32 


498 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 


Bei  Begräbnissen  hoher  Persönlichkeiten  ging  der  Leichenzug  nichl 
direkt  von  der  Wohnung  zum  Verbrennungsplatz,  sondern  zunächst  zunl 
Forum  und  machte  dort  bei  den  Rostra  Halt1).  Die  Leiche  mit  ihrem  hoher! 
Paradebett  wurde  entweder  auf  die  Rednerbühne2)  oder  auf  ein  eigeml 
errichtetes  Holzgerüst  gestellt3),  während  die  Träger  der  imagines  auf  elfen-l 
beinernen  (kurulischen)  Stühlen  rings  im  Kreise  Platz  nahmen4).  Dann 
bestieg  ein  Sohn  oder  ein  naher  Verwandter5)  die  Rednerbühne  und  hiell 
dem  Verstorbenen  die  Leichenrede,  laudatio  funebrise),  in  der  nicht  nur  dit 
Verdienste  des  Toten,  sondern  auch  die  der  Ahnen  in  oft  recht  überschweng- 
licher Weise 7)  gepriesen  wurden8),  eine  Ehre,  der  bisweilen  auch  Frauer 
aus  vornehmem  Geschlecht  gewürdigt  wurden9).  In  jedem  Falle  war  ein€ 
spezielle  Erlaubnis  zur  Leichenrede  auf  dem  Forum  notwendig10).  Vor  und 
nach  der  Rede  erklangen  auch  die  Trauergesänge,  von  denen  schon  oben 
die  Rede  war11).  Manchmal  fanden  auch  Aufführungen  (ludi)  statt,  bei  denen 
die  am  Zuge  teilnehmenden  Tänzer  und  Mimen  mitwirkten12). 

Nach  Beendigung  der  Reden  und  Gesänge  wurde  das  Paradebett  wiedei 
aufgenommen,  und  nun  zog  man  zur  Stätte  der  Verbrennung  oder  der  Be- 
erdigung. Diese  Stätte  lag  außerhalb  der  Stadtmauern,  da  der  in  ältesten 
Zeiten  bestehende  Brauch,  die  Toten  innerhalb  der  Stadt  beizusetzen13),  schon 
früh  abkam14);  nur  bei  sehr  verdienten  Personen  war  man  in  der  republi- 
kanischen Zeit  ein  paarmal  davon  abgegangen,  indem  man  ihnen  und  ihren 
Nachkommen  die  Beisetzung  in  der  Stadt  als  besondere  Ehre  zugestanden 


1)  Polyb.  VI53.  Dion.  Hai.  V17,2;XI39, 
2.  Plut.  Luculi. 43.  DioCass.LIV28,3.  Hor.sat. 
16,43. 

2)  Dio  Cass.  LIV  35, 4;  LVI  34, 4. 

3)  Suet.  Caes.  84.  Dio  Cass.  epit.  LXXI V  4.2. 

4)  Polyb.  a.  a  0.  9. 

5)  Bei  einem  publicum  funus  tat  das  eine 
vom  Senate  beauftragte  Magistratsperson. 
Quint.  III  7,2. 

6)  Ueber  diese  Leichenreden,  die  in  Rom 
seit  ältester  Zeit  üblich  und,  da  sie  meist  auf- 
gezeichnet wurden,  später  eine  wichtige  histo- 
rische Quelle  waren,  handeln  von  Neueren 
Hebm.  Geaff  De  Romanorum  laudationibus 
commentatio,  Dorpat  1862.  Hübner  im  Hermes 
I  440.  Mabquabdt  357  f. 

7)  Cic.  Brut.  16. 62  meint,  daß  durch  diese 
Reden  viele  Irrtümer  in  die  Geschichte  ge- 
kommen seien,  und  dasselbe  sagtLiv.  VIII 40, 4. 

«)  Polyb.  a.a.O.  Dion.  Hai.  V  1 7 . 3 :  IX  54, 
5.  Dio  Cass.  LIV  28, 3. 

a)  Nach  Plut.  Cami]l.  8  wäre  das  zum  eisten 
Male  396  v.  Chr.,  nach  Liv.  V  50,7  i.  J.  390  ge- 
schehen, während  Cic.deor.II  11,44 angibt,  die 
ersteLeichenrede  auf  eineFrau  sei  i.J. 102  gehal- 
ten worden,  vgl.  Plut.  mul.  virt.  p.  242 F.  Ueber 
die  Grabreden  auf  Frauen  verl.  Mabquabdt  360. 

10)  Dion.  Hai.  IX  54,5;  über  solche  Verfü- 
gung auf  Provinzinschriften  s.  Mabquabdt  359 
A.3. 

n)  Vgl.  Lucan.  VIII  734:  ut  resonent  tristi 
rantu  fora. 

,2)  Cic.  p.  Mil.  32. 86.  Suet.  Caes.  84.  Fest. 


334  b,  25.  Die  ludi  funebres  aber,  die  vornehm- 
lich Gladiatorenkämpfe  waren,  wurden  zwar 
zur  Feier  von  Bestattungen  gegeben,  aber  nicht 
während  der  Bestattung,  sondern  später,  vgl. 
Fbiedländeb  bei  Mabquabdt  Rom.  Staatsver- 
walt.  III  533. 

»■•)  Nach  Serv.  ad  Aen.  V  64;  VI  152  hätte 
man  in  alter  Zeit  die  Toten  sogar  im  eignen 
Hause  bestattet,  doch  beruht  das  wohl,  wie 
Mabquabdt  a.  a.  O.  296  A.  7  meint,  nicht  auf 
Ueberlieferung,  sondern  auf  einem  Rückschluß 
aus  dem  Larenkult.  Begraben  auf  dem  Markt 
bezeugt  Dion.  Hai.  III  1,2;  vgl.  Serv.  ad  Aen. 
XI  206,  sowie  den  oben  S.487  A.  7  erwähnten 
Fund  von  Gräbern  auf  dem  römischen  Forum. 

14)  Diese  jedenfalls  schon  ältere  Gewohnheit 
wurde  durch  die  XII  Tafeln  gesetzlich  fest- 
gelegt, Cic.  de  leg.  II  23,  58,  und  die  Bestim- 
mung später  öfters  erneuert,  sowohl  in  der  re- 
publikanischen Zeit,  Serv.  ad  Aen.  XI  206,  als 
unter  den  Kaisern,  Digg.  XL VII  12.  3,  5.  Ca- 
pitol.  Ant  Pius  12,  3.  Paul  sent.  I  21,  3.  Cod. 
Theod.  IX  17,  6.  Cod.  Iust.  III  44, 12.  Dieser 
Brauch  galt  nicht  bloß  für  die  Hauptstadt,  son- 
dern für  das  ganze  Reich,  vgl.  die  Lex  Colon. 
Genetivae,  CIL  II  5439  cap.  73.  Doch  war  er 
nicht  ganz  allgemein;  manche  Munizipien  er- 
laubten die  Bestattung  innerhalb  der  Mauern, 
s.  Digg.  a.a.O.  Die  Angabe  von  Cuq  1393,  daß 
man  Kinder,  die  noch  nicht  40  Tage  alt  waren, 
im  Hause  sub  grundo  beisetzte  und  daß  daher 
die  Laves  grundules  (Arnob.  I  28)  kämen,  ist 
nicht  erweislich. 


Achter  Abschnitt.    Ärzte,  Tod,  Bestattung  und  Grabmäler. 


I'.»'.. 


hatte1),  wie  auch  die  Vestalinnen  dieses  Hecht  hatten2),  und  es  scheint,  dato 
in  früher  Zeit  dies  auch  denen,  die  einen  Triumph  gefeiert  hatten,  eingeräumt 
war3).  Ebenso  vereinzelt  sind  die  Fälle,  in  denen  durch  besonderes  Gesetz 
die  Beisetzung  auf  dem  Marsfelde  gestattet  wurde4).  Die  Verbrennuogsplätze 
sowohl  wie  die  Gräber  und  Grabdenkmäler  lagen  daher  vor  den  Toren  der  St  mit 
zu  beiden  Seiten  der  daraus  herausführenden  Landstraßen  (siehe  unten  S.  505). 
Was  nun  die  Verbrennung,  von  der  wir  zuerst  handeln  wollen,  anlangt, 
so  gab  es  zwei  Verfahrungsweisen  dabei.  Die  ältere  bestand  darin,  dafi  eine 
Grube  gegraben  und  in  dieser  der  Holzstofä  errichtet  wurde,  auf  dem  man 
die  Leiche  verbrannte,  sodaß  also  Verbrennungs-  und  Bestattungspia tz  »-in 
und  derselbe  waren,  und  dieser  Platz  hieß  ursprünglich  btistum*).  Doch  haben 
sich  Gräber  dieser  Art  in  Rom  selbst  nicht  nachweisen  lassen0).  In  der 
Regel  lag  der  Verbrennungsplatz,  die  ustrina 7),  in  der  Nähe  der  Stelle,  wo 
die  Asche  nachher  beigesetzt  wurde;  die  großen  gemeinsamen  Grabanlagen 
(Kolumbarien,  siehe  unten  S.  503)  hatten  in  der  Regel  ihre  eigene  vstrina,  ebenso 
manche  Familiengräber8).  Auf  diesem  Platze  wurde  der  Scheiterhaufen. 
rogus9),  errichtet,  ursprünglich  ein  Stoß  schlichten  Holzes10),  mit  Beigabe 
leichter  Brennstoffe,  wie  Binsen  u.  dgl.11),  in  Altarform  geschichtet12),  doch 


x)  Die  Valerier  hatten  zwar  ein  Erbbegräb- 
nis auf  der  Velia,  machten  aber  keinen  Gebrauch 
davon;  es  wurde  nur  noch  symbolisch  angedeu- 
tet. Cic.  a.a.O.  Dion.  Hai.  V  48, 3  Plut.  Poplic. 
23;  quaest  Rom.  79  p.  283  A.  wo  dasselbe  von 
den  Fabriciern  behauptet  wird,  während  Cic. 
a.  a.  0.  nur  den  Fabricius  allein  nennt. 

2)  Serv.  a.  a.  0. 

3)  Es  sind  davon  keine  Fälle  überliefert, 
doch  scheint  der  Brauch,  daß  von  der  Leiche 
desTriumphators  ein  abgenommenes  Glied,  das 
sog.  os  resectum  (siehe  unten  S.  502),  in  der  Stadt 
beigesetzt  und  ein  Denkmal  errichtet  werden 
durfte,  Plut.  und  Serv.  a.  a.  0.,  ein  Rest  der 
älteren  Sitte  zu  sein. 

4)  Siehe  die  Aufzählung  bei  Marquardt 
360  A.  12.  Daß  die  Asche  des  Traian  im  Po- 
stament der  Säule  auf  seinem  Forum  beigesetzt 
wurde,  war  eine  ganz  besondere  Ausnahme. 
Eutrop.VIII  5. 

5)  Fest.  32,  4  unterscheidet  bustum.  und 
ustrina:  bustum  proprie  dicitur  locus,  in  quo 
mortuus  est  combust/is  et  sepultus ;  übt  vero  com- 
bustus  quis  tantummodo,  alibi  vero  est  sepultus, 
is  Jochs  oh  urendo  ustrina  vocatur.  Serv.  ad 
Aen.  XI  201.  Diese  besondere  Bedeutung  war 
freilich  früh  in  Vergessenheit  geraten,  sodaß 
bustum  einfach  Scheiterhaufen  oder  Grab  be- 
deutet, vgl.Corp.Gloss.VI  157  (für  das  XII  Tafel- 
gesetz nicht  nachweisbar,  da  Mau  bei  P.-W. 
III  1078  es  bei  Cic.  de  leg.  II  26,64  irrtümlich 
diesem  zuschreibt,  während  es  nur  Ciceros 
Uebersetzung  von  iv/ißog  ist). 

6)  Wohl  aber  sonst  in  Italien,  vgl.  Mar- 
quardt 381  A.  1.  Mau  a.  a.  0.  Kennzeichen  ist, 
wenn  sich  im  Grabe  Kohlen  und  Knochen  mit- 
einander finden. 

7)  Oder  ustrinum;  das  Wort  ist  auf  Inschr. 
sehr  häufig,  in  der  Litteratur  selten;  vgl.  Corp. 


Gloss.  VII  386,  wo  es  in  der  Regel  durcb  locus 
ubi  contbttrttntur  corpora  erklärt  wird;  griech. 
xavotga  vsuq&v.  Vgl.  Festus  a.  a.  0. 

8)  Das  bezeugen  die  Inschriften,  s.  die  Bei- 
spiele bei  Marquardt  369  A.6.  Ausdrücklich 
verboten  wird  die  Anlage  eines  ustrinum  beim 
Grabmal  CIL  VI  4410.  Ein  erhaltenes  ustrinum 
an  der  Via  Appia  s.  Canina  Via  Appia  t.  32;  da- 
gegen sind  in  Pompeji  au  der  GräberstralV 
ustrinae  nicht  nachweisbar.  Ovekbkck  397. 

<J)  Daneben  findet  sich  die  griechische  Be- 
zeichnung pijra  nicht  bloß  bei  Dichtern,  wie 
Verg.Aen.VI215;XI  185.  Ov.  fast,  II  534,  son- 
dern auch  in  Prosa,  Auct.  b.  Afr.  91.  Wenn  aber 
Serv.  ad  Aen.  XI  185  unterscheidet:  jmru  est 
lignorum  eongsrits;  rogus  cum  iam  ordere  <■<»■- 
perit  dicitur  (so  auch  in  den  Glossen  rogus  li- 
gnorum  aeervus ardens u.dgl..  Corp. Gloss. VII 
211).  so  ist  das,  wie  die  Stellen  unten  zeigen, 
falsch;  ebenso  aber,  was  die  Glossen  geben: 
pyra  liguis  altioribus  compoeita,  quae  cum  u<l- 
huc  non  ardet  rogus  dicitur,  cum  vero  ardet 
pyra  dicitur.  vgl.  Corp.  Gloss.  VII  184.  Serv. 
ad  Aen.  11122.   Isid.  XX  10,9. 

10)  DieXlI  Tafeln  verordneten :  rogum  asesa 
»e  polito,  Cic.  de  leg.  II  23.  59. 

n)  Papyrus  führt  Mart.  VIII 44. 14;  IX  97, 1 
an:  vgl.  Plin.VII  186,  wo  eine  vom  Scheiter- 
haufen gefallene  Leiche  auf  Reisig  verbrannt 
wird,  weil  sie  der  Hitze  wegen  nicht  mehr  auf 
den  rogus  gelegt  werden  konnte.  Sil.  It.  X  560 : 
virenti  Stramine. 

1S)  Serv.  ad  Aen.  VI  177.  daher  der  rogus 
poetisch  oft  ara  genannt  wird.  Ov.  Ib.  104 ;  tr.  II I 
1 3,2 1 :  met.  V 1 1 1 480  u.  s.  Bei  Kaiserbestattungen 
ist  der  Scheiterhaufen  itxQ&fiore*  n  *«< 
nXevQov,  äXXr/e  ftk»  RUf«  obdsuule  utxi%ov,  bt 
ft6v)]g  de  ov/urfäems  $i'/.o>r  uayUnto*  k  "/»/.«a 
oiy.tjfictTo;,  Herodian.  IV  2,  6. 

32* 


500 


Zweite  Abteilung.   Das  Leben. 


später  oft  sehr  groß  und  prächtig1),  mit  Malereien2)  und  Teppichen3)  ge- 
schmückt und  von  Zypressenzweigen  umgeben4).  Auf  diesen  Scheiterhaufen] 
wurde  die  Leiche  mitsamt  dem  lectus  gestellt5)  und  allerlei  Gaben  dazu- 
getan,  teils  Speisen,  nach  der  alten  Vorstellung,  daß  der  Verstorbene  noch 
im  Jenseits  solcher  bedürfe6),  teils  Dinge,  die  der  Verstorbene  im  Leben 
besessen  und  liebgehabt  hatte,  wie  seine  Kleider7),  Schmucksachen8),  Ge- 
schirr9), allerlei  Geräte10)  u.  dgl.  m.;  dagegen  war  es  wohl  nur  vereinzelt, 
daß  Lieblingstiere  des  Verstorbenen  getötet  und  mit  ihm  zugleich  ver- 
brannt wurden11).  Auch  die  Freunde  und  Bekannten  schickten  allerlei  Gegen- 
stände, damit  sie  mit  verbrannt  wurden,  die  in  der  Regel  im  Zuge  einher- 
getragen  wurden  und  deren  Menge  von  der  Beliebtheit  und  dem  Ansehen 
des  Toten  Zeugnis  gab12);  und  oft  wurde  auch,  wenn  der  Scheiterhaufen 
schon  brannte,  allerlei  von  der  Umgebung  hineingeworfen,  wie  Kleider13), 
Waffen14)  u.  dgl.,  auch  Blumen15)  und  abgeschnittene  Haarlocken16).  Ganz 
besonders  aber  gab  man  auf  den  Scheiterhaufen,  um  dem  Übeln  Geruch  der 


!)  Serv.  ad  Aen.  IV  685 :  rogi,  quipro  qua- 
litate  fortunarum  fiebant;  vgl.  ebd.  zu  VI  226. 
Das  prunkvollste  Beispiel  ist  der  Scheiterhaufen 
bei  der  Konsekration  der  Kaiser,  Herodian. 
a.  a  0..  der  einem  hohen  Leuchtturm  gleicht, 
auf  dem  aber  nicht  die  Leiche,  sondern  das 
Wachsbild  des  Kaisers  verbrannt  wurde.  Den 
Gegensatz  dazu  bildet  ein  plebeius  rogus,  Ov. 
Ib.  152;  vgl.  die  parvi  ignes,  Lucan  VIII  743. 
Siehe  Friedländer  Sittengesch.  III  115. 

2)  Plin.XXXV49. 

3)  Tac.  Germ.  27  ist  als  Beleg  des  Brau- 
ches bei  den  Römern  zu  fassen.  Suet.  Nero  50. 
Stat.  silv.  V  1,  225.  Vgl  Herodian  a.  a.  0.  7: 
XQvaovcpeai  aigco/nväig  ske<pa%'zivoig  ze  äyäXfiaai 
ygayalg  ze  jiotxikatg  XExoofirjzai. 

4)  Verg.  Aen.  VI  216  (was  aber  nicht  mit 
Becker-Göll 526  als  „Pflanzen"  von  Zypressen 
um  den  Scheiterhaufen  zu  verstehen  ist).  Ov. 
tr. III  13.21.  Sil. It.  X  535.  Varro  bei  Serv. a.a.O. 
führt  es  darauf  zurück,  daß  man  dadurch  dem 
gravis  ustrinae  odor  begegnen  wollte ;  aber  das 
besorgten  wohl  mehr  die  mitverbrannten  Spe- 
zereien.  Die  Zypresse  war  eben  schon  seit  früher 
Zeit  ein  mit  Tod  und  Grab  in  Beziehung  ge- 
setzter Baum,  vgl.OLCK  bei  P.-W.  IV  1982  ff. 

5)  Tib.  I  1,  61.   App.  b.  civ.  I  48. 

6)  Daher  bei  Verg.  Aen.VI  225 :  dapes,  fuso 
crateres  olivo;  Brot  bei  Catull.  59.3  f.,  Opfer- 
kuchen {hba)  nach  der  Inschr.  CIL  III  2919. 

7)  Luc.  Nigr.  30;  bei  Beamten  wurden  die 
Amtskleider,  beiTriumphatoren  die  Triumphal- 
tracht mit  verbrannt,  Lucan.  IX  175  ff.  Stat. 
silv.  II  1, 159.  Bei  Cic.  de  leg.  a.  a  0.  wird  die 
verdorbene  Stelle  (von  Halm  ausgeschieden), 
wonach  in  den  XII  Tafeln  von  tria  recinia  bei 
der  Bestattung  die  Rede  war.  darauf  bezogen, 
daß  es  verboten  war,  mehr  als  drei  Gewänder 
mit  zu  verbrennen  (Mau  355),  man  wird  es  wohl 
aber  eher  auf  die  Trauerkleidung  (s.  oben  S.  497 
A.  1)  zu  beziehen  haben. 

8)  Luc.  Philops.  27.  Auch  darin  legten  die 


XII  Tafeln  eine  Beschränkung  auf:  neve  aurum 
addito,  mit  der  Ausnahme:  cui  auro  dentes 
iuncti  escunt,  ast  im  cum  Mo  sepelirei  ureive 
se  fraude  esto,  Cic.  a  a.  0.  24.  60. 

9)  Das  belegen  die  Gräberfunde,  bei  denen 
sich  neben  den  unversehrt  ins  Grab  mitgege- 
benen Gefäßen  nicht  selten  solche  finden,  die 
Brandspuren  zeigen,  also  mit  auf  dem  Scheiter- 
haufen waren. 

'»)  Vgl.  die  Inschr.  CIL  XIII 5708;  HZ  22  ff. 
verordnet  hiei  jemand :  volo  autem  omne  instru- 
mentum  meum,  quod  ad  venandum  et  aucupan- 
dum  paravi,  mecum  cremari,  das  er  dann  ein- 
zeln aufzählt,  dazu  vestis  polymita  et plumaria, 
vgl.  Henzen  A.  d.  I.  XXXVI  (1874)  200  ff. 

11 )  Der  einzige  Fall,  von  dem  wir  erfahren, 
war  beim  Tode  des  Knaben  des  berüchtigten 
Denunzianten  Regulus,  Plin.  ep.  IV  3, 4. 

ls)  Als  munera  oder  dona  bezeichnet,  Tib. 
114,44.  Stat.silv.II  1,158;  III  3,  38.  Suet. 
Caes.  84.  Val.  Flacc.  III  312.  Sil.  It.  X  561.  Dio 
Cass.  LXXVI 15. 3.  Bisweilen  wurden  auch  diese 
Gaben  allein  verbrannt,  wenn  die  Leiche  nicht 
zur  Stelle  war,  Lucan.  IX  175.  Tac.  ann.  III  2. 

13)  Verg.  Aeri.  VI  221.  Sil.  It.  X  569.  Suet. 
a.  a.  O.  Dion.  Hai.  IX  39,  6.  Plut.  Cato  min.  11. 
Selbst  beim  Transport  der  Asche  des  Germani- 
cus  durch  Italien  wurden  vestes  odor  es  aliaque 
funerum  sollemnia  verbrannt,  Tac.  ann.  III  2. 

14)  Sil.  It.  X  562  f.  Dio  Cass.  L VI  42,2.  Bei 
der  Verbrennung  des  Caesar  reißen  sich  die  ti- 
bicines  und  scenici  artifices  ihre  (geliehenen) 
Prunkkleider  ab  und  werfen  sie  ins  Feuer,  die 
Veteranen  die  Waffen,  die  Matronen  ihren 
Schmuck  und  die  Praetexten  und  Bullen  der 
Knaben,  Suet.  Caes.  84. 

15)  Stat.  silv.  VI,  214.  Dion.  Hai.  IX  39,6. 
Prop.  V(IV)  7,33. 

,6)  Ov.  fast.  III 562;  her.  11,116.  Prop.  117. 
21.  Dion.  Hai.  aa.O.  Stat.  silv.  V  3, 105.  Auch 
auf  begrabene  Leichen  warf  man  Haarlocken, 
Petron.111,9. 


Achter  Abschnitt.    Ärzte,  Tod,  Bestattung  und  Grabmäler. 


501 


Verbrennung  zu  begegnen,  Wohlgerüche,  Gewürze,  Weihrauch,  Balsam  u.  dgl. 
ii  fester  und  flüssiger  Form1);  solche  wurden  auch  als  Geschenke  gesandt2) 
|nd  oft  in  so  Ungeheuern  Massen  verbrannt3),  daß  die  Näherstehenden  davon 
betäubt  wurden4). 

Nachdem  man  dann  dem  Toten  die  Augen  wieder  geöffnet6),  auch  wohl 
loch  einen  letzten  Kuß  auf  seine  Lippen  gedrückt  hatte6),  wurde  der  Scheiter- 
haufen von  einem  Verwandten  oder  Freunde 7),  bei  Kaiserbestattungen  von 
liinem  hohen  Würdenträger8)  mit  abgewandtem  Gesicht  angezündet9);  sonst 
übernahmen  das  die  eigens  dafür  anwesenden  ustores10).  War  der  Holzstoß 
jinter  den  beständig  weiter  ertönenden  Klagegesängen  des  Gefolges11)  nieder- 
gebrannt, so  wurden  die  glimmenden  Kohlen  mit  Wasser  oder  mit  Wein 
gelöscht12);  dann  sammelten  die  Angehörigen  die  Gebeine13),  begossen  sie  mit 
kVein  und  Milch,  trockneten  sie  an  Linnen  ab14)  und  legten  sie,  mit  allerlei 
palben  und  flüssigen  oder  trockenen  Wohlgerüchen  vermischt15),  in  eine  Urne, 
womit  die  eigentliche  Zeremonie  zu  Ende  war:  nur  die  Angehörigen  blieben 


')  Eine  sehr  vollständige  Aufzählung  gibt 
Äatsilv.V  1,210;  auch  II  1,160;  6.  85;  III  3, 
J8;vgl.Prop.V(IV)7.32.  Ov.fast.III561.  Plin. 
Sil  83.  Lucan.  VIII  729.  luv.  4,  109.  Mart.  X 
1)7.3.  Plut.Catomin.  11 ;  inschriftl.  (JILX  1784. 
Prop.III  5,7  (II  13,23)  verbittet  sich  die  odori- 
ferae  lances  bei  seinem  Leichenbegängnis, 
wünscht  aber  doch  ebd.  14  (30)  den  Syrio  mu- 
ntre jrtenus  onyx  in  der  Hand  seiner  Geliebten. 

*)  Bei  funera  publica  stiftete  der  Staat  oder 
lie  Gemeinde  bedeutende  Mengen  Weihi auch, 
vgl.  CIL  V  337;  XIV  321;  413. 

3)  Nero  verbrannte  bei  der  Bestattung  der 
Poppäa  mehr,   als  die  Weihrauchernte  eines 

!  Jahres  betrug,  Plin.  XII  83:  über  die  Masse  der 
dargebrachten  Spezereien  beim  Tode  des  Sulla 

is.  oben  S.  496  A.  5,  und  über  diesen  Luxus  über- 
haupt vgl.  Friedländer  Sittengesch  III  114; 

jiebd.  117  eine  Zusammenstellung  von  Angaben 

laber  die  Gesamtkosten  von  Bestattungen. 

4)  Plin.  VII  186. 

5)  Das  morientlbus  oculos  operire  rursus- 
que  in  rogo  patefacere  bezeichnet  Plin.  XI  .150 
als  Quiritium  magno  ritu  saerum.  .Ueber  den 
militärischen  Parademarsch,    der  bei  Kaiser- 
lbegräbnissen um  den  Scheiterhaufen  stattfand 

[decursio).  vgl.  Mau  bei  P.-W.III  356;  Fiebiger 
ebd.  IV  2354. 

6)  Prop.  1115,29  (II  13,29). 

7)  Verg.  Aen.Vl  223.  Dio  Cass.  LXXVI 
15.  3;  vgl.  App.  b.  civ.  I  48.  Doch  gaben  die 
Verwandten  manchmal  nur  den  Befehl  zum 
Anzünden,  Lucan.  VIII  740,  und  dann  besorgte 
«s  wohl  der  ustor. 

8)  Dio  Cass.  LVI  42.  3;  LXXIV  5.  5. 

9)  Verg.  Aen.Vl  224.  Ein  Relief  an  einem 
Grabdenkmal  in  Pompeji  stellt  eine  Frau  dar, 

I  die  abgewandten  Gesichts  mit  einer  Fackel  den 
Holzstoß  entzündet,  Overbeck  Pompeji  418 
Fig.  218. 

,0)  Catull.  59,3,  wo  die  Bezeichnung  semi- 

,  rams  auf  einen  Sklaven  deutet  (vgl.  Apul.  met. 
IX  12);  auch  sonst  wird  verächtlich  von  ihnen 


gesprochen.  Cic.p.  Mil.  33,90.  Lucan.  VIII  738. 
Mart.  III  93, 26;  vgl.  Corp.  Gloss. II  212. 11,  wo 
es  mit  irxgoxai'oitjg  erklärt  wird;  ebd.  597. 61 : 
bustuarius,  mortuorum  incensor.  In  den  Glos- 
sen kommt  htstuarius  im  gleichen  Sinne  häufig 
vor.s.  VI  157.  in  der  Litteratur  sonst  nicht.  Nach 
Sid.  Ap.  ep.  III  13  scheint  auch  ein  poOdnetcr 
beider  Verbrennung  anwesend  gewesenzu  sein. 

M)  Serv.  ad  Aen.Vl  216. 

'»)  Verg.  Aen.Vl  226.  Stat.  silv.  II  6,  90. 
Nach  Plin.  XIV  88  hätte  schon  Numa  dies  als 
Luxus  untersagt;  die  XII  Tafeln  verboten  eben- 
falls eine  sumptuosa  respersio,  Cic.  de  leg.  II 
23,  60.  Daß  es  trotzdem  üblich  blieb,  zeigt 
Prop.  V  ( I V )  7 ,  34 :  fracto  busta  piare  endo ;  vgl . 
CIL  VI  1951 :  {ut)  possint  nostris  Bacchum  m%- 
scere  farit/is,  /loribns  ut  spargant  naepius  nm- 
bram  levem. 

13)  Nach  Ps  Tib.  III 2, 15  rief  man  zuerst  die 
Manen  des  Toten  an,  wusch  sich  dann  die  Hände 
und  sammelte  die  Gebeine  im  Bausche  des  Ge- 
wandes. Vgl.  Tib.  1  3,  6.  Prop.  I  17, 12;  III  19. 
34  (II  24.50);  V  (IV)  1,127.  Sen.dial.lV33,6: 
XII  2,  5.  Mart.  IV  33, 4;  VIII  57,  5;  das  heißt 
(müegium.  Corp.  Gloss.  II  140,21 ;  388. 25.  Bei 
der  Bestattung  des  Augustus  taten  dies  pri- 
mores  tgtustrit  ordinis,  tunicatiet  discinetipe- 
dibiuque  tutete,  Suet.  Aug.  100;  vgl.  Ps.Tib. 
a.  a.  0. 18.  In  der  Regel  erfolgte  das  Sammeln 
und  Beisetzen  der  Gebeine  (ossa  condere.  CIL 
VI  27526;  componere  X  5469)  sogleich  nach 
der  Verbrennung;  daß  es  bei  Augustus  erst  vier 
Tage  später  erfolgte,  nach  Dio  Cass.  LVI  42, 4. 
war  eine  Ausnahme. 

"*)  Ps.Tib  a.a.O.  19ff.  Verg.  Aen.Vl  227. 
1&)  Tib.  1  3.  7.  Ps.Tib.  a.a.O.  23 f.  Ov.tr. 
1113,69;  fast. III  561.  Pers.6,34.  Petron  .7.7 
Die  Salbenfläschchen  wurden  manchmal  in  die 
Urne  getan,  auch  die  Münze,  die  der  Tote  im 
Munde  gehabthatte.s.  Mau  Röm.Mitt  111(1888) 
132;  X  (1895)  156.  Ueber  andere  Beigaben,  die 
sich  in  Aschenurnen  gefunden  haben,  s.  Mau 
bei  P.-W.III  356 f. 


502 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 


behufs  Beisetzung  der  Urne  noch  zurück,  die  andern  Begleiter  wurden  durch 
Besprengung  mit  Weihwasser  gereinigt  und  entlassen1).  Die  Angehörigen 
aber  blieben  noch  da,  um  entweder  die  Aschenurne2)  in  dem  dafür  bestimmten 
Grabmal  aufzustellen  oder,  falls  ein  solches  noch  nicht  vorhanden  war,  durch) 
eine  symbolische  Handlung  diese  religiöse  Pflicht  zu  ersetzen,  bis  die  Urne 
beigesetzt  werden  konnte3).  Denn  solange  die  Gebeine  nicht  begraben  waren, 
war  die  familia  des  Verstorbenen  funesta4).  Die  gewöhnlichste  dieser  sym- 
bolischen Handlungen  war  die  des  sogenannten  os  resectum:  man  schnitt  von 
der  Leiche  vor  der  Verbrennung  einen  Finger  ab  und  begrub  diesen  sofort 
nach  der  Verbrennung5),  oder  man  warf  bloß  etwas  Erde  auf  die  verbrannten 
Knochen6). 

Über  die  Gebräuche  beim  Begraben  von  Leichen  liegen,  abgesehen  von 
den  schon  erwähnten  plebeia  funera  keine  näheren  Nachrichten  vor,  da  die 
soüemnia  funera,  deren  Zeremonien  uns  berichtet  werden,  immer  Verbrennungen 
waren.  x\ber  die  oft  sehr  prunkvollen  Marmorsarkophage  belehren  uns,  daß 
in  der  spätem  Kaiserzeit  auch  Vermögende  begraben  wurden,  und  daß  deren 
Leichenbegängnisse  dann  nicht  des  Prunkes  entbehrt  haben  werden,  ist 
gewiß.  Vermutlich  unterschieden  sich  die  Bräuche  dabei  von  den  oben 
geschilderten  nicht  wesentlich,  nur  wurde  die  Leiche  am  Begräbnisplatz 
vom  lectus  funebris  herabgenommen7)  und  in  den  Sarg  gelegt8). 

Was  nun  Anlage,  Einrichtung  und  Bauart  der  Gräber  und  Grab- 
denkmäler  anlangt,    worüber  wir  aus  den  Funden   und    noch   erhaltenen 


')  Verg.  Aen.VI  229  ff.;  die  novissimaverba, 
die  dort  gesprochen  werden,  sind  nach  Serv. 
ebd. 216:  ilieet,quod ire licet significat.  Manche 
Leidtragende  gingen,  wie  es  scheint,  nur  bis 
ans  Tor  mit,  Prop.V(IV)  7,29. 

2)  Die  Aschenurnen  waren  nach  Material 
wie  nach  Form  ungemein  verschiedenartig  und 
verschiedenwertig.  Dem  Material  nach  unter- 
scheidet man  solche  von  Metall  (Gold,  vgl. 
Eutrop.  VIII  5,  Silber,  Bronze,  Blei),  Stein 
(Marmor,  Alabaster,  Tuffstein,  Onyx),  Glas 
und  Ton;  vgl.  Marquardt  383  f.  Mau  bei 
P.-W.  II  1520  f.  Friedländer  115  f.  Der  Form 
nach  unterscheidet  man  gewöhnliche  Töpfe, 
verzierte  Vasen,  Cisten,  Urnen  von  architek- 
tonischer Form  (als  Hütten.  Tempel,  Altäre, 
Sarkophage  u.  dgl.  m.). 

3)  Bei  der  Asche  wie  bei  der  unverbrannten 
Leiche  war  das  Bergen  unter  der  Erde  (später 
verallgemeinert  zur  Unterbringung  in  einem 
geschlossenen  Grabesraum)  geboten.  Wenn  in 
den  XII  Tafeln  dnsY erbot  stund -.hominimortuo 
ne  ossa  legito,  quo  post  funus  faciat,  wovon  nur 
die  bellica  peregrinaque  mors  ausgenommen 
war,  Cic.  de  leg.  II  24, 60,  so  sollte  durch  dies 
Verbot  verhindert  werden,  daß  die  Beisetzung 
der  Gebeine  wiederum  eigens  gefeiert  würde. 
So  nachLüBBERT  Comment.pontific.71  ff.  Mar- 
quardt 375  A.  8. 

4)  Cic.  a.a.O.  22,55.  Varr.  1. 1. V  23. 

5)  Cic.  a.a.O.:  os  resectum.  Fest.  148, 11 
spricht  von  membrum  abscidere. 

6)  Varr.  a. a. 0. :  ab  eo,  quom  Romanus  com- 


bustus  est,  st  in  sepulcrum  eius  abiecta  gleba 
non  est,  aut  si  os  exceptum  est  mortui  ad  fa- 
miliam  purgandam,  donec  in  purgando  humo 
est  opertus  (utpontifices  dicunt,  quod  inhumatus 
sit) ,  familia  funesta  manet.  Mit  dem  os  exceptum 
ist  wohl  das  os  resectum  gemeint,  nicht,  wie 
Mau  357  meint,  eine  dritte  Art  symbolischer 
Handlung;  was  Cic.  a.  a.  0. 57  in  os  iniecta  gleba 
nennt,  ist  identisch  mit  der  in  sepulcrum  abiecta 
gleba  bei  Varro. 

7)  Daß  der  Tote  auf  dem  lectus  begraben 
wurde,  wie  Marquardt  378  annimmt,  geht  aus 
dem  in  Cervetri  gefundenen  bronzenen  lectus 
(Mus.  Gregor.  I  tav.  16,8)  nicht  hervor,  nur  daß 
man  solches  Mobiliar  wie  anderes  dem  Toten 
ins  Grab  mitgab. 

8)  Die  meisten  römischen  Sarkophage  sind 
aus  Marmor  oder  sonstigem  Stein,  doch  kommen 
auch  Särge  aus  Ton,  Blei,  Holz  vor,  vgl.  Mar- 
quardt a.  a.  0. 5.  Die  Bezeichnung  sarcophagus 
(ursprünglich  eine  angeblich  die  Verwesung  be- 
fördernde Steinart,  s.  Blümner  Technol.  111  60) 
kommt  für  Sarg  zuerst  luv.  10,  172  vor;  sonst 
heißt  dieser  meist  arca,  Liv.  XL  29,  3f.  Plin. 
XIII 85.  Val.  Max.  I  1,12.  Petron.  112,8;  zumal 
bei  Armen,  Hör.  sat.  I  8,  9.  Lucan.  VIII  736. 
Digg.XI  7,7,1.  Corp.Gloss.il  434.60  (arca 
funebris);  567,36.  CIL  XI  147.  6120.  Not.  d. 
scavi  1890,  170  ff.  Ferner  capulum  und  san- 
dapila  (s.  oben  S.  490),  auch  solium,  Curt.  X 
10,9.  Suet.  Ner.  50.  Plin.  XXXV  160.  Nur 
kleinere  Behälter  sind  die  loculi  bei  Plin.  VII 
20  u.  75. 


Achter  Abschnitt.    Ärzte,  Tod,  Bestattung  und  Grabmäler. 


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Resten  genaueren  Aufschluß  erhalten1),  als  aus  den  alten  Schriftquellen  und 
den  Inschriften,  so  macht  es  dafür  im  allgemeinen  wenig  Unterschied,  ob 
es  sich  um  die  Beisetzung  einer  Aschenurne  oder  eines  unverbrannten 
Leichnams  handelt,  wenigstens  bei  Einzelgräbern.  Bei  Massengräbern,  wie 
die  ärmere  Klasse  sie  benutzte,  die  die  Mittel  für  ein  eigenes  oder  ein 
Familiengrab  nicht  erschwingen  konnte,  mutete  ein  Massengrab  für  Leichen 
allerdings  anders  angelegt  sein,  als  für  Aschenurnen.  Für  jene  dienten  die 
sogenannten  puticuli,  d.  h.  Brunnengräber2),  brunnenartige  tiefe  Schächte, 
in  die  die  Leichen  ohne  Sarg  hineingeworfen  wurden3);  sie  lagen  in  Bona 
vornehmlich  auf  dem  Esquilin,  wo  man  bei  Ausgrabungen  noch  solche  Gräber 
gefunden  hat4);  als  zur  Zeit  des  Horaz  dort  Gärten  angelegt  wurden,  scheint 
man  die  Gräber  weiter  hinaus  verlegt  zu  haben5).  —  Als  Massengräber  für 
Aschenurnen  dienten  dagegen  die  nach  ihrer  Ähnlichkeit  mit  Taubenschlägen"  i 
benannten  Kolumbarien7),  deren  sich  vor  den  Toren  Roms  eine  nicht  un- 
beträchtliche Zahl  erhalten  hat8).  Es  sind  das  ein-  oder  mehrstöckige,  mit 
ihrem  untersten  Teile  in  der  Regel  unterirdisch  angelegte  große  Gewölbe,  in 
deren  Wänden  in  parallelen  Reihen  quadratische  oder  halbrunde  Nischen  zur 
Aufnahme  der  Aschenurnen  (ollae)d)  angebracht  sind;  kleine  Marmortäfelchen 
über  den  Nischen  geben  Namen,  Beruf  u.  dgl.  der  dort  Bestatteten  an;  bis- 
weilen sind  dort  auch  die  Büsten  der  Verstorbenen  aufgestellt  (vgl.  Fig.  77) l0). 
Wände  und  Decken  sind  oft  mit  Fresken  oder  Stuckreliefs  geschmückt11). 
Meist  sind  diese  Kolumbarien  von  Kollegien  von  Freigelassenen  und  Sklaven 
einzelner  Familien,  zumal  von  Mitgliedern  des  Kaiserhauses,  oder  von  den 
oben  erwähnten  collegia  funeraticia  errichtet  worden. 

Die  Gräber  der  Frühzeit  Roms  haben  uns  die  Funde  auf  dem  Esquilin 
und  auf  dem  Forum  kennen  gelehrt.     Auf  dem  Forum12)  fand   man  beim 


')  Ein  zusammenfassendes  Werk  über  die 
römischen  Gräber  fehlt  uns  noch  immer.  Ueber 
die  etruskischen,  auf  die  hier  aber  nicht  näher 
eingegangen  werden  kann,  handelt  vornehm- 
lich Dennis  The  cities  and  cemeteries  ofEtruria, 
London  1848  (deutsch  von  Meissner,  Leipzig 
1852),  3.  Aufl.  1883.  Ueber  prähistorische  Grab- 
felder in  Latium  und  Rom  handelt  L.  Pinza  in 
Bd.  XV  der  Mon.  dei  Lincei. 

*)  Die  Alten  etymologisierten  z.T.  freilich 
anders;  so  Varr.].l.V25:  a  puteis  puticoli,  qnod 
ibi  in  puteis  ohruebantur  homines,  nisi  potius, 
utAelius  scribit,  puticulae,  quod  putescebant  ibi 
cadavera  proiecta;  vgl.  Fest.  216,  6;  217b,  8. 
Frontin.  in  Gromat.  55,8  ed.  Lachmann.  Schol. 
Cruqu.  ad  Hör.  sat.  1  8,10. 

3)  Die  Leichen  hingerichteter  Verbrecher 
ließ  man  in  der  Nähe  auf  freiem  Felde  unbeerdigt 
liegen,  vgl.  Hör.  sat.  I  8, 17.  Dion.  Hai.  XX  6,5. 

")  Vgl.  LanciäniBuII.  munic.  II  (1874)  42ff.; 
III  (1875)  190f.  tav.XX.  Es  sind  mit  Quadern 
eingefaßte  Schachte  von  4 —5  Meter  im  Quadrat; 
es  sollen  etwa  75  solcher  Anlagen  gefunden 
worden  sein.  Vgl.  Jordan-Hülsen  Topogr.  I  3. 
268  ff.    Richter  Topogr.  304. 

5)  Porphyr,  z.  Hör.  a.  a.0. 14.  Daß  auch  in 
der  Kaiserzeit  extra  portam  EsquiUnam   die 


Richtstätte  war,  zeigt  Tac.  ann.  II  32;  XV  60. 
Suet.  Claud.  25;  aber  schon  Plaut,  m.  gl.  359 
wird  mit  Wahrscheinlichkeit  darauf  bezogen, 
vgl.  Jordan-Hülsen  270.   Richter  a.  a.  0. 

6)  Varr.  r.  r.  III  7, 4.    Colum.  VIII  8,  3. 

7)  Ueber  die  Kolumbarien  vgl.  die  Artikel 
von  Saglio  bei  D.S.  I  1334ff.  und  Samter  bei 
P.-W.  IV  593  ff.,  wo  andere  Litteraturangaben 
zu  finden  sind. 

8)  Vgl.  Jordan-Hülsen  a.  a.  O.  209;  211 ; 
247;  362  f.;  649.  Richter  a.  a.  0.  275;  351  f.; 
354  f. 

9)  Diese  ollae  ossuariae  (CIL  VI  9189; 
12671;  28126  u.s.)  sind  einfache  tönerne  Urnen 
mit  abnehmbarem  Deckel;  manche  sind  mit 
Platten  verschlossen,  die  eine  Oeffnung  zum 
Eingießen  der  flüssigen  Totenopfer  haben. 

,0)  Nach  Photographie. 

")  Vgl.  besonders  0.  Jahn  Die  Wandge- 
mälde des  Columbariums  in  der  Villa  Pamfili. 
Abh.  d.  bayer.  Akad.  VIII  2.  Campana  Due  se- 
polcii  del  secolo  di  Augusto,  Roma  1840. 

,2)  Hierüber  vgl.  Boni  Not  d.  scavi  1902, 
96 :  1903. 123 ;  375 :  1905. 145 ;  1906. 5.  Vaglieri 
im  Bull,  comun.  XXX  (1902)  186  ff.;  XXXI 
(1903)  252.  Pinza  ebd.  XXX  (1902) 37.  Hülsen 
R.M.XX(1905)95ff. 


504 


Zweite  Abteilung.   Das  Leben. 


Faustinentempel  fünf  bis  sechs  Meter  unter  dem  Pflaster  der  Kaiserzeit 
eine  uralte  Nekropole  mit  verbrannten  und  bestatteten  Leichenresten.  Die 
Brandgräber,  die  die  älteren  sind,  sind  große,  in  Aushöhlungen  des  Tuff- 
bodens eingesetzte  Tongefäße  von  kugeliger  oder  länglicher  Form  (dolia), 
die  mit  Tuffsteinen  geschlossen  sind  und  in  denen  sich  die  Aschenurnen  (bis- 
weilen in  der  Form  der  altitalischen  Hütte,  siehe  oben  S.  8)  und  kleinere 
Tonvasen  mit  Resten  von  Opfergaben  u.  dgl.  befinden.  Die  Bestattungsgräber 
sind  einfache,  längliche  Aushöhlungen  im  Tuff,  mit  Tuffbrocken  überdeckt, 
in  denen  ebenfalls  zusammen  mit  kleineren  Gefäßen  und  andern  Beigaben 

die  Leichen  entweder  ohne 
Sarg  oder  in  einem  aus- 
gehöhlten Baumstamm  bei- 
gesetzt waren.  Kinder- 
leichen sind  auch  in  Ton- 
gefäßen bestattet.  In  der 
Nähe  der  Gräber  finden  sich 
öfters  röhrenförmige  Gru- 
ben, die  zum  Teil  bis  zu  den 
Bestatteten  hinabreichen 
und  dazu  dienten,  diesen  die 
Totenspenden  zuzuführen1). 
Auf  dem  Esquilin2)  sind 
die  archaischen  Gräber  bei 
S.  Martino  ai  Monti  sämt- 
lich Bestattungsgräber,  die 
aus  frühester  Zeit  her- 
rühren, da  sie  noch  inner- 
halb der  Serviusmauer  la- 
gen; sie  bestehen  meist 
aus  länglichen,  in  den  Tuff 
gehauenen  Gruben,  die  mit  Tuff  brocken  umkleidet  und  bedeckt  waren; 
einfache  Tonware,  Bronzen,  Glasperlen  u.  dgl.  bilden  die  Beigaben3). 
Jünger  sind  die  außerhalb  der  Serviusmauer  gefundenen  Grabanlagen:  in 
den  älteren  Schichten  unterirdische,  in  den  Fels  gehöhlte  Grabkammern4), 
in  den  jüngeren  teils  aus  Tuffplatten  zusammengesetzte  Bestattungsgräber5), 
teils  Brandgräber,  die  mit  Deckeln  versehene  Aschenbehälter  aus  einem 
Stück  Stein,  meist  in  Hausform,  nebst  zahlreichen  Beigaben  enthalten6). 
Dazu  kommen  dann  als  eine  weitere  Art  die  obenerwähnten  puticidi.  Weitaus 
die  große  Mehrzahl  mußte  auch  später  noch  sich  mit  solch  einfacher  Be- 
stattungsart begnügen,  wenn  auch  an  die  Stelle  des  Baumstamms  der  schlichte 


Fig.  77.    Kolumba 


Vigna  Codini  in  Rom. 


')  Boni  Not.  d.  scavi  1903, 169. 

*)  Vgl.LANCiANi  Bull,  munic.  I  (1873)  66ff.; 
II  (1874)  33ff.;  195 ff'.;  III  (1875)  41  ff.;  190ff.; 
über  die  Nekropole  bei  S.  Martino  ai  Monti 
de  Rossi  ebd.  XIII  (1885)  39  ff.  Not.  d.  scavi 
1887.372;  534;  1888,59-  132;  669.  Im  allge- 
meinen vgl.  Makiani  im  Bull,  comun.  XXIV 
(1896)  5  ff. 


3)  Vgl.  Pinza  Bull,  comun.  XXVI  (1898) 
53  ff.;  163  ff.  Jokdan-Hülsen  a.a.O.  261. 

4)  Für  mehrere  Leichen  eingerichtet,  von 
rechteckigem  Grundriß. 

b)  Vgl.  Jordan-Hülsen  267. 

6)  Die  sog.  tombe  ad  arca,  die  etwa  dem 
4. — 3.  Jahrh.  v.  Chr.  angehören,  s.  ebd.  268 
A.  35. 


Achter  Abschnitt.    Ärzte,  Tod,  Bestattung  und  Grabmäler. 


505 


QtlHolzsarg  trat.  Die  Stelle  des  Grabes  bezeichnete  ein  Stein,  der  Namen, 
Ke  Alter,  Beruf  oder  Stand  des  Verstorbenen  angab  »),  auch  sein  oft  sehr  stark 
ausgedrücktes  Lob,  sowie  einige  Abschiedsworte  der  Hinterbliebenen »),  mit- 
unter auch  einige  bildliche  Darstellungen,  etwa  auf  den  Beruf  des  Dar- 
gestellten bezüglich3),  oder  dessen  Porträt  u.  dgl.  m.4).  Auch  testamentarische 
Verfügungen  über  Benutzung  des  Grabes,  Umfang,  Pflege  u.  a.  wurden  auf 
diesen  cippi  angebracht5).  Statt  dieser  legte  man  bisweilen  horizontale  vier- 
eckige Steinplatten  (mensae)6)  auf  das  Grab. 

Vermögendere  Leute  begnügten  sich  nicht  damit,  daß  ihre  Überreste 
unter  der  Erde  beigesetzt  wurden,  sondern  errichteten  an  der  Stelle  ein 
mehr  oder  weniger  kostbares  Grabmonument.  Für  diese  oft  recht  umfang- 
reichen und  architektonisch  wie  plastisch  nicht  selten  reich  ausgeschmückten 
Grabmäler  wählte  man  besonders  die  aus  den  Toren  der  Stadt  hinausführenden 
Landstraßen,  wie  man  das  in  Rom 7)  heut  noch  an  den  Resten,  zumal  der 
Via  Appia 8),  sieht  und  noch  besser,  da  hier  die  Denkmäler  viel  besser  er- 
halten sind,  an  der  Gräberstraße  in  Pompeji  (Fig.  78)°).  Auf  die  äußere 
Form  und  innere  Anlage  dieser  Monumente,  die  bald  in  den  Fels  gehauen10), 
bald  frei  erbaut  waren,  können  wir  hier  nicht  eingehen;  sie  sind,  von  der  ein- 
fachen Grabkammer  bis  zum  prunkvollen  und  riesenhaften  Kaisermausoleum  un- 
endlich mannigfaltig11).  Die  meisten  waren  Familienbegräbnisse;  ursprünglich 


l)  Die  vielen  Tausende  römischer  Grab- 
steine, die  das  CIL  enthält,  haben  eine  zu- 
sammenfassende Behandlung  noch  nicht  er- 
fahren. Das  Alter  wird  meist  in  Jahren.  Mo- 
naten und  Tagen  angegeben,  ja  bisweilen 
sogar  noch  bis  auf  Stunden,  vgl.  CIL  VI 
15268. 

■)  Zumal  Gatten  verkünden  den  Preis  ihrer 
Frauen  meist  sehr  überschwenglich,  vgl.  CIL 
VIII 11294:  incomparabilis  coniux,  materbona, 
aviapiissima,pudica,  religiosa,  laboriom,  fvugi, 
efficax,  v ig Hans,  söllicita,  univira,  unicuba,  to- 
tins  industriae  et  fidei  matrona.  Auch  Kinder 
erhalten  oft  solche  Lobsprüche,  ebd.  VI  33929: 
Dahnatico  filio  dulcissimo,  totius  ingeniositatis 
ac  sapientiae  puero,  u.  dgl.  m. 

s)  Handwerksattribute  oder  Szenen  des 
Handwerks  sind  nicht  selten.  Auch  diese  Dar- 
stellungen sind  noch  nicht  gesammelt. 

4)  Hier  sind  für  die  Provinzen  namentlich 
die  Grabsteine  der  Legionssoldaten  mit  deren 
Porträtdarstellung  beachtenswert;  vgl. Hübner 
Rel.  eines  röm. Kriegers,  Berlin  1866,  und  Arch. 
Ztg.  XXVIII  (1870)  29  ff. 

6)  Hör.  sat.  1  8, 12.  Pers.  1.37.  Cippi  smd 
aber  auch  die  Steine,  die  die  area  eines  Grab- 
denkmals bezeichnen  und  an  zwei  oder  an  allen 
vier  Ecken  des  Grabmals  aufgestellt  wurden, 
vgl.  Saglio  bei  D.-S.  1 1185.  Samtek  bei  P.-W. 
III  2564. 

6)  Entsprechend  der  griech.  rgdjreCa,  Cic. 
de  leg.  II  26,  66.  Vgl.  CiL  VIII  20277:  mensa 
lapidea,  mit  cibi  calicesque  et  copertae.  Diese 
Grabsteine  waren  bisweilen  mit  gefäßartigen 
Höhlungen   für  den  Totenkult  versehen,  wie 


zwei    in   Lambaesa   gefundene,    Daremberg- 
Saglio  III  1721  Fig.  4903. 

7)  So  die  Via  Flaminia,  Mart.  VI  28,5; 
XI  13,  1.  Stat.silv.il  1,176.  luv.  1, 171;  die 
ViaSalaria.  Schol.  ad  Pers.  2, 36.  Digg.XXXV 
1,27;  die  Via  Tiburtina,  Plinep.VIl  29,2;  die 
Via  Labicana,  Spart.  Did.  Iul.  8,  10;  die  Via 
Appia,  Cic.Tusc.I  7,13.  Plin.X  122;  XXIX  9. 
Nep.  Attic.  22.  Spart.  Geta  7,  2;  die  Latina, 
luv.  1.  171 ;  5,  55;  die  Aurelia,  Suet.  Galb.  20. 
Eutrop.VII  16  (10);  die  Laurentina  Gell. X  2.2. 
Ueber  die  an  diesen,  sowie  an  den  andern  aus 
Rom  führendenSti  aßen  gemachtonGräberfunde 
s.  Marquardt  361  ff. 

8)  Vgl.  Canina  La  prima  parte  della  Via 
Appia,  Roma  1853.  Ripostelli  e  Marucchi 
La  Via  Appia,  Roma  1908. 

9)  Overbeck  Pompeji  398  ff.  Mau  Pompeji 
425  ff.  (unsere  Fig.  78  ebd.  S.428).  Die  Ange- 
legenheit dieser  Grabmäler  vor  den  Stadt- 
toren brachte  es  mit  sich,  daß  dieselben  ge- 
meinen Dirnen  (Mart.  I  34,  8;  III  93,  15)  oder 
Räubern  (Apul.  met.  IV  18)  als  Schlupfwinkel 
dienten. 

10)  Solche  Felsgräber,  die  besonders  in 
etruskischen  Städten  häufig  sind,  waren  in  Rom 
das  am  Anfang  der  Via  Appia  belegene  Fa- 
miliengrab der  Scipionen,  1780  ausgegraben, 
vgl.  Jordan-Hülsen  210  f..  und  an  der  Via  Fla- 
minia das  seither  fast  ganz  zerstörte  der  Na- 
sonier  außerhalb  von  Ponte  Molle,  publ.  von 
Bartoli  und  Bellori  Rom  1680. 

1 ')  Ueber  Pracht  und  Ausstattung  der  Grab- 
denkmäler vgl.  Friedländer  119 ff.,  wo  auch 
von  den  Kosten  derselben  gehandelt  ist. 


506 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 


hatte  die  ganze  gens  ihre  gemeinschaftliche  Grabstätte1),  doch  traten  an 
deren  Stelle  die  Familiengräber2),  indem  jede  sich  neu  abzweigende  Familie 
ein  solches  für  ihre  Mitglieder,  auch  für  ihre  Freigelassenen  und  näheren 


l)  Wie  die  Heiligtümer  gentilicische  sind, 
Cic.de  off.I  17,55;  de  leg.  11  22,55;  vgl.MAR- 
quardt  14  u.  364.  Wissowa  Rel.  u.  Kult.  d. 
Römer  340.   Beispiele  von  sepulcra  gentilicia 


Vell.  Pat.  II  119,  6.   Suet.  Ner.  50.   Val.  Max. 
1X2,1. 

2)  Beispiele   von   Familiengräbern  Mar- 
quardt  364  A.  6. 


Achter  Abschnitt.    Ärzte,  Tod,  Bestattung  und  Grabmäler. 


507 


Freunde1),  anlegte.  Solche  Gräber  enthalten  daher  in  der  Regel  mehrere 
Irabkammern,  in  denen  die  Urnen  oder  die  Sarkophage  aufgestellt  wurden8); 
nid  da  die  Grabkammern  einerseits  als  dauernde  Wohnung  des  Verstorbenen 
gedacht  waren,  andererseits  der  Totenkultus  häufige  Besuche  und  Zusammen- 
künfte der  Hinterbliebenen  mit  sich  brachte,  so  machte  man  die  Anlage 
>ft  der  eines  Hauses  ähnlich  und  stattete  sie  dementsprechend  aus3),  ver- 
käh  sie  auch  wohl  wie  ein  solches  mit  einer  verschließbaren  Tür4).  Wenn  die 


Fig.  79.    Triclinium  funebre  an  der  Gräberstraße  in  Pompeji. 

Urnen  oder  Sarkophage  frei  aufgestellt  waren,  so  hatte  es  keine  Schwierigkeit, 
den  Überresten  die  Totenspenden  zukommen  zu  lassen;  waren  sie  aber  an 
unzugänglichen  Stellen  oder  eingemauert,  so  brachte  man  tönerne  oder 
metallene  Röhren  an,  die  von  oben  zur  Urne  hinabreichten  und  durch  die 
man  die  Libationen  hinabgoß5).  Mit  der  Vorstellung,  daß  auch  der  Tote 
noch  des  Mahles  sich  erfreue,  hing  es  zusammen,  daß  man  dem  Grabmal 
bisweilen  die  Form  eines  Trikliniums  gab,  wie  auf  dem  Fig.  79  abgebildeten 
von  der  Gräberstraße  in  Pompeji6). 


')  So  wurde  Ennius  im  Scipionengrabe  bei- 
gesetzt, Cic.  p.  Arch.  9, 22.  Schol.  Bob.  p.  358  Or. 
Suet.  de  pot.  8  p.  25  Reiff. ,  wenn  es  sich  nicht  bloß 
um  seine  Statue  handelte,  vgl.  Liv.  XXXVIII 
56,4.  Plin.VII  114.  Unwürdige  Familienmit- 
glieder und  undankbare  Freigelassene  konnten 
davon  ausgeschlossen  werden,  Suet.  Aug.  101. 
Dio  Cass.  LVI  32,  4. 

■)  In  manchen  Grabkammern,  zumal  in 
Felsengräbern,  wurden  die  Leichen  nicht  in 
Särgen  beigesetzt,  sondern  in  ihren  Totenklei- 
dern auf  Steinbänken  an  der  Wand  niedergelegt. 
Auch  dieLectus-Form  wurde  zur  Niederlegung 
der  Leichen  benutzt,  vgl.  Sordini  Not.  d.  scavi 


1893,  65  ff. 

s)  Die  meisten  Beispiele  dafür  bieten  die 
etruskischen  Nekropolen;  für  römische  vgl. 
Marquardt  366  A.  1.  Ueber  die  mannigfachen 
Beigaben,  die  man  den  Toten  ins  Grab  mitgab, 
s  ebd.  und  Mau  das.  367. 

*)  Petron.  1 12,  3.  Cons.  ad  Liv.  69.  Flav. 
Vop.  Florian.  44;  es  werden  daher  auch  septä- 
crorum  ianitorex  erwähnt,  Firm.  Mat.  III  9,3. 
Vgl.die  Grabestür  OvERBBCKPomp.411Fig.208. 

*)  Vgl. Mau  R.M.  III  (1888)  137  f.  ;X  (1895) 
156.   CIL  VIII  1301. 

6)  Nach  Mau  Pompeji  443  Fig.  264;  vgl. 
Overbeck  412. 


508 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben. 


Nicht  selten  war  das  Grabdenkmal  von  einer  freien  area1),  von  Gärten 
oder  auch  mit  Zier-  und  Nutzbäumen  bepflanzten  Grundstücken  umgeben2),! 
die  mit  einer  Mauer  eingeschlossen  waren3).  Diese  meist  ziemlich  umfang- 
reichen Gartengräber4),  bei  denen  sich  auch  noch  allerlei  Anlagen  befanden, 
wie  man  sie  in  Lustgärten  anzubringen  pflegte5),  führen  in  Inschriften  der 
spätem  Kaiserzeit  den  Namen  cepotaphia6).  Ferner  werden  Räume  erwähnt, 
in  denen  die  Leichenmahle  und  Totenfeiern  abgehalten  wurden  (apparitoria)1), 
Räume  zur  Bereitung  der  Speisen  für  das  Totenmahl8),  kleine  Kapellen 
{aediculae)  mit  dem  Bilde  des  Verstorbenen9),  Wirtschaftsgebäude  für  diel 
Pflege  der  Gartenanlagen10)  und  Wohnungen  für  die  liberti11),  denen  die  Auf- 
sicht und  Pflege  des  Grabmals,  die  custodia  sepulcri12),  anvertraut  war.  Die 
für  die  Unterhaltung  aller  Grabanlagen  (die  tutela  sepulcri)1'6)  erforderlichen 
Kosten  wurden  durch  dafür  ausgesetzte  Kapitalien  oder  durch  den  Ertrag 
der  mit  dem  Grabmal  verbundenen  Grundstücke  bestritten14). 


!)  CILIII 2072  (vgl. Marqüardt 370  A.  1) ; 
VI  14823;  15951 ;  22670;  XiV 671 ;  1 124;  1701 ; 
die  Gräber  der  pompejanischen  Gräberstraße 
weisen  mehrfach  solche  areae  auf,  s.  Overbeck 
403;  413ff.;  vgl  Mau  bei  P.-W.  II  618. 

•2)  Petron.  71,7:  omne  genus  etiam  po- 
morum  volo  sint  circa  cineres  meos  et  vlnearum 
largiter.  Mart.  I  116,1.  Serv.  ad  Aen.V760: 
nemora  enim  aptabant  sepulcris,  ut  in  amoeni- 
tate  animae  forent  post  vitam.  CIL  XIII  5708 
I  Z.  1 1 :  pomaria  et  lacus,  für  die  drei  topiarii 
sorgen  sollen ;  pomariolum  X  3594;  vgl.  II 4332; 
VI  10237  u.  ö. 

3)  Diese  Mauer  heißt  in  den  Inschr.  ma- 
ceria,  CIL  VI  9681;  10876;  13823;  15640;  X 
2244  u.  s.  Vsrl.  Verg.  Cul.  397.  Suet.  Nero  50. 
CIL  VI  14338;  auch  Eisengitter,  Strab.  V 
p.  236. 

4)  Vgl. SAMTERbei P.-W. III  1960,woreich- 
lich  inschriftliches  Material  beigebracht  ist. 

5)  CIL  XI 3895  enthält  die  area  in  der  Mitte 
das  Grab  mit  einem  horreum,  ringsum  sind  ro- 
saria,  dann  viniolae,  vor  diesen  befindet  sich 
ein  solarium,  auf  der  andern  Seite  piscinae  mit 
einem  Kanal  zur  area,  und  ein  arundinetum. 
Teiche.  Zisternen  u.  dgl.  werden  öfters  erwähnt, 
III  2279;  VI  15593;  26942;  29959;  XIV  396; 
ferner  Lauben,  die  tricliae  oder  trichilae  ge- 
nannt werden  (Verg.  Copa  7.  Colum.  X  378; 
394;  auf  Inschr.  auch  tricla  oder  tridea)  CIL 
VI  4305;  10237;  15593;  29958  f.  Marini  Atti 
d.Arv.  II  616. 

6)  Siehe  die  Belegstellen  bei  Samter  a.a.O.; 
vgl.  Marqüardt  369  A.  5. 

7)  CIL  VI  12258:  IX  1618;  nach  Mau  bei 
P.-W.  II  191  nur  zu  Vorbereitungen  für  die 
Totenmahle  dienend ;  ein  accubitum  beim  Grabe 
II  7960.  Mau  Pompeji  436  bezieht  auch  einen 
mit  einem  Pavillon  versehenen  Garten  in  der 
Nähe  einer  Villa  als  Annex  der  Gräber  auf  das 
Totenmahl. 

8)  So  erklärt  man  die  inschriftl.  bei  Grä- 
bern erwähnten  culinae,  CIL  I  569;  II  7954; 
7960;  III  2811;  VI  14614;  29958;  XIV  1869; 


nach  Fest.  65, 12 :  locus  in  quo  epulae  in  funere 
comburuntur.  Doch  bekam  der  ganze  Begräb- 
nisplatz den  Namen  culina,  CIL  111  2811;  IX 
4079;  X4765,  und  nach  Gromat.  21, 15;  55,9; 
86, 9  hießen  ao  Begräbnisplätze  für  Arme.  Vgl. 
Marqüardt  366  A.  4.  Mau  bei  P.-W.  IV  1744. 

9)  CIL  VI  15593:  aediculae  in  quibus  si- 
mulacra  Claudiae;  vgl. XI  1088.  Sonst  heißen 
bei  den  Gräbern  auch  die  Nischen  in  der  Grab- 
kammer, die  die  Aschenurnen  enthalten,  aedi- 
culae, s.  Habel  bei  P.-W.  1 445.  Vgl.  Uhden  in 
Wolfs  Mus.  d.  Altert.Wissensch.  I  534  ff. 

10)  Horrea,  Speicher,  CIL  XI  3895;  ein  nu- 
bilare  (d.  i.  Schuppen,  vgl.  Varr.  r.  r.  I  13,  5. 
Colum.  1  6,24;  II  20  (21),  3)  CIL  VI  2204;  ein 
stabulum  ebd.  15640;  taberna  und  stabulum 
Not.  d.scavi  1897,425. 

")  Tabernae,  CIL  VI  1396;  2204;  10245; 
meritoria,  also  zum  Vermieten,  15640. 

u)  Ueber  diese  häufig  einem  oder  mehreren 
Freigelassenen  obliegende,  meist  testamenta- 
risch ihnen  überbundene  Pflicht  (Petron.  71,8) 
handelt  ausführlich  das  Testament  des  T.  Fla- 
vius  Syntrophus,  CIL  VI  10239;  s.  hierüber 
Marqüardt  370  A.  4  und  die  dort  angeführte 
Litteratur.  Vgl.  Firm.  Mat.  III  5, 23 :  quibus  se- 
pulcrorum  cura  aut  custodia  mandetur.  Inschr. 
Not.  d.  scavi  1895,  351 :  una  cum  casa  et  aedi- 
ficio  superposito  at  citstodem  loci  cibariorum 
gratia.  Die  custodes  hatten  u.  a.  auch  Verun- 
reinigung des  Denkmals  zu  verhindern,  Petron. 
71.8:  ne  in  monumentum  meum  jmpulus  caca- 
tum  currat;  vgl.  Hör.  a.  p.  471  und  entspre- 
chende Warnung  auf  Grabsteinen,  CIL  VI  2357: 
hospes  ad  hunc  tumulum  ne  meias  ossa  prc- 
cantur  tecta  hominis. 

u)  Quint.  VII  9,5:  ut  si  quis  corpus  suum 
inculto  loco  poni  iubeat  circaque  monumentut* 
multum  agri  ab  heredibus  in  tutelam  cineruw, 
ut  solent,  leget.  Vgl.  CIL  VI  2204.  Not.  d.  scavi 
1897,425. 

14)  CIL  V  4990  (jährlich  60000  Sesterzen 
legiert  ad  rosas  et  profus iones) ;  vgl.  ebd.  4410; 
VI  1396; X 107; XI 1088; 2596. 


Achter  Abschnitt.    Ärzte,  Tod,  Bestattung  und  Grabmäler. 


50!» 


Wir  kehren  nunmehr  noch  einmal  zu  den  Gebräuchen  der  Bestattung 
jzurück.  Wenn  die  Überreste  des  Toten  beigesetzt  waren,  riefen  die  An- 
gehörigen ihm  mit  dreimaligem  Vale  oder  Salve  ein  letztes  Lebewohl  zu l). 
km  selben  Tage  fand  die  unter  dem  Namen  der  fe  ritte  denicales*)  bekannte 
Ireligiöse  Handlung  statt,  durch  die  das  Grab  geheiligt  und  die  Familie  des- 
I Verstorbenen,  die  durch  die  Berührung  der  Leiche  unrein  geworden  war. 
bereinigt  wurde3);  zur  Heiligung  des  Grabes  wurde  ein  Schwein  geopfert4), 
Izur  Reinigung  von  Haus  und  Familie  ein  Hammel5).  Am  gleichen  Tage 
«fand  am  Grabe  selbst  das  silicernium,  das  Leichenmahl,  statt6). 

Die  erste  Zeit  der  tiefen  Trauer,  die  der  Bestattung  folgte,  dauerte 
pieun  Tage7)  und  hieß  danach  novemdial8),  am  neunten  Tage  wurde  am  Grabe 
wen  Manen  des  Toten  ein  Opfer  dargebracht,  das  sacrificium  novemdiale9)r 
(worauf  mitunter  ein  zweites  Leichenmahl,  die  cena  novemdialis,  folgte10),  bei 
[dem  man  die  Trauer  ablegte11)  und  neue  Spenden  für  den  Toten  darbrachte1*). 
lAuch  die  Erbschaftsregulierung  scheint  erst  dann  vorgenommen  worden  zu 
«ein  • 3).  Auch  Leichenspiele,  wie  sie  zu  Ehren  Vornehmer  abgehalten  wurden14), 
fielen  oft  auf  diesen  Tag  und  hießen  daher  ludi  novemdialeslb). 

An  den  Gräbern  fand  auch  der  Totenkultus  statt,  der  vornehmlich  auf 
Idie  sogenannten  parentalia  fiel16),  doch  auch  an  den  Geburtstagen  der  Toten17) 
lund  an  andern  Tagen,  nicht  selten  mehrfach  im  Jahre  stattfand lh).  An  diesen 


')  Verg.  Aen.  III  68;  VI  506  (vgl.  II  644). 
Serv.  ad  Aen  1  219;  III 68;  XI  97  und  das.  Varro 
(nach  Varro  bei  Non.  48,  5  geschah  dies  erst 
nach  dem  Leichenmahle).  Stat.  silv.  III  3,208. 

2)  Fest.  70,  9 :  denicales  feriae  colebantur, 
i-iini  hominis  mortui  causa  familia  purgabatur; 
vgl.  ebd.  242b,  29.  Cic.  de  leg.  II  22,55.  Gell. 
XVI  4, 4.  Colum.1121  (22),  4.  Wissowa  Rel. 
u.  Kult.  d.  Rom.  367. 

s)  Varr.  1. 1.  V  23.  Cic.  a.a.O.  57. 

4)  Cic.  a.  a.  O.;  das  Opfer  dieser  porcaprae- 
sentanea  galt  nach  Fest-  250  b,  25  der  Ceres. 

6)  Nach  Cic.  a.  a.  O.  55  galt  dies  Opfer  den 
Laren;  vgl.  Henzen  Act.  fratr.  Arval.  145. 

6)  Non.  48, 3  und  das.  Varro,  der  es  als  an- 
tiquus  mos  bezeichnet.  Fest.225,2.  Corp.  Gloss. 
II  183,  58.  Bei  Ter.  Ad.  587  ist  silicernium 
Schimpfname  eines  Greises.  Die  Etymologie 
des  Wortes  ist  ungewiß;  später  hieß  auch  eine 
Wurstart  so,  Fest.  a.  a.  O.  Arnob.  VII  24.  Bei 
Pers.  6, 33  heißt  es  cena  funeris.  Die  XII  Tafeln 
verboten  die  circumpotatio  beim  Leichenmahle, 
Cic.  de  leg.  1124,60. 

7)  Porphyr,  ad  Hör.  epod.  1 7 ,48.  Donat.adTer. 
Phorm.39.  Apul.  met.X30.  Augustin.  in  Genes. 
I,  Vol.  III 315  ed.  Benedict.  Dio  Cass.  LX1X 10, 3. 

8)  Es  ist  ein  Irrtum,  wenn  Serv.  ad  Aen.  V 
64  das  novemdial  dahin  erklärt,  daß  die  Leiche 
sieben  Tage  ausgestellt,  am  achten  verbrannt 
und  am  neunten  begraben  worden  sei;  s.  Mar- 
quardt 379. 

9)  Porphyr,  a.  a.  O. ;  daher  spricht  Hör.  ebd. 
von  novemdiales  pulveres;  vgl.  Corp.  Gloss.  II 
134,  45. 

10)  Tac.  ann.  VI  5 ;  bei  Petron.  65, 10  heißt 
auch  die  Mahlzeit  novemdial.   Daß  hierbei  be- 


sondere auf  das  Totenopfer  bezügliche  Speisen- 
genossen wurden,  wie  Marquari>t3S0  behaup- 
tet, geht  aus  den  dort  angeführten  Belegstellen 
nicht  hervor,  vgl.  Becker-Göll  536  und  das 
Menü  des  novemdial  bei  Petron.  66, 2  f. 

n)  Cic.  in  Vatin.  12,30  macht  es  dem  Va- 
tinius  zum  Vorwurf,  daß  er  bei  einem  solchen 
epiilum  funebre  cum  toga  pulla  erschien.  Bei 
Petron.  65.  3  kommt  Habinnas  amicttis  veste 
alba  (ebd.  7:  oneratus  aliquot  coronis)  vom  no- 
vemdial. Neuntägige  Trauertracht  bezeugtauch 
Dio  Cass.  LXIX  10,  3. 

u)  Petron.  65.11. 

,s)  So  bei  Apul.  met.  X  31  und  wohl  auch 
beilustinianNov.  1 15,5  §  1,  worauf  Marquardt 
379  A.  6  hinweist. 

14)  Ohne  Angabe  des  Tages  öfters  erwähnt, 
vgl.  oben  S.  498  A.  12.  Marquardt  380.  Fribd- 
LÄNDERbeiMarquardtRöm.Staatsverw.lII  473: 
508;  533.  An  Stelle  der  Spiele  traten  bisweilen 
Bewirtungen  der  Bevölkerung  oder  Geldvertei- 
lungen, s.  Friedländer  Sittengesch.  III 118  f. 
Becker-Göll  537. 

15)  Serv.  ad  Aen.  V  64;  in  heroische  Zeit 
verlegt  bei  Stat.  Theb.  VI  238. 

16)  Ueber  die  parentalia,  fera/ia,  rosalia 
u.dgl.s.  Marquardt  Röm.Staatsverw.IU298  ff. 
Wissowa  Rel.  d.  Rom.  187  f.  Hild  bei  D.-S.  IV 
333;  über  das  Verhältnis  der  parentalia  zu  den 
feralia  vgl.  Samter  bei  P.-W.  VI  2206. 

17)  Vgl.  W.  Schmidt  Geburtstag  im  Altert. 

(Gießen  1908)  44  f. 

18)  Viermal:  am  Geburtstage,  an  den Paren- 
talien,  den  Rosarien  und  dem  dies  violae,  CIL  VI 
2072;  4489;  5272;  9626;  10239;  10248;  sechs- 
mal (alle  zwei  Monate)  Digg.  XL  4, 44. 


510 


Zweite  Abteilung.    Das  Leben, 


Tagen  brachten  nicht  nur  die  Verwandten,  sondern  auch  sonstige  Freunde I 
oder,  wenn  es  sich  um  berühmte  Persönlichkeiten  handelte,  deren  Verehrer1)! 
Totenopfer  (inferiae)  dar2),  die  vornehmlich  in  Spenden  von  Wasser3),  Wein4)! 
Milch5),  Öl6),  Honig7)  bestanden;  auch  goß  man  das  Blut  der  als  Opfer  dar-j 
gebrachten  schwarzen  Tiere  auf  das  Grab8)  und  spendete  Salben  und  Wohl-I 
gerüche9),  Weihrauch10),  Wollenbinden11),  Blumen  und  Kränze12).  Auch  wail 
es  üblich,  Lampen  an  den  Gräbern  anzuzünden13),  woher  es  kommt,  daß  solchel 
in  den  Gräbern  außerordentlich  zahlreich  gefunden  werden.  Den  Toten  abeil 
setzte  man  eine  Mahlzeit,  cena  feralis1*),  hin,  die  vornehmlich  aus  Bohnen15).! 
Linsen16)  und  andern  Feldfrüchten  mitSalz17),  Obst18).  Eiern19),  Brot20)  u.dgl.  m. 
bestand.  Endlich  war  es  auch  Brauch,  daß  an  diesen  Gedächtnistagen  die 
Verwandten  am  Grabe  ein  Erinnerungsmahl  abhielten21),  und  damit  hängt  es 
zusammen,  daß  bei  Begräbnisplätzen  Küchenräume  angelegt  wurden,  wo  auch 
der  Anteil  des  Toten  mit  verbrannt  wurde22).  Die  eigentliche  Trauerzeit, 
deren  Kennzeichen  die  schwarze  Tracht,  das  Fehlen  des  Schmuckes,  bei  den 
Frauen  die  offenen  Haare23),  bei  den  Männern  das  Stehenlassen  des  Bartes24) 
waren,  war  von  verschiedener  Dauer25),  doch  war  für  Witwen  zehn  Monate 


J)  Suet.  Calig.  3.  Capit.  M.  Ant.  phil.  3, 5. 
Sen.  ep.  64,9.  Mart.  VIII 38.  Stat.  silv.  II  7.  Man 
vgl.  besonders  die  Bescbr.  CIL  XI 1420,  wo  für 
die  Leidtragenden  togae  pidlae  vorgeschrieben 
sind,  ferner:  ut  bos  et  ovis  atri  infulis  caerulis 
infulati  diis  Manibus  eius  mactentur  eaeque 
hostiae  eo  loco  adoleantur  super  que  eas  singulae 
urnaelactismellisoleifundantur  ac  tum  demum 
facta(m  ceteris  p)otestatem,  siqui privatim  velint 
Manibus  eins  inferias  mitter{e  nive  quis)  am- 
plius  uno  cereo  unave  face  coronave  mittat,  dum 
ii  qui  im(molaver)int  einet  i  Sabino  ritu  struem 
liqnorum,  succendant  atque  perinde  habeant. 

2)  Cic. n.  deor.  III 16", 42.  Verg.  Aen. IX  215. 
Ov.  met.  XI 381.  Suet.  Cal.  15  u.  ö. 

3)  Fest.  11,14.  Corp.  Gloss.  II  462,26; 
564,  48. 

4)  Verg.  Aen.  V  77,  98.  Sil.  It.  XVI  308. 
Auson.  epit.  36, 1.  Fest.  262  a,  15.  Luc.  de  luct. 
19.  CIL  VI  9797  fordert  jemand  seine  Freunde 
auf,  ihm  im  Grabe  Falerner,  Setiner  oder  Cä- 
kuber  aus  der  apotheca  dominica  zu  spenden. 

5)  Verg.  Aen.  III  66  und  das.  Serv.;  V  78. 
Sil.  It.  a.  a.  0.  Nemes.  ecl.  1,68.  Arnob.  VII  20. 

6)  Arnob.  a.  a.  O. 

7)  Nemes.  1,69. 

8)  Verg.  Aen.  III 66;  V 78; 96.  Arnob.  a.  a. O. 

9)  Prop.  IV  15  (III 16),  23.  Auson.  a.a.  0. 
CIL  VI  9797;  X  5469. 

10)  Arnob.  a.a.O. 

n)  Varr.l.l.VII24.  Caecil.b. Fest. 360b. 24. 

12)  Verg.  Aen.  V  78;  VI  883  f.;  Copa  35  f. 
Ov.  fast.  11537.  Tib.  II  6, 32.  Prop.  V  (IV)  7, 43. 
Nemes.  a.  a.  0.  und  sonst  sehr  oft  erwähnt.  In- 
schriftl.  CIL  VI  9797:  floribus,  violis,  rosis  folio- 
que  multo  atque  unguento  mareido;  X  5469. 

13)  Suet.  Aug.  98.  Dio  Cass.LXVII  9,2.  Pe- 
tron.  111,4.  Digg.  XL  4,44.  CIL  II  2102;  VI 
10248  werden  die  Einkünfte  aus  einer  insula 
dazu  bestimmt:  ut  quodannis  die  natalis  sui  et 


rosationis  et  violae  et  parentalibus  memorium 
sui  sacrificis  quater  in  annum  f actis  celebrent 
et  praeterea  omnib(us)  k(alendis),  nonis,  idibus 
suis  quibusq{ue)  mensib(us)  lucerna  lucens  sibi 
ponatur  incenso  inposito;  vgl.  X  633:  huic  tu- 
mulo  posuit  ardentem  lucernam;  XI  2596  (ut) 
diem  festo  sollemne  oleum  in  lucerna,  quam  dedi 
D.  P.,  ex  usuris  praestetur. 

14)  luv.  5,85,  wo  nicht  mit  Friedländer  an 
die  cena  novemdialis  zu  denken  ist;  bei  Apul. 
Flor.  19  wird  die  cena  feralis  vom  tumulus  ge- 
nommen. Vgl.  Plin. X28.  Dio Cass  LXX VII 9,3. 

15)  Plin.  XVIII 118.  Fest.  87,13 ;  ferales  lu- 
pini,  Calpurn.  3, 82. 

16)  Plut.  Crass.  19. 

17)  Ov.  fast.  II  538.  Arnob.  a.a.O. 

1 8)  CIL  X  5469 :  pomum  temporis  omne  sui. 

19)  luv.  5,84. 

20)  August,  conf.  VI  2  nennt pultes  etpanem 
et  merum  als  in  Afrika  gebräuchlich;  Ov.  fast. 
II  539  Brot  in  Wein  getaucht. 

21)  Cic.  pr.  Flacc.  38,95.  Varr.  1.  1.  VI  13. 
Tertull.  de  testim.  an.  4;  darauf  geht  Stat.  silv. 
V  1 ,  235 :  circumstant  f amidi  consuetaque  turba 
obsequiis,  tum  rite  tori  mensaeque  parani 'ur 
assiduae.  CIL  X  1 07 :  ut  ex  usuris  quodannis 
VII  Idus  Apriles  natale  filiae  meae  epulantes 
confrequentetis.  Vgl.  cena  parentalicia,  Not.  d. 
scavil894,21.  CIL  XI 5047.  Dies  Leichenmahl 
ist  mitunter  auf  Grabsteinen  dargestellt,  siehe 
F.  Haverfield  im  Archaeol.  Journ.  N.S.  VI  326. 

2a)  Vgl.  oben  S.  508  A.  8. 

23)  Ter.  Heaut.  286  ff.;  vgl.  oben  S.497. 

24)  Vgl.  Gachon  bei  D.-S.  III  1230  f.  und 
oben  S.  270. 

25)  Plut.  Num.  12  führt  als  Verordnung  des 
Numa  an,  daß  man  ein  Kind  unter  drei  Jahren 
gar  nicht  betrauern  solle,  ein  älteres  so  viel  Mo- 
nate, als  es  Jahre  hatte,  aber  nicht  länger  als 
zehn  Monate,  und  dies  war  auch  die  Trauerzeit 


k 


Achter  Abschnitt.    Ärzte,  Tod,  Bestattung  und  Grabmäler. 


511 


die  allgemein  übliche  Dauer1),  die  manchmal  auch  beim  Tode  hochverdienter 
Männer  von  den  Matronen  innegehalten  wurde2).  Doch  trauerten  Frauen, 
zumal  Mütter  um  ihre  Kinder,  oft  viel  länger,  ja  sogar  ihr  ganzes  Leben  lang3). 
Dagegen  war  für  die  Männer  keine  bestimmte  Trauerzeit  vorgeschrieben4). 


für  Witwen.  Anders  bestimmt  Paul.  sent.  I  21, 
12,  daß  Eltern  und  Kinder  über  sechs  Jahre  ein 
Jahr  betrauert  würden,  jüngere  Kinder  einen 
Monat.  Gatten  zehn  Monate,  Verwandtenäheren 

»)  Ov.  fast.  I  35;  III  134.  Cic.  pr.  Cluent. 
12,  35.  Sen.  dial.  XII  16, 1 ;  ep.  63, 13. 

ä)  Jahrestrauer  (wobei  mit  dem  Jahre  das 
alte  von  zehn  Monaten  Dauer  gemeint  scheint) 
wird  ■/..  B.  erwähnt  beim  Tode  des  M.  Iunius 
Brutus,  Liv.  II  7,4;  des  P.  Valerius  Publicola, 
ebd.  16,7.  Eutrop.  I  11  (10);  desCoriolan,  Dion. 


Hai.  VIII  62,  1.  Plut.  Coriol.39;  d»  Mi-ntinius 
Agrippa.  Dion.  Hai.  IX  27,2;  des  Augustus.  Dio 
Cass.  LVI  43. 1. 

8)  Sen.  dial.  VI  2,  5;  XII  11,2:  solche  ver- 
längerte Trauer  hieß  prohtgert,  Fest.  226, 16, 
während  elugere  das  Innehalten  der  üblichen 
Trauerzeit  bedeutet.  Cic.  ad  fam.  IX  20,3.  Liv. 
XXXIV  7, 10.  Gell  VI  (VII)  5. 4. 

*)  Sen.  ep.  63,  13:  riri.s  nulluni  hyitiimim 
tetnpus  [lugenät)  est,  quia  nuUum  honeshtm. 
Digg.  III  2,9:  uxores  viri  htgsre  non  compeL 
lantur.  sponsi  nullit*  luctus  est. 


Dritte   Abteilung. 

Die  Berufsarten. 


Erster  Abschnitt. 

Jagd,  Vogelfang  und  Fischerei. 


Litteratur. 

Lauchert  Das  Weidwerk  der  Römer.    Rottweil  1848. 

G.  Baguenault  de  Puchesse  De  venatione  apud  Romanos.    Paris  1869. 

M.  Miller  Das  Jagdwesen  der  alten  Griechen  und  Römer.    München  1883. 

B.  von  Kayser  Jagd  und  Jagdrecht  in  Rom.    Tübingen  1895. 

H.  Johannes  De  studio  venandi  apud  Graecos  et  Romanos.    Göttingen  1907. 

G.  Lafaye  Artikel  Piscatio  bei  Daremberg-Saglio  IV  489  ff. 

Wie  bei  den  Griechen  und  wie  im  Grunde  genommen  auch  heutzutage 
bei  uns,  so  war  auch  bei  den  Römern  die  Jagd  kein  eigentlicher,  zum 
Lebensunterhalt  gewählter  Beruf,  sondern  bei  den  Freien  mehr  eine  beliebte 
Beschäftigung  oder  eine  Art  Sport,  bei  den  Unfreien  eine  ihnen  übertragene 
Tätigkeit.  Das  gilt  wenigstens  von  denjenigen  Zeiten,  von  denen  wir  Kunde 
haben;  wie  es  in  den'  Anfängen  Roms  damit  bestellt  war,  darüber  liegen 
keine  Nachrichten  vor,  und  die  Ansichten  der  Neueren  gehen  hinsichtlich 
des  Alters  der  Jagd  bei  den  Römern  auseinander1).  Daß  indessen  schon  in 
den  frühesten  Zeiten  die  Jagd  eine  Lebensnotwendigkeit  war,  indem  die 
Menschen  nur  dadurch  vor  den  wilden  Tieren  sich  schützen  konnten,  ist 
selbstverständlich2);  wie  in  anderen  Pfahlbausiedelungen  so  hat  man  auch 
in  den  oberitalischen  Terremare  Knochen  von  Schwarz-  und  Rotwild,  das 
den  Bewohnern  zur  Nahrung  gedient  hatte,  gefunden3).  Doch  sind  die  Reste 
derart  im  Vergleich  zu  der  großen  Menge  ebendort  gefundener  Überbleibsel 


')  Sprachliche  Gesichtspunkte  geben  keinen 
Anhalt.  Zwar  meinte  0.  Weise  Griech.  Wörter 
in  der  lateinischen  Sprache  (Leipzig  1882)  S.299 
aus  dem  Umstände,  daß  sich  im  Lateinischen  in 
der  Terminologie  der  Jagd  und  des  Vogelfangs 
keine  griechischen  Wörter  finden,  schließen  zu 
dürfen,  daß  die  Jagd  eine  altrömische  Beschäf- 
tigung sei,  bei  der  griechischer  Einfluß  nicht 
vorliege ;  allein  so  selbstverständlich  es  ist,  daß 
die  Jagd  auf  italischem  Boden  von  früh  an  aus- 
geübt worden  ist,  so  wird  doch  für  die  spätere 
Zeit  bei  ihrer  Ausübung  und  Technik  griechi- 
scher Einfluß  nicht  zu  leugnen  sein.  So  ge- 
braucht Varro  bei  Non.  28, 10  unter  lateinischen 


Namen  von  Jagdgeräten  auch  das  griechische 
ägxvsg.   Mehr  s.  unten. 

2)  Man  vgl.  die  poetische  Darstellung  dieser 
Anfänge  der  Jagd  bei  Lucr.  V  980  ff.  und  die 
Schilderung  der  Jagd  ebd.  1248  f.  Das  Buch  von 
G.  de  Mortillet  Origines  de  la  chasse,  de  la 
pöche  et  de  l'agriculture,  Paris  1890,  ist  mir 
unzugänglich. 

3)  Es  sind  vornehmlich  Knochen  und  Ge- 
weihe von  Hirschen  und  Rehen,  sowie  Knochen 
und  Hauer  von  Wildschweinen;  auch  Bären- 
zähne sind  gefunden  worden,  s.  Helbig  Italiker 
in  der  Poebene  15  u.  26. 


Erster  Abschnitt.    Jagd,  Vogelfang  und  Fischerei. 


513 


Ivon  zahmen  Tieren  sehr  beschränkt,  sodaß  es  den  Anschein  hat,  daß  die 
»Jagd  bei  den  Pfahldörflern  nur  in  geringem  Maße  betrieben  wurde  und  für 
|hre  Nahrung  ungleich  untergeordnetere  Bedeutung  hatte  als  die  Viehzucht l). 
[Ebenso  scheint  es  bei  den  alten  Latinern  gewesen  zu  sein,  wie  man  daraus 
[geschlossen  hat,  daß  die  Latiner  Benennungen  von  wilden  Tieren  aus  Worten 
{abgeleitet  haben,  die  für  Haustiere  gültig  waren 2).  Wenn  wir  daher  bei  den 
[Dichtern  die  Jagd  als  Beschäftigung  der  Helden  der  Vorzeit  erwähnt  und 
[gepriesen  finden,  so  ist  das  teils  Nachahmung  griechischer  Muster,  teils 
KTbertragung  der  späteren  Verhältnisse  auf  ein  weit  zurückliegendes  Zeit- 
alter 3).  Aber  auch  noch  längere  Zeit  hindurch  scheint  die  Jagd  bei  den 
[Römern  keine  Beschäftigung  der  besseren  Stände  gewesen  zu  sein 4) :  teils 
Iwar  in  den  besseren  Zeiten  der  römischen  Republik  der  Jüngling  und  Mann 
Bdurch  den  Kriegsdienst  hinlänglich  in  Anspruch  genommen,  teils  war  der 
»Römer  zu  sehr  Landmann,  um  mit  Leidenschaft  den  Jäger  abzugeben  6).  Noch 
|m  2.  Jahrhundert  v.  Chr.  war  die  Jagd  bei  den  jungen  Römern  von  Stande 
«keine  übliche  Passion6),  und  das  auf  den  Markt  kommende  Wildbret  war  im 
wesentlichen  von  den  Sklaven  der  Gutsbesitzer  erlegtes 7),  ganz  abgesehen 
jdavon,  daß  man  schon  zu  jener  Zeit  anfing,  auf  den  Landgütern  Wild  in 
(eigenen  leporaria  oder  vivaria  zu  halten8).  Man  muß  bei  diesen  Verhältnissen 
Bauch  in  Anschlag  bringen,  daß  zwar  in  den  frühesten  Jahrhunderten,  wo 
|der  Waldreichtum  Italiens  noch  beträchtlich  war  und  zumal  in  den  Gebirgen 
jauch  noch  schädliche  wilde  Tiere,  wie  Bären,  Wölfe  u.  dgl.,  hausten,  die 
[Bevölkerung  schon  zum  Schutze  ihrer  Herden  genötigt  war,  auf  das  Raubzeug 
fjagd  zu  machen9),  daß  aber  mit  der  zunehmenden  Ausrottung  der  Wälder 


J)  Helbig  a.  a.  0. 

2)  Das  belegt  Helbig  a.  a.  0.  73  f.;  so  z.  B. 
eaprea,  hinuleus,  vgl.  Hehn  Kulturpfl.  u.  Haus- 
tiere 6  S.  564.  Daher  ist  es  nicht  richtig,  wenn 
mitunter  behauptet  worden  ist  (so  von  Lauchert 
a.  a.  0.  Gemoll  Realien  bei  Horaz  111  33.  von 
Kayser  Jagd  u.  Jagdrecht  13),  daß  die  Römer 
von  jeher  die  Jagd  geliebt  und  sie  stets  als 
das  edelste  und  männlichste  Vergnügen  be- 
trachtet hätten,  was  nur  für  die  spätere,  beson- 
ders die  Kaiserzeit  gilt.  Vgl.  Johannes  a.  a.  0. 
62  f. 

3)  Vgl.  die  große  Jagd,  die  Dido  veranstaltet. 
Verg.Aen.IV130ff.;ebd.VII475gehtAscanius 
mit  seinen  Gefährten  auf  die  Hirschjagd.  Vgl. 
auch  IX  590  ff.;  612  f. 

4)  Wenn  es  bei  Ter.  Andr.  55  heißt :  quod 
plerique  omnes  faciunt  adulescentuli,  j  ut  ani- 
mum  adaliquod  Studium  adiungant,  (tut  equos  \ 
alere  aut  reines  ad  venandum,  mit  ad  philoso- 
phos,  so  führt  das  Johannes  57  ebenso  wie  die 
zahlreichen  bei  Plautus  und  Terenz  vorkommen- 
den, der  Jagd  entnommenen  Metaphern  (vgl. 
W.  v.  Wyss  Die  Sprüchwörter  b.  d.  römischen 
Komikern,  Zürich  1889,  S.  49)  auf  die  griechi- 
schen Vorbilder  zurück ;  das  ist  für  jene  Terenz- 
Btelle  zwar,  der  philosophi  wegen,  wahrschein- 
lich, sonst  aber  dürften  die  Bilder  von  der  Jagd, 
da  diese  doch  immerhin  existierte,  von  selbst 
in  die  Sprache  eingedrungen  sein. 

Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft.    IV. 


5)  Vgl.  R.  v.  Jhering  Jahrb.  für  Dogmatik 
XXIII  (1885)  244. 

6)  Das  erwähnt  Polyb.  XXXII 15,  der  stolz 
darauf  war,  daß  er  durch  sein  Beispiel  den  jün- 
geren Scipio  dazu  angeleitet  und  die  Liebe  zur 
Jagd  in  ihm  geweckt  hatte. 

7)  Helbig  a.  a.  0.  74  bemerkt,  daß  die 
Jagd  in  der  Existenz  der  damaligen  latinischen 
Bauern  keine  hervorragende  Rolle  gespielt 
haben  könne,  weil  man  annehmen  dürfe,  daß 
der  Unterschied  der  Lebensrichtung  zwischen 
den  großen  und  den  kleinen  Grundbesitzern  in 
jener  Zeit  noch  ein  verhältnismäßig  geringer 
war;  und  er  findet  es  auch  bezeichnend,  daß 
Plin.  VIII  210  vom  Genuß  des  Fleisches  des 
WildschweinskeinälteresZeugnisbeizubringen 
weiß,  als  eine  Bemerkung  des  alten  Cato :  womit 
freilich  nicht  behauptet  werden  soll,  daß  Wild- 
schweine nicht  schon  früher  auf  den  Tisch  ge- 
kommen wären. 

8)  Siehe  oben  S.  175. 

9)  Insofern  ist  es  gewiß  richtig,  wenn 
Vergil  mehrfach  die  Jagd  als  Beschäftigung 
altitalischer  Stämme  anführt,  so  Aen.  VII 
746  von  der  am  Anio  wohnhaften  ijens  Aequt- 
cula,  adsueta  inult»  venatu  nemorum;  vgl. 
ferner  VIII  318:  sed  rami  atque  aaper  rirtii 
venatus  alebat,  und  IX  605:  venatu  im-liiihn.t 
pueri  silvasque  fatiqant.  Vgl.  auch  Sil.  It.  VIII 
570. 

2,  2.    3.  Aufl.  33 


514 


Dritte  Abteilung.   Die  Berufsarten. 


und  der  Ausbreitung  der  Landgüter  der  Wildstand  abnahm  und  die  Jagd  auf 
Raubtiere  von  selbst  seltener  wurde1). 

Für  die  Zeiten,  aus  denen  uns  beglaubigte  Nachrichten  über  das  Jagd- 
wesen vorliegen,  haben  wir  nun  zu  unterscheiden  zwischen  der  Jagd  bei  den 
Reichen  und  Vornehmen,  zumal  der  Jugend,  die  sie  als  Sport  betrieb,  und 
derjenigen,  die  von  Sklaven  oder  Freigelassenen  oder  armen  Freien  unter- 
nommen wurde,  um  ihren  Herren  und  Auftraggebern  oder  auch  den  Märkten 
und  Wildhändlern  Wild  zuzuführen2);  dazu  kam  dann  noch  die  ebenfalls  von 
damit  Beauftragten  betriebene  Jagd  auf  solche  wilde  Tiere,  welche  bei  den 
Venationen  in  der  Arena  gebraucht  wurden,  eine  Jagd,  die  sich  von  den 
anderen  besonders  dadurch  unterschied,  daß  dabei  die  Tiere  lebendig  zu 
fangen,  nicht  tot  zur  Strecke  zu  bringen  waren.  Was  nun  die  erste  Art, 
die  Jagd  als  Sport  anlangt,  so  scheint  diese,  wie  oben  angedeutet,  erst  seit 
dem  2.  Jahrhundert  v.  Chr.  mehr  und  mehr  in  Aufnahme  gekommen  zu  sein, 
und  zwar  offenbar  unter  griechischem  Einflüsse 3).  Denn  die  Griechen  galten 
als  besonders  erfahren  im  edlen  Weidwerk,  und  Aemilius  Paulus  ließ  für  seine 
Söhne  nicht  nur  die  Lehrer  der  Grammatik,  Rhetorik,  Malerei  etc.  aus 
Griechenland  kommen,  sondern  auch  die  Bereiter,  die  Hundedresseure  und 
eigene  Lehrer  der  Jagd4).  Ob  das  Beispiel  des  jüngeren  Scipio,  der  durch 
Polybios  angeregt  ein  eifriger  Jäger  geworden  war5),  bei  der  vornehmen 
römischen  Jugend  Nachahmung  gefunden  hat,  ist  allerdings  nicht  sicher6), 
.da  gleichzeitige  Belegstellen  fehlen7);  allein  da  wir  im  1.  Jahrhundert  v.  Chr. 
die  Jagd  als  allgemein  beliebte  Beschäftigung  finden,  so  ist  es  sehr  wahr- 
scheinlich, daß  das  der  Fall  gewesen  ist.  Es  spricht  dafür,  daß  schon  zur 
Zeit  des  Varro  die  Jagdliebhaberei  so  überhand  genommen  hatte,  daß  Varro 
in  einer  Satire  dagegen  ankämpfte 8) ;  und  Sallust  gab  wohl  nur  seinen  per- 
sönlichen Standpunkt  wieder,  wenn  er  Ackerbau  und  Jagd  zu  den  servilia 
officia  rechnet9).  Dagegen  zählt  Cicero  den  Vogelfang  und  die  Jagd  zu  den 
angenehmen  Beschäftigungen  in  Mußestunden  im  Alter10);  die  Dichter  der 
augusteischen  Zeit  rühmen   die  Jagd   als  ein  echt  männliches  Vergnügen, 


')  Vgl.  Bagtjenatjlt  de  Ptjchesse  a.  a.  0. 
21  ff. 

2)  Doch  sagt  Colum.  XI  1,24  inbezug  auf 
den  vüicus :  fugiendum  venandi  vel  aucupandi 
Studium,  quibus  rebus  plurimae  operae  avo- 
cantur. 

s)  Ueber  die  Jagdliebhaberei  der  Griechen 
in  der  hellenistischen  Zeit  vgl.  Helbig  Unter- 
such, über  die  campan.  Wandmalerei  274  ff. 
Johannes  a.  a.  0.  55  f. 

*)  Plut.  Aem.  Paul.  6. 

5)  Polyb.  a.a.O. 

6)  Kiessling  im  Neuen  Schweizerischen 
Museum  V  (1865)  334  glaubt,  es  sei  das  nicht 
der  Fall  gewesen ;  vielleicht  sei  die  bald  darauf 
hereinbrechende  plebejisch-nationale  Reaktion 
auf  allen  Gebieten  des  Lebens,  der  Politik  wie 
der  Sitte  und  Kunst,  schuld  daran. 

7)  Als  eine  solche  betrachtet  Johannes  66 
den  Vers  des  Lucilius:  tum  spara,  tum  rumices 
portantur,  tragula  porro  (v.  1315  Maix.  1115 
Lachmann.  Incerta  v.  109  Müller);  in  der  Auf- 
fassung des  Verses  weicht  er  von  Marx  ab,  der 


sie  auf  die  Jagd  von  marsischen  Ebern  bezieht, 
wofür  aber  die  Waffen  zu  leicht  scheinen. 

8)  Die  Fragmente  der  Satire,  die  Meleagri 
hieß,  sind  zusammengestellt  bei  Oehler  Var- 
ronis  sat.  Menipp.  reliqu.  p.  166  ff.  (auch  in 
Büchelers  Petron.4  194  v.  293— 303,  danach 
hat  Ribbeck  Gesch.  d.  röm.  Dichtung  I  259  den 
Inhalt  rekonstruiert). 

9)  Catil.4, 1.  Diese  Ansicht  wird  von  Sym- 
mach.  ep.V  68  mit  Entrüstung  zurückgewiesen. 

10)  Cat.  mai.  16,56:  conditiora  facit  haec 
supervacaneis  etiam  operis  aucupium  atque  ve- 
natio,  wobei  zu  beachten  ist,  daß  Cicero  zwar  die 
Worte  dem  alten  Cato  in  den  Mund  legt,  aber 
damit  seine  eigene  Ansicht  ausspricht  Ich  halte 
es  auch  nicht  für  richtig,  wenn  Johannes  63 
glaubt,  Cicero  spreche  hier  nur  theoretisch,  als 
Philosoph,  empfehle  aber  nicht  in  Wirklichkeit 
älteren  Leuten  die  beschwerliche  Jagd ;  er  wird 
natürlich  nur  die  leichteren  Arten  der  Jagd  im 
Auge  gehabt  haben.  Was  er  ad  fam.  VII  1,3 
von  venationes  schreibt,  geht  auf  Tierhetzen  in 
der  Arena. 


Erster  Abschnitt.    Jagd,  Vogelfang  und  Fischerei. 


515 


Bas  geeignet  ist,  den  Körper  zu  stählen  und  zum  Ertragen  kriegerischer 
Strapazen  geeignet  zu  machen1),  und  wenn  auch,  zumal  bei  den  Elegikem, 
^nanche  Erwähnungen  der  Jagd  oder  daraus  entnommene  Bilder  auf  ihre 
griechischen  Vorbilder  zurückgehen 2),  so  sind  doch  andere  Stellen  der  Dichter 
picherlich  als  Belege  dafür  aufzufassen,  daß  die  Jagd  damals  recht  beliebt 
|war3).  In  der  Kaiserzeit  war  der  Jagdsport  allgemein  verbreitet  und  dadurch 
finoch  an  Umfang  erweitert,  daß  die  römischen  Provinzen  mit  ihrem  Wild- 
reichtum dazu  noch  mehr  Gelegenheit  boten  als  Italien4),  und  daß  da  auch 
Gelegenheit  war,  wilde  Tiere,  wie  sie  in  Italien  längst  ausgerottet  waren, 
zu  jagen5).  Daher  ist  denn  bei  den  Schriftstellern  nicht  selten  vom  Jagd- 
vergnügen die  Rede;  wir  erfahren  von  Staatsmännern  und  Gelehrten,  die 
Jagdfreunde  waren6),  und  namentlich  unter  den  Kaisern  gab  es  einige  ge- 
waltige Nimrode 7).  Auch  Frauen  beteiligten  sich  an  der  Jagd,  was  freilich 
Tadel  hervorrief8).  Daher  begreift  es  sich  auch,  wenn  in  der  römischen 
Kunst,  besonders  in  Wandgemälden,  Mosaiken  und  Sarkophagreliefs,  Jagd- 
Iszenen  beliebt  sind9),   und  wenn  auch  die  in  römischer  Zeit   entstandenen 


')  Hör.  sat.  II  2, 10  nennt  die  Hasenjagd 
Romana  militia  und  ep.  I  18, 49  die  Jagd  über- 
haupt Romanis  sollemne  viris  opus.  Ovid.  rem. 
ilam.  199  ff.  rühmt  die  Jagd  als  Sorgenbrecher. 
Colum.  I  pr.  17  spricht  von  der  vera  illa  Romuli 
pro/es  assiduis  venatibus  nee  minus  agrestibus 
operibus  exercitata  als  leider  vergangenen 
iZeiten. 

»)  Vgl.  Jacoby  Rh.  Mus.  LX  (1905)  74  A.  1. 
IBürger Hermes XXXVIII (1903) 21.  C.H.Mül- 
ler De  similitud.  imaginibusque  ap.  vet.  poetas 
[lelegiac.  (Diss.  Göttingen  1887)  44  ff. 

3)  So  das  Gedicht  der  Sulpicia,  Tib.  IV  3; 
inamentlich  aber  die  Erwähnungen  bei  Horaz, 
|wiecarm.Il,25;37.18;III12.10;epod.2,29ff.; 
sat.  I  2, 105.  Es  scheint  mir  entschieden  zu  weit 
gegangen,  wenn  Kiessling  a.  a.  0.  337  diese 
Stellen  nicht  für  beweisend  betrachtet;  gerade 

'die  Klage  des  Horaz,  carm.  III  24,55,  daß  die 
I  jungen  Leute  sich  lieber  weniger  anstrengenden 
Beschäftigungenzuwendeten.läfitdarauf  schlie- 
ßen, daß  die  Jagd  damals  allgemein  verbreitet 
j  war.  Daß  freilich  Horaz  selber  Jäger  gewesen 
|  sei.  wie  O.  A.  Hoffmann  in  der  Monatsschr.  für 
(höhere  Schulen  1904,  665  erweisen  wollte,  ist 
sehr  unwahrscheinlich  und  wird  von  Johannes 
72  f.  mit  Recht  zurückgewiesen. 

4)  So  war  namentlich  Spanien  als  wild- 
reiches Land  ein  rechter  Tummelplatz  für  Jäger; 

I  so  war  Sertorius  eifriger  Jäger,  Plut.  Sertor.  13, 
so  die  Spanier  Porcius  Latro,  Senec  controv.  I 
praef.  14,  und  Martials  FreundLicinianus,  Matt. 
I  49, 13  f  u.  23  ff.  Martial  selbst  schildert  den 

I  Reichtum  Spaniens  an  Wild  X  37:  der  Spanier 
Seneca  spricht  öfters  rühmend  von  der  Jagd, 
dial.  11111,2;  de  dem  I  16,5;  ep.  95. 18.  Vgl. 
Kiessling  a.  a.  O.  327  ff ,  der  wohl  mit  Recht  im 
Leben  der  Zenobia  bei  Treb.  Poll.  trig  tyr.  30, 18 
venata  est  Hispanorum  cupiditate  liest. 
6)  Selbst  Löwen,  Senec.  dial.  I  2,8. 
6)  So  die  oben  erwähnten  Porcius  Latro  und 

|  Licinianus ;  auch  der  jüngere  Plinius  war  Jäger, 


vgl.  ep.  V6,45:  nam  studiis  animum,  venatu 
corpus  exerceo;  freilich  kein  leidenschaftlicher, 
wie  aus  IX  16  hervorgeht:  nobis  venari  nee  va- 
cat  nee  Übet :  non  vacat,  quia  vindemiae  in  ma- 
nibus;  non  libet,  quia  exiguae;  und  noch  mehr 
aus  I  6,1,  wo  er  schildert,  wie  er  bei  den  Jagd- 
netzen mitNotizbuch  und  Griffel  sitzt,  um  gleich 
Einfälle  aufzeichnen  zu  können.  Aus  ep.  IX  10 
scheint  hervorzugehen,  daß  auchTacitus  Jagd- 
freund war,  obschon  dieser  ann.  II  56  sagt:  ve- 
natu epulis  et  quae  alia  barbari  celebrant. 

7)  So  Domitian,  der  sich  freilich  damit  er- 
götzte, die  zu  Hunderten  zusammengetriebenen 
Tiere  vom  sicheren  Platze  aus  zu  erlegen,  Suet. 
Dom.  19;  ferner  Traian,  Plin.  paneg.  81,  und 
Hadrian,  von  dem  Spartian  2, 1  sagt:  venando 
usque  ad  reprehensionem  Studiosus ;  Odenatus, 
Treb.  Poll.  trig.  tyr.  15.7;  Valentinian,  Amm. 
XXIX 3. 3;  Gratian,  ebd.  XXXI  10.19. 

8)  Schon  in  Varros  erwähnter  Satire  hieß 
ein  Vers  (Non.  187, 15) :  si  non  malit  [vir]  vera- 
ciam  uxorem  habere  Atalantam ;  aus  späterer 
Zeit  die  Mevia  bei  luv.  1,22  f.  Daß  es  auch 
schon  Sonntagsjäger  gab,  die  morgens  mit 
großem  Troß  auf  die  Jagd  auszogen  und  abends 
mit  einem  beim  Wildbiethändler  gekauften 
Eber  heimkehrten,  wissen  wir  aus  Hör.  ep.  I 
6,  58  ff. 

9)  Vgl.O.MüLLER.HandbuchderArchaeol. 
§  427, 1.  Welcker  Alte  Denkmäler  II  308. 
Stephani  CR  de  St.  Petersb.  1867, 120ff.  A.  d.  I. 
XXXV  (1863)  94  ff.  Helbig  Untersuch,  üb.  die 
camp.  Wandmal.  277 ;  ders.  Wandgem.  der  vom 
Vesuv  verschütteten  Städte  n.  807  ff;  1520  ff. 
Auch  die  philostratischen  Gemälde  sind  zu  er- 
wähnen, vom  älteren  I  28,  vom  jüngeren  das 
dritte.  Besonders  häufig  sind  Jagddarstellungen 
auf  römischen  Mosaiken,  so  auf  denen  aus  Hali- 
karnaß  im  British  Museum,  s.  Handbook  to  the 
Greek  and  Rom.  antiqu  (London  1903)  p.  82  u. 
257,  und  auf  afrikanischen,  vgl.  Gauckleb  bei 
D.-S.  III  2109.  Petersen  A.  A.  1903,  15. 

33* 


516 


Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 


griechischen  und  lateinischen  Bücher  in  Prosa  und  Versen  über  das  Jagd- 
wesen, die  Kvvrjyenxd  des  Arrian,  Oppian,  Grattius,  Nemesian1),  auf  grie- 
chische Muster  zurückgehen,  so  beweisen  sie  doch  zur  Genüge,  daß  damals 
für  derartige  litterarische  Erzeugnisse  Interesse  vorhanden  war. 

In  den  meisten  Fällen  jedoch,  wo  wir  in  der  Litteratur  und  besonders 
in  den  Inschriften  venatores  erwähnt  finden,  sind  nicht  solche  Jagdliebhaber 
gemeint2),  sondern  entweder  Sklaven  der  Gutsbesitzer,  die  die  leporaria  und 
vivaria  mit  lebendem  Wild  zu  versorgen  oder  solches  für  die  Tafel  des  Herrn, 
eventuell  auch  zum  Verkauf  an  den  Wildbrethändler  zu  erlegen  haben 3),  oder 
es  sind  Jäger,  die  für  die  Tierhetzen  im  Amphitheater  die  wilden  Tiere  ein- 
fangen4) ;  in  der  Regel  aber  bedeutet  es  die  Tierkämpfer  bei  den  Venationen5) 
selbst,  namentlich  auf  Inschriften6). 

Was  nun  die  verschiedenen  Arten  des  Jagdbetriebes  anlangt,  so  war 
das  ganze  Altertum  hindurch,  und  zwar  ebenso  bei  Ägyptern,  Assyrern, 
Skythen  u.  a.  wie  bei  Griechen  und  Römern,  die  Jagd  mit  Netzen  allgemein 
verbreitet  und  weitaus  am  beliebtesten.  Netze  brauchte  man  bei  der  Jagd 
wie  beim  Vogel-  und  Fischfang,  und  sie  heißen  allgemein  retia1);  sie  wurden 
entweder  geknüpft  oder  gestrickt 8) ;  die  Fäden  oder  Schnüre,  aus  denen  sie 


!)  Der  xvvnyzxixög  des  Arrian  schließt  sich 
eng  an  Xenophon  an,  zu  dem  er  nach  ausdrück- 
licher Angabe  (c.  1,4)  Ergänzungen  liefern  will. 
Dem  Oppian,  der  unter  M.  Aurel  lebte,  werden 
vier  Bücher  y.vvrjysTixä  zugeschrieben,  aber  die 
unter  seinem  Namen  erhaltenen  gehören  nicht 
ihm,  sondern  einem  späteren  Dichter  an.  In  la- 
teinischer Sprache  besitzen  wir  die  Cynegetica 
des  Grattius,  die  schon  dem  Ovid  vorlagen,  an- 
scheinend unvollendet;  endlich  noch  die  un- 
vollständigerhaltenen Cynegetica  des  Nemesian 
von  Karthago,  die  283/4  n.  Chr.  verfaßt  sind. 

2)  Nicht  Berufsjäger  scheinen  gemeint  zu 
sein  Mart.  XII  14,3;  XIV  86,1 ;  in  allgemeiner 
Bedeutung  auch  Colum.  V  1,2.  Bei  Mart.  1 49, 
29 :  vocabitur  venator  et  veniet  tibi  \  conviva  cla- 
matus  prope  kann  dem  Zusammenhang  nach 
auch  nur  ein  befreundeter  Gutsnachbar,  der  an 
der  Jagd  teilnimmt,  gemeint  sein. 

3)  Varro  r.  r.  III  3, 4  verlangt,  damit  die 
ornithones,  leporaria  und  piscinae  immer  gut 
versehen  sind,  aucupes,  venatores  und  piscato- 
res.  Ob  auch  II  9, 5,  wo  er  davor  warnt,  Schäfer- 
hunde vom  venator  oder  vom  lanius  zu  kaufen, 
solche  gemeint  sind,  wie  Johannes  63  glaubt, 
ist  mir  zweifelhaft,  da  hier  wohl  Jäger  im  all- 
gemeinen Sinne  zu  verstehen  sind.  Auch  Cic. 
Tusc.  II  17,40  spricht,  wenn  er  für  die  Macht 
der  Gewohnheit  anführt :  pernoctant  venatores 
in  nive  et  in  montibus,  wohl  im  allgemeinen 
Sinne;  denn  es  ist  unrichtig,  wenn  Johannes 
a.  a.  0.  die  Bezeichnung  deperditi  homines  aut 
barbari,  mit  der  Cicero  nur  die  nachher  er- 
wähnten Gladiatoren  meint,  auch  auf  die  erst- 
angeführten Beispiele  (aniculae,  venatores,  ath- 
letae,  d.h.  griechische)  bezieht.  Hingegen  sind 
Sklaven  anscheinend  gemeint  bei  Mart.  X  37, 18; 
XII  18,22;  die  venatores  Digg.  XXXIII  7,12, 12 
werden  ausdrücklich  zum  instrumentum  eines 


Landguts  gerechnet.  So  auch  ebd.  XXXII  99, 1. 
Diese  venatores  brachten  ihren  Fang  ebenso  auf 
den  Markt,  wie  die  Fischer  und  Vogelhändler, 
verkauften  aber  auch  wohl  den  Gesamtertrag 
schon  von  vornherein  an  den  Wildbrethändler, 
s.  Digg.  XIX  1,  11, 18.  Die  kaiserliche  Tafel 
wurde  durch  eigene  aucupes,  piscatores  und 
venatores  versorgt,  Capitol.  Ant.  Pius  7, 5. 

4)  So  in  der  (von  Marquardt  141  A.  24 
irrtümlich  auf  den  Wildpark  eines  Landguts 
bezogenen)  Inschrift  CIL  VI  130,  wo  neben  dem 
custos  vivarii  auch  die  venatores  genannt  sind: 
das  vivarium,  das  hier  gemeint  ist,  war  der 
Zwinger  in  Rom,  in  dem  die  wilden  Tiere  für 
die  Spiele  gehalten  wurden,  dessen  Lage  be- 
stritten ist.  s.  Jordan-Hüisen  Topogr.  v.  Rom 
I  3, 365  f.  Richter  Topogr.  298. 

5)  Mart.spect.  11,5;  IV  35,4.  Spart.  Hadr. 
19,4.  Lampr.  AI.  Sev.  37, 1.  Tert.  ad  Mart.  5. 
Digg.XLVIII19,8,ll. 

6)  Collegia  venatorum  CIL  IX  3 169 ;  X  5671; 
XII  1590;  Bull,  comun.  1880,  16  n.  166;  auch 
die  familia  venatorum  CIL  V  2541  und  die  ve- 
natores VII  830 ;  XI  600  werden  so  zu  erklären 
sein,  vgl.  Friedländer  Sittengeschichte  II  349. 
Dasselbe  sind  die  dwQevrogeg  ävdgsg  CIG  1106 
und  die  ovvodog  x&v  xvvrjywv  IGS  2850.  lieber 
diese  Kollegien  vgl.  Liebenam  Rom.  Vereins- 
wesen 123.  Waltzing  Etüde  historique  sur  les 
corporations  Romaines  II 134;  157.  Friedlän- 
der a.  a.  O.  339;  348  f.;  489. 

7)  Ueber  die  verschiedenen  Arten  der  Netze 
handelt  eingehend  Yates  Textrinum  antiqu. 
412  ff.;  vgl.  Pottier  bei  D.-S.  IV  850  ff. 

8)  Ueber  das  Technische  vgl.  Blümner 
Technol.  I  303  f.  In  der  Regel  war  ihre  Her- 
stellung Sache  der  Dienerschaft,  die  sie  im 
Hause  selbst  anfertigte;  Vorschriften  gibt 
Gratt.  25  ff.,  und  Nemesian.  cyn.  299:  nee  non 


Erster  Abschnitt.    Jagd,  Vogelfang  und  Fischerei. 


517 


efertigt  wurden,  heißen  lina x),  weil  Flachs  das  gewöhnliche  Material  dafür 
^ar2),  obschon  auch  Hanf  dazu  verarbeitet  wurde3),  und  es  ist  namentlich 
ei  den  Dichtern  sehr  üblich,  damit  schlechtweg  die  Netze  zu  bezeichnen*) 
seltner  mit  linea*)).  Die  Maschen  des  Netzes  heißen  maculae6),  die  Knoten 
odi1),  die  feste  Randschnur,  an  die  die  Maschen  des  Netzes  geknüpft  werden, 
mbus 8). 

Bei  den  zur  Jagd  gebrauchten  retia9)  unterschied  man  drei  Arten:  die  retia 
ai  ££o%rjv,  die  casses  und  die  plagae10).  Retia  im  speziellen  Sinne  sind  die 
;roßen,  oft  ungemein  umfangreichen  Stellnetze,  mit  denen  man  zum  Behufe  der 
^eibjagd  weite  Strecken  des  Waldes,  über  Berg  und  Tal  sich  hinziehend11), 
inhegte,  damit  das  Wild  darin  den  Jägern  zugetrieben  würde12).  Diese  Netze 
/aren,  wie  die  meisten  Jagdnetze,  weitmaschig13);  sie  waren  ungemein  fein 
;earbeitetu),  dabei  aber  sehr  fest15);  daher  war  schon  ein  einzelner  Mann 
mstande,  die  Netze  für  eine  große  einzuhegende  Waldstrecke  zu  tragen16), 
chwerere  Netzlasten  wurden  Pferden  oder  Maultieren  aufgeladen17). 


t  cassis  idem  venatibus  aptos  [  atque  piagas 
mgoque  meantia  retia  tractu  addiscant  raris 
emper  contexere  nodis  j  et  servare  modum  ma- 
ulis  linoque  tenaci. 

1)  Ov.  met.  VII  768.  Nemes.  302. 

2)  Der  beste  Flachs  zu  Netzen  kam  aus 
iibyen,  Etrurien  und  Campanien,  bes.  Cumae, 
;ach  Gratt.  34  ff.;  ebenso  nennt  Plin.  XIX  10 
Jampanienund  Cumae,  empfiehlt  aber  auch  den 
panischen,  von  dem  Grattius  nichts  wissen 
rill.    Dagegen  bezieht  sich  Hör.  ep.  I  18,46 

i  ietolis  plagis  nicht  auf  die  Herkunft  des  Flach- 
es, sondern  geht  darauf,  daß  Aetolien  ein 
geschätztes  Jagdrevier  war  (die  Emendation 
ieolis,  um  auch  hier  Flachs  von  Cumae  hinein- 
ubringen,  wird  mit  Recht  von  allen  neueren 
lerausgebern  abgewiesen). 

3)  Zumal  der  von  Alaband a  in  Kari en,  Gratt. 
:6  ff.  Plin.  XIX  174. 

4)  Verg.  Geo.  1 142.  Ov.  met.  III 148;  153; 
i86 ;  VII 807 ;  XIII 931 ;  fast.  VI  239.  Plin.  XXIV 
55.  luv.  4, 45.  Mart.  X  37,16.  Sil.  It.  VII  503. 
"fernes.  308. 

6)  Plin.  nennt  IX  145  ein  Fischnetz  linea 
ind  die  Fäden  des  Netzes  lineae;  sonst  ist  die 
inea  des  Jagdgeräts  etwas  anderes,  s.u.  S.523. 

6)  Varr.  r.  r.  III 11, 3.  Cic.  Verr.  V  11, 27. 
)v.  her.  5, 19.  Plin.  XI  81  (vom  Spinnennetz). 
3olum.  VIII 15, 1.  Nemes.  302. 

7)  Gratt.  30.  Nemes.  301 ;  daher  retia  no- 
iare,  Plin.  XXXVII  45 ;  nodosa  lina,  Ov.  met. 
II 153;  VII  807. 

8)  Vorschrift  über  die  Verknüpfung  des 
Netzes  mit  dem  limbus  bei  Gratt.  26  ff.,  der  sie 
lier  auch  linea  nennt. 

9)  Retia  allgemein  im  Sinne  von  Jagdnetzen 
st  häufig,  so  z.  B.  Verg.  ecl.  3, 75;  5, 60;  Geo.  I 
307.  Gratt.  32.  Sen.  de  benef.  1 11,6;  so  übertr. 
retia  tendere,  Mart.  II  27, 1. 

10)  Alle  drei  erwähnt  SulpiciaTib.  IV  3,12 
a.  16  f.,  aber  ohne  sie  zu  unterscheiden,  in  iden- 
ischem  Sinn ;  geschieden  werden  sie  bei  Nemes. 


299  ff.  (s.  oben  S.  5 16  A.8).  Ebenso  unterscheiden 
Verg.  Aen.  IV 131  und  Ov.  met.  VII 767  retia  und 
plagae.  Im  Griechischen  unterscheidet  man  vor- 
nehmlich öixrva  und  ägxveg,  Opp.  cyn.  1 150  ff., 
wobei  die  ftixzva  den  retia  entsprechen  (die 
Glossen  erklären  in  der  Regel  rete  durch  öi- 
xzvov  xvvnytxixbv,  s.  Corp.  Gloss.  VII 204  f.),  die 
ägxveg  den  casses  (ebd.  III 259, 50 ;  doch  werden 
auch  casses  als  dixiva  erklärt,  II  98,11);  die 
plagae  werden  mit  Uva  xvvnysrixd  übersetzt, 
ebd.II  151,35u.52.  Dagegen  ist  die  aayi)vrj  mehr 
ein  Fischnetz,  s.  unten. 

n)  Das  waldige,  hügelige  Terrain  wird  oft 
hervorgehoben,  vgl.  Tib.  I  4,49.  Ov.  rem.  am. 
202;  met.  VIII  329  ff.  u.s. 

12)  Das  heißt  retia  tendere,  Ov.  met.  VII 
701;  VIII 331;  a.  a.  1 45 ;  her.  5, 19.  Mart.  II 27, 1; 
oder  retia  ponere,  Verg.  Geo.  I  307.  Auch  das 
claudere  wird  öfter  hervorgehoben,  Tib.  1 4,49 ; 
IV  3, 8.  Ov.  fast.  V  371. 

1S)  Verg.  Aen.  IV  131:  retia  rara.  Sen. 
Phaedr.  47 :  rarae  plagae,  was  von  Vogel-  und 
Fischnetzen  nicht  gilt. 

14)  Plin.  XIX  1 1  von  Netzen  aus  Flachs  von 
Cumae:  vidimus  iam  tantae  tenuitatis,  utanu- 
lum  hominis  cum  epidromis  transirent  uno})Or- 
tante  multitudinem,  qua  saltus  cingerentur. 

15)  Plin.  ebd.:  nee  id  maxime  mirum,  sin- 
gula  earum  stamina  centeno  quinquageno  filo 
constare. 

16)  So  rät  Tib.  I  4,49  demjenigen,  der  die 
Gunst  eines  schönen  Jünglings  gewinnen  will, 
ihm  die  Netze  zu  tragen,  und  sogar  Sulpicia  er- 
bietet sich  dazu  dem  Cerinthus  gegenüber,  ebd. 
IV  3, 1 1  f.  Für  gewöhnlich  trugen  die  Diener  die 
Netze,  wie  Hippolytus  bei  Sen.  Phaedr.  47  be- 
fiehlt: alius  raras  cervice  gravi  portare  piagas 
. . .  properet. 

17)  Hör.  ep.  I  18,46.  Vgl.  das  Mosaik  des 
Bardomuseums  (Tunis)  A.  A.  1899,  67;  1909, 
194.  wo  der  Aufbruch  zur  Jagd  dargestellt  ist 
mit  Dienern  und  einem  Maultier. 


518 


Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 


■X 


77^1 


Die  zweite  Art  Jagdnetze  sind  die  casses1),  Fallnetze,  die  nicht  dazu  dien  j 

ten,  große  Strecken  zu  umspannen 
sondern  das  Wild  darin  einzufangen2) 
Zu  diesem  Zweck  waren  sie  schlaf 
gespannt3)  und  hatten  einen  odei 
mehrere  sinus,  d.  h.  sackartige  Aus- 
buchtungen, in  denen  sich  das  Wild 
wenn  es  durch  die  Hunde  aufge- 
scheucht dagegen  anlief,  verwickel- 
te4). Auch  war  an  diesem  Sacknetz 
oben  eine  Schnur  befestigt,  epidro- 
mus  genannt5),  die  durch  die  daran 
befestigten  Ringe  ging;  wenn  der  im 
Hinterhalt  liegende  Jäger6),  dem  ein 
anderer  das  Wild  zutrieb7),  an  dieser 
Schnur  zog,  so  schloß  sich  das  Netz 
und  das  Wild  war  darin  gefangen. 
Die  dritte  Art  Netze  waren  die 
plagaes),  die  zwar  häufig  erwähnt  werden9),  über  deren  Beschaffenheit  wir 
aber  aus  den  Quellen  wenig  bestimmte  Kennzeichen  erfahren10).  So  viel  geht 


Fig.  80.  Diener  mit  Jagdnetzen  und  Stellhölzern.  Relief. 


*)  Verallgemeinert  von  Jagdnetzen  über- 
haupt Verg.  Geo.  IV  247.  Ov.  a.  a.  III  454;  von 
Fischernetzen  Avian.  fab.  20, 13 :  von  Spinn- 
weben Mart.  III  93, 5  u.  s.  In  übertragener  Be- 
deutung casses  tendere,  Tib.  I  6,5;  imponere, 
Prop.V(IV)2,33. 

2)  Isid.  XIX  5,4:  cassis  genus  venatoriae 
retis,  quod  capiat.  Damit  hängt  es  zusammen. 
daßdieGlossen  casses  als retiaminuta erklären, 
V  273,4;  354,75;  sie  dienten  besonders  bei  der 
Hasenjagd  (daher  retia  leporum,  Corp.  Gloss.  IV 
27,41;  V  273,4),  doch  auch  für  größeres  Wild, 
vgl.  Verg.  Geo.  III  371.  Ov.  a.  a.  I  392.  Sen. 
Agam.950ff.  (Peiper).  Mart.  111 58,28.  Dracont. 
Orest.  265. 

3)  Ov.  a.  a.  I  392 :  non  bene  de  laxis  cas- 
sibus exit  aper. 

4)  Gratt.  28 :  tunc  ipsum  medio  cassem  quo 
nascttur  orbe  j  per  senos  circum  usque  sinus  la- 
queabis,  ut  omnem  j  concipiat  tergo,  si  quisquam 
est  plurimus  hostem.  Als  Maße  schreibt  Grattius 
31  f.  vierzig  Schritt  Länge  und  zehn  Maschen 
Höhe  vor.  Vgl.  Senec.  Agam.  953  vom  Eber, 
der  sich  im  Netz  gefangen  hat:  cupit  fluentes 
undique  et  caecos  sinus  \  disicere  et  hostem  quae- 
rit  implicitus  suum.  Auch  bei  Mart.  XIII  106 
ist  sinus  vom  Netze  zu  verstehen,  nicht,  wie 
Gilbert  bei  Friedländer  z.  d.  St.  will,  von  der 
Toga.  Vgl.  Stat.  Ach.  I  459 :  sie  curva  feras  in- 
dago  latentes  I  claudit  et  admotis  paulatim  cas- 
sibus  aretat.  Paneg.  12,  38 :  ut  clausae  cassibus 
ferae.  Sid.  Ap.  carm.  2, 145:  deprensas  {feras) 
modo  claudere  cassibus  artis.  Dracont.  a.  a.  0. 

5)  Xen.  cyn.  6, 9.  Plin.  XIX  10. 

6)  Der  so  imHinterhaltliegende  Jäger  heißt 


subsessor,  Petron.  40, 1;  vgl.  Serv.  ad  Verg.  Aen. 
XI  268.  Corp.  Gloss.  II  594, 24. 

7)  Vgl.  Verg.  ecl.  3, 75 :  si,  dum  tu  seetaris 
apros,  ego  retia  servo. 

8)  Die  plaga  entspricht  vermutlich  dem 
griechischen  evodiov,  Xen.  a.  a.  O.  Sie  kommt 
auch  öfters  in  verallgemeinerter  Bedeutung  von 
Netz  überhaupt  vor,  vgl.  Hör.  ep.  I  6,58;  18,46. 
Ov.  met.  VII  768;  und  ebenso  übertragen  in 
sprichwörtlicher  Anwendung,  z.  B.  Plaut,  m.  gl. 
1388;  Trin.  237.  Cic.  Verr.  V  58, 151;  Acad.  pr. 
1148,147;  ad  fam.  XII  25,4. 

y)  Vgl.  Plaut.  Poen.  648.  Tib.  IV 3, 27.  Verg. 
Aen.  IV  131.  Ov.  a.  a.  III  428 ;  piagas  tendere, 
Cic.  de  off.  III  17,2.  Mart.  IX  54, 2 ;ponere,  Ov. 
a.  a.  0.  Vgl.  das  interessante  Testament  eines 
Jägers  CIL  XIII 5708  (aus  Langres) :  volo  autem, 
omne  instrumentum  meum,  quod  ad  venandum 
et  aueupandum  paravi,  mecum  cremari  cum 
laneeis,  gladiis,  eultris,  retibus,  plagis,  laqueis, 
Tcalamis,  tabernaculis,  formidinibus,  balneari- 
bus,  lecticis;  s.  dazu  Kiessling  Anecd.  Basil. 
1 863.  de  Rossi  Bull,  crist.  I  (1863)  294.  Hübner 
A.  d.i.  XXXVI  (1864)  200. 

10)  Sie  heißen  obstantes  Hör.  epod.  2,32; 
densae  carm.  III  5,31;  teretes  ebd.  I  1,28;  ne- 
xiles  Ov.  met.  VII  768;  rarae  Sen.  Phaedr.  47; 
molles  Mart.  1 49, 23.  Nach  Serv.  ad  Verg.  Aen. 
IV  131  verstanden  die  einen  Erklärer  die  Worte 
retia  rara plague  so,  daß  mitretia  rara  größere, 
mit  plagae  kleinere  Netze  gemeint  seien,  wäh- 
rend andere  verstanden :  plagae,  quae  sunt  retia 
rara.  Servius  fügt  hinzu:  sciendum  tarnen pro- 
prie  piagas  dici  funes  Mos,  quibus  retia  ten- 
duntur  circa  imam  et  summam  partem. 


Erster  Abschnitt.    Jagd,  Vogelfang  und  Fischerei. 


519 


daraus  hervor,  daß  auch  bei  den  plagae  das  Wild  sich  in  die  Netzmaschen 
verwickelte,  wenn  es  von  den  verfolgenden  Hunden  hineingetrieben  wurde1); 
wahrscheinlich  sind  es  nur  etwas  kleinere  Netze2),  die  zum  Sperren  enger 
Pässe  Verwendung  fanden3). 

Zum  Aufstellen  der  Netze  benutzte  man  teils  die  Bäume,  teils  eigene 
Stellhölzer,  die  oxdXixeg  der  Griechen4),  lat.  varae  genannt6),  mit  gabelförmigen 


Fig.  81.   Jagdszene  von  einem  römischen  Wandgemälde. 


Spitzen,  an  denen  man  die  Netze  aufhängte;  auch  der  Name  amites,  womit 
sonst  die  Stangen  für  die  Vogelnetze  bezeichnet  werden,  findet  sich  dafür6). 
Auf  dem  Fig.  80  abgebildeten  Relief7)  sieht  man  zwei  Diener,  die  auf  den 
Schultern  ein  großes  Netz  und  in  den  Händen  die  Stellhölzer  tragen. 

Man  bediente  sich  der  Netze  bei  der  Jagd  auf  Hasen8),  Rehe9),  Hirsche10), 


')  Hör.  carm.  III  5,  31:  extricata  densis 
serva  plagte',  epod.  2,  31:  ant  trudit  acris  Iihic 
et  In' >tc  multa  cane  |  apros  in  obstantes  piagas; 
carm.  I  1,28:  seu  rupit  teretes  Marsus  aper 
piagas.  Mart.  I  49, 23 :  ibi  inligatas  mollibus 
dammas  plagis  mactabis. 

2)  Serv.  a.  a.  0.  Isid.  or.  XIX  5, 1:  minus 
autern  rete  symplagium  dicitur  a  plagis.  Doch 
werden  sie  ausdrücklich  von  den  retia  unter- 
schieden, s.  oben  S.  517  und  die  Inschrift  S.  519 
A.9. 

3)  Vgl.  Lucr.  V  1249 :  saepirt •  plagis  saltum. 
Ov.  met.  II 499 :  nexilibusque  plagis  Silvas  Ery- 
manthidas  ambit. 

4)  Opp.  cyn.  1157;  IV  121  u.s. 


6)  Lucan.  IV  439:  aut  dum  dixpositis  at- 
tollat  retia  varis.  Die  Gabel  daran  heißt  ancon, 
Gratt.  87,  doch  sind  hier  die  Stellhölzer  für  das 
Blendwerk  (s.  unten  S.  523)  gemeint. 

6)  Porphyr,  ad  Hör.  ep.  2,33:  hodirijnc 
appellantur  forculae,  qnibus  retia  in  renatinnr 
vel  in  aucupio  suspendutitur. 

■>)  Nach  A.  d.  I.  XXXV  (1863)  tav.  d'agg.  AB 
Fig.  2.  Daremberg-Saglio  IV  851  Fig.  5930. 

8)  Hör.  epod.  2, 35.  Ov.  fast.  V  371.  Mart. 
X37.16. 

9)  Ov.  a.a.O.  Mart.  149,  23;  11158,28. 
10)  Tib.  IV  3,13.  Verg.Geo.  I  307;  III  369; 

ecl.  5,60.   Hör.  carm.  III  5,31.   Ov.  a.  a.  145; 
met.  VII  701. 


520 


Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 


Eber1),  Füchse2),  Wölfe3)  und  Bären4).  Auf  den  Denkmälern  römischer 
Kunst,  zumal  auf  Wandgemälden,  Mosaiken  und  Sarkophagreliefs,  ist  diese 
Art  der  Jagd  öfters  dargestellt.  So  zeigt  das  Wandgemälde  Fig.  81 5)  zwei 
von  Hunden  verfolgte  Hirsche  innerhalb  des  umschließenden  Netzes;  Fig.  82 
ist  ein  Mosaik6),  auf  dem  ein  von  Hunden  und  einem  Jäger  verfolgter  Hase 
gegen  ein  halbkreisförmig  gespanntes  Netz  (vielleicht  eine  plaga)  läuft.  Aber 
auch  die  großen  Raubtiere  für  die  Amphitheaterspiele  wurden  in  Netzen 
gejagt.  In  dem  sehr  interessanten  Mosaik  von  Böne  in  Algerien  Fig.  83 7) 
sind  im  eingehegten  Raum  ein  Löwen-  und  ein  Leopardenpaar  beiderlei  Ge- 
schlechts eingeschlossen, 
während  ein  dritter  Leo- 
pard einen  Jäger  oder  Trei- 
ber zerfleischt.  Die  Treiber, 
die  die  Tiere  den  Netzen 
zutreiben,  sind  hinter  gro- 
ßen Schilden  verborgen8) 
und  strecken  brennende 
Fackeln  vor,  um  sie  da- 
durch vor  sich  her  zu 
scheuchen.    Von  anderem 

Fig.  82.   Jagdszene  auf  einem  römischen  Mosaik.  W^ild      das    außerhalb    des 

Netzes  teils  gejagt  wird, 
teils  schon  eingefangen  ist,  erkennt  man  Antilopen  (sog.  Spießantilopen), 
Strauße,  Wildesel,  Mähnenschafe  (Muflons)  und  Berberkühe  (Kuhantilopen). 
Eine  andere  Art,  Wild  zu  fangen,  war  die  mittelst  Schlingen.  Von 
diesen  waren  die  den  griechischen  ßgoxoi  entsprechenden  laquei,  die  besonders 
beim  Vogelfang  Anwendung  fanden,  Halsschlingen9)  für  kleineres  Wild10); 
Grattius  empfiehlt,  sie  aus  Hirschsehnen  herzustellen11).  Angewendet  wurden 
sie  in  der  Weise,  daß  man  sie  in  der  ungefähren  Kopfhöhe  des  Wildes,  das 
man  damit  fangen  wollte  (Hasen,  Rehe  etc.)  in  Lücken  von  Hecken  oder 
an  den  herabgebogenen  Zweigen  von  Bäumen   anbrachte12);  lief  das  Wild 


x)  Tib.IV3,2u.l7.  Verg.  ecl.  3,75.  Hör. 
carm.  1 1,28;  epod.  2,31  f.;  ep.  1 6,58  f.  Ov.  a.  a. 
I  392.  Mart.  I  49, 24;  XII  1,2.  Plin.  ep.  I  6, 1. 
Sen.  Agam.  950. 

»)  Mart.  X  37, 13. 

3)  Plaut.  Poen.  648. 

4)  Gratt.  49. 

5)  Nach  Baktoli  Sepolcro  dei  Nasoni  tav. 
26;  auch  Rich  Wörterbuch  518. 

c)  Nach  Dabembebg-Saglio  a.  a.  0.  Fig. 
5931,  aus  Bullet,  archeol.  du  Comite  des  tra- 
vaux  historiques  1903  pl.  I.  Darstellungen  auf 
Sarkophagen  sind  bei  Pottieb  D.-S.  IV  852  n.  2 
aufgezählt. 

7)  Zuerst  abgebildet  in  der  Woche  f.  1910 
Nr.  30  S.  1271,  mit  erklärendem  Text  von  G. 
Schweinfubth  ;  hier  nach  einer  besseren  Photo- 
graphie, die  ich  der  Güte  von  Prof.  Schweinfurth 
verdanke.  Das  6  : 3,5  Meter  große  Mosaik  ist  in 
einer  römischen  Villa  von  Frau  Dufour  aus- 
gegraben worden. 


8)  Auch  auf  anderen  Jagdbildern  werden 
wilde  Tiere  für  die  Arena  von  schildbewaffneten 
venatores  gejagt,  s.  Babtoli  Sepolcro  dei  Nasoni 
tav.  27  u.  28. 

9)  Cic.  Verr.  V  58, 151.  Verg.  Geo.  I  139. 
Ov.  met.  XV  473.  Unsicher  ist  bei  Gratt.  89: 
nam  fuit  et  laqueis  aliquis  curracibus  usus  die 
Bedeutung  von  curracibus.  Eingehend  handelt 
hierüber  Milleb  Jagdwesen  50  f.,  der  die  Deu- 
tungen :  qui  currentem  sequuntur  (Wernsdorf) 
oder  celeres  (Barth)  oder  am  Boden  hinlaufend, 
von  currere  per  campum  (Stern),  verwirft  und 
erklärt,  es  bezeichne  die  fortlaufende  Reihe  der 
(liegenden  oder  hängenden)  Schleifen. 

10)  Daß  sich  auch  größeres  Wild,  z.  B.  Eber, 
darin  fangen  konnten,  zeigt  Digg.  XLI 1, 55. 

1 ')  V.  90 :  cervino  iussere  magis  contexere 
nervo;  teretes  nennt  Sen.  Phaedr.  49  die  laquei. 

12)  Serv.  ad  Verg.  a.  a.  O. :  laqueis  feras  ca- 
ptare  ad  venationem  pertinet,  id  est  inlaqueare 
feras  incurvatis  arboribus. 


Erster  Abschnitt.   Jagd,  Vogelfang  und  Fischerei. 


521 


522  Dritte  Abteilung.   Die  Berufsarten. 

hinein,  so  zog  sich  durch  seine  Anstrengungen,  loszukommen,  die  locker 
geknüpfte  Schlinge  fest  zusammen1).  Durch  Laub  oder  dergleichen  wurde 
die  Schlinge  verdeckt2);  und  ebenso  machte  man  es  mit  der  pedica3),  der 
Fußschlinge,  die  zwar  selten  erwähnt  wird4),  über  deren  Beschaffenheit  wir 
jedoch,  da  sie  der  griechischen  noddyga  oder  Tiodoorgäßt)  entspricht5),  nicht  im 
Zweifel  sind.  Sie  bestand  aus  Flechtwerk,  das  in  eine  Grube  gelegt  war,  auf 
deren  oberer  Öffnung  ein  runder,  ringsum  mit  hölzernen  und  eisernen  Spitzen 
besetzter  Rahmen  aus  Holz  befestigt  wurde;  in  dessen  Mitte  war  eine 
Schleife  angebracht,  die  aus  einer  langen  Schnur  bestand  und  an  deren 
anderem  Ende  ein  Pflock  befestigt  war,  der  in  einiger  Entfernung  im  Boden 
eingesenkt  war.  Trat  das  Tier,  z.  B.  ein  Hirsch,  auf  die  mit  Laubwerk  und 
Erde  bedeckte  Grube,  so  verstrickte  sich  sein  Lauf  im  Flechtwerk  und  die 
Spitzen  stachen;  suchte  es  den  Lauf  mit  Gewalt  herauszuziehen,  so  zog  sich 
die  Schlinge  zu  und  das  Tier  mußte,  wenn  es  sich  endlich  aus  der  Falle 
befreit  hatte,  den  schweren  Pflock  mit  sich  schleppen,  der  es  am  Laufen 
hinderte  und  dem  Jäger  am  Boden  die  Spur  des  Wildes  verriet.  Nur  fiel 
dies  dann  manchmal  einem  in  die  Hände,  der  gar  nicht  selbst  die  Falle 
gestellt  hatte6). 

Andere  Fangvorrichtungen  lernen  wir  mehr  aus  Bildwerken,  als  aus 
den  Schriftquellen  kennen.  So  war  den  Alten  das  Fangeisen  bekannt,  wie 
ein  griechisches  Vasenbild  zeigt7);  wahrscheinlich  hieß  es  auch  pedica8). 
Und  daß  die  römischen  Jäger  sich  auch  der  Wurf  schlinge  (Lasso)  be- 
dienten, die  wohl  auch  laqueus  genannt  wurde,  lehren  antike  Darstellungen, 
wie  das  oben  Fig.  83  abgebildete  Mosaik,  auf  dem  ein  Reiter  einen  Wild- 
esel auf  diese  Art  einfängt9).  Endlich  bediente  man  sich  zum  Einfangen 
der  Raubtiere,  besonders  von  Wölfen,  Füchsen  u.  dgl.,  auch  der  seit  ältesten 
Zeiten  üblichen  Fallgruben  (foveae)10);  und  eine  sehr  eigentümliche  Art, 
wilde  Tiere  in  eine  Art  Falle  zu  locken,  bestand  darin,  daß  man  die  ein- 
getriebenen durch  einen  Spiegel,  in  dessen  Widerbild  sie  einen  Stammes- 
genossen zu  erkennen  glaubten,  täuschte11). 

')  Sen.  dial.  V  16, 1:  sie  laqueos  fera  dum  I  schließen. 
iaetat,  adstringit.                                                               9)  Auf  einem  anderen  afrikanischen  Mosaik 

2)  Das  meint  jedenfalls  Grattius  91  mit  den  !  wird  ein  Hirsch  mit  dem  Lasso  gejagt,  s.  Brit. 

Worten:  fraus  teget  insidias  habitu  mentita  fe-  |  Mus.  Greek-Rom.  basem.-room.  n.  86.    Keller 


rtno. 

3)  Gratt.  92 :  quid  ?  qui  dentatas  iligno  ro- 
bore  clausit  \  venator  pedicas,  quem  dissimulan- 
tibus  armis  saepe  habet  inprudens  alieni  lucra 
laboris  !  0  v.  met.  X  V  473.  Verg.  Geo.  1 307  meint 
solche  für  Vögel;  Serv.  erklärt:  laquei,  quibus 
pedes  inlaqueantur  (danach  Isid.  V  27,8.  Corp. 
Gloss.V  130,32;  232,5),  aber  diese  Erklärung 
genügt  nicht  für  die  für  Wild  bestimmten  pe- 
dicdc 

4")  Corp. Gloss. II 410,16;589,17;III 259,51. 

6)  Beschreibung  bei  Xen.  cyn.  9,11  ff.  und 
Poll.  V  32  ff.,  danach  oben.  Vgl.  Rich  S.  452. 
Miller  51. 

6)  Darauf  spielt  Gratt.  94  an. 

7)  Panopka  Cabinet  Pourtales  pl.  29. 
Schreiber  Kulturhist.  Bilderatlas  Taf.  80,3. 

8)  Das  kann   man  aus  Liv.  XXI  36,  8 


Tiere  des  klass.  Altert.  82  Fig.  24.  Ueber  andere 
Darstellungen  s.  Petersen  A.  J  b.  XI  (1 896)  208f. 
Erwähnt  wird  die  Lassojagd  auf  den  Wildesel 
bei  Poll.  V  84. 

10)  Lucr.  V  1248 :  nam  fovea  atque  igniprius 
estvenarier ortum,  j  quamsaepire  plagis  saltum. 
Cic. Phil. IV  5, 12 :  cum  immensi  taetraquebelua, 
quae  quoniam  in  foveam  ineidit,  obruatur.  Hör. 
ep.  I  16, 50:  cautus  enim  metuit  foveam  lupus; 
vgl.  a.  p.  459.  Plin.  X  112:  in  foveas,  quibus 
feras  venamur,  delapsae  solae  evadunt  {anales). 
Pest.  87,8:  eum  primum  ostendisse,  quem  ad 
modum  ursi  et  lupi  foveis  caperentur.  Phaedr. 
117,8.  AlsLockmittel  brachte  man  in  der  Grube 
ein  lebendiges  Lamm,  Böckchen  oder  dergl. 
unter,  s.  Sil.  It.  VI  329  ff. 

n)  Das  ist  auf  dem  Wandgemälde  bei  Bar- 
toli  a.  a.  0.  Tav.  28  dargestellt:  der  Spiegel,  in 


Erster  Abschnitt.    Jagd,  Vogelfang  und  Fischerei. 


523 


Um  das  Wild  zu  schrecken  und  von  der  Flucht  in  einen  andern 
IValdbezirk  abzuhalten,  umzog  man  große  Strecken  des  Reviers  mit 
Hern  Blendzeug,  das  formido  genannt  wurde1).  Es  bestand  in  einer 
langen  Schnur,  linea2),  an  der  weiße  und  bunte,  besonders  rote  Federn8) 
Angebracht  waren,  zumal  von  Schwänen,  Kranichen,  Gänsen,  Flamingos 
lind  dergleichen,  vornehmlich  aber  von  Geiern4),  deren  Federn  das  Wild 
Auch  durch  den  Geruch  abschreckten5).  Man  wandte  dieses  Blendzeug 
Besonders  bei  der  Jagd  auf  Hirsche  an,  dann  auch  bei  Bären,  Füchsen 
lind  Wölfen6). 

Unentbehrlich  war  auch  für  den  alten  Jäger  der  Jagdhund;  ja  so  sehr 
|galt  dieser  als  erstes  Erfordernis  zu  einer  erfolgreichen  Jagd,  daß  die 
Kriechen  dieser  von  der  Anteilnahme  der  Hunde  einen  besonderen  Namen 
begeben  haben7).  Die  griechischen  und  römischen  Jagdschriftsteller,  von 
IXenophon  bis  Nemesian,  belehren  uns  über  alles,  was  den  antiken  Jagd- 
Ibund  betrifft8),  über  Rassen  und  Äußeres,  Charakter,  Namen,  Aufzucht. 
[Dressur  usw.,  worauf  hier  nicht  näher  eingegangen  werden  kann.  Ver- 
wendet wurden  sie  teils  zum  Aufsuchen  der  Fährten  und  deren  Verfolgung 
Ibis  zum  Lager  des  Wildes,  teils  zum  Hetzen  der  aufgescheuchten  Tiere, 
teils  zum  Apportieren  der  kleineren  Beute.  Bei  der  Hasenjagd  hetzten 
Idie  Hunde  frei,  bei  der  Jagd  auf  Rot-  und  Schwarzwild  wurden  sie  in 
Ider  Regel  am  Riemen  geführt,  wenn  das  Wild  aber  gestellt  war,  los- 
Igelassen9).  Die  Jäger  selbst  folgten  teils  zu  Fuß,  teils  zu  Pferde;  man 
[bediente   sich   dazu   bestimmter  Pferderassen,   die   durch  Dressur  für  die 


Idem  sich  ein  Tiger  erblickt,  ist  an  der  einen  Seite 
|eines  viereckigen  Kastens  angebracht,  auf  dem 
loben  ein  Krieger  mit  Schild  und  Lanze  darauf 
(lauert,  daß  das  Tier  auf  den  Spiegel  losstürzen, 
|ihn  umstoßen  und  so  in  den  Kasten  hinein- 
geraten werde  (vgl.  Rich Wörterbuch  678).  Daß 
diese  Deutung  richtig  ist,  lehrt  Claud.  carm.  36, 
267,  wo  es  von  der  Tigerin  heißt:  tarn  iamque 
\hausura  profundo  ore  virutn  vitrea  tardatur 
\imagine  formae. 

')  Sen.  dial.  IV  11, 5:  nee  mirum  est,  cum 
maxi  mos  ferarum  greges  lineapennis  distineta 
conti neat  et  in  insidias  agat,  ab  ipso  adfectu 
\dicta  formido:  vanis  enim  vana  t error i  sunt. 
I  Verg.  Geo.  III  372 ;  Aen.  XII  750.  Ov.  rem.  am. 
203.  Lucan.  IV  437.  Nemes.  303 :  linea  quin 
ctiam,  magnos  circumdare  saltus  \  quae  possit 
volucresque  metu  concludere  praedas,  I  digerat 
innexas  non  una  ex  alite  pennas.  Beschreibung 
außer  bei  Nemesian  auch  bei  Gratt.  75  ff.  Op- 
pian.  ven.  IV  384  ff.  u.  ders.  hal.  IV  586  ff.  Der 
Jäger  in  dem  oben  S.  518  A.  9  erwähnten  Testa- 
ment nennt  auch  die  formidines. 

2)  Gratt.  83.  Sen.  de  dem.  1 12,5.  Nemes  303. 

3)  Verg.  Geo.  III 372  -.puniceaeve  agitantpa- 
vidos  formidine  pennae;  Aen.  XII  75Ö:  cervutn 
.  . .  puniceae  saeptum  formidine  pennae.  Sen. 
Phaedr.  50:  pieta  rubenti  linea  penna  \  vano 
cludat  terrore  feras.  In  der  Regel  waren  sie 
künstlich  gefärbt,  Gratt.  85  f.  Nemes.  309.  Vgl. 
Geop.  XIX  5. 


4)  Oppian.  IV  391  f.  Gratt.  77  ff.  Nemes. 
309  ff. 

5)  Gratt.  75:  inmundo  decerptae  volture 
pliimae;  ib.  79 :  at  volture  dirus  ab  atro  titrbat 
odor  Silvas.  Lucan.  IV  437 :  dum  pavidos  form  1- 
dine  cervos  \  claudat  odoratae  metuentes  ah-a 
pennae. 

6)  Nemes.  301  ff. 

7)  Die  Schriften  über  die  Jagd  heißen  xv- 
vnysriy.d,  obschon  sie  sich  nicht  bloß  mit  den 
Hunden  beschäftigen,  und  diesen  Namen  haben 
die  römischen  Jagdschriftsteller  von  den  Grie- 
chen übernommen. 

8)  Ueber  die  Jagdhunde  vgl.  Miller  a.  a.  O. 
41  ff.  Coügny  bei  D.-S.  I  877  ff.  O.  Keller  in 
Jahresh.  d.  österr.  arch.  Inst.  VIII  243  ff. ;  ders. 
Die  antike  Tierwelt  I  116  ff.  F.  Orth  Der  Hund 
im  Altertum  (Gymn.-Progr.  von  Schleusingen, 
1910),  bes.  S.  20  ff. 

9)  Die  Belegstellen  finden  sich  bei  den 
Jagdschriftstellern  sowie  sonst,  auch  bei  den 
Lyrikern,  vgl.  z.  B.  Hör.  epod.  2.31;  12.6;  carm. 
11,27.  Tib.  IV 3, 14.  Ov.met.  VIII  332  u.a.m. 
Zusammenfassend  Plin.  VIII 147 :  scrutatur  ve- 
stigia  atque  persequitur,  roniitdittcm  ad  feram 
inquisitorem  lorotrahens,  qua  visa  quam  si/ens 
et  oeculta,  sed  quam  significans  demonstratio  <:-■/ 
cauda  primum,deinde  rostro.'ergo  et  ia  m  teneeta 
fessos  caecosque  ac  debiles  sinu  ftrmU,  Mittet 
et  odorem  captantes  protendentesque  rostra  ad 
cubilia. 


524 


Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 


Parforcejagd  erzogen  wurden1).    Besonders  die  Hasenjagd  wurde  zu  Pferd« 
betrieben2). 

Die  Waffen  des  Jägers3)  waren  verschiedenartig.  Selten  erwähnt  wircl 
die  Anwendung  von  Bogen  und  Pfeilen,  die  zwar  bei  der  Jagdgöttin  Diaml 
und  in  mythischen  Jagden  eine  Rolle  spielen4),  aber  später  nur  vereinzeil 
zur  Jagd,  ausgenommen  auf  Federwild,  verwendet  worden  zu  sein  scheinen5) 
Auch  von  der  Schleuder,  funda,  wurde  wesentlich  bei  der  Jagd  auf  Vöge. 
Gebrauch  gemacht6),  doch  fand  sie  auch  bei  Rotwild  Anwendung7).  Weitaus 
die  gewöhnlichsten  Waffen  aber  waren  Speere,  und  zwar  sowohl  zum  Wuri 
als  zum  Stoß.  Am  häufigsten  waren  diese  hastilia8)  Wurfspieße,  iacula9). 
lanceae10),  aus  hartem  Holz11)  und  eiserner  Spitze,  die  bald  breit12),  bald  lang 
und  spitz  war13);  auch  waren  wohl  statt  einer  zwei  solche  Spitzen  an- 
gebracht14). Während  diese  Speere  geschleudert  wurden,  bediente  man  sich, 
zumal  bei  der  Jagd  auf  Schwarzwild  und  überhaupt  gefährlichere  Tiere,  des 
zum  Stoß  bestimmten  Jagdspießes,  der  entweder  die  Form  des  ursprünglich 
der  Kriegsreiterei  zukommenden  contus  hatte15)  oder  das  eigentliche  vena- 
bulum  war16),  das  man,  da  es  vornehmlich  bei  der  Eberjagd  zur  Verwendung 
kam,  als  „Saufänger"  bezeichnen  kann17).  Es  hatte  einen  starken  und  langen 
Schaft,  den  der  Jäger  in  der  Regel  mit  beiden  Händen  führte,  wenn  er  das 
Wild  anrannte 1S);  das  Eisen  vorn  war  breit  und  lang19);  hinter  der  Spitze 
waren  zwei  eiserne  Zähne  (morae)  angebracht,  die  verhinderten,  daß  der 
Speer  zu  tief  eindrang  und  dadurch  der  Jäger  dem  Wild  in  zu  gefährliche 
Nähe  kam20).    Sodann  gehörte  zur  Jagdausrüstung  das  im  Gürtel  steckende 


*)  Vgl.  Gratt.  497  ff.  Nemes.  240  ff;  allge- 
mein über  Pferderassen  und  Zucht  Martin  bei 
D.-S.  II 794 ff.  Eine  Hirschjagd  zu  Pferd  s.  oben; 
Bärenjagd  s.  Keller  Tiere  des  klass.  Alt.  373 
n.  155;  Pantherjagd  ebd.  144  und  389  n.  61  f.; 
Löwenjagd  A.  A.  1909. 194  u.a.m.  Ueberhaupt 
sind  die  Jäger  auf  den  afrikanischen  Mosaiken 
fast  immer  beritten,  s.  Schulten  A.  A.  1899,  69 
u.  76.  Wenn  es  sich  um  eine  Hetzjagd  handelt, 
pflegen  dabei  die  Jäger  unbewaffnet  zu  sein,  s. 
ebd.  1900,71. 

2)  Mart.  1 49,25;  XII  14,12.  Ueber  Hasen- 
jagd im  allgem.  s.  0.  Keller  Ant.  Tierwelt  1213. 

3)  Arma  venatoria,  Sen.  de  benef.  I  11,6. 
Der  Jäger  CIL  XIII 5708  nennt  lanceae,  gladii 

UIIQ   C14/lt?*'Z 

4)  Vgl.  Verg.  Aen.  1 187;  ebd.  318;  IV  138; 
VII 496  ff.  Gratt.  124. 

5)  So  ist  wohl  auch  die  ausdrückliche  Er- 
mahnung Gratt.  125  zu  erklären:  ne  tela  relin- 
quite  divae:  |  magnum  opus  et  volucres  quon- 
dam  fecere  sagittae.  Domitian  liebte  es,  ihm 
zugetriebenes  Wild  mit  Pfeilen  zu  erlegen,  Suet. 
Dom.  19;  und  ähnlich  machte  es  Commodus  im 
Theater,  Herodian.  I  15,1. 

6)  Man  vgl.  das  etruskische  Wandgemälde 
Mon.  d.  Ist.  XII  tav.  14.  Martha  L'art  elrusque 
399  Fig.  272. 

7)  Verg.  Geo.  I  308 :  dum  figere  dammas  \ 
stuppea  torquentem  Balearis  verbera  fundae. 

8)  Gratt.  127  ff. 

9)  Ov.met.  VII  808;  VIII  341;  411.  Gratt. 


122.  Auch  die  sonst  meist  kriegerischen  Zwek- 
ken  dienende  falarica  erwähnt  Gratt.  342 :  ter- 
ribilemque  manu  vibrata  falarica  dextra  \  det 
sonitum,  vom  pfeifenden  Durchschneiden  der 
Luft. 

10)  Apul.  met.  VIII  5. 

1 1)  Gratt.  127  ff.  zählt  die  dafür  brauchbaren 
Holzarten  auf  und  bespricht  sie. 

12)  Ov.  met.  VIII 345 :  tela  tenent  dextra  lato 
vibrantia  ferro. 

13)  Gratt.  118:  quam  longa  exigui  spicant 
hastilia  dentes. 

u)  Gratt.  110:  tum  stricta  verutis  j  dentibus 
et  gemina  subiere  hastilia  furca. 

15)  Gratt.  117:  quid,  Macetum  immensos  li- 
beat  si  ducere  contos? 

16)Cic.Verr.V3,7.  Ov.met.  VIII 404; 419. 
Hör.  ep.  I  6,58.  Apul.  met.  VIII 5;  XI  8  u.a.m. 

17)  Auf  griechischen  und  römischen  Dar- 
stellungen der  Eberjagd  (zumal  der  kalydoni- 
schen)  ist  das  venabulum  fast  regelmäßig  zu 
erkennen. 

18)  Sen.  Phaedr.  53  (Peip.):  tugrave  dextra 
laevaque  simul  |  robur  lato  dirige  ferro. 

la)  Verg.  Aen.  IV  131:  lato  venabula  ferro. 
Ov.  her.  4, 83 :  lato  venabula  cornea  ferro ;  met. 
X  713 :  pando  venabula  rostro.  Mart.  XIV  31, 1: 
longo  venabula  rostro. 

20)  Gratt.  108:  ille  etiam  valido  primus  ve- 
nabula dente  \  induit  et  proni  moderatus  vul- 
neris  iram  |  omne  moris  excepit  onus.  Griech. 
heißen  sie  xvcodovzeg,  Xen.  cyn.  10, 3  u.  16. 


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Erster  Abschnitt.    Jagd,  Vogelfang  und  Fischerei. 


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agdmesser,  culter  venatorius *),  mit  dem  man  dem  Wild  den  Rest  gab 2)  und 
as  auch  zum  Ausweiden  des  Wildes  diente3).  Hingegen  darf  das  pedum. 
er  krumme  Hirtenstab,  nicht  zu  den  Jagdwaffen  gerechnet  werden,  obschon 
s  (wie  sein  griechischer  Name  XaycoßöXov  besagt)  gelegentlich  auf  Hasen 
eschleudert  wurde;  es  gehört  mehr  zur  Ausrüstung  des  Hirten  als  des 
ägers4).  Zu  letzterer  gehört  mitunter  auch  eine  krumme  Sichel,  zum 
ierhauen  von  Dickicht5).  Zur  Tracht  gehörten  neben  festen  Schuhen  oder 
ohen  Stiefeln6)  Binden  um  die  Schenkel  (fasciae  crurales)  zum  Schutz  gegen 
)ornen  und  Gestrüpp7),  eine  kurze  Tunika  oder  Jacke  (alicula)6),  als  Kopf- 
edeckung  eine  Kappe  (galerus)9). 

Den  Jäger  begleiteten  auf  seinen  Jagden  oft  eine  Menge  von  Dienern, 
ie  im  allgemeinen  als  comites,  famuli10)  ödes  speziell  als  venatores  bezeichnet 
werden  (siehe  oben  S.  516);  diejenigen,  die  die  Spuren  des  Wildes  verfolgten, 
lso  auch  die  Hunde  an  der  Leine  führten,  hießen  vestigatores11).  Aus  diesen 
)ienern  war  der  geschickteste  auch  der  mit  der  Aufzucht,  Pflege  und  Dressur 
er  Hunde  betraute  magister  canum1*).  Anderen  war  die  Sorge  für  die  Jagd- 
ferde  anvertraut,  sowie  das  Anfertigen  der  verschiedenen  Arten  von  Netzen13). 
Jle  diese  Sklaven  und  dazu  das  zur  Jagd  Nötige,  wie  Waffen,  Netze,  Zelte, 
[unde,  Pferde  usw.,  machten  das  instrumentum  venatorium  aus14). 

Die  beliebteste  Jagdzeit  war  Spätherbst  und  Winter15),  und  zwar  be- 
onders  die  Morgenstunden,  in  denen  die  Spuren  des  Wildes  in  den  betauten 
Viesen  sichtbar  waren16). 

Was  endlich  das  Jagdrecht  bei  den  Römern  anlangt17),  so  kannten  sie 
in  solches  in  unserem  Sinne  zweifellos  nicht,  wohl  aber  ein  Eigentumsrecht, 
raft  dessen  der  Besitzer  das  Betreten  seines  Bodens  verwehren  und,  wenn 


J)  Gratt.  119:  autcontrauttenerodestrictas 
yrtice  virgas  \  praegravat  ingenti  pernix  Lu- 
tnia  cultro.  Gute  Jagdmesser  lieferte  Toledo, 
bd.  341:  ima  Töletano  praecingant  Uta  cultro. 
gl.  Suet.  Aug.  19;  Claud.  13. 

2)  Mart.  XIV  3 1 :  Culter  venatorius.  Hie  bre- 
is  ingentem  Continus  ibit  aprum.  Daher  führten 
s  auch  die  venatores  im  Amphitheater,  Mail. 
V35,4.  Sen.  ep.87,9. 

3)  Petron.  40, 5.  Sen.  Phaedr.  56 :  tu  iam 
ictor  ciirvo  solves  viscera  cultro. 

4)  Doch  kommt  es  in  der  Hand  des  Aktaion 
or  in  dem  pompejanischen  Wandgemälde Mül- 
er- Wieseler  Denkm.  d.  alt.  Kunst  II  17,183, 
nd  hei  Orion  in  der  späten  Miniatur  der  Phaino- 
lena  des  Aratos  bei  Thiele  Ant.  Himmelsbilder 
20  (danach  bei  Röscher  Mythologisches  Le- 
ikon  I  1027) ;  hier  ist  auch  ein  Hase  mit  ab- 
ebildet. 

8)  Gratt.  343 :  curvae  rumpant  von  pervia 
ilces.  So  erwähnt  auch  Poll.  X  141  Öosnava 
nter  den  jevvnyetov  oxevn. 

6)  Vgl.  Apul.  met.  X  8:  illum  succinetum 
hlamide  crepides  et  venabula  venatorem  fe- 
erant. 

7)'  Gratt.  338.  Petron.  40, 5.  Pallad.  I  42,4 
mpfiehlt  oereas  manicasque  de  pellibus,  quae 
el  in  silvis  vel  in  vepribus  rustico  operi  et  vena- 
yrio  possint  esse  communes. 


8)  Petron.  a.  a.  0. ;  vgl.  oben  S.  221. 

9)  Bei  Gratt.  340  aus  Marderfell.  V.  339 
und  der  Anfang  von  340  sind  verdorben ;  es  war 
da  noch  anderes  von  der  Jagdtracht  angegeben, 
wahrscheinlich  auch  Pelzwerk,  worauf  sich  die 
Worte  tergore  falso  beziehen  werden  (vgl.  Verg. 
Aen.  V  37). 

>°)  Nemes.  298  f.  Vgl.  die  Schilderung  Hör. 
ep.  I  6, 59  f.  Ov.  met.  VII  806  und  den  Anfang 
von  Senecas  Phaedra. 

n)  Varr.  1. 1.  V  94:  nesügatores  <i  vestigiis 
ferarum,  qwu  indagantMr.  Apul.  met.  VIII  4. 
Digg.XXXIII7.12.12. 

")  Seine  Aufgaben  bespricht  Grattius  328  ff. 

,s)  Nemes.  298  ff. 

")  Plin.  ep.  V  19,3.  Digg.  XXXIII  7, 12, 12. 
In  dem  Testament  CIL  XIII 5708  gehören  Zelte, 
Sänften  und  Badegerät  zum  Jagdgerät  (vgl. 
S.  446  A.  6). 

16)  Hör.  ep.  2, 29;  carm.  1 1, 25.  Verg.  Geo. 
1310.  Mart.  149.19.  Nemes.  321. 

16)  Nemes.  324  f. 

17)  Vgl.  hierüber  außer  der  oben  S.  512  an- 
geführten Dissertation  von  B.  v.  Kayser  noch 
Baguenault  de  Puchesse  a.a.  O.  86  ff.  Schir- 
mer  Ztschr.  f.  Rechtsgeschichte  XI  (1873)  311. 
R.  v.  Jhering  Jahrb.  f.  Dogmatik  XXIII  (1885) 
244  ff.  Serafini  im  Archiv,  giurid.  XXIX  (1883) 
306. 


526 


Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 


sein  Verbot  mißachtet  wurde,  dafür  Genugtuung  fordern  konnte,  und  zwar 
wenn  das  Grundstück  ohne  Jagdnutzung  war,  wegen  der  zugefügten  per 
sönlichen  Unbill,  wenn  es  aber  ein  eigentliches  Jagdgrundstück  war,  für  dei 
Eingriff  in  sein  Nutzungsrecht.  Einen  Anspruch  auf  die  Jagdbeute  hatttf 
der  Grundherr  jedoch  nicht1). 

Mit  dem  Vogelfang  und  der  Fischerei2)  steht  es  ähnlich  wie  mit  de: 
Jagd:  sie  sind  ebensowohl  Beschäftigung  des  Freien  wie  des  damit  be 
auftragten  Sklaven,  oder  auch  Berufstätigkeit.  Das  gilt  besonders  von  den 
heute  noch  in  Italien  so  sehr  beliebten  Vogelfang3),  dem  aucupium4-)  ode: 
aucupatus5).  Als  auceps6)  setzte  sich  der  römische  Bürger  gern  an  dei 
Vogelherd7),  die  areas);  Vogelfänger  hatte  der  Gutsbesitzer  ebenso  unte; 
seinen  Dienern  wie  Jäger9);  hinsichtlich  der  Berechtigung  zur  Ausübung 
des  Vogelfangs  galten  dieselben  Grundsätze  wie  bei  der  Jagd10). 

Zum  Anlocken  der  Vögel  diente  teils  das  dazu  ausgestreute  Futter11) 
teils  Lockvögel  (inlices)12)  oder  die  Töne  einer  Lockpfeife13).  Der  Fan£ 
erfolgte  auf  drei  Arten:  durch  Leimruten,  Sprenkel  oder  Netze.  Am  ver- 
breitetsten  war  der  Fang  durch  Leimruten14).  Die  mit  Vogelleim  (viscum 
weil  er  aus  Misteln  bereitet  wurde,  wie  heute  noch15))  bestrichenen  Stab* 


J)  Vgl.  Instit.  II 1, 12  u.  14.  Digg.  XLI 1, 1; 
ebd.  3  u  55. 

2)  Jagd,  Vogel- und  Fischfang  werden  sehr 
oft  als  verwandte  Beschäftigungen  mitsammen 
genannt;  so Varr.r.r.  III  3,4.  Cic.defin.  118.23. 
Plin.  VIII 44 ;  XXXV 1 16.  Cels.  1 1 26.  Mart.  Cap. 
III  225.  Capit  Ant.  Pius7,5.  Digg.  VII  1,9,5; 
IX  2, 29,  3;  XIX  1,11, 18. 

3)  Cic.  denn.  V  11,32.  Catull  114,3.  Prop. 
V  (IV)  2,34.  Plin.X54;XV177.  Pallad.  X  12; 
XIII  6.  Digg  VII  1,9, 5 ;  XXXIII 7, 12, 13.  Außer 
der  Beschäftigung  mit  dem  Vogelfang  bedeutet 
es  auch  die  Beute,  Sen.  dial.  I  3,6.  Plin.  VII  23. 
Cels.  II 26,  wofür  Digg.  XIX 1, 1 1, 13  das  griech. 
panthera  gebraucht  ist.  Vereinzelt  ist  es,  wenn 
Colum.  IX  8, 5  u.  8  aucupium  und  aucupari  vom 
Einfangen  der  Bienenschwärme  gebraucht. 

4)  Daher  auch  die  vielen  Metaphern  und 
Bilder  vom  Vogelfang,  vgl.  W.  v.  Wyss  Die 
Sprüchwörter  bei  den  römischen  Komikern  49. 
Opp  aucup.  III  1  setzt  auseinander,  daß  der 
Vogelfang  der  Jagd  und  dem  Fischfang  vor- 
zuziehen sei,  weil  er  gar  keine  Gefahren  biete; 
dagegen  preist  er  hal.  1 1  ff  den  Fischfang  ganz 
besonders  wegen  des  Mutes  und  der  Umsicht, 
die  er  erfordere,  und  setzt  Jagd  und  Vogelfang 
ihm  gegenüber  etwas  herab. 

5)  Capitol.  M  Anton.  4,9.  Das  Verbum  ist 
aucupari,  seltener  aucupare,  vgl.  Varr  r.  r.  I 
23,6.  Plin.  X23.  Apul  apol. 34.  Colum  XI  1,24. 
Digg.  XLI  1, 3. 1;  XL  VII 10, 13, 7. 

8)  Plaut.  Trin  408  Varr.  1. 1.  VIII  61 ;  r.  r. 
III  3,  4;  ders.  b.  Non.  25.  8.  Hör.  sat.  II  3,  27; 
a.  p.  458.  Ov.  a.  a.  III  669.  Mart.  Cap.  III  325. 
Inschriftlich  auch  auf  Spieltafeln  Ihm  Bonn. 
Stud.  f.  Kekule  233  n.19;  ders.  R.M. VI  (1891) 
209. 

7)  Cic.  Cat.  mai.  16.56.  Anth.  Lat.  176,10 
(Riese) ;  inschriftl.  CIL  II 2335 ;  XIII 5708.  Auch 


der  Kaiser  Marc  Aurel  trieb  diesen  Sport,  Ca 
pit.  M.  Anton.  4,  9. 

8)  Plaut.  Asin.  216. 

9)  Digg.  XXXIII  7,  12, 13  werden  die  au- 
cupes   zum  Inventar   eines  Grundstücks    ge 

FPCnUGfc 

lü)  Digg.  VIII  3,  16;  XVII  10,  13,  7. 

1 ' )  Plaut.  Asin .  216:  auceps  quando  concin- 
navit  aream,  obfundit  cibutn.  Als  esca  (ebd 
221)  diente  besonders  vaccinium,  Heidelbeere 
Plin.  XVI  77. 

12)  Plaut.  Asin.  221.  Plin.  X  101;  auch  dl- 
lector,  Colum.  VIII  10,  1:  (turdi)  qui  ab  au- 
cupibus  in  hunc  usum  nutriti  quasi  allectorei 
sint  captivorum.  Man  nahm  dazu  besonders  Am 
sein,  daher  der  Spruch  der  oben  A.  6  erwähnter 
Spieltafel:  turdus  stupet,  merula  cantat,  au- 
ceps captat.  Auch  die  Eule  diente  als  Lock- 
vogel, Pallad.  X  12.  Ael.  n.  an.  I  28.  Oppian 
a.  a.  O.  nennt  als  Geräte  des  Vogelfängers 
Leimruten,  leichte  Netze  und  gezähmte  Vögel 
vgl.  dens.  hal.  IV  120  ff. 

1S)  Daher  die  Sentenz  bei  Dion.  Cato  I  27 
fistuladulce  canit,  volucrem  dum  decipit  auceps 
Vgl.  Mart.  XIV  218,  1:  non  tantum  calamis 
sed  cantu  fallitur  ales.  Auch  verstanden  siel 
die  Vogelsteller  darauf,  die  Vogelstimmei 
nachzuahmen,  Oppian.  de  aucup.  III  1. 

14)  Auch  bei  den  Griechen,  bei  denen  da 
nach  der  Vogelfang  überhaupt  l^evrixt'/  hieß 
Das  dem  Oppian  zugeschriebene  Lehrgedichi 
der  'I^svxixä  (Westermann  Biogr.  Gr.  p.  66 
ist  nicht  erhalten,  wohl  aber  eine  Metaphras« 
desselben  von  Euteknios,  s.  Oppiani  et  Nicandr 
quae  supers.  ed.  F.  S.  Lehrs  (Paris  1851)  107  ff 

15)  Plin.  XVI  248:  hoc  est  viscum  pinnü 
avium  tactu  ligandis  oleo  subactum,  cum  libea\ 
insidias  moliri.  Die  Beeren  der  Mistel  wurdei 
zu  diesem  Zweck  getrocknet  und  zerstoßen 


Erster  Abschnitt.    Jagd,  Vogelfang  und  Fischerei. 


527 


raren  aus  Pfahlrohr  (Arundo  donax  L,)1)  und  heißen  daher  harundines1) 
der  calami3),  seltener  virgae4).  Gebraucht  wurden  sie  auf  folgende  Art: 
rd(  er  Vogelsteller  hängte  den  Käfig  mit  dem  Lockvogel  in  den  Zweigen  eines 
Mj  Jaumes  auf5)  und  versteckte  sich  in  einiger  Entfernung  davon;  kam  nun 
in  Vogel  und  setzte  sich  auf  den  Baum  zu  dem  anderen,  so  langte  der 
/ogelsteller  vorsichtig  mit  seiner  Leimrute  in  die  Höhe,  bis  er  ihn  er- 
eichen und  ihm  die  Flügel  mit  Leim  bestreichen  konnte,  wodurch  er  am 
^  biegen  verhindert  war6).  Saß  aber  der  Vogel  zu  hoch,  als  daß  ihn  der 
/"ogelsteller  mit  einem  einzigen  Rohr  hätte  erreichen  können,  zumal  er 
ich,  um  ihn  nicht  zu  verscheuchen,  doch  nicht  zu  nahe  heranschleichen 
lurfte,  so  bediente  er  sich  mehrerer  Rohrstücke,  die  sich  ineinander  schieben 
ießen7)  und  die  er  langsam  und  vorsichtig  immer  verlängerte  durch  An- 
tigen neuer  Stücke,  bis  das  äußerste  mit  Leim  bestrichene  Ende  den  Vogel 
rreichte 8).  Diese  Art  der  Leimruten  fand  aber  nur  bei  kleineren  Vögeln 
Anwendung9);  gegen  Raubvögel  bediente  man  sich  einer  andern  Methode, 
lie  Varro  beschreibt10):  man  steckte  zwei  mit  Leim  bestrichene  Ruten 
:usammengebogen   in   die   Erde    und    band   zwischen   ihnen   eine   lebende 


, 


;wölfTage  in  Wasser  gel  egtund  dann  nochmals 
nit  dem  Hammer  zerstoßen.  Vgl.  Verg.  Geo. 
[  139:  f allere  visco  inventum.  Apul.  met  XI  8: 
■uceps  cum  visco;  daher  virgae  viscatae,  Varr. 
.  r.  III  7,  7.  Ov.  met  XV  474:  nee  volucrem 
mcata  fallite  virga.  Sil.  It.  VII  674.  Ov.  a.  a. 
[  391 :  non  avis  utiliter  viscatis  effugit  alis. 

l)  Die  beste  aueupatoriaharundo  kam  von 
Panormos,  Plin.  XV1172;  das  Pfahl:  ohr  vom 
Kopaissee  war  nur  bei  Ueberschwemmungs- 
zeiten  geeignet,  ebd.  169:  cum  igitur  anno 
permansit  inundatio,  proficiunt  (calami)  in 
aueupatoriam  quoque  amplitudinem. 

*)  Plaut.  Bacch.  51  Prop.V  (IV)  2,  33. 
Petron.  109.  7.  Mart.  IX  54,  3.  Val.  Fl.  VI  264. 
Sil.  lt.  VII  674. 

8)  Prop.IlI  12  (II  19).24:  IV  12(111 13), 46. 
Ov.  rem.  am.  208.  Mait  XIII  68:  galbina  deci- 
pitur  calamis  et  retibus  ales;  ebd.  XIV  218: 
calami  aueupatorii.  Sen.  Octav.  422  (Peip.): 
calamo  levi  deeipere  volucres.  Val.  Fl.  VI  266. 
Sil.  lt.  VII  677.  inschriftl.  CIL  II  3335  (Büche- 
lkr  Carm.  epigr.  412,  3) :  aueupium  calamo  . . . 
Studiosus  agebat;  vgl.  XI 11  5708. 

*)  Ov.  met.  XV  474.  Mart.  IX  54,  4.  Die 
virgae  viscatae  bei  Vairo  r.  r.  111  7,  7  sind 
aber  kein  Rohr,  s.  u. 

5)  Das  zeigt  der  bei  Rich  Wöiterbuch  56 
abgebildete  geschnittene  Stein. 

6)  Daher  wird  vom  Berühren  des  Vogels 
mit  der  Leimrute  figere  gesagt.  Piop.  III  12 
(II  19),  24:  stricto  figere  avem  calamo  (wo  man 
nicht  mit  Crusius  Heimes  XXI  (1886)  490  an 
einen  Rohrpfeil  zu  denken  hat),  oder  verberare, 
Plaut.  Bacch.  51  :  harundo  alas  verberat.  So 
fangen  die  aueupes  bei  Petion.  40.  6  sogar 
die  im  Zimmer  herumfliegenden  Vögel. 

7)  Daher  ist  für  das  Vogehohr  eine  ge- 
wisse Dicke  notwendig,  s.  oben  A.  1. 


8)  Am  eingehendsten  ist  die  Manipulation 
beschrieben  bei  Val.  Fl.  VI  263 :  si  quis  avem 
summi  deducat  ab  aere  rami,  \  ante  manu 
tacita  cui  plurima  crevit  harundo;  \  illa  dolis 
viscoque  super  correpta  tenaci  |  implorat  ca- 
lamos  adque  inrita  concitat  alas,  sowie  bei 
Sil.  It.  VII  674:  ut,  qui  viscata  populatur  ha- 
rundine  lucos,  \  dum  nemoris  celsi  procera 
cacumina  sensim  \  substrueta  certat  tacitus 
contingere  meta,  \  sublimem  calamo  sequitur 
crescente  volucrem.  Von  diesem  crescere  der 
Leimrute  spricht  auch  Mart  IX  54,  3:  (st)  cre- 
scente levis  traheretur  harundine  praeda 
pinguis  et  implicitas  virga  teneret  aves,  und 
XIV  218.2:  callida  dum  tacita  crescit  harundo 
manu.  Vgl  Peti  on.  109, 7 :  volucres,  quas  textis 
harundinibus  peritus  artifex  tetigit;  illae  vi- 
scatis illigatae  viminibus  deferebantur  ad  ma- 
nus.  K  Zachek  im  Heimes  XIX  (1884)  436 
hatte  dabei  an  eine  „aus  Rohr  hergestellte 
bewegliche,  vei schnellbare  Maschinerie  (etwa 
nach  Art  der  Schnippscheren  unsrer  Kinder)* 
gedacht:  aber  O.  Ckusius  hat  ebd.  XXI  (1886) 
487  mit  Recht  die  alte  Erklärung  verteidigt,  die 
sich  schon  bei  O.Jahn  Mitteil.  d.  Zürich,  ant. 
Gesellsch.  XIV  108  und  bei  Rich  a.  a  O. findet 
und  auch  durch  griechische  Quellen  (Bion  4. 5. 
Anth.  Pal  VI  296  u.  a.)  gestützt  wird.  Die 
irrige  Deutung  von  R.  Schneider  Berl.  phil. 
Wochenschr.  f.  1907  Sp.  1117  hat  Mesk  ebd. 
221  ff  berichtigt. 

9)  Oppian.  auc.  HI  2  zählt  die  Vögel  auf, 
die  man  mit  Leimruten  fing. 

10)  Varro  r.  r.  111  7,  7:  quos  (sc.  aeeipitres) 
columbarii  interficere  solent  duabus  virgis  vi- 
scatis defictis  in  terra  inter  se  curvatis,  cum 
inter  eas  posuerint  obligatum  animal,  quod 
petere  soleant  aeeipitres,  qui  ita  deeipiantur, 
cum  se  obleverunt  visco. 


528 


Dritte  Abteilung.   Die  Berufsarten. 


Taube  fest;  wenn  der  Habicht  auf. diese  herabschoß,  wurden  seine  Flüge 
vom  Leim  bestrichen.    Auch  sonst  gab  es  Arten  des  Vogelfangs,  bei  denerJ 
der  Jäger  nicht   die  Leimruten  selbst  in  der  Hand  hielt,   sondern  in   ge-J 
eigneter  Weise  aufstellte,   damit  die   angelockten  Vögel   von  selbst  daranl 
festklebten x). 

Die  zweite  Art  des  Vogelfangs  ist  die  durch  Dohnen  oder  Sprenkel,! 
laquei2)  oder  pedicae'd).  Wie  heute  noch  wurden  diese  Schlingen  an  Bäumen 
oder  Sträuchern4),  die  Beeren  trugen,  nahe  am  Boden  in  bogenförmig  auf- 
gestellten Ruten  befestigt;  bei  der  Berührung  durch  den  Vogel  kam  der 
Kopf  oder  Fuß  in  die  mit  der  Rute  aufschnellende  Schlinge,  die  sich  zuzog 
und  das  Tier  erwürgte  oder  am  Fuße  festhielt5). 

Die  dritte  Art  des  Fanges  war  die  durch  das  Schlagnetz6),  mit  dem 
man  besonders  Krammetsvögel  und  ähnliche  kleinere  fing7).  Als  Lockvogel 
diente  eine  Eule,  oder  man  setzte  auf  das  an  der  Erde  liegende,  mit  Spreu 
bedeckte  Netz  gefangene  und  geblendete  Vögel,  deren  Füße  an  einen  Faden 
gebunden  waren;  wenn  der  in  der  Nähe  versteckte  Vogelsteller  am  Faden 
zog,  so  flatterten  die  Vögel  auf  und  die  wilden  kamen  herzugeflogen,  worauf 
der  Vogelsteller  an  einer  Leine  zog  und  dadurch  das  Netz  über  sie  zusammen- 
schlagen ließ8).  Die  Gabelstöcke,  an  denen  das  Fallnetz  befestigt  wurde 
und  die  beim  Anziehen  des  Netzes  umstürzten,  hießen  wie  beim  Jagdnetz 
amites 9). 

Endlich  muß  noch  erwähnt  werden10),  daß  die  Römer  in  der  Kaiserzeit 
die  im  Orient  schon  früh  bekannte11)  Jagd  mit  abgerichteten  Falken  kennen 


1)  Vgl.  Oppian.  III  17. 

2)  Hör.  epod.  2, 35 :  advenam  laqneogruem  \ 
iucunda  captat praemia;  ep.  I  16,  30:  (metuit) 
accipiter  suspectos  laqueos.  Tib.  II  3,  63.  Ov. 
rem.  am.  502. 

3)  Verg.  Geo.  I  307 :  gruibus  pedicas  po- 
nere.  Nemes.  frg.  de  aucup.  3  (Baehrens  PLM 
III 203).  Man  fertigte  die  Schlingen  aus  Pferde- 
haaren an,  Oppian.  auc.  III  1 ;  von  ihrer  An- 
wendung s.  ebd.  3. 

4)  Vgl.  Ov.  a.  a.  I  47 :  aucupibus  noti  fru- 
tices. 

5)  Ov.  met.  XI  73:  utque  suum  laqueis, 
quos  callidus  abdidit  auceps,  |  crus  ubi  com- 
misit  vdlucris,  sensitque  teneri,  \  plangitur  ac 
trepidans  astringit  vincula  motu.  Pallad.  XIII 6 
vom  Dezember:  tempore  hoc  per  humiles  Sil- 
vas et  bacis  fecunda  virgülta  ad  turdos  ce- 
terasque  aves  capiendas  laqueos  expedire  con- 
venit.  hoc  usque  in  Martium  mensem  tenditur 
aucupium.  Vgl.  Nemes.  a.  a.  0.  5 :  tu  vero  ad- 
ductoslaquei  cum  senser  isorbes,  \  approperans 
praedam  pennis  crepitantibus  auf  er;  ebd.  7: 
oppressi  fallacia  vincula  colli. 

6)  Einen  besonderen  Namen  führen  diese 
Netze  nicht,  sie  heißen  schlechtweg  retia, 
Plaut.  Asin.  225.  Varr.  r.  r.  III  3,  4.  Hör.  epod. 
2,  33.  Mart.  XIII  68,  1 ;  seltner  plagae,  Digg. 
XXXIII  7,  12,  13;  linum  Ov.  rem.  am.  208. 

7)  Hör.  a.  a.  O.  Mart.  II  40,  3:  subdola 
tenduntur  crassis  nunc  retia  turdis;   III  58, 


26;  XI  21,  5.  Colum.VIII  10,  1.  Pallad.  X  12 
empfiehlt  das  Schlagnetz  mit  der  Eule  als 
Lockvogel  für  die  Zeit  September  bis  Oktober. 

8)  Auf  diese  Weise  schildert  die  Meta- 
phrase des  Opp.  aucup.  III  12  den  Fang  der 
wilden  Ringeltauben.  Von  einer  in  Aegypten 
(Nekropole  von  El  Hibe)  gefundenen  hölzernen 
Vogelfalle  mit  eigentümlicher  Fangvorrich- 
tung (A.  A.  1903,  78)  liegt  leider  keine  ge- 
naue Beschreibung  vor. 

9)  Beim  Vogelnetz  erwähnt  von  Hör.  u.  Pal- 
lad, a.  a.  O.  Die  Erklärung  des  Porphyr,  s.  oben 
S.519  A.  6 ;  der  Schol.  Hör.  a.  a.  O.  erklärt :  amites 
dicuntur  conti,  in  quibus  ligantur  retia,  qui- 
bus  aves  maxime  capiuntur ;  ideo  levi,  quid 
asperitas  lignorum  tollitur,  quando  ad  tisum 
vocantur.  Vgl.  Fest.  21,5:  amites perticae  aucu- 
pales.  Corp.  Gloss.  IV  16,  23  (auch  479,  16; 
V  166,  12  u.  s.)  fustes  aucupales;  aber  II  16, 
26:  l^evxixol  xü/muoi  ist  unrichtig. 

10)  Oppian.  III 4  ff.  beschreibt  noch  allerlei 
andere  Arten  des  Vogelfangs,  sie  klingen  aber 
z.  T.  höchst  unwahrscheinlich  und  scheinen 
Jägerlatein  zu  sein.  Ebd.  22  ff.  werden  ver- 
schiedene Arten  beschrieben,  wie  man  die 
Schwimmvögel  fing. 

u)  Vgl.  Hehn  Kulturpfl.  u.  Haustiere  362  ff. 
Von  einer  in  Thrakien  heimischen  Jagd  mit 
Habichten  berichtet  Plin.X  23  nach  Arist.  bist, 
an.  IX  32  p.  608  b,  8;  mirab.  ausc.  118  p.841b 
15  (vgl.  Ael.  n.  an.  II  42). 


Erster  Abschnitt.    Jagd,  Vogelfang  und  Fischerei. 


529 


gelernt  haben1),  doch  scheint  sie  erst  zu  Beginn  des  Mittelalters  beliebter 
und  vervollkommnet  worden  zu  sein2). 

Viel  mehr  als  Jagd  und  Vogelfang  kann  der  Fischfang,  piscatm*),, 
piscatio4),  als  Beruf  im  eigentlichen  Sinne  bezeichnet  werden.  Zwar  trieb 
auch  der  römische  Bürger  als  Liebhaberei  den  Angelsport5),  dem  sich  auch 
die  Vornehmen  widmeten6);  aber  wo  piscatores  oder  piscicapi  genannt  werden7), 
sind  es  immer  Fischer  von  Beruf,  während  der  venator  und  der  auceps  auch 
Liebhaber  sein  kann.  Die  Fischer  von  Beruf  waren  denn  auch  im  wesent- 
lichen Netzfischer,  da  sich  mit  dieser  Fangmethode  der  größte  Gewinn  er- 
zielen ließ,  während  die  Angelfischerei  zu  wenig  rentabel  war.  Dafür  war 
freilich  jene  mit  Strapazen  und  Gefahren  aller  Art  verbunden8);  die  Gestalt 
des  wetterharten  Fischers  ist  eine  Lieblingsfigur  der  alten  Dichtung0),  der 
wir  auch  in  der  Kunst  begegnen10),  wie  denn  überhaupt  Szenen  der  Fischerei 
in  der  griechischen  und  römischen  Kunst  sehr  beliebt  sind11).  Es  fehlte  auch 
nicht  an  Schriften,  die  das  Technische  der  Fischerei  behandelten,  und  den 
erhaltenen  Lehrgedichten  der  Halieutika  verdanken  wir  manche  interessante 
Notizen  über  technische  Einzelheiten12). 

Die  Alten  unterscheiden  vornehmlich  vier  Arten  des  Fischfangs:  mit 
der  Angel,  mit  Netzen,  mit  Reusen  und  mit  dem  Dreizack13).    Die  Angel- 


J)  Das  erste  Zeugnis  dafür  ist  (da  Ov. 
met.  XI  344  keineswegs  mit  Sicherheit  dar- 
auf bezogen  werden  kann)  Mart.XIV216:  Ac- 
eipiter.  Praedo  fuit  volucrum;  famulus  nunc 
aucupis  idem  \  decipit  et  captas  non  sibi  meie- 
ret aves.  Apul.  apol.  34:  quam  si  dicas  mari- 
num  pectinem  comendo  capillo  quaesitum  vel 
aueupandis  volantibus  piscem  aeeipitrem  (die 
Bedenken  von  Hehn  365,  ob  hier  eine  An- 
spielung auf  Jagd  mit  Falken  zu  sehen  sei, 
sind  nicht  gerechtfertigt).  Die  Methode  der 
Falkenjagd,  die  Oppian.  auc.  III  5  beschreibt, 
ist  noch  sehr  unvollkommen. 

2)  Vgl.  Paraphr.  Dionys.  de  avibus  6  (Op- 
pian. ed.  Lehrs  109).  Isid.  XII  7, 1 :  aliae  (aves) 
ad  manum  se  subiciunt,  ut  aeeipitres.  Aug. 
mag.  32  (Migne  XXXII 1213):  aueeps  aviculam 
aeeipitre  figeret,  subigeret  et  caperet;  vgl.  dens. 
ad  fratr.  erem.  38  (M'igne  XL  1306).  Sid.  Apoll, 
ep.  III  3,  2;  IV  9,  2.  Auf  dem  bei  Choric.  Gaz. 
p.  166,  8  (Boiss.)  beschriebenen  Gemälde  der 
Jagd  des  Hippolytos  befindet  sich  auch  ein 
Falkonier,  ein  oixhijs,  w  ßt]QevTTj?  cgvig  axgcp 

XUOTlüt    JtQOtSIVO/iSVOS. 

»)  Als  Tätigkeit  Plin.VI  91;  VIII  44;  im 
Sinne  von  Fischzug  Plaut.  Rud.  911;  am  häu- 
figsten für  die  gefangene  Beute,  Plaut.  Most. 
67;  730.  Pompon.u.Turpil.b.Non.488.17.  Cic. 
de  fin.  II  8,  23.  Apul.  met.  I  24;  so  auch  über- 
tragen Plaut.  Bacch.  102. 

4)  Digg.  VII  1,  9,5;  piscatio  thynnaria 
VIII  4,  13. 

6)  Ael.n.  an.  XII  43  bezeichnet  das  Angeln 
{dyxioiQEia)  als  die  für  den  Freien  passendste 
Art  des  Fischfangs.  An  Belegen  dafür,  daß 
es  gern  ausgeübt  wurde,  fehlt  es  nicht,  vgl. 
Mai  t. 1  55,  9 ;  III  58,  27 ;  als  Knabenbeschäfti- 

Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft.   IV. 


gung,  wie  heut  noch,  Auson.  Mos.  126.  Da- 
gegen ist  es  ungewöhnlich,  wenn  ein  Privat- 
mann aus  Liebhaberei  die  Netzfischerei  be- 
treibt, wie  Nero,  der  nach  Suet.  Ner.  30  mit 
vergoldeten  Netzen  fischte,  oder  der  Sports- 
mann in  dem  Epigramm  CIL  II  2335(Bücheler 
Carm.  epigr.  412)  v.  2. 

6)  So  Antonius,  Plut.  Ant.  29;  Augustus, 
Suet.  Aug.  83;  Commodus,  Oppian.  hal.  I  56  ff. 
UndPliniusrühmtep.IX7,4vonseinerVillaam 
Comersee:  ex  hac  (possis)  ipisepiscari  hamumque 
de  cubiculo  aepaene  de  lectulo  utenauada  iacere. 

7)  Vgl.  oben  S.  195. 

8)  Diese  hebt  Oppian.  auc.  III  1  hervor, 
besonders  Stürme  auf  dem  Meere  und  die 
Seeungeheuer. 

9)  Vgl.  K.  Schneider  Der  Fischer  in  der 
antiken  Litteratur.  Aachen  1892  (behandelt  nur 
die  griechische).  Eine  Aufzählung  der  für  den 
Fischer  nötigen  körperlichen  und  geistigen 
Eigenschaften  gibt  Oppian.  hal.  III  29  ff. 

10)  Siehe  die  Aufzählung  bei  O.  Müller 
Archaeol.  §  427, 5.  Lafaye  bei  D.-S.  IV  493  n.  8 
u.  9;  eine  Zusammenstellung  bei  Clarac  Mu- 
s6e  de  sculpt.  pl.  879  ff. 

1 ')  Vgl  Lafaye  a.  a.  O.  n.  lff.;  namentlich  die 
pompejanischenWandgemälde  und  die  nordafri- 
kanischen Mosaiken  bieten  zahlreiche  Belege. 

1S)  In  Betracht  kommt  das  Fragment  der 
dem  Ovid  zugeschriebenen  Halieutica,  s.  die 
Ausgabe  von  M.  Haupt.  Lips.  1838  (die  Autor- 
schaft bestritten  vonTH.BiRTDeHalieut.Ovid. 
poetae  falso  adscript.,  Beil.  1877,  verteidigt  von 
A.  Zinoerle  Kl.  philol.  Abhandl.  II  1),  und  die 
erhaltenen  fünf  Bücher  'Ahn-rixä  von  Oppian. 

,3)  Ael.  n.  an.  XII  43  zählt  die  datrvtta, 
xvQzsia  und  ayxiorneia  auf.  nennt  aber  anstatt 
2,  a.   3.  Aufl.  34 


530 


Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 


fischerei  wurde  ganz  ähnlich  betrieben  wie  heutzutage1).  Bei  der  üblichste! 
Methode  bediente  man  sich  des  Angelstocks,  der  meist  aus  Rohr  gefertig 
wurde  und  daher  harundo2)  oder  calamus3)  heißt;  doch  war  für  größere  unq 
kräftigere  Fische  stärkeres  Material  dazu  notwendig4).  Die  Angelschnur) 
linea  genannt5),  war  meist  aus  starken,  borstenartigen  Tierhaaren6),  von 
Pferde  besonders7)  oder  vom  Rücken  des  Ebers8),  weshalb  sie  auch  saetd 
heißt9);  doch  nahm  man  auch  Flachs  dazu10).  An  der  Schnur  wurde  dei 
Angelhaken,  hamus11)  (daher  der  Angler  hamista  heißt12)),  befestigt,  der  einer 
oder  mehrere  scharfe  Widerhaken  hatte13).  An  den  Angelhaken  wird  dei 
Köder  (esca)  befestigt14),  als  welcher  Würmer,  Fliegen  und  andere  Insekter 
dienten15),  die  man  auch  künstlich  nachzuahmen  wußte16),  für  größere  Tier« 
kleine  Fischchen17);  sonst  aber  wurde  noch  allerlei  anderes  zu  Köderr 
benutzt,  wie  Fleischstückchen,  Brot,  Käse  u.  dgl.18),  besonders  die  Abfällt 
von  eingesalzenen  Fischen19).  Zur  Angel  gehört  sodann  der  schwimmende 
Kork20)  und  das  in  der  Nähe  des  Angelhakens  angebrachte  Bleigewicht21) 
das  teils  das  Auswerfen  der  Angel  ermöglicht,  teils  zusammen  mit  dem 
(verschiebbaren)  Korke  die  Lage  des  Köders  reguliert.  Auch  die  Grund- 
angel, bei  der  die  Angelschnur  ohne  Stock  gebraucht  und  mit  Blei  beschwer! 
ins  Wasser  geworfen  wurde,  war  den  Alten  bekannt22);  man  nahm  dafür 


der  Fischerei  mit  der  Harpune  die  xövxmoig, 
mit  der  Stange,  s.  unten.  Die  ersten  drei 
sind  die  üblichsten,  besonders  aber  Angel- 
und  Netzfischerei,  vgl.  Ov.  a.  a.  I  763:  hie  ia- 
culo  pisces,  übe  capiuntur  ab  hamis,  |  hie  cava 
contento  retia  fune  trahunt.  Oppian.  hal.  I  54. 
Auson.  Mos.  243  ff.  Vgl.  die  aheiog  oxevn  bei 
Poll.  X  132. 

')  Vgl.  die  Schilderungen  bei  Luc.  Piscat. 
47  f.  Auson.  Mos.  250  ff. 

2)  Nach  Plin.  XVI 172  kam  die  beste  ha- 
rundo piscatoria  aus  Afrika  (Abaritana.  aus 
Avaris  in  Unterägypten)  Harundo  im  Sinne 
der  Angel  Plaut.  Rud.  294:  hami  atque  ha- 
rundines;  Stich.  289.  Tib.  II  6,  23.  Ov.  met. 
VIII  856;  XIII  923  u.s. 

s)  Prop.  V  (IV)  2,  37.  Ov.  met  III  587; 
hal.  36.  Mart.  IV  30,  9.  Avian.  fab.  20.  12. 

4)  Ael  a.  a.  0.  nennt  Iuncus  marinus,  Fe- 
rula,  Hartriegel. 

5)  Plaut.  Most.  1070:  sensim  mutant  lineam. 
Mart.  III  58,  27:  tremulave  captum  linea  tra- 
hit  piscem;  ebd.  X  30,  17.  Plin.  XXXII  13. 

6)  Oppian.  hal.  I  54;  III  469. 

7)  Ael.  a.  a.  O.,  und  zwar  von  Schimmeln, 
Rappen,  Braunen  und  Grauschimmeln;  es 
wurden  auch  blau-  und  purpurgefärbte  be- 
nutzt, vgl  Opp.  III  151. 

8)  Ebd. 

9)  Ov.  hal.  34:  ubi  praedam  pendentem 
saetis  avidus  rapit.  Mart.  I  55,  9:  piscem  tre- 
mula  salientem  ducere  saeta;  X  30,  16.  Avian. 
fab.  20,  1.  Aus.  Mos.  254. 

10)  Ael.  a.  a.  O.  (vgl.  Blümneb  Technol.  I 
292  f.);  daher  heißt  die  Angelschnur  auch 
Mnum,  Ov.  met.  XIII  923. 

")  Plaut.  Rud.  984.  Hör.  ep.I  16,51:  {me- 


tuit)  opertum  miluus  hamum;  ebd.  7,  74;  sat. 
II  5,  25.  Ov  a.  a.  147;  ebd.  683;  met.  III  586; 
VIII  858;  XV  101  Mart.  II  40.  4;  IV  30.  12; 
56,5;  VI  63,  5.  Apul.  met.  XI  8.  Auch  hamu- 
lus  piscarius,  Plaut.  Stich.  489.  Vgl.  Lafaye 
bei  D.S.  III  8. 

12)  Plaut.  Rud.  310.   Varro  b.  Non.  25.  8. 

u)  Daher  hami  und,  Ov.  met.  XV  476; 
adunci,  ebd.  XIII  934;  angulosi,  Macrob.  VII 
3,5;  vgl.  Opp  154.  Angelhaken  haben  sich 
in  betiächtlicher  Zahl  und  mannigfachen,  den 
heutigen  im  wesentlichen  gleichenden  Formen 
erhalten,  vgl.  Lafaye  a.a.O.  Fig.  3696  ff  Frie- 
derichs Beil.  ant.  Bildw.  II  253  n.  1209  ff. 

14)  Aus.  Mos.  249:  induetos  escis  iaciens 
letalibus  hamos. 

lb)  Ael.  n.  an.  XIV  22.  Mart.  V  18, 7 :  quis 
nescit,   avidum  vorata  deeipi  scarum  musca? 

16)  Aus  Federn  und  Wolle,  Ael.  n.  an.  XII 
43;  XV  1  u  10. 

,7)  Oppian.  III  177  ff. ;  man  briet  diesen 
Köder  auch,  weil  der  Geruch  die  Fische  an- 
zieht, ebd  345.  Ueber  eine  Vorrichtung,  diesen 
Ködern  durch  Anbringung  von  Bleistückchen 
den  Schein  der  Bewegung  zu  geben,  s.  ebd. 
289  u.  IV  80. 

,8)  Oppian  IV  308;  365 f.;  V  147  u.s.  Ael. 
a.  a.  O.  Geop.  XX  7  ff. 

19)  Colum.  VIII  17,  12:  salsamentorum 
omnium  purqamenta.  Ael.  a.  a.  O. 

•20)  Poll  X  133.  Ael  n  an.  XII  43.  Auson. 
Mos.  253  nennt  ihn  indicium. 

»')  Schon  bei  Homer  II.  XXIV  80  erwähnt; 
vgl  Oppian.  IV  220  ff    Poll.  a.  a.  O. 

**)  Sie  heißt  bei  den  Griechen  xetforo?  und 
wird  von  Oppian  III  77  u.  138  erwähnt;  die 
lateinische  Bezeichnung  ist  nicht  überliefert. 


k 


lern 


Erster  Abschnitt.    Jagd,  Vogelfang  und  Fischerei. 


531 


^besonders  starke,  tauarfcige  Schnüre  und  verband  den  Angelhaken  damit  durch 
eine  Kette1).  Auf  diese  Weise  fing  man  vornehmlich  große  Fische,  und  zwar 
besonders  vom  Fischerkahne  aus2). 

Beim  Fischen  mit  Netzen3),  die 
gleich  den  Jagdnetzen4)  allgemein 
retiab)  oder  lina6)  heißen,  unterschied 
man  mehrere  Arten,  vornehmlich 
Wurfnetz  und  Schleppnetz.  Das  Wurf- 
netz, rete  iaculum  oder  schlechtweg 
iaculum1),  hieß,  weil  es  wie  eine 
Schleuder  geworfen  wurde,  auch  fan- 
det*); es  wurde,  mit  Blei  beschwert,  so 
ins  Wasser  geworfen,  daß  sich  eine 
weite  Öffnung  bildete9),  und  durch  eine 

')  am  oberen  Rand  befindliche  Schnur 
oder  Strick  (linea10))  herausgezogen 

(vgl.  Fig.  84 u)).  Die  zweite  Art  ist  das  Schleppnetz,  das  griechisch  oayt)vrj, 
lateinisch  auch  sagena1'2),  sonst  verriculum1*),  everriculum11),  tragum  oder 


Fig.  84.   Angler  und  Fischer.    Wandgemaide 
aus  Herkulannm. 


ei 


')  Oppian  III 281  ff.  schildert  diese,  große 
Kraft  und  Gewandtheit  erfordernde  Fischerei; 
vgl.  ebd.  V  131  ff.  Plin.  1X44  nennt  eine  solche 
Angel  hamus  catenatus;  abgebildet  ist  eine 
solche  bei  Lafaye  bei  D.-S.  III  8  Fig  3699. 
Ein  Fischer  mit  der  Grundangel  fischend,  nach 
einer  christlichen  Miniaturmalerei,  ebd.  IV  490 
Fig.  5687. 

»)  Vgl.  Opp.  III  213:  313  u.s.;  über  die 
großen  eisernen  Angelhaken  für  den  Thun- 
fischfang s.  Ael.  n.  an.  XIII  16;  vgl.  über  letz- 
tein überhaupt  P  Rhode  N.  Jb  f.  Phil.  Suppl. 
Bd  XVIII  42  ff.  Bei  großen  Seetiereu,  die  mit 
dem  Angelhaken  in  die  Tiefe  gingen,  war  der 
Fang  sehr  gefährlich;  vgl.  die  eingehende 
Schilderung  bei  Opp.  V  62  ff.,  woraus  wir  er- 
sehen, daß  man  aufgeblasene  Schläuche  an 
die  Leine  band,  um  zu  bemerken,  wo  das 
schwervei  wundete  Tier  wieder  in  die  Höhe 
kam:  dann  fuhr  man  dorthin  und  tötete  es 
mit  Beilen.  Dreizacks  und  anderen  Waffen. 
Die  Einrichtung  der  langen,  an  Rollen  gehen- 
den Leine,  die  unsre  Walfischfänger  haben, 
scheinen  die  Alten  nicht  gekannt  zu  haben. 

8)  Vgl.  Pottieb  bei  D.-S.  IV  852. 

*)  Daß  ein  Fischernetz  auch  bei  der  Jagd 
benutzt  werden  konnte,  zeigt  Mart.  X  37,  15: 
illic  piscoso  modo  vix  edueta  profundo  |  impe- 
dient  lepores  umida  lina  meos. 

6)  Plaut.  Rud.  984;  1020.  Accius  b.  Non. 
534,1.  Ov.a.a.I764;  met.  XIII 922.  luv.  5. 95. 
Man  sagt  retia  tendere  vom  Jäger  (s.  oben  S.  5 17 
A.  12),  retia  mittere  vom  Fischer,  luv.  2, 148; 
auch  statuere,  Accius  a.  a.  0. 

6)  Lina  piscatoria,  Plin.  XXIV  65.  Vgl. 
Verg.  Geo.  I  142.  Ov.  met.  III  586.  Aus.  Mos. 
243.  Seltner  wird  von  Fischnetzen  cassis  ge- 
braucht, Avian.  fab.  20.  14,  oder  plana,  Aus. 
Mos.  244.     Als  Material  rühmt  Plin.  XIX  15 


die  genista  (Binsen-Pfriemkraut),  sonst  war 
natürlich  Flachs.  Hanf,  Spartum  u.  dgl.  dafür 
das  übliche  Material,  s.  Blümneb  Technol.  I 
292  f.;  295;  299. 

7)  Plaut.  Asin.  100;    Truc.  35.    Ov.  a.  a. 

I  763.  CIL  II  2335:  qui  pisces  iacnlo  capiebat 
missile  dextra.  Isid.  or.  XIX  5,  2.  Eä  ist  das 
griech.  auyißXnoiQor,  Corp.  Gloss.  III  187,  31 ; 
256,  43v 

8)  Verg.  Geo.  I  141 :  atque  alius  latum  fun- 
da  iam  verberat  amnem  \  alta  petens,  pelago- 
que  alius  trahit  humida  lina;  vgl.  Serv.  z  d. 
St.:  genus  retis,  dictum  a  fundendo,  id  est 
retiaculum,  qui  dicitur  ß6Xoe,  Isid.  a.  a.  O. 
Corp.  Gloss.  V  209, 12  (vgl.  110,  16):  iaeuhtm 
genus  retis  piscalorii,  qui  et  funda  appellatur. 
Ebd  458,  1 1  (vgl.  297.  30;  501,  65)  wird  funda 
durch  retia,  linea  seu  fundibula  erklärt.  Bei 
Auson.  ep  4  (14  Peiper),  54  werden  aber  iaml* 
und  fundae  unterschieden. 

ö)  Vgl.  Oppian.  IV  144. 

10)  Plaut.  Truc.  35:  quando  abiit  rete  pes- 
sum,  adducit  lineam. 

n)  Wandgemälde  aus  Herkulanum,  nach 
D.-S.  IV  493  Fig.  5690  (nach  Pitture  di  Ercol. 

II  273) ;  andere  Szenen  von  Fischern,  beson- 
ders Anglern,  s  Helbig  Wandgemälde  n.  1556; 
1563;  1572  f. 

**)  Manil.  astr.  V  678:  excipitur  vasta  cir- 
cumvallata  sagena.  Corp.  Gloss.  V  145,47;  242, 
11  u.  s. 

ls)Val.Max  IV  1.7.  Serv.ad  Aen.I59.  Isid. 
XIX  5, 4    Corp.  Gloss.  II  206, 51;  429, 24  u.  ö. 

")  Varr.  r.  r.  III  17.  7.  Digg  XLVII  10. 
13,  7.  Corp.  Gloss.  V  291,24;  von  everrere  pi- 
sces,  Apul.  apol  29,  vgl.  Aus.  Mos.  243 :  hie  me- 
dio  proeul  amne  trahens umentia  lina  \  nodosis 
deeepta  plagis  examina  verrit.  UebertraKen  bei 
Cic.  nat.  Deor.  III  30,  74;  Verr.  IV  24, 53. 

34* 


532 


Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 


tragula1)  hieß;  es  war  lang  und  rechteckig,  an  der  Unterseite  beschwert, 
damit  es  in  vertikaler  Lage  blieb,  und  an  der  oberen  mit  Schwimmern  aus 
Kork  oder  Holz  versehen 2) ;  dadurch  erweiterte  sich  das  Netz  taschenartig 
und  es  sammelten  sich  darin  die  Fische,  während  die  Fischer,  meist  von 
einem  Kahn  aus,  das  Netz  am  Stricke  nachzogen3).  Diese  beiden  Arten 
sind  aber  nur  die  hauptsächlichsten  der  Netzfischerei;  es  gab  daneben  noch 
eine  große  Menge  anderer,  die  wir  besonders  aus  den  griechischen  Quellen 
kennen4),  auf  die  aber  hier  nicht  näher  eingegangen  werden  kann. 

Die  dritte  Art  des  Fischfangs  ist  die  mit  Reusen5),  nassae6);  sie 
glichen  den  heute  üblichen,  d.  h.  es  waren  aus  Binsen 7)  oder  Weidenruten 8) 
geflochtene  Körbe  von  langgestreckter  Form  mit  weiter,  trichterförmiger 
Öffnung  und  engem  Hals,  sodaß  die  Fische  zwar  hinein,  aber  nicht  heraus- 
kommen konnten9);  sie  wurden  mit  Steinen  beschwert  versenkt  und  durch 
Korke  schwimmend  erhalten 10).  In  die  Reuse  wurde  der  Köder  getan  oder 
die  Stäbe  mit  stark  riechender,  die  Fische  anziehender  Substanz  bestrichen11). 
Man  ließ  die  Reusen  oft  längere  Zeit  im  Wasser  liegen  und  fütterte  die 
darin  gefangenen  Fische,  bis  sie  fett  geworden  waren12). 

Als  vierte  Art  des  Fischfangs  ist  die  Anwendung  des  Dreizacks  zu 
nennen13),  tridens  oder  fuscina,  der  namentlich  bei  großen  Tieren,  bei  Thun- 
fischen, Polypen  u.  dgl.,  zur  Anwendung  kam,  doch  auch  bei  kleineren  Fischen14), 
ein  Brauch,  dem  bekanntlich  Neptun  sein  Attribut  des  Dreizacks  verdankt. 
Das  Fischstechen  fand  wohl,  wie  heute  vielfach,  nachts  bei  Fackellicht  statt15). 

Neben  diesen  Hauptarten  des  Fischfangs  gab  es  aber  noch  zahlreiche 
andere,  die  den  Lebensgewohnheiten  der  Tiere  angepaßt  waren,  die  wir 
aber  hier  übergehen  müssen16).    Auch  Raubfischerei  wurde  getrieben,  und 


')  Serv.  z.  Verg.  Geo.  1 143 :  umida  lina  ever- 
riculum  significat  et  trahit  rede,  quia  hoc  genus 
retistragumvocatur.  lsid.XIX5,3.Plin.XVI34. 

2)  Ael.n. an.  XII 43.  Plin. a.a.O.  Ov.  trist.  III 
4, 11:  aspicis,  ut  summa  cortex  levis  innatetun- 
da,  |  cum  grave  nexa  simul  retia  mergat  onus  ? 

3)  Ov.  a.  a.  I  764:  hie  cava  contento  retia 
fune  trahunt;  daher  nennt  Opp.  III  84  diese 
Netze  8oXoQoa<f>EOiv  Xiva  köktiow. 

4)  Vgl.  besonders  Oppian.  III  80  f.  Poll. 
1 97 ;  zahlreiche  Beschreibungen  bei  Oppian  und 
Aelian.  Vom  Thunfischfang  sagt  Philostr.  imag. 
I  13,8:  Ideai,  xa{F  äg  akioxorzai,  (.ivoiai.  Vgl. 
auch  Sid.  Apoll,  ep.  II  2,  12:  hinc  iam  speeta- 
bis,  ut  promoveat  alnum  piscator  in  pelagus, 
ut  stataria  retia  suberinis  cortieibus  exten- 
dat  aut  signis  per  certa  intervalla  dispositis 
tractus  funium  librentur  hamati. 

")  Griech.  xvQrsia ;  vgl.  Lafaye  bei  D.-S. 
IV  2. 

6)  Fest.  169  a,  19:  nassa  est  piscatoria  va- 
sis  genus,  quo  cum  intravit  piscis  exire  non 
potest.  Plin.  1X132;  XXXII  11;  übertragen 
Plaut,  m.  gl.  581.  Cic.  ad  Attic.  XV  20,  2. 

7)  Plin.  XXI  114. 

*)  Ov.  hal.  13  u.  16.  Sil.  It.  V  48;  auch 
aus  spanischem  Spartum,  Oppian.  III 341 ;  400. 

9)  Vgl.  die  Beschreibung  Sil.  It.  a.  a.  0  : 
ore  levem  patulo  texens  de  vimine  nassam. 


,0)  Oppian.  III  371  ff. 

")  Plin.  XIX  92;  XX  194.  Oppian.  III  345; 
421. 

V2)  Beschreibung   bei  Oppian.  ebd.  347  ff. 

13)  Vgl.  Böttiger  in  der  Amalthea  II 302  ff. 
Wieselek  De  vario  usu  tridentis,  Göttingen 
1872.  Rhode  a.  a.  O.  45. 

")  Ael.n. an. XII 43.  Oppian. III 88; IV 252; 
639.  Plin.  IX  51;  84;  93.  Philostr.  imag.  I  13. 
Poll.X  133.  Dagegen  wird  Ov.  a.  a.  I  673  irr- 
tümlich darauf  bezogen  (Rhode  a.  a.  O.),  da 
hier  mit  iaculum  das  Wurfnetz  gemeint  ist. 
An  dem  schönen  Mischkrug  des  Hildesheimer 
Silberfundes  sticht  ein  Eros  mit  dem  Drei- 
zack nach  Hummern,  vgl.  Pernice  u.  Winter 
Hildesh.  Silbersch.  Taf.  32.  Holzer  D.  Hildesh. 
Silberfund  Taf.  3. 

15)  Das  Nachtfischen  nennen  die  Griechen 
nvoEVTty.i]  oder  jivgla,  Poll.  VII  138;  X  133; 
vgl.  Opp.  IV  641  f.  Auf  dem  Hildesheimer 
Mischkrug  hält  der  kleine  Eros  neben  dem 
erwähnten  sicher  eine  Fackel,  nicht  (wie  auch 
vermutet  worden  ist,  s.  Holzer  Hildesh.  Silber- 
fund 61)  eine  Schlinge,  da  damit  nie  Fische 
gefangen  wurden. 

16)  Einiges  bei  Rhode  46  ff.  Lafaye  491. 
Ueber  den  Fang  der  Purpurschnecken  s.  Blüm- 
ner Technol.  1 239 ;  über  die  Schwammfischerei 
Opp.  hal.V  612  ff. 


Zweiter  Abschnitt.    Die  Landwirtschaft. 


588 


Wert  wenn  heute  dazu  oft  Dynamit  benutzt  wird,  so  nahmen  die  Alten  zum  selben 
"am  Zwecke  Gift1).  Weitaus  der  meiste  Fischfang  geschah  vom  Nachen  oder 
artll  vom  größeren  Schiffe  aus,  je  nachdem  es  sich  um  Flufä-  oder  Meerfischerei 
voi  bandelte  *);  als  kleinere  Fischerboote  werden  der  lembus3)  und  die  Aorta«) 
irtei  genannt. 

Was  endlich  die  Fischgerechtigkeit  anlangt,   so   war  den  Alten   eine 
diel  solche  ebensowenig  bekannt  wie  ein  Jagdrecht5);  die  Fluß-  wie  die  Meer- 
fischerei waren  frei6),  nur  wenn  Teiche  oder  Seen  in  Privatbesitz  waren, 
sil  hatte  der  Besitzer  allein  das  Recht  zu  fischen7). 


Zweiter  Abschnitt. 

Die  Landwirtschaft. 


Edinburg  1788  (bebandelt  nur  den 
Paris  1834. 


Litteratur.8) 

A.  Dickson  The  husbandry  of  tbe  ancients.    Zwei  Bände 

Feldbau). 
J.  B.  Rougier  de  la  Bergerie  Histoire  de  l'agriculture  ancienne  des  Romains 
Mens  Die  ländlichen  Geschäfte  der  Römer.    Siegen  1839. 
Baumstark  Artikel  Rustica  res  bei  Pauly  VI  580  ff. 
Ch.  Daubeny  Lectures  on  Roman  husbandry.    Oxford  1857. 
Cancalon   Histoire   de    l'agriculture   depuis  les  temps  les  plus  recuhSs  jusqu'  ä  la  mort  de 

Charlemagne.    Paris  1857. 
A.  F.  Magerstedt  Bilder  aus  der  römischen  Landwirtschaft.    Sechs  Hefte.    Sondershausen 

1858-1863. 
H.  Wiskemann  Die  antike  Landwirtschaft  und  das  von  Thünensche  Gesetz.    Leipzig  1859. 
M.  Weber  Die  römische  Agi  argeschichte.    Stuttgart  1891. 
F.  Staudacher  Antike  und  moderne  Landwirtschaft.    Wien  1897. 

Beaürredon  Voj^age  agricole  chez  les  anciens  ou  l'economie  rurale  dans  l'aiitiquite\  Paris  1899. 
H.  Gummerus  Der  römische  Gutsbetrieb  als  wirtschaftlicher  Organismus,  nach  den  Werken 

des  Cato,  Varro  und  Columella.    Leipzig  1906. 
Al  Sorlin-Dorigny  Artikel  Rustica  res  bei  Daremberg-Saglio  IV  916  ff.9) 

Über  kein  Gebiet  des  römischen  Lebens  sind  wir  so  genau  unterrichtet, 
wie    über    die   Landwirtschaft.     Wir   verdanken    das    den    uns    erhaltenen 


1)  Beschreibung  des  Verfahrens  bei  Op- 
pian.  IV  647  ff. ;  vgl.  Philostr.  a.  a.  0.  Plin.  XXV 
98.  Rhode  p.  43. 

2)  Naves  piscatoriae,  Caes.  b.  c.  II  4;  der 
Fischerkahn  scapha  piscatoria,  Tustin.  II  13, 
10.  Vgl.  die  Schilderung  Oppian.  I  58  ff. 

3)  Non.  534, 1 :  navicula  brevis  piscatoria, 
mit  Belegen  aus  Accius,  Turpilius  u.  a.;  vgl. 
Serv.  ad  Verg.  Geo.  I  201.  Isid.  or.  XIX  1,  25. 

*)  Plaut.  Rud.  910;  1020.  Gell.  X  25,  5. 
Non.  533,  21.  Corp.  Gloss.  V.  459,  49;  horiola 
Plaut.  Trin.  942.  Abbildungen  auf  Mosaiken, 
s.  Gauckler  bei  D.-S.  III  256. 

5)  Instit.  II  1,  1:  et  quidem  natural/'  iure 
communia  sunt  omnium  haec:  aer,  aqua  pro- 
fluens  et  mare,  et  per  hoc  litora  maris.  Digg. 
XLI  1,1:  omnia  igitur  antmalia,  quae  terra 
mari  coelo  eapiantur,  id  est  ferae  bestiae,  vo- 
lucres,  pisces,  capientium  fiurtt. 

6)  Instit.  a.  a.  O.  2;  auch  die  Besitzer  von 


Grundstücken,  die  an  Flußufern  oder  am 
Meeresstrande  belegen  waren,  durften  das 
Fischen  (ohne  Betretung  des  Landes)  nicht 
hindern,  Digg.  XLVII  10.  7. 

;)  Digg.  a.  a.  O.:  in  Uten  tarnen,  <jni  tiui 
dominii  est,  utiqite  piscari  <ilin>(e»i  jtrohihrre 
possum. 

8)  Die  Speziallitteratur  über  die  einzelnen 
Gebiete  der  Landwirtschaft  wird  weiter  unten 
angeführt  werden. 

9)  Die  Schriften  von  Rougier,  Cancalon. 
Mens,  Daubeny  und  Staudacher  waren  mir  un- 
zugänglich. Die  Schrift  von  P.  Oekler  Antike 
Landwirtschaft,  Hamburg  1872.  behandelt  nur 
Aegypten  und  Griechenland,  während  die  von 
Beaürredon  eine  sehr  oberflächliche  Stellen- 
sammlung aus  den  römischen  landwirtschaft- 
lichen Schriftstellern  ist.  Am  ausführlichsten 
sind  die  Abhandlungen  von  Magerstedt,  aber 
unzuverlässig  in  den  Zitaten. 


534 


Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 


Schriften  der  römischen  Landwirte.  Da  die  Landwirtschaft  neben  Kriegs- 
und Staatsdienst  die  einzige  Tätigkeit  war,  die  als  eines  römischen  Bürgers 
würdig  betrachtet  wurde,  und  da,  wie  wir  sehen  werden,  bis  gegen  das 
Ende  der  Republik  hin  viele  Römer  selbst  praktische  Landwirte  waren,  so 
waren  Schriften  darüber  mit  praktischen  Anweisungen  des  allgemeinen  Inter- 
esses sicher,  und  so  haben  hervorragende  Männer,  teils  auf  Grund  ihrer 
eigenen  Erfahrungen,  teils  unter  Benutzung  der  einschlägigen  Litteratur  des 
Auslands1),  Schriften  über  Landwirtschaft  verfaßt.  So  schrieb  der  ältere 
Cato  außer  besonderen,  an  seinen  Sohn  gerichteten  Praecepta  de  agricultura 
unter  dem  gleichen  Titel  das  uns  noch  erhaltene  Buch,  mit  zahlreichen 
Vorschriften  für  Gutsbetrieb  und  Landbau  und  damit  Zusammenhängendes2). 
Hundert  Jahre  später3)  verfaßte  M.  Terentius  Varro  drei  Bücher  Eerum 
rusticarum,  die  wir  noch  fast  vollständig  besitzen4).  In  die  nächste  Zeit 
fallen,  abgesehen  von  den  verlorenen  Schriften  des  Hygin  über  Landbau  und 
Bienenzucht  und  des  Sabinus  Tiro  über  Gartenbau,  Vergils  Georgica  (37 — 30 
v.  Chr.  verfaßt) 5).  In  der  ersten  Kaiserzeit  schrieben  über  den  gleichen  Stoff 
Iulius  Graecinus,  Cornelius  Celsus,  Iulius  Atticus;  in  den  siebziger  Jahren  des 
1.  Jahrhunderts  n.  Chr.  entstanden  die  noch  erhaltenen,  in  vieler  Hinsicht  wert- 
vollen zwölf  Bücher  des  Columella  De  re  rustica6).  Dann  besitzen  wir  noch 
aus  dem  4.  Jahrhundert  des  Palladius  Opus  agricultura  e1)  und  in  griechischer 
Sprache  die  im  10.  Jahrhundert  verfaßten,  aber  auf  eine  Arbeit  des  6.  Jahr- 
hunderts zurückgehenden  Auszüge  aus  landwirtschaftlichen  Schriften  unter 
dem  Namen  Geoponika,  die  im  wesentlichen  römische  Verhältnisse  betreffen8). 
Ehe  wir  aber  daran  gehen,  die  römische  Landwirtschaft  in  der  Art  des 
Gutsbetriebes  und  nach  ihren  verschiedenen  Zweigen  in  Feldbau  und  Vieh- 
zucht zu  schildern,  haben  wir  auf  die  Stellung,  die  sie  im  Leben  des  römischen 
Volkes  einnahm,  und  auf  die  Entwicklung,  die  sie  in  volkswirtschaftlicher 
Hinsicht  im  Laufe  der  Jahrhunderte  durchgemacht  hat,  näher  einzugehen9). 


*)  Namentlich  war  die  agronomische 
Schrift  des  Karthagers  Mago  geschätzt;  sie 
galt  bei  den  griechischen  und  römischen  Land- 
wirten als  maßgebendes  Handbuch  der  ratio- 
nellen Ackerwirtschaft  und  ist  nicht  nur  ins 
Griechische  übersetzt,  sondern  auf  Befehl  des 
römischen  Senats*  auch  in  lateinischer  Bear- 
beitungdenrömischenGutsbesitzern  empfohlen 
worden,  s.  Varro  r.  r.  1 1,10.  Plin.  XV111  22. 

2)  Die  alte  Ausgabe  der  Scriptores  rei 
rusticae  von  Joh.  Gottlob  Schneider,  Leipzig 
1794 — 96,  4  Teile  (in  7  Bänden),  ist  zwar  text- 
lich veraltet,  aber  wegen  ihres  Kommentars 
und  der  Indices  unentbehrlich.  Bereinigten 
Text  und  kritischen  Kommentar  gibt  für  Cato 
und  Varro  die  Ausgabe  von  H.  Keil,  Leipzig 
1884.  Für  Cato  vgl.  noch  den  Aufsatz  von 
H.  Hitzig  Cato  Censorius  als  Landwirt,  in 
Frühlings  Landwirtschaft!.  Zeitung  für  1906 
S.  425  ff.  und  die  oben  erwähnte  Schrift  von 
Gümmerus  S.  15  ff. 

3)  In  die  Zwischenzeit  fallen  noch  ver- 
schiedene nicht  erhaltene  landwirtschaftliche 
Schriftsteller,  wie  Aemilius  Sura,  Saserna 
Vater  und  Sohn,   Tremellius  Scrofa;   vgl.  R. 


Reitzenstein  De  scriptorum  rei  rusticae,  qui 
intercedunt  inter  Catonem  et  Columellam, 
libris  deperditis,  Berlin  1884. 

4)  Ausgaben  s  oben ;  vgl .  Gümmerus a.  a.  0. 
50  ff.  A.  Riecke  M.  Terentius  Varro,  der  rö- 
mische Landwirt,  Stuttgart  1861. 

5)  Vgl.  A.  Bosson  Etudes  agronomiques. 
sur  les  georgiques  de  Virgile,  Paris  1868. 

6)  Bd.  II  1  der  Schneiderschen  Ausgabe; 
einen  zuverlässigen  Text  bietet  die  Ausgabe 
von  V.  Lundstköm,  Upsala  1902  ff.,  die  aber 
noch  unvollendet  ist. 

7)  Bd.  III  der  Schneiderschen  Ausgabe; 
neue  von  J.  C.  Schmitt,  Leipzig  1898. 

8)  Aeltere  Ausgaben  von  Needham,  Cam- 
bridge 1704,  und  Niclas,  Leipzig  1781;  kri- 
tische Ausgabe  von  H.  Beckh,  Leipzig  1895. 

9)  Die  folgende  Darstellung  beruht  für 
die  republikanische  Zeit  durchaus  auf  der 
klassischen  Schilderung  Mommsens  in  seiner 
römischen  Geschichte  (ich  zitiere  nach  der 
10.  Auflage).  Eine  zusammenhängende  Dar- 
stellung dieser  Entwicklung  seit  den  Anfängen 
bis  zum  Ausgang  der  Kaiserzeit  besitzen  wir 
noch  nicht. 


Zweiter  Abschnitt.    Die  Landwirtschaft. 


535 


■ 


teri 
In 


Daß  die  Indogermanen  im  wesentlichen  ein  Hirtenvolk  waren,  ist  eine 
er  durch  die  Sprachvergleichung  festgestellte  Tatsache1),  die  durch  prähistorische 
Funde  bestätigt  wird2);  umstritten  ist  es  dagegen,  ob  man  ihnen  die  Kenntnis 
des  Ackerbaues  zuzuschreiben  hat3).  Auf  alle  Fälle  erscheinen  die  Gräko- 
itei  Italiker  als  ein  Getreide,  wahrscheinlich  auch  Wein  bauendes  Volk  *).  Der 
Ackerbau  ist,  wie  ebenfalls  die  Sprachvergleichung  lehrt,  nicht  erst  durch 
die  Hellenen  nach  Italien  gekommen  (das  zeigt  z.  B.  die  Bezeichnung  des 
Pfluges  und  auch  dessen  Form,  die  in  altgriechischen  und  italischen  Denk- 
mälern die  gleiche  ist).  Die  Tradition  besagte  freilich,  daß  einst  die  ersten 
Bewohner  der  Stätte  des  späteren  Rom  Hirten  gewesen  seien5);  allein  als 
die  palatinische  Stadt  besiedelt  wurde,  da  erscheint  die  Bevölkerung  bereits 
als  Ackerbau  treibend6).  Es  sind  freie  Bauern,  die  um  die  Hügel  herum 
die  Acker  bestellten  und  die  den  Grundstock  der  Bevölkerung  bildeten,  den 
Kern  von  Heer  und  Volksversammlung,  während  allmählich  zu  der  ursprünglich 
bäuerischen  Gemeinde  eine  nicht  landbauende  Bevölkerung  von  Einheimischen 
und  Fremden  trat,  die  sich  mehr  dem  Handel  und  den  Gewerben  zuwandten7). 
Noch  später  erinnerte  der  Brauch,  den  Mauerring  einer  neugegründeten  Stadt 
durch  eine  mit  dem  Pflug  gezogene  Furche  zu  bezeichnen,  daran,  daß  der 
Feldbau  der  Grundpfeiler  aller  italischen  Gemeinden  war;  Weidewirtschaft 
war  zwar  überall,  wo  die  Örtlichkeit  sich  dafür  eignete,  aber  der  Ackerbau 
blieb  doch  immer  die  Hauptsache 8).  Das  war  es,  was  diesem  Beruf,  den 
man  besser  als  Tätigkeit  bezeichnet,  seine  geachtete  Stellung  verschaffte9). 
Noch  in  viel  späterer  Zeit,  als  die  Verhältnisse  sich  längst  verändert  hatten, 
wurde   der  Ackerbau   im  Gegensatz   zu   der  niedrigen   Beschäftigung  des 


J)  Vgl.  0.  Schrader  Sprachvergleichung 
und  Urgeschichte»  II  152  ff.;  216  ff. 

*)  Für  Italien  s.  Helbig  Italiker  in  der 
Poebene  15  f. 

3)  Die  prähistorische  Forschung,  die  Gerste, 
Weizen  und  Hirse  in  den  frühesten  Funden 
nachweist,  nimmt  das  für  die  jüngere  Stein- 
zeit in  Europa  und  im  Nordwesten  Kleinasiens 
an,  und  die  Sprachvergleichung  gibt  ihr  darin 
recht,  s.  M.Much  Die  Heimat  der  Indogerma- 
nen (Berlin  1904)  und  Schrader  a.  a.  0.  185  ff., 
der  danach  den  Ackerbau  der  indogermani- 
schen Urzeit  zuschreibt,  s.  ebd.  201  ff.;  da- 
gegen ist  V.  Hehn  Kulturpfl.  u.  Haustiere6  58  f. 
der  Meinung,  daß  die  Stützen  für  diese  Be- 
hauptung wenig  haltbar  seien,  und  will  nur 
Anfänge  des  Ackerbaus  bei  Rasten  des  No- 
madenlebens zugeben;  ebenso  sagt  Mommsen 
1 16,  man  dürfe  als  wahrscheinlich  annehmen, 
daß  das  indogermanische  Urvolk  den  Acker- 
bau noch  nicht  kannte,  und  als  gewiß,  daß, 
wenn  es  ihn  kannte,  er  doch  noch  in  der 
Volkswirtschaft  eine  durchaus  untergeordnete 
Rolle  spielte. 

4)  Mommsen  18.  Hehn  a.  a.  0.  71  nimmt 
dagegen  an,  daß  der  Weinstock  erst  durch 
die  Griechen  nach  Italien  gebracht  worden 
sei.  Vgl.  auch  Schrader  a.  a.  0.  255. 

5)  Varr.  r.  r.  II 1,  9:  Romanorum  vero  po- 
pulum  a  pastoribus  esse  ortum  quis  non  di- 


elt? Cic.  de  or.  I  9.  37.  Liv.  II  1,  4;  V  53,  9. 
Dion.  Hai.  II  2,  1.  Flor.  I  17  (22),  1.  Auch  die 
Romulussage  bestätigt  das,  vgl.  Dorn-Seiffen 
Vestigia  vitae  nomad.  tarn  in  moribus  quam 
in  legibus  Rom.  conspicua.  Trai.  ad  Rhen.  1819. 
J.  Güidi  Bull,  comun  IX  (1881)  65  ff.  Gilbert 
Gesch.  u.  Topogr.  der  St.  Rom  I  150  ff.  Voigt 
Rom.  Privataltert.  289  A.  2. 

6)  Das  zeigen  die  alten  Bestimmungen 
über  die  feriae,  siehe  Cato  r.  r.  2,  4.  Colum. 
II  21  (22);  XI  1,  20.  Verg.  Geo.  I  268  mit 
Serv. 

7)  Mommsen  45  ff. 

8)  Ebd.  181. 

9)  Cato  r.  r.  pr.  2 :  et  virum  bonum  quom 
laudabant,  ita  laudabant,  bonum  agricolam 
bonumque  colonum.  amplissime  laudari  exi- 
stimabatur  qui  ita  laudabatur.  Varro  r.  r.  II 
pr.  1 :  viri  »tagni  nostri  maiores  non  sine  causa 
praeponebant  rusticos  Romanos  urbanis.  Co- 
lum. I  pr.  10:  super  est  unum  genus  liberale  et 
ingenuum  rei  familiaris  augendae,  quod  ex 
agricolatione  co>tfi>i</it.  Wenn  Sali.  Cat.  4.  1 
den  Ackerbau  (wie  die  Jagd,  s.  oben  S.  514) 
zu  den  servilia  officio  rechnet,  so  denkt  er 
dabei  an  die  praktische  Feldarbeit,  die  da- 
mals der  Gutsbesitzer  schon  längst  nicht  mehr 
ausübte.  So  war  zur  Zeit  Columellas  (I  praef. 
20)  confirmata  iam  vulgaris  c.ristimatio,  rem 
rusticam  sordidum  opus  (esse). 


536 


Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 


Handwerkers  oder  des  Kleinhändlers  als  einzige  eines  echten  Römers  würdige 
Tätigkeit  gepriesen1). 

In  der  Königszeit 2)  lagen  nun  die  Verhältnisse  noch  so,  daß  das  Acker- 
land Eigentum  der  einzelnen  Geschlechtsgenossenschaften  war,  die  es  be- 
stellten und  den  Ertrag  unter  die  zum  Geschlecht  gehörigen  Familien  ver- 1 
teilten3).  Das  Vermögen  des  einzelnen  bestand  also  damals  in  Vieh  und  dem 
Bodennutzungsrecht;  unbewegliches  Eigentum  gab  es  noch  nicht4).  Wann 
die  Verteilung  des  Ackerlandes  an  die  einzelnen  Bürger  stattfand,  ist  nicht 
sicher  zu  bestimmen5);  aber  jedenfalls  geschah  es  schon  in  der  Königszeit, 
denn  die  servianische  Verfassung  hat  sie  zur  Voraussetzung.  Als  sie 
durchgeführt  war,  bestand  die  große  Menge  des  Grundbesitzes  noch  aus 
mittleren  Bauerstellen,  die  einer  Familie  Beschäftigung  gaben6).  Der  Bauer 
selbst  und  seine  Familie,  die  Frau  nicht  ausgeschlossen7),  verrichteten  die 
zum  Feldbau  und  zur  Weide  gehörigen  Arbeiten;  Sklaven  und  freie  Tage- 
löhner waren  damals  zweifellos  noch  selten  und  nur  in  kleiner  Zahl  bei  der 
Arbeit  verwendet,  solange  das  Gut  noch  von  bescheidenem  Umfange  war; 
freilich  war  auch  der  Betrieb  noch  sehr  einfach  und  unvollkommen. 

Allein  durch  diese  Aufteilung  des  Gemeindelandes  bereitete  sich  langsam 
die  Bildung  von  größerem  Grundbesitz  vor.  Unterschiede  in  der  Größe  des 
Besitzstandes  mußten  sich  schon  dadurch  ergeben,  daß  die  Kopfzahl  der 
einzelnen  Geschlechter  ungleich  groß  war,  der  Anteil  der  einzelnen  Familie 
daher  bei  der  Aufteilung  verschieden  ausfiel.  Aber  einen  eigentlichen  Groß- 
betrieb gab  es  doch  noch  nicht;  war  der  Grundbesitz  zu  groß,  als  daß  ihn 
der  Besitzer  selbst  bewirtschaften  konnte,  so  verteilte  er  das  nicht  von  ihm 
selbst  bewirtschaftete  Land  in  kleinen  Parzellen  an  Abhängige,  Freie  oder 
Sklaven,  die  zwar  nicht  eigentliche  Pächter  waren,  da  für  das  Pachtsystem 


')  Cic.  de  off.  I  42,  151:  omnium  autem 
verum,  ex  quibus  aliquid  acquiritur,  nihil  est 
agricultura  melius,  nihil  uberius,  nihil  dulcius, 
nihil  homine  libero  dignius.  Die  ganze  Stelle, 
mit  den  voi  aufgehenden  Bemerkungen  über 
quaestus  illiberales  und  sordidi,  behandelt 
0.  Neurath  Zur  Anschauung  der  Antike  über 
Handel,  Gewerbe  und  Landwirtschaft,  Diss. 
Berlin  1906,  S.  1  ff.,  der  zwar  zu  keiner 
sichern  Entscheidung  kommt,  ob  Cicero  das 
wirklich  so  aufrichtig  gemeint  habe  (S.  26), 
aber  doch  durchblicken  läßt,  daß  es  ihm  mit 
seinem  Hymnus  auf  den  Landbau  nicht  recht 
ernst  gewesen  sei  (vgl.  S.  4).  Allein  Ciceros 
Standpunkt  ist  damals  der  allgemeine:  auf 
anständige  Weise  kann  nur  der  Gutsbesitzer 
Geld  verdienen. 

2)  Vgl.  B.  Büchsenschütz  Bemerkungen 
über  d.  röm.  Volkswirtschaft  der  Königszeit. 
Berlin  1886. 

3)  Mommsen  36  u.  66.  Kubitschek  bei 
P.-W.  I  790.  W .  v.  Qüillfeldt  Altrömisches 
Landwirtschaftsrecht,  Diss.  Heidelberg  o.  J. 
(1909). 

4)  Cic.  rep.  II  9,  16.  Plut.  qu.  Rom.  15 
p.  267  C. 

5)  Die  Tradition  schrieb  es  dem  Numa 
zu,  Cic.  a.  a.  0.  14,  26.  Plut.  a.  a.  0.,  Varro  r.  r. 


I  10,  2  dem  Romulus.  Indessen  unterliegt  die 
Nachricht,  daß  Romulus  jedem  einzelnen  Haus- 
stand zwei  iugera  zugewiesen  habe,  die  here- 
dium  genannt  würden,  weil  sie  in  der  Fa- 
milie vererbt  wurden,  gewichtigen  Bedenken, 
s.  Büchsenschütz  a.  a.  0.  5  ff.  Ueber  den  Zeit- 
punkt der  Auflösung  der  Flurgemeinschaft 
durch  Aufteilung  zu  vollem  Privateigentum 
vgl.  Weber  Röm.  Agrargeschichte  114  ff. 

6)  Die  Zensussätze  der  servianischen  Ver- 
fassung stellen  eine  Skala  des  Minimalbesitzes 
an  Ackerland  von  20,  15,  10,  5  und  2  iugera 
auf.  Mommsen  93  setzt  den  Flächenraum  der 
vollen  römischen  Bauernstelle  nicht  unter 
20  iugera  an.  mit  der  Bemerkung,  daß  schon 
um  275  v.  Chr.  Landlose  von  7  iugera  (Val. 
Max.  IV  3,  5.  Colum.  I  pr.  14.  Plin.'XVlII  18) 
den  Empfängern  klein  schienen.  Dabei  wird 
angenommen,  daß  die  zwei  iugera  als  sog.  here- 
dium  (s.  oben  A.  5)  Gartenland,  nicht  Hufe, 
gewesen  seien,  s.  Mommsen  183  f.  Die  Frage 
ist  sehr  schwer  zu  entscheiden,  vgl.  G.  M.  Ashek 
Festschr.  zur  Versamml.  deutscher  Philolog.  zu 
Heidelberg  (Leipz.  1865)  67  ff.  M.Voigt  Rh.  M. 
XXIV  (1869)  52  ff.;  BSGW  1872,  45:  61;  XII 
Taf.  §  102.  Hültsch  Metrologie2  26  A.  4. 

7)  Vgl.  Hör.  ep.  II  1,  142:  cum  socüs  ope- 
rum,  pueris  et  coniuge  fida. 


Zweiter  Abschnitt.    Die  Landwirtschaft. 


537 


Jl?eie  gesetzlichen  Grundlagen  noch  nicht  geschaffen  waren,  aber  doch  in  einem 
inlichen  Verhältnis  zum  Eigentümer  standen,  der  ihnen  einen  Teil  des 
»*  ruchtertrages  als  Lohn  überließ x).  In  der  Regel  aber  war  in  diesen  älteren 
'*  eiten  der  Gutsbesitzer  auch  selbst  noch  praktischer  Landwirt,  wie  der 
l«-  Weinbauer;  er  war  überall  selbst  mit  tätig,  führte  wohl  auch  eigenhändig 
h  en  Pflug2),  wie  es  Cincinnatus  tat,  Jahrhunderte  später  C.  Atilius  Regulus, 
hh  er  Feldherr  im  ersten  punischen  Kriege 3),  und  der  alte  Cato  in  seiner 
ugend4).  Daher  war  sein  eigentliches  Haus  sein  Landgut;  in  der  Stadt 
ibte  er  nur  vorübergehend,  wenn  ihn  Geschäfte  oder  Bürgerpflichten  dahin 
iefen5).  Auch  auf  dem  größeren  Gute  wurden  zunächst  noch  wenig  Sklaven 
ei  der  ländlichen  Arbeit  beschäftigt,  und  diese  waren  meist  italischer  Her- 
unft,  kriegsgefangene  Etrusker,  Volsker,  Sabiner.  Die  Inhaber  der  Land- 
arzellen  hatten  dabei,  wenn  sie  Sklaven  waren,  die  Möglichkeit,  sich  ein 
leines  Vermögen  und  mit  diesem  die  Freiheit  zu  erwerben.  Nicht  inbegriffen 
1  die  Ackerteilung  war  &ber  das  Weideland  oder  die  Almend;  hier  war  der 
taat  Eigentümer,  der  den  Viehbesitzern  gegen  eine  mäßige  Abgabe  den 
Luftrieb  auf  das  Weideland  gestattete 6).  Doch  spielte  dies  Gemeindeland  in 
er  Volkswirtschaft  damals  noch  keine  große  Rolle,  da  die  ursprüngliche 
iemeindeweide  wohl  nicht  sehr  ausgedehnt  war,  das  neu  eroberte  Land  aber 
rößtenteils  unter  die  Geschlechter  oder  später  unter  die  einzelnen  Bürger 
ls  Ackerland  verteilt  wurde7). 

In  dieser  Weise  lagen  die  Verhältnisse  bis  in  die  republikanische  Zeit 
imein.  Als  aber  in  dieser  die  Trennung  der  Bevölkerung  in  Alt-  und  Neu- 
ürger,  in  Patrizier  und  Plebejer  durchgeführt  wurde,  wurde  dies  für  die 
littelklasse,  den  mittleren  und  kleinen  Grundbesitz,  verhängnisvoll.  An  ihre 
teile  trat  einerseits  die  Herrschaft  der  Großgrundbesitzer  und  Kapitalisten, 
ndrerseits   ein   ackerbauendes   Proletariat.     Wenn   es  früher  vom  Könige 


')  Mommsen  188  f.  Es  ist  dies  das  Ver- 
ältnis,  das  später  precarium  (, Bittbesitz ") 
enannt  wurde,  wobei  jemand  einem  andern 
in  ihm  Gehöriges  bittweise  bis  auf  Wider- 
uf  zum  Eigentum  überläßt;  es  bestand  ur- 
prünglich  nur  bei  unbeweglichen  Dingen, 
v.  Savigny  Das  Recht  des  Besitzes  506  ff. 
)aß  solche  Kleinpacht  seit  ältesten  Zeiten 
n  Italien  üblich  war,  nimmt  Mommsen  Hermes 
[V  (1886)  408  gewiß  mit  Recht  an;  darauf 
leutet  auch  die  Nachricht  bei  loh.  Lyd.  de 
nensib.  IV  144  (nach  L.  Cincius),  daß  der  No- 
ember  jzagä  toT±  Jtalaiois  Mercadinus  geheißen 
labe,  weil  dann  die  /tuo&coroi,  die  Pächter, 
len  Zins  zahlten.    Siehe  Gümmertjs  33. 

2)  Oefters  wird  von  der  alten  Zeit  be- 
nerkt,  daß  die  Konsuln  und  Diktatoren  direkt 
rom  Pfluge  kamen,  s.  Ov.  fast.  I  207.  Pers. 
L,  73.  luv.  2,  74.  Sen.  dial.  X  17,  6. 

s)  Val.  Max.  IV  4,  5  spricht  von  seinen 
•ustico  opere  adtritae  manus,  qiiae  modo  aran- 
ium  boitm  iugum  rexerant,  und  berichtet 
bd.  6,  daß  er  den  Senat  um  einen  Nachfolger 
)at,  da  sein  vilicus  gestorben  sei  und  er  nach 
Eause  müsse:  ne  deserto  agro  non  esset  unde 
txor  ac  liberi  sui  alerentur,  worauf  der  Senat 


beschloß,  daß  sein  Gut  in  Pacht  gegeben 
werden  solle,  vgl.  Plin.  XVIII  39:  qui  mortuo 
vilico  relinquere  victorias  et  reverli  in  rura  siia 
postidabant,  qiiorum  heredia  colenda  suseipiebat 
res  p.,  exercitusque  ducebant  senafit  Ulis  rili- 
cante,  vgl.  Front,  strat.  IV 3, 3  (Sen.  dial.  XII 12. 
5  setzt  an  Stelle  des  vilicus  einen  mercennarnui). 

*)  Plut.  Cat.  mai.  3.  Jene  gute  alte  Zeit 
preisen  Ov.  fast.  III  779  ff.  Colum.  I  pr.  13  ff. 

5)  Mommsen  a.  a.  0. 

•)  Dies  Gemeindeland  hieß  possessio,  Fest. 
233  a.  1.  Digg.L  16.  115;  der  Weidezins  heißt 
scriptura,  daher  das  Weideland  ager  scripta* 
rarius,  Plaut.  Truc.  144.  Varr.  II  1.  16.  Fest. 
333.  16.  Erst  viel  später  (wahrscheinlich  seit 
der  Lex  Cassia  agraria  vom  J.  268  v.  Chr.)  tritt 
dazu  der  ager  compascuus  als  Weideland  für 
die  Plebs,  auch  Staatsland,  das  einer  Weide- 
Gehöferschaft  als  Gemeinweide  verliehen  war 
und  von  den  Weidegenossen  gegen  Entrich- 
tung eines  vectigal  benutzt  wurde,  vgl.  M.  Voigt 
Ueber  die  staatsrechtliche  possessio  und  d*0 
ager  eomptucuu»  der  röm.  Republ .  Leipz.  1887, 
und  andere  Litteratur  ders.  Röm.  Privataltert. 
300  A. 62. 

7)  Mommsen  191. 


538 


Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 


abhing,  wem  er  die  Benutzung  des  Weidelandes  verstatten  wollte  und  wer 
nicht,  so  steht  seit  der  Republik  diese  Nutzung  von  Rechts  wegen  bloß  de: 
Patriziern  zu,  und  die  kleinen  Ackerbesitzer  und  Tagelöhner  werden  nur  aus 
nahmsweise  zugelassen1).  Mehr  und  mehr  werden  die  kleinen  Ackerklienter 
die  vorher  das  Land,  wenn  es  ihnen  auch  nicht  gehörte,  bebauten,  in  dei 
großen  Grundbesitzen,  die  nun  entstehen  und  an  Zahl  zunehmen,  durch  Feld 
sklaven  ersetzt.  Die  schweren  Kriege  mit  ihren  Verwüstungen,  die  un 
erschwinglichen  Kriegssteuern  und  Frondienste  ruinierten  den  kleinen  Mani 
und  machten  ihn  zum  Knechte  seines  Gläubigers.  Die  Kapitalisten  vermehrtei 
auf  diesem  Wege  ihr  Grundeigentum;  und  wenn  sie  auch  bisweilen  dei 
Bauer,  dessen  Person  und  Gut  das  harte  Schuldrecht  ihnen  in  die  Händ< 
gab,  als  eine  Art  Pächter  im  faktischen  Besitz  seines  Grundstücks 
dessen  Ertrag  ihnen  zukam,  beließen,  so  war  doch  die  Lage  diese] 
Bauern  eine  sehr  gedrückte  und  überdies  eine  ganz  unsichere,  da  sie  vor 
der  Gnade  -des  Gläubigers  abhingen  und  jederzeit  von  ihrem  Lande  ver- 
trieben werden  konnten,  sodaß  sie  von  ihrem  Besitz  nichts  als  die  Laster 
trugen 2). 

Gegenüber  diesen  bedrängten  Verhältnissen  der  Bauernschaft  im  5.  Jahr- 
hundert erfolgte  im  nächsten  eine,  freilich  nur  vorübergehende  Besserung, 
Die  licinischen  Gesetze  von  376 — 367  hatten  bekanntlich  das  Maß  des  Vieh- 
standes, das  ein  Bürger  auf  die  Gemeindealmend  auftreiben  durfte,  normiert 
und  weiterhin  festgesetzt,  daß  von  dem  zur  Okkupation  freigegebenen  Do- 
manialland,  dem  oger  publicus,  kein  Bürger  mehr  als  fünfhundert  Joch  in 
Besitz  nehmen  dürfe3).  Freilich  waren  die  Erfolge  dieser  gesetzlichen  Be- 
stimmungen nicht  ganz  die  erhofften4).  Immerhin  haben  sie  den  Kleinbauern 
wesentlich  genützt;  noch  mehr  aber  taten  es  die  politischen  Erfolge  Roms, 
die  sich  immer  mehr  befestigende  Herrschaft  über  Italien.  Dies  hatte  zur 
Folge  die  Kolonisation,  und  diese  wiederum  verschaffte  dem  ackerbauenden 
Proletariat  teils  mehr  Bauerstellen,  teils  durch  den  Abfluß  der  in  die  Kolonien 
Gehenden  den  daheim  Zurückbleibenden  mehr  Luft.  Durch  den  sich  hebenden 
Wohlstand  wurden  dem  Mittelstande  neue  Glieder  zugeführt;  die  steigende 
Bevölkerung  der  Hauptstadt  bedurfte  mehr  Getreide,  das  damals  noch  nicht 
vom  Ausland  kam,  und  das  führte  zur  Vermehrung  des  Ackerbaues.  So  war 
der  Bauernstand  im  4.  Jahrhundert  v.  Chr.  zunächst  in  einer  minder  bedrückten 
Lage,  als  im  ersten  Jahrhundert  der  Republik5),  und  da  die  Gesetzgebung  mit 
ihrer  Bestimmung,  daß  in  der  Volksversammlung  nicht  nach  Köpfen,  sondern 
nach  lokalen  Bezirken  abgestimmt  wurde  und  daß  die  ganze  hauptstädtische 
Bevölkerung  auf  vier  Bezirke  beschränkt  war,  der  ländlichen  Bevölkerung 
das  Übergewicht  verlieh,  so  blieb  der  kleine  Grundbesitz,  solange  die  römische 
Herrschaft  sich  noch  nicht  über  die  Grenzen  Italiens  hinaus  ausdehnte,  der 
entscheidende  Faktor  im  römischen  Staate6).     Große  Güter  im  Sinne  der 


*)  Erst  durch  die  Lex  Licinia  vom  J.  376 
werden  auch  die  Plebejer  zugelassen,  freilich 
nur  mit  bestimmter  Anzahl  Vieh,  s.  App.  b. 
civ.  I  8.  Cato  b.  Gell.  VI  3,  37. 

2)  Mommskn  265  ff. 

3)  Varr.r.r.I2,9.  Liv.VI35,5.  Gell.  XX 
1,  23.  App.  a.  a.  0. 


4)  Es  ist  bekannt,  daß  der  Urheber  der 
Gesetze,  C.  Licinius  Stolo,  selbst  einer  der 
ersten  war,  die  sich  dagegen  vergingen,  Liv. 
VII  16,  9.  Colum.  I  3,  11. 

6)  Mommsen  303  f. 

6)  Fb.  Cauer  in  N.  Jahrb.  für  das  klass. 
Altert.  III  (1899)  694. 


IVli 


Zweiter  Abschnitt.    Die  Landwirtschaft.  RftO 

päteren  Latifundien  scheinen  zunächst  noch  selten  gewesen  zu  sein;   das 
d'  )urchschnittsmaß  war  wohl  die  centuria,  d.  h.  zweihundert  Joch  ')• 

Aber  auf  die  Dauer  konnte  sich  der  kleine  Grundbesitz  nicht  halten. 
te  lochte  auch  der  Besitzer  selbst  mit  seinen  Kindern  und  allenfalls  einigen 
Sklaven  noch  so  fleißig  arbeiten,  so  mußte  doch  fast  immer,  weil  sein  be- 
cheidenes  Ackerland,  sein  kleiner  Viehstand  zu  geringen  Ertrag  lieferten, 
urch  Verschuldung  oder  Verkauf  sein  Gut  in  den  größeren  Grundbesitz  Über- 
ehen. Der  Großgrundbesitzer  konnte  sich  eher  behaupten,  weil  er  wesentlich 
billiger  produzierte  als  der  kleine  Bauer,  zumal  es  immer  mehr  üblich  wurde, 
aß  die  ganze  Arbeit  durch  Sklaven  geschah.  Denn  das  frühere  System, 
kleinere  Parzellen  durch  Pächter  bearbeiten  zu  lassen,  konnte  nicht  bestehen 
leiben;  die  Konkurrenz  mit  dem  billigen,  durch  Sklavenarbeit  produzierten 
izilischen  Korn  zwang  die  italischen  Gutsherrn  nachzufolgen  und  anstatt 
er  freien  Arbeiterfamilien  mit  Sklaven,  die  weder  Weib  noch  Kind  (im 
echtlichen  Sinne)  besaßen,  zu  wirtschaften 2),  obschon  daneben  sowohl  da- 
nals  wie  später  immer  wieder,  wenn  Not  am  Mann  war,  die  Hilfe  freier 
^agelöhner  (pperarii)  in  Anspruch  genommen  werden  mußte8). 

Eine  wesentliche  Ursache  für  die  Entstehung  großer  Güter  war  dann 
las  claudische  Gesetz  (vor  218),  das  den  Senatoren  alle  mit  Spekulation  ver- 
mndenen  Geldgeschäfte  verbot4),  denn  damit  waren  die  Kapitalisten  darauf 
ingewiesen,  ihr  Vermögen  in  Land  anzulegen.  Je  mehr  der  Import  des 
)illigen  Auslandgetreides  den  Ackerbau  erschwerte  oder  an  seine  Stelle  die 
Viehzucht  treten  ließ,  um  so  schwieriger  wurde  für  die  Kleinbauern  die 
Existenz,  um  so  lieber  verkauften  sie  in  ihrer  Bedrängnis  ihre  Grundstücke 
m  die  Kapitalisten;  und  so  entstanden  jene  gewaltigen  Latifundien,  von 
lenen  das  bekannte  Wort  sagt,  daß  sie  Italien  zugrunde  gerichtet  haben6), 
svährend  die  Sklavenherden,  die  sie  bewirtschafteten,  eine  beständige  Gefahr 
für  den  Staat  bildeten.  Auch  mußte  der  Anbau  so  großer  Grundbesitze 
latürlicherweise  stark  leiden,  weil  das  Auge  des  Herrn  nicht  überall  sein 
tonnte.  Denn  auch  wenn  der  Besitzer  nicht  alles  seinen  Untergebenen  über- 
ieß,  sondern  den  Betrieb  seiner  Güter  selbst  leitete,  so  wirtschaftete  er  doch 
licht  eigentlich  selbst,  sondern  lebte  für  gewöhnlich  in  der  Stadt  und  erschien 
uur  von  Zeit  zu  Zeit  auf  dem  Gute,  um  den  Wirtschaftsplan  festzustellen, 
die  Ausführung  zu  überwachen  und  die  Rechnungen  abzunehmen 6).  So  war 
er  imstande,  eine  Anzahl  Güter  gleichzeitig  zu  bewirtschaften  und  dabei 
doch  noch  dem  Staate  gegenüber  seine  Pflichten  als  Soldat  oder  Staatsmann 
zu  erfüllen 7).  Freilich  trat  dabei  der  Feldbau  immer  mehr  in  den  Hinter- 
grund,  denn   dieser   erforderte   häufigere  Anwesenheit  des  Herrn   als  die 


Ursprünglich  soll  jeder  Ansiedler  den 
gleichen  Bodenanteil  von  2  Joch  als  heredium 
erhalten  haben,  und  wie  hundert  Bürgerfami- 
lien eine  centuria  bildeten,  so  wurden  hundert 
bürgerliche  heredia  zu  einer  centuria  zu- 
sammengefaßt, die  also  200  Joch  umfaßte, 
Varro  r.  r.  I  10,  2;  ders.  1.  1.  V  35.  Colum.  V 
1,  7.  Vgl.  Hültsch  Metrol.  85  f.  Kübitschek 
bei  P.-W.  III  1960  f. 

2)  Mommsen  443 ;  838.  Caueb  a.  a.  0.  695. 

3)  Ed.  Meyek  Kl.  Schrift.  151    bemerkt 


mit  Recht,  daß  in  der  römischen  Landwirt- 
schaft die  Sklaverei  niemals,  auch  in  den 
schlimmsten  Zeiten  der  untergehenden  Repu- 
blik, die  Alleinherrschaft  gewonnen  hat. 

*)  Die  Lex  Claudia,  s.  Liv.  XXI 63, 3.  Digg. 
L  5,  3. 

5)  Plin.  XVIII 35:  verum  confitentibus  lati- 
fundia  perdidere  Italiam. 

•)  Gato  2,  1.  Colum.  I  1,  18;  2,  1;  3,  3: 
4,8;  7,6;  8,20;  III  21,4;  XI  3,1. 

7)  Mommsen  831  f. 


540  Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 

Viehzucht,  die  den  Besitzer  nur  wenig  in  Anspruch  nahm;  man  zog  € 
daher  vor,  selbst  gutes  Ackerland  in  Weide  zu  verwandeln,  weil  sich  dies 
unbegrenzt  ausdehnen  ließ1). 

Nun  haben  zwar  in  jener  Zeit,  d.  h.  zwischen  dem  ersten  und  zweite 
punischen  Kriege  und  dann  wieder  zwischen  dem  zweiten  und  dritten,  wieder 
holt  Ackerverteilungen  und  damit  Gründungen  neuer  Bauernhufe  stattgefunden 
es  war  namentlich  der  alte  Cato,  der  im  Hinblick  auf  die  Verwüstung  Italien 
durch  den  hannibalischen  Krieg  und  auf  das  immer  zunehmende  Schwinden  de 
kleinen  Bauerngüter  und  der  freien  italischen  Landbevölkerung  zur  Sanierung 
der  volkswirtschaftlichen  Verhältnisse  Ackerverteilungen  gefordert  und  wenig 
stens  teilweise  auch  durchgeführt  hat2).  Aber  wenn  schon  diese  Land 
anweisungen  nicht  in  dem  Maße  erfolgt  waren,  wie  es  notwendig  war,  un 
das  Schwinden  des  italischen  Kleinbesitzes  einzudämmen,  so  hörten  aucl 
sie  um  die  Mitte  des  2.  Jahrhunderts  v.  Chr.  vollständig  auf.  Denn  neue; 
Gebiet  auf  italischem  Boden  gab  es  nicht  zu  verteilen,  da  das  Domaniallanc 
im  patrizischen  Besitz  war,  und  Land  außerhalb  Italiens  wollte  man  au; 
politischen  Rücksichten  nicht  so  verwenden.  So  schwanden  die  kleinen  Guts- 
besitzer, von  den  Kapitalisten  ausgekauft  oder  vertrieben,  immer  mehr;  das 
Heer  der  Sklaven  nahm  beständig  zu,  die  freien  Bauern  immer  mehr  ab 3) 
Auf  solche  Art  bereiteten  sich  die  sozialen  Kämpfe  vor,  die  durch  den  Namer 
der  Gracchen  berühmt  geworden  sind.  Durch  die  Landverteilungen,  derer 
Urheber  Tiberius  Gracchus  war  und  an  denen  nach  dessen  Tode  sein  Bruder 
Gaius  bedeutenden  Anteil  hatte,  wurde  nun  die  Zahl  der  kleinen  Grund- 
besitzer wieder  erheblich  vermehrt4).  Allein  die  nach  dem  Tode  des  jüngerer 
Gracchus  eintretende  Reaktion  machte  diesen  Bestrebungen  zur  Hebung  des 
Bauernstandes  ein  schnelles  Ende.  Die  Aristokratie  kaufte  sehr  bald  wieder 
die  Kleinbesitzer  aus  oder  trieb  sie  selbst  mit  Gewalt  von  ihren  Hufen5), 
Nicht  bloß  in  Italien,  sondern  auch  in  den  Provinzen  zehrte  das  römische 
Kapital  den  kleinen  Grundbesitz  auf,  und  obschon  Sulla  120000  Kolonister 
in  Italien  ansiedelte6),  konnte  doch  auch  dies  den  völligen  Ruin  der  selb- 
ständigen Bauernschaft  nicht  aufhalten7).  Die  auf  dem  geraubten  Boden 
angesiedelten  Veteranen  konnten  nicht  den  Stamm  eines  neuen  Bauernstandes 
abgeben,  weil  die  mühselige  Arbeit  des  Landmanns  zu  wenig  nach  ihren 
Sinne  war  und  es  ihnen  viel  bequemer  erschien,  rhr  Gut  zu  verkaufen  und 
den  Erlös  in  der  Stadt  durchzubringen8).  Und  so  finden  wir  denn  geger 
den  Ausgang  der  Republik  hin  die  Landwirtschaft  als  vollständige  Plantagen- 

»)  Ebd.  842  f.  E.  Meyer  a.  a.  O.  155.  Cato  2)  Mommsen  818. 

antwortete  auf  die  Frage,  welche  Wirtschaft  >  3)  Ebd.  II  80  f. 

am  meisten  eintrüge:  ,bene  pascere' .  quid  se-  !  4)  Die  Schätzung  des  Jahres  131   ergal 

cundum?  ,satis  bene  pascere'.  quid  tertium?  j  319000  waffenfähige  Bürger,  die  des  Jahres 

finale  pascere'.  quid  quartum? ,  arare',  s.  Cic.de  j  125  dagegen  395000,  also  76000  mehr,  was 


off.  II  25,  89 ;  in  etwas  abweichender  Fassung 
Plin.  XVIII 29.  Colum.VI  pr.  4.  Strab.VIp  273 
bemerkt  von  Sizilien,  daß  die  Römer  infolge 
der  Verödung  des  Landes  die  Gebirge  und 
den  größeren  Teil  der  Ebenen  iJino<pogßoTg  xal 
ßovxoXoig  xal  noi/xiai  gegeben,  also  zur  Pferde- 
zucht und  zur  Weide  für  Groß-  und  Kleinvieh 
benutzt  hätten.  So  wurde  auch  in  dieser  einst 
so  kornreichen  Insel  der  Ackerbau  ruiniert. 


jedenfalls  eine  Folge  der  Einziehung  und  Auf 
teilung  des  okkupierten  Domaniallandes  war 
s.  Mommsen  II  98. 

5)  Ebd.  132. 

6)  Appian.  b.  civ.  I  104. 

7)  Mommsen  344;  392  f.  Varro  r.r.  1 17,2 
spricht  von  den  pauperculi,  die  das  Land  cum 
sua  progenie  bebauen. 

8)  Caüer  a.  a.  O.  696. 


Um 


Zweiter  Abschnitt.    Die  Landwirtschaft.  541 

ö?  e Wirtschaft :  Großbetrieb  durch  Sklaven;  nur  an  wenigen  Stellen  in  den  Tai.  in 

dies  ier  Apenninen  und  Abruzzen  hatte  sich  noch  kleiner  Grundbesitz  erhalten  '  i. 

und  ein  solcher  ist  es,  den  sich  Tibull,  dieser  Freund  des  Landlebens,  wünscht 

ftitei  und  dessen  Annehmlichkeiten  er  so  lebhaft  preist.    Die  meisten  Römer  von 

Mer  Stande  aber  waren  nun  Großgrundbesitzer,  und  die  besten  darunter  Leute, 

ieniie  ihre  Wirtschaft  selbst  betrieben  und  auf  alte  Zucht  und  Sitte  hielten»), 

im  Gegensatz  zu  denen,   die  nur  die  Einkünfte  aus  ihren  Gütern  bezogen 

nde  und  sich  wenig  darum  kümmerten,  ob  ihre  Untergebenen  sie  betrogen  oder 

?run(ien  Boden  ruinierten,  im  Gegensatz  auch  zu  der  kosmopolitisch  angehauchten 

öiigimd  sittlich  verdorbenen  Aristokratie  der  Hauptstadt3). 

-and-         In  die  letzten  Jahre  der  Republik  fallen  die  Bestrebungen  Cäsars,  dem 

,  ui  Endlichen  Proletariat  soviel  als  möglich  aufzuhelfen.  So  legte  er  den  italischen 

aucl  Viehzüchtern  auf,  wenigstens  den  dritten  Teil  ihrer  Hirten  aus  freigeborenen 

eues  erwachsenen  Leuten  zu  nehmen,  wodurch  dem  freien  Proletariat  eine  neue 

Jan  Erwerbsquelle  eröffnet  wurde4);    das  Domanialland  wurde  unter  Schonung 

am  aller  berechtigten  Privatansprüche,  soweit  es  sich  zum  Ackerbau  eignete, 

tot»  Bur  Verteilung  bestimmt;  Cäsar  wollte  sogar,  falls  diese  Domänen  nicht  aus- 

das  reichen  würden,  das  erforderliche  Land  durch  Ankauf  italischer  Grundstücke 

¥),  aus  der  Staatskasse  beschaffen5).  Bei  der  Auswahl  der  neuen  Bauern  wurden 

men  vornehmlich   die  Veteranen   berücksichtigt;   die  Vorschrift,   daß  die  neuen 

m  Eigentümer  erst  nach  zwanzig  Jahren  befugt  sein  sollten,  die  empfangenen 

idei  Ländereien  zu  veräußern,  sollte  verhindern,  daß,  wie  es  bei  früheren  Acker- 

ind-  Verteilungen  sehr  gewöhnlich  gewesen  war,  der  größte  Teil  des  verteilten 

rei  Landes  rasch  wieder  in  die  Hände  der  Großkapitalisten  zurückwanderte6). 

Allein  weder  Cäsars  noch  Augustus'  Maßregeln,   durch   die   die   verödeten 

Strecken  Italiens   neu   besiedelt,   die  westlichen  Provinzen  der  Kultur  und 

der  Niederlassung  römischer  Bürger  erschlossen  wurden,  vermochten  dem 

Bauernstand  zu  neuem,  frischem  Leben  zu  verhelfen.    Dieselben  Kräfte,  die 

der  freien  Arbeit  bis  dahin  so  verderblich  geworden  waren,  wirkten  fort: 

die  Ländergier  des  Kapitals  und  die  Sklavenwirtschaft7).    Immer  von  neuem 

kauften  die  Kapitalisten  die  kleinen  Güter  auf  und  legten   sie   zu   großen 

Grundherrschaften  zusammen8).    Daher  die  beständig  sich  wiederholenden 


Mommsen  III 517.  Ders.  hat  im  Hermes       Pat.  II  44,  4.  Dio  Cass.  XVIII  1. 


XIX  (1884)  393  ff.  aus  den  tabulae  alimentariae 
nachgewiesen,  daß  die  Zahl  der  kleinen  Grund- 
besitzer seit  der  Zeit  der  Tiiumvirn  bis  auf 
Traian  in  beständiger  Abnahme  war. 

*)  Mommsen  III  521  f.  führt  als  Beispiel 
eines  solchen  ehrenfesten  Landedelmanns  den 
S.  Roscius  von  Ameria  an,  den  Vater  des  von 
Cicero  verteidigten  S.  Roscius;  derselbe  besaß 
13  Landgüter,  sein  Vermögen  wurde  auf  6  Mil- 
lionen Sesterzen  veranschlagt,  vgl.  Cic.  pro 
Rose.  Am.  2,6;  7,20. 

3)  Colum.  I  pr.  15  führt  es  bereits  als  Aus- 
spruch Varros  an :  omnes  enim  patres f am  Mae 
falce  et  aratro  relictis  intra  muros  correpsi- 
mus  et  in  circis  potius  ac  theatris,  quam  in 
segetibus  et  vinetis  manus  movemus. 

4)  Suet.  Caes.  42. 

B)  Suet.  Caes.  20.  App.  b.  civ.  II  10.  Vell. 


Mommsen  III  538  f. 

7j  Caueb  a.  a.  0.  697. 

8)  Hör.  caim.  II  18,  23  ff.  Colum.  I  3. 12. 
Sen.  de  benef.  VII  10,  5;  ep.  87.  7;  89.  20;  90, 
38  ff.  Lucan.  I  167  ff.  Der  jüngere  Plinius  gibt 
ep.  ad  Trai.  8,  5  seinen  Besitz  in  eadem  rtgü NM 
auf  mehr  als  400  Joch  an,  besaß  also  jeden- 
falls weit  mehr;  C.  Caecilius  Isidorus,  ein  Frei- 
gelassener des  Gaius.  hinterließ  nach  Plin. 
XXXIII  135  testamentarisch  4116  Sklaven, 
3600  Joch  Rinder.  257  000  Stück  sonstiges  Vieh ; 
bei  Vopisc.  Aurel.  10,2  wird  eine  Villa  rtttHot 
mit  500  Sklaven,  2000  Rindern,  1000  Pferden, 
10000  Schafen  und  15000  Ziegen  erwähnt. 
Die  größten  Latifundien  fanden  sich  in  Afrika, 
vgl.  Petron.  117,8;  zurZeitNeros  besaßen  sechs 
Grundbesitzer  die  Hälfte  der  ganzen  Provinz, 
Plin.XVIIl  35.  In  der  Kaiserzeit  wurden  solche 


542 


Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 


Klagen  über  den  Verfall  der  Landwirtschaft1)  und  über  die  Verödung  d» 
Landes,  indem  immer  unbebautes  Land  in  Masse  vorhanden  war,  das  de 
Veteranen  assigniert  wurde,  ohne  daß  dadurch  die  Verhältnisse  sich  besserten5 
Während  so  die  kleinen  Bauern   fast   ganz  verschwanden,   die  Arbe 
teils  in  den  Händen  der  Sklaven,   teils  in  denen  schlecht  bezahlter  Tag« 
löhner  lag,   bildete  sich  als  eigene  Klasse  besitzloser  und  dabei  persönlic 
freier  Ackerbürger  der  Stand   der  coloni,   d.  h.  der  bäuerlichen  Pächter3 
Ursprünglich  ist  colonus  nur  ganz  allgemein  der  freie  Mann,  der  selbst  i 
Person  den  Acker  bebaut4),  der  sein  Eigentum  ist5);  als  aber  gegen  Aus 
gang  der  Republik,  wie  wir  sahen,  die  Bauernhöfe  immer  mehr  in  den  Grof 
grundbesitz  übergingen,  da  bekommt  das  Wort  die  Bedeutung  eines  Freiei 
der  in  Person  den  Acker,  der  ihm  nicht  gehört,  bebaut,  also  des  Pächters6 
und  bald  verallgemeinert  sich  die  Bedeutung  dahin,  daß  auch  Pächter,  die  nict 
selbst  mit  Hand  anlegen,  so  genannt  werden7).    Diese  Art,  die  Güter  durc 
Kleinpächter  bewirtschaften  zu  lassen,   geht  in  ihren  Anfängen  bereits  i 
die  republikanische  Zeit  zurück:  die  Parzellenpacht  scheint  seit  Cato  in  dei 
Betriebssystem  der  Römer  immer  mehr  Boden  gewonnen  zu  haben8),  un 
sie  kam  dann  im  ersten  Jahrhundert  der  Kaiserzeit  noch  mehr  in  Aufnahme 
zurückgeführt  wird  diese  Erscheinung  darauf,    daß  um  jene  Zeit  Sklaven 
mangel  eingetreten  sei9).     Schon   in  den  letzten  Zeiten  der  Republik  wa 
eine  Zeitlang  durch  die  Sklavenkriege  und  die  massenhaften  Hinrichtunge: 
Sklavenmangel  eingetreten,  sodaß  bereits  um  49  v.  Chr.  die  Kleinpacht  i; 
Italien  sehr  ausgebreitet  war10).    Durch  die  Kriege  Cäsars  und  Augustus 


große  Latifundien  saltus  genannt,  was  ur- 
sprünglich eine  Alm  bedeutete  (Varro  1.  1.  V 
36).  vgl.  Digg.  XI  4, 1. 1.  CIL  III536;  VIII  567; 
8525  u.  s.  Vgl.  Schulten  Die  römischen  Grund- 
herrschaften, in  der  Zeitschrift  für  Sozial- 
und  Wirtschaftsgeschichte  III  (1895)  149  ff.; 
297  ff. 

!)  Vgl.  Colum.  I  praef.  1  ff. 

2)  Tac.  ann.  XIV  27;  vgl.  E.  Meyer  Kl. 
Sehr.  152. 

3)  Vgl.  hierüber  Savigny  Verm.  Schrift. 
II 1  ff.  ZuMPTRh.  Mus  N.  F.  III  (1845)  lff.  Rod- 
bertus  Zur  Geschichte  d  agrar.  Entwicklung 
Roms  unter  den  Kaisern  oder  die  Adscripti- 
tier,  Inquilinen  und  Colonen,  in  den  Jahrb.  f. 
Nationalökon.  u.  Statistik  II  (1864)  206  ff.  Ter- 
rat  Sur  le  colonat.  Paris  1872.  Petitbien  Sur 
le  colonat,  Nancy  1878.  B  Heisterbergk  Die 
Entstehung  des  Kolonats,  Leipz.  1876.  G.  Bois 
Du  colonat  en  droit  romain.  Paris  1883.  G.  Hum- 
bert bei  D.-S.  I  1322  ff.  R.  A.  le  Bourdelles 
Du  colonat,  Rennes  1883  H.  Campana  Sur  le 
colonat  et  le  servage.  Bordeaux  1883.  M  Weber 
Agrargeschichte232ff  Schulten  H ist.  Zeitschr. 
LXXVIII  (1897)  1  ff.  B  Kübleb  in  der  Fest- 
schrift für  Vahlen  (Berlin  1900)  559  ff.  Seeck 
bei  P  - W.  IV  483  ff.  Gummerus  82  ff  M.  Rostow- 
zew  Studien  z.  Gesch  d.  römischen  Kolonats 
(1.  Beiheft  z.  Archiv  f  Papyrusforschung,  her. 
v.  Ulr.  Wilcken),  Leipz.  1910. 

*)  Cato  pr.  2.  Cic.  de  or.  II  71,  287.  Ov. 
fast.  II  646;  IV  692. 


5)  Cato  1,  4.  Varro  1 16,  4;  II  pr.  5.  Ver§ 
ecl.  9,  4. 

6)  In  dieser  Bedeutung  zuerst  Cic.  pr 
Caec.  32.  94. 

7)  Colum.  I  7,  3.  Plin.  XVIII  38:  praeter 
quam  subole  sua  colono  auf  pascendis  alle 
qui  colente.  Wie  Seeck  a.  a.  0.  486  bemerki 
fließen  in  den  Digesten  conduetor  und  colonu 
ganz  ineinander,  während  man  in  Afrika  un 
wahrscheinlich  auch  in  den  andern  Provinze 
mit  conduetor  den  Großpächter,  mit  colonu 
den  Kleinpächter  bezeichnet  und  beide  schal 
voneinander  sondert ;  vgl.  CIL  VIII 10570,  II  IC 
ebd.  III  7, 20;  ebd.  29. 

8)  Colum.  17,4  erwähnt,  daß  schon  Sf 
serna  die  Frage  behandelte,  ob  es  für  de 
Gutsbesitzer  vorteilhafter  sei.  das  Gut  a 
coloni  zu  verpachten  oder  selbst  zu  bewir 
schatten,  wobei  er  zu  dem  Resultat  gekomme 
zu  sein  scheint,  daß  die  Parzellenpacht  de 
Großpacht  vorzuziehen  sei;  s.  Gummekus  6' 
Es  kam  auch  vor,  daß  einzelne  Teile  de 
landwirtschaftlichen  Betriebes  verpachtet  wu 
den;  so  nach  Varro  I  38,  2  die  Aviarien. 

9)  Vgl.  Weber  Agrargesch.  242.  Seec 
a.a.O.  486;  ders  Gesch.  des  Untergangs  de 
antiken  Welt*  I  877. 

10)  Nach  Caes.  b.  civ.  I  34  bemannt  D< 
mitius  sieben  Schnellsegler  mitseinen  Sklavei 
Freigelassenen  und  Kolonen;  ebd.  56  nimn 
er  zur  Schiffsmannschaft  seine  coloni  pastt 
resque. 


Zweiter  Abschnitt.    Die  Landwirtschaft. 


r,43 


Höjam  dann  freilich  aufs  neue  Zufluß  von  Sklavenmaterial  auf  den  Markt1); 
f^iber  der  Friede,  den  Augustus   schloß,   und   seine  Zurückhaltung  in   aus- 
ländischen Kriegen  bewirkte,  daß  die  Sklavenzufuhr  nicht  mehr  ausreichte8) 
id  daher  die  Kleinpacht  sich  mehr  ausdehnte.    Sie  wird  daher  in  jener  und 
i   folgenden  Zeit  häufig  erwähnt3).    Daneben  wurde  es  gebräuchlich,  daß 
3a'iclnan  Sklaven  wie  colonl  behandelte,  d.  h.  ihnen  Landparzellen  zur  freien  Be- 
arbeitung übergab  und  dafür  eine  feste  Pachtsumme  von  ihnen  beanspruchte*). 
Die  Pachtzeit  betrug  in  der  Regel  fünf  Jahre6)  und  galt  nach  Ablauf 
-  ser  Frist,  wenn  keine  Kündigung  erfolgte,  stillschweigend  als  verlängert6). 
bezahlt  wurde  die  Pacht  in  der  Regel   in  Geld7),   doch   kommen   daneben 
reid  tuch  Naturalleistungen  vor,  indem  der  Gutsherr  einen  Teil  der  Pacht  oder 
erä')las  Ganze   in   Fruchtertrag   bezog8).     Die   einzelnen  Bedingungen   wurden 
nicb wohl  immer  durch  einen  schriftlichen  Kontrakt  fixiert9).    Der  Eigentümer 
lurcj  ieferte  dem  Pächter  außer  dem  Grund  und  Boden  das  Wohnhaus  (villa)  und 
tsiilas  instrumentum,  zu  dem  die  Ol- und  Weinfässer,  die  landwirtschaftlichen 
den  Maschinen  (die  Ölpresse  u.  dgl.)  gehörten10),  und  endlich  auch  die  Sklaven,  mit 
uni  Jenen  der  colonus  zu  arbeiten  hatte11);  alles  übrige  hatte  dieser  zu  beschaffen. 
Die  Stellung  dieser  coloni  war  freilich  eine  sehr  bescheidene12),  zumal 
dem  Eigentümer  gegenüber  eine  sehr  prekäre  war,  da  ihn  dieser  jederzeit 


na 


)  Varro  spricht  nicht  vom  Kolonat  als 
'stacht,  und  daraus  schließt  Seeck  Unterg.  d. 
ji  int. Welt  I  365  (vgl.  P.-W.  a.  a.  0 .),  daß  damals 
Oeinpacht  wenn  auch  nicht  ganz  fehlte,  so 
loch  noch  ziemlich  selten  war;  andrer  An- 
sicht ist  Gümmerüs,  der  S.  64  f.  darzulegen 
sucht,  weshalb  Varro  in  seiner  Aufzählung 
äer  verschiedenen  Landarbeiterkategorien  den 
Kleinpächter  nicht  erwähnt  hat. 

*)  IvÜBLERa.a  0.566  ff  weistnach.  daß  die 
Preise  der  Sklaven  in  der  Kaiserzeit  gestiegen 
waren,  und  er  bespricht  579  f.  die  verschiedenen 
Ursachen,  die  dabei  in  Betracht  kamen. 

s)  Hör.  ep.  1 14,  2  f.  Lucan.  I  170.  Sen.  ep. 
,  12;  114,  26;  123,  2.  Mart  I  17,  3;  II 19,  9; 
VI  73,  1 ;  VII  31,  9  u  ö.    Auch  für  Aegypten 
j erweisen  Ostraka  und  Papyri  Aehnliches.  Die 
."fj  kleinen    Parzellenbesitzer    bearbeiteten    ihre 
jAecker  nicht  mit  Sklaven,  sondern  mit  Hilfe 
ihrer  Familien  und  bei  dringenden  Arbeiten 
;^init  freien  Tagelöhnern  (s  u.);  vielfach  aber 
|haben  sie  die  Wirtschaft  an  Pächter  abgegeben, 
die  dann  ihrerseits  das  Land  bearbeiten  oder 
auch  wiederum  teilweise  an  Afterpächter  ab- 
geben. s.Wilcken  Griech.  Ostraka  1  698. 

4)  Digg.  XXXIII  7,  12,  3:  quaeritur,  an 
terms,  qui  quasi  colonus  in  agro  erat,  instru- 
menta leqato  contineatur;  ebd.  20,  1 ;  vgl.  XV 
3,  16:  XXXIII  7,  18,4.  Daß  aber  Rodbebtüs 
a.  a.  0.  225  daraus  mit  Unrecht  geschlossen 
hat,  daß  Sklaven  wirklich  coloni  waren  und 
so  hießen,  bemerkt  Kübleb  563,  vgl.  Heisteb- 
bebgk  a  a.  0.  83;  wohl  aber  hat  colonus  auch 
dieallgemeine  Bedeutungeines  Ackerknechtes, 
so  z.  B.  Sen.  ep  114  26:  quot  milia  colonorum 
arent,fodiant;vg\.  123.2.  Tib.  II  1.23;  5,83u.s. 

5)  Plin.ep.IX37,2.  Digg.  XII  1,4, 1;  XIX 
2,  24,  2  u.  s. 


6)  Digg.  XIX  2, 13,  11;  ebd.  14.  Cod.Iust. 
IV  65, 16. 

7)  Colum.  I  7,  2;  auch  die  Juristen  kennen 
bloß  die  merces,  s.  Kübler  581  A.  1. 

8)  Tac.Germ  25.  Mart.VIl  31.9;XIII  121 ; 
in  den  Digesten  bloß  XIX  2,  25,  6  und  XLVII 
2.  26, 1  erwähnt.  Das  heißt  partibus  locare, 
Plin.  ep.  IX  37,  3.  Die  Naturalleistungen 
(z.  B.  Holz)  heißen  accessiones.  Colum.  I  7.  2. 
Vgl.  Mart.  III  58,  39:  et  dona  matrutn  vimine 
offerunt  texto  \  grandes  proborum  virgines  co- 
lonorum; das  sind  also  freiwillige  Gaben,  auch 
X  87,  17.  Ohne  Erlaubnis  des  colonus  hatte 
der  Besitzer  kein  Anrecht  an  die  Ernte,  8. 
Sen.  de  benef.  VII  5,  2;  nee  fruetus  tanges  co- 
lono  tuo  prohibente,  quamvis  tua  in  possessione 
nascantw. 

9)  Sen.  de  benef.  VI  4,  4:  colonum  suum 
non  tenet  quamvis  tabellis  manentibus,  qui 
segetem  eius  conculeavit,  qui  sueeidit  arbusta. 

'»)  Digg.  XIX2,3;  ebd.  19,2;  XXXIII  7,24. 

n)  Die  Sklaven  gehören  zum  tnttrumttt- 
tum  des  fundus.  Plin  ep  III  19,7.  Digg.  XIX 
2,  54,  2;  vgl.  Mommsen  im  Hermes  XIX  (1884) 
411.  Sklaven  als  Arbeiter  der  coloni  Digg.  IX 
2,  27.  9  u.  1 1 ;  XIX  2,  30,  4.  Cod.  Iust.  IV  51,  4. 

u)  Mart.  IV  56. 11  nennt  den  colonus  ,lu- 
rus,  wohl  im  Hinblick  auf  seine  rauhe  Arbeit; 
auch  war  danach  die  Frau  des  Pächters  vor 
den  Nachstellungen  des  Hausherrn  nicht  sicher. 
Auf  sein  rauhes  Aeußere  spielt  ebd.  XII  59.  5: 
hircoso  premit  osculo  colonus  an.  Vgl.  Hör. 
carm.  I  35.  5:  pauper  ruris  colonus;  II  14, 12: 
inopes  coloni.  CIL  X  5659:  colonus.  fttuptr 
fuit  aequo  animo.  Immerhin  konnte  sich  ein 
fleißiger  und  sparsamer  colonus  ein  kleines 
Vermögen  erwerben,  wie  der  Ofellus  des  Horaz, 
sat.112, 114  ff. 


544 


Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 


von  seinem  Fundus  vertreiben  konnte,  wogegen  dem  Benachteiligten  zwa| 
eine  Klage  auf  Geldentschädigung,  aber  keine  auf  Wiedereinsetzung  in  dei ! 
Fundus  zustand 1).  Freilich  empfiehlt  Columella  dem  Eigentümer,  die  colonl 
gut  zu  behandeln,  mehr  auf  ihre  Arbeit  als  auf  den  Pachtzins  (die  pensio  j 
Wert  zu  legen,  weil  ein  Pächter,  der  gute  Ernten  hat,  keinen  Pachterlai 
zu  verlangen  braucht2);  auch  solle  der  Herr  nicht  zu  starr  auf  seinem  Rechl 
bestehen  und  nicht  zu  peinlich  an  den  Terminen  der  Zinszahlung  festhalten 
noch  kleinlich  sein  im  Eintreiben  der  Naturalleistungen3).  Da  die  colonl 
recht  häufig  nicht  imstande  waren,  die  Pachtsumme  pünktlich  und  voll  zil 
bezahlen,  so  hatte  der  Gutsherr  den  colonus,  der  ihm  ursprünglich  nichi 
rechtsunterworfen  war,  faktisch  oft  ganz  in  seiner  Gewalt;  der  colonus  war 
wenn  er  verschuldet  war,  wie  ein  Sklave  an  das  Gut  gebunden,  bis  er  seim 
Schuld  samt  Zinsen  und  Zinzeszinsen  dem  Gutsherrn  entrichtet  hatte,  uno 
er  blieb  es,  auch  wenn  der  Gutsherr  starb,  dem  Erben,  wenn  das  Gut  ver- 
kauft wurde,  dem  neuen  Eigentümer  gegenüber4).  Es  ist  daher  begreiflich, 
daß  der  colonus  von  Juristen  häufig  mit  den  Sklaven  oder  dem  ebenfalls 
unfreien  vilicus  oder  actor  auf  eine  Stufe  gestellt  wird5).  Freilich  war  das 
Material,  aus  dem  sich  die  coloni  rekrutierten,  nicht  gerade  das  beste6):  sie 
waren  oft  trag  und  liederlich,  bauten  das  Land  schlecht  an,  ruinierten  durch 
Vernachlässigung  Wein-  und  Baumpflanzungen  usw.7);  daher  bedurften  sie 
beständiger  Aufsicht8).  Da  sie,  wie  erwähnt,  vielfach  in  Schulden  gerieten 
und  aus  irgend  welchem  Grunde,  wegen  Mißwachs,  Brandunglück,  Raub  u.  dgl., 
Pachtnachlässe  begehrten9),  der  Gutsherr  aber,  selbst  wenn  er  sich  durch 
Exekution  an  ihrem  mitgebrachten  Inventar  schadlos  hielt,  kaum  zu  seinen 
Forderungen  kam10),  so  waren  im  ganzen  in  Italien  die  Großgrundbesitzer 
ebenso   schlecht   daran,   wie   ihre  Pächter11).     So   ist   es   begreiflich,   daß 


')  Küblee  583. 

2)  Colum.  17,1:  comiter  agat  cum  colonis 
facilemque  se  praebeat.  avarius  opus  exigat 
quam  pensiones,  quoniam  et  minus  id  offendit 
et  tarnen  in  Universum  magis  prodest.  nam  ubi 
sedulo  colitur  ager,  plerumque  compendium, 
numquam  (nisi  si  caeli  maior  vis  aut  praedonis 
incessit)  detrimentum  affert,  eoque  remissionem 
colonus  petere  non  audet.  Daß  bei  avarius 
opus  exigat  quam  pensiones  nicht  mit  Webee 
Agrargesch.  245  an  Scharwerk  der  coloni,  son- 
dern an  die  gute  Bestellung  ihrer  Parzellen 
zu  denken  ist,  setzt  Gummebus  85  richtig  aus- 
einander. Nach  dem  Col.  a.  a.  0.  3  mitgeteilten 
Ausspruch  des  L.  Volusius  wäre  das  Gut  am 
besten  dran,  das  coloni  indigenae  habe. 

3)  Col.  a.  a.  0.  2:  sed  nee  dominus  in  una- 
quaque  re,  cum  colonum  obligaverit,  tenax  esse 
iuris  sui  debet,  sicut  in  diebus  peeuniarum, 
ut  lignis  et  ceteris  parvis  accessionibus  exigen- 
dis,  quarum  cura  maior em  molestiam  quam 
impensam  rusticis  affert. 

4)  Küblee  587  f.  Es  werden  auch  Pfänder 
und  Bürgschaften  für  richtige  Pachtzahlung 
erwähnt,  Digg.  XIX  2, 13. 11;  XX  1,21;  ebd. 
6, 14  u.  s.;  vgl.  Seeck  bei  P.-W.  489. 

5)  Kübleb  584  A.  7. 

6)  Seeck  a.  a.  0.  487  f. 


7)  Mark  1111,9.  Digg.  XIX  2,  25,  3.  Die 
Sklaven  ruinierten  freilich,  wenn  der  Herr 
nicht  aufpaßte,  noch  viel  mehr.  Colum.  I  7,  6. 

8)  Plin.  ep  IX  37, 3.  Seeck  488  zieht  auch 
Colum.  XI  1,  14  hierher,  wonach  der  vilicus 
die  Arbeit  der  Pächter  zu  beaufsichtigen  hatte; 
doch  bemerkt  Gummebus  84  wohl  mit  Recht, 
daß  hier  coloni  schlechthin  rustici  sind,  wie 
es  Columella  auch  sonst  oft  gebraucht,  s.  die 
Stellen  ebd.  83  A.  2  und  oben  S.  542. 

9)  Plin.  a.  a.  0.  2.  Colum.  I  7, 2.  Digg.  XIX 
2, 15,  3  u.  5.  Nach  Colum.  a.  a.  0.  4  sagte  Sa- 
serna:  ab  eiusmodi  homine  (nämlich  einem 
schlechten  colonus)  fere  pro  mercede  litem  red' 
di.  Und  so  sagt  auch  Pallad.  I  6,6:  domino 
vel  colono  confini  a  possidenti  qui  fundum  vM 
agrum  suum  locat,  damnis  suis  ac  litibus  studea 

10)  Vgl.  Plin.  ep.  III  19,  6:  sed  haec  felicn 
tas  terrae  inbecillis  eultoribus  fatigatur.  nam 
possessor  prior  saepius  vendidit  pignora,  A 
dum  reliqua  colonorum  minuit  ad  tempus,  vires 
in  posterum  exhausit,  quarum  defectione  rur- 
sus  reliqua  creverunt.  Die  reliqua  colonorum 
sind  die  restierenden  Pachtgelder,  die  zum 
regelmäßigen  Zubehör  jedes  Grundstücks  ge- 
hörten, s.  Seeck  489. 

n)  Ueber  die  Verhältnisse  des  Kolonats  in 
Afrika,  Aegypten  U.Griechenlands.  Seeck  489ff. 


Zweiter  Abschnitt.    Die  Landwirtschaft. 


545 


ffolumella  vom  Verpachten,  zumal  an  solche  coloni,  die  mit  Sklaven  anstatt 
11  eigener  Person  arbeiten,  wenig  hält  und  nur  da  coloni  zu  nehmen  rät,  wo 
Ingesundes  Klima  oder  schlechter  Boden  ist1),  oder  auf  abgelegenen  Gütern, 
lie  der  Besitzer  infolgedessen  nicht  leicht  besuchen  könne,  besonders  wenn 
tretreidebau  betrieben  würde,  bei  dem  die  coloni  weniger  ruinieren  könnten 
Lls  an  Weinpflanzungen2). 

Zu  diesen  coloni  traten  seit  Marc  Aurel  als  Landarbeiter  die  inquüw 
lersönlich  freie  Leute,  die  aber  an  die  Scholle,  die  sie  für  den  Grundbesitzer 
»(•Italien,  gefesselt  sind  und  mit  ihr  von  einem  Besitzer  auf  den  anderen 
Ibergehen,  auch  testamentarisch  vermacht  werden  können4).  Wir  finden  sie 
licht  bloß  in  den  Provinzen,  sondern  auch  in  Italien5);  von  den  coloni  unter- 
scheiden sie  sich  dadurch,  daß  diese  Kleinpächter  sind,  die  zu  dem  Grund- 
herrn in  einem  jederzeit  löslichen  Vertragsverhältnis  stehen,  die  inquilini 
ledoch  zwar  nicht  Sklaven,  aber  doch  Eigentum  des  Grundherrn,  an  dessen 
lirundstück  gebunden,  aber  nur  zur  Leistung  eines  Pachtzinses  verpflichtet6). 
Nach  Constantin  wurde  der  Unterschied  dieser  beiden  Pächterklassen  zu 
liinem  rein  historischen:  die  coloni  wurden  zu  Hörigen,  kein  colonus  hatte 
Inehr  das  Recht,  seine  Pachtung  zu  verlassen7),  und  wenn  es  einer  doch 
lat,  so  konnte  er  wie  ein  flüchtiger  Sklave  verfolgt  und,  wenn  man  ihn 
Bing,  gefesselt  und  zur  Arbeit  gezwungen  werden 8).  So  war  also  auch  der 
freie  colonus  an  die  Scholle  gebunden  und  dem  inquilinus  gleichgestellt9). 
JJnd  so  finden  wir  am  Ausgang  der  alten  Welt  ein  allgemeines  Danieder- 
liegen der  Landwirtschaft,  eine  Verödung  in  Italien  wie  in  den  Provinzen10). 
Wenn  wir  uns  nunmehr  dem  römischen  Gutsbetriebe  zuwenden,  so 
jiaben  wir  dafür  in  erster  Linie  die  landwirtschaftlichen  Schriftsteller  als 
Duellen  heranzuziehen.  Dabei  ist  zu  beachten,  daß  wir  von  Cato  kein  syste- 
matisches Handbuch  der  Landwirtschaft,  sondern  nur  eine  ziemlich  un- 
geordnete Sammlung  von  Vorschriften  und  Ratschlägen  für  allerlei  mit  der 
Landwirtschaft  in  Verbindung  stehende  Gegenstände  besitzen,  und  ferner, 
laß   diese  Vorschriften   vielfach   für   ein   in    seiner  geographischen   Lage 


')  Col.  a.  a.  0.  3:  ita  certe  mea  fert  opinio, 
•t'»i  malam  esse  frequentem  locationem  fundi: 

Jpeiorem  tarnen  urbanum  colonum,  qui  per 
''iimilium  mavult  agrum  quam  per  se  colere. 

[Ebd.  4:  propter  qnod  operam  dandam  esse,  ut 
■t  rusticos  et  eosdem  assiduos  colonos  retine- 
tmtis,  cum  aut  nobismet  ipsis  non  licuerit  aut 
■»'/■   dornest icos    colere   non   expedier it:   quod 

tarnen  non  evenit,  nisi  in  his  regionibus,  quae 

yravitate  caeli  solique  sterilitate  vastantur. 

2)  Ebd.  6:  in  longinquis  tarnen  fundis,  in 
neos  non  est  facilis  excursus  patrisfamil/a*. 
Htm  omne  genus  agri  tolerabilius  sit  sub  li- 
'»■ris  colonis,  quam  sub  vilicis  servis  habere, 
mm  praeeipue  frumentarium. 

3)  Seeck  494  ff.  Der  Name  erscheint  zu- 
erst in  einem  Reskript  der  Kaiser  Marcus  und 
Commodus  (177—180),  Digg.XXX  112.  Seeck 
führt  die  Entstehung  der  Einrichtung  unter 
Bezugnahme  auf  Tac.  Germ.  25  auf  germani- 
sches Vorbild  zurück  und  meint,  daß  es  ur- 
sprünglich   im  Lande    angesiedelte  Barbaren 

Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft.  IV.  2, 


gewesen  seien.  Diese  Ansicht  wird  von  Ed. 
Meyer  Kl.  Sehr.  159  bekämpft,  der  seinerseits 
die  Meinung  von  Rostowzew  (s.  oben  S.  542 
A.  3),  daß  bei  der  Fesselung  der  Bauern  an  die 
Scholle  ägyptische  Einrichtungen  eingewirkt 
hätten  und  auf  das  Römerreich  übertragen 
worden  seien,  glaublich  findet. 

4)  Digg.  a.  a.  0. 

5)  Siehe  die  Belegstellen  bei  Seeck  496. 
8)  Vgl.  Seeck  in  der  Zeitschr.  f.  Social- 

u.  Wirtschaftsgesch.  VI  360. 

7)  Cod.  Theod.  V  9, 1 ;  vgl.  ebd.  10. 

8)  Cod.  Iust.  XI  51,  wo  es  bezeichnender- 
weise von  den  coloni  heißt:  licet  condicione 
videantur  ingenui,  servi  tarnen  terrae  ip 

cui  nati  sunt,  c.ristitnentur. 

9)  Inwiefern  dies  mit  der  Steuergesetz- 
gebung Diokletians  zusammenhängt,  zeigt 
Seeck  bei  P.-W.  487  f.;  über  Rechte  und  Zu- 
stände des  hörigen  Colonats  in  der  spätem 
Zeit  s.  ebd.  502  ff. 

10)  Vgl.  E.  Meyer  153  f. 

3.  Aufl.  35 


546  Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 

ungefähr  bestimmtes  Gut  in  Mittelitalien  berechnet  sind,  sich  aber  keinesweg 
alle  auf  ein  einziges  bestimmtes  Landgut  beziehen,  sowie  daß  er  nur  Güte 
geringeren  Umfangs  im  Auge  hat1).    Varro  hingegen  entnimmt  die  in  seine 
Schrift  niedergelegten  landwirtschaftlichen  Kenntnisse   teils   den   von   ihr 
benutzten  Fachschriftstellern,   teils   eigenen  oder  fremden,   ihm  von  Sach 
verständigen  überlieferten  Erfahrungen;    ein  bestimmtes  Gut  hat  er  nich 
im  Auge,  wohl  aber  wesentlich  italische  Verhältnisse.    Dabei  sind  seine  Dar 
legungen  auf  größere  Landgüter  berechnet,  als  die  Catos2).    Columella  ha 
einerseits  litterarische  Quellen  in  großem  Umfange  herangezogen,  andrer 
seits  reichlich  eigene  Erfahrungen  und  Beobachtungen  benutzt,  da  er,  wi< 
seine  Vorgänger,  selbst  praktischer  Landwirt  war;  auch  er  berücksichtigt 
obschon  in  Spanien  geboren,  wesentlich  italische  Gutsverhältnisse,  wenn  e: 
schon  daneben  auch  die  provinziale  Landwirtschaft  in  den  Bereich  seinei 
Betrachtungen  zieht.  Er  schreibt  fast  ausschließlich  für  Großgrundbesitzer3) 
Vergil  dichtete  seine  Georgica  im  Anschluß  an  die  Vorgänger  auf  diesen 
Gebiete,   vor   allem   an  C.  Iulius  Hyginus,   teilweise  wohl   auch  auf  Grunc 
eigener   Beobachtungen   besonders  in  Unteritalien;   aber  er  will  kein   er- 
schöpfendes  Lehrbuch   schreiben,   sondern   sittlich   wirken   und   die   durcl 
Bürgerkriege   verwilderte   Nation   zu   den  Arbeiten   des   Friedens   zurück- 
führen4).   Am  wenigsten  Wert  hat  die  Schrift  des  Palladius,  der  sich  zwai 
in  der  Fachlitteratur  umgetan  hat  und  als  praktischer  Landwirt  auch  aus 
eigener  Erfahrung  zu  sprechen  weiß,  aber  lediglich  für  die  Praxis  schreibt 
von  wissenschaftlicher  Darstellung  absieht  und  statt  dessen  die  ländlicher 
Arbeiten,  wie  sie  in  der  Reihenfolge  der  Monate  zu  verrichten  sind,  kurz 
und  bündig  vorführt5). 

Für  die  ökonomischen  Prinzipien  der  Gutswirtschaft  kommen  nur  die 
drei  erstgenannten  Schriftsteller  in  Betracht.  Trotz  der  zeitlichen  Unter- 
schiede sind  sie  bei  allen  dreien  im  wesentlichen  die  gleichen,  und  sicherlich 
sind  sie  als  aller  römischen  Landwirtschaft  eigen  zu  betrachten.  Der  Haupt- 
grundsatz ist  dabei,  daß  das  Landgut  eine  Kapitalanlage  ist,  die  sich  möglichsl 
hoch  rentieren  soll;  daher  ist  die  vorhandene  Bodenfläche  auf  die  ergiebigst« 
Weise,  je  nach  der  Natur  des  Bodens  und  der  Lage  des  Gutes,  auszunutzen6^ 
und  möglichst  viel  vom  Ertrage  zu  verkaufen,  vor  allem  Wein  und  Öl 7),  vom 
Getreide  die  vorhandenen  Überschüsse,  da  Korn  im  wesentlichen  nur  für  die 
eigene  Gutsmannschaft  gebaut  wird8);  dann  Wolle,  Häute,  Holz  usw.9) 
Allgemeiner  Grundsatz  ist:  möglichst  viel  verkaufen,  möglichst  wenig  kaufen10) 


*)  Gummerus  15  ff.    Auf  die  Streitfrage,   j    IV  1,170  ff. 
ob  die  Schrift  bloß  eine  Exzerptensammlung   I  6)  Cato  6  ff. 

aus  einer  verlornen  Schrift  oder,  so  wie  sie 
vorliegt,  eine  unvollendete,  nicht  endgültig 
redigierte  Originalarbeit  Catos  ist,  kann  hier 
nicht  eingegangen  werden. 

2)  Gummerus  50  ff. 

3)  Ebd.  73  ff. 

4)  Vgl. Teuffel  Gesch.  d.  röm.  Litter.5  489 
und  die  dort  A.  2  angeführte  Litteratur  über 
die  Quellen  der  Georgica;  Schanz  Gesch.  d. 
rom.  Litter.  II  30  ff.,  bes.  33  f.  über  die  Quellen. 
RiBBECK'Gesch.  d.  röm.  Dichtung  II  34  ff. 

5)  Teuffel  a.  a.  0. 1036  f.  Schanz  a.  a.  0. 


)  Ebd.  2,  5  u.  7;  148;  daher  sind  Kelter 
und  Oelpresseanlagen  unerläßlich,  Varro  113,1 
ebd.  6  f.;  III  2,9.  Colum.16,9;  ebd.  11  u.  18 

8)  Cato  2,  7.  Varro  I  69,  1. 

9)  Cato  a.a.O.;  7,1;  9;  38,4;  138;  ferne] 
Fleisch,  Col.  VII  3  13;  Käse  VII  8, 1  u.  6  unc 
vgl.  oben  S.  190  f. 

10)  Cato  2,  7 :  patrem  familias  vendacem 
non  emacem  esse  oportet.  Plin.  XVIII  40  führ 
als  alten  Grundsatz  an :  nequam  agricolam  ess< 
quisquis  enteret  quod  praestare  ei  fundus  pos^ 
set;  vgl.  E.  Meyer  Kl.  Sehr.  85. 


Zweiter  Abschnitt.    Die  Landwirtschaft.  R  |  7 

letzteres   gilt   freilich   besonders  von  den  eigentlichen  landwirtschaftlichen 

Produkten,   von   gewerblichen  Arbeiten  nur  in  beschränktem  Mafce,   zumal 

auf  kleineren  Gütern,   wo  die  Arbeitskräfte  dafür  nicht  vorhanden  sind1)- 

ilinJNähe  der  Stadt  ist  für  ein  Landgut  immer  nützlich,  einerseits  damit  man 

die  ländlichen  Produkte  absetzen  kann2),  wozu  freilich  auch  gute  Stral 
chj  Verbindungen   gehören,   andrerseits  um  ohne  Zeitverlust  die  nötigen  Ein- 
käufe in  der  Stadt  besorgen  zu  können  3). 

An  der  Spitze  der  ländlichen  Arbeiten  stand  natürlich  am  besten  der 
Besitzer  selbst,  wenn  er  praktischer  Landwirt  war4).  Wo  indessen  der  Herr 
kürzere  oder  längere  Zeit  abwesend  war,  da  hatte  der  rilicus6)  die  Ober- 
aufsicht über  die  landwirtschaftlichen  Geschäfte6),  der  zwar  selbst  Sklave, 
aber  der  Vorgesetzte  über  alle  landwirtschaftlichen  Arbeiter  ist7).  Das  mufäte 
daher  ein  Mann  von  gesetztem  Alter  sein,  am  besten  zwischen  dreißig  und 
er!)  sechzig8),  und  in  jeder  Hinsicht  erfahren  und  zuverlässig9);  er  legte  dem 
sei  Herrn  Rechenschaft  ab  über  die  geschehenen  und  die  in  Aussicht  genommenen 
nrof  Arbeiten10),  er  schickte  dem  Eigentümer,  wenn  dieser  in  der  Stadt  weilte, 
Geld  vom  Ertrag  des  Gutes11),  und  der  Herr  rechnete  mit  ihm  über  Ausgaben 
und  Einnahmen  ab12);  er  beaufsichtigt  das  gesamte  Gutswesen,  schlichtet 
Streitigkeiten  unter  den  Sklaven,  diktiert  Strafen,  hält  auf  Beobachtung  der 
Feiertage,  bringt  die  gewöhnlichen  Opfer  dar  u.  dgl.  m.13).    Er  trägt  daher 


seiM 


y 


1  n 


1)  Vgl.  den  nächsten  Abschnitt. 

2)  Hierfür  ist  besonders  die  oben  S.  533 
angeführte  Schrift  von  Wiskemann  zu  ver- 
gleichen, in  der  gezeigt  ist,  wie  die  Kultur 
ländlicher  Produkte  im  Umkreis  einer  Stadt 
sich  nach  der  Entfernung  und  teils  danach 
regelt,  was  für  Produkte  keinen  weiten  Trans- 
port vertragen,  teils  danach,  bei  welchen  Pro- 
dukten sich  im  Verhältnis  zu  ihrem  Werte 
ein  weiter  Transport  nicht  lohnt. 

s)  Cato  1,  3:  135  und  bei  Gell.  X  26,  8. 
Colum.  I  3,  3. 

4)  Der  Grundsatz  „das  Auge  des  Herrn 
düngt  den  Acker"  gilt  auch  den  Alten,  so 
Plin.  XVIII  43:  majores  fertilissimum  in  agro 
oculitm  domini  esse  dixerunt.  Pallad.  16,1: 
pracsentia  domini  provectus  est  agri.  Geop. 
II  1 :  Öti  jioXv  tco  dygöj  dxpeXiftos  ff  tov  de- 
mjioxov  Tiagovoia.  Vgl.  Phaedr.  II  8. 

5)  Man  muß  den  ländlichen  vilicus  vom 
städtischen  scheiden,  der  der  Hausverwalter 
eines  Mietshauses  ist,  s.  Mart.  XII  32,  23.  luv. 
3, 194 f.  Uebertr.vom  Stadtpräfekten  luv.  4, 77 ; 
vgl.  Cic.  pro  Plane.  25, 62.  Lampr.  AI.  Sev.  15,3. 
Ueber  die  in  der  Landwirtschaft  verwendeten 
Arbeiter  handelt  im  allgemeinen  Dickson  Hus- 
bandry  of  the  anc.  I  41  ff. 

6)  Nach  Varro  I  2, 14  hat  der  vilicus  nur 
mit  dem  Feldbau  zu  tun,  der  Viehzucht  steht 
der  magister pecoris  vor;  vgl.  II 2, 20.  So  unter- 
scheidet auch  Cic.  pro  Plane.  25,  62:  sin  autem 
emimus,  quem  vilicum  imponeremus,  quem  pe- 
cori  praeficeremus. 

7)  Auch  die  freien  Arbeiter  sind  ihm  unter- 
geordnet, Cato  5,  4. 

8)  Colum.  I  8,  3;  XI 1.  3.  Bei  Varro  1 17,4 


empfiehlt  Cassius,  daß  die  den  Arbeitern,  für 
die  22  Jahre  als  Minimum  gefordert  werden, 
vorgesetzten  älter  als  jene  seien. 

9)  Cato  c.  5  (vgl.  Plin.  XVIII  36).  Colum.  I 
8, 1  ff.;  man  bestimmte  dazu  möglichst  jemand, 
der  von  früh  auf  in  ländlicher  Beschäftigung 
aufgewachsen  und  seit   langer  Zeit   erprobt 

!  war,  ebd.  2  und  XI  1,7  u.  12.  Cicero  macht  pro 
,  Plane,  a.  a.  0.  frugalitas,  labor  und  vigilantie 
!  zur  Hauptforderung.  Cassius  bei  Varro  a.  a.  0. 
I  verlangt  außer  der  frugalitas,  daß  die  Be- 
treffenden litteris  aliqua  siiit  humnuitate  im- 
buti,  also  etwas  Bildung,  dann  aber  vornehmlich 
Erfahrung  in  der  Landwirtschaft  haben.  Hin- 
gegen meint  Col.18,4,  es  schade  nichts,  wenn 
der  vilicus  nicht  schreiben  könne,  wenn  er  nur 
ein  gutes  Gedächtnis  habe;  und  er  zitiert  den 
Ausspruch  des  Cornelius  Celsus:  eiusmodi  rili- 
cum  saepius  numos  domino  quam  lihrum  af- 
ferre,  quia  nescius  litte  rar  um  vel  ipse  mintis 
possit  rationes  confingere  vel  per  aliutn  pro- 
pter  conscientiam  fraudis  timeat.  So  setzt  auch 
Cic.  de  republ.  V  3,  5  rilicus  und  dispensator 
einander  so  gegenüber,  daß  der  rilicus  natu- 
rmn  agri  novit,  ditpentator  Uttertu  tcU.  Von 
den  Eigenschaften  eines  guten  rilicus  handelt 
auch  Geop.  II  44. 

10)  Cato  2, 1.  Vgl.  Sen.  ep.  12, 1.  Mart.  III 
68,9. 

»)  Mart.  VII  31.9. 

12)  Cato  2,  2.  Wenn  der  Besitzer  in  der 
Stadt  lebte,  so  hatte  der  vilicus  ihm  den  heraus- 
gewirtschafteten  Ertrag  in  bar  einzuschicken, 
s.Cic.Verr.11150. 119. 

,s)  Die  Pflichten  des  rilicus  setzt  Cato 
c.  5  auseinander,  auch  c.  142;  vgl. Varro  I  22,6 ; 

35* 


548 


Dritte  Abteilung.    Die  Berufs  arten. 


die  Verantwortlichkeit  für  alles,  was  passiert;  er  hat  dafür  zu  stehen,  dal 
kein  Sklave  mit  Ausnahme  der  dazu  berechtigten   oder   eigens  damit  bei 
auftragten  sich  vom  Gut  entfernt,  wie  er  selbst  nur  mit  Erlaubnis  des  Herr: 
es  auf  längere  Zeit  verlassen  darf;   daher  hat   auch  seine  Wohnung  ein 
solche  Lage,  daß  er  die  Ein-  und  Ausgehenden  beobachten  kann1).    Docl 
wurden  vielfach,  schon  seit  Ausgang  der  Republik,  die  Befugnisse  des  #iZicw| 
auf  die  eigentlichen  landwirtschaftlichen  Arbeiten  beschränkt,  während  di«| 
Geschäftsführung  einem  procurator  übertragen  wurde2).     Dem   vilicus  zu: 
Seite  steht  die  vilica3),  die  mitunter  seine  ihm  im  contubernium  verbunden« 
Frau  ist4);  sie  sollte  nicht  zu  jung  sein,  kräftig  und  gesund,  nicht  zu  häßlicl 
und  nicht  zu  hübsch5),   nicht  trunksüchtig,   keine  Näscherin,   nicht   aber- 
gläubisch, nicht  mannstoll  usw.6).    Sie  hatte  besonders  das  Hauswesen  untei 
sich,  auf  Reinlichkeit  und  Ordnung  im  Hause  zu  achten,  sich  um  die  Küche7) 
die  Fütterung  des  Kleinviehs,  den  Geflügelhof  zu  kümmern,   das  Einleger 
der  Gemüse  und  Früchte  zu  besorgen  u.  dgl.  m.8);  auch  mußte  sie  etwas  vor 
der  Krankenpflege  verstehen,  um  kranken  Sklaven  beistehen  zu  können9). 
Es   begreift   sich,   daß  bei  größeren  Landgütern  mehrere  vilici  und  vilicat 
erforderlich  waren10). 


ebd.  36.  Bei  Columella  handelt  das  ganze  elfte 
Buch  von  den  Pflichten  und  Aufgaben  des 
vilicus,  weshalb  es  auch  den  Spezialtitel  Vili- 
cus bekommen  hatte,  s.  XII  18,  1.  Auf  den 
Schaden,  den  ein  nachlässiger  oder  diebischer 
vilicus  dem  Besitzer  brachte,  weist  Colum.  I 
7,  5  f.  hin;  vgl.  ebd.  8,  6  ff.  Von  Interesse  ist 
auch  der  Brief  des  Horaz  an  seinen  vilicus, 
ep. I  14. 

')  Varr.  I  16,  5  nach  Saserna:  nequis  de 
fundo  exeat  praeter  vilicum  etpromum  et  unum, 
quem  vilicus  legat;  si  quis  contra  exierit,  ne  im- 
pune  abeät;  si  abierit,  ut  in  vilicum  animad- 
vertatur.  Varro  schlägt  dafür  vor:  ne  quis 
iniussu  vilici  exierit,  neque  vilicus  iniussu  do- 
mini  longius,  quam  ut  eodem  die  rediret,  ne- 
que id  crebrius,  quam  opus  esset  fundo.  Col. 
I  8,  7  zitiert  Catos  Wort  c.  5,  2:  vilicus  ne  sit 
ambulator,  und  bemerkt  selbst  ebd.  6.  der  vili- 
cus dürfe  die  Stadt  und  die  Märkte  nur  be- 
suchen, wenn  er  Einkäufe  zu  anachen  habe. 

2)  Cic.  de  or.  1 58, 249 :  si  mandandum  ali- 
quid procuratori  de  agri  cultura  aut  impe- 
randum  vilico  est;  vgl.adAttic.XIV  16, 1.  Nach 
Colum.  I  6,  7  soll  der  procurator  supra  ia- 
nuam  wohnen,  um  den  vilicus  kontrollieren  zu 
können.  Vgl.  Plin.  ep.  III  19,  2.  Digg.  XX  1, 
21  pr. ;  XXI  1,1,1;  ebd.  25,  3.  Ueber  den  actor 
auf  dem  Gute  und  seine  Bedeutung  s.  oben 
283  A  8 

3)  Cato  10,  1;  11,  1;  vgl.  oben  S.  70  A.  6. 

4)  Notwendig  war  das  nicht,  vgl.  Cato 
143,  1 :  si  eam  (sc.  vilicam)  tibi  dederit  domi- 
nus uxorem,  ea  esto  contentus.  Cassius  bei 
Varro  a.a.O.  5  rät:  praefectos  alacriores  fa- 
ciendum  praemiis  dandaque  opera  ut  habeant 
peculium  et  coniunctas  conservas,  e  quibus  ha- 
beant filios;  eo  enim  fiunt  firmiores  ac  con- 
iunctior es  fundo;  und  Colum. XII  1,2:  itaque 


curandum  est,  ut  nee  vagum  vilicum  et  aver- 
sum  a  contubernio  suo  habeamus,  nee  rursus 
intra  teeta  desidem  et  complexibus  adiacentem 
feminae.  Aber  verheiratet  sollte  der  vilicus 
sein,  ebd.  18,  5:  qualicunque  vilico  contuber- 
nalis  mulier  assignanda  est,  quae  contineat 
eum  et  in  quibusdam  rebus  tarnen  adiuvet. 

5)  Colum.  XII  1,1.  Immerhin  sagt  Mart. 
IV  67.  11 :  vilica  vel  duri  compressa  est  nupta 
coloni,  |  incaluit  quotiens  saucia  vena  mero. 
Vgl.Catull.61,136:  sordebant  tibi  vilicae,  con- 
cubine,  hodie  atque  heri. 

6)  Col.  XII  1,3. 

7)  Mart.1  55,11;  XII  18,21. 

8)  Cato  143.  Colum.  a.a.O.  4  ff.  Mart.  III 
58,  20.  Daß  ihr  auch  der  Zier-  und  Gemüse- 
garten unterstellt  war,  zeigt  Mart.  IX  60,  3 ; 
X48,7.  luv.  11,69. 

9)  Colum.  a.a.O.  6. 

10)  Cato  hat  einen  vilicus  und  eine  vilica 
für  die  Oelplantage  und  ebenso  für  die  Wein- 
pflanzung, c.  10  f.  Varro  I  18,  3  findet  die  Be- 
stimmung nicht  ausreichend:  neque  enim  si 
minus  CCXL  iugera  oliveti  colas,  non  posxis 
minus  uno  vilico  habere,  nee  si  bis  tanto  am- 
pliorem  fundum.  aut  eo  plus  colas,  ideo  duo 
vilici  aut  tres  habendi  fere.  Das  Landgut  des 
G.  Atilius  Regulus,  das  nur  7  Joch  groß  war, 
hatte  nur  einen  vilicus,  Frontin.  strat.  IV 4, 3; 
als  dieser  in  Abwesenheit  des  Besitzers  starb, 
brannte  ein  mercennarius  (der  vermutlich  seine 
Geschäfte  übernommen  hatte,  vgl.  Sen.  dial.  XII 
12,  5)  mit  dem  ganzen  instrumentum  rusticut» 
durch,  Val.  Max.  IV  4,  6.  Von  singuli  vilici  bei 
Gütern  von  Provinzgröße  spricht  Sen.  dial.  III 
21,  2.  Auch  die  Gärten  hatten  besondere  vi- 
lici, s.  luv.  3,  228  und  oben  S.  70  A.  6.  Daß 
es  subvilici  gab,  zeigen  die  Inschriften,  siehe 
ebd. 


Zweiter  Abschnitt.    Die  Landwirtschaft.  549 

4 

Die  Hauptarbeit  wurde   auf  den  größeren  Landgütern  durch  Sklav.n 

1  richtet.     Bei  Cato   sind   die  die   Sklaven   betreffenden  Zahlenangaben1) 
äußerst  niedrig,  was  wohl  daher  kommt,  daß  er  überhaupt  nur  ein  Gut  von 
(Mittelgröße  im  Auge  hat  und  nur  das  Minimum  von  Arbeitskräften,  womit 
]  man  auskommen  konnte,  angeben  will.    Varro  geht  auf  die  Zahl  der  zu  den 
JGrutsgeschäften  erforderlichen  Sklaven  nicht  näher  ein,  weil  es  ihm  vermutlich 
an  eigener  Erfahrung   in  dieser  Hinsicht  fehlte2),   während  Columella  bei 
.  seinen  den  Großgrundbesitz  berücksichtigenden  Angaben3)  eine  sehr  große 
iZahl  von  Sklaven  annimmt,   die   in  Dekurien   von  je  zehn  Arbeitern,   mit 
monitores  und  magistri  an  der  Spitze,  eingeteilt  sind4);  die  ganze  ländliche 
J Arbeit  ist  bei  ihm  vornehmlich  auf  Sklaven  berechnet6).   Was  die  weiblichen 
Sklaven  anlangt,  so  kommen  bei  Cato  außer  der  vilica  keine  vor;  auch  wird 
bei  den  Pflichten  der  vilica  das  Spinnen  und  Weben,  das  doch  sonst  Sache 
der  Mägde  ist,  nicht  erwähnt.  Es  kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  daß  diese 
weiblichen  Arbeiten,  wie  sie  in  der  Stadt  zu  den  Aufgaben  der  Hausfrau  und 
ihrer  Mägde  gehörten6),  so  auch  unter  den  ländlichen  Beschäftigungen  ver- 
treten waren,  zumal  ja  Cato  auch  Webstühle   unter  den   für  das  Landgut 
notwendigen  Geräten  nennt7);  vielleicht  ist  es  nur  ein  Versehen  oder  hängt 
mit  der  nicht  erfolgten  Schlußredaktion  der  Schrift  zusammen,   daß   diese 
Arbeiterinnen  bei  ihm  vermißt  werden 8).    Freilich  wurde  schon  damals  bei 
weitem  nicht  der  ganze  Bedarf  des  Hausstandes  an  Kleidern  durch  Haus- 
arbeit hergestellt,  sondern  das  meiste  in  der  Stadt  fertig  gekauft9).    Auch 
Varro  sagt  nichts  von  den  Sklavinnen,  hingegen  treffen  wir  bei  Columella 
solche  in  größerer  Zahl  an,  da  von  ihm  als  allgemein  üblich  angenommen 
wird,  daß  die  Sklaven  Weib  und  Kind  haben10).  Bei  gutem  Wetter  arbeiten  die 
Sklavinnen,  soweit  sie  nicht  im  Haushalt  beschäftigt  sind,  mit  den  Männern 
auf  dem  Felde,  bei  schlechtem  werden  sie  im  Hause  mit  Krempeln,  Spinnen 
und  Weben  beschäftigt11).    Man  schließt  daraus  wohl  mit  Recht,  daß  nicht 
alle  für  die  große  Sklavenfamilie  notwendigen  Kleider  im  Hause  angefertigt 
wurden,  sondern  die  meisten,  was  auch  ausdrücklich  erwähnt  wird,  auswärts 
gekauft  wurden12). 

Die  Behandlung  der  Sklaven  war  auf  dem  Lande  besonders  streng, 
weshalb  es  für  die  Stadtsklaven  als  Strafe  galt,  wenn  sie  in  die  familia 
rustica,  die  schon  der  schweren  Arbeit  wegen  viel  schlechter  daran  war,  ver- 
setzt wurden13).  Außerdem  war  Fesselung  gerade  hier  sehr  gewöhnlich,  zu- 
mal die  in  den  Weinbergen  tätigen  Sklaven  arbeiteten  in  Fesseln14);  überhaupt 

!)  Besonders  Cap.  10  u.  11;  vgl.  Gumme-  Maßregeln  hervor,  die  er  bei  der  Familienbe- 

rus  24.  gründung  von  Sklaven  befolgte,  s.  o.  S.  287  A.  2. 

2)  Gummerus  61.  9)  Cato  135,1;  weiteres  s.  im  nächsten 

3)  Ebd.  78.  Abschnitt. 

4)  Colum.I8.ll  u.  17;  9,1  u.7;XIl,27.  10)  Colum.  I  8, 19. 

)  Gummerus  80  f.  n)  Ebd.  XII  3,6,  mit  der  Bemerkung:  ;u/i// 
)  Siehe  oben  S.  255.                                     1    enim  nocebit,   si  sibi  atqtie  actoribm  et  altis 

in  honore  sercirfis  vttU»  dornt  confcrta  fuerit, 
quo  milUM  patrisfamilias  rationcs  oncrentur. 

li)  Ebd.  I  8,  9;  XI  1,  21;  vgl.  Gummerus 
89  ff.  und  unten  im  nächsten  Abschnitt. 

ls)  Siehe  oben  S.  290. 

u)  Als  compediti,  Cato  56  f.  Colum.  19,4: 
vineta  plnrimum  per  allegatos  errohoitur. 


7)  Cap.  10,  5;  14,  2 

8)  Gummerus  36  will  es  darauf  zurück- 
führen, daß  die  Sklavinnen  nicht  zur  familia 
rustica,  sondern  zur  familia  urbana  gerechnet 
wurden;  aber  letztere  wurde  doch  auf  dem  Lande 
nicht  beschäftigt.  Daß  auch  im  Betrieb  Catos 
Sklavinnen  vorauszusetzen  sind,  geht  aus  den 


550 


Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 


aber  pflegte  man  die  außerhalb  des  Hauses  in  den  Feldern  beschäftigte 
Sklaven,  damit  sie  nicht  entwichen,  zu  fesseln1),  und  dies  System  ist  bei 
sonders  für  die  Latifundien  charakteristisch2).  Sklaven,  die  sich  irgen 
etwas  hatten  zuschulden  kommen  lassen  oder  die  besonders  unzuverlässig 
waren,  mußten  gefesselt  in  einem  besonderen,  unterirdisch  belegenen -1 
Arbeitsraum,  dem  ergashdum,  schwere  Arbeiten  verrichten4).  Was  sie  dor 
für  Arbeit  vornahmen,  wird  freilich  nicht  berichtet5),  daß  aber  solche  mi 
der  Strafe  verbunden  war,  geht  aus  dem  Worte  selbst  hervor.  Ein  Sklave 
der  ergastularius,  hatte  über  die  im  ergastulum  Gefesselten  die  Oberaufsicht'5) 
Allein  bloß  mit  den  Sklaven  war  die  Bewirtschaftung  eines  größere] 
Landgutes  nicht  möglich,  da  manche  landwirtschaftliche  Arbeiten  eine  größer« 
Zahl  von  Arbeitern  erforderten,  als  für  die  regelmäßigen  Arbeiten  not 
wendig  war.  In  solchen  Fällen  kam  es  vor,  daß  der  Gutsherr  fremde  Sklavei 
sich  lieh  oder  mietete7);  auch  pflegten  sich  die  Nachbarn  durch  Arbeits- 
kräfte gegenseitig  auszuhelfen8).  Aber  das  konnte  nicht  genügen,  war  aucl 
namentlich  bei  Erntezeiten  und  wenn  sonst  der  Gutsbetrieb  überall  sein* 
gesamten  Arbeitskräfte  brauchte,  nicht  möglich;  daher  finden  wir  schon  be 
Cato  Lohnarbeiter,  wie  sie  das  ganze  römische  Altertum  hindurch  in  dei 
Landwirtschaft  wie  im  Handwerk  üblich  waren9),  operarii  oder  mercennarii10). 
freie  Arbeiter11),  entweder  Kleinbauern  oder  Pächter,  die  sich  auf  diese  Weise 
einen  Nebenverdienst  schufen12),  oder  wohl  auch  Arme,  die  eben  nur  ihre 
Arbeitskraft  besaßen  und  sich  damit  ihren  Lebensunterhalt  erwarben13). 
Diese  Leute   mietete   der   vilicus,   der   auch   den  Lohn  und  die  Dauer  des 


*)  Diese  vincti  oder  compediti  werden 
öfters  erwähnt,  vgl.  Plaut.  Most.  19 :  genus  fer- 
ratile.  Ov.  tr.  1 V  1,5:  vinctus  compede  fossor ; 
ex  P.  I  6,  31.  luv.  11,  80.  Es  gehörte  zu  den 
Pflichten  der  vilici,  ut  explorent,  an  (manci- 
pia)  diligenter  vincta  sint,  Colum.  I  8,  16. 

2)  Colum.  13, 12.  Sen.  de  benef.VII  10,5: 
vasta  spatia  terrarum  cölenda per  vinctos.  Plin. 
XVIII  21;  er  bemerkt  aber  selbst  ebd.  31 :  coli 
rura  ab  ergastulis  pessumum  est,  ut  quidquid 
agitur  a  desperantibus.  Dagegen  bemerkt  der 
jüngere  Plin.  ep.  III  19,  7,  daß  in  seiner  Hei- 
mat Comum  es  nicht  üblich  war,  vincti  zu 
verwenden. 

3)  Siehe  oben  S.  75. 

4)  Cic.  pro  Cluent.  7,  21;  pro  Rab.  7,  20; 
ad  fam.  XI 13, 2.  Liv.  II  23, 6;  VII  4, 4.  Colum. 
18,16;  XI  1,22. 

5)  Webek  Agrargeschichte  240  ist  der  An- 
sicht, daß  sie  Handwerksarbeit  verrichteten. 
Allein  Gummerus  91  (vgl.  ebd.  10)  bemerkt  mit 
Recht,  daß  die  landwirtschaftlichen  Schrift- 
steller nichts  von  gewerblicher  Arbeit  in  den 
ergastula  erwähnen  und  daß  Plin.  XVI II  21 
u.  36  die  ergastula  ausdrücklich  mit  den  Acker- 
bestellungen in  Zusammenhang  setzt.  Das 
hängt  aber  damit  zusammen,  daß  das  Wort 
ergastulum  auch  die  Gesamtheit  der  gefes- 
selten Sklaven  bedeuten  kann,  s.  luv.  14, 24: 
inscripta  ergastula.  Apul.  apol.  47. 

6)  Siehe  oben  S.292  A.2.  Grabschrift  eines 
solchen  CIL  X  8173.  Nach  Amm.  XIV  11,  33 


war  Eunus,  Anführer  im  Sklavenkriege,  ein 
ergastularius,  doch  meint  Mau  bei  P.-W.V  431, 
es  sei  hier  wohl  eher  ein  Sklave  aus  dem  er- 
gastulum zu  verstehen. 

7)  Cato  4:  si  te  libenter  vicinitas  videbit, 
facilius  tua  vendes,  operas  facilius  locabis, 
operarios  facilius  conduces. 

8)  Ebd.:  «»  aedificabis,  operis,  iumentis, 
materie  adiuvabunt  (vicini);  5, 3:  duas  aut  tres 
familias  habeat  {vilicus),  unde  utendo  roget  et 
quibus  det. 

9)  Vgl.  die  oben  erzählte  Anekdote  vom 
mercennarius  des  Atilius  Regulus;  ferner 
Sen.  de  benef.  11122,1. 

10)  Cato  1,  3;  4;  5,  4.  Doch  kann  bei  Cato 
operarius  auch  Sklavenarbeiter  bedeuten,  so 
c.  10  u.  11;  auch  die  leguli  und  factores,  die 
bei  der  Olivenernte  und  der  Oelbereitung  zu- 
gezogen werden  c.  146,  3,  sind  solche  freie 
Tagelöhner,  vgl.  145,  1.  Gummerus  25  f.  Vgl. 
über  die  freien  Landarbeiter  überhaupt  Weber 
Agrargeschichte  236  ff. 

1 J)  Seeck  Unterg.  d.  ant. Welt  1559  glaubt, 
daß  die  operarii  bei  Cato  zwar  nicht  aus- 
schließlich, aber  doch  vorzugsweise  gemietete 
fremde  Sklaven  seien;  aber  s.  dagegen  die 
Bemerkungen  von  Gummerus  a.  a.  O. 

12)  Das  nimmt  Gummerus  26  an. 

,s)  Im  Ed. Diocl.  handelt  Abschn.7  de  »<)■>■- 
cedibus  operariorum,  und  davon  ist  der  erste 
Posten  der  Tagelohn  des  operarius  rusticus 
(25  Denare). 


rgen 


ilave 


Zweiter  Abschnitt.    Die  Landwirtschaft.  ;,;,  | 

Engagements  mit  ihnen  verabredete1).  Auf  diese  Weise  wurden  alle  größeren, 
>thf|nicht  regelmäßig  andauernden  Arbeiten  verrichtet,  wie  Ernte,  Weinlese, 
Neubauten  usw.;  wer  nicht  genügend  Sklaven  hatte,  muüte  sich  auch  für 
den  Hirtendienst,  zum  Viehtreiben,  Pferdewartung  u.  dgl.  besondere  Leute 
im  Taglohn  mieten 2).  Es  kam  aber  auch  vor,  daß  manche  Arbeiten,  wenn 
sie  mit  den  eigenen  und  mit  Hilfskräften  aus  irgendeinem  Grunde  nicht  zu 
bewirken  waren,  einem  Unternehmer  (redemptor)  verdingt  wurden3).  So 
nahm  ein  solcher  die  Olivenernte  in  Akkord,  indem  er  die  nötige  Zahl  von 
Arbeitern  entweder  selbst  stellte  oder  auf  seine  Kosten  vom  Eigentum« ir 
mieten  ließ;  letzterer  gab  nur  accessiones,  d.h.  ein  gewisses  Maß  von  Natu- 
ralien (eingesalzene  Oliven,  Öl,  Essig).  Die  Arbeit  überwachte  entweder  der 
Besitzer  selbst  oder  ein  von  ihm  dazu  bestimmter  cnstos*).  Ahnlich  war 
der  Kontrakt,  wenn  der  Unternehmer  die  Bereitung  des  Öles  übernahm6); 
auch  für  die  Weinlese  und  für  die  Heuernte  wurden  meist  fremde  Kräfte 
zugezogen6).  Daneben  war  es  aber  auch  üblich,  die  Früchte  auf  dem  Stamm 
zu  verkaufen,  besonders  Oliven  und  Trauben,  wobei  der  Käufer  für  die  Be- 
zahlung der  Kaufsumme  eine  Frist  von  zehn  Monaten  (vom  1.  November  ab) 
hatte  und  bloß  die  Kosten  der  Ernte  und  der  Ölbereitung  an  den  nächsten 
Iden  zahlen  mußte,  gleichviel  ob  er  oder  der  Verkäufer  diese  Arbeiten  durch 
gemietete  Leute  verrichten  ließ.  Zahlte  der  Käufer  den  von  ihm  gemieteten 
Arbeitern  den  Lohn  nicht,  so  hatte  der  Eigentümer  das  Recht,  dies  zu  tun 
und  den  Käufer  dafür  zu  belasten7).  In  ähnlicher  Weise  wurde  der  Ertrag 
einer  Schafherde,  also  Wolle,  Milch,  Käse,  neugeborene  Lämmer,  für  die 
Zeit  eines  Jahres  an  einen  conductor  verkauft;  die  Wolle  und  die  Lämmer 
hatte  dieser  innerhalb  zehn  Monaten  zu  verkaufen,  während  deren  die  Herde 
von  den  Hirten  des  Besitzers  gehütet  wurde;  in  den  zwei  letzten  Monaten  des 
Kontraktjahres,  April  und  Mai,  hatte  er  seine  eigenen  Hirten  anzustellen8). 
Unter  den  ländlichen  freien  Arbeitern  findet  sich  bei  Cato  eine  Klasse, 
die  die  Bezeichnung  jmlitor  führt9).     Es  ist  nicht  bestimmt  auszumachen, 


')  Cat.  5,  4:   operarium,  mercennarium,  I   gaben  über  den  (mit  Beköstigung  verbundenen) 

politorem  diutius  eundem  ne  habeat  die.    Die  j   Taglohn  des  camdariits,  asinariits,  burdona- 

Deutung  der  Worte  ist  freilich    nicht   ganz  ;    rius  (Mauleseltreiber),    den  pastor   und   den 

klar  und  wird  verschieden  gegeben.    Gesner  mulio  (Maultiertreiber  oder  Kutscher),  s.Blüm- 

zu  Cato  erklärte:  diutius  ne  habeat  die  dicta,  neb  z.  Ed.  Diocl.  109. 

ne  studio  opus  trahant  atqite  ducant  merce-  i            s)  Cato  2,  6  vom  viHcut:  qua*  Optra  fitri 

iKirii:  dagegen  Keil  zu  Cato  p.  19:  hoc  prae-  velitetquae  locari  velit,  utiimpsrtt  et  M  scripta 

<ipit 'in-,  ne  rilicus  operarium  vel mercennarium  relinquat.  Ebd.  4. 

vel  politorem  eundem  plus  uno  die  mercede  con-  4)  Cato  144;  vgl.  Gümmekus  28  f. 

da  et  um  habeat,  i.e.  ne  eidem  homini  in  longius  6)  Cato  145. 

temporisspatium  mercedem promittat ;daß also  j            6)  Varro  I  17,  2:  mercmnarii*,  cid»  •,„,- 

der  rilints  für  jeden  Tag  kündigen  könne,  |    ducticiis  liberorum  operü  rta  minores,  at  ri„- 

nicht  aber  solle.  Seeck  a.  a.  0.  faßt  es  wört-  .   demiae  ac  faenisicia,  admitiistrant.  Cato  er- 

lich,  kein  Tagelöhner  solle  länger  als  einen  Tag  |    wähnt   die  Verdingung   der  Weinlese   (lieht; 

beschäftigt  sein ;  aber  das  ist  schwer  denkbar,  j    Gümmekus  31  vermutet,    daß  diese  Art.   die 

da  ein  beständiger  Wechsel  der  Arbeiter  doch  \    Weinernte  zu  besorgen,  auf  seiner  Musterfarm 

sehr  unvorteilhaft  wäre.   Waaser  Die  colonia  nicht  zur  Anwendung  kam. 

partiaria  (Berlin  1885)  73  und  Gummerüs  27  !           ')  Cato  146  f.  mit  Keil  p.  157;  vgl.  BeKKEK 

nehmen  den  Sinn  an,  den  Gesner  hineinlegt;  Zeitschr.  f.  Rechtsgeschichte  III  (1864)  416  ff. 

aber  das  bezeichnende   dicta   wäre   da   doch  Gummerüs  31. 

nicht  zu  entbehren.    Die  Stelle  ist  wohl  ver-  8)  Cato  150;  über  die  Gründe  dieses  Pacht- 

dorben.  Vertrages  s.  Gummerüs  31. 

2)  So  enthält  das  Ed.  Diocl.  7,  17  ff.  An-  9)  Cat.  5,  4. 


552  Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 

was  für  eine  Art  von  Arbeit  unter  dem  auch  anderweitig  erwähnten  polire 
zu  verstehen  ist;  am  verbreitetsten  ist  die  Ansicht,  daß  polire  allgemein  d£ 
Kultivieren  oder  Bestellen  der  Acker  bedeutet2),  sodaß  also  dem  politor\\ 
die  Sorge  um  die  Ackerbestellung  zwischen  Saat  und  Ernte  oblag4).    Vo 
anderer  Seite  hielt  man  die  politio  für  eine  Art  höherer  landwirtschaftliche! 
Arbeit,  die  politores  für  Kulturtechniker,  während  die  neueste  Meinung  dari| 
diejenigen  Arbeiter  sieht,  die  die  Brachearbeiten,  sei  es  für  Neuland,  sei  ei 
bei  regelmäßiger  Brache  (siehe  unten),  besorgten  und  eigens  gemietet  werde  j 
mußten,  weil  die  Sklaven  dafür  nicht  ausreichten  resp.  anders  beschäftigt  weij 
den  mußten5).  Mitunter  wurde  diesen  freien  Arbeitern  die  ganze  politio  in  Ver 
ding  gegeben,  indem  der  politor  einen  je  nach  der  Fruchtbarkeit  des  Bodens  unn 
der  Art  der  Vermessung  wechselnden  Anteil  des  geernteten  Getreides  erhielt6" 
Auch  in  der  Landwirtschaft  Varros  spielen  die  freien  Arbeiter,  bei  ihn 
mercennarü  genannt,  eine  Rolle,  werden  aber  nur  flüchtig  erwähnt  als  Hilfs 
kräfte  bei  Heuernte  und  Weinlese7);  außerdem  wird  bemerkt,  daß  man  un 
gesunde  Gegenden  besser  von  Lohnarbeitern  als  von  Sklaven  bebauen  lasse 
und  auch  in  gesunden  Gegenden  seien  größere  Arbeiten,  wie  namentlich  da; 
Einbringen  der  Frucht,  besser  jenen  zu  übertragen8).    Daneben  nennt  Varn 
noch  eine  Kategorie  von  Arbeitern,  die  obaerarii9).    Es  ist  nicht  sicher,  was 
darunter  zu  verstehen  ist;  sie  werden  von  manchen  für  eine  Art  der  ober 
besprochenen  coloni  gehalten10),  wahrscheinlicher  ist  aber,  daß  es  nicht  Land- 
arbeiter von  Beruf  waren,  die  auf  irgend  welche  Art  dem  Eigentümer  schuld- 
pflichtig waren,  sondern  überhaupt  Schuldner  (die  addicti  des  älteren  römischen 
Rechts)11),  die  ihre  Schuld  durch  Zwangsarbeit  bei  dem  Gläubiger  abtrugen, 
und  zwar  vornehmlich  durch  Feldarbeit12). 

*)  Siehe  Arthur  Geiss  Die  politio  in  der  rö-  demiae  auf  mesais ;  vgl.  ebd.  3  die  Vorschriften 

misch.  Landwirtschaft,  Diss.  Freib.  i.  Br.  1910.  des  Cassius  über  Alter  und  Beschaffenheit  dei 

'-)  Ennius  b.  Non.  66,  21 :  lati  campi,  quos  Lohnarbeiter.  Nach  Varro  bei  Non.  8,  1  wurde 

gerit  Africa  politos ;  Varro  ebd.  Z.  25.  Cato  136.  auch  die  saritio,  das  Behacken  der  Saatfelder 

Varro  r.  r.  III  2, 5.  Nonius  erklärt  a.  a.  0.  Z.  18 :  durch  Taglöhner  ausgeführt. 

politiones,  agrorum  cultus  diligentes :  ut  polita  I            9)  A.a.O.  2:  iique  quos  obaerarii  nostri 

omnia  dicimus  exculta  et  ad  nitorem  deducta.  \    vocitarunt^utetiamnuncinAsia  atqueAegyptc 

3)  Das  Wort  kommt  auch  Digg.  XVII  2,  j  et  in  Illyrico  conplures  (so  Keil  mit  den  bessere 
52,  2  vor:  ei  agrum  politori  damus  in  com-  Hss.;  sonst  las  man  obaeratos). 

mime  quaerendis  fructibus.  10)  So  Fustel  de  Coülanges  Le  colonal 

4)  So  Keil  zu  Cato  p.  140;  vgl.GuMMERUS  Romain  17.  Schulten  in  der  Histor.  Zeitschr 
26  und  32,  wo  betont  wird,  daß  polire  nicht  |  LXXVIII  (1897)  7  betrachtet  sie  als  Voiläufei 
eine  besonders  feine  Herrichtung  des  Ackers  j  der  coloni,  also  als  Kleinpächter,  die  weger 
sei,  sondern  nur  Kunstausdruck  für  perficere,  I  Pachtrückständen  im  Schuldverhältnis  zum 
fertig  machen,  agrum  polire  also  die  ganze  |  Eigentümer  standen  und  solange  für  dieser 
Arbeit,  die  nach  der  Pflugbestellung  bis  zum  '  das  Feld  zu  bestellen  hatten,  bis  sie  ihre 
Einbringen  der  Ernte  notwendig  ist.    So  auch  j  Schuld  abgezahlt  hatten. 

Voigt  Rom.  Privataltert.  369.    Ueber  die  bis-  n)  Quint.  decl.  311:  quid  enim  lex  diciti 

herigen  Ansichten  über  die  politio,  namentlich  |  addictus  donec  solverit  serviat,  ut  opinor,  non 

auch  bei  den  Juristen  u.  Nationalökonomen  (Ru-  !  servus  sit.  Vgl.  Leist  bei  P.-W.  I  352,  und  übei 

dorff,  Pernice.  Crome,  Waaser)  s.  Geiss  S.  14  ff.  |  die   Schuldknechtschaft  überhaupt  M.  Voigi 

5)  Jenes  ist  die  Ansicht  von  Pernice,  Cro-  BSGW  1882,  76  ff.  (über  die  zu  Landwirtschaft 
me, Waaser,  letzteres  die  von  Geiss  a.a.O.  32  ff.  I  liehen  Arbeiten  verwendeten  addicti  S.  92). 

5)  Cato  136.  Digg.  a.a.O.;  vgl.  Gummerus 32.    j  12)  Die    coloni  zahlten   ihre  Pachtschulc 


7)  Varro  I  17,  2. 

8)Ebd.:  de  quibus  universis  hoc  dico, 
g  racia  locautilius  esse  mercennariis  colere  quam 
servis,  et  in  salubribus  quoque  locis  opera  rusti- 
ca  maiora,  ut  sunt  in  condendis  fructibus  vin~ 


nicht  durch  Arbeit,  sondern  sie  hafteten  mil 
ihrem  Pfandobjekt  und  mußten  weiter  arbeiten 
bis  sie  ihre  Schuld  bar  bezahlt  hatten,  wäh 
rend  die  obaerarii  eben  durch  ihre  Arbeil 
zahlen.  So  Voigt  a.  a.  0.  92.  Gummerus  63. 


k 


Zweiter  Abschnitt.    Die  Landwirtschaft. 


553 


Bei  Columella  wird  alle  Arbeit  von  Sklaven  verrichtet1);  allein  wenn 
er  auch  freie  Taglöhner  nicht  ausdrücklich  nennt,  so  ist  doch  an  einigen 
Stellen  davon  die  Rede,  daß  Arbeiten,  die  große  Eile  erforderten,  mit  ge- 
mieteten Hilfskräften  zu  verrichten  seien2),  oder  wenn  gerade  für  eine  Arbeit 
billige  Kräfte  zu  haben  sind3).  Ebenso  kommt  die  Verdingung  größerer  Arbeiten 
bei  Columella  vor4).  Von  Verkauf  auf  dem  Stock  ist  bei  ihm  nichts  zu  finden, 
vielmehr  wird  das  fertige  Produkt  aus  der  Öl-  und  Weinkelter  verkauft5); 
daß  aber  sonst  Verkauf  vom  Stock  in  der  Kaiserzeit  durchaus  üblich  war, 
geht  aus  anderen  Quellen  hinlänglich  hervor6). 

Wenn  wir  nun  dazu  übergehen,  die  einzelnen  Zweige  der  Landwirtschaft 
>iö(| in  der  Art  ihrer  Ausführung  zu  betrachten,  so  müssen  wir  uns  dabei  freilich 
auf  das  Wichtigste  beschränken.  Wir  handeln  zunächst  vom  Ackerbau7). 
Wir  haben  oben  gesehen,  daß  der  Feldbau  in  der  Frühzeit  Roms  ebenso  ein 
Hauptteil  der  Landwirtschaft  war,  wie  die  Viehzucht8),  daß  er  aber  mit  der 
Zeit  immer  mehr  hinter  die  Viehzucht  zurücktrat,  weil  er  zu  wenig  lohnte, 
indem  das  in  Italien  erzeugte  Korn  nicht  mehr  mit  dem  billigen,  durch 
Sklavenarbeit  produzierten  Getreide  Siziliens  und  Afrikas  konkurrieren  konnte. 
Unter  diesen  Umständen  begreift  man  einen  von  Plinius  überlieferten,  von 
ihm  bereits  den  Vorfahren  zugeschriebenen,  seltsam  scheinenden  Ausspruch: 
nichts  bringe  weniger  Nutzen,  als  den  Acker  aufs  allerbeste  zu  bestellen9). 
Ein  anderer,  öfters  hervorgehobener  Grundsatz:  es  ist  besser,  weniger  säen 
und  besser  pflügen10),  geht  weniger  auf  die  Behandlung  des  Ackers,  als  sein 


sei  ei 

'•'■'iei 


*)  Operarms  bedeutet  bei  ihm  den  Ar- 
beiter überhaupt,  XI  2, 40;  ob  auch  XI  1,4, 
ebd.  16  u.  25,  wie  Gümmerüs  81  A.  4  meint, 
scheint  mir  nicht  gewiß,  da  der  vilicus  jeden- 
falls auch  die  freien  operarii  zu  beaufsich- 
tigen hatte,  nicht  bloß  die  Sklaven. 

2)  Bei  der  Weinlese,  wenn  die  Wein- 
berge mit  einer  einzigen,  zur  selben  Zeit 
reifenden  Traubensorte  bepflanzt  sind;  dann 
eogit  (tempestivus  fructus)  plures  operas  quanto- 
eunque  pretio  conducere,  Col.  III  21,10. 

3)  So  beim  Roden  steinigen  Bodens,  Col.  II 
2,12:  quod  tarnen  ita  faciendum  erit,  sisua- 
debit  operarum  vilitas. 

4)  III  13,  12  wird  die  pastinatio,  das  Be- 
hacken des  Weinbergs,  einem  conductor  über- 
lassen. Gummerus  81  f.  nimmt  an,  daß  auch 
unter  den  faotisicae  II  17  (18),  5,  messores  ebd. 
12  (13),  1  und  vindemiatores  III  21,  6;  IV  17,8 
o.  s.,  auswärtige  Hilfsarbeiter  inbegriffen  seien. 

b)  I  6,9;  XII  52,  14. 

6)  Plin.  XIV  50.  Digg.  XVIII 1, 39, 1.  Plin. 
ep.  VIII  2,  1  zeigt,  daß  es  oft  im  Lizitations- 
verfahren  geschah  (certatim  negotiatoribus 
wmentibus). 

7)  Vgl.  außer  den  oben  S.  533  angeführten 
Werken  über  Landwirtschaft  überhaupt  Ma- 
gerstedt  Bilder  a.  d.  röm.  Landwirtsch.  5.  Heft : 
Der  Feld-,  Garten-  und  Wiesenbau  der  Römer, 
Sondershausen  1862.  Hagelüken  Brevis  histo- 
ria  agriculturae  Romanae.  Münstereifel  (Bonn) 
1864.  H.  Beheim-Schwarzbach  Beitrag  zur 
Kenntnis   des   Ackerbaus   bei    den   Römern. 


Cassel  1867.  G.  Bertagnolli  Delle  origini  dell" 
agricultura  in  Italia.  Firenze  1881.  Orth  Der 
Feldbau  der  Römer,  in  Dietrichs  Mitteil,  aus 
d.  histor.  Litteratur  1901.  I  3. 

8)  Den  Segen,  den  der  Ackerbau  für  die 
menschliche  Kultur  gebracht  hat,  preisen  auch 
die  späteren  Dichter,  vgl.  Verg.  Geo.  I  121  ff. 
Tib.  I  7,  29  ff.  Ov.  fast.  1  675  ff. 

9)  Plin.  XVIII  36:  temerarittm  videatur 
HiKim  vocem  antiqnionon  potHJ&M,  et  furtas- 
sis  incredibile,  ut  penitits  existimefur,  nitiil 
minus  expedire,  quam  acjnim  OpUnu  COhrt. 
Das  erklärt  er  ebd.  38  etwas  präziser:  heue 
colere  necessarium  est,  optime  damnosum,  prae- 
terquam  subole,  WO  co/ono  aut  pascem/it  <tli<>- 
qui  colente.  Also  nur,  wenn  der  Bauer  mit 
seinen  Kindern  selbst  mitarbeitet,  lohnt  sich 
sorgfältigste  Pflege,  und  das  ist  nur  bei 
kleinen  Gütern  möglich.  Daher  die  ebd.  41  ff. 
erzählte  Anekdote  von  dem  Freigelassenen 
C.  Furius  Cresimus,  dessen  jmtvm  ndmodum 
agettus  viel  reicheren  Ertrag  brachte,  als  die 
großen  Güter  seiner  Nachbarn,  und  der,  an- 
geklagt, daß  er  die  Felder  der  Nachbarn  ver- 
hext habe,  vor  das  Gericht  omni-  tmttrumm 

t kiii  nisficum,  seine  familin  vaüda  n/qm 
curata  ac  rcstita  mitbrachte,  die  ferramnitu 
egregie  facta,  gravea  Ugpnm,  vomtrm  p<>n</,- 
rosi,  boves  saturi,  und  erklärte:  das  seien  sein»« 
reneficia;  nicht  zeigen  aber  könne  er  seine 
lucubrationes  ligfliacque  et  uktoret. 

10)  Plin.  a.  a.  0.  "•">:  tatüu  et*  minus  >,- 

rare  et   nirtins  m-are. 


554  Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 

Sinn  sich  gegen  den  Erwerb  zu  großen  Landbesitzes  richtet,  vor  dem  d: 
Landwirte  immer  warnen1). 

Die  zur  Bestellung  des  Bodens  notwendigen  Arbeitskräfte  und  Hilft 
mittel  teilt  Varro  (wie  manche  annehmen,  etwas  humoristisch)  in  drei  Arter 
1.  das  instrumentum  vocale.  d.  h.  die  bei  der  Arbeit  beschäftigten  Menschei 
Sklaven  oder  Freie;  2.  das  instrumentum  semivocale,  d.  h.  die  dafür  notwendige 
Zug-  und  Lasttiere;  3.  das  instrumentum  mutum,  d.  h.  die  Feldgeräte,  Wage 
und  das  sonstige  tote  Inventar2).  Von  der  ersten  Klasse  ist  oben  gehandell 
worden;  von  den  beiden  anderen  wird  weiter  unten  zu  sprechen  sein.  Zul 
nächst  wenden  wir  uns  der  Bodenkultur  zu. 

Eines  der  ersten  Erfordernisse  für  den  Landwirt,  der  seinen  Boden  — 
Acker  oder  Wiesen,  Obstanlagen,  Weinpflanzungen,  Gärten  usw.  —  bestelle) 
will,  ist  eine  genaue  Kenntnis  der  Beschaffenheit  des  ihm  zu  Gebote  stehendei 
Bodens  nach  Lage  und  natürlicher  Güte,  nach  seinem  Verhältnis  zu  Feuchtig 
keit  und  Wärme,  nach  seinen  Bestandteilen  und  Merkmalen,  nach  Ober-  un< 
Untergrund,  nach  seinem  Verhalten  zum  Klima3).  Fehlerhaften  Boden  zi 
verbessern  und  für  die  beabsichtigte  Art  der  Bepflanzung  geeigneter  zil 
machen,  hatte  man  verschiedene  Methoden,  von  denen  die  folgenden  dit 
wichtigsten  sind4).  Wenn  Ackerland  entweder  zu  stark  bindend  oder  zi 
locker,  zu  fett  oder  zu  mager  war,  so  konnte  durch  Zuführung  andersartige] 
Erde  und  Mischung  eine  brauchbare  Ackerkrume  erzeugt  werden5).  Wai 
der  Boden  zu  trocken,  sei  es  durch  seine  natürliche  Beschaffenheit,  sei  es 
wegen  seiner  zu  stark  den  Winden  oder  der  Sonne  ausgesetzten  Lage,  sc 
half  man  durch  Aufbrechen  der  oberen  harten  Rinde  (repastinatio)  oder  durch 
Tieferpflügen  nach6),  wirksamer  aber  durch  Bewässerungsanlagen,  rigationes1) 
oder  inrigationess),  die  namentlich  bei  Wiesen  zur  Anwendung  kamen9):  auch 
die  Gärten  wurden,  abgesehen  vom  Begießen,  durch  Kanäle  bewässert10).  Zu 
diesen  Bewässerungsanlagen,  rigui,  rigua  genannt11)  oder  rivili),  benutzte  man 
Röhren  aus  Blei,  Ton  oder  Holz13),  die  je  nach  Bedarf  geöffnet  oder  ge- 
schlossen wurden14).    Zu  nasse  Grundstücke  wurden  drainiert15),  indem  man 


1)  Was  Verg.  Geo.  II  412  in  die  Worte  j  Varro  I  31,5;  37,5.  Cic.  nat.  deor.1160,  152: 
faßt:  laudato  ingentia  rura,  exiguum  colito.  \  nos  aquarum  inductionibus  terris  fecundita- 
Vgl.  Colum.  I  3,  8;  Mago  ebd.  1, 18.  \  tem  damus;  de  off.  II  4,  14;  Cat.  mai.  a.  a.  0. 

2)  Varro  I  17,1;  alles  zusammen  (aus-  Vgl.  Verg.  Geo.  I  104  ff.,  wo  die  Herleitung  des 
genommen  die  Freien)  bildet  das  instrumen-  '  Wassers   von   Flüssen    und   Bächen    hervoi- 


tum  rusticum,  Phaedr.  IV  5,  24,  das  in  den 
Digesten  öfters  vorkommt,  vgl.  besonders 
XXX11I  7. 

3)  Ueber  diese  Bodenkunde,  auf  die  hier 
nicht  näher  eingegangen  werden  kann,  ist 
DicksonI  136  ff.  und  Magerstedt  a.a.O. 69 ff. 
zu  vergleichen. 


gehoben  wird. 

9)  Prata  inrigua,  Varro  a.  a.  0.;  ebd.  33. 
Colum.  II  16  (17).  3. 

10)  Calp.  ecl.  2,  35:  iam  potes  irrigiw*  nu- 
trire  canalibus  hortos.  Tib.  II  1,  44:  tarn  bibit 
irriguas  f erUlis  horttts  aquas.  Dagegen  geht 
Verg.  Geo.  IV  115  inrigare  auf  Begießen. 


4)  Vgl.  Magerstedt  93  ff.    Beaurredon  |          n)  Plin.  IX  175;  XVII  246;  249  f. 
46  ff.  «)  Digg.  VIII  4,  11  pr.  1;  vgl.  Verg.  Geo.  I 

5)  Plin. XV1I25.  Colum. II  2,2;  15(16),4.  269. 

6)  Cic.  Cat.  mai.  15,53:  quid  ego  inriga-  13)  Pall.  IX  11,  1. 

tiones,  quid  fossiones  agri  repastinationesque  14)  Daher  der  bekannte  Vers  des  Vergil 

proferam,   quibm  fit  multo  terra  fecundior?  i    ecl.  3,  111:  claudite  iam  rivosfpueri,  tat  prata 

Colum.  II  2,  13  u.  23.  Plut.  Aem.  Paul.  14.  !    biberunt;  vgl.  das.  Servius. 

7)  Colum.  XI  3,48.  Pall.  III  25, 14.  16)  Ueber  die  Drainage  bei  den  Römern 

8)  Cato  151,4:  si  quando  non  pluet,  uti  siehe  Dickson  I  358  ff.    Magerstedt  a.  a.  0. 
terra  stHat,  aquam  inrigato  leniter  in  areas.  99  ff. 


Zweiter  Abschnitt.    Die  Landwirtschaft. 


555 


Hilli 
Arten 

diel 
idiga 
%ei 
indd 
Zd 

eil- 


^Abzugsgräben  zog,  die  Gefälle  hatten1)  und  von  Zeit  zu  Zeit,  damit  lie 
nicht  verschlammten,  frisch  ausgeworfen  werden  muteten2).  Es  gab  ver- 
schiedene Arten  dieser  fossae.  In  gebirgigen  Gegenden  genügten  gewöhnliche 
fossae  inciles  oder  Incilia,  die  im  Herbst  erst  bei  Beginn  der  Regenzeit  von 
den  Sklaven  mit  Hacke  und  Grabscheit  geöffnet  wurden,  daß  das  Wasser 
zufließen  konnte3);  in  Ebenen  dagegen  sind  sulci  aquarii  oder perpäui,  auch 
t'lins  genannt,  anzulegen4),  die  mehr  Abzugsfurchen  für  den  Ablauf  des 
Gegenwassers  sind,  das  in  Sammelbecken,  colliciae  (coüiquiae),  geleitet  wird, 
von  denen  es  dann  weiter  außerhalb  der  Felder  abfließt6).  Das  geschah 
durch  die  eigentlichen  Entwässerungsgräben,  bei  denen  man  caecae  und 
patentes,  offene  und  bedeckte,  unterschied6);  letztere,  die  etwa  drei  Fuü  tief 
waren,  wurden  mit  Reisig,  Baumzweigen,  am  besten  mit  Kies  oder  kleinen 
Feldsteinen  ausgelegt  und  hatten  den  Vorzug,  daß  sie  kein  Land  wegnahmen7). 
Alle  diese  Erdarbeiten  lagen  wohl  in  der  Regel  in  den  Händen  der  als 
fossores  bezeichneten  Knechte8). 

In  vielen  Fällen  mußte  der  Boden  erst  kulturfähig  gemacht  werden, 
indem  man  Buschwerk,  Gestrüpp  u.  dgl.,  das  sich  darauf  befand,  zu  beseitigen 
hatte.  Zu  diesem  Zweck  bediente  man  sich  am  liebsten  des  Feuers,  wie 
schon  in  homerischer  Zeit  und  wie  es  heute  noch  im  Süden  üblich  ist, 
Waldland  durch  Abbrennen  zu  Weidland  zu  machen9).  Sonst  mußte  um- 
gegraben oder  umgepflügt  werden10).  Steiniger  Boden  wurde  mit  der  Hacke 
(bidens)  bearbeitet11),  die  Steine  wurden  aufgelesen  und  beiseite  geschafft, 
um  für  Ackereinfassungen,  Graben  Verkleidung  u.  dgl.  benutzt  zu  werden12). 


*)  Plin.  XVIII  47:  umidiorem  agrum  fos- 
sis  concidi  atque  siccari  utilissimum  est.  Co- 
lum.  II  2, 9 :  si  humidus  erit  (locus),  abundantia 
uliginis  ante  siccetur  fossis. 

*)  Cato  2,  4  verlegt  diese  Arbeit  auf  die 
Feiertage;  auch  Vergil  sagt  Geo.  I  369  von 
deD  Festtagen:  rivos  deducere  nulla  religio 
vetuit,  und  Macrob.  III  3, 10  bemerkt,  daß  hier 
deducere  nichts  anderes  sei,  als  detergere:  nam 
festis  diebus  rivos  veteres  sordidatos  detergere 
licet,  novos  fodere  non  licet.  Vgl.  Colum.  II  21 
(22),  1.  Varro  I  35,  2  verlegt  das  fossas  novas 
fodere,  veteres  tergere  auf  die  Zeit  a  favonio 
usque  ad  arcturum,  d.  h.  um  die  Zeit  des 
Frühlingsäquinoktiums,  Plin.  XVIII  236  etwas 
früher. 

3)  Cato  155, 1 :  per  hiemem  aquam  de  agro 
depelli  oportet,  in  monte  fossas  inciles  puras 
habere  oportet,  prima  autumnitate  cum  jnilvis 
tat,  tum  maxime  ab  aqua  periculum  est.  cum 
pluere  incipiet,  familiam  cum  ferreis  sarcu- 
lisgue  exire  oportet,  incilia  aperire,  aquam  de- 
ducere in  vias  et  segetem  curare  oportet  tili 
fiuat.  Colum.  V  9, 13  setzt  die  Zeit  dafür  nach 
dem  Herbstäquinoktium  an:  post  aequinoctium 
autumnale  . .  .  incilia  excitentur,  quae  limosam 
aquam  ad  codicem  deducant. 

4)  Cato  33, 2.  Colum.  II  8,3:  sed  quamvis 
tempestive  sementis  confecta  erit,  cavebitur  ta- 
rnen, ut  patentes  liras  (aufgeworfene  Erd- 
streifen) crebrosque  sulcos  aquarios,  qnos  non- 
hulli  elices  vocant,  faciamus  et  omnem  humo- 


rem   in   cottiqwias  atqut   inde  extra  tegtte$ 

derivemuK.  Pall.  X  3,1:  melius  tarnen  omnibus 
remediis  erit,  siaquariux  sulcus  noxium  dedmiit 
umorem.  Colum.  XI  2.  82  empfiehlt:  todsm 
tempore  fossas  rtvotgut  /iin-i/are  et  elices  sul- 
( osque  aquarios  facere.  Dasselbe  meint  Varro, 
wenn  er  1  29,  2  sagt:  sulcant  fossas,  quo  \>lu- 
via  aqua  delabatur;  vgl.  Serv.  ad  Geo.  I  109: 
et  apud  antiquos  et  hodieque  in  aliquibus  pro- 
vinciis  elices  appellantur  sulci  ampHons  ml 
siccundiis  agros  ducti. 

»)  Colum.  II  8,  3.  Plin.  XVIII  179:  in  mm 
est  et  collicius  infe>-ponei-r,  M  Ha  locus  poscut, 
ampliore  sulco,  guae  in  f08$68  OOUtUH  idncunt. 

6)  Colum. II 2,9:  earum  (sc.  fossaruni)  duo 
genera  cogtiovimus,  caccarum  et  patentium. 
Plin.  XVIII  47.  Pall.  VI  3,1. 

7)  Plin.  a.a.O.:  quasdam  obcaccari  et  in 
u/itis  dirit/i  ntttitircs  patcntiorcsiptc  et,  si  sit 
occasio,  silier  rcl  glarca  $Um»,  <>ru  uutnn 
earum  bims  utrimgue  lupidihus  ttatumimti 
et  a/io  sttperintegi.  Colum.  II  2. 10.  Pall.  VI  3, 2. 

8)  Natürlich  auch  andere  Erdaibeiter,  be- 
sonders im  Weinberge,  s.  Verg.  Geo.  II  264. 
Hor.carm.  III  18. 15.  Colum.  III  13,3;  15,2; 
XI 2, 38.  MartVII  71,4;  XI  18,14.  luv.  11.-". 

«)  Colum.II2, 11;  XI  3,7.  Plin.XVIll  IT. 
Pall.  I  6, 13. 

10)  Colum. II 2, 11;  ebd.  13.  Plin. a.a.O. 46. 
Pall.  a.a.O.;  ebd.  VI  3,  3. 

")  Plin.  a.a.O. 

«»)  Colum.  II  2, 13. 


556 


Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 


Zur  regelmäßigen  Pflege  und  Verbesserung  des  Bodens  und  zur  Unter 
Stützung  des  Pflanzen wuchses  gehört  für  Feld  und  Garten,  für  Wein-  un<|| 
Obstpflanzung  die  Düngung  (stercoratio)1),  deren  hohe  Bedeutung  diJ 
römischen  Landwirte  wohl  erkannt  hatten 2).  Vieh  hielt  man  nicht  bloß  de  j 
Fleisches  und  der  Milch,  sondern  ganz  besonders  auch  des  Düngers  wegen3)|| 
Denn  in  erster  Linie  gab  man  dem  tierischen  Dünger  den  Vorzug,  der  aul 
den  Gütern  in  besonderen  Düngergruben,  fimeta4),  sterquilinia5),  gesammelt 
wurde,  unter  Benutzung  der  den  Tieren  im  Stalle  untergelegten  Streu  (stral 
menta)  aus  Stroh,  Schilf  oder  Laub6).  Die  Landwirte  empfehlen  deren  Anl 
läge  in  nächster  Nähe  der  Stallungen,  des  bequemeren  Transportes  wegen7) 
und  zwar,  wenn  möglich,  in  doppelter  Anlage,  oder  wenigstens  eine  in  zwe: 
Abteilungen  getrennte,  die  eine  für  den  neuen,  die  andere  für  den  älteren  Mist 
der  zuerst  verbraucht  wird;  und  ferner  soll  die  Grube  seitlich  und  von  oben 
durch  Streu,  Reisig  u.  dgl.  gegen  die  Sonne  und  vor  dem  Austrocknen  ge- 
schützt werden 8) ;  sie  waren,  wie  Zisternen,  vertieft  und  ausgemauert  oder 
zementiert9).  Außer  den  tierischen  Exkrementen  und  der  Streu  warf  man  in 
diese  Gruben  auch  Asche,  Küchenreste,  Abfälle  von  Gerbereien,  Schlamm  u.  dgl. 
und  goß  vielfach  den  menschlichen  Urin  dazu10).  In  der  Regel  sollte  der 
Dünger  bei  der  Benutzung  mindestens  ein  Jahr  alt  sein11),  manche  Land- 
wirte ließen  ihn  noch  viel  länger  liegen12).  Auch  sollte  der  Dünger  öfters 
umgegraben  werden,  damit  er  sich  gut  mische  und  leichter  faule13). 

Als  bester  Dünger  galt  allgemein  der  von  den  Vögeln  herrührende14), 
in  erster  Linie  der  Taubenmist,  den  die  Kolumbarien  lieferten,  dann  der  der 
anderen  Vögel  vom  Hühnerhof  und  aus  den  oft  sehr  reichhaltigen  Aviarien, 
während  der  der  Wasservögel,  wie  Enten  und  Gänse,  nicht  geschätzt  war15). 


1)  Vgl.  Dickson  I  260  ff.     Magerstedt 

106ff.BEHEIM-SCHWARZBACHa.a.O.77ff.BEAUR- 
REDON   69  ff.    SORLIN-DoRIGNY   920  f. 

2)  Cato  61:  quid  est  agrum  bene  edlere? 
bene  arare,  quid  seeundum?  arare,  quid  ter- 
tium?  stercorare,  wiederholt  bei  Plin.  XVIII 
174.  Colum.  II  1,7:  licet  enim  maiorem  fru- 
ctum  pereipere,  si  frequenti  et  tempestiva  et  mo- 
dica  stercoratione  terra  refoveatur.  Plin.  XVIII 
192:  hoc  tantum  nemini  inconpertum  est,  nisi 
stercorato  seri  non  oportere.  Bezeichnender- 
weise nannte  man  düngen  nicht  nur  sterco- 
rare, sondern  auch  laetificare,  den  Dünger 
laetamen,  den  gedüngten  Acker  laetus,  s.  Plin. 
XVII  50;  XVIII  120;  141.  Pall.  III  1;  25,4. 

3)  Varro  1 19, 3.  Daher  gehören  nach  Cato 
10  f.  sowohl  zur  Wein-  wie  zur  Oelpflanzung 
subulei  und  opiliones,  Schweine-  und  Schaf- 
hirten. 

4)  Plin.  XVII  57;  XXIV  171. 

5)  Cato  5,  8:  stercilinum  magnum  stude 
ut  habeas.  Varro  III  9,  14.  Phaedr.  III  12,  1. 
Pall.  I  33.  Cato  2,  3  u.  39, 1  empfiehlt  für  die 
Düngereinfuhr  die  Regentage,  da  die  alte  Land- 
wirtschaft den  Grundsatz  hatte,  bei  gutem 
Wetter  nur  Arbeit  im  Freien  vorzunehmen, 
vgl.  Plin.  XVIII  40. 

6)  Cato  5,  7;  37,  2.  Varro  I  13,  4;  II  2,  8. 
Colum.  I  6,22;  VI  3, 1.  Verg.Geo.III  297.  Plin. 


XVII  55.  Calp.  ecl.5, 116. 

7)  Varro  I  38, 3:  stercilinum  seeundum  vil- 
lamfacere  oportet,  ut  quam  paucissimis  operis 
egeratur. 

8)  Varro  113,4,  wo  auch  bemerkt  ist, 
daß  man  öfters  die  sellae  familiaricae,  d.  h. 
die  Abtritte  für  die  Sklaven,  mit  der  Dünger- 
grube in  Verbindung  brachte.  Vgl.  Colum.  I 
6,21.  Plin.  XVII  57. 

9)  Colum.  a.  a.  O.  22,  der  auch  Bedeckung 
mit  Reisig  empfiehlt. 

10)  Colum.  II 14  (15),  5.  Plin.  XVII 51 ;  257. 
Pall.I  33,2.  Geop.  II  22. 1. 

n)  Colum.  a.  a.  O.  9.  Pall.  a.a.O. 

12)  Geop.  II  21, 11. 

13)  Colum.  a.  a.  O.  8. 

u)  Colum.  a.  a.  0.  1  klassifiziert:  tria 
stercoris  genera  sunt  praeeipue,  quod  ex 
avibus,  quod  ex  hominibus,  quod  ex  peeudibus 
confit. 

15)  Cato  36  empfiehlt  Taubenmist  beson- 
ders für  Wiesen,  Gärten  und  Felder.  Varro 
I  38,  1  rühmt  den  der  Krammetsvögel  und 
Amseln;  vgl.  Colum.  a.  a.  0.  Plin.  XVII  50  f. 
Pall.  I  33.  Wie  viel  man  auf  den  Vogelmist 
hielt,  zeigt  der  von  Varro  a.  a.  0.  erwähnte 
Umstand,  daß  bei  Verpachtung  der  Aviarien 
der  Pachtzins  niedriger  war,  wenn  der  Eigen- 
tümer sich  den  Mist  vorbehielt. 


Zweiter  Abschnitt.    Die  Landwirtschaft.  557 

B  zweiter  Linie  kamen  dann  die  menschlichen  Exkremente  in  Betracht1)» 
m  dritter  Stelle  die  tierischen,  und  zwar  zuerst  die  von  Eseln,  dann  die 
von  Schafen  und  Ziegen,  sodann  die  der  Rinder  und  Pferde,  während  die 
ier  Schweine  für  unbrauchbar  galten2).  Meist  wurde  dieser  Dünger  in  l"«-sti-r 
Form  aufgetragen,  doch  kannten  schon  die  Alten  die  sogenannte  Poudrette, 
i.  h.  den  getrockneten,  pulverisierten  Dünger,  der  ausgestreut  wurde8). 

Nächst  dem  animalischen  benutzte  man  pflanzliche  Dungstoffe,  und  zwar 
if  teils  in  der  Art,  daß  man  Futterpflanzen,  besonders  Hülsenfrüchte  (Lupinen. 
;  Wicken,  Bohnen  u.  dgl.),  anpflanzte  und  grün  unterpflügte4),  teils  so,  daß  man 
iie  Stoppeln  des  Getreides,  die  man  oft  bis  zur  halben  Höhe  oder  bis  dicht  an 
iie  Ähren  heran  stehen  ließ,  abbrannte5)  oder  Rohrpflanzungen,  Unkraut, 
Bergweiden  auf  diese  Weise  in  Dungasche  verwandelte6).  Auch  mineralische 
Dungstoffe  wurden  benutzt,  vornehmlich  Tonerden,  Mergel,  Kalk,  Gips  u.  dgl.7). 
Und  endlich  bediente  man  sich  zu  flüssiger  Düngung  vornehmlich  des  Urins 
von  Menschen  und  Tieren,  besonders  für  Gärten  und  Weinpflanzungen8), 
ferner  der  aus  den  Ställen  und  Düngergruben  abfließenden  Jauche,  für  die 
man  besondere  Behälter  bei  den  Dungstätten  anlegte9),  des  Schmutzwassers 
aus  Abzugsgräben,  Küchen,  Bädern,  Latrinen  etc.10),  dann  auch  der  Wein- 
hefe11) und  des  Ölabganges  (amurca,  dieser  besonders  bei  der  Baumkultur12)). 
An  Regeln  über  die  Behandlung  des  Düngers  in  den  Düngergruben,  über 
die  Ausfuhr,  die  sich  nach  den  Jahreszeiten  und  nach  den  zu  düngenden 
Pflanzen  richtete,  sowie  über  die  Stärke  und  die  Häufigkeit  des  Düngens 
fehlt  es  bei  den  alten  Landwirten  nicht13). 

Nächst  den  Arbeiten,  die  die  Verbesserung  des  Bodens  zum  Zweck  haben, 
sind  dann  aber  andere  notwendig,  um  ihn  in  den  für  Aussaat  und  Anbau 
erforderlichen  Zustand  zu  versetzen,  vor  allem  beim  Acker,  damit  der  auf- 
getragene Dünger  sich  gut  mit  dem  Boden  mische,  die  in  der  Erde  befind- 
lichen Pflanzennährstoffe  ihm  zugute  kommen,  Wurzeln  und  andere  Pttanzen- 
teile  umgegraben  werden14),  und  hierzu  ist  das  Auflockern  des  Bodens  er- 
forderlich.   Das  üblichste  Verfahren  dafür  ist  das  Pflügen15).    Der  Pflug, 


')  Varro  a.  a.  0.  Colum.  a.  a.  0.  2.  Pall.  !  aliquot  regrionea  aocessi,  tibi  nee  vUts  tue  oUa 

a.a.O.  Geop.  1121,6.  »<r  poma  naseerenhtr,  tibi  agro» BtereorarmU 

2)  Vgl.Varro  a.a.O.  Colum. a.a.O. 4.  Plin.  Candida  fowicia  m-ta.    Colum.  II  15  (16),  4. 

XVII  51.  Pall.  a.  a.  0.  Geop.  II  21,  7  ff.;  doch  Plin.  XVII  47. 

gehen  die  Ansichten  da  vielfach  auseinander;  8)  Colum.  a.  a.  0.  2.  Plin.  XVII  259. 

so  erklärt  Plin.  a.  a.  0.  52  den  Schweinemist  9)  Die  sog.  colluvies,  Colum.  a.a.O. 8.  Pall. 

für  gut,  den  Colümella  und  Palladius  als  den  I  34, 1 ;  vgl.  Veget.  mulom.  II  28  (I  56). 

schlechtesten  bezeichnen.  ,0)  Colum.X84f.  Plin.XVII260;  XIX  182. 

s)  Plin. XVII 53:  visum  iam  est  apud  quos-  |          n)  Plin.  XVII  259.  PaU.  III  25,  5. 

dam  provinciallnm  inveteratum,  abundantege-  12)  Cato 36.  Colum. XI  2,29.  Pall. a.a.O. 23. 

niaUcopiapecudum,farinaevicecribris super-  \          1S)  Vgl.  Magebstedt  127  ff.           TI,AO_ 

inici;  besonders  geschah  das  mit  Vogelmist,  14)  Lucr.I208ff.Verg.Geo.I64tt.;II203n\ 

Varro  I  38,  1.  Vgl.  Geop.  II  21,  5,  wo  solcher  Colum.  II  5.  2. 

Brauch  als  in  Arabien  üblich  bezeichnet  wird.  !          15)  Ueber  den  Pflug  und  das  Pflügen  vgl. 

4)  Cato  36.  Colum.  XI  2.29.   Plin.  XVII  j   Dickson  I  375  ff.  u.  421  ff.  Magebstedt  133  ff 

56;  XVIII  120;  187;  257.  Pall.  III  25,  23.  |    Beaubbedon  64  ff.    Saglio  bei  D.S.  I  353  tt. 

6)  Vgl.  Cato  38,  4.  Verg.  Geo.  I  84  ff  Ov.  Mongez  in  den  Mem.  de  l'Institut  royal  de 


met.  1492;  VI  456 

6)  Hör.  sat.  I  3,  37.  Verg.  Aen.  X  405  ff; 
XII  521  f.  Sil.  It.  VII  364  ff.  Colum.  IV  32,  5. 
Plin.  XVIII  300.  Geop.  XII  4. 

7)  Varr.  I  7,  8:  in  Gallia  transalpina  .  .  . 


France.  Classe  d'hist.  et  de  litter.  anc.  II  (1815) 
616ff.  F.Th.ScHULTZE  De  aratriRomani  forma. 
Jena  1820.  K.  H.  Rao  Geschichte  des  Pfluges, 
Heidelb.  1845.  L.  v.  Raü  Ber.  über  die  Anthro- 
pol.  Versammlung  in  Frankfurt  a.  M.  1882, 134. 


558 


Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 


aratr-um,  gehört  zu  den  ältesten  Erfindungen  der  Menschheit l)  und  ist  dah 
den  römischen  Ackerbauern  von  der  frühesten  Zeit  an  bekannt  gewese: 
doch  geben  unsere  Quellen  über  die  älteste  Form,  in  der  er  zur  Anwendurj 
kam,  keine  Auskunft,  wie  denn  auch  die  landwirtschaftlichen  SchriftstelLj 
sich  auf  Einzelheiten  wenig  einlassen.  Nun  finden  wir  bei  den  Griechen  j 
älterer  Zeit  zwei  Arten  des  Pfluges:  den  einfachen,  bei  dem  die  Holzteil! 
wie  Krummholz,  Scharbaum,  Deichsel,  aus  einem  Stück  bestehen,  und  dei 
zusammengesetzten,  bei  dem  sie  besonders  gearbeitet  und  zusammengefüd 
sind2);    es   darf  daher  mit  Wahrscheinlichkeit   angenommen   werden,   da! 

auch  die  Römer  in  der  Frühzeit  uc 
manchenorts  vielleicht  auch  später  noc 
sich  jener  älteren  Art,  des  sogenannte 
Hakenpfluges,  bedienten,  die  wir  auc 
auf  Denkmälern  finden.  So  ist  ein  so 
eher  auf  der  etruskischen  Bronze  au 
Arezzo  Fig.  85  dargestellt3):  man  ei 
kennt  das  starke,  gekrümmte  Holz,  da 
zugleich  Krummholz,  Scharbaum  un 
Sterze  ist  (die  Deichsel  ist  nicht  sichl 
bar),  und  unten  am  Scharbaum  die  mi 
diesem  durch  Ringe  oder  Klammern  verbundene  Pflugschar.  Auch  au 
etruskischen  Aschenurnen  findet  man  bisweilen  diesen  Hakenpflug  in  de: 
Händen  eines  Mannes4),  sowie  auf  römischen  Kolonialmünzen,  die  das  Pflüge 
des  Mauerringes  darstellen5).  Mit  einem  solchen  Hakenpflug  (der  heut 
noch  in  Ägypten  und  im  Orient  üblich  ist)  konnte  aber  jedenfalls  nu 
ganz  leichter  Boden  gepflügt  werden,  und  das  Gewöhnliche  war  vermutlic] 
der  zusammengesetzte  Pflug.  Die  notwendigsten  Bestandteile  desselber 
soweit  sie  von  Holz  sind,  führt  Vergil  an  einer  bekannten  Stelle  an6) 
dagegen  nennt  er  nicht  den  Hauptbestandteil,  die  Pflugschar,  vomis  ode 
vomer1),  die  von  Eisen8)  und  mit  scharfer,  meist  etwas  gekrümmter  Spitz 


Fig.  85.    Pflüger.   Bronzefigur  aus  Arezzo. 


Nowacki  in  der  Deutschen  Revue  für  1882,  II 
340  ff.  H.  Behlen  Der  Pflug  und  das  Pflügen 
bei  den  Römern  und  in  Mitteleuropa  in  vor- 
geschichtlicher Zeit.  Dillenburg  1904.  Die  Ab- 
bildungen von  Pflügen,  die  Ginzrot  Wagen 
u.  Fuhrwerke  d.  Gr.  u.  Rom.  Taf.  I  B;  II  1  u.  2; 
III  A  gibt,  sind  größtenteils  verdächtig. 

x)  Die  Sage  schrieb  sie  bald  dem  Tripto- 
lemos,  bald  dem  Athener  Buzyges  zu,  Plin. 
VII  199. 

2)  Die  Hauptstelle  darüber  ist  Hesiod.  op. 
et  dies  427  ff. 

3)  Nach  Micali  L'Italia  avanti  il  domin. 
Romano  tav.  50.  Baumeister  Denkmäler  13 
Fig.  15  und  sonst  öfters  abgebildet. 

4)  Zoega  Bassirilievi  t.  181  tav.  40;  die 
Figur  wird  von  manchen  als  der  griechische 
Heros  Echetlos,  von  andern  religionsgeschicht- 
lich gedeutet,  s.  Schultz  bei  Röscher  Mythol. 
Lexikon  I  1211  f. 

'")  EcKJiELDoctr.nummor.IV  489.  Darem- 


berg-Saglio  I  1321  Fig.  1723;  zu  vergleiche 
ist  auch  die  Florentiner  Gemme  ebd.  35 
Fig.  430.  Die  Pflugabbildungen  bei  Magei 
stedt  Tafel  1  f.  sind  zum  Teil  Rekonstrul 
tionen. 

6)  Geo.  I  169  ff. 

7)  Cato  135, 2  sagt:  vomeris indutilis  opfr 
mus  erlt,  was  Gesner  gewiß  richtig  erklärl 
ferrum,  quod  indui  potest  vel  inseri  lig>wa 
aratri parti;  vgl.  Keil  zu  Cato  p.  138.  Danac 
gab  es  also  Pflugscharen,  die  man  dem  Scha: 
bäum  einfügte,  und  solche,  die  fest  damit  ve: 
bunden  waren;  daher  nennt  Cato  zwar  10, 
aratra  cum  vomeribus,  aber  11,  4  vomeri 
allein;  auch  5, 6  trennt  er  aratra  und  vomeret 
ebenso  Varr.  I  22,  3  aratra  cum.  vomeribu. 
Auf  besondere  Befestigung  des  vomer  kan 
man  auch  aus  Tib.  II  1,  6  susj)enso  vomet 
schließen,  falls  hier  nicht  dichterisch  vorne 
für  den  ganzen  Pflug  gesagt  ist. 

8)  Lucr.  I  313.  Verg.  Geo.  I  46. 


Zweiter  Abschnitt.    Die  Landwirtschaft. 


559 


180 


^versehen  war1),  daher  auch  dens  genannt2).  Plinius  unterscheidet  vier 
ei  Arten  der  Pflugschar:  erstlich  den  culter,  der  eigentlich  etwas  anderes 
"lim ist,  ein  Sech,  wie  es  heute  heißt,  d.h.  ein  nach  unten  gerichtetes  Messer, 
!*Ufdas  sehr  dichten  Boden,  bevor  die  Pflugschar  ihn  aufreißt,  durchschneidet 
lleiiUnd  den  Furchen,  die  die  Schar  aufzuwerfen  hat,  vorarbeitet,  sodaß  also 
Mam  selben  Pflug  culter  und  vomer  waren3);  zweitens  die  gewöhnlichste  Form 
'd  de  mit  schnabelartiger  Spitze4);  drittens  eine  in  leichtem  Boden  zu  gebrauchende 
?^Art  mit  kleiner,  scharfer  Spitze  vorn6);  und  die  vierte  Art,  die  breiter  ist, 
vorn  auch  spitz  endigend  und  seitlich  so  scharf,  daß  damit  nicht  nur  der  Boden 
aufgerissen  wird,  sondern  auch  mit  den  seitlichen  Schneiden  die  Wurzeln 
der  Kräuter  im  Boden  abgeschnitten  werden*5).  Die  erhaltenen  römischen 
Pflugscharen  zeigen  uns  ebenfalls,  daß  die  Formen  sehr  verschieden  waren7). 
Derjenige  Teil,  der  die  Pflugschar  festhält  und  in  den  die  andern  zu- 
sammenlaufen, heute  Scharbaum  oder  Pflughaupt,  heißt  dentale*),  meist  in 
der  Mehrzahl  dentalia,  da  die  römischen  Pflüge  anscheinend  in  der  Regel 
zwei  Sohlenhölzer  hatten,  die  nach  der  Pflugschar  hin  spitz  zusammenliefen1'). 
m  Das  Krummholz  (Krümmel),  das  die  Deichsel  mit  dem  Scharbaum  verbindet, 
'  heißt  bura  oder  buris10),  in  früherer  Zeit  auch  urvum11);  seine  Krümmung12) 

8)  Serv.  ad  Geo.  I  172:  dental,'  est  lignum, 
in  quo  vomer  indueitur.  Pers.  1,  73  gebraucht 
dentalia  für  den  Pflug  überhaupt. 

°)  Verg.  Geo  I 172:  dupUei aptantur den- 
talia dorso  (wobei  duplici  dorso  Ablativ  «In 
Eigenschaft  und  zu  aptantur  armtro  zu  er- 
gänzen ist);  das.  Servius:  auf  rerern  dup/iei, 
euius  utntmque  eminet  lohn;  nam  fert  kuius 
modi  sunt  vomeres  in  Ita/ia.  Colum.  II  2,24: 
exiguis  vomeribu*  et  denta/ibus. 

,0)  Varro  1. 1.  V  135:  ,/ni  quasi  temo  est 
inter  boves,  bura  a  bubus;  ebenso  töricht  ist 
die  Etymologie  bei  Serv.  ad  Geo.  I  170:  in 
burim,  in  eurraturam:  natu  buris  est  eurra- 
mentum  aratri,  dictum  quasi  ßove  <<rnu,  Quod 
sit  in  similitudinem  raudae  bovis  (vgl.  Isid. 
XX  14,2).  Corp.Gloss.V  173,7:  buris  eu  pur* 

aratri  quae  infle.ra  est,  eui  Inno  adiungitur 
(inverbesserterForm);vgl.ebd.348, 10;  404.  KI. 
wo  es  durch  ourvamen  aratri  erklärt  wird, 
und  die  Glossen  VI  554  zu  in  burim. 

n)  Varr.  a.a.O.:  alii  tan-  a  mtm  www» 
appellant;  vgl.  ebd.  127  u.  143.  Digg.  L  16, 
239,  6:  urbs  ab  urbo  appellatu  est ;  url,are  es/ 
atmtro  iefinire;  et  Varu»  alt,  urbum  apptOan 

curvaturam  aratri,  quod  in  urhe  lom/enda  ad- 
hiberi  solet.  Nach  Serv.  a.  a.  0.  unterschieden 
manche  buris  und  urrum:  alii  burim  eurra- 
turam  temonis,  quas  supra  est,  et  quod 
infra,  urrum  dieunt.  Das  Wort  ist  wohl  früh 
aus  dem  Sprachgebrauch  verschwunden,  daher 
geben  die  Glossen  eine  ganz  abweichende  Deu- 
tung: quod  bii/ndcus  tonet  (also  die  sfiea),  IV 
297,51;  V  519,  46;  527,  50. 

,J)  Von  der  bura  heißt  der  ganze  Pflug 
euren m  aratrum,  Lucr.V  930;  VI  1251.  Verg. 
Geo.  I  170.  Ov.  fast.  III  781 ;  vgl.  Verg.  Gm.  I 
162:  in  flexi  i/rure  rabur  aratri,  wo  speziell 
das  Krummholz  vom  vomis  geschieden  wird. 


:m 


l)  Daher  uneum  aratrum,  Verg.  Geo.  119; 
uneus  ramer,  Lucr.  a.  a.  0.;  aduncns,  Ov.  fast. 
II 295 ;  IV  927 ;  am.  III 10, 32 ;  a.  a.  1 725 ;  curvi 
vomere  dentis,  Colum.  X  69. 

*)  Varr.  1.  l.V  135:  dem,  quod  co  morde- 
tur  terra;  denn  aratri  Colum.  II  2,  25;  4,6, 
vgl.  X  69.  Lucan.  VII  859.  Verg.  Geo.  II  423 
meint  freilich  mit  dente  unco  den  Karst. 

s)  Plin.  XVIII  171 :  culter  vocatur  inflexus 
praedensam,  priusquam  proscindatur,  terram 
secans  futurisque  sulcis  vestigia  praeseribens 
incisuris,  quas  resupinns  in  arando  mordeat 
romer. 

4)  Ebd. :  alterum  genus  est  volgare  rostrati 
vectis,  wobei  vectis  den  Scharbaum  bezeich- 
net; vgl.  ebd.  178:  rostrante  vomere. 

5)  Ebd.  171 :  tertium  in  solo  facili,  nee  toto 
porrectum  dentali,  sed  exigua  cuspide  in  rostro; 
die  Beschreibung  ist  nicht  ganz  klar,  Mager- 
stedt  136  übersetzt:  „welche  am  Scharbaum 
nicht  ganz  in  die  Höhe  geht". 

6)  Plin.  a.  a.  0. 172 :  latiur  haec  (sc.  cuspis) 
qnarto  generi  et  acutior  in  mucronem  fasti- 
(jata  eodemque  gladio  scindens  solum  et  acte 
laterum  radices  herbarum  secans;  dazu  gehört 
auch  die  Bemerkung  weiter  unten:  cuspis  ef- 
figiem  palae  habet. 

~')  Pflugscharen  von  der  Saalburg  s.  Jacobi 
Römerkastell  Saalburg Taf.  35, 1  S.447  (schmal 
und  ausgehöhlt) ;  Taf.  38, 26  (spatenförmig,  die 
Deutung  als  Pflugschar  unsicher) :  solche  vom 
Rheine  in  den  Rh.  Jahrb.  XV  224;  XVI  89  mit 
Taf.  III 1  u.  2 ;  aus  der  Schweiz,  Katal.  d.  Samml. 
d.  antiquar.  Gesellsch.  in  Zürich  II 1 39  n.  3943  ff. 
(teils  lang  und  schmal,  teils  am  Ende  um- 
gebogen). Eine  spatenförmige,  vorn  spitze,  an 
den  Seiten  umgebogene  Pflugschar  nach  Gki- 
v.md  de  la  Vincelle  Arts  et  metiers  des  anc. 
pl.  25,3  bei  Daremberg-Saglio  I  355  Fig. 437. 


560 


Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 


war  entweder  eine  natürliche  oder  eine  durch  Feuer  bewirkte1).  Dazu  komii; 
vorn  die  Deichsel,  temo 2),  und  hinten  die  Sterze,  stiva,  an  der  der  Pflügr 
den  Pflug  regiert3),  bisweilen  mit  einer  besonderen  Handhabe,  manicul 
versehen4).  Zu  diesen  unerläßlichen  Bestandteilen  des  Pfluges  kommen  daik 
hier  und  da  noch  weitere  hinzu :  so  war  wohl  ein  Streichbrett  oder  Ohr  se  • 
gewöhnlich,  auch  bei  den  Römern  auris  oder  gedoppelt  aures  genannt,  dur<| 
welche  Vorrichtung  die  von  der  Pflugschar  gelockerte  Erde  seitwärts  gl 
schoben  wird5);  ferner  das  oben  erwähnte,  der  Pflugschar  vorarbeitend 
Sech,  culter;  und  bei  dem  rätischen,  aber  nach  Vergil  auch  in  Italien  ei 
geführten  Pfluge  auch  zwei  niedrige  Räder,  indem  die  Deichsel  mit  dem  Joe  i 
auf  der  Axe  eines  kleinen  zweirädrigen  Wagens  ruhte6).  Sonst  gab  es  vel: 
schiedene  Arten  Pflüge,  kleine  und  große,  leichte  und  schwere,  je  nach  de 
zu  bearbeitenden  Boden7).  Cato  unterscheidet  römische  und  kampaniscl 
Pflüge8);  letztere  scheinen  leichtere  gewesen  zu  sein,  und  überhaupt  möge 
bei  den  Pflügen  noch  zahlreiche  lokale  oder  provinzielle  Verschiedenheite| 
zu  finden  gewesen  sein. 

Einen  Pflug  der  beschriebenen  Art  sehen  wir,  allerdings  nur  roh,  ai 
dem  Fig.  86  abgebildeten  Relief  aus  Arlon  in  Luxemburg  dargestellt9);  ma 
unterscheidet  Pflugschar,  Scharbaum,  Krummholz  und  Sterze,  sowie  zwische 
letzteren  beiden  ein  Stützholz10). 


*)  Verg.  Geo.  1 269 :  continuo  in  silva  magna 
vi  flexa  dontat ur  |  in  burim  et  curvi  formam 
accipit  ülmus  aratri ;  ebd.  175 :  et  suspensa  focis 
explorat  robora  fumus.  Serv.  ebd.  270:  buris 
enim  ut  curvetw,  ante  igni  domatur,  id  est 
amburitur;  unde  et  quae  naturaliter  inveniun- 
tur  curvae,  ita  dicuntur.  Die  Verbindung  von 
bura  und  dentale  mußte  sehr  fest  sein,  vgl.  Varr. 
r.  r.  1 1 9, 2 :  saepe  f facta  bura  relinquunt  vomeres 
in  arvo  (Non.  p.  80, 16.  Corp.  Gloss.  V  638, 52). 

2)  Verg.  a.  a.  0.  171 :  huic  ab  stirpe  pedes 
emo  protentus  in  octo. 

s)  Ebd.  174:  stivaque,  quae  currus  a  tergo 
torqueat  imos;  das.  Serv.:  manica  aratri,  qua 
regitur,  id  est  gubernaculum.  Cic.  pro  Scauro 
1 1 ,  25 :  a  stiva  ipsa  homines  mecum  colloque- 
bantur.  Ov.  met.VIII  218:  stivave  innexus  ara- 
tor;  fast.  IV  820:  inde  premens  stivam  designat 
moenia  sulco.  Colum.  I  9,  3.  Daher  stivam  ap- 
prehendere  s.  v.  a.  pflügen,  Amm.  Marc.  XIV 
4,  3;  stivam  ignorare,  ebd.  XXIII  6,  51;  vgl. 
XXXI  2, 10.  Die  Glossen  erklären  stiva  durch 
manica  aratri  oder  quod  arator  manu  tenet, 
s.  Corp.  Gloss.  VII  296. 

4)  Varr.  1. 1.  V  135:  supra  id  regida  quae 
stat,  stiva  ab  stando;  et  in  ea  transversa  regula 
manicula,  quod  manu  bubulci  tenetur. 

5)  Verg.  a.  a.  O.  172:  binae  aures;  das. 
Serv.:  quibus  latior  sulcus  efficitur.  Daher 
unterscheidet  Pall.  1 42  (43),  1 :  aratra  simplicia 
vel,  si plana  regio  permittit,  aurita,  quibus  pos- 
sit  contra  stationes  umoris  hiberna  sata  celsior 
sulcus  attollere.  Diese  aures  nennt  Varr.  r.  r. 
I  29,  2  tabellae. 

6)  Verg.  a.  a.  0. 174  nennt  daher  den  Pflug 
currus.   Plin.  XVIII  172:  non  pridem  inven- 


tum  in  Baetia  Galliae  duas  addere  tali  {aratn 
rotas,  quod  genus  vocant  plaumorati;  für  die 
sicher  verdorbene  Wort  konjizierte  Hardui 
plaustraratri,  Richtsteig  planaratri.  Eine 
solchen  Räderpflug  sieht  man  auf  der  obe 
S.  558  A.  5  erwähnten  Gemme. 

7)  Varro  1 20, 4 :  aratrum  leve.  Hör.  a.  p.  66 
grave  aratrum.  Colum.  II 2, 23 :  levi  vomere  un 
minor ibus  aratris ;  ebd.  24 :  exiguis  vomeribu 
et  dentalibus ;  25 :  levissimo  dente. 

s)  Cato  135,2:  aratra  in  terram  validat 
romana  bona  erunt,  in  terram  pullam  com 
panica;  vgl.  Varro  I  20,4. 

9)  Nach  Pkat  Histoire  de  la  ville,  d 
comte  et  du  marquisat  d'Arlon,  Atl.  pl.  64 
Baumeister  Denkmäler  14  Fig.  16.  Ueber  di 
stark  ergänzte  Berliner  Marmorgruppe  eine 
Pflügers  (Beschreib,  d.  antik.  Skulpt.  190  n.49C 
vgl.  L.  v.  Rau  Ein  römischer  Pflüger,  Prankl 
a.  M.  1888,  und  H.  Schaaffhausen  Rh.  Jahri 
LXXIII  60  ff.  Im  Lateran  sind  zwei  Sarkophag 
reliefs  mit  Darstellung  des  Pflügens,  s.  Bens 
dorp  und  Schöne  Bildw.  d.  lateran.  Mus.  14! 
n.  227;  345  n.  488.  Garrucci  Mus.  Lateran 
tav.42,3  p.79u.tav.32,l  p.53.  Zu  vergleiche] 
ist  auch  das  Medaillon  des  Commodus  be 
Fröhner  Med.  de  l'Empire  rom.  p.  145.  Darem 
berg-Saglio  III  663  Fig.  4149. 

10)  Die  anscheinend  genaueste  Abbilduni 
eines  antiken  Pfluges  ist  von  Ginzrot  Wagei 
u.  Fuhrwerke  der  Alten  S.  34  Taf.  II  1  ge 
geben  (oft  wiederholt,  z.  B.  Daremberg-Saglu 
1355  Fig.  435);  sie  soll  angeblich  von  de 
Basis  einer  Demeterstatue  aus  Magnesia  a.  1VI 
stammen,  das  Original  ist  aber  verloren  un< 
die  Authentizität  sehr  verdächtig. 


1  "II! 


Zweiter  Abschnitt.    Die  Landwirtschaft. 


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i  "ii 
Joe 
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Gezogen  wurde  der  Pflug  von  zwei  Rindern1),  entweder  Stieren,  be- 
sonders jungen2),  oder  Ochsen3);  ein  Paar  (daher  iuyum,  ein  Joch  Ochsen) 
war  das  gewöhnliche,  wo  es 
aber  erforderlich  war,  spannte 
man  auch  drei  und  mehr  da- 
vor4). Mancherorts,  wo  leich- 
ter Boden  war,  pflügte  man 
auch  mit  Kühen  oder  Eseln5). 
Das  Joch,  unter  dem  die  Rin- 
der gingen,  legte  man  ihnen 
zumeist  auf  den  Nacken6), 
doch  wurde  in  den  Alpen- 
gegenden schon  damals,  wie 
heute  noch,  das  Joch  auf  die 
Stirne,  vor  die  Hörner,  ge- 
legt7). Waren  in  der  Nähe 
des  Ackers  Bäume  oder  Wein- 
pflanzungen, so  wurden  den  Rindern  Maulkörbe  angelegt8). 

Der  Pflüger,  arator9)  oder  biibulciis10),  zu  welchem  Amte  man  besonders 
kräftige  und  großgewachsene  Leute  wählte11),  regierte  mit  der  rechten  Hand 


Fig.  86.    l'flüger.   Römisches  Keliof  aus  Arlon. 


*)  Bei  der  Gründung  einer  Kolonie  zog 
den  den  Mauerring  eingrabenden  Pflug  ein  Ge- 
spann von  einem  Stier  und  einer  Kuh,  Varro 
r.  r.  II 1 ,  10 ;  1. 1.  V  143.  Ov.  fast.  IV  826.  Colum. 
VI  pr.  7.  Plut.  Romul.  11.  Serv.  ad  Aen.  V  755. 

2)  Verg.  ecl.  4,  41 ;  Geo.  III  50.  Colum.VI 
2,9.  Plin.VIII  180 ;  taurus  arator,  Ov.  fast.  1 698. 

3)  Cato  54, 3.  Varro  r.  r.  I  8, 5 ;  10, 1 ;  20, 1 ; 
ebd.  2  gibt  er  Anweisung,  wie  man  die  Rinder 
an  den  Pflug  gewöhnen  soll  (schon  geübte 
sollen  mit  ungeübten  zusammengespannt  wer- 
den). Vgl.  bos  arator,  Hör.  carm.  III  6, 42 ;  epod. 
2. 3  u.  64 ;  ep.  1  7, 87.  Plin.  ep. VIII  16,  4  u.  s.  ö. 

4)  Colum.VI2,10;  Plin. XVIII 170  spricht 
sogar  von  Pflügen  mit  acht  Rindern. 

5)  Varro  1 20, 4 :  ubi  terra  levis,  ut  in  Cam- 
pania,  ibi  non  bubus  gravibus,  sed  vaccis  aut 
asinis  quod  arant,  eo  facilius  ad  aratrum  leve 
adduci  possunt.  Kühe  erwähnt  Verg.  Geo.  III 
57.  Pferde  scheinen  selten  vor  den  Pflug  ge- 
spannt worden  zu  sein,  vgl.  Hör.  ep.  I  14,43. 

6)  Hör.  epod.  2, 64.  Stat.Theb.  1 133  f.  Co- 
lum. II  2,  22 :  igitur  in  opere  boves  arete  cinetos 
habere  convenit,  quo  speciosius  ingrediantur 
sublimes  et  elatis  capitibus  ac  minus  colla  eorum 
labefactentur  iugumque  melius  aptum  cervici- 
bus  insidat;  hoc  enim  genus  iuneturae  maxitne 
probatum  est.  Plin.  XVIII 177.  Pall.  II  3, 1.  Die 
Abbildungen  zeigen  die  Form  des  Joches  und 
die  Art,  wie  es  aufgelegt  wurde ;  bei  Fig.  85 
ist  das  gekrümmte  Joch  [iugum  curvum,  Ov. 
met.  IV  216)  noch  besonders  abgebildet,  eine 
etwas  andere  Form  hat  es  auf  dem  S.  560  A.  9 
erwähnten  Medaillon.  Auf  dem  Relief  von  Ar- 
lon Fig.  86  ist  das  Joch  so  befestigt,  daß  es 

Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft.  IV.  : 


mit  Riemen  vor  und  hinter  den  Hörnern  fest- 
gebunden ist;  an  der  Berliner  Gruppe  wird 
das  Joch  durch  Halsringe  auf  dem  Nacken 
festgehalten.  Manche  befestigten  es  direkt  an 
den  Hörnern,  was  aber  Col.  a.  a.  O.  ausdrück- 
lich verwirft:  nam  illml,  quod  in  aniliusdam 
provineiis  usurpatur,  tu  comtinu  iliigttw  m- 
gum,  fere  repudiatum  tat  ah  ottmBtu»,  fmk 
praeeepta  rusticis  eotucripserwU;  tttqm  im- 
merito,  plus  mim  ipiciuit  pmides  collo  et  /«■- 
ctore  conari,  quam  cornibns.  l'roji.  111  32  (II 
34),  47  geht  auf  Zähmung  der  Stiere  durch 
Fesselung  an  den  Hörnern,  s.  Colum.VI  2, 4. 
Bei  der  Heimkehr  von  der  Arbeit  trugen  die 
Rinder  den  Pflug  am  Joch  aufgehängt  zurück, 
Verg.  ecl.  2,  66. 

7)  Plin.VIII  179. 

8)  Plin.  XVIII  177;  vgl.  Cato  54,  3. 

9)  Varro  II  pr.  4.  Hör.  carm.  1 4,  3.  Mart. 
VII 71, 4 ;  IX  54, 9 ;  XI 18, 14.  Bei  den  Dichtern 
bedeutet  arator  oft  den  Landmann  schlecht- 
weg. 

10)  Der  bnbulcus  ist  zwar  allgemein  der 
Ochsenknecht  oder  Ochsentreiber,  speziell  aber 
oft  der  Pflüger,  vgl.  Varro  a.  a.  O. :  alms  mim 
OpÜiO  i't  arator;  tn-c  si  possinf  in  agra  paxei 
armamenta,  armann -ntnrius  non  aliut  ac  bubul- 
eua.  So  steht  bubiUcus  Cic.  de  div.  II  23,  50. 
Colum.  I  9,  2  u.  s. 

n)  Colum.  I  9,  3:  nam  UmgitsUmm  qutm 
que  aratoretn  faciemus,  .  .  .  fmd  in  rr  n< 
tuiilo  minus  operr    futigatur  pro/i.rinr.    ipiia 
in  arandostirae  paene  rtCtut  imiititur.  Daher 
heißt  er  durus  Verg.  Geo.  IV  512;    robustus 
ders.  ecl.  4,  41 ;  vgl.  Plut.  Cat.  mai.  4. 
2,2.  3.  Aufl.  36 


562 


Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 


die  Sterze1)  und  führte  in  der  linken  den  Stachelstab  zum  Antreiben  del 
Rinder  oder  eine  Peitsche2);  doch  ermahnt  Columella,  daß  er  mehr  durclj 
Zuruf3)  als  durch  Schläge  antreiben  und  zumal  Stiere  nicht  durch  Anwendung 
des  Stachels  reizen  solle4).  Da  der  Pflüger  gleichzeitig  die  Stiere  lenken! 
durch  Festhalten  der  Sterze  das  Ausschreiten  des  Pfluges  aus  den  Furchen 
hindern,  durch  Hebung  und  Senkung  derselben  die  nötige  Tiefe  geben  um 
dem  Vieh  Erleichterung  verschaffen  muß,  so  ist  seine  Aufgabe  eine  seh; 
schwere  und  komplizierte;  er  hat  auch  Wurzeln,  die  im  Wege  sind,  durcl 
ein  kleines,  an  der  Sterze  aufgehängtes  Beil  abzuhauen  oder  mit  einer  Hack( 
zu  entfernen,  damit  das  Zugvieh  nicht  zu  sehr  strapaziert  werde5),  und  mi 
einem  am  Stachelstab  angebrachten  Schabeisen  die  Erde  von  der  Pflugschai 
abzukratzen6).  Daß  die  Rinder  an  Zügeln  gelenkt  werden,  wird  nirgends 
erwähnt,  und  die  meisten  Darstellungen  des  Pflügens  zeigen  auch  keine 
solchen;  daß  es  aber  doch  vorkam,  ist  aus  einigen  Denkmälern,  wo  sie  dar- 
gestellt sind,  zu  schließen7). 

Dem  eigentlichen  Pflügen  ging  das  proscindere  voraus,  wozu  das  oben 
erwähnte  Sech  (culter)  benutzt  wurde;  die  Erde  wird  dadurch  zunächst  bloß 
aufgerissen  und  dem  Aufwerfen  der  Furchen  vorgearbeitet8).  Dann  erst 
folgt  das  offringere9)  oder  iterare10),  wobei  der  Pflüger,  damit  die  Erde  gleich- 
mäßig aufgepflügt  werde  und  keine  unbearbeiteten  Stellen  (sog.  scamna11)) 
stehen  blieben,  immer  abwechselnd  bei  dem  einen  Furchengang  (versus12)) 
den  Pflug  schräg,  beim  anderen  geradeaus  halten  mußte13).  Auch  pflegte 
man  den  nach  der  einen  Richtung  durchgepflügten  Acker  noch  einmal   in 


J)  Weil  er  sich  beim  Niederdrücken  der 
Sterze  bücken  muß,  beißt  er  curvus  arator, 
Verg.  ecl.  3,  42;  vgl.  Plin.  XVIII  179:  arator 
nisi  incurvus  praevaricatur. 

8)  Siehe  die  Abbildungen  Fig.  85  f.  und  vgl. 
Tib.  I  1,29:  stimulo  tardos  increpuisse  boves. 

3)  Daher  verlangt  Colum.  a.  a.  0.  2  vom 
bubulcus  vastitas  vocis  neben  dem  habitus  nie- 
tuendus. 

4)  Ebd. :  sed  temperet  vires  dementia,  quo- 
niam  terribilior  debet  esse  quam  saevior,  ut  et 
obsequantur  eius  imperiis  et  diutius  perennent 
boves  non  confecti  vexatione  simul  operum  ver- 
berumque ;  ebd.  II  2,  25 :  voce  potius  quam  ver- 
ber ibus  terreat  ultimaque  sint  opus  recusantibus 
remedia  plague,  nunquamque  stimulo  lacessat 
iuvencum,  quod  retrectantem  calcitrosumque 
eum  reddit;  nonnunquam  tarnen  admoneat 
flagello. 

•')  Colum.  II 2, 28 :  nee  minus  dolabra  quam 
vomere  bubulcus  utatur,  et  praefraetas  stipes 
summasque  radices,  quibus  ager  consitus  im- 
plicatur,  omnes  refodiataepersequatur.  Plin. 
a.  a.  0.  177:  securieülam  in  stiva '  pender e,  qua 
intereidantur  radices,  hoc  melius  quam  con- 
velli  aratro  bovesque  luctari. 

6)  Plin.  179:  purget  vomerem  subinde  Sti- 
mulus ruspidatusrallo  {rallum  ist^vor/jp,  Scha- 
ber, s.  Corp.  Gloss.  VII  181). 

7)  So  sind  sie  an  dem  oben  S.  560  A.  9 
erwähnten  Sarkophagrelief  des  Laterans  und 
an  dem  Berliner  Pflüger  an  den  Stieren  noch 


kenntlich,  auch  auf  römischen  Denaren  der 
Gens  Cassia  und  Gens  Iulia  mit  Darstellung 
des  Pflügens  sieht  man  sie  an  den  Hörnern 
befestigt,  s.  Babelon  Monn.  de  la  Rep.  Rom. 
I  327  n.  4;  II  65  n.  156.  Cohen  Medaill.  imper. 
181  n.  117. 

8)  Lucr.V209:  terr am  pressis proscindere 
aratris.  Varro  I  29,  2:  terram  cum  primutd 
arant,  proscindere  appellant,  cum  Herum,  of- 
fringere  dieunt,  quod  prima  aratione  glebae 
qrandes  solent  excitari ;  vgl.  19,2;  27, 2 ;  30 ;  32, 
1;37,5.  Colum.II2,25;III13,4;XI2,32.  Plin. 
XVIII  171 ;  ebd.  176:  prius  quam  aresproscin- 
dito.  hoc  utilitatem  habet,  quod  inverso  caespitk 
herbarum  radices  necantur.  Sen.  ep.  90,21. 

9)  Varr.  a.  a.O.;  ebd.  32, 1 :  si proseideris, 
offringi  oportet,  id  est  iterare,  ut  frangantun 
glaebae :  prima  enim  aratione  grandes  glaebae 
ex  terra  scinduntur.  Ebd.  33.  Colum.  II 10, 26. 
Fest.  199,  3. 

10)  Varr.  a.a.O.;  ebd. 37, 5.  Cic. de  orat.  II 
30,131.  Colum.II4.2;  10,  26;  XI  2,  64.  Plin. 
XVIII  254. 

")  Colum.  II 4, 3;  dearb.12,2.  Plin.  XVIII 
179 :  scamna  inter  duos  sulcos  ne  relinquantur. 

J1)  Plin.  177;  als  Maß  Varr.  r.  r.I  10, 1. 

13)  Colum.  II  2,  25:  bubulcum  autem  per 
proscissum  ingredi  oportet  alternisque  versi- 
bus  obliquum  teuere  aratrum  et  alternis  rectd 
plenoque  sulcare;  sed  ita  neeubi  crudum  solum 
et  immotum  relinquat,  quod  agricolae scamn >nn 
vocant. 


Zweiter  Abschnitt.    Die  Landwirtschaft. 


ler  kreuzenden  Richtung  zu  bearbeiten1).    Das  dritte  Pflügen  erfolgte  erst, 

ürcWenn  die  Saat  eingestreut  war;   es  hieß  von  der  lira,  d.  h.  dem  zwischen 

!ijll^.wei  Furchen  aufgeworfenen  Ackerbeet2),  lirare*),  und  hierbei  wurden  an 

1  He  Sohlhölzer  des  Scharbaums  die  oben  erwähnten  Seitenbrettchen  befestigt, 

liei  iurch  die  die  Saat  mit  schmalen  Beeten,  porcae  genannt*),  bedeckt  wurde6); 

'J  lies  dritte  Pflügen  hieß  daher  auch  tertiäre6).    In  der  Regel  begnügten  sich 

se'  üe  Römer  mit  solchem  dreimaligen  Pflügen  im  Jahre7);   aber   schwereres 

'Land  wurde,    wenn   es  im  Sommer  brachgelegen  hatte,   auch    zum  nerton 

j^Male  aufgebrochen,  sodaß  das  Pflügen  im  Herbst,  im  Frühling,  im  Sommer 

^  und  zuletzt  wieder  im  Herbst  erfolgte8).   Sehr  dichter  Boden  aber  wurde  fort 

'^  und  fort,  bald  durch  den  Pflug,  bald  durch  den  Karst,  bearbeitet,  und  es  gab 

nk  Gregenden,  wo  erst  in  die  fünfte,  ja  sogar  in  die  zehnte  Furche  gesät  wurdi 

Eine  andere  Art  der  Bodenlockerung,  die  manchmal  an  Stelle  der  wied.  i  - 
'»holten  Pflügung  trat,  aber  auch  bei  Gemüsebeeten,  Wein-  und  anderen  An- 
pflanzungen zur  Anwendung  kam10),  war  das  Eggen,  occare11),  occatio1-).  Die 
*  Egge,  selten  occa ' 3).  meist  crates  genannt14),  war  ein  Geflecht  aus  Weidenruten, 


!> 


*)  Verg.  Geo.  1  97 :  et  qui,  prosctS80  quae 
suscitat  aequore  terga,  \  rursus  in  obltquum 
ICD'  verso  perrumpit  aratro.  Colum.  III  13,4  vom 
Weinberg:  ut  more  novalium  terra  transversis 
advers  i  *< [hc  sulcisproscindatur,  Plin.  178:  omne 
arvum  rectis  suhis,  mox  et  obliquis  subigi  lie- 
het. Fest.  199,  3:  offring "i  terra  dicitur,  quum 
Herum  transverso  sulco  aratur.  Daß  damit 
etwas  anderes  gemeint  ist,  als  mit  der  obigen 
Vorschrift  Colum.  II  2, 25,  bemerkt  Schneider 
z.  d.  St.  p.  60  mit  Recht. 

2)  Colum.  114,  8:  liras  a ufern  rustici  vo- 
cavt  easdem  porcas,  cum  sie  aratum  est,  ut 
inter  diios  latius  distantes  sulcos  meilius  eu- 
muius  siccam  sedem  frumentis  praebeat;  vgl. 
ebd.  11;  8,3. 

)  Colum.  XI  2, 46 ;  Pall.  XII  1 , 1  nennt  es 
suleare,  obschon  er  dort  eine  andere  Reihen- 
folge der  Prozeduren  vorschreibt. 

)  Varr.  1. 1.  V  39 :  ab  eo  quod  aratri  vomer 
sustulit,  sulcus;  quo  ea  terra  iaeta  id  est  pro- 
ieeta,  porca;  andere  Etymologie  r.  r.  129,  3: 
quod  est  inter  duos  sulcos  elata  terra,  dicitur 
porca,  quod  ea  seges  frumentum  porricit.  Co- 
lum. II  4,  8;  XI  2,  47;  3,  44. 

5)  Varr.  r.  r.  I  29,  2 :  tertio  cum  (traut  iacto 
semine,  boves  lirare  dieuntur,  id  est  cum  tabel- 
lis  additis  uil  vomerem  simul  et  safuni  frumen- 
tum operiunt  in  porcis  et  sulcant  fossas,  quo 
pluvia  aqua  delabatur.  Plin.  180:  tabula  aratro 
adnexa,  quod  vocant  lirare,  operiente  semina. 

6)  Colum.  II  2, 4  u.  8.  XI  2,  64.  Pall.  X  1, 1. 
Non.  p.  61,  16. 

7)  Auch  nur  zweimaliges  kam  vor,  aber 
seltner,  vgl.Varro  I  27, 2:  neque  ea  minus  binis 
a rundum,  ter  melius.  Colum.  II  4, 1.  Palladius 
schreibt  Pflügen  vor  für  April,  Juli  und  Sep- 
tember, VIII  1 ;  X  1,1;  aber  proscindere  auch 
für  den  Januar,  II  3, 1. 

8)  Daher  sagt  Verg.  Geo.  I  47 :  Ufa  seges 
demum  votis  respondetavari  agrieofae,  bis  quae 
sofern,  bis  frigora  sensit;  dazu  vgl.  Plin.  181: 


quarto seri  sulco  Vergiliius  existimatur  ro/uissr. 
9)  Plin.  a.  a.  0.:  spissim  so/um,  sicut  p/e- 
rumque  in  itu/ia,  qui  u/o  8ulc0  seri  melius  ,<.-,/, 
in  7 useis  eero  nono.  Plin.  ep.V  6,  10:  cu>u/>i, 
quos  nun  nisi  ingentes  bares  et  fortissimu  uyu- 
tra  perfriniiunt :  tautis  gUubis  tenueissimum 
sohim,  cum  pritnum  prosecatur,  adsurgit,  ut 
nono  demum  sulco  perdometur. 

10)  Vgl.  z.  B.  Colum.  II  10,  5  f.  Plin.  185. 
Pall.  XII  1,1.  Die  hierher  gehörigen  Geräte 
behandelt  Dickson  I  396  ff. 

n)  Varro  r.  r.  I  31,  1  führt  oceare  auf  or- 
eidere  zurück,  Cic.Cat.  m.  15, 51  auf  oeern 
(vgl.  Non.  42, 11 ;  ebenso  Serenus,  ebd.  61, 26. 
Verrius  bei  Fest.  181  a,  20.  Isid.  XVII  2,  4); 
selbstverständlich  ist  eins  so  falsch  wie  das  an- 
dere. Plaut.  Capt.  663:  namsemperoccatUpriüs- 

i/uuni  suriunt  rus/iri;  Mercat.  7l :  tibi  aras,til>i 

occas,  tibi  seris.  Hör.  ep.  II  2, 161 :  cum  segele» 
or77/^.Pers.6,26.Colum.II4,2;10.5f.Plin.'l84. 

12)  Colum.  XI  2,  60:  pulverationem,  quam 
vocant  rustiei  occationem.  Plin.  180;  occatoNa 
opera  Colum.  II  12  (13),  2.  Der  Arbeiter  oeca- 
tor,  ebd.l.  Fest.  180, 5;  187a,  24,  übertr.  Plaut. 
Capt.  662.  Vgl.  auch  Corp.  Gloss.VlI  13. 

1S)  Corp.  Gloss.V  606. 30  als  rastrum  er- 
klärt (viell.  nach  Plin.XVJH  180).  Bei  Veget. 
mulom.  II  28  (I  56),  5  schlägt  Schneider  p.  41 
vor,  zu  lesen:  crufis  quae  occa  voeatur  (die 
Hss.  haben  das  Wort  nur  entstellt),  doch  ist 
das  undenkbar,  da  es  sich  dort  um  ein  Gerät 
im  Kuhstall  handelt  (anscheinend  eine  Raufe). 

u)  Colum.  II  17  (18),  4:  tum  glaebat 

Cutis  resulremus  et  imtuetu  ernte  eoaeijuabimus. 
Plin.  180:  arutione  per  trarersitm  iterata  oe- 
eatio  sequitur,  uti  res  poseif,  ernte  r,l  rastm. 

et  sutu  semine  Ueratur  kaec  quoque,  üb, 

suetudo  patitur,  ernte  eon/en/u.  Was  die  ernte.- 
contenta  ist,  bleibt  unsicher  (früher  las  man 
dafür  dentata,  s.  Magerstedt  137);  vielleicht 
gehört  aber  contenta  zu  baee  (sc.  oeeatio),  sodaß 
es  bedeutet:  „sich  mit  der  crates  begnügend" 

36* 


564 


Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 


das  mit  Zinken  versehen  war1);  es  diente  dazu,  die  Schollen  zu  zerbrechen  odeB 
zu  verkleinern,  den  Samen  damit  zuzudecken,  Unkraut  zu  beseitigen  u.  dgl.2)i 
Ähnlich,  aber  wuchtiger,  war  der  irpex3). 

Neben  der  Bearbeitung  des  Bodens  durch  die  von  Rindern  gezogeneil 
Pflüge  und  Eggen  fand  aber  auch  eine  durch  Menschenhand  statt,  ein  Be| 
hacken,  indem  dies  teils  in  armen  Bergländern  die  Stelle  des  Pflügens  ver-l 
trat4),  teils  manche  Getreidearten  auf  den  mit  der  Hacke  gelockerten  Felden! 
besser  gediehen  oder  auch  nach  und  neben  dem  Pflügen  bisweilen  noch  ge-l 
hackt  werden  mußte;  Gemüselarid,  Obst-,  Wein-  und  Ölpflanzungen  bedurfterj 
dessen  ebenfalls.  Dies  Behacken  heißt  sarrire6),  der  Arbeiter  sarritor6)\ 
während  das  teilweise  mit  denselben  oder  mit  ähnlichen  Werkzeugen  odei 
mit  der  bloßen  Hand  vorgenommene  Ausjäten  des  Unkrautes,  das  oft  mit  den: 
Behacken  verbunden  ist,  runcare  heißt7)  und  vom  runcator  besorgt  wird 8). 

Die  Werkzeuge,  mit  denen  das  Graben  und  Umgraben,  das  Behacken 
und  Jäten  geschah9),  sind  folgende:  die  jmla10),  ein  flacher  Spaten  odei 
Grabscheit,  das  vorn  spitz  oder  breit  war11);  der  Spaten  selbst  war  meist] 
von  Eisen,  der  Griff  von  Holz,  doch  kommen  auch  ganz  eiserne  und  ganz 
hölzerne  vor12).    Ebenfalls  ein  Spaten  war  das  bipalium'13),  mit  dem  man  den 


J)  Verg.  Geo.  I  94 :  multum  adeo,  rastris 
glaebas  qui  frangit  incrtis  |  vimineasque  trahit 
cratis,  iuvat  arva.  Plin.  XVIII  173:  semenpro- 
tinus  iniciunt  cratesque  dentatas  supertrahunt ; 
vgl.  ebd.  188  vom  pectinari  der  Saat:  cratis 
et  hoc  genus  dentatae  stilis  ferreis. 

*)  Hör.  ep.  II  1,  161.  Colum.  II  10,  6;  XI 
2,  60.  Plin.  180. 

3)  Varr.  1.  l.V  136:  irpices  regula  complu- 
ribus  dentibus,  quam  item  ut  planst rum  boves 
trahunt,  ut  eruant  quae  in  terra  serpunt  (er 
gibt  als  ursprüngliche  Form  sirpices  an).  Cato 
10,  2.  Serv.  ad  Geo.  I  95:  crates  quam  rustici 
irpicem  vocant  (nach  Thilos  Verbesserung). 
Fest.  105,  16.  Die  Glossen  haben  die  Form 
hirpex,  V  26,3;  74, 12;  109,33.  Ueber  die  Form 
des  irpex  vgl.  Thedenat  bei  D.-S.  III  576  f. 

4)  Plin.  XVIII  1 78 :  tantumque  est  laboris 
homini,  ut  etiam  boum  vice  fungatur.  certe  sine 
hoc  animali  montanae  gentes  sarculis  arant. 

6)  Cato  33,  4;  37,  5;  46,  2;  161,  1.  Varr.  I 
29,  1 ;  36;  beide  schreiben  es  sarire.  Man  sagt 
segetes  sarrire,  fruges  sarrire,  vgl.  Colum.  II 
10,  27;  12  (13),  2;  XI  2,  9.  Plin.  XVIII  173; 
184;  241. 

6)  Varro  I  29,  2  (in  der  Form  sartor).  Co- 
lum. II 12  (13),  1.  Nach  Fabius  Pictor  bei  Serv. 
ad  Geo.  I  21  gab  es  unter  den  ländlichen  Gott- 
heiten neben  einem  Inporcitor  (von  porca),  In- 
sitor,  Obarator,  Occator  auch  einen  Sarritor, 
Subruncinator,  Messor  u.  a.  Sarritio  Colum.  II 
11(12),  1  u.4;  XI  2,  9. 

7)  Sarrire  und  runcare  Cato  37,5;  161, 
1  u.  2.  Colum.  II  10,  27  u.  s.  Vgl.  Cato  48,  2. 
Varro  I  30.  Colum.  XI  2,  40.  Plin.  XVIII  185. 
Man  sagt  ebenso  segetes  runcare,  wie  spinas 
runcare,  vgl.  Cato  2,  4.  Daß  man  mit  dem 
.sarrire  die  Saat  oder  die  Wurzeln  beschädigen 


kann,  mit  runcare  aber  nicht,  zeigt  Cato  161,2. 
Colum.  II  10,27(11,4). 

8)  Colum.  II  12  (13),  1;  XI  3, 19;  runcatio 
ebd.  II  9, 18;  12  (13),  6  u.  9.  Plin.  XVIII  185. 

9)  Vgl.  Dickson  I  411  ff.  Mongez  Second 
memoire  sur  les  instrumens  d'agriculture  chez 
les  anciens,  in  den  Memoir.  de  l'Inst.  royal 
de  France,  Classe  d'hist.  et  de  litter.  anc.  III 
(1818),  1  ff. 

10)  Vgl.  Mongez  3.  Saglio  bei  D.-S.  IV  279. 
Rich  Wörterbuch  433. 

»)  Plaut.  Poen.  1018.  Cato  10,  3;  11,  4; 
135, 1.  Varro  I  22,  3  u.  5;  ders.  l.l.V  134.  Liv. 
III  26,  9. 

12)  Colum.  X  45:  tum  mihi  ferrato  veram 
tur  robore  palae  \  dulcis  humus.  Cato  11,5: 
palae  ligneae.  Eisenspaten  haben  sich  viel- 
fach erhalten,  vgl.  bei  Saglio  Fig.  5451 — 53. 
Jacobi  Römerkastell  Saalburg  444  Fig.  69,  2 
bis  5.  Katal.  d.  Samml.  d.  antiqu.  Ges.  in  Zürich 
II  138  n.  3924—29  (letzterer  mit  eisernem 
Griff). 

13)  Vgl.  Mongez  1 1  f.  Magerstedt  1 58.  Rich 
Wörterbuch  79.  Saglio  bei  D.-S.  I  711.  Olck 
bei  P.-W.  III  487 ;  sie  erklären  sämtlich  das 
bipalium  für  ein  Instrument,  während  Schnei- 
der zu  Colum.  de  arb.  p.  674  sagt,  es  würde 
damit  nur  eine  mensura  fossoria  bezeichnet, 
wie  auch  Klotz  im  Arch.  f.  Philol.  u.  Päd.  I  320 
behauptet.  Allein  obschon  bipalium  an  einigen 
Stellen  das  in  der  Tat  bedeutet  (Colum.  XI 
2,  17 :  ad  bipalium,  cui  est  altitudo  duorum  pe- 
dum;  ebd.  3,11:  non  alto  bipalio,  id  est  minut 
quam  duos  pedes,  ferramento  novale  convcrti. 
Plin.  XVII  159:  pastinare  .  .  .  ternos  pedes  bi- 
palio alto),  so  kann  es  doch  keinem  Zweifel 
unterliegen,  daß  an  den  meisten  Stellen  es  das 
Werkzeug  bedeutet,    namentlich  überall,  wo 


Zweiter  Abschnitt.    Die  Landwirtschaft. 


:,»;:, 


koden  besonders  für  Gemüse-,  Obst-  und  Weinbau  umgrub,  dessen  Form 
Lber  nicht  zu  bestimmen  ist1).  Zum  Behacken  der  Erde  diente  vor  allem 
lei  raster*)  oder  rastruni3),  ein  gewöhnlich  eisernes4),  daher  schweres6) 
[Verkzeug,  mit  zwei  und  mehr  gekrümmten  Zinken  versehen0),  mit  denen 
Jnan  die  Erdschollen  zerkleinerte7),  den  Boden  aufhackte,  Unkraut  be- 
ieitigte8)  usw.  In  der  Regel  hat  das  ratirum  einen  eisernen  Bestandteil. 
ius  zwei  und  mehr  Zacken  bestehend,  und  einen  hölzernen  Stiel,  der  durch 
)in  in  jenem  befindliches  Loch  etwas  quer  hindurchgesteckt  ist.  sodaiä  das 
tndere  Ende  noch  etwas  darüber  hinausragt9).  Allem  Anschein  nach  ist  der 
>ft  erwähnte  bidens10)  nichts  als  ein  zweizinkiges  rastrum;  er  ist  schwer, 
gleich  diesem11),  und  wird  in  derselben  Anwendung,  teils  für  Acker-  und 
jemüseland12),  teils  für  Wein-  und  Ölbau13),  vom  fossor  geführt14). 

Ahnlichen  Zwecken  dienten  verschiedene  Instrumente,  die  wir  als  Karst 
)ezeichnen  können,  die  sich  aber  von  den  vorigen  anscheinend  in  der  Kon- 
struktion unterscheiden.  Besonders  häufig  wird  der  ligo  genannt15);  er  hatte 
iinen  langen  Stiel16)  und  ein  breites,  schräg  zum  Stiel  stehendes  Eisen17), 


*  js  heißt:  terram,  solum,  aqrum  bipalio  ver- 
ere  (Cato  6,3;  46,1;  48,  i;  151,2.  Varro  I 
24  4;  37,  5.  Colum.  IV  30,  3;  arb.  1,  5.  Plin. 
XVIII 236),  mbigere  (Cato  45, 2.  Colum. III 5, 3. 
Plin.  XVI  173;  XVII  69),  praeparare  (Plin. 
KVIII  230).  pastinare  (Colum.  IV  32. 1 ;  V  6. 6). 
novere  (ebd.  IV  1,3). 

J)  Von  Rich,  Saglio,  Olck  wird  angenom- 
men, daß  es  ein  Spaten  war,  bei  dem  in  einiger 
Entfernung  vom  Blatt  ein  Quersteg  angebracht 
war,  um  durch  Darauftreten  den  Spaten  tiefer 
su  treiben  (s.  die  Fig.  859  bei  Saglio),  allein 
iafür  liegt  gar  keine  Gewähr  vor,  man  sollte 
Bher  für  das  bipali/tm  eine  andere  Größe  des 
Blattes  annehmen,  als  bei  der  pala.  Die  Glos- 
äen  erklären  es  nur  als  ferranientum  rusti- 
cum,  Corp.  Gl.  IV  25,  60. 

'-')  Diese  Form  ist  nur  im  Plur.  rastri 
nachweisbar:  vgl.  Ter.  Heaut.  88 ;  931.  Verg. 
ecl.4,40  u.  s.;  betr.  des  Genus  vgl.Non.222,5. 
erv.  ad  Geo.  I  94. 

3)  Der  Plural  rastra  ist  selten,   s.  Stat.  ■ 
Theb.  III  589.  luv.  15,  166. 

4)  Doch  kommen  auch  hölzerne  vor.  zur 
Bedeckung  der  Saat  mit  Erde,  Colum.  II  10. 
27(11,4). 

5)  Das  wird  oft  hervorgehoben,  so  Ter. 
Heaut.  92.  Verg.  Geo.  I  164.  Ov.  met.  X  36; 
fast.  I  700.  Colum.  X  71. 

6)  Varr.  1.  l.V  136:  rastri,  quibus  dentatis 
penitus  eradunt  terram  atque  emunt.  Cato  10, 
3 :  rastri  quadridentes ;  vgl .  1 1 , 4  und  Varro  r.  r. 

I  22.5.  Daher  rastri  tenaces,  Verg.  Geo.  II  421. 

7)  Verg.  Geo.  I  94:  II  439;  Aen.  IX  608. 
Ov.  met,  1 101 ;  II  287.  Sen.  dial.  IV  25,  2. 

8)  Catull.  64, 39.  Verg.  Geo.  I  155.  Das- 
selbe besorgte  man  mit  rasteüi,  die  wohl  nur 
etwas  kleinere  rastri  waren,  wie  aus  Colum. 

II  10,27  verglichen  mit  ebd.  12  (13).  6  hervor- 
geht; vgl.  Varr.  1. 1.  V  136;  r.  r.  I  49,1. 

")  So  erscheinen  deutlich  die  rastri  in  der 


Miniatur  des  vatikanischen  Terenz  in  der  Heaut. 
1 1  illustrierenden  Szene,  s.  Wieseler  Denkmal, 
des  Bühnenwesens  Taf.  X  7;  ähnlich  auf  dem 
Grabstein  Daremberg-Saglio  I  799  Fig.  854. 
Man  vgl.  die  Beschreibung  des  rtuter  bei  Mon- 
GEzl0f.;16f.  Ricnp.512f.  THEDENA-rbeiD.-S. 
IV  81 1 ,  wo  in  Fig.  59 18  Originale  von  eisernen 
rastri  mit  2,  4  und  6  Zinken  (aus  dem  Museum 
von  Neapel)  abgebildet  sind.  Eiserne  Hacken  s. 
auch  Katal.  d.  Zürcher  antiqu.  Samml.  II  138 
n.  3930  ff.  Was  dagegen  Jacobi  Römerkast. 
Saalburg  Fig.  69, 1  abbildet(ein  langer  hölzerner 
Querbalken,  in  den  sechs  eiserne  gerade  Zinken 
eingenietet  sind),  ist  nicht,  wie  er  S.443  meint, 
ein  raster,  sondern  ein  Rechen  (perlen),  der 
rasier  hat  krumme  Zinken  (Catull.  64.39)  und 
wird  beim  Zuschlagen  hoch  gehoben  (Sen.  dial. 
IV  25, 2.  Cels  b.  Non.  222, 6). 

10)  Als///.v/y»///i'///^/-«.s^tcanennendieDigg. 
XXXIII  7,8  pr.:  aratra.  tit/ones.  sarruli.  / 

putatoriae.btdmtes.  Vgl.Tib.l  1,29;  10.49.  Ov. 
fast.  IV  694;  am.  I  13,15.  Colum.  X  87.  luv. 
3, 228.  Pallad.  I  42  (43).  2.  Dazu  Rich  78  (der 
aber  hier  dasselbe  Gerät  abbildet,  das  er  S 
ligo  nennt).  Saglio  bei  D.-S.  I  709.  Olck  bei 
P.-W.  III  426  ff. 

»)  Lucr.  V  208.  Verg.  Geo.  II  355.  Tib.  II 
6, 3.  Ov.  fast.  IV  927. 

")  Verg.  Geo.  II 399.  Plin.  XVII46;  XVIII 46. 

1S)  Colum.  III  13,3;  IV  5.1;  14,1;  V  3,3  u.ö. 
Plin.  XVII  159.  Pallad.  II 10, 3. 

u)  Dabei  scheint  bidentem  iactor*  tech- 
nischer Ausdruck  zu  sein,  vgl.  Verg.  Geo.  II  355. 
Colum.  IV  17,8. 

,5)  Mongez a.a.O.  9f.  Rich  355.  Tm  m  vu 
bei  D.S.  III 1253.  Magerstedt  159  nennt  ihn 
„  Rodehaue". 

lfi)  Ov.  met.  X  36;  ex  Pont.  I  8.59. 

,7)  Daher  Stat.  Theb.  III  587  incarri  li- 
gones.   Varr.  1. 1.  V  184:  /'//".  fued  to  yropttr 

/atitadiiieni,  qaad  sid>  terra,  faei/nis  lei/itar. 


566 


Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 


das  mitunter  unten  etwas  eingekerbt  war1).  Er  diente  vornehmlich  zui 
Zerschlagen  der  Erdschollen  und  Umwenden  des  Bodens2).  Sodann  wir 
öfters  das  sarculum  genannt 3);  es  bestand  aus  einem  hölzernen  Stiel,  in  dei 
im  spitzen  Winkel  ein  drei-  oder  viereckiges  Eisen  mit  scharfer  Schneid 
saß4).  Man  benutzte  das  sarculum  zum  Wurzelbeschneiden  von  Bäumen5 
besonders  aber  zum  Ausjäten  des  Unkrautes6).  Davon  unterschied  sich  di 
dolabra1).  deren  Form  wir  genau  kennen8),  sehr  wesentlich:  sie  hat  di 
Form  einer  Axt,  die  auf  der  einen  Seite  eine  dem  Stiel  parallele  Schneide 
auf  der  anderen  eine  etwas  abwärts  gebogene  Spitze  hat.  In  der  Landwirt 
schaft  brauchte  man  sie  zum  Entfernen  von  Erde,  Abhauen  trockener  Zweig 
an  Bäumen  u.  dgl.  m.9).  Endlich  ist  noch  die  marra  zu  nennen10),  die  ein 
Art  Spaten  gewesen  zu  sein  scheint11),  über  deren  Form  sich  aber  nicht 
Gewisses  sagen  läßt12). 

Für  die  Aussaat13),  zu  der  man  sich  in  der  Regel  eines  Korbes,  in  den 
etwa  drei  Scheffel  Platz  hatten14),  bediente,  haben  wir  eine  Menge  Angabe) 
und  Vorschriften,  auf  die  wir  hier  nicht  näher  eingehen  können;  sie  fan< 
natürlich,  je  nach  der  anzupflanzenden  Getreideart,  je  nach  Bodenbeschaffen 
heit,  Klima,  Witterungsverhältnissen  usw.,  zu  sehr  verschiedenen  Zeitpunktei 
statt,  zumal  auch  da  der  Aberglaube,  besonders  betreffs  der  Mondphasen 
eine  Rolle  spielte15).  Welche  Getreidearten  in  Italien  vornehmlich  angebau 
wurden,  ist  oben  besprochen  worden16). 

Was  die  Felderwirtschaft  der  Römer  betrifft17),  so  war  Halm  Wirtschaft 


*)  So  deutet  man  am  besten  Colum.  X  87: 
fracti  dente  Ugonis ;  an  Zinken,  wie  beim  bidens, 
darf  man  nicht  denken,  das  wären  dentes,  wäh- 
rend der  ligo  wie  der  vomer  nur  dem  ist.  Das 
wären  dann  die  sarculi  bicornes,  die  Pallad.  1 42 
(43).  5  von  den  simplicee  unterscheidet.  Das  bei 
Rick  355  abgebildete  Werkzeug  könnte  ein  ligo 
sein,  aber  Fig.  4484  bei  Thedenat  a.  a.  0.  ist  ein 
sarculum.  Die  Glossen  machen  übrigens  zwi- 
schen ligones,  rastrixmd  bidentes  keinen  Unter- 
schied, vgl.  Corp.  Gl.  IV  255, 16;  361,9;  VI  645. 

*)  Hör.  carm.  III  6, 38;  epod.  5.30 ;  ep.  I  14, 
27.  Ov.  am.  III 10, 31.  Mart.  IV  64, 33;  1X22,3; 
57.7.1uv.ll.89.Vgl.Catol35,1.0v.fast.I699. 
luv.  7,33.  Pallad.  142  (43),  2.  Isid.  XX  14,  6. 

s)  Vgl.  Cato  10,3;  155,1.  Varr.  I  22,3; 
ders.  1. 1.  V  134:  sarculum  ab  serendo  ac  sar- 
riendo.  Hör.  carm.  11,11.  Ov.  met.  XI  36 ;  fast. 
IV  927.  luv.  15,166.  Pallad.  III  21,2.  Der  Un- 
terschied zu  den  vorigen  tritt  auch  darin  hervor, 
daß  die  Glossen  das  Wort  durch  axaXlg,  oy.aqnov 
wiedergeben,  Corp.  Gloss.  VII 232.  Vgl.  Mongez 
27.  Magerstedt  a.  a.  0.  Rich  539.  Dorigny 
bei  D.-S.  IV  1075. 

4)  So  nach  erhaltenen  Exemplaren,  die 
wahrscheinlich  als  sarcula  zu  bezeichnen  sind, 
s.  Dorigny  Fig.  6116—18.  Mitteil,  der  antiqu. 
Ges.  in  Zürich  XV  Taf.  XII  38. 

6)  Plin.XIX109. 

6)  Colum.  II 10  (11),  10;  X  91.  Plin.  XVIII 
241;  XIX  109.  Pallad.  II  14,2. 

7)  Vgl.  Saglio  bei  D.-S.  II  328  f.  Mau  bei 
P.-W.  V  1274  f.,   über  die  dolabra  des  Holz- 


arbeiters s.  Blümner  Technologie  II  206.  Aucl 
dolabella,  Colum.  IV  24,4  f. 

8)  Vom  Grabsteineines  dolabrarius  collegi. 
fabrum  aus  Aquileia,  CIL  V  908. 

9)  Colum.  II  2, 28;  IV  24, 4  f.;  de  arb.  10,2 
Pallad.  I  42  (43),  1;  13,2;  III  21,  2. 

10)  Siehe  Mongez  13  f.  Rich  383.  Saglk 
bei  D.-S.  111  1606  f. 

n)  luv.  3,311  nennt  sie  mit  sarcula  zu 
sammen,  15, 167  mit  anderen  landwirtschaft 
liehen  Geräten.  Bei  Colum.  X  89.  Plin.  XVI 
159 ;  XVIII 147  dient  sie  zur  Bodenbearbeitung 
Corp.  Gloss.  III  325, 1  wird  sie  durch  axaq  !<»■ 
Grabscheit,  übersetzt. 

u)  Die  einzige  Andeutung  gibt  Colum.  X  72 
tupenitus  latis  erodere  visceramarris  i  ne  dubitä 

13)  Hierüber  vgl.  Dickson  I  505  ff. 

14)  Cato  11,5  nennt  diese  Körbe  quala  sa 
toria  vel  alvei,  Colum.  XII  52,8  corbidae  trimi 
diae  satoriae;  nach  II  9,9  fütterte  man  sie  (au: 
Aberglauben)  mit  Hyänenfell. 

15)  Ueber  die  Saatbestellung  vgl.  Mager 
stedt  167  ff.  Beaurredon  77  ff.  Dorigny  be 
D.-S.  IV  923. 

16)  S.  161  f.  Zu  vgl.  ist  J.  A.  J.  Michon  De! 
cereales  en  Italie  sous  les  Romains,  Paris  1859 
R.  Gradmann  Der  Getreidebau  im  deutschen  u 
römischen  Altertum,  Jena  1909. 

17)  Dazu  vgl.  Dickson  I  175  ff.  und  449  fl 
F.  G.  Schultz  Antiquit.  rusticae,  Jena  1829 
Magerstedt  220  ff.  Beaurredon  52  ff.  Voig' 
Römische  Privataltert.  297  ff.  Nissen  Italisch 
Landeskunde  I  444  ff. 


Zweiter  Abschnitt.    Die  Landwirtschaft. 


567 


bei  der  Getreide  dem  Getreide  folgt  und  keine  Brache  stattfindet,  nur  in 
ganz  fettem  Boden  möglich,  wie  in  Kampanien,  wo  man  im  Beiben  Jahre 
einmal  Hirse  und  zweimal  Spelt  säte1).  Auch  daß  Felder  viermal  im  Jahre 
bestellt  wurden,  kam  vor,  und  zwar  zweimal  mit  Spelt,  dann  mit  Hirse  und 
zuletzt  mit  Küchengewächsen2),  oder  erst  mit  Gerste,  dann  mit  Hirse,  dann 
mit  Hüben  und  zuletzt  wieder  mit  Gerste  oder  Weizen3).  Auch  in  Etrurien 
wurden  die  Felder  Jahr  für  Jahr  mit  Getreide  bestellt4).  Am  verbreitetet  in 
war  die  Wechsel  Wirtschaft,  bei  der  man  ungleiche  Fruchtarten,  besonders 
Getreide  und  Hülsenfrucht,  einander  ablösen  ließ6);  denn  dieser  Wechsel 
frischte  den  Boden  auf6),  und  überdies  war  der  Gewinn  größer7).  Indessen 
auch  die  Brachwirtschaft  war  ganz  verbreitet8),  und  zwar  meist  als 
Zweifelderwirtschaft,  bei  der  die  Äcker  ein  Jahr  um  das  andere  brach  lagen9), 
wobei  in  der  Kegel  von  Ende  März  bis  Mai  die  Brachpflügung  stattfand, 
von  da  bis  August  die  zweite  Pflügung  und  das  Eggen,  von  Ende  September 
bis  Anfang  Dezember  die  Aussaat;  nach  weiterer  Bestellung  der  Saat  folgte 
im  Juli  und  August  die  Ernte,  und  von  September  bis  Ende  März  lag  das 
Feld  brach10).  Seltner  wird  die  für  schwache  Äcker  geeignete  Dreifelder- 
wirtschaft erwähnt,  die  den  Acker  jedes  dritte  Jahr  ruhen  läßt,  indem  etwa 
Hülsenfrucht,  Dinkel,  Brache  aufeinander  folgten11). 


')  Plin.  XVIII 111:  seritur  toto  a»»o,pa- 
nico  fsemel,  bis  farre.  Vgl.  Dion.  Hai.  I  37,2  von 
den  KafXJiavcöv  Jieöia,  iv  oTg  iyco  xai  iQutaQJiovs 
lih.aoaf.iriv  doovgag  dcoiröv  eTii  %eifiegtvqj  xai 
iinn.iiogivov  F.jil  &eoivw  oiiöoov  sx<peQovoag. 

'-)  Strab.  V  p.  242:  tarogeTrat  <Y  ?na  zwv 
jtsdiwv  OJteiQEoftat  <V  e'zovg  8ig  pev  zf/  £ei(i,  zo  8k 
tgizor  e/.riKn,  neu  de  xai  }.uyarn'>eaüai  zw  zstag- 
jio  o.iiiot,).  Besonders  fruchtbar  war  die  Gegend 
um  Capua  und  den  Vesuv,  Verg.  Geo.  II  224. 

3)  Plin.  XVIII 191:  sifuerit  illa  terra, quam 
appellavimus  teneram  (XVII 36),  poterit  sublato 
hordeo  seri  milium,  eo  condito  rapae,  his  sub- 
tatishordeumrursiis  veltriticum,  sicut  in  Cam- 
wania. 

4)  Varr.  r.  r.  I  9, 6. 

5)  Verg.  Geo.  I  73:  auf  ibi  flava  se.res  mu- 
tatis  sidere  farra,  |  unde  prius  laetutn  siligua 
quassante  legumen  aut  tenuis  fetus  viciae  tri- 
stisque  lupini  \  sustvleris  fragilis  calamos  sil- 
vamque  sonantem.  Vgl.  Plin.  XVIII 191.  Wenn 
man  bei  Varro  r.  r.  I  44,3  mit  Keil  liest:  agrum 
alter»  is  annis  relinqui  oportet paulo  [aut]  leri- 
oribus  sationibus,  id  est  quae  minus  suguni  ter- 
ra»), so  empfiehlt  auch  Varro  die  Wechsehvirt- 
schaft,  während  die  Stelle  sonst  als  Beleg  für 
Brache  angeführt  wird. 

6)  Die  abgeerntete  Hülsenfrucht  wurde  so- 
fort unterpflügt  und  diente  als  Düngung,  Colum. 
II  13  (14).  1.  Vgl.  Plin.  ep.  VII  9,  7. 

7)  Verg.  a.  a.  0.  82:  sie  quoque  mutatis  re- 
quiescant  fetibusarva,  \  necnulla  intereaesf  in- 
aratae  gratia  terrae. 

8)  Der  Römer  hat  kein  besonderes  Wort 
für  die  Brache,  sondern  behilft  sich  mit  Um- 
schreibungen [agri cessatio,  qities u.dgl.),  wohl 
aber  eines  für  das  erste  Anpflügen  des  Brach- 
ackers, was  vervagere  heißt,  Colum.  XI  2,  8; 


daher  heißt  der  Brachacker  verpactttm,  Cato  27. 
Varr.  144.2.  Colum.  II  4,2;  10,5;  XI  2.52.  l'lin 
XVIII 176.  Pallad.  IV  2.  Vgl.  über  die  Bedeu- 
tung der  Worte  den  Exkurs  von  Schneider  im 
Index  ad  sor.  r.  r.  465.  Dasselbe  kann  noval* 
oder  aqer  novalis  bedeuten,  Verg.  a.  a.  0.  71. 
Ov.exPontoI4,13.  Varro  I  29. 1;  II  pr.4.  Plin. 
XVIII  176:  nora/e  est  i/aod  a/ternis  a»»is  seri- 
t»r.  Pallad.  II  10, 1  (doch  kann  dasselbe  auch 
noch  nie  gepflügtes  Land.  Neuland,  bedeuten, 
z.  B.  Plin.  XVII 39).  Der  Gegensatz  dazu  ist  der 
a;/er  restibilis,  der  jährlich  bestellt  wird,  Varro 
1. 1.  V  39:  ar/er  resiihilis  i/»i  restitnitnr  ar  re- 
serit»>-tj»of>/H»t  a»»is ;  eo»tra <p<i  i»termittitar. 
a  »(»-»»i/o  novalis.  \s\.  Varro  r.  r.  I  44.2.  Col. 
II10,4u.ö. 

:I)  Verg.  a.a.O.  71:  alter»)*  !de>»  Um$0t» 
eessare  »orales,  et  se</»e»i  patiere  situ  dare- 
si'ere  eo»if»<»i.  Ov.  exPonto  I  4, 18:  quae  uum- 

quam  pacuosoHta  est  otuare  »<»-<di,    fructibus 

assiduis  lassa  seaeseif  huiuus.    Colum.  II 
Claud.  carm.  min. 52  (epist.  13).  11.  Plin.  X  V 1 1 1 
191:  frumentum  seri  i/uida»i  vetani  niti  i»  m 

(terra),  quae  j>ro.ri»t<>  an»»  quiererit. 

10)  Natürlich  ergaben  sich  nach  der  Art  des 
Getreides  oder  der  Futterfi  ucht  zeitliche  Um  n 
schiede ;  vgl.  Voigt  a.  a.  0. 298  f..  der  sich  dabei 
besondersauf  die  Menologia  rusticaCTL  I  p.  359 
stützt. 

n)  Varro  144.3:  i»  (Hgnthia quottumü  re- 

stibilia  esse  ilicuut,  seil  ita,  »1  tertio  {KOMM  anno 
»berioresferautfruetus.  Plin.  XVIII  187:   Ver- 

(/ifius  al/erais  eessare  arra  snadet        si  pati- 

antur  ruris  apatia,  utiUssimum  ja-neul  dubi<< 

est  ;i/uodsi  ueqct  c<»)<l  ieio,farsrrc»du>», »  »d< 
lupiiuu»  aut  rieia  auf  faba  suhl  ata  si»t  et  quae 
temn»  fariaut  laetiareui  (doch  ließe  sich  diese 
Stelle  auch  auf  Wechselwirtschaft  deuten) 


568 


Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 


Bei  der  Ernte1)  bediente  sich  der  messor2)  zumeist  der  Sichel,  fuh 
messorias),  seltner  secula  genannt4),  obschon  Ausraufen  mit  der  Hand  nichi 
bloß  bei  Flachs,  Lupinen  u.  a.,  sondern  auch  bisweilen  bei  Getreide  vorkam5) 
Die  für  die  Getreideernte  üblichen  Sicheln  hatten,  wie  die  Denkmäler6)  und 
zahlreiche  noch  erhaltene  Exemplare 7)  zeigen,  ganz  die  noch  übliche  Form 
einer  an  einem  Holzgriff  befestigten,  an  der  inneren  Krümmung  mit  scharfer 
Schneide  versehenen8)  Eisenklinge9);  Unterschiede  ergaben  sich  teils  aus 
der  größeren  oder  geringeren  Krümmung10),  teils  aus  der  Anbringung  von 
Zähnen  oder  Spitzen11),  wodurch  sich  auch  verschiedene  Arten  des  Schneidens 
ergaben.  Varro  nennt  drei  Arten:  bei  der  in  Umbrien  üblichen  schnitt  man 
den  Halm  mit  der  Sichel  direkt  an  der  Erde  ab  und  legte  jede  abgeschnittene 
Handvoll  {manipidus)  auf  die  Erde  nieder;  war  eine  größere  Zahl  solcher 
fertig,  so  schnitt  man  die  Ähren  von  den  Halmen,  tat  jene  in  Körbe,  die 
man  auf  die  Tenne  transportierte,  und  ließ  das  Stroh  auf  dem  Felde,  wo  es 
zu  Schobern  geschichtet  wurde12).  Bei  der  zweiten  bediente  man  sich  eines 
krummen,  oben  mit  einer  kleinen  eisernen  Säge  versehenen  Holzstabes;  mit 
diesem  schnitt  man  von  dem  Halmbündel,  das  man  gepackt  hatte,  die  Ähren 
ab  und  ließ  die  Halme  stehen,  die  später  eigens  abgeschnitten  wurden13). 
Bei  der  dritten,  bei  Rom  üblichen  und  auch  sonst  verbreitetsten  Art  wurden 
die  Halme,  die  man  mit  der  Linken  erfassen  konnte,  in  der  Mitte  durch- 
geschnitten; die  stehengebliebenen  Halme  wurden  später  geschnitten,  die 
oberen  Hälften  mit  den  Ähren  kamen  auf  die  Dreschtenne14). 


1)  Vgl.  Dickson  II348ff.  Magerstedt  227ff. 
Beheim-Schwabzbach  108  ff.  Beaurredon  84  f. 
Dorigny  923  f.  Olck  bei  P.-W.  VI  477  ff. 

2)  Cic.de  or.III  12,46.  Verg.ecl.3.42;  Geo. 
1316.  Ov.  met.  XIV  643.  Col.  II 12  (13),  1. 

3)  Man  unterscheidet  vornehmlich  falces 
messoriae  für  die  Getreideernte,  foenariae  für 
die  Heuernte  und  putatoriae  für  die  Baum-  und 
Rebenkultur,  Pallad.  1 42  (43),  1.  Digg.  XXXIII 
7,  8  pr.  Paul.  sent.  III  6,  35.  Colum.  IV  25,  1 
nennt  eine  besondere  falx  vinitoria;  andere 
heißen  silvatica,  arborea,  stramentaria  u.  dgl., 
s.  Cato  10,3;  11,4.  Vgl.  Mongez  29  ff.  Mager- 
stedt 256  ff.  Rich  253.  S.  Reinach  bei  D.-S.  II 
968  ff. 

*)  Nach  Varr.  1. 1.  V  137  in  Kampanien  für 
falx  gebräuchlich. 

5)  Cato  37,  1 ;  Plin.  XVIII  296  tadelt  es, 
weil  der  Boden  dadurch  ausgesogen  werde. 

6)  Die  Sichel  erscheint  besonders  häufig 
auf  Darstellungen  der  Jahreszeiten  in  der  Hand 
der  Höre  des  Sommers,  sonst  in  der  des  Priapos, 
vgl.  Drexler  bei  Röscher  Mytholog.  Lexik.  I 
2736.  Darstellung  des  Erntens  mit  der  Sichel 
auf  der  Trajanssäule  Fröhner  Colonne  Trajane 
pl.  162. 

')  Verschiedene  bildet  Reinach  a.  a.  0.  ab ; 
s.  ferner  Katal.  der  Samml.  der  Zürch.  antiqu. 
Ges.  II 136  n.  3876  ff.  Jacobi  Römerkast.  Saal- 
burg 446  f.  mit  Fig.  69.  7  und  Taf.  XXXV  2. 

8)  Daher  die  Bezeichnungen  falx  curva, 
Verg.  Geo.  1 508 ;  procurva.  ebd.  II 421;  adunca, 
Ov.  met.  XIV  628;  acuta,  Mart.  III  24,5. 


9)  Aus  älteren  Perioden  rühren  Bronze- 
sicheln her,  besonders  aus  Pfählbaufunden,  vgl. 
Reinach  969  A.  8. 

10)  Halbmondförmige,  lunata,  Pallad.  1 42 
(43),  2. 

")  Colum.  II  20  (21),  3  nennt  falces  ven<- 
culatae  und  unterscheidet  bei  diesen  wieder 
rostratae  und  denticulatae. 

12)  Varro  r.  r.  I  50, 1:  frumenti  tria  genera 
sunt  messionis :  unum,  ut  in  TJmbria,  ubi  falce 
secundum  terram  succidunt  stramentum  etma- 
nipulum,  ut  quemque  subsicuerunt,  ponunt  in 
terra,  ubi  eos  fecerunt  multos,  Herum  eos  per- 
censent  ac  de  singulis  secant  inter  spicas  et 
stramentum.  spicas  coiciunt  in  corbem  atque  in 
aream  mittunt,  stramenta  relincunt  in  segete, 
unde  tollantur  in  acervum.  Vgl.  Plin.  XVIII 296 : 
alibi  ab  radice  caeduntur  (stipulae).  Dieses 
direkt  an  der  Erde  Abschneiden  der  Halme  hieß 
succidere,  Ov.  am.  III 10, 12.  Caes.  b.  Gall.  IV 
19;  ebd.  38.  Daß  das  desecare  cum  stramentis 
alter  Brauch  war,  zeigt  Liv.  II 5, 3. 

1S)  Varro  a.  a.  O.  2 :  altero  modo  metunt,  ut 
in  Piceno,  tibi  ligneum  habent  incunmm  bacil- 
lum,  in  quo  sit  extremo  serrida  ferrea.  haec 
cum  conprendit  fascem  spicarum,  desecat  et 
stramenta  stantia  in  segete  relinqu-it,  ut  postea 
subsecentur.  Das  Nachmähen  der  Stoppeln  er- 
wähnt Verg.  Geo.  I  289  als  Nachtarbeit. 

14)  Varro  a.  a.  O.:  tertio  modo  metitur,  ut  snb 
urbe  Roma  et  locis  plerisque,  ut  stramentum 
medium  subsecent,  quodmanusinistrasummum 
prendunt:  a  quo  medio  messem  dictum  puta. 


Zweiter  Abschnitt.    Die  Landwirtschaft. 


Ob  man  sich  beim  Getreidemähen  auch  der  Sense  bediente,  ist  nicht 
it iberliefert,  auch  kein  besonderer  Name  dafür;  daß  man  sie  aber  kannte, 
eigen  noch  erhaltene  Exemplare  der  Eisenteile1).  Eine  andere  Vorrichtung, 
lie  aber  aus  den  Beschreibungen  nicht  klar  ist.  war  das  Gewinnen  der  Ihren 
i di ^ermittelst  der  merga  oder  des  pecten*).  Die  merga,  deren  schon  Plautus 
denkt3),  war  gabelförmig4);  wie  es  scheint,  war  es  aber  keine  die  Halme 
Schneidende  Sichel,  sondern  die  in  der  Linken  geführte  Gabel  erfaßte  statt 
itter  Hand  eine  Anzahl  Ähren,  die  die  Rechte  mit  der  Sichel  abschnitt6),  und 
fein  solches  Ährenbündel  hieß  merges6).  Eine  ähnliche  Vorrichtung,  nur  mit 
ipehr  Zinken  und  kammartig,  wird  der  pecten  gewesen  sein7). 

Eine  Art  Mähmaschine  benutzte  man  schon  im  1.  Jahrhundert  n.  Chr. 
mf  den  großen  Landgütern  in  Gallien,  wo  man  nicht  genügend  Arbeitskräfte 
latte  und  das  Stroh  nicht  brauchte.  Nach  der  kurzen  Beschreibung  des 
3linius8)  und  der  ausführlichen  des  Palladius9)  bestand  sie  aus  einem  auf 
:wei  niedrigen  Rädern  ruhenden,  viereckigen  Kasten,  der  sich  nach  oben 
mit  erweiterte,   indem  die  Seitenwände   nach   außen   gerichtet  waren;   an   der 


reu 

31  tnfra  manum  stramentum  quod  terra  haeret, 
jostea  subsecatur,  contra  quod  cum  spica  stra- 
nentum  haeret,  corbibus  in  aream  defertur. 
lierbei  bediente  man  sieb  nach  Colum.1120 
21),  3  (der  die  beiden  andern  Methoden  nicht 
cennt)  der  falx  verueulata  vel  rostrata  vel 
lenticulata;  doch  ist  die  Lesart  verueulata  un- 
sicher, daher  die  Form  der  Sichel  ungewiß; 
lie  dentata  war  wohl  der  erwähnten  serrula 
rerrea  ähnlich.  Plin.  a.  a.  0.  sagt  nur:  stipulae 
ilibi  mediae  falce  praeeiduntur 

)  Vgl.  Reinach  a.  a.O.  Fig.  2864.  Mitteil. 
ier  antiqu.  Ges.  in  Zürich  III  5  S.  21.  Jacobi 

-  Sömerkast.  Saalburg  Fig.  69, 8  S.  446.  Linden- 
jchmit  Altert,  uns.  heidn.  Vorzeit  III  3  Taf.IV. 
Das  war  jedenfalls  die  zum  Heumachen  be- 
stimmte falx  foenaria. 

*)  Colum.  a.  a.  0. :  multi  mergis,  alii  peefi- 
libus  spicam  ipsam  legunt,  idque  in  rara  se- 
jete  facillimum,  in  densa  difficillitnum. 

3)  Poen.  1018;  Rud.763:  tarn  hercle  tibi 
mergeis  in  ore  fiet  messis  pugneis,  woraus 
bervorgeht.  daß  es  ein  Erntegerät  ist. 

4)  Festus  124, 1 :  mergae,  furculae,  quibus 
zcervifrugumfiunt.  Corp.  Gloss.V  621 , 9 :  merga 
?st  fnrea;  dagegen  V  300,  19  (vgl.  373,  35;  IV 
258,14):  mergae  fitstes,  quibus  messe»  colli- 
juntur. 

5)  Das  darf  man  daraus  schließen,  daß 
bei  Colum.  a.  a.  0.  ausdrücklich  vom  legere  der 
Aehren  die  Rede  ist;  auch  die  Glossen  sprechen 
vom  colligere,  nur  wird  furcae  für  fitstes  zu 
schreiben  sein.  Die  Neueren  wissen  meist  mit 
der  merga  nicht  viel  anzufangen :  Mongez  35  f. 
hält  sie  wie  den  pecten  für  Schneideinstru- 
mente; Saglio  beiD.-S.HI  1839  läßt  es  un- 
entschieden, ob  die  merga  schnitt  oder  nur  die 
Aehren  faßte ;  die  beste  Deutung  gibt  Rich  590. 

6)  Verg.Geo.  II 517:  Cerealis  mergüe  eulmi; 
das.  Serv. :  mergites  fasces  culmorum  spicas 
habentium,  quos  metentes   bracchiis  ainistris 


compleetuntur.  Corp. Gloss.lV258,5;  V 222,1«. 
Unverständlich  ist  Plin.  a.  a.  0.:  inter  dutu 
mergites  spica  destringitur. 

7)  Ein  gleiches  Gerät  ist  wohl  bei  Plin. 
XVIII  297  gemeint:  panirum  et  milium  .«/»- 
gillatim  pectine  manuali  legunt  (lalliae.  Auch 
hier  darf  man  nicht  mit  Lafaye  bei  D.-S. 
IV  365  an  ein  Abschneiden  mit  dem  pecten 
denken. 

8)  A.a. 0.296:  OatUarum  lutifundiis  vaüi 
praegrandes,  dentibus  in  innrgine  mssrtis,  <in<i- 
bus  rotis  per  segetem  inpe&untur,  tutnento  in 
eontrarntm  hmeto;  Ha  derepUu  in  paJhtm  <a- 
dunt  spicae. 

9)  VII  2, 2  ff. :  pars  (iallinrinu  planior  hoc 
conpendio  utitur  ad  mefendum  et  praeter  b<>- 
minum  labnres  unius  bovis  opera  spatium  to- 
tillS  messt»  absitmit.  fit  itaipte  reliiru/itin,  <pio<l 

duabus  rotis  brevüms  fertur.  Indus  quadrata 

superficies    tabidis    munitur,    ipiae  forin* 

ree&met  in  ntmmo  rtddtmt  epatia  largiora. 

ab  eius  fronte  carpenti  hrrriur  est  <dtitnd<> 
tabufarum.   ibi  denticnli  p/urimi  (ic  rari   ad 

spicarum  mtnsurtM  cmistitiiiintur  in  online, 

ad  superiorem   partrm   reenrri.  a  /ergo   rem 
eiusdetn    rehiculi  diio   brerissimi  temones  (igu- 
rantur  re/nt  aniites  basternarutu.  ibi  bot 
pitc  in  vehieuhtm  versa  iugo  aptatur  <t  vineu- 
/is,  mansuetus  $ane,  qui  tum  modum  eonput- 

soris  e.rcedat.  Iiic  nhi    reliieii/um    per    mt 
coepit    inpellere,    omnis    sjiira    in    rarpenfnin 

dent iridis  eonprekensa  cumtUatmr  abrupt 

relictis  paleis,  a/titin/ineni  rel  hinnilitateni  ple- 
runn/ue  hubutca  mmlcranic,  <pii  snptitur  et  Ha 
per  paueos  ttUS  OC  red  Uns  brevi  borarum  spat  in 
tota  messis  tnjilctitr.  Iior  rinnprstrihns  Iuris  rrl 
aequalibas  uti/r  est  et  bis.  quibus  necessnria 
palea  non  habetur.  Hier  kann  jedoch  bei  den 
ilrntirnli  die  Angabe  a<-  rari  nicht  richtig  sein, 
denn  die  Messer  durften  nicht  weit  stehen.  Viel- 
leicht ist  dafür  aptati  zu  lesen. 


570 


Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 


niedrigeren  Vorderseite  waren  zahlreiche,  in  Abständen  in  einer  Reihe  g« 
ordnete,  gebogene  Sichelmesser  angebracht;  hinten  ging  zwischen  zwei  kurze 
Deichseln  ein  angebundener  Ochse  unter  dem  Joch  und  schob  das  Gefähi 
vor  sich  her.  Die  von  den  Sicheln  abgerissenen  Ähren  fielen  dann  in  de 
Kasten  hinein.  Eine  Stellvorrichtung  ermöglichte  es  dem  bubulcus,  die  Höh 
der  Sicheln  je  nach  der  Höhe  der  Ähren  oder  je  nach  der  gewünschten  Höh 
der  zurückbleibenden  Stoppeln  zu  regulieren1). 

Bei  der  Heuernte,  dem  foenisecium2),   bediente  sich  der  foeniseca*)  i:| 
Italien  einer  kürzeren  Sichel,  falx  foenaria4),  die  man  auch  bei  Gras  zwischen 
Gestrüpp  brauchen  konnte,  in  Gallien  einer  längeren  (vielleicht  einer  Sense) 5>l 
Um  beständig  die  Schärfe  der  Schneide  erneuern   zu   können,   führten  di 
Schnitter  einen  Schleifstein  mit  sich  und  ans  Bein  gebunden  ein  Hörn  mi 
Öl6).     Das  gemähte  Gras  wurde  mit  einer  kleinen  Gabel  (furcilla)1)  ode 
einer  weitzinkigen  Harke   (pecten) 8)   gewendet,   wenn   es   trocken   war,   ii 
Bündel  (manipuli)  gebunden  oder  zu  Schobern  (metae) 9)  aufgetürmt  und  be 
trockenem  Wetter  eingebracht10).  Die  stehengebliebenen  Grasstoppeln  wurdeij 
mit  der  Sichel  nachgemäht,   was  prata  sicilire  hieß11).     Das  trockene  Her 
wurde  auf  den  Heuboden,  tabulata12),  foenilia1*),  geschafft. 

Beim  Getreide  wurden  die  abgeschnittenen  Ähren  in  Körben  in  da* 
nubilarium  gebracht14),  um  auszutrocknen,  bevor  das  Dreschen  {triturd 
begann15).  Die  Tenne,  area,  wurde  in  sorgfältiger  Art  aus  gestampfter,  mil 
Olabgang  (amurca)  vermischter  Erde,  am  besten  Tonerde,  hergestellt  uno 
mit  schweren  Walzen  (ctßindri)  oder  mit  Schlegeln  (paviculae)  eben  gemacht16) 
Zum  Entkörnen  bediente  man  sich  verschiedener  Methoden,  von  denen  die 
älteste  und  auch  später  noch  gewöhnlichste  die  war,  daß  man  über  das  aui 
derTenne  ausgeschüttete  Getreide  Vieh  trieb,  Rinder  oder  noch  besser  Pferde17) 


')  Ueber  Rekonstruktionsversuche,  die 
neuere  Landwirte  von  dieser  Mähmaschine  ge- 
macht haben,  s.  A.  Nachtweh  Journal  für  Land- 
wirtschaft, Berlin  1911.  Heftl. 

*)  Varrol  17,2;  49,1;  II  11,7;  III  2,6. 
Colum.  II  18  (19),  3.  Plin.  XVIII  258.  Ueber 
Zeit  und  Art  vgl.  Cato  53.  Varro  I  49.  Verg. 
Geo.  I  289.  Col.  II  16  (17)  ff.  Zweiter  Schnitt 
wird  selten  erwähnt,  s.  Cato  5. 8.  Colum.  VII 
3,  21.  Vgl.  überhaupt  Olck  a.  a.O.  477  f.  Ueber 
die  Wiesenkultur  und  die  Heuernte  vgl.  Dick- 
soNlI285ff. 

:!)  Col.  II  18,  4  f.  Pers.  6,40;  auch  foeni- 
sector,  Col.  XI  1, 12,  und  foenisex,  Varro  1 49, 2. 
Plin.  a.a.O.  261. 

4)  Siehe  oben  S.  568  A.  3. 

5)  Plin.  a.  a.  0.:  falcium  ipsarum  duo  ge- 
rn-ra :  Italictim  brevius  ac  vel  intet'  vepres 
quoque  tractabile,  Galliarum  latifimdiis  maio- 
rfbus  .  .  .  conpendia,  quippe  medias  caedunt 
herbtu  brevioresquepraetereunt  (die  Lücke  nach 
Annahme  von  Sillig  und  Mayhoff).  Der  Zu- 
satz Italua  fenisex  dextra  una  manusecat  weist 
vielleicht  auf  den  Gegensatz  zu  der  mit  beiden 
Händen  geführten  Sense  hin. 

6)  Plin.  ebd. 

7)  Varr.  149,1. 


8)  Ov.  rem.  am.  191:  et  t<>>is<t>n  varo  pe- 
ctine  verrit  humum. 

9)  Col.  II  18  (19),  2. 

10)  Varro  a  a.  0.  Col.  a,  a.  0. 

u)  Varro  a.  a.  0.  sagt  zuerst:  tum  depratü 
stipulam  rastellis  eradi  atque  addere  faeni 
siciae  cumulum,  was  ein  kaum  glaubliches  Ver 
fahren  ist,  weshalb  Olck  a.  a.  0.  stirpem  odei 
spinam  für  stipulam  vermutet,  nach  Col.  II  U 
(17).  1.  Varro  fährt  dann  §  2  fort:  quo  facto  sirt 
lienda  pi-ata,  id  ext  falcibus  consectanda  quau 
faenisices  praeterierunt  ac  quasi  herba  tuber& 
sum  reliquerunt  campum.  Vgl.  Col.  II 21  (22), 3 
Plin.  259. 

».)  Col.  a.  a.  0.,  vgl.  oben  S.  75. 

18)  Verg.  Geo.  III  321.  Ov.  met.VI  457.  Col 
I  6,  9.  Calpurn.  ecl.  5,  102. 

14)  Siehe  oben  S.  74. 

15j  Ueber  das  Dreschen  bei  den  Römeri 
vgl.  Blümner  Technologie  I  2  ff .  Olok  bei  P. 
W.V1700ff.  Dickson  II  375  ff.  Magerstem 
244  ff.  Beaurredon  86  ff.  Dorigny  a.  a.  0 
924. 

lr>)  Beschreibung  Cato 91  u.  121.  Varrol  51 
Verg.  Geo.  I  178  ff.  Col.  II  19  (20).  Pall.  I  36 
VIII.  Geop.  1126,5. 

17)  Varr.  152,  1.  Col.  16,  23;  II  20  (21),  4 


Zweiter  Abschnitt.    Die  Landwirtschaft. 


571 


I  lie  darüber  im  Kreise  herumgejagt  wurden  und  es  durch  ihre  Hufe  austraten1). 

Jj  Sehr  häufig  war  aber  auch  das  Benutzen  eines  Dreschschlittens,  des  tribulum, 

;efäl  jines  unten  mit  Steinen  oder  Eisen  scharf  gemachten  Brettes,  das  mit 

111  j  vichten  beschwert  und  von  Rindern,  deren  Lenker  oben  daraufsaß,  angetrieben 

Ü  vurde2).    Eine  andere  Art  dieser  Dreschschlitten,  die  den  Kömern  auf  dem 

;fo  Wege  über  Spanien  von  den  Karthagern  zugekommen  war,  hieß  plostdlum 

Ponticum,  doch  ist  dessen  Konstruktion  aus  Varros  Beschreibung  nicht  klar3). 

SJ    Ütwas  ähnliches  scheint  die  traha  gewesen  zu  sein4).    Am  seltensten  war 

4  ivohl  das  Ausdreschen  mit  Dreschflegeln,    wobei   man   aber  auch  nicht  an 

lsel  leren  heutige  Konstruktion    zu   denken    hat,   sondern    anscheinend   nur  an 

11  d  gewöhnliche  Stöcke5). 

Ebenfalls  auf  der  Tenne  wurde  das  Worfeln")  vorgenommen,  das 
"ntitHcire  oder  evallare1),  auch  ventilare  hieß8).  Man  bediente  sich  dazu  einer 
infachen  Schwinge,  vannus  oder  vallus*),  mit  der  man  bei  wehendem  Winde 
as  ausgedroschene  Korn  in  die  Höhe  warf,  sodaß  der  Wind  die  leichte 
■breu  an  eine  dafür  bestimmte  Stelle  fortführte,  während  die  schwereren 
Kölner  zur  Erde  oder  in  einen  untergestellten  Korb  fielen10).  Statt  der 
Schwinge  nahm  man  auch  eine  breite  Holzschaufel,  ventilabrum  ' ')  oder pala1*). 
Schließlich  wurden  die  ausgedroschenen  Körner  auf  den  Kornboden,  grana- 
rhi m ' :!),  farrarium14-)  oder  schlechtweg  horreum,  die  Spreu  in  die  Spreukammer, 
palmriii m l5),  gebracht. 

Kürzer  müssen  wir  uns  bei  den  anderen  Seiten  der  römischen  Landwirt- 
schaft fassen.  Ein  wichtiger  Zweig  derselben  war  die  auf  den  Landgütern 
betriebene  Gemüsezucht16).  Es  gab  allerdings  auch  eigene  Gemüsegärtner, 
die  holitores11),  die  ihre  Erzeugnisse  an  Gemüsen,  Salaten,  Küchenkräutern  usw. 
auf  den  Markt  brachten:  aber  auch  auf  den  Gütern,  den  kleineren18)  wie  den 


')  Col.  a.a.O.:  at  si  competä,  vi  in  area 
teratur  frumentum,  nihil  dubium  est,  quin  equis 
melius  quam  bubus  ea  res  conftciatur.    Plin. 

XVIII  298. 

-')  Varro  I  52, 1.  Col.a.a.O  ;  ebd.XII  52.7. 
Verg.Geo.  1 164mitServ.Isid.XX14,10.  Augast. 
civ.  Dei  I  8:  vgl.  Varr.  1. 1.  V  21.  Non.  228,  27. 
Nach  Varro  sollen  die  tribula  im  Hause  selbst 
hergestellt  werden,  müssen  also  sehr  einfacher 
Art  gewesen  sein;  im  Ed.  Diocl  15,  41  kommt 
ein  tribulum  nur  auf  200  Denare  zu  stehen. 
Cato  scheint  das  tribulum  nicht  zu  erwähnen 
(135,  1  ist  es  Konjektur  Gesners). 

:1)  Varro  a.  a.  O.  Olck  1701  vergleicht  den 
von  Hieron.  comm.  in  Esa.  IX  28  (XXIV  326  M.) 
erwähnten,  in  Palästina  üblichen  Dreschwagen, 
der  heut  noch  ähnlich  im  Orient  gebraucht  wird. 

4)  Col.  II 20  (21),  4,  neben  dem  tribulum 
genannt,  ebenso  Verg.  Geo.  a.  a.  0.,  mit  Serv. 
Vgl.  Corp.  Gloss.V  250,  8  u.  14.  Es  geht  aber 
aus  den  kurzen  Erklärungen  nicht  hervor,  ob 
es  ein  Dreschschlitten,  eine  Art  Egge  oder 
eine  Harkmaschine  war,  vgl.  Olck  1702. 

•"*)  Sie  heißen  baculi,  fustes,  Colum.  a.a.O.. 
oder  perticae,  Plin.  a.  a.  O.  Sid.  Apoll.  ep.VII 
6,5  nennt  sie  flaffrfla,  unser  „ Flegel". 

6)  DicKS0NlI395ff.  Blümner  a.a.O.  8  ff. 


Olck  1704. 

7)  Varro  1 52,  2.  Pompon.  u.  Lucil.  b.  Non. 
19,16.  Plin.  XVIII  98  f. 

8)  Col.  I  6,  16.  Plin.  302;  322;  XXII  120. 
'■')  Varro  1 23, 5 ;  52,  2 ;  ders.  1. 1. V  1 38.  Col. 

II  20  (21),  4.  Serv.  ad  Geo.  1 166. 

10)  Varro  r.  r.  1 52, 1 .  Verg.  Geo.  III  1 34.  Col. 
a.  a.  O. 

»)  Varro  ebd.  und  1.  l.V  138.  Col.  II 10. 14. 
Fest.  77,  15. 

»)  Cato  r.  r.  10, 3.  Isid.  XX  14.  10.  Tertull. 
praescr.  3.  Dasselbe  ist  wohl  die  .t«/.«  im  Ed. 
Diocl.  15,  45. 

1 3)  Vgl.  oben  S.  73  Ueber  die  A  nlage  Varro 
1 57, 1  f.  Colum.  16, 10  Plin.  XVIII 73  ff.  Pall.  119. 

»)  Vitr.  VI  6  (9),  5. 

15)  Col.  1 6, 9.  Corp.  Gloss.  II  854,  52;  500. 
62;  588,61  u.  s. 

")  Ueber  die  bei  den  Römern  üblichen 
Hülsenfrüchte,  Gemüse,  Salate,  Küchenkräu- 
ter usw.  ist  oben  S.  164  ff.  gehandelt.  Zu  ver- 
gleichen ist  noch  Magbrstedt  V  303  ff.  Beaur- 
redon  90  ff.  und  zu  S.  165  A.  15  F.  v.  d.  Goltz  De 
lupini  apud  Romanos  colendi  ratione,  Königs- 
berg 1870. 

17)  Siehe  oben  S.  195. 

18)  Vgl.Mart.V78,8:  X48,7ft  [«T.11,69. 


572 


Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 


großen1),  wurde  dergleichen  gezogen,  in  jenen  für  den  Hausbedarf  des  B 
sitzers,  dem  es  die  vilica,  wenn  er  in  der  Stadt  weilte,  dorthin  schickte, 
diesen  für  den  Verkauf  im  großen.  Ahnlich  war  es  mit  der  Obstbaumzucht' 
der  man,  da  sie  sehr  einträglich  war3),  große  Sorgfalt  zuwandte,  namentlk 
durch  Erwerbung  edler  Sorten  und  Pfropfung4);  man  legte  daher  besondei 
Baumschulen  an,  die  seminaria5)  oder  plantaria6)  hießen.  Weitaus  die  meisi 
Pflege  aber  widmete  man  den  einträglichsten  Zweigen  der  Landwirtschaf 
der  Ölbaumkultur  und  dem  Weinbau 7). 

Was  die  Kultur  des  Ölbaums8)  anbetrifft,  so  soll  diese  in  Italien  allei 
dings  jünger  sein  als  die  der  Reben:  um  580  v.  Chr.  ist  er,  wie  berichte 
wird,  in  Italien  noch  nicht  heimisch  gewesen 9)  und  den  Römern  jedenfall 
erst  durch  hellenische  Vermittlung,  wahrscheinlich  über  Kampanien,  zu 
gekommen10).  Er  verbreitete  sich  anscheinend  zunächst  noch  nicht  seht 
schnell11),  dann  aber  wurde  er  in  ganz  Italien,  besonders  im  Sabiner-  un 
Picenerlande,  heimisch12),  und  im  1.  Jahrhundert  n.  Chr.  war  Italien  so  reicl 
an  Ol,  daß  es  darin  allen  anderen  Ländern  voranstand13).  Man  ließ  siel' 
daher  die  Zucht  des  Ölbaums  in  den  seminaria,  die  Veredelung,  die  sorgfältig« 
Anlage  der  Olivenpflanzung  (oletum  oder  olivetum),  die  Düngung  und  regel 
mäßige  Bearbeitung  des  Bodens  und  was  sonst  zur  Pflege  gehörte,  seh; 
angelegen  sein14).     Die  Olivenernte,  für  die  sich  der  Gutsbesitzer  mit  dei 


*)  Von  der  Gemüsekultur  auf  den  großen 
Landgütern  handelt  Columella  B.  X  und  XI  3. 
Vgl.  im  allgemeinen  Wiskemann  Die  antike 
Landwirtschaft  42  f. 

2)  Hierüber  handeln  außer  der  oben  S.  169 
A.  20  mitgeteilten  Litteratur  C.  F.  W.  Wall- 
koth  Geschichte  des  Obstes  der  Alten,  Halle 
1812.  DoRiGNYbeiD.-S.  IV  925.  K.L.Sicklek 
Geschichte  der  Obstkultur,  Frankf.  a.  M.  1902. 

3)  Vgl.  Plin.  XVII  8. 

4)  Zu  vergleichen  ist  im  allgemeinen  vor- 
nehmlich Verg. Geo.  II.  Colum. lib. de arboribus. 
Plin.  XV  35  ff.  Beim  Okulieren,  inoculatio  (Cato 
42.Col.Vll,l;XI2,59.Plin.XVII1329),machte 
man  da,  wo  das  Auge  (gemma,  modus,  germen) 
sich  aus  der  Rinde  hervordrängt  und  den  Bast 
(tunica)  durchbricht,  eine  mäßige  Höhlung  (.s7- 
nus)  und  setzte  das  von  einem  andern  Baum 
entnommene  Auge  hinein;  beim  Pfropfen,  in- 
serere,  insitio  (Cato  40,  2.  Col.  III  21,  1 ;  V  11, 
12  u.  s.)  sägte  man  einen  Stamm  oder  Ast  glatt 
ab,  spaltete  die  Mitte  des  Stammes  durch  einen 
Keil  und  setzte  das  zugespitzte  Pfropfreis  ein ; 
vgl.  Verg.  Geo.  II  73  ff.  Cato  a.  a.  0.  Varro  I  41 ; 
Col.V  11.  Plin.  XVII  99  ff. 

5)  Cato  40,  1 ;  46,  1 ;  48, 1.  Varro  I  29,  1 ; 
35.2;  41,5  u.  ö.  Colum.  de  arb.  1,  3;  2, 1.  Plin. 
XVII  69  ff.  Pall.  11110,1;  18.6. 

6)  Plin.  XVII  65;  141  ff. 

7)  Bei  Cato  wird  der  Oel-  und  Weinbau 
als  wichtigster  Teil  der  ganzen  Landwirtschaft 
betrachtet,  vgl.  Gummerus  19;  auch  bei  Varro 
bilden  diese  Betriebe  die  Grundlage,  s.  ebd. 
55,  und  im  wesentlichen  auch  bei  Columella, 
ebd.  77. 

K)  Vgl.MAOERSTEDTlV232ff.  A.CoNTANCE 


L'olivier,  histoire,  regions,  eulture,  Paris  1877 
Hehn  Kulturpflanzen  und  Haustiere6  S.  101  ff 
Besnier  bei  D.-S.  IV  162  ff. 

9)  Nach  Plin. XV  1  behauptete  Fenestella 
Oleom  . .  .  omnino  non  fuisse  in  Italia  Hispa- 
niaque  mit  Africa  Tarquinio  Prisco  regnante 
ab  annisj)opuli  Bomani  CLXXIII,  eine  Nach 
rieht,  die  allerdings  nicht  unverdächtig  ist 
da  sie  aus  Herod.  V  82  zu  stammen  scheinl 
(s.  HehnIII).  Sehr  verdächtig  ist  aber  aucl 
die  Angabe  italienischer  Paläoethnologen,  da£ 
sichin  einigen  Terremare  Olivenkerne  gefunder 
hätten,  s.  Helbig  Italiker  in  der  Poebene  1( 
A.  1;  108  f.    Nissen  Ital.  Landeskunde  I  441 

10)  Das  wird  von  Hehn  a.  a.  O.  mit  Be- 
stimmtheit angenommen,  ebenso  von  Helbig 
109.  Auch  sprachliche  Gründe  sprechen  da 
für,  s.  Curtius  Gr.  Etymol.  359. 

n)  Nach  Plin.  XV  2  kosteten  im  J.  24S 
v.  Chr.  12  Pfund  Oel  noch  10  Asse,  hingegen 
lieferte  im  J.  74  der  Aedil  M.  Seius  dem  Volk« 
ein  ganzes  Jahr  hindurch  10  Pfund  für  1  As 
Bezeichnend  ist  auch,  daß  bei  Cato  1,6  das 
oletum  erst  an  vierter  Stelle  kommt  (nach  pt> 
neu,  hortus  inriguus  und  salictum),  während 
Col.V  8,  1  den  Oelbaum  prima  omnium  arbo- 
mm  nennt  und  vor  den  Weinstock  setzt. 

12)  Ueber  die  besten  Arten  Olivenöl  s.oben 
S.  191. 

18)  Plin.  a.  a.  O.  3  u.  8. 

14)  Cato  6,2:  44 f.;  61.  Varro  124,1.  Verg 
Geo.  II  179  ff.  Col.V  8;  arb.  17, 1.  Plin.  XVII 
125  ff.  Pall.  III 18.  Geop.IX  4.  Ueber  die  haupt- 
sächlichsten Arten  vgl.  Cato  6, 1.  Varro  I  24, 1 ; 
ders.  1. 1.  V  108.  Verg.  Geo.  II 83  ff.  Col.  V  8,  3. 
Plin.  XV  4;  XVII  128  u.  s. 


Zweiter  Abschnitt.    Die  Landwirtschaft. 


573 


ntlic 


üitisl 


ie 


B  nötigen  Anzahl  von  Arbeitern  (leguli,  Stridores)  vorsehen  mußte'),  wenn  dies 
nicht  dem  Pächter  der  Ernte  zufiel2),  fand  vom  Oktober  bis  zum  Januar 
statt,  da  die  Beeren  teils  unreif,  teils  halbreif,  teils  ganz  reif  abgenommen 
wurden3).  Sie  durften  aber  nicht  durch  Schütteln  der  Bäume  gewonn« n. 
sondern  mußten  entweder  mit  der  Hand  gepflückt  (an  höheren  Stellen  mit 
Hilfe  von  Leitern)4)  oder  mit  Rohrstäben  abgeschlagen  werden,  mit  aller 
nötigen  Vorsicht,  damit  die  Früchte  nicht  dabei  Schaden  nahmen5). 

Die  Bereitung  des  Olivenöls6)  gehörte  ebenso  wie  die  des  Weines  zum 
landwirtschaftlichen  Betrieb.  Der  Raum,  in  dem  sie  stattfand,  ist  die  Kelter 
und  heißt  ebenso  wie  die  Weinkelter  torcular1)  oder  torcularium*).  Zweierlei 
Vorrichtungen  brauchte  man  zur  Gewinnung  des  Öls:  eine  zum  Zerquetschen 
und  eine  zum  Auspressen  der  Früchte;  über  beide  sind  wir  teils  durch  die 
landwirtschaftlichen  Schriftsteller,  teils  durch  Funde  altrömischer  Ölkeltern  '). 
teils  endlich  durch  Denkmäler  mit  Darstellung  des  Vorganges  gut  unter- 
richtet. Zum  Zerquetschen  der  Oliven,  wodurch  die  dem  Öl  nachteilige 
au/urca,  der  in  der  Landwirtschaft  vielfach  zur  Verwendung  gelangende 
wässerige  Abgang,  entfernt  wurde,  bediente  man  sich,  abgesehen  von  zwei 
uns  nicht  näher  bekannten  Vorrichtungen,  die  solea10)  und  tudicula11)  hießen, 
besonders  der  mola  und  des  trapetum.  Erstere,  die  mola  olearia1*),  war  dafür 
die  beste  Einrichtung.  Sie  bestand,  soweit  wir  das  beim  Fehlen  einer  ge- 
nauen Beschreibung  zu  beurteilen  imstande  sind,  gleich  der  Getreidemühle 
aus  zwei  Steinen,   zwischen  denen  die  Früchte  durch  Drehung  des  oberen 


x)  Cato  64,  1;  144,  1;  146,  3;  Stridores 
heißen  sie  vom  Abstreifen,  stringere,  der 
Früchte,  Varro  I  55.  1. 

*)  Cato  144. 

3)  Col.XI  2,83;  XII  50.  Pall.XI  10;  XII 
4,   1. 

4)  Varro  I  55,  1:  in  oliveto  oleam,  quam 
iiKiii ii  tangere  possis  e  terra  ac  scalis,  legere 
oportet  potlus  quam  quatere,  quod  ea  quae  va- 
pulavit  macescit  nee  dat  tantum  olei.  quae 
manu  strieta, melior  ea  quae  digitis  nudis, quam 
illa  quae  cum  digitabulis.  Plin.  XV  11  über- 
liefert freilich  als  alte  Regel:  oleam  ne  stri>i- 
gito  neve  verberato.  Die  Geop.  IX  17,  8  em- 
pfehlen. Holzböcke  mit  Brettern  darauf  auf- 
zustellen und  auf  diese  Weise  die  höher 
befindlichen  Früchte  zu  pflücken. 

"')  Varro  a.  a.  0.  2 :  quae  manu  fangt  non 
poterunt,  itaquati  debent,  utharundine  potius 
quam  pertica  feriantur:  gravior  enim  plaga 
»uilicum  quaerit.  Auch  Plin.  a.  a.  0.  tadelt  die 
Anwendung  von  Stöcken :  qui  cautissime  agunt, 
harundine  levi  ictu  nee  adversos  percutiunt 
ramos.  Vgl.  Geop.  a.  a.  0.  6.  Eine  Schilderung 
der  Olivenernte  findet  sich  bei  Symm.  ep.  III 
23,  wo  auch  die  Leitern  erwähnt  sind. 

6)  Vgl.  hierüber  außer  der  oben  angeführ- 
ten Litteratur  auch  Blümner  Technologie  I 
328  ff. 

7)  Eigentlich  die  Keltervorrichtung  selbst, 
doch  auch  der  Kelterraum,  vgl.  oben  S.  72. 

8)  Cato  3, 2 ;  12 ;  13, 1  u.  ö.  Colum.  XII 18, 3; 


52,3. 

,J)  In  Betracht  kommen  vornehmlich:  die 
Oelkelter,  die  im  J.  1779  in  Stabiae  gefunden 
worden  ist,  nach  der  Schrift  von  Gbimai.ih 
und  Fb.  la  Vega  (Napoli  1783)  wiederholt  und 
besprochen  von  Schneiüeb  in  den  Scr.  r.  i  .  I  '1. 
6 1  Off.:  De  trapeto,  torculario  et  preloCatonis.  m  it 
Tafeln;  vgl.  Rogoiebo  Scavi  di  Stabia  tav.  \  u. 
XII  ff. ;  eine  in  Pompeji  gefundene,  s.  Guattam 
Monum.  ant.  ined.  tav.  I ;  eine  in  der  Villa  rustica 
in  Boscoreale,  s.  A.  PAsqui  in  Mon.  ant.  pubbl. 
d.  Acad.  dei  Lincei  VII  (1897 )  463  ff. ;  vgl.  Mau 
R.M.  XI  (1896)  135 ff.;  ders. Pompeji1  S. 386 f.; 
eine  in  Malta,  Cabuana  im  Americ.  Journ.  of 
archaeology  IV  (1888),  453;  verschiedene  in 
Nordafrika,  s.  Instruct.  du  Com.  des  trav.  histor.: 
Recherche  des  antiquites  dans  le  nord  de 
l'Afrique  p.  130. 

10)  Sie  wird  nur  bei  Colum.  XII  52,  6  er- 
wähnt, der  sagt:  oleo  autem  eonfieitnäo  moIm 
utiliorcs  sunt,  i/uum  trupetum  ;  trapetum,  quam 
canalis  et  solea. 

n)  Colum.  a.a  0.7:  est  et  orginiiun  ereetae 
tribu/ae  simile,  quod  tudicula  cocutur,  » 
HOn  incommode  opus  effirit.  uis,  quod  fr<- 
quentcr  vitiatur  et,  si  bacCOi  )>lusculum  in- 
gesseris,  impeditur.  Vgl.  Schneidbb  Scr.  r.  r. 
I  2,617;  II  2,660.  Die  Glossen  erklären  es 
durch  Totjin/,  was  auf  eine  mörserartige  Vor- 
richtung hindeutet,  vgl.  Corp.  Gloss.  VII  372. 

12)  Varr.  1 55,5;  mola  oliraria  Digg.  XXXIII 
7,21. 


574  Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 

Mühlsteines,  der  je  nach  Bedarf  eingestellt  werden  konnte1),  leicht  zerdrück J 
wurden;  anscheinend  war  es  ein  kugelförmiger  Stein,  der  an  Querbalkerl 
im  Kreise  gedreht  wurde,  während  der  untere  Mühlstein  ein  ausgeh öhlteil 
Bottich  war,  in  dem  die  Oliven  zwischen  der  inneren  Höhlung  und  deml 
oberen  Mühlstein  aufgehäuft  wurden  2).  Genauer  kennen  wir  durch  die  er-l 
wähnten  Funde  und  die  Beschreibungen  der  Schriftsteller3)  die  zweite  Vor-I 
richtung,  das  trapetum,  bei  dem  in  dem  unteren  steinernen  Becken,  in  dessen 
Mitte  sich  ein  steinerner  Zylinder  erhob,  um  ein  in  der  Mitte  der  oberen 
Fläche  dieses  Zylinders  stehendes  Eisen  sich  eine  Holzachse  drehte,  an  der 
zwei  steinerne  Kugelsegmente  (Kalotten),  die  mit  den  ebenen  Flächen  einander 
zugewandt  waren,  befestigt  waren,  die  bei  der  Drehung  die  Oliven  zwischen 
dem  Zylinder  und  den  Wänden  des  Beckens  zerquetschten  und  das  Fleisch  I 
von  den  Kernen  lösten4). 

Wenn  sodann  aus  der  so  entstandenen  Masse5)  die  Kerne  entfernt  worden 
waren,  kam  sie  unter  die  Presse,  die  ebenfalls  torcular6)  oder  torculum1) 
oder  von  ihrem  Hauptbestandteil  her  prelum  hieß 8).  In  ältester  Zeit  wurde 
das  Pressen  einfach  dadurch  besorgt,  daß  die  in  einen  Behälter  aufgehäufte 
Masse  mit  einem  schweren  Steine  belastet  wurde;  doch  trat  an  dessen  Stelle 
schon  früh  die  Vorrichtung,  daß  ein  mit  dem  einen  Ende  zwischen  Holz- 
pfeilern beweglich  befestigter  Preßbaum  an  seinem  anderen  Ende  durch 
Stricke  oder  Riemen  niedergezogen  wurde,  der  auf  ein  starkes  Brett,  das 
über  die  Oliven  zu  liegen  kam,  einen  gewaltigen  Druck  ausübte.  In  die 
Höhe  hob  man  den  schweren  Preßbaum  durch  einen  Flaschenzug;  die  Oliven 
wurden  in  einem  Korbe  oder  zwischen  Latten  auf  das  Preßbrett  darunter 
gestellt  und  der  Preßbaum  vermittelst  einer  an  Hebeln  gedrehten  Winde 
herabgezogen9).  Der  Saft  lief  durch  Öffnungen  in  die  dafür  bestimmten 
Behälter  ab10).  An  Stelle  des  Flaschenzuges  und  der  Hebel,  die  viel  Platz 
wegnahmen,  bediente  man  sich  seit  dem  1.  Jahrhundert  v.  Chr.  vielerorts 
auch  der  Schraube11);  in  der  Mitte  des  1.  Jahrhunderts  n.  Chr.  aber  wurde 
die  Schraubenpresse  üblich,  bei  der  der  Druck  nicht,  wie  bei  der  vorher 
beschriebenen  Vorrichtung,  durch  den  seitlich  von  der  Schraube  nieder- 
gezogenen Preßbaum  erfolgte,  sondern  die  Schraube  in  der  Mitte  der  Presse 

*)  Colum.  a.  a.O. :molae  quam  facillimam  20  u.  ö.  Vitr.  a.a.O. 

putiuntur  administrationem,  quoniam  pro  ma-  \            9)  Da    die    Hebebäume    eine    ziemliche 

gnitudine  baccarum  vel  submitti  vel  etiam  ele-  '■   Länge  hatten,  mußte  der  Kelterraum  die  ent- 

varipossunt,  ne  nucleus,  qui  saporem  oleivitiat,  ■    sprechende  Größe  haben;  Vitr.  a.  a.  0.  schreibt 

confringatur.  Vgl.  Pall.  XII  17,1.  40  Fuß  Länge  und  16  Fuß  Breite  vor,    und 

2)  So  nach  der  Darstellung  eines  Sarko-  wenn  zwei  Pressen  darin  aufgestellt  werden 
phages  in  Alles,  bei  Millin  Voyage  au  midi  sollen,  24  Fuß  Breite. 

de  la  France  III  572  pl.  LXI3;  vgl.  Blümner  1u)  Die   Beschreibung    gründet    sich    auf 

a.a.O.  331  Fig.  44.  Cato  18  und  die  Oelpresse  von  Stabiae,  vgl. 

3)  Vornehmlich Cato20ff., vgl.  135, 6.Varro  Schneider  a.  a.  0.  Taf.  II  1  u.  VII;  dazu  das 
155,5.  Plin.XV23;  vgl. Col. a.a.O.  Digg.XIX  römischeReliefbeiBLÜMNERA.Z.XXXV(1877) 
2, 19,  2.  i   53  Taf.  7,  1. 

4)  Das  Genauere  bei  Schneider  a.a.O.  u)  NachPlin.  XVIII 317,  dessen  Beschrei- 
Blümner  a.a.O.;  vgl.  die  Fig.  205  bei  Mau  bung  aber  sehr  unklar  ist.  Plinius  bezieht 
Pompeji  386.                                                           ;    sich   zwar   nur  auf  die  verschiedenen  Arten 

■)  Sie  hieß  sampsa,  Colum.  XII51. 2;  52,10.  !    der  Weinkelter,  aber  die  Denkmäler  und  die 

B)  Vitr.  VI  6  (9),  3.  Plin.  XVIII  230.  :   noch   erhaltenen  Oelkeltern  zeigen,   daß  bei 

7)  Varro  I  55,7:    torcula  olearia.     Plin.  diesen  ganz  die  gleichen  Systeme  üblich  waren. 

XVIII  317.  Non.47,  17.  Näheres  über  diese  Pressen  s.u.  bei  derWein- 

M)  Cato  12;  18,2.  Colum.  XII  52,  3;  ebd.  :   kelter. 


Zweiter  Abschnitt.    Die  Landwirtschaft. 


ic  ig  und  daher  ihren  Druck  direkt  ausübte l).  Noch  eine  andere  Art  der 
m\  resse  kennen  wir  nur  aus  den  Denkmälern,  während  die  Schriftstell,  i  n€ 
m  icht  erwähnen:  sie  entsprach  der  üblichen  Traubenpresse,  indem  in  einen 
]Je  us  zwei  vertikalen  und  zwei  horizontalen  Balken  bestehenden  Gestell  Bache, 
;t«  ewegliche  Querhölzer  in  einem  Falz  an  der  Innenseite  der  Rahmenhölzer 
■\  efen,  deren  unterstes  auf  die  darunter  befindliche  Olivenmasse  drückte. 
m  )ieser  Druck  wurde  durch  starke,  zwischen  die  Querhölzer  eingelegt.-  Keile 
n  ewirkt,  die  man  mit  Hämmern  fest  einschlug2).  Das  Kelterhaus,  in  dem 
ie  Maschinen  zum  Zerquetschen  und  Pressen  aufgestellt  waren,  war  in 
Iweckmäfäiger  Weise  eingerichtet,  um  das  abfließende  Öl  in  Behältern  {labra) 
nfzunehmen3);  das  Öl,  das  durch  die  Tätigkeit  der  foctor€$,  wie  die  Arbeiter 
n  der  Kelter  heißen4),  ausgepreßt  wurde,  schöpften  die  eapulatore$  aus  den 
'ehältern  und  füllten  es  in  andere  Tongefäße  ab5);  von  da  kamen  sie  in  die 
der  cella  olearia6)  aufgestellten  dolia1),  die  amüroa  in  besondere8). 
Älteren  Datums  als  der  Ölbau  ist  in  Italien  der  Weinbau9),  da  nach 
Jlen  Nachrichten  und  Anzeichen  der  Weinstock  dort  seit  Urzeiten  heimisch 
ar10).    Allerdings  ist  für  die  prähistorische  Zeit  zwar  das  Vorkommen  der 


*)  Plin.  ebd.,  der  noch  dazu  bemerkt,  daß 
lafür  ein  kleineres  Kelterhaus  erforderlich 
rar,  als  bei  der  andern  Einrichtung  mit  dem 
angen  Preßbaum;  vgl.  Vitr.  a.  a.  0. 

*)  Man  sieht  diese  Vorrichtung  auf  dem 
>ompejanischen  Wandgemälde  A.  Z.  XXXI 
1873)  Taf.  3,  2  b  und  einem  im  Hause  der 
fettier.  Pasqui  a.a.O. 467  Fig.  53a.  Hermann 
[)enkm.  d.  ant.  Malerei  35  Taf.  22  unten.  Mau 
3ompeji  351  Taf.  IX  1. 

3)  Ueber  die  Einrichtung  des  Kelterhauses 

«ato  12  f.;  18.  Colum.  XII  18,3;  52, 2 ff.;  das 
eiterhaus  von  Stabiae  Schneider  tab.  V  f. 
3lümner  a.  a.  0.  346  ff. 

4)  Cato  13,  1 ;  64,  1 ;  66,  1  u.  ö. ;  der  Name 
kommt  daher,  daß  eine  bestimmte  Quantität 
Oliven  (100 — 160  Modii),  die  auf  einmal  ge- 
areßt  wurde,  factus  oder  factum  hieß,  Cato 
37,  l.Varrol  24,3.  Colum. XII  52,19  u.  22.  Plin. 
XV  23.  Daß  diese  Arbeiter  auch  torcularii 
ließen  (Marquardt  140),  ist  ein  Irrtum,  da 
ei  Colum.  a.  a.  0.  3  mit  torculariorum  labor 

die  Arbeit  der  Oelpressen  gemeint  ist. 

*)  Cato  66.  Colum.  XII 52, 10 ;  54, 2;  von  <■«- 
pulare,  d.  h.  aus  einem  Behälter  in  den  andern 
übertragen,  Plin.  XV  22.  In  Gütern  mit  großer 
Oelproduktion  gab  es  besondere  collegia  ca- 
platorum,  s.  CIL  X  5917;  XIV  3677  u.  s.;  vgl. 
WAi/rziNGEtud.historique  II 146. 11;  IV 85,21. 

6)  Vgl.  oben  S.  73. 

7 )  Dolia  olearia,  s.  oben  S.  148  A.  11. 

8)  Varr.  I  61:  amurcam  periti '  af/ricolae  tarn 
in  doleis  condunt  quam  oleum  auf  rinum;  vgl. 
Cato  10,4.  Ueber  die  verschiedenen  Oelsorten, 
deren  Qualität  auf  der  Reife  der  Oliven  oder  auf 
der  Intensität  und  Dauer  des  Pressens  beruhte 

oleum  acerbum  oder  aestivum,tnride,  maturum, 
cibarium  oder  ordinariwn),  s.  oben  S.  191. 

9)  Ueber  den  Weinbau  und  die  Wein- 
bereitung bei  den  Römern  gibt  es  eine  sehr 


umfangreiche  Litteratur;  abgesehen  von  all- 
gemeineren Schriften,  wie  A.  Jullien  Topo- 
graphie des  vins,  Paris  1816;  4.  ed.  1848(deutsch 
Leipz.  1833).  S.  Henderson  The  history  of  ;m 
cient  and  modern  wines,  London  1824  (deutsch 
Weimar  1853).  G.  H.  v.  Carlowitz  Verandi 
einer  Culturgeschichte  des  Weinbaus,  Leipzig 
1846.  C.Hessel  Die  Weinveredlungsmethoden 
des  Altertums,  Marburg  1^56.  L  Denmann  The 
wine  and  its  fruit,  London  1864.  R.  BcHI  i.i/.i. 
Geschichte  des  Weins  und  der  Trinkgelage, 
Berlin  1867,  sind  zu  nennen:  J.  Sciinkyukk 
Ueber  den  Wein-  und  Obstbau  der  alten  Römer. 
Rastatt  1846.  C.  E.  Weber  Dissert.  de  vino  Ea- 
lerno,  Marburg  1856.  Maoerstedt  Bild,  a,  d. 
ifini.  Landwirtsch.  I:  Der  Weinbau  der  Römer, 
Sondershausen  1858.  C.  C.  Laharre  De  vitibus 
atque  vinis  apud  Romanos,  Paris  1863.  G.Lui- 
mann  De  vini  apud  Romanos  apparatu  curaque, 
Wernigerode  1872.  Tli.  Keitei.  Die  Weinlese 
der  alten  Römer.  Schweinfui  1 1874;  ders.Wein- 
Verbesserung  im  Altertum  und  in  der  Neuzeit, 
Bl.  f.  d.  bayer.  Gymuas.  XXXII  (1896)  I  24  ff. 

E.  Weise  Ueber  den  Weinbau  der  Körner  I  . 
Hamburg  1897;  ders.  Beitr.  z.  Gesell,  d.  r.'.m. 
Weinbaus  in  Gallien  und  an  d.  Mosel,  ebd.  1901. 

F.  Orth  Wein  und  Weinbereitung  der  Römer, 
Frankfurt  a.M.  1902.  G.Cartel  La  vigne  et  le 
vin  chez  les  Romains,  Paris  1903.  Von  dieser 
Litteratur  ist  mir  leider  nur  der  kleinere  Teil 
zugänglich  gewesen. 

,0)  DieältesteNachrichtistHom.Od.IX  1 10 
u.  133.  DieRömer  selbst  nahmen  an,  daß  die  Re- 
be ein  seit  lange  bei  ihnen  heimisches  Gewächs 
sei,  Plin.  XIV  25,  doch  glaubte  man  immerbin, 
daß  die  Kultur  des  Weinstocks  erst  längere  Zeit 
nach  dem  Ackerbau  eingeführt  worden  sei,  ebd. 
XIV  88 ;  XVIII 24.  Ueber  die  Herkunft  der  Rebe 
ist  besonders  zu  vgl.  Hehn  Kulturpfl.  u.  Haus- 
tiere6 S.  65  ff.  Weise  Ueber  d.  Weinbau  5  f. 


576 


Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 


Reben  nachgewiesen1),  ob  man  aber  schon  sehr  früh  es  gelernt  hatte,  Mos 
oder  Wein  daraus  zu  bereiten,  oder  ob  man  die  Beeren  damals  nur  roh  aß,  mu 
dahingestellt  bleiben2).    Immerhin  ist  das  erstere  wahrscheinlich,  da  vinw 
nach  der  heute  verbreitetsten  Annahme  auf  alten  indogermanischen  Wort 
schätz  zurückgeht3).    Aber  auf  alle  Fälle  war  der  Weinbau  in  den  Anfänge: 
der  römischen  Geschichte  noch  nicht  stark  verbreitet  und  Wein  noch  kei 
gewöhnliches  Getränk,  wie  später4);  in  der  Königszeit  wog  der  Feldbau  be 
weitem  vor5).  Allmählich  nahm  dann,  zumal  mit  dem  Bekanntwerden  bessere 
Reben,  die  man  von  auswärts  her  einführte6),  die  Kultur  des  Weinstock« 
immer  mehr  zu,  und  zu  Catos  Zeit  kam  der  Weinbau  an  erster  Stelle  alle 
landwirtschaftlichen  Anlagen7),  da  er  weitaus  am  einträglichsten  war8).   Di< 
landwirtschaftlichen  Schriftsteller  beschäftigen  sich  daher  sehr   eingehenc 
mit  dem  Wreinbau  und  ihre  Vorschriften  zeigen,  welche  große  Sorgfalt  um 
Pflege  man  den  Reben  in  der  Auswahl  und  Verbesserung   des  Bodens,   ii 
der  Wahl  des  Satzes  und  der  Rebsorten,  durch  Pfropfen  der  Setzlinge,  durcl 
Anbinden,   Bodenbehacken,  Wurzelräumen,   Düngen  usf.  angedeihen  ließ9) 
Eine  Hauptsache  dabei  war  das  richtige  und  rechtzeitige  Beschneiden,  di( 
putatio10),  zu  der  man  sich  des  Winzermessers,  der  falx  vinitoria,  bediente11). 
Man  zog  die  Setzlinge  nicht  bloß  in  der  Baumschule,   sondern  in  eigener 
Rebschulen,  vitiaria  genannt12).  Für  die  Weinpflanzungen,  vineta13),  hatte  man 
zwei  Arten  der  Anlage:  den  baumlosen  Weingarten,  vinea  im  speziellen  Sinne 
genannt14),  und  den  Baumgarten,  arbustum15),  wo  die  Reben  an  den  Stämmen 
gezogen  wurden.    In  den  Weingärten  unterschied  man  wiederum  zwei  Me- 
thoden: mit  und  ohne  Stützen.  Ohne  Stützen  gezogen  wurden  die  kriechenden 


!)  Helbig  Italiker  in  d.  Poebene  16  A.  3 ; 
109  A.  3. 

2)  Beste  von  Kelteranlagen  sind  in  den 
Terremare  nicht  nachweisbar,  was  freilich  nicht 
viel  besagen  will.  Helbig  S.  16  läßt  die  Frage 
unentschieden,  neigt  aber  S.  109  f.  zu  der  Mei- 
nung von  Hehn  a.  a.  0.,  daß  die  Römer  den 
Wein  als  Getränk  erst  durch  die  Griechen 
kennen  gelernt  hätten  und  daß  vinum  ein 
griechisches  Lehnwort  sei,  was  von  anderer 
Seite  bestritten  wird,  vgl.  Weise  a.  a.  0.  6. 

3)  A.  Müller  in  Bezzenbergers  Beiträgen 

I  294.  Schrader  Sprachvergl.  u.  Urgeschichte3 

II  255,  der  freilich  es  dahingestellt  läßt,  ob 
man  es  mit  Urverwandtschaft  oder  alter  Ent- 
lehnung der  betreffenden  Wörter  zu  tun  habe. 

4)  Das  zeigen  die  Nachrichten  über  alte 
Gaben  an  den  Feriae  Latinae,  Dion.  Hai.  IV 
49,  3;  auch  das  Gebot  des  Romulus,  mit  Milch 
zu  opfern,  und  sein  Verbot,  den  Scheiterhaufen 
mit  Wein  zu  besprengen.  Plin.XIV  88.  Festus 
263,  4. 

5)  Plin.  XVIII  24:  apud  Romanos  multo 
.se>-ior  Vitium  cultura  esse  coepit,  primoque,  ut 
necesse  erat,  arva  tantum  coluere. 

6)  Ueber  die  wichtigsten  in-  und  aus- 
ländischen Weine  der  Römer  s.  oben  S.  198  ff. 

7)  Cato  1,  6,  freilich  für  den  Fall,  daß 
reichlich  Wein  produziert  wird :  si  vino  bono 
vel  si  vino  multo  est,   wo   aber  si  vino  bono 


Konjektur  ist.  Zu  Varros  Zeit  stellten  manche 
den  Wiesenbau  in  die  erste  Linie  und  meinten, 
vinüm  sumptu  fructum  devorare,  Varro  17,10. 

8)  Ueber  die  Rentabilität  des  Weinbaues 
vgl.  Orth  a.  a.  0.  12  ff.;  über  den  Rückgang 
derselben  in  der  Kaiserzeit  s.  S.  Reinach  La 
mevente  des  vins  sous  le  haut-empire  romain, 
Rev.  archeol.  3.  Ser.  XXXIX  (1901)  358  ff. 

9)  Ueber  all  dies  vgl.  namentlich  Mager- 
stedt  48  ff.;  91  ff.  sowie  die  angeführten  Ab- 
handlungen von  Weise  S.  8  ff.  und  Orth  S.  1 6  ff. 

10)  Dem  Beschneiden  der  Bäume  stand 
die  Göttin  Puta  vor,  Arnob.  IV  7  f. 

n)  Colum.  IV  25, 1 ;  falcula  vineatica,  Cato 
11,4.  Varro  1 22,  5.  Ueber  den  Rebschnitt  vgl. 
Magerstedt  124  ff.  Orth  30  ff. 

12)  Cato  40, 1 ;  47.  Varro  I  31, 2.  Colum.  III 
4  f.  XI  2,  18;  doch  heißt  auch  die  Rebschule 
seminarium,  Colum.  de  arb.  1,  3  ff. 

13)  Cato  141,  2.  Varro  I  8,  6;  54, 1.  Cic.  n. 
deor.  II  66,  167;  de  legg.  II  8,21.  Verg.  Geo.II 
319.  Hör.  ep.  I  7, 84.  Colum.  III  4, 1 ;  20,  3  u.  ö. 

u)  Im  allgemeinen  Sinne  bedeutet  vinea 
dasselbe  wie  vinetum,  so  z.  B.  Plaut.  Cure.  139. 
Cic.  de  lege  agr.  II 25, 67.  Hör.  carm.  III 1, 29  u.  s. 

15)  Zunächst  allgemein  jede  Baumpflan- 
zung, im  speziellen  aber  die  für  die  Wein- 
reben bestimmte,  s.Cato  7, 1;  137.  Cic.  Cat.  m. 
15, 54.  Verg.  ecl.  3. 10.  Hör.  carm.  III 1, 9 ;  sat. 
I  7,  29. 


Zweiter  Abschnitt.    Die  Landwirtschaft. 


577 


Vites  prostratae  oder  humi  proiectae,  eine  Art,  die  in  den  Provinzen  häufig,  in 
(Italien  nur  in  besonders  dem  Winde  ausgesetzten  Gegenden  üblich  war1); 
Koch  war  diese  Methode,  zumal  der  Feldmäuse  wegen,  nicht  praktisch'). 
Ebenfalls  ohne  Stützen  gezogen  wurde  die  vitis  capitata,  in  Kopfform,  und 
Hie  ritis  brachiata,  in  Armform,  beide  besonders  in  den  Provinzen  verbreitet, 
■wobei  am  Stock  alle  Ranken  bis  zu  einer  gewissen  Höhe  entfernt  wurden 
lind  sich  ein  mannshoher  Stamm  mit  Krone  bildete3).  Bei  den  mit  Stützen 
bezogenen  gab  es  ebenfalls  verschiedene  Arten  des  Stütz werks.  Der  heute 
tördlich  der  Alpen  üblichen  Methode  entsprachen  am  meisten  die  geraden 
felebpfähle,  pedamertta*)  oder  sudes5),  wozu  man  besonders  Holz  von  Eiche, 
IWacholder,  Zypresse  oder  Holunder  nahm6).  Aber  verbreiteter  war  in  Italien 
Idie  vitis  iugata,  wobei  die  Reben  an  einem  hölzernen  Joch  aus  zwei  runden 
■Pfählen  oder  viereckigen  Pfosten  und  einer  Querstange  aus  Holz,  Rohr  u.  a.7) 
eingebunden  wurden8);  waren  solche  Querstangen  reihenweise  angebracht, 
Isodatä  das  daran  in  die  Höhe  gezogene  Rankenwerk  eine  Art  Wand  bildete, 
Iso  nannte  man  das  vites  canteriatae9).  Waren  mehrere  Joche  nach  Länge 
lund  Breite  untereinander  verbunden,  so  hießen  solche  Reben,  wegen  einer 
Igewissen  Ähnlichkeit  mit  der  Form  des  Kompluviums,  vites  compltwiatae10); 
lan  besonders  warmen  und  trockenen  Orten  legte  man  auch  Laubengänge  an, 
Iwie  man  sie  heute  noch  im  Süden  öfters  findet11).  Wie  man  die  zu  diesem 
Pfahlwerk  erforderlichen  Bäume  eigens  zu  diesem  Behufe  zog,  so  pflanzte 
i'man  auch  die  Straucharten  an,  die  zum  Anbinden  gebraucht  wurden,  vor- 
nehmlich Weide,  Ginster,  Rohr  u.  a.  m.12).  In  den  arbusta  zog  man  die  Reben, 
ritrs  arbustivae1*),  an  eigens  zu  diesem  Zweck  gepflanzten  und  regelmäßig 
in  bestimmten  Entfernungen  angeordneten  Bäumen  in  die  Höhe14).  Ganz 
besonders  beliebt  waren  dafür  Ulme15),  Pappel16),  Esche17). 


])  Varro  I  8, 1.  Colum.V  4,  2;  5.  lff.;  arb. 
|4.1.  Plin.XVII  164.  Pall.  III  11. 

'-)  Daher  stellte  man  Mäusefallen,  musci- 
\pulae,  auf,  Varro  a.a.O.  5;  ebd.  7  werden  fur- 
eillae  als  Stützen  empfohlen. 

3)  Colum.V  5,  9;  ebd.  13  f.;  Näheres  über 
diese  und  die  andern  Methoden  Magerstedt 
134  ff.  Orth  33  ff. 

4)  Varro  18;  16,  3.  Colum.  IV  1, 1;  2, 1. 
Plin.XVII  147 ;  aachpedamm,  Colum. IV 26. 1 ; 
30, 1 ;  V  4, 1.  Das  Anbinden  daran  heißt  pedare, 
ebd.  IV  12,1. 

5)  Plin.  XIV  13.  Der  runde,  unten  zu- 
gespitzte Pfahl  hieß  palus,  der  viereckige  ri- 
dica,  Cato  17, 1.  Varro  I  8,  1 ;  ebd.  4;  26.  Tib. 
I  7,  33.  Colum.  IV  26, 1 ;  XI  2, 12.  Pall.  III 14. 

(!)  Varrol 8, 4. Colum.  IV 33. Plin. XVII 147. 

7)  Varr.  a.  a.  0. 2  gibt  vier  Materialien  dafür 
an:  pertica,  Holzstäbe;  harundo,  Rohr;  restes, 
Stricke;  vites,  die  Reben  selbst  dazu  benutzt. 

8)  Varro  a.  a.  0.1.  Cic.  Cato  m.  15,53.  Co- 
lum.IV  17 ;  19 ;  22, 1 ;  arb.4,1.  Plin. XVII 164 ff. 

9)  Nach  Colum.V  4,  1  eine  bäurische  Be- 
zeichnung; auf  dem  Lande  hieß  diese  Art  Joch 
canterius,  ebd. IV  12,1;  14.1.  Plin.XVII  165. 

10)  Varro  V  8.2.  Colum.  IV  24,14;  26,3. 
Plin.  a  a.  0. 164.  Klar  ist  die  Anlage  nicht,  vgl. 
Orth  35  f. 


Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft.  IV.   2,  2.  3.  Aufl 


J1)  Sie  heißen  camerae,  Colum.  IV  17,  8, 
oder pergulae,  ebd.  XI  2, 32;  daher  die  Spalier- 
rebe vitis  pergtdana,  ebd.  1112,28;  man  zog 
besonders  Speisetrauben,  uvae  escariae,  an 
solchen  pergulae.  Plin.  XIV  42. 

u)  Ueber  Bindemittel  und  Pfahlhölzer  beim 
Weinbau  s.  Magerstedt  150  ff. 

13)  Colum.  IV  1,8;  arb.  4.  1 ;  16,4.  Pall. 

III  10. 

14)  Die  ursprünglich  poetische,  dann  aber 
technisch  gewordene  Bezeichnung  dafür  war 
maritare:  der  kräftige  Weinstock  wurde  da- 
bei als  der  Gatte,  der  zarte  Baum  als  Ge- 
mahlin betrachtet,  vgl.  Hör.  epod.  2,  9.  Colum. 

IV  1,6;  V  6,18;  XI  2,79;  arb.  16.  3.  Auch  ru- 
bere kommt  dafür  vor.  Plin. XI V 10;  XVI 1 1  266 
Darum  nennt  Hör.  carm.  II  15,  5  die  Platane, 
an  der  keine  Reben  gezogen  wurden,  ca, 

,5)  Verg.  ecl.  2.70;  Geo  I  2.  Hör.  a.  a.  O.; 
ep.1 16.3.  Ov.met.X  100.  Colum.V  6, 1  ff.  Plin. 
XVII  77 ;  daher  spricht  luv.  6, 150  von  ubni  /•'</- 
lermte  und  nennt  8,  78  die  der  Rebe  beraubte 
Ulme  ridiid. 

")  Colum  V  6.  5.  Plin.  XIV  10;  XVI  173; 
XVII  200;  XVIII  266. 

")  Colum.  a.  a.  O.  Plin.  XVII  200.  Ueber 
andere  dazu  benutzte  Baumarten  s.  Mager- 
stedt 49.  Orth  36  f. 

37 


578 


Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 


Für  die  Weinlese  (vindemia)1),  deren  Beginn  je  nach  dem  Klima  dei 
Gegend,  der  Lage  der  Weinberge,  den  Traubensorten  und  der  Witterung 
sehr  verschieden  war2),  traf  ein  sorgsamer  Landwirt  seine  Vorbereitunger 
(Beschaffung  von  Winzermessern,  Herstellung  von  Körben,  Bereitstellung  vor 
Fässern  u.  dgl.  m.)  schon  beizeiten3),  wozu  auch  die  rechtzeitige  Besorgung 
von  gemieteten  Tagelöhnern  gehörte4).  Beim  Lesen  der  Trauben  wurde  viel- 
fach ein  Unterschied  gemacht  zwischen  solchen,  die  zum  Essen,  und  denen, 
die  zur  Weinbereitung  bestimmt  waren5).  Der  Arbeiter  (vindemiator)  schnitt 
die  Trauben  mit  dem  scharfen  Messer  ab6);  hingen  die  Trauben  an  Bäumen, 
so  mußte  er  auf  einer  Leiter  oft  ziemlich  hoch  hinaufsteigen,  was  bisweilen 
eine  lebensgefährliche  Arbeit  war7).  Die  abgeschnittenen  Trauben  wurden  in 
ausgepichte  Körbe  gelegt,  die  sich  die  Winzer  an  einem  Strick  oder  Riemen 
umhängten8);  bei  dieser  Gelegenheit  wurden  sie  auch  sortiert.  Aus  den  Körben 
tat  man  die  Trauben  dann  in  eine  große  hölzerne  Kufe,  form  oder  forum*), 
aus  der  infolge  des  natürlichen  Druckes  der  Traubensaft  in  einen  daneben 
befindlichen  Behälter  floß ;  dieser  erste  Traubensaft  hieß  protropum  und  wurde 
in  Flaschen,  wie  der  andere  süße  Most  (mustum),  aufgehoben10).  In  diesen 
großen  Kufen,  die  auch  labra  genannt  werden11)  oder  Untres12),  wurden  nun 
die  Trauben  unter  freiem  Himmel  von  den  Arbeitern  mit  nackten  Füßen 
ausgetreten,  was  calcare  heißt13);  der  Most  lief  in  den  lacus  vinarius,  wie 
das  protropum1*).  Dieser  erste  Ablauf  war  der  beste;  was  noch  von  den 
Trauben   übrig   geblieben    war,   die   Bälge  und  Kämme,    das   kam   nun   im 


J)  Vgl.  hierüber  besonders  das  oben  S.575 
A.  9  angeführte  Programm  von  Th.  Keppel  und 
Obth  41  ff. 

2)  In  Italien  meist  im  Oktober,    Colum. 

XI  2, 67;  nach  Plin.  XVIII  315  sollte  man 
nicht  vor  dem  Herbstäquinoktium  beginnen, 
natürlich  abgesehen  von  der  Vorlese,  Geop.  III 
11.1. 

3)  Cato  23;  33,  5.  Varro  I  22;  26.  Colum. 

XII  18  u.  s. 

4)  Cato  23, 2.  Varro  1 17, 2.  Colum.  III  21, 
10;  vgl.  oben  S.  551.  Auch  die  Sklaven  der 
familia  nrbana  mußten  manchmal  mithelfen, 
anscheinend  freilich  nur  als  Aufseher,  Plin. 
ep.  IX  20,  2. 

5)  Varro  I  54,  2  unterscheidet  daher  uvae 
lectae,  zum  Weinbereiten,  und  electae,  zum 
Essen. 

,!)  Mit  falculae  oder  ungues  ferrei,  Colum. 
XII  18,  2.  Verg.  ecl.  4,  40. 

;)  Plin.  XIV  10  sagt,  die  Reben  seien  oft 
in  tantum  sublimes,  ut  vindemiator  auctoratus 
roffum  ac  tumulum  excipiat:  der  gemietete  Ar- 
beiter bedang  sich  für  den  Fall,  daß  er  dabei 
verunglückte,  die  Bestattung  aus.  Auf  dem 
hübschen  Bilde  aus  dem  Hause  der  Vettier 
Muzik  und  Perschinka  Kunst  u.  Leben  im 
Altert.  Taf.  156,  2.  Mau  Pompeji  354  Fig.  187 
(unvollständig),  wo  Eroten  bei  der  Weinlese 
und  Kelter  beschäftigt  sind,  bringt  auch  einer 
eine  Leiter  herbeigeschleppt. 

8)  Cato  11,5;  13,  1;  26;  68.  Varro  I  15; 
.22,6;  26;  54,2.  Colum.  XII  18,2;  39,1.  Geop. 


VI  11,1. 

9)  Varro  I  54,2.  Colum. XI  2,71;  XII  18,3. 
Isid.  XV  6,  8:  forus  est  locus,  ubiuva  calcatur, 
dictus,  und  so  ist  auch  Corp.  Gloss.V  202,  19 
statt  ubi  via  calcatur  zu  lesen. 

10)  Plin.  XIV  85:  ita  (sc.  protropum)  ap- 
pellatur  a  quibusdam  mustum  sponte  defluens 
ante  quam  calcentur  uvae.  Cato  120.  Colum. 
XII  29;  über  den  Gebrauch  des  protropum 
in  der  Medizin  siehe  Plin.  XXVIII  206: 
XXX  49 

u)  Cato  11,3.  Verg.  Geo.  II  6. 

")  Cato  11,5.  Tib.  15,23. 

13)  Varro  I  54,  2.  Verg.  Geo.  II  7.  Tib.  I  5, 
24;  7.  36;  II  1,  45;  5,  85.  Prop.  IV  16  (111  17), 
18.  Ov.  met.  II  29;  rem.  am.  190;  fast.  IV  897. 
luv.  5, 31.  Plin.  XVIII  322.  Nemes.  ecl.  3. 41  ff. 
Geop.  VI  11.  Daher  sagt  Symm.  epist.  111  23: 
postquam  dolus  nova  vina  commisimus,  quae 
calce  et  prelo  subacta  fluxerunt.  Bei  Pall.  1  18, 
1  f.  heißt  danach  die  Kelter  selbst  calcatoriuw 
und  bei  Calpurn.  ecl.  4,  124  der  betr.  Arbeiter 
calcator.  Auf  Denkmälern  ist  das  Austreten 
der  Trauben  öfters  dargestellt,  wobei  die  Aus- 
tretenden meistens  Satyrn  sind,  vgl.  Bau- 
meister Denkmäler  1564  Fig.  1627.  Welcker 
Alte  Denkmäler  II  1 13  ff.  Panofka  Bilder  ant. 
Lebens  Taf.  XIV  9.  Helbig  Wandgemälde  106 
n.  438  f. 

14)  Cato  25;  113,1.  Varro  154, 3.  Cic.  Brut. 
83,  288.  Tib.  I  1, 10;  II  3,  64;  5,  86.  Ov.  fast 
IV  888.  Colum.  XII  18,  3.  Mart.  IV  44.  2.  Tac. 
ann.  XI  31.  Nemesian.  ecl.  3,  50. 


Zweiter  Abschnitt.    Die  Landwirtschaft. 


r,7il 


«tlerielterhause1)  unter  die  Kelterpresse,  die  nicht  nur,  wie  bei  der  ("Hhereitung, 
^ orcular  oder  prelum  hieß2),  sondern  auch  ebenso  konstruiert  war,  d.  h.  man 
kannte  auch  hier  das  Auspressen  durch  den  Preßbaum3),  wobei  in  manchen 
Kelterhäusern  mehrere  dieser  Vorrichtungen  aufgestellt  waren,  und  zwar  m.ii 
jeträchtlicher  Größe  des  Preßbaums,  da  es  hierauf  besonders  ankam4).  Der 
Preßbaum  wurde  an  Stricken  und  Riemen  sowie  mit  Hebebäumen  auf-  und 
nCdcrgezogen5),  seit  dem  Ausgang  des  1.  Jahrhunderts  v.  Chr.  nach  grie- 
jhischem  Brauch  durch  eine  Schraubenvorrichtung,  wobei  der  Baum  durch 
jine  sternförmig  gestaltete  Schraubenmutter  niedergedrückt  wurde,  während 
sine  darauf  gelegte  Kiste  mit  Steinen  ihn  noch  mehr  beschwerte '•).  Eine 
spätere  Neuerung  war  dann  die,  daß  man  die  ganze  Presse  kleiner  machte, 
lie  Schraubenstange  kürzer  und  sie  in  die  Mitte  legte,  wo  sie  ein  noch 
iberdies  durch  Steine  beschwertes  Brett  auf  die  Traubenmasse  niederdrückte7). 
Endlich  zeigen  uns  die  Denkmäler,  daß  man  auch  bei  der  Weinkelter  die 
>ben  bei  der  Ölbereitung  beschriebene  Vorrichtung  des  Pressens  durch  ein- 
getriebene Holzkeile  kannte8).  , 

Aus  der  Presse  floß  der  Saft  entweder  in  ein  darunter  befindliches  Gefäß  ab9), 
»der  es  befand  sich  in  der  Kufe  eine  mit  einem  Sieb  verschlossene  Öffnung10), 


1)  Es  hieß,  wie  die  Oelkelter,  torcular 
oder  torcularium,  vgl.  Cato  13, 18.  Plin.  XVIII 
307  nennt  es  torcularium  aedificium. 

2)  Varr.  I  54,  2.  Hör.  carm.  i  20,  9.  Prop. 
V(IV)6,73.Mart.l26,5;XIIllll,l.Tac.aa.O. 
[Calpuin.  ecl.  1,2. 

3)  Eine  solche  Presse  ist  auf  dem  oben 
S..">78  A. 7  erwähntenWandgemälde  abgebildet: 
man  sieht  einen  anscheinend  aufgemauerten, 
an  der  einen  Seite  offnen  Behälter  mit  starken 
Wänden,  der  für  die  Trauben  bestimmt  ist,  am 
geschlossenen  Ende  einen  senkrechten  Pfahl, 
in  dem  sich  der  Preßbaum  bewegt,  vor  der 
offnen  Seite  in  einiger  Entfernung  zwei,  unten 
durch  ein  Querholz  verbundene  Pfähle,  zwi- 
schen denen  der  Preßbaum  durch  einen  Fla- 
schenzug niedergezogen  wird.  Zwei  Eroten 
sind  beschäftigt,  den  schweren  Preßbaum  in 
die  Höhe  zu  ziehen,  was  mit  Hilfe  einer  durch 
eingesteckte  Hebelstangen  gedrehten  Haspel 
geschieht.  Die  in  der  Villa  bei  Boscoreale  ge- 
fundene Weinkelter  entspricht  ganz  der  hier 
dargestellten,  wie  die  noch  erhaltenen  Pfosten- 
löcher zeigen,  vgl.  Mau  Pompeji  384  f. 

4)  Plin.  XVIII  317:  premunt  aliqui  rin- 
gulis,  utilius  binis,  licet  magna  sit  vastitas  sin- 
gulis.  longitudo  in  his  refert,  non  crassitudo. 
ipatiosa  melius  premunt. 

5)  Ebd.:  antiqui  funibus  vittisque  loreis 
ea  detrahebant  et  vectibus:  daß  es  aber  auch 
zur  Zeit  des  Plinius  und  später  noch  so  üb- 
lich war,  zeigen  die  Denkmäler. 

6)  Die  betr.  Worte  des  Plin.  a.  a.  0.  sind 
leider  verdorben.  Es  heißt  da:  intra  C  annos 
inventa  Graecanica,  mali  rugis  per  cocleum 
ambulantibus  (so  sicher  richtig  Detlefsen  und 
Mayhoff  mit  Cod.  D8,  statt  des  unverständ- 
lichen bullantibus  der  andern  Hss.),  ab  aliis 
[so  dieselben  mit  D2,    die   andern  Hss.'balis 


oder  palis)  adfixa  arboris  (Vulg.  arbori),  ab 
«fis ( Detl.  miteinigen  Hss.,  Vulg. u  pali* •.  Mavli. 
<t/>  aliis}  uri-iis  lapidum  adtolltnte  $eonm  </,- 

bore,  quoil  ma.rimc  probat nr.  Die  mali  rinjur 
sind  offenbar  mit  Meister  De  torculario  Ca- 
tonis  (Göttingen  1764)  p.  14  als  die  Schrauben- 
gänge des  Rundholzes  zu  erklären,  an  dem 
der  Preßbaum  niederzogen  wird,  coc/ea  als 
die  Schraubenmutter:  die  Stella  war  wohl  die 
äußere  Form  dieser  Schraubenmutter,  die  vor- 
stehende Spitzen  hatte,  an  denen  man  sie  beim 
Umdrehen  packte.  Aber  der  Schluß  ist  un- 
verständlich; vielleicht  ist  arca  lapidum  ad- 
tiillente  secum  arborem  zu  lesen  und  daran 
zu  denken,  daß  auf  dem  andern  Ende  des 
Preßbaums  eine  Steinkiste  befestigt  war,  die 
durch  ihren  Druck  den  Preßbaum  nach  der 
Kelterarbeit  von  selbst  in  die  Höhe  zog. 

7)  Plin.  ebd.:  intra  XXII  hos  emmo 
reut  um  parris  prelis  et  miimrr  tarculuria  <ndi- 
ficio,  breviore  mala  in  media  (so  Detl.  u.  Mavli., 
Vulg.  medio)  dirttto,  tympema  mpotita  /•,,■ 
superne  toto  pondere  urguere  rt  auptr  prelu 
construere  congeviein. 

8)  Vgl.  S.  575.  Während  die  dort  an- 
geführten Wandgemälde  Oelkeltern  sind,  wie 
die  damit  vereinigten  Szenen  zeigen,  ist  «un- 
genau entsprechende  Vorrichtung  auf  dem 
herkulanischen  Wandgemälde  Ant.  di  Ercol. 
1 187  tav.  35  (Roux  und  Barre  Hercul.  u.  Pomp. 
II 143 (anscheinend eine Weinkelter.vgl. Hei  i.i«. 
Wandgemälde  160  n.  806  und  S.  456. 

9)  So  auf  dem  eben  erwähnten  Wand« 
gemälde. 

10)  Verg. Geo.ll  242:  CCfafMI  /nt/nrnm  fu- 
mosis  deripe  tectis;  das.  Serv.:  qua/os,  per  MM 
rinum  defluit.  Diese  cola  erwähnt  auch  Colum. 
XI  2,71,  und  es  sind  wohl  die  gleichen,  die 
Cato  11,2  als  cola  qui  florem  demant  anführt. 

37* 


580 


Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 


durch  die  er  in  den  lacus  vinarius  abfloß1);  es  war  das  meist  derselbe,  il 
den  man  den  durch  Austreten  erlangten  Most  laufen  ließ2).  Über  die  Trester 
wurde  Wasser  gegossen  und  die  Mischung,  nachdem  sie  einen  Tag  lang  gq 
standen  hatte,  aufs  neue  gepreßt;  der  daraus  sich  ergebende  Nachlauf  hiel 
lora  und  diente  als  Getränk  für  Sklaven  und  Tagelöhner 3).    Der  Most  kai 
aus  dem  lacus  in  die  dolia,  in  denen  er  die  Gärung  durchzumachen  hatte4 
Diese  Fässer,  die  in  der  Regel  von  Ton5)  und  ausgepicht  waren6),  wurde 
mit  Deckeln  verschlossen7)  und  mit  dem  größten  Teil  in  die  Erde  gegraben8' 
so  standen  sie  während  der  Gärung  sehr  oft  ganz  unter  freiem  Himmel9 
sonst  in  der  cella  vinaria10),  wo  sie  entweder  auch  eingegraben  wurden  ode 
über  der  Erde  standen11).    Gewisse  Weine  bekamen  noch  Zutaten,  besonder 
Harz,  wie  es  heute  noch  in  Griechenland  der  Brauch  ist12),  oder  Gips,  Kalk 
Seewasser  u.  a.  m.13).    Da  mitunter  Fässer  während  der  Gärung  sprangen 
machte  man  den  Boden  der  cella  etwas  geneigt,  damit  der  Wein  in  den  lacul 
ablaufe14).   Mancher  Wein  blieb  in  den  dolia,  die  dann  nach  erfolgter  Gärung 
entweder  zum  Schöpfen  des  Weines  offen  blieben  oder  durch  Pech  oder  Gips  mi 
einem  Deckel  verschlossen  wurden.  Der  bessere  Wein  aber,  der  lagern  sollte 
wurde  in  Amphoren  oder  andere  Vorratsgefäße  gefüllt15),  und  diese  kamen 
wenn  sie  nicht  in  der  cella  vinaria  blieben,  in  die  hochgelegene  apotheca16). 

Wir  haben  oben  gesehen  (S.  539),  daß  in  der  römischen  Landwirtschaf 
in  den  späteren  Jahrhunderten  der  Stadt  und  in  der  Kaiserzeit  die  Vieh- 
zucht den  wichtigsten  Teil  des  Betriebes  bildete17).    Wenn  alle  die  bishei 


J)  Siehe  oben  S.578.  Plin.ep.IX20  rechnet 
zu  den  Beschäftigungen  des  Hausherrn  humo- 
ristisch :  nonnumquam  decerpere  uvam,  tor- 
culum  invisere,  degustare  de  lacu  mustum.  Pall. 
I  18, 1  schreibt  vor,  das  calcatorium  sei  loco 
altiore  constructum,  ad  quod  inter  duos  lacus, 
quo  ad  excipienda  vina  hincinde  depressi  sint, 
gradibus  tribus  fere  ascendatur  aut  quattuor. 

2)  Varro  I  54. 2 :  quae  calcatae  uvae  erunt, 
earum  scopi  cum  folliculis  subiciendi  sub  pre- 
lum,  ut,  siquid  reliqui  habeant  musti,  expri- 
matur  in  eundem  lacum. 

*)  Cato  7,  2;  25;  57.  Varro  a.  a.  0.  3.  Co- 
lum.  XII  40.  Plin.  XIV  86. 

4)  Varro  I  65 :  quod  mustum  conditur  in 
dolium,  ut  habeamus  vinum,  non  promendum 
dum  fervet.  Die  Zuleitung  geschah  mitunter 
durch  Röhren,  Pall.  a.  a.  0.:  ex  his  lacubus  ca- 
nales  structi  vel  tubi  fictiles  circa  extremos  pa- 
rietes  currant  et  subiectis  lateri  suo  dolus  per 
vicinos  meatus  manantia  vina  defundant. 

5)  Plin.  XIV  132  erwähnt  als  Besonder- 
heit: circa  Alpes  ligneis  vasis  condunt  tectis- 
que  (so  der  Cod.  Mon. ;  Vulg.  circulisque)  cin- 
gunt ;  und  im  Gegensatz  dazu :  mitiores  plagae 
dolus  condunt  infodiuntque  terrae  tota  aut  ad 
portionem  situs. 

6)  Cato  23,1;  25  u.s.  Col.XI2.70.  Geop. 
VI  4, 1.  Ueber  die  dolia  vgl.  oben  S.  148. 

7)  Cato  112,1;  113,1.  Varro  122,4.  Plin. 
XIV  135. 

8)  Plin.  a.a.O.  Col.XII  18,5.  Geop.  VI  2; 
die  Begründung  dieses  Verfahrens  gibt  Macr. 


sat.  VII  12,  14. 

9)  Hör. sat. II  4, 51  ff.  Plin. a.a.O.  136.  Aul 
dem  Relief  A.Z.  XXXV  (1877)  Taf.  13  siehl 
man  eine  ganze  Anzahl  Fässer,  die  mit  Holz 
deck  ein  zugedeckt  sind,  so  im  Freien  in  die  Erde 
eingelassen;  eines  davon  ist  geöffnet  und  eir 
Arbeiter  ist  im  Begriff,  eine  von  einem  anderr 
herbeigebrachte  Amphora  aus  demFaß  zu  füllen 

10)  Siehe  oben  S.  73. 

n)  Col.XII  18,5. 

12)  Col.XII  22 ff.  Plin. XIV  120;  122.  Pall 
XI  14,  3 

13)  Plin.  a.a.O.;  ebd.  75;  78.  Cato  23,1: 
112,  1.  Hör.  sat.  II  8,  15  u.  s.  Doch  ist  Plinius 
ein  Gegner  jeden  Zusatzes,  XXIII  45,  ebensc 
Columella  XII  19, 2,  und  Mart.  Hl  77, 8  sprich! 
verächtlich  von  den  resinata  vina. 

14)  Varro  I  13,  6. 

16j  Ueber  solche  vgl.  oben  S.  150  ff. 

1B)  Siehe  oben  S.  71. 

1T)  Ueber  die  Viehzucht  der  Römer  vgl, 
Magerstedt  Bilder  a.  d.  röm.  Landwirtschaft 
II  u.  III,  Sondershausen  1859  f.  A.  Bäranski 
Geschichte  der  Tierzucht  und  Tiermedizin  im 
Altertum,  Wien  1886.  A.  Otto  Zur  Geschichte 
der  ältesten  Haustiere,  Breslau  1890.  V.  Hehn 
Kulturpflanzen  u.  Haustiere  in  ihrem  Ueber- 
gang  aus  Asien  n.Griechenl.  u.  Italien,  6.  Aufl., 
Berlin  1894.  O.  Vischer  De  pastorum,  quoa 
poetae  et  scriptores  graeci  et  latini  depingunt, 
condicione,  vita,  moribus,  arte.  Tübingen  1906. 
Beaurredon  Voyage  agricole  130  ff.  Dorigny 
a.  a.  O.  926  f. 


Zweiter  Abschnitt.    Die  Landwirtschaft. 


:,si 


besprochenen  landwirtschaftlichen  Tätigkeiten,  als  Ackerbau,  Gemüsebau, 
Wiesenkultur,  Öl-  und  Weinbau,  unter  den  Begriff  der  agri  euUura  fallen. 
lo  ist  der  zweite  Hauptteil  die  pecuaria1),  wie  die  Viehzucht  im  allgemeinen 
Sinne  des  Wortes pecus  genannt  wird2),  oder  auch  pastio3),  wobei  dann  im  ein- 
zelnen bei  Varro  wieder  die  pastio  agrestis,  auch  rustica  oder  pecuaria  genannt, 
,'on  der  pastio  villatica  unterschieden  wird,  von  denen  die  erstere  die  geschii  1 1 
ind  ertragreichere  Tätigkeit  war;  doch  ist  diese  Scheidung  keine  allgemein 
lürchgeführte  gewesen4).  Die  Viehzucht  im  speziellen  Sinn  hat  Zucht  und 
Pflege  der  Haustiere  zum  Zweck,  die  im  wesentlichen  die  gleichen  sind,  wie 
in  der  heutigen  Landwirtschaft.  Man  sondert  sie  in  der  Kegel  in  zwei  Klassen6): 
las  Großvieh,  armentum*),  also  Rinder,  Pferde  und  Esel7),  und  das  Kleinvieh, 
ISchafe,  Ziegen  und  Schweine8),  das  pecus  im  engeren  Sinne  des  Wortes  ge- 
nannt wird9).    Bisweilen  wird  jenes  auch  wegen  des  Hauptzweckes,  zu  dem 


J)  Varro  III  1,9  teilt  die  Landwirtschaft 

i:  in  drei  Teile:  die  agricultura,  die  res  pecuaria 
und  die  villaticas  pastiones.   Zur  pecuaria  im 

lallgemeinen  Sinne  von  Viehzucht  vgl. II 1, 12; 

|2,2;  5,3  u.s.   Colum.VlII  1,1  nennt  es  pe- 

icuaria  negotiatio. 

-)  Da  bekanntlich  pecus  im  allgemeinen 
von  allen  Haustieren  gebraucht  wird,  sowohl 
pecus,  pecoris  in  generellem,  als  pecus,  pe- 
eudis  in  individuellem  Sinne.  In  speziellem 
Sinne  geht  beides  nur  auf  das  Kleinvieh,  s. 

Junten. 

8)  Varro  I  2, 13 :  pastio  .  .  .  magis  ad pasto- 

irem  quam  ad  agricolam  pertinere  videtur;  ebd. 
15:  nihil  pastio  et  aliut  agricultura  (vgl.  ebd.  21 ; 
II  pr.  4). 

4)  Varro  III  1,8:  quae  ipsa  pars  duplex 
est,  tametsi  ab  nullo  satis  discreta,  quod  altera 
est  villatica  pastio,  altera  agrestis.  haec  nota 

\et  nobilis,  quod  et  pecuaria  appellatur,  et  mul- 
\tuni  homines  locupletes  ob  eam  rem  aut  con- 
duetos  aut  emptos  habent  saltus;  altera  villatica, 
quod  humilis  videtur,  a  quibusdam  adiecta  ad 
agri  culturam,  cum  esset  pastio,  neque  expli- 
cata  tota  separatim,  quod  sciam,  ab  ullo.  Vgl. 
II  pr.5. 

5)  Varro  II  1, 12  unterscheidet  drei  Kate- 
gorien: una  de  minor  ibus  pecudibus,  cuius 
gen  er  a  tria,  oves  capra  sus,  altera  de  pecore 
maiore,  in  quo  sunt  item  ad  tres  species  na- 
tura discreti  boves  asini  equi.  tertia  pars  est 
in  pecuaria  quae  non  parantur,  ut  ex  iis  ea- 
piatur  fructus,  sed  propter  eam  aut  ex  ea  sunt, 
muH  canes  pastores.  Daß  bei  dieser  absicht- 
lich auf  die  Zahlen  dreimal  drei  gebrachten 
Klassifizierung  die  Hirten  neben  den  Maul- 
tieren und  Hunden  rangieren,  sieht  fast  wie 
gewollter  Humor  aus.  Die  übliche  Einteilung 
gibt  Colum.VI  pr.  6:  igitur  cum  sint  duo  genera 
fuadrupedum,  quarum  alterum  paramus  in 
eoiisortiumoperum,sicutboveni,mulam,equum, 
asinum,  alterum  voluptatis  ac  reditus  et  custo- 
diae  causa,  ut  ovem,  capellam,  stiem,  canem. 
Ganz  scharf  ist  freilich  auch  diese  Teilung 
nicht,  da  auch  Rinder  und  Pferde  Ertrag  und 


nicht  bloß  Arbeit  liefern. 

6)  Man  hatte  dafür  zwei  Etymologien: 
die  eine  ab  arando.  Varro  I.  l.V  96.  die  andere 
nh  armis,  Serv.  ad  Gco.  III  49,  vgl.  Festus  4, 3. 
Isid.XlI  1,8. 

')  Varro  a.a.O.  Colum.I  pr.2ß;  VI  22, 2. 
Generell  wird  das  Großvieh  bald  durch  den 
Singular  armentum  bezeichnet,  wie  Verg.  Geo. 
III  71.  Hör.  ep.  18, 6.  Colum.VI  27,3;  VII  1.2. 
so  daß  Colum.  I  pr.  26  von  equinum  und  l»i- 
buluni  armentum  sprechen  kann,  bald  durch  den 
Plural  (iriue/itn,  wie  Verg.  Geo.  I  355.  Ov.  met. 
V  165;  XV  84.  Plin.XI  124.  Daneben  bedeutet 
armentum  im  speziellen  das  Rindvieh,  wie 
Liv.  XXII  17, 2.  Cic.  ad  Att.  VII  7, 7.  Verg. Geo. 
I  195;  II  144:  III  286,  vgl.  Corp.Gloss.  II  259, 
14;  III  261,  66,  wo  es  durch  ßovx6ita*  erklärt 
wird,  wie  armentarius  durch  ßi>ry.<>/.<^,  VI  95, 
andrerseits  nicht  die  Gattung,  sondern  die 
Herde,  wie  Liv.  I  7,4.  Ov.  met.  II  843;  VIII 
882;  XI  348.  Plin.  ep.  II  17,  3.  Am  seltensten 
wird  (irmentiun  für  ein  einzelnes  Stück  Vieh 
gebraucht,  wie  Hygin.  fab.  118:  centum  ar- 
mentd. 

8)  Varro  II  1, 12.  Colum.VI  pr.  6  rechnet 
beim  Großvieh  noch  die  Maultiere  hinzu,  beim 
Kleinvieh  noch  die  Hunde;  er  unterscheidet 
sie  aber  nicht  als  pecus  ma  tus  und  minus  (W\i  ra 
a.  a.  0.  25),  sondern  nach  Zweck  und  Nutzen. 
s.  oben  A.  5. 

9)  So  namentlich  in  Verbindung  mit  und 
im  Gegensatz  zu  annenta,  wie  Ov.  met.XX 
equus  et  pecudes  armentaque  (wo  allerdings 
armenta  speziell  Rinder  sind).  Curt.V  5,  24: 
armenta  cum  pecoribus.  Plin  \1  868:  /■■ 
(irmcntoque.  Wenn  Serv.  ad  Geo.  III  49  (und 
ebenso  Isid.XlI  1,8)  angeben,  wie  armenta 
die  Herden  von  Pferden  und  Rindern,  so  seien 
greges  die  von  Ziegen  und  Schafen,  so  ent- 
spricht das  nicht  dem  Sprachgebrauch;  so 
haben  wir  bei  Cic.  Phil.  III  12.31  greges  ar- 
mentorum  reh'quique  pecoris.  Varr.  I  52,  1 : 
grex  iumentorum;  115,7:  gre.r  armentorum : 
10,  3:  greges  armenticii  ac  caprini.  Plin.  VIII 
165:  grex  armenti  (von  Pferden). 


582 


Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 


es  dient,  als  iumentum,  Spannvieh,  bezeichnet1).    Wie  auf  dem  Landgut  de 
vilictis  alles,  was  zur  agricultura  gehört,  unter  sich  hat,  so  der  magist  er  pe\ 
coris  die  pecuaria2);  obschon,  wie  der  vilicus,  selbst  ein  Sklave,  war  er  de: 
Vorgesetzte  aller,  in  Latifundien  oft  außerordentlich  zahlreichen  Hirten,  de: 
pastores  im  weiteren  Sinne3),   die  im  einzelnen  wieder  in  vielfache  Unter 
abteilungen  zerfielen.    Er  wird  also  für  gewöhnlich  nicht  selbst  Herden  ge 
führt  haben,  sondern  überall  das  Weiden  und  Hüten  beaufsichtigt,  sich  un 
die  Auswahl  der  Zuchttiere,  um  Wartung  und  Pflege  der  Neugeborenen,  uir 
die  Wahl  geeigneter  Weideplätze  (pascua4))  usw.  bekümmert  haben.  Dadurcl 
muß  er  auch  oft  zu  weiten  Wanderungen  gezwungen  gewesen  sein,  denn  di( 
Herden  blieben  nicht  immer  am  gleichen  Weideplatz,  vielmehr  gab  es  be- 
sondere Sommer-  und  Winterweiden5),  und  die  Herden  waren  im  Winter  ofi 
sehr  weit  von  ihren  sommerlichen  Weideplätzen  entfernt6).    Auch  mußte  füi 
jede  Viehgattung  das  ihm  zusagende  Terrain  ausgesucht  werden,  z.  B.  für 
Pferde  wiesenreiche  Ebenen,  für  Ziegen  Bergland  mit  Strauchwerk7).    Varrc 
empfiehlt,  für  das  Großvieh  ältere,  für  das  Kleinvieh  jüngere  Hirten  zu  be- 
stellen, für  die  im  Gebirge  herumziehenden  Herden  aber,  deren  Hirten  oft 
sogar  bewaffnet  sein  mußten,  ganz  besonders  kräftige,   während   auf  dem 
Gute,  wo  die  Hirten  allabendlich  zur  Villa  zurückkehrten,  selbst  Knaben  und! 
Mädchen  Hirtendienste  versehen  könnten8).    Eine  conserva  sollen  nur  Hirten 
haben,  die  stets  auf  dem  Gute  bleiben;  für  die,  die  in  Waldgegenden  oder 


J)  Varro  1. 1.  V  135 :  iugum-  et  lumenta  ab 
lunctu:  hingegen  wird  es  bei  Isid.  XII  1,7  von 
luvare  abgeleitet:  quod  nostrum  laborem  vel 
onus  suo  adluterio  subvectando  vel  arando  iu- 
vant,  und  an  Rind,  Pferd  und  Esel  dargelegt. 
In  der  Regel  sind  lumenta  allgemein  Zugvieh. 
im  speziellen  aber  kann  es  auch  lediglich 
Rinder  bedeuten,  wie  Cic.  Tusc.  I  47. 113.  Nep. 
Timol.  4,  2.  Wenn  bei  Col.  VI  19,1  lumenta 
bovesque  nebeneinander  gestellt  werden,  so 
sind  jene  die  Zugochsen,  diese  die  Rinder  der 
Herde,  also  die  armenta  im  strengsten  Sinne 
des  Wortes,  denn  nach  Varro  II  pr.  4  armen- 
tum  id  quod  In  agro  nahmt  non  creat,  sed  tolllt 
dentibiis,  und  so  spricht  Plin.  X  VIII  263  von  ar- 
mentorum  cura  lumentorumque  progeneratio. 
Daher  erklärt  Servius  die  armentalis  equa  bei 
Verg.  Aen.  XI  571  als  indomita,  quae  inter 
armenta  feturae  causa  pascitur. 

2)  Varro  1  2,  14:  quocirca  principes  qui 
utrique  rei  praeponuntur  vocabulis  quoque 
sunt  diversi,  quod  unus  vocatur  vilicus,  alter 
maglster  pecorls.  Liv.  I  4,  6  überträgt,  wenn  er 
den  Faustulus  maglster  regit  pecorls  nennt,  den 
späteren  Brauch  auf  die  Königszeit.  Der  ma- 
glster pecoris  mußte  sich  vor  den  andern 
Hirten  durch  höheres  Alter,  Erfahrung,  Zu- 
verlässigkeit auszeichnen,  Varro  II  10,  5  f.;  er 
mußte  schreiben  und  rechnen  können,  da  er 
Buch  über  die  Herden  zu  führen  hatte,  ebd.  10, 
und  er  sollte  auch  etwas  Erfahrung  in  der 
Tierheilkunde  besitzen  und  die  Rezepte  dafür 
schriftlich  aufbewahren,  ebenda  1,23;  2.20; 
3,  8.   Etwas  speziellere  Bedeutung  hat,  wie  es 


scheint,  der  maglster  pecoris  bei  Columella, 
der  VII  6.9  den  Ziegenhirten  so  nennt  und 
ihn  von  den  alterius  generis  pastores  unter- 
scheidet. 

3)  Wie  Aiepastio  Vierfüßler  und  Geflügel 
umfaßt,  so  kann  der  pastor  ebenso  als  Hirt 
für  Groß-  und  Kleinvieh,  wie  für  Hühner,  Gänse 
usw.  bestellt  sein,  s.  unten.  Vgl.  die  oben  S.  580 
A.  17  angeführte  Dissertation  von  0.  Vischer. 

4)  Verg.  Geo.  III  323.  Hör.  ep.  1,  28.  Ov. 
met. II 689.  Colum.VII  1,1.  Plin.XVIII  189 u.s. 

5)  Varro  11  1, 16  bemerkt:  neque  eade.m  loca 
aestiva  et  hiberna  idonea  Omnibus  ad  pascen- 
dum;  vgl.  2,  9;  5,  11.  Colum.VI  22,  2 

6)  Varro  II  1,16:  itaque  greges  ovium  lonj/e 
abiguntur  ex  Apulia  in  Samnlum  aestivatum 
atque  ad  publicanum  profitentur,  ne,  st  in- 
scriptum  pecus  paverlnt,  lege  censoria  con- 
mittant.  Wenn  nämlich  eine  possessio,  d.h. 
Staatsland,  das  als  Almend  diente,  zur  Wekle 
verpachtet  wurde,  so  mußte  ein  Weidezins, 
der  scriptura  hieß  (daher  das  Land  ager 
scripturarlus),  erlegt  werden;  daher  heißt  in* 
scriptum  das  Vieh,  für  das  der  Weidezins  nicht 
an  den  publlcanus.  der  ihn  vom  Staat  ge- 
pachtet hatte,  entrichtet  worden  war.  Vgl.  II 
2,  9 :  longe  enim  et  lata  (greges)  in  diversis  locis 
pascl  solent,  ut  nadta  milia  absint  saepc  hi- 
bernae  pastlones  ab  aestivis,  wobei  er  bemerkt, 
daß  seine  Schafherden  im  Sommer  in  den 
Bergen  bei  Reate.  im  Winter  in  Apulien  wei- 
deten. 

7)  Ebd.  1,  16. 

s)  Varro  II  10,  1. 


Zweiter  Abschnitt.    Die  Landwirtschaft. 


588 


lauf  den  Alpen  weiden,  sollen  kräftige  Frauen  beschafft  werden,  die  den  Herden 
[folgen  und  den  Hirten  die  Nahrung  bereiten  können,  die  wohl  auch  selbst 
Was  Vieh  hüten,  Holz  schleppen  und  andere  Dienste  verrichten1).  Auf  den 
Alpen  hatten  die  Hirten  Hütten  zur  Unterkunft5*),  und  um  Hürden  für  dai 
Virli  zu  machen,  führten  sie  Flechtwerk,  Netze  u.dgl.  mit  sich3);  auch 
die  Anlage  der  hölzernen  Tröge  und  Leitungsröhren  des  Quellwassers  auf 
den  Weiden  zur  Viehtränke  war  wohl  ihre  Sache4).  Der  übliche  Hirtenstal». 
das  pednm,  konnte,  da  es  mit  Erz  oder  Eisen  beschlagen  war,  auch  als  WanY 
dienen5);  zur  Hirtentracht  gehörte  auch  eine  Kappe  (galerus)*). 

Was  die  Rinderzucht7)  betrifft,  die  zu  den  wichtigsten  Teilen  der 
Viehzucht  gehörte,  weil  sie  nicht  nur  Arbeitstiere  lieferte,  sondern  auch 
durch  ihre  Produkte  (Fleisch,  Milch,  Felle,  Hörner,  Dünger)  sehr  nutzbringend 
war,  so  waren  ihre  Hirten  die  armentarii8),  während  die  btibulci  68  mit  den 
in  den  Rinderställen  (bubilia)9)  gehaltenen,  für  Pflügen  und  andern  Spann- 
dienst bestimmten  Tieren  zu  tun  hatten10).  Als  beste  Weideplätze  galten  Ful- 
das Rindvieh  mit  Buschwerk  bestandene,  und  zwar  im  Winter  in  der  Nähe 
des  Meeres,  im  Sommer  auf  waldigen  Höhen11).  Beim  Erwerben  und  bei  der 
Zucht  sah  man,  wie  überhaupt  bei  allem  Vieh,  auf  Güte  der  Rasse  (seminium) 1 2) ; 
namentlich  suchte  man  sich,  da  die  italischen  Rassen13)  zwar  kräftig,  aber 
nicht  sehr  milchreich  waren,  gute  Milchkühe  aus  den  Alpengegenden  zu 
verschaffen14).  Besonders  wichtig  war  natürlich  die  Wahl  des  Zuchtstiers; 
man  rechnete  auf  siebzig  Kühe  zwei  solche,  einen  ein- und  einen  zweijährigen16). 
Die  trächtigen  Kühe  brachte  man  im  Stalle,  damit  sie  sich  nicht  durch  Aus- 
schlagen verletzten,  gern  in  besonderen  getrennten  Ständen  unter16).  Wenn 
sie  gekalbt  hatten,  trennte  man  die  Kälber,  damit  sie  nicht  getreten  würden, 
von  den  Müttern  und  führte  sie  diesen  nur  früh  und  abends  zum  Säugen 
zu17).  Wenn  es  möglich  war,  ließ  man  die  Kälber  ein  Jahr  lang  bei  der 
Mutter18);  wenn  sie  entwöhnt  waren,  wurden  sie  mit  eingebrannten  Marken 
versehen  und  gesondert,  je  nachdem  man  sie  für  den  Nachwuchs,  für  die 


»)  Varro  II  6  f. 

')  Casae,  ebd.  und  Calpurn.  ecl.  2, 60. 

3)  Varr.  II  2,9:  contra  Mae  in  sa/tihns 
quae  pascuntur  et  a  tectis  absunt  longe,  por- 
tant  secum  crates  aut  retia,  quibus  cohortes 
in  snlitudine  faciant,  ceteraque  Utensil  ia. 

4)  Verg.  Geo.  III  329  f. 

5)  Verg.  ecl.  5, 88.  Er  war  oben  mit  krum- 
mem Haken  versehen,  der  dazu  diente,  die 
Füße  der  Schafe  festzuhalten,  vgl.  Corp.  Gloss. 

V  232,  7;  ebd.  8:  pedum  dicitnr  virga  pasto- 
ralis,  cui  uncus  additur  ferreus,  qua  pedes 
tondendarum  ovium  capiuntur,  et  in  se  habet 
pures  nodos  aere  decoratos.  Siehe  auch  ebd. 
VII 62.  Fest.  210, 23 ;  249,24.  Serv.  zu  Verg.  ecl. 
a.  a.  0.  und  zu  2,31. 

6)  Calpurn.  ecl.  1,  7. 

7)  Hierzu  ist  besonders  zu  vergleichen 
Varro  II  5.  Verg.  Geo.  III  51  ff.;  123 ff.  Colum. 

VI  1—26.  Plin.VIII  176ff.  Magerstedt a.a.O. 
II  1  ff.  0.  Keller  Die  antike  Tierwelt  I  329  ff. 
Beaurredon  130  ff. 

8)  Varr.  II  1.18:  armentarli  et  opiliones. 


Verg.  Geo.  III  344.  Lucr.  VI  1260:  potior  ä  or- 
mentarhts  omni*  meint  wohl  mit  dem  potior 
den  Hirten  des  Kleinviehs,  mit  armentariut 
den  des  Großviehs.  Wenn  Varro  II  5,  18  sagt, 
sein  armentariue  müsse  öfters  deean&ate  <<>>»- 
phtra  exscripta  de  Magonie  libris  lesen,  so 
ist  damit  wohl  wieder  ein  Oberhirte  gemeint, 
da  schwerlich  ein  gewöhnlicher  Hirt  lesen 
konnte. 

9)  Siehe  oben  S.  71. 

,0)  Vgl.  oben  S.  561.  Varr.  II  pr.  4: 
poesuni  in  «uro  paed  armenta,  armentariue 

ikiii    nlint    OC   hnhnfciis. 

»)  Varro  II  5,11. 

»•)  Ebd.  7  ff.  Verg.  Geo.  III  51  ff. 

I3)  Vgl.  Colum.  VI  1.1  f. 

u)  Verg  Geo.  III  176  f.  Colum.Vl  24.  \  wo 
nach  Plin.VIII  179  Alpini«  zu  lesen  ist. 

»5)  Varro  II  5, 12. 

>6)  Ebd.  14. 

17)  Ebd.  16. 

,8)  Colum.  VI  24,  4. 


584 


Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 


Opfer1)  oder  für  den  Ackerdienst  bestimmte;  die  nicht  gezeichneten  übrigen 
Tiere  trieb  man  unterschiedlos  auf  die  Weide2);  mit  zwei  Jahren  nahm  mar] 
die  Kastration  vor3),  und  in  demselben  Alter  oder  etwas  später  gewöhnte! 
man  sie  an  den  Pflug4).  Diese  Zugochsen  wurden  gewöhnlich  im  Stalle  ge- 
halten5). Die  Stückzahl  der  Herden  war  verschieden,  in  der  Regel  100 — 120  6). 
Die  Pferdezucht7)  blühte  in  Italien  besonders  in  Gegenden  mit  wiesen- 
reichen Ebenen,  die  zur  Weide  sich  eigneten,  wie  in  Apulien8).  Doch  hielt 
man  die  Pferde  nur  im  Sommer  im  Freien,  im  Winter  kamen  sie  in  die 
Ställe,  equilia9),  wo  sie  gewöhnlich  Heu  als  Futter  bekamen,  Mutterstuten 
Gerste10);  letztere  bekamen  auch  eigene,  besonders  warme  Ställe,  in  denen 
die  Krippen  durch  Zwischenwände  getrennt  waren,  damit  sie  nicht  wegen 
des  Futters  zu  raufen  anfingen11).  Die  Krippen  werden  meist  praesejria  ge- 
nanntlj!),  vereinzelt  auch  alvei  oder  patenae13);  darüber  waren  in  bequemer 
Höhe  die  Raufen,  crates,  angebracht14).  Die  meisten  Großgrundbesitzer  waren 
wohl  auch  Pferdezüchter,  zumal  schon  im  Altertum  im  Pferdehandel  viel 
betrogen  wurde16);  die  Landwirte  geben  daher  ausführliche  Vorschriften  über 
Wahl  und  Behandlung  des  Zuchthengstes  und  die  Beschälung,  sowie  über 
die  Mutterstuten  und  Fohlen16).  Das  Gestüt,  equitium11),  stand  unter  einem 
eigenen  Gestütmeister,  equitiarius18);  im  allgemeinen  lag  die  Pflege  der  Pferde 


*)  Es  bestand  ein  Unterschied  in  der 
Fütterung  der  für  die  Opfer  und  der  zum  Ver- 
kauf für  den  Metzger  bestimmten  Rinder,  wes- 
halb bei  Varro  a.  a.  0. 1 1  das  ad  cuUrum  bovem 
emere  vom  ad  altaria  einer e  unterschieden 
wird. 

2)'Verg.  a.a.O.  157  ff. 

3)  Varro  a.a.O.  17;  das  Verfahren  be- 
schreibt Colum.VI  26. 

4)  Varro  I  20, 2  f.  Verg.Geo.  III 163  ff.  Co- 
lum.VI 2.  Pall.  IV  12.  Plin.VIlI  180. 

6)  Vorschriften  über  ihre  Fütterung  gibt 
Cato  60;  über  die  der  Zuchtstiere  Varro  II 
5,12. 

6)  Varro  ebd.  18. 

7)  Darüber  vgl.  Varro  II  7.  Verg.Geo.  III 
72  ff.  Colum.VI  27— 30.  Plin.VIlI  154  ff  Dazu 
Magerstedt  a.  a.  O.  III  1  ff.  A.  Schlieben  Die 
Pferde  des  Altertums,  Neuwied  1867.  C.  A. 
Pietrement  Les  chevaux  dans  les  temps  histo- 
riques  et  prehistoriques,  Paris  1883.  C.  Chomel 
Histoire  du  cheval  dans  l'antiquite\  Paris  1900. 
O.  Keller  Die  antike  Tierwelt  1 218  ff.  Beaur- 
redon  156  ff.  A.  Martin  Artikel  Equus  bei  D.-S. 
II  794  ff. 

8)  Varro  a.  a.  0. 1  u.  7.  Colum.  VI  27, 2. 

9)  Veget.  mulom.  III  (II)  prol.  3.  Vgl.  oben 
S.71. 

10)  Varro  a.  a.  0.  7;  doch  war  Gerste  auch 
sonst  beliebtes  Viehfutter,  Colum.  II  9, 14.  luv. 
8,  154. 

")  Varro  a.  a.  0. 10. 

12)  Oder  praesepes  Cato  4.  Varro  II  2, 19; 
5,  16  u.s.:  natürlich  gilt  das  für  alles  Vieh, 
und  man  unterschied  die  festen  Krippen,  die 
in  den  Ställen  waren,  von  den  transportabeln, 
daher  Verg.Geo. III  416  von  immotis  praesepi- 


bus  spricht.  Ursprünglich  aber  bedeutet  das 
Wort  die  Hürde  oder  den  Stall,  daher  Cato 
14,  1  praesepes  hibernae  und  aestivae  unter- 
scheidet und  Varro  I  13, 6  von  laxae  praesepes 
spricht. 

13)  Veget.  mulom.  II  28  (I  56),  3:  patena, 
quae  appellatur,  hoc  est  alveus  ad  hordeum 
ministrandum  (patena  ist  das  latinisierte 
(pari')]).  Vgl.  ebd.  4:  loculis  praeterea  vel  mar- 
more  vel  lapide  vel  Ugno  factis  distinguenda 
est,  ut  singida  iumenta  hordeum  suum  ex  in- 
tegro  nullo  praecipiente  consumant.  In  dem 
zu  einer  Bäckerei  in  Pompeji  gehörigen  Stalle 
befindet  sich  eine  gemauerte  Krippe  für  den 
Mülleresel,  Overbeck  Pompeji  343;  der  in 
Centorbi  auf  Sizilien  aufgefundene  Stall  hatte 
sechs  getrennte  loculi,  s.  Daremberg-Saglio 
II  745  Fig.  2710. 

14)  Veget.  a.  a.  0. 5,  wo  als  vulgäre  Bezeich- 
nung iacca  angeführt  wird. 

15)  Veget.  VI  (IV)  6,  1. 

16)  Varro  II  7,  8  ff.  Verg.  Geo.  III  79  ff. 
Colum.  VI  27.  Pall.  IV  13, 1  ff;  man  rechnete 
einen  equus  admissarius  auf  10  Stuten,  Varro 
a.  a  0.  1. 

17)  Colum.  a.  a.  0.  1.  Digg.  VI  1,1,3;  an 
beiden  Stellen  (an  der  ersten  ist  die  Lesart 
überdies  nicht  sicher)  könnte  es  aber  auch 
eine  Pferdeherde  bedeuten,   wie  Corp.  Gloss. 

II  446,  42,  wo  es  durch  ovvinjtia  8  eouv  ayzkr] 
i'jiji<ov  erklärt  ist. 

18)  Firm.  Mat.  astr.  VIII  13.   Corp.  Gloss. 

III  308,2;  357,73.  Der  Zuchthengst  konnte 
auch  zum  Beschälen  gegen  ein  Mietgeld,  das 
aequimentum  (oder  equimentum)  hieß  (siehe 
Varro  bei  Non.  69,  18),  ausgeliehen  werden. 


Zweiter  Abschnitt.    Die  Landwirtschaft. 


.>■:, 


m  den  Händen  der  equisones,  wie  die  Bereiter  heißen1),  denen  es  oblag,  die 
«Werde  für  Fahr- oder  Reitdienst  einzuüben2).  Kastration  der  Hengste  war 
■tt  ehr  gewöhnlich3);  der  Wallach,  der  canterius  heißt,  wird  schon  früh  erwähnt4). 

Eine  geringere  Rolle  spielte  in  der  Viehzucht  der  Esel6),  doch  war 
essen  Zucht  immerhin  nicht  ohne  Bedeutung,  da  der  Esel  als  Last-  und 
Hrbeitstier  viel  benutzt  wurde6).  Man  bezog  zur  Zucht  gute  Rassetiere  von 
Huswärts;  in  Italien  waren  die  von  Reate  besonders  geschätzt7);  zur  Paarung 
if  k'urden  auch  die  in  Italien  nicht  vorkommenden  Wildesel  benutzt8).  Besoixl.  i « 
über  legte  man  sich  auf  die  Zucht  der  im  Altertum  wie  heute  noch  im  Süden 
Hls  Last-  und  Reittiere  sehr  beliebten  Maulesel9),  und  zwar  züchtete  man 
sfowohl  durch  Kreuzung  von  Eselhengst  und  Pferdestute  das  Maultier  (mulus)y 
■  vie  durch  Kreuzung  von  Pferdehengst  und  Eselstute  den  Maulesel  (hinnus)10). 
Küter  und  Pfleger  der  Esel  und  wohl  auch  der  Maultiere  waren  die  asinaru ' '  i. 

Zum  Kleinvieh  gehören  Schafe,  Ziegen  und  Schweine.  Die  Schafzucht18) 
ivurde,  obschon  auch  die  Milch  als  Getränk  und  zur  Käsebereitung  Verwendung 
and13),  vornehmlich  der  Wolle  wegen  betrieben14),  zumal  gerade  in  Italien 
Mche  in  ausgezeichneter  Qualität  produziert  wurde15).  Man  unterschied  vüiaHci 
hreges,  die  bei  dem  Gute  gehalten  wurden  und  tagsüber  auf  der  Weide,  nachts 
In  den  Ställen  (pvilia)  waren16),  und  herumziehende,  von  denen  schon  oben 
die  Rede  war,  für  die  auf  den  Weideplätzen  Hürden  zum  Schutz  gegen  die 
«Witterung  wie  gegen  Wölfe  angelegt  werden  mußten17).  Ferner  unterschied 
Jman  die  Schafe  mit  rauhem  Felle,  oves  hirtae,  von  denen  mit  feiner  Wolle, 


»)  Varro  b.  Non.  105,  29.  Val.  Max.  VII  3, 
ext.  2.  Im  Corp.  Gloss.  oft  in  der  Form  equisio, 
s.VI  395.  Mit  dem  Hüten  der  Pferdeherden 
hatte  der  equiso  wohl  nichts  zu  tun,  dafür 
b  es  eigene,  berittene  Hirten,  von  denen 
Varro  II  10,  11  auf  eine  Herde  von  50  Stück 
je  zwei  rechnet.  Dagegen  gehört  der  agaso, 
der  Reitknecht,  zur  familia  urbana,  Plaut. 
Merc.  852.  Liv.  XLI1I  5,8.  Plin.  XXXV  134; 
vgl.  Festus  25,  5.  Serv.  ad  Aen.  III  470.  Corp. 
Gloss.  VI  41 ;  auch  der  strator,  der  das  Pferd 
sattelt  und  dem  Herrn  vorführt,  Amm.XXIX 
3,5;  XXX  5,19.  Spart.Carac.7,2;  calo  aber  ist 
der  gewöhnliche  Pferdeknecht,  Hör.  sat.  1 2, 44 ; 
6, 103 ;  ep.  1 14, 42  Pers.  5,  95.  Corp.  Gloss.  VI 
169. 

2)  Varro  II  7, 13  f.  Verg.  Geo.  III  179  ff.  Co- 
lum.VII  29. 

3)  Varro  a.  a.  O.  15.  Veget.  I  23. 

4)  Plaut. Capt. 813;  Aul.495.  Varro  a.a.O. 
15;  ders.b.Non.82, 18.  Cic.nat.deor.  III  5,11. 
Sen.  ep.  87,  9  u.  s. 

5)  Vgl.  Varro  r.r.II  6.  Colum.VII  1.  Plin. 
VIII  167  ff.  Magerstedt  III  139  ff.  HehnKuI- 
turpfl.  u.  Haustiere  130  f.  O.  Keller  Die  antike 
Tierwelt  I  259  ff.  Beaurredon  164  ff.  Olck  bei 
P.- W.  VI  626  ff.  (handelt  auch  über  Maultier  und 
Maulesel). 

6)  Für  Warentransport  und  andere  Lasten, 
als  Zugtiere  (auch  vor  dem  Pfluge),  in  der 
Mühle  usw.,  s. Varro  a.a.O.  6,5.  Colum. a.a.O. 
1,3.  Pall.IV  14,4. 

7)  Varro  a.  a.  0. 1  f. ;  III 1 7, 6.  Sonst  galten 


die  arkadischen  für  die  besten,  Plaut.  Asin.333. 
Varro  II 1, 14;  II  6,2.  Colum.VII  1, 1 ;  X 344  u.s. 

8)  Varro  II  6,  3. 

9)  Vgl.Varro  II 8.  Plin. VIII 170  ff.  Mager- 
stedt III  169  ff.  Olck  a.  a.  0. 

10)  Varro  a.  a.  0.1.  Colum.  VI  37,  5.  Plin. 

VIII  172. 

»)  Cato  10, 1;  11, 1.  Varro  I  18, 1.  Corp. 
Gloss. VI  104,  meist  durch  imfMxtfi  <»dii 
norum pastor  erklärt.  Nur  in  denGlossen  nach- 
weisbar ist  muUcurius.  fifuordttovQOd  ebd.  111 
371,40. 

")  Varro  II  2.  Verg. Geo.  III  295  ff.  Colum. 
VII  2—5.  Plin.  VIII  187  ff  Vgl.  Magerstedt 
11  87  ff.  0.  Keller  a.  a.O.  309  ff.  Beaurredon 
168  ff. 

")  Plin.  XXVIII  124.  Colum.VII  2,  1. 

u)  Cic.  nat.  deor.  11  63. 158 :  quid  enim  oves 
aliud  adferutit  msi  i<t  MTMM  9*0*9  confectis 
atque  contestis  homines  vestianttw.  Varro,  der 
die  Viehzucht  für  die  erste  Stufe  der  mensch- 
lichen Kultur  hält,  glaubt,  daß  in  der  Viehzucht 
die  Schafzucht  zuerst  dagewesen  sei,  II  1.4. 

15)  Vgl.  oben  S.  237. 

14)  Varro  a.  a.  0.  7  f.  Colum.VII  4,  5;  vgl. 
oben  S.  72. 

17)  Varro  ebd.  9.  Verg.  Geo.  111  537;  Aen. 

IX  59.  Im  Winter  sollten  Schafe,  die  ni<  ht 
in  wärmere  Striche  getrieben  wurden,  über- 
haupt im  Stalle  bleiben,  der  Austrieb  erst  im 
Frühling  erfolgen,  Verg.  Geo.  1 1 1  295  ff.  Cal- 
purn.  ecl.  5, 18;  ebd.  und  v.  63  werden  hiberna 
und  aestiva  ovilia  unterschieden. 


586  Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 

die  deshalb,  zur  Schonung  der  Wolle  vor  Verunreinigung,  mit  Fellen  bedecll 
weideten,  oves  pellitae1);  letztere  erforderten  eine  viel  sorgfältigere  Aufsiel II 
und  Behandlung2),  weshalb  Varro  auf  achtzig  bis  hundert  grobwollige  Schall 
einen,  auf  ebensoviel  feinwollige  bedeckte  zwei  Schäfer  (opiliones3))  rechnet4! 
Nicht  minder  sorgfältig  ging  man  bei  der  Schafschur  zu  Werke5);  das  i 
früherer  Zeit  anstatt  des  Gebrauches  der  Schere  übliche  Ausrupfen  der  Wolle'l] 
bestand  auch  zu  Plinius'  Zeit  noch  mancherorts7).  Um  Zwistigkeiten  wege  j 
des  Eigentums  zu  vermeiden,  wurden  die  Schafe  mit  schwarzer  Farbe  gel 
zeichnet8).  Das  Verschneiden  war  allgemein  gebräuchlich,  da  Hammelfleisc 
beliebt  war9),  doch  mußte  das  Tier  über  fünf  Monate  alt  sein10). 

Leichter  war  die  Ziegenzucht11),  da  diese  Tiere  weder  besondere! 
Pflege  bedurften,  noch  hinsichtlich  der  Nahrung  Umstände  machten,  nu 
daß  sie  natürlich  von  Wein-  und  Ölpflanzungen  und  sonst  von  jungen  Bäumeil 
und  Sträuchern  ferngehalten  werden  mußten12).  Dabei  war  ihre  Zucht  lohnend 
da  die  Milch,  die  sie  reichlich  liefern,  als  Getränk  allgemein  beliebt  war13) 
ebenso  der  Ziegenkäse,  und  da  nicht  nur  die  Felle  für  die  Kleidung  benutzt 
sondern  mancherorts  auch  aus  dem  Haar  Gewebe  hergestellt  wurden14).  AI; 
Weide  bevorzugen  die  Ziegen  bekanntlich  bergiges  Terrain,  und  da  sie  aus 
gezeichnet  klettern,  muß  der  Hirte  auch  darin  geübt  sein,  um  ihnen  folgei! 
und  verstiegene  holen  zu  können15).  Blieben  sie  über  Nacht  im  Freien 
so  wurden  sie  in  Hürden  zusammengetrieben;  war  der  Weideplatz  nahe  be: 
der  Villa,  so  kamen  sie  in  die  Ställe  (caprilia)16).  Wegen  der  Eigenart  dei 
Ziegen,  sich  zu  zerstreuen  und  auseinander  zu  laufen,  während  die  Schafe 
beisammen  bleiben,  war  es  nicht  ratsam,  große  Herden  zu  bilden,  sondern 
lieber  viel  Herden  mit  kleinerer  Stückzahl;  Varro  hält  fünfzig  für  ausreichend 
für  einen  caprarius,  obschon  in  manchen  Gegenden  Herden  von  hundert  Stück 
gebildet  wurden17).  Für  die  Paarung  rechnete  man  auf  zehn  bis  zwanzig 
Ziegen  einen  Bockls):  auch  Verschneidung  kam  vor19). 

Endlich  fehlte  die  Schweinezucht20)  wohl  auf  keinem  Landgute,  da 
Schweinefleisch  bei  den  Römern  sehr  beliebt  war  und  jeder  seine  Speckseite 


»)  Varro  II  2, 18;  10.10;  11,7.  Hör.  carm.  I  12)  Lucr.  VI  970.  Varro  I  2,17;  II  3,7.  Verg. 

II  6, 10.  Colum.VIl  2,3.  Hin.  VIII  189  unter-  |  Geo.  II  196.  Hin.  XV  34. 

scheidet  sie  als  rjenus  tectum  et  colonicum.  ls)  Verg.  Geo.  III  314  ff  ;  Cul.  42  ff.    Hör, 

2)  Varro  a.  a.  0. 19.  I  carm.  1 17, 6.  Ov.  ep.  15  (16),  55.  Colum.VIl  6, 1. 


Cato  10, 1 ;  56.  Haut.  Asin.  540.  Varro  I 
18, 1 ;  II  pr.  4  u.  ö.  Verg.  ecl.  10, 19.  Vorschriften 
über  das  Hüten  von  Schafen  und  Ziegen  gibt 
Calpurn.  ecl.  5. 

4)  Varro  a.  a.  O.  20;  10,  10. 

8)  Varro  II 11,  6  ff.  Vgl.  Blümner  Techno- 
logie I  94  ff. 

6)  Varro  a.  a.  O.  9. 

7)  Plin.VIII  191;  XXIX  34. 

8)  Calpurn.  5,  82  empfiehlt  dafür  eine 
Mischung  von  Erdpech  und  Kupfervitriol: 
durae  potuhra  massae  chalcanthi  coquito  len- 
tumque  bäumen  aheno. 

9)  Siehe  oben  S.  173. 

10)  Varro  a.  a.  O.  18.  Plin.VIII  198. 

n)  Varro  II  3.  Colum.VIl  6  f.  Plin.VIII 
199 ff.  Magerstedt  II  190 ff.  0.  Keller  a.a.O. 
1  301  ff.  Beaurredon  180  ff. 


Hin.  VIII  201. 

14)  Verg.  Geo.  III  308  ff. ;  die  Hirten  trugen 
sie  und  den  Ziegenkäse  in  die  Stadt,  ebd.  400  ff. 
Geop.  XVIII  10.  Colum.VI  6,4.  Calpurn.  ecl. 
4,25. 

15)  Verg.  Geo.  III  311.  Geop.  XVIII  3;  vgl. 
oben  S.  246. 

lfi)  Varro  II  3,  6.  Verg.  a.  a.  O.  302  f.  Co- 
lum.  a.  a.  O.  6.  Vgl.  oben  S.  72. 

17)  Varro  a.  a.  O.  9  f.  Colum.  a.  a.  0.  5. 

18)  Varro  ebd.  10. 

10)  Der  verschnittene  Bock  hieß  caper, 
Varro  b.  Gell.  IX  9,  10.  Mart.  III  24, 14;  doch 
kann  das  ebensogut  den  gewöhnlichen  Ziegen- 
bock bedeuten. 

20)  Varro  II  4.  Colum.VIl  9— 11.  Plin.VIII 
205  ff.  Magerstedt  III  175  ff.  Keller  a.a.O. 
388  ff.  Beaurredon  186  ff. 


Zweiter  Abschnitt.    Die  Landwirtschaft. 


587 


der  Fleischkammer  hangen  haben  wollte1)-    Man  hielt  die  Schweine  teils 

Stall,  suile2),  oder  in  kleineren  Behältern  (Schweinekoben),  harne  genau 

eils  auf  der  Weide,  für  die  man  besonders  sumpfige  Waldstellen  bevorzugte4), 

o   sie   unter   der   Obhut   der  suarii6),   gewöhnlicher   tubulci*),   bisweilen 

uch  porcarii  genannt7),  weideten,  wobei  diese  die  Tiere  durch  Hornsignale 

ammelten8);  als  passende  Stückzahl  der  Herde  setzt  Varro  hundert  an,  doch 

bildeten  andere  Gutsbesitzer  solche  von  hundertfünfzig  und  noch  mehr  Stück9). 

ingegen   sind   die  porculatores  nicht  Hirten,   sondern   haben   es   mit  der 

\><>rculatio,  d.  h.  dem  Aufziehen  der  Ferkel,  zu  tun10).    Bei  der  Zucht,  zu  der 

man  auch  Wildeber  benutzte11),  rechnete  man  zehn  Eber  (verres)  auf  hundert 

Sauen12);  die  verschnittenen  Eber  heißen  maialesls). 

Endlich  gehören  zu  den  für  ein  Landgut  nötigen  Tieren  noch  die  Hunde14), 
teils  der  meist  mit  den  Gütern  verbundenen  Jagd  wegen15),  teils  zur  Bewachung 
von  Haus  und  Hof  und  zur  Begleitung  und  zum  Schutz  der  Herden,  zumal  der 
•Schafe  und  Ziegen16).  Man  hielt  auch  bei  den  Hunden  sehr  auf  gute  Hasse  beim 
Kaufund  bei  der  Zucht,  sowie  auf  geeignete  Ernährung  und  geschickte  Dressur. 
Varro  rechnet  auf  einen  Schäfer  einen  Hund,  nur  wo  wilde  Tiere  häufig  sind 
oder  die  Herden  auf  entfernte  Waldweiden  getrieben  werden,  mehrere.  Kür 
die  villatici  g reges  genügten  zwei,  ein  Hund  und  eine  Hündin17).  Bei  den  Hof- 
hunden ist  mehr  auf  gute  Rasse  und  Temperament,  als  auf  eine  größere  Menge 
zu  sehen1  *).    Kastrieren  der  Hunde  kam  vor,  wurde  aber  widerraten19). 

Fiel  alles  bisher  Besprochene  der  pastio  pecuaria  anheim,  so  war  der 
Gegenstand  der  sogenannten  pastio  villatica  die  Zucht  des  Geflügels,  der 
Fische,  des  Wildes,  der  Schnecken  und  der  Bienen20).    Die  Aufsicht  darüber 


J)  Varro  a.  a.  0.  3;  vgl.  oben  S.  173  ff. 

2)  Siehe  oben  S.  173. 

3)  Plaut.  Asin.  430.  Cic.  in  Pison.  16,  37. 
Varro  a.  a.  0.  14  ff. ;  III  10,  4.  Colum.  VU  9.  9. 

4)  Varro  II  4, 5  f.  Colum.  VII  9, 6  ff.  Hör. 
carm.  III  23,  9.  Phaedr.  II  4,  3. 

"•)  Plin.VIII  208. 

e)  Cato  10,  1 ;  11,  1.  Varro  II  4.  14  f.:  20. 
Colum.  1  pr.  26.  Mart.  X  98, 10.  Isid.X  263.  Corp. 
Gloss.VlI310 

7)  Außer  bei  Firm.  Mat.  astr.  III  6.  6  auch 
in  den  Glossen  für  ovoqnogßög,  yoiooßooxik,  Su- 
bileus, Corp.  Gloss.  VII  107;  vgl.  IV  394,  41 ; 

V  484,39;  540,6. 

8)  Varro  a.a.O.  20:  subulcus  debet  con- 
iuefacere,  omnia  ut  faciant  ad  bucinam. 

»)  Ebd.  22. 

10)  Ebd.  13:  in  märieatu,  quem  porcttla- 
Honem  appellant.  Colum.  I  pr.  26:  porculatoris 
rem  et  subulci  diver sa  professio,  diver sae  pa- 
Uiones;  vgl.  VII  9,12. 

»')  Plin.VIII  213. 

»*)  Varro  a.  a.  O.  22. 

>3)  Ebd.  21;  vgl.  II  7,15;  9.1.  Corp.  Gloss. 

VI  670. 

u)  Varro  11 9.  Colum.VII  12.  Plin.VIII  142 ff. 
Vgl.  Magerstedt  II 220  ff.  O.  Keller  a.a.O.  9 1  ff. 

15)  Siehe  oben  S.  516. 

16)  Varro  II  9,  1  f.  unterscheidet  daher 
das  genus  venatienm  und  das,  quod  custodiae 


cama  parater  et  perl  inet  ml  pastorem;  Colum. 

VII  12, 1  rühmt  den  Hund  als  famtdu»  chmini, 
comes,  custos,  e.mtbifnr  etc. und  schließt:  (innre 
rel  in  primis  lioe  anunnl  mercari  tuet'iqut  'le- 
bet (((/rieo/a,  iputil  et  eillntn  et  frne/ns  fnniiliinn- 
<pie  et  pecora  custodit.  Ebd.  2  wird  der  Hofhund 
{cOHtS  ril/<itienx\i\ov  ri/lnin  ijnneipie  innetn  sunt 
rillae  mstailit,  vom  Schäferhund  [eoni$  pnst<>- 
ra/is),  der  obscrnit  atnbnlmn.  juris  pteora  pn- 
srentin.  unterschieden.  Der  Schäferhund  beißt 
auch  eanis  peennrinx,  ebd.  8.  Vgl.  auch  Verg. 
ecl.  3, 18. 

17)  Varro  a.  a.  0. 16. 

")  Ebd.  121. 

,9)Ebd.  119, 14. 

-°)  Varro  II  pr.5  rechnet  zur  rilhttim  patHo, 
die  nicht  unbedeutenden  Ertrag  liefere,  omi- 
thones.  lepomrin.  piseimtr;  dieser  hat  er  das 
dritte  Buch  gewidmet.  1112,  I3f  zählter  als  de- 
ren Teile  auf:  Gänse.  Hühner.  Tauben.  Kraniche, 
Pfauen.  Haselmäuse.  Wildschweine  und  an- 
deres Wild.  Bienen  etc.  Ebenso  stellt  Colum. 

VIII  1,2  ff.  Geflügelzucht.  Tauben.  Fischzucht, 
Bienenzucht  u.  dgl.  zusammen.  Unrichtig  ist 
es  aber,  wenn  Voigt  Rom.  Privataltert  364 
zur  ri/lafiett  pastio  auch  die  Zucht  und  Ab- 
wertung von  Rind,  Esel.  Schaf.  Ziege.  Schwein 
und  Hund  rechnet,  sowie  von  Maulrs.l  und 
Pferd;  das  gehört  alles,  wie  die  Weidewitt 
schaft,  zur  pnstin  affUlit  oder  peeuaria. 


588 


Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 


führte,  da  sie  der  agricultura  angegliedert  war1),  im  großen  und  ganzen  den 
vilicus,  im  einzelnen  aber  wieder  besondere  curatores2).  Im  Geflügelhof  wurden 
besonders  Hühner,  Gänse  und  Enten  gehalten3);  von  den  dafür  notwendigen 
Einrichtungen,  bei  denen  zum  Teil  die  griechischen  Benennungen  darauf 
hindeuten,  daß  sie  nicht  altrömischen  Ursprungs  sind,  sowie  von  der  Zucht 
und  Mast  ist  bereits  oben  die  Rede  gewesen4),  ebenso  von  der  Zucht  der 
Tauben5)  und  der  zahlreichen  Arten  anderer  Vögel,  die  in  den  aviaria  oder 
ornithones  gehalten  wurden.  Auch  für  die  Anlage  des  Wildparks,  der  robo-  \ 
raria,  leporaria,  vivaria,  und  die  darin  gehaltenen  Tiere6)  ist  auf  früher 
Gesagtes  zu  verweisen7),  desgleichen  für  die  Fischteiche 8)  mit  ihren  zahl- 
reichen Fluß-  und  Seefischen9).  Besondere  Anlagen  für  als  Delikatessen 
bevorzugte  Tierarten,  wie  die  gliraria  für  die  Haselmäuse10)  und  die  cochharia 
für  die  Schnecken11),  werden  wohl  nur  ausnahmsweise  gemacht  worden  sein. 
Alle  diese  in  der  villatica  pastio  gezüchteten  und  gemästeten  Tiere  dienten 
nur  zum  Teile  den  Bedürfnissen  des  Besitzers:  das  meiste  wurde  zum  Ver- 
kauf in  die  Stadt  geschickt  und  ergab  schöne  Einnahmen12). 

Wir  haben  schließlich  nur  noch  ein  paar  Worte  über  die  ebenfalls  zur  villa- 
tica pastio  gehörige  Bienenzucht13)  zu  sagen.  Während  sich  ein  eigentlicher 
Terminus  für  diese  nicht  findet14),  sind  die  Bezeichnungen  für  den  Bienenstock 
sehr  zahlreich:  entweder  griechische,  wie  melisson16),  melitotrophion16),  oder  la- 
teinische, die  bald  von  der  Form  entnommen  sind,  wie  alvus17),  alveusls),  häufiger 
alvearium,  alvarium19),  alveare20),  bald  vom  Inhalt,  wie  mellarium21),  während 
das  Bienenhaus,  in  dem  mehrere  Stöcke  stehen,  apiarium  heißt22).  Wenn  man 
einen  wilden  Bienenschwarm  einfing,  so  benutzte  man  das  Stück  hohlen  Baum- 
stamms, in  dem  er  sich  niedergelassen  hatte,  als  Bienenstock,  indem  man  es 


M  Varro  III  1,  8. 

2 )  So  ein  curator  gallinarius  Varro  1119,7; 
ebd.  11  f.;  ein  curator  der  Pfauen  Colum.  VIII 
11,2;  der  Bienenhäuser,  ebd.  IX  9,1  u.  3;  14,3. 

3)  Varro  behandelt  III  9  die  Zucht  der 
Hühner,  10  f.  die  der  Gänse  und  Enten,  Colu- 
mella  handelt  von  den  Hühnern  VIII  2 — 7,  von 
den  Gänsen  ebd.  13,  von  den  Enten  15;  dazu 
s.  Plin.  X  146  ff.;  51  ff. 

")  S.  72  u.  176  ff. 

5)  Vgl.  B.  Lokentz  Die  Taube  im  Alter- 
tum, Gymn.-Progr.  Würzen  1886. 

«)  Vgl.  Varro  III  12  f.  Colum.  IX  1. 

7)  S.  175  f. 

8)  Varro  III  17.  Colum.  VIII  16  f. 

9)  S.  180. 
,0)  S.  176. 

u)  S.  190.  Ueber  die  Schneckenzucht  der 
Römer  handelt  ein  Artikel  von  Schaaffhatjsen 
in  den  Rhein.  Jahrb.  XC  208  ff. ;  vgl.  Bergk 
ebd.  LVI 240.  Saglio  bei  D.-S.  1 1266.  Mau  bei 
P.-W.  IV  157. 

>2)  Varro  II  1,5.  Colum.  IX  1,1. 

1S)  Varro  III  16.  Verg.Geo.  IV.  Colum.  IX 
2  bis  zum  Schluß.  Pall.  1  37—39.  Vgl.  Mager- 
stem Die  Bienenzucht  der  Völker  des  Alter- 
tums, Sondershausen  1851;  ders.  Bd.  VI  der  Bild, 
a.  d.  röm.  Landwirtsch. :  Die  Bienenzucht  und 
<lie  Bienenpflanzen  der  Römer,  Sondershausen 


1863.  Beaurredon  233  ff.  Ch.  Morel  bei  D.-S.  I 
304  f.  Olck  bei  P.-W.  III  450  ff.;  dazu  Chr. 
Hülsen  Ein  Monument  d.  Vatikan.  Museums, 
Progr.  d.  Gymn.  von  Gr.-Lichterfelde,  1887. 

H)  Sie  wird  immer  nur  mit  cura  apium 
oder  alvorum  bezeichnet;  für  den  Bienenzüchter 
kommt  apiarius  vor,  Plin.  XXI  56,  vgl.  Corp. 
Gloss.  III  200,56;  auch  das  griech.  meliturgos, 
Varr.  III  16,  3. 

15)  Varro  a.  a.  0. 12.  Colum.  VIII  1,  4. 

16)  Varro  a.  a.  O. 

17)  Varro  ebd.  15  gibt  allerdings  eine  andere 
Deutung :  haec  omnia  vocant  a  mellis  alimonio 
alvos.  Vgl.  ebd.  16  ff.  Colum.  IX  2,  1 ;  6,  1  ff. ; 
14, 7  ff.  Plin.  XI  22  ff.  u.  ö.  Corp.  Gloss.  II  434, 45. 

18)  Tib.  II  1,  49.  Colum.  IX  3, 1 ;  5,  3,  doch 
schwanken  die  Hss.  öfters  zwischen  alvus  und 
(xlvciis 

ia)'  Cic.  b.  Charis.  p.  107,  2  K.  Verg.  Geo.  IV 
34.  Varro  a.  a.  O  15.  Colum.  a.  a.  O.  6, 1 ;  vgl. 
Corp.  Gloss.  VI  57. 

20)  Colum.  a.  a.  0.  11,  1.  Corp.  Gloss.  III 
262, 12;  V  165,35. 

21)  Varro  a.  a.  0.  12. 

22)  Colum.IX3,4;5,lu.6;7,l;  12,4.  Gell. 
1120,8:  apiaria  quoque  vulgus  dicit  loca ,  in 
quibus  siti  sunt  alvei  apium;  sed  neminem  ferme, 
qui  incorrupte  locuti  sunt,  mit  scripsisse  me- 
mini  aut  dixisse. 


Dritter  Abschnitt.    Handwerk,  gelehrte  und  andere  Berufe. 


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Esägte1);  sonst  nahm  man  eigens  konstruierte,  aus  der  Rinde  der  Kork- 
jche2),  aus  hohlen  Baumstämmen  oder  Brettern3),  aus  Flechtwerk  von  Weiden- 
fiten u.  dgl.  gefertigte4);  tönerne  scheinen  häufig  gewesen  zu  sein,  galten  aber 
Ir  unpraktisch5);  manche  benutzten  Marienglas  zur  äußeren  Wandung,  um 
le  Tiere  beobachten  zu  können6).  Die  Landwirte  geben  auch  genaue  Vor- 
jbhriften  über  die  Form  und  Anlage  der  Stöcke,  über  die  Zahl  der  Flug- 
Icher,  die  Wahl  des  Bienenstandes,  die  Behandlung  der  Bienen,  die  Honig- 
Irnte  usw.,  doch  müssen  wir  für  alle  diese  Details  auf  die  oben  erwähnten 
jachschriften  verweisen. 


Dritter  Abschnitt. 

Handwerk,  gelehrte  und  andere  Berufe. 


Litteratur.7) 

.  Drumann  Die  Arbeiter  und  Kommunisten  in  Griechenland  und  Rom.    Königsberg  1860. 
mbert  La  condition  des  ouvriers  libres  chez  les  Romains,    im  Recueil  de  l'Academie  de 
legislation  de  Toulouse,  Vol.  XVII  (1868,  386  ff. 
I.  Blümner  Die  gewerbliche  Tätigkeit  der  Völker  des  klassischen  Altertums.   Leipzig  1869. 
X  Büchsenschütz  Die  Hauptstätten  des  Gewerbfleißes  im  klassischen  Altertume.  Leipzig  1869. 
Blümner  Technologie  und  Terminologie  der  Gewerbe  und  Künste  bei  Griechen  und  Römern. 
4  Bände.   Leipzig  1875—1887. 
C.  Wezel  De  opificio  opificibusque  apud  veteres  Romanos  dissertatio  prima.    Gymnasial-Pro- 

gramm.    Berlin  1881. 
%  Le  Saulnier  Du  travail  salarie  ä  Rome.    Paris  1888. 

Liebenam  Zur  Geschichte  und  Organisation  des  römischen  Vereinswesens.    Leipzig  1890.") 
L  Typaldo-Bassia  Des  classes  ouvrieres  k  Rome.    Paris  1892. 
r.-P.  Waltzing  Etüde  historique  sur  les  corporation  professionelles  chez  les  Romains.  4  Bände. 
Louvain  1895  ff. 
Cauer  Die  Stellung  der  arbeitenden  Klassen  in  Hellas  und  Rom.   Jahrbuch  für  das  klass. 
Altertum  X  (1899),  I  686. 
Iornemann  Artikel  Collegium  bei  Pauly-Wissowa  IV  380  ff. 
3.  Kühn  De  opificum  Romanorum  condicione  privata  quaestiones.   Dissertation.   Halle  1910. 

Über  die  Anfänge  des  Handwerks  auf  dem  italischen  Boden  geben  uns 
iie  litterarischen  Quellen  keine  Auskunft;  wir  sind  dafür  auf  zwei  andere, 
freilich  auch  nur  spärlichen  Ertrag  liefernde  Quellen  angewiesen :  die  ältesten 
Fundobjekte  und  den  lateinischen  Wortschatz.  Was  erstere  anlangt9),  so 
können  uns  die  Funde  in  den  Pfahldörfern  der  Terremare  oder  in  den  prä- 
historischen Gräbern  Italiens,  besonders  den  Nekropolen  vom  Forum,  vom 
Esquilin  und  von  Alba  longa10),  begreiflicherweise  nur  über  solche  Gewerbe 


*)  Colum.IX8,  11. 

2)  Varro  a  a.  0.  15:  ubi  sint,  alii  faciunt 
ex  viminibus  rotimdas,  alii  e  Ugno  et  cortici- 
bus,  alii  ex  arbore  cava,  alii  fictiles,  alii  etiam 
ex  ferulis  quadratas.  Verg.  Geo.  IV  33.  Colum. 
IX  6, 1.  Plin.  XXI  80.  Pall.  I  37,  6  (38, 1). 

3)  Colum.  u.  Plin.  a.  a.  0.  Geop.  XV  2, 17. 
Varro  a.  a.  0.  empfiehlt  eckige,  Pall.  a.  a.  O. 
runde,  more  cuparum. 

4)  Varro  und  die  andern  Scr.  r.  rust.  a.  a.  0. 
Verg.  Geo.  IV  34.  Ov.  rem.  am.  186. 


5)  Varro  a.  a.  0.  Colum.  a.  a.  0.  2.  Pall. 
a.  a.  0. 

6)  Plin.  a.a.O. 

7)  Ein  sehr  reiches  Literaturverzeichnis 
(bis  zum  Jahre  1895)  gibtWALTZiNQ  a.a.O.  1 17  ff. 

8)  Speziallitteratur    über   die   römischen 
Handwerker-Kollegien  folgt  weiter  unten. 

9)  Vgl.  vornehmlich  W.  Hklbig  Die  Ita- 
liker  in  der  Poebene,  Leipzig  1879. 

10)  Siehe  oben  &  487  A.  7;  503  A.  4  u.12; 
504  A.  2.  Helbio  a.  a.  0.  82. 


590 


Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 


Auskunft   erteilen,   deren  Fabrikate  ihrer  natürlichen  Beschaffenheit  nacbl 
sich  erhalten  haben,  während  das  Fehlen  von  anderen  (z.  B.  von  silbernen 
Objekten)  nicht  für  das  Fehlen  des  entsprechenden  Gewerbes  in  den  älteren 
Perioden  überhaupt  geltend  gemacht  werden  darf.    So  haben  sich  in  jenen 
ältesten  Schichten  ja  auch  keine  Reste  von  Geweben  erhalten,  während  doch 
Spinnen  und  Weben  selbstverständlich  seit  frühesten  Zeiten  bekannt  war x) 
Dasselbe  gilt  von  der  Verarbeitung  des  Leders  und  des  Holzes.     Dagegen 
lehren  uns  die  Reste,  auf  welcher  Stufe  der  Entwicklung  in  vorrömischer 
Zeit  Töpferei  und  Bronzearbeit  standen:  wir  sehen  die  primitiven  Erzeugnisse 
der  Tonarbeit,  zum  Teil  noch  ohne  Anwendung  der  Töpferscheibe  aus  bloßer 
Hand  gefertigt2);  wir  finden  die  Bronzetechnik  vor,  aber  noch  wenig  ent 
wickelt,  wesentlich  in  Blecharbeit  und  Vollguß  bestehend3),  und  wir  finden  I 
auch  hier  bestätigt,  was  wir  überall  in  der  Kulturgeschichte  beobachten,  daß 
das  Eisen  damals  noch  so  gut  wie  unbekannt  war4).  In  sprachlicher  Hinsicht 
lehrt  uns  die  Vergleichung,  daß  im  Griechischen  und  Lateinischen  die  Worte, 
die  sich  auf  Flechten,  Spinnen,  Weben  und  Lederarbeit  beziehen,  eine  Menge 
von  verwandten  Beziehungen  aufweisen,  die  uns  den  Beleg  bieten,  daß  diese 
Techniken  gemeinsamer  gräko-italischer  Besitz  waren5). 

Aber  auf  etwas  sichererem  Boden  stehen  wir  erst  mit  der  römischen 
Königszeit,  wo  wir  es  freilich  auch  noch  nicht  mit  zweifellosen  historischen 
Nachrichten,  sondern  nur  mit  der  Tradition  zu  tun  haben.  Diese,  von  Plu- 
tarch  überliefert,  berichtete  in  der  römischen  Kaiserzeit,  —  frühere  Nach- 
richten liegen  nicht  vor  — ,  daß  Numa  die  damals  bestehenden  Handwerke 
in  acht  Zünfte  verteilt  hätte,  und  zwar  seien  das  die  Flötenbläser,  Gold- 
arbeiter, Zimmerleute,  Färber,  Schuster,  Gerber,  Kupferschmiede  und  Töpfer 
gewesen6).  Diese  Nachricht  kann  allerdings  nichtso  unbedenklich  als  historische 
Tatsache  hingenommen  werden.  Zwar  braucht  man  es  an  sich  nicht  in  Zweifel 
zu  ziehen,  daß  die  hier  aufgeführten  Gewerbe  in  der  Tat  schon  damals  in 
Rom  —  ob  als  Kollegien,  ist  eine  andere  Frage,  —  bestanden  haben.  Sehen 
wir  von  den  nicht  unter  unsere  Besprechung  fallenden  Flötenbläsern,  die 
schon  sehr  früh  für  Feste,  Opfer,  Bestattungen  usw.  erforderlich  waren,  ab, 
so  stimmt  die  Aufzählung  Plutarchs  recht  gut  zu  den  für  die  Königszeit 
vorauszusetzenden  Kulturverhältnissen7).  Auffallen  könnten  am  ehesten  die 
yQvooxooi,  Gold  arbeit  er,  die  aurifices,  fabri  aurarii,  obschon  immerhin  nicht 


*)  Bezeugt  wird  die  Technik  des  Webens 
durch  die  oft  vorkommenden  Webergewichte 
(Zeddelstrecker),  vgl.  Helbig  a.  a.  0.  22. 

2)  Helbig  19. 

3)  Ebd.  19  ff. 

4)  In  einer  jüngeren  Schicht,  die  über 
der  der  Bronzezeit  liegt,  finden  sich  in  einigen 
Terremare  Spuren  von  Gebrauch  des  Eisens 
und  auf  der  Drehscheibe  gearbeitete  Gefäße, 
s.  Helbig  27  f.  (vgl.  8  A.  4).  Im  allgemeinen 
vgl.  Beck  Geschichte  des  Eisens  I  44  ff.  Blüm- 
nek  bei  P.-W.  V  2143  und  Technol.  IV  38  ff. 

5)  Helbig  114.  Weiter  geht  Wezel  a.  a.  O. 
5  ff.,  der  außerdem  sprachliche  Verwandtschaft 
für  die  Terminologie  der  Kupferschmiede,  Zim- 
merleute, Goldarbeiter,   Färber,  Walker  und 


Wagenbauer  annimmt.  Doch  bemerkt  Helbig 
a.  a.  0.,  daß  die  Wurzeln,  wo  es  sich  um  Bronze 
handelt,  stets  auseinandergehen,  was  natürlich 
nicht  dafür  geltend  gemacht  werden  darf,  daß 
den  Graeko-Italikern  die  Kenntnis  der  Bronze 
abgegangen  wäre.  Zur  Terminologie  des  Spin- 
nens und  Webens  in  den  indogermanischen 
Sprachen  vgl.  Schbadek  Linguistisch-histori- 
sche Forschungen  zur  Handelsgeschichte  und 
Warenkunde  I  172. 

6)  In  dieser  Reihenfolge  zählt  sie  Plut. 
Num.  17    auf;    hingegen    kamen   nach   Plin. 

XXXIV  1  die  fabri  aerarii  an  dritter,  nach 

XXXV  159  die  Töpfer  an  siebenter  Stelle. 

7)  Das   weist  Wezel  a.  a.  0.  13  ff.  ganz 
richtig  nach. 


Dritter  Abschnitt.    Handwerk,  gelehrte  und  andere  Berufe.  591 

:i»rgessen  werden  darf,  daß  auch  die  homerischen  Gedichte  den  xgtttogöoc 
Jtr"Annen;  aber  das  bekannte  Verbot  des  Zwölftafelgesetzes,  dem  Toten  Gold 
lte,#s  Grab  mitzugeben,  mit  Ausnahme  des  Golddrahts,  mit  dem  falsche  Zähne 
^»»festigt  waren1),  darf  wohl  als  Beweis,  daß  Goldarbeit  schon  früh  in  Rom 
01  aimisch  war,  betrachtet  werden.    Nur  werden  wir  annehmen  müssen,  daß 
ar    e  an  sich  nicht  sehr  bedeutend  war,  denn  in  den  ersten  Jahrhunderten  der 
^  tadt  war  allem  Anschein  nach  der  Goldbesitz  der  Römer  noch  sein  gerinj 
scil<  od  was  man  an  künstlerisch  ausgeführtem  Goldschmuck  besaß,  das  lieferte 
llls*  trurien  den  Nachbarn.  —  Wenn  dann  Plutarch  die  itxnn >eg  nennt,  so  waren 
'°äl  as  jedenfalls  fabri  tignarii,   Zimmerleute,   die  zum  Hausbau   notwendig 
ecl  ^ren,  zumal  in  den  ältesten  Zeiten,  auch  nachdem  man  über  die  Periode 
^  er  primitiven  Hütten  Wohnungen3)  hinausgekommen  war,  der  Holzbau  iiii 
^men  ärmeren  Teil  der  Bevölkerung  noch   ziemlich  allgemein  gewesen  sein 
"wird  und  auch  beim  Ziegelbau  Böden,  Treppen  und  Dach  vom  Zimmermann 
)rts|rstellt  werden  mußten.    Aber  wahrscheinlich  sind  zu  diesen  r&rorec  auch 
ie  Schreiner  zu  rechnen,  die  das  notwendigste  Mobiliar,  wie  Betten,  Tische 
ind  Kasten,  überhaupt  die  innere  Ausstattung,  die  Türen  und  Fensterläden, 
lerstellten,  sodaß  wir  unter  diesen  fabri  neben  den  tignarii  auch  alle  die 
sinzubegreifen  haben,  die  später  als  fabri  subaedani,  intestinarii,  lectarii  usw. 
interschieden  werden4).     Dann  werden  die  ßcupefc,  die  Färber,   genannt, 
lenen  wir  als  tinctores,  inferiores,  offectores  später,  zumal  auf  den  Inschriften. 
)egegnen5).    Es  ist  durchaus  glaublich,  daß  es  damals  dies  Gewerbe  schon 
jab6).    Zwar  waren  Spinnen  und  Weben  dazumal  ganz  sicher  noch  lediglich 
)ine  häusliche  Arbeit,   der  sich  die  Hausfrau  mit  den  Mägden  widmete7); 
iber  das  Färben,  sei  es  des  noch  ungewebten  Rohstoffes,  sei  es  der  fertigen 
aewebe,    war   eine  Arbeit,    die   nicht  gut  im  Hause  vorgenommen  werden 
tonnte,  da  sie  in  den  meisten  Fällen  bestimmte  technische  Kenntnisse  voraus- 
setzte und  auch  die  dazu  erforderlichen  Farbstoffe  nicht  jedem  leicht  erreich- 
)ar  gewesen  sein  werden.    Ebenso  muß  das  Vorhandensein  der  attvxoxöfiot^ 
der  Schuster  (sutores),   zugegeben  werden;   die  Zeiten   primitiver  Kultur, 
wo  sich,  wie  später  wohl  noch  der  Landmann,  jeder  sein  Schuhwerk  selbst 
zurechtschnitt  und  zusammennähte,  waren  in  Roms  Frühzeit  wohl  schon  lange 
vorüber,  und  die  nach  den  Ständen  unterschiedenen  Arten  der  Fußbekleidung8) 
scheinen  auch  alten  Datums  zu  sein.    Bedenklich  ist  es  dagegen,  wenn  als 
nächstes  Kollegium  die  oxvrodeyai,  die  Gerber  (coriarii),  aufgeführt  werden. 
Zwar  war  selbstverständlich  die  Kenntnis  des  Gerbens,   auf  deren  Spuren 
wir  ja  schon  bei  Homer  stoßen9),  in  jener  Zeit  allgemein  verbreitet;  denn 
wenn  auch  vielfach,  zumal  auf  dem  Lande,  noch  ungegerbte  Felle  zur  Kleidung 


*)  Siehe  oben  S.  478  A.  10.  j    Ringen,  bnllae  und  Schmuck  zu.   greift  aber 

'-')  In  den  ältesten  italischen  Funden  ist  |    damit  weit  über  die  Anfänge  hinaus. 

Gold  überhaupt  nicht  nachweisbar,  erst  in  den  *)  Siehe  oben  S.  7  f. 

späteren  Epochen,  s.  Helbig  21;  und  von  den  4)  Blümner  Technol.  II  311  ff.  und  oben 

Anfängen  der  römischen  Geschichte  sagt  Plin.  S.  67 ;  1 1 1 ;  159. 

XXXmn-.Romaenefuitquidemaurumnisiad-  5)  Siehe  oben  S.  256. 

modum  exiguum  longo  tempore.  Vgl.  Waltzing  6)  Wezel  S.  20  ff. 

166.  WEZELl7f.  Blümner  bei  P.-W.  VI  11558  f.  7)  Siehe  oben  S.  255. 

Voigt  Rom.  Privataltert.  303  schreibt  diesen  s)  Siehe  oben  S.  234  ff;  vgl.WuzKL  19  f. 

ältesten  fabri  aurarii  die  Herstellung  von  co-  9)  D.  XVII  389  ff.;  vgl.  Blömnkb  a.  a.  O. 

ronae  aureae,  phalerae  und  armillae,  goldenen  I  265. 


592 


Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 


benutzt  werden  mochten,  so  ist  das  doch  bei  der  städtischen  Tracht  aul 
geschlossen,  für  Schuhwerk  aber,  Schilde,  Zaumzeug  der  Reit-  und  Wagei 
tiere  u.  a.  m.  war  gegerbtes  Leder  unerläßlich.    Man  wird  sich  aber  fragt 
müssen,  ob  das  Gerberhand  werk  damals  schon  von  dem  des  Schusters  od« 
des  Lederarbeiters  überhaupt  getrennt  war;   wenn  wir  von  Athen  wisse: 
daß  dort  noch  im  5.  Jahrhundert  v.  Chr.  die  Gerber  auch  Schuhe  verfertigten1 
so  dürfen  wir  ähnliche  Verhältnisse  auch  für  die  römische  Frühzeit  voraus 
setzen,   wenn  es  auch   möglich  ist,   daß  sich  um  jene  Zeit  eine  Trennun 
dieser  Gewerbe  vorbereitet  hat.  —  Keiner  Bestätigung  bedarf  die  Erwähnun 
der  ^cdxag,  der  Kupferschmiede  (fabri  aerarii);  damals  war,  wie  uns  nicl 
nur  die  Funde,  sondern  auch  noch  spätere  Ritualvorschriften  lehren,  das  Eise 
noch  gar  nicht  oder  doch  nur  ganz  vereinzelt  im  Gebrauch;  Waffen  und  Werk 
zeuge,  Haushaltgeräte  und  zahlreiche  Gebrauchsgegenstände  wurden  aus  Bronz 
hergestellt,  deren  Bereitung  und  Bearbeitung  die  Römer  von  den  Etrusker 
erlernt  haben  mochten2).    Freilich  lehren  uns  die  Funde,  daß  kunstreicher 
Erzarbeiten  auch  damals  noch  etruskisches  Fabrikat  waren.    Ebensowenig 
bedarf  das  Bestehen  der  xega/ueis,  der  Töpfer  (figuli),  weiterer  Belege,  d 
diese  Technik  eine  der  ältesten  Errungenschaften  der  Menschheit  überhaup 
ist  und  wir  Tongefäße  in  den  ältesten  Gräbern  vorfinden3).    Was  die  figul 
der  Königszeit  alles  verfertigten,  ob  sie  außer  Ziegeln  und  einfachem  Ton 
geschirr,  zu  dessen  Herstellung  sie  sich  schon  der  Töpferscheibe  bedienten 
auch  kunstvollere  Arbeiten  herzustellen  verstanden,  ist  ungewiß;  die  Ton- 
plastik war  jedenfalls  erst  in  bescheidenen  Anfängen  da,  denn  die  ältester 
größeren  Terrakottastatuen,  die  die  römischen  Tempel  schmückten,  warer 
etruskische  Arbeit4). 

An  der  Überlieferung,  daß  zu  Beginn  der  Königszeit  die  genannten  Ge- 
werbe existierten,  ist  also  nicht  zu  zweifeln.  Allein  es  liegt  auf  der  Hand 
daß  mit  ihnen  die  gewerbliche  Produktion  der  Königszeit  nicht  erschöpft 
sein  kann,  daß  es  daneben  noch  andere  Gewerbe  gegeben  haben  muß.  Unc 
in  der  Tat  fügt  Plutarch  hinzu,  Numa  habe  die  übrigen  Handwerke  zu  einer 
einzigen  Genossenschaft  vereinigt5)  Lassen  wir  die  Frage,  ob  es  überhaupl 
damals  schon  Handwerkerkollegien  gegeben  habe,  beiseite,  so  bleibt  di( 
andere  zu  beantworten,  was  für  Gewerbe  damals  neben  den  oben  angeführter 
bestanden  haben  mögen6).  Auf  alle  Fälle  werden  wir  das  Bestehen  des  Ge- 
werbes der  Walker  (fullones)  anzunehmen  haben7).  Nicht  nur  die  wichtigt 
Rolle,   die   die  Walker   später  im   römischen  Leben  und  in  der  Litteratui 


*)  Blümner  ebd  257. 

2)  Vgl.  Wezel  16  f.  Noch  bei  der  servia- 
nischen  Kriegsverfassung  hebt  Liv.  I  43, 2  her- 
vor :  arma  his  imperata  galea  clipeum  ocreae 
lorica,  omnia  ex  aere. 

3)  Ebd.  22  ff.  Gümmekus  Rom.  Gutsbetrieb 
42  f.  hält  es  für  wahrscheinlich,  daß  Plutarch 
mit  den  xn^sTc  die  Schmiede  überhaupt,  also 
auch  die  fabri  ferrarii  meinte ;  daß  aber  Eisen- 
schmiede in  Rom  sicher  sehr  früh  vorgekom- 
men seien,  wie  er  meint,  dafür  liegen  doch 
keine  Belege  vor. 

4)  Plin.  XXXV  154:  ante  hanc  aedem  Tu- 
scanica  omnia  in  aedibus  fuisse  auctor  est  Varro; 


ebd.  157  f. ;  vgl.  XXXIV  33.  Vgl.  Deonna  Lei 
statues  de  terre  cuite  dans  l'antiquitö  (Parii 
(1908)  82  f. 

8)  Numa  17:  zag  Ök  Xouzag  zsyvag  sig  zavzt 
avvayayaiv  er  avzöJv  ix  naowv  djisdsi^s  ovozn/xa 

6)  Versuchsweise  sind  solche  namhaft  ge 
macht  bei Niebühb Rom.  Gesch.3  III 349. Wezei 
25  ff.  Liebenam  a.  a.  0. 5  f .  Waltzing  66.  Korne 
mann  393.  Voigt  Rom.  Privataltert. *  303  weis 
die  coactiliarii,  lanii  und  piscatores  diesei 
neunten  Zunft  zu. 

7)  Mommsen Rom.  Gesch.  1191  zählt  untei 
den  Zünften  des  Numa  die  Walker  auf  an  Stell« 
der  Gerber. 


Dritter  Abschnitt.    Handwerk,  gelehrte  und  andere  Berufe. 


593 


tfepielen1),  spricht  dafür,  daß  ihre  Tätigkeit  schon  in  früher  Zeit  als  eigent- 
liches Gewerbe  bestand,  sondern  noch  mehr  der  Umstand,  daß  das  Walken 
^Ebensowenig  wie  das  Färben  im  gewöhnlichen  Haushalt  möglich  war,  da  es 
^besondere  Einrichtungen  (Walkergruben  mit  fließendem  Wasser,  Apparate 
öfcur  Schwefelung  u.  dgl.2))  voraussetzt3);  und  auch  in  späterer  Zeit,  als  man 
'jdoch  auf  den  großen  Landgütern  Sklaven  für  allerlei  gewerbliche  Tätigkeiten 
^ibesaß,  fiel  die  Walkerei  eigens  zu  diesem  Zweck  gemieteten  Arbeitern  zu4). 
•Als  collegium  lassen  sich  die  fullones  freilich  erst  im  Jahre  220  v.  Chr.  nach- 
ijweisen5),  sind  aber  sicherlich  auch  als  Zunft  älter.  —  Ferner  wird  man  das 
•Vorhandensein  von  Fleischern  (lanii)  annehmen  dürfen,  da  das  Schlachten 
jvon  Großvieh  höchstens  auf  dem  Lande  von  Sklaven  des  Besitzers  besorgt 
«werden  konnte,  was  sich  aber  in  der  Stadt  von  selbst  verbot;  auch  mußte 
«der  kleine  Mann,  bei  seinem  geringen  Fleischbedarf,  eine  Stelle  haben,  wo 
ler  Fleisch  nach  dem  Gewicht  kaufen  konnte.  Solche  Fleischertabernen  be- 
ifanden sich  bekanntlich  zur  Zeit  der  Decemvirn  am  Forum6).  Vielleicht  darf 
Iman  auch  die  Fischer  (piscatores)  schon  in  die  frühe  Zeit  versetzen7).  Auch 
Idie  Seiler  (restiones)  dürfen  hier  angeführt  werden,  da  die  Herstellung  der  in 
[zahlreichen  Betrieben  nötigen  Seile  und  Taue  eine  handwerksmäßige  Übung 
[erfordert8).  Doch  ist  da  selbstverständlich  über  die  bloße  Hypothese  nicht 
Ihinauszukommen9). 

Im  Laufe  der  weiteren  Entwicklung  der  Industrie  kamen  nun  teils  eine 
Anzahl  neuer,  bisher  noch  nicht  vertretener  Gewerbe  hinzu,  teils  trat  bei  den 
schon  vorhandenen  eine  weitgehende  Arbeitsteilung  ein.  Unter  den  neuen 
Gewerben  sind  eine  Anzahl,  deren  Tätigkeit  jahrhundertelang  dem  Hause 
zugefallen  war,  bis  sich  das  Bedürfnis  geltend  machte,  zumal  dem  ärmeren 
Volk,  das  über  keine  Sklavenarbeit  verfügte,  gewisse  Lebensbedürfnisse 
käuflich  zugänglich  zu  machen.  Hierher  gehören  vor  allem  die  pistores,  die 
Bäcker,  die  zugleich  auch  Müller  waren  und  die  als  besonderes  Gewerbe 
erst  im  2.  Jahrhundert  v.  Chr.  aufkommen10):  dann  die  tonsores,  die  Barbiere, 


!)  Vgl.  oben  S.  256  A.  5.  Stimmung  für  die  fullones  das  Bestehen  eines 

Siehe  Blümner  Technol.  I  157  ff.  Kollegiums  voraussetzt. 


3)  LiebenamÖ  nimmt  an,  daß  das  Walken 
in  der  älteren  Zeit  noch  zur  Hausindustrie  ge- 
hörte, unter  Berufung  auf  Cato  r.  r.  10,  5  und 


6)  Liv.III48, 5;  über  ihre  spätere  Ent- 
fernung Varro  b.  Non.  532,  15.  Vgl.  Jobdan 
Topogr.  I  2,379  A.88.  Die  erste  Inschrift,  die 


14,  2,  wo  pikte  fullonicae  als  erforderliche  Ge-  !    ein  römisches  collei/ium  Umiorum  erwähnt,  ist 

rate  genannt  werden.  Aber  das  gilt  doch  wohl  CIL  VI  167. 

nur  von  der  Landwirtschaft  der  älteren  Zeit,  i            7)  Wie  Lieben  am  6  tut,  weil  Festus  210b, 

für  die  Stadt  galt  wohl  von  jeher,  wasVitr.  33  (vgl.  238  b, 23)  ein  altes  Fischerfest  erwähnt. 

VI  pr. 7  sagt:  itaque  nemo  artetn  ullam  altem  Jedenfalls  hat  es  Fischhändler  in  Rom  schon 

conatur  domi  facere,  uti  sutrinam  fullonicam  '   früh  gegeben. 

auf  ex  ceteris  quae  sunt  faciliores,  nisi  archi-  8)  Blümneb  a.  a.  O.  I  292.  Ein  etOtffimm 

teetwam.  Wenn  übrigens  Cato  Walkereien  be-  ,    restionnm  CIL  VI  9856. 

saß,  so  waren  diese  nicht  nur  für  den  eigenen  9)  Wenn  Wezel  26  die  carpentarii.  die 

Bedarf  bestimmt,  sondern  dienten  als  Kapital-  Wagenbauer,  auch  schon  der  Königszeit  zu- 

anlagen,  s.  Plut.  Catomai.  21.  schreibt,  so  ist  das  wohl  zu  weit  gegangen, 

4)  Varro  r.  r.  I  16,4:  itaque  in  hoc  genus  da  deren  Arbeit  dazumal  den  fAri  Hgmmrü 
coloni  potius  anniversarios  habent  vicinos,  qui-  zufallen  mochte;  ebenso  werden  die  Filzfabri- 
bus  imperent,  medicos,  fullones,  fabros,  quam  kanten,  die  coactil iarii.  die  Wezel27  annimmt, 
in  villa  suos  habeant.  Vgl.  dazu  Gummeeus  Der  damals  noch  nicht  als  Sonderberuf  existiert 
röm.  Gutsbetrieb  68.  haben,  da  bei  der  Aehnlichkeit  derTechnik  sehr 

5)  In  der  in  dies  Jahr  fallenden  Lex  Me-  •   gut  die  Walker  Filzartikel  herstellen  konnten. 
iiia.  Plin.  XXXV  197,  wo  die  gesetzliche  Be-  |          ,0)  Siehe  oben  S.  162. 

Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft.    IV.  2,  s.    3.  Aufl. 


594  Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 

die  zuerst  um  300  v.  Chr.  als  besonderer  Beruf  nachweisbar  sind1).  Auch  di<| 
coqui,  die  Köche,  müssen  hierher  gezogen  werden:  sie  konnten  als  eigenes! 
Gewerbe  erst  erstehen,  als  die  Besorgung  der  Speisen  nicht  mehr  in  jeden  f 
Haushalt  möglich  war  oder  der  Haussklave,  der  sonst  die  Küche  besorgte  f 
für  feinere  Tafeln  nicht  die  nötigen  Kenntnisse  besaß2).  So  mußten  aucM 
in  andern  Arbeitsgebieten  namentlich  für  die  untern  Klassen  Gewerbe  ahfl 
Beruf  erstehen,  die  in  reicheren  Häusern  auch  weiterhin  den  Sklaven  zu- 
fielen: so  kommen  zur  Herstellung  der  Gewebe  die  lanarii,  linteones,  textoresl 
coactiliarii  u.  dgl.  als  besondere  Handwerke  auf3);  es  entsteht  das  Schneider-fi 
h  and  werk  der  sartores,  sarcinatores,  vestiftci,  vestitores*). 

Weiterhin  treten  Berufe  in  Rom  auf,  die  in  Etrurien,  auch  in  Groß- 
griechenland, schon  längere  Zeit  heimisch  gewesen  waren  und  allmählich 
auch  in  Rom  sich  einbürgerten.  Noch  gegen  Ausgang  der  Königszeit  hatte 
man  Steinmetzen  von  Etrurien  müssen  kommen  lassen,  um  den  Göttern 
würdige  Tempel  zu  erbauen5);  nun  lernten  die  Römer  selbst  ihre  Mauern, 
Heiligtümer  und  öffentlichen  Gebäude  aus  Stein  zu  erstellen.  Neben  denj 
Kupferschmied  trat  der  Grobschmied,  der  faber  ferrarius,  dessen  Gewerbe, 
je  mehr  man  das  Eisen  kennen  und  verarbeiten  lernte,  von  immer  größerer 
Bedeutung  und  Ausdehnung  wurde6) ;  andrerseits  tritt  neben  den  Goldschmied 
erst  jetzt  der  Silberarbeiter,  faber  argentarius,  da  der  Gebrauch  des  Silbers 
zu  Gefäßen  des  Kultus  und  des  Hausrats  der  älteren  Zeit  noch  fast  unbekannt 
war  und  erst  zwischen  dem  zweiten  und  dritten  punischen  Kriege  das  alte 
tönerne  Geschirr  im  reicheren  Haushalt  durch  silbernes  verdrängt  wurde7). 
Der  steigende  Luxus  der  Wohnungseinrichtung,  der  vom  Orient  und  den 
hellenistischen  Reichen  nach  Italien  herüberkam,  brachte  neue  Gewerbszweige 
auf.  Erst  da  konnten  die  Kranzflechter  zu  einem  besonderen  Gewerbe  werden, 
als  der  Fest-  und  Tafelluxus  zunahm8);  als  an  Stelle  der  schlicht  getünchten 
Wand  die  kunstvoll  bemalte  trat,  war  der  pictor  parietarius9)  nötig;  als  man 
anstatt  des  einfachen  Estrichs,  den  der  pavimentarius  erstellt  hatte10),  die 
Fußböden  mit  Mosaik  schmückte,  entstanden  die  tessellarii  und  musivarii11). 
Und  wie  diese  Gewerbe  durch  fremden  Einfluß  nach  Rom  gelangten,  so 
wurden  mit  der  Zeit  auch  solche  Berufszweige  dort  eingeführt,  deren  Er- 
zeugnisse man  zunächst  und  längere  Zeit  hindurch  von  auswärts  importiert 
hatte;  so  gab  es  denn  Glasarbeiter  auch  in  Italien  (vitrearii,  specidariarii)12), 

*)  Siehe  oben  S.  267.  '   kaufen;  vgl.  Gummerus  Rom.  Gutsbetrieb  36  f. 

2)  Auf  Sardinien  kommt  im  2.  Jahrh.  v.Chr.  '            5)  Liv.  I  56,  1  von  Servius  Tullius :  inten- 

ein  Kollegium  faliskischer  Köche  vor,  CIL  XI  |   tus  perficiendo  templo  (Iovis  Capitolini)  fabris 

3078.  Der  Mietskoch,  dem  wir  in  der  römischen  undique  ex  Etruria  accitis  etc.,  vgl.  Varro  bei 

Komödie  öfters  begegnen  (vgl.  Plaut.  Aul.  280 ;  Plin.  XXXV  154.  Der  vicus  Tuscus  am  Fuße  des 


Pseud.  167),  kann  zwar  auf  das  griechische 
Original  zurückgehen,  daß  man  aber  auch  in 
Rom  bei  besonderen  Anlässen  einen  eignen 
Koch  mietete,  zeigt  Plin.  XVIII  108:  nee  cocos 
vero  habebant  in  servitio,  eosque  ex  macello  con- 
ducebant. 

3)  Vgl.  Kühn  De  opiflc.  59. 

4)  Ebd.  55:  vgl.  oben  S.  256  f.  Daß  selbst 
auf  dem  Lande  die  Arbeitskräfte  der  Sklaven 
vielfach  nicht  mehr  für  Herstellung  der  Klei- 
dung verwendet  wurden,  zeigt  Cato  r.  r.  135, 1, 
wo  empfohlen  wird,   die  Kleider  in  Rom  zu 


Kapitols  hatte,  wie  vielfach  angenommen  wird, 
seinen  Namen  von  den  Bauhütten  und  Wohnun- 
gen der  tuskischen  Arbeiter  am  kapitolinischen 
Tempel,  s.  Jordan  Topogr.  v.  Rom  II  469. 

6)  Makquardt  392  ff.  Blümner  Technol. 
IV  340  ff. 

7)  Plin.  XXXIII  139  ff.;  s.  oben  S.  392. 

H)  Coronarii,  corollarii,  s .  Blümner  1 304  f. 

'■>)  Oben  S.  91  A.  3. 
10)  S.  95  A.  6. 
n)  S.  97  f. 
,2)  S.  103  A.  9;  409. 


Dritter  Abschnitt.    Handwerk,  gelehrte  und  andere  Berufe. 


595 


md  selbst  die  Papyrusfabrikation  fand  Eingang,  obschon  die  chartarii  ihr 
Rohmaterial  von  Ägypten  beziehen  mußten  V). 

Endlich  erfuhr  die  Zahl  der  Gewerbe  auch  dadurch  noch  eine  erhebliche 
Vermehrung,  daß  der  mit  der  Bevölkerungszunahme  steigende  Bedarf,  dann 
lie  zunehmende  Vervollkommnung  und  Verfeinerung  der  Technik  zu  einer 
sehr  weitgehenden  Arbeitsteilung  führte,  indem  teils  bei  manchen  gewerb- 
ichen  Produkten  verschiedene  Werkstätten  zusammenarbeiteten2),  teils  zahl- 
reiche Arbeiter  oder  Werkstätten  nur  ganz  bestimmte  Gegenstände  her- 
stellten. Das  beginnt  schon  zur  Zeit  der  Republik3),  nimmt  dann  aber  in 
ier  Kaiserzeit,  wie  uns  die  Inschriften  lehren,  ungemein  zu*).  Die  Bäcker 
teilten  sich  in  Fein-,  Weißbrot-,  Weizenbäcker5);  daneben  kommen  eigene 
Kuchenbäcker,  sogar  für  ganz  bestimmte  Sorten,  auf6).  In  der  Herstellung 
von  Geweben  und  Kleidern  unterscheidet  man  nicht  nur  Lein-  und  Wollen- 
weber7), sondern  auch  die  vorbereitenden  Tätigkeiten:  Wollwäscher  und 
Krempler8);  zum  einfachen  Weber  trat  der  Verfertiger  besonderer  Gewebe9), 
der  Buntweber10)  nebst  den  verschiedenen  Arten  von  Stickern11).  Die  Färber 
schieden  sich  nach  Farbstoffen  und  Nuancen12);  die  Schneider  scheinen  eben- 
falls sich  auf  besondere  Fabrikate  verlegt  zu  haben18),  und  auch  bei  den 
Schustern  finden  wir  Betriebe  für  besondere  Schuh-  und  Stiefelarten14)  neben 
den  Schuhflickern15).  Bei  den  Lederarbeitern  gab  es  Riemer,  Halftermacher, 
Zeltmacher,  Schlauchmacher  u.  a.  m.1G),  und  neben  dem  Gerber  den  Kürschner 
und  den  Pergamentmacher17).  Dann  sind  zu  nennen  neben  den  Seilern  die 
Korb-  und  Mattenflechter18)  und  die  Böttcher19).  Beim  Handwerk  der  Töpfer 


')  Plin.  XXII  75  erwähnt  die  in  Rom  be- 
stellende Papierfabrik  des  Fannius.  Chartarii 
Diom.  I  p.  313P.  und  auf  Inschriften,  vgl.  Mar- 
quardt 822. 

'-)  Das  bezeichnendste  Beispiel  dafür  gibt 
Plin.XXXIV  11:  privatim  Aegina  candelabro- 
rutn  superßciem  dnmtaxat  elaboravit,  sicut  Ta- 
rentutn  scajws.  in  äs  ergo  iuncta  commendatio 
of/ici»arnm  est. 

■)  Man  vgl.  die  bei  Plaut.  Aul.  508  ff.  auf- 
geführtenSpezialgewe/bevonFärbern,  Webern, 
Schneidern  und  anderen  Lieferanten  von  Da- 
mengarderobe, obschon  hier  vielleicht  etwas 
komische  Uebertreibung  anzunehmen  ist. 

4)  Friedländer  Sittengesch.  I  266  f. 

")  Pistores  8Üiginarii,  simüaginarii,  con- 
didtirii,  clibanarii,  Borna»  ienses,  pepsiani.  s. 
oben  S.  163.  Marquardt  420.  Blümner  Tech- 
nol.  I  83. 

6)  Dulciarii,  placentarii,  libarii,  n-ustii- 
farii,scriblitarii,panchrestarii,  dazu  die  jw.s^/7- 
larii,  Bonbonfabrikanten,  und  die  fictores,  s. 
oben  193.  Marqtjardt  a.  a.  0.  Blümner  I  86. 

7)  Linteones,  linarii,  lanarii,  oben  S.  255. 
Marquardt  584.  Blümner  I  184. 

s)  Lanilutores,  carminatores,  pectinarii, 
oben  a.  a.  0.  Marquardt  503.  Blümner  97 
A.12;  102. 

H)   Textores,  pohjmitarü,  malticiarü,  oben 

S.  256.  Marquardt  584.  Blümner  151;  154. 

10)  Die  phrygiones,  plumarii,  segmentarii, 

oben  S.  253  f.;  256.  Marquardt  537  f.;  584. 


Blümner  209 ;  dazu  die  barbaricarii  als  Gold- 
sticker,  Marquardt  541.  Blümner  IV  274. 

lx)  Abgesehen  von  den  purpurarii  nennt 
Plaut,  a.  a.  O.  510  flammarii,  violarü  u.a.,  8. 
oben  S.  216.  Marquardt  506.  Blümner  1 197 
A.  8. 

ii)Wermdiepata(/iarii,i>i(h(si<i)-ii,sfroi)hi- 
arii  usw.  bei  Plaut.  Aul.  509  ff.  nicht  bloß  Händ- 
ler sind,  was  bei  den  sagarii,  paoudarii,  brar- 
carii  sicher  der  Fall  ist;  s.  oben  S.  256 f.  Mar- 
quardt 585.  Blümner  1 197.  Dagegen  sind  die 
centonarii  sicher  die  Fabrikanten  der  centones, 
oben  S.  257.  Marquardt  a.a.O.  Blümner  199. 

13)  Cah-ro/arii,  caligarii,  nrpidarii,  baxe- 
arii,  (laUicarii,  solearii,  sandaliarii.  s.  oben 
S.  258.  Marquardt  597.  Blümner  272. 

14)  Cerdones,  mtores,  veteramentarii,  ebd. 

15)  Lorarii, capist rar ü,tabi'r nanilarii.ii m- 
jndlarii,~onarii,atricidnrü,BMA.fLquAHDTl40. 
Blümner  272  f. 

,6)  Pelliones,  membranarii,  s.  Marquardt 
588.  Blümner  255;  266  A.  1. 

17)  Tfi/i-tarii,  riniiaarii,  BhöusBR292.  Be- 
sondere Netzstricker  kommen  nicht  vor,  da  dies 
häusliche  Arbeit  war,  s.  oben  S.  516  A.  8. 

18)  Vietores,  Plaut  Rud.  990.  Corp.  Gloss. 
II  210, 16;  468,  50. 

19)  Wie  der  molochinarius,  der  Malven- 
stoffe webt,  s.  oben  S.  247.  Marquardt  4'.»1. 
Blümner  I  189.  Dagegen  ist  der  »triomim 
Seidenhändler,  nicht  Seidenweber,  s.  obeD 
S.  245  f. 

38* 


596 


Dritte  Abteilung.   Die  Berufsarten. 


schieden  sich  die  Ziegelstreicher  und  -former1)  von  den  eigentlichen,  Gefäßel 
fabrizierenden  Töpfern2)  und  von  den  Verfertigern  der  Tonfiguren3).  Ver-I 
wandt  sind  die  in  Gips  und  Stuck  hantierenden  Arbeiter4),  weiterhin  diel 
Wachsbossierer 5). 

Die  Beschaffung  und  Verarbeitung  des  Holzes,  die  ursprünglich  den! 
fabri  tignarii  oder  lignarii  zufiel6),  spaltete  sich  in  zahlreiche  Gewerbe:  ab-l 
gesehen  von  den  Holzhauern7)  kommen  in  Betracht  die  eigentlichen  Zimmer-I 
leute,  die  beim  Hausbau  beteiligt  sind8);  sodann  die  Schreiner  in  verschiedenen! 
Branchen,  teils  für  die  innere  Ausstattung  des  Hauses9),  teils  für  die  Fabri-I 
kation  des  Mobiliars10);  weiterhin  die  Drechsler11),  die  auch  Hörn,  Elfenbein] 
u.dgl.  zu  verarbeiten  haben12).  Ebenfalls  diesem  Gebiete  gehören  die  Schiffs-! 
bauer13)  und  die  Wagenbauer14)  an. 

Was  die  Arbeit  in  Stein  anlangt,  so  waren  die  in  den  Steinbrüchen  be- 
schäftigten Arbeiter,  wie  die  in  den  Bergwerken,  zwar  großenteils,  namentlich 
in  schweren  unterirdischen  Betrieben,  Verbrecher,  Kriegsgefangene  u.  dgl.J 
doch  wurden  auch  freie  Arbeiter  beschäftigt15).  Zu  den  lapidarii  im  allgemeinen  | 
Sinne,  die  von  den  marmorarii  als  den  Arbeitern  in  besserem  Material  unter-) 
schieden  werden 16),  gehören  neben  den  Straßenarbeitern 1 7)  vornehmlich  die  mit 
Stein  hantierenden  Bauhandwerker18)  und  die  als  Maurer  zu  bezeichnenden 
Arbeiter,  die  Steine,  Ziegel  und  Mörtel  verarbeiten19),  während  die  marmorarii 
ebensowohl   die  Wandinkrustationen   als  die  Verzierungen  mit  marmornen 


')  Laterarii,  tegidarii,  figuli  ab  imbricibus, 
s.  oben  S.  65.  Marquabdt  669.  Blümneb  II 15. 

2)  Sie  heißen  figuli  im  besondern  Sinne, 
seltner  fictiliarii  (die  Inschr.  Orklli  4189  = 
CIL  XIII 590*  ist  gefälscht),  Corp.  Gloss.  II 388, 
30,  doliarii  ebd.  III  309, 13. 

8)  Sigillarii,  figuli  sigillatores,  s.  Mar- 
quardt 641.  Blümner  II  125. 

4)  Gypsarii,  albarii,  oben  S.  93.  Mar- 
quardt  634.  Blümner  146  f.;  die  dealbatores 
sind  wohl  Weißtüncher,  ebd. 

5)  Cerarii,  Corp.  Gloss.  III  308,22;  497, 
41 ;  525, 47  als  xnQonläoxai  erklärt,  es  können 
aber  auch  Wachshändler  sein,  ebd.  II  349, 19. 

6)  Ueber  den  sehr  ausgedehnten  Begriff 
des  faber,  der  jeden  bedeutet,  der  in  hartem 
Stoff  (Holz,  Elfenbein,  Stein,  Metall)  arbeitet, 
vgl.  Blümner  II 166  f.  Jullien  bei  D.-S.  II  947  f. 
Liebenam  bei  Ruggiero  Dizion.  epigr.  III  4  ff. 
Kornemann  bei  P.-W.  IV  393  ff.  und  VI  1888  ff. 

7)  Sie  heißen  auch  lignarii,  Corp.  Gloss. 
II  378,  28,  lieferten  aber  auch  das  Holz  für 
die  Heizung.  Sonst  ist  lignarius  auch  der  Holz- 
händler, s.  Blümner  240. 

8)  Das  sind  die  fabri  tignarii  oder  tignu- 
arii  im  engeren  Sinne,  seltner  fabri  lignarii, 
oben  S.  66.  Marquardt  719.  Blümner  241.  Hier- 
her gehören  auch  die  scandularii,  die  Schindel- 
macher, Digg.  L  6,  6. 

a)  Es  sind  die  oben  S.  67  erwähnten  fabri 
intestinarii  und  subaediani,  dann  die  Plafond- 
macher, laquearii,  lacunarii,  oben  S.  94.  Mar- 
quardt 721.  Blümner  324,  und  die  Treppen- 
macher, scalarii,  Blümner  327. 


10)  So  die  lectarii,  grdbatarii,  areularia 
arcarii,  cistarii,  armariarii,  plutearii,  s.  oben 
159.  Marquardt  721.  Blümneb  327. 

1  *)  Spätlat.  tornatores,  s.  Blümnee 333;  hier- 
her gehören  die  pugillarii,  ebd.  327. 

Vi)  Als  eborarii,  pectinarii,  s.  oben  S.  255 
A.15.  Mabquabdt741.  Blümner  364.  Koene- 
mann  a.  a.  O.  VI  1903  f.  Hierher  gehören  auch 
die  fabri  oculariarii,  die  aus  Bernstein,  Glas, 
Stein  u.  dgl.  die  Augen  der  Bronzestatuen  ver- 
fertigten, Mabquabdt  688. 

1 3)  Fabri  navales,  naupegi,  Mabquabdt  719. 
Blümneb  214.  Koenema^nn  1896  f. 

14)  Carpentarii,  rhedarii,  essedarii,  risi- 
arii,  die  pictores  quadrigularii  (Wagenanstrei- 
cher), oben  S.  460.  Mabquabdt  727.  Blümneb 
325.  Marquardt  zieht  auch  die  Polstermacher, 
culcitrarii  (vgl.  Blümneb  I  208)  hierher,  doch 
wurden  Polster  auch  für  Betten,  Stühle  u.  dgl. 
gebraucht. 

15)  Exemtores,  lapicidinarii,  s.  oben  S.  66. 
Mabquabdt  623.  Blümneb  III  69. 

16)  Blümneb  III 6;  auch  lapicidae  sind  Stein- 
hauer, nicht  Steinbrecher,  s.  ebd. 

17j  Silicarii,  ebd.  8;  auch  putearii,  die 
Brunnenmacher,  sind  zu  nennen,  ebd. 

18)  Lapidarii,  quadratarii,  sectores  ser- 
rarii,  s.  oben  S.  66.  Mabquardt  a.  a.O.  Blüm- 
ner 7;  83. 

,9)  Architecti,  structores  (spez.  structores 
parietarii),  instructores,  spätl.  caementa r i i , 
aciscularii,  machiones,  perpendiculatores,  s. 
oben  S.  66.  Marquardt  632  f.  Blümner  III  7 ; 
89.  Kornemann  1899  f. 


Dritter  Abschnitt.    Handwerk,  gelehrte  und  andere  Berufe.  597 

Ornamenten,  Friesen  usw.  besorgen  1).  Für  den  zum  Bau  nötigen  Mörtel 
Borgten  die  Kalkbrenner2). 

Bei  der  Metallarbeit  haben  wir  schon  der  Trennung  nach  den  ver- 
schiedenen Metallen  gedacht;  innerhalb  der  einzelnen  Gebiete  treten  aber 
[weitergehende  Teilungen  ein.  Die  Gefäßarbeiter,  die  vascularn,  verarbeiten 
besonders  Gold,  Silber  und  Bronze;!).  Zum  Goldschmied  trat  als  Spezialität  der 
Ringmacher4),  der  den  Edelsteinen,  die  der  Gemmenschneider  ihm  lieferte6), 
die  Fassung  gab;  geringer  war  die  Tätigkeit  der  Goldschläger6),  Golddraht- 
zieher7) und  Vergolder8).  Der  Silberarbeit  und  der  Erzarbeit  gehören  die 
Metallgießer  in  erster  Linie  an,  da  Gold  selten,  Eisen  gar  nicht  gegossen 
wurde9).  Wesentlich  in  Erz  arbeiteten  die  Kandelabermacher,  Laternenmacher, 
Gefäßbildner  u.  dgl.10),  sowie  die  Verfertiger  von  Blasinstrumenten11).  Sowohl 
Erz  wie  Eisen  verarbeiteten  die  verschiedenen  Zweige  der  Waffenfabrikation, 
die  Schwertfeger,  die  Helm-,  Panzer-  und  Schildverfertiger  u.  dgl.  m.12),  denen 
sich  der  Schleifer  und  Polierer  zugesellt13).  Nur  der  Eisenarbeit  gehören  an 
die  Werkzeugfabrikanten  (armamentarii),  unter  denen  wiederum  die  Sichel- 
macher, Messerschmiede,  Schlosser,  Nagelschmiede,  Nagler  usw.  besondere 
Branchen  ausmachen14).  Endlich  sind  auch  die  Bleiarbeiter,  denen  besonders 
die  Herstellung  der  Wasserleitungsröhren  oblag,  zu  nennen16). 

Die  meisten  dieser  Gewerbe  sind  uns  nur  durch  Inschriftenfunde,  von 
denen  ein  großer  Teil  stadtrömische  sind,  bekannt.  Allein  im  wesentlichen 
arbeiteten  die  Handwerker  in  der  Hauptstadt10)  nur  für  deren  Bedarf  oder 
für  die  umwohnende  Landbevölkerung17);  ein  Hauptfabrikationsplatz  mit 
Exportwaren  für  den  Welthandel  ist  Rom  auch  in  der  Kaiserzeit  nie  gewesen, 
und  für  zahlreiche  Artikel  blieb  es  stets,  wenn  auch  nicht  mehr  so  stark 


a)  Marmorarii  subaedani,  Marquardt 
624.  Blümner  185.  Marmorarii  sind  auch  die 
Verfertiget-    von    Grabsteinen,    Sarkophagen, 


quardt  713.  Blümner  339;  wohl  auch  die  Ge- 
wichtfabrikanten,  sacomurii.  CIL  X  1930. 
u)   Tubarii,  eontuarü,   Marquardt  und 


marmornen  Tischen,  Sesseln,  Vasen,  Kande-  Blümner  a.  a.  0. 

labern  u.  a  m.,  s.  Marquardt  625.  ")  Olc^iaHi,8paiharii,haatarn,9agittarn, 

2)  Calcarii,  caicarlarii,  oben  S.  86,  Mar-  eassidarii,  loricarti,  scutÖHl,  pai'mutat'K,  s. 

quardt  634.  Blümner  103.  i   Marquardt  713  f.  Blümner  361  f.  Die  hrieorü 

3)  Siehe  oben  S.  408.  Marquardt  696.  und  scutarii  waren  zugleich  Lederarbeiter.  Da- 
Blümner  IV  306.  Besondere  Techniken  ver-  zu  kommen  die  Verfertiger  der  Bogen,  arm- 
treten  die  crustarii  und  die  caelatores,  oben  arü,  die  Hörn  und  Holz  verwenden,  und  die 
S.408.  Marquardt  695.  Blümner  IV  235 ;  248.  bal/istarii,  deren  Maschinen  Holz,  Metall,  Taue 

4)  Anularii,  oben  S.  266.  Marquardt  700.  u.  a.  m.  erfordern,  s.  ebd. 

Blümner  IV  305.  l3)  Samiatores,  s.  Hu'mnek  IV  353. 

5)  Gemmarii,  gemmarum  scalptores,  gern-  14)  FaHearU,  doiabrarü,  mttrarü,  dmuttru 
warum  politores,   seltner  insignitores,   cava-  rii,  clavicarii,  clavarii,  aeuarii,  s.  Marquardt 
tores,  s.  oben  Sv  265.  Marquardt  707.  Blüm-  715.  Blümner  363. 

m:i;  III  281  f.  ")  Plumbarii,  Marquardt  717.  Bi.ümner 

6)  Brattearii,  bratteatores,  S.  oben  S.  266.  375. 

Marquardt  686.  Blümner  IV  307  f.  ltf)  Eine  Zusammenstellung  der  Gewerbe 

7)  Aurinetores,  s.  Blümner  z.  Ed.  Diocl.  in  Rom  s.  Blümner  Gewerbl.  Tätigk.  d.  Volk. 
30,  6  S.  178.  Was  die  ebd.  Z.  4  genannten  auri-  d.  klass.  Altert.  110. 

caesores  sind,  ist  ungewiß.  17)  Cato  r.  r.  135, 1  empfiehlt,  tunivue,  togae, 

8)  Auratores,  inauratores, Marquardt 695.  saga,  Centimes,  si-x/poneae  in  Rom  zu  kaufen. 
Blümner  IV  309.  ferner  dolia,  labra ;  ebd.  2 :  aratra.  inga, 

9)F/attirar;i,ftatores,fHSores,M.^K<)VARDT  clostra  u.a.m.   Aber  für  andere  in  der  Wirt- 

688.  Blümner  109;  179;  doch  kommt  ein  fla-   '   schaft  nötige  Dinge  empfiehlt  er  Cales,  Min- 

turarius  auri  et  argenti  vor,  CIL  VI  8456.  turnae,  Venafrum  und  andre  Bezugsquellen,  so 

10)  Außer  den  vasenlarii  die  simpulariarii,  daß  diehauptstädtischen  Fabrikate  nicht  durch- 

candelabrarii,  lantemarii,  oben  S.  143.  Mau-  weg  für  die  besten  gegolten  zu  haben  scheinen. 


598 


Dritte  Abteilung.   Die  Berufsarten. 


wie  in  den  ersten  Jahrhunderten  der  Republik,  auf  Nachbarländer  oder  auil 
den  überseeischen  Einfuhrhandel  angewiesen1). 

Wir  sind  bei  den  oben  aufgezählten  Gewerben  teilweise  bis  tief  in  denl 
Ausgang  der  Kaiserzeit  hinabgegangen  und  kehren  nun  zu  jener  Nachricht 
Plutarchs  über  die  Handwerkerzünfte  des  Numa,  von  der  wir  ausgegangen 
waren,  zurück.  Gleichviel,  ob  seine  Angabe,  daß  Numa  die  erwähnten) 
Handwerkerkollegien  gestiftet  habe,  richtig  ist  oder  nicht,  so  viel  ist  auf 
alle  Fälle  daraus  zu  entnehmen,  daß  es  solche  Kollegien  schon  in  der  frühen 
Königszeit  gab2).  Wenn  nun  damals  die  Handwerker  sich  zu  solchen  staatlich 
anerkannten  Verbänden  zusammentun  durften  oder  vielleicht  auch  mußten, 
so  ist  mit  Sicherheit  anzunehmen,  daß  die  Mitglieder  dieser  Kollegien  freie  | 
Bürger  waren3).  Obschon  wir  über  die  soziale  Lage  der  Handwerker  nicht  nur 
in  der  Frühzeit,  sondern  auch  für  die  Zeit  der  Republik  nur  sehr  wenig  unter- 
richtet sind,  so  darf  man  doch  behaupten,  daß  in  den  ersten  Jahrhunderten 
der  Stadt  von  jener  Geringschätzung,  die  später  alle  Handwerke  wie  jede 
bezahlte  Arbeit  als  verächtlich  betrachtete,  noch  nicht  die  Rede  war4). 
Freilich  konnten  nur  Plebejer,  die  weder  Grundbesitz  noch  größeres  Ver- 
mögen hatten  und  doch  ihr  Leben  auf  irgendeine  Art  fristen  mußten,  sich 
diesen  Beruf  wählen5),  während  die  Patrizier  ihre  Kräfte  teils  dem  Kriege, 
teils  der  Landwirtschaft  widmeten.  Aber  in  jenen  Jahrhunderten  war  jeden- 
falls die  Konkurrenz  von  Sklaven,   deren  Zahl  ja  damals  überhaupt  noch 


J)  Mommsen  Rom.  Gesch.  1 856  f.  weist  dar- 
auf hin,  daß  sich  gar  keine  Versuche  zeigen, 
die  gewerbmäßige  Industrie,wie  sie  in  Aegypten 
und  Syrien  bestand,  nach  Italien  zu  verpflanzen 
oder  auch  nur  sie  im  Auslande  mit  italischem 
Kapital  zu  betreiben ;  und  ebd.  II  399 :  „Von 
Gewerben  und  Fabrikation  ist  nichts  zu  sagen, 
als  daß  die  italische  Nation  in  dieser  Hinsicht 
in  einer  an  Barbarei  grenzenden  Passivität  ver- 
harrte." 

a)  Man  hat  meist  die  Notiz  des  Florus  I 
6,  3:  ab  hoc  (sc.  Servio  Tullio)  populus  Roma- 
nus relatus  in  censum,  digestus  in  classes,  de- 
curiis  (Mommsen  De  colleg.  28 :  curiis)  adque 
cöllegiis  (Hüschke  Verf.  d.  Servius  149:  centu- 
riis)  distributus,  summaque  regis  sollertia  ita 
est  ordinata  res  publica,  ut  omnia  patrimo- 
nii,  dignitatis,  aetatis,  artium  officiorumque 
discrimina  in  tabulas  referrentur  als  eine  ab- 
weichende Ueberlieferung  aufgefaßt,  vgl.  Dru- 
mann  Arb.  u.  Commun.  154.  Liebenam  1.  Hin- 
gegen will  Kaelowa  Rom.  Rechtsgesch.  II  63 
die  Nachricht  nur  dahin  verstehen,  daß  Servius 
die  einzelnen  Volksklassen  nach  Vermögen, 
Alter,  Beruf  etc.  in  die  öffentlichen  Register 
eintragen  ließ ;  zustimmend  Waltzing  1  63. 

3)  Wenn  Bücheb  in  seiner  Entstehung  der 
Volkswirtschaft  (4.  Aufl.  1904)  S.  117  mit  Rod- 
bertus  in  d.  Jahrb.  f.  Nationalökonomie  u.  Stati- 
stik II 267 :  IV  341  u.  s.  vom  alten  Rom  schlecht- 
hin behauptet,  „es  gebe  da  keine  produktiven 
Berufsstände,  keine  Landwirte,  keine  Hand- 
werker; es  gebe  kein  Unternehmungskapital. 
das  Arbeit  um  Lohn  kaufte,  keine  Industrie 
außerhalb  des  geschlossenen  Hauses;  die  opi- 


fices  der  Quellenschriften  seien  keine  freien  Ge- 
werbetreibenden, sondern  Handwerkssklaven, 
welche  aus  den  Händen  der  Acker-  und  Hirten- 
sklaven das  Korn,  die  Wolle,  das  Holz  em- 
pfingen, um  sie  zu  Brot,  zu  Kleidung,  zu  Ge- 
räten zu  verarbeiten,"  so  stimmt  diese  Dar- 
stellung zu  keiner  Periode  des  römischen 
Reichs,  und  E.  Meyer  war  durchaus  berech- 
tigt, in  seinem  Vortrag  Die  volkswirtschaft- 
liche Entwicklung  des  Altertums,  Jena  1893 
(wiederabgedr.  Kleine  Schriften  79  ff.)  ihr  ent- 
gegenzutreten, obschon  Bücher  das  Positive 
seiner  Behauptungen  dadurch  abzuschwächen 
sucht,  daß  er  sagt,  er  treibe  nur  Wirtschafts- 
theorie, nicht  Wirtschaftsgeschichte.  Vgl.  was 
Meyer  Kl.  Schriften  85  A.  4  hierzu  bemerkt, 
sowie  Wilcken  Griech.  Ostraka  I  681  ff.  und 
Gummerus  Rom.  Gutsbetrieb  5  f.  u.  95. 

4)  Zwar  sagt  Dion.  Hai.  II  28, 1,  schon 
Romulus  hätte  diejenigen  Berufe,  die  mit 
sitzender  Lebensweise  verbunden  und  banau- 
sisch wären  und  schimpfliche  Begierden  weck- 
ten, weil  sie  Leib  und  Seele  verdürben,  bloß 
den  Sklaven  und  Fremden  verstattet,  während 
die  freien  Bürger  nur  Krieg  und  Landwirt- 
schaft hätten  treiben  dürfen;  und  IX  25.  2 
wiederholt  er  die  Behauptung,  daß  damals  (es 
handelt  sich  um  das  Jahr  476  v.  Chr.)  kein  rö- 
mischer Bürger  hätte  Kleinhändler  oder  Hand- 
werker sein  können.  Allein  schon  die  Existenz 
der  Zünfte  allein  genügt,  um  das  als  einen 
Irrtum  zu  erweisen;  vgl.  Drumann  156. 

5)  Das  wird  freilich  von  Liebenam  6  f. 
geleugnet,  weil  die  Plebs  stets  als  der  bäuer- 
liche Teil  des  römischen  Volkes  erscheine. 


Dritter  Abschnitt.    Handwerk,  gelehrte  und  andere  Berufe. 


599 


er  alicht  bedeutend  war,  und  der  Fremden,  die  nach  Rom  einwanderten,  um  dort 
lin  Gewerbe  zu  betreiben,  noch  nicht  zu  befürchten1).  Allerdings  werden  die 
Arbeiter,  die  von  diesen  freien  Handwerksmeistern  beschäftigt  wurden,  nur 
klaven  gewesen  sein,  und  auch  diese  noch  nicht  in  so  erheblicher  Anzahl. 
vie  es  später  beim  fabrikmäßigen  Betriebe  mancher  Gewerbe  der  Fall  war! 
Allein  diese  Wertschätzung,  deren  sich  das  Handwerk  in  der  Frühzeit 
$twa  noch  erfreute,  scheint  doch  nicht  sehr  lange  angedauert  zu  haben; 
it  lie  servianische  Ordnung,  die  den  Heerdienst,  der  zwar  Last,  aber  auch 
ähre  war,  auf  diejenigen  Gewerbe,  die  für  den  Krieg  speziell  geeignet  waren, 
a  lie  Zimmerleute,  Kupferschmiede  und  gewisse  Klassen  von  Spielleuten,  be- 
frei schränkte2),  sie  hat  wohl,  wie  Mommsen  vermutet3),  den  Anfang  gebildet 
!u  der  späteren  sittlichen  Geringschätzung  und  politischen  Zurücksetzung 
3er  Gewerbe.  Es  kam  daher  auch  in  der  Republik  nicht  zur  Bildung  eines 
mabhängigen  Handwerkerstandes,  so  wenig  wie  es  eine  anständige  Kauf- 
mannschaft gab.  War  der  Charakter  des  Römers  schon  an  und  für  sich  für 
diese  Berufe  nicht  geeignet,  so  trat  dem  noch  mehr  hindernd  in  den  Weg 
sein  Bestreben,  vornehmlich  als  Staatsbürger  und  als  Soldat  dem  Staate  zu 
oützen;  und  gleichzeitig  wurde  durch  die  immer  zunehmende  Sklavenwirtschaft 
die  gewerbliche  Arbeit  ebenso  wie  die  landwirtschaftliche  Sklavenarbeit  ver- 
achtet4). Selbstverständlich  gab  es  auch  weiterhin  immer  noch  Freie  oder 
Freigelassene,  die  mit  unfreien  Arbeitern  ein  Handwerk  betrieben  und  dabei 
zu  Vermögen  kamen5);  aber  mehr  und  mehr  wurde  es  üblich,  daß  solche 
Gewerbe  von  Sklaven  betrieben  wurden,  die  ihr  Herr  als  Handwerker  be- 
schäftigte, ohne  daß  er  selbst  ein  solcher  war,  oder  von  Freigelassenen  oder 
Klienten,  denen  ihr  ehemaliger  Herr  oder  ihr  Patron  das  Kapital  zum  Betrieb 
hergab,  wofür  er  seinen  regelmäßigen  Geschäftsanteil  bezog.  Wie  die  großen 
Grundbesitzer  auf  ihren  Landgütern  nicht  bloß,  wie  es  ursprünglich  der  Fall 
gewesen  war,  für  den  eigenen  Bedarf,  sondern  auch  und  sogar  wesentlich 
für  den  Verkauf  produzierten,  wie  sie  gewisse  gewerbliche  Betriebe  ein- 
richteten, um  ihr  Kapital  darin  arbeiten  zu  lassen,  und  wie  sie  Sklaven 
hatten,  die  bestimmte  Fertigkeiten  besaßen  und  von  den  Herren  zur  Aus- 
übung derselben  an  andere  vermietet  wurden,  so  kam  auch  in  der  Stadt  der 
Gewerbebetrieb  vielfach  in  die  Hände  von  Großkapitalisten,  die  selbst  gar 
keine  Handwerker  waren,  aber  eine  Menge  Sklaven  als  solche  beschäftigten6), 
oder,  was  schon  in  republikanischer  Zeit,  noch  viel  mehr  aber  in  der  Kaiser- 
zeit üblich  war,  ihre  gewerblich  ausgebildeten  Sklaven  irgendeinem  Hand- 
werker oder  Privatmann  vermieteten7).  Da  ist  es  denn  begreiflich,  daß  die 
kleinen  Handwerker,  die  mit  bescheidenem  Kapitale  arbeiteten  und  nur  über 
wenig,  manchmal  vielleicht  über  gar  keine  Gehilfen  verfügten,  immer  mehr 

l)  Vgl.  Wallon  Hist.  de  l'esclav.  II  11.  3)  Rom.  Gesch.  I  197. 

Wezel  12  f.  Es  ist  daher  nicht  richtig,  wenn  4)  Ebd.  450. 

Lange  Rom.  Altert.3 1  284  sagt,  nur  Klienten  "')  Der  Vater  des  C.  Terentius  Varro  (Kon- 
fund etwa  ihnen  gleichstehende  Freigelassene)  suis  vom  Jahr  216  v.  Chr.)  war  Metzger  ge- 
könnten es  gewesen  sein,  die  damals  Hand-  weseu  und  hatte  auch  selbst  in  seiner  Fleischer- 
werke trieben  (vgl.  dazu  auch  M.  Cohn  Zum  budeverkauft.hattedabeiabereinVermögener- 
röm.  Vereinswesen  23).  worben.Liv.XXII25, 19;26,1.  Val.Max.lII4.4. 

-)  Nur  im  Notfalle  weiden  sonst  Hand-  ,;)  Mommsen  Rom.  Gesch.  1847;  II 75.  Mar- 

werker  zum  Kriegsdienst  herangezogen,  Liv.  quardt  Privatleb.  165  f. 

VIII  20,4;  vgl.  X  21,3.  ;)  Digg.XXXIIl  7,19,1;  vgl.  oben  S.  285. 


600 


Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 


herunterkamen,  und  daß  der  Beruf,  dem  der  Römer  ohnehin  so  wenig  Wert-I 
Schätzung  entgegenbrachte,  nun  geradezu  verachtet  war  und  als  schmutzig*! 
Sklavenarbeit  galt1);  diese  freien  Handwerker  bildeten  nicht  einen  geachteter! 
Mittelstand,  sondern  zählten  mit  Lohnarbeitern  und  anderem  Gesindel  zuii 
Hefe  des  Volkes2).  Und  diese  Geringschätzung  des  Handwerkerstandes  blieb! 
auch  in  der  Kaiserzeit  die  gleiche3),  obschon  es  immer  mehr  vorkam,  dafiB 
Handwerker  sich  durch  Großbetrieb  Reichtümer  erwarben4). 

Daß  der  Gewerbebetrieb  vornehmlich  in  der  Hand  von  Freigelassenen  i 
lag,  das  lehren  am  besten  die  Inschriften,  die  überhaupt  das  einzige  Material! 
für  die  Frage  nach  der  sozialen  Stellung  der  Handwerker  liefern5),  aber  auchj 
nur  sehr  unvollständig,  da  man  in  sehr  vielen  Fällen  über  den  Zivilstand  des! 
genannten  opifex  gar  nichts  daraus  entnehmen  kann6).  Wenn  von  dem  inschrift- 
lichen Material  das  unsichere  beiseite  gelassen  wird  und  ebenso  dasjenige, 
das  sich  auf  Handwerkssklaven  im  Privathause  der  Reichen  oder  der  kaiser- 
lichen Familie  bezieht,  so  ergibt  sich  aus  einer  Übersicht7),  daß  unter  den  In- 
schriften des  gesamten  römischen  Reiches  3V2  Prozent  auf  Freie  als  Arbeiter! 
gehen,  183/4  auf  Freigelassene,  33M  auf  Sklaven8);  in  der  Stadt  Rom  sind  die  ! 
entsprechenden  Zahlen  21/*,  313/4,  61/*9).    So  wenig  Gewicht  auf  diese,  auf 
dem  Zufall  der  Erhaltung  einschlägiger  Inschriften  beruhenden  Zahlen  zu 


')  Der  oben  erwähnte  Terentius  Varro 
wollte  durch  seine  Karriere  vergessen  machen, 
daß  er  loco  non  huniili  solum  sed  etiam.  soi-dido 
ortus  war,  Liv.  a.  a.  0.  Vgl.  ebd.  XXI  63,  4: 
quaestus  omnis  patribus  indecorus  erat.  Cicero 
rechnet  de  off.  I  42, 150  Kleinhändler  und  Ge- 
werbetreibende zu  den  sordida  officia:  opi- 
fices  omnes  in  sordida  arte  versantur ;  nee  enim 
quiequam  ingenuum  habere  potest  officina. 

2)  Cic.  pro  Flacco  8, 18:  opifices  et  taber- 
■narios  atque  illam  omnemfaecem  civitatum.  Sie 
waren  nicht  bloß  untauglich  zum  Kriegsdienst, 
wie  Liv.  VIII  20,  4  bemerkt:  opificum  quoque 
vulgus  et  sellularii,  minime  militiac  idoneum 
genus,  sondern  auch  stets  bereit,  an  Unruhen 
und  Aufruhr  sich  zu  beteiligen,  Sali.  Cat.  50, 1 ; 
lug.  73,  6;  vgl.  Cic.  Cat.  IV  8, 17 ;  Acad.  prior.  II 
47, 144.  Die  Töchter  von  Handwerkern  konnten 
nicht  Vestalinnen  werden,  Gell.  112,  5;  und 
wer  ein  Gewerbe  betrieb  oder  für  seine  Dienst- 
leistungen Lohn  empfing,  war  von  der  Bewer- 
bung um  Magistratsämter  ausgeschlossen,  s. 
Mommsen  Rom.  Staatsrecht  I  898. 

:i)  Sen.  ep.  88,  21 :  quattuor  alt  esse  artium 
Posidonius  genera:  sunt  vulgares  et  sordidae, 
sunt  ludicrae,  sunt  pueriles,  sunt  liberales :  vul- 
gares opificium,  quae  manu  constant  et  ad  in- 
struendam  vitam  oecupatae  sunt,  in  quibus 
mala  decoris,  nulla  honesti  simulatio  est;  vgl. 
de  benef.  VI  17,1.  Ganz  besonders  ist  es  der 
Schuster,  der  fast  sprichwörtlich  als  Typus 
der  Niedrigkeit  erscheint,  s.  Cic.  pro  Flacco  7. 
17:  id  sutores  et  zonarii  conclamarunt .  luv. 
3,294;  4,153  mit  Schol.;  8,182. 

4)  Man  kann  an  den  Bäcker  Eurysaces 
erinnern,  der,  wie  die  Bildwerke  an  seinem 
Grabdenkmal  vor  Porta  maggiore  in  Rom  er- 


weisen, jedenfalls  einen  großartigen  Betrieb 
hatte  und  seine  Erzeugnisse  wohl  nur  en  gros 
abgab,  s.Mon.  d.  Inst.  11  58  und  O.Jahn  A.d.I. 
X  (1838)  231  ff.  Bei  Mart.  III  16,  1  kommt  ein 
reich  gewordener  Schuster  aus  Bononia  vor, 
der  Fechterspiele  gibt,  vgl  ebd.  99, 1 ;  dasselbe 
tut  ein  Walker  in  Mutina,  ebd.  59,  2.  Bei  Pe- 
tron.  46,  1  bezeichnet  sich  der  centoiuu-ius 
Echion  selbst  als  pauper,  aber  sein  Söhnchen 
hat  doch  einen  eigenen  Hauslehrer  für  Grie- 
chisch und  Lateinisch,  ebd.  5.  Auch  der  Stein- 
metz Habinnas,  der  ebd.  65  auftritt,  scheint 
sein  Schäfchen  im  Trocknen  zu  haben. 

5)  Dies  ist  speziell  das  Thema  der  oben 
erwähnten  Arbeit  von  Georg  Kühn,  der  S.  74 
die  Anzahl  aller  auf  Inschriften  erwähnten 
opifices  auf  1854  angibt. 

f;)  Nur  wenn  der  Vater  angegeben  ist,  er- 
kennt man  den  Freien,  wenn  der  ehemalige  Herr 
genannt  ist,  den  Freigelassenen,  oder  den  Skla- 
ven an  direkter  Angabe.  Bezeichnend  ist  die  An- 
führung von  zwei  bis  drei  Namen,  deren  Träger 
jedenfalls  Freie  oder  Söhne  von  Freigelassenen 
sind,  und  die  Nennung  eines  römischen  Gentil- 
namens  mit  einem  griechischen  Kognomen.  was 
auf  einen  Freigelassenen  deutet,  s.  Kühn  19  f. 

7)  Siehe  ebd.  72  ff. 

*)  Der  geringe  Prozentsatz  der  Sklaven  er- 
klärt sich  daher,  daß  Handwerkssklaven  selten 
besondere  Grabmäler  zuteil  wurden,  abgesehen 
von  den  zu  einer  großen  familia  gehörenden, 
die  im  Kolumbarium  beigesetzt  wurden. 

9)  Was  die  Namen  anlangt,  so  haben  im 
römischen  Reich  von  den  Handwerkern  der  er- 
haltenen Inschriften  919  zwei  bis  drei  Namen, 
459  römischen  Gentilnamen  und  griechisches 
Kognomen. 


Dritter  Abschnitt.    Handwerk,  gelehrte  und  andere  Berufe.  601 

en  ist,  so  liefern  sie  doch  einen  entschiedenen  Beweis  für  die  Unrichtigkeit 

■Jer  Behauptung  neuerer  Nationalökonomen1),  data  das  römische  Handwerk 

st  ganz  Hausarbeit  gewesen  sei.     In  Ägypten  ergeben  die  Ostnika  und 

apyri,  daß  dort  in  der  Kaiserzeit  das  Handwerk  fast  ganz  in  den  Händen 

er  freien  Bevölkerung  lag,  nur  zum  kleinen  Teil  in  der  von  Sklaven,  und 

als  Gewerbesklaven  im  Dienste  vornehmer  Häuser  völlig  zurücktreten2). 

Über  die  Art  des  gewerblichen  Betriebes  sind  unsere  Quellen  leider  sehr 
pärlich;  wenn  wir  absehen  von  vereinzelten  Notizen,  sind  es  vornehmlich 
wei,  zeitlich  weit  auseinanderliegende,  nämlich  die  landwirtschaftlichen 
Schriftsteller,  besonders  Cato  und  Varro3),  und  das  Edictum  DiocUtiamt  <l< 
nretiis  verum  renalium.  Im  allgemeinen  ergibt  sich  daraus,  daß  von  den 
'on  der  heutigen  Volkswirtschaftslehre  nach  Bücherscher  Terminologie  an- 
genommenen Betriebssystemen  die  drei  Arten  des  Hauswerks,  des  Lohnwerks 
md  des  Handwerks  den  Römern  der  republikanischen  wie  der  Kaiscrzcit 
geläufig  waren.  Das  Hauswerk  besteht  darin,  daß  die  Sklaven  alles  das, 
vas  der  Haushalt  bedarf,  produzieren4).  Es  gab  nun  allerdings  in  großt-n 
haushalten  mit  zahlreichen  Sklaven  in  der  Regel  auch  Handwerkssklaven, 
lie  in  der  von  ihnen  erlernten  Branche  nur  für  ihren  Herren  arbeiteten, 
jogar  bis  zur  künstlerischen  Produktion5).  Am  ausgedehntesten  war  dies 
System  natürlich  auf  den  großen  Landgütern  möglich,  deren  Besitzer  in  der 
Tat  nicht  nur  durch  den  Ertrag  ihrer  Ländereien,  sondern  auch  durch  die 
»ewerbliche  Produktion  ihrer  Sklaven  in  der  Lage  waren,  nur  äußerst  wenig 
industrielle  Fabrikate  käuflich  erstehen  zu  müssen6).  Allein  bei  Gütern  von 
mäßiger  Größe  lagen  die  Dinge  anders,  da  mußte  das  Hauswerk  beschränkt 
werden.  Bei  Cato  findet  sich  keine  Spur  von  berufsmäßig  ausgebildeten  Hand- 
werkssklaven, und  daher  konnten  nur  solche  Gewerbserzeugnisse  auf  seinem 
Mustergute  produziert  werden,  deren  Herstellung  keine  besonderen  technischen 
Fertigkeiten  erforderte7).  Solche  Hausarbeiten  sind,  zumal  im  Winter  und  wenn 
das  Wetter  die  Feldarbeit  hindert,  Schnitzen  der  Pfähle  für  die  Reben  und  der 
Kienspäne  zur  Beleuchtung,  Flechten  von  Seilen  und  Körben,  Ausbessern  von 
Tonfässern,  Flicken  der  Sklavenkleider  u.dgl.8).  Daß  die  Mägde  spinnen  mufften, 
ist  selbstverständlich,  obschon  Cato  es  nicht  erwähnt;  daß  auch  Weberarbeit 
verrichtet  wurde,  beweisen  die  im  Inventar  der  Villa  genannten  Webstühle9). 


!)  Siehe  oben  S.  598.  ,;)  Natürlich  ist  es  humoristische  Ueber- 

Vgl.  Wilcken  Griech.  Ostraka  I  695.  treibung,  wenn  bei  Petron.  38, 1  ein  Tischgast 

von  Trimalchio  prahlt :  nee  est  quod  pttte»  üTmm 
qtUcqyum  entert,  omni*  rf/mii  muemKhtr:  I 
eredrae,  piper,  lade  gaOinaeeum  tigtianit 


3)  Vgl.  besonders  die  oben  S.  533  erwähnte 
Abhandlung  von  Gummerus. 

4)  Das  ist  das,  was  man  seit  Rodbektus 


als  „Öikenwirtschaft"  bezeichnet  und  worin  /»renies.  Uebrigens  ist  hier  weniger  von  ge- 

BÜCHEB   das  das  gesamte   Altertum    beherr-  werblichen  Produkten  die  Rede,  wie  Bi'Vhkk 

sehende  volkswirtschaftliche  System  erkennen  meint,  der  daher  übersetzt  „ alles  wird  bei  ihm 

will.  Die  betr.  Terminologie  hat  Bücher  zuerst  erzeugt*,  als  von  solchen  des  Bodens,  weshalb 

im  Handwörterbuch  der  Staatswissenschaften  besser  (mit  Fbiedländeb)   »alles  wächst  auf 

III  934  ff.  vorgeschlagen.                                       :    seinem  eigenen  Boden4  übersetzt  wird.   Vgl. 
5)  So  hatte  Verres  nach  CicVerr.  act.  II,  E.  Meyeb  Kl.  Sehr.  84  A.  1. 

IV  24,  54  unter  seinen  Dienern  caelatores  ac  '')  Gummebus  35. 

htscularii;  luv.  9, 145  wünscht  sich  einen  cur-  *)  Cato  r.  r.  2.  3;  23, 1 ;  37.  3;  30, 1  f. 

Ems  caelator  et  alter,  \  qui  multas  faeiea  pingü  '■')  Cap.  10,  5  u.  14,  2;  sie  heißen  telae  l<>- 

Uto.   Ein  caelator  Germania  Caesaris  CIL  VI  gales  (nicht,  wie  man  früher  las.  loyales),  waren 

4328.  also  in  der  Anwendunganscheinend  beschränkt. 


602 


Dritte  Abteilung.   Die  Berufsarten. 


Da  auch  Walkergerät  erwähnt  ist1),  so  wurden  auf  dem  Gute  sicher  Kleidungsi 
stücke  hergestellt;  allein  offenbar  nur  in  beschränktem  Maße:  für  die  gesamt! 
Herrschaft  und  Dienerschaft  die  Kleider  auf  dem  Gute  selbst  herzusteller  I 
hätte  offenbar  die  Arbeitszeit  zu  sehr  in  Anspruch  genommen  und  vo;i 
der  Hauptsache,  der  Feldbestellung,  abgezogen,  daher  werden  die  meiste! 
Kleidungsstücke  in  Rom  und  anderwärts  gekauft,  womit  zugleich  ein  BeleJ 
gegeben  ist,  daß  dergleichen  von  den  Fabrikanten  auf  Vorrat  und  nicht  bloJJ 
auf  Bestellung  gearbeitet  wurde2).  Ähnlich  steht  es  mit  anderen  Erzeugnisse« 
des  häuslichen  Fleißes.  Obschon  die  Körbe  für  die  Oliven-  und  Weinernte  inl 
Hause  geflochten  werden,  müssen  doch  gewisse  Sorten  auswärts  eingekauf  I 
werden3);  und  obgleich  die  Sklaven  Seile  und  Stricke  drehen,  wird  doch  füll 
diverse  Sorten,  namentlich  die  aus  spanischem  Spartum,  Einkauf  empfohlen4)! 
Was  Lederarbeiten  anlangt,  so  hatte  man  natürlich  auf  dem  Lande  das  Roh-I 
material  von  selbst  zur  Hand;  ob  man  es  selbst  gerbte,  ist  nicht  zu  beurteilen.1 
wahrscheinlich  aber  schickte  man  sie  den  Berufsgerbern,  die  ja  in  Rom  sehi 
früh  auftreten5).  Einfache  Lederriemen  fertigte  man  dann  wohl  daheim  an. 
aber  Ledertaue,  wie  man  sie  zu  verschiedenen  Zwecken  brauchte,  rät  Cato, 
von  Berufsseilern  drehen  zu  lassen6).  Vom  Schuhwerk,  von  Geschirren  für 
Zugvieh  usw.  erfahren  wir  nichts,  das  wurde  vermutlich  alles  fertig  gekauft.! 
Die  einfache  Holzarbeit  wird  auf  dem  Gute  selbst  ausgeführt:  so  scheint) 
auch  das  ganze  Holzwerk  der  Ölpresse  von  den  eigenen  Leuten  ausgeführt 
zu  sein,  abgesehen  von  der  dem  faber  überlassenen  Eisenkonstruktion7). 
Hingegen  müssen  die  Holzschuhe,  die  zu  schnitzen  schon  besondere  Fertigkeit 
und  eigene  Instrumente  erfordert,  in  der  Stadt  gekauft  werden8)  und  ebenso 
das  Tongeschirr  jeglicher  Art9),  das  man  im  Hause  nur  kittete  und  verpichte10), 
sowie  die  Metallwaren,  und  zwar  sowohl  die  Kupfergefäße11)  wie  die  Eisen- 
geräte12). Gelegentlich  aber  mußte  man  den  Schmied,  den  faber  ferraritm 
zu  einer  Arbeit  ins  Haus  kommen  lassen,  z.  B.  für  das  Montieren  einer  Öl- 
presse13): offenbar  war  in  der  Nähe  des  Gutes  ein  selbständiger  Schmied,  der 
für  solche  Arbeiten  im  Taglohn  auf  den  Gutshöfen  arbeitete.  Ebenso  brauchte 
man  solche  freie  ländliche  Handwerker,  wenn  man  auf  dem  Lande  baute: 
der  Besitzer  verdang  die  ganze  Arbeit  an  einen  Unternehmer  (conductor), 
der  die  Bauten  aus  Ziegeln,  Steinen  und  Holz  auszuführen  und  teilweise 
auch  die  innere  Einrichtung  zu  liefern  hatte,  während  der  Eigentümer  das 


1)  Siehe  oben  S.  593  A.  3.  Gummerus  37 
meint,  daß  die  pila  fuüonica  nur  zum  Reinigen 
der  getragenen  Kleider,  nicht  zum  Verfilzen 
neuer  Wollstoffe  diente. 

2)  Cap.  135, 1 :  Rotnae  (emito)  tunicas,  to- 
gas,  saga,  centones,  scutyoneas;  Calibus  et 
Minturnis  cuculliones.  Daher  wird  auch  die 
auf  dem  Gute  erzeugte  Wolle  verkauft,  Cap. 
2,7. 

3)  Cap.  135,  2  f. 

4)  Cap.  135,  3. 

5)  Siehe  oben  S.  591. 

e)  InCasinum  oderVenafrum,  a.a.O.  Hier 
haben  wir  jene  Art  des  Handwerks,  der  wir 
auch  unten  noch  begegnen  werden,  wobei  der 
Arbeiter  einen  Gegenstand  vom  Besteller  em- 


pfängt, um  ihn  in  bestimmter  Art  zu  bearbeiten 
oder  zu  verarbeiten. 

7)  Cap.  18 ff.;  Gummerus  38  f. 

8)  Cap.  135,1. 

9)  Ebd.:  Romae  dolia,  labra  (vgl.  Gum- 
merus 41  A.  3);  doch  ist  nicht  zu  übersehen, 
daß  anderwärts  gerade  auf  den  großen  Land- 
gütern Töpfereien,  die  das  grobe  opus  doliare 
herstellten,  häufig  waren,  s.  Marquardt  160 
A.  3.  Varro  r.  r.  I  2,  22  spricht  von  figlinae  auf 
Gütern. 

10)  Cap.  2,  3;  23, 1;  39,1. 
n)  Vasa  ahenea,  aus  Capua  oder  Nola  be- 
zogen, Cap.  135,  2. 

")  Cap.  135,1  f.;  vgl.  Gummerus  44. 
13)  Cap.  21,  5;  Gummerus  39  u.  42. 


Dritter  Abschnitt.    Handwerk,  gelehrte  und  andere  Berufe. 


:::*aterial:  Holz,  Ziegel,  Steine,  Kalk,  Sand  usw.,  auch  Säg«'  and  Richtschnur, 
m*  i  stellen  hatte»). 

So  sehen  wir  denn,  daß  im  2.  Jahrhundert  v.  Chr.  neben  dem  Hauswerk. 
]  is  gewerbliche  Produkte  nur  für  den  eigenen  Bedarf  herstellt,  es  das  eigent- 
^  che  Berufshandwerk  gibt  und  den  Lohnarbeiter,  der  zwar  wohl  auch  Berufs- 
^  andwerker  mit  eigener  Werkstatt  sein  kann,  aber  auch  in  fremde  Häuser 
tN  eht,  um  dort  gegen  Taglohn  zu  arbeiten.    Ganz  ähnlich  liegen  die  Verhalt- 
lls«  isse  im  1.  Jahrhundert  v.  Chr.    Auch  bei  Varro  finden  wir  die  Hausarbeit 
fe|  er  Sklaven,  die  wesentlich  auf  Flecht-,  Seiler-  und  Schreinerarbeit  beschränkt 
;t2);  das  meiste  muß  daher  gekauft  werden3).    Ganz  besonders  aber  ist  die 
enutzung  fremder,  für  bestimmte  Zwecke  und  Zeiten  gemieteter  Handwerk. ir 
blich,  die  Varro  anniversarii  vicini  nennt,  d.  h.  in  der  Nähe  wohnende,  jährlich 
wiederkehrende,  und  als  welche  er  Ärzte,  Walker  und  Schmiede  anführt4), 
wozu  wohl  noch  manche  andere,  je  nach  Bedarf,  kommen  mochten.    Aber 
usdrücklich  bemerkt  er,  daß  man  auf  großen  Gütern,  die  von  Städten  oder 
)örfern  entfernt  liegen,  sodaß  von  dort  Handwerker  nur  mit  Verlust  an  Zeit 
nd  Arbeit  geholt  werden  können,  sich  eigene  Handwerkssklaven  zu  halt«  n 
;enötigt  sei5).  Daneben  aber  waren  auf  den  Gütern  bisweilen  industrielle  Be- 
riebe, die  nicht  nur  und  lediglich  für  den  Gutsbedarf,  sondern  für  den  Ver- 
lauf arbeiteten:  so  namentlich  Töpfereien6)  und  vielleicht  auch  Webereien7). 
Wenig  bestimmte  Aufschlüsse   über  die  gewerblichen  Verhältnisse  im 
.  Jahrhundert  n.  Chr.  erhalten  wir  aus  Columella.  Auch  bei  ihm  wird  leichtere 
lolz-  und  Flechtarbeit  als  Hausbeschäftigung  der  Sklaven  empfohlen8);  die 
weibliche  Sklavenschaft  wird  zwar  mit  Spinnen  und  Weben  beschäftigt,  aber 


')  Cap.  14  f.;  ob  die  Ziegel  an  Ort  und 
»teile  gestrichen  wurden,  hing  wohl  davon 
.b,  ob  geeigneter  Lehm  vorhanden  war;  Dach- 
iegel  werden  nach  135,  1  gekauft.  Vgl.GüM- 
iekus  37  f.  In  viel  späterer  Zeit  wird  das  Ziegel- 
treichen zu  den  regelmäßigen  Arbeiten  des 
jandmanns  gerechnet,  Pallad.  VI  12;  VII  8; 
i.  15.  Geop.  II 49  wird  hervorgehoben,  daß  über- 
11  brauchbare  Tonerde  sich  rinde  und  daher 
['Opfer  auf  dem  Gute  sein  müßten;  ebd.  VI  3 
rird  daher  Anweisung  zur  Herstellung  von 
lolia  gegeben. 

2)  Varro  r.  r.  I  23,  5.  Gümmerüs  67.  * 

3)  Varro  1 22, 2 :  quae  e  fundo  siimi  non  po- 
l-erunt,  ea  si  empta  erunt  potius  ad  utilitatem 
fuam  ad  speciem,  sumptu  fruetum  non  extenu- 

bunt. 

4)  I  16,  4:  itaque  in  hoc  genus  coloni  po- 
ius  anniversarios  habent  vicinos,  quibus  im- 
ereilt,  medicos,  fnllones,  fabros,  quam  in  vitta 

sua  habeant,  quorum  nonnumquam  unius  arti- 
icis  mors  tulit  fundi  fruetum  (zu  Lesart  und 

Interpunktion  s.  Gümmerüs  68).   Sklaven,  die 
eiche  Kenntnisse  besaßen,  waren  also  teuer 

und  daher   das  Risiko   für  den  Todesfall  zu 

groß. 

6)  Ebd.:   quam  partem  latifundi  dieifes 

domesticae  copiae  mandare  solent.  si  enim  a 

fundo  longius  absunt  oppida  aut  viel,  fabros 

parant,  quos  habeant  in   villa,  sie  ceteros  ne- 


cessarios  artific6$,  nr  </>■  f/ou/o  familia  ilis<<<i<it 
aeprofessis  diebus  ambulet  feriata  potius,  quam 
operefaciendoaijrum  fructuosiorem  reddat.  Mit 
den  fäbri  sind  wohl  ebenso  fabri  tignarü,  wie 
ferrarii  und  aerarii  gemeint.  So  heißt  es  auch 
bei  den  Geop.  II 49,  man  müsse  auf  den  Gütern 
Schmiede,  Zimmerleute  und  Töpferhaben,  zum 
mindesten  in  der  Nähe,  da  es  nicht  zuträglich 
sei,  jedesmal  eigens  in  die  Stadt  zu  gehen,  um 
Werkzeug  zu  kaufen. 

6)  12,22:  anne  ego  seqiiar  Sasernanun 
putris  i'f  fili  /ibros  ac  magis  puti'ni  jHTtinen-, 
fig/hKisqiiemadmodumerercerioporti'iit.qiimii 
argenti  fodinas  (ixt  alia  nittalla,  <p<uc  sinr  </n- 
l)io  in  tiliijiio  agra  jtuntt  nd  i<>  ntqm  Impieidi- 
nae  lugut  hartnmrku  ad  agri  cnlturam  pnti- 
ntnt,  sie  fleUna*.  Die  Geoi).  II  49  empfehlen 
(angeblich  nach  Varro,  s.  Glmmkrds  70),  be- 
sonders Töpfer  auf  den  Gütern  zu  halten,  da  die 
geeignete  Erde  überall  zu  finden  sei.  Ebenso 
sagt  Pallad.  I  6,2:  ferrarii,  /igmirii,  rfoliorum 
cuparumque  factores  neces*'iri<>  habendi  sunt, 
nc  (i  tdbOTt  soh-nni  riistirns  MMM  <lr*i>/>Tiiin/<ir 
urbis  avertat. 

7)  Gümmerüs  71  macht  es  wahrsdit  in 
lieh,  daß  die  textores  a.  a.  0.  21  nicht  für  den 
Gutsbedarf,   sondern  für  den  Verkauf  arbei- 
teten. 

»)  Colum.XI2,llf.;  ebd.  90;  XII  18,2, 
vgl.  Gümmerüs  87. 


ß04  Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 


» 


anscheinend  doch  nicht  in  so  ausreichendem  Maße,  daß  nicht  auch  Kleidung, 
stücke  für  die  Herrschaft  und  die  Sklaven  auswärts  gekauft  werden  müßten1 
Von  berufsmäßig  ausgebildeten  Handwerkern  scheint  Columella  nur  fabri  2 
kennen2);  sonst  wurden  wohl  die  meisten  Gewerbserzeugnisse  durch  Kauf  ei 
worben.  Also  auch  hier,  wie  bei  Cato  und  Varro,  spielt  das  städtische  Han( 
werk  eine  wichtige  Rolle.  Wenn  der  Gutsbesitzer  in  die  Stadt  ging  oder  sein 
Leute  dorthin  schickte,  Einkäufe  zu  machen,  so  ist  damit  auch  von  vornherei 
gegeben,  daß  diese  Handwerke  Vorräte  fertiger  Waren  zum  Aussuchen  hattei 
vielfach  sogar  schon  im  Großbetrieb  fabrikmäßig  arbeiteten3).  Und  antik 
Denkmäler,  die  uns  die  Läden  von  Handwerkern  vorführen,  bestätigen  dies4 
Übrigens  arbeiteten  die  kleinen  Handwerker  vielfach,  wie  heut  noch  ü 
Süden,  auf  offener  Straße,  oder  sie  brachten  fertige  Waren  auf  den  Mark 
und  legten  sie  da  auf  Tischen  oder  Ständen  zum  Verkaufe  aus5).  Danebe 
bestanden  die  freien  Handwerker,  die  zu  bestimmten  Arbeiten  ins  Kundenhau 
gingen,  jedenfalls  weiter6). 

Die  zweite  der  oben  erwähnten  Quellen,  das  Edictum  Diocletiani  d 
pretiis  verum  venalium1),  übermittelt  uns  zwar  in  erster  Linie  Warenpreise 
ist  aber,  da  auch  Löhne  aufgeführt  werden,  ein  für  die  Geschichte  des  Hand| 
werks  wichtiges  Dokument.  Für  das  Hauswerk,  d.  h.  die  Hausarbeit  de 
Sklaven  für  den  Haushalt  selbst,  lehrt  sie  uns  freilich  nichts,  denn  die  Arbei 
des  eigenen  Sklaven  wird  nicht  bezahlt;  wohl  aber  lernen  wir  manches  Detai 
des  beruflichen  Handwerks  und  des  Lohnwerks  kennen,  indem  für  manch« 
Waren  die  Preise  des  fertigen  Fabrikats  angegeben  sind,  für  andere  di( 
Kosten  der  Herstellung.  So  erscheinen  als  fertige  Ware  tarifiert  vornehmlicl 
die  Lederarbeiten  verschiedener  Art,  in  mannigfachen  Arten  von  rohen  unc 
gegerbten  Häuten,  Schuhen,  Sohlen,  Riemer-,  Sattler-  und  Gürtlerarbeitei 
u.  dgl.  m.8),  ferner  kleinere  Drechslerwaren,  wie  Weberschiffchen,  Spindeln 
Kämme,  Siebe9);  eine  Besonderheit  zeigen  dabei  die  Erzeugnisse  der  Wagnerei 

')  Das  ist  zwar  nirgends  ausdrücklich  '  2  f.  Amelung  Antiken  in  Florenz  108  n.  167  i 
gesagt,  geht  aber,  wie  Gummerus  88  ff.  zeigt,  (auch  am  Grabmal  der  Secundiner  in  Igel  be 
aus  XII  praef.  9,  ebd.  3, 1 — 4  u.  6  hervor.  Trier  scheint  Tuchhandel  dargestellt  zu  sein) 


2)  XII  2, 13;  XII  3,  9. 

3)  Gerade  das  leugnet  freilich  Bücher 
Ztschr.  f.  d.ges.  Staatsw.  L  (1894)  693,  und  zwar 
speziell  von  dem  Gewerbe,  von  dem  er  sonst  zu- 
geben muß,  daß  es  fast  ausschließlich  für  den 
Verkauf  produzierte,  nämlich  den  Lederarbei- 
tern (Schustern,  Riemern,  Sattlern  etc.).  Also 


5)  So  sehen  wir  auf  den  pompejanischei 
Forumsbildern  (bei  Jahn  Abh.  d.  SGW  Bd."\ 
265  ff.  Taf.  I— III)  auf  offenem  Markte  Hände 
mit  Tuch.  Brot,  Schuhwerk  (ein  Mann  läßt  siel 
Schuhe  anprobieren),  Kupfergeschirr  u.  dgl.m 

6)  Einen  Beleg  bietet  Plut.  Galba  9,  wi 
erwähnt  ist,  daß  die  Mutter  des  Nymphidiu 


auch   diese   Gewerbe   hätten  wesentlich   für  i    Sabinus,  der  unter  Nero  praefectus  praetor* 

Kunden  auf  Bestellung  und  nur  ausnahms-  J    war,   eine  axeorgia  impioötos  war,   also  ein 

weise  einmal  auf  Vorrat  gearbeitet.    Als  ob  gegen  Taglohn  arbeitende  Schneiderin, 

ein  reich  mit  Schuhwaren  verschiedener  Art  1            7)  Herausg.  von  Th.  Mommsen,  erläuter 

ausgestatteter  Laden,  wie  der  des  Schusters  von  H.  Blümner,  Berlin  1893.   Von  national 

Kerdon  in  Herondas'  siebentem  Mimiambos,  ökonomischer  Seite  ist  es  beleuchtet  wordei 


für  das  kaiserliche  Rom  undenkbar  wäre! 

4)  So  der  Laden  eines  Messerschmieds 
auf  einem  Cippus  des  Vatikans,  mit  allerlei 
Arten  von  Messern  in  der  Auslage,  s.  Jahn 
BSGW  f.l861,328ff.  Taf.  XI 9.  Amelung  Skulpt. 
d.  vatik.  Mus.  I  275  Taf.  30  n.  147;  ferner  die 
Florentiner  Reliefs  mit  Verkauf  von  Tüchern 
und  von  Stickereien,  Jahn  a.  a.O.  371  f.  Taf. XI 


von  K.  BöcHERZtschr.  f.  d.  ges.  Staatsw.  L  (1894 
189  ff.  u.  672  ff.  (mit  deutscher  Uebersetzunj 
S.  699  ff.),  von  0.  Seeck  Ztschr.  f.  Social-  un< 
Wirtschaftsgesch.  IV  (1896)  Heft  3  f.  und  voi 
H.  Michaelis  Ztschr.  f.  d.  ges.  Staatsw.  LH 
(1897)  1  ff. 

8)  Kap.  8—11,  dazu  Blümner  S.  121  ff. 

9)  Kap.  13  ff.  Blümner  134  ff. 


Dritter  Abschnitt.    Handwerk,  gelehrte  und  andere  Berufe.  gng 

sind  nämlich  tarifiert  Holzteile  für  Wagen  neben  fertigen  Wagen  ver- 
hiedener  Art,  und  zwar  sind  diese  Holzteile  (Achsen,  Naben,  Speichm. 
eichsein  usw.)  doppelt  tarifiert:  roh  und  bearbeitet1).  Man  hatte  also  mm 
rsatz  für  defekt  gewordene  Wagenteile  solche  in  zweierlei  Qualität  vorrätig 
d  jedenfalls  auch  in  bestimmten  Größen,  sodaiä  sie  leicht  angepaßt  werden 
nnten2).  Die  Wagen  stehen  im  Tarif  ohne  Eisenwerk;  es  sind  also  nur 
rodukte  des  Stellmachers,  die  der  Käufer  dann  erst  vom  Schmied  mit  den 
tigen  Eisenteilen  versehen  ließ3).  Fertig  gekauft  wurden  sodann  allerlei 
"  unwirtschaftliche  Geräte,  wie  Pflüge,  Dreschschlitten,  Holzgabeln,  Getreide- 
laße  u.  dgl.,  auch  Mühlen4).  Ferner  sind  sehr  umfangreich  und  vielartig  die 
reisangaben  für  Kleider  und  Decken,  die  wiederum  einen  Rückschluß  auf 
as  Fabrikationsverfahren  zulassen.  Wollene  Kleider  nämlich  und  seidene 
owie  halbseidene  werden  zugeschnitten  als  Hemd,  Mantel,  Überwurf  usw.  wr- 
auft,  aber  nicht  fertig  genäht,  sodaß  erst  der  Schneiderlohn  (siehe  unten  S.  607) 
och  hinzukam;  man  kaufte  also  offenbar  für  Wollen-  und  Seidenkleider  nicht 
rößere  Partien,  sondern  die  vom  Ganzen  abgeschnittenen,  je  nach  Bedarf 
ntsprechend  großen  Stücke5).  Hingegen  werden  die  Preise  für  Leinwand, 
ind  zwar  in  ganz  bestimmten,  nach  Zweck,  Qualität  und  Provenienz  ab- 
stuften Rubriken,  nicht  für  das  Kleidungsstück,  sondern  für  das  ganze 
jewebte  Stück  berechnet.  Ob  hier  private  Leinenwebereien  in  Betracht 
:ommen  oder  nur  die  Fabrikate  der  kaiserlichen  Fabriken6)  gemeint  sind, 
nuß  dahingestellt  bleiben7).  Noch  von  anderen  Fabrikaten  gibt  uns  das 
Üdikt  Kunde,  doch  sind  wichtige  Abschnitte,  die  nicht  fehlen  konnten,  z.  B. 
iber  Kupfer-  und  Eisengeräte,  Töpfereien,  Glaswaren,  Mobiliar  u.  a.  m.,  nicht 
erhalten. 

Viel  lehrreicher  aber  ist  das  Edikt  für  unsere  Kenntnis  der  Lohnarbeit, 
la  nicht  nur  Preise  fertiger  Waren,  sondern  auch  Löhne  für  bestimmte 
arbeiten  tarifiert  sind.  Der  Lohnarbeiter,  der  nicht  wie  der  Handwerker 
ypifex,  sondern  operarius  heißt8),  stand  in  der  Wertschätzung  noch  niedriger 
ils  jener9).  Die  Lohnarbeit10)  ist  nun  verschiedener  Art;  im  wesentlichen  ist 
sie  entweder  Arbeitsmiete  (Stör),  wobei  der  gewerbliche  Arbeiter  in  das  Haus 

*)  Kap.  15.  Blümner  136  ff.  16  f.  u.  20. 

'-')  Bücher  682  f.  nimmt  an,  es  handle  7)  Bücher  a.  a.  0.  215  meint,  daß  die  be- 
sieh hier  um  Reparaturen  an  den  Wagen  für  treffenden  Abschnitte  des  Tarifes  von  den 
den  cursus  publicus,  die  Staatspost,  weil  diese  |  Direktoren  der  kaiserlichen  Fabriken  oder 
eine  vorgeschriebene  Größe  haben  mußten  (vgl.  von  den  Verwaltern  der  Provinzialmagazine 
Cod.  Theod.  VIII  5,17  u.  30).  Allein  die  in  den  aufgestellt  seien,  in  denen  die  Erzeugnisse 
intiken  Landstraßen  vorgearbeiteten,  immer  der  kaiserlichen  Webereien  mit  den  Tuch- 
in gleicher  Entfernung  gehenden  Gleise  lassen  lieferungen  der  Steuerpflichtigen  (also  der 
darauf  schließen,  daß  eine  bestimmte  Spur-  privaten  Fabriken)  sich  zusammenfanden, 
weite  für  die  meisten  Reise-  und  Transport-  i  *)  Der  siebente  Abschnitt  des  Edikts  fu  In  i 
wagen  Regel  war.  daher  den  Titel  De  mttctdibu»  opermHortm* 

:i)  Doch  kommen  auch  fertig  mit  Eisen  j    Doch  kann  natürlich   auch  der  opife.r   zum 

Ibeschlagene  Wagen  vor,  bei  denen  dann  das  operarius  werden,  vgl.  Sen.  de  benef.V  I  17,1: 

1  Eisenwerk  extra  berechnet  werden  mußte,  s.  opifici  eüüsimae  mercis  et  in  'Hern  s«  - 

I  Kap.  15,  36  u.  39.  9)  Cic.  Tuscul.  V  36, 104 ;  ad  Att.  VII  2, 8. 

4)  Kap.  15,  41  ff.  Blümner  141  ff.  ,    Ueber  den  operarius  in   der  Landwirtschaft 

5)  Kap.  19,  1  ff.;  vgl.  Mommsen  Hermes  s.  oben  S.  550. 

XXV  (1890)  22.  10)  Vgl.  die  oben  S.  589  angeführte  Arbeit 

6)  Es  gab  in  der  Kaiserzeit  kaiserliche       von  LeSaulnier,  die  die  Verhältnisse  der  Lohn- 
Tuchfabriken,  gynaecea,  und  Leinwebereien,       arbeiter  aber  nur  vom  juristischen  Standpunkt 

llinyphia,  s.  Not.  dign.  Occ.  11,45—63;  Or.  13,      aus  behandelt. 


606 


Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 


des  Auftraggebers  genommen  zu  werden  und  dort  die  Kost  nebst  Tageloh 
zu  empfangen  pflegt  (locatio  conductio  operarum),  oder  sie  ist  Werkverdingun; 
(Heimwerk),   wobei   dem  Arbeiter  das   zu  bearbeitende  Material  ins  Hau 
gegeben  wird,  er  sich  selbst  beköstigt  und  vom  Auftraggeber  Akkordloh] 
bekommt  (locatio  conductio  operis)1).  Unter  den  zahlreichen,  hier  aufgezählte] 
Arbeitsarten2)  lassen  wir  die  nicht  direkt  hierher  gehörigen3)  beiseite.    Di 
kommen  zunächst  die  Bauhandwerker  in  Betracht:  wie  wir  es  oben  bei  dei 
Vorschriften  der  Landwirte  fanden,    so   sind   auch   hier  die   erforderlichei 
Arbeiter,  als  Kalkbrenner,  Maurer,  Zimmerleute,  und  für  die  innere  Ausstattung 
Marmorbildhauer,  Mosaikarbeiter  und  Wandmaler4),  wie  es  ihre  Tätigkeii 
erfordert,  im  Hause  des  Auftraggebers  gegen  Taglohn  und  Kost  beschäftigt 
nur  der  Ziegelstreicher  erhält  zwar  auch  die  Kost,  steht  aber  nicht  im  Tag- 
lohn, sondern  wird  nach  Zahl  und  Größe  der  geformten  Ziegel  bezahlt.    Im 
selben  Lohnverhältnis  stehen  die  Wagenbauer,  und  zwar  sowohl  die  Holz- 
wie  die  Eisenarbeiter5),  und  die  Schiffbauer,  wobei  zwischen  Bau  von  See- 
und  von  Flußschiffen  unterschieden  wird6);  eigentümlicherweise  auch  Bäcker7). 
Dann  folgen  Kupferschmiede  und  Messingarbeiter,  die  nicht  beköstigt  und 
nicht  im  Taglohn,  sondern  nach  dem  Gewicht  des  verarbeiteten  Metalls  be- 
zahlt werden.     Da  sie  keine  Kost  erhalten,  werden  sie  im  eigenen  Hause 
gearbeitet  haben8).    Hingegen  arbeiten  die  Ton-  und  Gipsformer  im  Taglohn 
mit  Kost,  und  man  hat  hier  wohl  besonders  an  die  Ausführung  des  Weiß- 
und  Stuckwerks   in   den   Häusern   zu   denken.     Schleifer  und  Polierer  von 
eisernen  Waffen  und  Werkzeugen  (samiatores)  werden  im  Stück  nach  den  von 
ihnen  bearbeiteten  Gegenständen  bezahlt;  wahrscheinlich  zogen  diese  Arbeiter, 
wie  bei  uns  die  Scherenschleifer,  von  Haus  zu  Haus  und  übernahmen  die 
Arbeit,  die  gerade  zu  tun  war.  im  Akkord9).     Eigentümlich  ist  dann   die 


')  Terminologie  nach  Büchee  676,  nur 
daß  dieser  noch  speziell  den  Lohnhandwerker, 
der  dem  Konsumenten  seines  Produkts  dient, 
vom  Lohnarbeiter,  der  dem  Unternehmer  dient, 
unterscheidet. 

2)  Es  sind  im  ganzen  76  verschiedene 
Taxen  für  Arbeitslöhne  aufgeführt,  außer  im 
7.  Abschnitt  auch  in  Abschn.  20,  21,  22  u.  30. 

3)  Feldarbeiter  (s.  oben  S.  550  f.),  Vieh- 
treiber, Schäfer,  Maultiertreiber,  Tierärzte, 
Barbiere,  Schafscherer,  Wasserträger,  Kloaken- 
reiniger, Schreiber,  Lehrer,  Advokaten  und 
Bademeister. 

4)  Die  Aufzählung  im  Edikt  ist  nicht 
genau,  es  folgen  aufeinander  lapidarius  struc- 
tor,  faber  intestinarius,  calcis  coctor,  marmo- 
rarius,  musaearius,  tessellarius,  pictor  parie- 
tarius,  pictor  imaginär  ins.  Ueber  den  Unter- 
schied des  musaearius  vom  tessellarius  s.  oben 
S.  97  A.  6:  über  den  des  pictor  parietarius  vom 
pictor  imaginarius  91  A.  3. 

5)  Die  fabri  ferrarii  Kap.  7.  11  können 
nicht  schlechtweg  Schmiede  für  jede  Art  von 
Arbeit  sein,  denn  diese  wurde  im  Stücklohn 
bezahlt,  es  muß  daher  (mit  Mommsen)  die 
Eisenarbeit  an  den  Wagen  hier  tariflert  an- 
genommen werden,  s.  Blümner  107. 


6)  Naupegil,  13  f.  Die  Schiffe  wurden  auf 
der  Werft  gebaut,  daher  im  Taglohn  mit  Be- 
köstigung. 

7)  Es  kann  sich  hier  nur  um  Bäcker  han- 
deln, die  sich  zeitweise  zur  Arbeit  verdangen, 
entweder  bei  einem  Bäckermeister,  der  gerade 
Mangel  an  Arbeitskräften  hatte,  oder  bei  einem 
Privatmann  oder  Gutsbesitzer,  der  zufällig 
unter  seinen  Sklaven  keinen  pistor  hatte;  s. 
Blümner  107  f. 

8)  Es  könnte  hier  fraglich  erscheinen,  ob 
der  Auftraggeber,  der  ihnen  das  Material  liefert, 
ein  Privatmann  ist,  ihre  Arbeit  also  Heimwerk, 
wie  Bücher  684  annimmt,  oder  ob  Arbeit  bei 
einem  Berufskupferschmied  gemeint  ist,  in 
welchem  Falle  es  sich  um  freie  Arbeiter  han- 
deln müßte,  die  sich  einem  Meister  verdingen 
(wie  Blümner  112  meinte),  deren  Existenz 
für  das  Altertum  freilich  von  Bücher  a.  a.  O. 
energisch  bestritten  wird.  Weshalb  ein  mittel- 
loser Freier,  dem  das  Kapital  zur  Errichtung 
einer  eigenen  Werkstatt  fehlte,  sich  nicht  bei 
einem  Besitzer  einer  solchen  hätte  verdingen 
können,  ist  nicht  einzusehen. 

9)  Tarifiert  wird  das  Schleifen  von  Schwer- 
tern, Beilen,  Aexten  und  das  Polieren  von  Hel- 
men, Harnischen  und  Schwertscheiden,  7, 33  ff. 


Dritter  Abschnitt.    Handwerk,  gelehrte  und  andere  Berufe. 


607 


gtloi  Nennung  des  Pergamentmachers,  des  membranarius,  der  für  dvu  Qatternio 
Bgiii  on  einem  Quadratfuß  Größe  honoriert  wird;  das  Material  liefert  der  Be- 
il« teller,  in  diesem  Falle  wohl  der  Händler1).  Die  Schneiderarbeit  ist  Lohn- 
rflol  yerk;  die  Arbeiter  fertigen  die  Kleider  nicht  im  Kundenhause  auf  d«-r  Stör. 
äkli  ondern  daheim  in  ihrer  Werkstatt,  und  sie  werden  bezahlt  nach  der  Art 
M  er  hergestellten  Kleider2).  Hingegen  werden  die  Verfertiger  von  Pferde- 
Ü  lecken  u.  dgl.  nach  Stück  und  Gewicht  bezahlt3). 

In  einem  späteren  Abschnitt  kommen  die  Sticker  an  die  Reihe,  und  zwar 
tfüi  sowohl  die  plumarü,  die  mit  Wollen-  oder  Seidenfäden  in  Kreuz-  oder  Platt- 
gii  stich  arbeiten,  als  die  barbaricarii,  die  mit  Goldfäden  u.  dgl.  die  Stoffe  v.-i- 
fti»  :ieren.    Bezahlt  werden  beide  nach  der  Unze,  d.  h.  nach  der  Quantität  des 
Tai  /on  ihnen  bei  der  Arbeit  verwendeten  Materials,   das   ihnen  der  Besteller 
1  ieferte4).    Dann  folgen  die  Weber  von  Seiden-,  Wollen-  und  Leim-ns! 
Der  Seidenweber  bekommt  Taglohn  und  Kost,  ebenso  die  Weberin  von  un- 
geschorenen Wollenstoffen  und  der  Leinweber,  hingegen  bekommt  der  Wollen- 
sveber  zwar  auch  die  Kost,  arbeitet  also  im  Haus  dt-s  IVstdlcrs,  wird  aber 
lach  dem  Gewicht  des  von  ihm  verarbeiteten  Materials  bezahlt.    Die  Löhne 
steigen  überall  je  nach  der  Feinheit  des  Gewebes6).    Die  Löhne  für  Walker 
ehen  begreiflicherweise  nach  Stück  und  Beschaffenheit  des   betreffenden 
leidungsstückes,  wobei  aber  nur  neue  Stoffe  in  Betracht  kommen7);  mög- 
licherweise waren  die  Auftraggeber  nicht  nur  Private,  sondern  auch  die  im 
;roßen  arbeitenden  Webereien8).   Als  besondere  Arbeit  kommen  auch  Löhne 
:ür  das  Zwirnen   der  Roh-  und  Purpurseide   und   das  Spinnen   der  feinen 
urpurgefärbten  Wollsorten  vor,  die  verschieden  bezeichnet  werden9). 


])  Daß  ein  gewöhnlicher  Privatmann  sich 
as  Rohmaterial  für  das  Pergament  kaufte 
d  solches  zum  Verarbeiten  gab,  ist  nicht 
ahrscheinlich. 

-)  Es  fragt  sich  hier  wieder,  wer  die  Be- 
steller für  diese  Schneiderarbeit  waren,  ob 
Privatleute  oder  Händler.  Obschon  Bücher  686 
bezweifelt,  daß  es  im  Altertum  Magazine  mit 
fertigen  Kleidern  gegeben  habe,  so  geht  das 
doch  schon  aus  den  oben  zitierten  Stellen  des 
Cato  hervor,  und  da  eigene  negotiatores  vesti- 
arii,  paenularii,  sagarii  erwähnt  werden  (s.oben 
S.  257),  so  wäre  es  möglich,  daß  diese  die 
Kleider  beim  vestificus  kauften  oder  auch  in 
eigenen  Werkstätten  arbeiten  ließen,  wobei 
dann  der  angegebene  Tarif  für  freie  Arbeiter  in 
Kraft  trat.  Das  Edikt  unterscheidet /»v/mW/,  die 
aber  Schneider  im  weiteren  Sinne  sind,  sarci- 
natores,  die  anscheinend  feinere  Näharbeit  zu 
verrichten  haben,  und  eine  dritte  Klasse,  deren 
Funktionen  nicht  deutlich  sind,  s.  Blümner 
114  f.  Sonst  scheinen  die  sarcinatores  wesent- 
lich das  Flicken  zerrissener  Kleider  übernom- 
men zu  haben,  Gai.  III  243.  Inst.  III  24, 1 ;  vgl. 
oben  S.  256. 

:1)  Der  angegebene  Lohn  (7, 52  f.)  ist  ziem- 
lich hoch,  weshalb  Bücher  687  meint,  es  handle 
sich  um  den  Preis  des  Fabrikats,  das  die  Näher 
aus  den  bei  ihrem  Gewerbe  abfallenden  Lappen 
herstellen  mochten.  Aber  das  Zusammennähen 
kleiner  Filzflecken  (das  eine  Fabrikat  ist  ein 


lentunculum  equestre  coartile)  war  jedenfalls 
zeitraubend,  und  bei  der  zweiten  Sorte  kamen 
noch  Nadelverzierungen  [ornattm  ab  ar><)  hin- 
zu; es  handelt  sich  also  auch  hier  nur  um  den 
Macherlohn. 

4)  Abschn.  20,  1  ff.  Kost  wird  nicht  er- 
wähnt, weshalb  man  annehmen  möchte,  daß 
es  sich  um  Heimwerk  handelt  und  daß  die 
Quantität  des  zur  Arbeit  verwendeten  Mate- 
rials durch  vorheriges  und  nachheriges  Ab- 
wägen festgestellt  und  danach  der  Lohn  be- 
rechnet wurde,  s.  Blümner  157;  Bücher  687 
meint,  daß  man  auch  an  Störarbeit  denken 
könne,  warum  aber  dann  ohne  Kost? 

8)  Abschn. 20,9  f.  u.  21 : $eriatrii, lanmrti, 
linyphi. 

6)  Siehe  Blümner  158  f.  Büchbr  688. 

7)  Ueber  die  Besorgung  gebrauchter  Klei- 
der durch  den  Walker  (polienda  mrand 

s.  Gaius  III 143.  Digg.  XIX  2, 25.  Inst.  III  24 . 1 . 

8)  Abschn.  22,  mit  26  verschiedenen  Lohn- 
sätzen ;s. Blümner  160 f.  Bücher217  vermutet, 
daß  es  sich  hier  um  Hilfsarbeiter  der  kaiser- 
lichen Webereien  handelt,  die  aber  auch  für 
Privatkunden  arbeiteten,  vgl.  S.  689. 

9)  Zugrunde  gelegt  wird  überall  das  Ge- 
wicht des  verarbeiteten  Materials,  doch  be- 
kommt der  Arbeiter  von  Rohseide  auch  die 
Kost,  der  von  purpurgefarbter  Seide  und  Wolle 
nicht,  s.  Abschn.  23,  2  u.  24.  Bi.ümxek  162  ff. 
Bücher  688  f. 


608 


Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 


Endlich  ist  noch  Goldarbeit  tarinert,  und  zwar  wird  sie  nach  dem  G( 
wicht  des  verarbeiteten  Goldes  bezahlt,  das  der  Besteller  liefert,  je  nach  dt 
Art  der  Arbeit,  die  als  Goldschlagen,  Ziselieren,  Drahtziehen,  Gießen  untei 
schieden  wird1).  Da  nichts  von  Kost  gesagt  ist,  scheint  die  Arbeit  in  de 
Werkstatt  des  Arbeiters  vorgenommen  worden  zu  sein. 

Soweit  die  Angaben  des  Ediktes;  sie  lehren  uns  in  der  Tat  das  Bestehe 
des  Handwerks  als  eigenen  Berufes,  des  Heimwerks  und  des  Lohnwerk; 
ohne  daß  man  (zumal  bei  der  Unvollständigkeit  des  Dokuments)  behaupte 
könnte,  daß  letzteres  das  vorherrschende  war2). 

Wir  haben  nun  noch  einmal  zu  jener  Nachricht  über  die  Anfänge  de 
Handwerks  in  Rom  zurückzukehren,  von  der  wir  ausgegangen  waren.    Di 
älteste  Zeit  schon,  sahen  wir,  kennt  Handwerkerkollegien3);  wenigsten 
war  man  später  von  dem  hohen  Alter  dieser  Institution  vollkommen  über 
zeugt4),  und  man  schrieb  ihre  Einrichtung  wohl  deshalb  dem  Numa  zu,  wei 
dieser  überhaupt  als  Begründer  des  Kultus  galt  und  die  Kollegien  einen  starl 
sakralen  Charakter  trugen5).     Aber  die  erste  Veranlassung   zur  Gründung 
dieser  Handwerkerverbände  liegt  für  uns  vollständig  im  Dunkeln;  nur  ver 
muten  kann  man,  daß  sich  in  ihnen  die  Sachverständigen  zusammentaten 
um  die  Tradition  fester  zu  bewahren,  obschon  sich  weder  Spuren  von  Mono- 
polisierung des  Handwerks  noch  von  Schutzmitteln   gegen   minderwertige 
Fabrikate  finden6).  Auch  die  weitere  Geschichte  dieser  Handwerkerinnunger 
ist  in  den  ersten  Jahrhunderten  der  Republik  nicht  zu  verfolgen;  es  ist  an- 
zunehmen, daß  zu  jenen  ersten  acht  im  Lauf  der  Zeit  eine  ganze  Anzahl 
anderer  hinzugekommen  sind  (siehe  oben  S.  592  ff.)7),  wenn  auch  die  große 


*)  Abschn.31; Blümner  177  f.  Bücher 684. 

-)  Wie  Bücher  694  behauptet. 

8)  Abgesehen  von  Th.  Mommsens  Erst- 
lingsschrift De  collegiis  et  sodaliciis  Romano- 
rum, Kiel  1843,  und  den  oben  S. 589  angefühlten 
Schriften  vonLiebenam,Typaldo-Bassia,Korne- 
mann  und  Waltzing,  sowie  M.  Cohn  Zum  römi- 
schen Vereinsrecht,  Berlin  1873,  und  Baudry 
u.  Gayet  bei  D.-S.  I  1292  ff.  kommen  noch  in 
Betracht  eine  Anzahl  französischer  Disserta- 
tionen (Theses),  die  ihrem  Werte  nach  freilich 
sehr  ungleich  sind  und  im  wesentlichen  nur 
die  juristischen  Fragen  behandeln,  nämlich  für 
Kollegien  überhaupt:  Dain  Des  associations 
en  droit  romain,  Paris  1879.  M.  Duseigneur 
Des  corporations  ä  Rome,  Lyon  1886.  R.  Masson 
Les  corporations  en  droit  romain,  Paris  1888; 
für  Handwerkerkollegien  Duboys  Le  travail 
des  associations  ouvrieres  ä  Rome,  Paris  1866. 
P.  Fournier Des  Colleges  industriels  dans  l'Em- 
pire  romain,  Paris  1878.  Larcher  Des  Colleges 
d'artisans  chez  les  Romains,  Paris  1880.  M.  Bot- 
ton Les  Colleges  d'artisans  en  droit  romain, 
Paris  1882.  A.  Gerard  Etüde  sur  les  organi- 
sations  ouvrieres  k  Rome,  Montbeliard  1884. 
O.Stemler  Des  Colleges  d'artisans,  Paris  1887. 

D.  Calinesco  Les  corporations  d'artisans  en 
droit  romain,  Paris  1890.  P.  Trouette  Les  Col- 
leges d'artisans  ä  Rome,  Montpellier  1892.  L. 

E.  H.  Joly  Les  Colleges  d'artisans  en  droit  ro- 


main, Caen  1893.  P.  Labbat  Etüde  sur  les  Col- 
leges d'aitisans.  Toulouse  1893.  (Ich  kenne  nur 
die  Arbeiten  von  Duseigneur,  Masson,  Stemler, 
Calinesco,  Trouette  und  Joly.)  Dazu  komm! 
noch  ein  Artikel  von  Gaüdenzi  Sui  collegi 
degli  artigiani  in  Roma,  im  Archivio  giuridico 
XXXII  (1884)  259  ff.  Doch  sind  die  meisten 
dieser  Schriften  durch  die  von  Liebenam  und 
Waltzing  überflüssig  geworden. 

4)  Dio  Cass.  XXXVIII  13,  1:  zä  hauny.n 
y.ollrjyia  EJii)[wgi(og  xaÄoi\ueva,  öina  fier  ex  rof 
ägyalov,  xaxaXvßevta  8k  %qövqv  xtvä.  Suet.  Aug. 
32:  collegia  praeter  antiqua  et  legltima  dissnlrit. 

5)  Vgl.  ÜRUMANNa.  a.  0.154.  Herzog  Gesch 
u.  Syst.  d.  röm.  Staatsverfass.  I  95.  Lange  Rom. 
Altert.3 1  248.  Liebenam  1  f. 

6)  Mommsen Röm.  Gesch. 1 197. Liebenam9 
meint,  daß  sich  die  freien  Handwerker  zusam- 
mentaten, um  ihrer  Hände  Arbeit  gegenübei 
der  mächtigen  Konkurrenz  der  Sklavenarbeitei 
zu  schützen;  aber  es  gab  doch  weder  damals 
noch  später  selbständig  arbeitende  Handwerks- 
sklaven, und  die  Arbeiter,  die  von  den  Hand- 
werkern der  Kollegien  beschäftigt  wurden, 
waren  doch  selbst  Unfreie.  Man  sieht  also 
nicht  recht,  welcher  Arbeiter  Konkurrenz  zu 
befürchten  gewesen  wäre. 

7)  Ueber  die  inschriftlich  bekannten  Hand- 
werkerkollegien der  republikanischen  Zeit  s. 
Waltzing  I  87  ff. 


Dritter  Abschnitt.   Handwerk,  gelehrte  und  andere  Berufe. 


609 


v:t 


V« 


d 


Menge  derjenigen,  die  wir  aus  den  Inschriften  kennen1),  der  Kaiser/,  it  an- 
gehört. Allem  Anschein  nach  hatten  die  Gewerbetreibenden  von  sich  aus 
das  Hecht,  sich  zu  solchen  Kollegien  einer  bestimmten  Gewerbsbram-In-  10- 
sammenzutun2);  der  Staat  hat  wohl  kaum  das  Recht  der  Konzessionierung 
sich  vorbehalten3),  wenn  er  auch  unter  Umständen  Verordnungen,  die  «in» 
Innung  betrafen,  erlassen  konnte4).  Die  zwölf  Tafeln  erkennen  ausdrücklich 
an,  daß  die  Kollegien  sich  selbst  ihre  Verfassung  geben  dürfen,  vorausges.  t/t. 
daß  diese  nicht  gegen  das  Staatsgesetz  verstößt0).  Allein  je  länger  je  mehr 
wurden  diese  Vereine  sowie  die  anderen  inzwischen  entstandenen  Kollegien 
Stätten  politischer  Agitation,  die  in  Zeiten  lebhafter  Wahlkämpfe  und  revolu- 
tionärer Bestrebungen  eine  Staatsgefahr  bildeten;  das  führte  (vermutlich  im 
Jahre  64  v.  Chr.)  zu  dem  viel  besprochenen  Senatsbeschluß,  alle  solche  Ver- 
eine aufzuheben,  die  staatsgefährliche  Tendenzen  verfolgten6).  Die  Art  der 
Vereinigung  kam  dabei  gar  nicht  in  Betracht,  weshalb  wohl  auch  Handwerker- 
zünfte  mitbetroffen  worden  sind7).  Aber  schon  im  Jahre  58  wurden  durch  eine 
Lex  Clodia  die  aufgehobenen  Vereine  wieder  zugelassen8);  da  jedoch  ein  sflgel- 
loses,  dem  Parteitreiben  Vorschub  leistendes  Bandenwesen  die  Folge  war. 
wurden  neue  Maßregeln  gegen  diese  Ausschreitungen  nötig9),  und  daß  davon 
namentlich  auch  die  Handwerkerkollegien  betroffen  wurden,  das  darf  man 
deshalb  annehmen,  weil  sich  gerade  in  diesen  die  unruhigsten  und  aufsässigsten 
Elemente  fanden10).  Daher  löste  denn  Cäsar  alle  Kollegien,  mit  Ausnahme  der 
von  alters  her  bestehenden,  die  sich  vermutlich  von  Umtrieben  ferngehalten 
hatten,  auf l  x) ;  alle  die  zahlreichen  Handwerkerkollegien,  die  sich  in  den  letzten 
Jahrhunderten  der  Republik  gebildet  hatten,  müssen  also  damals  unterdrückt 
worden  sein.  Diese  Maßregel,  die  in  den  Wirren  nach  Cäsars  Tode  nicht 
innegehalten  worden  zu  sein  scheint,  wurde  dann  von  Augustus  durch  eine 

verdorben  (in  den  Hs.  steht  UUor%ungutt  man 
hat litiious,  flctore$,  ttnctort9t Uetorts, pistoret 

dafür  konjiziert.  vgl.  Waltzing  91  A.  1).  Lib- 
benam  24  nimmt  an.  daß  die  ersten  Handwei  ker- 
kollegien  des  Numa  wegen  ihres  ehrwürdigen 
Alters  verschont  geblieben  seien. 

8)  Es  kamen  noch  eine  Menge  neuer 
politischer  Vereine  hinzu,  8.  Cic.  in  Pison.  4.  9 
und  dazu  Ascon.  p.7;  proSest.25.55  DioCasa. 
XXXVIII  13. 1.  Liebbnam  24.  Waltzisu  95  f. 
•)  Ueber  das  Senatuskonsult  vom  J.  56 
und  die  Lex  Licinia  vom  J  55  s  Liebbnam 
25  f.  Waltzing  111  f.  Kobnemanx  407. 

10)  Liebbnam  28  nimmt  freilich  an.  daß 
die  Handwei  kerkollegien  unangefochten  weiter 
existiert  hätten,  und  bezieht  die  Stellen,  wo 
von  dem  unruhigen  Wesen  der  Handwerker 
die  Rede  ist.  auf  solche,  die  außerhalb  der 
Vereine  standen;  eine  Ansicht,  die  Kobne- 
mann  406  als  kaum  der  Widerlegung  bedürfend 
bezeichnet. 

n)  Suet.  Caes.  42 :  cinicta  colfei/iu  /■ 
(infit/iatits  consiituta  distm.rH.  Ueber  die  Frage, 
ob  das  durch  eine  Lex  Iulia  oder  nur  durch 
eine  einfache  Verfügung  erfolgte.  8.  Mommsbn 
Rom.  Staatsrecht  III  1181.  Cohn71.  Libbbnam 
27.  KABLOWARom.Rechtsgesch.il  67.  Kobne- 

MANN  408. 


J)  Vollständigste  Zusammenstellung  der 
hierauf  bezüglichen  Inschriften  und  der  darin 
erwähnten  Kollegien  bei  Waltzing  Band  111 
und  IV. 

2)  Liebenam  11  f.  Waltzing  I  77. 

3)  Mommsen  De  colleg.  32  ff.  Liebenam 
16  ff.  und  gegen  Cohn  27  ff.,  der  abweichender 
Meinung  ist.   s.  besonders  Waltzing  I  79  ff. 

4)  So  im  J.220  v  Chr.  die  Lex  Metilia  für 
die  Walker,  Plin.  XXXV  197.  die  die  einzelnen 
Manipulationen  genau  ordnete  Freilich  hatten 
gerade  diese  Handwerker  eine  Art  Ausnahme- 
stellung, da  ihre  Tätigkeit  bei  Benutzungscharf- 
ät/ender  Stoffe  die  ihnen  anvertrauten  Kleider 
ruinieren  konnte.  Davor  wollte  der  Staat  die 
Bürger  schützen. 

°)  Digg.  XLVIT  22,  4,  dazu  Liebenam  18. 

6)  Ueberliefert  bei  Ascon.  ad  Cic.  in  Pison. 
8  p.  6  (Kießling-Schöll).  Das  Datum  steht  aller- 
dings nicht  fest,  da  die  Namen  der  Konsuln 
ungenau  überliefert  sind.  vgl.  Duseigneüb 
XXIV.  Masson  68.  Stemler  9  f.  Calinesco 

11  f.  TROüETTE40ff.  j0LY31ff.  LiEBENAM  20  ff. 

Waltzing  I  90  ff    Kobnemann  406. 

7)  Unter  denen,  die  verschont  blieben  (pau- 
ca  atque  certa,  quae  täilitas  civitatis  desideras- 
set),  nennt  Ascon.  ad  Cic.  pro  Com.  p.  67  fabri 
und  eine  zweite  Gattung,  doch  ist  das  Wort 

Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft.  IV.  2, 


3.  Aufl. 


39 


610 


Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 


Lex  Iulia  erneuert1).  Damit  war  die  Freiheit  der  Vereinsbildung  aufgehoben:! 
bei  jeder  Neubildung  war  fortan  die  Genehmigung  des  Senates  einzuholen, 
die  auf  Grund  der  Lex  Iulia2)  und  nach  eingeholtem  kaiserlichem  Konsense 
erteilt  wurde3);  doch  scheint  es,  daß  in  den  Provinzen,  wenn  schon  auch  dort 
in  der  Regel  die  kaiserliche  Erlaubnis  eingeholt  werden  mußte4),  unter  Um- 
ständen die  des  Statthalters  allein  genügte5).  Spätere  kaiserliche  Verordnungen 
betrafen  mehr  die  politischen  und  militärischen  Vereinigungen;  die  Hand- 
werkervereine, die  im  allgemeinen  sich  von  der  Politik  fernhielten6),  wurden 
als  ungefährlich  nicht  belästigt,  ja  mitunter  mit  besonderen  Privilegien  aus- 
gestattet7), wenn  sie  auch  andrerseits  von  gewissen  Beschränkungen,  die 
alle  Kollegien  betrafen,  nicht  ausgenommen  waren8).  Da  nach  der  Lex  Iulia 
aber  nur  solche  Vereinigungen  genehmigt  werden  sollten,  die  dem  Staate 
Nutzen  brachten9),  so  war  die  Zahl  der  zugelassenen  Kollegien  jedenfalls 
nicht  übermäßig  groß10),  und  von  den  zahlreichen  Handwerkerkollegien,  die 
wir  aus  den  Inschriften  jener  Zeit  in  Rom  und  in  der  Provinz  kennen  lernen, 
mögen  manche  ohne  staatliche  Genehmigung,  aber  ihrer  Harmlosigkeit  halber 
toleriert  gewesen  sein11). 

Indessen  vom  3.  Jahrhundert  ab  treten  einschneidende  Veränderungen 
im  Vereinswesen  ein,  die  zumal  die  Handwerkerzünfte  betreffen,  vor  allem 
die,  daß  diese  an  sich  auf  freiwilligem  Zusammenschluß  beruhenden  Genossen- 
schaften Zwangskorporationen  wurden12).     Fortan  konnte  es   keine  freien 


*)  Suet.  Aug.  32 :  collegia  praeter  antiqua 
et  legitima  dissolvit.  Es  war  also  wohl  nur  eine 
direkte  Wiederaufnahme  der  cäsarischen  Ver- 
fügung, s.  Lieben  am  30  f.  Waltzing  114  ff. 
Kornemann  a.  a.  0. 

2)  Beweisend  ist  die  Inschrift  CIL  VI  2193 
über  die  Konstituierung  des  collegium  sijmpho- 
niacorum,  s.  Liebenam  31.  Waltzing  116.  Die 
offizielle  Formel  ist:  quibus  senatus  c.  c.  c.  (d.h. 
coire  convocari  cogi)  permisit  e  lege  Iulia,  vgl. 
Waltzing  125. 

3)  Digg.  XLVII  22, 3  pr. :  in  summa  autem, 
nisi  ex  senatusconsulti  auctoritate  vel  Caesaris 
collegium  vel  quodcumque  tale  corpus  coierit, 
contra  senatusconsultum  et  mandata  et  constitu- 
tiones  collegium  celebrat. 

4)  Plin.  ep.  ad  Trai.  33  f.;  ebd.  93. 
6)  Vgl.  Liebenam  39. 

6)  Daß  sie  aber  in  den  Munizipien  leb- 
haft an  den  Wahlkämpfen  teilnahmen,  zeigen 
die  Graffiti  von  Pompeji,  s.  Liebenam  35  f. 
(nach  P.  Willems  Les  elections  municipales  ä 
Pompei,  Paris  1887). 

7)  So  das  collegium  pistorum  von  Trajan, 
Aur.  Vict.  Caes.  13,5,  vgl.  Liebenam  37,  dann 
durch  Hadrian,  Ulpian  frg.  Vatic.  §  235.  Wei- 
tere Vergünstigungen  an  gewisse  Gewerbe,  die 
mit  dem  Kriegswesen  in  Verbindung  standen, 
s.  Digg.  L  6, 6. 

8)  So  von  der  Verordnung  des  Antoninus 
Pius,  daß  zum  Eintritt  ein  bestimmtes  Alter 
und  körperliche  Rüstigkeit  erforderlich  war, 
Digg.  L  6,  6, 12;  ferner  unter  Marc  Aurel,  daß 
niemand  in  mehreren  Kollegien  Mitglied  sein 
dürfe,  ebd.  XLVII  22, 1,  2. 


9)  Daß  dies  zur  Genehmigung  erforderlich 
war,  ist  wenigstens  sehr  wahrscheinlich,  s. 
Waltzing  119  f. 

10)  Daher  sagt  Gaius  Digg.  III 4, 1  pr. :  pau- 
cis  admodum  in  causis  concessa  sunt  huiusmodi 
corpora  . . .  item  collegia Romae  certa  sunt,  quo- 
rum  corpus  senatusconsultis  atque  constitutione 
bus  principalibus  confirmatum  est,  veluti  pisto- 
rum et  quorundam  aliorum,  et  naviculariorum, 
qui  et  in  provinciis  sunt.  Die  Stelle  ist  viel  be- 
sprochen; Cohn  160,  dem  sich  Maue  Praefect. 
fabrum  40.  Liebenam  45.  Kornemann  41 1  an- 
schließen, nimmt  an,  daß  wir  die  Stelle  nur 
in  der  Verkürzung  aus  justinianischer  Zeit  er- 
halten hätten,  in  der  nur  diejenigen  Gewerbe 
beibehalten  wurden,  die  in  später  Zeit  noch 
Bedeutung  hatten.  Anders  Waltzing  129  f., 
der  den  Ton  auf  paucis  in  causis  legt;  es  hätte 
nur  wenig  Ursachen  zur  Genehmigung  von  Ver- 
einen,trotzdem  aber  doch  vieleVereine  gegeben. 

1 ')  Wenigstens  nimmt  Liebenam  33,  weil 
Inschriften  mit  der  oben  A.  2  angegebenen 
Formel  nicht  allzu  häufig  sind,  an,  daß  nicht 
jeder  Verein  bei  der  Konstituierung  die  Ge- 
nehmigung des  Staats  nachzusuchen  hatte  und 
daß  der  Staat  nur  dann  einschritt,  wenn  sich  Miß- 
stände herausstellten  (vgl.  ebd.  225  ff).  Allein 
die  Pflicht,  die  Genehmigung  einzuholen,  blieb 
jedenfalls  bestehen;  nur  schritt  man  offenbar 
nicht  gegen  jedes  collegium  illicitum  ein,  sondern 
nur  gegen  solche,  die  einen  staatsgefährlichen 
Charakter  hatten,  s.  Waltzing  132 ff.;  153. 

12)  Nur  dies  können  die  Worte  des  Lampr. 
Alex.  Sev.  33, 2  bedeuten :  corpora  omnium  con- 
stituit  vinariorum  lupinariorum  caligariorum 


Dritter  Abschnitt.    Handwerk,  gelehrte  und  andere  Berufe. 


611 


Jkollegien  mit  Selbstregierung  geben,  ausgenommen  die  für  gemeinsam,  sozial. 
jZwecke  (Unterstützung,  Beistand  in  Krankheit  und  bei  der  Bestaun  Dg)  be- 
istimmten collegia  tenuiomm,  auf  die  wir  hier  nicht  . Mitzugehen  haben1)-  ln 
fcer  Folgezeit  gingen  die  Kaiser  immer  mehr  darauf  aus,  die  KolN-im  zu 
■Werkzeugen  der  Verwaltung  zu  machen8),  obschon  sie  durch  Bewilligung 
Iron  gewissen  Vorrechten,  durch  Befreiung  von  lästigen  Berufs-  oder  Staats- 
fcflichten  die  Zugehörigkeit  zu  einem  Kollegium  begehrenswerter  zu  machen 
tuchten3).  Daneben  wurden  aber  die  Zwangsbestimmungen  immer  härter:  die 
Berufswahl  der  Handwerker  war  nicht  mehr  frei,  sondern  der  Sohn  mul.it.' 
Ben  Beruf  des  Vaters  ergreifen,  selbst  Schwiegersöhne  mußten  in  die  Ge- 
nossenschaft, der  der  Schwiegervater  angehörte,  eintreten,  das  Kollegium 
kvar  für  die  Steuern  jedes  einzelnen  Mitgliedes  haftbar  u.  dgl.  m.<).  In  dieser 
Form  der  Bedrückung,  der  finanziellen  Enge,  der  sozialen  Geringschätzung 
gingen  die  Handwerkerkollegien  ins  oströmische  Reich  über. 

Auf  die  Organisation  und  Verwaltung  der  Kollegien,  über  die  wir  durch 
üie  Inschriften  zum  Teil  sehr  eingehend  unterrichtet  sind 5),  können  wir  hier 
nicht  näher  eintreten,  zumal  darin  die  Handwerkerkollegien  von  den  zahl- 
reichen übrigen  sich  nicht  wesentlich  unterschieden  zu  haben  scheinen6), 
wenn  auch  jedes  Kollegium  berechtigt  war,  sich  je  nach  seinen  besonderen 
Aufgaben  sein  eigenes  Statut  zu  geben7),  das  aber  im  allgemeinen  dem  Vor- 
bilde der  städtischen  Verfassung  nachgebildet  war8).  Wir  begnügen  uns 
daher,  nur  einige  Bemerkungen,  die  speziell  die  Handwerkerkollegien  be- 
treffen, hinzuzufügen9).  Vor  allem  ist  darauf  aufmerksam  zu  machen,  dafc 
zwischen  den  römischen  collegia  opificum  und  den  mittelalterlichen  Hand- 
werkergilden oder  Zünften  bei  manchen  Ähnlichkeiten  doch  ein  fundamentaler 
Unterschied  besteht:  der  Beruf  der  Verbandsmitglieder  führt  sie  zwar  zu- 
sammen,  ist   aber  sonst  durchaus  Nebensache;   es  ist  nicht  die  Rede  von 


et  otnnino  omnium  artium  atque  ex  sese  defen- 
sores  dedit  et  iussit,  qui  ad  quos  iudices  perti- 
neret.  Vgl.  Liebenam  49.  Waltzing  II  254  faßt 
die  Neuerung  in  dem  Sinne,  daß  der  Kaiser 
damit  nur  einen  schon  länger  bestehenden  Zu- 
stand zum  gesetzlichen  machte,  indem  er  alle 
bisher  nur  tolerierten  Kollegien  zu  staatlich 
anerkannten,  damit  aber  auch  zu  staatlich 
kontrollierten  machte. 

1)  Vgl.  über  sie  Liebenam  39;  267  ff. 
Waltzing  I  141  ff.  Kornemann  387  f. 

2)  Die  Gründe  für  dies  System  und  die 
Art  seiner  Durchführung  bespricht  ausführlich 
Waltzing  II  259  ff. 

3)  Cod.Theod.XI16,15;ebd.l8;XIII4,2. 
Cod.  Iust.  X  48, 12.  Vgl.  Liebenam  50  f. 

4)  Liebenam  53.  Waltzing  II  271  ff. 

5)  Vgl.  außer  den  oben  angeführten  franzö- 
sischen Dissertationen  besonders  Schiess  Die 
röm.  collegia  funeraticia  (München  1888)  41  f. 
Liebenam  159  ff.  Waltzing  I  334  ff.  Korne- 
mann  415  ff. 

6)  Wir  besitzen  nur  von  zwei  gewerb- 
lichen Kollegien  Bruchstücke  ihrer  Statuten: 
von  einer  Walkerinnung  {collegium  aquae)  aus 
spätrepublikanischer  Zeit,  CIL  VI  10298,  s.  Ru- 


DORFFZtschr.f.gesch.Rechtswissensch.XV203 
u.  322.  Mommsen  ebd.  326  u.  348  (Wali. 
III  281  ff.);  und  von  einem  Kollegium  der  nego- 
tiatons  tbororU  mit  dbXH'U  aus  liadrianischer 
Zeit,  s.  Hülsen  R.  M.  V  (1890)  287  ff.  Gbadbn- 
witz  Ztschr.  d.  Savignvstiftunc.  röm.  Abt.  XI 
(1890)  72 ;  XII  (1892)  138  (Waltzing  0181«  t . 

7)  Digg.  XLVII  22.4:  his  (sc.  sodalibus, 
qui  eiusdem  collegii  sunt)  potestatem  facit  /r.r, 
pmtionem,  quam  velint,  sihi  frrre,  dum  ne  quid 
ex  publica  lege  corrumpant. 

8)  Digg.  III  4, 1 :  quibiis  autem  permissum 
est  corpus  linhere  collegii  soriitutis  (Mommskn 
societatist-e;  Cohn  sodaliciive)  sive  cuiusque  alte- 
rius  eontm  nomine,  proprium  est  ad  f.rruip/um 
ruipiih/inic  habere  res  communis,  nrcam  com- 
munem  et  actorem  sive  syndicum,  per  quem 
tamqurt»!  in  n-publica,  quin/  rommiinitcr  agi 
firri</nr  oportrat,  ai/atur  fint.  Die  Vergleichung 
mit  der  Stadtverfassung,  von  der  Gaius  hier 
nur  einige  Beispiele  anführt,  läßt  sich  bis  ins 
kleinste  Detail  durchführen,  s.  Liebenam  178. 

9)  Es  mag  bemerkt  werden,  daß  neben 
collegium  im  gleichen  Sinne  auch  corpus  and 
sodalicium  gebraucht  wird,  Liebenam  164  ff. 
Waltzing  I  340. 

39* 


612 


Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 


gemeinsamem  Betrieb  der  Gewerbe,  von  Ausübung  des  Berufs  nach  voi| 
geschriebenen  Satzungen,  von  Fähigkeitsnachweisen,  Lehrlingszeit,  Meistei 
Prüfungen  u.  dgl.  Erst  später  wird  für  solche  Kollegien,  die  als  notwendi 
für  Staats-  und  Gemeinwohl  betrachtet  werden,  ein  Befähigungsnachwei 
verlangt1).  Es  kommt  daher  nicht  selten  vor,  daß  auch  Angehörige  andere 
Gewerbszweige  einer  Korporation  beitreten,  wofür  inschriftliche  Beispiel 
vorliegen2).  Von  sonstigen  Bedingungen  zum  Eintritt  ist  nichts  bekannt;  be 
den  aus  Freien  bestehenden  Kollegien  war  die  freie  Geburt  oder  vielleicht 
bei  Freigelassenen,  der  Stand  der  Freiheit  erforderlich;  in  großen  sklaven 
reichen  Häusern,  auf  den  Landgütern  und  besonders  im  Kaiserhause  bildetei 
die  derselben  Branche  angehörigen  Sklaven  auch  ihre  Kollegien,  die  ii 
Organisation  und  Verwaltung  ganz  und  gar  denen  der  Freien  glichen3).  Zwecl 
war  bei  allen  Korporationen  teils  die  Unterstützung  in  Krankheits-  un( 
Sterbefällen,  wofür  die  Beiträge  der  Mitglieder  dienten,  teils  Pflege  de] 
Geselligkeit,  die  besonders  in  gemeinschaftlichen  Mahlzeiten  zum  Ausdruc 
kam,  sowie  die  Verehrung  bestimmter  Gottheiten. 

Schließlich  ist  noch  von  der  Gewerbesteuer  zu  sprechen.  In  dei 
republikanischen  Zeit  liegen  Spuren  einer  solchen  nicht  vor.  In  Ägypten 
wo  sie  schon  vor  den  Ptolemäern  bestanden  hatte4),  fanden  die  Römer  sie 
vor  und  ließen  sie  bestehen5);  und  auch  sonst  scheinen  sie  in  den  Provinzen 
Handwerk  und  Handel  besteuert  zu  haben6).  In  Rom  hingegen  und  Italien 
kommen  Gewerbesteuern  erst  spät  auf;  zwar  erhob  Caligula  eine  solche  von 
den  Lastträgern  (geruli)1),  aber  erst  unter  Alexander  Severus  finden  wir 
eine  wirkliche  Besteuerung  der  Gewerbetreibenden8).  In  der  späteren  Kaiser- 
zeit gab  es  eine  Gewerbesteuer  unter  dem  Namen  chrysargyrum9),  collatio 


x)  Das  sind  besonders  die  Kollegien  der 
fabri,  centonarii  und  dendrophori,  weil  diese 
zugleich  die  Feuerwehr  bildeten,  s.  Digg.  L  6, 
6,12;  vgl.  Liebenam  175. 

*)  So  beim  cöllegium  der  dendrophori  ein 
fullo  CIL  V  82  add.,  ein  margaritarhis  VI  641 
u.  1925;  ein  aurifex  als  Mitglied  des  corpus 
fabrum  tignuariorum,  XIII  5154.  Die  Inschr. 
VI  3075*  (Orelli  4160)  ist  falsch.  Vgl.  Liebe- 
nam 258. 

3)  Darauf  bezieht  sich  wohl,  wie  Momm- 
sen  De  coli.  102  A.  18  meint,  der  Satz  bei  Plin. 
ep  VIII  16,2:  nam  servis  respublica  quaedam 
et  quasi  civitas  domus  est.  Vgl  Marquardt  Pri- 
vatleben 154.  Wallon  Hist.  de  l'esclav.  II  476. 
Liebenam  130  ff. :  über  die  Sklaven  im  kaiser- 
lichen Haushalt  s.  Hirschfeld  Die  kaiserl.  Ver- 
waltungsbeamten'2 S.  307  ff. 

4)  Griech.  x£lQ(ovd^iov,  vgl.  Marquardt 
Rom.  Staatsverwalt.  II  193. 

5)  Belege  bieten  noch  erhaltene  Steuer- 
quittungen, CIG  4863  b;  4873;  4874;  4884; 
namentlich  auf  den  Ostraka  und  in  Papyrus- 
Steuerqnittungen.  Wie  Wilcken  Gr  Ostraka  I 
321  ff.  nachweist,  war  es  üblich,  daß  jedes  ein- 
zelne Gewerbemiteinem  bestimmten,  für  jeden, 
der  das  Gewerbe  ausübte,  gleichen  Fixum  be- 
steuert war;  doch  kommt  daneben  auch  die  Art 
■der  Besteuerung  vor,  daß  eine  bestimmte  Quote 


vom  Gewinn  abgeführt  wurde  (ebd  326  ff.). 

6)  Marquardt  a.  a.  O.  228.  Der  aus  dei 
Zeit  Hadiians  herrührende  Steuertaiif  von  Pal- 
myra  (s.  Dessau  Hermes  XIX  (1884)  486  ff.) 
nennt  verschiedene  Gewerbe  (u.  a.  Trödler  und 
Schuster) ;  sie  sind  aber  gleich  hoch  besteueri 
mit  einer  festen  Summe,  die  unabhängig  vom 
Jahresertrag  tarifmäßig  für  den  Monat  fest- 
gesetzt ist.  Da  sie  für  jede  Werkstatt  (soyunn'j- 
giov)  zu  zahlen  ist,  so  schließt  Wilcken  aa.O 
350  daraus,  daß  nur  die  selbständigen  Hand 
werker,  die  eine  eigene  Werkstatt  besaßen 
dafür  herangezogen  wurden,  nicht  aber  du 
Lehrlinge  und  Handlanger  oder  die  vorüber 
gehend  arbeitenden  Fremden. 

7)  Nach  Suet.  Calig.  40  ein  Achtel  ihres 
Tagesverdienstes;  auch  von  den  Buhlerinner 
wurde  Steuer  erhoben,  und  zwar  quanturt. 
quaeque  uno  concubitu  mereret;  vgl.  Dio  Cass 
L1X  28.  8. 

8)  Lampr.  AI.  Sev  24, 5:  bracariorum  linte- 
onum  vitrariorum  pellionuni  claustrariorun 
argentariorum  aurificum  et  ceterarum  artiun 
vectigal  pulcherrimum  instituit.  Besteuerung 
der  Töpfer  bezeugt  das  Epigramm  Anth.  Lat 
137  (Riese),  3:  vectigal  poteras  figuJorum  rem 
dere  fisco.  Es  wurden  also  von  da  ab  woh 
alle  Gewerbe  besteuert. 

9)  Zosim.II  38,3.  Zonar.XIV  3  p.54B. 


Dritter  Abschnitt.    Handwerk,  gelehrte  und  andere  Berufe. 


Muxtralis1),  aurum  lustrale  u.  dgl.  m.2).  In  welcher  Weise  diese  Steuern  früher 
Erhoben  wurden,  wissen  wir  nicht;  später  war  es  üblich,  daü  sir  der  Fiskus 
:.jron  den  Korporationen  erhob  und  es  diesen  Qberlieö,  die  bei  den  Mitgliedern 
einzutreiben3).  Diese  für  die  Handwerker  sehr  drückende  Steuer4)  wurde 
ferst  unter  dem  byzantinischen  Kaiser  Anastasios  (491—518  n.  Chr.)  für  du 
jpströmische  Reich  aufgehoben6). 

Von  Lohnarbeit  ist  im  Vorhergehenden  mehrfach  die  Rede  gewesen, 
lind  wir  haben  im  vorigen  Abschnitt  gesehen,  daü  auch  bei  den  ländlichen 
lirbeiten  sehr  oft  Lohnarbeiter  oder  Tagelöhner,  d.  h.  freie  Arbeiter,  die  sich 
tu  bestimmten  Verrichtungen  vermieteten,  zugezogen  werden  mußten«).  Aber 
buch  im  gewöhnlichen  Hausstand  wurde  es  mitunter  notwendig,  solche  zu 
■mieten,  z.  B.  zum  Wassertragen  oder  Kloakenreinigen7).  In  der  sozialen  Stufen- 
leiter rangierten  diese  Lohnarbeiter  so  ziemlich  am  tiefsten  von  allen  am 
peld  arbeitenden8),  sodaß  Cicero  operarius  geradezu  in  verächtlichem  Sinne 
[gebraucht  von  Künstlern  oder  Rednern,  die  keine  höheren  Ziele  kennen9). 
Iln  dieser  Hinsicht  standen  sie  auf  einer  Stufe  mit  den  Lastträgern,  den 
miuli10),  und  den  Sackträgern,  saccarii11),  die  namentlich  in  Hafenstädten  das 
lAusladen  der  Güter  besorgten,  oder  den  gerulii%).  Auch  alle  die  Gewerbe,  die 
les  mit  der  Besorgung  und  Bestattung  der  Leichen  zu  tun  hatten  und  von  denen 
loben  die  Rede  war,  die  libitinarii,  pollinctores,  praeficae,  vespillones,  ustores  etc. 1S), 
[gehören  hierher;  ferner  diejenigen,  die  die  Beförderung  von  Menschen  oder 
Gütern  übernahmen,  wie  die  schon  erwähnten plaustrarii,  cüriarü  und  redarii  u ). 
die  reeturarü16),  die  muliones,  soweit  darunter  selbständige  Besitzer  von  Reit- 


')  Cod. Theod.I5.14;XlII  1,20;  derName 
kommt  daher,  daß  sie  eigentlich  alle  fünf  Jahr 
erhoben  werden  sollte,  doch  geschah  die  Er- 
hebung meist  in  kürzeren  Zeitiäumen,  s.  Seeck 
bei  P.W  IV  371  f. 

2)  Siehe  die  verschiedenen  Benennungen 
bei  Seeck  a.  a.  0.  370.  Marquardt  a.  a.  0. 
230. 

3)  Cod.Theod.XII29,6  XIII  3, 17. 

4)  Liban.  or.  XLVI  22  (II  477  R.)  nennt  sie 
dq  (Hj)jTOi  q^ogog,  (pQizxetr  jigoaiovoag  .Trn<hr  rt'w 
ieivac  jtEvzszt]gi'öag,  und  bemerkt,  daß  nicht 
einmal  der  vsvßoogdqyog ,  der  Schuhflicker,  ihr 
enttrehe 

5)  Euagr.  Hist.  eccl.  III  39. 

6)  Vgl.  oben  S.  539;  550  f. 

7)  Im  Ed.  Diocl.  7.  31  f.  wird  Taglohn  mit 
Verpflegung  für  den  aquarhis  und  den  cloa- 
carius  festgesetzt.  Ein  conductor  aquarius 
kommt  auch  bei  luv.  6.  332  vor. 

8)  Siehe  oben  S.  550 ;  dazu  Cic.  Tusc.  V 
36,  104:  an  quicquam  stultius,  quam,  quos  siu- 
gulos  sicut  operarios  barbarosque  contemnas, 
eos  aliquid putare  esse  universos? 

9)  Cic.  pro  Rose.  Amer.  41,  120:  homines 
paene  operarii;  Brut.  86, 297 ;  de  orat.  I  18, 83; 
ad  Att.VII2,8. 

,0)  Caecil.  b.  Cic.  de  or.  II  10.  40  stellte  so 
den  remex  mit  dem  baiulus  zusammen;  Cic. 
III  2.  23  u.  Brut.  73  baiuli  und  operarii.  Zum 
Wort  vgl.  Plaut.  Poen.  1354.  Gell.  V  3, 1.  Fest. 


35.  8.  Die  Glossen  haben  neben  baiolus  die 
Form  baiolator.  s  Corp.  Gl.  VI  125  f. 

n)  Apul. met.  I  7:  taeeariom  faeim».  Cod. 
Theod.  XIV  22.  Digg.  XVIII  1,40,3.  CIL  IV 
274;  497.  Vgl  LiebenamSO.  W.u. ms..  11  59  ff. 
Dagegen  ist  der  saccarius  in  den  Glossen  ein 
Sackmacher.  Corp.  Gloss.  II  429,  36:  592.  11; 
III  309.35.  Vgl. den  sarcinarius  ebd.  II  254,25; 
264,  28. 

M)  Man  muß  die geruli,  die  Staatediener,  ap- 
paritores  pubfici,  sind  (Mommsen  Rom.  Staaten 
1 352.  Liebenam80  A.2),  von  den  privaten,  die 
nichts  anderes  als  baiuli  sind,  unterscheiden; 
nur  die  letzteren  konnte  Kaiser  Gaius  nach 
Suet.  Calig.  40  mit  einer  Gewerbesteuer  be- 
legen. Solche  sind  gemeint  bei  Hör.  ep.  I! 
2.  72.  Colum.  X  310;  vgl.  den  geruht*  litt*- 
nintm  Sid.  Ap.  ep.  VIII  13,3.  Corp.  Gloss. 
VI  491. 

»)  Siehe  oben  S.  484 ;  489 ;  490 ;  492 ;  501 . 
Das  waren  keineswegs  immer  Sklaven,  wie 
Voigt  Rom.  Privataltert.  384  A.86  meint,  vgl. 
Mart.  I  30  u.  47. 

«*)  Siehe  oben  S.  458  A.  8;  460  u.  ebd.  A.  5. 
Ueber  Kollegien  von  cisiarii  b.  Lieben  am  107  f. 
Waltzino  II  148. 

,5)  Cod.  Theod.  XIV  6. 1 ;  cectura  ist  eben- 
sowohl der  Transport  von  Menschen  und  Gü- 
tern, wie  das  Frachtgeld  dafür.  Plaut.  Most. 
823;  Asin.432.  Sen.de  benef.VI  15,6.  Corp. 
Gloss.  VII  396. 


614 


Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 


und  Zugvieh  gemeint  sind1),  und  die  iumentarii2).  Für  Transport  zu  Wasst 
waren  die  nautae  da3);  die  navicularii,  die  das  überseeische  Getreide  nach  d< 
Hauptstadt  brachten,  waren  allerdings  mehr  Unternehmer  im  größeren  Sti 
die  auf  eigene  Rechnung  und  Gefahr  die  Lieferungen  übernahmen4),  währen 
die  caudicarii  (codicarii)  das  Getreide  von  Rom  stromaufwärts  schafften5 
Andere  mit  Personen-  und  Warentransport  ihren  Unterhalt  verdienende  Ge 
werbe  sind  die  lenuncularii.  Barkenführer6),  die  scapharii  und  lintrarii1). 

Was  alsdann  anderweitige,  mit  Gelderwerb  verbundene  Berufe  anlangl 
so   können   wir   die  niederen  Angestellten  und  Diener  der  Magistrate,   di 
apparitores,   als   scribae,   lictores,   viatores,   praecones,  accensi,  nomenclatoret 
tabellarii,  librarii,  arcarii,  interpretes,  geruli,  ebenso  übergehen  wie  das  be 
soldete  Hilfspersonal  der  Tempel  und  Priester,  die  haruspices,  medici,  pullarü 
victimarii,  calatores,  tibicines,  fidicines,  fictores,  strufertarii  usw.,    da   sie   aL 
öffentliche  Beamte  nicht  hierher   gehören8);    es  mag  nur  bemerkt  werden 
daß  sie  im  allgemeinen  in  der  Achtung  eine  Stufe  höher  standen   als  di( 
Handwerker,  und  daß  diese  Stellen  beim  Volke,  zumal  bei  den  Freigelassenen 
gesucht  waren,  daß  aber  auch  da  eine  Stufenleiter  bestand,  auf  der  die  scribai 
die  angesehenste  und  bestbesoldete  Korporation  bildeten,  während  die  Aus- 
rufer, die  praecones,  am  tiefsten  standen9).    Übrigens  weisen  die  Inschriften 
nach,  daß  die  Liktoren  daneben  noch  irgendeinen  bürgerlichen  Beruf  treiben 
durften,  einen  Kleinhandel  etwa  oder  ein  Handwerk10). 

Noch  geringerer  Achtung  aber  als  der  magistrale  praeco  erfreute  sich 
der  private  Ausrufer,  dessen  Hauptgeschäft  neben  Ausrufen  von  allerlei 
Bekanntmachungen11)  das  Abhalten  von  Auktionen  war12);  das  Gewerbe  war 
zwar  ganz  einträglich,  galt  aber  für  unanständig13).  Überhaupt  konnte  selbst 
reicher  Geldverdienst  manche  Gewerbe  nicht  von  der  Anrüchigkeit  befreien. 


1)  Vgl.  oben  S.  465. 

2)  Inschriftlich,  s.  Liebenam  107.Waltzing 
II 152;  sie  sind  zu  unterscheiden  von  den  ebenso 
benannten  iumentorum  pastores,  Corp.  Gloss. 
II  585, 1. 

3)  Ueber  die  collegia  nautarum,  die  be- 
sonders die  Flußschiffahrt  für  die  Kaufleute 
besorgten,  siehe  Liebenam  81  ff.  Waltzing  II 
29  ff. 

4)  Ueber  diese  Genossenschaften  s.  Geb- 
hardt  Studien  über  d.  Verpflegungswesen  von 
Rom  u.  Konstantinopel  (Diss.  Dorpat  1881)  1  ff. 
Liebenam  67  ff.  Waltzing  II  34  ff. 

5)  Schon  früh  erwähnt.  Varro  bei  Non. 
535,16.  Sen.  dial.  X  13.4;  öfters  in  Inschrif- 
ten, s.  Humbert  bei  D.-S.  I  972.  Liebenam  72. 
Waltzing  II  69  ff.  Seeck  bei  P.-W.  IV  173  f. 
Zum  Hilfspersonal  gehörten  die  beim  Verladen 
und  Transport  des  Getreides  beschäftigten  ca- 
tabolenses,  die  Freigelassene  waren,  und  die 
anabolicarii,  s.  Liebenam  80.  Waltzing  II  61 
(vgl.  35).  Auch  die  von  phalangae,  den  Trag- 
hölzern zum  Fortschaffen  der  Lasten ,  benannten 
falangarii  (Non.  163,  21.  CIL  VI  1785.  Corp. 
Gloss.  II  70,14;  150,  21)  gehören  hierher,  s. 
Liebenam  81.  Waltzing  I  283;  II  99. 

c)  Von  lenunculus,  Barke,  benannt,  vgl. 
Gell.  X  25,  5.  Tac.  ann.  XIV  5  u.  s. ;  s.  Liebe- 


nam 85.  Waltzing  II  73  ff. 

7)  Oefters  auf  Inschriften,  s.  Liebenam 
a.  a.O.  Waltzing  a.  a.O.  Wahrscheinlich  sind 
auch  die  besonders  iu  Südgallien  häufig  vor- 
kommenden utricularii  (abgesehen  davon,  daß 
dies  Wort  auch  Schlauchfabrikanten  bedeuten 
kann)  Schiffer,  die  auf  Flößen  aus  Lederschläu- 
chen Wein  und  Oel  transportierten,  s.  Liebenam 
87  ff.  Waltzing  II  157. 

8)  Vgl.  Schiller  Rom.  Staatsaltert.2  42  f. 
Wissowa  Religion  u.  Kultus  d.  Römer  426  f. ; 
446  Drumann  Arbeiter  u.  Kommun.  165  ff. 
MoMMSENim  Rh.  Mus.  N.  F.  VI  (1848)  1  ff.;  ders. 
Rom.  Staatsrecht  I  332  ff.  Marquardt  Rom. 
Staatsverwaltung  2III 224  ff.  Humbert  beiD.-S. 
I  327  ff.  Habel  bei  P.-W.  II  191  ff. 

9)  Friedländer  Sittengeschichte  5I 327  ff. 
10)  Mommsen  Rh.  M.  a.  a.  0  55. 

u)  Als  solcher  praeco  fungiert  bei  Apul. 
met.VI  8  Merkur. 

")  Hör.  ep.  I  7.  55.  luv.  3,  33.  Mart.  I  85. 

13)  luv.  3, 157 :  nitidi  praeconis  filius ;  7, 5 : 
nee  foedum  alii  nee  turpe  putarent  |  praecones 
fieri.  Mart.V  56, 10:  si  duri  puer  ingeni  ride- 
tur,  |  praeconem  facias  vel  architectum.  Man 
betrachtete  es  als  verächtlich,  daß  jemand  mit 
nichts  als  mit  seiner  lauten  Stimme  Geld  ver- 
diente, s.  Cic.  pro  Quinct.  3, 11  f. 


Dritter  Abschnitt.    Handwerk,  gelehrte  und  andere  Berufe. 


615 


Jei  dem  des  Uno,  des  Bordellwirts,  wie  bei  der  selbständig  ihrem  Beruf 
lachgehenden  Dirne1)  begreift  es  sich  von  selbst;  auch  daß  die  Pächter  von 
Zöllen  und  Steuern  stets  in  Mißachtung  standen,  ist  verständlich*);  und 
ebendasselbe  gilt  von  den  verrufenen  Inhabern  von  Speise-  und  Trink  wirt- 
schaften oder  anrüchigen  Unterkunftshäusern,  den  cauj><>>t<s,  p^uMfit,  ntabu- 
larii  u.dgl.3).  Aber  andere  Erwerbszweige,  denen  kein  moralischer  Makel 
anhaftete,  die  es  aber  mit  nicht  ganz  sauberen  Dingen  zu  tun  hatten,  wie 
z.  B.  die  Pacht  von  öffentlichen  Bedürfnisanstalten4),  die  Übernahme  von 
Leichenbegängnissen  u.dgl.5),  galten  als  unwürdig  für  einen  gebildeten  freien 
Mann.  Alle  diese  Erwerbszweige  betrachtete  der  Römer  der  besseren  Blinde 
ebenso  wie  alle  Handwerke  als  sordidi  qaaestus*);  und  vom  selben  Gesichts- 
punkte aus  betrachtete  man  diejenigen,  die  sich  durch  die  arU*  ludierae  ihr 
Leben  fristeten,  d.h.  durch  Kunstfertigkeiten,  mit  denen  Augen  und  Ohren 
des  Publikums  unterhalten  wurden,  die  aber  nicht  wie  die  artet  Uberalet  auf 
geistiger  oder  gelehrter  Bildung  beruhten7).  Bei  den  Schauspielern  ging  das 
so  weit,  daß  sie  sogar  bürgerlich  ehrlos  waren,  was  freilich  nicht  hinderte, 
daß  hervorragende  Künstler  unter  ihnen  die  Freundschaft  hervorragender 
Persönlichkeiten  genossen,  große  Reichtümer  erwarben  und  mit  Ehren  aller  Art 
überhäuft  wurden8),  und  daß  schöne  Bühnenhelden,  namentlich  Pantomimen- 
tänzer, sich  der  Gunst  der  vornehmsten  Damen  erfreuten9).  Das  Gleiche  war 
der  Fall  bei  den  anderen  Repräsentanten  der  öffentlichen  Schauspiele,  den 
Athleten,  Gladiatoren.  Zirkuskutschern  usw.,  Berufen,  die  sehr  oft  auch  von 
Freigelassenen  oder  Freien  ergriffen  wurden,  wenn  auch,  namentlich  unter 
den  Gladiatoren  und  den  venatores,  den  gegen  die  wilden  Tiere  kämpfen- 
den, Sklaven  und  verurteilte  Verbrecher  das  Hauptkontingent  stellten I0). 
In  dieselbe  Kategorie  gehörten  die  in  ihren  Einnahmen  und  Stellung 
freilich  viel  ungünstiger  situierten  herumziehenden  Gaukler,  Jongleure,  Akro- 
baten u.dgl.,  die  circulatores11),  praestigiatores  (Taschenspieler)12),  pilarü  und 
ventilatores13),  funambvli  (Seiltänzer)14),  petauristae  (Akrobaten) lß),  desultores 


')  Siehe  oben  S.  367  ff. 

2)  luv.  3,  31:  guw  fädle  est  aedem  condu- 
cere,  flumina,  porius,  was  am  besten  auf  Flufi- 
und  Hafenzölle  gedeutet  wird.  Der  im  all- 
gemeinen wohl  nicht  ungerechtfertigte  Haß 
gegen  alle  portitores  und  piiblicani  (vgl.  Liv. 
XLV  18,  4:  ubi  publicanus  esset,  ibi  aut  iiispu- 
blicum  vanum  aut  Ubertatem  sociis  nullam  esse) 
ist  besonders  aus  der  Evangeliengeschichte  von 
Christus  und  dem  Zöllner  wohlbekannt.  Cic.de 
off.  I  42,  150  rechnet  zu  den  quaestns,  qui  in 
odia  hominum  incurrunt,  die  portitores  und 
die  faeneratores. 

3)  Siehe  oben  S.  450  ff. 

4)  So  erklärt  man  am  besten  mit  Fried- 
i.ä  n  der  luv.  3. 38 :  conducuntforicas ;  vgl.  Corp. 
Gloss.  V  296, 1 1 :  foricas  latrinas,  cessus,  seilas ; 
vgl.  ebd.  599,33;  655,22. 

5)  luv.  3.33;  vgl.  oben  S.  489. 

6)  Cic.  de  off.  I  42. 150. 

7)  Seneca  ep.  88,  22 :  ludicrae  (artes)  sunt, 
fuae  ad  roluptatem  oeulorum  atque  aurium  ten- 
dunt.  Vgl.  Plaut.  Aul.  626.  Cic.  de  or.  II  20,84. 


Colum.  I  pr.  6. 

8)  Dbumann  193  ff.  Frikdländeb  Sitten- 
geschichte5 II  422  ff. 

9)  Friedländer  a.  a.  0. 1  434. 
10)  Ebd.  II  323  ff.;  349. 

u)  Cic.  ad  fam.  X  32,  3.  Schol.  luv.  6.583; 
es  sind  Schlangenbändiger,  Cels.  V  27,  3.  Digg. 
XLVII  11,11;  Degenschlucker  Apul.  met.  1  4, 
u.  dgl.  m. 

»)  Plaut.  Amph.782;Poen.  1125;  Aul.630; 
Truc.134.  Varrol.l.V94.  Frontode  orat.p  156 
Naber.  Mart  Cap.V514.  Corp.  (iloss.  VII 

,J)  Quint.  X  7,11:  quo  emutmä  mtramlM 

llln  in  scfnis  pi/iiriuriun  nr  r,ntif<itornin. 
quae  cmisi'rint  ultra  renire  in  nullius  nnla*  rl 
qua  iuhrntiir  i/ecurrere.   Ueber  die  pilurii  s. 
oben  S.  439  A.9  u.441  A.9  und  die  Schil.lr 
rung  Manil.  Astr.V  1<>">  8 

,4)Ter.  Hec.4;34.  Hör.  ep.  II  1,210;  am-h 
gmeh. sekotnobtrtn,  luv. 3. 77.  Sid.  Apoll,  carm. 
23,301. 

1&)  Lucil.  b.Festua  206  b.  26.  Varro  b.  Non. 
56,  27.    Petron.  47. 9 ;  53. 1 1 :  60.  2  nennt  sie 


616 


Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 


(Kunstreiter)1),  saltatores'2)  u.  dgl.;  ebenso  die  berufsmäßigen  Spaßmacher, 
die  srurrae,  cinaedi  etc.3). 

In  bei  weitem  höherem  Ansehen  standen  die  Vertreter  der  artes  liberales*), 
worunter  freilich  nicht  die  Künste  in  unserem  Sinne  inbegriffen  waren,  sondern 
mehr  die  zur  allgemeinen  Bildung  erforderlichen  Wissenschaften5).  Von  den 
hier  in  Betracht  kommenden  Berufen  ist  schon  oben  die  Rede  gewesen.  Es 
sind  zunächst  die  auf  den  verschiedenen  Stufen  der  Schulbildung  tätigen 
Lehrer:  der  Utterator  oder  litteratus,  der  Elementarlehrer;  der  grammaticus, 
der  Sprachlehrer;  der  r/ietor,  der  Lehrer  der  Beredsamkeit6);  dazu  dann 
noch  die  verschiedenen  Fachlehrer,  wie  librarü,  die  Schreiblehrer  (für  Schön- 
schrift); notarii,  Stenographielehrer;  calculatores,  Rechenlehrer;  geometrae, 
Geometrielehrer;  musici,  Musiklehrer  u.  a.  m.7).  Stellung  und  Einnahmen  waren 
da  freilich  gar  sehr  verschieden:  auf  der  einen  Seite  der  arme,  auf  dürftiges 
Schulgeld  angewiesene,  von  den  meisten  über  die  Achsel  angesehene  Elementar- 
lehrer, auf  der  anderen  gesuchte  Grammatiker  oder  Rhetoren  mit  glänzenden 
Einkommen8).  Am  besten  gestellt  aber  sind  in  der  Kaiserzeit  die  staatlich 
angestellten  Professoren  der  an  verschiedenen  Orten  des  Reiches  errichteten 
Hochschulen9).  Hingegen  stehen  die  Lehrer  technischer  Fertigkeiten,  wie 
Turn-  und  Tanzlehrer,  Reit-  und  Fechtlehrer,  wieder  viel  tiefer10). 

Zu  den  gelehrten  Berufen  der  artes  liberales  gehören  außer  den  Lehrern 
sodann  die  Ärzte,  von  denen  oben  gehandelt  worden  ist11);  sie  hatten  oft 
sehr  angesehene  Stellungen  und  hohe  Einnahmen,  obschon  auch  da,  wie  ja 
auch  heutzutage,  sehr  starke  Unterschiede  sich  ergeben  mochten.  Am  an- 
gesehensten und  vermögendsten  aber  waren  wohl  die  Sachwalter12);  unter 
allen  Berufen,  die  mit  Gelderwerb  verbunden  waren,  war  dieser  der  an- 
ständigste13). 

Dagegen  waren  die  Künstler  nicht  der  gleichen  Wertschätzung  teilhaftig 
wie  die  Gelehrten.    Eine  Ausnahme  machen  nur  die  Baumeister,  obschon  die 


petauristarii.  Sie  arbeiteten  mit  einem  Gerüst 
oder  dergl.  (petaurum);  verwandt  sind  die 
cernui,  die  man  heut  Parterreakrobaten  nennt, 
Lucil  b.  Non.  21,  5.  Varro  b.  Serv.  ad  Aen. 
X894. 

')  Festus  334b, 28.  Liv. XXIII  29.5  ;XLIV 
9,4.  Isid.  or.  XVIII  39;  vgl.  Prop.  V  (IV)  2,35. 
Corp  Gloss.  V  496,  39:  qui  de  equo  in  equum 
transilit;  ebd.  567, 13. 

2)  Cic.  de  off.  I  42, 150  stellt  mit  den  aus 
Ter  Eun.  257  entnommenen  cetarii,  lanii,  co- 
qui,  fartores,  piscatores  als  Vertretern  der  sor- 
dida  officio  die  saltatores  totumque  ludum  ta- 
larium  zusammen.  Vgl.  pro  reg.  Deiot.  10,  28; 
de  fin.  III  7, 24.  Quint  1 12, 14.  Es  war  gerade- 
zu ein  Schimpfwort,  s.  Cic.  pro  Mur.  6, 13;  post 
red.  in  sen.  6, 13. 

3)  Siehe  oben  S.  412  A.  6. 

4)  Cic.  de  inv.  I  25, 35 ;  de  orat.  II  32, 127 ; 
de  off.  I  42, 151. 

5)  Es  sind  wesentlich  grammatica,  dia- 
betica, rhetorica,  geometria,  arithmetica,  astro- 
logia,  musica,  medicina,  architectura,  s.  Teuf- 
fel  Rom  Litteraturgesch.5  294.  Vgl.  Seneca 
ep.  88,  23  ff.   Die  Abgrenzung  der  Fächer  war 


freilich  nicht  feststehend;  die  artes  liberales 
und  die  iyxvfckios  jiatdeia  der  Schulbildung 
(was  Seneca  a.  a.  0.  pueriles  artes  nennt)  gehen 
oft  ineinander  über. 

6)  Siehe  oben  S.  315  f.;  323 f.;  331  f.;  vgl. 
Drumann  a.  a.  0.  223  ff. 

7)  Siehe  oben  S.  320;  323;  327  f. 

8)  Siehe  besonders  oben  S.  316;  324  f.;  334. 

9)  Oben  S.  339  f. 

10)  Vgl.  oben  S.  330.  So  sagt  Seneca  a.a.O. 
1 8 :  aeque  luctatores  et  totam  oleo  ac  luto  constan- 
tem  scientiam  expello  ex  his  studiis  liberalibiis: 
aut  et  unguentarios  recipiam  et  coquos  et  ceteros 
voluptatibus  nostris  ingenia  accommodantes  sua. 

")  Oben  S.  474  ff.;  vgl.  Dkumann  219  ff. 

12)  Vgl.  Dkumann  213  ff.  Friedländer  I 
291  ff.  Sie  werden  in  der  Kaiserzeit  als  ad- 
vocati,  patroni,  oratores,  causidici  bezeichnet, 
vgl.  Humbert  bei  D.-S.  I  81  f.  Kubitschek  bei 
P.-W.  I  436  ff. 

13)  Quint.  XII  7, 10:  neque  enim  video,  quae 
iustior  acquirendi  ratio  quam  ex  honestissimo 
labore  et  ex  iis,  de  quibus  optime  meruerint, 
quique,  si  nihil  invicem  praestent,  indigni  fue- 
rint  defensione. 


Dritter  Abschnitt.    Handwerk,  gelehrte  und  andere  Berufe.  i;  1  7 

K|aukunst  nicht  in  unserem  Sinne  zu  den  Künsten  gerechnet,  sondern  mehr  al  i ,  •  i .  i , 

ützliche  Fertigkeit  betrachtet  wurdet).  Bei  den  riesigen  öffentlich. m  Bauten, 

umal  der  Kaiserzeit,  bei  der  durch  Brände,  Erdbeben  u.  dgL  8tei  -  \  orha mlenen 

"otwendigkeit  von  Neubauten,  bei  der  so  großen  und  mit  solchem  Luxus 

i  erbundenen  Bauwut  der  Reichen,   war   dieser  Beruf  sehr  einträglich  and 

ü  aher  auch  sehr  gesucht2).  Anders  aber  stand  es  mit  den  bildenden  Künstlern, 

i  nt  Malern  und  Bildhauern3),  die  bei  den  Kömern,  selbst  zu  der  Zeit,  wo 

ie  Kunstwerke  in  der  Wertschätzung  gestiegeli,  Kunstsammlungen  häutig 

nd  ein  Prahlen  mit  Kunstverständnis  Mode  geworden  war4),  eine  auffallend 

jedrige  Schätzung  genossen.    Die  Ursachen  dafür  waren  verschiedener  Art: 

inmal  der  unverhältnismäßig  große  Raum,  den  in  der  Kunst  der  Kaiserzeil 

as  Handwerk  einnahm,  indem  Kunst  und  Kunsthandwerk,  dank  einer  vor- 

üglichen,  von  griechischer  Kunst  überkommenen  Tradition,  so  hoch  entwickelt 

?aren,  daß  sie  trotz  fabrikmäßigen  Betriebes  Hervorragendes  leisteten6);  so- 

ann  im  Zusammenhang  damit  der  Umstand,  daß  es  hervorragende  Meister, 

vie  sie  Griechenland  gehabt  hatte,  nicht  gab  und  daß  die  große  Menge  der 

)urchschnittskünstler  wirklich  nur  Handwerker  waren,  die  daher  nicht  anders 

singeschätzt  wurden,  als  diese,  zumal  viele  Künstler  in  ihren  Werkstätten 

Sklaven  als  Bildhauer,  Ziseleure,  Maler  usw.  beschäftigten,  nicht  anders  als 

sin  Schuster  oder  Töpfer  seine  Gehilfen8);  endlich  das  Vorurteil  philosophisch 

md  litterarisch  gebildeter  Männer,  die  in  Überschätzung  derartiger  Bildung 

luf  die  Kunst  wie  auf  ihre  Schöpfungen  und  ihre  Vertreter  als  banausisch 

ind  für  einen  wahrhaft  philosophisch  Denkenden  kaum  der  Beachtung  wert 

/erächtlich  herabsahen7). 

Nicht  zu  sprechen  haben  wir  an  dieser  Stelle  von  den  Schriftstellern, 
leim  das  war  im  alten  Rom  kein  Beruf,  zumal  damit  kein  Gelderwerb  ver- 
aunden  war,  da  das  Altertum  kein  Schriftstellerhonorar  kennt.  Und  was 
andlich  die  mit  Handel  und  Geldgeschäften  zusammenhängenden  Gewerbe 
inlangt,  so  müssen  wir  diesen  einen  besonderen  Abschnitt  widmen. 


')  In  diesem  Sinne  stellt  Cic.  de  off.  I  42, 
151  die  architectura  als  doctrina  verum  ho- 
nestarnm  mit  der  medicina  zusammen. 

2)  Vitr.VIpraef.  5  f. 

3)  Drumann  181  ff.  Friedländer  III 261  ff. 

4)  Ueber  die  Frage,  ob  die  Römer  über- 
haupt wirklichen  Kunstsinn  besaßen,  vgl. 
Friedländer  Ueber  den  Kunstsinn  der  Römer 
der  Kaiserzeit,  Königsberg  1852.  C.F.  Hermann 
Ueber  d.  Kunstsinn  d.  Römer,  Göttingen  1855. 
Friedländer  Sittengeschichte  III  267  ff. 

6)  Friedländer  ebd.  255  f.  Marquardt 
Privatleben  607. 

6)  Besonders  Maler  begegnen  unter  den 
Sklaven  öfters,  vgl.  Artemid.l  V  prooem.  p.  201 .2 


(Hercher).  Digg.VI  1.28.  CIL  VI  9786  ff. 

7)  Seneca  ep  88.18:  in  ill<>  f'eras  nie  ne- 
cesseestnon per /iraeseriptninennteni :  HON  enim 
addueor,  ><t  in  nitmerinn  liheriiliian  artiuin  pi- 
ctores  recipiam,  non  mugis  quam  statum  >■ 
marmorartoa  mit  etterot  humHtu  mmit 
Ders.  bei  Lactant  inst.  II  2. 14  (fr.  120  Haase): 
sitmdacra  deornm  venerantnr  . . .  et  «MMN  //"<•< 
tantopere  WSpiCÜMt,  fahret,  <pii  '//(/  f'rrrrr,  r,in- 

temnunt.  Auf  einem  ähnlichen,  wenn  auch 
nicht  ganz  so  schroffen  Standpunkte  stand 
auch  Cicero,  vgl.  parad.  5,  2.  36,  und  selbst 
hochgebildete  und  kunstverständige  Männer, 
wie  Plutarch,  vgl  Peiicl  2:  ptaec.  ger.  reip.  5' 
p.  802  A,  und  Lukian,  Somn.  9. 


618 


Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 


Vierter  Abschnitt. 

Handel  und  Geldgeschäfte. 


Litteratur.1) 

Handel: 

F.  Mengotti  Del  commercio  dei  Romani  dalla  prima  guerra  Punica  al  Constantino.  Verona  17J 

(Milano  1829). 
Dureau  de  la  Malle  Economie  politique  des  Romains.    2  vol.    Paris  1840. 
A.  Beer  Allgemeine  Geschichte  des  Welthandels.    Wien  1860.  I  93  ff. 
W.  Richter   Handel  und  Verkehr   der  wichtigsten  Völker  des  Mittelmeeres  im  Altertum 

Leipzig  1886.  S.  127  ff. 
A.  Baumstark  Artikel  Negotiatores  bei  Pauly  V  506  ff. 

R.  Cagnat  et  M.  Besnier  Artikel  Mercatura  bei  Daremberg-Saglio  III  1769  ff. 
E.  Speck  Handelsgeschichte  des  Altertums.    Leipzig  1905/6,  III  1  u.  2  (bis  30  v.  Chr.). 

Geldgeschäfte: 
W.  Th.  Kraut  De  argentariis  et  nummulariis.    Göttingen  1826. 
Roussel  Des  argentarii.    Paris  1859. 
E.  Guillard  Les  banquiers  Athöniens  et  Romains.    Paris  1875. 

G.  Cruchon  Les  banques  dans  l'antiquite.    Paris  1879. 
G.  H.  Richard  Les  argentarii.    Paris  1881. 
P.  Thomasset  Des  argentarii.    Lyon  1883. 

H.  Taudiere  Des  argentarii  en  droit  romain.    Poitiers  1884. 

M.  Voigt  Die  Bankiers,  die  Buchführung  und  die  Litteralobligation  der  Römer.    Abhandlungei 

der  philologisch-historischen  Klasse  der  kgl.  Sächsischen  Gesellschaft  der  Wissenschaften 

X  513  ff.   Leipzig  1887. 
A.  Deloume  Les  manieurs  d'argent  ä  Rome  jusque  ä  l'empire.    Paris  1889. 
Le  Secq  Destournelles  Des  argentarii.    Bar-sur-Seine  1890. 
R.  Beigel  Rechnungswesen  und  Buchführung  der  Römer.    Karlsruhe  1904. 
Marquardt  Privatleben  399  ff. 

Saglio  et  Humbert  Artikel  Argentarii  bei  Daremberg-Saglio  I  406  ff. 
Oehler  Artikel  Argentarii  bei  Pauly-Wissowa  II  706  ff. 

Über  die  Anfänge  des  Handels  im  alten  Rom2)  sind  wir  begreiflicherweise 
durch  die  alten  Schriftsteller  so  gut  wie  gar  nicht  unterrichtet  und  dahei 
lediglich  auf  Schlüsse  aus  den  Kulturverhältnissen  der  Königszeit,  wie  si( 
in  Latium  und  im  übrigen  Italien  bestanden,  aus  der  Lage  der  Stadt,  au« 
den  Produkten  des  Landes  u.  dgl.  m.  angewiesen. 

Daß  in  einer  Stadt,  die  in  ihren  Anfängen  eine  wesentlich  Ackerbai 
treibende  Bevölkerung  hatte,  zunächst  die  Grundlagen  für  einen  größerei 
Handelsbetrieb  fehlten,  ist  selbstverständlich,  zumal  die  Einwohnerzahl  an- 
fangs noch  klein,  die  Industrie  noch  wenig  entwickelt,  die  Lebensbedürfnisse 
noch  sehr  anspruchslos  waren.    Aber  allem  Anschein  nach  haben  die  erster 


l)  Zahlreiche  Werke  über  die  Geschichte 
des  Handels  überhaupt,  in  denen  der  römische 
Handel  mehr  oder  weniger  eingehend  be- 
sprochen ist,  sind  bei  Daremberg-Saglio  III 
1783  f.  angeführt;  hinzuzufügen  ist  noch  F.W. 
G.  Benedict  Versuch  einer  Geschichte  der 
Schiffahrt  und  des  Handels  der  Alten,  Leipzig 
1806.  W.  Hoffmann  Geschichte  des  Handels, 
der  Erdkunde  und  der  Schiffahrt  aller  Völker, 
Leipzig  1844.  F.Damiani  Saggio  storico-critico 
sul  commercio  degli  antichi,  Bari  1897.  Von  den 
das  Altertum  behandelnden  Handelsgeschich- 
ten ist  das  alte  Buch  von  A.  H.  L.  Heeren  Ideen 


über  die  Politik,  den  Verkehr  und  den  Hände 
der  vornehmsten  Völker  der  alten  Welt  (Göt 
tingen  1824)  nicht  bis  zu  den  Römern  gekom 
men.  die  Handelsgeschichte  von  E.  Speck  nocl 
unvollendet  und  überdies,  da  sie  keine  Beleg 
stellen  gibt,  trotz  sehr  eingehender  Behand 
lung  philologisch  wenig  brauchbar.  Die  alten 
Litteratur  über  die  argentarii  ist  bei  M.  Voigi 
a.  a.  O.  S.  515  verzeichnet. 

2)  Zu  vergleichen  ist  besonders  Mommsei 
Rom.  Gesch.  7I 192  ff.  B.  Büchsenschütz  Bemer 
kungen  über  d.röm  Volkswirtschaft  der  Königs 
zeit  (Berl.  1 886)  S.  24  ff.  Speck  a.a.O.  III 1 ,  402  ff 


Vierter  Abschnitt.   Handel  nnd  Geldgeschäfte.  (J19 

i  Jahrhunderte  der  Stadt,  also  die  Königszeit,  in  diesen  Verhältnissen  k.  in. 
^besondere  Veränderung  erfahren.  Man  hat  zwar  darauf  hingewiesen1),  und 
üauch  die  alten  Schriftsteller  tun  das8),  daß  Rom  durch  seine  Lage  an  einem 
betriff  baren  Flusse  mit  fruchtbarem  Hinterland  und  in  der  Nähe  des  Meeres 
Izur  Handelsstadt  gleichsam  prädestiniert  sei  und  daß  sogar  schon  bei  der 
^Gründung  dies  zur  Wahl  des  Platzes  Veranlassung  gegeben  habe;  allein  wenn 
Hauch  diese  günstige  Lage  später  sicherlich  nicht  ohne  Bedeutung  für  (He 
■Entwicklung  des  Handels  gewesen  ist,  so  kann  sie  doch  in  den  ältesten 
IZeiten,  wo  noch  kein  Hafen  angelegt,  der  Zugang  von  der  Seeseite  nicht 
Isehr  günstig,  die  Flußeinfahrt  durch  Schuttablagerungen  erschwert  und  auch 
Idie  Schiffahrt  weiter  stromaufwärts  nicht  ohne  Schwierigkeiten  war,  keine 
Igroße  Rolle  gespielt  haben3).  Soweit  in  jenen  Jahrhunderten  ein  über  den 
■gewöhnlichen  Kleinverkehr  hinausgehender  Handel  bestand,  ist  an  einen 
[irgendwelche  Bedeutung  beanspruchenden  Aktivhandel  überhaupt  nicht  zu 
denken.  War  doch  in  jener  Zeit  der  Handel  im  wesentlichen  ein  Tausch- 
verkehr, bei  dem  die  wichtigsten  Tauschobjekte  in  Getreide,  Metallen,  Sklaven, 
ganz  besonders  aber  in  Vieh  bestanden*).  Was  aber  konnte  das  damalige 
Rom  an  solchen  Tauschmitteln  bieten?  Getreide  und  andere  landwirtschaft- 
liche Produkte  kaum,  da  das  Erzeugte  nur  gerade  für  den  eigenen  Bedarf 
ausreichte;  Sklaven  hatte  man  selbst  nur  wenige,  geschweige  daß  man  solche 
[zum  Verkauf  bringen  konnte;  Mineralschätze  barg  der  Boden  nicht,  und  für 
industrielle  Produkte  war  das  Handwerk  noch  viel  zu  wenig  entwickelt.  So 
blieb  denn  als  Tausch-  und  Exportartikel  auf  der  römischen  Seite  wesentlich 
Vieh  und  etwa  noch  das  an  der  Küste  produzierte  Salz,  auf  dessen  Export 
nach  dem  Binnenland  der  Name  der  Via  Salaria  hindeutet5).  Ebenso  war  von 
bedeutendem  Import  sicherlich  noch  nicht  die  Rede.  Ausländische  Landes- 
produkte für  Küche  und  Keller  lernte  Rom  erst  mit  dem  steigenden  Luxus 
kennen;  von  anderweitigen  darf  man  außer  Kupfer  und  Zinn,  dessen  die 
Erzarbeiter  bedurften,  höchstens  an  Gold  für  die  schon  unter  den  Zünften 
Numas  sich  findenden  Goldarbeiter  denken  und  etwa  noch  an  Bernsteinß). 
Sowohl  bei  diesen,  wie  bei  einigen  Industrieerzeugnissen,  sind  jedenfalls 
Phönikier  die  Übermittler  gewesen,  vielfach  wohl  nicht  direkt,  sondern  indem 

J)  Mommsen  I  45  f.  |    seinem  Ursprung  zurück,  vgl.  Mommsen  I  193. 

2)  Cic.  de  rep.  II  5, 10:  qui  potuit  igitur  I    Dabei  rechnete  man  ein  Rind  im  Werte  von 

rfirhu'us  etutilitatesconplectimaritimasltomu-  \   zehn  Schafen,  Festus  237  a,  13.  Gell.  XI  1,2. 

Uu  et  ritia  vitare,  quam  quod  urbem  perennis  Plut.  Poplic.  11. 

ohih/s  et  aequabilis  et  in  mare  late  inftuentis  5)  Die  Salinen  bei  Ostia  wurden  schon 


postut  in  ripa,  quo  posset  urbs  et  acetpere  ex 
mari  quo  egeret  et  reddere  quo  redundant, 
eodemque  fiumine  res  ad  rictum  vultionque 
maxime  necessarias  non  soluni  mari  absorberet, 
*ed  ctinm  inveetas  aeeiperet  ex  terra?  Ebenso 
führt  Liv.  V  54,  4  in  der  Rede,  die  er  den  Ca- 
millus  halten  läßt,  die  Wahl  der  Lage  von 
Rom  zum  Teil  auf  Handelst  ücksichten  zurück, 
während  Dion.  Hai.  III  44  erst  durch  die  An- 
lage des  Hafens  von  Ostia  durch  AncusMarcius 


in  7.  Jahrh.  angelegt,  Liv.  I  33,  9:  nach  Plin. 
XXXI  89  durch  Ancus  Marcius.  Ebd.  wird  der 
Name  der  Salaria  via  auf  den  Transport  des 
Salzes  in  das  Sabinerland  zurückgeführt;  vgl. 
Fest.  327.  3.  Ueber  das  hohe  Alter  der  Straße 
Jobdan  Topogr.  d.  St. Rom  1 1,431  A.35.  Kuh 
ter  Topogr.  195. 

6)  Schon  die  Pfahldörfler  der  Poebene 
kannten  Bernstein,  und  in  der  darauffolgenden 
Kulturperiode  wurde  seine  Verwendung  noch 


m  zur  Handelsstadt  werden  läßt.  häufiger.   Vgl.  Helbig  Osservazioni  sopra   il 

3)  Vgl  die  Darlegung  von  Büchsenschütz  commercio  dell*  ambra  (R.  Accad.  dei  Lincei 
a.  o  I    1876/77)  p.  12  ff. ;  ders.  Italik.  in  d.  Poebene  21 

4)  Darauf  geht  bekanntlich  peeunia   in  u.  119. 


620 


Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 


sie  den  Etruskern,  die  mehrere  treffliche  Häfen  und  einen  entwickelten  See-fl 
und  Landhandel  besaßen1),  ihre  und  die  Produkte  des  Orients  und  Ägyptens! 
zuführten2)  und  diese  wieder  den  Römern,  wobei  die  großen  Messen,  die  beim! 
Heiligtum  der  Voltumna  in  der  Nähe  von  Volsinii3)  und  bei  dem  der  Feronial 
am  Sorakte  stattfanden4),  die  beste  Gelegenheit  bieten  mochten.    Soweit  diel 
Römer  schon  einen  überseeischen  Verkehr  hatten,  ging  er  natürlich  von  der 
Westküste  aus  und  erstreckte  sich  wesentlich  nach  Sizilien  und  Großgriechen- 
land, woher  man  Salben,  Purpur,  feines  Linnen,  Tonwaren  u.  dgl.  bezog5); 
für  manche  solche  Handelsverbindungen  liefert  die  Aufnahme  der  griechischen 
Bezeichnungen  in  die  lateinische  Sprache  den  Beleg fi).  Aber  dieser  Seeverkehr ! 
kann  in  der  Königszeit  nur  sehr  unbedeutend  gewesen  sein;  an  eine  größere 
Menge  von  Handelsschiffen  ist  nicht  zu  denken,  zumal  auch  die  Hafenanlagen, 
die  Vorrichtungen  zum  Ein-  und  Ausladen  der  Waren  damals  in  Ostia  noch 
sehr  primitiv  gewesen  sein  müssen7).    Dazu  kam,  daß  der  Bedarf  von  im- 
portierten Waren  nicht  nur  qualitativ,  sondern  auch  quantitativ  sicherlich 
gering   war;    zum  Stapelplatz   für  überseeische  oder  inländische  Produkte 
fehlten  in  Rom  alle  Vorbedingungen,   da   die   benachbarten  Etrusker  ihre 
eigenen  Handelshäfen  und  ihre  gewerbfleißigen  Städte  hatten,  die  samnitischen 
Ortschaften  durch  ihre  Lage  auf  Kampanien  angewiesen  waren,  die  übrigen 
Völkerschaften  Mittelitaliens  aber  das,  was  Latium  an  Naturprodukten  hervor- 
brachte, selbst  erzeugten. 

Vermittelt  wurde  dieser  Handel,  soweit  es  sich  um  ausländische  Pro- 
dukte handelt,  anscheinend  mehr  durch  italische  Kaufleute  in  der  Fremde, 
als  durch  fremde  in  Italien8).  Es  ist  daher  begreiflich,  daß  wir  in  der  Königs- 
zeit keinen  Kaufmannsstand  finden.  Hätte  es  damals  schon  Kaufleute  von 
irgendwelcher  Bedeutung  in  Rom  gegeben,  so  würden  sie  sicher  in  den  Zünften 
des  Numa  ihre  Vertretung  gefunden  haben9).  Wohl  aber  mögen  damals  etrus- 
kische  Kaufleute  sich  in  Rom  angesiedelt  haben,  obschon  es  nur  eine  un- 
sichere Vermutung  ist,  daß  der  Vicus  Tuscus  daher  seinen  Namen  bekommen 
habe10).     Wenn  von  Numa   berichtet  wird,   daß   er   auch  für  den  Handel 


')  Man  vgl.  besonders  H.  Genthe  Ueber 
den  etrusk.  Tauschhandel  nach  dem  Norden. 
Neu  bearb.  Frankfurt  a.  M.  1874.  0.  Müller 
Die  Etrusker,  neu  bearb.  von  W.  Deecke,  I 
264  ff.  Für  die  Römer  vgl.  Kemper  Ueber  See- 
verkehr und  Seewesen  d.  Rom.  von.  d.  ältest. 
Zeiten  bis  zum  ersten  punischenKriege,  Waren- 
dorf 1863. 

2)  Ueber  phönikischen  Import  in  itali- 
schen, besonders  etruskischen  Fundstätten 
vgl.  Marquardt  394. 

3)  Liv.  IV  24,  2. 

4)  Liv.  I  30.  5.  Dion.  Hai.  III  32, 1. 

5)  Siehe  Mommsen  a.  a.  0. 195  f. 

6)  Hierüber  vgl.  G.  A.  Saalfeld  Italo- 
graeca  11:  Handel  und  Wandel  der  Römer  unter 
griech.  Beeinflussung.  Hannover  1882.  Doch 
weist  Büchsenschütz  27  mit  Recht  darauf  hin, 
daß  diese  sprachlichen  Belege  nicht  immer 
sichere  Beweismittel  sind,  weil  man  viele  zeit- 
lich nicht  sicher  bestimmen  und  auch  nicht 
überall  mit  Gewißheit  behaupten  kann,   daß 


die  Römer  die  griechischen  Bezeichnungen 
auch  direkt  von  den  Griechen  empfangen 
haben.  Auf  Beziehungen  zu  Sizilien  und 
Kampanien,  besonders  Cumae,  weisen  auch 
Analogien  im  Münz-  und  Maßwesen  hin.  vgl. 
Mommsen  198  f.,  wo  auf  die  weiteren  Han- 
delsbeziehungen der  Etrusker,  die  sich  bis 
Griechenland  und  Kleinasien  erstreckten,  hin- 
gewiesen ist. 

7)  Vgl.  Büchsenschütz  29. 

8)  Mommsen  201. 

9)  Die  Annahme  von  Mommsen  a.  a.  0., 
daß  damals  die  Großgrundbesitzer  auch  für 
ihre  Produkte  Großhändler  gewesen  seien,  ihr 
Getreide  auf  den  Binnenflüssen  und  auf  dem 
Meere  verfrachtet  hätten,  unterliegt  starken 
Bedenken,  s.  Büchsenschütz  a.  a.  0. 

10)  Schon  die  Alten  waren  über  die  Ent- 
stehung des  Namens  verschiedener  Meinung, 
s.  Liv.  II  14.9.  Varrol.  1.V46.  Festus  355  b.  11. 
Vgl.  Jordan  Topogr.  I  2.  469  A.  40.  Richter 
Topogr.  105  und  s.  oben  S.  594  A.  5. 


Vierter  Abschnitt.   Handel  und  Geldgeschäfte. 


<;üi 


Einrichtungen  getroffen  habe1),  so  haben  diese  sicherlich  nur  den  Kleinhandel 
letroffen.  Für  diesen  bestanden  schon  in  der  KOnigszeH  Verkaufsbuden, 
mibernae,  am  Forum2);  der  eigentliche  Handelsverkehr  mit  Nachbarn  und 
fremden,  zumal  auch  mit  den  jenseits  des  Tiber  ansässigen  Etruskern.  vollzog 
sich  allem  Anschein  nach  nicht  auf  dem  späteren  Forum  Eontanum,  aondern 
luf  dem  nahe  am  Tiber  am  Südfuß  des  Kapitols  belegenen  Marktplatz,  der 
Bann,  als  bei  Erweiterung  der  Stadt  ein  anderer  Raum  zum  eigentlichen 
^tadtforum  geworden  war,  als  Forum  boarium  speziell  für  den  Viehhandel 
gestimmt  und  danach  benannt  wurde3).  Ob  man  das  Bestehen  des  Fisch- 
inarktes,  Forum  piscariitm4),  und  des  Gemüsemarktes,  des  außerhalb  der 
lerviani  sehen  Mauer  vor  Porta  Carmentalis  belegenen  Forum  holitorium*),  auch 
ijehon  für  die  Königszeit  annehmen  darf,  ist  nicht  auszumachen;  die  anderen 
Lebensmittel  markte  Roms  sind  jedenfalls  jüngeren  Datums.  Alt  aber  ist 
wahrscheinlich  die  Einrichtung  der  Wochenmärkte,  der  alle  neun  Tage  ab- 
behaltenen nundinae6);  dann  kamen  die  Bauern  vom  Lande,  um  in  der  Stadt 
ihre  Einkäufe  zu  machen  und  wohl  auch  ihre  mitgebrachten  Produkte  abzusetzen. 
lAußer  diesen  Wochenmärkten  gab  es  noch,  wie  die  Kaiendarien  ausweisen7), 
peit  alter  Zeit  drei  große  Jahrmärkte  oder  Messen  (ntercatus),  die  sich  au  dir 
Festspiele  anschlössen:  vom  15. — 19.  Juli  nach  den  ludi  Apottinares,  vom  20. 
Ibis  23.  September  nach  den  ludi  Romani  und  vom  18. — 20.  November  nach  den 
Midi  /debei.  Zu  diesen  Messen,  die  nicht  auf  dem  Forum  Romanum,  sondern  auf 
[dem  Forum  boarium,  vielleicht  auch  dem  Forum  holitorium  stattfanden8),  ström- 
Iten  sicherlich  schon  in  der  Königszeit  große  Menschenmengen  zusammen9). 
In  den  ersten  Jahrhunderten  der  Republik  blieben  diese  Verhältnisse  im 
wesentlichen  noch  die  gleichen10).  Die  Kriege  mit  den  italischen  Nachbarn 
nahmen  die  ganze  Kraft  des  Volkes  in  Anspruch,  sodaß  von  einer  Ausdehnung 
der  Handelsbeziehungen  wenig  die  Rede  sein  konnte.  Was  den  Binnenhandel 
anlangt,  so  sind  wir  darüber  so  gut  wie  gar  nicht  unterrichtet.  Jedenfalls 
spielten  die  Etrusker  dabei  noch  immer  die  Hauptrolle11),  da  bei  diesen  die 


')  Cic.  de  rep.TI  14.27 :  idemque  mercatus, 
tudos  omnisque  conveniundi  cansas  et  celebri- 
tates  invenit. 

*)  Liv.  I  35, 10  führtdietoöe>-rta<;allerdings 
erst  auf  Tarquinius  Priscus  zurück;  ebenso  Dion. 
Il;il.  III  67,4.  Vgl  Jordan  12. 378  f.. der  diese 
Datierungais  „wertlos"  bezeichnet.  Richtek85. 

3)  Vgl.  Jordan  1 1,503  f.  Richter  35  Gil- 
bert Gesch.  u.Topogr.  d.  St. Rom  i.  Altert.  T  74 f. 

4)  Es  lag  nach  Varro  1. 1  V  146  am  Tiber, 
anscheinend  nicht  weit  vom  Pons  Aemilius 
beim  Tempel  des  Portunus,  also  in  der  Nähe 
des  Forum  boarium.  s  Jordan  1 1.504.  Richter 
191  Dagegen  lag  das  Forum  piscatoi  ium  ( Liv. 
XXVI  27,3;  XL  51.5)  südlich  von  der  Subura, 
zwischen  dieser  und  dem  Forum,  und  stammte 
aus  späterer  Zeit,  s.  Jordan  a.  a.O.  A.28.  Rich- 
ter 309    Gilbert  III  208. 

5)  Jordan  a.  a.  O.  Richter  48;  192.  Gil- 
bert III  239. 

6)  Festus  173  a,  30:  nundinas  feriatrum 
diem  esse  voluerunt  antiqui,  ut  rustici  conveni- 
rent  mercandi  vendendique  gratia.  Varro  r.  r. 


II  pr.  1.  Dion.  Hai.  II  28.  3  führt  den  Ursprung 
auf  Numa  zurück:  «  utr  st&frnp  Syotsv bti  raus 
xai'  uygov  eoyoi^  .wV/Jor  Sxarxae  fttfWf,  JtXr/v  rf 
noTE  detj&etsv  AyOQäg,  nfe»  3'*t%  norv  orruiviae 
ayogntstv,  ivdirjv  SglCcov  fiftiga»  mu  oyogaSe. 
Vid.  Plin.XVIlI  13.  Macr.1 16^6.  Varro  b.  Serv. 
ad  Geo.  I  275. 

7)  Vgl.  Marquardt  Rom.  Staatsverwalt. 

III  545  ff 

8)  Jordan  I  1.507. 

9)  Wahrscheinlich  wurden  auch  bei  den 
Versammlungen  der  unabhängigen  Latin« t  im 
Hain  der  Ferentina  am  Albanergebirge  (Liv. 
150  ff.;  1138,1;  VII  25.5).  dann  bei  dea  Feriae 
Latinae  beim  Jupitertempel  auf  dem  Albaner- 
gebirge (vgl.  Wissowa  Relig.  u  Kult,  d  Römer 
109)  und  auch  am  Stiftungstage  (13  August) 
des  Dianatempels  auf  dem  Aventin  (Liv.  I  45. 
Dion.  Hai.  IV  26. 3)  solche  Messen  abgehalten, 
wie  meist  angenommen  wird  (vgl.  Drümann 
Arb.  u  Kommun.  278  f.  Cagnat  a.  a.O.  1770. 

'")  Vgl.  Speck  III  1.462  ff. 

»J  Vgl.  O.  Müller  Die  Etrusker  I  287  f. 


622 


Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 


Industrie  und  namentlich  das  Kunstgewerbe,  besonders  die  Metalltechnik 
damals  bedeutend  entwickelter  war  als  in  Rom.  Von  schwerwiegender  Be 
deutung  ist,  daß  in  jener  Zeit  der  Tauschhandel  aufhört  und  Rom  anfängt 
Geld  zu  münzen  und  an  Stelle  der  nach  dem  Gewicht  in  Zahlung  gehendei 
Kupferstücke,  des  formlosen  aes  rüde  oder  des  mit  einem  Stempel  versehene] 
aes  signatum,  dessen  Einführung  in  Rom  dem  Servius  Tullius  zugeschriebei 
wurde1),  die  (zuerst  noch  nicht  geprägte,  sondern  gegossene)  Münze  trat 
was  wahrscheinlich  zur  Zeit  der  Decemvirn  geschah 2).  Der  überseeische 
Verkehr  ging  zunächst  noch  die  alten  Wege,  d.  h.  die  Römer  verkehrter 
wesentlich  mit  Unteritalien,  während  die  Etrusker  nach  den  griechischer 
und  kleinasiatischen  Handels-  und  Industriezentren  gingen,  wofür  die  Münzer. 
Zeugnis  ablegen3).  Für  größeren  und  weiten  Seeverkehr  fehlte  den  Römern 
die  zur  Unterstützung  der  Handelsmarine  unentbehrliche  Kriegsflotte;  und 
ein  deutlicher  Beweis,  wie  weit  zurück  sie  in  dieser  Beziehung  noch  im 
4.  Jahrhundert  v.  Chr.  waren,  ist  der  uns  heute  noch,  wenn  auch  nur  in 
griechischer  Fassung,  vorliegende  Vertrag,  den  Rom  im  Jahre  348  mit  Kar- 
thago abschloß4).  In  ihm  verpflichten  sich  die  Römer,  die  libysche  Küste 
westlich  vom  Schönen  Vorgebirge  (Kap  Bon)  nicht  zu  befahren,  ausgenommen 
wenn  sie  durch  Sturm  oder  feindliche  Macht  dazu  gezwungen  wären;  wenn 
aber  ein  Schiff  durch  solche  höhere  Gewalt  dorthin  komme,  so  dürfe  es  weder 
Ein-  noch  Verkauf  treiben,  abgesehen  von  dem,  was  für  das  Schiff  selbst  und 
zur  Vornahme  von  Opfern  notwendig  sei,  und  sie  müßten  innerhalb  fünf  Tagen 
wieder  abfahren.  Dagegen  erhielten  sie  das  Recht,  ihre  Waren  in  Libyen  und 
Sardinien  zum  Verkauf  zu  bringen,  doch  nur  unter  Zuziehung  von  karthagischen 
Beamten,  wobei  für  das,  was  in  deren  Gegenwart  verkauft  wurde,  die  be- 
treffende Gemeinde  die  Garantie  für  die  richtige  Zahlung  übernahm.  Freien 
Handelsverkehr  erhielten  sie  für  Sizilien,  soweit  dies  in  karthagischem  Besitz 
war.  Andrerseits  scheint  den  Karthagern  in  Rom  oder  in  Latium  freier  Ver- 
kehr zugestanden  worden  zu  sein5);  dafür  verpflichteten  sich  die  Karthager, 
die  latinischen  Gemeinden  nicht  zu  befehden,  keine  festen  Plätze  in  Latium 
anzulegen,  und  wenn  sie  in  Kriegsfällen  das  Land  beträten,  dort  nicht  über 
Nacht  zu  bleiben,  d.  h.  ihre  Piratenzüge  nicht  bis  in  das  Innere  auszudehnen. 
Wahrscheinlich  in  dieselbe  Zeit  fällt  ein  Vertrag  mit  Tarent6),  in  dem  sich 
die  Römer  verpflichteten,  die  Gewässer  nördlich  vom  latinischen  Vorgebirge 
nicht  zu  befahren,  sodaß  also  Rom  vom  östlichen  Mittelmeer  damit  gänzlich 


')  Plin.  XXXIII  43:  Servius  rex  primus 
signavit  aes.  antea  rudi  usos  Romae  Timaeus 
tradit;  vgl.  XVIII  12.  Varro  r.  r.  II  1.9;  ders. 
b.Non.  189, 21.  Siehe  Marquardt  Rom.  Staats- 
verwaltung II  5.  Mommsen  Rom.  Münzwesen 
172  ff. 

2)  Das  hat  Mommsen  a.  a.  0.  174  ff.  wahr- 
scheinlich gemacht,  während  die  alten  Histo- 
riker darüber  nichts  Bestimmtes  oder  Falsches 
melden,  s.  Makquardt  a.  a.0. 6.  Mommsen  Rom. 
Gesch.  I  444. 

3)  Mommsen  Rom.  Münzwesen  218;  Rom. 
Gesch.  I  445. 

4)  Erhalten  bei  Polyb.11122,  der  aber  irr- 
tümlich als  Datum  das  Jahr  509  angibt ;  daß 


es  nicht  in  dieses,  sondern  ins  Jahr  348  fällt, 
hat  Mommsen  Rom.  Chronologie  320  f.  nach- 
gewiesen. 

5)  Polybios  drückt  sich  hier  nur  un- 
bestimmt aus;  angenommen  wird  es  von 
Mommsen  Rom.  Gesch.  I  414. 

6)  Appian.Samn.7  bezeichnet  ihn  für  das 
Jahr  282  v.  Chr.  als  naXaial  ovvdtjxai,  er  war 
also  wohl  schon  lange  vorher  geschlossen 
worden,  s. Mommsen  a.a.O.  Wenn  Baumstark 
bei  Pauly  V  507  bemerkt,  es  sei  hierbei  nicht 
um  den  Handel,  sondern  um  Herrschaft  ge- 
gangen, so  ist  das  schon  richtig;  aber  ein  Un- 
terbinden des  Handels  in  jenen  Gewässern  war 
doch  die  natürliche  Folge. 


Vierter  Abschnitt.    Handel  nnd  Geldgeschäfte. 


.;-; 


geschlossen  war.    Und  obschon  sie  allmählich  den  Zugang  zum  Meer.  /u 

innen  trachteten  und  eine  Anzahl  Häfen  der  Westküste1)  wie  am  adri- 

schen  Meere*)  kolonisierten,  so  waren  sie  doch  genötigt,  im  Jahr.  806  den 

rtrag  mit  Karthago  zu  erneuern,    sogar   unter  noch  erschwerenden  Be- 

ingungen3),  indem  zwar  die  Italien  und  Sizilien  betreffenden  Abmachungen 

estehen  blieben,  aber  den  Römern  nicht  nur  die  Befahrung  der  östlichen 

fewässer,  sondern  auch  die  früher  gestattete  des  atlantischen  Meere«  um.  r- 

j1  agt  wurde,  sowie  der  Handelsverkehr  mit  den  karthagischen  Untertanen 

ta  1  Sardinien  und  Afrika,  endlich  wahrscheinlich  auch  die  Festsetzung  auf 

■*'  [orsika4).    So  lange  also  Rom  dem  mächtigen  Rivalen  die  Superiorität  zur 

lzet  ee  nicht  streitig  machen  konnte,  sah  es  sich  in  seinem  überseeischen  Handel 

lep  ufs  äußerste  beschränkt.    Dafür  suchte  es  sich  politisch  und  kommerziell 

"I  uf  die  griechischen  Seemächte  zu  stützen:  auf  Massalia,  mit  dem  seit  alter 

11  ]eit  ein  Freundschaftsverhältnis  bestand  und  dessen  Kauf leuten  zum  Dank 

r  u  är  die  nach  dem  gallischen  Brand  geleistete  Hilfe  Handelsbegünstigungen 

"gewährt  wurden5);  auf  die  mächtige  Handelsstadt  Rhodos6),  auf  Apollonia 

"s"  a  Epeiros7)  und  auf  Syrakus8). 

Daß   daher  der  Kaufmannsstand   in  Rom   sich   zu  entwickeln  anfing, 
m  renn  auch  von  einem  großzügigen  Betriebe  noch  nicht  gesprochen  werden 
™  :onnte,  läßt  sich  nach  alledem  annehmen,  und  dafür  spricht  auch  die  Notiz, 
w*  aß  bereits  im  Jahre  495  ein  collegium  mercatorum  gegründet  wurde9);  denn 
3ei  venn  es  auch  richtig  ist,  daß  dies  Kollegium,  das  sich  im  Tempel  des  Merkur 
™  im  Fuße  des  Aventin  versammelte,  Kultuszwecke  hatte  und  identisch  ist  mit 
ieD  lern  in  späterer  Zeit  erwähnten  Kollegium  der  Me  retinales10),  so  müssen  doch 
,e"  lie  Mitglieder  dieses  Kollegiums  Kaufleute  gewesen  sein11).    Was  das  Ar 
fotufleute  waren,  muß  freilich  dahingestellt  bleiben12).    Einer  kräftigen  Knt- 
tficklung  des  Kaufmannsstandes  war   aber  jedenfalls   neben  der  früh  ein- 
getretenen unverhältnismäßigen  Zentralisierung  des  Kapitals  vornehmlich  die 
Sklavenwirtschaft  hinderlich13);  denn  wie  das  Handwerk,  so  war  auch  der 
Oeinhandel  vielfach  in  den  Händen  von  Sklaven,  die  von  ihren  Herren  mit 
lern  Verkauf  gewisser  Produkte  betraut  waren   und  den  Ertrag  abliefern 
mußten,   oder  von  Freigelassenen,   die  mit  den  Kapitalien  ihrer  früheren 


1)  Liv. XXXVI 3, 6  nennt Pyrgi  (denHafen 
von  Caere),  Antium,  Terracina,  Minturnae  und 
Sinuessa;  vgl.  ebd.  VIII  14,  8;  X  21,  8.  Vell. 
Pat.  I  14. 

2)  Nämlich  Castrum  novum,  SenaGallica, 
Ariminum,  ßrundisium,  s.  Liv.  epit.  1.  XV; 
XXXVI  3, 18.  Vell.  Pat.  a.  a.  0.  Eutrop.  II  16. 
Vgl.  über  diese  Kolonisierungen  und  ihre  Daten 
(zwischen  339  und  268)  Mommsen  a.  a.  0. 

3)  Polyb.  III  24. 

4)  Das  schließt  Mommsen  416  aus  Serv. 
ad  Aen.  IV  628. 

5)  lustin.  XLIII5,9.  Diod. XIV  93,5;  vgl. 
Mommsen  417. 

8)  Polyb.  XXX  5. 

7)  Liv.  epit.  1.  XV. 

8)  Diod.  XXIII  frg.  4. 
!')  Liv.  II  27,  5. 

10)  Cic.adQu.fr. II 5, 2.  CIL  XIV  2105;  vgl. 


Lieben  am  Rom.  Vereinswesen  25.  Walt/iv. 
Etüde  I  35;  II  250. 

1 ')  Der  Einweihungstag  des  Merkurtempels, 
der  15.  Mai,  war  der  Festtag  dieser  Gilde,  Liv. 
II  21,7.  Fest.  148,3. 

")  M.Voigt  XII  Tafeln  §  166,8  und  Rom. 
Privataltert.  303  hält  sie  für  mercatores  fru- 
mentarü  und  erklärt  sie  für  eine  vom  Staat  ge- 
gründete Gilde  von  Spediteuren,  die  den  Trans- 
port des  von  jenem  bei  Notfällen  im  Ausland 
gekauften  Getreides  zu  vermitteln  hatten,  früh- 
zeitig aber  auch  einen  Zwischenhandel  mit 
treide  auf  eigne  Rechnung  übernahmen.  Allein 
ob  jenes  alte  collegium  mercatorum  mit  dem 
in  viel  späterer  Zeit  nachweisbaren  oatttfium 
mercatorum  frumentariorum  (s.  Liebknam  97. 
Waltzing  II  103  ff.)  identisch  ist,  steht  doch 
ganz  und  gar  dahin. 

1S)  Vgl.  Mommsen  447. 


624 


Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 


Herren  arbeiteten,  sodaß  ein  kommerzieller  Mittelstand,  der  sich  durch  zil 
nehmenden  Wohlstand  hätte  heben  können,  nicht  möglich  war.  Dazu  kar. 
daß  auf  dem  Kleinhandel  von  früh  ab  der  Makel  der  des  freien  Bürgei 
unwürdigen  Arbeit  um  Geld  lastete;  denn  es  kann  keinem  Zweifel  unte] 
liegen,  daß  dies  Vorurteil,  das  wir  in  viel  späteren  Zeugnissen  ausgesproche 
finden1),  alten  Datums  war.  Es  traf  freilich  nur  die  kleinen  Geschäftsleut' 
nicht  den  Großhandel. 

Die  Entwicklung,  die  der  Handel  seit  der  Mitte  des  3.  Jahrhunderts  v.  Chi 
nahm,  geht  mit  der  politischen  Entwicklung  Roms  und  den  Erfolgen  seine 
auswärtigen  Kriege,  namentlich  der  die  Seemacht  Karthagos  vernichtende 
punischen  Kriege,  parallel2).  Der  erste  punische  Krieg  brachte  Rom,  da 
inzwischen  zur  See  mächtig  erstarkt  war,  die  Herrschaft  über  Sizilien3 
sodaß  der  Handel  dorthin  sich  ohne  Widerstand  entwickeln  konnte;  wenig 
Jahre  später  (237  v.  Chr.)  wurden  infolge  des  libyschen  Söldnerkrieges  Sar 
dinien  und  Korsika  römisch4);  und  wenn  auch  der  Besitz  dieser  Inseln  fü 
den  Handel  selbst  nicht  von  besonderer  Bedeutung  war,  so  sicherte  er  docl 
den  Römern  die  Herrschaft  im  tyrrhenischen  Meer.  Auch  im  adriatischei 
Meer  bekamen  sie  freie  Hand,  indem  im  Jahre  229/8  die  römische  Flotte  de 
illyrischen  Piraterie  ein  Ende  machte  und  die  Römer  sich  teils  an  der  Ost 
küste  des  adriatischen  Meeres  festsetzten,  teils  griechische  Städte,  wie  Ker 
kyra,  Apollonia,  Epidamnos.  sich  als  Bundesgenossen  verpflichteten5).  Di« 
völlige  Niederwerfung  der  illyrischen  Seeräuber  (221)  befestigte  die  Herrschaf 
in  der  Adria  endgültig  und  stellte  längs  der  Küste  zwischen  den  italischer 
Eroberungen  und  den  Erwerbungen  auf  dem  anderen  Ufer  die  Kontinental- 
verbindung her6).  Der  zweite  punische  Krieg  brachte  dann  Rom  die  Herr- 
schaft in  Spanien  und  die  uneingeschränkte  im  ganzen  mittelländischer 
Meer7);  Karthago  war  von  einem  mächtigen  Handelsstaat  fortan  zu  einei 
wehrlosen  Kaufstadt  geworden. 

Die  Folge  dieser  zunehmenden  Machtfülle  Roms  waren  für  den  Hände 
vor  allem  immer  lebhafter  werdende  Beziehungen  zum  Orient.  Den  über- 
seeischen Verkehr  vermittelte  jedoch  nicht  Roms  Hafenstadt  Ostia,  derer 
Hafenanlagen  dazu  nicht  ausreichten;  vielmehr  wurde  Ostia  der  Platz  füi 
die  minder  wertvollen  Waren,  besonders  für  die  für  die  Hauptstadt  bestimmte 
Korneinfuhr8),  der  orientalische  Handel  aber  ging  über  Puteoli,  das  einer 
sehr  guten  Hafen  hatte  und  auch  durch  den  dicht  bevölkerten  Golf  mit  seiner 
reichen  Ortschaften  und  den  Landhäusern  der  Vornehmen  den  Kaufleuter 
einen  guten  Absatz  bot9).  Der  Verkehr  nach  dem  Osten  ging  von  da  zunächsi 
über  Korinth,  später  nach  dessen  Zerstörung  über  den  großen  griechischer 


')  So  besonders  Cic.  de  off.  I  42, 151 :  mer- 
catura  autem,  si  tenuis  est,  sordida  putanda 
est;  sin  magna  et  copiosa,  multa  undique  ad- 
portans  multisque  sine  vanitate  impertiens,  non 
est  admodum  vituperanda,  atque  etiam,  si  sa- 
tiata  quaestu  vel  contenta  potius,  ut  saepe  ex 
alto  in  portum,  ex  ipso  portu  se  in  agros  pos- 
sessionesque  contulit,  videtur  iure  optime  posse 
laudari. 

2)  Vgl.  Speck  IH  2.1  ff.;  33 ff. 

3)  Polyb.  1  62;  III  27.  Vgl.  Mommsen  534. 


4)  Polyb.  I  79;  88.  Liv.  XXI  1,  5.  Momm 
sen  543  f. 

5)  Polyb.  II  Off.  Zonar.  VIII 19.  Mommsei 
551  f. 

6)  Polyb  III 16  ff  Appian.  Illyr.  8.  Zonar 
VIII  20.  Mommsen  560. 

7)  Polyb.  XV  18.  Liv.  XXX  37. 

8)  Mercatores  frumentarii  in  Ostia  s.  CII 
XIV  161: 303;  vgl  Waltzing  Etüde  II  63: 107 

9)  Liv.  XXXII  7,3;  29.4;  XXXIV  45,1 
Vell.  Pat.  I  15,  3.  Strab.  V  p.  245. 


HB 


Vierter  Abschnitt.    Handel  und  Geldgeschäfte.  625 

Handelsplatz  Delos1),  und  nachdem  diese  Insel  im  mithridatisclu  n  Kriege 
durch  Archelaos  vernichtet  worden  war,  knüpften  die  Puteolaner  direkte 
9  Handelsverbindungen  mit  Syrien  und  Alexandreia  an  und  machten  ihre  Stadt 
immer  mehr  zum  ersten  überseeischen  Handelsplatz  Italiens2),  der  sie  bis  in 
die  Kaiserzeit  hinein  geblieben  ist3). 

Für  diese  Handelsbeziehungen  zum  Orient  waren  alsdann  von  nicht  ge- 
ringer Bedeutung  die  kriegerischen  Erfolge  der  Römer  im  2.  Jahrhundert  V.Chr., 
vornehmlich  die  Kriege  gegen  Makedonien  und  Syrien.  Philipp  von  Makedonien 
«iverlor  196  alle  auswärtigen  Besitzungen  in  Kleinasien,  Thrakien,  Griechenland 
"Ifund  auf  den  Inseln  des  ägäischen  Meeres,  seine  Flotte  wurde  auf  fünf  Schiffe 
beschränkt4).  Bald  darauf  verlor  Antiochos  von  Syrien  seinen  kleinasiatischen 
Besitz  an  die  Römer,  seine  Flotte  fiel  zum  größten  Teil  in  deren  Hände  und 
wurde  fortan  auf  zehn  Schiffe  beschränkt5).  Der  Krieg  mit  Perseus  brachte 
168  die  Eroberung  von  Makedonien;  zunächst  zwar  noch  nicht  dessen  Besitz, 
da  das  Land  zu  einem  Gemeinbunde  erklärt  wurde,  aber  die  Ausbeutung  der 
Gold-  und  Silberminen  wurde  den  Makedoniern  entzogen6),  die  Einfuhr  von 
Salz  und  die  Ausfuhr  von  Schiffsbauholz  verboten7);  gleichzeitig  wurde  Otylien 
in  ähnlicher  Weise  behandelt,  wurden  die  Pergamener  gedemütigt,  und  Rhodos, 
obschon  es  bisher  mit  Rom  in  festem  Freundschaftsverhältnis  gestanden  hatte 
und  damals  der  erste  Handelsplatz  der  griechischen  Welt  war,  wurde  nicht 
nur  seiner  ertragreichen  Besitzungen  auf  dem  Festlande  beraubt,  sondern 
noch  tiefer  dadurch  in  seinem  Handel  getroffen,  daß  die  Römer  Delos  den 
Athenern  auslieferten  und  zum  Freihafen  machten,  was  den  rhodischen  Hafen- 
zoll mit  einem  Schlag  auf  einen  geringen  Betrag  herabsinken  ließ8),  während 
Delos,  das  schon  im  3.  Jahrhundert  v.  Chr.  ein  bedeutender  Handels-  und 
Stapelplatz  geworden  war,  nun  zu  einer  Welthandelsstadt  wurde,  die  besonders 
den  Transithandel  zwischen  Orient  und  Occident  vermittelte,  wobei  die  römi- 
schen Kaufleute,  wie  die  auf  Delos  gefundenen  Inschriften  erweisen,  den 
Hauptanteil  hatten9):  nicht  bloß  Großkauf leute,  sondern  auch  kleine  nego- 
tiatores,  Freigelassene,  sogar  Sklaven,  die  Angestellte  der  großen  Handels- 
kompagnien der  römischen  Kapitalisten  waren10). 

So  standen  denn  nun  dem  römischen  Handel  die  Wege  nach  allen  Seiten 
hin  offen,  und  ein  gewaltiger  Aufschwung  auch  auf  merkantilem  Gebiet  war 
die  Folge  der  sich  immer  ausdehnenden  Weltherrschaft,  welcher  sich,  nach- 
dem Karthago  im  dritten  punischen  Kriege  vernichtet,  Makedonien  und 
Griechenland  zu  römischen  Provinzen  geworden,  Korinth,  das  sehr  starke 
Handelskonkurrenz  gemacht  hatte,  zerstört  worden  war,  keine  Macht  mehr 

6)  Allerdings  wurde  158  die  Ausbeutung 
der  Silbergruben  wieder  verstattet,  s.  Mommsen 
772A. 

')  Polyb. XXVIII  9 f.;  XXIX  1  f.  Liv.XLV 
18.  Mommsen  771  ff. 

8)  Polyb.  XXXI  7;  10.  Mommsbn  777. 

9)  Von  den  20000  Einwohnern,  die  im 
mithridatischen  Kriege  niedergemetzelt  wur- 
den, war  die  Mehrzahl  Italiker,  Appian.  Mithr. 
28. 

10)  Vgl.  Homolle  Les  Romains  ä  Delos. 
Bull,  de  corr.  hell.  VIII  (1884)  1  ff.  v.  Schöffbr 


*)  Daher  nennt  Lucil.  94  Lachm.  (III  18 
Müll.)  Dicaearchia.  wie  Puteoli  früher  hieß, 
Delum  minorem. 

*)  Vgl.  Mommsen  II  395. 

3)  Cic.Verr.  V  59, 154.  Strabo  a.  a.O.  Stat. 
silv.  III  5,74  ff.  Sen.  ep.  77,  1.  Diod.V  13,  2. 
Philostr.  V.  Ap.VII  12  p.  264  Kayser.  Vgl.  Be- 
LOCHCampanien  114 f.  Liebenam  Rom. Vereins- 
wesen 90  ff. 

4)  Polyb.  XVIII 27.  Liv.  XXXIII  30.  Plut. 
Flamin.  10.  Mommsen  I  716. 

5)  Polyb.XXI13f.;XXII26i.Liv.XXXVII 
45 ;  XXXVIII  38.  Mommsen  1  741 ;  744.  |   bei  P.-W.  IV  2484;  2493  ff 

Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft.  IV.  2, 2.  3.  Aufl. 


626 


Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 


politisch  oder  kommerziell  in  den  Weg  stellen  konnte.    Wie  der  Seehandel 
so  nahm  auch  der  Binnenhandel  immer  mehr  an  Bedeutung  zu,  und  die  vor 
trefflichen  Straßen,  die  man  überall  in  Italien  anlegte,  dienten,  wenn  sie  aucl 
zunächst  zu  militärischen  Zwecken  angelegt  waren,  doch  auch  dem  Handels 
verkehr1).    Aber  die  Hauptsache  blieb  doch  der  überseeische  Handel,  dessei 
Folge  sich  in  dem  Aufkommen  einer  besonderen  Klasse  der  Großkauf  leutt 
geltend  machte.  Nachdem  nämlich  die  schon  oben  erwähnte  Lex  Claudia  von 
Jahre  218 2)  den  Senatoren  verboten  hatte,  größere  Handelsschiffe  zu  besitzen 
sodaß  sie  lediglich  darauf  beschränkt  waren,  den  Ertrag  ihrer  eigenen  Ländereiei 
zu  verwerten,  nicht  aber  selbst  Getreidespekulation  im  großen  Stile  treibei 
durften3),  so  mußten  die  senatorischen  Familien,  die  damals  schon  durch  di( 
Latifundien  Wirtschaft  im  Besitz  großer  Kapitalien  waren,  diese  großenteils 
in  Grundbesitz  anlegen  und  auf  ihren  Gütern  vornehmlich  Viehzucht  treiben 
wenn  sie  nicht,   wie  das  wohl  öfters  vorkam,   als  stille  Teilhaber  bei  der 
großen  Handelsunternehmungen  eintraten.  Die  eigentlichen  Geld-  und  Handels- 
geschäfte aber  kamen  in  die  Hände  der  Ritterschaft,  wodurch  der  Geburts- 
aristokratie nunmehr  die  Finanzaristokratie   zur  Seite   trat4).     Die  Ritter 
ursprünglich  eine  rein  militärische  Institution,  waren  bekanntlich  mit  dei 
Zeit  eine  Steuerkategorie  geworden;  nachdem  die  Senatoren  aus  dem  Ritter- 
stande ausgeschieden  waren5),  waren  es  vornehmlich  die  vermögenden  Kauf- 
leute, die  diesem  Stande  angehörten;  in  ihren  Händen  konzentrierten  sich 
die  Geldgeschäfte  und  der  Großhandel,  und  durch  C.  Gracchus  erhielten  sie 
dann  ihre  bedeutungsvolle  politische  Stellung6).  Als  negoüatores1)  wurden  sie 
in  der  republikanischen  Zeit  von  den  mercatores,  als  den  Kauf  leuten  schlechthin, 
unterschieden8);  sie  trieben  freilich  nicht  bloß  Handelsgeschäfte  im  großen, 
sondern  ganz  besonders  auch  Geldgeschäfte,  worauf  unten  zurückzukommen 
ist.     Namentlich  aber  widmeten    sie   sich   dem   immer   größeren  Umfang 
annehmenden   Getreidehandel;   denn   obschon   die   Versorgung   der  Haupt- 
stadt mit  Getreide  zunächst  Sache  des  Staates  war,  dem  die  cura  annonae 


1)  Mommsen  II  388  f.  Vgl.  neben  der  alten 
Schrift  von  N.  Bergier  Histoire  des  grands  che- 
mins de  l'empire romain.  Nouv. ed..  2  Bde.,  Brüs- 
sel 1728,  die  Programme  von  F.  Berger  Ueber 
die  Heerstraßen  d.röm.  Reiches,  Berlin  1882/83. 

2)  Vgl.  S.  539. 

3)  Liv.  XXI  63,  3:  invisus  (C.  Flaminius) 
etiam  patribus  ob  novam  legem,  quam  Q.  Clau- 
dius tribunus  plebis  adversus  senatum  atque 
uno  patrum  adiuvante  C.  Flaminlo  tulerat,  ne 
quis  Senator  cuive  Senator  pater  fuisset  mariti- 
mam  navem,  quae  plus  quam  trecentaruni  am- 
phorarum  esset,  haberet.  id  satis  habitum  ad 
fructus  ex  agris  vectandos;  quaestus  omnis  pa- 
tribus indecorus  visus.  Dies  Gesetz  darf  aber 
nicht  (mit  Baumstark  a.  a.  0.  508)  als  Beweis 
dafür  angeführt  werden,  daß  die  Römer  dem 
Handel  ganz  gleichgültig  gegenüber  standen 
und  stolz  auf  alles  herabsahen,  was  Handel 
hieß;  es  war  überhaupt  gar  nicht  durch  den 
Senat  hervorgerufen  worden,  sondern  einWerk 
der  demokratischen  Opposition,  die  damit  den 
Uebelstand  beseitigen  wollte,  daß  Regierungs- 


mitglieder mit  der  Regierung  selbst  Geschäfte 
machten,  s.  Mommsen  I  853.  Das  Gesetz  war 
freilich  zur  Zeit  Ciceros  anscheinend  in  Ver- 
gessenheitgeraten, s.  Cic.Verr.  V  18.45,  vgl.  ebd. 
II 49, 122;  doch  wurde  es  unter  Cäsar  erneuert, 
s.  Digg  L  5,  3  und  vgl.  Mommsen  Rom.  Staats- 
recht III  898. 

4)  Mommsen  Rom.  Gesch.  I  853  f. 

5)  Ebd.  II  70. 

6)  Ebd.  II  109  f. 

7)  Die  Hauptarbeit  hierüber  ist  Ernesti 
De  negotiatoribus  Romanorum,  in  dessen  Opus- 
cula  (Lugd.  Bat.  1776)  p.  3ff.;  vgl. Baumstark 
a.  a.  0.  Cagnat  bei  D.-S.  IV  45  ff. 

8)  Vgl. Cic.Verr.  II  77, 188;  III 41, 96;  pro 
Flacco  29,  70;  pro  Plane.  26, 64.  Ebenso  nego- 
tiatio  für  den  Großhandel,  Cic.  ad  fam.VI  8,2. 
Colum.  VIII 1, 1.  Sen.  dial.XII  10, 6.  Cic.  de  off. 
1  42, 150  bezeichnet  als  sordidi  quaestus,  qui 
mercantur  a  mercatoribus,  quod  statim  ven- 
dant,  also  die  Kleinhändler;  ebd.  151  unter- 
scheidet er  die  mercatura  tenuis,  die  sordida 
ist,  von  der  magna  et  copiosa. 


Vierter  Abschnitt.   Handel  und  Geldgeschäfte. 


<ii'7 


|>blagl),  so  blieb  doch  noch  ein  beträchtlicher  Teil  der  Einfuhr  dem  Privathandel 
düberlassen.  In  den  Provinzen  kauften  diese  Großhändler  die  ErnteD  auf»),  sie 
|ibernahmen  die  Lieferungen  für  die  Armeen»),  oder  sie  brachten  das  Getreide 
jnach  Rom  in  den  Privathandel*).  Außer  Getreide  waren  es  besonders  Skla\  en, 
Mie  Gegenstand  der  Einfuhr  nach  Italien  bildeten,  da  der  Bedarf  an  solch,  in  immer 
Igrößer  wurde,  die  italischen  Kriege  aber  keine  mehr  lieferten;  alle  Lfiader 
Ides  Mittelmeergebiets,  vornehmlich  aber  Syrien  und  das  innere  Kleinasien, 
Ihatten  das  Menschenmaterial  für  die  Ungeheuern  Sklavenherden  der  Vor- 
Inehmen,  für  die  Landwirtschaft  wie  für  die  Industrie,  zu  liefern6).  Ferner 
[kamen  fast  alle  Luxusartikel,  in  Speisen  wie  in  Getränken,  in  Kleidern  and 
[Hausrat,  in  Schmucksachen  und  Kunstwerken,  von  auswärts,  während  Italien 
[selbst  vornehmlich  Wein  und  Öl  exportierte  und  zumal  mit  ersterem  auch 
die  Provinzen  reichlich  zu  versorgen  imstande  war").  Zum  Betrieb  dieses  um- 
fangreichen Handels  ließen  sich  sehr  viele  römische  Kauf  leute  in  den  Provinzen 
nieder7).  Daß  Delos  ganz  besonders  von  ihnen  bevölkert  wurde,  ward  schon 
oben  erwähnt8);  neben  Korinth,  das  infolge  seiner  Zerstörung  bald  aus  der 
Reihe  der  Handelsstädte  ausschied,  war  namentlich  Argos  ein  wichtiger  Platz 
für  den  römischen  Handel9).  Wie  bedeutend  die  Zahl  der  zu  Handelszwecken 
in  Kleinasien  niedergelassenen  Römer  war,  das  wissen  wir  aus  dem  mithri- 
datischen  Kriege  und  der  von  Mithridates  anbefohlenen  Niedermetzelung  aller 
Italiker,  der  angeblich  80 — 150000  Menschen  zum  Opfer  fielen10);  nach  der 
Eroberung  von  Pontos  waren  römische  Kaufleute  dort  nichts  Seltenes11),  wie 
auch  im  übrigen  Kleinasien  solche  überall  anzutreffen  waren18),  sowie  in 
Syrien13).  Im  römischen  Afrika  war  es  besonders  Utika,  wo  nach  der  Zer- 
störung Karthagos,  wohin  sich  vorher  auch  italische  Kaufleute  begeben 
hatten14),  der  römische  Handel  blühte15);  doch  waren  auch  sonst,  schon 
im  2.  Jahrhundert  v.  Chr.,   dann   noch   mehr  im  1.  Jahrhundert,   römische 


*)  Vgl.  Hirschfeld  im  Philologus  XXIX 
(1870)  1  ff.;  ders.  Die  kaiserl.  Verwaltungs- 
beamten'2 S.  230  ff.  Mommsen  Röm.  Staatsrecht 
II3  502  ff.  Marquardt  Röm.Staatsverwalt.  II2 
110  ff.  Humbert  bei  D.-S.  I  273  f.  (Dehler  bei 
P.-W.  I  2316  ff.   Rostowzew  ebd.  126  ff. 

2)  Cic.proFlacco37,91. 

3)  Caes.  b.  Gall.  VII  3;  b.  Afr.  36. 

4)  Daß  die  auf  Rechnung  der  Regierung 
nacli  Rom  gebrachten  Getreidevorräte  den  Be- 
darf der  regelmäßigen  Verteilung  weit  überstie- 
gen, zeigt  Kuhn  Stadt,  u  bürgerl.  Verfassung  d. 
röm.  Reichs  1005  ff. ;  es  mußte  also  noch  viel  in 
den  Handel  kommen.  Vgl.  Sen.  de  ben.  VI  14, 3. 

5)  Zum  Sklavenhandel  vgl.  oben  S.  279  f. 
Mommsen  Röm.  Gesch.  II  75;  394. 

6)  Ueber  Wein-Ein-  und  Ausfuhr  s.  oben 
S. 198  ff. 

7)  Vgl.  zum  folgenden  E.  Kornemann  De 
civibus  Romanis  in  provinciis  imperii  consisten- 
tibus.  Berlin  1891.  C.  Schulten  De  conventibus 
civium  Romanorum  sive  de  rebus  puMicis  ci- 
vium  Romanorum  mediis  inter  municipium  et 
collegium,  Berlin  1892.  V.  Pärvan  Die  Natio- 
nalität der  Kaufleute  im  röm.  Kaiserreiche, 
Breslau  1909.  Speck  III  2, 285  ff. 


8)  Vgl.  auch  KORNEMANN  S.  56  ff. 

9)  Von  Niederlassung  italischer  Kauf  leiite 
daselbst  in  republikanischer  Zeit  geben  In- 
schriften Kunde,  s.  CIL  I  595  f.  (III  531  f.;  vgl. 
7265);  über  andere  Beispiele  (in  Mantineia, 
Thespiai  u.  s.)  vgl.  Kornemann  63  f.  Pärvan 
a.  a.  O.  8  f.  Im  allgemeinen  wird  die  Aatied 
lung  römischer  Kaufleute  in  Griechenland  auch 
bezeugtdurchCic.inPison.40,96.Plut.Sullal7. 

,0)  Val.Max.  IX  2,  ext.  3:  MHkridaUm  r#- 
gem,  qui  una  epistola  LXXX  cirlmn  lüimano- 
rum  in  Asia  per  urbes  tuoolitltdi  CfUMQ  dis- 
persa interemit.  Vgl.  App.  Mit  In.  l'i'  f.  Korne- 
mann a.  a.  O.  65. 

>»)  Caes.  b.  Alex.  41  u.  70. 

18)  Oefters  bei  Cicero  erwähnt,  de  imp. 
Cn.  Pomp.  7,  18;  pro  rege  Deiot.  9,  26;  ad  Qu. 
fr.  I  1,1,6;  besonders  B.  V  u.  VI  der  Briefe  an 
Atticus.  Vgl.  Kobnemann  102.  Pärvan  12. 

,s)  Cic.  Verr.  V  60, 157;  vgl.  Hör.  carm.  I 
31,  10  ff. 

,4)  App.  Lib. 92.  Kornemann 68.  Pärvan  1 6. 

1&)  Sali.  lug.  64,  5  spricht  von  der  magna 
mu/titiulo  negotiatorum  daselbst;  vgl.Cic.Verr. 
I  17, 70.  Caes.  b.  civ.  II  36;  b.  Afr.  68;  90.  Dio 
Cass.  XLIII  10, 2. 

40  • 


628 


Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 


Kornhändler  und  Bankiers  überall  im  Lande  ansässig x).  In  Ägypten  zog  natu 
lieh  Alexandreia,  diese  Welthandelsstadt,  schon  früh  den  römischen  Handel  an! 
In  Spanien  gab  es  auch  schon  im  1.  Jahrhundert  v.  Chr.  zahlreiche  Handel 
genossenschaften  (conventus)  von  römischen  Kaufleuten3),  besonders  in  Co 
duba4)  und  Hispalis5).  Ganz  besonders  aber  wurde  Gallien  von  ihnen  au 
gesucht,  und  vornehmlich  war  es  der  Weinhandel,  der  einen  lebhaften  Ve 
kehr  auf  den  Flüssen  und  zu  Lande  hervorrief  und  die  Niederlassung  vieh 
römischer  Kaufleute  zur  Folge  hatte6).  Schon  im  Anfang  des  1.  Jahrhunden 
v.  Chr.  war  die  Einwanderung  Handel  treibender  Italiker  im  römischen  Gallie 
ungemein  groß7);  Cäsar  traf  bei  seinen  gallischen  Feldzügen  fast  überall 
solche  an;  neben  den  mercatores,  die  nicht  ansässige  Händler  waren  und  ihr 
Waren  auf  Reisen  im  Lande  absetzten9),  dienten  sie  ihm  teils  als  Korr 
lieferanten,  teils  als  Kundschafter10).  Diese  negotiatores  kamen  nicht  blo 
von  Südfrankreich  aus  ins  Innere  und  nach  dem  Norden,  sondern  sie  wählte 
auch  den  damals  gefährlichen  und  wegen  der  hohen  Zölle,  die  die  Anwohne 
für  den  Warendurchzug  verlangten,  auch  kostspieligen  Weg  über  die  Alpen11' 
Als  Handelsstadt  kam  besonders  Narbo,  wo  schon  bei  der  Besetzung  durc; 
die  Römer  ein  lebhafter  Handel  bestand,  in  Blüte12). 

So  linden  wir  denn  im  1.  Jahrhundert  v.  Chr.  den  römischen  Handel  ii 
Italien  wie  in  den  Provinzen  in  einem  lebhaften  Aufschwung  begriffen.  Di< 
Wirren  der  Bürgerkriege  mögen  da  und  dort  einen  Stillstand  oder  einei 
Rückschritt  bewirkt  haben,  und  die  Folgen  davon,  wenn  sie  auch  zunächs 
wesentlich  den  italischen  Binnenhandel  betrafen,  mögen  auch  dem  über 
seeischen  fühlbar  geworden  sein,  zumal  die  Seeräuberei,  die  im  2.  und  zi 
Anfang  des  1.  Jahrhunderts  der  Kauffahrtei  großen  Schaden  zugefügt  hatte 
bis  Pompeius  ihr  ein  Ende  machte,  nach  der  Schlacht  bei  Pharsalos  wiede] 
auflebte13).  Als  indessen  mit  der  Monarchie  auch  zur  See  geordnetere  Zu- 
stände eintraten  und  im  Innern  Ruhe  herrschte,  blühte  auch  der  Handel  un 


')  In  Vaga,  Cirta,  Thapsos,  Zama,  Hadru- 
metum,  Thysdra,  vgl.  Sali.  lug.  26, 1  u.  3 ;  47, 1. 
Caes.  b.  Afr.36;  97.  KoRNEMAXN69f.  Parvan  19f. 

2)  Die  Inschr.  Homolle  Bull,  de  corr.  hell. 
VIII  (1884)  107  wird  von  Dittenberger  ins 
Jahr  127  v.Chr.  versetzt,  von  andern  später, 
s.  Kornemann  69  A.  6.  Parvan  17.  Vgl.  CIL 
III  7241;  X  1797. 

3)  Caes.  b.  civ.  II  18;  b.  Alex.  56. 

4)  Caes.  b.  civ.  II  19;  b.  Alex.  57  f. 

5)  Caes.  b.  civ.  II  20. 

6)  Poseidon,  b.  Diod.  V  26.  3  erzählt  von 
der  Vorliebe  der  Gallier  für  Wein,  der  damals 
dort  noch  nicht  kultiviert  wurde :  dto  xal  noXXol 
xtäv  IxaXixcöv  ifiJtÖQcov  8ia  xijv  avvrjßrj  cpiXaqyv- 
giav  sg/naior  r^yovvxai  rtjv  xwv  Takarmv  (piXotviav. 
ovxoi  yag  8ca  fisv  xwv  jzXojxwv  jioxafxöJv  nXoioig, 
öia  de  zfjg  jzediädog  %woag  ä/iäg~aig  xojxi^ovxeg 
xov  oivov,  dvziXa^ßdvovai  xi/xfjg  jzXfj&og  dniaxov 
bibövxeg  ydg  ol'vov  xsgd/xiov  dvxiXa^ißdvovoi  jiaida, 
xov  Tiofxaxog  öidxovov  d/isißofisvot.  Vgl.  die  Zu- 
sammenstellung der  negotiatores  vinarii  in 
Gallien  bei  Waltzing  Etüde  IV  110  n.  118. 

7)  Cic.  pro  Font.  5,11:  referta  Gallia  ne- 
gotiatorum  est,  plena  civium  Romanorum  ;  nemo 


Gallorum  sine  cive  Romano  quiequam  negoti 
gerit ;  nummus  in  Gallia  nullus  sine  civium  Ro 
manorum  tabulis  commovetur;  vgl.  ebd.  5,  12 
6, 15 ;  14, 32 ;  20, 46.  Kornemann  72.  Parva*  22 

8)  Bis  zu  den  Ubiern  und  Sueben  wagtei 
sie  sich,  Caes.  b.  Gall.  IV  2 f.;  bloß  zu  den  Bei 
gen  drangen  nur  wenig  Kaufleute  vor,  ebd.  1  1 

9)  Diese  Händler  folgten  überhaupt  dei 
römischen  Heeren,  teils  als  Lieferanten,  s.Caes 
b.  Afr.  75 :  lixarum  mercatorumque,  qui plostri, 
merces  portabant,  intereeptis  sarcinis,  teils  ah 
Aufkäufer  der  Kriegsbeute,  Sali.  lug.  44,  5 
App.  Lib.  115  f.;  vgl.  Pärvan  20. 

10)  Caes.  b.  Gall.  VII  3;  sie  mußten  freiliel 
oft  gegen  die  ihnen  feindlich  gesinnte  ße 
völkerung  geschützt  werden,  vgl.  VII  42;  ebd 
55.  Auch  die  beim  Aufstand  der  Arveine: 
unter  Vercingetorix  niedergemetzelten  Röme: 
waren  wohl  großenteils  Kaufleute,  s.  Dio  Cass 
XL  33, 1. 

11 )  Ueber  den  großen  St.  Bernhard,  Caes 
b.  Gall.  III  1. 

12)  Diod.V38,5  nennt  es  ueytozov  ifmjzoQioi 
xwv  iv  sxeivoig  xolg  xojioig;  vgl.  Strab.  IV  186 

,3)  Vgl.  Mommsen  III  433  f. 


Vierter  Abschnitt.    Handel  und  Geldgeschäfte.  ,;  "t 

4)  lebhafter  wieder  auf,  und  er  hat  es  während  der  ganz« in  EftipeneN  zu 
''feiner  stattlichen  Höhe  gebracht,  indem  die  Macht  and  «las  Ansehen  de«  Welt- 
reiches die  Handelsunternehmungen  im  Auslände  nicht  minder  begünstigte, 
4ls  die  Einheit  des  Rechts,  der  Münze  und  von  Mali  und  Gewicht1). 
4-ömische  Denar  war  allgemein  gültige  Reichswährung,  mit  der  ebensogut  in 
Italien  wie  in  den  Provinzen  Zahlungen  geleistet  werden  konnten,  ausgenommen 
fcypten,  wo  auch  in  der  Kaiserzeit  nach  Drachmen  gerechnet  wurde;  nament- 
lich in  der  westlichen  Reichshälfte  war  er  das  einzige  kursierende  Silbergeld, 
•[während  in  der  östlichen  daneben  die  alte  Silberwährung  als  provinziale  Münze 
(fortbestand2).  Weitaus  der  größte  Teil  des  Handels  spielte  sich  al  rkehr 

ab:  nicht  bloß,  daß  der  Transport  zur  See  dem  umständlichen  und  langwierigen 
jzu  Lande,  wo  irgend  möglich,  vorgezogen  wurde,  auch  die  Kaut  leute  selbst 
mußten,  bei  der  Unzulänglichkeit  und  Unsicherheit  des  Briefverkehrs,  der 
jja  im  ganzen  Altertum  niemals  auf  eine  höhere  Stufe  gekommen  ist3),  einen 
Igroßen  Teil  des  Jahres  (nur  im  Winter  ruhte  meist  der  Schiffsverkehr)  auf 
Seereisen  zubringen,  was  den  Dichtern,  die  ohnehin  dem  Kaui'inannsstande 
nicht   freundlich   gesinnt  sind,  oft  Gelegenheit  gibt  zu  Tiraden   über  den 
Mut  und  die  selbst  die  größten  Gefahren  nicht  scheuende  Gewinnsucht  des 
i Kaufmanns4);  auch  Inschriften  berichten  von  solchen  weiten  und  häufigen 
Fahrten5).    Und  wie  alle  Meere  von  den  Handelsschiffen  befahren  wurden6), 
•  so  wurden  auch  die  fernsten  Länder,  die  der  damaligen  Welt  bekannt  waren, 
(aufgesucht.    Mit  dem  Besitz  Ägyptens  waren  auch  die  südlichen  Meere  «lein 
[Handel  eröffnet,  Persien  und  Indien  auf  dem  Seewege  erreichbar7);  bis  zum 
äußersten  Äthiopien,  weit  die  Ostküste  Afrikas  hinab,  andrerseits  bis  zum 
(persischen  Golf  gingen  die  Handelsflotten8).   Im  atlantischen  Meere  hatte  der 
Seeverkehr  mit  Britannien  schon  zur  Zeit  des  phönikischen  Handels  bestanden, 
zumal  das  zur  Bronzetechnik  unentbehrliche  Zinn  von  dort  geholt  wurde9); 
zur  römischen  Zeit  pflegte  man  es  allerdings  nicht  mehr  auf  dem  Seewege, 
sondern  über  den  Kanal  nach  Gallien  und  von  da  durch  Landtransport  nach 
der  Südküste,  besonders  nach  Massalia,  zu  bringen,  von  wo  es  dann  weiter- 
geführt wurde10).  Andrerseits  dehnte  sich  auch  der  Landhandel  nach  entfernten 
Gegenden  immer  mehr  aus;  die  Seidenwaren  der  Chinesen  oder  der  Serer, 


')  Für  das  Folgende  vgl.  Friedländer 
Darstell,  aus  d.  Sittengesch.  II  55  ff. ;  zum  Han- 
delsrecht L.  Goldschmidt  Handbuch  des  Han- 
delsrechts (Stuttgart  1891)  I  58  ff. 

2)  MoMMSENRömischesMünzwesen729ff.; 
für  die  ägyptische  Münzwährung  siehe  ebenda 
722  ff. 

s)  Siehe  oben  S.  467  ff. 

4)  Besonders  Horaz,  s.  carm.  I  1,15;  31, 
13  f.;  III  24. 36 ff.;  sat.I  1,  6;  4,  29;  ep.I  1,45; 
6,  32  f.;  16,71;  a.  p.  117.  Vgl.  Tib.  I  3,  39  f. 


torum  onnüiim  admtlsu  HCtvigat,  Md  Uteri,  non 
8cientia4,  fratia.  Vgl.  luv  14,  887  ff. 

7)  Der  Periplus  maris  Ery  thraei,  der  für  ale- 
xandrinische  Kauf  leute  die  Fahrt  von  der  Ost- 
küste Afrikas  zum  Vorgebirge  Rhapton  jenseits 
Sansibars  und  der  Malabarküste  bothroibt, 
wird  von  Dillmann  Monatsber.  d.  Berl.  Akad. 
1879,  419  ff  in  die  erste  Hälfte  der  Regierung 
Vespasians  versetzt;  vgl.FABRicius  in  (WC  Km 
leitung  zu  seiner  Ausgabe,  Leipzig  1883.  Da 
der  Zweck  der  Schrift  offenbar  .in  kommer- 


6)  CIG  3920   rühmt  ein   Kaufmann  aus  zieller  war.  ist  darin  besonders  auf  die  Häfen, 

Hierapolis  in  Phrygien,   daf3  er  72mal   über  in  denen  Kauffahrteischiffe  ank'u.n  kraut«, 

Kap  Malea  nach  Italien  geschifft  sei:  die  Grab-  und  auf  die   Produkte  und   Industrieerzeug- 

schrift  eines  C.  Octavius  Agathopus  in  Puteoli  nisse,  die  an  den  einzelnen  Orten  zu  kaufen 

meldet  von  seinen   ermüdenden  Reisen  vom  waren,  Rücksicht  genommen. 

Orient  zum  Occident,  CIL  X  2792.  8)  Strab. XVII 798 ;vgl  XVI  T.O.DioCass. 

6)  Plin.  II  118:  namque  mores  hominum  !    III  18.3.  Plin.VI  102  ff.;  160;  178  l 

pnuere,   non   fruetus,   et  inmensa  mnltitudo  j            9)  Vgl.  Blümnkr  Technologie  IV  81  ff. 

aperto,  quodeumque  est,  mari  hospitalique  li-  |          10)  Strab.  III  147.  DioCass.V  22. 


630 


Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 


wie  die  Alten  das  ihnen  die  Seide  liefernde  Volk  nannten1),  kamen  auf  der! 
Karawanenwege  nach  dem  parthischen  Reiche  und  von  da  nach  dem  Occident2)! 
Kamele  brachten  die  Waren,  die  in  Häfen  des  Roten  oder  des  PersischeiB 
Meeres  ausgeschifft  wurden,  nach  Koptos3);  der  Bernstein,  den  schon  dil 
Phönikier  auf  dem  Seewege  von  der  Ostseeküste  geholt  hatten,  scheint  bereit! 
von  den  Etruskern  auf  dem  Landwege  geholt  worden  zu  sein4),  und  auch  iil 
der  Kaiserzeit  ist  der  Handel  diese  Wege  gegangen5),  wofür  Fundstücke  deil 
Beleg  bieten,  die  aus  Niederlassungen  römischer  Kaufleute  in  Deutschland 
herrühren,  da  nicht  nur  der  Bernstein  die  Händler  so  weit  führte,  sondern 
überhaupt  Handelsinteressen  die  Kaufleute  bis  weit  nach  Norden  führten6) 
Denn  je  mehr  der  römische  Handel  erstarkte,  je  weiter  die  Grenzen  den 
Reiches  sich  ausdehnten  und  die  in  fremden  Ländern  sich  niederlassender 
Kaufleute  auf  den  Schutz  ihrer  Interessen  und  ihrer  Person  durch  die  römi- 
schen Legionen  rechnen  durften,  um  so  größer  wurde  die  Zahl  der  römischen 
oder  italischen  Händler,  die  dauernd  in  der  Fremde,  in  den  Provinzen  und 
darüber  hinaus  ihre  Faktoreien  errichteten  oder  sonst  Handelsgeschäfte  trieben. 
Erfahren  wir  doch  aus  dem  1.  Jahrhundert  n.  Chr.  von  negotiatores,  die  sich 
bei  den  Markomannen  in  Böhmen  niedergelassen  hatten7). 

Es  sind  namentlich  die  Inschriften,  die  uns  von  diesen  römischen  Kauf- 
leuten außerhalb  Italiens  in  der  Kaiserzeit  Kunde  geben8).  Dabei  ergibt  sich 
freilich  für  manche  Gegenden  die  eigentümliche  Erscheinung,  daß  für  die 
Kaiserzeit  viel  weniger  Belege  für  dort  niedergelassene  cives  Bomani  negotiantes 
vorliegen,  als  für  die  letzte  Zeit  der  Republik.  Das  ist  der  Fall  in  Sizilien, 
wo  sich  gar  keine  Zeugnisse  finden9);  für  Griechenland,  dessen  Handel  und 
Verkehr  in  der  Kaiserzeit  freilich  sehr  an  Bedeutung  eingebüßt  hatte10),  sind 
sie  spärlich11),  ebenso  in  Makedonien  und  Thrakien12).  Häufiger  begegnet  man 
ihnen  auf  den  griechischen  Inseln,  besonders  Euboia,  Lesbos,  Chios,  Samos, 
Kos,  Rhodos,  Kypern,  Kreta13),  sowie  in  Kleinasien,  und  zwar  sowohl  in 
Paphlagonien  und  Bithynien,   als  zumal  in  der  Provinz  Asia14).     Dagegen 


J)  Vgl.  oben  S.  245. 

l)  Vgl.  Friedländer  a.  a.  0.  61  f. 

3)  Plin.VI  102  f. 

4)  Vgl.  H.  Genthe  Ueber  den  etruskischen 
Tauschhandel  nach  d.  Norden,  n.  Aufl.  (Frank- 
furt a.  M.  1874)  S.  101  ff.  J.  N.  v.  Sadowski  Die 
Handelsstraßen  d.  Griech.  u.  Römer,  a.  d.  Poln. 
v.  A.  Kohn,  Jena  1877.  F.  Waldmann  Der  Bern- 
stein im  Altertum  (Fellin  1883)  S.  65.  Blümner 
bei  P.-W.  III  298  f. 

5)  Plin.  XXXVII  45,  wonach  die  Straße 
nach  der  Ostseeküste  von  Carnuntum  in  Pan- 
nonien  ausging. 

6)  L.  Wiberg  Der  Einfluß  der  klassischen 
Völker  auf  den  Norden  durch  den  Handels- 
verkehr, deutsch  v.J.  Mestorf,  S.  44  ff.;  100  f. 

7)  Tac.  ann.  II  62;  vgl.  Germ.  23. 

s)  Vgl.  die  oben  angeführten  Abhand- 
lungen von  Kornemann  und  Pärvan,  bei  letz- 
terem besonders  S.  74  ff. 

9)  Kornemann  54;  Parvan  7  sucht  die 
Erklärung  dafür  darin,  daß  das  griechische 
Element  auf  der  Insel,  nachdem  diese  ganz 
zu  einem  italischen  Landstrich  geworden  war, 


in  der  Folgezeit  die  ökonomische  und  über- 
haupt kulturelle  Führung  wieder  an  sich  riß, 
überhaupt  aber  die  Blütezeit  Siziliens  unter 
römischer  Herrschaft  in  die  republikanische, 
nicht  in  die  Kaiserzeit  fällt.  Zu  Ciceros  Zeit 
gab  es  viele  römische  Kaufleute  auf  der  Insel, 
vgl.Verr.II 3,6;  6,17;  V61, 158;  proFont.6,15. 

10)  Vgl.  Mommsen  Rom.  Gesch.  V  268  f. 

")  In  Mantineia,  Elis,  Pagai,  Thespiai, 
s.  Parvan  8  f. 

,2)  In  Beroia,  Edessa,  Sestos,  Parvan  9.  In 
der  republikanischen  Zeit  scheinen  sie  häufiger 
gewesen  zu  sein,  s.  Cic.  in  Pis.  40,96;  ad  fam. 
XIII 53. 2.  Caes.  b.  civ.  III 102.  Kornemann  64. 

u)  Kornemann  63.  Parvan  10  f. 

14)  Speziell  in  Kyzikos,  Ilion,  Assos.  Perga- 
mon,  Smyrna,  Klazomenai,  Erythrai,  Tralles, 
Stratonikeia,  Kaunos,  Laodikeia,  Hierapolis, 
Gordion,  Traianopolis,  Prymnessos,  Thyateira, 
ferner  in  Lykien,  Pisidien,  Kilikien,  s.  Korne- 
mann 66  f.  Parvan  11  ff.  Bezeichnend  ist  auch 
Hör.  ep.  I  6,  32:  cave  ne  portus  occupet  alter,  \ 
ne  Cibyratica,  ne  Biihyna  negotia  perdas;  vgl. 
Mommsen  a.  a,  O.  332. 


Vierter  Abschnitt.    Handel  und  Geldgeschäfte. 


631 


scheinen  in  Syrien  die  Römer  wiederum  mehr  durch  die  Einheimischen  ver- 
hängt worden  zu  sein,  obschon  die  Handelsbeziehungen  Italiens  zu  Syrien. 
er  wertvollen  Landesprodukte  halber,  lebhaft  waren1)  und  Handelsverkehr 
ber  Petra  und  Ktesiphon  durch  römische  Kaufleute  bezeugt  ist»).  Im 
pten  ergeben  die  Papyri  nur  wenig  Beispiele  von  römischen  Geschäu- 
mten aus  der  Kaiserzeit3),  indessen  ist.  bei  der  zahlreichen  Besatzung,  den 
vielen  Beamten  und  römischen  Kolonisten,  anzunehmen,  daß  der  Hand«  I. 
wie  schon  in  der  vorhergehenden  Epoche,  vielfach  in  römischen  Händen 
lag4).  Auch  in  der  Provinz  Afrika  haben  die  römischen  Großhändler  für  die 
Kaiserzeit  keine  Bedeutung  mehr;  während  zahlreiche  Kolonisten  sich  dorl 
ansiedelten,  viele  Großgrundbesitzer  ausgedehnte  Territorien  und  prachtvolle 
Landhäuser  besaßen5),  konnten  Industrie  und  Handelsverkehr  sich  mit  den 
Verhältnissen  des  Orients  nicht  messen;  Großkauf leuten  begegnen  wir  in 
Afrika  in  der  Kaiserzeit  nirgends6).  Um  so  zahlreicher  sind  sie  dagegen  in 
dem  schon  viel  früher  und  viel  vollständiger  der  römischen  Kultur  zugänglich 
gemachten  Spanien7).  Wir  finden  hier  die  conrentus  der  geschäftstreibenden 
römischen  Bürger  in  Baetica  schon  im  1.  Jahrhundert  v.  Chr.8);  zahlreiche 
Gilden  von  navicularü  besorgten  später  den  Export  von  Korn  und  Öl,  die  als 
offizielle  Abgabe  nach  Rom  gingen9);  außer  dem  spanischen  Öl,  das  besonders 
berühmt  war10),  wurden  namentlich  auch  marinierte  Fische  und  Fischsauce 
marum)  dort  erzeugt  und  exportiert,  und  das  besonders  beliebte  garum 
sociorum  war  das  Fabrikat  von  Handelsgesellschaften  in  Neu-Karthago  und 
Carteia11).  Weniger  kommt  Britannien  in  Betracht.  Zwar  waren  zur  Zeil 
Cäsars  römische  Händler  von  Gallien  aus  hinübergegangen,  aber  ins  Innere 
des  Landes  vorzudringen  hatten  sie  sich  nicht  getraut12).  Im  1.  Jahrhundert 
der  Kaiserzeit  war  aber  die  Zahl  der  italischen  Kauf  leute  schon  erheblich 
gestiegen13);  London  (Londinium)  hatte  damals  eine  große  Zahl  von  tugotiaton  i 
und  lebhaften  Handelsverkehr14).  Aber  weit  ins  Land  hinein  ging  man  auch 
damals  noch  nicht;  von  Irland  kannte  man  nur  die  Häfen,  die  allerdings  von 
Handeltreibenden  besucht  wurden15).  Es  ist  daher  begreiflich,  daß  Inschriften, 
die  auf  römischen  Handel  und  Handwerk  Bezug  haben,  in  Britannien  sehr  spär- 
lich vorkommen1 6).  Um  so  häufiger  finden  wir  sie  in  den  gallischen  Provinzen  • 7), 


^Hor.carm.  131, 10f.Tac.ann.II  82;  vgl.  die 
mercatores  qui  Alexandr(iai)  Asiat  Syriai  nego- 
tiantur,  auf  d.  puteolanischen  Basis,  CIL  X  1 797. 

KORNEMANN  69.    PÄKVAN  16.   MoMMSEN  466  ff. 

*)  Strab.XVI  779.  Dio  Cass.LXVIII  30,3. 

3)  Parvan  18  f. 

4)  Vgl.  Mommsen  576  f. 
B)  Siehe  ebd.  647  ff. 

6)  Die  auf  afrikanischen  Inschriften  bis- 
weilen vorkommenden  cives  Bomani  oder  cott- 
ventus  civium  Romanorum  (s.  Kornemann  107) 
sind  nicht  Kaufleute,  sondern  Kolonisten,  s. 
Parvan  20. 

7)  Mommsen  67  f.  Kornemann  71  f.  Par- 
van 20  ff.  Waltzing  Etüde  III  3  ff. 

8)  Caes.  b.  civ.  II  18  ff.;  b.  Alex.  56  ff. 

9)  Cod.  Theod.  XIII  5, 4  u.  ö. ;  vgl.  Dressel 
zum  CIL  XV  560  f.  (Henkelinschr.  vom  Monte 
Testaccio  in  Rom). 

10)  Siehe  oben  S.  191. 


»)  Plin.  IX  66;  XXXI  94.  Sen.  ep.  95,  25. 
Mart.  XIII  102. 

12)  Caes.  b.  Gall.  IV  20  f. 

15j  Unter  den  beim  Aufstande  des  J.  61 
n.  Chr.  niedergemetzelten  70—90000  Römern 
und  römischen  socii  (Provinzialen,  besonders 
wohl  Gallier),  wobei  die  Zahl  allerdings  stark 
übertrieben  erscheint  (vgl.  Tac.  ann.  XIV  33. 
Dio  Cass.  epit.  LXII  1,1),  waren  sicherlich  viele 
Kaufleute,  daneben  allerdings  angesiedelte 
Grundbesitzer  und  Kolonisten.  Vgl.  Kornb- 
mann  78.  Parvan  29  f.  Mommskn  164. 

»«)  Tac.  a.  a.  O. 

,B)  Tac.  Agric.  24. 

16)  Vgl.  Waltzing  a.  a.  O.  III  351  ff. 

,7j  Kornemann  72  f.  Parvan  24  f.  Die  auf 
Kollegien  von  Handwerkern  und  Kaufleuten 
bezüglichen  Inschriften  aus  GalliaNarbonensis 
s.  Waltzing  III  520  ff.,  aus  Aquitanien  und 
Gallia  Lugdunensis  ebd.  554  ff. 


632 


Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 


wo  der  römische  Weinimport  und  der  gallische  Export  von  Schlachtvieh ,  Wollen-I 
webereienu.a.m.  auf  dem  vorzüglich  ausgebautenStraßennetzlebhaftenHandels- 
verkehr  mit  Italien  bewirkte1).  Im  römischen  Germanien  hatte  die  militärische 
Besetzung  der  Grenzen  selbstverständlich  auch  die  Niederlassung  von  römischer] 
Kauf  leuten  zur  Folge,  die  in  den  unter  dem  Schutz  der  Wälle  angelegten  Lager- 
dörfern, den  canabae2),  ihre  Niederlagen  hatten  und  daher  auch  als  canabetises 
oder  consistentes  in  canabis  bezeichnet  werden3).  Auch  in  der  stark  von  den 
Römern  besiedelten  Schweiz  treffen  wir  die  Spuren  ihrer  Händler4),  ebenso  in 
Raetien  und  Norikum5),  in  Pannonien,  Moesien,  Dakien6),  sowie  in  Illyrikum7). 
Wenn  wir  so  in  der  Kaiserzeit  römische  oder  italische  Großhändler  — ■ 
denn  meist  handelt  es  sich  um  solche,  nicht  um  kleine  Geschäftsleute,  — 
fast  überall  in  den  Provinzen  und  zum  Teil  noch  über  die  Grenzen  des  Reiches 
hinaus  antreffen,  so  ist  auch  das  Umgekehrte  nicht  selten,  daß  die  Pro- 
vinzialen,  und  zwar  vornehmlich  Griechen  und  Orientalen,  sich  zum  Betriebe 
des  Großhandels  in  Italien  niederließen.  In  Rom  und  Ostia  herrscht  allerdings 
in  den  ersten  Jahrhunderten  der  Kaiserzeit  die  italische  Kaufmannschaft  gegen- 
über allen  anderen  Nationalitäten  vor8).  Das  römische  corpus  magnariorum, 
das  im  Jahre  304  n.  Chr.  auf  einer  Inschrift  als  schon  länger  bestehend  er- 
scheint9), bestand  sicherlich  nur  aus  Italikern,  obschon  wir  nicht  sagen  können, 
was  für  Großhändler  das  waren10);  aus  anderen  Inschriften  sind  uns  Ver- 
eine von  Großhändlern  mit  Wein,  Ol,  Getreide,  Brot,  Schlachtvieh,  Holz, 
Leder,  Ziegeln,  Gefäßen  usw.  bekannt11),  und  auch  da  scheint  es  sich  wesent- 
lich um  Italiker  zu  handeln.  Unter  den  Eigennamen  von  Großhändlern  aber, 
die  die  Inschriften  bieten,  finden  sich  viele  griechische  und  auch  einige 
orientalische,  und  man  sieht  in  deren  Trägern  gewiß  mit  Recht  romanisierte 
oder  italisierte  Griechen  und  Orientalen,  die  entweder  Söhne  von  Freigelassenen 
oder  selbst  Freigelassene  waren,  die,  als  Sklaven  nach  Italien  gekommen,  durch 
Geschicklichkeit  oder  Betriebsamkeit  sich  ein  Vermögen  erworben  hatten,  das 
ihnen  gestattete,  sich  freizukaufen  und  auf  eigene  Faust  ein  Geschäft  zu 
gründen12).  Andere  Inschriften,  bei  denen  dem  Namen  die  Herkunft  beigefügt 


')  Mommsen  V  98  f. 

2)  Vgl.  Schulten  bei  P.-W.  IV  1451  ff. 

3)  CIL  III  1008;  1100;  6166;  7474  u.  s.; 
vgl.  Schulten  a.  a.  O.  1453  f. 

4)  CIL  XII  2618  (stark  abgekürzt:  Kura- 
tor) c(ivium)  R(omanorum)  c{onventus)  He(lve- 
tici);  XIII  5013;  5221.  Kornemann  74  f.  PÄr- 

VAN  27. 

6)  CIL  III  5212,  wo  unter  den  cives  Ro- 
mani  ex  Italia  et  aliis  provinciis  in  Raetia  con- 
sistentes gewiß  mit  Parvan 30  vorwiegend  an 
Kaufleute  zu  denken  ist;  ebd.  13542:  negotia- 
tores  ßrigantienses. 

6)  Vell.  Pat.  II 1 10, 5  f. ;  vgl.  Parvan  32  f., 
der  darauf  hinweist,  daß  die  kommerzielle 
Tätigkeit  dieser  Provinzen  einen  durchaus 
provinzialen  Charakter  trägt. 

7)  Besonders  in  dem  Hauptstapelplatz 
Nauportus,  der  an  der  Hauptstraße  von  Italien 
nach  den  Donauprovinzen  lag,  Kornemann 
76  f.  Parvan  31. 

8)  Parvan  35  ff.,  mit  den  inschriftlichen 


Belegen;  vgl.  das  Verzeichnis  der  Kollegien 
in  Rom  und  Ostia  bei  Waltzing  III  167  ff. 

9)  CIL  VI  1696;  vgl.  Waltzing  II 108;  377; 
III  206  n.  760. 

10)  An  eine  Vereinigung  sämtlicher  Groß- 
kaufleute Roms  ist  nicht  zu  denken,  denn  die 
Inschrift  zeigt,  daß  die  Gesellschaft  sich  in 
höchsten  Finanznöten  befunden  hatte,  aus 
denen  sie  die  Munifizenz  des  damaligen  Prae- 
fectus  urbi  befreite. 

n)  Vgl.  Waltzing  IV  1  ff.  Parvan  38. 

12)  Parvan  39.  Ein  litterarischer  Beleg 
dafür  ist  die  Karriere  des  Trimalchio,  der,  als 
junger  Sklave  von  Kleinasien  nach  Italien  ge- 
kommen, Liebling  seiner  Herrschaft  wurde, 
von  der  er  ein  hübsches  Vermögen  erbte ;  frei 
geworden,  trieb  er  zur  See  Handel  mit  Wein, 
Pökelfleisch,  Parfüms,  Sklaven  u.a.  und  wurde 
dadurch  reich,  worauf  er  sich  zur  Ruhe  setzte 
und  nur  noch  durch  seine  Freigelassenen  Geld- 
geschäfte machte,  Petron.  76;  vgl.  Friedländer 
zur  Cena  Trimalchionis  352. 


Vierter  Abschnitt.   Handel  und  Geldgeschäfte. 


638 


;t,  lehren  uns  aber  nur  wenig  Griechen  kennen1);   es  scheint,  als  ob  dfo 
»riechen,   denen   wir   in   der  Kaiserzeit   sonst  so  oft  als  inten,   Lehrern, 
Künstlern,  Musikern  u.  a.  m.  begegnen2),  im  römischen  Bande]  keine  Bolle 
Ipielten.  Unter  den  Asiaten  finden  wir  Paphlagonier  und  Küikier*),  Smyroii 
|or  allem  aber  am  häufigsten  Syrer,  die  überhaupt  in  der  Kaiserzeit  unter 

eii  nicht  römischen  Kaufleuten  an  erster  Stelle  stehen  und  an  eilen  llandels- 
Jlätzen  des  Reichs  sich  niedergelassen  hatten6);  wir  finden  in  Rom  Kaufleute 

ns  Tyros,  Tiberias,  Gaza,  Palmyra,  die  Faktoreien  in  der  Hauptstadt  hatten 
Ind  zum  Teil  eigene  Kolonien  mit  ihrem  von  der  Heimat  mitgebrachten 
Cultus  bildeten6).  Aber  noch  stärker  als  in  Rom  scheint  der  fremdländische 
Einschlag  in  der  Kaufmannschaft  von  Puteoli  gewesen  zu  sein,  wo  zu  Anfang 
[es  1.  Jahrhunderts  n.  Chr.  eine  Vereinigung  von  Kaufleuten  besteht,  die  mit 
llexandreia,  Kleinasien  und  Syrien  in  Handelsverbindung  stehen7),  ein  Ver- 
lehr, der  auch  sonst  bezeugt  ist8).  Besonders  stoßen  wir  hier  auf  Afrikaner9), 
lüeinasiaten10)  und  namentlich  wieder  auf  Syrer11);  die  Tyrier  hatten  hier  eine 
raktorei,  die  sich  allerdings  nicht  immer  rentiert  zu  haben  scheint1*);  ferner 
»raren  Syrer  aus  Bery  tos,  Heliopolis,  Damaskos  usw.  dort  angesiedelt 1 3).  —  Neben 
ruteoli  und  Rom  nebst  Ostia  kamen  als  italische  Handelszentren  vornehmlich 
loch  Mediolanium  und  Aquileia  in  Betracht,  wo  man  Alexandriner,  Galater  und 
Indere  Orientalen  antrifft14).  Abgesehen  von  diesen  wichtigsten  Handelsstädten 
Ivaren  aber  Griechen  wie  Ägypter  und  Orientalen  auch  sonst  als  Kaufleute  in 
Italien  zerstreut,  wie  Inschriften  aus  Verona,  Pola,  Concordia.  Ravenna,  Luna, 
Interamna,  Capua,  Beneventum,  Neapolis,  Pompeji,  Brundisium  lehren16). 

Daß  aber  diese  betriebsamen  Ausländer  sich  nicht  auf  Rom  und  Italien 
beschränkten,  sondern  auch  in  den  Provinzen  des  römischen  Reiches  sich  zu 
Handelszwecken  niederließen,  ist  begreiflich;  und  so  finden  wir  in  der  Tat 
Griechen,  Kleinasiaten,  Syrer,  Ägypter  und  Afrikaner  nicht  nur  in  den  Pro- 
tinzen  des  Ostens  als  Kaufleute  tätig16),  sondern  auch  im  Westen  und  Norden, 
In  Spanien,  Gallien,  Germanien,  Britannien17),  Dalmatien,  Norikum,  Pannonien, 


l)  Siehe  die  wenigen  darauf  bezüglichen 
Inschriften  bei  Pärvan  89. 

s)  Vgl.  luv.  3,  76:  grammaticus  rhetor 
meometres  pictor  aliptes  \  augur  schoenobates 
mudicus  magus,  omnia  novit  \  Graeculus  esu- 
wiens;  der  Kaufmann  fehlt  also. 

s)  CIL  VI  9675. 

4)  CIG  5888  (doch  ist  die  Ergänzung  un- 
Igewifi). 

5)  Vgl.  P.  Schepfer-Boichorst  Zur  Ge- 
schichte der  Syrer  im  Abendlande,  in  den  Mit- 
Iteil.  d.  Instit.  f.  österr.  Geschichtsforschung  VI 
■  1885)  521  ff.  L.  Brehier  Les  colonies  d'Orien- 
itaux  en  Occident  au  commencement  du  moyen- 
tege.  Byzantin.  Zeitschrift  XII  (1903)  1  ff.  (die 
IZitate  verdanke  ich  Pärvan  S.  110  f.).  Vgl. 
IFriedländer  Sittengesch.  I  347  f.  Mommsen 
IV  467.  Liebenam  Rom.  Vereinswesen  91  A.  2. 

6)  Belege  bei  Pärvan  116  f. 

7)  CIL  VI  1797:  mercatores  qui  Älexan- 
\4r(iai),  Asiat,  Syriai  negotiantu{r). 

8)  Siehe  oben  S.  631  A.  1 ;  puteolanische 
Waren  werden  in  einem  Papyrus  des  2.  oder 
3.  Jahrh.  n.  Chr.  angeführt,  s.  Pap.  Tebtyn.  II 


n.  413  (nach  Pärvan  100). 

9)  CIL  X  1684. 

10)  PÄRVAN  108. 

»)  Ebd.  114  f. 

u)  In  der  Inschrift  CIG  5853  (vgl.  CIL  X 
1601)ausdem  J.  174  n.  Chr.  ersuchen  sie  in  einer 
Eingabe  an  die  Mutterstadt  um  Subvention,  da 
sie  die  großen  Kosten  der  Miete  ihrer  I  u-liäude 
und  der  Repräsentation  nicht  mehr  aufbringen 
könnten  und  die  syrischen  Händler,  die  nach 
Puteoli  kämen,  keine  Beiträge  leisteten ;  vgl. 
Mommsen  BSGW  1850.  57  ff.   Libbbnam  90  f. 

,s)  Vgl.  CIL  X  1576;  1578  f.;  1634;  1746; 
1985. 

u)  Pärvan  100;  110. 

I6)  Vgl.  ebd.  128. 

»•)  Ebd.  92  ff. 

")  So  z.B.  Syrer  in  Trier,  CIG  9891  R 
(Mommsen  V 467  A.3):  in  Heidelberg  CIL  XIII 
6409;  inSouth-Shields  in  England,  PaKTAX  119; 
Afrikaner  (Karthager,  Libyer  u.  a.)  in  Kanum 
Martis  CIL  XIII  3147;  in  Miltenberg  (in  Germ, 
super. )  ebd.  66 12  (allerdings  mit  sehr  unsicherer 
Ergänzung) ;  vgl.  Pärvan  68. 


634  Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 

Moesien.  Dakien1);  im  Norden  des  Schwarzen  Meeres,  wo  der  griechisch 
Handel  schon  seit  frühen  Zeiten  sich  sehr  lebhaft  entwickelt  und  befestig 
hatte2),  hatte  er  auch  in  der  Kaiserzeit  anscheinend  die  Oberhand3). 

Auffallend  kann  erscheinen,  daß  unter  den  im  Ausland  ansässigen  orien 
talischen  Kaufleuten  die  Juden  keine  Rolle  spielen,  obschon  ihre  Niedei 
lassungen  in  Italien  selbst  wie  in  allen  Provinzen  des  Reiches  sehr  zahlreic 
waren4).  Daß  sie  daselbst  Handel  getrieben  haben,  ist  auch  zweifellos;  abe 
allem  Anschein  nach  war  das  weit  mehr  im  Orient  der  Fall,  als  im  Wester 
wo  sie  in  der  Litteratur  uns  nur  als  Krämer,  Bettler  u.  dgl.  begegnen5).  Gegei 
den  Ausgang  des  Altertums  hin  haben  sie  allerdings  wie  die  Syrer,  mit  denei 
sie  überhaupt  hinsichtlich  ihres  Charakters  und  ihrer  Betriebsamkeit  vie 
Ähnlichkeit  haben,  den  ägyptischen  Handel  nach  Italien  und  Gallien  wesentlicl 
vermittelt6);  und  wenn  die  Zeugnisse  dafür,  daß  die  in  den  großen  Handels 
städten  niedergelassenen  Juden  vornehmlich  vom  Handel  lebten,  in  den  In 
Schriften  gänzlich  fehlen7),  so  wird  das  zum  Teil  wohl  darin  seinen  Grun( 
haben,  daß  bei  ihnen  Veranlassung  zur  Anbringung  von  Inschriften,  auf  denei 
sie  Namen,  Herkunft  und  Gewerbe  angaben,  infolge  ihrer  Abgeschlossenhei' 
und  ihres  Festhaltens  an  ihren  Kultusformen  kaum  vorhanden  war8). 

Weit  seltner,  als  bei  den  Provinzialen  des  Ostens,  scheint  es  vorgekommei 
zu  sein,  daß  solche  der  westlichen  und  nördlichen  Provinzen  außerhalb  ihrei 
Heimat  sich  zu  Handelszwecken  ansiedelten.  Am  häufigsten  ist  es  der  Fall  be; 
Gallo-Romanen,  da  Industrie  und  Handel  sich  in  Gallien  mächtig  entwickeli 
hatten  und  die  Bewohner  zumal  in  Ol,  Nutzholz,  Wollenwebereien  u.  a.  m. 
wie  mit  dem  Ausland  so  auch  im  Ausland  selbst  lebhaften  Handelsverkehr 
trieben.  Besonders  in  den  Grenzgebieten,  in  Belgien,  an  Rhein  und  Mosel,  in 
der  Schweiz  treffen  wir  auf  gallische  Kaufleute9);  seltner  in  den  entfernteren 
Provinzen10),  wo  am  häufigsten  Trevirer  unter  ihnen  zu  finden  sind11).  Ger- 
manische Provinzialen  finden  wir  vereinzelt  außerhalb  tätig12),  ebenso  Spanier13) 
und  Provinzialen  aus  den  Donauländern14). 

Fassen  wir  all  das  bisher  Betrachtete  zusammen,  so  ergibt  sich,  daß  in 
der  Kaiserzeit  der  Welthandel  auf  einer  hohen  und  achtunggebietenden  Stufe 


x)  Parvan  an  zahlreichen  Stellen,  vgl. 
die  Indices  S.  127  ff. 

2)  Vgl.  K.  D.  Hüllmann  Handelsgesch.  d. 
Griechen  134  ff.  Speck  Handelsgeschichte  II 
445  ff. 

3)  Parvan  86  f. 

4)  Vgl.  E.  Schübek  Gesch.  d.  jüdischen 
Volkes  im  Zeitalter  Jesu  Christi3  III 1  ff.  Fried- 
länder  Sittengesch.  II  51 ;  126;  135 ;  III  570  ff. 

5)  PÄrvan  120  f.  Vgl.  luv.  3,14;  6,543; 
547.  Mart.  XII  57,  3.  Friedländer  a.  a.  0.  III 


9)  Parvan  43  ff. 

10)  Ein  negotians  vestiarius  aus  Gallien  in 
Pola,  Hirschfeld  in  Archäol.-epigr.  Mitteil. 
a.  Oesterr.  VIII  (1884)  248. 

»J  In  Britannien  CIL  VII  36;  55;  191;  248; 
inRätien  III  5797:  5902  (Ergänzung  unsicher); 
in  Neuburg  a.  d.  Donau  5901:  in  Pannonien 
4138;  in  Carnuntum  4499;  in  Dakien  1214; 
8014;  auch  in  Mailand  finden  wir  einen  nego- 
tiator  sagarius,  civis  Mediomatricus  (aus  Metz), 
V  5929. 


576.  Mommsen  V  471  f.  »)  In  Gallien  CIL  XIII  618 ;  ein  Kaufmann 


Vgl.  Herzfeld  Handelsgeschichte  der 
Juden  des  Altertums  202  f.  Humann,  Cicho- 
rius  u.  a.  Altertümer  von  Hierapolis  46  u.  51 ; 
Judeich  ebd.  174  n.  342. 

7)  Friedländer  a.  a.  O.  II  57. 

8)  Herzfeld  a.  a.  0.  ist  geneigt,  auch  für 
den  Westen  bedeutende  Handelstätigkeit  der 
Juden  anzunehmen,  was  Parvan  121  A.  1  ab- 
lehnt. 


aus  Köln,  der  Handel  nach  Dakien  trieb,  in 
Aquileia,  V  1047.  Vgl.  Parvan  56  ff. 

13)  In  Ostia,  CIL  XIV  397;  in  Verona  V 
3365  (aber  unsichere  Ergänzung);  Nemausua 
XII  3167;  Burdigala  XIII  612;  621.  Vgl.  Par- 
van 63  f. 

14)  Rätier  in  Pannonien,  CIL  III  3355;  in 
Britannien  VII  972.  Pannonier  (ein  argenta- 
rius)  in  Mainz,  XIII  7247.  Vgl.  Parvan  68  ff. 


Vierter  Abschnitt.    Handel  und  Geldgeschäfte. 


685 


f.  Ipand  und  daß  an  ihm  fast  alle  Nationen,  die  das  römische  Reich  in  seinen 
'  bl  Frenzen  umfaßte,  Anteil  hatten,   wenn  auch  nicht  alle  im  gleichen  Mi 

,    )ie  seltensten  Naturprodukte,  die  dem  Luxus  dienenden  Erzeugnisse  fernster 
.Ö1J  Länder  gingen  zumal  der  Hauptstadt  für  die  Tafel,  für  Toilette,  Schmuck 
8  ind  Hausrat  der  vornehmen  und  reichen  Römer  trotz  der  im  Vergleich  zu 
re"  leute  so  unvollkommenen  Verkehrsmittel  in  reichster  Fülle  und  auch  mit  l><- 
. a*  «rundernswürdiger  Schnelligkeit  zu;  die  gewerblichen  Produkte,  wie  Kleider- 
^  jtoffe,  Lederwaren,  Tongeräte.  Metallarbeiten  und  was  sonst  zum  Leben  and 
v%um  Haushalt  gehört,  stapelten  sich  in  den  großen  Handelszentren  Italiens  und 
'Jdes  Orients,  Ägyptens,  Spaniens,  Galliens  in  Menge  auf  und  wurden  von  da  zu 
rasser  und  zu  Lande  bis  an  die  fernsten  Grenzen  des  Reiches  exportiert. 
Allerdings  fehlte  es  auch  nicht  an  gewissen,  den  Handel  beschränkenden 
Einrichtungen,  die  vornehmlich  in  der  Erhebung  eines  Zolles,  portorium,  be- 
standen1), wobei  man  portorium  terrestre  und  maritimum  unterschied2).  Die  Er- 
hebung eines  Einfuhrzolles  für  fremde  Waren,  war  eine  sehr  alte  Einrichtung, 
die  angeblich  schon  zur  Königszeit  bestand  und  nach  Vertreibung  der  EOoige 
wohl  nur  vorübergehend  aufgehoben  war3).  Aus  republikanischer  Zeit  liegen 
uns  zwar  nur  wenig  Nachrichten  vor,  sie  bestätigen  aber  eine  Fortdauer  des 
Zolles.    Anfangs  waren  natürlich  nur  in  Italien  Zollstationen;  im  Jahre  199 
werden  die  von  Puteoli  und  Capua  erwähnt,  neben  denen  jedenfalls  schon 
vorher  noch  andere  bestanden  hatten4) ;  neue  Zollstationen  wurden  im  Jahre  179 
errichtet5),  und  dann  wieder  durch  C.  Gracchus6).  Allerdings  wurde  im  Jahre  60 
infolge  der  reichen  Zolleinnahmen  von  Sizilien  und  Kleinasien  der  Zoll  in 
Italien  abgeschafft7),  aber  bereits  Cäsar  führte  ihn  wieder  ein8),  und  so  blieb 
die  Einrichtung,  mit  einer  kurzen  Unterbrechung  unter  Pertinax9),  die  ganz«' 
Kaiserzeit  hindurch  bestehen10). 

Über  die  Zollverhältnisse  der  republikanischen  Zeit  sind  wir  fast  gar 
nicht  unterrichtet,  näher  erst  über  die  der  Kaiserzeit.  Im  allgemeinen  war 
die  Reichsgrenze  auch  die  Zollgrenze,  an  der  alle  fremden  Waren  versteuert 
werden  mußten11),  unter  Umständen  auch  ein  Ausfuhrzoll  zu  entrichten  war12), 


])  Ueber  den  Warenzoll  bei  den  Römern 
ist  zu  vergleichen  Marquardt  Rom.  Staats- 
verwaltung2 II  269  ff.  R.  (Jagnat  Le  portorium, 
Paris  1880;  Etüde  sur  les  impöts  indirects  chez 
les  Romains,  Paris  1882;  Artikel  Po/Vor««»  bei 
D.-S.  IV  586  ff.  Vigie  Les  douanes  dans  l'empire 
Romain.  Paris  1884.  F.Thibault  Les  douanes 
chez  les  Romains,  Paris  1880.  0.  Hirschfeld 
Die  kaiserlichen  Verwaltungsbeamten*  8.77  ff.; 
dazu  K.  Patsch  R.  M.  VIII  (1893)  192.  v.  Doma- 
szewski  Arch.-epigr.  Mitteil.  a.  Oesterr.  XIII 
(1890)  129  ff. 

-)CILI204;II31f.;vgl.Liv.XXXVIII44,4. 

3)  Liv.  II 9, 6 :  portoriisque  et  tributo plebes 
liberata. 

4)  Liv.  XXXII  7,  3:  (censores)  portoria 
venalicium  Capuae  Puteolisque,  item  Castnim 
portorium,  quo  in  loco  nunc  oppidum  est,  lo- 
carunt;  die  Lesarten  schwanken,  doch  ist  vena- 
licium des  Bamberg,  wohl  richtig  und  s.  v.  a. 
venalium,  sodaß  also  der  Zoll  nur  auf  zum 
Verkauf  eingeführte  Waren  ging.    In  Capua 


kann  nur  portorium  terrestre  erhoben  worden 
sein,  aber  worauf  ist  nicht  klar;  und  Castriiui 
portorium  ist  ganz  unbekannt. 

»)  Liv.  XL  51,  8. 

«)  Vell.Pat.  II  6.2. 

■•)  DioCass.XXXVH51,3.  Cic.adAtt.il 
16,1. 

8)  Suet.  Caes.43.  Doch  meint  Hirsciih  u> 
a.a.O.  81  A3,  es  habe  sich  nicht  um  Auf- 
hebung des  portorium  überhaupt  gehandelt, 
sondern  nur  um  die  von  seinen  Vorgängern 
erhobenen  Zuschläge. 

9)  Herodian.  II  4,7. 

»")  Vgl.Tac.ann.XIII50.  Cod.Theod  XIII 
5,  23  f.  Cod.  Just.  IV  61,6.  Digg.  L  16,  IT.  1. 

n)  Selbst  die  Gesandten  fremder  Völker 
mußten  Steuerpflichtiges  an  der  Grenze  ver- 
zollen, Cod.  Iust.  IV  61,  8. 

,2)  Für  Aegypten  spricht  Strabo  WM  79fl 
von  rt/.ij  bi.T/.üoia,  T(\  iirr  Firniyioyty.ä  ki  <V 
ytoyixä;  über  die.TfrTtjxooTij  eioaywytji;  un«l 
ycoyfi?  vgl.  Wilcken  Griech.  Ostraka  I  276  ff. 


636 


Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 


soweit  nicht  die  Ausfuhr  überhaupt  verboten  war,  wie  die  von  Gold1),  von  rohen 
und  verarbeitetem  Eisen,  Waffen,  Schleifsteinen,  Wein,  Ol,  Getreide,  Salz2).  Ii 
den  Grenzprovinzen  wurde  den  Fremden  der  Marktbesuch  nur  zu  bestimmtei 
Zeiten  und  an  bestimmten  Orten  gestattet3).    Zollpflichtig  waren  nur  die  füi 
den  Handel  bestimmten  Waren,   während   die  für  den  Privatgebrauch  fre 
waren,    so  in  der  republikanischen  Zeit4)   wie   später5);    außerdem   hattei 
Waren,   die   für  den  Fiskus6)  oder  für  das  Heer  bestimmt  waren7),    Zoll- 
freiheit, sowie  die  zur  Reise  benutzten  Zugtiere  und  Wagen8).  Sodann  warer 
gewisse  Persönlichkeiten  vom  Zoll  befreit,   nämlich   der  Kaiser   und   seine 
Familie9),  die  Offiziere,  zumal  die  dem  Kaiser  persönlich  unterstehenden10),  die 
Soldaten  (offenbar  der  an  den  Grenzen  stehenden  Legionen)11),  die  Veteranen, 
die  sogar  das  Recht  bekamen,  mit  nicht  verzollten  Waren  zu  handeln12),  die 
Magistrate  für  die  zu  Venationen  bestimmten  Tiere13),  endlich  die  Handels- 
schiffer (navicularii),  natürlich  nur  für  ihren  persönlichen  Bedarf14).  Die  Ein- 
ziehung der  Zölle  war  wie  die  der  Steuern  an  die  publicani  verpachtet,  die 
daher  auch  portitores  heißen15). 

Es  waren  aber  nicht  nur  die  außerhalb  der  Reichsgrenzen  produzierten 
Waren,  die  zollpflichtig  waren  und  an  den  Grenzstationen  oder  in  den  See- 
häfen versteuert  werden  mußten,  sondern  auch  die  einzelnen  Provinzen  oder  ge- 
wisse Komplexe  mehrerer  zu  einem  Steuerbezirk  vereinigter  Provinzen  waren 
durch  Zollschranken  getrennt.  Als  solche  Zollbezirke  kennen  wir  außer  Italien: 
Sizilien,  Spanien,  Gallia  Narbonensis,  die  tres  Galliae  (Lugdunensis,  Aquitania 
und  Belgica),  Britannien,  die  Provinzen  Moesien,  Pannonien,  Dalmatien,  Nori- 
cum,  Raetien,  in  denen  das  sogenannte  portorium  Illyricum  erhoben  wurde16), 
Kleinasien,  Bithynien  mit  Pontus  und  Paphlagonien,  Syrien,  Ägypten  und 
Afrika.  Der  Zoll  betrug  in  der  Regel  einen  gewissen  Prozentsatz  vom  Werte 
der  Waren,  war  aber  nicht  nur  in  den  verschiedenen  Bezirken,  sondern  öfters 
selbst  in  einer  und  derselben  Provinz  verschieden.  Er  stieg  von  2  oder 
2x/2  Prozent  auf  5  und  im  4.  Jahrhundert  sogar  auf  12^2  Prozent17),  ja  in 
Ägypten  sogar  auf  25  Prozent18).    Neben  diesen  prozentualen  Ansätzen  gab 


')  Cod.  Iust.IV  63,2. 

2)  Cod.  Theod.  VII  16,  3.  Cod.  Iust.  IV  41, 
lf.  Digg.XXXIX4.11  pr. 

3)  Bio  Cass.  LXXI  11,3;  ebd.  15;  LXXII 
2,  4;  vgl.  Marquardt  a.  a.  0.  I  563  A.  7. 

4)  Liv.  XXXII 7, 3  (s.  o.).  Cic.  in  Pison.  36,87. 

5)  Tac.  ann.  XIII  52.  Cod.  Iust.  IV  61,  5. 
Symm.epist.V62(60).  CIL  III  781  Z.18ff.(»m- 
munitas  der  Tyraner). 

6)  Digg.XXXIX4,9,8.  Cod.Iust.IV 61, 5. 

7)  Di<*g.  a.  a.  0.  7. 

8)  Qulnt.  decl.  359.  CIL  VIII  4508. 

9)  Digg.  XLIX  14,  6,  1. 
10)  Cod.  Theod.  XI  12,3. 

n)  Tac.  ann.  XIII  51.  Cod.  Theod.  a.  a.  0. 

12)  Cod.Theod.VII20,2;  auch  ihre  agnati, 
vgl.  ebd.  9. 

13)  Symm.  epist.V20. 
14)Cod.Theod.XIII5,23f.Cod.Iust.IV61,6. 
15)  Non.  24,  14:  portitores  dieuntur  telo- 

nearii,  qui  portum  obsidentes  omnia  sciscitan- 
tur,  ut  ex  eo  vectigal accipiant ;  vgl  37, 15 ;  auch 


conductores  portorii,  CIL  III 751 ;  753  u.  ö.  (aber 
meist  in  Abkürzung,  z.  B.  conductores  p{ortoru) 
p{ublici)  oder  nur  c.p.p.). 

16)  Vgl.  Cagnat  bei  D.S.  IV  588  mit  der 
Karte  Fig.  5772 ;  es  scheint  aber,  als  ob  der  Zoll 
nicht  nur  an  der  äußern  Grenze  dieses  Bezirks, 
sondern  auch  innerhalb  desselben  in  jeder 
Provinz  erhoben  wurde,  s. Marquardt  II  273  f. 

17)  Also  von  der  quinquagesima  zur  octava; 
das  gewöhnlichste  war  anscheinend  die  qua- 
dragesima,  21/«  °/o.  Dagegen  erscheint  die  oc- 
tava, 1 2 1/-2  °/o,  im  J.  366  als  mos  solitus,  Cod. 
Iust.  IV  61,  7  f.  Vgl.  Marquardt  a.  a.  0.  276  f. 

18)  Nach  demPeripl.mar.Erythr.  19  (p.273 
Müll.);  doch  hält  Hirschfeld  Kaiserl.  Ver- 
waltungsbeamte1 S.  20  A.  2  dies  für  undenk- 
bar und  möchte  xtxäqxn  in  TSTxaoaxoox)')  än- 
dern, was  Wilcken  Griech.  Ostraka  I  398  ab- 
lehnt, da  sich  anderwärts  ein  so  hoher  Zoll 
für  Aegypten  nachweisen  läßt ;  ebenso  Rostow- 
zew  Philologus  Suppl.Bd.  IX  396;  vgl.  Hirsch- 
feld a.  a.  O.'1  S.  80  f. 


Vierter  Abschnitt.   Handel  und  Geldgeschäfte. 


687 


: nfcls  aber  auch  in  einzelnen  Provinzen  feste  Tarife,  die  von  vornherein  für 
z  gewisse  Waren  bestimmte  Zölle  festsetzten;  eine  Probe  hat  sich  in  dem  Zoll- 
oioti  iarif  von  Iulia  Zarai  (in  Afrika) *)  erhalten 2). 

Neben  dem  Reichszoll  gab  es  aber  auch  in  Rom  und  anderwart«  \  i  r- 
iiü,  sehrungssteuern  (Octroi)»).  Ob  in  Rom  schon  in  republikanischer  Zeü  Bolche 
iattj  »standen,  weiß  man  nicht;  aus  der  Kaiserzeit  erfahren  wir  zunächst  ge- 
U  egentlich  von  einer  entsprechenden  Verordnung.  So  legte  Caligula  eine  Ab- 
rar,  ?abe  auf  alle  Eßwaren4),  die  aber  keine  städtische  war,  sondern  offenbar  in 
seq  ije  Staatskasse  fiel;  die  Maßregel  war  aber  so  unpopulär,  daß  sie  anscheinend 
),J  licht  lange  nachher  wieder  aufgehoben  wurde,  wenigstens  für  die  GemtUe, 
)iif!  iie  Ja  Hauptnahrung  des  niederen  Volkes  waren6).  Wahrscheinlich  ,t\vas 
,  j  später  wurde  das  vectigal  ansarii  et  foricularii  promercalium  eingeführt ').  das 
wir  nur  aus  Inschriften  aus  der  Zeit  des  M.  Aurel  und  Commodus  und  des 
Alexander  Severus  kennen7);  es  scheint  auf  alle  durch  die  Tore  der  Stadt 
inpassierenden  Lebensmittel  erhoben  worden  zu  sein»).  Erhoben  wurde  die 
Steuer  von  mancipes,  an  die  sie  verpachtet  war9). 

Außerhalb  Roms  in  den  Provinzen  finden  wir  mehrfach  städtischen  Octroi '  °) 
oder  überhaupt  Eingangs-  und  selbst  Ausfuhrzölle.  Das  Recht,  solche  zu  er- 
heben, wurde  schon  zur  Zeit  der  Republik  verdienten  Gemeinden  als  Belohnung 
zugesprochen11).  Aus  dem  Jahre  137  n.  Chr.  besitzen  wir  einen  Zolltarif  von 
Palmyra12),  der  sich  auf  städtische  Steuern  zu  beziehen  scheint13),  und  auf 
ägyptischen  Ostraka  sind  Ein-  und  Ausfuhrzölle  bezeugt14). 


»)  CIL  VIII  4508. 

2)  DasVerzeichnissteuerpflichtigerWaren 
Digg.  XXXIX  4, 16,  7  wird  auch  auf  einen  Zoll- 
tarif zurückgeführt,  s.  Dirksen  Abh.  d.  Berl. 
Akad.  f.  1843,  Phil.-hist.  Kl.  59  ff.  Marquabdt 
277. 

3)  Vgl.  Cagnat  Impöts  indirects  147  und 
D.-S.  IV  593.  Vigie  a.  a.  0.  564. 

4)  Suet.  Calig.  40:  pro  edulibus,  (ptae 
tota  urbe  venirent,  certum  statumque  exige- 
mttur. 

6)  Plin.  XIX  56:  nullum  macelli  vectigal 
malus  fuit  Romae  clamore  plebis  incttsantis 
apud  omnes,  donec  remissum  est  portorium 
tnercis  huius.  Die  Vermutung  von  Kubitschek 
Oesterr.  Jahreshefte  III  (1900)  73,  daß  Clau- 
dius die  Steuer  aufgehoben  habe,  beruht  auf 
der  sehr  unsicheren  Deutung  der  Legende  auf 
einer  seiner  Münzen. 

6)  Vgl.  hierüber  Mommsen  BSGW  1850, 
309  f.  Marquardt  a.  a.  O.  279.  Humbert  bei 
D.-S.  I  280.  Cagnat  a.  a.  O.  und  bei  D.-S.  IV 
593.  Rüggiero  Dizion.  epigr.  I  489  f.  (Dehler 
bei  P.-W.  I  2335. 

7)  CIL  VI  1016a— c;  8594;  31227. 

8)  Marquardt  a.  a.  O.  hielt  es  für  ein 
Standgeld  von  Budeninhabern;  das  ansarium 
scheine  ursprünglich  vom  Käufer  bei  der  Ab- 
nahme der  Ware,  das  foricularium  (von  fori- 
cula,  Lade  oder  Kaufladen)  vom  Verkäufer 
entrichtet  worden  zu  sein.  Allein  die  im  Cod. 
Hermogen.UI  1  erwähnte,  von  einer  possessio 
bezahlte  ansaria  ist  wohl  mit  Oehler  a.  a.  O. 


für  eine  andere  Steuer  zu  halten.  Dagegen 
ist  es  wohl  möglich,  daß  das  foricutarhm 
(mit  Furlanetto  bei  Forcellini  s.  h.  v.)  eine 
Steuer  für  die  in  den  Verkaufsbuden  feil- 
gehaltenen Waren  war,  während  das  ansa- 
rium ohne  weiteres  am  Tore  für  alle 
waren  bezahlt  werden  mußte.  Rostowzew  bei 
P.-W.  VI  2856  vermutet,  es  sei  mit  (MMN 
die  Natur  der  Waren  angedeutet,  d.  h.  viel- 
leicht der  in  Dolien.  die  für  den  Transport 
mit  ansäe  versehen  waren,  importierten  Vik- 
tualien. 

9)  Die  angeführten  Inschriften  ergeben, 
daß  Streitigkeiten  zwischen  mtl  Otf/W'M  und 
mancipes  der  Steuer  wegen  häufig  waren. 

I0)  Darauf  gehen  wohl  die  vniigmtitk  bei 
Lampr.  AI.  Sev.  20. 1.  Cod.  lust.  IV  61.  10. 

1 »)  So  im  J.  187  v. Chr.  nach  Liv. XXXVIII 
44,  4  den  Ambrakiern  Hafen-  und  Landzoll, 
nur  unter  Befreiung  davon  für  ROmer  und 
italische  Bundesgenossen;  ähnliche  Rechte  er- 
hielten im  J.  172  die  Bewohner  von  Termessos, 
CIL  I  204  Z.  31.  Andere  Beispiele  s.  Cagnat 
a.  a.  0. 

xi)  Cagnat  Inscr.  Graec.  ad  r.  Rom.  pert 
III  1056;  Bull,  de  corr.  hell.  VI  (1882)  440  ff. 
Vogüe  Journal  Asiatique  8.  Ser.  II  (1888) 
152  ff. 

»•)  Vgl.  Dessau  im  Hermes  XIX  (1884) 
486  ff. 

14)  Siehe  oben  S.  636  A.  18,  mit  Wückkn 
a.a.O.  n.  43;  150;  801;  806;  über  den  Zolltarif 
von  Koptos  vom  J.  90  n.  Chr.  ebd.  347. 


638 


Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 


Endlich  ist  hier  noch  zu  nennen  das  von  Augustus  nach  den  Bürger-1 
kriegen  eingeführte1)  vectigal  verum  venalium2),  das  ein  Prozent  betrug! 
aber  nur  eine  Steuer  bei  Auktionen,  eventuell  auch  bei  Kaufkontrakten,  ge-fl 
wesen  zu  sein  scheint3).  Unter  Tiberius  sank  sie  vorübergehend  auf  ein! 
halbes  Prozent4),  unter  Caligula  wurde  sie  abgeschafft5),  aber  offenbar  auch  j 
nur  vorübergehend,  da  sie  später  öfters  erwähnt  wird6).  Ebenfalls  seit 
Augustus  bestand  eine  besondere  Steuer  für  den  Ankauf  von  Sklaven7). 

Durch  Monopole  scheint  der  römische  Handel  nur  wenig  beeinträchtigt 
worden  zu  sein.  Das  älteste  war  das  schon  in  der  Königszeit  bestehendel 
Salzmonopol8);  zur  Zeit  der  Republik  waren  die  Salinen  verpachtet  und  den 
Pächtern  wurde  der  Verkaufspreis  von  den  Zensoren  kontraktlich  festgestellt9). 
In  der  Kaiserzeit  waren  die  bedeutendsten  Salinen  kaiserlich;  Besitzer  von 
Privatsalinen  mußten  das  Salz  an  die  Pächter  der  kaiserlichen  Salinen  ver- 
kaufen10). Sonst  erfahren  wir  nur  noch,  daß  in  der  Kaiserzeit  das  Zinnober 
der  spanischen  Gruben l  x)  und  der  palästinische  Balsam 1 2)  Staatsmonopol  waren. 

Das  meiste  des  bisher  Dargelegten  geht  den  Großhandel  an.  Wie  oben) 
bemerkt13),  pflegte  man  diesen  als  negotiatio  zu  bezeichnen,  während  mercatural 
überhaupt  den  Handel  jeglicher  Art  bedeutete14).  Allein  gegen  Ende  derl 
Republik  und  in  der  Kaiserzeit  verwischen  sich  diese  Begriffe,  und  während 
mercator  ebenso  der  Großkaufmann,  besonders  der  Seehandel  treibende  Kauf- 
fahrer ist15),  wie  der  gewöhnliche  Händler16),  so  kann  negotiator  auch  vom 
gewöhnlichen  Kaufmann  gebraucht  werden17),  und  die  zahlreichen  auf  den 
Inschriften  vorkommenden  negotiatores  in  einer  bestimmten  Branche,  wie  z.  B. 
artis  cretariae,  d.  h.  mit  feiner  Tonware18),  artis  vestiariae  u.  dgl.19),  sind  nur 


J)  Tac.  ann.  I  78. 

2)  Vgl.  Mommsen  Hermes  XII  (1877)  93; 
98.  Cagnat  Les  impöts  indirects  227  ff.  MAR- 
QUARDT  II  278. 

3)  Nach  Suet.Calig.  16  verglichen  mit  Dio 
Cass.  LIX  9.  6. 

4)  Im  J.  17  nach  Tac.  ann.  II  42;  nach 
Dio  Cass.LVlII  16, 2  wurde  sie  im  J.  31  wieder 
auf  1  °/o  heraufgesetzt. 

5)  Dio  Cass.  LIX  9,  6.  Suet.  a.  a.  0. 

6)  Cod.  Theod.  VII  20,  2, 1.  Digg.  L  16, 17. 
Cod.  Iust.  XII  19,  4. 

7)  Die  quinta  et  vicesima  (4  °/o)  vom  Preise 
jedes  gekauften  Sklaven,  Dio  Cass.  LV  31,4. 
Tac.  ann.  XIII  31,  wonach  sie  erst  die  Käufer 
gezahlt  hatten,  seit  57  n.  Chr.  aber  die  Ver- 
käufer,  die  sie  auf  den  Kaufpreis  schlugen. 

8)  Nach  Liv.  I  33,  9.  Plin.  XXXI  89  hatte 
Ancus  Marcius  die  ersten  Salinen  bei  Ostia  an- 
gelegt (nach  Dion. Hai.  II 55, 5  schon  Romulus) ; 
sie  waren  anfangs  an  Privatpersonen  verpach- 
tet; da  aber  die  Pächter  den  Preis  übermäßig 
steigerten,  wurden  sie  im  J.  508  auf  die  Staats- 
kasse übernommen,  Liv.  II  9,6;  doch  nimmt 
Marquardt  II  161  A.  7  an,  daß  die  Notiz  bei 
Aur.  Vict.  de  vir.  ill.  5,  die  dem  Ancus  Marcius 
das  vectigal  salinarum  zuschreibt,  auf  Miß- 
verständnis der  Pliniusstelle  beruhe. 

9)  Eine  Salzsteuer  wurde  erst  im  J.  204 
v.  Chr.  eingeführt,  Liv.  XXIX  37,  3;  vgl.  dazu 
die  bei  Marquardt  a.  a.O.  A.8  angeführte  Lit- 


teratur. 

10)  Cod.  Iust.  IV  61,11.  Im  allgemeinen  vgl. 
Marquardt  280.  M.  Besnier  bei  D.-S.  IV 10 1 1  f. 

n)  Vitr.VII  9,4.  Plin.  XXXIII  118;  vgl. 
Marquardt  253  A.  2. 

12)  Plin.  XII  123.  Galen.  XIV  7:  vgl.  Mab- 

QUARDT  258. 

13)S.  626. 

14)  Plaut.  Most.  639.  Cic.Verr.V  28,72;  Tusc. 

V  31,86.  Hör.  sat.  113,107. 

15)  Cic.or.70)232.Hor.carm.Il,15;31,ll; 
11124,40;  sat.  II,  4  ff.;  ep.11,45;  a.  p.  117. 
Senec.  n.  qu.  IV  2,  24;  ep  73,  5.  Plin.  VIII  146. 

16)  Varror.r.11116,11.  Caes.b.Gall.  III  1; 
IV  5.  Ov.  fast.  V  675.  Sen.  de  ben.  IV  13,  3; 

VI  14,  4;  daher  sogar  verächtlich,  wie  luv.  13, 
154;  14,  260. 

,7)  So  spricht  Quint.  I  12,17  von  aliquis 
sordidae  mercis  negotiator,  was  kaum  auf  einen 
Großhändler  gehen  kann;  Mart.X81. 9  :Agrip- 
pae  tumidus  negotiator.  und  verächtlich  X 1 66, 2 
et  fraudator  es  et  negotiator.  Auch  die  negotia- 
tores bei  Tac.  Agric.  24  und  Vell.  Pat.  II  1 10. 6 
sind  sicherlich  kleinere  Kauf  leute.  So  bedeutet 
auch  negotiatio  nur  das  Handeltreiben  schlecht- 
weg bei  Sen.  benef.  VI  12, 2;  38.2;  ep.  9. 10. 

,8)  CIL  III 5833; XIII 2033;  vgl. Marquardt 
Privatleben  635  A.  4. 

19)  Siehe  oben  S. 255, 19 ;  257, 3  und  andere 
Stellen  bei  Waltzing  IV  33  f.;  109  f.  und  in 
unserem  Register  unter  negotiatores. 


Vierter  Abschnitt.    Handel  und  Geldgeschäfte. 


689 


im  kleineren  Teil  wirkliche  Großhändler,  meist  gewöhnliche  Händler,  die 
lie  von  ihnen  verkauften  Waren  von  den  Produzenten  bezogen  haben.  '  Fül- 
len Engroshändler  kommt  aber  in  jener  Zeit  die  Bezeichnung   magnariu» 

luf1);  während  ein  Fabrikant  oder  Handwerker,  der  seine  Ware  en  gros 
[erstellt  und  Staatslieferungen  pachtet,  redemptor  heißt2).  Der  Kleinhändler 
Iber  oder  Krämer,  der  auch  wohl  seine  Waren  selbst  herumträgt.  I 
|ro/>o/a3),  und  der  Althändler  oder  Trödler  ist  der  scrutariHS*).  Etwas  andere 
st  der  institor.  Es  kam  häufig  vor,  daß  ein  Geschäftsmann,  ein  Handwerker. 
|in  Gastwirt  oder  sonst  ein  Gewerbetreibender  sich  nicht  selbst  mit  der 
Ehrung  des  Geschäftes  oder  mit  dem  Verkauf  seiner  Waren  oder  Produkte 
fefassen  wollte  und  damit  einen  Angestellten,  seinen  Sohn  oder  sonst  einen 
dreien  oder  einen  zuverlässigen  Sklaven  als  institor  betraute6).  Diese  in- 
Mores waren  entweder  im  Hause  oder  Laden  des  Besitzers  selbst  tätig6), 
^der  sie  gingen  als  circitores1)  mit  ihren  Waren  hausieren8):  mit  allerlei 
[leidern9),  mit  Decken  und  Polstern10),  mit  Luxusartikeln  und  Schmuck- 
sachen11), weshalb  namentlich  die  Frauen  gern  mit  ihnen  feilschten12),  aber 
uich  mit  alter  gekitteter  Glasware13)  oder  als  Austräger  eines  Garkochs  mit 
rürsten,  Brei  u.  dgl.,  ihre  Ware  mit  bestimmten,  rhythmisch  modulierten 
Formeln  ausrufend,  wie  das  heute  noch  vielerorts  und  zumal  im  Süden  ge- 
)räuchlich  ist14).  Diese  Hausierer  gingen  meist  in  nachlässiger  Kleidung  mit 
ingegürteter  Tunika15);    sie   gehörten  wohl  zur  niedersten  Klasse  der  im 


*)  Apul.  met.  I  5;  negotiator  magnarius 
IL  VI  1117  f.;  1696. 

2)  So  nennt  sich  der  Bäcker  Eurysaces 
siehe  oben  S.  600  A.  4)  pistor  ac  redemptor, 
CIL  VI  1598;  ein  redemptor  marmorarius  X 
1549. 

3)  Plaut.  Aul.  512.  Lucil.  b.  Non.  154,  23. 
Varro  r.  r.  III  14, 3.  Cic.  in  Pis.  27, 67;  propolae 
circumforanei  Lampr.  Comra.  2,8.  Vgl.  Corp. 
Gloss.VII  246.  CIL  II  5929;  XII  1110;  XIV 

09  Z.  17. 

4)  Von  scrnta,  Trödelware,  Petron.  62, 1 ; 
gl.  Lucil.  b.  Gell.  III  14,  10.  Corp.  Gloss.  II 

265,26:  scrutarius  ygvT07T«')lnc;  ebd.  III  131, 
69;  scrutariam  facere,  Trödelhandel  treiben, 
Apul.  met.  IV  8;  vgl.  Corp.  Gloss.  II  265,  27; 
592,  32. 

5)  Digg.  XIV  3,  3:  institor  appellatus  est 
ex  eo,  quod  negotio  gerendo  instat,  nee  multum 
facit,  tabernae  sit  praepositus  an  cuilibet  aliae 
negotiationi.  Gai.IV  71 :  institoria  formula  tum 
locum  habet,  cum  quis  tabernae  aut  cuilibet  ne- 
gotiationi filium  servumve  aut  quemlibet  extra- 
neum,  sive  servum  sive  liberum,  praeposuerlt. 
Allerlei  Erwerbszweige,  die  institores  anstell- 
ten, werden  Digg.  XIV  3,  5  aufgezählt;  so 
konnte  ein  institor  für  einen  Hausbesitzer 
eine  insula  verwalten  oder  in  einem  Bank- 
geschäft oder  in  der  Landwirtschaft,  im  Fuhr- 
mannsgewerbe bei  einem  mulio  oder  bei  den 
Leichenbesorgern  angestellt  sein. 

6)  Vgl  Mart.  VII  61,1.  Sen.  ep.  42,  8. 

7)  Digg.  a.  a.  O.  5,  4:  sed  etiam  eos  insti- 
tores dicendos  placuit,  quibus  vestiarii  vel  lin- 


tearii  dant  vestem  circumfrnnla»!  rt  distra- 
hendam,  quos  vulgo  rircUcr$&  n/>/><  //amus.Corp. 
Gloss.  VI  213.  Sie  sind  nicht  zu  verwechseln 
mit  den  Sklaven,  die  als  herumgehende  Flur- 
wächter circitores  heißen,  Petron.53, 10.  Priap. 
17,  1.  Bei  Mart.  I  41,  9  heifit  ein  solcher  Hau- 
sierer ambuhitDr. 

8)  Daher  heißen  auch  die  Verkäufer  von 
Gladiatorenprogrammen  bei  Cic.  Phil.  II  38,97 
institores,  und  bei  Sen.  n.  qu.  IV  13,  8  die 
Wasserverkäufer  auf  der  Strafie. 

9)  Digg.  a.a.O. 

,0)  luv.  7,  221 :  institor  hihonae  tegetis  ni- 
veique  cadurri. 

u)  Sen.  de  ben.  VI  38,  3:  institores  delica- 
tarum  mercium  iuventus  comipta  locufilttut; 
frg.  52  (Haase):  institores  gemmarum  serica- 
rumque  vestium. 

w)  Hör.  carm.  III  6,  30:  seu  vocat  institor 
sen  navis  Hispanae  magister,  dedecorutn  />>■>- 
tiosus  emtor;  ep.  17,  20:  ttmata  nnutis  multum 
et  institor ibus.  Ov.  a.  a.  I  421:  institor  ad 
dominum  mnM  4i»cmcku  tmaetm,  t.rpediet 
merces  teque  sedente  suas. 

lt)  Mart.  XI I  57. 14 :  sulphuratae  lippus  in- 
stitor mercis;  vgl.  I  41,  3. 

u)  Sen.  ep.  56.2:  omnes  popittmum 
tores  mercem  suam  quailum  st  insignitti  tnodu- 
latione  vendentes.  Vgl.  Mart.  I  41.  9:  quod  fu- 
mantia  qui  tomucla  raueus  \  circumf>rt  t<pi- 
dis  cocus  popin  is. 

lb)  Daher  institor  discinetus.  Ov.  a.  a.  O. 
Prop.  V(IV)  2,38:  demissis  institor  in  tuni- 


640 


Dritte  Abteilung.    Die  Berufsarten. 


kaufmännischen  Betriebe  Beschäftigten1).  Endlich  können  noch  die  Uxav 
angeführt  werden,  die  Händler,  die  als  Marketender  oder  Kleinkrämer  siel  | 
den  Armeen  anzuschließen  pflegten2). 

Was  dann  die  Verkaufseinrichtungen  anlangt,  so  haben  wir  zwischeil 
privaten  und  öffentlichen  zu  unterscheiden.  Die  privaten  Verkaufsstellen  be-| 
fanden  sich  entweder  im  Besitz  des  Gewerbetreibenden  oder  in  dem  eines! 
Hausbesitzers,  der  die  Läden  seines  Hauses  an  solche  vermietete3).  WenrJ 
der  Handwerker,  wie  das  ursprünglich  das  gewöhnliche,  später  noch  sehi  t 
häufig  war,  seine  Fabrikate  auch  selbst  verkaufte,  so  war  mit  seiner  Werk-fl 
statt  in  der  Regel  noch  eine  taberna  verbunden,  in  der  er  seine  Waren  auf-l 
stellte  und  die  daher  mit  Repositorien,  Schränken  u.  dgl.  ausgestattet  war4).| 
Vielfach  wohnten  die  Handwerker  einer  bestimmten  Branche  beisammen,! 
sodaß  die  Straße  danach  benannt  war  und  der  Käufer  einer  bestimmten  Ware! 
die  Auswahl  unter  den  Verkäufern  hatte5);  oder  die  Händler  suchten  sich 
besonders  belebte  Quartiere  für  ihre  Geschäftslokalitäten  aus,  wie  das  VelaA 
brum6)  oder  das  Argiletum1);  namentlich  die  Sacra  Via  war  eine  für  Ge- 
schäftsleute gute  Gegend:  hier  hielten  Obst-,  Blumen-  und  Honighändler  feil8), 
aber  auch  die  Verkäufer  von  Luxuswaren,  wie  Perlen,  Juwelen,  Gemmen, 
Musikinstrumenten  u.  dgl.  m.9).  In  älterer  Zeit  waren  namentlich  am  Forum 
Romanum  solche  Verkaufsbuden  gewesen,  die  tabernae  veteres  und  ?wvae,  bis 
man  den  Platz  von  diesen  unschönen  Anbauten  befreite10)  und  der  Staat  für 
Verkaufsplätze  zu  sorgen  anfing,  die  er  an  die  Interessenten  vermietete. 
Das  geschah  zunächst  (seit  184  v.Chr.)  durch  die  Basiliken,  die  zwar  vor- 
nehmlich für  gerichtliche  Verhandlungen  bestimmt  waren,  aber  doch  auch 
dem  Handelsverkehr  dienten11);  auch  außerhalb  der  Fora  entstanden  solche, 
die  anscheinend  für  bestimmte  Gewerbetreibende  erbaut  waren,  da  die  im 
Regionsverzeichnis  genannten:  die  basilica  vestilia,  vascolaria,  floscellaria  höchst 
wahrscheinlich  danach  ihren  Namen  führten12),  sowie  die  basilica  argentaria1*); 


*)  Der  Vater  des  C.  Terentius  Varro  (Kon- 
sul 216  v.Chr.)  war  Fleischer,  zugleich  aber 
sein  eigner  institor,  und  das  machte  den  Sohn, 
der  den  Vater  darin  unterstützt  hatte,  zu  einem, 
der  loco  non  humili  solum  sed  etiam  sordido 
ortus  war,  Liv.  XXII  25, 18. 

2)  Liv.  XXXIX  1,  7.  Sali.  lug.  45,  2.  Quin- 
til.VIII  6,42.  lustin.  XXXVIII  10,2.  Tac.ann. 
II  62. 

3)  Siehe  oben  S.  59. 

4)  Man  vgl.  den  Laden  des  Messer- 
schmieds auf  dem  Relief  bei  Jahn  BSGW 
1861  Taf.  IX  9  a.  (Schreiber  Kulturhistorischer 
Bilderatlas  Taf.  71,5);  den  Tuchladen  ebd. 
Taf.  XI  2  u.  3;  den  Bäckerladen  Abh.  d.  SGW 
1868  Taf.  III  2. 

5)  So  der  vicus  iugarius,  frumentarius, 
lorarius,  materiarius,  unguentarius,  vitrarius 
u.  a.  m.,  vgl.  Jordan  De  vicis  urbis  Romae,  in 
den  Nuove  memor.  dellTnstituto  234,  und  die 
Register  in  den  Topographien  von  Jordan 
und  Richter  unter  Vici. 

6j  Hier  hatten  die  Oelhändler  feil,  Plaut. 
Capt.  489,  ferner  Bäcker  und  Fleischer,  Plaut. 
Cure.  483. 


7)  Hier  wohnten  Schuster,  Mart.  II  17,3, 
auch  Buchhändler,  12,8;  3,1;  117,10. 

8)  Varro  r.  r.  I  2, 10;  III  16,  23.  Ov.  a.  a. 

II  265  f.;  fast.VI791f. 

9)  Ov.  am.  I  8, 99  f.  Prop.III  18  (II  24),  14; 
die  Inschriften,  auf  denen  Händler  von  der 
Sacra  Via  genannt  sind,  stellt  Jordan  Topogr. 
I  2,  287  A.  117  zusammen,  vgl.  Richter  To- 
pogr. 163. 

10)  Vgl.  Jordan  I  2,  378  ff.  Richter  85. 
Gilbert  Gesch.  und  Topogr.  d.  Stadt  Rom  im 
Altert.  III  202  ff.  Thedenat  Le  forum  Romain3 

s.  nif. 

n)  Nach  Vitr.  V  1,4  hielten  dort  die  ne- 
gotiatores  bei  schlechtem  Wetter  ihre  Börse 
ab;  vgl.  ebd.  5  u.  8.  Sen.  dial.  X  12, 1. 

12)  Näheres  weiß  man  über  sie  nicht; 
vgl.  Jordan  II 216;  220.  Richter  380.  Gilbert 

III  256. 

1 8)  In  der  Notitia  erwähnt  und  von  Prelleb 
Regionen  d.  St.  Rom  145.  Jordan  12, 438  A.  8 
mit  der  basilica  vascolaria  identifiziert,  was 
aber  Mau  bei  P.-W.  II  93  ablehnt.  Frauen- 
schmuck, der  in  einer  Basilika  käuflich  ist, 
wird  Digg.  XXXIV  2,  32  (33),  4  erwähnt. 


Vierter  Abschnitt.    Handel  und  Geldgeschäfte. 


641 


li  anderen  war  dagegen  das  Aufschlagen  von  Verkaufsstellen  oder  Werk  st  üt  t.  m 
Intersagt1). 

Für  den  täglichen  Bedarf  an  Viktualien  waren  die  Marktplätze  bestimmt. 
tu  dem  Forum  boarium  und  dem  Forum  piscatorium  kamen  im  Lauf  der  Zeit, 
Ihne  daß  man  ihre  Entstehung  zeitlich  fixieren  kann,  weitere  Märkte  hinzu: 
ler  Schweinemarkt,  Forum  suarium2);  der  Gemüsemarkt.  Forum  kolitorium*); 
ler  Weinmarkt,  Forum  vinarium*);  der  Naschmarkt,  Forum  cuppedmu*). 
fcaneben  kamen  aber  schon  früh  eigene  Markthallen  auf,  macella9),  wonach 
lie  dort  feilhaltenden  Fleischer  oder  überhaupt  Viktualienverkäufer  macelhirii 
ließen7).  In  Rom  wurde  die  erste  derartige  Halle  im  Jahre  179  v.  Chr.  durch 
|[.  Fulvius  Nobilior  östlich  vom  Forum  an  der  Stelle  des  alten  Fischmai ktefl 
Irrichtet  und  nach  griechischem  Muster  mit  einem  offenen  Kuppelbau  (thohts) 
[-ersehen 8).  Diesem  folgte  dann  das  unter  Augustus  erbaute  macellum  I. 
luf  dem  Esquilin9)  und  59  n.  Chr.  das  macellum  magnum  auf  dem  Caelius10). 
kuch  außerhalb  Roms  gab  es  solche  Markthallen,  die  ähnliche  Anlagen  auf- 
wiesen11); so  in  Puteoli,  wo  das  früher  fälschlich  als  Sarapistempel  erklärte 
pebäude  ein  macellum  war12);  in  Pompeji,  wo  es  an  der  Nordostecke  des 
Forums  lag  und  aus  einem  Kuppelbau  mit  ihn  umgebenden  mehrstöckigen 
Kaufhallen  bestand13),  sowie  in  Timgad  in  Nordafrika14).  Zur  Ausrüstung  der 


»)  Cod.  Iust.  VIII  12  (11),  21.  Anzuführen 
Ist  auch  das  Gebäude  der  Eumachia  in  Pom- 
Äeji ;  da  die  Walker  es  sind,  die  der  Stifterin  des 
Jßaues  eine  Ehrenstatue  gesetzt  haben ,  so  nimmt 
|nan  an,  daß  es  eine  Verkaufshalle  für  Tücher 
ltder  für  Kleidungsstücke  überhaupt  gewesen 
■ei.  s.Maü  Pompeji2 108.  Ovekbeck  Pompeji  131 
henkt  an  eine  Art  Börse  für  Handelund  Verkehr, 
vielleicht  ganz  besonders  für  den  Zeughandel. 

2)  Erst  in  der  späten  Kaiserzeit  erwähnt, 
■ordan  1 3, 452.  Richter  264.  Gilbert  III 238. 

8)  Jordan  a.  a.  0.  507.  Richter  192.  Gil- 
bert 239. 

4)  Richter  264.  Gilbert  a.  a.  0. 

'•>)  Jordan  I  2,  433  f.  Richter  309  f.  Gil- 
bert III  208.  In  der  Regionsbeschreibung 
kommt  auch  ein  forum  pistornm  vor,  Jordan 
m.  3,  179.  Richter  380.  Gilbert  239;  mit  dem 
worum  coquinum  bei  Plaut.  Pseud.  790  wäre  nach 
RJichter  310  A.  2  das  macellum  gemeint. 

6)  Vgl.  hierüber  Thedenat  bei  D.-S.  III 
11457  ff.  Die  Etymologie  des  Wortes  ist  un- 
gewiß; Varro  1. 1.  V  146  gibt  zwei  Ableitungen: 
Beine  aus  dem  Griechischen  (ea  loca  etiam  nunc 
jLacedaemonii  vocant  macellum),  und  ebd.  147: 
jappellatum  macellum,  ut  quidam  scribunt  quod 
wbi  fuerit  ortus;  alii  quod  ibi  domus  fuerit  quoi 
Vcognomen  fuit  macellus.  Andere  führen  es  auf 
mactare  zurück,    s.  Donat.  ad  Ter.  Eun.  257. 

Isid.  XV  2,  44.  Festus  125.  7. 

7)  Siehe  oben  S.  194.  Bei  Plaut.  Aul.  374  f. 
bind  auf  dem  macellum  alle  Fleischsorten 
\iagn Ina,  bubula,  vitulina,porcina)  und  auch  See- 
[psche  (cetus)  zu  kaufen;  bei  Ter.  a.  a. 0.  haben 
'dort  cuppedinarii,  cetarii, lanii,  coqui,  fartores, 
miscatores  ihre  Verkaufsplätze. 

8)  Varro  1.1.  V  147;  ders.  bei  Non.448,17. 
Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft.  IV.  2,  a 


Liv.XXVIIll,16.Vgl.JoRDANHerme8lI(1867) 
89ff.;XV(1880)116ff.;Topogr.Il,502;2,432. 
Richter  192;  310.  Gilbert  III  207  f. 

9)  DioCass.LV8,2.  CIL  VI  1178  und  im 
Regionsverzeichnis;  vgl.  Jordan  Topogr.  I  3. 
344.  Richter  332.  Gilbert  237  f. 

10)  DioCass.LXI  18,3.  CIL  VI  1648;  9188. 
Es  war,  nach  Münzen  Neros,  auf  denen  es  ab- 
gebildet ist  (Cohen  Med.  imper. ,  Neron  n.  126  ff.; 
Daremberg-Saglio  III  1459  Fig.  4740),  eine 
zweistöckige  Halle  mit  darüber  hinausragen- 
dem Kuppelbau.  Man  nimmt  in  der  Regel  an 
(ablehnend  Gilbert  238  A.  2),  daß  der  Rund- 
bau von  S.  Stefano  rotondo  auf  diesem  Kuppel- 
bau errichtet  sei,  s.  Lanciani  Mon.  dei  Lincei 
I  502  ff.  Jobdan  I  3.  237  f.  Richter  338. 

")  Davon  berichten  zahlreiche  Inschriften. 
s.  die  Aufzählung  bei  Thedenat  a.  a.  0. 1458. 

,2)  Vgl.  Panvini  II  forestiere  alle  antichitä 
di  Pozzuoli  Tav.  24.  Thedenat  Fig.  4738.  Bb- 
loch  Campanien  135  f. 

13)    OvERBECKl20ff.MAü90ff.NlS8BNPom- 

pej.  Studien  275  ff.  Der  Kuppelbau  diente  an- 
scheinend als  Fischmarkt;  in  einer  in  der  Nähe 
befindlichen  Grube  fand  man  zahlreiche  Fisch- 
schuppen, weshalb  Mau  annimmt,  daß  die  ge- 
kauften Fische  dort  gleich  getötet  und  ab- 
geschuppt wurden.  In  den  Kaufläden  fanden 
sich  Feigen,  Kastanien,  Pflaumen,  Trauben, 
eingelegte  Früchte,  Linsen,  Korn.  Brote  und 
Kuchen.  Auch  die  Malereien  deuten  auf  die 
Bestimmung  des  Baues  hin;  teils  sind  es  Still- 
leben (Geflügel,  Fische,  Gefäße  mit  Flüssig- 
keiten u.  dgl.),  teils  Eroten,  die  ein  Gewerbe 
(Mühle,  Kranzflechterei)  betreiben. 

»*)  R.  Cagnat  et  A.  Ballü  Timgad  198. 
Thedenat  Fig.  4739. 
3.  Aufl.  41 


642 


Dritte  Abteilung.   Die  Berufsarten. 


mace.Ua  gehörte  in  der  Regel  ein  daselbst  oder  in  der  Nähe  aufgestellte] 
Eichtisch  (inensa  ponderaria,  ponderarium)1);  in  Pompeji  stand  ein  solche! 
an  der  Nordwestecke  des  Forums  in  einem  besonderen  Bau  in  einer  Nischel 
er  ist  mit  neun  größeren  und  kleineren,  die  verschiedenen  Maßeinheiteij 
darstellenden  Aushöhlungen  versehen,  die  unten  durchbohrt  sind,  um  das  zu:  j 
Prüfung  des  Maßes  hineingeschüttete  Wasser  wieder  auslaufen  zu  lassen2)! 
Die  Oberaufsicht  über  diese  Markthallen  hatten  in  Rom  ebenso  wie  übejj 
die  Marktplätze  die  Ädilen,  zu  deren  Obliegenheiten  es  gehörte,  die  Ein-I 
haltung  des  richtigen  Maßes  und  Gewichtes,  die  Qualität  und  Preise  deil 
Lebensmittel  u.  dgl.  zu  überwachen3);  doch  gab  es  besondere  Aufseher  füll 
die  macella4).  Mitunter  wurde  auch  darüber  gewacht,  daß  nicht  verbotene! 
Luxuswaren  auf  den  Markt  kamen5).  Für  gewöhnlich  wurde  der  Marktpreis! 
der  Lebensmittel  (annona)  in  den  macella  festgesetzt6). 

Zur  Aufstapelung  derjenigen  Waren,  die  für  den  Handel  oder  zur  Ver- 
proviantierung der  Weltstadt  in  großen  Massen  vorhanden  sein  mußten  und 
die  nicht  sofort  konsumiert  wurden,  sondern  das  Lagern  vertrugen,  waren 
Speicher,  horrea,  erforderlich7).  In  Rom  waren  solche  teils  vom  Staat,  teils 
von  Privaten  angelegt  worden;  die  meisten  davon,  mit  den  Namen  der  Stifter) 
bezeichnet,  lagen  seit  dem  2.  Jahrhundert  v.  Chr.  beim  Emporium  am  Tiber,  wo 
sie  eine  weite  Strecke  unterhalb  des  Aventin  bedeckten8).  Es  waren  große,  von 
Gebäuden  eingeschlossene  Höfe,  vornehmlich  bestimmt,  wie  die  Inschriften  und 
Funde  lehren,  für  Wein  und  Ol,  ferner  für  Tuche,  Marmor,  Elfenbein,  Hülsen- 
früchte u.  a.  m.9).  Aber  auch  an  verschiedenen  anderen  Stellen  der  Stadt  waren 
solche  Speicher  angelegt10);  so  erbaute  Domitian  an  der  Nordseite  der  Sacra  Via 
horrea  pi per aria,  einen  Speicher  für  orientalische  Spezereien  und  Gewürze11), 


')  Sie  werden  öfters  auf  Inschriften  er- 
wähnt, da  sie  häufig  Stiftungen  von  Beamten 
oder  Privaten  waren;  vgl.  E.  Michon  bei  D.-S. 
IV  347,  wo  auch  die  noch  erhaltenen  Exem- 
plare solcher  Tische  besprochen  sind. 

•)  Overbeck  63  f.  mit  Fig.  23  f.  Mau  88 
mit  Fig.  38.  Nissen  Pompej.  Stud.  71  f.  Schrei- 
ber Kulturhist.  Bilderati.  Taf.  60, 7  f. 

3)  Die  cura  annonae,  die  den  Aedilen  be- 
rechtigte, schlechte  Ware  zu  vernichten  (Apul. 
met.  I  25),  unrichtiges  Maß  und  Gewicht  zu 
zerstören  (Digg.  XIX  2, 13  (14),  8.  Pers  1, 129 
luv  10. 100)  und  betrügerische  Verkäufer  kör 
perlich  zu  züchtigen  (Digg.L  2, 12).  Vgl.  Momm 
sen  Rom.  Staatsrecht2  II  1,489  ff.  Lange  Rom 
Altert.2  II  726  f.  Kubttschek  bei  P.-W.  1 461  f. 

4)  CIL  VI  1648:  für  die  Provinzen  vgl 
ebd.VIII 9062;  IX 2638;  3162;  X1423;  in  Lam- 
baesa,  wo  der  Markt  wesentlich  für  die  Trup- 
pen bestimmt  war,  stand  er  unter  Aufsicht 
der  Militärbehörden.  CIL  VIII  18224. 

5)  Suet.  Caes  43 :  legem  praeeipue  sumptu- 
ariam  exereuit,  dispositis  circa  macellum  custo- 
dibus,  qui  obsoniä  contra  vetitum  retinerent  de- 
portarentque  ad  se. 

6)  Cic.dedivin.  1127,59.  Varror.r.III 2.16. 

7)  Vgl.  Thedenat  bei  P.-W.  III  268;  über 
•die  römischen  horrea  Richter  197  ff.  Gilbert- 


III  284  ff. 

8)  Jordan  I  3, 175  f. 

9)  Siehe  Porphyr,  ad  Hör.  carm.  IV  12, 18 
und  die  Inschriften  CIL  VI  236;  338;  8680; 
9683;  9801;  30855;  33743;  33906;  XIV  20. 
Ueber  die  Funde  vgl.  Lanciani  Not.  d.  seavi 
1885,  224;  über  die  Niederlage  ausländischer 
Marmorsorten,  von  denen  man  noch  zahlreiche 
Blöcke  gefunden  hat,  die  sog.  Marmorata  am 
Tiber,  vgl.  Jordan  1 1 ,434  Richter  196.  Bruzza 
A.  d.  I.  XLII  (1870)  105  ff.;  B.  d.  I.  1872, 134. 
Lanciani  Bull,  comun.  1891,  23  ff. 

10)  Lampr.  AI.  Sev.  39,  3:  horrea  in  Omni- 
bus regionibus  publica  fecit,  ad  quae  conferant 
bona  ii  qui  privatas  custodias  non  habeant.  Die 
Regionsbeschreibung  zählt  190  horrea  auf, 
großenteils  Kornspeicher  des  Staats,  für  die 
öffentliche  Verteilung  bestimmt,  oder  nach 
Art  der  von  Alexander  Severus  angelegten, 
die  allerdings  mehr  Depots  für  Wertgegen- 
stände waren,  vgl.  Digg.  I  15,  3,  2:  in  horreis) 
ubihomines  pretiosissimam  partemfortunarum 
suarum  reponunt.  Richter  387. 

n)  Nach  dem  Chronogr.  von  354  p.  146 
Momms.  Ueber  die  Lage  und  die  unterhalb  und 
bei  der  Basilika  des  Maxentius  gefundenen  Re- 
ste s.  Jordan  I  3,7.  Richter  164.  Thedenat 
Le  for.  Rom.  342. 


Vierter  Abschnitt.    Handel  und  Geldgeschäfte. 


648 


nd  erwähnt  werden  horrea  chartaria,  Papyrusniederlagen1),  und  canddaria 
r  Kerzen2). 

Auf  die  einzelnen  Zweige  des  Handels  und  ihres  Betriebes  könn.n  wir 
ier  ebensowenig  eingehen  wie  auf  die  Natur-  und  Gewerbserzeugnisse,  die 
abei  in  Betracht  kamen3);  nur  einen  Zweig  desselben  müssen  wir  hier 
twas  näher  betrachten,  weil  er  eine  Sonderstellung  einnimmt  und  auci  an 
icli  hohe  Bedeutung  beansprucht,  nämlich  den  Buchhandel*).  Die  ei 
Crwähnungen  berufsmäßiger  Buchhändler,  libnirii,  später  bibHopoku  genannt »), 
ühren  aus  ciceronianischer  Zeit  her6);  allein  damit  ist  noch  nicht  gesagt. 
s  nicht  schon  früher  solche  gegeben  habe,  wenn  auch  freilich  nicht  liii; 
'eit  vorher;  denn  in  der  hellenischen  Welt  ist  von  eiuem  entwickelten  Boch- 
landel  erst  seit  der  Gründung  der  alexandrinischen  Bibliothek  dir  Rede* 
^ange  Zeit  hindurch  war  das  Bedürfnis  nach  Büchern  bei  den  EtOmern  über- 
laupt  sehr  gering;  erst  mit  dem  Eindringen  griechischer  Bildung  nahm  es 
nehr  zu,  aber  eben  weil  es  zunächst  griechische  Litteratur  war,  die  man  las 
md  mit  der  man  sich  eingehender  zu  beschäftigen  anfing,  war  es  vorerst 
sicherlich  der  griechische  Buchhandel,  der  die  römischen  Litteraturfreunde 
versorgte  und  ihre  Bibliotheken  füllte;  der  römische  Buchhandel  aber  kam 
wohl  erst  auf,  als  auch  die  römische  Litteratur  in  den  Kreisen  der  Gebildeten 
Bedeutung  gewann,  also  etwa  seit  dem  Ausgang  des  2.  Jahrhunderts  v.  Chr. 
Vorher  mochten  lateinische  Bücher  lediglich  durch  private  Abschriften,  welche 
lie  Verfasser  besorgten  oder  Liebhaber  von  ihren  schreibkundigen  Sklaven 
tierstellen  ließen,  Verbreitung  gefunden  haben.  Aber  noch  zur  Zeit  Ciceros, 
wo  doch  schon  ein  eigentlicher  Buchhandel  bestand,  scheint  er  noch  wenig 
entwickelt  gewesen  zu  sein;  wer  sich  eine  Bibliothek  schaffen  wollte,  war 
wesentlich  auf  den  Ankauf  griechischer  Büchersammlungen.  die  bisweih  n 
in  den  Handel  kamen,  angewiesen7),  Vorrat  und  Auswahl  der  römischen 
Sortimentsbuchhändler  ließen  offenbar  noch  viel  zu  wünschen  übrig8).  Und 
nicht  nur  die  Auswahl  war  klein,  auch  die  Ausführung  stand  nicht  immer 
auf  der  Höhe9),  Klagen  über  die  Fehlerhaftigkeit  der  Abschriften  sind  nicht 


1 t  Regionsverzeichnis  Reg.  IV :  s.  Jordan 
329.  Richter  324. 

2)  Lanciani  Forma  urbis  Romae  Fig.  53. 

3)  Eine  Tabelle  über  die  wichtigsten  Pro- 
dukte und  Exportartikel  der  Länder  der  alten 
Welt  findet  man  bei  Cagnat  u.  Besnier  in 
D.-S.IV  1778. 

4)  Vgl  hierüber  Becker-Göll  Gallus  II 
445  ff.  Marquardt  Privatl.  826  ff.  Fr  Schmitz 
De  bibliopolis  Romanis,  Saarbrücken  1857. 
H.  Göll  Ueber  den  Buchhandel  bei  den  Griechen 
und  Römern.  Schleiz  1865.  Friedländer  Sitten- 
gesch.5  III  370  ff.  L.  Haenny  Schriftsteller  u. 
Buchhändlerin  Rom,  Halle  1884  (2.  Aufl.  1885). 
Dziatzko  bei  P.-W.  III  973  ff.;  ders.  Unter- 
suchungen üb.  ausgew.  Kapitel  d.  antik  Buch- 
wesens (Leipzig  1900)  163  ff.  G.  Lafaye  bei 
D.-S.  111  1231  ff. 

5)  Während  das  griechische  ßißktojuoAijs 
schon  im  4.  Jahrh.  v.  Chr.  vorkommt,  ist  seine 
Aufnahme  in  den  lateinischen  Sprachgebrauch 
vor  dem  1.  Jahrh.  n.  Chr.  nicht  nachweisbar. 


Ursache  der  Aufnahme  war  vielleicht,  daü 
man  den  bloßen  Abschreiber,  der  auch  ///>/•</- 
Htu  hieß,  vom  Buchhändler  nnteraehetdtt 
wollte. Vgl  Mart.IV72.2;XIlI3.4;XIV  I 
Plin.  ep.  IX  11,  2,  und  über  die  Anwendungen 
des  Wortes  I ihm r ins  Ha i:\.\v  22  f. 

6)  IAbrarü  Cic.  de  leg.  III  20,46;  eine 
tabern«  librarin  l'liil.  II  9,21. 

7)  Vgl.  Dziatzko  bei  P.-W.  III  415  f. 

8)  Cic.  ad  Qu.  fr.  II  4,5:  de  Hblicik+ca  tun 
Grtucasupplendv,  VSbri»  eommaiemdit,  Tjttinit 
comparandis  vultle  n/im  Uta  '<>»fi<i,  i>>->. 
Um  cum  ad  meum  quogut  umtm  specient,sedego, 
mihi  i]>»i  ist<(  /irr  i/urm  <i</nm   MM   Imh,.., 
qnr  mim   vmuuia  sunt,  quin-  ,/ui</,ni  />/</. 

et  confici  nwi  per  hominem  et  jMi'flMfM  tt  dili- 
atmttm  non  pooswtt. 

»)  Strab.  XIII  609  von  Rom:  xm  ßißkto- 

.iw/.ai   W9(  •ijdi/yrni  (fiir/.itu  /oo'ififyoi  y.iu  >»  y. 
urrißä/./.oiTtw  ö.-tkj  HM  r.ii  tu»-  äXian 

tt&reie  nQäatp  ;vi«7  <>///••«»•  ßißXita*  ttai  udäfte 

XOi  er  \l/.t*a>bt>n'a. 

41  • 


644 


Dritte  Abteilung.   Die  Berufsarten. 


selten1),  was  damit  zusammenhing,  daß  sie  in  der  Regel  nach  Diktat  von  einer! 
Anzahl  von  Schreibern  zugleich  niedergeschrieben  wurden,  wobei  Hörfehler! 
sich  ergaben,  die  nur  durch  sorgfältige  Kollation  beseitigt  werden  konnten2).! 
Namentlich  über  die  Fehlerhaftigkeit  der  lateinischen  Bücher  wird  geklagt3).! 
Einen   Aufschwung   scheint   der   Buchhandel   vornehmlich  Ciceros  Freunde! 
T.  Pomponius  Atticus  verdankt  zu  haben.     Dieser  vermögende  Mann,   derl 
eine  Menge  von  Sklaven  besaß   und   darunter   zumal  viele  im  Hause   ge-l 
borene,  die  er  hatte  ausbilden  lassen  und  die  sich  besonders  auf  Schreiben! 
und  Vorlesen  verstanden4),  ließ  durch  diese  zahlreiche  Bücher  abschreiben! 
(denn  ein  Autorenrecht,  das  die  Vervielfältigung  einer  Schrift  von  der  Er-I 
mächtigung  des  Autors  abhängig  machte,  gab  es  im  Altertum  ebensowenig! 
wie  ein  Autorenhonorar;  der  Autor  war  vielmehr  froh,  wenn  sein  Name  undl 
seine  Werke  auf  solche  Weise  unter  das  Volk  kamen5));  er  vertrieb  diese 
dann  sowohl  einzeln6)  als  in  größeren  Sammlungen7).     Namentlich  wissen 
wir  aus  Ciceros  Briefwechsel  mit  ihm,  daß  er  dessen  Reden  und  Schriften 
in  Verlag  nahm,  wie  wir  heute  sagen  würden,  und  mit  Erfolg  verkaufte8),) 
sogar  bis  nach  Griechenland 9).    Jedenfalls  hat  Atticus  damit  viel  Geld  ver- 
dient; aber  ein  eigentlicher  Buchhändler  war  er  nicht,  denn  er  hatte  keine 
taberna  zum  Verkauf,  vielmehr  hat  er  offenbar  den  Buchhändlern  die  bei  ihm 
gefertigten  Abschriften  geliefert. 

Gegen  Ende  der  Republik  und  zu  Anfang  der  Kaiserzeit  scheint  sich  der 
römische  Buchhandel  schnell  gehoben  zu  haben,  sodaß  Rom  neben  Alexandreia 
ein  Hauptplatz  für  den  Buchhandel  wurde10).  Wir  kennen  eine  ganze  Anzahl 
von  Buchhändlern  mit  Namen,  da  die  Dichter  ihrer  gedenken:  so  die  aus 
Horaz  bekannten  Sosier11),  verschiedene  Buchhändler  nennen  uns  Martial12) 
und  Seneca13).  Diese  Buchhändler,  die  zum  Teil,  worauf  auch  die  Namen 
hinweisen,  Freigelassene  waren14),  ließen  die  Exemplare  durch  schreibkundige 
Sklaven  herstellen,  und  zwar,  wie  erwähnt,  meist  nach  Diktat,  weil  dabei 
eine  größere  Anzahl  auf  einmal  hergestellt  werden  konnte;  da  aber  auf  diese 
Weise  leicht  Fehler  entstanden,  so  ließ  ein  gewissenhafter  Buchhändler  die 
Abschriften   mit   einem   fehlerlosen  Exemplar  vergleichen   und   die  Fehler 


1)  So  auch  aus  älterer  Zeit  Strab.VIII  374, 
aus  späterer  Galen.  XVIII  2,  630  f. 

2)  Cic.  ad  Att.  XIII  23,  2.  Hör.  a.  p.  354. 
Liv.  XXXVIII  55,  8;  für  die  spätere  Zeit  vgl. 
Mart.II8.  Gell.  VI  (VII)  20,  6. 

J)  Cic.  ad  Qu.  fr.  III  5,6:  de  Latinis  vero, 
quo  nie  vertam,  nescio.  ita  mendose  et  scribun- 
tur  et  veneunt;  vgl.  ad  Att.  II  1, 12. 

4)  Nep.  Attic.  13,3:  namque in  ea(familia) 
erant  pueri  litteratissimi,  anagnostae  optimi  et 
plurimi  librarii,  ut  non  pedissequus  quisquam 
esset,  qui  non  utrumque  horum  pulehre  facere 
posset. 

5)  Hierüber  handelt  besonders  die  oben 
erwähnte  Schrift  von  Haenny;  vgl.  Becker- 
Göll  452  f.  Dziatzko  bei  P.-W.  III  979  und 
in  dem  Aufsatz  Autor  und  Verlagsrecht  im 
Altertum,  Eh.  M.  XLIX  (1894)  559  ff. 

6)  Cic.  ad  Att.  II  4,1. 

7)  Ebd.  17;  vgl.  10,4. 


8)  Ebd.  XIII 12, 2 :  Ldgarianam  praeclare 
vendidisti;  posthac  quicquid  scripsero,  tibiprae- 
conium  deferam.  XV  13, 1 ;  XVI  5,  5. 

9)  Ebd.  II  1,2. 

10)  Strab.  XIII  609  (s.  oben  S.  643  A.  9) ;  für 
später  vgl.  Suet.  Dom.  20,  wonach  man  doch 
immer  auf  Alexandreia  angewiesen  blieb. 

1 ')  Hör.  ep.  I  20, 2 ;  a.  p.  345 ;  über  das  Ver- 
hältnis des  Horaz  zum  Buchhandel  handeln 
Haenny  55  ff.  Dziatzko  Untersuchungen  169  ff. 

12)  Den  Atrectus  I  117, 13;  den  Secundus 
2,3;  den  Q.PolliusValerianus  117,5;  den  Try- 
phon  IV  72,  2;  XIII  3,  4;  an  ihn  ist  der  Brief 
gerichtet,  der  an  der  Spitze  von  Quintilians 
Institutio  oratoria  steht,  da  er  diese  in  Ver- 
lag nahm.  Ueber  Martials  Buchhändler  vgl. 
Haenny  65  ff. 

13)  Dorus,  Sen.  de  benef.  VII  6,1. 

u)  Mart.  I  2,  7:  libertum  docti  Lucensis 
quaere  Secundum. 


Vierter  Abschnitt.    Handel  und  Geldgeschäfte. 


"eJ  /erbessern,  was  manchmal  der  Autor  selbst  besorgte,  da  es  doch  jedem  daran 
p   ag,  in  korrekten  Abschriften  Verbreitung  zu  finden »). 

An  dieser  Stelle  dürfte  es  sich  empfehlen,  einiges  über  die  Herstellung 
J*  der  Bücher  zu  sagen,  da  sich  uns  bisher  noch  keine  Gelegenheit  dazu  ge- 
01  boten  hat2).  Das  Material  für  Bücher  war  entweder  Papyrus  oder  Pergament3), 
4  die  Form  für  jenen  meist  die  Rolle,  für  dieses  das  Buch.  Üie  Buchrolle, 
volumen,  wurde  vielfach,  vielleicht  meist,  schon  in  den  Papyrusfabriken  fertig 
"ergestellt,  und  zwar  in  verschiedenen  Größen  und  Qualitäten,  indem  die 
einzelnen  Blätter,  die  paginae,  plagulae,  schedae  beißen,  zu  einem  tcaput 
zusammengeklebt  wurden4).  In  der  Regel  bestand  ein  scapus  aus  zwanzig 
Blättern5);  das  war  aber  nicht  das  Maximalmaß  einer  Rolle,  wie  man  bis- 
weilen angenommen  hat,  sondern  nur  ein  durchschnittliches,  das  für  viele 
Bücher  genügen  mochte,  aber  jederzeit  durch  Anleimen  weiterer  Blätter  ver- 
größert werden  konnte.  In  der  Regel  bildete  die  plogula  auch  die  Kolumne 
der  Schrift,  während  die  dazwischen  liegenden  Stellen,  wo  sie  aufeinander 
geleimt  waren,  unbeschrieben  blieben6).  Auch  war  es  bei  Bücherrollen  das 
Gewöhnliche,  daß  bloß  die  Vorderseite,  nicht  auch  die  Rückseite  beschrieben 
wurde,  obschon  letzteres  auch  bisweilen  vorkam7);  solche  Bücher  hießen 
opisthographa3). 

Von  den  Schreibmaterialien:  Feder,  Federmesser,  Tinte  u.  a.  ist  schon 
oben  die  Rede  gewesen9);  aber  die  Buchrolle  erfuhr,  im  Gegensatz  zur  Brief- 
rolle, zumal  wenn  der  Buchhändler  sie  hübsch  und  elegant  ausstatten  wollte, 
noch  eine  besondere  Behandlung.  Der  obere  und  untere  Rand  der  Rolle,  die 
sogenannten  frontes10),  wurden  gleichmäßig  beschnitten  und  die  vorstehenden 
Fasern  beseitigt11),  dann  mit  Bimsstein  geglättet  (pumicare)19)  und  bisweilen 


»)  Mart.VII  11;  ebd.  17,7.  Plin.ep.IV  26,1. 

2)  Neben  der  oben  S.  643  A.  4  angegebenen 
Litteratur  ist  noch  zn  vergleichen  Becker- 
Göll  II 424  ff.  Th.  Birt  Das  antike  Buchwesen, 
Berlin  1882;  ders.  Die  Buchrolle  in  der  Kunst, 
Leipzig  1907.  Dziatzko  bei  P.-W.  III  939  ff. 
(wo  weitere  Litteraturangaben  zu  finden  sind). 

s)  Vgl.  oben  S.  467  ff.  Auf  die  Technik  der 
Papyrusfabrikation  kann  hier  nicht  eingetreten 
werden. 

4)  Plin.  XIII  77:  siccantur  sole  plagulae 
atque  inter  se  iunguntur,  proximarum  semper 
bonitatis  deminutione  ad  deterrimas.  numquam 
plures  scapo  quam  vicenae.  Aus  dieser  Beschrei- 
bung will  Birt  Buchwesen  237  schließen,  daß 
eine  und  dieselbe  Rolle  aus  Blättern  von  ver- 
schiedener Qualität  zusammengeleimt  worden 
wäre,  indem  man  zu  Anfang  die  besten,  dann 
minder  gute,  dann  immer  schlechtere  und  die 
schlechtesten  ans  Ende  setzte,  was  Birt  durch 
das  Interesse  der  Konservierung  zu  erklären 
sucht.  Allein  ihm  widerspricht  Dziatzko  Unter- 
suchungen 86  mit  Recht;  er  erklärt  die  Worte 
dahin,  daß  sämtliche  plagulae  nach  ihrer  Größe 
und  der  damit  übereinstimmenden  Güte  sor- 
tiert und  die  gleichartigen  verbunden  wurden, 
sodaß  je  die  nächste  nach  der  größten  und 
besten  Qualität  eine  geringere  ergab. 

5)  Da  es  nachweislich  Rollen  von  viel 


größerer  Länge  als  20  Blätter  gibt,  schlug 
Birt  a.  a.  0. 241  vor,  dmcmtu  Im  rtcmat  zu 
lesen;  aber  ihm  ist  mit  Recht  widersprochen 
worden  von  Landwehr  Philol.  Anzeiger  1 1 V 
(1884)  357  ff.  Haenny  98  ff.  Dziatzko  Unter- 
such. 87.  Der  scapus  war  offenbar  der  tech- 
nische Ausdruck  der  Fabriken  für  eine  zu- 
sammengeklebte Rolle  (man  vgl.  unser  .Buch*, 
„Ries");  mit  pplumtn  ist  er  aber  nicht  iden- 
tisch, und  wenn  der  Schreiber  eine  Rolle 
brauchte,  die  mehr  als  20  plagulae  hatte,  so 
klebte  er  eben  mehrere  srajd  IWWIBWI 

6)  Vgl.  Birt  229;  255. 

7)  luv.  1,5:  auf  summi  p/smi  MMN  mnrgin,- 

Ubri  srripfHsct  in  ttrgo  neethmflnü 
Sid.  Ap.  epist.  II  9, 10  sagt,  er  würde  seinen 
Brief  noch  fortsetzen.    nM  tpithäo4  Urftm 
madidis  aordidare  calamis  erubi 

8)  Plin.ep  III  5,17.  Digg.  XXXVII  11,4. 

9)  S.471  ff. 

,0)  Ov.tr.  I  1,8  und  11.  Ps.Tib.  III  1.  L8. 
Sen.  dial.  IX  9,  6.  Mart.  I  66,  10;  III  2,  8;  IV 
10,1. 

n)  Mart.  IV  10.1:  dum  novus  est  »< 
huc  rasa  mihi  frontt  lihclhts.  Luc.  adv.  indoct. 
16.  Isid.VI  12,3. 

»)  Catull.  1,2;  22,8.  Ov. tr  I  1 . 1 1 ;  III  1.13. 
Ps.Tib.  a.a.O.  10: />/' 
camas.  Mart.  I  66, 10;  117, 16;  VIII  72,  8. 


646 


Dritte  Abteilung.   Die  Berufsarten. 


wohl  auch  gefärbt1).  Um  den  Papyrus  gegen  Feuchtigkeit  und  Motten-  ode 
Wurmfraß  zu  schützen,  bestrich  man  die  Rolle  mit  Zedernöl,  wodurch  si< 
einen  gelblichen  Ton  bekam2).  Öfters  wird  erwähnt,  daß  an  den  Rollen  eil 
Stäbchen  aus  Holz  oder  Knochen3),  der  sogenannte  umbilicus4-),  angebracht  war 
um  den  die  Rolle  gewickelt  wurde5),  weshalb  er  sich  am  Ende  der  Rolle  be- 
fand6). In  der  Kaiserzeit  waren  bisweilen  bei  einer  Rolle  mehrere  solchei 
Stäbchen,  vermutlich  der  eine  zum  Abrollen,  der  andere  zum  Aufrollen  des 
Gelesenen  bestimmt7).  Diese  Stäbchen  waren  bei  besonders  reich  ausgestatteter 
Rollen  bunt  bemalt  oder  vergoldet8).  Mehrfach  werden  sodann  die  cornua  dei 
Rolle  erwähnt,  auch  diese  als  bunt  verziert9) ;  unter  den  verschiedenen  Deutungs- 
versuchen ist  der  wahrscheinlichste,  daß  so  die  etwas  gebogenen,  aus  der  ge- 
schlossenen Rolle  hervorragenden  Enden  des  nmbilicus  hießen,  das  Wort  aber 
dann  auch  die  Bedeutung  des  ganzen  Stäbchens  bekommen  hat10).  Als 
Schutz  bekam  die  Rolle  ein  Futteral,  das  püenula  genannt  worden  zu  sein 
scheint11),  gewöhnlich  aber,  weil  es  der  Dauerhaftigkeit  wegen  in  der  Rege 
von  Pergament  war12),  membrana13)  hieß;  es  pflegte  bunt,  gelb  oder  rot,  gefärbt 


])  Wenn  nämlich  Ov.  I  1,  8:  Candida  nee 
nigra  cornua  fronte  geras  wirklich  wörtlich  zu 
fassen  ist.was  mir  recht  fraglich  erscheinen  will. 

*)  Vitr.  II  9, 13:  ex  cedro  oleum  quod  ce- 
drium  dicitur  nascitur,  quo  reliquae  res  cum 
sunt  unetae,  uti  etiam  libri,  a  tineis  et  carie  non 
laeduntur.  Ov.tr.  I  1,7;  III  1. 13.  Mart.  III  2,7; 
V6, 14.  Luc.  a.a.O.  Mart.  Cap.  II  136.  Daher 
bezeichnen  die  Dichter  Werke,  die  Unsterb- 
lichkeit verdienen,  als  cedro  digna.  Hör.  a.  p. 
331:  carmina  linenda  cedro.  Pers.  1,42  mit 
Schol.  Auson.  epigr.  34,13:  iuvenescere  cedro. 

3)  Porphyr,  ad  Hör.  epod.  14, 8 :  in  fine  libri 
umbilici  ex  ligno  aut  osse  solent  poni. 

')  Zuerst  erwähnt  Catull.  22,  7:  novi  um- 
bilici. Hör.  ep.  14,  8.  Mart.  II  6, 10:  quid prodest 
mihi  tarn  macer  libellus,  \  nullo  crassior  ut  sit 
umbilico.  Lucian.  a.  a.  0. 

5)  In  der  Regel  wird  angenommen,  daß 
die  Rolle  an  ihrem  Ende  an  den  umbilicus 
angeleimt  war;  dem  widerspricht  aber  Birt 
Die  Buchrolle  228  ff.,  der  vielmehr  zu  erweisen 
sucht,  daß  er  nur  lose  in  die  Rolle  hinein- 
gesteckt wurde. 

6)  Daher  heißt  bis  ans  Ende  der  Rolle 
kommen  ad  umbilicum,  Hör.  a.  a.  0.  Mart.  IV 
89,2;  vgl.  VI  37,1  u.  3 

7)  Mart.I  66,11;  III  2,9;  IV  89,2;  V  6,15; 
VIII  61,  4.  Stat.  silv.  IV  9,  7. 

8)  Mart.  III  2,  9:  pictis  luxurieris  umbili- 
cis;  V  6, 15:  nigris  umbilicis;  VIII  61.4.  Stat. 
a.  a.  0. ;  vergoldete  Luc.  adv.  indoct.  7 ;  de  merc. 
cond.41.  An  einigen  der  herkulanischen  Rollen 
haben  sich  die  umbilici  erhalten,  die  meisten 
freilich  sind  ohne  solche ;  das  hängt  vermut- 
lich damit  zusammen,  daß  nur  Bücher,  die 
man  viel  im  Gebrauch  haben  wollte,  mit  um- 
bilici versehen  wurden,  hingegen  die  gewöhn- 
lichen Rollen,  die  die  Bibliotheken  füllten, 
nicht.  Ueber  Darstellungen  von  Rollen  mit  um- 
bilici auf  Bildwerken  s.  Birt  a.  a.  0.  230  ff. 


9)  Ov.  tr.  1 1. 8 :  Candida  nee  nigra  cornua 
fronte  geras.  Ps.Tib.  III  1, 13:  atque  inter  ge- 
minas  pingantur  cornua  frontes.  Mart.XI  107,1: 
explicitum  usque  ad  sua  cornua  librum. 

10)  Das  ist  die  Annahme  von  Dziatzko 
Untersuch.  119.  Becker-Göll436,  Marquardt 
816  A.  6  u.  a.  identifizieren  direkt  cornua  und 
umbilici.  Durchaus  unwahrscheinlich  ist  die 
Ansicht  von  Birt  Buchrolle  235  ff.,  cornua 
seien   die  Endblätter  der  aufgerollten  Rolle. 

n)  Nachweisbar  ist  es  in  diesem  Sinne 
in  der  lat.  Litteratur  nicht,  man  schließt  es 
aber  daraus,  daß  dies  Futteral  im  Griech.  mit- 
unter rpaivö/.n?  heißt,  s.  Birt  Buchwesen  65. 
So  nennt  Mart.  XIII  1, 1  das  Papier  zu  Tüten 
für  Oliven  u.  dgl.  toga  et  paenula,  und  X  93, 4 
das  Rollenfutteral  purpurea  toga. 

Is)  Die  Annahme,  daß  solche  Futterale 
auch  aus  Papyrus  gemacht  worden  seien 
(Dziatzko  bei  P.-W.  957),  ist  wenig  wahr- 
scheinlich ;  vgl.  Birt  Buchwesen  66  f.  Bei  Mart. 
XI  1,1:  quo  tu,  quo,  Über  otiose,  tendis  \  eultus 
Sidone  non  cotidiane  ist  auch  nur  an  purpurnes 
Pergament  zu  denken,  nicht  mit  Birt  65  an 
Musselin  (sidone  =  sindone),  obschon  nach 
Egger  Mem.  d'histoire  159  solche  Musselin- 
futterale vorkommen  sollen. 

13)  So  auch  bei  den  Griechen  dtc/Otga,  Luc. 
de  merc.  cond.  16.  Vielbesprochen  ist  Catull. 
22,  7:  lora,  rubra,  membrana  j  direeta  plumbo 
et  pumice  omnia  aequata,  wo  die  Ueberliefe- 
rung  membranae  bietet.  Birt  Buchwesen  67 
verändert  die  ganze  Stelle,  indem  er  coria 
rubra  membranae  schreibt;  G.  Friedrich  Ca- 
tull 151  faßt  lora  rubrae  membranae  (letzteres 
als  Dativ)  zusammen  und  sieht  darin  die  con- 
strictio  der  Rolle  (Cic.  ad  Attic.  IV  5,3);  vgl. 
Marquardt  817  A.  3.  Das  ist  auch  wohl  das 
Richtige,  obschon  Dziatzko  bei  P.-W.  957  unter 
membrana  direeta  plumbo  das  genau  abgemes- 
sene und  geschnittene  Leder  verstehen  will. 


Vierter  Abschnitt.    Handel  und  Geldgeschäfte. 


849 


bi  werden1).  Endlich  wurde  noch  ein  Pergamentzettel  der  Holle  angehängt, 
per  in  roter  Farbe  den  Titel  oder  Inhalt  des  Buches  angab  und  will  Auf- 
finden unter  einer  größeren  Menge  von  Rollen  erleichtern  sollte;  er  hiefi 
tititlus2)  oder  index3),  griechisch  oiXXvßoQ*). 

Seltener  als  Papyrus  wurden  Rollenbücher  aus  Pergament  hergestellt, 
obschon  es  im  Orient  in  alter  Zeit  sehr  üblich  gewesen  zu  s.  in  scheint6); 
erwähnt  werden  solche  auch  noch  später6).  Gewöhnlicher  aber  war  beim 
Pergament  die  Form  des  codex  oder  codicillus1),  wobei  Benennung  wie  Form 
von  der  Vereinigung  mehrerer  Schreibtäfelchen  zu  einem  Bande  ausging8).  Im 
Geschäftsverkehr  scheint  der  Übergang  von  den  Holztafeln  zu  den  Pergam.  nt- 
blättern  im  1.  Jahrhundert  n.Chr.  erfolgt  zu  sein9);  für  Schriftstücke  prn 
Natur  hatten  solche  freilich  schon  im  letzten  Jahrhundert  v.  Chr.  Kingang 
gefunden10).  Wann  das  Pergamentbuch  für  Litteraturerzeugnisse  zuerst  auf- 
kommt, können  wir  nicht  sicher  feststellen11);  Tatsache  ist  nur,  dali  zur  Zeil 
Martials  solche  existierten12),  allein  sie  waren  damals  offenbar  noch  seit. 


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n  d« 


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Aber  das  Blei  ist  so  stehend  beim  Schreiben 
zum  Ziehen  der  Linien  (s.  oben  S.  471  A.  12), 
daß  es  auch  hier  darauf  bezogen  werden  muß; 
es  gehört  also  membranae,  wenn  man  so  liest, 
zu  lora  rubra,  dagegen  direeta  plutnbo  et  pu- 
mttee  omnia  aequata  ist  zusammenzunehmen. 
Die  lora  werden  übrigens  nur  hier  erwähnt 
und  sind  in  ihrer  Bedeutung  ungewiß.  Mar- 
quakdt  817  A.  5  und  Dziatzko  Untersuch.  121 
beziehen  sie  auf  die  Titelstreifen  (s.  unten); 
Becker-Göll  439  auf  die  Futterale,  die  aber 
doch  nicht  selbst  als  lora  bezeichnet  weiden 
konnten ;  Postgate  Journ.ofphilol.XVIl  (1888) 
230  denkt  an  Riemen,  die  zum  Zubinden  der 
Rollen  gedient  hätten. 

')  Ov.  tr.  I  1,5:  non  te  purpureo  velent  vac- 
cinia  fueo.  Ps  Tib.  III  1,9:  Itäea  sed  niveum  in- 
solvat  membrana  libellum.  Mart.  I  66, 1 1 ;  III  2. 
10:  et  te  purpura  delicata  velet;  VIII  72,  1;  X 
93.  4:  XI  1,  2.  Uebrigens  meint  Birt  Buchiolle 
260,  daß  die  paenula  wie  der  umbiliens  Sache 
des  höchsten  Luxus  gewesen  sei.  was  doch,  bei 
dem  praktischen  Zweck,  kaum  anzunehmen  ist. 

*■)  Ov.  ex  P.  IV  13.  7:  ut  titulum  ehartae 
de  fronte  revellas,  woraus  hervorgeht,  daß  er 
an  der  obern  frans  der  Rolle  angebracht  war; 
ders.tr.  II,  7.  Sen.dial.  IX  9,6.  Mart.  XII  3,17. 

3)  Cic.  ad  Att.  IV  4  b,  1.  Mart.  III  2. 11 :  et 
coeco  rubeat  superbus  index;  vgl.  Ps.Tib.  III 
1, 12:  indicet  vi  nomen  littera  facta  meum. 

4)  Cic.  a.  a.  0. :  indices,  quos  voe  Qraed,  m 
opinor,  aiXXvßovg  appellatis;  ebd.  8  a.  2:  post- 
quani  mihi  sittybis  libros  inlustrarunt.  Man 
schwankt  daher  zwischen  alrtvßog  und  oikkv- 
ßog;  so  tritt  Dziatzko  Untersuch.  118  für  letz- 
teres ein,  Birt,  der  Buchwesen  66  (vgl.  324) 
vom  oiXXvßog  spricht,  gebraucht  Buchrolle 
188  f.;  237  ff.  u.  s.  nur  die  Form  oixxvßos. 

5)  Hebräische  Lederrollen  erwähnt  los. 
ant.  XII  2,  10;  über  griechische  Pergament- 
rollen vgl.  Dziatzko  bei  P.-W.  947,  der  auch 
die  von  Cicero  bei  Plin.  VII  85  erwähnte  in 
nuce  inclusa  Ilias  Homeri  Carmen  in  membrana 


scriptum  für  eine  Pergamentrolle  hält;  es  war 
aber  sicher  ein  Schwindel. 

«)  Digg.  XXXII  52  pr. 

')  Ueber  die  Geschichte  des  Pergament 
kodex,  über  Preise  etc.  s.  besonders  Bikt  Buch- 
wesen 46  ff.,  dessen  Resultate  Mai;»i  vi. im  822  f. 
im  wesentlichen  annimmt;  Bedenken  dagegen 
sind  geäußert  von  E.  BoKDl  (iött.  gtL 
1882,  1546  ff.  Dazu  vgl.  man  die  Darstellung 
von  Dziatzko  bei  P.-W.  947  ff.  und  Untersuch. 
|   129  ff. 

8)  Also    VOm    .-To/.r.inynr,    s.  oben    S.  468. 

9)  So  nach  Dziatzko  bei  I*.-W   '.» I-  Unter- 
i   such.  131. 

10)  Cic.  ad  Att.  XIII 24:  quidt.l. 
I  rone  rescribam?  fuattuor  6tq  ih'nm  sunt  in  tun 
,  potestate;  quod  tftrit,  id  probabo.  Diese  vier 
I  Pergamentblätter  waren  ein  Entwurf;  solche 
|  schrieb  man  gern  auf  Pergament,  vgl.  Hör.  II 
j  3, 1  f.;  a.  p.  388  f.  luv.  7,  24.  Ueber  diese  Ver- 
wendung der  membrana  s.  Bikt  Buchwesen 
58  ff. 

n)  Bei  den  membrana,-.  die  der  Jurist 
C.  Cassius  Longinus  (in  der  ersten  Hälfte  des 
1.  Jahrh.  v.  Chr.)  zu  den  Ubri  UgaU  rechnet. 
Digg.  XX\1I  52  pr..  können  ebensogut  Perga- 
mentbücher wie  litterarische  Entwürfe  auf 
Pergament  gemeint  sein. 

u)  Mart.  XIV  184:  Homtrm  in  jnuiilluri- 
bus  membranfis:  Ilias  und  Odyssee  mufti\ 
parlier  nnn/ita  jirlle  latent :  ebd.  lv<;:  IV, ; 

in  membrani»',  198'.  Oktroi*  membrani»',  190: 

'Utas  Lirius  in  memhrunis;  192:  Orlill  i„el,i- 
morphose*  m  mtmbranit.  Die  übrigen  dort  an- 
geführten  Bücher  (183   die   Batrachomachia. 

185  Vergili  Culex.  187    t#«wW Bote,  189 

Monobiblos  Properti,  191  Sallustius.  193  Ti- 
bullus,  194  Lucanus.  195  Catullus)  sind  alles 
Papyrusrollen. 

*,s)  Nach  Mart.  XIV  188  dienten  sie  für  die 
Reiselektüre;  daß  man  dafür  gern  die  hand- 
lichen Pergamentbücher  nahm,  bezeugt  Mart  I 
2. 1  ff.;  vgl.  front  1 1  der  Sittengeschichte  II 30. 


648 


Dritte  Abteilung.   Die  Berui'sarten. 


und  wohl  auch  teuer1).  Das  Litteraturbuch  blieb  zunächst  noch  die  Papyrus  I 
rolle;  nur  in  der  juristischen  Litteratur,  dann  in  der  christlich-theologischen 
bürgerte  sich  der  Pergamentkodex  mehr  und  mehr  ein2),  weil  man  bei  Büchern 
die  in  starker  Benutzung  waren,  das  dauerhafte  Pergament  dem  vergäng-' 
liehen  Papyrus,  die  bequeme  Buchform  der  unbequemen  Rolle  vorzog.  Ersl 
nach  und  nach  trug  Pergament  und  Kodex  auch  in  der  übrigen  Litteratur 
den  Sieg  über  Papyrus  und  Rolle  davon,  woneben  die  Buchform  nun  auch 
für  den  Papyrus  aufkam3).  Beim  Pergamentbuch  war  die  Grundlage  der 
quaternio.  d.  h.  eine  Lage  von  vier  Blatt4);  in  der  Regel  wurden  sie  so  gelegt, 
daß  Haar-  auf  Haarseite,  Fleisch-  auf  Fleischseite  kam5).  Auch  das  Pergament 
wurde  mitunter  bunt  gefärbt,  mit  Safran6),  kostbare  sogar  mit  Purpur7). 

Die  Läden  der  Buchhändler,  zu  denen  wir  nun  noch  einmal  zurückkehren, 
lagen  in  Rom  an  besonders  verkehrsreichen  Stellen;  außer  am  Forum,  wo 
in  der  republikanischen  Zeit  Buchläden  nachweisbar  sind8),  am  sogenannten 
Argiletum9),  im  Vicus  Sandaliarius10)  und  anderwärts11).  Sie  hatten  dort  ihre 
Rollen  und  Bücher  in  Schränken  aufgespeichert12),  Novitäten  an  den  Pfosten 
des  Ladeneingangs  oder  an  besonderen  Pfeilern  ausgestellt13);  daher  fanden 
sich  die  Bücherfreunde  dort  ein,  um  zu  sehen,  was  es  Neues  gäbe14).    Durch 


*)  Bei  Martial  stehen  sie,  wenn  man  be- 
rücksichtigt, daß  etliche  Disticha,  die  als 
Gegenstücke  dienten,  ausgefallen  sind,  unter 
den  für  die  Reichen  bestimmten  Apophoreta, 
die  Rollen  unter  denen  der  Armen,  s.  Fried- 
länder Martial  II  295  ff.;  300.  Birt  freilich, 
der  Buchwesen  70  die  Behauptung  aufstellt, 
das  Pergament  als  Schreibstoff  nehme  unter 
seinesgleichen  die  verachtetste  Stellung  ein, 
hält  gerade  die  Membranbücher  für  die  von 
geringerem  Sach-  und  Geldwert  —  darnach 
wäre  der  Culex  des  Vergil  wertvoller  gewesen 
als  der  ganze  Homer,  eine  Komödie  des  Me- 
nander  wertvoller  als  der  ganze  Vergil  usw., 
was  dann  (S.  86)  dadurch  erklärt  wird,  daß 
die  Pergamentcodices  in  Notenschrift  geschrie- 
ben gewesen  seien.  Vgl.  dagegen  Dziatzko 
Untersuch.  130. 

2)  Dziatzko  bei  P.-W.  549;  Untersuch. 
159  f. 

3)  Nach  gewöhnlicher  Annahme  seit  dem 
3.  Jahrh.  n.Chr.,  nach  Dziatzko  Untersuch.  143 
schon  etwas  früher. 

4)  Das  Wort  ist  erst  im  Mittelalter  nach- 
weisbar, doch  scheint  es,  als  ob  im  Ed.  Diocl. 
7,  38,  wo  die  Zeile  mit  dem  Lohn  des  Perga- 
mentmachers z.  T.  zerstört  ist,  membranario 
in  (qua)te(rni)one  pedali  pergamen(ae)  zu  lesen 
sei.  Vgl.  Gardthaüsen  Griech.  Palaeogr.  60. 

5)  Dziatzko  Centralbl.  f.  Bibl.  IX  342  f. 

6)  Pers.  3,  10:  posit-is  bicolor  membrana 
capillis;  ebd.  Schol. :  aut  merito  bicolor,  quod 
pars  crocea,  pars  glutinata  apud  antiquos  erat. 
Isid.  VI  11,  4:  membrana  autem  aut  Candida 
aut  lutea  aut  pur  pur  ea  sunt. 

7)  Die  Codices purpurei  v/aren  in  der  Regel 
in  Silber-  oder  Goldschrift  beschrieben;  vgl. 
Iul.  Capit.  Maxim,  duo  30,4:  (filio)  quaedampa- 


rens  sua  libros  Homericos  omnes  purpureos  de- 
dit  aureis  litteris  scriptos.  Oefters  erwähnt  bei 
Kirchenvätern,  s.  Birt  a.  a.  O.  108.  Gardt- 
haüsen 42  f.  Dziatzko  bei  P.-W.  958. 

8)  Cic.  Phil.  II  9,  21  erwähnt  die  scalae 
tabernae  librariae  daselbst;  sie  lag  also  etwas 
erhöht,  etwa  als  pergula  (s.  oben  S.  60). 

9)  Mart.  13,1;  dazu  gehört  auch  die  Gegend 
beim  Friedenstempel  Vespasians,  ebd.  2,  8; 
117,10. 

10)  Gell.  XVIII  4,1.  Galen.  XIX  8  K. 

1 ')  Gell.  II  3, 5 :  librum  Aeneidos  seeundum 
mirandae  vetustatis,  emptum  in  Sigillariis  vi- 
ginti  aureis;  ebd.  V  4,  1  kauft  jemand  apud 
Sigillaria  in  libraria  die  Annalen  des  Fabius, 
bonae  atque  sincerae  vetustatis  libri,  quos  ven- 
ditor  sine  mendis  esse  contendebat.  Vielleicht 
handelt  es  sich  hier  um  ein  Antiquariat;  doch 
ist  die  Lage  der  Sigillaria  ganz  ungewiß,  s. 
Richter  Topographie  386. 

12)  Sid.  Ap.  ep.  II  9,  4:  videre  te  crederes 
aut  grammaticales  pluteos  aut  Aihenaei  euneos 
aut  armaria  extineta  bybliopolarum.  Auch  in 
capsae  wurden  sie  aufbewahrt,  Stat  silv.  IV 
9, 2 1 ;  die  Fächer  der  Büchergestelle  bezeichnet 
Mart.  I  117, 15  als  nidi,  vgl.  VII  17,  5. 

13)  Hör.  sat.  I  4,  71:  nulla  taberna  meos 
habeat  neque  pila  libellos:  a.  p.  373  wird  co- 
lumnae  eben  darauf  gedeutet.  Mart.  I  117, 10: 
contra  Caesaris  est  forum  taberna  \  scriptis 
postibus  hinc  et  inde  totis,  |  omnes  ut  cito  per- 
legas poetas.  Manchmal  hatten  die  Buchhändler 
mehr  draußen,  als  drin  im  Laden,  vgl.  Sen.  ep. 
33, 3:  non  habemus  itaque  ista  oeliferia  (d.  i.  in 
die  Augen  Fallendes)  nee  emptorem  deeipimus 
nihil  inventurum,  cum  intraverit,  praeter  illa, 
quae  in  fronte  suspensa  sunt. 

14)  Gell.  V  4, 1 ;  XIII  30,  1 ;  X  VIII  4, 1. 


Vierter  Abschnitt.    Handel  und  Geldgeschäfte. 


f,l'j 


ien  Buchhandel  fanden  zumal  die  Werke  der  Dichter  schon  früh  weite  Ver- 
breitung auch  außerhalb  Italiens;  bereits  Horaz  erwähnt  die  überseeischen 
Jücherversendungen1),  wobei  die  Buchhändler  mitunter  auch  alte  Ladenhüter 
^ich  vom  Halse  schafften2).    Und  wie  Horaz  dadurch  auch  in  fernste  Länder 
kommen  hoffte3),  so  rühmte  Ovid  sich  dessen*),  und  so  waren  Martials 
Üpigramme  in  der  ganzen  Welt  zu  kaufen6).     Es   gab  daher  auch  in  den 
i  größeren  Städten  der  Provinzen6)  und  in  den  Seehäfen  Buchläden7). 

Wir  haben  endlich  noch  von  denjenigen  Berufen  zu  sprechen,  denen  dir 
H  Geldgeschäfte  zufielen.    Von  solchen  konnte  freilich  in  den  ersten  Jahr- 
j1*«  (Hinderten  der  Stadt  noch  keine  Rede  sein.  Solange  der  Handel  noch  lediglich 
'    Tauschhandel  war,  solange  Rom  noch  keine  eigene  Münze  prägte,  also  auch 
"e<  sein  oder  nur  wenig  auswärtiges  Geld  im  Verkehr  war,  war  auch  kein  Be- 
*  iürfnis  für  Geldgeschäfte  da;  und  auch  später  noch,  als  das  einzige  kursierende 
lte|  Geld  das  schwere  Kupfer  war,  wird  von  solchen  nur  wenig  die  Rede  gewesen 
h  3ein.    Mehr  als  fünf  Jahrhunderte  hindurch  war,  wie  wir  sahen,  der  Grund- 
Jä  besitz  und  die  in  Verbindung  damit  betriebene  Landwirtschaft  die  einzige 
anständige  Erwerbsquelle  für  den  Römer  der  besseren  Stände,  für  die  auf 
tieferer  Stufe  stehenden  bot  das  Handwerk  Nahrung;  aber  wer  reich  war, 
dessen  Reichtum  bestand  in  Ackern  und  Vieh,  nicht  in  barem  Gelde.  Immer- 
hin floß  auch  damals  schon  ausländisches  Silbergeld  nach  Rom  und  war  dort 
in  Zirkulation,  bevor  die  Stadt  ihr  eigenes  Silber  prägte,  und  das  Bedürfnis, 
diese  ausländischen  Münzsorten  mannigfaltigsten  Gepräges,  die  durch  den 
Geschäftsverkehr  mit  den  Nachbarländern  nach  Rom  kamen,  verkaufen  oder 
auch  je  nach  den  Umständen  kaufen  zu  können,  ward  Veranlassung,  daß  auch 
in  Rom  Gelegenheit  zum  Geldwechsel  geboten  wurde,  indem  man  von  Groß- 
griechenland, wo  es  schon  lange  nach  griechischem  Muster  solche  Geldwechsler 
{xQajie&Tai)  gab,  diese  Geschäftsbranche  übernahm8)  und  sie  zunächst  auch 
mit  dem  griechischen  Namen   (in  der  Form  tarpezita)  benannte9).     Neben 
dem  Geldwechseln  machte  sich,  namentlich  seit  Rom  selbst  Silbergeld  ausgab 
und  Bargeld  sich  im  Privatbesitz,  zumal  in  den  Händen  der  großen  Grund- 
besitzer, aufzuhäufen  anfing,  weiterhin  auch  der  Wunsch  geltend,  diese  Kapi- 
talien nutzbringend  anzulegen,  wie  andrerseits  man  bei  Geldknappheit  Ge- 
legenheit suchte,  Geld  gegen  Zins  aufnehmen  zu  können.   Dafür  waren  unter 


*)  Hör.  a.  p.  345. 

2)  Ep.  I  20, 12:  auf  tineas  pasces  tacitur- 
nus  inertes,  aut  fugies  Uticam,  aut  vinctus  mit- 
teris  Ilerdam. 

3)  Carm.  II  20, 13  ff.;  III  30, 10  ff. 

4)  Ov.tr.  IV  9, 19  ff.;  10,128. 

5)  Mart.1  1.2;  III  95,7;  V  13.  3;  VII  88; 
VIII  3,4;  61,  3;  IX  99;  X9;  ebd.  104.  Ob  sich 
auch  XII  2  darauf  bezieht,  läßt  sich  nicht 
sagen.  Ein  gutes  Beispiel  aus  späterer  Zeit 
für  die  Schnelligkeit,  mit  der  schon  im  Alter- 
tum Bücher  in  zahlreichen  Exemplaren  bis 
in  die  weitesten  Fernen  Verbreitung  fanden, 
ist  der  Bericht  des  Sulpic.  Sever.  dial.  I  23,  3 
über  das  Erscheinen  des  Lebens  des  hl.  Mar- 
tinus  (um  400  n.  Chr.),  vgl.  Marquardt  828. 
Friedländer  Sittengesch.  III  371. 

6)  In  Lugdunum  nach  Plin.  ep.  IX  11,1. 


7)  Gell.  IX  4. 1:  cum  <■  OrtMeta  in  BmVtm 

rediremus  et  Brundisium  iremm  egressiq%u  e 
nave  in  tcrram  in  portu  illo  inr/n/n  tftttart- 
mur,  .  .  .  fasces  lihronon  Venalitan  </•/.■ 
vidimus.    Ueber  Bücherpreise  vgl.  Frirdlän- 
der  a.a.O.  Becker-Göll  44!».  H  aknn  v  a.  a. O. 

nif. 

8)  Die  erste  Erwähnung  römisch«  i  arm  >i- 
tarii  bei  Liv.IX  40. 16  fällt  ins  J.  31u  v.  I 
ihre  Einführung  in  Rom  ist  aber  anscheinend 
schon  einige  Dezennien  früher  erfolgt,  s.  Voiot 
Ueber  die  Bankiers  516,  der  annimmt  daß  sie 
erst  nach  Latium  und  von  da  nach  Rom  ge- 
kommen seien.  Hiergegen  wendet  sich  mit 
Recht  Tu.  Nikmbyer  Zeitschrift  der  Savigny- 
Stiftuns,  Rom.  Abt.  XI  (1890)  314. 

9)  Plaut.  Trin.  425;  Epid.  143;  Cure.  345; 
559;  Capt.  193;  449. 


650 


Dritte  Abteilung.   Die  Berufsarten. 


Umständen  die  Geldwechsler,   als  sich  ihr  Geschäftskreis  erweiterte,  aucl 
bereit,  aber  mehr  noch  wareD  das  Geschäfte,  die  die  Kapitalisten  lieber  selbs 
in  den  Händen  behielten,  indem  sie  als  feneratores,  was  anfangs  noch  nich 
die  anrüchige  Bedeutung  des  Wucherers  hat,  sondern  den  Geldmann,  der  au 
Zins  (fenus)  leiht,  bedeutet1),  ihre  Kapitalien  arbeiten  ließen  und  vermehrten 
Denn  so  sehr  der  Römer,  wie  wir  oben  sahen2),  jeden  um  Gelderwerbs  willei 
betriebenen  Beruf,  die  Landwirtschaft  ausgenommen,  für  unanständig  hielt,  s< 
betrachtete  man  doch  die  Geldgeschäfte  nicht  vom  gleichen  Gesichtspunkt« 
aus.    Zwar  galt  Wucher,  das  Geldausleihen  gegen  übertrieben  hohe  Zinsen 
für  ebenso  niedrig  und  verächtlich,    wie  das  Pachten  von  Zöllen  u.  dgl.3) 
nichtsdestoweniger  spielt  das  Ausleihen  von  Kapitalien  zu  hohen  Zinsen  schor 
in  der  Frühzeit  Roms,  als  Geld  noch  rar  war  und  die  Darlehen  vielfach  nocl 
in  Naturalien  bestanden,  bekanntlich  eine  sehr  verhängnisvolle  Rolle4),  unc 
die  vornehmen  Römer,   die  sich  zu  gut  dünkten,  selbst  irgendwelchen  mil 
Gelderwerb  verbundenen  Beruf  zu  treiben,   scheuten  durchaus  nicht  davoi 
zurück,   gegen   den   üblichen,  meist  ziemlich  hohen  Zins5)  Kapitalien  aus- 
zuleihen.   Zwar  wurde  angeblich  im  Jahre  342  durch  eine  Lex  Genucia.  jedes 
Geldausleihen  gegen  Zinsen  verboten6)  und  dies  Verbot  in  späteren  Gesetzen 
erneuert7);  allein  diese  Gesetze  standen  wesentlich  nur  auf  dem  Papier,  und 
das  verzinsliche  Darlehen  blieb  trotzdem  bestehen8).    Allerdings  verbot  die 
mehrfach  erwähnte  Lex  Claudia9)  allen  Senatoren,  wie  Seehandel  und  Pacht 
von  Unternehmungen,  so  anscheinend  auch  jede  Art  von  Geldspekulation10); 
allein  das  hatte  nur  zur  Folge,  daß  dadurch  die  Ritter,  denen  solcher  Erwerb 
nicht  untersagt  war,  zur  Geldaristokratie  wurden,  und  daß  andrerseits  die 
Senatoren  das  Gesetz  zu  umgehen  und  im  stillen  weiter  zu  spekulieren  wußten, 


*)  Ueber  fenus  vgl.  die  betr.  Artikel  von 
Klingmüller  bei  P.-W.  VI  2187  ff.  und  F.  Bau- 
dry  bei  D.-S.  II  1223  ff. 

2)  Vgl.  S.  535. 

3)  Cato  r.  r.  pr.  1 :  est  interdum  praestare 
mercaturis  rem  quaerere  nisi  tarn  periculosum 
siet,  et  item  fenerari,  si  tarn  honestum  siet.  ma- 
iores  nostri  sie  habuerunt  et  ita  in  legibus  posi- 
verunt,  furem  dupli  condemnari,  feneratorem 
quadrupli.  quanto  peiorem  einem  existimarint 
feneratorem  quam  furem,  hinc  licet  existimare. 
Vgl.  Cato  bei  Cic.  de  off.  II 25, 89 :  et  cum  ille,  qui 
quaesierat,  dixisset  ,quid  fenerari?'  tum  Cato 
,quidhomineml  ,inquit,  ,occidere?'  Ebd.  1 42,150 
werden  portitores  und  feneratores  als  quaestus, 
qui  in  odia  hominum  ineurrunt,  gleichgestellt. 

4)  Vgl.  Mommsen  Rom.  Gesch. 1 267  f.;  über 
die  Schuldgesetze  Marquardt  Staatsverwalt. 
II  57. 

5)  Der  durch  die  Dezemviralgesetzgebung 
festgesetzte  Zinsfuß  betrug  */i2  vom  Kapital, 
also  8Vü°/o;  im  J.  347  v.  Chr.  wurde  er  auf 
4'/6  °/o  festgesetzt.  Im  1.  Jahrh.  v.  Chr.,  angeb- 
lich durch  eine  Verordnung  des  Sulla,  wird 
das  fenus  unciarium  üblich,  d.  h.  eine  uncia 
Zins  jährlich  gezahlt  auf  1  As;  wie  Billeter 
Gesch.  d.  Zinsfußes  im  griech.-röm.  Altertum 
(Leipzig  1898)  163  ff.  nachweist,  war  in  dieser 
Periode  der  gewöhnliche  Zinsfuß  4 — 6  °/o,  ver- 


einzelt und  mehr  in  besonderen  Fällen  12  °/o, 
was  auch  gesetzliches  Maximum  war;  was 
darüber  ging,  war  Wucher.  Vgl.  auch  M.  Th. 
Streuber  Der  Zinsfuß  b.  d.  Römern,  Basel  1867. 
Marquardt  a.  a  0. 58  ff.  Beloch  Handwörterb. 
d.  Staatswissensch.2  unter  Zinsfuß. 

6)  Liv.  VII  42,  1.  Tac.  ann.  VI  16.  App.  b. 
civ.  I  54.  Ueber  dieses  vielbehandelte  und  oft 
angezweifelte  Gesetz  (das  nur  für  das  römische 
Gemeindegebiet,  aber  wohl  nicht  bloß  für  rö- 
mische Bürger,  sondern  für  alle  Niedergelas- 
senen galt)  s.  Billeter  a.  a.  0.  134  ff. 

7)  Durch  eine  bei  Gaius  IV  23  erwähnte 
Lex  Marcia,  deren  Zeit  nicht  feststeht;  Bil- 
leter 149  ff.  setzt  sie  zwischen  192  und  89 
an.  Es  gab  auch  eine  Lex  Porcia  gegen  das 
fernes,  Prise.  III  90,  und  Tac.  a.  a.  0.  spricht  von 
multa  plebiscita  gegen  Wucher.  Die  Lex  Sem- 
pronia  vom  J.  193  stellte  die  Bundesgenossen 
hinsichtlich  des  Zinsverbotes  den  römischen 
Bürgern  gleich,  Liv.  XXXV  7, 1  ff.,  vgl.  Bil- 
leter 153. 

8)  Vgl.  Mommsen  Rom .  Gesch .  1 302.  Streu- 
ber 88.  Billeter  a.  a.  0. 

9)  Siehe  oben  S.  539. 

,0)  Das  ist  zwar  nicht  ausdrücklich  über- 
liefert, aber  deswegen  wahrscheinlich,  weil 
Liv.  XXI  63,4  sagt:  quaestus  omnis  patribus 
indecorus  visus.  Vgl.  Mommsen  I  853. 


Vierter  Abschnitt.    Handel  und  Geldgeschäfte.  i.M 

■ndem  sie  sich  mit  solchen,  denen  kein  gesetzliches  Hindernis  im  Wege  stand, 
äfessociierten.  Seit  den  punischen  Kriegen,  besonders  aber  seit  den  Gracchen 
Apielen  die  Kapitalisten  in  Rom  und  zumal  in  den  Provinzen  eine  wichtige 
feolle1).  In  der  Hauptstadt  boten  vornehmlich  die  politischen  St  reber,  die  enorme 
■Summen  brauchten,  um  durch  Spenden,  Spiele  u.  dgl.  die  Gunst  des  Volkes 
bu  gewinnen2),  und  nicht  minder  die  leichtsinnigen  Familiensöhne,  die  in 
Erwartung  der  einstigen  Erbschaft  sich  in  Schulden  stürzten3),  dem  Wucher 
reichlich  Nahrung.  Aber  noch  günstigeren  Boden  fand  er  in  den  Provinzen: 
in  jeder  neuerworbenen  Provinz  ließen  sich  neben  den  Bankiers  sofort  die 
Greldverleiher,  die  feneratores,  nieder,  die  ebenso  den  Privaten,  die  Geldmittel 
tauchten,  wie  den  Gemeinden,  die  sich  oft  genötigt  sahen.  Anleihen  auf- 
zunehmen, Gelder  zu  oft  ganz  unglaublich  hohen  Zinsen  vorstreckten4),  und 
unter  den  oben  erwähnten,  überall  in  den  Provinzen  niedergelassenen  ?i< 
tiatoresb)  waren  viele,  die  weiter  nichts  als  solche  Geld-  oder  vielmehr  meist 
Wuchergeschäfte  betrieben.  So  überschwemmten  Geldverleiher  das  südliche 
Gallien  nach  seiner  Unterwerfung6),  Pannonien7),  Afrika8),  besonders  aber 
Kleinasien9).  Von  der  Strenge,  mit  der  in  früheren  Zeiten  die  Statthalter 
gegen  derartige  Geldleute  vorgingen,  —  der  ältere  Cato  vertrieb  im  Jahre  198 
als  Prätor  von  Sardinien  unbarmherzig  alle  Wucherer  von  der  Insel10),  —  war 
später  nicht  mehr  die  Rede,  da  die  Statthalter  selbst  sich  auf  solche  Art  an 
den  Provinzialen  bereicherten11).  Gesetze  gegen  den  Wucher  wurden  zwar 
wiederholt  erlassen12),  waren  aber  selbstverständlich  unschwer  zu  umgehen18). 
Erst  in  der  Kaiserzeit  wurden  die  Zustände  in  den  Provinzen  bessere,  hörten 
die  Brandschatzungen  durch  Statthalter  und  Geldverleiher  auf;  erst  von  da 
ab  begann  sich  der  Wohlstand  in  den  Provinzen  wieder  zu  heben. 

Nicht  auf  eine  Stufe  mit  den  feneratores  sind  die  berufsmäßigen  Bankier! 
zu  stellen,  von  deren  Auftreten  in  Latium  und  Rom  oben  kurz  die  Rede  war. 
Die  ersten  argentarii,  wie  diese  erst  tarpezitae  benannten  Kaufleute  dann  be- 
zeichnet wurden14),  erhielten  vom  Staat  in  der  Zeit  338—330  die  sieben  alten 
Fleischerbuden  an  der  Südseite  des  Forums  als  Geschäftslokale  eingeräumt. 


*)  Vgl.  Paul  Müller  Die  Geldmacht  im 
alten  Rom  gegen  das  Ende  der  Republik. 
Bruchsal  1877. 

2)  Ueber  die  Schulden  des  Cäsar,  Anto- 
nius, Milo  u.  a.  vgl.  Marquabdt  Staatsverwalt. 
II  57. 

3)  Bei  den  Catilinariern  war  für  die  meisten 
Teilnehmer  arge  Verschuldung  der  Hauptgrund 
der  Verschwörung,  Sali.  Cat.  33, 1.  Vgl.  ferner 
Cic.  pro  Sest.  8, 18.  Ov.  rem.  am.  561  ff.  Hör. 
sat.  1  2, 12  ff. 

4)  Ueber  die  Ausbeutung  der  Provinzen 
durch   diese   Kapitalisten   vgl.  Makquardt  I 
541  f.   Bekannt  ist.  daß  selbst  M.  Iunius  Bru- 
tus,   der  spätere  Mörder  Cäsars,    sich  nicht 
genierte,  der  Stadt  Salamis  auf  Kypern  (aller- 
dings unter  fremdem  Namen)  Geld  zu  48  °'o 
vorzustrecken,  während  der  gesetzmäßige  Zins- 
fuß 12o/o  betrug,  vgl.  Cic.  ad  AttV  21;  VI .1-8       ^ZulZTröbenT^^ufden  Inschrifti-n 
und   über   diese  ganze  anrüchige  Geschichte       wechseln  O-.oDen  ?n*™''  "  Fft„      die8e 
Drumann  Gesch.  Roms  in  s.  Ueberg.  IV  41  ff.;       sind  anscheinend  in  den  me.sten  Julien 
Arbeit,  und  Communist.  289.  Savigny  Abb.  d.    |   zu  verstehen. 


Berl.  Akad.  der  Wiss.  1818  19.  179  ff.  (Verm. 
Schriften  I  386  ff.).  Billetbr  98. 

»)  Siehe  oben  S.  630  ff. 

6)  Cic.  pro  Font.  5. 11.  Suet.Vesp.  1. 

')  Vell.  Pat.II  110,6. 

8)  Plut.  Cato  min  59. 

9)  Cic.Verr.  act  II,  127.69;  de  imp.  Cn. 
Pomp.  7. 18;  pro  Flacco  29.  70;  pro  rege  Deiot. 
9.26;  ad  Att.  I  3. 1 ;  VI  8,  2. 

10)  Liv. XXXII  27,4;  vgl.  Plut. Cato  mai.  6. 
n)  Man   vgl.  das  Verfahren    des  Verres, 
Billeter  167  f. 

»)  Vgl.  Marqüardt  II  58.    Mommsbn  III 

537. 

1J)  Nach  Tac  ann.VI  16  war  im  J.  33  n.  Chr. 
kein  einziges  Mitglied  des  Senate,  das  nicht 
fetwratio  trieb. 

14)  Sie  sind  nicht  mit  den  ebenso  benannten 
fahrt  (infent<irii,  den  Silberschmieden,  zu  v.-i- 


652 


Dritte  Abteilung.   Die  Berufsarten. 


die  nun  tabernae  argentariae  (später  tabernae  veterei)  genannt  wurden1) 
noch  vor  dem  Jahre  210  wurden  dann  auf  der  Nordseite  des  Forums  weiter 
Wechslerbuden,  tabernae  plebeiae  oder  novae  genannt,  errichtet2).  Für  di 
Benutzung  dieser  Buden  zahlten  die  argentarii  Mietgeld  an  den  Staat3).  Um 
wie  die  griechischen  Trapeziten  ihren  Namen  von  dem  Tisch  hatten,  an  den 
sie  das  Geld  wechselten  und  Zahlungen  leisteten  oder  empfingen4),  und  de 
moderne  Name  Bankier  an  die  Bank  erinnert,  die  als  Zahltisch  diente,  s< 
stand  auch  in  den  römischen  Wechselbuden  ein  Tisch,  die  mensa  argentaria6) 
mit  welchem  Namen  dann  ebenso  der  Zahltisch  des  Bankiers  bezeichne 
wurde6)  wie  die  öffentliche  Bank  eines  Staates  oder  einer  Gemeinde7).  Zwai 
haben  die  Römer  nicht,  wie  die  Griechen  und  Ägypter,  die  Staatsbank  als 
eine  stehende  Einrichtung  gekannt,  wohl  aber  wurde  gelegentlich,  bei  außer- 
ordentlichen Anlässen,  für  Schuldentilgung,  Staatsanleihen  usw.  eine  solche 
mensa  publica  errichtet8). 

Als  im  Jahre  269  v.  Chr.  das  römische  Münzsystem  eine  Umgestaltung 
erfuhr,  indem  die  Silberwährung  eingeführt  wurde,  traten  zu  diesen  argentarii 
als  spezielle  Geldwechsler,  zugleich  aber  auch  als  Münzwardeine,  die  num- 
mularii; diese  hatten  nämlich  zunächst  als  Staatsbeamte  die  Münzprobe  unter 
sich9),  eine  Funktion,  die  ihnen  auch  später  noch  verblieb,  namentlich  ale 
der  großen  Münzverschlechterung  wegen  eine  arge  Unsicherheit  im  Geld- 
verkehr eingetreten  war10).  Sie  hatten  aber  anscheinend  auch  eine  Bank, 
von  der  sie  neues  Geld  in  Kurs  brachten11)  und  fremde  Geldsorten  gegen 
einheimische  umtauschten,  was  jedoch  auch  private,  nicht  vom  Staat  bestellte 
nummularii  taten12);  und  da  diese  dann  auch  sonst  dieselben  Geldgeschäfte 
betrieben  wie  die  argentarii,  so  machte  der  spätere  Sprachgebrauch  keinen 
Unterschied  mehr  zwischen  beiden13).    Eine  andere,  aber  späte  Bezeichnung 


J)  Varro  bei  Non.  532,  15;  Erwähnungen 
bei  Liv.  IX  40,  16  (vom  J.  310);  XXVI  27, 2  (von 
210);  XXVII  11,16  (von  209).  Sie  lagen  in  der 
Nähe  des  Kastortempels,  s.  Plaut.  Cure.  481. 
Cic.  pro  Quinct.  4, 17.  Liv.  XLIV  16, 10.  Vgl. 
Jordan  Topogr.  I  2, 380.  Richter  Topogr.  395. 

2)  Fest.  230  a.  31 ;  erwähnt  Liv.  XXVI  27, 2 
(vom  J.210);  XL  51, 5  (von  179).  Sie  lagen  nahe 
beim  Ianustempel,  Cic.  Phil.  VI  5, 15.  Ov.  rem. 
am.  561.  Hör.  ep.  I  1,  54;  vgl.  Varro  1. 1.  VI  59. 
Cic.  de  or.  II  66,  266.  Porphyr,  u.  Acro  zu  Hör. 
a.  a.  O.  und  zu  sat.  II  3, 18.  Jordan  a.  a.  O.  381. 
Richter  85. 

3)  Fest.  a.  a.  0.  (aber  stark  ergänzt).  Liv. 
XXVII  11, 16;  vgl.  Digg.  XVIII  1,  32.  Voigt 
Bankiers  516  A.9. 

4)  Noch  heut  betreiben  die  Geldwechsler  an 
der  Aeolusstraße  in  Athen  ihr  Geschäft  an  klei- 
nen, auf  der  offenen  Straße  stehenden  Tischen. 

5)  Hör.  sat.  II  3,  148.  Cic.  in  Pis.  36,  88. 
Digg.  II  13,  4  pr.  Novell.  136, 1.  Daher  heißen 
die  Bankiers  auch,  obschon  seltner,  mensarii, 
Cic.  pro  Flacco  19,  44.  Suet.  Aug.  4,  oder  men- 
sularii,  Digg.  XLII  5,  24,  2. 

6)  Plaut.  Pseud.  296.  Tac.  ann.  VI  17.  Suet. 
Galba  9.  Apul.  apol.  17.  Digg.  II  13,4  pr.  u.  ö. 
Auf  Denkmälern  sieht  man  diese  mensa  argen- 


taria  bisweilen,  s.JahnBGGW  1861  Taf.X4. 
Daremberg-Saglio  Dictionn.  1 406  Fig.  495. 

7)  Mensa  publica,  Cic.  a.  a.  0. 

8)  So  im  J.  352  v.  Chr.  und  dann  wieder 
216— 211;  vgl.MARQUARDT  II  64.1m  J.32n.  Chr. 
wurde  die  Vermittlung  einer  großen  Anleihe, 
die  Tiberius  wegen  Kreditstockung  zur  Ver- 
fügung gestellt  hatte,  den  Bankiers  übertragen, 
Tac.  ann.  VI  17. 

9)  Petron.  56, 1  u.3;  sie  gehören  zur  fa- 
milia  monetaria  einer  Münzprägungsoffizin,  s. 
CIL  III 4035.  VI 298;  8461  f.;  vgl.MARQUARDT 
II  66  A.  4. 

,0)  Nach  dem  Edikt  des  M.  Marius  Gra- 
tidianus  vom  J.  85/84  v.  Chr.  mußte  bei  Geld- 
zahlungen auf  Verlangen  des  Empfängers  das 
Geld  durch  einen  nnmmularius  geprüft  werden, 
Cic.  de  off.  III  20,  80.  Plin.  XXXIII  132.  Sen. 
dial.  V  18, 1.  Aus  späterer  Zeit  Apul.  met.  X  9. 
Digg.  XLVI  3,  39. 

u)  Symm.  ep.  X  29  (49). 

12)  Vgl.  die  nummularii  auf  Inschriften, 
CIL  VI  9706  ff.;  sie  bezeichnen  sich  in  der 
Regel  nach  der  Lage  ihres  Geschäftslokals 
(de  basilica  Iulia,  de  Circo  Flaminio),  s.  Mar- 
quardt  II  65  A.  5.  Waltzing  Etüde  II  230  ff. 

13)  Vgl.  Suet.  Aug.  2  u.  4.  Digg.  II 14, 47, 1. 


Vierter  Abschnitt.    Handel  und  Geldgeschäfte. 


658 


deni  st  collectarii,  unter  welchem  Namen  zu  Beginn  des  4.  Jahrhunderts  n.  Chr. 
eitf  m  Zusammenhang  mit  der  Münzreform  Konstantins  die  bisherigen  ar 
k\  md  nummularii  neu  organisiert  wurden1). 

Was  nun  die  Geschäfte  der  argentarii  anlangt,  so  sind  diese  von  zweierlei 

ad«  ixt:  nämlich  Bankgeschäfte  und  Auktionsgeschäfte8).    Das  Bankgeschäft») 

hl  tatte  es  zunächst  mit  den  Geldsorten  zu  tun4),  und  zwar  einerseits  mit  dam 

te,|  in-  und  Verkauf  fremder  Münzsorten,   andrerseits  mit  der  Umwechslung 

m  leimischer  Münzen5);  dafür  nahmen  sie  ein  Agio,  das  collißus  oder  coü a 

cli  ließ6).     Das  Kreditgeschäft  bestand  in  der  Gewährung  von  verzinslichen 

h  )arlehen7),  wobei  der  Entleiher  jedenfalls  irgendwelche  Sicherheit  oder  Bürg- 

tä  ichaft  stellen  mußte,  ferner  in  der  Annahme  von  Geldeinlagen  als  Depositum8), 

lijf  mtweder  nur  zur  Aufbewahrung,  wenn  jemand  soviel  Bargeld  nicht  im  Hause 

laben  wollte,  oder  indem  er  es  dem  Bankier  zur  Verwertung  überließ  und 

lafür  von  ihm  Zinsen  bezog9);  doch  gingen  bei  einem  Bankrott  des  Bankiers 

lie  zinslosen  Anleihen  den  verzinslichen  vor10).     Auch  nahm  der  Bankier 

jeldeinlagen  an,  die  auf  Rechnung  des  Kunden  ausgeliehen  werden  durften11). 

Sodann  gab  es  Ordregeschäfte,  die  denen  der  heutigen  Banken  ganz  ähnlich 

sind:  nämlich  der  Kunde  wies  Zahlungen  an  durch  Ordre  an  den  Bankier 

was  pecuniam  relegare  oder  delegare  ab  argentario  heißt12)),  und  zwar  entweder 

durch  mündliche  Ordre  direkt  an  den  argentarius13)  oder  durch  schriftlichen 

Auftrag  an  ihn14)  oder  gegen  Vorweisung  einer  verabredeten  Legitimation 

(z.  B.  des  Siegelrings)15).  Daher  ergab  sich  für  Zahlungen,  die  ein  Privatmann 

zu  leisten  hatte,  ein  doppelter  Weg:  er  zahlte  entweder  mit  dem  Gelde,  das 

er  bar  im  Hause  hatte,  das  ist  de  domo  oder  ex  arca  sua  solvere16),  oder  durch 

die  Anweisung  auf  seinen  Bankier,  was  de  mensa  solvere  heißt17). 

Diese  Geschäfte  haben,  wie  man  sieht,  eine  gewisse  Ähnlichkeit  mit 
unserem  Scheckverkehr.  Selbst  so  etwas  wie  einen  Wechsel  finden  wir  bereits, 
obschon  freilich  nicht  in  dem  Sinne,  daß  sich  der  Wechselverkehr  bis  zum 
Girowechsel  entwickelt  hatte;  es  war  vielmehr  lediglich  die  Einrichtung  ge- 
troffen, daß  der  Bankier  im  Auftrag  eines  Kunden,  der  bei  ihm  Geld  im  Depot 
hatte,  eine  Zahlungsanweisung  auf  einen  auswärtigen  Geschäftsfreund  entweder 


*)  Siehe  v.  PKEMEKSTEiubei  P.- W.  IV  376  f. 
Waltzing  a.  a.  O.  und  ebd.  115.  Humbert  bei 
D.-S.  I  1291.  Voigt  a.  a.  0.  522  f. 

2)  Die  nummidarii  betrieben  keine  Auk- 
tionsgeschäfte, insofern  bleibt  also  ein  Unter- 
schied zwischen  argentarii  und  nummularii 
bestehen,  vgl.  Voigt  521  f. 

3)  Dem  Folgenden  liegt  vornehmlich  die 
Darstellung  von  Voigt  a.  a.  0.  zugrunde,  sowie 
von  Oehleb  bei  P.-W.  a.  a.  0. 

4)  Es  wird  als  emtio  und  venditio  num- 
morum  bezeichnet.  Digg.XLVIII  10,9,2.  Cod. 
Theod.IX  22, 1 ;  XII  7,2.  Cod.Iust.XI  10  (11),  1. 

5)  Suet.  Aug.  4;  vgl.  Voigt  524. 

6)  Cic.  Verr.  III  78, 181;  ad  Att.  XII  6, 1. 
Suet.  a.  a.  0. ;  davon  führen  sie  in  späterer  Zeit 
auch  den  Namen  collybistae,  Corp.  Gloss.  II 352, 
25 ;  573, 38  u.  ö. ;  vgl.  VI  750  unter  nummularius. 

7)  Plaut.  Trin.  425;  Epid.  143;  Cure.  480; 
508;  Truc.  70  ff.  Plut.  vit.  aer.  al.  2  p.  827  F. 


Digg.  XVI  3,  7,  2. 

8)  Plaut.  Cure.  345;  535;  679  ff.  Digg.  XVI 
3,8;  XLII1,15,11  u.ö.;  ein  Formular  der  Km 
pfangsquittung  eines  solchen  Depositums  ebd. 
XVI  3,  24. 

9)  Digg.  XII  1,  9,  9;  XVI  3,  25, 1 ;  XIX  8, 
31 ;  ein  Schuldformular  des  Bankiers  in  griechi- 
scher Sprache  XVI  3,  26, 1. 

>o)  Digg.  XVI  3,  7,  2. 

n)  Digg.  a.  a.  0.  28;  vgl.  das  Schuldformu- 
lar XIII  5,  24. 

««)  Cato  r.  r.  149, 2;  vgl.  105,  2.  Cic.  ad  Att 
XII  3  2 

13')  Plaut.  Cure.  721  f.;  Pseud.  1230. 

'*)  Plaut.  Cure.  346  f.;  429  ff. 

»»)  Plaut.  Bacch.  263  f. 

16)  Plaut.  Cure.  685.  Sen.  ep.  26,  8.  Donat. 
ad  Ter.  Ad.  277.  Digg.  XII  1,  40. 

>7)  Vgl.  Plaut. a.a.O.  Ter. a.a.O.  u.Phorm. 
921.  Donat.  ad  Ter.  a.  a.  0. 


654 


Dritte  Abteilung.   Die  Berufsarten. 


für  den  Kunden  selbst  oder  für  eine  von  ihm  bezeichnete  Persönlichkeit  aus-j' 
stellte.  Wir  sind  hierüber  namentlich  durch  den  Briefwechsel  Ciceros  unter-r 
richtet;  denn  als  dessen  Sohn  in  Athen  studierte  und  öfters  Geld  brauchte, 
erhielt  er  das  auf  die  Art,  daß  das  Geld  an  Ciceros  Bankier  in  Rom  gezahlt 
wurde,  dieser  sich  mit  seinem  Geschäftsfreund  in  Athen  in  Verbindung  setzte 
und  der  junge  Cicero  bei  diesem  das  Geld  gegen  Quittung  erhob ').  Ein 
Wechsel  im  modernen  Sinne  war  das  also  nicht;  aber  unser  heutiges  Wechsel- 
system, das  seine  Anfänge  im  Mittelalter  hat,  knüpft  doch  immerhin  an  diese 
altrömischen  Kreditbriefe,  wenn  man  sie  so  nennen  wrill,  an.  Weiterhin  ge- 
hörte zum  Ordregeschäft  die  Bürgschaftsleistung  für  Kunden2),  der  Eintritt 
in  eine  Schuldverbindlichkeit  des  Kunden  als  Mitschuldner3),  endlich  die 
Übernahme  einer  Schuldverbindlichkeit  des  Kunden  an  dessen  Stelle  und  als 
Selbstschuldner4). 

Anderer  Art  waren  die  in  den  Händen  der  argentarii  liegenden  Auktions- 
geschäfte. Der  Bankier  vermittelte  besonders  bei  Todesfällen  die  Veräußerung 
des  hinterlassenen  Vermögens  und  die  Einziehung  der  Auktionsforderungen, 
schoß  auch  wohl  die  Kaufsumme  vor5);  und  da  er  die  Kaufgelder  einzog, 
so  hieß  er  auch  argentarius  coactor6).  Die  Protokolle  über  diese  Auktionen 
heißen  tabulae  auctionariae  oder  argentariorum 7). 

Es  ist  einleuchtend,  daß  die  Stellung  der  argentarii  mit  großer  Ver- 
antwortlichkeit verbunden  war  und  größte  Zuverlässigkeit  und  Vertrauens- 
würdigkeit zur  Voraussetzung  hatte.  In  den  meisten  Fällen  wird  diese, 
namentlich  bei  den  großen  Bankiers,  auch  vorhanden  gewesen  sein;  aber  es 
konnte  doch  nicht  verhindert  werden,  daß  ein  Bankier  infolge  unglücklicher 
Spekulationen  oder  auch  durch  unredliches  Gebaren  Bankrott  machte8)  und 
seine  Kunden  ihrer  Einlagen  verlustig  gingen.  Und  da  man  namentlich  den 
kleinen  Geldwechslern  nachsagte,  daß  sie  gerne  betrögen9),  so  genossen  diese 
auch  nicht  die  Achtung,  deren  sich  die  großen  Bankiers  mit  weitverzweigten 
Geschäften  erfreuten.  Um  aber  dergleichen  möglichst  zu  verhüten,  standen 
sie  ebenso  wie  die  nummularii  unter  Aufsicht  der  Staatsbehörden10),  und  zwar 
während  der  Kaiserzeit  in  Rom  unter  dem  Praefectns  urbi11)  und  in  den  Pro- 
vinzen unter  dem  Statthalter12).  Ob  sie  einer  besonderen  Konzession  bedurften, 
steht  nicht  fest,  aber  der  Staat  verpflichtete  sie  zu  genauer  Führung  ihrer 
Geschäftsbücher13);  diese  mußten  in  streitigen  Fällen  vor  Gericht  vorgelegt 


x)  Dies  Geschäfts  verfahren  hieß  permw- 
tatio  pecuniae,  vgl  Cic.  ad  Att.V  13.  2;  15,  2; 
XI  1,2;  24.  3;  XII  24,1;  27,2;  XV  15,4;  ad 
Qu.  fr.  I  3,  7 ;  ad  fam.  III  5,4;  pro  Rabir.  14, 40. 

2)  Plaut.  Asin  436  ff. 

3)  Digg.  XIII  5.  26. 

4)  Die  sog.  transcriptio  a  persona  in  per- 
nonam,  Liv.  XXXV  7,  2.  Gai.  III  128  ff. 

5)  Gai.  IV  126  a.  Cic.  pro  Caec.  6, 16  Quint. 
XI  2,24.  Sen.contr.Ipr.  19.  Suet.Neroö.  Capi- 
tol.  M.  Ant.  phil.  9,  9.  Digg.  V  3, 18  pr.;  XL  VI 
3,88. 

6)  Suet.  v.  Hör.  44, 4  Reiff.  Porphyr,  u.  A cro 
ad  Hör.  sat.I  6.86.  Digg.  XL  7.40,8;  vgl.XLVI 
7,88.  CIL  V  8212;  VI  1923;  coactiones  argen- 
tarias  factitare,  Suet.Vesp.  1. 


7)  Cic.  in  Catil.  II  8, 18.  Quint.  XI  2,  24. 

8)  Von  dem  Bankier,  der  Bankrott  machte, 
sagte  man  foro  fugere,  Plaut.  Persa  435 :  ubi 
quid  credideris,  citius  extemplo  foro  \  fugiunt, 
quam  exporta  ludis  quom  emissust  lepus;  e  foro 
abire  ebd.  442;  foro  mergi,  Plaut.  Epid.  119; 
besonders  aber  foro  cedere,  Digg.  XVI  3,  7,  2. 
Sen.debenef  IV  39,2.  luv.  11,50. 

9)  Plaut.  Cure.  377:  habent  hunc  morem 
plerlque  argentarii,  \  ut  alius  alium  poscant, 
reddant  nemini,  |  pugnis  rem  solvant,  si  quis 
poscat  clarius:  vgl.  ebd.  66  ff. ;  Persa  a.  a.  0. 

10)  Vgl.MoMMSENim Hermes XII (1877) 99f. 
")  Digg.I  12,1,9;  ebd.  2. 
12)  Suet.  Galba  9. 
,3)  Digg.  II  13. 10. 


Vierter  Abschnitt.    Handel  und  Geldgeschäfte. 


in  werden1)  und  dienten  als  Beweis  für  geleistete  Zahlungen  und  ausgeführte 
ant*  Geldgeschäfte2).  Mitunter  taten  sich  mehrere  zur  Führung  eines  Bank- 
ücfe  ;eschäftes  zusammen,  wobei  jeder  socius  haftbar  war3);  Frauen  waren  als 
aai  'eilhaberinnen  ausgeschlossen4),  hingegen  konnten  Sklaven  unter  EUftpflichl 
es  Herrn  das  Geschäft  als  Stellvertreter  führen5). 

Die  Geschäftsbücher  der  argentarü,  die  auf  griechischen  Braucli  /uriirk- 

jehen,  wiesen  beim  Aufkommen  des  Bankwesens  bereits  eine  so  praktisch« 

md  klare  Form  auf6),  daß  sie  sehr  bald  auch  Aufnahme  in  die  privat.-  Bach- 

ührung  des  pater  familias  fanden  und  jeder  gute  römische  Hausvater,  der 

,uf  Ordnung  im  Hauswesen  und  in  den  Finanzen  hielt,  seine  Einnahmen  und 

usgaben  nach  diesem  Muster  buchte  und  kontrollierte.  Auch  der  Privatmann 

atte  dabei  in  der  Regel  neben  seinen  Hausstandsbüchern  noch  seine  Ge- 

chäftsbücher7).     Die  Hausstandsbücher   waren   von  verschiedener  Art,  je 

achdem  der  Hausvater  daneben  auch  Geschäftsmann  war  und  über  seine 

eschäfte  Buch  führte  oder  zwar  nicht  Handel  trieb,  aber  doch  mit  Zinsen 

s  Ausgaben  oder  Einnahmen  zu  rechnen  hatte.    In  der  Kegel  gehörte  zu 

edem  Haushalt  der  Ubellus  familiae*)  oder  Über  patrimonii*),  ein  Invcntar- 

uch,  in  das  die  verschiedenen  Bestandteile  des  Vermögens,  Barbesitz.  Iin- 

obilien  wieMobilien,  lebendes  wie  totes  Inventar  eingetragen  wurden10);  diese 

nventare  waren  namentlich  bei  Erbschaftsregulierungen  von  Wichtigkeit; 

odann  ein  Kassabuch,  der  codex  accepti  et  expensi11),  wobei  auf  der  einen 

eite  oder  tabula  die  Einnahmen,    auf  der   anderen  die  Ausgaben  gebucht 

aren12);  in  den  meisten  Fällen  scheint  dies  Buch  mit  dem  codex  rationum 

omedicarum13)  identisch  gewesen  zu  sein14),  und  nur  in  großen  Betrieben, 

namentlich  den  mit  Landwirtschaft  verbundenen,  war  das  ein   besonderes 

Buch  oder  sogar  mehrere,  die  für  die  einzelnen  Betriebe  gesondert  geführt 

urden15).    Daneben  aber  führte  wohl  auch  der  gewöhnliche  Hausvater  die 

sogenannten  adversaria  oder  ephemerides,  in  die  täglich  alle  Einnahmen  und 

Ausgaben,  wie  sie  der  Reihe  nach  erfolgten,  eingetragen  wurden,  während 

in  dem  genauer  geführten  codex,  der  als  Dokument  galt,  die  einzelnen  Posten 


*)  Digg.  II  13.4pr. 

2)  Cic.proCaec.6.16f.Gell  XIV2,7.Digg. 
II  13,9.2;  XLVI12.27.1. 

3)  Digg.  II  14.  9  pr.;  ebd.  25  pr.  u.  27  pr. 

4)  Digg.  II  13,12. 

5)  Digg.  1113,4,  3;  XIV  3,  5,  3. 

6)  Vgl.  besonders  Voigt  a.  a  0.  529  und 
das  oben  S.  618  zitierte  Buch  von  R  Beigel. 

7)  Man  benutzte  dazu  im  wesentlichen 
Wachstafeln,  später  auch  Papyrus,  s.  Voigt 
529  A.l. 

8)  Digg.  XXXII  l,99pr. 

9)  Sen.  de  benef.VH  10,5. 
,0)  Varro    r.  r.  I  22,  6:    instrumentum   et 

supellectilem  rusticam  omnem  oportet  habere 
scriptum  in  urbe  et  rure dominum.  Digg  a.a.O.; 
XXXIII  10.3,5. 

u)  Voigt  531  führt  dies  Hauptbuch  nur 
unter  den  Geschäftsbüchern  auf,  aber  Beigel 
181  bemerkt  mit  Recht,  daß  es  von  jedem 
Paterfamilias  geführt  wurde.  Vgl.  Plaut.  Truc. 
73.  Cic.orat.  47,158;  pro  Rose.  com.  2, 5;  Verr. 


II  76, 186. 

'•)  Plin.  II  22:  huic  (sc.  Fortuna«)  tmmia 
expensa,  huic  feruntur  aceepta;  Tgl.  XXXIII 
42. 

'»)  Cic.Verr.act.lI.  123.60;  1177,188;  pro 
Font.  5, 12;  pro  Cluent.  30.  82:  pro  Cael.  7, 17; 
pro  Scaur.  9. 18.  Digg.  XXVI  7.  I*;. :, 

,4)  Voigt  533  will  den   codtx  aea. 
expensi  vom  codex  rationum    unterscheid«  n  : 
aber  im  einfachen  Betrieb  eines  gewölmlieh<  n 
Bürgerhauses  waren  beide  wohl  identisch.  Vgl 
auch  Niemeyer  a.a.O.  (oben  S.649  A.^  BIS  ff. 

15)  Ps.Ascon.  in  Verr.  175  (Baiter):  moris 
fuit  itnumaue»hjus  domesticum  ratin>i--»i  silii 
tot  ins  vitae  sitae  per  dies  ilmftdo»  scrilwre,  quo 
appareret,  quid  gwägiM  d*  rtd&btu  suis,  quid 
de  arte,  fenore  ImcroM  rx  p 

quid  item  sumj>tns  damnivt  f\  risset;  weitere 
Stellen  s.Voigt 534  A.  18.  Zu  den  Sonderbüchern 
über  Vieh.  Futter.  Getreide,  Oel  etc.  vgl.  Cato 
r.  r.  2,5;  Colum.  XI  2.44.  Veget.  mulom.  III 
pr.  3;  mehr  bei  Voigt  535  A.19. 


656 


Dritte  Abteilung.   Die  Berufsarten. 


allmonatlich  gesondert  wurden1).  War  der  pater  familias  aber  auch  Geschäfts- 1 
mann,  ließ  er  zumal  sein  Kapital  zinstragend  arbeiten,  dann  führte  er  noch! 
das  sogenannte  kalendarium2),  d.  h.  ein  Buch,  in  dem  die  ausgeliehenen  oder 
entliehenen  Kapitalien,  die  Rückzahlungs-  und  Zinstermine  verzeichnet  waren 
und  Kapital- wie  Zinsauszahlungen  eingetragen  wurden3).  Die  Bankiers  hatten 
teils  ebensolche,  teils  auch  noch  einige  andere  Geschäftsbücher  zu  führen.! 
Wie  der  Hausvater  führten  sie  adversaria,  also  das,  was  man  heute  Kladde! 
oder  Strazze  nennen  würde,  woraus  sie  dann  allmonatlich  die  Übertragungen 
in  die  andern  Geschäftsbücher  vornahmen4);  sodann  als  eigentliches  Haupt- 
buch den  codex  (tabulae)  rationum5),  in  dem  jeder  Kunde  des  Bankiers  sein 
besonderes  Konto  mit  Soll  und  Haben  hatte,  das  also  eine  Art  Kontokorrent- 
buch vorstellte6);  und  endlich  hatte  auch  der  argentarius,  wie  jeder  Geschäfts- 
mann, seinen  codex  accepti  et  expensi,  in  dem  er  seine  Einnahmen  und  Aus- 
gaben, nach  Angabe  der  adversaria,  zusammenstellte7). 


1)  Den  Gegensatz  von  adversaria  und 
codex  kennzeichnet  am  besten  Cic.  pro  Rose, 
com.  2,  5  ff.,  besonders  7:  quid  est  quod  negle- 
genter  scribamus  adversaria  ?  quid  est  quod  di- 
ligenter  conficiamus  tabulas  ?  qua  de  causa  ?  quia 
haec  sunt  menstrua,  Mae  sunt  aeternae;  haec 
delentur  statim,  Mae  servantur  sanete;  haec 
parvi  temporis  memoriam,  Mae  perpetuae  ex- 
istimationis  fidem  et  religionem  complectuntur ; 
haec  sunt  disieeta,  Mae  sunt  in  ordinem  con- 
feetae.  itaque  adversaria  in  iudicium  protulit 
nemo :  codicem  protulit,  tabulas  recitavit.  Da 
die  adversaria  täglich  geführt  werden,  heißen 
sie  auch  ephemerides,  Cic.  pro  Quint.  18,  57. 
Nep.  Attic.  13,  6.  Prop.  IV  (III)  23,  19  f.  Ov. 
am.  I  12,  25.  Sen.  ep.  123,  10. 

2)  Sen.  ep.  14, 18:  rationes  aeeipit,  forum 
conterit,  kalendarium  versat,  fit  ex  dominopro- 
curator;  ebd.  87,  7  vom  Reichen:  magnus  ka- 
lendarii  Über  volvitur;  de  benef.  I  2,  3:  nemo 


beneficia  in  kalendario  scribit;  VII  10, 3:  quid 
fenus  et  kalendarium  et  usura,  nisi  humanae 
cupiditatis  extra  naturam  quaesita  nomina? 
Mart.  VIII  44, 11 :  centum  explicentur  paginae 
kalendarum. 

s)  Digg.  XXXIII  8,  23  pr.;  XL  7,  40,  4. 

4)  Voigt  531.  Beigel  221  ff. 

5)  Codex  rationum  mensae  oder  argen- 
tariae,  Digg.  II  13,  10,2;  vgl.  ebd.  9,2  und 
andere  Stellen  der  Digesten  siehe  Voigt  535 
A.  20. 

6)  Voigt  535  ff.  Beigel  183  ff.;  224  ff.  Wenn 
der  Bankier  mit  seinen  Kunden  abrechnet,  so 
heißt  das  rationes  r edder e,  Cic.  ad  Att.  VII  3, 7. 
Digg.  XXXV  1,  32. 

7)  Voigt  541  ff,  mit  eingehender  Erörte- 
rung der  Bedeutung  dieser  Eintragung  für  die 
Litteralobligation  und  die  Formulierung  der 
Einträge ;  dazu  die  Bemerkungen  von  Niemeyer 
a.  a.  O.  321  ff. 


Nachträge  und  Berichtigungen 


S.  S.  Zar  Litteratur  über  die  römischen  Privataltertümer  ist  seither  hinzugab B69  I.  I'i 

Griechisches  und  römisches  Privatleben,  in  A.  Gkucki:  und  E.  Norden   BinlaHnnfl  b 
Altertumswissenschaft  II  (Leipzig  1910)  S.  1  ff. 

S.  28.  Zu  den  Fauces  vgl.  J.  Greenough  The  fauces  of  the  roman  hoose,  in  Harvard  Studie« 
I  (1890)  1  ff.  Mau  bei  P.-W.  VI  2051  ff. 

$.38.  Zum  Tablinum  vgl  E.  Audouin  L'origine  du  tablinum.  in  den  Melanges  Boissic  r  \>   }.".  M 

S.  57.  Zum  Solarium  vgl.  K.  Sittl  Solarium  und  Maenianum,  Archiv  f.  latcin.  I..  \ikogr.  V 
(1888)  290. 

S.  84.-  Zu  den  römischen  Gärten  vgl.  Olck  Artikel  Gartenbau  bei  P.-W.  VII  812  tl.  1'.  SiTm.i  I 
De  Romanorum  horticultura,  imprimis  de  arte  topiaria.  Diss.  Freiburg  i.  Br.  I ! 

S.  107.   Zur  Heizung  vgl.  Th.  Burckhardt-Biedermann  Römische  Zimmer  mit  Hypokaoal  in 
Baselaugst,  Anzeiger  für  schweizerische  Altertumskunde  XI  (1909)  200  ff.    Gust.  Fi 
Hypokaustheizung  und  mittelalterliche  Heizungsanlagen.    Dissertation.    Hannover  1910. 

S.  108.  Für  tegulae  mammatae  ziehen  Hettner  Illustrierter  Führer  durch  das  Provinzialmu»  um 
in  Trier  45  n.  74  und  Burckhardt-Biedermann  a.  a.  O.  207  die  Lesart  hamatoe  vor.  Doch 
schreibt  sowohl  Rose  bei  Vitruv  wie  Mayhoff  bei  Pliuius  mammatae. 

S.  117.    Zu  den  Gausapina  vgl.  Zahn  Artikel  Qausapt  bei  P.-W.  VII  878  ff. 

S.  121.    Zur  Bank  vgl.  Thedenat  Artikel  Scamnum  bei  D.-S.  IV  Uli'. 

S.  130.    Eine  bessere  Abbildung  der  Geldkiste  aus  Pompeji  geben  C.  Hosius  und  K.  Pi 

Zwei  antike  Motive  in  der  Renaissancemalerei  (Festschrift  der  Universität  Graiftwald  1910) 
S.  16  Abb.  3. 

S.  131.   Vgl.  den  Artikel  Scrinium  von  Lecrivain  bei  D.-S.  IV  1124. 

S.  134.    Zu  den  Kerzen  vgl.  Mau  Artikel  Fimale  bei  P.-W.  VII  290  f. 

S.  142.  Zu  den  Laternen  vgl.  S.  Löschcke  Antike  Laternen  und  Lichthäuschen,  Rhein.  Jahrb. 
108,  370  ff. 

S.  157.    Zum  Tiegel  vgl.  Saglio  Artikel  Sartago  bei  D.-S.  IV  1077. 

S.  160.    Zur  Litteratur  füge  hinzu  E.  Labatut  Les  repas  chez  les  Romains,  Paris   1880. 

S.  161.  Zum  Getreide,  seinen  Arten  und  seinem  Anbau  vgl.  Rostowzew.  Artikel  Frumentum 
bei  P.-W.  VII  126  ff.  Orth  Artikel  Getreide  ebd.  1336  ff.  Rob.  Gradmann  QetreidobM 
im  deutschen  und  römischen  Altertum,  Diss.  Jena  1909. 

S.  161.    Zu  den  frumentarii  vgl.  Fiebiger  bei  P.-W.  VII  122  ff. 

S.  162.    Zur  Gerste  vgl.  den  Artikel  von  Orth  bei  P.-W.  VII  1275  ff. 

S.165.    Zum  Gemüsebau  vgl.  den  Artikel  von  Orth  bei  P.-W.  VII  1110  ff. 

S.  176.  Vgl.  die  Artikel  Gazelle  und  Gemse  von  O.  Keller  bei  P.-W.  VII  88!)  ff.  und  Li  16  ff.; 
Glirarium  von  Orth  ebd.  1425  und  Geflügelzucht  von  Orth  ebd.  903  ff. 

B.  185.   Vgl.  den  Artikel  Salsamentum  von  Besnier  bei  D.-S.  IV  1022  ff. 

S.  186.   Vgl.  den  Artikel  Garum  von  Zahn  bei  P.-W.  VII  841  ff. 

S.  106.    Zu  den  Salgamarii  vgl.  den  Artikel  Salgama  von  Besnier  bei  D.-S.  IV  1014. 

S.  205.  Zur  Litteratur  füge  hinzu  W.  Amelung  Die  Gewandung  der  Griechen  und  ROmer, 
Leipzig  1903  (Text  zu  Cybulski  Tabulae,  quibus  antiquitates  Graecae  et  Romanae  illu- 
strantur,  Tab.  XVI— XX).  Wilpert  Die  Gewandung  der  Christen  in  den  ersten  Jahr- 
hunderten, vornehmlich  nach  den  Katakombenmalereien.    Köln  1898. 

S.  210.  Zur  Toga  vgl.  Heuzey  La  toge  romaine,  tStudiee  sur  le  modele  vivant.  Revue  de  l'art 
ancienne  et  moderne  1897,  I  97;  204;  II  193;  285. 

S.  216.    Zum  Sagum  vgl.  den  Artikel  von  Thedenat  bei  D.-S.  IV  1008  ff. 

S.  240  A.  4  lies  Prop.  V  (IV)  10,43  statt  19,  43. 

S.  255  A.  16.    Das  Zitat  Plaut.  Aul.  a.  a.  0.  gehört  zu  Anin.  17. 

S.256  A.  5.    Im  Ed.  Diocl.  7,54  ist  larator  eine  unsichere  Ergänzung 

S.  257  A.  12  lies  CIL  VI  9494  statt  V.  .  . 

S.  267.  Zur  Litteratur  füge  hinzu  E.  Labatut  La  coiffure  des  femmes  chez  les  Romains,  Pan>  I  -  -  I 
Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft.  IV.  2.  i.  3.  Aufl. 


ß58  Nachträge  und  Berichtigungen. 

S.  276.    Vgl.  den  Artikel  Sapo  von  Besnier  bei  D.-S.  IV  1062  f. 

S.  277.  Zur  Litteratur  füge  hinzu  W.  Buckland  Roman  Law  of  Slavery.  The  conditions  of 
the  Slaves.    Private  life  from  Augustus  to  Justinian.    Cambridge  1909. 

S.  278.    Ueber  die  Herkunft  der  Sklaven  vgl.  M.  Bang  R.  M.  XXV  (1910),  223  ff. 

S.  293.    Zur  Strafe  der  Furca  vgl.  den  Artikel  von  H.  F.  Hitzig  bei  P.-W.  VII  305  ff. 

S.  298.  Zur  Litteratur  füge  hinzu  E.  Samter  Geburt,  Hochzeit  und  Tod.  Beiträge  zur  ver- 
gleichenden Volkskunde,  Leipzig  1911. 

S.  299.    Vgl.  den  Artikel  Geburtstag  von  W.  Schmidt  bei  P.-W.  VII  1142  ff. 

S.  308  A.  2.  H.  Dütschke  Zwei  römische  Kindersarkophage  (Halle  1910)  will  auf  dem  ebd. 
Taf.  I  abgebildeten  Sarkophag  des  Museo  Kircheriano  in  Rom  das  von  einem  Knaben 
gestoßene,  auf  Scheibenrädern  gehende  Wägelchen  als  Gerät  zum  Laufenlernen  erklären. 

S.  317.  Das  Fig.  53  abgebildete  Wandgemälde  stammt  nach  Hosiüs  a.a.O.  1  Anm.  1  aus 
Pompeji,  nicht  aus  Herkulanum. 

S.  325.  Zum  Litteraturunterricht  vgl.  E.  Jullien  Les  professeurs  de  litterature  dans  l'ancienne 
Rome,  Paris  1885. 

S.  340.   Vgl.  A.  Müller  Studentenleben  im  4.  Jahrh.  n.  Chr.,  im  Philologus  LXIX  (1910)  292  ff. 

S.  341.  Zur  Litteratur  füge  hinzu  C.  Pillons  La  celebration  du  mariage  ä  Rome,  Paris  1890. 
J.  S.  Speier  Die  altrömischen  Heiratsformen  durch  Confarreatio,  Coemptio  und  Usus. 
Verslagen  en  mededeel.  d.  kgl.  Akad.  d.  Wetenskapen,  Amsterdam,  IV  1  (1897)  129  ff. 

S.  343.  Zum  Heiratsalter  vgl.  A.  G.  Harkness  Age  at  marriage  and  at  death  in  the  Roman 
empire,  Transact.  of  Americ.  Philol.  Association  XXVII  (1898)  35  ff. 

S.  345.  Vgl.  R.  Laennec  Du  droit  des  patresfamilias  ä  Rome  sur  le  mariage  de  leurs  enfants, 
St.  Arnaud  1899. 

S.  361.  Zur  Ehescheidung  vgl.  G.  L.  Morael  Du  divorce  en  droit  romain,  Paris  1888.  G.  Brini 
Matrimonio  e  divorzio  nel  diritto  Romano,  Bologna  o.  J. 

S.  367.  Zum  Dirnenwesen  vgl.  P.  Dufour  Geschichte  der  Prostitution.  IL  Römisches  Kaiser- 
reich.   Deutsch  von  B.  Schweiger,  Berlin  1900. 

S.  372.  Zur  Litteratur  füge  hinzu  S.  Spitzer  Die  Uhr.  Beiträge  zur  Kulturgeschichte  der  Alten. 
Essek  1885. 

S.  376.  Vgl.  H.  Löschner  Ueber  Sonnenuhren.  Beiträge  zu  ihrer  Geschichte  und  Konstruktion. 
Graz  1905. 

S.  380.    Zur  Morgenbegrüßung  vgl.  den  Artikel  Salutatio  von  Ph.  Fabia  bei  D.-S.  IV  1060. 

S.  385.  Zur  Litteratur  füge  hinzu  Arm.  Lebault  La  table  et  les  repas  ä  travers  les  siecles, 
Paris  o.  J.  (1910)  144  ff. 

S.  406.    Zum  Scapliium  vgl.  den  Artikel  von  Pottier  bei  D.S.  IV  1114. 

S.  413.    Zum  Würfelbecher  vgl.  den  Artikel  Fritillus  von  Mau  bei  P.-W.  VII  108. 

S.  415.  Zum  Brettspiel  vgl.  A.  Tibley  Ludus  latrunculorum,  in  Classical  Review  VI  (1892) 
335  ff.    Mowat  im  Bullet,  de  la  soc.  nat.  des  antiqu.  de  la  France  1895,  238  ff. 

S.  423.    Zum  Frigidarium  vgl.  den  Artikel  von  Mau  bei  P.-W.  VII  103  f. 

S.  428.    Zum  Heizraum  vgl.  den  Artikel  Fornax  von  Mau  bei  P.-W.  VII  7  f. 

S.  459.    Zum  Sarracum  vgl.  den  Artikel  von  Lafaye  bei  D.-S.  IV  1077. 

S.  474.  Zur  Litteratur  über  römische  Ärzte  füge  hinzu  P.  Duserm  De  l'exercice  de  la  medecine 
et  de  la  pharmazie  a  Rome,  Toulouse  1891.  R.  Bezzoni  I  medici  ed  il  diritto  Romano. 
Napoli  1904.  J.  Oehler  Epigraphische  Beiträge  zur  Geschichte  des  Aerztestandes,  Wien 
1907.  Th.  Meyer  Theodorus  Priscianus  und  die  römische  Medizin,  Jena  1909;  zur  Be- 
stattung E.  Labatut  Les  funerailles  chez  les  Romains,  Paris  1878.  F.  Schädler  Ueber 
das  römische  Begräbniswesen,  Landau  1888.  Amatücci  I  funerali  a  Roma  durante  i  primi 
cinque  secoli,  in  Rendiconti  d.  Accad.  di  Napoli,  1896,  67  ff. 

S.  476.    Vgl.  M.  Albert  Les  medecins  grecs  a  Rome,  Paris  1894. 

S.  488.  Zu  den  collegia  funeraticia  vgl.  A.  Müller  Sterbekassen  und  Vereine  mit  Begräbnis- 
fürsorge in  d.  röm.  Kaiserzeit,  N.  Jahrb.  f.  d.  klass.  Altert,  f.  1905,  III  183  ff. 

S.  489.    Vgl.  Fr.  Vollmer  De  funere  publico  Romanoruin,  Leipzig  1892. 

S.  498.  Zu  den  Leichenreden  vgl.  J.  Kukutsch  Über  die  laudatio  funebris  b.  d.  Römern,  Wien 
1889.    Fr.  Vollmer  Laudationum  funebrium  Romanar.  historia,  Leipzig  1893. 

S.  502.    Vgl.  den  Artikel  Sarcophagus  von  E.  Cohen  bei  D.-S.  IV  1071  ff. 

S.  584.  Vgl.  G.  Hansel  Beiträge  zur  Kastration  unserer  Haustiere  im  Altertum.  Dissertation. 
Leipzig  1908.  Ridgeway  The  origin  and  infiuence  of  the  thoroughbred  horse,  Cambridge  1911. 


Verzeichnis  der  Abbildungen. 

1.  Aschenurne  in  Form  einer  Hütte 

2.  Aschenurne  in  Hausform ,, 

3.  Grundriß  und  Durchschnitt  der  Haustüranlage  im  Hause  des  Pansa  in  Pompeji  1<; 

4.  Abguß  nach  einem  Haustürfragment  aus  Pompeji i  g 

5.  Bronzener  Türklopfer .>,, 

6  und  7.   Römische  Türschlösser 26 

8  und  9.    Römisches  Türschloß 27 

10.  Schlüssel  aus  Pompeji 28 

11.  Haushund,  Mosaik  aus  Pompeji gfl 

12  und  13.    Dachkonstruktion  des  tuskanischen  Atriums 

14.  Pompejanisches  Atrium 

15.  Tischfüße  aus  einem  pompejanischen  Atrium 34 

16.  Fischer,  Brunnenfigur  aus  Pompeji 35 

17.  Pompejanisches  Lararium  im  Atrium 

18.  Pompejanische  Küche 47 

19.  Pompejanisches  Lararium  in  der  Küche 48 

20.  Grundriß  eines  Verkaufsladens  in  Pompeji .v.» 

21.  Abguß  und  Grundriß  eines  verschiebbaren  Ladenverschlusses  aus  Pompeji   (nach 
Gipsabguß) gQ 

22.  Ladenschild  eines  Metzgers  (Relief) 61 

23.  Grundriß  der  Casa  di  Meleagro  in  Pompeji 62 

24.  Grundriß  des  Hauses  des  Chirurgen  in  Pompeji 63 

25.  Grundriß  des  Hauses  des  Fauns  in  Pompeji 64 

26.  Plan  der  Villa  rustica  in  Boscoreale 74 

27.  Plan  der  sogenannten  Villa  des  Diomedes  in  Pompeji 80 

28.  Modell  der  römischen  Villa  bei  Pfäffikon  (Kanton  Luzern)  im  schweizerischen  Landes- 
museum in  Zürich  (nach  Photographie) 82 

29.  Römisches  Wandgemälde  mit  Darstellung  eines  Ziergartens 86 

30.  Fenster  eines  pompejanischen  Hauses 100 

81.    Tönerner  Fensterverschluß  aus  Pompeji 102 

32.  Heizanlage  in  der  Saalburg 110 

33.  Bronzene  Bettstelle  aus  Pompeji       180 

34.  Bronzene  Bettstelle  (fälschlich  als  Bisellium  ergänzt) 181 

35.  Schrank  aus  der  Villa  bei  Boscoreale 188 

36.  Geldkiste  aus  Pompeji 130 

37.  Bronzelampe  mit  Nadel  und  Zangen  zum  Dochtherausziehen,  aus  Stabiae     .     .     .  137 

38.  Tonlampen  aus  Herkulaneum 188 

39.  Kandelaber  aus  Pompeji 141 

40.  Kandelaber  mit  zwei  Lampen,  aus  Pompeji 148 

41.  Kandelaber  mit  vier  Lampen,  aus  Pompeji 143 

42.  Laterne  aus  Herkulaneum 

43.  Pompejanische  Küchengeräte '  '  ' 

44.  Togastatue  des  Kaisers  Claudius  (Vatikan) 810 

45.  Togastatue  (Vatikan)       -11 

46.  Römische  Schuhe  (von  einer  Statue) 22( 

47.  Römische  Schuhe  (von  einer  Statue) 

42* 


g(jQ  Verzeichnis  der  Abbildungen. 

Figur  Seilt» 

48.  Bronzelampe  in  Form  einer  caliga 227 

49.  Römische  Frauenstatue  aus  Herkulaneum 235 

50.  Halsband  mit  Amuletten 305 

51.  Goldene  bulla  eines  römischen  Knaben 306 

52.  Sarkophag  mit  Darstellungen  aus  dem  Kinderleben 307 

53.  Schulunterricht  auf  dem  Forum  (Wandgemälde  aus  Pompeji) 317 

54.  Privatunterricht  (Grabrelief  aus  Trier)       321 

55.  Dextrarum  iunctio.    Von  einem  römischen  Sarkophag 361 

56.  Sonnenuhr  aus  Pompeji 377 

57.  Schema  des  Trikliniums 388 

58.  Löffel  aus  Pompeji 395 

59.  Warmwassergefäß  aus  Pompeji 402 

60.  Wasserkessel  und  Röhrenleitung  des  Bades  in  der  Villa  rustica  bei  Boscoreale    .  429 

61.  Grundriß  der  Stabianer  Thermen  in  Pompeji 430 

62.  Grundriß  der  Zentralthermen  in  Pompeji i 430 

63.  Tepidarium  der  Forumsthermen  in  Pompeji 431 

64.  Römische  Sänfte  vom  Esquilin 447 

65.  Trinkszene  in  einer  römischen  Weinstube.    Wandgemälde  ans  Pompeji    ....  152 

66.  Wirtshausszene.    Relief  aus  Aesernia 454 

67.  Brettspiel  und  Rauferei  in  einem  Wirtshaus.    Dipinti  aus  Pompeji 455 

68.  Vierrädriger  Reisewagen  (reda?).    Relief  aus  Maria-Saal 461 

69.  Reisewagen,  nach  einem  etruskischen  Relief 463 

70.  Reise  wagen  und  Sänfte,  nach  einem  etruskischen  Relief 464 

71.  Römisches  Diptychon  (von  außen  und  innen)  nebst  Griffeln 469 

72.  Triptychon  (mit  Quittungen)  aus  Pompeji 470 

73.  Schreibtafel,  Brief  und  Schreibgerät.    Pompejanisches  Wandgemälde 472 

74.  Pompejanische  Wandmalerei  mit  Schreibgeräten  u.  a 473 

75.  Ausstellung  der  Leiche  und  Totenklage.    Relief  vom  Grabmal  der  Haterier     .     .  486 

76.  Römischer  Leichenzug.    Relief  aus  Amiternum 492 

77.  Kolumbarium  in  der  Vigna  Codini  in  Rom 504 

78.  Gräberstraße  in  Pompeji 501 

79.  Triclinium  funebre  an  der  Gräberstraße  in  Pompeji 507 

80.  Diener  mit  Jagdnetzen  und  Stellhölzern.    Relief 518 

81.  Jagdszene  von  einem  römischen  Wandgemälde 519 

82.  Jagdszene  auf  einem  römischen  Mosaik 520 

83.  Jagd  auf  wilde  Tiere  mit  Netzen  und  Fackeln.    Römisches  Mosaik 521 

84.  Angler  und  Fischer.    Wandgemälde  ans  Herkulaneum 531 

85.  Pflüger.    Bronzefigur  von  Arezzo •'>•> 

86.  Pflüger.    Römisches  Relief  aus  Arlon 561 


Alphabetisches  Sachregister. 

(Die  Ziffer  nach  der  Seitenzahl  bezieht  tiefe  tat  die  .Yiim.Tkiiim.-n.i 


Aale  181. 

Aalraupen  183. 

"/«/r/ bei  der  Wandinkrustation 
92;  Prunktische  126;  Rechen- 
bretter 323  Spielbretter  41 5. 

nhdomen  174. 

Abendmahlzeit  321.  384. 

(thollae.  217  f. 

iihsiuthium  203. 

Abtritte  49. 

aecessiones  bei  der  Landwirt- 
schaft 543,8.  551. 

aceubitalia  119,7. 

accubüum  119. 

acerosus  panis  163. 

acerrae  485. 

acetabula  392. 

aftnus,  acinnm  170. 

aeipenser  181. 

aciscularii  596, 19. 

Ackerbau,  Geschichtliches  535 
ff  :  Technisches  553  ff. 

acratophora  404. 

ucroamata  410. 

orfor««  70,6.  283. 

ocm  pingere  254. 

acuarii  597, 14. 

am«  comatovia,  crimilix  262; 
discriminalis  262, 13. 

adiutores  65. 

arfor,  adoreum  161. 

adversaria  655  f. 

aediculae  auf  Gräbern  508. 

adnum,  ahenum  155;  bei  Hei- 
zungen 428. 

aequimentutn  584, 18. 

agmones  585, 1. 

"//('/•  novalis  567,  8 :  publicus 
538;  resttbilis  567,8;  .«.rW- 
pturarius  582,6. 

agnina  173. 

Agrumi  171. 

Ahnenbilder  s.  imagines. 

Ahorn  fürTischel  17; für  Betten 
124. 

Akanthus  in  Gärten  88. 

Akazie  zum  Haarfärben  276,3. 

Akrobaten  615. 

alabastra  154. 

ofo«  37  f. 


Aland  168. 

aktnta  184.15. 

aibarium  opus,  albarn  93,4. 
595.4. 

(ilhio-HKx  184, 15. 

aft/fl  mar is  251. 

rtZ/ca,  Graupe  164;  Kleidung 
221. 

(ilirula  des  Jägers  525. 

iilijttac  434. 

aftsem  167. 

atfee  186.  188. 

Aloe  184,15. 

altilia  177. 

rtfota  236. 

alvetiS,  in  Bädern  424;  Bienen- 
stock 588 ;  Krippe  584 ;  W  i  i  ■■- 
felbrett  414. 

alvus,  alvarium,  Bienenstock 
588. 

amarcus  169. 

ambitW   11. 

ambubaiae  368.  412,3. 

(luibulatlones  79. 

amenta  der  Sandalen  223. 

amethystina  249. 

amictoria  230. 

amictus  205. 

amites  für  Netze  519.  528. 

Ammen  307  f. 

Ampfer  166. 

amphorae  152. 

ampullae  154;  otearUu  154,7. 
432;  potoriae  154,9. 

aniptdhu-ii  154, 12.  595, 15. 

Amseln  178. 

Amulette  305. 

MMttrta  557.  570.  573. 

ami/gdalae  172. 

anagnostae  410,9. 

analectae  396. 

onates  177. 

(itnitluo)i  168. 

((tuitlarii  195,2. 

andron  41. 

Angelfischerei  529  t. 

angiportna  442. 

anquiUite  181;  Peitsche  319. 

Anis  168. 

Ankleiden  380. 


•  iiuimui    CiL'. 
misiiriiim    u.\~, . 

anttpagmenta  17 

mitii-iii'  274,9. 

Antilopen  176. 

Antimon  zur  Schminke  437. 

mniluril   266.   .V.I7.  t. 

Äpfel  170. 

"/ß/inniifrinn  436,6. 

apiaria  588. 

(inium    162. 
apodijteriunt  423. 
ii/iiiplmrcfd  419. 
apotheca  71.  580. 
Hji/Ktritoriti  bei  Gräbern  508. 
Aprikosen  171. 
optui  182, 15. 
aquae  tälitnie»  87. 
iti/iii>iitnu'/e,<i<iit;»ii>i(triiti)i  I  Mi 
\  1 1 1 1  i  noktialstunden  374. 
nnitnrfs  561. 
(tratrum  558. 
arbiter  hihoxli  401. 

urlnislit    ">76  f. 

ffrea  35. 129:  rvstmriu  129;  als 
Sarg  502,8. 

iiniirii,  Kassierer  2^4 :  in  den 
Thermen  422,4;  Fabrikan- 
ten 596, 9. 

«/vi pro  459. 

tin/iiii/ri  480. 

iiriliiinmiir. 

archäecti  66.  596, 1'.». 

iirrmirn    .V.)7,  12. 
iirruhli'    129. 
iirrii/iir/i   r>96,  9. 

arat,  Beet  85;  Tenne  7: 

Vogelherd  526. 
argentarü,  Bankiers  651  (f.;  "/- 

</, ■ufttriiriHirton:«  l654j  Sillit'l 

arbeiter  408. 
iiri/iii/iini  rscariinn  392:  /»<</<»- 

rAM  407. 
(irinra    163,21. 
innmrid    129. 

armai'iarii  596, 9. 

Armbänder  264. 

itrnnii/n    58  1 
tiritiiii/iirii 
urmilliii    264. 


662 


Alphabetisches  Sachregister. 


aromatarii  482. 

aromatites  203. 

arra  sponsalitia  346. 

artes  liberales  616;  ludicrae 
615. 

Artischocken  165. 

artopticius  panis  164. 

Ärzte  474  ff.  616. 

asaroton  100. 

Asbestgewebe  247. 

Äsche  184,15. 

Aschenurnen  504. 

asellus  (Seefisch)  181. 

asinarii  585. 

asparagi  165. 

assa  sudatio,  assum  425. 

asseres  der  Sänfte  447. 

astragali  412. 

ater  panis  163, 13. 

atramentum  471. 

atriarii  65. 

atrienses  64  f.  283. 

atrium  9. 12. 29  ff.;  in  der  F/7/a 
urbana  78 ;  corinthium,  dis- 
pluviatum,  tetrastylum,  te- 
studinatum,  tuscanicum  32. 

attagenae  179. 

attÄ  181. 

aucipes  526. 

aucupium,  aucupatns  526. 

Auerhähne  180. 

Aufbahren  der  Leiche  484  f. 

Aufstehenszeit  379. 

Augenärzte  473. 

Auktionsgeschäfte  654. 

aulae  s.  ollae. 

aulaea  144. 

aurarii  265. 

auratores  597,8. 

aures  am  Pfluge  560. 

auri  custos  265. 

aurifices  265.  590. 

aurinetores  597, 7. 

auriscalpium  438, 1 1 . 

aurum  escarium  393,8;  lustrale 
613;  potorium  408. 

Ausfuhrzölle  635  f. 

Auspizien  bei  der  Hochzeit  354. 

Ausrupfen  der  Haare  269.  438. 

Aussaat  566. 

Aussetzen  der  Kinder  301. 

Ausstellen  der  Leiche  484  f. 

Austern  188  f. 

authepsa  401. 

autopyrus  panis  163,13. 

avena  162. 

aves  Africae,  Numidicae  179. 

aviaria  72. 

bacae  170;  Perlen  261. 

Backen  164. 

Bäcker  162.  593.  595. 

Backöfen  48.  164. 

baculi  beim  Dreschen  571,  5. 

Bad  des  Neugebornen  303. 


Badediebe  433. 

Bäder  420  ff.;  in  den  Villen  80. 

Badestunden  383.  432. 

Badezimmer  im  Hause  52  f.;  in 
der  Villa  rustica  71. 

baiuli  613. 

balani  (Meereicheln)  190. 

ballistarii  597, 12. 

Ballspiel  319.  439  ff. 

balnea,  balneae  54.  420;  pen- 
silia  106;  meritoria  421. 

balneare  420. 

balneaticum  422. 

balneatores  422. 

Bänke  121. 

Banken  652. 

Bankiers  652  ff. 

baptisterium  423. 

barbaricarü  595, 10.  607. 

Barbiere  267  ff.  593. 

bardocuculli  218. 

Barsche  184,15. 

Barttracht  267  f. 

bascaudae  158. 

Basiliken  640. 

baster nae  448. 

batiola  406,4. 

Bauernhaus  7. 

Bauhandwerker  65  f.  606. 

Baumaterialien  9  f. 

Baumeister  616  f. 

Baumwolle  246. 

baxeae  227. 

baxearii  227, 14.  258.  595, 13. 

Beerenobst  172. 

Begraben  487  f. 

Behacken  des  Ackers  564. 

Beleuchtungsgeräte  132  ff. 

bellaria  400. 

Bergkristall  für  Becher  408 ;  für 

Ringe  260. 
Bergwerksarbeiter  596. 
Bernstein  262 ;  für  Gefäße  409 ; 
für  Ringe  260;  Handel  619. 
bes  403. 

Bestattung  482  ff. 
beta  167. 
Betten  112  ff. 
Bettschirm  120. 
Bewässerungsanlagen  554. 
Biberhaar  246. 
bibliopolae  643. 
bibliothecae  54. 
bidentes  565. 
Bienenzucht  588. 
Bier  204. 

Bilderchroniken  328. 
Bildhauer  617. 
Bimsstein  zumGlätten  der  Haut 

439;  des  Papyrus  645. 
Binden  für  die  Haare  263.  273. 
Binsen  zu  Dochten  134. 
bipalia  564  f. 
Birnen  170. 
birri  218. 


bisellia  120. 

blatta  249. 

Bleiarbeiter  597. 

Bleiweiß  zur  Schminke  437. 

Blendzeug  (Jagd)  523. 

blitum  168. 

Blondfärben  276. 

Blumentöpfe  42,9. 

Blumenzucht  84  f.  87  f. 

Bockskraut  165. 

Bodenkultur  554  ff. 

Bodenteppiche  145. 

Bohnen  164. 

Bohnenmehl  486. 

boiae  292. 

boleti  168. 

bombycina  243  f. 

bombyx  244. 

Bordelle  369.  454. 

Bordellwirte  615. 

böser  Blick  305. 

Böttcher  595. 

botuli,  botelli  175. 

bracae  220. 

bracarii  257.  595, 12. 

brace  163,21. 

brachialia  264. 

Brachwirtschaft  567. 

Brandmale  der  Sklaven  294. 

brassica  166. 

Bratrost  159. 

Bratspieß  159. 

bratteae,  bracteae, vonHolz  117. 

11;  von  Metall  118. 
brattearii,  bratteatores  265, 12. 

597,  6. 
Brauttracht  350  f. 
Brei  162. 
Brenneisen  272. 
Brennöl  166. 
Brettspiele  415  f. 
Briefboten  473. 
Briefwesen  467  ff. 
Brombeeren  172. 
Brot  162  f. 
Brunnenfiguren  im  Atrium  35 ; 

im  Peristyl  42. 
bubilia  71.  583. 
bubula  173. 
bubulci  561.  583. 
Bücher  645  ff. 
Büchersammlungen  54. 
Buchführung  655  ff.;   -handel 

643  ff.;  -laden  648;  -rollen 

645  ff.;  -staben  319. 
Buchsbaum  88. 
bucinum  249. 
bulbi  167. 
bullae  305  f. 
Buntwirkerei  252  f. 
bura,  buris  beim  Pflug  559. 
Busenband  230. 
bustutn  499. 
Butte  183. 
Butter  191. 


Alphabetisches  Sachregister. 


(>♦) 


buxeta  88, 14. 
\yrri  s.  birri. 
p88U8  241.  247. 

Caccabi  156. 

cadi  151. 

cadurca  115,5.  243.7. 

caelatores  408.  597,3. 

caementarii  596, 19. 

calamister,  calamistrum  272. 

calamus  zum  Angeln  530;  zum 
Schreiben  471 ;  zum  Vogel- 
fang 527. 

calantica  236. 

calcare,  vom  Wein  578. 

calcarienses  66, 16. 

calcarii,  calcariarii  66.  597,2. 

ealeätorium  578, 13. 

ea/m  der  Männer  224  ff.;  der 
Frauen  236. 

calceolarü  258.  595,13. 

cdlcis  eoctores  <>6, 16. 

calculatores  323.  616. 

calculi  beim  Brettspiel  415; 
beim  Rechnen  329. 

mW«  401,9. 

caldarium  53.  424. 

calicrs;  405. 

caligae  der  Männer  226  f.;  der 

Frauen  236,  3. 
caligarii  258.  595, 13. 
calones  585, 1. 
cidparia  148,9. 
camellae  404,  4. 
camerae  im  Hausbau  93;  beim 

Weinbau  577, 11. 
camiUu8  bei  der  Hochzeit  356. 
caminus  105. 
camisla  208, 14. 
cammari  190. 
campagi  227. 
campestria  205. 
campt  doctores  330,7. 
campus  pecuarius  193. 
eanium  204. 
canabenses  632. 
canales  für  Regenwasser  32. 
candelabra  139. 
candelabrarii  597, 10. 
candelae  135. 

candidarii  pistores  163,  14. 
Candidas  panis  163. 
caues  pastorales,  pccuarii,  ril- 

latici  587, 16. 
crtw/s  (beim  Würfeln)  413. 
cantabrutu  163,8. 
canterii  585. 
canthari  406. 
capedines  406. 
rapides  406. 
mpülamenta  276. 
■apillaria  275. 
capistrarii  595,15. 
capitium  230. 
capitones  184, 15. 


capones  177. 

eaji/iaris    168. 

caprae  176. 

caprarH  586. 

caprilia  72.  586. 

niprina  173. 

eaprouae  274,9. 

capsae,  eapsrllar.  Capsula,- 131. 

321. 
capsarii  131.311.6.321,2.433. 

ea/)/t/<l,   eapuli   490. 

caracallae  219. 

rarhasus  247. 

carchesia  406. 

eanlamomum    lli'.t. 

cardines  der  Tür  18. 

cardui  165. 

careum  169. 

rariiiiuatoi-rs  255.  595,8. 

camaria  51. 

caroenum  202. 

carotae  167,4. 

car petita  463. 

earpmtarii  464, 8.  593, 9.  596, 
14. 

carptores  394. 

carrucae  465. 

car r us  459. 

carttbula  34. 

caryotae  171. 

crtsrtt'  7. 

castus  fumosus  191. 

«mes  zum  Fischfang  531,6; 
zur  Jagd  518. 

cassidarii  597, 12. 

lastaneae  173. 

castoriuae   restes  246, 12. 

castrsnsis  panis  163. 

eötotf«  279. 

catenae,  cateUae  264. 

ratliedrae  123. 339 ;  als  Sänften 
445. 

ratiul,  catilli  391. 

c«#«e  179,7. 

caudlcarii  s.  codicarii. 

caules,  cauliculi  166. 

caupones  453.  615. 

eausiae  228. 

cavaedium .  cavum  atdiutn  30. 

caralores  265.  597,5. 

ce/fo,  des  Türhüters  29;  der 
Sklaven  46. 75. 290;  der  Dir- 
nen 370;  caldaria  424  |  /Ww/- 

ftarfe  46. 75 ;  frigidoria  423 ; 

olearia  73;  peuariabO.  193; 

promptuaria  ebd.:  soliaHs 

424:  tepidaria  124  ;  iiia/uru- 

taria  433, 8 ;  riuaria  73. 580. 
ceUarii  193. 
cellarUtm  50. 
cena  882;  384  ff;  ftrafo  510; 

novemdialia  509';   nuptlalis 

357;  r«*a  398. 
cenacnlaAh.  56;  meritoria  56, 2. 
eenactilarii  56, 2. 


emaMMM   IV  79,6. 

i.aalurin    ,, 
amtapluu 

•  mm    161,  16. 
ccntonarti    257 

otntonu  222.  257.  170. 

rruturia    I  A.k.-i  bau  > 

'•'/'".'  167. 
ctpotaphia 

rrrar   (Sein  .ibtalVIn 
rerarii   596 

ctittsi  171. 
MttfoiM«  252.  595,  1 1 

rrrebrum   palmar    L68.6. 
'•.rc/   1  :!.'>. 
rrrnisia  204. 
irr  iula  ria    185 
rrnnna   485,  L8. 
rrrussa   487. 
rrrriralla    IL"). 
rrrriiiu    17<i. 
rrtaria,     I  - 
rrtarii   195. 
Champignons  ll 
etarfa  470. 

rhartarii  470.  10 
rliriinliiisriini    177. 

Chirurgen  479. 
rliri/suri/ipxm   61  l' 

rlu-l/srill/rfa    898,  <>. 
riharla    IUI. 

elharium,   ciharius  panit 
ciliar  ia    166. 
|  ciconiar  178. 
cinardi  4  12.  'i. 
riuarar   lf>">,  1  !t. 
rlurluui  272. 
clartiis  205;  Uabimts  21:*    dci 

Gürtel  206. 
clnrrarii  272,  1 

ciMpKfa  206.12.  851. 
ciniflones  272, 1. 

ciniiamomiim    169. 

<//7*/  auf  Gräbern  505. 

ri  reell  i   175. 

rircltarrs  (I.'i.    14'.*.   »;:!!'. 

rlrrulatnrrs   615. 

ciren/i  au    Fässern    149;   als 

Schmuck  264 
efeftH  439. 
o.s/„//7  439.  596. 14.  I 

cistac,   cistrllar,    rislula,     181. 

cfcter»  ."»!»6. 9. 

ciste/larii  43S. 

cistertiae  423. 

citharoedi  411. 

cftriM  für  Möbel  117.   124. 

eftnM  (Zitrone)   171. 

claiistra  25. 

claast rar ii  -V.t7.  1  I. 

c/aiaril  .V.l7.  lt. 

c/ares  25. 

«•/(//•/  der  Tunik. 

c/aricarii  •")!(".  14. 

e/rpsi/i/rar   377. 


664 


Alphabetisches  Sachregister. 


clibani,  clibaniciüb  panis  164. 

clinici  478. 

clusura  264. 

coactilia  '256  f. 

coactiliarii  256.  593, 9. 

Coae  vestes  244. 

coassatio  95. 

coccus,  coccina  251. 

Cochleae  190. 

cochlearia,    Löffel    395;     für 

Schneckenzucht  190.  588. 
coci  s.  coqui. 
coctores  193, 6. 
codex  accepti  et  expensi  655  f. ; 

rationum  655. 
codicarii  614. 
Codices  647. 
«wfcct«»  468.  647. 
colmtio  bei  der  Ehe  348. 
cohortes  in  der  Villa  70. 
cola  402. 

collabus  s.  collybus. 
collaria    als    Schmuck    263; 

Halseisen  292,8. 
collatio  lustralis  612. 
collectarii  653.    * 
collegia  der  Handwerker  608  ff.; 

funeraticia  488. 
colliciae,  colliquiae  555. 
collocnre  der  Leichen  485. 
collybus  653. 
coloni  542  f. 
columbae  178. 
columbaria,  Taubenschläge  72; 

Gräber  503. 
comissatio  400. 
comites  der  Kinder  310. 
compluvium  12.  31. 
componere  der  Leichen  435. 
computatio  400,9. 
conchae  189. 
conches  165. 
conclamatio  483. 
conclavia  43. 

concrepare  (an  der  Tür)  19. 
concubia  374. 
condimenta  168. 
conditarii  196. 

conductores  in  der  Landwirt- 
schaft 55 1.602  yportorii  636. 

15. 
confarreatto  347. 
confectorarii  194. 
conflnvia  48. 
congri  181. 

consensus,  bei  der  Ehe,   345. 
conticinium  374. 
contignatio  55,8. 
contubernium  287. 
conubium  344. 
conventus  civium  Romanorwn 

628.  631. 
convivia  386. 
copones  s.  caupones. 
coqui  192.  594. 


coquina  46. 

coracinus  color  181. 

coriandrum  169. 

coriarii,  coriorum  confectores 

257.  591. 
cor» /'eines  411. 
cornua  (der  Buchrolle)  646. 
cornuarii  597, 11. 
cornum  171. 
coronae  (Baukunst)  93. 
coronarii  594, 8. 
corrigiae  (an  Schuhen)  224. 
cortes  70. 
cortinae  157. 

corymbia  (Perücken)  276,11. 
cotonea  170. 
coturnices  178. 
covini  462. 
crambe  166,  15. 
crater,  cratera  402, 8. 
«te,  Egge  563;  Raufe  584. 
craticula,  craficulum  159. 
crepare  (von  der  Tür)  19. 
rre/n'c?«e223;  carbatinae  226, 9. 
crepidarii  258.  595, 13. 
crepidines,  des  Hauses  9;  der 

Straße  442. 
crepitacula  308. 
crepundia  306. 
cribra  158. 
crines  273. 
crocotarii  252,5. 
crocus  252. 
crotalia  263. 
crotalistriae  412. 
ernralia  221, 1. 
crustae,    bei   Mosaik  99;    bei 

Silbergerät  408,  7 ;  an  Wän- 
den 91. 
crustarii  408.  597,3. 
crustularii  193.  595,  6. 
cryptoporticus  79. 
crystallina  408. 
cubicula  44. 
cubictilarii  44.  65. 
cubilia  112. 
cuculli  218. 
cueumac  157. 
cueumeres  167. 
Cucurbitae  167. 
euleita  115. 

euleitrarii  115,1.  157.  596,14. 
culina  46;  in  der  Villa  rustica 

70;  bei  Gräbern  508,  8.  510. 
culinarii  193,6. 
culicr,  am  Pfluge  559  f.  562; 

tonsorius    268;    venatorius 

525. 
eultrarii  597, 14. 
cumerum  356. 
cuminum  169. 
eunabula  303. 
eunae  303. 
cupae  149. 
cnparii  149, 16. 


cuppedinarii  195. 
c»ra  annonae  626  f. 
CMrafores  in  derLandwirtschaft 

588. 
currus  458. 
cursores  466.  478. 
cursus  publicus  467. 
custodes  der  Kinder  310:  auf 

dem  Lande  551;  des  Tabu- 

lariums  65. 
custodia  sejndcri  508. 
cyathi  403. 
q/fo'a  185. 
cymae,  cymata  166. 
cymbia  406. 

Dächer  10. 

tfflety/;  171. 

daetyliothecae  259. 

dalmaticae  208. 

dammae  176. 

daphnones  88, 18. 

datatim  luclere  440. 

Datteln  171. 

Daunen  für  Kissen  16. 

dealbatores  93,4. 

Decke  der  Zimmer  93  f.;  mit 

Mosaik  99. 
Decken  für  Betten  116. 
decoeta  402. 
deduetio  der  Braut  358. 
defrutum  202. 
demensum  289. 
tZens,  am  Pfluge,  559. 
dentale  559. 
dentifricium  438. 
dentiscalpia  399. 
deponere  der  Leiche  482,8. 
depositio  barbae  269. 
derisoi-es  412,6. 
despondere  346. 
destrictorium  426.  433,11. 
desultores  615. 
deunx  404. 
deversoria  454. 
dextans  404. 
dextrarum  iunetio  355. 
dextrocJieria  265. 
diademata  263. 
diaetae  43.  81. 
diaetarchac,  <li<ict<trii  05. 
diatreta  410. 
dibapha  249,  6. 
cHm  lustricus  304. 
diffarreatio  362. 
dijfusores  olearii  196,6. 
digitis  computare  323;  micare 

418. 
Diktieren  322. 
Dill  168. 
diluculum  374. 
Dinkel  161. 
diotae  152, 16. 
diptycha  468. 
Dirnenwesen  367  ff. 


Alphabetisches  Sachregister. 


idisei  (als  (ilocken)  2<>.  I. 

Diskuswurf  329. 

I  dispensatores  283. 

I  dinsignatores  49 1 . 

Distelfinken   178,16. 

I  diroiiium  361  f. 

I  Dochte,  für  Kerzen  134;  für 
Lampen  138. 

dodrans  403. 

I  Dohnen  528. 

dolabrae  566. 

dolabrarii  597, 14. 

doli«  148  f. ;  zum  Begraben  504 : 
acinaria  148,14;  amurcaria 
148,11.  575;  frumentaria 
148,12;  lupinaria  148,13; 
oiearia  148,16.  575;  vinaria 
148.  580. 

dominus  convivii  388. 

fhrcades  176. 

mormitoria  465. 

Dosten  168. 

Drainage  554  f. 

Drechsler  596. 

Drehschlösser  27. 

Dreifelderwirtschaft  567. 

Dreifüße  159. 

Dreizack  zum  Fischen  5:12. 

Dreschen  570  f. 

Dreschtenne  74.  570. 

dropax  438. 

Drosseln  178. 

thilciiirii  193.   595,6. 

Düngung  556  f. 

duodecim  scripta  416. 

Eber  176. 
eborarii  596, 11. 
echini  190. 
eculeus  293. 

Edelsteine  an  Möbeln  1 18. 2 ;  an 
Ringen  260;  an  Fibeln  261; 
an  anderem  Schmuck  262. 

Efeu  88. 

Eggen  563  f. 

Ehe  343  ff. 

Ehebett  30. 36 1 ;  -kontrakt  355; 
-losii;keit  366  f. ;  -Scheidung 
361  ff.;    -Schließung  346  ff. 

Eichenholz  117;  -rinde  zum 
Färben  252,  7. 

Eichtische  642. 

Eier  190. 

Einbalsamieren  484. 

Einfuhrzölle  635  f. 

Eingeweideschau  bei  der  Hoch- 
zeit 354. 

Eisenarbeiter  597.  606;  -ringe 
258. 

elaenipirum  187. 

Elementarlehrer  315  ff.  616. 

eienchi  261. 

Elfenbein  für  Betten  117  f.; 
Sessel  122;  Tischfüße  125; 
Ringe  260;  Nadeln  263. 


elicts 
ettychnia  L88. 

I'/OJH'S      1  8  1  . 

embleinutu,    in    Mosaik    '. 
in  Silberarbeit  408,7. 
Endivien  166. 
endromides  220. 
Entbindung  800. 
Enten  177. 
ephemeriiles  655  f. 
epüUipnide»  400. 
epidromus  (an  Netzen i  518. 
epistolae  468, 11. 
Eppich  168. 
equüia  71.  584. 
egutwnn  585. 
equttwm,  squitiarü  584. 
Erbsen  165. 
Erdbeeren  172. 
ergtuhdarii  292,2.  550. 
«rgastulum  75.  292.  550. 
Erker  57. 
Ernte  568  ff. 
erneu  166. 

erriliti,  ereuiu    165,  12. 
Erziehung  der  Knaben  312  ff.; 

der  Mädchen  341  f. 
escae  161;  Lockspeise  580. 
Eselsmilch  zur  Kosmetik  436; 

-zucht  585. 
essedae,  esseda  460  f. 
cssci/nrii  461.  596,  14. 
Eßgeschirr  391  f. 
Essig  192;  -nasche  392. 
Estrich  95. 

evaüare,  tvannart  571. 
ererrieu/a  531. 
exetntores  66,  3.  596,  15. 
exequiae  491 ;  txeqvcku  ire  491, 

5. 
exoneratores  calcarii  66, 16. 
expuhim  ludere  440. 

faba  164. 

fabri  (Fisch)  182. 

fahri  66.   159.  596,6:   uerurii 

160.   592;   argeniarii   160. 

408.594;  aurarii  265.  590; 

ferrurii  594 ;  iiitestinurii  67. 

596,9;  hctarü  117,6.  159; 

lignariibdß',  ntualeabW,  13; 

octdariarii    596.  12;    peeti- 

narü  255, 15:  tubatdani  67. 

111. 596,9;  ttfmor»!  66. 591. 

596;   vasculitrii  408. 
facti  123. 
Fächer  266. 
Fackeln  133;  bei  der  Hochzeit 

358;  bei  der  Bestattung  492. 
falcarü  5!t7, 14. 
falces  foenariae,  mesttorioe,  pu- 

tatoriue  568,3.  570;  einito- 

riae  576. 
Falkenjagd  528  f. 
Fallbolzen  (am  Türschloß)  86  f. 


Fallgruben 
Fallnet/.    518. 
famUta  7.">;  ,-, 

548;  urhana  888.  291. 
Familiengräber  505  f. 
Fangeisen  522. 

für    161. 

Farbe  der  Klei.hr 
Färben  24s  £ 
Färber  591 
Färberröte  851. 

fitreiiiiinu    17"». 
furinu    16;;. 
fiirruriu   571. 
fartores   177. 
Fasane  1  TU. 

fuseia,  all  Betten   I  11     .ii,  Kiel 

dung220;  er  ii  ml,  »221.  525; 

/lertnrn/r*  280;   /■•  "'•' 

fusii mit ki  305. 

Fässer  14>  1 

fuuees  beim  Atrium  28  f.:  bahn 

Tablinum  40. 
Faustkampf  329. 
/an'  (bei  Fußböden)  !»7. 
Fechten  329. 
Fechtlehrer  616. 
Federkissen  115  I 
Feigen  88.   170. 
Feigendrossel   I 
Felderwirtschaft  566  t 
Feldhühner  17>. 
Feldtauben   178. 
Felle  als  Bettdecken  117:  al- 

Ku!.!te|. piche   145;  aU  Klei 

düng  222. 

feininnliil.    fenmruliu    221. 

Fenchel   LI 

fenerutnres  650  f. 

fr, iest nie  56 f.  I00f.j  elutrntn, 

101. 

fenieiihiDi    168. 

Fenster  100t;  -gha  108; 

Schluß  1' 
/•,•/•<•„/,/  398. 

feretiuni   495. 

feriue  ilenieu/es 

feridu  298,  1 ;  des  Lehiei - 

Fescenninen,  bei  der  Hoch 

358. 
Fesselung    d«    Sklaven 

6  19  f. 

festiien.    bei    der   Fieilassimu. 

297,  6. 

fihritui'  '•'•■  12. 

06mJm  261  f. 

/ihn  tut  »r  in    861,8. 
fieatiiiti    174. 
feminine    178. 
//<•/    1, 

fiel/liiirii  596,  1 
fetnres    594 

fidel  iae  157. 
fiilieiilae    194,1. 
fii/lime 


666 


Alphabetisches  Sachregister. 


figuli  65.  592.  596;  ab  imbrici- 

bus596, 1 ;  sigillatores  596, 3. 
Filz  216.   221.   246;  -decken 

238;  -kappen  228:  -socken 

229. 
fimbriae  284, 6. 
fimeta  556. 
Fingerrechnen  323. 
Fische  180  ff. 
Fischer  593 ;  -boote  533 ;  -netze 

531  f. 
Fischfang  529  ff. ;  -händler  195 ; 

-konserven  184;  -markt  180, 

9.    195,  10:    -saucen    186; 

-teiche  180. 
fistulae  (für  Regenwasser)  32. 
flabella  266. 
Flachs  zu  Angelschnuren  530; 

zu   Netzen  517;    -bau  242; 

vgl.  Leinwand. 
fiagra,  flagella  293,  6. 
Flamingos  180. 
flammarii  256,16.  595,11. 
flammeum  352. 
flatores,  fiaturarii  597, 9. 
Fleischer  194.  593. 
Fleischspeisen  173  ff. 
flos  siliginis  163. 
Flügeltüren  18. 
focalia  221. 
focarii  65.  193,4. 
focarius  panis  164. 
focus  47;  Kamin  105. 
foenilia  570. 

foeniseca,  foenisecium  570. 
foenum  Graecum  165. 
foliatum  203. 
f olles,  Luftkissen  116,7;  Bälle 

439. 
Folter     der     Sklaven      293; 

-knechte  294. 
Fora  s.  forum. 
Forellen  184,15. 
fores  17. 
f orfices  267. 
foricae  615,4. 

foriculae  (Fensterläden)  102, 6. 
foricularium  637. 
formido  (bei  der  Jagd)  523. 
fornacarii  193. 
fornaces  in  Bädern  428;  cal- 

carii  66. 
fornices  369. 
forum  boarium  193.  621 ;  cup- 

pedinis  195.  641 ;  holitorium 

195.  621 ;  piscatorium  195. 

621 ;  suarium  641 ;  vinarium 

204.  641. 
forum,  forus  (bei  der  Weinbe- 
reitung) 575. 
fossae  caecae,  inciles,  patentes 

555. 
fossores  555.  565. 
Fournieren  117. 
foveae  522. 


Frauenärzte  478 ;  -bäder  427 ; 
-leben  341  ff.  364  ff. ;  -tracht 
229  ff. 

Freigelassene  bei  der  Bestat- 
tung 495 ;  bei  der  Grabpflege 
5.08;  als  Handwerker  599; 
als  Kauf  leute  623 ;  als  Leh- 
rer 313. 

Freilassung  297  f. 

frigidarium  423. 

fritilli  413. 

frontes  (an  der  Buchrolle)  645. 

Frühstück  381. 

frumenta  161. 

frumentarii  161. 

fucus  marinus,  zum  Färben 
251;  zur  Schminke  437. 

fulcra  114. 

fuligo,  zur  Schminke  437. 

fullones  256.  592. 

funalia  134. 

funambuli  615. 

funda,  am  Ringe  260;  am  Fi- 
schernetz 531 ; zur  Jagd  524. 

fundamenta  9. 

funes,  funiculi  (Kerzen)  134. 

Fünfsteinspiel  413. 

fungi  168. 

funus  488 ;  acerbum  489 ;  in- 
dictum  489.  491;  plebeium, 
privatum,  publicum  489. 

furca  (der  Sklaven)  293. 

furcillae  570. 

furfures  163. 

furfureus  panis  163. 

furnaceus  panis  164. 

fuscinae  (zum  Fischen)  532. 

fusores  597, 9. 

fus.oria  48. 

Fußbänke  121,4;  -bekleiduna 
222  ff.  236  f.;  -böden  95  f.; 
-schlingen  522;  -teppiche 
145. 

fustes  (beim  Dreschen)  571,5. 

gabatae  391. 

Gabeln  394. 

galbuli  179,7. 

galeri  276.  525.  583. 

Galläpfel    (zum   Färben)  252. 

Gallicae  223. 

gallicarii  258.  595,13. 

gallicinium  374. 

gallinae  rusticae  179. 

gallinaria  72.  177,  11. 

Gänse  177;  -daunen  116. 

Garnelen  190. 

Gärten  41;  in  Villen  84;  bei 

Gräbern  508. 
Gartenbeete  42. 
Gärtner  89. 

garum  186;  sociorum  631. 
Gasthäuser  s.  Wirtshäuser. 
gastrae  152, 16. 
Gaukler  615. 


gauli  406,4. 
gaunacarii  257, 14. 
gausape,  qausapina  117.   125. 

216.  238. 
Gazellen  176. 
Geburt  300  f. 
Geburtslisten  304. 
Geburtstagsfeier  299  f. 
Geflügel  176:  -häuser  72 ;  -zucht 

588. 
Geißelung  der  Sklaven  293. 
Geldgeschäfte  649  ff.;  -kiste35. 

129  f.;  -wechseln  649  ff. 
Gemäldesammlungen  54. 
Gemeindeärzte  480  f. 
gemmarii,  gemmarum  scülp- 

tores,    cavatores,    politores 

265.  597,5. 
gemmata  vasa  393,  7.  408. 
Gemmen  260. 
Gemsen  176. 
Gemüse  165  f.;  -händler  195; 

-zucht  571. 
Geometrie  im  Unterricht  328. 

616. 
Gerber  257.  591. 
gerres  182. 
Gerste  162. 
Gerstenbrot  163. 
geruli  612  f. 
Gesang  bei  Tisch  411. 
gestationis  86. 
gestreifte  Stoffe  253. 
Gestüte  584. 
Getränke  196  ff. 
Getreide  161  f.;  -handel  626  f. 
Gewerbebetrieb  601  ff. ;  -Steuer 

612  f. 
Gewölbe  93. 
gewürfelte  Stoffe  253. 
Gewürze  168  f. 
Gienmuscheln  189. 
Ginster  (zum  Färben)  93. 
Gips,   für  Wandverzierungen, 

93. 
git  169. 
glabri  396. 
gladiarii  597, 12. 
Gladiatorenärzte  481. 
glandia  174. 
Glasarbeiter  594:  -fenster  103; 

-gefäße  409. 
glires,  gliraria  176.  588. 
gnaphalium  115. 
gnomones  377. 
gobii  182. 
Goldarbeiter  590.    597.   608; 

-geschirr393;  -plättchen  für 

Kleider  254;   -ringe  258  f.; 

schmuck  260  ff  ;  -staub  Mi- 
die Haare  277 ; -Wirkerei  253. 
Goldbrasse  181. 
qossypium  247. 
grabatarii  119,2.  596,10. 
grabati,  grabatuli  119. 


Gräber  502  ff.;    -straßen  505. 
Grabmäler  505  f. 
grammatici  823  f.  616. 
granaria  73.  571. 
Granatäpfel  171;  -blute  (zum 

Färben)  252. 
graphia  468. 
Graupe  163  f. 
»reges  villatici  585. 
Griffel  469. 
Grobscbmiede  594. 
Großgrundbesitzer  539  ff. 
(Irolibändler  626  f.  632. 
i/rues  179.       ' 
Grundangel  530. 
Gründlinge  182. 
Gurken  167. 
Gürtel  351. 
mustatio  397  f. 
gustatoria  394. 
gustus  387  f. 
wuti  154. 

Gutsbetrieb  545  ff. 
futturnia  146. 
Gymnastik  328  f.  342. 
gynaecea  241, 11. 
gypsarii  93,4.  596,4. 

Haare,  falsche  276. 
Haarfärbemittel276;  -schmuck 

262  f. ;  -tracht  267  ff. 
habende  (der  Sandalen)  223. 
haedina  173. 
Hafer  162. 

Hahnenkämpfe  309, 13. 
Hakenpflug  558. 
hnllee  s.  allec. 
Halsgeschmeide    263 ;    -ringe 

der  Sklaven  292;  -tücher  22 1 . 
kälteres  329,14. 
Hammelfleisch  170. 
mmhm  530. 
Handel  618  ff. 
Handtücher    390 ;    -waschung 

397 
Handwerk  589  ff. 
Handwerkerkollegien  608  ff. 
Hanfgewebe  247;  -netze  587. 
Hanteln  329. 
harpasta  439. 
harundo.  zum  Angelstock  530 ; 

zu  Leimruten  527. 
Haselhühner  179;-  mause  176; 

-nüsse  172. 
Hasen  176;  -haare  116.  246; 

-jagd  519.  524. 
hasta  caelibaris  352. 
hastarii  597, 12. 
hastilia  des  Jägers  524. 
Haus  s.Wohnhaus. 
Hausärzte  480;  -hund  28;  -in- 

schriften  15;    -kapelle  52; 

-namen  15 :  -rat  1 12  ff. ;  -tau- 
ben 178;  -türe  16  ff  ; -werk 

601  f. 


Alphabetisches  Sachregister. 

Hausierer  639. 
Hautpflege  436. 
Hebammen  300.    4 T* » 
Hechte  182. 
Heidelbeeren     (zum    Färben  l 

252. 
Heilkunde  475;  -mittel  481  l 
Heimwerk  606. 
Seirat  343  ff. 
Heizung  81.  104  ff.;  in  Bädern 

428  ff. 

InlineinnillHS   81, 1. 

helopes  s.  elopes. 
hemicyclium  (Sonnenuhr)  377. 
hemina  403. 
Herd   im    Atrium  29.  34;    in 

der  Küche  47. 
heredia  84,3.  539,1. 
Heu  für  Kissen  115;    -böden 

75;  -ernte  570. 
Heuschreckenkrebse  190. 
Iiihernacula  45. 
In  I  hie   175. 
Himbeeren  172. 
hinni  585. 
Hinterhaus  41. 
Hintertür  41. 
hippodromiis  86. 
hirneae  154. 
Hirschfleisch  176. 
Hirse  162;  -brot  163. 
Hirten  582  f.:  -stab  583. 
Hochschulen  339  f. 
Hochzeit346ff.;-bräuche349ff.; 

-mahl  357 ;  -tag  350;  -tracht 

350  ff. 
holer a  165. 

holerarii,  ho/eratnres  195. 
holitores  195.  571. 
holoserica  245. 
Holzarbeiter  596;  -hauer  596; 

-schuhe  228. 
Honig  191 ;  als  Kindernahrung 

308;  zum  Leichentransport 

484,7;  -händler  196: -wein 

202. 
hordaeeus  panis  163,22. 
hon/eum  162. 
horiae  533. 
horologia  375. 
horrea  73.  571. 
horti  41.  84. 
hortulani  89. 
Hosen  220. 
hospitia  455. 

Hühnerställe  72;  -zucht  177. 
Hülsenfrüchte  164  f. 
Hunde  zur  Jagd  516;  als  Wäch- 
ter 28.  587;  -zucht  587. 
Hüte  228. 
Hütten  als  älteste  Wohnstätten 

7;  -urnen  8. 
hijacinthina  248. 
hydrogariim  187. 
hi/pob/ii/tc  250. 


hgpo 

428. 

a  61. 

Hy8ginpur|nn 

imulil    \\\  lllTll.-t/e     5S1. 
iil  II  i 'tu. 

iitnitrij-  89,  1. 

iantaeulum 

I Uli  tili IUI     fl 

icmua  12,2.  16  ff. 
iutrii/i/itiie  434.  474. 

iiitrumeu    177,6. 

iriifu, -,,/,!,,,  „,„ 

u/ui  ,t  aqua  aooim  /-.■  360. 

imagint»  '■'•'>.  129;  bd  im 
Stellung  der  Leichen 
bei   der  Bestattung  493  f.; 
e/i/ieii/iie  37. 

iiii/ii/iit  221. 
impiliurii  *_'•"»•',. 
iiii/i/iuiii»)   31  j    Alillu! 
inauratores  597.  -. 
iimiires  263. 
i II r II in  555. 
incitegae  153.  404. 
incunabula  303, 11. 
iiidiees  (der  Buchrollen  l  tilT 

iiuluiiinilii,    i mint Hs    :' 
imlnsiii    231. 

iiuliisiurii  256,19.  59."..  IS 

iiifietures   856.   591. 

iuferiue  510. 

infn/ae  (für  die  Haare)  81 

infiindibii/ii    l"'-. 

Ingwer  169. 

Inkrustation  der  Wände  '•_' 

inlii-es  526. 

im/iii/iiii  545. 
iiirii/ii/i"  ■">■"'  I 
inst'ita  114;  an  der  Stola 
institores  639. 
iiistriirtures  jiurietutn  66 

19. 

iiistrHiiuiitiiiii  rusticn u,  ...M  t 

iiisu/ne  58.  442. 

insn/arii  58. 

intempesta  374. 

interii/ne  229. 

intiibn  166. 

inulne    168, 

inrestis  336. 

imitntores  3*7.  1-V 

irpiees  564. 

isieia  175. 

iferare  (beim  Ackerbau)  588. 

im/landis    178. 

iiunenta  592. 

inmentarii  466.  <H  1 

Jagd  512  ff. ;  -hundo  588  i  -mea- 
ser   524  f.;    -netze    516  ff.: 
-recht  525  f. :  -waffen  584  t 
-zeit  525. 

Jahrmärkte  681. 


668 


Alphabetisches  Sachregister. 


Jäten  564. 
Johannesbrot  171. 
Jongleure  615. 
Juden  als  Kaufleute  634. 

Kaiserschwämme  168. 

Kalbfleisch  173. 

Kaidaunen  172,7. 

kalendarium  656. 

Kalköfen  66. 

Kamelwolle  246. 

Kamine  105. 

Kämme  271 ;  als  Schmuck  263. 

Kammuscheln  189. 

Kanalheizung  109. 

Kandelaber  139  ff. 

Kapaune  177. 

Kapern  168. 

Kapuzen  218. 

Kardamom  169. 

Karste  565. 

Käse  190  f. 

Kassettendecken  94. 

Kastanien   172. 

Kästchen  130. 

Kastration  der  Eber  587 ;  der 

Pferde  585 ;  der  Rinder  584; 

der    Schafböcke    586:    der 

Ziegenböcke  586. 
Kaufläden    59  f.   640;    -leute 

620  ff. 
Kaviar  186,8. 
Keller  61. 
Kelter  72;  für  Oel  573  ff.;  für 

Wein  579. 
Kermeswurm  251. 
Kerzen  133:  bei  der  Leiche  485; 

bei  der  Bestattung  492, 3. 
Kichererbsen  165. 
Kienspäne    zur    Beleuchtung 

133. 
Kinderspiele  308  f. 
Kindheit  303  ff. 
Kirschen  171. 
Kissen  s.  Polster. 
Klagefrauen  492. 
Klappern  308. 
Kleiderstoffe  237. 
Kleidung,    männliche   205  ff. ; 

weibliche  229  ff. 
Klienten  380. 
Klingeln  20. 
Knabenliebe     372;     -schulen 

314  ff.;  -tracht  221. 
Knoblauch  167. 
Knöchelspiel  412  f. 
Köche  192.  594. 
Kochtöpfe  154  f. 
Köder  für  Fische  530. 
Kohl  166. 

Kohlenbecken  105.  429. 
Konchylienfarben  249. 
Königsspiel  309. 
Kopfbedeckungen  der  Männer 

228;  der  Frauen  236. 


Kopfkissen  115. 

Korallen  262. 

Korbflechten  595. 

Kork  bei  der  Angel  530;  an 
Netzen  532;  beim  Schwim- 
men 529,9. 

Kornböden  73. 

Kornelkirschen  171. 

Körperpflege  435  ff. 

Krabben  190. 

Krammetsvögel  178. 

Kraniche  179. 

Kränze,  bei  der  Hochzeit  353; 
bei  der  comissatio  400 ;  bei 
der  Leiche  485. 

Kranzflechter  594. 

Krapp  251. 

Krebse  189. 

Kreide,  zur  Schminke  437. 

Kreisel  309. 

Kresse  166. 

Kreuzigung  295  f. 

Krokus  89. 

Krummholz  (am  Pflug)  559. 

Küche  46;  in  der  Villa  rustica 
70. 

Kuchenbäcker  193. 

Küchengeräte  154 ff.:  -kräuter 
168  f. 

Kühlgefäße  402,4. 

Kümmel  169. 

Künstler  616  f. 

Kunstreiter  616. 

Kupfermünze,  der  Leiche  mit- 
gegeben 486 :  -schmiede  160. 
592.  606. 

Kürbisse  167. 

Küsse,  dem  Sterbenden  gege- 
ben 483;  der  Leiche  501. 

labra  147;  in  den  Bädern  425; 

in  der  Kelter  578. 
lacernae  215;  der  Frauen  236. 
lacerti  (Fisch)  182. 
Lachsforellen  184, 15. 
laconicum  425. 
lactarii  193. 
lactuca  166. 
lacunaria  94. 
lacunarä  94.  596, 9. 
laciis,  in  der  Villa  70;   rina- 

rius  578.  580. 
Läden  s.  Verkaufsläden. 
Ladenschilder  61;  -tische  59; 

-Verschluß  59. 
laenae  217. 
lagoenae  404. 
lagopodes  179. 
lalislones  176, 19. 
Lambertsnüsse  172. 
l((i)iinae,lamnae,Vo\\.rmevQ\\l; 

von  Metall  118;  Strafmittel 

293,12. 
Lammfleisch  173. 
lampadaru  1 19, 6. 


/ampades  133. 

Lampen  135;   bei  der  Leiche 

485 ;  an  Gräbern  510;  -dochte 

138;  -träger  139. 
Lampreten  183. 
lanarii,  lanariae  255. 594.595, 

7 ;  lanarius  coactor  256  f. 
Jances  391;  filicatae  393,5. 
Landwirtschaft  533  ff. 
laniaria,  laniena  194. 
lanificae  255. 
laniiy  laniones  194.  593. 
lanilutores  255.  595, 8. 
lanipendins,   lanipendia  255. 
lanternae  142. 
lanternarü  143, 7.  419, 6.  597, 

10. 
lapathus  166. 
lapicidae  65. 19.  596, 16. 
lapicidinae  65. 
lapicidinarii  596, 15. 
lapidarii  66.  67,  3.  596 ;  qua- 

dratarii  66.  596, 18. 
lapldicinae,   lapidlcinaril  66. 
lapis  66;  specularis  103.  446. 
laquearia  94. 
laquearii  94,  4.  596,  9. 
laquei,  bei  der  Jagd  520;  beim 

Vogelfang  528. 
lararium  51;  im  Atrium  35; 

in  einer  Ala  58,3;  im  Peri- 

styl  43;    in  der  Küche  48. 
lardarii  195, 1. 
lardum,  larida  caro  174. 
lasani  49.  148. 
laser,  laserpitium  169. 
Lastträger  613;    -wagen  458. 
laterariae,  laterarü  65.  596, 1. 
lateres  65. 
Laternen  142. 
Latifundien  539. 
latrinae.  49. 

latrones,  latrunculi  415. 
Lattich  166. 
Lauben  86. 
Lauch  166. 

laudationes  funebres  498. 
Lauf  328 ;  -apparate  für  Kinder 

308,  2. 
Läufer  466. 
laureta  88, 18. 
lautumiae  66. 
lavatio,  Waschgeschirr  145. 5 : 

Bad  420. 
lavatores  256. 
lavatrina  49, 2.  52. 
Lazarusklappen  189. 
Lebensbaum  s.  citrus. 
lebetes  146.  175. 
lectarii  159.  596,10. 
lecti  1 1 2  f.  387  f. :  Material  117: 

Punicani  118:  s.  lectus. 
lecticae  445. 
lecticarii  447. 
lectores  410. 


Alphabetisches  Sachregister. 


lectuli  112. 

lectus   adversm,   genialis   30. 

113,2.  361 ;  eubicüiaris  118; 

funebris  485;  lucubratorius 

113;  summus,  med  ins,  imus 

388;tricliniarius  1  lZ;s.lecti. 
Lederarbeiter  595;  -kleider222. 
leguli  (beim  Oelbau)  573. 
Icgumina  164. 
wüuminarii  195. 
Lehrer  314  ff.  616. 
Lehrstühle  339. 
Leibärzte,  kaiserliche,  480. 
Leichengesänge    493 ;    -klage 

486;  -kleider  495,7:  -mahl 

509;  -rede  498;  -spiele  49<s. 

509;  -träger  489  f.  495 ;  -wacht 

487;  -wasche  484. 
Leimruten  526  f. 
Leinwand  240  ff.;   für  Kissen 

115;  für  Decken  117. 
Leinweber  255. 
lembi  533. 
Lendenschurz  205. 
lenones  369.  615. 
I ent es.  lenticulae  165. 
lenuneularii  614. 
lepestae  407. 
lepidium  166. 
le porarid  175. 
lepores  190. 

leporinae  vestes  246, 13. 
Leseunterricht  319  f. 
lessum,  lessus  493, 1. 
Leuchter  139. 
libarii  193.  595,6. 
libellus  familiae,    Über  patri- 

monü  655. 
liberti  298. 
libitinarii  489.  613. 
fibrarii,     Buchhändler     643; 

Schreiber  472 ;  Schreiblehrer 

320.616. 
licium  205. 
Ugnarii  66.  596,  7. 
ligones  565. 
ligviae,  am  Schuh  225;  Löffel 

'395. 
Lilien  88. 
lilieta  88,3. 
limbi,  an  Netzen  517. 
limbolarü  256, 19. 
Urnen   17. 

linarii  255.  595, 7. 
Ztma,   Angelschnur  530;    am 

Blendzeug   523;    Halskette 

264;  Netz  537. 
Linnen  s.  Leinwand. 
linteones,   lintearii   255.   594. 

595,  7. 
lintrarii  614. 
linum,  Angelschnur  530, 10;  bei 

Briefen470,2;Netz517.531. 
linyphia  241, 11. 
Lippfische  184. 


liquatntn  187. 
liquaminarii  195. 
lim,  Urare  563. 
lithostrota 

litlerae.  litteratura  (Alphabet) 

315. 
litteraii  815,8. 

litteraii, res  315.  616. 

föecM  640. 

/ncdh'n  operarum  606. 

Locken  272. 

Lockfeuer  108;  -speise  530; 
-vügel  526. 

h„  «// 130. 321; für  Asche5l)2,8. 

locus  eottsuktria,  libertini  388. 

locustae  190. 

Zocfett  239,3. 

Löffel  395. 

Lohnarbeiter  613  f.;  auf  dem 
Lande  550  f.  602  f.;  im  Hand- 
werk 605  ff. 

lolligines  188. 

lomentum  436,  8. 

lopades  s.  lepades. 

I ord  (Tresterwein)  580. 

lora,  an  der  Buchrolle  646, 13; 
um  lectus  114;  zur  Züchtig  n  im 
293  5. 

forarii  293.  595, 15. 

Lorbeer  88. 

loriearii  597,  12. 

lotores  256. 

Lucanicae  175. 

lucemae  135. 

Jutfe  fnnebres  498.  509. 

ftuft  magistri  314. 

Indus  latnmculorum  415;  ///- 

terariua  314. 
Luftheizung  106  ff.;  -ziegel  10. 
lugubria  497. 
luminaria  102,6. 
lumin ibits  aeeensis  374. 
I nitida  (am  calceus)  224. 
Iitpanaria  369. 
/«7>/  (Fisch)  182. 
lupinarii  196,1. 
Lupinen  165. 
/»/»/«  (zum  Färben)  252. 
Ii/elinuclii  140. 
h/ristae  411. 

Maallaufen  309. 
macella  194. 
mace/larii  194. 
machiones  66, 14.  596.  li». 
maculae  (an  Netzen)  517. 
Mädchenerziehung  341  f. 
maenae  182. 
maeniana  38.  57. 
mafortia  233,4.  233.9. 
magisterbibend i 401 ;  CffMN 

iifterarius  315;   offiri<>rnm. 

u  purum  283;  pecoris  582. 
maijnurii  632.  639. 
Mähen  568. 


Malil/.fiitM  88 1    885  n. 
Ifikmuchine  N 

Majoian    Li 
Makrelen    1-1 
Maler  817, 

innlleiili    (am    //.« 

miil/iuiii    i 

maluin  Arminia,  um,  eil,, 
('i/du,iiui,).   i/nnm/uiii.    I', ,  - 
sie, im.     I'iiih, um     IT"  I 

Malven  166. 
mamillaria  230. 

-'78. 
Mandeln  172. 
uiiindru    116. 

Mangold  167. 
mangones  279. 
manicae  207;   Fesseln  _''• 
manipuli  (bei  der  Fi  | 

570. 

manleliu  390. 
inauumissiu   L'itT. 

tfamw-Ebe  347. 
mappae  390. 
margaritne  261. 
murijarilurii  265. 
man/ines  (der  Straße) 
Marienglas  103. 
Marinieren  184  f. 
Markthallen  s.maeef/a;  -p] 

s.  /brn. 
marmorarii  66.  596  f. 
marine  566. 
marsupin  4">7. 
Mästen  des  Qeflflgeh  177. 
nui/el/tte.   niatulue    117. 
materiariarii  66, 18. 
Matratzen  s.  Polster. 
Mattenflechten 
Maulbeeren  172. 
Maulesel,  -tiere  88. 
Maurer  596. 
Mäusedorn  166. 
maenrtia   s.  mafortiu. 
media   nii.r  374. 
medieae  All. 
mediei  175  ff.:  aurieu/um 
darii   17*;    /•»/< 

479. 

mediei  na   479. 

Meeraale   181:    -amseln    I 
-äschen  182;  -drosseln  184: 
-eichein  190;  -raben  181. 

Mehl  163. 

melancaryplii   1  , 

melandrya  185. 

melantbiiim    169. 

Melde  168. 

Meleagrides   17'.». 

me/itites  203. 
ine/itotrnpb 
mellaria  588. 
mellarii    196. 
Melonen  167. 


670 


Alphabetisches  Sachregister. 


melopepones  168. 
membrana  467. 
membranarü  595, 16.  606. 
menae  s.  maenae. 
mensa  argentaria  652;  ponde- 

raria  642;  publica  652. 
mensae  124  ff.;  auf  Gräbern  505; 

citreae  124;  Delphicae  127; 

secundae  400. 
mensarii  652, 5. 
menta  168. 

mercatores  623  f.  638. 
mercatus  621.  626.  628. 
mercennarii  550.  552. 
merces  (Schulgeld)  315. 
merenda  384. 
meretrices  367  ff. 
mergae  659. 
meridiatio  383. 
meridies  373. 
merulae  (Fische)  182;  (Vögel) 

178. 
mespilae  171. 

Messer  394;  -schmiede  597. 
messores  563. 
metac  (Heuschober)  570. 
Metallarbeiter  597. 
metaxa  246. 
metaxablatta  249,8. 
metaxarii  246,  3. 
micare  (digitis)  418. 
Miesmuscheln  189. 
Mietshäuser  58. 
Milch  196. 
miliar iae  178. 

miliarium  402 ;  in  Bädern  428. 
Militärärzte  481. 
milites  (im  Brettspiel)  416. 
milium  162. 
ministerium  392,  5. 
ministri,  ministratores  396. 
Minze  168. 
Mischkrüge  402. 
Mischung  des  Weins  401. 
Mispeln  171. 
missus  398. 
mitrae  236. 

Mittagsmahl  381 ;  -ruhe  382. 
»*#»«  189. 
modioli  407. 
Mohn  168. 
Möhren  167. 
moloehina  247. 
molochinarii  595, 19. 
monilia  263. 
monitores  310. 
monopodia  135. 
Monopole  638. 
mora  (Maulbeeren)  172. 
mora  (am  Jagdspieß)  524. 
more  Graeco  bibere  401. 
moriones  412,6. 
Morra  418. 
Mörser  158. 
moriaria  158. 


Mosaik  97  ff. 

Most  202.  578. 

mugiles  182. 

wmK  585. 

muliones  465.  613. 

mullei  224. 

muH*  182. 

»mtem  202.  382.  398. 

multicia  253. 

niulticiarii  256.  595, 9. 

mundus  panis  163. 

Muränen  183. 

murenae  (Schmuck)  263. 14. 

muria  187. 

muriarii  195. 

murices  189.  249. 

muriola  202. 

murratum,  murrinum  203. 

murrina  vasa  409. 

murtum  203. 

w?^s,   musculus  marinus  183. 

musaea  87. 

muscaria  266. 7. 

muscarii  98, 6. 

Muscheln  189. 

museum  98. 

musicarii  97,  6.  98.  594. 

musici  616. 

Musik,  bei  Tisch  411;  bei  der 
Totenklage  486;  bei  der  Be- 
stattung 491. 

Musikunterricht  327  f.  342. 

musivum  98. 

mustelae  (Fisch)  183. 

Muttermilch  307. 

Myrte  88. 

myrteta  88,19. 

Nachtisch  400. 

Nachtstuhl  49,4;  -topf  147; 
-Wächter  450. 

Nadeln,  bei  den  Lampen  136; 
als  Haarschmuck  262. 

naenia  493. 

Nagelfeile  269, 1 ;  -pflege  438. 

Nagler  597. 

Nahrung  160  ff.:  der  Kinder 
307  f. 

Namengebung  304. 

nani  412,  7. 

Napfschnecken  190. 

napi  167. 

nardinum  203, 12. 

narthecia  436. 

nassae  532. 

nassiternae  146. 

naupegi  596, 14. 

nautae  614. 

navicularii  614.  631. 

negotiatores,  negotiantes  626. 
628.  638;  argentarii  vascu- 
lariiAOS;  artis  cretariae  638; 
ar&'s  lapidariae  66, 6 :  ar^s 
vestiariae  255 , 1 9;  calcariarii 
66, 16;  coriarii  257, 15;  /*«- 


fca;v7  196, 1;  iuvencarii  193, 

17;  lanarii2hh;  lintearii  255; 

lignarii    66 ;    margaritarii 

265, 16;  materiarii  66;  oZe- 

am  196, 6;  paenularn  257, 6; 

pecuarü,  boarii  193;  porci- 

narii  193;  pidlarü  1 95 , 2;  .w- 

<?anY  257,7;  marii  193;  tenui- 

arii2b6;  vestiariiZhl,  3. 638; 

vinarii  628,  6. 
nenia  s.  naenia. 
nervi  (Fesseln)  293. 
nessotrophion  177. 
Netze  für  den  Fischfang  531  f.; 

für  die  Jae;d  516  ff.;  für  den 

Vogelfang  528. 
nitrum  436, 6. 
norft  (an  Netzen)  517. 
nodus  Herculeus  351. 
nomenclatores,  bei  Tisch  389. 

397;  auf  der  Straße  445. 
Mo/ae    der   Amphoren   152,7; 

Brandmale  294. 
notarii  320.  616. 
novaculae  267  f. 
novale  567, 8. 
novemdial  509. 
nubilaria  74.  570. 
nuces  Avellanae,  calvae,  Grae- 

cae,  molluscae,  Praenestinae, 

Thasiae  172. 
nucifrangibulae  395. 
nuclei  pinei  173. 
nummularii  652  f. 
nundinae  621. 
Nußknacker  395 ;  -schalen  zum 

Färben  252:  zum  Haarfärben 

276,  2. 
Nüsse  172;  als  Spielzeug  309; 

bei  der  Hochzeit  359. 
nutrices  307  f. 

Obaerarii  552. 

Oberstock  55  f.  80. 

obices  23. 

obserare  23. 

Obsidian,  als  Spiegel,  144. 

obsonatores  193. 

Obst  169  ff.;  -handel  196 ;  -kam- 

mern  73;  -weine  203;  -zucht 

572. 
obstetrices  300. 
obstragula  223. 
occa,  occare  563. 
Octroi  637. 
oecws  53. 
oenogarum  187. 
oenophorl  404. 
oesypum  436. 
offectores  256.  591. 
officia  privata  381. 
offringer  e  (beim  Ackerbau)  562. 
o/f«Z«e  174. 
Ohrenärzte  478. 
Ohrlöffel  438,11;  -ringe  263. 


Alphabetisches  Sachregister. 


671 


Ol,  für  Lampen  187;  zu  Speisen 
191;zumSalben433;-handel 
196:  -kelter  573  ff.:  -kultur 
572  f. 

tilearii   196. 

plera  165;  odorata  168. 

oleta,  oliveta  572. 

Oliven  168. 

ollae  154;  für  die  Asche  503. 

plus  166. 

(DHdsitm  173,  7. 

onagri  176. 

Onyx  118.  154.  408. 

operarii  539.  550.  553, 1.  605. 

Opfer,  bei  der  Hochzeit  347. 
354.  357;  am  Grabe  509. 

opisthographa  645. 

oporotheca  73. 

opus  albarium  93;  Alexandri- 
iiuih  96,S;doliare  149,7;  in- 
certum  10;  intestinum  67,2: 
iinis/cum98:  retictUatum  10; 
srctiir  96;  Signimtm  96;  tes- 
settatum  97;  topiarium  89; 
Vermietdatum  98. 

orarin  221. 
^W/c.s.beiderWandinkrustation 

92;  Tischplatten  125;  Spiegel 

437. 
oreo«  153. 
oriii<i)iH))i    168. 
ornator  380.  5. 
orniUrices  262,13.  380. 
ofu/'thoiii'.s  72. 
ornÜhotrophion  72,6. 
Orseille  251. 
Ortolane  178. 
08  resectum  502. 
OSSilegium  501,12. 
ostiaria,  ostiarius  29.  65. 
ostium  12. 
ostreae  188. 

ows  hirtae,  pellitae  585. 
»t*«a  72.  585. 
Mriha  173,11. 
oxygarum  187. 
oxytyria  250. 

Pächter  542  f. 

jMCfcl  nuptialia  346. 

paedagogi  311. 

paentüa  215  f.;  der  Frauen  236 ; 
der  Buchrolle  646. 

paenularii  257.  595, 12. 

paganica  439. 

paginae,  des  Papyrus  645 ;  der 
Tür  18. 

pofa,  am  Ring  260;  zum  Be- 
hacken des  Ackers  564 ;  zum 
Worfeln  571. 

palaestra  55.  330. 

palearia  75.  571. 

yw/Z/a  234.  353. 

pallidum  214;  der  Frauen  235. 

palmae  171. 


Palmenhain  168,5. 

paJumbi  178. 

paftu,  bei  der  Kreuzigung  296; 

an  den  Reben  579,5. 
panehreatarii  1'.»;;,  II.  591! 
panicum  162. 
pam'.s-  162  f. 
Papageifische  184. 
pnpaver  168. 
Papyius  470.  645 ;  -fabrikation 

595. 
gar  impur  412. 
Paradebett  485. 
pnruijnudae  209. 
jinriipsii/rs  391. 

parentalia  509. 

parietes  communes  11:  latericH 

10. 
parmufarü  597, 12. 
paropsides  s.  partlp9ida$, 
pascua  582. 
passeres  183. 
passum  202. 
pastillarii  595, 6. 
l>iisiiiiiii-n  167. 
2)astio  581 :  agrtstie,  peeuaria, 

rustica  581 ;  eillutiea  587  f. 
pastores  582, 
patagia  254. 
patagiarii  595, 12. 
patenac  (Krippen)  584. 
patibulum  295. 
patinae,  patellae  156.  391. 
jKtfrta  potesiHs  278.  301. 
patrimi  et  matrimi  358. 
pavimentarii  (.)5,6.  594. 
pavimentum  45 ;  sectile  97 ;  gpt- 

catum  96;  subdiale  9(>:  *///>- 

tegulaneum  96, 7;  tessellntum 

97 ;  testaceum  96. 
j)avones  179. 
pectinarü  255, 15.  595, 8.  596, 

12. 
pectinatores  255. 
pectines,  bei  der  Ernte  569;  bei 

der  Heuernte  570;  s.Kämme 
pectines,  pectuncu/i  (Muscheln) 

189. 
peeuaria  581. 
pecuarii  193, 16. 
peeus  581. 

/»(7A/w<v//«(beimWeinbau)577. 
pedicae,  für  die  Jagd  522 ;  für 

den  Vogelfang  528. 
pedisequi  310.  445. 
peduUa  321,8. 
pedum  525.  538. 
pelagium  249. 
pelamydes  185. 
pellartt,  peUiones  257.  595, 16. 
peUuvia  146. 
prlorides  189. 
pelves  146. 
Pelzkleider  222. 
pendentes  263, 6. 


pepom,    I  »VT 

•JtJMl  ,.  I '' 

pereat  184, 15. 

MraYMI    17- 

Pexgameot  467.  647;    bu 

807. 
perauku  60;  in  Qlrtei  86;  Uta 

Schulen  816;  beim  Weinbau 

577.11. 

j/erixtrreu, ,,.-<.  m  ,,/,,„ 

72. 

tnmmtii    1  IC. 
perlst  yliitm  11  »f.;  in  der  17//./ 

iir/iiiini  78. 
Perlen  261. 
Perlhühner  179. 
permutaUe  \  4,1 

pennt    174. 

per  nur  ii  195, 1. 

/uraltes  226. 

perpem/ieti/iitnr.s  586,  |;i. 

pertieae  (beim  Dreechen)67 1  i 

Perücken  276. 

p«taa«  228. 

petasones  171. 

petiiiiristn,    615, 

petnrritu   462. 

Pfauen  179. 

Pferde,  für  die.hi  tälli- 

71;-zucht584f. 
Pfirsiche  171. 
Pflasterung  der  Straßen 
Pflaumen  17n. 
Pflug,  pflogen  557  lt. 
Pfropfen  der  Obstbäume   'i7_' 
pkäeeasia  227. 

plnirniiiei>j,i,l,i, 
pliusiiini    17'.t. 

phasioU  165. 

jiltliilue   405. 

Philosophie  338. 

/ihnen  ieopferi  180. 
phrygiones  L'">:i.  595, 10. 
I>ii-tur  lni<t<ii>Ki  r  in*. i><t  riet  <i  ritt* 

91,3.    591:    i/iuii/rii/u/n, 

596, 14. 
piqment<tri< 
pQat  439  f. 
ptfarfl  439,9.  615. 

pilen/il  464. 

pilierept  440,9. 

pOm«,  /)»/««  228;  der  Skla- 
ven 2S0 :  der  Freigelassenen 
298. 

Pilze  168. 

ihecae  55. 

p  in  et ti  88, 16. 
Pinien  88:  -kerne  H 
pinna,  Gewebe  ans  p.,  246. 
piper  169. 
piperntum   208. 

ptVe  170. 

165. 


672 


Alphabetisches  Sachregister. 


piscatio,  piscatus  529. 
piscatores,  piscicapi  195.  529. 

593. 
piscina  42;  in  der  Villa  70; 

Fischteich  180;   in  Bädern 

123;  p.  calida  124. 
Pistazien  172. 
pistilla  158. 
pistores  162.  593. 
pistrina  292. 
pittacia  152,7. 
pityone.^  88, 16. 
placentarii  193.  595,6. 
plaqae,  an  Betten  116;  an  der 

Tunika  206 ;  Fischnetze  531, 

6;  Jagdnetze  518  f. 
plagulae,  an  Betten  116;  beim 

Papyrus  645. 
planctus  497. 
planipeden  412,5. 
plantaria  572. 
Platanen  88. 
platanones  88. 15. 
plateae  442. 
Plattenmosaik  92  f.  97. 
plaustra  458. 
plmistrarii  458,8.  613. 
plebeius  panis  163. 
plostellum  Punicum  571. 
plumae  (Kissen)  116. 
plumarii  254.  595, 10.  607. 
plumbarü  597, 15. 
plutearii  596,  9. 
plutei  113. 
pocuia  405. 
poenicens  251. 
polenta  162. 
polire  (in  der  Landwirtschaft) 

551  f. 
politores,  beim  Hausbau  90;  in 

der  Landwirtschaft  551. 
pollinctores  484.  613. 
pollis,  pollen  163. 
Polster  1 14  f.  248 :  -füllung  115. 
polybrum  146. 
polymita  253. 
polymitarii  256.  595,  9. 
pölypi  188. 
polyptycha  468. 
juowa  170. 
Pomaden  275. 

pomaria,  pomarii  170,1.  196. 
pompa  funebris  491. 
ponderaria  642. 
popinae  451. 
popinarii  451,1.  615. 
porca  praecidanea  488. 
porcae  (am  Pflug)  583. 
porcarii  587. 
porcelli  175. 
porcina  173. 

porculatio,  porculatores  587. 
Porre  166  f. 
porticus  41,9. 
portitores  636. 


portoria  635. 

Possenreißer  412. 

postes  16. 

postica  41. 

posticum  42. 

j»o£ms  161. 

praecones  614. 

praecox  171. 

praeficae  492.  613. 

praefarnium  108. 

praegustatores  396. 

praelegere  326. 

praesepia  584. 

praestigiatores  615. 

praetorium  77. 

prandium  381. 

prelum,  für  Ol  574;  für  Wein 

579. 
prima  face  374. 
primordia  303. 
procoeton  44. 
procuratores     71.     282:     der 

Frauen  368;  insularum  58. 
promptuarium  50. 
promulsidare  394. 
promulsio  398. 
propinare  405. 
propnigeum  108, 1. 
propolae  639. 
proscindere  (beim  Ackerbau) 

562. 
prostibula  368. 
protropum  201,16.  578. 
primae  170. 
Prunkreden  335. 
psilotJira  438. 
pubertas  335. 
publicani  636. 
pueri  cauponarii  454. 
pugillarea  468. 
pugillarii  596, 10. 
^w«;  177,13. 
^>m&  162. 
pulticida  162. 
pidvinus  (Beet)  85:  des  /cc^m.s- 

115. 
pumicare  645. 
pumiliones  412,  7. 
puniceus  251. 
Puppen  308. 
pupus,  pupa  304. 
Purpur  249;  -decken  127;  -fär- 

bereien   250  f.:    -Schnecken 

189.  249. 
purpurarii  256.  595,11. 
purpurissum  437. 
putatio  576. 
putearii  596. 17. 
pidiculi  487,9.  503. 
_p//e?<"  424. 
£>«/m  499,9. 
j>yrgi  (Würfelbecher)  413. 

quadra  (des  Brotes)  164. 
quadrans  403. 


quadratarii  66,  7. 
quasillariae  255. 10. 
quatemiones  648. 
quincunx  403. 
Quitten  170. 

/Wr;v  267. 
radices  167. 
raeda  s.  r#c7a. 
rapae  167. 
raphani  167. 
Rasiermesser  268. 
raster,  raatrum  565. 
Rauke  166. 
Raute  168. 
Rebhühner  178. 
Rebhuhnfedern  116. 
Rechenbrett  323:  -lehrer  322. 

616. 
Rechnen  322  f. 
recinia  s.  ricinia. 
rector  310. 
;*erfae  460. 

mftmV  460,5.  596,4.  613. 
retftfer*  322,5. 
redemtores  551.  639. 
reqilla  350. 
Rehe  176. 
Reifenspiel  302. 
Reisen  456  ff. 
Reisewagen  459  ff. 
Reiten  329.  457  f. 
Reitlehrer  329.  616. 
repaguia  23  f. 
repastinatio  554. 
repoxitoria  393. 
repotia  361. 
repudium  346.  362. 
reserare  23. 
restiones  593. 
r«tfa  517  ff.  531. 
Rettige  167. 
Reusen  532. 

r«r,  bei  der  comissaÜo,  401. 
rhedae  s.  redae. 
rhedones  184. 15. 
Rhetorenschulen  331  ff.  616. 
rhombi  184. 
rhytia  406. 
r*"ca  234. 
ricinia  233. 

ridicae  (beim  Weinbau)  577,5. 
Riegel  23  f. 
Riesenmuscheln  189. 
rigatio  554. 
rigui,  rigita  554. 
Rinderställe  71;  -zucht  583  f. 
Rindfleisch  173. 
Ringe  258  f. ;  bei  der  Verlobung 

346. 
Ringeltauben  178. 
Ringkampf  329. 
n«  554. 
roboraria  175. 
rofftM  499. 


rosaria  87. 

rosatum  203. 

Rosen  87. 

Rosinen  171. 

Rosmarin  88. 

rostrum  (der  Lampe)  136. 

Rötel,  zum  Schminken,  437. 

Rüben  167. 

rubi  172. 

rnhia  251. 

rudua  95. 

Rührkellen  158. 
rumex  166. 
runcare  564. 
ruscum  166. 
nisticits  panis  163. 
/•«/«  168. 

Sabona  432. 

mbidones  412,6. 

8accarii  613. 

s<tcct.s(icn</t{  zum  Weinsieben) 

403. 
Sachwalter  616. 
Sackträger  613 
sacomarii  597, 10. 
sacraria  51. 
Safran  252. 
.sw/«m  257.  595, 12. 
sagenae  531. 

80ginare,  saginarium  177. 
«agütarii  597, 12. 
sdt/i/m  216  f. 
8alarii  196. 
Salate  165  f. 
Salben  435;  bei  Leichen  484; 

-händler  436. 
salgatnarii  196. 
aalinaiores  196. 
aalinum  392. 
säftre  185. 

8al8omentarii  185.  195. 
%alsura  185. 
8aÜatore8,   saltatrices  412,  1. 

616. 
salutatio  213.  380.  445. 
Salz  192;  -faß  392;  -fische  185; 

-händler  196;  -monopol  638. 
samlniiuxtriae  411. 
samiatores  597, 13. 
«ampsuckum  169. 
Sandalen  222 ;  der  Frauen  236. 
sandaliarii  222, 7. 258. 595, 13. 
sandapilac  490. 
Sandyx  251. 
Sänften  445  ff.  458 :  für  Kinder 

310. 
.sa/)a  202. 
saperdae  186. 
xa/w>  276. 
mrcinator es, sarcinatrices  256. 

594. 
Sardellen,  Sardinen  186.  188, 

10. 
Särge  502. 


Alphabetisches  Sachregister. 

sariones  184. 15, 
Sarkophage  502, 8. 
sarraca.  459. 
sarrire  564. 
aartagitus  157. 
sartons.  eartrieu  856.  594. 
Saturnalien  288. 
scalae  56. 
scalarii  596,9. 
scalprum   UbrOfitm  471,2. 
scalptons  gemmamm  265. 
xcamna  121:  beim  Pflügen  569. 
scandala  163,21. 
scandula  (Getreide)  161,9. 
scandtdae  (Schindeln)  10. 
scandularli  596,8. 
scapharü  614. 
scaphia  148.  406. 
Äcap/,  der  Kandelaber  141 ;  am 
Papyrus  645;  eardinäle»  19. 
gear»  184. 
Schäferhunde  587. 
Schafställe  72;  -wolle  287  ff.; 

-zucht  585  f. 
Scharbaum  559. 
Scharlach  251. 
Schauspieler  615. 
schedae,  am  Papyrus  645. 
Scheidung  361  ff. 
Scheiterhaufen  499  f. 
Scheunen  78. 
Schiffbauer  596.  606. 
Schildkröten  117. 
Schilf  (für  Kissen)  115. 
Schillerstoffe  253. 
Schindeln  10. 
Schinken  174 
Schlächter  193  f. 
Schlafzimmer  37.  43  ff. 
Schlagnetze  528. 
Schleien  184,15. 
Schleifer  597.  606. 
Schleppnetze  531  f. 
Schleudern,  für  die  Jagd  524. 
Schlingen,  für  Wild  520  f. 
Schlösser  25  ff. 
Schlüssel  2:.  (1. 
Schminkbohnen  165. 
Schminken  437  f. 
Schmuck  258  ff. 
Schnecken  190.  588. 
Schneehühner  179. 
Schneider  256.  594.  607. 
Schnepfen  179. 
Schnittlauch  166. 
schoenobatae  615, 14. 
schola  314. 
Schollen  184. 
Schönpflästerchen  436. 
Schöpflöffel  403. 
Schornsteine  105. 
Schränke  128. 
Schreibgerät  427 :  -griffel  469 : 

-lehrer  320. 616;  -tafeln  468; 

-Unterricht  320  f. 


Handbuch  der  klass.  Altertuniswissenschaft.  IV.  2, 2.  :S.  Aufl. 


Schn-im-r   596. 

Schrot  I.  im 

schul,,.  828  ti 

Schulbücher    328;    -feiertage 

316;  -ferien  317; -gehl  816. 

324;    -zimmer 

319. 
Schulen  314  ff. 
Schuppen  74. 
Schuster  858.  591 
Schwamm,  beim  >chml»gerat 

471. 
Schwäne   17^. 
Schwanendaumii   IM; 
Schweinefleisch  17:;  ll;    /ncht 

58«;  1 . 

Schwimmen  889. 
Schwitzbad 
acuta«  167. 
aeimpodia  119. 
seirpus  (für  Dochte)  184. 
>rissores  394. 
scolopacen  179. 
scombri  186. 

->,,/„, rii  65. 
snirtd   367. 

acriblüoHi  198,  11.  59 

scrinia  L81. 
scriptum  (Weidozii, 
aerütarti  639. 
sculponeae  228. 
snirruc    \  \'2j\.   Ulli. 
scutarii  597, 12. 

■1,  der  Lehrer,  819 
#culu/aianFu&böden97;SchU8- 

seln  391. 
scutulatae  pwfes  240.  253. 
sajphi  406. 
sebacea,  sehne iaria   1 

atcaU  161. 

8CC489U8  ^9- 

Sech  (am  Pfluge)  55 
tectorti  tcrrxn  ■    18. 

siii/)n/fiiii's  pantt  163. 

s,;(ili„    121. 

Seebarben  182;  -gras  (für  hi~ 
sen)  115;  -handel  620  ff.  629 ; 
-igel  190;  -krebse  189;  -nes- 
seln 190. 

xeijmenta  2 

ntarU  856.  586, 10. 

Seide  115.  2 

Seidenhandel  62!»  f 

Seife  436. 

Seiler  593. 

Seiltänzer  MV 

M0O,  Abtritt  49;  Sessel  18 
castrensis  122.' 
peratoria  122  f.:  gutatorim, 
ftrtoria.  perfo 

selliirii 

Sellerie  168. 

mBnJm  (Sänften)   145. 

aeminaria  572. 

sein  in  in 

43 


674 


Alphabetisches  Sachregister. 


eemita,  Haarscheitel  274,  7; 
Weg  442. 

Senf  169. 

Sensen  569. 

sepiae  188. 

seplasiarii  436,4.  481. 

septunx  403. 

serae  22  f. 

seriae  150. 

serica  245  f. 

sericarii  245, 5. 246, 4. 595, 19. 

serpyllum  169. 

serraca  s.  sarraca. 

servi  medici  All.  480;  orc£i- 
narii,  vicarii  285 ;  publici, 
privati  282. 

««•#/  a  bibliotheca  65 ;  a  cafe'- 
cwfe  396, 7 ;  a  codicillis  472 ; 
ö  crystallinis  408, 16 ;  a  a<ra 
amicorum  65.  7;  a  cyatho 
396.  403,4;  a  /j&mKs  265; 
a  frumento  193;  a  lagona 
396;  alitteris  412;  amanu 
473;  a  pedibus  396,14;  a 
pinacotheca  65;  a  potione 
396 ;  a  saerario  65 ;  a  Statuts 
65, 13;  a  supellectile  159;  a 
tabulis  65,  13;  a  valetudi- 
nario  477,8;  a  ros^e  229;  a 
#/ms  193.  —  serw  a&  argento 
392, 5 ;  aft  auro  gemmato  393, 
7.  404, 12;  a&  epistolis  472; 
afe  hospitüs  65 ;  a&  ornamen- 
tis  265.  —  servi  ac?  argen- 
tum  392, 5 ;  a(?  cyathos  403, 
4 ;  a(2  imagines  65 ;  ad  ma- 
num  472;  ad  margaritas  265; 
ad  pedes  396 ;  arf  valetudi- 
narium  477,8;  arf  vestem 
229.  —  serm  supra  aedificia 
69,1;  supra  cocos  282,5; 
supra  cubicularios  282, 5 ; 
SM^ra  hortos  89, 8 ;  swpra  in- 
swZffls  58, 12. 

Servietten  390. 

Sesam  169. 

Sessel  122. 

sex  crines  352. 

sextans  403. 

sextarius  404. 

Sicheln  568. 

sicilire  570. 

Siebe  158. 

Siegelringe  258.  485. 

sigilla  93. 

sigillarü  596,  3. 

sigma  119. 

Silbergeschirr  392  f.  407  f. 

silicarii  596, 17. 

silicernia  509. 

siliciae,  siliquae  (Bockskraut) 
165. 

siliginarius  pistor  163,6. 

siligineus  panis  163. 

sz'%o  161. 


siliquae  (Johannesbrot)  171. 

silhjbi  647. 

Silphium  169. 

siluri  184. 

simila  161. 

similaginarius  pistor  163,5. 

similagineus  panis  163. 

simpulariarii  597, 10. 

sinapi  169. 

sinciput  174. 

sindones  247,9. 

sinuin,  sinus  407. 

s/mts  der  Toga  212;  an  Netzen 
518. 

sj'ser  167. 

sisymbrium  166. 

siticines  491, 11. 

situlae  157. 

Sitzen  bei  Tisch  386. 

Sklaven  277  ff. ;  zur  Besorgung 
des  Hauses  64 ;  Tracht  222. 
289;  Märkte  278  f.;  Händ- 
ler 278.  627;  Preise  280; 
Zahl  281 ;  Verwendung  282; 
Namen286;  Behandlung287; 
Nahrung  289:  Wohnung  290; 
Strafen  292  ff.  S.  als  paeda- 
gogi  311;  als  Lehrer  312; 
in  der  Landwirtschaft  539  f. 
549  f. ;  als  Handwerker  598ff. ; 
alsKaufleute623.625.  Siehe 
auch  servi  und  servus. 

socii  223 

Sofas  112  ff. 

solaria,  Söller  57 :  Sonnenuhren 

376-.. 

solea  (Ölpresse)  573. 

soleae  222;  der  Frauen  236. 

soleae  (Fische)  184. 

solearii  258.  595, 13. 

Sonnenschirme  266 ;  -uhren 
375  f. 

sophistae  332. 

sordidus  panis  163. 

Spanferkel  175. 

Spargel  165. 

Spaßmacher  412.  616. 

spatharii  597, 12. 

Speck  174. 

specula  437. 

specularia  103. 

speculariarii  103,9.  594. 

Speere  bei  der  Jagd  524. 

Speerwerfen  529. 

Speicher  642. 

Speisen  161  ff. 

Speisesofas  387;  -tische  124; 
-zimmer  45  f.  53.  386. 

Spelt  161;  -brot  163. 

Sperlinge  178,16. 

sphaeristerium  55;  in  den  Vil- 
len 80.  439 ;  in  Bädern  426. 

sphaeromachia  440. 

sphondyli  189. 

spicae  (des  Fußbodens)  96. 


Spiegel  144.  437. 

Spiele,  der  Kinder  308  ff. ;  der 
Erwachsenen  412  ff. 

Spinnen  255. 

spintheres  264. 

spirulae  175,  4. 

splenia  436. 

sponda  113. 

sponduli  165, 19. 

sponsalia  345. 

sponsus,  sponsa  346. 

Sprenkel  528. 

Springbrunnen  42.  87. 

Springen  329. 

spuma  276;  Batava  276,7. 

squillae  189. 

Staatspost  467. 

stabularii,  stabularium  455. 
615. 

Stachelflundern  183. 

Stadtärzte  481. 

stalagmia  263. 

Stare  178. 

Steckenpferde  309. 

Steckrüben  167. 

Steinarbeiter  596 :  -brüche  65 ; 
-butten  184;  -pilze  168. 

stemma  494. 

Stenographie  320.  616. 

stercoratio  556. 

sterquilinia  50.  556. 

Sterze  (am  Pflug)  560. 

stibadia  87.  119.  387. 

stibium  437. 

Sticker  253.  607. 

Stickerei  253  f. 

Stieglitze  178,16. 

Stigmata  294. 

stilus  468. 

stipes  (bei  der  Kreuzigung)  296. 

stiva  560. 

Stöcke  266. 

Stockwerke,  obere  57. 

stola  232. 

Störche  178. 

Störe  181. 

Strafen  der  Sklavon  292  ff. 

stragula,  stragulae  vestes  116. 

stramenta  116:  bei  Dünger- 
gruben 556. 

Straßenbeleuchtung  450,  5 ; 
-leben  442  ff. 

stratores  585, 1. 

Streichbrett  (am  Pfluge)  560. 

strictores  (beim  Ölbau)  573. 

strictoriae  208. 

strigiles  432. 

Stroh  (für  Kissen)  115. 

strophia  230. 

strophiarü  256, 19.  595, 12. 

structores,  Maurer  66.  596, 19. 
Anrichter  394. 

structura  testacea  10. 

Stuck  90;  -Verzierungen  93. 

Stühle  122. 


Alphabetisches  Sachregister. 


675 


Stundenrechnung  373. 

sturni  178. 

suarii  193.  587. 

suasoriae  333. 

subsellarii  121,5. 

snbsellia  121  f.;  der  Schüler  318. 

subserica  245 

Substruktionen  9  f. 

subucula  208;  der  Frauen  229. 

subulci  587. 

sithrillci  70,  6. 

sHcina  262,8. 

sudaria  221.  243,3. 

sudes  (beim  Weinbau)  577. 

suilia  587. 

suilla  173. 

sidci  aquarii,  perpetui  555. 

sumen  174. 

sumptuarii  284. 

supellecticarii  15!>. 

supellex  159. 

superficies    (der    Kandelaber) 

142. 
superlim  en  17,5. 
suppara  231. 
suprema  373. 
suspensurae  53.  107.  429. 
swtores  258.  581.  595, 14. 
symphonia,  symphoniaci  411. 
si/ntliesis  219. 

f«&etfae  468. 

tabellarii  473  f. 

tabernacularii  595, 15. 

tabernae  59.  640;  am  Forum 
621 ;  Wirtshäuser  453 ;  für 
Schulen  316;  derÄrzte479; 
taberna  cauponia  453;  rfe- 
versoria  454;  vinaria  453; 
tabernae  argentariae,  ple- 
beiae,  veteres,  novae  640. 

tablinum  38  ff. 

tabulae,  an  Fässern  149;  Re- 
chenbretter 323 ;  tabulae 
aleatoriae  414;  argentariae, 
auctionariae,  dotales  355 ; 
lusoriae  415;  nuptiales  346. 
355. 

tabularium  65.  357. 

tabulata  55,8.  73;  Heuboden 
570. 

taedae  133. 

taeniae  230. 

Tageseinteilung  379  ff. 

Taglöhn  er  s.  Lohnarbeit. 

Talglichte  135. 

teft  412. 

Tänzerinnen  412. 

Tanzunterricht  330.  442.  616. 

tapetia  116.  145. 

tarpezitae  649  f. 

Taschenspieler  412.  615. 

Taubenschläge  72;  -zucht  177  f. 

Tauschhandel  619. 

tectores,  tectorium  90. 


tectum  pect!  mit  ton,  tfttutlina 
tum  11. 

tegetarii  595, 17. 

teyulae  mammatae  108. 

tegularii  65,16.  596,1. 

temetum  197. 

tempestivum  conti  rinnt  385. 

Tenne  570. 

tensae  458, 7. 

tentipellia  436,12. 

tmuüarii  356. 

tcpitlnrium  53.  424. 

Teppiche  145. 

Terebinthenholz  117,10. 

terrae  iniectio  488. 

tessellae  (beim  Mosaik)  99. 

tesserae  am  Fußboden  93.  99; 
Würfel  414. 

tesserarii,  tesseUarii  97,  6.  594. 

testuatius  panis  164. 

tetraones  180. 

textores  594.  595,9. 

thapsus,  zum  Färben  252, 7. 

£fteca  calamaria  472. 

Thermen  421  f. 

thermopolia  453,  7. 

Thuja  für  Sofas  1 17 ;  für  Tische 
124  f. 

Thunfische  185. 

thurarii  482. 

Thymian  169. 

thynni  185. 

tibialia  221. 

tibicines  bei  Tisch  411:  bei  der 
Bestattung  491. 

Tiere  zum  Spiel  309. 

tinctores  256.  591. 

tiniae  184, 15. 

Tinte  471. 

Tintenfässer471,6; -fische  183. 

tirocinium  337  f. 

tisana  204. 

Tische  34  f.  124  ff. 

Tischtuch  389  f. 

fftttft,  an  Amphoren  152, 7 ;  der 
Bücher  647;  der  imaginn 
494, 3 ;  der  Sklaven  279 ;  der 
meretrices  370;  an  Grab- 
malen» 505. 

ft#a  210  ff. ;  der  Frauen  231 ; 
der  Leichen  484;  Jog'a  c««- 
cft&i  248, 1;  Jt*fcmx33();  /»'/•>/, 
praetexta  214.  221.  336;  ri- 
rföf  335. 

tomentum  115. 

fo/ietere  267. 

Tonnen  149. 

tonsores  267  ff.  593. 

toHstrinae  270  f. 

Töpfer  592.  595  f. 

topiaria,  topiarii  116. 

toralia  116. 

torcular,  torciilariitm  72 ;  für 
öl  573 ff.;  für  Wein  579. 

tori,  Beete  85;  Betten  114. 


tiirim  in 

tortaru  i 1 
ToUnkvdtM   •"'.»  ff. 

trttbfii   214. 

tragtUa,  tragtm  581  f. 

truitsennm    101,  K). 

t  rupft  um   -">  7  1 . 

tnipf:it„f  s.  tiir/,,;,' 

trup,:,!/,!,,,!-!!    127, 

Trauei  kleidun.  luf. 

trfrhfi/ijina  397,6. 

Treibhäuser  89. 

Treppen  56. 

trihnht    ".71 

triflii/uf.  trn/,,1,  in  Villen  86; 
auf  Gräbern  5< 

Trichter  1 

t  riil  in  in  5f  ,,  hihrrna 

86;  t  fiel  in  in  in  ftffldt 

triclinittr,  I  .;»:,. 

/rif/iniarii  889.   896,  1 

tridentes,  zum  Fischen  532. 

trtou  403. 

trigon  439. 

Trinkgeschirr  405  ff. 

tripes  139. 

triticum   161. 

Trittsteine  443. 

tritura  570. 

//•»«■///  309. 

Trödler  639. 

frt«M  158  f. 

Trüffeln  168. 

Truhen  129. 

CtmOm  159.  407. 

tririlfa   146. 

Trüschen  183. 

fti&srM  597,11. 

tuber  es  168. 

ruft»,  /mW»  108. 

tuhirines,  bei  der  Ausstellung 
der  Leiche  486;  bei  der  Be- 
stattung 491. 

Tubulation  108. 

tiitiicula{bei  der  Ölpresse 

tui/uria  7. 

tan  fco  206  f. :  der  Frauen  22U  f. ; 
/.  iinliisinta  231;  pahuata, 
triumphalis  209:  >*e/a  386. 
350. 

tioiicopaltinnt   235. 

turdarium   178,6. 

tetttt,  Vögel  178;  Fische  184. 

Türen  12  ff. 

Türgriffe  22 ;  -hüter  29 ;  -k  lopfer 

20;  -Schlösser  21  ff. 
Turnlehrer  330.  616. 
fMrrw  80. 

tiirncula  (Würfelbecher)  413. 
Turteltauben  178. 
Mrffl  sfpuli-ri  508. 
tutulus  273. 
ti/nipana,    an   Türen    18:    an 

Wagen  458. 
tiirianthinum  249. 


676 


Alphabetisches  Sachregister. 


Übergief3ungen  434. 

udones  221,7.  229. 

Uhren  375  ff. 

umbella  266. 

umbilici  der  Buchrolle  646. 

umbo  der  Toga  213. 

umbra  (Fisch)  184, 15. 

umbraculum  266. 

umbrae  beim  Mahle  388,  10. 

tincia  403. 

unctores,  unctrices  434. 

unctura  484. 

unguenta  275. 

imguentarii  436.  481. 

ungulae  174. 

uniones  261. 

Unterhaltungen  beim  Trinken 

410  ff. 
Unterpflügen  557. 
Unterricht  der  Knaben  312  ff. ; 

der  Mädchen  341  ff. 
urceus,  urceolus  146.  153. 
urna  153. 

Urtica  166;  marina  190. 
urvutn  559. 
ustores  501.  613. 
ustrina  499. 
Usus-Ehe  348. 
utricularii  595, 15.  614,  7. 
«»««  passae  171. 

Vaccinium  252. 

valetudinarium  75.  477. 

/•ffZZr,  vanni  571. 

valvae  18. 

varae  519. 

msa  vinaria  154. 

vascularii  408.  597. 

vectigalia  612.  635  ff. 

vecturarii  613. 

wZa  29.  144  f.;  im  Atrium  35; 

in  Bordellen  370 ;  an  Sänften 

446. 
wZtenj  269.  438. 
venabula  524. 
venalicn  279. 
venatores  516.  525. 
veneriae  189. 
Venerius  iactus  414. 
ventilabra  571. 
ventilare  571. 
ventilatores  615. 
ventralia  221. 
Venusmuscheln  189. 
Verbrennen  der  Leichen  487  f. 
Verkaufsläden  59.  640. 
Verkehr  442  ff. 
Verlobung  345  f. 
vermicidi  (beim  Mosaik)  98, 1. 
wrnae  281.  288. 
rerres  587. 
verricula  562. 
Verschluß  der  Fenster  101  f.; 

der  Türen  21  ff. 
versicolores  vestes  253. 


versus  (beim  Pflügen)  562. 

«n<  159. 

vervagere,  vervactum  567, 8. 

vervecina  173. 

Verzehrungssteuern  637. 

vespera  374. 

vesperna  381. 

vespillones  490.  613. 

vestiarii  257. 

vestibulum  12  ff. 

vesticeps  336. 

vestifici  257.  594. 

vestigatores  525. 

vestiplici,  vestiplicae  213.  229. 

vestis  cenatoria  397. 

vestispici,  vestispicae  229. 

vestitares  257.  594. 

veteramentarii  258.  595, 14. 

»ta«  442. 

ttfe»  442. 

Viehhandel  193;  -zucht  535  ff. 

580  ff. 
vietores  595,  18. 
vigiles  nocturni  450. 
vigiliae  373. 
vilici,  vilicae  70.  283.  547  f. ; 

hortorum  70, 6. 
t*2Za    67  ff.;    fructuaria    75; 

jtseudourbana '69 .  76;  rustica 

69 ;  suburbana  69, 5 ;  urhana 

76  ff. 
viminarii  595, 17. 
vinarii  204. 
vinarium  154. 
vindemia  578. 
vindicta  297. 
vlneae,  vineta  576. 
vinum  conditum  203;  doliare 

148,8;  /ic&'ctwj»  203 ;  »H#> 

ratum  203 ;  passum  202 ;  rtt« 

ft^Mm  198.  202. 
violaceum  249. 
violaria  88. 

»«otom  256,16.  595,11. 
Violen  87  f. 
t>»Vgra  des  Türhüters  29;   des 

Lehrers  319;  Leimrute  527. 
virgatae  vestes  240.  253. 
viriae,  viriolae  264. 
viridarium  41. 
viscum  526. 

vispillones  s.  vespillones. 
vitalia  495, 7. 
«Yes  prostratae,  iugatae,  capi- 

tatae,  brachiatae  577. 
vitiaria  576. 
vitrearii  409.  594. 
vitrum  (zum  Färben)  252. 
wYtae  273.  353. 
vitulina  173. 
vivaria  175.  180. 
Vogelfang  526  ff.;  -leim  526. 
volsellae  269.  438. 
volumina  645. 
vomer,  vomis  558. 


Vomitive  399. 

Vorhänge  144  f.;    im   Atrium 

29.  35;  an  Fenstern  104. 
Vorhanghalter  39,1. 
Vorlesungen  410. 
Vorratsgefäße    148  ff. ;    -kam- 

mern  50  f. 
Vorreiter  466. 
vulturius  iactus  413. 
vulvae  174. 

Wachsbild  des  Toten  496; 
-bildner  596;  -kerzen  135; 
-masken s. imagines;  -tafeln 
321. 

Wachteln  178. 

Waffenschmiede  597. 

Wagen458ff.;  -bauer596.605: 
-verkehr  443  f. 

Waid  (zum  Färben)  252. 

Walker  256.  592.  607. 

Wallnüsse  172. 

Wandmalereien  90  f. 

Warzenziegel  108. 

Waschgerät  145  f. 

Wasserkrüge  153  f.;  -melo- 
nen  167;  -rabe  181;  -tiere 
180  ff;  -uhren  377  ff.;  -wär- 
mer 401  f. 

Wau  (zum  Färben)  252. 

Weben  255. 

Weber  607. 

Wechselwirtschaft  567. 

Weibliche  Arbeiten  342. 

Weichtiere  183  ff. 

Weideland  537  f. ;  -platze  582. 

Weidenholz  117, 10;  -ruten  für 
Sessel  123, 8. 

Weihrauch,  bei  der  Leichen- 
ausstellung 485;  bei  der 
Verbrennung  501;  am  Grabe 
510. 

Wein  196  ff.;  wilder  88. 

Weinbau  575  f. ;  -fässer  148  ff. ; 
-händler  453 ;  -krüge  152  ff. : 
-lese  578;  -siebe  402;  -trau- 
ben  171;  -trinken  beim  Mahle 
399;  bei  derco»/»//x.wf/o401: 
im  Bade  435. 

Weißfische  184, 15. 

Weizen  161;  -brot  163. 

Welse  184. 

Wild  175  f. 

Wildesel  176;  -schwein  176; 
-taube  178. 

Windeln  303. 

Wirtschaftshöfe  70. 

Wirtshäuser  450  ff. 

Wirtshausschilde  456. 

Wochenmärkte  621. 

Wohnhäuser  7  ff. 

Wolle,  zur  Kissenfüllung  115; 
zur  Kleidung  237  ff. 

Worfeln  571. 

Wucher  650  f. 


Alphabetisches  Sachregister. 


677 


Würfelbecher  413;  -brett  414. 
Würfeln  412  ff. 
Wurfnetze  531. 
Wurfschlingen  522. 
Würste  175. 

Xysti  85. 

Zaetae  (diaetae)  43, 11. 
Zahnärzte   478;    -pflege   438; 

-Stocher  399. 
Zähne,  falsche,  478, 10. 
eancae  227  f. 
Zapfen  der  Türen  19. 


Zedernöl  für  Papyrus  646. 
Zeitmesser  375  ff.;    rechnuii^ 

372  ff. 
iihirli  65.5. 
um  (Fisch)  182. 
Zichorie  166. 
Ziegelböden  596 ;  -Streicher  65. 

596. 
Ziegeleien  65. 
Ziegenfleisch  173;  -haar  246; 

-Ställe  72;  -zucht  586. 
Zimmerleute  66.  591.  596. 
Zimmt  169. 
:i)K/iher   169. 
Zisternen  85. 


Zitronen  171. 
Zölle  61 

'.nun,  i 

zotheca 

Zuckermelonen  168     roh  IM, 

16. 
Zunftärzte  481 
Zünfte  des  Nuina  (90  I 
Zwerge  412. 
Zwergpalme 
Zwiebeln   1 
Zypressen  88;  M  im  I  • 

Mfitcihanftii 

: 

tythtm  204. 


Handbuch 
der  klassischen  Altertumswissenschaft 

in  systematischer  Darstellung  mit  besonderer  Rücksicht 

auf  Geschichte  und  Methodik  der  einzelnen  Disziplinen 

Herausgeben  Geheimrat  Dr.  Iwan  von  Müller,  ^Ä^MSäS 

Inhalt  der  einzelnen  Bände: 


I.  Band:   Einleitende   und  Hilfsdisziplinen.    Zweite  sehr  vermehrte,   teilweise  völlig 

neubearbeitete  Auflage.  Mit  alphab.  Register.  1892.  57  Bog.  Lex.-8°.  Preis 
geh.  \hJL\  geb.  17  JL. 

Inhalt:  A.  Grundlegung  und  Geschichte  der  Philologie,  von  Geheimrat  Dr.  v.  Urlichs  (Würz- 
burg). B.  Hermeneutik  und  Kritik,  von  Professor  Dr.  Blass  (Halle).  C.  Paläographie  (mit 
6  Uthograph.  Schrifttafeln),  Buchwesen  und  Handschriftenkunde,  von  demselben.  D.  Griechische 
Epigraphik  (mit  einer  Schrifttafel),  von  Prof.  Dr.  Larfeld  (Remscheid).  E.  Römische  Epigra- 
phlk,  von  Professor  Dr.  E.  Hübner  (Berlin).  F.  Chronologie,  von  Professor  Dr.  Unger  (Würz- 
burg).    G.  Metrologie,  von  Professor  Dr.  Nissen  (Bonn). 

II.  Band,  1.  Abtlg.:  Griechische  Grammatik  (Lautlehre,  Stammbildungs-  und  Flexions- 

lehre und  Syntax)  von  Prof.  Dr.  KarlBrugmann  (Leipzig).  Mit  einem  Anhang  über 
Griechische  Lexikographie  von  Prof.  Dr.  Leopold  Cohn  (Breslau).  Die  neue  [4.]  Auf- 
lage, bearbeitet  von  Prof.  Dr.  A.  Thumb  (Straßburg)  ist  im  Jahre  1912  zu  erwarten. 
II.  Band,  2.  Abtlg.:  Lateinische  Grammatik  (Laut-  und  Formenlehre,  Syntax  und 
Stilistik)  von  Prof.  Dr.  Friedrich  Stolz  (Innsbruck)  und  Gymnasialdirektor  J.  H. 
Schmalz  (Freiburg).  Vierte  Auflage.  Mit  einem  Anhang  über  Lateinische  Lexiko- 
graphie von  Prof.  Dr.  Ferdinand  Heerdegen  (Erlangen).  1910.  50  Bogen 
Lex.-8°.  Geh.  15  JL;  geb.  \1  J(,  50^. 
IL  Band,  3.  Abtlg.:  Rhetorik  von  Dr.  Richard  Volkmann,  weil.  Gymn.-Dir.  in  Jauer. 
Neubearbeitet  von  Gymn.-Rektor  K.  Hammer  (Würzburg)  und  Metrik  nebst  einem 
Anhang  über  die  Musik  der  Griechen  von  Prof.  Hugo  Gleditsch  (Berlin).  Dritte 
Auflage.     1901.    22  Bog.    Lex.-8°.    Geh.  8  JL  80  ^.;  geb.  10  JL  60  $. 

III.  Band,  1.  Abtlg.,  1.  Hälfte:  Geographie  und  Geschichte  des  alten  Orients,  von  Prof. 
Dr.  Hommel  (München).  Zweite  Auflage.  1.  Hälfte  Bogen  1 — 25  nebst  provisor. 
Register.     1905.     Geh.  JL,  7.50.     (Die  2.  Hälfte  befindet  sich  im  Druck.) 

III.  Band,  2.  Abtlg.,  1.  Teil:  Geographie  von  Griechenland  und  den  griechischen 
Kolonien.    (Eine  Neubearbeitung  befindet  sich  in  Vorbereitung.) 

III.  Band,  2.  Abtlg.,  2.  Teil:  Topographie  von  Athen,  von  Prof.  Dr.  Walter  Judeich 
(Erlangen).  26x/4  Bog.  mit  48  Textabbildungen,  einem  Stadtplan  im  Maßstab  von 
1 :  5000,  einem  Plan  der  Akropolis  im  Maßstab  von  1 :  1000  und  einem  Plan  des  Peiraieus 
im  Maßstab  von  1  :  15000.     1905.     Geh.  18  JL    In  Halbfranz  geb.  20  JL, 

III.  Band,  3.  Abtlg.,  1.  Hälfte:  Grundriß  der  Geographie  von  Italien  und  dem  Orbis 
Romanus,  von  Prof.  Dr.  Jul.  Jung  (Prag).  Zweite,  umgearbeitete  u.  vermehrte 
Auflage.    Mit  alphab.  Register.     1897.     12  Bog.     Geh.  3  JL  50  %. 

III.  Band,  3.  Abtlg.,  2.  Hälfte:  Topographie  der  Stadt  Rom,  von  Gymn.-Dir.  Prof.  Dr. 
Otto  Richter  (Berlin).  Zweite,  vermehrte  u.  verbesserte  Auflage.  26  Bog.  Lex.-8°. 
Mit  32  Abbildungen,  18  Tafeln  u.  2  Plänen  des  antiken  und  des  modernen  Rom.  1901. 
Geh.  15  JL,  W  In  Halbfranz  gebundene  Exemplare  der  vollständigen  III.  Abtei- 
lung des  III.  Bandes  —  Geographie  von  Italien  und  Topographie  der  Stadt  Rom  — 
sind   zum  Preise  von  20  JL,  50  $.  zu  beziehen. 

III.  Band,  4.  Abtlg.:  Grundriß  der  griechischen  Geschichte  nebst  Quellenkunde,  von 
Prof.  Dr.  Robert  von  Pöhlmann  (München).  Vierte,  neu  bearbeitete  Auflage. 
1910.    21  s/8  Bog.   Geh.  5  JL  80  §.  In  Halbfranz  geb.  7  JL,  50  *} 

III.  Band,  5.  Abtlg.:  Grundriß  der  römischen  Geschichte  nebst  Quellenkunde,  von 
Prof.  Dr.  Benedictus  Niese  (Halle).  Vierte,  umgearbeitete  u.  vermehrte  Auflage. 
1910.  29  Bog.  Geh.  8  JL.  In  Halbfranz  geb.  9.80  JL 
IV.  Band,  1.  Abtlg.,  1.  Hälfte:  Die  Griechischen  Staats-  und  Rechtsaltertümer,  von 
Prof.  Dr.  G.  Busolt  (Kiel).  Zweite,  umgearbeitete  Auflage.  Mit  Register.  1892. 
24  Bog.     Geh.  6  JL.  50  »    In  Halbfranz  geb.  8  JL,. 

C.  H.  Beck'sche  Verlagsbuchhandlung  Oskar  Beck  München 

^4i3  4  ' 0 


BINDING  SZCT.  JAN  1 1  1971 


DG 
90 
B5 
1911 


Blümner,   Hugo 

Die  römischen  Privatalter- 
tümer 


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