1^
HANDBUCH
DER
KLASSISCHEN
ALTEKTUMS-WISSENSCHAFT
in systematischer Darstellung
mit besonderer Rücksicht auf Geschichte und Methodik der einzelnen
Disziplinen
In Verbindung mit Gymn.-Rektor Dr. Autenrieth f, Prof. Dr. Ad. Bauer, Prof. Dr. E. Bethe.
Prof. Dr. Th. Birt, Prof. Dr. Frhr. von Bissing, Prof. Dr. Blass f, Prof. Dr. Blümner, Prof. Dr.
Bonhöffer, Prof. Dr. Brugmann, Prof. Dr. H. Bulle, Prof. Dr. Busolt, Prof. Dr. von Christ f,
Prof. Dr. Leop. Cohn, Prof. Dr. L. Curtius, Dr. K. Dieterich, Prof. Dr. Dragendorff, Prof.
Dr. A. Ehrhard, Dr. E. Fiechter, Oberlehrer Dr. E. Gerland, Prof. H. Gleditsch, Prof.
Dr. 0. Gruppe, Prof. Dr. Günther, Gymn.-Rektor C. Hammer, Dr. Fr. Hauser, Prof. Dr. Heer-
degen, Prof. Dr. A. Heisenberg, Dr. G. Herbig, Prof. Dr. Hommel, Prof. Dr. Hübner f.
Prof. Dr. Judeich, Prof. Dr. Jul. Jung f, Dr. G. Karo, Prof. Dr. Krumbacher f, Prof. Dr.
W. Kubitschek, Prof. Dr. Larfeld, Dr. Lolling f, Prof. Dr. E. Lommatzsch, Prof. Dr. E. Löwy,
Dr. P. Maas, Dr. M. Manitius, Dr. P. Marc, Prof. Dr. Berth. Maurenbrecher, Prof. Dr. A. Mayr,
Prof. Dr. B. Niese f, Prof. Dr. Nissen, Rud. Pagenstecher, Prof. Dr. Pick, Prof. Dr. R. von Pohl-
mann, Dr. A. von Premerstein, Prof. Dr. 0. Puchstein, Dr. Herrn. Ranke, Prof. Dr. A. Rehm,
Gymn.-Dir. Dr. 0. Richter, Prof. Dr. B. Sauer, Prof. Dr. M. von Schanz, Prof. Dr. Schiller f.
Gymn.-Dir. Schmalz, Prof. Dr. Wilhelm Schmid, Dr. J. Sieveking, Prof. Dr. Sittl f, Prof.
Dr. Otto Stählin, Prof. Dr. P. Stengel, Prof. Dr. Fr. Stolz, Prof. Dr. L. von Sybel, Prof.
Dr. Herrn. Thiersch, Prof. Dr. A. Thumb, Prof. Dr. Unger f, Prof. Dr. von Urlichs f, Prof.
Dr. Moritz Voigt f, Gymn.-Dir. Dr. Volkmann f, Prof. Dr. C. "Wessely, Dr. Th. Wiegand,
Prof. Dr. Windelband, Prof. Dr. Wissowa, Prof. P. Wolters
herausgegeben von
Dr. Iwan von Müller,
ord. Prof. der klassischen Philologie in München
Vierter Band, zweite Abteilung, 2. Teil:
Die römischen Privataltertümer
Dritte, vollständig neu bearbeitete Auflage
MÜNCHEN 1911
C. H. BECK'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
OSKAR BECK
DIE RÖMISCHEN
PRIVATALTERTÜMER
VON
HUGO BLUMNER
PROFESSOR AN DEB UNIVERSITÄT ZÜRICH
MIT 86 ABBILDUNG K\
iKM»gjfrfl»gHHI
MÜNCHEN 1911
C. H. BECK'SCHE VEKLAGSBUCHHANDLUNG
OSKAR BECK
Alle Rechte vorbehalten
35
0. H. Bcck'sche Bnchrtruckorei In Nördlingen
DER
UNIVERSITÄT BRESLAU
ZUR HUNDERTJÄHRIGEN JUBELFEIER
ZUGEEIGNET
VON IHREM DANKBAREN SCHÜLER
Vorwort.
A ls im September 1905 der hochverehrte Herausgeber dieses Handbuchs,
X~X Herr Geheimrat Professor Dr. Iwan von Müller, mit der Anfrage an
mich gelangte, ob ich geneigt sein würde, an Stelle der von Moritz Voigt
verfaßten römischen Privataltertümer eine durchaus neue Bearbeitung dieses
Teiles des Handbuches zu übernehmen, da ist es mir nicht leicht gefallen,
i ihm meine Zusage zu geben. Denn neben Marquardts treffliche Darstellung
des römischen Privatlebens eine neue, existenzberechtigte zu setzen, das wollte
mir so schwer und so anmaßend erscheinen, wie eine Ilias post Homerum;
und es mag ja wohl diese selbe Erkenntnis gewesen sein, die meinen Vor-
gänger Voigt veranlaßt hat, statt einer Darstellung der römischen Privat-
altertümer etwas ganz anderes zu geben, mehr eine Art römischer Wirt-
schafts- und Kulturgeschichte; und da er das in äußerst knappem Rahmen
getan hat, so kommt es, daß der Benutzer seiner Darstellung darin zwar
manches finden wird, was in andern Schilderungen des römischen Privat-
lebens nicht steht, daß er aber noch viel häufiger Dinge, die er in einem
Handbuch der römischen Privataltertümer zu finden mit Recht erwartet,
vergeblich suchen wird. Wenn ich mich schließlich doch dazu entschloß,
den Auftrag zu übernehmen, so geschah es in der Hoffnung, daß kein billig
denkender Leser meines Buches es mir zum Vorwurf machen wird, daß auf
zahlreichen Gebieten (natürlich abgesehen von dem, was seit Marquardt an
neuerer Litteratur, an epigraphischen und archäologischen oder antiquarischen
Funden hinzugekommen ist und verwertet werden mußte) meine Darstellung
sich inhaltlich und was das alte Quellenmaterial betrifft mit der von Mar-
quardt im wesentlichen deckt. Denn auch Marquardt, obschon er der
erste Schöpfer eines systematischen und zusammenfassenden Handbuchs
der römischen Privataltertümer ist, steht auf den Schultern seiner Vor-
gänger, vor allem W. A. Beckers, der im Gallus die Grundlagen schuf, auf
denen seine Nachfolger weiterbauen konnten.
Was die von mir behandelten Gebiete des römischen Lebens anlangt,
so deckt sich der Inhalt der beiden ersten Teile im wesentlichen mit dem,
was Marquardt in seinem Buche behandelt hat, nur daß ich dabei eine
andere Anordnung des Stoffes gewählt habe, die ich wohl nicht eigens zu
rechtfertigen brauche, da sie auch sonst in ähnlicher Art bei Darstellung
der Privataltertümer zur Anwendung gekommen ist (zum Beispiel in Iwan
von Müllers griechischen Privataltertümern). Mehr entfernt sich der dritte
yjjj Vorwort.
Teil vom Inhalt des Marquardtschen Handbuches. Zum „Privatleben" im
strengen Sinne des Wortes gehören die hier behandelten Berufsarten freilich
nicht; aber es ist ja, wie E. Pernice in seinem (erst während des Druckes
dieses Buches erschienenen) „Griechischen und römischen Privatleben" (in
Gercke und Norden Einleitung in die Altertumswissenschaft II 1) mit Recht
bemerkt, nun einmal Brauch, daß der Begriff „Privataltertümer" eine Sammel-
stelle geworden ist für alles mögliche, was man sonst nicht recht unter-
bringen kann. Aber da es nun einmal so ist, daß man gewisse Gebiete
des Lebens in der Tat anderweitig nicht einreihen kann, andrerseits aber
eine für alles das passende Gesamtbezeichnung nicht besitzt und auch
schwerlich eine in jeder Hinsicht entsprechende wird finden können, so muß
es eben bei der Gepflogenheit bleiben. Und darum habe ich geglaubt, nicht
bloß die auch von Marquardt, wenn auch teilweise in ganz abweichender
Art, behandelten Gebiete des Handwerks und Handels aufnehmen zu müssen,
sondern auch die von ihm nicht behandelten, als Jagd, Vogelfang, Fischerei,
Landwirtschaft. Das erschien mir um so notwendiger, als gerade diese
Gebiete zwar in zahlreichen größeren und kleineren Abhandlungen und
Büchern, aber nirgends, wenigstens was die römischen Verhältnisse betrifft,
zusammenfassend dargestellt worden sind. Insofern demnach das vorliegende
Buch das meiste von dem bietet, was sich bei Marquardt findet, andrerseits
aber auch manches, was bei ihm nicht Aufnahme gefunden hat, hoffe ich
so verfahren zu sein, daß zwar das vortreffliche Werk meines Vorgängers
nicht durch mein Buch völlig entbehrlich gemacht wird, — das lag auch
gar nicht in meiner Absicht, — daß aber das meinige neben jenem seine
Existenzberechtigung zu behaupten imstande ist.
So viel über den Stoff. Was die Darstellung anlangt, so habe ich
danach getrachtet, möglichst vollständig zu sein, ohne dabei zu sehr in die
Breite zu gehen. Daß ich in manchen Punkten ausführlicher wurde als
Marquardt, in andern hinwiederum dieser mehr ins einzelne geht, ergab
sich von selbst. In den Anmerkungen glaubte ich mit der Anführung der
Belegstellen nicht zu sparsam sein zu sollen; viele Benutzer eines derartigen
Handbuchs (zumal Lehrer, die es zur Vorbereitung der Klassikerlektüre be-
nutzen) pflegen für Mitteilung von Beleg- und Parallelstellen dankbar zu sein.
Da ich in noch höherem Maße als Marquardt Wert auf die Terminologie der
behandelten Gebiete gelegt habe, so mußten die Glossen und die Inschriften
stark herangezogen werden. Für letztere hat Marquardt sehr vorgearbeitet;
wo er epigraphische Zeugnisse in beträchtlicher Zahl beibringt, habe ich j
mich meist- damit begnügt, auf ihn zu verweisen oder seine Sammlungen ]
durch Belege aus den seither erschienenen Bänden des Corpus zu ver- j
vollständigen. Die Zitate aus Orelli-Henzen sind ganz verschwunden; für j
freundliche Unterstützung bei der ohne Konkordanz sehr mühseligen und
zeitraubenden Konstatierung der Orelli-Nummern im Corpus bin ich Herrn
Professor Dr. Dessau in Berlin zu lebhaftem Danke verpflichtet.
Vorwort. J]£
In einem Punkte muß ich den Benutzer meines Buches von vornherein
um Indemnität bitten: es betrifft das die Schreibung der griechischen und
lateinischen Termini und Eigennamen, besonders hinsichtlich c, k und z, wo ja
bnser Duden volle Freiheit läßt. Soll man zum Beispiel Cypern, Zypern oder
Kypros schreiben? Cäcuber oder Cäkuber? Phönicier, Phönizier, Phönikier,
ÜPhoinikier? — Wenn man sich da nicht gleich zu Anfang eine feste Norm
gesetzt hat (und das habe ich leider verabsäumt), wenn man erst einmal
pa oder dort sich dem orthographischen Belieben des Setzers gefügt hat,
Wann ist man schon verloren. Und auch mit der festen Norm hapert's,
wenn mit der Regel: „in lateinischen Worten c, in griechischen k" kommt
man nicht weit; wer möchte zum Beispiel „Massicer" schreiben?
Die Abkürzungen für Zitate, deren ich mich bedient habe, sind die
allgemein gebräuchlichen; vornehmlich A. A. (Archäologischer Anzeiger),
A. Z. (Archäologische Zeitung), A. Jb. (Jahrbuch des archäologischen Instituts),
A. d. I. (Annali dell' Istituto), B.d. I. (Bulletino dell' Istituto), R. M. (Römische
Mitteilungen), BSGW (Berichte der Sächsischen Gesellschaft der Wissen-
schaften), CIL (Corpus Inscr. Latin.), PLM (Poetae Latini minores ed. Baehrens).
Noch ist zu bemerken, daß Plin. auf die Naturalis historia geht, Quintil. auf
die Institutio oratoria, Macrob. auf die Saturnalia, Isidor. auf die Origines.
jFestus bezieht sich sowohl auf diesen wie auf Paulus; die Angabe der Spalte a
pder b (der Müllerschen Ausgabe) läßt erkennen, ob Festus selbst oder sein
Epitomator zitiert ist. Bei Nonius sind die Seitenzahlen die üblichen, die
Keilenzahlen die der L. Müllerschen Ausgabe. — Einige neuere Werke
konnte ich zu meinem Bedauern nicht in den letzten Auflagen zitieren:
so werden Friedländers Darstellungen aus der Sittengeschichte nach der
fünften Auflage angeführt, und von Becq de Fouquieres Jeux des anciens
konnte ich die zweite Auflage trotz aller Bemühungen nicht erhalten, mußte
also nach der ersten zitieren.
Schließlich sage ich auch an dieser Stelle meinem lieben Kollegen, Herrn
Privatdozenten Dr. Otto Waser, der sich der Mühe unterzog, die Revisions-
bogen zu lesen, dafür meinen besten Dank.
Zürich im März 1911.
H. Blümner.
Inhaltsverzeichnis.
Seite
Anleitung 1
ürste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens 7
Erster Abschnitt. Das städtische Wohnhaus 7
Zweiter Abschnitt. Villen und Gärten 67
Dritter Abschnitt. Die innere Ausstattung des Hauses v'.»
Vierter Abschnitt. Der Hausrat 112
Fünfter Abschnitt. Die Nahrung 160
Sechster Abschnitt. Die Tracht 205
Siebenter Abschnitt. Die Sklaven 277
'weite Abteilung. Das Leben 299
Erster Abschnitt. Geburt und Kindheit 299
Zweiter Abschnitt. Erziehung und Unterricht der Knaben 312
Dritter Abschnitt. Die Flauen und die Ehe 341
^Vierter Abschnitt. Zeitrechnung und Tageseinteilung 372
Fünfter Abschnitt. Mahlzeiten und gesellige Unterhaltungen 385
Sechster Abschnitt. Bäder und Körperpflege 420
Siebenter Abschnitt. Der Verkehr 442
Achter Abschnitt. Ärzte, Tod, Bestattung und Grabmäler 474
Dritte Abteilung. Die Berufsarten 512
Erster Abschnitt. Jagd, Vogelfang und Fischerei 512
Zweiter Abschnitt. Die Landwirtschaft 533
Dritter Abschnitt. Handwerk, gelehrte und andere Berufe 589
Vierter Abschnitt. Handel und Geldgeschäfte 6 In
Jachträge und Berichtigungen 657
Verzeichnis der Abbildungen 659
Uphabetisches Register 661
Einleitung.
TTtTenn die römischen Privataltertümer, was die darin zu behandelnden
* * Gebiete des täglichen Lebens anlangt, im wesentlichen mit den
riechischen Privataltertümern übereinstimmen, so besteht dagegen in ge-
wissen Beziehungen ein starker Unterschied zwischen den beiden Disziplinen,
ler vornehmlich durch die ganz voneinander abweichende Beschaffenheit
ler für sie zu Gebote stehenden Quellen verursacht ist. Unsere Kunde
von griechischen Privataltertümern beginnt schon in der prähistorischen
£eit: einerseits die homerischen Gedichte, andrerseits die in noch frühere
Epochen zurückreichenden Funde der mykenischen Kultur machen es uns
nöglich, zwar kein vollständiges, aber doch ein für zahlreiche Gebiete des
rivatlebens jener Jahrhunderte ziemlich anschauliches Bild zu entwerfen.
Dann tritt freilich eine mehrere Jahrhunderte dauernde Periode ein, aus
ler fHr nur äußerst wenig wissen: die Litteratur versagt, und nur einige
Gräberfunde geben über das eine oder andre Aufschluß. Erst mit dem
sechsten Jahrhundert fangen die Quellen wieder an zu fließen, um im
linften und vierten ihren höchsten Stand zu erreichen; von keiner Periode
ler griechischen Vergangenheit können wir ein annähernd so vollständiges
Bild des häuslichen Lebens gewinnen, wie von dieser. In der helle-
listischen Zeit sind es dann viele Gebiete, die uns durch schriftliche und
nonumentale Quellen noch etwas besser erschlossen werden als früher;
lazu kommen die immer zahlreicher werdenden in schriftlichen Zeugnisse.
kber manche andere Gebiete liegen dafür minder deutlich vor uns, als in
er vorhergehenden Periode. Das ist das eine, was die griechischen Privat-
Itertümer charakterisiert: daß wir sie am besten in der klassischen Zeit
ler höchsten Blüte kennen, aber auch über die heroische Vorzeit und über
lie Zeit des Niedergangs Kunde haben. Ein zweites ist dies, daß wir
nfolge der Beschaffenheit unserer Quellen, abgesehen von der homerischen
Epoche, ganz vornehmlich athenisches Leben kennen lernen, während wir
on den zahlreichen anderen Stämmen und Städten Griechenlands, auf dem
Estland und auf den Inseln und in den Kolonien, zwar hier und da
inzelne Züge finden, die sich in das Gesamtbild einfügen lassen, aber eine
ollständige und durchweg deutliche Vorstellung von dem in manchen Be-
lebungen doch von athenischer Sitte stark abweichenden Privatleben der
brigen Hellenen sich daraus nicht gewinnen läßt.
Bei den römischen Privataltertümern beginnt die Darstellung mit einer
iel späteren Periode. Von prähistorischer Zeit ist, abgesehen von einigen
Gräberfunden, so gut wie gar nicht die Rede; aber auch die Anfänge der
igentlich historischen Zeit, die ersten Jahrhunderte der Stadt, sind für uns in
ehr vielen Punkten, wie ja auch in der politischen Geschichte, so hinsicht-
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft. IV. 2, •_>. 8. Aufl. 1
o Einleitung.
lieh des Privatlebens ganz in Dunkel gehüllt. Da und dort hat sich wohl
einmal in späteren Quellen irgend eine Notiz erhalten, aber wir können sie
oft nicht einmal auf ihre Zuverlässigkeit prüfen. Und das geht eigentlich
so weiter bis ins zweite vorchristliche Jahrhundert: erst von da ab können
wir von Schriftquellen für die Privataltertümer sprechen, obschon sie auch
da zunächst noch recht ärmlich sind, zumal bei den Komikern, die sonst
als ganz wesentliche Quellen gelten müßten, Griechisches und Römisches
so durcheinander läuft, daß es oft schwer ist, beides bestimmt auseinander
zu halten, während diejenigen Quellen, die uns sicherlich unschätzbares
Material liefern würden, die volksmäßigen Possen der Atellane und die
nationalen Lustspiele der Togata, leider verloren sind. Reichhaltiger
werden unsere litterarischen Quellen aber erst im letzten Jahrhundert der
Republik, um dann in den ersten beiden Jahrhunderten der Kaiserzeit
ihren höchsten Stand zu erreichen. Vor allem sind es die Satiriker, die
uns das meiste und wertvollste Material liefern: von Lucil leider nur
spärliche Fragmente, dann Horaz, Persius, Petron, Martial, Juvenal. Gegen
diese Quellen stehen alle andern erheblich zurück. Am meisten liefern
uns noch die Lyriker, besonders Catull, Horaz, Ovid, Tibull, Properz.
Weiterhin kommen von den Prosaikern in Betracht Cicero, sowohl in den
Reden als in den Briefen, recht stark der Philosoph Seneca, dann die
beiden Plinius, die Historiker, und für vereinzelte, aber oft wertvolle An-
gaben die Grammatiker, Scholiasten, besonders auch die Glossen. Dazu
treten dann die Inschriften, die freilich nur für gewisse Gebiete Material
liefern. Indem endlich auch die Kirchenväter und die Digesten als wichtige
Quellen nicht zu vergessen sind, ergibt sich, daß wir das römische Leben^
wenn auch nicht auf allen Gebieten, sondern auf dem einen mehr, auf dem
andern weniger, aus den Quellen vom zweiten Jahrhundert v. Chr. ab bis
zum Ausgang des Kaiserreichs verfolgen können.
Ein zweites ist dann folgendes: was wir aus unsern schriftlichen
Quellen erfahren, das bezieht sich weitaus zum größten Teile auf das Leben
der Hauptstadt, auf Rom selbst. Das Leben in den Munizipien, auf demj
Lande, in den Provinzen, das sich in so vielen Beziehungen anders geA
staltete als in dem großen Reich szentrum, bleibt uns in vielen Hinsichten
unbekannt; nur hier und da fällt einmal etwas Licht darauf, wie etwa
im Roman des Petron oder in den Straßen von Pompeji. Das ist denn
freilich durchaus nicht dasselbe, als wenn wir auf griechischem Boden
wesentlich athenisches, viel weniger spartanisches, thebanisches, korin-
thisches Leben kennen lernen; denn Athen war ja nicht das Zentrum,
nach dem die andern sich richteten, während Rom in seiner dominierenden
Stellung das Beispiel gab, das die Kleinen so gut sie konnten nachahmten!
etwa wie heute Paris den Ton angibt für die Provinz. Aber wie es verH
fehlt wäre, wenn jemand die französischen Provinzialstädte als lauter Klein-j
Paris betrachtete, wenn er die Schattenseiten und Laster der Hauptstadt]
die Romanciers und Satiriker oft grell ausmalen, auch den guten Proi
vinzialen in Bausch und Bogen zuschreiben wollte, so wäre es ebensd
falsch, wenn wir die Schilderungen, die uns Martial und Juvenal von der
Sittenverderbnis und dem Luxus Roms bieten, in verkleinertem Maßstab!
Einleitung. 3
Ruf die Municipien übertragen wollten. Dürfen wir doch nicht einmal für
Rom selbst verallgemeinern. Denn auch das hängt mit der Beschaffenheit
unserer Quellen zusammen, daß wir vom Leben des kleinen Mannes, des
ehrsamen Handwerkers oder des fleißigen Geschäftsmannes eigentlich herz-
lich wenig erfahren: die Vornehmen und Reichen, die Müßiggänger und
herumlungernden Parasiten, sie sind im wesentlichen das Publikum, von
Hem wir das meiste zu hören bekommen, und auch sie lernen wir viel mehr
kuf der Straße oder in der Geselligkeit, als im engern Familienkreise
kennen. So muß denn für die meisten Gebiete, die wir hier zu behandeln
haben, der Vorbehalt gemacht werden, daß wir vollständige, alle Zeiten
Roms und alle Klassen der Bevölkerung umfassende Darstellungen nicht
kieten können. Es kommt hinzu, daß die Inschriften, die für andere Ge-
kiete des antiken Lebens so schätzenswerte Aufschlüsse geben, solche für
Mas private Leben begreiflicherweise nur spärlich bieten, und daß auch
kie Denkmäler zwar durch eine reiche Fülle von Gegenständen des täg-
lichen Gebrauchs ungemein lehrreich sind, aber, was Darstellungen des
läglichen Lebens betrifft, nur vereinzelt in Genreszenen der Wandmalerei
kder in Grab- und Sarkophagreliefs herangezogen werden können, während
iejenige Denkmälerklasse, die bei den griechischen Privataltertümern so
ankenswerte Illustrationen und Erweiterung unserer Kenntnis bietet, näm-
ch die Vasenmalerei, hier bekanntlich gänzlich fehlt.
Dafür besitzen wir freilich eine Quelle von unvergleichlichem Wert,
rie sie für griechisches Leben nirgends fließt, in Pompeji, seinen Straßen
ind Häusern und den darin ausgegrabenen Geräten und Malereien. Ist es
uch eine Provinzialstadt, die wir hier durchwandern und deren einstige
Jewohner unserm geistigen Auge wie leibhaftig entgegentreten, so dient
s doch eben gerade deshalb sehr gut als Ergänzung zu jenen Schrift-
uellen, die uns in die Straßen der Hauptstadt versetzen. Ein Gang durch
ie Totenstadt, bei dem wir in die Häuser treten und sie in allen ihren
täumen durchwandeln, dann wieder ein Besuch jener Säle des Museo
azionale in Neapel, in denen die reiche Sammlung von Hausrat und
llerlei Gebrauchsgegenständen aus den verschütteten Städten aufbewahrt
3t, das bietet eine nie versiegende Fülle von Anschauung und Belehrung,
urch die unsere aus den Schriftquellen geschöpften Kenntnisse in glück-
chster Weise illustriert und vermehrt werden. Daher muß Pompeji mit
einen Resten des Altertums bei einer Darstellung der römischen Privat-
ltertümer eine sehr wichtige Rolle spielen.
Was die Litteratur der römischen Privataltertümer anlangt, so ist
ine gründliche Gesamtbehandlung des Stoffes verhältnismäßig recht jungen
)atums. Zwar sind einzelne Gebiete daraus, ebenso wie bei den griechischen
[rivataltertümern, schon im 16. und 17. Jahrhundert in gelehrten Einzel-
phriften behandelt worden: meist nach damaliger Art mit sehr gründlicher
mrchforschung der litterarischen Quellen, aber ohne Kritik und Methode
lud ohne Kenntnis der Bildwerke und der erhaltenen Reste des römischen
Lltertums. Diese mit großem Fleiß zusammengetragenen Untersuchungen
her Kleidung und Schuhwerk, über Bäder und Spiele, über Bestattung
BW. kommen heut freilich kaum noch in Betracht, da das in ihnen auf-
4 Einleitung.
gespeicherte Material längst in die neuere Fachliteratur übergegangen ist;
verschiedene davon, von deren Aufzählung hier abgesehen werden kann,
finden sich im Thesaurus antiquitatum Romanarum von J. G. Graevius,
12 Bände, Utrecht 1694—99 (wiederholt Venedig 1732), und im Novus
Thesaurus antiquitatum Romanarum von A. H. Sallengre, 3 Bände, Haag
1716 — 19 (Venedig 1735), mit Supplement von J. Polenus, 5 Bände,
Venedig 1737.
Auch im 18. Jahrhundert sind es vornehmlich Arbeiten über einzelne
Gebiete der Privataltertümer, die zu verzeichnen sind; eine Zusammen-
fassung des Ganzen liegt zum ersten Male vor in dem Buche von d'Arnay
De la vie privee des Romains, Paris 1760 (auch Lausanne 1760, deutsch
Leipzig 1761, italienisch Neapel 1783). Allein im Gegensatz zu jenen viel-
fach sehr eingehenden und fast pedantisch gründlichen älteren Schriften
über einzelne Spezialgebiete ist dies Büchlein nichts als eine kurze und
oberflächliche populäre Darstellung, bei der man heut schwer ihren dan
maligen buchhändlerischen Erfolg begreift. Besser, wissenschaftlich ver-
tiefter und auch mit einer Auswahl von Belegstellen versehen ist J. H. LJ
Meierotto Über Sitten und Lebensart der Römer in verschiedenen Zeiten
der Republik, erste Auflage Berlin 1776, dann wiederholt 1802 und in
dritter Ausgabe von Phil. Buttmann 1814. Freilich trägt auch dies
Buch ganz den Charakter einer populären Darstellung; außerdem ist vonj
einer systematischen Gliederung des Stoffes noch keine Rede, und daa
letzte Kapitel, in dem der Luxus der Privatpersonen im 1. Jahrhundert den
Kaiserzeit behandelt wird, ist sogar in die Form eines Dialoges zwischen]
Plinius und dem berüchtigten Regulus gekleidet. Und wie seinerzeit
J. J. Barthelemy seiner Schilderung griechischer Sitten die Form der Reise-j
beschreibung eines jungen Skythen gab, um dem Publikum den trockenen)
Stoff mundgerechter zu machen, so verfaßte L. Ch. Dezobry sein Romej
au siecle d' Auguste ou voyage d'un Gaulois ä Rome ä l'epoque du regnet
d'Auguste et pendant une partie du regne de Tibere, welches Buch zuerst
Paris 1835 (deutsch von Hall, Leipzig 1838) erschien und mehrfach, zuletzt
sogar noch 1875, neu aufgelegt worden ist.
Alle diese Versuche können aber nicht den Vergleich aushalten mii|
dem heute noch unentbehrlichen Werke von W. A. Becker Gallus öden
römische Szenen der Zeit des Augustus zur genaueren Kenntnis des
römischen Privatlebens, zuerst Leipzig 1838, in dritter Auflage besorgt
von W. Rein 1863, neu bearbeitet von H. Göll, Berlin 1880—82. Zwar,
hat Becker es noch für notwendig gehalten, dem damaligen Zeitgeschmack^
nachgebend zur Grundlage seines Buches eine kleine historisch -archäo-*
logische Novelle zu machen, bei der dann die gelehrten Anmerkungen und.
vor allem die zahlreichen Exkurse räumlich wie inhaltlich die Hauptsache
sind; aber eben diese Anmerkungen und Exkurse bieten eine Fülle geJ
lehrten Materials und selbständiger Forschung, die für die Nachfolger eini
reiche Fundgrube geworden und noch ist. Freilich ist, infolge der un-
glücklichen Art der Einkleidung, auch der Gallus kein systematische«
Handbuch der Privataltertümer; als erster Versuch eines solchen kana
gelten Ch.Th. Schuch Privataltertümer oder wissenschaftliches, religiöse!
Einleitung. 5
tand häusliches Leben der Römer, Karlsruhe 1842, bei welchem Buche
freilich nur einige Abschnitte das repräsentieren, was wir heut Privat-
altertümer zu nennen gewöhnt sind, und diese fußen fast ganz auf Beckers
Gallus.
So muß man denn sagen, daß eigentlich das erste durchaus brauch-
bare und in jeder Hinsicht wissenschaftlich gründliche, dabei hinlänglich
ausführliche und mit ausreichenden Quellennachweisen .versehene Hand-
buch die als Band V von Becker und Marquardts Handbuch der röiöi-
echen Altertümer erschienenen römischen Privataltertümer von Joachim
Marquardt sind, Leipzig 1864 — 67, die dann als Band VII des Hand-
buches der römischen Altertümer von Marquardt und Mommsen unter dem
Titel Das Privatleben der Römer zuerst 1879, dann in neuer, von A. Mau
besorgter Auflage 1886 erschienen sind. Wie dies ganz vortreffliche
Handbuch das erste wahrhaft brauchbare ist, so ist es bisher auch das
einzige geblieben; denn M. Voigts Römische Privataltertümer und Kultur-
geschichte, die als Band IV 2 des I. v. Müllerschen Handbuchs erschienen
Bind (zuerst 1887, in zweiter Auflage 1898), stellen weit mehr den Versuch
einer römischen Kultur- und Wirtschaftsgeschichte vor, bei dem zwar die
Privataltertümer auch Berücksichtigung gefunden haben, sogar mit dem
Bestreben, eine historische Darstellung derselben nach Perioden zu geben
[wofür wir jedoch nur auf ganz wenig Gebieten das genügende Material
besitzen), aber sie treten doch zu stark in den Hintergrund und werden
pu summarisch abgemacht, als daß sie neben Marquardts eingehender Be-
handlung des Stoffes Bedeutung beanspruchen dürften.
Als muster- und meisterhaftes Werk in seiner Verbindung fesselnder
gemeinverständlicher Darstellung und strengster wissenschaftlicher Ver-
tiefung müssen wir L. Friedländers Darstellungen aus der Sittengeschichte
Iftoms in der Zeit von August bis zum Ausgang der Antonine hier an-
rühren, 3 Bände, zuerst erschienen Leipzig 1881, in sechster neu-
pearbeiteter Auflage 1888—90. Zwar sind es nur einzelne Abschnitte
llieses Buches, die ins Gebiet der Privataltertümer gehören, indessen doch
berade solche von einschneidender Bedeutung; auch geht zwar die Dar-
stellung wesentlich von dem genannten Zeiträume aus, beschränkt sich
[ledoch nicht gänzlich darauf, sondern greift gelegentlich ebenso zurück,
Ivie darüber hinaus1).
Von lexikalisch angelegten Werken ist zu nennen Paulys Real-
Encyklopädie der classischen Altertumswissenschaft (6 Bände, Stuttgart
11837 — 52; Band I in zweiter Auflage 1864 — 66); die neue Bearbeitung.
Iierausgegeben von G. Wissowa, in Fortsetzung von W. Kroll, seit 1894
Erscheinend, ist zurzeit bis zum Buchstaben F fortgeschritten; und sodann
er großangelegte Dictionnaire des Antiquites Grecques et Romaines von
h. Daremberg und Edm. Saglio, Paris 1877 ff., von dem bisher 7 Haib-
ände (bis zum Buchstaben R), mit zahlreichen Abbildungen ausgestattet,
nrliegen.
*) Das eben erschienene Buch von W. W. Fowler Social life at Rome in the age of
Scero, London 1909, ist mir erst während des Druckes zugegangen.
6 Einleitung.
Von den neueren populären Darstellungen der Privataltertümer, ad
denen kein Mangel ist (zumal an solchen für Schulz wecke), will ich weiter]
keine namhaft machen, da sie ihrer Tendenz nach und wegen des BeiseiteH
lassens des Quellenmaterials und der Literaturnachweise für uns nicht inj
Betracht kommen. Auch die so ungemein umfangreiche Litteratur übeij
Pompeji anzuführen würde über den Rahmen dieser Einleitung hinausgehen;;
es mag genügen, auf die beiden Hauptwerke in deutscher Sprache hin-i
zuweisen: J. Overbeck Pompeji in seinen Gebäuden, Altertümern und,
Kunstwerken, zuerst Leipzig 1856, in vierter Auflage (im Vereine mit-
A. Mau) 1884, und A. Mau Pompeji in Leben und Kunst, Leipzig 1900^
zweite Auflage 1908.
Was von Speziallitteratur Bedeutung hat, wird jeweilen an der Spitze
der einzelnen Abschnitte angeführt werden.
Erste Abteilung.
Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
Erster Abschnitt.
Das städtische Wohnhaus.
Litteratur.
Iazois Le palais de Scaurus, Paris 1820 (2. ed. 1822; 3. exl. 1869); deutsch von K. E. und
E. Fr. Wüstemann. Gotha und Erfurt 1820.
fiKT Die. Geschichte der Baukunst bei den Alten. Berlin 1827. III 267 ff.; 323 ff.
umpt Ueber die bauliche Einrichtung des römischen Wohnhauses. Berlin 1844 (2. Aufl. 1852).
Iecker Gallus. Neubearbeitet von H. Göll. Berlin 1880 ff. II 213 ff. (ältere Litteratur S. 217).
Iarqu*rdt Das Privatleben der Römer, 2. Aufl. besorgt von A. Mau. Leipzig 1886. S. 213 ff.
(ältere Litteratur ebd. A. 1).
Ionceaux Artikel Domus, in Daremberg et Saglio Dictionnaire des Antiquites. Paris 1887.
II 349 ff.
. Marx Die Entwicklung des römischen Hauses. Neue Jahrb. f. d. klass. Altert. XII (1909)
I 547 ff.
Pompejanisches Haus.
vellino Descrizione di una casa Pompeiana. Napoli 1837. Descrizione di una casa di-
sotterata in Pompei. Napoli 1840.
issex Pompejanische Studien. Leipzig 1877. S. 593 ff.
verbeck Pompeji. 4. Aufl. besorgt von A. Mau. Leipzig 1884. S. 244 ff.
. Mau Pompeji in Leben und Kunst. 2. Aufl. Leipzig 1908. S. 250 ff.
hkdknat Pompei. Histoire, Vie priväe. Paris 1906. 43 ff.
Wie die Wohnungen der ältesten Ansiedler auf den Hügeln am Tiber
eschaffen waren, darüber liegen fast gar keine Nachrichten vor, wenigstens
icht solche, die Anspruch auf Zuverlässigkeit machen dürfen. Freilich
'erden wir uns diese ersten Wohnsitze der Römer, dem bäuerlichen
'harakter der ältesten Stadtgemeinde entsprechend, mehr ländlich als
tädtisch zu denken haben; und wie man noch in später Zeit eine ein-
gehe, mit Stroh gedeckte Hütte auf dem Palatin als Wohnstätte des
Jomulus zeigte1), so wird wohl in den Anfängen der Königszeit das
lauernhaus noch die gewöhnliche Form der Wohnung des römischen
►ürgers gewesen sein. Solche einfache Hütten {casae, tuyuria), deren Form
') Ov. fast. I 199: dum casa Martigenam gurium Faustuli (Solin. V 18) identisch. Vgl.
Wiebat parva Quirinum. III 183: quae [ Schwegler Rom. Gesch. I 394; über die Stelle.
(t'rt't nostri, si quaeris, regia nati, | aspice de wo die Hütte des Romulus belegen war, s.
mna stramiuiimsque domum. Dion. Hai. I Richter Topogr. v. Rom 127; 133 f. Auch
9, 11: .-ri/^nithour <)tu ;r/.<»r y.ai xaldficov auf dem Kapitol wurde eine xaÄrßt) des Ro-
üt/vüc avtOQoqxms, Senec. dial. XII 9, 3: istud mulus oder Faustulus gezeigt, Cononnarr.48.
wnile twgurwm. Damit ist wohl das tu- Vitr. II 1, 5.
g Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
auch später noch einzelne Heiligtümer, wie das der Vesta auf dem Forum 1),
der Laren u. a.2) im wesentlichen bewahrten, werden uns in ihrer primi-
tivsten Anlage verdeutlicht durch Aschenurnen, wie sie vornehmlich im
älteren Teile der Nekropole von Alba Longa, ferner unterhalb des römischen
Forums und anderwärts in Rom gefunden worden sind und die diese ein-
fachen Bauernhütten in charakteristischer Weise nachbilden3). Diese
tönernen Urnen, deren Alter nicht genau zu bestimmen ist (die albanischen
stammen aus einer Periode, in der die Vulkane des Albanergebirges noch in
Tätigkeit waren), stellen eine rundliche Hütte dar, deren Wände aus Lehm,
Reisig und dergleichen Materialien4) aufgeführt sein mochten; das Dach,
das aus verschiedenen Lagen Stroh oder Binsen bestand5), hatte spitze Form
und wurde durch Rippen, die sich über dem First hörnerartig fortsetzten,
festgehalten. Das für das spätere italische Wohnhaus bezeichnende Com-
pluvium fehlt; zur Beleuchtung des weiten
Innenraumes und um den Rauch des Herdes
heraus zu lassen, diente eine große Türöffnung
und außerdem bisweilen noch eine kleine drei-
eckige Luke, die sich an einigen dieser Gefäße
am vordem, mitunter auch am hintern Abfall
des Daches angebracht findet und wohl bei
geschlossener Tür in Funktion trat6); siehe
die Abbildung Fig. 1 7). Ganz ähnliche Hütten-
urnen haben sich auch anderwärts, namentlich
in Etrurien 8) gefunden und repräsentieren da-
her jedenfalls den allgemein italischen Typus
_ _ . . . _, . „„„ des alten Bauernhauses. Erhalten hat sich
Fig. 1. Aschenurne in Form einer Hütte. . •
von derartigen Wohnanlagen freilich nichts
mehr; aber die auf dem Esquilin9) und unweit Marino bei dem Caput
*) Ov. fast. VI 265 : forma tarnen templi,
quae nunc manet, ante fuisse dicitur. Fest.
262 b, 26 ; vgl. Richter a. a. 0. 88.
2) xaXiädec, Dion. Hai. IV 14, 3 ; y.aliäg des
Mars auf dem Palatin ebd. exe. XIV 2, 2 (5).
Plut. Camill. 32; xaliädeg legal, Plut. Numa 8;
y.aliäg rjpwcor, Dion. Hai. III 70, 2; y.aliäg in
Lavinium, ebd. I 57, 1, letztere auch auf rö-
mischen Medaillen dargestellt, s. Cohen Me-
daillesimper. 2. ed. II 393 n. 1171; 395 n. 1183.
Fröhner Med. de l'empire 50.
3) Die Haupttypen sind zusammengestellt
in der Archaeologia XLII (Lond. 1869) I 99 ff.
mit Text von Pigorini und Lubbock. Vgl.
über diese und ähnliche Funde in anderen
Gegenden Italiens die bei Daremberg-Saglio
II 349 Note 165 zusammengestellte Litteratur.
Dazu Rubino Beitr. z.Vorgesch. Italiens 231.
Bonstetten Revue d' antiqu. Suisses (Bern 1 855)
p. 16 f. de Blacas Decouv. de vases fune-
raires (in den Memoires des antiqu. de la
France T. XXVIII). Abeken Mittelitalien 186.
Helbig Italiker in der Poebene 50 ff; die
römischen bei Hülsen Das Forum Romanum2
201, Abb. 111. Mariani Bull, comunal. 1896,
9 tav. V 20. Anderweitige Funde derart s.
Bull, comun. XXVI (1898) tav. 7, 11; XXVIII
(1900) tav. 10, 17. 19. 11,16.18; XXXl(1903)
tav. 3. Not. d. seavi 1894, 126 ; 1902, 142. 1 52 f. ;
1903, 151; Durchschnitt und Ansichten 1906,
12. 43. Mon. d. Lincei XV tav. 19, 10.
4) Nach Fest. 12, 6 waren die ältesten
Wohnhäuser von Holz ; Ov. fast. VI 262 gibt
Weidenruten als Material der alten Hütten an.
5) Isid. XV 8, 4 führt die Etymologie
von eulmen auf eulmus, Halm, zurück, weil
die Vorfahren damit ihre Dächer gedeckt
hätten, wie es noch auf dem Lande üblich
sei. Ov. fast. III 184: de canna straminibus-
que domum ; VI 261: stipula teeta. Schilt
zur Bedachung war auch später noch auf
dem Lande üblich, Plaut, m. gl .18; Rud. 122.
Apul. met. IV 6.
6) Vgl. Archaeologia a. a. O. pl. IX 7 ff.
7) Nach Ann. d. Inst. XLIII (1871) tav. U9.
8) Martha L'art etrusque 35; 286.
9) Nardoni und de Rossi in der Zeitschr.
II Buonarroti Ser. II Vol. IX (1874) Marzo.
Erster Abschnitt. Das städtische Wohnhaus. 9
wquae Ferentinae1) ausgegrabenen Reste alter Ansiedlungen führen auf ent-
sprechende Bauweise, da die von den Fundamenten eingeschlossene Erd-
schicht mit ihren Resten von Holzkohlen, zersetzten organischen Körpern
und Manufakturen, die sich ganz deutlich von dem umgebenden unbewohnten
Boden unterscheiden, zu erkennen geben, daß die dort erbauten Wohnungen
aus vergänglichen Materialien aufgeführt waren2).
Aber schon frühzeitig wird diese runde Hütte durch das viereckige
Haus mit oblongem Grundriß verdrängt worden sein3). Woher diese neue
Form des Wohnhauses kam, steht nicht fest, obschon mehrfach angenommen
worden ist, daß dies unter griechischem Einfluß geschehen sei4); doch ist
es wahrscheinlich Etrurien, von wo diese Hausform zu den Römern ge-
kommen ist, die in einfachster Art durch etruskische Aschenurnen mit
schräg nach allen vier Seiten ab-
fallendem Dach, das oben eine
Lichtöffnung zeigt, verdeutlicht
wird5), vgl. Fig. 26). Ursprüng-
lich wird auch hier ein einziger
Raum als Wohn- und Schlafstätte
gedient haben, um den sich dann
im Verlauf der weiteren Entwick-
lung die andern Räumlichkeiten
gruppierten: so entstand das den
Herd enthaltende Atrium, das
etruskischer Herkunft ist7) und
die Grundlage des altitalischen
Hauses bildet. Bevor wir jedoch
dazu übergehen, den Grundriß
des römischen Normalhauses zu betrachten, haben wir einiges über die
vornehmlich dabei zur Verwendung gelangenden Baumaterialien zu
bemerken.
Die Substruktionen der Häuser (crepido, fundamenta, substrudio)8)
wurden aus Feld- oder Bruchsteinen hergestellt, wobei man überall den
zunächst zur Hand befindlichen Tuffstein oder Peperin, Travertin und der-
gleichen nahm9). Die daraus hergestellten Grundmauern wurden ent-
weder mit sorgfältig und regelmäßig zubehauenen Steinen in horizontaler
Fig. 2. Aschenurne in Hausform.
') deRossi A. d. I. XXXIX (1867) 41 ; ders.
im Giornale arcadico N. S. Vol. LVIII. Ueber
Böden von Hütten in alten italischen Ansied-
lungen s. Petersen R. M. VI (1891) 360: auch
Spuren von eingerammten Pfählen, die durch
Geflecht verbunden die Wände bildeten und
das Dach trugen, s. Not. d. scavi 1891, 19. 44.
B13. Ueber die ältesten Wohnhäuser in Latium
s. 1 :. Pinza Bull, comun. XXVI (1898) 95 ff.
*) Helbig a. a. 0. 50 f.
3) Ueber die Entwicklung der Hütten-
form. den Uebergang von der runden zur
ovalen und von dieser zur rechteckigen Form
s. Barnabei Not. d. scavi 1893, 200 ff.
4) Vgl. Helbig ebd. 55.
5) 0. Müller Etrusker, bearb. v. Deecke.
I 239 A.26.
6) Nach Abeken Mittelitalien Taf. III 6;
vgl. Daremberg - Saglio II 350 Fig. 2511.
Martha a.a.O.290 Fig. 198. Beil. ant. Skulpt.
480 N. 1242.
7) Varr. 1. l.V 161. Diod.V 40, 1.
8) Belegstellen s. Blümner Technologie
d. Gr. u. R. III 133. Vgl. über fundamenta
ca*menticia Brugi im Archiv, giurid. XXXVIII
(1887) 493 ff.
9) Vitr. II 7. Vgl. Jordan Topogr. von
Rom I 1, 6 ff. Richter Topogr. von Rom 25.
In Pompeji nahm man Lava, Nissen Pompej.
Studien 578.
10
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
Schichtung oder aus unregelmäßig geformten Bruchsteinen mit Mörtel ald
Bindemittel aufgeführt1). Der Oberbau wurde in der republikanischen;
Zeit fast immer aus gewöhnlichen Luftziegeln hergestellt (als parm
httericius)2), selten aus würfelförmigen Stücken einheimischen Gesteins iia
der Weise des opus incertum oder des opus reticulatum3). Der Backstein-
bau tritt erst verhältnismäßig spät auf; in Rom reichen die Ziegelstempel
nicht über die augusteische Epoche hinaus, außerhalb Roms in Kolonien
und Munizipien nicht über die Zeit Sullas4), und noch Vitruv5) empfiehlt
den Luftziegelbau als besonders zweckmäßig, selbst für öffentliche Bau-
werke, und schreibt nur für gewisse städtische Bauten die structurm
testacea (testa ist der gewöhnliche Ausdruck für den later coctus) als Ober-
teil der parietes latericii vorfi). Es hat daher nichts Verwunderliches,
daß noch in der Kaiserzeit Häuser aus Luftziegeln sehr gewöhnlich waren7).]
Daß das kostbare Material des Marmors zum Außenbau von Privathäusern'
(abgesehen etwa von Säulen und Ornamenten) verwendet wurde, kam wohl
vor der Kaiserzeit kaum vor; war doch vorher die Verwendung von Marmor
selbst für Tempel und öffentliche Gebäude noch vereinzelt gewesen.8)*
Zur Bedeckung des Daches kamen die in alter Zeit üblichen Schindeln
{scandulae) noch bis zur Zeit des Pyrrhuskrieges vor9); doch war schon
vor dem gallischen Brande Bedeckung mit gebrannten Ziegeln üblich ge-
worden, vielleicht infolge davon, daß der Staat Ziegelbrennereien angelegt;
hatte10). In der Hauptstadt wird das Ziegeldach seit jenem von Cornelius'
Nepos überlieferten Datum obligatorisch geworden sein; auf dem Lande
blieben Schindeldächer auch später noch in Gebrauch11).
Was die bauliche Anlage des römischen Wohnhauses betrifft, so]
1) Näheres bei Choisy L'art de bätir chez
les Romains (Paris 1873), p. 13 ff. Blümner
a. a. 0. 136 ff.
2) Cat. r. r. 14, 4. Varro b. Non. 48, 9
(Sat. Menipp. 225, 9 Riese): antiqui nostri in
domibus latericüs paululum modo lapidibus
suffundatis, ut umorem ecfugerent, habitabant.
Cic. de divin. II 47, 99 : in latere aut in cae-
mento, ex quibus urbs effecta est. Vitr. II
1, 7: non casus, sed etiam domos fundatas
et latericüs parietibus aut e lapide structas
materieque et tegula tectas perficere coeperunt.
Dio Cass. XXXIX 61 von einer Tiberüber-
schwemmung vom Jahre 54 v. Chr.: at xs
ovv olxiai, ex jiXivdaov yäo ovvwxodo/irj/nevai
rjaav, bi6.ßr>vyoi xe eyevorxo xai xaxeQQaynaav.
Vgl. Blümneb a. a. 0. II 9 A. 4.
3) Vitr. II 8, 1 ff., vgl. Nissen a. a. 0. 57 ff.
Jokdan a. a. 0. I 1, 14. Blümner a. a. 0. III
146.
4) Jordan a. a. 0. 15 A.26.
b) Vitr. II 8, 9. So konnte Augustus die
Stadt, wie er sie vorgefunden, als latericia
bezeichnen, Suet. Aug. 28.
6) Vitr. a. a. 0. 17 f.
7) Man vgl. die Berichte über die Tiber-
überschwemmungen bei Tac. ann. I 76 und
hist. I 86.
8) Siehe die bei Marquabdt 618 f. zu-
sammengestellten Notizen. In Pompeji, wo
die Verhältnisse anders lagen als in Rom,
unterscheidet man bei den Privatbauten die
Zeit der Kalksteinatrien, d. h. der Häuser,
die außen Quaderfassaden aus Sarnokalkstein,
im Innern Kalksteinfachwerk aufweisen (vor
200 v. Chr.); die Tuffperiode, die vornehmlich
aus grauem Tuffstein baut (200—90 v. Chr.);
die erste römische Zeit (von 80 v. Chr. an),
der aber keine Wohnhäuser angehören; die
Zeit vom Ausgang der Republik bis zum
Erdbeben von 63 n. Chr., ohne bestimmte
Baumerkmale, doch mit bestimmten Stilen
in der Wandmalerei, und endlich die Zeit
nach 63, durch äußere Merkmale kenntlich,
ohne gemeinsamen Baucharakter. Siehe Mau
Pompeji 34 ff. Overbeck Pompeji 36. Nissen
49 ff.
9) Plin. XVI 37: scandula contectam fn-
isse Romam ad Pyrrhi usque bellum annis
CCCCLXX Cornelius Nepos auctor est.
10) Das scheint aus Liv. V 55. 3 und Diod.j
XIV 116, 8 hervorzugehen; vgl. Nissen a. a. 0.
23 ff. Ueber die verschiedenen Arten der
Dachziegel (imbrices und tegulae) vgl Mar-
quardt 687. Becker-Göll II 291.
") Plin. XVI 36; ib. 42. Pallad. r. r. I 22.
Erster Abschnitt. Das städtische Wohnhaus.
11
pind wir beinahe für die ganze republikanische Zeit lediglich auf unsre
itterarischen Quellen angewiesen, da Reste von Privathäusern erst aus
er letzten Zeit der Republik erhalten sind. Auch für diese und für die
aiserzeit sind die Reste von Privathäusern in Rom selbst sehr spärlich,
afür bieten uns aber die in Pompeji in großer Zahl ausgegrabenen reichen
Ersatz, denn es unterliegt keinem Zweifel, daß wir in dieser kampanischen
Stadt Wohnhäuser nach römischem, nicht nach hellenistischem Brauche
/or uns haben 1).
In der älteren Zeit der Republik lagen die meisten Wohnhäuser jeden-
alls noch für sich allein, waren also nicht durch gemeinschaftliche Wände
nit den Nachbarhäusern verbunden. Das war schon notwendig bei der
ilteren Art der Dächer, die als tectum frectinatum oder tectum testudina-
um 2) auf zwei oder auf vier Seiten nach außen abfielen und der Ab-
'iilmmg des Regenwassers wegen es notwendig machten, daß rings um
las Haus ein freier Raum (ambitus) blieb, der für jedes Haus durch das
^wölftafelgesetz auf zweieinhalb Fuß normiert war3). Allein jedenfalls
nachte die Zunahme der Bevölkerung und die Notwendigkeit, die speziell
n Rom durch das Klima geboten war, die Niederungen zu meiden4), ein
Zusammenschließen der Wohnungen notwendig und führte zur Anlage
lebeneinanderliegender Häuser mit parietes communes6), deren Einführung
n Rom freilich nicht sicher datierbar ist6). Diese veränderte Bauweise
latte dann zur Folge, daß auch die Dachanlage geändert werden
nußte; da das Altertum Dachrinnen, die das Regenwasser vom Dache
er Hausmauer entlang zur Erde führen, nicht gekannt zu haben
scheint, so mußte die schräge Dachform, bei der das Regenwasser
liach außen ablief, aufgegeben werden, und das führte zur Anlage
les für das italisch-römische Wohnhaus charakteristischen Innenhofes mit
') Das zeigt namentlich ein Vergleich mit
len in Delos, Pergamon und Priene aufgedeck-
,en Häusern hellenistischer Anlage, vgl.CouvE
m Bull, de corr. hell. XIX (1895) 475. Wie-
nand und Schrader Priene (Berlin 1904) 285 ff.
rLuiptunterschied ist dabei, daß der Haupt-
aum des hellenistischen Hauses die av/.))
nit den daran anstoßenden &äkauoi ist, der
les römischen Hauses das Atrium mit alae
ind tablinum. Auch darauf ist hinzuweisen,
laß die pompejanischen Grundrisse mit denen
ibcreinstimmen, die sich auf dem kapitolini-
chen Stadtplan von Privathäusern finden.
2) Fest.213 a, 6 : pcctenatum tectum dicitur
i similitudine pectinis in (Inas partes divisum,
it testudinatum in quattuor.
3) Varr. 1. l.V 22: ambitus est quod cir-
iutneundo teritur, nam ambitus circuitus, ab
oquc XII tabularum interpretes ambitus
varietis circuitum esse describunt. Fest. 5, 4:
imbitus proprie dicitur circuitus, aedificiorum
yatens in latitudinem pedes duos et semissem,
n longitudinem idem quod aedificiuw, ebd.
[6, 16. Isid. XV 16, 12. Voigt XII Tafeln
.1 620 bezeichnet als Zweck des ambitus
einmal, den beiden Nachbarhäusern das Licht
für die seitlich des Atriums belegenen Räume
zu sichern, und sodann, den direkten Zugang
wie die Zufahrt zum Hofe zu gewähren, s.
ebd. 637. Vgl. Preller Regionen der Stadt
Rom 87.
4) Vgl. Poehlmann Die Anfänge Roms
(Erlangen 1881). 5 ff.
5) Siehe Voigt BSGW 1874, 196 ff.
6) Nissen a. a. 0. 567 f. setzt sie mit
Rücksicht auf das erwähnte Zwölftafelgesetz
nach dieser Epoche an; Lange Haus und
Halle 53 möchte im Gegenteil daraus schließen,
daß vor jenem Gesetz kein Ambitus fest-
gehalten, folglich mit purictcs communes
gebaut worden sei. Mau bei Marquardt 218
A. 2 bemerkt, daß die zwölf Tafeln zwar
die Bestimmung über den Ambitus enthalten,
aber nicht überliefert ist, daß sie ihn vor-
schrieben. Nach dem großen Brande von
63 n. Chr. befahl Nero, daß zwischen je zwei
Häusern ein Ambitus freigelassen werde.
Tac. ann. XV 43. Suet. Nero 16. Vgl. Mau
bei P.-W. 1 1803. Voigt a. a. 0. Weknek
De incendiis urbis Romae (Lips. 1906) 48 ff.
12
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
Compluvium, d. h. des Atrium Tuscanicum1), einer der griechischen Welta
fremden Bauweise2).
Nach der Straße zu pflegte das römische Wohnhaus, falls nicht Kauf-
läden darin angelegt waren, wenigstens im untern Stockwerk (über Fenster-
im obern s. u.), keine Öffnungen weiter zu haben, als die für die Haustür,
das Oßtium8). Bevor man aber von der Straße aus das Haus betrat, hatte
man, wenigstens in zahlreichen Hausanlagen, erst das sogenannte uesti-,
bulum zu passieren4). Freilich gehen über die Bedeutung dieses Wortes;
sowie über seine Etymologie die Meinungen auseinander5), was daher
') Die Annahme von Marquardt 216,
Nissen 621, Monceaux bei D.-S. 350 u. a., daß
das altrömische Haus überhaupt den Namen
atrium geführt habe, wofür man sich auf die
noch später üblichen Namen einzelner Bau-
lichkeiten, wie atrium Maenianum, Titium,
publicum, sutrinum, auctionarium u. dgl. (vgl.
Jordan Forma urbis 29 f.) beruft, hat wenig
Wahrscheinlichkeit; vgl. die Bemerkungen bei
Becker-Göll II 254 und Voigt in Burs. Jahres-
ber. XV 377.
2) In Nordafrika (Timgad) ist kein Atrium
Tuscanicum noch Impluvium nachweisbar;
auch sonst ist das römische Atriumhaus in
den Provinzen nicht üblich geworden, s. Marx
a. a. 0. 555.
3) Ostium und ianua sind an sich nicht
identisch, vgl. Plaut. Persa 788: ante ostium
et ianuam. Streng genommen ist eben die
Tüi ein Teil des ostium, indem unter letz-
terem allgemein der Zugang oder Eingang
des Hauses verstanden wird, Vitr. IV 6, 1 ;
vgl. Serv. ad Aen.VI 43, der aber fälschlich
die dort mitgeteilte Etymologie: ostium per
quod ab aliquo arcemur ingressu, ab obstando
dictum, dem Vitruv zuschreibt. Isid. XV 74
führt außer dieser noch einige ebenso falsche
Etymologien an (quia ostendit aliquid quod
intus, oder quia hostem moratur); vielmehr
kommt das Wort , das zunächst allgemein
Mündung bedeutet, von os her. In der lex
parieti faciundo CIL I 577 ist ostium die Tür-
öffnung, für die Breite und Höhe angegeben
werden. Daß ostium sehr häufig gleich-
bedeutend mit ianua oder fores gebraucht
wird, bedarf keines Beleges.
4) Cic. p. Mil. 27, 75: qui parietem super
vestibulum sororis instituit ducere . . ., ut
sororem non modo vestibulo privaret, sed omni
aditu et limine. Cicero verbindet gern vesti-
bulum und aditus, vgl. de orat. II 79. 320;
orat. 15, 50; in Verr. act. II, II 66, 160; pro
Caecina 12, 35. Ebenso wird vestibulum mit
Urnen verbunden, s Liv. II 49, 3 vgl. mit ebd.
48. 10. Verg. Aen. II 469. Vgl. Vitr. VI 10
(7), 5: item Jigößvoa graece dicuntur, quae
Bunt, ante ianua* vestibula. Die Glossen er-
klären vestibulum durch jtooj-zvXouov, ngödvQov
oder xQÖvaog, s. Corp. Gloss. LatVII 409.
■) Schon im Altertum war man darüber
im Unsichern. Varro, der nach Serv. ad Aen.
VI 273 auf Etymologie verzichtete {vestibulum,
ut Varro dicit, etymologiae non habet pro*
prietatem, sed fit pro captu ingeniij, sagt
1. 1. VII 81 nur: vestibulum, quod est antt,
domum. Die Unsicherheit hängt jedenfalls
damit zusammen , daß die Bedeutung des
Wortes frühzeitig beträchtlich erweitert worden
ist, andrerseits der ursprüngliche Zweck und
Gebrauch des Vestibulums später aufgehört
hatte, sodaß es nach Gell. XV 5, 2 soga^
nicht ungelehrte Männer gab, die den vor-l
deren Teil des Hauses mit dem Atrium als
Vestibulum erklärten. Daß solche Identi-
fizierung beider Begriffe in der Tat vorkam,
zeigt Liv. V 41, 2, wo die römischen Greise
beim Einrücken der Gallier medio aediunt
sitzen, während er sie ebd. 8 in aedium vesti-^
bulis sitzen läßt. — Die gewöhnlichste Ab-J
leitung der Alten brachte das Wort mit
Vesta in Zusammenhang, weil diese dort ver-
ehrt worden sei, Ov. fast. VI 303. Non. 53. 3.
Serv. ad Aen. II 469; VI 273. Dies ist sicher-
lich falsch , da der Herdkultus im Innern
des Hauses lag. Ebenso falsch ist die Deu-
tung: quod ianuam vestiat, Serv. 11. 11. Von
vestis wollte auch Mommsen Rom. Gesch.4
I 237 es ableiten, als „ Ankleideplatz", wJ
man beim Ausgehen die Toga umwarf, was
schon deswegen unwahrscheinlich ist, weil
das sehr mühsame und umständliche Anlegen
der Toga, zu dem es fremder Hilfe bedurfte,
sicher innen im Hause und nicht im Vor!
platz vorgenommen wurde. Abgesehen davon
ist auch die Ableitung von vestire des kurzen
/ in vestibulum wegen abzuweisen. Die wahr-
scheinlichste ist die von ve-stare , Sulpic.
Apollinar. bei Gell. a. a. O. 4 ff. Macrob. sata
VI 8, 15 ff. Non. a. a. O., als der Platz, wo
man abgesondert draußen vor dem Hause
steht, bevor man es betritt; so erklärt es
auch Ribbeck Beitr. z. Lehre v. d. lat. Pari
tikeln 10. mit Hinweis auf das verwandte
prostibulum, und Becker-Göll 230. der diel
von Nissen 632 mit Rücksicht auf Vitr. VI
8 (5). 2 (wonach in Landhäusern in den rem
stibula stabula, tabernae usw. sind) aufgestellte
Ansicht, vestibulum sei ursprünglich der Wir™
schaftshof des Bauernhauses mit StallungJ
Düngerstätte usw. gewesen, mit Recht ablehnt!
obschon Marquardt 227 sie angenommen hafl
(dagegen von Mau ebd. A. 2 abgewiesen).
Erster Abschnitt. Das städtische Wohnhaus.
13
)mmt, daß das Wort im Lauf der Jahrhunderte seine Bedeutung teils
weitert, teils verändert hat. Da sich schon an den altitalischen Hütten
pe von Pfählen getragene Vorhalle nachweisen läßt1), so ist das älteste
estibulum wahrscheinlich ein solcher vor dem Hause belegener und
gendwie von der Straße abgetrennter Vorplatz gewesen; in der ältesten
teile, an der das Wort überhaupt vorkommt, scheint es in der Tat diese
edeutung zu haben2). Allein später, als die Häuser dichter beisammen
igen und die meist engen Straßen des alten Rom solche Vorbauten nicht
lehr erlaubten, mag das Vestibulum zusammengeschrumpft sein, und so
akam vermutlich der innerhalb der Hausmauern belegene, aber nicht ver-
flossene Raum, der hinten von der Haustür und seitlich von den Wänden
3s ostium begrenzt war3), den gleichen Namen4). Diese Form des
nerhalb der Hausarea belegenen, aber durch die Tür vom Hausinnern ge-
ennten Vestibulum ist in Pompeji nicht selten anzutreffen, und zwar ebenso
i einer Tiefe von 1 — 2 Meter, wie viel kleiner und auf einen unbedeutenden
latz reduziert5); es kam auch vor, daß zwei benachbarte Häuser ein ge-
teinschaftliches Vestibulum hatten6). Ihre größte Ausdehnung erhielten
iese Vestibula in den Palästen der Reichen und Vornehmen, indem die
jr Morgenbegrüßung sich einfindenden Klienten hier warteten, bis sie zu
em im Atrium sie empfangenden Patronus zugelassen wurden7), und so
') Man vgl. die oben Fig. 1 abgebildete
ine. dazu die Spuren einer Pfahlbauhütte
ii Bologna, Helbig Italiker 48.
*) Plaut. Most. 81 7: viden vestibulum ante
dis hoc et ambulacrum quoiusmodi. Dar-
ich kann hier an ein Vestibulum innerhalb
jr Hausmauern nicht gedacht werden. Auf
ne ähnliche Anlage vor dem Hause deutet
laut. Asin. 425 : iussin columnis deici operas
wneorumt So wohl auch noch später öfters,
B. Macrob. VI 8, 22: tarnen vestibulum eon-
iit aream diei, quae a via domum dividit,
i hier nicht die Tür, sondern das Haus
s Grenze bezeichnet wird.
3) Dergestalt wird das Vestibulum ge-
esen sein, in das Cicero einmal vor Ver-
lgern flüchtet , nach ad Attic. IV 3, 3,
eil es dann heißt: gut erant mecum facile
ffreu aditu prohibuerunt. Vestibulum und
üerior medium pars einander entgegensetzt
Caecin. 31, 89; vgl. auch de har. resp. 14,
1. Doch ist hier ebensowenig wie bei Liv.
XXIX 12, 2 wegen des Gegensatzes des
'.stibulum zum inferior pars aedium mit
[abx a. a. 0. 557 unter jenem das Vorder-
aus mit dem Atrium zu verstehen; so ist
ach Verg. Aen. I 637 und II 486 die inferior
omus gemeint (an letzterer Stelle sind gleich
arnach die cavae aedes, d. h. das cavaedium
ler atrium als identisch genannt), und ebenso
v. met.VII 670, wo interius spatium den
egensatz zu in limine v. 668 bildet. Auch
ei Cic. ad Att. IV 3, 5 bedeutet vestibulum
en allerdings geräumig zu denkenden Vor-
atz, und Quint. XI, 1, 20 setzt direkt vesti-
ilum und atri/nu einander entgegen.
4) Nach Annahme von Weiss Jb. f. Ph.
CXVII (1878) 283 wäre das Vestibulum eine
von der Front des Vorderhauses und den
daraus hervorspringenden Seitenflügeln ein-
geschlossene area gewesen. Allein das an-
gebliche alte römische Freskogemälde bei
Rich Worterb. d. röm. Altertum. 683, auf das
er seine Ansicht gründet, ist kaum zuver-
lässig und zeigt, wenn es wirklich antik,
jedenfalls eine ganz ungewöhnliche Haus-
oder Palastform.
5) Vgl. Nissen 631. Ovekbeck Pompeji
252; dagegen findet sich die andere, präch-
tige Form des als Portikus gestalteten Vesti-
bulums nur in einem einzigen Beispiel, Mau
Pompeji 253.
6) Cic. p. Mil. 27, 75: qui pa riete m sie per
vestibulum sororis instituit ducere, sie agere
fundamenta, ut sororem non modo vestibulis
privaret sed omni aditu, et limine. Die
Häuser des Clodius und des Q. Metellus Celer,
des Gemahls der zweiten Schwester des Clo-
dius, lagen auf dem Palatin und stießen an-
einander. Als Rechtsfall Digg. X 3, 19: de
vestibuio eommuni binarum aedium arbiter
eommuni dividundo inrito utrolibet dari non
debet, quia qui de vestibuio lieeri cogitur,
necesse habet interdum totarum aedium pre-
tium facere, si alias exitum non habet.
7) Gell. XV 5, 3: C. Äelius Gallus in libro
de significatione rerborum, quae ad ins eiri/e
pertinent, seenndo: vestibulum esse dielt mm
in ipsis aedibus neque purtem aedium, sed
locum ante ianuam domus vaeuum, per
quem a ria aditu* occessusque ad aedes est
(das Weitere ist arg verdorben und nicht
14
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
hatten auch die Kaiserpaläste ihre Vestibula1). Sie waren hoch und
prächtig2), manchmal durch mehrere Stufen über die Straße erhöht3),
und enthielten allerlei Schmuck, indem hier erbeutete Trophäen und Ehren-
zeichen angebracht4) und Statuen, selbst Viergespanne, dort aufgestellt
wurden5). In den Häusern der Magistrate standen hier auch die fasces der
Liktoren6). Im Laufe der Zeit hat das Wort vestibulum jedoch eine ver-
allgemeinerte Bedeutung, etwa wie Vorhalle oder Vorplatz, erhalten, und so
kommt es, daß bei den Alten die Rede ist von Vestibula von Tempeln 7) und
öffentlichen Gebäuden8), von Grabdenkmälern9), und dann weiterhin im Sinne
von allem, was den Zugang von irgendetwas bildet10); ja sogar die Vor-
räume von Vogelhäusern, Bienenstöcken und dergleichen werden so benannt11),:
und auch in übertragener Bedeutung wird das Wort nicht selten gebraucht12).
vor dem Hause gewesen sein; vgl.Vespas. 25.
luven. 7, 125: huius enim stat currus aeneus,
alti | quadriiuges in vestibulis. Ohne Nennung
des Vestibulum Liv. XXXVII! 43, 11 von Sta-
tuen, Sil. It. VI 434 von Wagen.
6) Aur.Vict. vir. ill. 20. 1: fasces UctoriA
foribus adpositos. Vgl. Claud. I 233; VIII 416,
allerdings überall ohne Nennung des Vesti-
bulums. Hier hielten sich auch die Liktoren
für gewöhnlich auf. Liv. XXXIX 12, 2. Bei
Todesfällen wurde nach Serv. ad Aen. IV 507
ein Zypressenzweig im Vestibulum aufgestellt.
7) Cic.Verr. act. II, II 66. 160. Liv. epit.
LXXXVI. Val.Max. 18, 2; ebd. 11. Tac.hist.
186. Marx a. a. 0. 549 meint, das Vestibulum
sei erst in späterer Zeit von der Säulenvorhalle
des Tempels auf das Haus übertragen worden.
8) Von der Curia Liv. 148,1; II 48, 10; von
Bädern Cic. p. Cael. 26, 62; von Gefängnissen
Cod. Theod. IX 3, 1 (vom Jahr 320 n. Chr.).
9) Cic. de legg. II 24, 61, wo das alte ia
den XII Tafeln vorkommende Wort forum
(als Vorplatz oder Vorbau) durch vestibulutm
sepulcri erklärt wird, ebenso Fest. 84, 12. Vgl.
CIL III 2072: vestibulum et ambitus monur
menti, auch bei einem Grabdenkmal.
10) So nennt Vitr.VII praef. 16 das Prosty-
lon in Eleusis vestibulum. Liv. spricht XXV
17, 4 vom vestibulum Punicorum rostrorumk
XXVI 32, 4 und XXXVI 22, 11 vom vestM
bulum urbis (so auch auf einer Inschrift aua
Carthago nova von 589 n. Chr., CIL II 3420).
Dichterisch spricht Verg. Aen. II 469, VI 273
(ebd. 555) von einem vestibulum Orci. So
nennt Cic.Verr. act. II. V 66, 170 die nach dem
Meere zu belegene Vorstadt Messinas resti-
bulum Siciliae, pro Mil. 7,19 das Forum #es#l
bulum senatus, und Apul. de mundo 6 di«
Propontis das Vestibulum des Pontus.
1 ') Verg. Geo. IV 20 : palmaque vestibulum
(tut ingens oleaster obumbret (welche Stelle
Marquardt-Mau 225 A. 6 irrtümlich als Be-
leg dafür anführt, daß das Vestibulum bial
weilen mit Gartenanlagen versehen gewes«
sei. wofür keine Zeugnisse vorliegen). Varr.r.M
1117,4. Colum.VIII3. 5; 4, 6; 8. 3; 1X12, ll
12) Quintil. I 5, 7; IX 4, 10. Fronto ad M.
Caes. IV 3 p. 62 (Naber).
sicher zu rekonstruieren). Ebd. 8: qui domos
igitur amplas antiquitus faciebant, locum ante
ianuam vacuum relinquebant, qui inter fores
et riam medius esset. Ebd. 9 : In eo loco qui
dominum eius domus salutatum, vener ant,
priusquam admitterentur , consistebant etneque
in via stabant neque intra aedis er ant. Aehn-
lich Macr.VI8, 15. Non. 53, 5. Senec. dial.
VI 10, 1 : ampla atria et exclusorum clientium
turba referta vestibula. Ebd. XI 4, 2 semper
ns/ /bulum obsidens turba. Vgl. Suet. Tib. 32:
si/hitandi causa pro foribus adstantem; id.
Otho 3. luven. 1, 132: vestibulis abeunt veter es
lassique clientes, wozu Friedländer bemerkt,
daß die vestibula hier und 7, 126 zum letzten
Male erwähnt werden, was der Einschränkung
bedarf, da der Jurist Paulus (3. Jahrh. n. Chr.)
Digg. X 3, 19, 1 vestibula erwähnt.
x) Suet. Aug. 100; Tib. 26; Nero 31: Vesp.
25. Auf frühere Zeit überträgt es Curt.VII 4, 14.
2) Vitr.VI 8 (5), 2: igitur is, qui communi
sunt fortuna, non necessaria magnifica vesti-
bula nee tablina neque atria, quod magis
al/ix officio praestant ambiendo quam ab
aliis ambiuntur. Ebd. : nobilibus vero . . . fa-
ciunda sunt vestibula regalia alta. Vgl. dens.
Vi 10 (7), 22: habent autem eae domus vesti-
bula egregia et ianuas proprias; I 2, 6: cum
aedifiriis interioribus magnificis item vestibula
convenientia et elegantia erunt facta.
■') Sen. ep. 84, 12: praeteri istos gradus
divitum et magno adgestu suspenso, vestibula.
4) Cic. Phil. II 28, 68: an tu illo in ve-
stibula rostra cum aspexisti, domum tuam
te introire putas? Suet. Tib. 26: civicam in
vestibulo coronam recusavit. Ohne Nennung
des Vestibulums, als an der Tür und den
Türpfosten angebracht, nennt solche Spolien
Liv. X 7, 9: XXIII 23, 6; XXXVIII 43, 11.
Plin. XXXV 7. Tib. 1 1, 54. Ov. trist. III 1, 33.
Suet. Nero 38; auf heroische Zeit überträgt
den Brauch Verg. Aen. II 504; V 393; VII 183.
Gelehrte Reminiszenz ist Ennod. carm. 112,
4(11 17): vestibulum galeu comitur armigeri.
. 6) Suet. Nero 31: vestibulum eius (sc. do-
muß aureae) fuit, in quo colossus CXX pedum
stam ipeius efftgie; hier muß das Vestibulum
des Palastes unbedacht, also ein freier Platz
Erster Abschnitt. Das städtische Wohnhaus.
15
So darf man denn annehmen, daß die Anlage des Vestibulums im
I ufe der Jahrhunderte allerlei Veränderungen durchgemacht hat und dal..
€ je mehr die Sitte der Salutatio der Klienten abnahm, allmählich ver-
s iwand1).
Abgesehen von den oben erwähnten Zierden des Vestibulums und des
] ,useingangs, die vornehmlich die Wohnhäuser der Vornehmen schmückten,
b es auch sonst da oder dort, und auch da, wo das Vestibulum fehlte, be-
leidenen äußern Schmuck. So gab eine Inschrift den Namen des Besitzers
2) oder enthielt einen Segensspruch für das Haus und seine Bewohner3),
dessen Stelle wohl auch der Unheil und bösen Blick abwehrende Phallus
3r sonst ein Zeichen von entsprechender Bedeutung angebracht war4),
ch führten manche Häuser, wie bei uns, bestimmte Namen, die allem
schein nach auch in den daran angebrachten Emblemen zum Ausdruck
men; so hatte in Rom der Vicus Capitis Africae wohl von einem mit
lern solchen Bildwerk geschmückten Hause seinen Namen5), vielleicht
ch die Stelle ad eapüa hu Inda auf dem Palatin, die Geburtsstätte des
igustus0). Namentlich Wirtshäuser hatten solche Insignien und führten
mach den Namen7).
Den das Haus Betretenden begrüßte nicht selten ein in Mosaik auf
r Türschwelle eingelegtes Salve*). Daß aber dort über der Tür ein
üg hing mit einem sprechenden Vogel, der dem Eintretenden eine Be-
]) An den Häusern des kapitolinischen
dtplanes fehlt es gänzlich.
*) Das war aber immerhin selten, wie
npeji zeigt, auch haben wir dafür nur ein
■ tes Zeugnis Augustin. comm. in Psalm.
I 1: sicut <ili<iii(i»i domutn iiitraturi, cnins
I et ad quem pertineat in titulo inspicimus.
i I. 0. Jahn BSGW 1855, 75.
3) So z.B.: Felix hie locus est, in Pompeji,
< j IV 2320; Hie habitat [felicitas] nihil m-
t ' malt, in Salzburg, ebd. III 5561; vgl. Jahn
i i. 0. Der Schluß der letzten Inschrift er-
i ert an den aus Diog. Laert. VI 50 be-
1 inten Vers, den man als Graffito an einem
] leneingang in der Strada degli Olconi in
] npeji gefunden hat (CIL IV 733): 6 rov Aid?
i s xaXXivtxos 'Hoaxli).; j evdüfte xarotxei'
I $ev eIoizw xaxöv. Vgl. Overbeck 165. Aehn-
1 1er Art sind die an die Mauern geschrie-
1 ich deprecationes incendiorum, die Plin.
I VIII 20 erwähnt, und der dasselbe be-
< itende Spruch arse verse, den man nach
I an. b. Fest. 18, 15 über die Tür schrieb
< ch auf einer Inschrift aus Cortona in der
1 -m ai-scs mtrses, Pauli Corp. inscr. Etrusc.
*. L Okelli 1384, aber wahrscheinlich ge-
f seht).
4) Ant. di Ercol. VI 393 u. 398. B. d. I.
J4. 35; 1835, 127; vgl. Jahn a. a. 0. 74.
üiii ck 380. An der sogenannten Casa
questore in Pompeji war auf dem rechten
rofeüer Merkur mit Fortuna aufgemalt, s.
liuc Wandgemälde 8 N. 18. Overbeck 335.
ä) Notit. urb. Romae, reg. II. CIL V 1039
(aus Aquileia) ; VI 8982—8987. Gatti A. d. I.
LIV (1882) 191 ff. Lanciani Mon. dei Lincei
I 500; nach Richter Topogr. 335 von einem
in der Straße stehenden Bildwerk entnommen.
Noch im Mittelalter hieß darnach die Kirche
S. Stefano rotondo in capite Africae. Viel-
leicht hatte der Vicus capitis canteri in der
XI II. Region eine ähnliche Entstehung; der-
selbe Name kommt in Corduba vor, CIL II
2248.
6) Suet. Aug. 5.
7) Am bekanntesten ist die imago Qatti
in sento Oimbrico, das Wahrzeichen einer
Taberne am Forum, Cic. de or. II 66, 266.
Quint. VI 3, 38. Plin. XXXV 25. Auf einer
Inschrift von Narbo CIL XII 4377: oepüalis
a gallo gallinaceo. Andere Beispiele von Aus-
hängeschildern s. Jordan A. Z. XXIX (1871)
j 65 ff. ; das dort abgebildete Relief der drei
Grazien mit einer Alten und der Inschrift
Ad sorores IUI war vielleicht auch ein solches
(etwa eines Bordells). Ueber die Ladenschilder
s. unten.
8) In Pompeji mehrfach erhalten, vgl.
Overbeck 254; 326; bei der Casa del Fauno
ist in das Trottoir vor der Türöffnung des
Vestibulums mit großen Buchstaben Hare in
Mosaik eingelegt, ebd. 349. In einem Haus,
das vermutlich einem Kaufmann gehörte,
sind im Fußboden des Ostiums die Worte
Salve hierum eingelegt, und an der Wand
ist die Inschrift aufgemalt: Otiosie locus h'<<'
höh est, diacede morator, ebd. 321:475. CIL
IV 813.
16
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
0/3
grüßung entgegenrief, wie im Hause des Trimalchio1), war sicher un-
gewöhnlich.
» Die Haustür2)!
ianna31), besteht aus
der eigentlichen ver-.
schließbaren Tür, den
beiden seitlichen Pfo-
sten, der Schwelle und;
dem Türsturz4). Über
ihre Einrichtung geben
uns, abgesehen von
zahlreichen darauf be-
züglichen Schriftstel-
len , vornehmlich die
Häuser Pompejis Auf-
schluß5), von denen
wir in Fig. 3 als best-?
erhaltenes und beson*
ders lehrreiches Bei-?
spiel die Haustüranlage
im Hause des Pansa in»
Grundriß und Durch-
schnitt abbilden6). Dn
Pfosten, postes (AA), pflegten nach Art von Anten (daher auch antae ge-
nannt) aus der Mauer vorzutreten7); sie waren mit Holzverkleidungen,
Fig. 3.
Grundriß und Durchschnitt der Haustüranlage im Hause des
Pansa in Pompeji.
') Petr.28. 9. Die pica salutatrix erwähnt
auch Mart. VII 87, 6; XIV 76; den yalgs
sprechenden Papagei Pers.prol. 8 ; doch mochten
für gewöhnlich solche sprechende Vögel ihren
Platz im Innern des Hauses finden.
2) Von älteren Spezialabhandlungen hier-
über ist Sagittarius De ianuis veterum. Alten-
burg 1672 (auch in Graevii Thesaurus VI 467),
zu nennen, von neuerer Litteratur Donaldson
A collection of the most approved examples
of doorways, London 1836. Pottier bei D.-S.
III 607 ff. (die hier 609 zitierte Abhandlung von
Fazio behandelt antike Häfen, nicht Türen).
3) lanua ist vornehmlich die Haustür
im engeren Sinne, insofern andere Türen des
Hauses nicht so genannt zu werden pflegen,
vgl. Nep. Hannib. 12. 4: puer ab ianua pro-
spiciens . . . imperavit ei, ut omnes fores
aedificii circumiret. Vitr. VI 8 (5), 3: in urbe
atria proxima ianuis solent esse; ebd. 10 (7),
5: quae sunt ante ianuas vestibula; andrer-
seits aber ist sie die Haustür im all-
gemeineren Sinne, d. h. sie umfaßt ebenso
die eigentliche, den Verschluß bildende Tür,
als deren ganze Umrahmung mit Pfosten und
Schwellen, wird daher von den fores unter-
schieden, Tac. ann. 139: concursu ad ianuam
fado moliuntur fores. In dieser Bedeutung
kann sie dann aber auch in identischem Sinne
mit fores gebraucht werden, wie z. B. bei
Cic.de deor. nat. II 27, 67: fores in liminifnis
profanarum aediurn ianuae noniinantur: und
in dieser Bedeutung ist sie namentlich b«
Dichtern häufig, vgl. die an die ianua ge-
richteten Gedichte des Catull 67 u. Tibull I 2.
4) Diese drei Hauptteile, Ihn i 'na, postes,
fores, zusammen genannt bei Lucr. IV 117B
Ov. am. I 6, 73: crudeles rigido cum limine
postes \ duraque conservae ligna miete, fores.
Nur postes und limina verbunden bei Cat. m
r. 14, 1. Verg. Aen. II 480. Hör. epod. 11, 21;
postes und fores Plaut. Bacch. 1118.
5) Eine Spezialuntersuchung bietet Iva-
noff Varie specie di soglie in Pompeji, A4.
d. I. XXXI (1859) 52 ff. mit M. d.I.Vl 28 unl
tav. D— F.
6) Nach M. d. I. VI 28, 3, danach Oyer-
beck 253 Fig. 136. Mau 254 Fig. 129.
7) Isid. XV 7, 8 unterscheidet: postes et
antae quasi post et ante. Et antae, quia ante
stant vel quia ante ad eas accec/imns, prius-
quam domum ingrediamur. Postes eo, qitod
post ostium stant; darnach scheint er unte«
antae die Pfosten einer Tür zu vorstehen,
die direkt in der Straßenfront liegt, und difl
antenartig nach vorn aus der Mauer vom
springen. Wenn dagegen Fest. 16, 15 sagt*
antae, quae sunt latera ostiorum, so sinfl
damit die die Tür umrahmenden, seitlich aufl
der Mauer vortretenden Pfosten gemeint, s#
Erster Abschnitt. Das städtische Wohnhaus.
17
itfepagmenta1), versehen. Die Löcher in der Schwelle, in denen diese
erschalungen befestigt waren (W), haben sich in manchen Häusern noch
•halten2). In prächtigen Häusern waren freilich die Pfosten von Marmor
ad skulpiert3).
Schwelle (S) und Türsturz werden beide mit demselben Worte
uwii bezeichnet4) und als Urnen inferum und superum unterschieden6);
e untere Schwelle war gewöhnlich, der Türsturz vielfach ebenfalls, von
sein6) und ragte ein wenig über den Boden hervor. Die eigentliche Tür,
»res, war in der Regel zweiflügelig7), meist von Holzs), in reicheren
äusern und besonders an öffentlichen Gebäuden und Tempeln mit Erz
schlagen und sonst reich, mit Elfenbein und dergleichen mehr, verziert9),
ch CIL 1 577. Die Qualität der Pfosten
ielte bei der Solidität der Tür eine wichtige
die; vgl. Plauf. Most. 818: specta postis,
oiusmodi, \ quanta firmitate facti et quanta
ussitudine. Ebd. 827 wird erwähnt, daß
zur Sicherung gegen Wurmfraß und Fäul-
mit Pech bestrichen wurden. Die Dichter
brauchen postes vielfach im Sinne von Tür
ernannt oder im spezielleren von Türflügeln,
B. Tib. I 1, 73: frangere postes; ib. 2, 31:
erat postes. Verg. Aen. II 480: postisque a
rdine reitet; ib. 492; "VIII 227. Ov. am. I 6,
u. ö.
!) Vitr. IV 6, 1 : ostiorum et eorum ante-
gmentorum, und ebd. öfters. Teilweise
Isch ist Fest. 8, 10: antepagmenta valvarum
»amcnta, quae antis appinguntur id estaffi-
nfiir. Inschriftlich antepagmenta dbiegnea,
L I 577, doch sind da die Pfosten ganz
s Holz (forte cum postibus aesculneis). Doch
ißen auch allerlei auf Wände oder sonst
befestigende Zieraten antepagmenta, so
ito r. r. 14, 2 u. 4.
2) Avellino Descriz. di una casa (1837)
4. M. d. I. a. a. 0. Vgl. Mau R. M. III (1888)
4; 189; 193.
3) Plaut. Most. a. a. 0.; ebd. 824 werden
ei Minen als Preis angegeben {praeter rectu-
m). PLM (ed. Baehrens) IV 57 Nr. 53, 20:
irmoreo ianua poste nitet. In Pompeji sind
sweilen die antepagmenta in Stuck (Relief
d Malerei) nachgeahmt, Mau R. M. XVI
901) 336.
4) Limina, Vitr. VI 9(6), 7; ib. 11 (8), 2:
fer limina secundum pilas et antas postes
tupponentur. Mart. 1X46, 1: Gellins aedi-
atsemper: modo limina ponit. Im Singular
j meist die untere Schwelle gemeint. Plaut,
il. glor. 596: coli /bete iiitra Unten etiam vos
•rumper. Id. Cas. 845. Mart. 170, 13: ne
'tuasfastuslimenqiic superbum. Plin. XXXVI
bedeutet es dagegen den Türsturz: in li-
ve ipso, qnod foribus imponebat; und sicher
ch bei Petron. 28. 9.
5) Plaut. Merc. 830: Urnen superumque
fcriinique salve; vgl. Bacch. 955; 987. Non.
6, 12: Urnen non solum, quod sub pedibus
dicitur, sed etiam. quod superius est in-
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft. IV.
gressii. Nor ins Macco exule: Urnen superum,
quod mei misero saepe confregit Caput; \ in-
ferum autem, ubi ego omnie digitös \saepe]
di/freqi meos. Das Wort superlimen ist bei
Plin. XXIX 83 verdächtig (Detlefsen schreibt
super limine, Mayhoff super Urnen) ; doch ist
es inschriftlich bezeugt als superlimen lapi-
deum CIL XI 4123; auch super! lim innre, bei
Augustin. in Psalm. LV 1.
6) Hör. ep. I 18, 73: iutra marmoreum
renerandi Urnen amici. Verg. Cir. 222: mar-
moreo aeratus stridens in limine cardo. Doch
war auch der Türsturz von Holz, CIL I 577.
7) Man vgl. die Schilderung der geöff-
neten Haustür bei Lucr. IV 275: primus
enim citro postes cum cernitw \aer} inde
fores ipsae dextra laevaque secuntur, j post
extraria lux ocidos perterget et a'er | alter
et illa foris quae vere transpiciuntur. Plaut.
Most. 452: pultando paene confregi hasce
ambas foris. Capt. 831: aperite hasce ambas
foris. Der Singular foris ist wesentlich dich-
terisch, Plaut. Amph. 496; Aul. 665; Bacch.
234; Casin. 163 u. ö. Ter. Ad. 264. Hör.
sat. I 2, 67. Ov. am. I 6, 2; a. a. III 228; ex
Pont. II 2 , 42 u. s. Von einem Stadttor
Amm. Marc. XXX 5, 17: forem ferratam;
diese Tore mögen öfters nur einflüglig ge-
wesen sein. Ebenso mag die Tür der Ipsi-
tilla bei Catull. 32, 5 wegen des Ausdrucks:
ne quis liminis obseret tabellam nur einen
Flügel gehabt haben. Doch findet sich der
Singular foris auch sonst, s. Liv. VI 34, 6.
Plin. VII 112.
8) Ov. am. I 6, 74. Plin. XVI 225; vgl.
Blümner Technologie II 321. Sie waren aus
einzelnen Brettern zusammengesetzt, vgl.
Plaut. Most. 829: viden coagmenta in foribus f
9) Plin. XXXIV 13: prisd limina etiam
ac valvas in templis ex aere factitavere; ebd.:
Camillo inter crimina obiecit Spurins Car-
rilins quaestor, ostia quod aerata haberet in
domo. Verg. Aen. II 480: postisque (d.h. die
Tür, s. oben) e cardine vettit aeratos. In-
schriftlich valvae aheneae CIL XI 4123; me-
tallene bullae an der Tür Plaut. Asin. 426.
Kostbar verzierte Tempeltüren beschreibt Cic.
Verr. act. II, IV 43,94; ib. 56, 124 ff.; dich-
2. 3. Aufl. 2
18
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
auch wohl in Gitterwerk durchbrochen1). Häufig waren die Türflügel
zusammenklappbar und heißen dann valvae2); man unterschied solche!
die aus zwei, drei oder vier zusammenklappbaren Teilen bestanden 3). Ab-
bildungen römischer Haustüren begegnen uns auf den Wandgemälden nicht
selten, namentlich solchen, die Straßenprospekte darstellen ; sie sind da
meist zweiflügelig, und bei manchen sind auch die Klappflügel deutlich
erkennbar4). Erhalten haben sich Haus-
türen in Pompeji zwar nicht, doch ist ei
gelungen, bei einigen von dem in der
Asche gebliebenen Abdruck des verkohlten
Holzes einen Abguß zu nehmen. Einige
der so rekonstruierten Türen sind sehl
einfach gehalten (vgl. Fig. 4) 5), es find«
sich aber auch zierliche Arbeiten6) mit verl
tieften Feldern oder Füllungen {tijmpantr)
oder paginae8)). Die Türflügel hingen abel
nicht, wie bei uns, seitlich an den Pfoste«
in Angeln9), sondern in Zapfen, cardinM
(///?), die oben und unten angebracht warei
Fig. 4.
Abguß mich einem Haustürfragment
aus Pompeji.
terische Beschreibungen Verg. Georg. II 463 ;
III 26. Lucan. X 117; vgl. Blümner a. a. 0.
365; 377. Ueber noch vorhandene Bronzetüren
vgl. Braun A. d. I. XXVI (1854) 108. Bötticher
Tektonik der Hell.2 506 f. Donaldson a. a. 0.
') Foren clatratae, CIL I 577.
2) Varro bei Serv. z. Aen. I 449: valvae
autem sunt, quae revolvuntur et se velant.
Falsch ist aber jedenfalls die Unterscheidung
von fores ebd.: fores proprie dicuntur quae
foras aperiuntur , sicut apud veter es fuit;
ebenso Isidor. XV 7, 4: fores dicuntur, quae
foras, valvae, quae intus revolvuntur, obschon
der Zusatz: et duplices complicabilesque sunt
richtig ist (vgl. dens. differ. I 308 und Corp.
Gloss. IV 239, 25). Das Richtige ist, daß alle
valvae auch fores heißen können, aber nicht
alle fores zugleich valvae sind, vgl.Vitr. IV
6. 5: fores valvatae. Inschriftl. CIL III 10917;
11903.
3) Vitr.IV6, 6 setzt bei attischen Tempel-
türen bifora (thyromata) den valvata entgegen,
also solche mit zwei einfachen Türflügeln
denen mit Klappteilen. Wenn Ov. met. II 4
von bifores valvae spricht, so wird man dies
so zu verstehen haben, daß jeder der beiden
Türflügel aus zwei Klappteilen besteht, die
Tür also eigentlich vierflüglig ist; eine nur
aus zwei Klappteilen bestehende Türe wäre
für die hier geschilderte regia Solis doch
etwas zu einfach. Daher hat man die quadri-
foris (sc. ianua) bei Vitr. IV 6, 5, wo es sich
um Tempeltüren handelt, als eine zu ver-
stehen, bei der jeder Flügel sich vierfach
zusammfnklappen läßt. In Pompeji, wo die
Riegellöcher in der Schwelle vielfach noch
die Konstruktion der Tür erkennen lassen,
sind vierflüglige Türen (im obigen SinnÄ
nicht selten, vgl. Overbeck 302. 310. Drei
flüglige Türen sind auf Wandgemälden dar!
gestellt (ebd. 134 Fig. 77) und auch an man
chen Häusern noch nachweisbar (ebd. 2521
302; 349); sie boten den Vorteil, daß di|
Flügel, wenn sie geöffnet waren, wenig Platl
einnahmen und daß man den Mittelflügel
allein öffnen konnte , während die beide«
andern mit ihren Riegeln befestigt bliebe*
Marquardt-Mau 229 A. 3 meint, daß Vitrul
a. a. O. diese dreiflügligen Türen valvatM
nenne und von den quadrifores unterscheid!
doch läßt sich das aus Vitruvs Worten nichl
entnehmen. Ganz falsch wird die VitruvstelM
erklärt vonREBER in seinerVitruv-Uebersetzunl
119 A. 2, der bei den quadrifores eine ho»
zontale Teilung annimmt, die erlaubte, sM
wohl die beiden obern wie die beiden u|
tern Flügel für sich zu öffnen. Bei zwei
Hügligen Türen in Pompeji zeigen bisweilel
die Riegellöcher, daß die beiden Türflügel
ungleiche Größe hatten; es war dann vermufl
lieh immer bloß der eine geöffnet, der andrl
für gewöhnlich geschlossen, s. Mau R. M. III
(1888) 190; 195; IV (1889) 14.
4) Vgl. Pitture di Ercol. IV 329 ; V 329 ; 333*
Auch blinde Türen sind mehrfach zu finde«
so im Gebäude der Eumachia, Overbeck 134 fl
und im Hause des Sallust, ebd. 304.
5) Nach Overbeck 254 Fig. 137.
6) Ebd. 507 Fig. 266. A. d.i. XXXI (1859)
105 tav. E Fig. DE.
7) Vitr. IV 6, 4 ff. Die Fugen heißen cM
agmenta, Plaut. Most. 829.
") Plin. XVI 225.
9) Doch gab es, wie die Funde besonders
d sich in Löchern im Türsturz und in der Schwelle drehten1). Diese
pfen, auch scapi ca retinales genannt2), waren in der Regel aus starkem
Ize besonders gearbeitet und in die Tür verfalzt3), bisweilen auch mit
jen oder Erz beschlagen4), wie denn auch die Zapfenlöcher, foramina*),
üst mit eisernen oder bronzenen Pfannen oder Kapseln versehen waren;
solchen haben sich in den Schwellen pompejanischer Häuser und
derwärts nicht selten Exemplare erhalten0). Die Folge dieser nicht
lr praktischen Einrichtung war, daß die Türen beim Öffnen oft knarrten7),
shalb in der Komödie mit der Erwähnung dieses Geräusches (crepare,
icrepare und dergleichen) ganz gewöhnlich das Auftreten einer neuen
rson vorbereitet wird8). Diese Zapfen sind es auch, die beim gewan-
nen Aufbrechen einer Tür den meisten Widerstand leisten und deren
rtrümmern als Hauptsache beim Erbrechen der Haustür bezeichnet
rd9).
Daß sich die Tür des römischen Hauses nach innen, nicht nach außen
nete, das lehren nicht nur die Beobachtungen in Pompeji, wo das die
gel ist10), sondern auch direkte Nachrichten, nach denen das Gegenteil
r ausnahmsweise vorkam, als eine Auszeichnung für verdiente Männer,
ren Häuser dadurch gewissermaßen über das allgemeine Gesetz gestellt
irden11). An der Außenseite war in der Regel ein Griff oder Ring,
Erster Abschnitt. Das städtische Wohnhaus.
19
i Boscoreale erwiesen haben, Türen, die
1 in Scharnieren drehten, die mit Nägeln
dir Tür und der Türeinfassung befestigt
ren . s. Mon. dei Lincei VII 410. Pernice
Jb. XIX (1904) 19.
!) Isid. X V 7, 6: cardo est locus, in quo
K7)i rertitnr et semper movetur, dictus &no
kaoölas, quod quasi cor kontinent tot um, ita
euneus ianuam regat ae inoveat. Vgl. den
tikel Cardo von L.Heuzey bei D.-S. I 920.
3nnVitruvlX9 (8). 11 bei der Beschrei-
einer kunstvollen Wasseruhr einen cardo
seid im und einen cardo femina unterscheidet,
b. Zapfen und Pfanne (vgl. ebd. X 10 (15)
ib. 14 (20), 1 f.), so ist wohl möglich,
3 auch bei der Tür cardo beides bedeuten
nnte.
*) Vitr. IV 6, 4 f.
3) Plin. XVI 210: rigorem fortissime ser-
n/nms, oh td cardio Ums . . . util issi oia ,
■oiiinn ininime torijiicfiir, /icrmnfanda tan-
n sie, iit cacumen ah inferiore sit cardine,
h'.e sn/ierior. Ib. 230: quippe cum ex olea,
/■issiino ligno, cardines in fori/ms diutius
moti plantae modo germinaverint.
4) Verg. Cir. 222: marmoreo aeratus stri-
iii limine cardo.
6) Apul. met. I 14: cardines ad foramina
leimt.
6) Braun A. d. I XXVI (1854) 108 tav.
ff.; ebd. XXXI (1859) 105 tav. E, Fig. E.
uj R. M. IV (1889) 14. Heüzey a. a. O. 921
fc 1 1 89 : aus Delos. Couve Bull. d. Corresp.
11. XIX (1895) 47:..
7) Plaut. Trin. 1123: sed fores hae sonitu
■i tnoram mihi obiciunt tncommode; Bacch.
798: audio aperiri fores; ebenso Casin. 434;
M. gl. 1377: sonifnni feceriint fores. Verg. Aen.
I 449: forihns cardo stridehat aenis; VI 573:
horrisono stridentes cardine sacrae /xin-
dnntur portae. Hör. carm. II 10, 5: audis quo
strepitn ianna reima/iat; sat. 116, 111: ingens
valvanim strepitas. Tib. I 2, 10: neu fnrtim
rerso cardine aperta sones. Ov. am. 16. 49:
fallinnir an rerso sonnernnt cardine postesf
Daher wird es denn auch besonders bemerkt,
wenn die Zapfen sich leicht drehen und die
Tür sich geräuschlos öffnet, Plaut. Cure. 21 :
quam aperitur, tacet; 94: num mnttit cardo?
est lepidus. Ov. met. XIV 782: nee strepitum
rerso Satnrnia cardine fecit. luv. 4, 63: ut
ceSSitf faciti jiatiieritnt cardine ra/rae; man
begoß sie zu diesem Zweck mit Wasser oder
sonst einer Flüssigkeit. Plaut. Cure. 92; 160.
8) Pacuv. ap. Non. 505. 26. Plaut. Amph.
496 ; Bacch. 610 ; Men. 348 ; Most. 1002 u. ö.
Ter. Andr. 682; Ad. 682; Eun. 1029; Heaut.
121 ; 613 u. ö. Seltner wird erspare von dem
gesagt, der die Tür öffnet; so Plaut. Bacch.
833: p/aeide, ne crepa.
9) Plaut. Amph. 388: haud periclumsl
cardines nc forihns e/fi'ani/an/nr. Lucil. ap.
Non 245. 1:!: nemo kos aneipites ferro effringei
cardines. Verg. Aen. II 480 ; ib. 492; IX 724.
Apul. met. I 11 : grabbatulo etiam pone car-
dines supposito; vgl. ebd.: ianuae reserantur,
inimo rero fractis et erolsis funditns ear-
dinihns prosternuntur.
10) OVERBECK 252.
'*) Plut Poplic. 20 vom Hause des Popli-
cola auf dem Palatin: töv d,äkXcov nhe dvoßtv
slooi tT^ oixiiu .'/'- zö y.htoior nvoiyoinroir,
2*
20
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
ansa1), angebracht, der mitunter
künstlerisch verziert war (vgl. Fig.5)2);
man zog damit beim Verlassen des
Hauses die Tür zu und konnte ihn
auch beim Anklopfen als Türklopfer
benützen3). Für gewöhnlich gab der
Einlaß Begehrende, da Türklingeln
nicht bekannt waren4), seine Anwesen-
exeivrjg fiovrjg zijg oixiag enoirjaav sxzog anu-
yeofrai zrjv avfoiov. Dion. Hal.V39,4: xavzrjg
xfjg oixiag . . . al xfaöiddeg ftvgai fxövai zcöv sv
zjj 'Pcöfir/ dr//iooio)v ze xal idicozixäv ol'xaiv sig
zö efcö fiegog dvoiyovrai. Plin. XXXIII 112: de-
creto, ut domus eon«m(desPoplicola und seines
Bruders) fores extra aperirentur et ianua in
publicum reiceretur. Es war also jedenfalls
Gesetz, daß die Haustüren sich nicht auf
den öffentlichen Boden öffnen durften; daß
auch im eigenen Vestibulum es nicht er-
laubt gewesen wäre, die Tür nach außen sich
öffnend zu machen, ist nicht anzunehmen.
Immerhin wird man es nicht getan haben,
weil es von vornherein das Gegebene war,
daß die Haustür, die der ianitor zu öffnen
hatte, nach innen aufging; vgl. Becker-Göll
238, der die abweichende Meinung von Fea
mit Recht zurückweist.
') Petron. 96, 1 : videbamus nos omniaper
foramen vulvae, quod paulo ante ansa ostioli
rupta laxaverat. An der blinden Tür im
Gebäude der Eumachia (Overbeck 134) ist
dieser Ring angegeben; an einer auf einem
römischen Sarkophag dargestelltenTür(Beschr.
d. antiken Skulpt.im Berliner Mus. 344 Nr. 863)
sind vier Ringe befindlich, und an dem Ringe
unter dem Schloß hängt der Schlüssel (vgl.
auch ebd. 436 Nr. 1124). Vgl. die Grabstelen
Musee de Brousse N. 76 ff. Auch an der Innen-
seite der Tür waren Ringe oder in Oesen
hängende Haken angebracht , um die Tür
beim Oeffnen anzuziehen, s. Mazois Pompei
II pl. 7, 2. Mau Pompeji 255. Ein Bronze-
beschlag in Form eines gekrümmten Fingers
wird als Türklinke gedeutetRhein. Jahrb. CVII,
244 Fig. 21.
s) Türklopfer in Ringform mit Köpfen
von Medusen , Löwen u. a. sind abgebildet
bei Babelon Cabin. des antiques pl. 32. Ceci
Piccoli bronzi d. Mus. Borb. tav. 9, 2. Mazois
Pompei II pl. 7. 1. Donaldson a. a. 0. II pl.8.
Vgl. Fig.5 nach Gaz. archeol. I (1875) pl. 17.
3) Die Stelle Plut. de curios. 3 p. 516 E:
d/./.a vvv fiiv sial ■dvQUiQol, näkai de QontQa
XQOVOfieva :roög rtil^ Orrxag al'o&)]oiv jzaQfiysv
geht wohl ebenso auf römische wie auf grie-
chische Sitte.
4) Hier ist sicher Becker-Göll 235 f.
gegenüber Marquardt 236 im Recht, wenn
er das Vorhandensein von Türklingeln leugnet.
Allerdings werden Suet. Aug. 91 tintirmabula
Pig. 5. Bronzener Türklopfer.
erwähnt: cum dedicatam in Capitolio aedem
Tonanti Iovi assidue frequentarct, sonuiiavit
queri Capitolinum Iovem, cultores sibi atm
duci, seque respondisse, Tonantem pro ianitorm
ei appositum: ideoque mox tintinnabulis /«s»
gium aedis redimivit, quod ea fere ianuiM
dependebant. Allein in einem Tempel hatte
der ianitor keine Zelle wie im Privathaus;
bei geschlossener Tür mußte der wohl in
der Nähe wohnende Tempeldiener durch eüfl
lautes Zeichen herbeigerufen werden, und zu
diesem Zwecke mochten Glocken neben den
Tempeltüren hängen. Und auch das ist nicht
einmal sicher, da Dio Cass. L1V 4, 3 f., wo efl
dieselbe Geschichte erzählt, den Glocken!
schmuck des Tempels anders deutet: oi ybM
zag avvoixiag vvxzcoq cpvläaaorzeg xuiöwvom
rpoQovoiv, onwg orjfAaiveiv oq iniv oTiözav 8erjm
OüxH dvvwrzat. Glocken als tönender SchmuclH
an Bauwerken kommen auch sonst vor (am;
Grabmale des Porsena,Varro bei Plin. XXX VI
it durch Klopfen mit der Hand, pulsare, kund1). Gänzlich verschlossen
ir die Haustür in der Regel wohl nur bei Nacht; am Tage war sie zwar
äist augezogen, aber nicht verschlossen, so daß die zum Hause Gehörigen
ne Anklopfen hineingehen konnten, während die Fremden selbstverständ-
h erst durch Klopfen und vielfach wohl auch durch lautes Anrufen2)
n Türhüter herbeiriefen 3), zumal auch unter Tags, wenn man vor Über-
schungen sicher sein wollte, zugeschlossen wurde4) und namentlich ängst-
he Leute ihre Tür beständig geschlossen hielten5).
Was den Verschluß der römischen Haustür (und der Türen über-
upt) anlangt6), so wurde dieser auf sehr verschiedene Weise bewerk-
Erster Abschnitt. Das städtische Wohnhaus.
21
Im Hause aber dienten die Glocken dazu,
Dienerschaft Zeichen zum Aufstehen, zur
hlzeit oder sonst zu bestimmten Verrich-
gen zu geben, vgl. Luc. de merc. cond. 24
51; und darauf geht jedenfalls auch die
Ue. die in der Regel noch als Beleg für
rklingeln angeführt wird,Senec.dial.V35,3:
(I miser <•/ pavescis ad clamorem servi. ml
mtum aeria mit ianuae impulsumf Dazu
liente mau sich aber nicht bloß der Glocken,
dem auch der mehrfach in Pompeji ge-
denen großen Bronzescheiben ; disci hießen
und sind uns besonders aus Gymnasien
1 Bädern bekannt, wo sie zu Signalen
wendet winden, s. Cic. de or. II 5, 21 : tarnen
um auditorea diseum oudire </i<am philo-
lunti malunt; qui sinnt/ ut increpuü . . .
to8ophum omnes auctionis causa relinquunt.
»nto ad M.Oaes.lV6p.70(Nab.). Mart.XIV
!: vedde pilam: somit aes ihermarum. Sie
tanden aus einer kreisrunden Bronzescheibe
einer Oeffnung in der Mitte, die frei schwe-
d hing und mit einem bronzenen Klöppel
chlagen wurde, vgl. Saglio bei D.-S. II 280
. 2467. Jüthner Oesterr. Jahresh. VII 150
Fig. 68 (wo aber der Aufhänge- Apparat
dein ist).
*) Plaut. Asin. 382: Bacch. 578; 1117;
I aaechm. 178; 987; Mil.gl.1254; Merc. 444,
st. 452; 898; Poen.729; 739; Pseud. 604;
1; Stich. 308; Trin. 868. Ter. Andr. 633;
f.; Heaut. 275: 410. Hör. sat. I 1, 10: vgl.
tn. I 4. 13. Ov. met.V 484. Sen. de benef.
33,4. Petron. 16, 1: 92, 1. Apul. met. I 22;
20. Andere Ausdrücke dafür sind selten:
><• lMaut.Truc.254; Menaechm. 176; Amph.
9; Pseud. 1135; percutere Most. 508; 516;
. Höhere Beamte ließen den Liktor mit
lern Stabe [virga] an die Tür schlagen,
lin.VII 112: Cn.Pompeiua confecto Mi-
dotico In'lln introturus Posidonii sopien-
professione clari domutn forem percuti
more n lictore vetutt. Stat. silv. 1 2, 48 :
i) tu pulsantur Umhin virga; nach Liv.VIl
3 6 geschah das sogar bei dem Betreten
d eignen Hauses.
2) In der Komödie ist mit dem Klopfen
■ häufig das Rufen: heus puer, ecquis hie
•it oder dergleichen verbunden, s. Plaut,
eh. 582; Capt.830; Rud.413;762; Pseud.
J
1 139 ; 1284 ; Menaechm. 673 ; Mil. gl. 1296. Ter.
Ad. 634.
3) In der Komödie gehen nicht nur die
Familienmitglieder, sondern auch die Sklaven
ohne weiteres in das Haus, in das sie ge-
hören, hinein, wofür Becker-Göli. a.a.O.
einige Beispiele, die sich leicht vermehren
lassen, beibringt. Ist die Tür aber einmal
verschlossen, so erregt das Verwunderung;
vgl. Plaut. Most. 444: seil quid hoc? orr/usn
ianuast interdius. Puitabo. Amph. 1018: aed
aedis occhtserunt. Feriatn foris. Aul. 388:
sed quid ego apertas aedis nostras conspicorf
Mil. gl. 1251: occUtsaemni fort*. Stich. 308:
quid Jior? occ/usam in ii na m rideo. lbo et
puitabo fores. Letztere Stelle scheint darauf
hinzudeuten, daß man es der Türe von außen
ansah , ob sie verschlossen oder bloß an-
gezogen war; wie das möglich war, dafür
fehlt freilich jede Andeutung. Daß das Haus
nachts regelmäßig verschlossen war, versteht
sich von selbst; so findet Sosias in Plaut.
Amph. 449 das Haus seines Herrn verschlossen
(vgl. ebd. 1018), und bei Apul. met. IX 20
muß auch der Hausherr erst klopfen, da er
nachts heimkehrt. Ganz offen steht die Tür
Plaut. Stich. 87: ihn 'nitro, sed apertast foris.
Bacch. 723 schauen zwei von außen durch
die Türe dem zu, was innen vorgeht; vgl.
ebd. 833: forem hanc pauciUulum aperi, zum
selben Zwecke. Aehnlich Rud. 1202; vgl. Ter.
Andr. 365: accessi, infro aspexi. Das Offen-
halten der Tür wird Menaechm. 351 mit sine
fores sie anbefohlen. Uebrigens geht manch-
mal auch ein Fremder ohne Anklopfen ins
Haus, wie Ter. Heaut. 170; Eun. 996.
4) So z.B. Plaut. Cist. 649 : concludite aedis
pesstdis, repagulis, quom extemplo haue ego
tetulero intra Urnen.
5) So befiehlt der Geizige Plaut. Aul. 274,
wenn er das Haus verläßt, es zu verriegeln;
bei Apul. met. I 22 findet Lucius die Tür des
geizigen Milo firmiter oppessulata. Aber auch
die ehrbare Hetäre bei Ter. Heaut. 278 hält
ihr Haus am Tage verschlossen. Eine ganz
besondere Vorsichtsmaßregel, aber nicht gegen
fremde Diebe, ist das Versiegeln der Zimmer-
tür, wie Plaut. Cas. 144: obsignate rcllus, re-
ferte anulum ml mc.
6) Die älteren Arbeiten hierüber, wie
22
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
stelligt, doch so, daiä an manchen Türen, namentlich wohl an den Haus-
türen, mehrere dieser Verschlußarten gleichzeitig angebracht waren, während
bei andern bloß die eine oder andere Art zur Anwendung kam, was vor-
nehmlich bei den Türen im Innern der Häuser der Fall gewesen sein
mag1). Nun muß man aber jedenfalls, ebenso wie bei uns heutzutage,
unterscheiden zwischen Vorrichtungen zum bloßen Schließen der Tür und
solchen zum Verschließen. Jenes besorgt bei uns heut die durch die Tür-
klinke bewegliche Zunge, die durch Heben oder Senken aus den fassenden
Haken gehoben wird oder in sie eingreift. Etwas Ähnliches haben die
Römer auch gekannt, wie die Funde von Pompeji zeigen; nur treten an
Stelle unserer Klinken bewegliche Bronzegriffe, die auf einem darunter
befindlichen, mit Schlitzen versehenen Bleche auf- und abzuschieben sind
und damit einen Riegel heben oder senken, der in Haken an der Tür-
umrahmung eingriff2). Literarisch können wir diesen Türschluß nicht nach-
weisen; unsere Quellen sprechen durchweg von den verschiedenen Arten
des Verschlusses. Die einfachste und älteste, schon in die früheste»
prähistorischen Zeiten zurückreichende Art des Verschlusses war die durch
einen von innen der Tür vorgelegten Balken, sera3), aus festem Holz4),
Sagittarius De ianuis veterum, Altenburg
1672 (auch Jena 1694 und in Graevii Thesaur.
VI 417) c. 9 — 15. Salmasius Exercit. Plin.
(Trai. ad Ehen. 1689) p. 649 ff. Molin De
clavibus veterum, in Sallengre Nov. thes.
antiqu. Roman. III 795 ff., sind für diese Frage
heut bedeutungslos, ebenso Böttiger Schlösser
u.Schlüssel d. Altert., in Kl. Sehr. III 138 ff.
In Betracht kommen vornehmlich Chubb On
the construetion of locks and keys, in den
Excerpt Minutes of Proceedings of the In-
stitut of civil engineers Vol. IX, London 1850.
Gr. Pkice, A treatise on fire- and stief-proof
of keys, London 1856, p. 178 ff. (beide Schriften
mir unzugänglich, ebenso Caming History of
keys, in The Journ. of the Brit. Archaeol.
Association XII (1856) p. 117ff.und XIII (1857)
p. 335 ff.) Becker-Göll II 320 ff. Marquardt
230 ff. v. Cohausen Die Schlösser und Schlüssel
der Römer, in d. Annal. d.Ver. f. Nassauische
Altertumskunde XIII (1874) 135 ff. J. Fink
DerVerschluß beid.Gr.u.Röm.,Regensb. 1890.
L. Jacobi. Das Römerkastell Saalburg (Hom-
burg v. d. H. 1897), 462 ff. Brinkmann üeber
antike Schlösser und Schlüssel, in den SB der
Altertumsgesellsch.Prussia XXI (1900) 297 ff.
Die Schrift von E. Nötling Studie üb. altröm.
Tür- und Kastenschlösser, Mannh. 1870, ent-
hält nur Mitteilung über die von ihm gefer-
tigten Modelle. Wichtig für den Vergleich
mit altgriechischem Türverschluß istH.DiELS
Parmenides' Lehrgedicht (Berlin 1897) 117 ff.
J) Daß auch diese zum Verschließen ein-
gerichtet waren, zeigen verschiedene Stellen,
die sich allerdings nicht auf Privathäuser
beziehen, sondern auf Herbergen, wie Petron.
97,7. Apul. met. I 11 ff., oder auf Bordells,
Mail. I 34. 5; XI 45, 3.
-) Siehe die Beschreibung des Türcfriffs
mit Schließvorrichtung aus Boscoreale bei
Pernice A. Jb. XIV (1904) 15 ff. und Mon. dei
Lincei VII 505 Fig. 71.
3) Varr. 1. 1. VII 108: sei-ae, qua remoa
fores pandnntur. Fest. '25. 10: ande etiaM
serae appellantur , quia foribus admotae oppo-
nuntur, defixae postibus, qaeniadniodiitu ca,
quae terrae inseruntur (woraus nicht m»
Fink 10 zu schließen ist, daß auch die in
die Schwelle greifenden Riegel serae hießen).
Vgl. Tib. I, 2. 6; ib. 8. 76. Ov. am. I 6, 28;«
a. II 244. Mart. I 34, 5; IX 46, 1 ; X 28, 8; W
32,4; ib. 45, 3. Die Glossen erklären serm
mit /.wyXog ßvgag, Corp. Gloss. VII 258. Daß
dafür auch die Bezeichnung patibalam ge-
braucht werden konnte, berichtet nur Non.
366, 14: patibulum, sera qua ostia obrludtndHt,
quod hac remota vulvae pateant. Titinins FitU
lonibus: si quisquam hodie praeterhar ostiim
nostrum pepulerit, patibulo hoc ei Caput ef-
fringam. Fink 11 führt auch Plaut. Most. 360
und Tac. ann. XIV 33 als Belegstellen an,
doch mit Unrecht; bei Plautus ist nur von
der Stellung am patibulum, als dem ober«
Kreuzarm, die Rede, und bei Tacitus ledig-
lich von letzterem. Daß auch jiessidas für
sera gebraucht werden konnte, wie Becker-
Göll 323 aus Ter. Heaut. 278 und Eun. 608
schließen will, ist nicht gerechtfertigt, da
an beiden Stellen wohl die vertikalen Riegel,
die in die limina eingreifen (s. oben) gemeint
sind. Vgl. R.Vallois bei D.-S. IV 1241.
4) Ov. am. II 1, 27: carmiiiibus eessefi
fores insertaque posti qua iuris robar erat,
carmine vieta serast; ib. 1 6. 28: roboribut
duris ianua fulta riyet. Die ferrea sera bei
Plaut. Persa 572 ist auch Beleg dafür, dafi
die sera in der Regel von Holz war. denn
hier wird der Rat erteilt, zur Sicherheit alles
Erster Abschnitt. Das städtische Wohnhaus.
23
er in den Pfosten in Löchern auflag1) und ganz herausgehoben werden
bnnte2). Daher heißt verschließen aeram ponere, opponere9), öffnen aeram
hmere, excutere, removere*), am häutigsten jenes 6baerara*\ dieses re-
rare6), doch haben letztere Ausdrücke verallgemeinerte Bedeutung erhalten
nd werden vom Schließen und Öffnen auch bei andern Verschlußmitteln 7),
►wie in übertragener Bedeutung gebraucht. Ein solcher Verschlußbalken
ird auch obex genannt8), doch kann dies ebenso einen andern Riegel-
3rschluß der Tür9) und im weiteren Sinne jedes Hindernis überhaupt be-
uten10). — Neben diesen abnehmbaren Querbalken hat man aber jeden-
Jls auch noch andere Arten von Querriegeln gekannt, namentlich solche,
e beweglich in Krampen hangend an der Tür selbst angebracht waren;
diesem Falle mußte das eine Pfostenloch, in das der Balken beim Öffnen
3r Tür zurückgeschoben wurde, tiefer gemacht werden, als das andere,
das er beim Verschließen zu liegen kam. Ferner konnten statt dessen
ieinere Querriegel angebracht werden, die die beiden Türflügel in der
itte verbanden, wie solche heut noch üblich sind; und diese wird man
istatt aus Holz aus Eisen gefertigt haben, damit sie dem Verschluß
ößere Festigkeit gäben11). Etwas Ähnliches scheinen die repagida ge-
esen zu sein12), deren Bedeutung freilich nicht ganz sicher festzustellen
t13). Allem Anschein nach bezeichnete man damit zwei an den Pfosten
^festigte oder auch frei darin liegende hölzerne Querbalken, die sich in
n Eisen zu machen, was sonst von Stein
er Holz ist: fores, aedes, limvna und die sera
bat aneüus, d. h. die Klammer, in die der
ilken eingeführt wird.
*) Man vgl. den Refrain excute poste sc nun
iOv. am. 16; ebd. II 1,27 (s. vorherg. Anm.).
ese Pfostenlöcher sind in Pompeji in man-
en Häusern noch erkennbar, sowohl an der
iustür, wie an Zimmertüren, s. Avellino
scriz. 1837, 8; 1840, 13. Fiokelli im (iiorn.
scavi 1861. 1 13. Overbeck253. der bemerkt,
ß sie nicht selten mit vier Tonplatten aus-
setzt sind.
2) Petron. 16,2: dumque loquimur, sera
(i sponte delapsa cecidit redusaeque subito
res admiserunt intrantem.
3) Tib.18,76. Ov.a.a. II 244. luv. 6, 347.
4) Ov. fest. I 265 ; ib. 280 ; a. a. I 6, 24 u. ö.
uro 1.1. VII 108. Fest. 25, 10 u. s.
5) Obserare fores, Nep. Dion. 9, 3. (Jurt.
4, 12. lustin. XIX 3, 12. Suet. Tit. 11;
Um, Plaut. Mil. gl. 352. Ter. Eun. 763;
Mficium, Liv.V41,7; cellam Mart.VII20,21.
6) Eeserare fores, Ov. met. X 384. Petron.
, 8; postes, Tib. I 2, 31 ; ianuam, Ov. her. 4,
1. Apul. 1 11; ib. 14. Vgl. Pest. 282 a, 27.
>n. 41, 8.
7) Vgl. z. B. Tib. I 2, 18: seu reserat fi.ro
nie puettä fores, wo die Erwähnung des
hlüssels {dem) zeigt. daf3 es sich um ein
hlofi handelt.
• 8) Fest. \87, \: obices ]>essii/i,ser<>e. Plaut,
s. 893: forem obde obice. im Sinne von
•o scheint es auch gebraucht zu sein Verg.
Mr. VIII 227: ftdtosque emunitt obice postes,
und Ov. met. XIV 780: portasque petunt, quas
obice firmo | clauserat Iliades.
9) Vgl. Tac. hist. III 30. Amm. Marc. XXI
12,13; XXIV 5, 2. Senec. Herc. 1004. Claud.
XXXIII 172
10) So z. B. Tac. ann. XIII 39. Sil. It. IV
23; in noch weiterer Uebertragung Verg. Geo.
II 480; IV 422. Daher wird in den Glossen
obex durch oppositio, mimitio erklärt, Corp.
Gloss.VII2.
n) Daher ferrati obices, Tac. hist. III 30.
Amm. Marc. XXI 12. 13.
'*) Leider ist Pest. 281 a, 6 sehr schlecht
erhalten: repagula sind, ut Verriiis «it, quae
patefaciundi gratia [qua) it" figuntur, ut ex
contrario quae oppanqantur; immerhin scheint
so viel daraus hervorzugehen, daß es sich
um ein Begegnen von entgegengesetzten
Riegeln handelt.
13) Marquardt 230 erklärt sie für zwei
Krampen oder Haken, die an jedem der beiden
Türpfosten in einer Oese beweglich hängend
in einen an der inneren Seite jedes Türflügels
befindlichen festen Ring eingekrampt wurden;
dagegen hält sie Mau ebd. Anm. 5 für Quer-
hölzer, die je an einem Pfosten mit einer
Krampe befestigt waren, an dem andern mit
einem Haken in eine Krampe eingriffen.
Becker- Göll 324 erklärt sie für zwei nicht
an den Türflügeln selbst angebrachte, sondern
nur aus den beiden Türpfosten hinausschieb-
bare und sich begegnende Riegel, die viel-
leicht in der Mitte durch das Schloß ver-
bunden waren, in manchen Fällen aber sei
das Wort allgemein für Verschluß gebraucht :
24
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
der Mitte kreuzten, sodafi dem Erbrechen der Tür ein doppelter Wider-;
stand entgegengesetzt war1). Weiterhin scheinen dann freilich auch eiserne,^
auf irgendwelche Art der Tür vorgelegte Haken die Bezeichnung repagtm
erhalten zu haben 2). Daß es solche gab, darauf deuten bestimmte Erwäh-
nungen hin3); auch finden sich in Pompeji Spuren, daß bisweilen eine;
schräge Stütze von der Mitte der Tür hinterwärts auf den Boden des Haus-
gangs hinabging, wo durch einen eigenen, über dem Boden etwas er-
hobenen viereckigen Stein oder auch durch ein Loch im Fußboden für.
die Aufnahme ihres untern Endes gesorgt war4).
Neben diesen horizontalen oder Querriegeln waren senkrechte Riegel,
pessuli genannt5), sehr üblich, die unten in die Schwelle und oben in den]
Türsturz eingriffen, wie sie bei 'uns üblich sind6); daher das Verschließen
damit oppessulare1). In Pompeji finden sich diese Riegellöcher in der
Schwelle noch öfters deutlich erhalten (an unserer Fig. 3 mit yy bezeichnet),
und zwar für jeden Flügel ein besonderes8).
und Fink 11 meint, repagulum sei nur ein
anderes Wort für sera.
1) In Betracht kommt vornehmlich die
Schilderung bei Ov. met.V120ff. Hier heißt
es v. 120: raptaque de dextro robusta repagula
posti | ossibus inlisit; dann v. 123: demere
temptabat laevi quoque robora postis; und
v. 124: temptanti dextera fixa est | cuspide . . .
lignoque cohaesit. Wie die repagula hier mit
den postes in Verbindung gebracht werden, so
bei Apul.met. 1 14, wo es von der durch Zauber
erbrochenen Tür, die sich ebenso durch Zauber
wieder schließt, heißt: ad postes repagula
redeunt (so nach der von mir im Hermes XXIX
295 vorgeschlagenen, von van der Vliet auf-
genommenen Verbesserung für das handschrift-
liche postes ad repagula). Marquardt a. a. 0.
A. 5 erklärt hier postes in dichterischem Ge-
brauch als Türen; es seien also repagula
die festen, an den Türpfeilern befindlichen
Krampen, die nun wieder in die Krampen-
löcher passen ; aber damit widerspricht er der
im Text gegebenen Deutung, nach der die re-
pagula in den Oesen beweglich hängen. —
Zu der oben gegebenen Erklärung passen auch
die Stellen, die von den repagula an Pferde-
ställen handeln, Ov. met. II 155: pedlbusque
repagula pulsant. Lucan. Phars. I 294: quam-
ns ii im carcere clauso j inmineat foribus pedl-
busque repagula laxat. Sil. It. XVI 317: ubi
prolato sonuere repagula signo.
2) Darauf deuten die Glossen, die repa-
gulum erklären durch xöga£ oidngovg dvgag,
ItoyloT; oyxivos , ferrum curvum u. dgl., s.
Corp. Gloss. VII 198: ebd. 563 unter xöoa$ und
591 unter öyxivog. Andere Stellen, wo die
repagula erwähnt werden, sind so allgemein
gehalten, daß sich daraus nichts über ihre
Konstruktion entnehmen läßt; vgl. Plaut. Cist.
649: occludite aedis peaulis repagulis. Cic.
Verr. act. II , IV 43, 94: convolsis repagulis
effractisque valvae; id.de divin. I 34, 74: valvae
clausae repagulis subito se ipeae aperuerunt.
3) Apul.met. III 15: pessuli* iniectis et um
cino firmiter immisso; der uncinus wird von
Mau a. a. 0. als einfacher Haken erklärt, der
die beiden Flügel verbindet, mit der Hinzu-
fügung, daß sich solche an einer in Gips
abgegossenen Tür in Pompeji oberhalb des
Schlosses noch erhalten haben, und zwar
(s. Mau Pompeji 255 ) ein eiserner Querriegel
und zwei Haken, jeder in eine Oese des andern
Flügels eingreifend, endlich zwei henkelaitige,
in Oesen hängende Handgriffe zum Aufziehen.
Vgl. Corp. Gloss. VII 381 : uncinus xbga'E, oidrj-
govs Orgag; ebd. 563 unter xogag~.
4) OVERBECK 253.
5) Daß diese Riegel speziell pessuli ge-,'
nannt werden, geht hervor aus Marc. Empir.
17: in foramine, in quo ianuae pessuli de~
scendunt, quidquid repereris collige, während
Festusl87, 1 zeigt, daß sie auch obices genannt
werden konnten, was eben Riegel schlecht-
hin bedeutet. Daß daneben auch die Fall-
bolzen der Schlösser so hießen, wird unten
dargelegt. Weniger sicher ist, ob Fink recht
hat, wenn er S. 30 behauptet, daß auch ein
einfacher, von innen angebrachter Quenieuel
pessulus genannt werden konnte, denn die
Stellen, die er dafür anführt, Ter. Eun. Ii03:
pessulum ostio obde, und Heaut. 278: anu$
foribus obdit pessulum, können sich ebenso
gut auf den senkrechten Riegel beziehen.
6) Plaut. Aul. 103: occlude sis fores am
bobus pessuli s, vgl. Cist. 649: occludite aedis
pessulis, repagulis; Truc. 351, und die Am
rede des Phaedromus an die pessuli im Curcul.
147 ff., bes. v. 151: sussulite, obsecro, et mifm
Ute istanc foras. Ter. a. a. 0. Prudent. in
Symm. 1 65: nunc foribus surdis, sera quas
vel pessulus artis | firmarunt cuneis.
7) Petron. 97, 7. Apul. met. I 22. AmnJ
XXXI 13, 15. Vgl. Heraeüs Sprache des Pet Kin
25. Landgraf Arch. f. lat.Lexikogr. IX (ls'.Mi)
402 über oppessulare in den Glossen.
8) Vgl. Ivanoff a. a. 0. An unserer Figurr!
Erster Abschnitt. Das städtische "Wohnhaus.
2.",
Während die bisher besprochenen Vorrichtungen lediglich dazu be-
immt sind, die Tür von innen zu verschließen, ohne ein Offnen derselben
pn außen her an sich zu ermöglichen, kannte man schon sehr früh auch
Hche Verschlüsse, die vermittelst eines eingeführten Schlüssels ein Schließen
hd Offnen von außen wie von innen erlaubten1). Die dazu erforderlichen
estandteile, das Schloß, clanxtnnn-), und der Schlüssel, claviss), konnten
>n sehr verschiedenartiger Konstruktion sein; doch beruhen alle Systeme
irauf, daß ein Querriegel, der in ein Loch oder eine Krampe greift, der
Hr vorgeschoben wird, und das Unterscheidende liegt in der Vorrichtung,
ireh die der Riegel vor- oder zurückgeschoben und bei Verschluß fest-
halten wird. Wir unterscheiden darin vornehmlich drei Arten: 1. durch
nfaches Schieben oder Stoßen des Riegels; 2. durch Heben oder Fallen-
ssen von Bolzen; 3. durch Drehung des den Riegel fortbewegenden
mlüssels. Die älteste und einfachste Art, die sich schon am homerischen
mlosse findet, aber in noch viel frühere Zeiten zurückgeht und die sich
iute noch vielerorts, namentlich in Gegenden, die der Kultur ferner liegen,
halten hat, besteht darin, daß der Querriegel, der sich in Krampen hin-
ld herschieben läßt, Vertiefungen oder Erhöhungen hat, in die der von
lßen, durch ein in der Tür befindliches Loch eingeführte, etwas gebogene
hlüssel eingreift, sodaß er dadurch imstande ist, den Riegel seitlich zu
oßen, worauf die Tür frei wird4). Daß die Römer solche Verschluß-
)rrichtungen gekannt haben, unterliegt keinem Zweifel, aber Stellen, die
ch darauf beziehen lassen, liegen fast gar nicht vor5). Größere Sicherheit
, wie auch anderwärts, eine flache Rille ö
untlich, die der eine mangelhaft aufgezogene
egel bei häutigem Öffnen der Tür in die
hwelle und den Fußboden eingeschliffen hat.
') Einige Stellen werden dahin gedeutet,
ß die Türen mitunter von beiden Seiten
hlösser hatten. In diesem Sinne faßt Beckek-
jll 327 und Makquabdt 234 A. 6 Plaut,
ost. 405, wo Tranio sagt: da rem mihi ha-
rte aedium \ iam iube efferri intus: hasce
<) aedia obehtdem hinc fori*, und 425 : clavitn
lo atque abi iittro atque obelude ostium, \ et
i hinc dbeludam. Freilich könnte hier der
aereVerschluß auch bloß durch Riegel erfolgt
in. DoppelterVerschluß bei Achill. Tat. II 19 :
xaxoifäCovoa ds dei xi/v Atvxinnnv i) fit'jxrjQ
Jgftev ivdo&sv ri]v sjti xov oxevojjxov dvgav '
.oder 8s xig exegog sjzexXeis xai xag xkstg
iXXe öiä xfjg ojiijg ' rj Sk Xaßovoa £<pvXaxxe xai
oi xtjv eo) xalsoaoa xov et? xovxo imxexay-
ror dtißaXXe nähr ras teksZs, oüiwg droi^eis.
er schließt also der betr. Schlüssel nur von
ßen auf. Hingegen bezieht sich die vonMAB-
ardt angeführte Stelle beim Schol. ad Arat.
laen. 192: x<o kvdo&sv trjQjuoo/Lih>t]v elvat xl/r
p> doya'ixiog' ov yäg t6? vvv ixxög sioev
xXetdes, dkl' s'vdov xö Jiakaiov Jiagd Aiyv-
/<»,- xai Adxoioiv nicht auf verschiedene
hlösser, sondern auf ein einziges, das man
iher inwendig, jetzt auswendig anbringe.
l) Wie man heutzutage Schloß und
hlüssel mitsammen kauft, da beides zu-
einander passen muß, so auch im Altertum,
Cat. r. r. 13, 2; 135, 2; vgl.Varr. b. Non. 545,
11. An den meisten Stellen, wo ein Oeffnen
oder Schließen der Tür durch clanstra er-
wähnt wird oder ein gewaltsames Aufbrechen
durch revettere derselben , werden wir an
Schlösser von irgend einer der oben be-
schriebenen Konstruktionsarten zu denken
haben, vgl. Plaut. Cure. 203. Cic.Verr. IV 23,
52. Liv. V21,10. Petron. 11, 2; 97,8. Catull.
61. 76. Verg. Aen.VII 185; IX 758. Ov. am.
I 6. 17. In verallgemeinerter Bedeutung Mail.
X 28. 9: ferrea perpetua daustra tuere s<>rn,
wo claustra wohl identisch mit fores sind
(am Janustempel). Die Verfertiger sind die
claustrarii, Lampr.Heliog.12,2. CIL VI 9260;
VIII 21 103 f.
3) Tib. II 4, 31: hinc clarim ianua sensit',
clavictUa, (lermanic. Aratea 196. Auch Nach-
schlüssel kannte man, claris adultera, Ov.
a. a. III 643, oder odwftermo, Sali. lug. 12, 3.
4) Man vgl. die mannigfachen Rekon-
struktionsversuche bei Fink Verschluß 12 ff.
Diels Parmenides 129 ff. Jacobi Saalburg
466 ff.
5) Vermutlich ist ein solches Schloß
Apul. met. IV 10 gemeint. Hier wagen Räuber
nicht, die Tür gewaltsam zu erbrechen, des
Lärmes wegen; der eine nun: qua davi i»i-
tnütendae foramen patebat sensim immissa
mann ektustrum evettere gestiebat, was aber
mißlingt, da der hinter der Tür lauernde
26
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
aber gewährte die zweite Art, wobei das Festhalten des Riegels dadurchj-
erfolgt, daß im Schloß bewegliche Fallbolzen, die ebenfalls pessuli heißen1)!
bei geschlossenem Zustande in entsprechende Hohlräume des Riegels ein-*
greifen und ihn festhalten, beim Heben vermittelst eines Schlüssels aber?
(clavem subdere, subducere) 2) die Bewegung des Riegels freigeben. Solche
Schlösser gab es von Holz, und man hatte dafür auch hölzerne Schlüssel3);!
bei festerem Verschluß aber wurde beides von Eisen hergestellt. Da es
wesentlich darauf ankam, daß jedes Schloß nur durch den dazu gehörigen'
Schlüssel aufgesperrt werden konnte, so waren die für solche Fallbolzen-
schlösser erforderlichen Schlüssel, die zwei, drei und mehr vorstehende
Zinken (dentesty) zum Heben der Bolzen hatten, von sehr mannigfacher
Form, wie die in beträchtlicher Zahl gefundenen Exemplare uns zeigen5).
Fig. 6.
Römische Türschlösser.
Fig. 7.
Zur Veranschaulichung einiger Typen diene die Beschreibung dreier Schlösserj
die Baumeister L. Jacobi nach Originalen von der Saalburg hat rekon-
struieren lassen6). Fig. 6 ist ein hölzernes Bolzenschloß, bei dem der
Hausbesitzer ihm die Hand an die Tür fest-
nagelt. Da hier das Türloch, durch das der
Schlüssel gesteckt wird, so groß ist, daß man
eine Hand durchstecken kann, wird man an
ein Schloß der obigen Art zu denken haben.
') An den meisten Stellen, wo pessuli
erwähnt werden, ist es nicht möglich, die
ebenso benannten Schwellenriegel von den
Fallbolzen zu unterscheiden. Sicher ist die
Bedeutung bei Apul. met. 1 11 ff. Wenn es
hier zunächst heißt: adducta fore pessulisque
firmatis, und c. 14, wie die durch Zauber
erbrochene Tür wieder sich schließt: ad
claustra pes&uli recurrunt, so geht aus der
folgenden Beschreibung, wie der im Zimmer
befindliche die Tür öffnen will, hervor, daß
es sich um ein Fallbolzenschloß handelt:
mbdita clave pessulos reduco; at Mae probae
et fideles ianuae, quae sna sponte reseratae
nocte fuerant, vix i 'andern et aegerrime tunc
(■Iuris sna,' crebra innnissione patefiunt. Denn
die Schlüssel zu diesen Schlössern waren
manchmal recht kompliziert und ihre Ein-
führung nicht so einfach, sodaß, namentlich
trenn jemand aufgeregt war, wie das hier
der Fall ist, der Versuch leicht mehrmals
wiederholt werden mußte.
•) Apul. met. I 14; IX 20: tandem clave
pessulis subducta repandit fores. Gernian.
Arat. 196.
3j Augustin. de doctr. christ. IV 11. 26:
quid prodest claris aurea, si aperire, (jianj
volumus, non potest, auf quid obest lignea,
si hoc potest.
4) Tib. I 2, 18: seu reserat fi.ru deute
puella fores. German. a.a.O.: qualis ferratos
sabicit claeicula derdes, j succutit et forihns
praeducti vincula claustri.
5) So sind auf der Saalburg gegen 20Q|
Schlüssel gefunden worden, von denen jeder
einen anders eingerichteten Bart aufweist!
s. Jacobi Fig. 73— 75 und Taf. 44. Aratoa
Phaen. 192 f. vergleicht die Stellung der Sterne
in der Kassiopeia mit der der dyjjeg , defl
Bolzen, an einer Türe, darnach German. a.a.Ol
Avien. Phaen. 455: vis qualem Curia quon-
dam j noverat intrantem per claustra teuacia
clarein. Den lakonischen Schlüssel finden
wir bei Plaut. Most. 404 erwähnt, allein wenn
schon die Form desselben auch bei den Rö-'
mein üblich gewesen sein wird (vgl. Fink 22) J
so wird der Name doch kaum sich erhalte™
haben und bei Plautus bloß aus dem grie-1
chischen Original herübergenommen sein. !
6) Jacobi Fig. 73 Nr. 30 u. 34. Fig. 75
Nr. 6 u. 11 ; doch sind unsre Abbildungen nacH
Erster Abschnitt. Das städtische Wohnhaus.
27
Ichlüssel S in den Riegel R selbst eingeführt wird; er hat zwei Zinken,
lit denen die beiden Bolzen Bß aus den Riegellöchern herausgehoben
werden: indem die Zinken sich in die leeren Riegellöcher einhaken, kann
lan den Riegel durch Zurückziehen des Schlüssels aus dem Verschlusse
ntfernen. — Fig. 7 ist ebenfalls ein hölzernes Schloß, hier sind vier
►olzen B, die durch einen Schlüssel mit drei Zinken gehoben werden. Der
chlüssel S liegt hier oberhalb des Riegels, daher haben auch die zu
ebenden Bolzen eine besondere, aus der Abbildung ersichtliche Form.
)argestellt ist, wie der Schlüssel die Bolzen gehoben hat; der Riegel R
r— ~CMtr
CSD
31
Fig. 8.
Römisches Türschloß.
Fig. 9.
st nun frei und kann beiseite geschoben werden. — Fig. 8 und 9 zeigen
in' eisernes Schloß von der Außen- und der Innenseite. Außen an der
Mir sitzt der Schloßkasten, darüber der in eine Krampe eingreifende Riegel,
er eine inwendig durch einen zweiten Riegel festgehaltene Zunge hat;
echts ist das Schlüsselloch L l). In dieses Schlüsselloch wird der Schlüssel S,
essen verzahnter Bart rechtwinklig zum Griffe steht, eingeführt und nach
nks so herumgedreht, daß die Zinken unter die im Riegel R steckenden
linken der drei Bolzen zu liegen kommen (die verschiedene Form der Zinken
eigt die Abbildung des Schlüssels). Die Bolzen, die durch eine Feder F
iedergedrückt werden, werden nun durch den Schlüssel in die Höhe ge-
oben, der Riegel R wird dadurch frei und aus der Klammer K nach links
urückgezogen; damit wird dann die äußere Verschlußstange, deren Haspe
er Riegel festhielt, freibeweglich und kann aus dem sie festhaltenden
tinge nach rechts hin herausgezogen werden2).
Die dritte Art ist das Drehschloß, das sich vom heutigen nicht
wesentlich unterscheidet. Hier sind keine Fallbolzen vorhanden, sondern
er Schlüssel, dessen Bart in der Verlängerung des Griffes liegt, greift
urch Drehung in den Riegel ein und schiebt ihn vor- oder rückwärts.
)erartige Schlösser sind in römischen Ansiedelungen zwar nur vereinzelt
efunden worden 3), aber dafür um so zahlreichere Exemplare der dazu
iels Fig. 31 — 34 gegeben, da diese noch an-
;h;ml icher sind.
') Daß diese Art von Schloß ganz be-
>nders beliebt gewesen ist, zeigen nicht
ur die häufig gefundenen Exemplare davon,
>ndern auch die Denkmäler. Auf der oben
wähnten Tür des römischen Sarkophags,
erlin. Skulpt. 344 Nr. 863, und einer Aschen-
iste ebd. 436 Nr. 1 123, sowie Musee de Brousse
6 Fig. 35 f.. sind ganz ähnliche Schlofi-
Diderseiten nachgebildet, und ebd. N. 78 Fig.
37 geht von dem Schloß ein weinblattai tiger
Riegel aus, der über die beiden Türflügel sich
legt und so die Tür von außen verschließt,
*) Bei diesen Schlössern bleibt in der
Regel der Schlüssel, wenn er geöffnet hat.
in der Oeffnung stecken und kann nur zurück-
gezogen werden, indem man wieder schließt.
Vgl. Petron. 94.7: continuo Urnen egresaus ad-
duxii repenie ostium ceüae meque nihil tale
expectantem indusit, ezemüqne >-n/>tim davim.
3) Abgesehen von der Saalburg auch in
28
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
gehörigen Schlüssel mit den mannigfachsten Formen des
Bartes l). Von der Art, wie die Türschlüssel manchmal
kunstreich verziert wurden, gibt der pompejanische
Schlüssel Fig. 10 eine Vorstellung2).
Hatte man die Haustür durchschritten3), so kai
man in der Regel noch nicht sogleich in das Atrium,
sondern in einen schmalen Gang, eine Verlängerung des
Vestibulums oder Ostiums. Welchen Namen dieser Gang
für gewöhnlich
führte, steht
nicht fest, doch
kommt die Be-
nennung fauces
dafür vor4). Hier
lag meist der
Haushund , für
den bisweilen ein
besonderer
Raum vorhan-
den war5), an
der Kette6); zur
Warnung war
mitunter an der
Wand die In-
schrift Cave ca-
Fig. 10. Schlüssel a. Pompeji. nßftl ' an-
gebracht, auch wohl der Hund selbst in Malerei oder Mosaik dargestellt 7)
(s. Fig. 11). Vornehmlich aber war hier der Platz des mit der Hütung der
Fig. 11. Haushund, Mosaik aus Pompeji.
andern römischen Niederlassungen s. F. Keller
in d. Mitteil. d. antiquar. Gesellsch. in Zürich
XV (1864) 59 u. 62 mit Taf. I 1—3. Jacobi
Fig. 76 Nr. 1—24, doch ist zu bemerken, daß
hier meist Vorlegeschlösser abgebildet sind,
deren Mechanismus sich durch das ihn um-
gebende Gehäuse weit besser als bei den in
Türen eingelassenen Schlössern erhalten hat.
1) Vgl. Jacobi a. a. O. Nr. 25—42.
2) Nach Mus. Borb. XVI 23, 5.
3) In einigen größern Häusern Pompejis
findet sich die Einrichtung, daß neben der
Haustür und mit ihr einen rechten Winkel
bildend noch eine kleine einflüglige Tür liegt,
auf der rechten oder linken Seite des Vesti-
bulums, die zunächst in einen Winkel zwischen
eben dieser Tür und der entsprechenden Seiten-
wand des Hausflurs und von da weiter ins
Haus führte, s. Overbeck 254; 298. Mau 253.
4) Vitr. VI 3 (4), 6 : vgl. Ivanoff a. a. 0. 83.
Daß der Gang auch ostium genannt worden
sei, wie Becker-Göll 237 und Overbeck 254
behaupten, läßt sich nicht belegen. Wenn
außer der Haustür noch eine besondre Tür
ins Innere führte, so nannten die Griechen
nach Vitr. VI 7 (10, 1) den Raum inter duai
ianuas ftvgojQslov. Ebd. 5 heißt es: item .too-
dvga graece dicuntur quae sunt ante ianuas
vestibula, nos autem appellamus prothyra, quae
graece dicuntur biädvga. Dies Wort kommt
aber nur hier vor, wir wissen daher gar nicht.
welchen Raum Vitruv hier im Sinn hat.
5) Vgl. Overbeck 331. Mau R. M. VII
(1892) 9.
6) Plaut. Most. 849 ff. Tib.II4,32; ib. 6,
114. Hör. sat. I 2, 128. Sen.dial.V 37, 2. Suet.
Vit. 16. Petron.64, 7; 72, 7. Der Abguß eines
Haushundes nach der in der Asche erhaltenen
Form ist abgebildet bei Presuhn Pompeji III
Taf. 3.
7) Varr. b. Non. 153, 1 : in ianua 'Cave <-<t-
nem' inscribi iubeo. Petron. 29, 1 : ad sinistratn
enim intrantibus non longe ab ostiarii cella
canis ingens, catena vinctus, in pariete erat
pictus superque quadrata litterascr/jttin» 'cave
canem'. Im Hause des tragischen Dichters in
Pompeji war im Fußboden ein Mosaik ein-
gelegt, das den Haushund an der Kette und
darunter die Inschrift zeigt, s. Mus. Borb. II 56.
Overbeck 255 Fig. 138; auch im Hause des
Erster Abschnitt. Das städtische Wohnhaus.
■2U
Tür beauftragten Sklaven, des ianitor1) oder ostiarius2), der nachts den
Hausschlüssel in Verwahrung hatte ;!). Er hatte meist seine besondere
ijj#a4); daß der ältere barbarische Brauch, nach dem der ostiarius an-
gekettet war5), später allgemein befolgt wurde, ist sehr unwahrscheinlich,
zumal diesem Türhüter eine gewisse Strafgewalt gegen Eindringlinge zu-
stand und er zu diesem Zweck einen Stab (virga) führte0). In Häusern,
pn denen der Hausherr oder ein Mieter ein Geschäft betrieb, lagen im
Vestibulum Stallungen und Läden, letztere mit Zugang auch von der
ptraße her7).
Gegen das Atrium zu waren -die fauces in der Regel nur durch einen
[Vorhang (velum) abgeschlossen 8). Daß aber hier eine zweite Tür nichts
[Unerhörtes war, zeigen Beispiele pompejanischer Häuser9).
Das Atrium10), der Raum, in den man aus den fauces zunächst ge-
langte, war im altitalischen Wohnhause der Hauptraum und bei sehr ein-
fachen Wohnverhältnissen der älteren Zeit vielleicht der einzige Wohnraum
per Familie11). Hier stand dazumal der Herd12), und es ist auch sehr wahr-
scheinlich, daß der Raum (gleich dem griechischen jueka&gov) den Namen
lavon erhalten hat, daß der in den alten Wohnanlagen nur mangelhaften
kbzug findende Rauch die Decke schwärzte13). Hier im Atrium sammelten
Laecilius Iucundus fand sich ein Hund in
Mosaik. Presuhn a.a.O. Taf.4 (darnach unsere
Fig. 11). vgl. ebd. ITaf.3.
») Varr. 1. 1. VII 27. Plaut. Asin. 390;
Most. 673. Tib. I 1, 56. Hör. carm. III 14, 18.
Wart. V 22, 10. CIL IV 1894; 1921. Bisweilen
mochte dies Amt auch von einer Dienerin
ersehen werden. Plaut. Cure. 76: anus hie
lotet enbitare eustos ianitrix. Vgl. Pottier bei
>.-S. III 602 ff.
2) Senec. a. a. 0. Petron. 28, 8 erscheint er
Im Hause des Trimalchio in glänzender Livree.
bsthtrii auf Inschr. s. CIL III 13142;VI8995ff;
1961 ff.; 9737 f.; ostiaria VI 6326.
3) Apul. met. I 15, wo der Gast in der
Herberge zwar aus seinem Zimmer heraus
lann, aber um das Haus zu verlassen den
|w//or wecken muß. Ebd. IV 18: ianitorem
wludio eonjieit e/arique subtraeta fores ianuae
fgpandü. Vgl. ebd. IX 20.
4) Vitr.VI 7 (10), 1 erwähnt die cella des
kstiarins nur im griechischen Haus, doch ist
te sonst bezeugt, s. Petron. 29, 1; 77,4. Senec.
Ind Suet. a. a. O. Varr. r. r. 1 13, 2; bei Aurel.
■ ict. Caes.8. 6 tugurium ianitoris. In pompe-
fcnischen Häusern sind diese kleinen Kämmer-
Ihen bisweilen zu finden, Ovekbeck254; vgl.
133 u. 335 (in letzterem Hause hat die cella
Kn Fenster auf die Straße hinaus, durch das
ler ostiarius die Einlaß Begehrenden inAugen-
Ichein nehmen konnte).
5) Ov. am. 16,1: ianitor, indignum, dura
meligate catena. Colum. I praef. 10: an putem
«»rfittiatiiis ii ratenato repulsum ianitore saepe
Koctc sera forlbus /»gratis adiacere. Suet. de
Biet. 3 : L. Voltacilius Pilutus servisse dicitur at-
nieetiam ostiarius retere more in catena fuisse.
6) Senec. dial. II 14, 2: üle pusülo animo
est, qili sihi ji/aeet, i//ii>t/ ustiarin lihere re-
spondit, i/imit virgam eins (regit. Salvian.de
gub. dei III 46: ita ut si quispiam fuerit in-
solenter ingressus, auf caedatiir mit propel-
tatur.
7) Vitr.VI 8 (5), 2: qui autem fructibus
riistleis serriinit. in eurnm restibnlis stiilmln
tabernae. Ueber die tabernae s. unten.
8) Lampr. Alex. Sever. 4, 3: cum amieis
tarn familiariter vixit, ut ... salutaretur quasi
unus e seun/oribiis patente velo.
9) Ovekbeck 255.
10) Ueber das Atrium und die damit zu-
sammenhängenden Fragen ist vornehmlich zu
vgl. Beckeb-Göll II 238, wo ältere Litteratur
verzeichnet ist. Velissky, Ztschr. f. d. österr.
Gymn. XXVI (1875) 811 ff. Saglio bei D.-S.
I 530 u. 981. Monceaux ebd. II 350. Nissen
Pompej. Studien 625 ff. Bkugi Archiv giurid.
XXXVIII (1887) 493. Mau bei P.-W. II 2146.
u) Das Atrium ist der charakteristische
Teil, der das römische Haus vom griechi-
schen unterscheidet, vgl. Marx a. a. O.
w) Varro bei Non. 83, 15: ad focum hieme
ac f rigor ilms cenitabant. Ov. fast. VI 301:
nt focus a fiammis et quod fovet onniin, dictus ;
qui tarnen in/irimis aei/ibns ante fnit. Serv
ad Aen. 1726: ibi (sc. in atrio) et culina erat.
Auf dem Lande blieb das auch später noch
so, Hör. sat. II 6, 65 ff.
13) So Serv. a.a.O. : tinde et afrinm dietiim
est; atrum enim erat ex fumo. Isid. XV 3, 4:
aliis atrinni i/nasi all igne et ti/elina atrnm
dixerunt. Daneben hatten die Alten freilich
allerlei andere, z. T. recht, sonderbare Deu-
tungen des Namens: so leitet es Varro 1.1.
30
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
sich die Hausgenossen1), hier wurde gekocht und gespeist2), hier stand derj
Webstuhl der Hausfrau und ihrer Mägde3), und hier stand auch, dem Eingang
gegenüber (daher auch lectus adversus genannt)4), das Ehebett, lectus geniali$b), \
das später nur noch symbolische Bedeutung hatte und mehr zum Ehren-
sitz der Hausfrau als seinem ursprünglichen Zwecke diente6). Solange
das Atrium solche Verwendung hatte und somit der Hauptraum des Hauses
war, wird es höchst wahrscheinlich, worauf auch die oben (S. 8) be-'
sprochenen runden Hüttenurnen deuten, bedeckt gewesen sein; als man
aber im städtischen Wohnhause anfing, besondere Räume für Kochen,
Speisen, Schlafen etc. anzulegen, da entstand, und zwar wahrscheinlich noch
in recht früher Zeit7), der Brauch, das Atrium oben zu öffnen, es zum
cavum aedium (cavaedium) zu machen, mit welchem Namen man das Atrium
auch zu bezeichnen pflegte8), obschon man später in erweitertem Sinne
irgend einen zentral gelegenen Raum des Hauses darunter verstanden zu
haben scheint9). Vou den Atrien unterscheidet Vitruv, unter Hinzunahme
V 161 von der Stadt Atria her (ebenso Fest.
13, ll.Serv. a.a.O.); oder: quoda terra oriatur,
quasi aterrium, Fest. ebd.; oder: quodaddantur
ei tres porticus extrinsecus, Isid. a. a. 0. Nicht
weniger unglücklich sind die von Neueren ver-
suchten Ableitungen aus dem Griechischen
(iü'üqiov, äÖQoor, Becker-Göll 251), die schon
deshalb zu verwerfen sind, weil das atrium
eine spezifisch italische, den Griechen ganz
fremde Einrichtung ist. Die oben gegebene Deu-
tung ist angenommen worden von Schwegler
Rom. Gesch. I 275. Mommsen Rom. Gesch. I
236. Nissen 628. Marquardt 218.
*) Varr. a.a.O.: Cavum aedium dictum,
qui locus tectus intra parietes relinquebatur
patulus, qui esset ad communem omnium usutn.
2) Cat. b. Serv. a. a. 0.: et in atrio et
duobus f er cutis epulabantur antiqui; vgl. ebd.
ad Aen IX 645 : illic enim et epulabantur et
deos colebant.
3) Liv. I 57, 9 : Lucretiam . . . nocte sera
deditam lanae int er lucubrantes ancillas in
medio aedium sedentem inveniunt. Nep. praef.
6 : aut cuius non mater familias primum locum
tenet aedium atque in celebritate versatur?
Ascon. ad Cic. Milon. p. 38 Kießl. : iUmque telas,
quae ex vetere more in atrio texebantur, di-
ruerunt. Arnob. adv. gent. II 67: matres fa-
milias vestrae in atriis operantur domorum
industrias t est ificantes suas? Vgl. auch Plaut.
Men. 796.
4) Laber. b. Gell. XVI 9, 4: mater familias
tua in /<'<■/<> adrerso sedet. Prop.V(IV) 11,85:
seu tarnen adversum mutarit ianua lectum.
Ascon. a. a. 0. : lectulum adversum uxoris eins
Corneliae, cuius casti/as pro exemplo habita
est, fregerunt.
&) Cic. p. Cluent. 5. 14 : lectum illum genia-
lem . . . sibi ornari et sterni iubet. Hör. ep.
11,87: lectus qenialis in aida est. Fest. 94, 11.
Serv. ad Aen. VI 603.
6) Vgl. über den Platz dieses Ehebettes
Nissen 642.
7) Darauf deutet der jedenfalls sehr alte
religiöse Brauch hin, der Gell. X 15, 8 und
Serv. ad Aen. II 57 erwähnt wird und das 1m-
pluvium zur Voraussetzung hat; s. Marquardt
Rom. Staatsverw. 111 318. Voigt Jahresbericht
über d. class. Altert, f. 1878, III 378.
8) Diese Ausdrücke kommen nicht häufig
vor; in Betracht kommt vornehmlich Varr. 1.1.,
V 161 (s. Anm. 1) und Vitr.Vl 3, 1. Becker
a. a. 0. hat eingehend zu erweisen gesucht,
daß das cavum aedium etwas anderes als
das atrium sei, doch weist Göll ebd. in allen
Punkten seine Aufstellungen als unrichtig
nach. Ebensowenig sind andere Unterschei-
dungsversuche haltbar, wie der vonScHNEiDER;
zu Vitruv VI 3, 1 (Bd. II 432) und Lersch Z.f.
d. A.W. 1838 Nr. 72, wonach das rar tan aedium
den ganzen inneren Raum, atrium nur die
bedeckten Teile desselben bezeichne; oder
der umgekehrte von Mommsen Rom. Gesch.
I 236, der cavum aedium für die Decken-
öffnung erklärt. Die Ansicht von Velissky
a.a.O., das aus dem Viehhof des alten Bauern-;
hauses entstandene cavum aedium sei später
vergrößert und verschönert als Peristyl und
Sitz des Familienlebens an das modernisierte
Atrium angesetzt worden, weist Marquakdt
223 A. 4 mit Recht zurück. Vgl. auch Saglio
bei D.-S. I 981 ff.
9) Diese Auffassung von Mau bei P.-W.
III 1799 hat am meisten für sich. Un-
gewiß zwar ist die Bedeutung Plin. XIX
24: vela . . . rubent in cavis aedium, et dui-
scum ab sole defendunt ; denn wenn Mau meint,
es seien hier Peristyle gemeint, weil die rela
doch mehr in diesen als in den Atrien Ver-
wendung fanden, so ist letzteres doch zu viel
behauptet. Wenn aber der jüngere Plin. ep]
II 17, 4 fg. in der Beschreibung seines Lau-
rentinums einen Unterschied zwischen atrium
und cavaedium macht, so war letzteres wohl
auch ein Atrium, da es denjenigen Platz ein|
nimmt, den nach Vitr.Vl 5 (8), 3 dieses in der
Erster Abschnitt. Das städtische Wohnhaus.
31
Ider bedeckten, fünf Arten1). Vier davon sind oben offen; die viereckige
Bachöffnung führt den Namen compluvium, während der darunter belegene,
vertiefte Teil des Fußbodens, in dem sich das Regenwasser sammelte, im-
mßuvium heißt2), eine Unterscheidung, die freilich nicht immer ganz streng
festgehalten wurde3).
Die ersten drei Arten des Atriums, das sogenannte tuscanicum4), das
mtrastylum und das corinthium, hatten das Gemeinsame, daü das in der
Mitte offene Dach sich auf allen vier Seiten nach der Mitte, also dem
mmpluvium zu, senkte, so daü das Regenwasser des Daches dem impluvium
zugeführt wurde; ihr Unterschied besteht in der Dachkonstruktion. Das
Dach des atrium tuscanicum nämlich5) hat keine vertikalen Stützen,
sondern ruht auf zwei, das Atrium der Breite nach überspannenden Balken
Fi.-. 12. Dachkonstruktion des tuskanisehen Atriums.
|(a auf unsern Abbildungen Fig. 12 und 13) 6), die ihrerseits durch zwei
|Querbalken b verbunden sind. Von den Stellen, wo die Querbalken auf
geführten Stellen, ferner Plaut. Amph. 1108;
M. gl. 159 ; 175 ; 287 ; 340. Ter. Eun. 589 ; Phorm.
707. Darnach scheint es ganz üblich ge-
wesen zu sein, die obere Dachöffnung im-
pluvium zu nennen.
4) NachVarr. 1. l.V 161: dictum <t Tuscis,
■posteaquam (darum eamtm aedium simulare
coeperunt. Der abweichenden Ansicht von
Voigt a. a. 0. 300, der es von der Stadt Tus-
cana ableiten wollte, widerspricht Göll zu
Becker 253 mit Recht. Wie Marx 551 be-
merkt, ist eigentlich bloß das atrium tu-
scanicum altrömisch; die andern Formen sind
von griechischer Bauweise entlehnt und heißen
noch atria, sind aber streng genommen keine
mehr.
5) Vitr.VI 3, 1 : tuscanica sunt in qutbus
trabcs in utrii latitudine traiectae habeant
mterpensiva et coUidas ab anguiis parietum
ml angulo8 tionorum intercurrentet, item OS"
seribus stülicidiorum in medium compluvium
deiectis.
6) Die Figuren rühren von Mazois II pl.
III 1 u. 2 her und sind darnach sehr oft re-
produziert, s. Marqüardt 237. Ovekbeck 256.
Mau 256 f.
IVilla haben soll: aber Plinius hat die Bezeich-
nung gewechselt, um es von dem vorderen,
Iseiner Lage nach dem städtischen Atrium
■entsprechenden Räume zu unterscheiden.
lEbenso sind die cavae aedes bei Verg. Aen.
|II 483 die Mittelräume des Hauses.
') Vitr.VI 3,1: cava aedi um quinque gene-
hrihiis sunt distincta, quorum ita fiaurae nomi-
mantur tuscanicum, corinthium, tetrastylum,
displuviatum, testudinatum.
2) Varr. 1. l.V 161: si relictum erat in
Imedio uz lucem caperet, deorsum quo i»i-
ypluebat dictum impluvium, summ qua com-
pluebat compluvium, titrumque <> pluvia. Fest.
l"v. 14: impluvium, quo aqua impluit collect a
\dc fcc/o. Compluvium, quo de diversis tectis
\\ti</u(i pluvialis confluit in eandem locum. Ps.-
lAscon. ad.Cic.Verr. p. 177 Or. : impluvium locus
mine tecto in aedibus, quo impluere imber i»
uomum possit. Erwähnung des Kompluviums
jVitr. a. a. O.; ebd. 2 u. 6. Varr. r. r. I 13, 3.
ISuet. Aug. 92; des Impluviums Plaut. Epid. 225.
jCic. inVerr. act. II, I 23, 61. Liv. XLII1 13. 6.
Quint. XI 2. 20. Serv. ad Aen. II 512.
3) So compluvium für impluvium Suet.
iAug. 92; besonders häufig aber impluvium
für compluvium, so an den oben S. 30 A. 7 an-
32
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
den Hauptbalken aufliegen, gehen vier Strebebalken d in die Ecken del
Mauerwerks hinauf; die auf diese Weise entstehenden vier abgestumpften!
Dreiecke werden mit den nach innen geneigten Dachsparren e benagelt
und auf diese die Dachziegel (als Flachziegel f, Deckziegel g und Eckziegel h)
aufgelegt1). Beim tetrastylum2) wird das compluvium in den vier Ecken
durch Säulen gestützt, auf denen die Balken a ruhen; die Querbalken b
fallen dabei fort3). Das war namentlich wichtig bei großen Atrien, obschon
es auch tuscanica bis zu 60 Fuß Spannung gab4); es hatte aber auch den
Vorteil, daß man schwächere und daher wohlfeilere Balken als Träger
benutzen konnte5). Beim corinthium6) ruht das compluvium auf mehr als
vier Säulen, das Atrium erhält dadurch Ähnlichkeit mit einem Peristyl;
auch ruht das Dachgebälk vornehmlich auf den Säulen und die Balken a
fallen fort7). Beim atrium displuviatum8) aber senkte sich das Dach
nicht gegen das compluvium hin, sondern von diesem aus nach außen
gegen die Mauern zu. Das hatte im Winter den Vorteil, daß dem Atrium
und den von diesem ihr Licht empfangenden Nebenräumen mehr Licht
zugeführt wurde; aber die Abführung des Regenwassers, das in horizon-
talen Röhren (canales) aufgefangen und durch vertikale Abflußrohre (fistulae)]
den Wänden entlang in die Zisterne geleitet wurde, hatte ihre Nachteile,
da die Wände leicht feucht wurden9).
Selten, wie diese letzte Art, war jedenfalls auch die fünfte, das atrium
testudinatum10), bei dem das Dach nach außen abfallend den ganzen
Raum ohne Lichtöffnung bedeckte. Woher ein solches Atrium seine Be-
leuchtung bekam, ist ungewiß11). Das Regenwasser wurde hier vermutlich
ebenso abgeleitet wie beim atrium displuviatum12).
') Weitaus die meisten Atrien der pompe-
janischen Häuser sind tuskanische. AlsWasser-
speier dienen meist Tierköpfe; ein schönes Bei-
spiel OvERBECK260Fig.l43. MAu258Fig.l32.
2) Vitr. a. a. 0. : tetrastyla sunt quae sub-
iectis sub angularibus columnis et utilitatem
(1. vilitatem, mit Mau Instit. archaeol. gratul.
iuv. Capitol., Rom. 1879, p. 20) trabibus et fir-
mitatem praestant, quod neque ipsae magnum
impetum coguntur habere neque ab interpen-
sir/s onerantur.
3) Diese neue Art, das Dach des Atriums
durch Säulen zu stützen, ist es, die Hör. carm.
III 1, 45 ff. tadelt.
4) Vitr. a. a. 0. 5: in Pompeji sind die
Hauptträger meist 9 — 10 Meter lang.
5) Daher die oben erwähnte Emendation
von Mau zu Vitr. Tetrastyle Atrien in Pompeji
vgl. 0 verbeck 257 f.; 272; 344; 347 und s. die
Tafel S. 29.
6) Vitr. a. a. 0. 1 : in corinthiis isdem ra-
tionibus trabes et compluvia conlocantur, sed
a parietibm trabes recedentes in circumitione
circa columnas componuntur.
7) Korinthische Atrien in Pompeji Over-
BECK258f.; 298; 332; 335; 344; 395.
8) Vitr. a. a.0.2: displuviata autem sunt,
in quibus deliquiae arcam sustinentes stilli-
ddia reiciunt. haec hibernaculis maxime prae-
stant utilitates, quod compluvia eorum erectq
non obstant luminibus tricliniorum. sei/ ea
habeat in refectionibus malest iam magna m,
quod circa parietes stillicidia defluentia con-
tinent fistulae, quae non celeriter recipium
ex canalibus aquam defluentem, itaque re-
dundantes restagnant et intestinum et parietel
in eis generibus aedificiorum corrumpunt .
9) Ein sicheres Beispiel eines solchen
Atriums hat sich in Pompeji nicht nach-
weisen lassen, s. Overbeck 274. Mau 257;
vgl. B. d. I. 1874, 67.
10) Vitr. a. a. 0. : testudinata vero ibi fiunt,
tibi non sunt Impetus magni et in contignatio\
nibus supra spatiosae redduntur habitationesa
Varr.l. l.V 161: in hoc locus si nullus relictvA
erat, sub divo qui esset, dicebatur testudo ah
testudinis similitudine, ut est in praetor ia in
castris.
1 1) Nach Nissen 629 vornehmlich durch die
Tür, vielleicht auch durch Luftlöcher von den
Seiten her; Overbeck 259 nimmt Fenster an.
12) In Pompeji kommen nach Overbeck
a. a. 0. keine ganz bedeckten Atrien vor, doch
nennt er 358 ein „bedecktes Nebenatrium "
im Hause des Popidius Secundus. Nach Mau
a. a. 0. erweisen sich einige wenige kleine
Atrien durch das Fehlen des Impluviums als
ganz bedeckt.
Erster Abschnitt. Das städtische Wohnhaus.
33
Was die Größenverhältuisse des Atriums anlangt, so schreibt Vit in v
jar1), es solle sich die Breite zur Länge verhalten wie 2:3 oder wie !:•">
ler wie die Seite des Quadrats zur Diagonale; daß man sich an diese
I leoretischen Vorschriften nicht gehalten hat, zeigt Pompeji, w^o zwar die
') A. a. 0. 3.
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft:. IV. 2, t. 9. Aufl.
34
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
meisten Atrien mehr Länge als Breite haben, aber doch auch nahezu?
quadratische vorkommen1). Die Größe schwankt in Pompeji zwischen 6:S
und 12:17 Meter2); Vitruv kennt Atrien von 100 Fuß Länge3). Die Größe!
des Kompluviums schwankt nach Vitruv4) zwischen xk und Vs der Breite
des Atriums; in Pompeji findet sich ersteres Verhältnis nur in wenigen
Fällen, letzteres als Regel5). Für die Höhe schreibt Vitruv 3U der Breite
vor6).
Fig. 15. Tischfüfie aus einem pompejanischen Atrium.
Die veränderte Bedeutung, die das Atrium gegen früher erhielt, hatte!
ihre Rückwirkung auf seine Ausstattung. Der Herd, der ursprünglich dorif
stand, wohin nun das Impluvium verlegt wurde, konnte seinen Platz iml
Atrium nicht mehr behaupten7); an seine Stelle trat ein viereckiger Stein«!
tisch, cartibulum genannt8), auf dem Geräte Platz fanden, vielleicht auch!
gereinigt wurden. Ein solcher Tisch hat sich in vielen Häusern Pompejis,;
») Mau 257.
2) Mau bei P.-W. 2147.
3) A. a. 0. 4.
4) Ebd. 7.
5) OVERBECK 260.
6) A. a. 0. 4.
7) Auch die ältesten Häuser von Pompeji
zeigen keine Spur von einem Herd im Atrium,
Mau Pompejan. Beitr. 89 f.
8). Varr. 1. 1. V 125: altera vasaria mensa
erat lapidea quadrata oblonga, una columella:
vocabatur rartibuhim. Haec in aedibus ad
compluvium apud multos me pnero ponebatun
et in ea et cum ea aenea vasa. Darnach
müßte man annehmen, daß der Brauch zur
Zeit Varros schon abgekommen war: daß er
in Pompeji sich dauernd erhalten hat, zeigen
die Funde, s. u. Vgl. auch Corp. Gloss.Vl 185
cartibulum mensa quadrata quae in <ttrit$
ponitur. Ueber den Zusammenhang dieses
Tisches mit dem alten Herd und über seine
Verwendung s. Nissen 641. Vgl. Saglio bei
D.-S. I 929. .
Erster Abschnitt. Das städtische Wohnhaus.
35
manchmal in sehr schöner künstlerischer Ausführung der beiden Träger
ler Marmorplatte, noch erhalten1), vgl. die Ansicht des pompejanischen
Ltriums Fig. 14 mit dem Tisch
Ind den Füßen des Marmor-
leckens im Kompluvium2) und
iie schön skulpierten Tischfttfie
Fig. 15 3). Auch findet sich hier
[läufig, zwischen Tisch und Im-
tj>luvium, eine auf einer Basis
Itehende Brunnenfigur, die mit
■ler Wasserleitung in Verbin-
llung stand und einen Wasser-
strahl in das Impluvium oder
In ein dort stehendes Marmor-
Lecken entsandte4), vgl. Fig. 16.
E)as Impluvium, das bisweilen
Init einem Springbrunnen ver-
sehen war5), hatte einen dop-
aelten Abfluß, nämlich einen in
lie Zisterne, deren mit zylinder-
förmiger Einfassung versehene
Öffnung sich meist an der Rück-
eite des Impluviums findet, und
einen nach vorn auf die Straße,
durch eine bedeckte Rinne, die
auch zur Entfernung des
schmutzigen Wassers diente6).
Sodann hatte nach altem
Fig. 16. Fischer, Brunnenfigur aus Pompeji.
Brauch die eiserne oder eisenbeschlagene Geldkiste {arca) ihren Platz im
Atrium 7) ; in Pompeji haben sich in verschiedenen Atrien Exemplare von
eisernen, kunstreich verzierten Geldkisten gefunden8). Bisweilen war auch
die Kapelle der Laren im Atrium angebracht (vgl. Fig. 17)9). Auch sonst
ließ man es an Verzierung dieses Raumes nicht fehlen, namentlich waren
Vorhänge, vela, zum Abhalten der Sonne sehr üblich, sowohl über dem
») Vgl. Overbeck 298 ; 302 : 331 ; 344 u. s. ;
428 Fig. 229. Presuhn Pompeji IV Taf. 2. Mau
261 Fig. 134; 390.
») Nach Mau 260 Taf. VII.
3) Nach Photographie.
4) Overbeck 324; Fig. 16 nach Photo-
graphie.
b) Ebd. 349.
6) Ebd. 257. Mau 255.
7) Serv. ad Aen. I 726 : ibl (sc. in atrio)
ttiam pecuniashabebant; ebd. IX 645: census
etiam omni» ittic servabatur. Appian. b. civ.
IV 44: Ovlviov de aneksvOegog aörov Oviviov,
(pt/.i'/uof, olxiav Ksxtrjfievos kaiuigdv, iv t<J>
fisoairürco tfjs olxiag ixgvtpsv ev läqray.i, äg
djro oidrJQOV eg /gtjftäicov ?) ßißXicov yyitvni q r-
hjotrjv. Dasselbe erzählt Dio Cass. XLVII 7, 4,
ein Beweis, daß diese Kasten oft sehr groß
waren, daher luv. 13, 74: arca patula. Vgl.
ebd. 11, 26: ferrataarca; 14,259: aerataarea;
Schol. luv. 14, 261. Varr. 1. l.V 182. Hör. sat.
I 1, 67. Uebertragen ist arca dann der Geld-
vorrat, wie wir Kasse sagen, z. B. Cic. ad Att.
19, 2; ad Qu. fr. II 11, 5 u. s.
8) Overbeck 248; 331: 345; 425 u. s.
Mau 260 Fig. 133; 310; 340. Saglio bei D.-S.
I 363 Fig. 459 f.
9) Overbeck 209; 268: 296; 315; der La-
renaltar Fig. 17 nach Presuhn VI Taf. 1. vgl.
ebd. I Taf. 4. Andere Lararien s. Mau R. M.
VIII (1893) 26; XIII (1898) 43. Not. d. scavi
1897, 105. Bisweilen ist das Lararium gleich
hinter der Haustür angebracht.
36
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
Fig. 17. Pompcjanisches Lararium im At
Impluvium, als zwischen den
Säulen1). Einen besondern und
eigentümlichen Schmuck aber
erhielten die Atrien in vor-
nehmen Häusern dadurch, daß
in den alae im Hintergrund
(s. unten) die Schränke mit
den imagines der Wachsmas-
ken der Vorfahren aufgestellt
waren2).
In kleineren und beschei-
deneren Wohnhäusern grup-
pierten sich die Wohn- und
Schlafräume in der Regel um
das Atrium 3), so daß dies immer
noch ein Zentral- und Sammel-
punkt für die Familie blieb,
namentlich in der guten Jahres-
zeit. In größeren Häusern aber,
in denen man außer dem
Atrium noch einen Säulenhof
oder Peristyl anlegte und um
diesen wiederum allerlei Wohn-
räume verteilte, wurde das
Atrium wesentlich Repräsen-
tationsraum. Namentlich em-
pfing hier der Patron die
Klienten4), weshalb man es
groß anlegte und prächtig aus-
') Ov. met.X595: hand aliter, quam cum
super atria velum \ Candida purpureum simu-
latas inficü umbras. Plin.XIX24: rubent(vela)
in cavis aedium et muscam ab sole defendunt.
Digg. XXXIII 7, 12, 20: de velis, quae in hyp-
aethris extenduntur, item de his, quae sunt
circa columnas, Celsus scribit magis supel-
lectili adnumeranda. Einzeln dastehend ist
ein in Pompeji gefundenes Eisengitter, das
am Kompluvium zum Schutz gegen Diebe an-
gebracht war, Fiorelli Desciiz. di Pomp. 48
n. 28. B. d. I. 1874, 249.
2) Polyb.VI53,4: uezä öe zavia ddipavxsg
xai Jioirjoavxeg xd vouiQoueva xißeaai xrjv slxöra
xov UExallä^avxog sig xov tmcpavkoxaxov xojtov
rrjg oly.iag, Igvhva vaidia JiEoixidsvxsg. Vitr.VT
3, 6: imagines item alte cum suis ornamentis
ad latitudinem alarum sint constitutae. Ov.
am. 18, 65: nee te deeipiant veteres circum
atria cerae. Id. fast. I 591 : perlege dispositas
>/t " ii r rosa per atria ceras. Plin. XXXV 6: aliter
apud maiores in citrus haec erant, quae speeta-
rettfur . . . expressi cera vultus singulis dispone-
bantur armariis. Senec. dial. XI 14, 3: vides
omnes has imagines, quae implevere Caesaruni
atrium? id. ep. 44, 5: atrium plenum fumosis
imaginibus. Mart. II 90, 6 : atriaque immodicis
artat imaginibus; V 20, 7: imagines superbae.
luv. 8, 19: tota licet veteres exornent undique
cerae \ atria. Abbildungen solcher armaria
in Tempelform sind aus der Kaiserzeit mehr-
fach erhalten, s. Benndorp u. Schöne Bildw.
d. Lateran. Mus. Nr. 343; 345; 535; 567: vgl.
Benndorf Ant. Gesichtshelme u. Sepulkral-
mask. 74. Mehr darüber Abt. II Abschn. VIII.
3) Varr. 1. 1. VI 62: circum cavum aedium
erant unius quoiusque rei utilitatis causa
parietibus dissepta. Man vgl. die Privathäuser
des kapitolinischen Stadtplans, Jordan Forma
urbis Fig. 137 u. Taf. 36, 7. In Pompeji finden
sich bald an allen vier Seiten des Atriums
Zimmer, bald nur an der Vorder- und Rück-
seite, bald auch an drei Seiten, Nissen 639.
4) Hor.sat.15,31: atria servantem postico
falle clientem. Senec. ep. 76, 12 : frequens atrium
(und im Gegensatz dazu atrium vacuttm, ib.
Erster Abschnitt. Das städtische Wohnhaus.
37
stattete1), indem man Statuen zwischen den Säulen aufstellte2), Wand-
gemälde, die die Ehren des Geschlechtes verherrlichten, anbrachte3) oder
Reliefporträts der Vorfahren in Medaillonform aus Erz oder Silber (clipeaiae
mnagines)*) an den Wänden aufhängte5).
Das Atrium nahm in der Regel nicht die ganze Breite des Hauses
ein. sondern rechts und links lagen kleinere Räume, die in älterer Zeit
als Schlaf-, Speise- und Wohnzimmer6), später aber, als man diese Räum-
lichkeiten anderswohin verlegte, meist als Aufbewahrungsorte, doch bis-
weilen auch als Schlafzimmer dienten, da sie ihr Licht bloß vom Atrium
her bekamen, also sehr mangelhaft beleuchtet waren. In der Regel nahm
das cavum aedium die eine Hälfte des Areals, die Zimmer die andere
Hälfte in Anspruch 7). Nach hinten aber öffnete sich das Atrium wieder
in seiner ganzen Breite, und die hier rechts und links sich anschließenden,
nicht abgeschlossenen, nischenartigen Räume führten den Namen alaes).
Erwähnt werden sie selten; daß sie aber zum Atrium gerechnet wurden,
geht daraus hervor, daß als Ort der oben erwähnten imagines bald die
ah/r. bald das Atrium genannt wird. Vitruv schreibt vor9), daß bei Atrien
22. 9); id. dial. X 14, 4: refertum dient ibus
atrium; vgl. ib.VI 10, 1: ampla atria et exclu-
sorum dientium turba referta restibula. Mart.
III 38. 11 : atria magna colam; IX 100, 2. luv.
7,91: tu nobilium magna atria curas?
!) Hör. carm. III 1, 45: cur invidendis
postibus et noeo | sublime ritu moliar atrium?
Dagegen ist auf dem Landgut des jüngeren
Plinius ep.V 6, 15 das Atrium ex more veterum.
Beispiele kostbarer Ausstattung, namentlich
bei den mit Säulen versehenen, Plin. XVII 6:
XXXVI 6. Ascon. ad Cic. p. Scaur. p. 27 Or.
2) Cic. Verr. act. II, I 23, 61 : duo signa
pulcherrima, qnae nunc ad impluvium tuum
staut. Apul. met. II 4, wo ein reich mit Bild-
werken und Säulen geschmücktes Atrium be-
schrieben ist.
3) Laus Pisonis (PLM I 15) 8: nam quid
tmaginibus, quid avitis fulta triumphis \ atria.
luv. 8, 1 : stemmata quid faciunt, quid prod-
est, Pontice, longo \ sanguine censeri, pictos
ostendere vultus | maiorum et stantis in cur-
r ihus Aemilianos. Der Ort der Aufstellung
dieser Ahnenbilder ist allerdings hier nicht
genannt, es dürfte aber kaum ein anderer
denkbar sein als das Atrium, wo jeder Be-
sucher die Bilder sah.
4) Siehe Marquabdt 244 A. 4.
5) Stat. Theb. II 214: laeto regalia coetu
atria complentur, spcctes est cernere avornm
Continus et vivis certantia vultibus aera. Cod.
Iust. V 37, 22, 3: nee vero domum vendere
Uceat, in qua defeeit pater, minor crerit, in
(lim maiorum imagines an/ videre fixas out
revulsas non videre satis est lugubre (aus d.
J. 326 n. Chr.), wo nach Makquardt 245 A. 1
auch solche Porträtmedaillons gemeint sind.
6) Varr. 1. l.V 162: circum cavum aedium
tränt unius quoiusque rei utilitatis causa pa-
rietibus dissepta: ubi quid conditum esse r<>/t>-
hunt, a cetandoceUam appeUarunt ; penariam,
ubi penus; ubieubabant, cubiculum, ubi coena-
bunt, coenaculum vocitabant. Nissen 650 ver-
legt die Erweiterung und Umbildung des itali-
schen Hauses etwa in den Lauf des 3. Jahrb.
v. Chr., weil sie in der Komödie bereits voraus-
gesetzt werde. Hiergegen bemerkt Mau zu
Marquardt 219 A. 11, daß Plautus für Rö-
misches nichts beweise; doch machen die
meisten hier in Betracht kommenden Stellen
den Eindruck, als ob Plautus sich in diesen
nebensächlichen Dingen an die Verhältnisse
des römischen Hauses angeschlossen habe.
Was freilich Most. 758 ff. über die Anlage
eines gynaeceum gesagt wird , wird dem
griechischen Original entnommen sein, worauf
schon der fremde Name hindeutet.
7) Nissen 639.
8) Die falsche Ansicht, die Becker infolge
seiner irrigen Auffassung des Atriums von
den alae hat, wird von Göll 259 berichtigt.
Ueber ihre Entstehung spricht Michaelis R.M.
XIV (1899) 211 f. die Vermutung aus. diese
Räume hätten im altrömischen Haus imtatrinm
testudmatum Fenster gehabt, durch die das
Haus Licht bekommen hätte, die aber dann,
als man Atrien mit Oberlicht hatte, wegfielen.
9) VI 3,4: alis dextra et smistra latitudo,
cum sit atrii longitudo ab XXX pedibus ad
pedes XL, ex tertia parte eins constituatur.
ab XL ad pedes L longitudo dvoidatur in
partes tres semis, ex his una pars alis detur,
rinn unfein erit longitudo ab quinquaginta
pedibus ad sexaginta, quarta pars longitudinis
alis trihnatnr. a pedibus LX ad LX XX /ont/i-
tudo dividatUT in partes (jnattnor et dimi-
diam, er Ins una pars fiat alarinn latitudo.
a pedibus octoginta ad pedes centnm in qnin-
que partes diviSa /un</i/i<i/i> insfain eansfi/uerif
latitudinem alarinn.
38
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
von 30— 40 Fuß Tiefe die alae Vs, also 10— 13 Fuß Breite haben sollen,
bei 40—50 Fuß 2/t, also 12—14 Fuß, bei 50—60 Fuß 1/4, also 13—15 Fuß,
bei 60—80 Fuß 2/9, also 14—18 Fuß, und bei 80—100 Fuß x/ö, also 16 bis
20 Fuß. In Pompeji sind meist alae am hintern Ende des Atriums vor-
handen, doch finden sie sich auch in der Mitte von jeder Seite angebracht1).
Sie sind in prächtigeren Wohnungen mit Säulen zwischen den Anten ge-
schmückt und auch sonst häufig durch schönere Ausführung des Fußbodens,
bisweilen auch durch reichere Wanddekoration ausgezeichnet 2). Andrer-
seits sind aber in Pompeji nicht selten die alae mehr wirtschaftlichen
Zwecken dienstbar gemacht worden, indem man große Schränke in ihnen
anbrachte, deren steinerne Untersätze in vielen Fällen noch erhalten sind 3).
Auch als Speisezimmer haben sie mitunter gedient4).
Nach hinten schloß sich an der Rückwand des Atriums, aber nicht
in deren ganzer Breite, ein Raum an, tablinum genannt, der in der
älteren Zeit als Speiseraum diente. Wie nämlich Varro berichtet5), speiste
man in früherer Zeit Winters beim Herd, Sommers im Freien, und zwar
auf dem Lande im Hof, in der Stadt im tabulinum, worunter man einen
aus Brettern gezimmerten Erker (maenianum) verstehen könne 6). Von
dem hier geschilderten älteren Zustande geben uns die pompejanischen
Funde freilich keine Vorstellung; wahrscheinlich lag die Sache so, daß
man im städtischen Wohnhaus, wenn hinten ein Garten daranstieß (und
das wird in älterer Zeit wohl die Regel gewesen sein), hier an der Rück-
wand des Atriums eine bretterne Laube oder Veranda errichtete, die im
Sommer als Speiseraum diente. Wenn ursprünglich das Atrium an der
Rückseite geschlossen war und hier das Ehebett stand, so wird man, als
dieses einen anderen Platz bekam, die Rückwand des Atriums geöffnet '
und das Atrium so mit jenem Grartenplatz in Verbindung gesetzt haben;
im Winter mochte dann die Wand wieder durch einen Bretterverschlag
geschlossen werden7). Als mit der Erweiterung des Wohnhauses nach
1) Ovekbeck289;298. Mau 326. In klei-
neren oder mittleren Häusern kommt es vor,
daß die ala nebst den übrigen Seitenzimmern
nur an der einen Seite des Atriums sich fin-
det, oder auch, daß sie bei beschränktem Räume
ganz fehlen, Overbeck 261; 277; 308; 320.
2) Overbeck 298.
3) Overbeck 261; 276; 283; 286. Mau
329. Auch das Lararium ist mitunter hier
angebracht, Overbeck 299.
4) B. d. I. 1882, 177.
5) Bei Non. p. 83, 15: ad focum hieme ac
frigoribu8 cenitabant; aestivo tempore in loco
propatulo; rare in chorte ; in urbe in tabu-
lino, quod maenianum possumus intellegere
tabula fabricatum.
6) Ueber das maenianum als Erker s.
unten. Die an der Atriumwand angebaute
Bretterlaube konnte recht gut mit einem aus
der Hausfront herausstehenden Erker ver-
glichen werden.
7) So denkt sich Nissen 643 f., dem sich
Marquardt 220 anschließt, den Hergang,
und es hat das wohl die meiste Wahrschein-
lichkeit für sich. Fraglich ist, ob der Raum,
den man später tablinum nannte, schon vor-
her da war oder ob er erst mit der Ein-
richtung des ursprünglichen tablinum (d. h.
der Bretterlaube) geschaffen wurde. Ersteres
nimmt Mau 263 an, welcher meint, daß das
Ehebett in diesem Zimmer an der Rückseite
des Atriums gestanden habe; als durch An-
lage des Kompluviums der alte Brauch abkam,
der Herd in die Küche, das Ehebett in eine
geschlossene Kammer gewandert war, habe
der alte Schlafraum die neue Bestimmung
erhalten, indem man seine Rückwand ent-
fernte und so das Atrium mit der an seine
Rückwand angebauten Veranda in Verbin-
dung setzte. Allein da wir nicht wissen,
wie dieser Raum ursprünglich geheißen hätte,
da ferner die Benennung tablinum, die er
später führt, dafür spricht, daß eben hier
jene Bretterlaube lag, so möchten wir lieber
annehmen, daß in alter Zeit das Atrium
ohne jenen hintern Raum mit der Rückwand
direkt abschloß. Als die Sitte der Garten-
veranda mit der Vergrößerung des Hauses
Erster Abschnitt. Das städtische Wohnhaus.
39
hinten zu, mit der Anlage des Peristyls und der dieses umgebenden Ge-
mächer das tablinum diese seine erste Konstruktion und Anwendung ver-
lor, blieb der Name an dem seiner ganzen Breite nach auf das Atrium
sich öffnenden Zimmer haften, das wesentlich nur als breiter und bequemer
Durchgang zu dem hinteren Teile des Hauses diente und dem Atrium, das
sonst bloß durch das Kompluvium beleuchtet wurde, einen breiten Licht-
strom vom Peristyl aus zuführte. Es war daher auch an der Atriumseite
nie durch eine Tür, sondern nur durch Vorhänge verschlossen l) ; hingegen
ist es wohl möglich, daß auch später noch die offene Seite nach dem
IVristyl zu im Winter durch einen Bretterverschlag geschlossen werden
konnte2). Die Pfosten des Tablinums wurden meist als Pilaster gebildet
und oben durch ein stattliches Gebälk verbunden, wie wir es in Pompeji
sehen. Für die Größenverhältnisse gibt Vitruv3) die Vorschrift, es solle,
wenn das Atrium 20 Fuß breit ist. das Tablinum 2/a davon beanspruchen,
bei einer Breite von 30 — 40 Fuß die Hälfte, von 40 — 60 Fuß 2/ö ; für die
Höhe des Eingangs wird 9/s der Breite vorgeschrieben. Doch sind diese
Verhältnisse in Pompeji in den Häusern der Tuffperiode nicht innegehalten,
da hier das Tablinum durchweg schmäler und im Verhältnis höher ist; erst
in der römischen Bauperiode wird es weit niedriger4). — In den Häusern
von Magistratspersonen standen im Tablinum die Schränke mit dem Archiv5),
und von dieser Verwendung des Raumes kommt die falsche etymologische
Deutung, die spätere Grammatiker dem Worte tablinum geben6). In Pompeji
haben die meisten Häuser ein Tablinum, das in allen uns erhaltenen Häusern
nach dieser Seite hin abkam , behielt der
BUnmehr seitlich von festen Mauern ein-
gefaßte Platz den alten Namen, verlor aber
seine Bedeutung.
') Im Hause der silbernen Hochzeit in
Pompeji fanden sich an den Pilastern des
Tablinums die Halter für den zurückgeschla-
genen Vorhang in Form kleiner, mit einem
Schiffsschnabel verzierter Bronzescheiben, Mau
262 Fig. 135. Sogliano Not. d. scavi 1905, 255 ;
man vgl. Petron. 30, 1. Auch im Hause des
Voconius Primus sieht man die Befestigungs-
klammern des Vorhangs, Presuhn III S. 3.
2) Darauf würde sich dann beziehen Digg.
L 16, 242, 4: straturam loci alicuius ex ta-
pulis factis, quae aestate tollerentur et hieme
monerentur, aedium esse ait Labeo.
3) VI 3, 5 : tablino, si latitudo atrii erit
pedum viginti, dempta tertia eins spatio, re-
liquum tribuatur. si erit «l> pedibus XXX
ml XL, ex ((tri! latitudine tablino dimidium
tribuatur, cum autem ab XL ad LX, latitudo
dividatur Iti partes quinque, ex his duae
tablino constituantur. Ib. 6: altitudo tablini
<kI trabem adieeta latitudinis oetava consti-
tuatur, lacunaria eins tertia latitudinis ad
ßUitudinem adieeta extollantur.
4) Mau 262.
5) Daher Vitr. VI 8 (5), 1 : igitur is, qtii
communi sunt fortuna, »o>i necessaria ma-
gnifica vestibula nee tablina neque airia. Zur
Sache vgl. Dion. Hai. I 74, 5 : dt]/.ovzai öe ei-
SXktov n noXX&v xai zcöv xaXovpivaiv ziftq-
zixöjv vjiofivij/iäzcov, ä diaÖE%£zai Jiaig jiaoa
jiaxgo; xai moi jio/J.ov jioieliai xolg f.ie& eavzoi'
iaofidvoi; wojifq iega jiaxQwa naoadiöörai
jtoW.oi d'eiaiv djio zöjv tiutjtixwv otxcov Svdges
emcpavelg oi SiacfvXätzovzeg avzu. Plin.XXXV 7:
tabulina codieibus Implebantur et monimeniis
rerum in magistratu gestarum. Apul.fior. 23:
sed et medici cum infrarerint ad aegriox uti
visant, nemo eorum, qicod tabulina perpulchra
in aedibus cernant . . . aegrum iubei nt sit bono
animo. Marquakdt 246 nimmt an, daß auch
die die Familie betreffenden Urkunden, na-
mentlich Gastverträge des Herrn mit aus-
wärtigen Gemeinden, Patronatsdekrete von
Kollegien u. dgl., ihren Platz im Tablinum
erhielten, doch bezweifelt Mau ebd. A. 1, ob
diese Tafeln, die man an die Wände hängte,
grade im Tablinum angebracht wurden.
6) Fest. 356 b, 33 : tabUrmmproximeatrium
/ochs (licitiir, guod <i)iti</iii magistratu» in tuo
imperiotabuli8[reponendiseum destinaverant],
(nach Mommsen Abh. d. Beil. Akad. 1864, 68:
tabulis rationum ibi habebamt mtblicarum
rationum causa factum locum). Die bei Mar-
quakdt 220 A. 2 zitierte Glosse: tabUmm
yaoTo<i vXdauov, ist im Corp. Gloss. Latin, nicht
zu finden. Marx a. a. O. 548 schließt sich
dieser Deutung an und erklärt tablinum als
die , Schreibstube" des Hausherrn.
40 Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
der ältesten Zeit nach vorn wie nach hinten in ganzer Breite geöffnet die.
Verbindung zwischen Atrium und Garten bildet1); erst in den folgenden
Perioden erscheint es bisweilen durch eine Brüstung vom Peristyl getrennt,
oder auch ganz durch eine Mauer geschlossen 2). Wo die Raumverhältnisse
die Anlage eines Tablinums nicht gestatteten, brachte man einen in der
Breite ihm entsprechenden Durchgang zwischen Atrium und Peristyl an 3).i
Auch das Tablinum weist, wie die alae, oft reichen Mosaikschmuck des Fufi-i
bodens und prächtige Wandmalereien auf4).
Für die Erweiterung des bisher besprochenen einfachen Hausplanes
boten sich nun zwei Möglichkeiten: man konnte entweder das Wohnhaus
nach hinten vergrößern5), oder man konnte die Zahl der Wohnräume
durch Anlage eines Oberstockes vermehren. Ersteres Verfahren war wohl'
der Zeit nach das frühere6). Ursprünglich hatten vermutlich die meisten
Häuser hinten einen Hof oder Garten, den man nun teilweise zur Über-
bauung benutzte. Zunächst brachte schon die Anlage des Tablinums est
mit sich, daß zu beiden Seiten desselben Räume angebracht wurden; und
so finden wir in den pompejanischen Häusern hier Zimmer belegen, die
die gleiche Tiefe wie das Tablinum haben und vermutlich als Speisezimmer
dienten. Sie öffnen sich häufig mit weitem, durch valvae zu schließendem
Ausgang auf Peristyl oder Garten hin; seltener sind sie vom Atrium oder'
von den alae, an die sie anstoßen, aus durch eine Tür zugänglich, obschon
beim Bau in der Regel eine solche auf alle Fälle angebracht wurde; aber]
man hat sie, wo man sie nicht benutzen mochte, vermauert, so daß siel
als blinde Tür dem Atrium noch einen besondern Schmuck verlieh 7).
Wenn nun auch das Tablinum mit seiner weiten Öffnung eine bequeme
Verbindung zwischen Vorder- und Hinterhaus herstellte, so war doch, da]
es eine Art Wohn- und vielfach auch Repräsentationsraum war, geboten,'
daneben eine zweite Verbindung, vornehmlich für die Dienerschaft, her-]
zustellen, und das geschah durch einen schmalen Gang, der zwischen dem
Tablinum und dem einen Nebenzimmer hindurchführte und der in Pompeji
in den Peristylhäusern der Tuffperiode Regel ist, während er in den älteren
Kalksteinatrien noch häufig fehlt8). Es ist üblich, diesen Gang fauces zu;
nennen, wie den zum Atrium führenden, obschon sich dafür kein sicherer
Beleg beibringen läßt9); von einigen Seiten ist dafür die griechische Be-
Overbeck 249. Mau Pompejan. Beitr. domus universa coenacula dicta, möchte man
89: ,wo immer nur die älteste Form des
tablinum kenntlich ist, da ist es nach hinten
in seiner ganzen Breite geöffnet; wo es jetzt
geschlossen erscheint, da ist stets der jüngere
Ursprung dieser Form nachweisbar."
■) Oveebeck 261.
3) Ebd. 262.
*) Ebd. 317, -337. Mau 305.
5) DieVergrößerung des römischen Wohn-
hauses geht fast durchweg, wie Pompeji
zeigt, in die Tiefe, nur ausnahmsweise, wenn
die Raumverhältnisse dazu zwingen, in die
Breite.
6) Nach Varr. 1. 1. V 162: posteaauam in
superiore parte coenitare coeperunt, mperioris
freilich glauben, daß die erste Erweiterung
der Wohnräume durch das Aufsetzen des
Oberstocks erfolgte; allein die Hausanlage
mit dem offenen Atrium ließ jedenfalls, wo
hinreichend Bauterrain vorhanden war, den
Anbau weiterer Räumlichkeiten auf dem
gleichen Niveau nach hinten zu als einfacher
und bequemer erscheinen . weshalb in der
Regel angenommen wird, daß das Aufkommen
von Oberstöcken die letzte Erweiterung des
Hauses war, s. Nissen 644. Marquardt 221.
'•) Overbeck 263. Mau 266.
8) Overbeck 262.
s) So bei Becker-Göll 263. Overbeck
263. Marquardt 246, unter Berufung auf
Erster Abschnitt. Das städtische Wohnhaus.
41
eiclmung andron vorgeschlagen worden1). Diese Zugänge pflegten an
.oeiden Enden mit Türen versehen zu sein.
Durch einen solchen Gang gelangte man nun in den Garten, hortus,
riridarium2), denn auch wenn man die weiteren Wohnräumlichkeiten hier
inlegte, pflegte doch der Garten möglichst in der Längsaxe des Haües
md demnach in der Richtung von Atrium und Tablinüm zu liegen. Er
war in der Regel der vom Eingang entfernteste Teil des Hauses, und wenn
ias Haus an zwei Straßen lag, so befand sich hier die Hintertür, pontiea*);
äenn man pflegte, wenn die Lage des Hauses es gestattete, am Hinter-
hause, dem posticum4), einen solchen besonderen Ausgang anzubringen6).
Die Römer waren Blumenfreunde, und Gärten fehlten selbst bei den
Häusern der Armen nicht6). Freilich werden diese im beschränkten Areal
der Hauptstadt immer mehr zusammengeschmolzen sein7), und auch in
Pompeji, wo doch Grund und Boden jedenfalls wohlfeiler waren, sind sie
meist von ungemein kleiner Ausdehnung. War der Garten mit keinem
Peristyl versehen, so gestaltete man doch die Hausseite, die sich darauf
öffnete, freundlich, indem man ihr entlang eine Säulenreihe legte, wie
Beispiele in Pompeji zeigen8). Für gewöhnlich aber legte man hier das
sogenannte perüstylium9) an, eine den Garten umgebende, oben offene
Vitr. VI 4, 6: fauces minoribm atriis <• tablini
latitudine dempta tertia, maioribus ditnidia
constituantur, weil der Vergleich mit dem
Tablinüm die fauces in dessen Nähe ver-
weise; allein Mau zu Marquardt A. 3 hat
sicher recht, wenn er unter den fauces hier
das Prothyron versteht (s. oben S. 28). Vitruv
vergleicht eben die Breite des hintern Durch-
gangs mit der des vorderen Zugangs. Auch
würden die von Vitr. vorgeschriebenen Maße,
bei kleineren Atrien 2/s, bei großen die Hälfte
der Tablinumbreite, den Dimensionen dieses
Durchgangs im pompejanischen Hause gar
nicht entsprechen, vielmehr als viel zu groß
erscheinen. Doch ist es ganz üblich geblieben,
in den Plänen pompejanischer Häuser diese
schmalen Durchgänge fauces zu benennen.
*) Mit Rücksicht auf Vitr. VI 10 (7), 5:
iiiter duo autem perist \jlia ad hospitalia itinera
xioil quae mesaulae dicuntur, quod inter ChtOS
anlas media sunt interposita, nostri autem
ras andronas appellant; auch der Andron
in der Villa des jüngeren Plinius. ep. II 17, 22,
scheint ein Gang zu sein, obschon an andrer
Stelle; vgl. Fest. 22, 8: andron locus domi-
cilii appellatur angustior longitudine; auch
wird Corp. Gloss. IV 17, 40 angiportum durch
androna erklärt. Vgl. Ivanoff A. d. I. XXXI
97. Mau a. a. 0. und zu Marquardt a. a. 0.,
ders. P.-W. I 2161.
2) Hortus ist der allgemeine Ausdruck,
der ebenso für einen Zier- wie für einen
Gemüse- oder sonst einen Nutzgarten ge-
braucht wird. Dagegen ist viridarium ein
Lustgarten, mit Blumen und Bäumen bepflanzt.
vgl.Plin.XVHI7. Petron.9, 10. CIL VI 29777.
Digg.VII 1, 13, 4.
3) Bei Plautus wird mehrfach erwähnt,
daß man, um durch die 2>ostica das Haus zu
verlassen, den Garten passierte, s. Asin. 741:
angiporto per hortutn transät; Merc. 1009:
per hortutn <l<>inu»> fruusibimus; Stich. 437:
per hortutn transibo; cf. ib. 614; Mil. gl. 340.
Most. 1045; Cas. 614; Epid.660; Persa 446;
688; Merc. 1009. Auch der Verkehr zwischen
Nachbarhäusern geschah manchmal durch den
Garten, Plaut. Stich. 614.
4) Das Hinterhaus heißt posticum oder
postica sc. domus oder postica pars domus,
s.Non.217, 12; ebd.Titinius: atque duo postica,
quae l<>co mercede, undLucil. ebd.: pistrinum
adpositum, posticum, seUa, culina. Plaut.Most.
931. Liv. XXIII 8, 8; XLV 6, 4. Val. Max.
V 7, 3. Auch posticuhtm, Plaut. Trin. 194 u.
1085, vgl. dazu Gell. XVII 6, 7.
5) Postica, Apul. met. IX 2. Amm. Marc.
XXI 12. \%:posticnla, Apul. met. II 23 \ posticum
ostium, Plaut. Stich. 449. Fest. 220, 1 ; auch
bloß posticum, Hör. ep. 1 5, 31. Suet. Claud. 18.
ü) Plin. XlX51: Bömae quidem per se
hortus ager pauperis erat. Der Aermere zog
eben in seinem Gärtchen mehr Gemüse als
Blumen, daher Plin. fortfährt: er horto plebei
macelhim, qnanto innocentiore victul
'') Vgl. Plin. XIX 59: iam in fenestris
su is plebs urbana imagine hortorum cotidiana
oculis rura praebebdnt.
8) Overbeck 280; 300; 304. Mau 267:
290; 295; 326.
9) Die lat. Benennung ist porticus, das
zwar meist eine größere Säulenhalle, aber
bei Plaut. Most. 756. Hör. carm. II 15, 16. luv.
14, 66 das Peristyl bedeutet (vielleicht auch
Hör. sat. 1 4, 134. 'luv. 6, 163. Mart. XII 50, 3).
42 Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
Säulenhalle, die man ebenso wie den Namen dafür dem griechischen Wohn-I
hause entlehnt hatte, für das das Peristylium eine ähnliche Bedeutung hat,
wie das Atrium für das römische Haus1). Diese Säulenhalle umgab de»
Garten bald auf allen vier Seiten, bald nur auf drei, indem die mit Halb-*
säulen oder Pilastern verzierte Außenwand des Hauses die vierte Seite er4
setzte, oder es wTaren auch nur an zwei Seiten Säulengänge angebracht2)^
Für die relativen Größenverhältnisse schreibt Vitruv vor3), es solle die Längen-
des Peristyls (d. h. der Breite des Hauses nach gemessen) um ein Drittel
größer sein als die Breite (oder Tiefe); doch zeigen die Peri style in
Pompeji zwar meist einen oblongen Grundriß4), entsprechen aber sonsl
dieser Vorschrift keineswegs. In Hinsicht der absoluten Größe finden wir?
in Pompeji ungemeine Mannigfaltigkeit: neben kleinen, nur von wenigen:«
Säulen umgebenen finden wir großartige Peristyle mit einem wahren Waläj
von Säulen5). Die Höhe der Säulen sollte nach Vitruv der Breite dea
Peristyls entsprechen; hatte die eine Seite (wahrscheinlich war es meist-]
die vordere) höhere Säulen als die drei andern, so hieß ein solches Peristyls
ein rhodisches 6). In Pompeji sind, vornehmlich in den Häusern der TufiM
periode, die Säulenhallen öfters zweistöckig angelegt, sei es ringsum, sei
es auch nur an der Vorderseite7).
Der von dem Peristyl eingeschlossene Platz pflegte, auch wenn ein!
Haus außer dem Peristyl weiter zurück belegen noch einen besondern
Garten hatte, gartenartig hergerichtet zu sein, indem hier Blumenbeete*
angebracht waren und in der Mitte vielfach ein Bassin (piscina) mit einemj
Springbrunnen, das seinen Wasserzufluß durch Brunnenfiguren, Masken]
und dergleichen erhielt oder aus kunstvoll gearbeiteten Nischen, aus denen!
das Wasser über Marmorstufen herabrauschte8). An den Säulen und]
zwischen ihnen wurden Statuen aufgestellt9). Die Anlage der Gartenbeete^
war, wie man in Pompeji an einigen Beispielen noch deutlich erkennen-
kann, meist geometrisch; die mit hochkantig gestellten Ziegeln eingefaßten!
!) Siehe oben S. 11 A. 1. Marx 555 nimmt der, daß an hellen Wintertagen recht viel
an, die Form des etruskisch-griechischen Sonne in das Peristyl fallen sollte.
Hauses, d. h. mit Atrium und Peristyl, sei 7) Mau 267 ; in der Casa del Centenario
bald nach Erschließung Kampaniens durch Overbeck 353; 355.
die Via Appia, also nach 312, von Kampanien 8) Darauf geht Senec. ep. 86, 7: quantum
nach Rom gekommen. aquarum per gradus cum fragore labentiutm
2) Overbeck 264. Mau 267. hier allerdings von den Bäderanlagen reicher
3) VI 4, 7: peristylia autem in trans- j Freigelassener. Vgl. Overbeck 294; 311; 318
verso tertia parte longiora sint, quam intror- \ u. s., über Brunnenfiguren 546 ff. Mau 466 f.
aus, rolumnae tarn altae quam porticus latae a) Cic.Verr. act. II, 1 19, 51: quae {sigrm
fuerint. j quaero, quae apud te nuper ad omnes <■<>-
4) Wenn die Raumverhältnisse es ge- lumnas, Omnibus etiam in intercolumniis, in
bieten, kommen auch ganz unregelmäßige silva denique disposita sub divo vidimus. In
Formen vor, vgl. z. B. Overbeck 282 ; 290. welcher geschmacklosen Weise dies manch-
5) Das Peristyl im Haus des Faun hat mal geschah, zeigt das überfüllte Peristyl
44 Säulen. Vgl. die Zusammenstellung bei im Hause des Lucretius, Overbeck 318; sehr
Hi;i:ker-Göll 265. reich ist auch die Ausstattung des Peristyls
6) Vitr.VI 10 (7), 3: id autem per istylion im Hause der Vettier, s. Mau 342 f. und
quod unam altiorem habet porticum, Bhodi- Fig. 181. Von Blumentöpfen aus Ton oder
acum dicüur. Ein Beispiel s. Mau 319 (im Metall Digg. XXXIII 7, 26 pr.: dolia fidilia
Hause der silbernen Hochzeit), vgl. R.M. VIII j item plumbea, quibus terra adgesta est, et]
(1898)46. Der Zweck dieser war jedenfalls in hü viridaria posita aedium 'esse.
Erster Abschnitt. Das städtische "Wohnhaus.
43
»eete zeigen ganz architektonisch-symmetrische Anordnung1). Bisweilen
'urde auch die Hinterwand, wenn eine solche das Peristyl abschloß, mit
»äumen, Sträuchern und Blumen bemalt, damit so das kleine Gärtchen
ergrößert erscheine2). Mitunter fand auch das Lararium oder sonst eine
leine Hauskapelle ihren Platz im Peristyl3). Wie im Atrium, so scheinen
uch im Peristyl vielfach Vorhänge zwischen den Säulen angebracht ge-
wesen zu sein4).
Wie im griechischen Hause um das Peristyl herum die Familien-
immer lagen5), so wurden auch im römischen Speisezimmer, Schlafzimmer,
iresellschaftsräume und dergleichen um das Peristyl herum angeordnet,
hne daß sich darüber bestimmte Regeln aufstellen ließen, weil hier alles
on den gegebenen Raumverhältnissen abhängt und die Häuserpläne
'ompejis darin ungemeine Abwechslung aufweisen. Nur das mag erwähnt
werden, daß häufig in der Mitte der Rückseite des Peristyls ein großes,
ganzer Breite geöffnetes Zimmer angebracht wurde, welches das Motiv
es Tablinums gewissermaßen wiederholte und vermutlich vielfach als
Speisezimmer diente 6).
Was nun diese andern, dem speziellen Familiengebrauch bestimmten
Räumlichkeiten anlangt, so hießen diese Zimmer mit einem allgemeinen
tarnen condavia1) , worunter ebensowohl schlechtweg Wohnzimmer ver-
tanden werden8), als Speisezimmer9) oder Schlafzimmer 10). Hingegen be-
leutet das erst in der silbernen Latinität aufkommende Wort diaeta in
ler Regel einen ganzen Komplex von Zimmern, die innerhalb eines
größeren Ganzen im Hause oder in der Villa eine besondere kleine
iVohnung für sich bilden11), und wird nur selten von einzelnen Zimmern
gebraucht12). Im einzelnen unterscheidet man nach der Benützung folgende
Räumlichkeiten.
!) Beispiele Overbeck 266 Fig. 144.
2) Ebd. 265; 275; 287; 338. Marquardt
524.
3) Overbeck 268.
4) In der Casa del Centenario finden
sich im Peristyl an den Säulen Reste von
äisernen Nägeln oder Haken, die wohl zum
Anhängen von Vela dienten, Overbeck 355;
ihnlich im Hause des Meleager ebd. 310.
5) Vitr.V 10 (7), 2: circum autem in por-
icibus triclinia cotidiana, cubicula, etiam
tellae familiaricae constitiuintur.
6) Overbeck 265. Mau 268; Beispiele s.
Overbeck 296; 345.
'') Vgl. Saglio bei D.-S. I 1433.
8) Plaut. Aul. 438; Most. 843. Ter. Eun.
583. Liv. XXXIX 14, 9. Suet. Aug. 72; in
inem Bade Sid. Apoll, ep. II 2, 4. Vgl. Fest.
38, 9: conclavia dicuntur loca , quae una
■I'irc clauduntur. Donat. ad. Ter. 1. 1.: con-
Have est separatus locus in interioribxs
ectis; ähnlich erklären es die Glossen als
locus conclusus, Corp. Gloss. IV 36, 16; 43, 30;
497, 22. V 279, 61.
9) Cic. de or. II 86, 353; inVerr. IV 26,58.
Hör. sat. II 6, 113.
10) Plaut. Cas. 881. Ter.Heaut.902. Nepos
Dion 9, 1. Cic. p. Rose. Am. 23, 64; de divin.
I 15, 26. In den Glossen daher öfters durch
cubiculmn, y.ontöv, erklärt, II 354, 18. IV 39,
21; 222, 50 u. s. In der Kaiserzeit hat CO&-
clave die Bedeutung eines öffentlichen Ab-
tritts bekommen (man vgl. unser , Apparte-
ment"), s. Mart. V44, 6; XI 77, 1. Corp. Gloss.
II 106, 45; 107, 9. III 20, 14; 313, 35. s. auch
die griech.-latein. Glossen unter «.to.töto,- und
a.(peboon\
") Plin. ep. II 17, 20; ib. 24; V 6, 20 f.;
ib. 28 f.; 31; VI 16, 14 ist deutlich das cubi-
culum als Teil einer diaeta bezeichnet. Vgl.
über diaeta beim jüngeren Plinius Winnefeld
A. Jb. VI (1891), 207 A. 14. Mau bei P.-W.
V 308. Solche diaetae werden namentlich in
Villen und Palästen erwähnt, Lampr. Alex.
Sev. 26, 9 ; in der Form zaeta Lampr. Heliogab.
30, 7; 31, 4. Ein Gartenhaus bedeutet es
Digg. XXIV 1, 66; XXIX 5, 1, 27; vermutlich
auch VII 1. 13, 8. Stat. Silv. II 2, 83: ähnlich
Plut. Poplic. 15; Luculi. 39. Mau a. a. O. be-
zeichnet einige Zimmerkomplexe pompejani-
scher Häuser als diaetae, z. B. Overbeck 320;
342. Mau Pompeji 339.
'-) Plin. ep. II 17. 12; ib. 15. wo freilich
auch die andere Bedeutung möglich wäre;
44
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
Die Schlafzimmer heißen für gewöhnlich cubicula1); da man jedoch
auch in Wohnzimmern Sofas als unentbehrliche Möbel stehen hatte, auf
denen man auch tagsüber gelegentlich ruhte, so unterschied man cubicula
diurna und nocturna*) und nannte die zur Nachtruhe bestimmten auch
speziell cubicula dormitoria 3). Bisweilen hatte das Schlafzimmer noch einen
besonderen Vorraum, procoeton (ttqoxoitojv) genannt4), in dem der für den
speziellen Dienst des Hausherrn bestimmte Sklave, der cubicularius oder
a cubiculo6), sich aufhielt. Das Bett stand mitunter in einer besonderen
Nische, und da man diese auch zur Aufstellung von Statuen benützte, so
bekam sie später den Namen zotheca (zothecula)6). In Pompeji sind die
Schlafzimmer, wo sie um das Atrium herumliegen, enge und hohe Räume
mit hohen Türen; die um das Peristyl herum belegenen sind dagegen weit
niedriger, öffnen sich in ganzer oder fast ganzer Breite auf die Säulen-
halle und sind häufig durch eine kleine Tür mit einem anliegenden Speise-
zimmer oder einer nischenartigen Erweiterung der Portikus verbunden 7).
Der Platz des Bettes ist abgesehen von der erwähnten Nische auch daran
kenntlich, daß er im Mosaikfußboden weiß und von dem übrigen Raum
durch einen schwellenartigen Ornamentstreifen getrennt ist; auch die Wand-
malereien sind da, wo das Bett stand, durch Farbe und Einteilung ab-
weichend behandelt, und nicht selten ist auch die Decke verschieden, nämlich
über dem Bett Tonnengewölbe, im übrigen flache Decke in der Scheitel-
höhe desselben8). Besondern Wert legte man bei der Anlage der Schlaf-
unbestimmt ist auch VII 5, 1. Vgl. Digg. XXXII
55, 3. wo diaetae hypocaustae erwähnt sind.
Ganz deutlich Sid. Ap. ep. II 2, 11 : diaetae sive
cenatiuncula. Auch Sklavenwohnungen heißen
so, Plut. de curios. 1 p. 515 F. Auf Inschriften
kommt es in Verbindung mit Gräbern vor,
als Wohnung des Wächters. CIL VI 10876;
13823: dieta adiuncta ianuae custodiae causa;
IX 3750; als Fremdenwohnung XII 2462:
Jwspes gut in diaeta Asiciana aut Pavoniana
hospitabitur.
') Plaut. Most. 696. Varr. 1. 1. V 162. Cic.
de or. II 6b, 263; inVerr. III 23, 56; ad Qu.
fratr.1111,2. Plin. ep.III17, 6; ib. 10. Quintil.
VIII 6, 53; X 2, 25; XI 2, 20 u. s. Trimalchio
bei Petr. 77, 4 renommiert, er habe außer
dem cubiculum, in dem er selbst schlafe,
cubicula viginti.
») Plin. ep. I 3, 1.
3) Plin. nat. hist. XXX 52. Plin. ep.V6, 2.
Sid. Apoll, ep. II 2, 10. Bei Plin. ep. II 17, 22
heißt es cubiculum noctis et somni. Vgl. Saglio
bei D.-S. II 387.
4) Varr. r. r. II pr. 2. Plin. ep. II 17, 10;
ib. 23; einen lateinischen Ausdruck dafür gibt
es nicht. In Pompeji finden sich solche Vor-
zimmerchen mehrfach, Overbeck 284; 319:
338; 393.
5) Cic.Verr.1114,8; adAttic.VI2,5. Suet.
Caes. 4. Senec. dial. II 14, 1. Digg. L 16, 203
u.s.; auf Inschriften kommen diese cubicu-
larii, die die persönliche Bedienung des Herrn
besorgten und daher eine Art Kammerdiener
waren, auch die Besucher anmeldeten u. dgl.,
sehr häufig vor, s. Marquardt 144 A. 5, dazu
CIL 12657; VI 33749; 33770 ff.; 33842 ff.
Auch cubiculariae kommen vor, s. ebd. 93 13 ff.
Vgl. Dessau Inscr. Lat. sei. 7406 ff. Eine sehr
einflußreiche Stelle war die des kaiserlichen
cubicularius, s. Marquardt a.a.O.RosTowzEW
bei P.-W. IV 1734.
6) Plin. ep. II 17, 21 : contra parietem me-
dium zotheca perquam eleganter recedit, quae
specularibus et velis obductis reductisve modo
adicitur cubiculo, modo auf ertur; ib.V 6, 38.
Sid. Apoll. ep.VIII 16, 3; IX 11, 6. Auch auf
Inschriften, CIL VIII 7079; XIV 2793; 3543.
In Pompeji findet sich eine solche Nische
(auch zwei Bettnischen) bisweilen in Schlaf-
zimmern aus älteren Bauperioden, Overbeck
313; 331; 372. Mau Gesch. der dekorativen
Wandmalerei 63; 71; 74; 88. Statt dessen
findet sich auch eine bloße Aushöhlung in
der Wand für das Bett, Overbeck 292; 336:
344 f.
7) Mau Pompeji 268, der bemerkt, der
Zweck dieser Anordnung sei klar: es war
unbequem, die große und schwere Tür oft
öffnen zu müssen; so ließ man sie im Som-
mer Tag und Nacht offen stehen und schloß
den weiten Eingang nur durch einen Vor-
hang; im Winter aber öffnete man sie etwa
täglich einmal, um zu lüften und zu reinigen,
ging aber im übrigen durch die kleine Tür
aus und ein.
8) Ebd. 269 mit Fig. 136; 321. Overbeck
264; 353; 356: 363. MauA. d.i. LVI( 1884) 308
mit M. d. I. XII 5 a; ders. R. M. XVI (1901) 301.
Erster Abschnitt. Das städtische Wohnhaus. | ;,
zimmer darauf, daß sie gegen Lärm oder Geräusche möglichst abgeschlossen
waren1).
Als Speisezimmer dienten im alten römischen Hause, sobald das
Atrium seinem ursprünglichen Zweck entfremdet worden war, die beiden
neben dem Tablinum belegenen Räume, und im Sommer, wie wir sahen,
das Tablinum mit seiner Veranda2). Vermutlich führten damals die dafür
bestimmten Räume den Namen cenacula, der aber schon früh auf die im
Oberstock belegenen Zimmer überging3), während für die Speisezimmer
die Bezeichnung cenatio blieb4), jedoch mit der Aufnahme des griechischen
Brauches, auf drei um einen Tisch gruppierten Sofas sich zu lagern5), der
Käme triclinia üblich wurde0). In größeren Häusern, wo man sich den
Luxus mehrerer Speisezimmer gestatten durfte, hatte man besondere für
Sommer und Winter, aestiva und hiberna1), wie große Hausanlagen über-
haupt besondere Winterwohnungen (hibernacula) hatten8); die triclinia
mstiva brachte man in einer der Sonne möglichst wenig ausgesetzten Lage
an, mit großen Offnungen gegen das Peristyl hin, die hiberna dagegen an
einem möglichst sonnigen Platze, so daß die Wintersonne sie erwärmen
konnte9), mitunter aber auch ganz ohne Fensteröffnungen und mit kleinen
Türen, so daß sie manchmal ganz finster und nur bei Lampenlicht benutzbar
waren10). In großen Palästen und vornehmen Villen war daher die Zahl
der Speisezimmer oft beträchtlich11). Vitruv schreibt vor12), das Speise-
') Plin. ep. II 17, 22: iunctum est cubi-
culum noctis et somni. non illud voces servu-
lorum, non maris murmur, non tempestatum
motus, non fulgurum /innen ac ne dient qui-
dem sentit, nisi fenestris apertis. tarn ttlti
abditique secreti illa ratio, quod interiacens
andron parietem cubiculi hortique distinguit
atque ita omnem sonum media inanitate con-
smnit.
») Mau 269.
3) Varr. 1. 1. V 162: posteaqnam in su-
per iore parte coenitare coeperunt, superioris
domus nn iversa coenacula dicta. Fest. 54, 6:
eoe nacula dicuntur, (ul quae scalis ascenditur.
Mehr s. unten.
4) Senec. dial. I 4, 9; IX 9, 5; XII 9, 2;
ep. 78. 23; 90, 9; 115, 8 u. s.: Colum. I 6, 2.
Plin. XXXVI 30. Plin. ep. II 17, 10 u. 12; V6,
21. Mart. 1159,1. luv. 7, 183. Eine cenatio als
öffentlicher Speisesaal CIL XI 6222.
5) In der alten Zeit aß man sitzend, wie
Frauen und Kinder auch später noch, Isid.
XX 11, 9: sedes dicta, qnod apud veteres
Romanornm erat usus accumbendi, nnde et
consedcrc dicebantur. Postea, ut alt Varro
de vita populi Romani, viri discnmbere coe-
perunt, mulieres sedere, quia turpis visus est
in mutiere decubitus. Serv. ad Aen. VII 176:
perpetuis mensis longis, ad ordinem exae-
quatis sedentum: maiores enim nostri sedentes
ejndabantnr.
6) Ursprünglich bedeutet triclinium nicht
das Speisezimmer, sondern die drei Klinen
oder lecti mit dem Tisch in der Mitte, daher
triclinium ponere, Varr. r. r. III 13, 2, oder
«fernere, Varr. 1. 1. IX 9. Cic.Verr.IK 25, 61;
im Sinne von Zimmer finden wir es zuerst
bei L. Scribonius Libo, Cic. de orat. II 65, 263.
Vgl. Varro 1. 1. VIII 29. Phaedr. IV 25, 28. CIL
III 4789.
7) Varr. 1. 1. V 162 : posteaquam ubi coena-
bant plura facere coeperunt, at in castris ah
hieme hiberna, htbemum </<>ntns rocarnnt ; con-
traria (der Rest ist verloren). Id. r. r. I 13, 7:
quo hi laborant nt spectent sna aestira tri-
clinaria ad frigus orientis, hiberna ad solern
oeeidentem. Sid. Apoll, ep. II 2, 10 hat außer
einem matronale und einem hiemale triclinium
eine luftige diaeta eive cenatittncula. Vitr. VI
7 (4), 1 f. gibt nicht nur für die triclinia hiberna
und aestiva Vorschriften betreffs der Lage,
sondern auch für verna und antinnna/ia: jene
sollen nach Westen resp. Norden, diese nach
Osten liegen. Vgl. Colum. I 6, 2.
8) Vitr. I 2, 7; VI 3, 2; VII 4, 4. Plin. ep.
II 17, 7.
9) Vgl. luv. 7. 183: algentem rapiet cenatio
solem.
10) Overbeck 264. Mau 273.
") So hatte Lucullus zahlreiche 6eatrrj-
z?)ota, Plut. Luc. 41 ; Trimalchio rühmt sich
bei Petr. 77, 4, guattuor emotiones zu haben.
»*) VI 5, 8: tricliniorum guanta latilml»
fncrit, bis tanta longitndo ficri debchit. alti-
tudincs oniniiun conc/ariamni, guae obUmoo
fncrint, sie habere debent rationetn, u/i long*-
tudinis et latitudinis mensura componatnr et
ex ea summa diniidmtn sninatnr et Quantum
fuerit tantum altitudini iletur.
46
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
zimmer solle doppelt so lang als breit sein, während die Höhe die Hälft«
der zusammengerechneten Breite und Länge betragen solle, was also be
5 Meter Breite und 10 Meter Länge 7,50 Meter Höhe ergibt. Für Pompej
stimmt das nicht ganz, da die Triklinien dort meist etwas kürzer sini
(z. B. bei 3,50 — 4 Meter Breite etwa 6 Meter lang). Wenn sie am Peristy
liegen, sind sie meist durch große valvae gegen dasselbe verschließbar1)
Die drei Sofas wurden so um den runden T-isch geordnet, daß ein jede!
an einer Wand stand und sie den innersten Teil des Zimmers ganz aus<
füllten, indem sie etwa ein Quadrat von 3,50 Meter Seitenfläche einnahmen
Hatte man kein besonderes Sommertriklinium, so wurde, wie das ii
Pompeji häufig vorkommt, im Garten gespeist, und für diesen Zweck sin<
die drei Sofas meist aufgemauert, ebenso der Fuß für die Tischplatte
Man umgab diese luftigen Speiseplätze nicht selten mit Säulen, die durcl
Latten verbunden und mit Reben oder andern Gewächsen umrankt waren 2)
In den eigentlichen Speisezimmern, die in Pompeji, zumal in den Hausen
der älteren Perioden, meist klein und unansehnlich sind, ist oft der innere
für die Sofas und den Tisch bestimmte Teil sowohl durch das Muster dei
Mosaikfußbodens wie durch die Wandmalereien und die Form der Deck«
unterschieden, gerade so, wie wir es bei den Schlafzimmern fanden3). Ii
den Häusern der Kaiserzeit finden sich auch große Speisesäle von 7 : !
oder 7 : 11 Meter Ausdehnung4), und in reichen Palästen, wo besonder
noch Schmuck durch Vorhänge und Glasfenster erwähnt wird5), kamei
noch größere Dimensionen vor6).
Zu den notwendigen Räumlichkeiten eines jeden Hauses gehörten dam
die Kammern für die Sklaven, cellae servorum1), auch cellae familiäre
oder fa miliar icae8), von denen wir der des ostiarius bereits gedacht haben9)
sie lagen meist entweder in den hintern Räumen des Hauses oder in
Oberstock10). Ferner die Küche11), cidina12), in späterer Zeit auch coquim
») Mau 269.
*) Mau 271; 296; 321. Overbeck 305.
Fiobelli Descr. 47 f.: 144. B. d. I. 1874, 273;
1879, 195.
3) Mau 271. Overbeck 307. B. d. 1. 1880,
219. Mau Gesch. d. dekorat. Wandmal. 351 ff. ;
ders. R. M. X VI (1901) 302. Auch die geringere
Abnutzung des Fußbodens gibt manchmal zu
erkennen, wo die Sofas standen. B. d. I. 1882,
177. Manche Speisezimmer haben Nischen
in den Wänden, wie die Schlafzimmer, Over-
beck 299, B. d. I. 1883, 76; 1885, 69.
4) Mau 272.
5) Senec. nat. qu. IV 13, 7: quamvis coe-
nationem velis ac specularibus muniant. Ueber
die specularia s. unten.
6) Senec. ep. 115, 8: capacem ■ populi coe-
nationem. Plut. qu. conv.Vö, 2 p.679B spricht
von oixoi (d. h. Säle) toiaxovxäy.Xivoi aal fiei-
tovg, die also dreißig und mehr Speisesofas
faßten.
7) Colum. I 6, 3; cf. ib. 8. Cic. Phil. II 27,
67. Hör. sat. I 8, 8. Quint.VIII 4, 25. Senec.
controv.VII21,4; ib. 8. Cellula, Ter.Eun. 310.
8) Cat. r. r. 14, 1. Vitr.VI 10 (7), 2.
9) S. oben S. 29. Sonst bedeutet cella auc
jedes ärmlichere Zimmer, Ter. Ad. 552, namem
lieh die Wohnung der Armen, Sen. ep. 18, 1
100, 6. Mart. III 30, 3; ib. 48, 1; VII 20, 21
VIII 14, 5. luven. 7, 28. Vgl. Olck bei P.-^
III 1874.
10) Overbeck 265. Becker-Göll 276.
n) Ueber die Küche im römischen Haus
vgl. Becker-Göll II 277 und die Artikel C%
lina von Pottier bei D.-S. I 1580 und vo
Mau bei P.-W. IV 1742.
12) Die Entstehung des Wortes ist ui
gewiß. Nach Varr. b. Non. 55, 20 wäre di
alte Form colina, dieta ab eo quod ibi coli
bant ignem; vgl. Serv. ad. Aen. III 134. Ma
a. a. O. denkt an coqulina mit Abfall d<
ersten Silbe. Das Wort kommt zuerst b
Plaut. Most. 1 vor; vgl. sonst Lucil. b. Noi
207, 23. Cic. ad fam. XV 18, 1. Hör. sat. I !
73; II 5, 79. Petron. 2, 1. Sen. ep. 95, 23 u. i
Im weiteren Sinne bedeutet cullna (wie cu
sine oder auch bei uns Küche) die Kochkuns
s. magna culina bei luv. 14, 14, oder auch di
zubereiteten Speisen, Hör. sat. I 5, 38. luv.
162. Plin. XXIX 23, doch bleibt der Begri
Erster Abschnitt. Das städtische Wohnhaus.
47
flenannt1), die zum notwendigen Bestandteil des Hauses wurde, nachdem der
Bte Brauch, im Atrium zu kochen, im städtischen Woltnliause abgekommen
rar (über das Fortdauern der alten Sitte auf dem Lande s. unten im
L Abschn.) 2). Sie lag meist wohl im hintern Teile des Hauses3); in Pompeji,
ro kein Haus der
üche entbehrt4), hat
ie freilich keine be-
timmte Stelle; meist
ndet sie sich irgend-
wo beim Peristyl, nur
usnahmsweise beim
Ltrium 5). In der Re-
;el ist sie klein, selbst
n besseren Häusern
mr 3:4 Meter und
noch kleiner; die
größten haben 4 : 5
oder 5: 6 Meter6).
Doch hatten die Häu-
er der Reichen in
lom selbstverständ-
ich auch geräumige
md gut ausgestattete
suchen7). Der Herd,
bcus8), der gewöhn-
ich an der Wand
Fig. 18. Pompejaniseho Küche.
steht, besteht aus einer einfachen rechtwinkligen Aufmauerung, die in
im Hause des Pansa 1 : 2,50 Meter mißt, sonst aber meist be-
trächtlich kleiner ist 9) ; darauf sind häufig kleine gemauerte Vorrichtungen
n Hufeisenform angebracht, um darauf Gefäße über Feuer zu halten; wo
iiese fehlen, kochte man auf eisernen Dreifüßen10). Ein Feuerungsraum
des Lokals, in dem gekocht wird, immer
darin enthalten.
*) Non. 55, 14: colinam veteres dixermit,
non coquinam, iit nunc vulgus pntat. Acro
ad Hör. sat. I 5, 38 {quod ibidem dii Penates
cohnitur). Pallad. 137,4. August, civ. dei XXII
8 (p. 574, 15 Domb.). Prise. IV 1, 5 p. 120, 19 K.
Corp. Gloss. II 363. 51; 496, 52. III 191, 18:
269, 11 (auch in der Form cocina und eucina).
2) Wie Mau a. a. 0. bemerkt, bleibt es
zweifelhaft, ob die Benennung culina für den
Hauptraum der ländlichen Villa, in dem ge-
kocht, gespeist und gewohnt wird, alt ist
und von hier aus auf die später entstandene
ml Ina des Stadthauses überging, oder ob auch
auf dem Lande der Hauptraum ursprünglich
atrium hieß und den Namen culina erst er-
hielt, nachdem im Stadthaus eine besondere
Küche entstanden war, um ihn von dem jetzt
wesentlich verschiedenen Atrium des Stadt-
hauses zu unterscheiden.
s) Varr. bei Non. a. a. 0.: in postica parte
erat oulina.
*) Wo sie in dem allein noch erhaltenen
Erdgeschoß sich nicht findet, muß sie im
Oberstock angesetzt werden, Mau a. a. 0. 1 743.
Overbeck 277.
5) Overbeck 278.
6) Mau a. a. 0.
7) Sen. ep. 64, 1: Jautorum culiuae; ib.
114, 16: adspice cnlinas nostras et coneur-
saniis ixter tot ignes coquos.
8) Vgl. Gachon bei D.-S. II 1194 ff.
9) Overbeck 325. Mau a. a. 0.
10) Solche haben sich im Hause derVettier
noch auf dem Herde gefunden, s. R. M. XI
(1896), 20. Mau Pompeji 274 mit Abb. 140; in
einem andern Hause dienten demselben Zweck
die spitzen unteren Enden dreier zerbrochener
Tonamphoren.
48
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
unter dem Herde kommt nur vereinzelt vor. Für gewöhnlich kochte man
daher wohl mit rauchlosen brennenden Holzkohlen oder auf der Herdplatte >
über offenem Feuer (vgl. Fig. 18) x). Ein Rauchfang fehlt meist, obschonj
nicht nur in Bäckereien, sondern
auch in Privathäusern Schorn-
steine, aus tönernen Röhren be-
stehend, bisweilen vorkommen2);,
für gewöhnlich aber zog der Rauch
aus der absichtlich öfters höher
als die übrigen Räume angelegten
Küche durch die Fenster, deren
meistens eines über dem Herde
angebracht war, ab 3). In einigen
Küchen findet sich ein gemauerter
Küchentisch4), sonst genügte wohl
ein einfacher Holztisch. Verein-
zelt kommt ein Backofen neben
dem Herde vor, der aber so klein
ist, daß er nicht für Brotbäckerei
gedient haben kann, zumal in
späterer Zeit das Brot meist nicht
mehr im Hause gebacken, sondern
vom Bäcker bezogen wurde, der
also wohl für Kuchenbäckerei be-
stimmt war5). Ferner finden sich
gemauerte Wasserbehälter mit Off-
nungen zum Abfluß des gebrauchten
Wassers6), wofür der Name coh-
flurla1) oder fusoria9) vorkommt.
Mit dem Herde war auch der Dienst der Penaten aus dem Atrium in die
Küche gewandert9), und daher findet man in Pompeji in den Küchen sehr
häufig Schlangen als Symbol des gen ins loci oder Bilder der Laren auf-
gemalt (vgl. Fig. 19) 10).
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1
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m
3
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Fig. 19. Pompojanisches Lararium in der Küche.
J) Overbeck 440; auf dem Küchenherd
im Hause des Pansa soll man noch die Holz-
kohlen gefunden haben, ebd. 327. Vgl. R. M.
XVI (1901) 362. Daher die Feuergefährlich-
keit, die Colum. I 6, 3 betont, vgl. Hör. sat.
I 5, 73: vaga per veter em dilapso flammet cu-
linam Volcano. In der Fig. 18 (nach Pkesuhn
Pompeji IV Taf. 3) abgebildeten Küche ist ein
Kupferkessel in den ofenartigen Aufbau des
Herdes eingemauert.
2) Overbeck 386; auch ein Herdmantel
findet sich bisweilen, ebd. 440.
3) Daher die Küche öfteis nigra eulina
heißt, Mart. I 92, 9; III 2, 3; X 66, 3. Die
Unannehmlichkeit dieser primitiven Einrich-
tung illustriert Sen. ep. 104, 6: illum odorem
culinarum fnmantium, quae motae quidguid
pestiferi vaporis obruertmt mm pulvere effun-
dunt. Fenster in der Küche Mau 310; 322.
4) Overbeck 278; 295.
5) Ein größerer Backofen im Keller der
Casa del Centenario (Overbeck 358) diente
nach Mau 274 vielleicht zur Herstellung
groben Brotes für die Sklaven.
6) Overbeck 339.
7) Varro bei Non. 544, 18.
8) Pallad. I 37, 4. Corp. Gloss. II 580, 60:
cf. VI 479.
9) Plaut. Aul. 386: haec inponentur !n
focos nostro Lari. Hör. sat. II 6, 65. Serv. ad
Aen.II 469: singula enim domus sacrata sind
diis, ut eulina penatibus. Arnob. II 67.
10) Helbig Wandgemälde 12 N. 36-38; 19
N. 60 f. ; 20 N. 63 f. u. s.; auch im Pistrinum
finden sich diese Bilder. 19 N. 61 f.; 65; 66b.
Mus. Borb. IX 20. D.S. I 1581 Fig. 2096.
Unsere Fig. 19 nach Presuhn IV Taf. 3.
Erster Abschnitt. Das städtische Wohnhaus.
I'.i
Der Abtritt1). Ic&rina genannt2) oder ieUa*) oder mit einem grie-
lischen Ausdruck lasanus4), spätlat. secessus6), ist wohl erst spät ein not-
endiger und integrierender Bestandteil des römischen Hauses geworden,
ber Anlage und Einrichtung der Abtritte erfahren wir durch die Schrift-
lellen sehr wenig; um so mehr verdanken wir ihre Kenntnis den Häusern
^mpejis, die fast ausnahmslos solche aufweisen. Wie begreiflich, legte
an ihn, wie die Küche, möglichst entfernt von den Wohnräumen an6),
eil selbst bei Kanalisierung diese Gemächer nicht geruchlos gewesen sein
erden7). In Pompeji finden wir dementsprechend den Abtritt zumeist an
er abgelegenen Stelle des Hauses, sehr häufig neben der Küche 8) oder
rekt in der Küche9), manchmal aber auch ganz von ihr entfernt10), unter-
ilb einer in den Oberstock führenden Treppe11) oder im Oberstock selbst12).
') Vgl. Becker-« Jöll 279 und den Artikel
Hna von H. Thedenat bei D.-S.III 987 ff.;
ssen 648.
2) Das Wort kommt von laralriua her
d bedeutet ursprünglich den Baderaum;
i dieser mit griechischer Terminologie bal-
im benannt wurde, ging das Wort in die
deutung Abtritt über, was vermutlich daher
m, daß in den älteren Anlagen der Abtritt
:h im Baderaum befand: vgl.Varro 1.1. IX 68:
m hoc attiiqui mm balneum sei lavatrtnam
wettare consuessent', ct'.V 118: trua, qua e
Una in laratrinam aquam funduut. trua
»d travolai ea aqua. Non. 212, 7: latrina
are feminina, et est lavatHna, quod nunc
Ineum dicitur. Lucil. Üb. A /.- qui in latrina
>iguet. Thkdenat a. a. 0. nimmt an, daß
in drei Perioden in der Bedeutung des
ortes zu unterscheiden habe: .1. das Bad;
Bad und Abtritt; 3. nur Abtritt. Für die
eite Bedeutung führt er Plaut. Cure. 580
: ancilla qit</<> latrinam lavat, doch paßt
3r die dritte besser, da eine Sklavin von
?drigster Beschäftigung gemeint scheint,
äter bekommt latrina auch die Bedeutung
oake, Suet. Nero 24: abici in latrinas om-
um statuas et inntginee. Die Form latrinum
wähnt Non. a.a.O. : neutro Laber ins Con-
talibus: sequere me in latrinum, nt aliquid
stes ex Cynica haeresi, hie latrinum rentri
lern i/i.rit. Lucilins Itb.VI: hac tu ab re
erii* quemquant latrina petisse?
3) Lucil. b. Non. 217. 22 : pistrinum appo-
um, postiaun. selhi. culina. Mail. XI 98, 12:
c vindicabit sella saepius chixa (wo freilich
tiEDLÄNDEK die sella auf die Sänfte deutet);
sonders von Medizinern gebraucht, Scrib.
Jg. 193: per seUas abundantius eundem
••norent) deiciunt; ib. 227, Apul. de vir. herb.
, Die sellae Patroclianae bei Mail. XII 77, 9
d öffentliche Abtritte, nach dem Unter-
hmer oder Pächter benannt. Bei Cato r. r.
7,11 findet sich die Bezeichnung sella
rtusa; die sellae familiaricae bei Varr. r. r.
13, 4 sind wahrscheinlich Sklavenabtritte,
ich die sella in der Anekdote bei Sen. dial.
12, 7 ist vermutlich der Abtritt.
4) Lasanus bedeutet weniger das geheime
Gemach, als den darin aufgestellten Nacht-
stuhl, Petron. 41, 9: Trima/chio . . . ad la-
sanum surrexit; ib. 47, 5: '<•/ si t/uirf plus
n-nii, tonn in forat parata sunt: aqua, lasani
et cetera minutalia. Bekk. Anecd. 51, 8 (vgl.
106,30): Äänara, itp' <}> äjtonaxcßfttv. Es wird
daher auch der transportable Nachtstuhl damit
bezeichnet (wie Anth. Pal. XI 74, 7: ccV ,/.<<-
yavöv fiot' e&Ho, ,66q* netv&v, eirdv epiöet t.n-
narar. Aristoph. u. Pherecr. bei Poll. X 44 f.),
so sicherlich Hör. sat. I 6, 109, wo es auch
Acro so erklärt (ras in quo txoneratur vertier),
während manche neuere Erklärer es als Koch-
gerät deuten. Nach Lampr. Heliog. 32, 2 und
Mart. I 37 gab es sogar solche lasani von
Gold.
5) Corp. Gloss. IV 390. 13: »eeessum la-
trina; III 216, 37: ad secessum '$ rw d<p-
edowva: cf. ib. 232. 5; 651, 10; VII 465: im6-
naxos eone/aris , culina , recessue , 8ecessu9.
Daher das italienische cesso.
•) Darauf geht Cic. nat. deor. II 56, 141 :
atque nt in aedifidis architecti avertunt ab
oculis naribusque dominorum ea, quae pro-
fluentia necessai-io taetri essent aliquid habi-
tura (wo Thedenat a. a. O. sicher mit Un-
recht ein Wort necessarium als Synonym für
Abtritt annimmt, während neeessario als Ad-
verb zu fassen ist; gemeint sind allerdings
Küche und Abtritt). Es ist bezeichnend, daß
Lucilius a.a.O. jtistrinum, posUeum, Bella
und culina nebeneinander nennt, lauter ab-
gelegene Räumlichkeiten.
7) Vgl. Colum. X 85 : immundia quaeeun-
que comit latrina cloacis. Apul. met. I 17:
apage te faetarem extremae latrinae; IX 14:
ut in quandam caenosam latrinam.
8) Overbeck 270ff.; 295; 313: 316: 339;
343. Mau 322 ; 327.
9) Overbeck273; 275: 278: 280: 304:307.
10) Ebd. 289; 323.
») Ebd. 287. R. M. XVI (1901) 315. Fio-
relli Descriz. 270 f.; 278 u. ö.
12) Overbeck 292. R, M. a. a. O. 863.
Handbuch der klau. Altertumswissenschaft. IV. 2, 2. S. Aufl.
50
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
In größeren Häusern, namentlich in solchen, die von mehreren Parteien
bewohnt waren, finden sich zwei Abtritte1); meist sind sie klein, un-
ansehnlich und finster2), doch kommen auch solche vor, die für zwei!
Personen eingerichtet sind 3), und manche sind geräumig, durch Fenster
erleuchtet und mit Wandmalereien ausgestattet4). Die Sitze waren teila-v
aufgemauert, und deren haben sich noch zahlreiche in den Häusern Pom-."
pejis erhalten, teils aus Holz; letztere sind natürlich verschwunden, docbj
erkennt man vielfach noch ihren Platz an den Unterlagen, auf denen der
Sitz ruhte 5). Wie die Ausstattung sehr verschiedenartig ist, so ist es
auch die Anlage; sehr viele stehen nur mit einer Senkgrube (sterquilinium)W
in Verbindung, hatten also keine Kanalisation7); dagegen stehen andere-Ä
durch Röhrenleitung mit dem Kloakensystem in Verbindung, wie das bei
den öffentlichen Abtritten die Regel zu sein pflegt8). Wo der Raum gar
keine besondere Anlage zeigt, darf man annehmen, daß darin ein trans-*
portabler Nachtstuhl aufgestellt war9).
Ein weiterer notwendiger Raum des Hauses ist eine oder mehrer«
Vorratskammern10). Wenn es auch im wesentlichen nur die großen,,
Wirtschaftsbetriebe auf dem Lande sind, die ihre besondern cellae für Ge-j
treide, Ol, Wein usw. haben11), so mußte doch auch das städtische Wohn-f
haus eine cella promptuaria (oder ein promptuarium) 12) haben, eine Kammer,
in der vornehmlich Speisevorräte, doch gelegentlich und, wenn dafür keine'
besondern Räume vorhanden waren, auch andere Wirtschaftsgegenstände
aufbewahrt wurden13). Dieser Raum, in dem das cellarium aufbewahrt»?
wird14), ist von der cella penaria15), der Kammer für das penus16), dadurch
depromar. Cato r. r. 11, 3 : armarium promp-
tuarium. Amm. Marc. XIX 12, 13. Tertull. de
resurr. 27 heißt sie cella proma.
13) Apul. met. 1 23 : ex promptuario oleum
unctui et lintea tersui et cetera lüde eident
usui profers.
4) Serv. ad Aen. I 703; dagegen ist cellai
') Overbeck 280; 292 u.295: 304 u.307;
343; es kommen auch zwei Abtritte in einer
Küche vor, Fiorelli 374.
2) Bisweilen findet sich eine kleine Nische
in der Wand zum Aufstellen einer Lampe,
Fiorelli 44.
3) Overbeck 316.
4) Ebd. 339 (in der Casa del questore);ebd.
348. Fiorelli 137 (im Hause der Dioskuren).
5) Vgl. Fiorelli 39 und die Fig. 4365 bei
Thedenat 990.
6) Vgl. die Vorschrift über Anlage des
sterquilinium (stercilinum) bei Varr.r.r. 1 13, 4:
in eoque quidam sellas familiaricas ponunt.
Für gewöhnlich ist es die Düngergrube auf
dem Lande.
7) Mau232. Fiorelli Scavidi 1861-1872,
10 N. 47 ff.
8) Mau R. M. IV (1889) 105 ;V (1890) 238;
VIII (1893) 52. Auch die Tonröhrenleitung
vom Oberstock her ist mitunter noch erhalten,
Overbeck 292. R. M. XVI (1901) 362.
9) Plaut. Cure. 580 bezeichnet die ancilla
meam quae latrinam lavat die niedrigste
Sklavenarbeit. Vielleicht war auch in den
privaten Latrinen ein Schwamm zur Reinigung
vorhanden, wie nach Sen. ep. 70, 20 in den
öffentlichen.
10 ) Vgl. Becker- Göll 281.
11 ) Vgl. Saglio bei D.-S. I 988.
12) Plaut. Amph. 156: e promptuaria cella
rium Digg. XXXII 41, 1 die mit einer diaetm
verbundene Vorratskammer.
15) Varr. 1. l.V 162: ubi quid conditum
esse volebantf a celando cellam appellarunt;
penariam, ubi penus. Cic. Cat. mai. 16, 56:
semper enim boni adsiduique domini referta
cella vinaria, olearia, etiam penaria est. IdJ
Verr. II 2, 5: M. Cato sapiens cellam -penariam
reipublicae nostrae. . . . Siciliam nominabat.
Suet. Aug. 6: nutrimentorum eius ostendihir
adhuc locus in avito suburbano iuxta Velitras
permodicus et cellae penariae instar. Digg.
XXXIII 9, 3. 8.
16) Scaev.beiGell.IVl,17:^)<?>n/x est ij><<»l
esculentum aut posculeyxtum est, quod ipsius
patris familias aut matris familic« aut li-
berum patris familias aut familiae eins . . .
causa paratum est. Cic. nat. deor. II 27. <ifi:
omne quo veseuntur homines penus. Fest
211, 3: penora dieuntur res necessariae <*d
victum quotidianum, et locus eorum >■ penariu*.
Doch gehörten nach Catus Aelius bei Gell,
a. a. O. 20 auch Weihrauch, Wachskerzen ul
dgl. zum penus.
Erster Abschnitt. Das städtische Wohnhaus.
51
■nterschieden, daß letztere die Vorräte für das ganze Jahr aufzunehmen
lat, während die cella promptuaria bloß den Vbrrai für wenige Tage enthält,
nehr eine Art Speisekammer ist 1). Auch gab es besondere Räume zur
Aufbewahrung des Fleisches, carnaria a). Einen bestimmten Platz im Hause
lahmen diese Vorratskammern nicht ein; die penaria lag in alter Zeit beim
Atrium8), später im Hintergebäude, dem penetrale des Hauses4). In Pompeji
werden manche Räume vermutungsweise als solche gedeutet, weil sich in
linen Spuren der an den Wänden angebrachten Regale erhalten haben5).
Auch das schon mehrfach erwähnte sacrariwn*) oder lararium9)^ die
Kapelle für die Hausgötter, wo besonders die Laren, die Penaten und
ler Genius des Hausherrn verehrt wurden, pflegte in keinem Hause zu
'ehlen. Einen bestimmten Platz dafür gab es nicht; da es aber üblich
var, den Laren beim Herde zu opfern 7). so war in älterer Zeit (und auf
lern Lande auch später noch)8) das Atrium, später im städtischen Wohn-
laus die Küche der Ort, wo man sie anzubringen pflegte, wenn auch hier
neist in Form einfacher Wandmalerei9). Aber auch später, als das Atrium
seine ursprüngliche Bedeutung längst eingebüßt hatte, pflegte man in einer
Scke desselben ein solches sacrariwn anzubringen, oder man wählte dafür
iinen Platz im Peristyl10) oder sonst irgendeine andere Stelle im entlegenem
Teil des Hauses11). Wo diese Heiligtümer nicht durch bloße Wandmalerei
jezeichnet sind, sind es entweder kleine Wandnischen, in denen die
Statuetten der Laren oder auch bestimmter, besonders verehrter Haus-
götter aufgestellt wurden, denen man auf dem darunter angebrachten
ytare opferte, oder es sind eigens aufgebaute Kapellen, die bemalt und
nit Bronze- oder Marmorstatuetten ausgestattet wurden12). Solche Lararien
tonnten unter Umständen recht groß und kostbar sein, wie z. B. die Haus-
tapelle des Heius in Messina vier wertvolle Marmorbildsäulen enthielt13).
Dieser Brauch erhielt sich bis in die späte Kaiserzeit hinein14).
*) Gell. a.a.O. 17: nam quae ad edendum
ibendumque in dies singuios prandii aut
zenae causa parantur, penus non sunt; sed ea
Otitis, quae huiusce gener is longae usUmis
p-atia conträhuntur et reconduntur, ex eo,
]iwd non in promptu est, sed intus et pe-
mtas habeatur, penus dicta est. Serv. ad
A.en. I 703: inter penum et cellarium hoc in-
'.erest, quod cellarium est paucorum dierüm,
linde et in cellam dicitur imperatum frumen-
\um, penus vero tempori longo. Vgl. Mar-
ijuardt 143 A. 8 und Staatsverw. III 120.
») Plaut. Capt. 914: Pseud. 198. Lucil. b.
on. 11, 1. Cat. r. r. 14, 1. Varr. r. r. II 4, 3.
Petron. 135, 4; 136, 1. Corp. Gl. I 183. Vgl.
Saglio bei D.-S. I 923; eine Abbildung auf
einem pompejanischen Wandgemälde, Mus.
Borb. IV tav. A.
s) Varr. 1. l.V 162.
4) Daher stellen die Alten den Namen Pe-
nates mit penus und mit penetrale zusammen,
Cic. a. a.O. Fest. 208. 6. Serv. ad Aen. III 12.
h) Overbeck 261; 264. Mau 275.
6) Häufig in der allgemeinen Bedeutung
Heiligtum: speziell von der Hauskapelle Cic.
Verr. IV 2, 4; 3, 7, vgl. dens. ad fam. XIII 2.
Auch sacellum Trebat. bei Gell. VII (VI) 12, 5:
sacellum est locus parvus deo sacratus cum
ara , doch sind das meist kleine an der
Straße belegene unbedeckte Kapellen. Fest.
318 a, 33; 319,4. Ter. Ad. 57«.
7) Lampr. AI. Sev. 29, 2; 31.5.
8) Cator.r.143,2. Col.r.r. XI 1,19. Plaut.
Aul. 386.
•') Siehe oben S. 48.
,n) Vgl. oben S. 43 und Overbeck 268;
299; 325; 338; 353 u. s.
n) So z.B. in einer afa, s. S.38 A.3, oder
an einer Wand des Gartens. Mau 279 Fig. 143.
") Vgl. Overbeck 268 Fig. 146. Mau 277
Fig. 142.
13) Cic. Verr. IV 2, 4 ff. So hat auch Tri-
malchio ein stattliches Sacrarium. Petron. 29. 8:
grande armarntm in angulo, iu cuius aedi-
nilti erant Lore* argentei positi Penerisgue
Signum mannoreum. Nach Lampridius AI.
Sever. 29, 2 hatte dieser Kaiser in seinem La-
rarium et divos principes sed optimos electoe et
animas sauet inres (darunter angeblich Christus,
Abraham und Orpheus) ac maiontm efßgies,
nach 31.5 auch das Bild Alexander d. Gr.
14) Hieron. in Esai. VI 57: mtüus quifu-i
4*
52
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
Mit den bisher besprochenen Räumlichkeiten waren in der Regel wohl
die Wohnhäuser des römischen Mittelstandes ausgestattet. Daß manch«
davon in den kleinen Häusern der Ärmeren fehlten, ist selbstverständlich!
und in Pompeji gibt es genug ärmliche Wohnhäuser, die nur die aller!
notwendigsten Zimmer aufweisen, mitunter selbst des Atriums entbehren ^J
Andrerseits treten zu den aufgezählten Räumen vielfach noch ander«
hinzu, die entweder den Bequemlichkeitsbedürfnissen und dem Luxus den
Besitzers dienten oder für den Betrieb eines Gewerbes oder zum Ver-I
mieten, also für geschäftliche Ausnützung bestimmt waren. Diese Er-|
weiterungsbauten konnten, je nachdem die Umstände und die Lage deal
Hauses es gestatteten, auf zweierlei Art erfolgen: entweder durch Hinzu-J
fügung neuer Räumlichkeiten auf dem gleichen Niveau oder durch Auf-]
Setzung von oberen Stockwerken. Wir betrachten zunächst die ersteren.l
Ein bescheidener Luxus, der auch in minder reichen Häusern sich!
fand, ist die Anlage eines Baderaumes. Wir sahen schon, daß in der!
älteren Zeit dafür der Name Javatrina üblich war, der später durch das]
griechische balanum (aus ßalaveiov) verdrängt wurde2). Ursprünglich waren j
diese Anlagen von sehr einfacher Art, selbst in den Häusern der Vor-j
nehmen3), während in der Kaiserzeit darin ein großer Luxus eingerissen!
war, sodaß Ausstattung mit buntem Marmor und Glas, sogar mit Säulen,!
Statuen, Wasserkünsten usw. nichts Ungewöhnliches war und die Bäder inj
den Palästen besonders der reichen Freigelassenen eine unerhörte Pracht!
aufwiesen4). In den Häusern Pompejis finden sich Badeanlagen nicht:
selten; sie sind zwar meist klein, sodaß sie kaum von mehreren Per-1
erit locus, qui non idololatriae sordibus in-
quinatus sit, in tantum, ut post fores domorum
idola ponerent , quos domesticos appellant
Laves, et tarn publice quam privatim animarum
suarum sanguinem funderent. Hoc errore
et pessima consuetudine vetustatis multarum
provinciarum urbes laborant, ipsaque Borna,
orbis domina, in singulis insulis domibusque
Tutelae simulacrum cereis venerans ac lu-
cernis, quam ad tuitionem aedium isto ap-
pellant nomine, ut tarn intrantes quam exe-
untes domus suas incliti semper commone-
antur erroris. Ueber die Verehrung der Tu-
tela s. Marquakdt 240 A. 5. Prellek-Jordan
Rom. Mythol. II 202.
*) Vgl.OvEKBECK270ff. Marquardt222.
*) Vgl. oben S. 49 A.2; die griechische Be-
nennung fand etwa seit Mitte des 3. Jahrh.
v, Chr. Eingang, vgl. 0. Keller Lat. Volks-
etymol. 263. Die ältere Zeit kannte überhaupt
den regelmäßigen Gebrauch des Bades nicht,
vgl. Senec. ep. 86, 12. Von der späteren Zeit
Varr. 1. 1. IX 68: ab eadem ratione dornt ' suae
quisque, ubi lavatur, balneum dixerunt; et
quod non, erant duo, balnea dicere non con-
suerunt, cum hoc antiqui non balneum. sed
lavatrinam appellare consuessent.
s) Man vgl. die Beschreibung, die Seneca
von dem Bade in der Villa des älteren Scipio
Afiicanus macht, ep. 86, 4: balneolum an-
>/iis/n»i, tenebric08um ex consuetudine antiqua:
non videbatur maioribus nostris caldum nisi j
obscurum ; ib. 5 : sub hoc ille tecto tarn sor- ]
• dido stetit, hoc illum pavimentum tarn vile
sustinuit: ib. 8: in hoc balneo Scipionis >ui-
nimae sunt rimae magis quam fenestrae muro
lapideo exsectae, ut sine iniuria munimenti
lumen admitterent.
4) Sen. a. a. 0. 6: at nunc quis ext, qui
sie lavari sustineat? pauper sibi videtur ac
sordidus, nisi parietes magnis et pretiosis
orbibus refulserunt, nisi Alexandrina mar- I
mora Numidicis crustis distineta sunt, nisi
Ulis undique operosa et in picturae modum
variata circumlitio praetexitur , nisi vitro
absconditur camera, nisi Thasius lapis, quon-
dam ramm in aliquo speetaculum templo,
Piscinas nostras circumdedit, in quas multa
sudatione corpora exsaniata demittimus, nisi
aquam argentea epitonia fuderunt. Daß Seneca
nicht von öffentlichen Thermen, sondern von
Privatbädern spricht, zeigt das Folgende, § 7: ]
et adhuc plebeias fistulös loquor: quid, cum
ad balnea libertinorum pervenero? quantin»
statuarum, quantum columnarum est nihil
sustinentium, sed in ornamentum positanon
inpensae causa? quantum aquarumper gradus
cum fragore labentium? eo deliciarum per-
venimus, ut nisi gemmas calcare nolimus. In
einer zahlreichen Sklavenfamilie gab es daher
auch solche, die das Bad zu besorgen hatten, ]
servi n balineo, CIL VI 33765.
Erster Abschnitt. Das städtische Wohnhaus. 58
onen zugleich benutzt werden konnten, entbehren aber doch nicht der
»equemlichkeiten, die die öffentlichen Thermen in größerem Maßstabe und
eicherer Ausstattung aufweisen l). Meist bestehen sie aus zwei Räumen,
Ir laues und heißes Bad (tepidarium und ealdärium)) das Caldarium war
uch heizbar, indem ihm von der Küche her, neben der das Bad daher in
er Regel angelegt wurde, die heiße Luft der Herdfeuerung durch den
ohlen Fußboden (die suspensurae) und die Hohlwände zugeführt wurde2).
)azu kommt bisweilen noch ein besonderer Aus- und Ankleideraum (apo-
bteriutri)*) und vereinzelt eine Kammer mit Bassin für die kalte Über-
ießung4)- Die Ausstattung ist in der Regel sehr einfach, mit schlichter
Vandmalerei und Fußbodenmosaik.
Eine sehr häutig sich findende Erweiterung des Hausplanes bestand
arin, daß man ein zweites Atrium oder ein zweites Peristyl oder beides hinzu-
legte. Nicht selten war diese Erweiterung schon von vornherein beim
»au des Hauses vorgesehen, und in Pompeji ist das namentlich bei den
[äusern aus der Tuifperiode 5) der Fall; oder der Besitzer hatte, nachdem
zuerst sein Haus nach einfacherem Plane erbaut hatte, später ein
lachbarhaus dazugekauft und mit seinem Grundstück verbunden, in welchem
'alle dann der Grundriß unregelmäßiger zu erscheinen pflegt als im er-
teren6). Von den beiden Atrien diente meist das erste als Eingangs-
nd Empfangsraum, während das zweite mehr privaten Charakter hatte
nd mit den Wirtschaftsräumen in Verbindung stand; hier fehlten auch
leist die alae und das tablinum1).
Wenn jemand, wie man heut zu sagen pflegt, „ein Haus machte" und
äste in größerer Zahl bei sich zu empfangen liebte, so konnten die ge-
wöhnlichen Speisezimmer oder Triklinien nicht genügen; es wurde dafür
in größerer Speisesaal angelegt, den man mit dem griechischen Worte
Ixog, das in der hellenistischen Zeit die Bedeutung eines Festsaals be-
ommen hatte8), oectis nannte9). Vitruv unterscheidet vier Arten davon:
en oecus tetrastj/lus, den er nicht näher beschreibt, der der Benennung
ach eine von vier Säulen getragene Decke hatte; den Corinthiits, bei dem
ine größere Zahl von Säulen mit Epistyl, auf dem die Decke ruhte, den
x) Mau 275. 6) Etwa das 2. Jahrh. v.Chr., s. Nissen 48.
) Siehe Näheres über diese Einrichtungen
u Abschnitt, über die Bäder (Abt. II Abschn.
V): über die Heizvorrichtungen im III. Abschn.
er I. Abt. Vgl. das Haus des Caesius Blan-
us. Overbeck 284. die Casa del Fauno, ebd.
48. Mau 300, del Centenario. Overbeck 358,
as Haus der silbernen Hochzeit, Mau 314;
irner noch Overbeck 265; 364. Mau 365:
74: 378: 383; 387: ders. R. M. II (1887) 133:
III (1893) 51 f.: IX (1894) 352. Ein drei-
Overbeck 36. Mau 38.
6) Overbeck 261; 644 A. 121. Mau 261.
Beispiele für ersteres besonders die Casa del
Centenario. Overbeck 353, für letzteres das
Haus des Siricus, ebd. 320, des Lucretius,
ebd. 344.
7) Vgl. das Haus des Fauns, Overbeck 346.
Mau 300; die Casa del Labirinto, Overbeck342.
8) Poll.VI 7. So handelt die Schrift Lu-
kians tuo\ rar ofiww nicht von einem Hause.
töckiges Haus enthält ein Bad für die Herr- sondern von einem solchen Prunksaal, sollte
chaft und ein besonderes für die Sklaven, also mit dem lateinischen Titel nicht, wie
verbeck 368 ff. üblich, de domo, sondern de oeeo übersetzt
3) Apodyterium in den Villen, Varro r. r. \ werden. Vgl. Plin. XXXVI 184: quem voeatU
[ pr. 2; in einer Villa des Cicero, ad Qu. fratr. asaroton oeciou.
[I 1, 1, 2. 9) Vgl. Becker-Göll II 241. Overbeck
4) Beispiele Overbeck 343; 358; 368: 372. 264 f. Mau 272. Lange Haus und Hof 244 ff.
Tau 322; 378: 383. Saglio bei D.-S. IV 152.
54
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
Wänden entlang angeordnet war, sodaß zwischen ihnen und den Wänden
ein Eingang entstand; den Aegypthis, bei dem ebenfalls Säulen vor den
Wänden standen, diese aber auf ihrem Epistyl eine zweite, niedrigere
Säulenstellung trugen, auf der das hohe Dach des Mittelraumes ruhte j
während der Umgang zwischen Säulen und Wand eine flache, auf denj
Epistyl der untern Säulen ruhende Decke hatte1); und endlich den zu
Vitruvs Zeit in Italien nur vereinzelt vorkommenden oecus Ci/zicenus, dei
nicht, wie die ersten drei, nach Süden, sondern nach Norden angelegt wa|
und den Blick auf grüne Parkanlagen und seitliche, tief herabreichende
und mit Flügeltüren versehene Fensteröffnungen hatte, die wohl im Wintei
geschlossen wurden, während im Sommer die Speisenden durch dieselben
die Aussicht ins Freie hatten2). In Pompeji kommt die zweite Art, der
oecus Corinthius, mehrfach vor3); mitunter fehlen aber die Säulen und es
ist nur die Größe des Saales, die es erlaubt, ihn als oecus zu bezeichnen 4)|
Wahrscheinlich standen in diesen Sälen die Triklinien im Mittelraum,
während der Umgang zwischen Wand und Säulenstellung der Zirkulation
der Gäste und der Dienerschaft diente. Ein ägyptischer oecus läßt sich in
Pompeji nicht nachweisen; vielleicht war die prachtvolle cenatio, die siel
Callistus, ein Freigelassener des Claudius, in seinem Hause gebaut hatte
und die mit dreißig Säulen aus kostbarem Gestein verziert war, ein
solcher5).
Den verfeinerten Bedürfnissen von reichen Gelehrten und Kunsti
freunden trugen besondere Räume für die Bücher- und Gemälde-
sammlungen Rechnung. Die Bücherliebhaberei und damit die Anlage von
Bibliotheken hatte sich in Rom erst seit dem Eindringen der griechischen
Bildung entwickelt, dann aber rasch zugenommen; die Staatsmänner und
Gelehrten aus dem Ausgang der Republik und der Kaiserzeit besaßen zum
Teil sehr stattliche Büchersammlungen6), deren Unterbringung besondere
und oft recht umfangreiche Räume (bibliothecae) erforderte. Vitruv schreibt]
vor, daß dieselben nach Osten verlegt werden sollten, weil auf diesej
Weise die Rollen vor Feuchtigkeit und Mottenfraß am besten geschützt
wären7). Viel seltener werden besondere Räume für Gemäldesammlungen
l) Diese Bauart entspricht also der An-
lage der Basilika, vgl. Lange a. a. 0. ; daher
werden solche oeci auch direkt basilica ge-
nannt, Vitr. VI 8 (5), 2.
») Vitr. VI 5, 8 ff.
3) So in der Casa di Meleagro, mit Säulen-
stellung (im ganzen zwölf, von denen die
beiden den Eingang flankierenden gekoppelt
sind) auf drei Seiten, während die vierte,
nach dem Peristyl zu offene, keine Säulen
hat. 0 verbeck 311. Lange a. a. 0. 250 Taf.
VI 3; ebenso ist nach dem Peristyl zu offen
der mit zehn Säulen an den drei Wandseiten
geschmückte oecus in der Casa del Labirinto,
Overbeck 346. Lange Taf. VI 1. Im Hause
der silbernen Hochzeit ist der langgestreckte
oecus in einen inneren Teil und einen Vor-
raum geteilt; jener hat vier auf Postamenten
stehende achteckige Säulen, war also ein oecus
tetrastylus; der Mittelraum war der Speise-
saal, im Vorderraum bewegte sich die Diener-
schaft, s. Mau 273 mit Fig. 139; 321.
*) So im Hause des Pansa, wo er 10,40: 7,40
Meter mißt, Overbeck 370; ebenso der präch-
tig ausgestattete Saal im Hause der Dioskuren,
ebd. 338.
5) Plin. XXXVI 60: nos ampliores {cm
lumnas) XXX vidimus in cenatione, quam
Callistus Caesar is Claudi libertorum, potentid
notus, sibi exaedifieaverat.
6) Vgl. Saglio bei D.-S. I 707 f. Dziatzko
bei P.-W. III 415 f.
7) VI 7 (4), 1 : cubicula et bibliothecae ad
orientem speetare debent, usus enim mafati-
num postulat lumen, item in bibliothecis li-
bri non putrescent. nam quaecumque ad nwri-
diem et oeeidentem speetant, a tineis et umorm
libri vüiantur, quod venti umidi advenientei
Erster Abschnitt. Das städtische "Wohnhaus. 55
fcewesen sein; denn obschon die römischen Großen, nachdem einmal die
iunstliebhaberei aufgekommen und Mode geworden war, Statuen und Ge-
nälde sammelten1), so dienten diese doch vornehmlich zur Ausschmückung
ler Zimmer. Immerhin kamen in den Palästen der Reichen besondere
5äle (pinacothecae) dafür vor2), und Vitruv empfiehlt, sie von bedeutender
jlrölie vax machen3) und nach Norden zu legen, damit die Farben der Ge-
mälde nicht durch das Sonnenlicht Schaden nähmen4).
Liebhaber gymnastischer Übungen ließen sich in ihrem Hause auch
äigene Räume für solche einrichten, etwa eine paktestra oder ein sphae-
üterium für das bei den Römern ungemein beliebte Ballspiel5); wir über-
sehen diese Anlagen hier, da wir später darauf werden zurückkommen müssen.
Aus all dem Gesagten geht zur Genüge hervor, welche Ausdehnung
md welchen Luxus in den letzten Zeiten der Republik und in der Kaiser-
eit die Palastbauten der vornehmen und reichen Römer, um von den
Kaiserpalästen zu schweigen, aufgewiesen haben müssen. Davon sprechen
auch die uns vorliegenden Nachrichten, die von den Ungeheuern Preisen
ier Häuser und der Pracht ihrer Ausstattung berichten 6). Das sind die
egum turres, wie Horaz sie nannte7), die den Namen Türme wohl auch
deswegen führen durften, weil sie bis zu bedeutender Höhe aufgeführt
worden waren.
Wann es aufkam, den Häusern ganz oder teilweise ein oberes Stock-
werk8) aufzusetzen, läßt sich nicht genau bestimmen. Zwar soll es nach
der Tradition bereits im 6. Jahrh. v. Chr. zweistöckige Wohnhäuser in Rom
gegeben haben9); doch fragt es sich, inwieweit man vom Königsschloß,
das hier genannt ist, auf andere Bauten schließen soll. Dagegen ist wohl
die Überlieferung glaubwürdig, daß bei der Besiedelung des Aventin durch
die Lex Icilia im Jahre 455 v. Chr. die Plebejer sich hier Häuser bauten,
bei denen die Untergeschosse in andern Händen waren als die Obergeschosse10).
Andere Erwähnungen oberer Stockwerke fallen in die Jahre 218 und 186
v. Chr.11). Da man, nach Varros Angabe12), in diesen Oberstock zunächst
proereant eas et ahmt mfundenteaque umidos 7) Carm. I 4, 14.
Wpirüua paliore Volumina eorrumpunt. Vgl. 8) Das Stockwerk heißt im allgemeinen
ebd. I 2, 7; VI 10 (7), 3. bei Bauwerken tabulatum, Caes. bell. Gall.VI
') Vgl. Friedländer Sittengeschichte5 III 29; bell. civ. III 9. Vitr. X 19 (13), 6; auch
270 f. contit/natio. das ursprünglich Balkendecke be-
2) Plin. XXXV 4. Vitr. VI 8 (5). 2. Varr. deutet (so besonders häufig bei Vitruv), s.
r. r. I 59, 2 erwähnt, daß die Pinakotheken Caes. b. c. II 9, Liv. XXI 62, 3. Vitr. II 8, 17.
bisweilen auch als Speisezimmer benutzt ■) Liv. 141,4 von Tanaquil: ex. auperiore
wurden.
3) Vitr. VI 5, 8: pinacothecae uti exedrae
amplis magnitudinibus sunt conatituendae.
4) VI 7 (4), 2: non minus (ad septentrio- btunSaa zum Volke.
parte aedntm per fenestras in Novam Viam
veraas popuhtm adloquitur; ebenso spricht
bei Dion. Hai. IV 5, 1 die Königin i«& trvQtot»
nem spectent) pinacothecae et plutnariorum
te.rtrina p/ctonnn>pie of/icinae,)tti coloreseonun
in opere propter constantiam luminia inmu-
tata permaneant qualitate. Cf. I 2, 7; VI 10
(7), 3
10) Dion. Hai. X 32, 5: etat d'o't ovvdvo xai
ovvtQEtg xai en mLeiovs avviövreg olxiav xar-
80xevd£orro [liav hegcov per ra xaidysia Xay-
Vav6vX<OV, KTFOIOV 6? TU VTtFOÜm.
11) Liv. XXI 62, 3: foro boario borein in
5) Dergleichen Anlagen für gymnastische [ tertiam eontignationem sua aponte eaeendiase
Zwecke waren freilich mehr in den Villen ' atque tnde tttmutiu habüatorum territtnn seae
als in den städtischen Wohnhäusern zu finden, deiecisse. Id. XXXIX 14. 2: eenacuhtm auper
vgl. Varro r. r. II praef. 2. i aedea dotum tat aeolia ferenHbus in publicum
6) Marquardt 222; vergl. die eingehende obaeratia.
Schilderung bei Friedländer a. a. 0. III 78 ff. | 12) Varr. 1. 1. V 162: poateaquam iv mpe-
56
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
die Speisezimmer verlegte, so erhielten die Räume überhaupt den Namen>
cenacida und behielten ihn bei, auch nachdem ihre Bestimmung vielfach
eine andere geworden war1). Denn es war sehr gewöhnlich, daß Haus-
besitzer bloß das untere Stockwerk selbst bewohnten, das obere aber ver-i
mieteten2). Natürlich erforderten solche mehrstöckige Häuser einen
solideren Unterbau als die bloß einstöckigen, obschon die oberen Stock-
werke meist sehr leicht und unter reichlicher Verwendung von Holz
erbaut waren3).
Den Zugang zu diesen Obergeschossen vermittelten ursprünglich einfache
Leitern, scalae, welche Benennung auch blieb, als man statt ihrer Treppen
anlegte4), die freilich vielfach nicht besser als Hühnersteigen waren, indemf
an Stelle der Sprossen lediglich Bretter traten5). Das antike Mietshaus
kennt aber für gewöhnlich keine gemeinschaftliche Treppe wie das mo-
derne; war der Oberteil des Hauses getrennt und besonders vermietet, ,
so hatte er auch seine besondere Treppe, die sehr häufig direkt von der
Straße her hinaufführte6). Das Material der Treppen war vielfach nur Holz,;-
sonst auch Ziegelbau oder Stein7). Wie man in Pompeji sieht, waren siea
nicht sehr bequem; die Holztreppen entbehren meist der Verschalung, auch]
die aufgemauerten sind sehr steil und schmal8). Fenster (fenestrae)9'n
hatten die oberen Stockwerke sowohl nach innen zu, wenn sie um einen'
Hof herum aufgeführt waren, als nach der Straße zu, während der Unter-?
riore parte coenitare coeperunt, superioris
dorn hs untrer sa coenacula dicta.
1) Fest. 54, 6 : coenacula dicuntur , ad
quae scalis ascenditur. Daher in den Glossen
cenaculum als vjieqöjov oder drcoyscov, aber
auch als ÖEuiviarriQiov oder diaira erklärt, s.
Corp. Gloss. VI 197. Vgl. Plaut. Amph. 863.
Cic. de lege agr. II 35, 96. Hör. ep. 1 1, 91. Liv.
XXXIX 14, 2. Vitr. II 8, 17. Quint. VI 3, 64.
Suet. Aug. 45. Daß die cenacula auch als
Gast- und Fremdenzimmer dienten, scheint
aus Suet. Aug. 78 hervorzugehen. Später ist
der Begriff so erweitert, daß auch einzeln,
z. B. im Garten gelegene kleinere, besonders
vermietete Räume cenacula heißen , Digg.
VIII 2, 41.
2) Das sind cenacula meritoria, Suet.
Vitell. 7. auch bloß meritoria, luv. 3, 234.
Digg. VII 1, 13, 8. Vgl. luv. 10, 18. Petron.
38, 10.. Mart. I 108, 3. Daher cenacularius,
der Mieter einer solchen Wohnung, Digg. XIII
7, 11, 5; cenaculariam exercere von dem, der
einen Erwerb daraus macht, ebd. IX 3, 5, 1.
An pompejanischen Häusern finden sich ge-
malte Aufschriften, in denen cenacula mit Zu-
behör (tabernae , pergulae u.dgl.) zur Ver-
mietung angezeigt werden, CIL IV 138 {ce-
nacula equestria, wohl eine elegantere Miets-
wohnung „für Herrschaften"); ebd. 1136; I
1341. Auf einem Aushängeschild, dessen Dar-
stellung auf Wasser bezüglich ist, wird ein
Mietsobjekt angeboten, nach Sieveking R M.
XXI (1906) 89 ff. ein Nymphaeum, das Schöpf-
gefäße u. dgl. ausleiht.
3) Vitr. II 8, 17: itaque pilis lapidea
structuris testaceis parietibus caementiciis alM
titudinis extructae et contignationibus crebrim
coaxatae coenaculorum ad summas utilitates
perficiunt dispertitiones.
4) Siehe Liv. a. a.O. (oben S.55 A. 11). Hör.
ep. II 2, 15. luv. 7, 118. Mart I 117, 7; VII 20,
20. Eine besondere Art waren die scalae
Graecae'- nur auf solchen durfte die Gemahlin
des Flamen Dialis mehr als drei Stufen er-
steigen, Gell. X 15, 29; der Grund war, wie aus
Serv. ad Aen. IV 646 hervorgeht: ne ulla pars
peduin eins crurumve subter conspiceretur, sie
waren also weniger steil, als die gewöhnlichen.
5) Nissen 602.
6) Das zeigt das oben S. 55 A. 11 erwähnte
Prodigium, auch ein anderes Liv. XXXV 1 37,
2 erwähntes: boves duos domitos in Carinii
per scalas pervenisse in tegulas aedificii.
Dann die Geschichte von der Hispala, Liv.
XXXIX 14. Vgl. Digg. XLIII 17, 3, 7 • 9» cena-
culum ex publico aditum habeat.
7) Eine 1,50 Meter breite Marmortreppe
Not. d. scavi 1878, 28; eine Travertintreppe in
Ostia ebd. 88. Oft sind die untersten Stufen
der pompejanischen Treppen von Stein, wäh-
rend die oberen von Holz waren. O verbeck 506.
8) Nissen a. a. O. Vitr. IX 2, 8 gibt Vor-
schriften für Anlage einer Treppe mit mäßiger
Steigung.
9) Becker-Göll 312. Nissen 639. Er-
wähnt werden sie öfters, vgl. Plaut. Rud. 88;
Casin. 132 u. s.
Erster Abschnitt. Das städtische Wohnhaus.
57
lock solcher meist entbehrte 1). Von ihrer Bauart und Verschluß wird
mten (s. den III. Abschn.) noch zu sprechen sein.
In Pompeji sind die obern Stockwerke meist zerstört, doch läßt sich
Ir ehemaliges Vorhandensein vielfach noch feststellen, und in einigen
allen ist es gelungen, sie bei den Ausgrabungen durch Einsetzung neuen
lolzwerks zu konservieren. Wir sehen daraus, daß sehr häutig nur ein
leil des Hauses, in der altern Periode die um das Peristyl, später die um
las Atrium herum belegenen Räume einen zweiten Stock hatten, mit Fen-
|:ern nach innen und außen2). Diese oberen Räume sind aber meist sehr
lein und unansehnlich; sie haben oft wohl den Sklaven als Schlafzimmer
Bedient, wenn sie nicht an die Ladeninhaber des Unterstocks vermietet
raren (s. unten). Eine eigentümliche Erweiterung erfuhr das obere Stock-
rerk mitunter durch einen in die Straße hinausgebauten Erker3), ein
pgenanntes Maenianum*); eine Einrichtung, die in der Hauptstadt häufig
jorgekommen zu sein scheint, weil hier der hohe Preis des Baugrundes
kne solche Erweiterung des Areals wünschenswert machte5). Da dies aber
ift zu Unzuträglichkeiten führte, indem den Nachbarn dadurch das Licht
[eeinträchtigt wurde6), so wurden die Maeniana in der Kaiserzeit mehr-
lich durch Edikte verboten oder eingeschränkt7). Hatte der Oberstock
[in flaches Dach, so diente dies unter der Bezeichnung solarium als Er-
olungsplatz 8), der wohl auch mit gartenartigen Anlagen geschmückt9)
Ider mit einem Dach gegen die Sonnenstrahlen versehen wurde10).
J) Vgl. die Geschichte von der Tanaquil, ! den Gladiatorenspielen zuschauen könne, s.
ben S.55 A.9, ferner Prop. V (IV) 7, 15: iamne
\bi exciderunt vigilatis furta Suburae | et
uea nocturhie trita fenestra dolls? Per quo»
\emisso quotiens tibi fune pependi. luv. 3,
70: (i. 81: altae caJiqantesque fenestrae.
lart. I 86. 2; VIII 14, 5;* IX 46, 3; XI, 61, 3.
.pul. met. IX 42. Daß aber in Rom doch
ie Erdgeschosse vielfach Fenster hatten,
eweist Hör. Carm. I 25, 1 : partim hmctae
iKitimit feneefrae \ iacttbus crebris iuven.es
motervij ferner Plin. XIX 59: iam in fene-
trü suis plebs urbana imagine hortorum
Dtidiana ocuiis rura praebebant, antequam
raefigi prospectus omnis coegit multitudinis
nnumerae saeva latrocinatio, denn die Un-
icherheit der Straßen nötigte doch nur zum
^erschließen der Fenster im Unterstock. Vgl.
lart. XI 18, 3 mit der Anm. von Friedländer.
Die von Becker-Göll a. a. 0. zitierten Stellen
,iv.XXIV21, 8. Vitr.V 6, 8 beziehen sich
,uf griechischen Brauch).
2) Overbeck 265 f. Mau 280; 288.
3) Ein sehr interessantes Beispiel ist er-
lalten in der soe. Casa del balcone pensile,
)verbeck 266 f. mit Fig. 145. Mau 281 Fig.
44. Auch auf architektonischen Wandgemäl-
len kommen solche Vorbauten vor, s. Zahn
)ie schönsten Ornamente II 73.
*) Vgl. Becker-Göll II 287. Lafaye bei
3.-S.I I 1493.
6) Ursprünglich hießen Maeniana die Gale-
ien und Balkone, die der Zensor L. Maenius
ber den alten Tabernen am Forum anbringen
ieß (318 v. Chr.). damit man von da aus
Fest. 134 b, 22: Maeniana appellata sunt a
Maenio ceneore, qui primua in foro ttUra
columnas tigna proietit , quo ampliarentur
superiora spectacula. Vitr.V 1,2. Isid. XV
S, 11; vgl. Richter Topogr. v.Rom 85. Gilbert
Gesch. u. Topogr. d. St. Rom III 206; 213 A. 1.
Im weiteren Sinne werden dann alle derartigen
Vorbauten (proiecta) so benannt, vgl. Digg.
L 16, 242, 1. Inschriftl. CIL III 14322. 4.
6) Vgl. Digg. VIII 2, 20; XLIII 8, 2, 6.
7) Amm.Marc.XXVII9, 10 aus dem Jahre
368 n. Chr. : (Praetextatus) et Maeniana sus-
tiilii otnnia, fdbricari Botnae prüde quoque
petita legibus. Cod.lust.VIII10.il: Maeniana,
quae Graeci Ifcüoras appeüant.
8) Plaut, m. gl. 340 : neque solarium neqtte
hortum, nisi per iwplurixm (cf.ib.378). Macr.
114,14. SuetClaud. 10. Isid. XV 3, 12: so-
laria quia patent soli. Verwandt damit waren
die solar ia, die sich auf den von Nero vor den
insulae und Privathäusern erbauten Portikus
befanden, Suet. Nero 16: excogitavU, ut nute
insulas ac domos porticus essent, de guarum
solariis incendia areerentur (vgl.Tac.ann.XV
33). Bekanntlich stammt davon unser deut-
scher „Söller".
9) Senec. exe. controv.V 53: in eummie
euluminibus mentita nemora et navigabilium
piecinarum freta. Senec. epist. 122, 8: mm
vivunt contra natura»!, qui poinaria in eum-
mie fnrrihus eerwntf quorutn tifaae in teetie
domorum ac fastigiis nutant, indc (»-tis ra-
dieibue, quo improbe eaeumina egteeent?
"') CIL VI 10234 (bei einer aedicula cum
58
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
In Pompeji wird, wie in andern Kleinstädten, für gewöhnlich wohl
nur ein Oberstock aufgesetzt worden sein1). Dagegen wurden zumal di&
Mietshäuser in Rom recht hoch (wenn auch nur nach antiken Begriffen)
gebaut2) und mehrere Stockwerke aufeinander gesetzt3). Das führte zu
Verordnungen, welche die zu bedeutende Höhe der Häuser einschränken
sollten: Augustus normierte da, wo die Häuser an eine Straße stießen, ihre
Höhe auf siebzig römische Fuß4), und Trajan soll sie sogar auf sechzig
Fuß herabgesetzt haben5), sodaß die Zahl der Stockwerke wohl selten über
vier hinausgegangen sein wird. Die Häufigkeit der Häusereinstürze, über
die geklagt wird6), ist daher mehr dem schlechten Material der auf Speku-
lation gebauten Mietshäuser, als ihrer Höhe zuzuschreiben. Dagegen mögen
Häuser, die frei lagen und vom Verbot nicht betroffen wurden, erheblich
höher gebaut worden sein7).
Ein größerer Komplex von Mietshäusern, der etwa dem entsprach,
was wir heut ein Straßenviertel nennen, hieß insula8), im Gegensatz zur
domus9). Die Besitzer solcher umfangreicher Mietshäuser, die domini im
sularum10), machten damit gute Geschäfte11); sie ließen die Verwaltung und
das Eintreiben des Mietzinses durch ihre insularii oder procuratores insm
larum12) besorgen.
Wie die Mietshäuser, und besonders deren obere Stockwerke, dem Er-
werbe dienten, so auch die in den Erdgeschossen angebrachten Verkaufs-
pergula ist ein solarium tectnm iunctum, in
quo populus collegi s. s. epuletur); XII 5388;
beim Grabe, mit Rosen- und Weingarten,
ebd. XI 3895.
') Häuser, bei denen auf ansteigendem
Terrain mehrere Stockwerke übereinander zu
liegen kommen, dürfen dabei nicht in An-
schlag gebracht werden ; so die dreistöckigen
Häuser Overbeck 366. Mau 364.
2) Vitr. II 8, 17: ergo moenibus e con-
tignationibus variis alto spatio multiplicatis
populus Romanus egregias habet sine inpe-
ditione habitationes. Schon zu Sullas Zeit
wurde hoch gebaut, s. Cic. de off. III 16, 66.
Val.Max.VIII2, 1. Q. Rutilius Rufus hielt
sogar eine Rede de modo aedificiorum, Suet.
Aug. 89.
3) Vgl. Senec. controv. II 9, 1 1. luv. 3, 669 ;
6, 31. Stat. silv. IV 4, 14. Plin. III 67. Digg.
XLIV7.5, 5. Martial wohnte im dritten Stock,
I 118, 7; ein von ihm Verspotteter sogar, wie
er VII 20, 20 übertreibend sagt, per ducentas
scalas (nicht Stufen, s. Friedländer ebd.).
4) Strab. V235: (6 2'eßaozog KaToag) jzgög
zag ov/LiJzzwoeig zä vy>t) zwv xaivcöv olxodofirj-
fiäzaiv xadtXoiv xal xoiXvaag i^aigeiv jzodcöv
fßdo/ir'jxovia zä ngog zalg 68olg zaig örjfiooiaig.
5) Aurel. Vict. epit. 13: statuens ne do-
rn ornm altitudo sexaginta superaret pedes,
ob ruinös faciles.
6) Friedländer a. a. 0. 24 f.
7) Vgl. ebd. 6 f.
8) Fest. 111, 5: insulae dictae pi-oprie,
quae non iunguntur communibus parietibus
rinn meinte, circuituque publico auf privato
cinguntur; vgl. Cic. p. Cael. 7, 17. Das Wort?
bedeutete ursprünglich ein einzeln stehendes
Haus oder Hauskomplex, dann das Miethaus,
in dem eine Anzahl Familien oder Gewerbe-
treibender beisammen wohnen; gegen Aus-
gang der Kaiserzeit hat es noch eine andere
Bedeutung, nämlich Komplexe von Miets-
wohnungen oder Mietsräumen, von denen erst
mehrere ein Haus ausmachten, vgl. Richter
Hermes XX (1885) 91 ff. und Topogr. 380.
Humbert bei D.-S. III 546.
9) Insulae und domus, als Mietshäuser
und Privathäuser, werden einander schon früh
gegenüber gestellt, vgl. Senec. de benef. VI
15, 7: quantum nobis praestat, qui labentem
domum suscipit et agentem ex imo rimas
insulam incredibili arte susp>endit? Tac. ann.
XV 41. Suet. Nero 16. In den Regionsver-
zeichnissen werden domus und insulae be-
sonders gezählt; da das Verhältnis dabei wie
1 : 25 bis 30 ist, sind die insulae jedenfalls
nicht Häuserviertel , sondern im oben er-
wähnten Sinne zu verstehen. Vgl. Prellkk
Regionen d. St. Rom 86 ff. Becker-Göll 219 ff
Richter a. a. O.
10) Suet. Caes. 41 ; Tib. 48.
") Vgl.Plut.Crass.2.Mart.IV37,4. Digg
XIX 2, 30: qui insulam triginta conduxerat,
singula cenacula ita locavit, ut quadraginta
ex omnibus colligerentxr.
12) Petron. 95.8; 96,4. Digg. I 15, 4: VII
8, 16, 1. Auf Inschr. sind insularii häufig,
s. Marquardt 162 A. 7; auch supra insulas,
ad insulas, CIL VI 2927; 3973; vgl. noch
8855 f.: 9479 ff.
Erster Abschnitt. Das städtische Wohnhaus.
59
lid Arbeitsräume. Die Verkaufsläden führten den Namen tabernae,
peßen also ebenso, wie die ursprünglich als Verkaufsplätze üblichen höl-
rnen Buden, wie sie in Rom in alter Zeit auf dem Forum standen und
ch in der Kaiserzeit, als sie von hier längst verschwunden waren, die
raßen der Hauptstadt verengten1). Diese Läden dienten, wenn der Haus-
sitzer selbst ein Gewerbe betrieb, ihm zum Verkauf seiner Waren;
ufiger noch waren sie an Gewerbtreibende vermietet und standen dann
leistens mit einigen Zimmern des Hauses, besonders des Oberstockes,
ie dann von den übrigen Räumen abgetrennt waren und dem Laden-
lhaber als Wohnung dienten, in Verbindung 2). In Pompeji sind Läden
1 den Hauptverkehrsstraßen sehr häufig3); sie sind auch fast immer
lit Zimmern des Erdgeschoßes oder des Oberstockes verbunden4). Was
ire Einrichtung anbetrifft, wofür als Beispiel der hier in Fig. 20 ab-
ebildete Grundriß dienen mag5), so haben sie einen breiten Eingang
1) von der Straße her (bisweilen auch
ach den fauces hin), der nachts durch
Iretter verschlossen wurde, die unten
a der Schwelle und oben im Türsturz
q Rillen liefen und etwas übereinander
griffen (vgl. Fig. 21)6); an dem einen
Cnde befand sich dann noch eine kleine,
e Angeln gehende Tür. Im Innern steht
er meist aufgemauerte und mit einer
darmorplatte bedeckte Ladentisch (2),
ler so nahe an die Schwelle gerückt
st, daß der Käufer von der Straße aus
lirekt an ihn herantreten kann; zwischen
hm und der andern Seite des Eingangs
leibt ein offener Zugang, durch den
Käufer den Laden selbst betreten
:onnten. Dieser Tisch ist meist recht-
vinklig; große Tongefäße sind darin eingemauert, die die Waren (in Gar-
üchen die Speisen, sonst die Vorräte an Früchten, Getreide, Mehl, Öl usw.)
lufnahmen. An der an die Eingangsmauer anstoßenden Seite des Laden-
isches befindet sich oft ein treppenartiges Gestell zum Aufstellen von
llaßen, Gefäßen, Geräten u. dgl.; am Ende des innen gerichteten Schenkels
Fig. 20.
Grundriß eines Verkaufsladens in Pompeji.
I1) Vgl. Gilbert Topogr. III 202 ff. Richter
Topogr. 85. Jordan Topogr. I 1, 501 ; 2, 378 f.
3ecker-GöllII282. Friedländer Sittengesch.
: 8 f.
2) Cic. ad Attic. XIV 9, 1: tabernae mihi
luac corruerunt rcliquaeque rimas agunt ;
'taque non sölum inquilini, sed mures etiam
nigraverunt. Id. Phil. II 9, 21: nisi sc Ulv
n scalas tabernae librariae coniedsset. Suet.
!Jero 37: Salvidieno Orfito obiectum est quod
'abernas tres de domo sua circa forum ciri-
atibus ad Stationen* locasset. Dig. XXXIII 7, 7:
abernam cum cenaculo Pardufae manumissae
'estamento legaverat cum mercibus et instru-
menta. Auf dem kapitolinischen Stadtplan
sind an einigen Häuserplänen solche Ta-
bernen, die neben den Haustüren liegen, deut-
lich erkennbar, s. Jordan Forma urbisFig. 1 14.
s) Vgl. Overbeck 376 ff. Mau 285 f., Bei-
spiele Overbeck 328 f.; 360. Mau 295; 300;
329 u.s.
4) In den oben S. 36 A. 2 erwähnten In-
schriften werden daher tabernae und cenacula
zusammen zur Vermietung ausgeschrieben.
5) Nach Overbeck 377^ Fig. 182. Mau 285
Fig. 147 ; Rekonstruktionsversuch (nach Mazois
II 8) Overbeck Fig. 183. Mau Fig. 148.
6) Nach Overbeck 378 Fig. 184 u. 185.
60
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
des Tisches häufig eine Feuerstelle (3). Unser Beispiel zeigt auch die
nach den Zimmern des Oberstocks führende Treppe (4) und hinter dem
Laden zwei kleine Hinterzimmer (5). — Diese Läden sind in den älteren
^Ö
Fig. 21. Ansicht und Grundriß eines verschiebbaren Ladenverschlusses
aus Pompeji (nach Gipsabguß).
Bauten Pompejis sehr hoch (4,80 — 5,80 Meter); doch waren sie (etwa in der
Höhe von 3,80 Meter) durch einen Zwischenboden geteilt, der sich zwar nir-
gends mehr erhalten hat, von dem sich aber die Spuren des Balken-
werkes erhalten haben und der jedenfalls durch ein Geländer nach der
Straße zu abgeschlossen war1). Nach einer ansprechenden Vermutung2)
führten diese Oberräume, zu denen vom Laden aus eine Treppe empor-
führte, den Namen pergula, der sonst auch mancherlei andere Bedeutungen
hat3), mehrfach aber in Verbindung mit tabernae vorkommt4). In den
1) Mau a.a.O.; vgl. ebd. 302 Fig. 157 die
restaurierte Fassade vom Hause des Fauns,
wo dies Geländer angegeben ist.
2) Mau R.M.II (1887) 214, wo die Be-
deutungen des Wortes pergula: besprochen
werden; danach ders. Pompeji 286.
3) So z. B. Laubengänge in den Wein-
gärten, s. Becker-Göll III 78. Sonst bedeutet
es in der Regel einen nach vorn offenen Vor-
bau eines Hauses oder einer Taberne, so bei
Schulzimmern, luv. 11, 136. Suet. de gramm. 18;
ferner in Bordellen, Plaut. Pseud. 214 u. 229.
Namentlich waren solche pergulae bei den
Ateliers der Maler, die darin ihre Bilder den
Vorübergehenden zur Schau stellten, Plin.
XXXV 84: idem (Apeiles) perfecta opera pro-
ponebat in pergula transeuntibus. Lucil. bei
Lactant. inst. I 22, 13 (Frg. XV 10 Müller):
pergula pictorum, veri nihil, omnia ficta.
Fronto ad M. Caes. IV 12 (p. 74 Nab.) : scis ut in
Omnibus argentariis mensulis, perguleis, taber-
neie, protecteis (wofür wohl besser proiecieis
zu lesen ist, cf. Digg. L 16, 242, 1), vestibulis,
fenestris . . . imagines vestrae sint volgo pro-
positae. Cod. Theod.XIII 4, 4: (picturae pro-
fessores) pergulas et officinas in loci* publicis
sine pensione obtineant; vgl. Digg. V 1, 19, 2.
Wenn diese pergulae, die ungefähr unsern
Schaufenstern entsprechen, von Wirkung sein
sollten, so mußten sie zu ebener Erde sein;
hingegen deutet auf höhere Lage der pergula
die Stelle Digg. IX 3, 5, 12: nam et cum
pictor in pergula clipeum veltabulam expositam
habuisset eaque excidisset et transeunti damni
quid dedisset, falls nicht hier etwa über der
pergula angebrachte Ladenschilder (in Me-
daillon- oder Tafel form) gemeint sind. Eine
pergula an der Bude eines Wechslers erwähnt
Plin. XXI 8. Vgl. im allgemeinen noch Mar-
quardt 93 A 2. Becker-Göll 288. Lafaye
bei D.-S. IV 392 f.
4) In den oben S. 56 A. 2 erwähnten In-
schriften tabernae, pergulae, ceuacula und
tabernae cum pergulis suis et cenacula, vgl.
Erster Abschnitt. Das städtische Wohnhaus.
61
Bauten der späteren Periode sind die tabemae niedriger und an Stelle
| der Zwischenböden treten ebenfalls niedrige, gegen die Straße geschlossene
Zimmer, die oft von der Straße aus direkt durch eine Treppe zugänglich
sind und vielleicht auch pergulae genannt wurden1). Häufig waren außen
an den Läden Inschriften angebracht, die als Ladenschilder die Waren des
Inhabers empfahlen2); bisweilen wurde diese Empfehlung noch durch ein
Relief unterstützt, auf dem die Hantierung des Ladeninhabers oder Beine
Erzeugnisse dargestellt waren3), vgl. das Schild eines Metzgers Fig. 22 4).
Endlich muß
noch erwähnt
werden, daß Kel-
ler (hypoyea) sehr
selten erwähnt
werden5); inPom-
peji kommen sie
auch nur verein-
zelt vor6).
Um von den
besprochenen
Räumen und ihrer
Anordnung im römischen Wohnhause eine bessere Vorstellung zu geben, fügen
wir zum Schlüsse die kurze Beschreibung einiger pompejanischer Häuser hinzu.
Fig. 23 ist die sogenannte Casa di Modesto 7) ; es ist ein einfaches Haus, das
in der ersten Zeit der römischen Kolonie mit Benutzung von Teilen eines
älteren Hauses erbaut ist. Es grenzt an zwei Straßen ; an der einen liegt das
oxtium mit den fauces 1, durch die man das Atrium 2 mit dem Impluvium 3
betritt; 4 sind zwei Zisternenmündungen. Links im Atrium führt eine
Treppe 5 zu einem Oberstock. Von den Zimmern ist 6 vielleicht ein cttbi-
cii/ioh, 7 ein triclinium; 8 ist wohl eine Sklavenzelle, 9 ist die Küche
mit Herd und Abtritt, 10 ein mit dem Haus in Verbindung stehender
Fig. 22. Ladenschild eines Metzgers (Relief).
Mau 507 f. Vgl. Digg. V 1, 19, 2 : sl tabernulam,
pergulam, horreum, armarium, officinam con-
äuxit, und CIL III 14322, 4.
1) So ebenfalls nach der Vermutung von
Mau, weil natus in pergula eine sprichwört-
liche Bezeichnung für einen in dürftigen Ver-
hältnissen Aufgewachsenen ist, Petron. 74, 14.
Bei Auson. epist. 4, 6 (p. 245 Peiper): vilis
harundineis cohibet quem pergula tectis be-
deutet es soviel als Hütte.
2) Solche Inschriften sind allerdings nicht
an Ort und Stelle angebracht gefunden worden,
aber diese ihre Bestimmung geht aus dem
Wortlaut hervor, z.B. CIL VI 9556: X 7296.
3) Sicher haben verschiedene der Reliefs,
die Szenen des Handwerks und Handels
darstellen (Jahn BSGW 1861, 291 ff.), als
Ladenschilder gedient; die meisten sind frei-
lich Grabreliefs. In Pompeji waren öfters
an den Pfeilern der Ladentüren solche Aus-
hängeschilder und Ladenzeichen aus Ton ein-
gelassen oder aufgemalt, z. B. eine Ziege für
einen Milchhändler, ein Maultier mit Mühle
bei einem Bäcker, Männer mit einer Amphora
bei einem Weinhändler, s. Overbeck 379. Ein
Tabernenschild mit Inschrift ist aber in Pom-
peji nicht gefunden worden.
4) Nach Jahn a. a. 0. 353.
5) Vitr. VI 11 (8) 1: hypogea concamera-
tionesque. Isid. XV 3, 12: ht/pogeum est ean~
strnetum stih terris aedificium, doch ist damit
eine unterirdische Anlage, aber kein Keller
gemeint.
6) So in der Casa del Centenario, die
zwei hat, davon der eine in mehrere Räume
geteilt, Mau 275: in der Villa des Diomedes,
wo der Keller (mit kleinen Fenstern) auch
als Weinkeller diente; man fand hier die
Skelette einiger hierher geflüchteter und um-
gekommener Hausbewohner, s. ebd. 38 1 . Over-
beck 22 Fig. 4; 375. Andere ebd. 269; 281;
284: 333. Becker-Göll 284.
7) Nach Overbeck 273 Fig. 151.
62
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
Fig. 23. Grundriß der Casa di Modesto in Pompeji.
Laden, dessen Tisch die oben erwähnte Feuerstelle aufweist; es wurd<
also hier vermutlich warme Speisen oder Getränke verkauft. — Fig. '
ist das sog. Haus des Chirurgen (so benannt nach dort gefundenen chiru
gischen Instrumenten)1); es ist dies das einzige im Grundriß vollständ
erhaltene Haus aus d
Zeit der Kalkstei
atrien, also sicher v
200 v. Chr. erbaut.
Links liegen die eigen
liehen Wohnräume
durch die fauces 1 b
tritt man das tuskar
sehe Atrium 5, um d
herum verschieden«
Zimmer liegen, mit
bezeichnet; 2 ist e
mit dem Atrium
Verbindung stehend
Laden, in dem also der Besitzer seine Waren feilhielt. Hinten schließ«
sich an das Atrium das tablinum 7 und die alae 8 an; 9 und 10 sii
wohl Speisezimmer, die von den alae aus zugänglich sind. Aus dem tablinu
gelangt man in eine Portikus 16, an die sich das Gärtchen 20 anschlieü
Links liegt hier ein kleines Schlafzimmer 21, rechts das nach dem Gart«
zu sich öffnende Zimmer (Sommertriclinium?) 19, bei dem die Treppe ]
zu einem über dem hintern Teil des Hauses befindlichen Oberstock fühl
Weiterhin folgt ein kleines Zimmer 17, dann die Küche 13 (mit dem A
tritt a); daneben führt ein schmaler Gang zu einem zweiten Abtritt ]
und zur Hintertür 14. Der Küche gegenüber der Raum 11 ist vielleid
eine Vorratskammer; der schmale Gang 12 führt teils zu den alae zurü(
(wohl zum Verkehr für die Dienerschaft), teils zu dem fensterlosen Raum '
und dem unbedeckten Platze 22, in den das Regenwasser von den Däche:
abfloß, das dann auf geneigtem Boden durch eine Rinne nach der Strai
abgeführt wurde. Ganz außer Zusammenhang mit dieser Wohnung ste'
der Laden 3 mit dem Hinterzimmer 4; eine Treppe führte zu Zimme]
im Oberstock. Mehrere Räume des Hauses entstammen einem Umbau di
ursprünglichen Anlage; das Speisezimmer 10 war ursprünglich, wie
quadratisch und ist erst später verlängert worden; die Portikus 16 öffne
sich früher in der ganzen Breite des Atriums auf den Garten, der ebei
falls noch größer war, und ihr Dach wurde von vier Pfeilern getrage
von denen, als man hier die Treppe 18 und die Zimmer 19 und 21 ai
legte, nur noch einer stehen blieb. Ein Peristyl fehlt noch. — Fig. £
ist das sog. Haus des Fauns (so benannt nach einer dort gefundene
Bronzestatuette)2). Es ist ein vornehmes Haus aus der Tuffperiode, i:
2. Jahrh. v. Chr. erbaut und fast ganz so erhalten. Es ist an allen vi<
') Nach Overbeck 279 Fig. 155; vgl. Mau
290 Fig. 149.
Fig. 155.
Nach Overbeck347 Fig. 177. Maü3(
Erster Abschnitt. Das städtische Wohnhaus.
68
dt
Seiten von Straßen umgeben und hat nach der einen Strafte zu Läden 1 — 4,
von denen 1 und 2 mit dem Innern des Hauses in Verbindung stehen, 8
und 4 abgetrennt sind und Zimmer im Oberstock hatten, zu denen Treppen
hinaufführen; zum Laden 1 gehört noch ein kleines, auch auf das Atrium
mündendes Nebenzimmer 5. Das Haus vV v ,-..
seihst hat zwei Atrien. Zu dem einen,
einem Atrium tetrastylum 7, führt das
ogtium 6 mit den fauces; seitlich von
diesen liegt eine Kammer 8, mit Treppe
zum Oberstock; der Raum 9, vom Atrium
aus zugänglich, ist vielleicht die Cella
des Ostiarius. Um das Atrium herum
liegen verschiedene Räume: 10 wohl ein
Schlafzimmer (auch vom andern Atrium
ans zugänglich), 11 eine seitliche ala,
die als Durchgang zum andern Atrium
diente, ihr gegenüber die zweite ala 14,
rechts davon die Schlafzimmer 13, vom
Atrium aus betretbar, und 12, nur von
13 aus zugänglich und durch ein Fenster
von der Strafte her beleuchtet; links
das /immer 15. An der Rückseite des
Atriums führt der Gang 16 in das Peri-
styl; 17 ist ein zu den Wirtschafts-
rä innen führender Durchgang mit zwei Treppen zum Oberstock und daneben
die Sklavencella 18 mit Fenster nach der Strafte. Ein langer Gang 19, durch
Fenster vom Peristyl her erleuchtet, führt nach dem Gartenzimmer 43;
rechts liegen an diesem Gange die Kammer 20, der Abtritt 21, die beiden
Badezimmer 22 und 23 mit Fußbodenheizung von der Küche 24 her, end-
lich das Triclinium 25, mit weiter Öffnung auf den Garten hin und einer
Tür zu der daneben gelegenen Exedra 43. An der Mauer der Küche führt
wieder eine Treppe ins Obergeschoß. — In das zweite Atrium 27, ein
tuskanisches, führt von der Straße her der Eingang 20, mit vestibulum <>
und out ium d. Im Atrium liegt rechts ein Schlafzimmer 28, links außer
dem erwähnten Zimmer 5 die Schlafzimmer 31 und 32, hinten die alae 29
und 30, letztere mit weiter Öffnung nach dem ersten Atrium hin. Das
tablinum 33 ist vorn ganz offen, hinten durch eine niedrige Brüstung gegen
das Peristyl gesperrt. Daneben das Zimmer 34 ist vom Atrium aus zu-
gänglich, vom Peristyl durch eine Brüstungsmauer getrennt, und war viel-
leicht ein Sommertriclinium; auch der entsprechende Raum 35 auf der
andern Seite war wohl ein Speisezimmer, diente aber zugleich als Zugang
vom Atrium zum Peristyl 36. Dieses wird von 24 ionischen Säulen ge-
tragen; in der Mitte liegt ein Marmorbassin. Vom ersten Atrium führen
die fauces 16 ins Peristyl; daneben liegt ein Schlafzimmer, das vom Peristyl
aus zugänglich ist. Rechts und links begrenzen Mauern das letztere;
hinten liegt die Exedra 37, die gegen das Peristyl zu offen ist, mit
twei Säulen als Trägern der Decke, vom Garten durch eine Brüstungs-
Fig. 24. Grundriß des Hauses des OMtfBgWH
in Pompeji.
64
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
mauer geschieden; hier wurde das berühmte Mosaik der Alexanderschlac
gefunden. Den Zugang zum zweiten Peristyl 39 vermittelt der Gang l
Die Gartenanlage umgeben 44 dorische Säulen; bei 40 und 41 befind
sich Zisternenöffnungen. Auf das zweite Peristyl öffnet sich der oecus 4
W$tWmmmM$&M
Fig. 25. Grundriß des Hauses des Fauns in Pompeji.
ein kleineres Gemach 43, schon oben als Gartenzimmer erwähnt, liegt neb
den fances 38, ein andrer Saal 44 neben der Exedra. Kleinere Zimm
45, 46 liegen an der Rückwand dieses Peristyls und waren wohl für (
Dienerschaft bestimmt; 47 ist die postica; 48 a und b sind wie die d
zwischen belegene Nische 49 über dem Boden erhöht und waren nur dur
Holztreppen zugänglich; 48 a war eine Vorratskammer.
Die Sorge für das Haus und die einzelnen Räumlichkeiten1), für (
Sauberkeit und Ordnung war verschiedenen Sklaven anvertraut, der
Zahl mit der Größe des Hauses wuchs und zumal in den Kaiserpaläst
sehr beträchtlich war. Der wichtigste Posten war der des atriensis
Ursprünglich wohl nur der Sklave, der im Atrium die Herrschaft bedien
war daraus mit der Zeit eine Art Haushofmeister geworden, der die Ai
sieht über das ganze Haus, Inventar und Sklavenschar hatte, aber au
die Wirtschaft führte, Gelder einnahm und verrechnete und die Vom
unter sich hatte3). Indessen diese Stellung änderte sich später, ind(
das Rechnungswesen an den dispensator oder procurator überging (s. Absei
VII); der atriensis hatte nun bloß für Haus und Hausrat zu sorgen
und es waren ihm zu diesem Zweck Sklaven unterstellt, die das Feg(
Putzen etc. besorgten5) und die entweder selbst atrienses hießen6) od
') Es gab auch besondere Posten supra
aedificia, CIL VI 9132.
») Vgl. Mokel bei D.-S. I 530. Habel bei
P.-W. II 2145.
3) In dieser Stellung erscheint er be-
sonders oft bei Plautus, so Asin. 264: 347 ff.;
367 ff.; 432 ff.; Pseud. 608; Poen. 1283. Cic.
parad. 5, 37 f. Petron. 29, 9; 53, 10; 72, 8. Es
ist ein Zeichen eines ärmlichen Haushalts,
wenn der Atriensis zugleich Koch ist, Cic.
in Pis.27, 67. Vgl. Varr. 1. 1. VIII 61: si ab
aede et tuendo aeditumus est, cur non ab
atrio et tuendo potius atrüumus quam atri-
ensis? Corp. Gl. III 305, 9 übersetzt den tri
ensis mit olxocpvXat;.
4) Solche sind wohl die meisten atrien
der Inschr., so unter den Sklaven und Libt
der Livia und des Augustus CIL VI 39'
5187; 8738 ff. Es kommt auch vor, daß d
atriensis noch andere Aemter übertraf
werden, z. B. des Kochs, XIV 2875, odei
supellectile, X 6638.
5) Cic. parad. 5, 37: qui tergunt, qui I
qunt, qui verrunt, qui sparyunt.
B) Plin.ep.11119,3. Colum.XlI3.9. Phae
II 5, 11. In diesem Sinne sind atrienses :
:::
Erster Abschnitt. Das städtische Wohnhaus.
65
atriarii1) oder auch nach ihrer besonderen Tätigkeit benannt waren, wie die
seoparii*), die focarii 3) u. dgl. Noch später scheint der atrUntit direkt mit
dem Türhüter identisch gewesen zusein4). Späte Bezeichnungen sind auch
für die das Haus beaufsichtigenden Sklaven diaetariusb) und dkutarcha*).
Andere Ämter, wie die des servus ab hospüiis1), der die fremden G
bediente, asacrario8), der das Hausheiligtum in Ordnung hielt, ad magu
der die Ahnenbilder besorgte, kennen wir nur aus Inschriften; neben zahl-
reichen tabularii und ihren adiutores10) finden wir den custos tabularii als
Oberbeamten für das Archiv11), die Sklaven a bibliotheca12), a /nnacotheca1*)
u. dgl. mehr. Den circitores war die Bewachung des Hauses anvertraut14).
I )ie ianitores oder ostiarii und cubicularii haben wir bereits oben (S. 29 u. 44)
genannt, von den für den Hausrat angestellten Dienern wird später zu
sprechen sein (s. Abschn. IV).
Schließlich noch einige Bemerkungen über diejenigen Gewerbe, die
vornehmlich bei Erbauung eines Hauses in Tätigkeit traten. Die für den
Bau erforderlichen Ziegel lieferten die fiyünae, da mit diesem Namen
(ebenso wie mit figulus) ebensowohl die Herstellung von Ziegeln, wie von
Tongeschirr und überhaupt jeglichem Fabrikat aus Ton bezeichnet wird10);
eine Fabrik, die sich lediglich mit Ziegelstreichen (lateres ducere) beschäf-
tigt, heißt lateraria16). Die Ziegeleien lagen meist auf dem Lande, da die
Gutsbesitzer, wenn sich auf ihrem Gebiet gute Tonerde fand, solche an-
legten; in der Kaiserzeit waren zahlreiche Ziegeleien, die ihre Produkte
weithin exportierten, im Besitze der Kaiser oder von Mitgliedern der kaiser-
lichen Familie17). In den Provinzen wurden die Legionssoldaten mit der
Herstellung von Ziegeln, zunächst für militärische Zwecke, dann aber
auch für anderweitige Verwendung, beschäftigt; die Stempel, die man
den Ziegeln einzupressen pflegte, geben über ihren Ursprung Zeugnis18). —
Die zum Bau erforderlichen Steine wurden im Steinbruch, lapicidina19) oder
Inschriften sehr häufig, s. Habel a.a.O. Rug-
auxto Dizion. epigraf. 1 762 und unten im
VII. Abschn.
') Digg.IV9, 1,5; VII 1, 15,1; XXXIII
l. Inschriftl. in den Fast. Ant. CIL X
6638 B2. 7; C 2, 6; 15; 27.
2) Digg. XXXIII 7, 8, 1.
3) Ebd.IV9, 1,5. Corp. Gl. II 557, 41 als
l-vloxonos erklärt; vgl. 580, 33.
4) In den Glossen wird er öfters durch
icmitor oder ostiarius erklärt, Corp. Gl. IV 208,
10: V 342, 15; 441, 54; 492,8.
5) Digg. XXXIII 7, 12, 42. Corp. Gl. II 22,
28; entstellt auch zetarius, Paul.sent.III6, 58.
Corp. Gl. V 519. 26.
6) CIL VI 5187; 5196; 8643ff. 8818.ff.
Corp.Gl.lI 22.29. Vgl. FiEBiGEabeiP.-W.V 308.
') Cl L VI 7290 ; 9474. Ein ähnliches Amt
war wohl das a cura amiconim VI 8795 ff.
Ebd. 4027.
9) Ebd. 3972.
lü) Auf Inschr. sehr häufig, s. Makquardt
150 A. 5 und vgl. CIL VI 9055 ff. ; 9921 ff.;
VIII 600 ff.; 12882 ff. u. s.
") Ebd. VI 12597.
15) Ebd. 8743 f.; X 6638 C 1, 12; 2, 22 u.
29" 3 2.
«») Ebd. VI 10234; a tabulis 3970; a sta-
tu*« 4032.
>«) Petron. 53, 10. Priap. 17, 1. CIL VI
8749; 9527; X 711.
16) Blümner Technologie II 6 f.
16) Plin.VIl 194; der Arbeiter laterarius,
Non.445, 20. Corp. Gl. II 410, 14; 111201,25;
367, 29. Für den Dachziegelarbeiter kommt
teffularius vor, CIL X 3729; 6637, I 2; 6638
C3, 21. Corp. Gl. II 347, 57; 595, 6; III 308,
21 u. ö : figlinae teglaria* in der Lex met.
Vipasc. CIL II 5181,2; 24; 38.
,7) Siehe hierüber Marqüardt 665 ff.
18) Ueber das Technische der Ziegelfabri-
kation s. Blümner a. a. O. 8 ff. Jamot bei
D.S. II 1150 f., über Legionsziegel Birch lli-t.
of anc. pottery II 404 ff.
19) Plaut. Capt. 944. Cic.de div. I i
Plin. III 30: VII 195. Corp. Gl. VI 624. Der
lapicida aber ist kein Steinbrecher, sondern
der Arbeiter, der die Inschriften einmeißelt.
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft. IV. 2, 8. 3. Aufl.
66
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
lapidicina1), auch mit dem griechischen Ausdruck lautumia genannt2), voi
Arbeitern, die meist Verbrecher, Kriegsgefangene, verurteilte Sklaven usw
waren3), gebrochen4). Die weitere Verarbeitung des Steins, der, wenn e
gewöhnlicher Haustein war, schlechtweg lapis im Gegensatz zum marmo
hieß5), besorgten entweder die lapidarii6), auch speziell lapidarii quadratan
genannt, insofern die Steine rechtwinklig behauen wurden7), oder die mar
morarii8). Mit dem Zersägen großer Steinblöcke waren die sectores serram
beschäftigt9). Die beim Hausbau beschäftigten Arbeiter heißen architect
mit welchem griechischen Lehnwort ebensowohl die gewöhnlichen Hand
werker, Freigelassene, Sklaven, wie die Bauleiter bezeichnet wurden10^
Genauer heißen die fabri, die Mauern und Häuser bauen11), structores pa
rietarii12) oder schlechtweg structores 13) oder instructores parietum14). Fü
den in den Kalköfen, den fomaces calcarli oder den officinae calcariae16
bereiteten Kalk sorgten die calcarii oder calcariarii16).
Was endlich die für den Hausbau nötige Holzarbeit betrifft, so lieferte
die negotiatores lignarii11) oder materiarii18) das erforderliche Material; vei
arbeitet wurde es von den Zimmerleuten, den fabri tignarii19), seltne
Varr. 1. l.VIII 62. Sid. Ap. ep. III 12, 5; vgl.
Marquardt 624 A. 4. (Die Inschr. Or. 3246 =
CIL XIV 31* ist falsch.)
') So meist bei Vitruv, s. II 7, 1 ; VIII 3, 9 ;
X 6, 11. Fest. 118, 13; es ist ebenso wie
lapicidina Kontraktion aus lapidicidina. Der
Arbeiter lapidicina rias, Corp. Gl. VI 624, das
aber ebenso als Xax6g,og wie als foftot;dos er-
klärt wird.
2) Plaut. Poen. 817. Varr. 1.1. V 151: la-
tomia lapidar -iae. Plaut. Capt. 723. Doch hat i
es fast immer den Nebensinn des Steinbruchs
als Gefängnis, vgl. Corp. Gl.VI 631.
3) Auch lapidarius kann, wie allgemein
einen Steinarbeiter, speziell einen Steinbrecher
bedeuten, Corp. Gl. II 121, 10. BeiPlin.XXXVI
125 heißen die Arbeiter exemtores.
4) Ueber das Technische der Arbeit s.
Blümner a. a. 0. III 69 ff.
5) Vitr. 118, 3; ebd. 16; IV 4, 4. Plin.
XXXVI 45.
6) Digg. XIII 6, 5, 7; L 6, 7 (6); häufig
auf Inschr., s. Marquardt 623 A. 5. Doch
bedeutet es auch einen Steinmetzen, wie
Petron. 65, 5. Corp. Gl. III 201, 8; 271, 14.
Vgl. A. Jacob bei D.-S. III 926. Ein nego-
tiator artis lapidariae CIL XIII 8352. Dessau
7538
') Cod.Theod.XIII4, 2. Sid. Ap.ep. III 12, 5;
auch auf Inschr., s. CIL VI 9502; 33902. Im
Spätlat. sind quadratarii sogar Bildhauer, die
in Steinbrüchen tätig sind, s. Blümner a. a. 0. 6
A. 5; ebd. 80 f.
' 8) Vitr. VII 6. Sen. ep. 88, 10; 90, 15:
ebenfalls auf Inschr. häufig, s. Marquardt 623
A. 7, doch gleichwie lapidarius ebenso von
größerer wie von feinerer Marmorarbeit ge-
braucht, und häufiger von letzterer ( — hüo-
ylvcpoQ, Corp. Gl.VI 681).
9) CIL I 1108; II 1131 ff.; besonders war
ihre Aufgabe die Herstellung der Marmo
platten zur Wandtäfelung, s. Abschn. III.
10) Vgl. Caillemer bei D.-S. 1374 ff. Blü
ner a. a. O. 88 f. Marquardt 613; auf Insch
sehr häufig, vgl. Marquardt 157 A. 1. Blümni
89 A. 1. Dessau 7728 ff.
n) Ueber die allgemeine Bedeutung v<
faber s. Blümner II 66. Kornemann bei P.-T'
VI 1888 ff.
12) Cic.adAtt.XIV3,l; adQu.fr. 115.
13) Structores sind häufig auf Inschr., v
sie freilich auch den Tafelanrichter bedeut«
können, daher oft mit Zusatz: lapidar*
structor, Ed. Diocl. 7, 2. CIL XIII 1034; od
structor pari etar ins, VI 6354; 9910; oder ni
Abbildung der Maurerwerkzeuge, wie CIL X
4511; XV 2656; s. Marquardt 633, 1. Blü:
ner 89 A. 3.
14) Cassiod. var. VII 5. Späth ist macht
Isid. XIX 8, 2. Corp. Gl.V 168, 4: 220, 6.
15) Cat. r. r. 38, 1. Vitr. VII 2, 1. Plin. XV
53. Digg. XLVIII 19, 8, 10. Not. d. scavi 189
15. Dessau 7663 ; vgl. Blümner a. a. O. III 10
16) Cat. r. r. 16. CIL X 3347 ; 3947 negotia,
calcariarius;ebd.Y19S84:exonerator calcark,
von Marquardt 626 A . 8 als Kalkablader <
klärt; calcarienses, ebd. 9223 ff. Cod.Th. X
1, 37 ; calcis coctor, Ed. Diocl. 7, 4.
17) Capitol. Pertin. 1, 1 negotiatio lignari
inter lignarios, Liv. XXXV 41, 10; inschrif
CIL IV 951; 960. Daß lignarius nicht d
faber, sondern der negotians ist, zeigen d
Glossen, die es durch ^vlo^iöXt]? erkläre
Corp. Gl. II 378, 30 ; III 309, 1 ; 520, 54.
18) CIL XI 1620; auch bloß materiarii
Plaut, m. gl. 920. CIL VI 9561; X 3965;
6212. Vgl. Jacob bei D.-S. III 1633.
19) Cic. rep. II 22, 59: Brut. 73. 257. Dig
L 16, 235,1. Corp. Gl. II 452, 48; oft auf Insch
vgl. CIL VI 9405 ff; XIII 1606; 1640; 173
Zweiter Abschnitt. Villen und Gärten. 67
hnarii, die mehr die Vorarbeit besorgen1), und für den inneren Ausbau
011 den fabri intestinarii2) oder subaedani*). Über andere mit der Innen-
trbeit des Hauses beschäftigte Gewerbe siehe Abschn. III.
Zweiter Abschnitt.
Villen und Gärten.
Litteratur.
Smi.uTZ Archäologie der Baukunst III 249 ff.
Hirt Geschichte der Baukunst III 289 ff.
Krause Deinokrates S. 551 ff.
Witzschel Artikel Villa in Paulys Real-Enzyklopädie VI 2599 ff.
Becker-Göll Gallus III 46 ff.
Friedländer Darstellungen aus der Sittengeschichte Roms II 93 ff.
I > i rh Die Baukunst der Etrusker und Römer, Darmstadt 1885, S. 285 ff.
Pauly Artikel Hortus bei Pauly III 1505 ff.
Lafaye Artikel Hortus bei Daremberg-Saglio III 276 ff.
Makqüez Delle ville di Plinio il giovane. Roma 1796.
Winnefeld Tusci und Laurentinum des jüngeren Plinius. Archaeol. Jahrb. VI (1891) 201 ff.
Schmidt Ciceros Villen. Neue Jahrb. f. d. klass. Altertum V (1892), 1 328 ff.; 466 ff.
Die ländlichen Wohnsitze der Römer trugen in den früheren Jahr-
hunderten der Republik durchaus praktisch-landwirtschaftlichen Charakter.
Es waren Landgüter, bei denen der darauf betriebene Ackerbau nebst
Viehzucht und sonstigem ökonomischem Betrieb die Hauptsache, das dazu
gehörige Wohnhaus Nebensache und daher einfach und schlicht war. Frei-
lich fehlen uns aus den ersten Jahrhunderten Nachrichten hierüber gänz-
lich; aber was wir von der ältesten Villa, von der wir Kunde haben, näm-
lich von der des älteren Scipio Africanus erfahren, läßt darauf schließen,
daß es vorher im allgemeinen nicht anders, eher noch primitiver gewesen
sein wird. Diese Villa4) war zwar massiv aus Quadern aufgeführt, weil
sie überhaupt festungsartig angelegt war, mit Mauern und Türmen; denn
1939; 1966 u. s., auch bloß tignarius, Corp. ! naritts xoQvevtfc. Sie arbeiten das opus In
Gl. VII 350. Besonders ist die Dachkonstruktion
ihre Aufgabe, ebd. V 581, 30: qici tecta tignis
tegit; III 371,8: tector tignarius aisyaozijg
Tfy.TOV.
J) Isid. XIX 19, 1 erklärt es durch ligni
testinum, Türen. Treppen, Balustraden usw.,
vgl. Plaut. Pseud. 343. Varr. r. r. III 1. 10.
Plin. XVI 225. Vitr. II 9. 7 u. 27; IV 4. 1 ; V 2. 2.
Vgl. Blümner a a. O. III 321. Thedenat bei
D.-S. III 567.
opifex. In den Glossen ist der tignarius 3) OeftersaufInschr.(vgl.VI7814;9558f.;
öoxojzotög, doxoTExrov, tignorum opifex, aedi- 33875), aber nicht sicher erklärt, s. Marqüardt
fiartnr domus, C. Gl. VII 350. Ueber die auf 721 A. 2. Marucchi Bull, comun. V 257.
Inschr. besonders häufigen dendrophori, die 4) Senec. ep. 86. 4: vidi illam {viUam)
Kollegien von zugleich sakraler Bedeutung j structam lapide quadrato, mumm circum-
bildeten, vgl. Boissieü Inscr. de Lyon 412 ff. datum ailtxte, turres quoque in propugtwcuhtm
Marqüardt 719 f. rill«,' utrimtpu totbrecta$, dsttmom aedificiis
2) CIL VI 8173; 9401; X 1922; 3957. Cod. I et viridtbtu subditam, qnae sußcerr tnusmt
Theod. XIII 4, 2. Corp. Gl. III 307, 49: intesti- \ vel exercitus posset.
5*
68
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
Scipio hatte Ursache, sich in seiner ländlichen Einsamkeit gegen Über-
fälle politischer Gegner sicher zu stellen; sonst aber war sie offenbar ganz
bescheiden eingerichtet, wenn man aus dem, was über das darin befind-
liche Bad berichtet wird (s. oben S. 52 A. 3), einen Rückschluß auf die
übrigen Baulichkeiten machen darf. Befestigt scheinen auch die Villen
des Marius, des Pompeius, des Cäsar, die auf den Höhen bei Baiae lagen,
gewesen zu sein1). Allerdings trug zu der Auswahl eines hochgelegenen
Platzes bei Villen, die dem Vergnügen dienen sollten, auch die Vorliebe
für weite Aussichten mit bei 2) ; doch galt auch noch gegen Ende der Re-
publik eine hohe Lage, die Räubern keine Schlupfwinkel bot, für sicherer3).
Schlicht und einfach waren, nach seiner eigenen Aussage4), auch die Land-
häuser des alten Cato, die Wände sogar nicht einmal verputzt; in seinem
Buche über den Landbau ist keine Rede von irgendwelchem besseren
Schmuck der Villa5). Derartige Beispiele von bescheidener Ausstattung
der Landhäuser liegen noch mehrfach vor6). Daß aber schon im 2. Jahrh.
v. Chr. neben der altvaterischen Einfachheit auch prunkvollere Ausstattung
vorkam, zeigt die Entrüstung, mit der Cato von solchen Neuerungen
spricht7). Ganz allgemein aber wurde die Pracht und Verschwendung
bei den Landsitzen im letzten Jahrhundert der Republik. Das erfahren
wir z. B. von der Villa des Marius8); Cicero, obwohl selbst Besitzer zahl-
reicher Villen an verschiedenen Punkten Italiens9), klagt, daß die Kunst-
schätze von Griechenland ^und Kleinasien in wenigen Villen verschlossen
seien10); Sallust bemerkt, die Landgüter hätten bereits das Aussehen und
l) Ebd. 51, 11: Uli quoque, ad quos pritnos
fortuna populi Rotnani publicas opes trans-
tit/it, ('. Marias et Cn. Pompeius et Caesar ex-
stra.rerant quidem villas in regione Baiana, sed
illas inposuerunt summis iugis montium. vide-
halar hoc magis militare, ex edito speculari
late longeque sabicrta. adspice, quam positio-
nem elegerint, quibus aedificia excitaverint
hx-is et qualia : scies non villas esse, sed castra.
l) Ebd. 89, 21: omnibus licet locis tecta
vestra resplendeant, aliubi inposita montibus
in postum terrarnm marisque prospectum,
aliubi ex piano in altitudinem montium educta.
Vgl. die Schilderung der Ansicht bei Plin. ep.
V 6, 13 ff.
*) Varr. r. r. I 12,4: nimbi repentini ac
torrentis fktvii perieulosi Ulis, qui in humilibus
ac can'.s loois aedificia habent, et repentinae
praedomm manus quod improvitos facilius
Opprimert potswti, ab hac utraque superiora
loca tutiora.
•i Hell. XIII 24 (23), 1: M. Cato, conm-
laris et centorku, pubUcis iam privatisque
opulentis rebus , rillas saus iiw.rcidtas et
rades , n,- teCtOTtO qyideto /irae/ita.s faisse
dirit u, I atnium MCglM OetOtiS 8U06 $eptttfr
um. I'lut. Cat mai. 4: t<öv ijiavfo<»v av-
ini ftrjdefikw tirai HtHanoftivrjv [<pijol). Wenn
Cato r. r. 1*> das eubliner» für die Mauer« der
Villa als notwendig bezeichnet, so handelt
es Bich dabei, wie Nissen 55 bemerkt, nicht
um Auftragen eines (event. zur Bemalung ge-
eigneten) Stucks oder Verputzes, sondern um
bloßes Tünchen.
5) Cato r. r. 14 ff. Bezeichnend ist die
Vorschrift 3, 1: ita aedifices, ne villa fundum
quaerat neve fundus villam; sie wird zitiert
Colum. I 4, 8 und Plin. XIV 32.
6) Varr. r. r. III 2, 3 : sed non haec villa,
quam aedificarunt maiores nostri, frugalior
ac melior est quam tua illa perpolita in
Reatino? Vgl. 113, 6: fruetuosior est certe
fundus propter aedificia, si potius ad anti-
corum diligentiam quam ad horum luxuriam
derigas aedificationem. Uli enim faciebani ad
fruetuum rationem, hi faciunt ad libidincs
indomitas. Dann das Landgut von Ciceros
Großvater, das Arpinum, in dem Cicero auf-
wuchs, de legg. III, 3: hanc vides villam,
ut nunc quidem est, lautius aedificatam patris
nostri studio, . . . sed hoc ipso in loco, cum
avus viveret et antiquo more parva esset villa,
ut illa Curiana in Sabinis, me scito esse nattrni .
7) Bei Festus 242 b, 20: dicere possum)
quibus villae atque aedes aedificatae atque
expolitae maximo opere citro atque eborc at-
que pavimentis Poenicis Stent.
8) Plut. Mar. 34: xai yag rjv exeI jisqI
Miarjvovg iw MaQico no/.vrekr]? olxla XQvepag
iyovoa xai biaixag &rjkvzEQag rj xaz arbqa
noliuwv xoaovxwv xai axoaxeiä>v avxovgyov.
9) Siehe die Aufzählung von Teuffel
im Pauly VI 2207 und bei Schmidt a. a. 0.
10) Cic.Verr.V 48, 127.
Zweiter Abschnitt. Villen und Gärten. 69
den Umfang von kleinen Städten bekommen1); und nach Varro suchten
die römischen Vornehmen es in Pracht und Umfang ihrer Landsitze dem
Metellus und Lucullus gleichzutun2). So kam es, daß mehr und mehr die
Landsitze der Reichen und Vornehmen nur prächtige Sommeraufenthalte
wurden, nach denen die Besitzer sich flüchteten, um dem ungesunden
Klima Roms zu entgehen, ohne daß sie die Pracht und Bequemlichkeit
ihrer städtischen Wohnhäuser zu entbehren brauchten, daß aber die land-
wirtschaftlichen Zwecke dabei in den Hintergrund traten, ja mit den
meisten dieser Prachtbauten landwirtschaftlicher Betrieb überhaupt gar
nicht verbunden war3).
Ein Landgut umfaßte in der Regel zwei Hauptgebäude: das Herren-
haus, die sogenannte villa urbana*) oder pseudourbana^), und den Ökonomie-
hof oder die Meierei, villa rustica6). Freilich gab es auch Villen, die
des Herrenhauses entbehrten und wo der Besitzer die einfache villa
rustica mit seinen Sklaven teilte7). Was die Lage anbetrifft, so kam es
beim Landgut nicht, wie bei der Luxusvilla, auf schöne Gegend oder weite
Aussicht an; man wählte am liebsten natürlich Gegenden, die sich durch
Fruchtbarkeit und gesunde Luft auszeichneten8); man sah ferner darauf,
daß es bequeme Zufahrten gab, reichliches und gutes Wasser9); wenn ein
schiffbarer Fluß in der Nähe lag, der die Zufuhr und Verfrachtung von
Waren und Produkten erleichterte, so war das ein besonderer Vorzug10).
Wir versparen uns nun die Besprechung der villa urbana, des Herren-
hauses, auf später, da hierüber die Quellen andere sind, als die landwirt-
schaftlichen Schriftsteller, die dafür wenig Interesse ha^en, und wenden
uns der Anlage und Einrichtung der villa rustica zu, über die wir durch
Vitruv und die römischen Landwirte unterrichtet werden.
Einen genauen oder übersichtlichen Plan, wie beim städtischen Wohn-
haus, erhalten wir freilich nicht, und es gab auch wohl gar keinen solchen,
allgemein gültigen; nur gewisse Regeln sind es, die dabei meist befolgt
wurden, und zwar vornehmlich folgende. Zumeist hatte die ganze Anlage
1) Sali. Catil. 12. 3 : cum domos atque villas
cognoveris in urbium modum exaedificatas.
2) Varr. r. r. 1 13, 7.
3) Ebd. III 2, 5 : et cum villa non sit sine
fundo magno, et eo polito cultura, txa ista
neque agrum habet ullum nee bovem nee
equam.
4) Es ist unrichtig, wenn fast durchweg
die rilla urbana zu der villa rustica in
(ieiiensatz gestellt wird ; beide gehören viel-
mehr zusammen zum fundus. Vgl. Cato 4, 1 :
vittam urbanam pro copia aedificato: in bona
praedio si bene aedifieaveris, bene posiveris,
ruri si rede habitaveris, libentius et saepius
reiu'rs.
b) Vitr.VI8(5),3. Ein Unterschied in der
Bedeutung scheint nicht zu existieren. Da-
gegen ist eine villa suburbana oder ein prae
haus mit Speisesälen, Schlafzimmern, Bädern
usw.; eine rustica pars, die Oekonomiegebäude
mit Wohnungen für die Sklaven. Stallungen
etc.; und die fruetuaria pars, die Speicher
und Scheunen für Feldfrüchte, Oliven etc.
Varro I 13, 6 von der Neuzeit im Gegensatz
zu früher: illorum villae rusticae erant maioris
preti quam urbanae, quae nunc sunt pleraque
contra; und ebd. 7; nunc contra villam ur-
banam quam maximam ac politissimam ha-
beant, dant operam.
7) Varr. III 2, 10: cum significasset nutu
nihilo minus esse villam eam, quae simpler
esset rustica, quam eam in qua esset utrum-
que, et ea et urbana.
•) Cato 1. Colum. I 3. Plin. XVI 28 ff.
9) Cato 1, 3. Colum. 1. 1. 3; vgl. Plin. ep.
VI 17, 2 f.
iiiun auburbanum ein in der Nähe der Stadt 10) Varr. I 12, 1. Colum. I 2, 3. Im all-
gelegenen Landgut. ! gemeinen vgl. über die Anlage Varro I 12.
6) Colum. I 6, 1 teilt ein Landgut in drei Colum. I 4. Pallad. I 7 f.
Teile: die urbana pars, ein besseres Wohn-
70
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
zwei Wirtschaftshöfe (cohortes, cortes1)). Der vordere Hof enthielt die
eigentliche villa rustica, d. h. das Wohnhaus und die Wirtschaftsgebäude,
während der hintere oder äußere Hof wohl in der Regel keine eigentlichen
Gebäude enthielt, sondern die Hürden für das Vieh, die Geflügelhäuser u. dgl.
mehr. In jedem Hofe befand sich daher ein größerer Teich (lacus, piscina),
der im vorderen Teile für die Wasservögel und zur Tränke für das Vieh,
im hinteren zum Einweichen des Flachses u.dgl. bestimmt war2). Was
das Wohngebäude anlangt (bei dem die Schriftsteller nur das für die
Dienerschaft und den Wirtschaftsbetrieb im Auge haben, nicht das davon
meist ganz getrennte Herrenhaus), so pflegte man, da auf dem Lande
die Platzfrage nicht die wichtige Rolle spielte wie in der Stadt3), nicht
nur weitläufiger zu bauen, sondern auch häufiger, als beim städtischen
Wohnhaus der Fall war, den Räumen das Licht durchs Fenster zuzu-
führen4). Ein Atrium hatte die villa rustica nicht; es war aber eine
Reminiszenz an das alte Bauernhaus, daß der Hauptraum der ganzen
Anlage die Küche, culina, war, die groß und hoch angelegt wurde und
nicht bloß zum Kochen, sondern der Dienerschaft auch als Speise- und
Erholungsraum diente5). Da die Haustür vermutlich für gewöhnlich nicht
verschlossen war, brauchte man keinen ostiarius, dafür hatte der vilicus,
der Verwalter (der aber ebenfalls ein Sklave war) 6), dicht bei der Haustür
seine Wohnung, damit er beobachten konnte, wer aus- und eingehe7). Eben-
dort, aber im Obergeschoß (denn auch ländlichen Häusern fehlte ein solches
») Varr.I 13, 3. Vitr.VI 9 (6), 1.
*) Varr. a. a. 0.: cohortes in fundo magno
duae aptiores, una ut interdius conpluvium
habeat lacum, ubi aqua saliat . . . boves enim
ex arvo aestate reducti hie bibunt, hie per-
funduntur, nee minus e pabulo cum redierunt
anseres, sues, porci. in cohorte exteriore lacum
esse oportet, ubi maceretur lupinum, item alia
quae demissa in aquam ad usum aptiora fiunt.
Pallad. I 31: Piscinae duae vel solo inpressae
vel caeso lapide circa villam esse debebunt,
quae facile est aut fönte aut imbre subpleri,
ut una ex his usui sit pecoribus vel avibus
aquaticis, alia madefaciat virgas et coria et lu-
pinos et si qua rusticitas consuevit infundere.
3) Vitr. a. a. 0. 6: omniaque aedificia ut
luuiinosa sint oportet curari, sed quae sunt
ad villas, faciliora videntur esse ideo quod
partes nullius vicini potest obstare, in urbe
autem aut communium parietum altitudines
aut angustiae loci inpediundo faciunt ob-
scuritates.
4) Ebd. 7: ad summam ita est guber-
nandum, ut ex quibuscumque partibus caelum
prospici poterit, per eas fenestrarum loca re-
linquantur, sie enim lucida erunt aedificia.
5) Vitr. a. a. 0. 1 : in corte culina quam
ealidis8imo loco designetur. Varr. a. a. O. 1 :
famiUn ubi rersetur providendum, si fessi
opere an/ frigore aut calore, ubi commodissime
possini se quiete reeiperare; ib. 2: in primis
culina videnda ut sit admota, quod ibi hieme
unteluc.anix temporibus aliquot res conficiuntur,
eibus paratur ac capitur. Colum. 16, 3 : et
in rustica parte magna et alta culina pon-etur,
ut et contignatio careat incendii periculo, et
in ea commode familiäres omni tempore anni
morari queant. Daher bei Plaut. Most. 1 :
exi e culina sis foras, mastigia, wo freilich
es sich um ein städtisches Wohnhaus handelt.
6) Man vgl. die Casina des Plautus. Der
vilicus (denn so wird das Wort immer ge-
schrieben) führte die Wirtschaft, wofür er
dem Herrn oder dem procurator Rechnung
ablegte, vgl. Cat. r. r. 2, 5; 5, 4. Colum. XI 1 ff.
Auf Inschr. kommt er öfters vor. vgl. CIL I
1305; II 1552; 1742; 1980; VI 9983—90 u. s.
Ein vilicus hortorum VI 623 ; subvilicus X 6638
C 2, 9; 3,27; subvilicus hortorum VI 1991.
Manchmal ist der vilicus mit dem actor, der
ein Gut verwaltet i Plin. ep. III 19, 2), identisch,
vgl. Makquardt 139 A. 3. Die vilica hat bei
Colum. XII 3, 9 die Aufsicht über das Haus-
gerät und die mit der Reinigung desselben
beauftragten atrienses. Daß aber die vilicae
im allgemeinen keine sehr geachtete Stellung
einnahmen, zeigt Catull. 66. 132. Mart.IV66,
11. luv. 11, 69.
7) Varr. a. a. 0. 2: vilici proximum ia*
nuam cellam esse oportet, eumque scire, qui
introeat aut exeat noctu quidve ferat, prae-
sertim si ostiarius est nemo. Colum. a. a. 0. 6 :
vilico iuxta ianuam sit habitatio, ut intran-
tium exeuntiumque conspectum habeat. In
der villa urbana war selbstverständlich ein
ostiarius vorhanden, vgl. Mart. X 30, 28.
Zweiter Abschnitt. Villen und Gärten.
71
nicht1)), bekam aus gleichem Grunde der Oberaufseher, procurator*), seine
Wohnung, damit er seinerseits wieder den viücus beaufsichtigen könne3).
In der Nähe der großen Küche lagen, wie im städtischen Wohnhaus,
die Badezimmer, die auf dem Lande, wo es keine öffentlichen Bäder
gab, wohl zum notwendigen Bestandteil des Wohnhauses gehörten4). Ober-
halb des Bades wurde häufig die apotheca, d. h. der Raum, in dem der
gegorene Wein aufbewahrt wurde, angelegt, indem man den Rauch von
■er Heizung hindurchführte, in der Meinung, daß das Altern des Weines
dadurch befördert werde5); auf jeden Fall lag sie im Oberstock0), zumal
man den Wein einer solchen Prozedur nicht zu lange aussetzen durfte und
ihn daher, nach genügender Räucherung, in andere Räume transportierte 7).
— An die Küche anstoßen sollen nach Vitruv die Rinderställe (bubüia),
wobei die Krippen so anzulegen sind, daß sie nach Osten und gegen das
Herdfeuer hin gerichtet sind, weil die Rinder vor Licht und Flamme nicht
scheuen8); dagegen sind die Pferdeställe (equilia)9) zwar auch an einem
möglichst warmen Platze anzulegen, aber nicht nach dem Herde zu, weil
die Pferde davor scheu werden10). Man ersieht aus diesen Vorschriften,
daß die große Küche nach den daneben angelegten Ställen hin durch-
brochene Wände hatte, wie heut noch vielfach auf dem Lande Menschen
und Vieh in naher Berührung leben. Columella gibt keine besonderen Vor-
schriften für die Lage der Ställe; er sagt nur, man solle für das Zugvieh
doppelte Ställe haben, für Winter und für Sommer; für das übrige Vieh,
das innerhalb der Villa gehalten zu werden pflegt, mit hohen Mauern um-
gebene Hürden, die teils gedeckt, teils offen sind, damit das Vieh im Winter
') Vgl. Vitr. a. a. 0. 7: sin autem offirient
trabes seu Umina aut contignationes, de su-
perioribtis partibus aperiatur (hinten) et Ha
inmitlatur. Colum. 3 (s. oben).
2) Ueber dieses Amt auf dem Lande vgl.
Becker-Göll II 135.
3) Colum. 7: proatratori supra ianuam
ob easdem causas: et is turnen vilicum ob-
tervat ex vicino.
*) Vitr. 2: balnearia item conitincta sint
culinae, ita enim lavationi rusticae ministratio
iio)i erit longe. Auch hier handelt es sich
um die Sklavenbäder, vgl. Colum. 19: fu-
marium qtioque, quo materia, si non sit iam-
pridem caesa, festinato siccetur, in parte ru-
sticae villaefieripotest iunctum rusticis balneis.
nam eas quoque refert esse, in quibus familia,
sed tantum feriis, lavetur. Von der Anlage
eines ländlichen Bades, das aber für die Herr-
schaft bestimmt ist, handelt Pall. I 39 (40).
5) Colum. I 6, 20: apothecae rede super-
ponentur his Joris, unde plerumque fumus
exorttur, quoniam vina celebrius vetustescunt,
qnae fumi quodam tenore praecoquem ma-
turitatem trahunt. Cf. ib. 9 und Vitr. VI 8 1 5), 2.
Hör. carm. III 8. 11 : sat. II 5. 7. Plin. XIV 97.
Digg. XXXIII 7. 12. 29 u. 34; XLVII 2, 21, 6.
Galen. XIV 17 K. Mehr über diesen Gebrauch,
der auch seine Gegner hatte, s. Becker-Göll
III 427. Im weiteren Sinne ist apotheca jeder
Vorratsraum, in oder außer dem Hause. Cic.
inVat.5. 12; Phil. II 27, 67. Plin. ep. II 17, 13.
Digg. XXXIII 7, 12, 34. Vgl. Ramie bei D.-S.
I 323. Mau bei P.-VV. II 384.
6) Daher die Aufforderung des Her. carm.
III 21, 7 an den Weinkrug: descende; ebd. 28, 7:
dertpere horreo . . . amphorum.
7) Colum. 20: propter qtwd et aliud ta-
bulatum esse debebit, quo antoveantur, ne
ruraus nimia suffitione medieata sint.
8) Vitr. VI 9 (6), 1: (culina) conkmeta
habeat bubüia, quorum praesepia ad focum
et orientia codi regiertem speetent, ideo guod
boves lumen et ignem speetando horridi non
finnt. Ebenso Pall. I 21 : boves mtidiores (ietit,
si forum /»ro.rime hubeant et hone» ititeni/ant.
Varro I 13, 1 sagt nur: in n'ila facienda sta-
btilaita, ut bubüia sint ibi, hievte qtiae possttti
esse caldiora.
9) Vgl. Lafaye bei D.-S. II 743 ff., mit
Abbildungen noch erhaltener Pferdeställe.
10) Vitr. ebd. 4: eqni/ibus guae maxinte
in vitta loca calidissima furrint ronstituantur,
dum ne ad forum speetent. cum enim iumentu
proxime ignem stabulantur, horridi fluni.
Daneben empfiehlt er ebd. 5, Krippen für die
Rinder im Freien, nach Osten hin, anzu-
bringen: item non sunt inutiliu /trursrpiu,
guae eonlocantur extra ndinam in aperto
contra orie>\tem.
72
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
dort, im Sommer hier verweilen könne, ohne Gefahr vor Raubtieren ; über-
dies müssen alle Ställe an trocknen Plätzen angelegt sein1). Endlich rät
Palladius, die Ställe für Rinder und Pferde nach Süden zu öffnen; auch
nach Norden zu sollen sie Fenster bekommen, die man im Winter ge-
schlossen hält, im Sommer der Lüftung wegen öffnet2). Für die Lage der
Schaf- und Ziegenställe (ovilia und caprilia)3) finden sich keine beson-
dern Vorschriften.
Vielfach lagen neben der Küche, und zwar in der Richtung nach
Osten, die Hühnerställe (gallinaria), damit der Rauch, von dem man
glaubte, daß er den Hühnern zuträglich sei, hindurchziehen könne4). Wenn
das aber nicht möglich war, so wurden besondere Geflügelhäuser (aviaria5),
omithones6)) angelegt, in denen eigens ein Herd angebracht wurde, dessen
Rauch in die einzelnen Abteilungen des Stalles ziehen konnte 7). Tauben-
schläge (columbaria8), peristereones oder peristerotrophia9)) wurden als
Türmchen auf dem Dach der Villa oder sonst in der Höhe angebracht10).
In die Nähe der culina verlegt Vitruv auch die Kelter (torcular)11);
hier weicht aber Columella wiederum ab. Zwar ist auch er der Ansicht,
daß die Kelterrräume und die Ölkammer möglichst warm untergebracht
werden müssen, aber diese Wärme müsse eine natürliche, durch die Him-
melsrichtung gegebene sein, nicht vom Herdfeuer herkommen, weil Rauch
und Ruß den Geschmack des Öls beeinträchtigen; daher soll der Kelter-
raum nach Süden zu liegen, damit man bei der Arbeit des Ölpressens keine
künstliche Beleuchtung nötig habe12). An die Kelterräume anstoßend wird
') Colum. 4: pecudibus fient «tabula, quae
neque frigore neque calore infestentur. do-
), litis armentia duplicia bubüia fient, hiberna
atgue «est int ; caeteris autem pecoribus, quae
intra vill«))i esse convenit, ex parte tecta loca,
ex parte sub <lio, parietibus altis circumsepta,
iit illir per hiemem, hie per aestatem sine
riulaiti« feramm conquiescant. Sed omnia
Stabvia sie ordinentur, ne quis humor influere
possit.
2) Pall. a. a. 0.: stabula equorum vel
boüm meridianas quidem respiciant partes,
non tarnen egeant a septentrione luminibus,
quae per hiemem clausa nihil noceant, per
aestatem patefaeta refrigerent.
8) Vitr.a.a.0.4. Varr.II 3, 6 u.8. Colum.
VII 4, 5: 6.6.
4) Colum. VIII 3, 1: gallinaria constitui
debent parte villae, quae hibernum spectat
orisntem: iuneta sint ea furno vel culinae,
ut ad avem perveniat fumus, gut est huic
praeeipue salutaris,
6) Cic. ad Qu. fratr. III 1, 1. Varr. I 38, 2;
MI 3,7; 4,3; 5,5 u. s.
6J Varr.IIpr.2u 5; III 3. 1— 7u.ö.Colum.
V III 1, 3; 3, 1. Auch ornühotrophion, Varr.
1115,8.
7) Man vgl. die genaue Beschreibung
dieser Anlage bei Colum.VlII 3. Varro III 4, 2
unterscheidet zwei Arten des ornähon: unum
i deUctatumis causa, d. h. für die Tafel
es Gutsherrn; aUerum fruetm causa, d.h.
für den Verkauf. Eine dritte Art ist das
Vogelhaus mit Sing- und Ziervögeln, das
mehr in die villa urbana gehört. Varro, der
ein sehr großes Vogelhaus in seiner Villa bei
Casinum besaß, beschreibt es genau III 5 — 7;
vgl. die Litteratur darüber bei Becker-Göll
III 54.
8) Varr. III 7, 4. Colum.VlII 8, 3; 11, 3.
Pall. 1 24. Plin. X 110, Mart. III 58, 18; manche
dieser Schläge faßten gegen 5000 Tauben,
Varr. ebd. 2. Vgl. Becker-Göll 1 111. Saglio
bei D.-S. I 1333 f. Samter bei P.-W. IV 593.
9) Varr. III 7, 2 f. Colum.VlII 1, 3.
10) Varr. a. a. 0. 1. Colum.VlII 8,3. Pall.
I 24. Näheres über die Geflügelzucht der
Römer s. im V. Abschn.
u) Vitr.VI 9 (6), 2: torcular item pro.ri-
mum sit culinae, ita enim ad olearios fruetus
commoda erit ministratio; die Begründung
ist nicht ganz verständlich.
12) Col.16, 18: torcularia praeeipue celtae-
que oleariae calidae esse debent, quia com-
modius omnis liquor vapore solvitur ac fri-
goribus magis constringitur , oleum, quod
minus provenit, si congelatur, fracescet. Sed
ut calore naturali est opus, qtii contingit po-
sitione caeli et declinatione, ita non est opus
ignibus aut flammis: quoniam furno et fuli-
gine sapor olei corrumpitur, propter quod
torcular debet a meridiana parte ittustrari,
nee necesse habeamus ignes lucernamgue ad-
hibere, cum premitur olea.
Zweiter Abschnitt. Villen und Gärten.
7::
nach Vitruv die cella vinaria, d. h. der Raum, wo der Wein den Gärungs-
prozeß durchmacht, angelegt, und zwar mit Fenstern nach der Nordseite,
damit nicht die Sonnenwärme den Wein trübe und unhaltbar mache1);
dagegen die cella olearia muß von Süden ihr Licht erhalten, weil das Öl bei
Frost gerinnt1'). Ähnliche Vorschriften geben die Landwirte3). Für beide
cellae wird Anlage auf ebenem Boden empfohlen 4) ; die Kornböden
((/ranaria5)) aber und die Scheunen (horrea*)) für sonstige Feldfrüchte
mußten in oberen Stockwerken (tabulata) fern von feuchten Plätzen, wie
Ställen, Dungstätten u. dgl., liegen und gegen Nord und Nordost gerichtet
sein, weil der Nordwind mit seiner Trockenheit dem Getreide nützlich ist
und keine Insekten mitbringt, wie andere Winde 7). Fußböden und Wände
wurden namentlich beim Kornboden besonders sorgfältig hergestellt; auch
bekam dieser Speicher für die verschiedenen Getreidearten besondere Ab-
teilungen und wurde nach Nordosten zu mit Zuglöchern versehen 8). Ahn-
lich beschaffen waren die Obstkammern (oporothecae9)), die ebenfalls
trocken und mit Fenstern nach Nordosten versehen sein mußten, die aber
verschließbare Läden hatten, damit das Obst nicht zu stark austrockne;
aus demselben Grunde, um das Obst kühl und frisch zu erhalten, wurden
die Obstkammern aus Stein erbaut und mit steinernen Fußböden und ge-
wölbten Decken versehen10).
1) In der Villa in Boscoreale (s. unten)
ist keine cella vinaria, dafür standen die
Dolien unter freiem Himmel bis zur Mündung
eingegraben im Hofe, vgl. Mon. dei Lincei VII
483. Mau R. M. XI (1896) 134; auch ander-
wärts in Pompeji findet es sich ähnlich, s.
bbd. XVII (1902") 314. Das geht auch aus
Viir. 12, 4. Plin. XIV 136. Geop. VII 2 hervor.
2) Vitr. a. a. O.: habeat (torcular) con-
mnetam vinariam cellam habentem ab sep-
tentrione lumina fenestrarum. cum enim alia
parte habuerit qua sol calfacere possit, vinum
qiwd erit in ea cella confusum ab calore
efficietnr inbecillitm. olearia autem ita est
conlocanda, ut habeat a meridie calidisque
regionibus lumen. non enim debet oleum con-
»elari seil tepore caloris extenuari.
3) Varr. I 13, 7: in quam partem cella
vinaria aut olearia fenestras haberet, cum
fruetus in ea vinarius quaerat ml dolia aera
frigidiorem, item olearia calidiorem. Colum.
a. a. 0. Pall. I 18, 1 ; ebd. 20.
4) Varr. a.a.O. 1: fruetus, ut est vinum
et oleum, loco piano in cellis, item vasa vi-
naria et olearia potius faciendum: aridus,
vi est faba et faenum, in tabulatis. Colum.
a. a. 0. 9 ff. Damit ist aber hauptsächlich
gemeint, daß sie nicht im Oberstock, wo es
zu trocken ist, liegen sollen; die cella vinaria,
die eine terrena ef frigida cella sein soll
(Fall. XI 17, 3), lag bisweilen teilweise unter
dem Erdboden, immerhin aber so, daß ober-
halb Fenster ins Freie führten (Plin. XIV 133:
latus cellae r/nariae aut certe fenestras ob-
verti in aquilonem oportere vel utique in
exortum aequinoctialem), s. oben A. 2. dazu
Becker-Göll1II51. KEPPELßl.f.bayer.Gymn.
IX (1873) l ff.
5) Vgl. de la Blanchere bei D.-S. II 1651.
6) Vgl. Thedenat ebd. III 268 ff. Ueber
den Unterschied von granaria und horrca
vgl. Plin. XVIII 301 ff. '
7) Vitr. a. a. 0. 4: granaria sublimata et
ad septentrionem aut aquilonem speetantia
disponantur, ita enim frumenta non poternnt
cito conca/escere, sed adflatu refrigeiata diu
servantur. namque ceterae regiones proer canl
curculionem et reliquas bestiolas, qnae fru-
mentis solent nocere. Vgl. Colum. a. a. 0. 9.
8) Varr. I 57,1: granaria snbiimia, quae
perflentur vento ab exortu ac septentrionum
regione, ad quae nnlla aura «mala ex pro-
pinqui» loci» adspiret. Col. a. a. 0. 10: gra-
naria scalis ai/eantnr et modictS fenestellis
aquüonibus inspirentur; vgl. ebd. 14. Pall.1 19.
9) Varr. I 59, 1: ideo oporothecas qui fa-
cinnt ad aqnilonem ut fenestras habeant at-
que ut eae perflentur curant, neque tarnen
sine foriculis, ne, cum umarem amiserinl,
pertinaci vento vieta fiant.
10) Ebd. 2: ideoque in iis camaras mar-
morato et parietes pavimentaque facitmt, quo
frigidins s/t. Varro erwähnt hier auch, daß
man bisweilen die oporotheca als Speisezimmer
benutzte: in quo etiam quidam triclininm
stemere solent cenandi causa. Ja, es kam
vor. daß manche für solche Mahlzeiten das
Obst in Rom einkauften und nach der opo-
rotheca transportierten. Ueber die Art, wie
das Obst in den Kammern aufbewahrt wurde,
s. ebd. 3.
74
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
Hg. 26. Plan der Villa rustica in Boscoreale.
Die Dreschtenne
(area) war ein eigens
dazu hergerichteter
freier Platz; daneben
lag ein gedeckter, an
der einen Seite offener
Schuppen (nubilarium),
wohin man bei plötzlich
eintretendem Regen
das Getreide in Sicher-
heit brachte1); ein
anderer anstoßender
Raum diente dazu, die
ausgedroschnen Körner
auszubreiten, bevor sie
auf den Kornboden ge-
bracht wurden 2). End-
lich müssen noch die
Schuppen erwähnt wer-
den, in denen Wagen
und landwirtschaftliche
Geräte aufbewahrt
wurden3).
Alle die erwähnten
Wirtschaftsgebäude
befinden sich nach Var-
ros Anordnung in der
villa urbana selbst, also
innerhalb der diese um-
gebenden Einfriedi-
gung4). Vitruv rät, die
leicht brennbaren Vor-
räte außerhalb der Villa
aufzubewahren, also
dort Getreidespeicher,
Heuböden, Mühlen u.
dgl.5) anzulegen: Colu-
l) Varr. I 13, 5: aedificium facere oportet,
sub quod tectum totam fundi subicere possis
memem, quod vocant quidam nubilarium. id
teeundutn aream faciendum, ubi triturus sis
frumentutn, magniludine pro modo fundi, ex
una parti apertnm, et id ab area, quo et in
tritura proruere fädle poosit et, si nubilare
coepit, inde ut Kursus celeriter reicere. fe-
nestras habere oportet ex ea parti, unde com-
modisaime perfiari possü, Colum. 1 6, 24; II
20 (21). 3. Pall.I 36. 2. Inschriftlich kommt
Midi nubilare vor, CIL VI 2204.
*) Pall.I 19,2: nihil lernen contmoditts
erit diu custodiendis frumentis, quam si ex
areis in alterum vicinum locum transfusa
refrigerentur aliquantis diebus atque IIa hör*
reis inferantur.
') Varr. a. a. 0. 2: faciundum etiam p/mi-
stris ac cetero instrumento omni in cohorti
uti satis magna sint tecta, quibus caelum )>ln-
vium initnicum.
4) Ueber diese saepta und ihre verschie-
denen Arten handelt Varro I 14, vgl. III 12, 3.
6) Vitr.VI 9 (6), 5: horrea fenilia farraria
pistrina extra villam facienda videntur, Kjj
ab i;/>tis periculo sint villae tutiores.
Zweiter Abschnitt. Villen und Gärten. 75
mella aber, der, wie erwähnt, die villa rustica von der villa fructvaria
unterscheidet, verlegt die Räume für Öl und Wein, die Heuböden (faenüia%
palearia) in die letztere, sodaß also die Gebäude der fructvaria zu ebener
Erde die Räume für Wein und Öl enthalten, im Oberstock die für Feld-
früchte u. dgl.1).
Von den eigentlichen Wohnräumen in der villa rustica erfahren wir,
abgesehen von der culina, nichts Näheres. Die cellae der Sklaven2) sollen
nach Süden liegen 3); dagegen lag das ergastulum*), wo die strafbaren Sklaven
schwere Arbeit (zumeist das Drehen der Mühle) verrichten mußten, teil-
weise unterirdisch mit hochangebrachten schmalen Fenstern5). Endlich
wird auch ein Krankenzimmer (valetudinaHum) für erkrankte Sklaven
erwähnt").
Daß nicht alle ländlichen Wirtschaftshöfe allen diesen Vorschriften der
Landwirte entsprachen, ist selbstverständlich; die Schriftsteller haben bei
ihren Theorien eine Musteranlage im Auge, die den gesamten landwirtschaft-
lichen Betrieb, Ackerbau und Viehzucht, Wein- und Ölbau umfassen soll,
und geben ihre Vorschriften für die rationellste Art, die dafür nötigen An-
lagen und Baulichkeiten zu verteilen und einzurichten, während in Wirk-
lichkeit der Betrieb sich vielfach auf diesen oder jenen Zweig beschränkte
und daher auch der Plan der villa rustica dadurch beeinflußt wurde 7). Einen
guten Begriff von einem kleineren Wirtschaftshofe gibt die oberhalb Pom-
peji bei Boscoreale ausgegrabene Villa, deren Besitzer wesentlich Wein-
und Ölbau betrieben zu haben scheint8). Diese Villa (vgl. den Plan Fig. 26 9)),
die ein Oblong von 40:25 m bildet, enthielt Wirtschafts- und Wohnräume,
letztere scheinen, der wenn auch einfachen Ausstattung nach zu schließen,
zum Teil für den Besitzer bestimmt gewesen zu sein, sodaß man für diese
villa rustica wohl keine eigene villa urbana vorauszusetzen hat. Durch
]) Colum. I 6, 9: pars autem fructuaria
dividitw in rellam oleariam , torcnlariam,
cellam pinariam, defrutariam, foenilia pale-
ariaque et apothecas et horrea, ut ex üs quae
sunt in piano, custodia»! recipiani humidarum
rerum tanquam vini aut o/ei venalium; siccae
autem res congerantur tabulatis, ut frumenta,
foenum, frondes, paleae caeteraque pabula.
*) Cellae familiae, Cat. 14, 1. Lieber die
Anlage Näher Rhein. Jahrb. LXX1X 64 ff.
handelt. Sie sind in der Regel rings von
Mauern umgeben; innerhalb derselben liegt
das Wohnhaus mit einem großen Innenhof
{atrinm nennt ihn Näher, doch ist diese Be-
zeichnung bei der ganz andern Disposition
der Räume und dem Fehlen des Kompluviums
kaum gerechtfertigt), an den sich Wohnräume,
z. T. mitHeizvorrichtung. Schlafzimmer, Küche,
familia rustica, wie die auf den Landgütern Vorratskammern und Keller (der hier fast
beschäftigten Sklaven hießen, die teils beim überall zu finden ist, vgl. ebd. 68) anschlie-
Ackerbau, teils bei den Herden, teils in der ] ßen; ferner Dienstgebäude, Stallungen mit
Hofwirtschaft tätig waren, s. die Zusammen- | den einzelnen Höfen für das Hausvieh, ein
Stellung bei Marquarüt 139 ff. j Geflügelhof mit einem Teich und das Bade-
3) Colum. a. a. 0. 3: optime sohlt ix serris haus. Siehe die Pläne bei Näher Taf. II Fig. 1.
eellae ineriilieni aequ inoctialem spectantes fient. \ 2, 6 u. 7. Ueber römische Villen in den Rhein-
4) Vgl. Thedenat bei D.-S. II 811. Mau landen vgl Hettner Westdeutsche Zeitschr.
bei P.-W. VI 431. II (1883) 1 ff. Schumacher ebd. XV (1896) 1 ff.
5) Colum. a. a. 0. 3: vinctis (serris) quam J. Asbach Zur Geschichte u. Kultur der röm.
saluberrinnn» subterraneum ergastulum, plu- Rheinlande, Berlin 1902. Dragendorfp Rhein.
riniis idque angustis illustratum fenestris at- Jahrb. CVII 240; CXIII 234.
qn.e terra sie ei/ifis, iie manu contingi possint. 8) Vgl. Mau R. M. IX (1894) 349 ff.; XI
6) Colum. XI 1, 18: XII 3, 7; ebd. 8 wird i (1896) 130 ff.; ders. Pompeji 382. Sogli.vno
über die Reinigung und Sauberkeit derselben Not. d. scavi 1895, 207. Pasqui Monum. publ.
gehandelt. per cura d.R. Acad. dei Lincei VII (1897) 397 ff.
7) Beachtung verdienen die ländlichen mit tav. XIV.
Gehöfte im badischen Zehntland, über deren 9) Nach Mau Pompeji 382.
yg Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
einen breiten Eingang kommt man in den Hof A, der an drei Seiten Säulen-
stellungen hat, von denen zwei Brüstungen hatten, die die Säulen ver-
binden. 1 und 5 sind Zisternen, 2 ein gemauertes Wasserbassin, 3 ein
Bleikasten mit hinanführenden Stufen 4 ; er wurde aus der Zisterne gefüllt
und eine Röhre führte das Wasser nach Küche und Bad. Die Küche B
entspricht in ihrer Lage den oben angegebenen Vorschriften; 1 ist der
Herd, 2 der Bleikasten für das Bad, 3 eine Treppe zum Oberstock, 4 eine
Grube für den Ständer des Preßbaums der anstoßenden Kelter P. Dicht
an die Küche stoßen die Baderäume : C der Heizraum mit gut erhaltenem
Kessel für das heiße Wasser *) ; D ist das Apodyterium, E das Tepidarium,
F das Caldarium; dicht in der Nähe liegt der Abtritt Gr. Der an die
Küche anstoßende Raum H wird als Stall bezeichnet; I ist eine Kammer
für landwirtschaftliche Geräte, deren mehrere hier noch gefunden wurden.
K und L sind cubicula; ein weiteres, vielleicht die Wohnung des vilicus
(s. oben S. 70), war im Oberstock über der Eingangsseite. In der Ecke
liegt ein großer Speisesaal N (es haben sich hier die Reste dreier Speise-
sofas gefunden) mit dem Vorzimmer M ; zwei große Fenster vermittelten
das nötige Licht. Zwischen K und L führt ein schmaler Gang zur Bäckerei 0
mit der Mühle 1 und dem Backofen 2 ; P ist die große Weinkelter. Durch
den Korridor Q, in dem einige Fässer in die Erde gegraben sind, gelangt
man über einige Stufen zu der höher gelegenen und unbedeckt gelassenen
cella vinaria R, in der zahlreiche Weinfässer 2, in Erde eingelassen, sich
befinden; durch eine Röhrenleitung floß der Wein von der Nische P 3 in
die Fässer. 3 ist ein Bleikessel mit einer Feuerstelle darunter, vielleicht
zum Kochen des Weines, 4 eine Zisterne. Der mit der cella vinaria in
Verbindung stehende Raum S ist von unsicherer Bestimmung; doch ver-
mutet Wolters wohl mit Recht darin das oben erwähnte nubüarium, da
daneben die Tenne T liegt, auf die sich der Raum mit einer Tür und vier
kleinen Fenstern öffnet. Das auf der Tenne sich sammelnde Regenwasser
floß in das gemauerte Doppelbassin U ab. Der erwähnte Korridor Q führt
dann auch, bei den Schlafkammern V, der Kammer W und dem Raum X
mit einer Handmühle vorbei, zur Ölkelter Y mit der Kammer Z für die
Olquetschmaschine.
Über das Herrenhaus, die villa urbana, erfahren wir aus den land-
wirtschaftlichen Schriftstellern nur wenig; namentlich über die einfacheren
Wohnhäuser, und solche hat es doch selbstverständlich zu jeder Zeit
gegeben, da nicht alle Besitzer von Villen reich genug waren, um sich
prächtige Häuser zu bauen, sind wir gar nicht unterrichtet, Oft genug
wird freilich auf bescheidenen Landsitzen gar kein eigenes Herrenhaus
existiert, sondern die villa rustica auch dem Besitzer als Wohnung gedient
haben; das sabinische Landgut des Horaz wird von dieser Art gewesen
sein. Vitruv läßt sich auf Anlage und Bauart, eine kurze Bemerkung ab-
gerechnet (s. unten), gar nicht ein; Varro spielt, wie oben erwähnt, mehr-
fach auf den darin bereits eingerissenen Luxus an 2); Columella macht die
von nl™nir™dwdie Einrifhtun?,' d»euh]er vollständig erhalten hat, im Abschnitt über
HrirnnTÄ ^T^' "tf/«11-?*6 die Bäder (Abt. II Abschn. VI) besprechen.
He.zungsvornchtung auch m den Metallteilen •) Varr. I 13, 6 vom Gegensatz der alten
Zweiter Abschnitt, Villen und Gärten.
77
villa urbana mit wenigen Worten ab und erwähnt nur die Speise- und
Schlafzimmer, die Baderäume und die Wandelgänge1). Die genauere
Kenntnis der prächtiger eingerichteten und zahlreiche Anlagen umfassenden
villi/ urbana, für die man in der Kaiserzeit auch die Bezeichnung praetorium
gebrauchte2), verdanken wir daher vielmehr den erhaltenen Schilderungen
einzelner Landhäuser3), besonders der beiden Villen, die der jüngere Plinius
in seinen Briefen eingehend beschrieben hat4); daneben kommen einige
poetische Schilderungen des Statius in Betracht, die aber mehr die Pracht
der Ausstattung als die Anlage der Villen betonen5). Dazu kommen dann
die Reste von Villen, soweit sich solche erhalten haben, von denen freilich
die meisten, etwa abgesehen von der Villa Hadrians bei Tivoli6), mit den
Schilderungen der Landhäuser der römischen Großen nicht verglichen
werden können. Außer Italien, wo Reste von Villen sich überall verstreut
finden7), kommen vornehmlich die Schweiz, Süd- und Westdeutschland,
Frankreich, England und Nordafrika in Betracht, da hier überall Reste
von Römervillen, zum Teil recht wohl erhalten, zu finden sind8).
zur neuen Zeit: Uli faciebant ad fructuum
rationem, hi faciunt ad libidines indomitas;
und ebd. 7: quo hi läborant nt spectent sua
aestiva triclinaria ad frigus orientis, hiberna
ad soff tu occidentem, potius quam, ut antiqui,
in </i<«)>i partem cella vinaria aut olearia
mnestras haberet. Vgl. II pr. 2.
') Col. I 6, 1.
2) Ursprünglich das Kriegszelt des Feld-
herrn, im obigen Sinne bei Stat. silv. I 3, 25;
II 2, 82. luv. 1, 75. Mart. X 79, 1. Suet. Aug.
72; Tib. 39; Calig. 37 u. ö. Pallad. I 8, 2. Cas-
siod.Var. XI 14, 3. Es ist speziell der herr-
schaftliche Landsitz, auch wenn kein Oeko-
nomiebetrieb damit verbunden ist, Digg. L
16, 198: urbana praedia <>»niio aedificia acci-
pintus, non solum ea, quae sunt in oppidis,
sed si forte stabula sunt vel alia tneritoria
in villis, vel si praetoria voluptati tantum
deservientia , quia urbanum praedmm non
locus facit, sed materia. Solche Landsitze,
die lediglich zur Wohnung dienten und keine
Landwirtschaft hatten, gab es in der Kaiser-
zeit sehr häufig; vgl. den Spott Martials III
58. 45 und das suburbanum des Bassus III 47.
3) Zu den litterarischen Nachrichten über
die römischen Luxusvillen s. Rostowzew A.
Jb. XIX (1904) 111 ff.
4) Die Villa an der latinischen Meeres-
küste bei Laurentum (das Laurentinum) VI 17
und die im oberen Tibertal bei Tifernum Ti-
berinum (die Tusci) V 6 (über seine Villen
am Corner See IX 7). Die Litteratur darüber
(z. T. mit Rekonstruktionsversuchen) s. oben,
weitere bei Witzschel bei Pauly VI 2607.
Winnefkld A. Jb.VI (1891) 203 A. 7. Daneben
kommen Nachrichten in Betracht, die Cicero
an verschiedenen Stellen seines Briefwechsels
über seine Villen macht, vgl. besonders ad
Qu.fr. III 1.
5) DieVillaTiburtinadesManliusVopiscus
silv. I 3; die Villa Surrentina des Pollius Felix
ebd. II 2. Die Beschreibung der Villa bei Ap.
Sid. epist. II 2 ist eine Nachahmung der pli-
nianischen , aus der die Benennungen der
Räume, wie Marx A. Jb. X (1895) 136 A.9
bemerkt, ohne jedes Verständnis entlehnt sind.
6) Die tiburtinische Villa Hadrians, deren
gewaltige Ruinen heut noch unsere Bewun-
derung erregen , kann hier nicht Berück-
sichtigung finden; sowenig wir beim städti-
schen Wohnhaus die Kaiserpaläste heran-
ziehen konnten, sowenig kann dies Unikum
einer fürstlichen Villa mit all ihren der Laune
des Herrschers entsprossenen Seltsamkeiten
hier als Analogie dienen. Sie ist sehr häutig
behandelt worden; zuletzt und am sorgfäl-
tigsten vonWiNNEPELD Die Villa des Hadriau
bei Tivoli, 3 Ergänzungsheft des Jahrb. d.
archäol. Instituts, Berlin 1895, wo S. 1 ff. die
ältere Litteratur verzeichnet ist; dazu ders.
Preuß. Jahrb. XCIII (1898) 467 ff. ; s. auch Mau
Katal. d. Bibl. d. arch. Instit. I 225 ff. Prächtig
waren auch die Villen des Tiberius auf Capri,
Tac. ann. IV 67. von denen bloß noch dürftige
Trümmer übrig sind (vgl. Fbiedländek Sitten-
gesch. II 100); ferner die Villa Trajans in
Centum Cellae (Civita vecchia), Plin. ep. VI
31. 15. und ganz besonders die der Gordiane
an der Via Praenestina, lul.Capit. Gord.tres 32.
7) Vgl. Friedländer Sittengesch. II 95 ff.
Hamilton in den Transact. of the roval Soc.
of Liter.. London 1839, III 108. L.Tocco B. d. I.
1867, 209. Lanciani ebd. 1870. 14. Westphal
Die röm. Kampagne (Berl. 1829) 39; 63; 118.
Beloch Campanien (Beil. 1879) 82; 86; 179;
188 u ö. GROSsi-GossiBull.com XXVI(1898>
tav. XII. Rostowzew a. a. 0. 119 ff.
8) Die außerordentlich umfangreiche Lit-
teratur, die namentlich in den Zeitschriften
der provinzialen Altertumsvereine zerstreut
ist. kann hier nicht aufgezählt werden; einige
Litteraturangaben s. bei Becker-Göll III 63.
78
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
Wenn es bei Anlage einer dem landwirtschaftlichen Betrieb bestimmten
Villa vornehmlich auf guten Boden und gesunde Lage ankam, so spielte
bei der vi IIa urbana als solcher neben letzterer besonders die Schönheit
des gewählten Punktes, die weite Aussicht auf Land und Meer, die Nähe
von Wald und Gebirge und Wasser die Hauptrolle1). Ganz besonders
bevorzugte man die Meeresküsten und die Ufer der Landseen2); man
scheute sich dabei nicht., bedeutende Terrainveränderungen vorzunehmen,
hier Berge ab- und dort welche aufzutragen3), und namentlich liebte man
es, auf gewaltigen Substruktionen weit ins Meer hinaus zu bauen4).
Was die Zahl und Größe, die Anordnung und Einteilung der einzelnen
Räume der Villa anlangt, so richtete sich das natürlich teils nach der Lage
der Villa, teils nach den Mitteln und den Wünschen des Besitzers. Auf jeden
Fall war die ganze Anlage weitläufiger5), freier, reichlicher mit Portiken
und mit Fenstern ausgestattet, als in den im Raum meist mehr oder
weniger beschränkten Stadtwohnungen. Ein wesentlicher Unterschied im
Plan bestand nach Vitruv darin, daß im vorderen, dem Haupteingang
zunächst belegenen Teile des Hauses nicht ein Atrium, sondern ein Peristyl
lag, weil die Zwecke, für die in den späteren Jahrhunderten der Republik
und in der Kaiserzeit das Atrium vornehmlich bestimmt war, auf dem
Lande dahinfielen; ein Atrium war zwar vielfach noch da, aber es lag
entfernter, von Säulenhallen, Ringplätzen, Wandelgängen u. dgl. umgeben 6).
Dem entspricht denn auch die Villa suburbana des Diomedes bei Pompeji,
wo eine von der Straße über einige Stufen zugängliche, einst durch ein
von zwei Säulen getragenes Vordach geschützte Tür unmittelbar in das
Peristyl führt, ein Atrium freilich fehlt7). Daß im übrigen die Regel von
der Lage des Peristyls keine unverbrüchliche ist, zeigt das Laurentinum
des Plinius, das in seinem vorderen Teil ein Atrium hatte, an das sich
weiterhin eine Portikus und ein Cavaedium anschlössen8). Säulenhallen
') Die Aus- und Fernsichten werden be-
sonders gern hervorgehoben, vgl.Sen.ep.86, 8.
Plin. ep. II 17, 5 ff. ; 12 u. ö. ; ebd. V 6. 19 ; 23
u.ö.
s) Siehe die Zusammenstellung bei Fried-
läxder a. a. 0. und vgl. Sen. ep. 89, 20: hoc
fltoque purum est, nisi latifundiis vestris
murin rh,.rislis, nisi trans Hadriam et Ionium
Aegaenmque vester vilicus regnat, nisi insulae,
dueum domicüia magnorum, inter vilissima
m numerantur. Diese Vorliebe für die
Meeresküste zeigt sich auch darin, daß die
pompejanischenLandschaftsbildchen, die Villen
darstellen, meist solche am Meer belegene
zeigen, mit allerlei Ausbauten und molen-
artigen Anlagen u. dergl, wie denn über-
haupt diese kleinen Veduten vielfach Luxus-
villen mit ihren Säulenhallen. Rundbauten,
Türmen usw. darstellen, vgl. Wörmann Die
hämisch, in d. Kunst d. alt. Völker 375 f. Ro-
8TOWZEW a. a. 0 103 ff.
*) Stat. silv. II 2. 54: motu erat hie, ubi
/>iii,in rit/rs, et lustra fuerwnt, guae nunc
Ucta sniiis; ubi nunc nsmora aräua cernit,
hie nee terra fuü. Sali. Catil. 20, 11: diväias,
quas profundant in extruendo muri et montibut
coaequandis. Vgl. die künstlichen Höhlen in
der Villa des Servilius Vatia, Sen. ep. 55, 6.
4) Vgl. Hör. carm. II 15; ebd. III 24, 3;
ep.Il,83ff. Ov.a.am.III126. Sen. ep. 89, 21.
Manil. astr. IV 262. Friedländer a. a. 0. 111 90 £
5) Senec. ep. 114, 9 tadelt es, daß man
zu seiner Zeit im städtischen Wohnhause weit-
läufig wie auf dem Lande baue (ut in lu.ri-
tatem ruris excurrant).
6) Vitr.VI 8 (5), 3: earum autem reruM
non solum erunt in urbe aedificiorum rationes,
sed etiam ruri, praeterquam quod in urbe
atria proxima ianuis solent esse, ruri autem
pseudourbanis statim peristylia, deinde tunc
atria, habentia circum porticus pavimentatas
speetantes ad palaestras et ambulationes. Das
Peristyl als Teil der Villa erwähnt Vair. II
pr. 2; dasselbe ist wohl das peripteron ebd.
Auch mehrere Atrien kamen in der Villa vor;
doch will Cicero ad Qu. fr. III 1, 2 ein klei-
neres (atriolum) nur da angebracht haben, wo
daneben ein größeres vorhanden ist.
7) Overbeck 369. Mau 376.
s) Plin. ep. II 17, 4L: cuius in /»-inia
Zweiter Abschnitt. Villen und Gärten.
7!»
pflegten überhaupt in den Villen überall in reichem Maße angebracht zu
sein1); sie dienten vielfach als offene Wandelhallen, die bei Sonnenschein
Schatten, bei liegen Schutz boten, wie die öfters erwähnten ambtdationes,
die wohl etwas Ähnliches waren2). Manche dieser Säulenhallen waren so
breii angelegt, daß man sie mit Wagen befahren konnte; sie dienten na-
mentlich zu Spazierfahrten bei Regenwetter3). Öfters werden auch die sog.
cryptoporticus erwähnt, ganz geschlossene lange Gänge, die einzelne Teile
der Villa verbanden und auf beiden Seiten oder auch nur auf einer mit
Fenstern versehen waren, die je nach der Witterung geöffnet oder geschlossen
mlialten wurden4). Andere derartige Gänge waren, wie die unterirdischen
mryptoporticus, ganz ohne Fenster angelegt5).
Von den Wohnräumen sind hervorzuheben die prächtigen Speisesäle.
die gern so angelegt wurden, data man durch die breiten Fenster und
Türen eine weite Aussicht genoß6); man hatte solche für große Gesell-
schaften, wie für kleine Zirkel7), und solche für den Sommer und andere
für den Winter8); dasselbe war mit den Schlafzimmern der Fall9). Worauf
parte atrium frugi nee tarnen sordidum ; deinde
porticus in D litterae similitudinem circutn-
aetae, quibus parvula, sed festiva area inclu-
i/itiir, egregium adversus tempestates reeepta-
culutn: »am specularibus ac multo magis im-
minentihus tectis muniuntur. est contra median
eavaedium hilare. Winnefeld A. Jb. a.a.O.
BIS meint, daß unter eavaedium hier ein Peri-
st \ 1 zu verstehen sei. Da sonst aber eavaedium
immer mit atrium identisch ist (s. oben S. 30),
so dürfte wohl eher auch hier ein zweites
Atrium zu verstehen sein. Daß es von Säulen
getragen war, zeigen die Worte, in denen
Plin. § 5 die rückwärtige Ansicht von dem
dahinter liegenden triclinium beschreibt: a
iergo eavaedium, porticum, aream, porticum
rursus, mox atrium, Silvas et longinquos re-
tpicit montes; da ist anscheinend eavaedium
das impluvium, das ebenso von Säulen ura-
reben ist, wie die area des Peristyls von einer
Portikus. Auch in seiner tuskischen Villa
hatte Plinius ein atrium more veterum,Y6,16.
1) Vgl. Cic. ad Qu. fr. III 1,1: speziell
die Portikus in Ciceros Puteolanum war be-
rühmt, Plin. XXXI 6. Auch die Tusci des
lungeren Plinius hatten eine solche beim
Garten, V 6, 15; ferner Stat. silv.II 2, 30. Sie
waren auch mit Schlingpflanzen bezogen,
(leim die porticus semper verna auf dem sub-
urhanum des Canisius Rufus bei Comum,
Plin. ep. I 3, 1, wird wohl so zu erklären sein.
2) Cic. a. a. 0.; auf seinem Tusculanum
hatte Cicero mehrere, da er Tusc. IV 4, 7 eine
inferior amhulutio erwähnt; vgl. de or. I 7, 28.
Vitr. V 11, 1 ; VII 5, 2. Colum. I 6, 3. Es gab
freilich ebenso offene ambulationes, wie die
von Vitr.V 11. 4 angeführten hypaethri ambu-
lationes der Palaestren, die Vitruv gar nicht
vom Xystus (s. unten) unterscheidet (ebenso
VI 10 (7), 5); dagegen eine bedeckte Cic. ad
Attic. XIII 29.2: teeta ambulatiuneula addenda
est, quam nt tantam faciamus, quantam in
Tusculano feeimus, prope dimidio minoris
eonstabü isto loco. Inschriftl. CIL X 7581.
3) Mart. I 12 u. 82. luv. 4, 5 ; ebd. 7, 178 :
balnea sescentis et pluris porticus, in qua i/esti-
tur dominus quotiens pluit, — anne serenum
expectet spargatque lata iumeufa reeentif
4) Plin. II 17, 16: hinc cryptoporticus
prope publici operis extenditur. utrimque fe-
nestrae, a muri plures, ab horto singidae,
sed alternis pauciores. hae, cum serenus dies
et inmotus, omnes, cum hinc vel inde ventis
inquietus, qua venti quieseunt, sine inhiria
patent. Vgl. ebd.V6,27; ib. 29: aestiva crypto-
porticus in edito posita, die in der Mitte
ein Speisezimmer hat und mit latissimae fe-
nestrae versehen ist; am Ende liegt ein cu-
biculum. Ebd.VI 121,2: cryptoporticus quoque
adopertis inferioribus fenestristantum umbrae
quam htm in ix habet.
5) Plin.V6.30: subest cryptoporticus sub-
terraneae simüis; aestate incluso frigore
riiid contentoque aere suo nee desiderat auras
nee admittit. Eine unterirdische Kryptoportikus
ist auf dem Palatin beim Palast des Tiberius
erhalten (Richter Topogr. 150): Suet. Cal. 58
nennt sie cri/pta.
6) Coenationes, Col.I 6, 2. Plin. II 17, 10;
ebd. 12; V 6, 21; tricUnia, ebd. II 17, 5: mox
triclinium satis pulclirum, quod in Utas ex-
eurrit, ac siquando africo mare impulsum
est, fractis iam et novissimis fluetibus leviter
attuitur. undique valvas auf fenesfras non
mino?-es valvis habet atque ita a lateribus, a
fronte quasi tria maria prospeetat: ebenso wird
V 6, 19 f. das triclinium mit seinen rat nie
und fenesfrae und der weiten Aussicht gerühmt.
7) Plin. 13,1 : tricUnia illa populuria, illa
jiaueoru m . Kleinere Speisezimmer sind wohl das
TrikliniumII17.13 und das fensterlose V 6, 30.
8) Colum. a. a. O. Cic. ad Qu. fr. III 1, 2.
9) Cubicula, Colum. a. a. O. Plin. 13.1:
cubicnla diurna nocturna; II 17, 6; V 6, 21.
80
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
/I I» /i /« /6
man aber ganz besonderen Wert legte, in der Anlage wie in der Aus-
stattung, das waren die Bäder, mit ihren Apodyterien *) und ihren mannig-
fachen Räumen für
warme, heile und kalte
Waschungen,
Schwimmbassins
usw. 2) ; sie wurden
nicht, wie früher, mit-
ten im Hause angelegt,
wo sie meist nur durch
künstliches Licht er-
leuchtetwaren, sondern
man liebte es, sie durch
zahlreiche Fenster der
Sonne zugänglich zu
machen und sie über-
dies mit verschwende-
rischer Pracht auszu-
statten 3). Damit ver-
band man oft ein sphae-
risterium, wo jedoch
nicht bloß das Ball-
spiel gepflegt, sondern
auch andere Körper-
übungen vorgenommen
wurden4); ein Gymna-
sium für solche
Übungen befand sich
auf Landgütern schon
zur Zeit Ciceros5). —
Bildersammlungen und
Bibliotheken, wie wir
_. „„ , sie beim städtischen
Fig. 27. Plan der sog. Villa des Diomedes in Pompeji. TT7- , , ..,
Wohnhaus erwähnten,
fehlten auch auf dem Lande nicht6). Häufig wurden: obere Stockwerke,
turres, bis zu beträchtlicher Höhe angebracht, weil man von ihnen aus
noch eine größere Fernsicht genoß7); hier lagen kleinere Wohnräume
Die Schlafzimmer sind öfters mit der oben
;lj erwähntes zothcca versehen, Plin. II
17.21; V6. 88.
') Varr. II pr. 2. Cic. a. a. 0. Plin.V 6, 25.
s) Cic. a. a. 0. ; ad Att. XIII 29. 2. wo bal-
nearia maiora und minora unterschieden
werden. Colum. I 6, 2. Plin. I 8, 1: balineum
fflud, quod plurimus sei implet et circumit.
Ebd. 4. 1: II 17. 11: V 6, 25 f. Stat. silv. I 3,
44; II 2. 17. Mart. X 79, 3.
*) Man vgl. die Klage des Seneca ep. 86,
8 f. und die Beschreibung vom balneum des
Claudius Eiruscus bei Stat. silv. 1 5.
4) Plin. II 17, 12 ; V 6, 27. Digg. XVII 1,
16. Eine besondere palaestra als Teil der
Villa nennt Vairo II pr. 2 und Vitr.VI 8 (5), 3.
D) Vgl.Cic.adAttic.il, 5; 4, 3; 8, 2; 9, 2
er schmückte es mit Hermen und andern
ornamenta yvfivaotwd?), ebd. 6. 2; 10,3 (vgl.
Ziehen A. A. 1906, 47 ff.). Eine palaestra
im Hause desVerres, Cic.Verr.V 72, 185. Varr.
r. r. 11 pr. 2 erklärt das für griechische Nach-
äfferei.
6) Varr. 12, 10. Plin. II 17, 8.
7) Tib. I 7. 19. Plin. II 17. 12 f. Mart. III
58, 46. Vgl. Becker-Göll I 114.
Zweiter Abschnitt. Villen und Gärten. Q\
(diaetae, s. oben S. 43) mit Schlaf- und Speisezimmern, deren Reiz ganz
besonders gepriesen wird1)-
Wirtschaftsräume, Sklavenzimmer u. dgl. gab es natürlich in der vitta
nrhiina auch in hinlänglicher Anzahl, sie werden aber nur selten und ganz
kurz erwähnt2). Endlich muß erwähnt werden, daß in den Villen, da man
sich häufig auch im Winter dort aufhielt, außer dem Badezimmer auch
noch einige Wohnräume mit Heizung versehen waren3); die Ruinen rö-
mischer Villen nördlich der Alpen, besonders in der Schweiz, in Deutsch-
land und England pflegen durchweg mit solchen versehen zu sein.
Eine bessere Vorstellung von einer römischen Villa, als sie uns diese
vereinzelten Notizen geben, verschafft uns der Blick auf den Plan einer
in den Resten noch erhaltenen, wenn auch im Verhältnis zu den Pracht-
anlagen, wie sie Plinius und Statius beschreiben, recht bescheidenen Villa,
der des Diomedes in Pompeji (Plan Fig. 27) 4). Diese ist an der Gräber-
straße vor dem Herculaner Tor belegen, gegen die sie im schiefen Winkel
stößt, was damit zusammenhängt, daß sie an einem Abhänge liegt, den
die Straße schräg hinabsteigt. Über die Treppe 1 gelangt man durch die
Haustür 2 in das Peristyl 3 mit einem Viridarium im Säulenumgange; bei
a stehen Puteais, die mit der unterirdischen Zisterne zusammenhängen.
Rechts führt bei 4 eine Treppe zu den tiefer belegenen Wirtschaftsräumen.
Rings um das Peristyl liegen verschiedene Räume, teils von unsicherer
Bestimmung, teils citbicula, wie die mit 5 bezeichneten; 6 a ist eine Art
ala , 8 ein tablinum. Besonders bemerkenswert ist das halbrund ab-
geschlossene cubiculum 14 mit dem Vorzimmer (procoeton) 13, dem Bett-
alkoven y, dem aufgemauerten Waschtisch <5, der Cella ß für den cubicularins.
Dies Schlafzimmer mit seinen drei der Sonnenseite zugewandten Fenstern
entspricht ganz dem von Plinius in seinem Laurentinum beschriebenen5).
Davor lag ein Garten, auf den die Seitentür 15 führt. Die Zimmer 16
und 18 waren wohl Vorrats- oder Garderobenzimmer. Der dreieckige
Hof 17, den an zwei Seiten pfeilergetragene Dächer umgeben, ist der Vorraum
zum Bade, e ist ein kleiner gemauerter Herd (wohl zur Bereitung warmer
Getränke nach dem Bade), £ ein Badebassin (piscina), das durch ein von
zwei Säulen getragenes Holzdach gegen die Sonne geschützt war. Zum
') Plin.ll 17, 12 f.; V6. 21. Stat. silv. II
2, 83. Im Laurentinum lag am Nordende der
cryptoporticus und des diese umgebenden
Gartens eine von Plinius selbst angelegte di-
aeta, zu der ein hei Iura minus gehörte, II 17,
20, was wohl einen von der Sonne ganz durch-
wärmten Raum bedeutet. Das Wort kommt
auf einer Inschrift von Smyrna als Teil eines
1, 16. Ueber das Technische der Heizung s.
unten Abschn. III.
4) Overbeck 869 ff. Mau 376 ff.; unser
Plan nach Ovekbeck Fig. 181 . Den Namen führt
sie nach dem gegenüber, auf der andern Seite
der Gräberstrafäe belegenen Grabmal eines M.
Arrius Diomedes, also ganz ungerechtfertigter-
weise. Die Villa ist in den Jahren 1771 — 74
Gymnasions vor, CIG 3148 Z. 43, als Haus- j ausgegraben worden; eine andere, 1763 aus-
teil Digg. VIII 2. 17. gegrabene (die sog. Villa des Cicero) ist wieder
*) Plin.ll 17, 9 sagt bloß: reliqua pars J zugeschüttet worden; ein mangelhafter Plan
mteris huius servorum libertorumque usibus I Pomp. ant. hist. 1 tab. 2. Ueber römische Villen
mtinetur, plerisque tarn mundis, ut accipere j im südlichen Istrien s. Gnirs Österr. Jahres-
hefte XI (1908) 167 ff.
5) Plin. II 17, 8: cubicuktm in hapsida
curvatum, quod ambitum solis frnesfris omni-
bus sequitur.
hospites possint. Ebd. 13 erwähnt er eine
lata apotheca et horreum, in einer tnrris im
Oberstock belegen.
3) Plin. II 17, 9 u. 23; V 6, 25. Digg. XVII
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft. IV. 2, 2. 3. Aufl.
82
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
Zweiter Abschnitt. Villen und Gärten. 83
Bade gehören dann das Apodyterium 19, das Tepidarium 20, das Cal-
darium 21 mit der Wanne (alveus) r\ und der Nische # für das labrum.
Daneben die Küche 22 mit dem Herd fi und dem Backofen X. Bei £ führte
eine Treppe nach oben. In der Ecke, beim Hypokaust x, liegt der Abtritt.
Im Raum 23 war der Hauptwasserbehälter.
Auf der anderen Seite des Peristyls liegt eine große Galerie 26, auf
welche die fauces 6, das tablinum 8 und die Zimmer 9 und 10 münden;
dieser Gang, den man wohl als ambulatio bezeichnen kann, öffnete sich
ursprünglich nach der oberhalb des Gartens belegenen Terrasse 28, wurde
aber später in einen geschlossenen Korridor verwandelt; an den Enden
wurden die Zimmer 25 und 26 und auf die Terrasse hinaus der große Saal
(oecus) 27 gebaut, der eine prachtvolle Aussicht auf das Meer hin bot. Um
die vier Seiten des ausgedehnten Gartens, der erheblich tiefer liegt, ziehen
sich von viereckigen Pfeilern getragene Portiken defgh, die oben einen
unbedeckten Umgang haben. Die Kabinette 29 und 30 sind wohl cubicula.
Unter der Terrasse 28 liegen eine Reihe von Zimmern i und k, die sich
auf die Vorderportikus d des Gartens öffnen; vom Oberstock führt zu ihnen
die Treppe b, von den ebenfalls tiefer belegenen Wirtschaftsräumen der
schmale Gang aa. Dazu gehören die Eckzimmer 1 m: am Ende des Gartens
liegen die luftigen Gartenzimmer n o: in der Mitte der Rückwand führt
die Tür über eine breite Treppe ins Freie. Unter den Portiken e f g h
und unter den Räumen 1 m erstreckt sich ein Keller mit kleinen Fenstern
nach dem Garten zu, durch die Treppe bei q und den Gang 32 zugänglich;
er diente, nach den dort gefundenen Tonamphoren, auch als Weinkeller.
Im Garten ist r ein Fischteich, s eine von sechs Säulen umgebene Laube.
Endlich liegt rechts anstoßend und etwas tiefer, durch den Gang 32
vom Wohnhaus geschieden, der Hof 33 mit einer kleinen Portikus 34 an
der einen Seite, mit Küche, Bäckerei und sonstigen Wirtschaftsräumen
an der andern; doch ist diese ganze Abteilung so zerstört, daß Näheres
sich nicht mehr bestimmen läßt.
Fig. 28 gibt das im Schweizerischen Landesmuseum in Zürich befind-
liche Modell der bei Pfäffikon (Kanton Luzern) ausgegrabenen Reste einer
römischen Villa wieder, bei der die einzelnen Räume zwar nicht bestimmbar
sind, die aber durch die umfangreichen Heizanlagen, wie sie das nördliche
Klima gebot, von Interesse ist.
Nachdem wir die Baulichkeiten der Villen behandelt, haben wir nun
der andern Anlagen zu gedenken, die um sie herum lagen. Zunächst
sind das solche, die direkt zur Landwirtschaft gehören, als Ställe für das
Federvieh, abgesehen von den schon oben erwähnten, in der villa rusücu
angelegten Ställen für Hühner und Tauben, also besonders die für Gänse,
Enten und Pfauen, ferner die Teiche für die Fischzucht, die Tiergärten,
in denen Hasen und anderes Wild gehalten wurde, die Anlagen für die
Zucht der Schnecken und der Haselmäuse, die Bienenhäuser u. a. m.
Hierauf können wir indes ebensowenig wie auf andere Gebiete der römischen
84
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
Landwirtschaft näher eingehen *). Hingegen wollen wir noch einiges über
die Gartenanlagen der Villen2) hinzufügen.
Wenn schon, wie wir sahen (oben S. 41), der Römer in seinem Stadt-
haus gern einen Garten, und mochte er noch so kleine Dimensionen haben,
anbrachte, so bildete der hortus*) beim Landgut einen besonders wichtigen
Bestandteil. Freilich war das in den einfacheren Zeiten der Republik noch
kein Ziergarten; Cato bespricht den Garten im Anschluß an den Obstbau
und läßt zwar Blumen zu, wünscht aber vornehmlich nutzbare Pflanzen4).
Etwas weiter geht Varro; er betrachtet zwar auch den Garten nur vom
Standpunkt des Nutzens, den man daraus ziehen könne, aber er empfiehlt
doch für Landgüter, die nahe bei der Stadt liegen, Blumenzucht, weil sich
die Blumen mit Vorteil in der Stadt verkaufen ließen5). Aber schon
damals liebten es die Reichen, große Areale ihrer ländlichen Besitzungen
lediglich der Ziergartenkultur zu bestimmen, nachdem zumal Lucullus
mit der Anlage seiner ausgedehnten Gärten auf dem Mons Pincius und
auf seinen zahlreichen Villen das Beispiel orientalischer Fürsten und der
Diadochenkönige nachgeahmt hatte6). Immer größer wurde die Ausdehnung,
immer kunstvoller die Anlage dieser Gärten, sodaß es an Klagen über die
dadurch erfolgte Verkümmerung der Natur nicht fehlt7). In den Briefen des
Plinius, in denen er seine Villen beschreibt, nimmt die Schilderung der Gärten
einen wesentlichen Platz ein; in seinem Laurentinum hat er mehrere, neben
dem Ziergarten auch einen für landwirtschaftliche Zwecke bestimmten8).
Aus diesen Beschreibungen und aus andern uns vorliegenden Angaben
erkennen wir, daß auch die Römer den anmutigen Wechsel von parkartigen
Anlagen mit Buschwerk und Waldpartien , mit freien Rasenplätzen und
Wasserbecken einerseits und von künstlich gepflegten, regelmäßig angelegten
Ziergärten anderseits wohl kannten, daß aber ihre Parke mit den modernen,
') Eine genügende ausführliche Dar-
stellung der römischen Landwirtschaft fehlt
noch immer. Die Schrift von H. Gummerus
Der römische Gutsbetrieb nach den Werken
des Cato. Varro u. Columella, Leipzig 1906,
behandelt nur den wirtschaftlichen Organis-
mus.
'-') Außer der oben S. 67 verzeichneten
Litteratur ist hierüber zu vergleichen Böttiger
Racemationen zur Gartenkunst der Alten, in
Kl. Schriften 111 157. Wüstemann Ueber die
Kunstgärtnerei bei den alten Römern, Gotha
1846. Simonis Ueber die Gartenkunst der
Römer, Blankenburg 1865. F.Cohn Die Gärten
in alter und neuer Zeit, in d. Deutsch. Rund-
schau f. 1879, I 250 ff. Woksch Der römische
Lustgarten . Jahresber. des k. k. Staatsober-
gymn. in Leitmeritz, 1881. Anderes noch
bei PaülyIII 1509 und Daremberg et Saglio
III 293.
3) Das Wort hortus (vom griech. x<>QZ0<;
herkommend; die Ableitung bei Festus 102,
11: hortus apud antiquos omnis villa dice-
luiliir, quod ihi, qui arma capere possint,
ntur, ist natürlich falsch) bedeutet ur-
■prfinglich nicht den Ziergarten, sondern das
I »•■konumieland ; nach Plin. XIX 50 kennt das
XII Tafelgesetz noch nicht die villa im spä-
teren Sinne, sondern gebraucht dafür hortus,
während für hortus heredium gesagt wird
(vgl. Scholl Leg. XII tab. reliqu. 137). Bei
Varr. I 1, 6 wird das olivetum den horti, d. i.
den Weinpflanzungen, gegenüber gestellt. In
der Stadt waren die horti die Gemüsegärten
der Aermeren, Plin 1. 1. 51 : Romae quidem
per se hortus ager pauperis erat, ex horto
plebei macellum, quanto innocentiore victut
4) Cato 8, 2: sub urbe hortum omne genus,
coronamenta omne genus, bulbos megaricos,
murtum coniugulum et album et nigrutn, /<>-
ream delphicam et cypriam et silvaticam,
nuces calvas, abellanas, praenestinas, graecas,
haec f actio ut serantur. Daher Cic. Cat. mai.
16, 56: tarn hortum ipsi agricolae succidiam
alteram appellant („eine zweite Speckseite").
") Varr. 116, 3: itaque sub urbe volct-s
hortos late expedit, sie violaria ac rosari" ;
vgl. ib. 35, wo die zu ziehenden Blumen be-
sprochen werden.
6) Plut. Luculi. 39.
7) Vgl. besonders Hör. carm. II 15; auch
Verg. Georg. IV 147 f.
8) Plin. ep. II 17, 15: hortus alius pinguü
et rusticus.
Zweiter Abschnitt. Villen und Gärten.
85
namentlich der englischen Landgüter, nicht wetteifern konnten1), und ferner,
dafä die Römer hinsichtlich ihrer Ziergärten einem absonderlich steifen Ge-
schmack huldigten, der an die verschnörkelte Gartenkunst des Rokoko er-
innert. Wie die kleinen Hausgärten, von denen wir sprachen, in geometrisch
abgezirkelte Beete abgeteilt waren, so waren auch die großen Ziergärten
der Villen in ähnlicher Art architektonisch regelmäßig angelegt. Dieser
Teil des Gartens ist es, den man wesentlich als xystus bezeichnete, mit
einem griechischen Ausdruck, der allerdings in dieser römischen Anwendung
seine eigentliche Bedeutung völlig eingebüßt hat2). Man verstand darunter
die Gänge und Promenadenwege, die sich seitlich oder hinter den Villen,
oft in großer Ausdehnung3) und mit reichem Schmuck von Bildwerken4),
hinzogen; sie grenzten vielfach an die oben erwähnten Portiken6); die
Wege waren von Blumenbeeten begrenzt, mit künstlich verschnittenem
Buschwerk eingefaßt, alles geometrisch abgeteilt6). Lagen die Beete
(iircac, areolae1)) etwas höher als die dazwischen führenden Gänge, so
wurden auch diese pulvinus, torus genannten Teile mit Immergrün u. dgl.
bepflanzt8). Worin aber diese Gärten denen der Rokoko- und Zopfzeit
am meisten glichen, das war in der bis zum Kindischen getriebenen Mode,
Sträucher und Gebüsche, auch hohe Bäume in künstlichen Formen und
Figuren zu beschneiden. Dieser Brauch soll durch den römischen Ritter
C. Matius aufgekommen sein9). Man verschnitt Buchsbaum, Zypressen
und andere Pflanzen nicht bloß in geometrischen Formen, wie Kegel und
Pyramiden, sondern auch zu Namenszügen, zu Figuren, besonders von
Tieren, ja zu ganzen Gruppenbildern10).
So auch Senec. dial. V 8, 4: in
J) Vgl. Fkiedländek Sittengeschichte III
94 f.
2) Vitr.Vll, 4 gibt an, daß die Griechen
die bedeckten Säulengänge, die in den Ring-
schulen neben den freien Uebungsplätzen hin-
liefen und zur Uebung für die Athleten
dienten, tvaroi genannt hätten, daß dagegen
bei den Römern die unbedeckten Gänge, in
denen man bei schönem Wetter die Uebungen
vornahm und die bei den Griechen Jiaga-
Ögouides hießen, xysta genannt worden seien;
vgl. VI 10 (8), 5. Vom Garten gebraucht Vitruv
das Wort noch nicht; auch Cic. Brut. 3, 10;
de opt. gen. or. 3, 8 gebraucht xystus von sol-
chen Säulengängen.
3) Plin. ep. IX 7, 4: spatiosissimi xysti.
Phaedr. II 5. 18. Man ging darin allein oder
mit Freunden spazieren, Plin. ep IX 16, 3.
4) Cic. ad Attic. I 8, 2, wo allerdings die
Bedeutung von xystus nicht deutlich ist.
Doch ist auch ohne dies nicht zu bezweifeln.
daß ebenso wie in Rom zahlreiche Kunst-
werke in den öffentlichen Gärten standen,
auch die Privatgärten der Villen solchen
Schmuck nicht entbehrten. Davon machten
allerdings die Villen des Augustus eine Aus-
nahme, Suet. Aug. 72: sua quamvis modica
[praetoria) non tarn statuarum tabularum-
que pi darum ornatu, quam xyst/'s et ne-
in oribus excoluit.
6) So der xystus bei Plin. ep. II 17, 17 f.
undV6, 16.
xysto maternorum hortorum, gut porticuw
a ripa separat. Solche xysti wurden auch
in den öffentlichen Anlagen von Städten er-
richtet und finden sich inschriftlich mitunter
erwähnt, z. B. CIL XI 948; XII 3155.
6) Plin. ep. V 6, 16: ante porti cum xystus
in plurimas species distindus concisusque bunt.
') Col. X 362; XI 2, 30; 3, 13. Pal). I 34, 7.
Plin. XIX 60. Plin.ep.V6. 16.
8) Varr. I 35, 1. Col. XI 3, 20. Pall. III 24,
13. Plin. XVII 159; XIX 60; XXII 76. Plin.
ep. a. a. O.
9) Plin. XII 13: primus C. Matius ex
equestri ordine, divi Auyusti amlcus, invenit
nemora tonsilia ante hoc LXXX annos.
lü) Plin. XVI 140: diu metae demum
aspectu non repudiata (cuprsssus) distimjuen-
dis tautum pinorum ordinibns, nunc vero
tonsilis facta in densitate parietum coerdta-
que gracüitate perpetuo teres trahitur ttiam
in pieturas operis topiarii, venatus classesve
et imagines rerum tenui folio brerique et
virente semper vestiens. Plin. ep.V6, 16: de-
missus pronusque pulvinus, cui bestiarum
effigies invicem adversas busus mscripsit;
ebd. 35: alibi ipsa buxus interrenit in forntas
müle descripta, Utteras interdum, qu<(e modo
nomen domini dicunt, modo artificis: altern is
metulae surguwt, alternis inserta sunt poma.
Frontin. laus negl. p. 216 (Naber): myrtion
86
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
Einen wichtigen und oft erwähnten Bestandteil der Gärten machte
die gestatio aus, worunter man einen Gang oder eine Art Allee versteht •),
die so breit war, daß man sich in der Sänfte dort spazieren tragen lassen
konnte2), und die bald gerade, bald in Windungen sich durch den Garten
Fig. 29. Römisches Wandgemälde mit Darstellung eines Ziergartens.
hinzog oder ihn umgab3). Seltner wird ein hippodromus erwähnt4), wie
Plinius einen in seiner laurentinischen Villa hatte5); diese Anlage hatte
ihren Namen wohl vornehmlich von der Ähnlichkeit ihrer Form mit der
lang gestreckten, an der einen Seite rund abgeschlossenen Rennbahn, ohne
daß sie selbst für solche Zwecke bestimmt war, wenn auch die durch
Rabatten abgeteilten Wege ein Spazierenfahren oder Reiten erlauben
mochten6). Mit Laub bewachsene Gänge, pergulae, fanden sich ebenso im
Ziergarten wie in den Weinpflanzungen7); auch Lauben (trichüae, tricliae,
triclae) fehlten nicht8). Diese wie jene bestanden vornehmlich aus Gitter-
werk, das mehr oder weniger dicht mit Kletterpflanzen u. dgl. bewachsen
war (vgl. Fig. 29) 9).
buxumque ceteraque tonsilia arbusta atque
rirgu/ta summa diligentia et studio radi, ri-
;/(')■/, conti solita. Vgl. die tonsae pinus Petron.
131.8. DieSitte dauerte bis ins 4. Jahrh. n.Chr.,
s. Firm. Mat. VIII 10: qui buxeas arbores ton-
dens in beluas fingit aut virides porticus in
circulum flexis vitibus faciat.
') Plin.ep.II 17, 13 f.; ebd.V 6, 17, wo
die ambulatio davon unterschieden wird ; vgl.
13,1: quid illa mollis et tarnen solida ge-
statio, was wohl auf die Beschaffenheit des Bo-
dens geht; Digg.VII 1, 13, 4: si forte voluptati
fuit praedium, viridaria aut gestationes vel
ili'innbulationes arboribus -infructuosis opacas
atque amoenas habens. Wahrscheinlich sind
diese ambulationes die schmaleren Wege
zwischen den Anlagen, wie die noti flexus
des xystus bei Phaedr. II 5, 18; vgl. Petron.
126,4, wo ein daphnon bei der ambulatio liegt.
Auch auf Inschriften, s. CIL VI 29774 f.. vgl.
Fiorelli Not. d. scavi 1888, 709 ff. de Rossi
und Gatti Bull, comun. 1889, 355; 1890, 284 f.
') Das hieß ebenfalls gestatio, Senec.
dial. X 12, 6; ep. 15. 6: 55, 1; doch ist gestatio
jede derartige, zur Unterhaltung oder aus
hygienischen Gründen unternommene Beför-
derung, s. Cels. II 15.
3) Plin. a. a. 0.; ebd. IX 7, 4: illic recta
gutatic largo Jimite. super Htm extenditar,
hir sjttttitisissimo xysto leniter inflectitur. Es
ist wahrscheinlich, daß, wie Lapaye bei D.-S.
III 285 vermutet, ein in der Villa der Livia ad
Gallinas albas (vor Prima Porta bei Rom)
aufgefundenes Wandgemälde, das einen von
einer Balustrade und einem Gitterzaun ein-
gefaßten Gang mit Bäumen, Buschwerk,
Vogelhäusern u. dgl. darstellt (s. Denkm. d.
arch.Instit.il (1887) Taf.24; vgl.ebd.ITaf.il.
BKUNNB.d.I.1863,82. Lafaye286 Fig. 2900)
eine solche gestatio wiedergibt. Ueber Dar-
stellungen von Gärten auf pompejanischen
Wandgemälden vgl.WöRMANN Landsch. i. d.
alt. Kunst 374 ff.
4) Der bei Mart. XII 50, 5 erwähnte pul-
vereus hippodromus gehörte wohl auch zu
einer Villa, worauf die daphnones, platanones
und pituones v. 1 hinweisen.
ä) Plin.ep.V6, 19; ebd. 28 u. 32.
6) Wie bei Mart. a. a. O. Marx A. Jb. X
(1895) 135 ff. spricht die Vermutung aus, daß
das sog. Stadium bei den Kaiserpalästen des
Palatins ein solcher hippodromus gewesen sei.
T) Plin. XIV 11; ib. 42; XIX 69. Colum. IV
21,2; XI 2, 32.
8) Caes.b.civ.III96. Verg.Copa8. Colum.
X 378 u. 394. Auch auf Inschriften, CIL VI
10237; 15 593.
a) Auch diese sind auf Wandgemälden
nicht selten zu sehn, s. Pitture di Ercol. II
267. Visconti Bull, comun. 1874, 145Taf.l7,
Zweiter Abschnitt. Villen und Gärten.
87
Auf das Vorhandensein von natürlichen oder künstlichen Teichen oder
kleinen Seen, von Quellen und rieselnden Bächen legte man viel Wert1)
und brachte gern Springbrunnen (aquae salientes) und sonstige Wasserkünste
dabei an, die auch in den Speise- und Schlafzimmern Kühlung brachten 2).
Zugleich wurden diese Anlagen dazu benutzt, Wiesen- und Gartenanlagen
zu besprengen3). Oft standen die Bäche und Wasserleitungen mit künst-
lichen Grotten in Verbindung, die aus Tufstein, Bimstein u. dgl. aufgeführt
waren1) und musaea genannt wurden5). Bänke und Ruheplätze waren
da und dort angebracht6), und auch diese wurden manchmal mit den
Wasserkünsten in Verbindung gesetzt, wie bei dem von Plinius beschrie-
benen stibadium 7).
Mit solchen künstlichen Gärten und Anlagen wechselten dann wieder
Baumgruppen und Wiesen 8), sodafi es an Mannigfaltigkeit, die gern rühmend
hervorgehoben wird, nicht fehlte, zumal auch die Baulichkeiten nicht bei-
sammen lagen, sondern hier und da verstreut und von Garten- und Park-
partien unterbrochen.
Viel weniger Abwechslung aber, als unsre modernen Ziergärten mit
ihrer reichen Flora, boten die Gärten der Römer hinsichtlich der darin
gezogenen Blumen und Sträucher. Der heutige Garten prangt mit zahl-
reichen herrlichen Blumen, die erst Mittelalter und Neuzeit aus allen
Weltteilen her eingeführt haben, der altrömische mußte sich mit weit
weniger benügen und dafür die Pracht in deren möglichst verschwenderischen
Fülle suchen9). Seine Hauptzierde waren Rosen10) und Violen (Levkoien,
8 (darnach unsere Fig. 29). Bartoli Sepolcro
d. Nasoni Taf. 30 (Daremberg et Saglio IV
B92 Fig. 5568). Helbig Wandgemälde 415
N. 1741; 416 N. 1748.
') Das dazu erforderliche Wasser wurde,
wenn es die Natur nicht von selbst bot,
durch Pumpwerke und Treträder aus benach-
barten Flüssen oder Brunnen herbeigeführt,
Mart. IX 18,4: sed de volle brevi, quas det
sitientibus hortis, curva laboratas antlia tollat
aquas. Ueber die Konstruktion der rota
aquaria (Lampr. Heliog. 24, 5) s.Vitr. X 9 (4) ff.
2) Plin.ep. II 17,25; V 6, 20; ib. 23: fon-
Hculus in hoc, in fönte crater; circa sijpun-
culi plures miscent iucundissimum murmur;
ib. 36. Manil. Astr. IV 262 ff. Ueber sipun-
culi, die wie fistulae, tubuli u. dgl. die Ver-
teilung des Wassers durch Röhren besorgen,
vgl. Becker-Göll 75.
s) Plin. ep. V 6, 40: per totum hippo-
drotnum inducti fistulis strepunt rici et quo
manus ducit secuntur: hie nunc Hin viridia,
nunc haec, interdum sinnt! omnia lavantur.
4) Varr III 5, 9. Plin. XXXVI 154: op-
pettantur quidem ita (pumices) erosa saxa
in aedifieiis, quae musaea voeant, dependentia
(dl imaginem specus arte reddendam. Senec.
ep. 55. 6: speluncae sunt duae magni operis,
cuivis ln.ro atrio pares, mann faetae, quarum
altern solem tum reeipit, altern tisqae in oc-
eidentem tenet. Ov. met. III 159. wo eine natür-
liche Tuffsteingrotte den künstlichen gegen-
über gestellt wird; ebd.VHI562: pumice mnlti-
cavo nee levibus atria toplu's \ strueta subit.
») Plin. XXXVII 14 und a. a. O. Varr. a.
a. 0., auch inschriftl. CIL VIII 2675. In an-
derem Sinne nennt Plin. ep. I 9, 6 sein ganzes
Laurentinum ein ftovaeiov.
6) Plin. ep. V 6, 40: sunt locis piurtbua
disposita sedilia e marmore, quae amhnlatione
fessos nt cubicitlum ipsuni iuennt ; fonticu/i
setlilihus adiacent.
7) Plin. a. a. 0. 36: /// capite stibadium
Candida marmore ritej>rote(/itar, ritem quattnor
co/ameUae Cari/stiae subeunt. e.r stibadio aqua
velut expressa cubantium pomlerc , sipu/n-
Culis ef/luit, earato iap'nle suseipitur, gracili
marmore continetur atque ita OCCuUe tempe-
ratur, ut impleat nee redundet. Ueber sti-
hatlia s. im Abschn. IV.
8) Plin. a.a.O. 18; ebd. 23 u. 35.
9) Vgl. Friedländer Sittengesch. III 99.
10) Rosaria, Rosenbeete, Colum. I pr. 27 ;
XI 2, 29. Pall. III 21; IV 8, 2. Verg. Georg.
IV119. Prop.IVö. 61. Ov. met. XV 708; trist.
V2, 23. Auch roseta, Pallad. XII 11. Verg.
ecl. 5, 17. Ueber die Rose ist zu vgl. Wüste-
mann Unterhaltungen f. Garten- und Blumen-
freunde, Gotha 1854, S. 35 ff. Becker-Göll
76 f. Schleiden Die Rose, Leipzig 1873.
Nietner Die Rose. Leipzig 1880. Jovet La
rose dans l'antiquite et au moyen äge, Paris
1892. Ueber Rosen, Lilien und Violen Hehn
Kulturpflanzen u. Haustiere 6 S. 243 ff.
88
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
Goldlack)1); rosaria und violaria empfiehlt Varro als rentable Anlage2), auch
bei den andern Landwirten ist von diesen Blumen, die namentlich in der
Kranzbinderei starke Verwendung fanden, öfters die Rede. Darnach kommt
die Lilie am häufigsten vor, die man ebenfalls in eigenen Beeten3) oder
zusammen mit Rosen zog4). Das sind die drei Hauptblumen der römischen
Gärten; daneben kommen in Betracht vornehmlich Narzissen, Anemonen,
Hyazinthen5), Mohn, Verbenen, Amarant, Immortellen. Krokus6) und andere
mehr, die wir hier nicht aufzählen wollen7). Dazu kommen verschiedene Zier-
sträucher8) und Blätterpflanzen, wie Efeu, den man an Bäumen und Lauben,
an Wänden und Säulen emporranken ließ oder an Girlanden zog9), und wilder
Wein10), sowie Akanthus, der für den Boden (als Teppichgärtnerei) benutzt
wurde11), während Buchsbaum12) und Rosmarin13) zur Einfassung der Beete
dienten. — Unter den Bäumen der Gärten und Parks sind vornehmlich zu
nennen die Zypresse, die wie der Buchsbaum in barocker Weise zu Figuren
verschnitten wurde, aber auch sonst, wie im heutigen Italien, ein sehr be-
liebter Baum war14), die Platane, die die Römer ebenso, wie die Orientalen
und Griechen, ihres Schattens wegen zu schätzen wußten15), die Pinie16), die
Palme 1 7), der Lorbeer1 8), die Myrte L'-'), der Maulbeerbaum 20), die Feige2 ') u. a. m.
') Violaria, Varr. I 35, 1. Colum. X 259.
Hör. «um. II 15, 5. Verg. Georg. IV 32. Ov.
a.a. 111 67; fast. IV 437. Ueber die botanische
Bestimmung der Violen s.Hehn a.a.O. F.Cohn
bei Friedländer Sittengeschichte II 247 ff.
-) Varr. I 16, 3.
3) Laieta, Pall. III 21, 2.
*) Plin. XXI 22.
5) Daß das nicht unsere , erst in der
Neuzeit eingeführten Hyazinthen waren, son-
dern eine Iris- Art, ist hinlänglich bekannt;
vgl. Cohn a. a. 0. 254 und Bissinger im Progr.
der Studienanst. zu Erlangen f. 1880.
6) Der Krokus ist die einzige Blume, die
in historischen Zeiten von den Römern in
Italien eingeführt worden ist, doch geschah
es auch da nicht der Zierpflanze, sondern
des Saffrangewinnes halber, vgl. Varr. I 35, 1.
Colum. III 8, 4. Plin. XXI 31. Mart. VIII 14.
7) Mehr bei Wüstemann Die Kunstgärt-
nerei bei d. a. Rom. 23 ff.
8) Vgl. Günther Die Ziergewächse und
ihre Kultur bei den Alten, Bernburg 1861.
9) Cic. ad Quint. fr. III 1, 5: topiarium
laudavi: ita omni« ccnvestivü hedera, qua
iuisilh vfflae, qua intercolumma ambtdationis,
ii i dmiam Uli paUiati topiariam facere vi-
deantur <■/ hederam vendere. Prop. IV 4, 3
Plin. XVI 144. Plin. ep.V 6, 32: hedera tnn<-
<hiii et ramoa pererrat ricinaeque platanos
transitu nto copulat.
10) Plin. ep. a. a. 0. 39: ritis per omne
tectum in cultnen nüitur <-t aseendtt.
»') Verg. Geo. IV 123; ecl. 4, 20. Colum.
X 241. Plin. XXII 76: acanthi, topiariae et
urbanae herbae int<> Umgoque foUo crepidmea
morotnum adtsurgentiumque pulvinorum torox
■>/is, ,l,i,, genera sunt. Plin. ep.V 6, 16
u. 36. Vgl. Wähler bei P.-W. I 1148.
»*) Plin. XVI 70. Plin. ep. II 17, 14: ge-
statio buxo aut rore marino, ubi deficit
buxuü, ambitur; ib. V 6, 17 f. und 32. Mart. III
20. 13; buxeta, ebd. II 14, 15; tonsili buxeto,
ebd. III 58, 3. Vgl. Hehn a. a. 0. 224 ff. und
Max C. P. Schmidt bei P.-W. III 985 f.
13) Ov.met. XII 410. Plin. XVII 98; XXIV
99. Colum. IX 4, 2. Plin. ep. 11 17, 14.
u) Plin. XVI 140. PJin. ep. V 6, 33; sie
dienten auch zur Einfassung der Gutsgrenzen,
Varr. 1 15. Vgl. über die Zypresse Hehn 276 ff.
und den ausführlichen Artikel von Olck bei
P.-W. IV 1904 ff.
") Hör. carm. II 11, 13. Verg.Geo.IV 146.
Mart.lX61,6. Macr. sat.HI 13, 3; platanones,
Petron. 131,1. Mart.XII50, 1. Vgl.HEHN a.a.O.
283 ff.
16) Cat. 48, 3. Varr. I 15. Verg. ecl. 7, 65.
Hör. carm. II 11, 14. Ov. a. a. III 692. Petron.
131,8: tonsaeptnus. Sil. lt.VIII596;einPinien-
-wä\dchen pinetum oder pityon, Mart. XII 50, 1.
Plin. XXVII 66. Vgl. Hehn a. a. 0. 290 ff.
17) Sowohl Dattelpalme wie Zwergpalme,
doch werden sie mehr der Früchte und der
aus den Blättern, dem Bast usw. gefertigten
Fabrikate wegen erwähnt, als in ihrer Eigen-
schaft als Zierbäume; vgl. Hehn a. a. 0. 262 ff.
18) Plin. XV 127 ff. Cato 133, 2. Verg. ecl.
2.. 54. Ov. a.a. III 690. Petr. 131, 8; Lorbeer-
hain lauretum oder daphnon, Plin. XV 138.
Suet. Galba 1. Mart. XII 50, 1. Ueber Lorbeer
und Myrte vgl. Hehn a. a. 0. 216 ff.
,a) Cato 8, 2. Hör. carm. II 15, 6. Plin. XV
119 f.; sie wurde auch geschoren, Quint. VIII
3, 8: tonsas myrtos. Myrtenhaine, rnyrteta,
Mart. III 58, 2.
:!ü) Plin. ep. II 17, 15. Colum. V 10, 19.
Pall. III 25, 28.
-l) Plin. a. a. 0.; als Nutzbaum ungemein
Dritter Abschnitt. Die innere Ausstattung des Hauses.
89
Endlich ist noch zu bemerken, daß die Römer in ihren Gärten zwar
keine Treibhäuser mit Heizung nach Art der unsrigen kannten , doch
immerhin etwas Ähnliches; denn daß sie Rosen und andere Blumen in
Glashäusern kultivierten, ist belegt: man erhielt auf diese Art auch im
Winter frische Blumen1). In solchen Gewächshäusern wurden auch Wein-
trauben, Melonen und anderes Obst im Winter konserviert, indem man
sie in transportablen Beeten zog2). Das war aber erst möglich, als man
Fensterglas in größeren Platten herzustellen verstand, ist also jedenfalls
nicht vor dem ersten Jahrhundert n. Chr. üblich gewesen3).
All das zu besorgen und zu pflegen war die Aufgabe des topiarius*),
wie der Gärtner seit der Zeit, wo es derartige Ziergärten gab, mit einem
eigentümlichen Ausdruck5) genannt wurde; er war natürlich, wie alle Diener
der Villa, ein Sklave. Seine Kunst war die ars topiaria 6), seine Schöpfungen
ein opus topiarium1). Der Name hortulanus, der unserem Gärtner ent-
spricht, kommt erst später auf und bedeutet den, der die Gärtnerei als
Beruf betreibt8).
V
Dritter Abschnitt.
Die innere Ausstattung des Hauses.
Über die innere Ausstattung des römischen Wohnhauses in den
früheren Jah.-hunderten der Republik liegen uns fast gar keine Nachrichten
vor; zieht man aber in Betracht, wie einfach damals die ganze Hausanlage
faäufig erwähnt. Vgl. Hehn 94 ff. • über den
Oelbaum ebd. 101 ff. Die lediglich als Nutz-
bäume, wegen ihres Holzes oder ihrer Früchte,
dienenden kommen hier nicht in Betracht.
Von der besprochenen Flora der Gärten gibt
das oben (S. 86 A. 3) erwähnte Wandbild aus
der Villa der Livia eine gute Vorstellung. Hier
erkennt man im Vordergründe ein mit Blumen
reich bewachsenes Unterholz; unter den Blumen
sieht man Rosen, Granatblüten, Narzissen,
kamillenartige u.a. Blumen mehr; hinter der
Balustrade sieht man allerlei Baumgruppen,
darunter Palmen, Lorbeer, verschiedene Frucht-
bäume, wie Granat-, Aepfel-, Quitten-, Kirsch-
baum (an den dargestellten Flüchten kennt-
lich), in den Einbiegungen stehen Nadelhölzer,
im Hintergrund sieht man Zypressen hervor-
ragen. Vgl. Wörmann Die Landschaft 331.
Möller Die Botanik in den Fresken der
Villa der Livia, R. M. V (1890) 79 f.
*) Mart. IV 22, 6: condita sie puro nume-
rantur Ulla vitro; auch XIII 127 scheint auf
solche Treibhäuser zu gehen, vielleicht auch
VI 80.
2) Mart. VIII 14, 3: hibernis obieeta notis
specularia puros \ admittunt soles et sine
faece dient; ebd.VIII 68, 5: condita perspicua
vivit vindemia gemma. Plin. XIX 64: pjm-
si/i's conti» hortos promoventibns in sotem rotte
olitoribus rursusqnc kibemis i/ichiis intra
speeuiarium munimenta revöcantibuB. Colum.
XI 3, 52: sed nihilo minus gpeeulartbus integi
debebnnt, nt et in in fritjoribns screnis diebns
tuto producantur ad sclem.
3) Vgl. Senec. ep. 90, 25.
4) Cic. ad Qu. fr. III 1, 2. Plin. XVIII 242.
Plin. ep. III 19, 3. Sehr häufig auf Inschriften,
s. Marquardt 141 A. 6. dazu CIL VI 33619; X
6638 A. 1, 3 f ; B 2, 9; C 1, 10; 2, 14 u. 16; 25,
3, 29; XIV 3648. Bull, comun. XXX (1902) 98.
5) Es kommt von topia (wohl von mr<>, ;.
das Landschaftsgärtnerei (Spart. Hadr. 10) und
Landschaftsmalerei bedeutet, Vitr.VII 5, 2.
6) Cic. a.a.O.: topiaria m facere.
7) Plin. IV 29; XII 22: XV 81; 122; 130
u. s. Gartenpflanzen sind herbae topiariae, Plin.
XXI 68; XXII 62: 76.
8) Macr. VII 3. 20. Apul. met. IX 31. Corp.
Gloss. Lat. VI 528. Auch auf Inschriften. CIL
VI 9472 f. Vgl. Lafaye bei L».-S. III 275. Ueber
ri/iens und snbrilicn* hortorum s. oben S. 70
A. 6; supra hortos CIL VI 4346: rilicu* mpra
hortos ebd. 9472: ferner ejr hortis VI 6241;
6281; 6299; 6370.
90
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
war, in der kostbares Material noch gar nicht zur Anwendung gelangte, wie
auch im zweiten Jahrhundert v. Chr. noch luxuriöse Ausstattung der Villen,
wie wir oben (S. 68) gesehen haben, bloß vereinzelt vorkam, so werden
wir annehmen dürfen, daß auch im Innern des städtischen Wohnhauses
die altrömische Einfachheit lange sich erhalten hat. Die Wände waren
vermutlich bloß getüncht oder mit dünnem Verputz versehen, der noch
nichts von der sorgfältigen und komplizierten Herrichtung hatte, die der
Stuck bedurfte, um als Untergrund für Malereien dienen zu können. Wann
die Sitte aufkam, die Wände mit Malereien zu versehen, wofür in der
Tempelausstattung schon ziemlich früh Beispiele vorliegen1), entzieht sich
unserer Kenntnis; denn es ist sehr wahrscheinlich, daß die bei den Ko-
mikern öfters erwähnten Wandgemälde athenischem Brauch angehören und
für Rom nichts beweisen2). Wahrscheinlich ist es das zweite Jahrhundert
v. Chr., in dem die Sitte, die Wände zu bemalen, in Rom allmählich Eingang
fand und überhandnahm; im letzten Jahrhundert der Republik finden wir
sowohl den Verputz mit Stuck (das tectoriitm), wie die mit dieser Arbeit
betrauten Handwerker (tectores)3) und die das Glätten der Wandflächen
besorgenden politores*) öfters erwähnt; in Pompeji gehen die ältesten Bei-
spiele verputzter Wände nicht bloß in öffentlichen, sondern auch in Privat-
gebäuden bis ins zweite Jahrhundert zurück5).
Was die Technik der römischen Wandmalerei anlangt6), so haben
wir darüber teils allerlei, zum Teil ziemlich eingehende Angaben bei den
Schriftstellern, teils dienen die noch erhaltenen alten Wandgemälde, vor-
nehmlich in Pompeji, sodann auch in Rom und anderwärts, als Grundlagen
für die Untersuchung. Eine sehr wichtige, für die Wirkung der Malereien
ebenso wie für ihre Dauerhaftigkeit bedeutsame Prozedur war dabei die
Bereitung und Auftragung des Stuckes (tectorium), auf den gemalt werden
sollte7). Diese erfolgte in der Weise, daß mehrere (in der Regel drei)
Lagen Sandmörtel (d. h. Kalk mit Sand vermischt) auf die Wand auf-
') Die Angaben des Plin. XXXV 16 ff.
über uralte Malereien, die älter als die Grün-
dung der Stadt seien, und über griechische
Maler in Italien um 664 verdienen keinen
Glauben, s. Brunn Griech. Künstler II 4; ebd.
302. Dagegen unterliegt keinem Bedenken,
was von den durch Fabius Pictor i. J. 394
v. Chr. im Tempel der Salus ausgeführten
Gemälden (Plin. ebd. 19) oder von den Wund-
malereien des Pacuvius (zirka 220—132 v. Chr.)
im Tempel des Hercules (Plin. ebd.) berichtet
wird.
-) So Nissen Pompej. Stud. 55 f. wohl mit
Recht.
3) Vitr.VII 3, 10; 10, 2 f.; 14. 1. Bei-
spiele von Inschriften s. Marquardt 157 A. 1 ;
634 A. 1 ; artifices tectores, also bessere Stuben-
maler, CIL XIII 1734. Helbig Unters, üb. d.
campan. Wandmal. 139 u. 320 nimmt freilich
bereits für die zweite Hälfte des 3. Jahrh.
v. Chr. Wandmalereien im römischen Privat-
hause an, aber nur auf Grund von Stellen
l'lautus.
*) Siehe über diese Tätigkeit Blümner
Technol. III 181; vgl. CIL VI 3820; 9462, 15;
X 6838.
5) Overbeck 503 f. Nissen a. a. O.
6) Die Litteratur hierüber ist auf3er-
ordentlich umfangreich und geht im wesent-
lichen von den pompejanischen Wandmalereien,
sowie von den einschlägigen Stellen des Vitruv
und Plinius aus. Wir nennen hier nur die
Hauptarbeiten der neueren Zeit, nämlich
O. Donner Die erhaltenen antiken Wand-
malereien in technischer Beziehung, Leipzig
1869 (als Einleitung zu W. Helbig Wandgem.
der vom Vesuv verschütteten Städte Cam-
paniens) und E. Berger Die Maltechnik des
Altertums. München 1904 (hier ist S. 63 ff. die
ältere Litteratur aufgezählt und besprochen);
die Resultate der letzteren Schrift faßt kurz
zusammen Blümner Jahrb. f. d. klass. Altert.
f. 1904, I 202 ff.; vgl. auch Gerlich ebd. 1908.
I 127 ff.
7) Die Hauptstellen hierfür sind Vitr.VII
3, 5 ff. Plin. XXXVI 176; vgl. Blümner Tech-
nologie IV 432 ff.
Dritter Abschnitt. Die innere Ausstattung des Hauses. 91
getragen wurden, und auf diese sodann zwei bis drei Lagen Marmormörtel
(Kalkmörtel, der mit gröber oder feiner gestoßenem Marmor angemacht
ist), wobei die einzelnen Lagen immer feiner hergestellt und schließlich
mit Putzhobeln festgeschlagen und geglättet wurden l). Hinsichtlich der
Technik, in der auf diesen Grund gemalt wurde, galt, nachdem früher die
verschiedensten Hypothesen darüber aufgestellt und die kampanischen
Wandgemälde bald als Fresken, bald als Temperabilder, ja sogar als en-
kaustische Gemälde bezeichnet worden waren, bis in die neueste Zeit als
ausgemacht die von 0. Donner ausführlich begründete Meinung, daß alle
diese Wandgemälde mit ganz verschwindenden Ausnahmen Freskomalereien
seien, daß sie also mit den für diese Technik geeigneten Farben, d. h. im
wesentlichen mit vegetabilischen, da animalische und mineralische sich
dafür nicht eignen, auf den noch nassen Bewurf gemalt worden seien2).
Dem entgegen hat neuerdings E. Berger durch abweichende Auffassung
der Schriftquellen und genaue Untersuchung der alten Malereien, sowie
durch eigene praktische Versuche zu erweisen gesucht, daß das Verfahren
ein, anderes war: daß nämlich in der Regel die letzte Stuckschicht, den
Feldern der Wand entsprechend, in verschiedenen Farben, schon in der
Masse gefärbt aufgetragen, auf kaltem oder heißem Wege geglättet und
dann die Malereien vermittelst eines Bindemittels aufgetragen worden
seien, also in Temperamanier. Daneben nimmt freilich auch er noch eine
Malweise an, bei der, immerhin auch mit Hilfe von Bindemitteln, auf den
noch feuchten Bewurf gemalt worden sei. Es muß einstweilen abgewartet
werden, welche dieser beiden Hypothesen durch die erneuten Untersuch-
ungen der Sachverständigen sich als die richtige erweisen wird3).
Auf die stilistische Entwicklung der kampanischen Wandmalerei, deren
genaue Kenntnis und chronologische Fixierung wir den Untersuchungen
von Mau verdanken4), näher einzugehen, ist hier nicht der Ort, ebenso
dürfen wir die Stoffe der Figurenbilder übergehen5).
Unter hellenistischem, besonders wohl alexandrinischem Einfluß kam
im letzten Jahrhundert der Republik der im Orient seit frühen Zeiten
heimische Brauch auf, die Wände mit Platten bunten Gesteins (crustae) 6) zu
*) Das Verfahren bespricht eingehend I b) Die Hauptlitteratur über Pompeji und
Berger a. a. 0. 83 ff.
2) Diese Annahme ist denn auch in den
neueren Werken über Pompeji durchweg fest-
gehalten, vgl. Overbeck 569. Mau 472.
3) Die Bemalung der Wände besorgte
der pictor parietarius, der die einfache, und
der pictor imaginarins, der die Wandgemälde
ausführte. Ed. Diocl. 7, 8 ff. (letzterem weist
Mau bei Marquardt 634 A. 6 mit Unrecht die
Tafelmalerei zu). Sonst schlechtweg pictores,
auch unter den Sklaven, vgl. CIL VI 4008 f.;
9102; X 6638 C 3, 18; perfector et pictor II
4085; vgl. 1624. Der colorator grundierte
vielleicht nur die Wände, ebd. X 5352.
*) A. Mau Geschichte der dekorativen
Wandmalerei in Pompeji, Berlin 1882; vgl.
dens. Giornali degli scavi di Pompei, N. S.
II 386 ff.; 439 ff. und Pompejan. Beiträge
(Berlin 1879), 6 ff.
Herculaneum s. bei Marquardt 214 A. 2.
Becker-Göll 306 f. ; dazu das im Erscheinen
begriffene große Tafelwerk von P. Hermann
Denkmäler d. alten Malerei, München 1906 ff.
6) Vitr.VII 5, 1: ex eo antiqui qut initia
expolitionihns instituerunt imitati sunt \>ri-
mum crustarum marmorearum rarie/ates et
ecrUocationes. Senec. de benef. IV 6, 2: tenues
crustae et ipsa qua secantnr laniina gra-
ciliores. Id. ep. 86, 6: nisi Alexandrina mar-
mora Numidicis crustis distincta funt. Plin.
XXXVI 47: secandi tn crustas nescio an
Cariae fuerit incentum. Lucan. X 114: nee
snnunis ertutata domus tectisque nitebat mar*
moribus. Sid. Apoll, ep. II 2, 7 : iam m mar*
mora inquiras, non Ulk qualem Paros Ca-
rystos Proconnesos, Phryges Numidae Spar-
tiatae rupium variatarum posuere CTUgtOB.
Id. carm. 22, 146: sectilibus paries tabulis
92
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
bekleiden, das sog. Inkrustationsverfahren1). Mamurra, der reiche und
liederliche Anhänger Cäsars, soll zuerst diese Art der Dekoration in seinem
Hause auf dem Caelius angebracht haben 2). Wie man bei fortschreitendem
Luxus die Säulen im Atrium und im Peristyl aus kostbarem Marmor her-
stellte3), so nahm man zu solchen Wandverkleidungen mit Vorliebe bunt-
farbige Gesteinsarten, meist ebenfalls Marmor, daneben Alabaster, Porphyr,
Granit u. a. m., die man aus allen Teilen der damaligen Welt bezog. Lakonien,
Euboea, Thessalien, Phrygien, Numidien waren es vornehmlich, die diese
prächtigen Gesteine, von denen sich zahlreiche Überreste in den Ruinen
römischer Bauten gefunden haben und noch finden, dem Luxus der römischen
Reichen lieferten4). Es ist begreiflich, daß diese Pracht ebenso von den
Dichtern, die die Herrlichkeiten der römischen Bauwerke zum Stoff nahmen,
gepriesen5), wie von strengen Sittenrichtern und Lobrednern altrömischer
Einfachheit streng getadelt wird0). In welcher Weise diese Wanddeko-
ration, bei der das Gestein vermittelst Sägen7) in viereckige oder runde
Platten {abaci, orbes) 8) geschnitten wurde, malerische Wirkung ausübte,
können wir teils aus den gemalten Nachbildungen erkennen, die in pom-
pejanischen Häusern häufig sich finden (im sog. Inkrustationsstil)9), teils
aus den noch erhaltenen Wänden byzantinischer Kirchen, da sich diese
Art der Wanddekoration lange forterhalten hat. Geschmacklos war es,
wenn man, wie es unter Nero aufkam, die Zeichnung des Gesteins durch
Einsetzen anders gefärbter Partien willkürlich veränderte10). Scheint diese
Unnatur sich nicht lange in der Mode erhalten zu haben, so fand dafür die
angeblich unter Claudius gemachte Erfindung, Figuren von Tieren u. dgl.
in Stein als Silhouetten auszuschneiden und auf einfarbigen Steingrund
einzusetzen11), um so mehr Anklang. Es war dies eine auch für Fußböden.
crustatus. Isid. XIX 13: erustae tdbulae sunt
marmorig, unde et marmorati parietes et
crustati dicuntur. Die;g. XIX 1. 17. 3; incru-
stare ebd. VIII 2, 13, 1; L 16. 79, 2.
') Senec. controv. II 9, 12: in hos ergo
exitus varius ille xecatur lapis, ut tenui fronte
pa rietem tegat. Senec. ep. 114, 9: deinde in
ipsas domos inpenditur cura, ut in laxitatem
r ii rix excurrant, ut parietes advectis trans
um, -in marmoribus fulgeant; ib. 115,9: mi-
ramur parietes tenui marmore inductos. In-
schriftl. incruxUitio marmorea, CIL III 6671:
vgl. XU 535.
-) Plin. XXXVI 48: prinmni Romae pa-
rktet mixtii marmorn operutMe totos domns
«nur in CaeUo monte Cornelius Nepos tradit
Mamu r> -d »i , /• 'iirtn iix natum equitem Romanum,
praefectum fabrwn C. Caesaris in Gattia.
3) Plin. a.a.O., ebenfalls von Mamurra:
hui, Ulm- dilirit ii/rm "Nepos, primum totis
aedtbus mtHarn nisi e marmore cohmnam
Imhiiisse et omnex solidos 0 Carystio aut Lu-
unixi. Dagegen ist die Ausstattung der Villen
des jüngeren Plinius in dieser Hinsicht be-
scheiden; er verwandte, wo er Marmor hatte,
einfachen weißen, und nur auf dem tuskani-
schen Landgut trugen vier karystische Säulen
die Weinlaube, ep.V 6, 36.
4) Siehe die Aufzählung der Hauptsorten
bei Makquardt 620 f. Blümner Technologie
III 11 ff.
5) Vgl. besonders Stat. silv. I 2, 143 ff. :
3, 35: 5, 34 ff.; II 2, 85 ff.; IV 1, 26 ff. Mart. I
55, 5; VI 42, 11 ff.; VIII 55, 8; IX 75. 7 ff.
Aus. Mos. 48. Sid. Ap. carm. 5. 38 ff.; 11, 17 ff:
22, 137 ff. u.a. m.
6) Vgl. Senec. 11. 11. Plin. XXXV 2.
') Isid. XIX 13: fiunt autem (ci-iisIhc,
arena et ferro serraque in praetenui linec
premente arenas tractuque ipso secante, sea
crassior arena plus erodit marmoris. Sen. dt
benef. IV 6, 2.
8) Plin. XXXV 3. Senec. ep. 86, 6. luv
11, 175.
9) Vgl. Mau Gesch. d. dekor.Wandmalere |;
11 ff.; ders. Pompeji 474 f. 0 verbeck 521.
10) Plin. a. a. 0. : Neronis (principatu in-
ventum) maculas, quae non essent in crustis
tnserendo unitatem variare, ut ovatus esset
Numidicus, ut pur pur a distinguerefnr Si/ii-
nadicus, qualiter Mos nasci optassent deliciae
") Ebd. 2: (pictura) nunc in totum <|
marmoribus pulsa, tarn quidem et auro, ne\
tantum ut parietes toti operiantur, verum e j
interraso marmore vermiculatisque ad effigieü,
rerum et animalium crustis. non placent ian
Dritter Abschnitt. Die innere Ausstattung des Hauses.
93
häufiger aber für Wände angewandte Art von Mosaik, Plattenmosaik, wie
man es heut nennt1); sie wird sehr selten erwähnt2) und es hat sich auch
nur sehr wenig davon erhalten, doch zeigen diese Reste, daß man ganze
figurenreiche Gemälde auf diese Art herstellte und offenbar darauf ausging,
die Wirkung von Teppichwirkereien zu erzielen, wobei das Material der
ausgeschnittenen und eingelegten Figuren und Figurteile bunter Stein
(Porphyr, Alabaster, Giallo antico u. dgl.), bunte Glasplatten, Perlmutter
und andere farbige Stoffe mineralischer oder animalischer Herkunft waren3).
Eine andere, häufigere Art der Wanddekoration, die oft mit der Wand-
malerei in Verbindung trat und von der sich auch vielfach noch Reste er-
halten haben, war die mit erhabenen Verzierungen in Gips oder Stuck,
das sog. opus albarium4). Das waren teils Ornamente lediglich architek-
tonischer Art, wie Karniese oder Gesimse (coronae)5), teils figürliche (si-
gilla)6), wobei entweder das feuchte Material in Formen gepreßt und dann
an der Wand angebracht oder aus dem auf die Wand aufgetragenen Stuck
direkt mit der Hand die Reliefs herausgearbeitet wurden7). Derartige
Arbeiten wurden nicht bloß an den Wänden, sondern auch an gewölbten
Decken (camerae)*) angebracht, und es hat sich davon manches, zum Teil
in vorzüglicher Ausführung, erhalten9).
Für die Decken der Zimmer wurde, sobald sie künstlerisch behandelt
wurden, neben der Stuckdekoration besonders auch Malerei in Anwendung
abacinec spatia montis in cubiculo dilatantia :
eoepimus et lapide fingere, hoc Claudi prin-
cipatu inventum. Vgl. Blümneb Technologie
111 185 ff.
') Diese Technik, die in Italien heut
noch ausgeübt wird (vornehmlich für Tisch-
platten und Altäre, im Kleinen für Schmuck-
sachen, Geräte u. dgl.), heißt heut bei den
Italienern commesso, sonst gewöhnlich Floren-
tiner Mosaik. Vgl. Blümner a. a. 0. 339 ff.
Marquardt 629.
*) Außer der angeführten Stelle und
denjenigen, die auf Fußböden sich beziehen
(s. u). kommt nur noch in Betracht Cassiod.
Var. I 6: de urbe nobis marmorarios peritissi-
mos destinetis, qui eximie divisa coniungant
ei venis conludentibus illigata naturalem fadem
laudabiliter metiantur. !>>■ arte veniat, quod
trincat naturam: discolora crusta marmorum
matissima picturarum varietate texantur.
3) So die Darstellungen aus der Basilika
des lunius Bassus (Konsul des Jahres 317 n.
Chr.), abgeb. bei Ciampini Vet. monum. (Rom
169U) I tab. 22— 24; mit genauer Besprechung
des Technischen bei Nesbitt in der Archaeo-
logia XLV (1860) 267 ff. mit pl. 17 ff. Wie ein
in solcher Technik verzierter Saal eines rö-
mischen Hauses aussah, können wir aus den
Zeichnungen beurteilen, die i. J. 1465 Sangallo
von der genannten Basilika aufnahm , die
zwar schon im S.Jahrh. zur christlichen Kirche
geworden war, deren Mosaiken sich aber bis
dahin erhalten hatten; s. die Abbildung bei
Ciampini a.a. 0. tab. 21. Nesbitt a.a.O. pl.21.
de Rossi im Bullet, di archeol. crist. 1871 tav.
1 — 4. Vgl. über alle diese Darstellungen Mar-
qüabdt629£ Ueber die Verzierung der Wände
durch Mosaiken wird unten die Rede sein.
4) Vitr. V 2, 1 ; 10, 3. VI 5. 8 ; VII 2, 1.
Plin. XXXV 194; XXXV 177; 183; inschriftl.
opus albare oder albarium, CIL VIII 73; 1141 ;
1143; XIV 2995; auch bloß alba tri um, Vitr.
VI 10 (7), 3; älbarius der Arbeiter, Tertull.
de idol. 8. Cod. Theod. XIII 4, 2. CIL VI
9139 ff.; vgl. IV 222 dealbator. Gypearii CIL
IX 5378: XII 4479. Ed. Diocl. 7, 30.
») Vitr.V2,2;VlI3,3. Plin. XXXVI 183.
Isid. XIX 10, 20.
6) Plin. a. a. 0.
7) Ueber das Technische vornehmlich
Vitr. VII 3, 3 f. Blümner a. a. 0. 148 ff.
8) Vitr.V 10, 3; VII 2, 2; 3. 1 ff. u. ö.
Plin. XXXIII 57; XXXV 124. Petron. 40, 1.
Aehnlich war die Art, wie Agrippa im Cal-
darium seiner Thermen die gewölbte Decke
dekorierte, nach Plin. XXXVI 189: figlinum
opus encausto pinxit in eaUdis, reliqua al-
bario adoruarit ; während also in den übrigen
Räumen Stuckarbeit angebracht war, waren
dort enkaustisch gemalte Tonreliefs verwendet
worden.
9) In erster Linie sind die im Garten der
Farnesina in Rom gefundenen Stuckreliefs
zu nennen, die aus einem antiken Gebäude
stammen, das den Charakter eines vornehmen
Stadthauses mit dem einer Villa vereinigte,
publ. Mon. del Instit. Supplem. (Berl. 1889/91)
tav. 32 — 36. In Pompeji ist Stuckarbeit mit
Malerei sehr häufig verbunden, vgl. Overbeck
529. Mau 195; 209. Vgl. unten.
94
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
gebracht. Das war schon in Griechenland üblich gewesen, wo Pausias der
erste gewesen sein soll, der an Stelle der bis dahin üblichen rein orna-
mentalen Behandlung der Decke bildliche Darstellungen setzte '), wobei wir
freilich nicht an perspektivische Plafondmalerei denken dürfen; vielmehr
scheint diese Verzierung darin bestanden zu haben, daß die Decke in kleine
Felder geteilt und diese mit Tafelbildern ausgefüllt wurden2). Dabei handelte
es sich nicht nur um flache Decken, sondern auch die gewölbten, nament-
lich die Tonnengewölbe, wurden in solcher Weise verziert, indem bestimmte
Felder oder kassettenartige Räume ausgespart und mit figürlichen Dar-
stellungen bemalt wurden. Solche gewölbte Decken, bei "denen Wand-
malereien mit Stuckreliefs abwechseln, haben sich noch erhalten3).
Daneben war aber eine andere Deckenverzierung noch beliebter, die
schon in der griechischen Architektur sehr übliche Einteilung der Decke
in vertiefte Felder oder Kassetten, die sog. lacunaria oder laquearia*),
die sowohl bei flachen wie bei gewölbten Decken Anwendung fanden.
Wenn diese bei Prachtbauten, wie Tempeln, Basiliken u. dgl., in Stein aus-
geführt wurden, so nahm man im Privathause dafür gern kostbare Holz-
arten, besonders das afrikanische Citrusholz5), und Elfenbein6). Sie wurden
mit ornamentalem oder figürlichem Schnitzwerk versehen7) und vielfach
reich vergoldet8), sodafi diese kostbar verzierten Plafonds einen Haupt-
schmuck der Prunksäle ausmachten9). Ein besonderes Raffinement war
') Plin. XXXV 124: idem et lacunaria
primus pingere instituit, nee camaras ante
eum taUtsr adornari mos fiiit.
8) Vgl.HELBiG Camp. Wandmalerei 132 f.,
der dies mit Recht gegen Brunn II 146, der
an perspektivische Malerei denkt, darlegt.
3) In Gräbern an der Via Latina, s. Mon. d.
Instit.VI 43 ff. ; vgl. Petersen A. d. I. LX (1888) ,
348: LXI (1889) 190, und im allgemeinen
Ronczewski Cewölbeschmuck im römischen
Altertum, Berlin 1903. Ueber die Verwendung
von Mosaiken für Deckenschmuck s. u.
4) Isid. XIX 12: laquearia sunt, quae ca-
meram subtegunt et ornant, quae et lacunaria
dieuntur, qttod locus quosdam quadratos vel
rotimdoe ligno vel gypso vel coloribus habeant
pictos cum signis intermicantibus. Principa-
Uter antritt locus diettur, ut LuciUus: resul-
tani aedeeque laeusque. Die Arbeiter heißen
loquearii im Cod. Theod. XIII 4, 2; als domo-
rum Hgnarii erklärt Corp. Gloss. IV 359, 16.
Vgl. Thkdenat bei D.-S. III 902 ff.
') Hör. carm. IV 1, 20 ; ponet marmoream
snh trabe cUrso. Apul. met.V 1: summa la-
quearia citri, et ebore curiose cavata subeunt
aureae columnae. Darauf geht jedenfalls
ftueb Varr. r. r. III 2, 4: nunc übt hie tddes
ctirum mit aurumf
6) Hör. carm. II 18, 1 : non ebur neque
tmreum m$a rmidet in domo lacunar. Senec.
n. qu. I prol. 7: lacunaria ebore fulgentia.
Aul Deckenschmuck geht jedenfalls auch
Cato bei Festus 242 b, 20: dicere possum,
attibtts rilh, ,. atque aedes aedificatae atque
expolitttr maxtmo optre cttro atque ebore at-
i/nr ittirimnttis Poenicis stent.
7) Zuerst erwähnt von Ennius bei Cic.
Tusc. I 35, 85: tectis caelatis laqueatis. Sen.
ep. 90. 42: non impendebant caelata laquearia.
8) Plin.XXXlII57: laquearia, quae nunc
et in privatis domibus auro teguntur, post
Carthaginem eversam primo in Capitolio in-
aurata sunt censura L. Mummi. inde trans-
iere in camaras quoque et parietes, qui iattt
et ipsi tamquam vasa inaurantur. Vgl. Hör.
1. 1. Verg. Aen. I 726: dependent lychni la-
quearibus aureis. Sen. ep. 90, 9: ut er i/lo
(coenatione) lacunaria auro gravia penderrnt.
Ebd. 114. 9: ut teeta varientur auro. Sen.
controv. II 9, 11 : ut teeta auro fulgeant. Lucan.
X 112: laqueataque teeta ferebant j divitüM
crassumque trabes absconderat aurum. Claud.
carm. 26, 223: despiciens auro laquearia dives,
Daß es sich dabei nicht bloß um einfache
Vergoldung, sondern oft um Belegen mil
Goldblech handelte, zeigen mehrere der an-
geführten Stellen, ausdrücklich Sen. ep. 115, 9
scimtis sub Mo auro foeda ligna latitare. nei
tantum pärietibus aut lacunaribus ornamrn-
tum tenue praetenditur : omniunt i stör ton
quos incedere altos vides, bracteata felicitoi
est. Sid. Apoll, ep. II 10, 4 u. 8: intus /!<■>
micat atque bratteatum \ sol sie sollicitatw
ad lacunar, \ fulvo ut concolor erret in nie-
tallo. Wie gewöhnlich die Vergoldung war
geht daraus hervor, daß in den Glossen la-
quearia erklärt werden als catenae aurea*
(Corp. Gloss. VII 625), auch laquearia auret
oder deaurata zitiert werden (s. IV 104, 35
449, 18).
9) Daher das tectum intueri Quint. II 1 1 , 4
speetare tectum, ebd. X 3, 15; intueri lacu
Dritter Abschnitt. Die innere Ausstattung des Hauses.
es, wenn in Speisezimmern diese Kassettendecken verschiebbar eingerichtet
wurden, um sie sich öffnen und daraus auf die Gäste allerlei Überrasch-
ungen, kleine Geschenke, namentlich aber Blumen herabfallen zu lassen x).
Eine andere Erfindung ermöglichte es, die Bildchen, die die Decke füllten,
zu verschieben und andere an ihre Stelle zu setzen, sodaß. die Decke bei
jeder Veränderung einen neuen Anblick gewährte2).
Für den Fußboden3) war hölzerne Dielung nicht üblich4); man setzte
an ihre Stelle, vom Einfachen zum Kostbaren fortschreitend, vornehmlich
folgende Herstellungsarten: den geschlagenen Estrich, den Ziegel- oder
Tonplattenbelag, den Steinbelag und das Mosaik. Das Einfachste und l'r-
sprünglichste, das wohl auch in den älteren Zeiten der Republik das allein
Übliche war, ist der Estrich5), das sog. pavimentum9), welche Bezeichnung
freilich schon früh eine erweiterte Bedeutung bekommt, indem jeder künst-
lich hergerichtete Fußboden so genannt wird7). Auch vom Estrich gab
es verschiedene Herstellungsarten. Das gewöhnlichste Material war Kalk
oder Mörtel, der mit Schutt, kleinen Steinchen, Tonscherben u. dgl. ver-
mischt wurde, welche Masse rudus hieß8); sie wurde bei Räumen, die zu
ebener Erde lagen, auf dem festgestampften und gleichmäßig geebneten
Erdboden in mehreren Schichten aufgetragen und mit hölzernen Rammen
(pila) festgeschlagen9). In oberen Stockwerken, wo der Estrich auf eine
Holzunterlage (coassaüo) zu liegen kam, war ein komplizierteres Verfahren
nana, ebd. XI 3. 160. Vgl. luv. 1, 65: doctus
spectare lacunar. In anderem Sinne Sen.
controv. a. a. 0.: mensam et lacunaria intueri.
!) Val. Max. IX 1, 5: cum palmata veste
i-Dii ri rid celebrabat demissasque lacunaribus
mir, iis conm«s velut caelesti capite recipiebat.
Petron. 60, 3: ecce autem diductis lacunaribus
subito circuhis ingens . . . demittitur, cuius
per totum orbem coronae aureae cum ala-
bastris unguenti pendebant. Suet. Nero 31:
eoenationes laqueatae tabulis eburneis versa-
tilibus, ut /lorcs, fistulatis, ut unguenta de-
supcr spargerentur.
2) Sen. ep. 90, 15: versatilia coenationum
laquearia ita coagmentat , ut subinde alia
facies atque alia succedat et totiens tecta quo-
Hens fericula mutentur. Die richtige Deutung
der Stelle gibt Helbig a. a. 0. 369, darnach
Beckeb-Göll 310.
3) Vgl. Beckeb-Göll II 293 ff. Fougebes
bei D.-S. IV 359 ff.
4) Es ist möglich, daß in Oberstocken,
namentlich solchen von leichterer Bauart,
hölzerne Dielen vorkamen, zumal sich das
Verheerende der römischen Brände am besten
erklärt, wenn man für die großen Mietshäuser
Treppen und Böden von Holz annimmt, doch
liegen Belege nicht vor. Die einzige Stelle,
die auf Holzbedeckung des Bodens deutet,
ist Stat. silv. I 5, 57 vom Bade des Claudius
Ktruscus: quid nunc strata so/o referam ta-
buhtta crepantes \ auditura pilas, wo aber
Beckeb-Göll a. a. 0. mit Rücksicht auf die
unmittelbar daran anschließende Erwähnung
des Hypokaustes und unter Hinweis auf Plin.
ep. II 17, 9 tubulata einsetzen wollte. Allein
Plinius unterscheidet ausdrücklich euepen-
sura und Inhalat io; erstere ist die Boden-
heizung, letztere die Wandheizung durch tubi
oder tubuli (vgl Sen. ep. 90. 25. Digg.VlII 2,
13pr.), man wird also wohl für gewisse Räume
des Bades, speziell für die für das Ballspiel
bestimmten, Holzböden anzunehmen haben.
Vgl. Blümneb Technologie III 159 A. 2.
5) Vgl. hierüber Blümnbb a. a. 0. 159 ff.
6) Von parire, feststampfen, vgl. Cat. r. r.
18, 7. Varr.r.r.I 51, 1 Plin. XIX 120: XXXVI
185: parimenta credo primtm facta quae
nunc vocamus barbarira atque mbtegukmea,
in Italia fesluris parita: vgl. parituoi sohna,
Colum. I 6, 21. In der eigentlichen Bedeutung
steht pariwcalaia z. B. Varr. I 51, 2. Col. 1 6.
13. Pallad. I 9. 2. Inschriftl. CIL I 570; 1474.
Die Arbeiter, die solche Böden erstellen, sind
aie parimmfarü, CIL VI 243: X 6638 C 3, 14.
Vgl. Fougebes bei D.-S. IV 359.
•) Vgl. Cic. ad Qu. fr. III 1, 1. Caes. b.
civ. III 105; sehr häufig bei Vitruv und sonst,
auch von Mosaikböden.
8) Vitr.118,20: VIIl.lu.ö. Plin.XXXVI
186. Pallad. I 9, 4 erklärt es als saxa con-
tusa duabus paiiihus et an« calce teniperanfe.
Als Material zur Herstellung flacher Dächer
Bell. Hisp. 8: rudere, non tci/iiüs teffuntur;
Bell Alex. 1: aedificia . . . tecta sunt rüdere
auf parimntfis. Daher die Worte erurferare,
ruderatio, Vitr.V 12, 6. VII 1, 1.
9) Siehe die genaue Beschreibung bei
Cato 18, 7.
96
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
notwendig, das Vitruv eingehend beschreibt1). Dies pavimentum war am
besten, wenn dem Mörtel verkleinerte oder zerstampfte Tonscherben bei-
gemischt wurden; man nannte diese Art pavimentum testaceum2) oder auch
opus Signinum3), weil angeblich die Erfindung davon in der Stadt Signia
gemacht worden war. Dieser Estrich konnte glatt geschliffen werden4)
und ließ keine Feuchtigkeit durch, weshalb er namentlich für Badezimmer,
Zisternen u. dgl. angewandt wurde. Manchmal wurden in die ziegelrote
Estrichmasse zur Verzierung weiße Steinchen in Mustern eingelegt, auch
Inschriften auf solche Weise hergestellt5). Besondere Vorschriften haben
wir dann auch für Estriche in Speisezimmern6) und für solche, die unter
freiem Himmel sich befanden (pavimenta subdialia), also bei flachen Dächern,
Solarien u. dgl. 7).
Vielfach diente aber die Estrichlage nur als Unterlage für einen Ziegel-
oder Steinboden. Sehr gewöhnlich (wie heut noch im Süden) war ein
Belag mit Tonplatten, und zwar verwandte man dazu am liebsten schmale,
längliche Ziegel (spicae)8), die ährenförmig in spitzem Winkel zueinander
gelegt wurden, das sog. pavimentum spicatum9). Eleganter und dauerhafter
war der Steinbelag. Man unterscheidet dabei die einfachere Art mit
größeren quadratischen Platten (tesserae), die einfach aneinandergefügt
wurden10), und die aus verschiedenartig geschnittenen Platten (das opus
sectile). An erstere Art wird man wohl meist auch an den Stellen zu denken
haben, wo nur schlechtweg von marmornem Fußboden gesprochen wird11);
durch Anwendung bunten Marmors konnte auch hier eine reiche Farben-
wirkung erzielt werden. Noch mehr war dies beim opus sectile der Fall,
dessen Anwendung für Wanddekoration wir schon oben erwähnt haben, das
') Vitr.VlI 1; er unterscheidet dabei die
erste Unterlage (statumen) von faustgroßen
Steinen, dann die Mörtelmasse (rudus) und
darüber die obere Estrichlage {nucleus) aus
Kalk und zerstampften Tonscherben , vgl.
Blümner a. a. 0. 162 f.
*) Plin. XXXVI 188. Col. I 6, 13. Pallad.
I 9,4.
s) Plin. XXXV 165: quid? non excogitavit
n/n fraetü etkm testü utendo, sie ut firmius
durent, tunais <-alcr addita, quae vocant Si-
gnina f <im> genere etiam pavimenta excogitavit:
cf.XVH46. Vitr.54. 3; Vll,4; VIII 7 (6). 14.
Colum. I 6. 12; VIII 15, 3. Pallad. I 17, 1 ; 40, 4
Doch wurden, wie die Belegstellen zeigen, aus
dieser Komposition nicht bloß Fußböden, son-
dern auch Wände und gewölbte Decken her-
gestellt.
*) Vitr.VlI 4, 5, vom Estrich in Winter-
Bpeigezimmern: cote' despumari, auch Plin
XXXVI 187
'-) Vgl. Zaun Die schönsten Ornamente
II 96 Ovbbbk m 507; 612. Marquardt 626
in. VII 4.5. Pallad. 19.
;) Plin. XXXVI 186 (im Gegensatz dazu
pavimenta subtegulanea ebd. 185). Die Vor-
schrift nach Vitr.VlI 1, 5.
8) Vitr.VlI 1,7. Inschriftlich spicamster-
»rre, CIL VI 25 527.
9) Vitr.VlI 1, 4: testacea spicata Tibur-
tina sunt diligenter exigenda, ut ne habeant
lacunas nee extantes tumulos. Warum sie
Tiburtina hießen, erfahren wir nicht. Plin.
XXXVI 187.
10) Vitr. ebd. 3: supra nucleum ad regm
lam et Ubellam exaeta pavimenta struantur
sive sectilia seu tesseris; ebd. 4: si tesseris
struetum erit, ut eae onmes angulos habeant
aequales. Daß Vitruv hierbei Steinböden im
Sinn hat, nicht Bedeckungen mit tönernen
tesserae, geht daraus hervor, daß er gleich
darauf die testacea spicata ausdrücklich da-
von unterscheidet; ebenso Pallad. I 9, 4: vel
testaceum aeeipiant pavimentum vel marmora
vel tesseras aut scutulas, quibus aequale red-
datur angulis lateribusque coniunetis.
n) So z. B. Ps.Tib. III 3, 16: marmoreuiq
solum. Apul. Flor. 18: pavimenti marmoratio
(vom Theater). Fest. p. 242 b, 17: pavimenta
Poenica marmore Numidico constrata, aus
einer Rede des Cato. Am gewöhnlichsten
sind solche aus großen Marmorplatten er-
stellte Fußböden bei Tempeln, Portiken u. dgl.
sowie bei Plätzen unter freiem Himmel, Vitr.
VII 1, 6 f., wo für Anlagen sub diu ein pavi-
mentum e tessera grandi empfohlen wird,
darnach Plin. XXXVI 187, der etwas ungenau
von tessella grandis spricht.
Dritter Abschnitt. Die innere Ausstattung des Hauses.
97
aber noch häufiger für Fußböden als pavimentum sectile vorkam1), indem
Platten aus Porphyr, Granit, buntem Marmor u. dgl. in geometrischen Formen
als Quadrate, Dreiecke, Rauten (scutulae), Sechsecke (favi) geschnitten,
genau in Mustern aneinandergelegt wurden2); auch diese wurden auf eine
Estrichunterlage gelegt und sorgfältig an den aneinanderstoßenden Kanten
abgeschliffen, daß sie genau paßten und das Marmorpflaster völlig glatt
und eben war3). Diese Art des Marmorbelags wird wohl auch als Platten-
mosaik bezeichnet, wenn auch im uneigentlichen Sinne, da beim Mosaik
sich die dargestellten Ornamente oder Figuren erst durch die Zusammen-
fügung der Steine ergeben, beim opus sectile aber die Steine selbst schon
die geometrische Form haben.
Doch hat sich aus dieser Art Fußboden die eigentliche Mosaikkunst
entwickelt, die, im Orient früh schon heimisch, von da zu den Griechen
und von diesen im 2. Jahrh. v. Chr.4) zu den Hörnern kam, wo sie sogleich
sehr beliebt wurde und zahlreiche Anwendung fand5). Die einfachste Art
des Mosaiks ist das pavimentum tesseUatum 6), wobei kleine, regelmäßig qua-
dratisch zugeschnittene Marmorstückchen, entweder bloß schwarz und weiß
oder auch in bunten Farben, bald einfach schachbrettartig, bald in geo-
metrischen Mustern nebeneinander gelegt wurden7). Je komplizierter dies
Verfahren sich gestaltet, indem die Steinchen kleiner, die Farben mannig-
faltiger, die Figuren kunstvoller werden, um so mehr wird dies opus tes-
1) Vgl. Blümner a. a. 0. 339 f.
2) Beispiele derartiger Fußböden s. Zahn
Die schönsten Ornamente I 15. Schmidt Rom.
Baudenkm. in Trier II 28. Rich Wörterbuch
44') u. 555. Blümner a. a. 0. 340 Fig. 44.
') Vitr. a. a. 0. 4: cum ea (sc. pavimenta)
extrueta fuerint et fastigia suam extruetionem
habuerint, ita fricentur uti si sectilia sint,
nullt gradus in scutulis aut trigonis aut qua-
dratis seil faris extent, sed coagmentorum
tompositio planam habeat inter se directionem.
Pallad. a. a. 0. Suet. Caes. 46: {prodiderunt
eum) in expedüionibus tesseüata et sectilla
pavimenta < ircumtulisse. Ein aus Rauten
zusammengesetzter Fußboden Plin. XXXVI
185: Romae scutulatum in Joris Capitolini
aede primum factum est /ms/ tertium bellum
Punicum initum. Daß neben den eckigen
auch runde Platten (orbes) wie bei der Wand-
dekoration so auch beim pavimentum ver-
wendet wurden, ist selbstverständlich und
wird belegt durch luv. 11. 175: qui Lacedae-
monium pgtismate lubrieat orbem. Eine be-
sondere Art war das opus Alexandrinum,
Lampr. Alex. Sev. 25, 7: Alexandrinum opus
marmoris de duöbus marmoribux, hoc est
porfgretico et Lacedaemonio, primus instituit;
worin aber seine Besonderheit bestand, ist
unklar, da roter Porphyr und grüner lakoni-
scher Marmor wohl auch früher schon in
Fußböden kombiniert wurden.
4) Plin. a. a. 0.: frequentata pavimenta
ante Cimbricum magna gratia animorum in-
dicio est Lad Hanns Ulf versus: arte pavi-
menti atque emblemate vermiculato. (Dieser
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft. IV.
Vers des Lucilius wird auch. z. T. vollstän-
diger, zitiert bei Cic. de or. III 43, 171 ; or. 44.
149; Brut. 79, 274: Quintil. IX 4. 113.)
6) Die Litteratur über die Technik der
Mosaik und die noch vorhandenen Mosaiken
ist außerordentlich umfangreich ; wir verweisen
auf das bei Becker-Göll299 und Marquardt
625 A. 10 und ebd. 631 Angeführte; über das
Technische Gernspach La mosaique, Paris
1881. Blümner a. a. 0. 323 ff., und instruk-
tiv zusammenfassend Gauckler bei D.-S. III
2088ff.,mitausführlicherBibliographiep.2129.
6) Suet. a. a. 0. Sen. nat. qu. VI 31, von
einem Erdbeben: tridisse se adßrmat in baineo
tessel/as, quibu8 80lum erat Stratum, (dteram
ab altera separari iterumque eommitti. Vgl.
CIL I 576; 1165; 1477. Daher heißen die
Arbeiter, die solche Fußböden machen, tes-
serarii oder tessc/tarii. CIL V4508; 7044 (ein
tesscrar. lii/nar. soilalieii marmorarior.) J VI
8663. Im Cod. Theod. XIII 4. 2 werden sie
bestimmt von den musirarii, den Erstellern
der feinen Mosaikarbeit (s. u.), geschieden,
ebenso, wenn die Ergänzung richtig ist, im
Ed. Diocl. 7, 6 f. Joh. Schmidt A. M. V 74 wollte
beide dahin unterscheiden, daß die Tätigkeit
des musiruriiis sich auf die Ausschmückung
der Wände beschränkte, der tesse/iarius da-
gegen den Fußboden herzustellen hatte. Das
ist aber nicht zweifellos, da doch wohl auch
in der späteren Kaiserzeit noch auch für Fuß-
böden gelegentlich feine Mosaikarbeit zur
Verwendung kam.
7) Beispiele Rich Wörterbuch 450. Blüm-
ner a. a. 0. 335 Fig. 41.
2. 2. 3. Aufl. 7
98
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
sellatum zum eigentlichen Mosaik, zum opus vermiculatum1), wie es zuerst
heißt, oder lithostrotum, mit einem vom Griechischen entlehnten Aus-
druck2); doch scheint man unter letzterem eine besonders feine Art von
Mosaik verstanden zu haben, vielleicht die Glasmosaik im Gegensatz zur
Steinmosaik3). Später ist opus musivum (museum, musium), die gewöhnliche
Bezeichnung4); die Entstehung dieser Bezeichnung ist freilich dunkel5).
Was das Technische dieser bis zur höchsten Vollendung gelangten
Kunst, deren Ausübung den musivarii oblag6), anlangt, so war das Ver-
fahren im wesentlichen folgendes. Die aus mannigfaltigem Material: ge-
wöhnlichen Steinen, in prächtigeren Arbeiten auch Halbedelsteinen7), ge-
x) Die älteste Belegstelle ist die schon
angeführte des Lucilius; vgl. sonstPlin.XXXV
2: nee tantam ut parietes toti (sc. marmori-
bus) operiantur, verum et interraso marmore
rrrmicithttisque ad effigies verum et ani-
malium rrustis, wo mit dem interrasum mar-
mor das opus sectile zu verstehen ist. Augustin.
de ordine I 1, 2: si quis tarn minutum cer-
neret, ut in vermiculato pavimento nihil ultra
n ii ins tessellae modulum acies eius valeret
ambire. Auch inschriftlich, CIL VI 25527:
rermiadum straverunt. Der Ursprung der
Bezeichnung ist nicht sicher; die Deutung
Secchis (II musaico Antonino, Rom 1843), der
das Wort von der roten Farbe des Kermes-
wurms ableitete, weist Marquardt 626 mit
Recht zurück. Entweder kam der Name, wie
Visconti annahm, Mus. Pio-Clement. VII 234
(Mail. Ausg.), von der Form des Mosaikstifts,
die nicht kubisch, sondern länglich, stäbchen-
artig geformt und vielfach abgerundet ist
und deshalb mit Würmern verglichen werden
konnte, oder, was das Wahrscheinlichere ist,
die Arbeit hieß so, weil die einzelnen Stein-
chen sich in schmalen gewundenen Linien,
wie lange sich windende Würmer, den Kon-
turen der Figuren nach gelegt sind; so Ciam-
pini Vet. monum. 80. Rich 450. Dafür spricht
auch, wie Becker-Göll 298 bemerkt, Quint.
IX 4, 113, wo der lucilische Vers zitiert ist,
aber in der Form: tesserulas, ut ait Lucilius,
gtrutt rf rei-miciilate inter se lexis (d. i. ks§si?)
commtttet; hier bezieht sich vermiculate offen-
bar nicht auf die Form der tesserulae, sondern
auf ihre Anordnung.
s) Varr. r. r. III 1, 10: cum enim villam
haken* opere tectorio et intestino ac pain-
mnifi's nohilibtis lithitstrotis speetandam; ib.
2, 4: num quod emblema aut lithostrotum
(/•/V/f-x)? Capitol. Gord. 32, 6 von einem Bade:
medium vero lithostrotum . . . quod esset de-
ambuhttorium. Aus allen diesen Stellen geht
freilich über die Qualität des lithostrotum
'(Mosaik bedeutet Xtdöaigoixov bei Arr. Epict.
IV 7, 37. Poll. VII 121) nichts hervor. In den
■Glossarien ist es nur durch lapide Stratum
erklärt, Corp. Gloss. Lat. III 499, 16.
3) Plinius unterscheidet es direkt vom
Mosaik. XXX VI 184: pavimenta originem apud
'iraecoshmbeid elaborata arte picturae ratione,
donec lithostrota expulere eam (was natürlich
angesichts der zahlreichen Mosaikböden aus
der Kaiserzeit eine arge Uebertreibung ist);
ebd. 189: lithostrota coeptavere iam sub Sulht,
parvolis certe crustis, extat hodieque, quod in
Fortunae delubro Praeneste fecit. Hierauf folgt
die Notiz: prdsa deinde ex humo pavimenta
in camaras tr ansier e e vitro; noviciuni et hoc
inventum, was nicht auf die Erfindung der
Glasmosaik, sondern auf ihre Verwendung
für gewölbte Decken geht (s. unten). Daher
nimmt Becker-Göll 295 an, daß lithostrotum
speziell eine Komposition von Glas und edeln
Steinen war; Marquardt 627 bemerkt, daß
seine Kostbarkeit in seinem Kunstwert lag.
Unrichtig ist es, wenn Gauckler 2088 be-
hauptet, es bezeichne alle Arten pavimenta.
4) Spart. Pesc.Nig. 6, 8: pictum de musm
videmus sacra Isidis ferentem. Treb. Poll. tyr.
trig. 25, 4 : pictura est de museo. August, civ.
Dei XVI 8, 1 : quae musivo pieta sunt. Oefters
inschriftlich, meist in der Form museum, CIL
VIII 993; 1323; 2657; IX 6281.
5) Man hat das Wort vielfach aus dem
Orientalischen, speziell dem Hebräischen ab:
leiten wollen, s. die Litteraturangaben bei
Blümner 326 A. 6. Gauckler a. a. 0. Am
wahrscheinlichsten bringt man es mit den
oben (S. 87) besprochenen ftovoala in Ver-
bindung.
6) Oder musearü, s. Cod. Iust. X 66 (64),
1. Cod.Theod.XIII4, 2. Ed. Diocl. 7, 6. Cas-
siod.Var.VH5. CIL VI 9647. Ueber den Unter-
schied des musivarius und tessellarius s. oben
S. 97 A. 6.
7) Senec. ep. 86, 7: eo deliciarum per-
venimns, ut nisigemmas calcare nolimus. Lucan .
X 116 vom Palast der Kleopatra: totaque ef-
fusus in aula \ calcabatur onyx. Stat. silv. I 2,
149 : hie flexus onyx et concolor alto \ vena
mari rupesque nitent. Bei Apul. met. V 1 ist
der Palast des Amor in Nachahmung römi-
scher Prunksäle entsprechend beschrieben:
enimvero pavimenta ipso lapide prelioso cae-
sim diminuto in varia picturae genera dis-
criminantur. vehementer Herum ac siepitu
beatos illos qui super gemmas et monilia
calcant! Doch ist nicht zu übersehen, daß
die erstangeführten Stellen auch auf <>pn-
sectile gehen können.
Dritter Abschnitt. Die innere Ausstattung des Hauses.
99
branntem und verschiedentlich gefärbtem Ton, Glasflüssen u. dgl. hergestellten
Mosaiksteinchen {tesserae, tessellae genannt, seltner crustqe1)), die im all-
gemeinen längliche Stäbchenform hatten, aber je nach Bedürfnis des darzu-
stellenden Bildes gespalten und zurechtgeschliffen wurden, wurden in einen
sohl- sorgfältig bereiteten feinen Mörtelgrund, dem vermutlich noch ein
kräftiges Bindemittel beigemischt war2), der die Vorlage bildenden Zeich-
nung entsprechend eingedrückt, solange der Grund noch weich und feucht
war. Regelmäßige Aneinanderreihung dieser Steinchen ist bei feineren
Mosaiken nicht nur nicht möglich, sondern wird geradezu vermieden, Größe
und Form derselben war je nach Bedarf verschieden, und sie wurden in der
Weise gelegt, daß sie beinah konzentrisch den Außen- und Innenkonturen
der dargestellten Gegenstände folgen, also alle Krümmungen derselben
mitmachen3). Dabei wurde selbstverständlich mit Richtscheit und Setz-
wage gearbeitet4), der aus den Fugen heraustretende Mörtel weggeschabt
und nach der Vollendung das Ganze abgeschliffen5). Die ganze Arbeit
war bei feinen Mosaiken0) ungemein mühselig und bedurfte der größten
Sorgfalt, auch mußte, um den mannigfaltigen Farben des Originalgemäldes
möglichst nahezukommen, eine außerordentlich reiche Auswahl an Nuancen
bei diesen Stiften vorhanden sein, weshalb die Glasmosaik, bei der die
verschiedenen Färbungen am leichtesten zu erzielen waren, besonders
ausgedehnte Anwendung gefunden hat, was freilich auch mit dem leuch-
tenden Glanz und der Dauerhaftigkeit dieser Mosaiktechnik zusammen-
hängt7). In solcher Weise stellte man sowohl größere Platten wie ganze
Fußböden her; es wurden auch größere oder kleinere Bilder für sich her-
gestellt und in den Fußboden oder in die Wände eingesetzt8). Für die
Verzierung von gewölbten Decken mit Mosaik, angeblich eine Erfindung
des ersten Jahrhunderts n.Chr.9), wurde besonders Glasmosaik verwendet10).
Beispiele derartiger Mosaiken haben sich noch erhalten, und bekanntlich
') Plin. XXXV 2; XXXVI 189. Ob. ent-
sprechend dem griechischen dßay.ioxoi (Ath.
V 207 C), auch die Bezeichnung abaculus vor-
kam, muß dahingestellt bleiben, da in der
sonst zitierten Belegstelle Plin. XXXVI 199
die besten Ausgaben mit dem Cod. Bamberg.
dl) oculis lesen.
-) Darauf deutet Vopisc. Saturn. 3, 2 hin:
vitreis quadraturis bitumine aliisque medi-
eamentis insertis domum instruxisse perhibe-
tur. Die heutigen Mosaikarbeiter nehmen
dafür Gummitragant u. dgl.
3) Siehe die Beschreibung des Verfahrens
sowie der Herstellung der aus Glas gearbei-
teten Stäbchen bei Blümner a. a 0. 331 ff.
4) Wie auch beim pavimentum sectile und
hssellatum, Vitr.VIl 1, 3.
5) Vitr. ebd. 4, wenn auch nicht vom
eigentlichen Mosaik.
6) Bei dem großen Mosaik mit der Ale-
xanderschlacht kommen 150 Stifte auf einen
Quadratzoll.
7) Vergoldung und Versilberung der Glas-
stifte ist beim altrömischen Mosaik nur ganz
selten zur Anwendung gekommen; Engel-
mann im Rh. M. XXIX (1874) 589 glaubt, daß
mit Gold bedeckte Glasstifte sich nicht vor
dem dritten Jahrhundert n. Chr. nachweisen
lassen.
8) Plin. XXXV 2, wonach man wohl an-
nehmen darf, daß solche besonders gearbeitete
Mosaikbilder emblemata hießen. Die oben
zitierte Stelle des Bucilius (s. S. 97 A. 4) und
ebenso Varr. r. r. III 2, 4 werden das bestä-
tigen, zumal letzterer emblema und liihostro-
tio» unterscheidet. So erklärt das Wort auch
Gaucklek a. a. 0.
") Plin. XXXVI 189: puha deinde ex
humo pavimenta in camaras fransiei'e vitro,
novicium et hoc inventum; Agrippa etrU in
thermis, quas Romae fecit, figlinum opus en-
causto pinxit in calidis, reliqua alhario ador-
nattit, non dubie *vitreas facturus eamara$,
si prius inventum id fxisset.
,0) Stat. silv. I 5, 42: effulgent camerae,
vario fastiffia vitro | in species animosque
nitent. Sen. ep. 86. 6: nisi vitro dbaconditur
eamera. Nach Plin. XXXVI 114 war beim
Theater des Scaurus ein Teil der scaena mit
Glasmosaik geschmückt, vgl. ebd. 189.
7*
100
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
'■N
it
juW^k
ist es besonders diese Technik, die die spätrömische und die byzantinische
Kunst vom Altertum übernommen hat.
An Mosaiken aus der römischen Kaiserzeit ist überhaupt kein Mangel J);
nicht nur in Rom selbst, in Pompeji und Herculaneum, in der Villa des
Hadrian sind Mosaikbilder gefunden worden, sondern auch im übrigen
Italien und in den Provinzen treten überall, wo Römer sich niedergelassen
), haben, zumal in den Ruinen von Thermen und
$j!^ /^jr-^i^ 'Vv^? | Villen, solche zutage; besonders reich daran ist
~ I Nordafrika. Die Ausführung ist sehr ungleich und
l geht vom rohesten, aus gewöhnlichen Flußkieseln
• jNitilj in plumper Weise hergestellten Ornament oder
\ Vj Bild bis zum feinsten, den Wirkungen der Malerei
sehr nahe kommenden Gemälde. Die Stoffe der
figürlichen Bilder sind sehr mannigfaltig, obschon
gewisse Gegenstände mit besonderer Vorliebe ge-
wählt wurden; sie sind ebenso der Mythologie ent-
nommen wie der Geschichte, dem täglichen Leben
wie dem sog. Stilleben. Besonders beliebt war
für Speisezimmer das sog. asaroton (äadgwrov, un-
gefegt), angeblich eine pergamenische Erfindung2):
hierbei wurden auf einem neutralen,- grau oder
weiß gehaltenen Untergrund allerlei Speisereste.
wie Austernschalen, Muscheln, Fischgräten, Knochen, Gemüse- oder Salat-
blätter u. dgl., naturgetreu wiedergegeben. Auch von dieser Spezialität
haben sich Beispiele erhalten3).
Von den Fenstern (fenestrae)4) im römischen Hause ist gelegentlich
schon mehrfach die Rede gewesen5); wir haben gesehen, daß der Unter-
stock für gewöhnlich nach der Straße hinaus der Fenster (wenigstens
größerer, die diesen Namen verdienen) entbehrte, während nach innen zu,
nach Peristyl und Garten, solche vorhanden waren, daß in den oberen Stock-
werken Straßenfenster allgemein üblich waren und namentlich in größeren
Mietshäusern nicht fehlen durften; ferner, daß in der ländlichen Villa, wo
es an Raum nicht fehlte und man durch Nachbarn und Gegenüber nicht
beengt war, auch das Erdgeschoß viel reicher mit Fenstern versehen war.
als im städtischen Wohnhause. Wir haben daher hier nur noch von ihrer
Form und Ausstattung zu handeln, Fragen, bei denen die pompejanischen
Funde von besonderer Bedeutung sind. Größe und Form sind sehr ver-
schieden. Der ältere Quaderbau scheint nach außen hin überhaupt keine
w-Ji
Fig. 30. Fenster eine» pompe
janischen Hauses.
J
') Gaücklkr a. a. 0. 2089 bemerkt, daß
et über 2000 griechisch-römische Mosaiken,
Attt ungefähr 400 Fundorten stammend, in-
ventarisiert hat. Leider tvird ein Corpus der
Mosaiken noch immer entbehrt.
') l'iin. a. a. O. 184: celeberrtmus fuit in
hoc genere Sosus, qui Pergami stravit quem
vocant asaroton oecon, quoniam purgamenta
cenae in pavitnentis guaegue everri söhnt
rrhit relicta fecerai parvia e tessellü tinctis-
quein varios coloret. Stat.ßilv.18,55: varias
uhi picta per artes | gaudet humus super
atque novis asarota figuris. Sid. Apoll, carm,
23. 57: aureasque portas exornas amrotieis
lapiUis. Isid. XV 8, 10.
3) Bull. d. inst. 1833,81. Braun Ruin. u.
Mus. Roms 750. Helbig Oeffentl. Samml. in
Rom » I 535 N. 689.
4) Vgl. Becker-Göll 312. Chipiez bei
D.-S. II 1032. Mau bei P.-W. VI 2180.
5) Vgl. S. 56 f. ; 70.
Dritter Abschnitt. Die innere Ausstattung des Hauses.
101
Fenster in unserm Sinne, sondern mehr bloße Lichtspalten gekannt zu
haben1); so finden sich in Pompeji in den älteren Kalksteinbauten die
Fenster als schmale Schlitze, die sich schießschartenartig nach innen er-
weitern, um die Lichtwirkung zu verstärken (s. Fig. 30) 2); und namentlich
wenn der Unterstock nach der Straße hinaus Lichtöffnungen hatte, waren
sie in dieser Weise und zugleich sehr hoch angebracht, damit niemand von
außen hineinsehen konnte3). Allmählich aber, in Pompeji mit Beginn der
Tuffperiode, werden die Fenster größer; die der Zimmer am Peristyl und
Garten, die den Ausblick auf diese Innenhöfe gewähren, erreichen sogar
oft eine sehr beträchtliche Größe4) und waren so niedrig angebracht, daß
man sitzend hinaussehen konnte5). Die Fenster im Oberstock sind in
Pompeji von mäßiger Größe6), und auch die immer noch in der Höhe an-
gebrachten Straßenfenster im Unterstock werden etwas vergrößert, sodaß
sie den Charakter von Schlitzen verlieren7). In der Regel sind sie mehr
hoch als breit, im Untergeschoß öfters quadratisch; daß die Breite größer
ist als die Höhe, findet sich nur vereinzelt8). Die äußere Umrahmung der
Fenster war ähnlich der der Türen meist einfach gehalten, mit Gesimsen
und ausladenden Ecken, wie man sie ähnlich, nur prächtiger und ver-
zierter, an Tempeln, Basiliken u. dgl. findet9).
Ein Verschluß der Fenster war sicher nicht überall vorhanden und
namentlich in älterer Zeit so primitiv, wie heut noch vielfach im Süden
es auf dem Lande der Fall ist. Zunächst • fand sich öfters Vergitterung
Wenestrae clatratae10)). Das Material des Gitterwerks war verschieden: Holz
') Sen. ep. 86, 8: in hoc balneo Scipionis
mini nute sunt rimae magis quam fenestrae
muro lapideo exsectae, ut sine iniwia muni-
»tcnti lumen admitterent. Vgl. Nissen 49.
-) Overbeck 271; 298 mit Fig. 164 (dar-
nach unsre Figur 30). Nissen 405; 655.
3) Overbeck 57. Mau 288. Nissen ver-
mutet S. 639, daß das Wort fenestra, das
wohl griechischen Ursprungs sei (7 «)'//oro«?),
eigentlich erst aufgekommen sei, als man
im Oberstock größere Fenster anbrachte,
weil die kleinen Lichtspalten im Unter-
stock kaum als Lichtspender hätten gelten
können. Dagegen ist aber zu hemerken, daß
im Oberstock doch schon eine recht frühe
Zeit größere Fenster gekannt hat, wie die
S. 55 A. 9 angeführten Beispiele zeigen, und ein
andrer Name dafür nicht bekannt ist. — Die
Größe der Schlitzfenster beträgt etwa 0,50
Höhe zu 0,06 Breite (von außen). Zum Ver-
gleich dienen kann auch der Straßenprospekt
an dem Hause der Livia auf dem Palatin,
abgeb. Daremberg-Saglio II 356 Fig. 2517.
*) Im Hause des Faun bis 7 Meter Breite,
Mau a. a. O. Solche breite und hohe Fenster
waren zumal in den Villen beliebt, s. Plin.
ep. II 17, 5: undique valvas aut fenestra» non
minores ni/ris habet; V 6. 29 : laÜSSimi» fe-
rnst ris. Von den großen Fenstern, wie sie
sich in den öffentlichen Bauten, namentlich
in uen Bädern fanden (Seneca a. a. O. sagt:
at nunc blattaria vocant balneo, si qua non
ita ap/a/a sunt, ut totius diei so/ein feues/ris
amp/issiniis reeipiant), ist dabei abgesehen.
b) Plinius rühmt sehr die Aussicht aus
den Fenstern seiner Villen, s. die angeführten
Stellen, auch II 17, 6 u. 20; V 6, 23.
6) Im Hause des Chirurgen 1,64 Höhe
zu 1,68 Meter Breite: sonst durchschnittlich
1,25 zu 0,80 Meter. Nissen 410.
7) Etwa 0,80 zu 0.60 Meter, vgl. Mau
a a. O. Nissen 646. Siehe die Abbildung eines
Fensters aus dem Hause des Epidius Rufus
bei Chipiez a. a. O. 1036 Fig. 2935; dazu
Daremberg-Saglio II 350 Fig. 2519.
8) Chipiez 1037.
9) Vgl. das Fenster eines Hauses in Pale-
strina, Chipiez a. a. O. Fig. 2938.
lü) Plaut, mil. gl. 379: der Sinn ergibt,
daß es sich dabei um größere Fenster han-
delt, durch die ein Mensch ein- und aus-
steigen kann. Cato r. r. 14, 2 zählt unter den
Dingen , die in der Villa gemacht werden
müssen, auf: fenestra», datros in fenestra»
maioris bipedali» X. Auch die transennae
an Fenstern sind als solche Gitter zu fassen,
Cic. de or. I 35, 162: illam copiatn ornatnen-
torum, quam consfjructam una in loco quasi
per fransennam praetereuntes sfriefini aspe-
xitnus. Non. 180, 15: transenna non, ut qui-
ll« m putant, transitus est, sed fenestra. Ver-
gitterte Fenster sind auch die reticulatae bei
102
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
fand dafür wohl selten Anwendung, Bronze oder Eisen war sicher das
häufigste, und zwar wurde solches Gitter entweder im Mauerwerk unbeweg-
lich fest gemacht, oder es war so angebracht, daß es um eine vertikale
Axe gedreht werden konnte1]. Vielfach aber diente ein fest vermauertes
Gitter aus Marmor oder gewöhnlichem Stein als Verschluß,
doch wesentlich für kleinere Fensteröffnungen, die mehr als
Luftlöcher zu bezeichnen sind; Reste von solchen haben sich
erhalten2), und ebenso durchbrochene Tonplatten, die in Pom-
peji hier und da als Luftzuführer über Türen angebracht
waren (s. Fig. 31), also nicht zum eigentlichen Fensterver-
schluß gerechnet werden können3). Derartige Vergitterung
war wohl vornehmlich bei Fenstern im Erdgeschoß üblich4).
Eine andere und wohl die am meisten verbreitete Art des Fenster-
verschlusses, zumal für die Fenster der oberen Stockwerke, bei denen man
weder Hineinschauen noch Einsteigen und Diebstahl zu besorgen hatte5),
waren die hölzernen Läden6). Wenn bei den Schriftstellern bemerkt wird,
daß verschlossene Fenster das Licht vollkommen abschließen7), so haben
wir immer an Fensterläden zu denken; daher ist fenestram claudere oder
aperire kein Fensterschließen oder -öffnen in unserm Sinne, sondern ein
Schließen oder Öffnen der Läden8). Gleich den Türen waren diese oft
Fig. 31. Tönerner
Fenster Verschluß
aus Pompeji.
Varr. r. r. III 7, 3, vgl. das von Schneider
z. d.St. angefühlte Schol.zu Iuvenal: fenestris
hitioribus utrinque et reticulatis , yie quis
serpens aliudve quid animal inire queat.
') Chipiez 1038. Metallgitter sind auch
auf Darstellungen von Bauwerken bisweilen
abgebildet, s. ebd. Fig. 2944.
-) Siehe ebd. Fig. 2943.
3) Siehe die Abbildung des in der Casa del
Labirinto gefundenen Exemplares bei Over-
beck 344 Fig. 176 (darnach unsere Fig. 31);
die flaue hat wie ein Taubenschlag sechs
kleine, oben gerundete Oeffnungen.
4) Plin. XIX 59: iam in fenestris suis
Ißlfhs urbana in imagine hortorum cotidiana
oeuUs rura praebebant, antequam praefigi
prospedus omnes coegit mulUtudinis innu-
merae saeva latrocinatio. Welcher Verschluß
damit gemeint ist, ist allerdings nicht er-
sichtlich, aber da dadurch die Blumenzucht
im Fenster unmöglich gemacht wurde, kann
es sich wohl nicht um Eisengitter, sondern
nur um einen den Raum mehr beanspruchenden
und die Lichtzufuhr beschränkenden Verschluß
handeln. Uebrigens bemerkt Friedländer zu
M;ut. XI 18, 2: sed rus est mihi niaius in
fenestra, daß die von Plinius erwähnte Un-
sicherheit gewiß nur eine vorübergehende
war und die Fenstergärten in der Zeit, wo
Martial schrieb, wieder gewöhnlich waren.
Allein Martin] wohnte in Rom in einem obein
Stockwerk eines Miethauses, und dort war
sicherlich keine Nötigung, die Fenster zu
sichern, vorhanden.
•) Daß un1 er Umständen nicht verwahrte
Fenster zum Einsteigen dienen konnten, zeigt
Plaut, mil. gl. a. a. 0., falls hier nicht eine
bloße Uebersetzung des griechischen Originals
vorliegt.
6) Foriculae heißen sie bei Varr. r. r. I
59, 1. Unsicher ist, ob luminar dasselbe
bedeutet. Bei Cato 14, 2 werden neben den
fenestrae auch luminaria genannt; Schneider
z. d. St. erklärt sie als Fensterläden. Leider
ist die Stelle Cic. ad Attic.XV 26, 4, wo das
Wort auch noch vorzukommen scheint, so
verdorben, daß man gar nichts daraus ent-
nehmen kann. Die Glossen erklären lumi-
naria (abgesehen von der Bedeutung Leuchter.
(po)OTrjgeg, Corp. Gloss. III 425, 1) mit Sin'/ arrj
cpcoTioTijoia hvyyixa xal qpcöra , II 125, 13:
darnach scheint es, als ob man später die
durchsichtigen Fensterscheiben, die specularia
(mit dicuparf/ erklärt Gloss. II 275, 28) darunter
verstanden habe.
7) Plin. ep. 9, 36, 1: clausae fenestrae ma\
nent. mire enim silentio et tenebris ab Ü8
quae avocant abduetus etc. Sen. dial. VI 22, 6:
atque ita iussit lumen omne praecludi et »6
in tenebras condidit. Apul. met. II 23: con-
clave quoddam obseratis luminibus umbrosum.
8) Vgl.Ov. am.I 5, 3: pars adoperta futä
pars altera clausa fenestrae. luv. 9, 104: claude
fenestras, vela tegant rimas. Plin. ep. a. a. 0.:
ebd. II 17, 22: non fulgurum lumen ac ne
diem quidem sentit {cubiculum), nisi fenestris
apertis. Mart.VIIl 14, 5: non tota clusa fe-
nestra. So ist auch luv. 3, 275: nocte patent
vigiles te praetereunte fenestrae: ebd. 6, 31:
cum pateant altae caligantesque fenestrae:
Plin. ep. II 17, 16: hae (fenestrae) . . . cum hine
rel inde ventis inquietus (dies), qua venti
Dritter Abschnitt. Die innere Ausstattung des Hauses.
103
mehrteilig1), und wenn sie wie jene zum Auseinanderklappen eingerichtet
waren, hießen sie auch valvatae2). — In der Kaiserzeit aber kannte man
bereits durchsichtige Fensterverschlüsse, die specularia genannt wurden
und außer in Wohnzimmern3) und Bädern4) in Säulenhallen5), Treib-
häusern6). Sänften7) und anderm mehr Anwendung fanden. Das Material,
dessen man sich hierfür bediente, war ursprünglich und auch später noch
vielfach Marienglas, der sog. lapis specularis, der sich in dünne Platten
spalten läßt 8). Doch haben Funde in Pompeji und Hercuianeum und ander-
wärts9) zur Genüge erwiesen, daß man schon in der frühen Kaiserzeit
auch Fensterglas kannte, ziemlich dicke, anscheinend in Rahmen ge-
gossene Platten10). Diese Scheiben saßen in hölzernen11) oder bronzenen
Rahmen12), die sich noch verschiedentlich in Pompeji erhalten haben,
zum Teil mit den Resten des Glases13). Geöffnet wurden diese Glasfenster,
quiescunt, sine iniuria patent, an Oeffnen der
Lüden zu denken; ebenso Hör. carm. I 25, 1:
partim iunctas quatiunt fenestras \ ictibus
crebris iuvenes protervi, an geschlossene.
') Darauf deutet der in der vorigen An-
merkung zitierte Vers des Ovid, auch der
Ausdruck iunctas bei Hör. a. a. 0. Ov. ex
Pont. III 3, 5 erwähnt bifores fenestras; und
ebd. 10: et gemuit parvo mota fenestra sono
geht auf das Oeffnen der Fensterläden. Ferner
wirden wir die Erwähnung von Ritzen, ritnae,
bei geschlossenen Fenstern, wie oben luv. 9,
104 oder Pers. 3, 1: iam darum mane fene-
stras intrat et angustas extendit lumine rimas
nicht mit Becker-Göll 314 auf Jalousien
deuten, sondern auf die Spalten, die sich
ergaben, wo die beiden Läden zusammen-
stießen. Daher auch noch die Vorhänge bei
luv. a. a. 0.
2) Vitr.VI 6 (3), 10, vom oecus Cyzicenus:
lumina fenestrarum valvata.
3) Sen. dial. 14.9: quam specularia semper
ab adflatu rindicarerunt; nat qu. IV 13, 7:
quamvis coenationem velis ac specularibus
muniant; ep. 90, 25: quaedam nostra demum
prodisse memoria seimus, ut speadartorum
usum perlucente testa darum transfnittentium
hinten, wobei das nostra memoria wohl nicht
ganz wörtlich zu nehmen ist. Plin. ep. II 17,
21 : zotheca, quae specularibus et velis ob-
duetis reduetisve modo adicitur cubiculo, modo
fufertur. Digg. XXXIII 7, 12, 16 u. 25.
4) Sen. ep. 86. 11: quantae nunc aliquis
rusticitatis damnat Seipionem, quod non in
ealdarium sutim latis specularibus diem ad-
Di i 'sc rat?
') Plin. II 17, 4: specularibus ac multo
magis imminentibus tectis muniuntur (por-
ticus et area).
6) Plin. XIX 64: {rotis) hibernis diebus
hitra specularia») niufünenta (hortos) revo-
eantibus. Mart. IV 14. 3: hibernis obieeta notis
gpecularia puros admittunt soles. Colum. XI
3, 52: sed nihilo minus specularibus integi
debebunt.
7) luv. 4, 21: quae rcliitur eluso latis specu-
laribus antra.
8) Von Plin. XXXVI 160ff. eingehend be-
handelt; vgl. ebd. 182; III 30; IX 113; XXXVII
203; mehr bei Blümner Technologie III 66.
Marqüardt 757. Bei den Griechen heißt er
öiaqpavk, s. Corp. Gloss. VIII 284.
9) Vgl. Overbeck 204; 207; 211; 247;
350; 353; 373. Mau 207; 288. Anderweitige
Litteraturangaben s. Marqüardt 758. Becker-
Göll 316. Nissen 135: 596. Daß die in-
schriftlich öfters vorkommenden specidariarii
(CIL VI 4248; 5202 f.; 8659 f.; 9044; 9900
und mehr bei Marqüardt 691 A. 2, dazu X
6638 C 2, 32; 3, 31. A. A. 1909, 281. Dessau
7646) Verfertiger von solchen Fensterscheiben
waren, darf deswegen als sicher gelten, weil
bei einem Inschriftstein, der die ars ispecla-
raria nennt, ein Fenster eingemeißelt ist,
CIL VI 33911. Daher sind wohl auch die a
specularibus, ebd. 4248 {a specularis ebd. 9044)
hierher zu ziehen. Wenn Marqüardt a. a. O.
die Digg. L 6, 7 (6) und Cod. Theod. XIII 4, 2
genannten specularii ebenfalls hierher zieht,
so ist das kaum richtig, denn diese werden
Corp. Gloss. II 435, 37 durch ojiey.konoiög er-
klärt, und da ebd. 36 speculum durch axey.lor
übersetzt wird, so sind es Spiegelfabrikanten.
">) Vgl. Blümner a. a O. IV 402 f. Die
Dicke beträgt durchschnittlich ljt Zentimeter,
s. Chipiez 1639.
n) Overbeck 506. Das Tepidarium in
der Villa des Diomedes hatte ein Fenster
von 1,25 : 1,15 Meter, das in einem Holzkreuz-
rahmen vier Scheiben von je 0.27 Meter im
Quadrat enthielt , s. Breton Pompeji 293.
Overbeck 373. Mau 379.
w) Fensterrahmen sind es wohl, was Plin.
XXX 89 loricae fenestrarum nennt. Daß bei
Paul. sent. III 6, 56 die specularia neben den
vela zum beweglichen Inventar gerechnet
werden, spricht dafür, daß sie abnehmbar
waren.
,3) Overbeck 204; 207; ein Beispiel eines
bronzenen Fensterkreuzes, in dem die Scheiben
104
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
wie man dies in pompejanischen Bädern noch nachweisen kann, dadurch,
daß der Rahmen sich vertikal um zwei Zapfen in der Mitte drehte *). An
große Glasscheiben darf man freilich nicht denken, solche herzustellen
verstand weder das Altertum Doch das Mittelalter; letzteres bedeutet sogar
in der Anwendung der Fensterscheiben einen erheblichen Rückschritt gegen
die römische Kaiserzeit 2), in der allerdings Glasscheiben bei Schriftstellern
ausdrücklich erst spät erwähnt werden3), aber die Bekanntschaft damit
nicht nur aus den Funden, sondern auch aus schriftlichen Andeutungen zur
Genüge feststeht4).
Endlich dienten noch Vorhänge zum Abhalten des Lichts, die auch
dann zugezogen wurden, wenn schon ein anderer Verschluß, der aber das
Licht nicht genügend abschloß, vorhanden war5).
Wir haben sodann von der Heizung des römischen Hauses zu
handeln 6). Daß das ganze Altertum hindurch Öfen in unserm Sinne un-
bekannt waren, steht hinlänglich fest. Man bedurfte im Süden nicht so
sehr der künstlichen Erwärmung, wie bei uns im Norden; man legte die
Zimmer, besonders die Speisezimmer, so, daß sie im Winter so viel Sonne
als möglich hatten, und daher hatten, wie wir sahen, bessere Häuser Schlaf-
und Speisezimmer doppelt, solche für den Sommer und solche für den
Winter. In der alten Zeit, als noch der Herd im Atrium stand, sammelte
sich in der kalten Jahreszeit um dessen wärmende, nie verlöschende
Flamme die Familie mit der Dienerschaft; und auf dem Lande behielt,
wie oben erwähnt, auch später noch die große Küche diese Verwendung
bei. In der Stadt aber, wo der Herd aus dem Atrium verschwand und
die meist kleine Küche nur noch den mit der Speisenbereitung Beschäf-
in Rinnen saßen und durch Knöpfe fest-
gehalten wurden, s. Mazois Ruines de Pomp.
II 33, 77 pl. 1, darnach Chipiez a. a. 0. Fig.
2945.
') OVEKBECK 204.
') Vgl. über die Geschichte des Fenster-
glases Nissen 596 f.
3) Lactant. de opif. dei VIII 11: et mxtnt-
festius est, mentem esse, quae per oculos ea,
quae sunt oppoaita, transpiciat quasi per fe-
nestras verhtcente vitro aut speculari lapide
obductas. Vgl. das Rätsel des Symphosius
bei Baehkens Poet. Lat. min. IV 378 ; mehr
bei Makquardt 757 A. 9.
') [eh betrachte als solche Belegstelle
l'lin. XXXIII 162, wo es von einer in Puteoli
bereiteten blauen Farbe heißt: idem et Pu-
teolani ums, praeterque ad fenestras. Es
läßt sich schwer eine andre Deutung denken,
als daß dies Blau zum Färben von Fenster-
scheiben benutzt wurde. Damit haben wir
auch einen Beleg dafür, daß die Römer bunte
QUsfenster kannten; einen zweiten bietet
Sen. ep. 86, 8 : blattaria vocant balnea, si qua
»"„ Ua apiata sunt, ut tot ins <liei solem
fmtatri» ampUsHmts rtcipiant, niti et la-
vantttr finita et coforantw, darnach waren
solche bunte Scheiben besonders in Bädern
beliebt.
5) luv. 9, 105 (s. ob. S. 102 A.8). Plin. ep. VII
21, 2: cubicula obductis velis opaca nee tarnen
obscura facio. Vermutlich ist auch Ov. a. a.
III 807: nee lucem in thalamos totis admitte
fenestris von Vorhängen zu verstehen. Diese
Stelle dient auch zur Erklärung von Mart.
VIII 14, 5: at mihi cella datur, non tot« clusa
fenestra. Von sonstigen Vorhängen, mit denen
man die Türen abschloß oder die man im
Atrium oder zwischen den Säulen des Peristyls
anbrachte, ist oben die Rede gewesen (S. 29 ; 35).
6) Die Litteratur darüber ist so umfang-
reich, daß wir hier nur auf die zusammen-
fassenden Artikel verweisen können , vor-
nehmlich Becker-Göll 1 1 3 16. Marquardt 283.
Thedenat bei D.-S. III 345 (hier p. 356 zahl-
reiche andere Litteraturangaben). Mau bei
P.-W. III 2748. Morin Note sur les apparats
de chauffage et de Ventilation employes par
les Romains, in Mem. de l'Acad. des Inscr.,
I Se>. VIII 2, 347. Jacobi Das Römerkastell
Saalburg (Homburg v. d. H. 1897), 241. Die
Schrift von O. Krell Altrömische Heizungen,
Münch. u. Berlin 1901, will die Luftheizung
durch Tubulation und suspensurae in den
meisten Fällen leugnen und die betr. Vor-
richtungen als Anlagen zur Trockenhaltung
der Mauern und Wände erklären; s darüber
unten.
Dritter Abschnitt. Die innere Ausstattung des Hauses.
10!
tigten Raum bot, mußte man auf andere Weise für etwas Wärme an kalten
Wintertagen sorgen. Daß man nun dafür Einrichtungen kannte, die unsern
Kaminen entsprachen und auch denselben Namen (caminus) hatten, ist
zwar vielfach bestritten worden x), zumal sich in Pompeji keine Spur davon
findet, geht aber doch aus einer Anzahl alter Belegstellen, die kaum andere
Deutung zulassen, mit ziemlicher Sicherheit hervor 2). Bisweilen scheint
auch focus dasselbe zu bedeuten 3). Reste von Kaminanlagen sind außer-
ordentlich selten4), und so darf man wohl annehmen, daß diese Art Heizungs-
anlagen nicht gerade häufig vorkam. Es mag das damit zusammenhängen,
daß das Altertum keine hohen, durch mehrere Stockwerke hindurch geführte
Schornsteine kannte5); für mehrstöckige Gebäude war daher die Anlage
von Kaminen ausgeschlossen.
Das gewöhnlichste Mittel, im Winter Wohnräume zu erwärmen, scheint
im Altertum dasselbe gewesen zu sein, mit dem man sich heut noch im
Süden in der Regel behilft, nämlich transportable Kohlenbecken. So
wenig von solchen in unsern Quellen die Rede ist ö), so ist doch durch
Funde ihre einstmalige Anwendung hinlänglich bezeugt7). Es sind aller-
dings meist eleganter gearbeitete Bronzeherde, die man gefunden hat; ein-
fachere Geräte, deren sich die gewöhnlichen Leute bedienen mochten,
scheinen bisher noch nicht nachgewiesen zu sein8). Eines der besten
!) Vgl. Saglio bei D.-S. I 859.
2) Cic. ad fam.VII 10, 2: vctlde metuo ne
frigeas in hibernis: quam ob rem Camino
luculento utendum eenseo. Hör. sat. 15, 79:
nisi nos vicina Trivici \ ri/la recepisset la-
crimoso non sine fumo, \ udos cum foliis ra-
tnos urente Camino. Id. ep. I 11, 19: Sextill
mense caminus. Suet. Vitell. 8: nee ante in
praetorium rediit quam flagrante triclinio
i'.r coneeptu camini. Sid. Ap. ep. II 2, 11:
hiemale triclinium , quod a rennt ill Camino
saepe ignis animatus pulla fuligine infecit.
Von Gallien Iulian. misop. p. 341 C: e&üIjiezo
b'e tö öcofiünov ovöaiiibg, oüneg ixdßsvöov,
fivjtEQ tuöihi xqÖjiov i'jid iaig xa/iiroig zu jioV.u
tviv oiy.nuäxoiv ixei deo/iaiveadai. Ebenfalls
caminus heilst auch der Schmelzofen des
Metallarbeiters, der Backofen u. a. m.
3) Hör. carm. I 9, 5: dissolve frigus ligna
super furo large reponens geht wohl auch
auf einen Kamin; da aber das Wort allgemein
einen Herd bedeutet (einen festen wie einen
tragbaren), so ist die Bedeutung Kamin nir-
gends mit Sicherheit festzustellen. Vielleicht
mit Recht bezieht Becker-Göll 317 auch Sen.
nat. qu. IV 13, 7: quamvis coenationem velis
nc specularibus muniant et igne multo doment
hiemem, auf Kaminheizung, obschon man hier
auch an Hypokauste denken könnte.
4) Einige, die heut verschwunden, aber
in Aufnahmen erhalten sind, bespricht Saglio
a. a. 0. 861 mit den Abbildungen 1057—1059;
vgl. auch Rich 97.
s) Damit soll nicht gesagt sein, daf3 die
Römer überhaupt keine Schornsteine gekannt
hätten; in Pompeji sind sie zwar selten, aber
doch keineswegs unerhört; sie bestehen da
aus tönernen Röhren, s. Overbeck 386. Fio-
relli Scavi dal 1861 al 1872 p. 12; 17: 20; 39.
Becker-Göll 318. Namentlich der Küchen-
herd, der Backofen u. dgl. mußten Essen für
den Rauchabzug haben. Daß aber hohe Schorn-
steine unbekannt waren, zeigen die Prospekte
von Straßen oder Häusern in derWandmalerei,
bei denen nirgends Schornsteine über die
Dächer hinausragen. Vgl. auch v. Duhn und
Jacobi Der griech. Tempel in Pompeji (Heidel-
berg 1890) über Schornsteinanlage im Frauen-
bad der Stabianer Thermen , und Jacobi
a a. O. 246.
6) Wir kennen nicht einmal eine Spezial-
benennung dafür, sondern können nur an-
nehmen, daß die Namen, die überhaupt jedem
Herde zukommen, wie focus, caminus, auch
diesen tragbaren Herden gegeben wurden,
und daß die allgemeine Bezeichnung für
Kohlenbecken, auch solche, die zum Wärmen
von Speisen und Getränken dienten. caidaHum,
ebenso für jene angewendet wurde. Auf letztere
werden wir noch im VI. Abschn. der II. Abteil,
zu sprechen kommen.
7) Man vgl. namentlich die Abbildungen
bei Daremberg-Saglio I 821; II 1196. Over-
beck 440 f. Krell a. a. O. 19. Die meisten
und am besten erhaltenen Exemplarestammen
aus Pompeji. Daß die schönverzierten Drei-
füße demselben Zweck gedient hätten, wie
Krell a. a. O. annimmt, ist nicht erweislich.
8) lieber etruskische Kohlenbecken, Feuer-
zangen und Feuerschaufeln vgl. Friederichs
Berl. ant. Bildwerke II 190 f.
106
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
Beispiele ist ein mit zinnenartigen Spitzen verziertes Kohlenbecken, das
im Tepidarium der kleineren Thermen in Pompeji gefunden wurde; es hat
ungefähr 2.20 m Länge und 0,78 m Breite; innerhalb des Zackenornaments
ist ein eiserner Rand eingeschoben, den Boden bildet ein Rost von Bronze-
stangen, auf dem Ziegel lagen, über diesen Bimsstein, auf den die glühenden
Holzkohlen gelegt wurden1).
Die Erfindung einer rationellen Luftheizung, bei der dem Fußboden
und den Wänden der Zimmer erwärmte Luft zugeführt wurde, fällt erst in
den Anfang des letzten Jahrhunderts v. Chr. und diente ursprünglich lediglich
zur Heizung von Baderäumen, bei denen ja eine gleichmäßig 'erwärmte
Temperatur der Gefahr der Erkältung wegen besonders erwünscht war.
Ein gewisser C. Sergius Orata ist es, dem das Verdienst dieser Erfindung
zugeschrieben wurde2); sie wurde schon frühzeitig auch auf Wohnräume aus-
gedehnt. Die Erfindung scheint sich jedoch anfänglich auf die Boden-
heizung beschränkt zu haben, da dabei immer nur von den balnea pensilia
die Rede ist; aber jedenfalls erfolgte die Erfindung der Wandheizung durch
Röhren kurze Zeit nachher3). Das System lernen wir aus Vitruvs Vor-
schriften4) und zahlreichen Erwähnungen bei den alten Autoren, die sich
nicht bloß auf Bäder, sondern auch auf Wohnräume beziehen5), kennen,
') Overbeck208. Mau 208. Becker-Göll
III 122. Vgl. auch Overbeck 223; 230. Mau 202.
*) Val. Max. IX 1, 1: C. Sergius Orata
pensilia balinea primus facere instituit : quae
impensa levibus initiis coepta ad suspensae
calidae aquae tantum non aequora penetravit.
Letztere Bemerkung ist natürlich nicht so
zu verstehen, daß die Wannwasserbassins
durch die Heizung erwärmt wurden (was
Krell a. a. O. 32 ff. mit Recht als unmöglich
bezeichnet), denn dafür gab es in den Bädern
besondere Vorrichtungen, sondern man hielt
nur den Boden unter dem Bassin geheizt,
damit das Wasser weniger rasch abkühle.
Daß es sich aber bei der Erfindung des Ser-
gius Orata nicht um bloße Unterkellerung
handelte, wie Krell 36 meint, beweist der
Zusatz calidae. Vgl. auch Plin. IX 168: Ser-
gitts Orata . . . ut qui primus pensilis in-
venerit balinea*; XXVI 16, von der Zeit des
Asklepiades, eines Freundes des L. Crassus:
tum primum pensili halinearum usu ad in-
finit um blandienU. Macr. III 15, 3; und ohne
Nennung des Erfindernamens Cic. bei Non.
194, 12: primus balneola suspendit, inclusit
pisces.
s) Sen. ep. 90, 25 : quaedam nostra de-
mum prodisse memoria srinrus ... ut sus-
pensuras balneorum et inpressos parietihns
tu Ix is, per quo» cir cum funder etur calor, qui
'mm simul nr summa foveret aequaliter.
Baß das nostra memoria nicht wörtlich zu
nehmen ist, haben wir schon oben (S. 103 A. 3)
gesagt, event. bezieht es sich nur auf die
Heizung durch tubi, die früher nicht erwähnt
wird und die auch Vitiuv noch nicht gekannt
zu haben scheint, vgl. Nissen 152. Das jüngere
Alter der Tubulation wird bestätigt durch
die Stabianer Thermen in Pompeji, bei denen
der ursprüngliche Bau gar keine Heizanlage
hatte, dann das Caldarium den hohlen Fuß-
boden bekam und noch später die Hohl-
wäude, s. Mau Pompej. Beitr. 117 ff. ; Pompeji
200. Aehnlich heißt es in einer Inschrift
CIL XI 6040 von einem Gönner, der ein
altes Bad neu herrichtete: balneum suspendit,
fubulos . . . fecit.
4) Vitr.VIO, 2: suspensurae caldarionnn
ita sunt faciendae, ut primum sesquipeda-
libus tegulis solum sternatur inclinatum ml
hypocausim, uti pila cum mittatur non possit
intro resistere sed rursus redeat ad praefur-
ninm ipsa per se. ita flamma facilius per-
vagdbitur sub suspensione. supraque tatcr-
ctdis bessalibus pilae struantur ita dispositae,
uti bipedales tegulae possint supra esse con-
locatae. altitudinem autem pilae habeant pedes
duo eaeque struantur argilla cum capitlo sub-
acta, supraque conlocentur tegulae bipedales
quae sustineant pavimentum. Darnach Pallad.
I 39 (40), 2.
ä) Sen. dial. I 4, 9: cuius pedes int er fo-
menta subinde mutafa tepuerunt, cuius coe-
nationes snbditus et parietibus drcumfusus
calor temperavit. Stat. silv. I 5, 87: straf n
solo . . . ubi languidus ignis inerrat \ aedi-
biis et tenuem volvunt hypocausta vaporem.
Plin. ep. II 17, 11 : adiacet unctorium htfpo-
causton (so ist zu lesen, nicht mit Keil: uncto-
rium, hypocauston, wie bei Marquardt 283
A. 2 richtig bemerkt ist); ebd. 23: adplicitum
est cubiculo hypocauston perexiguum, quod
angusta fenestra suppositum calorem, ut ratio
exigit, aut effundit aut retinet. V 6, 25: CO-
Dritter Abschnitt. Die innere Ausstattung des Hauses.
107
ganz besonders aber aus den außerordentlich vielen noch erhaltenen Resten
von Heizanlagen; es ist folgendes.
Unter dem Fußboden wurde ein Hohlraum, die sog. suspensura, an-
gelegt, der nach Vitruvs Vorschrift zwei Fuß tief sein soll, in den erhal-
tenen Resten aber von sehr verschiedener Tiefe ist (bis zu 1 m). Der
Boden, dem man eine leichte Neigung nach der Richtung des Heizraumes
hin gab, damit die heiße Luft stärker hinaufstreiche l), ist meist mit Zie-
geln ausgelegt, oft bloßer Estrich: darauf stehen niedrige, etwa zwei Fuß
hohe Ziegelpfeiler2) reihenweise in bestimmter Entfernung voneinander,
die meist so bemessen ist, daß die etwa zwei Fuß im Quadrat haltenden
Ziegelplatten, die darüber gelegt werden, um die Unterlage für den Fuß-
boden abzugeben, zu je vier auf einem Pfeiler zusammentreffen, also jede
Platte auf vier Pfeilern ruht. Auf diese Tonplatten, die oben öfters ge-
riefelt sind, damit die Mörtelmasse besseren Halt hat, wird dann ein Estrich
von der oben (S.' 95) beschriebenen Art gedeckt und auf diesen kommt
dann ein Stein- oder Mosaikboden. Die Estrichlagen pflegen sehr sorg-
fältig hergestellt und von verschiedener Beschaffenheit und Dicke über-
einander angelegt zu sein3); namentlich wo Mosaikböden darauf zu liegen
kamen, verfuhr man sehr genau und legte mitunter auf die Deckziegel
über den Pfeilern noch Randziegel4).
Diese suspensura steht in Verbindung mit der Feuerstelle, hypocausisb),
wo das Feuer von Holzkohlen6) entzündet wird, dessen Wärme durch
haeret hypocauston, et si dies nubilus, in-
misso vapore solis vicem supplet. Auson. Mos.
337: quid quod fluminea substructa crepidine
fumant balnea, ferventi cum Mtdciber haustus
pperto volvit anhelatas tectoHa per cava flam-
mas, inclusum glomerans aestu spirante va-
porem? Digg. VIII 2. 13 pr.: quidam Hiberus
nomine, qui habet post horrea mea insulam,
balnearia fecit secundum parietem commu-
nem: non licet autem tubulos habere admotos
ml parietem communem . . . hoc iuris est,
tpiod per eos flammet torretur partes. XXXII
1, 55, 3: lignis autem legatis quod comburendi
causa paratum est continetur, sive ad balnei
ealefactionem sive diaetarum hypocaustarum.
') Vitruv drückt sich nicht genau aus,
wenn er hier von der Flamme spricht: diese
durfte nicht in die suspensura eindringen.
Die Neigung des Fuf3bodens ist an den Funden
oft zu beobachten, s. Jacobi a. a. 0. 251.
*) Diese Pfeiler sind entweder aus Ziegeln
Rufgemauert oder es sind eigens zu diesem
Zweck gebrannte hohle Tonsäulchen (vgl.
das unten besprochene Beispiel von der Saal-
burg), s. Mau Pomp, ßeitr. 149. Not. d. seavi
[878, 378; 1883, 211; auch viereckige Röhren
kommen vor. ebd. 1878, 376. Marquardt 285
A. 2. Doch kamen nicht bloß Tonziegel oder
Röhren zur Verwendung, sondern auch anderes
Material: die Pfeiler sind bisweilen aus Stei-
nen aufgemauert oder ganz aus Stein gehauen,
wie denn überhaupt in der Anlage der suspen-
iurae große Mannigfaltigkeit herrscht, vgl.
Thedenat a. a. 0. 347. Arneth Jahrb. d. österr
Zentralkomm. VI (1856) 54 Taf. VI.
3) Vgl. Bossler Die Römerstätte bei Vil-
bel, im Arch. f. hessische Gesch. und Alter-
tumsk. X 31.
4J Vgl. Buckman u. Newmarch Remaiiis
of Roman art 65. Blümner Technologie III
337 f. Ueber die Ursachen, weshalb man
diesen Belag so dick herstellt, s. Morin a.
a. 0. 355.
5) In dieser Bedeutung steht das Wort
bei Vitruv a. a. 0., ferner Plut. qu. conv. HI
10. 3 p. 658 E. Oribas. p.37. Vgl. Corp. Gloss.
II 466, 31, wo calefactio und snbustio durch
vjtöxavmi erklärt sind. Dagegen bedeutet
hypoeaustus (Adjekt.) oder lujpocattstum einen'
auf die angegebene Weise von unten her
geheizten Raum, so Pliu. ep. II 17, 11; V 6,
23. Digg. XXXII 1, 55, 3 (s. oben S. 106 A. 5) ; in
der Lex. metall. Vipasc. CIL II 5181. Nur bei
Stat. silv a. a. 0. scheint hypocaustttm den
unterirdischen Hohlraum zu bedeuten, wie
Marquardt 283 A. 2 bemerkt. Der heutige
Sprachgebrauch schließt sich ihm darin an.
8) Die ganze Anlage der Heizung läßt
es als unwahrscheinlich erscheinen, daß man
mit Holz geheizt habe: der starke Rauch und
Ruß, den eine solche Holzbeizung entwickeln
mußte, hätte die aufsteigenden Heizkanäle
mit ihren kleinen Querschnitten bald ver-
stopfen müssen; auch die Praefurnien sind
oft so klein, daß man nur an Heizung mit
Holzkohlen denken kann. Vgl. Jacobi 248.
108
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
einen Kanal nach der suspensura geht; davor liegt die Kammer, von der
aus man das Feuer anmacht, mit dem Schürloch, praefurnium l). Damit
bei Beginn der Heizung das Feuer schnell Zug habe, brachte man an
einem von der Feuerstelle entfernten Punkte ein sog. „Lockfeuer" an2);
auch für Ventilation wurde im Zusammenhang mit der Feuerung gesorgt,
indem der suspensura durch eine Öffnung frische Luft von außen her zu-
geführt wurde3). Wo bloße Bodenheizung ohne Tubulation der Wände
bestand, mußte natürlich auch für den Abzug der Luft resp. etwa sich
entwickelnden Rauches nach oben genügend gesorgt sein; doch sind die
dafür bestimmten Vorrichtungen meistens nicht mehr erhalten.
Mit dem Hohlraum der suspensura standen seit Erfindung der Tubu-
lation die Hohlräume der Wände in Verbindung, indem die heiße Luft von
der suspensura aus an den Wänden in die Höhe geleitet wurde4), und
zwar wurden diese Hohlräume auf verschiedene Weise hergestellt. Ent-
weder setzte man oblonge Tonröhren oder hohle Tonzylinder, tubi, tubuli6),
in die Mauer ein; diese Kachelröhren führten nicht nur die heiße Luft direkt
in die Höhe, sondern, da sich vielfach in ihrer Schmalseite verschieden
gestaltete Öffnungen finden, konnte die heiße Luft sich auch seitlich ver-
breiten6). Oder man nahm sog. Warzenziegel, tegulae mammatae1), d.h.
Tonplatten, die an den Ecken mit warzenartigen Vorsprüngen versehen
sind, und bekleidete damit die Wand, wodurch schmale Hohlräume ent-
standen8). Indem eine oder mehrere Öffnungen aus den Hohlräumen der
Daß allerdings Holzheizung nicht absolut
ausgeschlossen war, zeigt Digg. a. a. 0.; doch
handelt es sich da vermutlich nur um Suspen-
surenheizung, nicht um Wandheizung. Man
bediente sich dazu wohl der sog. ligna acapna,
d. h. eines eigens nach verschiedenen Verfah-
rungsweisen präparierten Holzes, das ohne
oder doch nur mit sehr schwacher Rauch-
entwicklung verbrannte, vcl. Cat. r. r. 130.
Mart.XIII 15. Plin. XV 34. Ueber die Methoden
s. Mokel bei D.-S. I 14.
1)Vitr.V10,2(8.obenS.106A.4);VII10,2;
VIII 2, 4. Das ebd. V 11, 2 und Plin. ep. II
17, 11 genannte propnigeum ist damit jeden-
falls nicht identisch, sondern scheint, wie Mau
zu Marquardt a. a. 0. A. 4 bemerkt, das Te-
pidarium zu bedeuten; dafür spricht auch
Corp. Gloss. III 217, 2 und 652, 10, wo jzqo-
.iviyFÄa und tepidaria identisch sind.
2) Dessen Stelle ist in den Stabianer
Thermen noch nachweisbar, Mau 197; vgl.
Rösslkr Westdeutsche Zeitschr. IX (1890) 260
mit Taf. XI fg.
3) Vgl. die Beschreibung der entspre-
chenden Einrichtung auf der Saalburg bei
Jacobi 253.
4) Es kommt übrigens auch vor, daß
heiße Luft direkt aus der suspensura in den
darüber belegenen Raum aufsteigt, indem an
den Wänden des Gemaches entlang oben
offne Röhren aus Ton angebracht waren,
». die Abbildung Fig. 32. Jedenfalls wurden
die Oeffnungen dieser Röhren während der
Heizung, d. h. solange das Kohlenfeuer in
Brand war, durch Deckplatten verschlossen.
Diese Einrichtung ergab zugleich die Mög-
lichkeit einer Regulierung der Wärme; eine
ähnliche Einrichtung, die Wärme aus der
suspensura einzulassen oder zurückzuhalten,
muß die angusta fenestra gewesen sein, von
der Plin. ep. II 17, 23 spricht.
J) Sen. ep. 90, 25. Digg. VIII 2, 13 (oben
S. 106 A. 5). Daher heißt ein Zimmer, das Fuß-
boden- und Wandheizung hat. suspensus et
tubulatus, Plin. ep. II 17, 9. Auch ctmiculi
kommt für diese Röhren vor, Digg. XLIII
21, 3,6.
6) Vgl. Näher Rhein. Jahrb. LXXIX 71
mit Taf. II 12 u. 16. Rössler a a. O. The-
denat 848 Fig. 3944. Oft sind die Kachel-
röhren noch eigens an der Wand mit eisernen
Klammern befestigt; und damit die aus starker
Stucklage bestehende Wandverkleidung besser
an ihnen hafte, haben sie an den Außen-
seiten diagonale oder schlangenförmige Ein-
furchungen. Näher a. a. O. Fig. 16. Middleton
Archaeologia LI (1888) 1 pl. III.
7) Diese Benennung findet sich Vitr. VII
4, 2. Plin. XXXV 159; vgl. Nissen 05 ff.
8) Eine Zusammenstellung der pompe-
janischen Badezimmer, bei denen tegulae
mammatae zur Anwendung gekommen sind.
s. Mau Pompej. Beiträge 149 f.
Dritter Abschnitt. Die innere Ausstattung des Hauses. lO«j
Wände oben ins Freie führten und gewissermaßen als Schornsteine wirkten >),
war für die nötige Zugluft und den Abzug von Gasen oder schlechter Luft
genügend gesorgt2).
Man konnte nun bei dieser Art der Heizungsanlage sehr verschieden-
artig vorgehen, wie die Funde lehren. Oft begnügte man sich bloü mit
der Bodenheizung, oder man brachte nur eine Wandheizung an, und je
nachdem man die Heizung bloß an einer Wand oder an mehreren oder
allen vier Wänden durchführte3), ließen sich sehr verschiedene Wärme-
grade erzielen, wozu auch noch die verschiedene Entfernung der zu er-
wärmenden Räume von der Feuerstelle beitrug. Auch darin herrschte
Mannigfaltigkeit, daß bisweilen eine einzige Hypokausis zur Heizung mehrerer
Räume diente4), anderwärts hinwiederum derselbe Raum durch zwei ge-
trennte Heizräume bedient wurde5). Daß sämtliche Räume eines Hauses
(d. h. des Unterstocks, da zu den obern Stockwerken schwerlich die Heizung
hinaufging) in solcher Weise Boden- oder Wandheizung hatten, war un-
gemein selten und jedenfalls auch in den Wohnhäusern nördlich der Alpen,
wo das Klima größere Ausdehnung der Heizanlagen erforderte, nicht häufig,
während man sich im Süden, abgesehen von den Bädern, wo in der Kaiser-
zeit die Heizung wohl allgemein durchgeführt und selbst bei Privatbädern
üblich war, mit der Heizanlage bei einigen wenigen Wohnräumen begnügte
oder auch ganz darauf verzichtete6).
Noch eine andere Art der Heizung, die wir aber nur im Norden finden
und die bloß in den Kastellen der Grenzwälle zur Anwendung gekommen
zu sein scheint, kann als Kanalheizung bezeichnet werden7); es führte
dabei vom Heizraum ein Hauptkanal unter dem Boden direkt nach der
Mitte des zu heizenden Raumes und verzweigte sich von da nach den vier
Ecken, in denen Schornsteine nach oben führten. Diese Kanalheizungen
konnten mit Holz geheizt werden, was für manche Grenzorte, bei denen
vielleicht nicht immer Holzkohle leicht zu beschaffen war, von Wichtigkeit
sein mochte. In der Saalburg finden wir auch einige Bodenheizungen, bei
») \\'1.MauR.M.II(1887)134; VI (1891)
266; Pompeji 192.
2) Es muß hier bemerkt werden, daß
K rell in seiner oben S. 104 A. 6 zitierten Schrift
zu erweisen gesucht hat, daß nur einige
wenige der hier beschriebenen Anlagen (selbst-
verständlich alle diejenigen, bei denen das
praefurninm noch erhalten ist) wirklich Heiz-
anlagen waren, weitaus die meisten aber gar
nicht zur Heizung dienten, sondern bloß zur
Abhaltung der Feuchtigkeit von Boden und
Wänden. Allein, wenn auch nicht zu be-
hinlänglich festgestellt ist. Vgl. die Gegen-
bemerkungen gegen Krell von Blümner Beil.
phil. Wochehschr. 1902 Sp. 398. E. Anthes
Korrespondenzbl. d. Gesamtver. d. deutschen
Gesch.- u. Altert.Vereine f. 1903, 97 ff. Graf
Walderdorff Verhandl. d. histor. Ver. f. Ober-
pfalz u. Regensburg LTV 271.
») Mau Pompej. Beitr. a. a. 0.; ders. R.
M.VIII (1893)53.
*) Ovekbeck 202 Fig. 116; vgl 212.
5) Ebd. 236 mit Fig. 126; andere Varie-
täten s. Thedenat a. a. 0. 346.
zweifeln ist. daß bisweilen dieser Zweck in B) In den Villen des Plinius sind es nur
der Tat durch dieselbe Art der Anlage, d. h. ; einige besondere Zimmer, die solche haben,
durch Suspensur und Tubulation, erreicht und so wird es in den meisten Villen in
worden ist, so muß man doch dabei behanen, Italien und überhaupt im Süden der Fall ge-
tag in der Mehrzahl der Funde die be- wesen sein. In Pompeji sind Heizungsanlagen
sprochene Anlage zu Heizzwecken bestimmt lediglich in den Thermen und den Bade-
war. was in zahllosen Fällen, auch wo das räumen der Häuser, aber in keinem Wohn-
Praefurnium und die Hypokausis sich nicht räume zu finden,
mehr erhalten haben, durch das Vorhanden- T) Vgl. Jacobi 255 ff. Krell 54 f.
sein von Resten von Holzkohlen, Asche, Ruß
110
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
denen das Hypokaustsystem mit der Kanalheizung verbunden ist; sie
bieten den Vorteil, daß die dem Boden und den Seitenwänden der Heiz-
kanäle zugeführte Wärme durch Luftzirkulation für die Heizung des Ge-
machs nutzbar gemacht werden konnte1).
vrv
Fig. 32. Heizanlage von der Saalburg.
Die noch erhaltenen Beispiele römischer Heißluftheizungen sind
ganz ungemein zahlreich, besonders nördlich der Alpen, in der Schweiz,
in Deutschland und England; denn wo hier Römer sich niedergelassen und
Villen erbaut haben, da waren sie auch durch das rauhe Klima zur An-
lage von Heizvorrichtungen genötigt2). Wir besprechen zur Verdeutlichung
des oben Gesagten die in Fig. 32 abgebildete Heizanlage, die sich in einer
bürgerlichen Niederlassung des Römerkastells Saalburg vorfindet3).
') Näheres bei Jacobi 257 und Krell 55,
wo Abbildungen das System erläutern.
*) Siehe die Besprechung von Beispielen
aus verschiedenen Gegenden bei Thedenat
a. a. 0.
3) Nach Jacobi a. a. 0. Fig. 37, darnach
auch bei Krell 47 ff., der sie das „ vielleicht
typischste Beispiel" einer Hypokaustenheizuns
nennt. Man vgl. auch die Heizanlagen der
römischen Villa Fig. 28, die die Heizkanäle
und Luftzüge gut erkennen lassen.
Dritter Abschnitt. Die innere Ausstattung des Hauses. \ \ \
Vom Wohnhaus 1,50 m abgerückt liegt 0,80 m tief im Boden das
1,30 auf 1,40 m große praefurnium A, zu dem zwei Stufen hinabführen.
Gegenüber öffnet sich das 36 cm hohe und 18 — 20 cm breite Feuerloch
a b c, das aus drei schmiedeeisernen Blöcken ') und einer Basaltfußplatte
zusammengesetzt ist. Von da zum Gebäude führen zwei elliptisch aus-
gebauchte backofenförmige Hohlräume (in der Zeichnung punktiert und
mit kl bezeichnet); der erste, mit Basaltsteinen und Erde überdeckt, liegt
noch außerhalb des Baues und ist die Hypokausis, in der das Kohlenfeuer
entzündet wurde. Die suspensura besteht aus sechsmal acht Pfeilern; sie
sind durchschnittlich 74 cm hoch und bestehen aus einer quadratischen
Fußplatte von 30 cm Seitenlänge und 5 cm Dicke, einer ebenso großen
Kopfplatte und zwölf Ziegeln von 20:26 cm Seitenlänge und 5 cm Dicke.
Dagegen ist die Gruppe der Pfeiler, die mit m bezeichnet sind, aus auf-
recht stehenden Heizröhren zusammengesetzt, die mit Backsteinbrocken
und Mörtel ausgefüllt und noch durch einige Ziegel erhöht sind, um das
gleiche Niveau mit den anderen zu erzielen. Die Pfeiler stehen 25 — 35 cm
weit auseinander; die darauf gelegten Deckplatten sind 50 — 60 cm groß
und 5 cm dick und oben geriefelt; darüber liegt der 15 cm starke Estrich,
o!er den ganzen Boden überzieht; nur bei h i ist ein 50 cm im Quadrat
haltendes Einsteigloch, das durch eine Sandsteinplatte geschlossen wird.
Dies Loch diente dazu, Reinigungen oder Reparaturen der suspensura vor-
zunehmen. — Rings um den Boden geht ein Kanal, aus dem sieben mit
Ziegeln verkleidete Tonröhren r aufsteigen, von denen fünf den Querschnitt
14:14 cm, zwei von 14:24 cm haben. Oben stehen sie ein wenig über
die Estrichoberfläche hervor. Bei f g liegt ein in die Wand eingebauter
Schacht, der durch eine Zunge in zwei Abteilungen getrennt ist; er diente
aber wohl kaum als Rauchabzug, sondern zur Ventilation. Zum Abführen
<les Rauches dienten die der Einfeuerung gegenüberstehenden Hohlkacheln n.
Frische Luft kam von der Öffnung o her; sie trat von da in den Vorraum
B und aus diesem durch die Öffnung d e seitlich in die suspensura ein.
Hier nötigte die zungenartige Einmauerung q die eintretende Außenluft,
sich mit den durch den Kanal k 1 eintretenden Heizgasen zu mischen. So-
wohl das Schürloch wie die Luftöffnung u konnten durch Ziegel- oder
Steinplatten verschlossen werden.
Die bei der innern Ausstattung des Hauses beschäftigten Berufsarten,
wie vornehmlich die pavimentarii, musivarli und tessellarü für die Fußböden,
•die laquearii für die Decken, die tectores, pictores und coloratores für die
Wände sind bereits erwähnt worden; auch die im ersten Abschnitt genannten
fuhrt intestinarü2) hatten jedenfalls noch manches dabei zu tun.
') Siehe Jacobi Taf. XLVII 7 u. 7 a.
») Vgl. S. 67.
112 Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
Vierter Abschnitt.
Der Hausrat.
Litteratur.
Beckeb-Göll II 329 ff.
Mabquardt-Mau 635 ff.
Blümner Das Kunstgewerbe im Altertum II 2 ff.
Overbeck Pompeji 422 ff.
Mau Pompeji 389 ff.
Wenn man sich beim Durchwandern der Häuser Pompejis bisweilen
verwundern mag über die Kleinheit der meisten Wohnräume, so muß man
sich dabei immer in Erinnerung rufen, daß der Römer diese Zimmer meist
nur zum Schlafen oder zum Speisen brauchte, sich aber sonst für gewöhn-
lich nicht darin aufzuhalten pflegte; dafür war ja das helle und luftige
Atrium da. Aber auch das muß man in Anschlag bringen, daß diese
Räume nicht, wie unsre Stuben heutzutage, durch zahlreiche Möbel ver-
engt waren. Die Fülle von Schränken, Kommoden, Tischen und anderem
mehr, die in der modernen Wohnung so viel Platz beanspruchen, fällt im
römischen Hause dahin; zum Aufbewahren von Kleidungsstücken, Geräten
usw. dienten die zahlreichen kleinen Kammern, die jedes Haus aufwies:
und so sind es im wesentlichen nur einige wenige Möbel, die in den Wohn-
zimmern Aufstellung fanden, insbesondere Betten und Sofas, Stühle und
Tische. Abgesehen von diesem quantitativen Unterschied im Mobiliar des
römischen und des modernen Haushalts bestand ein solcher auch hinsicht-
lich des Materials; denn obschon Holz als solches sehr gewöhnlich war,
spielte doch daneben für Sitz- und Liegemöbel das Metall, besonders die
Bronze, eine viel bedeutendere Rolle als heut, wo es dafür fast gar nicht
oder höchstens in Form von Beschlägen zur Verwendung kommt, und für
die Tische auch Marmor, der bei uns in der Regel in Innenräumen nicht
dafür verwendet wird. Für unsere nähere Kunde vom alten Mobiliar
stehen uns neben den Nachrichten der Schriftsteller und den Abbildungen
von Hausrat auf den Denkmälern auch die noch erhaltenen Originale aus
Pompeji und Herculaneum sowie aus andern römischen Fundstätten zu
Gebote; begreiflicherweise aber hat sich von solchen aus Holz nur äußerst
wenig erhalten.
Wie wir Liege- und Sitzmöbel unterscheiden, so die Römer cubüia und
sedilia1). Unter den Lagerstätten ist das weitaus verbreitetste Möbel der
ledus (lectidus)*), der der griechischen xkivrj nach Bedeutung und Form
im wesentlichen entsprechend sehr mannigfaltigen Zwecken dient und nicht
nur unser Sofa und Bett zugleich vorstellt, sondern in seiner Anwendung
') Doch ist zu beachten, daß sedile in [ Sprache gern für das Ehebett gebraucht, z.B.
der KegeJ einen wirklichen Sitz bedeutet Catull. 66, 21. Hör. epod 16. 38 u. s.
'.s.a"" 7 Wilh,'<',"i '■"'"'''■ im allgemeinen die ») Vgl.BECKER-GöLL II 330. Marquardt
öwitte ist, an der man sich lagert, gleichviel i 724. Girard Artikel Lectus bei D.-S. 111 1014.
od 8'e von der Natur oder durch Kunst her- j Mau Artikel Betten bei P.-W. III 370. Cafo-
f, e8/7 , r,8t: lm letzteren Sinne z.B.Cic.Tusc. line L. Ransom Couches and beds of the
uii,w. Vai. H.VII 116: in der poetischen Greeks, Etruscans and Romans, Chicago 1905.
Vierter Abschnitt. Der Hausrat.
113
noch darüber hinausgeht, da er nicht allein als Möbel zum Schlafen dient
I (Ircfus cubh'ularix) :), oder auch nur zum Ausruhen 2), und als Sofa zum
Speisen, da ja die Römer wie die Griechen bei Tisch lagen (lectus tridi-
Bans)8), sondern auch als Lager zum Studieren, da man vielfach liegend
las oder schrieb4) (lectus lucubratoriw)6)', ja es ist auch das Lager, auf
dem der Tote zum Verbrennungsplatz getragen und verbrannt wird').
Mochten sich diese verschiedenen Arten der lecti auch im einzelnen ihrer
Bestimmung entsprechend in einigen Punkten unterscheiden, namentlich
wohl auch in der Ausstattung, so war doch das allen gemeinsam, daß sie
im wesentlichen mehr Bett als Sofa waren, nämlich nur ein auf vier (mit-
unter auch sechs) 7) Füfsen ruhendes Rahmengestell, das erst durch Be-
spannung, durch Auflegung von Matratzen, Kissen und Decken zur benutz-
baren Lagerstätte gemacht wird8). Gepolsterte lecti, bei denen die Polster
mit dem Rahmenwerk durch Tapezierarbeit verbunden sind, wie bei unsern
Sofas, scheinen gar nicht üblich gewesen zu sein. Dies Rahmengestell nun
besteht in der Regel aus verschiedenen Teilen, von denen aber nicht alle
notwendigerweise vorhanden sein müssen. Der oblonge Rahmen selbst
führt den Namen sponda9): die zumal bei lecti cubiculares meist vorhandene
hintere Wandlehne, die in den Bildwerken oft ziemlich hoch hinauf-
reicht, heißt pluteus10); die Kopflehne, die bald höher, bald niedriger war,
') Varr.l.l.VIII32. Cic.dediv.il 68, 134;
Tusc. V 20, 59 Lampr. Heliog 20, 4. Es wird
bei ihm öfters hervorgehoben, daß er über
dem Fußboden erhöht stand und auf Stufen
erstiegen wurde, Varr. 1. l.V 168: qua sitnplici
scansione scandebant in lectum non altum,
icabellum, in altiorem, scamnum; ib. VIII 32:
nee, cum ad tricliniarem gradum, item ad
eubicularem (haberemus). Serv.ad Aen. IV 685:
lecti antiquorum alti ei-anf et gradibus ascen-
debantur; vgl. Ov. fast. II 353: lecfo f/ra riter
deiectus <i/> alto. Lucan. II 356: gradibus
adclinis eburnis ■ stat tont*.
2) Cic. de or. III 5, 17. Sen. ep. 123, 1.
Das Ehebett ist der lectus genialis, Cic. pro
Cluent. 5. 14. Hör. ep. I 1, 87 und s. unten
Abt, II Abschn. III
3) Varr. 1. l.VJII 32. Plin. XXXVII 14.
Lampr. a. a. 0. Hygin. fab. 274.
4) Vgl.Ov.am. I 9,42: a.a. III 542: trist.
111,38. Sen. ep. 72. 2. Pers. 1.52. luv. 7, 105.
Plin. ep.V 5, 5.
5) Der Ausdruck ist so nicht gerade über-
liefert, aber lecticula lucubratoria bei Suet.
Aug. 78.
fi) Varr. 1. l.V 166: ubi lectus mortui fertur,
dicebant feretrum nostri. Mart X 97, 3; XI 54, 3.
?) Das zeigen erhaltene Originale, vgl.
Mus. Gregor. I pl. 15.
*) Vgl. Hör. epod. 12,12: tenta cubilia
teetaque rumpit, d. h. also die Gurtenbespan-
nung ebenso wie die darüber gelegten Polster
und Kissen.
9) Diese Bedeutung des Wortes geht aus
zahlreichen Stellen hervor, vgl. Ov. met. VIII
655: coticutiuntque forum de molli finminis
Handbuch der klass. Altertuniswissenschaft. IV.
iilra imvositum lecto, sponda pedibusgue sa-
I ig nix. Petron. 94, 8: tarn semicincHo lecti
stantis ad parietent spondam rin.reram; ib.
97,4. Mart. I 92. 5 : midi nee sponda <jra-
bati; XI 56, 5. Die Glossen erklären sponda
regelmäßig durch ivtflatov, was griechisch
der Bettrahmen ist, s. Corp. Gloss.VIl 287. Es
ist daher nicht richtig, wenn es bei Beoker-
Göll 345 und Marquarut 724 heißt, sponda
sei die offene Seite des Betts im Gegensatz
zu pluteus. Das sagt allerdings Isid. or. XX
11, 5: sponda e.rterior pars lecti, phdens in-
ferior (ebenso Schol.Pers. 1, 106), auch Mart.
III 91, 9: exciduntque senem, epondae gui parle
iacebat : namque puer p/uteo vindice tidtts erat ;
aber weil beim Bett, das an der Rücken- oder
Wandseite eine Lehne [pluteus) hatte, diese
dort an Stelle der sponda trat, konnte bei einem
solchen der Name des ganzen viereckigen
Rahmens auf die Vorderseite allein über-
sehen. Dagegen zeigt Suet. Caes. 49, wonach
Dolabella den Cäsar pe/icem retinae, spondam
inferiorem re;/iac lecticae nannte, daß man
bei der sponda den äußern und innern (d. h.
hintern) Teil unterschied Und nur daher,
daß sponda das ganze Bettgestell bedeutet,
erklärt es sich , daß es poetisch auch im
Sinne von Bett schlechtweg gebraucht wird.
Verg. Aen. I 698. Hör. epod. 3. 22: extrem«
ei in sponda cubet. Ov. fast. II 345: sponda-
que xibi propiore recumbit; am. III 14, 26:
spondaque laseiva mobilitate tremat; und wie
lectus wird es auch von der Totenbahre ge-
braucht. Mart. X 5. 9.
I0) Suet. a.a.O. Mart. III 91, 10, auswei-
chen Stellen hervorgeht, daß im Ehebett, das
2, ... :s. Aufl. 8
114
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
wie die Denkmäler zeigen, ist das fulcrum J). Die sponda war mit Gurten
bespannt, fasciae*), institae3), auch lora genannt4); hierauf lag das unsrer
Matratze entsprechende Polster, tonts6), und über diesem die verschiedenen
an der Wand stand, die Frau auf der innern
Seite beim ptuteus, der Mann an der äußern
lag (vgl. Artemid. Onir. I 74: twv 8s foyläriov
tö ft'ev Iftü idiax; xhv yvvaixa, xo de sow tov
ävSga onpairet); auch bei Pers. 1, 106: nee plu-
teum caedit (wo Becker 346 an eine an der Kopf-
lehne angebrachte Vorrichtung zum Schreiben
denkt) ist wohl ebenso die Rücklehne beim
lectus luntbratorius gemeint, wie wir Suet.
Calig. 26 solche auch an Speisesofas finden:
quosdam stwtmia honoribus funetos cenanti
modo ad pluteum modo ad pedes stare suc-
cinetos linteo passus est. Hier will freilich
Mau Gott. gel. Nachr. 1896, 78 pluteus für
ein am Fußende des Bettes angebrachtes
fulcrum (s. u.) erklären; das ist aber nicht
richtig, da es sich sicherlich um die beiden
Plätze hinter dem Speisesofa und an dessen
Fußende handelt. Sonst sind plutei Wand-
bretter, auf die man Büsten stellte (luv. 2, 7.
Digg. XIX 1, 17 (18), 4). oder für Bücher (Sid.
Ap. ep. II 9,4); der Fabrikant von solchen
ist der p/utiarius, CIL VI 9819. Im Griech.
entspricht dem pluteus das jiaoädega, s. Corp.
Gloss. VII 99.
J) Diese Bedeutung des Wortes hat gegen-
über Becker-Göll 345, der die kunstvoll
verzierten Füße darunter verstand. Mau a. a. 0.
76 ff. festgestellt. Allerdings ist die Bedeutung
nicht überall leicht ersichtlich; so Prop. III
5,5 (II 13, 21): nee mihi tunc fulcro ster-
natur lectus eburno \ nee sit in Attalico mors
mea nixa toro\ V (IV) 7, 3: Cynthia nam-
que nii'o risa est ineumbere fulcro. luv. 11, 94:
quaHs in Oceano fluetu testudo nataret,
darum Troittgenis factura et nobile fulcrum
(vgl. ebd. 6, 22); aber es geht daraus zunächst
schon hervor, daß man für diesen Teil des
Bettes kostbares Material, wie Elfenbein und
Schildkrot, verwandte, vgl. die aurea fulcra,
Verg. Aen.VI 604, und Mart. VIII 33, 6 : brattea,
de fulcro quam reor esse tuo. Wichtiger ist
Plin. XXXIV 9: tricliniorum pedibusque ful-
rrisque, weil daraus zunächst schon hervor-
geht, daß die fulcra nicht die Füße waren;
besonders aber Hygin. fab. 27, 4: antiqui nostri
in Irdis triiliniarilms in fulcris capita asel-
Jortm rite aJUgeta habuerunt; denn gerade
an den Kopflehnen der lecti pflegten Köpfe
von Pferden, Maultieren u. dgl., plastisch vor-
springend, als Zieraten angebracht zu werden,
vgl. Ransom a. a. 0. pl. 8—17; und auf den-
selben Gebrauch ist angespielt luv. 11, 96:
8ed nudo totere et parvis frons aerea ler/is
vile coronati caput otttndebat aselli (wo doch
wohl, da Hygin. a. a. 0. erst daraus abgeleitet
scheint, vife st. eile zu lesen sein wird); vgl.
Isid. XIX 26.3: fulcra sunt ornamenta lee-
torum, diitn quod fuleimnr in his, id est
sustinemur, vel quod toros fulciunt sire caput,
quae reclinatoria volgus appellat. So erklären
auch dieGlossen fulcra mit ornamenta lectorum,
IV 521, 3; V 297, 20, und übersetzen es mit dem
im Griech. entsprechenden aväxhvToov oder
avüxhioov, s. Corp. Gloss. VII 473. Von anderen
Stellen vgl. noch Ov. ex Pont. III 3, 14: fulcra
tenens laeva tristis acerna manu. Daß es nicht
zum notwendigen Bestandteile eines jeden
lectus gehörte, zeigt Varr. 1. 1. VIII 32: quiut
si esset analogia petenda supellectili, o»> neu
lectos haberemus domi ad unam formam et
aut cum fulcro aut sine eo. Digg. XLI 1, 26:
si quid additum erit, toto cedit, ut . . . lecto
fulcrum. Uebertragen kann fulcrum auch
von dem dort befindlichen Kissen gesagt
werden, Amm. Marc. XXVIII 1, 47: fulcro
plumeo vultu contractu ineubuit. Daß in den
oben angeführten Stellen des Prop., Mart. und
luv. fulcrum für das ganze Bett gebraucht
ist, wie Mau a. a. 0. 77 meint, ist möglich,
doch lassen sich die Stellen auch bei der
eigentlichen Bedeutung ganz gut erklären.
-) Cic. de div. a. a. 0. Mart. V 62, 6: pu-
tris et abrepto fascia reste iacet (wozu Fried-
länder bemerkt, restis sei die Schnur zur
Befestigung der fascia am lectus; doch ist
bei Apul. met. I 16: et cum dicto restim, qua
erat intextus (grabatultis) , adgredior expedire
der restis mit der fascia identisch; vgl. auch
Cato r. r. 25: lecto restibus subtento. Lucil.
bei Non. 181.26: tres a Deucalione grabaH
restibu' tenti); Mart. XIV 159, 1 : oppressae
nimium vicina est fascia plunme, d. h. hier
liegt das Federkissen direkt auf den Gurten.
Vgl. XII 29, 13: hoc quoque (sc. nia utile) si
deerit, medios discingere lectos \ mensarumque
pedes non timet Hermogenes, wo Friedländer
erklärt, Hermogenes beraube in Ermanglung
von mappae die lecti der Gurte. Corp. Gloss.
III 321, 6 : fascia lecti y.eioia. Die fasciae waren
in der Regel wohl ineinander verflochten, wie
an dem in einem Grabe von Corneto gefundenen
Bronzebett, Mus Gregor. I 15.
3) Petron. 97, 4: imperavi Gitoni, nt rup-
tim grabatum subiret annecteretque pedes et
manus institis, quibus sponda euleitam ferebat.
Corp. Gloss. IV 447, 50: institae grabati resti-
culi; vgl.V601,47.
4) Cato r. r. 10,5: lectos loris subtados.
b) Bei dem überaus häufigen Vorkommen
des Wortes genügen einige wenige Beispiele:
Ov. met. VIII 655 (s. oben S. 113 A. 9); XI 610.
Suet. Aug. 73 : netoroquidem cubuisse aiunt nisi
humili et modice instrato. Petron. 17, 1; 18, 1.
Bei den Dichtern ist das Wort, als von höherem
Schwünge, im Sinne von Bett überhaupt.
Ehebett, Sofa, besonders beliebt, wofür zahl-
reiche Beispiele vorliegen.
Vierter Abschnitt. Der Hausrat.
115
Kissen, culcüa1), pulruii2), und im speziellen die Kopfpolster, cervicalia3).
Der meist buntfarbige4) Überzug der Polster war von Wolle oder Lein-
wand5), kostbarere von Seide"). Als Füllmaterial (tomentum) 7) diente den
Armen Stroh8) oder Heu9) oder Schilf, Seegras u. dgl.10); auch die Blätter
einer gnaphalium genannten Pflanze und allerlei ähnliche vegetabilische
»Stoffe wurden dazu benutzt11). Ein besseres und weicheres Füllmaterial
aber war der Abfall, der sich beim Kratzen und Scheren der wollenen
Tücher ergab und dessen Anwendung angeblich von den Galliern eingeführt
worden war12); in der Kaiserzeit scheint das von den Leuconern (in Gallia
Belgica) bezogene tomentum das geschätzteste gewesen zu sein13). Aber
auch Federn wurden zum Füllen benutzt14), und zwar nicht bloß für Kopf-
') Cat. r. r. 10,4 und 11, 5 unterscheidet
culcitas, instragula, pulvinos und operimenta.
Van. 1. l.V 167: postea quam transierunt ad
culcitas, quod in ras actis (so Türnebus für
das hdschr. ea sagas, schwerlich richtig) auf
tomentum aliudve quid calcabant, ab incul-
cando culcüa dicta. Isid. XIX 26,4: culcitae vo-
catae, quod calcentur, id est farciantur plutna
give tomento, quo molliores calidioresque »int.
Cic.Tusc. HI 19,46. Petron. 38, 5; 97, 4. luv.
5, 17. MartV 42, 5. Sen. ep. 87, 2; 108. 23.
Die Verfertiger von Polstern heißen culcürarii,
Diom. I p. 313 P. Vgl. Corp. Gl. VI 292.
2) Bedeutet allerdings jedes Kissen, nicht
bloß von Bett oder Sofa, sondern auch das
auf den Stuhl gelegte. Auch hier genügen
ein paar Beispiele: Plaut. Stich. 94. Catull. 6,9.
Stn. dial.V 37, 4; VI 16, 2; de benef. II 10, 1.
Mait. III 82, 7. Pulvini und culcüa weiden
aber unterschieden, s. oben Cato a. a. 0. Paul.
s«ni. III 6, 56. Vgl. Saglio bei D.-S. IV 766.
3) Petron. 32, 1. Mart. XIV 146. luv. 6,
353 (in der Sänfte). Plin.XX 217; XXVIII 47.
Suet. Nero 6. Isid. a. a. 0. : cerricalia autem
'■o, quod ponantur sab cervice vel cubito. Vgl.
Saglio bei D.-S. I 1087.
*) Prop. I 14, 22: quid relevant rariis
eerica textilibus? ib. IV 6 (III 7), 50: fultum
pluma versicolore caput.
B) Ldnteum als Polsterbezug. Sen.dial. VII
25, 2. Dafür war besonders die Leinwand
der Cadurcer (in Aquitanien) beliebt, Plin.
XIX 13: in culcitis praecipuam gloriam Ca-
durci obtinent. Daher hießen solche Polster
geradezu cadurca, luv. 6. 735; 7,231. Sulpiciae
frg. bei Schol. ad luv. 6, 537 : si ine cadurds dis-
eolutis faseiis nudam Caleno coneubantem pro-
ferat. Preise leinener Ueberzüge von Matratzen
und Kopfkissen gibt das Ed. Diocl. 28,46 — 55;
hier sind die besten die von Tralles und Antinu-
polis. geringere von Damaskus und Cypern.
6) Hör. epod.8, 15: inter sericos pulviUoe.
Mart. III 82. 7: effultus ostro Sericisque pul-
rinis. Prop. 1 14, 22.
7) Varr.l.l.V 167. Plin.VIII 192- XIX 13;
XXVII 88. Sen.dial. VII 25. 2. Tac.ann.VI23:
cubile tomentum. Mart. XIV 159; ib. 160. Suet.
Tib. 54: tomentum e culcüa. Siehe über die
verschiedenen Arten ^ow/fH^aBLÜMNEKTechnol.
I 205 ff.; Maximaltarif d. Diocl. 146 f.
8) Plin.VIII 193: antiquis enim torus e
stramentis erat, qualiter etiam nunc in castris.
9) Sen. dial. VII 25, 2: si laeea cervix
mea in manipulo foeni adquiescet. Mart. XIV
161: fraudata tumeat fragÜis tibi culcüa
mala : | non venit ad duros paUida iura toros.
,0) Ov. met. VIII 655 (s. oben S. 113 A.9).
Plin. XVI 158 vom Schilf: pro pluma strata
cauponarum implet. Das hieß tomentum Cir-
cense, Mart. XIV 160: tomentum concisa palus
Circense vocatur: \ haec pro Leuconico sfra-
mina pauper emit (nach Friedländek z. d. St.
so genannt, weil Kissen mit Binsenfüllung
im Zirkus angeboten wurden, um sie auf die
Sitze zu legen); auch Sen. a.a.O.: si super
Circense tomentum per sarturas veteris lintei
efßuens cubabo. Edict. Diocl. 18, 6 als arth'/ltj
tarinert, vgl. Blümner z. d. St.
") Plin. XXVII 88: gnaphalium aliqui
chamaezelon vocant, cuius foliis a/bis inolli-
basi/ac pro tomento a/anfar; vgl Diosc. III
120 (122). Andere pflanzliche Füllstoffe werden
im Ed. Diocl. 18, 4 u. 5 als iklxn und lv%vis
aufgeführt. Daß die Römer auch Baumwolle
zum Stopfen der Polster benutzt hätten, ist
nicht überliefert und die von Marquardt 490 in
dieser Hinsicht aufgestellte Hypothese irrtüm-
lich, s.Cürtius Gr. Etymol.2-25. Mau a.a.O. 373.
12) Plin.VIII 192: quippeaenis po/ientiinn
extraetae in tomenti usum veniunt Galliarum,
ut arbüror, invenfo. certe Gallicis hodie m>-
minibas discernitur, nee faeile dixerim, qua
id aetate coeperit, vgl. XIX 13. Ed. Diocl. 18,
7 ff. : KOfjUvxov ijroi yvatp&kkov. Es bedeutet
also tomentum im speziellen Sinn diese Wollen-
füllung, und so prahlt Trimalchios Gast bei Pe-
tron. 38.5: fftdea tot euleüras: nalla non aut
conehjiliatunt an/ cncrininn tomentum habet.
'*) Mart. XI 21.8: culcüa Leuconico quam
viduata suo; 56, 9: Leuconici* agedutn tumeat
tibi culcüa lande; XIV 159, 2: eeüera Leuco-
nieis aeeipe rasa sai/is; ebd. 160, 2.
14) Varro b. Non. 86. 3: quam in teetudtneo
lecto culcüa plumea in rfiem darmire. Cic.
Tusc. III 19,46: conlocemus in culcüa plumea.
Plin. XVI 158. Isid. XIX 26, 4.
116
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
kissen u. dgl.. sondern auch für Matratzen1); es war das so gewöhnlich
geworden, daß pluma geradezu ein Federkissen bedeutet2). Am gesuch-
testen waren die Daunen der germanischen Gänse, derentwegen sogar die
römischen Legionssoldaten auf solche Jagd machen mußten3); ferner kommen
solche von Schwänen vor4), von Rebhühnern5) und sonst von allerlei Vögeln H).
Hingegen werden Roßhaare u. dgl. nicht erwähnt, nur einmal Hasenhaar7).
Auf die Matratzen und Kissen kamen dann die mannigfaltigen Decken,
stramenta*), stragida9), stragidae vestes10), mit griechischen Bezeichnungen
peristromata11), tapetia12), die im engern Sinne als Unterlagen von den Bett-
decken, die der im lectus Liegende über sich breitet, unterschieden werden13).
Nicht ganz sicher ist die Bedeutung des einige Male genannten toral14);
doch scheint es die (auch auf Denkmälern bisweilen abgebildeten) Behänge
zu bedeuten, mit denen der lectus vom torus bis zum Boden verhüllt wurde15).
Ebenfalls einen Bettvorhang bedeutet plaga oder plagula16). Das Material
■) Für Kopfkissen Prop. IV 6 (III 7), 50:
fultum pluma versicolore Caput', zur Matratze
Mail, XIV 159.
*)Tib.I2. 77. Iuv.l, 159; 6,88; 10,362.
Mart. IX 92, 4; X 13, 6; XII 17, 8; XIV 146,2.
3) Plin. X 54 von den „gantae" in Ger-
manien: pretium plumae eorum in libras de-
narii quini. et inde crimina plerumque auxi-
liorum praefectis a vigili statione ad haec
aucupia dimissis cohortibus totis; eoque deli-
ciae processere, ut sine hoc instrumento durare
iam ne virorum quidem cervices possint. Ed.
Diocl. 18, 1.
4) Mart. XIV 161: lassus Amyclaea po-
leris requiescere pluma, j inferior cygni quam
tibi Iowa dedit.
5) Lampr. Heliog. 19,9 : nee cubuit in aecu-
bitis facile nisi is quae pilum leporinum ha-
berent auf plumas perdicum siibalares, saepe
cuiciia» mutans.
6) Ed. Diocl. 18, 2: yilov^iov fiiaqiÖQcor oq-
ynor; ebd. 3: nrega Xsxza jioixOmv oovemv,
vgl. dazu Blümner 146.
7) Lampr. a. a 0. Eine Besonderheit sind
aufgeblasene Luftkissen (folles), wie bei Lampr.
Heliog. 25, 2.
8) Sen. dial. VII 25, 2: pone in stramentis
eplendenttims et delicato apparatu. Gewöhn-
lich ist sonst stramentum Stroh, Streu für das
Vieh, auch Pferdedecken: vgl. Hör. sat. II 3,
117: si et atramenUs ineubet unde- : octoginta
anno$ miiiis, nd etragula vesüs \ . . . piäre-
srnt in arca.
9) Cic. Tusc. II 21. 61: in au reo Udo,
st min puicherrimo textili straqido. Plin. VI II
226. Mart. II 16. 1; XIV 147. 1; 148. 1.
I0) Cic. p. Rose. Amer. 46. 133 Hör. sat.
a. a. 0. Liv. XXXIV 7. 3; XXXIX 6. 7. Plin.
VII 171. Digg XXXIII 10. 5 pr.; L 16, 45.
Die Sklaven a vesU eubicularia hatten jeden-
falls mit den Polstern. Kissen und Decken
<I<t Betten zu tun, CIL VI 33771.
"i Plaut. Stich. 878: Babylonica peristro-
mata; Pseud. 146: perütromata Campanica.
Cic. Phil. II 27. 67: conchyliata. Die Glossen
erklären es durch teqmina, aceubitus, s. Corp.
Gloss. VII 73.
") Plaut. Stich. 378; Pseud. 147: Alexan-
drina beluata tonsilia tapetia. Caecil. b. Non.
229, 7; Varr. ebd. 542, 10: cotidianus cubo in
Sardianis tapetibus. Mart. XIV 147 u. s.
13) So bei Senec. ep. 87, 2: ex duabus pe-
nulis altera stragulum, altera opertorium facta
est. Varr. 1. l.V 167: quibus operibantur, operi-
nienta. Die Glossen erklären opertorium durch
xEQißolmov oder ejiißoXaiov, Corp. Gloss VII 23.
14) Hör. sat. II 4, 84: et Tyi-ias dare cir-
eunt inlota toralia vestis. Petron. 40, 1 : adiwuc-
runt ministri ac toralia praeposuerunt fori*,
in quibus retia erant pieta subsessoresque cum
venabulis.
lh) So Becker-Göll 343, vornehmlich auf
Grund der Petronstelle; dafür spricht auch
Varr. 1. 1. V 167: toral quod ante forum. Digg.
XXXIII 10. 5 pr. : de tapetio quaeri potest, qui-
bus subsellia caihedrariainstemi sölent, utrutn
in veste sint, sicut stragula, an in supellectüe,
sicut toralia, quae proprie stragulorum non
stint. Dem würde es entsprechen, wenn es
die Gloss. mit Jifoixhroor erklären, III 370.
15; 379,4: 465,45. Solcher Bettbehang ist
z. B. zu sehen auf dem kapitolinischen Relief
mit dem Leben des Achilles (Mus. Capit, IV
17. Baumeister Denkmäler 1 4 Fig. 5) oder auf
dem Wandgemälde Roux u. Barre Hercul.
u. Pomp. II 20. Doch bemerkt Göll zu Becker
344 mit Recht, daß torale auch im weiteren
Sinne identisch mit stragulum vorkommt, so
Non. p 537, 19: plagae, grande linteum tegmen,
quod nunc torale vel lectuariam syndonem
dieimus. Corp. Gloss. II 439, 15 wird toral
mit oTowurt) übersetzt. In den Arvalakten
wird öfters erwähnt, daß die Arvalen dis-
eumbentes toralibus albis segmentatis speisten,
z. B. 17. Mai 117; 27. Mai 118; 27. Mai 122:
vgl. Henzen Act. Arval. 12.
I6) Liv. XXXIX 6. 7 erwähnt unter den
von Asien her zu den Römern gekommenen
Vierter Abschnitt. Der Hausrat.
117
der Decken war je nach dem Zweck verschiedenartig: zur Unterlago
dienten Leintücher1), zum Zudecken und zum Schmuck wollene, nament-
lich die zottigen, friesartigen Stoffe (gausapina) kamen dafür in Anwen-
dung2). Bunte Farben waren dafür gewöhnlich, besonders purpurne
Decken werden oft erwähnt3), ebenso buntgewirkte oder gestickte4). Auch
Kelle wurden zu Bettdecken benutzt5).
Als Material für die lecti kommt zunächst Holz in Betracht6), und
zwar einfacheres sowohl wie kostbares. Als verwendete Holzarten sind
vornehmlich zu nennen: Ahorn7), Eiche8), Lebensbaum (Thuja, citrus)»)
und noch verschiedene andere10). Die teureren Arten darunter pflegte man
nicht massiv zu verarbeiten, obschon auch das vorkam, sondern als Four-
niere (lamnae) geschnitten zum Belegen billigeren Holzes zu verwenden,
wie das auch bei andern Möbeln üblich war11). Dazu kamen dann kost-
bare Stoffe, die teils ebenfalls in Platten oder Fourniere geschnitten, teils
massiv aufgelegt oder geschnitzt zur Verzierung angebracht wurden. Be-
sonders beliebt war dafür das Schildkrot12); zur Zeit des Nero kam die
Geschmacklosigkeit auf, den Schildkrotplatten durch Färben den Schein
von wertvollem Holze zu verleihen13). Nicht minder häufig wurde Elfen-
Luxusartikeln auch die plagtdas et alia tex-
tilia. Non. a. a. 0. identifiziert plaga und to-
rale; vgl. ebd. 378, 7: plaga, aliquando pars
lecti, aliquando omnis; ebd.Varro: ebumeis
lectis et plagis sigillatis; Afranius: pallam
fac cito, Dentea, et plagulam de lecto. Da
sonst plagae oder plagulae Vorhänge an Sänf-
ten sind, so ist es wahrscheinlich, daß sie auch
bei den Betten etwas Aehnliches bedeuteten.
') Non. 537, 20. Ed. Diocl. 28, 16—26:
eirSövfov xottagiaiv, in verschiedener Qualität.
*) Matt. XIV 147 : cubicttlaria gausapina ;
ehd. 152: gausapum quadratum. Etwas Aehn-
liches sind die lodices, ebd. 148: nudo stra-
gula ne toro paterent, \ iunctae nos tibi veni-
niiis sorores, d. h. es sind doppelte Decken,
die eine als Unterlage, die andre zum Zu-
decken dienend. Vgl. über diese Stoffe Blüm-
nkr Cewerbl. Tätigkeit 101 f.
3) Cic. Phil. II 27. 67 ; Verr. IV 26, 59. Liv.
XXXIV 7. 3. Tib. 12,75. Prop.IV 6(111 7), 50.
Mart. II 16, 2; XIV 147. 1.
«) Tib. I 2, 77. Mart. XIV 150; oft sehr
prächtig, Phil. vit. cont. 6 p. 478 M.: oiQiouvai
(üottf/rL- evvq aofjsvoi' %qvoov.
~h) Schaffelle nach Cic. pro Mur. 36, 75.
Ben. ep. 95,72; Maulwurfsfelle nach Plin. VIII
226 Vgl. Digg. XXXIV 2M:stragulapellicia.
Von den im Ed. Diocl. 8,11—41 aufgeführten
Pelzwaren mögen viele als Fußteppiche, man-
che aber auch als Bettdecken gedient haben.
fi) Lecti lignei, Sen. ep. 17, 12; 95, 12;
triclinia lignea. Plin. XXXIII 146. Daher ist
der faber lectarius, CIL VI 7882: 7988; 9503.
Coip. Gl. III 308. 26; 498, 35 u. s., auch bloß
lectarius. ebd. II 350, 60; III 201, 22, jeden-
falls ein Schreiner.
7) Verg. Aen.VIII 178. Ov. ex Pont. III
8, t. Plin. XVI 68; 233; XXXIII 146. Vermut-
lich ist auch der lectus pavoninxis bei Mart.
XIV 85 von Ahorn, da nach Plin. XVI 66 eine
Ahornart crispo maculamni discursu war,
qui ex m exceUenUor fuit, a stmüitudihe cau-
dae pavonum nomen accepit. Freilich war
nach Plin. XIII 96 auch die Thuja von einer
den Pfauenfedern ähnlichen Zeichnung.
8) Ter. Ad. 585; vgl Plin. XVI 229.
9) Verg. Cir. 440. Pers.1,52. Plin.XXXUI
146.
,0) So Terebinthe, Plin. XVI 231 ; 233. Das
aus Weidenholz gefertigte Bett bei Ov. met.
VI 656 f. soll die große Armut des Philemon
andeuten.
M) Plin. XVI 231: quae in lamnas secen-
fur quorumque operimento restiafur alia ma-
teries, praecipue sunt citrum, tcrcbinthus,
aceris genera, buxum, pahna, aquifolium, ih:r,
sabuci radix, popuhts. (tat et alnus tuber sec-
tile, sicut vit nun acerque. Vgl. ebd. 68: nunc
(lirnscnin) intra pugiüares lectorumque soli-
dos aut Utmna8 raro usu spectatur; ebd. 226;
229. Diese Holzfourniere heißen auch bratteae,
ebd. 232. Vgl. Blümner Technologie 11 328 f.
") Plin. 1X39: testudinum putamina ee-
care in Jaminas tcctosque et repositoria his
vestire Carmlius PoIIio instttuit) XVI 233;
XXXIII 146: FenetteUa, qni obiit novissimo
Tiberii Caesaris principatu, ait et testudinea
[triclinia) tum in nsum rcnisse. Varr. 1. 1. IX
47: rogant, si similitudo sit scqnenda, cur
nia/iniits habere lectos alias »-,/■ ebore, aiioe
er tesfudine; vgl. dens. bei Non. p. 86. 3. luv.
6, 80: 11, 94. Mart. IX 59, 9; XII 66, 5. Apul.
met. X 34. Digg. XXXII 100, 4.
,s) Plin. XVI 233: nuper pertentoets in-
gciiiis principatu Xcronis inrenfuw, uf pig-
menti» perderet sc {testudo) plurisque veniret
inu'tata lignum. sie lectis pretia quacruntur,
118
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
bein in entsprechender Weise verwendet, das namentlich auch zu Bett-
füiäen verarbeitet wurde 1). Auch Onyx als Material für Bettfüfäe wird er-
wähnt2). Sehr üblich war die Verwendung von Bronze; doch sind die
lecti aerati, die angeblich zuerst im Jahre 187 v. Chr. nach Rom kamen3),
jedenfalls nicht massiv bronzene gewesen, sondern solche, bei denen der
hölzerne Kern mit Bronzeblech verkleidet war, das in getriebener Arbeit
künstlerisch verziert oder mit Silber eingelegt war4). So werden auch in
der Regel diejenigen Betten, die als silberne5) und goldene0) bezeichnet wer-
den, nur mit Silber- oder Goldplatten (lamnae, bratteae) belegt gewesen
sein, obschon auch welche aus massivem Silber erwähnt werden7).
Eine besondere Art Betten, deren Beschaffenheit aber nicht recht klar ist,
hieß lecti Punicani 8) ; andere führten ihre Bezeichnung nach den Fabrikanten 9).
sie terebinthum vinci iuvat, sie citrum pretio-
sius fieri, sie acer deeipi. modo luxuria non
fuerat contenta liqno, iam liqnum e testudine
facit. Siehe ebd. IX 139. Sen. 'de benef. VII 9, 2.
Vgl. Blümner a. a. 0. 377.
') Wie die lecti testudinei mir mit
Schildkrot belegte sind, so sind auch die
lecti eburnei keineswegs ohne weiteres als
massiv elfenbeinerne zu betrachten; daher
heißen sie bei Plaut. Stich. 377 lecti eburati.
Vgl. sonst Varr. a. a. 0. Hör. sat. II 6, 103.
Suet. Caes. 84. Macr. sat. III 13, 11. Galen. V
837 K. Elfenbeinerne Bettfüße sind in Pom-
peji gefunden worden, s. Overbeck 348; 426.
Reste eines schön gearbeiteten Lectus aus
Bein aus einem Grabe in Norchia s. Pasqui
Mon. dei Line. I 233 ff.; von andern, reichver-
zierten aus Gräbern von Ancona Brizio Not.
d. seavi 1902, 446 ff.
2) Plin. XXXVI 59. Verzierung der lecti
mit Edelsteinen war wohl etwas Ungewöhn-
liches; die Schilderung Lucan. X 122 macht,
wie die ganze Beschreibung des Palastes
dort, den Eindruck poetischer Uebertreibung.
Doch erwähnen die Digg. XXXIII 10, 3, 3 lecti
gemmati, Philo de vita contempl. 6, 2 p. 478 M.:
iQlxkiva y.m nsQixXiva %eZ(ovr}G i) ikstpavio? . . .
&v ra jiXeinta hftoxokh)xa. Reste eines mit
etwa 430 Edelsteinen (Karneol, Achat, Chry-
solith, Topas, Lapislazuli, Amethyst, Granat
u. a.) besetzten Möbels, dessen Holzkern mit
vergoldeter Bronze bekleidet war, sind auf
dem Esquilin gefunden worden, Bull, munic.
VII (1879) 251. Die von Ransom a. a. O. 56
A. 7 als Belege angeführten Stellen Mart. XII
66, 5 und Sen. ep. 110, 12 sind anders zu er-
klären, von Edelsteinen als Bettschmuck be-
sagen sie nichts.
») Liv.XXXIX6,7. Plin. XXXIV 14: nam
triclinia aerata abacosque et monopodia Cn.
Manlium Asia devieta primum invexisse tri-
umpho suo, quem, duxit anno urbis DLX VII,
L. Piso auetor est. Vgl. Cic. Verr. IV 26, 60.
*) Derartige Betten sind uns noch er-
halten, teils aus Pompeji, teils aus andern
Fundorten: s. Overbeck 426 f. Mau 389. Ran-
som a. a. 0. 32 ff. Ein ganz bronzenes Bett,
das aber sehr einfach gehalten ist, ist das.
in Corneto gefundene. Mus. Gregor. I 15. Bau-
meister I 311 Fig. 326, das als Totenbahre ge-
dient hat. Besonders geschätzt waren die
lecti Deliaci. deren Formen nach Plin. XXXIII
144 in Silber nachgeahmt wurden; nach
XXXIV 9 lieferten die delischen Fabriken tri-
cliniorum pedes fulcraque aus Erz.
5) Sie sind auch erst gegen Ende der
Republik allgemeiner geworden, Plin. XXXIII
146: Cornelius Nepos tradit ante Sullae vic-
toriam duo tantum triclinia Romae fuisse
argentea. Doch heißt es ebd. 144 : leetos vero-
iam pridem mulierum totos operiri argento
(seimus), quaedam et triclinia. Vgl. Suet. Calig.
32 : Romae publico epulo servum ob detraetam
lectis argenteam laminam carnifici confestim-
tradidit. Digg. XXXIII 10, 3. Namentlich sil-
berne Füße werden mehrfach erwähnt, die
dann wohl als massiv zu denken sind, luv.
11, 128. Clem. Alex. Paed. II 3, 35 p. 188 P.
Digg. XXXII 100. 4.
6) Cic. Tusc.V 21, 61 vom Hofe des Dio-
nysios; auch bei Plaut. Stich. 377 sind die
lecti eburati aurati orientalischer Luxus und
ebenso bei Suet. Caes. 49. Bei Sen. ep. 17, 12
und 110. 12 erscheinen aurei lecti als Gipfel
des Luxus, doch ohne daß man daraus ent-
nehmen kann, inwieweit er auf wirkliche
Tatsachen anspielt. Bei Mart. VIII 33, 5: an
magis astuti derasa est ungue ministri brat-
tea, de fulcro quam reor esse tuo? handelt es
sich um sehr dünne Goldauflage; vgl IX 22. 6 :
et crepet in nostris aurea lamna toris. Lecti
inaurati Digg. a. a. O. Jedenfalls war dieser
Luxus weit seltener als der der silbernen ledü
") Lampr. Heliog. 20. Augustin. serm. 277,
4. Digg. a. a. O.
8) Sie werden erwähnt von Cic. p. Mur.
63, 75 bei einem sehr einfach ausgestatteten
Mahle des Q. Tubero (darnach Val. Max. VII
5, 1); Sen. ep. 95, 72 erklärt sie als hölzerne,
während bei Plin. XXXIII 144 Carvilius Pollio
Punicana triclinia in Silber herstellt: non ut
operiret autDeliaca specie faceret, sedPunicana.
9) So sind die Archiaci lecti bei Hör. ep.
15,1 offenbar einfache Möbel eines Schreiners
Vierter Abschnitt. Der Hausrat.
119
Lediglich Bett zum Schlafen, nicht dem lectus gleich auch andern Zwecken
dienstbar, war die dem Haushalt des Armen angehörige Bettstelle, die mit
(jnilxdus1) (oder grabatulus •)) bezeichnet wurde und sich vom gewöhnlichen
lectus tricliniaria wohl durch geringeres Material und Mangel jeder Verzierung,
vielleicht auch durch Fehlen von pluteus und fulcrum, unterschied3). Etwas
Ähnliches wurde mit einem griechischen Ausdruck acimpodium genannt1).
Eine besondere Form des Speisesofas, die erst zur Kaiserzeit aufkam,
war die, dalä man an Stelle der sonst üblichen, um den Speisetisch auf-
gestellten drei lecti trkliniares ein einziges halbkreisförmiges Lager an-
brachte, das von seiner Form sigma genannt wurde5), daneben auch st Um -
dium 6) oder accubitum 7) hieß.
Was die noch erhaltenen römischen lecti oder Reste von solchen
anlangt, so haben sich hölzerne nicht erhalten8), wohl aber bronzene
Archias; altmodisch die von Seneca bei Gell.
XII 2. 11 genannten lecti Soferici.
») Lucil. h. Non. 181.25 (frg. VI 9 Müll.).
Cic. div. II 63, 129: concursare omnium mor-
talium, <pti ubique sunt, non modo lectos,
verum etiam grabatos. Verg. Mor. 5: i-ili gra-
batu. Petron. 97.4. Senec. ep. 18. 7: grabafus
Ule et sagum et panis durus ac sordidus; ib.
20.9 u. 11. Mail. I 92, 5: midi sponda grabaü
(ebenso XI 56, 5; vgl. IV 53. 5); als Sklaven-
bett VI 39, 4; XII 32, 11: tripes grabafus et
bipes mensa beim Umzug eines Armen. Aber
Digg. XXXIII 7, 20. N: crabatus argento inau-
rato tectus.
2) Apul. met. I 11 ff.; II 15 u. 17. Graba-
tarius als Verfertiger solcher Bettstellen, xkiva-
Wv. Corp. Gloss. III 367.28; vgl. ebd. 308,27.
3) Es gehörte wohl dazu, daß es mit
einfachen Stricken bespannt war, vgl. Lucil.
a. a. 0. : tres a Deucalione grabaü restibus
tcnt i. Apul. met. 116. Zu vgl. ist das Relief
von einer Tonlampe bei Rick 295.
4) Gell. XIX 10, 1: offendimus eum cu-
bantem in scimpodio Graeciensi; hier liegt
ein Gichtkranker darin. Bei Dio Cass. LXXVl
13, 4 ist ein oxiftjiödiov xardateyov ein im
Felde benutztes Tragbett für einen Leidenden.
Für gewöhnlich ist der griech. oxlf.ia.ovs das
ärmliche Bett wie der grabafus, s. Beckek-
Göll Charikles III 80; so erklären auch die
Gloss. grabatus damit, Corp. Gl. III 321, 7;
vgl. II 550, 46.
5) Mart. X48,6: Septem sigma capit; XIV
87: accipe lunata scriptum testudine sigma.
Octo capit: hier ist an eingelegte Verzierungen
von Schildkrot zu denken, wie wir sie bei
den lecti gefunden haben (betr. Bedeutung
von scriptum s. Fkieüländer z. d. St.). Spart.
Hadr. 17,4. Lampr.Heliog. 29,3. Sid.Ap. carm.
17, 6. Das Wort sigma haftet aber nicht nur
am Möbel, sondern auch am Brauch: wenn
anstatt des halbkreisförmigen Sofas die Kis-
sen in derselben Weise auf der Erde aus-
gebreitet werden, so heißt auch dies sigma,
Lampr. a. a. O. 25,2: primits denique invenit
Simma in terra sternere, mm in lectuiis; vgl.
ebd. 28, 5: miram riiletur ipuni didtur ab
60 factum, ut de CTOCO sigma strarerit. Biese
Art Speisesofas wird dann auch wohl nach
der Zahl der Plätze, die es faßte, als hexa-
clinon, heptaclinon, octacMnon bezeichnet.
Mart. IX 59, 9: testudineunt he.raclinou (die
andern Bezeichnungen sind nur in griechi-
schen Quellen überliefert, Ath. II 47 P. Ps.-
Arist. mir. ausc. 1 p.830a, 16). Vgl. Corp. Gloss.
V 558, 36; 579. 14: sima, locus prumlii.
6) Mart. XIV 87 im Lemma. Serv. ad Aen.
1698: aufiqui stibadia mm habebant, seil st ra-
tis tribus lectis epulai/antur. Sid.Ap. ep. 111,
14. In den Glossen öfters in der Form sti-
fai/ium. s. Corp. Gloss. VII 739 unter perist m-
mata. v. Sybel Christliche Antike 189 A. 9
behauptet, sttbadium bedeute an sich ganz
allgemein Ruhelager, und beruft sich auf Sid.
Ap. ep. II 2, 11, wo in einer cenatiuucula ein
stiliailium und ein abacus stehen; da der
iilmcus immer rechtwinklig war. könne ihm
auch nur ein rechtwinklig hufeisenförmiges
sttbadium entsprochen haben. Aber der aba-
cus als Kredenztisch (s. unten) steht nicht
wie der Speisetisch in der Mitte der Speise-
sofas. Das Wort bedeutet auch eine halbrunde
Bank, z. B. von Marmor, Plin. ep. V 6,36; so
wohl auch CIL VI 2201.
7) Schol. luv. 5, 17: apml referes aecu-
liitnrum usus mm erat, seil in lectulis ilis-
cumbentes manilucabaut . Lampr. Heliog. IM. 9 :
25,2. CIL III 4441: porticum cum aeeubüc
retustate cimlapsum (also war das Sofa auch
aus Stein); vgl. Eph. epigr. IV 191. Corp. Gloss.
11564,8: accubiforium.fecfum rega/em. Lampr.
AI. Sev. 34, 8 ist dafür aeeubitio gesagt. Die
dafür notwendigen großen Deckteppiche
hießen aceubifa/ia, Tieb. Poll. Claud. 14,10:
aeenbiiulium Cgpriorum paria dua. Ed. Diocl.
19, 23: Ta.-ri/^ ixxovßixäQtg (tövoe oxsxACcov
Tue äxxovßitov. Vgl. Mokel bei D -S. I 21.
8) In Pompeji konnten von Kopfenden
hölzerner Bettstellen Gipsabgüsse genommen
werden, s. Overbeck 424 Fig. 225.
120
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
(d. h. nicht massive, sondern mit bronzenen Platten und Zieraten belegte);
solche sind ebenso in Pompeji wie anderwärts gefunden worden1); sie
zeigen Füße, deren einzelne Grundformen (Scheiben. Halbkugeln, Kegel
u. dgl.) Nachbildungen von Drechslerarbeit scheinen, während die fulcra
meist mit Köpfen von Tieren (Pferden besonders, auch Schwänen), seltner
mit menschlichen Büsten verziert sind. Vgl. Fig. 33 2) und 34 3). Ein-
lagen von Silber sind dabei häufig angebracht. Daß sich ferner in Pom-
Fig. 33. Bronzene Bettstelle ans Pompeji.
peji Reste elfenbeinerner Bettstellen gefunden haben, ward oben erwähnt;
anderwärts sind lecti aus Knochen, mit Schnitzwerk versehen, zum Teil
in sehr guter Erhaltung zum Vorschein gekommen4). In Pompeji sind
in den Triklinien und auch in den Schlafzimmern sehr häufig die Bett-
stellen durch Mauerwerk hergestellt, über das Matratzen und Kissen gelegt
wurden5).
Daß die Römer auch Bettschirme gekannt haben, ist uns zwar nicht
überliefert, weshalb wir auch keine Benennung dafür kennen, doch ist in
1)Siehe0vERBECK426ff.RANS0Mpl.VlIIff.
Pernice A. A. 1900. 178 f.
2) Lechu tricliniaris aus Pompeji nach
Otbbbbok 427 Fig. 228, vgl. Mau 390 Fig. 206.
Der Bronzebeschlag ist reich mit Silber ein-
gelegt; das Holzwerk ist restauriert; die Be-
spannung mit Gurten fehlt.
3) Dieser Lectus aus einem Grabe un-
weit Amiternum (bei Aquila) stammend, ist
im Konservatoren palast in Rom fälschlich
als Biselliam ergänzt, s. Bull, munic. 11(1874).
tav. II n. 1 (darnach unsre Abb.); vgl. unten.
Die fulcra stellen Eselsköpfe vor.
4) So in Norchia, Orvieto, Ancona, s. Grae-
ven Antike Schnitzereien aus Elfenbein und
Knochen 82 ff. Brizio Not. d. scavi 1902, 445.
Arch. Anz. 1903, 89. Kansom 56 f. mit pl. XX I
b) Sie sind durchschnittlich 2 Meter lan£
1 Meter breit und nur 0,50—0.70 Meter hoc!
in den Triklinien ist die (rechte) Kopfseit
höher. Vgl. Overbeck 424. Mau 270. und zr
Stellung der Betten ebd. Fig. 137.
Vierter Abschnitt. Der Hausrat.
121
Pompeji ein verkohlter hölzerner Bettschirm gefunden worden, von dem
ein Gipsabguß genommen werden konnte l).
Daß man den lectua nicht bloß zum Liegen, sondern auch wie unser
Sofa zum Sitzen benutzte, zeigen uns die Denkmäler, auf denen wir sehr
häutig Personen auf dem lec&us sitzen sehen, aber zu den eigentlichen
Sitzmöbeln2), den sedilia3), gehört er nicht. Man unterscheidet bei
diesen vornehmlich Bänke, Sessel oder Stühle und Throne. Die Bank,
Fig. 94. Bronzene Bettstelle (fälschlich als Bisollhim ergänzt).
framnum4), «iffaetfium *), als ein schmaler länglicher Sitz mit vier Füßen0),
war im Haushalt vornehmlich die Sitzgelegenheit für die Sklaven oder
') Abgeb. Overbeok 424 Fig. 224; er ist
dreiteilig, der in halber Höhe durch eine
Querleiste geteilte Holzrahmen eines jeden
Teiles hat als Füllung feines .Stäbchengitter-
werk und ist mit starkem zwillichartigem
Stoff bespannt; bronzene und beinerne Knöpf-
chen dienen zur Verzierung.
'-) Vgl Becker-Göll II 347 ff. Marquardt
725 f.
3) Ov.met. VIII 639. Sen. ep. 10.23. Plin.
ep. V 6, 40 Gell. II 2, 8. Suet. Aug. 43. Spart.
Hadr. 23. 8. sowie sonst häufig, ebenso wie
sedes. wofür Beispiele nicht erforderlich sind.
Ob CIL XII 3346 sess. als sessoriarius zu er-
gänzen und darunter mit Hirschfeld ein
Fabrikant von sessoria oder sedilia zu ver-
stehen ist, ist ungewiß (sessorium für Sessel
Cael. Aur. acut. I 11).
4) Ov. fast. VI 305: ante focos olim sea-
mnis considere Jongis j mos erat. Bei Mart. V
41, 7 ist es eine Bank im Theater; sonst be-
deutet es am häufigsten eine Fußbank. z.B.
eine solche, auf der man ins Bett steigt,
Varr. 1. 1. V 168: qua simplici scansionc sean-
debant in Irrtum non altum, seabeNum, in
altiorem, seamnum, oder um beim Sitzen die
Füße darauf zu stellen, Ov. a. a I 162; II
211. wonach solche scanina unter den Sofas
zu stehen pflegten. Cat. r. r. 10, 4 verlangt zur
Anschaffung: tcamna magna III, seamnttm
in eitbieulo I, srabi/la III, sellas III, solia II.
Vgl. Thedenat bei D.-S. IV 1111 ff.
ö) Plaut. Stich. 93; ib. 698: potkune in
subsellio njnlcr hie accipimur quam in lectis?
immer als Zeichen des Niedrigen und Aerm-
lichen, der Sitz des Parasiten, der daher ein
vir imi subse//i heißt, ebd. 489; Capt. 471. Vgl.
Cels. VII 26, 1. Gewöhnlich sind sonst sul>-
sel/ia die Bänke im Theater und die im Senat,
auch bei öffentlichen Vorträgen. Cic. de or. I
62, 264. luv. 7. 45, und bei Gerichtsverhand-
lungen, Cic.p. Cluent.34.93; 40, 111. luv. 16.
14 u. 44. Vgl. CIL II 3728. Der supseüartua
ebd. VI 6055 ist wohl ein Fabrikant von sub~
sellia.
•) Auf Denkmälern öfters zu finden, vgl.
Roux u. Barre Hercul. u. Pomp. II 84 auf einem
Handwerkerbilde, ebd. 126 in einer Kneipen-
szene, (vgl. Mart. V 70, 3: in sef/ariolis POffUt
popims); erhalten sind in Pompeji Bronze-
122
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
sonst untergeordnete Persönlichkeiten1); daß auch die Kinder, die noch
nicht auf den lecti Platz nehmen durften, auf subseüia bei Tisch saßen, ist
zwar nicht erweislich, aber nicht unwahrscheinlich 2). Das allgemeine Sitz-
möbel aber war der Stuhl oder Sessel, die sella3), bei der es besonders
charakteristisch ist, daß sie der Rückenlehne entbehrt. Selbstverständlich
gab es solche Sessel in größter Mannigfaltigkeit, von der einfachsten bis
zur kostbarsten Ausstattung; sie entsprechen darin ganz den lecti, wie
auch hinsichtlich des dafür verwandten Materials und des Stiles sie mit
diesen übereinstimmen4). Der einfache Holzstuhl ist der Stuhl des Hand-
werkers5), aber auch der der Kurtisane6); überhaupt gehört er zum not-
wendigen Bestandteil der Zimmereinrichtung7). Ihre eleganteste und zu-
gleich offizielle Form fand die sella in der mit Elfenbein fournierten sella
curulis der höhern Magistrate8), der daraus hervorgegangenen sella im-
bänke,dieimTepidariumderkleinerenThermen
aufgestellt waren (1,80 Meter lang), Overbeck
208; 428. Mus. Borb. II 54. Subsellia cathe-
draria, Digg. XXXIII 10, 5 pr., wohl etwas
bequemere Bänke mit Kückenlehnen.
') Siehe die oben zitierte Stelle Ov. fast.
VI 305. Dafür, daß die subsellia speziell der
Sklavensitz waren (so Becker-Göll II 166 f.;
348. Marquardt 175; 301; 725) liegt keine
direkte Beweisstelle vor; was als Beleg an-
geführt wird, Sen. dial. II 15, 1: non accipiet
ergo sapiens iniuriam . . . sl in convivio re-
gis recumbere infra mensam vescique cum
servis ignominiosa officio sortitis iubebitur,
bezeichnet nur den Platz, nicht die Art des
Sitzes; im Gegenteil spricht hier recumbere
für lecti, nicht für subsellia. Vgl. die zitierten
Stellen des Plautus, auch Suet. Vit. Terent.
vom Besuche des Terenz bei Caecilius: ad
cenandum cum venisset, dictus est initium qui-
dem fabulae, quod erat contemptiore tiestitu,
subsellio iuxta lecfulum residens legisse, post
paucos vero versus invitatus ut accumberet
cenasse una.
■) Es wird zwar bei Becker-Göll 166 u.
Marquardt 175 ausdrücklich behauptet, doch,
wie Mau zu Marquardt A. 13 richtig bemerkt,
erwähnen die daselbst angeführten Beleg-
stellen Tac. ann. XI II 16. Suet. Aug. 64: ut
ni imii 1,'cto assiderent; ebd. Claud. 32: more
veteri ml fulcra lectorum sedentes, die sub-
sellia nicht; es geht nur das daraus hervor,
daß die Kinder an besonderem Platze saßen,
nicht lagen. Was dabei ad fulcra lectorum
bedeutet, setzt Mau Gott. gel. Nachr. 1896,
77 f. auseinander: bei den drei um den Speise-
tisch aufgestellten lecti hatte anscheinend das
innere gar kein fulcrum, die beiden andern
hatten es an den nach außen gerichteten
Enden, sodaß also ad fulcra die offene Seite
des trirlinium war. Ebd. 80 ist der Grund-
riß eines pom phänischen trirlinium mit auf-
gemauerten lecti abgebildet, bei denen an
dem (von außen gerechnet) linken Arm. der
wie meist etwas verlängeit ist, eine schmale
und niedrige, etwa 1,50 Meter lange Bank
angemauert ist; es ist wahrscheinlich der
Platz, an dem die Kinder aßen.
3) Sie entspricht dem griechischen bt'</ <j<k,
Corp. Gloss. VII 252; zu beachten ist, daß sie
noch zwei Nebenbedeutungen hat: sella ist
auch der Abtritt (s. oben S. 49) und die Sänfte.
Vgl. im allg. Chapot bei D.-S. IV 1179.
4) Beim Holz wird vornehmlich Ahorn,
Buche und Eiche genannt, s. Blümner Techno-
logie II 327. Cäsars sella aurea erwähnt Plin.
XI 186; Sesselfüße von Onyx ders. XXXVI 59.
5) Cic. Verr. IV 25, 56: kontinent (auri-
ficem) in foro iubet sellam ponere et facere
anulum Omnibus praesentibus; Catil. IV 8, 17:
illum ipsum sellae atque operis et quaestus
cotidiani Jocum. Digg. IX 2, 11 pr.: sella ton-
soris, für den Kunden des Barbiers. Abbil-
dungen s. Mus. Borb. IV 50. Roux u. Barre
a. a. O. II 127; 144. Daher heißen die Hand-
werker sellularii Cic. ap. Augustin. adv. Pelag.
II 37. Liv. VIII 20,4; sellularii artifices, Apul.
flor. 15; artes, ebd. 9; quaestus. Gell. III 1, 10.
6) Plaut. Poen. 268. luv. 3, 136; in seOa
prostare. Sen. de benef. 19,3; daher sellariae,
Schol. luv. a. a. O. Daß dagegen aus Cic. ad
fam. IX 18, 4 nicht hervorgeht, wie Mar-
quardt 725 meint, daß die Schüler in Schul-
zimmern auf Sesseln saßen, bemerkt Göll
zu Becker 347 unter Zustimmung von Mau
(zu Marquardt a. a. O.) mit Recht; ebd. 346
wird auch die sella castrensis bei Suet. Galba
18 wohl richtig nicht als Soldatenstuhl er-
klärt (wie bei Marquardt a. a. O.), sondern
als einfachere Form der aus der sella curulis
entstandenen sella imperatoria.
7) Prunksäle mit zahlreichen Sesseln, wie
in den Kaiserpalästen, hießen sellaria, Plin.
XXXIV 84; XXXVI 111. Auf Wandgemälden
finden wir solche Sessel in einfachen wie
eleganteren Formen häufig, vgl. Roux und
Barre II 7; 11; 21; 49; 149: III 77; 87 f; 123.
8) Es ist ein Klappstuhl, wie die Denk-
mäler es erweisen, s. Mommsen Rom. Staats«
recht* I 383. Chapot a. a. 0. 1180.
Vierter Abschnitt. Der Hausrat.
12»
peratoria1) und dem ebenfalls eine Auszeichnung bedeutenden, in den Muni-
zipien namentlich den Augustalen als Ehrenzeichen verliehenen üoppel-
sessel, dem bisellium 2). — Ein bequemerer Stuhl, dessen Form wie Be-
nennung die Römer von den Griechen entlehnt haben, ist die cathedra^
die meist nach außen geschweifte, schmucklose Füße und eine schräge,
an den Rücken sich in sanfter Rundung anschließende und dem Sitzenden
ungefähr bis zur Schulterhöhe reichende Rückenlehne hatte3). Als ein
gewöhnliches Möbel für Wohnzimmer wird sie, zumal in der Kaiserzeit,
öfters erwähnt4); es war der Stuhl, den man den Besuchenden anbot5),
auf dem auch in der Regel die Frauen saßen6), und in den Rhetoren- und
Gelehrtenschulen waren sie die Katheder der Lehrer7). Gegenüber diesem
zwar einfachen, meist wohl aus Holz gearbeiteten8), aber sehr bequemen
Lehnsessel ist das solium, das dem griechischen tigovog entspricht und
gleich diesem der Thronsessel der Götter und Herrscher ist, zwar prächtig,
aber als Repräsentationssitz, auf dem vornehmlich der Hausherr den Morgen-
gruß der Klienten in Empfang nahm oder sonst Amtsgeschäfte erledigte9),
steif und unbequem. Nach den Denkmälern 10) ist es ein hoher, mit einer
Fußbank versehener Sessel mit geraden, geschnitzten oder sonst reich ver-
zierten Füßen, gerader Rückenlehne und Armlehnen, auch diese sind meist
mehr oder weniger reich geschmückt.
Wie die lecti, so hatten auch die Sessel keine festen Polster, sondern
wurden mit Kissen und Decken belegt11); der Sitz, der in den erhaltenen
J) Spart. Sever. 1. 9.
2) Varr. 1. 1. V 128. oft auf Inschriften, s.
juardt 710 A. 4. Ruggiero Dizion. epigr.
1 1007 ; vgl. Neumann bei P.-W. III 502. Saglio
bei D.-S. I 712. Die bei Overbeck 426 Fig. 227
abgebildeten bronzenen Bisellien aus Pompeji
beruhen ebenso wie das oben Fig. 34 abge-
bildete und wie das im Britischen Museum,
abgeb. Ransom pl. VIII— X, auf falscher Re-
konstruktion, es sind Teile von lecti, die irr-
tümlich zu Bisellien zusammengesetzt worden
sind, s. Ransom p. 98. Amelung R. M. XVII
(1902) 270 A. 1. Wie ein bisellium in Wirk-
lichkeit aussah, zeigen Grabreliefs, wie das
am Grabe des Calventius Quietus in Pompeji.
Mau 440 Fig. 260 (Saglio a. a. O. Fig. 863), und
an dem der Naevoleia Tyche ebendort, Over-
beck 415 Fig. 214.
3) Saglio bei D.-S. 1 970, mit zahlreichen
Abbildungen; am bekanntesten ist sie aus den
Statuen der sog. Agrippina im Kapitol und in
Neapel. Auch in den Wandgemälden trifft man
sie häufig an, vgl. Roux u. Barre II 1 19 ; 123 ;
III 2 f. ; 90.
4) Plin. ep. II 17, 21. Mart. XII 18. 18. Die
fratres Arvales sitzen nach dem Opfer auf
cathedrae, ebenso nach dem Bade die Knaben
bei Tisch, Act. Arv. 27. Mai 218; Henzen p. 14.
6) Sen. de clem. I 9, 7: cum alteram Cin-
nae poni cathedram iussisset; bei Vorlesungen
im Theater wurden für die geehrtesten Zu-
hörer solche in die Orchestra gestellt, luv. 7,47.
6) Hör. sat. I 10,91: discipulorum inter
cathedras. Prop. V (IV) 5, 37. luv. 6.91 ; 9, 52.
Phaedr. III 8, 4. Mart. II 14, 8: III 63, 7: inter
femineascathedras;\Yl%,?>;XW^l;\l\ 38.1.
Oalpurn. ecl. 7, 27. Daß es auch ein Kranken-
stuhl gewesen sei, geht aus Galen XIV 636 K,
was man als Beleg anführt, nicht hervor, viel-
mehr liegt der Kranke hier auf einem axifmove.
7) luv. 7.203. Mart. 176, 14. Sen.dial X
10, 1. Auf dem Schulrelief von Trier (Hettner
Provinzialmus. in Trier 21 Nr. 21 ; unten Fig. 54)
sitzt der Lehrer und jeder seiner beiden Schüler
auf einem bequemen, einem Bischofsstuhl ähn-
lichen Lehnstuhl. Diese Form kommt in jener
Gegend auch sonst vor (als Rohrstuhl ganz
unsern modernen gleichend, s. ebd. 11). doch
findet sie sich auch in Italien, s. Borsari Not.
d. scavi 1894, 106 Fig. 7.
8) Plin. XVI 174 erwähnt Lehnsessel aus
geschälten Weidenruten, also wie unsere Korb-
stühle.
9) Cic. de legg. I 3, 10: quo minus more
patrio sedens in solio eonsulentibua respott-
derem; de or. II 55, 226; III 33. 133. Daher ist
ebd. II 33. 143 die Lesart der Hss.: cum 8e de
turba et a subselliis in otium soliumque con-
ttilerit wohl falsch und in so/itudiuemque zu
verbessern.
10) Vgl. die Wandgemälde bei Roux und
Barre II 8; 13; 58; 63, 79; 80; 104; wir sehen
hier auch öfters Frauen auf diesem mit Kissen
und Decken versehenen solium sitzen.
") Plaut. Stich. 94. luv. 9, 52. Mart. XII
18, 17 f.
124
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
Beispielen1) oft geschweifte Form zeigt, war wohl meist vom gleichen
Material wie der Stuhl selbst; nur die Klappstühle, die wir auch unter
den abgebildeten Sesseln öfters erkennen, mochten weiche, aus Tuch oder
Leder hergestellte Sitze haben.
Was sodann die Tische, mensae2), anbetrifft, so bediente man sich
solcher im Hausrat3) im wesentlichen zu zwei Zwecken: zum Speisen und
zum Abstellen von Gefäßen u. dgl. Was zunächst die Speisetische anlangt,
die im Triklinium Aufstellung fanden, so sind diese nach Größe, Form und
Material sehr mannigfaltig. Waren die Triklinien aufgemauert, so war
auch der zwischen den lecti befindliche Tisch ein fest aufgemauerter Fuß,
auf den man eine Platte aus Holz oder Stein legte4). Das gilt natürlich
nur für die im Freien angelegten Sommertriklinien: in den Zimmern pflegten
die Tische, ebenso wie die Speisesofas, transportabel zu sein. In einfachen
Haushaltungen waren sie von gewöhnlichem Holz, z. B. Buche5); als man
aber mit dem beginnenden Luxus angefangen hatte, besonders bei den
Tischplatten Wert auf schöne Maserung des Holzes zu legen, da griff man
zu solchen Holzarten, die sich dadurch auszeichneten, wie zu Ahorn6), bei
dem namentlich gewisse, durch Auswüchse des Baumes entstandene Arten
geschätzt waren7); vornehmlich aber war es der von Nordafrika, zumal
aus Mauretanien bezogene Lebensbaum oder Thuja, citrus8), der die weit-
aus am meisten geschätzten und teuersten Tischplatten lieferte 9). Bei den
me.nsae, citreae, die zuerst bei Cicero erwähnt werden10), war nämlich, wie
bei den acernae, nicht der ganze Tisch daraus gefertigt, sondern nur die
Platte, die man aus dem nur bis zu mäßigem Umfang wachsenden Baume
gewann11); da man das wertvolle Material nicht durch Beschneiden ver-
kleinern wollte, so beließ man sie als runde Scheiben, daher solche Tisch-
') OvERBECK 426.
*) Vgl. Becker Göll II 350 ff. Marquabdt
310; 723. de RiDDERbeiD.-S. 111 172011. Over-
BECK 428.
3) Die VerwendungderTische in der Werk-
statt der Handwerker kommt hier ebensowenig
in Betracht, wie die Tische der Geldwechsler.
4) Overbeck a. a. 0. Mau 270.
5) Mart. II 43, 10.
6) Hör. sat. II 8. 10 Mart. XIV 90: Mensa
acerna. Non sum crispa quidem nee silvae
filia Maurae, \ sed norunt lautas et mea ligna
dapes. Ov. met. XII 546 überträgt die mensae
acernae in die mythische Zeit. Nach Strab. XII
546 kam das Holz vom Ahorn (sowie von dem
ebenfalls zu Tischen verarbeiteten dgoxÖQvw,
Bergnußbaum) aus dem Gebiet von Sinope.
7) Nach Plin. XVI 66 ff. kam der Ahorn
in der Wertschätzung gleich nach dem Citrus;
die schönsten Arten hießen bruscum und mol-
Imeum {tuber utrumque arboris eins); letztere
war nber für Tischplatten zu klein: si magnitu-
dinem menmrum caperet, haud dubie prae-
ferretur citro. Doch wurden mensae niqre-
tteentes aus bruscum gefertigt.
8) Vgl. Blümner Technologie II 273 ff.
•) Am gesuchtesten waren die an der
Wurzel sich bildenden krankhaften Anschwel-
lungen, Plin. XIII 95: proprieque quod tanti
emitur arborum Vitium est. Sen. de benef. VII
9, 2 : video istic mensas et aestimatum lignum
senatorio censu, eo pretios'ms, quo illud in plu-
ris nodos arboris infelicitas torsit.
lu) Cic. Verr. IV 17, 37, und Plin. XIII 102
bestätigt, daß er keine ältere Erwähnung
solcher Tische kenne; nach dems. ebd. 92 be-
saß Cicero selbst einen solchen im Preise von
500000 Sesterzen (damals 87700 Mark); das-
selbe überliefert Tert. de pallio 5.
») Nach Plin. ebd. 9 3 f. war eine Tischplatte
im Besitz des Königs Ptolemäus von Maureta-
nien, die4 '/* Fuß Durchmesserund '/* Fuß Dicke
hatte, aus zwei Stücken zusammengesetzt; die
größte aus einem Stück, die Plinius kannte,
hatte nicht ganz 4 Fuß Durchmesser und etwas
unter 1 Fuß Dicke, im Besitz des Freigelassenen
Nomius; dagegen war der Citrustisch, den der
Kaiser Tiberius besaß, zwar 4 Fuß im Durch-
messer und J/8 Fuß dick, aber nicht massiv, son-
dern fourniert. Wenn daher bei Mart. IX 59, 9
ein Prahlhans, der in den Saepta die ausgestell-
ten Waren betrachtet, bedauert, testudineum
mensus quater hexaclinon j ingemuit citro non
satis esse suo, so ist das eine Aufschneiderei.
Vierter Abschnitt. Der Hausrat.
1 25
platten orbes hießen1). Sie waren außerordentlich gesucht2) und wurden
mit Ungeheuern Preisen bezahlt3); es entstand eine förmliche Leidenschaft
für solchen Besitz unter den Reichen, und Liebhaber legten sich Samm-
lungen davon an4). Dabei kam es sehr auf die verschiedene Art der Ma-
serung an, nach der man tigrinae, pardherinae, apiatae u. dgl. unterschied;
ebenso spielte die Farbe eine wichtige Rolle5). Die Eingebornen wußten
dem Holze diese Vorzüge durch besondere Behandlung zu verleihen oder
sie noch zu erhöhen 6). Die Seltenheit guter, größere Platten liefernder
Stämme7) führte dazu, daß man auch Tischplatten aus Citrus fournierte
oder sie aus mehreren Stücken zusammensetzte8). Wegen ihrer Kost-
barkeit pflegte man sie nicht offen zu lassen, sondern mit Decken, die den
ursprünglich für Handtücher gebräuchlichen Namen mantele führten9) und
zu denen man gern den oben (S. 117) erwähnten zottigen Stoff nahm, der
gauxa/ie hieß10), zu bedecken. Auch kostbare, bunte und goldgestickte
Decken wurden darüber gebreitet11).
Diese Citrustischplatten pflegte man nicht auf mehrere Füße zu stellen,
sondern als monopodia1*) nur auf einen einzigen festen Fuß oder Unter-
satz, für den besonders Elfenbein als Material beliebt war, das daher öfters
in Verbindung mit den orbes erwähnt wird 13) und jedenfalls meist künstlich
») luv. 1.137; 11.122. Mart. 1143,9; IX
59, 7 ; XIV 138. Ov. her. 16 (17), 87. Lucan. X
144 f.
2) Erwähnt werden diese kostbaren Tische
sehr häufig: vgl. außer den oben angeführten
Stellen Petron. 119 v. 28. Lucan. IX 426 ff.
Mart. IX 22, 5; X 98. 6: XIV 3; ib. 89: ib. 90;
ib. 91. Stat. silv. III 3, 94. Stiab. IV 202; XVII
826. Digg. XIX 1.21.2.
3) Plin. 1. 1. berichtet von 1 Million Sester-
zen (217520««) bis zu 1300000 (282780««);
daher die mensanwi insania, quae feminae
viris contra margaritas regenint, ebd., und
die Klagen der Schriftsteller, daß Leute sich
dadurch ruinieren. luv. 1, 137; vgl. ebd. 57.
A) Immerhin möchte man es für Ueber-
treibung oder für eine Korruptel der Hss.
halten, wenn es bei Dio Cass. epit. LXI 10, 3
von Seneca heißt: Tiet'taxooiovs zgüiofiae xi-
xqivov ir/.oc F.Xf(favzö^o8as l'aovg y.ni öuoiovc
rr/r y.ai en' avzwv stozia. An dieser oft wieder-
holtenNotiz (vgl.MARQUARDT 723. Friedländer
Sittengesch. 5 III 102) ist manches auffällig:
daß diese Citrustische, die in der Regel mono-
podia waren (s. unten), hier dreifüßig heißen,
daß sie elfenbeinerne Füße hatten, was eben-
falls nur bei Monopodien üblich war. daß sie alle
gleich groß und ähnlich gewesen sein sollen. Der
Text scheint überhaupt unzuverlässig zu sein.
5) Plin. 96 ff.
6) Ebd. 99.
7) Nach Plin. ebd. 95 war der AncoraritiB
mons in Mauretania citerior, der das beste Ci-
trusliolz lieferte, zu seiner Zeit schon erschöpft.
8) S. oben S. 117.
9) Mart. XIV 148; vgl. XII 29, 11 f. Isid.
or. XIX 26, 6: mantelia nunc pro operiendis
mensis sunt, quae, ut nonieu ipse indicat,
o/iiii tergendis manibus praebebantur. Corp.
Gloss. III 197, 16: ma utile em tgcutd^tov ; vgl. ebd.
269,50; 379, 6; V 629, 56: velamina mens«,-.
10) Das sind die villosa Unten, Mart. XIV
138; auch in dem Laden des Händlers sind
die Tische damit zugedeckt, ebd. IX 59, 7. Es
scheint, als habe man diese Gausapetücher
früher nur zum Abwischen der Tischplatten
benutzt; so kommen sie vor bei Lucil. frg. XXI
Müll. : purpureo tersit tunc latas gausape men-
sa«, und Hör. sat. II 8, 11: aeemam gausape
Purpuren mensam pertenü, während später,
als die kostbaren Citrustische aufkamen, sie
als Decken dienten. Nach Mart. XIV 13*: rut-
hiliux villosa tegant tibi I/nteu eitruni: \ or-
bibus in HOStris eirculus esse potest, sollte
man annehmen, daß diese Decken auch bei
der Mahlzeit resp. beim Trinken liegen blieben,
worauf auch Corp. Gloss. V 502, 19: gausapa
ilelieiae epulae hinzudeuten scheint: dem wider-
spricht freilich die Bemerkung bei Plin. a. a. O.
99: nutriuntur optime splendescuntque manu*
siccae fricatu a bulineis maxinw, nee rinis
laeduntur, ut iis genitae.
'■) Lampr. Heliog. 27,4; Alex. Sev. 37,2.
Treb. Poll. Gall.duo 16.3. Vopisc. Aurel. 12,1 :
mantelin <'i/j>riu.
li) Nach Liv. XXXIX 6,7 und Plin. XXXIV
14 kamen die monopodia zuerst durch den
Triumph des Gn. Manlius Piso i. J. 187 v. Chr.
aus Asien nach Europa. Nach dem oben Ge-
sagten hat man dabei noch nicht an Citrus-
tische zu denken, es handelt sich da mehr
um die Form resp. die kostbaren Füße.
!») Lucan. X 144. Mart. 1143,9; 1X22,5;
X 98, 6; XI V 3; ib. 91 : vgl. Lukian. Gall. 14.
126
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
geschnitzt war1). Es war eine bescheidene Nachahmung, wenn Tisch-
platten aus gewöhnlichem Holze auf ähnliche Träger aus gebranntem Ton
gestellt wurden2).
Für viereckige Tische, wie sie in Holz und Stein üblich waren, gibt
es keine besondere Bezeichnung3). Viereckig waren auch die abacii), die
aber keine Speise-, sondern Prunk- oder Kredenztische und, wie es heißt,
zusammen mit den Bronzebetten und monopodia zu Anfang des zweiten
Jahrhunderts v. Chr. nach Italien gekommen waren5). Man benutzte sie
vornehmlich, um kostbare Gefäße aus Silber und Gold oder aus Edelsteinen
zur Schau zu stellen6), und manche hatten besondere Vertiefungen zum
Einsetzen der Gefäße 7) oder unterhalb der Tischplatte nocji verschließbare
Fächer oder eine zweite Platte, auf die man ebenfalls Gefäße stellen
konnte8). Das Material dieser Prunktische war, nach Darstellungen zu
urteilen, teils Holz, teils Stein; auch wohl noch anderes Material mochte
zur Verwendung kommen9).
Es ist daher auch bezeichnend, daß die ebo-
rarii und citriarii zusammen ein corpus bilden,
s. ihr Statut in der von Gradenwitz Ztschr.
der Savignystiftung f. Rechtsgesch. XI (1890),
72 und Hülsen R. M. V (1890), 287 behandelten
Inschrift CIL VI 33885.
') Darauf deutet luv. 11,122 hin: latos
nisi sustinet orbes \ gründe ebur et magno sub-
limis pardus hiatu , dentibus ex Ulis quos mittit
porta Sgenes etc. Man vgl. die pompejanischen
Tischfiiße aus Marmor bei Overbeck zu S. 422
und 428 Fig. 229. Pernice A. Jb. XXIII (1908)
111 vermutet, daß bei den mensae citreae in
der Regel die Platten besonders aufbewahrt
und bei Bedarf auf die Tischuntersätze gelegt
wurden, deren es also nicht für jede Platte
einen besonderen gab. Das ist wohl möglich,
nur wird man dabei nicht an die leichten ver-
schiebbaren Bronzegestelle denken dürfen, die
Pernice dabei im Auge hat.
2) Ein tönerner knieender Atlant als Tisch-
fuß hat sich noch erhalten, s. v. Rohden Terra-
kotten von Pompeji Taf. 26, 2. Overbeck 496.
Darauf deutet man auch Mart. II 43, 9 f.: tu
hibycoa. Indis suspendis dentibus orbes: ful-
cüur testa fagina mensa mihi; doch könnte
man hier auch an eine Situation denken, wie
Ov. met. VIII 660: mensam succincta tremens-
<fiie ponit onus, viensae sed erat pes tertius
in pur: tata parem fecit.
3) Ausgenommen das oben S. 34 erwähnte,
im Atrium stehende cartibulum.
*) Vgl. den Artikel Abacus von Saglio
in D.-S. I 1 ff. Mau bei P.-W. I 5. Eigentlich
bedeutet das Wort schlechthin eine viereckige
Platte, wie beim Säulenkapitell oder beim
Rechenbrett. Bei Cato r. r. 11,3 hat abacus
noch nicht die später übliche Bedeutung, son-
dern ist vermutlich ein zu Wirtschaftszwecken
dienender Tisch.
'') S. oben S. 118.
ie. Verr. IV 16, 35: ab hoc abaci vasa
omnia, nt expoaüa fuerunt, abshUit; vgl. ebd.
25,57: abaci vasa aurea. luv. 3,203: ureeoli
sex | ornamenturn abaci nee non et parvulus
infra \ cantharus et reeubans sub eodem mar-
more Chiro. Letzteres wird in der Regel da-
durch erklärt, daß der Chiron der Trapezophor
gewesen sei, und Marquardt 319 A. 7 weist
darauf hin, daß ein Trapezophor mit Kentaur
und Skylla noch erhalten ist (Mus. Borh. 1 48);
allein Friedländer zu luvenal bemerkt, daß
ein liegender Kentaur sich wenig zum Trape-
zophor eignete; er denkt an eine damals als
Zimmerschmuck beliebte und in billigem Ma-
terial hergestellte Figur. Auch inschriftlich,
vgl. CIL Vi 10237: abacum cum basi.
") Sid. Apoll, caim. 17, 7: nee per multi-
plices abaco splendente cavernas argenti nigri
pondera defodiam; daß dies verschließbare
Fächer sind, wie Marquardt 320 A. 1 meint,
geht aus dem Wortlaut nicht hervor, cavernae
wäre dafür kaum ein passender Ausdruck.
Wohl aber geben die in Lambaesa gefundenen
Platten von Sepulkraltischen, die man für Opfer-
zwecke auf die Gräber stellte (vgl. Daremberg-
Saglio III 1721 Fig. 4903), mit den vertieften
Gefäßformen einen Begriff von dem, was Si-
donius meint.
8) Beides erkennt man auf Abbildungen
von abaci auf Denkmälern, s. Darembebg-
Saglio I Fig. 6 u. 7; auf dem Brett unterhalb
der Platte stand bei luv. a. a. O. der parvulus
cantharus.
9) Doch spricht Plin. XXXIV 14 nicht, wie
MAubeiP.-W.a. a. O.sagt, von bronzenen abaci,
da aeratos dort bloß zu lectos, nicht zu den
folgenden abaci und monopodia gehört. Un-
richtig istes auch, wenn Mau ebd. Plin. XXXVII
18 u. 21 als Beleg dafür anführt, daß abaci auch
aus murra, jenem rätselhaften Material für
Gefäße (vgl. Mabquardt 765. Blümner Tech-
nol. 111 276), verfertigt worden seien: an der
ersten Stelle heißt es nur, daß die murrina,
die man zuerst den Göttern weihte, später
auch von Menschen in Gebrauch genommen
Vierter Abschnitt. Der Hausrat.
127
Wie die Speise-, so waren auch die Prunktische vielfach anstatt mit
vier Füßen nur mit einem einzigen kunstvoll gearbeiteten Träger versehen l) ;
solche Stützen hießen überhaupt trapezophora*), und wir können diesen
Namen den in Pompeji und anderwärts erhaltenen marmornen Tischträgern
beilegen, die bildlich verziert sind und namentlich häufig phantastische
Tierfiguren, Sphinxe, Greife u. dgl. (vgl. oben S. 34 Fig. 15), auch sonst allerlei
figürliche Ornamente darstellen3). Es konnten auf solche Träger beliebig
Holz- oder Steinplatten gelegt werden4); wenn ein einziger Tischfuß vor-
handen war, vermutlich meist eine runde5), bei zwei Trägern eine oblonge
Platte, wie bei den Tischen im Atrium. Das Wort trapezophoron scheint
aber in der späteren Zeit seine Bedeutung erweitert zu haben, indem es
von den Trägern der Tische auf die Prunktische selbst überging6).
Eine besondere Art Tische führte den Namen Delphicae, welche Be-
nennung wohl damit zusammenhängt, daß sie allem Anschein nach drei
Füße und vielfach wohl auch die Form eines Dreifußes hatten7). Sie
werden zuerst bei Cicero genannt8), und zwar als marmorn, doch werden
auch eherne erwähnt9). Daß sie auch dazu dienten, um Gefäße darauf
zu stellen, geht aus verschiedenen Belegstellen hervor10); von den abaci
wurden: abacis ei htm escariisque vasis expe-
HHs, also auf Prunktischen standen; und an
der andern bedeuten die Worte: amplitudine
nutnquam parvos excedunt (myrrhina) dbaeos
doch weiter nichts, als daß niemals so große
Gefäße aus diesem Material vorkamen, daß
sie nicht auch auf kleinen abaci Platz gehabt
hätten. Daß besonders murrina vasa auf den
Prunktischen zur Schau gestellt wurden, zeigt
Poll. X 69. Ebensowenig ist es richtig, wenn
Becker-Göll II 353. Petron. 73. 5 als Beleg für
silberne abaci anführt, da hier nur von mensae
totae argenteae die Rede ist.
1) Vgl. für abaci mit vier Füßen die Ab-
bildungen bei Daremberg-Saglio Fig. 5 — 7; ein
von zwei Sphinxen getragener auf dem Pariser
Onyxgefäß bei Müller- Wieseler Denkm. der
alten Kunst II 50, 626b; ein abacus mit einem
Fuß auf einem cumanischen Grabgemälde, das
ein Gastmahl darstellt, Olfers in den Abhandl.
der Berliner Akad. f. 1830 Taf. 2.
*) Das Wort kommt zuerst bei Cic. ad fam.
VII 23, 3 vor, doch geht aus der Stelle nicht
hervor, in welcher Bedeutung er es gebraucht.
Auch was das Wort bei Artemid. Oneir. I 74
bedeutet, geht aus der Stelle nicht hervor.
3) Vgl. Overbeck Tafel zu S. 422 u. S.428
Fig. 229. Mau Pompeji 390 Fig. 207 f. deRidder
a.a.O. 1724 Fig. 4911 ff.
4) Ein Tisch mit Mosaikplatte aus einem
Gartentriklinium s. Mau 417 Fig. 247.
b) Doch kommen auch quadratische Mono-
podien vor, s. de Ridder 1721 Fig. 4904.
B) Diese Bedeutung nahm Marquardt 319
an mit Rücksicht auf Digg. XXXI11 10, 3: su-
pellectile legata hacc continentur: mensae, tra-
pezophora, delphicae, weil hier die abaci fehlen
und durch die trapezophora ergänzt sind. Zur
Bestätigung dient Poll. X 69: fSfoti de zrjv tgä-
TtsQav eq // ra exnatfiaza xazäxeixai, tnQdnow
tf roäjiE^av sijirir xal [tovöxovv, xat fi zig ßov-
koiXO </ l/.<)TlinJcii)(U 71QOS Tl/C Htuvottjta zr)g XQ*')-
ofiog, TQajteCoqpögov. Man sieht hieraus, daß
die Uebertragung der Bedeutung vom Tisch-
träger (in welchem Sinne er in dem ebd. ange-
führten Fragment des Aristophanes gebraucht
war) auf den Tisch selbst zur Zeit des Pollux
neu war. Vgl. auch Corp. Gloss. II 458, 13, wo
caliclare (sonst durch ußa§ erklärt. III 20, 46;
22,20; i-aliclarium jiozngoßr'jxr], ebd. 414, 46)
durch Tou.-ii-\oqö(>ov übersetzt ist. Weshalb
Mau bei P.-W. a. a. O. meint, der abacus sei
vom caliclare zu unterscheiden, da dieser zum
Gebrauch diente, weiß ich nicht; die auf dem
abacus aufgestellten Gefäße dienten doch wohl
nicht lediglich zur Schaustellung, sondern wur-
den auch benutzt.
;) Die Erklärung des Namens bei Plin.
XXXI V 14 : ex aere factitavere et coriinas tripo-
dum, nomine {et) Delphicas, quoniam donis
maxime Apollini Delphico dicabantur, weist
zwar auf Delphi hin, doch ist der Text hier
stark verdorben. Vgl. auch Procop. de bello
Vand. I 21 : iv naXariq) yag iw exi 'Pd>f*t)S, irila
avvF.ßaivs anßäöag rö? ßaoiXecog rlvai, iQVZOVi
fx naXaiov Fiozrjxsi, iqp' ov dt] zag xvhxag ot
ßaodscog oiro%6oi ftH)fvzo, Aüxpata dk tov
tgbioda y.a/.orai 'P(o/iaioi, ijtel JtQ&XOV fv AfX-
qiolg yiyove.
8) Cic. Verr. IV 59, 131.
9) Plin. a. a. O. und auf Inschr., CIL VI
10215: dciphica aenea omni cidtn exornata;
ebd. 30972; XIV 2215. Ob die TQÜtodse y.uoivov
-V/.or bei Dio Cass. LXI 10 auch mensae Del-
phicae waren, muß dahingestellt bleiben.
I0) Mart. XII 66, 7: argentinn atqxe aurum
non simplex Delphica portal. Procop. a. a. O.
Bei Hör. sat. I 6, 116: et lapis albus pocula
128
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
unterschieden sie sich wohl nicht bloß durch die andere Form (da ein abacus
nie eine runde Platte und drei Füße hatte), sondern auch durch die Größe,
da sie vermutlich nur zum Abstellen weniger Geräte, nicht gleich jenen
zur Schaustellung des ganzen Reichtums an kostbaren Gefäßen bestimmt
waren1). Wir können verschiedene erhaltene Geräte als solche meitsae
Delphicae betrachten; wenn es bei einem schweren Marmortisch aus
Pompeji2) zweifelhaft erscheinen könnte, so dürfen dagegen mehrere der
dort gefundenen Bronzedreifüße, die deutlich als Tischchen dienten3), so
bezeichnet werden. Etwas Ähnliches sind die kleinen und niedrigen drei-
füßigen Tischchen, die man auf Denkmälern mit Darstellung von Gelagen
sieht und die den Gästen hingesetzt wurden , wenn die Hauptmahlzeit
vorüber war und der Nachtisch serviert wurde4).
Daß die Römer nicht die zahlreichen Schränke der modernen Haus-
einrichtung besaßen, ward oben bemerkt, immerhin haben sie solche wohl
gekannt5). Sie heißen armaria6) und dienten zum Aufbewahren von
Geräten und Vorräten für die Wirtschaft (armaria promytuaria) 7), nament-
lich aber hob man darin Kleider auf8), Decken und Teppiche9), Schmuck
und andere Wertsachen, auch Geld10), besonders aber Bücher11); die Bücher-
schränke waren oft als Wandschränke in die Mauer eingelassen12), Reiche
stellten sie aus kostbarem Holz mit Elfenbeinverzierung her13). Kleine
cum cyatho duo sustinet erklärt Porphyrio:
marmoream delphicam significat, quae scilicet
pretii non magni est.
') Daher werden in den Digg. a. a 0. tra-
pezophorct und delphicae unterschieden, wie
Paul. sent. III 6, 56 delphicae von mensae trennt.
Doch findet sich auch in den Glossen Identi-
fizierung, s. Corp. Gloss. II 3, 19: abaci delfica
ftrfPMKQiOV (d.h. iurioTEoior),öic'Ioi'ßevähoc, mit
Bezugnahme auf luv. 3, 204. Vgl. ebd. 42, 20;
V 633. 44.
*) Overbeck 428 Fig.229 . Mau 390 Fig.207 .
3) Overbeck 429 Fig. 230; ebd. ist auch
ein vierfüf3iges Tischchen abgebildet mit Platte
aus Rosso antico und vier Bronzefüßen, die
durch Scharniere verbunden und verstellbar
sind, sodaß der Tisch nach Belieben höher und
niedriger gemacht werden konnte. Ein anderer
ähnlicher ist bei de Ridder 1724 Fig. 4910 ab-
gebildet. Entsprechende Einrichtungen finden
sich auch an dem einen der bei Overbeck a. a. O.
abgebildeten Dreifüße, sowie bei einem silber-
nen Dreifuß aus dem Hildesheimer Funde, s
Anh. Anzeig. 1899, 121. Pernice A. Jb. XXIII
(1908) 107 weist nach, daß auch der schöne
Dreifuß aus dem pompejanischen Isistempel
ursprünglich dieselbe Einrichtung und Bestim-
mung hatte.
4) Vgl. Roux u. Barre II 20. de Riddek
1723 Fig. 4908. Die eigentümliche Form der
griechischen dreilüßigen Speisetische (s. Blüm-
ner Aich Zeitung LVl (1884) 179) ist zwar in
Etrurien nachweisbar, fehlt aber auf römischen
Denkmälern.
'') Vgl BBOKHR-Göu.859ff.; Saglio bei
D.-S. I 432: Mau bei P.-W. II 1176 ff.
6) Varr. 1. 1 V 128. der es fälschlich von
arcere ableitet; es hängt jedenfalls mit arma
zusammen, was ursprünglich allerlei Gerät be-
deutet. Isid. or.XV5.4: a rmarium locus est, ubi
quarumcunque artium instrumenta ponuntur.
Als Hausrat luv. 7. 11. Marquardt 721 A. 5
hält den armararius Henzen 7219 (es ist eine
christl. Inschrift, s. deRossi Inscr. Christ. 1419)
für einen armariarius, d h Schreiner.
;) Cat.r.r. 11,3. Plaut. Capt. 918. Welche
spezielle Bedeutung die armariola Graeca
(Plaut. Truc. 55) hatten, ist unbekannt.
8) Plin. XXIX 101. Digg. XXXIII 10,3,2:
sunt qui rede putant, capsas et armaria, si
librorum aut vestium aut armamentorumg rat ia
parata sint, non esse in supellectile. Paul. sent.
III 6. 67. Hieron. ep. 22, 32.
s) Cic. Verr. IV 12. 27.
lu) Plaut. Men. 531. Cic.proCluent.64,179;
pro Cael. 21, 52; sie waren daher verschließbar
und wurden auch versiegelt, Plaut. Epid. 308.
1 ') Vitr. V 1 1 praef. 7. Plin. ep. II 17, 8 Sid.
Ap.ep.VIII16.3. Digg.XXXlI52,3u.7. Hieron.
comm. in Matth. IV c. 23, 6; ep. 49. 4; 53,3.
Auch in den öffentlichen Bibliotheken waren
armaria angebracht. Vopisc. Tac. 8, 1. Abbil-
dungen von Bücherschränken mit Doppeltüren
finden sich auf Denkmälern, s. das Sarkophag-
relief bei Saglio a. a. O. 432 Fig. 524 und nach
einer christlichen Miniatur ebd. 433 Fig. 525.
J-) Plin. ep. a. a. O.; in Pompeji finden sich
namentlich in den alae häufig die Spuren dort
angebrachter Wandschränke. s.Overbeck336;
363; 372 u.s.
I3) Sen. dial. IX 9, 6. Auch Bemalung der
armaria wird erwähnt, Sulpic. Sev. dial. 1 21,4.
Vierter Abschnitt. Der Hausrat.
129
Schränkchen waren die armaria, in denen die Waehsmasken der Vorfahren
pmagines) in den alae oder im Atrium aufbewahrt wurden1); sie hingen
wahrscheinlich an der Wand, während die größeren gleich unsern Schränken
auf dem Boden standen2): und ähnlich
mau das armarium im Hause des Tri-
malchio gewesen sein, dessen Türen
eine aedicula verschlossen, in der sil-
berne Götterbilder und andere Kunst-
sachen aufgestellt waren 3). Auf Denk-
mälern finden wir auch Schränke in
den Werkstätten und Läden der Hand-
werker zur Aufbewahrung und Schau-
stellung ihrer Waren4). Das Material
war wohl in der Regel Holz5) (vgl.
Fig. 35 6)); sie waren zum Verschließen
eingerichtet und wurden auch oft noch
versiegelt7).
Häufiger als bei uns, wo sie fast
ganz aus dem Hausrat verschwunden
und durch Kommoden ersetzt sind,
waren die Truhen8), deren gewöhn-
licher Name arca ist oder arcula*).
Diese auf dem Fußboden stehenden,
mit Deckel versehenen Kasten dienten
ebenfalls zum Aufbewahren von allen
möglichen Dingen, vornehmlich von
Kleidern, als arca vestiaria10) (beson-
ders arcula kommt häufig in dieser
Anwendung vor11)), und Decken12).
Solche arcae gab es in kleinen Ver-
hältnissen als tragbare Kästchen13) und andrerseits solche in sehr großen
Dimensionen, sodaß ein Mensch sich darin verbergen konnte14). Die arca
schlechtweg aber ist die Geldkiste, deren Platz im Atrium oben (S. 35)
Fig. 35. Schrank aus der Villa bei Boscoreale.
i) Plin. XXXV 6.
2) Für die mehr hohe als breite Form der
meisten armaria spricht auch die griechische
Uebei Setzung desWortes durch Jivgyioxog, Corp.
Gloss. VI 95^ vgl. ebd. II 568, 2: turriada.
3) Petron 29,8.
4) Siehe Saglio 432 Fig. 522 f. Schreiber
Kultuihist, Atlas 71.3; 72, 1.
5) Dafür spricht auch Cic. pro Cluent. 64,
179: armarii fundum execuit.
6) Schrank aus der Villa rustica in Bos-
coreale, nach Mon. d. Lincei VII 411 Fig. 6; er
hat inwendig vier Bretter.
') Plaut. Epid.308: occlusum atque obsi-
ifnatum armarium. Digg. XXXII 52.9: armariis
i'( loculis claustra et claves cedunt.
8) Vgl. Saglio Artikel arca bei D.-S. 1 363.
Habel bei P.-W. II 425.
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft. IV.
9) Varr. a. a. 0. leitet auch dies von ar-
cere ab: ebenso Isid. or. XX 9, 2; vgl. Serv. ad
Aen. I 262.
10) Plaut. Men. 803. Cato r. r. 11, 3. Plin.
XXIX 101 ; das sind die arculae muliebres, Cic.
de off. 117,25.
u) Plaut. Most. 248. Colum.XII45,5. Mart.
1146,4. Sen. dial. 1X1,5; ep. 92.13.
») Hör. sat. 113,119.
13) Sodie.in denen Orakel (sortes) verschlos-
sen waren. Cic. de div. II 41, 86. Suet. Tib. 63;
Kästchen für Gifte. Suet. Calig. 39; für Weih-
rauch, Fest. 18,7: arcula turoria, vgl. Serv.
ad Aen. a. a. 0.
14) Man vgl. die Anekdoten aus den Bürger-
kriegen bei App. bell. civ. IV 44. DioCass.XLVII
7,4: s. auch Hör. sat. II 7, 59 : turpi clausus in
arca.
2, i. 3. Aufl.
9
130
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
erwähnt wurde; als solche kommt sie ohne jede nähere Bezeichnung überaus
häufig vor1), daher die Redensart ex arca eine Zahlung leisten, im Gegen-
satz zu denen, die eine Anweisung auf ihren Bankier geben2), wie denn
auch arca im übertragenen Sinne ganz dieselbe Bedeutung bekommt, wie
unser Wort Kasse, und daher ebenso für den Barvorrat, den man im Hause
hat, wie für das Vermögen von staatlichen Anstalten, Gemeinden, Religions-
genossenschaften u. dgl. gebraucht wird 3). Diese Geldkisten waren meist
hölzern, mit Bronze oder Eisen beschlagen4) ;
Reste solcher, mit künstlerischen Verzie-
rungen, haben sich in Pompeji mehrfach
erhalten (vgl. Fig. 36) 5).
Während die arca die große und schwere
Geldkiste für den gesamten im Hause auf-
bewahrten Geldvorrat war, in der man wohl
auch wichtige Dokumente u. dgl. aufbe-
wahren mochte, sind loculi*), worunter man
im allgemeinen transportable Kästchen mit
Fächereinteilung versteht 7), im besondern
die Geldkästchen8), in denen man so viel
Geld, vermutlich nach den Münzen sortiert,
aufbewahrte, als man gerade im Augenblick für die Bedürfnisse des Haus-
halts brauchte 9). Doch kommen sie auch als Aufbewahrungsort für Kleider
vor10). Das Material war teils Holz11), teils Elfenbein12).
Fig. 36. Geldkiste aus Pompeji.
J) Vgl. z. B. Afran. bei Fest. 359 a, 27. Ca-
tull. 23, 1 : 24. 5. Cic. off. II 15, 52 ; Parad. 6,44;
Top. 3,16. Hör. sat. 1 1,66. luv. 1,90; 3, 143;
ebd. 181 u. ö. Mart. 176,5; 1130,4: 44, 9 u. s.
Senec. de benef. IV 6, 1 ; ep. 2, 6; 26, 8 u. ö.
*) Donat. ad Ter. Ad. 277 und Phorm. 921.
Vgl. Petron. 53, 4: in arcam relatum, quod col-
locari non potuit, wobei die Summe sestertium
centies natürlich lächerliche Uebertreibungsein
soll.
3) Näheres s. bei Habel a. a. 0.; Epi-
graphisches bei Ruggiero Dizion. epigr. I
627 ff.
*) App. a. a. 0. luv. 11, 26: 14, 259.
5) Vgl. Saolio a.a.O. 363 Fig. 459 ff. Over-
beck 248 ; 425 u. ö. Mau 260 Fig. 133 (darnach
unsere Fig. 36); 310: 340.
6) Vgl. über die mannigfaltige Bedeutung
des Wortes den Artikel loculi von Thedenat
beiD.-S. III 1292 ff. Für den Verfertiger kommt
locularius vor, CIL VI 9527 (wenn loclar. so zu
ergänzen ist).
7) Isid. or. XX 9,3: loculus ad aliquid po-
nendum in terra fachte locus, seu ad vestesvel
peeuniam cuetodiendam, unde et per diminu-
tionem dicitur, welche Definition aber wohl nur
teilweiseder ursprünglichen Bedeutungund An-
wendung entspricht. Man vgl.dieloculataearcu-
!'!>■ der enkaustischen Maler. Varr. r. r. III 17,4
(dazu die noch erhaltenenBeispielesolcherFarb-
kasten, s. Thedenat a.a. O. 1294 Fig. 45 14 ff.):
die loculi eburni der Aerzte bei 0 vid. fast. V 1 74!»
(mit dem Beispiele bei Thedenat Fig. 45 1 3) ; die
Schmuckkästchen, luv. 13, 139; auch wohl die
loculi, in denen die Schüler ihre Schreibuten-
silien aufbewahrten. Hör. sat. 1 6, 74 (ep. 1 1 , 56).
All das spricht dafür, daß die Einteilung in
Fächer das Charakteristische dieser Kästchen
war.
8) Der Gegensatz zwischen loculi und arca
tritt am besten hervor luv. 1, 89: neque enim
loculis comitantibus itur \ ad casum tabulae,
posita sed luditur arca. Daß beides auch iden-
tisch gebraucht worden sei, wIcThedenat a.a.O.
behauptet, geht aus den von ihm zitierten Be-
legstellen keineswegs hervor.
M) Hör. sat. 13, 17; 113,146: ep. II 1.175.
Sen.nat.qu.II 31, 1 ; 52, 1 ; rem. fort. 10.3. Mart,
XIV 12. luv. 10, 46: 11, 38. Apul. met. IV 16.
Digg. XXXII 52,9. Locelli, Petron. 140.15.
Mart. XIV 13. Verhält sich die arca zu den
loculi wie unser Geldschrank zur Geldschwinge,
so entspricht dann der sacculus unserm Porte-
monnaie, Mart. V 39, 7 : excussi loculosque sac-
culumque; vgl. XI 3, 6. Catull. 13, 8. Petron.
a. a. O.
10) Plaut. Men. 691. Isid. a. a. 0.
») Mart. XIV 13. Corp. Gloss. V 418, 60:
loculo, vase ligneo.
u) Mart XIV 12, wo die loculi eburnei für
Gold, die vilia liqna für Silber bestimmt wer-
den. Ov. fast. a.a. 0. luv. 13, 139.
Vierter Abschnitt. Der Hausrat.
131
Eine andere Bedeutung, als die arca, hat die cista (cistella, cistula)1),
die nnserm Wort Kiste, obschon es davon herkommt, nicht ganz entspricht
und eher mit Schachtel übersetzt werden müßte. In der Regel ist sie
aus Flechtwerk hergestellt2) und meist rund, selten viereckig3). In dieser
Form fand sie ihre hauptsächlichste Verwendung als Aufbewahrungsort
für Oliven, Feigen, Obst, Rüben u. dgl.4), jedoch nicht als eigentliches
Gerät im Hausgebrauch, sondern zur Aufbewahrung der Dauer- oder
Winterware und zum Versand solcher. Im Haushalt kommen dann cistae
noch in verschiedenartiger Verwendung vor5): für Geld6), Kleider7), Bücher8),
als Reisekoffer9); und es kommen auch cistae von solcher Größe vor, daß
ein Mensch darin Platz finden konnte10). Kleine cistellae wurden zur Auf-
bewahrung von Kostbarkeiten, Schmuck u. dgl. benutzt11). Es ist jetzt
üblich, die zylinderförmigen, meist aus Bronze gearbeiteten und künstlerisch
verzierten Gefäße12), die vornehmlich in Praeneste gefunden worden sind
und zur Aufbewahrung weiblicher Toilettengeräte dienten13), Cisten zu
nennen, doch fehlt dafür jeder Beleg. Anderweitige Benutzung von cistae,
wie im Kultus, wo sie zur Aufbewahrung der in den Mysterien gebrauchten
heiligen Geräte dienten (die sog. cistae mysticae)1*), oder wie die zur Auf-
bewahrung von Stimmtäfelchen15), gehört nicht hierher.
Verwandt damit ist die capsa {capsula, capsella)16), die Zylinderform
hat und aus dünnen Platten gebogenen Holzes hergestellt wird17). Sie ist
der gewöhnliche Behälter für Bücher18), kein so großer wie das scrinium,
vielmehr nur für einige wenige Platz bietend19); daher ist sie auch der
Behälter, in dem die Schulbücher sind, die der darnach capsarius benannte
Sklave dem Knaben nachträgt20). Doch kommt die capsa auch in andrer
') Vgl. über die mannigfaltige Anwendung
des Wortes Fernique bei D.-S. 1 1202. Mau bei
P.-W. III 2591.
2) Plin. XVI 209 führt eine Anzahl Sträu-
cher an, von denen er sagt: omnes ad cistas
quaeque flexili crate c<>>is/<oit (utilissitnae); vgl.
XV 60 Ov. met. II 554: texta de vimine cista.
Plaut. Rud. 1109: cistella caudea, vgl. Fest.
46. 11 : caudeae cistellae er Iiinco. Corp. Gloss.
V 14. 18 (53, 12): caudeam iunceam.
3) Colum. XII 56, 2: quadrata cista vi-
minea.
*) Plin. XV 60. Colum. a. a. O. Pallad. IV
10. 34. Mart. IV 46, 13; XIII 36: cistella oli-
varxm.
5) Als Hausrat schlechthin genannt luv.
6,44: 7.11. Digg.XVI3. 1.41.
•) Cic.Verr. 11185,197.
;) Quint. VIII 3, 19.
8) luv. 3, 206, aber zum Aufheben für ge-
wöhnlich nicht benutzbar, also nicht ein Ersatz
für armaria oder scrinia.
9) Hör. ep. 117,54.
10) luv. 6. 44.
n) Plaut. Cistell. 637 u.ö.; Rud. 1109 (wo
die cistella caudea als Binsengeflecht gedeutet
wird, Schoell z. d. St.); Amph. 773. Ter. Eun.
753. Daher heißt die Sklavin, die solche unter
sich hat, cistellatrix, Plaut. Trin. 252.
12) Ueber diese ist vornehmlich zu vgl.
Schöne A. d. I. XXXVIII (1866) 151 ; XL (1868)
413. Friederichs Berlins ant. Bildw. II 125 ff.
Schumacher Eine praenest. Cista im Mus. zu
Karlsruhe, Heidelberg 1891. MAua.a.0. 2593 ff.
13) Das erweist der vielfach darin gefundene
Inhalt, als Spiegel, Striegeln, Kämme, Schmink-
büchschen. Spangen u. a. m. ; s. Schöne A. d. I.
XXXVIII 194. Mau 2594.
u) Vgl. Mau a. a. O. und Lenormant bei
D.-S. 1 1205 ff.
15) Auct. ad Her. I 12, 21. Sisenna bei Non.
91,24. Plin. XXXIII 31.
16) Vgl. Saglio bei D.-S. I 911 f. Mau bei
P.-W. III 1553.
17) Plin. XVI 229: facilis et fagus, quam-
quam fragilis et tenera eadem sectilibus la-
mnis in tenui flexilis capsisque ac scriniis s<>/tr
utilis. Die Form geht auch daraus hervor, daß
capsa griech. xäfuiToa oder xä/uiioor ist, Corp.
Gloss. VI 79.
18) Cic.div. in Caec. 16,51. Hör. sat. 1 4, 22 :
10, 63; ep. II 1, 268. Digg. XXXIII 10, 3, 1 f.
Paul. sent. III 6. 67.
19) Catull. 68, 36: huc una ex multis Ca-
psula me sequitur.
20) luv. 10,117. Suet. Nero 36. Digg. XL
2, 13. Den capsarius CIL V 3158 faßt Dessau
7628 als Fabrikanten.
9*
132
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
Anwendung vor, so zur Aufbewahrung von Obst, wie die cista1), vielleicht
auch für Schmucksachen u. dgl.2)
Die gebräuchlichsten Bücherbehälter aber sind die scrinia, die als
solche ungemein häufig erwähnt werden3). Wie sie sich von den capsae
unterschieden, denen sie in Bezug auf Material und zylindrische Form
glichen4), läßt sich nicht sicher sagen; daß sie aber nicht völlig identisch
waren, geht daraus hervor, daß Plinius beide nebeneinander nennt5).
Wahrscheinlich sind sie umfangreicher gewesen und konnten mehr Rollen
aufnehmen, als die capsae6). Sie dienten sodann auch für andere Schrift-
stücke, für Briefe7), amtliche Dokumente8) und Manuskripte überhaupt9);
daher waren sie zum Verschließen eingerichtet und wurden gelegentlich
auch versiegelt10), was darauf führt, daß sie meist einen Deckel hatten.
Auch die Buchhändler hoben ihre Büchervorräte in scrinia auf11), ja es
scheint sogar, als ob selbst die Fischhändler, die alte Bücher als Makulatur
erstanden und zum Einpacken ihrer Waren benutzten, sie in scrinia dastehen
hatten12). Andere Verwendung, als für Bücher, scheinen die scrinia nicht
gefunden zu haben13).
Wir gehen nun zu den Beleuchtungsgeräten über14). Wenn wir
davon absehen, daß in der alten Zeit und später noch auf dem Lande
') Plin.XV65;ebd.82. Mart.XI8,3. Digg.
XXXIII 7, 12,1.
«) SofaßtMAua.a.O. Vopisc. Aurel 31,8:
habes trecentas aurilibras deZenobiae capsulis,
und Sen. ep. 115,2: iuvenes barba et coma ni-
tidus, de Capsula omnes; doch weiß man gar
nicht, was jene capsulae der Zenobia waren,
und die sprichwörtliche Wendung bei Seneca
entspricht unserem „wie aus der Schachtel".
Daß auch kleine Kapseln, in denen sich Kost-
barkeiten befanden, die man aber am Halse
trug, capsulae hießen, zeigt Petron. 67,9; an-
dere Anwendung des Wortes s. Gell. X 15. 14.
Plin. XXX 102. Senec. lud. 3,4.
3) Hör. sat. I 1, 120; ep. II 1, 113. Ov. ex
Pont. 11.24. Sen. ep. 27, 7. luv. 6.278. Mart.
T 3,2; VI 64,10; XIV 37. Plin.ep. V5.5. Corp.
Gloss. 1 1 1 327, 24 : scrinium ßißhoqxigiov. In der
späteren Kaiserzeit ist scrinia etwa s. v. a. Bu-
reau, Cod. Theod. VI 26, 1. Vgl. Lecrivain bei
D.-S. IV 1124. Scriniarius für den Verfertiger
CIL VI 9885. Dessau 7629.
4) Das zeigen die häufigen Darstellungen
solchci XV-////V/ in Skulptur und Malerei, s Roux
und Barre III 3; IV 36; vgl. auch Ov. trist.
I 1, 106: scrinia curva.
6) Plin. XVI 229.
fi) Vgl. Mart. IV 33, 1 : plena laboratis scri-
nia libris ; ebd .12,4: scrinia da magn i» (//bris).
Rich 553 glaubt, das scrinium sei eine capsa
gewesen, die in eine Anzahl besonderer Fächer
eingeteilt war, und so sei Bach das scrinium
nnyuentorum in einzelne Fächer zur Aufnah-
me von Büchsen abgeteilt gewesen: aber s.
unten A. 13.
7)Sall.Cat.46,6. Sen. dial. III 23.4. Plin.
VII 94.
8) Vopisc. Aurel. 9, 1 : scrinia praefecturai
urbanae; daher gab es bei den Kaisern eigene
Beamte dafür, scriniorum principes, Lampr.
Alex. Sev. 15.6; vgl. ebd. 26,6: magister scri-
nii: ebd. 31,1: qui scrinium curabant. Vgl.
Hirschpeld Kaiser]. Verwalt. I 210; über die
kaiserlichen scriniarii ebd. II 320 A. 1 ; 326
A. 1 : 337 A. 3; vgl. auch CIL X 527.
,J) Suet. Nero 47. Val. Max. VI 5, 6. Daher
wird scrinium Corp. Gloss. II 532. 6 und 475. 55
mit yaQToih'jy.i] oder yaorocpv/.äxior übersetzt.
,ö) Val. Max. a. a. Ö. Mail. I 66, 6.
") Catull. 14,17.
V2) Darauf deutet Mart. IV 86, 10: si (fand
naverit,ad salariornm curras scrinia protinua
licebit.
u) Eine Ausnahme könnte scheinen Plin.
VII 108, wonach Alexander d. Gr. ein von Da-
rius erbeutetes unguentorum scrinium, quod
erat auro margaritis gemm isque pretiosum, zur
Aufbewahrung der Gesänge Homers bestimmte
(vgl. ebenda XIII 3); allein hier ist die Benen-
nung scrinium wohl nur gewählt, weil der König
das für Salben bestimmte kostbare Gefäß zum
scrinium gemacht hatte.
14) Vgl Becker-Göll II 389 ff. Marquardt
642 ff.: 710 f. Loriquet Essai sur l'eclairage
chez les Romains, Reims et Paris 1853. J. M.
Miller Die Beleuchtung im Altertum (Progr.
der Studienanstalt Aschaffenburg), Würzburg
1886. E. Caetani-Lovatelli I lumi e le lumi-
narie nell' antichitk (Nuova Antol. Ser. 3. Vol,
XXII). Roma 1889. Ueber die Mittel zur Ent-
zündung des Feuers vgl. M. Planck Die Feuer-
zeuge der Griechen und Römer und ihre Ver-
wendung zu profanen und sakralen Zwecken.
Stuttgart 1884.
Vierter Abschnitt. Der Hausrat.
1133
das Herdfeuer wie Wärme so auch das zur Vornahme ländlicher Arbeiten
nötige Licht spenden mußte1), so handelt es sich vornehmlich um drei
zur Beleuchtung dienende Gegenstände: Fackeln oder Kienspäne, Kerzen
und Lampen2). Eine gemeinschaftliche Benennung für alle diese Arten
gibt es nicht, doch umfaiät das vom Griechischen herübergenommene, vor-
nehmlich bei Dichtern beliebte latnpas9) im wesentlichen die beiden ersten
Arten im Gegensatz zur Lampe1), bedeutet aber besonders die Fackel5),
zumal die Hochzeitsfackel0); seltener kommt es in der Bedeutung eines
Kerzen- oder Fackel halte rs vor7). Von den Fackeln nun, die nicht zur
eigentlichen Hausbeleuchtung zu rechnen sind, aber in gewissen Fällen,
wie nächtlichem Heimweg, Hochzeiten, Begräbnissen u. a., zur Anwendung
kommen, wird an anderer Stelle zu handeln sein; und wenn auch der
Kienspan (taeda, fax) in alten Zeiten im römischen Hause die Beleuchtung
bewirkt haben mag und später noch im Bauernhause sich dieser Gebrauch
erhalten hatte8), so spielt er doch im Hausgerät keine Rolle. Zur Be-
leuchtung des Wohnhauses dienten also wesentlich Kerzen und Lampen.
Die Kerzen, candelaed), die die Griechen nicht gekannt zu haben scheinen10),
galten den Römern als ältestes Beleuchtungsmaterial, das vor Erfindung
der Lampen üblich war11), zumal angeblich der Olbau in Italien zur Zeit
des Tarquinius Priscus noch nicht heimisch gewesen sein soll12); doch
unterliegt diese Tradition gewissen Bedenken13). Vielleicht haben die
') Miller a. a. 0. 13.
-) Apul. met. IV 19: taedis lucernis cereis
sebaciis et ceteris nocturni luminis instrumentis
elarescunt tenebrae. Vgl. auch Prudent.cathem.
V 13 : pinguis quodöleirore madentibus lychnis
aut facibus pascimus aridis : quin et fila scirpea
floreis | presso melle prius conlita fingimus.
Vivax flammet viget, seu cava testula \ sueum
linteolosuggeritebrio, seupinuspiceatnfertali-
moniam seu ceram teretem stuppa calens bunt.
3) Vgl. Toutain bei D.-S. III 914.
4 ) Daß latnpas wie im Griech. laftads den
Gegensatz zu /.r/roc, lucerna bildet, hebt Tou-
tain a a. 0. mit Recht hervor. Beweisend ist
auch, daß die Glossen es durch faces oder can-
delae, nie durch lucerna erklären, s. Corp. Gloss.
111219,42; 234,39; 653.11: IV 103,45 u. ö.
5) Cic. Verr. II 47, 115. Lucr. II 24. Verg.
Aen. IX 535. Ov. met. IV 402; fast. IV 493; ex
Pont. III 3. 60. Stat. silv. IV 8, 51 ; Theb. VIII
467. Bei Ov. met. XII 246: primus ab aede
lampadibus densum rapuit funale coruscis hat
mau wohl auch an Fackeln zu denken, da
Kerzen bei der Hochzeit des Peirithoos doch
ein zu arger Anachronismus wären. Ueber
Fackeln im allgemeinen vgl. Pottier bei D.-S.
II 1025 ff.
6) Ter. Ad. 907. Ov. her. 12,138; 14,25.
Stat. silv. 12.4.
7) So luven. 3, 287, wo eine aenea latnpas
zum Heimleuchten dient: ferreae lampades bei
Golum.XII 18,5.
8) Verg. ecl. 7.4'.): hie foeüs et taedae pin-
gues, hie plurimus ignis semper et adsidua
/)Ds/,:s fuliginc nigri. Daher ist das Kienspan-
schneiden eine gewöhnliche ländliche Beschäf-
tigung, Verg. Georg. 1 291 : et quidant serös hi-
berni ad luminis ignis \ perbigilat ferroque
faces inspicat acuto; cf. faces ineidere bei Plin.
XVII 1233. Colum.1121,3.
s) Vgl. Saglio bei D.-S. 1 869. Mau bei
P.-W. III 1460. Blümner Technologie II 159 ff.
10) Es gibt kein griechisches Wort dafür;
Ath. XV 701 Bsagt*«; drjXa, ebensoSuid.s. h.v.;
Schol. Nie. Ther. 763 nennt ein Insekt xarbn-
looßsozys- Die Glossen übersetzen candela mit
Xa^uiTtjo, qrarog oder xrjQiotr, Corp. Gloss. VII
173; letzteres entspricht dem lat. cereus, das
auch Plut. qu. Rom. 2 p. 263F durch xngio»'
wiedergibt.
") Varr. 1.1. V 119: candelabrum a can-
dela, ex liis cii im funieii/i ardente» flgebatttw.
Lucerna post inventa, quae dieta a luce ant
quod id vocant Graeei /.i-yvor. Mart. XIV 48
vom candelabrum: nomina eandelae nobis an-
Hgua dederunt: | non norat parcos uneta lu-
cerna patres.
'*) Plin. XV 1 : Fenestella omnino {oleum)
non fuisse in Ituliu Hisjianiuque auf Africa
Tarquinio Prisco regnante, ab annis populi
Bomani CLXXIII; doch ist diese Nachricht,
wieHEHN Kulturpfl. u. Haustiere6 107 bemerkt,
vielleicht ein Echo von Herod. V 82, der be-
richtet, daß manche behaupteten, es sei noch
nicht lange her, daß es nirgends Ölbäume ge-
geben habe, als in Athen.
'») Mau bei Marquardt 642 A. 6 bemerkt,
daß man ja in Lampen auch Fett brennen
134
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
Römer sie von den Etruskern übernommen, auf deren Bildwerken sie uns
begegnen1). Jedenfalls finden wir sie in der historischen Zeit ganz ver-
breitet, und zwar im Gegensatz zur Lampe als Beleuchtungsmittel der
Ärmeren2), sowohl im Hause, wie auf der Straße3). Es gab von den
Kerzen je nach Material des Dochtes und des Brennstoffes verschiedene
Arten. Zum Docht (filum)*) benutzte man das Mark einer Binsenart
(scirpus), das mit Talg oder Wachs bestrichen wurde5), oder man nahm
mehrere derartige Faserdochte oder solche aus Hanf, Werg, Papyrus u. dgl.
und drehte sie zusammen zu funes (funicidi), die dann mit Wachs umgeben
eine Art Wachsfackel oder dickere Kerze abgaben6), für die auch der
Name funale vorkommt7) und die speziell, wenn Wachs das Material ist,
konnte, sowie daß in dem ältesten Teil der
Nekropole von Alba Longa Lampen gefunden
worden sind, nach de Rossi A. d. I. XXXIX
(1867) 53; vgl. Mon. d. 1. VIII 37 Fig. 61. An-
drerseits muß aber hervorgehoben weiden, daß
die ältesten Lampen, die bis jetztauf römischem
Boden gefunden worden sind, der Nekropole
vom Esquilin angehören, und daß nach Dressel
A.d. I. LH (1880) 266 ff., mit tav. d.'agg. 0,
der sie für kampanischen Import hält, keine
darunter älter ist, als ungefähr 300 v. Chr.
') Vgl. Conestabile Pitture murali scop.
presso Orvieto tav. XI. Blümner Kunstgew.
im Altert. II 74 Fig. 33; dazu kommen die
zahlreichen noch erhaltenen Bronzeleuchter,
die deutlich für Kerzen bestimmt sind, s.
unten.
2) Mart. XIV 40 nennt die candela die
ancllla lucernae.
;t) luv. 3, 286: me, quem luna solet dedu-
cere vel breve lumen candelae cuius dispenso
et tempero filum. Es muß dahingestellt bleiben,
ob hier an eine Laterne mit candela oder an
eine dickere, in einem Halter getragene Kerze
zu denken ist. Candelae bei der Bestattung
Pers. 3. 103.
4) luv. a.a.O. Maecen. b. Sen. ep. 114, 5:
tenuiwe cerei fila.
B) Plin. XVI 178: scirpi fragiles palustres-
que .... detracto cortice candelae luminibus et
funer ibus (wofür vielleicht funalibus zu lesen
ist) serviunt ; vgl. Anth. Pal. VI 249, 1 : lafuräda
xnQoytTwva, . . . o/oirtn y.cd kenxj} of/iyyo/usvnv
jiajtrofo. Anth. Lat. 1 103 n. 94 (Riese): lenta
paludigenam vestivit cera papyrum; ebd. n.95.
Prudent. cathem. V 15 (s. oben S. 133 A. 2).
Paulin. Nol. carm. XIX 41 1 : lumina ut inclusis
reddantur odora papyris.
6) Varr.l.l.V119(obenS.133A.ll);ders.
bei Serv. ad Aen. 1 727. an einer freilich arg ver-
dorbenen Stelle: facibus auf candela simplici
. . . (tut es cd fiiniculo facto (Thilo vermutet:
facibus aut candela simplici, er cera aut ex sebo
et fiiniculo facta). Dazu bemerkt ServiuH :funa-
lia sunt quae intra ceram sunt, dieta afumhus,
quos aiiti' äs, na papyri cera circumdatos ha-
buere maiores: unde et funera dieuntur, quod
funes incensos mortui» praeferebant. Ebenso
Isid. or. XX 10,5, der noch dazu bemerkt: fu-
nalia autem Graeci scolaces dieunt, quod, sint
scoliae, id est intorti. hos Romani funes et fu-
nalia nominabant.
7) Ueber funale und seine verschiedenen
Bedeutungen s. Miller a. a. O. 17. G. Lafaye
bei D.-S. II 1360. Danach bedeutet funale zu-
nächst die Fackel selbst, so Hör. carm. III 26, 7 :
wohl auch Verg. Aen. I 727: noctem flammis
funalia vineunt. Claud. carm. X 206 : funalibus
ordine duetis \ plurima venturae suspendite
lumina nocti. Corp. Gloss. II 74, 19 Xa/Ajrddiov;
als solche werden sie vom cereus geschieden in
der Inschrift CIL II 5439 1. 21; doch konnten
jedenfalls auch starke Kerzen so bezeichnet
werden, da die Glossen auch die Erklärung
candelae in modum funium intortae geben, V
203, 32, ja sie direkt durch cerei erklären, ebd.
619,44; 634,54; vgl. oben Isid. a. a. O. Sodann
ist funale ein Leuchter für solche Kerzen, und
in dieser Bedeutung gebraucht bei Ov. met. XII
246 : primus ab aede j lampadibus densum ra-
puit funale coruscis; vgl. Isid. a. a. O.: funalia
candelabra apud veteres extantes stimulos h<i-
buerunt aduncos, quibus funiculi cera vel huius-
cemodi alimento luminis obltta figebantur. Odern
i/injiie et Stimuli praeacuti funalia dicebantur.
Daher wird funale auch in den Glossen durch
candelabrum erklärt, Corp. Gl. V 458, 1 2 ; 502 . 2.
Welche von diesen Bedeutungen gemeint ist,
läßt sich freilich oft nicht ausmachen; so kann
es eine Fackel oder Kerze mit Halter bedeuten,
wenn von C. Duilius berichtet wird, daß er
die Ehrung erhielt, sich nachts von einem fu-
nale heimleuchten zu lassen. Liv. epit. XVII.
Sil. It. VI 667. Flor. 1 18 (II 2, 10). Aur. Vict.
vir.ill.38,vgl.dielnschr.HüLSENR.M.V(1890)
305. Gatti Bull, comun. XIX (1891) 165. End-
lich bedeutet es, wie aus Isidor hervorgeht,
auch speziell den Stachel zum Anstecken der
Kerze; so auch Donat. ad Ter. Andr. I 1,88:
(funus) quod a funalibus dictum est, -i.e. uncis
vel euneis candelabroruni, quibus delibuti funes
pice vel cera infiguntur. Auch dies bestätigen
die Glossen, V 634, 54: candelae vel uncini ad
Vierter Abschnitt. Der Hausrat.
13!
funales cerei1) oder schlechtweg cerei heißen2). Diese eerei galten als die
bessern und teureren Kerzen, die der gewöhnlichen candela entgegengesetzt
werden3); es gab auch dafür besondere Leuchter, die ceriolaria liietien4).
Es scheint aber, dal.* sie, obschon sie als Saturnaliengeschenke besonders
beliebt waren5), im Hause selbst, abgesehen von den Saturnalien, an denen
man sie anzündete, weniger Anwendung fanden, als außerhalb: man be-
diente sich ihrer, um sich heimleuchten zu lassen G), sie wurden zu Kultus-
zwecken7), bei Hochzeiten8), namentlich aber neben Holzfackeln auch bei
Begräbnissen gebraucht9). Billiger und daher wohl vornehmlich vom
gemeinen Mann gebraucht waren die Talgkerzen, sebaceae10); sie werden
zwar unter diesem Namen selten erwähnt, es ist aber anzunehmen, daß
überall, wo die candela im Gegensatz zum cereus erscheint, eben eine
solche einfache Kerze gemeint ist11).
Gebräuchlicher im Haushalte, als die Kerzen, waren die Lampen,
lucernaeJ2), seltner und meist poetisch mit dem griechischen Namen li/chni
genannt13). Sie dienten bei den mannigfaltigsten Gelegenheiten zur Beleuch-
tung, vornehmlich bei der Mahlzeit14), beim Studium15), als Nachtlampe16),
in den Bädern usw.17) Diese verschiedenartige Benutzung hatte zwar eine
große Mannigfaltigkeit in Form, Ausstattung und Material der Lampen
zur Folge, doch war die Konstruktion resp. das Brennprinzip das ganze
Altertum hindurch (und im wesentlichen auch in der Folgezeit bis zur
Erfindung des röhrenförmigen Dochtes und des Glaszylinders18)) dieselbe
') Varr. a.a.O. Cic. de sen. 13,44: «7.
Duilius] delectabatur crebro funali et tibicine,
wo vielleicht (mit Mommsen Rom. Staatsr.'2 I
408 A. 6) cereo für crebro zu schreiben ist, mit
Rücksicht auf Val. Max. 111 6, 4: (C. Duilius)
ad funalem cereum,praeeunte tibicine et fidicine
(i cena domum reverti solitus est. Vgl. den Ar-
tikel funalis von Lafaye a. a. 0. 1360 ff.
2) Plaut. Cure. 9. Maecen. b. Sen. a. a. 0.
Digg. XXXIII 9, 3, 9,
3) Festus 54, 16: cereos Saturnalibus mu-
tiert'dubaut h hm Mores potentioribus, quia can-
delis pauperes, locupletes cereis utebantur. So
stehen candela und cereus Mart. XIV 40 u. 42
im Gegensatz; sie sind aber beide Geschenke
Aermerer an Reiche, s. Fkiedländer ebd. 277.
4) Inschriftlich, s. CIL VI 18; 9254; 30972.
5) Fest. a.a.O. Mart. 1 11,48; III 18,2; X
87, 5. Eine Erklärung für den Brauch versucht
Macr. sat. I 7, 32.
6) Diese Anwendung meint Mart. XIV 42
mit seiner Devise: hie tibi nocturnos prae-
Btabit cereus ignes. Dazu konnte man die Kerze
entweder in eine Laterne stecken oder offen
in einem ceriolare tragen.
7) Cic. de off. 11120,80.
8) Plut. qu. Rom. 2 p. 263 F.
9) Sen. dial. 1X11,7; X,20,5; ep.122,10.
10) Apul. met. IV 19; faces sebales bei
Amm.Marc.XVIlI6,15. Colum. II 21, 3 nennt
candelas sebare als ländliche Beschäftigung.
Die sebacearia, die bloß inschriftlich nach-
weisbar sind (CIL VI 2998 ff.; vgl. Pellegrini
B. d. 1. 1867, 8 ff.) sind nicht Leuchter für Talg-
lichter, sondern, wie Henzen ebd. 30 meint, ein
mit Anzünden von Talglichtern, als einer Art
Illumination, verbundenes Fest, vgl. dens.A. d.i.
XL VI (1874) 172 ff. Besnier bei D.-S. IV 1162.
n) Daher auch candela simplex, Varr. b.
Serv.ad Aen.I 727. Daß auch Pech in solcher
Weise zum Bestreichen von fiin iculi. verwendet
wurde, zeigt Donat a. a. O., doch dürfen solche
nicht mit den eigentlichen Pechfackeln, die
aus pechgetränktem Holze bestehen, verwech-
selt werden.
12) Vgl. Walz bei Pauly IV 1161 ff. Tou-
tain bei D.-S. III 1320 ff.
13) Enn. und Lucil. bei Macr. sat. VI 4. 18.
Lucr. V 295. Verg. Aen. 1 726. Stat. Theb. I 521.
Sid. Ap. ep. IX 13, 5 v. 49 ; in Prosa Cic. p. Cael.
28, 67.
14) Hör. carm. 1 27,5 ; III 8, 14. Petron. 64. 2.
Mart.X 19,18. luv. 6.305. Apul.met.IIll;XI 10.
15) Mart. IV 3, 18. luv. 1, 51 ; auch in den
Schulstuben, ebd. 7, 225.
16) Als lucerna cubicularis, Mart. XIV 39;
vgl. ebd. X 38. 7. Hör. carm. III 21, 23.
17) Mart. III 93, 14; in Pompeji fand man in
den alten Bädern gegen tausend Lampen. Lam-
penimBordellIuv.6,131.Mart.XII61,8. Ueber
die zahlreichen Gelegenheiten, bei denen Lam-
pen zur Verwendung kamen, handelt unter Bei-
bringung vieler Belegstellen Miller a.a.O. 29 ff.
ls) Durch Aime Argand im Jahre 1789, vgl.
G. Lunge Beleuchtung sonst, jetzt und einst.
Zürich 1900. S. 12.
136
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
ungemein einfache und, wegen des dabei sich entwickelnden Rauches und
Kusses1) sowie wegen der Notwendigkeit, öfters wieder frisches Öl nach-
zugießen , weil die Behälter nicht für längere Zeit ausreichten 2) , sehr
wenig praktisch. Die Grundform ist ein meist flacher Ölbehälter, in den
das Öl durch ein an seiner obern Fläche angebrachtes Loch eingegossen
wird 3) , und die aus dem Ölbehälter etwas vorstehende Schnauze oder
Tülle, die bald mit dem griechischen Namen mt/xa4), bald mit dem
entsprechenden lateinischen rostrumb) genannt wird. Das zum Eingießen
des Öles bestimmte Loch hatte vielfach noch einen besondern Deckel, durch
den es verschlossen werden konnte, der freilich in den meisten erhaltenen
Exemplaren verloren gegangen ist6); bisweilen befindet sich in der Nähe
noch eine zweite Öffnung, die dazu bestimmt ist, entweder den Docht
vermittelst einer Nadel7) (wie sich solche, in Kettchen an der Lampe
befestigt, noch erhalten haben8)) vor- oder zurückzuschieben, oder auch,
um den nötigen Luftdruck zu vermitteln, wenn das Eingußloch durch den
Deckel geschlossen war; vgl. Fig. 37 9). Die meisten Lampen haben bloß
eine einzige Schnauze, doch gab es daneben zahlreiche mit zwei, drei und
mehr Schnauzen10), wie sich denn solche bis zu sechzehn erhalten haben11)
und eine mit zwanzig erwähnt wird12). Viele Lampen, die nicht vom Platz
getragen werden sollten, haben nur diese Bestandteile; die meisten aber
haben, da sie transportiert werden mußten, einen Griff oder Henkel, der
an den einfacheren Exemplaren oft nur ein Ring, an besseren kunstvoll mit
Palmetten, Ranken u. dgl. verziert ist; diejenigen Lampen, die zum Auf-
') Darüber wird oft geklagt, vgl. Vitr. VII
3.4;4,4. Plin. XXVIII 163. luv. 6, 131 ; 11, 172.
Senec. controv. I 2, 21. Mart. XII 61,8.
») Vgl. Petron. 21, 3 u. 6. Apul. met. II 24.
3) Es ist ungewiß, ob die bronzenen Känn-
cben mit länglichem, röhrenartig zulaufendem
Schnabel bei Roux und Barre VI 70 dazu be-
stimmt waren, frisches Oel auf die Lampen zu
gießen, wie ebd. S. 65 und bei Becker-Göll 397
angenommen wird.
4) Mart. XIV 41, 2.
5) Plin.XXVIIl 163. Marquardt 643 A.6
vermutet, sie habe auch nasus geheißen, wie
die .Schnauzen an Töpfen und Bechern; Beleg-
stellen dafür liegen nicht vor.
6) Erhalten z. B. Roux und Barre VI 32;
36 ff.
7) Acus, Verg. Mor. 10: admovet his pro-
nam aubmdssa fronte lucernam \ et producä
acu stuppas umore carentis.
8) Vgl. Roux und Barre VI 34; 39; 44. Mau
Pompeji 392 Fig. 214. Bisweilen sind zwei Na-
deln angebracht, von denen die eine spitze, wie
BECKER-(iöLL389meint.dazu diente, dieSchnup-
pe (funfftu, Verg. Georg. I 392, ebd. Serv. Plin.
XVI II 357; XX VIII 163) vom Docht zu entfer-
nen, die mit Haken, den Docht hervorzuziehen.
Letzteren Zweck erfüllten wohl auch die zahl-
reich in Pompeji gefundenen kleinen Zangen,
Roux n. Bakkk Vi 89. Toütain a. a. 0. 1322
Big. 4566.
9) Die nach Roux u. Barre VI 39 (Ant.
di Ercol. III 243) wiedergegebene Bronzelampe
aus Stabiae, an der der Docht bei der Auf-
findung noch erhalten war, hat zwei Schnauzen
und hängt in Ketten; die kleinen Zangen und
der Haken dienten zum Aufstochern des Doch-
tes. Andere Hängelampen s. unten Fig. 41. Mau
393 Fig. 215.
10) Dafür kommt der Ausdruck lucerna
polymyxos bei Mart. XIV 41 vor. Von den
andern Bezeichnungen, die Becker-Göll 396
anführt, ist in römischen Quellen nur die lu-
cerna bilychnis bei Petron. 30,3 zu belegen;
die andern, wie öifwiog, rgi/Avt-oi;, kommen
wohl in griechischen Quellen vor (Ath. XV
700 F. Poll. VI 103), sind aber in lateinischen
nicht nachweisbar, und ntonomyxos oder mo-
nolychnos lassen sich überhaupt nicht be-
legen.
") Ant. di Ercol. VIII 81; 139. Roux und
Barre VI 32 ff. ; 36 ; 42 ff. Mau R. M. IV (1889)
15. Not. d. scavi 1909, 119 Fig. 2; namentlich
die Kronleuchter (s. u.) pflegen viele Tüllen zu
haben, so der herkulanische, Roux und Bakkk
VI 31. Mau 393 Fig. 215, neun, eine Tonlampe
zum Aufhängen aus Velletri zehn, Not. d. scavi
1909, 118 Fig. 2, und der prächtige etruskische
in Cortona, Mon. d. Inst. III 41 f. Blümner
Kunstgewerbe I 180 Fig. 117 ff., sogar sech-
zehn.
") Anth. Pal. VI 148.
Vierter Abschnitt. Der Hausrat.
137
■Ingen, sei es an einem Leuchter sei es an der Decke l), bestimmt waren,
waren mit zwei oder
drei in kleinen Ösen
bangenden und ober-
halb in einemRing ver-
bundenen Kettchen
versehen (was aber
hei Tonlampen selten
war). DerBodenistbei
den ineisten Lampen
flach, sodate sie be-
quem stehen konnten ;
doch kommen auch
solche mit hohlem Bo-
den oder mit einem
Loch im Boden vor,
wenn die Lampe auf
einen Leuchter mit
Spitze, auf die sie auf-
gesteckt wurde, zu
stehen kam2). Die
Bronzelampen haben
häufig noch einen be-
sondern Fuß, der bei
den tönernen nicht üb-
Kchist. Daneben kom-
men Lampen vor, die
allerlei Formen auf-
weisen und als Tiere,
Köpfe, Füße, Kähne u.
Ig], gestaltet sind3).
Als Brennmaterial
j- ii-i Fig. 37. Bronzelampe mit Xadel und Zangen zum Dochthenuisziehen,
diente vornehmlich b * aus stabiae.
Olivenöl, wenn auch
freilich nichtdie beste Sorte davon4); auchRizinusöl wurde zumBrennenbenutzt5).
') Vgl. Lucr. V 295: pendentes lychni.
V erg. Aen. 1 726: dependent lychni laquearibus.
Petron. 30. 3: lucerna bilychnis de camerapen-
debat. Stat. Theb. I 521. Claudian X 207. Sid.
Apoll, ep. IX 13, 5 v. 48 f. Paulin. Nol. carm.
XIX 412: at medio in spatio fixt laquearibus
ii/tis yendebantper a'ena cani retinacula lych-
ni. Nach Isid. XX 10.4 hätten solche Hänge-
lampen lacunaria geheißen : lacunaria jxmden-
tia lumina, quasi lucanaria, id est in a'ere lu-
centia, So auch Corp. Gloss. IV 104,8; 253,43;
532, 13 und vgl. dazu Nettleship im Journ. of
philol. XIX (1891) 184.
2) Vgl. Wieseler G.g.N. 1870. 210. Auch
das Umgekehrte kommt vor, daß sich am Boden
ein Stift befindet, der in die Tülle eines Leuch-
ters gesteckt wurde, s. Toutain 1336Fig.4612.
3) Beispiele bei Toutain 1324 f. Fig. 4580
bis 4587.
4) Vgl. Hör. sat. 1 6. 274, wo einer verhöhnt
wird, der das Lampenül zum Salben des Körpers
benutzt. Umgekehrt erscheint es als Luxus,
wenn wohlriechendes Oel auf die Lampe ge-
gossen wird, wie Petron. 70, 9; Mart. X 38, 8.
5) Diosc. IV 161. Plin. XV 25; doch war
es nach dems. XXIII 84 nicht empfehlenswert,
da es zu fett sei und daher kein helles Licht
gebe. In einigen Gegenden, wo Naphtha und
Erdöl vorkam, bediente man sich desselben
statt Brennöls, Plin. XXXI 82; XXXV 179.
1/
138
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
Fig. 38. Tonlampen aus Herkulaneum.
Den Docht (ellychnium1)
stellte man aus Werg von
Flachs oderHanf her 2) , aus
Binsen und papyrusähn-
lichen Pflanzen 3),ausBlät-
tern des Wollkrauts (Kö-
nigskerze), das daher thry-
allis oder lychnitis hieß4),
und andern Stoffen mehr5).
Hergestellt wurden die
Lampen in der weitaus
größten Zahl aus Ton6).
Die Menge der auf uns ge-
kommenen römischen
Tonlampen ist unendlich
groß7). Sie sind durchweg
in Modellschüsseln herge-
stellt8), und fast immer
enthält die obere Fläche
eineReliefdarstellung(vgl.
Fig. 38 9)). die oft in ge-
schickter Weise der Be-
stimmung des Gefäßes an-
gepaßt ist. Doch ist das
meiste kunstlose Fabrik-
ware. Eleganter, reicher
verziert und oftmitgetrie-
benen Reliefs oder gegos-
senenFiguren geschmückt
sind die Bronzelampen10),
deren namentlich Pompeji
') Vitr. VIII 1.5. Stat. silv. IV 9,25.
2) Plin. XIX 17. Verg. mor. 11.
s) Plin. XXI 114; XXVIII 168.
«) Plin. XXV 121.
b) Plin. XVI 38 nennt ein Parasitgewächs
der Eiche als dafür brauchbar; feiner XXIII 84
die uvae der Rizinuspflanze, was unklar ist;
auch Schwefel kam bei der Herstellung der
Dochte zur Anwendung, ebd. XXXV 75, wie
denn Schwefelfäden (sulphurata) zum An-
zünden der Lampen benutzt wurden, Mart. I
41, 4; X 3, 3; XII 57, 14. Stat. silv. 16, 73 f. Vgl.
Blümner Technologie II 160 A. 5.
6) LucernaefictileSfPetYon. 69.4. Die mar-
morne Lampe Not. d. scavi 1909. 28 f. 1 ff. diente
nuralsUnterlage für den ausMetall gearbeiteten
Oelbehälter.
') Leider gibt es kein brauchbares neueres
Corpus der alten Tonlampen, und die älteren
Sammelwerke von Licetus De lucernis anti-
quorum, Utini 1652, Santi B artoli und Bellori
Le antiche lucerne sepulcrali, Lugd. Bat. 1702,
und Passeri Lucernae fictiles, Pisauri 1739 ff.,
sind in den Abbildungen teilweise sehr un-
zuverlässig. Von neueren Arbeiten kommen
vornehmlich in Betracht Kenner Die antiken
Tonlampen, Wien 1858, und Wieseler Ueber
die Kestnersche Sammlung von antiken Lam-
pen, G. g. N. 1870, 163 ff. Anderweitige Litera-
tur s. bei Marquardt 642 A. 3 und To utain
1339.
8) Näheres bei Birch History of anc. pot-
tery II 271. Blümner Technologie II 109.
9) Sieben Tonlampen ausHerkulannm.mit
einer, zwei und drei Schnauzen, nach Roux u.
Barre VI 41.
10) Lampen aus korinthischem Erz erwähnt
Plin. XXXIV 7.
Vierter Abschnitt. Der Hausrat.
189
und Herkulaneum eine stattliche Zahl schönster Exemplare geliefert haben.
Hier tritt zum Ornamentalen sehr häutig die menschliche Figur hinzu, in-
dem eine solche als Träger der Lampe erscheint oder auf der oberen Fläche
als Zierat angebracht ist1)- Auch aus andern Metallen wurden Lampen
angefertigt: billige aus Blei2) oder Eisen3), kostbare aus Silber4) oder
Gold5). Seltner ist Stein dazu verwendet") worden oder Glas7).
Einen nicht unwichtigen Bestandteil des Hausrats bilden die Leuchter
und Lampenträger8). Die Kerzen bedurften, wenn sie nicht wie Fackeln
bloß in einen in der Hand zu tragenden Griff gesteckt wurden, was wohl
nur der Fall war, wenn man sich ihrer zum nächtlichen Heimweg bediente,
ganz besonders eines Gestells, für das wir die Bezeichnungen funale und
ceriolare schon kennen gelernt haben9). Der eigentliche Name war cande-
labrum; doch hatte gerade dieser schon früh seine ursprüngliche Bedeutung
eingebüßt und war die übliche Benennung für den Lampenträger geworden10).
Die Befestigung der Kerzen an diesen Leuchtern geschah auf doppelte Art:
am häufigsten waren am Leuchter Spitzen oder Stifte angebracht, auf die
die Kerzen aufgesteckt wurden11), und in dieser Weise sind namentlich an
den in etruskischen Gräbern gefundenen Bronzeleuchtern die Kerzen be-
festigt gewesen12); oder, was sich aber seltener findet, es war anstatt der
Spitze eine zylindrische Tülle da, in die die Kerze eingedrückt wurde13).
Zwei Formen kommen vornehmlich für Kerzenleuchter vor: die ungewöhn-
lichere, in einigen Funden vertretene14) ist die eines flachen Tellers oder
einer vertieften Schüssel, die in der Mitte einen Stift oder eine Tülle zum
*) Zusammenstellungen bei Overbeck
431 ff. Fig. 231. Mau 392 f. Toutain 1328 ff.
Roux u. Baske VI 34 ff.
2) PASSERia.a. O.Ip. XIII. Dressel A.d. I.
LH (1880). 333 tav. d'agg. P 20 f. (doch mehr
Lampen Untersätze als Lampen selbst). Vivanet
Not. d. scavi 1891, 301. Wieseler a.a.O. 164.
3) Ant. di Ercol. VIII p. 2 N. 3.
*) Kenner a. a. 0. 24 A. 10.
5) Eine goldene Lampe in Form eines
Kahns bei einer Prozession, Apul. met. XI 10;
auratilychni, Stat.Theb. 1 521 ; eine in Pompeji
gefundene goldene Lampe Brunn B. d. I. 1863,
90; eine mit Gold eingelegte aus Oberitalien
Not. d. scavi 1894, 3.
6) Lioetus De lucern. antiqu.p. 1136. Ken-
ner 25 A. 10; vgl. Toutain a. a. 0. 1321 A. 32.
Eine marmorne Lampe mit acht Schnauzen s.
Not. d. scavi 1909, 28 Fig.l.
7) Passeri a. a. O. I tav. 1 ; vgl. Prudent.
cathem. V 144. Paul. Nol. natal. XI 416 : vitre-
olos gestant tamquam sua poma caliclos (sc.
lychni).
8) Saglio Artikel candelabrum bei D.-S.
I 869 ff. Mau bei P.-W. III 1461 ff.
9) Siehe oben S. 134 f.
10) Varr. 1. 1. V 1 19 : candelabrum a candela,
txhis enim funiculi ardentes figebantur. Plin.
XXXIV 11: nee pudet tribunorum militarium
salarüs entere (candelabra), cum ipsum nomen
acandelarum honine inpositumappareat. Fest.
46,7: candelabrum dictum, quod in eocandelae
figantur. Isid.or. XX 10,3: eandeldbrwH a can-
delis dictum est, quasi candeluferntu, guod cini-
delamferat. Serv. ad Aen. 1 727: nonnuUiapud
veteres candelabra dieta tradunt, quae in ca-
liitibus uncinos haberent, quibus affigi sole-
bant vel candelae vel funes pice delibuti; quae
interdum erani minora, ut gestari manu et
praeferri magistrattbus a cena remeantibus
possent.
n) Das sind die uncini in der eben an-
geführten Stelle des Servius; uneus oder cu-
neus nennt sie Donat. ad Ter. Andr. 115; Sti-
muli adunci Isid. or. XX 10, 5. Vgl. Paul. Nol.
a. a. O. 410: (candelabra) depietas [1. defixas]
crtantes gerunt quae cuspide ceras.
u) Vgl. Saglio a.a.O. 872. In eigentümlicher
Weise sind an dem oben (S. 134 A.l) erwähn-
ten Leuchter eines etruskischen Grabgemäldes
die Kerzen angebracht: der Leuchter läuft oben
in drei Vogelschnäbel aus, auf denen die Kerzen
seitlich aufgespießt sind. Es kommt auch vor,
daß die Spitze zum Aufstecken sich in einer
kelchartigen Hülse befindet, s. Saglio 871 Fig.
1080; das hatte offenbar den Zweck, daß das
herabträufelnde Wachs sich dort sammeln
sollte.
13) Saglio 870 Fig. 1076 ff.
14) Mitteil, der antiquar. Gesellschaft in
Zürich XVI Taf. 13 (oben rechts). Saglio a. a.O.
Fig. 1075 f.
140 Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
Aufstecken der Kerze und als Griff einen einfachen Ring haben; von der-
artigen Leuchtern, die ganz unsern gewöhnlichen Handleuchtern gleichen,
sind bisher nur tönerne Exemplare bekannt1)- Häufiger ist aber die Kande-
laberform. Diese Leuchter, meist aus Bronze, stehen fast immer auf drei
Füßen2) und haben einen mehr oder weniger hohen, schlanken und oft
reich verzierten Schaft, der oben kelchartig oder in Spitzen ausläuft. In
der Regel ist unterhalb der Spitze eine runde Scheibe mit nach unten ge-
bogenem Rande angebracht, die den Zweck hatte, die Hand, die unterhalb
davon den Leuchter gefaßt hielt, vor dem herabträufelnden Wachs oder
Talg zu schützen. Die etruskischen Kandelaber, die zur Zeit der Republik
wohl auch im römischen Hause üblich wraren, sind meist sehr einfache
Schäfte mit seitlich daraus hervorstehenden, nach oben umgebogenen Spitzen
zum Aufstecken der Kerzen3), oft aber auch figürlich verziert: mit Tieren,
die am Schaft hinaufklettern, oder mit menschlichen Figuren, die den Schaft
oben krönen oder unten angebracht den Schaft in der Hand halten4).
Die als Lampenträger dienenden Kandelaber, deren uns namentlich
eine reiche Auswahl prächtiger Stücke aus Pompeji und Herkulaneum über-
kommen sind5), führen mitunter den griechischen Namen lychniichas6). Sie
haben im wesentlichen die Leuchterform mit geringen Veränderungen über-
nommen, vor allem indem an Stelle der zum Aufstecken der Kerzen be-
stimmten Stifte oder Tüllen eine Scheibe oder ein Teller trat, auf den die
Lampe gestellt wurde. Meist sind sie ziemlich hoch7) und dazu bestimmt,
auf den Fußboden gestellt zu werden; manche haben die Einrichtung, daß
der Schaft länger oder kürzer gemacht oder der Lampenteller in einer
Hülse im Schaft auf- und niedergeschoben werden kann*). Die Füße sind
meist als Tierklauen gestaltet; über ihnen liegt öfters, um ihnen größeres
Gewicht gegenüber der Last des Schaftes mit den Lampen zu geben, eine
runde Platte, aus der sich der glatte oder kannelierte, schlanke Schaft
erhebt, der oben durch ein Kapitell in den glocken- oder kelchförmigen,
manchmal von einer Sphinx oder einer Büste getragenen und in den runden
Lampenteller endigenden Abschluß übergeführt wird. Andere Kandelaber,
die dazu bestimmt waren, auf einen Tisch gestellt oder in der Hand ge-
') Aehnliche Exemplare, aber ohne Hen- leichter verpackt werden konnte; s. Roux u.
kel. mit um laufender tellerartiger Rinne für den j Barre VI 25. Overbeck 437 Fig. 234c.
hei abtriefenden Talg, sind auf der Saalbarg ge- ! 3)Mon.d.Inst.Suppl.tav 9,25. Not. d.scavi
funden worden, s. Jacobi Das Römerkastell j 1894, 239; 1895,312 t'.; 1900, 481; 1908, 431.
Saalburg460 Fig.72, 1 u.2. Ebendaherstammen : 4) Mus. Gregoriano I 53. Saglio 872 Eig.
becherartige Leuchter aus Weißmetall, abgeb. j 1087 f. Blümner Kunstgewerbe im Altert. II 75
ebd. Nr. 5 u. 6. sowie Taf. LVII17u. 9;sieglei- i Eig. 34. Ueber die verschiedenartigen Formen
chen unseren Eierbechern und zeigen die prak- vgl. Eriederichs Beil. ant. Bildwerke II 169 ff.
tische Einrichtung, daß sich oben und unten i ») Roux u. Barre VI 7 ff. Overbeck 437
eine rtille von verschiedenem Durchmesser be- j Eig. 234. Mau 394 Eig. 2 1 7. Pernice A. A. 1900,
Bildet, sodaß man denselben Leuchter für Ker- 180 ff. Fig. 3 ff.
zen von verschiedener Stärke benutzen konnte. | «) Nur hat das Wort einen^veiteren Sinn,
) An einem Kandelaber, der aber kein j indem jeder Lampenhalter so^nezeiclmetx^ird,
Kerzenleuchter, sondern ein Lampentiäger ist. ! a. Cic.adQu.fr. III 7,2. Plin/ XXXIV 14. Suet.
findet sich die Vorrichtung, daß die drei als j Caes. 37; Domit. 4.
Tierklauen gebildeten Füße mittelst daran be- <) Daher Apul. met. II l\ : de specula can-
hnd lieber Scharniere zusammengelegt werden delabri.
konnten, sodaß sie parallel lagen; das war ») Saglio 874 Fig. 1096. Roux u. Barre
vermutlich, damit der Leuchter auf Reisen VI 3 u. 25.
Vierter Abschnitt. Der Hausrat.
141
tragen zu werden, zeigen ähnliche Formen, aber mit niedrigem Schaft ') (vgl
Fig. 39 2)). Bisweilen ist der Schaft
naturalistisch als Baumstamm be-
handelt, der sich oben in mehrere
Äste teilt, auf denen dann die Lam-
penteller aufsitzen (Fig. 40) 3). oder
wenn der Kandelaber für Hänge-
lampen bestimmt ist, sind diese mit
den Ringen der Kettchen an den
Zweigen aufgehängt4). Ahnliches
kommt dann auch in stilisierter
Form vor. indem der Schaft als
Säule oder Pfeiler gebildet ist und
oben in Hanken und Palmetten aus-
läuft, an denen die Lampen hängen
(Fig. 41)6).
Noch niedriger (etwa 0.15 Meter
hoch) sind dann die Lampenunter-
setzer, bei denen der Teller un-
mittelbar über den drei Füßen auf-
liegt, und die auch auf den Tischen
standen0). Endlich gab es auch
Lampenhalter, die an der Decke
schwebend angebracht waren, lych-
nuchi pensiles7).
Das Material der Kandelaber war
für die einfachen und billigen Exem-
plare Holz8), am üblichsten aber
Bronze9), aus der weitaus die Mehr-
zahl der erhaltenen Exemplare be-
steht. Nach Plinius waren in
Aegina und Tarent besonders berühmt, indem Tarent die Schäfte (ßcapi).
Fig. 89. Kandelaber ans Pompeji.
der Kaiserzeit dafür die Fabriken von
*) Vgl. das kutnüe eanddabrum in der
Anekdote bei Quint.il. VI 3, 99, oder Petron.
75,10: tarn magntis er Äsia veni, quam hie
candelabrus est. Beispiele Overbeck Fig. 233 a.
Roux u. Bahre VI 1.
2) Zwei Kandelaber aus Pompeji, nach
Photographie.
3) Overbeck: a. a. 0. b und d. Saglio 873
Fig.l097f. Rouxu. Barre VI 10u.28. Unsere
Figur 40 nach Photographie.
4) Overbeck ebd. c. Mau 396 Fig. 220.
Roux u. Barre VI 2.
') Nach Photographie, auch abgeb. Over-
beck a. a. O. e. Mau Fig. 219. Saglio a.a.O
Fig. 1 100. Roux u.Barre VI 5: andere Beispiele
ebd. Taf.l— 4; 6.
6) Overbeck 435 Fig. 232. Mau Fig. 221.
Roux u. Barre VI 33: 35—37. Pernice A. A.
1900, 182 Fig. 7.
•) Plin. XXXIV 14. wo es aber Kron-
leuchtei lui Tempel sind. Verschiedene dei oben
S. 137 A. 1 angeführten Stellen können anstatt
auf Hängelampen auch auf Hängeleuchter be-
zogen weiden: so auch Prud. catb. V 141 : pen-
dent mobilibus lumina fauoäms, quae suffisea
micani per laquearia.
8) Caecil. bei Non. p. 202, 12. Cic. ad Qu.
fr. III 7. 2. Petron. 95,6. Mart. XIV 44 als (be-
schenk des Armen. Erhalten sind Reste von
vier hölzernen, mit Knochenverzierungen ver-
sehenen Kandelabern aus einem Grabe bei As-
sisi. Not. degli seavi 1 878. 128. Die oben S. 1 39 f.
erwähnten Kerzenleuchter sind aus Ton; ein
tönerner Kandelaber im Museum zu Neapel
gehört nach Mau bei P.-W. 1463 dem 4. Jahrb.
n. Chr. an.
9) Cic. Verr IV 26, 60; auch wohl die ebd.
II 74, 183 erwähnten waren bronzene Kande-
142
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
Aegina die Oberteile (superficies) lieferte1). Auch Silber und Gold wurden
zu "kostbaren Kandelabern verwendet2), und selbst Verzierung mit Edel-
steinen wird erwähnt3). Große Marmorkandelaber, die sich mehrfach in
teilweise ganz herrlich skulpierten Exemplaren erhalten haben4), standen
Fig. 40. Kandelaber mit zwei Lampen, ans Pompeji.
wohl nur in Palästen und Tempeln und dienten auch wohl nicht, um Lampen
darauf zu stellen, sondern für Metallbecken mit Pechflammen u. dgl.
Endlich haben wir noch als eines sehr häufig erwähnten Beleuchtungs-
gerätes der schon den Griechen bekannten Laterne5) (laterna oder lan-
terna6)) zu gedenken. Sie hatte meist runde Form; als durchsichtige
laber aus korinthischem Erz, obschon Plin.
XXXIV 12 behauptet, es gebe keine aus echtem
korinthischen Erze. Aber in der Kaiserzeit
war das ein Name nicht für die Herkunft,
sondern für die Spezies der Bronze geworden,
und so figuriert ein candelabrum Corvnihium
auch unter den Saturnaliengeschenken bei
Mart. XIV 43. Bronzene Kandelaber in Tem-
peln s. CIL VIII 12001. Die candelabrarii, CIL
VI 9227 f., waren wohl Erzarbeiter. — Eiserne
Kandelaberwerden nicht erwähnt,kommen aber
in Eunden vor, freilich in sehr einfacher Form,
so in Pompeji, Mau a. a. 0. 1462; in Heddern-
heims..TAcoBiSaalburg460. Kleine Kandelaber
aus Blei, die nicht bloß Grabbeigabe, sondern
Kiauchgerät zu sein scheinen, aus sardinischen
Gräbern, s. Patroni Mon. d. Line. XIV 182.
J) Plin. a. a. 0. 11 : privatim Aegina can-
delabrorum superficies dumtaxat elaboravit,
sind Tarentum scapos, in iis ergo iuncta com-
mendatio officinarum est.
■0 Digg. XXXIV 2, 19, 8.
3) Cic. Verr. IV 28, 64 f.; freilich handelt
es sich da um ein Weihgeschenk für einen
Tempel und um griechische Arbeit.
4) Vgl. Mus. Pio-Clem. IV 1-5; V 1—3;
VII 37-40. Saglio 873 Fig. 1091ff. Bm}mner
Kunstgewerbe 70 Fig. 30-32.
ä) Toutain bei D.-S. III 924 f. Becker-
Göll 404.
6) Die Form lanterna ist die ältere, da sie
vom griech. XafinxrjQ herkommt, s. Bücheler
Rh. Mus. XVUI (1863) 393. Schmitz ebd. XIX
(1864) 301. Curtius Gr. Etymol. 265.
Vierter Abschnitt. Der Hausrat.
11:;
Scheiben dienten in der Zeit, wo das Glas noch seltner und teurer war,
feingeschabte Hornplatten1); billiger war Tierblase2) oder geölte Leinwand3).
Später war Glas wohl das
gewöhnliche, obschon es
erst spät erwähnt wird4).
Das Beleuchtungsmate-
rial war entweder eine
Kerze oder ein kleinesda-
rin aufgestelltes Öllämp-
ehen5). Man bediente sich
der Laterne teils im Hau-
st' ), teils auf derStraße7).
Bronzene Laternen ha-
ben sich, wenn auch ohne
Scheiben, in Pompeji und
anderwärts mehrfach ge-
funden; sie sind rund,
öffnen sich aber nicht, wie
die ! unsrigen . seitlich ,
sondern der halbkugel-
förmige, zum Abzug des
Rauches durchbohrte
Deckel, der an einem be-
sonderenKettchenhängt,
ist beweglich und kann in
die Höhe gehoben wer-
den; eine kleine Öllampe
von besonderer Form
Stellt darin. An der hier *'£• 4*- Kandelaber mit vier Lampen, aus Pompeji.
(Fig.42) abgebildeten La-
terne8) gibt 1 die Ansicht mit geschlossenem. 2 den Durchschnitt bei auf-
gezogenem Deckel. 3 ist eine der Stützen, die den Boden und den obern
') Plaut. Amph. 341. Mart. XIV 61. Plin.
XVI 49; vgl. ebd. XI 126. Priap. 32, 14. Vgl.
auch Lucr. II 388 und das Rätsel des Sympho-
sius n. 67 (Riese Anthol. Lat. I 200).
*) Mail. XIV 62 wird die lanterna de vesica
der cornca, als der teureren, gegenübergestellt.
3) Plaut. Bacch. 446. Cic. ad Att. IV 3, 5.
Welcher Art die lanterna Punica Plaut. Aul.
566 war, ist unsicher; die Glossen erklären:
apettibus, quas ab angulis (al. anculis) regu-
lanim adflxas extendunt, Corp. Gloss. V 30.8;
: 111,46; darnach möchte man annehmen,
daß hier dünnes Leder zur Anwendung kam.
<) Isid. or. XX 10, 7.
5) luv. 5, 87 f. : pallidus . . . caulis oleblt
lanternam. Corp. Gloss. IV 104, 33: lanternae
arctdae sunt vitro clausae, intra quas ponuntur
hicernae auf cirindelia, quas circumferunt ad
fraehendum hinten, quod venti flatus adirc non
potest etc.; vgl. V 111, 12; 215. 17 (cicindela ist
spätere Bezeichnung für cand e!a,ebd. II 338, 24).
6) Cic. ad Att. a. a. O.
7) Val. Max. VI 8. 1 ; daher der begleitende
Sklave laterttarma hieß, Cic. in Pis. 9, 20. Man
vgl. die Darstellungen von solchen Sklaven
mit der Laterne in der Hand, zumal die Ton-
figur des Knaben im Cucullus, der beim War-
ten eingeschlafen ist, bei Deohelette Rev.
archeol. 3 Ser. XL (1902) 392 ff.; auch Linden-
schmit Altert, uns. heidn. Vorzeit IV Taf. 64,8.
Auf den Gebrauch der Laternen im Seewesen
und im Kriege kann hier bloß hingewiesen wer-
den : vgl. Toutain a. a. O. Miller a. a. O. 71 f.
8) Mus.Borb.V12. Rouxu. Barre VI 62.
Toutain Fig. 4337. Overbeck 448 Fig. 246 (da-
nach unsere Fig. 42). Eine Laterne aus Bosco-
reale Mon. d. Line. VII 500 Fig. 69. Pernice
A. A. 1900, 193 Fig. 22 ff. Laternenlämpchen
144
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
Rand, auf dem der Deckel ruht, verbinden; 4 zeigt den Deckel in Ober-
ansicht mit Luftlöchern für den Abzug des Rauchs, und 5 ist der Licht-
löscher.
Der tragbaren Kohlenbecken, die zur Heizung dienten, haben wir
bereits oben (S. 105) Erwähnung getan und können uns daher hier mit
diesem Hinweis begnügen. Spiegel, die bei uns zum gewöhnlichen Hausrat
gehören, spielen im römischen keine
wichtige Rolle, da man sich meist mit
den (unten zu besprechenden) Hand-
spiegeln begnügte; immerhin gab es
doch schon Wandspiegel von größeren
Dimensionen, und wenn auch die Er-
wähnungen solcher nicht, häufig sind
und vornehmlich davon berichtet wird,
daß die Barbiere in ihren Läden solche
anbrachten1), so mögen dergleichen doch
auch in den Wohnungen nicht selten zu
finden gewesen sein2); ja Seneca be-
richtet3), daß man Spiegel, die die ganze
Figur wiedergaben, aus Silber und Gold
mit Schmuck von Edelsteinen herstellte.
Allein da man so große Spiegel aus Glas noch nicht herzustellen verstand
und Metallplatten von solchen Dimensionen jedenfalls sehr kostbar waren,
so behalf man sich öfters damit, daß man glattpolierte Platten von dunklem
Stein in die Wand einsetzte, von Obsidian4) oder von dem sogenannten
Phengites5). .
Von den Vorhängen (vela, aulaea6)), die an Türen oder an den Inter-
kolumnien von Atrien und Peristylen angebracht waren, ist schon früher
Fig. 42. Laterne aus Herkulaneum.
jACOBiSaalburgTaf LVIII8u.S.460 Fig. 72.4;
vgl. Friederichs Beil. antike Bild w. 189 Nr. 760.
Dragendorff Rhein. Jahrb. 113. 237. Ein lan-
ternarius als Verfertiger von Laternen CIL X
3970, falls nicht damit ein Sklave als Laternen-
träger gemeint ist (vgl. Dessau 7643).
') Das finden wir bereits in alexandrinischer
Zeit, vgl was Vitr. IX 9 (8), 2 über eine Erfindung
erzählt, die Ktesibios im Barbierladen seines
Vaters an dessen Spiegeln anbrachte. Luc. adv.
ind. 29 erwähnt unter dem Handwerkszeug
eines Barbiers auch xdtQjnga ftsydfot, im Ge-
gensatz zu den xdxojttga ar/i/ieron eines ge-
schickteren Kollegen.
*) Digg. XXXIV 2, 19. 8: speculum purieti
affixum. Man kann als Beleg auch die schmu-
tzige Geschichte heranziehen, die Seneca n. qu.
1 16 von einem Freigelassenen Hostius Quadra
erzählt und die bekanntlich später von einem
törichten Scholiasten vomHoraz berichtet wird
(Schol. Hör. ep. 1 19, 1), von wo sie in die Sue-
tonische Vita des Horaz übergegangen ist, s.
Reiffekscheid Suet. rel. 389; man vgl. Les-
sings Rettungen deslloraz (Schriften III 1. Ber-
lin 1754).
3) Sen. n. qu. 117,8: postea iam verum
potiente luxuria specula totis paria corporibus
auro argentoque caelata sunt, gemmis deinde
adornata.
4) Plin. XXXVI 196 vom lapix öbsiamtä
der allem Anschein nach unser Obsidian ist:
crassiore visu atque in speculis parietum prq
imagine umbras reddente ; darnach Isid. or.XVI
4. 21 und ebd. 16. 5, wo der Stein obsidius (resp.
obsidianus) lapis genannt wird. Vgl. Blümneb
Technol. III 273 f.
5) Suet. Domit. 14 : parietes pheng itc lupide,
distinxit, c cu ins splendore per imagines quid-
quid a tergo fieret provideret. Anders ist die
Anwendung des Steins bei Plin. XXXVI 163
und Isid. or.XVI 4, 23. Vgl. Blümner a.a.O. 68.
Mau B. d. I. 1883, 79 vermutete daß eine an
der Wand eines pompejanisenen Haukes be-
festigte dunkelblaue Glasplatte dem gleichen
Zweck gedient habe.
6) Aulaeum (nach dem griech. avla(a) hat
man später von den aulaea Attalica ableiten
wollen, indem erst durch die Attalen von I'er-
gamon solche kostbare, goldgewirkte (Plin. VIII
196: aurum intexere in eadem Asia invenü
Vierter Abschnitt. Der Hausrat.
145
die Rede gewesen (s. oben S. 29 u. 35). Solche wurden auch als Zierde und
Ersatz von Wandmalereien an den Wänden aufgehängt1); ob sie auch bal-
dachinartig horizontal unter der Decke ausgespannt wurden, ist streitig2).
Daß die Römer für ihre Stein- und Mosaikböden auch Bodenteppiche
gehabt haben, zumal in den Schlafzimmern, ist von vornherein anzunehmen,
obschon es sich ausdrücklich nicht belegen läßt, da der für Teppiche
übliche Ausdruck tapetia in den Belegstellen entweder allgemein Teppiche,
ohne Angabe der Verwendung, oder speziell Bettdecken bedeutet (s. oben
S. 116)3). Jedenfalls haben sie zum gleichen Zweck sich der Tierfelle
bedient; es ist anzunehmen, daß die im Edikt des Diokletian aufgeführten
Felle von Hirschen, Wölfen, Bären, Leoparden, Löwen wohl vornehmlich
zu Fußteppichen bestimmt waren4).
Waschtische nach moderner Art kannten die Römer nicht; bei dem
starken Gebrauch der Bäder, der in der Kaiserzeit zum täglichen geworden
war, war das Bedürfnis nach solchen nicht vorhanden. Daher wird auch
das Waschgerät5), abgesehen vom Waschen der Hände beim Mahle, selten
erwähnt; am häutigsten eben die zum Händewaschen notwendigen Gefäße,
Waschbecken und Gießgefäße, wobei die Anwendung in der Regel die war,
daß ein Sklave dem Herrn in der einen Hand das Waschbecken unterhielt,
mit der andern ihm aus einem Krug oder einer Kanne das Wasser über
die Hände goß, wenn diese Geschäfte nicht unter zwei Sklaven verteilt
Attalus rex, unde nomen Attalicis) Vorhänge
nach Rom gelangt seien; so Serv. ad Aen. I
697 : aulaeis velis pictis, quae ideo aulaea dicta
sunt, quod primum in aula Attali regis Asiae,
(jui populum Romanum scripsit heredem, in-
renta sunt; vgl. dens. z. Georg. III 25 und da-
nach Isid. or. XIX 26, 8. Allein obgleich der
Ausdruck aulaea Attalira sehr gebräuchlich
war (Prop. III 30 (II 32), 12. Sil. It. XIV 659;
■Attalica peripetasmata Cic. Verr. IV 12, 27),
ist die Ableitung doch falsch, wie der grie-
chische Ursprung; des Wortes bezeugt; vgl.
Saglio bei D.-S. 1561. Reisch bei P.-W. II 2398.
Uebrigens kommt das Wort am häufigsten in
der Bedeutung Theatervorhang vor.
*) Val. Max. IX 1,5: cum Attalicis aulaeis
eontectos parietes laeto animo intuebatur. Ter-
tull. de cult. femin. I 7: sed et parietes Tyriis
et hyacinthinis Ulis velis . . .pro pictura ab-
Wtuntur. Serv. ad Aen. 1. 1. : ideo autem etiam in
domibus tendebantur aulaea, ut imitatio ten-
toriorum fieret, sub quibus bellantes semper
habitavere maiores; unde et in thalamis hoc
//('/•/ hodieque conspicimus. Namentlich in
Speisezimmern scheint dies üblich gewesen zu
sein. vgl. Hör. carm. III 29, 14: parvo sub lare
pauperum cenae situ- aulaeis et ostro, und bei
^-feierlichen Anlässen, luv. 6,227: pendentia
linquit ve/a donms. Auf Wandgemälden und
Sarkophagreliefs sind solche aalaea öfters dar-
gestellt, vgl. Marquardt 311 A. 5.
2) Die einzige Belegstelle dafür ist Hör.
sat. II 8. 54: interea saspensa gravis aulaea
ruinas \ in patinam fecere, trahentia pulveris
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft. IV.
atri | qaantum non Aquilo Campanis excitat
agris. Porphyrio erklärt dies im Sinne eines
Baldachins: consuetudo apud antiqaos fuit, ut
aulaea sub Cameras tenderent, ut si quid pul-
veris caderet, ab ipsis exciperetur; die sicher
irrtümliche Begründung hat er dem Varro ent-
lehnt, der nach Serv. a. a. 0. behauptete: vela
solere suspendi ad exci piendum pidverea, quia
usus camerae ignorabatur. Danach ist obige
Deutung der Horazverse oft festgehalten wor-
den (vgl. Becker-Göll 357), während Mar-
quakdt a. a. 0. (mit Fea zu Hör. 1. 1.) sie dahin
erklärt, daß nicht die aulaea auf den Tisch
fallen, sondern nur der Staub und vielleicht
der abbröckelnde Kalkputz der Wand. Wir
geben jedoch der ersteren Deutung den Vor-
zug, da sie dem Wortlaut besser entspricht
und die Menge Staub, von der der Dichter
spricht,sich auf einem horizontal ausgespannten
Velum viel mehr ansammeln mußte, als an
einem vertikal aufgehängten.
3) Als Bodenteppich ist wohl zu fassen
Petron. 20,2: ancilla . . . lödiculam in pavi-
mento diligenter extendit.
4) Ed. Diocl. 8. 23 ff.; petUcttkte haedinae
für Speisesofas Cic. p. Mur. 36, 75. Ein solcher
Fellteppich ist wohl auch die cerrina ptHUs
in aula. Hör. ep. II 1, 66, in der freilich manche
Erklärer einen ausgestopften Hirsch sehen
wollen. Doch wurden alle jene Felle wohl auch
als Bettdecken verwendet.
5) Das Waschgeschirr heißt lavatio bei
Phaedr. IV 5, 22. Digg. XXXIV 2, 25, 10; un-
sicher ist die Bedeutung Cic. ad fam. IX, 3, 5.
2, 2. 3. Aufl. 10
146
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
wurden. Für das dazu gebrauchte Waschbecken, das nur selten mit dem
griechischen Namen lebes genannt wird1), haben wir die Bezeichnung
malluvium, in der der Zweck enthalten ist2); daneben findet sich das
anscheinend alte Wort polybrum3), und am gebräuchlichsten war wohl
trulleum4*). Der Krug, aus dem man das Wasch wasser ausgießt, heißt
gutturniumb), auch urceus (urceolus). Ausdrücke, die freilich weitere Be-
deutung haben und dem griechischen ordjuvog entsprechen6); ein alter Aus-
druck ist nassiterna, worunter man aber auch allgemeiner ein Wassergefäß
versteht7). Als ebenfalls älterer Ausdruck erscheint aquaemanale*), im spä-
teren Latein in den entstellten Formen aquimanile (aquiminale), aquiminarium,
anscheinend eine Kanne mit (durch einen Stöpsel oder einen Hahn?) ver-
schließbarer Mündung9); doch hat sich die Bedeutung dieser Worte mit
der Zeit verändert, indem man darunter das Waschbecken oder überhaupt
den ganzen Waschapparat verstand10). — Das Becken zum Waschen der
Füße heißt pelluvium11), doch ist dies Wort ebenso wie das ihm ent-
sprechende malluvium selten und dafür pelvis das gewöhnliche12); es war
x) Serv. ad Aen. III 466 erklärt es durch
olla aenea, ebenso die Glossen, Corp. Gloss. VI
632. Die in einigen Hss. des Serv. sich findende
Erklärung: lebes pro vase capitur, in quod
aqua dum manus luuntur decidit, beruht auf
Hom. Od. 1 136.
2) Fest. 160,4 (vgl. 161a, 15): malluvium
dicitur quo manus lavantur. Corp. Gloss. V
37, 20: pelvis ab eo quod pedum pelluvio sit,
ut malluvium manuum; cf. ib. 91, 23; 132, 35.
*) Non. 544, 20 : polybrum, quod Graeci
yjovißov, nos trulium vocamus. Livius : argen-
teo polybro, aureo eglutro. Unter verschiedenen
andern Geräten wird es bei Arnob II 23 an-
geführt. Vgl. Corp. Gloss. V 655, 10: polybrum
in quo manus perluuntur, quod in sinistra
tenetur et aliud vas cum aqua in dextera.
Diesen Notizen gegenüber erscheintFest. 247,1:
pohibrum pelluvium vas, quod nos pelvem vo-
camus, wonach es also das Becken zum Fuß-
bad wäre, verdächtig.
4) Non. a. a. 0. Varro bei Non. 547, 6 : ur-
eeohitn aquae manale vocamus, quod eo aqua
in trulleum effundatur; ders. 1. 1. V 118. Cato
r. r. 10. 2; 11, 3. Auch die Glossen erklären das
Wort durch yjovißov, Corp. Gloss. VII 370.
Eherne Waschbecken {truflei) erwähnt PI in.
XXXIV 7.
5) Fest. 98,13: gutturnium vas, ex quo
aqua in manus datur, ab eo, quod propter oris
angustias guttatim fluat. Corp. Gloss. II 36, 35.
Dagegen dient der gutus in der Regel zum
Ausgießen von Wein oder Oel, doch sind Corp.
Gloss. II 202, 31 trulleum, gutus und aquimi-
nale gleichgesetzt, in der Bedeutung x?,Qvißov.
6) Corp. Gloss. VII 384; doch ist der ur-
ceolus speziell der Wasserkrug bei Varr. b. Non.
a. a. O., dagegen bei luv. 3, 203 die urceoli an-
scheinend kleine Weinkrüge ; bei Mart. XI 56, 3 ;
XIV 105 f. Bmdurceolusundurceus Henkeltöpfe
für Trinkwasser; bei Colum. XII 16, 4 dienen
sie sonstigen wirtschaftlichen Zwecken.
7) Daß dies eine Gießkanne mit drei Aus-
güssen (nasi) sei, ist gewiß eine falsche Ety-
mologie, wie denn überhaupt die Bedeutung
Gießkanne (so Marquardt 656) sehr fraglich
ist. Bei Plaut. Stich. 352 dient sie freilich zum
Besprengen des Bodens: andere Stellen aus
Plautus und Cato führt Festus 169 a, 11 an,
der selbst erklärt: nassiterna est genus vasi
aquari ansati et patentis, quäle est quo equi
perfundi solent. Cato r. r. 10, 2 nennt sie zwi-
schen matella und trulla, 11,3 zwischen urcei
aquarii und pelvis, also auch als Wasserkanne
(danach Varr.r. r. 1 22,3). Die Glossen erklären
es nur allgemein als vas aquarium, Corp. Gloss.
V 34, 3 u. ö., oder als vas fictile duas aures ha*
bens, 11587,58. Non. 546, 5: nassiterna, ras
äquale. Die Form ist also nicht bestimmbar.
8) Varr. bei Non. 547, 6; vgl. Saglio bei
D.-S. I 316. Mau bei P.-W. II 310.
9) Corp. Gloss. 11507,19: aquiminalium
ubi aqua pisilo (pessulo Bücheier, pistomio =
epistomio Löwe, epitoni Rönsch) dimitti et ob-
strui potest ad lavandas manus.
,u) Als %EQviß6x£ozQov , wie vielleicht Corp.
Gloss. 11 202, 31 mit Mau a. a. O. zu lesen ist;
sonst ist byzantinisch yeoviß6Seoxo%>, vgl. Du
Cange s. h. v. Die obigen Geräte kommen in
den Rechtsquellen öfters vor, teilweise als
silbern bezeichnet, s. Digg. XXXIII 10,3,3,
XXXIV 2, 19, 12; ebd. 21,2. Paul. sent. III 6,56.
11 ) Fest. 161a. 18; 207, 1. Corp. Gloss. V
37, 20 (s. oben A. 2).
lä) Varr. 1. 1. V 1 19 : pelvi^ pedeluisUpedum
lavatione. Non. 543,20 gibt eine andere Etymon
logie: sinus aquarius in qi\o vasa pelluiuif nr ;
die Zitate aus Laberius und Caecilius ergeben
nichts über die Bedeutung. Fest. 247, 1. Die
Glossen übersetzen es durch Äsxävn, virn/jo,
XovtrjQ, Corp. Gloss. VII 64; als rund wird es
11389,16 bezeichnet. Im Gebrauch für Waschen
Vierter Abschnitt. Der Hausrat.
147
das ein weites, rundes Becken, das entweder ohne Fuß oder mit niedrigen
*Füßen versehen auf den Boden gestellt wurde1). Alle diese Becken konnten
auch mit labrum bezeichnet werden2), das aber allgemein ein bauchiges
Gefäß bedeutet, in dem ebensogut wie Wasser auch Wein, Öl, Früchte
u. dgl. aufbewahrt wurden 3). Das Material für alle diese Waschgefäße war
im einfachen Haushalt Ton, im besseren Erz, in reichen Häusern nicht
selten Silber4).
Hier haben wir auch des vas obscoenum5) zu gedenken, des Nacht-
geschirrs, der matula oder matella6), welches Wort allerdings ursprünglich
eine Wasserflasche bedeutet zu haben scheint7), später aber allgemein in
jenem Sinne gebraucht wird8). Die matula ist freilich nicht, wie bei uns,
ein Gerät des Schlafzimmers, sondern des Trikliniums, denn sie fand ihre
vornehmliche Verwendung bei Trinkgelagen9); und zwar war es bei den
reichen Schlemmern Brauch, daß sie sich das Gefäß, wenn sie dessen
bedurften, von einem Sklaven reichen oder sogar unterhalten ließen10).
Diese Gefäße waren für gewöhnlich wohl von Ton11), doch werden auch
bronzene12), ja selbst solche von Silber und noch kostbarerem Material
erwähnt13). Nicht ganz sicher ist ihre Form; es scheint aber, daß die
matella eher einem Krug oder einer Flasche mit enger Mündung als einem
und Salben der Füße kommt es Petron. 70, 8
vor, und zwar silbern; patulae pelves, die aus
den Fenstern auf die Straße entleert werden,
luv. 3, 277, wo der Schol. erklärt: conchas in
mtibus pedes lavant aut vasa fictilia, nodävui-
r« '. Pelves neben conchae nennt Paul. sent.
III l). 59: eine pelvis aerea Corinthia CIL X 6.
') Ueber die Form, die teils aus der grie-
chiscben Xtxävri, teils aus alten Darstellungen
hervorgeht (vgl. z. B. Roux u. Barre II 76 ; 1 16),
s. Pottiek bei D.-S. IV 375. Eigentümlicher-
weise spielte eben dies Gefäß im Aberglauben
und Zauberwesen eine wichtige Rolle, vgl. Plin.
XXVIII 104; 146; XXX 14; XXXI 46.
*) Vgl. Saglio bei D.-S. III 881.
3) Cat. r. r. 10,4; 11,3 u.ö. Verg. Georg.
II (i. Colum. XII 52, 10 ff. Ueber das labrum in
den Bädern s. unten Abt. II Abschn. VI.
4) Eherne, silberne, vergoldete pelves wer-
den mehrfach erwähnt, vgl. Plin. XXXI 46.
Petron. 70,8. luv. 6,431 ; 441 ; 10.64. Für Hand-
waschbecken und Krüge s. die oben angefühlten
Stellen.
5) Sen. ep. 77, 14.
6) Vgl. Pottier bei D.-S. III 1662.
7) In diesem Sinn Non. 543,12: matella,
aquarium ras, nebst einem Zitat aus Plaut.
Amphitrao, in dem es heißt: matellam aquae
infinit// in caput; wahrscheinlich auch bei Cato
v. i. 10.2 und 11,3, obschon hier ein Anhalts-
punkt für die Bedeutung nicht vorliegt. Ledig-
lich in diesem Sinne scheint das damit zu-
sammenhängende matellio gebraucht worden
zu sein, s. Varr. 1. 1. V 119: accessit matellio a
»nitida dictus, qui, posteaquam longius afigura
matulae discessit, ah aqua aqualis dictus; ders.
bei Non. 547, 5 nennt matellio zusammen mit
tru/leum, pelvis und nassiterna, also mit Wasch-
geschirr. Vgl. Festus 126, 3. Cic. parad. 5, 38,
wo ein matellio Corinthius erwähnt wird, wird
die Bedeutung keine andere sein (nicht Nacht-
geschirr, wie Merguet Handlex. d. Cicero 400
angibt).
8) Festus 125,18: matula rasurinac. Da-
mit hängt es wohl zusammen, wenn matula
ein Schimpfwort geworden ist; so schon bei
Plaut. Most. 386 : iam hercle ego vos pro ma-
tula habebo, nisi mihi matulam datis; ders.
Pers. 533. Petron. 45, 8.
9) In diesem Sinne ist der Titel der Var-
ronischen Satire: Est modus mafidae, mit dem
Nebentitel nsgi /isDu*; (Riese Varr. Satir. reliqu.
123) zufassen; ferner die Zitate bei Non. a.a.O.:
Varro Endi/Diioiiihus: divitum apothecas Chias
ad communem revocat matellam; idem Manio.
lecto strato matellam, lucemam cetera» res esui
usuique prae se portat. Plaut. Most. 386. Sen.
d. benef. III 26, 2. Petron. 27, 3. Man vgl. das
pompejanische Graffito: Miriams in lecto;fa-
teor, peccavimus, hosjics. Si tlices, quare : nnlla
matella fuit; s. Mau Bull. d. Inst. 1884, 188.
Bücheler Carm. Lat. epigr. II 431 n. 932.
,0) Man pflegte die Sklaven zu diesem ent-
würdigenden Geschäft durch Fingerschnalzen
(digitis crepare) herbeizurufen, Mart. III 82, 15 ;
VI 89,1; XIV 119. Petron.a.a.O. Sen.ep.77.14.
Daher als niedriger Dienst matella mal icuiprae-
stare, Mart. X 11,3.
") Mart. XIV 119: matella fictilis: vgl. XII
32, 13: matella curto rupta latere meiebat.
12) luv. 10,64.
13) Silberne Petron. a. a. O. Plin. XXXIII
152. Lampr. Heliog. 32,2: in myrrhinis et onij-
chinis minxit.
10*
148
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
Topfe glich1). — Während die matella das Nachtgeschirr für die Männer
war, bedienten sich die Frauen des schiffartig geformten scaphium2), das
schon den Griechen in dieser Gestalt und Benennung bekannt war3). Hier-
her gehört auch der oben S. 49 erwähnte lasanus, der im Abtritt oder
im cubiculum aufgestellte Nachtstuhl.
Von den zahlreichen andern Gefäßen und Geräten, die wir im Haus-
gebrauch finden, wollen wir in diesem Abschnitt nur die Vorratsgefäße und
das Kochgeschirr besprechen, hingegen werden die Speise- und Trinkgeräte
im Abschnitt über die Mahlzeiten und das Toilettengerät gelegentlich der
Tracht zur Behandlung kommen.
Das größte Vorratsgefäß, sowohl für flüssige wie für trockene Vor-
räte, ist das Faß, dolium4), das dem griechischen niftog entspricht5) und
gleich diesem meist zur Hälfte oder bis zum obern Rande in die Erde ein-
gegraben wurde6), seltner frei stand7). Man bewahrte hierin vornehmlich
den jungen Wein, der noch gären sollte8), auf; diese dolia vinaria9) ge-
hören daher zum stehenden Inventar der cella vinaria10). Sodann dienten
sie zur Aufbewahrung von Öl11), von Trockenfrüchten vornehmlich für
Getreide12), Hülsenfrüchte13), Rosinen14) u. dgl. m. Meist gehörte dazu ein
hölzerner oder tönerner Deckel15). Am häufigsten waren solche Fässer
') Darauf deutet Mart. VI 89, 1 ff. : cum fe-
ieret seratn media iam nocte matellam \ arguto
madidus pollice Panaretus, \ Spoletina data est
(sc. lagona); auch XII 32, 13 (s. oben) kann so
gedeutet werden, vielleicht auch III 82, 15 : do-
mini bibentis ebrium regit penem. Auch das
Sprichwort tamquam mus in matella, Petron.
58,9, erklärt sich bei solcher Form am besten.
2) Mart. XI 11,5: qui Mentora frangis in
scaphium moechae tuae (also von Silber). luv.
6,264. Digg. XXX1V227.5.
3) Arist. Thesm. 633. Poll. X 45.
4) Vgl. Pottieb bei D.S. II 332. Mau bei
P.-W. V 1284.
5) Corp. Gloss. VI 562.
6) Colum. XII 18,5: aliter ea {dolia) quae
demersa sunt humi, aliter quae stant supra
terram. Plin. XIV 133: mitiores plagae dolus
condunt infodiuntque terrae tota aut ad por-
tionem situs. Apul. met. IX 5 : dolium quod erat
in angido semiobrutum. Digg. XXXII 93, 4 : vasa
vmaria, id est cupae et dolia, quae in cella de-
fixa sunt.
') Colum. a. a. 0. Digg. XXXIII 7,8 pr.:
dolia, licet defossa non sint, et cupae.
8) Non. p. 545, 8: dolia vasa grandia qui-
bus vinum reconditur. Varr. r. r. I 65 : quod
mustum conditur in dolium. Hör. ep. 2.47. luv.
9, 58. Der junge Wein heißt daher vinum do-
liare, Digg. XVIII 6, 1, 4; vgl. Sen. epist. 36, 6:
nonpa/i aetatetn (vinum), quod in dolio plann'/.
9) Cato r. r. 10,4; 11, 1 ; dolium vini, Plaut.
Cist. 542. Ein alter Name für das Weinfaß ist
ealpar (vielleicht vom griechischen xaXnn),
Non. 546,28: ealpar nomine antiquo dolium.
Varro de vita populi Romani Hb. I: quod ante-
ftiam nomen dolii prolatum, cum etiam id ge-
nus vasorum ealpar diceretur, id vinum ealpar
appellatum. Festus 46, 17. Corp. Gloss. V 653,
43; der Name kam aber später ab und ging
auf den jungen Wein über, Non. a. a. 0., doch
wesentlich im sakralen Gebrauch, Fest. 65. 10:
ealpar vinum novum, quod ex dolio demitur
sacrificii causa, antequamgustetur. Corp. Gloss.
II 96, 34; V 14, 10: vgl. Haupt opusc. 111 81.
Mau bei P.-W. III 1363.
10) Ov. fast. V 270. Colum. XII 18,4. Apul.
met. IX 34; daher fallen sie beim Hauskauf
als Immobilien dem Käufer zu, so schon Varro
bei Non. 545,10: haec aedium emtoi'ibus ac-
cedunt: sellae (Nachtstühle), claves, claustra,
carnaria, dolia. Digg. XXXIII 6, 3, 1 : in dolus
non puto verum, ut vino legato et dolia debe-
antur, maxime si depressa in cella vinaria
fuerint aut ea sint, quae pro magnitudine dif-
ficile moveantur. Vgl.ebd.a.a. O. undL 16,206.
u) Dolia olearia, Cato a. a. O.; ebd. 69.
Plin. XV 33; auch für die amurca, den wäss-
rigen Abgang beim Oelpressen, als dolia aitnn--
caria, Cato 10,4.
u) Dolia frumentaris,V&rr. r.r. 122, 4. Cato
10,4; 11.1.
13) Dolia lupinaria, Cato 10,4.
14) Dolia acinaria, Varr. a. a. O.; dolia quo
vinaeeos condat, Cato l0,4; 11,1. Auch die in
den öffentlichen Bedürfnisanstalten aufgestell-
ten Töpfe für den Urin werden als dolia- be-
zeichnet bei Lucr. IV 1026. !,
5) Doliorum opercula, Cato 1 1 . 1 . Hölzern
sind die Deckel auf dem A. Z. 1877 (XXXV)
Taf. 13 abgebildeten Relief eines Weinhändlers,
auf dem zahlreiche dolia in die Erde eingegraben
sind; tönerne mit kleinem Henkel in der Mitte
sind noch erhalten, s. Mau a. a. O. 1286.
"Vierter Abschnitt. Der Hausrat.
149
■ in den Niederlagen der Wein- und Ölhändler zu finden; in der viUa
Mrustica durften sie nicht fehlen, und auch der Privatmann hatte solche
Izum Aufbewahren von Vorräten, obschon die größten Exemplare wohl
Imehr für den Handel als für den Privatgebrauch bestimmt gewesen sein
I mögen. Denn sowohl die Nachrichten wie die Funde zeigen uns, in wie
I gewaltigen Dimensionen solche Fässer hergestellt wurden; so große, daß
ein Mann darin bequem Platz fand, waren ganz gewöhnlich und kamen
auch im Privathaus vor1); bei den Schriftstellern finden wir Fässer erwähnt
von 200 congii (656 Liter)2), von \lf% cullei (30 Amphoren = 788 Liter)
und darüber3). Diese Angaben werden durch noch erhaltene dolia, auf
denen mitunter das Hohlmaß durch eingeritzte Inschriften angegeben ist,
vollauf bestätigt4). Das Material dieser Fässer war in den klassischen
Ländern stets ein grober, rötlicher oder gelblicher Ton5); die Herstellung
solcher tönerner Riesengefäße gehörte zu den schwierigeren Aufgaben der
Töpferei0), und es waren wohl zumeist eigene Werkstätten, die sich damit
beschäftigten7). Der Form nach sind die tönernen dolia, die wir aus
Abbildungen, namentlich aber aus zahlreichen Funden aus Pompeji, Bosco-
ivale. Ostia u. s. kennen8), mit weiter Mündung9), bauchig, nach unten sich
verengend10), unten in der Regel abgeplattet und meist in geschwungener
Linie in eine Art Fuß auslaufend, dessen Standfläche der Öffnung gleich
zu sein und etwa ein Drittel des größten Durchmessers zu betragen pflegt11).
Vermutlich haben die doliola, die mehrfach vorkommen12), die gleiche Form,
nur viel kleinere Dimensionen gehabt.
Hölzerne Fässer oder Tonnen, die gleich den heut noch üblichen aus
Dauben (ta&ulae)1*) und Reifen (eirculi)1*) bestanden, hießen nicht dolialb),
sondern cupae19). Solche kamen vornehmlich bei den weinbauenden Völkern
des Alpengebiets, und zwar manchmal in außerordentlicher Größe, vor17),
') So im Hause des Zimmermanns, Apul.
met. IX 5 fT.; immerhin konnte dies der Ver-
käufer allein auf dem Rücken transportieren.
2) Pallad. X 11,1.
3) Sesquiculearia dolia, Colum. XII 18,7.
Bei Cato 69 und 112,3 kommen dolia quin-
jtiagenaria vor, d. h. wohl von 50 Amphoren
(1313 L.).
4) Vgl.MARQUARDT646. Mau a. a. 0. 1285.
B) Varr. r. r. III 15,2: dolia qnae figuli fa-
piunt. Plin. XXXV 159.
6) Vgl.BLÜMNEETechnologieII41,mitder
Einschränkung von Mau a. a. 0.
'') FiglinaedoliorumfFlia.ni82. Doch ist
doliare <>j»<s keineswegs bloß solches Fabrikat,
sondern im allgemeinen grobe Ware, s. Mar-
quardt 635; 665.
8) OvERBECK297.PASQüiMon.ant.deiLin-
cei VIII 483; andere Litteratur bei Mau a. a. 0.
1 284 f.
9) Colum. XII 6,1.
10) Das geht hervor aus Colum. XII 4, 5:
paec vasa dedita opera fieri oportent patenti
er,' et usque ad imum aequalia nee in modutn
doliorum formata; und ebd.: semper sint iure
tttbmersa. quod, in utero dolii rix fieri posse
propter inaequalitatem figurae.
n) Mau a a. 0.; s. die Abbildung bei Pot-
tier a. a. 0. 333 Fig. 2493.
12) Liv. V 40, 8. Colum. XII 44, 3.
13) Pallad. 138.1.
»«) Petron. 60, 1. Plin. XIV 132.
,5) Ganz vereinzelt steht Plin. VIII 16; die
hier erwähnten dolia müssen hölzerne sein, da
von ihrer Verwendung zu Flößen die Rede ist.
wie bei Lucan. IV 420 cupae zu einem solchen
dienen und bei Capitol. Maxim. 22,4 die cupae
zu einer Brücke benutzt werden ; Herod.VIII
4, 9, der dieselbe Geschichte erzählt, nennt sie
dort y.eva olvoqiooa oxf.vij jisQKfsoot^ tr/.<>r.
1 6) Vgl. Rick 209. Fernique bei D.-S. 1 1 594.
Das Wort ist ursprünglich griechisch (xvmj);
es ist ins Deutsche in den Formen Kufe, Kübel
übergegangen, s. Hehn Kulturpfl. u. Haustiere6
558. In den Glossen wird aber cupa durch
ßoSvxn uf-'u/.)) oder yavhk erklärt.Corp.Gloss. II
1 19. 15 : 204, 1 1 . Als Ver fertiger (Küfer) kommt
inschriftl. exparixs vor, CIL X 7040; XII 2669;
XIII 3700.
17) Plin. XIV 132: circa Alpes (vinum) li-
gneis vasis condunt tecÜS ctrcultsque fingiuit:
so spricht Strab. V 214 von den $i'hroi nidoi,
150
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
allein auch in Mittelitalien waren sie nicht unbekannt, wie die Erwähnungen
zeigen1), wenn auch in der Anwendung von den dolia abweichend2) und
wohl vornehmlich für Flüssigkeiten verwendet3).
Öfters zusammen mit dem dolium wird als Vorratsgefäß erwähnt die
seria*), sodaß man beide als zwar ähnlichen Zwecken dienende, aber doch
verschiedene Gefäße betrachten muß. Sie war gleich dem dolium vor-
nehmlich für Wein bestimmt und daher in der cella vinaria aufbewahrt5);
doch wurde sie auch für Öl benutzt6); ferner für Getreide7), für ein-
gesalzenes Fleisch8), gelegentlich selbst für Münzen und andere Wert-
gegenstände9). Über ihre Form läßt sich nichts Gewisses sagen; da sie
nicht, gleich den dolia, für jungen, noch gärenden Wein bestimmt war,
sondern für schon reifen, andrerseits aber nicht als Verbrauchsgefäß im
Haushalt diente, sondern in der cella, vielfach auch im Boden eingegraben10)
stand, so scheint es, daß sie wohl etwas kleiner war, als das dolium11);
auch war sie von mehr länglicher Gestalt und hatte einen engen Hals12);
für gewöhnlich war sie wohl mit einem Deckel geschlossen13). So wird
denn ihre Gestalt im allgemeinen von der des dolium sich durch kleinere
Dimensionen, schmäleren Rumpf und engere Öffnung unterschieden haben14).
Das Material war wohl durchweg Ton15).
Neben diesen großen Vorratsgefäßen sind einige kleinere zu nennen,
die zwar auch zum Aufbewahren von größeren Quantitäten flüssiger oder
trockner Nahrungsmittel dienten, aber wesentlich den zum Tagesgebrauch
bestimmten Vorrat enthielten und daher von geringerem Umfang und
in denen bei Aquileia Wein und Oel trans-
portiert wird, und von der Lombardei erzählt
er: tov b oivov 16 Tzkrjdog (xr\vvovoiv oi nidof
SvXivoi yag /uei^ovg ol'xmv elol. Daher werden
cupae auch in transalpinen Ländern öfters er-
wähnt, so in Verwendung bei Belagerungen
u. dgl., Caes. b. Gall. VIII 42; bell. civ. II 11.
ImGegensatz zu diesem mehr nordischenBrauch
bemerkt Plin. ebd. 133: mitiores plague dolus
condunt. Abbildungen von hölzernen Fässern
stammen wesentlich von römischenBildwerken,
die nicht italische Verhältnisse schildern, so
auf der Trajanssäule (Fröhner La colonne
Trajane pl. 83. Fernique a.a.O. Fig. 2141) und
auf einem Relief aus Augsburg (Fernique ebd.
Fig. 2139. Schreiber Kulturhistor. Atlas Taf.
66, 7).
') Varro bei Non. 83,19: cupas vinarias
»irparenoli. Digg.XIX2,81. Nach Plin. XVI 42
war besonders Kiefernholz dafür verwendbar.
*) Das zeigt namentlich Cic. in Pis. 27, 67 :
pistor domi nullus, nulla cella; panes et vinum
a propola atqtu de cupa (falls nicht hier cupa
im Sinne von copa zu fassen ist). Bei Pall. I
18, 2 werden cupae neben dolia in der cella
vinaria zugelassen.
3)Vgl.obenS. 149 A. 17: für Essig Varro bei
Non. a. a. 0. Ungewöhnlich ist die Füllung mit
Salz bei Frontin. strat. III 14,3. Die Annahme,
daß cupa auch ein kleineres Gefäß bedeutete
(Fernique a. a. 0.), beruht auf Hör. sat. II 2, 123
und Verg. Copa 7, doch ist an beiden Stellen
cupa verdorbene Lesart.
4) Ter. Heaut. 460: relevi omnia dolia,
omnes serias. Colum. XII 18, 5; 28, 3. Digg. L
16,206. Der Titel einer Satire des Varro war
Dolium aut seria, s. Riese Varr. satur. Menipp.
117.
5) Außer obigen Stellen vgl. noch die se-
riola bei Pers. 4,29. Isid. or. XX 6,6: seriola
est orcarum ordo directus vel vas fictile vini.
6) Cato 10,4; ebd. 12. Varr. r. r. III 2,8
{seriae oleariae). Colum. XII 52,14: dolia et
seriae, in quibus oleum reponitur.
'') Digg. a. a. 0.
8) Colum. XII 28, 1 ; daraufgeht wohl auch
Plaut. Capt. 917: cocum percontabatur, pos-
sentne seriae fervescere.
9) Pers. 2, 11. Lampr. Heliog. 6,7.
,0) Vgl. Pall. Mart. 10,9.
1 ' ) Colum. XII 28, 1 erwähnt seriae ampho-
rarum septenum (183, 8 Lit.).
12) Colum. XII 55, 4 erwähnt die fauces se-
riae, was auf schmale Mündungschließen läßt;
Schol. Pers. 2,11 sagt von der seriai^o/ii<»i
fictile oblongum. i
u) Vgl. Ter. a.a.O. Cato 10, 4 erwähnt oper-
cula dolus seriis priva.
u) Corp. Gloss. 11407,46 wird die seria als
niftäxvr) erklärt. Das Gefäß, das Rich 563 als
seria abbildet, ist eine Amphora.
15) Vgl. Isid. und Schol. Pers. a. a. 0.
Vierter Abschnitt. Der Hausrat.
151
bequem zum Transport eingerichtet, meist wohl auch mit Henkeln versehen
waren. Ein solches Gefäß ist der cadus (xadog)1), womit vereinzelt ein
bestimmtes Hohlmaß2), meist aber ein Weingefäß ohne Rücksicht auf be-
stimmtes Maß gemeint ist3), und zwar sowohl für einheimische italische, wie
für ausländische Weine4). Der cadus diente wie die amphora dazu, daß
der Wein darin der Räucherung (in der apotheca) ausgesetzt wurde5), und
er war auch das Transportgefäß, in dem er vom Produktionsorte versandt
wurde und in den Magazinen lagerte6); beim Privatmann lagen die cadi
wohl meist in der cella vinaria auf Lager7). Außer für Wein benutzte
man den cadus auch für Ol8), Honig9), Rosinen10). Feigen11) u. a. m.12)
Über die Gestalt des cadus erfahren wir aber nichts Sicheres13); anscheinend
war die Mündung eng, da sie durch Kork verschlossen wurde14). Das
Material war Ton15), nur zu besonderen Zwecken kommt auch anderes
vor16). In später Zeit scheint aber das Wort eine andere Bedeutung er-
halten zu haben, indem man damit einen Eimer, und zwar eine bronzene
slt nid. bezeichnete17).
J) Vgl. Saglio bei D.-S. I 777.
2) Nach Isid. or. XVI 26, 13 und Carm. de
ponder. 84 von drei Urnen Inhalt, also 39,39 L.,
vgl. Hultsch Metrologie 1 13 A. 4. Daneben aber
spricht Colum. XII 28, 4 von einem cadus du-
«nun umarum.
3) Non. p. 544, 9: cadi vom, quibus vina
eonduntur. Besonders häufig bei Dichtern,
Plaut. Amph. 429; Asin.624; Stich. 425. Lucil.
bei Non. a. a. 0. Verg. Aen. I 195. Hör. carm.
135,26; II 7.20; III 29,2; ep.II 2, 163. Ov.met.
XII 243 u.a.m. In den Glossen wird cadus öfters
durch vas vinarium erklärt, s. Corp. Gloss. IV
432,24; V 173,35.
4) Wenn Marquardt 648 mit Bezug auf
Plin. XIV 97. wo nebeneinander amphorae Fa-
lerni und cadi Chii genannt sind, sagt, der
cadus sei eigentlich das Gefäß für griechische
Weine, so kann das aus dieser Belegstelle
nicht geschlossen werden, da cadi mit itali-
schen Weinen noch viel häufiger erwähnt wer-
den, als solche mit griechischen, vgl. Hör. sat.
113,115: positis intus Chii veter isque Falerni ;
mille cadis, wo also gar kein Unterschied ge-
macht ist; Mart. 118,2; IV 66, 8; 1X2,6; XII
48,14; XIII 118,2 u. ö. Für griechische und an-
dere ausländische Weine Varro bei Plin. XIV 96.
Tib.II1.28. Hör. carm. III 19,5. Mart.X36,2.
Plin. XXXVI 59.
5) Ov. fast. V 518: fumoso condita vina
cado. Mart. X36.2: accipit aetatem quisquis
ab iqne cadus.
6) Mart. XIII 112. Hör. carm. IV 12.17:
cadum, qui nunc Sulpiciis accubat horreis.
7) Plaut, m. gl. 850 ff. (wo aus dem cadus
der Wein in den urceus, v. 831, oder in die
<ml<(, v. 854, abgefüllt wird). Mart. 1 26;8; XI
39. 14. Abgelagerter Wein ist nie im dolinni,
sondern in der amphora oder im cadus, Hör.
carm. III 14, 18; ib. 15, 16; IV 11, 1. Mart. VI
36, 5; IX 93, 2.
8) Plin. XVIII 307. Mart. 1 43, 8 ; auch hier
als Versandgefäß.
9) Mart. 155,10.
,0) Plin. XV 43.
11 ) Plin. XV 82.
12) Vgl. Plin. XXXIV 110, wo es zur Be-
reitung der aenigo dient. Bei Verg. Aen. VI
228 dient ein eherner cadus als Aschenurne.
13) Keinen rechten Aufschluß gibt Plin.
XXVII14,wof»/7/m^sc«rfor«mzumAnpflanzen
von Aloe empfohlen werden; wenn Rich 87
daraus schließt, daß die ganze Gestalt die eines
Kindei kreiseis war, so entspricht das nicht dem
Wortlaut, nach dem die sog. tiu-bine* nur ein
Teil der cadi sein können.
14) Plin. XVI 34. vgl. XXVII 14; der Ver-
schluß ist auch bei Tib. II 1, 18: Chio solvite
vincla cadogememt. Eskanndahernichtrichtig
sein, wenn Saglio a. a. O. einen Mischkrug auf
einer griechischen Vase als cadus bezeichnet;
aus dem cadus wurde nicht geschöpft, sondern
unter Senkung eingegossen, s. Hör. carm. 111
29,2: non aide verso lote merum cado; und
Plaut, m. gl. 850: crebri capite sistebant cadi.
Daß der cadus ganz identisch mit der am-
phora, war, wie Marquardt 648 behauptet, ist
nicht erweislich und auch nicht wahrschein-
lich, Plin. XIV 97 würde sonst schwerlich beide
unterschieden haben.
15) Mart. 1 18, 2 mit der Anm. von Fried-
länder; ebd. 155,10 u. IV 66, 8 deutet ruber
cad äs auf Ton. Dagegen I 26, 8: egerit et nigros
Massica cella cado» geht niger auf die Räu-
cherung des Weins.
16) So Erz bei Verg. a. a. O. ; aus Stein Plin.
XXXVI 158.
17) Die Glossen geben neben vögia, y.ähni?
öfters die Erklärung sittda aenea, s.Corp. Gloss.
VI 161. Dagegen findet es sich Digg. XXXIII
6. 15 in der alten Bedeutung: rinnin in cadis
diffunditnr.
152
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
Die amphora1), die in Form und Verwendung wie im Namen dem grie-
chischen äfMpoQEvs entspricht, ist gleich dem cadus ebenso ein bestimmtes
Hohlmaß2), wie im weitern Sinne ein zur Aufbewahrung größerer Quantitäten,
vornehmlich von Flüssigkeiten, dienendes Gefäß, ganz besonders dasjenige, in
das man den Wein aus den Fässern abfüllte3). In der amphora wurde der Wein
im Hause in der cella vinaria oder in der apotheca aufbewahrt und lagerte
dort, bis man ihn zum Gebrauch herausholte4). Ein aus Kork oder aus Ton
gemachter, mit Pech oder Gips dicht gemachter Pfropfen verschloß die Mün-
dung5); bei besseren Weinen wurde Sorte und Jahrgang außen bezeichnet,
entweder aufgemalt6) oder auf einem am Hals des Gefäßes befestigten
Täfelchen aufgeschrieben 7) ; an den Henkeln sind häufig die Fabrikstempel
der Töpfereien, aus denen sie stammen, eingepreßt 8). Ausländische Weine
wurden sehr gewöhnlich in Amphoren versandt9). Außer für Wein wurde
die amphora besonders für Öl benutzt10), ferner für Honig11), Essig12), Fisch-
saucen13); auch als Gefäß zum Wasserholen scheint sie gedient zu haben14),
während ihre Verwendung zur Aufbewahrung von Geld wohl immer eine
mehr gelegentliche war15). — Was ihre Form anlangt, so war die amphora
ein längliches, bauchiges, nach unten spitz zulaufendes Gefäß mit zwei
Henkeln, die den Hals mit dem Bauche verbanden16). In der cella wurden
die Amphoren entweder, wie die dolia, in die Erde eingegraben17) oder an
die Wand gelehnt18); beim Gebrauch stellte man sie, da sie meist unten
») Vgl. Saglio bei D.-S. I 248. Wernicke
bei P.-W. 1 1969.
2) Sie entspricht dem attischen Metretes
und mißt zwei Urnen (26,26 L.); s. Hultsch
Metrologie 112 ff. Becker-Göll III 399 ff.
3) Diese Verwendung der amphora ist die
weitaus häufigste und namentlich bei Dichtern
sehr oft erwähnt; vgl. Cato r. r. 127, 1. Cic. p.
Font. 19. Hör. carm. I 36,11; III 16,34. Sen.
ep. 58, 32. Petron. 34, 6. Mart. 1 18, 8 ; XII 65, 9
u. ö.
4) Hör. carm. III 28, 7. Mart. VI 27,8; VIII
45,4; 1X98,3; XI 8, 7; 50,7; XIII 117,1.
b) Hör. carm. III 8, 10: hie dies corticem
destrictum pice dimovebit amphorae. Petron.
34,6; 71.11; vgl. Colum. XII 39.2.
6) Das nennt Plaut. Poen. 836 scherzhaft
lüteratas fictiles epistulas, | pice signatas: no-
mina insunt cubitum longis litteris. An den
aufgefundenen Amphoren sind die Signaturen
oft mit Farbe aufgemalt, vgl. Mau Pompeji 522
und die Sammlung der pompejanischen CIL
IV 169 ff. und anderer (meist vom Monte Te-
staccio in Rom) ebd. XV Fase. 2. Marquaedt
462 f.
') Notae, Hör. carm. II 3, 8, oder tituli, luv.
5,34; die Täfelchen, aufdenen die tituli stehen,
heißen bei Petron. a.a. 0. pittacia.
8) Vgl. Dressel A. d. I. L (1878) 131 ff. über
die Amphorenstempel vom Monte Testaccio in
Rom ; Bull, munic. VII (1879) 38 u. 143. Jacobi
Römerkastell Saalburg 340 ff.
°) So sizilischer Wein bei Mart. XIII 117.
Die zahlreichen Amphorenhenkel, deren In-
schriften die Herkunft von Thasos, Rhodos,
Knidos, Chios angeben (vgl. Hermann-Blümner
Griech. Privataltert. 230 A. 4) sind fast durch-
weg außerhalb Italiens gefunden.
10) Amphorae oleariae, Cato 10,2; 13,2.
u) Cic. Verr. 11 74, 183. Hör. epod. 2, 15.
»*) Mart. XIII 122.
13) Mart. VI 93,6; XIII 103.
14j Petron. 70.4: subito intraventnt duo
servi, tanquam qui rixam ad lacum fecissent;
certe in collo adhuc amphoras habebant. Auch
die in den öffentlichen Bedürfnisanstalten auf-
gestellten Töpfe werden als amphorae bezeich-
net, Titius bei Macrob. sat. III 16, 15.
15) Wie bei der bekannten List des Hanni-
bal, Nep. Hann. 9,3. lustin. XXXII 4,4; vgl.
Gell. XV 12,4.
16) Der Hals heißt Collum, Cato 88, 1, oder
cervix, Petron. 34, 6. Mart. XII 32. 14; die an-
säe Cato 113.2. Wegen der beiden Henkel wird
sie Hör. sat. I 9, 8 diota genannt; vgl. Corp.
Gloss. I 54, 12 : diota d/xcpögiov, oh>oq?ögioi>. Ein
anderer, etymologisch nicht erklärlicher Name
ist gastra, Petron. 70.6, wo die gastrae vorher
amphorae hießen, vgl. ebd. 79, 3. Heraeus
Sprache des Petr. 19.
u) So eine ganze Reihe in einem 1789 bei
Porta Flaminia in Rom ausgegrabenen Wein-
keller, s. d'Agincourt Recueil 46 pl. 19, 29.
Saglio a. a. O. Fig. 280. Schreiber Kulturhistor.
Atlas Taf. 66, 2.
18) So im Keller der Villa des Diomedes in
Pompeji, s. Overbeck 375; 451. Mau 381; in
Boscoreale Mau 13.
"Vierter Abschnitt. Der Hausrat.
153
in eine Spitze auslief1), in ein Kühlgefäß oder in einen besondern Unter-
satz, der incitega hieß*). Das Material war für gewöhnlich Ton, für klei-
nere, die nicht zur Aufbewahrung im Keller dienten, auch Metall3), Stein4)
oder Glas5). Tönerne Amphoren, der Mehrzahl nach für Wein bestimmt,
sind an vielen Orten Italiens und der Provinzen in zahlreicher Menge
gefunden worden1*). — Die orca1) war der Amphora ähnlich8), nur nicht
bauchig, sondern gleichmäßig schlank und mit länglicher, enger Mündung9).
Sie diente teils für Flüssigkeiten, wie Wein10), Fischsaucen11), seltner wohl
für Wasser12), teils für trockne Früchte, zumal für Feigen, die darin ein-
gelegt und versandt wurden13).
Unter den Gefäßen, die für kleinere Quantitäten von Flüssigkeiten
bestimmt waren, diente die urna vornehmlich zum Wasserholen14); sie ent-
spricht der griechischen vdgia ' 5) und hatte daher in der Regel, wie diese,
drei Henkel, zwei seitlich horizontal angebrachte, um damit das Gefäß zu
heben, und einen senkrecht stehenden an der Schulter, an dem man das Gefäß
beim Ausgießen faßte oder wenn man es in der Hand trug: denn für gewöhn-
lich trugen die das Wasser vom Brunnen holenden Frauen das Gefäß (wie
heut noch im Süden üblich) auf dem Kopf16) oder auf der Schulter17). Als
Maß war die urna einer halben Amphora gleich18). Das Material war in
der Kegel Ton19), doch werden auch eherne20) und silberne erwähnt21). Auch
der schon oben erwähnte urceus war ein wesentlich für Wasser22), seltner
für Wein23) bestimmter Krug, der aber nur einen Henkel hatte24); meist
') Amphoren mit Fuß kommen auch vor,
aber mehr in der griechischen, als in der römi-
schen Keramik.
') Festus 107,3: incitega machinnla, in
fua constituebatur in convivio vini amphora,
de qua subinde deferrentur vina. Das Wort
ist aus ayyo&rjxn oder eyyv&rfxn entstanden.
Vgl. Pottier bei D.-S. IN 456 mit Fig. 4029 ff.
3) Wie solche noch erhalten sind aus
Bronze Mus. Gregor. I 58; aus Silber Compte-
rendu de St. Petersb. 1864 pl. 1 f.
4) Aus Onyx Plin. XXXVI 59 ; aus Ala-
baster Anc. marbl. of the Brit. Mus. X 62.
5) Petron. 34, 6 ; prachtvollepompejanische
Amphora aus blauem Glase mit Figuren aus
weißem Ueberfangglas, OvERBECK626Fig.320.
Mau 435 Fig. 256.
6) Abbildungen bei Saglio a.a.O. Fig.277 ff.
3VI AütjüARDT 647 Fig. 1 1 ff. CIL IV p. 170, Tafel.
Bull, munic. VII (1879) tav. VII. VIII.
7) Vgl. Pottier bei D.S. IV 226.
8) Isid. or. XX 6. 5 : orca est amphorae spe-
cies. Corp. Gloss. V 574, 37.
9) Festus 180. 10 : orca genus marinae be-
hüte maximum, ad cuius similitudinem vasa
ßearia orcae dicuntur, sunt enim teretes atque
uniformi specie. Pers. 3,50: angustae collo non
fallier orcae.
10) Varr. r.r. 113.6.
J1) Hör. sat. II 4, 65. Pers. 3,76.
") Isid. VIII 11,42: orca appellatur vas,
fpiod recipit aquas.
13) Plin.XV82. Colum. XII 15,2: daher als
vasa ficaria bezeichnet bei Isid. a. a. O. (Plin.
XXXV 38 kommt nicht in Betracht, da hier
die bessern Hss. tirceis bieten).
,4) Plaut. Pseud. 157. Varr. 1. 1. V 126:
urnae dictae, quod urinant in aqua hau-
rienda ut urinator; daher urnulae äquales,
Varr. b. Non. 544,8 (doch wird hier äquales
auch substantivisch gefaßt). Daher sind ur-
nae die Gefäße der Danaiden, der Quell-
nymphen und Flußgötter, vgl. Becker-Göll
II 369.
15) Die Glossen übersetzen urna teils mit
vdgia, teils mit xälm?, tc&Xmj, ardfivog, tjfii-
aucpögior, s. Corp. Gloss. VII 384.
16) Prop. V (IV) 4, 16. Ov. fast. III 14,
vgl. 39.
») Prop. ebd. 11, 27 f. Val. Fl. I 219.
,8) HüLTSCHMetrologiell6. Ueberdiew/w
zur Asche der Verbrannten s. Abt. II Abschn.
VIII.
19) Ov. fast. III 14. Cic. parad. 2,11.
2°) Digg. XXXIII 7,13 pr.
21) Cic. Verr. 1119,47.
22) Cato r. r. 10, 2: 13, 3. Matius b. Gell. X
24,19. Plin. XIX 71. Mart. XIV 106,2. Digg.
XXXIII 7, 18, 3. Ein urceohts fctilis als Tisch-
gerät Petron. 95,5.
2S) Plaut, m. gl. 831.
24) Mart. XI 56, 3; XIV 106,1. Die Glossen
übersetzen urctus mit aiauvog, Corp. Gloss. VII
384.
154
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
tönern1), doch auch von Erz2). Ebenfalls für Flüssigkeiten diente die
selten erwähnte kirnen*). Größere Weingefäße sind das vas vinarium4)
oder schlechtweg vinarium0), sowie andere, die als Tafelgeschirr in einem
spätem Abschnitt zu besprechen sind (siehe Abt. II Abschn. VI). Zu den
kleineren, sowohl als Vorrats- wie als Verbrauchsgefäße dienenden gehört
die im wesentlichen der griechischen Xrjxvftog entsprechende ampulla6), die
schmal und enghalsig vornehmlich für Ol diente7), doch auch als Reise-
flasche8) für Wasser oder Wein benutzt wurde9). Das Material war bei
Ölgefäßen oft kostbarer Edelstein10), sonst Glas oder Ton11), bei Feldflaschen
auch Leder12). Bloß für Öle und Salben diente das henkellose, birnenförmige
alabastrum13); als Material war der orientalische Alabaster, der davon seinen
Namen hatte, besonders beliebt14). Ebenfalls ein kleines Gefäß, aus dem
man Öl tropfenweise ausgoß15), das aber auch als Weinbehälter verwendet
wurde16), ist der gutus11). Die Form war der ampulla ähnlich18), das Material
sehr verschiedenartig19).
Wir wenden uns schließlich noch zu den Küchengeräten20) (vgl.
Fig. 4321)). Zu den Kochtöpfen (cocula22)) gehört vor allem die olla {aula)*'6),
ein meist ziemlich großes Gefäß24) aus Ton25) oder Erz26), in dem Fleisch,
") Cator.r. 13,3. Hor.a.p.22. Mart.XIV
106. Colum. XII 46,6.
2) Cat. r. r. 13, 1 (wo allerdings auch ur-
ceum I, ahenum gelesen wird anstatt urceum
3) Plaut. Ampb. 429; 431 f.; bei Cato r. r.
81 ist es eine Kuchenform (vgl. unsern , Napf-
kuchen").
4) Plaut. Trin. 888. Bei Cic. Verr. IV 27, 62
ist vas vinarium Interpolation.
5) Plaut. Poen. 838. Hör. sat. 118,39. Pe-
tron. 70. 9; 78,4.
6) Vgl. Saglio bei D.-S. I 250 f. In den
Glossen wird ampulla stets durch b'jxv&og
wiedergegeben, Corp. Gloss. VI 64.
7) Ampulla olearia, Apul. flor. I 9. Plin.
ep. IV 30, 6. Mail. III 82, 26 ; besonders zu gym-
nastischen Zwecken. Cic. de fin. IV 12. 30. Plaut.
Stich. 228.
8) Plaut, merc. 927; Persa 124.
9) Als ampulla potoria, Mart. XIV 110;
vgl. VI 35,4. Suet. Dom. 21.
,0) Mart. XIV 110.
") Mail. VI 35, 3 f. Plin. XX 152.
»*) Fest. 263,5. Plaut. Stich. 228. Colum.
VIII 2,15 ;essinddie/r;x?r#o<, die nach Plut.Sull.
1 3 bei Hungersnot stpßoi verzehrt wurden, eben-
so Ath. XIII 584F. Diese fertigte der ampul-
larius, Plaut. Rud. 756. CIL XII 4455. Corp.
Gloss. VI 64.
13) Digg. XXX1V2,26.11. Mart. XI 8,9;
zur Form vgl. Plin. IX 113; XXI 14. Doch haben
die als alabastra zu bezeichnenden Gefäße häu-
fig Oesen, um an einer Schnur getragen zu wer-
den,vgl. Saglio a.a.O.l 76. Mau bei P.-W. 11272.
") Plin. XIII 19; XXXVI 60; daher Corp.
Gloss. V 340, 53 alabastrum als vas de gemma
erklärt wird ; vgl. Blümner Technol. III 62. Aus
gleichem Grunde heißt ein Salbgefäß auch onyx,
vgl.Hor. carm.IV 12,17. Prop.IlI5,14(II 13,30);
IV 9 (III 10), 22. Mart. VII 94, 1 ; XI 50, 6.
l5) luv. 3,262: 11,158. Gell. XVII 8, 5.
,6) Varr. 1. 1. V 124. Hör. sat. I 6, 118; zu-
mal bei Opfern bediente man sich seiner, Plin.
XVI 185. Varr. a.a.O.
17) Vgl. Pottier bei D.-S. II 1 674. Cohausen
im Arch. d. Ver. f. nassauische Altertumskunde
1879, 272 ff.
18) Corp. Gloss. V 654, 16: gutus ampulla
brevis a breintate dicta, in qua oleum fertur.
19) Holz bei Plin. a. a. O.: Hörn bei Mart.
XIV 52.
20) Coquinatorium instrumentum , Digg.
XXXIV 2, 19,12; vasa coquinaria, Isid. or. XX 8.
2 ') Die Fig. 43 abgebildeten pompejanischen
Küchengeräte (nach Overbeck 444 Fig. 241.
Mau 397 Fig. 222) sind : a ein Kessel auf Drei-
fuß; b, g, h, 1 Kochtöpfe; c, d Eimer; e Schöpf-
löffel; f Kasserolle; i, t Backpfannen für kleine
Kuchen ; k Krug ; m Küchenlöffel ; n, v Eßlöffel ;
o. p Bratpfannen; s Kuchenform; q, u Schöpf-
löffel für Wein; r Pfanne mit zwei Griffen (die
Bestimmung nach Mau).
■*) Isid. a. a. 0. 1 : omnia vasa coquendi cau-
sa parata cocula dicuntur. Plautus: aeneis co-
culis mihi excocta est omnis misericordia. Cato
r. r. 11,2. Varro bei Non. 531, 27. Fest. 39, 3.
In den Glossen werden die cocula zumeist als
vasa aerea erklärt, s. Corp. Gloss. VI 226.
2S) Vgl. Pottier bei D.-S. IV 171.
24) Non. 543,5: capacissimum ^tm: vgl.
Plaut. Cure. 368. luv. 14, 171 : grandes fnnui-
bant pultibus ollae.
25) Avian. fab. 11,4. Colum. VIII 8,7; vgl.
Plaut. Capt. 89 : frangi anlas in caput.
26) Cato 81. Avian. a.a.O. Eine besonders
dafür gebräuchliche Erzmischung hieß danach
ollaria, Plin. XXXI V 98.
Vierter Abschnitt. Der Hausrat.
155
Gemüse und namentlich der sehr beliebte Brei (puls) gekocht wurde1),
und zwar unmittelbar auf dem Kohlenfeuer selbst2). Daneben diente das
bauchige, vermutlich auch meist mit Henkeln versehene Gefäß auch andern
Zwecken, und zwar vornehmlich zum Einlegen von Früchten, wie Wein-
trauben3) und Nüssen4); gelegentlich wurde auch Geld darin aufbewahrt5). —
Ebenfalls zum Kochen dient das aenum (ahenum)6), ein eherner Topf, wie
Fig. 43. Pompejanische Küchengeräte.
der Name besagt, der sich aber von der ehernen olla dadurch unterscheidet,
daß er nicht direkt auf das Feuer gestellt, sondern darüber aufgehängt
wird7). Er wird als Kochgerät öfters erwähnt8) oder als Gefäß zum
') Festus 23,13: aulicocia exta quae in
ollis coquebantur. Mart. XII 18. 21 ; XIII 8. luv.
a. a. 0. Sprichwörtlich: ipsa olera olla legit, bei
Catull. 94,2, und Sociorum olla male fervet (viele
Köche verderben den Brei). Petron. 38. 13, falsch
erklärt bei Otto Sprichw. d. Römer 259, richtig
Friedländer Petrons Gastmahl2 241.
2) Digg. XXXIII 7, 18,3; vgl. Plaut. Cas.
774: anlas praevortunt. Plin. XVIII 358: cum
tollentibus ollas carbo adhaerescit. Die Glossen
erklären die olla durch yüioa oder keßne, Corp.
Gloss. VII 20.
3) Cato 7,2; vgl. 143,3. Plin. XIV 29; ebd.
34; vgl. XXIII 32; solche Trauben hießen ttvae
oUares, Colum. XII 45. Mart. VII 20, 9. Stat.
silv. IV 9,42.
4) Plin.XV 90; ungewöhnlich istMart.XII
32,21, wo Harz zum Enthaaren darin aufbe-
wahrt ist.
b) So in der Aulularia des Plautus, vgl.
Cic. ad fam. IX 18,4. Die olla als Aschen-
gefäß wird an anderer Stelle zu besprechen
sein.
6) Vgl. Hünziker bei D.-S. 1 170.
7) Digg. a. a. O.; vgl. Plin. XVIII 358: in
a'eno pendente.
8) Titin. b. Non.87,11: com' magmim ahe-
num, quando ferrif , pa uta COnfutat tntlla. Varr.
r.r.I22,3. Petron. 74,4. luv. 15,81. In andrer
Anwendung Varro bei Non. 547,20: nt fere ha-
ben* aeneum Uli, qu* venditont oleum, wo viel-
leicht ein anderes Gefäß gemeint ist.
156
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
Erwärmen von Wasser1); man hatte es, wie alle diese Küchengeräte, in
sehr verschiedener Größe2).
Sodann ist der caccabus zu nennen3), der sowohl zum Kochen gebraucht
wurde4), wie zum Einlegen von Früchten u. dgl.5), und namentlich auch
bei der Herstellung von Medikamenten verwendet wurde6). Das Material
war teils Ton7), teils Metall8), in üppigen Haushalten sogar Silber9). Über
seine Form erfahren wir nichts Sicheres, doch war dieselbe anscheinend
die einer einfachen, henkellosen Schüssel10); wenn er wirklich mit der
griechischen xaxxdßrj, von der er den Namen erhalten hat, identisch war11),
so muß er pfannenähnlich gewesen sein12). — Die patina {patella)1'6) ent-
spricht im wesentlichen der griechischen londg14), ist also wie diese eine
flache Pfanne oder Schüssel15), in der man kochte oder briet16), namentlich
Fische (und dann wohl von länglicher Form)17); daneben fand sie Anwendung
beim Einkochen von Obst18) und namentlich auch bei der Bereitung von
Medikamenten19). Aber wie bei uns die „Schüssel" sowohl in der Küche
zum Kochen gebraucht, als zum Servieren der Speisen benutzt wird, so
war auch die patina gleichzeitig ein Tafelgeschirr20). Das Material war
1) Serv. ad. Aen. 1213. Bei Dichtern wird
aenum meist ganz allgemein für irgend ein
ehernes Gefäß gebraucht. Von den ebenfalls
aena genannten Wasserkesseln der Bader
wird anderwärts die Rede sein (Abt. II Ab-
schn. VI).
2) Cato 10,2 nennt ein ahenum von dreißig
Quartarien (4,10 L.). 11,2 eins von einem cul-
leus (5,25 L.)- Vgl. Festus 28,4: aenulum, vas
ex aere parvum.
3) Vgl. Saglio bei D.-S. I 774. Mau bei
P.-W. III 1163.
4) Varr. 1. 1. V 127: vas ubi coquebant ci-
bum, ab eo caccabum appellarunt. Petron. 55,
6; 74, 5. Isid.XX8.3. Digg. XXXIII 7, 18.3.
Iudic. coci et pist. 79 (Riese Anth. Lat. 1 143).
Vgl. caccabulum, Apic. 116.
5) Colum. XII 42,1; 48,1.
6) Scribon. comp. 45; 82; 157 u. ö.
') Colum. XII 42,1. Digg. a.a.O.
8) Erz bei Colum. XII 48,1; Zinn ebd.
42,1.
9) Lampr. Heliog. 19,2. Digg. XXXIV 2,
19,12.
10) Stat. silv. IV 9,45 spricht von einer syn-
thesis alborum calicum atque caccaborutn; eine
«lliithfsis ist das, was wir einen „Satz" nennen,
eine Garnitur von Gefäßen von gleicher Form,
aber von immer abnehmender Größe, die in-
einander gestellt werden ; das ist aber nur bei
Gefäßen von einfacher Form und ohne Henkel
möglich.
n) Die Glossen erklären jedoch caccabus
nicht dadurch, sondern durch andere Bezeich-
nungen, wie Jtavdeymg, yvxpa, /Jßrjc, s. Corp.
Gloss. VI 159.
u) Photius s. v. xaxxäßn erklärt: öv rjjuslg
xdxxaßov ' fciti de l(»7zada><)f><;, rywv c'f enrror
rgeTg nööag. Wenn Mau a. a 0 daraus schließt,
daß auch der caccabus drei Füße hatte, so wider-
spricht dem die erwähnte synihesis caccaborutn ;
es ist daher vielleicht richtiger, wenn Saglio
a a 0 undRicH87 annehmen, daß der caecal»* *
beim Kochen auf einen Dreifuß gesetzt wurde.
Eine eigentliche Pfanne war er nicht, da Digg.
XXXIII 7, 18, 3 patina und caccabus unter-
schieden werden.
») Vgl. Pottier bei D.-S. III 1301 ; IV 341.
Doch ist patella nach heutiger Annahme nicht
das Diminutiv von patina, sondern von patera,
Schale, und bedeutet daher vielfach eine kleine
Trinkschale, besonders die beim Opfer ge-
brauchte, wie auch die£wtera,s.WissowARelig.
u. Kult. d. Römer 430 A. 2.
14) Die Glossen erklären sie in der Regel
durch Xojiäg oder koxddtov, daneben durch
(fidhj, was Am patella als kleinen patera ent-
spricht, auch durch lexdvi] und j/jyavov, s. Corp.
Gloss. VII 54 ff.
15) Isid. or. XX 8.2: patella quasi pafnla.
I0) Plaut. Pseud. 840 Plin. XXII 162. Apic.
62 ; 67 u. ö. Digg. a. a. O.
17) Eine patina ist die Fischschüssel, für
die Vitellius nach Plin. XX XV 163 einen eigenen
Töpferofen erbauen ließ, und ebenso luv. 4, 72
u. 133, wo dieselbe Geschichte von Domitian
erzählt wird.
>8) Colum. XII 44, 2.
19) Plin. XIX 171; XXIII 68; XXX 68;
XXXIV 109.
2») Plaut, m. gl. 759. Ter. Eun. 8r6vCic.
ad Att. IV 8a, 1. Vairo bei Non. 543.28. Hor.^
ep. 15.2. Pers.4,17. Mart.V78,7. Iuv.3.261:
6,344; namentlich ist sie auch da die Fisch-
schüssel. Hör. sat 118,43. Mart.XIIISl. Daher
erklärt Hirschfeld den patillus copo CIL XII
3345 als einen, qui patinam, i. e. eibum in pa-
tina coctum, venalem proponit.
Vierter Abschnitt. Der Hausrat.
157
Ton x) oder Erz 2). — Ein Tiegel zum Braten oder Kochen ist die sartago 3),
meist wohl aus Erz4). — Die cortina5) ist anscheinend, wie der griechische
fißrjg (der auch lateinisch als lebes vorkommt6)), ein metallener, meist wohl
eherner Kessel, in dem über Feuer Wasser heiß gemacht oder gekocht
wird7), der aber auch bei der Weinbereitung8) und bei der Klärung des
Öls dient9), sowie bei der Färberei10). Für seine beckenartige Form spricht,
daß auch der Kessel des Dreifußes diese Bezeichnung führt11). — Unsicher
ist die Form der cucuma, in der auch gekocht oder Wasser erwärmt wurde12);
sie scheint tönern gewesen zu sein13). — Ein zu mannigfachen Zwecken
gebrauchtes Gefäß war die fidelia1*), die im Haushalt ganz besonders als
Einmachtopf gedient zu haben scheint15) und daher auch zugleich Vorrats-
gefäß ist16). Daß sie die Form eines großen Topfes hatte, geht daraus
hervor, daß auch die Tüncher sich einer fidelia zum Weißen der Wände
bedienten17). Das Material war meist Ton18), bisweilen auch Glas19), die
Größe war wohl sehr verschieden 20).
Die situla21) ist das Gefäß, mit dem man das Wasser aus dem Brunnen
vermittelst eines Strickes heraufholt22); es -war also ein mit Griff ver-
sehener, breiter und tiefer Eimer. Bronzene situlae von verschiedenen
Größen, teilweise auch kunstvoll verziert, finden sich in den Sammlungen
noch häufig und haben wohl auch zum Wasserholen gedient23). Daneben
bedeutet aber situla (oder sitella) auch ein der griechischen Hydria ähn-
liches, mit Henkeln, engem Hals und weitem Bauch versehenes Gefäß,
dessen man sich bei Abstimmungen zur Aufnahme der Lose bediente24).
') Colum.XII44,2. Plin. XXXIV 109. Mart.
XIV 114. luv. 6.344. Stat. silv. IV 9,43.
2) Plin. a.a.O. Pallad. I 39 (40), 3.
3) Isid. or. XX 8,5: sartago ab strepitu soni
vocatur, quando in ea ardet oleum. Corp. GIoss.
V 513, 24: sartaginem coquinariam patellam;
sonst erklären die Glossen es durch das griech.
ifyavov, s. ebd. VII 233. Vgl. Plin. XVI 55 und
den sprichwörtlich metaphorischen Gebrauch
bei Pers. 1,79. Augustin. conf. III 1. Vgl. Pottier
bei D.-S. IV 1077.
*) luv. 10,64.
5) Vgl. Saglio bei D.-S. 1 1540. Mau bei
P.-W. IV 1660.
6) Isid. a.a.O. 4: lebetes aeneae sunt a
Graeco sermone vocatae, sunt enim ollae mi-
mores in usum coquendi paratae. Corp. Gloss.
IV 107,49: olla aenea; vgl. VI 632. Sonst findet
sich die Bezeichnung nur bei Dichtern, meist
auch als eherne Kessel, Verg. Aen. V 266. Ov.
her. 3,31.
7) Plin. XXXVI 191.
8) Colum. 16.19.
u) In diesem Falle von Blei, Cato r.r. 66, 1.
Plin. XV 22.
10) Plin. IX 133; XXXV 42; ebd. 150.
») Plin. XXXIV 14: vgl. Mau a. a. O.
") Isid. a.a.O. 3. Petron 185.4: cueumam
ingentem f'oco apposuit. Digg. XLV1II 8, 1,3.
13) Petron. 136,2: frangitur cervix cucu-
mulae. Bei Mart. X 79.4 bedeutet cucuma einen
geringwertigen Badekessel. Vgl. Corp. Gloss.
III 379, 63, wo es durch dsQfio<pooov erklärt
wird.
14) Vgl. Pottier bei D.-S II 1115. Mau bei
P.-W. VI 2277. Non 543,25 erklärt sie als Sa-
mium vas ad usus plurtnios.
lb) Zur Bereitung von muria, Colum. XII
7,3; zum Einlegen von Früchten, wobei sie
verpicht wurde, ebd. 10,4; für Beeren, Gemüse
u. dgl., ebd. 38, 1 ; 58, 1 : für Wein oder Met, Pers.
5,183. Plaut. Aul. 622.
16) Pers 3,73: quod multa fidelia putet in
locuplete pen it.
17) Wie das Sprichwort: duo parietes de
eadem fidelia dealbare besagt, Cic. ad fam. VII
29 2.
' 18) Col. XII 10,4; 38,1. Pers. 3,22: viridi
non cocta fidelia Umo.
15) Col. XII 58.1.
20) Plaut. Aul. 622 wird eine congialis fide-
lia erwähnt, also von 3, 28 L.
21) Auch in der Form situlus, Cato r.r.
10, 2; 11,3. Ueber die Formen und Verzie-
rungen der situla in frühitalischer Zeit s.
GHiRARDiNiMon.d.Linc.lI161tf.;VIIlff.;Xlff.
") Plaut. Amph. 676. Vitr. X 4,4; daher
sitithts aquarii*8, Cato a. a. O. Isid. or. XX 6,4:
quod süientibus aü apta ad bibenduM. Digg.
Will 1,40.6. Am Ziehbrunnen waren diese
Eimer wohl für gewöhnlich von Holz.
'-3) Siehe Beispiele bei Marquardt 656 A. 8.
24) Plaut. Cas. 296: 342 u.ö. Cic. nat. deor.
138,106. Liv. XXV 3, 10 u.s.
158
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
Im ersten Jahrhundert n. Chr. kam die bascauda1), eine Art Spülgefäß zum
Reinigen der Becher und Töpfe2), aus Britannien nach Rom.
Es sind sodann noch einige Küchengeräte namhaft zu machen, die
bei der Bereitung der Speisen von Wichtigkeit sind. Da ist zunächst zu
nennen der Mörser, mortarium, mit dem dazu gehörigen Stößel, pistilliun3),
in dem die verschiedensten Ingredienzien zerstampft oder zerrieben wurden4).
Er hatte, wenn man nach den Bildwerken urteilen darf5), die Form eines
ausgehöhlten, ziemlich flachen Beckens, bisweilen mit einem Ausguß zur
Entleerung an der Seite6). Das -jnsf Ulum hatte, wie die heutige Mörser-
keule, zwei durch einen Handgriff verbundene dickere Köpfe7). Das Material
war entweder Stein8) oder Metall, besonders Erz9). — Siebe, cribra10),
kamen zwar vornehmlich bei der Mehlbereitung zur Anwendung11), mußten
aber natürlich auch in der Küche in verschiedenen Formen und Größen
zur Hand sein; sie waren dann wohl in der Regel von Metall12), und es
haben sich auch solche aus Erz erhalten, vielfach mit Handgriff und mit
Sieblöchern, die in hübschen geometrischen Mustern angeordnet sind13). —
Wir nennen ferner noch den Trichter14), infundibulum10), wovon auch
zahlreiche Exemplare aus Bronze16) wie aus Ton17) sich erhalten haben,
auch solche aus Silber18) und aus Glas19); sodann Rührkellen, truae20) oder
') Vgl. Morel bei D.-S. I 677. Mau bei
P.-W.III41.
2) luv. 12,46 mit Schol.: vasa ubi calices
lavabantur vel cacabus. Mart. XIV 99. Sie waren
muschelartig und von Bronze, nach Corp. Gloss.
VI 130: concae acreae.
3) Vgl. Baudrillakt bei D.-S. III 2008.
4) Non.543,17: vas in quo teruntur quae
solvenda sunt. Plaut. Aul. 94: pistillum, mor-
tarium, quae utenda vasa semper vicini ro-
gant. Cato r. r. 74 ff. Colum. XII 57, 1 . Verg.
Moret.93; 101. In den Küchenrezepten des Api-
cius kommt der Mörser sehr oft vor. Isid. or.
IV 11, 6 führt ihn unter den ärztlichen Geräten
auf; auf den Gebrauch des Mörsers bei der
Bereitung von Medikamenten beziehen sich
auch die meisten Stellen bei Plinius, wo er
erwähnt wird (z.B. XXXIII 123; XXXIV 168
u. s.), und ebenso spielt er eine wichtige Rolle
in den Rezepten des Scribonius Largus.
h) Vgl.BAUDRiLLARTa.a.O.Fig.5151. Rich
405; Jacobi Römerkastell Saalburg 415 hält
auch dieaufTaf.27, 1 — 3 abgebildeten Schalen
am Syenit, Basalt u.Sandstein für Mörser; rich-
tiger wäre wohl die Bezeichnung Reibeschalen.
6) Dabei ist abzusehen von denjenigen
Mörsern , die anstatt der Mühle zum Zer-
stampfen des Getreides dienten und deren
eigentlicher Name pila ist. s. Blümner Tech-
nologie I 15 ff.
7) Vgl. das 87. Rätsel des Symphosius
(Riese Anth. Lat. I 205): una mihi cervix, ca-
pihnn seil forma duorum. Anders war die Form
der Reiber für Drogen, Farben u.dgl., wie noch
erhaltene Originale zeigen; vgl. Baudrillart
a.a.O. Fig. 516.
8) Plin. XXXVI 157 f. bespricht die für
Mörser (zumal solche für Farben und Medi-
kamente) besonders geeigneten Steinarten.
Vgl. XXXIII 93; XXXIV 106.
9) Plin. XXXIII 123; bleierne wurden für
bestimmte Prozeduren gebraucht, nebst blei-
ernen pistilla, XXXIV 168 ff.
,0) Vgl. Saglio bei D.-S. I 1568.
J1) Als cribra farinaria oder pollinaria,
Näheres Blümner Technologie I 49 ff.
>*) Fest. 106, 3: cribro aeneo. Plin. XVII
73: cribra pollicis crassitudine; ehern war
sicher auch das Sieb der Tuccia in der be-
kannten Sage, Val. Max.VIII 1,5. Plin. XXVIII
12. Augustin. civ. Dei X 16.
13) Roux u. Barre VI 68. Overbeck Pom-
peji 445 Fig. 242. Jacobi Römerkastell Saalburg
Taf.48,5ff. Rhein. Jahrb. LXIV 78. PerniceA.
A. 1900, 191 Fig. 19. Siebe von Ton Jacobi
a. a. 0. Textband S.421 . Vgl. Friederichs Berl.
ant. Bildw. II 142 Nr. 585 ff.
14) Vgl. Saglio a.a.O. III 516.
15) Cat. 10,2; 11,2; 13,2 (in der Form i»-
fidibulum, wie auch Corp. Gloss. III 92, 46) Co-
lum. 11118,6. Pallad.VII 7,2. Vopisc. Aurel. 50,
4; in anderer Anwendung Vitr. X 5,2; 7,2; 8,2.
16) Roux und Barre VI 78. Friederichs
a.a.O. 587. Not. d. scavi 1908, 295 Fig. 22.
17) Holder Rom. Tongefäße von Rottweil
(Stuttgart 1889) Taf. 22, 12 u. 14.
18) Gazette archeol. X (1885) 317. Saglio
a. a.O. Fig. 4064, aus dem Silberfunde von Mont-
cornet (Dep. Aisne) stammend, er ist aber kein
Kochgerät, sondern gehört zusammen mit einem
silbernen Weinsieb zum Tafelgeschirr.
19) Overbeck 451 Fig. 250 h.
20) Varro bei Non. 87. 11: cocu' magnum
ahenum quando fervit, paula confutat trua.
Vierter Abschnitt. Der Hausrat.
159
trullae1), aus Metall oder Holz2); den Bratrost, crfäicula3), in der Kegel
von Eisen4), wie das craticulum, auf das man den Bratspieß legte5);
den Bratspieß, veru6), von Holz oder von Eisen7); Dreifüße, tripedes,
um darauf Töpfe übers Feuer zu stellen8), meist eisern9). Anderes, wie
Beile und Äxte zum Holzspalten, Fleisch- und andere Messer, Löffel,
Gewürzmühlen, Reibeisen, ebenso die mannigfachen geflochtenen Körbe
und Holzgeräte, die Wärmherde, Schaufeln u. dgl. m., müssen wir teils
übergehen, teils wird darauf noch an anderer Stelle zurückzukommen
sein.
Alle im vorigen aufgeführten Gegenstände, d. h. Möbel, Teppiche und
Küchengeräte, umfaßte in älterm Sprachgebrauch der Begriff supellex10);
später kam auch das anfangs davon ausgenommene silberne und goldene
Eß- und Trinkgeschirr dazu11). Die Aufsicht darüber führte ein Sklave,
der su pellecticarius 12) oder a supellectile13) hieß; daneben gab es in größeren
Häusern und namentlich im kaiserlichen Haushalt noch zahlreiche besondere
Angestellte für die einzelnen Gattungen des Hausrats.
Die für die Herstellung des Hausrates in Betracht kommenden Ge-
werbe sind sehr mannigfaltiger Art; für die Möbel teils Schreiner und
Drechsler, fabrili), lectarii16), intestinarii u. dgl., teils Erz- und Silberarbeiter,
Fest. 9.12: truam quoque vocant, quo permo-
vent coquentes exta. BeiVarrol. 1. VI 18 in anderer
Anwendung: trua, qua e culina in lavatrinam
aquam fundunt, also ein großer Schöpflöffel.
x) Cat. 13, 2. Varr. a.a.O.; in den Glossen
meist durch EoifWQvotQov, Ccopögvat; erklärt,
Corp. Gloss. VII 370, aber zu unterscheiden von
der der griechischen xoivb] entsprechenden
tr/ti/a, dem Weinlöffel, s. ebd. III 321,58.
-') Cato a.a.O. Corp.Gloss.II202,33:*r«ZZa
Ugnea.
3) Vgl.SAGLio a.a.O. 11556 ff. Catol3,l.
Mail. XIV 221.
4) So der in Pompeji gefundene, Saglio
a. a. 0. Fig. 2049, der einen Ring zum Auf-
hängen und vier Füße hat; vgl. Corp. Gloss.
V420.48. Bei Petron.31,11 ist die craticula
argentea, auf der heiße Würstchen liegen,
Täfelgerät ; ebenso 70,7.
5) Vgl. Saglio a. a. 0. 1557. Fest. 53, 11
bringt craticulum mit dem griechischen y.ga-
tevTt'jg in Verbindung. Eine ganz scharfe Schei-
dung mag wohl zwischen craticula und cra-
ticulum nicht immer gemacht worden sein;
bei Mart. a.a.O. ist die craticula cum veribm
wohl kein Rost, sondern auch ein solches
Bratspießgestell. Ein solches in Praeneste
gefundenes ist nach Helbig A. d. I. LI (1879)
15 tav. C 4 bei Saglio Fig. 2051 abgebildet; ein
Feuerbock aus Chiusi Fkiederichs a. a. 0. 140
N. 584c; aus Pompeji Mus. Borb. X 64, 1 u. 2:
vgl. Mon. d. Line. IX 709 Fig. 28 u. tav. IV 10
u. 23.
6) Varr.l.l.V127. Verg.Georg.il 396; Aen.
1 212 ;V 103. Ov.met.VI 646. luv. 15. 82 Petron.
95 8 • 137 12
') Ov. fast. II 363. Plin.XXX88.
8) Isid. or. XX 8, 5 unter den vasa coqui-
| naria aufgeführt. Corp. Gloss. VII 367 als m>-
gioraTo; erklärt, und vom tripus, der in der
Regel als dreifüßiger Tisch erklärt wird, wohl
zu unterscheiden.
9) Corp. Gloss. II 202,4 : tripes ferreus, ://•-
j QiaidzTjg.
I0) Digg. XXXIII 10,1: si/pel/cr est </,,„,,<-
sticum putri.s familiae instruntentum, quod
nvqne anjmto aurove facta rcl vesti annu-
meratur; ebd. 3: supellectile . . . haec conti-
iwntiir: mensae, trapezophora, düphica, sn/>-
sellia, scamna, lecti, . . . culcitrae, toralia,
vasa aquarin, pelvis, aquiminaria, candelabra,
lucernae, trullae, item rasa aenea vulgaria.
n) Ebd. 7,1: nee minim est, moribus <-i-
ritatis et //s/t rcriau appellationem eins nut-
tatam esse; nam ficfili auf lignea mit vitrea
aut aerea deniqne supellectile utebantur, nunc
ex ebore atque testudine <■/ argento, tarn ex auro
etiam atque gemtnis supellectile i/tii/ttxi-, quare
speciem potius verum quam materiam intueri
oport/iit.
'-) Digg.XXXIII7, 12, 31, CIL X 1960; sm-
jiellectiliartus ebd.VI 9914, 3. So ist wohl auch
Petron. 34, 3 st. lecticarius zu lesen, s. Fkied-
LÄNUKH Z. d. St.
13) CIL VI 4035f.; 4357; 33758; 33913;
X 6638 C 1,5; 3,4; ad supellect.Nl 9048.
14) Faber ohne nähere Bezeichnung be-
deutet im spätem Sprachgebrauch meistens
den Holzarbeiter, sonst aber überhaupt den.
der in Holz, Metall u. dgl. (nicht in Stein)
arbeitet, vgl. Blümnek a.a.O. II 166. Eine Aus-
nahme ist der faber figulator, Corp. Gloss. III
371.10.
15) CIL VI 7882; 7988; 9503; XI 5439.
160
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
die fabri aerarii1) und argentarii2); oder speziell candelabrarii, lanternarii
(s. oben). Für die Vorrats- und Küchengeräte sorgten teils die Töpfer,
(figuli), teils ebenfalls Erzarbeiter.
Fünfter Abschnitt.
Die Nahrung.
Litteratur.
Becker-Göll III 311 ff.
Makquakdt-Mau 414 ff.
Ed. Foübnier Artikel Cibaria bei Daremberg-Saglio 1 1141 ff.
Über die Nahrungsmittel der Römer fließen unsre Quellen sehr reich-
haltig, obschon freilich auch hier die meisten Nachrichten erst den letzten
Jahrhunderten der Republik und der Kaiserzeit entstammen. Wir wissen
es mehr aus der Tradition, als aus gleichzeitigen Quellen, daß in den
älteren Zeiten der Republik das römische Leben auch hierin noch sehr
einfach war, daß ein Brei von Feldfrüchten, der puls (s. unten), die Haupt-
nahrung und nicht bloß des gemeinen Mannes, ausmachte3), wozu dann
noch grüne Gemüse und Obst kamen, während Fleisch seltner, namentlich
bei festlichen Anlässen, wie Geburtstagen, Opfermahlzeiten u. dgl., auf dipn
Tisch kam4). Aber in diesen einfachen Verhältnissen trat in den letzten
Jahrhunderten der Republik allmählich eine Veränderung ein. Teils lernten
die Römer von den Griechen, namentlich den unteritalischen, wo immer
Tafelluxus geherrscht hatte, eine größere Mannigfaltigkeit sowohl in der
Auswahl der Speisen, als in der Art ihrer Bereitung kennen, teils brachte
der immer mehr sich ausbreitende Handel, der schließlich die Produkte
auch der entferntesten Länder der alten Welt nach Italien führte, die ver-
schiedenartigsten und seltensten Erzeugnisse der Flora und Fauna fremder
Gegenden auf die römische Tafel, was dann auch dazu führte, daß viele
in Italien ursprünglich nicht heimische Gewächse dort angepflanzt, manche
zur Nahrung geeignete Tiergattungen gezüchtet wurden. Dieser Luxus
artete namentlich in der Kaiserzeit sehr aus und die Kochkunst wurde
dadurch immer komplizierter, das Bestreben, durch seltene und teure
0 Marquardt 688 A.4; 713.
2) Ebd. 695 A.lOf.
3) Varro 1. l.V 105: de victu antiquissima
•puls. Plin. XVIII 83: pulte, non pane, vixisse
longo tempore Romanos manifestum. Val.Max.
[15,5: erant adeo continentiae adtenti, ut
frequentior apud eos pultis usus quam panis
esset. luv. 14, 169: sed magnis fratribus hö-
rn in n aerobe vel aulco redeuntibus altera
eena amplior et grandes fumabant pultibus
oüae.
*) Varro bei Non. 201 , 6 : avi et atavi nostri,
cum alium ac cepe eorum verba olerent, tarnen
optume animati erant. Iuv.l 1 , 78 : Cnrins parvo
quae legerat horto \ ipse focis brevtbus ponebat
holuscula; ebd. 82: sicci terga suis retra pen-
dentia crate | moris erat quondam festis ser-
vare diebus, \ et natalicium cognatis ponere
lardum I accedente nova, si quam dabat hostia,
carne. Man vgl. auch die charakteristische
Schilderung des Kochs in Plaut. Pseud. 810ff.
Aber noch der jüngere Plinius zählt ep. I 15, 1
als Bestandteil einer Mahlzeit in seinem Hause
lactucae, Cochleae, ovo, alica, olivae, betacei,
Cucurbitae, bulbi auf, also beinah ein Vege-
tariermahl.
Fünfter Abschnitt. Die Nahrung.
161
Delikatessen, durch raffinierte Art der Bereitung den Gaumen zu kitzeln,
immer größer. Nicht im gleichen Grade kann das von den Getränken gesagt
werden, bei denen im wesentlichen bedeutende Änderungen oder Erweite-
rungen nicht erfolgten; nur die Zunahme der Einfuhr ausländischer Weine
kann als Zeichen größerer Üppigkeit angeführt werden, ohne daß hier
jener Grad törichter und verwerflicher Schwelgerei erreicht worden wäre,
der in Wahl und Bereitung der Speisen eingetreten war.
Bei der Aufzählung der wichtigsten bei den Römern üblichen Speisen
und Getränken (cibi und potiones oder potus1)) wenden wir uns zunächst
den ersteren, den cibaria2), escaez), zu und behandeln zuerst die Vegetabilien.
Unter den Getreidearten (frumenta)1), deren Beschaffung und Verkauf,
soweit es nicht öffentliche Staatsangelegenheit war5), in den Händen der
frumenta rii lag6), war in Italien in älterer Zeit am meisten verbreitet
und auch später noch sehr viel angepflanzt der Spelt oder Dinkel (far)1),
früher auch ador oder adoreum genannt8), später auch spelta9), der grie-
chischen t^'a entsprechend10). Allein geschätzter war in den spätem Jahr-
hunderten der Republik und weiterhin der Weizen, triticum11) oder frumentum
xar' E£o%t}v12), bei dem man verschiedene Sorten unterschied13), zumal die
den Namen siligo führende14); er ist den Römern erst im 5. Jahrhundert
v. Ohr. bekannt geworden15). Dagegen spielt der Roggen, secale16), keine
') Oft so gegenübergestellt, z. B. Cic. de
fin. I 11, 37: Tusc.V35, 100; nat. deor. II 28, 90;
54,134; Cat.mai.l 1,31. Liv.XXIV16,13. Tac.
ann XIII 16. Curt.VII 5, 14. Cels. II 18.
2) Varr.r.r. 119. 6; 111 16,4. Hör. sat. II,
\ 32. Colum. XII 14. Digg.XXXlVl,6: ebd.12;
ebd. 15,1.
3) Auch escae und potiones oft gegenüber-
gestellt. Plaut. Truc. 610. Cic.de div. 151,115:
n. deor. II 23, 59; de fin. II 28, 90. Vgl. Plaut.
Most. 691 ;Men. 456; Cas.492. Hör. sat. II 2, 72
u. a. m.
4) Vgl. Mabchant bei D.-S. II 1343 ff.
5) Ueber die staatliche Annona s. Hum-
bert bei D.-S. I 273. Oehler bei P.-W. I 2316.
O. Hirschfeld Philol. XXIX (1870)1: ders.
Kaiserl. Veiwalt. I 128; II 230.
ü) Cic. de off. III 13.57; 16,67. Liv.IV12,
10:15.6; XXXVIII 5, 35. Oefters inschi iftl., CIL
VI 8 14 ; 9426 ; 9668 ; mercatores frumenti et olei
Afrari, ebd. 1620: mercator frumentarins R.
M. 1 (1886) 147. Ueber den Getreidehandel in
Rom und Ostia vgl. Hirschfeld a. a. O. II 235.
7) Plin. XXIII 62: populum Romanum
farre tantum e fnimento CCC annis tisutn
Verrius tradit; daher der Name fartna, der
erst später die verallgemeinerte Bedeutung
für Mehl schlechthin erhielt, ebd. 88: farinam
(/ fem: dictum nomine ipso apparet. Seltsam
etymologisiert Varr.l.l.V 106: far a farciendo,
quod in pistrino fit. Far war später noch
bei den Opfern die gebräuchlichste Getreide-
art, vgl. Dion. Hai. II 25; man vgl. die con-
farreatio bei der Ehe, farreum libum u. dgl.m.
Ueber den Anbau des Spelts s. Magerstedt
Bild. a. d. röm. Landwirtschaft V 283 ff.
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft IV.
8) Plin. a. a. O. 81 : volgatissima ex his
atque pollentissima far, quod adoreum veteres
appellavere; vgl. ebd. 163 ff.; 191. Hör. sat. II 6,
89. Colum. II 8, 5. Festus 3, 10. Non. 52, 14.
Auch far adoreum, Varr. r. r. 1 9, 4. Colum.
XI 2, 74. Irrtümlich bezeichnet Isid. or. XVII
3, 6 ador als tritici r/enus.
9) So Ed. Diocl.'l,7, andere Stellen bei
Blümner ebd. S. 64. Die ebd. 1, 8 genannte
scandula ist wohl auch eine Speltsorte, Isid.
or. XVII 3, 11.
,0) Plin. a. a. O. 81 f. Ueber die verschie-
denen Arten des Spelts handelt Colum. II 6, 3,
der vier Sorten unterscheidet.
u) Man leitete den Namen von ttrere
ab, als das Dreschgetreide im Gegensatz zum
Spelt, der ursprünglich durch Dörren enthülst,
nicht gedroschen wurde, Varro 1. l.V 106. Isid.
or. XVII 3, 4.
12) Cic.Verr.11175,164. Liv.XXXI l,6u.s.;
im Ed. Diocl. 1,1 figuriert frumentum an erster
Stelle der Feldfrüchte.
13) Vgl. M.Voigt im Rh Mus. XXXI (1876)
1 1 1 ff. Im allgemeinen Gr. Solms-Laubach Wei-
zen u. Tulpe und deren Geschichte, Leipzig 1899.
14) Cato r. r. 35, 1, wo triticum und siliffO
unterschieden sind, ebenso Varr. 1 23, 2 ; Colum.
II 6, 1 und Plin. XVIII 63 kennen bereits eine
größere Anzahl von Weizensorten, da in der
Kaiserzeit auch ausländische, namentlich grie-
chische Weizenarten Eingang fanden.
15) Nach Voigt Rh. M. XXIV (1896) 66 erst
seit dem Jahre 302 d. St. (453 v. Chr), entweder
von Kampanien oder von Etrurien her.
,6) Eine andere Benennung für Roggen
ist centetmm, Isid. or.XVII 3, 12. Ed. Diocl. 1.3.
2.2. 3. Aufl. 11
162
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
Rolle; er galt als Unkraut, für genießbar nur in Vermischung mit Spelt1).
Von andern Feldfrüchten ist noch zu nennen die Gerste, hordeum, die
zwar auch als menschliche Nahrung in verschiedener Gestalt diente, aber
für geringwertig galt2) und vornehmlich als Pferdefutter verwendet wurde3);
Hafer, avena, war lediglich Viehfutter4) und wurde nur in barbarischen Län-
dern zu menschlicher Nahrung benutzt 5) ; endlich wurde auch die Hirse, milium,
panicum6), zu den Feldfrüchten gerechnet und sogar zu Brot verarbeitet7).
Was die Art der Verarbeitung der Feldfrüchte anlangt, so wurden
dieselben teils gekocht als Brei, teils gebacken als Brot genossen. Volks-
nahrung war das ganze Altertum hindurch die schon erwähnte puls, ein aus
zerstampftem (nicht gemahlenem) Spelt mit Wasser und Salz bereiteter Brei8),
der aber auch, mitunter mit allerlei andern Zutaten, auf bessere Tafeln
kam9). Der Name puls oder pulticida ging dann auch auf ähnliche Mus-
gerichte, die aus Weizenmehl, Hirse usw. gekocht wurden, über10). Etwas
Ahnliches war die ursprünglich mehr griechische Speise der polenta (die
griechische juä£a)11), aus gerösteter und gemahlener Gerste12). Als neben
dem altitalischen Spelt der Weizen gebaut wurde, kam zum Mus das
gebackene Brot (panis) hinzu, dessen Herstellung — das Zerstampfen
oder Mahlen der Körner, das Sieben des Mehls und das Backen13), —
ebenso wie die der puls lange Zeit eine häusliche Arbeit blieb; erst zu
Anfang des 2. Jahrhunderts v. Chr. entstand in Rom ein eigenes Gewerbe
der Bäcker {pistores)14). Grobes und feines Brot wurde natürlich auch
früher schon hergestellt, aber erst die gewerbliche Technik mochte \ zu
Nach der bei Marquardt 414 A. 4 zitierten
Abhandlung von A. Kerner Geschichte des
Roggens (Innsbruck 1877) wäre secale nicht
Roggen, sondern Heidekorn oder schwarze
Plente; doch spricht dagegen, daß der Name
secale noch jetzt durch die romanischen Spra-
chen hindurchgeht und auch ins Keltische
eingedrungen ist, s. Hehn Kulturpfl. u. Haus-
tiere6 537 f.
') Plin. XVIII 141: admiscetur huic far,
ut mitiget amaritudinem eins, et tarnen sie
quoque ingratissimum ventri est.
•) Plin. ebd. 74: panem ex hordeo antiquis
usitatum rita damnavit, quadrupedumque fere
eibus est. Doch bemerkt Colum. II 9, 24, die Ger-
ste sei für die Menschen immer noch ein gesun-
deres Nahrungsmittel, als schlechter Weizen.
3) Colum. VI 30,1. Plin. XIII 130. Ander
Mauer des horreum einer Villa bei Boscoreale
sind die dort aufbewahrten Quantitäten von
hordeum und fabae verzeichnet, Not. d. seavi
1897,402.
*) Plin. XVIII 149 hält den Hafer für
entartete Gerste. Im Ed. Diocl. 1,17 wird der
Hafer nicht bei den Feldfrüchten, sondern
unter den Hülsenfrüchten aufgeführt.
5) Plin. a.a.O. und IV 95.
c) Es ist nicht ganz sicher, wie diese
beiden Arten sich unterschieden, sie werden
aber immer auseinandergehalten, vgl. Mar-
ohant a. a. 0. 1345. Blümner zum Ed. Diocl
1,4 S. 63.
') Plin.XXVIII64;ebd.l00. Colum.II9.17.
8) Daher das scherzhafte Patronymikon
Pultiphagonides bei Plaut. Poen. 54; vgl. dens.
Most. 828. Pers. 6, 40. Mart. XIII 8, und im
allgemeinen Cipolla in der Rivista di filol. e
d'istr. class.VIl (1878) 64ff.
9) Mart.V 78,9; X 85; vgl. die puls pu-
nica bei Cato r. r. 85 und die Rezepte bei
Apicius 185 ff.
10) Colum. II 9, 19. Plin. XVIII 100; XXII
128. Cels.1130 u. s.
n) Plin. XVIII 84: videtur tarn puls ignota
Graeciae fuisse quam Italiae polenta.
12) Plin. ebd. 72 f. Colum. VI 17, 18. Ueber
die verschiedenen Arten der Herrichtung der
Gerste in Griechenland und in Italien s. Blüm-
ner Technol. 112. Als Volksnahrung war zwar
die polenta auch in Italien bekannt, aber
lange nicht so verbreitet wie die puls. Die
heutigen Italiener bereiten die Polenta aus
Maismehl (der Mais ist erst aus Amerika in
Europa eingeführt worden).
13) Siehe hierüber Blümner a. a. 0. 15 ff.
Marquardt 421 ff. Mau bei P.-W. II 2734 ff.
Besnier bei D.-S. IV 494.
14) Plin. XVIII 107: pistores Romae non
friere ad Persicum usque bellum an nix ab
urbe condita super DCXXX. ipsi panem fa-
ciebant Quirites, mulierumque id opus maxime
erat, sicut etiam nunc in plurimis gentium*
Doch wurde die Herstellung des Mehles schon
vorher durch eigne pistores besorgt, ebd. 108.
Fünfter Abschnitt. Die Nahrung.
163
den mannigfaltigen Sorten und Abstufungen geführt haben, die man später
kannte l). Man unterschied nämlich, den Weizensorten und der Bearbeitung
entsprechend, als Rohprodukte: den Schrot {farina schlechtweg)2), das feinste
Mehl, pollis oder pollen*), wenn es aus triticum, floa sifiginis, wenn es aus
siligo bereitet war4); die Mittelsorten similago oder simila aus triticum6),
siligo aus dem gleichnamigen Weizen0); die grobe Mehlsorte hielä secundaria!»
oder cibarium1), die Kleie furfur, furfures"). Diesen entsprechen die Brot-
sorten: das Schrotbrot, panis acerosus9), später verschiedentlich benannt: ple-
beius10), rusticus11), <<tstrcnsis12),sordidusus\v.lii); dasfeinste Weizenbrot, panis
candidus1*), mu?iduslb); das Mittelbrot, panis secundarius1*), entweder aus
siligo als panis siligineus11) oder aus simila18); das grobe Brot, panis cibarius19).
Das eigentliche Kleienbrot, panis furfureus, war nur Hundefutter20).
Weitaus das meiste Brot wurde aus Weizen hergestellt, anderes nur
in bestimmten Gegenden oder zu gewissen, z.B. hygienischen Zwecken; so
aus Spelt21), aus Gerste22), aus Hirse23), aus Graupe24) usw.
') Siehe hierüber Voigt a.a.O. 114 ff. Pi-
Stores sind auf Inschriften überaus häufig, so-
wohl Hausbäcker, d. h. Sklaven, als selbstän-
dige; vgl. z. B. CIL VI 4010 ff. ; 8998 ff. ; 9802 ff.
Dessau 746411'. Bäcker, die im großen Stil
Geschäfte betrieben, hießen pistores maqnarii,
CIL VI 1692: 9810; ein redemptor pistor 1958;
11732. Kollegien kommen oft vor, vgl. ebd.
1002; 1739; 6219 u.s.; über die Kollegien der
kaiserlichen pistores s. Hirschfeld Kaiserl.
Verwaltungsbeamte 243 A. 2.
*) Es ist wohl ganz richtig, wenn Voigt
;i . a. O. betont, daß farina von vornherein Schrot
-(und zwar ursprünglich /ar-Schrot) bedeutet,
aber zu weit gegangen, wenn er sagt, der lateini-
schenSprache fehle eine adäquate generischeBe-
zeichnung für Mehl ; denn sicher hat farina eben
diese weitere Bedeutung mit der Zeit erhalten.
3) Plin. XVIII 89: ita (sc. pollen) appellant
in tritico quod floretn in siligine. Doch gab
es davon noch eine extrafeine Sorte, flos pol-
Unis, ebd. XIII 82. Andrerseits wird aber
auch das feinste Mehl von andern Getreiden
pollen genannt, so von der Gerste Cato r. r.
156,5; 157,9. Plin. XVIII 74. Pallad. XI 14,5.
4) Plin. XVIII 86 u. oben.
5) Cator.r.75. Plin. a. a. O. 82; ebd. 89:
similago e tritico fit. Mart. XIII 10. Ein pistor
fdmilaginarim CIL VI 9812 (= 1 1017).
6) Plin.a a.0.86. luv. 5, 70; 6,472; dar-
aus Gebackenes siligineus, Mart. IX 2, 3; XIV
68. Ein pistor siliginarius CIL VI 22; corpus
pistor. siliginariorum ebd. 1739.
7) Plin a. a. O. 87 u. 89.
8) Seltnere ältere Ausdrücke sind canica,
Lucil. bei Non. 88, 17 (nach Fest. 46, 1 nur die
furfures de farre; vgl. Corp. Gloss.V 639,29)
und cantabrum, Corp. Gloss. III 314,9.
9) Fest. 187, 7: panis non sine paleis ace-
rosus dicitur. Non. 445, 14: acerosum namque
panem farre minus purgato nee sordibus a
candido separat is dicendum veteres putaverunt.
10) Senec.ep.119,3. Schol.Pers.3, 111.
") Plin. IX 168.
12) Vopisc.Aurel.9,6.
,3) Plaut. Asin. 142. Suet. Nero 48. Non.
93, 8: auch durus, Sen. ep. 18, 7. und ater, Ter.
Eun 939; awtopyrus, Plin. XXII 138. Petron.
66,2. Scribon. comp. 227. Cael. Aurel. chron. V 9.
Natürlich ist zu beachten, daß mit diesen Be-
zeichnungen überhaupt die minderen Brot-
soiten, nicht eine bestimmte, gemeint sind.
14) Petron. 64,8; 66.2. Plin.XXII 139. Quint.
VI 3, 60. Ein pistor candidarius CIL XII 4502 ;
XIV 2302 (vgl. den pistor Romaniensis ebd.
2213).
15) Lampr.Al.Sev.37,3.Vopisc a.a.O. Auch
tener, nireus, luv. 5,70. Sen. ep. 123. 2.
16) Plin. XVIII 90. Suet. Aug. 76; bei Hör.
ep. II 1, 123 panis seeundus, bei Lampr. a.a.O.
sequens genannt; vgl. Blümnek a. a. 0.79 A. 1.
u) Sen. a. a. O.; ebd. 1 19,3, wo plebeius a.sili-
gineus einander gegenübergestellt sind ; ebenso
bei Varro ep.Non.88, 15 eibarius und ailigineus.
1S) Cels. II 30: panis ex siligine vel e.r
simila. Ein Adjektiv davon kommt nicht vor.
,9) Cic.Tusc.IV34,97. Plin. XVII 1 87u.90.
Front.adAnton.I3p.l01(Nab.).Apul.met.VIll
u. 20 u.a.m. Ein leicht verdauliches Brot war ver-
mutlich i&s\om 2)istor pepsianusbereitete, CIL
VI 9810. In der Provinz gab es Bäcker, die „nach
römischer Art" Backware herstellten, pistores
Romanienses, CIL XII 4503 und vgl. oben A. 14.
™) Gell. XI 7, 3, vgl. Phaedr. IV 18, 4.
2I) Plin. a. a. O. 62, in Gallien aus einer
brace oder scandala benannten Art; nach ebd.
92 aus arinca, der griechischen o/.rou (von
unsicherer Bedeutung, vielleicht Einkorn). <hit-
cissimus panis.
**) Panis hordaceus, Plin. ebd. 102. Sen.ep.
18,10 und s.obenS.162A.2.
23) Plin. ebd. 54 u. 160. Colum.II 9, 17.
M) Plin. ebd. 106. Ueber Brot aus anderen
Pflanzen, wie Eicheln, Lotos etc , vgl. Plin.
XIII 108 ; XVI 15 ; XXII 56 ; ebd. 67. Besnier
a.a.O. 498.
11*
164
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
Andere Unterschiede ergaben sich beim Brot durch die Art der Her-
stellung. Das meiste war allerdings nach gewöhnlicher Art im Backofen
gebacken, also panis ftirnaceus1); feiner war das in einem besondern
Apparat, dem clibanus2), gebackene, panis cUbanieius3), wohl mehr kuchen-
artig. Anderes wurde auf dem Herde gebacken, panis focarius*), oder in
einer Form, artopticius 5) oder testuatius6). Der Form nach war das Brot
in der Regel rund, mit Einschnitten, die das Brechen in vier Teile (quadrae)
oder auch mehr erleichterten7).
Endlich ist noch zu erwähnen, daß gewisse Getreidesorten außer zu
Mehl auch zu Graupe (alica) verarbeitet wurden, und zwar besonders Spelt,
aus dem man in Kampanien und anderwärts durch Zerstampfen im Mörser
unter Beimischung weißer Tonerde Sorten von verschiedener Feinheit
herstellte8), während die aus andern Getreidearten hergestellte als nach-
gemacht weniger geschätzt war9).
Über die zahlreichen Arten der Gemüse, Hülsenfrüchte, Salate und
anderer Gartengewächse, die zur römischen Nahrung gehörten, sind wir
durch die landwirtschaftlichen Schriftsteller und durch Plinius, nicht minder
durch die Arzte, die von ihren hygienischen oder pharmakologischen Eigen-
schaften handeln, sehr genau unterrichtet10); wir müssen uns aber auf die
wichtigsten darunter beschränken und halten uns dabei im wesentlichen
an die Aufzählung derselben im Edictum Diocletiani de pretiis rexum
vrenaliumn).
Was der Römer mit legumina bezeichnet, sind der Mehrzahl nach
unsere Hülsenfrüchte12). Darunter waren vornehmliche Nahrungsmittel
die Bohnen, faba13), die sowohl in grünem Zustande14), als getrocknet/
') Plin. XVIII 88 u. 105: gräzisiert äorog
rpovQväxios, s. Blümner a. a. 0. 74 A. 4.
2) Ein Deckelgefäß aus Ton oder Metall,
das sich nach unten erweiterte und mit kleinen
Löchern versehen war; es wurde über den
Teig gedeckt und Feuer darunter entzündet,
s. Blümner a. a. 0. 67. Saglio bei D.-S II
1246.
3) Plin. a.a.O. 105. Isid.or. XX2. 15; vgl.
Festus 142,1. Galen.VI489K. Ein pistor cli-
banarins CIL IV 677.
4) Isid. a. a. 0.
5) Plin. a.a.O. unterscheidet panes fur-
nacei vel artopttcii aut in clibanis codi: vel
ebd. 88. 6 '
6) Varr. 1. l.V 106; vgl.Verg. Mor. 50. Cato
r. r. 74. Blümner a. a. 0. 80 A. 3.
7) Hör. ep. 117,49. Sen.de benef. IV 29, 2;
s.die Beschreibung des Verfahrens Vers Mor
48ff. ö
8) Beschreibung des Verfahrens bei Plin
XVIII 112 ff.; vgl. Cato r.r. 76,1. Cels.1118-
ebd. 20 u s.
9) Plin. ebd. 1 1 5 f. Blümner a. a. 0. 55 ff.
10) Die Scr. rei rusticae an zahlreichen
Stellen; Plinius besonders XIX 52—189 Dios-
cor.H 126-217. Galen.de alim. facult. I 16—
II 6(\I524-56-SK.). Für die Identifizierung
der alten Namen mit den heutigen Bezeich-
nungen sind vornehmlich Jul.Billerbeck Flora
classica. Leipz. 1824, C. Fraas Synopsis plan-
tarum florae classicae, München 1845, und
H. 0. Lenz Botanik d. alt. Griech. u. Römer,
Gotha 1859, heranzuziehen.
") Es kommen von diesem Tarif die Ab-
schnitte 1 u. 6 in Betracht; für Genaueres ver-
weise ich auf meinen Kommentar zu den betr.
Stellen (Berlin 1893) und die Bemerkungen
bei Marchant a. a. 0.
,2) Plin. XVIII 165: legumina quae re/Iiin-
tur e terra, non subsecantur, unde et legii-
iii i im appelJata, quin ita leguntur; dagegen
ebd. 53 wird das includi siliquis als Kenn-
zeichen der legumina angeführt. Vgl.Varr. r. r.
123,2: hoc enim quoque legumen, ut cetera,
quae velluntur e terra, non subsecantur, quae,
quod ita leguntur, legumina dicta. Ders. 1. 1.
V64. Non.61,13. Se'rv. ad Georg. I 74. Corp.
Gloss.V 650, 60. Sie entsprechen den griech.
oojToia (Corp. Gloss. VI 634), vgl. Galen.VI 524,
oder dem, was Theophrast xeSgomi nennt (BT.
pl.VIIl 2,1 u.ö.), seltner ekloßä (ebd.lll 14.4).
Ueber die Bedeutung von legumina handelt
Röper im Philologus IX (1854) 239 ff.
1S) Siehe den ausführlichen Artikel Bohne
von Olck bei P.-W. III 609 ff.
14) Im Ed.Diocl. 6,38 als faba viridis pur-
gata aufgeführt.
Fünfter Abschnitt. Die Nahrang.
Ul
gegessen wurden1), eine altitalische Volksnahrung von sakraler Bedeutung2),
später aber nur ein Gericht der unteren Volksklassen, das billig war und
sättigte3), sonst waren sie auch gewöhnliches Schweinefutter4); Linsen,
Uns, lenticula, seit alter Zeit in Italien heimisch5) und ebenfalls eine
beliebte Volksnahrung6); dann verschiedene Arten von Erbsen, wie die
gewöhnliche Erbse, pisum1), die Kichererbse, cicer*), die grün und getrocknet
gegessen wurde9), als Brei genossen eins der verbreitetsten und billigsten
Gerichte des untern Volkes10), das zu geringem Preise auf der Straße feil-
geboten wurde11), und andere Sorten12). Weniger häufig erscheint das
Bockskraut, foenum Graecum13), auch siliqua (siUcia)1*), als Nahrungsmittel,
während die Lupine, lupin um (lupinus)16), und die Schminkbohne, phcusiolu8lt),
auch conchis (wenn sie mit der Schale gekocht wurde)17), gleich Bohnen
und Erbsen sehr gewöhnliche Volkskost bildeten.
Mit olera bezeichnen die Römer alle Gemüse, sowohl Blattgemüse,
wie Knollengewächse, die Salatarten u. dgl. m.is) Wir finden darunter
sowohl einfache, die zur Volksnahrung dienen, wie seltnere und teuere. Zu
letzteren gehören die Artischocken, Carduus19), die man in besonderer
Qualität aus Spanien und Karthago bezog20); auch der Spargel, asparayus21),
') Sie wurden in geschrotenem und un-
geschrotenem Zustande verwendet, als faba
mlida und faba fracta, Plin. XVIII 117 ff.,
oder /W/v fresset und non fresset-, Ed.Diocl. 1, 9 f.
*) Pfund De antiquissima apud Italos
l'aliac eultura ac religione, Berol. 1845.
;!) Eor.sat.116,68. Mart.X48.16; XI31,
12; immerhin kamen sie doch auch auf bessere
Tafeln. ebd.V78,10.
*) Varr.r.r. H4,17.Mart.III47,12;IV46,6.
5) Hehn a.a.O. 210.
K) Mart. XI 31, 12. Ed. Diocl. 1, 11; ge-
schätzter war die ägyptische Linse, die im-
portiert wurde, Plin.XVI 201; XVIII 123. Mart.
XI II 9. aber auch in Italien kultiviert nach
Verg. Geo. I 228.
7) Oder pisa, vgl. Plin. XVIII 58. Colum.
II 10,4 u.s.; Hehn a.a.O. 212. Im Ed.Diocl.
1,13 f. als pisa fracta und pisa non fracta
aufgeführt, aber nicht unter den grünen Ge-
müsen.
8) Hehn a.a.O. 213.
a) Plin.XVlII 124. Petron.14,3. Ed.Diocl.
1,15; 6.37.
lu) Hor.sat.I6, 114f.; II 8,182; Ars poet.
249. Mart.V78.21.
n) Mart. I 41,5; 103.10. Petron.14,3.
") Das Ed. Diocl. führt 1, 12 u. 16 ervilia
und ervum an; welche Erbsenart die erste
ist, ist unsicher, s. Blümner z. d. St. ; die an-
dere, unsere Erve, diente wesentlich als Vieh-
futter, s.Plin. XVIII 57; XXII 153.
IS) Plin. XXIV 184. Ed.Diocl. 1.18, Apic.
211: s. den Artikel Bockshornklee von Olck
bei P.-W. III 580.
14) Plin. XVIII 140. Colum. II 10, 33. Hör.
ep.II 1,123. Pers.3,55. luv. 11.58. Dochdiente
das foenum Graecum vornehmlich als Vieh-
futter, Colum. XI 2, 71.
15) Im Ed. Diocl. 1, 19 f. werden lupinum
crudum und coctum aufgeführt, wie Mart. V
78,21 fervens cicer et tepens lupinus anführt,
vgl. Petron. 14, 3; die Händler damit heißen
lupinarii bei Lampr. AI. Sev. 32, 2.
16) Im Ed.Diocl. 6,33: fasioli und ebd. 39
fasiolus r iridis purgatus als grünes Gemüse,
letztere also ausgehülst; nach Plin.XVI!! 125
yhasiolorum [süiquae) manduntur cum ipsis
granis. In getrocknetem Zustande Ed. Diocl.
1,21 fasiolus siecus.
17) luv. 3, 293; 14,131. Mart. V 39, 10: VII
78,2; XIII 7,1.
,8) lsid.or.XVH10,2:olusabalendodi( /'im.
eo quodprimum homines ab oleribus alerentur.
Sie entsprechen den griech. h'c/ara, Corp.Gloss.
VI 525, Stellensammlung bei Schuch Gemüse
und Salate der Alten, Rastatt 1853.
19) Plin. XIX 54 klagt, daß sie eine Deli-
katesse seien Colum. XI 3, 14 u. 28 nennt sie
mit dem griechischen Ausdrucke cinara. Das
Ed. Diocl. 6, 1 f. verzeichnet cardui maiores
und sponduli, griech. oqxivdvloi, nach Galen.
VI 637 K. ohv xs<pakai avziov. Näheres s.Olck
bei P.-W. II 1455 f. Schuch a. a. O. 20.
") Plin. XIX 152. Arnob. adv. gent. II 23 :
VII 16.
") Man unterschied wilden und Garten-
spargel, Ed. Diocl. 6, 34 f. Auf seine Kultur
wurde große Sorgfalt verwendet, s. Blümxku
z. d. St.; der beste Gartenspargel kam aus
Ravenna, Plin.XVlII 54. Mart. XIII 21; doch
wurde im allgemeinen der wilde Spargel (bes.
von der Insel Nesis, heut Nisida) vorgezogen,
Plin. XIX 145 f. Vgl. den Artikel 'Aä/fdgayos
von Wagler bei P.-W.II1712ff. ScHUCHa.a.O.
64 ff.
166
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
der sowohl als Gemüse wie als Salat zubereitet wurde1), war eine Speise
der Wohlhabenderen, während die jungen Stengel des Mäusedorns, ruscum2),
dafür einen billigen Ersatz lieferten. Unter den Blattgemüsen und Salaten
sind vornehmlich zu nennen die Endivie, intubiim3), oder Zichorie, Cicho-
rium*), Malve, malva5), der besonders beliebte Lattich, lactuca, von dem es
zahlreiche Sorten gab6) und mit dem man gern die Mahlzeit beschloß7);
ferner Ampfer, rumexs) oder lapathus9), verschiedene Arten Kresse, lepi-
dium10) oder sisymbrium11), Rauke, eruca12), auch Brennessel, urtica, die
freilich ein ärmliches Gericht gab13). Eine allgemeine und billige Volks-
nahrung gaben dann die verschiedenen Kohlsorten, die so verbreitet waren,
daß olus oft speziell Kohl bedeutet14), sonst brassica15), worunter alle die
verschiedenen Arten inbegriffen sind; und zwar unterschied man die größern
Stengel, caules, caaliculi, die aber nicht zerhackt, sondern ganz genossen
wurden16), und die vornehmlich geschätzten jungen Sprossen, cymae, cymata11).
Lauch, porrum, wurde in porrum sectile, Schnittlauch18), und pomim capi-
J) Suet. Aug. 86. Apic. 66; 125 ff. luv.
5,82.
2) Das Ed. Diocl. 6, 36 führt ruscum un-
mittelbar nach asparagus auf. Als Nahrungs-
mittel erwähnt es Plin. XXI 86; weiteres s.
Blümner z. Ed. Diocl. a. a. 0.
3) Im Ed. Diocl. 6, 3 f. intuba optima und
sequentia, wohl Gartenendivie und wildwach-
sende, Plin. XIX 129; XX 73. Apic. 103.
4) Plin. XXI, 88 als intubum erraticum
bezeichnet; Hör. carm. I 16. 31 als einfache
Nahrung erwähnt. Ueber die Zichorie vgl.
Olck bei P.-W. III 2537 ff. Schuch a a. 0.
27 ff.
5) Im Ed. Diocl. 6, 5 f. maximae und se-
quentes, wahrscheinlich wilde und zahme, eine
altgebiäuchliche, aber bescheidene Kost, die
jedoch wegen ihrer abführenden Wirkung ge-
schätzt war, Plin. XX 222ff. Cic. ad fam.VII
26,2. Hor.carm.I31.16;epod.2,57. Mart. III
89, 1 ; X 48, 1 ; X 48, 7. Vgl. Schuch 49.
6) Plin. XIX 125 ff. sowie Colum.XlSlff.
und XI 3, 26 f. zählen deren eine größere An-
zahl auf, die teils nach Form und Farbe, teils
nach der Herkunft bezeichnet werden, vgl.
Becker-Göll 252. Schuch a, a. 0. 47. Lenz
Botanik d. Gr. u. Rom. 486 ff.
7) Verg.Moret. 76; Matt. XIII 14 tadelt
die neue Sitte, Lattich an den Anfang des
Mahles zu stellen. Ueber seine diätetische
Bedeutung s. Plin. a. a. 0. 127 f. Gels. II 22
u. 24.
8) Plaut. Pseud. 815: apponunt rumicem,
hrassicam, betam, blitum. Plin. XIX 184: hoc
(sc. lapathum silvestre) in sativis rumix vo-
eatur. Vgl. Schuch 18ff.
9) Auch lapathum, Lucil. bei Cic. de fin.
118,24. Varro bei Non. 550. 12. Hor.epod.2,57;
sat.114,29; nach Plin a.a.O. der zahme Sauer-
ampfer.
10) Plin. XIX 166, wonach es in Italien ur-
sprünglich fremd war. Colum. XI 3, 16 u.41.
Schuch 43.
11) Plin. ebd. 172 (während die XX 247 so
genannte Pflanze wahrscheinlich Minze ist).
Vgl. Schuch 27 und Blümner zum Ed. Diocl.
6,24.
12) Verg. Mor. 85: venerem revocans eruca
morantem, worauf sich auch Mart. III 75,3
bezieht; X48, 10 heißt sie deshalb herbasala.
Vgl. luv. 9, 134. Plin. X 182. Ov. rem. am. 799
Schuch 62.
,3) Hör. ep. 112, 8. Pers.6,70; sie galt aber
für gesund, Catull.44, 15. Plin. XXII 31 ff., auch
als Stimulans, luv. 2, 128; 11,168. Vgl. Schuch
59 f.
14) Speziell atrum holus, Plaut. Pseud. 814,
auch in einem Wort olusatrum, Plin. XIX 162
u. ö. Colum. XI. 3, 18; ebd. X 123 olus pullum.
Vgl. über die Kohlarten Schuch 33 ff.
' ä) Cato r. r. 156, 1 : brassica est quae Omni-
bus holeribus antistat; vgl. Plin. XIX 136: olus
caulesque, quibus nunc principatus hortorum,
apud Graecos in honore fuisse non reperio.
Ebd. XX 78 ff. Colum. X 127 ff. Die crambe
(sprichwörtlich crambe repetita, Iuv.7,154, „auf-
gewärmter Kohl"), ist nach Plin. XX 79 eine be-
sondere Art, die aber selten erwähnt wird. Zur
Namensform vgl. A.Schöne bei Friedländer zu
luv. a. a. 0.
16) Mart. V 78, 6 f.; sie wurden, damit sie
die grüne Farbe behielten, mit Salpeter ge-
kocht, ebd.XIII17. Plin. XXXI, 115, sonstin
Oel, Salz usw., Hör. sat. II 2,59. luv. 5, 87.
Immerhin war es eine einfache und billige Kost,
luv. 1, 134. Vgl. Blümner zum Ed. Diocl. 6, 9.
17) Plin. XIX 137; XX 90. Colum. X 129.
Ed. Diocl. 6,11. Beide Sorten wurden auch als
Konserven zubereitet; vgl. Schuch 33 ff.
18) luv. 3,293. Pallad. III 24,11; auch
sectivum, Plin. XX 44 ff. Mart. XIII 18. luv. 14.
133, oder tonsile, Mart. X 48. 9, vgl. ebd. XI
52, 6; der beste Schnittlauch kam aus Tarent,
Mart. XIII 18. Vgl. über den Schnittlauch und
den Lauch überhaupt Hehn Kulturpfl.u. Haust.
189 ff.
Fünfter Abschnitt. Die Nahrung.
167
tatum, Porre1), unterschieden, galt aber als ärmliche Speise2). Dasselbe
war der Fall mit dem Mangold (kleine Runkelrübe), betas), die außerdem
ihres faden Geschmacks wegen nicht sehr geschätzt war4). Dann hatte
man verschiedene Rüben, rapae5), von denen man die pastinaca, unsre
Möhre6), der der siser verwandt war7), und den napus, die Steckrübe8),
unterschied. Verbreitet war auch der Rettig, radix9) oder raphanus10).
Wie heute noch im Süden, so waren auch im alten Rom die Zwiebeln,
cepa11), bulbus12), sei/In13), eine namentlich beim niedern Volk beliebte Speise,
die sie auch später blieben, als die bessern Stände vom Genuß der rohen
Zwiebeln, der unangenehmen Folgen wegen, nichts mehr wissen wollten14).
Ganz ebenso verhielt es sich mit dem Knoblauch, alium16).
Ebenfalls zu den olera gerechnet wurden die verschiedenen Arten der
Gurken gewächse (Cucurbitaceen), so der Kürbis, Cucurbita16), der heut noch
im Süden einen wichtigen Teil der Volksnahrung bildet und im Altertum
teils gekocht oder gebraten, teils eingemacht gegessen wurde17), ferner
Gurken, cucumis1*), die sehr beliebt waren und sogar in Glaskästen kul-
tiviert wurden19), und die Melonen, sowohl die Wassermelone, pepon20), wie
l) Colum.XI 3.30; graves porri, Mart.V
78.4; der beste kam von Aricia, ebd. XIII 19.
Colum. X 139. Daher porrum utrumque, Mart.
11147,8. Betreffs der Zubereitung s. Blümner
a.a.O. 6, 12 f.
«) Hor.ep. 112,21. Iut. 3, 293; durch Nero,
der ihn gern aß. kam der Schnittlauch eine
Zeitlang in die Mode, Plin. XIX 108.
3) Plaut. Pseud. 815. Pers. 3, 114. Mart.
XIII 13; vgl. III 47, 9. Plin. XIX 133. Schuch
51 ff.
4) Catull.67,21. Suet.Aug.87.
'") Die Rübe heißt rapnm oder rapa,
Varro r. r. I 59, 4. Mart. XIII 16 als Winter-
gericht; das Ed. Diocl. 6, 18 f. tarifiert sie nach
der Größe. Mehr bei Plin. XVIII 125 ff. Colum.
XI 3 59.
•) Plin. XIX 88. Col. IX 4, 5. Ed. Diocl.
6. 44 f. ; dasselbe ist die carota, Apic. 1 13. Daß
sie, wie Becker-Göll 354 sagt, nicht geschätzt
waren, ist nicht richtig, s. Plin. XXI 86.
7) Nach Plin. XIX 90 bei Tiberius beliebte
Sorte, die er vom Rhein bezog; vgl. XX 34.
Nach Corp. Gloss. II 185, 11 (vgl. 436,56) ist
sie ei&oc r>T<u/ vXivov, d. h. eine Art Mohrrübe.
8) Plin. XIX 75 ff. Col. II 10, 23 : nach Mart.
XIII 20. Plin. XVIII 131; XIX 77 kamen die
besten aus Amiternum und Nursia.
9) Hör. sat. II 8, 8. Ov. met. VIII 666 ; über
die Bedeutung im Unterschied von rapa s.
Blümner zum Ed. Diocl. 6, 16 f.
,0) Cato r. r. 35, 2. Plin. XIX 78 ff. Col. XI
3,47 u.s.
n) Ueber die verschiedenen Arten Plin.
XIX 99 ff. Col. XII 10, 1 ; das Ed. Diocl. 6, 20 ff.
unterscheidet eepete siccae und virides; man
hatte auch verschiedene Arten der Konser-
vierung, s. Plin. ebd. 105 f. Als gemeine Speise
Mart. III 77,5; XII 32, 20.
12) Plin. XIX 93 ff. Cato r. r. 8,2. Col. X
106 ; die megarischen galten für die besten. Als
Aphrodisiacum Mart. III 75, 3 ; XIII 34. Ov. rem.
am. 797 ; als Sklavenkost luv. 7, 120. Vgl. den
Artikel Bokßk von Olck bei P.-W. III 669 ff.
13) Die Meerzwiebel, Plin. a. a. O. Col. XII
33; doch fand sie in der Medizin und im Sühne-
kultus mehr Anwendung, als in der Kost. vgl.
Cels.III27, 1 ; V28, 12. Ueber die verschiedenen
Zwiebelarten der Alten vgl. Hehn a.a.O. 195 ff.
14) Varr. b. Non. 201, 6 : avi et atavi nostri,
cum alium ac cepe eorum verba olerent, tarnen
optime animati erant. Dagegen Naevius bei
Prise. VI 2 p. 681 : ut illnm di perdant, am pri-
mam holitor protulit caepam! Daß sie auch
später noch Volksnahrung blieben, zeigt Plut.
quaest. conv. IV 4, 3 p. 669 B.
15) Plin. XIX 111 ff. Col. X 314; XI 3,20.
Plaut. Most. 38 : at te Iuppiter dique omnes per-
dant; fu, obokiisti alium. Hör. epod. 3, 3 ff.
Ueber den Knoblauch s. Hehn a. a. O. 200 f.
I6} Plin. XIX 69 ff. Col. X 234 ff.; XI 3,48.
Ed. Diocl. 6, 26 f. Vgl. Hehn 304 ff.
17) Nach Mart. XI 31 hätte man eine ganze
Mahlzeit mit verschiedenartig zubereitetem
Kürbis ausrichten können. Vgl. über die Arten
der Zubereitung Blümner z. Ed. Diocl. a. a. O.
18) Plin. XIX 64 ff. Col. a.a.O. Pallad. IV
9,7. Ed. Diocl. 6, 28 f. Nach Hehn 310 war die
den Alten bekannte Gurke eine jetzt in Europa
nicht mehr angebaute Art.
19) Plin. a.a.O. Col. XI 3, 53.
20) Plin. a. a. O. 65 rechnet sie zu den cii-
cumeres, von denen sie sich nur durch die
Größe unterscheidet; bei den Scr. rei rust.
kommt sie nicht vor, dagegen öfters bei
den Aerzten. Vgl. Apic. 79. Ed. Diocl. 6, 32.
Corp. Gloss. VII 67. Hehn 311 sagt, es lasse
sich nicht erweisen, daß der pepo der Alten
die Wassermelone sei, und hält diese für einen
Ankömmling des Mittelalters; doch bemerkt
168
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
die Zuckermelone, melopepon1), melo2), die namentlich in der spätem
Kaiserzeit eine geschätzte Frucht war3).
Endlich gehören zu den olera noch die Kapern, capparis*), bei denen
man sowohl den Stengel wie die Früchte verzehrte, wie denn auch beide
eingelegt wurden5), und die heut noch im Orient beliebten jungen Triebe
der Zwergpalme, germina palmae6).
Pilze, fangt1), wurden viel gegessen, als gewöhnliche Sorte die fungi^
suilli, eine Art Steinpilze8), als sehr geschätzte boleti, Kaiserschwämme9),
Champignons, fungi pratenses10), und Trüffeln, tubera11). Und auch der
Oliven, olivae, oleae, muß hier gedacht werden, die kaum bei einer Mahl-
zeit zu fehlen pflegten12) und ebensowohl frisch wie eingelegt genossen
wurden13).
Hierzu kamen nun eine große Menge Küchenkräuter und Gewürze,
olera odorata1*), condimenta -.18), teils einheimische, wie Eppich (Sellerie),
apium16), Dill, anathum1'1), Raute, rutals), Alant, inula19), Minze, menta20),
Melde, blitum21), Dosten, origanum22), Fenchel, feniculum23), Anis, anesum24),
Mohn, papaver2b), teils fremde, deren Anbau man in Italien einführte, wie
Engler ebd. 312, daß sie schon in den ältesten
Zeiten von Südafrika nach Aegypten und dem
Orient gelangt und noch in vorchristlicher Zeit
über Südeuropa verbreitet worden sei.
') Plin.XIX67. Pallad. IV 9, 6. Ed.Diocl.
6, 30 f. Corp. Gloss.'lII 317, 50.
2) Diese Form ist später die üblichste, vgl.
Corp. Gloss. VI 689. Pallad. a. a. 0., ebenso bei
den Scr. hist. Aug.
3) Vopisc. Carin. 17,3. Treb. Poll. Gallien.
16,2. Iul. Capit. Albin. 11,3.
4) Plin. XIII 127 : XIX 163. Col. XI 3, 17
und 54. Als Zukost bei Plaut. Cure. 90;
als vulgäre Nahrung Mart. III 77, 5. Vgl.
Schuch 33.
5) Plin. XV 1 1 7 : XX 1 65 f. ; vgl. Blümner z.
Ed. Diocl. 6,25.
f') Ed. Diocl. 6,40 aufgeführt; auch das
sogenannte Palmenhirn, cerebrum palmae,
wurde gegessen, Plin. XIII 39; vgl. XXI 97.
Hehn 267.
7) Plin. XXII 96 ff.
8) Mart. III 60, 5: sunt tibi boleti, fungos
ego sumo suillos; sie wurden auch getrocknet
und eingemacht, Plin. ebd. 98 f.. aber wegen
der Gefahr der Vergiftung waren sie weniger
beliebt. luv. 5, 146. Plin. a. a. O. 96.
9) Plin. a. a. 0. 92 ff. luv. 5, 147 ; mit einem
Gericht solcher wurde Kaiser Claudius ver-
giftet, ebd. 6, 620 f. Suet. Claud. 44.
10) Hör. sat. II 4 20.
") Plin. XIX 33 ff.: Mart. XIII 50 läßt sie
nach den boleti rangieren. Die besten kamen
ausAfrika,Iuv.5,119. Plin. a.a.O. Dochscheint
die schwarze Trüffel den Alten unbekannt ge-
wesen zu sein, s. Marquardt 325 A. 14. Becker-
Göll 360.
12) Plaut. Cure. 90; Stich. 691. Hör. sat. II
2, 46. Mart. I 103, 7 ; IX 26. 6 u. ö. ; die besten
kamen von Picenum, ebd. 143,8 u. das. Fried-
länder.
13) Cator.r.58;117. Varr. r. r. I 66. Col.
XII 49. Plin. XV 104. Das Ed. Diocl. e, 89 ff.
zählt drei Sorten Oliven auf; über die Art des
Einlegens s. Blümner z. d. St. Ein Amphoren-
henkel aus Vindonissa trägt die Aufschrift Oliva
nigr(a) ex def(ruto), also in Most eingelegte
reife Oliven (vgl. Cato 7, 4. Varr. r. r. 1 60), s.
Eckinger Anz. für Schweiz. Altert. 1908, 320
n. 35.
14) Isid. or. XVII 11.
15) Plaut. Pseud. 820. Cic. de fin. II 28,90.
Plin. XIX 160. Man unterscheidet condimenta
viridia, Küchenkräuter, Col. XII 8, 1, und arida,
Gewürze, ebd. Vgl. darüber Pottier bei D.-S.
1 1438 und im allgem. über Küchengewächse
Beckmann Beitr. z. Gesch. d. Erfind. V 107 ff.
1G) Plin. XX 1 1 3 ff. Col. XI 3,33. Verg. Georg.
IV 121.
17) Plin. XIX 167. Col. XI 3, 42. Weiteres
s. Olck bei P.-W. V 639 ff.
18) Plin. XX 131 ff., in älterer Zeit sehr be-
liebt, ebd. XIX 156. Col. XI 3, 38. Mart. XI 52,8.
19) Plin. XIX 91 f. Col. XI 3, 35. Hör. sat.
112,44; ebd. 8,51.
20) Plin. ebd. 159 f. Col. a. a. O. 37. Mart.
X 48, 10: ruetatrix menta. Schuch 57.
2 >) Plin. XX 252. Pall. IV 9, 1 7. Plaut. Pseud.
815. Schuch 56.
22) Plin. XIX 186. Pall. XII 22, 5.
■3) Plin. XX 254 ff. Schuch 31. Olck bei
P.-W. VI 2172.
24) Plin. XIX 167 ; besonders aus Aegypten,
Col. XII 51,2; 53,2 ; auch anisum, Isid. or. XVII
1 1 , 6. A usführliches über Pflanze und Gebrauch
s. Olck bei P.-W. 12215.
25) Vornehmlich für Brot und Kuchen be-
nutzt, Plin. a. a. 0. 168. Petron. 1, 3.
Fünfter Abschnitt. Die Nahrung.
169
Petersilie, petroselbwm1), verschiedene Arten Kümmel, aimutum2), careum*),
git oder melanthium*), Koriander, coriandrumb), Thymian, thymuni6), ser-
pi/llum1), Majoran, amaracus oder sampsuchum8), Sesam, sesamum9), Senf,
sinapi10) u. a. m. Bei zunehmender Verfeinerung der römischen Küche
kamen auch die mannigfachen Gewürze des Orients in Gebrauch11), wie
Pfeffer, p iper12), Ingwer, zingiber13), Kardamom, cardamomum1 '). Zimt, ein-
namomum16), und das berühmte Silphium, das die Römer laser nannten10),
der Saft der laserpitium benannten Pflanze17); doch war dessen berühmteste
Bezugsquelle, die Kyrenaika, schon zu Anfang der Kaiserzeit erschöpft18)
und man bezog eine mindere Qualität aus Persien und Armenien19).
Sehr reich versehen war auch die römische Tafel mit Obst20) aller
Art, und zwar sowohl solchem, das von Natur in Italien heimisch war,
als mit fremden Sorten, die teilweise schon sehr früh, teils aber auch erst
gegen Ausgang der Republik und in der Kaiserzeit eingeführt worden
waren, wie endlich auch solchen Früchten, die nur in getrocknetem oder
eingemachtem Zustande zur Verwendung und auf die Tafel der Römer
') Die Petersilie, die nach Diosc. VI 70
(77) und Isid. XVII 11,2 in Makedonien vorkam,
diente hauptsächlich medizinischen Zwecken
(und wird wohl deshalb im Ed. Diocl. 32,56
mitten unter Drogen angeführt), wurde doch
aber auch in der Küche benutzt, s. Apic.
29 ff. Isid. a. a. 0., der auch hipposelinon und
oleoselinon unter den Küchenkräutern nennt.
2) Ein sehr beliebtes Gewürz, für Speisen
wie für Brot, Plin. XIX 160; XX 218. Col. XII
51,2; oft bei Apicius. Es ist der sog. römische
oder Pfefferkümmel, der am besten aus Spanien,
Nordafrika, Kilikien und Galatien kam, Diosc.
III 61 (68). Vgl. Ed. Diocl. 1, 32. Hehn 203 ff.
s) Der eigentliche Kümmel, der, wie sein
Name besagt, aus Karien gekommen sein soll,
Plin. XIX 164. Colum. a. a. 0. Apic,31 ; 336.
Heiin 205.
4) Schwarzkümmel, Plin. XIX 167; XX 182;
in Griechenland war der Name [iEkav&iov der
übliche, die Bezeichnung qit, die sich häufig
findet, z. B. Col. VI 34, 1 . Pall. X 13, 3 (aber bei
Plaut Rud. 1326 nur in verderbter Lesart), deu-
tet auf orientalische Herkunft, s. Hehn a. a. O.
h) Kam am besten aus Aegypten, Plin. XX
216; vgl. über seine Anwendung bei der Polenta
ebd. XVIII 73; XIX 123. Col. XI 3, 29.
6) Garten-Thymian, von dem man den
besten Samen aus Attika bezog, Plin. XXI 56 f.,
vgl. ebd. 154 ff. Col. XI 3, 39. Mart. V 39, 3.
Schuch 67 f.
7) Feld-Thymian, gr. eqjivUos, am besten
aus Thrakien, Sikyon und Attika, Plin. XIX
172;vgl.Cator.r.73. Varr.r.r.I35,2. Colum.
a.a.O.
8) Aus Aegypten, Kypern, Kleinasien u. s.,
Plin. XIII 10; XXI 163. Col. X 171; ebd. 296.
Der amaractis ist das ursprünglich griechische
Gewächs, odmi'v/(>y, eine fremde, ägyptische
oder syrische Art, vgl. Wagler bei P.-W. I
1726 f.
9) Plin. XVIII 48 rechnet ihn mit Hirse u. a.
zu den aestiva frumenta; vgl. Petron. 1, 3. Ed.
Diocl. 1, 26. Col. II 10. 18 erwähnt den Sesam
von Kilikien und Syrien: die Pflanze war jeden-
falls vom Orient her importiert worden.
,u) Plin. XIX 170 f. Col. XII 57; der beste
war der ägyptische, Plin. ebd. 171. Vgl. Hehn
206 f. Schuch 64.
n) Vgl. die Aufzählung solcher Gewürze
Digg. XXXIX 4,16.7.
l») Kam aus Indien, Plin. XII 26 f. ; XIX 58.
Diosc II 188(189); vgl. Mart. XIII 5; ebd. 13.2.
Vgl. Besnier bei D.S. IV 485 f.
13) Aus Arabien, Plin. XII 28. Diosc. II 189
(190). Ed. Diocl. 32,68.
>4) Ebenfalls aus Arabien, Plin. XII 50.
Diosc. I 5.
») In Arabien nach Plin. XII 82 ff. nicht
heimisch, kam aber durch die Araber in den
Handel, vgl. Plin. 86 ff., der Aethiopien als Hei-
mat angibt. Bestimmtes wußte man aber über
den Zimtbaum nicht, vgl. Lenz Botan. d. Gr. u.
R. 455.
16) Plin. XIX 38; ebd. 43 f.: vgl. ebd. 153.
Col. Xll 7,4; 59,4.
'<) Plin. XIX 38 ff. Col.VI17.7.
18) Plin. V 33; XVI 143; nach XIX 39 kam
zum letzten Male unter Nero ein Stengel kyre-
naischen Silphium s nach Rom. Ueber die Pflanze
ist zu vgl. Thrige Res Cyrenensium (Hafniae
1828) 230. Hehn 111. Oersted Zeitschr. für
Ethnol. III (1871) 197 f. Stüdniczka Kyrene
17 ff. Else Stkantz Zur Silphionfrage, Ansbach
1909.
19) Plin. XIX 40.
20) Vgl. Schneider Ueber den Wein- und
Obstbau der alten Römer, Rastatt 1846. Wal-
ker Obstlehre d. Griech. u. Römer, Reutlingen
1845. Krause bei Pauly V 1839 ff. Magerstedt
Die Obstbaumzucht der Römer, Sondershausen
1861. Becker-Göll Gallus III 79 ff.
170
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
gelangten. Unter poma versteht man, was der Grieche mit öjiüjga be-
zeichnet, d. h. die Früchte des Sommers, die frisch genossen werden,
besonders die Baumfrüchte, also Kern- und Steinobst, aber auch Feigen,
Datteln, Nüsse usw.1), wobei im einzelnen wieder mala als Kernobst von
den mices unterschieden werden2); bacae ist die Bezeichnung für das
Beerenobst, aber auch für beerenförmige Früchte, wie die Oliven3), während
acinus (oder acinum) die traubenförmig beisammen stehenden Beeren, also
vornehmlich Weintrauben, bedeutet4). Die Hauptrolle spielten die auf dem
Tisch des Reichen wie des Armen gleich beliebten Äpfel, mala5), von
denen man eine große Anzahl Sorten hatte6), die teils das Äußere oder
den Geschmack, teils die Herkunft, teils die Züchter bestimmter Arten
bezeichneten7). Ebenfalls sehr geschätzt war die Birne, pirum8), auch mit
zahlreichen, nach Personen oder Züchtern, nach Herkunft oder nach Geruch,
Gestalt, Farbe, Reifezeit u. dgl. benannten Arten9). Auch von den Pflaumen.
pruna, gab es viele Sorten10); die besten, die Damascener Pflaumen, wurden
meist getrocknet versandt11). Seit alter Zeit heimisch in Italien war auch
die Feige, ficus12); doch war es erst die Kaiserzeit, die eine Unmenge von
Sorten und Benennungen kannte13). Getrocknete und gepreßte wurden
von Kleinasien, besonders aus Karien, importiert14). Frühzeitig eingebürgert
war ferner die Quitte, malum Cydonium, latinisiert cotoneum16); sie wurde
in der Regel eingemacht, als Marmelade u. dgl., genossen16). Auch der
») Vgl.z.B.Cat.r.r.7,3 Varr. r.r.I 31,5;
59,1. Tib.11,8. Mark III 58. 50;VII49,2u.a.m.
Auch Trüffeln sogar werden poma genannt,
Mark XIII 50, 2. Daher pomaria, Obstgärten
oder Obstspeicher, Hör. carm. I 7, 13. Cic. de
sen. 15,54. Varr. r. r. 12.6; 23,4, und pomarii,
Obsthändler, Hör. sat. II 3, 227. Lampr. Heliog.
27,3; häufig auf Inschriften, s. Marquardt
466 A. 1.
'-) Macr. III 19, 1 : sunt de agricultura
scriptores qui nuces et mala sie dividunt, ut
ii ii n-s dicant omne pomum quod foris duro
tegatur et intus habeat, quod esui est, malum
vero quod foris habeat quod est esui et durum
intus includat.
3) Plin.XV96u. 101. Hör. carm. II 6,16;
sat. II 4, 69 u. ö. Mark XIII 101, 1, wie denn
überhaupt baca y.ar' i£o/?/i' die Olive bedeutet.
4) Pliu. XV 100. von Flieder, Efeu u.a.m.,
vgl. XXIV 52; ebd. 77 ; XXV 116 u. s., aber am
häufigsten von der Weintraube.
5) Vgl. Olck bei P.-W. I 2700 ff. Hehn
593 ff.
6) Aufzählungen bei Plin.XV47 ff. Macrob.
III 19, 2. Col. XII 47, 5. Pallad. III 25. Olck
a. a. O. 2705 f. stellt 31 Sorten zusammen.
7) Als die besten galten die mala Matiana
(Ed. Diocl. 6, 65), die nach dem Ritter C. Matius
benannt waren; vgl. Suet. Domik 21. Blümner
zum Ed. Diocl. a. a. O.
8) Vgl. OLcxa. a. O. III 491 ff.
") Plin. XV53f. zählt gegen 30 Sorten auf;
dazu Macr. a.a.O. 6; Magerstedt a a.0. 165 ff.
gibt ein Verzeichnis von über 50 Sorten. Die
beste Art war das pirum Crustuminum, nach
Plin. a. a. O. Colum.V 10, 18 nach der sabinischen
Stadt Crustumium, vgl. Serv. ad Georg. II 88. I
10) Plin. XV 41: ingens turba prunorumf
versicolor. Col. X 404. Doch kannte Cato 133,2
diese Mannigfaltigkeit offenbar noch nicht; s.
Plin. a. a. O. 46: sed pruna quoque omnia post \
Catonem coepisse manifestum est; vgl. Hehn
369 ff.
11) Stak silv. 1 6, 14. Mark V 18,3; XIII 29;
vgl. Blümner z. Ed. Diocl. 6, 86 f.
12) Das beweist die Rolle, die der Feigen-
baum in der Gründungsgeschichte Roms spielt.
Vgl. Solms-Laubach in den Abh. d. Gott. Ges.
der Wissensch. XXVIII (1882): Die Herkunft,
Domestikation und Verbreitung des gewöhn-
lichen Feigenbaumes. Hehn 94 ff. Olck bei
P.-W. VI 2100.
13) Cato 8,1 nennt nur sechs Sorten; Plin.
XV 72 : postea tot subiere nomina atque genera,
ut vel hoc solum aestimantibus appareat mu-
tatam esse vitam. Aufzählungen ebd. 68 ff. Ma-
crob. III 20,1. Col. V 10, 10 f.
14) Zumal die von Kaunos, Cic. de div. II
40, 84. Plin. a. a. O. 83 ; Caricae pressae, Ed.
Diocl. 6, 84 f.; ebd. 88 sind ficus duplices, ge-
spaltene, angeführt, vgl. Hör. sat. II 2, 122.
15) Daß sie schon früh in Italien Eingang
gefunden hat (zuerst wohl bei den unteritali-
schen Griechen), geht aus Prop. IV 12 (III 13),
27 hervor. Plin. XV 37 f. führt mehrere Arten
an, Col. V 10, 19 drei. Vgl. Hehn 241 ff.
16) Cator. r. 7,3. Plin. a.a. O. 60 u. 65 u.a.
Vgl. Blümner z. Ed. Diocl. 6, 73 f.
Fünfter Abschnitt. Die Nahrung.
171
Granatapfel, malum Punicum oder granatum, ist alter Besitz1), trotz des
auf spätere Zeit deutenden Beinamens2). Dagegen wurde die Aprikose,
malum Armmiaeum oder praecox*), erst im 1. Jahrhundert n. Chr. aus
Armenien nach Italien gebracht4), ebenso der Pfirsich, malum Persicum,
aus Persien0). Die Kirsche, cerasus, von der man früher nur eine wilde
Art und die sogenannte Kornelkirsche, cornvm, gekannt hatte6), kam erst
nach den mithradatischen Kriegen, angeblich durch Lucullus, vom Pontus
nach Italien, wo sie sich sehr schnell ausbreitete7). Datteln, caryotae,
<lacf ///iH). ptihnae^), kommen an den in Italien wachsenden Dattelpalmen
nicht zur Reife; sie wurden, wie heut, getrocknet importiert, und zwar
vornehmlich aus Äthiopien und Judäa10); Kästchen mit solchen waren ein
beliebtes, auch den Armeren zugängliches Geschenk11). Selten erwähnt
wird die Mispel, mespilum, die zu Catos Zeit noch unbekannt war12). Um
so verbreiteter war dafür der Weinstock, der zwar auch nicht in Italien
heimisch, aber schon sehr früh von Griechenland her eingeführt worden
zu sein scheint13); frische Weintrauben wurden viel gegessen, daneben
getrocknete (Rosinen), nvae passae1*).
Die heut für Italien so charakteristischen Agrumi waren dort ur-
sprünglich fremd; Limonen, Pomeranzen und Apfelsinen hat das Altertum
überhaupt nicht gekannt15); mit der Zitrone (Zitronatzitrone), die die
Griechen seit Alexander d. Gr. als medischen Apfel kannten, hatte man
nach dem Bericht des Plinius Kultur versuche gemacht, die aber miß-
glückt waren16). Erst ein bis anderthalb Jahrhunderte später zog man
sie an warmen Orten als Kübel- oder Treibhauspflanze17), und erst im
I. Jahrhundert n. Chr. erscheint der Baum als citrus, malum cüreutn
in gewissen Gegenden Italiens akklimatisiert18). Johannesbrot, siUqua
!) Er kam wohl von Unteritalien her, wo
er früh bezeugt ist, nach Latium, vermutlich
schon zur Königszeit, s. Hehn 236 f. Vgl. Plin.
XIII 112; X39. Col.V10,lu.5.
2) Wie Hehn a. a. 0 annimmt, nannten
die Römer den Granatapfel, wie die Quitte,
schlechtweg malum, der Beiname Punicum
kam auf, als sie den Reichtum an Granat-
bäumen im Gebiet der Karthager kennen lern-
ten, wo noch später viel Granatäpfel herkamen,
Plin. XIII 112. Mart.XIII42.
3) Wie aus praecox oder jyraecoqua unser
Aprikose geworden ist, s. bei Hehn 416 f.
4) Plin. XV 40: (praecocia) intra XXX
annos reperta et primo denariis singula venum-
ddta. Diosc. 1 165.
5) Plin. a. a. O. 39 f. Diosc. 1 164. Col. X
405. Pall.XH7,4. Vgl. Hehn 415 ff.
6) Daß eine wilde Süßkirsche schon lange
in Europa heimisch und die aus dem Pontus
verpflanzte eine edle Sauerkirsche war. zeigt
Hehn 390 f. Ueber die Kornelkirsche s. Plin.
XV 101; XVI 105. Col. XII 10, 3.
7) Plin. ebd. 102 ff. Serv. ad Verg. Geo. II
18. Erste Erwähnung bei Varr. r. r. 1 39,2; daß
sie aber schon früher im Osten bekannt war,
zeigt Athen. II 51 A.
8) Plin. XIII 46. Ed. Diocl. 6, 81 ff.
9) Auch die Frucht heißt palma, wie der
Baum, Plin. XIII 34. Ov.fast.I18">. Pers.6,39.
Im Ed. Diocl. 6,83 heißt eine Sorte Datteln
palmulae.
10) Varr. r. r. II 1, 27. Plin. XIII 43 u. 49.
Vgl. Hehn 262 ff. Blümner z. Ed. Diocl. 6,81.
") Stet. Silv. I 6, 20. Mari VIII 33, 11 ; XI
31,10; XIII 27.
12) Plin. XV 84; vgl. VII 73. Diosc. 1 170.
Pall. IV 10.19. Auch Varro nennt sie nicht.
13) Vgl. Hehn 65 ff., besonders S. 71 f. Plin.
XVIII 84 bemerkt: apiid Romanos multo serior
Vitium cultura esse coepit , primoque, ut necesse
erat, arra tantum coluere.
14) Der Name kommt vom Ausbreiten (pan-
dere) der Trauben zum Trocknen, nicht wie
Plin. XIV 16 erklärt: a patioitia nomen acmis
datur passis. Ueber das Verfahren s. Cato r. r.
7, 2; uvae ollares s. oben S. 155 A. 3; mehr bei
Blümner z. Ed. Diocl. 6,92.
15) Näheres bei Hehn 426 ff.
"') Plin. XII 16; vgl. XVI 135; er beschreibt
die Pflanze nach Theophr. H. pl. IV 4, 2.
17) Geopon. X 7.
,8) Pall. IV 10, 1 1 ff. Anthol. Lat. ed Riese
1 126 n.169 ff. Sonst ist citrus bekanntlich der
172
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
Graeca oder Syriaca, kam noch im 2. Jahrhundert n. Chr. aus dem
Orient1)-
Von Beerenobst erfahren wir, den Weinstock ausgenommen, wenig.
Am häufigsten wird die Maulbeere, morum, erwähnt2); der medisch-pon-
tische Baum, der den Griechen ziemlich früh bekannt war, kam vermutlich
aus Unteritalien nach Latium. Von eigentlichen, auf Sträuchern wachsenden
Beeren kannte man vornehmlich die Erdbeere, fragum*), die Himbeere,
rubus4*), und die Brombeere, die ebenfalls rubus oder gleich der Maulbeere
morum oder morum agreste heißt5).
Unter nuces begriff man ebenso die verschiedenen Arten Nüsse, wie
die Mandeln und Kastanien, bei denen in früheren Zeiten, als die Produkte
der noch nicht in Italien heimischen Bäume nur durch den Handel dorthin
gelangten, auch die Spezialbezeichnungen schwankend waren, sodafi erst
in der Kaiserzeit eine genaue Unterscheidung nachweisbar ist6). Von Nüssen
kommt vornehmlich die Walnuß, iuglans, in Betracht, die Cato noch nicht
kennt7), die aber seit dem 1. Jahrhundert v.Chr. allgemein bekannt ist
und oft erwähnt wird8). Nuces Avellanae oder Praenestinae sind die aus
Kampanien stammenden edleren Hasel- oder Lambertsnüsse9), die ur-
sprünglich vom Pontus gekommen, aber schon früh in Latium heimisch
geworden waren10). Die aus Mittelasien stammende Pistazie, pistacium11),
deren beste Qualität aus Syrien bezogen wurde12), wurde erst unter Vitellius
nach Italien und Spanien verpflanzt13). Die Mandel, nux Graeca oder Tkasia u),
später mit dem griechischen Ausdruck amygdala10), war zu Catos Zeit schon
akklimatisiert10). Ebenso die Kastanie, nux calva11), nux mollusca18), später
Thujabaum, s. oben S. 124. Das minutal dulce
ex citrus bei Apic. 175 ist jedenfalls nicht aus
Zitronen bereitet: nach Schneider Jnd. ad Scr.
r. r. 140 und Schuch zu Apic. 1. 1. aus citrini cu-
') Colum.V 10, 20 und Plin. XVII 136 sind
fremde Wirtschaftsregeln; vgl. Colum.VlI 9, 6.
Plin. XV 95; XXIII 151. Galen.VI 615 K. Erst
Pall. Iil 25,27 scheint den Baum aus eigner
Erfahrung zu kennen. Näheres Hehn 440 ff.
2) Plin. XV 97; XVII 124 u. 136. Colum.
V10, 20. Sie wurden roh und getrocknet ge-
nossen, Hör. sat. II 4, 21. Ed. Diocl. 6, 77. Im
allgemeinen s. Hehn 373 ff.
3) Verg. ecl. 3. 92. Ov. met. I 104; XIII
815 f. Plin. XV 98 f.; XXI 86.
4) Prop.IV12 (III 13), 28. Plin. XVI 180;
XXIV 123; sie scheint aber meist mit der
Brombeere identifiziert worden zu sein.
5) Verg. Geo. III 315. Ov. met. 1 104. Plin.
XV 97; XVI 179 f. Pall. X 16.
6) Hehn 379 ff.
7) Cato 8, 2 nennt folgende Nußarten:
nuces calvae, Avellanae, Praenestinae, Graecae ;
die Avellanae und Praenestinae sind edle Hasel-
nüsse, die nuces Graecae (nach Macr. III 18, 8)
Mandeln, die nuces calvae nach der Vermutung
von Hehn 382 Kastanien.
8) Varr. 1 16, 6. Colum.V 10,4. Pall. II 15,
14. Plin. XV 86 ff.; nuces ohne nähere Bezeich-
nung pflegen auch Walnüsse zu sein, so Ed.
Diocl. 6, 50 f. die nuces virides und siccae.
9) Macr. a. a. 0. 5. Cato a.a.O. Plin. XV
88 ff.; XVI 121. Colum.V 10. 14.
10) Macr. ebd. 6: hanc autem nucem Graeci
Ponticam vocant. Plin. XV 88; ebd. 87 werden
als erste Bezeichnungen der Haselnuß bei den
Griechen Persica und basilica angegeben, vgl.
Diosc.I178f. Hehn 380.
n) Auch in der Form psittacium, Geop.
X12. Ed. Diocl. 6, 55; vgl. Ath. XV649C.
»*) Plin.XIIIöl; vgl. Hehn 405 ff.
13) Plin. XV 91.
14) Macr. a. a. O. 8: nux Graeca haec est,
quae et amygdale dicitur, sed et Thasia eadem
nux vocatur. Columella nennt IX 4, 3 den
Baum amygdale, die Frucht V 10, 12 u. 14 nux
(jrVd€C(t
15) Vgl.WAGLER bei P.-W. I 1990ff. Der
Name amygdala kommt zuerst Ov. a. a. III
183 vor.
lfi) Siehe oben A. 7. Plin. XV 90: haecarbor
an fuerit in ltalia Catonis aetate dubitatur,
quoniam Graecas nominat, doch ist dies Beden-
ken ungerechtfertigt, s. Hehn 382. Amygdala
amara und dulc'ta unterscheidet zuerst Scrib.
Larg. comp. 5 u. 147. dann Plin. XVII 252.
17) Cato 8,2, s. Hehn a.a.O.
18) Macr. a. a. O. 9: Plautus in Calceolo:
molluscam nucem super eins di.rit impendere
Fünfter Abschnitt. Die Nahrung.
173
fjastanea1)', sie wurden teils geröstet, teils in gemahlenem Zustande ge-
kocht2). Endlich mögen auch die heut noch in Italien als Speise beliebten
Pinienkerne, nuclei pinei, genannt sein3).
Wir gehen zu den Fleischspeisen über, die, wie wir oben (S. 160)
sahen, allmählich immer mehr neben der vegetabilischen Kost der älteren
Zeit Eingang, Vermehrung der Fleischarten und Verfeinerung in der Zu-
bereitung fanden, bis letztere im Tafelluxus der Kaiserzeit zu törichtem
und protzenhaftem Raffinement führte4). Wenn man den spätem Angaben
aus der letzten Zeit der Republik glauben soll, so wäre Rindfleisch, coro
pubula (oder bubula schlechtweg) in alter Zeit nicht gegessen worden, weil
das Rind der Gehilfe des Menschen beim Ackerbau war5); in der historischen
Zeit aber finden wir es als Volksnahrung ganz allgemein"), nur galt es, wie
alles schwarze Fleisch, als weniger leicht verdaulich 7). Minder häufig scheint
Kalbfleisch, vitulina, auf den Tisch gekommen zu sein8); dagegen war Lamm-
fleisch, agnina9), gewöhnlich und billig10), ebenso Hammelfleisch, rervecinall)y
und Ziegenfleisch, caprina12), haedina13). Aber weitaus am beliebtesten war bei
den Römern, und zwar bei vornehm und gering, das Schweinefleisch, porcmau ).
seltner suilla genannt15). Die Schweinezucht blühte auf den Landgütern16);
tegulas; er erklärt sie als nux Persica und
zitiert dafür Suevius im Moretum, wo die
nux mottusca als aus Petsien stammend be-
zeichnet ist. Nach Enolek bei Hehn 386 wäre
die Einwanderung der Kastanien in Südeuropa
jedenfalls in vorhistorischer Zeit ohne Zutun
der Menschen erfolgt.
J) Der Name findet sich zuerst beiVerg.
ecl. 1.81 ; 2, 52; 7,53. Vgl.Plin.XV92ff. Colum.
IV 33 ;V 10, 14. Ed. Diocl. 6.49.
2) Plin. a.a.O. Diosc.1145.
s) Plin.XIV103;XXI189u.s. Ed.Diocl.
6,54; öfteis bei Apicius, auch bloß nuclei
genannt, s. Blümner z. Ed. Diocl. a. a. 0.
4) Vgl. hierüber Friedländer Sittengesch.
111 24ff.
5) Cic. nat. deor. II 63, 159. Varr. r r. 115,4.
Colum. VI praef. 7. Verg. Geo. II 537 mit Servius
z. d. St. Plin. VIII 180; darnach wäre sogar das
Schlachten des Kindes als todeswürdiges Ver-
brechen bestraft worden. Doch hält Maü zu
Marquardt 429 A. 3 dies für sentimentale Auf-
lassung späterer Zeiten, da sich in den Pfahl-
dörfern der Terremare unter den Küchenab-
fällen zahlreiche Knochen von Rindern finden,
8. Hklbig Italiker in der Poebene 14.
6) Plaut. Aul. 374: Cure. 367. Daß es in
der Kaiserzeit neben dem Schweinefleisch die
verbreitetste Fleischkost war, zeigt Lampr.
A 1 . Sev. 22, 7. Vopisc. Prob. 4, 6 und Ed. Diocl. 4,
2, wo es an zweiter Stelle rangiert. Rinds-
leber Plin. XXVIII 214; Herz Mart. XIV219;
Milz Cels.IV16(9); Rindsbrühe, ins bubulae,
für Patienten, Scrib.comp.188f. Vgl. Apic. 356.
Die Glossen haben neben bubula auch die
Form bovina coro, s. Corp. Gloss. III 554, 27:
M8.55; vgl. VI 154.
7) Cels. II 28; kalt genossen sollte es
besser verdaut werden, ebd. IV 12. Als Heil-
mittel bei Bißwunden u.s., Plin. XXVIII 156
u. 196. Ein gemeines Essen waren Rindskal-
daunen, omasum, Hör. sat. II 5, 40; ep. 1 15,34.
Plin. VIII 180. Brühe davon als Heilmittel, ebd.
XXVIII 161 u. 189.
8) Plaut. Aul. 375. Cic. ad fam. IX 20, 1 : <M-
sumvitulinum.V gl. Apic. 355 ff. Corp. Gloss. VII
425. Plin. XXVIII 256 u. ö. erwähnt caro vitulina
nur zu Heilzwecken. Im Ed. Diocl. ist es nicht
tsriiiGrt
9) Plaut. Aul. 374; Capt. 819; 849. Cels.
II 18 Iudic. coci et pist. (Anth. Lat. ed. Riese I
140 n. 199) v.88. Corp. Gloss. VI 44; Zuberei-
tungsarten Apic. 359 ff.
,0) Hör. epod. 2, 59; ep. I 15, 35. Im Ed.
Diocl. 4, 47 ist agnus und haeilus nach dem
Pfundgewicht tarifiert; es geht daraus her-
vor, daß Lämmer und junge Ziegen damals
nicht, wie Rinds-, Schweine-, Ziegen- und
Hammelfleisch einzeln im Pfund verkauft
wurden, sondern nur die ganzen Tiere.
") Plaut. Capt. 820. Cod. Theod.VII 4, 6.
Ed. Diocl. 4. 3. Corp. Gloss. II l 316,53; vgl. VII
407 . ( 'cro atrina Corp.Gloss. III 88, 28. Schöpsen-
maul als gemeine Speise luv. 3, 294; eaptU
rrrrrrinutn Mart. XIV 211.
») Vopisc. Prob. 4, 6. Ed. Diocl. 4. 3. Corp.
Gloss.VI 178 f.
1S) Hör. epod. 2. 60; sat. II 2.121. luv. 11,
66. Mart. X 48, 10; 87,17; XIII 39. Cels. II 18.
Ed. Diocl. 4, 48. Corp. Gloss.VI 510; vgl. Apic.
a. a. O.
14) Plaut. Capt. 849. Lampr. Alex. Sev. 22, 7.
Vopisc. Aurel. 35. 2. Ed. Diocl. 4, 1.
15) Plaut. Men. 210. Varr. r.r. II 4,8. Plin.
XXX 38. Cels. III 9.
16) Varr. r. r. II 4, 3. Cic. de sen. 16. 56: ab-
undat porco, haedo, agno, gatlinß. Vgl. Colum.
VII 9. Pall. III 26.
174
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
und wie das Schwein ein sehr gewöhnliches Opfertier war, namentlich für
die Laren1), so diente es auch als geschätzter Festbraten2); kein anderes
Fleisch bot so mannigfaltigen Geschmack in seinen einzelnen Teilen3). Von
diesen galten als besondere Leckerbissen die Gebärmutter, vulva4), das Euter,
sumen5), die Leber, die ficatum hieß, weil sie am besten von Schweinen kam,
die mit trocknen Feigen gemästet waren G), sowie die nicht sicher zu deu-
tenden ylandia1). Weniger fein, aber auch beliebt, waren die Bauchlappen,
abdomen*), der Kopf, sinciput9), die Füße, ungulae10). Das eingepökelte
Schweinefleisch hieß lardum11) oder caro larida1*), das Rippenstück o/fw/«13),
der Schinken perna14) oder petaso10)-, die besten bezog man aus Gallien und
von den Marsern16); auch von der Speckschwarte, callum, ist die Rede17).
') Vgl. Marqüakdt Rom. Staats verw. III
200. Wissowa Relig. u. Kult. d. Römer 160 f.
2) Varr. a. a. 0. 10: suillum pecus donatum
ab natura dicunt ad epulandum. Ov. fast.VI
179. luv. 11. 83. Marl. XIV 70, doch galt Wild-
schwein für feiner, ebd. 11137,2.
3) Daß man an fünfzig verschiedene Zu-
bereitungsarten hatte (Marquardt 429), sagt
Plin.VIII 209 nicht, er spricht nur von den
quinquaginta sapores des Schweinefleisches,
cum ceteris singuli.
4) Plin. a a. O. erwähnt, es seien früher
durch zensorische Verordnung interdicta cenis
gewesen abdomina, glandia, testiculi, vulvae,
sincipita perrina. Die Erwähnungen der vulva
sind zahlreich, vgl.Naev. bei Macrob. III 18.6.
Hör. ep. II 5, 41. Mart. VII 20, ll.Plin.ep.il 5, 3;
die vor dem Werfen aus der trächtigen Sau
geschnittene hieß eiecticia, die nachher ge-
schnittene^)orcrtr/«,Plin.XI210;manchezogen
die vulva einer jungen Sau vor, Mart. XIII 56.
Während man das gewöhnliche Schweinefleisch
pfundweise aufschnitt, wurde die vulva (wie
Euter und Leber) besonders verkauft, Ed.
Diocl.4,4ff. Daß sie übrigens nicht bloß ein
Leckerbissen feinerer Tafeln war, zeigt luv.
11,81. Daß auch die testiculi gegessen wurden,
zeigt die zitierte Stelle des Plin.
5) Plaut. Cure. 323 zählt als Hauptlecker-
bissen auf pernam, callum, abdomen, sumen,
qlandium : ähnlich Pseud. 166 ; Capt. 903 f. Vgl.
Pers 1.53. Plin. a. a. O. u.XI 211. Mart. II 37,
2; VII 78,3; XIII 44u.ö. luv. 11, 138. Ueber
die Grausamkeiten, die zum Erzielen wohl-
schmeckender Euter begangen wurden, s.Plut.
de esu carn. II 1 p.997A.
6) Das war eine Erfindung des Schwelgers
Apicius, Plin.VIII 209. Wie allgemein das
Gericht war, zeigt, daß es im Ed. Diocl. 4, 6
figuriert. Im Iud.coci et pist. 84 f. ist sycotum
[oi'X(ot6v, vgl. Corp. Gloss.VI 449) von ficatum
unterschieden. Rezepte Apic. 263 f.
7) Plaut, Cure. 323; Pseud. 166; Stich.360;
Capt.915; Men.210. Plin.VIII 209. Die apri
Glandulae bei Mart. III 82,20; VII 20, 4 schei-
nen dasselbe zu sein ; Friedländer zu Mart.
vermutet darunter Nierenstücke, Becker-Göll
eher Halsdrüsen, unter Hinweis auf Colum.
VII 9, 1. Pall. III 26, 1, wo von glandulae cer-
vicis beim Schwein die Rede ist.
8) Plaut. Cure. 383. Plin.VIII 209; X1211.
9) Plaut. Men. 211. Plin.VIII 209. Petron.
135,4. luv. 13,85; daß er nichts Feines war,
geht aus Pers. 6,70 hervor.
10) Iud.coci a.a.O. Ed. Diocl. 4, 12; Zube-
reitung Apic. 259. Bei Cels. II 18 weiden un-
gulae, rostrum, aures, cerebellum zusammen-
gestellt; bei Apic. a.a.O. callum, libelli (nach
Schuch s. v. a. lumbuli oder lubelli), coticulae,
ungellae; im Ed. Diocl. a. a. O. wird auch der
aqualiculus (oder ventricula, Apic. 289) mit
tarifiert, vgl den venter Faliscus, Mart. I V46, 8.
Varr.LLVlll.
n) Oder laridum, Plaut. Capt. 210; Men.x
903 ; vgl. Stat. silv. IV 9, 34. Mart. V 78, 10 : faba
cum rubente lardo. Ed. Diocl. 4, 7. Isid. or. XX
2,24: über die Herstellung, das Salzen und
Räuchern Colum. XII 55. Pall. XIII 6. Dies/
Fleisch war ein beliebter Festschmaus, luv.
11,84. Ov. fast.VI 169. Macrob. 1 12.33.
12) Cod.Theod.VlI4,17.
1S) Varr. 1. 1. VI 10: ex abdomine eius (sc.
sueris) offula, dicia ab offa minima e suere\
r. r. 114, 11. Colum. XII 55, 4; bei Cato 162
ofellae; ebenso Mart. X 48, 15; XII 48, 17; XIV
222 (von Friedländer aber für eine Art Wurst
erklärt). luv. 11,144.
,4) Plaut. Capt. 903 ; Cure. 323 ; Pseud. 166 ;
Men.210; Stich.360. Cato a.a.O. Hör. sat. II
4,60. Stat. silv. IV 9,34. Mart. X 48, 17 u. s.
15) Es ist nicht sicher, wie perna und
petaso sich unterscheiden. Daß sie nicht iden-
tisch sind, zeigt Varr. II 4, 10, wo pernae und
petasones nebeneinander genannt sind, ferner
Mart. XIII 54 f. Schneider zu Cato erklärt die
petasones als die obern Vorderfüße (darnach
Marquardt 430) ; allein der Unterschied war
eher der, daß die perna stark eingesalzen
und geräuchert war, s. Cato a. a. O. Hör. sat.
112,117: fumosae cum pede pernae, der pe-
taso aber nur wenig gesalzen, daher frisch am
besten, s. Mart. III 77,6: dubio de petasone;
XIII 55: mihi cum vetulo sit petasone nihil',
luv. 11,119: siecus petasunculus.
16) Varr. II 4, 10. Pers. 3,75. Mart. XIII 54;
vgl. Strab. III 162; IV 192; V218.
17) Plaut. Capt. 904; Cure. 323; Pseud. 166;
vgl. Plin. VIII 210: callum aprunum.
Fünfter Abschnitt. Die Nahrung.
175
Auch das Spanferkel, porcellus, hatte seine Liebhaber J), und sehr allgemein
waren Wurstwaren, farcitnina*), von denen es sehr viele Arten gab, die
sich durch Form oder Zubereitungsart unterschieden und nicht nur aus
Schweinefleisch, sondern auch aus anderem Fleisch nebst allerlei würzigen
Zutaten bereitet wurden: so die hU/aeä), circelli*), besonders aber botuli oder
botellib), die.tomacula*) und die so beliebten Lucanicae1). Etwas Ahnliches,
doch mehr Sülze als Wurst, waren die isicia 8), zu denen man später auch
Seetiere verwendete9).
Für Wild hatten die Römer von jeher eine besondere Vorliebe, und
da die Jagd den Bedürfnissen nicht genügte, so hatte man schon früh
angefangen, nach orientalischem Muster Tierparke anzulegen, in denen
allerlei Wild gehegt wurde. Angeblich wären bereits die in einer Rede
des jüngeren Scipio Africanus erwähnten roboraria solche gewesen10); nach
sichereren Berichten war ein gewisser Q. Fulvius Lupinus im 1. Jahrhundert
v.Chr. der Erfinder solcher Tiergärten im großen Stil11), die anfangs lvp<>-
raria hießen, wie die schon hundert Jahre früher üblichen Einzäunungen
für Hasen12), später vivaria13), und in denen auch Hirsche, Rehe, Eber u. a.
gehalten wurden14); doch wurden die Fischbehälter, in denen Seetiere, Mu-
ränen u. a. gefüttert wurden, ebenso benannt15). Ein Lieblingsbraten war der
») Plaut. Men. 314. Varr. r.r. II 4. 14. Plin.
XXX 47. Mart. XIII 41; vgl. III 47, 12. Gell. IV
11,6. Ed.Diocl.4, 46, wie agni und haedi nach
dem Gewicht, aber im Stück tarifiert. Rezepte
Apic.372ff.
*) Das ist der allgemeine Name dafür,
Varr. 1. l.V 111: ab eadem fartura farcitnina
in extis appellata. Isid.or. XX 2, 28: farcimen
caro concisa et minuta, quod eo intestinum
farciatur, hoc est impleatur, cum aliarum
rcnui) commixtione. Apic. 57. Corp. Gloss. III
184,17.
3) Hör. sat. II 4, 60; vom Schol. Cruqu. er-
klärt als furtum salticium. Zur Deutung dient
Varr. a. a 0.: in quo quod tenuissimum in-
testinum furtum, hilct ab hilo dicta. Fest. 101,
•">: hira quae diminutive dicitur hilla, intesti-
num est. Plin. XI 200.
4) Von der runden Form, Apic. 60. Das-
selbe sind vielleicht die spirulae, Arnob. adv.
gent. II 42.
5) Nach Gell. XVI 7, 11 hätte Laberius in
seinen Mimen zuerst botulus für farcimen
gebraucht. Petron.49,10. Mart.V78,9: XI 31,
13. Arnob. a. a. O. Apic. 55. Sid. Ap. ep.VHI 11,
8 v.46. Fest. 35, 13; nach Tertull. apol. 9 waren
die botuli cruore distenti (Blutwürste) den
Christen verboten. Die Wurstmacher, botu-
larii (denen im Testamentum Porcelli, abgedr.
in Büchelers Petron4 243, die intestina ver-
macht werden), riefen ihre Würste auf der
Straße mit bestimmt erMelodie aus,Sen. ep. 56,2.
6) Daß das eine andere Art ist, zeigt
Petron. a. a.O., wo botuli und tomacula neben-
einander genannt sind: Rostwürstchen, toma-
oula super craticülam argenteam ferventia
posita, ebd. 21,11. Vgl. Mart. I 41, 8, wonach
sie heiß (fumantia tomacla) vom Garkoch auf
der Straße verkauft wurden; scherzhaft luv.
10,355. (Dasselbe sind wohl die tomacina bei
Varr. r. r. II 4, 10, wo aber Keil mit einigen
Hss. comatinae schreibt.)
7) Varr. 1. l.V 111. Cic. ad fam. IX 16,8.
Mart.IV46,8;XIII35. Apic. 56. Corp. Gloss.
VI 656. Das Ed. Diocl. 4, 15 f. unterscheidet
Lucanicae (d. h. Schweins wurste) von Lucu-
ni cue bubulae. Auch die von Varr. a.a.O. an-
geführten Sorten fundolum, apexabo, longavo
scheinen Wurstarten zu sein.
8) Varr. 1. l.V 110. Macrob.VII8, lf. (der
sie als schwer verdaulich bezeichnet). Arnob.
adv. gent. 1142; das Ed. Diocl. 4, 13 f. unter-
scheidet isicia porcina und bubula. Im Testam.
Porcelli (s. oben A. 5) bekommen die isiciarü
die femora des Schweins.
9) Nach Lampr. Heliog. 1 9, 6 eine Erfindung
dieses Kaisers, zahlreiche Rezepte Apic. 37 ff.
l0) Nach Gell. II 20, 4f., der das aber vor-
sichtig als Meinung einiger docH riri be-
zeichnet, appellata a tabulis roboreis, quibus
saepta essent; vgl. Colum. IX 1,3.
") Varr. r.r. III 12,1. Plin.VlH211.
12) Varr. III 3,2: leporaria te accipere volo
non ea quae tritari notttri dicebant, ubi soli
lepores sint, sed nmniu saepta, adfirta ri/luc
quae sunt et habent imlnsa unimalia, quae
pascantur. Colum VIII 1,4 heißen sie kayo-
XQOfffÜl.
u) Bei Varro noch nicht: zuerst Plin. a. a.O ,
vgl.ebd.224. Colum. a.a. O. und IX 1,3. Digg.
XLI2,3,14.
14) Varr. III 12,1; 13,2. Colum. a.a.O.
15) Plin. IX 168; 171; 173. Sen. de dem.
I18,2;nat.qu.Ill 18,4; ep. 90, 7.
176
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
Eber1), dessen geschätzteste Sorte aus den Wäldern Lukaniens2), Umbriens3)r
Etruriens4), von der laurentinischen Küste5) kam, wobei die Unterschiede in
der Qualität auf der Verschiedenheit der Nahrung beruhten. Es war in der
letzten Zeit der Republik aufgekommen, bei größeren Mahlzeiten den Eber
ganz auf den Tisch zu bringen6), ein Brauch, der sich auch in der Kaiser-
zeit erhielt7), obschon daneben einzelne Teile, wie beim zahmen Schwein,
besondere Gerichte und Leckerbissen abgaben 8) und das Fleisch auch einzeln
im Pfunde zu kaufen war9). Kaum weniger beliebt war der Hase10), zumal
sein Fleisch nach einem verbreiteten Aberglauben Verschönerung bewirken
sollte11); man schätzte an ihm besonders die Schulterblätter, armi12). Dem
Hirschfleisch, cervina13), das für schwer verdaulich galt14), zog man das Reh,
capra16), vor, das daher auch in den Tierparks gehalten wurde 16). Seltneres
Wildbret waren die Gemse, damma11), Antilope und Gazelle, dorcas18), der
wilde Esel, onager19). Eine eigentümliche Delikatesse bildeten die Hasel-
mäuse, glires, die in besondern Gehegen, gliraria, gehalten wurden20), ein
Luxus, gegen den sogar zensorische Verordnungen einschritten21).
Auch vom Geflügel dienten allerlei zahme und wilde Arten zur
Nahrung und wurden, teils für den eigenen Bedarf des Besitzers, teils
zum Verkauf, auf den Landgütern in den oben (S. 72) erwähnten Vogel-
häusern oder in eigenen Geflügelhöfen22) gehalten, gezüchtet und gemästet.
') Sehr häufige Erwähnungen dieses Ge-
richtes, z. B. Hör. sat. II 2, 42 u. 89. Mart. III
50,8; 77, 2; VIII 22,1; XIII98u.s. Petron.40,
3. luv. 11, 138.
a) Hör. sat. II 3, 284; ebd. 8. 6.
3) Hör. sat. II 4,40; aber nach Stat. silv.
IV 6, 10 behauptete man, es sei der Tuschs aper
generosior Umbro.
4) Mart. VII 24, 1 ; XII 14,9.
5) Verg.Aen.X707. Ov.fast.II231. Mart.
1X48,5; X45,4; aber Hör. sat. II 4, 42 sagt:
Laurens malus est, ulvis et harundine pinguis;
die andern nährten sich dagegen von Eicheln.
6) Nach Plin.VIII 210 trug man noch zur
Zeit des alten Cato den Eber zerteilt auf;
ganz seit Anfang des letzten Jahrh. v. Chr.
7) Mart. 143, freilich mit der Klage, daß
es für die große Gesellschaft zu wenig war.
Iuv.1,140; 5,115. Der sparsame Tiberius aber
ließ halbe Eber auftragen. Suet.Tib. 34.
8) Das aintiput, Macr. III 13, 12; Uinibi,
ebd. und Plin. a. a. O. ; Uta, Mart. X 45, 4. luv.
5,136; rliines, luv. 5, 167; glandulae s. oben
S. 174 kj;callum, Plaut. Pers. 305; Poen. 579,
allerdings sprichwörtlich {callum aprugnum
cattere); als Nahrung Cato bei Plin. a.a.O.
9) Ed Diocl.4,48. Zubereitung Apic.330ff.;
am Bratspieß Mart. XIV 221, 2.
10) Besonders Martial, der ihn XIII 92 für
das beste Gericht erklärt, erwähnt diesen
Braten sehr oft, vgl. III 47, 11 ; 77,2. IV 66, 5
u.s., luv.f), 167; 11, 138. Ed. Diocl.4, 32. Rezepte
Apic. 895 ff.
u) Plin. XXVIII 260. Mart.V29,l. Lampr.
Alex.Sev.38.
'-) Hör. sat. II 4. 44; 8,89. Mart. VII 20, 4.
13) Ed. Diocl.4, 44. Mart. XIII 96. Apic.
341 ff.
14) Galen.VIp.664K.
ib) Auch capreolus, capra fera, mitunter
auch nur capra, s. Keller Tiere d. klass. Alter-
tums 102 ff. Blümner z. Ed. Diocl.4, 45.
16) Colum. IX praef. 1 ; doch zog man nach
Hör. sat. II 4, 43 die erjagten vor. Vgl. Mart.
XIII 99. Das Fleisch galt für gesund, Cels.
II 18.
17) Colum. IX 1,1. Mart. XIII 94. Iud.coci
(s. oben S. 173 A. 9) v. 68. Das Ed. Diocl. 4, 45
faßt die caprea, damma und dorca zusammen.
Man scheint unter damma. auch die Antilope
mit inbegriffen zu haben, s. Keller a. a. O.
73 ff.
18) Auch dorca, Ed. Diocl. a.a.O. Plin.VIII
225; als Gericht Mart. XIII 98.
19) Mart. XIII 100. auch lalisio, ebd. 97.
Plin.VIII 174: pullis eorum (sc. onagroruni)
ceu praestantibus sapore Africa gloriatur,
quos lalisiones appeJIant: ebd. 170 wird er-
wähnt, daß auf die Tafel des Maecenas auch
junge zahme Esel kamen, daß man aber später
die wilden bevorzugte. Diese Tiere kamen
vielfach dadurch auf den Tisch, daß sie bei
den Venationen im Zirkus verwendet wurden,
s. Priedi.änder Sittengesch. II 496.
20) Varr. r. r. III 15 Plin. XVI 18.
2 ') Plin.VIII 223 ; XXXVI 4 ; daß sie nichts
halfen, zeigt Petron. 31, 10. Mart. III 58, 36 ;
XIII 59. Apic. 408; noch Amm. Marc. XVIII 4,
13 erscheinen sie als Leckerbissen.
22) BeiVarro wird das Vogelhaus, ögvilhöv,
III 2, 15, besonders ebd. 5,8ff., vom onvn')o-
ßooxiiov, 1119,2, ebd. 4 u. 15, unterschieden.
Fünfter Abschnitt. Die Nahrung.
177
Das gemästete Federvieh, das eigene fartores unter sich hatten *), hieß speziell
alfili«2), obschon auch andere gemästete Tiere so genannt wurden3); die
eigentliche Bezeichnung dafür ist saginare4). Viel Sorgfalt und Pflege ver-
wandte man auf Zucht und Mast der im chenoboscionb) gehaltenen Gänse6),
bei denen man die ganz weiße Gattung besonders bevorzugte7). Am ge-
schätztesten war die Gänseleber; um diese recht groß und schmackhaft zu
erhalten, wurden die Gänse mit trocknen Feigen genährt8). Auch für die
Zucht der Enten, anates, hatte man ein eigenes ne8Wtrophion9\ doch waren
sie als Speise nicht gerade sehr geschätzt10). Ganz besonders aber wurde,
und nicht bloß auf dem Lande, sondern auch in den Städten, die Hühner-
zucht betrieben11), da diese schon der Eier wegen gewinnbringend war12);
Hühnerfleisch war eine beliebte Nahrung13). Auch war das Nudeln der
Hühner ebenso gewöhnlich14), wie das Verschneiden und Mästen der Ka-
paunen, caponesvb). Nicht minder verbreitet war die Taubenzucht16), bei
der man freilich, wenn man von den sorgfältig angelegten Taubenschlägen
liest (s. oben S. 72), von den Mengen der darin gehaltenen Tiere, den zahl-
reichen Rassen und den kolossalen Preisen, die dafür gezahlt wurden17),
bedenken muß, daß es sich dabei um eine Liebhaberei, wie sie heute noch
herrschend ist, handelt, nicht um Zucht der Tiere zur Nahrung, obschon
selbstverständlich auch Tauben viel gegessen wurden, und zwar ebenso
') Colum.VIII7, 1; auch inschriftlich CIL
VI 8848 f. Becker-Göll III 369 hält auch die
bei Flaut. Truc. 108 (wo aber besser factores
gelesen wird), Ter. Eun. 257, Hör. sat. II 3, 229
erwähnten fartores nicht für Wurstmacher,
sondern für Geflügelstopfer.
2) Hör. ep. 17,35. Plin.X139; XXIV 71.
Mart.XIII62. Iuv.5,115 u.168. Macr.11113,12.
3) So Rinder, Varr. 111,20; Schnecken,
Plin.lX174.
4) Varr. a.a.O.; ebd. III 7, 9. Colum.VIII
7.3. Plin. VIII 207 u.ö. Daher nennt Varr. III
10, 7 den Maststall der Gänse saginarium. Die
das Mästen des Geflügels einschränkende Lex
Fannia vom Jahre 161 v. Chr. (Plin.X 139) be-
hielt daher jedenfalls nicht lange Kraft. Tert.
de poenit. 11 tadelt die altilium enormis sa-
fina.
5) Varr. III 10, 1 : ubi unseres aluntur;
es folgen eingehende Vorschriften über die
Wahl des Zuchtviehs und seine Behandlung;
anderes bei Col.VIH 13f. Pall. I 30. Das Ed.
Diocl.4, 20 f. unterscheidet anser pastus und
non pastus.
6) Vgl. Hehn 357 f. Keller a. a. O. 286 ff.
7) Varr. a.a.O. Hör. sat. II 8, 88: vgl.Mart.
XIII 73, 1 : ebd. 74 Ganze Herden von Gänsen
wurden aus Gallien bis nach Rom getrieben,
Plin.X 53; pastores anserum Paul.sent. III 6,
76. Doch findet Petron. 93, 2 den Geschmack
des Gänsefleisches plebejisch.
8l Plin. VIII 209; X 52. Hör. sat. a, a. O.
Pers.6.71. luv. 5, 114. Mart.XIII58; ebd. III
82, 19 bekommen sie bei einem Protzen die
Hunde.
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft. IV.
9) Varr. III 11,1. Colum.VIII 15. 1.
10) Petron. 93, 2 sagt von der Ente das-
selbe, wie von der Gans. Mart. XIII 52 emp-
fiehlt, nur Brust und Rücken zu genießen.
Vgl. sonst Macr.11113,12. Ed. Diocl 4,27. Die
pontischen Enten werden bei Plin. XXV 6;
XXIX 106. Gell. XVII 26 nur genannt, weil
ihr Blut als Antidotum bei Vergiftungen galt.
11) Gallinas educere nulla mulier nescit,
sagt Pallad. I 27,1. Vgl. die eingehenden Vor-
schriften über Auswahl der Rassen, Behand-
lung usw. bei Varro III 9. Colum.VIII 2 u.3.
Plin.X150ff.;vgl.Hor.ep 112,163. Der Hühner-
stall gallinarium, Colum.VIII 3, 1 ; der Wärter
gallinarius curator, Varr. III 9, 7.
12) Ganz abgesehen-von der damit oft ver-
bundenen Zucht von Kampfhähnen (besonders
rhodischen, Mart. III 58, 17 und vgl. Becker-
Göll I 110) für die auch bei den Römern be-
liebten Hahnenkämpfe.
13) Gallinae, Hör. sat. II 4,18; ebd. 2. 24.
luv. 5. 124 ; 1 1 , 135. Pulli (pulli gallinacei). Hör.
sat.13,92; 112,121. Mart. X 48, 17; XIII 45;
femnr pulli, ebd. III 57, 5. Im Ed. Diocl. sind
nur pulli angesetzt, 4, 23, keine gallina. Re-
zepte Apic. 238 ff.
14) Gallinae altiles, Cato r. r. 89. Macr. III
13,12; sie wurden dabei in der Regel im
Dunkeln gehalten, Varr. III 9, 19. Plin. X 140.
Mart. XI II 62.
15) Capi bei Varr. II 7, 15; III 9, 3; capones,
Mart. III 58, 38 ; XIII 63. Petron. 55, 6 v.4 heißt
er galhis spado.
16) Vgl. Hehn 329 ff.
17) Vgl. Becker-Göll I 111.
2,2. 3. Aufl. 12
178
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
die Feldtaube wie die Haustaube, columba J), ferner die Wild- oder Ringel-
taube, palumbus*), und die Turteltaube, turtur*).
Aber auch ursprünglich wild lebende Vögel wurden in den Vogelhäusern
und Vivarien gehalten und gemästet. So vor allem die bei den Römern
als ganz besonderer Leckerbissen (wie die Italiener heut noch eine Vorliebe
für dergleichen haben) geschätzten Krammetsvögel oder Drosseln, turdi4),
die zwar auch später noch wild in Schlingen und Netzen gefangen5), seit
Lucullus aber auf den Landgütern gemästet wurden6). In den Handel kamen
sie in Kränzen, coronae, zu je zehn Stück 7). Als besondere Delikatesse galt
auch die Feigendrossel, ficedula8). Ferner wurden in den Aviarien gehalten
Feld- oder Rebhühner, perdices9), die aber immer teuer geblieben zu sein
scheinen10); Wachteln, coturnices, deren ursprüngliche Schätzung11) jedoch in
der Kaiserzeit ganz abgenommen hatte12) ; ferner Ortolane, miliariae13), Amseln,
merulae14), Stare, sturnii5), u.dgl. m.16). Auch Schwäne kamen auf den Tisch17)
und, was uns heut noch seltsamer erscheint, selbst der Storch, ciconia18),
') Beide Arten unterscheidet als genus
agreste und genus domesticum Varr. III 7, 1 ;
die Haustaube, die von dem ihr im Schlage
gereichten Futter lebt, während die andere
sich ihr Futter selbst frei sucht, war weiß
und nach Hehn 337 wahrscheinlich von Sizilien
nach Italien gekommen Die Pflege der Tauben
unterstand dem pastor columbarius, Varr. III
7,5 u. 7. Im Ed. Diocl.4, 29 heißen sie colum-
bini; vgl. Mart. XIII 66. Apic. 223 ff.
2) Mart. XIII 67, der sie torquuti palumbi
nennt; sie kamen häufig auf den Tisch, s.
Hör. sat. II 8,91. Mart. II 37,6; 38, 19. Apic.
213. Ed. Diocl.4, 28.
8) Ueber ihre Pflege u. dgl. Varr. III 8.
Colum. VIII 9. Pallad. I 25 ; vgl. Plin. X 107.
Mart. III 58, 19; als Speise Plaut, ßacch. 68;
Most.47. Mart. 11160,7, wo die dunes gerühmt
werden, wie ebd. 82,21: VII 20, 15; XIII 53.
luv. 6, 39. Das Ed. Diocl.4, 25 f. unterscheidet
singulares und agrestes. Zubereitung Apic.
222 u. s.
*) So Hör. ep. 1 15, 41: nil melius turdo.
Mart. XIII 92: inter aves turdus . . . matten
prima. Daher als Delikatesse oft erwähnt,
Hör. sat. II 5, 10. Pers. 6. 24. Mart. III 77, 1 ; VI
11,3; 75,1; VII 20,6; 1X55,2. Ihre Zuberei-
tung (am Spieß, mit Muscheln u.dgl.): Hör.
sat. 15, 72; 112,74. Apic. 134; 194 u.s. Siehe
über die Drossel im Altertum Olck bei P.-W.
V 1721 ff.
5) Hör. epod. 2, 34. Mart. II 40, 3 ; III 58, 6 ;
IV 66, 6; XI 21,5. Pallad. XIII 6.
6) Plut. Luculi. 40; Pomp. 2. Plin. X 60.
Wie rentabel diese Pflege auf großen Land-
gütern war, die bis zu 5000 Stück im Jahre ver-
kauften, zeigt Varro III 2, 14; vgl. Colum.VIII
10. Pallad. 126. Mart. IX 54,1. Bei Varro 1.1. VI 2
findet sich turdarium für den Drosselkäfig.
Nach Schol. Pers. 6,24 hätten Feinschmecker
unterschieden: si acinarius an cellarius aut
riinrius sit.
7) Ov.a.a. II 269. Mart. III 47, 10; XIII51.
Ed. Diocl.4, 27; das gilt überhaupt von kleinen
Vögeln, während die größeren einzeln, Tauben,
Enten u. a. paarweise zum Verkauf kommen.
8) Sonst auch melancoryphus, nach Plin.
X 86, aber die gemästete heißt nur ficedula
(oder ficella, Lucil.b.Non.274,10), Varr. 1. IV
76; schon in dem Menü bei Macr. III 13, 12;
vgl. Petron. 33, 8. Mart. XIII 5, 1 : ebd. 49. luv.
14, 9. Unter Tiberius verfaßte ein gewisser
Asellius Sabinus einen Dialog, in quo boleti
et ficedulae et ostreae et turdi certamen in-,
duxerat, Suet. Tib. 42.
°) Mart.III58, 15;Plin.X 101 unterscheidet
domiti und feri.
10) Mart. XIII 65 bezeichnet es als avis
rarissima auf den Tafeln; vgl. ebd. 76; im Ed.
Diocl.4, 24 kostet ein Rebhuhn 30, ebd. 30
ein Haselhuhn nur 20 Denare.
11) Varr. III 5, 2 rät, Wachteln und Orto-
lane zu füttern, weil sie fett gut bezahlt wurden.
12) Man verschmähte sie, weil es hieß,
sie fräßen giftige Sämereien, Plin.X 101; vgl.
Lucr. 1V641. Bei luv. 12, 97 kommt eine Wach-
tel billiger zu stehn als ein blindes Huhn;
im Ed. Diocl. 4, 41 kosteten zehn Stück nur
20 Denare.
13) Varr. a. a. O. und 1.1.V76.
u) Varr. r.r. III 9, 17. Hör. sat. II 8,91.
I5) Bei Mart. IX 54, 7 stur»/' inopes als be-
scheidene Gabe der ländlichen chortis. Ed.
Diocl. 4. 42 im gleichen Preis mit den Wachteln.
,6) Das Ed. Diocl. 4, 34 (der lateinische Text
ist hier nicht erhalten) führt äxavdvXUöe? , Stieg-
litze (Distelfinken), und ozqov&oi, Sperlinge, an.
17) Mart. XIII 77.
1S) Hör. sat. II 2, 49 ; s. ebd. Porphyr. Aber -
man wollte später nichts mehr davon wissen,
Plin. X 60 : Cornelius Nepos . . . addidit <■/'-
conias magis placere quam grues, cum haec
nunc dies inter primas expetatur, illam nemo
velit attigisse. Petron. 55, 6 v. 5 ff .
Fünfter Abschnitt. Die Nahrung.
179
und der Kranich, grus1). Viele Sorten kamen freilich in der Gefangenschaft
nicht fort und mußten nach wie vor durch Jagd und Vogelstellerei beschafft
werden, wie das Haselhuhn. gaUina rustica*) oder rusticula*), zumal die
mtogen (oder attagena) genannte Art, von der die besten Exemplare aus
Ionien, andere aus Gallien, Spanien, den Alpen kamen4), ferner Schnepfen,
Kolopaces6), Schneehühner, lagopodes6), u. a. m.7)
Die meisten der genannten Vogelarten waren in Italien seit alter Zeit
heimisch; andere kamen von fremdher, namentlich aus dem Orient oder
aus Afrika, und wurden teilweise akklimatisiert. So kamen von Nordafrika
her die Perlhühner8), die daher aves Afrae9) oder Numidicae10), seltner mit
der griechischen Bezeichnung Meleagrides hießen11); zur Zeit Varros waren
sie noch selten und teuer; den, wie sein Name phasianus angibt, vom fernen
Kaspischen Meer stammenden Fasan12) lernten die Römer jedenfalls durch
die Griechen kennen13) und züchteten ihn14) als beliebtes Gericht15); auch
der aus Medien stammende und von da zu den Griechen gekommene Pfau,
pavo16), der anfangs noch bei den Römern, wie bei den Griechen, lediglich
als Ziervogel gehalten worden war, wurde seit dem 1 . Jahrhundert v. Chr.
als ein Leckerbissen auf die Tafel gebracht17), und da man merkwürdiger-
weise daran Geschmack fand18), so nahm die Zucht verbunden mit Mästen
so stark überhand19), daß der früher seltne und teuer bezahlte Vogel später
») Varr. r. r. III 2, 14. Hör. sat. II 8, 87. Ov.
fast. VI 176. Apic. 213 f. Sie wurden auch in
Schlingen gefangen. Hor.epod.2, 35. Varro bei
Grell. VI (VII) 16,5 nennt grues Melicae.
2) Varr. III 9. 16. Colum.VIIl 2,1; ebd. 12:
conviviorum epulis aptiores.
3) Plin.Xlll. Mail. XIII 76, wonach sie
I im Geschmack den Rebhühnern gleich, aber
billiger sind.
4) Plin. X 133 und Varro bei Gell. a. a. 0.
rühmen die Phrygia attagena \ Mart. XIII 61
von der ionischen: inter sapores fertur alitum
primus. Vgl. dens. II 37.3. Hör. ep. 2, 54. Ov.
last. VI 175. Ed. Diocl.4,30. Apic. 220.
5) Nemes.frg.de auc.21 (Baehrens Poet.
Lat.min.IV204).
6) Plin. X 133 rühmt ihren praecipuue
sapor.
7) Mart. XIII 68 nennt galbali (auch
galbina, ebd. 1); ebd. 69 pannonische cattae;
beide Arten sind nicht zu bestimmen, vgl.
FlUEDLÄNDER Z. d. St.
s) Vgl. Hehn 351 ff. Becker-Göll I 109.
'■>) Hör. ep. 2, 53. luv. 11, 142. Colum.VIIl
2,1 f. Petron. 93, 2: gallinae Africanae bei
Van. 1119,1.
,0) Colum. a. a. 0. und VIII 12 ; gallina Nu-
midica, Petr. 55, 6 v. 4. Plin. X 132, der sie
als lange akklimatisiert bezeichnet. Mart. III
•~>s. 15 nennt sie Numidicae guttatae; vgl.
X 1 1 1 73 ; ebd. 45 heif3en sie Libycae. Stat. silv.
16,78.
n) Varr. III 9, 18: haec novissimae in tri-
clinium introierunt e culina . . . veneunt propter
penuriam magno. Plin. X 74. Colum.VIIl 2. 2
betrachtet sie als eine andere Art, den Afri-
canae ähnlich; auch bei Suet. Calig. 22 werden
Numidicae und meleagrides unterschieden.
12) Vgl. Hehn 354ff. Becker-Göll I 110.
Wellmann bei P.-VV. VI 2001.
13) Wohl erst zu Beginn der Kaiserzeit,
Varro und Horaz nennen ihn nicht; vgl. Frieü-
länder Sittengesch.III 29 A. 1 ; ebd. 51.
14) Mart III 58, 16. Pallad. I 29 ; vgl. Plin.
X 132. Sen. dial. XII 10, 3; es gab dafür eigene
Wärter, phasianarii, Digg. XXXU 66. Paul,
sent. III 6, 76 Das Ed. Diocl. 4, 17 ff. unter-
scheidet fasianus pastue und agrestie (d. h.
von der Weide), fasiana pasta und non pasta.
1J) Mart. III 67.4; XIII 72. Petron.93.2;
119 v. 36. luv. 11,139, wo die Sc ytkieae volu-
cres Fasane sind; Vitellius ließ sich nach Suet.
Vit. 13 Hirn von Fasanen und Pfauen bereiten;
vgl. Lampr. Heliog. 20. 6.
16j HEHN342ff. Becker-Göll I 109.
,7) Durch den Redner Hortensius. Varr.
1116,6. Plin. X 45. Macr. III 13, 1.
18) Cic ad fam. IX 20, 3. Hör. sat. I 2. 115;
112,23. Ov.fast.VI177. Mart. XIII 70. luv.
1.143. Rezept Apic. 49. Pfauenzungen aß Helio-
gabal , Lamprid. Hei. 20, 5.
,9) Das Mästen der Pfauen führte nach
Plin. a.a.O. M. Aufidius Lucroein, der sich da-
durch eine Jahreseinnahme von 60000 Se-
sterzen verschaffte. Ueber die Pfauenzucht
und die Mast handeln Colum.VIIl 11. Pall. I
28; sie war namentlich auf Inseln beliebt.
Varr. III 6, 2. Als Bezugsort wird Samos ge-
nannt. Varr. b. Gell. VI (VII) 16,5. Vgl. noch
Mart. III 58, 13. Petron. 55, 6 v. 1. Ein curator
oder procurator patxmutn, Varr. III 6, 3. Colum.
VIII 11,2.
12*
180
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
ganz gewöhnlich geworden war l). Auch der Flamingo, phoenicopterus, wurde
in der Kaiserzeit gezüchtet2) und verzehrt3); namentlich die Zunge galt,
seitdem Apicius ihren Wohlgeschmack entdeckt hatte, Schwelgern als ganz
besondere Delikatesse4). Auch den Auerhahn, tetrao5), suchte man in den
Aviarien zu züchten, doch blieb der wilde wohlschmeckender6).
Das Verspeisen wertvoller Singvögel, z. B. von Nachtigallen, oder von
sprechenden Vögeln, wobei nicht der Wohlgeschmack, sondern der Preis
das Ausschlaggebende war, blieb immer eine Extravaganz törichter Ver-
schwender oder wahnsinniger Kaiser7).
Was endlich die Wassertiere anlangt, so wird zwar überliefert, daß
die Römer in älterer Zeit keinen Geschmack an Fischen und andern Wasser-
tieren gefunden hätten8), allein der Fischgenuß muß doch schon sehr früh
allgemein geworden sein9), und auch die Vorliebe für teure und seltne
Fische zeigt sich schon ziemlich früh10). Im letzten Jahrhundert der Re-
publik wurde es üblich, in den Villen besondere Fischteiche, piscinae, zu-
nächst für Süßwasserfische anzulegen, die auch vivaria genannt wurden
(s. oben S. 175) n); und bald darauf brachte Lucullus es auf, in den nah
am Meer belegnen Villen Behälter für Seefische anzulegen, denen Meer-
wasser durch Leitungen zugeführt wurde12), oder durch Molenbauten einen
Teil des Meeres als Behälter abzugrenzen13).
J) Zur Zeit Varros kostete ein Pfau 50 De-
nare (35 Mark); wie zahlreich die Pfauen-
herden später geworden waren, zeigt Athen.
TX397A.; XIV654D. Im Ed. Diocl. 4, 39 f.
ist ein Pfauhahn zu 300, eine Pfauhenne zu
200 Denaren angesetzt, was bei dem dama-
ligen Geldwert des Denars sehr wenig (nur
das Doppelte vom Preise eines Hasen) ist.
2) Mart. III 58, 14, wo der Flamingo (no-
menque debet quae rubentibus pinnis) als Be-
standteil der chortis zusammen mit Gänsen,
Pfauen, Rebhühnern, Perlhühnern, Fasanen
u.a. genannt wird.
3) luv. 11,139. Stat. silv. 16,77. Cels.
II 18.
4) Plin.X 133. Sen.ep.110,12. Mart. XIII
71. Suet.Vit. 13. Auch das Gehirn, Lampr.
Heliog. 20, 6. Vgl. Friedländer a. a. O.
5) Hehn356' (und darnach Marquardt
432) hält den tetrao für identisch mit dem
Fasan ; daß er das aber nicht ist, zeigt Suet.
Cal. 22, wo phasiani und tetraones neben-
einander genannt werden. Vgl. Schrader zu
Hehn 357.
6) Nach Plin. X 56 verloren die aus den
Alpen und den nördlichen Ländern bezogenen
Vögel in den Aviarien ihren eigentümlichen
Geschmack.
7) Man vgl., was Plin.X 141 und Val. Max.
1X1.2 vom tragischen Schauspieler Aesop
berichten ; fei ner Hör. sat. II 3, 245. Lampr.
Heliog. 20. 5 f.
8) Varro bei Non.216,9. Ov. fast.VI 173;
es ist freilich fraglich, ob dies nicht bloß
eine spätere poetische Fiktion war, da nach
Plin. XXXII 20: pisces marinos in nsu fuisse
! protinus a condita Roma auctor est Oassius
Hemina, der eine Verordnung des Numa über
Kauf von Seefischen überlieferte.
9) Das beweist die frühe Existenz eines
eigenen Fischmarktes , forum piscatorium,
Liv. XXVI 27, 3, oder piscarium, Varr. 1. 1. V
146; es lag zwischen Subura und Forum, vgl.
Richter Topogr. von Rom 310.
10) Nach Plut.qu.conv.IV4,2p.668B hätte
schon der alte Cato geklagt, daß ein Fisch
teurer bezahlt würde als ein Rind, und nach
Polyb.b. Ath. VI 275 A bezahlte man zu Catos
Zeit einen Topf mit pontischen marinierten
Fischen mit 300 Drachmen.
u) Nach Plin. IX 170 machte Licinius Mu-
rena zur Zeit des marsischen Krieges damit
den Anfang? ihm folgten bald L. Philippus.
Hortensius und andere Vornehme; vgl. Macr.
III 15, 1. Varr. r. r. III 17, 5. Cicero nannte diese
Leute scherzhaft piscinarii, ad Attic. 119, 6;
20.3, oder piscinarum Tritones, ebd. 119, 1;
vgl. parad. 38. Von den gewöhnlichen piscinae
der Villa, die als Tränken für das Vieh dienen,
sind sie zu unterscheiden.
12) Plin. a. a. O. Varr. a..a. 0. 9. Plut. Luc.
39. Vell. Pat. II 33, 4. Val. Max. IX 1, 1.
13) Colum. VIII 16, 2. Sen. exe. contr.V5:
contr. 119. Namentlich die Dichter sprechen
oft von diesem Luxus, so Tib. 113,48. Hör.
carm. III 1. 33. Mart. X 30, 21 u. s„ vgl. Mar-
quardt 433 A. 4 (doch gehen viele der dort
zitierten Stellen auf den Luxus der ins Meer
hinaus gebauten Villenanlagen überhaupt, eben-
so bei Becker-GöllIII58; s. oben S. 78). Ueber
die Anlage solcher Fischteiche vgl. Colum. VIII
17. Geop.XXl.
Fünfter Abschnitt. Die Nahrung.
181
Wir führen aus der großen Zahl der Fische, die uns in den Quellen
als Gegenstände der Tafel genannt werden1), eine Anzahl der beliebtesten
an, und zwar in alphabetischer Reihenfolge ihrer lateinischen Benennungen,
weil die Identifizierung mit bestimmten deutschen Fischnamen teilweise
unmöglich ist. Der acipenser, den manche für den Stör halten2), war ein
seltner und teurer Fisch, der in der Litteratur seit dem Ende des 3. Jahr-
hunderts v. Chr. auftaucht3). Nach Plinius wäre er im 1. Jahrhundert n. Chr.
aus der Mode gekommen4), doch kann dies, andern Notizen zufolge, nur
vorübergehend gewesen sein6), und namentlich unter Severus war er wieder
ein immerhin seltner und teurer Leckerbissen6). Dagegen war die anguiäa,
der Flußaal7), der besonders in Oberitalien vorkam8), aber auch in be-
sondern Fischbehältern gehalten wurde9), weniger geschätzt l0). Selten erwähnt,
in älterer Zeit anscheinend mehr beliebt als später11), wird der asellus, ein
Seefisch12); ebenso der gleichfalls unbestimmbare attilus, der im Po vorkam
und ungewöhnliche Größe erreichte13). Öfter erwähnt und gerühmt wird
die anratet, die Goldbrasse14), deren beste Sorte aus dem Lukriner See
kam15). Der conger, Meeraal16), wird bei den Komikern öfters, später selten
erwähnt17). Der coracinus, der Meer- oder Wasserrabe, war ein Nilfisch,
der aber auch in Rom zum Verkauf kam 1 8). Unbestimmbar ist der dop»
oder helops19), der in den italischen Meeren nicht vorkam20), ein teurer und
») Vgl. das Verzeichnis bei Piin. XXXII
) 145 ff; eine ganze Menge zu seiner Zeit be-
/ liebter Fische nennt Ennius in einem Frag-
' ment der Hedyphagetika bei Apul. apol. 39.
Ueber die Fische in Ovids Halieutica vgl. G.
Schmidt im Philologus, Suppl. Bd. XI 255 ff.
*) SoLENzZool.d.Gr. u. Rom. 520. Becker-
I Göll III 335. Marquardt 433. Fournier bei
D.-S. 1 1733. Nissen ltal. Landeskunde I 316;
bestimmt abgelehnt von Marx bei P.-W. I 260.
Der Störheif3t heut Acipenser sturio. Die Gleich-
stellung mit dem griech. £Mo»/; lehnt Plin.XXXlI
153 ab, die mit dem rhodischen ya/.sög Ath. VII
294F, der selbst das Wort J**/.-r/}a<o,,- gebraucht.
3) Macr. III 16, 1 ; ebd. 2 findet er sich in
einem Zitat aus Plautus, auf ein Zitat aus
Lucilius (Frg.I V6 Müller) wird öfters angespielt,
s. Cic de flu. II 8, 25. Hör. sat. II 2, 47 u. das.
Acro. Er war auch zu Ciceros Zeit noch selten,
Tusc. III 18.43; Ovid.hal. 134 nennt ihn per-
egrinis nobilis undis.
4) Plin. 1X60: apudanUquospisdum nobi-
lissimus habitus acipenser,... nullo nunc in ho-
nore est, qitod quidem miror, cum sit rartts in-
ventu.
5) Mart.XlII91 rühmt ihn.
6) Macr. a. a. 0. 5 f. ; nach Ath. a. a. 0. kam
das billigste und kleinste Exemplar auf 1000
Drachmen zu stehen; nach Archestratos ebd. E
trug man ihn bekränzt u.unterFlötenschall auf.
7) Vgl. über ihn Oder bei P.-W. I 1 f.
8) Plin. IX 75 erzählt, daß im Herbst an
der Mündung des Mincius in den Lacus Be-
nacus viele Tausende von Aalen in eigens dazu
angelegten excipula gefangen wurden.
9) Mart.X1131,5. Pallad. 1 17,2.
10) Bei luv. 5, 103 wird sie ziemlich ver-
ächtlich behandelt; Rezepte Apic 477 f.
n) Plin. IX 61, unter Berufung auf Cor-
nelius Nepos und Laberius; doch ist er auch
bei Petron. 24, 7 eine bessere Schüssel.
") Varr. 1. 1. V 75. Plin. XXXII 145. Ov.
hal. 133; die besten kamen von Pessinus, Varr.
bei Gell. VI (VII) 16,5. Griech. heißt er fax
oder öviaxog, vgl. Marx bei P.-W. II 1532.
1S) Plin. IX 44. Lenz 485 hält ihn für einen
Stör.
u) Colum. VIII 16,8. Cels. II 18. Apic. 151;
473 f.; von seiner Vorliebe dafür hatte der be-
kannte Sergius Orata (s. oben S. 106) seinen
Beinamen. Varr. r. r. III 3, 10. Colum. VIII 16, 5.
Mart. III 15.2 (anders Fest. 182b, 13).
15) Mart. XIII 90.
16) Griech. yöyygo;, daher auch lat. bis-
weilen gonger geschrieben, vgl. Corp. Gloss.
HI 186.54; sonstauch congrus. Vgl. Wellmann
bei P.-W. IV 874.
17) Plaut. Aul. 399 und Persa 1 10 zusammen
mit der Muräne, ders. m. gl. 760. Ter. Ad. 377.
Ov. hal. 115. Plin. 1X72. Apic. 453.
18)Plin.IX68;vgl.V51;XXXH56;erkam
aber auch im Meer vor, ebd. 145. Mart. XIII 85.
1J) Er entspricht dem griech. £Uoy» und
wird bald für den Schwertfisch, bald für den
Stör oder Sterlet gehalten; daß ernichtmitdem
acipenser identisch ist, ist oben A. 2 bemerkt.
2U) Daher Ov. hal. 96: prettoeua c/ops, no-
stris invognitus unilis; nach Varr. II 6,2 kam
der beste vom Meere bei Rhodus, vgl. Plin.
IX 169; nach Colum. VIII 16. 9 kam er nur im
pamphylischen Meere vor. Doch sagt Ennius
bei Apul. apol. 39: Surrenti far emaa dopet».
182
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
trefflicher Fisch1); ebensowenig läßt sich der faber (auch zeus genannt),
der von Gades kam2), bestimmen. Ein geringer, in der Regel einge-
salzen verzehrter Seefisch war der gerres3). Der gobüts (oder gobio), ein
kleiner und billiger Fisch, der in Venetien heimisch war, aber auch in der
Mosel vorkam und gern als Entree vor der Mahlzeit genossen wurde (wohl
eingesalzen)4), war vielleicht ein Gründling5). Ebenso wurde der lacertns
genossen6), sonst ein geringer Fisch, der häufig vorkam7). Unter den
einheimischen Flußfischen wird besonders häufig erwähnt der lupus, der
Hecht, der auch in Fischteichen und Seen gehalten wurde8); allerdings
spielte er bei den Feinschmeckern keine besondere Rolle9), die nur dann
vom Tiberhecht etwas wissen wollten, wenn er bei der Tiberinsel (inter
duos pontes) gefangen war10). Doch kamen auch andere Hechte in Rom
zum Verkauf11), besonders die sog. lanati12), und die Vorliebe für diesen
Fisch scheint in der Kaiserzeit sich erhalten zu haben13). Ein kleiner,
billiger Meerfisch war die maena (oder mena) 14), die vornehmlich eingesalzen
in Töpfen aufbewahrt wurde und eine gewöhnliche Volksnahrung abgab15).
Die merula, Meeramsel, wurde vielfach in den künstlichen Seebecken ge-
halten, findet sich aber selten erwähnt16); auch der mugil (mugilis), ver-
mutlich die Meeräsche, fand man in den Piscinen17), obschon auch sie unter
den Gerichten selten vorkommt18). Dagegen war der mullus (oder mullus
barbatus19)), die Seebarbe20), gegen Ende der Republik, besonders aber in
der Kaiserzeit, ein sehr beliebter und oft erwähnter Fisch21). Man hielt
5) Plin. XXXII 153 : helopipalmam saporis
inter pisces multi dedere. Varr. b. Non. 216, 10.
2) Plin. IX 68. Colum. a.a.O. Ov.hal. 110.
3) Mart. III 77, 7; XII 32, 15. Plin. XXXII
148.
4) Ov.hal. 130. Colum. VIII 17, 14. luv.
11,37. Mart. XIII 88. Auson. Mos. 131, und
das. Böcking.
5) Lenz a. a. 0. 496.
6) Mart VII 78,1 ;X48,ll:XI27,3;52,7f.
7) Cels. II 18. Plin. XXXII 146. luv. 14,
131. Colum. VIII 17, 12. Apic. 467. Dasselbe
ist das lacertum, Accius bei Non. 210, 35, und
wohl auch die lacerta bei Cic. ad Attic. II 6,1.
8) Colum. VIII 16,2. Mart. X 30, 21; vgl.
Böcking Rh. Jahrb. VII Anh. 77.
9) Varr. III 3.9; daß man ihn in der letzten
Zeit der Republik sehr schätzte, zeigt Plin.
1X61; vgl. X 193.
,0) Plin. IX 162; Macr. III 16. 11 ff., wo aus-
führlich über den Tiberinus lupus gehandelt
ist. mit Zitaten aus Titius und Lucilius; nach
Colum. VIII 16,4 derjenige, quem Tiberis ad-
rcrso torrente fatigasset, der also von der Mün-
dung aufwärts geschwommen war. Hör. sat.
II 2.31 : und* datum sentis, lupus hie Tiber mua
an <ilt<> raptus hiet? pontisne inter iaetatus an
amnis Ostia sab Tusci? luv. 5, 103 bezeichnet
den Fisch, den er glacie aspersus maculis Tibe-
rinus, nrnula riparum nennt, als ärmliches
Gericht.
n) Mart. XIII 89 rühmt den lupus vom Ti-
mavus bei Aquileia.
12) Plin. IX 61. Mart. a. a. O. nennt diese
Art laneus.
13) Vgl. Mart. II 37.4; IX 26,6; XI 50,9.
Cels. II 18. Dagegen macht sich Auson. Mos.
120 ff., der ihn Lucius nennt, über diesen Fisch,
Latio risus praenomine, lustig: hie null osmen-
sarum lectus ad usus \ fervet fumosis olido ni-
dore popinis, vgl. Böcking z. d. St.
14) Ov.hal.120 Plin. XXXI 83; XXXII 149.
Mart. XI 31,14.
1 5) Von Cic. de fin 1128,91 dem aeipenser ge-
genübergestellt. Vgl. Ov. fast. II 578. Pers. 3. 76
mit Schol. Mart. XII 32, 15. Im Corp. Gloss. II
512,14 wird er mit der d<pi<Tj (Sardelle) identi-
fiziert; sonst heißt er griech. uaivig oder uaivrj,
ebd. VI 667. Die acpvt] heißt latinisiert apua,
Plin. XXXI 95 ; XXXII 145. Corp. Gloss. VI 85.
16) Enn. bei Apul. apol 39. Ov. hal. 114.
Plin. 1X52; XXXII 149. Col. VIII 16.8; 17.8.
17) Col.VIIIl7,8. Mart. X 30. 23; vgl. Ov.
hal. 38. Plin. IX54;144u.ö.
18) Rezepte Äpic. 437 ff., für den mugil
salsus. Eine sehr eigenartige Verwendung des
mugil findet sich Catull. 15,19. luv. 10, 317.
19) Cic. ad Attic. II 1,7: parad. 38. Varr.
r.r.III 17.7.
*0) Vgl. hierüber Teuffel bei Pauly V
190 f.
•■"J Vgl. Senec. ep. 77.16; 95,26 u. 28. luv.
6,40; 11,37. Martial stellt ihn meist mit Ebern,
Saueutern, Austern u. dgl. Delikatessen zusam-
men, vgl. 1140,4; 11177,1; VII 78,3; 1X14,3;
XII 48,9. Lampr. Heliog. 20,7 u.a.m.
Fünfter Abschnitt. Die Nahrung.
183
ihn auch in den Piscinen x), doch galten die direkt aus dem Meer kommenden
für besser, namentlich die von felsigen Küsten, wie Korsika oder Tauro-
menium, stammenden, die mulli saxatües2). Sie wurden aber nicht groß,
zweipfündige waren das gewöhnliche 3), doch kamen solche von vier Pfund
und darüber vor, die dann freilich von Liebhabern mit Ungeheuern Preisen
bezahlt wurden4). Das Scheußlichste war die Tierquälerei, die manche
Schwelger damit verbanden: man brachte die Tiere nämlich noch lebendig
in gläsernen, mit Meerwasser gefüllten Gefäßen auf die Tafel und kochte
sie vor den Augen der Gäste, um sich an dem prächtigen abwechselnden
Farbenspiel des Opfers zu ergötzen5). Ebenfalls schon frühzeitig ge-
schätzt6) war die Muräne, muraena, von der die Licinier wegen der Vor-
liebe des P. Licinius (Prätor 113 v.Chr.) für diese Fische ihren Beinamen
hatten 7) ; dieser, der Erfinder der Fischteiche (s. oben S. 1 80 A. 1 1), hielt sie in
seinen Piscinen, während C. Hirrius zuerst eigene Fischbehälter für Muränen
anlegte8), wie sie später in den Villen ganz allgemein üblich waren9). Die
besten kamen von der Meerenge von Sizilien10), doch wurden auch die von
Tartessus und Karpathus bevorzugt11). Unbestimmbar ist der Fisch, der
mus oder musculus marinus hieß12). Die schon von Ennius gerühmte mustela,
Aalraupe (Lamprete, Trüsche), war besonders ihrer Leber wegen geschätzt 13).
Der passer1*) ist eine Art Butte, vielleicht die Stachelflunder lö); der viel
') Er wurde darin sogar recht zahm, Cic.
a. a. 0. Varr. a. a. 0. Mart. X 30,24; doch ging
er leicht ein, Col. VIII 17, 7, und Wachstum war
auch durch künstliche Fütterung nicht erreich-
bar. Hin. IX 64.
2) Sen. nat. qu. III 18,4; vgl. luv. 5,92.
Mart. X 37,7; dagegen waren die litorahs min-
der geschätzt, Plin. IX 65.
3) Mulli h!l ihres, Mart. III 45,5: XI 50,9.
Plin. IX 64: binas libras ponderis raro admo-
dmii exsuperant; allerdings galt dies eher als
ein Gewichtsminirnum, Mart. XIII 97, und der
Gourmand verachtete solche, die weniger als
drei Pfund wogen, ebd. X 37. 7 f. Hör. sat. II
2,33; recht schwere sind immodici mulli, Mart.
1143,11. Daher ist ein dimidius mullus eine
Portion, die auf einen Gast berechnet ist, ebd.
II 37,4.
4) Ein vierpfündiger wird bei Mart. X 31, 3
mit 1 200 Sesterzen bezahlt ; einen von 4 '/s Pfund
(was bereits eine ingens forma ist) bekam Ti-
berius geschenkt, schickte ihn aber auf den
Markt zum Verkauf, wo er von einem P. Octa-
vius um 5000 Sesterzen erstanden wurde, Sen.
ep. 95, 42 ; ein sechspfündiger wird bei luv. 4, 15
mit 6000 Sesterzen bezahlt, und unter Caligula
hätte Asinius Celer für einen mullus nach Ter-
tull . de pall. 5 sechs-, nach Macr. 11116,9 sieben-,
nach Plin. IX 67 sogar achttausend Sesterzen
bezahlt. Dazu bemerktMacrobius, daß zu seiner
Zeit mulli von großem Gewicht vorkämen, aber
nicht mit solchen enormen Preisen bezahlt wür-
den. Nach Licinius Mucianus bei Plin. IX 68
wäre im Roten Meer ein mullus von 80 Pfund
Gewicht gefangen worden, das war aber sicher-
lich kein mullus.
b) Das beschreibt Sen. nat. qu. III 17,2 ff.
Plin. IX 66 ; Mart. XIII 79 spielt darauf an. Re-
zepte Apic. 142; 160 f.; 455; für geräucherten
mullus 440.
6) Vgl. Plaut. Amph. 319 ; Pseud. 382 ; Aul.
399;PersallO. Hör. sat. II 8,42. Mart.1137,5.
Rezepte Apic. 460 ff.
7) VarroIII3,10. Col. VIII 16,5. Plin. IX
170. Macr. III 15,2.
8) Plin. IX 171.
9) Vgl. Mart. X 30,22: Plin. IX 1 72 berichtet
von den Torheiten, zu denen die Vorliebe für
diese Tiere manche Besitzer führte. Bekannt
ist die Scheußlichkeit des Vedius Pollio (unter
Augustus), der Sklaven, die sich etwas hatten
zuschulden kommen lassen, lebendig den Mu-
ränen vorwarf, Sen. dial. V 40. 2 : de clem 118.2.
Plin. IX 77. Nach Colum. VIII 17. 10 hielt sich
die Muräne in der Gefangenschaft besonders
gut.
10) Varr.r.r.II6,2. Plin. IX 169. Mart.XIII
80. luv. 5,99. Macr. III 15. 7 f.
») Varro bei Gell. VI (VII) 16. 5. Col. a.a.O.
12) Enn. bei Apul. apol 39. Plaut. Rud. 298.
Plin. IX 71 ; XXXII 144. Geis. II 29.
,3) Enn. a. a. O. sagt von der mustela >im-
rina : omnibus praestat. Plin. IX 63 erwähnt ihr
Vorkommen im Bodensee. Auson. Mos. 106 in
Donau und Mosel (s. Böcking a. a. O. 76'. (Die
Leber der Aalraupe wird beut noch wie Gänse-
leber zu Pasteten verarbeitet.)
>4) Als Gericht Hör. sat. II 8,29.
Vo) Er ist dem rhombus ( s. unten) verwandt,
wird aber doch immer von ihm unterschieden.
Ov.hal.125. Plin. IX 72: XXXII 150. Col. VIII
16,7.
184
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
höher geschätzte und als Leckerbissen oft erwähnte rhombus1), der eine
sehr bedeutende Größe erreichte2), ist wohl der Steinbutt; er kam in bester
Qualität von der adriatischen Küste, besonders von Ravenna3), wurde aber
auch in Piscinen gehalten4). Sehr beliebt war schon im 2. Jahrhundert v. Chr.
der scarus, wahrscheinlich der Lipp- oder Papageifisch 5) : er kam ursprünglich
nur in fremden Meeren vor6), wurde aber unter Tiberius auch im tyrrhe-
nischen Meere angesiedelt7). Er rangiert auch in der Kaiserzeit mit den
besten Fischsorten8). Über den scomber, die Makrele, der frisch wohl nur
ausnahmsweise genossen wurde, siehe unten S. 186. Der silurus, Wels, der in
besonderer Größe im Nil9), aber auch in Main. Donau, Mosel u. s. vorkam10),
wird des wohlschmeckenden Fleisches wegen gerühmt, war aber auf den
Tafeln anscheinend selten11). Ebenfalls selten erwähnt werden die solea,
die Scholle12), und der turdus, die Meerdrossel13), die auch in Piscinen fort-
kam14). Man sieht aus dieser Übersicht, wie die römische Tafel Fische
selbst aus fernsten Meeren und Flüssen bezog15). Wie die größtenteils dem
Griechischen entlehnten Namen der Fische erweisen, ist die Mehrzahl der
nicht einheimischen Fischsorten den Römern erst durch die Griechen be-
kannt geworden.
Die meisten der hier aufgezählten Fischarten, vor allem die einheimischen
Fluß- und Seefische, sowie die in den Vivarien und Piscinen gehaltenen,
wurden frisch zubereitet; namentlich von den teuren und seltnen darf
das als Regel gelten. Aber sehr verbreitet war der Brauch, Fische durch
Einsalzen (Marinieren) zu konservieren16), und das geschah namentlich
J) Vgl. Hör. ep. 2, 50; sat. I 2, 116; II 2,42;
ebd. 8, 30. Pers.6,23. Mart. 11145,5; ebd. 60, 6.
luv. 11,121. Die ältere Zeit kannte diese Vor-
liebe noch nicht. Hör. sat. II 2. 48 f.
2) Hör. sat. II 2, 95. Mail. XIII 81; luv. 4,
39 ff. erzählt dieGeschichte von dem ungeheuren
rhombus, den Domitian geschenkt bekam und
für den keine Schüssel von genügender Größe
vorhanden war.
3) Ov. hal. 125. Plin. IX 169 ; vgl. XXXII
150. Colum.VIlI 16, 7.
4) Colum.VIlI 17.9. Mart. X 30, 21.
8) Enn. bei Apul. apol. 39 nennt ihn cere-
brum Iovis paene supremi. Bei Fest. 253 a, 20
squarus.
6) Ennius a. a. O. gibt Pylus als Bezugsort
großer und schöner scari an, Varro bei Gell, VI
(tfll) 16,9 Kilikien, Petron. 119 v. 33 die sizi-
lische Meerenge, Plin. IX 62 das karpathische
Meer. Vgl. Petron. 93,2: ultimis ab oris attra-
ctus scarus.
7) Ein gewisser Optatus setzte Tausende
zwischen Ostia und Kampanien aus und ließ
fünf Jahre lang jeden gefangenen scarus
wieder ins Meer versetzen, Plin. IX 63. Macr.
III 16, 10. Auch in den Piscinen kam er fort,
Colum.VIlI 16.1.
8) Ov.hal.9u. 119. Hor.epod.2,50; sat.
II 2. 22. Plin. IX 62 : nunc principatus scaro
(latur. Wenn daher Mart. XIII 84 von einem
scarus, der aequoreis adesus undis ist, sagt:
msceribus bonus est, cetera vile sapit, so war
das wohl sein besonderer Geschmack (anders
erklärt es Gilbert bei Friedländer z. d. St.).
9) Plin. IX 44; XXXII 125; daher nennt
luven. 4, 33 die siluri municipes des Aegypters
Crispinus.
10) Plin. IX 45; XXXII 145; vgl. V 51.
VI 205. Auson. Mos. 135. dazu Böcking a. a. O.
77.
u) Er mochte wohl auf dem Transport
oft verderben; vgl. luv. a. a. O., wo er zu einer
fracta merx gehört, und 14, 132; putri siluro.
Das Fleisch rühmt Plin. 1X45.
12) Plaut. Cas.495. Ov.hal. 124. Colum.VIlI
16, .7. Plin. IX 72; XXXII 151. üeber salsa-
menta vgl. Besnier bei D.-S. IV 1022.
13) Varr.l.l.V77. Colum.VIlI 16,8. Plin.
IX 52; XXXII 151.
14) Colum.VIlI 17,8.
15) Die Moselfische, die Ausonius Moseila
85 — 149 besingt, hat Böcking in seiner Aus-
gabe (Rhein. Jahrb., Heft VII Anhang, 1845)
bestimmt (vgl. auch de Florencourt ebd. V
302ff. und Oken in der Isis 1845, 5 ff.); es
sind, von schon erwähnten abgesehen, al-
bumus Weißfisch (praeda puerilibus hamis,
126), alausa Alse {obsonia plebis, 127), barbu*
Barbe, capito Aland, perca Barsch (deliciae
mensarum, 115), rhedo Aalraupe, solar Fo-
relle, salmo Lachs, sario Lachsforelle, tinca
Schleie (vulgi solacia, 125), umbra Aesche.
16) G.Eberl Die Fischkonserven der Alten.
Progr. Regensburg 1892.
Fünfter Abschnitt. Die Nahrung.
185
mit den in großen Mengen vorkommenden, die in diesem Zustande überall-
hin versandt werden konnten und eine billige Volksnahrung abgaben. Das
Einsalzen heißt, wie beim Fleisch, sallre, salsura l), hingegen bezeichnet
man mit salsamenta immer marinierte Fische2), daher der Händler mit
solchen salsamentarins heißt3). Wie die Griechen diese von ihnen xünr/jK
genannten Fischkonserven4) aus den überall an den Küsten des mittel-
ländischen, ägäischen und schwarzen Meeres angelegten Marinieranstalt m
bezogen5), so kamen auch nach Italien die Fabrikate solcher cetariae, wie sie
mit griechischem Ausdruck benannt wurden6) und die wohl im wesentlichen
dieselben waren, wie die in den griechischen Quellen genannten. Von
ihnen aus wurden die Salzfische in tönernen Gefäßen versandt7). Die
Fabrikate waren vornehmlich zweierlei: nämlich die ganz oder in Stücken
versandten marinierten Fische und sodann die verschiedenen Fischsaucen.
Unter den Fischsorten, die in mariniertem Zustande, vornehmlich vom
Pontus, aus Sardinien und Spanien, nach Italien kamen, nimmt die erste
Rolle der Thunfisch mit seinen zahlreichen Abarten ein 8). Die Römer be-
dienten sich hierfür durchaus der griechischen Terminologie. Der General-
name des Fisches ist demgemäß thynnus9); speziell ist es der über ein Jahr
alte Fisch10). Bei der Einsalzung wurde er zerstückt; als beste Stücke
galten die Rücken- und Bauchstücke, doch die dem Kopf nahen als besser,
wie die Schwanzstücke. Die in Scheiben eingesalzenen Stücke hießen melan-
drya11). Pelamys hieß der junge Thunfisch (Thunling) 12); die daraus bereitete
Konserve hieß cybium 13). Auch sarda ist der Name für eine bestimmte Spezies
!) Von Fischen Cels. II 18. Colum. VI 32, 2.
Apic. 437 ff. : pisces salsi im Ed. Diocl. 5, 5;
sahura Colum. VIII 17,13.
•) Ter. Ad. 380. Cic.de div. II 57, 117. Varr.
r.r .11117.7. Colum.VIlI 17, 12; XII 55,4. Plin.
1X92; XXXII 19 u.ö. Cels. 1 2. Gell. II 24, 7.
Macr.VlI3,6.
s) Auct. ad Her. IV 54, 67. Suet vit. Hör.
p. 44 Reiff. Schol. Pers. 1,43; vgl. Wölfflin
Arch. f. lat. Lexikogr. XII (1902) 366. CIL VI
9667 (negotians salsamentar.); 9873. Auch der
negot. Malacitanorum ist ein Händler mit Fisch-
konserven (vgl. Strab. III 156), ebd. 9677, wo
der negotians salsarius zum corpus negoti-
antium Malacitanorum gehört.
4) Im Lat. kommt tarichus adjektivisch für
salsiis vor, Apic. 440. Corp. Gloss. V 526,26;
527, 1; vgl. VII 226 unter salsamentum u. salsus.
5) Hierüber handelt eingehend Köhler
in seiner Schrift Tägixog, in den M£m. de
l'Acad. imper. des sciences de St. Petersbourg,
Ser.VI Vol. 1(1832), 347 ff., doch wesentlich
über die südrussischen Anlagen. Vgl. Blümner
Gewerbl.Tätigk. d.Völk. d.klass. Altert. im Re-
gister unter Fischfang. Marquardt 436.
6) Cetariae oder cetaria, Hör. sat. II 5,44.
Plin. IX 49; ebd. 92; XXXI 94; XXXVII 66.
7) Salsamentarii cadi, Plin. XVIII 308;
XXXII 89; testae, ebd. und XXVIII 140; vasa,
Colum. II 10, 16.
8) Ueber die Züge der Thunfische und
ihren Fang vgl. Böttiger in der Amalthea II
303 ff. und besonders P. Rhode Thynnorum
captura quanti fuerit apud veteres momenti,
N. Jahrb. f. Philol. Suppl. Bd.XVllI lff.
s) Oder thunnus, Lucil. bei Non. 159,30.
Varro ebd. 49, 15 und 1. l.V 77. Ov. hal. 98. Hör.
sat. II 5,44: Plin. IX 49 ff. über Größe, Fang
usw.; vgl. Apic. 439.
lu) Plin. IX 47.
n) Plin. ebd. 48: hi membratim caesi cer-
vice et abdomine commendaniur afquc didio
(d. i. xXeiöior), recenti dumtaxat, et tum quoque
gravi ructu. cetera parte plenis pidpamentis
sale adservantur. melandrya vocantur quercus
assulis similia. vilissima ex his quae caudae
proxima, quia pingui carent, probatisshna
quae faucibus. Daher ist die cauda thymii
bei Pers. 5, 183 eine geringe Speise. Die me-
landrya erwähnt Varro 1. 1. a. a. O. Mart. III
77, 7, auch als billige Kost. Mehr bei Rhode
a. a. 0. 12 u. 56. Das Schwanzstück hiefi uraeunt
(ovgalor), Varr. a.a.O.; das Bauchstück r.m-
ydozoior, vgl. Rhode 54 ff.
") Plin a. a. 0. 47 ; XXXII 146 u. ö. Colum.
VIII 17,12; Varro bei Gell.VI (VII) 16,5 emp
fiehlt die pelamys Chalcedonia. Vgl. Schnei-
der im Index ad Scr.rei rust.282 Bei luv. 7,
120 ist ein vas pelamydum ein geringwertiges
Geschenk.
1S) Das war ursprünglich der Name des
Fisches selbst, wenn er aus dem Pontus nach
der Mäotis zurückkam. Plin. XXXII 146; in
diesem Sinne bei Varro a. a. 0. Mart. XI 27, 3:
186
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
der pelamys x) ; doch hat man damit (und mit sardind) schon frühzeitig andere
Fischarten, besonders die heut noch als Sardellen und Sardinen bezeichneten
kleinen Fische bezeichnet2). — Von andern marinierten Fischen war am ver-
breitetsten der scomber, die Makrele, die namentlich die spanischen Cetarien
verarbeiteten, da die Thunfische dorthin nicht zogen8); er wurde, im Gegen-
satz zu den zerkleinert eingesalzenen Thunfischen, als ganzer mariniert und
spielte anscheinend bei den Römern dieselbe Rolle, wie heut bei uns der
Hering4). Ein billiger, vom Pontus bezogener Salzfisch war auch die sa-
perda*). Andere ebenfalls zum Einsalzen verwendete Fische, wie der aci-
penser, mugil, maena etc., sind oben besprochen worden. Gegessen wurden
die Salzfische teils ohne weitere Zutaten, nachdem sie vorher tüchtig ge-
wässert worden waren6), teils mit allerlei Ingredienzien gewürzt, in Fisch-
saucen, Brühen u. dgl. gekocht oder gebraten 7).
Außer diesen Fischkonserven bereiteten die meisten Marinieranstalten
auch verschiedene Arten geschätzter Fischsaucen8), die man zu Fleisch-
und andern Gerichten zusetzte, etwa wie es heut mit englischen Saucen
geschieht9). Die drei Hauptarten hießen garum, muria und allec. Unter
garum10) verstand man den aus den Eingeweiden gewisser Fische prä-
parierten Saft, der in der Weise gewonnen wurde, daß man dieselben ein-
salzte und in die Sonne stellte oder über Feuer unter beständigem Um-
rühren kochte; war die Auflösung erfolgt, so ließ man die Masse zwei
Monate gären und seihte sie durch: was zurückblieb, war das allec oder,
allex, der abfließende Saft das garum11). Angeblich kam der Name von
einem Fisch her, der griechisch ydgog hieß12), doch war die Verwendung
dtto frusta cybii, und ebd. 31, 19: cauda cybii.
Als Name der zerstückten Konserve Plin. IX
48: XXXII 151. Mart.V78,5. Vgl Rhode 9
u. 57. Die Alexandriner nannten denVespasian
seiner Habsucht wegen cybiosactes (Herings-
krämer), Suet. Vesp. 19.
') Plin. XXXII 151: ita vocatur pelamys
longa ex oceano veniens; vgl.Corp.Gloss.il
329, 61 ; 407, 22 ; III 379. 50 Galen. IX 728 K.
Rezepte für frische und marinierte sardae
Apic. 158 : 431 ff. Andere Namen für Thunfisch-
Spezies Plin. XXXII 146: cordyla; 149: or-
Cfftms: 150: apolectus, tritoneus, vgl. Rhode
8 ff.
2) So bereits, wie es scheint, bei Colum.
VIII 17, 12. Isid.or.XII6,38. Ed. Diocl.5, 12.
Auson. epigr. 123 (82 Peiper). 6. Corp. Gloss. VII
232 unter sardina, die dort in der Regel
durch i)ot~/nnri, ihnooa, xor/Laz übersetzt wird.
Vgl. Rhode 10.
8) Plin. IX 49; vgl. XXXII 151. Plaut. Capt.
851. Colum. VIII 17.12.
4) Dabei- die häufigen Anspielungen dar-
auf, dai die Werke der Dichter vom Krämer
zum Einwickeln der »eombri benutzt werden.
Catull. 95,8. Pers. 1,43. Mart. III 50,9; IV
86,8.
5) Pers. 5. 134: mperdam advehe Ponto;
das. Schol. Archestr. b. Ath. III 117 A. Festus
324, 5 sagt sogar : saperda genus pessimi piscis ;
vgl. 325 b, 7. Luc. hist. conscr. 56. Athen. II
118B und VII 308 C identifiziert sie mit dem
coracinus, s. oben S. 181.
6) Plaut. Poen. 241 ff. Athen. III 121 C u. s.
7) Zahlreiche Rezepte bei Apic. 158; 431 ff.;
457 ff.; vgl. Köhler a. a. 0. 383. Rhode 59 f.
Ein besonderes Gericht, bei dem Käse mit
Fischkonserven zur Verwendung kam, war
die patina ti/rota rieht, Cic. ad fam. IX 16. 7
u. 9; ad Att. IV8a, 1; XIV 16, 1. Apic. 137.
s) Kaviar scheint den Römern nicht be-
kannt gewesen zu sein; erwähnt wird er im
Altertum überhaupt nur einmal, von Diphilos
bei Ath. III 121 C; vgl. Marquardt 442. Man
verstand sich damals wohl noch nicht auf
das Einsalzen desselben, und frisch verträgt
er den langen Transport nicht.
9) Vgl. z. B. Plaut, bei Non. 120, 3. Plin.
XXVII 136. Sen.nat.qu. III 17,2.
,0) Vgl. Daremberg-Saglio II 1459.
n) So wird die Prozedur Geop. XX 46 be-
schrieben, wobei allerlei Fischsorten als Mate-
rial angegeben werden; ebd. 86 wird als bestes
das ausThunfisch bereitete ai^iänov bezeichnet,
Plin. XXXI 95: Vitium huius (gari) est alle»,
atque inperfecta nee eolata faex.
lv) Plin. ebd. 93: hoc olim conficiebatur
ex pisce, quem Graeci garon vocabant, capite
eius usto suffitu extrahi seeundas monstran-
tes.
Fünfter Abschnitt. Die Nahrung.
187
von Thunfischen, mul/i, maenae u. dgl. dazu ganz gewöhnlich1); das meiste
(jtiniiii aber, resp. die speziell so benannte Sauce wurde aus den Ein-
geweiden und andern Abfällen vom scomber bereitet2). Es führte auch die
Bezeichnung liquamen 3), obschon dieser Name vielfach auch einem andern
und anscheinend geringern Fabrikate beigelegt wird4). Hergestellt wurde
das garum in verschiedenen Qualitäten, von denen die beste sogar recht
teuer war5). Die renommiertesten Bezugsquellen für das gar um waren
Spanien. Mauretanien, Pompeji6), Thurii, Leptis, Klazomenae7); am ge-
schätztesten aber war das aus den Fabriken von Xeukarthago und Carteia
kommende, das unter dem Namen garum sociorum in den Handel kam8).
Besonders benannte Sorten garum wurden durch Vermischung mit andern
Flüssigkeiten hergestellt: durch Zusatz von Wasser das hydrogarum9), von
Ol das elaeogarum 10), von Essig das oxygarum n), von Wein das oenogarum1*).
Etwas anderes war die mit dem Namen mit via (griechisch älfir]) be-
zeichnete Flüssigkeit13). Im allgemeinen bedeutet muri« freilich eine aus
Wasser und Salz angemachte Salzlake14), die man bei allerlei Speisen,
Fleisch, Fischen. Gemüsen, Oliven, Käse u. dgl. zusetzte15); im speziellen
aber ist die murin eine Fischlake, sowohl aus andern Fischen bereitet16),
') R. Geop. a. a. 0. Diosc. II 45. Isid. or.
XX 3. 19. Cael. Aur. de morb. chron. II 1, 40.
Manil. Astr.V667ff.
2) Plin. a. a. 0. 94. Mart. XTII40 : Hesperius
\ scombri liquor; ebd. 120: expirantis odhuc
Scombri de sanguine primo. Schol. Pers. 1,43.
Auch auf Inschriften garum scombri, meist
in Abkürzung geschrieben (G. SC. F. = Ga-
rum scombri flos), s. Marquardt 440. Sonst
öfters nur G.F. — Garum factum, auf Am-
phoren, s. CILIV2570ff. mitZANGEMEiSTER ebd.
p 172; auch mit Angabe der officiua, Not. d.
seavi 1895.211. Mon. d Line. VII 422: 478.
3) Colum.VI2. 7. Veget mulom.V67,4;
Isid. a a. 0. 20 Geop a.a.O. 1: hxovduer.
Corp. Gloss. VI 649 (daher Hquaminarius yaoo-
möb^, ebd. III 470, 48). Ed. Diocl. 3,6. In den
Rezepten des Apicius erscheint liquamen als
eine überaus häufige Zutat. Auf Inschriften
von Amphoren u.dgl. Versandgefäßen kommt
liquamen oft vor, s. CIL IV 2586 ff ; Uq(uamen)
f< los) e.rc{el/ens) scom(bri) ebd. 2588 : liq(uamen)
8com{bri) excel(lens) , ebd. III 12010.48. Nach-
baue s. Eph. epigr. I n. 1820°.; ebd. 189 g{arum)
sociorum. Mau R. M. IV (1889) 21 ff.; XIII
(1898)30. Sogliano Not. d. seavi 1888,571.
4) Nach Isid a. a. 0. aus kleinen Fisch-
cheu, nach Cael. Aur. de morb. chron. II 1, 40
aus silurus; dasjenige liquamen, das nach
Vopisc. Aurel. 9, 6 den Soldaten geliefert wurde,
(rar jedenfalls eine geringe Sorte.
5) Nach Plin. IX 94 kosteten zwei Congii
(6 V« Liter) 1000 Sesterzen. Das Ed. Diocl.
a a 0. unterscheidet liquamen primum und
seeundum (die Preisangaben sind nicht er-
halten). Eine besondere Art war das für die
Juden bereitete garum castimoniale, Plin. a.a.O.
'••1 (Pallad III 25, 12 hat ein liquamen de piris
castimoniale); mit dieser Bezeichnung auch in-
schriftlich, Marquardt 440 A.8.
6) Hier sind auch Tonkrüge gefunden wor-
den, die garum enthalten hatten, CIL IV 2574 ff.
7) Plin. IX 94.
8) Plin. a. a. 0. und IX 66. Hör. sat. 118,46:
garo de sucia pistis Iberi. Mart. X1I1 102. Sen.
epist. 95,25. Manil. Astr.V 671 ff. Auson. epist.
21 (25Peip.). Auch inschriftlich kommt das ga-
rum sociorum vor. Ephem. epigr. I 163 n. 189.
9) Lampr. Heliog. 29, 5 (vgl. hierzu Mar-
quardt 442 A. 5). Apic.45;48.
,0) Apic. 157 u. 159 (nach der Emendation
von Schuch); auch yogikaiov Hes. 8. yaQikov.
») Mart. III 50, 4. Apic. 33: 35; 353 u. s.
,2) Apic. 32 ; 329 ; 379 ; etwas derartiges sind
wohl die mia&a Walemagaro bei Mart.YII 27, 8
und Plin. XXXI 95 : garum ml colorem mulsi ><-
teris adeoque suavitatem düufum, ut hihi possit.
13) Doch kommt es vor, daß muria mit
garum identisch ist, wie bei Auson. a. a. 0.,
der unter Bezugnahme auf ihm übersandtes
garum von Barcelona, das er muria nennt,
schreibt: scisautem me i<l mimen murin,', quod
in KSK rulgi est, nee solere nee pOSSi <ii<-ere.
cum seientissimi peterum et Graeca voeabula
fastidientes Latinum in </uri u ppelJaiinne mm
habebant. Vgl. Pottier bei D.-S. III 2046.
14) Fest. 158b, 28. Isid. or. XX 3. 20.
,5) Cator.r.7.4; ebd. 88. 2. Colum.XII7.
2; 55,4 Plaut. Poem 241. Quint. VIII 2.3. Geis.
II 24: IV 16 (9); ebd. 22 (15). Sogar dem Weine
setzte man solche muria zu, Cato 105. Colum.
XII 25. Dieselbe Bedeutung hat muria wohl
meistens auch da, wo Plinius sie als Konser-
vierungsflüssigkeit empfiehlt. z.B. XIV 119:
XV 21: XIX 74 u.s.
";l Murin dt menis, Plin. XXVI 33: XXVII
127; XXXII 88; die muria vom scomber be-
zeichnet Mart. XIII 103 als minderwertig.
188
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
als ganz besonders vom Thunfisch1). Die besten Sorten kamen aus Anti-
polis (in Grallia Narbonensis) 2), ferner aus Byzanz3), Thurii und Dalmatien4).
In welcher Weise sich ihre Bereitung von der des garum unterschied, läßt
sich nicht erkennen5).
Eine dritte Art Marinade hieß allec oder allex6). Angeblich wäre auch
dies der Name eines kleinen, zu Marinaden verarbeiteten Fisches gewesen7),
für gewöhnlich aber bedeutet es das Residuum, das sich bei der Herstellung
des garum und der muria ergab 8), ein jedenfalls billiges Fabrikat, das Arme
und Sklaven zu ihrer Zukost benutzten9). Aber nicht nur ging der Name
auf eine im Hause selbstbereitete Fischmarinade über10), sondern es wurde
auch allec in guter Qualität aus besseren Fischsorten als besonderes Fabrikat
hergestellt11), ja sogar aus Austern und andern Schaltieren12).
Sodann wurden zahlreiche Weichtiere verzehrt; neben den auch heut
noch in Italien, namentlich bei den untern Volksklassen, beliebten Tinten-
fischen, die als lolligo, sepia und polypus unterschieden13), als Speise nur
selten erwähnt werden14), beanspruchen den ersten Platz die Austern,
ostreae10), eine schon zur Zeit der Republik hochgeschätzte Delikatesse16), die
den beliebtesten Leckerbissen der Tafel zur Seite gestellt wird17). Besonders
begehrt waren die Austern der Bucht von Baiae18), vom Lukriner und
Averner See19) und von Circei20); vom adriatischen Meer besonders die von
Brundisium und Tarent21). Doch auch von entfernteren Meeren bezog man
qua
]) Mart.IV88,5: AntipoUtani nee quae de
mnqwine thynni \ testa ruhet; X 48, 12 ; XIII 103.
' *) Mart. a.a.O. Plin. XXXI 94.
3) Hör. sat. II 4, 65 : muria .
zantia putuit orca.
4) Plin. a.a.O.
5) Die Verse des Manil. Astr.V667ff., in
denen er Fang und Verarbeitung der Thun-
fische beschreibt, lassen zwar rdoiyog, garum,
ullex und muria unterscheiden (s. Marquardt
441 A. 6), aber nicht die Art der Zubereitung
erkennen.
6) Vgl. Marx bei P.-W. I 1584.
7) Isid. or.XH 6,39; öfters auch im Corp.
Gloss., z. B. IV 205, 37 ; V 520, 2 ; 560, 36 ; vgl.
VI 51. Bei Colum.V18,2; VIII 15,6; 17,12
ist halecula ein kleiner Fisch.
8) Plin XXXI 95.
9) Bei Cato r.r. 58 bekommen die Sklaven
zum pulmentarium Oel, und wenn keins vor-
handen ist, hallec und Essig. Bei Mart. 111
77, 5 und XI 27, 5 ist allec ärmliche Nahrung.
10) Plin. a. a. 0.: coepit tarnen et privatim
ex inutili pisciculo minimoque confici, und
zwar nennt er als solche Fische apuae, Sar-
dellen, und einen Fisch, den man in Forum
Iulii lupus nannte.
*') Plin. ebd.: transiit deinde in luxuriam,
creveruntque genera ad infinitum. Allec aus
der Leber des mullus erwähnt Plin. IX 66.
Bessere Sorte ist jedenfalls dem Zusammen-
hang nach bei Hör. sat. II 4, 73 und ebd. 8, 9
gemeint. Die Inschrift eines in Pompeji ge-
fundenen urceus nennt hallex optuma, Mau
B. d. 1. 1877, 169. Auch bei Apic. 262 u. ö. wird
man an bessere Sorte denken müssen.
u) Plin. a. a. O : sie allex pervenit ad
ostreas, echinos, Urticas maris, mullorum io
cinera, innumerisque generibus ad sapore,
gulae coepit sal tabescere.
13) So hält sie Plin. IX 83 auseinander,
Ov. hal. 19, 32 u. 132, Cels. II 28; ebenso Api-
cius. s. folgende Anm. Vgl. Cic.ad Att. IX 16,8.
14) Plaut. Cas. 493: emito sepiolas, lo-
padas, loliguncuJas; ders. Rud. 659. Ennius
bei Apul. apol. 39 empfiehlt Polypen von Kor-
kyra. Apic. 38; 41 8 ff.
16) Vgl. Marx bei P.-W. II 2589 ff.
I6j Lucilius, Turpilius, Afranius bei Non.
216, 4 ff. Plin. XXXII 59: nee potest videri
satis dictum esse de iis, cum palma mensarum
diu iam, tribuatur Ulis. Vgl. Hör. sat. II 2, 21.
Sen.ep.77,16; 108,15, und das Loblied, das
Auson. epist. 9 (5 Peiper) der Auster singt
Auf die mit dem Austerngenuß verbundene
Gefahr weist nur Sen. ep. 95, 25 hin.
17) Mart. III 46, 6; VII 78, 3; 1X14,3; XII
17,4; vgl. das certamen boleti et ficedulae et
ostreae et turdi, Suet. Tib. 42.
18) Mart. X 37, 11. luv. 11, 49. Auson. ep.7
(15Peip.),l; 9 (5 Peip.), 30.
la) Hör. epod. 2, 49. Plin. IX 168; XXXII
61. Sen.ep. 78,23. Mart. III 60,3; V 37,3; VI
11,5; XIII 82; ebd. 90, 2. luv. 8, 85.
*°) Hör. sat. II 4, 33. Plin. XXXII 60. luv.
4,140.
21) Plin. a.a.O. 61. Varro bei Gell. VI (VII)
16,5.
Fünfter Abschnitt. Die Nahrung.
189
Austern, vom Hellespont. besonders Abydus l), aus der Propontis, vom Bosporus
und Pontus2), selbst aus Britannien, Spanien u. s. wurden sie geholt3), zumal
man sich darauf verstand, sie so zu behandeln (vermutlich durch Kon-
servierung in Meerwasser), daß sie selbst auf bedeutende Entfernungen
noch frisch ankamen4). Aber man trieb auch Austernzucht: der schon
mehrfach erwähnte Sergius Orata war der erste, der ums Jahr 100 v.Chr.
einen Austernpark {ostrearum vivarium) im Lukriner See anlegte5); da
das ein einträgliches Geschäft war, fand es vielfach Nachahmung"). Ge-
nossen wurden sie sowohl frisch und roh7), als gekocht, gebacken oder
sonst in verschiedenartiger Zubereitung und mit andern Seetieren zu-
sammen 8).
Außer den Austern wurden aber noch zahlreiche andere Arten von
Muscheln, conchae, verzehrt9), von denen wir einige anführen: die mituli,
unsere Miesmuschel10), murices, Purpurschnecken, besonders von Baiae11),.
pectines (pectunculi), Kammuscheln l2), pelorides, Gien- oder Riesenmuscheln 13),
wphondyli, Lazarusklappen u), und veneriae, Venusmuscheln ' 5). Verhältnismäßig
selten werden Krebse erwähnt, vornehmlich die squilla, womit man in der
Regel einen großen Seekrebs, Languste oder Hummer, bezeichnet, der eine
geschätzte Delikatesse war16); doch scheint auch eine Sorte kleiner See-
krebse diesen Namen geführt zu haben17). Eine bescheidene und billige
') Catull. frg. 1 (bei Terent. Maur. 2734).
Ennius bei Apul. apol. 39. Verg. Geo. I 207.
Auson. ep. 9 (5Peip.),29; vgl. Ath.IlI 92D.
2) Plin. IX 52. Lucan. IX 959. Priap.75.
13. Auson. a.a.O. 38.
3) Man vgl. besonders das Verzeichnis
\nach Qualitäten, das Plin. XXXII 62 nach
Mucianus gibt, und die von Auson. a. a. 0. 1 9 ff.
aufgezählten Sorten von den gallischen Küsten.
4) Ath.I7D. Das erklärt es auch, daß
sich an den Plätzen römischer Ausgrabungen
oft grolle Mengen von Austernschalen finden,
s. Schaafhaüsen Rhein. Jahrb. XC (1891) 211.
Fröhlich Anz.f.schweiz.Aitert.N.F.VIII(1906)
196. Im Ed. Diocl. 5, 6 ist das Hundert zu 100
Penaren angesetzt.
■') Plin.IX 168. Val.Max.IX 1.1 (vgl.Cic.
frg. bei Non. a. a. O.). Macr. III 15, 3.
6) Colum.VIlI16,7. Auson. a a 0;auch
aufs Mästen der Austern und Versetzen be-
sonders geschätzter Sorten in die Austernparks
verstand man sich, Plin.IX 169; XXXII 61.
Sid. Apoll, ep. VIII 12, 1.
7) Sen. ep. 78, 23. luv. 6, 302. Macr. III 13,
12; geschätzt waren besonders die cirri, d.h.
der heut meist verschmähte Bart, Mart. VII
20.7.
8) Das sind die patinae ostrearum, Macr.
a.a.O. Apic. 423; eine solche aus allerlei
Zutaten beschreibt Sen. ep. 95, 26 u 28.
9) Auch die Auster wird zu den conchae
gezählt und so bezeichnet (Mart.V 37.3; XIII
82, l); daneben werden conchae auch von
ihnen unterschieden, wie Plaut. Rud. 297 (s.
ebd. 304) ; und die vtles conchae bei Hör. sat. II
4, 28 sind vielleicht, wie die concha brevis
Mart. X 37, 10, Miesmuscheln, wie Becker-Göll
337 vermutet.
10) Hör. sat. II 4, 28. Mart. III 60,4. Apic.
430. Ath. III 85 E: man hielt sie auch in den
Piscinen, Colum.VIIl 16,7. Vgl. Schneider im
Index ad Scr. r. r. 252.
») Hör. a. a. O. 32; Mart. XIII 87 iden-
tifiziert die Speisemuschel direkt mit der den
Farbstoff liefernden; Ennius bei Apul. apol. 39
nennt purpurn, »turiruli, murex nebeneinan-
der, ebenso Macr. III 13. 12 murices und pur-
purne. Cels. II 28.
,2) Varr.b.Gell.VI(VIl)16,5. Petron 70,6.
Colum. a. a. O.; Ennius a. a. 0. rühmt die von
Mytilene, Hör. sat. II 4, 34 die tarentinischen.
Vgl. Ath. III 86C Schneider a. a. 0. 281.
u) Varr. 1 1.V77. Hör. a.a.O.: Lucriua
pdorti. Plin. XXXII 147. Macr. a.a.O. Mart.
VI 11.5 und X 37, 9 bezeichnet sie als fad
und stellt ihnen die Austern gegenüber; vgl.
auch Cels. II 29.
,4) In dem schon oft zitierten Menü bei
Macr. a.a.O Plin. XXXII 151. Sen ep. 95, 26
u.28. Colum.VIIl 16, 7. Mart. VII 20. 14. Ed.
Diocl. 5, 10. Rezepte Apic. 42; 444.
15) Plin.IX 103. Sen. ep. 95, 26.
>•) Lucil. bei Cic.de fin. II 8, 24 (bei Cic.
ad fam.IX 10.2 ist ingentium sqtUUarum un-
sicher). Plin XXXII 1*51. Mart XIII 83 luv.
5,80; vgl Götte bei Friedländer z. d. St. Re-
zepte Apic. 39 u. 163.
17) Die ftqaillae bei Hör. sat. II 4, 58 und
8, 42 scheinen solche kleine Krebse gewesen
190
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
Speise waren die cammari, wahrscheinlich Krabben oder Garnelen1); die
locusta gilt für den Heuschreckenkrebs2).
Von andern Seetieren sind noch zu nennen der balanus, die Meer-
eichel3), die urtica marina, Seenessel4), und vor allem der sehr beliebte,
den Austern gleichgeschätzte echinus, der Seeigel5), der auch mariniert als
Konserve in den Handel kam6). Endlich wurden Schnecken, Cochleae, und
zwar sowohl Land- wie Wasserschnecken7), gern gegessen, obschon sie für
schwer verdaulich galten8); man züchtete sie in eignen cochlearia0) und
bezog fremde Sorten aus Afrika, Illyrien, von den Balearen u. s.10). Von
einzelnen Arten wird besonders die lepas (oder lopas), Napfschnecke, ge-
rühmt11).
Wir haben sodann eine Anzahl animalischer und vegetabilischer Er-
zeugnisse zu nennen, die teils an sich zur Speise dienten, teils bei der
Speisenbereitung in Betracht kamen. Da spielten zunächst eine wichtige
Rolle die Eier, und zwar wesentlich, wie bei uns, die Hühnereier, ova
gallinacea12); sie wurden beim Frühstück13) und namentlich zu Anfang der
Hauptmahlzeit gegessen14), waren aber auch sonst, zumal als Beilage zu
Fischen, Salaten u.dgl., beliebt15), und zwar hart wie weich gekocht10), und
ebenso in rohem Zustande lT). Für die Konservierung der Eier hatte man ver-
schiedene Methoden18). — Käse19), der ebenso an sich als Speise gegessen,
wie bei andern als Zutat verwendet wurde20), wurde vornehmlich aus Kuh-,
') Plin. XXXII 147. Mart. II 43, 12. luv.
5, 84 und das. Götte. Apic. a. a. 0. Daß sie
wenig Weit hatten, zeigt, daß sie als Futter
für Geflügel verwendet wurden, Varr. r. r. III
11,3. Colum. VIII 15,6.
*) Plin. IX 95. Cels II 28; III 6. Apic. 163;
490 ff.; bei Petron. 35, 4 locusta marina.
3) Plaut. Rud. 297; im Menü bei Macrob.
a. a. 0. figurieren balani albi und nigri (die
man besser mit Becker-Göll III 338 als Meer-
eicheln faßt, als mit Friedländer Sittengesch.
III 30 als Marronen). Plin. XXXII 145. Ath.
III 87 F; sie wurden auch in den Piscinen
gehalten, Colum. VIII 16,7.
4) Plaut, a. a. 0. Macr. a. a. 0. Plin. IX 146.
5) Plaut, a. a. 0. Enn. bei Apul. apol. 39.
Varr.l.l.V77; ders. bei Non. 216, 3. Hor.sat.
II 4, 33 lobt die von Misenum, ders. ep. II 8. 52.
Plin. IX 100. Plin. ep. I 15, 3. Mart. XIII 86.
luv. 4, 143. Cels. II 29. Apic. 425 ff. Vgl. Del-
brück bei P.-W. V 1921.
6) Das Ed.Diocl.5,7ff. unterscheidet drei
Arten: rohe, im Hundert verkauft, purgati,
d h. von der Schale befreite, nach dem Sex-
tarius verkauft, und salsi, ebenfalls nach dem
Sextarius. Vorschriften zur Marinierung Pallad.
1116; XIII 6,1; vgl. Apic. 128.
') Plin. XXX 45.
8) Ath. II 63 A. Plin. a. a. 0. 44. Mart. IV
46,11: XIII 53,2; XIV 121. Cels. II 20; Zube-
reitung Apic. 326 ff. Das Ed.Diocl.6,46f. ver-
zeichnet zwei Qualitäten.
9) Vorschriften über Anlage von solchen
bei Varr. III 12,2ff; 14,2ff.; es kam das nach
Plin. IX 173 f. bald nach den Bürgerkriegen
auf. Vgl Schaafhausen Rhein. Jahrb. XC 208.
10) Varro und Plin. a. a. 0. geben als beste /
Sorten an: große weiße von Reate, sehr große/
aus Illyrien, mittelgroße aus Afrika; Plin.
XXX 45 bezeichnet die afrikanischen als die
besten (so auch Hör. sat. II 4, 58), dann die
von Astypalaea, Sizilien, Capri u. s. Cochleae
germanae nennt Veget. mulom. II 28 (I 56),
17; VI (IV) 8,2.
!') Plaut. Rud. 297; Capt.493. Plin. XXXII
149. Ath. III 85 E; 91 E.
12) Die Pfaueneier bei Petron. 33,4 sind
zwar ein kulinarischer Scherz, doch geht dar-
aus hervor, daß auch solche gegessen wurden.
Die Taubeneier bei Hör. sat. II 4, 56 und Cels.
VI 18, 7 sind nicht als Speise erwähnt.
)3) Plin.ep. I 15,2. Apul.met. IX 33.
14) Hör. sat. I 3, 6 mit Porphyrio. Varr. r. r.
12,11. Cic.adfam.IX20,l.
15) Hor.sat. 112.45; ep. II 2, 163. Mart. I
55, 12; 11158,50; V78,5u.ö. Iuv.5,84.
16) Ova dura, ova niollia, ova assa u.dgl.,
vgl. Cels. II 18: ebd. 24 und 30; Spiegeleier
Mart. XIII 40.
17) Ova cruda, Colum. VI 4,2; sorbilia Cels. II
20. Das Weißei heißt album, das Dotter vüettus,
Hör. sat. II 4, 57. Mart XIII 40, 1. Cels. VI 6.1.
18) Varro III 9, 12. Colum. VIII 6,1. Pallad.
I 27, 1 ; transportiert wurden sie in Heu, Mart.
11147,14. luv. 11, 70.
13) Vgl. Cougny bei D.-S. I 931 ff.
20) Plaut. Capt. 851. Cat. r. r. 75 ff. Mart. III
58,50. Apul.met. 14.
Fünfter Abschnitt. Die Nahrung.
191
Schaf- und Ziegenmilch bereitet1); Ziegenkäse wurde vielfach geräuchert
(caseus fumosus) 2). Sehr guter Käse wurde in der Umgegend von Rom
bereitet, ferner in den Apenninen, in Umbrien, Etrurien, Ligurien3);
anderer kam aus Gallien4), Dalmatien und selbst dem fernen Bithynien,
doch galt Alpenkäse von Gallia Narbonensis, der caseus Vatusieus, für den
besten5). Dagegen war Butter, butyrum*), den Völkern des Südens nur
als ein innerlich oder äußerlich zu gebrauchendes Heilmittel bekannt, das
nur Barbaren, besonders Germanen, als Speise genossen7). Zum Kochen
nahm man anstatt der Butter, wie heut noch im Süden gebräuchlich,
Olivenöl8); in vorzüglicher Qualität wurde solches an verschiedenen Orten
Italiens produziert, das beste in Venafrum9), ferner im Sabinerlande10), in
Casinum11), Picenum1*); außerhalb Italiens lieferten besonders Istrien und
Hispania Baetica13) treffliches Ol. Beim Öl selbst unterschied man vor-
nehmlich das als das beste geltende oleum viride aus unreifen Oliven und
oleum cibarium oder ordinarium aus reifen Oliven14): von beiden Arten gab
es dann wieder Abstufungen, indem der erste Abfluß der beste war15). — Wie
statt der Butter des Öles, so bediente man sich beim Kochen, Backen,
Einlegen von Früchten u. dgl. statt des Zuckers16) des Honigs17). Auch
den Römern galt, wie den Griechen, der attische Honig vom Hymettus
und der sizilische von Hybla für den besten und wurde exportiert18); vom
») Varr.r.r. II 11.3. Plin. XI 237 ff., der
I auch Käse von Kamel-, Pferde- und Eselmilch
' anführt, vgl. ebd. 241. Ueber ihre Herstellung
Colum.VlI8, 1. Pallad. VI 9,1. Plin. a. a. O.
239. Natürlich wird auch frischer oder Weich-
käs(i von eingesalzenem Dauerkäse unter-
schieden, Ed. Diocl. 6. 96: caseus recens; 5, 11 :
caseus siccus. Ueber Konservierung vgl. Colum.
VHS; XII 43. Plin. XXIV 148.
*) Plin. a. a. O. 241. Mart. XIII 32. Ath.
IUI 13 E. Digg.VIII5,8,5.
3) Plin. a. a. 0. 240f., wo besonders Sas-
sina, Luna, Vestini als Fabrikationsorte guten
Käses hervorgehoben werden ; Käse von Luna
»uch Mart. XIII 30; von Sassina ebd. 143, 7;
III 58,35, wonach diese Käse die Form einer
Spitzsäule hatten.
4) Plin. a.a.O. nennt Nemausus, Mart. XII
32, 18 Tolosa; Colum XII 59. 3 caseus Galliens.
6) Plin. a a. 0. Mart. XIII 31. Galen. VI
697 K.
6) Vgl. Hehn Kulturpfl. und Haust. 153 ff.
Olck bei P.-W.III 1089 ff.
7) Plin. XXVIII 133 : e lade fit et butyrum,
Jtarbararum gentium lautissimus cibus et qiii
divites a plebe discernat. Er fügt hinzu, daß
man sie meistens aus Kuhmilch bereitet, die
fetteste aus Schaf- und Ziegenmilch. Vgl. XI
239; ebd. 284. Ed. Diocl. 4, 50. Ueber die medi-
zinische Anwendung vgl. auch Marquardt 328
A.2.
8) Ueber die in Italien um die Zeit der
Tarquinier eingeführte Kultur der Oliven und
deren Verbreitung nach Spanien und Gallien
s. Plin. XV 1 ff. ; Hehn a. a. 0. 101 ff. Besnier
bei D.-S. IV 162 ff. mit der Bibliographie ebd.
171. Ueber die Herstellung des Oels vgl.
Blümner Technologie I 328 ff.
9) Plin. XV 8. Varr.12,6. Hör. carm.II 6,
16; sat. II 4, 69; 8,45. Mart. XII 63,1: XIII 101.
luv. 5,86. Ueber den Oelbau in Italien vgl.
Nissen Ital. Landeskunde I 454.
I0) Galen. XII 513. Strab.V228. Pallad.
IV 9, 8
n) Varr. bei Macr. III 16,12.
'») Plin. XV 16. Mart.143,8; IV 46, 12;
XIII30u.ö.
>3) Plin. XV 8; XVII 31 u. 93. Mart VII
28, 3; XII 63, 1. Pallad.VIIl 9. Vgl. CIL II 1481 ;
VI 1935: mercator o/ei Rispani ex provincia
Baetica; ebd. 1625b; 29722.
») Cator.r.65. Colum. XII 52, 2: ebd. 21.
Pallad. XI 10.
15) Plin. XV 5 u. 23. Das Ed. Diocl. 3, 1 ff.
unterscheidet olei flos als beste Sorte, dann
oleumsequeiis und cibarium ; s. Blümner z. d. St.
10) Zuckerrohr, saccharum, kannten die
Alten als arabische und indische Pflanze, aber
nur im medizinischen Gebrauch, s. Diosc. II
104. Plin. XII 32. Isid. XVII 7,58.
17) Ueber Bienenzucht und Honiggewin-
nung bei den Römern vgl. Magerstedt Bilder
a. d. röm. Landwirtschaft, Heft VI, Sonders-
hausen 1863. Olck bei P.-W. III 431 ff; 450 ff.
Lafaye bei D.-S. III 1701 ff.
18) Zahlreiche Dichterstellen erwähnen bei-
de: daß das nicht bloß poetische Anspielungen
sind, sondern daß man auch beide Sorten nach
Italien bezog, bezeugen andere Stellen, z. B.
Varro III 16,14; Hör. carm. II 6, 14: sat. II 2. 15.
Plin. XI 32. Mart IX 26,4; XI 42,3: XIII 34.1;
108,1. Galen. XIV 77 K u.a.
192
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
italischen wurde der kalabrische gerühmt1), während der von Korsika und
Sardinien als bitter nicht geschätzt wurde 2). — Essig bereitete man aus
allerlei Früchten und Pflanzen, wie Äpfeln, Birnen, Feigen, Betonien usw.3),
den meisten jedoch aus minderwertigem oder umgeschlagenem Wein4); als
trefflich galt der scharfe ägyptische5).
Endlich das Salz6), der einzige mineralische Nahrungsstoff, wurde
entweder in Salzbergwerken {saüfodinae) als sal nativus gewonnen7) oder
als Meersalz, sal facticius, aus dem Meerwasser oder salzigen Seen und
Quellen8); an zahlreichen Orten Italiens wurde solches Kochsalz pro-
duziert9). Ein besonderes Präparat, das auch käuflich zu haben war, war
das mit allerlei Ingredienzien gewürzte sal conditum, das als appetitreizend
galt10).
Die Herstellung der Speisen lag in der älteren einfacheren Zeit in den
Händen der Sklavinnen, und auf dem Lande mag das auch später noch
vielfach so geblieben sein. Hatte man Gäste zu bewirten, so mietete man
einen Koch11), denn die römische Hausfrau scheint sich um die Küche nicht
sehr bekümmert zu haben12). Mit dem Eindringen des Tafelluxus, besonders
vom Orient her, fing der coquus eine wichtige Rolle im Haushalt zu spielen
an 13), und gute Köche wurden sehr teuer bezahlt14). Im bescheidenen Haus-
halt begnügte man sich mit einem einzigen Koch15), der dann wohl auch
noch, wie in alter Zeit, das Brotbacken mit besorgte10); aber in größeren
J) Hor.carm.III16,33.
2) Plin.XXI83;XXX28. Mart.IX26.4;
XI 42, 4. Hör. a. p 375. Das Ed. Diocl. 3, 10 f.
verzeichnet mel optimum und secundum.
3) Plin XIV 103; XXV84. Colum. XII 17, 1.
Pallad. III 25. 11 ; ebd. 19. Vgl. Saglio bei D.-S.
123. Stadler bei P.-W. VI 689 ff.
4) Cato 104,2. Colum. XII 5. Plin. XXIII
54 ff.
5) Cic. bei Non. 240, 40. Mart. XIII 122.
luv. 13,85. Ath.UI67C.
6) Vgl. Baumstark bei PaulyVI694. Hehn
Das Salz, Berlin 1873. M. J. Schleiden Das
Salz, Leipzig 1875.
7) Plin. XXXI 77. Isid or. XVI 3, 2; vor-
nehmlich waren Salzbergwerke in Kappodokien,
Arabien, Aegypten, Kyrenaika, Plin. a. a. O.
8) In salinae, die in Latium (bei Ostia)
schon bis in die Königszeit zurückgingen,
Liv. 133, 9. Ueber die Methoden der Gewin-
nung (durch Verdunstenlassen oder durch Ab-
kochung, vel cogendo vel coquendo) vgl. Plin.
a.a.O. 73 ff.
9) Siehe die Zusammenstellung bei Nissen
Ital. Landeskunde I 107 ff. Das feinste und
weißeste lieferte Tarent, Plin. a.a. O. 84 ff.
"') Plin. XXXI 87; Rezept bei Apic. 29;
im Ed. Diocl. 3, 9 nach dem gewöhnlichen Salz
angeführt.
n) Plin. XVIII 108: nee cocos vero habe-
bant hi servitiis eoeque ex macello conduce-
bant. So auch bei Plaut. Pseud. 165 ff.; Mercat.
578; Pseud. 168; Aul 280, wo es freilich auch
griechische Sitte sein kann, es ist daher auch
unsicher, ob das forum coquinum Plaut. Pseud.
790 nur Uebersetzung aus dem Griechischen
oder eine andere Bezeichnung für das ma-j
cellum ist. wie Richter Topogr. v. Rom 310/
und Jordan Topogr. v. Rom 1 2. 434 annehmen ;
nach Ter. Eun. 255 f. standen die coqui auf dem
macellum. Bei Plaut. Aul. 324 ist der eocus
nundinalis nach Fest. 317 b, 1 ein geringerer
Koch, doch ist es nicht klar, woher die Be-
zeichnung kommt. Mietspreise bei Plaut. Aul.
448; Mercat. 776. Nach ebd. 781 brachte der
Koch auch sein Kochgeschirr mit.
12) Nach Plut. qu.Rom.85 p.284F wären
die Frauen schon nach dem Raub der Sabi-
nerinnen vom Mahlen und Kochen (uaysigsüeiv)
von ihren Männern dispensiert worden.
13) Liv. XXXIX 6, 9: epulae quoque ipsae
et cura et sumptu maiore adparari coeptae.
tum coquus, vilissimum antiquis maneipium
et aestimatione et usu, in pretio esse et, quod
Ministerium fuerat, ars haberi coepta. Man
hatte also früher schon einen Sklaven als
coquus, sein Amt war aber unwichtig. Vgl.
Pottier bei D.-S. I 1502.
") Sali. lug. 85, 39.
,5) Auf Inschr. kommt der cocus oft vor,
vgl. CIL VI 6246 ff.; 8753 ff.; 9263 ff.; 33838;
XII 4468. Der Koch Cylindros in Plaut. Me- j
naechm. ist wohl nach dem griechischen Muster
gezeichnet; über dieses vgl. E. M. Rankin The |
role of the fidysiooi in the life of the anc. I
Greeks, Chicago 1907.
16) Festus 58, 14 : coquum et pistorem apud
antiquos eundem fuisse aeeepimus.
Fünfter Abschnitt. Die Nahrung.
193
Haushalten gab es eine Menge Köche1), an deren Spitze ein Oberkoch
stand, nach griechischem Brauch archimagirns genannt2) oder praepositus
cocorum3). Unter ihm stand in großen Häusern, zumal am Kaiserhofe, ein
Heer von niederen Angestellten: die servi fornacarii, die das Holz für Herd
und Backofen herbeizuschaffen hatten4), die obsonatores, die die Eßwaren
auf dem Markte einkauften6), die Küchengehilfen K) und Unterköche, wohl
auch die verschiedenen Kuchenbäcker, wie die dulriarü1), lactarii*), libarii9),
erustularii10), placentarii u. a. m.11).
Die Vorräte, aus denen die Speisen bereitet wurden, standen, soweit
solche nicht täglich neu und frisch beschafft werden mußten, wie Fleisch,
Fische, Gemüse, Obst u. dgl., in großen Haushalten unter der Aufsicht dafür
bestimmter Sklaven. So hatten die servi a frumento die Getreidevorräte
unter sich12), die a trink die Weinvorräte13); im allgemeinen sorgte der
mUarius dafür, der die cella prompt uaria oder penaria verwaltete14).
Die Berufsarten, die den Haushaltungen die Nahrungsmittel lieferten,
waren teils Produzenten, teils Händler. Das Schlachtvieh, Ochsen, Schweine,
Lämmer und Ziegen, bezogen die Fleischer teils von den Gutsbesitzern15),
teils von Viehhändlern, die von auswärts es einführten, den mercatores oder
negotiatores pecuarii16) oder boarii11), die ihre Ware in Rom auf dem campus
pecuariusls) oder dem forum boarium am Tiber19) zum Verkauf brachten,
ferner den negotiatores porcinarii20) oder suarii21). Die Schlächter **)j
J) Sen. ep. 1 14, 26 : adspice culinas nostras
et concursantis inter tot ignes coquos. Beson-
ders im kaiserlichen Haushalt war die Zahl
der Köche groß; sie bildeten sogar unter sich
ein collegium cocorum, CIL VI 7458, und Kol-
legien von Berufsköchen kommen schon in frü-
\ her Zeit vor, s. CIL XI 3078 (Büchelek Carm.
epigr. 2) : XIV 2875. Ein scriba cocorum VI 9262.
2) luv. 9, 109. Sid.Ap. ep.II9,6. CIL VI
7458; 8750 f.
3) CIL VI 8752; auchsMpracocos,ebd.9261.
4) Digg. IX 2, 27, 9 ; servus focarius, an-
cüla focurta, ebd. IV 9, 1, 5 ; XXXIII 7. 12, 5.
5) Plaut, m. gl. 667. Sen. ep. 47, 8. Spart.
Hadr.17,4. CIL VI 8945 f.
6) Das sind wohl die coctores bei Petron.
95,8; vielleicht auch die culinarü Scrib. Larg.
230.
7) Lampr. Heliog. 27, 3. Treb. Poll. Claud.
14,11. Apul.met.X13. Corp. Gloss. II 263.31 ;
408,34 u.ö. CIL VI 9374; 33854.
8) Lampr. a. a. O.; dagegen ist Corp. Gloss.
II 261,11 der lactarius ein Milchhändler, vgl.
ebd. 585, 30.
9J Sen. ep. 56,2, allerdings nicht Sklave,
sondern Verkäufer. CIL IV 1768.
io\ gen a a o
») Corp. Gloss.' VII 94. Paul.sent. III 6,72;
panchrestarii, Arnob. adv. gent. II 38; scri-
bUtarii, Afran. b. Non. 131. 25; vgl. Blümner
Technologie I 96.
12) CIL VI 8850ff.; 8926; 9423ff.
,3) Ebd. 9091 f.
14) Disg. XXXIII 7. 12, 9. CIL VI 8745 f.;
9243ff.;XIV17; 2864.10; vgl. oben S. 163 f.
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft. IV.
15) Varr.r.r.II5,ll; 1112,11. Colum.VII
3,13.
16) CIL 1 1130 (noch aus republikanischer
Zeit); VI 1770; XIV 2878. Cod Theod.XIV4;
sie handelten besonders mit dem Kleinvieh,
daher CIL VI 33887 ein mercator celeberrimnx
siitiriae et pecuariae. Sonst sind pecuarii dte
Pächter der öffentlichen Weideplätze in den
Provinzen, Vai r r. r. II 4, 3. Cic. pro Deiot. 9. 27.
Liv. X23,13; 47,4; auf den Inschriften meist
die Aufseher über die Viehherden bei den
Heeren, s. Marqüardt 467 A. 1.
17) CIL VI 1039 ; emnegotiatoriuvenc(arins)
X 5585, vgl. Gatti Not. d scavi 1902,54.
18) CIL VI 9660; auch in der Notit. region.,
Anhang 5, 6 erwähnt, s. Jordan Topogr. II 216.
1 9) Jordan 1 2, 474 ff. Richter Topogr. 1 84 ff.
Vermutlich ist der campus boarius CIL VI
9226. Not. d. scavi 1902, 54 damit identisch.
20) Plaut. Capt. 905 Cod Theod. a. a. O.;
mercator porcarius CIL III 14370.
21) Plin.VII54; XXI 10. CIL V 2128; VI
1156; 1690; IX 1506; 2128. Cod Theod. a.a.O.
Symm. ep. X 14 (34) unterscheidet: hie Janatt
pecoris invector est, ille ad victum populi
cogit armentum, hos suillae carnis tenet fioictio.
Das forum ntarium wird öfters erwähnt,
Digg. 1 12. 11. Not. dign Occ.4, 10. CILVI 1156;
3728 (- 31046); 9631; vgl Hülsen Bull.com.
XXIII (1895)48; über seine Lage s. Jordan-
Hülsen Topogr. 1 3. 452 f. Richter Topogr. 264.
Darstellung eines Schweine austreibenden sti-
arius auf einem Grabcippus aus Bologna s.
Brizio Not. d. scavi 1898, 479 Fig. 3.
22) Vgl. Baudrillart bei D.-S. III 921 ff.
2,2. 3. Aufl. 13
194
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
lanii1), laniones2), auch confectorarii3), finden sich unter den alten Zünften
des Numa so wenig wie die Bäcker, da man in alter Zeit ebenso zu Hause
mahlte und buk, wie man wenigstens Kleinvieh selbst aufzog und schlachtete4);
später erscheinen sie als mißachtetes Gewerbe, obschon es damals schon
einträglich war6). In der Kaiserzeit aber finden wir sie als geachtete Kor-
porationen, die allerlei Vorrechte genossen, zumal diejenigen, die das Fleisch
für die öffentlichen Verteilungen zu beschaffen hatten6). Sie hatten ihre
Schlachthäuser und Verkaufsläden7), laniaria*), lanienae9), wo sie ihre Ware
ausstellten10); noch bis ans Ende des 1. Jahrhunderts n.Chr. engten sie
oft die Straßen mit ihren Fleischbänken ein11). Bis zum 5. Jahrhundert
der Stadt lagen die Tabernen der Fleischer am Forum, damals traten dann
an ihre Stelle die Wechslerbuden 12). Die Fleischerläden waren später überall
in der Stadt verstreut, besonders beim Velabrum 13), bei der Basilica Sem-
pronia14) und bei der Piscina publica15). Doch schickten die Fleischer auch
ihre Gehilfen mit den Fleisch waren in der Stadt herum16). Sodann aber
hatten die Fleischer auch ihre Verkaufsplätze auf dem allgemeinen Markte,
dem macellum11); die dort stationierten macellarii18) hielten Fleisch feil19),
namentlich Wildbret und Geflügel20), sowie Fische und andere Viktualien21),
weshalb sie den Luxusgesetzen unterstanden 22). Doch gab es auch Spezial-
J) Ter. Eun. 257. Varr. r. r. II 4, 8: 5, 11.
Mart. II 48, 1 ; VII 61 , 9 u. s. Corp. Gloss. VI 623.
Oftinschrif'tl.,CILVI167ff.;5000;9499(I1011);
33870; XII 4482; XIV2877; vgl. Mommsen
A.Z. XXVII (1869) 70.
2) Petron. 39, 10. Digg. I 2, 2, 24. Corp.
Gloss. a. a. 0. CIL IV 373 : VIII 9332 ; X 6493 ;
XIII 941.
3) CIL VI 1690: 9278: vgl.Corp.Gloss.il
477,48: confectorium yoiQoa(payeiov.
, 4) Varr. r. r. II 4, 3: patres nostros dicere
ignavum et sumptuosum esse, qui succidiam
in carnario suspenderit potius ab lanario
quam e domestico fundo.
5) Cic. de off. I 42, 150. Liv. XXII 25, 18 f. ;
es geht daraus hervor, daß man zwei Arten
von Schlächtern unterschied: solche, die nur
schlachteten und (wohl en gros) verkauften,
und solche, die selbst (als institores) das
Fleisch feilhielten.
6) Vgl. Baudrillart a. a. 0. 923.
7) Siehe die Darstellung eines Metzger-
ladens in dem Relief bei Jahn BSGW 1861,
352 Taf.XIIIl: Schweineschlachten auf dem
Relief eines Bogens in Reims, Baudrillart
a.a.O. Fig. 4336. Laden eines Schweinemetzgers
auf einem Grabrelief in Dresden, Arch. Anzeig.
1889, 102.
8) Varr.r. r. II 4,3; auch laniatorium, Corp.
Gloss. VI 622 : die Schlachtbank mensa la-
nionia, Suet. Claud. 15.
9) Plaut. Epid. 199. Liv. XLIV 16, 10. Tert.
de an. 33. Corp. Gloss. V 31, 5; 80,6.
,0) Phaedr. III 4, 1 ; auch das ersterwähnte
Relief zeigt die Auslage.
»') Mart. VII 61,9, auf Domitians Verbot
dieser Tabernen bezüglich.
»») Varr b. Non. 532, 14: für die frühere
Zeit Liv. III 48,5: IX 40,16. Vgl. Ritschi
Opusc. II 385 ff. Urlichs Rh. Mus. XII (1857)
215 ff. Jordan Topogr. I 2, 379 f. Richter To/
pogr. 85.
13) Plaut. Cure. 483.
14) Liv. XLIV 16, 10.
15) Daher die lanii piscinenses genannt
CIL VI 167 ff.; nach Jordan Topogr. II 106
identisch mit den lanii extra Portam (sc
Capenam) bei Plaut. Pseud. 326 ff. Vgl. ebd. 1
3, 185.
16) Mart. VI 64, 19: quod cum pantieibuf
laxis et cum pede grandi \ et rubro pulmoni
vetus nasisque timendum j omnia crudelis la-
nius per compita portat.
17) Plaut. Aul. 373 ff. Ter. Eun. 255 ff. ; vgl
Thedenat bei D.-S. III 1457 ff.
1S) Varr. r. r. III 2, 11; 4, 2. Suet. Caes. 26
Vespas. 19. CIL VI 9532 ; XII 1593.
1U) Daher erklären die Glossen V 306, 'i
laniones durch macellarii, vgl. ebd. II 364, 5
IV 104, 30 ; V 462, 42, sowie die Erklärungei
von macellarius VI 665.
20) Varr. a. a. O. Auf dem Relief aus Villi
Albani Jahn a.a O. Taf. XIII 2 sind Schweine
Hasen und Geflügel zum Verkauf aufge
hängt.
*>) Plaut. Aul. 373. Varr. 1.1. V 147 Fest
125,8. Senep. 95,42. Mart. XIII 85. luv 5,95
als Ort, wo man allerlei Leckerbissen ersteht
erscheint das macellum Sen. de benef. VII 19,3
ep.77,17; 96,5. Mart. X 37,19; 59,3; 96,9
luv. 6, 40; 11, 10 u. 64.
") Suet. Caes. 43 ; Tib. 34.
Fünfter Abschnitt. Die Nahrung.
195
geschäfte für Schinken u. dgl.1), sowie besondere Gefiügelhändler2). Delika-
tessen aller Art, zumal fremden Imports, führten die auf dem forum cup-
pedinis'6) feilhaltenden cuppedinarii*). Für Fische, die die /iis<-otoresb) oder
piscicapi1'') lieferten, gab es auch einen besondern Markt, das forum
//israrium1), das in Rom beim Tiber lag8); hier brachten die Fischer ihren
fang zum Verkauf, während die Fischhändler9) auf dem forum pisca-
torium10). das nördlich vom Forum lag11), ihre Verkaufsplätze hatten. Ein
besonderes Gewerbe bildeten die cetaril12), die auf den Thunfischfang aus-
gingen13) und die Fische in ihren Itäucheranstalten dörrten und marinierten
oder zu Fischsaucen verarbeiteten14); ihre Fabrikate verkauften die saha-
mentarii (siehe oben S. 185), liquaminarii16) oder muriarü19).
Von andern Berufen sind zu nennen die Gemüsehändler; das waren
teils die Produzenten selbst, die Besitzer von Küchengärten, koHtores11), die
ihre Waren nach dem zwischen Kapitol und Tiber belegenen forum holi-
fortum18) brachten, teils die Händler, die sie von den Gärtnern erstanden
und Kleinhandel damit trieben, die holerarii oder holeratores19), dann die
Verkäufer von Hülsenfrüchten, die ler/uminaril20), bei denen es wieder
') EhiperHariusClL VI 31120 (vgl.Berlin.
Skulpturen 64 n. 143); ein lardarius ebd. XII
4483 (Brambach Inscr. Rhen. 363). Ein Laden-
schild eines pernarius mit fünf Schinken s.
oben S. 61 Fig. 22.
2) Ein negotium pullarius CIL VI 9674;
der anatiarius ebd. 9143 gehört vielleicht auch
hierher, vgl. Dessau 7498 a. Hingegen sind
die aviarii altiliarii CIL VI 9201 (vgl. 4230)
nicht Händler, sondern Sklaven, die die Ge-
flügelmast besorgen.
3) Varr.l.l.V146. Fest. 48, 15. Symm.ep.
VIII 19 ; vgl. Jordan Topogr. 1 2,433 A.4. Rich-
ter Topogr. 309 f.
4) Ter. Eun. 256 und das. Donat.; vgl. Amin.
Marc. XXVI 7, 1: cupediarium vilium merca-
toris. Ein mercator omnis generis mewium
transmarinarum CIL VI 4680.
5) Plaut. Rud. 987. Ter. Eun. 257. Cic.de
off. III 14.58. Sen. ep. 55, 6. Petron. 114. 10.
Mart.IV30.2; häufig auf Inschr., s. CIL II
5929: V 7850, besonders das römische colle-
gium {corpus) piscatorum et urinatorum ebd.
VI 1872 (darnach ergänzt ebd. 1080); 9799:
29700 ff.; XIV 409; VI 9801 ist die piscatrix
de harreis Galbae jedenfalls eine Händlerin,
keine Fischerin. Vgl Lafaye bei D.-S. IV 489.
6) Nur inschriftlich, CIL IV 826 ; VI 9799ff.
7) Plaut. Cure. 474. Varr.l. 1. V 146.
8) Jordan Topogr. I 1. 504. Richter To-
pogr. IUI.
») InderInschr.CILXlV409 (vgl. II •>!>:>!>)
heißen sie piscatores propolae; vgl. Athen.
VI 224 C: oi e.v ' Piöun iyilro^öihu.
,0) Liv. XL 51. ö'. Colum.VIII 17,15.
1 >) Liv. XXVI 27. 2. Jordan I 2, 433. Rich-
ter 309 f.
») Ter. Eun. 257.
'*) Varro b. Non. 49, 14: non animadverti$
cetarios, cum videre volunt in muri thunnos,
escendere in malum alte, idpenitus per aquum
perspicerent pisces? Ueber den Thunfischfang
s. die oben S. 185 A. 8 zitierte Schrift von
Rhode.
14) Colum.VIII 17,12: salsamentoi-um om-
ninm purgamenta, quae cetariorum officinis
everruntur. Donat. ad Ter. a. a. O.: ceUÜrü, qtti
cete i. e. magnos pisces venditant et bolonas
exercent (nach Corp. Gloss.V8, 14; 50,11 ist
bohna redemptor cetariarum tabemantm, >>i
quibu8 salsamenta condnmtw, quas Utbernas
vulgo cetarias vocant). Daher erklären die
Glossen cetarii ebensowohl durch piscatores
wie durch liquaminarii oder salsauientarii,
Corp. Gloss. VI 204. Vgl. die ktdi n-turii, Fi-
scherspiele, bei Tac.ann. XVI 21, wie die pi-
scatorii Imii in Rom, Fest 238b, 23.
,5) Corp. Gloss. III 470,48; IV 32, 23.
'«) CIL XIII 1966.
,7) Varr.l.l.VI20. Cic.ad fam.XVI 18,2.
Colum. X 229 ; XI 1, 2 u. a. Daher erklären die
Glossen den holitor ebenso als horticola, ole-
rum eultor, wie als venditor holerum, /.ny<t.v<>-
nmXris, Corp. Gloss. VI 525. Vgl. CIL VI 9458
(I 1057).
18) Varr. 1. 1. V 146. Liv. XXI 62. 2. Tac.ann.
II 49. Corp. Gloss. III 306. 21 : 528, 52. Vgl.
Jordan 11.504; 3. 507 f. Richter 192f.
19) Corp. Gloss. II 358, 60; III 308, 36; 528,
56; auch holerar ium für kaxarontolsZcv, ebd.
11358,59; III 214, 40 u. s. Vgl. Petron. 6, 4:
anicula, quae agreste ho/ns vendebat.
20) Corp. Gloss. 11388.20; 111308,61 als
oaJtQiombb]? erklärt; vgl. II 586, 30. Eine ne-
aoHatrix frumentaria et Ugumtnaria CIL VI
9683; es wurden also Getreide und Hülsen-
früchte im selben Geschäft geführt. Ein La-
den, in dem solche verkauft werden, ist auf
dem Relief bei Jahn a. a. O. Taf. XIII 4 ab-
gebildet.
13*
196
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
Detailgeschäfte gab1). Ebenso trieben den Obsthandel teils die Garten-
besitzer selbst2), teils die pomarii3). Die salgamarii handelten mit allerlei
Konserven4), die conditarii vermutlich mit eingelegten Früchten oder Ge-
müsen5). Endlich sind hier noch zu nennen die Ölhändler, olearii6), die
Honighändler, mellarii1), und die Salzhändler, salinatores 8) oder salarii9).
Wir gehen über zur Besprechung der Getränke10). Mehr auf dem
Lande, als in der Stadt, war Milch als Getränk üblich11). Man trank vor-
nehmlich Schafmilch und Ziegenmilch 12), weniger Kuhmilch, die der Land-
wirt lieber zum Aufziehen der Kälber verwandte13). Das hauptsächlichste
Getränk der Römer aber, und zwar der reicheren wie der ärmeren Be-
völkerung, war der Wein14). Allerdings scheint das noch nicht von der
ältesten Zeit zu gelten. Zwar war der Weinbau in Kampanien und Sizilien
sowie in Oberitalien heimisch, und zwar in Niederlassungen, die älter sind, als
die hellenischen Einflüsse lö); aber darauf, aus den Trauben Most und Wein zu
bereiten, scheint man sich anfänglich noch gar nicht oder nur in sehr unvoll-
:) Eine negotiatio fabaria CIL VI 18. Hin-
gegen sind die fabarii auf Inschr.. wie CIL
XII 4472 und die fabaria ebd. III 153. wohl
Sänger, s. Isid. de eccl. oft. XII 3. Corp. Gloss.
V 599, 44; 614,26. Die lupinarii aber. Lampr.
AI. Sev. 33, 2. CIL IV 3423 (ebd. 3483 lupini-
polus ; vgl. Dessau 7494a), handeln mit Bohnen-
brei, nicht mit rohen Bohnen, s. Corp. Gloss.
III 196,61: d-EQ(.ionoiXslov (lupini sind ßti^/uoi).
Daß die lentiarii nicht Linsenhändler sind,
sondern /mfgam,bemerktMARQUARDT485 A. 8.
2) Varr.r.r. 12, 10; solche Obstniederlagen,
pomaria (vgl. Corp. Gloss. VII 103) lagen an
der Sacra via, Ov. a. a. II 266. Priap. 21, 3.
3) Hör. sat. II 3, 227: aber bei Lampr.
Heliog. 27. 3 sind es Küchengehilfen, die das
Obst unter sich haben. Oeftersinschriftl.. s. CIL
IV 149 ; 180 u. ö. ; VI 9821 ff ; X 3956. Relief
mit Obstladen Jahn a.a.O. Taf. XIII 5.
4) Colum. XII 56, 1 erwähnt die eingelegten
Rüben der salgamarii: Corp. Gloss. II 393, 48
wird es durch jiavzojtwlrjg erklärt; III 307, 13
durch ahimoji(tAif]c, sie führten also eingesal-
zene Sachen.
5) CIL VI 9272.
6) Bei diesen gab es Großhändler, mer-
catores oder negotiatores olearii, CIL III 2936;
VI 1620; 1935; 9716ff; 1X5307. und solche,
die es im Detail verkauften, diffusores olearii,
ebd. II 1481. Olearii auch CIL III 14302b; X
1934; XII 4499; vgl. oben S 191 A. 13. Relief
mit Darstellung einer taberna olearia (auch
olearium, Corp. Gloss. II 294, 6 u. 9) s. Jahn
a. a. O. Taf. XIII 3.
') Varr.r.r. III 16, 17 u. 30. Corp. Gloss. III
308,58:530.3. CIL VI 9618.
8) Salinator ist eigentlich ein Salinen-
arbeiter , s. Marquardt 469 A. 3 : auch ein
Salinenpächter, Cato bei Serv. ad Verg. Aen. IV
244; hingegen Salzverkäufer bei Arnob. II 38.
9) Mart. I 41, 8; IV 86. 9 (vgl. Marquardt
a. a. O.). Corp. Gloss. II 592, 14: salarius, salis
venditor. CIL V 6670; X 557.3,20.
,0) Der Artikel potus von Baudrillart bei
D.-S. IV 606 f. ist sehr dürftig. Zu vgl. ist
noch K. B. Hopmann Die Getränke der Gr. u.
Rom. vom hygien. Standpunkte (a. d. Deutsch.
Arch. f. Gesch. d. Medizin Bd. VI), Graz 1883.
") Cic.desen.16,56. Colum. VII 2, 1. Im
allgemeinen vgl. Baudrillart bei D.-S III 883ff.
") Verg Georg.lII308ff. Nach PlimXX VIII
123 (der sich an Diosc. II 75 anschließt) galt
nächst der menschlichen die Ziegenmilch für
die nahrhafteste, die Kamelmilch für die süße-
ste, die Eselsmilch für die wirksamste; für den I
Magen am zuträglichsten ebenfalls Ziegen-/
milch, dann Kuh- und Schafmilch. Varro be-
zeichnet zwar 118,2 Pferdemilch als nahrhafter
als Eselsmilch, ordnet aber ebd. 11,1: ovillum,
equinum, asininum, bubulum, caprinum. Das
Ed Diocl. 6. 95 führt nur lac ovillum auf.
l8) Nach Verg. ecl. 3, 30 und Georg. III 176
war -in Italien das Melken der Kühe alter
Brauch, den aber Vergil widerrät: nee tibi
fetae, | more patrum, nivea inplebunt mule-
traria vaccae, \ sed tota in dulcis consument
ubera natos.
u) Außer der eingehenden Behandlung
bei Becker-Göll III 413ff. und Marquardt
443 ff. sind hierüber zu vgl. Rein bei Pauly VI
2630 ff. Magerstedt in den Bild. a. d. röm.
Landwirtschaft, Heft I. Sondershausen 1858.
Schneyder Ueber den Wein- und Obstbau der
Römer, Rastatt 1846. Hessel Die Weinvered-
lungsmethode des Altertums, Marburg 1856.
Lamarre De vitibus atque vinis apud Ro-
manos, Paris 1863. G. Lehmann De vini apud
Romanos apparatucultuque, Wernigerode 1872.
KEPPELDieWeinlese der alten Römer, Schwein-
furt 1874. Hehn Kulturpfl. u. Haustiere 65 ff.
A. Kohl Ueber italischen Wein mit Bezug-
nahme auf Horatius, Straubing 1884. Aeltere
Litteratur bei Pauly 2638 und Becker-Göll
414.
la) Vgl. Helbig Italiker in der Poebene
109 ff. Nissen Ital. Landeskunde I 451 ff.
Fünfter Abschnitt. Die Nahrung. 197
kommener Art verstanden zu haben, und daß in Latium der Weingenuß ur-
sprünglich unbekannt war, dafür liegen verschiedene deutliche Anzeichen vor,
zumal im Kultus l). Auch als der Weinbau sich ausbreitete und damit auch das
Weintrinken allgemeiner wurde, galt der in Latium wachsende für gering2),
was freilich auch damit zusammenhing, daß man sich auf sorgfältige Pflege
der Reben und richtige Behandlung des Weines noch nicht verstand. Dieser
herbe Landwein hieß mit einem alten Worte temetum 3), das später ver-
allgemeinert wurde, aber früh außer Gebrauch gekommen zu sein scheint4).
Erst als man die unteritalischen und namentlich auch die griechischen
Inselweine kennen lernte, ließ man dem Weinbau größere Pflege angedeihen,
zumal man bald merkte, daß keine Kultur so leicht und dabei so einträglich
sich erwies, als die des Weinstocks5). Man lernte die fremde Behandlungs-
weise nachahmen und verbessern und führte vielfach auch fremde Reben
ein6). Dadurch wurde der Weinbau so allgemein und die Produktion derart
verbessert und gesteigert, daß der italische Wein nicht nur zu den aller-
besten gerechnet wurde7), sondern daß sogar die Produktion den Bedarf
überstieg und italische Weine weit nach außerhalb versandt wurden8), ja
daß sogar Domitian einmal die allerdings nicht zur Ausführung gelangende
Verordnung erließ, es dürften in Italien keine neuen Weinpflanzungen mehr
angelegt werden9). Freilich lieferten auch alle Weinländer der alten Welt
damals ihre Weine nach Italien, und die starke Konkurrenz, die namentlich
die gallischen Weine den einheimischen machten, wie andrerseits der Wunsch,
sich Gallien als Absatzgebiet für die eigne Produktion zu erhalten, hatte
sogar schon im Jahre 129 v. Chr. in den transalpinischen Provinzen zu
einer gesetzlichen Beschränkung des Weinbaus geführt10).
Wir werden über den Weingenuß bei der Tafel anderwärts (siehe Abt. II
Abschn. V) handeln; hier ist noch von den vornehmsten Arten zu sprechen.
Dabei sind zu unterscheiden die verschiedenen Traubensorten nach ihrer
Art und weiterhin (was aber oft damit zusammenfällt) nach ihrer Pro-
venienz; ferner nach Farbe, Alter des Weins u. dgl. Als beste Trauben-
sorten, sowohl was Reichtum des Ertrages als Wohlgeschmack anlangt,
galten folgende11): die Aminea1*), von der man wiederum verschiedene
>) So die Libation mit Milch, Plin.XIV
88; anderes s. Helbig a. a 0. 71. HEHN71f.
*) Man vgl. die bekannte Anekdote vom
Kineas, dem Gesandten des Pyrrhos, Plin.
XIV 12. Ueber den noch in der Kaiseizeit ge-
fürchteten vatikanischen Wein s. unten S. 200.
•) Plin. XIV 20ff.; XVII 152 ff.
■>) Plin. XIV 8. Colum.1118,5.
8) Luc. navig. 13. Air. peripl. mar. Erythr.
6,49. Galen. XIV 77 K.
B) Suet. Dom. 7 u. 14. Philostr. V. Apoll.
VI 42; V.soph.I21,6.
Plaut. Truc. 833; Aul. 350. Cato bei 10) Cic. rep. III 9, 16; das Verbot bestand
Plin. XIV 90. Pomponius, Novius, Afranius bis auf Kaiser Probus, Vopisc. Prob. 18, 8. Vgl.
bei Fest. 364a, 30ff. Varro bei Non.5. 11. Cic. ! über dies Gesetz und seine Bedeutung Mar-
de rep. IV 6. Hör. ep. II 2, 163. luv. 15. 25. quardt 446 f.
*) Gell. X 23, 1 rechnet es zur prisca lin- ") Sie werden aufgezählt und besprochen
gua; vgl. Donat. ad Ter. Andr. 229. Die Glossen vornehmlich bei Plin. XIV 20 ff. Colum.1112;
erklären es durch ohos dp yatog, jtakainc oder dazu vgl. Cato 6 ff. Verg. Geo. II 89 ff. Macr.
allgemein durch vinum,s. Corp. Gloss. VII 337. | Sat.III20,7. Pallad. 1119. Isid.or.XVII 5.
5) Vgl. über die Kosten und Verzinsung I 1S) Auch Amminea geschrieben; der Name
von Weinland Colum. III 3. 2: ebd.8ff.. und wäre nach Philarg. ad Verg. Geo. II 97 der
darnach Marquardt 445; es ergibt sich dar-
aus eine Verzinsung von etwa 18°/o des An-
lagekapitals.
einer thessalischen Völkerschaft gewesen, die
diese Weinsorte in Italien angepflanzt haben
sollte, während Servius ebd. das Wort auf
198
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
Spezies unterschied1), die Nomentana, auch rubella genannt2), die Eugenea
(„Gutedel")3), Allobrogica4), Apiana5), Apicia6), Lucana1).
Von der großen Menge von Weinsorten, die nach den Produktions-
orten benannt waren und Ruf genossen, können wir hier nur eine kleine
Auswahl anführen, da sonst das Register zu lang würde8); Plinius kennt
nicht weniger als achtzig Arten, wovon zwei Drittel allein auf Italien
fallen und wobei diejenigen Weine, die außerhalb Italiens geschätzt waren,
aber nicht exportiert wurden, noch gar nicht mitgezählt sind9). Wenn
wir uns bei unsrer Aufzählung im wesentlichen an Plinius halten, so ist
dabei freilich auch dessen Bemerkung zu berücksichtigen, daß es ein festes
Urteil über Vorzüge beim Wein nicht gibt, da darin die Mode wechselt und
ein jeder seinen eignen Geschmack hat10). So erwähnt Plinius, daß Livia
den bei Aquileia wachsenden Puciner Wein bevorzugte, dem sie es zu-
schrieb, daß sie ein so hohes Alter erreicht hatte11), während Augustus
den bei Forum Appii wachsenden Setiner schätzte12), aber auch für den
rätischen Wein aus dem Gebiet von Verona Vorliebe hatte13).
Zur Zeit des Horaz stand in allererstem Ansehn der in Kampanien
am Sinus Caietanus wachsende Caekuber, der zur Zeit des Plinius durch
mangelhafte Pflege der Reben, besonders aber durch den von Nero in jener
Gegend gezogenen Kanal seinen Ruf eingebüßt hatte14). Doch blieb der
Name bestehen als Bezeichnung für edle alte Weine15). Erst in zweiter
Linie kam der von Horaz in zahlreichen Liedern verherrlichte Falefner16)\
min kirn, als von der Farbe des Weines ge-
meint, zurückführt, was sicher falsch ist; vgl.
Olck bei P.-W. 1 1836 f. Vgl. Colum. a. a 0. 9
u. 12 f.: XII 47, 6. Macr.a.a 0. Pallad. III 9,4;
Ed.Diocl.2,4; auch inschriftlich CIL X 114,29
und auf einer Amphora faecula Aminea, Mau
E.M. XIII (1898) 80.
') Vornehmlich nach der Größe der Beeren
maiusculum (auch murgentinum genannt, Cato
6,4. Varro I 25; die uva maior hieß auch
Scantiana, Varr. ebd. Plin. XIV 47) und mi-
nusculum, ferner gemettae, u. a. m., s. Plin.
XIV 21 u.41f. Cato 7,1.
-) Colum. III 2, 14 f. Macr. a. a. 0. Plin.
23 u.48f, s. unten.
3) Cat. 6, 4. Varro a. a. 0. Colum. a. a. 0.
16. Plin. 25 f. u. 46.
4) Colum. a.a.O. Plin. 26.
5) Colum. a. a. 0. 17; XII 39, 3 ; 47. 6. Plin.
23f. u.81. Macr. a.a.O. Pallad. III 9,5.
6) Cat. 6, 4. Varr. I 25 u. 58. Macr. a. a. 0.
7) Cat. a. a. 0. und 7, 1. Varr. 1 25. Plin. 46
u. 69. Die minderen Sorten führen Colum. III
2, 19 ff. Plin. XIV 27 ff. an.
8) Hauptquellen sind Plin. XIV 59 ff. Ath.
126 C ff. Mart. X I II 109 ff.; Zusammenstellungen
geben Becker-Göll 434 ff. Marquardt 449 ff.
•) Plin. a.a.O. 87.
10) Plin. ebd . b^'. gener a autem vinicdia aliis
graiiora esse quis dubitet, aut non ex eodem
lacn aliud praestanttus altero germanitatem
praecedere sive testa slve fortuito eventu ? quam-
i)l> rmn de pHndpatu se quisque iudicem statuet.
") Ebd. 60, wonach dies nicht weit vom
Timavus wachsende vinum Pucinum mit dem
Praetutianum identisch war, s. ebd. 67, wo-,
nach letzterer bei Ankona wuchs. /
12) Ebd. 61; die späteren Kaiser folgten
ihm darin; er galt für besonders Verdauung
fördernd, Plin.XXIlI 36. Horaz erwähnt ihn
nicht, wohl aber öfters Martial und Iuvenal;
vgl.Strab.V234u.237. Stat.silv. II 6,90. Im
Ed. Diocl. 2, 5 heißt er Saitum.
13) Suet. Aug. 77. Plin. 67; doch verstand
man unter rätischem Wein die zahlreichen
Arten von Südtirol, Veltlin etc.. s. Strab. IV
206. Verg. Geo. II 96. Colum. III 2, 27; speziell
veronesischen Mart. XIV 100, 2.
14) Plin.XIV61. Vitr.VlII3.12. Strab.V
231;233f. Hör. carm. I 20.9; 37,5; 1114,25;
11128,3; epod.9,lu. 36; sat.II8, 15.
15) So wird der Caekuber erwähnt bei
Diosc. V 10. Athen. I 27 A. Der von Mart. II
40, 5 und III 26, 3 erwähnte Caekuber aus dem
Konsulatsjahr des Opimius (121 v.Chr.) wird
allerdings schwerlich echter gewesen sein,
da nach Plin. XIV 94 alle Weine aus jenem
Jahr nur den Namen des Konsuls, nicht den
der Sorte trugen; vgl. sonst Mart. VI 27, 9; X
98,1; XI 56, 11; XII 17.6; 60,9; sicher ist
es dagegen der Fall XIII 115, woraus hervor-
geht, daß der Weinbau dort, namentlich bei
Amyklae (Amynclae. Plin. 61) noch nicht aus-
gestorben war. Vgl. auch Colum. III 18, 5. Galen.
VI 805 u. 809; X 834.
16) Vgl. Pauly III 418. C. F.Weber De
agro et de vino Falerno, Marburg 1855/56.
Pierson im Rh. M. XV (1860) 39 ff.
Fünfter Abschnitt. Die Nahrung.
199
er wuchs nördlich vom Volturnus und östlich von Sinuessa1), und zwar
in herber, süßer und mittlerer Qualität2); der Lage nach unterschied
man vinum Caucinum, Fanstianum 3) und Falernum xax Igoxr/v4). Zur
Zeit des Plinius hatte der Falerner, vornehmlich durch Schuld der Pro-
duzenten und Händler, viel von seinem Renommee verloren6), doch
spielt er auch bei den Dichtern der Kaiserzeit noch immer eine große
Rolle6).
Nach diesen kommen in der Anführung des Plinius als Weine dritter
Güte der von Alba, süßer wie herber7), der Surrentiner8), der namentlich
von den Ärzten verordnet wurde9); dann die Nachbarn des Falerners: der
Massiker10), der Stataner11) und Cedener12), der Wein von der Südseite des
Mons Gaurus13), aus der Nähe von Rom der Fundaner und anderer14), der
von Velitrae15) und Privernum16), während der herbe Wein von Signia mehr
im medizinischen Gebrauch war17).
In vierter Reihe steht der Mamertiner Wein der Umgebung
von
Messana18) und der von Tauromenium 19). Zur Zeit des Plinius kamen einige
!) Plin.62. Strab.V233.
2) Plin. 63: tria eins genera: amtenon,
dulce, tenue. Galen. XIV 20 u. 267; X 839.
Ath. 26 C unterscheidet nur avox^QÖg und yXv-
3) So heißt diese Sorte in den meisten
Erwähnungen, angeblich nach dem Beinamen
des Sulla, s. Makquardt 450 A. 1. Bei Plin.
62 liest Mayhoff nach dem Cod. Moneus
Wuustinianum.
4) Plin. a.a.O. Ath.27C. Ueber die Farbe,
den Geschmack, das Feuer, ferner über die
Dauer der Lagerung usw. handelt ausführlich
Weber a. a. 0., besonders auf Grund der
Dichterstellen.
5) Außer Plin. a. a. 0. vgl. auch Galen.
XIV 77. '
6) Martial erwähnt ihn sehr häufig, auch
unter den ausgewählten Weinen seiner Xenia
XIII 111. Ferner Pers. 3, 3. luv. 4, 138; 6, 303;
ebd. 430; 9, 116; 13,216. Auch Trimalchio setzt
seinen Gästen alten Falerner vor, Petron. 34,6.
Im Ed. Diocl.2, 7, wo alle aufgezählten Wein-
sorten (mit Ausnahme der billigen Landweine
ohne Namen) gleiche Preise haben, steht der
Falerner an letzter Stelle.
7) Plin. 64; oft gerühmt, Horcarm.IV 11,
l;sat.II 4.72; 8,16. Col um. 1118,5. Mart.XIII
109. luv. 13, 214. Vgl. Galen. VI 334; X 485.
Ath.26D.
s) Plin.XlV22; 34; 64; XXIII 33; 35f.
Mart, XIII 110. Stat. silv. II 2,4. Ed. Diocl.
2,6.
9) Pers. 3, 93. Diosc.VIO. Galen. X 831.
Tiberius freilich bezeichnete ihn als generosum
acetmn und Kaiser Gaius als nobilis vappa,
Plin. XIV 64.
10) Von Mart.XIII 111 wird er zum Fa-
lerner gerechnet, von Plin. XIV 64 und III 60
davon unterschieden. Bei Horaz wird er sehr
oft gerühmt, auch von Verg. Geo. II 143 und
Aen.VII 726. Stat. silv. IV 3, 64. Mart. I 26, 8;
III 26, 3; 49,1; IV 13, 4; 69,1. Colum. III 8,5.
") Plin.XIV 65undXXIlI36. Strab.V234
u. 243. Ath.26E.
'*) Plin. ebd. Ath. 27 A. Hör. carm.I 20,9;
31,9; IV 12,14. luv. 1,69.
1S) Plin. XIV 64. Stat. silv. III 1,147. Ath.
26F.
14) Von Fundi, Plin. 65. Mart.XIII 113;
115,1. Ath. 27 A. Strab. 234; unter den alia
ex vicinia nrbis sind namentlich die Weine
von Formiae (Hör. carm.I 20, 11), Labici (Ath.
26F), Tibur (Ath.26E. Galen. VI 434 u.ö. Ed.
Diocl. 2, 2) hervorzuheben. Der Sabiner war
ein leichter und angenehmer, aber kein edler
Wein, Plin. XIV 38. Hör. carm.I 20, 1. Mart.
X 49, 3. Galen. X 483 ff. u. ö. Ath. 27 B. Ed.
Diocl. 2, 2. Der Nomentaner wird von Martial.
der bei Nomentum ein Gütchen hatte und selbst
Wein produzierte, öfters gerühmt, I 105, 1 ;
X 48, 19: XIII 119, auch Colum. 1113,3. Nach
Ath. 27 B war er erst nach fünf Jahren trinkbar.
15) Plin. 65; nach Ath. 27 A ff&vg, evotö-
fi-ayoc;.
*16) Plin. ebd. Ath. 26 E.
17) Plin. ebd.: natn quod Signiae nascüur
austerÜate >ii»iia continendae utile alvo inter
medicaminanumeratur; vgl. XXIII 36; XXXII
109. Auch Mart.XIII 116 hebt die adstringie-
rende Wirkung hervor. Cels. IV 12 (5); ebd. 26
(19). Galen.VI334;X831.
18) Er hieß Mamertinum und erhielt seinen
Ruf durch Caesar, der ihn bei seinen öffent-
lichen Gastmählern gab. Plin. XIV 66 u. 97.
Vitr. VIII 3, 12. Mart. XIII 117. Ath. 27 D.
Nach Plin. 66 hieß eine Sorte davon Potuhnta
ab auctore, wofür Detlefsen mit Rücksicht
auf ebd. 69 Potitiana schreibt.
,9) Plin. a.a.O.: est in eadem Sicilia et
Tauromenitanis honos lagoenis pro. Matner-
tino plerumque subditis.
200
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
kampanische Weine besonders in Aufnahme, wie der Trebelliker nicht weit
von Neapel l), der Kauliner, der Trebulaner und Trifoliner 2).
Gehörten diese hier aufgezählten italischen Weine teils zu den aller-
besten, teils zu den besseren Sorten, so waren dafür etliche auch geradezu
als Krätzer verrufen; so besonders der Wein vom mons Vaticanus3), der
von Veji4), der Päligner5), der von Caere6) und Spoletium7), sowie die vina
Tusca im allgemeinen8).
Neben diesen und zahlreichen andern einheimischen Weinen bezog man
allerlei bessere Sorten aus den Provinzen. Weniger zwar aus Frankreich,
obschon dies bereits in der Kaiserzeit ein richtiges Weinland war und
gallische Weine von manchen goutiert wurden, trotz der etwas eigen-
tümlichen Behandlung9). So importierte man Wein von Massilia, obschon
dieser, um haltbarer zu sein, so stark geräuchert wurde, daß er nach
Rauch schmeckte10); ferner den mit Pech versetzten von Vienna11), von
Baeterrae12), selbst die stark mit aromatischen Kräutern versetzten Weine
von Gallia Narbonensis13). Beliebter waren die spanischen Weine, besonders
von Hispania Tarraconensis 14), auch der Wein von den Balearen15).
Am größten aber war der Import der griechischen Weine, die man
als transmarina mit den asiatischen und afrikanischen zusammenfaßte. Bis
Anfang des letzten Jahrhunderts v. Chr. waren griechische Weine in Italien
den einheimischen vorgezogen; Falerner oder Caekuber werden vorher nicht
erwähnt, Plautus nennt nur Weine von griechischen Inseln, Cato behandelt
seine einheimischen Weine künstlich, um ihnen den Geschmack von grie-
chischen, besonders koischen Weinen zu geben16). Auch später, als neben
den heimischen Weinen der Import fremder immer mehr zugenommen hatte,/
war der Wein von den griechischen Inseln sehr beliebt, während vom Fest-
land wenig bezogen wurde17). Von den ionischen Inseln ist besonders Leukas
zu nennen18); von den Inseln des ägäischen Meeres Euböa19), Peparethos20),
Thasos, von dessen bedeutendem Export noch zahlreiche mit Stempeln ver-
') Plin.69. Ath.27C.
2) Plin.ebd.Ath.26E. Mart. XIII 114 gibt
dem Trifolinum den siebenten Rang unter
den Reben.
3) Mart. I 18,2; VI 92,3; X 45,5; XII
48, 14.
4) Hör. sat. II 3, 143. Pers.5,147. Mart. I
103, 9 ; II 53, 4 ; III 49. Es war ein vinum ru-
bellum (Schiller), Plin. XIV 23.
5) Mart. 126, 5. Mart. XIII 121.
6) Mart. XIII 124.
7) Mart.XIV116; das Lob, das er XIII
120 erhält, ist ein bedingtes, dagegen unein-
geschränkt bei Ath. 27 B.
8) Mart. I 26, 6 (IX 2, 6 nach Konjektur
von Ekiedländeb, der dagegen XIII 118,2
luscis cadis beanstandet). Vgl. Galen. VI 335;
X 833.
9) Plin. XI V39 spricht seine Verwunderung
darüber aus; vgl. Hehn 76ff.
,0) Plin. XIV 68. Mart. III 82,23; X 36;
XIII 123; XIV 118. Ath. 27 C lobt ihn. Vgl.
Strab. IV 179.
n) Vinum picatum, Plin. a. a. 0. 18 u. 57.
Mart. XIII 107. Plut. qu. conv. V 3, 1 , 10 p. 822 D.
li) Plin. 68 schreibt ihm Ruf zu. Er wird
sonst nicht erwähnt, hat sich aber in der Auf-
schrift einer Amphora erhalten, Dressel Bull,
munic. VII (1879) 64.
n) Plin. a. a. O. will nichts von ihnen wissen.
14) Plin. 71, besonders der von Laura (Lau-
ronense) und Gades, wie Amphoreninschriften
bezeugen, Dressel a. a. O. 48 n. 7; 61 f. n. 18 f.
Betreffs des Laeetanum bei Plin. ebd. und La-
letanum Mart. 126,9; VII 53, 6 sind die Les-
arten unsicher, s. Marquardt 453 A. 8 und die
krit. Anm. von Mayhoff.
15) Plin. a. a. 0.
,6) Cato 24; 105; 112.
,7) Plinius nennt nur Sikyon, Ambrakia,
Maroneia, XIV 53; 74; 76. Mehr nennt Ath.
28 ff., aber nach griechischen Quellen.
18) Plaut. Poen. 699. Plin. 76.
19) Von da kam das bei Plin. ebd. genannte
vinum Oreticum (von Oreos).
20) Plin. ebd.; vgl. IV 72.
Fünfter Abschnitt. Die Nahrung.
201
sehene Amphorenhenkel Kunde geben1), besonders aber vonLesbos2) und
Chios3), zumal hier einige Sorten ohne den Zusatz von Meerwasser, den
die griechischen Weine der Haltbarkeit wegen gewöhnlich erhielten4), ver-
sandt wurden5). Der schon früh exportierte, stark mit Seewasser versetzte
Wein von Kos6) wurde in Italien aus einheimischen Sorten nachgemacht7);
von der großen Beliebtheit des rhodischen Weines geben die überall in der
alten AVeit und auch in Italien gefundenen Henkel rhodischer Amphoren
Zeugnis8). Von kleinasiatischen Weinsorten nennen wir die Weine von
Kyzikos9), Smyrna10), Klazomenae11), Ephesos12), vom Berge Tmolos13), der
mäonischeKatakekaumenites14),derWein von Apameia16), Knidos10), Kypros17)
u. a. m. Auch Syrien und Palästina lieferten Wein, so Tripolis, Berytos,
Tyros18); doch fanden die Weine Palästinas, von Gaza, Sarepta etc., erst
zu Beginn des Mittelalters als sehr starke und edle Weine immer mehr
Aufnahme19).
Endlich blieb auch Afrika nicht unbeteiligt. Nach der afrikanischen
Küste mögen freilich erst die Römer den Weinbau gebracht haben, denn
wir erfahren weder von kyrenäischem noch von karthagischem Wein; aus
Ägypten aber bezog man den sebenny tischen von der so benannten Nil-
mündung20), und der bei Alexandria wachsende mareotische war schon von
Vergil und Horaz geschätzt21).
Im einzelnen unterschied man die Weine nach der Farbe 22) als hellgelb,
albus23), dunkelgelb, fulvus, hellrot, sanguineus, dunkelrot, niger24), ater2b);
') Verg. Geo. II 91. Plin. XIV 73 ; vgl. über
die Traubensorten ebd. 39; 74; 118. Dumont
in den Arch. des missions scientif., 2. Ser. VI
(1874) 59.
2) Plaut. Poen. 699. Hör. carm. I 17,21;
epod. 9. 34. Vitr. VIII 3. 12. Plin. a. a. 0. 73.
Gell. XIII 5, 9. Ath. 28 E f.
s) Plaut, a. a. 0. und Cure. 79. Hör. ep.
9.34; carm. III 19,5; sat. I 10,24; II 3,115;
8,48. Tib. II 1,28. Plin. 73; ebd. 97; XXXIV
104.
4) Cato 24. Plaut. Rud. 588. Plin. XIV 78.
Colum. XII 25.
5) Hör. sat. II 8,15: Chium maris expers;
vgl. Pers. 6,39. Besonders war das nach Galen.
X833 beim Ariusius der Fall, den auch Verg.
ecl.5.71. Sil. It.VII210. Plin. XIV 73 erwähnen :
vgl. Marquardt 455 A. 25.
«) Plaut, a. a. 0. Plin. 78.
7) Rezept bei Cato 112; vgl. Plin. 79. Ueber
die faecula Coa, ein aus koischem Wein be-
reitetes, appetitreizendes Präparat (Hör. sat. II
8,9), vgl. Marquardt 455 A. 8.
8) Plin. a. a. 0. Dumont a. a. 0. 75 ff. Hen-
zen B. d. I. 1865, 72 ff.
9) Hier wuchs der von Plin. 75 erwähnte
hippodamantius, Hesych. s. h. v. Galen. VI
801.
10) Nach Plin. XIV 54 wuchs der schon bei
Homer erwähnte und berühmte pramnische
Wein bei Smyrna, nach Ephippos bei Ath. I 28F
auf Lesbos, nach Alkiphr. ebd. 31 D bei Ephe-
sos; vermutlich handelt es sich um eine öfters
kultivierte Rebe.
») Plin. 73.
12) Plin. 75; er war mit Seewasser und ein-
gekochtem Most (defrutum) versetzt.
'») Verg. Geo. II 98. Vitr. VIII 3, 12. Sil. It.
VII 210: nach Plin. 74 nahm man den süßen
Tmolier zum Verschneiden herber Weinsorten.
'*) Vitr. a. a. 0. Plin. 75.
1 5) Er eignete sich besonders zur Bereitung
des Honigweins (mulmm), Plin. a. a. 0.
16) Plin. ebd. nennt ihn protropos, den Vitr.
a. a. 0. und Ath. II 45 E als einen lesbischen
Wein bezeichnen; doch ist protropos ein Name
für eine bestimmte Art der Zubereitung, s. Plin.
85. Auch knidische Amphorenhenkel werden
häufig gefunden, s. Dumont a.a.O. 125 ff. Mau
R. M. XIII (1898) 30.
17) Plin. 74.
18) Plin. ebd.
19) Isid.or.XX3,7. Sid. Apoll, carm. 17, 15.
Cassiod. Var. XIII 12: vgl. Hehn 83 f. Stark
Gaza und die philist. Küste 561.
20) Plin. a. a. 0.
21) Verg. Geo. II 91. Hör. carm. I 37, 14:
vgl. Colum. III 2, 24. Plin. XIV 39.
") Plin. 80 zählt diese vier Farben : albus,
fulvus, sanguineus, niger auf.
23) Plaut. Men. 915. Hör. sat. 114,29. Verg.
a. a. 0.
**) Besonders vom Falerner, Mart. VIII
56,14; 77,5; 1X22,8; 90,5u.s.
25) Plaut. Men. a. a. 0., auch fmeus, Mart.
II 40, 6.
202
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
die roten Weine sonst auch als ruber1), die Schillerweine bezeichnete man
mit rubellus2).
So viel von den reinen Weinen, insofern man dabei von den mannigfachen
Zusätzen, die nicht dazu dienten, dem Wein einen besondern Geschmack, son-
dern nur größere Haltbarkeit zu geben, absieht. Zu diesen kommen einige be-
liebte Weinfabrikate, die aber auch noch als rein bezeichnet werden dürfen,
weil sie keine fremdartigen Zusätze hatten. Als ein solches Fabrikat ist das
vinum passum zu bezeichnen, ein Rosinenwein oder Sekt. Hierfür ließ man
Trauben, besonders von der Apiana genannten Sorte (siehe oben S. 198),
am Stock in der Sonne trocknen, oder über kochendem Ol, und preßte sie
dann3). Eine geringere Sorte, passum secundarium, erhielt man aus den
Trestern, indem man diesen nach Abfluß des ersten passum Wasser oder,
bei besserer Qualität, guten Wein oder Most zusetzte und sie so zum
zweitenmal unter die Presse brachte4). Sodann war ein beliebtes Getränk
eingekochter Most, bei dem man je nach dem Grade des Einkochens zwei
bis drei Arten unterschied ö) : der bis auf die Hälfte eingekochte Most hieß
sapa, der bis auf ein Drittel eingekochte defrutum 6). Eine dritte Sorte,
bei der der Most nur auf zwei Drittel eingekocht war, hieß caroenum1).
Eine mindere Sorte, die muriola hieß, erhielt man auch hier aus den
Trestern, indem man ihnen sapa zusetzte und sie aufs neue preßte8).
Sowohl bei der Mahlzeit wie aus hygienischen Gründen wurde Honigwein,
mulsum, genossen9), ein aus Honig (besonders hy mettischem) und frischem
') Plinius unterscheidet rubrum und n-i-
grum, stellt also ersteren dem sanguineum
gleich, XXIII 46; vgl. XXII 124 u s. Weiteres
s. Blümner im Arch. f. lat. Lexikogr. VI (1889)
412.
2) S. oben S. 198 und vgl. Blümner a.a.O.
und Farbenbezeichn. b. d. röm. Dichtern 175.
3) Varro b. Non. 551. 22. Plin. XIV 81 f.
Colum. XII 39,1. Pallad XI 19. Isid. or. XX
3, 14. Besonders geschätzt war der Rosinenwein
von Kreta, Mart. XIII 106. luv. 14,270 (Plin.
a. a. 0. liest Mayhopf mit Cod. Mon. a Graeco,
nicht a Cretico).
4) Wasser oder guten Wein (vinum ex-
cellens) empfiehlt Plin. 82; Most (aus andern
Trauben) Colum. a. a. 0. 2.
5) Die Hauptquelle, Fragmente aus Van os
lib. I de vita populi Romani bei Non. 551, 9 ff.,
hatBücHELEKRh.M.XIV(1859) 448 zusammen-
gestellt. Vgl. K. B. Hofmann Getränke d. Gr.
u.R. 8 ff
6) Varr. a. a. 0. 19 : sapam appellabant quod
de musto ad medium partem decoxerant ; de-
frutum, si ex duabus partibus ad tertiam red-
egerant defervefaciendo. Aber umgekehrt bei
Plin. 80: siraeum, quod alii hepsema, nostri
sapam appellant, ingeni, non naturae, opus est
musto usque ad tertiam mensurae decocto. quod
ubi factum ad dimidiam est, defrutum vocatur.
Colum. XU 21 stimmt mit Varro, Pallad. XI 18
und Isid or. XX 3, 15 mit Plinius überein. Nach
Non. a. a. 0. hätte man die sapa später mella-
cium genannt ; vermutlich dasselbe ist bei Plaut.
Pseud. 741 mella (doch ist hier die Lesart un-
sicher). Zu defrutum vgl. Plaut, a. a. 0. Verg.
Geo. III 269; syrisches Mart. IV 46,9: zu sapa
Ov. fast. VI 780. Mart. VII 53, 6 (spanische).
Die Glossen erklären sowohl defrtttum als sapa
durch sipnua, letzteres auch durch oraquöhng
oho?, s. Corp. Gloss. VI 314; VII 230.
7) Pallad. XI 18 : caroenum, cum tertiaper-
dita duae partes remanserint. Isid. a. a.O. Corp.
Gloss. III 218,5; 652,11. Im Ed. Diocl. 2,11
wird caroenum Maeonium, also lydisches. an-
geführt; ebd. 15 decoctum ist wohl sapa (im
griech. Text h/'nuk). da ebd. 16 eipnua dem de-
frutum zu entsprechen scheint. Dazwischen
figuriert Z. 14 noch Chrysatticum, wohl auch
ein Rosinenwein.
8) So Varro bei Non. a. a. 0., nach der Text-
verbesserung Büchelers oder der etwas abwei-
chenden von Voigt Rh. M. XXVIII (1873) 57 ff.
Das passum secundarium unterscheidet sich
also von der muriola nur durch den andern Zu-
'9) Plaut. Pers 87. Varr. r.r. III 16.1 f. Cic.
de or. II 70,282; Tuscul. III 19,44. Petron.34.1.
Mart. XIII 6, 1 ; 106,2. Amphoren mit der In-
schrift mulsum s. Marquardt 323 A. 6; 460
A. 1. Inschriftlich wird auch öfters eine Spende
von crustum (Backwerk) und mulsum an die
Bürger erwähnt, s. CIL XI 4789; 5222. Ueber
mulsum als Getränk beim Beginn der Mahlzeit
s. Abt. II Abschn. V.
Fünfter Abschnitt. Die Nahrung.
203
Most oder gutem Wein (besonders Falerner) gemischtes Getränk1). Eine
ähnliche, aber vom mulsum ausdrücklich unterschiedene Mischung hieß
melitites2).
Schon sehr früh scheint es üblich gewesen zu sein, dem Weine würzige
Stoffe zuzusetzen, die ihm einen besondern Geschmack verliehen, vina con-
dit<( herzustellen3). Als ein in alter Zeit beliebter Zusatz wird Myrrhe
genannt; man unterschied dabei, wie es den Anschein hat4), vinum mur-
fatum, bei dem Myrrhe dem Wein (oder Most) einen bittern Geschmack
verlieh5), und murrinum oder murrina (potio), wobei mulsum mit Myrrhe
parfümiert war, aber so, daß der Geschmack süß blieb6). Außerordentlich
groß aber war die Zahl der gewürzten Kunstweine, vina fiäicia, die ent-
weder durch Abziehen von Kräutern, Blumen u. dgl. auf Wein oder durch
Vermischen des Weines oder Mostes mit wohlriechenden oder würzigen
Essenzen hergestellt waren7). So machte man rosatum aus Rosenblättern
und Most8), violatum aus Veilchen9), murteum aus Myrtenbeeren10), absinthium
aus Wermut11) u. dgl. m. Aus mehreren scharfen Zutaten, wie Narde, Pfeffer,
Myrrhe, und Wein oder Honig, resp. beiden, wurden die Kunstweine be-
reitet, die aromatites12) oder auch im speziellen Sinne vinum conditum hießen,
bei starkem Pfefferzusatz auch piperatum13). Auch allerlei Obstweine, meist
ohne Zutat von Traubenwein bereitet, waren den Alten wohlbekannt, und
zwar aus Datteln, Feigen, Birnen, Äpfeln, Granatäpfeln, Kornelkirschen.
Mispeln, Maulbeeren, Ariesbeeren u. a. m.u)
*) Hymettischer Honig und Falerner bei
Hör. sat.'ll 2. 15; 4,24. Macr. Vll 12,9. Mart.
XIII 108 ; auch Massiker nahm man dazu, Mart.
IV 13,6, und Plin. empfiehlt die Weine von
Apameia und Praetutia, XIV 75. überhaupt aber
alte. ebd. 80, vgl. Diosc. V 16. Colum. XII 41
gibt ein Rezept, wobei frischer Most zur Ver-
wendung kommt; andere Vorschriften finden
sich Pallad. XI 17. Geop. VIII 25 f. (4/s Wein
und '/ö Honig oder 10/n Most und '/n Honig).
*) Nach Diosc. V 15 und Plin. XIV 85 aus
herbem Most, Honig und Salz. Der griechische
Name für mulsum ist oivöpsh, Corp. Gloss. VI
715; doch unterschied man dies später davon,
indem oenomeli für einen Süßwein gebraucht
wurde, Digg. XXXIII 6,9.
3) Vgl. K. B. Hofmann a, a. 0. 27 ff.
4) Hierüber handelt Voigt a. a. 0. 60 ff.;
die Belegstellen sind zum Teil abweichend, was
damit zusammenhängt, daß anscheinend gegen
Ende der Republik sowohl die murrata wie die
murrina vina außer Gebrauch gekommen wa-
ren, weshalb spätere Schriftsteller beide öfters
durcheinander werfen.
5) Fest. 144,9: 158 b, 22. Corp. Gloss. V
224, 28.
6) Die murrina, die anscheinend den Rö-
mern erst durch die Griechen bekannt wurde
(otVo? uvQQivw*;, Ath. I 32B. Hesych. s./ivgoirrjc),
während das murratum ein altrömisches Ge-
tränk war, wird oft erwähnt, s. Plaut. Pseud.
a. a. O. Varro bei Non. a. a. 0. Plin. XIV 92 f.,
der verschiedene Dichterfragmente zitiert, vgl.
XVI 107. Gell. X 23,2. Festus 144,9. wonach
die Griechen dies Getränk auch vyy.rao nannten,
vgl. Corp. Gloss. IV 257. 23; V 572, 37 u. s., s.
VI 720.
7) Verzeichnisse Diosc. V 26 ff. Plin. XIV
98 ff. Colum. XII 28 ff. ; vgl. Marquärdt 460.
8) Rezepte Diosc. V 35. Plin. 106. Pallad.
III 32; VI 13: Apic.4: vgl. Lampr. Heliog.21,6 ;
Alex. Sev. 37,12. Ed. Diocl. 2, 19. Corp. Gloss.
VII 212
9) Pallad. III 32.
10) Rezepte Cato 125. Diosc. V 36 f. Plin.
XIV 104 ; XV 123. Col. XII 38, 1 ; auch myrtites,
Pall.1118; 11127,31 ;XIII2; vgl. die Amphoren-
inschrift /ii>OTFtT>]± i£ oi'ror I 'ipsfaiii Cosmi,Not.
d. scavi 1899, 16.
u) Oder absinthites, Rezepte Diosc. V 49.
Plin. XIV 109. Colum. XII 35. Pallad. III 32.
Apic. 3; vgl. Lampr. Heliog. a. a. O.
»») Rezepte Diosc. V 64 f. Plin. 107 f. ; vgl.
ebd. 92. Apic. 1 f. Dazu gehörte wohl auch das
nardinum, Plaut, mil. gl. 824. das vermutlich
mit dem foliatum bei Mart. XIV 110 identisch
ist (dagegen sind die foliata luv. 6,465 Narden-
essenz).
1S) Plin. 108 bezeugt, daß diese Weine auch
condita oder piperata heißen; das ist das can-
(litnm im Ed. Diocl. 2, 17, auch griech. xorblior
genannt, ebd., vgl. Blümner z. d. St. Zum pijx-
ratam, das besonders bei den Aerzten eine Rolle
spielt, vgl. Marquärdt 461 A. 5.
14) Diosc. III 32; 34; 40 ff. Plin. 102 f. Pallad.
III 25.11 u. 19; IV 10.10.
204
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
Was endlich die aus Getreide bereiteten Getränke anlangt, so ist die
in der Regel aus Gerste oder Gerstengraupe, seltner aus Weizen bereitete
tisana vornehmlich ein Krankengetränk, obschon es auch Gesunden empfohlen
wird1). Das Bier aber2), aus Gerste bereitet, war zwar im Altertum be-
kannt und schon früh in Ägypten heimisch, ferner in keltischen Ländern
und anderwärts, ist aber weder in Griechenland noch in Italien üblich ge-
worden. Die dafür gebräuchlichen Bezeichnungen cerevisia, camum, zythum3)
sind barbarischen Ursprungs.
WTas den Handel mit Getränken betrifft, so kommt hier nur der Wein-
handel en gros in Betracht. Am besten kennen wir die Verhältnisse in
der Hauptstadt, wo die negotiatores oder mercatores vinarii4), auch bloß
vinarii genannt5), unter Alexander Severus wie andere Berufe in eine
Korporation vereinigt wurden6); es gab hier einen besondern Weinmarkt,
forum vinarium1), sowie für die zu Schiff ankommenden fremden Weine8)
einen portus vinarius9). Ähnliche Verhältnisse ergeben die Inschriften
auch für verschiedene Plätze des römischen Reiches10). Wer über die
nötigen Mittel verfügte, hielt sich natürlich seinen beim negotiator vinarius
erstandenen oder von seinen eigenen Weingärten gewonnenen Wein im
Hause (in der apotheca oder im Keller, siehe oben S. 61); bei Kleinbedarf
aber ging man zum caupo, dem Schenkwirt, der auch Wein über die Gasse
verkaufte 1 1).
*) Eigentlich ptisana, z. B. Cels. II 20 ; ebd.
22 ; doch ist die Form tisana die bessere, s. Van o
bei Non. 550. 14. Plin. XVIII 71 u. 74 ; XXII 136.
Rezepte bei Apic. 179; 208 f.
*) Aeltere Litteratur sowie überhaupt über
das Bier im Altertum s.beiMARQUAKDT461 A.7.
Hehn 141 ff. Champier bei D.S. 1 1087. Olck
beiP.-W.UI457ff.
3) Sie finden sich alle drei im Ed. Diocl.
2, 11 f., da dies vornehmlich für die Provinzen
des Orients bestimmte Edikt auch die nicht-
italischen Konsumartikel in Betracht zieht;
ebenso Digg. XXXI II 6,9. Ueber cerevisia (cer-
visia, cervesia) s. Plin. XXII 164. Isid. XX 3, 17 ;
nach Corp. Gloss. III 315,69 wurde es aus Wei-
zen hergestellt; vgl. ebd. V 177,24. Serv. ad
Verg. Geo. III 380. Camum (nach Hehn 145
ein keltisches Wort) ist im Spätrömischen ge-
bräuchlich, s. Digg. a. a. O. Müller Frgm. hist.
Gr. IV 83. Am gebräuchlichsten, schon bei den
Griechen, ist zythum (tvßog), nach Diod. 1 34,10
ägyptischen Ursprungs. Im Ed. Diocl. ist es
billiger, als die beiden andern Sorten.
4) CIL VI 712 ; 9627 ; 9676 ; 9679 ff. ; 9993 :
X 6493 ; X IV 409 ; vgl. VI 8326 : negotiantes cel-
larum vinariarum. Es gab auch Händler für
bestimmte Weinsorten, so die negotiantes vini
supernatis et Arimin., ebd. 1101.
B) Plaut. Asin. 436. Corp. Gloss. II 380,
55; 597,23. CIL VI 1766; 9676; 9993 ff.; XIV
318.
6) Lampr.Al.Sev. 33,2.
7) CIL VI 9181 f.; XIV 409.
8) Die negotiantes vini supernatis CIL VI
1101 trieben an den Küsten der Adria {mare
superum) Handel.
9) Ebd. 9189 f.; nach Richter a.a. O. 264
A. 2 lagen wohl Markt und Hafen beisammen.
10) Siehe Marqüardt 448.
n) Ueber cauponae s. Abt. II Abschn.VII.
Bei Plaut. Asin. 200 wird, wie das Brot beim
pistor, so der Wein im oenopolium geholt.
Sechster Abschnitt. Die Tracht.
205
Sechster Abschnitt.
Die Tracht.
I. Die Kleidung.
Litteratur.
H. Weiss Kostümkunde I 925 ff.
Becker-Göll III 189 ff. (ältere Litteratur S. 190).
Marquardt-Mau 475 ff.
A. Die männliche Kleidung.
Litteratur.
v. Seckendorf Die Grundform der Toga fragmentarisch untersucht. Göttingen 1842.
J. A. Lalanne De vestitu atque ornamentis infantium et adolescentium apud Romanos.
Bellovaci 1850.
v. u. Launitz Ueber die Toga der Römer und die Palla der Römerinnen. Verhandlungen der
25. Philologen- Versammlung zu Heidelberg 1865, 49 ff. (auch unter dem Titel Hand-
habung der Toga und Palla. Frankfurt a. M. 1866).
Ed. Hula Die Toga der späteren Kaiserzeit. Brunn 1895.
Wie die Griechen in ihrer Kleidung zwei Gattungen unterscheiden, die
Unterkleider, die angezogen werden {hövfiaza), und die Oberkleider, die
umgelegt werden (emßÄrjjuara), so beruht auch bei den Römern auf der Art
des Anlegens der Tracht das Entscheidende, wenn sie ihre Kleider teils
zum indutus (indumenta), teils zum amictus rechnen1). Diese Unterscheidung
dürfen wir schon für die älteste Tracht voraussetzen; nur scheint man da
unter der Toga, die immer das eigentliche Oberkleid war, noch nicht die
später allgemein übliche Tunika getragen zu haben2), sondern statt ihrer
einen linnenen Lendenschurz, das sogenannte subligar oder subliyacidum9).
In alter Zeit war anscheinend der Name licium dafür gebräuchlich 4) ; später
heißt dies Kleidungsstück auch campestre5) oder cinctus6). Dieser Lenden-
schurz war später noch (als alleiniges Kleidungsstück) gewöhnliche Tracht
von Sklaven und Arbeitern 7) und wurde auch von Schauspielern 8) und als
») Varr.l.l.V131. Apul. apol.56; Flor. 9.
Isid. or. IX 22, 1. Häufig ist amictus vom Ober-
kleid, Cic. ad Att. VI 1 , 1 7. 0 v. met. XI V 262 f. ;
Tib. 18,13 unterscheidet vestes und amictus.
Induviae bei Plaut. Men. 191 ist wegen des
Wortspiels mit exuviae gewählt, aber neben
indumentum gebräuchlich, s. Corp. Gloss. VI
567.
2) Gell. VI (VII) 12,3: vir* Romani qui-
dem sine tunicis toga sola amicti fuerunt.
3) Non. 29. 17: subl igaculum est, quo pu-
dendae corporis partes teguntur. Isid. XIX
22.5: vestis antiquissima hominum fuit peri-
zomatum, id est succinctorium, quo tantum
genitalia conteguntur. Im Corp. Gloss. II 190 f.
'witäsubligaculum durch SiaCwoiga, jiEQiQfüaioa
übersetzt, ebd. V 484, 28 subligar durch in-
guinarium erklärt.
4) Er hat sich nur in der Tradition er-
halten, die für die furti conceptio lanx und
licium verlangte, Gaius III 192 f. Fest. 117,2;
vgl. Voigt XII Tafeln 572 A. 19.
5) Angeblich weil die auf dem campus
Martins Gymnastik treibenden ein solches
trugen, Isid. a.a.O.: haec et campestria nun-
cupantur, pro eo, quod eisdem iuvenes, qui
nudi exercentur in campo, pudenda operiunt.
August, de civ. Dei XIV 17. Ascon. ad Cic. p.
Scaur. p. 30 Orelli; vgl. Dion. Hai. VII 72, 2.
Doch kommt das Wort nicht häufig vor, 8.
Hor.ep.1 11.18. Volcac. Avid. Cass. 4, 7. Corp.
Gloss. V 174, 43: campestria lumbaria sive
praecinctoria.
6) Isid. XIX 33,1. Coi-p.Gloss.II402.44;
III 323 39.
7) Suet. Cal. 26. Plin.XII52; die Abbil-
dungen auf Denkmälern zeigen diesen Schurz
oft, auch bei den Dienern der Opferszenen,
vgl. Daremberg-Saglio I 1173.
8) Cic. de off. 135. 129. luv. 6, 70.
206
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
Badekostüm1) getragen. Der Brauch, nur einen solchen Schurz unter der
Toga zu tragen, war aber schon früh abgekommen; Zeugen davon waren
später noch Bildsäulen, die die Könige oder andre alte Römer darstellten2),
und in der Familie der Cethegi war die Sitte erhalten geblieben3); auch
die Kandidaten gingen mit campestre und Toga herum4), und dasselbe tat
der jüngere Cato5). Da dies Kleidungsstück nicht bloß als loser Schurz
getragen, sondern auch zwischen den Schenkeln durchgezogen und befestigt
werden konnte, so mag es auch später noch zum Schutz gegen Erkältung
vielfach unter der Tunika getragen worden sein0).
Wann an die Stelle des Lendenschurzes die Tunika7) als Unterkleid
trat, ist nicht überliefert, doch muß es schon sehr früh geschehen sein.
Ebensowenig läßt sich mit Bestimmtheit sagen, woher die Römer dies
Kleidungsstück übernommen haben, obschon manches dafür spricht, daß
es von fremdher gekommen ist8). Die Tunika, die ein Kleidungsstück für
beide Geschlechter war (tunica virilis und muliebris9)), war eine Art Wollen-
hemd, aus zwei Teilen (plagulae), einem Brust- und einem Rückenstück,
zusammengenäht10); sie wurde beim Anziehen über den Kopf geworfen.
Für gewöhnlich trug man sie ziemlich kurz und gegürtet11), und zwar galt
es als anständig, daß der vordere Teil etwas unterhalb der Knie endigte,
der hintere bis zu den Kniekehlen reichte12). Diese verschiedene Länge
war aber nicht durch den Schnitt des Kleidungsstückes an sich gegeben,
sondern sie wurde dadurch bewirkt, daß man die Tunika über den Gürtel
(cinctus13)) mehr oder weniger hinaufziehen konnte; daher war die Tunika
») Mart.11187,4.
2) Ascon. a.a.O.: Cato praeter iudicium,
quia aestate agebatur, sine tunica exercuit,
campestri sub toga cinctus. in forum quoque
sie descenderat iusque dicebat, idque reppe-
rerat ex vetere consuetudine, seeundum quam
et Romuli et Tatii statuae in Capitolio et in
rostris Camilli fuerunt togatae sine tunicis
So, ayitaw, jisgi^co/nänov eywv, d. h. ohne Tu-
nika im Lendenschurz, empfing der pflügende
Cincinnatus die römischen Gesandten, Dion.
Hai. X 17.
3) Hör. a. p. 50 : fingere cinetutis non ex-
audita Cethegis; dazu Porphyr.: omnes enim
Cethegi unum morem servaverunt Romae . . .
nunquam enim tunica usi sunt, ideoque cin-
ctutos eos dixit, quoniam cinetum est genas
tunicae infra pectus aptatae. Anspielungen
darauf Lucan. II 543; VI 794. Sil. It. VIII 585.
4) Plaut. Coriol. 14; qu.Rom.49 p.276C:
doch meint Kubitschek bei P.-W. III 1466, daß
sich diese Sitte nicht lange erhalten haben
werde.
") Ascon. a. a. 0. Plut. Cat. min. 6. Val.
Max. 1116,7.
6) Wenn Voigt Rom. Privataltert. 329 das
»ubligar als Schambinde vom campestre als
Lendenschurz unterscheidet und annimmt,
beide zusammen hätten den indutus der äl-
teren Zeit ausgemacht, so liegt dafür in den
Belegstellen kein Anhalt vor.
7) Vgl. Rein bei Pauly VI 2248.
8) Tunica gilt für punischen Ursprungs,
vgl. Studniczka Beitr. z. Gesch. d. altgr. Tracht/
16 A. 42 u. S. 42. Die Belegstellen sind aller-
dings zweifelhaft. Das Fragment des Ennius bei
Gell. VI (VII) 12.7, wonach er die Karthager
als tunicataiuventus bezeichnete (vgl.Non. 536,
31), scheint auf Aermeltuniken zu gehen, die
punische Tracht waren. Wenn Voigt Rom.
Privatalt. 285 die bei den ludi Romani ge-
tragene Tracht als tunica punica bezeichnet,
so ist das ein Mißverständnis von Dion. Hai.
VII 72, 6, der von yjrcöveg cpoivixeoi, d.h. schar-
lachfarbenen, spricht.
9) Varr.l.l.X27.Vopisc.Aurel.l2,l.Digg.
XXXIV 2,23,1.
10) \arr. a. a. 0. IX 79: non, si quis tuni-
cam in usu ita (in usum ita Spengel; m-
usitate ita Schulze) consuit, ut altera plagula
sit angustis clavis, altera latis. Suet. Aug. 94:
sumenti virilem togam tunica lati clavi, resuta
ex utraque parte, ad pedes deeidit.
1!) Daher hat auch die Tunika einen
sinus, nicht nur die Toga (s. unten), und darin
trug man das Geld, Plaut. Stich. 591.
12) Quint. XI 3, 138: cui lati clavi ius non
erit, ita cingatur, ut tunicae prior ibus oris
infra genua paulum, posterioribus ad medios
poplites usque perveniant; nam infra mulii'-
rum est, supra centurionum.
13) Varr. 1. 1. V 1 14 bezeichnet cinctus als
Gürtel der Männer, cingulum als den der
Frauen; doch hielt man daran später nicht
Sechster Abschnitt. Die Tracht.
207
bei denjenigen, die keinen Gürtel trugen, wie z. B. die das Recht des latus
clavus besaßen, länger1), ja mitunter sogar talaris, bis zu den Knöcheln
reichend, wie bei den Frauen, was freilich bei Männern verächtlich schien2).
Nur daheim, wo man bloß in der Tunika ging, legte man wohl auch den
Gürtel ab3), auch Geschäftsleute taten das in ihren Verkaufsläden4): in der
Öffentlichkeit jedoch mit ungegürteter Tunika (dücinchu) zu erscheinen,
galt für nicht anständig5). Ebensowenig schickte es sich, die Tunika höher
zu schürzen, als die oben angeführte Vorschrift angibt: nur Reisende nahmen
unterwegs sie höher auf6), und ebenso war es Centurionentracht7). Sie
länger zu tragen, galt gleichfalls als unschicklich und weibisch*). Die
Männertunika hatte ferner in der guten Zeit in der Regel keine Ärmel'-').
Zwar gab es solche mit Ärmeln10), chiridota, manicata, manuleata genannt;
aber solche zu tragen, war ebenso unanständig, wie das Tragen der tunica
talaris11), nur bei schlechter Witterung oder gegen die Kälte waren die
langen manicae oder eigene ebenso benannte Handschuhe erlaubt1*).
In dieser Tracht trat aber in der späteren Kaiserzeit eine Veränderung
ein. indem seit dem 3. Jahrhundert die langen Tuniken mit Ärmeln Mode
wurden13). Zugleich kam als ein prächtiges Kleidungsstück, das sich von
mehr so fest: so cingulum vom Männergürtel
Petron.21,2 (allerdings bei einem Cinaeden),
Tert.de pall. 1, und bekanntlich ist cingulum
speziell der Soldatengürtel, vgl. Saglio bei D.-S.
1 1177 ff. Domaszewski bei P.-W. III 2561. Zu
einctus vgl. Plin. XXVIII 42. Suet. Nero 51.
Saglio a. a. 0. 1 1 172. Mau bei P.-W. III 2558.
Sonst auch zona, Plaut. Cure. 220. Hör. ep. II
2, 40. Petron. 114, 10. Gell. XV 12, 4. Ed.
Diocl. 10, 8 ff. und s. ebd Blümner.
x) Quint. a. a. O. 139: latum habentium
darum modus est, ut sit paulum cinetis sum-
Otissior (tunica); vgl. Suet. Caes. 45.
2) Cic. in Catil. II 10, 22 von der Tracht
der Catilinarier: manicatis et talaribus tunicis;
von Verres ders. Verr. V 13, 31 ; 33, 86. Vgl.
Isid. XIX 22, 7.
3) Hör. sat II 1,73.
4) Prop. V (IV) 2, 38: mundus demissis in-
stitor in tunicis. Ov. a. a. 1421; auch die in
den Wirtsstuben Bedienenden, Plaut. Poen.
1298: tunicis longis, quasi puer cauponius;
vgl. ebd. 1303. So auch auf Bildwerken, s.
Jahn BSGW 1861, 329 Taf. IX 9.
5) Maecenas erlaubte sich das, nach Sen.
ep. 1 14, 4 u. 6. Eleg. in Maecen. (Baehrens Poet.
Lat. min. 1 122 ff.) 21. Vgl. Hör. epod. 1, 34. Pers.
3. 31 ; auch discineta tunica, Hör. sat. I 2, 132.
Im Hause gingen auch die Sklaven discineti,
freilich wohl mit kurzer Tunika, Pers. 4, 22.
6) Hör. sat. I 5. 6. als rdtius praeeimii.
7) Quint. a.a. O.
8) Plaut, a. a. 0. Hör. sat. I 2, 25, dazu Por-
phyr. Cic. p. Cluent. 40, 111.
9) Gell. VI (VII) 12.3: ririautem Romani
primo quidem sine tunicis toga sola amicti
fuerunt, postea substrietas et breves tunica»
eüra umerutn desinentis habebant, quod genus
Graeci dieunt e^coulöag. Non. 536, 15: tunica
est vestimentum sine maniris.
l0) Maü bei P.-W. IV 2025 schließt aus
Gell. a.a.O. (vermutlich besonders § 1 : tunicis
uti virum prolixis ultra bracchia et usque in
primores manus ac prope in digitos, liomae
atque in omni Lotio indecorum fuit), daß dies
nicht eigentliche Aermel waren, sondern diese
durch die größere Breite des Tuches bewirkt
wurden. Das wäre aber doch nur für die Ober-
arme möglich gewesen, wie beim griechischen
Chiton es öfters vorkommt; Aermel aber, die
den Unterarm bedeckten und eventuell bis zur
Hand reichten, müssen besonders angenäht ge-
wesen sein.
") Plaut. Pseud. 738. Cic. Catil. a. a. 0. ;
frg. or. in Clod. et Curion. 5, 1. Suet. Calig. 52.
Gell. a. a. 0. und Scipio ebd. 5. Isid. a. a. 0. 8:
manicleata tunica, i<l ttt manicata, eo quod
habeat manicas. Dagegen ist Suet. Caes. 45
nicht anzuführen, weil hier der Text: usus enim
lato clavo ad manus fimbriato sicher verdorben
ist (E. Schulze Rh. M. XXX (1875) 122 ver-
mutet clavo adamussim atriato, d. h. der latus
dar us war genau in parallele Streifen gelegt).
12) Als Handschuhe finden wir sie bei Plin.
ep. III 5, 15 (im Winter für den notarius des
Plinius auf der Reise): manicae <le peüibus,
Pallad. I 43,4. Im allgemeinen vgl. über ma-
nicae in ihrer sehr verschiedenartigen Bedeu-
tung Saglio bei D.-S. III 1576 ff.
IS) Augustin. de doctr. Christ. III 20: tulurrs
et manicatas tunicas habere apud Romanos
veteres flagitium erat, nunc autem honesto loco
uafis, cum tunicati sunt, non MM liabere flagi-
tium est. Daher kommen Vopisc. Aurel. 48,5
tunicae albae manicatae als Spende vor, vgl.
Treb. Poll. Gallien. 16,4.
208
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
der gewöhnlichen Ärmeltunika wohl weniger durch den Schnitt, als durch
den Stoff und die kostbarere Ausstattung unterschied, die ebenfalls mit
Armein bis zu den Händen versehene Dalmatika1) auf, die zuerst unter
Commodus erwähnt wird2); eine, wie der Name besagt, ursprünglich dal-
matische Tracht3), die bekanntlich später, wenn auch mit beträchtlichen
Änderungen, christlicher Kirchenornat geworden ist4). Sie scheint dann
die alte Tunika vollkommen verdrängt zu haben, zumal bald darauf auch
die ärmellose (oder nur mit ganz kurzen Ärmeln versehene) Dalmatika
unter dem Namen colobium5) auftritt6). Das Material für das anscheinend
nur von Männern getragene 7) colobium war Leinwand, während Dalmatiken
sowohl von Leinwand wie aus Wolle, Seide und Halbseide erwähnt werden8).
Zu beachten ist, daß zwar die Dalmatika vielfach als Obergewand getragen
wurde, eigentlich aber doch, wie die Tunika, ein Unterkleid war, über das
man einen Mantel anzog, und andrerseits, daß es kein eigentliches Hemd
war, denn das ist in jener Tracht der ausgehenden Kaiserzeit die sogenannte
strictoria9). Diese war linnen, enganliegend und mit Ärmeln10); darüber zog
man dann das colobium oder die Dalmatika, eventuell sogar beide.
Wenn in der älteren Zeit, zu der wir wieder zurückkehren, die Tunika als
Unterkleid unter der Toga allein genügte11), so kam es doch schon ziemlich
früh auf, zwei Tuniken zu tragen12), von denen die eine gewissermaßen
ein Hemd vorstellte und tunica inferior13) oder subucula genannt wurde14).
Kränkliche Leute, die sich wärmer anziehen mußten, trugen sogar noch mehr n
') Vgl. über diese Bayet bei D.-S. II 19.
Mau bei P.-W. IV 2025.
*) Lampr. Commod. 8,8: dalmaticatus in
publico processit; im Nachlasse befanden sich
chiridotae Dalmatae, die von den tunicae unter-
schieden werden, Capitol. Pertin. 8, 2. Ferner
auch von Heliogabal bei Lamprid. 26,2: dal-
maticatus in publico post cenam saepe visus
est. Dasselbe ist wohl der yirwv ysiotdcorog
onQixoz hvxö? des Commodus bei Dio Cass.
LXXII17,2.
s) Isid. a. a. 0. 9 : Dalmatica vestis primum
in Dalmatia provincia Graeciae texta est.
4) Vgl. Kraus Realenzykl. der christlichen
Altert. II 207. Wilpert Die Gewandung der
Christen in den ersten Jahrhunderten (Köln
1898), 20; 25; 36. v.Sybel Christliche Antike
147 ff.
5) Vgl. Mau bei P.-W. IV 483.
6) Zuerst im Ed. Diocl., das im 26. Abschn.
mehrfach colobia anführt; dann Cod. Theod.
XIV 10,1, zusammen mit der paenula als Se-
natorentracht. Vgl. ferner Serv. ad Aen. IX 613,
der direkt die früheren ärmellosen Tuniken
colobia nennt; ebenso Isid. a. a. O. 24. Corp.
Gloss. V 616,39: colobium vestis qua utebantur
antiquipro dalmatica. Dagegen stellt Serv. ad
Aen. I 282 das colobium der toga gleich.
7) Im Ed. Diocl. 26,39 (ebenso 49 und 59)
heißt der Ansatz OEluatixwv ärdoeicov rjroi
xoXoßlatv, bei den Frauenkleidern nur öeluati-
xwv ywaixioov.
8) Ed. Diocl. 19, 8 f. ; 1 3 ; 28 ff. ; 22, 5 ; vgl.
Dio Cass. a. a. 0.
9) Griechisch oxiyn, Ed. Diocl. 7, 56 und s.
dazu Blümner 115. Vgl. Corp. Gloss. VII 294
unter stica; ebd. II 189,18.
10) Hieron. ep. 64,11 (I 614 Migne): haec
linea adhaeret corpori, et tarn arcta est strictis
manicis, ut nulla omnino in veste sit ruga et
usque ad crura descendat.
n) Varr. b. Non. 108,24: mihi puero modica
una fuit tunica et toga.
12) Schon bei Plaut. Aul. 647 kommen tu-
nicae bei e i n e r Person vor. Von tunicae spricht
auch Quint. XI 3. 138. Calpurn. ecl. 3,29.
13) Val. Max. VII 4, 5 ; intima Gell. X 15, 20.
14) Varr. 1. 1. V 131 : indutui alterum quod
subtus, a quo subucula. Festus 309 a, 29. Hör.
ep. I 1,95. Die Annahme von Böttiger Sabina
II 1 13, die tunica interior habe bei den Männern
subucula, bei den Frauen intusium geheißen,
weist Becker-Göll 210 als falsch zurück. Wenn
Varro bei Non. 542,20 sagt: posteaquam binas
tunicas habere coeperunt, instituerunt vocare
subuculam et indusium, so sprach er offenbar
von der Frauentracht, denn nur zu dieser ge-
hört das indusium, vgl. Marquardt 485 A. 2.
Zur subucula vgl. Corp. Gloss. V 514,26, wo sie
als tunica linea erklärt wird ; ebd. 623, 27 ; auch
subicula, ebd. II 352,29 u. 498, 6 durch xolößiov
erklärt. Erst im 4. Jahrh. n. Chr. kommt dif
camisia, das leinene Hemd, vor, Hieron. a.a.O.
Isid. XIX 22,29 (bei Fest. 311,4 mit subucuk
identisch) : vgl. Saglio a. a. 0. 1 862. Mau bei
P.-W. III 1433.
Sechster Abschnitt. Die Tracht.
209
als zwei Tuniken1). Wenn im 3. Jahrhundert n. Chr. und später linnene
Tuniken erwähnt werden2), so dürften diese mit den oben genannten
strktoriae identisch sein.
Eine sehr gewöhnliche Verzierung erhielt die Tunika durch eingewebte
oder aufgenähte Streifen, die sogenannten claviz). Diesen Brauch lernen
wir sowohl aus Schriftstellern4), als aus Bildwerken und noch erhaltenen
spätrömischen Gewandresten kennen5); am bekanntesten ist er in der An-
wendung der Purpurstreifen zur Kennzeichnung bestimmter Stände, indem
nämlich die Senatoren das Recht des latus clavus6), die Ritter das des
angustus clavus hatten, wonach auch die Tuniken laticlavia und angusticlavia
heißen7). Was die Art, wie diese Streifen am Kleide angebracht waren,
betrifft, so steht heute fest, daß sie in zwei Reihen parallel vom Hals oder
den Schultern bis hinab zum untern Rande liefen und sich ebensowohl auf
der Vorder- wie auf der Rückseite befanden8).
Auf die tunica palmata, die mit goldnen Palmzweigen bestickte Tunika,
die zur Tracht des Triumphators gehörte, wollen wir hier nur hinweisen;
da solche Tempelinventar des kapitolinischen Jupiter waren, aus dem sie
die Triumphatoren nur geliehen bekamen, und sie sonst bloß als Aus-
zeichnung an fremde Könige verliehen wurden, haben sie mit der ge-
wöhnlichen Tracht nichts zu tun9). Erst der späten Kaiserzeit gehört der
Luxus der mit reichen purpurnen oder goldenen Bordüren versehenen
Tuniken an, die nach dieser Verzierung mit dem wahrscheinlich syrischen
Namen paragauda {paragaudis) 10) bezeichnet werden und wohl weniger
durch einen besondern Kleiderschnitt, als durch jene luxuriöse Ornamen-
tierung gekennzeichnet sind11).
In der bloßen Tunika pflegte der römische Bürger der bessern Stände,
wenn er in der Hauptstadt weilte, nur im Hause herumzugehn, in der
') So heißt es Suet. Aug. 82 von diesem
Kaiser: li lerne quatemis cum 2>ingui toga tu-
nicis et subucula et tlmrace laneo et femina-
Ulms et tibialibus muniebatur; er trug also ein
wollenes Leibchen, ein Hemd und darüber noch
vier Tuniken, außer der Toga.
2) Vopisc. Aurel. 12,1; 48,5. Augustin.
sermon. 37,6: hoc conicere audeo ex ordine
vestimentorum nostrorum : interiora sunt enim
Tinea vestimenta, lanea exteriora.
3) Die grundlegende Untersuchung über
den clavus, speziell über den latus und angustus
davus, ist die von Rubenius De re vestiaria
veterum, praecipue de lato clavo libri duo, Ant-
werpen 1665. Von neuerer Litteratur kommen
in Betracht A. Müller im Philol. XXVIII (1869)
277 ff. E. Schulze im Rh. M. XXX (1875) 120 ff.
Heuzey bei D.S. I 1242. Hula bei P.-W. IV
8 ff.
4) Fest. 56,9: clavata dicuntur aut vesti-
menta clavis intertexta aut calciamenta clavis
confixa; vgl. 274b, 34. Serv. ad Aen. II 616.
5) Vgl. Karahacek Die Theod. Graf sehen
Funde in Aegypten 34 ff.
6) Vgl. Heuzey bei D.-S. I 1242 ff. Hula
bei P.-W. IV 4 ff.
Handbuch dor klass. Altertumswissenschaft. IV. 2, •.>
7) Val. Max. V 1,7. Corp. Gloss. VI 70;
ebd. 628; griech. jT?.azva?]/io? und orsvöotifioe.
Beide Ausdrücke werden noch häufiger von
den Personen, die das Recht auf den latus oder
angustus clavus hatten, gebraucht. Ueber diese
vgl. Mommsen Rom. Staatsrecht III 513. Hula
a. a. 0. 6 f.
8) Varr. 1. 1. IX 79 (oben S.206 A. 10) ; ders.
bei Non. 536, 32 : quam istorum, qtiorum vitreae
togae ostentant tunicae clavos. Quint. XI 3, 138.
Fest. 209 a, 23. So auch auf Abbildungen, s.
Marquakdt 547 A. 5. Ueber das Technische
s. Karabacek a. a. O. 35.
9) Vgl. über die tunica palmata Mommsen
a. a. 0. I 396 ff. Marquardt 542.
10) Vgl. Saglio bei D.-S. IV 322.
*') So spricht man von festes jurragaiutae,
Vopisc. Aurel. 46,6; intcruhie paragattdae,
Vopisc. Prob. 4,5; andrerseits paragaudes als
Subst.Treb.Poll.Claud. 17.6. Ed.Di'ocl. 19.29.
Cod. Theod. X 21 , 1. Ein Graffito im Pädagogium
des Palatin verzeichnet dafür bdUtgmtda i nebst
tUUmatica, lacerna und byrrus), Correra Bull,
comun. XXI (1893) 257 n. 151. Nach loh. Lyd.
de magistr. I 17 (vgl. II 4) waren sie meist von
weißer Farbe. Vgl. Blümner z. Ed. Diocl. 152.
3. Aufl. 14
210
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
Fig. 44. Togastatue des Kaisers Claudios (Vatikan).
') Daher bezeichnet Mart.X 5 1,6 den Land-
aufenthalt als tunicata gutes; vgl. 1 49,31 ; XII
18, 27. luv. 3, 171 : pars magna Italiae est, in
qua I nemo toyam sumit, nisi mortuus. Auch in
den Uebungen auf dem Marsfeld erschien man
tunicatus, Cic. p. Cael. 5,11.
*) luv. 3,179.
3) Plaut. Poen. 1 1 2 1 . Cic. leg. agr. TI 34, 94.
Hör. ep. I 7,65. Tac. de orat. 7.
4) Plaut. Amph. 368. Sen. dial. V 12,5;
X12,5.
ö) Non. 406,13: et est toga, sicut in con-
suetudine habetur, vestimentum </no in foro
amicimur: vgl. Dio Cass. LVI31.3.
6) Der griechische Name für die Toga ist
lifßewa (oder tyßewöc, Dion. Hai. III 61,1, vgl.
( oi p.Giloss. VII 352), und diese bezeichnet Phot.
584. 17 als Ifiduov i) yJ.ajAvg o (pogovoiv Tvognvoi
(Codd. ivQawoi) ; vgl. Serv. ad Aen. II 781. Daß
die Toga von den Pelasgern zu den Lydern und
von diesen zu den Römern gekommen sei, sagt
Tert. depall. l,vgl. O.Müllek Etrusker2I247.
') Beispiele bei Müller a. a. 0. 248 A. 54.
Provinz aber und auf dem Lande
herrschte größere Freiheit1), so-
daß man selbst bei Festen, wo in
Rom die Toga unerläßlich war, sich
in der (allerdings festlich weißen)
Tunika zeigen durfte2). In Rom
aber gingen nur Handwerker, Ver-
käufer u. dgl. in dieser Tracht3),
gewöhnlich auch die Sklaven4). Für
den römischen Bürger jedoch war
es eine vom Herkommen geheiligte
Pflicht, daß er, wenn er in der
Öffentlichkeit erschien, über der
Tunika die wollene Toga anlegte5).
Die Toga ist höchst wahrscheinlich
etruskischer Herkunft 6) ; auf etrus-
kischen Denkmälern finden sich
öfters Darstellungen von Männern,
die über der Tunika oder auch auf
dem bloßen Leibe ein der römischen
Toga ganz ähnliches Kleidungs-
stück tragen, nur weniger faltig
und umfangreich, als die Toga-
statuen der Kaiserzeit7). Über
Form und Schnitt dieses Kleidungs-
Stückes, sowie über die Art, wie
man es anlegte, liegen zwar eine
Anzahl alter Nachrichten vor8), und
römische Porträtfiguren in Statuen
8) Die Hauptstelle ist Quint. XI 3, 139 ff.:
ipsam togam rotundam esse et apte caesam velim,
aliter enim multis modis fiet enormis. pars eins
prior mediis cruribus optime terminatur, poste-
rior eadem portione altius qua cinctura. sinus
decentissimus, si aliquanto supraimam togam
fuerit, nunquam certe sit inferior, ille, qui sub
humero dextro ad sinistrum oblique ducitur
velut balteus, nee strangulet nee fluat. p«>-s
togae, quae postea imponifur, sit inferior; nam
ita et sedet melitis et continetur. subducenda
etiam pars aliqua tunicae, ne ad lacertum in
actu redeat ; tum sinus iniciendus humero, cuius
extremam oram reiecisse non dedecet. operiri
autem humerum cum toto iugulo non oportet,
alioqui amictus fi-et angustus et dignitatem, quae
est in latitudine pectoris, perdet. sinistriii»
brachium eo usque allevandum est, ut quasi
normalem illum unguium faciat, super quod
ora ex toga duplex aequaliter sedeat. Eine
Uebersetzung der an mehreren Stellen schwer
verständlichen Beschreibung gibt Mabquardt
555 f. und eine Besprechung BECKER-GöLL200n*.
Sechster Abschnitt. Die Tracht.
211
und Reliefs geben uns einen
guten Begriff von dem Aussehen
einer wohlgeordneten Toga (vgl.
Fig. 44 und 45) 1); nichtsdesto-
weniger ist es nicht möglich, mit
völliger Sicherheit die Grund-
form und die Art des Arrange-
ments anzugeben, zumal darin
im Laufe der J ahrhunderte mehr-
fach Veränderungen stattgefun-
den haben und die Einfachheit,
die in früheren Zeiten auch in
Schnitt und Tracht der Toga zu-
tage trat,einerüppigenund durch
ihre Umständlichkeit ebenso an-
spruchsvollen wie lästigen Mode
hatte weichen müssen. Daher
gehen die Versuche, die zum Teil
an Modellfiguren gemacht wor-
den sind, um die Tracht der Toga
zu erläutern, vielfach auseinan-
der2). Wir verzichten darauf,
die verschiedenen Ansichten dar-
zulegen 3), und begnügen uns mit
der Angabe dessen, was als fest-
stehend betrachtet werden darf.
Das ist zunächst der Umstand,
dau die Toga nicht, wie das
Himation der Griechen, ein vier-
respekti ve rechteckiges, sondern
ein gerundet zugeschnittenes Kleidungsstück war4). Dieser Unterschied ist
so charakteristisch, daß im mithridatischen Kriege die in Kleinasien lebenden
römischen Bürger sich durch Annahme des viereckigen Himations statt der
Toga vor der Verfolgung, die' alle Römer traf, retteten5). Freilich darf man
Fig. 41
Tosastatue i Vatikan i
^Beispiele bei Marquardt 558 ff. Fig. 2-6;
andere ebd. 559 A.2 und 560 A. 1 angeführt;
doch bemerkt Göll 201 mit Recht, daß die
S. 558 nach Becker Augusteum Taf. 117 ab-
gebildete Statue Fig. 2 griechische Tracht zeigt.
Die Togastatuen in unsern Fig. 44 (Statue
des Claudius im Vatikan) und 45 (angeb-
licher Nerva ebd.) sind nach Photographien
abgebildet.
■) Siehe die oben S. 205 angeführten Ab-
handlungen von v. Seckendorff und v. d. Laü-
mtz: dazuWEiss Kostümkunde- 43 1 . A.Müller
im Philologus XXVIII (1869) 116 ff.
3) Zu finden bei Becker-Göll 200 ff. Mar-
quardt 556 ff.
4) Quint. a. a. O. Dion. Hai. III 61, 1 nennt
die Toga ein „tf Qißölcuov ov tezQaymvov r<j5 r,y>'t-
fian, dXV yiny.vy./jor. Isid. XIX 24,3: est autem
paUiumjmrHmfortna rotunda effusiore et quasi
intniiliiiiic sinn, et snbdextro veniens supra hu~
merum sinistrum ponäur; ebenso Schol. Pers.
5, 14. L. v. Sybel Christi. Antike 147 A. 1 ineint,
die Toga sei (schon aus webetechnischen Grün-
den) ursprünglich viereckig gewesen; daß sie
zur Zeit des Dion. von Halik. schon halbkreis-
förmig war. stehe fest; da aber Quint. (a. a. O.)
die runde Form nur empfehle [velim sagt er),
so sei diese damals noch nicht selbstverständ-
lich und allgemein gewesen.
5) Posidon. b. Ath. V 213 B; vgl. App. bell,
civ. V 11: oroltjv eifts ('Ariwriog) VSTQaytOVOV
'FAXr\vixi]v uvti zij* naiQÜw.
14*
212 Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
nicht an volle Kreisform denken, vielmehr führen die Bildwerke darauf, daß
die Toga eine ovale oder elliptische Form hatte, und ferner, daß dazu ein
die menschliche Körpergröße um das Zwei- bis Dreifache übersteigendes
Stück Stoff genommen wurde1)- In der älteren Zeit freilich wird von so
gewaltigen Stoffmassen noch nicht die Rede gewesen sein, und auch später
noch trugen einfache oder altvaterische Leute die Toga nicht so umfang-
reich, sondern mehr dem Körper anliegend2). Aber schon gegen Ausgang
der Republik war es Mode geworden, die Toga übertrieben weit zu tragen,
sodaß man sie mit Segeltüchern vergleichen konnte3); namentlich Stutzer
konnten sich darin nicht genug tun4), und eine enger anliegende Toga
galt sogar als Zeichen von Ärmlichkeit5). Bei solchen weiten Togen war
natürlich das Anlegen derselben, das an und für sich schon große Kunst
erforderte, doppelt mühsam und eine Arbeit, zu der man ganz notwendig
der Beihilfe von Sklaven bedurfte; denn solche lange und breite Stoffmengen
konnte man allein kaum regieren. Daher mußte man auch, wenn man einmal
die Toga in der vorgeschriebenen Art umgelegt hatte, sich wohl in acht
nehmen, daß sie nicht in Unordnung gebracht wurde6).
An sich glich die Art des Umlegens der beim griechischen Himation
üblichen, nur daß man bei diesem den Stoff einfach nahm, bei der Toga
aber ihn doppelt zusammenlegte. Wie dort ist das Grundprinzip, daß man
das eine Ende über die linke Schulter wirft und es nach vorn herabfallen
läßt, das übrige Stück hinten über den Rücken weg zur rechten Seite zieht
und entweder über rechte Schulter und Arm weg oder unter der rechten
Achsel hindurch nach vorn führt und das letzte Ende quer über den Leib
entweder über die linke Schulter nach hinten wirft oder über den linken
Arm fallen läßt7). Da aber die Toga viel länger und weiter war, als der
griechische Mantel, so ergaben sich allerlei, auch durch den andern Schnitt
bedingte Unterschiede: der vorn von der linken Schulter herabfallende Zipfel
reichte beinahe bis zu den Füßen8), und vor allem arrangierte man den
weiten Stoff in Faltenzügen und Bauschen, die die für die Toga charakte-
ristischen Erscheinungen des sinus und umbo oder nodus hervorbrachten. Der
sinus, den die ältere Tracht nicht kannte und der, als er aufkam, noch sehr
eng war9), entstand, wenn man das unter dem rechten Arm durchgezogene
Stück nach oben umschlug und den Stoff, der ja doppelt lag, in reichen
s) Marqtjardt 555 nimmt für die Toga,
von der Hör. epod. 4,8 sagt: cum bis trium
üjnantm toga, \ ut ora vertat huc et huc eun-
tium : liberrima indignatio, an, daß sie zu die-
sen zwölf Fuß Weite etwa vierzehn Fuß Länee
Ov. rem. am. 680 : nee toga sit laxo conspicienda
sinu. Sen. contr. 14,2: qiiod laxior usque in
pedes demittitur toga, tuum est.
B) Mart. a.a.O.; vgl. XI 56, 6.
6) Bekannt ist die Anekdote von Horten-
hatte- sius, der einen Kollegen, der ihm im Gedränge
2) Daher nennt Hör. ep. I 19,13 die Toga
des jüngeren Cato exigua ; vgl. ebd. 18, 30 : arta
decet sanum comitem toga. Mart. X 14.7 brevis
toga. Von Augustus wird ausdrücklich bei Suet.
Aug. 73 hervorgehoben: togis neque restrictis
neque fusia [usus est).
3) Cic. Catil.II 10,22 von den Catilinariern:
velis anUctos, höh togis.
*) Tib. 16,40: flnit effuso cui toga faxet
Htm; II 3,80: laxam quid iuvat esse togam.
das Arrangement seiner Toga ruiniert hatte,
wegen Beleidigung verklagte, Macr. III 13,4 f.
7) In der spätem Kaiserzeit wurde dieser
Zipfel der Toga frei und schleifenartig über
den rechten Arm herabhängen gelassen, s.
Heüzey Revue de l'art anc. et mod. I 298
Fig. 3 f. Amelung Skulpt. d. Vatikan. Mus. I
285 n.l62Taf. 29.
8) Mart. VII 33. Suet. Cal.35; s. oben A. 4.
9) Quint. a. a. O.
Sechster Abschnitt. Die Tracht.
213
Falten auseinanderzog, sodaß sein oberer Rand unter der Achsel, der untere
am Schienbein lag; der umbo1) entstand, indem man den unterhalb des
sinus liegenden Teil der Toga hervorzog und auseinanderfaltete. Das alles
ganz kunstm&ßig herzustellen, war recht schwierig; Elegants ließen sich
sogar von einem besonders darin geübten Sklaven, dem restiplicus2), die
Toga am Abend vorher in Falten legen, die durch Klammern festgehalten
wurden3). Es erklärt sich daher auch leicht, daß spöttische Bemerkungen
über schlechtes Sitzen der Toga nicht selten sind4).
Eine besondere Art, die Toga zu tragen, die aber der älteren Zeit
angehört, ist der bei Kultushandlungen, namentlich aber im Kriege übliche
cinctus Gabinus6)', er bestand darin, daß man den unter dem rechten Arm
hindurchgezogenen Rest der Toga nicht nach der linken Schulter führte,
sondern als Gürtel um den Leib zog, sodaß die Toga fester saß und beide
Arme freiblieben 6). Die Tracht kam im Felde, als dort an Stelle der Toga
das Sagum trat, ab, blieb aber bei gewissen sakralen Akten noch in Ge-
brauch.
Die Toga war von je das nationale Ehrenkleid des Römers; der Knabe, der
ins Jünglingsalter trat, legte sie als Zeichen der Mannbarkeit und des Bürger-
rechtes an (s. darüber Abt. II Abschn. II); Nichtrömer hatten nicht das Recht,
sie zu tragen7), und ebenso war den Geächteten ihr Gebrauch untersagt8).
Wenn aber schon gegen Ende der Republik der Zwang, in der Hauptstadt in
\ der Toga zu erscheinen, sehr gelockert war, so nahm in der Kaiserzeit
das Tragen dieses feierlichen und unbequemen Kleidungsstückes mehr und
' mehr ab. Zwar blieb sie die offizielle Tracht bei den öffentlichen Spielen9),
bei Gerichtsverhandlungen und sonstigen Amtsgeschäften10), beim Erscheinen
f am Hofe usw.11); ganz besonders aber waren die Klienten, wenn sie morgens
\zur salutatio sich einfanden oder den Patron auf seinen Ausgängen begleiteten,
zum Tragen der Toga verpflichtet12). Die übrigen aber suchten sich so viel
als möglich davon zu emanzipieren und trugen an Stelle der Toga andere,
bequemere Kleidungsstücke über der Tunika (siehe unten); und so kam es,
daß, während ursprünglich gens togata eine ehrenvolle Bezeichnung des
Römervolkes gewesen war13), man immer mehr in verächtlichem Sinne,
zumal auf die hungerleiderischen Klienten hinzielend, von der turba togata
sprach14), ja selbst von einer plebs togata15). Die Abneigung gegen die Toga
Aug. 40. Lampr. Comm. 16,6; vgl. Friedländer
Sittengesch. II 267.
10) Vgl. 0. Hirschfeld G. g. A. 1872, 680.
n) Friedländer a. a. 0. 1 151 u. 290.
12) Mart. I 108. 7 ; II 57, 5 ; III 4, 6 : 46, 1 ;
1X100,1; X18.4; 74,3; 82,2; XI 24, 11. luv.
1,96; ebd. 119; 3,127; 8,142. Die Toga der
Klienten wird verächtlich als togula bezeichnet
von Mart. III 30.3; IV 26,4; V 22, 11 ; VI 50,2;
IX 100,5. Vgl. Friedländer a. a. O. I 340.
ia) Besonders seit dem berühmten Vers
Verg. Aen. 1 282: Romanos, verum domino*
gentemque togatam. Vgl. Suet. Aug. 40. Laber.
b. Macr. VI 5, 15. Mart. XIV 124, 1.
u) Mart. VI 48. 1. luv. 1.96; dagegen in
gutem Sinne Prop. V (IV) 2,56.
15) Mart. VII 2.8.
*) Fers. 5, 33 ; nodos, Macr. a.a.O. Balteus
hiefs er nicht, wie manchmal angenommen wird,
sondern Quint. a. a. 0. vergleicht ihn nur mit
einem solchen Wehrgehänge.
2) CIL VI 7301; 9981.
3) Das umständliche Verfahren beschreibt
Tert. de pall. 5.
4) Hör. sat. I 3. 30: rideri eo, quod rusti-
cius tonso toga defluit; ep. I 1,96: si toga dis-
xi<li't impar.
5) Vgl. 0. Müller Etrusker s I 251 f. Mau
beiP.-W.III2558f.
6) Marquardt 560 f.
7) Vgl. die charakteristische Anekdote
Suet. Claud. 15.
8) Plin. ep. IV 11,3.
9) Mart. II 29, 4; XIII 98; luv. 11, 204. Suet.
214
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
wurde auch dadurch vermehrt, daß sie nicht bloß eine unbequeme, sondern
auch eine kostspielige Tracht war. Sie war nämlich von weißem Wollen-
stoff1), daher schmutzte sie sehr leicht und mußte häufig zum Walker ge-
tragen werden2); dadurch wurde sie aber sehr bald abgenutzt und schäbig3),
und namentlich die Togen der Klienten mögen in der Regel wohl so un-
ansehnlich gewesen sein, wie etwa heut abgetragene oder altmodische
Fräcke.
Hinsichtlich des Stoffes gab es freilich große Unterschiede in der Fein-
heit der Wolle; auch nach der Jahreszeit richtete man sich, indem man im
Sommer eine leichte Toga trug4), die bei Stutzern sogar fast durchsichtig
war5), während im Winter dicke Stoffe bevorzugt wurden6). Meist war sie
ohne Schmuck {toga pura1)); die toga praetexta, d. h. mit breitem Purpur-
besatz, war zwar gewöhnliche Knabentracht (siehe unten S. 221), bei Männern
aber nur die der kurulischen und einiger andrer Magistrate und der Priester,
also eine Amtstracht8), auf die wir hier ebensowenig einzugehen brauchen,
wie auf die toga picta der Triumphatoren, die mit der tanica palmata zu-
sammengehört9), oder auf die trabea, eine bunte, schmale Toga, die das
Dienstkleid von Augurn u. a. war10). Endlich zeigen uns die konsularischen
Elfenbeindiptychen der späten Kaiserzeit, daß damals eine von der alten
Toga ganz abweichende Amtstracht aufgekommen war, bei der das Tuch,
das unter der rechten Achsel hervor über die linke Schulter gelegt wird,
nicht bloß von dort auf den Rücken herabfällt, sondern von da wieder querx
über die Mitte des Leibes gezogen wird11).
An Stelle der Toga traten allmählich verschiedene mantelartige Kleidungs- j
stücke, die bequemer waren, als das römische Nationalkleid, in der Regel/
aber fremden Trachten, anfänglich griechischer, später nordischer, entlehnt^
waren. Das griechische Himation, das die Römer Pallium nennen12), trugen
schon in republikanischer Zeit die Römer, die als Statthalter u. dgl. in
griechischen Provinzen sich aufhielten13), obschon sie dem Tadel wegen
dieses Mangels an Würde nicht entgingen14). Aber schon unter Augustus
konnte ein Römer auch in der Hauptstadt das Pallium tragen15), und unter
den späteren Kaisern wurde die Freiheit darin immer größer16), sodaß das
') Mail. II 29,4; IV 34,2; 1X49.5.
2) Mart. 1103,5; VII 33,1; X 11,6. luv.
3,149.
3) Mart. III 36.9; IX 100,5; XII 72,4; XIV
125,2; nach X 96, 11 f. brauchte man in Rom in
einem Sommer vier Togen, während in Spanien
eine einzige vier Jahre aushielt.
4) Hör. ep. 1 14,32. Ov. a. a. III 445. Mart.
VII 86.8: als toga rasa ebd. II 85.4 bezeichnet
(nach Plin. VIII 195 erst seit Augustus aufge-
kommen). Eine Sommertoga ist auch die toga
smliit rix Mart. XII 18,5.
ä) Viirro bei Non. 448.25 nennt sie vitrea
toga; vgl. Sen. dial. II 18,3; ep. 114,21.
6) Hör. sat. 1 3, 14. Mart. IV 34, 2 ; XII 36, 2 ;
XIV 137,2.
7) Cic ad Att. V 20,9; VII 8,5; IX 19,1.
Plin. VIII 194.
8) Vgl. MoMMSENRöm. Staatsrecht2 1 394 f.
9) Makquakdt 542 u. 562.
,0) Ebd. 507 A. 2; 562. Helbig im Hermes
XXXIX (1904) 161 ff.
11 ) Marqtjardt 563 ff.
") Vgl. Lerotjx bei D.-S. IV 295 ff.
u) Schon der ältere Scipio Africanus in
Sizilien, Liv. XXIX 19. 12. Bei Plaut. Epid. 725
sind socci, tunica und pallium Tracht für den
Freigelassenen, aber auch Sklaventracht,Aulul.
646. Vgl. Mil. gl. 687 ff.
u) Cic. Verr. IV 24,54; V 13.31; 52,137;
ders. Phil. V 5, 14; p. Rabir. Post. 10, 26 f. Vgl.
Suet. Caes. 48.
15) Maecenas erschien sogar auf dem Forum,
den Rostra etc. im Pallium. Sen. ep. 114.6.
Ili) Tiberius ging mit dem Beispiel voran,
Suet. Tib. 13. Daher spielen auch pallia unter
den kaiserlichen Geschenken eine Rolle, Suet.
Aug. 98. Vopisc. Aurel. 1 3, 3 ; ders. Carin. 20, 4 f.
Sechster Abschnitt. Die Tracht.
215
Pallium als Oberkleid häufig erwähnt wird1). Häufiger aber war die oft
erwähnte lacerva2). Diese, ein der griechischen Chlamys ähnlicher Mantel3),
der wohl gleich dieser auf der rechten Schulter oder vorn auf der Brust4)
durch eine Spange festgehalten wurde8), war ursprünglich Soldatenkleid6),
und sie ist das auch in der Kaiserzeit geblieben7). Da sie ebensowohl
anstatt der Toga über der Tunika getragen werden konnte 8), wie man sie
zum Schutz gegen die Witterung, namentlich bei Regenwetter, über die
Toga anzog9), so war die anfangs als unpassend getadelte Tracht10) auch bei
Nichtmilitärs beliebt11) und wurde namentlich bei Schauspielen im Theater
und Amphitheater viel getragen12). Im übrigen wurde sie je nach Bedürfnis
ebenso aus feinen, leichten Stoffen hergestellt13), als aus dicken, schwereren14);
auch in der Farbe herrschte Abwechslung: man trug weiße15) wie dunkle
naturfarbene16), namentlich aber trugen die Elegants scharlachne und
purpurne17). Daß sie bisweilen auch mit Kapuzen versehen waren, ist nicht
erweislich 1S), wohl aber hatte eine solche in der Regel die paenula19), eine
Art Pelerine, die vornehmlich im Winter getragen wurde 20). Man trug diesen
l)Mart.II 63.10; VIII59,9;XI16,5;23,12;
XIV 136,2. Tertullian in seiner Schrift depallio
setzt die Vorzüge des Kleidungsstückes aus-
einander; immerhin bedeutetdie sprichwörtliche
Wendung ebd. 5 : a toga adpallinm s. v. a. „ vom
Pferd auf den Esel kommen".
2)Vi?l.TEUFFELbeiPauly IV 709. E.Schul-
ze A.Z. XXXIII (1875) Uff. THEDENATbeiD.-S.
III 901.
3) Doch ist die griechische Uebersetzung
von lacerna nicht %la.fivq, sondern ecpeaxglg, s.
Schulze a. a. 0. 17. Corp. Gloss. VI 617.
4) So auf der von E. Schulze a. a. 0. Taf. 3
publizierten Porträtbüste, bei der das Gewand
als lacerna erklärt wird.
5) Daher ist das Kleidungsstück, das im
Ed. Diocl. 9, 15 f. u. 53 ff. fibulatorium {cpißovla-
zdtgtov) heißt, wohl etwas Aehnliches gewesen ;
vgl.Treb.Poll. trig.tyr. 10, 12: sagafibulatoria;
Vopisc. Prob. 4,5: pallia Gallica fibulata.
6) Schol. Pers. 1,54: lacerna paRium fi»i-
hriatu Di, quo olimsolimilitesvelabantur; ebenso
Isid. XXX 24, 14. An beiden Stellen fimbriatiuu
in fibulatum zu ändern, wieMARQUARDT 569 A. 3
mit Buonarrotti vorschlägt, ist nicht nötig, da
Fransen gerade an Kriegsmänteln auch sonst
erwähnt werden (von den lacernae sagt es aus-
drücklich Amm. Marc. XIV 6, 9 ; vgl. auch Suet.
rel. ed. Pfeiffersch, p. 277 Adn. : lacernae vestes,
qnod sunt extrema sua parte laceratae) und auch
an Denkmälern kenntlich sind.
7) Vell. Pat. II 70,2: 80.3. Prop. IV 11 (III
12), 7 ; V (IV) 3, 18. Ov. fast. II 746.
8) Cic. Phil. II 30, 76. Gell. XIII 22 (21), 1.
luv. 1,27.
9) Mart. II 29, 3 ; VIII 28, 22 ; XIV 137 : vgl.
XII 26, 11. luv. 9.28; 16,45. Suet. Claud. 6. Da-
her sagt Plin. XVIII 225, daß bei Beginn der
Regenzeit die Kleiderhändler mit den Preisen
der lacernae aufschlugen.
10) Cic. a. a. O. Suet. Aug. 40. Auch später
noch wurde sie von strengeren Männern ge-
tadelt. Gell. XIII 21.
») Pers. 1,54. Mart. I 92,7; 11138,9; VI
82.9. luv. 3, 148; 14,287.
>2) Mart.IV2.2:V8,5u.ll; 23.7; XIV 137.
Suet. Claud. 6.
13) Mart. VI 59,5: vgl. VII 92,7. Sulpic.
Sever. dial. I 21,4 (14): fluentem lacemam, als
motte indumentum im Gegensatz zur vestis
grosaior.
u) Mart. VII 86.8. luv. 9,28 mit Schol.
ir>) Mart. 192,7; XIV 137; 139.
16) Matt. I 96,4; IV 2,2; XIV 133. Suet.
Aug. 40. Dio Cass. LVII 13,5.
17) Mart. II 29.3: 43, 7; V 8,5: 23,5; IX
22,13;X87.10;XIII87,1;XIV131. luv. 1.27.
Sen. ep. 114.21. Echt purpurne kamen sehr
teuer, nach Mart. IV 61.4 und VIII 10 bis auf
10000 Sesterzen (2175 Mark).
18) Das ist zwar allgemein angenommen, s.
Becker-Göll220. Marquardt 568. Thedenat
a. a. O. Mau bei P.-W. IV 1740, aber die Haupt-
belegstelle bei Mart. XIV 132, die Devise zum
Geschenk einer Kappe (pileuni, nicht cucuUutt)
ist mißverstanden. Si possem, tefas cuperem
tnisisse lacenius ; nunc tantutn capiti munera
mitto tuo, sagtMartial; die Erklärung liefert
Stat. silv. IV 9, 23: usque adeone defuertmt
caesis pilea atda de lacernis. Man nähte also
Kappen aus alten zerschnittenen Lacernen. Die
Stelle Hör. sat. II 7, 55 : caput obscurant ist wohl
so zu verstehen, daß die lacerna (wie auch die
Toga) über den Kopf gezogen werden konnte:
vgl. Vell. Pat. II 70,2: laeema caput dreum-
dedit.
19) lieber diese vgl. Leroux bei D.-S. IV 291 .
20) Hör. ep. 1 1 1 , 18 ; zumal als Schutz gegen
Regen, luv. 5,79. Mart. XIV 130. Varro bei Non.
537,13. Quint. VI 3,64. Daß man sie aber auch
im Sommer anlegen konnte, zeigt Mart. XIV
145.
216
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
schon in republikanischer Zeit üblichen x) Mantel, der anscheinend nur einen
Ausschnitt für den Kopf hatte, der also vom Hals an den ganzen Körper
bedeckte2), sowohl über der Tunika3), wie über der Toga4); er war meist
von dickem Wollenstoff5), zumal war Filz (gausape) dafür geeignet6), und
auch Fransen fehlten nicht7). Da sie auch Tracht von armen Leuten und
Sklaven war8), so gab es auch lederne9). Auch bei diesem Kleidungsstück,
das anfangs mehr auf den Gebrauch auf Reisen und bei Regenwetter be-
schränkt gewesen war10), nahm die Anwendung immer mehr zu11), namentlich
für die Zuschauer bei Spielen12); auch Soldaten scheinen sie getragen zu
haben, dann aber wohl mit Armlöchern13). Sonst sind aber die gewöhnlichen
Militärmäntel das sagum und das paludamentum, von denen wir hier nicht
zu handeln haben, da sie rein militärische Kleidungsstücke sind14); jedoch
gab es neben dem militärischen sagum, das der griechischen Chlamys glich,
einen bürgerlichen Mantel gleichen Namens, den nicht nur Arbeiter und
]) Die erste Erwähnung ist Plaut. Most.
991 : Hbertas paenulast tergo tuo, was aber nicht
auf die paenula der Sklaven geht, da paenula
hier übertragen s. v. a. Schutz bedeutet.
a) Daß die paenula sich dem Körper eng
anschloß und auch die Arme darin steckten,
zeigt Cic. p. Mil. 20,54: Milo, der paenulatus
in raeda vehebatur, war am Kämpfen gehindert,
cum paenula inretitus esset. Tac. de orat. 39 :
paenulas istas, quibus astricti et velut inclusi
cum iudicibus fabulamur. Bei Cic. ad Attic.
XIII 33, 4 heißt es: de Varrone loquebamur :
lupits in fabula, venu enim ad me, et quidem
id temporis, ut retinendus esset; sed ego ita
egi, ut non scinderem paenulam; und ebd. von
einem andern Besucher horum ego vix attigi
paenulam : tarnen remanserunt. Das faßt Mak-
qüakdt 565 so, daß die paenula der Länge nach
zugeknöpft und geheftelt war, sodaß sie die
freie Bewegung der Arme hinderte und dem
einkehrenden Gaste von dem ihn empfangenden
Wirte aufgeknöpft werden mußte. Das wird
von Göll 216 wohl mit Recht in Zweifel ge-
zogen; scindere würde kaum ein Aufknöpfen
bedeuten können. Auch Otto Sprichwörter der
Römer 261 f. faßt die Redensart sprichwörtlich :
„ich habe ihnen den Rock nicht zerrissen" , d.h.
sie nicht zum Bleiben genötigt. Daß die paenula
aber nicht aus einem einzigen Stücke Tuch ge-
schnitten, sondern genäht war, zeigt der Traum
bei Artem. Oneir. V 29 von den yaivölai fisoot
?.elvfievoi ix xOn> Qa<pä>v.
3) Non. 537,5: paenula est vestis, quam
supra tunicam accipimus. So gekleidet sind
wohl die paenulati bei Mart. II 57,4; V 26, 1.
4) Mart. 1 103,5.
6) Nach Plin. VIII 190 nahm man dazu gern
apulische Wollstoffe, besonders vonTarent und
Canusium ; daher sind wohl auch die Canusinae
fmcae Mart. XIV 127 und rufae ebd. 129 pae-
nulae, und der cammnatus Syrus IX 22, 9 ein
Sänftenträger, der mit solcher canusinischen
paenula bekleidet ist.
6) Mart.XIV145; auch die VI 59, 2 erwähn-
ten gausapinae werden paemdae sein.
7) Isid. XIX 24, 14 : paenula estpallium cum
fimbriis longis.
8) Bei Augustin. conf. 116 sind die Schul-
lehrer paenulati ; wie eine Illustration dazu sieht
der Lehrer auf dem herkulanischen Forumbilde
aus, Jahn Abh. der SGdW V Taf. 1, 3^ Eine
mulionica paenula, als Tracht eines mrltio, Cic.
pro Sest. 38,82; die paenula der Sänftenträger
s. oben und Sen. de benef. III 28, 5, wo sie pae-
nulati heißen.
9) Mart. XIV 130: paenula scortea. Da-
gegen wird bei Sen. nat. qu. IV 6,2: hi cum Si-
gnum dedissent adesse iam grandinem, quid ex-
pectas?ut homines ad paenulas discurrerent aut
ad scorteas, zwischen paenulaxmA scorteaunter-
schieden. Daß die jiaenulae, wie oben angegeben,
vielfach mit Kapuzen versehen waren, beweist
weniger die Stelle des Pomponius bei Non. 537,7:
paenulam in caput induce, als daß Plin. XXIV
1 38 die Blätter einer Pflanze mit solcher Kapuze
{caput paenularum) vergleicht.
10) Lampr. AI. Sev. 27,4: paenulis intra
urbem frigoris causa ut senes uterentur per-
misit, cum id vestitnenti genus semper itlne-
rarium aut pluviale fuisset.
n) Selbst bei Gerichtsverhandlungen, Tac.
de orat. 39 ; beim Regen trugen sie auch Volks-
tribunen, Spart. Hadr. 3,5.
12) Lampr. Comm. 16,6.
13) Der Legionär auf dem von Hübner im
26. Berlin. Winckelmanns-Progr. von 1866 ver-
öffentlichten Relief ist in der paenula dar-
gestellt, aber mit Aermelloch für den rechten
Arm ; andere Beispiele s. bei Hübneb 11 f. Auch
der Reisende auf dem Relief von Aesernia, Jahn
BSGW 1861 Taf. X 6, ist offenbar in der mit
Kapuze versehenen paenula dargestellt (nicht,
wie Jahn ebd. 369 meint, im cucullus, der sicher-
lich nicht bis zu den Knien reichte), die für den
rechten Arm ein Loch hat.
14) Näheres s. Marquabdt 565 ff.
Sechster Abschnitt. Die Tracht.
217
Sklaven1), sondern auch ärmere Leute trugen2). Diese ursprünglich gallische
Tracht3), die aber auch anderwärts heimisch war4), bestand, wie wir aus Denk-
mälern wissen5), in einem viereckigen Mantel, der einen dreieckigen Ausschnitt
für den Kopf und Ärmel oder Ärmellöcher hatte und bis über die Knie reichte 6).
Wahrscheinlich von Griechenland entlehnt, worauf der Name deutet7),
wenn auch vielleicht direkt von den Etruskern übernommen8), war die
laena9), ursprünglich ein mit einer Spange befestigter Mantel der flammes10),
der aber später gewöhnliche Tracht wurde. Es war ein dem Sagum ähn-
licher11), rundgeschnittener12) Mantel von dickem, zottigem Wollenstoff13).
den man überdies doppelt zu legen pflegte14). Er wird öfters als ein reich-
gefärbtes Kleidungsstück erwähnt, das man anlegte, wenn man zur Mahlzeit
geladen war15); doch kommt sie auch, und dann jedenfalls in einfacherer
Ausstattung, bei Ärmeren vor16).
Etwas Ähnliches scheint die abolla11) gewesen zu sein, von der wir
freilich nicht viel wissen, da sie nur selten erwähnt wird18). Sie war, gleich
der laena, ein aus dickerem Stoff gefertigter, doppelt zusammenlegbarer
Mantel19), der ebenso von Soldaten getragen wurde20), wie nach griechischer
duplex.
13) Mail. XIV 136: Tempore brunudi tum
multum levia prosunt, j calfaciunt villi pallia
vestra mei; vgl. Strabo a. a. 0. Non. 541,4 er-
klärt sie als vestimentum militare, quod Bupra
omnia vestimenta sumitur.
"*) Varro 1. 1. V 133: laena, quod de lana
multa duarum etiam togariim instar, ut unli-
quissimum mulicrum ricinium, sie hoc duplex
virorum. Festus 117,10. Suet. frg. ed. Reiffench.
267,12. Corp. Gloss. V 215,4. Dagegen faßt
Helbig Hermes XXXIX (1904) 164 duplex im
Sinne „von doppelter Dicke" und meint, die
laena sei mit der trabea identisch, von der sie
sich nur durch die größere Dicke des Stoffs
unterschieden habe.
lö) Das ist sowohl bei der hyacinthina
laena Pers. 1, 32, wie bei der coccina luv. 3,
283 der Fall. Beim Mahle selbst legte man
sie aber wohl ab.
16) luv. 5, 130; 7,73. Mart. XII 36, 2 als
brevis laena.
17) Vgl. Saglio bei D.-S. 1 9. Mau bei P.-W.
I 105 f.
18) Auch die Herkunft des Namens ist un-
bekannt: die übliche Ableitung vom griechi-
schen avaßoh) lehnt Mau a. a. O. mit Recht ab.
19) Serv. ad Aen. V421: duplicou amietum
id est abol/am, quae duplex est, sicut chlann/s:
er bezieht hierauf auch Hör. ep. 1 17,25: contra
quem duplici panno pativntia cciat. Auch in
den Gloss. Pap. wird abolla erklärt als genus
togae, vestis senatoria (wofür vielleicht cena-
toria zu lesen ist, s. u.), duplex amietm. Als
flockig, fiaMtoit'i, wird die abolla Corp. Gloss.
111193,8; 272,59 erklärt, und ebd. V 652, 9
als genus vestimenti rustici.
*0) Non. 538, 17: abolla vestis mili/aris,
nebst einem Zitat des Varro, wo die Toga
der abolla gegenübergestellt wird. Militär-
mantel ist sie auch luv. 4, 76.
ii
') Cato r. r. 59: saga alternis annis, also
jedes zweite Jahr geliefert. Colum.18,9. Digg.
XXXIV 2,23, 2.
2) Das geht aus Mart. I 3,8: VI 11,8 her-
vor: daher verkauften die sagarii (luv. 6,591
und sehr häufig auf Inschr., s. Marquardt 585
13) in der Regel wohl an Private.
3) Isid. XIX 24, 13: sagum autem Gallicum
nomen est. dictum autem sagum quadrum eo,
quod apud cos primiim quadratum cd quadru-
pler esset. Vgl.Caes.b.Gall.V42. Strab.IV196.
In Spanien, Liv. XXIX 3,5. Val. Max.
12,21: in Germanien, Tac. Germ. 17. Mela
III 3,2; in Ligurien, Strab. IV 202.
5) Vgl. Hettner Römisches Grabmonu-
ment, gefunden bei Born, Trier 1881 ; ders.Röm.
Steitidenkrn. d. Provinz.-Mus. zu Trier 81 n. 159.
Vgl. Thedenat bei D.-S. IV 1008.
7) Daß laena das griech. ylalva ist, ist sehr
wahrscheinlich. Wie jene der Mantel der epi-
schen Helden ist, so auch diese im römischen
Epos (Verg. Aen. IV 262. Sil. It. XV 421) ; auch
werden beide als dicke, wollige Winterkleider
bezeichnet. Plut. Numa 7: xai yag äg scpöoovv
oi ßaoikeig lah'ag 6 'Ioßag ykaivag cpr\olv sivai;
so auch Serv. ad Aen. IV 262, sonst wird laena
auch mit ylavig wiedergegeben, Fest. 117,20.
Corp. Gloss. 11477,20.
s) Darauf deutet die Verwendung im Kul-
tus ; dazu Fest. 117,10: quidam appellatum exi-
stimant Tusce, quidam Graece, quam ykavida
dieunt.
9) Vgl. Teuffel bei Pauly IV 728. Leroüx
bei D.-S. IV 292.
10) Cic. Brut. 14. 96. Serv. a. a. O. ; vgl. Festus
113,15.
1 ') Strab. IV 196 : >) ds igsa roayeTa uiv äxgo-
uak/.og de, ä<p' tjg rovg daastg oäyovg ei;i>qpaivovoiv,
ovg laivag xalovaiv. Auch Corp. Gloss. V 306,56
als sagum italice dictum erklärt.
w) Corp. Gloss. V 215,4: amictus rotundus
218
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
Mode von Philosophen1). Doch gab es auch elegante, feingefärbte abollae2),
mit denen man, wie in der laena, zur Tafel ging3). Über ihren Schnitt
und ihre Tragweise wissen wir sonst nichts Näheres4).
Sehr verbreitet war ein mit Kapuze versehener Umhang, der nach
ersterer den Namen cucullus (auch cucullio, später cuculla6)) führte6). Name
wie Tracht kam den Römern von nordischen Barbaren her, weshalb auch
die Bezeichnung bardocucullus (von dem illyrischen Volke der Bardäer7))
vorkommt. Sonst finden wir als ihre Heimat besonders Gallien angegeben 8).
Nach den Denkmälern zu schließen, auf denen sie uns oft begegnet9), war
sie ein nur die Schultern und den obern Rücken bedeckendes, vorn über die
Achseln herabfallendes, mit einer spitzen Kapuze10) versehenes Mäntelchen11)
aus grobem, steifem oder zottigem, dunkelgefärbtem Wollenstoff12). Es war
Sklaventracht13) oder die von armen Leuten und Arbeitern14); Leute besseren
Standes trugen sie allenfalls auf Reisen oder bei Schauspielen15), besonders
aber bei nächtlichen Ausgängen, auf denen man unerkannt bleiben wollte16).
Etwas ganz Ähnliches war der birrus (oder byrrus)11), der mehrfach
direkt damit identifiziert wird18). Er hatte also wohl auch eine Kapuze,
war von dunkler Farbe, der er vielleicht auch den Namen verdankt19), und
J) luv. 3, 115. Mart.IV53,5; darin ent-
spricht sie dem rgißcov duiXovg, Diog. Laert.
VI 22.
2) Purpurne, Suet. Calig. 35. Mart. X 48, 1.
3) Im Zolltarif von Iulia Zarai CIL VIII
4508 wird eine abolla cenatoria aufgeführt.
4) Wenn Saglio a. a. 0. kriegerische, phi-
losophische und elegante abollae auf antiken
Denkmälern nachzuweisen versucht, so ge-
schieht das ohne zureichende Beweise.
5) Isid. XIX 24, 17, öfters bei Kirchen-
vätern.
6) Vgl. S. Reinach bei D.-S. 1 1579. Mau
bei P.-W. III 11 u. IV 1739. 0. Jahn BSGW
1861, 369. Ueber den vermutlich keltischen
Namen vgl. Holder Altkeit. Sprachschatz 1 183.
7) Mart. 153,5; XIV 128, wo aber beide
Male damit nicht die Herkunft des Fabrikates,
sondern des Schnittes bezeichnet ist; vgl.
Capit. Pertin. 8. 3 : cuculli Bardaici. Auch die
cuculli Liburnici, Mart. XI VI 39, führen uns
nach Illyrien.
8) Santonici, Mart. XIV 128. luv. 8, 145;
Ungonici, Mart. I 53, 5. Ob die Notiz des
Schol. luv. 3, 170 : ant crassos habitu aut quales
cucullos habent Perusini auf Tatsächliches zu-
rückgeht, ist zweifelhaft.
J) Namentlich auf etruskischen Monu-
menten, gallischen Terrakotten u. a., s. Jahn
a. a. 0. 370 und bei Reinach Fig. 2093 ff. Be-
sonders charakteristisch ist das pompejanische
Kneipenbild, Mus. Borb. IV tav. A. Reinach
Fig. 2092. In manchen Fällen könnte freilich
das betreffende Kleidungsstück auch als pae-
ii ii In cucuttata bezeichnet werden.
10) Die spitze Form zeigen nicht nur die
Denkmäler, sondern auch der Umstand, daß
die Papierdtite, in der man Pfeffer, Weihrauch
u. dgl. kaufte, cucullus heißt, Mart. III 2, 5.
u) Man muß jedenfalls darin unterscheiden,
daß cucullus ebenso eine als eignes Kleidungs-
stück dienende Kapuze bedeutet, die dann
offenbar nach unten sich verlängerte, als die
an Mäntel, Tuniken u. dgl. angenähte Kapuze,
lä) Mart. I 53, 4 f. ;X 76, 8. luv. 3, 170; daß^
sie abfärbten, geht aus Mart. XIV 139 hervor.
13) Cato r. r. 2, 3 ordnet an, daß die Skia-/
ven sich ihre cuculiones selbst nähen sollten/
Colum. 18,9 empfiehlt, die Sklaven gegen die
Kälte zu versehen pellibus manicatis, cen\
tonibus confectis vel sagis cucullis (wofür
Jahn a. a. O. A. 311 cucullatis vermutet); ebd.
XI 1, 21 heißt es im gleichen Falle pellibus
manicatis et sagatis cucullis: also größere
Mäntel mit Kapuzen, wie Pallad. I 42 (43), 4
von tunicae pelliciae cum cucullis spricht.
14) Als ärmliche Tracht erscheint sie Mart.
X 76, 8 ; cucullio mulionicus, Lampr. Heliog. 32,
9 ; cucullio vulgaris viatorius, Capitol. Ver. 4. 6.
15) Mart.V 14,6; vgl. XI 98, 10. Die Epi-
gramme, mit denen Martial das Geschenk von
cuculli begleitet. XIV 128 u. 139, gehören der
Rubrik der ärmlichen Gaben an (vgl. Fried-
länder Martial II 295 ff.).
16) luv. 8, 145. Lampr. a.a.O. Capit. a.a.O.;
daher nocturni cuculli, luv. 6,118.
17) Vgl. Saglio a.a.O. 17 12. MAubeiP.-W.
III 498.
18) Schol. luv. 8, 145 : cucullo, de birro Gal-
ileo scilicet. Cod. Theod. XIV 10, 1, 2 : atit byrrii
aut cucullis. Corp. Gloss. V410, 18: byrrus cu-
culla brevis. Dagegen ist es wohl Verwechs
lung, wenn der Schol. Pers. 1,54 trita donan
lacerna erklärt durch scis birrum tritum co-
di i/i condonare.
19) Burrus ist griechisch jivqqös , vgl
Festus 31, 6; mehr bei Marquardt 567 A. 10
Corp. Gloss VI 157.
Sechster Abschnitt. Die Tracht.
219
von dickem, grobem Wollenstoff1). Doch gab es in der spätem Kaiserzeit
auch birri von feiner Wolle und hohem Preise2); geliefert wurden sie ebenso
von italischen Webereien, wie besonders in Canusium3). als von solchen in
Gallien, besonders von Atrebaten und Nerviern, in Britannien, den Donau-
ländern, Griechenland, Phrygien, Numidien u. s.4). Wie sich der birrus vom
cucidlus unterschied, wissen wir ebensowenig, als wir ihn von der auch erst
der spätem Kaiserzeit angehörigen caracalla6) unterscheiden können. Diesen
Namen hatten freilich zwei verschiedene Kleidungsstücke: das eine war die
caracalla talarise), nach der der gleichnamige Kaiser seinen Beinamen er-
hielt, weil er sie nicht nur selbst trug, sondern auch bei den Soldaten ein-
führte7), und die daher auch als Antoniniana bezeichnet wurde8). Diese
war ein langes, bis zu den Füßen reichendes Gewand, das sich auch später
noch im Gebrauch erhalten hat und vermutlich auch mit einer Kapuze ver-
sehen war, denn diese scheint zur caracalla notwendig zu gehören9). Die
andere caracalla war ein ärmelloses10), kurzes Kleidungsstück, das auch aus
Leinwand hergestellt wurde und im letztern Falle anscheinend vornehmlich
Frauentracht war 1 l).
Wir erwähnten schon, daß mehrere der oben genannten Mäntel be-
sonders, wenn man zu Mahlzeiten eingeladen war, angelegt wurden. Auch
sonst war es in der Kaiserzeit üblich, eigene Dinertracht anzulegen,
eine vestis cenatoria12) oder ein cenatoriiim13). Als besonders hierfür übliches
Kleid erscheint die synthesis u). Das Charakteristische bei diesem Kleidungs-
stück, das allem Anschein nach zum indutus gehörte, d. h. angezogen, nicht
umgelegt wurde15), scheint darin bestanden zu haben, daß man davon eine
größere Zahl, eine Garnitur, denn das bedeutet synthesis auch sonst16), im
Besitz und Gebrauch hatte17); Elegants wechselten dies Kleid bei einer
J) Sulpic Sev.dial.121,4 (14) nennt den
birrus rigens ; in einem Epigramm der Eucheria,
bei Haehrens PLM V 60, 5 wird der horribüis
hurrus der nöbilis purpura entgegengesetzt.
*) Im Ed. Diocl. 19, 26 ff haben wir
Preise von ßiggoi, die zwischen 1500 und
10000 Denaren variieren.
3) Vopisc.Carin.20,5.
4) Ebd. und Ed. Diocl 19,26 f. u. 32 ff. Das
Ediktenthältauch 7.42 f. Posten fürFabrikation
und 22,21 ff. solche für Waschen von birri.
5) Vgl. Saglio a. a. O. I 915 ider aber zu
falschen Resultaten kommt). Mau a. a. O. III
1565.
6) Aur.Vict.Caes. 21.1.
7) Dio Cass. LXXVIII 3, 3. Spart. Carac.
9,7. Aur.Vict. a.a.O.
8) Spart, a. a. O. 9, 8.
9) Corp. Gloss. II 338, 52 wird xagaxälhov
durch cuculla erklärt; der sogenannte Ephod
der Juden wird bei Hieron. ep 64,15 (p. 615 M.)
erklärt als palliolum in modum caracallarum
sed absque cucullo ; vgl. Corp. Gloss. a. a. O. : ve-
stimentum sacerdotale sine cucullo (wo Loewe
Prodr. 400 sive cuculla konjizierte).
10) Corp. Gloss. V 275. 26: caracalla vestis
sine manicis auro textet.
n) Das Ed. Diocl. 26. 120 ff. zählt verschie-
dene Linnenstoffe für Caracallen auf, die im
Preise zwischen 600 und 3500 Denaren für
den forde differieren. Ebd. 7, 44 f. sind Arbeits-
löhne für caracallae tarifiert; da sie niedriger
sind, als die für den birrus, kann es sich
nur um Kleider geringen Umfanges handeln
Vgl. Blümner ebd. 1 13. Mau a. a. O. 1566.
'*) Capitol. Maxim, duo 30. 5 ; die vestimenta
cubüoria bei Petron.30. 11 sind wohl dasselbe
(Friedländer schreibt nach Lipsius aeeubi-
toria): oxoXfj deusyius, Dio Cass. LXiX 18,3.
i3) Petron. 21,5; 56. 9. Mart. X 87, 12 ; XIV
135; cenatoria alba, Act. Arval. 27 Mai 218;
17 Mai 241.
14) Vgl. Becker-Göll I 15.
15j Suet. Nero 51: si/nfhesinam indutus.
16) So z B. von Bechern, Stat. silv. IV 9,
44. Mart. IV 46, 15; auch eine synthesis 1uni-
carum, Digg. XXXIV 2, 38, 1. Doch ist der
Name, wenn er auch ursprünglich die Garni-
tur von mehreren Exemplaren bedeutet, auf
ein einzelnes Exemplar übergegangen, vgl.
Act. Arv. 19 Mai 91 : cum sintesibus epulafi
sunt, s Henzen ebd. 15.
,;) Mart. 1146.4: micat inninneris arcnlu
synihesibus. Aber in der Provinz brauchte man
sie wenig, ebd. IV 66.4: duxit aestates syn-
thesis ii na deran.
220
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
Mahlzeit zu wiederholten Malen1). Man trug sie in bunten Farben2), und
am Saturnalienfest, wo die Toga verpönt war3), war die synthesis beliebte
Tracht4). Über ihre sonstige Beschaffenheit erfahren wir aber gar nichts,
und es hat den Anschein, als ob dies Kleidungsstück nach dem 1. Jahr-
hundert n. Chr. wieder aus der Mode gekommen sei.
Endlich haben wir noch die endromis zu nennen 6). Mit diesem Namen
bezeichnete man jedoch nicht, wie die Griechen, eine Art von Fußbekleidung,
sondern ein dickes, deckenartiges Tuch, in das man sich im Winter und
bei schlechtem Wetter an Stelle der laena einwickelte6), vornehmlich auch
nach gymnastischen Übungen, um sich nicht zu erkälten7). Sie war für
gewöhnlich wohl von grobem Wollenstoff oder Filz8), doch kamen auch
feinere Exemplare vor9).
Hosen, die mit dem keltischen Worte bracae (oder braccae) bezeichnet
wurden10), sind ursprünglich der römischen wie der griechischen Tracht
fremd; die Barbaren trugen sie, und für den alten Römer war das ein
Gegenstand des Spottes11). Zwar kam es vor, daß Römer, die lange in
nördlichen Provinzen sich aufhielten, diese Tracht annahmen, es erfuhr aber
Tadel12). Erst in der spätem Kaiserzeit, als auch Barbaren auf den Kaiser-
thron gestiegen waren, fanden auch die Barbarenhosen in der römischen
Tracht Eingang13); zur Zeit Diokletians gab es daher bracarii, die nicht bloß
bracae, sondern auch andere Gegenstände aus dicken Wollenstoffen fertigten14).
Einen Ersatz für die nicht gebräuchlichen Hosen boten die schon gegen
Ausgang der Republik üblichen fasciae16), Binden, die man um die Beine
') Mart.V 79,2: mutata tibi est synthesis
undecies.
*) Mart.X29,4; vgl. II 46, 4.
s) Mart.VI24.
") Mait. XIV 1,1; ebd. 141.
5) Vgl.AMELUNG bei P.-W.V2556.
6) Mart XIV 126. luv. 3. 103. Sid. Apoll,
ep. II 2. 2 : endromidatus exterius. Im Ed. Diocl.
19. 4 ff. werden verschiedene Arten ivögo/uidsg
aufgeführt, doch erscheint hier die Bedeutung
des Wortes erweitert, da auch Decken für Zelte
und Betten daruntersind, vgl. Blümner das. 149.
7) Mart.1V 19, 1 ff., der es von lakedä-
monischem Brauch herleitet. luv. 6, 246.
8) Mart. a. a. 0. : Sequanicae pinguem tex-
triris ahmtmam. Corp. Gloss. II 82, 20 ist gau-
sarus, womit ivdoofiig erklärt wird, sicher
gausapes, d. h. Filz.
9) Tgriae endromides, luv. 6, 246.
,0) Vgl. Saglio bei D.-S. I 746. Mau bei
P.-W. I 2100. Ueber die Hosen der Gallier
und den Ursprung des Namens braca s. de
Joubainville Rev. arch. IV Ser. I 337.
") Cic. pro Font. 15, 33; in Pison. 23, 53;
ad fam. IX 15, 2. Verg. Aen. XI 777. Ov. trist.
IV 6, 47; V7.49; 10,34. luv. 8. 234. Mart. I
92,8; XI 21,9. Suet.Caes.80. Daher die Gallia
bracata, Plin.11131.
w) Von Caecina erzählt Tac. hist. II 20,
man habe es ihm verübelt, quod versicolori
xngo, bracas barbarum tegmen indutus, to-
gatm adloqueretur. Die im Norden stehenden
Legionen bedienten sich der Hosen schon zur
Zeit Trajans, wie die Reliefs der Säule zur/
Genüge zeigen.
13) Lampr. Al.Sev.40,11: bracas albas ha-
buit non coccineas, vi prius solebant ; doch ver-
boten auch Arcadius und Honorius das Tragen
von bracae in der Residenz, Cod.Theod. XI V10,2.
u) Im Ed. Diocl. 7, 42 ff. werden die Löhne
für den bracarius angesetzt, Z. 46 für bracae
(im Ed. pro bracibus), sonst für den burrus,
die caracallaund für udones (s. u.), vgl. Blümner
das. 113. Schon Lampr. AI. Sev. 24, 5 kommen
bracarii neben linteones, pelliones u. a. vor.
15) Vgl. Lafaye bei D.-S. II 981. Mau bei
P.-W. VI 2008. Mit den hier gemeinten fasciae
sind nicht zu verwechseln die zum Schuhwerk
gehörigen, d.h. die ledernen Riemen, die von
den Schuhen hinaufgehend die Knöchel oder
auch die Waden umwanden ; solche sind die
candidae fasciae, die Pompejus trug, Val.
Max. VI 2, 7, wie auch sonst weiße fasciae
üblich waren, Cic. ad Attic. II 3, 1. Phaedr. V
7,37. Vgl. Plin. VIII 221 : fasciis quibus in
calciatu utebatur. Eben solche sind gemeint,
wenn die purpurnen fasciae oder fasciolae
der Frauentracht erwähnt werden, Cic. de
har.resp. 21,44; or. in Clod. frg. 5, 1 (die Mau
a. a. O. alle als fasciae crurales betrachtet).
Ganz außer Betracht fallen natürlich die fa-
sciae der Aerzte, d. h. chirurgische u. dgl. Ver-
bände, Cic. Brut. 60, 217. Cels. V 26. 24; VII
20; VIII lOu.ö.Scrib. comp. 131. Suet.Galba21.
Sechster Abschnitt. Die Tracht.
:i
wickelte, und die daher auch speziell fasciae crurales1), feminalia (femoralia)*),
tibialia 8) hießen. Doch pflegten nur ältere oder kränkliche Leute solche zu
tragen, während man es bei andern als weichlich betrachtete4); indessen
gehörten sie doch auch zur Tracht von Soldaten, Landleuten, Jägern u.dgl.5).
Etwas Ähnliches scheinen die selten genannten impilia^) gewesen zu sein
(vielleicht eine Art Wadenstrümpfe aus Filz) 7), und ebenfalls die Stelle von
Strümpfen vertraten die um die Füße gewickelten fasciae pedules*). —
Gleich den fasciae werden Leibbinden, ventralia 9), als wesentlich im Gebrauch
schwacher und kränklicher Leute erwähnt, und ebenso die Halstücher,
focalia10), die sich namentlich Leute, die ihre Stimme schonen mußten, wie
Vortragende, umlegten11), die aber auch als aurium ligamenta um den Kopf
gebunden wurden12). In der Kaiserzeit aber trugen, wie die Reliefs der
Trajans- und der Markussäule zeigen, die Soldaten bei den Kriegen im
Norden ganz gewöhnlich Halstücher, deren lange Enden auf der Brust
herabhingen13). Sonst wurde auch das Schweißtuch, sudarium1*) (später
meist orarium genannt15)), um den Hals getragen16).
So viel über die Kleidung der Männer, von der sich die der frei-
gebornen Knaben vornehmlich dadurch unterschied, daß diese bis zur
Pubertät die mit einem Purpurstreifen verbrämte toga praetexta trugen17).
Als besonderes Knabenkleid wird auch eine Art Jacke, alicula, erwähnt18).
>) Petron.40,5. Digg. XXXIV 2, 25, 4. Vgl.
Corp. Gloss. II 432, 56 : crurarium oxelödeafiov.
*) Suet. Aug. 82 : hieme . . . et feminalibus
et tibialibus muniebatur. Hieron. ep. 64, 10
p. 613M. erwähnt linea feminalia. Isid. XIX 22,
29 : femoralia appellata eo quod femora tegant.
Corp. Gloss. II 403,27 ; III 324, 15 werden femi-
alia durch negifirfQia, nsgifinoidss erklärt.
3) Suet. a.a.O.~Digg.XLIX 16, 14,1. Corp.
Gloss. III 208, 50 : t Males jisoiy.vgfua ; vgl. ebd.
23,58; 299,9.
4) Hör. sat. II 3,254: insignia morbi, \ fa-
sciolas, cubital, focalia. Suet. Aug. a. a. 0. Quint.
XI 3. 144 : palliolum sicut fascias, quibus erura
vestiuntur, et focalia et aurium ligamenta
sola excusare potest valetudo. Lampr. Alex.
Sev. 40. 1 1 : fasciis semper usus est. Sid. Ap.
ep. 112, 2: endromidatus exterius, intrinsecus
fasceatus.
5) Petron.40,5. Grat, cyneg. 338.
6) Vgl. Saglio bei D.-S. III 434.
7) Nach Plin. XIX 32 machte man aus
einem Pflanzenfaserstoff impilia und vestes
quasdam; es ist ein Zitat aus Theophr. h. pl.
VII 13,8, der jroösTa sagt. Daß es eine Art
von Filz war, besagt der Name, der mit mlog
zusammenhängt (griechisch s/mtihov). Digg.
XXXIV 2,25,4: fasciae crurales pednlesque et
impilia Pestis loco sunt, quin partetn corporis
vestiunt. alia causa est udonum, quin usum
eälciamentorum praestant. Darnach können
die impilia nicht über die Füße gezogen wor-
den sein, wie die udones, die wohl Filzsocken
waren (s.u.). Die Glossen freilich identifizieren
beides, indem sie ado durch iujti/uov erklären,
11296,25; 543, 19. Vgl. Saglio bei D.-S. III 434.
8) Digg. XXXIV 2,25,4; auch pedulia,
Fest. 230b, 17. Fronto diff. voc. p.522, 19K.
In den Glossen kommen pedules, Corp. III
120,47; 224.45 u. s., sowie pedalia vor, 8.
VII 60.
9) Plin. VII 52; VIII 193: villosu ventralia.
Digg. XLVIII 20, 6 in der Form centralis.
10) Vgl. Gachon bei D.-S. II 1193. Mau
bei P.-W. VI 2815. Hör. sat. II 3, 255. Quint.
XI 3, 144. Sen.n.qu.IV13.10. Cels.115: fauces
lana circumdare, bei gewissen Krankheiten.
») Mart.XlV142; vgl. IV 41.
12) Mart. a. a. O. ; daher Corp. Gloss. II 580,
40:focaleinatiris. Besondere auriiim ligamenta
erwähnt Quint. a. a. O.
13) Siehe Dabembebg-Saglio a. a. O. Fig.
3116. Rich Wörterbuch 269.
14) Quint. VI 3, 60 (schon zu Ciceros Zeit);
ebd. XI 3, 148. Catull. 12, 14; 25, 7 (aus spani-
scher Leinwand). Suet. Nero 48. Val. Max. IX
12, 7. Apul. apol. 53 ; ebd. 55.
>«) Vopisc. Aurel. 48, 5. Treb. Poll. Claud.
17,6. August, civ. Dei XXII 8. Corp. Gloss. V
411,24; 418,47. Vgl. Cahen bei D.-S. IV 225.
16) Suet. Nero 51. Petron. 67,5.
17) Cic. in Verr. act. II, I 44, 113, mit Ps.-
Ascon. z. d. St. Macr. I 6, 10. Gell. XVIII 4, 1 ;
daher heißt der freigeborne Römerknabe prac-
textatus, Quintil.decl.340. Cic. pro Arch. 3,5;
Phil. II 18, 44. Suet. de gramm. 16 u. s.
1H) Digg. XXXIV 2, 23, 2 unter den pueril ia
vestimenta, neben praetexta« und ehiamtfde».
Doch kommt sie Mart. XII 81,2 auch als ärm-
liches Kleid für Erwachsene und Petron. 40, 5
eine alicula polgmita bei einem in Jagdtracht
auftretenden Diener vor.
222
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
Die Sklaven trugen, wie oben erwähnt, teils das subligaculum oder eine
kurze Tunika, teils besondere Livree, wie die Sänftenträger. Auf dem
Lande gab man ihnen auch die billigen, aus allerlei Flicken zusammen-
genähten centones1) und als Mantel, wie oben erwähnt, ein sagum oder
eine paenula. Im allgemeinen aber unterschied sich, wenn man natürlich
von der Toga absieht, die Tracht des römischen Sklaven von der des ge-
wöhnlichen einfachen Bürgers wenig oder gar nicht2). Pelzkleider oder
aus Leder gefertigte waren ursprünglich Hirtentracht und auch bei den
Sklaven auf dem Lande gebräuchlich3); aber erst in der Kaiserzeit wurden
sie auch in besseren Kreisen üblich, obschon mehr für Reisen und Auf-
enthalt in nördlichen Ländern4).
Was die Fußbekleidung anlangt5), so kennt die römische Tracht,
gleich der griechischen, Sandalen, Schuhe und Stiefel, sowie verschiedene
Zwischenarten; aber wie bei den Kleidern gewisse Standesunterschiede und
Forderungen der guten Sitte sich geltend machen, so ist das auch beim
Schuhwerk der Fall. Die Sandalen nämlich, in der Regel soleae6), seltner
sandalia genannt7), durfte ein auf Anstand haltender Römer zur Toga nicht
tragen, ja nach strengerer Sitte sollte er sich überhaupt, auch in andrer
Tracht, damit auf der Straße nicht blicken lassen8). Doch war es üblich,
soleae anzulegen, wenn man zur Mahlzeit eingeladen war; man legte sie,
wenn man sich zu Tisch lagerte, ab9) und übergab sie seinem Sklaven zur
Aufbewahrung10). Aber auch da ließen sich feinere Leute in einer Sänfte
hintragen, um nicht in Sandalen auf der Straße gehen zu müssen11); wer
das nicht konnte, kam wohl auch zur Mahlzeit in Schuhen12). Sonst trug
x) Cato r. r. 2, 3 ; 10, 5 ; ebd. 59 : quotiens cui-
que tunicam aut sagum dabis,prius veter em ac-
cipito, unde centones fiant. Der Sklave schlief
im centunculus, Sen.ep. 80, 8; vgl. Colum. I 8,
9. Nach Cato 135, 1 kaufte man fertige cen-
tones in Rom (doch scheinen die inschriftlich
oft erwähnten centonarii wesentlich die eben-
falls so benannten Decken fabriziert zu haben,
Marquardt 585). Vgl. Masqublez bei D.-S. I
1013. Kubitschek bei P.-W. III 1932 f.
2) Vgl.Artemid.On.il 3 (von den Römern):
diä yag zo zr/v avzrjv zoTg deanözaig cbg em zo
jiXsiotov s'xsiv eoftfjza im xovzqj zä> ovsiqü)
(nämlich weiße Kleider zu tragen) oh yivovzm
ilevdeooi, wojifq oi xü>v 'EXXrjvwv.
3) Colum. a. a. 0.
*) Felles indutoriae, Paul. sent. III 6, 79.
Digg. XXXIV 2, 23, 3.
5) Es gibt hierüber zahlreiche ältere
Abhandlungen, s. Becker-Göll III 227. Mar-
quardt 588, jedoch aus neuerer Zeit keine
zusammenfassende und genügende Darstellung
des Gegenstandes.
6) Gell. XIII 22 (21), 5: omnia ferme id
genus, quibus plantarunt calces tantum in-
fimae teguntur, cetera prope nuda et teretibus
haben is vincta sunt, soleas dixerunt, nonnum-
qttam voce Graeca crepidulas. Isid. or. XIX
34, 11: soleae sunt, quibus tantum plantae
teguntur, dictae a solo pedum; vgl. Festus
301a, 3.
7) Turpil. b. Non. 343, 1 6 ; ebd. 427, 27. Ter.
Eun. 1028. Schol. luv. 8, 175. Die Verfertiger
von Sandalen sandaliarii, CIL X 3981, dar-
nach der vicus sandaliarius mit dem gleich
benannten Apollo, Suet. Aug. 57. CIL VI 448,
ebd. 761, vgl. Jordan-Hülsen Topogr. d. St.
Rom I 3, 329 f. Richter Topogr. d. St. Rom 307.
Daneben kommen solearii vor, Plaut. Aul. 514.
CIL VI 9404.
8) Afran. b. Non. 207, 37. Cic. Verr. V 33, 86 :
stetit soleatus praetor populi Romani cum pal-
lio purpureo tunicaque talari; in Pison. 6. 13.
Tac. ann. II 59. So noch im 2. Jahrh. n. Chr.,
Gell. XIII 22 (21), 1: soleatos tarnen vos, populi
Romani senatores, per urbis inas ingredi ne-
quaquem decorum est.
9) Soleas deponere, Mart. III 50, 3 ; demere,
Plaut. Truc. 367 ; beim Aufbrechen soleas po-
scere, Hor.sat.II 8, 77. Sen. contr.25.25; vgl.
Plaut. Most. 384.
10) Mart. VIII 59, 14; XII 87,1.
X1) Hör. ep. I 13, 15 vom tribulis, der vom
Mahle kommend seine soleae unter dem Arm
nach Hause trägt.
12) Plin. ep. IX 17, 3 : quam multl, cum la-lor
aut lyristes aut comoedus inductus est, cal-
ceos poscunt.
Sechster Abschnitt. Die Tracht.
223
man soleae gewöhnlich im Hause1). Diese Sandalen waren in der Regel,
wie Denkmäler und noch erhaltene Exemplare2) zeigen, auf den Fuß zu-
geschnitten; das Material war Leder3), wobei natürlich in der Feinheit,
Farbe usw. große Unterschiede obwalteten4); manche waren mit Wolle ge-
füttert5). Rote Farbe war besonders häufig6), an eleganten Exemplaren
selbst Vergoldung angebracht7). Am Fuß befestigt wurden sie durch Riemen
(habenae8), amenta9), obstragala10)), die zwischen den Zehen durchgezogen
wurden. Zu den soleae rechnete man11) die von den Griechen übernommenen12)
crepidae1*), die schon in den Zeiten der Republik römische Feldherrn in der
Provinz zur Chlamys oder sonst griechischer Tracht anlegten14), was in der
Kaiserzeit auch in Rom selbst vorkam16). Das Charakteristische der crepidae
war, daß sie den Ballen des Fußes zum Teil bedeckten16), und ferner, daß
sie nicht auf den Fuß zugeschnitten waren17). Ganz ähnlich18) scheinen die
Gallicae gewesen zu sein19), gallische Sandalen, die später sehr Verbreitung
fanden 20). Sicheres über ihre Form und inwieweit sie sich von den crepidae
unterschieden, läßt sich nicht feststellen21).
Mit soccus bezeichnet der Römer für gewöhnlich griechische Schuhe,
im speziellen aber einen Halbschuh oder Pantoffel ohne Riemen, nur zum
Hineinschlüpfen22), der eigentlich zur Frauentracht gehörte und daher bei
>) Petron. 27, 2 ; vgl. Mart. XII 12, 6. Die
arvalischen Brüder trugen soleae zu sonst
auch nicht römischer Tracht bei den ludi
circenses, s. Henzen Acta fratr. Arval. 38.
2) Ueber noch erhaltenes römisches Schuh-
werk , vornehmlich den großen Fund von
Mainz, s. Jahn Abh. d. SGW. V (1868) 275.
Makquakdt 588 A. 11. Jacobi Das Römer-
astell Saalburg 495 ff. H.Frauberger Antike
und frühmittelalterliche Fußbekleidungen aus
Achmim-Panopolis, Düsseldorf 1896.
s) Bei derben Exemplaren Holzsohlen,
die mit Leder überzogen waren, Isid. a.a.O.:
item soleae materiales, ex materia corio intecta.
4) Das Ed. Diocl. 9, 17 nennt Babulonicae,
die von sehr feinem Leder waren, ebd. 22 ff.
inauratae, taurinae inauratae, taurinae la-
watae.
») Mart. XIV 65: soleae lanatae. Ed. Diocl.
9,25; weiße ebd. 19.
6) Pers. 5, 169. Ed. Diocl. 9, 18; ebd. 23.
7j Ed. Diocl. 9, 24.
8) Gell. a. a. 0.
9) Plin. XXXIV 31.
10) Plin. IX 114, bei crepidae.
u) Das zeigt vornehmlich Gell. a.a.O. (s.
oben S. 222 A. 6).
'*) Pers. 1, 127: crepidae Graiorum. Isid.
XIX 34.3: crepidas Graeci «nie repertas usi
»") Vgl.PoTTiEBbeiD.-S.II 1557.1nschriftl.
crepidarU, CIL VI 9284; sutor crepidarius
Gell. a.a.O. 8.
w) Liv. XXIX 19, 12 vom altern Scipio
Africanus. ebenso Val.Max.II16, 1. Cic.p.Rab.
Post. 10, 27. Val. Max. a. a. 0. 2 vom L. Scipio;
vgl.Cic.in Pison.38,93.
»») Suet.Tib. 13; Calig.52; Domit.4. Un-
glaubwürdig ist die Notiz des Serv. ad Aen.
VIII 458, der zu Tyrrhena vincula bemerkt:
Tusca calciamenta. et dicit crepidas; quas
primo habuere senatores, post equites Romani,
nunc milites.
I6) Gell. a.a.O.
") Isid. a. a. 0. : est autem genus Singular i
forma, et idem utrique aptum pedi, vel dex-
tro vel sinistro.
18) Gell. a. a. 0. 3 werden sie zwar von
den soleae unterschieden: plerique ex his, qui
audierant, requirebant, cur soleatos dixiwf,
qui gallicas, non soleas, haberent; Castricius
erklärt aber beides für identisch, und Gellius
selbst meint, ebd. 6, das Wort sei erst durch
Cicero aufgekommen, der Phil. 1130,76 dem
Antonius vorwarf, daß er cum gallicis et /«-
cerna herumgelaufen sei. In der Ueberschrift
im Ed. Diocl. 9, 12 werden soleae und gallicae
unterschieden.
19) Vgl. Lafaye bei D.-S. II 1453.
20) Das zeigt Ed. Diocl. 9, 12 ff., wo ver-
schiedene Arten gallicae aufgeführt werden,
viriles rusticanae bisoles (doppelsohlig). viriles
monosoles, cursoriae, und zwei Sorten gallicae
muliebres. In der Inschr. Not. d. scavi 1892, 271
erscheinen Festfeiernde gallicati.
2 >) Lafaye a a. 0. macht den Versuch, doch
zeigen die von ihm als gallicae nach Denk-
mälern abgebildeten Halbschuhe (Fig. 3479 ff.)
sehr verschiedene Formen.
22) Isid. a.a.O. 12: socci non ttoaftikr, sed
tantttm intromütunlwr. Vgl. Plaut. Epidic. 725;
Trin. 720 sind sie Sklaventracht.
224
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
Männern als weibisch betrachtet wurde x) ; doch war er in der spätem Zeit
auch für Männer Mode geworden2).
Die eigentliche Fußbekleidung des römischen Bürgers, die ihn ebenso
als solchen kennzeichnet, wie die Toga, und daher auch mit dieser zu-
sammen getragen wird3), ist der calceus (griechisch xälziog)*), ein ge-
schloßner Schuh, von dem es aber verschiedene, den einzelnen Ständen
zukommende Arten gab, betreffs deren freilich, zum Teil infolge der Un-
sicherheit der Quellen, Meinungsverschiedenheiten bestehen5). Zu den calcei
wird zunächst der mulleus gerechnet, der der Beschreibung nach von roter
Farbe war, eine hohe Sohle nach Art des Kothurnes hatte und am obern
Rande mit Häkchen {malleoli) zur Befestigung der Schnürriemen versehen
war8). Er war ursprünglich eine alte Auszeichnung der Könige 7), und als
solche trug sie auch Cäsar8). Für gewöhnlich scheint aber dieser Schuh
außer Gebrauch gekommen und wesentlich historische Reminiszenz geworden
zu sein, obschon bereits alte Quellen, denen sich neuere Forschungen an-
geschlossen haben, den mulleus mit dem calceus patricius identifizieren9).
In der historischen Zeit unterscheidet man zwei Arten offizieller calcei:
den patrizischen und den senatorischen. Der calceus patricius, der das Vor-
recht der patrizischen Senatoren war10), wurde mit vier Riemen (corrigiae)
gebunden und hatte eine Agraffe in Form eines Halbmondes (lunula)11), die
>) Sen. deben.1112,1. Suet. Calig. 52.
2) Das Ed. Diocl. 9, 18 ff. führt socci viri-
les und muliebres an. ferner purpurei, phoe-
nicei, Babulonici purpurei und albi.
3) Cic.Phil. II 30.76. Plin. ep. VII3,2. luv.
1, 119. Quint. XI 3, 137. Suet. Aug. 73; vgl.
Polyb. XXX 19 (16), 3. Plut. Pomp. 24; praec.
coniug. 22 p. 141 A, und mehr bei Cobet Mne-
mosyne N. S. VI (1878), 17 f. Makquardt 589
A. 2. Scherzhaft nennt Tertull. de pall. 5 den
calceus proprium togae tormentum. Wie man
im Hause die Toga ablegte, so auch die calcei,
Cic. p. Mil. 10,28; de republ. I 12, 18; anders
Augustus, s. Suet. Aug. 78, der aber doch auch
im cubiculum sie nur zur Hand hatte für plötz-
lich notwendige Ausgänge, ebd. 73. DenSklaven
war der calceus untersagt, Serv. ad Aen. I 282.
-1) Vgl. Heuzey bei D.-S. I 815. Mau bei
P.-W. III 1340.
6) Vgl. hierüber außer den Artikeln von
Heuzey und Mau noch Willems Le senat de
la republ. Romaine I 123 ff.
*) Isid. or. a. a. 0. 10 : mullei similes sunt
COthttmorum, solo alto, superiore autem parte
cum osseis vel aeneis malleolis, ad quos lora
deUgabawbur. dicti autem sunt a colore rubro,
(/iki/is est »mlli )>iscis. Corp. Gloss. V 33,19 : mul-
leos calceamenti genus a colore mullorum; vgl.
Plin. IX 65 vom mullus : nomen Ms Fenestella a
colore mullt'oriiiH calciamentorum datum putat.
7) Nach Festus 142b, 24 der Könige von
Alba. Corp. Gloss. V 466, 40 (vgl. 507, 41):
mullei calcei quem antiquitiis reges habere
so/ifi mint: Vgl.V635,67.
8) Nach Dio Cass. XLIII 43,2: rf, vnooioei
. . . y.ni ci/'ij/.fj tcai t(>vl^i>o/od(i) y.arä zovg ßaot/.mc:
zoisg ev xrj "Akßi] jioxe yevofievovg . . . EXQijxo.
9) Die Hauptstelle ist Festus 142b, 24rx
mulleos genus calceorum aiunt esse, quibus
reges Albanorum primi, deinde patricii sunt
usi. M. Cato originum li. VII: gut magistra- I
tum curulem cepisset , calceos mulleos al-
luta ciniatos (aluta laciniatos Müllek; aluta
cinctos oder vinctos Jordan, Mommsen: a/it-
taceos Mau), ceteri perones. Darnach wird der
mulleus von Becker-Göll 234 und Marquardt
589 mit dem calceus patricius identifiziert,
während Mau a. a. O. widerspricht und meint,
daß Cato den Senatorenschuh meinte und
mulleus adjektivisch gebrauchte , für rote
Schuhe, wie viel später Vopisc. Aurel. 49, 7
von calcei mulli et cerei et albi et hederacii
spricht. Allem Anschein nach unterscheidet
Cato nur zwei Arten Schuhe : die der Beamten
und die der gewöhnlichen Bevölkerung.
10) Man vgl. das Elogium des Marius, der
zwar Plebejer war, aber nach seinem Triumph
über Iugurtha mit der Triumphaltracht auch
die zu dieser gehörigen calcei patricii trug, CIL
I2 195: veste triumphali calceis patriciis [itt
senatum venit). Plut. Mar. 12. Schon die Kinder
der Senatoren trugen sie, Stat. silv. V 2, 27 f.
") Isid. a. a. O. 4: patricios cdlccos 1!<>-
mulus reperit quatuor corrigiarum assutaqui
luna. iis soli patricii utebantur. luna autem
in iis non sideris formam, sed notam cervte*
narii numeri significabat, quocl initio patricii
senatores centum fuerint. Als Abzeichen der
evyereia, d. h. des Patriziats, wird der Halb-
mond auch von Plut. qu. Rom. 76 p. 282 A be-
zeichnet; vgl. Schol. luv. 7, 192: hac lunulA
adsuta calceis discernuntur patricii a noviciis,
Sechster Abschnitt. Die Tracht.
225
aus Elfenbein war1) und angeblich die Zahl 100, als die ursprüngliche der
patrizischen Senatoren, bedeutete2); doch wurde später diese Zierat auch
von solchen getragen, die kein Anrecht darauf besaßen3). Sie war oberhalb
des Knöchels an der den Schuh verschließenden Lederzunge, ligula*), an-
gebracht5). Wie die Riemen befestigt waren, wird nicht überliefert, wahr-
scheinlich aber gingen sie etwas höher am Bein hinauf6). Die Farbe des
calceus patricius war in alter Zeit vielleicht auch rot, später aber wohl
schwarz7).
Davon wird nun, und noch in der späten Kaiserzeit8), der calceus
Mnatorivs unterschieden. Daß dieser gegen Ausgang der Republik und in
der Kaiserzeit aus schwarzem Leder war, steht fest9); aber in welcher
bestimmten Art sich der Senatorenschuh vom Patrizierschuh unterschied,
wird weder überliefert, noch läßt es sich aus den Denkmälern schließen
(vgl. Fig. 46 und 47 10)). Groß können die Unterscheidungsmerkmale nicht
gewesen sein, da bei den Schriftstellern beide Arten oft verwechselt werden11).
Dazu kommen dann noch die gewöhnlichen calcei der übrigen Bürger,
über deren Beschaffenheit freilich nichts überliefert wird12); daß sie ungemein
!) Philostr. V. soph. II 1,8: imaq vqiov eXs-
aävzivov urjvoeidec.
») Zonar.VII9 p.32 ed. Bonn. Isid. a.a.O.
loh. Lyd. de mens. I 19.
3j Mart. II 29,7 von einem Ritter; daß die
Nobilität sich auch die lunula beilegte, zeigt
luv. 7,192. wohl auch Mart. 1 49, 31. Stat. a. a. 0.
4) Mart. II 29.7: non hesterna sedet lu-
nata Ungula planta; vgl. XIV 120. luv. 5,20:
lingulas dimittere; s. Schol. das. Scrib. comp.
208: melanterias, quae creta sutoria dicitur,
qua Mgulae calceolorum denigrantur. Festus
116,12: a xinulitudine linguae exertae, ut in
calceis. Corp. Gloss. II 263, 44; V 621, 6.
5) Daher imacpvotov, Philostr. a. a. O. CIG
6280 B, 31 : Tvqotjvwv äoyalov sjiiocfVQiov ysgas
avdgwv.
6) Daß sie sich kreuzten, besagt bei Zo-
nar. a.a.O. sjia.XXa.yri twv 1/mxvtcüv. Wahrschein-
lich sind die bei einigen Kaiserstatuen (vgl.
Daremberg-Saglio a. a. O. Fig. 1016, mehr bei
Mau 1342) sichtbaren Riemen, die am Ober-
leder festgenäht auf dem Fußblatt sich kreu-
zen und gegen den Knöchel laufen, oberhalb
dessen das Bein ebenfalls von Riemen uni-
schnürt ist, eben diese corrigiae; charakte-
ristisch ist, daß die Enden des Knotens der
vorn zusammengebundenen Riemen auf beiden
Seiten lang herunterfallen. Die lunula ist bisher
noch auf keinem Denkmal nachgewiesen wor-
den.
7) Sonst wären Cäsars rote Schuhe (oben
S. 224 A. 8) wohl nicht so aufgefallen. Bestimm-
te über die Farbe des calceus patricius wird
aber nicht überliefert. Wenn Ioh.Lyd.de ma-
gistr. I 7 den calceus patricius ünoön/MX qm-
vixnvv nennt, so ist dabei wohl alte Ueber-
lieferung anzunehmen.
8) Das Ed. Diocl. 9, 7 if. unterscheidet
calcei patricii (im Preise von 150 Denaren)
von caligae senatorum (für 100 Denare) ;
daß auch mit letzteren calcei gemeint sind,
zeigt der griechische Text, der xaXxiay» avy-
yhixixCov lautet. Vgl. Cic. Phil. XIII 13, 28 : est
etiam Asinius quidam Senator vofuntnrius,
f actus ipse a se: apertam curiam vidit post
Caesaris mortem: mutavit calceos, pater con-
scriptus repente f actus est. Serv. ad Aen. VIII
258.
9) Hör. sat. I 6, 27 : ut quisque insanus
nigris medium impediit crus j pellibus. luv. 7,
192: adpositam nigrae lunam subtexit alutat.
Mommsen Rom. Staatsr. III 889 f. bezog beide
Stellen nur auf die Riemen, was Mau 1341
wohl mit Recht bekämpft. Daß er ursprüng-
lich auch rot war, scheint Schol. luv. 1, 111
anzudeuten: Mo enim tempore necdum Sena-
toren nigris calceis utebantur, sowie Cato bei
Festus a. a. O., wenn er den Senatorenschnh
meint.
10) Fig. 46 von einer Statue des Caligula
im Louvre, nach Daremberg-Saglio 1817 Fig.
1016; Fig. 47 von der etruskischen Statue
eines Redners (sog. Arringatore) in römischer
Tracht, ebd. Fig. 1017.
n) So meint Sen. dial. IX 11, 9 mit den
lora patricia, Stat. silv. V 2, 28 mit der pa-
tricia luna offenbar den calceus senatorius',
vielleicht auch Plut. de tranqu. an. 10 p. 4700.
12) Ed. Diocl. 9, 9 nennt ealicae equestrw,
d. h. calcei, wie wiederum die griechische
Uebersetzung erweist. Ob das ein besonderer
Schuh für die Ritterklasse war, von dem wir
sonst nichts wissen, muß dahingestellt bleiben;
vielleicht ist es nur ein Reiterschuh ( vgl.Hesych.
s. y.ä).Toi ■ vxodr/ftara xolXa, h> 6k itutsvovoty),
wofür auch der billige Preis von 70 Denaren
spricht.
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft. IV. 2, 2. 3. Aufl.
15
226
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
mannigfaltig in der Form waren, zeigen die Denkmäler1), und man trug
sie ebenso von schwarzem, wie von buntfarbigem Leder2); auch hielt man
darauf, daß der calceus dem Fuße, auf den er, wie die Denkmäler zeigen,
gearbeitet war3), gut paßte und weder zu weit noch zu knapp war4).
Ebenso war es unschicklich, geflickte Schuhe zu tragen 5). Übrigens hatte
sich der Begriff des cal-
ceus, der ursprünglich
ein spezifisch römischer
Schuh war, so erweitert,
daß auch nichtrömisches
Schuhwerk so bezeichnet
wurde6).
Zur Zeit des Cato Cen-
sorius trugen die, die
nicht das Recht auf Pa-
trizier- oder Senatoren-
schuhe hatten, den pero 7);
später aber finden wir
diese Fußbekleidung, die ■
nach den wenigen Nachrichten ein aus ungegerbtem Leder oder Fell her-
gestellter, derber Stiefel war8), nur bei Hirten und Landleuten9). Im all-
gemeinen scheint die caliga10) gebräuchlicher gewesen zu sein. Diese war
allerdings ursprünglich und auch später noch vornehmlich eine militärische
Fußbekleidung, und zwar wesentlich für die gemeinen Soldaten11); doch
wurden diese Stiefel, bei denen das Oberleder sandalenartig zugeschnitten/
Fig. 46. Römische Schuhe
(von einer Statue).
Fig. 47. Römische Schuhe
(von einer Statue).
') Vgl. Dabembeeg-Saglio a. a. 0. Fig.
1014 ff. Mau 1343 f. Eine besondere Form ist
der calceus repandus, Schnabelschuhe, wie sie
die Iuno Sospita trug, Cic. deor. nat.I 29,82,
die aber wohl auch im Leben, wenn auch
vermutlich bloß von Frauen, getragen wurden.
Unklar ist der duplex calceus bei Scrib. comp.
161 (vielleicht mit Doppelsohle).
*) Vopisc. Aurel.49,7. Weiße calcei auch
Mart VII 33,1; rote II 29, 8.
3) Es geht auch aus Suet. August. 92 und
Plin.1124 hervor.
*) Hör. sat. I 3,31: male laxus in pede
calceus haeret, was als bäurisch galt; ep. I
10,42: ut calceus olim, \ si pede maior erit,
subvertet, si minor, uret.
5) Mart. 1103,6: calceus est sarta terque
quaterque cute. luv. 3, 1491'.
6) So spricht luv. 16, 13 f. von einem
Bardaicus calceus (von den illyrischeu Bar-
daeern), als Centurionentracht. Auch das
griechische xgrjmg wird durch calceus über-
setzt, vgl. Cic. de or. I 54, 231. Für die Er-
weiterung des Begriffes spricht auch die von
calcedlarius, das zwar nur Plaut. Aul. 507
vorkommt, aber sehr verbreitet gewesen sein
muß, da daraus in den romanischen Sprachen
das Wort für Schuster überhaupt geworden
ist.
7) Siehe oben S. 224 A. 9.
8) Verg. Aen.VII 690: crudus pero. Corp.
Gloss. II 482,2: mftoßvgotvov. Sid. Ap. ep. IV
20, 2 : setosus pero. Corp. Gloss. V 608, 55 : cal-
ciamento pilosa.
9) Pers. 5,102: peronatus arator. Apul.
met. VII 18. Serv. ad Aen. a. a. O.: pero est
rusticum calciamentum; ebenso Isid. or. XIX
34,13. Corp. Gloss. V 555, 50; 655,21. Ein
Bauernschuh ist auch die crepida carbatina
bei Catull. 98,4, vom griechischen xagßarivn,
aus einem Stück Leder bestehend, Poll. VII
88, vgl. Saglio a.a.O. I 915.
10) Vgl. Saglio a.a.O. 1849. MAubeiP.-W.
III 1355.
n) Von den caligae hatte bekanntlich der
Kaiser Gaius, der als Knabe im Lager mit
kleinen Soldatenstiefeln herumlief, seinen Bei-
namen Caligula, Tac. ann. I 41. Suet. Cal. 9.
Caligati heißen die gemeinen Soldaten, Suet.
Aug. 25; Vitell.7. Digg.IIl 2, 2 pr.; XLVIII 3,
9. CIL VIII 2848: XI 3057, caliga ihr Dienst,
Sen.dial.X17,6; de benef.V16,2 und öfters
auf Inschr., vgl. CIL III 7108; 1X5840; XI
3057 u. s. Sie werden als caligae militares von|
den andern unterschieden, Plin.VII135. Ed.
Diocl. 9,6. Eine besondere Art scheint die
caliga speculatoria gewesen zu sein, Suet.
I Cal. 59.
Sechster Abschnitt. Die Tracht.
227
ist oder Lederstreifen von der Sohle aus den Fuß umspannen1), und bei
denen die Sohle öfters dicht mit Nägeln beschlagen war2) (Fig. 48) 3), auch
von Landleuten, Fuhrleuten u. dgl. getragen4). Doch gab es anscheinend auch
feinere Sorten5). Ebenfalls ein Soldatenschuh war der campagus*), der erst
in der späten Kaiserzeit auftritt7),
der aber häufiger als ein an die
Stelle des calceus patricius tretender
Schuh, den die Kaiser tragen, er-
wähnt wird8) und nach der Be-
schreibung9) ein schwarzer, san-
dalenartiger Schuh war, der das
Fuiäblatt offen ließ, dagegen die
Zehen bedeckte, an der Ferse hoch
hinaufging und mit Riemen am
Knöchel kreuzweise
wurde.
Neben diesen Arten wurden noch allerlei fremdländische Sorten von
Schuhwerk getragen: so die von Griechenland übernommenen phaecasia10),
die wahrscheinlich ägyptischen baxeae11), Sandalen aus Papyrus, Palm-
blättern u. dgl.12), die Philosophen- und Frauentracht13), später auch Luxus-
schuhwerk waren14); die parthischen, bis ans Knie reichenden zancae aus
aufgebunden
Fig. 48. Bronzelampe in Form einer caliga.
x) Eine alte Beschreibung derart liegt
nicht vor, wir können das nur aus den Denk-
mälern schließen, teils aus den Reliefs der
Trajanssäule, teils aus andern Darstellungen,
vgl. Mau a. a. 0. und den von Gatti im Bull.
comun. 1887, 53 tav. 3 abgebildeten Grabstein
eines caligarius, der oben zwei Schuhleisten
zeigt, von denen der eine mit einer caliga be-
kleidet ist.
2) Ioseph. b. lud. VI 1,8; diese clavi cali-
gares oder caligarii werden öfters erwähnt,
▼gl. Hin. IX 69; XXXIV 143. luv. 3, 248 ; 16,24.
Sy niphos. aenigm. 57. Isid. or. XIX 34, 13 (der
aber eine andere Erklärung gibt). CIL II 5181,
34 (lex met. Vipasc, mit verschiedenen Ver-
ordnungen, das sutrinum des Bergwerks be-
treffend). Da im Ed. Diocl. 9. 6 die caligae
militares (ebenso wie die andern) sine clavis
tarifiert sind, so pflegten wohl die Soldaten
sich ihre Schuhe selbst zu nageln.
3) Fig. 48 ist eine Bronzelampe (nach
Caylus Recueil IV 100, 5), die eine mit Nägeln
beschlagene caliga nachahmt.
4) Das Ed. Diocl. 9, 5 a hat caligae mu-
lionicae sive rusticae. luv. 3, 322 verspricht
jemand, caligatus aufs Land zu kommen.
5) Das scheinen die bei Cic. ad Att. II
3, 1 erwähnten zu sein ; wohl auch die caligae
muliebres, Ed. Diocl. 9, 10, obschon sie billiger
sind, als die der Soldaten. Treb. Poll. Gall.
duo 16, 4 kommen caligae gemmeae vor. Cali-
garii, bei Isid. a. a. 0. 2 seltsamerweise von
xa?.ö.-iovg (Schusterleisten) abgeleitet, kommen
auf Inschriften häufig vor, vgl. Marquabdt 597
A. 5. G. Kühn De opific. Romanor. condic. pri-
vata (Halle 1910) 53.
6) Vgl. Saglio a. a. 0. 862. Mau a. a. 0.
1433.
7) Campagi militares, Ed. Diocl. 9, 11.
8) Capitol. Maxim, duo 28, 9. Treb. Poll.
Gallien. 16, 4.
9) Bei loh. Lyd. de mag. 117. Daß, wie
Saglio a. a. 0. meint, byzantinische Mosaiken
diesen Schuh zeigen, weist Mau a.a.O. ab;
v. Sybel Christi. Antike I 130 nennt den aus-
geschnittenen Halbschuh, der erst 600 n. Chr.
in christlichen Malereien erscheint, compagus.
10) Als griechische Philosophentracht von
Sen. debenef.VII21,l erwähnt; vgl.epist. 113,
1. Daß sie auch in Italien Eingang gefunden
hatte, zeigt Petron. 82, 3 : als Frauentracht ebd.
67, 4 phaecasiae inauratae. Vgl. Leroux bei
D.-S. IV 123, wo aber das Zitat luv. 3,218 zu
streichen ist, da dort nicht phaecasianorum,
sondern haec Asianorum zu lesen ist.
") Vgl. Saglio a. a. 0.683. Mau aa. 0.176.
Vi) Isid. XIX 34, 6. Apul. met. II 28; Pa-
pyrus als Material zeigen ägyptische Funde,
s. Dabemberg-Saglio Fig. 809 ff.
13) Apul. met.XI8;ders.Flor. 19. Isid. a.a.O.
13. Sie werden schon bei Plaut. Men. 391 als
Frauenschuhe erwähnt und kommen als cal-
ci'/ mulieris alti oder calciamenta mulierttm
in den Glossen sehr häufig vor, vgl. Corp.
Gloss. VI 133. Isid. a.a.O. 6 schreibt sie den
comoedi zu.
,4) So bei Tertull. de pall. 4; de idol. 8.
Baxearii inschriftlich, s. CIL VI 9404.
15*
228
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
rotem Leder1). Bauern und Sklaven trugen Holzschuhe, sculponeae*), oder
hölzerne Sandalen3).
Was endlich die Kopfbedeckung anlangt, so ging für gewöhnlich der
Römer wie der Grieche unbedeckten Hauptes4); bei schlechtem Wetter zog
man wohl, wie wir oben sahen, die Kapuze des Mantels über den Kopf. In
alten Zeiten freilich scheint in Rom wie in Etrurien und anderwärts bei
den Italikern eine Filzkappe, der pitteus (oder pilleum)5), üblich gewesen
zu sein; denn der apex, galerus und tutulus der Priester sind vermutlich
ebenso noch ein Rest der alten Tracht6), wie der später allgemeine Brauch,
daß der freigelassene Sklave zum Zeichen der erlangten Freiheit den pilleus
aufgesetzt erhielt7). Mit dieser symbolischen Bedeutung des pilleus hing es
zusammen, daß am Saturnalienfest alle Welt mit solcher Kappe herumlief8);
außer dieser Zeit trugen sie nur gewöhnliche Leute, Arbeiter u. dgl.9). Das
Material dieser Kappen war teils gröberer Wollstoff, Filz u. dgl., teils Leder
oder Fell10). Auch der thessalische Hut, den die Griechen als Reisehut trugen,
der petasus11), war den Römern nicht unbekannt: er wurde, wie auch Bild-
werke lehren, von Landleuten und Reisenden getragen 12); Augustus trug ihn,
wenn er in seinem Hause in der Sonne spazierte13), und Oaligula erlaubte den
Senatoren, ihn im Theater aufzusetzen 14). Auch die causia lö), ein dem Petasus
ähnlicher Hut, ursprünglich makedonische Tracht16), wurde im Theater ge-
tragen17). Dagegen scheint ein mit dem Namen palliolum bezeichnetes Kopf-
») Treb.Poll.Claud.l7,6.Cod.Theod.XIV
10, 3 heißen sie tzangae und wird ihr Ge-
brauch innerhalb der Residenz untersagt, vgl.
ebd. 2. Procop. de aed. III 1 p. 247 Bonn. Da-
gegen gibt Acro z. Hör. sat. 1 6, 27 schwarzes
weiches Leder an, darnach Corp. Gloss.V 613,
45; vgl. ebd. 563, 67. Die ebd. 625 gegebene
Erklärung (die Goetz VII 432 mit Ausruf-
zeichen versieht) : sunt ossa erklärt sich durch
Isid. a. a. 0.9, der ossa unter den calciamenta
aufführt.
-) Plaut Casin. 495. Cator.r.59; 135,1.
Varr. b. Non. 164, 20. Isid. a. a. 0. 13. Corp.
Gloss. V 187, 13 ; 617, 21. Vgl. Chapot bei D.-S.
IV 1136.
3) Soleae ligneae, Petron. 95, 8.
4) Plut. qu.Rom. 14 p. 267A: ovvr)Mox?,oov
xaig fiev yvvai^iv £yxsy.akvfxf.isvmg, xolg ö'av-
ögäoiv dxah'mxoig sig xo drj/uöoiov jxgotsvai.
Etwas anderes ist aperto capite, im Sinne
von „ohne sich zu schämen", vgl. Plaut. Capt.
475. Petron. 57,5. Sen. dial. VII 13,2. Otto
Sprichwort, d. Römer 75.
B) Vgl. Paris bei D.-S. IV 179. Das Wort
wird bald pilleus bald pileus geschrieben, s.
Fleckeisen 50 Artikel f. lat. Rechtschreibg 35.
6) Vgl. hierüber W. Helbig Ueber den
Pileus der alten Italiker, in den SB der bayer.
Akad. f. 1880, Phil. hist. Kl. S. 487 ff.
7) Serv. ad Verg. Aen. VIII 564. Daher
heißt Sklaven freilassen: vocare ad pilleum
servos, Liv. XXIV 32, 9. Sen. ep. 47, 18. Suet.
Tib.4; capere pilleum, frei werden, Plaut.
Amph. 462; pilleati, die Freigelassenen, Liv.
XXXIII 24, 6. Vgl. Pers. 5, 82. Mart. II 68, 4.
Val. Max. VIII 6, 2. Suet. Nero 57. Marquardt
572 A.2.
8)' Mart. XI 6, 4; XIV 1,2; daher auch Sa-/
turnaliengeschenk, Mart. XIV 132. Stat. silv. j
IV 9, 24.
9) Hör. ep. 113, 15. Suet. Nero 26.
10) Daß man aus alten Lacernen pillea
machte, ist oben S. 215 A. 18 erwähnt. Filz als
Material bezeugt der Name, vgl. Blümner Tech-
nologie I 211 f. Pillei Pannonici aus Fell, von
Soldaten getragen, s. Veget. r. mil. I 25; vgl.
Isid. XIX 20, 5: pilleum autem dictum a pelle
hostiae, unde fiebat, was freilich falsche Ety-
mologie ist.
1 ') Vgl. Paris a. a. 0. 421 . Wüscher-Becchi
Bull, comun. XXXII (1904) 93.
12) Bei Plautus kommt er öfters vor, z. B.
Amphitr. 143; 443; Pseud. 735, doch könnte er
da durchweg dem griechischen Original ent-
stammen. Die erste sichere Erwähnung rö-
mischer Anwendung ist Varro bei Non. 352,
26. Bei Cic. fam. XV 17. 1 tragen ihn die Brief-
boten. Vgl. Arnob. VI 12.
13) Suet. Aug. 82.
u) Dio Cass. LIX 7, 8, wo er jxtiog Qea-
aaXixos heißt.
lä) Vgl.HEuzEY bei D.-S. I 975.
16) Val. Max. VI, ext. 4; daher setzte ihn
Caracalla, der Alexander d. Gr. nachahmte,
auf, Herodian. IV 8, 2.
17) Mart. XIV 29. Die Erwähnungen bei
Plaut, m. gl. 1178; Persa 155 gehen wohl wie-
der auf die griechische Quelle zurück.
Sechster Abschnitt. Die Tracht.
229
tuch nur von kranken oder weichlichen Personen getragen worden zu sein l).
Die udones endlich scheinen Filzsocken, eine Art Strümpfe, gewesen zu sein2).
Über diese mannigfaltige und umfangreiche Garderobe führten in reicheren
Häusern eigene Sklaven, die servi a veste oder ad vestem hießen 3), die Aufsicht;
andere Bezeichnungen dieser Kammerdiener oder Zofen für die weibliche
Garderobe sind vestispicus und vestispica4) oder vestiplictts und vestiplica**).
B. Die weibliche Kleidung.
Litteratur.
C. A. Böttiger Sabina oder Morgenszenen im Putzzimmer einer reichen Römerin, Leipzig 1803;
neue Auflage 1806; 3. Ausgabe, bearbeitet von Kael Fischer, Mttnchen-Gladbach 1878 6).
Die Tracht der Römerin war in den älteren Jahrhunderten der Republik
ähnlichen strengen Vorschriften der Sitte unterworfen, wie die der Männer,
und erst allmählich brachte der überhandnehmende Einfluß der Mode und
die zunehmende Lockerung der Sitten eine Änderung darin hervor, sodaß
die Unterschiede, die in der Tracht der Matrone und der Jungfrau, der
Bürgersfrau und derLibertine bestanden hatten, mehr und mehr verschwanden.
Als Unterkleid trugen die Frauen gleich den Männern eine hemdartige
und wahrscheinlich ärmellose oder nur mit kurzen Ärmeln versehene, wollene
Tunika7), die vermutlich auch als tunica interior bezeichnet wurde (siehe
oben S. 208), aber auch, wie bei den Männern, subucula hieß8). Ein anderer
Name, der aber erst spät auftritt, ist interula9); doch ist es nicht sicher,
ob diese mit der tunica interior identisch ist, wie denn überhaupt bei
den litterarisch überlieferten Namen weiblicher Kleidungsstücke sehr viele
») Quint. XI 3, 144. Sen. n. qu. IV 13, 10;
1. Ov. a. a. I 734.
2) Nach Mart. XIV 140 aus Ziegenhaaren;
nach Digg. XXXIV 2, 25, 4 vertraten sie die
Stelle von calciamenta. Als Filz, efj.jilkt.ov, wird
derwrfo Corp. Gloss. III 296, 26 ; 543, 1 9 bezeich-
net, vgl. 111 69.65; ebenso im Colloqu. Leid.
(Corp. Gloss. III 637, 1), doch erscheinen sie hier
neben den calciamenta, wie im Colloqu. Monac.
(ebd. 645,2) die pedules neben den caligae.
3) Häufig auf Inschriften, s. Marquardt
143 A. 14, hier auch die Belege für mancher-
lei Unterabteilung dieser Garderobesklaven,
da in der kaiserlichen Familie besondere a
veste castrensi, forensi, privata, regia, cena-
toria u. dgl. mehr vorkommen.
4) Non. 12, 12. CIL VI 9912: 33393 f. Not.
d. scavi 1899, 82 n. 76. Ueber die Form vesti-
picu s. Leo Melanges Boissier 355.
5) Plaut. Trin. 252. Quint. decl. 363. CIL
VI 7301; 8560; 9901; 9981; IX 3318. Dasselbe
ist wohl die plicatrix, Plaut m. gl. 695.
6) Die Abhandlung von Ant. Hehler Römi-
sche weibliche Gewandstatuen (in den Münch-
ner archäolog. Studien, dem Andenken Ad. Furt-
wänglers gewidmet, München 1909, S. 107 ff.)
behandelt nicht römische Frauentracht, son-
dern griechische in der römischen Kunst.
7) Die öfters erwähnte tunica muliebris,
vgl. Varr. 1. 1. X 27. Ed. Diocl. 7,54.
8) Varr. bei Non. 540. 20 : posteaquam binas
tunicas habere coeperunt, instituerunt vocare
subuculam et indusium. Daß hier von denFrauen
die Rede ist. zeigt die Erwähnung des Indu-
siums, das nicht zur Männertracht gehört. Ob
die tunica inferior den Namen stibucula erst
nach Einführung des Indusiums bekam oder
ob sie ihn schon früher führte und nur die
Benennung des letzteren neu war, ist nicht
auszumachen. Wenn bei Festus311,4 mp-
parus und subucula identifiziert werden : sup-
parus vestimentum puellare lineuiu, quod et su-
bucida, id est camisia, dicitur, so ist das ent-
schieden irrig, und die Worte id est camisia
sind ein Zusatz des Epitomators, der das zu
seiner Zeit übliche Wort für Hemde einsetzte;
vgl. Müller z. d. St. Marquardt 485 A. 2. Mau
bei P.-W. III 1483.
9) Apul.met.VIII9. Aurelian bei Vopisc.
Bonos. 15, 8: interulas diloras duas et re-
liqna quae matronae conmniunt. Daß sie
auch zur Männertracht gehörten, zeigt Apul.
Flor. I 9, der von der tunica interula des Hip-
pias spricht, und Valerian bei Vopisc. Prob.
4. 5, wo interulae paragaudiae erwähnt wer-
den. Da sowohl das diloras, wie paragaudia
auf reiche Verzierung deutet, ist die interula
wohl eher ein sichtbar getragenes Gewand.
230
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
unbestimmbar sind1). Der von den Männern getragene Lendenschurz, das
subligar (siehe oben S. 205), kommt zwar auch bei Frauen vor, anscheinend
aber nur als Badekleid2).
Wie die Griechinnen, so trugen auch die Römerinnen ein Busenband3).
das fascia pectoralis4) hieß, auch mamillare5) oder mit griechischen Namen
strophium6) oder taenia1); es wurde ebensowohl auf dem bloßen Leibe wie
über der Tunika getragen8) und hatte den doppelten Zweck, sowohl eine
zu starke Entwicklung des Busens zu beschränken9), als die schlaff ge-
wordenen Brüste zu heben10). Etwas anderes aber war wohl das bisweilen11)
fälschlich mit diesem Buseribande identifizierte amictorium12), das ein die
Brust verhüllendes Kleidungsstück von unbestimmbarer Form gewesen zu
sein scheint13). Etwas Ähnliches war möglicherweise das nur in älterer
Litteratur erwähnte capitium u), anscheinend ein um Brust und Arme gelegtes
Tuch oder Jacke16).
l) Man vgl. die Aufzählung bei Plaut.
Epid. 223 ff. , wo freilich die meisten Namen
nicht auf den Schnitt, sondern auf Stoff oder
Farbe des Kleides zu gehen scheinen. So
erklärt auch Non. 548, 24 die ebd. 231 er-
wähnte caltula als nach der gelben Blume
calta benannt, deren Farbe es hatte, dagegen
Varro ebd. 34: caltula est palliolum prae-
cinctui, quo nudae infra papillas praecingun-
tur; quo mulieres nunc eo magis utuntur,
postquam subuculis desierunt. Darnach sollte
man meinen, daß damals die caltula an die
Stelle der subucula getreten und eine Art
Hemde war, das man unter der Brust gürtete.
*) Mart. III 87, 4.
3) Vgl.LAFAYE beiD.-S.II980. Mau bei
P.-W.VI2007.
4) Mart. XIV 134. Ov. a. a. III 274; rem.
am. 837. Hieron. ep. 22, 6 p. 398 M.
5) Mart. XIV 66, wonach es von Leder
war, während die gewöhnliche fascia pecto-
ralis wohl meist Wollenstoff oder Linnen war.
6) Catull. 64, 65. Cic. de har. resp. 21, 44.
Varr. b. Non. 538, 15. Zwar will Mau a. a. O.
das strophium in dieser Bedeutung nicht gelten
lassen, sondern es, wie im altern Griechisch
oxQÖfpiov, als Gürtel fassen. In dieser Be-
deutung kommt es allerdings auch vor (Corp.
Gloss. VII 300), daß es aber auch direkt ein
Busenband ist, zeigt die Definition bei Non.
538,7: strofium est fascea brevis, quae vir-
ginalem horrorem cohibet pupillarum, wofür
die unten zitierte Stelle des Turpilius an-
geführt wird ; vgl. Corp. Gloss. V 623, 42.
7) Apul. met. X 21 : taenia qua decoras
devinxerat papillas; vgl. Poll. VII 65.
8) Vgl. Turpil. bei Non. 538, 9: epistula
excidit mi inter vias! j infelix inter tuni-
culam ac strofium conlocaveram. Die Denk-
mäler zeigen, daß man die Binde meist auf
den bloßen Leib anlegte, s. Daeemberg-Saglio
a.a.O Fig. 2879 ff. Rich Wörterb. 378.
*) Mart. XIV 134: er escentes compesce pa-
pillas. Hieron. ep. 117,7 p. 957 M.: papillae
fasciolis comprimuntur et crispanti cingulo an-
gustis pectus artatur ; ähnlich Isid . or. XIX 33. 6.
Non. a.a.O. Vgl. die Schilderung, die Ter. Eun.
314 ff. von einer Jungfrau entworfen wird, die
die Mutter durchaus schlank haben will, vineto
pectore, ut gracilae sient.
10) Catull. 64, 65: tereti strophio lactentis
vineta papillas. In diesem Sinne gehört die
fascia zur gewöhnlichen Damentoilette, wie
Ov. a. a. 0. Mart. XI 104, 7, sodaß selbst Her\
kules mit der übrigen Weibertracht der Om-
phale sie anlegt, Prop.V (IV) 9,49: mollis et
hirsutum cepit mihi fascia pectus. Der Unter-
schied aber, den Beckek annahm, daß das/
strophium (oder mamillare, taenia) den Zweck |
hatte, den vollen Busen zu heben, die fascia
dagegen, sein Wachstum zu beschränken, wird
von Göll 252 mit Recht bestritten.
n) So von Makquardt 484. Saglio bei
D.-S.I229.
,a) Mart. XIV 149: mammosas metuo, te-
nerae me trade puellae, \ ut possint niveo pe-
ctore lina frui. Daß es von Linnen war, zeigt
auch Hieron. in Esai. II 3 v. 23 p. 71 M. : mu-
lieres habent sindones, quae vocantur amictoria.
Im Sinne von amictus schlechtweg steht es
Isid. XIX 25, 7.
13) So Mau bei P.-W. 1 1830. Etwas an-
deres sind die amictoria im Cod. Theod. VIII
5,48,1, grobe linnene Männerkleider. Die
Glossen erklären amictorium durch emßölaiov,
jiEQißölaiov, oxsjiaofxa, s. Corp. Gloss. VI 62.
14) Vgl. Rich Wörterbuch 1 02. Saglio a. a.O.
1901. Mau a.a.O. III 1526.
15) Varro bei Non. 542, 23: tunicas neque
capitia neque strofia neque zonas; ders. ebd.:
neque id ab orbita matrum familias institutumf
quod eae pectore ac lacertis erant apertis nee
capitia habebant. Unklar ist Laberius bei Gell.
XVI 7, 9: induis capitium tunicae pittacium,
doch läßt es wohl nur die Deutung zu, daß
das capitium der Tunika eng anlag, wie ein
Heftpflaster. Jedenfalls ist Nonius im Unrecht,
der ohne Kenntnis des Gegenstandes capitia
Sechster Abschnitt. Die Tracht.
231
Von Kleidern, die über der untern Tunika getragen wurden, werden
uns verschiedene genannt. Zunächst ein in republikanischer Zeit übliches
Linnengewand, das supparum hieß l) und anscheinend ein bis zu den Füßen
reichendes Frauenkleid war 2), das man aber später kaum noch dem Namen
nach kannte 3). Daß es nicht mantelartig war, geht daraus hervor, daß es
wie die subucula zum indutus gerechnet wird4). Noch unsicherer ist die
Beschaffenheit des ebenfalls früh verschwundenen Kleidungsstückes, das
indusium hieß5) oder tunica indusiata6). In alter Zeit, von der nur die
spätere Tradition noch berichtete, sollen die römischen Matronen über ihren
Unterkleidern die Toga, wie die Männer, getragen haben7); das muß aber
schon früh aufgehört haben, denn gegen Ausgang der Republik und in der
Kaiserzeit ist die Toga die Tracht für bescholtene Frauen, also für des
Ehebruchs überführte Matronen8), für Libertinen und Dirnen9).
als capitum tegmina erklärte; richtiger Varro
1.1. VI 31: capitium ab eo quod capit pectus,
id est, ut antiqui dicebant, comprehendit. Das
Kleidungsstück war jedenfalls in der Kaiser-
zeit verschwunden; daher auch Corp. Gloss.
V 6 1 7 , 40 : capitium est summitas vestis per quod
caput hominis egreditur, nicht darauf geht,
sondern das Kopfloch eines Kleidungsstücks
bezeichnet, wie Hieron. ep. 64, 14 p. 615 M. und
sonst späte Schriftquellen. Da zwischen dieser
Bedeutung und jener sicherlich ein längerer
Zeitraum liegt, ist der Schluß von Mau a. a. 0.,
daß auch jenes Kleidungsstück ringsum ge-
schlossen und mit einer Oeffnung versehen
war, kaum berechtigt.
*) Eine Spezialuntersuchung über dieses
Wort gibt Röper in M. Terentii Varronis Eu-
menid. reliquiae, Part. II (Danzig 1861) p. 12 ff.
(mir unzugänglich).
2) Die von Non. 540, 8 zitierten Stellen
aus Plautus (Epid. 232), Novius, Afranius und
Varro geben wenig Aufschluß, nur daß es
von Linnen ist, Frauenkleid und zum indu-
tus gehörig, geht daraus hervor. Nonius de-
finiert es als linteum femorale (Röper unter
Beziehung auf Lucan. II 263, wo es heißt:
humerisque haerentia primis | suppara nu-
datos cingunt angusta lacertos, liest dafür
humerale; doch ist das kaum richtig, eher
wird femineum oder dgl. zu lesen sein) usque
ad talos pendens, dictum quod suptus appareat.
Dagegen gibt Van. 1.1. V 131 die Etymologie
von supra, bemerkt aber dabei, daß das Wort
oskisch sei. Es hängt wohl (siehe Makquakdt
484 f.) mit siparum, oicpago? (Segel) zusam-
men.
3) Daher wohl die falschen Definitionen
bei Festus 311,4. Corp. Gloss. IV 180, 1, die es
zwar als vestimentum puellare linteum be-
zeichnen, es aber mit der subucula identifi-
zieren. Späte Erwähnungen, wie bei Bähkens
PLM IV 378 v. 23. Tertull. de pall.4. sind wohl
nur gelehrte Reminiszenzen. Wenn Marquardt
a. a. 0. sagt, die Frauen hätten das supparum
beim Ausgehen auf der Straße, im Hause da-
gegen das indusium (siehe unten) über der
subucula getragen, so liegen Belege dafür
nicht vor.
4) Varrl.l.V131.
6) Varro a. a. 0. nennt es intusium und
sagt darüber: alter ins generis (nämlich vom
amictus) item duo : unum quod foris ac palam,
palla; alterum, quod intus, a quo intusium.
Diese Etymologie des Wortes, das sonst immer
indusium heißt, ist sicherlich falsch; aber
darin berichtet Varro wohl das Richtige, daß
die Frauen im Hause über der untern Tunika
das indusium trugen, beim Ausgehen aber
die palla anlegten. Eine andere Stelle des
Varro bei Non. 542, 21 unterscheidet subucula
und indusium als zwei Frauentuniken; und
Non. 539, 35 definiert: indusium est vestimen-
tum, quod corpori intra plurimas vestes ad-
haeret, quasi intusium, leitet es also auch
von intus ab. Es besteht also der Wider-
spruch, daß das indusium bald als Tunika
zum indutus gehört, bald zum amictus ge-
rechnet wird.
6) Plaut. Epid. 231, indusiarii als Händler
Plaut. Aul. 509. Es ist sicher, daß indusia
später unbekannt waren. Wenn Apul. met. II
19; X 30 von pulchre indusiati oder VIII 27
von variis coloribus indusiati spricht, so meint
er wohl nicht mit indusium (das ja ein Frauen-
gewand ist) bekleidete, sondern gebraucht in-
dusiati für induti.
7) Non. 540,32: toga non solum viri sed
etiam feminae utebantur. Afranius Fratriis:
se quidem prandere stantem nobiscum, in-
cinctam toga. Varro de vita populi Romani
Hb. I: praeterea quod in lecto togas ante ha-
bebant; [ante] etenim olim toga fuit commune
vestimentum et diurnum et nocturnum et mti-
liebre et virile. Serv. ad Aen. 1582: bene gen-
tein (togatam), quia et sexus omnis et con-
dicio toga utebatur.
8) luv. 2, 68. Mart.II39,2;VI64,4;X52.
Schol. Cruqu. ad Hör. sat. I 2, 63.
9) Cic.Phil. II 18,44. Hör. sat. I 2,63 u. 82.
Tib.IV10,3; vgl. Mart. I 53, 8.
232
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
Indessen das eigentliche Staats- und Ehrenkleid der römischen Matrone,
das sie ebenso als solche kennzeichnete1), wie die Toga den römischen
Bürger, war die als obere Tunika getragene stola2). Das war ein bis zu
den Füßen reichendes Gewand3), das ursprünglich auch von Männern ge-
tragen worden zu sein scheint4), mit Halbärmeln5) und gegürtet6); be-
sonders charakteristisch aber ist für die matronale Stola, cfafi unten ein
besonderer Streifen, die instita, angenäht war7). Dies Kleid ist etwa seit
dem 6. Jahrhundert d. St. allgemeine Frauentracht geworden, dergestalt,
daß auch Libertinen, denen das Tragen derselben an sich nicht zustand,
durch Verheiratung mit einem römischen Bürger das Recht der Stola er-
hielten8). Indessen kam in der Kaiserzeit eine besondere Bedeutung der
Stola auf: indem nämlich Frauen, die Kinder hatten, dies Kleid als ehren-
volle Auszeichnung trugen9), und in der Folgezeit auch solche, die keine
Kinder hatten, trotzdem wie die Männer das ins trium liberorum und damit
die Stola der Mütter erhielten, wurde femina stolata zu einem auf Inschriften
') Vgl. außer den unten angeführten Stellen
Festus 125, 15 : matronas appellabant fere, qui-
bus stolas habendi ius est. Mart. I 35, 9 spricht
von stolatus puäor; vgl. X 5, 1 : stolaeve pur-
puraeve contemptor. Isid. XIX 25,5: amiculum
est meretricum pallium lineum. hoc apud to-
teres midieres in adulterio deprehensae in-
duebantur, ut in tali amiculo potius quam in
stola polluerent' pudicitiam. erat enim apud
veteres Signum meretriciae vestis, nunc in Hi-
spania honestatis.
*) Vgl. Hübner Comm. philol. in hon.
Momms. 104 ff. mit Nachtrag Hermes XIII
(1878) 425 f.
s) Hör. sat. I 2, 99 (vgl. 71). Tib. 1 6, 68.
Ov.exPontollI3,52. Macr.16,13. Daß sie
über der Tunika getragen wurde, zeigt z. B.
Priap. 12, 11: scissa sub tunica stolaque rufa.
4) Doch ist zu beachten, daß das dem
Griechischen entnommene Wort ursprünglich
überhaupt jede Gewandung bedeutete, Non.
537,23: stolam veteres non honestam vestem
solam, sed etiam omnem quae corpus tegeret
dixerunt. Im speziellen nannte man den langen
griechischen Chiton stola; so in den Frag-
menten aus dem Telephus des Ennius bei
Non. a.a. 0., ferner Varr. r. r. III 13,3. Cic. Verr.
IV 34, 74. Vitr. 11,5. Dagegen wird unter der
stola muliebris wohl immer die matronale
verstanden, so in den Fragmenten des Varro
bei Non a.a. 0.28; vgl. dens. 1.1. VIII 28, wo
die virilis toga mit der tunica, die muliebris
stola mit dem pallium zusammengestellt ist;
s. ebd. IX 48.
5) Das ist nicht bezeugt, geht aber aus
den Bildwerken hervor, vgl. Beckek-Göll253.
Marquardt 577 A. 8. Der Verschluß ist in
verschiedener Art bewirkt, bald durch Knöpfe
oder Agraffen, bald durch Naht.
^ 6) Auch dies zeigen die Bildwerke; ferner
Ennius bei Non. 198, 1: ecquis illaec est quae
lugubri succinctast stola. Das cingulum wird
zwar nur bei der Tracht der Braut erwähnt
(Festus 63, 5), dagegen gehört die zona so-
wohl zur Braut- wie zur gewöhnlichen Frauen-
tracht, vgl. Catull. 2, 13. Ov. her. 2, 116; rem.
am. 602; Fast. II 320. Mart. XIV 151.
7) Hör. sat. I 2,29: quarum subsuta talos
tegat instita veste; dazu bemerkt der Schob
Cruqu.: quia matronae stola utuntur ad imos
usque pedes demissa, cuius imam partenpambit
instita subsuta, id est coniuncta. instita autem
Graece dicitur jieqijisSuov, quod stolae sub-
suebatur, qua matronae utebantur : erat en im
tenuissima fasciöla, quae praetextae adicie-
batur. Doch bezeichnet Ovid. a. a. I 32 und
trist. II 248 die instita als longa: als Kenn-
zeichen der Matrone erwähnt er sie auch a. a.
II 600. Der Annahme von Rich Wörterb. 586,
daß die instita eine an den Gürtel angenähte
lange Schleppe gewesen sei (wie sie allerdings
manche Denkmäler zeigen), widersprechen
Göll 255 und Marqüardt 574 A. 1 mit Recht,
zumal dies zur sonstigen Bedeutung des Worts
(vgl. oben S. 114) gar nicht paßt. Auf den
Denkmälern hat sich die instita bisher noch
nicht nachweisen lassen.
8) Das geht aus dem Bericht bei Macr.
I 6, 13 hervor, wonach im zweiten punischen
Kriege die libertinae quae longa veste ute-
rentur, zu den Kosten eines lectisterniums
herangezogen wurden. Darauf bezieht Hübner
a. a. O. die Grabschrift einer Freigelassenen
CIL I 1194: ita libertate illei me, hie me dc-
cora{r)at stola, Darauf geht wohl auch die
bittere Ironie des Cic. Phil. II 18,44: sed cito
Curio intervenit, qui te a meretricio quaestu
abduxit et tamquam stolam dedisset in matri-
monio stabili et certo conlocavit. Plin. XXXIII
40 unterscheidet scherzhaft zwischen stola
und plebs noch einen medium feminarum
equestrem ordinem.
9) So erklärt Hübner a. a. 0. die Worte
der Cornelia bei Prop.V(IV) 11, 61f.: et ta-
rnen emerui generosos vestis honores, \ nee
mea de sterili facta rapina domo.
Sechster Abschnitt. Die Tracht.
ü:;:;
nicht seltnen Ehrentitel l). Wie sich freilich diese Stola von der der andern
Matronen unterschied, wissen wir nicht2). Übrigens hat es den Anschein,
als ob schon im ersten Jahrhundert n. Chr. die matronale Stola vielfach
von den Frauen nicht mehr getragen worden sei3); jedenfalls war sie im
dritten Jahrhundert ganz abgekommen und an ihre Stelle, wie in der männ-
lichen Tracht an die der Toga, Dalmatika und Colobium getreten4).
Wenn die Frau im Hause sich mit den genannten Gewändern begnügte,
so kam bei Ausgängen noch als amictus ein mantelartiges Kleidungsstück
hinzu. In älterer Zeit scheint dies das schon im Zwölftafelgesetz erwähnte
riruiiiui)5) oder recinium6) gewesen zu sein; es war ein einfaches, viereckiges
Mäntelchen7), das zur Hälfte über den Kücken fiel8) und wahrscheinlich
auch über den Kopf gezogen wurde9). Während es ursprünglich wohl eine
') Die Inschriften, die nicht über das
2. Jahrb. n.Chr. zurückgehn, sind bei Hübner
a. a. 0. und Marqüardt 575 A. 1 aufgeführt.
In allgemeinerem Sinne steht stolatae bei
Petron.44, 18.
2) Hübner S. 110 vermutet, daß die Ehren-
stola eine mit Purpur verbrämte, etwa mit
purpurner instita besetzte Stola gewesen sei.
3) Nach dem von Tert. de pallio 4 er-
wähnten und von Marqüardt 581 A. 8 näher
erklärten Antrage, den Caecina Severus unter
YTiberius im Senate stellte, daß Matronen, die
»ine stola in piiblico erschienen, bestraft wer-
/den sollten. Tertullian bemerkt dazu, daß zu
/seiner Zeit die Frauen stola und supparum
als unbequem abgelegt hätten; immerhin er-
\ wähnt ülpian Digg. XXXIV 2, 23, 2 die stola
poch unter den weiblichen Kleidungsstücken.
4) Siehe oben S. 208 und Ed. Diocl. 26, 34
u. ö.: als besondere Frauentracht erscheinen
hier 19, 8 ff. und 22,6 die öskuartxoiiaq^egua,
die den spätlat. mafortia entsprechen, s. Serv.
ad A en. I 282. Isid. X IX 25, 4 ; es scheinen dies
Dalmatiken mit Kopfbedeckung gewesen
zu sein, denn die Glossen erklären maforte
als operimentum capitum mulierum , Corp.
Gloss. V 604, 30. Siehe unten bei ricinium.
5) Cic. de leg. II 23,59 (wo allerdings Halm
die betreffenden Worte auswirft, aber vgl.
Scholl leg. XII tab. reliqu. 57) ; ebd. 25, 64 wird
bemerkt, daß die Bestimmung betreffs der
tria ricinia bei Bestattungen eine Herüber-
nahme aus solonischen Gesetzen sei; nach
Plut. Sol. 21 sprach die solonische Verordnung
von rgia f/idria, sodaß die Zwölftafeln rici-
nium im allgemeinen Sinne von Oberkleid
gebraucht zu haben scheinen, nicht, wie Mar-
qüardt 575 meint, von Teppichen, mit denen
man den Scheiterhaufen schmückte; vgl. das
bei Plut. ebd. erwähnte Luxusgesetz: igterat
uan'o))' tqhTjv ii'tj tiXeov eyovoav xsXsvoag.
6) Die älteren Belegstellen haben nur
die Form ricinium, die auch dem jedenfalls
vom gleichen Stamme kommenden rica (s.
unten) entspricht: recinium haben die Gram-
matiker (Festus 274b, 32: 275. 12. Serv. ad
Aen. I 282), vielleicht nur wegen der von
ihnen gegebenen falschen Etymologie von
reicere, die schon Varro 1. 1. V 132 gibt: auti-
quissimis amictui ricinium. i<l, quod eo uic-
bantur duplici, ab eo quod dimidiam partem
retrorsum iueiebant, ab reiciendo ricinium
dictum.
7) Festus 274b, 32 (nach der Emendation
von O.Müller): recinium omne vestimentutn
quadratum ii, qui XII interpretati sunt, esse
dixerunt, \'er)-ius togam, qua midieres uteban-
tur,praetextam clavo purpureo. Isid. XIX 25,4:
/'dem (vorher § 3 ist die stola besprochen, sodaß
hier wohl ein Irrtum des Isidor vorliegt, oder
es geht auf die § 2 besprochene palla) et rici-
nium Latino nomine appellatum, eo quod di-
midia eius pars retro reicitur, quod vulgo
mavortem dieunt. Non. 542, 1 : ricinium, quod
nunc mafurtiuion dic/fur, palleolum femineum
breve. Varro Tatpfj Mevbuiov: nihihon magix
decere rmdierem quam ricinium , paUeum
Simplex, idem de tnta populi Romani lib.I:
ecquo mulieres in adversis rebus ac luctibus,
cum omnem vestitum delicatiorem ac lu.mri-
osum postea inst it >tt um ponunt,ricinia sumunt.
Serv. ad Aen. 1282: recinus autem dicitur <d>
eo, quod post tergum reicitur, quod vulgo
mavortc dieunt. Vgl. Corp. Gloss. V 525,41.
8) Marqüardt a. a. O. nimmt an , man
habe es über den linken Arm oder die linke
Schulter zurückgeworfen, ebenso Becker-Göll
265, doch sagen die Quellen davon nichts;
ebensogut kann es vom Kopf einerseits über
beide Schultern nach vorn, andrerseits über
den Rücken gefallen sein, wie das Rich 521
annimmt.
9) Das geht daraus hervor, daß die spä-
tem Grammatiker es mit dem nutrortc oder
mavortium identifizieren, denn dies (s. oben
A. 4) bedeckte den Kopf, vgl. Isid. a. a. 0. : vo-
catum ante»/ Marortent, quasi Marfan, signum
mim maritalis dignitatie et pottstatis in eo
est. caput cnim mulicris riri est, indc et su/>er
oaput mulicris est. Corp. Gloss. V 525, 41; 604,
30 u. s., vgl. VI 668; s. auch Landgraf Arch.
f. lat. Lexikogr. IX (1896) 437.
234
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
alltägliche Tracht war1), scheint es später, als reichere Überkleider auf-
kamen, als Trauerkleid angelegt worden2) und dann ganz aus der Mode
gekommen zu sein; bloß im Kultus erhielt es sich noch bis in die Kaiser-
zeit hinein3). Hingegen war die später gleichfalls aus dem gewöhnlichen
Gebrauch verschwundene, nur als Tracht der ftaminica noch verbliebene4)
rica nicht mit dem ricinium identisch5), sondern ein ebenfalls quadratisches,
aber nicht auf den Rücken herabfallendes Kopftuch6). Dasjenige Kleidungs-
stück aber, das die römischen Frauen in den letzten Jahrhunderten der
Republik und den ersten der Kaiserzeit über der Stola anlegten, wenn sie in
der Öffentlichkeit erschienen, war die palla'1). Bei den Stellen der römischen
Schriftsteller, in denen die palla erwähnt wird, hat man aber zwei Be-
deutungen zu unterscheiden. In sehr zahlreichen Fällen wird damit grie-
chische Tracht bezeichnet, namentlich wenn sie als Gewand von Göttern
und Heroinen, von Schauspielern, Kitharoeden u. dgl. erscheint8): da bedeutet
sie den Peplos oder den langen, bis zu den Füßen reichenden Chiton9).
Die römische palla aber entspricht mehr dem griechischen ljudnov10); sie
gehörte daher zum amictus11) und war ein großes viereckiges Tuch, das
um den Körper gelegt wurde, indem man es von der linken Schulter über
den Rücken nach rechts zog und entweder über die rechte Schulter und
Arm oder unter dem rechten Arm nach vorn über den Leib führte und
') Vgl.Novius bei Non.539,21.
2) Varro bei Non. 542, 3 (s. oben) ; ders.
ebd. 549, 32.
3) Henzen Act. fratr. Arval. 38. Mar-
quardt 576.
4) Festus 288, 10. Serv. ad Aen. IV 137 ;
vgl. Varr. 1.1. V 130. Marquardt Röm.Staats-
verwalt. III 318. Daß sie noch zu Hadrians
Zeit üblich gewesen sei, wie Mau zu Mar-
quardt 583 A.7 aus Gell. VII (VI) 10,4 schlie-
ßen will, ist schwerlich richtig: hier heißt es
von dem als Mädchen verkleideten Eukleides:
er trug die tunica longa muliebris, das pallium
versicolor und war caput rica velatus; Gellius
bezeichnet also nur griechische Tracht mit rö-
mischen Namen, ohne daß deshalb die rica
noch gebräuchlich gewesen zu sein brauchte.
Ebenso gilt German. Arat. 123 von der Ver-
gangenheit.
5) Wie Marquardt 575 und Pottier bei
D.-S. IV 868 meinen; unterschieden werden sie
von Becker-Göll 255; vgl. Novius bei Non.
539,21 wo rica und ricinium nebeneinander
genannt sind.
8) Die Erwähnung bei Plaut. Epid. 232
besagt nichts Näheres, ebensowenig die des
Novius oder die Zitate aus Serenus bei Non.
ebd. 19 und aus Lucilius ebd. 29; dagegen
vgl. Turpil. ebd. 35 (auch 549, 9) : virginem . . .
in capite indutam ostrinam riculam. Varro
1.1. VI 30: rica ab ritu, quod Romano ritu
sacrificium feminae cum faciunt, capita velant.
German. Arat. 122: ore velato tristisque genas
abscondita rica (daher Becker-Göll a. a. 0.
nicht richtig sagt, daß die rica das Gesicht
frei ließ). Gell. a.a.O. Festus 277a, 5: ricae
et riculae vocantur parva ricinia, ut palliola
ad usum capitis facta. Daher Corp. Gloss. IV
278, 30 rica durch metri (d. i. mitrae) genus
erklärt wird. Auffallend ist, daß Non. 539
17 sagt: rica est quod nos sudarium dicA
mus.
7) Vgl. Rich Wörterbuch 434 ff. Leroux
bei D.-S. IV 292; die ältere Litteratur über
die viel ventilierte Frage Marquardt 576
A.7.
8) Siehe Beispiele bei Marquardt 580 f.
Nur diese palla ist gemeinsame Tracht beider
Geschlechter, nicht die römische, wie Mar-
quardt 577 angibt, wo auch die Zitate Auct.
ad Her. IV 47, 60. Ov. met. IV 483; XIV 262
nicht am Platze sind, da sie auf griechische
Tracht gehen.
9) Serv. ad Aen. I 479 ; daher auch die
Glossen palla teilweise durch jiejiXoq wieder-
geben, s. Corp. Gloss. VII 40.
10) Daher gehen diejenigen Glossen, die
palla mit nsgißkrjua oder avaßokaiov erklären,
auf die römische palla.
1 ') Daher Hör. sat. 1 2, 99 : circumdata palla.
Varr. bei Non. 549, 32: pullis pallis amictae.
Gewöhnlich nimmt man an, daß Varro 1.1. V
131 dem widerspreche, indem er da Aie palla
zum indutus rechne (so Marquardt 577 A. 1 ;
Becker-Göll 260) ; das ist aber nicht richtig.
Vielmehr rechnet er zum indutus subucula
und supparum, zum alterum genus, d.h. zum
amictus, palla und intusium (da er dies nicht
von induere, sondern von intus ableitet, s.
oben).
Sechster Abschnitt. Die Tracht.
•j.ir»
das Ende über den linken Arm
oder die linke Schulter herab-
fallen ließ l) (vgl. Fig. 49) 2).' Mit-
unter wurde sie auch über den
Kopf gezogen3).
Das pallium, das, wie wir oben
(S. 214) sahen, im besondern dem
griechischen Mantel entsprach
und von Männern getragen wur-
de, kommt auch als Frauentracht
vor, aber abgesehen von solchen
Stellen, wo es direkt als griechi-
sche Kleidung bezeichnet wird4),
scheint es in Rom vornehmlich
Tracht der Libertinen gewesen
zu sein5), ebenso das pallioliim*).
Dagegen wissen wir über die Be-
schaffenheit des nur von Gram-
matikern erwähnten tunicopal-
lium1) gar nichts Näheres8). Im
*) So beschreibt Apul. met. XI 3 die
Isis: palla . . . quae circumcisa remeans
et sub dexterum latus ad umerutn laevum
recurrens, umbonis vicem deieeta parte
laciniae multiplice contabulatione depen-
dula ad Ultimos oras nodxdis fimbriarum
decoriter confluetuabat. Die Fransen sind
dabei allerdings speziell zur Tracht der
is gehörig. Isid. XIX 25,2: palla est
quadrum pallium, »ndiebris vestis, de-
duetum usque ad vestigia; vgl. Serv. ad
Aen. XI 576. Die beiden oben angegebenen
Arrangements werden durch zahlreiche
antike Bildwerke versinnlicht, s. Mar-
quardt 577 A. 7 ff. Leroux a. a. 0.
2) In Herkulaneum gefundene Porträtfigur
imMuseum nazionale inNeapel (nachPhotogr.).
3) Wie bei der bekannten sog. herkulani-
schen Matrone, Becker Augusteum Taf. 19 ff.
Gürtung der palla fand aber wohl nur ganz
ausnahmsweise statt, wie Hör. sat. I 8. 23 : ni-
gra succinetam palla bei der Zauberin Canidia.
Die von Marquardt 578 A. 3 zitierten andern
Stellen (Sen.Troad.92. Verg. Aen. VI 555) ge-
hen auf die griechische palla, also den Peplos.
4) Tertullians Schrift de pallio handelt
vom griechischen Mantel der Philosophen;
das pallium war aber damals speziell Christen-
tracht geworden (cap. 5 ext.), und daher ge-
braucht es Tertullian auch von der Frauen-
tracht, de virg.vel. 12.
5) Ov. am. 1 4, 41 ; ebd. 50 : conscia de tergo
pallia deme tuo. Daß es ein langer Mantel
war, der beim Sitzen oft den Boden streifte,
zeigt Ov. ebd. III 2, 25 und a. a. 1 153, daß es
viereckig war, Petron. 135,4.
Fig. 49. Römische Frauenstatue aus Herknlatienni.
6) Mart. IX 32, 1 : palliolata ; ebd. XI 27, 8
j und Hieron. ep. 122, 7 p. 957 M.:/>rtW/ohoH inter-
\ dum cadit, ut candidos nudet humeros. Bei luv.
3, 94 geht Dorida mtüo cid/am pailiolo auf
' Theaterkostüm. Dies pidVtolum ist nicht zu
verwechseln mit dem ebenso benannten Kopf-
tnche (s. oben S. 229), das auch Frauen getragen
zu haben scheinen; vielleicht geht Digg.XXXlV
2, 38, 1 auf solche.
7) Acro ad Hör. sat. I 2,99. Serv. ad Aen.
1 648, als Erklärung von pallam rigentem ; eben-
so Non. 537,31 für palla. Vereinzelt stehen die
tunicae palliolatae bei Vopisc. Bonos. 15.8.
8) Wenn Marquardt 578 f. die Tracht
einer herkulanischen Bronze (ebd. Fig. 8) als
römische beschreibt und tunicopaümm nennt,
so ist das falsch: mit Recht bemerkt Mau
ebd. 579 A. 3 und 580 A. 4, es handle sich
hier um griechische Tracht (es ist der be-
kannte dorische Chiton), die mit dem tunico-
pallium nichts zu tun habe.
236
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
übrigen fanden verschiedene der oben angeführten männlichen Oberkleider
auch in der Frauentracht Anwendung: so kommt als solche die paenula
vor1) und vereinzelt auch die laena2).
Was die Fußbekleidung der Frauen anbelangt, so war diese im
wesentlichen von der der Männer nur durch größere Zierlichkeit oder
kostbarere Ausstattung, nicht dem Wesen nach verschieden3). Im Hause
wurden Sandalen, soleae, getragen, in den verschiedenen Arten, die darin
Mode waren und oben besprochen worden sind4); beim Ausgange calcei%
und vornehmlich solche aus feinem Leder {aluta) von weißer oder bunter
Farbe6); Vergoldung war sehr gewöhnlich7), größerer Luxus das Besetzen
mit Perlen und Edelsteinen8), worin freilich in der Kaiserzeit auch gecken-
hafte Männer mit den Frauen wetteiferten. Was endlich die Kopfbedeckung
betrifft, so war es für verheiratete Frauen zwar unziemlich, auf der
Straße mit unbedecktem Kopfe zu erscheinen9), doch trugen sie für ge-
wöhnlich keine eigentliche Kopfbedeckung, wie Hut oder Haube, sondern
zogen die Palla über den Kopf10); höchstens wurden Kopftücher über die
Haare gelegt, wie in alter Zeit die später aus der Mode gekommene rica
(siehe oben S. 234) oder die griechischer Tracht entnommene mitra11), sowie
die calantica12), die von der mitra meist unterschieden wird13). Manche
derartige Kopfputze gehören aber mehr zum Haarschmuck, als zur Kopf-
bedeckung, und werden daher noch unten besprochen werden.
') Lampr. AI. Sev. 27, 4: matronas intra
urbem paenulis uti vetuit, in itinere permisit;
paenulae matronales Treb. Poll. trig. tyr. 14,4.
Vgl. Digg. XXXIV 2, 23, 2.
2) Hieron. ep. 22, 13 p. 615 M. : super hu-
meros hyacinthina laena Maforte volitans.
3) Äel. v.h. Vll 11 : Pwuaiwv de ai TiolXal
yvralxeq y.al rot vsioöi'juaza zavza fpogeiv zoig
urdgaoiv sidio/ievai eioiv. Varr. 1. 1. IX 40: ut
calcei muliebres sint an viriles, dicimus ad
similitudinem figurae, cum tarnen sciamus non
numquam et mulierem habere calceos viriles
et virum muliebris. Tert. de virg. vel. 12 sagt
von den Frauen : calceum stipant multiformem.
Daß Frauen auch caligae trugen, zeigt Hieron.
ep. 122,7 p. 957 M.: caliga quoque ambulantis
ntqella ac nidens Stridore ad se iuvenes vocat.
4) Siehe S. 222 f. Das Ed. Diocl. 9, 15 ff.
führt als spezielle Frauensandalen an tau-
rinas muliebres bisoles und monosoles (doppel-
und einsohlig), dann socci muliebres, inau-
ratae, die wohl auch speziell Frauentracht
sind, u. a. m. Die bei Plaut. Trin. 252 er-
wähnten sandaligerulae trugen wohl den
Frauen beim Ausgang die Sandalen, die sie
beim Besuche anlegten, nach.
b) Clem.Al.Paed.IIll.
6) Ov. a. a. 111 271: pes malus in nivea
semper celetur aluta. Apul.met.VII 8: calcei
feminini albi atque tenues. Vopisc. Aur. 49, 7
werden calcei mulli, cerei, albi, hederacei als
Frauentracht genannt.
7) Ed. Diocl. a a. 0. Petron. 67,4: phae-
casiae inauratae (s. über die tpaix&oia Mar-
QUAKDT 594).
8)Plin.]X114.Lampr.Heliog.4,4.TertuhV
de cult. fem. I 7. Vgl. Hübner im Hermes I
(1866) 354.
9) Plut. qu. Rom. 14 p. 267 B, mit der Anek-
dote, daß Sulpicius Gallus seine Frau ver-
stoßen habe E(/>sXHvaafisvt]v idtov y.aza xecpaXfji
xo i/iäziov. Val.Max.VI 3, 10: uxorem dimisit,
quod eam capite aperto foris versatam cogno-
verat.
10) Tac. ann. XIII 45 von der Poppaea:
rarus in publicum egressus, idque velata parte
oris, ne satiaret aspectum, vel quia sie decebat.
") Digg. XXXIV 2, 23, 2: capitia, zonae,
mitrae quae magis capitis legendi quam or-
nandi causa sunt comparata. Verg. Copa 1 :
Grata redimita mitella, wo sie syrische Tracht
ist; als barbarisch erscheint sie auch sonst
öfters, s. Friedländer zu luv. 3, 66 ; vgl. Digg.
a. a. 0. 25,10: de Ridder bei D.-S. III 1956.
12) Non. 537,2: calantica est tegmen mu-
liebre quod capiti innectitur. M. Tullius in
Clodium: tum cum vincirentur pedes faseeis,
cum calanticam (hdschr. auch calvaticam) ca-
piti aecommodares. Serv. ad Aen. IX 613 iden-
tifiziert sie mit der mitra. Vgl. Saglio bei
D.-S. I 814. Mau bei P.-W. III 1337.
13) So Afran. im Schol.Bob.zu Cic.ed.Or.
V 2, 336. Digg. a. a. 0. Corp. Gloss. II 95, 14
wird sie seltsamerweise als sldog l,wvi)<; er-
klärt. Mau a. a. 0. nimmt an, sie habe weiter
herabgehangen als die mitra, Wüscher-Becchi
Bull, comun. XXIX (1901) 109 ff. identifiziert
die calvatica (welche Form er für die rich-
tigere hält) mit dem palliolum und erklärt
sie als ein am Hinterkopf befestigtes Tuch.
Sechster Abschnitt. Die Tracht.
237
Über die mit der Aufsicht über, die Frauengarderobe betraute Diener-
schaft siehe oben S. 229.
C. Die Kleiderstoffe.
Litteratur.
Mongez Recherches sur les habillemens des Anciens. in den Möm. de l'Instit. royal de France
Classe d'hist. et de litter. anc. IV (1818) 222 ff.
J. Yates Textrinum antiquorum. An account of the art of weaving among the ancients.
Part. I. London 1843 (nicht mehr erschienen).
H. Blümner Technologie und Terminologie der Gewerbe und Künste bei Griechen und Römern.
Leipzig 1875. I 89 ff.
Der weitaus am meisten zur Kleidung benutzte und zugleich auch der
in Italien seit Urzeiten übliche Stoff war die Schafwolle1). Die Schafzucht
war in Italien schon früh einheimisch und blühend; und jedenfalls schon in
sehr früher Zeit waren aus Griechenland, der Heimat vorzüglicher Wollen-
produktion, Schafe edler Rasse nach Italien, besonders nach Großgriechen-
land, eingeführt worden2). Zur Zeit des Plinius war unter den Wollsorten
Italiens die von Apulien am meisten geschätzt3), zumal die von Luceria4)
und Canusium5). Die apulische Wolle war besonders ihrer Weichheit und
Feinheit wegen geschätzt6), die canusinische auch wegen ihrer braunen
oder roten Naturfarbe7). Zu Togen, zu denen nur weiße Wolle genommen
werden konnte, eignete sie sich daher wohl weniger, als zu Mänteln u. dgl.8),
auch zu Staatslivreen für Sklaven9). Nicht minder beliebt war die Wolle
von Kalabrien10), wo neben Brundisium11) ganz besonders Tarent ein wich-
tiger Produktionsort war12). Die hier heimische Rasse13), die sehr gepflegt
J) Vgl. H. Grothe in der Deutsch. Viertel-
jahrsschrift 1866. 259. Thedenat bei D.-S. III
9 14 ff. Ueber die Hauptproduktionsorte vgl.
Büchsenschütz Hauptstätten des Geweib-
fleißes im klass. Altert. 58 ff. Blümner Die ge-
werbl. Tätigk. d. Völker d. klass. Altert., im Re-
gister unter Wollenweberei. Marquardt 475 ff.
2) Noch spät hießen solche aus Griechen-
land eingeführte Schafe griechische, Plin. VIII
190: lana laudatissima Apuia et quae in Italia
Grraeci pecoris appettatur, alibi Italica. Colum.
VII 4,1: Graecum pecus, quod plerique Ta-
rentinum vocant. Die alte Freundschaft zwi-
schen Sybaris und Milet ging auf solche Be-
ziehungen zurück, Timaeus bei Ath. XII 519 B.
3) Plin. a.a.O.; freilich sagt Colum. VII
2,3: gener is eximii Calabras Apulasque (oves)
et Milesias nostri existimabunt , earumque
optima* Tarentinas; nunc Gatticae pretiosiores
habentur. Vgl. Mart. II 46,6; VIII 28. 3; XIV
155 ; daher auch X 74, 8 : Appnlos velim campos.
Varro besaß Schafherden in Apulien, r. r. II
pi . 6. die im Sommer auf die Höhen von
Samnium und das Gebiet von Reate getrieben
wurden, ebd. II 1,6; 2.9.
4) Hor.carm.III15, 13.
5) Plin. a.a.O. Ath. III 97 E.
6) Mart. VIII 28. 3. Strab. VI 284, wonach
sie weicher war, als die tarentinische, aber
weniger weiß. Nach Varro 1. 1. IX 39 war sie
sehr dauerhaft im Gebrauch.
7) Mart. XIV 127: Canusinae fuscae; ebd.
129: Canusinae rufae. Plin. VIII 191: Canu-
sium fulvi (veUeris).
8) Besonders für paenulae, Plin. VIII 190:
Apulae (lanae) breves villo nee nisi paenulis
celebres: so nach Ath. III 97 E auch canusini-
sche, und die Canusinae bei Mart. a. a. 0. sind
wohl auch paenulae. Vgl. Vopisc. Carin. 20. 6:
birri Canusini, die auch Ed. Diocl. 19, 38 auf-
geführt werden.
<J) Mart. IX 22, 9 : canusinatus Si/rus. Suet.
Nero 30: canusinati »ui/iones.
10) Colum.VII2,3. Pers.2,65.
11 ) Strab. VI 282.
»•) Plin. VIII 190; XXIX 33 (in medizini-
scher Anwendung). Colum. a.a.O. Mart. XIII
125. Calpurn. ecl. 2, 69. Im Ed. Diocl. 25, 1
kommt die tarentinische Wolle als die teuerste
an erster Stelle.
13) Nach Colum. VII 4, 1 wurden griechische
Schafe auch speziell tarentinische genannt,
so auch XII 2, 35. Pall. XII 13.5, und in die-
sem Sinne vermutlich schon Plaut. Truc. 649.
Speziell waren pecus Tarentinum weichwollige
Schafe im Gegensatz zum pecus hirtum, Colum.
I pr. 26, vgl. VII 4, 1 : ex omnibus Tarentimtm
est moüissimum.
238
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
und deren Wolle durch Decken oder Felle gegen Unreinigkeiten geschützt
wurde1), lieferte Wolle, die ihrer Naturfarbe wegen besonders geschätzt
war2), und zwar sowohl die schwarze3), als vornehmlich die weiße4); man
schrieb auch dem Wasser des Flusses Galaesus die Kraft zu, der darin ge-
waschenen Wolle eine blendende Weiße zu verleihen5). Daher war taren-
tinische Wolle in erster Reihe für Togen geeignet6); auch wurden ganz feine
und durchsichtige Stoffe, die aber wesentlich zur Frauengarderobe gehörten,
in den tarentinischen Fabriken hergestellt7). Sonst war in Unteritalien nur
noch die Wolle von Lukanien, auch ihrer Naturfarbe wegen, geschätzt8);
in viel höherem Grade war das aber bei den Wollprodukten des cisalpinischen
Galliens der Fall9). Teils wurde hier, namentlich in Gallia circumpadana,
feine weiße Wolle produziert10), teils kamen von hier, wie aus dem Gebiete
der Ligurer und Insubrer, gröbere Stoffe, sowohl ganz grobe, die für Sklaven-
kleidung benutzt wurden11), als gleichfalls dicke, aber feinere Stoffe, die zu
Togen, Lacernen u. dgl. geeignet waren12). Besonders renommierte Pro-
duktionsorte waren Parma, dessen für Togen beliebte Wolle der tarentinischen
gleichgesetzt wurde 13), Mutina, mit feiner Ware 14), die auch ihrer Naturfarbe
wegen beliebt war15), Patavium, dessen Wolle zwischen der feinen muti-
nensischen und der groben ligurischen rangierte16); es wurden daraus Decken,
Kleider, namentlich filzartige (gausape), sowie andere Stoffe jeder Art ge-
fertigt und weit exportiert17). Ferner sind zu nennen Pollentia mit Stoffen
») Varr. r. r. II 2, 18. Hör. carm. II 6, 10.
vgl. Colum. VII 3, 10. In Griechenland war dies
Verfahren sehr gewöhnlich.
*) Tert. de pall. 3.
3) Plin. a. a. 0. 191.
4) Strab. VI 284. Mart. XII 63,3.
5) Stat. Silv. III 3, 93. Mart. V 37, 2; VIII
28,3; XII 63, 3.
ü) Mart. II 43, 3; IV 48, 2.
7) Diese xagavxivcöia (Poll. IV 104; VII 76)
werden zwar nur bei griechischen Autoren
genannt, aber wesentlich bei solchen des 2.
u. 3. Jahrh. n. Chr. (vgl. bes. Luc. dial. mer. 7. 2 ;
cal. non tera. cred.16; rhet. praec. 15), dürfen
also zur römischen Tracht gerechnet werden:
vgl. Blümner Gew. Tätigkeit 123.
8) Man schrieb dies auch dem Einfluß
des Trinkwassers zu, indem das Wasser des
Krathis für die weißwolligen, das des Sybaris
für die schwarzwolligen Schafe nützlich sei,
Theophr. bei Ael. n. an. XII 36. Plin. XXXI 13.
Vitr.VIII3,14.
9) Varr. 1.1. IX 39. Colum. VII 2,3.
10) Plin. VIII 190: alba Circumpadanis
nulla praefertur, nee libra centenos nummos
ad hoc aevi excessit ulla.
n) Strab. V218: xrjv ös xgayEiav (ioeav) r)
Aiyvaxixrj xai f) xcöv Ivaovßgcov , e£ r\q xb
.-t)J:ov xfjg olxeitiag xdv 'Ixa/Moxwv äfiJieysxai ;
ebd. IV 202 werden XiyvoxTvol xe ycxwvsg xai
adyoi erwähnt.
'-) Der bezeichnende Ausdruck für diese
Wollstoffe ist pinguis, Hör. carm. III 16, 35:
"" pinguia Gallicis creseunt vellera paseuis.
Mart. VI 11,7: nie pinguis Gallia vestit. luv.
9,28: pinguis lacernas . . ., duri crassique
coloris | et male percussas textoris pectine
Galli. Man könnte hier freilich auch an/
Fabrikate des transalpinischen Galliens denken
(vgl. Mart. IV 19, 1: Sequanicae pinguem tex-
t ria's alumnam); daß aber auch Gallia cis-
alpina solche Stoffe produzierte, zeigt Mart.
XIV 153.
13)Mart.II43,4;IV37,5;V13,8;XIV155;
die besten Schafe waren die von den Macri
campi zwischen Parma und Mutina, Colum.
V112,3.
14) Strab. V 218, der besonders die Herden
beim Skultanna-Flusse rühmt. Colum. a. a. O.
Von der Bedeutung der Fabrikation gibt auch
der reiche Walker aus Mutina, Mart. III 59,
Zeugnis. Das Ed. Diocl. erwähnt 19, 13 ff.; 20,
3 u. 13; 21, 1 u. 22, 16 mutinensische Kleider
(Preise und Löhne für Weben, Walken und
Sticken). Vgl. die Graffito-Inschrift vom Päd-
agogium des Palatins: Canusini Mutinese,
Cokrbra Bull, comun. XXI (1893) 257 n. 152.
15) Das ist wohl der bei Non. 548, 22 er-
wähnte Mutinensis color.
10) Strab. V 218: xrjv ös /nsonv oi xeoi Ila-
xdoviov, If rjg oi xdjirjxsg oi jioXvxsküs xai yav-
oäjzai xai xö roiovxor eidog jtäv, afi<plfiaXXöv
xe xai exsQÖfiaklnr.
17) Strab. V 213, der von eoftt/g Jiavxooa.-iij
spricht. Mart. XIV 143 rühmt dicke tunicae
Patavinae, und ebd. 152 ein aus Patavium
bezogenes gausapum quadratum. Ueber den
Stoff, der gausape hieß, vgl. Blümner Gew.
Sechster Abschnitt. Die Tracht.
l':üi
aus schwarzer Naturwolle1), Aquileia2), Verona3) und besonders Altinum4)
und das Gebiet der Veneter, von wo die groben Kapuzen kamen5).
Trotzdem also Italien Wollenstoffe in jeder Qualität lieferte, wurden
doch solche auch noch von auswärts bezogen, namentlich aus Griechenland
und Kleinasien, wo überall seit alter Zeit die Schafzucht blühte. So wurden
attische Webereien exportiert6), achaeische7), argolische8), vielleicht auch
lakonische9), und aus Kleinasien vornehmlich die Fabrikate von Milet10),
Laodikeia11) und Kolossae in Phrygien12), Selge in Pisidien13), Sardes14) usw.
Wenn diese Landschaften größtenteils feine WTollenstoffe lieferten, so
kamen dagegen gröbere Webereien aus dem Norden der Balkanhalbinsel:
so für dicke Mäntel, Kapuzen u. dgl. aus Istrien15), Illyrien16), Liburnien17),
Dalmatien18). Dasselbe gilt von den Geweben, die das mittlere Europa den
Römern lieferte, wie Noricum19) und ganz besonders das transalpinische
Gallien. Die dicken und zottigen Stoffe, die vornehmlich zu Mänteln, wie saga20),
Tätigkeit 101 f.; Saglio bei D.-S.II1459; ob
auch an andern Orten dieser Stoff fabriziert
wurde, ist nicht überliefert. Ueber die Ver-
wendung der gansape zu Bett- und Tischdecken
s. oben S. 117 u. 125; daß sie auch zu Klei-
dern verarbeitet wurde, zeigt Plin. VIII 193:
tu iura lati clavi in niodutn gausapae texi
nunc pritnum incipit. Petron. 21,2 wird eine
myrtea gaiisape als Kleidungsstück erwähnt,
28,4 eine coccina gausapa.
') Plin. VII 191. Mail. XIV 157; daher
hnnt tristis, ebd. 158, zu besseren Sklaven-
kleidern verarbeitet. Sil. It. VIII 597. Colum.
VII 2. 4.
») Mart. VIII 28, 7 (zu Togen).
3) Auch von da kamen besonders dicke
^Stoffe (lodices), die aber mehr zu Decken, Tep-
pichen u. dgl., als zur Kleidung verwendet wor-
den zu sein scheinen, Mart. XIV 152 ; vgl. Blüm-
kek a.a.O. 102.
4) Nach Mart. XIV 155 kam die Wolle von
Altinum an dritter Stelle nach der von Apulien
und Parma. Vgl. luv. 8,15. Colum. a. a. 0. 3.
'-) luv. 3, 170.
6) Laber. b. Non. 212,20. Plut. de aud. 9
p. 42 D. Dagegen geht Varr. r. r. II 2, 18 auf
attische, nach Italien importierte Schafe, und
bei Plin. XXIX 33 wird die Jana Attica nur im
medizinischen Gebrauch erwähnt.
7) Ed. Diocl. 19,40: argolische Birri.
8) Ebd. 19,41.
9) Doch kann die Spartana chlamys bei
luv. 8,101 auch auf die dort blühende Purpur-
färberei gehn, wie das bei Hör. carm. II 18, 7
wahrscheinlich der Fall ist. Import megarischer
Wollstoffe (nach Marqxjardt 477) wird durch
Diog. Laert. VI 41 nicht bezeugt.
10) Colum. VII 2, 3. Plin.VIII190(XXIX33
nur medizinisch). Tert. de pall. 3. Import mile-
sischer Gewebe bezeugt Hör. ep. I 17,30 (vgl.
ebd. Porphyr.) ; ihren Ruhm auch bei den Rom ein
Verg. Geo. III 306 ; IV 334 (wogegen Mart. VIII
28. 10 auf milesische Purpurfärberei geht); vgl.
Strab. XII 578.
u) Plin. a. a. O. Strab. a.a.O. rühmt die
Weichheit der Wolle, in der sie noch die mile-
sische übertreffe, und die Naturfarbe, die sog.
xooa^ij xgöa (über diese, eine eigentümlich
schwarze Farbe, s. Makquardt 478 A. 4; 479
A. 2) ; nach Vitr. VIII 3, 14 schrieb man sie auch
hier dem Einfluß des Wassers zu. Die Bedeu-
tung, die die Stoffe von Laodikeia in der spätem
Kaiserzeit hatten, zeigt Ed. Diocl. 19, 16; 26 ff.;
51; 20,4; 21,2; 22,19 f.; 22; 25,2, sowie Expos,
tot. mundi 42.
12) Strab. a.a.O. Ed. Diocl. 19,41.
13) Tert. de pall. 3.
14) Varro bei Non. 539, 7. allerdings von
Decken ; doch kamen von Lydien auch sonst
gute Wollwaren, so die naturfarbenen von Ery-
thrae und Klazomenae, Vitr. a.a.O.: vgl. Plin.
VIII 191: Asia rutili {coloris oves) quas Ery-
thraeas vocant.
16) Plin. a. a. O. : Histriae Liburniaeque
{lanae) pilo propior quam lanae, pexis aliena
t'i'st iljits»
16) Treb. Poll. Claud. 17,6: paentdam Bly-
ricianam; vgl. Iul. Capit. Pert. 8, 3: cuculli Bar-
dctici
»») Mart. XIV 139. Steph. Byz. s. Aißvgvoi.
15) Treb. Poll. a. a. 0.: singüionea Dal-
matenses Isid. XIX 22,9; die Dalmatika (s.
oben S. 208) war von dorther gekommen.
Der im Ed. Diocl. 19, 35 aufgeführte ßlgQoe
rPn.-T>'/ntoc kam von der untern Donau, s. Blüm-
ner z. d. St.
19) Ed. Diocl. 19,43 f., wo norische Kleider
mit den barbarischen Namen ßdvaza und ߣdo£
aufgeführt werden ; ein ßi'ggo-' Ncagotös ebd. 22,
24. Vgl. Expos, tot. mundi 57.
20) Strab. IV 196: r) d'igea rga^eia [ihr dxgö-
fia'ÜM? de,ä<p' fjs tovg Saoelg adyovg igvqpaivoroir ,
ov? kaivag xakovoiv; ebd. 197: ovtu>? d' sazi da-
%1>ÜS) xal za jzoi'/iria xai rä vofpögßia wotf tv>r
oäyojv Hai tTj; Tiinr/fia? aq>&oviar inj tfj'Pcbflfl
%OQt]yeio&ai finror, a/.'/.a xai toi? xÄeiotoi; ftSQSOi
tri? 'haliaQ. Verg. Aen. VIII 660. Sid. Ap. ep.
IV 20,2. Ed. Diocl. 19,60.
240
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
pallia1), cuculli2) u. dgl., verarbeitet wurden und bei denen gewürfelte
(scutulata) 3) oder gestreifte (virgata)*) Muster charakteristisch waren, wurden
vornehmlich fabriziert in Gallia Belgica6), bei den Santonen in Aquitanien6),
bei den Nerviern7), den Atrebaten8), den Sequanern9), Lingonern10) und
Laekonern11). Sehr geschätzt waren dann die Wolle und die Gewebe aus
Spanien, besonders aus Hispania Baetica12); sie zeichneten sich namentlich
durch ihre Naturfarbe aus, sowohl die weiße, für Togen geeignete Wolle13),
als die rötliche (namentlich von Corduba), die besonders zu Lacernen ver-
arbeitet wurde14), und die tiefschwarze, die die Spanier zu saga verwebten15).
In Lusitanien wurden auch gewürfelte Stoffe produziert, wie ki Gallien16).
In der spätem Kaiserzeit exportierten auch Britannien17) und Numidien18)
Wollenkleider.
Neben der Wolle beginnt die Leinwand19) erst verhältnismäßig spät
eine Rolle in der römischen Tracht zu spielen. Zwar steht es nicht fest,
ein wie hohes Alter der Flachsbau, der in Ägypten und Vorderasien in
das höchste Altertum hinaufreicht, auf der italischen Halbinsel hatte20);
allein in Mittelitalien hat er nie Bedeutung erlangt, und wenn auch die
Nachricht, daß man in Italien vor der Zeit des Pythagoras Leinwand nicht
gekannt habe21), jedenfalls auf Irrtum beruht, so wird doch das meiste,
') Vopisc. Prob. 4,5.
2) luv. 8, 144. Mart. XIV 128. Auch der
Abfall der gallischen Tuchfabriken, die als Pol-
sterfüllung dienenden tomenta (s. oben S. 115),
kamen aus Gallien nach Italien, Plin. VIII 192;
XIX 13. Mart. XIV 159 f.
3) Plin. VIII 196: scutulis dividere Gallia
(instituit). luv. 2,97. Cod. Theod. XV 7, 11. Et.
magn.p.720,42. Solche gewürfelte Stoffe lieferte
namentlich Piscinae in Gallia Narbonensis,Plin.
a.a.O. 191.
4) Verg. Aen. VIII 660. Prop. V (IV) 19,43.
Diod V30.1.
5) Strab. IV 196.
6) luv. 8, 144 f. mit Schol. Mart. XIV 128.
7) Ed. Diod. 19,27 u. 32; 22,31.
8) Treb. Poll. Gall. duo 6,6. Vopisc. Carin.
20,6. Lyd. de mag. I 17. Suid. s. 'Argaßanxög.
Hauptsitz war wohl Turnacum (Tournay) mit
seiner kaiserlichen Weberei, Not. dign. Occ.
XI 57.
») Mart. IV 19,1.
,0) Mart. I 53,4.
") Mart. XIV 159,2; 160,2; vgl. XI 21,8;
56,9.
12) Strab. III 144: jio/JJj de xai eodr/g ngö-
regov rjgyexo, vvv de egia [lällov twv y.oga^wv.
Unverarbeitete baetische Wolle Mart.XII65,2;
vgl. V 37,7. Kleiderausfuhr auch später noch,
Expos, tot. mundi 59.
13) Mart. VIII 28,5.
14) Plin. VIII 191. Mart. IV 28,2; XII 63,3:
(Corduba) nullo murice nee cruore mendax, \ sed
tinetis gregibus colore vivo; ebd. 98, 2 : aurea qui
nitidis vellera Unguis aquis (sc. Baetis); XIV
133: lacernae Baeticae; vgl. V 37,7.
lb) Diod. V 33, 2 : qpogovai 6' ovzoi aäyovg fie-
lavag rgayeTg xal JiagajtXrjOiov eyovxag raeg ai-
yeiaig dgitgiv. Der color pullus der baetischen
Wolle (von Corduba) wird von ColunKvII 2,4
hervorgehoben, vgl. Non. 549,30: pullus color
est quem nunc Spanum vel nativum dieimus. Die
sgia x(bv xogaigwv, Strab. a. a. O. ist wohl die-
selbe, und ebenso ist sie gemeint, wenn Mart.
196,4 der amator tristium lacernarum baeti-
catus atque leueophaeatus genannt wird, da
man hier an die rötliche Wolle nicht denken
kann.
16) In Salacia, Plin. VIII 191 : et quam Sa-
lacia scutulato textu commendat in Lusitania.
17) Britannische birri, Ed. Diocl. 19,36.
18) Numidische foVn», Ed. Diocl. 19.39. Ex-
pos, tot. mundi 60 : Numidianegotia habet vestem
variam. Aus Africa proconsularis führt das Ed.
Diocl. 19,42 ßiggogvAqwog auf, und der Zolltarif
von Iulia Zarai vestis Afra, CIL VIII 1508;
birri Africani auch Vopisc. Carin. 20.6.
19) Vgl. Yates a.a.O. 252. Büchsenschütz
Hauptstätten d. Gewerbfl. 58 ff. Blümner Ge-
werbl. Tätigkeit, Register unter Leinweberei;
ders. Technol. u. Terminol. 1 178. Heer Ueber
den Flachs und die Flachskultur im Altertum,
Zürich 1872. HEHNKulturpfl.u. Haustiere6 160.
Marqtjardt 480. Thedenat bei D.-S. III 1260.
Olck bei P.-W. VI 2435.
20) Nach Pigorini Bull. d. Inst. 1878, 3 f.
hätten die in primitiven Schichten des Esquilin
gefundenenhörnernen Werkzeuge, die sich ähn-
lich in schweizerischen Pfahlbauten finden, zum
Auskämmen des Flachses gedient.
2 ') Diog. L. VIII 1 , 19 ; vgl. Hehn a. a. 0. 169,
der die Nachricht nur darauf bezieht, daß das
ionische Linnenkleid damals in Kroton nicht
üblich war.
Sechster Abschnitt. Die Tracht.
241
was aus früherer Zeit von Linnenstoffen berichtet wird1), sich auf aus-
ländisches, nach Italien importiertes Fabrikat beziehen2). Dal.; man aber
in Rom in den frühen Jahrhunderten nur Wolle trug, ist so gut wie sicher3);
wann freilich das erste linnene Kleidungsstück, von dem wir erfahren, das
ppparum der Frauen (siehe oben S. 231), aufkam, können wir nicht sagen;
denn daß der in alter Zeit übliche Lendenschurz, das subligaculum (siehe
oben S. 205), von Leinwand gewesen sei, läßt sich ebensowenig erweisen,
wie bei den von den Frauen getragenen Brustbinden4). Ebensowenig ver-
mögen wir anzugeben, wann die Leinwand in der Männertracht aufkam;
aber da noch im letzten Jahrhundert v. Chr. linnene Kleider eine Kostbar-
keit waren5) und Leinwand mehr für Schweißtücher, Servietten, Bettüberzüge
u. dgl. Verwendung fand6), so war ihre Anwendung in der gewöhnlichen
Tracht damals und auch noch in der ersten Kaiserzeit jedenfalls spärlich7),
und Luxus darin trieben nur die Kaiser und die Reichen8). Indessen nahm
mit der Zeit der Gebrauch von Linnenkleidern mehr und mehr, selbst beim
Volke, überhand9); das Edikt des Diokletian führt Leinwand in einer reichen
Auswahl von Arten an 10), und überall im Reiche waren kaiserliche Leinen-
fabriken angelegt, die den immer steigenden Bedarf zu decken hatten11).
So kam es, daß, als die Toga verschwand und die Tunika, Dalmatika u. dgl.
das ständige Kleidungsstück auch in der Öffentlichkeit geworden war, es
wesentlich noch die Mäntel und Überwürfe waren, die aus Wolle gefertigt
wurden, während für jene Leinwand zwar nicht ausschließlich, aber doch
vornehmlich zur Verwendung kam12). Man stellte daher die Leinwand in
sehr verschiedenen Qualitäten her13), von der sehr feinen Leinwand, für die
seit Plinius14) der im Griechischen viel früher übliche Name bijssus vor-
kommt15), bis zu den groben Geweben für Landleute und Sklaven16).
') So die libri lintei, der Ihiteus thorax des
\ Vjenterkönigs Tolumnius, Liv. IV 20,7; die
Linnentracht, die Sil. It. IV 223 den alten Fa-
liskern zuschreibt, vgl. Grat. Cyneg. 40, u. a. m.
2) Vgl. Helbig Italiker in der Poebene 66 ff.,
der aber den von Hehn 170 f. ebenfalls auf über-
seeischen Einfluß zurückgeführten Gebrauch
der Leinwand bei denSamniten (Liv. IX 40,3 u.
X 38, 12) lieber einheimischer Flachskultur zu-
weisen möchte, s. S. 69 f.
3) Ein Beweis ist die Notiz bei Plin. XIX 8 :
M. \'d )■)■<> tradit, in Serranorum familia gen-
tilicium esse, fcminaslinteavestenonuti; denn
dergleichenFamilienbesonderheitenpflegenRe-
ste uralter Kultur zu sein.
4) Für beide nimmtesMARQUARDT484an;
es ist aber kein Beweis dafür, wenn später die
Diener bei Tische succincti Unteo aufwarteten,
nach Suet. Calig. 26, da Linnentracht der Diener
im kaiserlichen Haushalt gewöhnlich war. siehe
Phaedr. 115,11.
5) Bei Cic. Verr. V 56,146 werden sie zu-
sammen mit tyrischem Purpur, Edelsteinen,
Perlen etc. aufgeführt.
6) Vgl. Makquardt 485 f.
7) Eine Ausnahme macht der Gebrauch der
Liunengewänder im Isiskultus, bei dem er, wie
in A egypten selbst, zum Ritus gehörte, vgl. Tib.
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft. IV.
13,29. Ov.a.a.I77. Sen. dial. VII 26,8. luv.
6,533. Mart.XII29.19. Suet. Otho 12.
8) Vgl. Lampr. Heliog. 26, 1 ; Alex. Sev. 40,
10: bonilinteammi» adpetitor fuit, et qmdem
puri (d. h. ohne Purpui streifen).
9) Vopisc. Aui'el. 12,l;4s.:,.
10) Abschn. 26—28; vgl . Blümner Maximal-
tarif 168 ff.
u) Sie heißen gynaecea oder linifphia und
werden in der Notit. dignit. an verschiedenen
Stellen aufgeführt, vgl. Or. 13,16. Occ. 11,61-63
{Unyphia); Or. 13, 16. Occ. 11,45 59 (f/i/naecea).
'-) Daher sagt Augustin. serm. 37,6: in-
teviora sioit tmim Hnea ve&imenta, lanea <•./•-
teriora. Vgl. Mommsen Hermes XX V (1890) 28.
,3) Das Ed. Diocl. zählt sowohl für die
Leinengarne wie für die Gewebe immer neun
Qualitäten auf. und zwar drei erste und eine
vierte und fünfte in je drei Sorten.
14) Plin.XIX 20; vgl.Isid.XIX 22,15; 27,4.
15) Die früher verbreitete Meinung, daß
btf88U8 Baumwolle sei, hat Yates 267 ff. wider-
legt, vgl. Marquardt 48 1 A. 9 ; nur ist das Wort
wie für feines Linnen so auch für Baumwolle
gebraucht worden, s. Yates 274. Makquakdt
482 A. 3.
,6) AivovTQayvzegor eis '/.<J'lr'n' TuirtbiroTtöv rr
xai<pa/itihaoiy.wr ,heif3tesimEd.Diocl.26,l0u.ö.
, 2. 3. Aufl. 16
242
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
Den mit der Zeit immer mehr gestiegenen Bedarf an Leinwand konnte
Italien, wo der Flachsbau stets beschränkt geblieben ist1), allein nicht
decken. Immerhin lieferte namentlich Oberitalien vorzüglichen Flachs; was
hier zwischen Po und Ticinus, in der regio Aliana, wuchs, ferner bei ßetovia
und Faventia, das lieferte Leinwand, die zur Zeit des Plinius gleich nach
dem am meisten geschätzten Produkt des spanischen Saetabis kam und sich
durch Glanz, Feinheit und Dichte auszeichnete2). Weniger wichtig war die
Industrie von Mittel- und Unteritalien, wo zwar auch an verschiedenen
Orten Flachs gebaut, aber weniger zu Kleidern, als zu Segeltuch 3), Netzen4),
Bettbezügen5) u. dgl. verarbeitet wurde. Dafür lieferten die Provinzen in
der letzten Zeit der Republik, und besonders in der Kaiserzeit sehr viel
Leinen waren. An erster Stelle stand da wohl Ägypten, wo Flachsbau und
Leinenweberei seit sehr früher Zeit heimisch war6); hier gehörte Linnen
neben Glaswaren und Papyrus zu den beliebtesten7), in der Kaiserzeit mit
Steuer belegten8) Ausfuhrartikeln, obschon die Leinwand nicht gerade
dauerhaft und dabei teuer war9). Als Hauptfabrikationsorte der Leinwand,
die wohl meist im Gewebe exportiert wurde 10), nennt Plinius Tanis, Pelu-
sion, Butis und Tentyris11); däneben kommen Alexandria12), Kanopos13),
Kasion14), Arsinoe15) und Antinoupolis16) in Betracht. Außer Ägypten führte
auch die Nordküste Afrikas, die sich durch guten Flachs auszeichnete,
Leinenwaren aus17). Für das feinste Linnen aber galt in der Kaiserzeit das
spanische, besonders von Hispania citerior18), wo leinene Kleider nationale
') Die Landwirte empfehlen ihn nicht, weil
er den Boden erschöpfe und nur in fettem, feuch-
tem Boden gedeihe, Colum. II 10, 17. Pall. XI 2.
Bei Varro kommt er gar nicht vor.
2) Plin. XIX 9: similiter etiam in Italiae
regione Altana inter Padutn Ticinumque am ms,
ubi a Saetabi tertia in Europa Uno palma; se-
cundatn enim in vicino Alianis capessunt Re-
tovina et in Aemilia via Faventina. candore Ali-
anis semper crudis Faventina praeferuntur;
Retovinis tenuitas summa densitasque, candor
qui Faventinis, sed lanugo nulla, quod apud
dliiis gratiam, apud alios offensionem habet.
») In Tarquinii, Liv. XXVIII45.15.
4) So in Kumae, Plin. XIX 10; vgl. Hör. ep.
I 18,46. Grat.cyn.35.
5) Plin.XlX 13: Italia et Paelignis etiam-
mint Unis honorem habet, sed fullonum tantum
in usu. nulluni est candidius lanaeve similius.
Da gleich nachher von culcita und tomenta die
Rede ist. so können sich die Worte des Plin.
nur auf solche Kissenbezüge, die die Walker mit
den Abfällen vom Scheren der Tuche stopften,
beziehen.
6) Vgl. Yates 252 ff. Blümner Gewerbl.
Tätigkeit 6 ff.
;) Cic. pro Rab. Post. 14,40. Linnen, I ilas
und Papier werden auch von Hadrian in seinem
von Vopisc. Saturn. 8, 0 zitierten Briefe als
Hauptfabrikate der Aegypter angeführt.
H) Vopisc. Aur. 45, 1 : vectigal ex Aegypto
urbi Bomae Aurelianus vitri Chartas Uni stup-
pae atque anabolicas species aetemas von st Unit.
Hingegen können die Ausdrücke äanßo; und
an^ioyxög, die im Ed. Diocl. 19 ff. öfters bei
Linnenwaren vorkommen, nicht mehr, wie frü
her (vgl. Marquardt 481 A.6) auf Zollstempe
bezogen werden, sondern sie gehen auf einge-
webte Purpurstreifen, s. Mommsen a. a. 0. 23-
9) Plin. XIX 14: Aegyptio Uno mini m um
firmitatiSf plurimnm hier*.
10) Vgl. Vopisc. Auiel. 12,1; 48,5; Carin.
20,5. Treb. Poll. Gall. duo 6,4.
u) Plin. a. a. O.; Pelusiacum linum nennt
Sil. It. III 24 u. 375, wohl im Sinne von ägyp-
tisch überhaupt.
12) Im Ed. Diocl. 26 ff. kommen wiederholt
Linnenkleider unter der Bezeichnung Tcwaiy.ä
'Als^ardoEivä vor, nach Mommsen Sorten aus
Tarsos und Alexandria. aber wohl eher tarsische
Leinwand nach Art der alexandrinischen. s.
Blümner z. Ed. Diocl. 169.
13) Grat. Gyn. 42 f.
,4) Steph. Byz. s. Käoior.
15) Peripl. mar. Erythr. 6 werden 'Agoivon-
nxal atonal xai aßöllai als Ausfuhrartikel er
wähnt.
16) Ed. Diocl. 28,46.
17) Vopisc. Aurel. 48,5 lineae Afrae; liby-
sche Verg. Ciris 179; Garn für Netze Grat. cyn.
34 f.
18) Die hispanische Leinwand rühmen Mela
116,2 (86). lustin. XLIV 1,6; besonders Plin,
a.a.O. 10: et ab his Hispania citerior habet
splendorem Uni praecipuum torrentis, in quc
politur, natura, qui adluit Tarraconem, ei
Sechster Abschnitt. Die Tracht.
248
Tracht waren1); und zwar werden speziell Tarraco2), Saetabis3) und Bm-
poriae4) als Produktionsorte genannt, während in Carthago nova das in
Spanien häufig vorkommende Pfriemgras, Spartimt genannt, sowohl zu
Kleidern, wie namentlich zu Decken, Seilen, Schuhwerk u. a. m. verarbeitet
wurde5). Dagegen haben die Leinenfabrikate von Gallien, obschon hier
später kaiserliche Webereien errichtet waren6), mit Ausnahme der von den
■adurcern bezogenen Polsterwaren7) wenig Bedeutung für die römische
Welt gehabt8), ebensowenig die von Germanien9) oder Britannien10); auch
Griechenland11) und der Norden der Balkanhalbinsel waren dafür nicht von
Bedeutung 12). Hingegen bildeten einen wichtigen Ausfuhrartikel die linnenen
Kleider, Bettbezüge, Binden etc. aus Syrien, besonders von Damaskos13),
Skythopolis, Tarsos, Byblos und Laodikeia (in Syrien)14). Aus Kleinasien ist
dann noch Tralles zu nennen15), von den Inseln besonders Kypros10), doch
handelt es sich hier wie dort mehr um Kissenbezüge, Tischtücher u. dgl.,
als um Kleiderstoffe.
Neben den Woll- und Leinenstoffen spielen andere Gespinste in der
Tracht eine unbedeutende Rolle. Die im asiatischen Osten wie in Assyrien
schon früh bekannte Seide17) kam zu den Römern erst gegen Ausgang des
letzten Jahrhunderts v. Chr.18). Zwei Arten sind es vornehmlich, die in der
Kaiserzeit Bedeutung erlangen, die vestes bombycinae und die sericae. Die
festes bombycinae1*) sind hergestellt aus den Kokons des zuerst von Aristoteles20)
\
fenuitas mira ibi primunt carbasis repertis.
Büchsenschütz Hauptstätten 79 versteht hier
earbasa als Segeltuch, und das bedeutet das
Wort (vom griech. xdg.-zaoog, ursprünglich von
Baumwolle gebraucht, s. unten) ja in der Tat
sehr häufig (vgl. Yates 334 f.); aber im spe-
ziellen bedeutet es sehr gewöhnlich ein beson-
cis feines Gewebe (vgl. Makquakdt 488), und
in diesem Sinne ist es, dem Zusammenhange
nach, hier von Plin. gebraucht.
') Polyb.111114. Liv. XXII 46,6.
-) Plin. a. a. 0.: eine h'ntearia daselbst
erwähnt CIL 114318 a.
3) Plin. a.a.O. 9. Grat.cyn.40. Sil. It. III
374; besonders feine Tücher, sudaria, Catull.
12,14:25,7.
4j Strab. III 160.
5) Plin. XIX 26 f.; daher auch Carthago
spartaria genannt, ebd. XXXI 94. Vgl. Yates
B18.
6) In Trier, Metz, Rheims, Autun, ferner in
Lyon, Arles und Vienne, Not. dign. Occ. 10 ff.
7) Ihre Leinenfabrikate rühmt Strabo IV
IUI und Plin. XIX 8, neben diesen die der
Rutener, Caleter. Bituriger, Morener. Darnach
hief3en eine Art Matratzen cadurca, luv. 6,
£37; 7.221 mitSchol.Plin.X!X13. Vgl. Blüm-
ner Gewerbl. Tätigkeit 143. Saglio bei D.-S.
1777. Ihm bei P.-W. III 1171.
8) Daß bei den Atrebaten, deren Wollen-
gewebe Ruf hatten (s. oben S. 219), auch fei-
nes Linnen fabriziert wurde, schließt Mar-
<Hardt483 A.4 mit Unrecht aus Hieron. adv.
Iovin. II 21 p. 329 M.
'■') Daß hier die Frauen sich in das grobe
Segeltuch kleideten, sagt Plin. a.a.O.; vgl.
Tac.Germ.17.
lü) Wo aber in Venta eine kaiserliche
Weberei war, Not. dign. a. a. 0.
11) Der gelbe Byssus von Elis, Paus.V
5, 2, war wohl Baumwolle, s. u., obschon Elis
nach Paus. VI 26, 4 auch Flachs produzierte.
1 2) Kaiserliche Webereien waren in Illyrien ,
Not. dign. Or. 13,16, in Spalato und Salona
(letztere wurde später nach Pannonien verlegt),
ebd. Occ. 11,23 u. 48.
13) Ed.Diocl.28,46.
u) Ebd.26,13ff. Die Expos. tot. mundi 42
nennt ebenfalls Skythopolis. Laodikeia, Byblos,
außerdem auch Tyros und Berytos; in Sky-
thopolis waren kaiserliche Webereien, Cod.
Theod.X20,8.
15) Ed.Diocl.28,46.
16) Ebd., vgl. die Cypria nreubitalia, Treb.
Poll. Claud. 14, 10, und die mantelia Cypria,
Flav. Vopisc. Aurel. 12, 1.
17) Die Litteratur über die Seide im Alter-
tum s. Marquardt 491 A. 8. Blümner Tech-
nol. I 190; dazu der Artikel Sericum von
M.Besnier bei D.-S. IV 1251 ff.
,8) Die erste Spur einer Erwähnung bietet
Varro, den Plin. IV 62 zitiert: ex hac (näm-
lich von der Insel Keos) profectam <h'lic«tl-
orein feminin veeUm auetor est Varro. Gemeint
sind die vestes Coae; der Irrtum, daß Co» mit
Ceos verwechselt wird, fällt wohl dem Varro
zur Last, nicht dem Plinius.
19) Vgl. Saglio bei D.-S. I 720. Maü bei
I'. \V.IH678f.
20) Arist. hist. an. V 19 p. 551 b. 9.
16*
244
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
erwähnten vorderasiatischen, wilden Seidenwurmes bombyx, die nicht, wie
die des chinesischen, abgehaspelt, sondern gekratzt und gesponnen wurden l)
und eine gelbliche Florettseide ergaben. Diese vestes bombycinae waren von
leichtem2), durchscheinendem3) und glänzendem Stoff4); sie werden vor-
nehmlich als Frauentracht erwähnt, doch dienten sie auch Männern als
leichte Sommerkleider5). Zu den bombycinae gehören die im Anfang der
Kaiserzeit sehr beliebten und häufig erwähnten Coae vestes6). Die Fabrikation
solcher Gewebe war auf Kos anscheinend schon früh heimisch7); hier fand
nach der Angabe des Plinius ein doppelter Betrieb statt: es wurden im-
portierte assyrische Kokons verarbeitet8), es wurden aber auch die Kokons
einer dort einheimischen Bombyxart verwendet9). Diese koischen Gewänder,
die in der Litteratur nach Plinius nicht mehr vorkommen10), waren an-
scheinend nur in jener Zeit Mode; sie waren, gleich den andern bombycinae,
durchscheinend11), vielfach bunt gefärbt12) oder mit Goldfäden durchwirkt13)
und kostspielig14), wurden aber wohl weniger von anständigen Frauen, als
von den Libertinen getragen15); daß auch Männer koische Stoffe trugen,
berichtet nur Plinius16).
') Vom bombyx und den bombyeina han-
delt eingehend Plin. XI 75 ff. : er unterscheidet
assyrische und koische. mit der Bemerkung,
daß letztere auch von Männern zu Sommer-
kleidern benutzt, erstere nur von Frauen ge-
tragen wurden (78: nee puduit has vestes
usurpare etiam viros levitatem propter aesti-
vam. . . . Assyria tarnen bombyce adhuc fe-
minis cedimus). Prop.113, 15 spricht von Arabio
bombyce, womit auch wohl der assyrische ge-
meint ist.
») Mart.VIII33,16. luv. 6, 260.
3) Plin. a.a.O. 76. Prop. a.a.O. Mart.VIII
69,7. Alciphr.139,4.
*) Mart. XIV 24, 1 : splendida bombyeina.
°) So sind bei Mart. XI 50, 5 bombyeina
im Besitz eines Mannes; vgl. Plin. a. a. 0. Doch
ist die vitrea toga des Varro bei Non.448,25
schwerlich, wie Mau a. a. O. 679 meint, von
Seide zu denken ; die Toga war sicher immer
ein Wollenstoff (vgl. Quint. XII 10, 47 : do tem-
pori, ne hirta toga sit, non ut serica) und um
einen solchen, sehr durchsichtigen wird es
sich hier handeln. Auch wo sonst durch-
sichtige Gewänder erwähnt werden, ohne Be-
zeichnung des Materials (z. B. Senec. controv.
13,7; 15,4. Senec. dial. XII 16,4; de benef.
VII 9,5; ep. 90,20. luv. 2,78 u. s.), braucht
man nicht überall an Seide zu denken, da
durchsichtige Gewebe auch aus Wolle, Lein-
wand und Baumwolle hergestellt wurden.
6) Vgl. L. Demaison Recherches sur la
soie, que les anciens tiraient de l'ile de Cos.
Reims 1884. Amelung bei P.-W. IV 127.
7) Der erste Bericht findet sich bei Aristot.
a. a. O., wonach sie auf eine gewisse Pam-
phile zurückgehen soll; so auch Plin. a.a.O.
76. Isid.or.XIX22,13; das lag wohl schon
weit hinter Aristot. zurück. Ueber den Irrtum
des Varro (auf dem wahrscheinlich der bei
Lucr. IV 1130 beruht), der Ceos für Cos setzt,
s. oben S. 243 A. 18.
8) Plin. a. a. 0. sagt von einer assyrischen
Bombyx-Art: telas aranearum modo texunt
ad vestem luxumque feminarum, quae bomby-
eina appellatur. prima eas redordiri rursus-
que texer e invenit in Coo mulier Pamphile, I
Plateae filia, non fraudanda gloria exeogitatae/
rationis, ut denudet feminas vestis. Dabei \
darf man jedenfalls nicht, wie vielfach ge- v
schieht (vgl. Marquakdt 497) an das Auflösen
importierter Gewebe denken, sondern Plin.
meint (wie aus der Vergleichung mit Aristot.
a. a. 0., der wohl seine Quelle war, hervor-
geht) die Gewebe der Würmer, die aufgelöst
und neu gewebt werden; ebenso VI 54.
9) Plin. XI 77 ff. beschreibt die Gattung,
die Bäume, auf denen sie vorkommen, die
Gewinnung und Verarbeitung der Kokons.
Dieser wilde Seidenwurm kommt angeblich
noch auf der Insel vor, nach Pariset Hist.
de la soie 68; abweichend Rayet Arch. des
missions 3. Ser. III 86.
10) luv. 8, 101 spricht nur von der auf
Kos heimischen Purpurfärberei (auf die auch
Hör. carm. IV 13, 13 geht), vgl. Blümner Ge-
werbl. Tätigkeit 50. Isid. or. a. a. 0. ist Exzerpt
aus Plinius.
») Hor.sat.I2, 101. Tib. II 3, 53. Prop. I
2, 2; V (IV) 5, 56. Plin. a. a. 0.
12) Siehe oben Anm. 10; Prop. II 1,5 würde
auf Scharlachfärbung deuten, wenn Lachmann
mit Recht das handschr. sive illam Cois fulgen-
tem incedere cogis in coccis ändert.
13) Tib. 113,53.
14) Tib. II 4, 29; Prop. V (IV) 5, 57.
15) Vgl. Prop. a. a. 0. 23. Ov. a. a. II 298.
16) Plin. XI 78, s. oben Anm. 1.
Sechster Abschnitt. Die Tracht.
245
Die echtchinesische Seide, die Griechen und Kömer nach dem von
Ostasien ihnen überkommenen Namen des Seidenwurms1) serisch nannten
(vestes sericae), ist den Römern auch erst in der Kaiserzeit näher bekannt
geworden2), und zwar zunächst auch nur unvollkommen, insofern man über
die Beschaffenheit des Produktes, aus dem sie gewonnen wurde, noch sehr
ungenau unterrichtet war3). Anfangs scheinen nur fertig gewebte Stoffe
nacli Europa gekommen zu sein4); diese serica5), die gleich den bombyc'ma
sehr dünn und leicht6) und wohl meist buntgefärbt7), oft auch reichgestickt
waren8), dienten zu Bettdecken und Polsterbezügen9), besonders aber zu
Gewändern, und zwar nicht bloß für Frauen10), sondern auch für Männer11),
obschon solcher weichlicher Luxus diesen vorübergehend untersagt war12).
Immerhin mögen in den ersten Jahrhunderten der Kaiserzeit Seidenkleider
noch selten gewesen sein; als man aber im 3. Jahrhundert neben den ganz-
seidenen Stoffen, den holoserica1*), die immer ein kostspieliger Luxus blieben,
dessen sich selbst manche Kaiser schämten1,1), die halbseidenen, subserica16),
kennen lernte, bei denen die Kette von Leinen und nur der Einschlag von
Seide war16), da wurde der Gebrauch solcher Stoffe immer allgemeiner und
*) 2qQ, Paus. VI 26, 6. Hesych. s. ofjgsg;
erst darnach haben die ostasiatischen Völker,
die den Seidenhandel vermittelten, selbst den
Namen Serer bekommen.
*) Daß Cäsar, wie Dio Cass XLIII 24,2
«richtet, seidene vela im Theater aufgespannt
habr. ist. wie Marquardt 493 mit Recht be-
merkt, eine unverbürgte Nachricht.
3) Verg. G eorg. II 12 1 . Strabo XV 693. Plin.
VI 54 (darnach Solin. 50,3) berichten, das Ge-
spinst des Seidenwurms hänge in langen Fä-
den von den Bäumen herunter und werde
von den Serern mit Wasser begossen und
heruutergekämmt (depectere) ; hier liegt aber
offenbar eine Verwechslung mit den Gespinsten
wilder Seidenwürmer vor. Der erste, der eine
richtige Mitteilung über die künstliche Zucht
des Seidenwurms gibt, ist Paus. a. a. 0.
4) Ueber den Weg, den die chinesische
Seide vom Produktionsort nach Westen nahm,
s. P. Vi dal de la Blache CR de l'Ac. des Inscr.
1896, 468 und die Karte ebd. und bei Darem-
berg-Saglio IV 1253 Fig. 6370.
5) Die sericarii, die auf Inschriften häufig
sind, s. Marquardt 498 A. 10 (vgl. auch CIL
XI \ 3711 f.) sind natürlich Händler mit serica,
nicht Fabrikanten, also negotiatores sericarii,
wie CIL VI 9687; XIV 2793; 2812; dagegen
ist die sericaria VI 9892 wohl eine Sklavin,
die die serica vestimenta unter sich hat, oder
eine Seidenweberin.
6) Sen. de benef.VH 9,5. Claud.carm.XX
33^
*7) Prop. 114,22. Plin. XXI 11.
8) Daß Lucan.X 141 und Tert. de cultu
femin. 1, 8 auf Stickereien, nicht auf Auflösen
serischer Gewebe zu deuten sind, nimmt Mau
bei Marquardt 497 A. 1 gewiß mit Recht
an.
9) Prop. a. a. 0. Hör. ep. 8, 15. Mart. III 82,
7; auch die serica carpenta, Prop. V (IV) 8, 23;
werden darauf zu deuten sein.
10) Plin. a.a.O. Sen.de benef.VII9,5; ep.
90,15; frg. 52 (Haase). Mart. XI 8, 5. Capit.
M. Ant. phil. 17, 4; namentlich die Hetären
machten gern davon Gebrauch, Mart. IX 37,
3; XI 27, 11.
") Stat.silv.1114,89. Claudian. carm. XX
338; zumal manche Kaiser frönten diesem
Luxus, Suet. Calig. 52. Dio Cass. LIX 26, 10
(als Ausnahme Vopisc. Aurel. 45, 5).
12) Unter Tiberius durch Senatsbeschluß,
Tac.ann.II33. Dio Cass.LVII 15, 1.
15) Vlootjoixä im Ed. Diocl. 19, 14; 20.2
(nrt'/jj, also ein Unterkleid); ebd. 7, 10 u. 11
(gewürfelt); 22, 12 ff. (Unterkleider und Dal-
matiken); vgl. 24, 14. CIL VI 9893.
!4) Lampr. AI. Sev. 40, 1 : vestes sericas ipae
rarashabuit; olosericam nuinquam induit, sub-
sericam numquam donavit. Vopisc. Aurel. 45,
4; nach Lampr. Heliog. 26,1 (vgl. Herodian.
V 5,4) hätte dieser Kaiser zuerst holoserica ge-
tragen, während früher nur subserica im Ge-
brauch gewesen seien ; es ist aber nicht gerade
wahrscheinlich, daß die in den früheren Jahr-
hunderten erwähnten serica alle Halbseide
gewesen wären. Als Geschenke wurden neben
subserica auch holoserica verteilt, Symm. ep.
IV 8; meist aber trugen sie doch nur Frauen,
Cod.Theod. XV 7, 11 (den Männern verbot sie
der Kaiser Tacitus, Vopisc. Tac. 10, 6).
lä) Ed. Diocl. 19; 20; 22; 24 werden öfters
oovii')]Qixä erwähnt, besonders für Unterkleider
und Dalmatiken. Als Geschenke bei Fest-
spielen Treb. Poll. Claud. 17,6. Symm.ep.V
20 (19) ; dagegen s. Lamprid. a. a. O.
16) Isid.XIX22, 14: holoserica tota serica,
tramoserica stamine lineo, trama e.r ierico.
246
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
'die Erwähnungen werden häufiger1). Damals kam auch Seidengarn nach
Europa2) und Rohseide, die die Bezeichnung metaxa führte3); es wurden
also Seidenstoffe auch in Italien gewebt4). Daß die Kultur des chinesischen
Seidenwurms erst unter Iustinian nach Europa verpflanzt worden ist. ist
eine bekannte Tatsache6).
Neben den genannten Stoffen kommen andere Gespinste nur noch wenig
in«Betracht; wir führen einige davon an. Unter den aus animalischen Stoffen
gefertigten sind die Gewebe aus Ziegenhaaren zu nennen6), die cilicia
hießen, weil sie vornehmlich in Kilikien gefertigt wurden7), die aber auch
Phrygien, Lykien, Nordafrika und Spanien lieferte 8). Diese Gewebe9) dienten
zwar vornehmlich zu Bettdecken, Fußteppichen, Vorhängen, Schutzdecken
(auch gegen Feuersgefahr), Putztüchern u. dgl. m.10), wurden aber auch zu
Mänteln und Seemannsjacken benutzt11). Noch seltner waren Gewebe aus
andern Tierhaaren, wie vom Biber12), vom Hasen13) oder vom Kamel14). Eine
Besonderheit, die uns erst aus später Zeit berichtet wird, sind Gewebe aus
den Faserbüscheln der pinna, einer im mittelländischen Meer vorkommenden
Muschelart15).
Unter den Pflanzenfaserstoffen ist nächst dem Flachs am wichtigsten
die Baumwolle10). Von dem in Ostindien heimischen Strauch hatten die
Griechen zwar schon ziemlich früh Kunde17), doch erst durch die Feldzüge
J) Vgl. Digg. XXXIX 4, 16, 7. Amm. Marc.
XXIII 6. 67.
2) Digg. a. a. 0. führt netna sericum auf,
rijfxa l'ijQixöv auch Arr. peripl. mar. Er. 39 ; 49 ;
64; mehr bei Marquabdt 496 A.8.
3) Digg. a.a.O. ist diese Anwendung des
Wortes (das selbst älter ist, s. Lucil. b. Fest.
265a, 14) für das 3. Jahrh. n. Chr. bezeugt: vgl.
Arr. a. a. 0. 64. der eqiov, vrj/ua und oßoviov
ot]oixöv unterscheidet und vermutlich die me-
taxa unter fqiov versteht. Siehe auch Hesych.
s.Zfjgec. Cod. Theod.X 20, 13. Im Ed. Diocl.
23 u. 24 werden otjqixov Itvxöv und /nsza^a-
ßXaxTT) unterschieden; wahrscheinlich ist er-
steres die ungefärbte weiße Rohseide, letz-
teres in Purpur gefärbte, s. Blümner z. d.St.
164. Auch metaxarii, Händler mit Rohseide,
werden genannt, Cod. Iust. VIII 13 (14), 27.
Vgl. Saglio bei D.-S. III 1874.
4) Dem Weben ging das Auflösen und
Zwirnen der importierten Rohseide voraus;
daher sind im Ed. Diocl. besondere Posten
angesetzt für das Ivsiv des oijqixöv 23, 2 und
ebenso der fieza^aßläzzrj 24, 13; Tagelöhne
für Seidenweber, die dort ebenfalls sericarii
heißen, wie die Händler, sind 20, 9 ff. angesetzt,
und zwar für halbseidene, ganzseidene und
gewürfelte Stoffe,
5) Vgl.MARQUARDT499.
u) Vgl.YATEsl27. Marquardt 479. Sag-
lio bei D.-S. I 1172. Mau bei P.-W. III 2545.
') Varr. r . r. II 1 1 , 1 2. Plin. VIII 203. Colum.
1 pr.26.
8) Varr. a. a. 0. Ael. n. an. XVI 30. Verg.
Geo. III 311 (Colum.VIl6,2).Mart.VII95,13;
711151,11. Avien.or.marit.I218ff.
9) Nicht Filz, wie Friedländer ^zu Mar-
tial VII 95, 13 bemerkt; vgl. Ps.Ascoh. zu Cic.
Verr. p. 185 Or., der von cilicia texta de pllis
spricht. Immerhin gab es auch Filz von
Ziegenhaaren, vgl. Corp. Gloss. II 574,22:/
coactile, qenus cilicil. Aus solchem waren/
wohl die udones Cilicil, die Mart. XIV 14C
anführt.
10) Siehe die Belegstellen bei Yates a.a.O.
n) Varr.a.a.O. Verg. a. a. 0.313: miserm
velamlna naiitis. Isid.or. XIX 26, 10.
12) Vestes fibHnae, castorinae, Isid. XIX
22.16; 27,4. Claud.carm.min.XLVII: deblrrß
castoreo; daher castorimttl bei Sid.Ap. ep.V
7, 4. Vor dem 4. Jahrh. n. Chr. werden sie
nicht erwähnt; vgl. Yates 145.
1S) Vestes leporinae, Plin. VI11 219. Digg.
XXXII 1,70, 9.
14 ) Kleider aus Kamelhaaren, wie Johannes
der Täufer eins trug (Matth.3,4. Marc. 1.6),
waren wohl nur im Orient üblich, vgl. Yates
149.
15) Yates 152.
16) Die Litteratur über die antiken Namen
und die Verbreitung der Baumwolle s. bei
Yates 334. Marquardt 487 A. 5. Blümner
Technologie 1 187. Schrader Forschungen zur
Handelsgeschichte und Warenkunde I 210 ff.
Saglio bei D.-S. I 915. Olck bei P.-W. III
1572.
1?) Das eqiov a.7io gvkov, wie es die Grie-
chen nennen, kommt zuerst bei Herod.lII 47
vor; ebd. 106 erwähnt er den indischen Baum-
wollenstrauch, den er aber als Öevdgea äygia
bezeichnet; Kleider daraus trugen die Inder
im Hause des Xerxes, ebd. VII 65.
Sechster Abschnitt. Die Tracht.
247
Alexanders des Großen erhielten sie genauere Kenntnis von der Pflanze1),
wann die Kömer zuerst etwas davon erfahren haben, ist nicht auszumachen -'.>:
sie haben zwar unzweifelhaft Baumwollgewebe kennen gelernt, aber eine
feste Bezeichnung dafür nicht gehabt3). Zwar kam das Wort carbasus, das
von karpasä, wie die Baumwolle im Sanskrit heißt, entnommen ist, ebenso
wie y.äoTiaoog bei den Griechen, seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. öfters vor:
allein es bedeutet vornehmlich feine Gewebe, ohne Rücksicht auf das Ma-
terial, ja es wird sogar auch von grobem Segeltuch gebraucht4), und die
Stellen, wo es unzweifelhaft Baumwolle bedeutet, sind wenig zahlreich5).
Ähnlich steht es mit dem Worte bijssus, das zwar an manchen Stellen
• nt schieden Baumwolle, im allgemeinen aber nur ein feines Gewebe, meist
ein Linnen, bezeichnet6). Der Name gossypiüm, den die Baumwollstaude
in Oberägypten führte, kommt nur bei Plinius vor7). Wahrscheinlich ist
der Baumwollstrauch im Altertum nie in klassischen Ländern angepflanzt
worden, auch das Rohprodukt nicht nach Europa gekommen8); vermutlich
■amen nur fertige Gewebe, indische Musseline u. dgl. durch den Handel
nach dem Westen9). — Hanf wurde zwar von Barbaren10), aber schwerlich
von Griechen und Römern zu Kleiderstoffen verwebt. Stoffe von Fasern
der Malve, molochina11). waren als indischer Import den Griechen bekannt,
aber die Erwähnungen bei älteren römischen Komikern gehen wohl nur auf
ihre griechischen Vorbilder zurück12), und es ist fraglich, ob diese Gewebe,
pe später nicht mehr erwähnt werden, überhaupt zu den Römern gekommen
sind l3). — Das einzige Gespinst endlich aus mineralischem Faserstoff (wenn
man absieht von den zu Stickereien und Brokaten verwendeten Goldfäden),
nämlich aus Asbest14), ist, wie heut noch, immer eine Kuriosität gewesen
und außer zu Kopftüchern u. dgl. höchstens zu Kleidern für zu verbrennende
Leichen benutzt worden15).
s) Daf3 die auf Malta gewebten feinen
Stoffe, die vestes Melitenses, Cic. Verr. II 72,
176; 74,183; IV 46, 103. Varr. b. Non. 539,29
(Lucr. IV 1129 ist unsicher), Baumwollstoffe
gewesen seien, ist eine unerwiesene Hypo-
these Ritters, s. Marquardt 490 f.
9) Dal.-s.svW"» keineswegs immer indische
Baumwolle, sondern ganz allgemein Zeuge
oder Kleiderstoffe u.dgl. bedeutet, wird heut
entgegen der Behauptung von Ritter all-
gemein angenommen, s. Marquardt 489f.
,0) Herod.IV74;vgl.YATEs292. Hkiin 186.
") Yates 296.
12) Caecil. bei Non. 548, 16. Novius ebd.
539, 22 (wo aber moUicinam steht), vgl. ebd.
540,24; moloch/narii bei Plaut. Aul. 514.
13) Plinius nennt sie nicht; Isid.XIX 22,
12: molochinia, q><ae malrarnm staminc COn-
fleitur, ist Grammatiker-Gelehrsamkeit, die
nichts erweist; Nonius 548. 16 weiß gar nichts
Näheres, da er die »wlochiiia vom color floris
similis malvae erklärt.
14) Yates 356. Marquardt 500. Blüxkkb
Technol. I 194. Saglio bei D.-S. I 464. Nies
bei P.-W. I 1830.
Js) Plin.XIX 19. Strab.X 446: über Reste
von solchen Leichenkleidern s. Yates 359.
l) Darauf beruht die Beschreibung bei
Theophr. h. pl. IV 4, 8 und 7, 7. Vgl. Strab. XV
■8 f. Arr.Indic.16,1.
*-) Daü carbasina zum ersten Male in
einem Fragment des Caecilius, bei Non. 548,
l£, vorkommen, kann nur einen Anhaltspunkt
für die Bekanntschaft mit dem Worte carbasus
ergeben, nicht für die nähere Kenntnis baum-
wollener Gewebe, s.u.: auch hat Caecilius
hier jedenfalls nur die griechischen Ausdrücke
seines attischen Originals herübergenommen.
*) Der Ausdruck Uma arborea ist nir-
gends überliefert und nur aus den lanigerae
Wrbores bei Plin.XII33 konstruiert.
4) Vgl. Saglio a. a. O. Yates u. Marquardt
a.a.O.
5) Vornehmlich da. wo indische Kleider so
genannt sind, s. Curt. VIII 9, 21 u.24. Lucan. III
239. Prop. V (IV) 3, 64, deraberauchsolche Klei-
der carbasina lina nennt. Wenn aber Plin.XIX
1" angibt, die carba*« seien den Römern von
Tarraco her gekommen, so kann er damit keine
Baumwolle meinen, vgl. Olck a.a.O. 1573.
6) Siehe oben S. 241 und vgl. Schrader
a. a. O. I 208 ff. Paris bei D.-S. I 756. Olck bei
P-W. III 1108 ff.
7) Plin.XII39:XIX14.
248
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
Was die Farbe der Kleiderstoffe betrifft, so schätzte man, wie oben
mehrfach erwähnt, bei Wollenstoffen eine schöne und reine Naturfarbe
ungemein, mochte es sich um Weiß, Goldgelb, Rotbraun oder Schwarz
handeln. Die Toga der Männer war (die Trauerkleidung ausgenommen)
immer weiß1); im gewöhnlichen Leben aber, im Haus und auf der Reise,
trugen die Männer, wie die Handwerker und die Sklaven2), die weniger
unpraktischen Kleider von Mittelfarbe oder dunkle3), wenn auch die Staats-
tunika in der Regel weiß und durch den Purpurstreifen verziert war. Bunte
Stoffe waren bei den Männern in der republikanischen Zeit wohl nicht
häufig, um so mehr dagegen in der Kaiserzeit, namentlich für leichte Mäntel,
wie die Lacerna, oder für Besuchskleider, wie die Synthesis4), während man
für Wettermäntel, Kapuzen u. dgl. die dunkeln Stoffe vorzog. In stärkerem
Maße bedienten sich die Frauen der bunten Kleider, und zwar nicht bloß die
Hetären, obschon diese wohl noch mehr und auffallender, als die andern5).
Allerdings scheint die ältere republikanische Zeit darin noch strenger ge-
wesen zu sein6); doch war das nur vorübergehend, und in der Kaiserzeit
trugen die Frauen wohl in der Regel bunte Kleider7).
Was das Technische anlangt8), so wurden für gewöhnlich die Stoffe nicht
als Gewebe gefärbt9), sondern im Rohzustande: die Wolle nach dem Krem-
peln10), die Seide als Rohseide oder im Garn11). Von Farbstoffen kamen nur
') Wenn die toga Candida speziell die
Tracht der sich um ein Amt Bewerbenden
ist, so geht das nicht auf die Farbe, sondern
darauf, daß die weiße Toga durch Bestreichen
mit Kreide frischen Glanz erhielt, Isid. XIX
24,6; das ist, was Pers. 5, 177 die cretata
ambitio nennt.
2) Vgl. Artemid.On. II 3: ov yao Jtgog sgyco
ovis? oi av&Qtojtoi, xal fxähoza ol zag ßavav-
oovg ze%vag sgyaCo/uevoi, Xevxoig i/uazioig ygwvzai.
3) Die colores fusci, Ps.Tib. III 4,55. Mart.
196,9;XIV127;ebd. 129. Der pullus color, der
die eigentliche Trauerfarbe ist (Mart. XIV 157),
wurde sonst besonders von Leuten des niedern
Volkes getragen, die davon pullati heißen,
Mart. X 76, 8 ; XIV 158. Quint. II 12, 10 ; VI 4, 6.
Plin. ep. VII 17, 9. Suet. Aug. 40 u. 44; daher
Cic. Verr. IV 24, 54 es dem Verres vorwirft,
daß er cum tunica pulla et pallio in Sizilien
herumgegangen sei.
4) Siehe oben S. 219. Daß diese Sitte
bis zum Tragen grellfarbiger Kleider ging,
zeigt Sen.n.qu.VII31,2: colores meretricios,
matronis quidem non induendos, viri sumimus.
5) Vgl. Sen. a. a. 0. ; an Libertinen geht
der Rat Ovids a. a. III 169ff. über die Wahl
der Kleiderfarbe. Aber unrichtig ist es, wenn
Böttiger Sabina II 109 behauptet, die Ma-
tronen hätten außer Gold und Purpur nichts
Farbiges getragen ; vgl. Artemid. On. II 3 : yv-
raixi de noixllr) xal dv&nga iaßtjg av/itpigei,
fiu/uozn de ezalga xal nXovalq ' i) ftsv yag diä
trjv EQyaoiav, f] Ös 8ia ztjv zgv(pi)v dv&noalg
eoOijai yowvzai.
6) Die Lex OppJa vom Jahr 215 v. Chr.
bestimmte für die Frauen nee veste varii
coloris uti nee auri plm semunciam habere,
Val. Max. IX 1, 3; sie wurde aber Schon 20
Jahre darauf durch die Lex Valeria Fundania
wieder aufgehoben, da die Frauen energisch
dagegen Opposition gemacht hatten, vgl. Liv.
XXXIV 1 ff. In den hierbei gehaltenen Reden /
ist allerdings nur von Purpur die Rede, Liv.!
a.a.O. 3, 9 und 7,3.
7) Dafür sprechen auch die Wandgemälde
von Pompeji und Herkulaneum, die meist
bunte Kleider zeigen. Vgl. Digg. XXXI V 2, 32, 6.
8) Vgl. Blümner Technologie I 215 ff., wo
ältere Litteratur angegeben ist.
9) Das eigentümliche Verfahren, das Plin.
XXXV 150 beschreibt, ist kein eigentliches
Färben, sondern ein künstliches Hervorbringen
bunter Muster; es wird auch nur als ägyp-
tische Erfindung berichtet und darf für römi-
schen Brauch nicht herangezogen werden ; das
Bemalen fertiger Gewebe mit Ornamenten, das
Herod. I 203 von Völkern des Kaukasus be-
schreibt, fand auch in römischer Zeit statt,
wie die Funde so behandelter Kleiderstoffe
&10)' Varro bei Non. 228, 25. Cic. Verr. IV
26,59. Prop.V (IV) 3.34.
1 *) Siehe oben S. 246 A. 3 und Blümner zum
Ed. Diocl. 163 f. Leinwand ist für gewöhnlich
überhaupt nicht gefärbt worden; Plin. XIX
22 bemerkt als Ausnahme: temptatum est
tingui liniim quoque, ut vestium insaniam
aeeiperet; doch ist auch da nicht von bunten
Kleidern , sondern von bunten Segeln die
Rede. Vgl. ebd. 24: cetera mansit candori per*
tinax gratia. Wenn Leinwand mit Purpur-
streifen erwähnt wird, wie z. B. Vopisc. Carin.
Sechster Abschnitt. Die Tracht.
21!»
(animalische und vegetabilische zur Anwendung; mineralische waren den Alten
nicht bekannt. Unter den animalischen war von jeher der prächtigste, aber
auch kostbarste Farbstoff der echte Purpur1), das aus dem Saft der Purpur-
schnecke (purpurn, murex2)) bereitete pelagium3); doch ergab dieser keines-
wegs eine bestimmte Farbe, sondern je nach der Qualität und der Provenienz
der Schnecke vom Rötlichen über Violett und Blauschwarz bis zum Schwan
übergehende Nuancen4). Ein zweiter Purpurstoff war das aus der Trompeten-
schnecke (bucina) gewonnene bucinum, das scharlachähnlich war, mit dem
man aber für gewöhnlich nicht allein färbte, da es nicht dauerhaft war5).
Meist bediente man sich überhaupt einer Mischung der verschiedenen Purpur-
säfte; so wurde die kostbare tyrische Färbung, ebenso wie die lakonische,
dadurch hervorgebracht, daß man die Wolle erst in Pelagium und dann in
Bucinum färbte, wodurch ein schönes, in der Sonne glänzendes Dunkelrot
entstand"). Hingegen ergab eine einmalige Färbung in einer Mischung von
schwarzem Pelagium den sehr beliebten violetten Purpur, der ianthinum
oder violaceum, auch amethystinum oder hyacinthinum hieß7). Diese echten
Purpursäfte hießen in der spätem Kaiserzeit blattet8).
Hellere Töne erzielte man mit den sogenannten Konchylienfarben, d. h.
solchen, bei denen das Pelagium mit andern Substanzen als Bucinum ver-
mischt wurde, wie mit Wasser, Urin, fueus marinus (Orseille), Honig, Bohnen-
mehl9); man erhielt auf diese Weise teils eine bläuliche, dem Heliotrop und
der Malve ähnliche, teils eine gelbe Farbe, die der Herbstviole glich10).
JW eitere Farben ergaben sich durch Kombination dieser Färbungsmethoden:
/wenn man die Wolle erst in Ianthinfarbe, dann nach tyrischer Art, d. h.
erst in Pelagium und dann noch in Bucin tauchte, erhielt man tijrianthinum11);
nahm man zuerst eine Mischung, wie man sie zum Konchylienpurpur brauchte,
und färbte dann tyrisch, so gab das tyrischen Konchylienpurpur, und wenn
man zuerst Scharlach nahm, sogenannten Hysginpurpur12).
20, 5 : lineae . . . micantes purpura, so waren
die eingewebten Purpurstreifen allem An-
scheine nach nicht von Leinwand, sondern
von Wolle, indem solche zum Einschlagen
genommen und die leinenen Kettenfäden ver-
deckt wurden. Vgl. Lampr. Alex. Sev. 40, 11 ;
boni linteaminis adpetitor fuit, et quidem puri,
dicens: Si lineae ideirco sunt, ut nihil aspe-
rum habeant, quid ojms est purpura in Unea?
Dabei ist also purpura Purpurwolle, wie Ed.
Diocl. 24, 2 ff. ; vgl. Blümner ebd. 163 f. u. 173.
]) Hauptwerk über die Purpurfärberei ist
W. A. Schmidt Forschungen auf dem Gebiet
d. Altert. I, Berlin 1842. Andere Litteratur
s. Blümner Technol. 1 224. Marquardt 507
A.7 und Besnier bei D.-S. IV 769 ff.
-) Murex ist zwar die eigentliche Purpur-
schnecke, wird aber, und nicht nur bei Dich-
tern, noch mehr allgemein für Purpur ge-
braucht, s. Blümner Technol. I 227.
3) Vom Namen der Schnecke, die außer
purpura auch pelagia heißt, Plin. 1X131;
doch ist pelagium nicht der unmittelbar ge-
wonnene, sondern der eingesalzene und ge-
kochte Saft, vgl. ebd. 133 ff.
4) Nach Vitr. VII 13,2: atrum, lividum,
violaceum, rubrum, vgl. Plin. a.a.O. 126 u. 134.
Gell. II 26, 5.
5) Plin. a. a. 0. 134.
6) Ebd. 135; das sind die oft genannten
dibapha, s. Schmidt a.a.O. 128 f.
7) Plin. ebd. 134; XXI 45; XXXVII 122;
mehr bei Schmidt 125 f.
8) Die Stellen bei Schmidt 130 ff.; daher
die oben (S. 246 A. 3) erwähnte metaxablatta,
die blatta serica Cod. Theod. X 20, 18 ; vgl. Corp.
Gloss.VI145.
9) Plin. IX 138; XXVI 103. Vitr. a. a. O.
10) Plin. XXI 46; vgl. Schmidt 139. Die
so getränkten Stoffe rochen jedoch übel, Plin.
1X127. Mart.I49,32;II16,3u.s.
") Plin. IX 139. Mart. 153,5. Vopisc.Carin.
20,5.
12) Plin. 139f.; letzterer war nach einer
Pflanze Sopj benannt, die bei Xen. Cyr.VlII
3, 13 als Färbemittel vorkommt; doch dient
sie beim Hysginpurpur, von dem Plin. spricht,
offenbar nur zum Vergleich der Farbennuance.
Dagegen ist die im Ed. Diocl. erwähnte toyirr)
sicherlich nicht identisch mit der oben er-
wähnten kombinierten Purpurfarbe, da sie
dafür viel zu billig ist, s. Blümner ebd. 166.
250
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
Etwas anders, als bei Plinius, dem wir diese Angaben verdanken, waren
die zur Zeit Diokletians im Handel üblichen Bezeichnungen für echte Purpur-
sorten: man unterschied nämlich blatta, d. h. dunklen tyrischen Purpur (ent-
weder in Seide oder in Wolle, siehe oben S. 248), vnoßXdrxr], vermutlich eine
etwas blassere Farbe, die ö£vtvqio. oder oxyblatto1), zwar wohl eine hochrote
Nuance, aber im Wert bedeutend geringer, und eine Sorte, die änliov hieß,
weil die Wolle nur einmal gefärbt war2).
Als bester echter Purpur, der freilich bei den Römern erst ziemlich
spät in Gebrauch gekommen zu sein scheint3), galt auch den Römern, wie
den Griechen, der phönikische4), der in der Regel als tyrisch bezeichnet
wird, auch wenn man dabei nicht immer an die speziell tyrische Doppel-
färbung zu denken hat5). Zur Zeit des Plinius bestand der einzige Ruhm
der einst so blühenden Handelsstadt nur in ihrer Konchylien- und Purpur-
färberei6); dieser aber erhielt sich dauernd, und ums Jahr 300 wurde hier
eine kaiserliche Purpurfärberei angelegt, die noch bis ins Mittelalter fort-
bestand7). Nächstdem galten als beste Sorten der gaetulische und der von
der Insel Meninx 8) (wie denn überhaupt an der Nordküste Afrikas Purpur-
fischerei und -färberei blühten9)) und der lakonische, dessen Ruhm alten
Datums war10). Neben diesen Hauptsorten gab es freilich noch zahlreiche
andere, billigere und minder geschätzte Arten. In Italien selbst ist zu nennen
Aquinum11), Ankona12), in Kampanien Puteoli13), in Kalabrien Tarent14),
in Sizilien Syrakus15). Im Norden der Adria lieferte die illyrische/Küste
1) Cod.Iust.lV10,l.
2) Ed.Diocl 24.2ff.;vgl.BLÜMNEHdas.l65.
3) Nach Nepos bei Plin. IX 137 war der
Aedil P. Lentulus Spinther (i. J. 63 v. Chr.)
der erste, der doppelt gefärbten tyrischen
Purpur an seiner Praetexta trug. Vermutlich
waren die purpurnen clavi, die seit frühester
Zeit zur Amtstracht gehörten (Plin. ebd. 136)
von italischem oder griechischem Purpur.
4) Doch bezeichnet poeniceus als Kleider-
farbe nicht purpurn, sondern dasselbe wie
puniceus, d. h. scharlachfarben, wenn es auch
im allgemeinen Sinn von rot schlechthin am
häufigsten vorkommt; vgl. Blümner Farben-
bezeichnungen b. d. röm. Dicht. 199 f.
5) Die Erwähnungen sind zahllos; vgl.
Schmidt 155. Büchsenschütz Hauptstätten 83.
Blümner Gewerbfleiß 20 f.
6) Plin. V 76 : unus omnis eins nobüitas con-
<lt?/ffoatque2)urpuraconstat;vgl.Striih.XVl757.
7) Cod.Theod.X20,18. Amm. Marc. XIV
9, 7. Euseb. eccl. hist. VII 32; vgl. Schmidt
a.a.O. 176.
8) Plin. IX 127 und XXXV 45 nennt tyri-
schen, gaetulischen oder meningitischen und
lakonischen als jn-etiosissimae purpurae. Der
gaetulische (von der atlantischen Küste) wird
Hör. ep. II 2, 181. Ov. fast. II 319. Sil. lt. XVI
568. Melalll 10,5 (104) erwähnt; der von der
Insel Meninx (von der Mittelmeerküste) hieß
auch nach deren anderem Namen girbitanisch,
Treb.Poll.Olaud. 14,8; in der spätem Kaiser-
zeit war hier eine kaiserliche Purpurfärberei,
Not. dign. Occ. 11,70.
9) Afrikanischen Purpur nennt Hör. carm.
II 16, 35; mauretanischen Treb. Poll. a. a. O. ,
Flav. Vop. Aurel. 12. 1. Auf den kanarischen^
Inseln soll König Iuba Färbereien angelegt
haben, in denen gaetulischer Purpur verwendet
wurde, Plin. VI 101; und daß außer der gir-
bitanischen noch andre kaiserliche Purpur-
färbereien in der Provinz Afrika waren, ist
Not. dign. Occ. 11,69 bezeugt.
I0) Plin. a.a.O. und XXI 45; vgl. Paus. III
21, 6. Hör. carm. II 18, 7. Besonders gerühmt
wurde der Purpur von Kythera. das daher
sogar auch Porphyris hieß, Plin. IV 56. Zweifel-
haft ist, ob man nach Ov. rem. am. 707. Mart.
VIII 28, 9 auch für das im Binnenland be-
legene Amyklae Purpur färberei annehmen soll ;
Büchsenschütz Hauptstätten 86 A. 7 meint,
die Dichter gebrauchten nur Amyclaeus für
Laconicus, wie Verg. Geo. III 345.
") Nach Hör. ep.I 10,26 und Acro z.d.St.
wurde der Purpur von Aquinum Unerfahrnen
oft als echter verkauft.
li) Sil. It. VIII 436.
13) Plin. XXXV 45. Hingegen wird Hör. sat.
II 4, 32 murice Bat'ano von Marqixarot irrtüm-
lich auf Purpur bezogen, da dort von eßbaren
Schnecken die Rede ist.
14) Corn.Nep.beiPlin.IX137: rubra [pur4
pnrd) Tarentina. Hor.ep.II 1,207. Pers.2,65;
vgl. Serv. z. Verg. Geo. 1 V 335. Not. dign. 1 1 . 65.
u') Hier war eine kaiserliche Purpurfärberei,
Not. dign. Occ. 11,68. Vgl.Prop.IV12(III13),6.
Sechster Abschnitt. Die Tracht.
251
Purpur, den die kaiserliche Färberei in Salona verwertete1); in Griechen-
land außer Lakonien Thessalien2), Phokis3), Argolis, besonders Hermione4);
auf Euböa Eretria5); in Kleinasien die Propontis6), Milet7), Thyatira8).
Smyrna9), Phokäa10); von den Inseln Kos11), Kypros12), Rhodos13). An der
phönikischen Küste werden aus der spätem Kaiserzeit autk'r Tyros noch
Sarepta, Cäsarea, Neapolis und Lydda genannt14); in Spanien war Purpur-
fischerei in Carteia15); kaiserliche Färbereien waren auf den Balearen10) und
in Gallien in Narbo und Telo Martius (Toulon)17).
Ein zweiter animalischer Farbstoff war der Kermeswurm 18), der den
Scharlach (coccum) lieferte, aber von den Alten lange Zeit für ein pflanz-
liches Produkt gehalten wurde19). Wir sahen oben, dafä bei einer der so-
genannten Konchylienfarben mit Scharlach gefärbt wurde; häutiger aber
färbte man damit allein, und diese Farbe hieß punisch (puniceus, poeniceus) 20),
weil namentlich in Nordafrika viel Scharlach gefärbt wurde21), sonst coccinus
oder coccineus22). Außerdem kam Scharlach von Galatien, Pisidien, Kilikien l
und Spanien24).
Was die vegetabilischen Farbstoffe anlangt, so färbte man rot mit
Färberröte oder Krapp, rubia25), mit Sandyx26), besonders aber mit Orseille.
fucus marinus oder alga maris21), die eine sehr schöne, aber nicht dauerhafte
') Die Not. dign.verzeichnetOcc.il, 66 die
Färberei von Salona, 67 ein bafium Cissense,
Ventilat' ti Histriae.
2) Lucr.11500. Festus 124, 14.
3) Vgl. Paus. X 37, 3 über die Purpur-
fischerei in Bulis.
4) Alciphr. ep.III46. Steph. Byz. s.'Aheig.
») l'hilostr. V. Apoll. I 24, 2. Dio Chrys.
or.ll p.220u.241R.
G) Hier lag die Insel Porphvrione, Plin.
V-151; vgl.Ath.UIp.88F.
7) Verg. Geo. III 306 und das. Servius.
Im Ed. Diocl. 24, 6 f. rangiert die milesische
Purpurwolle gleich hinter den echten Sorten,
und zwar in zwei Sorten: doppelt gefärbt und
einfach; im Preise ist jene der einfach ge-
färbten tyrischen gleich, also jedenfalls noch
eine der besten Purpurfarben. Vgl. auch Ath.
Xllp. 539F. Expos, tot. mundi 47.
8) Acta apost. 16,14; vgl. CIG 3496 ff.
9) Expos, tot. mundi 47.
,0) Ov.met.VI9.
n) Hor.carm. IV 13, 14 und das. Acro. luv.
8,101. loh.Lyd.de mag. II 13.
») Isid.or.XIX28,3.
») Vitr. VII 13,2.
14) Expos, tot. mundi 31.
15) Strab.111145.
IG) Not. dign.Occ. 11,71.
17) Ebd. 72 f. Zur Zeit des Plinius wurde
an den gallischen Küsten keine Purpurfischerei
botrieben, XXII 3.
ls) Ueber den Scharlach vgl. Schmidt a. a. 0.
100 f. Beckmann Beitr. z. Gesch. d.Erfind. III 1 ff.
19) Plin. IX 141; XVI 32: XXII 3; vgl. Diosc.
IV 48. Paus. X 36, 1 weiß zwar etwas von einem
Insekt, das die Kermesbeere hervorbringe, aber
•nicht klar, daß sie selbst das Insekt sei: erst
bei Isid. XIX 28, 1 heif3t der coecus vermiculits.
20) Wie die Griechen jto@qwQo&s und </<<>-
vixovc;, so unterscheiden die Römer immer
purpureus und picmceus, vgl. Van. 1.1. V 113.
Tib.II 3,57. Serv.z Verg. Aen. VII 612; mehr
bei Schmidt 101.
21) Plin. XXII 3. Tib. a. a. O. Sil. It. XVI 354.
22) Petron. 28,4; 32, 1 : 38, 5. Mart. II 16, 2:
29, 8 ; 39, 1 ; 43, 8 ; IV 28, 2; XIV 131 ; vgl. coc-
cinatus, ebd. I 96, 6 ; V 35, 2. luv. 3, 283 u. a. m.
Eigentümlich ist, daß die Römer bei der trabea
Scharlach und Purpur nebeneinander setzten,
indem diese scharlachrote Streifen und pur-
purnen Saum hatte, s. Marquardt 507 A. 2.
25) Plin.IX141;XVI32; XXII 3. Tert. de
pall.4; die Färberei damit scheint in Nikaea be-
trieben worden zu sein, denn im Ed. Diocl. 24.8
wird jioQ<pvgä Neiy.atjvi] xoxxrjgä nach dem
milesischen Purpur aufgeführt, die aber nur
den achten Teil vom Preise jener kostet.
Ueber sonstiges Vorkommen in Kleinasien
s. Diosc. IV 48. Plin. XVI 32. Paus. X 36,1.
24) Besonders von Emerita in Lusitanien.
Plin. a.a. 0.
26) Plin. XIX 47: rubia tinguendis lania ti
coriis necessaria; XXIV 94.
26) Verg. eck 4, 45. Prop.IlI 20 (II 25), 45;
vgl. Serv. z Verg. a. a. 0. Doch war die Pflanze,
deren heutigen Namen wir nicht wissen, mehr
im Orient bekannt und in Anwendung, als
im Occident. s. Vopisc. Aurel.29, 3. Blümner
Tcchnol.1245 A.2.
27) Plin. XIII 136; XXXII 66. Acro ad Hör.
sat. I 2, 83. Im Ed. Diocl. 24, 9 ist die beste
Sorte der Hysginwolle d/.ym'/nto; genannt, was
nach der allgemein gebilligten Vermutung
Mommsens (s. Blümner z. d. St. 166) algt
bedeutet, d.h. mit alga maris gefärbt.
252
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
Purpurfarbe ergab x) ; ferner mit Heidelbeeren, vaccinium2), einem Farbstoff,
der wahrscheinlich mit der vayq genannten Pflanze und mit hyacinthus
identisch ist3), sowie mit Granatblüten4). Gelb wurde mit Safran, crocus,
gefärbt5), mit Wau, lutum0), und einigen selteneren Pflanzenstoffen7); blau
mit Waid, vitrum8); braun mit Nußschalen9); schwarz mit Galläpfeln10).
Noch manche andere Stoffe, von denen uns zufällig keine Nachricht er-
halten ist, mögen zur Verwendung gekommen sein, um die große und
mannigfaltige Farbenmenge herzustellen, über die die römische Technik
verfügte und von der uns die zahlreichen, für Kleiderstoffe überlieferten
Namen der Farbennuancen, die meist an Farben von Naturobjekten an-
knüpfen, Zeugnis geben11).
Von allen diesen Farbstoffen war nur das Tragen der echten Purpur-
stoffe in der Kaiserzeit vorübergehend gesetzlich beschränkt12); wie sehr
aber in der Kaiserzeit das Tragen von ganz oder teilweise purpurnen
Kleidern sich verbreitete, zeigen nicht nur die zahlreichen Erwähnungen
bei den Schriftstellern, sondern auch das häufige Vorkommen von Purpur-
händlern auf den Inschriften13). Und wie es in der spätem Kaiserzeit an
zahlreichen Orten des Reiches kaiserliche Leinwandfabriken gab, so auch
kaiserliche Purpurfärbereien, die wir oben angeführt haben14).
Neben diesen einfarbigen Stoffen trug man dann auch Kleider, bei
denen Mehrfarbigkeit teils durch die Art des Webens, teils durch Stickereien
oder Besätze hervorgebracht war. Unter den buntgewirkten Stoffen sind
!) Hor.carm. III 5,27; doch rühmt Plin.
XXXII 66 der kretischen Orseille nach, sie
sei tinguendis lanis ita colorem adligans, ut
elui p>ostea non possit.
*) Nach Plin. XVI 77 färbte man damit
in Gallien Sklavenkleider.
*) Wenn in griechischen Quellen voyi-
voßaqifj genannt werden (s. Blümner a. a. 0.
247 A. 2), so ist nicht ersichtlich, ob da mit
voyr] gefärbte Stoffe oder der oben erwähnte
Hysginpurpur gemeint ist, der seinen Namen
nicht vom Farbstoff, sondern von der Gleich-
heit der Farbennuance hat. Hingegen sind
die im Ed. Diocl. 24, 9 ff. aufgeführten Sorten
jioQtpvgag ioyevng sicher nicht echte Purpur-
wolle, da sie dafür viel zu billig sind, son-
dern mit voyr] gefärbte. Diese Pflanze kommt
als Farbstoff für Maler Vitr. VII 14,2. Plin.
XXXV 45 vor; und wenn bei Diosc. IV 63 der
vaxiv&og als das römische vaccinium erklärt
ist, andrerseits Plin. XXI 170 in einer sach-
lich ganz auf Diosc. beruhenden Stelle sagt:
hyacinthus in Gallia maxume provenit, hoc
ibi fuco hysginum tingunt, so scheinen in
der Tat hysge, hyacinthus und vaccinium
identisch zu sein.
4) Nach Plin. XIII 113: Hos {granati) ba-
laustium vocatur, et medicis idoneus et tin-
guendis vestibus, quarum color inde nomen
accepit.
b) Verg. Aen. IX 614. Fest. p. 82, 13. Plin.
XXI 31 f. spricht aber vom Safran als Farb-
stoff nicht. Wenn Kleider crocea, crocina u. dgl.
genannt werden, so bedeutet das oft nur safran-
farbig, nicht safrangefärbt. Ein crocotarius
infector bei Plaut. Aulul. 510.
6) Verg. ecl. 4,44; als Malerfarbe Vitr. VII
14, 2. Plin. XXXIII 87. Von luteus als Farben-^
bezeichnung gilt dasselbe, wie von croceus.
7) Mit thapsus, das aber nur in griech.
Quellen sich findet, s. Blümner a. a. 0. 244
A. 5; mit Eichenrinde, Hesych. s. dgvoßaqpfj
i/Lidzta; mit Ginster, genista, Plin. XVI 74; mit
Lotoswurzel, ebd. 124.
8) Vitr. a. a. 0. und Plin. XXXV 46 nur
als Malerfarbe erwähnt, doch ist seine An-
wendung in der Färberei durch Diosc. II 215.
Galen. XI 890 K. bezeugt (griech. laäng).
9) Plin. XV 87.
10) Plin. XVI 26.
") Was Ov. a. a. III 169ff. poetisch aus-
führt, ist meist die Umschreibung solcher,
in der Technik und im Handel üblicher Be-
zeichnungen, deren auch Non. p. 548, lOff. im
Abschnitt de coloribus vestimentorum eine
Auswahl gibt, womit Plaut. Epid. 231 ff. zu
verbinden ist; vgl. Marqtjardt 505 f.
12) Zuerst durch Caesar, Suet. Caes. 43;
dann wieder durch Augustus, Dio Cass.XLIX
16,1, und durch Nero, Suet. Nero 32. Daß
das nicht dauernden Erfolg hatte, zeigen die
häufigen Erwähnungen der Tyria, amethystina,
lanihina bei luvenal und Martial.
13) Siehe Marqtjardt 514 A.6ff.
14) Vgl. Marquardt 515 f., auch über das
5. Jahrh. n. Chr.
Sechster Abschnitt. Die Tracht.
253
besonders die schillernden (Changeant-Stoffe) zu nennen, bei denen die Kette
von anderer Farbe war, als der Einschlag, was man vestes versicolores nannte l).
Von gemusterten Stoffen werden gestreifte, vestes virgatae, genannt2) und
gewürfelte, vestes scutulatae3). Kompliziertere Muster ornamentaler oder
figürlicher Art wiesen die Buntwebereien auf, die man mit dem griechischen
Ausdruck polymita4)^ lateinisch multicia nannte5), die freilich noch häufiger
für Teppiche, Vorhänge, Kissenbezüge u. dgl., als für Kleider zur Verwendung
kamen, obschon auch dies vorkam. Reste solcher Buntwirkereien mit allerlei
Ornamenten vegetabilischer und animalischer Art, namentlich mit allerlei
Fabelwesen6), meist aus später Kaiserzeit oder dem Anfang des Mittelalters
herrührend, haben sich verschiedentlich erhalten, besonders in ägyptischen
Funden7). Dabei kam vielfach auch Gold zur Verwendung8), zumal bei
Seidenstoffen9), wobei in der Regel der Goldfaden10) den Einschlag des
Gewebes bildete11). Auch ganz goldne Stoffe (Brokate) wurden gewebt,
solche freilich nur zu ganz besonderem Prunk12). Auch von solchen gold-
durchwirkten Stoffen besitzen wir Reste13).
An Stelle der Buntwirkerei trat vielfach die Stickerei14), ebenfalls
eine orientalische Fertigkeit (daher die Sticker phrygiones hießen15)), für die
i
1) Liv.VII 10,7. Quint.X 1,33, vgl. die Be-
schreibung solcher Schillerstoffe bei Aristaen.
ep. 1 1 1 und Philostr. imag. I 10. Später sind
allerdings vestes versicolores bunte Kleider
überhaupt; s. Digg. XXXII 1, 70, 12; XXXIV
2,32,6. Zweifelhaft ist, ob Liv. XXXIV 1,3
mit dem durch die Lex Oppia (s. oben S. 248 A. 6)
den Frauen verbotenen vestimentum versicolor
\ nur farbiger oder (wie Marquardt 505 A. 2
\will) Schillerstoff gemeint ist; Val. Max. IX
Jr>3 spricht in der gleichen Sache von vestis
varii coloris, bei den Reden aber, die bei
diesem Anlaß gehalten wurden, ist. wie oben
erwähnt, immer von Purpur die Rede, wes-
halb man am ehesten an schillernden Pur-
pur (vgl. Ov. met. VI 61 ff.) zu denken haben
wird.
2) Verg. Aen.VIII 660. Sil. It. IV 155. Val.
Fl. II 159: virgae heißen die Streifen, Ov.
a. a. III 269.
3) Siehe oben S. 240.
4) Plin. VIII 196. Isid. XIX 22,21. Pe-
tron.40,5. Mart.XIV 150; vgl. Marquardt 532
A. 1. mit der Erklärung der Etymologie des
Wortes.
s) luv. 2, 66 u. 76; 11, 188, wo sie überall
i'rauenkleider sind, vgl. Schol. zu 2,66: aber
tunicae multiciae viriles bei Vopisc. Aurel.12, 1.
Das Wort ist wohl eine Zusammenziehung aus
mdtilicia {Heia sind die verschiedenen „Ge-
schirre" des Webstuhls), s. Corp.Gloss. V 524, 7 :
multicia vestis quae multa licia habet; ebd.
573, 13; ebd. 653,5: genus vestis pluribus co-
Iwibus confeeta; und zu polgmita s. ebd. VII
103.
6) Vgl.MARQUARDT533f.
7) Griechische Buntwirkereien aus der
Krim zählt Marquardt 530 A. 8 auf, nebst
einigen römischen ; über ägyptische Funde ist
zu vgl. Forrer Rom. u. byzant. Seidentextilien,
Straßburg 1891.
8) Plin. VIII 196 schreibt diese Erfindung
irrtümlich dem Attalos zu; sie ist zwar orien-
talisch, aber viel älteren Datums. Ueber die
Attalica peripetasmata oder aulaea, die wohl
die Veranlassung zu dem Irrtum des Plinius
gaben, s. oben S. 144 A. 6.
9) Tib. II 3, 53. Ov. met. III 556; a. a. II
299. Verg. Geo. 11 464; Aen. III 483; IV 262;
VIII 167; vgl.YATEs366ff.
10) Ueber die eigentümliche Beschaffen-
heit dieser Goldfäden vgl. Bock Gesch. d. li-
turgischen Gewänder I 42 ff. ; ders. Zur Ge-
schichte des Goldfadens in alter und neuer
Zeit, in Kunst und Gewerbe, 1884, N. 6 u. 7.
Semper Der Stil* I 152. Marquardt 536.
n) Verg. Aen. III 483: fert pietwraku
auri stibtegmine vestes; dazu Servius: male
quidam subtegmen stamen aeeipiunf , cum
stamen de auro esse non possit. Nemes.
cyneg. 91.
") Plin. XXXIII 62 f. Senec.ep.90,45.
13) Vgl. Bock a.a.O. Raoul-RochetteMöui.
de l'Instit. XIII 641. Bull. d. Instit. 1836, 60
u. a. m.
,4) Vgl. Blümner Technol. 1208 f. Semper
a. a. 0. 1 181 ff. Besnier bei D.-S. IV 446 ff.
lä) Plin. VIII 196: acu facere hl l'hrggvs
fnvenerttnt, ideoque phrggioniae (vestes) appel-
latae sunt. Vgl. Plaut. Aul. 508. Varro u. Titin.
b.Non. 3,20f. Serv. ad Verg. Aen. III 484; IX
614; phrggia für eine Stickerin, CIL XI 5111.
Vestes Phrggiae Ov. met. VI 166; vgl. Sen.
Herc. Oet. 669. Daß der phrggio auch Repara-
turen und Auffrischung von Kleidern über-
nahm, zeigt Plaut. Men. 426.
254
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
die Römer neben dem umschreibenden Ausdruck acu fingere1) die in ihrer
Entstehung nicht ganz sichere Bezeichnung ars plumaria2) haben, die ver-
mutlich daher kommt, daß die beim Sticken am meisten geübte Art, bei
der die Fäden parallel nebeneinander aufgenäht werden, im Gegensatz zu
der auch schon geübten Technik des Kreuzstichs3), etwas Ahnliches hervor-
bringt, wie die nebeneinander liegenden Fasern der Federbärte4). Das
Mittelalter hat die verschiedenen Techniken der Stickerei, namentlich auch
die mit Goldfäden, unmittelbar übernommen5).
Endlich sind noch Verzierungen zu erwähnen, die nicht eingestickt*
sondern an- oder aufgenäht wurden6). Ob man auch in römischer Zeit,
wie es bei den Griechen und Etruskern durch zahlreiche Gräberfunde nach-
gewiesen ist7), getriebene Goldplättchen mit ornamentalen oder figürlichen
Mustern auf die Kleider nähte, ist nicht erweislich, aber immerhin wahr-
scheinlich8). Schon erwähnt haben wir die mannigfachen Besätze, Borten
und Streifen, die als instita, limbus, clavus den Kleidern von Männern und
Frauen teils als Schmuck, teils als Standesabzeichen dienten9). Im letzteren
Fall war die Purpurfarbe meist die vorgeschriebene, im ersteren waren
goldgestickte Streifen, patagia genannt10), ein zumal bei Frauen beliebter
') Ov.met.VI23. Verg. Aen. IX 582; XI
777. Mart.VIII 28, 17 f.; vgl. Plin. VIII 195.
Doch sind Gewänder oder Teppiche u. dg].,
die picta genannt werden, z. B. Cic. Tusc. V
21,61. Tac. ann. VI 34. Ov. her. 12,20 u.a.,
ebensowohl gestickt, wie buntgewirkt, vgl. Ov.
met. III 556: pictis intextum vestibus aurum,
und Lucr. II 35: textiles picturae. (Die Angabe
bei Blümner Technol. 1 209, daß die Sticke-
rinnen ornatrices heißen, ist unrichtig: Festus
p. 9,6: acus dicitur, qua sarcinatrix vel etiam
ornatrix utitur, geht auf die zum Haarordnen
benutzten Nadeln der Kammerzofen.)
2) So zwar nur bei Hieron. ep. 29, 6
p. 440 M. und in mittelalterlichen Quellen (vgl.
Georges in der Zeitschr. f. d. österr. Gymn.
XXIV (1873) 832); aber plumarius für den
Sticker kommt schon bei Varr. b. Non. 162, 21
(wo der plumarius deutlich vom textor ge-
schieden wird) und Vitr. VI 4, 2 (wo aller-
dings ihre Werkstätten plumariorum textrina
heißen) vor, beiFirm.Mat.math.il! 6, 4; 11,18,
sowie häufig auf Inschriften; auch xlovfiägiog
Ed. Diocl. 20. 1 (ebd. nlovfjägioi?, 19, 6 u. 25);
plumatile bereits Plaut. Epid. bei Non. 548, 15
u. 549, 1 (einem zwar unechten, aber vermut-
lich schon früh interpolierten Verse) ; plumatus,
von Stickereien, Petron. 55, 6 v. 3. Lucan.X
125. Anderes bei Marquardt 538.
3) Wahrscheinlich war dies besonders die
Arbeit der phrygiones, da die Technik schon
in Aegypten heimisch war, Marquardt a. a. 0.
4) Die Deutung der ars plumaria und der
dazu gehörigen entsprechenden Ausdrücke ist
freilich bestritten. Georges Philologus XXXII
(1873) 530 erklärte sie fürBuntwii kei ei; Semper
a.a.O. für Stickerei mit Vogelfedern; Becker
Gallus II 337 f. für Goldstickerei; Kiessling
Anecd. Basil. 20 für Verfertigung von Brokat;
die oben angeführte Ansicht ist die von Mar-
quardt a. a. O., gebilligt auch von Göll zu
Becker 339 und Blümner a. a. 0. 210.
5) Näheres mit Belegstellen bei Mar-
quardt 540 ff.; ebd. über die toga picta und
die tunica palmata, vgl. oben S. 209 u. 214. i
6) Dazu gehören auch die Fransen, firnl
briae (vgl. Varr. 1.1. V 79. Festus 90, 3), die man
oft auf Denkmälern an Tuniken, Halstüchern
etc. von Soldaten, sowie an Decken und Tü-
chern findet, s. Paris bei D.-S. II 1136. Maxj
bei P.-W. VI 2320. Erwähnt werden sie selt-
ner, vgl. Varr. a. a. 0. Plut. Luculi. 28. Plin
VII 171. Petron. 32, 2.
7) Marquardt 543 ff.
8) Wahrscheinlich geht auf solche Zie-
raten Festus 115, 13: leria ornamenta tuni-
carum aurea, denn leria ist doch wohl iden
tisch mit fojgoi, erwähnt Poll. V 101. Anth
Pal. VI 292, 2: h]gä>v olygüoeoi xa.lafj.oi. Hesych
S. lf]Qoi' ja jteqI toTs yvvaixeioig yirwoi xe/gv-
ocofisva. Phot.s. Irjgoi; denn daß dies nicht Gold
Stickereien, sondern getriebene Goldplättchei
waren, zeigt Luc. Lexiph. 9 : Ät]g6r xiva exgö-
tovv xal sXlößia, sagt ein Goldarbeiter.
9) Siehe oben S. 209 u. 232; im Zusammen
hang besprochen von Marquardt 544 ff.
10) Non. 540, 3: patagium, aureus clavu.
qui pretiosis vestibus inmitti solet. Tertull
de pall. 3. Ein solches Kleid hieß vestis pata
giata, Plaut. Epid. 231, vgl. Festus 221,2; di<
Verfertiger davon patagiarii, Plaut. Aul. 509
Nicht richtig ist es, wenn Marquardt 541
in dem mit Szenen der Gigantomachie be
stickten Streifen am Gewand der Dresdene
Pallas ein solches patagium erkennen will
Vgl. Saglio bei D.-S. IV340.
Sechster Abschnitt. Die Tracht.
255
Luxus1)- Ebenfalls goldgestickt2) und purpurn waren die vornehmlich bei
Frauenkleidern3), aber später auch in der Männertracht häufigen segnunta4)^
runde, eckige oder streifenförmige5) Einsatzstücke, wie man sie auch an
Kissen, Polstern u. dgl. anbrachte G). Auf römischen Denkmälern, namentluli
auf den Darstellungen der konsularischen Diptychen, sind diese Verzierungen
häutig genau wiedergegeben7).
Schließlich nennen wir noch die Berufsarten, die sich mit der Her-
stellung der Kleiderstoffe und Kleider, sowie mit deren Verkauf beschäftigt» in8 ).
Dal.* in alter Zeit das Spinnen und Weben Hausgeschäfte waren, indem die
Mägde unter der Aufsicht der Hausfrau oder in großen Sklavenfamilien
unter einem lanipendius9) als lanificae10) spannen und webten, ist schon er-
wähnt worden; allein obschon auch später noch, und selbst in der Kaiser-
zeit, die Frauen und Mädchen dazu angehalten wurden, so kamen doch
schon früh Berufsarten auf, die das Herstellen der Gewandstoffe gewerbs-
mäßig betrieben. Die Wolle lieferte als Rohmaterial der negotians lanarius11)
dem Wollarbeiter, lanarius12), vielfach schon im hergerichteten Zustande.
lach dem sie der lanilutor13) gewaschen und der carnünator 14) oder pedinator15)
gekrempelt hatte. Der Leinweber, linteo1*), linarius17) oder linteariuslb), lieferte
sein Fabrikat dem negotiator Untearius1*); feingewebte dünne Stoffe verkaufte
') Iuv.6,482 mit Schol.Vopisc.Tac.il, 6.
-') Wobei wobt ebenfalls die oben erwähn-
ten ( loldplättchen verwandt wurden, vgl. Sid.
Apoll, ep. V1I1 6,6, wo von einer [tunica) Sar-
ranis ebria sucis inter crepitantia segmenta
wßmata die Rede ist.
3) Vgl. Corp. Gloss. V 623. 20: segmenta m
est Pestis mulierum; s. ebd. 513, 52; 526,13;
(579, 12. Symm. ep. IV 42: alba velamina non
pegmentatiamictus.]$a,chVa\.Ma,x.Y2, 1 hatten
ie Frauen zum Dank für ihren Beistand gegen
Coi iolan das Recht bekommen, purpurea veste
et aureis uti segmentis.
4) Ov. a. a. III 169. luv. 2, 124; daher seg-
mentatae vestes, Isid. XIX 22, 18 ; vgl. Symmach.
a.a.O. Die Kleider in den Katakombenmale-
reien zeigen teils Streifen, lora, teils segmenta,
s. v. Svbel Christi. Antike I 150.
5) So bei Isid. a.a.O. : segmentata zdnis
qiiibtisdam et quasi praecisamentis ornata.
Der Begriff segmentum entspricht dem be-
sonders, vgl. Plin. VI 211 : segmenta mundi,
qnae nostri circulos appellavere, Graeci par-
atte/ns.
6) luv. 6, 89. In den Acta fratr. Arv. wird
das discumbere toralibus albis segmentatis
öfters erwähnt, s. Henzen 12.
7) Vgl. Wieseler Das Diptychon Quirini-
anum 44 ff. Marquardt 549 f.
s) Ueber die Fabrikation im einzelnen
vgl. die oben S. 237 angeführte Litteratur.
9) Digg. XXIV 1.31 pr. Schob luv. 6, 475.
Corp. Gloss. II 120, 50; 436, 33. Oft (ebenso
lanipenda) auf Inschr , s. Marquardt 156 A.3.
,0) Digg. XXXIII 7, 12,5. Paul. sent. III 6,
37; auch qnasillaria Petron. 132, 3. CIL VI
6339 ff. : 9495 ; 9849 f.; doch ist ein quasillarius
Corp. Gloss. III 461, 74 ein y.oq iro.-roiög (qua-
si/las ist der Woll- oder Spinnkorb).
") CiL VI 9669; XI 862: eine lanaria (sc.
taberna) ebd. IX 2226.
12) Den Wollarbeiter bedeutet lanarius bei
Plaut. Aul. 508 (wo allerdings einige Hss. dafür
linarias lesen). Arnob. II 38. Hieron. ep. 53,6
p. 544 M. Firm. Mat. math. 1118,7; daher werden
auch die lanarii der Inschr.. wie CIL VI 9489 ff. ;
33869 ; IX 826 ; XII 4480 f.. A. A. 1909, 223, die
Marquardt 504 A 3 für Wollhändler erklärt,
Wollarbeiter sein, vgl. das sodalicium lana-
riorutn camtinatorum, CIL XI 1031. Sonstauch
lanifieus, lanifex, vgl. Corp. Gloss. III 271,07:
369. 37.
,3) Corp. Gloss. 111453,72; 485,38; auch
laultor, II 314,22.
») CIL XI 1031.
,s) Ebd.V25S8;lanarii/>eeti'nariiebdA50l.
Corp. Gloss. II 355, 63; III 201,59u.s. Dagegen
sind peetinarii Kammacher, ebd. 111201,61.
CIL V 2543, und faber pectinarius ebd. 98
{refector peetinarlus VI 7569; IX 1711).
16) Plaut. Aul. a. a. O. Serv. ad Aen. VII 14.
Firm. Mat. math.1116,4; 10,18; IV 14,13. Cod.
lust. X 48 (47). 7. CIL V 1041 ; 3217 ; XII 5970.
17) CIL V 5923. Corp. Gloss. II 361, 20.
18) Wie Marquardt 584 A. 3 bemerkt,
sind lintearii Digg. XIV 4, 5, 15 u. ebd. 3. 5, 4
Händler, dagegen Cod. Theod. X 20, 16 Weber;
in den Glossen wird lintearins ebenso durch
nDorm^iohjs wie durch hrovoyoi erklärt. Corp.
Gloss. VI 649. Inschriftlich sind es wohl meist
Arbeiter, vgl. CIL II 4318a: III 5800; VI 7468;
9526 ; X 6638C 2, 21 ; XI 6228; XII 3340; 44S4.
XIII 1998.
,9) CIL VI 9670: negotiator ImÜarim et
eastrensiariusV 5932; neqot.artls rrstlariae et
Untraricu III 5800.
256
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
der teninarius oder negotiator tenuiarius1). Vom einfachen Weber, dem textor
schlechtweg2), wird der Kunstweber, der buntgewirkte Stoffe herstellt,
unterschieden, der polgmitarius3) oder multiciarius*). Ein sehr wichtiges,
in der Litteratur wie in der Epigraphik sehr häufig genanntes Gewerbe
sind die Walker, fullones5), auch lavatores oder lotores genannt6); denn
diese hatten nicht nur die neugewebten Stoffe zu walken und zu appretieren,
sondern auch die getragenen zu waschen und neu herzurichten7). Filz-
waren, coactilia8), wurden vom lanarius coactor9) hergestellt, Filzpantoffeln
vom impiliarius10). Über die sericarii, die Seidenhändler, siehe oben S. 245.
Das Färben der Stoffe, das meist schon im Rohzustande vor dem Weben
erfolgte, besorgte der infector11), offector12), tinctor 13). Der purpurarius 14) war
sowohl Purpurfärber, als Händler mit Purpur und mit Purpurstoffen15); auch
für andere Klassen der Färber kommen Spezialbezeichnungen vor10). Die
Sticker, phrygiones oder plumarii, wurden bereits oben erwähnt17); auch die
segmentarii, als Verfertiger der gestickten segmenta, gehören hierher18).
Dann gibt es Verfertiger besonderer Kleider oder von Kleiderteilen,
zumal der weiblichen Garderobe19), wie denn überhaupt Schneider und
Schneiderinnen, sowohl als selbständige Handwerker, wie als Sklaven, öfters
erwähnt werden; doch ist der sartor20) oder sarcinator21), ebenso wie die
sartrix22) oder sarcinatrix2A), mehr mit Ausbessern und Flicken der Kleider
*) Auf Inschr., s. Marqüardt 585 A. 14.
CIL VI 33923. Dessau 7575.
2) Besondere textor es tunicarum Firm.
Mat.math.III 11,18.
3) Corp.Glos8.V576,21 u.30.
4) CIL VIII 14314.
6) Vgl.MABQUARDT527ff. BLÜMNERTech-
nol.1 157 ff. R.Fisch Die Walker, Berlin 1890.
Jacob bei D.-S. II 1349 ff. Ueber Darstellungen
des Handwerks Jahn Abh. d. SGW V (1868)
305 ff., über die Fullonicae in Pompeji Over-
beck 390 ff. Mau 353 f.; 412 ff.
6) Ed.Diocl.7,54. CIL V 801. Corp. Gloss.
11410,32.
7) Die neuen Kleiderstoffe hießen rudia
oder de telu, die gebrauchten ab usu, Ed. Diocl.
7. 53 ff. wo die Preise für den Walker fixiert
sind. Die Lex met. Vipasc. CIL II 5181 Z.43
unterscheidet vestimenta rudia und recurata.
8) Vgl.SAGLio bei D.-S. I 1264. Mau bei
P.-W. IV 125.
9) CIL V 4504 ff.; auch lanarius coacti-
Uarius,Y\9i9A; die Filzfabrik taberna coa-
ctiliaria, Capitol. Pertin. 3, 3.
10) CIL VI 33862.
n) Plaut. Aul. 521. Varr. b. Non. 228, 25.
Cic. ad fam. II 16, 7. Plin. XX 59. Corp. Gloss.
VI 570. CIL II 5519: V997; VI 33861.
12) Fest. p. 112,6; 192,10. Corp. Gloss. III
130, 15. Ephem. epigr. IX 248. Dessau 7595.
u) Firm. Mat. math. III 6, 3ff.: 11, 18; IV
13.1; 14,13. CIL VI 9936. Corp. Gloss. VII
350.
14) Auf Inschriften überaus häufig, vgl.
Marqüardt 514; dazu CIL VI 4016; 9843 ff.;
XIV 473; 2433; negotiator artis purpurariae
III 5824.
15) Marquardt513. W. A. Schmidt Forsch,
auf d. Gebiet d. Altertums 1 165 ff. So wird auch
in den Glossen purpurarius bald durch ttoo-
cpvQ07ux)'Kr]s, bald durch jrooqpvQoßäcpos erklärt./
16) Bei Plaut. Aul. 510 flammarii und rlo-j
larii (die cerinarii ebd. beruhen auf Konjektur,
die Hss. haben carinarii, was Brandt N. Jahrb;
f.Phil.CXVII(1878) 385 als semitisches Wort
für eine Art von Weißfärbern erklärt) ; ebd.
521 : crocotarü.
17) Siehe oben S. 254: auch die phrggia
CIL XI 5111 ist wohl eine Stickerin. Victor
acu CIL VI 6182 (Bücheler carm. epigr. 1150).
Hierher gehören auch die Goldsticker, qui
neto auro vestes pingunt, Firm. Mat. math. III
3, 14; vgl. ebd. 23, und die auri netrix CIL
VI 9213 (xovaovyoTQia Corp. Gloss. III 309, 63).
18) Vgl. oben S. 255. CIL VI 9889.
19) Doch ist es nicht sicher, ob die bei
Plaut. Aul. 508 ff. erwähnten indusiarii, stro*
phiarii und limbölarii nicht vielleicht nur
scherzhafte Erfindung des Komikers sind.
20) Plaut. Capt. 661. Non. 7, 28; auch sar-
citor, CIL V 4509.
21) Plaut. Aul. 515. Lucil. b. Non. 175, 33.
Serv.ad Aen.XII13. CIL VI 6348.
ri) Cael. Aur.acut. III 9, 100 : sartrix quae-
dam cum chlamydem scissam sarciendavi su-
meret. Fronto de differ. vocab. p. 520, 15 (Keil)
unterscheidet: sartrix quae sarcit, sarcinatrix
quae sarcinas servat.
") Non. 56, 23. Digg. XV 1, 27. CIL VI
3940 ; 4029 ff. ; 4467 ; 6349 ff. ; 9037 ff. ; 9875 ff. ;
33907 u. s ; vgl. Dessau 7567. Corp. Gloss. II
178,46; 222,38.
Sechster Abschnitt. Die Tracht.
257
beschäftigt, als mit dem Zuschneiden derselben, was Sache des vttUfieut ' i
oder vestitor*) ist, während die vestiarii mehr Händler als Fabrikanten
gewesen zu sein scheinen3). Die Kaufläden solcher vestiarii linden sich
öfters in Reliefs, die vermutlich teilweise als Ladenschilder dienten, dar-
gestellt4). Diese Händler handelten teils mit Tuchen, teils mit fertigen
Kleidern5), und es gab sogar Spezialgeschäfte, die nur mit bestimmten
Kleidungsstücken handelten, wie die paenularii6), sagarii1), bracarii*); die
von den Sklaven getragenen, aus Flicken hergestellten centones9) und die
ähnlich gearbeiteten Decken stellten die centonarii her10). Filz zu Kleidern,
Kappen, Decken etc. fertigte der lanarius coactor11) oder coactiliarius1*).
Mit Pelzen und daraus gefertigten Kleidern oder Teppichen handelten
die Kürschner, pelliones13) oder peUarii14). Die Bereitung des Leders für
Sattler und Schuster fiel den Gerbern, coriarii15), coriorum confectores16),
seine Verarbeitung für Schuhwerk sowohl wie für andere Zwecke dem
») CIL VI 8554; 9979 f.; vestifex ebd. 7467;
vestifica ebd. 5206; 9744: vestificina Tert.de
pall. 3 : vestificium Corp. Gloss. II 332, 13.
•) Lampr.Al.Sev.41,3.
3) Die Sklaven, die als vestiarii bezeichnet
werden (z. B. CIL VI 4044; 6373; 9963 u. ö.)
sind mit der Aufsicht und Aufbewahrung der
Garderobe betraut, weshalb die Glossen das
Wort in der Regel durch qit i vestibuspraeest oder
Juattoq r/.u; erklären, s. Corp. Gloss. VII 409.
Sonst ist der vestiarius, der zumal inschrift-
'lich häufig vorkommt (s.Marquakdt585 A. 10,
ferner CIL II 2240; VI 33920ff.; VIII 21848;
XI 963: 6109; XII 4422; 4520f.; XIII 3168;
•3705. Not. d. scavi 1896, 147). ein Händler,
iptniomhis, Corp. Gloss. III 286, 21 : 307,50;
5J8, 8; negotiatores vestiarii Digg. XXXVIII
l.r..Cod.iustX47,7.CILIII5816;VI9961ff.;
338X9 (Dessau 7568 ff.); vestiarius tenuiarius
VI 1926; 6852; 9977 ff.: 33922. Ein vesti-
arius Italiens ebd. XII 3202. Nach Suet. gr.
27 hatte auch der Grammatiker Q. Remmius
Palaemon ein solches Geschäft, officinae pro-
mercalium vestium. Makquakdt 586 nimmt
an. daß die vestiarii auch, wie bei uns Tape-
ziere oder Dekorateure, die Ausstattung der
Häuser mit Decken, Teppichen, Vorhängen
u. dgl. besorgten, da diese Dinge auch als
vestis bezeichnet werden. Erweislich scheint
diese Vermutung aber nicht zu sein.
4) O. Jahn BSGW 1861. 371 ff. Dütschke
Ant.Bildw.inOberital.III221n.507;236n.533;
V 405 n.982. Amelung Antik, in Florenz 108
n.l67f.
6) Schon zur Zeit des alten Cato kaufte
man in Rom fertige tunicae, togae, saget, cen-
tones, Cat. r.r. 135,1.
"^Nov.b.Non. 149,1. CIL VI 4000; IX 3444;
X 1945; mercator paemdarius XII 5973; negot.
fbenul. XIII 6366.
7) Digg. XIV 4, 5,15; XVII 2, 52, 4. Häufig
auf Inschr., sowohl sagarius allein, als mer-
cator oder negotiator {negotiam) sagarius, CIL
IV 753; V 5925; 5929; VI 339; 9675: 7971;
9864ff.; 33906; XII 1898; 1930; 4509; XIII
2008 ; vgl. Marquakdt 585 A. 1 3. Dessau 758 1 ff.
Ein sagarius Romanensis CIL XII 1928; negot.
sagar. et })ell{icarius)Y592S; sagarius dehomis
Galbianis Not. d. scavi 1898, 279 n.4. Vgl. den
saga vendens luv. 6. 591.
8) Siehe oben S.220.
9) Cat.r.r.2,3; 10,5; 11,5; 59. Colum. I
8,9.
10) Petron.45, 1; doch sind die auf Inschr.
der Provinzen häufigen collegia fabrum et cen-
tonariorum Feuerwehren, da man centones zum
Löschen nahm, vgl. Maue Vereine der fabri,
centonarii und dendrophori, Frankf. a. M. 1886.
Kubitschek bei P.-W. III 1933.
1!) CIL V 4504 ff.
12) CIL V 9494.
,3) Plaut. Men. 404. Lampr. AI. Sev. 24. 5.
Firm. Mat. math. III 11, 18. Digg. L 6, 6 (wo
allerdings auch poliones gelesen wird). Cod.
Theod.XIII4,2. CIL XII 4500. Die Glossen
erklären es durch ÖFg/uaTovQyög, öeouaTooätpog,
<ho[taToxdM>i* u.dgl., Corp. Gloss. VII 63; ebd.
II 589, 37 ist es durch coriarius erklärt, da
die Felle ja auch gegerbt werden mußten.
14) Firm. Mat. a. a. O. IV 14, 13. Corp. Gloss.
II 144,46; eine pelliaria, Pelzhandlung, schon
bei Varr. 1.1. VIII 55, doch als künstlich gebil-
detes Wort. Hierher gehören auch die qaiom-
carii CIL VI 9431 (vgl. Varr. 1. IV 167),' da die
griech. xavräy.t) ein Pelzkleid war. Vgl. die
Grabschrift: »ofns in urbe sacra vendenda
pelle caprina, CIL IX 4796.
15) Plin. XVII 51; 258; XXIII 22; XXIV
175. Scribon. comp. 41 ; 47. Corp. Gloss. VI 277.
Firm. Mat. a. a. O. IV 14, 13; ebd. 20. CIL III
lU92;V19280t.;n,riariussld><l(iariusWl9219
(X 1916): corpus coriar. magnarior. VI 1682,
vgl. 1 1 1 7 f . ; negotians eoriariorunt9ß6T.
'«) Firm. Mat. III 8,7; 10,8; ebd. 11, 18
coriorum infectores, die Lederfärber. Ueber
das Technische der Gerberei s. Blümner Tech-
nologie 1 260 f. Lafaye bei D.-S. I 1505. Mau
bei P.-W. IV 1227 ff.
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft IV. 2. 2. 3. Aufl.
17
258
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
sutor1) zu. Auch hier war Arbeitsteilung sehr gewöhnlich; wir finden daher
Bezeichnungen von Verfertigern bestimmter Schuhwaren, wie solearius 2), san-
daliarius3), calceolarius4), crepidariusb), caligarius6), gallicarius1), baxeariuss);
der Schuhflicker heißt sutor cerdo9) oder sutor veteramentarius10).
II. Schmuck.
Litteratur.
Beckek-Göll III 243 ff.; 276 ff.
Marquabdt-Mau 701 ff.
Blümnek Das Kunstgewerbe im Altertum II 175 ff.
Von Schmucksachen trugen die Männer im wesentlichen11) nur Ringe 12),
obschon diese ursprünglich nicht zum Schmuck, sondern zum Siegeln
dienten13). Der Brauch war jedenfalls schon im ältesten Rom heimisch14),
angeblich von den Sabinern15) oder Etruskern16) überkommen, doch war
die Sitte sicherlich altitalisch. Freilich sollen die ältesten Ringe eiserne
gewesen sein17), wie solche auch später noch teilweise üblich blieben18),
namentlich bei Sklaven19); aber schon früh war der goldene Ring ein
Standesabzeichen geworden, ursprünglich der Senatoren, dann auch der
noblles, der Ritter, Magistrate usw., bis in der Kaiserzeit der Gebrauch
allgemeiner wurde, da die Kaiser von dem Recht der Verleihung des goldnen
n) Nicht in Betracht kommen die als mili-
tärische Auszeichnungen verliehenen Schmuck-
stücke, wie phalerae, armillae u.dgl., sowie
die Extravaganzen mancher Kaiser oder weich-/
lif*npr (ttPCkpti /
12) Vgl. Krause Pyrgoteles, Halle 185ßf,
131 ff.; 169 ff. W. Rein beiPaulyl* 1034 ff. (hier
istl037 die ältere Litterat.verzeichnet).BECKER-
Göll III 243 ff.; 280. King Antique gems, Lon-
don 1860, ders. Antique gems and rings, London
1872. SAGLiobeiD.-S.I293ff. Deloche Leport
des anneaux dans l'antiquite romaine et dans les
premiers siecles du moyen äge, M6m. de 1' Acad.
des Inscr. XXXV (1896) 2. Makshall Catal. of
the finger-rings of the Brit. Mus., London 1907.
13) Vgl. Ateius Capito bei Macrob. VII 13,
12: veteves non ornatus sed slgnandi causa
anulum secum circumferebant.
14) Nach Plin. XXXIII 9 hatten von den
Königsstatuen auf dem Kapitol nur Numa
und Servius Tullius Ringe an den Fingern.
lä) Liv.111,8. Dion.Hal.II38.3.
16) Flor. 15,6.
17 ) Plin. a.a.O.
1 8) Appian. Libyc. 104. Macr. a. a. O. luv. 1 1
129. Es haben sich auch solche noch erhalten
s. King Ant. gems 1 352. Marshall a. a. O. 223
Zur Erinnerung an den alten Brauch trugen di<
Triumphatoren auch später noch eiserne Ringe
Gesandte den ihnen verliehenen goldnen nui
öffentlich, während sie zu Hause den eiserner
anlegten, und noch zu Plinius' Zeit gab de
Bräutigam der Braut einen eisernen Verlobungs
ring ohne Stein, Plin. a. a. 0. 11 f.
19) Plin. a.a.O.; ebd. 23.
*) Plaut. Aul. 513 : sedentarü sutores ; das
atrium sutor tum in Rom Varr. 1. l.VI 14. Fest.
352 a, 22. Inschriftl. CIL II 5812; 5934; IV
1995 ; VI 33914f. ; XV 5929 u. ö. ; ein collegium
sutorumebd II 2818. Vgl. Blümner a.a.O. 271.
Marquardt 596. Nur Schuhhändler ist der
comparator mercis sutoriae CIL V 5927.
*) Plaut. Aul. 512. CIL XII 4510; dasselbe
sind wohl diesolatarn, VI 9897; vgl. ebd. 1 1 17f. :
corpus coriariorum sölatariorum.
3) CIL X 3981 ; der vicus Sandalia>-ius
und der ebenso benannte Apollo (Suet. Aug.
57) haben davon den Namen, Gell.XVIH 4, 1.
Galen. XIV 620 K. ; s. S. 222 A. 7.
4) Plaut. a.a.O.; das Geschäft calcearia,
Varr. 1. 1. VIII 55 : calciamentarnis Corp. Gloss.
11466,3; calciator CIL VI 3939.
5) Gell. XIII 21 (22), 8. CIL VI 9284.
6) Firm.Mat.math.IV14,13. Lampr. AI.
Sev. 33, 2. Isid. or. XIX 34, 2; Corp. Gloss. VI
168; öfters inschriftl., s. Marquakdt 597 A. 5,
dazu CIL III 14239,1; 14305; VI 9225; sutor
institor caligar. IX 3027 ; vgl. die Grabschrift
quicaliculis (d.i. caligulis) lanapelliculisvitam
toleravit, ebd. 3193.'
7) Firm. Mat. a. a. O. III 10, 8. Hieron. praef.
in regul. S. Pachom. 6 p. 7 M.
8) CIL VI 9404: colleg .perpet.fabrum soli-
ariutn et baxiarium.
9) Mart. III 16, 1 ; 59, 1 ; 99, 1. luv. 4, 153 ;
8,182, hier wie anderwärts als Bezeichnung
niedrigsten Standes, vgl. Corp. Gloss. V 653,
34. CIL IV 6869.
10) Suet.Vit.2. Corp. Gloss. II 392,35; III
201,50 durch 7talaiooä(p(K erklärt.
Sechster Abschnitt. Die Tracht.
259
■ Ringes einen sehr umfassenden Gebrauch machten1). Daher trug man
I ursprünglich nur einen einzigen Ring2), und zwar gewöhnlich am vierten
I Finger der linken Hand3), der deshalb auch der Ringfinger hieß4); allein
■ schon früh fing man an, mehrere zu tragen5), und in der Kaiserzeit trug
Iman nicht nur am Daumen und am kleinen Finger Ringe6), sondern an
I allen, und selbst an jedem Finger mehrere, sogar über das zweite Finger-
Iglied hinaus, worüber verständige Leute freilich spotteten7). Manche ge-
I fielen sich auch darin, sehr große und schwere Ringe zu tragen8). Daher
I hatten viele Leute eigene Kästchen, dadyliothecae9), in denen sie ihre Ringe
I auf bewahrten und in die man sie nachts oder beim Waschen ablegte10).
Mit der Manie, viele Ringe zu tragen, wurde auch der Luxus der
■ dafür verwendeten Edelsteine immer größer11). Wann man in Rom statt
der massiven Gold- oder Eisenringe, in die das Siegel eingraviert war12),
anfing, geschnittene oder geschliffene Edel- und Halbedelsteine zu tragen,
ist nicht überliefert; die Nachricht, daß der ältere Scipio Africanus zuerst
d
gl
') Vgl. Rein a.a.O. Dähne De iure au-
feorum anulorum, Halle 1863. Humbert bei
D.-S. I 296 ff. Friedländer Darstellungen 1 5
249 f. Es war üblich, als Zeichen der Landes-
trauer die goldenen Ringe ab- und dafür
eiserne anzulegen, Plin. a. a. 0. 18. Liv. IX 7, 8.
Inet. Aug. 100.
') Ateius Capito a. a. 0. : unde nee plus ha-
bere nimm unum licebat nee cuiquam nisi
ibero, quos solos fides deceret quae signaculo
kontinetur. Isid. XIX 32,4: apud veteres ultra
■Union iniuliini uti infame habitum viro.
3) Gell. X 10. Isid. XIX 32. 2; nach Plin.
a.a.O. 24 trugen ihn auch die (natürlich erst
viel später entstandenen) Bildsäulen des Numa
und Servius Tullius, s. o. Ateius Capito a. a. O.
12 behauptet, man habe den Ring ursprünglich
ganz beliebig getragen, ut quisque vellet, qua-
cumque manu, quolibet digito; als die Ringe
mit kostbaren Steinen geschmückt wurden,
habe man die linke Hand allein dafür bestimmt,
weil die Ringe an der rechten, der damit
vorgenommenen Beschäftigungen wegen, viel
leichter Beschädigungen ausgesetzt waren.
4) Digitus anularis, Isid. XI 1,78.
5) Gracchus bei Isid. XIX 32, 4 macht es
noch einem zum Vorwurf, der mehrere Ringe
an der Linken trägt: qui propter mulierum
cupiditatem ut mulier est ornatus. Wenn, wie
ebd. erzählt wird, Crassus im Alter zwei Ringe
trug, causam praeferens, quod peeunia ei im-
mensa creverit, so war er sicher nicht der
erste, wie Saglio a. a. 0. 295 meint; vgl. Sen.
de benef. III 25. Drei Ringe erscheinen noch
zur Zeit des Horaz auffallend. Hör. sat. II
7, 9. Trimalchio trägt bei Petron. 32, 3 zwei
Ringe, will aber auf seinem Grabdenkmal mit
fünf Goldringen abgebildet sein, ebd. 71,9.
6) Nach Plin. a. a. 0. 24 war dies das
Nächste, nachdem man vom Brauch, bloß den
vierten Finger zu schmücken , abgegangen
war; bloß der Mittelfinger pflegte damals noch
frei zu bleiben : hie nunc solus ex'cipitur, eeteri
omnes onerantur, atque etiam privatim <nii-
culi minoribus aliis.
7) Sen.n.qu.VII31,2. Mart.V 11; 61, 5;
XI 59, 1 ; auch an der rechten Hand, Macr.
a. a. 0. 6. Quint. XI 3, 142 empfiehlt dem Red-
ner, seine Finger nicht mit Ringen zu über-
laden, namentlich nicht über das Mittelglied
hinaus. Beispiele für die Art, die Ringe zu
tragen, nach Händen von Statuen u. s. vgl.
bei Saglio 295 Fig. 350 ff.
8) Plin. a. a. 0. 25. Luc. Gall. 12. Mart. III
29; XI 37, 3; XIV 123. luv. 7,140. Nach luv.
1,28 scheinen sogar Elegants im Sommer leich-
tere Ringe getragen zu haben, als im Winter.
9) Mart. XI 59,4; XIV 123. Digg. XXXII
1, 52, 8. Denselben Namen führen auch die aus
künstlerischer Liebhaberei angelegten Gem-
mensammlungen, Plin. XXXVII 11.
10) Daß man beim Waschen die Ringe ab-
legte, zeigt das Colloqu. Montepessul. (Corp.
Gloss. III 655,4), wo der Herr, nachdem er
die Toga angelegt hat, zum Sklaven sagt: da
paenulam et anulos.
11) Eine Uebersicht über die bei den Alten
verwendeten Edel- und Halbedelsteine, die
natürlich nicht nur für Ringe, sondern auch
für den übrigen Schmuck in Betracht kommen,
s. bei Blümner Technologie III 227 ff. (wo an-
derweitigeLitteratur hierüber zu finden ist);
kürzer, aber vollständiger Babelon bei D.-S.
II 1460 ff. Das Beste, was in neuerer Zeit über
Material, Technik und Geschichte der alten
Steinschneidekunst erschienen, ist das Buch
von A. Fürtwängler Die antiken Gemmen,
Leipzig 1900, 3 Bde.
12) Ateius Capito a. a. 0. : imprimebatur
autem sculptura materiae auuli, sen e.e ferro
seu ex auro foret. Dazu steht freilich im
Widerspruch Plin. XXXIII 23: contra vero
multi nullas admittunt gemmas anroque ipso
signant. id Claudii Caesar is prindpatu reper-
tum; aber erhaltene Exemplare solcher Ringe
sind z.T. erheblich älter, s. King Ant.gems279.
17*
260
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
eine Sardonyxgemme in seinem Ringe trug1), ist schwerlich authentisch.
Geschnitten, und zwar sowohl vertieft zum Siegeln (als Intaglien), wie er-
haben zum Schmuck (als Kameen)2), wurden vornehmlich Halbedelsteine,
wie Onyx, Sarder, Bergkristall, Jaspis, Chalcedon u. a. m.; die kostbaren,
durch ihre Farbenpracht wirksamen Edelsteine, wie der Diamant3), Rubin,
Beryll, Smaragd usw., wurden in der Regel nicht graviert. Erhalten haben
sich von Ringen mit ungeschnittenen Edelsteinen sehr wenig, während die
Zahl der gefaßt oder ungefaßt4) erhaltenen Gemmen so unübersehbar ist,
wie die unendlich mannigfaltige Fülle der Darstellungen5). Als Material
kommt außer Gold und Eisen6) in erhaltenen Ringen noch Silber, Bronze,
Blei vor, sowie auch solche aus Bernstein, Elfenbein, Bergkristall u. a. m.
geschnitten wurden7).
Die Frauen sollen zwar in älterer Zeit außer dem vom Bräutigam
erhaltenen Verlobungsring, von dem später noch die Rede sein wird (siehe
Abt. II Abschn. III), keine Ringe getragen haben 8), doch scheint auch da
das Tragen von mehreren Ringen, und zwar meist goldenen, da den Frauen
gegenüber keine Beschränkung bestand9), schon früh allgemein geworden
zu sein, sowohl bei Mädchen, wie bei verheirateten Frauen10). Von denen
der Männer unterscheiden sie sich durch größere Zierlichkeit, manchmal
auch durch die daran angebrachten Inschriften, die einen Glückwunsch des
Gebers enthalten11).
Den größten Luxus aber trieben die Frauen in anderem Schmuck12),
zumal nachdem die oben schon erwähnte Lex Oppia vom Jahre 215 v. Chr.,
J) Demostratus bei Plin. XXXVII 85.
2) Letztere heißen ectypa, Plin. a. a. 0.
173. Sen.debenef.III26,l.
3) Vgl. Pinder De adamante, Berlin 1829.
Als Ringstein erwähnen ihn luv. 6, 156. Mart.
Vll.l. August, civ. Dei XXI 4.
4) Der Teil des Ringes, wo der Stein an-
gebracht wird, heißt funda, Plin. XXXVII 116
u. 126; wenn er massiv (d.h. der Stein nicht
ä jour gefaßt) ist, pala, Cic. de off. III 9, 38.
Philarg. zu Verg. Geo. III 53. Vgl. über das
Fassen der Steine noch Plin. XXXIII 23.
5) Vgl. die Zusammenstellung einiger von
historischen Persönlichkeiten getragenen Ring-
darstellungen bei Saglio 295. Das Tragen von
Kaiserbildnissen war zur Zeit, da Majestäts-
beleidigungen in Kleinigkeiten erblickt wurden,
gefährlich, s. Suet. Tib. 38. Sen. de benef. III
26; unter Claudius war es ein besonderes vom
Kaiser verliehenes Vorrecht, was aber Vespa-
sian beseitigte. Plin. XXXIII 41.
6) Eine eigentümliche Kombination von
beiden waren die sog. samothrakischen Ringe.
Plin. a a. 0. 23: nee non et servitia iam ferrum
fi-uro cingunt, . . . cuius licentiae origo nomine
ipso in Samothrace id institutum declarat. Isid.
a. a. 0. 5 : Samothracius anulus aureus quidem,
sed capitulo ferreo; vgl.Lucr.VI 1044. Etwas
anderes ist der Ring des Trimalchio, Petr.
32.3, der zwar totus aureus, sed plane ferreis
veluti stellis ferruminatus ist: da Trimalchio
den wirklichen Goldring nicht tragen darf (als
Abzeichen des Ritterstandes), bringt er Eisen
daran an (nur als Sevir trägt er wirkliche
Goldringe, ebd. 71, 9).
7) Artemid. On. II 5 bezeichnet oovxivoi xai
eXeoxxvxivoi xai oooi alXoi 8axiv?uoi yivovrai als
lediglich Frauen zukommend; vgl. Suid. s. oov-
xivoi . Beispiele erhaltener Exemplare bei Saglio
296 und vgl. überhaupt Marshall a. a. 0. 227 ff.
8) Das behauptet Isid. a. a. 0. 4: feminai
non usae anidis, nisi quos virgini sponsus
miserat, er widerspricht sich aber selbst durch
den Zusatz: neque amplius quam binos a nu /<>.*
aureos in digitis habere solebant.
9) Nach Plaut. Casin. 710 durften sogar
Sklavinnen solche tragen.
10) Vgl. Plaut. Asin. 778. Ter. Hec. 574 u.
829; Heaut.650. Hör. carm.I 9,23. Tib. 16,25.
Mart. VIII 5. Clem. AI. Paed. III 11,57 p. 287 P.
») Becker-Göll 280.
'*) Plin. XXXIII 40: habeant feminin- in
armillis digitisque totis, collo, auribus, spiris;
discurrant catenae circa latera et in secreto
margaritarum saeculi e collo dominarum auro
pendeant, ut in somno quoque unionum con-
scientia adsit. Nach IX 117 hatte der Schmuck
von Smaragden und Perlen, den Lollia Paulina,
die Gemahlin des Caligula, am Kopf, Hals,
Ohren, Armen etc. trug, einen Wert von 40
Millionen Sesterzen (etwa 83/* Millionen Mark).
Ueber die verschiedenen Arten des Frauen-
schmuckes (ornamenta muliebria) s. Hübner
Hermes 1(1866) 345 ff. u. die Inschr. CIL II 3386.
Sechster Abschnitt. Die Tracht.
261
die ihnen nur den Besitz von einer halben Unze Goldschmuck gestattete,
schon zwanzig Jahre darauf wieder abgeschafft worden war1). Zwar waren
die Nadeln oder Spangen, die zur Befestigung der Gewänder dienten, die
sogenannten fibulae2), die auch zur Männertracht gehörten3), namentlich
auch zur militärischen4), meist und bei gewöhnlichen Leuten wohl immer
von Bronze, und dergleichen haben sich noch in sehr bedeutender Menge
erhalten; aber es gab auch silberne5) und goldene, und besonders zu Ge-
schenken, für welche fibulae beliebt waren6), wird man wohl meist solche
gewählt haben, zumal es auch ganz kostbare, mit Edelsteinen besetzte, gab 7).
Für den eigentlichen Frauenschmuck kommen neben den verschiedenen
Arten von Edelsteinen vornehmlich die Perlen (margaritae, bacae8)) in Betracht,
für die die Römerinnen seit der Eroberung des Orients eine immer mehr
steigende9), fast unsinnige Vorliebe hatten10); man schmückte sogar die
Schuhe damit11). Perlen von besonderer Größe hießen elenchi12), wenn sie
birnenförmige Gestalt hatten, sonst uniones1'9); die blendend weißen waren am
■) Liv.XXXIVl,vgl.obenS.248A.6. Daß
es übrigens damit auch während dieser 20 Jahre
nicht so genau genommen wurde, zeigt Liv.
XXVI 36,5, wo der Konsul Laevinus i. J. 210
den Vorschlag macht, daß bei der Finanznot
des Staats jeder seinen Besitz an Gold und
Silber im Staatsschatz deponieren solle, be-
halten aber mögen Männer, Frauen und Kinder
die Ringe, die Söhne die goldenen bullae und
die Frauen und Töchter jede eine Unze Gold-
BChmuck; vgl. Oros. IV 17, 14.
-) Fibulae römischer Provenienz sind in
sehr reicher Zahl und in den mannigfachsten
7ormen erhalten, weitaus die meisten aus
ronze ; eine Zusammenstellung gibt Dütschke
Rhein. Jahrb. LXIV80ff. mit Taf. 5ff.. sowie
Humbert bei D.-S. II 1101 ff.; vgl. auch Frie-
derichs Beil. ant. Bildw. II 96 ff.
3) Nicht für die Toga, wohl aber für die
Mäntel, wie die lacerna, chlaena usw.; vgl.
Isid. XIX 31, 17: fibulae sunt, qnibus pectus
feminarum ornatur vel pallium tenetur, a
Wirts in humeris, seu cingulum in lumbis.
Im spätem Latein heißen diese Kleidungs-
stücke fibulata, Vopisc.Prob. 4, 5, oder fibula-
torin , Treb. Poll. trie;. tyr. 10, 12; <ptßovXa-
tcÖQta Ed. Diocl. 19, 15 f.; ebd. 53 ff.; 22, 18 f.;
vgl. Corp. Gloss. II 414, 3 (hier aber s. v. a.
fibula); iV361, 10 wird limbus durch fibulato-
i*i h })i Grkläi't"
4) Mark V 41, 5. Plin. XXXIII 39: fibulae
tribuniciae. Vgl. Friedländer Sittengesch. I
176. Humbert a. a. O. 1 104 n. 5 ff.
5) Treb. Poll. Claud. 14, 5. Vopisc. Aurel.
46,4.
6) Liv. XXVII 19, 12; XXXIX 31, 18. Val.
Max.Vl,7. Suet. Tib. 6; auch die aurea lu-
nula bei Plaut. Epid. 638 ist wohl eine fibula.
In der spätem Kaiserzeit trugen selbst ge-
meine Soldaten goldene fibulae, Vopisc. Aurel.
a. a. O.
7) Gemmatae fibulae et aureae, Treb. Poll.
Gall. duo 16,4; fibula aurea cum gemtnis, B.
Mommsen BSGW 1852, 241. Dagegen wird
von Hadrian erwähnt, daß er sich einer fibula
sine gemmis bediente, Spart. Hadr. 10, 5. Bei
den Kaisern, die viele und kostbare Fibeln
besaßen, gab es einen eigenen praeposüua a
fibulis, CIL III 536, nach Friedländer Sitten-
gesch. a. a. O. ein Unterbeamter des praepo-
situs thesaurorum.
8) Hör. ep. 8, 14; sat.113,240. Verg. Cul.
68. Ov.met.X116;ebd.265. Petron. 55,6 u.9;
aber bacata monilia, Verg. Aen. I 654. Sil. It.
VIII 134. Lampr.Alex.Sev.41, 1 sind Ketten
mit beerenförmigen Anhängseln, s. Hübner
a. a. O. 350.
9) Nach Fenestella bei Plin. IX 123 seit
Sulla, was aber Plinius als Irrtum bezeichnet.
10) Für diese Perlen wurden ganz exorbi-
tante Preise gezahlt, sodaß Seneca de benef.
VII 9, 4 sagen konnte, manche Frauen trügen
bina ae terna patrimonia in den Ohren; vgl.
rem. fort. 16, 7. Die Frauen hielten dagegen
den Männern ihren Luxus in Citrustischen
vor, Plin. XIII 91. Vgl. Friedländer Sitten-
gesch. III 72 ff.
») Plin. IX 114. Sen. de benef. II 12, 1.
Tertull. de cult. fem. 1, 7 : in peronibus uniones
emergere de luto cupiunt; auch Caligula trug
solche Schuhe, Plin. XXXVII 17.
u) Plin. IX 113: elenchos appellant fasti-
gata longitudine alabastrorum figura in ple-
niorem orbem desinentes; vgl. luv. 6,459. Digg.
XXXIV 2, 32,8.
1S) Plin. a.a.O. 109: ebd. 112 u.ö. Sen.de
benef. VII 9, 4. Mart. VIII 81, 4; XII 49, 13.
Treb. Poll. trig. tyr. 32, 6. Lampr. AI. Sev. 51, 2.
CIL II 3386. Ueber die Perlen, ihre Herkunft,
Arten usw. ist vornehmlich Plin. IX 106 — 123
zu vergleichen und der Artikel von Babelon
bei D.-S. III 1595 f., sowie K. Möbius Die
echten Perlen (Abhandl. aus d. Gebiet der
Naturwissensch. IV), Hamburg 1858.
262
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
meisten geschätzt1)- Von den Edelsteinen kam der Diamant anscheinend
nicht für andere Schmucksachen, als für Ringe, in Betracht, obschon er für
den kostbarsten unter allen galt2); die nach ihm wertvollsten und am meisten
für Schmucksachen verwendeten waren Smaragd, Beryll, Opal und Sardonyx3).
Geringere Edelsteine wurden zylindrisch geschliffen (daher auch öfters als
cylindri erwähnt4)) und durchbohrt namentlich für Halsketten, Armbänder
u. dgl. verwendet6). Inwieweit auch ärmere Frauen Aufwand in Schmuck
trieben, geht aus unsern Quellen nicht hervor; es ist aber anzunehmen, daß
sie nach Art der heutigen Südländerinnen sich auch so viel als möglich mit
Goldschmuck behängten6). Auch Bernstein, im transpadanischen Gallien ein
beliebter bäuerlicher Schmuck7), war bei den Römerinnen anscheinend nicht
beliebt8); die Benutzung der Korallen zu Schmucksachen wird erst in der
späten Kaiserzeit erwähnt9).
Im einzelnen sind von weiblichen Schmucksachen vornehmlich folgende
namhaft zu machen. Zum Haarputz gehören in erster Linie Nadeln10);
hierbei mochten zum Aufstecken der Haare und Locken für gewöhnlich
einfachere genügen11), hingegen war die als Zierde in den Haarknoten ge-
steckte Nadel, die acus comatoria12) oder crinalisld), meist von Gold und mit
Perlen oder sonst mehr oder weniger reich verziert14). Derartige Exemplare
haben sich noch in oft sehr schöner Ausführung erhalten15), daneben auch
J) Plin. a. a. 0. : dos omnis in candore,
magnitudine, orbe, levore, pondere; ebd. 113:
summa laus coloris est exaluminatos vocari.
*) Plin. XXXVII 55.
3) Plinius, der sie a.a.O. 55 — 84 in obiger
Reihenfolge aufführt, bemerkt: hactenus de
principatu convenit mulierum maxime senatus-
consulto, während bei den Männern singu-
lorum libido pretia singulis facit. Vgl. Fried-
länder a.a.O. 71.
4) Plin. XXXVII 78; ebd. 113. Iuv.2,61.
Digg. XXXIV 2, 32, 9. CIL II 2060; 3386 ; XI
364.
5) Vgl. Hübner a. a. 0. 356 ff.
6) Friedländer a. a. 0. 76.
7) Plin. a. a. 0. 44: hodieque Transpada-
norum agrestibus feminis monilium vice su-
cina gestantibus, maxime decoris gratia, sed
et medicinae.
8) Die sucina, von denen Plin. a a. 0. 30
sagt: proximum locum in delictis, feminarum
tarnen adhuc tantum, sucina optinent, eandem-
que omnia liaec quam gemmae auctoritatem,
waren kein Schmuck, sondern Bernsteinkugeln,
die die Damen in den Händen zu tragen liebten,
um sie zu reiben und sich an dem so entstehenden
Geruch zu erfreuen, s. Ov. met. II 364 ff. (nu-
ribus gestanda Latinis). Mart. III 65, 5: V 37,
11: XI 8,6. luv. 6,573; daher nennt sie Fronto
ad M. Anton, de orat. p. 157 Nab. olfactoria
sucina.
9) Claud. carm. X 169. Auson. Mos. 69 f.
Vgl. Blümner a. a. 0. 378 f.
10) Vgl. Böttiger Sabina I 147 f. Saglio
bei D.-S. I 61 ff.
u) Vgl. z. B. Mart. II 66, 1: nnus de toto
peccaverat orbe comarum j anulus, incerta mm
bene fixus acu. Ov. am. I 14, 18; a. a. III 239.
Isid.XlX 31,9: acus sunt, quibus in feminis
ornandorum crinium compago retinetur, ne
laxius fluant et sparst dissipentur capilli ; ähn-
lich Hieron. in Esai. II 3 v. 23 p. 71 M.
12) Petron. 21, 1.
,3) Apul. met. VIII 13. Dagegen ist die
acus discriminalis bei Hieron. adv. Rufin. III 42
p. 510M. wohl nicht damit identisch, sondern
die Nadel, deren sich die ornatrix (s. Festus 9, 6)
bedient, um der Herrin damit den Scheitel zu ma-
chen (das comas acu comere, Quint. II 5, 12). die
acus crinibus distinguendis, Tertull. de poenit.
11. Eine solche wird Ov. am. 1 14,15 u.30; a.a.I
510. Sil. It. XV 26. Claud. X 284. Serv. ad. Aen.
XII 100 erwähnt, und ist auch luv. 6,498 ge-
meint (vgl. das. die Schol.), wo Friedländer
unrichtig an Nadelarbeit denkt. Auf dem Grab-
stein einer ornatrix (CIL VI 9727) ist links ein
Kamm, rechts eine solche Nadel abgebildet;
erhaltene Exemplare, z. T. sehr anmutig ver-
ziert, s. Caetani-Lovatelli R. M. XVI (1901)
382 ff. Nach Fronto ad M. Ant. de eloqu. 1
p. 143 (Naber): capillus et si non cotidie acu
ornandus, tarnen pectine cotidie expediendus
est scheint es, als ob auch die Männer von dieser
acus discriminalis Gebrauch gemacht hätten.
14) Mart. XIV 24. Digg. XXXIV 2, 25, 10:
acus cum margarita, quam mulier es habere
solent.
16) Vgl. Arneth Gold- und Silbermonum.
in Wien 40 N. 282 ff. Catal. des bijoux du
Mus. Napol. III, Epingles 37. 48 u. s. Die Nadel
Roux und Barre Hercul u. Pomp. VI 94 ist
keine Haarnadel.
Sechster Abschnitt. Die Tracht.
263
einfachere aus Bronze, geschnitzte aus Elfenbein, Knochen u. dgl. m.1). Auf-
steckkämme scheinen nicht beliebt gewesen zu sein2). Die Haarnetze,
reticula, gehören eigentlich zur unten zu behandelnden Haartracht, müssen
aber auch hier angeführt werden, da sie oft aus Goldfäden hergestellt
waren3). Auch die um den Kopf gelegten Binden (vittae, mit rar, siehe
unten) waren oft mit Gold und Edelsteinen verziert, besonders das bei den
Männern nur als Symbol der königlichen Würde übliche diadema4) oder
pasilium6). Für die Ohrringe, inaures6), waren neben Edelsteinen, zumal
Smaragden, große schöne Perlen ganz besonders beliebt7); wenn mehrere
solcher frei hängend angebracht waren, nannte man die Ohrringe crotalia8).
Im allgemeinen waren die Ohrringe der Römerinnen, wie sowohl die Bild-
werke als die noch erhaltenen Exemplare zeigen9), den griechischen ähnlich.
Die Halsgeschmeide10), monilia genannt11), seltner collaria12), zeigen sehr
mannigfache Formen; besonders häufig findet man auf Denkmälern und in
noch erhaltenen Originalen13) neben aus Golddraht geflochtenen Ketten oder
Gliederketten14) solche, an denen Anhängsel in Form von Ringen, Amphoren,
') Mus. Borb. IX 15. Roux und Barre
a. a. 0. 93. 0 verbeck Pompeji 453 Fig. 252.
Mai: Pompeji 400 Fig. 229. Saglio a. a. 0.
Jacobi Römerkastell Saalburg 453 Taf. 72,
1 1 ff. Friederichs Berl. ant. Bildw. II 94 ff.
Mon. d. Line. XVI 103 Fig. 124.
2) Die einzige Stelle, die darauf bezogen
wird (Becker-Göll III 273), Ov. a. a. III 147:
haec placet ornari testudine Cyllenea,l&&t auch
andere Deutung zu. Doch ist zu bemerken, daß
bei den Griechinnen solche Aufsteckkämme
üblich waren; sie hießen tävia, Hesvch. s. v.
Suid. s. v. Et. magn. 612, 23. Phot. 307, 15.
Darnach darf man sie wohl auch bei den Rö-
merinnen annehmen.
3) Petron. 67, 6: retictUum aureutn, quem
ex obrussa esse dicebat. luv. 2, 96. Lampr.
AI. Sev. 41, 1. Treb. Poll. trig. tyr. 14, 4.
4) Lampr. Heliog.23,5: roluit uti et dia-
detnate gemmato, quo pulchrior fieret et magis
ad feminarum vultum aptus. Isid. XIX 31, 1:
diadema ext omamentum capitis matronarum
er auro et gemmis contextum.
5) CIL II 3386; XIV 2215; eigentlich der
ägyptische königliche Kopfschmuck, vgl. Hüb-
ner a. a. O. 348.
6) Isid. XIX 31, 10: inaures ab aurium
foi ■(> in inibus nuneupatae, quibuspretiosagenera
lapidum dependent. Plaut. Men. 541 nennt sie
stalagmia, das sind also tropfenförmige. Lampr.
AI. Sev. 51,3. Der THnmependentes für Ohrringe
ist spätlat., s. Hübner a. a. 0. 349 f. Ueber Ohr-
ringe vgl. außer der älteren Schrift von Bartho-
lin! s De inauribus veterum, Amstelod. 1676, J
Pottier bei D.-S. III 440 ff.
7) Hör. sat. II 3,113. Ov. med. fac. 22. Sen.
de benef. VII 9, 4. Plin. IX 1 14. Hieron. ep. 130, 7
p. 1118M.; vgl. 107.5 p. 872: cave ne aures eius
perfores. CIL XIV 2215: inaures ex gemmis.
8) Plin. a. a. 0.: hos digitis (das sind
vermutlich die einem gebogenen Finger
gleichenden Drähte, an denen die Perlen
hingen) suspendiere et binos ac ternos auribus
feminarum gloria est, subeuntque luxuria«
eius nomina externa, exquisita perdito nepo-
tatu, si quidem, cum id fecere, crotalia ap-
pellant, ceu sono quoque gaudeant et oollisu
ipso margar 'darum. Vgl. Petron. 67, 9.
9) Vgl. Pottier a. a 0. Fig. 4023 ff. Over-
beck Pompeji 623 Fig. 319. Auch die stalag-
mia (siehe oben) bei Plaut. Men. 541 sind grie-
chischer Schmuckstil. Ueber den älteren ita-
lischen Typus (Mus. Gregor. I 72ff.) vgl. Helbig
Homer. Epos 273. Ghirardini Not. d. seavi
1893,411.
10) Vgl. Karo bei D.-S. III 1984 ff.
") Zuerst Afran. b. Non. 150, 34. Fest.
138 b, 31. Isid. a. a. 0. 12: monile ornanum-
tum ex gemmis est, quod solet ex feminarum
pender e collo; dictum autem a munere, welche
Etymologie ebenso falsch ist, wie die von
Böttiger Sabina II 151, der es von mono-
linum (vgl. Capitol. Maxim, duo 27, 7) ab-
leitet. Quint. XI 1, 3. Claud. carm. III 187.
Das Wort hat dann auch allgemeinere Be-
deutung von Schmuck aus Edelsteinen über-
haupt erhalten, Isid. a. a. 0. 13: plerumupu
autem et per monile omnia ornamevta mn-
tronarum significantur; vgl. Apul. met.V 1.
u) Collare ist gewöhnlich ein Halsring
für einen Hund oder einen Sklaven, vgl. Mao
bei P.-W. IV 363; aber ein collare ex gem-
mis berylis CIL XIV 2215.
13) Vgl. Marquardt 702 f. Hübner 350.
Karo a. a. 0. 1990. Mus. Gregor. I tav. 77 ff.
Mus. Borb.V 14. Ghirardini a. a. 0. 413.
Falchi ebd. 500; 505. Overbeck a. a. O.
,4) Sen. Med. 576: auro te.rtili monile ful-
gens. Marquardt 702 A. 10 vermutet, daß die
im Spätlat. bisweilen vorkommenden titurenae
oder mnrenulae solche geflochtene Drahtketten
waren (Hieron. ep. 24,3 p. 427 M.); vgl. Isid.
264
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
Beeren1), Medaillons, Zylindern, kleinen Figürchen oder Geräten u. dgl. m. be-
festigt sind. Halsketten, die an einer Schnur oder einem Golddraht aufgereihte
Perlen oder durchbohrte Edelsteine enthielten, hießen lineae2); das die Enden
des Halsbandes verbindende Schloß clusura 3). Die catenae oder catellae sind
die feinen langen Goldketten, die die Frauen vom Hals über den Busen bis
zur Hüfte hängend trugen und die wir aus antiken Bildern kennen4); sie
gehörten wohl vornehmlich zum Schmuck der Libertinen5). Endlich spielen
eine wichtige Rolle im Frauenschmuck die Armbänüer6), die als männlicher
Schmuck nur bei Weichlingen oder wahnsinnigen Kaisern vorkommen7),
abgesehen von den Armringen, die als Auszeichnungen an Soldaten ver-
liehen wurden 8). Die allgemeine Bezeichnung dafür, sowohl für die um das
Handgelenk, wie die um den Oberarm getragenen, ist armilla9)-, in älterer
Zeit hatte man auch das griechische spinther10), das aber früh außer Ge-
brauch gekommen zu sein scheint11), während später das keltische viria oder
viriola dafür gebräuchlich war12); daneben findet sich die Bezeichnung spa-
talium, speziell für Armbänder am Handgelenk13), brachiale1*) oder brachialis
a. a. 0. 14: murena vulgo vocatur, quod scilicet
auri metallo in virgulis lentescente quaedam
ordinis flexuosi catena contexitur in simili-
tudinem murenae serpentis, quae ad collum
ornandum aptatur. Dagegen werden Corp.
Gloss. V 311,52 murenulae als inaures erklärt.
J) Das ist wahrscheinlich das monile
bacatum Verg.Aen.I654. Lampr.Al.Sev.41,1 ;
entsprechend erklärt Hübner 350 das quadri-
bacium der Inschrift CIL II 3386. Vgl. Mus.
Borb. II 14.
2) Digg. XXXIV 2, 40, 2; XXXV 2, 26.
CIL II 2060; Hübner 356 f.; ebd. kommt auch
der Ausdruck fascia für eine Kette aus Zy-
lindern und Perlen vor. Vgl. Tert. cult. fem.
I 9: uno Uno decies sestertium inseritur.
3) Nur CIL a. a. O. vorkommend, im Plur.
clusurae, weil es aus zwei besondern Teilen
besteht, Hübner 352.
4) PUn. XXXIII 40: discurrant catenae
circa latera. Fronto ad M. Caes. II 16 p. 37
(Nab). Isid. a. a. O. 15 (vgl. ebd. 11): catellae
sunt catenulae colli invicem se comprehenden-
tes in modum catenae. Vgl. Saglio bei D.-S.
1 970 mit Fig. 1247 f.
5) Hör. ep. I 17, 55. An solche Brust-
ketten wird man luv. 6, 122 zu denken haben,
da die auratae pupillae schwerlich etwas
anderes bedeuten können. Vielleicht geht
hierauf auch Digg. XXXIV 2, 32, 9, wo statt
ornamentum mamülatum wohl mamillarium
zu lesen ist.
6) Bartholinus De armillis veterum,
Amstelod. 1676. Saglio bei D.-S. I 435 ff. Mau
bei P.-W. II 1180. Hübner a a. 0. 353.
7) Petron.32,4 trägt Trimalchio eines am
rechten Oberarm; bei Mart. XI 21, 7 ein Ki-
näde; von Kaisern s. Suet. Nero 6; Calig. 52.
Hei odian V 5, 3. Darauf zielt Plin. XXXIII 39 :
(aurtim) habeant in lacertis iam quidem et viri,
qttod ex Dardanis venu.
8) Marquarut Staatsverwaltung II 2 574.
C. de la Berot bei D.-S. I 438. v. Doma-
szewski bei P.-W. II 1189.
9) Plaut. Men. 536. Petron. 67, 6. Plin.
XXVIII 41; ebd. 172. Digg. XXXIV 2, 25, 10.
CIL II 2060. Noch allgemeiner ist circuhis.
etwa was wir Reif nennen; Isid. XIX 31, 16
unterscheidet: ab intellectu autem circuli non
discrepat armilla, quia ipsa quoque, üb/ po-
nitur, ambiendo constringit, sed armilla la-
tius extenditur, circulus rotundus fit. Tert.
cult. fem. I 2: circuli ex auro quibus brachia
artentur. Bei Petron. 32, 4 trägt Trimalcbio
eine armilla aurea und einen eboreus circu-
lus lamina splendente conexus.
10) Plaut. Men. 527 ; 682 ; 807. Festus 333 b,
6 : spinther vocatur armillae genus, quod mu-
lieres antiquae gerere solebant brachio sutnmo
sinistro (ergänzt aus p. 332,3).
u) Die Grammatikerstellen beweisen nichts
für das Fortleben des Wortes ; die Glossen wis-
sen die Bedeutung schon nicht mehr recht und
erklären es sowohl durch armilla wie durch
fibula humeri, s. Corp. Gloss. V 515, 38 ; 579. 36.
Vgl. Prise. V 3, 16 p. 151, 8 K.: spinter, quod
äxQo%£Qtov auf fibulam in umeris aut armillam
significat.
12) Plin. XXXIII 39. Isid. a. a. O. leitet es
irrtümlich von viri ab ; daß es aber nicht
lediglich ein von Männern getragenes Arm-
band bedeutet, zeigen die zahlreichen Glossen,
die es mit yshov, ßqayäXiov , jieotyJgim> u. dgl.
erklären, Corp. Gloss. VII 421, sowieTert.de
pall. 4. Digg. a.a.O. und XVIII 1,14; XXXIV 2,
40,2.
1S) Plin. XIII 142. Tert. de cult. fem. II 13:
nescio an manus spatalio circumdari solitae
in duritiam catenae stupescere sustineant. CIL
II 2060 ; XIV 2215. Corp. Gloss. III 324. 23.
14) Plin. XXV 129; XXVIII 82; XXXII 8.
durchweg von dem in der Heilkunde üblichen
Aberglauben, Gegengifte, Sympathiemittel u.
dgl. im silbernen Armring zu tragen.
Sechster Abschnitt. Die Tracht.
26;
(sc. anulw)1) für den Reif am Oberarm, dextrocherium für das Arm-
band am rechten Handgelenk2). Alle diese Armbänder oder Armringe
waren ungemein mannigfaltig in Form und Ausstattung3); die Form der
Schlange, deren Kopf Edelsteinaugen hatte, war dabei ganz besonders
beliebt4). Ringe um die Fußknöchel, pediculi*), mit dem griechischen
Namen periscelides genannt6), wurden wohl am meisten von Libertinen
getragen, da sie bei der Matrone mit der langen Stola nicht sichtbar
waren7). Verschiedenen Sklaven war die Aufsicht über den Schmuck an-
vertraut: es gab einen auri custos*), servi ab ornamentis9), ad marga rifun U)),
a fibulis11).
Die Herstellung all dieser Schmucksachen lag wohl größtenteils in
der Hand der Goldarbeiter, der aurifices12) oder» fabri aurarii1*), da Silber-
schmuck selten war und der argentarius mehr Gefäße arbeitete14). Der
Goldschmied war aber zugleich auch Juwelier, da die Edelsteine zum
Schmuck gehörten und von ihm gefaßt wurden; der Handel mit Edel-
steinen lag allerdings in der Hand der gemmarii16), wie der mit Perlen
in der der mßrgarüarii19), und das Schleifen und Schneiden besorgten die
mmmarum scalptores11) oder politores18) oder caratores19), für Ringsteine
1) Treb. Poll. Claud. 14, 5; Vopisc. Aurel.
7. 7, beide im militärischen Gebrauch. Vgl.
Marqüakdt 705 A. 5. Hübner 353.
2) Capitol. Maxim, duo 6, 8 u. 27, 7. Treb.
Poll. trig. tyr. 14, 4, immer im Gebrauch von
Frauen. Etwas ähnliches steht in der ver-
dorbenen Stelle Isid. a. a. 0.: dextras com-
munes esse virorum ac mulierum, quia utrius-
que sexus dextrae sunt, wo die Vulgata dex-
walia korrigiert.
3) Beispiele bei Saglio a a. 0. Braun
A. (1. I. XXVI (1854) 112 mit tav. 33, 1. 2.
Falchi Not. d. scavi 1893, 498; 504; besonders
in dem reichhaltigen, auch Ringe, Ohrgehänge,
Anhängsel, Fibeln, Schlösser, Nadeln und Hals-
bänder enthaltenden Goldschmuck von Lyon,
8. Comormond Descript. de l'öcrin d'une dame
Romaine trouve a Lyon en 1841, Paris et Lyon
1844 (Marqüardt 704).
4) Vgl. Mus. Borb. II 14; VII 46; XII 44; i
A. d. I. XII (1840) tav. C 8. Roux u. Barre
VI 92. Overbeck 622 Fig. 318. Mau 401
Fig. 233.
5) Digg. XXXIV 2, 32 pr.: pediculis ar-
genteis adinncta sigilla aenea. Corp. Gloss. II
410, 54 als nodoy&Xiov erklärt.
6) Hör. ep. I 17, 56. Petron. 67, 6; auch
feriscelium, Tert. cult. fem. II 13.
7) Plin. XXXIII 39 : mulierum pedibus
tturum gestatum; ebd. 40: etiamne pedibus in-
duetur atque inter stolam plebemque hunc me-
dium feminarum equestrem ordinem faciet?
So trägt auch die Hetäre bei Petron. 126, 17
ein auri gracile vinculum am Fuß. Vgl. CIL
II 2060 mit Hübner 352; armillae tibiarum,
Corp. Gloss. III 324, 12.
8) Plaut. Trin. 752.
9) Häufig auf Inschr., s. Marqüardt 144
A. 1; auch ad ornamenta, CIL VI 3991 f. Ein
procurator rationis ornamentorum ebd. VI
8950.
10) CIL VI 7884; 9543.
11) CIL III 536: praepositus a fiblis.
,2) Sie kommen auf Inschriften sehr häufig
vor,vgl.MARQUARDT700. DESSAu7685ff. Kühn
De opific. cond. priv. 45; das collegium aurifl-
e?(mbestand schon in der Königszeit und dauerte
bis zur Kaiserzeit fort. Die Kaiser hatten eigene
Goldarbeiter unter ihren Sklaven. s.Marquardt
A. 6, und auch bei Privaten war das nicht selten
der Fall, s. Cic. Verr. IV 24,54, und die in-
schriftlichen Beispiele bei Marqüardt 157
A. 2; ein tervus maurator CIL II 6107: VI
3928. Ueber die brattiarii (ebd. VI 6939;
9210 f.; 33836; colleg. brattiar. maurat VI
95) s. Blümner Technol. IV 307. Marqüardt
686 A. 1.
13) CIL VI 196; 9209; VIII 1816. Corp.
Gloss. II 27, 13; 569,9.
14) Auf Inschr. kommt bisweilen eine Ver-
bindung von beiden vor, aurarius et argen-
tarius, CIL VI 9209; XI 3821.
16) CIL VI 245; 9433 ff.; IX 4795.
16) CIL II 496; VI 641; 1925; 5972; 9544 ff.;
X 6492; negotians margaritarins VI 9675 ; s.
mehr bei Marqüardt 707 A. 1 1 . Dessau 7602 f.
Bei Firm. Mat. math. III 11,18: gemmas mit
margaritas aliqua rationc tractonteS', ebd.
12,10: marqariiarum »iercatores;vg\.lV 11,2 ;
13,1.
17) Plin. XX 134; XXXVII 60; 63; gem-
marüu sculptor CIL VI 9436; »eulptor atm-
larius Corp. Gloss. III 307, 32 ; 513. 62.
18) Firm. Mat. math. IV 14, 20.
,9) CIL VI 9239; insignitores aumnarUM
August, civ. Dei XXI 4.
266
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
die anularii1). Sonst kam spezielle Arbeitsteilung in diesem Berufe wohl
nicht vor2).
Noch zwei Geräte haben wir hier zu nennen, die zum speziellen Ge-
brauch der Frauen gehören: Fächer und Sonnenschirm. Der Fächer3),
flabellum*), dessen sich bisweilen auch weichliche oder empfindliche Männer
bedienten5) und der den Damen auch wohl durch eine begleitende Sklavin
nachgetragen wurde6), war oft aus Pfauenfedern gearbeitet7); sonst war,
wie die Denkmäler zeigen, namentlich Blatt- und Palmettenform beliebt8).
Der Sonnenschirm9), der gleich den unsern aus einem runden, mit
Stoff bezogenen Stabgestell bestand10) und buntfarbig oder selbst ver-
goldet war11), hieß umbraculum12) oder umbella13); auch ihn ließen sich
die Damen durch Sklavinnen nachtragen14). — Bei den Männern sind
Stöcke, die bei den Griechen allgemein üblich waren, nicht gebräuchlich
gewesen15).
*) Die anularii, die auf Inschr. (auch als
Kollegien) mehrfach vorkommen, vgl. CIL VI
9144; XI 1235; XII 4456. Not. d. scavi 1892,
124 (scalae anidariae beim Forum Suet. Aug.
72) sind wohl nicht mit Säglio bei D.-S. I 293
als Goldarbeiter, sondern nach Cic. Acad. pr. II
26,86 mit Mau bei P.-W. I 2651 als Gemmen-
schneider zu erklären. Einem Juwelen verarbei-
tenden Goldschmied gilt die Grabschrift CIL
VI 9437 : noverat hie doeta fabricare monilia
dextra et motte in varias aurum disponere
gemmas.
1 ) Ein armillarius, y>F,)uojioi6g, Corp. Gloss.
II 25, 33.
3) Vgl. Böttiger Sabina II 230 ff. Becker-
Göll 266. Fougeres bei D.-S. II 1149 ff. Mau
bei P.-W. VI 1959 ff.
4) Ter. Eun. 595. Varr. r. r. I 31. 3.
5) Suet. Aug. 82. Mart. III 82, 10. Claud.
carm. XVIII 109.
6) Flabelliferae, Plaut. Trin. 252. Ter. Eun.
595; so auf einem pompejanischen Wand-
gemälde Mon. d. Lincei VIII (1898) 345, vgl.
R. M. XI (1896) 76. Vgl. auch Amm. Marc.
XXVIII 4,18. Claud. a. a. 0. 463.
7) Mart. und Claud. a. a. O. Prop. III 18
(II 24), 11; auch auf Wandgemälden kennt-
lich, Pitt. d'Ercolano III 24. Fougeres a. a. 0.
1151 Fig. 3071; sehr häufig sind die Feder-
fächer bei Deckelfiguren auf etruskischen
Urnen, s. Mau a. a. 0. 1961. Etwas anderes
ist das muscarium pavoninum Mart. XIV 67,
ein Fliegenwedel, der allerdings unter Um-
ständen auch als Fächer dienen konnte (daher
Corp. Gloss. V 295, 44; 628, 72 durch flabellum
erklärt), aber mehr Besenform hatte, weshalb
die billigeren Exemplare aus Kuhschwänzen,
muscarium bubulum, Mart. XIV 71, auch als
Staubwedel dienten (daher muscarium auch
den Pferdeschwanz bedeutet, Veg. vet.VI 1. 1
u. ö.). Vgl. Corp. Gloss. VI 720. Saglio bei D.-S.
III 2070. Fraglich erscheint, ob man auch
die tabellae, mit der nach Ov. am. III 2, 87
und a. a. I 161 der junge Römer im Zirkus
oder Theater seiner Geliebten Luft zufächelte,
mit Böttiger 244. Fougeres 1150 u. a. für
einen leichten Brettchenfächer oder . nicht
eher für das Programm der Spiele zu halten
habe.
b) Das sind vielleicht die prasina flabella
bei Mart. III 82, 10. Aurata flabella kommen
bei Amm. Marc. XXVIU 4, 18 vor. Auf Denk-
mälern sind diese Blattfächer sehr häufig,
s. Mau a. a. 0.. der als Material für die Mehr-
zahl davon Leder annimmt.
9) Hiervon handelt eine ältere Abhand-
lung von Paciaudi De umbellae gestatione,
Rom 1752.
10) Ov. a. a. II 209: distenta suis umbra-
cula virgis.
n) Virides umbellae, luv. 9, 50; aurea u»i-
bracula, Ov. fast. II 311.
>*) Ov. a.a.O. Mart. XIV 28,1. Claud. carm.
XVIII 464; übertr. Tibull. II 5. 97. Etwas an-
deres bedeutet es bei Amm. Marc. XXVIII 4,
18: si . . . per foramen umbraculi •jmixilis
radiolus inruperit solis, wohl ein Schatten-
dach aus Leinwand oder dgl.
13) luv. a. a. 0. Mart. a. a. 0.
14) Mart. XI 73, 6.
15) Alte Leute bedienten sich ihrer, luv.
3, 27, oder Hinkende und Kranke, Plaut. Asin.
427, oder Wanderer, Apul. met. VII 25. Vgl.
im allgemeinen Saglio bei D.-S. I 639 ff.
Sechster Abschnitt. Die Tracht.
267
III. Haar- und Barttracht.
Litteratur.
J.H.Krause Plotina oder die Kostüme des Haupthaares bei den Völkern der alten Welt
Leipzig 1858 (ungenügend).
E. Labatut La coiffure des femmes chez les Romains. Paris 1881 (mir unzugänglich).
M. M. Evans Hairdressing of Roman ladies as illustrated on coins, in The numismatic
Chronicle 1906, 37 ff.
Becker-Göll III 237 ff.; 269 ff.
Marquardt-Mau 597 ff.
Pottier, Albert und Saglio bei Daremberg-Saglio I 1355 ff.
Die Tradition der Römer berichtete, daß die Männer in den ersten
Jahrhunderten der Stadt Haar und Bart hätten lang wachsen lassen1),
weshalb auch später die Kunst die alten Könige und Feldherren (von denen
es gleichzeitige Porträts freilich nicht gab) in dieser Haartracht darstellte2)
und Dichter und Schriftsteller die Vorfahren häufig durch entsprechende,
darauf hinweisende Bezeichnungen in Gegensatz zur modernen Zeit setzten 3),
wobei das Vorhandensein des Bartes vornehmlich betont wird, bei den Kopf-
haaren mehr der Mangel an künstlicher Pflege4). Eine andre, anscheinend
gut beglaubigte Nachricht erzählt, daß erst im Jahre 300 v. Chr. durch
P. Ticinius Mena die ersten Barbiere (tonsores) aus Sizilien nach Rom ge-
kommen seien, während es vorher gar keine gegeben habe5). Allein daraus
darf nicht ohne weiteres geschlossen werden, daß den Römern der Gebrauch
der Schere (forfex)6) zum Schneiden (tondere) von Kopf- und Barthaar,
sowie des Schermessers (novaculd) 7) zum Rasieren {rädere) vorher gänzlich
unbekannt gewesen sei. Denn wenn auch die alten Römer den Bart stehen
ließen und das Haar lang trugen, so ist damit doch nicht ausgeschlossen,
daß sie ein mäßiges Beschneiden der Haare kannten und sich dazu der
in Griechenland schon zur Zeit des Aristophanes gebräuchlichen Schere8)
') Liv. V 41, 9, von den langen Barten
der Senatoren beim Galliereinfall. Sen. n. qu.
I 17, 7 bezeichnet die prominens barba und
das effundere des Haupthaares als alten Brauch.
*) Cic. p. Cael. 14.33: illo austero more ac
modo . . . iJla horrida {barba), quam in Statuts
antiquis et imaginibus videmus. Vai r. r. r. II 1 1 ,
10. So auch die Könige und Helden der Republik
auf den späteren Münzen, s. Beknoulli Rom.
Ikonogr. I Münztaf. I 1 — 10; eine Ausnahme
macht der bartlose Postumius ebd. 11, der aber
sicher auch kein authentisches Porträt ist.
3) Indem sie sie als intonsi bezeichnen,
Hör. carm. II 15, 11. Tib. II 1, 34. Ov. fast. II
30; VI 264; oder als pilosi, Mail. IX 27, 6;
incomptis capittis,H.or.ca,rm.1 12,41 ; vgl. Verg.
Aen.VI809: nosco crines incanaque rnenta
regis Romani; barbati heißen die Vorfahren
Cic. pro Mur. 12. 26: pro Sest. 8, 19; de finib.
IV 23. 61. luv. 4. 103; vgl. 16, 31: dignum
parba . . . dignumque capillis maiorum.
4) Wenn Sen. a. a. O. sagt: tunc quoque, cum
antiqui Uli viri inconditeviverent, . . cura comere
capillumfuitacprominentembarbamdepectere,
so ist das wohl lediglich seine Vermutung.
5) Varror. r. II 11, 10 (bei der Bemerkung,
daß man den Schafen die Wolle früher aus-
gerupft habe: omnino tonsores in Italiam pn-
mum venisse ex Sicilia dicuntur />. B. c o.
CCCCLIII, ut scriptum in publice Ardeae in
litteris extat, eosque adduxisse Pub/ in m T'ni-
nium Menam. oJim tonsores »od fuisss ad-
sigtu'ficant antiquorum statnac, quod phraegue
habent capillum et barbam magnam.
6) Vgl. hierüber S. Reinach bei D.-S. II
1241 f. Mau bei P.-W. VI 2853.
7) Vgl. über die novacula G. Lafaye bei
D.-S. IV 108 f. und über die Barttracht der
Römer im allgemeinen Saglio ebd. 1 667. Mau
bei P.-W. III 31.
8) Vgl. Arist. bei Poll.VII 95 (Frg. 386 M.),
wo v. 1 Svqöv, Schermesser, und i)>u/.ifiut, Schere,
nebeneinander genannt sind ; s. auch Arist. Ach.
849, wo die Schere uia /id/ainn heißt. Die Sche-
ren der Alten waren zum Teil anders, als un-
sere: sie bestanden aus einem gebogenen Me-
tallblech, dessen geschärfte Seiten sich durch
Druck der Hand näherten, s. die Abbildungen
bei Reinach a. a. O. und vgl. Blümner in A. Z.
XXXII (1874) 141 f. Daß aber auch die bei uns
üblicheForm vorkam, zeigt die Eisenschere aus
Priene, Guide to the Exhib. illustr. Greek and
Rom life (British Mus.), London 1908, S. 160
Fig. 106.
268
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
bedienten, wenn auch diese erst sehr viel später und im Gebrauch für die
Menschen überhaupt sehr selten erwähnt wird1); andrerseits wird die no-
vacula bereits in einer Sage der Königszeit erwähnt2), und jene Bronze-
messer, die man mit großer Wahrscheinlichkeit für Rasiermesser hält,
kommen schon in sehr frühen Gräbern Oberitaliens, Etruriens und in Rom
selbst vor3); sie sind halbmondförmig, an der äußern Seite geschärft, oben
meist mit ringförmigem Griff versehen4). Daß die novacula, die als Werk-
zeug des Barbiers häufig erwähnt wird5), auch später noch diese anscheinend
sehr alte Form beibehalten hat, dafür liegen verschiedene Anzeichen vor6);
daß es jedoch daneben noch andere Formen der novacula gab, die mehr
unserm heutigen Rasiermesser glichen, mit geradliniger Schneide, dafür
sprechen nicht nur Denkmäler 7), ferner Schriftstellen, in denen die novacula
in solcher Weise erwähnt wird, daß man dabei kaum noch an jene ältere
Form denken kann8), und auch die erweiterte Bedeutung, die das Wort
bekommen hat9), sondern wir haben auch solche von mannigfacher Form,
darunter auch zweischneidige, noch erhalten10). Wahrscheinlich sind auch mit
dem cultellus11) oder culter tonsorius12) solche Rasiermesser gemeint, obschon
auch andere, wie sie die Barbiere zum Beschneiden und Reinigen der Nägel
1) Meist wird die Schere gelegentlich der
Schafschur u. dgl. erwähnt, vsl. Mart. VII 95,
12. Apul. met. III 17. Calp. ecl. 5, 73. Serv.
ad Verg. Aen. VIII 453 u. s. Im Gebrauch des
tonsor Verg. Catal. 8, 9: bidente forfice; das-
selbe bedeutet Verg. Cir. 213 ferro bidente.
Vgl. Corp. Gloss. II 511, 6: ymlig xwv xovQecov;
V 501, 43: forpices de quibus capilli incidun-
tur; ebd. 202, 20.
2) In der Geschichte vom Augur Attus
Navius. Liv. I 36, 4. Cic. de div. 1 17, 32. Val.
Max. I 4, 1.
3) Verzeichnis der Fundstellen bei Goz-
zadini Intorno agli scavi fatti dal Sig. Arn.
Veli p. 59 ff.; ergänzt von Helbig Das home-
rische Epos1 248 A. 3. Vgl. Brizio Mon. dei
Lincei V 248 pl. 8, 9; pl. 10, 5 u. 37. Lafaye
a. a. 0. A. 7.
4) Diese Messer galten früher als Instru-
mente für Schuster oder Lederarbeiter, s. Frie-
derichs Berl. ant. Bildw. II 254. Blümner Tech-
nol.1 282; ihre eigentliche Bedeutung erkannte
zuerst Helbig Im neuen Reich 1875, I 14;
vgl. dens. Italiker in der Poebene 20 (die Ab-
bildung Taf. I 3 zeigt hier zwei solche durch
einen Griff verbundene Klingen). Abbildungen
bei Helbig Homer. Epos 248. Reinach a. a. O.
Fig. 5333 u. a.
5) Petron. 103.1. Mart. II 66, 7: VII 61,7;
XI 58,5. Plin. XXIX 107. Geis. VI 4. Lampr.
Heliog. 31, 7. Der novacularius, ^vqotioioq,
Corp. Gloss. III 308, 69: 520, 52.
6) Bei Mart. XI 58, 9 heißt das Etui für
das Rasiermesser curva theca, was auf Krüm-
mung des Messers hindeutet; dann ist zu
vergl. die Darstellung des Kairos, der die
Wage auf einem solchen Rasiermesser trägt,
auf einem römischen Relief, s. Curtius A. Z.
XXXII f (1875), 6 Taf. 12.
7) Grabreliefs frühchristlicher Zeit zeigen
unter andern Barbierwerkzeugen, wie Kamm,
Spiegel, Schere, auch ein eigentümliches Werk-
zeug, das nicht gut etwas anderes, als ein
Schermesser sein kann, s. Garrucci Storia dell'
arte cristiana tav. 488, 6 — 8 mit p. 218 ff. Lafaye
Fig. 5334. Schermesser und Schere auf dem
Grabstein eines tonsor CIL XII 4517.
8) Vornehmlich Suet. Calig. 23, wo vom
Halsabschneiden die Rede ist, ebenso Petron.
108, 10 f. ; besonders Apul. met. V 20 u. 22. wo
die novacula das Werkzeug ist, mit dem Psyche
dem Drachen den Kopf abschneiden soll, wo-
für die alte Form ganz ungeeignet gewesen '
wäre.
9) So die sucinae novaculae zum Pilze-
schneiden, Plin. XXII 99, oder für Rüben,
Colum. XII 56,1.
10) Vgl. Petersen R. M. XIV (1899) 285 ff.,
der unter den Fundstücken unterscheidet:
blattförmig gerade, zweischneidig und spitz;
einschneidige mit geschweiftem Umriß; zwei-
schneidige mit geschweiftem Umriß, aber vorn
breit. Die zweischneidigen haben meist einen
Ausschnitt, der breit und eckig oder schmal
und rund ist. Vgl. auch Not. d. scavi 1892, 439;
1897,186; 1902, 36 f.; ebd. 189 ff.; 1907, 233 ff.
und wiederum in anderer eigenartiger Form in
Funden von Timmari bei Quaglioti Mon. de
Line. XVI 87 ff. Siehe auch Guide to the Exhib.
etc. 137 Fig. 127 (ein schön verziertes Rasier-
messer aus Sardinien, dessen Typus aber sich
ebenso in Karthago findet und phönikischen Ur-
sprungs ist).
n) Digg. 1X2, 11 pr. ; allgem. ferramenta
tonsoris in der Lex met. Vipasc. (CIL II 5181)
Z. 39.
12) Plaut. Capt. 266. Cic. de off. II 7, 25.
Plin. VII 209. Petron. 108, 11.
Sechster Abschnitt. Die Tracht.
269
gebrauchten, den gleichen Namen geführt zu haben scheinen1). Neben dem
Schneiden und Rasieren kam auch das Ausrupfen (vellere) der Haare mit
einer Zange (volsella) 2) in Betracht, indem zumal Elegants mitunter alle drei
Arten bei der Behandlung des Bartes gleichzeitig zur Anwendung brachten 3).
Die Sitte, den Bart ganz abrasieren zu lassen, scheint gegen Ende
des 3. Jahrhunderts v. Chr. aufgekommen zu sein; unter den Münzbüdern
historischer Persönlichkeiten ist die erste bartlose, der wir begegnen,
M. Claudius Marcellus, der Eroberer von Syrakus4). Nach der Überlieferung
wäre Scipio Africanus es gewesen, der sich zuerst täglich hätte rasieren
lassen5), doch ist nicht klar, ob damit der ältere oder der jüngere Africanus
gemeint ist6). Der Brauch hat sich dann bis ins 2. Jahrhundert n. Chr.
hinein erhalten, wie uns die Porträtbilder aus jener Zeit zeigen7). Der
Tag, an dem man sich zum ersten Male rasieren ließ, die sogenannte
uepösitio barbae, wurde in der Kaiserzeit nicht selten festlich begangen
und das abgeschnittene Haar den Göttern geweiht8), wie man es (nach
») So Hör. ep. I 7, 50. So führt Mart. XIV
36 drei ferramenta tonsoria auf: tondendis
h/icc arma tibi sunt apta capittis, unguibus
liic longis utilis, illa genis, also die Schere
für die Haare , das Nagelmesser und das
Scliermesser. Daß man sich aber die Nägel
auch mit dem Rasiermesser schnitt, zeigt Val.
.Max. III 2,15. Eine Nagelfeile aus Bronze s.
Guide to the Exhib. a. a. 0. Fig. 128.
») Plaut. Cure. 577. Mart. IX 27, 5. Vgl.
Sen. n. qu. I 17, 2: ad speculum barbam vellere.
3) Von Cäsar berichtet Suet. Caes. 45 : circa
corporis curam morosior, ut non solum ton-
deretur diligenter ac raderetur, sed velleretur
etiam; und Mart. VIII 47 spottet: pars ma-
xillarum tonsa est tibi, pars tibi rasa est, \
pars vulsa est. Unum quis putat esse caput?
vgl. Sen. ep. 114, 21 : quot vides istos sequi, qui
auf vellunt barbam aut intervellunt, qui labra
pressius tondent et abradunt servata et sub-
missa cetera parte. Caracalla und Heliogabal
ließen sich in dei Regel die Barthaare aus-
rupfen, was als Zeichen der Weichlichkeit
galt, Dio Cass. LXXVII 20. 1; LXX1X 14, 4.
Vom Ausrupfen anderer Körperhaare wird
unten die Rede sein. Ganz ungewöhnlich ist
es. wenn Commodus Haar und Bart aus Furcht
vor dem tonsor durch Absengen kürzte, wie
Dionysios, Lampr. Commod. 17, 3.
4) Bernoulli Rom. Ikonogr. I 29 mit
Münzt. I 16 f.
5) So nach Plin. VII 211 : primus omnium
radi cotidie instüuit Africanus sequens, dirus
Augustus eultris semper usus est. Die An-
nahme, daß sequens hier soviel wie minor
bedeute (so z.B. Becker-Göll 239. Bernoulli
a. a. 0. 53), ist nicht haltbar: die Stelle ist
jedenfalls verdorben. Mau bei Marquardt 599
Ä..3 denkt an den älteren Africanus, der in
den Porträts stets glatt rasiert erscheint, doch
unterliegt es Bedenken, ob dieser Porträt-
typus, der einen ganz kahlen Kopf zeigt, den
altern Scipio darstellt, von dessen promissa
caesaries i. J. 206 v. Chr. Liv. XXVI11 35, 6
spricht, und ähnlich Sil. It. VIII 559 f. Immer-
hin spricht für die Identität das pompejani-
sche Wandgemälde mit dem Tode der Sopho-
niba (Bernoulli Taf. 4), obschon Bernoulli
56 f. die Richtigkeit der Deutung bestreitet.
Die auf Scipio d. Ae. gedeuteten Köpfe s. ebd.
Taf. 1—3 und Münzt. I 18 f.
6) Daß der jüngere Scipio Africanus glatt
rasiert ging, zeigt die Gell. III 4 erzählte Ge-
schichte, daß er als Angeklagter neque bar-
bam desisse radi neque non Candida res/e
uti, wozu dann bemerkt wird: comperinuis
autem ceteros quoque in isdem tempoHÖUS n<>-
biles viros barbam in eiusmodi aetate (d. h.
über 40 Jahre) rasitavisse ideircoque plcrus-
que /miii/ines veterum non admodum semun,
sed in media aetate, ita faetas ridrnuis. Das
bezieht sich also auf die zweite Hälfte des
2. Jahrhunderts, der Brauch war aber jeden-
falls älter.
') Es ist möglich, daß er anfangs noch
nicht allgemein beobachtet worden ist; wenig-
stens zeigt der Münzkopf des T. Quinctius
Flamininus einen Bart, vgl.BERNOULi.il 60 mit
Münzt. I 20. Für die Kaiseizeit bezeugen den
Brauch sowohl die Kaiserporträts als die histo-
rischen Reliefs, z.B. von der Ära Pacis oder
vom Triumphbogen Trajans in Benevent, s.
Petersen R.M. VII (1892) 253ff. Ueber die
Barttracht auf den römischen Münzen vgl.
Borghesi Oeuvres I 93 ff. In den Gemälden
der Katakomben sind die Männer in den ersten
Jahrhunderten bartlos, seit Hadrian vereinzelt
bärtig, s. v. Sybbl Christi. Antike I 150.
8) Daher barbatorimn facere, Petron. 73,
6; vgl. Corp. Gloss. VI 128 (immer durch .t<»-
ycovoxovgia erklärt). Der eitle Trimalchio hob
seine Barthaare in einer pg.vis ttnrea non pu-
sil/a auf, Petron. 29,8, wohl in Nachäffung
Neros, s. unten. Vgl. Anth. Pal. VI 42; X 19.
270
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
altgriechischer Sitte) mit dem ersten Haupthaar tat1), und manche Kaiser
machten das sogar zu einem öffentlichen Feste2). Jedoch folgte aus
dieser Zeremonie keineswegs immer, daß der Betreffende sich von nun ab
regelmäßig rasierte; vielmehr trugen sowohl im letzten Jahrhundert der
Republik als in der ersten Kaiserzeit nicht bloß ganz junge Leute, sondern
auch Männer bis zum vierzigsten Jahre noch den Bart, wenn auch etwas
gestutzt3), und Elegants pflegten auf den Bartschnitt große Sorgfalt zu
verwenden4). Dagegen blieb die Sitte des glattrasierten Gesichts für Männer
in mittleren Jahren5). Davon machten freilich gewöhnliche Leute oder
solche, die ihr Äußeres vernachlässigten, keinen Gebrauch6); namentlich
aber ließen Leute, die angeklagt oder verurteilt waren, sich das Haar lang
wachsen und den Bart stehen 7), wie das auch bei Familientrauer geschah s)
und manche bei besondern nationalen Unglücksfällen taten9). Sonst aber
taten das vornehmlich Philosophen oder die durch solches Äußere dafür
gelten wollten10). Für das Rasieren sowie für die Haarpflege überhaupt
hatten Leute, die über eine größere Sklavenzahl verfügten, unter dieser ihren
eigenen tonsor11); doch war schon früh dieser Beruf zu einem eignen, oft
erwähnten Gewerbe geworden12), und die tonstrinae wurden daher von vielen
') Censorin. de die nat. 1, 10. luv. 3, 186.
Mart.IX 17. Stat. silv. III 4.
2) Octavian beging die depositio barbae
erst mit 24 Jahren, Dio Cass. XLVI1I 34, 3;
Caligula bei Anlegung der toga virilis, im
19. Jahr, Suet. Cal. 10. Auf einer Grabschrift
heißt es vom Toten, er sei gestorben barba
deposita peragens tertium et vicensimum an-
num, Not. d.scavi 1900,578 n. 35. Nero depo-
nierte seinen Bart in einer goldnen, perlen-
verzierten Büchse, Suet. Ner. 12. Dio Cass. LXI
19, 1 (er trug aber auch später noch hie und da
einen kurzen Bart, s. Bernoulli II 1,387): auch
Heliogabal beging das Pest, ebd. LXXIX 14,4.
3) Ov. a. a. I 518: sit coma, sit scita barba
resecta manu; darauf gehen auch die oben
(S. 269 A. 3) angeführten Stellen. Mart. VIII 117.
Sen. ep. 114, 21. Selbst Cäsar erscheint auf
einer nach seinem Tode geprägten Münze,
die ihn als Jüngling darstellt, mit leichtem
Flaum, s. Saglio a. a. O. 670 Fig. 788. Ber-
>toulli a. a. O. Münzt. II 68. Den Bart zu lang
zu tragen, schien barbarisch, vgl. Capitol. Verus
10,6: barba prope barbarica demissa.
4) Daher Ciceros Spott über diese barbatuli,
ad Att. I 14,5; ebd. 16,1; pro Cael. 14,33: non
hac barbula, qua ista delectatur, sed illa hor-
rida; vgl. de lege agr. II 5,13; Catil. II 10,22.
5) Vgl. luv. 6, 105 : nam Sergiolus iam rä-
dere guttur coeperat; ebd. 215: tarn senior,
cuius barbam tua ianua vidit.
6) Mart. VII 95, 10 ff.; XII 59, 8: menti do-
minus pediculosi. Die Soldaten auf derTrajans-
säule sind z. T. bärtig abgebildet, und daß
auch sonst die Soldaten den Bart trugen,
zeigt Sen. ep. 77, 18: unus ex custodiarum
(igniine demissa nsque in pectus veter e barba.
7) Die barba reorum, Liv. XXVII 34, 5.
Mart. II 36, 3; daher der Freigesprochene ton-
sus reus, Mart. II 74,3; vgl. die Bemerkung
bei Gell. III 4, 1, wo Scipio, obschon angeklagt,
auffallenderweise rasiert erscheint.
8) Barbam capillumque submittere, Sen.
dial.XI 17,5.
9) Siehe die Beispiele von Cäsar, Cato,
Brutus, Antonius, Octavian bei Marquardt
601. Die Münzen bestätigen das. bei Brutus
für die beiden letzten Jahre seines Lebens
(nach Lucan. II 372 ff. hätte er sich schon seit
Beginn des Bürgerkriegs nicht mehr rasiert),
vgl. Eckhel Doctr. num. VI 22. Bernoulli I
187 ff.; für Octavian während des Krieges mit
S. Pompejus, vgl. ebd. II 12 f. und Taf. 32, 1.
10) Sen. ep. 48, 7: in hoc barbam dentis! mns %
Hör. sat. II 3, 35: sapientem pascere barbam.
Noch später sind barba et pallium Kennzeichen
des Philosophen, Gell. 1X2,4; XIII 8, 5; so
auch bei den Griechen (vgl. das Sprichwort
änö nwyoyvog oocpiazai, Apostol. prov. VI 93 e).
n) Das Lob solcher geschickter tonsor es
kündet Mart. VI 52 u. VIII 52. Auf Inschr.
sind diese tonsores häufig, vgl. Marquardt
145 A. 3 und CIL VI 4359; 4474: 6366 ff.; X
1963 ff.; auch weibliche Barbiere kommen vor;
eineFrau als tonso;-XII4514,und auch tonst ri res
kommen inschriftl. (bei Plaut. Truc. 131 ist es
Konjektur) mehrfach vor, CIL VI 6368; 9493:
9941 ; sie bedienten wohl auch nur Männer.
Sklaven wurden einem Berufsbarbier (mer-
cennarius tonsor heißt er Petron. 108, 8) in
die Lehre gegeben. Digg. XXXII 65, 3, und
lernten die Kunst zuerst mit einer stumpfen
novacida, Petron. 94, 14.
12) Vgl. CIL VI 9940; XII 45 15 ff.: im Gegen-
satz zum Schafscherer nennt sich einer tonsor
humanus, XII 4517. Im metallum Vipascenm
war das Barbiergeschäft an einen conduetor
verpachtet, CIL II 5181, 37 ff.
Sechster Abschnitt. Die Tracht.
271
Kunden besucht und waren beliebte Sammelpunkte für Müßiggänger und
Neugierige1), sodaß der Beruf ein recht einträglicher war2). Die Sitte
des Rasierens hörte mit Hadrian auf, der sich, angeblich um Narben oder
Muttermale zu verdecken3), wieder den Bart stehen ließ4), worin ihn die
meisten seiner Nachfolger nachahmten5), wie denn auch für die Bevölkerung
dies das gewöhnliche geblieben sein wird; erst mit Constantin tritt dann
wiederum die fortan mehrere Jahrhunderte üblich bleibende Bartlosigkeit
auf6), von der nur Julian, in beabsichtigtem Gegensatz zu christlichem
Brauch, eine vereinzelte Ausnahme machte7).
In der Haartracht der Männer ergaben sich ebenfalls teils durch das
Lebensalter, teils durch Streben nach Eleganz oder durch die wechselnde
Mode einige Unterschiede. Lang, d. h. über Nacken und Schultern fallend,
trug man es zwar für gewöhnlich nicht mehr; nur die jungen und schönen
Sklaven, die zur persönlichen Bedienung des Herrn oder zum Aufwarten
bei der Mahlzeit bestimmt waren, hatten wohlgepflegte lange Locken8),
und so gingen auch die freien Knaben bis zur Anlegung der toga virilis9).
Der Freie aber kürzte das Haar mehr oder weniger mit der Schere10), und
wer einigermaßen auf sein Äußeres hielt, behandelte es täglich mit dem
Kamm11) (wie man auch den Bart kämmte12)), obschon zu peinliche Sorgfalt
darin leicht zum Vorwurf gemacht werden konnte13). Stutzer ließen sich die
') Bei Plaut. Epid. 198 f. wird jemand ge-
sucht per medicinas, per tonstrinas, in ijij-
mnasio <tt<im- in foro, \ per myropolia et la-
nienas circumque argentarias, wo neben athe-
nischen Verhältnissen wohl auch römische mit
hineinspielen; Asin. 343 f. sitzen Sklaven in
der tonstrina und schwatzen miteinander.
Von der Geschwätzigkeit und Neugier der
liarbiere spricht Hör. sat. 1 7,2, s. das. Por-
phyr: vgl.Plut.de garrul.l3p. 508F.
-) luv. 1,24; 10,225. Mart.VII64.
3) Spart. Hadr. 26,1.
4) Und zwar geschah das schon vor seiner
Thronbesteigung, da er sowohl auf den traja-
nischen Reliefs des Constantinbogens wie am
Triumphbogen von Benevent bärtig erscheint,
s. Petersen R.M. IV (1889) 3 19; 324; VII (1892)
252; die Deutung auf Hadrian wird freilich
von Bernoulli II 2, 117 bestritten.
5) Dio Cass. LXVIII 15, 5. lulian. Caes.
311 D. Ausnahme machen Caracalla während
eines Aufenthalts in Antiochia. Dio Cass.
LXXVII 20,1 , und Heliogabal, ebd. LXX1X 14,4;
doch kommt auf des letzteren Münzköpfen ein
sehr leichter Bart vor, s. Bernoulli II 3,84.
6) Bernoulli a. a. 0. 212.
7) Ammian. XXV 4. 22 spricht von seiner
hirsuta barba in acutum desinente; vgl. Ber-
nollli 241. Als Cäsar mußte er, als er an
den Hof kam, sich den Bart abnehmen lassen,
Iul.ep. ad. Ath. 374C. Zu vgl. ist seine satiri-
sche Schrift Mioonihycov.
8) Sen.ep. 119, 14: crinitns puer. Petron.
27. 1: pueri capiOati; vgl. ebd. 29, 3; 57, 9;
70, 8. Mail. I 31 ; II 57, 5 ; III 58, 31 ; XII 49, 1 ;
70,9; 97,4. Daß man sogar die Sklaven nach
der Haartracht in besondere Abteilungen teilte,
zeigt Sen. ep. 95,24: ut eadem ommbtu laeeitas
Sit, eadem primae mensura laniu/inis, eadem
epecies cetpiUorum, ne quis, cid rectior est
coma, erisptdis misceatur.
9) Als cirrati, Pers. 1, 29. Mart. IX 29. 7.
Mart. Cap. III 326, oder capiUati, Mart. X 62, 1 .
Vgl. Jahn zu Pers. a. a. O. und Abh. d. SGW
V 288 A. 95.
10) Die beiden Hauptarten der Kürzung
des Haupthaares nennt Plaut. Capt. 268 : ged
nfrum stridimneadtonsuriim dicam esse an per
pectinem, nescio.
u) Namentlich bei festlichen Anlässen;
so erscheint man bei öffentlichem Auftreten
pexue, Pers. 1,15; zur Feier der Verlobung
luv. 6, 26. Petron. 126. 1 sind flexae peetine
comae Zeichen der Gefallsucht, während auch
Hadrian nach Spart. Hadr. 26, 1 fie.ro ad pe-
ctinem capillo ging. Bei Hör. carm. 1 15, 14 ist
das caesariem pectere ebenso das Zeichen sorg-
fältigerer Körperpflege ; hingegen darf luv. 11,
149 : tonei recUque capitti atque hoc die tantmm
propter con viviapexi nicht als Beleg für seltnen
Gebrauch des Kammes angeführt werden, da
es sich hier um aufwartende Sklaven handelt.
•») Mart.VII58.2. luv. 14. 216.
13) Cic.Catil. 1110,22: qnos pexo capiUo,
)iitidos, auf imberbis aut bene barbatos ri-
detis; daher pexua übertr. affektiert bedeutet,
Quint. 15,14. Selbst 0 vid. a. a. III 434 warnt die
Mädchen vor den Männern, qui mmu pommi
in gtoHoru eonias; und von Caligula heißt es
bei Sen.dial. IV 33, 3, er habe sich bei einem
römischen Ritter mundttüa eins et ctdüoräm»
eapülia offensus gefühlt.
272
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
Haare mit dem Brenneisen (calamister, calamistrum1)) zu Locken {cincinni,
anuli*)) kräuseln und mit Ölen und Pomaden salben3). Namentlich in der
Kaiserzeit verwendeten die Stutzer sehr viel Zeit und Sorgfalt auf ihre
Frisur4). Doch hielt auch der einfachere Mann wenigstens auf gleichmäßigen
Schnitt der Haare6), und im allgemeinen galt als Regel, daß man die richtige
Mitte zwischen Vernachlässigung und Pflege der Haare innezuhalten habe 6).
Aber schon unter M. Aurel7) kam die Mode, wenn auch nur vorübergehend,
auf, das Haar ganz kurz (iv %q&, strictim) zu scheren, nach Art von Stoikern
und Athleten8), und seit Macrinus trugen sich die meisten Kaiser bis auf
Constantin in dieser Weise9). Kurz geschnittenes Haar und ein bärtiges
Kinn, bisweilen ein mit der Schere gekürzter Schnurrbart, war damals auch
die für die Christen anständige Haartracht10).
Erheblich größer ist die Mannigfaltigkeit der Frisuren bei der Frauen-
welt. Zu dem steten und namentlich in der Kaiserzeit oft recht schnellen
Wechsel der Mode kam hier noch der individuelle Geschmack und die
eigene Erfindungsgabe hinzu, sowie auch der Umstand, daß die Sitte den
jungen Mädchen eine andere Haartracht vorschrieb, als den verheirateten
1 ) Unter den W ei kzeugen d es tonsor PI aut.
Cure. 577. Varrol. 1.V129: calamistrum, quod
his calef actis in einer e capillus ornatur; ders.
bei Charis. 1 p. 80, 1 1 Keil (Riese Varr. Sat.
Men. 234, 8). Cic. post redit. in sen. 5,16: frons
calamistri notata vestigiis. Petron. 102, 15:
crines calamistro convertere. Es wird bald als
Röhre bezeichnet, Non. 546, 12: calamistrum,
fistula brevis, qua cirri concinnantur, bald
als Nadel, Serv. ad Aen. XII 200 : calamistrum
est acus maior, quae calefacta et adhibita in-
torquet capillos; ebenso Isid. XX 18,4. Daher die
so behandelten calamistrati heißen , verächtlich
bei Plaut. Asin. 627. Cic. pro Sest.8, 18; post
redit. in sen. 6, 12. Apul. met. II 19 sind die
pueri calamistrati aufwartende Sklaven. Cala-
mistrum wird daher auch öfters übertr. von ge-
künsteltem Redeschmuck gebraucht, z. B. Cic.
Brut. 75, 262. Vgl. Saglio bei D.-S. I 811. Da
das Brenneisen über glühender Asche heiß
erhalten wurde, heißt der Sklave, der es be-
nutzte, auch ciniflo oder cinerarius, Varr. 1. 1.
V129. Catull.61,134. Hör. sat. I 2, 98 u. das.
Acro. Sen.dial. II 14, 1. Tertull. ad uxor. II 8.
Coi-p.Glos8.II100.30; ebd. 45; 265,44. Vgl.
Mau bei P.-W. III 2559, der aber die Etymo-
logie von cinis ablehnt und an die bei Acro
und Porphyr, a. a. O. gegebene Erklärung von
ciniflo durch xtxiwojtöXos erinnert.
2) Mai t. II 66, 1 f. Sen. dial. X 12, 3. Quint.
XII 10,7.
3) Auch von den cincinni und den cin-
cinnati spricht Cicero oft verächtlich, s. post
redit. in sen. 5, 12 : cincinnatus ganeo; in Pison.
11, 25 : compti capilli et madentes cincinno-
rum fimbriae; pro Rose. Amer. 46, 135. Als
Zeichen weibischer Art Plaut. Capt. 648 : mil.
gl. 923; vgl. Cic. pro Sest. 11, 26. Selbst Ovid
warnt, a. a. I 505 : sed tibi nee ferro placeat
torquere capillos.
4) Sen. ep. 124, 22: quid capillum ingenm
diligentia comis? Besonders bezeichnend ist
die Schilderung bei dems. dial. X 12,3: Quid?
Mos otiosos vocas, quibus apud tonsorem muU
tae horae transmittuntur , dum decerpitur, si
quid proxima nocte suecrevit, dum de singulis
capillis in consilium itur, dum aut disiectä
coma restituitur aut deficiens hinc atque Mine
in frontem conpellitur? quo modo iraseuntur^
si tonsor paulo negligentior fuit, tamquani
virum tonderet? quomodo excandeseunt, si quid.
ex iuba sua decisum est, si quid extra ordinem
iaeuit, nisi omnia in anulos suos recidenuit?
quis est istorum, qui non malit rempublicam
suam turbari quam comam ? qui non sollicitior,
sit de capitis sui decore quam de salnte? </ui
non comptior esse malit quam honest ior? l/us tu
otiosos vocas inter pectinem specuhimque occw>
patos ?
5) Capilli pares, Sen. ep. 82, 15.
6) So rät Quintil. XII 10,47: ne intonsioit
caput, non in gradus atque amdos comptum (sit).
Wie man sieht, galt auch der abgestufte Haar-
schnitt, den Nero liebte (Suet. Ner. 51: com4
semper -in gradus formata) als geckenhaft.
Quint. I 6,44 stellt comam in gradus frangere
auf eine Stufe mit den schlechten Gewohn-
heiten des velli und des Trinkens im Bade.
Vgl.Manil.Astr.V146ff.
7) Galen. XVII 2, 150 K.: xaUnsQ *W 'AÄ
zcorivov tov Koupoöov naxQog oi ovvövxeg cbiav-
rsg sv xqü> xtiQÖfxsvoi. Aovxio? 8k fiiuo/.oyov?
avzovg ajiExdXei y.ai 8iä xovxo näfov sxöuov <>i
flFT.' FXFIVOV.
8) Hör. ep. 1 18, 7. Pers. 3, 54. luv. 2, 15.
Vgl. Jahn z. Pers. a. a. O.
9) Das zeigen die Münzen, vgl. Darem-
berg-Saglio I 1366. Bernoülli II 3 Münzt. II
7 ff. Marquardt602 A.5.
10) Clem.Al.Paed. III 11,60 p. 289 P.
Sechster Abschnitt. Die Tracht.
273
Frauen x), um von gewissen bei priesterlichen Ämtern üblichen Frisuren zu
schweigen2). Allerdings scheint, wie überhaupt die Tracht, so auch die Haar-
mode in der altern Zeit ziemlich einfach gewesen zu sein, sodate gekräuselte
und gelockte, mit Pomaden behandelte Haare mehr zu den Toilettenkünsten der
Buhlerinnen gehörten3). Für Mädchen war die schicklichste Frisur, das Haar
nach griechischer Art nach hinten zu kämmen und im Nacken in einen Knoten
zusammenzufassen4); oder es wurde in Zöpfe geflochten und kranzartig um den
Kopf gelegt, der Knoten oben auf dem Scheitel angebracht5). Hierzu dienten
teils Nadeln, teils Bänder, vittae (bei der Tracht der Priesterinnen infulae6)),
deren Gebrauch nur freigebornen Mädchen und Frauen zustand 7). Die ver-
heirateten Frauen nahmen eine andere Haartracht an. Bei der Toilette der
Braut wurden die Haare in sechs Flechten (crines) geteilt und mit Binden
umwunden und auseinander gehalten (Näheres darüber siehe unten Abt. II
Abschn. III). Diese Haartracht galt aber, wie es scheint, nur für den Tag der
Vermählung, während die Matrone freier in der Wahl ihrer Frisur war. In
älterer Zeit banden sich die Frauen, nach einer aus Etrurien überkommenen
Mode, das Haar mit der doppelten Binde, die ihr Vorrecht blieb, auf dem
Scheitel zu einem hohen Aufsatz auf, der tutulus hieß8). Diese Tracht
*) Den Unterschied in der Haartracht der
Mädchen und der Frauen bezeugt nicht nur für
die ältere Zeit Plaut, m. gl. 791 , sondern auch für
die spätere Tert. de virg.vel. 1 2: vertäut capillum
et acu lasciviore comam ibi inserunt, erinibus
afrontedivisisopertamprofessae mulier itatem.
2) Außer der Flaminica kommen da vor-
nehmlich die Vestalinnen in Betracht. Die-
sen wurde zwar bei ihrem Eintritt das Haar
abgeschnitten, aber nur das eine Mal, als
Opfer, Plin. XVI 235, vgl. Festus 57, 17. Die
eigentümliche Kopftracht, die sie zu tragen
hatten und die in einer Reihe wulstartig
um den Kopf gelegter Binden das Haar voll-
ständig verdeckten, ist an den im Atrium
Vestae in Rom gefundenen Vestalinnenstatuen
sehr genau zu erkennen, vgl. Not. degli scavi
1883 tav. 18,1— 3. Springer-Michaelis Handb.
der Kunstgesch.8 439 Fig. 829. Wir kommen
auf diese Haartracht und die der Bräute unten
(Abt. II Abschn. III) zurück.
3) Plaut. Truc. 287: htm hercle ego tstos
fictos comptos crispos cincinnos tuos | ungtien-
tatos usque ex cerebro evellam.
4) Hör. carm. II 11,23: mcomptam La-
caenae \ niore comam religata modo. Ov. met.
III IG!» : sparsos per colla capillos \ colligit in
nodum; VIII 319: crinis ertd simplex. nodum
collectus in unum; a. a. III 143: altera 8UO
oinctae religetur more Dianae.
h) Das empfiehlt Ov.a.a. III 139: exiguum
summa nodum sibi fronte relinqui, ut pateant
anres, nra rotunda volunt. Apul. met. II 9:
uberes enim crines leviter remissos et cervice
dependulos ac dein per colla dispositos sensitn-
que sinuato patagio residentes, paüUsper ad
finem conglobatos in summum verticem nodus
adstrinxerat. Auch von christlichen Autoren
wird diese Frisur als die passendste für Mäd-
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft. IV.
chen empfohlen, Clem. AI. paed. Hill, GOp. 290 :
Talg yvvat^l ös äiro^ot] paXäaasiv rag roi/ii;
xai avadslodai ztjv xöfiqv evxeXtbg negdrij rtri
hzfj Jiaga xov avyjva ufpskei {kgcouiq ovrav-
g~ovoaig sie xälkog yvf/oiov zag oojqioovag xöpag.
So warnt Paul, ad Timoth. I 2, 9 die Frauen
vor den xazajr/Jyfiaza, Petr. ep. 13,3 vor der
ifutkoxtj zQiywv. Vgl. Tertull. de cult. fem. II 7 ;
de virg.vel. 7: {virginutn) ornatus ipse p>-<>-
prie sie est, ut coneumulata in verticem (coma)
ipsam capitis arcan ambüu criniunt amteqerit.
6) Serv. ad Aen. X 538, Varr. 1. 1. VII 24.
Fest. 113, 1 u.s. Vgl. Fougeres bei D.-S. III
515. Eine in Pozzuoli gefundene Frauenstatue,
die diese quer über den Kopf gehenden Binden
(ganz ähnlich der Vestalinnentracht) zeigt, ist,
wie das neben ihr stehende Gerät für Rauch-
opfer und die Verhüllung des Hinterkopfes
vermuten lassen, eine Priesterin, s. Farinelli
Not. d scavi 1902, 58 ff. Gabrici ebd. 64.
7) Varr. b.Non. 236, 2G : minores natu capüe
aperto crant, capillo pc.ro, vittisque innexü cri-
n Oms : vgl. Ov. trist. II 252 ; ex P. III 3,51. Verg.
Dirae 156 (Lyd. 53). Hieron. in Esai. II 3 v.23
p. 71 M. Die Dichter übertragen die Sitte auf
mythische Zeit, Verg. A en. II 1 68. Val. Fl. VIII 6.
8) Varr. 1. 1. VII 44: tutulus appcllatas ah
eo quod, ntatres fami/ias crines conrolnfos
ad verticem capitis qnos hahent ritta rc/atos,
dicebantur tutnli. Auf römischen Denkmälern
ist diese Tracht nicht nachweisbar, wohl aber
findet man sie häufig auf etruskischen Bild-
werken in Form einer steifen, unten eng dem
Schädel anliegenden, jedoch über denselben
emporragenden Haube, die in der Höhe des
Scheitels von einem dicken reifartigen Bande
und über der Stirn von einer mehrfach ge-
fältelten Zeugbinde umgeben ist, s. Helbig a.
a. 0. 513 f. mit Taf. II.
3. Aufl.
18
274
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
scheint aus dem gewöhnlichen Leben schon ziemlich früh verschwunden zu
sein, blieb aber das Vorrecht der Gattin des Flamen dialis, der Flaminica x).
Sonst aber blieben Binden ein besonderes Kennzeichen der Haartracht der
Matronen, wenn auch die Art, dieselben anzubringen, mit der Mode wechseln
mochte2).
Gegen das Ende der Republik, besonders aber in der Kaiserzeit, finden wir
bei der römischen Damenwelt eine so ungemeine Fülle von Frisuren üblich,
daß Ovid es für ganz unmöglich erklärt3), sie alle aufzuzählen4); nicht bloß
die Tyrannei der Mode machte sich dabei geltend, sondern auch die Besonder-
heit jeder einzelnen Dame, die gern eine Frisur wählte, bei der ihre Figur,
ihre Kopfform, ihr Teint etc. sich am vorteilhaftesten ausnahmen5). Am
besten lernen wir diese Mannigfaltigkeit aus den Büsten und Münzbildern der
Kaiserinnen und Prinzessinnen kennen6). Wenn in der letzten Zeit der
Republik und zu Anfang der Kaiserzeit wir vornehmlich das in der Mitte
gescheitelte7), seitlich zurückgestrichene und hinten zopfartig zusammen-
gefaßte oder frei fallende Haar finden8), so kommen daneben mehr und mehr
in Mode die Frisuren mit zahlreichen Locken, die Stirn und Schläfe umgeben
oder auf Schultern und Nacken herabfallen9). Unter den Flaviern kommen
die hohen Frisuren auf10), bei denen die Stirn von einem in zahlreichen
*) Festus 355 a, 29 : tutulum vocari aiunt
Flaminicarum capitis ornamentum, qnod fiat
vitta purpurea innexa crinibus et extractum
in altäudinem. Wenn aber Helbig 315 meinte,
diese Anordnung des Haares sei identisch mit
den sechs crines der Braut und der Vestalin-
nen, so hat die Auffindung der erwähnten
Statuen gezeigt, daß bei letzteren von einer
Auftürmung des Haares, wie sie die Flami-
nica und die alte mater familias trug, nicht
die Rede ist. Die von Becker-Göll 271 als
Beleg für Fortdauer der tutulus-F risur an-
geführte Inschrift Henzen 6285 ist unecht,
s. Henzen Comm. in hon. Momms. 632.
2) Serv. ad Aen.VII 403: crinales vittas,
quae solarum matronamm erant. Plaut, m.
gl. 791: ex matronamm modo \ capite compto
crinis vittasque habeat adsimuletque se | tuam
esse uxorem. Prop. V (IV) 3, 15 : nee reeta ca-
jiillis | vitta data est: nupsi non comitante deo;
ebd. 11, 33: mox, ubi iam faeibus cessit prae-
te.rta maritis, \ vinxit et aeeeptas altera vitta
comas. Marquardt a. a. 0. A. 3 versteht das
von einem doppelten Bande, während die Jung-
frau ihr Haar nur mit einem einzigen zu-
sammengehalten hätte, und bezieht darauf
das Privilegium der Matronen bei Val. Max.
V 2, 1 : vetustis aurium insignibus novum vit-
/"<■ (Uscrimen adiecit. Vgl. Rossbach 288.
8) Vgl. Böttiger Sabina I 155 ff.
*) Ov.a.a.III149ff.; vgl.Tib.18,9: quid
tibi nunc molles prodest coluisse capillos j
saepeque mutatas disposuisse comas.
h) Ov. a.a.O. \Zh:necgenusor»atusnnumst:
qnod quamque decebit, \ elegat et speculum con-
sulat ante suum, worauf er einige Ratschläge
folgen läßt.
°) Vgl. die Zusammenstellung bei Daresc-
berg-Saglio I 1368 ff. Fig. 1855 ff.
7) Der Scheitel, der auch bei den Männer-
frisuren üblich war, scheint nach Mart. VI
74, 2 semita geheißen zu haben, s. Fried-
länder das.
8) Ov. a. a. 0. 137: longa probat facies
capitis discrimina puri. Man vgl. besonders
die Porträts der Livia, Bernoülli II 1,83 ff.
Taf. 32, 9—13.
9) Ov. ebd. 141: alterius crines umem
iactentur utroque; ders. am. 1 5, 10: Candida
dividua colla tegente coma. Die Locken heißen
außer cincinni und anuli (s. oben) capronae,
wenn sie in die Stirn fallen, Non. 22, 3: ca-
pronae dieuntur comae, quae ante frontem
sunt, quasi a capite pronae. Lucilius Satgra-
rum lib. VII: iaetari caput atque comas fluitare
capronas, \ alias, frontibus inmissas, ut mos
fuit Ulis. Nach Fest. 48, 12 und Corp. Gloss. IV
29,49; V 649, 37 von Pferdehaaren, doch zeigt
Apul. flor. I 3, daß es auch vom Menschen
gesagt wurde. Ebd. sind antiae anscheinend
die an Schläfen und Wangen hangenden Locken.
Fest. 17, 5: antiae muliebres capilli dernissi
in frontem. Isid. XIX 31, 8: anciae sunt ein-
cinni dependentes prope auriculas. Vgl. Tert.
depall.4. Charis.I p. 33, 7 (Keil); exc.p.549,1.
Häufig in den Glossen als y.6/.iai ai diu i&v
xoozäqxov xoe^iäfievai1 yvvaix(bv, .Corp. Gloss.
II 21, 22; vgl. VI 76. Vgl. die Agrippina-Bild-
nisse, Bernoulli a. a. 0. 242 u. 373, Taf. 15;
19 ff.; 33, 17—19; 35,2—7.
lu) luv. 6, 502: tot premit ordinibus, tot
adhuc compagibus altum aedificat caput.
Andromachen a fronte videbis, \ post minor
est, credas aliam. Stat. silv. 12, 113: celsae
Sechster Abschnitt. Die Tracht.
275
Stockwerken l) sich aufbauenden oder durch Einlagen aufgebauschten Haar-
diadem2) oft sehr erheblich überhöht wird, wofür in den Porträts ganz
bizarre Beispiele vorliegen3). Die Herstellung solcher Frisuren, bei denen
das Brenneisen eine wichtige Rolle spielte, erforderte große Mühe und
Sorgfalt, sowie eine Menge falschen Haares. Auch in der Folgezeit blieben
die Frisuren noch sehr künstlich, und wenn die hohen Aufbauten ver-
Bchwinden, so kommen dafür zahlreiche Zöpfe, die doppelt und dreifach um
den Kopf gelegt, oben nestartig zusammengenommen oder hinten in einem
Knoten aufgebunden sind, noch hinzu4). Im dritten Jahrhundert sind die
gewellten Scheitel, die sich in mannigfaltigen Formen über den Kopf, an
Schläfen und Nacken anlegen und die Ohren verdecken, besonders beliebt5);
und dazu kommt dann häufig die Mode, daß das hintere Kopfhaar geflochten
vom Nacken in die Höhe genommen und mit Bändern oder Nadeln am
Hinterkopf befestigt und bis zur Scheitelhöhe geführt wird6). Mit diesen
Hauptformen ist die Fülle der Formen, die die Mode in der Frauenfrisur
geschaffen hat, noch bei weitem nicht erschöpft, zumal durch Beifügung
von Schmuck, wie Nadeln, Agraffen, Diademe, Perlenschnüre, Netze usw.
noch eine Menge von Nuancen hineingebracht wurde7).
Unzählig sind die Öle, Salben und Pomaden (capillaria8)), mit denen
Männer wie Frauen die Haare tränkten und einschmierten, teils nur
des Wohlgeruchs halber, teils um sie geschmeidig zu machen und zu
kräuseln9), ihr Ausfallen oder das Grauwerden zu verhindern und das Wachs-
tum zu befördern10). Nicht minder zahlreich und mannigfaltig waren die
proctll adspice frontis honorem j suggestumque
eomae. Aelmliche hohe Frisuren erwähnen
die Kirchenväter, so Tertull. de cult. fem. II 7 :
affigitis praeterea nescio quas enormitates ca-
pillamentorum, nunc in galer i modum, quasi
vaginam capitis et operadum verticis, nunc
in cervicem refro suggestum.Frudent.Psychom.
183: turritum tortis caput accumularat in
altum crinibus, extructos augeret ut addita
eirros congerias celmmque apicem frans ar-
dua ferret. Hieron. ep. 130,7p.lll3M.:or»f7rc
crinem et alienis capillis turritum verficem
Btriiere. Doch können das nicht die aufgetürm-
ten Frisuren der Flavierzeit sein, da diese in
den Münzbildern nicht wiederkehren, sondern
andere hohe Frisuren der folgenden Jahr-
hunderte.
') Das sind die ordines bei luv. a. a. 0.
2) Vermutlich orbis genannt, nach Mart.
II 66, 1: unus de toto peccaverat orbe coma-
rum anulus. In anderem Sinne Ov. am. 1 14,
25: quam se praebuerunt ferro patienter et
igtti, ut fieret torto nexilis orbe sinus; so auch
Claud. carm. XXXV 15: Uli multifidus crinis
tinuatur in orbes.
3) Man vgl. Bernoulli II 2 Taf. 13 ff.;
20 f. : 29 ff. ; Münzt. II 5—8 ; 12- 15 ; III 6— 14.
4) Vgl. ebd. Taf. 46 f.; 65. Münzt. III 18
bis 20; IV 8— 10; 19—21.
5) Schon bei der Crispina, ebd. Münzt. V
15 — 18; dann bei der Iulia Domna, ebd. II 3
Taf. 15 ff. Münzt. I 13—15, sowie sonst, s.
Taf. 31 f.; Münzt. II 1 f.; 18—21.
6) So besonders bei der Otacilia, ebd.
Taf. 43. Münzt. IV 6 ff.; auch sonst, s. ebd.
Münzt. V 7; 13—15; VI 9 f.; VII 1; so auch
noch Helena, die Mutter Constantins, ebd.
VIII 2, und überhaupt im 4. Jahrh., ebd. VIII
5; IX 1. Vgl. auch v. Sybel Christi. Antike
1151.
7) Bezeichnend ist Tert. cult. fem. II 7:
quid crinibus vestris quiescere non licet,
modo substrictis, modo relaxatis, modo aus-
citdtis, modo ellxis? dliae gest'nuit ix ri>i-
cinnos coercere, dliae ut vagi et volucres cl<i-
baiitur, höh bona simp/icitate.
8) Mart. III 82, 28. Die Erwähnungen
dieser nnguenfa bei Prosaikern und Dichtern
sind zahllos: vgl. z. B. Plaut. Cas. 226. Cic.
Catil.II 3, 5; inPis.11,25. Hör. carm. I 29,8;
117,7. Tib. 17,51. Ov. her. 21, 161. Mart. VI
55, 1; 74,2; XIV 146.
9) Plin. XXII 62; 72. XXIV 26; XXVIII
91; XXXI 14: auch bei den Aerzten öfters
erwähnt, Galen XII 434K.; ebd. 445, und mehr
bei Marqüardt 787 A. 7.
10) Eine Menge dahin gehender Angaben
und Rezepte bei Plinius, z. B. XXIII 148 : XXVI
18; XXVI II 164; XXX 134; auch Mittel gegen
das Ausfallen der Haare, der Augenbrauen
und Wimpern gehören hierher, Plin. XXVIII
163 ff., und mehr bei Marqüardt 786 A. 8.
18*
276
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
Haarfärbemittel1); man färbte die Haare teils dunkelbraun2), teils schwarz3),
teils blond. Denn die Vorliebe für diese bei den Südländerinnen seltne Haar-
farbe war bei den Frauen schon zu den Zeiten des alten Cato aufgekommen4),
wobei es sich dann nicht nur um ein Färben grauer Haare handelte, sondern
um ein Beizen des dunkeln Haares, das dieses hellblond (flavus) machte,
wozu man meist Pflanzensäfte nahm5), oder rotblond (rutilus), wofür ver-
schiedene aus keltischen und germanischen Ländern bezogene Beizen ver-
wendet wurden, besonders eine sapo genannte Mischung von Fett und
Pflanzenasche6), die auch spuma hieß7). Doch waren manche dieser Mittel
nicht nur für die Haare, sondern auch für die Kopfhaut gefährlich und
ihre Anwendung konnte schwere Folgen nach sich ziehen8).
Verbreitet waren, sowohl bei Männern wie bei Frauen, die im Orient
schon sehr früh bekannten Perücken9), galeri10) oder capülamenta11)', man
trug sie, abgesehen von dem seltneren Zweck der Unkenntlichmachung12),
teils um Kahlköpfigkeit zu verbergen13), teils der Mode halber, da die er-
wähnte Vorliebe der Frauen für blonde Haare dazu führte, daß man sich
blonde Perücken aufsetzte14), deren Haare besonders aus Deutschland be-
zogen und in den Friseurläden Roms verkauft wurden15). Man trug sie
x) Veneria nennt sie Ov. am. I 14, 44, was
hier nicht bloß eine Uebersetzung von <pdg-
fiaxov sein soll, sondern auf den nachteiligen
Einfluß dieser Mittel, die oft Kahlköpfigkeit
verursachten, hindeutet; das ganze Gedicht
ist eine Warnung vor solchen Mitteln. Eine
große Zahl solcher Rezepte gibt Plinius, s.
v.Jan Indic. Plin. 81 unter capillus; vgl. auch
Galen XII 434; 439 K.
2) Besonders mit Nußschalenextrakt, Tib.
I 8, 44. Plin. XV 87; andere Mittel ebd. XXIII
67; 91.
3) Mart.III 43, 1; IV 36; VI 55, 2; XII
17, 7; besonders mit Saft von Blättern der
schwarzen Akazie, Dioscor. 1 133. Plin. XXIV
110, vgl. Petron. 23, 5. Andere Färbemittel
Plin. XXIII 99; 160; 164; XXIV 10; 15; 79;
XXVI 164 u. s.
4) Cato bei Serv. ad Aen. IV 698 und bei
Charis. I p. 101, 14 (Keil). Vgl.Val. Max. II 1, 5 :
quo formam suam concinniorem efficerent,
summa cum diligentia capillos cinere rutila-
runt. Festus 262 b, 18: rutilum rufum signi-
ficat, cuius coloris studiosae etiam antiquae
mulieres fuerunt.
6) Plin. XXVI 164. Luc. Amor. 40. Hieron.
ep. 107,5 p. 872. Tertull. cult. femin. II 6. Auch
für graue Haare nahm man germanische Färbe-
mittel, Ov. a. a. III 163: femina canitiem Ger-
manis in ficitherbis; doch auch schwarze Farbe,
Tert. a. a. O.: quamvis et atrum ex albo co-
nantur, quas poeniteat ad senectam usque
ri.rixse.
6) Plin.XXVIII 191 : prodest et sapo, Gal-
liarum hoc inventum rutilandis capillis. fit
ex sebo et cinere, optimus fagino et caprino,
duobns modle, sjjissus ac liquidus, uterque
apud Germanos maiore in usu viris quam
feminis. Vgl. die A. 5 zitierten Stellen, ferner
Seren. Samm. 52. Galen XIV 392 und sonst
bei den alten Aerzten, s. Marquardt 787 A. 1;
vgl. Besnier bei D.-S. IV 1062. Weiteres noch
bei Beckmann Beitr. z. Gesch. d. Erfind. IV 5 ff.
7) Spuma Batava,Mart.Yim3, 19f. ; ( 'hal-
tten .spuma, ebd. XIV 36; dasselbe sind die
pilae Mattiacae, als sapo bezeichnet ebd.
XIV 27.
8) Tert. cult. fem. II 6: atqui et detri-
mentum crinibus medicaminum vis irmrit
et cerebro perniciem etiam ciiiuslibet sineeri
humoris assiduitas reservat, tum solis ani-
mando shnul et siccando capillo exoptahilis
ardor nocet.
9) Vgl. Krause Plotina 191 ff. S. Reinach
bei D.-S. II 1452 ff.
10) Eigentlich bedeutet galerus eine eng-
anliegende Kappe, namentlich von Landleuten
getragen (vgl. Corp. Gloss.VI 481); so z.B.Val.
Fl. IV 138 ; galericulum Mart. XIV 50. Im Sinn
von Perücke luv. 6, 120. Suet.Oth. 12. Avian.
fab. 10, 7.
11) Petron. 110, 5. Suet. Calig. 11. Tert.
cult.fem.II7. Ein seltner Ausdruck ist corym-
bium, Petron. 110, 1.
12) Wir haben dafür nur die Beispiele
der Kaiser, Suet. Calig. 11 ; Nero 26 (wo jedoch
der galerus auch eine Kappe sein könnte),
und der Messalina, luv. 6, 120.
13) Suet. Oth. 12 : galericulo capiti j/ropter
raritatem capillorum adaptato et adne.ro, ul
nemo dinosceret. Avian. a. a. O.
u) luv. a. a. O. Petron. 110, 5.
15) Ov. am. I 14, 45: nunc tibi captivoa
mittet Germania crinis; a. a. III 165. Mart.
V 68; VI 12, 1; XII 23, 1. Perücken aus Indien
werden Digg. XXXIX 4, 16, 7 erwähnt.
Siebenter Abschnitt. Die Sklaven. 277
teils über dem eignen Haare1), teils auf dem glattrasierten Kopfe2). Die
Sitte dieser oft sehr umfangreichen Perücken läßt sich auch an den Porträts
der Frauen vom Kaiserhofe verfolgen3).
Seltner kommt Bestreuen des Haares mit Goldstaub vor*), und das von
Martial erwähnte Aufmalen von Haaren vermittelst schwarzer Farbe ist
wohl nur ein Scherz5).
Siebenter Abschnitt.
Die Sklaven.
Litteratur
Becker-Göll II 115 ff'. (Litteratur 121 ff.).
Mar^uardt-Mau 135 ff. (mit Angabe der älteren Litteratur S. 135 A. 1).
Caqüebay De l'esclavage chez les Romains. Paris 1864.
H. Wallon Histoire de l'esclavage dans l'antiquitö; 2 6d. Paris 1879. Band II und III.
T. Trincheri Studi sulla condizione degli schiavi in Roma. Roma 1888.
L. Halkin Les esclaves publics chez les Romains. Bruxelles 1897.
L. Bauchet und V. Chapot Artikel Servi bei Daremberg-Saglio IV 1260 ff.
Wenn wir an dieser Stelle von der Sklaverei bei den Römern handeln,
so ist das insofern berechtigt, als diese unter den Grundbedingungen des
römischen Lebens eine sehr wichtige Rolle spielt und die Entwicklung, die
der römische Staat genommen hat, ohne die Einrichtung der Sklaverei gar
nicht denkbar wäre, wie andrerseits die Veränderungen, denen das Sklaven-
wesen im Lauf der republikanischen und dann der Kaiserzeit unterlag, aufs
engste mit dem gesamten Kulturgang und mit den Schicksalen des Römer-
reichs zusammenhängen.
Sklaven gab es in Rom seit den ältesten Zeiten6). Ein Staat, der noch
wesentlich eine ackerbauende Bevölkerung hatte, bedurfte der Leibeignen
zur Bestellung seiner Felder. Gedanken über Rechtmäßigkeit oder Natur-
notwendigkeit dieser Institution machte sich jene Zeit der rauhen Kriege,
wo der unterliegende Teil die ganze Härte des Siegers empfinden und auf
sich nehmen mußte, natürlich nicht; erst die Philosophie bringt ihre Ge-
danken darüber vor, ohne an der Notwendigkeit der Einrichtung zu zweifeln7).
Das spricht sich auch darin aus, daß die Sklaven mit zur Familie gehören,
so gut wie die Angehörigen des Hauses, nur daß die Gewalt, die der
5) Messalina ging nigrum ffaro crinem I zwei Artenv<mSk]aven: $>•/■>•/ oH/iiiniasciuititr
mbscondente galero, luv. a. a. 0. I aut fiunt, Instit. I 3,4. In den älteren Zeiten
2) Luc. dial. mer. 5, 3.
3) Vgl. Bernoulli II 3, 93 Taf. 27.
4) Iul. Capit. Verus 10, 7. Treb. PolL Gall.
duo 16,4; 41.4.
5) Mart. VI 57, 2 : mentiris fictos unguento,
Phoebe, capillos et tegüur pictis sordida calva
wpmis.
6) Die Rechtswissenschaft unterschied
war die erste Klasse, die der vernae (s. unten)
natürlich noch sehr schwach vertreten.
7) Sen. de benef. III 20, 1: errat, 9* gwft
existimat Servituten* in tofinn hominem descen-
dere: pars melior eins excepta est: corpora
obnoxia sunt et adscripta domin it, nun» <pii-
dem sui iuris, — eine Distinktion, die frei-
lich dem Sklaven wenig half.
278
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
Hausherr rechtlich über sie ausübt, nicht wie bei den Deszendenten die
patria potestas, sondern die dominica potestas ist1).
In den früheren Zeiten der Republik werden die meisten Sklaven wohl,
Kriegsgefangene gewesen sein, weshalb sie zu den mancipia gehören2). An
Kriegen fehlte es damals ja nicht; Eigentümer der Gefangenen war der
Staat, der sie durch die Quästoren3) auf öffentlichem Markte sub hastai)
oder sub corona5) verkaufte. Auch die auswärtigen Kriege6) lieferten den
Märkten, namentlich dem vonDelos7), reichliches Sklavenmaterial. Neben
den Kriegen war es aber das ganze Altertum hindurch auch der Menschen-
raub, der zahlreiche Sklaven lieferte, zumal in Zeiten, wo die Meere durch
Kriege unsicher waren 8) ; auch das Land war nicht sicher, wenn auch dort
der Menschenraub nicht im großen ausgeübt werden konnte, wie zur See
oder in den Barbarenländern des Ostens9). So waren denn alle Natio-
nalitäten aller drei Erdteile auf den Sklavenmärkten vertreten, nach ihren
guten oder schlechten Rasseneigentümlichkeiten bekannt und im Dienste
entsprechend verwendet10). Außer den Sklavenhändlern brachten auch
Sklavenbesitzer ihre Sklaven auf den Markt, wenn sie aus irgend einem
Grunde sie nicht mehr behalten wollten oder wenn bei einem Todesfall die
Erbschaftsregulierung Anlaß zum Verkaufe gab11). In älteren Zeiten konnten
auch freie Römer auf rechtlichem Wege in Sklaverei geraten, da der Vater
das Recht hatte, den Sohn zu verkaufen12), auch wer sich dem Kriegsdienst
oder dem Census entzog, mit Verlust der Freiheit bestraft wurde13); doch
kamen solche nicht in den römischen Sklavenhandel. Dagegen mochte in
den Provinzen das harte Schuldrecht, bei dem der Schuldner nicht nur mit
seiner Habe, sondern mit seiner und der Seinigen Person dem Gläubiger
haftete, den römischen Sklavenmärkten manchen ehemals Freien zuführen14).
:) Ueber den Begriff der familia vgl. Leon-
hard beiP.-W.VI1980 und die dort S. 1984
angeführte Litteratur.
2) Von manu capere, vgl. Böcking Pan-
dekten 1 177 A. 19. Rein Privatrecht d. Röm.198.
3) Plaut. Capt. 34 ; 1 1 1 ; 453. Da hier immer
quaestores genannt sind, so kann man nur an
die quaestores urbani denken.
4) Liv.VI4,22; XX1II7, 13; griech. vjio
ööqv noikeTodai, Dion. Hai. IV 24, 2.
5) Weil die zum Verkauf kommenden einen
Kranz auf dem Kopf trugen, Cael. Sab. bei Gell.
VI (VII) 4, 3. Von Liv. II 17, 6 schon für das
Jahr 500 v. Chr. berichtet und sonst ofterwähnt,
vgl. IV 34, 4. Varr. r. r. II 10, 4. Caes. b. gall. III
16 u. a. m. Nach Festus 306b, 4 war der Kranz
das Zeichen, daß keine Verantwortlichkeit für
Fehler oder Gebrechen übernommen wurde.
6) Vgl.WALLONlI30ff.
7) Strab. XIV 668.
8) So besonders während des Seeräuber-
krieges, wo die Piraten nicht nur die asiati-
schen und griechischen, sondern auch die itali-
schen Küsten überfielen und plünderten, vgl.
Plut. Pomp. 24. Die Versuche der römischen
Regierung, die Frechheit der kilikischen See-
räuber zu unterdrücken, waren meist ver-
geblich; der Menschenfang war ein blühendes
Gewerbe und die römischen Kaufleute die
besten Kunden auf den Sklavenmärkten, Momm-
sen Rom. Gesch. II 65; 76; 401. Die Haupt-
fangplätze waren Syrien und das innere Klein-
asien, vgl. Wallon 42 ff.
9) Der Menschenraub war freilich ver-
boten (durch die Lex Fabia de plagiariis, Cic.
pro Rabir. perd. 3, 8; die Zeit steht nicht fest,
Mommsen Rom. Strafrecht 780 A. 4 setzte sie
nach den Bürgerkriegen an), aber die Geraubten
pflegten in den ergastula der Großgrundbesitzer
zu verschwinden, Suet. Aug. 32; Tib. 8. Senec.
controv. 10, 33. Digg. XXXIX 4, 12, 2.
10) Vgl. die Aufzählung bei Marquardt
169 f.
n) Siehe die Auktionsankündigung Plaut.
Men.ll57ff.
12) Siehe unten Abt. II Abschn. 1.
13) Ueber diese und andere Fälle s.Wallox
II 18. Marquardt 170 und Rom. Staatsverwalt.2
II 383. Walter Gesch. d. röm. Rechts § 476.
Karlowa Röm. Rechtsgesch. II 11 16 f.
14) Plut. Luculi. 20. Tac. ann. IV 72 ; auch
die Germanen, die im Spiel ihre Freiheit ein-
gesetzt und verloren hatten, wurden nach aus-
wärts verkauft, Tac. Germ. 24.
Siebenter Abschnitt. Die Sklaven.
279
Bei dem großen Bedarf an Sklaven, der mit dem riesigen Latifundien-
besitz und dem zunehmenden Luxus immer mehr gestiegen war, war der
Sklavenhandel ein sehr einträglicher, wenn auch nicht gerade für anständig
geltender Beruf1). Diese Sklavenhändler, manc/ones oder venalicii2), bereisten
die öffentlichen Märkte mit ihrer Ware oder hatten stehende Läden3). Für
von auswärts eingeführte Sklaven hatten sie einen Eingangszoll und eine
nach dem Verkaufspreis sich richtende Steuer zu zahlen4), die sie gern
umgingen5), wie denn überhaupt diese mangones im Rufe der Betrügerei
standen6) und sich auch auf allerlei Kunstgriffe verstanden, um ihre Ware
für den Verkauf recht verlockend erscheinen zu lassen7). Es war Sache
der Ädilen, darüber zu wachen, daß keine Betrügereien vorkamen8). Die
zum Verkauf kommenden Sklaven wurden auf einem Gerüst, catasta genannt9),
das drehbar gewesen zu sein scheint10), ausgestellt, besonders wertvollere
nicht im vorderen Laden, sondern in einem besondern Hinterzimmer11); bei
Auktionen dagegen wurde der Sklave auf ein steinernes Postament gestellt12).
Die frisch von auswärts zum Verkauf gelangenden Sklaven hatten mit Gips
oder Kreide bestrichene Füße13). Um den Hals hatten sie einen Zettel
Uitulus)1*), auf dem alle Personalien des Betreffenden: seine Heimat, sein
Alter, seine Kenntnisse, aber auch seine körperlichen Gebrechen oder
moralischen Fehler verzeichnet waren oder wenigstens verzeichnet sein
J) Plaut. Capt. 98 f.; nach Plut.Cat.mai. 21
trieb der praktische Cato zwar nicht gerade
Sklavenhandel, ließ aber durch seine eigenen
Sklaven solchen treiben, wobei der Gewinn wohl
wesentlich in seine Tasche floß.
2) So Cic. or. 70, 232. Suet. de rhet. 1 ; mer-
catores venalicii CIL VI 9632; venaliciarius
Digg.XIV4, 1 ; XXI 1,44 u.ö. Daher venalicium,
der Sklavenhandel, Petron. 29, 3. Digg. XXI
1, 65; mangonica venalicia Plin.XXI 170; vgl.
Corp. Gloss. II 398.
3) Dieselben lagen z. T. hinter dem Kastor-
tempel, Plaut. Cure. 481. Sen.dial.ll 13,4: qui
(c/ < astoris negotianturneguam maneipia emen-
tes vendentesque, quorum tabemae pessimorum
servorum turba refertae sunt. Auch in den
Saepta, Mart. IX 59, 3, und an der Sacra via,
Mnit. II 63, lf. (Friedländer denkt hier an
ein Bordell).
4) Der Einfuhrzoll war in den verschie-
denen Provinzen differierend, s. Marquardt
Römische Staatsverwalt. IT 277. Die Verkaufs-
steuer trug bis Augustus der Käufer, von da
ab der Verkäufer, Dio Cass. LV31,4. Tac. ann.
XIII 31.
5) Vgl. das Beispiel Quintil. deck 370 ; auch
Suet. de rhet. 1.
6) Sie gingen vornehmlich darauf aus,
Fehler und Gebrechen der Sklaven zu ver-
bergen oder den Käufern zu verheimlichen,
Sen. ep. 80. 9, oder sonst zu täuschen, Plin.
VII 56; XXI 170: Quintil. inst. or. II 15, 25.
7) Plin. XXIV 35 ; XXX 41 ; daher bedeutet
mangonicare etwas für den Verkauf zustutzen
oder verschönern, Plin. IX 1 68; XXIII 26: XXXII
135. Auch das Kastrieren der Eunuchen ließen
sie besorgen, Mart. IX 6, 4.
8)Digg.XXIl. Cic.de off. III 27,71.
9) Pers. 6,77, mit Schol.: apud anUguos
renales in catasta ponebantur, ut in eis possent
omniu membra conspici. Tib. II 3, 59 f. Mart.
VI 29, 1 ; X 76, 3. Suet. de gr. 13. Plin. XXXV
200; Qu.Cic.de pet. cons. 2, 8 nennt es ma-
ch i na.
10) Das schließt man aus Stat. silv. II 3, 59 :
nee te barbaricae versabat turbo entastete. An-
ders Saglio bei D.-S. I 968 und Mau bei l'.-W .
III 1785, die die Worte auf das Gedränge der
Sklaven auf der catasta beziehen. Einheimisch
geborne Sklaven (vemae) kamen nicht auf die
catasta, Mart. VI 29, 1; sie heißt daher bar-
bara, Tib. und Stat. a. a. O.
") Mart. IX 59, 4 f.
12) Plaut. Bacch. 814. Cic. in Pis. 15, 35.
Colum. III 3, 8; das ist der ngar^g /.iaoe, Poll.
III 78 u. 126. Die Auktion lag in der Hand
eines praeco, Mart. VI 66.
13) Pedes gypsati oder cretati, Tib. II 3, 59.
Plin. XXXV 199 : pedes venaUum träne murin
advectorum [creta) denotare instituerunt ma-
tores; vgl. ebd. 201. Prop. V(IV) 5, 52. Ov. am.
1 8, 64. luv. 1,111. Allerdings scheint Tibull.
a.a.O.: quem saepe coegtt barbara gypsatos
fem' catasta pedes darauf hinzudeuten,^ daß
auch schon früher verkaufte solches Kenn-
zeichen bekamen; Becker-Göll 127 erklärt
es damit, daß überhaupt der Ausländer (im
Gegensatz zum rerna) so gezeichnet zu wer-
den pflegte.
») Prop. a.a.O. Petron. 29, 3. Sen. ep. 47, 9.
Dasselbe ist wohl die tabula, Claud.carm.XVIII
34.
280
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
sollten1). Für die Richtigkeit dieser Angaben war der Verkäufer haft-
pflichtig2), und er leistete wohl auch dem Käufer noch eigens dafür durch
eine stipulatio, wie sie auch bei andern Verkäufen üblich war, Gewähr3).
Wenn aber der Verkäufer nicht in der Lage war, sich für die Eigen-
schaften des Sklaven zu verbürgen, so wurde das durch einen diesem
aufgesetzten Hut (pilleus) zu erkennen gegeben4). Daß der Verkäufer
und ebenso bei Auktionen der praeco die guten Eigenschaften seiner
Ware so viel als möglich herausstrich, versteht sich von selbst5); auch
durften die Käufer die Sklaven nicht nur aufs genaueste betrachten und
untersuchen6), sondern diese mußten auch Proben ihrer Fertigkeiten ab-
legen7).
Was die Preise der Sklaven anlangt, so waren diese, auch wenn man
von ungewöhnlich niedrigen 8) oder exorbitant hohen 9) absieht, je nach den
Zeitverhältnissen und dem damit zusammenhängenden Verhältnis von Angebot
und Nachfrage, dann aber auch nach Alter und Geschlecht, Schönheit und
Körperkräften, Fertigkeiten und Kenntnissen unendlich verschieden10). Über-
dies liegen uns nur vereinzelte und zufällige Preisangaben vor. Bei PJautus
variieren die Preise für ein schönes Mädchen zwischen 20 und 60 Minen
(1560 bis 4680 Mark) "); für ein Kind werden 6 Minen gezahlt (468 Mark) 12).
Um dieselbe Zeit kostet ein Ackersklave 6000 HS (1052 Mark)13); zur Zeit
des Horaz ein geschickter, des Griechischen kundiger verna 8000 HS
(1403 Mark), ein gewöhnlicher Sklave nur 2000 HS (350 Mark)14); ebensoviel
im 1 . Jahrhundert n. Chr. ein Weingärtner15). Aber schon in republikanischer
Zeit finden wir sehr hohe Preise für geschickte oder schöne Sklaven:
100000 Sesterzen (17 540 Mark) für einen guten Koch16) oder einen schönen
*) Gell. IV 2,1: in edicto aedilium curu-
lium, qua parte de mancipii» vendundis cau-
tum est, scriptum sie fuit : Titulus singulorum
scripta* sit curato ita, ut intellegi recte possit,
quid morbi vitiive cuique sit, quis fugitivus
errove sit noxave solutus non sit; das Edikt
steht Digg. XXI 1,1; vgl. ebd. 32. 21 ; daß die
Kenntnisse auch angegeben waren, zeigt Suet.
degramm. 4; vgl. Plin. ep. V 19, 3.
2) Cic. de off. III 17, 71. Porphyr, ad Hör.
sat. II 3, 284: qui vendunt maneipia solent hoc
adicere : sanum corpore et animo putes. Digg.
XXI 1,1,1; ebd. 1,19; vgl. Walter Gesch. d.
röm. Rechts § 602. Rein Privatr. 710. Kar-
lowa Röm. Rechtsgesch. II 1789. Wallon II
56 ff.
3) Varr. r. r. II 10, 5.
4) Gell. VI (VII) 4.
5) Anschaulich geschildert bei Hör. ep. II
2, lff.; vgl. Mart. VI 66 und die Schilderung
der Sklavenauktion in Lukians Bicov jigäoig.
6) Daher wird das Entblößen, das Be-
tasten usw. öfters erwähnt, Pers. 6, 77. Sen.
ep. 80, 9. Sen. contr. I 2, 3. Suet. Aug. 69. Mart.
1X59,3. Luc. vit.auct. 6; Eunuch. 12. Daß der
Käufer selbst einen Arzt zuzog, um verbor-
gene Fehler zu erkennen, zeigt Claud. carm.
XVIII 35.
7) Prop.V (IV) 5, 52 müssen sie medio
foro tanzen.
8) Große Billigkeit konnte in Kriegen ein-
treten, wenn viel Kriegsgefangene verkauft
wurden, wie nach dem mithradatischen Kriege
solche für 4 Drachmen zu kaufen waren, Plut.
Luculi. 14. HannibalverkaufteKriegsgefangene
für 2000 Sesterzen das Stück (350 Mark).
9) Beispiele von solchen gibt Plin. VII
128 f. Der damals bekannte Höchstpreis war
700000 Sesterzen (122780 Mark) für den
Grammatiker Daphnis (auch Suet. gramm. 3);
ein Eunuch wurde mit 500000 Sesterzen be-
zahlt. Nach Plin. hätten Schauspieler noch mehr
als jenen Höchstpreis für ihre Freiheit gezahlt,
ein dispensator sie für 130000 erkauft; ein
spado des Sejan erzielte 500000 Sesterzen als
Preis. Aber das sind eben Liebhaberpreise:
hoc pretium belli, non hominis, fuit tarn
Hercules quam libidinis, non formae, sagt
Plinius.
10) Vgl.WALLONlI 168 ff.
n) Plaut. Pseud. 52; Rud. 45; Epid. 52;
Merc.429; Pers. 665; Cure. 63. Bei Ter. Phorm.
557 beträgt der Preis 30 Minen.
12) Plaut. Capt. 974; vgl. Poen. 897.
13) Plut. Cat. mai. 4.
u) Hör. ep. 112,5; sat. II 7,43.
,5) Colum. III 3, 8.
16) Varr. b. Gell. XV 19, 2.
Siebenter Abschnitt. Die Sklaven.
281
Knaben1), und dieser Preis ist noch zur Zeit Martials ein üblicher2), auch
für einen servus Uteratus3). Bei den Preisangaben der Digesten und des
Justinianischen Kodex variieren die Preise je nach Alter und Können
zwischen 180 und 2200 Mark4).
Noch größer, als in den Verkaufspreisen, sind die Wandelungen, die
sich hinsichtlich der Zahl der Sklaven im Lauf der Jahrhunderte vollzogen.
Zwar sind wir über die frühen Jahrhunderte nicht näher unterrichtet; aber
schon die Sklavennamen, die vom Namen des Herrn und puer gebildet sind,
wie Marcipor, Publipor, Quintipor, Gaipor, Lucipor, Olipor, Naepor5), deuten
darauf hin, daß man sich sehr häufig mit einem Sklaven, wenigstens zu
seiner persönlichen Bedienung, behalf, und noch viel später begnügten sich
auch vornehme Leute mit einigen wenigen Dienern 6). Nur mußte natürlich,
wer Landwirtschaft betrieb, für diese eine größere Sklavenzahl halten, und
auch die Sitte, durch Sklaven ein Handwerk betreiben zu lassen (siehe unten),
die in den letzten Jahrhunderten der Republik aufkam, brachte eine Erhöhung
der Sklavenzahl mit sich. Aber wenn diese Kategorien nutzbringender
Sklaven auch späterhin bestehen blieben, so wuchsen seit Ende der Re-
publik7) und dann besonders in der Kaiserzeit die Scharen der zur Be-
dienung von Herrn und Herrin, zur Besorgung der Hausgeschäfte, zur
Unterhaltung oder zur wissenschaftlichen Hilfsarbeit bestimmten Sklaven-
scharen ins Ungeheuere 8), und auch wenn man von dem kaiserlichen Haus-
halt absieht, der über ein Riesenheer von Sklaven verfügte9), erregt, was
wir über die Zahlen der Sklaven von Privatleuten erfahren, unsere Ver-
wunderung10). Selbst einfachere Leute verfügten über viel mehr Bedienung,
als heut Leute des Mittelstandes11), und das waren schon ganz arme Schlucker,
1) Plin. VII 56, wobei allerdings ein be-
sonderer Grund vorlag, da es Zwillinge waren
resp. für solche ausgegeben wurden.
2) Für Knaben Mart. I 58, 1 ; XI 70, 1 ;
auch das Doppelte, III 62, 1 ; für ein Mädchen
II 63, 1. Für einen Kretin (und wohl auch
Zwerg), einen morio, nennt Mart. VIII 13 als
Preis 20000 Sesterzen (4350 Mark). Bei der
Auktion einer Dirne werden 600 Sesterzen
(130 Mark) geboten, Mart. VI 66. 9, ein ab-
sichtlich angenommener, sehr niedriger Preis.
3) Sen. ep. 27,7.
4) Siehe die Angaben bei Wallon 169 ff.
Makquardt 174.
5) Quint.14,26. Fest.257a, 17. Prise. VI
ji. 236. Plin. XXXIII 26 : apud antiquos singuli
Marcipores Luciporesque dominorum gentiles
onnicmvictum inpromiscuo habebant. Sie kom-
men auch inschriftl. vor, CIL 1 1034; 1386; VI
2247: 6907 (1 1076); 9430(1 1539 e); 30914; IX
2818 (Olipor, Marpor, Naepor u. dergl.). Vgl.
Mcoimsen Rom. Staatsr. III 201 A. 3. Oxe Rh.
Mus. LIX (1904) 108.
6) Diese Einfachheit der alten Zeit wird
spater öfters hervorgehoben, vgl. Plin. VII 104.
Iuv.ll,145ff. Val.Max.IV4,ll. Apul.apol.17.
7) Aus der Zeit Ciceros liegen eine Anzahl
von Nachrichten vor, die diesen Luxus belegen,
Cic. ad Att. VI 1,25; p. Mil. 10,28; 21,55.
8) Ath.VI272D sagt, daß viele Römer
10000, 20000 und mehr Sklaven besäßen,
begeht aber den Irrtum, wie Makqüardt 459
bemerkt, diese alle als zur persönlichen Be-
dienung bestimmt zu betrachten. Gegenüber
diesen Zahlen erscheinen die 400 Sklaven des
Pedanius Secundus, Tac. ann. XIV 43, selbst
die 4116 des Caecilius Claudius Isidorus, Plin.
XXXIII 135 (sie waren aber größtenteils in der
Landwirtschaft beschäftigt), als geringfügig.
9) Vgl. Friedländer Sittengesch. I 70 ff.
10) Was im Roman des Petron.37,9; 47,
12; 53, 1 ff. von dem Sklavenheer des Trimal-
chio berichtet wird, ist freilich humoristische
Uebertreibung, der aber doch faktische Ver-
hältnisse zugrunde liegen. Ueber den Sklaven-
luxus in der Kaiserzeife s. Friedländer a. a. O.
III 123 ff.
n) Horaz hatte zur Bedienung bei Tisch
drei Sklaven, sat. I 6, 116, für sein ganzes
Hauswesen also jedenfalls mehr; der Sarde
Tigellius hatte nach I 3. 17 bald 200, bald
10 Sklaven, wobei letztere als sehr geringe
Zahl gesetzt ist. Für die Exilierten bestimmte
Augustus, daß sie nicht mehr als 20 Sklaven
oder Freigelassene zur Bedienung haben soll-
ten, Dio Cass. LVI 27, 3.
282
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
die sich mit einem oder gar ohne Sklaven behelfen mußten1). Alles in allem
muß die Sklavenzahl in Rom sehr groß gewesen sein2), doch stehen alle
Versuche, sie zu schätzen, auf sehr unsicherem Boden3). Wo solche große
Sklavenfamilien waren, pflegten sie nach dem Muster der städtischen Kol-
legien in Klassen, je nach ihrer Beschäftigung, geteilt zu sein4), die unter
besondern Aufsehern standen5) und im einzelnen wieder in Dekurien, die
unter Dekurionen standen, geordnet waren 6).
Der großen Zahl entsprach die Mannigfaltigkeit der Verwendung.
Im allgemeinen unterscheidet man Staatssklaven, servi publici, und Privat-
sklaven, servi privati. Von ersteren, die im öffentlichen Dienst oder zur
Ausführung von Staatsarbeiten Verwendung fanden, haben wir hier nicht
zu sprechen 7) ; die Privatsklaven schied man je nach ihrer Verwendung in
die familia rustica und die familia urbana8), jene für den Betrieb der
Landwirtschaft auf einer Villa, diese für die Geschäfte im städtischen Wohn-
hause. Darnach waren die Aufgaben beider im wesentlichen sehr ver-
schiedene, doch gab es gewisse Beschäftigungen, die auf dem Lande ebenso
wie in der Stadt sich ergaben, sodaß nur diejenigen, die direkt auf Land-
wirtschaft Bezug haben, speziell der familia rustica anheimfallen. Auch
hinsichtlich der Leitung und Oberaufsicht finden sich für beide Familien
die gleichen Bezeichnungen. Derjenige Sklave, der dem Herrn am nächsten
steht, ihn vertritt und alles anordnet, was der Herr nicht persönlich leitet,
gewissermaßen sein Generalbevollmächtigter, war der procurator9); solche
gab es besonders für Landgüter10), doch auch für die städtischen Geschäfte11),
!) Mart. XII 87, 3; man vgl. den Hohn
Catulls gegen Furius, cui neque servus est
nee circa, 23, 1 ; 24, 5. Wenig Bemittelten
war der Unterhalt der Sklaven doch zu kost-
spielig: magno servorum ventres sagt Iuvenals
Freund Umbricius 3, 166, der nicht einmal einen
Sklaven nachts zur Begleitung hat (v. 286).
2) Noch im Jahre 24 n. Chr. hatte man
in Rom Furcht vor einem neuen Sklaven-
kriege, Tac. ann. IV 27.
3) MAKQUARDTStaatsverwalt.il 120 nahm
für die Hauptstadt die Sklaven wenigstens
um die Hälfte höher an als die Freien (etwa
900000 auf 1610000 Gesamtbevölkerung);
gegen seine Berechnung erhebt Friedländer
I 53 Widerspruch. Vgl. auch Wallon II 97 ff.
4) Plin. ep. VIII 16, 2: nam servis res-
pubiica quaedam et quasi civitas domus, was
Mommsen De coli, et sod. 102 A. 18 auf die
Sklavenkollegien bezieht, ihm folgend Mar-
quardt 154 A. 2. Die Trennung der Arbeits-
gebiete in der familia rustica erwähnt Col.
I 9, 7 : propter quod separandi sunt aratores
a riiiitoribus, iique a mediastinis; für die
familia urbana geben die Inschriften Material,
s. Marquardt a. a. O.
5) Das wird durch supra ausgedrückt,
z. B. supra cocos, CIL VI 9261 ; supra oubt-
nüaricos, ebd. 3954 f.; 4439 u. ö.; oder durch
praepositus, z.B. praepositus cocorum, 8752;
praepositm cubiculo, Suet. Dom. 16. Ueber die
Einteilung speziell der cubicularii s. Mar-
quardt 144 A. 5. Rostowzew bei P.-W. IV
1736 f.
6) Sen. ep. 47, 9. Colum. a. a. O. Petron.
47, 11. Suet. Dom. 17. Vitr.VII 3, 10.
7) Vgl. Wallon II 85 ff. Rein bei Pauly
VI 1102 f.
8) Digg. L 16, 166: urbana familia ei
rustica non loco sed genere distinguitur; vgl.
XXXII 99 pr. Versetzung von einer Klasse
in die andere fand je nach Bedürfnis statt,
Colum. Ipr. 12. Vgl. CIL VI 1747; IX 825: 3028;
XII 1025.
9) Die procuratores konnten Sklaven sein,
waren aber vielfach auch Freigelassene; vgl.
Beauchet bei D.-S. IV 662. Zu unterscheiden
sind davon Unteraufseher, wie der procura-
tor peni, Plaut. Pseud. 608, der procurator der
Pfauenzucht, Varr. r. r. III 6, 3, oder der Bienen,
Colum. IX 9, 2; ein procurator a veredis CIL
X 121.
,0) Cic.deor.158,249; ad Att.XIV 16, 1.
Plin. ep. III 19,2, woraus hervorgeht, daß zwei
nahgelegene Landgüter unter einem j>r<>-
curator stehen konnten, aber jedes seinen
eigenen actor (s. unten) hatte. Inschriften s.
Dessau 7386 ff. Colum. I 6, 6 f. über die Woh-
nung des procurator und des vilicus, s. oben
S. 71.
u) Petron. 30, 1. Sen. ep. 14, 18. Quintil.
decl. 345; ebd. 361.
Siebenter Abschnitt. Die Sklaven.
283
und in der Kaiserzeit war es nicht selten, daß reiche Frauen, die ihr Ver-
mögen für sich hatten, sich für dessen Verwaltung einen eigenen proeurator
hielten1). Das Amt des Rechnungsführers, der Gelder einzukassieren und
auszuzahlen hatte, fiel dem dispensator zu2); es gab solche ebenso in der
familia rustica5), wie in der familia urbana*); seine Stellung war verschieden,
indem er mancherorts dem proeurator unterstellt war5), anderwärts dem
Hausherrn selbst Rechnung ablegte6).
Die Oberaufsicht über die familia rustica führte, wenn nicht der Besitzer
selbst sich deren annahm, der vilicus1), auch actor genannt8), dem darin seine
Frau, die vilica, beistand9); doch waren beide gleichfalls Sklaven, ebenso wie
die magistri officiorum oder operum, die in größeren Anwesen die einzelnen
Abteilungen des landwirtschaftlichen Betriebes unter sich hatten10). Im
einzelnen gab es dann die Sklaven für die Feldwirtschaft, den Ol- und
Weinbau, für die Viehzucht, für die Hofwirtschaft, als Geflügelzucht, Wild-
park, Fischzucht, Bienenzucht, für Obst- und Gemüsegärten u. dgl.11). Doch
ist zu bemerken, daß sicherlich nur solche Beschäftigungen, die das ganze
Jahr hindurch in gleicher Weise weitergingen, ein stehendes Personal mit
bestimmten ihnen zugewiesenen Aufgaben erforderten, während für andere,
bei denen die Jahreszeiten oder die Witterung kürzere oder längere Arbeits-
pausen mit sich brachten, natürlich die Beschränkung auf eine einzige
Tätigkeit ausgeschlossen war. Die große Zahl einer solchen familia rustica
erforderte aber auch ein Personal, das mit ihrer Beköstigung, Kleidung.
Pflege usw. betraut war: es gehörten also auch Müller, Bäcker, Köche, Küchen-
mägde, Verwalter der Nahrungsvorräte, Wasserträger, Wollarbeiterinnen,
selbst Ärzte und Krankenpfleger zur Sklavenschar eines großen Gutes12).
Bei der familia urbana war, wie oben (S. 64) erwähnt, in älterer Zeit
der atriensis die Hauptperson. Seine Stelle im Haushalt nahm später der
!) Diese Prokuratoren einer Ehefrau, die
nicht selten deren Liebhaber waren, waren
wohl meist Freie oder Freigelassene. Vgl.
Mart.V 61. Sen. contr.VII 20. Sen. frg. 13, 51
Haase; auch inschr. CIL VI 9449. Weiteres s.
Fkiedländeb I 419.
«) Vgl. G. Bloch bei D.-S. II 280 ff. Lie-
benam bei P.-W. V 1189 f. Das Wort stammt
schon aus der Zeit, wo es noch kein ge-
münztes Geld gab, s. Varr. 1. 1. V 183. Fest.
72, 9; vgl. Plin. XXXIII 42.
3) Digg. L 16, 166; er stand da neben dem
vilicus (vgl. Mart. VII 71, 3: XI 39, 6), indem
dieser naturam agri novit, dispensator litteras
seit, d. h. lesen, schreiben und rechnen kann,
Cic. de rep. V 3, 5. Doch konnte der vilicus
zum dispensator aufrücken, CIL VI 278, und
ebenso der (mit dem vilicus oft identische)
actor, ebd. IX 4186.
4) Cic. ad Att. XI 1, 1 : ders. b. Non. 493,
ll.Mart.V42,5. luv. 1,91; 7,219. Auflnschr.
kommt der dispensator häufig vor, vgl. Liebe-
nam a. a. 0. Dessau 7379 ff.
5) Bei Petron. 30 führt der proeurator
die Rechnung, während der dispensator im
Atrium Geld zählt; immerhin ist auch dessen
Kompetenz eine ziemlich weitgehende.
6) Macrob.114,31. Suet.Ner.44; Vesp.22.
7) Ueber die Tätigkeit des vilicus s.
Colum. XI 1 ff.; vgl. Cato r. r. 5 u. 142. Varr.
r. r. I 2, 14; 16, 5 u. s. In der Regel wird
das Wort vilicus geschrieben. Inschriftl. CIL
VI 8684; 9989; IX 3028; X 1750; 3550; 7041;
XI 871; XIV 2726; 2751; vilicus supra hortos
VI 9472; das Verbum vilicare X 5081.
8) Der actor kann mit dem vilicus iden-
tisch sein, wie Colum. I 7, 7; 8, 5; XII 3, 6,
ist aber sonst im allgemeinen der Geschäfts-
führer, auch in der familia urbana. Auf
größeren Gütern hat der vilicus die Oekonomie
unter sich, der actor das Rechnungswesen,
Digg. XXXIII 7, 20; der proeurator ist ihnen
übergeordnet. Auf Inschriften kommt der
actor sehr häufig vor, Näheres s. Mab<juabdt
139 A. 3. BECKEB-GöLLl35f. Ruggiebo Dizion.
epigr. I 66. Habel bei P.-W. I 329.
») Cat. r. r. 143. Colum. XII 1 ff.
10) Colum. I 8, 11; ebd. 17; XI 1, 27.
n) Siehe die vornehmlich auf den Scri-
ptores rei rusticae beruhende Zusammenstel-
lung bei Makquabdt 139 ff. u. vgl. oben S. 71 f.
12) Wallon 95.
234 Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
procurator oder der dispensator ein; in größeren Haushalten, wo der Haus-
herr außerstande war, alle Geschäfte persönlich abzumachen, gab es sowohl
einen procurator wie einen dispensator, und unter ihnen stand vermutlich
(wenn er nicht direkt ihre Stelle einnahm) der arcarius, der die Kasse
verwaltete1), oder der auf Inschriften öfters vorkommende sicmptuarius2).
Was nun die einzelnen Aufgaben der Haussklaven betrifft, über die uns
neben den Schriftquellen vornehmlich die Inschriften Kunde geben, so ist
deren Zahl so groß und so mannigfaltig, daß wir hier nicht im einzelnen
alle anführen können3); manche davon sind schon in den vorhergehenden
Abschnitten genannt worden, andere werden später noch an ihrer Stelle
Erwähnung finden. Die wesentlichsten Gebiete, auf die sich die Arbeit in
einem großen Hauswesen verteilte, sind folgende: die Verwaltung und
Reinigung des Hauses, der Wohnräume, der Vorräte, die Beaufsichtigung
und Instandhaltung des Hausrats, der Kunstgegenstände, der Garderobe und
des Schmuckes; die Bedienung des Herrn, der Frau und der erwachsenen
Kinder, die Besorgung des Bades und die Dienstleistung bei und nach
dem Bade; die Bereitung des Brotes und der Speisen, sowie die dazu ge-
hörigen Hilfeleistungen untergeordneter Art; die Tischbedienung; die Be-
gleitung bei Ausgängen, das Tragen der Sänfte, die Besorgung von Pferden
und Wagen, namentlich auch auf Reisen, die Pflege des Marstalls, die Be-
förderung von Briefen; die Unterhaltung durch musikalische oder poetische
Vorträge, durch Tänze und Possen; die Besorgung der Korrespondenz, das
Schreiben nach Diktat, das Abschreiben und Exzerpieren von Büchern, das
Vorlesen u. dgl. m. Natürlich hat es niemals, selbst im kaiserlichen Haus-
halt, eine familia urbana gegeben, in der alle die mannigfaltigen Funktionen
besondern Sklaven derart anvertraut waren, daß sie nur zu diesen und zu
keinen andern verpflichtet waren ; viele darunter sind so beschaffen, daß sie nur
einen sehr kleinen Teil der täglichen Beschäftigung ausmachten, ja manchmal
tagelang oder noch länger überhaupt nicht in Anspruch genommen wurden.
Es ist daher sicher, daß in der Regel ein Sklave nur ein Amt als haupt-
sächliches hatte, hingegen je nach Bedürfnis und Eignung auch mit andern
betraut wurde4), nur durften sie nicht zu heterogener Art sein5). Gewisser-
maßen eine Sonderstellung nahmen diejenigen Sklaven ein, die den Herren
nicht direkt durch ihre Dienstleistung nützten, sondern ihnen durch ihre
Fertigkeiten und Kenntnisse Geld verdienten. In gewissem Sinne war das
ja auch bei den landwirtschaftlichen Sklaven der Fall, insofern in großen
l) Digg. XL 5, 41, 17. Paul. sent. III 6, 72. I 3) Eine sehr detaillierte Aufzählung gibt
Cod. Theod. X 1, 11. Auf Inschr. häufig, s. MARQUARDTl42ff., dem ich mich in der oben
CIL III 1955; VI 64, 3937 f.; 8718 ff.; 9146 ff.;
33830 ff.; vgl. Ruggiero Dizion. epigr. I 632.
Ueber arcarii im allgemeinen (als Beamte
der Finanzverwaltung, im Heere usw.) Habel
bei P.-W. III 429. Hirschfeld Kaiserl. Ver-
waltungsbeamte II 461. Ein römisches Sarko-
phagrelief scheint einen arcarius darzustellen,
der auf dem Deckel der arca Münzen zählt
(doch könnte auch ein argentarius, d.h. Bankier,
dargestellt sein), s. Not. d. scavi 1904, 7 u. das.
Brizio.
*) CIL VI 9912; 33912; vgl. III 12285.
gegebenen Einteilung anschließe; kürzer Wal-
lon 104 ff. Becker-Göll 139 ff.
4) Mart.III58. Digg. XXXII 65, 2; auch
inschriftlich kommen Sklaven mit mehreren
Aemtern vor, z. B. CIL IX 1880: domini di-
lectus quoquo iret semper comes, poculi mi-
nister, doctus palaestrae puer; anderes s.VI
4305; 9253 und mehr Marquardt153 A.2.
5) Cic. in Pis. 27, 67 findet es ärmlich,
daß der Koch zugleich atriensis ist. Aber
bei Atticus konnten die pedisequi auch Vor-
leser und Schreiber abgeben, Nep. Att. 13.
Siebenter Abschnitt. Die Sklaven.
285
[Gütern das durch ihre Arbeit Produzierte nicht bloß im Haushalt auf-
gebraucht wurde, sondern zum Verkaufe gelangte. Aber es war doch immer
Inoch etwas anderes, als wenn der Herr direkt gegen die Arbeit seiner
[Sklaven oder gegen das durch diese Arbeit Hervorgebrachte Geld einnahm
lund so von der Arbeit der Sklaven lebte. Gewisse Berufe waren auf diese
(Sklavenarbeit geradezu angewiesen: der leno, der Sklavinnen kaufte für sein
■Bordell oder um sie an Liebhaber für kürzere oder längere Frist mietweise
jabzugeben (vergleiche darüber unten Abt. II Abschn. III), der Inhaber von
[Schulen für Zither- und Flötenspielerinnen oder Tänzerinnen, die ebenfalls
pur Unterhaltungszwecke zu mieten waren (siehe Abt. II Abschn. V); auch
(Gladiatoren wurden für Spiele vermietet und der Besitz zahlreicher Fechter
l'vvar eine einträgliche Kapitalanlage1). Ebenso waren die kistriones des
ISchauspieldirektors in der Regel seine Sklaven, die er entweder selbst
lauftreten ließ oder für Aufführungen vermietete2). Daß ein Herr einen
>k luven, der irgend eine Fertigkeit besaß, gegen Geld zeitweise abgab,
Ikam schon in republikanischer Zeit vor3) und war in der Kaiserzeit ganz
[gewöhnlich4); man konnte in Rom auch Sklaven zu persönlichen Dienst-
leistungen mieten5). Namentlich aber war es üblich, in fabrikmäßigem Be-
triebe, wie ihn schon die Griechen kannten, Waren aller Art, wie Kleider,
|Hausrat, Bücher usw. herstellen zu lassen6); oder, wenn der Besitzer selbst
Isich damit nicht abgeben wollte, streckte er etwa einem Sklaven ein Kapital
Ivor, damit dieser ein Gewerbe damit betreibe und ihm dafür die Zinsen
bder eine jährliche Abgabe zahle7).
So verschieden, wie ihre Beschäftigungen, so verschieden war auch die
[Stellung, die die Sklaven im Hauswesen und untereinander innehatten8).
^Diejenigen, die regelmäßig mit etwas betraut waren, werden mitunter als
wdinarii bezeichnet9); ihnen entgegengesetzt sind die servi vicarii10). Der
') Ueber die Gladiatorenschulen und die
Verwendung von Sklaven als Gladiatoren s.
Friedländer II 325 ff.
2) So war Roscius ein geborner Sklave,
Plin.VI1128; vgl. Sen. ep. 80, 7 f. Plaut. Asin.
J. Digg. XXI 1, 34, und überhaupt Fried-
länder a. a. 0. 424 f.
3) Cato vermietete seinen Sklaven Chilo
als Lehrer für fremde Knaben, Plut. Cat.
mai. 20.
4) Digg. XXXIII 7, 12, 8: gervi si aliqua
»arte anni per eos ager colitur, aliqua parte
n mercedem mittuntur, nihilominus in in-
strumenta continentur. Daher wünscht sich
emand bei luv. 9, 145 einen vaelator oder
sinen Maler, nicht um sie selbst zu beschaf-
fen, sondern um sie zu vermieten.
5) luv. 6, 352 ff.
6) Auf diese Weise wurde auch der Buch-
aandel betrieben, indem Sklaven die Bücher-
ibschriften besorgten : damit hatte schon Atti-
:us Geld verdient, Nep. Att. 13. 3. Cic.adAtt.
IV 4 b. und vgl. Marquardt 826. Dziatzko
■ P.-W. III 981.
7) Plut. Cat. mai. 21. Digg. XXXIII 7, 20,
l; vgl. ebd. XIV 4.
8) Aber daß es bestimmte Klassen unter
den Sklaven gegeben habe, wie Beoker-Göll
133 auf Grund von Digg. XLVII 10, 15 an-
nimmt, nämlich ordinarii, vulgares, mediastmi
and qnu/esquafes, ist sicher nicht richtig; das
zeigt schon der Wortlaut dieser Stelle: muH um
interest, qiialis servus sit: bonae frugi, Ordi-
narius, dispensator, an vero vulgaris vel me-
diastinus an qualisguaUs. Die Bezeichnungen
Ordinarius und mediastinus kommen zwar
vor, letztere für allerlei Beschäftigungen in
Feld und Haus, Lucil. b. Non. 143, 5. Colum.
I 9, 3; II 12, 7. Hör. ep. I 14, 14; auch als
Badediener, Non. a. a. O., als Arztgehilfen, Plin.
XXIX 4, öfters auf Inschr., CIL VI 8894; 9102,
aber es sind schlechtweg Gehilfen oder Hand-
langer, nicht eine Sklavenklasse.
9) Digg. XIV 4, 5, 1 wird der servus Ordi-
narius dem vicarius entgegengesetzt; Suet.
Galba 12 kommt ein Ordinarius dispensator
vor, der dem Kaiser das breviarium rationum
vorlegt. Sen. de benef. III 28, 5: ad hm- tos
alicuius >ie ordinariutn quidem hobenüs offi-
cium ; vgl. ep. 1 10, 1, wo es zum Vergleich dient.
10) Ueber diese vgl. H. Erman im Recueil
publie par la faculte de droit de l'universite
de Lausanne, k l'occasion de l'Exposition natio-
nale Suisse (Lausanne 1896) 391 ff.
286
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
servus vicarius ist der Sklave eines Sklaven; und zwar gehörte entweder
dieser Sklave dem Herrn, war aber von diesem einem servus Ordinarius
als Gehilfe beigegeben x) ; oder der servus Ordinarius hatte sich aus seinem
peculium (siehe unten) einen vicarius angeschafft 2), über den er frei ver-
fügen konnte3); in der Regel scheinen nur servi ordinarii einen eigenen
solchen vicarius gehabt zu haben4).
Seinen Namen5) erhielt der Sklave ohne Rücksicht auf den, den er
vorher geführt hatte, in der Regel wohl erst durch den Käufer, falls dieser
nicht vorzog, ihm seinen ursprünglichen, oft barbarischen Namen zu be-
lassen. Die oben erwähnten alten Namen, wie Marcipor, Publipor usw.,
blieben zwar noch bestehen6), aber man reichte damit bei weitem nicht
aus und erfand nun neue, die man nach Belieben wählte7). Häufig, und
zumal aus den Komödien bekannt, sind die von der Heimat des Sklaven
entnommenen, wie Syrus, Lydus, Thrax, Thessala, Mysis u. dgl.; dann wählte
man mythologische Namen, Königsnamen, griechische oder römische Eigen-
namen, und im Haus geborne vernae bekamen mitunter das Cognomen ihres
Herrn. In offiziellen Dokumenten, wie die Inschriften es sind, wird dem
Sklavennamen noch der mehr oder weniger vollständige des Herrn im
Genitiv, mit oder ohne servus, hinzugefügt8).
Was die Lage der Sklaven anlangt, so waren sie dem Gesetze nach
ihrem Herrn gegenüber völlig rechtlos, eine bloße Sache9), über die der
Herr nach Belieben verfügen konnte, bis zu Marter und Tod10). Juristisch
konnte er keine Familie, kein Eigentum, kein Zeugnisrecht haben, wenn
auch in Wirklichkeit das nicht so streng und wörtlich befolgt wurde. Denn
ein iustum matrimonium, eine rechtmäßige Ehe nach römischem Gesetz,
konnte ein Sklave mit einer Sklavin nicht eingehen, sowenig es eine solche
zwischen Sklaven und Freien gab; wenn er mit einer Mitsklavin (conserva11))
zusammenlebte, so war das ein vom Herrn geduldetes, an und für sich
') Dieser Fall scheint vorzuliegen Plaut.
Pseud. 607; mil. gl. 825 (vgl. 837; 868); in-
schriftl. s. Erman 312 f.
2) Vgl. Cic.Verr. III 38, 86: hie Diogne-
tus . . . vicarium nulluni habet, nihil omnino
peculi; daher heißt ein solcher Sklave auch ser-
vus peculiaris, Plaut. Pers. 201. Suet. Caes. 76.
3) Plaut. Asin. 433; im Persa haben die
beiden Sklaven Toxilus und Lemniselenis ihre
eigenen Sklaven. Cic.Verr. I 36, 93: peculia
omnium vicariique retinentur. Hör. sat. II 7,
79 : sive vicarius est, qui servo paret. Vgl. auch
Sen. dial. IX 8, 6. Mart. II 18, 7. Inschriften
von servi vicarii s. Erman 414 ff.
4) Digg. XV 1, 17: si servus meus Ordi-
narius vicarios habet, id quod vicarii mihi
debent, an deducam expeculio servi ordinarii?
b) Vgl. Oxe Zur älteren Nomenklatur der
röm. Sklaven, Rh. M. LIX (1904) 108 ff. Eine
Untersuchung über die Namen der römischen
Sklaven, wozu die Inschriften reiches Material
bieten, fehlt noch.
6) Sallust. hist. bei Prise. VI p. 700 (fr. 69
Dietsch); eine Satire Varros hieß Marcipor;
auch inschriftl. CIL I 1034; VI 1057.
7) Varr. 1. 1. VIII 21 : sie tres quom emerunt
Ephesi singulos servos, nonnumquam alius de-
clinat nomen ab eo qui vendit Artemidorus at-
que Artemidorum sive Artemam appellat, alim
a regione, quod ibi emit, ab Ionia, Iona, alius
quod Ephesi, Ephesium, sie alius ab alia ali-
qua re, ut visum est.
8) Vgl. Marquardt 20 f. Beim Uebergang
an einen neuen Herrn wird dem Namen das
Cognomen des früheren Besitzers mit dem
Suffix anus (Crescentianus, Sestianus) hinzu-
gefügt, s. ebd. 21 A. 4.
9) Siehe Wallon II 175 ff. Rein Privatr.
d. Röm. 560 ff.
10) Gai. Inst. I 52 : domin is in servos vitae
necisque potestas. Was das Gesetz römischen
Bürgern gegenüber verbot, war einem Sklaven
gegenüber kein Verbrechen; adulterium oder
stuprum ihnen gegenüber gibt es nicht, Digg,
XLVIII 5, 6 pr.
51) Varr. r. r. I 17, 5. Apul. met.VHI 22;
oft auf Inschr., so VI 8645; 27790; IX 321;
706; 2472; 3721 ; XI 4752. Doch werden sie
zumal auf Inschr., auch häufig maritus, con-
lux, uxor genannt, s. Marquardt 176 A. 10
Siebenter Abschnitt. Die Sklaven.
287
rechtloses contubernium1); die daraus hervorgehenden Kinder sind Eigentum
des Herrn. Solche Sklavenehen wurden vom Herrn nicht bloß geduldet,
sondern sogar gern gesehen2), da in den Kindern billige und, da sie im
Hause heranwuchsen, auch meist anhängliche Sklaven erstanden. Für
gewisse Sklavenämter, z. B. den vilicus, war es sogar von Wichtigkeit, daß
Verheiratete sie führten, weshalb in solchen Fällen auch die Herren die
Verheiratung anordneten3). Andrerseits besaß der Sklave zwar kein eigent-
liches Vermögen; aber in der Regel wurde ihm doch gestattet, Ersparnisse,
die er von seinem Nahrungsdeputat (siehe unten) machte4), oder Geld, das
er sich durch eine Fertigkeit oder Dienstleistungen erwarb5), für sich als
peculium zu behalten6). An diesem peculium konnte sich der Herr für
Schaden, den der Sklave angerichtet, schadlos halten7), andrerseits der
Sklave es benutzen, um sich vom Herrn die Freiheit zu erkaufen (siehe
unten). In der Kaiserzeit gab es Sklaven, die ein ganz bedeutendes Ver-
mögen besaßen8).
Was sodann die Behandlung der Sklaven seitens ihrer Herren be-
trifft, so ist es im allgemeinen zwar richtig, daß der Römer ein strengerer
Herr für seine Sklaven war, als der Athener9); aber so schlechthin ver-
allgemeinern läßt sich das nicht, denn es kommen hierbei nicht nur die
verschiedenen Charaktere ebenso der Herren, wie der Sklaven in Betracht,
nach denen sich schon von selbst Unterschiede in der Behandlung ergeben
müssen, sondern auch die äußern Umstände, die Zugehörigkeit zur familia
urbana oder rustica, mußten solche Unterschiede mit sich bringen, und ganz
besonders hat auch im Lauf der tausend Jahre römischer Geschichte manche
Wandlung in diesen Verhältnissen stattgefunden. Die ältere Zeit, die nur
eine beschränkte Sklavenzahl kennt, hatte sich noch manches Patriarchalische
*) Vgl. Masquelez bei D.-S.1 1489. Leon-
hakd bei P.-W. IV 1164; die Verheirateten,
die aus derselben Sklavenfamilie sein mußten,
hief3en contubernales, Digg. XXXIII 7, 12, 33.
Da es keine richtige Ehe war, so gab es
beim contubernium auch keinen Ehebruch;
aber in der Kaiserzeit galt dasselbe doch
als ein festes Band. Digg. a. a. 0. § 7.
2) Der alte Cato gestattete seinen Sklaven
das contubernium nur gegen eine Geldabgabe,
Plut. Cat. mai. 21, das war aber nur eine Be-
sonderheit des in Geldsachen sehr eigentüm-
lichen alten Herrn, der auch sonst seinen
Sklaven gegenüber kein Gemütsmensch war.
Er aß und trank zwar mit ihnen, wie er ihre
Arbeit teilte (Plut. ebd. 3), und seine Frau
nährte bisweilen Sklavenkinder selbst (ebd.
20) ; aber er empfiehlt ganz ruhig, einen alten
und kranken Sklaven zu verkaufen, r. r. 2, 7.
s) Colum. I 8, 5. Varr. r. r. T 17, 5 ; II 10, 6.
4) Ter. Phorm.43: quod ille nnciatim vix
de demenso suo \ suom defrudans genium con-
persit miser. Sen. ep. 80, 4: peculium suum
quod conparaverunt rentre fraudato. Das ge-
schah freilich manchmal auch auf unrechtem
Wege, s. Apul. met. X 14. Vgl. Petron. 75, 4
und über Sklavenlohn s. u.
5) Ueber diese mit Gelderwerb verbun-
denen Sklavenbeschäftigungen s. u. Aber auch
die anderen Sklaven konnten sich daneben
etwas verdienen, so die Hirten durch Auf-
ziehen von eigenem Vieh, Plaut. Asin. 540 ff.
Auch die Geschenke der Klienten kamen
noch hinzu, luv. 3, 189.
6) Digg. XV 1, 5, 4: peculium . . . quod
servus domini permissu separatum a ratio» i-
bus dominicis habet, dedueto iudc, ei quid
domino debetur. Varr. a. a. O.: danda opera,
nt habeant peculium. Bei Plaut. Cas. 258 ist
sogar ein Sklave, der sich kein jwculium er-
worben hat, ein homo improbus, dagegen
Rud. 112 der 2><'r'<Ho*u>i servus probus, vgl.
Asin. 498. Sen. de benef. VII 4, 4.
7) Digg. XV 1, 4 u. 11: XXXIII 8, 9.
8) Plin. XXXIII 134. Sen. de benef. III
28, 5.
9) Die dreisten und durchtriebenen Sklaven
der römischen Komödie sind nach den atti-
schen Vorbildern gezeichnet und entsprechen
nicht römischer Sitte; daher heißt es naiv
genug bei Plaut. Stich. 146: atque id »e vos
miremini, homines servolos j jwtare. amme
atque ad cenam condieere: licet haec Atheui*
nobis.
288
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
bewahrt, wie sich das ja schon in der Bezeichnung der Sklaven als familiäres,
als zur Familie gehörige, ausspricht1), was später außer Gebrauch kam.
In der alten Zeit pflegten auch die Sklaven mit der Familie des Hausherrn
zusammen die Mahlzeiten einzunehmen2), wenn auch nicht, wie der Haus-
herr, liegend, sondern, wie Kinder und sonst geringere Tischgäste, auf
Bänken sitzend3); und auch in der Kaiserzeit gab es noch Herren, die
bessere Sklaven an ihren Tisch zogen4). Namentlich die aus Sklavenehen
hervorgegangenen Sprößlinge, die vernae oder vernaculi genannt wurden5),
hatten eine bessere Existenz als die übrigen; man hielt ihnen wohl sogar
eine eigene Amme6), sie wuchsen zusammen mit den Herrenkindern auf
und saßen auf dem Lande beim Mahle mit der Familie zusammen beim
Herde7). Dadurch wurden sie zwar geschwätzig und auch dreist und vor-
laut8), aber sie galten für zuverlässig, treu und besonders zur persönlichen
Bedienung geschickt9). Fort lebte noch die Erinnerung an die gute alte
Zeit in der Feier der Saturnalien. Nicht nur, daß die Sklaven an diesen
Tagen frei von Geschäften waren und sich alle möglichen Freiheiten gegen
ihre Herrschaft erlauben durften10), auch ihre Sklaventracht mit der bürger-
lichen vertauschten11), die Sklaven aßen auch an diesen Tagen nach der Väter
Sitte mit den Herren zusammen12), ja diese bedienten sie sogar dabei13).
Allein das waren schnell vorübergehende Tage; im allgemeinen war das
Verhältnis zwischen Herrn und Sklaven wohl immer, wenn auch nicht
gerade ein feindseliges, so doch ein kaltes, obschon es vorkam, daß manche
Herren zu denjenigen ihrer Sklaven, die durch Bildung und Charakter sich
') Plaut. Amph. 359; Epid. 2. Sen. ep.47,
14: (maiores nostri) dominum patrem familiae
adpellaverunt, servos, quod etiam in mimis
adhuc dural, familiäres. Macrob. I 11, 11.
2) Plut. Coriol. 24; daß auch beim alten
Cato dieser Brauch bestand, ward oben er-
wähnt, und er mag überhaupt auf dem Lande
sich länger erhalten haben als in der Stadt.
3) Sen. dial. II 15, 1: si (sapiens) in con-
vivio regis recumbere infra tnensam vescique
cum servis ignominiosa officia sortitis iube-
bitur. Vgl. oben S. 121.
4) Sen. ep. 47, 2 u. 15. Macr. a. a. 0. 1.
Colum. I 8, 5 empfiehlt, tüchtige Aufseher an
Feiertagen zum Mahle zuzuziehen.
D) Cael. b. Cic. ad fam.VIII 15, 2. lustin.
XXXVIII 6, 7. Val. Max. III 4, 3; auch ver-
nula, Sen. dial. IX 1, 7; frg. 55 Haase. Plin.
XXII 44. luv. 10, 117; 14,168; vernaculus,
Capitol.Macrin. 13, 3. Vgl. Corp. Gloss. VII 404.
Das Wort wird von ver abgeleitet, als Früh-
lingskind, Fest. 372 a, 1 : vernae, qui in villa
n-n' nati, quod tempus duce natura feturae
est. Andere Deutungsversuche s. Becker-Göll
131. Curtius Griech. Etym. 207.
6) Nach Plaut, m. gl. 696 ; daß Catos Frau
Sklavenkinder selbst nährte, ward oben er-
wähnt. Das trat aber wohl nur ein, wenn
die Mutter selbst aus irgendeinem Grunde
nicht stillen konnte oder bei der Geburt ge-
storben war.
7) Hör. epod. 2, 65; sat. II 6, 66. Mart. III
58. 22. Eine gute Hausfrau nahm sich über-
haupt der vernae an, Tib. I 5, 25; vgl. Mart.
II 90, 9.
8) Tib. a. a. O. Hör. sat. a. a. 0.; die li-
centia vernaculorum wird öfters erwähnt. Sen.
dial. 11,6; vgl. II 11, 3. Mart. 141, 2; X 3. 1;
Tac. hist. II 88 nennt es vernacula urbanitas
(vgl. Petron. 24,2), da vernaculus verallgemei-
nerte Bedeutung bekommen hatte.
9) Hör. ep. II 2, 6. Nep. Att. 13.4. Tac. ann.
XIV 44; vgl. Mart.VIII 59, 11; XII26,11;87,
2; XIV 119, 1 und besonders V87, seine Klage
über den Tod einer vernula. Daher bezeichnen
sich auf Inschriften auch Freigelassene bis-
weilen als vernae. CIL II 1062; VI 1887; IX
577; 2751.
10) Macr. 17,26: Saturnalibus tota servil
licentia permittitur. Hör. sat. II 7, 4. Lucian.
Saturn. 5.
n) Dio Cass. LX 19, 3: iv ml; Kgorinu ot
bovXoi tö Ttör öeairoTÖJv o/jjfia (jLsxaXafißävovxez
toQtä'QovGi. Sie liefen, wie alle Festfeiernden,
mit dem pilleus (dem Zeichen der Freiheit, s.
unten) auf dem Kopfe herum, Mart. XI 6,4;
XIV 1 f.
12) Macr. 124, 33; vgl. 10, 22; 11,1. Sen.
ep. 47. 14. lustin. XLIII 1, 4. Accius bei Macr.
I 7, 37.
13) Luc. a. a. 0. 18. Ath. XIV p. 639 B.
Auson. ecl. 15, 16. Eine Bewirtung der Mägde
durch die Hausfrauen fand auch am 1. März
statt, Macr. 1 12, 7. loh. Lyd. de mens. III 15.
Siebenter Abschnitt. Die Sklaven.
2S!)
[auszeichneten, auf vertrautem, selbst freundschaftlichem Fuße standen1),
Bund daß aus der Geschichte uns Beispiele von aufopfernder, sogar den Tod
[nicht scheuender Liebe von Sklaven zu ihren Herren bekannt sind2), wie
[es andrerseits nicht ungewöhnlich war, daß gewandte und durchtriebene
Sklaven sich ihren Herren nicht nur unentbehrlich zu machen, sondern
[schließlich sie ganz zu beherrschen wußten3).
Seitdem die alte Sitte, daß die Sklaven mit der Herrschaft speisten,
[abgekommen war, bekamen sie ein bestimmtes Deputat an Lebensmitteln
mibaria)*); es hieß demensumf>) und wurde in der Regel in monatlichen6),
[doch mitunter auch in täglichen Rationen7) verabfolgt. Ein festes Maß bestand
dafür wohl nicht, es mag in Qualität und Quantität sehr verschieden beschaffen
|gewesen sein; doch werden 4 — 5 modii (35,02 — 43,77 Liter) Weizen mehr-
fach als übliches Maß erwähnt8). Daraus bereiteten sie sich jedenfalls das
[Nationalgericht, den puls (siehe oben S. 162); Fleischnahrung wird eben so
[selten gewesen sein, wie heut in der untern Bevölkerung Süditaliens. Als
[Getränk bekamen sie zwar Wein, aber in bescheidener Quantität 9) und noch
bescheidnerer Qualität10). Außerdem erhielten sie noch etliche Zutaten zur
[(Nahrung 1 l). Erwähnt wird auch ein bar ausgezahlter Lohn von fünf Denaren
jjmonatlich12), doch ist es nicht gewiß, ob das allgemeiner Brauch war oder
(vielleicht nur da, wo keine Zutaten zum demensum geliefert wurden.
Als Kleidung bekam der Sklave nach Catos Vorschrift vom Herrn tunica
und sagum nebst Holzschuhen13). Da auch der gewöhnliche römische Bürger
[keine andere Tracht trug, insofern ja die Toga nur Staatskleid war, so unter-
') So Cicero zu Tiro, Atticus zu Alexio,
rgl. ÜßUMANN Gesch. Roms V 66 f.; VI 405 ff.
||Von Melissus, dem grammaticus des Maecen,
sagt Suet. de gr. 21 : cui cum se gratum et
icceptum in modum amici videret. Wenn Sen.
jie benef. VI 16, 1 von Aerzten und Lehrern
l^agt, daß sie ex medico acpraeceptore in amicum
'ranscK nt, scheint er allerdings nicht an Sklaven
ku denken, wie Marquardt 181 A. 4 meint.
2) Macr. I 11, 16 ff. und Val. Max. VI 8
bieten eine Menge von Beispielen, vgl. Sen.
Sie benef. III 23. Namentlich in den Bürger-
<ri<\s;en kamen solche Fälle hingebender
[Sklaventreue vor.
3) Publik Syr. sent. 544: qui docte servil,
oartem dominatus tenet. Ambros. ep. II 7,5 (III
h. 1133 Migne) : denique famulo sapienti midti,
U scriptum est, serviunt liberi, et est servus
'ntelligens, qui regat dominos stultos. Die ein-
flußreiche Stellung, die zumal in der Kaiser-
fceit viele Freigelassene einnahmen, ging oft
jn ihren Anfängen auf die Sklavenzeit zurück.
*) Cat. r. r. 56. Sen. de benef. III 21,2.
D) Ter. Phorm. 43 und das. Donat., vgl.
Maut. Stich. 60.
6) Plaut, a. a. 0.; vgl. Trin. 944.
7) Diaria, Hör. ep. I 14, 40; sat, I 5, 67.
|?etron. 75, 4 (vgl. 136. 4). Mart. XI 108, 3.
8) Cato r. r. 56 schreibt für die Arbeiter
, ür den Sommer 4, für den Winter 4'/^ modii
*or. für vilicus, vilica, epistata und opilio nur
5; letztere mochten daneben andere Bezüge
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft. IV.
! haben. 4 modii nennt auch Donat. a. a. O. ; 5
| Seneca ep. 80, 7.
9) Cato 57 schreibt vor: zur Weinlese-
zeit während dreier Monate lora, d. i. Trester
(Plin. XIV 86 bezeichnet dies Getränk, die
mit Wasser vermischten Trester. als vinq
operaria), und zwar nach Belieben; dann im
4. Monat täglich 1 hemina (0,27 L.), im 5. — 8.
Monat 1 sextarius (0,54 L.) und vom 9. — 12.
Monat 3 heminae (0,72 L.).
10) Der Kunstwein, zu dem Cato 104 das
Rezept gibt, ist dadurch gekennzeichnet, daß
er sich bis zur Sommersonnenwende hält und
nachher noch als acetum acerrimum etptdcher-
rimum dienen kann.
n) Nach Cato 58 zum [ndmenhirium Oliven;
wenn solche aufgebraucht sind, Fischsauce (W-
lec, s. oben S. 188) und Essig; ferner monat-
lich 1 sextarius Oel, und Salz im Jahre 1 mo-
diu8 (8,75 L.). So ist wohl römische Kost,
wenn der Sklave Plaut. Rud. 937 sagt: sed
hie rex cum aceto pransurusi d sale, sine
bono pulmento. Etwas reicher ist das Menü
im Stich. 689: hoc convivium | pro oj>il>n.<
nostris satis commodulumst nueibus, fabulü,
ficulis, oleis, intubtdo, lupiUo comminuto,
crustulo.
12) Sen. a. a. O.
13) Cat. r. r. 59; ein sagttm und die scnl-
poneae alle zwei Jahre; die alten Kleider
sollten abgeliefert und zu Centimes verarbeitet
werden (s. oben S. 222).
2.5. 3. Aufl. 19
290
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
schied sich der Sklave in der Tracht jedenfalls nur wenig von seinem Herrn1).
Auf dem Lande, wo die Sklaven auch in der Kälte im Freien arbeiten mußten,
wurden ihnen auch wärmere Kleider geliefert2). Von den Wohnräumen der
Sklaven sprechen wesentlich auch nur die landwirtschaftlichen Schriftsteller 3);
diese cettae waren natürlich so bescheiden wie möglich. Doch dürfen wir nicht
vergessen, daß alles dies von den Sklaven im großen und ganzen gilt, daß aber
die Sklaven in vornehmen Häusern oft erheblich besser gestellt waren, und
daß namentlich die kaiserlichen Sklaven vielfach eine behaglichere Existenz
hatten, als ein römischer Bürger in bescheidenen Verhältnissen4).
Die Behandlung, die die Sklaven durch ihre Herren erfuhren, war
meistens streng. Ein vertraulicheres Verhältnis fand wohl in früheren
Zeiten, wo die Sklaven noch mit in der Familie lebten, und auch auf dem
Lande statt, wenn der Herr dort lebte5); aber je mehr es Brauch wurde,
daß der Besitzer der villa rustica sich in der Stadt aufhielt und die Auf-
sicht dem vilicus überließ6), um so schlimmer wurde die Lage der Sklaven
in der familia rustica 7), die der Willkür der Aufseher preisgegeben waren 8).
Daher galt eine Versetzung aus der familia urbana in die familia rustica
direkt als Strafe9). Zwar wird von Varro und Columella empfohlen, die
Sklaven mit Milde zu behandeln, sie mehr durch gute Worte, als durch
Schläge zu leiten, sich mit ihnen zu unterhalten, auch wohl einen Scherz
zu riskieren und einen solchen ihrerseits nicht übel zu nehmen, über
die Arbeit mit ihnen Rat zu pflegen usw.10); aber die große Menge der
Sklaven, ihre verschiedene Nationalität11), der Mangel religiösen Ein-
J) Das findet Sen. I 24, 1 auch sehr nütz-
lich, denn sonst liege eine Gefahr darin, wenn
die Sklaven auf diese Weise ihre Herren zählen
könnten. Die Absicht des Alexander Severus,
nach Lamprid. 27, 1, alle Stände und so auch
die Sklaven durch die Tracht zu unterscheiden,
unterblieb auf Rat der Juristen. Wenn bei
Tac. ann. XIII 25 von servilis vestis die Rede
ist, so geht das wohl mehr auf den groben
Stoff, als auf den Schnitt der Kleider.
2) Colum. I 8,9: cultam vestitamque fami-
liam magis utiliter quam delicate habeat muni-
tamque diligenter a vento frigorepluviaque;quae
nitida prohibentur pellibus manicatis, centoni-
bus confectis, vel sagt's cucullis; ebd. 18 werden
neben der allgemeinen Tracht noch manicae
und pedum tegmina besonders hervorgehoben.
3) Cato erwähnt sie nur kurz, 14, 1, zwi-
schen equile und carnaria, was schon einen
Schluß auf ihre Qualität gestattet. Varro I
13, 1 spricht zwar von einem gemeinschaft-
lichen Ort für die Sklaven und von der Woh-
nung des vilicus (s. oben S. 70), doch nicht
von den cellae. Colum. I 6, 8 empfiehlt, die
cettae der Hirten nah bei den Viehställen zu
machen. In Pompeji lassen sich nicht bestimmte
Räume als Sklavenzimmer nachweisen; sie
lagen wohl meist im Oberstock. Auch die
Räume des sog. Pädagogiums auf dem Palatin
können nicht herangezogen werden, da die
Bedeutung dieses Gebäudes ganz unsicher ist,
s. Jordan-Hülsen Topogr. v. Rom I 3, 91 f.
4) Vgl. Friedländer I 110 ff.
5) Die Begrüßung des Herrn durch die
Sklaven am Morgen und zur Nacht war schon
früh abgekommen, Suet. Galb. 4.
6) Die Klagen über Betrügerei des vili-
cus sowohl dem Herrn, als den andern Sklaven
gegenüber, waren gewiß nicht unbegründet,
s. Colum. I 1,20; 8,13 u. 17.
7) Diese kannten ihren Herrn oft gar nicht,
s. Lucan. I 167 ff. Ueber die Nachteile zu aus-
gedehnten Landbesitzes überhaupt handelt
Colum. I 3, 8 ff.
8) Colum. I 8, 16 ff. empfiehlt, daß der Herr
sich selbst überzeuge, ob der vilicus nicht will-
kürlich Sklaven in Fesseln gelegt oder Gefes-
selte ohne Wissen des Herrn befreit habe; er
solle sich auch darum kümmern, ob sie ihre Klei-
dung und sonst das ihnen Gebührende richtig er-
halten. Ein guter pater familias prüft selbst die
Qualität von Speise und Trank der Sklaven und
untersucht die Beschaffenheit der Kleidung.
9) So schon Plaut. Asin. 342. Vgl. Hör.
sat. 117, 117 f. Sen.dial.V29, 1. Petron.69,3.
Digg. XXVIII 5, 35, 3. Colum. I pr. 12 tadelt,
daß man alte und kraftlose pedisequi und Iccti-
carii zur Feldarbeit aufs Land schicke.
10) Varr. r. r. I 17, 5. Colum. I 8, 10 u. 15.
Aeußerungen christlicher Schriftsteller im glei-
chen Sinne s. Marquardt 180 A. 1.
1 ') Varr. a. a. O. rät, nicht zu viele Sklaven
gleicher Nationalität zu erwerben, da daraus
offensiones domesticae entständen. Landsleute
Siebenter Abschnitt. Die Sklaven.
291
flusses1), all das brachte es mit sich, daß der Charakter der Sklaven im
allgemeinen nicht ohne Grund für minderwertig galt. Freilich waren die
Hauptfehler, die man ihnen vorwarf: Verstocktheit2), Naschhaftigk'
Plauderhaftigkeit4), zum Teil Folgen des ganzen Systems, wie denn auch
die mit so elementarer Gewalt ausbrechenden Sklavenkriege mit ihren
Greueln Folgen der harten Behandlung waren, was Einsichtige wohl er-
kannten5). So war es sprichwörtlich geworden, man habe so viel Feinde,
als man Sklaven habe6), und gegen diese Feinde wollte man sich so gut
als möglich schützen; daher wurden Sklaven nicht bloß zur Strafe gefesselt
und ins ergastulum geschickt (siehe unten), sondern auch solche, die der
Flucht verdächtig waren oder denen man sonst nicht traute7).
In der famüia urbana, zumal wenn sie zahlreich war, hatten es die
Sklaven zwar im allgemeinen leichter, da ihre Aufgaben körperlich weniger
anstrengend waren, als auf dem Lande; aber sie waren der Willkür und
den Launen des Herrn und der Herrin noch mehr preisgegeben. Ein ver-
traulicheres Verhältnis zwischen Herrn und Sklaven konnte kaum aufkommen,
da letztere zum Stillschweigen angehalten waren8). Die niedrigsten und
entwürdigendsten Dienstleistungen mußten sie ohne Murren verrichten9),
schöne Mädchen und Knaben waren gegenüber den Begierden der Herren
schutzlos, wofür sich freilich die Ehefrauen nicht selten ihrerseits an den
Sklaven schadlos hielten10). Dazu kamen die oft sehr rohen und grau-
samen Ausbrüche des Zornes, wenn der Sklave irgend einen kleinen
Fehler beging11), worin namentlich die römischen Damen sehr erfinderisch
mochten sich eben leichter zu Verschwörungen
zusammentun.
x) Es gab keinen Gottesdienst für die
.Sklaven, dn Herr opferte für sie, Cato r. r.
143. Selbst der vilicus (der nach Cato 5, 3
niu' an den Compitalien opfern darf) soll nach
• nhiin. a. a. 0. 5 nur auf Befehl des Herrn
( (pfer darbringen. Haruspices, augures, Wahr-
sauer u. dgl. zu befragen, war allen Sklaven
verboten. Cat. a. a. 0. 4. Colum. a. a. 0. 6.
2) Plaut. Asin. 318 ff.; Bacch. 361 ff.; Pseud.
151.
3) Hor.sat. I 3,80; II 4. 79; daher pflegte
mau die Vorräte unter Verschluß, ja selbst
unter Siegel zu halten. Plaut. Cas. 144. Cic. ad
lau.. XVI 26. Hör. ep. II 2. 134. Plin. XXXIII 26.
Man. 1X87,7. Tac ann. II 2.
4) luv. 9, 102 ff.; daher galt ein Geheimnis
iles Herrn bei ihnen nicht für sicher, Mart.
il 82. Vgl. Friedländer I 383.
■"') Vgl. Colum. a.a.O. Plaut. Pseud. 137 ff.
Sen. ep. 47. 3 lobt dagegen die alte Zeit, wo
die Sklaven freier gehalten waren und mit
den Herren vertrauter verkehrten, aber dafür
um so treuer waren: in conviviis loquebantur,
\-<i'<l in tormentis tacebant.
6) Sen. ebd. 5: eiusdem arrogantiae pro-
\verbinm iactatur: totidem hoste* esse quot
\serros. non habemus illos hostes, sed facimus.
Macr. 111,13. Fest. 261a, 29: freilich war
<lii ser Standpunkt auch griechisch, vgl. Hermog.
rhet. III 19, 9 Walz. Curt. VII 8, 28.
7) Vgl. Plaut. Capt. 1 10 ff., wo es sich aller-
dings um eben gekaufte Kriegsgefangene han-
delt. Daß ein Sklave ohne Erlaubnis des Herrn
das Haus nicht verlassen durfte (was freilich
von den Sklaven der Komödie nicht gilt),
war wohl nicht bloß im Hause des Trimalchio
vorgeschrieben (Petron. 28,7: quisquis servus
sinedominicoiussn foras cricrit, aecipiet piagas
centum, wo nur die exorbitante Strafe das Be-
sondere ist), sondern allgemeine Vorschrift.
s. Fronte epist. Graec. 5 p. 247 (Nab.), wonach
der Türhüter darüber zu wachen hatte.
8) Sen. ep. 47,3: at infelicibus servis mo-
vere labra ne in hoc quidem, ut loguantur,
licet, virga murmur omne conpescitur, et //<■
fortuita quidem verberibus excepta sunt, tussis,
sternumenta, singultus.
9) Sen. a.a.O. 5: alia Interim crudelia,
inhumana praetereo, quod nc tamquam homi-
nibus quidem, sed tamquam iumentis nbutt-
mur, (/not/ cum ml coenandum diseubuimus,
///ins gputa deterget, ///ins reliquias temulen-
torum subditus coUigit. Dazugehörte besonders
das Darreichen des Nachtgeschirrs, Mart. III
82, 15; VI 89, 2; XIV 119. Petron. 27, 5. Nicht
jeder tröstete sich, wie Trimalchio: necturpe
est, quod dominus iubet, Petr. 75, 11.
lu) Mart. I 81; VI 39; XII 49,4: ebd. 58.
Petron. 45, 7; 126,5. luv. 6, 331 ff. Vgl. Fried-
länder I 429 f.
n) Ohrfeigen, colapha, die zugleich für so
beschimpfend galten, daß es Sklaven gab, die
19*
292
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
waren *). Die Strafen, zu denen die Sklaven wegen größerer oder geringerer
Vergehen von ihren Herren verurteilt wurden, waren sehr verschieden an
Art und Schwere. Sehr gewöhnlich war, wie oben erwähnt, die Verweisung
aufs Land, in die familia rustica; war das Vergehen schwerer, so kamen sie
in das ergastulum2) oder in das pistrinum zum Drehen der Mühle3), und noch
furchtbarer war die Verurteilung zur Arbeit in den Steinbrüchen4). Meist
war damit Fesselung der Füße verbunden5), um sie am Entlaufen zu ver-
hindern, das man auch dadurch zu verhüten suchte, daß man ihnen den
Kopf zur Hälfte kahl schor6); in schwereren Fällen kamen auch Hand-
fesseln7) und Halsring 8) hinzu (an dessen Stelle auch manchmal das Hals-
eisen, boia, trat, an dem der Bestrafte befestigt wurde9)), und so wurden
die Sklaven auch, zu erhöhter Pein mit Gewichten an den Füßen be-
schwert, an einem Balken in die Höhe gezogen und gepeitscht10). In der
lieber sich peitschen ließen, Sen. dial. II 5, 1 ;
vgl. lud. de mort. Claud. 15, 2. Petron. 34, 2;
dazu hatten sie das Gesicht hinzuhalten (os
praebere), Ter. Ad. 215; ferner Faustschläge
auf den Mund, Mart.XIV68. Galen. V 17 K.
bemerkt, daß oft Sklaven durch Faustschläge
Zähne oder Augen ausgeschlagen wurden, und
führt allerlei Beispiele von grausamer Züch-
tigung an. Anderes s. Marquardt 183 A. 7.
*) Ueber die Leiden der Kammerzofen bei
der Toilette vgl. Ov. am. I 14. 15 ff.; a. a. III
239 ff. Mart. II 66. 3 f. luv. 6. 475 ff. Vgl. Fried-
länder I 430. Hadrian verbannte zwar eine
Frau wegen ihrer Grausamkeit gegen die Skla-
vinnen auf eine wüste Insel, Digg. I 6,2; doch
hat er selbst im Zorn einem Sklaven mit dem
Schreibgriffel ein Auge ausgestochen, Galen,
a. a. 0.
2) Siehe oben S. 75. Die Aufsicht dar-
über hatte der ergastularius, Colum. 18, 17.
Amm. XIV 11, 33, doch unter Oberaufsicht des
vilicus, Colum. a. a. 0. 16 u. XI 1,22.
3) Diese auch bei den Griechen übliche
Strafe erwähnen die Komiker öfters, vgl. Plaut.
Asin. 31 ff. ; Bacch. 781 ; Epid. 121 ; Poen. 827.
Ter. Andr. 199; Phorm. 249; Heaut. 530. Cic.
deor. 1 11,46.
4) Plaut.Capt.723; 730ff.; 1000; Poen. 827.
5) Mit compedes und catenae als genus
ferratile, Plaut. Most. 19; vgl. Menaech. 80 u.
85. Ter. Phorm. 249. Cato r. r. 56. Tib. II 6, 55.
Ov.tr. IV 1.5. Sen. dial. V 24, 2; IX 10.1. luv.
11,80. Plin. XVIII 21. Die Fesseln wurden
vom Schmied festgemacht, Plaut. Capt. 733.
6) Catull. 59, 5. wo freilich der Sklave
wieder aus dem Gefängnis heraus ist, da er
als ustor fungiert. Apul.met. IX 12. Artem.
On. 121; manchmal wurden sie auch ganz
kahlgeschoren, Petron. 103, 1 u. 3 (auch die
Brauen). Ach. Tat. V 17.
') Manicae, Lucil. b. Non. 36, 21. Plaut,
Most. 1065; Capt. 659. Hör. ep. I 16, 76.
8) Collare, Plaut. Capt. 357. Lucil. a. a.O.,
wo daneben der catulus genannt wird, nach
Fest. 45, 11 genus quoddam vinculi, qui iu-
terdum canis appellatur; und so Plaut. Cure.
691: delicatum te hodie faciam cum catello
ut aceubes, I ferreo ego dico; Cas. 389: ut qui-
dem tu hodie et canem et furcam feras (die
Bezeichnung ist jedenfalls scherzhaft aus ca-
tella entstanden). Nicht alle collaria aber waren
Fesseln ; man legte fluchtverdächtigen Sklaven
eiserne oder bronzene Halsbänder mit einer
Inschrift, in der um Rückgabe des Flüchtigen
ersucht wurde, um, vgl. de Rossi Bull, crist.
1874,49; ders. Bull. comun.XX(1892) 11, wodie
Aufschrift lautet : Servus sunt domui Scholastici
V(iri) sp(ectabilis). Tene me ne fugiam de domo
pulverata. Eine mit vier Löchern versehene
Scheibe (zur Befestigung am Halsring) gibt
den Namen des Besitzers und dazu: Fora*
muru{m) exivi, tene me quia fugi, reduc me
ad Flora{m) ad to{n)sores, s. Hülsen R. M. VI
(1891)341. Vgl. Class. Rev. 1907, 19. Ueber
collare vgl. Saglio bei D.-S. I 1289 (mit Abbil-
dung von Halsbändern von fugitiviF\g.l7l2f.).
Mau bei P.-W. IV 363.
9) Boiam terere, Plaut. Capt. 818; vgl.
Asin. 550; nach Fest. 35, 12 genus vineulorum,
tarn ligneae quam ferreae dieuntur. Isid. or.
V 27, 12: boia, id est torques damnatorum,
quasi iuga boum ex genere vineulorum. Die
Glossen erklären es durch xkoiög, Corp. Gloss.
II 350, 63 ; 521, 45; es war also ebenso das
Halseisen, wie der Holzblock, in den der Ver-
brecher gespannt wurde.
10) So Plaut. Asin. 303: ad pedes guemdq
adligatumst aequom centumpondium, ubi »i<<-
nus manicae conplexae sunt atque adduetae
ad trabem, \ nee dependes nee propendes, quin
malus nequamque sis. Daher pendentem ferire
oder caedere, Plaut. Trin. 247 ; Most. 1167. Ter.
Phorm. 220; Eun. 1021. Einen ganzen Katalog
von Sklavenstrafen bietet Plaut. Asin. 549 : sti-
mulos, lamminas, crxicesque conpedesque, ner-
vös, catenas, carceres, numellas, pedicas, boias,
inductoresqueacerrumosgnarosquenostritergi.
Daher auch die scherzhaften Epitheta Trin.
1022: eollicrepidae, cruricrepidae, ferriteri,
mastigiae.
Siebenter Abschnitt. Die Sklaven.
-.»:;
Kegel war wohl die Fesselung derart, daß der Bestrafte dadurch nicht an
der Arbeit verhindert wurde; ein Binden mit Stricken (nervi) fand daher
wohl mehr vorübergehend x) oder bei Gefängnisstrafe 2) statt. Sehr gewöhnlich
waren Schläge und Geißelungen3), und zwar mit Ruten oder Stöcken4), mit
Riemen und Lederpeitschen5) oder Knuten aus Stricken oder Draht6). Zwar
pflegen die gegen Prügel abgehärteten Sklaven der Komödie über solche
Züchtigungen ihre Witze zu machen7); aber in Wirklichkeit waren sie
schwerlich so unempfindlich. Das Verfahren wurde manchmal dadurch noch
erschwert, daß das Peitschen sub furca stattfand 8). Ursprünglich war das
Tragen der einen Teil des Wagens bildenden furca9), die die Form eines V
hatte, mehr eine entehrende, als eine schmerzhafte Strafe: die Delinquenten
mußten sie über den Nacken nehmen, die Hände wurden ihnen an den beiden
Balken angebunden und so wurden sie durch die Straßen geführt10); dazu
trat dann bei schwereren Vergehen das Durchpeitschen, und nicht selten
ging es der Kreuzigung voraus u). Manche dieser Strafen waren schon direkt
als Folter zu bezeichnen und gehörten in der Tat auch zu den Torturen,
durch die man im Gerichtsverfahren Geständnisse zu erpressen suchte;
dahin gehören auch die glühenden Metallbleche, die man den Verbrechern
auflegte12), ferner der eculeus, bei dem der Körper gewaltsam gestreckt und
6) Das flagnim oder flagellum scheint die
schlimmste Art der Geißelung gewesen zu
sein, Plaut. Pseud. 1240. Hör. epod. 4, 11 ; sat. I
2, 41. Mart. VIII 23,3; XIV 79; scherzhaft ein
Sklave ggmnasium flagri, Plaut. Asin. 297.
Nicht ganz sicher ist die Bedeutung der öfters
genannten st i midi, Plaut. Cure. 128: Aul. 45
u. 48; Pseud. 1240; Men. 951 ; Most. 56 f. Da
sie ausdrücklich von den flagra unterschieden
werden und forare oder fodere von ihnen
gesagt wird, so hält sie Göll bei Becker 177
für Ochsenstachel, zustimmend Mau bei M;u
quardt 182 A. 6.
7) Vgl. Plaut. Asin. 318; 547; Bacch.365.
8) Das fand auch bei Freien statt, aber
nur als eine der Todesstrafe oder dem Ver-
kauf vorausgehende Prozedur, Liv. I 26. 10;
epit. 1. LV. Suet. Nero49. Tac. ann. II 32 : X V 1 1 1 .
Vgl. Plaut. Men. 943.
9) Es war eine gabelförmige Vorrichtung,
um die Deichsel des unbespannten Wagens
zu stützen, s. Mau bei Marquardt 185 A. 6.
I0) Donat. ad Ter. Andr. 618. Plut. Coriol.
24, die das blof3e Tragen der furca als Sklaven-
strafe bezeichnen ; vgl. Plut. qu. Rom. 70 p. 280E.
Plaut. Cas. 389 : ut et canem et furcam feras :
Pers. 855: dabis (manus) sub furds. Hör. sat.
II 7, 66: ibis sub furcam. Daher das beliebte
Schimpfwort fureifer, das bei Plautus u. Terenz
Dutzende von Malen vorkommt, vgl. Plut. a. a.O.
u) Siehe unten S. 295.
12) Die lamminae Plaut. Asin. 549. Lucr.
III 1017; vgl. Cic. Verr. V 63, 163. Hör. ep. 1
15, 36. Quint. decl. 18, 11 u. 15. Nach Galen.
V584K. brannte man damit bei entlaufenen
Sklaven die Beine, bei diebischen die Hände,
bei geschwätzigen die Zunge, bei naschhaften
die Stelle des Magens.
J) Plaut. Cure. 690 : 'da te nervo torquebo,
itidem ut catapultae solent. Wenn es Ter. Andr.
865 heißt: quadrupedem constringito, so ist
wohl an ein Zusammenbinden von Händen
und Füßen zu denken. Später bekommt nervus
speziell die Bedeutung Fußfessel, Fest. 165 a,
23 : nervutn appellamus etiam ferreum vineu-
htiu, quo pedes impediuntur: so auch Corp.
Gloss.V524. 15; 573,24; ebd. II 133,45 durch
l-vkonidr) erklärt; auch Tert. ad mart. 2 ; eult.
fem. 18. Da es immer nur im Singular vor-
kommt, war es nicht eine Fessel für jeden
Fuß, sondern für beide zugleich, ein hölzerner
oder eiserner Fußblock. Auch die numella
(Plaut. Asin. 550) war ein solcher Block: ma-
chinaegenus ligneum ad discruciandos noxios,
quo ff Collum et pedes inmittunt, Fest. 173,18.
Vgl. Corp. Gloss.V 34,2 u.ö.
2) Daher bekommt nervus direkt die Be-
deutung von Gefängnis. Plaut. Cure. 720. Ter.
Phorm. 325; 696.
3) Hör. sat. I 3, 119 f. führt als Haupt-
instrumente dafür scutica, flagellum und ferula
auf; dieselben luv. 6,479f.
4) Das sind die ferulae, auch rirgae, Plaut.
Bacch.365; 779; Asin. 298: Men. 943; fitstes,
Aul. 48; da Ulmenholz dazu genommen wurde,
gibt das den Komikern zu allerlei Witzen An-
laß, so heißt Plaut. Pers. 278 ein Sklave ul-
mitriba, Amphitr. 1029 ultuorum Acheruns;
vgl. Asin. 363: nos futuros ulmeos; Rud. 636:
tibi idmeam ni tnetere speras virgedemiam.
5) Die lora führen die bei Plaut, in den
Captivi auftretenden lorarii; vgl. Ter. Ad. 182.
Hör. ep. 1 16, 47. Mart. X 62, 8. Lederpeitschen
sind auch die scutica, Hör. sat. I 3,119. luv.
a. a.O.. und die habenae, Hör. ep. II 2, 15. Digg.
XXIX 5, 1,33.
294
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
aus den Gelenken gerissen wurde1), Verstümmelungen2), Zerbrechen der
Beine3) u. dgl. m., sodaß zu einer großen Sklavenschar auch Folterknechte,
tortores, gehörten4). Für gewisse Vergehen, besonders Diebstahl und Flucht,
war das Aufbrennen eines Brandmals, stigma6) oder nota6), in der Regel auf
die Stirn7), sehr üblich; es bestand in Buchstaben, die das begangene Ver-
gehen andeuteten 8). Freigelassene Sklaven hatten große Mühe, diese Brand-
male zu vertilgen9) oder, wenn das nicht anging, wenigstens zu verdecken10).
Das Äußerste, was der Herr über den Sklaven verhängen konnte, war der
Tod, — dieser freilich in der mannigfaltigsten und schrecklichsten Gestalt11).
Durfte doch ein Scheusal seine Sklaven geringer Vergehen wegen lebendig
von seinen Muränen fressen lassen12); und wenn das auch ein einzelner Fall
blieb, so war es dafür um so gewöhnlicher, daß Sklaven in die Arena zum
Kampf mit den wilden Tieren geliefert wurden13), auch das lebendig Ver-
brennen wird mehrfach erwähnt14). Die üblichste Todesstrafe aber für die
!) Unter den Sklavenstrafen bezeugt durch
Sen. dial. V 3, 6. Weiteres über dies Folter-
werkzeug s. Hitzig bei P.-W. V 1931 f. Auch
die fidicida, bei Sen. ebd. erwähnt, gehört dazu,
ein Strick, mit dem Körperteile zusammen-
geschnürt werden, vgl. Suet. Tib. 62. Val. Max.
III ext. 3,5.
2) So Abschneiden derZunge.wasgewöhn-
lich der Kreuzigung vorausging, Cic.proCluent.
66, 187. Mart. II 82; Abhacken der Hände,
Plaut.Epid.il. Suet.Calig.32. Sen. dial. V 3, 6
zählt auf: eculei et fidiculae et ergastula et
cruces et circumdati defossis corporibus ignes
et cadavera quoque trahens uncus, varia vin-
culorum genera, varia poenarum, lacerationes
membrorum, inscriptiones frontis et bestiarum
immanium caveae.
3) Plaut. Poen. 886. Sen. dial. V 32, 1. Suet.
Aug. 67; Tib. 44; es geschah, wie man aus der
Passionsgeschichte weiß, öfters auch bei der
Kreuzigung, Cic. Phil. XIII 12, 27.
4) Petron.49,6. luv. 6, 280; 14, 21.
5) Petr. 45, 9; 69, 1 u. ö. Quint. VII 4, 14:
si quis fugitivo Stigmata scripserit. luv. 10. 183 ;
auch übertr. Stigmata imponere, Vitr. II 8, 15;
inscribere, Sen. benef. IV 37, 3.
6) Suet. Cal. 27 : stigmatum notae: Mart. III
21,1 : frons notata. Gebrandmarkteheißen stig-
matiae, Varr. 1. 1. VII 108. Cic. de off. II 7, 25,
oder st igmosi. Petron. 109, 8: inscripti, Mart.
VIII 75. 9. Plin. XVIII 21. luv. 14, 24 kühn:
inseripta ergastula. Scherzhaft heißen sie bei
Plaut. Cas. 401 litterati.
1) Sen. dial. V 3. 6 : inscriptiones frontis.
Petron. 103. 2; 105,16. Mart. XII 61, 11. Val.
Max. VI 8, 7 : inexiyiabili litterarnm nota per
sumrnam oris contumeliam inustus. Doch wur-
den auch Hände oder Füße gebrandmarkt,
Cod. Iust. IX 47, 17.
8) Daher die erwähnten Bezeichnungen in-
scribere, inscriptiones, litterati, vgl. die frontes
litterati, Apul.met. IX 12. Unsicher ist, ob ein
einzelner Buchstabe eingebrannt wurde oder
mehrere (s. Beckek-Göll 175), und wenn Cic.
p. Rose. Am. 20,57: litteram Main, cid cos us-
que eo inimici estis, ut etiam Kai. omnis ode-
ritis, ita vehementer ad caput adfigent für
ersteres zu sprechen scheint, so ist doch sonst
immer von litterae die Rede, Petron. 105, 2.
Val. Max. a. a. O. Scrib. Larg. 231, und daher
Inschriften wie Für, Fug., Kai. für Diebe,
Ausreißer und Verleumder wahrscheinlich.
Vgl. Petron. 103,4: implevit Eumolpus frontes
utriusque ingentibus litteris et notttui fugiti-
vorum epigramma per totam fadem liberali
manu duxit; da kann von einem Buchstaben
nicht die Rede sein. Daher deutet man wohl
mit Recht Plaut. Aul. 325: trium Ittterarum
homo auf Brandmarkung.
9) Damit gaben sich manche Aerzte ab,
s. Mart. VI 64, 26; X 56. 6. Ein sehr einfaches
Rezept empfiehlt Plin. XXX 30: columbinus
fimus ex aceto; komplizierter ist das bei Scrib.
Larg. 231.
10) Entweder strich man die Haare in die
Stirne, Petron. 105,2, oder man klebte Schön-
pflästerchen (splenia) darüber, Mart. II 29, 9.
n) Es war alter Brauch (Tac. ann. XIV 42}
und seit 10 n. Chr. sogar Gesetz, daß bei Mord-
versuch gegen den Herrn oder Ermordung die
ganze Sklavenfamilie den Tod erlitt, wenn der
Urheber nicht zu vermitteln war, Digg. XXIX
5,1,26; 6 pr. 17u.s.
12) Vedius Pollio, Plin. IX 77. Sen. dial. V
40, 2 (wonach ein Sklave dem grausen Tode
durch Augustus entrissen wurde, der den Herrn
dadurch bestrafte, daß er alle seine Kristall-
gefäße zerschlagen und die piscina mit den
Scherben anfüllen ließ, ebenso Dio Cass.LIV
23); de dem. I 18.2.
13) Sen. dial. V 3, 6. Gell. V 14, 27.
14) Plaut. Capt. 597. Sen. a. a. O. Bekannt
ist, daß die Delinquenten dabei die mit Pech
bestrichene tunica molesta trugen, Mart. X 25, 5.
luv. 8, 235. Plaut. Epid. 119 und Cas. 309 wird
auch das Verbrennen im Backofen erwähnt,
doch hält Becker-Göll 181 das wohl mit Recht
für Uebertreibung.
Siebenter Abschnitt. Die Sklaven.
295
Sklaven war die Kreuzigung1), die in der republikanischen Zeit bei
römischen Bürgern unerhört war2) und in der Kaiserzeit die Hauptstrafe
für Verbrecher blieb3). Der Kreuzigung gingen in der Regel noch andere
Qualen voraus, wie das Ausschneiden der Zunge4), namentlich aber die
Geißelung 5). Der Delinquent wurde dann entweder mit der furca, unter der
er die Geißelhiebe empfangen hatte6), oder mit dem Querholz des Kreuzes,
dem sogenannten patibulum 7), an dem seine Hände angebunden oder an-
genagelt waren8), zu dem außerhalb des Tores aufgerichteten Kreuzbalken
geführt9) und dabei noch gepeitscht oder mit Stachelstöcken gestochen10).
Am Richtplatz war das Kreuz errichtet, in der Regel wohl 1 1) nur ein senk-
l) Ueber die Kreuzigung, speziell die Form
des Kreuzes und die Art der Strafvollziehung
handeln, abgesehen vonBECKER-GöLLl78ff. und
Marquardt 185ff. eine Anzahl Spezialschriften,
bes. Zestermann Die bildliche Darstellung des
Kreuzes und die Kreuzigung Jesu Christi, Leip-
zig 1867 f. Degen Das Kreuz als Strafwerkzeug
und Strafe der Alten. Aachen 1874. Fulda Das
Kreuz und die Kreuzigung, Breslau 1878; dazu
Saglio bei D.-S. I 1573 ff. Hitzig bei P.-W. IV
1728 ti.
*) Sie ist das eigentliche servile suppli-
cium. Tac. hist. IV 11. Volcac. Avid. Cass.4, 6;
vgl. Plaut, m. gl. 359 u. 372. Hör. ep. 1 1 6, 47. Liv.
XXII 33, 1. Cic. Verr. V 6, 12; pr. Cluent. 66,
187 u.s.
3) Vgl. Hitzig a.a.O. 1729.
4) Siehe oben S. 294 A. 2.
») Cic. Verr. V 62, 162 f. Man vgl. die Ge-
schichte der Passion Christi und für Sklaven
die oft wiederholte Geschichte von der Grün-
dung gewisser Zirkusspiele, Cic. de div.1 26,55.
Liv. II 36, 1 . Dionys. Hai. VII 68. Val. Max. 17.4.
Macrob. 13,11. Lactant. II 7, 26. Arnob. VII 39.
6) In der erwähnten Geschichte sprechen
zwar manche Schriftsteller nur vom caedi
sub furca, doch handelte es sich um nach-
herige Kreuzigung, vgl Val. Max. a. a. 0. Wenn
Macr. a. a. 0. statt der furca das patibulum
nennt, so hat er wohl nur das zu seiner Zeit
allgemein übliche an die Stelle gesetzt; iden-
tisch sind furca und patibulum sicher nicht
gewesen. In den Digesten kommt dann freilich
die furca als Todesstrafe vor, XL VIII 19 (ad
furcam damnare, furca figere oder suspendere,
in furcam tollere, furcae subicere), und Mau
bei Marquardt 185 A. 6 meint, daß es sich
dabei um eine Uebertragung des Namens
(furca für patibulum) handle. Wahrschein-
licher ist aber die Meinung von Marquardt
ebd. und Hitzig a.a. 0. 1730, daß nach Abschaf-
fung des Kreuzes durch die christlichen Kaiser
die Strafe des Erhängens an der furca an
die Stelle trat, wobei die Delinquenten mit
dem Nackenholz an einem gabelförmig enden-
den Pfahl aufgehängt wurden, was Amm.
Marc. XV 7, 4 viridis post tergum mau Ums
suspendere nennt, Isid. V 27, 34 suspendere
et strangulare, der hier zwar patibulum und
furca identifiziert, aber von der crux unter-
scheidet: patibulum SUepensos staliut c.raui-
mal, crux autem suffixos diu cruciat. Man
verstand also später unter furca und puli-
hu/um ein Erhängen, wie es die bei Darem-
berg-Saglio I 1575 Fig. 2085 abgebildete Mi-
niatur einer vatikanischen Handschrift zeigt.
7) Wie die furca vom Wagen, so ist
das patibulum ursprünglich von der Tür ent-
nommen, als der von innen vorgeschobene
Querbalken, s. oben S. 22. Marquardt 186
glaubt, daß das patibulum ein aus zwei Teilen
bestehender Halsblock war, in den der Ver-
brecher mit dem Kopf eingeschlossen wurde;
doch geht das aus den von ihm dafür an-
geführten Stellen nicht hervor, vgl. Mau ebd.
187 A. 1 und Zestermann a. a. O. I 21. Da
das patibulum ein integrierender Teil der
Kreuzigung ist, wird es häufig direkt im
Sinne von Kreuz gebraucht, vgl. Cic. Verr. IV
41,90. Non.366, 12; Sen. dial.VII 19, 3: nisi
ex patibulo suos spectatores conspuerent; ep.
101, 12: patibulo pendere, und auch in den
Glossen wird es so erklärt, s. Corp. Gloss. VII 54.
8) Plaut, m. gl. 360: dispessis manibus
patibulum quam Jiabebis. Sen. dial.VI 20, 3:
alii brachia patibulo explicucruut: frg. 124
Haase: sive extendendae per paHbula mauus.
Dion. Hai. VII 69,2: ol <5' äyovzsg tov fregoxorra
Im zi]v ziLMOQiav tag yelnag djzozsirarzeg dp-
(foztgag xai tgi'lco jcgoodtjoarzeg Tzagä zu ozegva
zs xai zovg (ouovg xai ueyqi zwv xaQJt&v A"y-
xovzi izaonxoXov^ovv l-alvorzeg pdozik~i yvuvov
ovza (wo Mau a. a. 0. erklärt, daß das pati-
bulum vielleicht nicht auf dem Nacken, son-
dern vor dem Halse lag).
9) Licin. b. Non.-221, 13: ad patibulos de-
ligantur et circumferuntur, cruci defiguntw;
ebd. Plaut.: patibulum f erat per urbem, deinde
adftgatur cruci. Kreuzigungsplatz extra por-
tam, Plaut, m. gl. 369. So nimmt man in
der Regel an, daß auch Christus das pati-
bulum, nicht das ganze Kreuz getragen habe.
10) Plaut. Most. 56: ita te forabunt paH-
bulatum per vias stimulia.
1J) Gewiß mit Recht nimmt Hitzig a.a.O.
an, daß die Strafe zu verschiedenen Zeiten
und je nach der Laune des Schergen ver-
schiedene Formen angenommen habe, vgl.
Sen. dial.VI 20, 3: rideo istic cruecs uou unius
quidem c/encris, sed dliter ab aliis fabricatas,
296
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
recht in die Erde gerammter Pfahl1), der daher auch palus9) oder stipes5)
heißt. An diesem Pfahl wurde der Delinquent mitsamt dem patibulum in
die Höhe gezogen4), das letztere als Querholz am Pfahl befestigt, sodaß
die eigentliche Kreuzesform entstand, und die Füße wurden am Pfahl fest-
genagelt6).
In diesen Verhältnissen mit ihrer barbarischen Härte, der Schutz- und
Rechtlosigkeit der Sklaven trat aber schon seit Beginn der Kaiserzeit eine
Milderung ein, indem dem Herrn manche Rechte genommen, dem Sklaven
gewisse Rechte zugesprochen wurden. Noch aus der ersten Kaiserzeit rührt
das Gesetz her, das dem Herrn verbot, von sich aus einen Sklaven zum Tier-
kampf zu bestimmen, und das Recht dazu auf den praefectus urbi oder den
Statthalter übertrug6); dann bestimmte Claudius, daß jeder wegen Alters oder
Krankheit von seinem Herrn verstoßene oder ausgesetzte Sklave frei sein und
die Tötung eines Sklaven wie Mord bestraft werden solle7). Unter Hadri an
wurde dem Herrn überhaupt das Recht, den Sklaven zu töten, genommen8),
die Kastration verboten9), ebenso ungerechte Mißhandlungen10), und der
Verkauf eines Sklaven an einen lanista, einer Sklavin an einen Uno unter-
sagt11). Da diese Verbote zunächst nicht viel gefruchtet zu haben scheinen,
wurden sie von Antoninus Pius wiederholt und verschärft: wer seinen
Sklaven tötete, unterlag derselben Strafe, wie wenn er einen fremden
Sklaven getötet hätte; ein Herr, der seinen Sklaven grausam behandelte,
durfte, wenn dieser sich beschwerte, zum Verkauf des Sklaven gezwungen
werden12). Aber erst Constantin verfügte, daß die absichtliche Tötung eines
Sklaven wie jeder andere Mord bestraft werden solle13).
Auch in andern Beziehungen, in vermögensrechtlichen und privat-
rechtlichen überhaupt, gestalteten sich im Laufe der Kaiserzeit die Ver-
hältnisse der Sklaven günstiger. Den Anstoß dazu gaben teils die Lehren
der Philosophen, die immer mehr die allgemeinen Menschenrechte der
Sklaven betonten, teils die durch die veränderten politischen Verhältnisse
bedingte Abnahme der Sklaven und der Zwang für die Freien, in der Arbeit
mit den Sklaven zu konkurrieren, sodaß der Unterschied zwischen dem
Sklaven und dem freien Handwerker oder Lohnarbeiter mehr und mehr
capite quidem conversos in terram suspendere,
alii per obscoena stipitem egerunt, alii brachia
patibulo explicuerunt (bei der mittleren Strafe
ist Pfählung gemeint, die hier unter crux
mitverstanden wird).
l) Daher heifit es crucem figere, erigere,
statuere u. dgl., Cic.Verr.V 66, 169. Suet. Gall.
9. Firm. Mat. math. VI 31.
4) Cic. Verr. V 5, 11 spricht zuerst von
dem palus, an den die zu Geißelnden ge-
bunden werden, und identifiziert *ihn ebd. 6,
12 mit der crux für damnati servi.
3) Sen. dial.VII 1 9, 3 : ad supplicium tarnen
acti stipitibus singulis pendent.
4) Firm. Mat. a. a. 0. : nam istis facinori-
bus comprehensus severa animadvertentis sen-
tentia patibulo sufßxus in crucem crudeliter
erigUur.
b) Plaut. Most. 359: ego dabo ei talentum,
primus qui in crucem excucurrerit : \ sed ea
lege, ut offiguntur bis pedes, bis brachia. Er-
wähnung der Kreuznägel Sen. dial.VII 19, 3.
Plin. XXVIII 46; daher Artem. Onir. II 53: sti
^vXcov xai i'jioov yeyovev 6 oravQog; ebd. 56:
otavQü) jiQoarjXovadai.
6) Digg. XL VIII 8, 11, 2; XIII 7, 24, 3.
Tac. ann. VI 11: vgl. über dies Gesetz Rein
Rom. Privatr. 561 f.
7) Suet. Claud. 25. Dio Cass. LX 19, 7.
8) Spart. Hadr. 18, 7.
9) Digg. XLVIII 8, 4, 2.
10) Digg. I 6, 2.
") Spart, a. a. 0.
12) Gai. I 53. Digg. I 6, 1, 2. Inst. I 8, 2.
Straflos blieb die Tötung, wenn der Sklave
im Ehebruch mit der Frau seines Herrn be-
troffen wurde, Digg. XLV 1, 96.
13) Cod.Iust.IX14,l. Cod.Theod.IX12,l.
Siebenter Abschnitt. Die Sklaven.
297
schwand; und endlich zuletzt der Einfluß des Christentums und seiner Lehre
von der Gleichheit aller vor dem Gesetz l).
Wir haben schließlich noch einiges über die Freilassung der Sklaven,
die manumissio, zu sagen2). Man hat dabei zwei Arten3) und bei jeder
derselben verschiedene Formen zu unterscheiden. Die eine Art ist eine
feierliche, die zur Folge hat, daß der Freigelassene römischer Bürger wurde,
und von dieser gab es drei Formen: vindicta, censu, testamento4-). Bei der
manumissio durch vindicta befolgte man die Formen eines Eigentumsstreites.
Ein in libertatem assertor, später immer ein Lictor, vindizierte den Sklaven
mit den Worten: hunc hominem ex iure Quiritium meum esse aio secundum
mam causam; sicut dixi, ecce tibi vindictam imposui6), und damit legte er
dem Sklaven die sogenannte vindicta, einen Stab, auf das Haupt6). Der
Herr des Sklaven faßte ihn an, drehte ihn im Kreise herum7) und sagte
dabei : hunc hominem liberum esse volo, worauf er ihn wieder losließ 8) ; dann
erklärte der anwesende Beamte den Sklaven für frei9), und dieser empfing
die Glückwünsche der Umstehenden10). Diese etwas umständliche Form
wurde später vereinfacht, immerhin blieb die Gegenwart eines Magistrats
unerläßlich. Die zweite Form, die manumissio censu, bestand darin, daß der
Herr den Sklaven als Bürger in die Censuslisten eintragen ließ, wodurch er
Freiheit und Civität erhielt11). Bei der dritten Form, der manumissio testa-
mento, genügte der im Testament ausgesprochene Wille des Erblassers12); und
zwar wurde der Sklave dann unmittelbar frei, während er mittelbar frei wurde,
wenn der Testator bestimmte, daß der Erbe den Sklaven freilassen solle13). —
Die nichtfeierliche Freilassung, durch die nur ein faktischer Zustand der
Freiheit entstand, bestand in der bloßen Privaterklärung des Herrn, daß
der Sklave frei sein sollte14); diese wurde ausgesprochen entweder in Gegen-
wart von Fremden, die Zeugenstelle vertraten15), oder durch schriftliche
Erklärung der Freilassung16), oder dadurch, daß der Herr den Sklaven wie
einen Freien an seinen Tisch zog17), oder durch Erklärung des Herrn auf
seinem Sterbebette oder am Sterbebett des Sklaven18).
Ap. carm. 2, 546. lsid. IX 4, 48.
7) Pers. 5, 75 ff. mit Schol. Quint. decl. 342.
App. b. civ. IV 135. Epict. diss. II 1, 26.
8) Fest. 159, 1.
9) Das heißt addicere, Cic. ad Att. VII 2, 8.
Varr. 1. l.VI 30.
10) Plaut. Men. 1031: quom tu Über es,
gaudeo.
u) Cic. pro Caec. 34,99. Ulp. 1.8: jedenfalls
war dazu erforderlich, daß der Sklave sich
ein peculium erworben hatte, vgl. Marquardt
164 A. 8.
12) Schon in den XII Tafeln. Ulp. 1.9; vgl.
Dionys. Hai. IV 24,6. Petron. 71, 1.
13) Jenes ist die libertas directa, dieses die
libertas fideicommissa, s.Digg. XL 4,35. Ulp. 2,7.
14) Quint. decl. 340 u. 342.
lä) Als manumissio inter amicos, Plin. ep.
VII 16, 4. Gai. I 41 u. 44.
16) Manumissio per epistolam, Paul. IV 12,
4. Inst. 15, 1.
17) Manumissio per mensam, Inst. I 5, 4.
ls) Appian. b. civ. IV 135. Mart. I 101.
J) Diese Veränderung im Wesen der Skla-
verei während der Kaiserzeit und ihre Ursachen
bdiandeltsehrausführlich der dritte Band Wal-
lons; andere Litteratur s. bei Marquardt 189
A. 1.
2) Vgl. Rein a. a. 0. 569 ff. und bei Pauly
I V 1 504 ff. Wallon II 385 ff. Lecrivain bei
D.-S. III 1585 ff.
3) Tac. ann. XIII 27, Sen. dial. VII 24, 3
unterscheidet sie als insta libertas und inter
amicos data.
4) Sie bestanden schon seit früher Zeit,
vgl. Plaut. Cas. 504: tribus non conduci pos-
tum libertatibus. Cic. Top. 2, 10: si neque censu
nee vindicta nee testamento über factus est,
>it>n est Über.
5) Gai. IV 16.
6) Die vindicta, Hör. sat. 117,76. Pers. 5, 88,
die das Symbol der hasta war (s. oben S. 278),
heißt auch festuca, Plaut, m. gl. 561. Pers. 5,
175. Gai. a. a. O. oder virga, Boeth. ad Cic.
a.a.O. Schol. Pers. 5, 88. Daraus wurde später-
em Backenstreich, Claud. carm. VIII 615. Sid.
298
Erste Abteilung. Die allgemeinen Grundlagen des Lebens.
Der Freigelassene (libertus)1) führte den Gentilnamen seines Herrn2)
und seinen früheren oder einen beliebig gewählten Vornamen3); seit dem
7. Jahrhundert erhielt er mit dem Recht, die Toga zu tragen4), den Vor-
namen seines Freilassers5). Das Haupt trug er in der Regel geschoren6)
und mit einem Hut (pilleus) oder einer weißen wollenen Binde bedeckt7).
Obschon sie römische Bürger waren, standen sie doch den Freigebornen
nicht gleich: sie konnten keine Ehren- und Priesterstellen bekleiden8), waren
im Heiraten beschränkt9) u. dgl. m. Namentlich aber waren sie dem Frei-
lasser, als ihrem patronus, gegenüber in vieler Hinsicht gebunden, freilich
auch dieser dem Freigelassenen gegenüber. Denn der Herr übernahm auch
nach der Freilassung eine gewisse Garantie für die Existenz des libertus,
indem er ihm entweder, wenn er kein peculium hatte, ein Kapital zur Be-
gründung eines Geschäftes vorschoß oder schenkte 10) oder ihm Wohnung
und Unterhalt in seinem Hause gewährte * l) ; dafür stand der Freigelassene
ganz unter der Gerichtsbarkeit seines Patrons12), mußte diesen, wenn er
bedürftig war, mit seinem Vermögen unterstützen oder ganz unterhalten13),
überhaupt aber alle bei der Freilassung dem Herrn gegenüber eingegangenen
Verpflichtungen, die er meist auch beschworen hatte und die sich manchmal
noch bis über den Tod des Patrons hinaus erstreckten, pünktlich erfüllen14).
Starb der Freigelassene kinderlos, so war der Herr sein Erbe15) und, wenn
er Töchter oder unmündige Kinder hinterließ, deren Vormund16). Und auch
im Tode blieb der Freigelassene noch im Zusammenhang mit seinem ehe-
maligen Herrn, indem dieser für die Bestattung Sorge trug und ihm, wenn
möglich, einen Platz im Familiengrabe einräumte17).
J) Vgl. Rein bei Pauly IV 1026 ff. Lecri-
vain bei D.-S. III 1200 ff.
2) Das bedeutet, daß er an den Gentil-
rechten des Herrn, Festen und Gräbern, An-
teil hat, vgl.MoMMSENRöm.ForschungenI371.
Samter Familienfeste 32.
3) Quint. decl. 311. Beispiele s. bei Mar-
qüardt 21 A. 6.
4) Polyb. XXX 16. App. Mitbr. 2. Pers. 5, 78.
5) Vgl. Mommsen Rom. Forsch. I 30. Le-
crivain a. a. 0.
6) Serv. ad Aen. VIII 564. Non. 528, 19.
Plaut. Amph. 462. Liv. XLV 44, 19. Da sonst
langes Haar das Zeichen des Freien ist, so
bedeutet das Rasieren des Kopfes hier, daß
das Haar den Göttern zum Opfer dargebracht
wird, Jahn z. Persius p. 138. Samter a. a. O.
46 f.
7) Plaut. a.a.O. Liv. XXIV 16, 18; 32, 9;
XXX45,5;XXXIV52,12;Polyb.a.a.O.Petron.
41, 4 u. a. m. Wie Samter Philol. LIII (1894)
535 ff. und Familienfeste 33 ff. darlegt, ist der
pilleus, der ja auch alte Priestertracht ist, bei
den Priestern wie bei den Freigelassenen ein
Ersatz für die Verhüllung des Kopfes, also
gleich dieser als Lustrationsritus zu betrachten.
8) Auch die Söhne in der Regel nicht,
erst die Enkel (duöbus ingenuis orti) Liv. VI
40, 6. Plin. XXXIII 32. In der Kaiserzeit wur-
den davon allerdings sehr oft Ausnahmen ge-
macht und es ist bekannt, daß Freigelassene
die höchsten Ehrenstellen bekleideten; aber
manche Kaiser hielten an der Regel fest, Spart.
Hadr. 21, 2. Lampr. AI. Sev. 19, 4.
9) Die Ehe zwischen Freigeborenen und
Freigelassenen galt als ignominia,Liv.XXXlX
19, 5. Cic. pr. Sest. 52, 110; Phil. II 2, 3. Plut,
Cat. m. 24.
10) Mommsen Rom. Forsch. I 367. Mar-
QÜARDT 165 A. 4.
n)Plin.ep.II17,9.Digg.VII8,2,l;IX 3,5,1.
1S) Früher ganz direkt, s.Val. Max. VI 1,4
Suet. Caes. 48, später war Klage beim prae-
fectus urbi erforderlich, Digg. XXXVII 14, 1 ;
ebd. 10.
13) Digg. XXV 3. 5, 18 ff. ; XXXVII 14, 24;
auch Besorgung der Leiche des Patrons konnte
ihm anheimfallen, App. Mithr. 60.
14) Cic. ad fam.XIV4, 4; ad Att.VII2,8.
Digg. XXXVIII 1.
15) Ursprünglich nur, wenn der libertus
kein Testament gemacht hatte, später empfing
er allemal einen Teil der Erbschaft als Pflicht-
teil, s. Rein a. a. O. 1033.
16) ülp. 11,3. Inst. 117. Dkg. XXVI 4.
17) Vgl. Abt. II Abschn. VIII.
Zweite Abteilung.
Das Leben.
Erster Abschnitt.
Geburt und Kindheit.
Litteratur.
Beckek-Göll II 61 ff.
Makquardt-Mau 60 ff.
E. Pottier bei Daremberg-Saglio II 477 ff.
G. vanHoorn De vita atque cultu puerorum monumentis antiquis explanato. Amstelodami 1909.
Nach dem Glauben der Römer hat jeder Mensch seinen eignen Genius l),
der mit ihm geboren wird, während seines ganzen Lebens sein Schützer
und Geleiter ist und zuletzt mit ihm stirbt2); ihm ist der lectus genialis,
das Ehebett3), geheiligt, er wird mit Penaten und Laren von den Haus-
bewohnern verehrt4). Daher ist denn auch bei den Römern dem Geburts-
tage eine besondere Feier gewidmet gewesen5). An diesen Tagen wurden
dem Genius natalis Opfer dargebracht, meist unblutiger Art6), und Gebete
an ihn gerichtet, zumal am Geburtstag des Hausherrn, an dem auch die
Sklaven dem Genius Weihgaben brachten 7). Ebenso beteiligten sich Freunde
und Bekannte daran, die auch, gleich den Familienangehörigen, dem Geburts-
tagskinde Geschenke darbrachten8). In der Regel fand auch ein Schmaus
statt9), an dem die Verwandten und die eigens dazu eingeladenen Freunde10)
teilnahmen und bei dem auch der Geburtstagskuchen eine Rolle spielte11)
und die Feiernden in weißen Festgewändern erschienen12). Etwas weniger
') Vgl. Preller-Jordan Röm.Myth.I77ff.;
II 195 ff. Wissowa Rel. u. Kult. d. Rom. 154 ff.
Doch hat streng genommen nur der Mann
einen Genius, die Frau im gleichen Sinne eine
Inno. Plin. II 16. Sen. ep. 110, 1; daher sagt
Quai Ulla bei Petron. 25,4: Iunonem meamira-
tam habeani.
2) Censor. de d. nat. 3,5. Hör. ep. V 2, 187.
3) Siehe oben S. 30.
4) Die in Pompeji oft an den Außenmauern
oder im Innern bei der aedicula aufgemalten
Schlangen sind Symbole des Genius, s. Pers.
1. 113. Overbeck Pompeji, im Register unter
jchlangenbilder. Mau Pompeji 241; 280.
5) P. G. Schoene De veterum sollemnibus
natalibus, Halberstadt 1832. Wilh. Schmidt
Geburtstag im Altertum, Gießen 1908 (hier
S XIII ältere Litteratur).
6) Besonders Wein, Tib. I 7, 50: II 2, 8.
Ov. tr. V 5, 12. Pers. 2, 3, und Kuchen, Ov. tr. III
13, 17. Calpurn. ecl. 5, 27. Mart. X 24, 4; auch
Weihrauch, Tib. II 2, 3 ; IV 5, 9. Ov. am. II 1 3,
23, und mehr bei Schmidt a. a. O. 26.
7) Inschriftl. Beispiele bei Wissowa 155
A.ll.
8) Beispiele von Geburtstagsgeschenken
Mart. X 87; mehr Schmidt 29. So beschenkte
der Vater die Kinder, Plaut. Rud. 1171, der
Bruder die Schwester, ders. Cure. 656. Ab-
wesende gratulierten schriftlich, vgl. z.B.Fronto
ad M. Caes. III 9 p. 47 (Nab.).
9) Die eena natalicia, Cic. Phil. II 6. 15.
Plaut. Capt. 174 ; Pseud. 1 65 ff. ; Pers. 768 ff. u. s. ;
vgl. Marquardt 251 A. 8.
10) Vgl. Schmidt 28.
") Ov. am. I 8, 94; tr. IV 10, 12. Tib. I 7,
54; 112. 8; III 13, 17.
,2) Ov. tr. III 13, 14; V 5. 7. Hör. sat. II 2,
60. Auf das Anlegen besonderen Schmuckes
deutet Pers. 1, 15 mit Schol.
300
Zweite Abteilung. Das Leben.
festlich wurden die Geburtstage der Frauen und Kinder begangen x). Dies
vorausgeschickt, gehen wir vom Geburtstage zum Tage der Geburt über.
Der Akt der Entbindung, wie die ganze ihm vorausgehende Zeit der
Schwangerschaft2), stand bei den Römern, die für alle Lagen und Bedürfnisse
des täglichen Lebens ihre besondern schützenden Gottheiten hatten3), unter
dem Schutz der Iuno Lucina4). Die jedenfalls hygienischen Zwecken dienenden
Binden, mit denen sich die schwangern Frauen den Leib umwickelten, wurden
vorher im Tempel der Lucina geweiht5); im selben Tempel verrichteten die
Frauen während der Schwangerschaft ihre Gebete6); Iuno Lucina rief die
Gebärende in ihren Wehen um Beistand an 7), und ihr wurde nach glücklich
erfolgter Entbindung geopfert s). Bei der Entbindung, zu der man eine
Kerze anzuzünden pflegte9) und die wohl meist in der Liegestellung vor
sich ging10), leistete in den meisten Fällen11) eine Hebamme, obstetrix12),
Beistand. Diese Frauen, die mitunter in vornehmen Häusern sich unter
den Sklavinnen fanden13), waren in der Regel wohl von geringer Bildung14),
') Ov. tr. IV 5, 1. Sen. dial. IV 33, 4; frg.
51 Haase.
2) Iuno Lucina überwachte auch die Ent-
wicklung des Kindes im Mutterleib und führte
davon den besonderen Beinamen Ossipaga oder
Ossipagina, Arnob. III 13; IV 7 f., als solidatrix
ossuum. Vgl. H. Peter bei Röscher II 209. Ter-
tull. de an. 37 erwähnt als besondere Schutz-
göttin des Kindes im Mutterleib die Alemona,
ebd. eine Göttin Partula als Geburtsgöttin.
3) Siehe den Artikel Indigitamenta von
Peter bei Röscher II 129 ff. Die Hauptquellen
darüber sind die aus Varro stammenden Auf-
zählungen bei Tertull. ad nat. II 11; de anima
37 u. 39. August, civ. Dei IV 11 u. 21; VII 2
u. 3 ; Zusammenstellung bei Peter a. a. 0. 143 f.
4) Verg. ecl. 4, 10. Hör. epod. 5, 5. Ov. fast.
II 451. Prop.V (IV) 1, 99. Plut. qu. Rom. 77
p. 282 C u. a. m. ; daß Lucina auch Diana sein
kann, zeigt Catull.34, 13. Hör. carm. saec. 14 f.
In dergleichen Eigenschaft als Geburtshelferin
heifitIunoauchOpifera,Festus 200,7. Mart.Cap.
II 149. Vgl . Preller-Jordan Rom. Myth. 1271.
Wissowa Relig. u. Kult. d. Römer 116. Röscher
II 581. Andere Geburtsgottheiten s. Marquardt
Röm.Staatsverw.IIIll, und über die sog. Nixi
Di, deren Bedeutung von WissowAPhilol.Abh.
M. Hertz dargebr. 156 ff. bestritten wird, vgl.
v. Basiner Rh. M. LX (1905) 614 ff.
5) Tert. de an. 39 ; mit diesen Binden wurde
nach der Geburt der Lucina eine ganze Woche
lang ein Opfertisch gedeckt, s. ebd.
6) Plaut. Truc. 476 : und zwar nahten sie
sich der Göttin mit offenem Haar und ohne
Knoten in der Kleidung, weil jede Verknotung
als der Geburt hinderlich galt, Serv. ad Aen.
IV 518. Ov. fast. III 257.
7) Plaut. Aul. 692. Ter. And. 473. Cic. nat.
deor. II 27, 68. Macr. VII 16, 27 u. s. Es gab auch
besondere Gottheiten für die Kindslage, Prorsa
für die normale, Postverta für die Steifslage,
Varro b. Gell. XVI 16, 4. Tert. ad nat. Uli;
vgl.PETERa.a.0.216f. Ob es römischer Brauch
war, daß die Gebärende die Götter operto ca-
pite anrief, wie Plaut. Amph. 1094, wissen wir
nicht.
8) Tert. de an. 39. Schol. Bern, ad Verg.
ecl. 4, 62.
9) Daher auch Candelifera eine Geburts-
göttin ist, Tert. ad nat. Uli; Mutter und Kind
sollten dadurch vor den in der Dunkelheit
schwärmenden bösen Geistern geschützt wer-
den, s. Crusius bei Röscher I 850.
10) Obschon die Alten auch Geburtsstühle,
dicpgoi IoxeToi, kannten, Artemid. On.V 73. Suid.
s. loyaloi SlcpQoi. Soranus gynaec. I 67 p. 236
Rose nennt als Erfordernis zur Entbindung
diqpgov fiaiwztxov rj xaüsdgav. Vgl. BÖTTIGER
Kl. Sehr. III 4 f. v. Siebold Gesch. d. Geburts-
hilfe (Berlin 1839) I 71. Den gewöhnlichen Her-
gang schildert Plaut. Truc. 478 : face ut adeum-
bam, accede, adluta: em sie decet puevperam. |
soleas mihi deduce, pallium inice in nie huc.
So sieht man auf römischen Denkmälern mit
Darstellung einer Geburt die Mutter auf dem
Bett liegen, vgl. das Gemälde aus den Titus-
Thermen Daremberg-Saglio I 219 Fig. 241.
Schreiber Bilderatlas Taf. 82, 3.
n) Ausnahmen sind selbstverständlich; so
Plaut. Cist. 141.
,2) Vgl. Plaut. Capt. 629. Ter. And. 299. Sen.
ep. 117. 30; im allgem. s. Böttiger Ueber die
Geburtshilfe bei den Alten, Kl. Sehr. III 1 ff.
H. Ploss Das Weib in der Natur- u. Völker-
kunde3 II 107 f.; 183. Curatulo Die Kunst der
Iuno Lucina in Rom (Berlin 1902) 32 ff.; 55 ff.
13) Das sind bisweilen die auf Inschr. ge-
nannten obstetrices, s. CIL VI 4458; 8947 ff.;
vgl. ebd. 9718 ff. Vgl. Marquardt 156 A. 9.
Curatulo 56 ff. Eine Berufshebamme war da-
gegen die Iulia Primigenia, die in ihrer Grab-
schrift von sich sagt: fiala jioDm? acüaaoa yv-
vaixag ovx stpvyov Moioag, Not. d. seavi 1908,
269 n. 3.
14) Vgl. die Schilderung der obstetrix bei
Ter. And. 228. Ziemlich hohe Anforderungen
Erster Abschnitt. Geburt und Kindheit.
301
Isie verstanden sich aber auf allerlei Mittel, die freilich vielfach nicht viel
Imehr als Sympathiemittel oder dergleichen waren1); sie übernahmen wohl
lauch die erste Pflege des Neugebornen und der jungen Mutter2) und wurden
dafür honoriert3). Vorher aber hatte der Vater das Kind anzuerkennen, und
Izwar geschah dies in der Form, daß dasselbe auf den Boden gelegt4) und
vom Vater von diesem aufgehoben wurde5), daher dieser Akt der Anerkennung,
dem die Göttin Levana vorstand6), mit tollere oder suscipere bezeichnet wurde7).
Dem Vater stand nämlich das Recht zu, das Kind auszusetzen8), und wenn
auch schon sehr früh dies Recht eingeschränkt9) und wesentlich auf Miß-
geburten angewandt wurde, die man ertränkte10), so kam der barbarische
Brauch doch noch lange nicht ab11). Sehr viele der ausgesetzten Kinder
kamen dabei ums Leben; die von jemandem gefunden und auferzogen
wurden, waren dessen Sklaven12) und wurden oft nur zum Betteln oder
zur Prostitution abgerichtet13). Erst unter Alexander Severus wurde
Kindesaussetzung als Mord betrachtet14), doch mußte das Verbot wiederholt
erneuert werden15), und auch christliche Schriftsteller sprechen noch von
der Unsitte16).
Dies Recht der Aussetzung beruhte auf der fast unbeschränkten Gewalt
des Vaters über die Kinder, der patria potestas, von der hier nur das Wichtigste
angegeben werden kann, da der Gegenstand eigentlich ins römische Privat-
an eine gute Hebamme stellt Soranus gynaec.
1 3p. 172, u.a. auch Kenntnis der einschlägigen
Fachliteratur.
») Plin. XXVIII 255; erführt namentlich
Rezepte und Mittel berühmter griechischer Heb-
ammen (Elephantis, Lars, Salpe, Sotira) an, ebd.
81 ff.; XXXII 135; darunter auch Mittel zur
Kindsabtreibung, womit sich die alten Heb-
ammen wohl ebenso, wie die modernen, ab-
gegeben haben mögen, ebd. 70; doch spricht
er an einer andern Stelle, ebd. 67, achtungsvoll
von der obstetricum nobilitas. Tert. de an. 39
spricht von der idololatria obstetrix, zu der
in. a. das Umwickeln des Unterleibs mit in-
fulae gehörte.
2) So war es ihre Sache, die blutigeWäsche
zu waschen. Hör. epod. 17, 51.
3) Plaut, m. gl. 697 : tum opstetrix expostu-
lavit mecum, parum missum sibi.
4) Samter Familienfeste 59 ff. erklärte
diesen auch bei andern Völkern sich finden-
den Brauch damit, daß das Kind dadurch unter
den Schutz der Hausgötter gestellt werde; im
Anschluß an Dieterich Mutter Erde (Leipzig
1905) nimmt er A. A. 1908, 523 an, daß zugleich
durch das Legen auf die Erde das Kind der
Gottheit der Erde geweiht werden solle.
5) Varro b. Non. 528. 12: natus si erat vi-
\talis ac sublatus al> obstetrice, statuebatur in
\terra, ut aspiceretur, num rectus esset. Ov.
tr. IV 3, 46. Plin.VII 2. Suet. Aug. 5 ; Nero 6.
6) Tert. ad. nat. II 11. Augustin. civ. Dei
IV 11: vgl. Peter a. a. 0. 201
7) Plaut. Amph. 501 : Truc. 398; Most.122;
Cist.550. Ter.Andr.219; Heaut.628; Hec.571.
Hör. sat. II 5. 46. Verg. Aen. IX 203. Cic. ad
Att. XI 9, 3. Plin. ep.VIII 23, 7 u. s.
8) Gaius I 55.
9) Nach Dion. Hai. II 15, 2 wäre schon
unter Romulus bestimmt worden: äjiaoav ä(j-
geva yeveav luxgirpeiv xal ftvyaieQcov lag jtq(o-
xoyevovg, anoxxivvvvai de fit)Ökv xcüv yevvcopsvcor
vewzfoov xgtsxovg, jtXrjv el'xi yivoixo jzaidiov dvd-
jirjQOV i) xegag svdiig anö yovfjg.
10) Nach dem Zwölftafelgesetz, Cic. delegg.
III 8. 19; vgl.dieProdigiensühnungLiv.XXVII
37, 5 f. ; und daß dies noch in der Kaiserzeit
gebräuchlich war, zeigt Sen. dial. III 15, 2: li-
beros quoque, si debiles monstrosique editi sunt,
mergimus.
11) So auf Befehl des Augustus ein Kind,
das seine Enkeltochter Iulia nach ihrer Verurtei-
lung bekommen hatte, Suet. Aug. 65. Andere
Beispiele Dio Cass. XLV 1, 5. Suet. de gramm.
7: ebd. 21. Sen. controv. 1X26. Am Sterbetage
des Germanicus, als einem dies ater, wurden
viele Kinder ausgesetzt. Suet. Cal. 5.
12) Plin.ep.adTrai.66(72); 73(78)Momms.
13) Sen. contr. X 33. Die Juristen haben
den Gegenstand öfters behandelt; vgl. auch
Zumpt Ueber d. Stand d. Bevölkerung i. Altert.
67 ff. Becker Die Behandlung verlassener Kin-
der im klass. Altert., Frankfurt a.M.1871, und
im allg. Rein Rom. Privatrecht 485 und den
Artikel Expositio von Humbert in D.-S. II 939 ff.,
wo anderweitige Litteratur angegeben ist. Dazu
vgl. noch E. Diehl im Rh. M. LX1I (1907) 391 ff.
14) Digg. XXV 3, 4.
15) Cod. IustVIII 51 (52), 2. Cod. Theod.
IX 14, 1 verbietet nur die Tötung.
16j Vgl. Becker-Göll II 65. Marqüardt
3 A. 1.
gQ2 Zweite Abteilung. Das Leben.
recht gehört1). Die patria potestas dauerte, die unten zu nennenden Aus-
nahmen abgerechnet, bis zum Tode des Vaters, mochten die Kinder noch
so alt werden und die Söhne eine eigene Familie begründen oder hohe
Ehrenstellen bekleiden2), und sie verlieh dem Vater ursprünglich das Recht,
den Sohn körperlich zu züchtigen, in die Sklaverei zu verkaufen, ja zu
töten3). Das Tötungsrecht, das von dem Zwölftafelgesetz ausdrücklich
bestätigt worden war, blieb bis in die Kaiserzeit hinein zu Recht bestehn4);
und daß dies Recht nicht bloß ein papierenes war, belegen eine Anzahl
glaubhaft bezeugter Fälle, wo der Vater den Sohn tötete, bis ins erste Jahr-
hundert v. Chr. hinein5); nur scheint es, daß in der Regel ein Familienrat
beigezogen wurde6). Erst in der Kaiserzeit kam der Brauch ab7), obschon
er erst in der christlichen Zeit wie Mord bestraft wurde8). Beschränkter
war das Verkaufsrecht des Vaters; schon als Verordnung des Numa galt
es, daß ein verheirateter Sohn nicht verkauft werden dürfe9). Die Be-
stimmung der zwölf Tafeln, daß der Vater den Sohn nur dreimal verkaufen
dürfe10), war nur eine Form der Emanzipation; daß aber Fälle wirklichen
Verkaufes vorkamen, ist nicht zu bezweifeln, wenn sie auch selten erwähnt
werden, weil sie mehr in den untersten Schichten der Bevölkerung vor-
gekommen sein werden11). Ein bestimmtes Verbot des Verkaufs erfolgte
unter Diocletian12), doch gestattete ihn Constantin noch im Falle großer
Armut der Eltern13). Alle diese Rechte der patria potestas übte der Vater
nicht nur über seine Söhne, sondern auch über deren Nachkommen aus;
sie wurden, abgesehen vom Tode des Vaters oder des Sohnes, nur durch
folgende Umstände aufgehoben: bei Söhnen 1. wenn Vater oder Sohn die
Civität verlor, durch Exil, Gefangenschaft u. dgl.; 2. wenn der Sohn von
jemand adoptiert wurde, wodurch er aber nur aus der potestas des natür-
lichen in die des Adoptivvaters überging14); 3. durch die Arrogation des
Vaters, d.h. wenn dieser sich adoptieren ließ; 4. durch Emanzipation, d.h.
durch dreimaligen Scheinverkauf mit dreimaliger Freilassung; 5. wenn der
Sohn Flamen dialis wurde; bei den Töchtern: 1. wenn sie heirateten, wo-
durch sie aber nur aus der potestas des Vaters in die manus des Mannes
übergingen; und 2. wenn die Tochter Vestalin wurde15).
J) Vgl. Maeqüakdt 2 ff. Rein Privatrecht
d. Rom. 468ff.KAELOWARöm. Rechtsgeschichte
II 79 ff. Waltek Gesch. d. röm. Rechts II 100 f.
L. Beauchet bei D.-S. IV 344 ff.
2) Dion. Hai. II 26, 4 : 6 de xwv 'Pco/mxicov
vofiodezt]? äjiaoav w? eliieiv edaixev egovoiav
jiargi y.ad? viov xal Jiaga ndvxa zov zov ßiov
yqövov.
3) Ebd.: edv re eiQyeiv, edv ze [Aaoziyovv,
edv re deo/MOV ejil xcbv xax' äygöv egycov xaxe/eiv,
edv re dnoxTivrvvcu jipotatoijxat.
4) Cic. de domo 29, lf. Liv. I 26, 9. Gell.V
19,9. Sen.contr.il 11, 15. Digg. XXVIII 2. 11.
5) Die erhaltenen Beispiele sind aufgezählt
bei Rein 483 f.
6) Val. Max. III 5,1; V8,2; ebd. 9,1. Sen.
de clem. 1 15, 3.
7) Was Sen. de clem. I 15, 1 von einem
Ritter Tricho erzählt, der seinen Sohn zu Tode
geprügelt hatte und vom erbitterten Volke
gelyncht wurde, könnte heut ebensogut vor-
kommen.
8) Cod. Iust. 1X15; ebd. 17.
9) Dion. Hai. II 27. Plut. Numa 17.
10) Si pater filium ter venum duit, filim
apatre Über esto, Ulp. 10, 1. Gaius 1 132; IV 79.
n) Gegen Rein 486, es seien Beispiele des
Verkaufs nicht nachzuweisen, spricht die be-
stimmte Ausdrucksweise Cic.proCaec. 34, 98:
de or. I 40, 181.
12) Cod. Iust. IV 43. 1.
13) Ebd. 2.
14) Für die Adoption und das dabei üb-
liche, sehr umständliche Verfahren, auf das
wir hier nicht näher eingehen können, ver-
weise ich auf Rein 472 ff. Baudry bei D.-S. I
78. Leonhard bei P.-W. 1 398, wo anderweitige
juristische Litteratur angegeben ist.
15) Siehe die Belegstellen bei Rein a. a. O.
496 ff.
Erster Abschnitt. Geburt und Kindheit.
:l(i:;
Kehren wir nach dieser Abschweifung wieder zum Neugebornen zurück.
Dieses wurde sofort nach der Geburt, der zu Ehren man die Haustür
bekränzte1), wie man denn auch der jungen Mutter Glückwünsche dar-
zubringen pflegte2), von der Hebamme oder einer älteren Verwandten in
einem Becken (alveus9)) gebadet4), in Windeln (fasciae0), auch runabula*))
gewickelt, und zwar nach einem auch bei den Griechen und heut noch im
Süden herrschenden Brauche derart, daß der ganze Körper mit Armen und
Beinen eng damit umschnürt wurde7); auch der Kopf pflegte mit eingehüllt
oder mit einem Mützchen bedeckt zu werden s). So wurde das Kind in die
mit Kissen versehene Wiege, cunae9), die zum Schaukeln eingerichtet war10),
getan und durch darüber befestigte Bänder vor dem Herausfallen geschützt11).
Während der ersten acht Tage, primordial), fanden verschiedene reli-
giöse Zeremonien, namentlich für Iuno Lucina und die besondern Gott-
heiten des ersten Kindesalters13), statt14); das in der Regel noch namenlose
J) luv. 9, 85.
-) Plaut. Truc. 384 u. 516.
z) Capit. Albiu. 5, 6, wo erwähnt wird, daß
dazu damals in der kaiserlichen Familie Schild-
patt das übliche Material dafür war.
4) Plaut. Amph. 1 103 ; Truc. 902. Ter. Andr.
483. Ausführlich handelt über das Kinderbad,
Zusätze zum Badewasser u.dgl. Soranusgynaec.
I 8] f. p. 251: er verwirft das kalte Bad der
Germanen und Skythen und empfiehlt Salz,
Nation u. dgl. als Zusatz. Dies Bad ist dar-
gestellt auf dem oben S. 300 A. 10 erwähnten
Gemälde der Titus-Thermen, auf dem Relief
mit Szenen aus dem Leben des Achilles Bau-
meister Denkmäler 4 Fig. 5, auf einem römi-
schen Sarkophag, RAOUL-RooHETTEMonum.in-
ed. PI. 77. Amelung Skulpt. d. vatican. Mus. I
591 n. 424 Iva, Taf. 61 (vgl. Dakembekg-Saglio
II 479 Fig. 2608. Schreiber Taf. 82, 5) u. s.
5) Plaut. Truc. 905 ; fasciolae, Vopisc. Au-
rel. 4, 6; sie waren nicht immer weiß, sondern
auch rot. rmsulae fasciolae, Capitol. Albin. 5,
1U. und in Kaiserfamilien auch purpurn. Hero-
dian. 1 5, 5. Daher kommt wohl die Redensart:
mm es nostrae fasciae, Petron.46, 1, die frei-
lich Heraeus bei Friedländer CenaTrimälch.
267 anders deutet, doch schwerlich mit Recht.
Vom Wickeln der Kinder handelt Soranus I
83 ff. p. 252. Eine sorgsame Mutter, wie die
Frau des alten Cato, besorgte das Baden und
Wickeln der Kinder selbst, Plut. Cat. mai. 20.
Vgl. im allg. Mau bei P.-W.VI 2006.
6) Verg. ecl. 4, 23. Cic. de div. I 36, 79 ;
doch bedeutet dies Wort auch die Wiege, die
Glossen erklären es daher ebenso durch o.iäo-
yava, panni in quibus infantes obroIrnntur,v?ie
durch ßaßähov, liy.rov, ras in quo iacent in-
fantes, cunae, s. Corp. Gloss.VI 295. In über-
tragener Bedeutung ist es sehr häufig, vgl.
Colum. I 3, 5. Apul. met. II 31.
7) Abbildungen von Wickelkindern zeigen
diese Art des Einhüllens, s. z.B. Gerhard Ges.
Abhandl. I Taf. 80, 2. Daremberg-Saglio II 979
Fig. 2877, und mehr bei Lafaye ebd. 980 A. 3
und van Hoorn 6 ff.
8) Beispiele s. van Hoorn 16 f.
9) Plaut. Truc. 905; Pseud. 1177; AmpL
1 107. Mart. IX 8, 3. Vopisc. Aurel. 4, 6 Capitol.
Albin. 5, 8; Abbildungen finden sich öfters,
vgl. die Terrakottafigürchen bei Winter Typen-
katalog II 271. Saglio bei D.-S. 1 1588, beson-
ders die Skulptur des Museums von Beaune,
ebd. Fig. 2130. Beschützerin des in der Wiege
liegenden Kindes ist die Cunina, Varr. b. Non.
167, 25. Aug. civ. D. IV 8; ebd. 11 u. s.: vgl.
rFTFR fl £L \) 1 Qn
10) Mart. XI 39,1. Galen VI 37 unterschei-
det drei Arten der Bewegung des Kindes durch
die Amme: das Schaukeln der Wiege, des auf-
gehängten Bettchens und auf den Armen, und
teilt die Ansichten von Aerzten über Nutzen
oder Schädlichkeit davon mit.
n) Das sind die incunabula, Plaut. Amph.
1104; der ganze Apparat wird Truc. 905 auf-
gezählt: fasriis OpUS es/, pulrinis, cunis, iu-
cnnahulis; die Vorrichtung ist an der erwähn-
ten Figur von Beaune deutlich zu sehen. In-
cunabula hat dann ebenso wie cunae die übertr.
Bedeutung von Herkunft, Ursprung bekommen,
vgl. Liv. IV 36, 5. Cic.Verr. IV 49, 107 u. s. In
reichen Häusern waren die Wiegen und die
Kissen dazu oft kostbar ausgestattet; das sind
die cunae segmentatae, luv. 6, 89. Plaut. Truc.
906 zählt als Erfordernisse der Wochenstube
auch Oel und Mehl auf, wohl beides für das
Kind (das Mehl zum Einstäuben).
12) Serv. ad Verg. ecl. 4. 1.
u) Zumal diejenigen, die vom Kinde den
bösen Einfluß des Silvanus abhalten. Inter-
cidona, Deverra und Pilumnus oder Picumnus,
August, civ. Dei VI 9. Varro b. Non. 528, 24.
Serv. ad Aen. X 76. Tert. de an. 29: dum per
istam hebdomadern Inno»! mensa propon&ur,
dum ultima die Fata Scribunda advOcantur,
dum prima etiam constitutin infantis super
terram Statinae deae sacruni ext. Vgl. Mar-
quardt Rom. Staatsverw. III 12. Peter a. a. O.
197; 200; 213 f.
u) Serv. ad Verg. ecl. 4, 62. Tert. de an. 39.
Ob das bei Plaut. Truc. 423 erwähnte Opfer
304
Zweite Abteilung. Das Leben.
Kind x) hieß in dieser Zeit pupus oder pupa, ein Kosewort, das auch älteren
Kindern noch verblieb und daher auf Grabschriften häufig ist2). In der Regel
aber bekam das Kind seinen Namen (d. h. das praenomen, denn das nomen als
Name der Gens und das cognomen als Name der Familie waren gegeben3))
am sogenannten dies lustricus, der bei den Mädchen der achte, bei den
Knaben der neunte Tag nach der Geburt war4). Diese mit Opfer ver-
bundene Feier, bei der das durch den Geburtsakt noch unreine Kind seine
religiöse Reinigung und Weihe empfing 5), fand in Anwesenheit der nächsten
Verwandten statt und war zugleich ein Familienfest6).
Eine offizielle Anmeldung der Geburt bei einer Behörde war in der
republikanischen und der ersten Kaiserzeit nicht üblich, nur war es alter
Brauch, ein Geldstück an den Tempelschatz der Iuno Lucina abzuliefern,
wie bei Anlegung der toga virilis ein solches an den Schatz der Iuventas
und bei einem Todesfalle an den der Libitina gezahlt wurde7). Amtliche
Geburtslisten führte aber erst Marc Aurel ein, und zwar mußte der Vater
innerhalb dreißig Tagen den Tag der Geburt und den Namen des Kindes
anmelden, in Rom beim praefectus aerarii, in der Provinz bei den tabularii
publici*); von den darüber ausgestellten Urkunden kam die eine ins Archiv,
während die andere der Familie eingehändigt wurde9).
am fünften Tage (die griech. Amphidromien)
auch römischer Brauch ist, ist nicht sicher,
Maequardt Privatleb. 83 A. 7.
*) Doch kommen inschriftlich Fälle vor,
wo innerhalb der ersten acht Tage verstorbene
Kinder bereits mit Namen aufgeführt werden,
s. C1LX 2221: 2454; 8131.
2) So auf Inschriften jung verstorbener Kin-
der, auch wenn diese mit ihren richtigen Namen
angeführt werden, CIL III 1236 ; 4471 ; V 5505;
VI 27556 ; IX 2789 ; X 2221 ; XIII 1985 ; vgl. X
2454 (wo ein Mädchen von 4 Jahr 10 Monat und
ein Knabe von 1 Jahr 6 Monat als femina und
puer bezeichnet sind). Not. d. scavi 1902, 95.
Zum Gebrauch als Kosewort s. Varro b. Non.
156, 17. Suet. Calig. 13. Der Annahme von Ca-
gnat Cours de l'Epigr. latine 45 ff. und Hübneb
im Handbuch 1 2 654 f., daß pupus auch als Vor-
name gebraucht worden sei. widerspricht Joh.
Schmidt im Philol. Anzeiger 1887, 5, der an-
nimmt, daß nur zuweilen in praxi der wirk-
liche Vorname des Kindes dadurch so gut wie
verdrängt worden sei. Vgl. auch Michel Du
droit de la cite Romaine 142. Fred Hellems im
Amer. Journ. of Archaeol. 2. Ser. III (1899) 203.
3) Auf die römischen Namensverhältnisse,
die im Laufe der Zeit mannigfache Verände-
rungen durchmachten und bei den Mädchen
andere waren, als bei den Knaben, kann hier
nicht näher eingetreten werden, vgl. besonders
Mommsen Römische Forschungen I 1 ff.; eine
gut zusammenfassende Darstellung gibt Mab-
quabdt 7 ff., wo anderweitige Litteratur zu
finden ist; ferner Rein bei Pauly V 673 ff. und
C.Morel bei D.-S. IV 92 ff.; über das Signum,
den Schlag- oder Rufnamen, s. E. Diehl Rh. M.
LXII (1907) 390 ff.
4) Darnach hieß die Göttin Nundina, Macr.
I 16, 36: est etiam Nundina Romanorum dea
a nono die nascentium nuncupata, qui lu-
stricus dicitur: est autem lustricus dies quo
infantes lustrantur et nomen accipiunt, sed is
maribus nonus, octavus est feminis. Plut. qu.
Rom. 102 p. 288 B. führt als Grund an, daß
in der Regel am siebenten Tage der Nabel-
schnurrest abfällt. Festus 120,19. Suet. Nero 6.
Arnob. III 4.
5) Daher solennitas nominalium, Tert. de
idol. 16. Daß Mabquardt 83 aus Suet. Calig. 23
zu Unrecht auf eine Darstellung des Kindes
im Tempel schließt, bemerken Mau ebd. und
Becker-Göll 68 unter Bezugnahme auf los.
ant. lud. XIX 2 mit Recht.
6) Vgl. Suet. a. a. O., die Abhaltung eines
Festmahles ist allerdings nicht bezeugt.
7) L. Piso bei Dion. Hai. IV 15, 5, der diese
Einrichtung dem Servius Tullius zuschreibt
und als Zweck angibt, es sollte dadurch jedes
Jahr konstatiert werden, wer und wieviel das
kriegpflichtige Alter erreicht hätten. Darnach
könnte es scheinen, als ob der Brauch bloß
für Knaben resp. Männer galt. Vgl. Levison
Die Beurkundung des Civilstandes im Altertum,
Rhein. Jahrb. CII 1 ff.
8) Capitol. M.Anton. ph. 9,7; vgl. Digg. XXII
3,16; ebd. 3, 29, 1 ; XXVII 1, 2, 1. Die Littera-
tur hierüber verzeichnet Mabquardt 87 A.l.
9) Apul. apol. 89. Serv. ad Verg. Georg. II
502. Diese populi tabularia befanden sich in
dem aerarium Saturni im Saturntempel am
Forum. Der mehrfach aufgestellten Annahme,
daß diese Register in den acta diurna, dem
offiziellen Amtsblatt, publiziert worden seien,
treten Marquardt 88 und Becker-Göll 75 mit
Erster Abschnitt. Geburt und Kindheit.
305
Schon bald von der Geburt an, nicht minder aber in den ersten Kinder-
jahren, kamen allerlei abergläubische Gebräuche in Anwendung, an denen
außer den Müttern und weiblichen Anverwandten sich namentlich auch die
Ammen und Kinderwärterinnen beteiligten x); man glaubte nämlich, daü gerade
hilflose kleine Kinder am meisten dem schädlichen Einfluß des bösen Blicks
Fig. 50. Halsband mit Amuletten.
(derfascinatio) ausgesetzt seien2). Wie die Griechen, so hängten auch die Römer
den Kindern zur Abwehr Amulette (anmietet3), auch praebia genannt4)) um den
Hals, allerlei Figürchen schützender Gottheiten, auch Vorstellungen obseöner
Art, die für besonders wirksame Zauberabwehr galten5) (vgl. Fig. 50 6)); aber
spezifisch römischer, von den Etruskern übernommener7) Brauch war es,
Recht entgegen. Ueber die Art, auf die man
vorging, das Alter von jemandem zu konsta-
tieren, bei dessen Geburt die professio beim
aerarium unterblieben war,s.MARQUAKDTa;a.O.
A. lf.
') BeiPers. 2, 31 ist es die Grof3mutter,
die den Knaben aus der Wiege nimmt: frontem-
que atque uda labella infami digito et Ixstra-
libus ante salivis <'.rjii<<t; vgl. das. Jahn. Der
Speichel galt als besonders kräftiges Mittel
gegen den bösen Blick, weshalb die Kinder-
wärterinnen die Kinder anspieen, wenn ein
Fremder sie lobte, vgl. Plin. XXVIII 35 u. 39
und mehr bei Sittl Gebärden d. Gr. u. Römer
118; vgl. auch Riess bei P.-W. I 88.
2) Vgl. Jahn BSGW 1853, 40. Kuhnert
bei P.-W. VI 2009.
3) Das Wort amtdetum findet sich erst
bei Plinius, z.B. XXIII 20; XXV 115: XXVIII
35 ff. u. ö. (vgl. Corp. Gloss. II 16, 39; 473. 49; 566,
18), und zwar im allgemeinen Sinn für jedes
sympathetische oder abergläubische Schutz-
mittel. Seine Ableitung ist ungewiß. Wünsch
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft. IV. 2, 2. 3. Aufl
handelt darüber in der Glotta II 219ff.; er
bringt es mit aninlum = amylum (äfivXor), d.h.
Stärkemehl, in Verbindung, da dieses außer
bei der Nahrung auch in der Medizin häufige
Anwendung fand, vgl. Plin. XXII 137. Vgl. über
Amulette im Altertum Labatdt bei D.-S. I
252 ff. Riess bei P.-W. I 1984 ff.
4) Varr. 1.1. VII 108: praebia a praebendo,
quodsvnt riincdiaincoEopiieris. Festus235, 3;
238b. 32; vgl. Corp. Gloss. II 473, 49; 497, 52
(griech. (pv'/MXTi'jQia).
5) Dieses Halsband (nach Jahn a.a.O. Taf.
V 2) stammt zwar aus einem Grabe bei Kertsch,
kann aber auch für römischen Brauch als Beleg
gelten. Charakteristisch unter den Anhängseln
sindbesondersdiephallischenFiguren.dieHand,
die die Gebärde der „Feige" macht, u. dgl. m.
6) Eine Aufzählung der verschiedenen
Amulette gegen den bösen Blick gibt Jahn
a.a.O. 45 ff.
7) Daher luv. 5, 164 diebirf/a auntm Etru-
scum nennt. Ueber die buUa bei den Etruskern
s.Marquardt85A.2. Mau bei P.-W. III 1049 f.
20
306
Zweite Abteilung. Das Leben.
diese Amulette in einem besondern, medaillonartigen Behälter, der sogenannten
bulla. den Kindern, besonders den Knaben, um den Hals zu hängen1). Diese
bulla war bei den Kindern 2) vornehmer Ge-
schlechter, später bei allen Freigebornen, von
Gold3), zum Teil mit aus dem Grunde, weil man
das Gold für zauberabwehrend hielt4); solche
goldene Medaillons, die man auf antiken Bild-
werken häufig abgebildet sieht5), sind in nicht
unbeträchtlicher Zahl erhalten, meist aus Kin-
dergräbern stammend (vgl. Fig. 51) 6). Diese
Medaillons trugen die Knaben bis zur An-
legung der toga virüis, bei der sie sie den Laren
weihten7). Diejenigen Knaben, die nicht das
Recht der bulla aurea hatten oder deren Väter
zur Anschaffung einer solchen zu arm waren8),
trugen statt ihrer einen ledernen Riemen um
den Hals, in den das Amulett verknotet war
oder an dem ein dasselbe enthaltendes Leder-
säckchen hing9). Von ähnlicher Bedeutung,
obschon daneben wohl auch den Kindern als
Spielzeug dienend, waren die sogenannten
crepundia10), allerlei aus Metall gefertigte
Figürchen, wie Schwerter, Beile, Sicheln, Halbmonde, Hände, Tierfiguren
u.dgl.11), die man den Kindern ebenfalls um den Hals hängte12).
Fig. 51. Goldene bulla eines
römischen Knaben.
!) Die Litteratur über diese bullae ist recht
umfangreich; zu vgl. ist vornehmlich, außer
BECKER-GöLL70ff. und MARQUARDT84ff. . Saglio
bei D.-S. I 754 und Mau a. a. 0. 1048 ff.
*) Daß auch Mädchen die bulla trugen,
schließt Mau a. a. 0. aus Plaut. Rud. 1171 wohl
mit Recht.
3) Nach Plin. XXXIII 10 hätten sie seit
Tarquinius Priscus die Söhne der Ritter ge-
tragen, nach Macr. I 6. 11 zuerst nur die patri-
zischen Kinder, dann die von curulischen Magi-
straten. Zu Ciceros Zeit gehört die bulla aurea,
die in der Regel mit dem Recht der toga prae-
texta verbunden ist, zu den Vorrechten d er Söhne
von Freigeborenen, Cic. Verr. act. II, I 58, 152,
und wohl auch damals schon der freigebornen
Söhne von Freigelassenen, Macr. I 6, 13; daher
insignia ingenuitatis,Val. Max. V 6, 8; vgl. Cic.
a. a. 0. 44, 113. Ueber das Recht der bulla han-
delt speziell M. Voigt BSGW 1878, 186 A. 128 f.
4) Plin. XXXIII 84.
5) Aufzählung bei Marquardt 84 A. 10.
6) Siehe ebd. 85 A. 1. Mau a.a.O. 1050 f.
Die Fig. 51 abgebildete (nach Archaeol. Journ.
VIII 166) trägt den Namen Host(us) Hos{tilius),
d. h. des Knaben, der nach Macrob. VI 6, 16
von Romulus die erste goldene Bulla erhalten
haben soll; sie stammt von der Via Appia.
7) Pers. 5, 31.
8) Vgl. denFall Cic. a. a. 0. 58, 152; diegold-
ne bulla war immer ein Zeichen von Vornehm-
heit,d&snobile pectoris awumfit&t.silv.Y 3,120.
3) Macr. 1 6, 14. luv. 5, 165, mit Schol. Ps.-
Ascon. zu Cic. Verr. p. 199 Or. Vgl. sonst noch zu
äenpueribullatilnY. 13, 33; 14, 5. Macr. III 14.7.
lft) Der Name kommt wohl davon, daß man
mit ihnen klapperte, um das Kind, wie mit dem
crepitaculum. (s.u.), zu unterhalten. Vgl. über
crepundia Becker-Göll 69. Marquardt 120.
Saglio bei D.-S. 1 1561. Mau bei P.-W. III 1706.
1!) Eine Aufzählung solcher crepundia bei
Plaut. Rud. 1154 f.; eine lunula ebd. Epid. 640 ;
vgl. im allg. Plaut Rud. 1081 u. 1363 ; Cist. 656 ;
m.gl. 1399. Plin. XI 270. Cic.Brut.91,313. Man
hob sie später in einem Kästchen, einer eist eil«,
auf (Ter. Eun. 753: cistella cum monumentis),
und im Lustspiel dienen sie öfters als äva-
yvoiqiof.iaxa ausgesetzter Kinder, wie im Rudens
und in der Cistellaria; vgl. Corp. Gloss.VI 286
(erklärt durch yvcogiouara, insignia vel indicia
quae expositis infantibus adhibentur). Ein sol-
ches Halsband mit crepundia aus Gold befindet
sichin Wien, abgeb. bei Saglio a. a. O. Fig. 2066 :
auch auf Denkmälern sieht man sie manchmal,
s. ebd. Fig. 2065. Uebertragen hat a crepundiis
dieselbe Bedeutung erhalten wie ab incunO'
bulis: über das daraus entstandene Mißverständ-
nis, daß crepundia auch Windeln bedeute, s.
Mau a. a. O.
,2) Plaut. m.gl. 1399; daher Corp. Gloss. II
264, 11 als jrsQiÖEQata, ebd. V 352, 39 als monile
gutturis erklärt.
Erster Abschnitt. Geburt und Kindheit.
:;ii7
Die Nahrung des Kindes bildete in den ersten Tagen eine abgekochte
Honiglösung1), sodann aber die Muttermilch 2), die nicht nur für besonders
nahrhaft, sondern auch als bestes Mittel gegen Krankheiten galt 3). In den
guten Zeiten der Republik pflegte, wenn irgend möglich, die Mutter selbst
dem Kinde die Brust zu reichen4) (vgl. den den Lebenslauf eines Kindes
Fig. 52. Sarkophag mit Darstellungen aus dem Kinderleben.
darstellenden Sarkophag Fig. 52 5)); wenn aber die Mutter keine Nahrung
hatte oder zu schwächlich war, trat an ihre Stelle eine Amme {nutrix)6),
was in der Kaiserzeit bei den besseren Ständen das Gewöhnliche gewesen zu
sein scheint7). Die Amme blieb häufig noch beim Kinde, wenn es entwöhnt
war8); sie hatte dann das Kind mit Brei oder vorgekauter Nahrung zu
') Das ist die Vorschrift des Soranus I 86
p. 258 R., der ausdrücklich von der von andern
empfohlenen Butter (von Diosc. II 81. Plin.
X X X VIII 257 vornehmlich für das Zahnen emp-
fohlen) warnt.
*) Diese eisten Kindertage hatten auch
ihre besondern Gottheiten: dem Schreien der
Kinder [vagitus] steht der deus Vagitamis vor,
der freilich schon früh durch Mißverständnis
zu einem deus Vaticanus geworden ist, s.Varro
1). i teil. XVI 17, 2 und August, civ. D. IV 8 ; ebd.
1 1 u. 21 ; s. Peter a. a. 0. 171 u. 228. Dann die
Potina, die Göttin des Trinkens des Kindes,
Varro b. Non. 108, 15, wie die Edusa dem Essen
vorstand, ebd. und bei Donat. ad Ter. Phorm.
4:»: mehr bei Peter 143; 197; 217. Dafür, daß
die Mutter reichliche Nahrung hatte, sorgte die
f/ir« Rumina, s. ebd. 219.
3) Fronto ad M. Anton. I 2 p. 99 (Nab.).
4) So z. B. die Frau des alten Cato, die
auch noch oft Sklavenkinder an ihre Brust
nahm. Plut. Cat mai. 20, während bei Plaut,
m. gl. 698 eine nutrix, quae vernas alit, vor-
kommt. Ausdrücklich empfiehlt das Selbst-
stillen der Mütter aus verschiedenen Gründen
Plut. de lib. educ. 5 p. 3C (freilich hatte dessen
Frau ihre jüngste Tochter selbst nicht nähren
können. Cons. ad ux. 2 p. 608 D) ; ebenso Favori-
nusbeiGell.XII 1. Soranus 1 87p. 258 empfiehlt,
anfangs das Kind an einer andern Brust trinken
zu lassen, weil die Muttermilch während der
ersten drei Wochen zu käsig und schwer ver-
daulich sei; während dieser Zeit solle der Mutter
die Milch auf andere Weise entzogen werden.
5) Im Louvre, nach A. Z. XL1II (1885) Taf.
14, 2. Von dem dritten Bildchen, das den Knaben
auf einem Wagen darstellt, ist nur der Kopf des
Kindes mit dem Ende der Peitsche, den Zügeln
und dem Kopf des Tieres alt; an der letzten
Szene nur der Kopf des Knaben und der Ober-
körper des Vaters oder Lehrers, s.Wernicke
ebd. S.211f.
•) Die Gründe für und gegen die Ernährung
durch eine Amme sind bei Gell. a. a. 0. be-
sprochen. Ueber die Wahl einer guten Amme
handelt Soranus 1 88 p. 260 ; über deren Kost ebd.
93 ff. p. 268. Daß die Ammen reichlich alten
Wein zu trinken bekamen, zeigt Plaut. Truc.
903. Auch die Amme wird bisweilen mater ge-
nannt. Plaut. Men 19, dazu Non. 343, 30 ; 423, 23.
Serv. ad Aen.VIII 632. Vgl. im allgemeinen Na-
varre bei D.-S. IV 123. Mau bei P.-W. 1 1844.
') Schon im letzten Jahrhundert v. Chr.
waren sie allgemein üblich, s. Euer. V 230. Cic.
Tusc. III 1,2; für später vgl. Sen. de benef. III
29.7; VII 28, 2; ep.60,1; 99,14. Darum hebt
Tac. Germ. 20 es ausdrücklich von den (ier-
manen hervor: eua quemque mater ubertbtu
alit, nee ancülis mit nutricibus delegantur.
Aermere Frauen nährten in der Regel selbst,
luv. 6, 592. Auf Inschriften kommen >u<tri<-cs
häufig vor, s. Marquardt 89 A. 1. Navarre
a. a. O. n. 26.
8) Ueber Zeit und Art des Entwöhnens
handelt Soranus 1 115ff.p.287R. Dienichtmeln
stillende Amme heißt dann tusa nutrix, luv.
14. 208 mit Schol. Front, ad Anton. I 5 p. 103
(Nab.). Non. 57,8.
20*
308
Zweite Abteilung. Das Leben.
füttern1), es zu baden und zu wickeln, die Wiege zu schaukeln. Sie lehrte
das Kind laufen2), brachte ihm das Sprechen bei3), erzählte ihm Märchen
und sang es in Schlaf4), und an den abergläubischen Prozeduren, von denen
oben die Rede war, fiel der Amme ein nicht kleiner Anteil zu5). Wenn
die Zeit, wo das Kind in der Obhut der nutrix blieb, um war, wurde diese
doch häufig noch im Hause behalten; solche Frauen wurden die Vertrauten
namentlich der Töchter, die sie manchmal auch nach der Verheiratung noch
bei sich behielten6).
Zahlreich, im allgemeinen aber sich wenig von den bei den Griechen
wie zur heutigen Zeit üblichen unterscheidend, waren die Spiele und Spiel-
sachen der ersten Kinderjahre7). Die kleinsten unterhielt man mit dem
Lärm der Klapper, crepitaculum8); wenn sie älter wurden, so waren ein
Lieblingsspielzeug die aus Ton, Wachs, Knochen u. dgl. angefertigten Puppen,
pupae und pupi$), deren sich noch viele, auch mit beweglichen Gliedmaßen
versehen, erhalten haben10); die Mädchen weihten dies Spielzeug nach ihrer
Verheiratung den Laren11). Auch aus denselben Stoffen gearbeitete Figuren
von allerlei Tieren oder von Früchten, Hausrat und sonstigen Gegenständen
J) Cic. de or. II 39, 162 : qui omnia minime
mansa ut nutrices infantibus pueris in os in-
serant. Pers. 5, 17: pappare minutum, s. Schol.
das. Doch scheint man auch das Aufziehen mit
der Flasche gekannt zu haben ; Mau Pompeji
394 erklärt tönerne G eräte von besonderer Form
als „Biberon", um den Kindern die Milch ein-
zuflößen, vgl. das Gefäß Mon. dei Lincei XVII
172 Fig. 132 und van Hoorn 25 f. Die Abhand-
lung von H. Coulon Sur les vases appeles bi-
berons trouves dans les sepultures d'enfants
(Paris 1906) ist mir nicht zugänglich.
2) Daß man dafür besondere, käfigartige
Laufapparate hatte, ersieht man aus einem römi-
schen Relief in der Sammlung Torcetta bei
Fiume, Schneider Arch.-epigr. Mitt. a. Oesterr.
V (1881) 174 n.41. Das ist wohl der von So-
ranus I 114 p. 287 erwähnte diygog vnöxqoyog.
Das Stehenlernen der Kinder stand unter der
Obhut des Statanus oder Statilinus oder der Sta-
tina, Varro b. Non. 532, 17. August, civ. D. I V 21 .
Tert. de an. 39 ; vgl. Peter a. a. 0. 224.
3) Die ersten gelallten Worte verzeichnet
Varr. bei Non. 81, 2: cum cibum ac potionem
pappas ac buas vocent et matrem mammam,
patrem tatam. Mart. 1 100. Die Ausdrücke waren
auch in der Umgangssprache üblich, wie Grab-
schriften zeigen, s. Friedländer zu Mart, a.a.O.
Man hielt daher darauf, daß die Ammen eine
gute Aussprache hatten, Quint.1 1,4; vgl.Plut.
de lib. educ. 6 p. 3 F. Der darüberwachende Gott
hieß Locutius, allerdings erst nach Konjektur
zu Tert. ad nat. Uli; s. Peter 203. Dem Fa-
bulinus opferteman, wenn das Kind zusprechen
anfing, Varr. b. Non. 532, 19. Peter 198. In der
Kaiserzeit war es üblich, griechische Ammen
zu nehmen, damit das Kind möglichst früh Grie-
chisch lerne, Tac. de orat. 29. Soran. 1 88 p.264.
Für gewöhnlich waren die Ammen wohl Skla-
vinnen: aut serva aut servil is et, ut plerum-
que solet, extemae et barbarae nationis, Gell.
XII 1,17.
4) Cic. deor. nat. III 3, 12 und Hör. sat. II 6,
77 sprechen von diesen aniles fabellae, die
sprichwörtlich waren, vgl. Otto Sprichw. d. Kö-
mer 28 n. 122. Vgl. Lucr. a. a. O. Arnob. V 14.
5) Dahin gehört, daß man den Kindern zur
Erleichterung des Zahnens einen Wolfszahn
umhing, Plin. XXVIII 257. Auch verzogen die
Ammen die Kinder wohl zumeist; daß sie, wie
heute, den Stein, an den das Kind sich gestoßen
hatte, schlugen, erwähnt Epictet. III 19, 4.
6) So schon von Liv. III 44. 7 von der n utriM
der Virginia; vgl. Catull. 64, 376. luv. 6, 354.
Mart. Xr 78, 7. Apul. met. VIII 10.
7) Hauptwerk über die Spiele (auch der Er-
wachsenen)imAltertum istBECQ deFouquieres
Les jeux des anciens, Paris 1869 (2. ed. 1873),
vgl. ferner Grasberger Erzieh, u. Unterr. im
klass. Altert. 1 1 ff.
8) Quint. IX 4, 66. Mart. XIV 54. Colum.
IX 12,2 (wo die aus Blech oder Ton gefertigten
zum Scheuchen eines Bienenschwarms dienen).
Mart. Cap. 17; IX 909 ; ib. 927 ; crepitaculum,
Lucr. V 229. Tert. adv. Marc. HI 8; adv.Iud.9.
Noch erhaltene Exemplare s. Saglio bei D.-S.
I 1561. Fig. 2063f. Becq de Fouquieres 6 f.
Stephani Compte rendu de St.Petersb. 1874,9.
van Hoorn 26 f.
9) Varr.b. Non. 156,17. Pers. 2, 70. Lactant.
II 14, 12 f. Becq de Fouquieres a. a. O. 27 ff.
10) Vgl. Jahn zu Pers. a. a.O. Becq de Fou-
quieres a. a. 0. E. Caetani-Lovatelli Antichi
monum. illustrati (Roma 1889) 221. G.Lafaye
bei D.-S. IV 768 f. Winter Typen d. ant, Terra-
kotten 1 165—173. Brit. Mus. Guide to the ex-
hib. illnstr. Gr. and Rom. life 189 Fig. 197 ff.
1 ') Varr. b. Non. 538, 15 (wo sie maniae hei-
ßen, nach der Konjektur von Meursius). Schol.
Cruqu. z. Hör. sat. I 5, 66. Schol. Pers. a. a. 0.
Erster Abschnitt. Geburt und Kindheit.
:',(!!)
■dienten dem Spielzweck l). Knaben ergötzten sich daran, den mit tönenden
I Ringen oder Schellen versehenen Reifen, trochus2), mit einem gebogenen
I Stäbchen, clavis3), zu treiben. Auch das Spiel mit dem Kreisel, turbo, kannten
Idie römischen Knaben4), sowie das Steckenpferdreiten5), das Spiel mit einem
lan einem Stab befestigten Scheibenrad6) u. dgl. m. Mancherlei Spiele be-
I durften keines eigenen Spielzeuges, namentlich die in größerer Gesellschaft
I geübten, wie das uralte Königsspiel7) und das Maallaufen s) u. dgl. m.; dann
lall die Spiele mit Knöcheln, Münzen, Steinchen, die die Griechen ebenfalls
I kannten9), ferner die mannigfaltigen Arten des Ballspieles10) und ganz be-
I sonders das Spiel mit Nüssen11), von dem es ebenfalls zahlreiche Arten gab12).
lAuch mit allerlei lebendigen Tieren wurde gespielt13), und mancher junge
I Römer lenkte sein von einem Ziegenpaar gezogenes Wägelchen selbst u).
*) Vgl. Becker-Göll 78.
2) Ov. a. a. III 383 ; trist. II 486 ; III 12, 20.
Mart. XI 21, 2; XIV 168 f. Vgl. Gbasberger
a.a.O. 81. Becq de Fouquieres 159ff. van
Hoorn 72. Daß das Spiel, an dem sich auch
noch Erwachsene ergötzten, von Griechenland
hergekommen war, bezeugt die Benennung (or-
l)is nennt ihn Cic. ad Attic. II 9, 1); Hör. carm.
III 24, 7 spricht direkt vom Grraecus trochus.
3) Prop. IV 13 (III 14), 6.
4) Bei Verg.Aen. VII 378ff. genau beschrie-
ben. Cic. de fato 18,42. Tib.15,3. Pers.3,51,
wo er nur buxum heißt, weil er meist aus Buchs-
baum gefertigt wurde. Er wurde, wie bei uns,
mit einer Peitsche getrieben, s. Jahn zu Pers.
a. a. 0. Grasberger 77. Becq de Fouquieres
170ff. vanHoorn68. Ein Tonmodell eines sol-
chen Kreisels s.Brit.Mus.Guide etc. 193 Fig.202.
5) Hör. sat. II 3, 248: equitai-e in harun-
äine longa. Vgl. Grasberger 28. Becq de Fou-
quieres 73 f.
6) Vgl. Amelung Skulpt. d. vatik. Mus. I
451 n.205 Taf.46; 551 n. 108 Taf. 101.
7) Darauf spielt Hör. ep. I 1, 59 an; Suet.
Nero 35 heißt es ducatns et imperia ludere, vgl.
Grasberger 53. Becq de Fouquieres 68 f.
8) Eine Art Versteckspiel, wobei jeder an
dasMaal, an dem der Suchende sich die Augen
zugehalten hat, zu gelangen sucht, aber selbst
„blinzeln" muß, wenn er vorher abgefangen wird
(das griech. ajzodidoaoxivda, Poll. IX 117); bei
Hör. a. p. 417 geht die Formel: occupat ex-
tremum Scabies hierauf, s. die Schol. z. d. St.
Mehr bei Grasberger 46. Eine Darstellung
des Spieles (durch Eroten) auf einem herku-
lanischen Wandgemälde Ant. di Ercol. I 33.
Schreiber Taf. 79, 9.
9) Es ist wahrscheinlich, daß die römische
Jugend all die zahlreichen Spiele der griechi-
schen, die wir namentlich aus Pollux kennen,
auch gekannt hat; aber die Ueberlieferung fehlt
in den meisten Fällen. Das Schnellen von Stei-
nen oder Tonscherben über eine Wasserfläche
(„Schirken" oder „Schnellem") beschreibt Mi-
nuc.Fel.Oct. 3 ext.; vgl. Grasberger 60. Auch
das „Kopf oder Wappen "-Spiel, capüa auf
navia, wird als Knabenspiel erwähnt, Macr.
1 7, 22.
10) Es war aber noch mehr ein Spiel der
Erwachsnen und wird daher an andrer Stelle
(Abschn. VI) besprochen werden.
u) Namentlich an den Saturnalien, wenn
Ferien waren, Mart. IV 30, 8 ; 84, 1 ; XIII 1,7;
XIV 1, 12; 185,2. Vgl. auch Phaedr. III 14,2.
Hör. sat. II 3, 171. Sen. dial. II 12, 2 ; III 12, 4.
Beliebt war namentlich ein Spiel, bei dem ein
Häufchen übereinandergelegter Nüsse durch
einen Wurf mit einer andern auseinander ge-
trieben werden mußte, s. Caetani-Lovatelli
Bull.comunale X (1882). 56ff. Amelung Skulp-
tur, d. Vatikan. Mus. I 638 n. 497 A Taf. 68.
Nuces relinquere ist s.v.a. die Kinderschuh ab-
legen, Pers. 1, 10 (obschon auch Erwachsene
manchmal au diesem Nußspiel teilnahmen, wie
Augustus, Suet. Aug. 93); und daher bei Catull.
61, 128 der Zuruf an den Lieblingssklaven des
Bräutigams: sat/s diu Uisisti nucihus.
u) Diese Arten sind beschrieben in der
pseudo-ovidischen Elegie Nux (bes. v. 77ff.), bei
Baehrens Poet.Lat.min. 1 88 ; darnach bei Gras-
berger 65. Marquardt 839. v. Wilamowitz
in den Comment. Momms. 390 ff. Auf römi-
schen Reliefs ist das Spiel mit Nüssen öfters
dargestellt, s. Friedländer A. d. 1. XXIX (1857)
142 tav. BC. E. Caetani-Lovatelli a. a. O. 55.
Lafaye bei D.-S. IV 115.
u) Dazu gehören die Hahnenkämpfe, die
auf Denkmälern öfters als Kinderspiel dar-
gestellt sind, vgl. Schreiber Taf. 79, 1 u. 4.
Hühner, Tauben, auch Affen als Haustiere bei
Plaut, m gl. 162 ; Hasen ebd. Pers. 436 : Tauben,
Sperlinge Fronto ad amic. 1 12 p. 182 (Nab.). Im
allgemeinen vgl. Becq de Fouquieres 159 ff.
1 4) So auf mehreren, das Leben eines Knaben
in einzelnen Szenen darstellenden Sarkophagen,
s. Wernicke A. Z. XLIII (1885) 209. Darem-
berg-Saglio II 479 f. Fig. 2608 ff. (oben Fig. 52).
AMELUNGa.a.O.I179n.l9a;667n.539Taf.70.
Uebrigenshat man wohl auch Kinderwagen, d.h.
Handwägelchen, in denen man die Kinder zog.
gekannt; das cMramaxion bei Petron. 28, 4
scheint ein solches zu sein.
310
Zweite Abteilung. Das Leben.
Im allgemeinen waren die Kinder in den ersten Lebensjahren, bevor
der Unterricht begann, in der Zeit der Republik jedenfalls strengerer Zucht
unterworfen und besser behütet, als in der Kaiserzeit. Mehr wie eine Nach-
richt bezeugt es uns, data in den früheren Jahrhunderten die Knaben zumal
in strengem Gehorsam, Zucht und Sitte erzogen, zu Anstand und Mäßigkeit
angeleitet wurden, indem die Väter selbst sich möglichst früh schon ihrer
annahmen1). Das änderte sich in der Kaiserzeit nach mehr als einer
Richtung. Während da Klage darüber geführt wird, daß die Kinder ver-
zogen und verweichlicht2), ja sogar in Sänften herumgeführt würden3),
wird gleichzeitig der Vorwurf erhoben, daß sie unter rohen und ungebildeten
Sklaven aufwachsen und frühzeitig Schlechtes sehen und hören4). Immerhin
müssen wir uns hüten, die Verhältnisse, über die solche Klage geführt wird,
zu sehr zu verallgemeinern; und wie auch später noch zahlreiche Mütter ihren
Kindern selbst die Brust reichten, so wird es auch nicht an guten Bürger-
familien gefehlt haben, wo die Kinder in der Obhut der Mutter aufwuchsen5).
Wenn der Knabe älter wurde und, sei es zur Schule, sei es zu sonst
einem Anlaß, auf die Straße hinaus mußte, so war es nicht üblich, ihn
allein gehen zu lassen. Entweder folgte ihm, wie dem römischen Bürger
bei seinen Ausgängen, ein Sklave als pedisequuse), oder es wurde ihm ein
Freund des Hauses, der sich dazu bereit finden ließ, oder ein zuverlässiger
Freigelassener beigegeben7); im Notfall übernahm der eigne Vater dies
Amt8). Indessen war es schon früh üblich geworden, dafür Sklaven zu
verwenden, die als custodes bezeichnet werden9); sonst kommt auch die
Bezeichnung comes vor10) oder monitor11), rector12). Mit dem Überhandnehmen
») Vgl. Plut. Cat. mai. 9 ; ebd. 20. Varro bei
Gell. IV 19 und bei Non. 108, 24. Dion. Hai. II 26.
2) Quint. I 2, 6 : infantiam statim delictis
solvimus. mollis illa educatio, quam indulgen-
tiam vocamus, nervös omnes mentis et corporis
frangit : quid non adultus concupiscet, qui in
purpuris repit.
3) Ebd. 7: in lecticis crescunt; si terram
attigerint, e manibus utrinque sustinentium
pendent. Eine Terrakotte aus Pompeji stellt ein
in einer Sänfte getragenes Kind dar, v.Rohden
Terrak. v. Pompeji 50 Taf. 38, 1. Daremberg-
Saglio III 1006 Fig. 4378. Schreiber Taf. 62, 9.
4) Tac. de orat. 29 ; auch daß die Eltern
in Gegenwart der Kinder Unziemliches tun und
sprechen, wird hier und bei Quint. a.a.O. ge-
tadelt. Vgl. auch luv. 14, 47 ff.
5) Das in gremio matris educari wird
von Tac. de or. 28 dem Aufwachsen in cella
emptae nutricis gegenübergestellt. So heißt
es Tac. Agr. 4 von Agricola, er sei in huius
(sc. matris) sinu indulgentiaque educatus ge-
wesen; ebenso der Sohn des jüngeren Plinius,
Plin. ep. III 3, 3; vgl. ebd. IV 19, 6; VII 24, 3.
Cic. Brut. 58, 211. Ein anmutiges Familien-
bild entwirft Catull. 61, 212 ff.
6) Auct. ad Her. IV 52, 65, wo der pedi-
sequus puerorum Gorgias heißt; er war also
ein Grieche.
') Quint. 12,5: amicum gravem virumaut
fidelem libertum lateri filii sui adiungere, cuius
comitatus etiam Mos meliores faciat, qui titne-
buntur.
8) Wie es, wohl der beschränkten Ver-
mögenslage halber, der Vater des Horaz tat,
Hör. sat. I 6, 81.
9) Sen. de benef. III 11, 2: et quia utile
est iuventuti regt, imposuimus Uli quasi do-
mesticos magistratus, sub quorum custodia con-
tineretur. Plaut. Pseud. 865. Ter. Phorm. 287.
Hor.sat. 14, 118;a.p. 161. Sen. ep. 11,9. Petron.
94, 2. luv. 7, 218: 10, 117. Verg. Aen.V 546
überträgt den Brauch auf die epische Zeit.
Bei Mart. XI 39, 1 f. ist der pueri custos as-
siduusque comes, der Charidemus heißt und
also Grieche ist, schon der cunarnm motor
gewesen, also seit der frühesten Kindheit mit
der custodia betraut.
»•) Ver*. Aen. II 86; V 546. Liv.V 27. 1.
Mart. a. a. Ö. Stat. silv. V 2, 60. Suet. Claud.
35. In anderem Sinne heißt bei Suet. Tib. 12.
M. Lollius comes et rector des Gaius Cäsar.
»•) Sen ep. 94, 11; vgl. ebd. 72. Stat. silv.
V3, 147; Theb. XII 205.
12) Plin. ep. III 3, 4: cui in hoc lubrico
aetatis non praeceptor modo, sed custos eti<im
rectorque quaerendus est. Suet. Aug. 48. Da-
gegen auch für Jünglinge, s.Verg. Aen. IX 173.
Tac. ann. XIII 2. Vgl. Hör. carm. I 36, 8: actai
non alio rege puertiae.
Erster Abschnitt. Geburt und Kindheit.
311
des griechischen Kultureinflusses wurde es immer mehr üblich, dies Amt
griechischen Freigelassenen oder Sklaven zu übergeben, damit die Kinder
schon in frühen Jahren Übung im Griechisch-Sprechen hätten1), und seitdem
wird auch die Benennung paedagogus2) immer gewöhnlicher3), doch war in
dessen Stellung gegenüber dem custos kein besonderer Unterschied4). Ver-
ständige Väter nahmen es mit der Wahl dieser Persönlichkeit, die so viel
Bedeutung im Leben des heranwachsenden Knaben hatte, ernst5); und da
diese Leute ihre Pflegebefohlenen nicht bloß zur Schule zu begleiten hatten 6)
oder ins Theater7) oder zu einer Gerichtsverhandlung8), sondern sie auch über
Anstand und Benehmen belehren und ihnen ein Vorbild abgeben sollten9),
so war es in der Tat nicht gleichgültig, welchen Bildungsgrad die Gewählten
besaßen. Nichtsdestoweniger kam es, und selbst in vornehmen Familien,
nicht selten vor, daß ganz ungeeignete Persönlichkeiten dazu genommen
wurden10), die von Pädagogik keine Ahnung hatten und bald ihre Pfleglinge
1) Quint. I 1, 12 empfiehlt ausdrücklich,
bei den Knaben mit dem Griechischsprechen
anzufangen, das Lateinische komme schon von
selbst. Beispiele s. oben; der .laidaycoyög des
Octavian war ein griechischer Freigelassener.
Dio Cass. XLVlil 33, 1 ; auf Inschriften sind
griechische paedagogi häufig, s. Marquardt
112 A. 5, ferner CIL VI 33756, doch kommen
auch Nichtgriechen als solche vor: so war der
paedaqoqus desClaudius einBarbar, Suet.Claud.
2; vgl. CIL VI 6327.
*) Vgl. über die paedagogi Navakre bei
D.-S. IV 273. Unterscheiden muß man diese
vom paedagogus als Leiter der Pagenschule.
s. Marquardt 158; auch der paedagogus lit-
terarius bei Spart. Hadr. 14, 1 ist etwas anderes.
3) Dio Cass. LVI 5, 1 vom Pädagogen des
Antonius. Auct. ad Her. IV 10, 14. Cic. Brut.
50.210; adAtt.XI133,2. Suet. Aug. 67. Quint.
I 2, 10. Mart.VHI 44, 2; IX 27. 11; X 62, 10.
Oefters auf Inschr., vgl. CIL II 1482; 1981;
VI 3998; 7290; 8968 ff.; 9739 ff.; 33894; VIII
12649 ff.: XI 5440 u. s. Daß paedagogi auch
gemietet werden konnten, zeigt das Ed. Diocl.
7, 65, wo ein Lohn für sie tarifiert ist, und
zwar monatlich für einen Knaben 50 Denare
(90 Pf.); solche übernahmen also jedenfalls
eine größere Zahl von Kindern zur Aufsicht,
s. Blümner das. S. 116 f.
4) Oefters werden beide Ausdrücke ver-
bunden, ohne daß damit verschiedene Persön-
lichkeiten gemeint sind. s. Petron. 94, 2. Sen.
ep. 11, 9: dagegen werden die paedagogi von
den capsarii unterschieden Suet. Nero 36. Die
niedrige Stellung der paedagogi, zugleich aber
auch der Einfluß auf ihre Zöglinge spricht sich
darin aus, daß sie oft mit den nutrices auf
eine Stufe gestellt werden, Cic. de am. 20, 74.
Sen. dial. IV 21, 9; ep. 60,1.
5) Quint. 11,8: de paedagogis hoc antp/ius,
ut auf sint eruditi plane, quam primam esse
curam velim, auf se non esse eruditos sciant.
Auf die Wichtigkeit, daß sie gewählt sprechen.
weist Cic. Brut. 50, 210 hin: magni interest
quos quisque audiat cotidie dornt, quihuscum
loquatur a puero, quemadmodum patres, pae-
dagogi, matres etiam loquantur. Daß die Mütter
hier nach den Pädagogen kommen, ist sehr
bezeichnend.
6) App.b.civ.IV30. Hor.sat.16,78; daß
solche Sklaven auch wohl beim Unterricht an-
wesend blieben, zeigt das Beispiel des Q.
Remmius Palaemon, der nach Suet. de gr. 23
herilem filiam dum comitatur in scholam lit-
teras didicit. Die capsarii trugen aber bloß
den Knaben die Schultaschen nach, Suet. Nero
36. luv. 10, 117.
7) Augustus wies den Pädagogen Plätze
in der Nähe ihrer Pflegebefohlenen an. Suet.
Aug. 94.
8) Daß dies vorkam, zeigt die von Quint.
VI 1, 41 erzählte Anekdote, die freilich viel-
leicht griechischen Ursprungs ist.
9) Bezeichnend sind dafür die Ermah-
nungen des Pädagogen, die Sen. ep. 94, 8 f.
anführt: sie incede, sie coena. hoc viro, hoc
feminae, hoc marito, hoc caelibi convenit; er
fügt freilich hinzu : ita enim qui diligentissime
monent, ipsi facere non possunt. Mart. XI 39,
7. Plut. an virt. doc. poss. 2 p. 439 F : xaixoi
didäoxovotv ol naioaywyoi xexvyöxag iv xatg
SdoTg jiEQiJiaxslv, ivi baxxvXco xo xägiyog ägao&at,
Svai xbv lyßvv, oixov, xgeag' ovxco xa&rjo&ai,
xo iudxiov ovxcog avalaßelv.
10) Tac. de or. 29: ac nunc natus infans
delegatur Graeculae alicui ancillac, cid ad-
iungitur unus aut alter ex ontnibus servis ple-
rumque ri/is.simus nee cuiquam serio »u'nisttriu
aecommodatus. Plut. de lib. educ. 7 p. 4 A f. spot-
tet: xü>v ydg dovlcov xä>v ojiovdaiojv xovg ftkv
yewgyovg äjxoöeixvvovoi, xovg de vavxkrjoovg xovg
d'ifiJiogovg xovg <5' olxovöuovg xovg de davsioxdg'
o xi d' av svgwoiv dvdgdjxodov otVd/.»;.Trov xai
Xlxvov, Jigog jxäoav xgayuaxeiav aygtjoxov, xovxto
(pegovxeg vnoßälAovoi xovg viovg. Der Pädagog
des Claudius war ein ehemaliger Stallmeister,
Suet. Claud. 2; Nero hatte einen Tänzer und
Barbier als Pädagogen, Suet. Nero 6.
312 Zweite Abteilung. Das Leben.
durch zu große Nachgiebigkeit verzogen1), bald von dem ihnen zustehenden
Züchtigungsrechte2) einen unverständigen Gebrauch machten. Diese Pädagogen
pflegten den Knaben beigegeben zu bleiben, bis diese mit Annahme der toga
virilis ins Jünglingsalter traten3).
Zweiter Abschnitt.
Erziehung und Unterricht der Knaben.
Litteratur.
Fr. Cramer Geschichte der Erziehung und des Unterrichts im Altertum. Elberfeld 1832/38.
1363 ff.; II 558 ff.
E. Egger Müde sur l'education et particulierement sur l'education litteraire chez les Romains
depuis la fondation de Rome jusqu'aux guerres de Marius et de Sylla. Paris 1833.
J. H. Krause Geschichte der Erziehung, des Unterrichts und der Bildung bei den Griechen,
Etruskern und Römern. Halle 1851. S. 215 ff.
G. A. Hulseboos De educatione et institutione apud Romanos. Traj. ad Rhen. 1867.
J. L. Ussing Darstellung des Erziehungs- und Unterrichtswesens bei den Griechen und Römern.
Altona 1870, 2. Aufl. Berlin 1885. S. 77 ff.
L. Grasberger Erziehung und Unterricht im klassischen Altertum. 3 Bände. Würzburg 1864/81.
E. Juxlien Les professeurs de litterature dans l'ancienne Rome et leur enseignement, depuis
l'origine jusqu'ä la mort d'Auguste. Paris 1885.
J.-P. Rossignol De l'education et de l'instruction des hommes et des femmes chez les anciens.
Paris 1888.
H. Bohatta Erziehung und Unterricht bei den Griechen und Römern. Gymnasial-Bibliothek
Heft 21. Gütersloh 1895.
A. Hartmann Die Schule in der römischen Litteratur. 39. Jahrbuch des Vereins schweizerischer
Gymnasiallehrer. Aarau 1910. S. 36 ff.
Bernhardy Geschichte der römischen Litteratur. Braunschweig 1872. 5. Aufl. S. 35 ff. (wo
ältere Litteratur verzeichnet ist).
Becker-Göll II 82 ff.
Marquardt-Matj 92 ff.
E. Pottier bei Daremberg-Saglio II 480 ff.
Unsere Nachrichten über die Erziehung und den Unterricht der Knaben
sind für die ersten fünf Jahrhunderte der Stadt sehr spärlich. Zwar ließ
die Tradition schon Romulus und Remus eine Schule in Gabii besuchen4),
doch ist selbstverständlich darauf ebensowenig etwas zu geben, wie wenn
es von Tarquinius Priscus heißt, er habe den Servius Tullius zusammen mit
seinen eigenen Söhnen selbst unterrichtet5). Dagegen scheinen die Nach-
richten, die vom Bestehen von Schulen im 5. Jahrhundert v. Chr. berichten6),
auf Wahrheit zu beruhen.
Genauere Kenntnis des römischen Unterrichtswesens beginnt für uns
erst mit dem 2. Jahrhundert v. Chr. Von da ab und für die Folge-
zeit finden wir für die Knaben (nur von diesen ist hier zunächst die
») Sen. dial. IV 21, 6. I Weiber und Würfel verbieten wolle. Plaut.
2) Suet. Claud. 2. Mart. X 62, 10; XI 39, Bacch. 422: nego tibi hoc annis viginti fuisse
10; sie führen die Rute, ferula, als Züchti- primis copiae, | digitum longe a paedagogo
gungswerkzeug. Quint. 11,8 nennt sie im- pedem ut ecferres aedibns, was Marquardt
periost atque interim saevientes. a. a. O. für komische Uebertreibung hält.
3) Stat. silv. V 2, 68. Plut. a. a. 0. p. 5 A. 4) Plut. Rom. 6.
Bei Mart. XI 39 klagt der Sprechende, daß er ") Cic. de rep. II 21, 37.
schon ein Mann sei und sein custos ihm Wein, 6) Liv. III 44, 6 und s. u. S. 314.
Zweiter Abschnitt. Erziehung und Unterricht der Knaben.
313
Rede, von dem Unterricht der Mädchen wird später zu sprechen sein)
vornehmlich zwei Wege: den des häuslichen und den des Schulunter-
richts. Bei ersterem gab es auch wiederum zwei Möglichkeiten: ent-
weder übernahm der Vater den Unterricht selbst, oder er übertrug ihn
einem dafür geeigneten Sklaven oder Freigelassenen. Das erstere war
besonders bei den Römern vom alten Schrot und Korn üblich; der alte
Cato Censorius unterrichtete, obschon er einen dafür geeigneten Sklaven
besaß, seine Kinder in den Elementen selbst, wie er ihnen auch im Turnen,
Speerwerfen, Fechten, Reiten, Schwimmen Lehrmeister war; ja er schrieb
ihnen sogar eigenhändig mit großen Buchstaben ein Geschichtsbuch, aus
dem sie lesen lernten1). So wrar auch der jüngere Scipio Africanus von
seinem Vater Aemilius Paulus, obschon dieser daneben ihm einen Hauslehrer
hielt2), selbst unterrichtet worden3); und auch später noch fand dieser
väterliche Unterricht statt4). Es beruhte auf dem gleichen Prinzip, wenn
die Knaben bei allerlei Anlässen den Vater begleiten durften6), ihm bei
religiösen Zeremonien Beistand leisteten 6) u. dgl. m.
Aber schon früh kam der Brauch auf, die Kinder durch einen litterarisch
gebildeten Sklaven oder Freigelassenen im Hause unterrichten zu lassen,
wozu man in der Regel einen Griechen nahm 7), und so war es auch in der
Kaiserzeit noch üblich 8). Wann man mit dem Unterricht begann, darüber
liegen keine sichern Nachrichten vor; Quintilian bezeichnet das Alter von
sieben Jahren, das viele für das geeignetste hielten, als zu spät9).
*) Plut. Cat. mai. 20.
2) Plin. XXXV 135.
3) Plut. Aem. Paul. 6 : rovg jiaiSag daxcöv
T//r fisv imywgiov naidelav xal näxoiov, coojzeq
avros t'joy.tjxo, zip' d' cEXh]iny.i]v <piXoTi[iöxEQOV.
Darauf spielt auch Scipio an bei Cic. de rep.
I 22, 36.
4) Plaut. Most. 126: expoliunt, doccnt lit-
teras, iura, leges sumptu suo et labore (in man-
chen Ausgaben sind diese Verse gestrichen).
Vom Vater des Atticus berichtet Nep. Att. 1,
2: hie, prout ipse amabat litteras, Omnibus
tloctrinis, quibus puerilis aetas impertiri de-
bet, filium erudivit; und Cicero rühmt sieh ad
Att. VIII 4. 1 : Cicerones nostros meo potius la-
bore subdoceri quam nie alienum iismagistrum
fuaerere. In der Kaiserzeit scheint das aber
ungewöhnlich gewesen zusein; vgl. Plin. ep.
\ III 14, 5, wo die Worte: suus cuique parens
pro magistro, out cid parens non erat, maxi-
mus quisque et vetustissimus pro parente die
Sitte der Vorfahren schildern, im Gegensatz
zur Neuzeit.
5) Nach Plut. qu. Rom. 33 p. 272 C nahmen
die Römer in älterer Zeit die Knaben mit,
wenn sie auswärts speisten, was sowohl diesen
nützte, indem sie von den Reden der Erwach-
senen lernten, als den Männern den Zwang
auferlegte, in Gegenwart der Kinder sich aller
unpassenden Worte zu enthalten. Daß in der
älteren Zeit die Söhne, wenn der Vater Land-
wirt war, bei den Feldarbeiten halfen, ist
natürlich, vgl. Hör. carm. III 6, 37 ff. und was
Cato bei Festus 281 a, 21 von seiner harten
Jugendzeit erzählt.
6) Sowohl bei den häuslichen Opfern, Varro
b. Non. 156, 15, als bei öffentlichen als ccunilli.
s. Wissowa Relig. u. Kult. d. Römer 426 A. 1.
7) Das älteste Beispiel ist das des T. Li-
vius Andronicus, der nach Suet. bei Hieron.
chron. Ol. 148, 2 die Kinder seines Herrn, des
Livius Salinator, unterrichtete. Der Sklave
Catos, der von ihm als Hauslehrer vermietet
wurde, hieß Chilon, Plut. Cat. mai. 20. Hin-
gegen war Metrodoros, den Aemilius Paulus
zur Erziehung seiner Kinder sich von Athen
kommen ließ, ein freier Grieche. Magister
heißt der Hauslehrer bei Plaut. Bacch. 432;
/itferator bei Suet. de gr. 4.
8) Der gelehrte Freigelassene M. Verrius
Flaccus war der Hauslehrer von Augustus'
Enkeln, Suet. de gr. 17. Plin. ep. III 3. 3 schreibt
von seinem Sohn: adhuc illum pueritiae ratio
intra contubernium tenuit, praeeeptores domi
habuit, tibi est erroribus modica rel etiam iiu/i"
materia. Quint. I 2 erörtert eingehend die
Frage: utilius domi an in scholis < nx/imt/iir.
und entscheidet sich für letzteres.
9) Quint. 11,15. Ein wahres Wunderkind
lernen wir aus der Grabschrift CIL VI 33929
kennen: Dahnatio filio dvlcweimo tot ins m-
gemositatis ac eapieniüu puero, quem eepUm
annis perfrui. patri mfeliet non Ucttü, qui
$htdena litteras Oraeea* non monttratae übi
Laüna» adripuü. Der Unterricht des Knaben
hatte also auch mit Griechisch begonnen.
314
Zweite Abteilung. Das Leben.
Was sodann die Schulen anlangt, so fällt die erste sichere Nachricht,
die uns von solchen berichtet, ins Jahr 449 v. Chr. Damals befanden sich
bei den Buden am Forum Elementarschulen, die wahrscheinlich von Knaben
und Mädchen besucht wurden1). Ein halbes Jahrhundert später werden
öffentliche Schulen in Falerii2) und in Tusculum erwähnt3). Wahrscheinlich
haben ältere Einrichtungen der Etrusker und Sabiner den Römern bei den
Anfängen ihres Unterrichtswesens zum Vorbilde gedient4). Darum erscheint
die Nachricht, daß der Freigelassene Spurius Carvilius um die Mitte des
3. Jahrhunderts die erste Schule in Rom aufgetan habe, verdächtig5).
Der eigentliche Name für die Schule ist nicht das griechische schola,
das erst gegen Ende der Republik anfängt, in dieser Bedeutung gebraucht
zu werden6), meistens aber auch nur von Schulen höherer Art (der Philo-
sophen, Rhetoren u. dgl.) oder im allgemeinen Sinne 7), sondern ludus8), häufig
(zur Unterscheidung vom ludus gladiatorius, fidicinus etc.) speziell als ludus
litterarius bezeichnet9) oder litterarum10) u. dgl.11), wonach denn auch der
Lehrer, dessen allgemeine Bezeichnung magister istla), ludi magister heißt13).
Doch gehen diese Bezeichnungen zumeist auf die unterste oder Elementar-
schule u). Denn wenn auch in den frühen Jahrhunderten der Republik es
1) Erwähnt werden sie gelegentlich der
Geschichte der vom Decemvir Appius Clau-
dius verfolgten Verginia, Liv. III 44, 6: vir-
gini venienti in forum, ibi namque in tabernis
(die besten Hss. tabernaculis) litterarum ludi
erant. Dion. Hai. XI 28, 3. Wenn es damals
also Mädchenschulen gab, ist das Vorhanden-
sein von Knabenschulen selbstverständlich.
2) Liv. V 27, 1 : mos erat Faliscis eodem
magistro liberorum et comite uti, simulque
plures pueri, quod hodie quoque in Graecia
manet, unius curae demandabantur . Hier war
also der Lehrer zugleich der comes der Knaben
verschiedener Familien. Plut.Camill. 10: xoiv<p
yäg eyowvTO zw dibao/täXto , &ojieq "Ekkrjvs?, ol
<PaXegioi. Dion. Hai. XIII 1, 1 nennt den Lehrer
diMoxalos ygauudzcov. Polyaen.VIlI 7. Val.
Max. VI 5, 1.
3) Liv.VI 25, 9. Plut. Cam. 38. Für Rom
vgl. Gell. XV 11, 2 (Edikt gegen die Rhetoren
vom Jahr 92 v. Chr.): maiores nostri quae li-
beros suos discere et quos in ludos itare vellent
histituerunt.
4) Man vgl. Liv. I 18, 4, der von der di-
sciplina tetrica ac tristis vetermn Sabinorum,
quo genere nullum quondam incorruptius fuit
spricht; dazu Cic. rep. IV 3,3: principio di-
sciplinam puerilem ingenuis . . . nullam cer-
tam aut destinatam legibus aut publice ex-
positam aut unam omnium esse voluerunt. Zu
vergleichen ist auch, was Cicero ebd. II 21,
37 über die Erziehung des Servius Tullius
durch Tarquinius Priscus sagt.
5) Plut. qu. Rom. 59 p. 278 E: ö?/>e 5' ijg-
%avzo fiiadov didäoxeiv xai ngwzog ävew^s yga/n-
uazodidaoxakelov UtiÖqioc Kaoßlhog. Becker-
Göll 84 nimmt an, er sei einer der ersten ge-
wesen, die grammatische Schulen in Rom er-
richteten.
6) Cic. de or. II 7, 28. Quint. I 2, 1 u. ö.
Plin. ep. II 14, 2. Mart. I 35, 2. Suet. de gr. 6;
ebd. 18. Augustin. conf. I 9.
7) Wie z. B. Sen. ep. 106, 12: non vitae,
sed scholae discimus.
8) Plaut. Pers. 173. Cic. de imp. Cn. Pomp.
10,28; ad fam. IX 18, 1. Hor.sat.I6, 72: ebd.
10,75. Nep. Att. 10, 3. Suet. rhet. 1. Aur.Vict.
vir. ill. 23, 1 ; oft übertragen, z. B. Ter. Hec.
203. Cic. de or. III 9, 35.
9) Plaut. Merc. 303. Sen. ep. 94, 9. Quint.
14,27. Tac. ann.III66. Plin. IX 25. Suet. Cal.
25. CIL X 3969 v. 5 (Bücheler Carm. epigr. 91).
10) Liv. 11144,6; VI 25, 9.
11 ) Cic. ad Qu. fr. 1114,6: ludus discendi,
non lusionis. Suet. de gr. 4: ludus grammatici.
12) Auch doctor kommt für Lehrer vor,
Hör. sat. I 1, 26 für Elementarlehrer, sonst
aber überhaupt für Lehrer aller möglichen
Wissenschaften und Künste (vgl. Saglio bei
D.-S. II 323), z. B. artis grammaticae doctor,
CIL XIII 1393; am häufigsten für den Fecht-
meister der Gladiatoren, s. Pollack bei P.-W.
V 1253. Ferner praeceptor, Plin. ep. IV 13. 3;
V 16, 3. luv. 7. 230 u. s., aber auch besonders
häufig in verallgemeinerter Bedeutung.
13) Cic. nat. deor. I 26, 72; divin. in Caec.
14, 47. Mart.VII 64, 7: IX 68, 1; X 62, 1; XII
57, 4. Val. Max.VI 5, 1. lustin. XXI 5, 8. Auch
inschriftl.. so in der Lex met.Vipasc. (CIL II
5181) Z. 57; VI 9529; X 3969. Vgl. Courbaud
bei D.-S. III 1379 ff.
u) Daß ludimagister in der Regel der Ele-
mentarlehrer ist, zeigen nicht nur die obigen
Stellen, sondern auch die griechischen Ueber-
setzungen in den Glossen: yoau/,iazodidäoxa/.oc;,
Corp. Gloss. II 124,49; 264^56. 111327,8. Vgl.
Ps.Ascon. ad Cic. divin. in Caec. 1. 1.: magist ri
ludi dicuntur qui primas litteras docenf.
Zweiter Abschnitt. Erziehung und Unterricht der Knaben.
315
keine andern gegeben haben wird, so kamen doch im Lauf der Zeit, zumal
seit dem immer mehr Boden gewinnenden Einfluß der griechischen Bildung,
noch höhere Schulen verschiedener Art hinzu, sodaß wir in der Kaiserzeit
drei aneinander anschließende Schulen finden: die Elementarschule des
litterator, die höhere Schule des grammaticus und die Schule des Rhetors1).
Die Elementarschule wurde vom litterator geführt, der dem griechi-
schen yQajujLianozijg entspricht2), wofür später auch litteratus gesagt wurde,
das früher nur einen wissenschaftlich Gebildeten bezeichnet hatte3), seltner
magister litterarius4); er hatte seinen Namen nicht von den litterae als
Wissenschaften, sondern von der litteratura, d. h. dem Alphabet6), das zu
lehren eine seiner Hauptaufgaben war. Da die Schulen zwar öffentliche,
d. h. einem jeden zugängliche, aber nicht vom Staat unterhaltene, sondern
immer Privatunternehmen waren, so war der Lehrer der eigentliche Inhaber
der Schule und mußte seinen Lebensunterhalt von dem Schulgeld (merces) 6)
bestreiten, das ihm die Schüler für gewöhnlich monatlich entrichteten 7), das
aber sehr gering war8), weshalb manche zur Erhöhung ihrer Einnahmen
*) Apul. Flor. 20 : prima creterra littera-
toris rudimento (so nach Goldbacher) eximit,
secunda grammatici doctrina instruit, tertia
rhftoris eloquentia armat.
2) Catull. 14, 9. Messala Corv. b. Suet. gr. 4,
und ebd. Orbilius. Apul. Flor. 20; zu vgl. Wit-
tich De grammatistarum et grammaticorum
apud Romanos scholis, Eisenach 1844. Die Be-
merkung von Ussing a. a. 0. 102, daß diese Be-
zeichnung im goldenen Zeitalter der Litteratur
verschwunden sei und man sich dafür des
griechischen <7raww«ft'.9to oder derBezeichnung
htdi magister bedient habe, ist nicht richtig.
3) BeiMart. Cap. III p. 229 sagt die rgaftfia-
nxrj : itaque assertor nostri nunc litteratus di-
eitur, litterator antea vocabatur. Wie schwan-
kend der Sprachgebrauch war, zeigt Suet. de
gr. 4, nach dem die grammatici früher litte-
rati geheißen hätten; Cornelius Nepos libello
quo distinguit litteratum ab erudito, litteratos
quidem vulgo appellari ait eos, qui aliquid
diligenter et acute scienterque possint aut di-
cere aut scribere, ceterum proprie sie appel-
landos poetarum interpretes, qui a Graecis
grammatici nominentur. Sueton bemerkt dann
weiterhin: sunt qui litteratum a litteratore
distinguant, ut Graeci grammaticum a gram-
matista, et ilium quidem absolute, hunc medio-
criter doctum existimant; und dazu stimmt
die ebd. angeführte Stelle des Orbilius, wo-
nach man beim Verkauf von Sklaven die in
den Elementen erfahrenen als litteratores, nicht
als litterati bezeichnete. Es ist also nicht rich-
tig, wenn Grasberger II 202 litteratus und lit-
terator als identisch bezeichnet. Wenn Messala
Corvinus bei Suet. a. a. 0. den Dichterund gram-
maticus Valerius Cato einen litterator nannte,
so war das nicht die Bezeichnung seiner Stel-
lung, sondern ein spöttischer Ausdruck (wie bei
uns „ Schulmeister").
4) Vopisc. Tac. 6, 5. Im Ed. Diocl. 7, 66
heißt er magister institutor litterarum (in der
griechischen Fassung /afiai8iödoxa?.og , was im
Corp. Gloss. II 475, 16 s. v. a. ludimagister ist);
bei Augustin. conf. I 13 primus magister.
5) Cic. de part. or. 7, 26. Tac. änn. XI 13;
vgl. Sen.ep. 88, 20: quemadmodum prima illa,
ut antiqui vocabant, litteratura, per quam pue-
ris elementa traduntur, non docet liberales
artes. Der Unterricht im Alphabet (d. h. Lesen
und. Schreiben) heißt daher auch litteratio,
Varr. b. Isid. 13,1 und bei Augustin. de ord. II
35. Mart. Cap. a. a. 0.
6) Fronto ad M. Ant. 15 p. 103 (Naber):
litteratores etiam isti discipulos suos, quoad
puerilia dieunt et mercedem pendunt, magis
diligunt.
7) Doch kommt auch jährliche Zahlung
am Schluß des Schuljahrs vor, Macr. I 12,7:
hoc mense (sc. Martio) mercedes exsolvebant
magistris quas completus annus deberi fecit.
Auch nach luv. 7, 241 wird das Schulgeld be-
zahlt, cum se verterit annits.
8) Zur Zeit des Horaz betrug das Schulgeld
für den Schüler monatlich 8 As (35 Pf.) nach
Hör. sat. I 6, 75, wo man besser mit den besten
Handschriften (vgl. O. Keller Prolegomena zu
Horaz 480) liest: (pueri) ibant octonos refcrrii-
tes idibus aeris, als (wie Marquardt 94. Gras-
berger 253) oetottia idibus aera, woraus dann
geschlossen wird, daß vier Monate (Mitte Juni
bis Mitte Oktober) Ferien gewesen seien und
das Schulgeld nur für acht Monate bezahlt
worden sei. Zur Zeit des Diocletian betrug das
Schulgeld 50 Denare (etwa 90 Pf.). Wie ärm-
lich das Einkommen der Lehrer war, besagt
auch Ov. fast. III 829, wo sie turba fere eensu
fraudata heißen. Später scheinen den Lehrern
allerdings auch vom Staate neben den Schüler-
honoraren noch Gehälter ausgerichtet worden
zu sein; dafür spricht August, conf. I 16, wo
es in Bezug auf die Schulen am Forum heißt:
316
Zweite Abteilung. Das Leben.
noch einen Nebenerwerb trieben1). Zwar kamen an verschiedenen Feier-
tagen im Jahre noch Geschenke seitens der Schüler hinzu 2), doch werden
diese weder obligatorisch noch sehr erheblich gewesen sein. Es ist daher
begreiflich, daß der Beruf des Elementarlehrers und selbst des grammaticiis
kein besonders geschätzter war, und daß die Schriftsteller meist in etwas
verächtlichem Tone von ihnen sprechen *). Wenig erfahren wir über die
Lokalitäten der Elementarschule. In der Geschichte der Verginia heißt es,
daß die Schulen damals in tabernae am Forum gewesen seien4); später
werden pergulae, offene Vorbauten an der Straße (siehe oben S. 60), als
Schullokalitäten genannt5); gegen die Straße hin waren sie durch Vorhänge
abgeschlossen ö). Daß mitunter auch auf offener Straße Unterricht abgehalten
wurde, zeigen Wandgemälde aus Herkulaneum, auf denen neben andern Szenen
des Forumlebens auch Unterricht und Züchtigung eines Schülers dargestellt
ist (Fig. 53) 7). Solche Elementarschulen, die natürlich auch in geschloßnen
Räumen abgehalten werden konnten, mochte es in der Hauptstadt wohl sehr
viele geben, und auch in den Munizipien sowie in der Provinz dürfen wir
sie in genügender Menge voraussetzen, während auf dem Lande freilich
dafür wenig gesorgt sein mochte8).
in conspectu legum supra mercedem salaria
decernentium. Doch war das vielleicht nur in
der Provinz der Fall; so nahmen in den Muni-
zipien auch die ludimagistri mitunter an den
munera municipaliateW., s. CIL II 5181 Z.49 mit
den Bemerkungen von Hübner und Mommsen.
J) Ein mag ister ludi litterarii in Capua
schrieb als Nebenbeschäftigung Testamente,
CIL X 3969.
2) Vornehmlich das sog. Minerval am Feste
der Quinquatrus (19. März), Varr. r. r. III 3, 18.
Ov. a. a. 0.; ferner zu Neujahr, an den Festen
der cara cognatio (22. Febr.), des Septimontium
(11. Dez.) und der Saturnalien (17. Dez. u. ff.) nach
Hieron. comm.inep.adEphes.l. III cap.6,4p.574
und Tertull. de idol. 10 ; vgl. Marquardt 94 A. 6.
An allen diesen Tagen fiel wohl auch die Schule
aus ; vom Feste der Minerva bemerken es Hör.
ep. 11 2, 197. Ov. fast. III 815. Symmach.ep.V
85(83). Die Worte luv. 10,116: quisquis adhuc
uno parcam colit asse Minervam erklärt Fried-
länder mit dem Schol. nicht als Schulgeld oder
Geschenk, sondern als das vilioris pretii fictile
Minervae Signum, das die Schüler an diesem
Fest der Minerva weihen.
3) Vgl. A. A. Bergmann Zur Geschichte
der sozialen Stellung der Elementarlehrer und
Grammatiker b. d. Römern. Leipzig 1877.
4) Liv. III 44, 6, wo freilich die besten
Hss. lesen: ibi namque in tabernaculis littera-
rum ludi erant, was Weissenborn beibehält,
indem er meint, daß enge, nach dem Markt
zu offene Buden weniger zu Schulen geeignet
waren, als zeitweilig aufgeschlagene Zelte.
Allein bekanntlich war das Forum in alter
Zeit an beiden Langseiten von Tabernen be-
setzt (vgl. 0. Richter Topogr. d. Stadt Rom 85),
und sodann wird man die Liv.Vl 25, 9 bei der
Einnahme von Tusculum erwähnten tabernae
apertae ebenso auf die nachher genannten
opifices, wie auf die ludi litterarum beziehen
dürfen.
5) luv. 11, 137. Suet. de gr. 18. Dadurch
erklärt es sich auch, daß man die laut ihre
Lektion aufsagenden Schüler so deutlich hörte,
wie in Tusculum die Indus litterarum strepere
discentium vocibus, Liv. a.a.O., und die Klagen
Martials über Störung der Nachtruhe, IX 68;
XII 57, 4.
6) August, conf. 1 13 : at enim vela pendent
liminibus grammaticarum scholarum.
7) Nach Jahn Abh. d. SGW V 288 Taf. 1,
3. Schreiber Kulturhist. Atlas Taf. 89, 3. Das
Forum ist durch die Säulen im Hintergrunde
angedeutet. Davor sitzen die Schüler in langen
Haaren (cirrati, Pers. 1, 29. Mart. IX 29, 7) und
langen Kleidern und halten ihre Leserollen auf
dem Schoß; links steht der bärtige Lehrer, im
Hintergrund hören erwachsene Personen zu.
Rechts wird ein bis auf den Lendenschurz ent-
kleideter Knabe an Armen und Beinen von zwei
andern in der Schwebe erhalten und von einem
jungen Mann mit einer Rute gezüchtigt. Vgl.
Dio Chrys. or. XX p. 264 M. : oi yag xüv yga/i-
/nariov didaoxaXot jusra tcöv Jiaidtov sv xaig ööotg
xäßtjvrat, xal ovdsv avzoig i/ujzodwv eoziv iv zo-
aovzc» jiXrj&si rov Sidäoxeiv xai fiavdäreiv. Daß
auch später noch die Schulen häufig am Markte
lagen, zeigt August, a. a. 0. 16: et magna res
agitur, cum hoc agitur publice in foro.
8) Plin. IX 25 erzählt eine Anekdote von
einem Knaben, der täglich von einem Land-
gut bei Baiae nach Puteoli in den ludus lit-
terarius ging. Bei Plin. ep. IV 13, 3 geht ein
in Comum ansäßiger puer praetextatus in die
Schule zu Mailand, weil in seiner Heimat keine
Lehrer sind. Wenn Vergil nachDonat.Vit.Verg.
6 (Suet.rel.p.54Reiffersch.) zuerst zu Cremona
Zweiter Abschnitt. Erziehung und Unterricht der Knaben.
317
Das Schuljahr begann im März, nach dem Feste der Quinquatrus1);
längere Ferien waren sowohl während dieses Festes2) als während der
Saturnalien3); außerdem fiel wohl an den einzelnen Feiertagen die Schule
Fig. 53. Schulunterricht auf dem Forum (Wandgemälde aus Herkulaneum).
aus, und vielleicht auch an den nundinae, d. h. jeden neunten Tag des
Monats4). Daß der Unterricht auch während der heißen Sommermonate
ausgesetzt wurde, ist wahrscheinlich, aber nicht überliefert5). Der Unterricht,
in die Schule ging, so war das wohl auch ge-
schehen, weil es in seinem Heimatsdorf Andes
keine gab. Wieweit überhaupt die Elementar-
bildung unter der römischen Bevölkerung ver-
breitet war, ist nicht zu ermessen; daß Veget.
r. mil. II 19 empfiehlt, für Führung der Regi-
mentskasse u. dgl. litterati milites zu wählen,
die stenographieren und rechnen können, be-
sagt nicht. daß die übrigen nicht hätten lesen
und schreiben können.
') Ov. fast. III 830: discipulos attrdhit Uta
(sc. Pallas) novos, vgl. luv. 10. 115.
2) Hör. ep. II 2,197: acpotius, ptter ut festis
Quinquatribus olitn, exiguo gratoque fruaris
tempore rapt im. luv. a.a.O. Sie dauerten vom
19.— 23. März. Ov. fast. III 809 f.
3) Mart. V 84, 1: iam tristis nucibus puer
relictis \ clamoso revocatw « magistro. Fun.
ep.VIII 7,1.
4) Varr. b. Non. 133, 18: atri magis sunt
pueri? hi pusilline, qni spectant nundind, ut
magister dimittat lusum (wo Beckek-Göll 91
fälschlich lusum für lutum gesetzt erklärt, es
ist vielmehr das Supinum). In der Rhetoren-
schule scheinen nach Suet. gr. 7 die nundinae
auch kein Unterrichtstag gewesen zu sein.
5) Gewöhnlich wird aus Mart. X 62 ge-
schlossen, daß von Juli bis 15. Oktober Ferien
gewesen seien : so Beruhardy 49. Gkasberger
253. Marquardt 94. womit dann die oben (S. 315
A. 8) besprochene falsche Lesung von Hör.
sat. I 6, 75 in Verbindung gebracht und dahin
gedeutet wird, daß die Schüler nur für 8 Monate
Schulgeld bezahlt hätten. Aber mit Recht haben
BECKER-GöLL88ff und Mau zu Marquardt a.a.O.
dagegen Einsprache erhoben; denn wenn wirk-
lich die Ferien offiziell gewesen wären, so hätte
Martini nicht nötig gehabt, den Lehrer dazu
aufzufordern, solche eintreten zu lassen, v.8 B. :
cirrata . . . pellis . . . ferulaeque tristes . . . ces-
scni rf Taus dormiant in Octobres (was aber
nicht mit Mau wörtlich zu fassen ist, sondern
wirklich ein Aussetzen der Schule, nicht bloß
ein Ruhenlassen der Züchtigungsinstrumente
318
Zweite Abteilung. Das Leben.
•der meist für Knaben und Mädchen gemeinsam erteilt wurde1), und dem
wohl auch Erwachsene gelegentlich beiwohnen durften2), begann häufig
schon in den frühen Morgenstunden3); die Schüler kauften sich daher
unterwegs ihr Frühstücksbrötchen beim Bäcker4), mittags wurden sie dann
zum prandium nach Hause entlassen5). Das wird ebenso für die Elementar-
wie für die Grammatikerschule gelten, wie wir denn hier diese Schulen
überhaupt nicht auseinanderhalten können. Über die Dauer des Unterrichts
erfahren wir erst aus später Zeit, daß sechs Stunden das gewöhnliche
waren6); es wird das wohl auch für die frühere Zeit gelten. Die Aus-
stattung der Schulräume wird vermutlich sehr einfach gewesen sein; und
wenn wir in der Schulstube eines Grammaticus Bilder von Horaz und
Vergil finden7), so werden in der Elementarschule sich nicht viel mehr
als Schulbänke, subsellia8), ein Stuhl für den Lehrer9), ein Tisch10) und
einige sonstige Schulutensilien befunden haben.
bedeutet). Vermutlich hing es vom Belieben
jedes Lehrers resp. seinen Abmachungen mit
den Eltern ab, wann und auf wie lange er in
der heißen Zeit Ferien machen wollte. Auf
regelmäßige Ferien deutet Auson. idyll. 4, 9:
longum delinitura laborem \ intervalla damus.
') Ov. trist. II 370, wo allerdings die Schule
des grammaticus gemeint ist; um so mehr war
es wohl in der Elementarschule der Fall. Vgl.
besonders Mart. VIII 3, 15; IX 68, 2. Auf dem
Relief vom Grabmal des ludi magister von Ca-
pua (s. oben S. 316 A. 1) steht zur Rechten des
sitzenden Lehrers ein Knabe, zur Linken ein
Mädchen, s. Nissen im Hermes I 147. Vgl.
Friedländer Sittengeschichte I 409.
') Ueber die Anwesenheit der Pädagogen
s. oben S. 311 ; als solche sind auch (mit Fried-
länder Sittengesch. I 285) auf dem oben er-
wähnten herkulanischen Wandgemälde die hin-
ter den Schülern Stehenden zu betrachten (von
Jahn a. a 0. 289 für Hospitanten erklärt). Daß
aber auch andere Zutritt hatten, scheint aus
Plut. Cic. 2 geschlossen werden zu dürfen, wo-
nach die Väter der Schüler in die Schule kamen,
um die staunenswerten Leistungen des jungen
Cicero zu sehen.
3) 0 v. am. 113,17 sagt von der ersten Tages-
stunde : tupueros somno fraudas tradisque ma-
gistris. Mart IX 68. 3 ; XII 57, 4 ; XI V223. Auson.
id. 4, 28; vgl. Colloqu. Harl. 1 (Corp. Gloss. III
638): manica ante omnia in scholam inluce-
scente caelo. Daher wurde der Unterricht oft
noch bei Lampenlicht erteilt, Iuv.7,222ff. Vgl.
Friedländer a. a. 0. 1 283.
4) Mart. XIV 223.
5) Apul. met. X 5: filius, post matutinum
laborem studiorum domumserecipiens,prandio
iam capto sitiens etc. Daß sie aber nachher wie-
der in die Schule zurückkehrten, geht aus Luc.
paras. 61 hervor. Vgl. das Colloqu. Leid. 7 (Corp.
Gloss. III 638) : rogavi, ut me dimitteret domum
ad prandium, et ille me dimisit. ego Uli bene va-
lere dixi. resalutavit me. postquam pranderam,
reversusreddidi: vgl. das Colloqu. Harl. 10 (ebd.
640) : vade et prande et a prandio citius veni.
6) Auson. epist. 18, 10 von einem gram-
maticus.
7) luv. 7, 226 : cum totus decolor esset Flac-
cus et haereret nigro fuligo Maroni; vom Scho-
liasten auf Codices bezogen, von Friedländer
z.d.St. auf Büsten der Dichter; aber wegen des
decolor hat man wohl eher an Gemälde zu
denken.
8) Auson. id. 4, 31. Im Colloqu. Leid. 2
(Corp. Gloss. III 637) sind scamnum, scamellum
und sella als Sitzgelegenheiten der Schule auf-
geführt. Eine sella apud magistrum hat der
Schüler Plaut. Bacch. 431. Das Sitzen war für
die Schüler wohl das Gewöhnliche, daher bei
Seu ep.49,2 modo apud Sotionem philosophum
puer sedi s. v. a. bin ich sein Schüler gewesen.
Wenn es bei luv. 7, 225 heißt: tot olfecisse lu-
cernas, quot stabant pueri, so hängt das damit
zusammen, daß die Schüler in der Rhetoren-
schule beim Lesen saßen, hingegen beim Dekla-
mieren standen, luv. 7, 152: nam quaecumqi/r
sedens modo legerat, haec eadem stans jwr-
feret, was auch vom Lehrer gilt, Pollux VIII pr.;
vgl. luv. 4, 34 und überhaupt Jahn a. a. 0. 291.
9) Der Lehrersaß in der Regel, s. luv. 7, 223.
Prudent. perist. IX 21. Suet.rhet 6; die Reliefs,
die Lehrer darstellen, zeigen sie meistens auf
einer sella oder cathedra, vgl. Suet. gr. 9 und
die Aufzählung bei Jahn a. a. 0. 292. Auf dem
Trierer Relief (unten Fig. 54) sitzen zwar die
Schüler auch auf Lehnstühlen, es ist aber hier
keine öffentliche Schule, sondern der Privat-
unterricht der Söhne eines Großgrundbesitzers
dargestellt. Interessant ist auch das Terrakotta-
relief mit Darstellung der Karrikatur einer
Schule bei Wissowa R. M. V (1890) 1 ff. Taf. I ;
der Lehrer, derauf der cathedra sitzt, hat einen
Eselskopf, die Schüler, die teils stehen, teils
auf Bänken sitzen und Tafeln auf den Knieen
halten, haben Affenköpfe. In den Elementar-
schulen niedrigster Art mögen aber Lehrer wie
Schüler oft auf dem Boden gesessen haben, wo-
durch der Name xa/uaidtdäoxa?.os (s. ölen S. 315
A. 4) sich erklärt.
10) Mart. X 62, 3.
Zweiter Abschnitt. Erziehung und Unterricht der Knaben.
319
Die Schuldisziplin war im allgemeinen streng. Zwar wurden die Elemente
des Alphabets den Kleinen zunächst mehr im Spiel beigebracht1), aber für
gewöhnlich spielten doch die Schläge beim Unterricht eine große Rolle, und
die Klagen, wie sie Horaz über den plagosus Orbilius führt2), gehen durch
das ganze römische Altertum hindurch3), obschon es nicht an Gegnern
dieser Prügelmethode fehlte4). Die gewöhnlichen Züchtigungsinstrumente
waren die Rute oder Gerte, ferula*), virga6), mit denen vornehmlich auf
die Hände7), und der Lederriemen, scutica8), an dessen Stelle auch eine
Peitsche aus Aalhaut, angailla, trat9), womit auf den Hintern geschlagen
wurde10). Daß nichtsdestoweniger auch die römische Schuljugend ihren
Lehrern alle möglichen Streiche spielte, die Schule schwänzte, faule Aus-
reden für nicht gemachte Aufgaben ersann u. dgl. m.11), versteht sich von
selbst. Hingegen erfahren wir von Schulprämien für besonders Fleißige
nur ausnahmsweise12).
Was nun die Unterrichtsgegenstände anlangt, die der litterafor zu
lehren hat, so sind es wesentlich die Fertigkeiten, die speziell elementa
genannt werden13), nämlich Lesen und Schreiben, und zwar zunächst der
lateinischen Sprache. Das Lesen 14) begann mit dem Kennenlernen der Buch-
staben, die für gewöhnlich den Kindern wohl auf einer Tafel aufgeschrieben
vorgezeigt wurden; ob der bisweilen erwähnte Brauch, ihnen Buchstaben
aus Holz, Elfenbein u. dgl. vorzuweisen15), nur im Privatunterricht oder auch
') Quint.1 1,26. Auch bekamen die Kinder
beim Anfang des Lernens Süfsigkeiten, wie aus
Hör. sat. I 1,25. Hieron. ep. 128, 1 p. 1096 M.
hervorgeht.
2) Hör. ep. 111,70; vgl. Suet. gr. 9, der den
Vers des Domitius Marsus zitiert: si quos Or-
mlius fertda scuücaque cecidit.
3) Schon bei Plaut. Bacch. 433 f. und sehr
drastisch geschildert Auson. id. 4, 26 ff., woraus
hervorgeht, daß auch die Mädchen davon nicht
verschont blieben.
4) Quint. 1 3, 13 f. will nichts davon wissen,
ebensowenig Plut. de lib. educ. 12 p. 8F. Selbst
der strenge Cato war ein Gegner des Prügeins
und unterrichtete auch deswegen seine Söhne
selbst, damit nicht ein Sklave das Recht habe,
sie zu schimpfen oder am Ohr zu ziehen, Plut.
Cat. mai. 20.
") Mart. X 62. 10: feruiaeque tristes, scep-
tra paedagogonim, XI 39. 10: XIV 80. Hör. sat.
13.120. luv. 1,15. Auson. id. 4, 29. Isid.XVlI
9, 95. wonach sogar einige den Namen a feri-
endo ableiteten. Vgl. Paris bei D.-S. II 1095.
6) luv. 7,210. Auson. a a. O : quod ma/ta
fupellex virgea.
-') Ov. am. I 13. 18; a. a. I 16. luv. 1, 15:
et hos ergo manum ferulae subduximus, was
sprichwörtlich wurde. Macr. III 10, 2 und andre
Stellen bei Otto Sprichw. d. Römer 135 n. 658.
Vgl. Plut, Ca es. 61.
8) Hör. sat. I 3, 119. Auson. id 4,25: quod
fallax seuticam praetexit aluta. Mart. X 62, 8
nennt sie cirrata loris horridis Scgthae pellis.
Die unechte Einleitung zu Hör. sat. I 10 spricht
v. 5 von dem, qui muUum puerum est Iuris et
funibus udis exhortatus.
9) Verrius bei Plin. IX 77. Isid. V 27, 15
identifiziert sie mit der scutica ; vgl. Corp. Gloss.
V 42 1 . 30 : anguilla, genus flagelli : ebd. 591,50;
615.24.
10) Das zeigt das oben abgebildete herku-
lanische Wandgemälde; vgl. Prudent. perist. X
696 ff., dessen Schilderung ganz dem Gemälde
entspricht, speziell in dem sublime tollere, und
Liban. or. XIX 48 (646 R.) : ägcarree agt/vif xaxa
zov EJii zovg Tialbag tov<; iv zrp öi8aoxa).sioig vofwv
fTr.-iTov i'fiavu zd je röjza xai rii. iura toStO
xäroi. Das scheint man mit catomitUare be-
zeichnet zu haben, Petron. 123, 2.
n) Als Beispiele vgl. man, was der sonst
so brave Persius 3,44 von seiner Schulzeit er-
zählt, oder die Anekdote vom jungen Nero, Suet.
Ner. 22. August conf. 1 19 berichtet von seinen
Schülerstreichen. Anderes bei Gkasbergeb II
173; 247. Fkiedländer Sittengesch. I 284f.
,2) Abgesehen von Sertorius, der die besten
Schüler mit goldnen Halsketten beschenkte.
Plut. Sert. 14, ist nur der Fall des Grammatikers
M. Verrius Flaccus bekannt, der schöne oder sel-
tene Bücher als Preise aussetzte, Suet.gr. 17.
13) Cic de or. 1 35, 1 63. Hör. ep. 1 20, 17 ; auch
prima elementa, Hör. sat. I 1,26. Quint. I 1,35;
bei Suet. Caes. 56 sind elementa direkt das Al-
phabet.
u) TJeber den Unterricht im Lesen vgl.
Grasberger 254 ff.
16) Quint. I 1,26: non excludo aatem, id
quod est notum, irritandae ad äiseendum in-
320
Zweite Abteilung. Das Leben.
in den Schulen vorkam, ist ungewiß1). Was die Methode anlangt, so war
es zur Zeit Quintilians das Gewöhnliche, daß die Schüler zuerst die Namen
und alphabetische Reihenfolge der Buchstaben und dann erst ihre Formen
lernten; er selbst erklärt sich nicht einverstanden damit und rät, Namen
und Form gleichzeitig zu lehren 2). Wie bei den Griechen schritt man auch
im lateinischen Leseunterricht von den Buchstaben zu den Silben, von den
Silben zu Wörtern, von den Wörtern zu Sätzen fort3). Hier empfiehlt Quin-
tilian, nicht nur, wie üblich, die leichtern Buchstabenzusammensetzungen
voraus zu nehmen, sondern auch die schwierigsten Silben einzuüben, in
allem aber nicht zu hasten, sondern ruhig und methodisch vorzugehen, bis
alles fest sitzt4). Wenn die Schüler im Lesen geübter waren, dienten als
Lesestoff vornehmlich die Dichter, indem Niederschreiben nach Diktat, Vor-
lesen des Diktierten, Auswendiglernen und Aufsagen damit verbunden
wurden5). Gelesen wurde aus Rollen, die die Schüler sitzend mit beiden
Händen (um auf- und zurückrollen zu können) auf den Knieen zu halten
pflegten6) (vgl. Fig. 54 7)).
Beim Schreibunterricht8), der auf dieser Stufe in der Regel dem-
selben Lehrer zufiel, während es besondere Lehrer für Bücherschrift (librarii)9)
und für Stenographie (notarii)10) gab, bediente man sich zu Anfang der
fantiae gratia eburneas etiam litterarum for-
mas in lusum offerre ; darnach handelt es sich
mehr um eine Art Spielzeug, und das bezeugt
auch Hieron. ep. 107,4 p. 871: fiant eilitterae
vel buxeae vel eburneae et suis nominibus appel-
lentur; ludat in eis, ut et lusus eins eruditio sit.
J) Die Geschichte von den 24 Buchstaben-
sklaven, die Herodes Atticus seinem gänzlich
unbegabten Sohne zum Kennenlernen des Al-
phabets gehalten haben soll, nach Philostr. V.
soph. II 1,10 p. 240, klingt wie eine erfundene
Anekdote.
2) Quint. a. a. 0. 24 : neque enim mihi illud
saltem placet, quod fieri in plurimis video, ut
litterarum, nomina et contextum prius quam
formas parvuli discant; ebd. 25: quapropter
optime sicut hominum pariter et habitus et no-
mina edocebuntur. Um zu verhindern, daß die
Schüler die Buchstabenformen aus der alpha-
betischen Reihenfolge mehr errieten als kenn-
ten, wurden sie von den Lehrern auch in um-
gekehrter Folge oder bunt durcheinanderge-
mischt vorgenommen, Quint. ebd.
s) Quint. ebd. 26 u. 31. Dion. Hai. de comp,
verb. 15. Vgl. Plaut. Merc. 303 : hodie ire occepi
in ludum litterar ium : I Lysimache, ternas scio
(am. Lys. Quid ternas? Dem. Arno. So schreibt
auch Hieron. ep. 128, 1 p. 1096 : itaque Pacatala
nostra hoc quidem epistolium postea lecturasus-
<-''l>i<d. Interim modo literarum dtmenta rogno-
8cat, iungat syllabas, discat nomina, rerba con-
societ.
4) Quint. a.a.O. 30 ff.
"') Hör. ep. I 20. 17 sieht voraus: hoc quo-
qne te manet, ut pueroa elemmta docentem \ occu-
pet extremis in vicU balba eenectus.
c) So die Schüler auf dem herkulanischen
Forumbilde, s. oben; zahlreiche Beispiele für
diese Art des Lesens bringt aus den Denkmälern
bei Birt Die Buchrolle in der Kunst 138 ff.
7) Nach Hettner Führer durch d. Provin-
zialmus. in Trier S. 21 : es sind die Söhne eines
GroßgrundbesitzersbeimUnterrichtdargestellt.
„Der Hauslehrer, vermutlich ein Grieche von
der höheren Bildungsstufe Aergrammatici, und
die zwei älteren Söhne sitzen in Lehnstühlen , aus
Papyrusrollen einen alten Schriftsteller, ver-
mutlich Homer, traktierend. Auch der Lehrer
wird eine Papyrusrolle gehalten haben. Von
rechts her tritt grüßend ein dritter Sohn heran
mit einem Band zusammengebundener Wachs-
tafeln, welcher mit einem Henkel versehen ist.
Dieser jüngste Sohn soll nachher Schreibunter-
richt haben." (Hettner a. a. O.)
8) Vgl. Grasberger 300 ff.
9) Isid. 1 3, 1: primordiagrammaticae artis
litterariae communes existunt, quas librarii et
calculatores sequuntur. Digg. L 6, 7 (6) unter-
scheidet librarii, qui docere possunt, et l/or-
reorum librarii et librarii depositorum et li-
brarii caducorum. Im Ed. Diocl. 7, 69 werden
für den librarius sire antiquarius (in der griech.
Uebersetzung hßQÜgiog rjrot aQ%ai6Xoyos) 50
Denare pro Schüler und Monat ausgesetzt. al>o
ebensoviel wie für den Elementarlehrer. Diese
librarii waren vornehmlich Bücherabschreiber
(daher die zweite Bezeichnung), lehrten aber
zugleich ihre Kunstfertigkeit als doctores libra-
rii, CIL XIII 444; vgl. den litteratus Graecis
et Latin ist ihr/t r ins ebd. XI 1236. Auf Inschriften
kommen sie häufig vor, s.Marquärdt 151 A. 7;
825 A. 7. Blümner z. Ed. Diocl. a. a. O.
10) Notarii sind die in der Tachygiaphie
geübten Schreiber, die in dieser Fertigkeit auch
Zweiter Abschnitt. Erziehung und Unterricht der Knaben.
321
Wachstäfelchen und ging erst bei fortschreitender Übung zum Schreiben mit
der Kohrfeder auf Papyrus oder Pergament über1); die Schüler brachten diese
Schulutensilien in einem Kästchen (loculi, capsa) in die Schule mit2). Auf
Fig. 54. Privatunterricht (Grabrelief ans Trier).
den Wachstafeln schrieb der Lehrer dem Schüler die Buchstaben oder Worte
vor und ließ sie darunter von ihm nachschreiben, wobei er ihn zunächst
mit der Hand über die Vorlage führte und dann diese nachschreiben ließ3).
Unterricht erteilten: im Ed. Diocl. 7, 68 ist
ihr Honorar auf* 75 Denare angesetzt, also
höher als das des librarius. Auch sie kommen
bei Schriftstellern und auf Inschriften häufig
vor. s. Marquardt 151 A. 1 ; 826 A. 3 und CIL
II 3119; V 8722: VI 9130; 9704 f.; 33890; VI11
8501; 12620fF.; 12899ff.; eine »otaria Graeca
VI 33892. besonders interessant ist die Grab-
schi ift XIII 8355 (DESSAu7756.BücHELEKCarm.
epigr. 219: puer . . . iam doctus in compendio
tot literarum et nominum notare currenti stilo,
quot lingua currens diceret. iam nemo supe-
ravit legem, iam roce erili coeperat ad omne
dictatum volans aurem vocari ad proximam
(s. dazu Rubensohn im Arch. f. Stenogr. LIII
(1901)26: LV (1903) 104). Vgl.auch Lecrivain
bei D.-S. IV 105. Wenn Grasbergek 201 und
Ussing 104 (vgl 112) den notarius schlechtweg
„Schreiblehrei " nennt, so ist das nicht richtig.
]) Geber die Schreibmaterialien wird an
anderer Stelle (Abschn. VII) gehandelt weiden.
Da Papyrus immer ein ziemlich kostbares Ma-
terial war. pflegte man den Kindern die Rück-
seiten beschiiebener und sonst wertloserSchrift-
Btücke zu ihrenSchreibübungen zu geben, Mark
IV Mi. 11: inversa pueris annale charta (sc.
Ubelle). Doch wird Hör. ep. I 20. 1 7 ff. von Por-
phyrie zu Uniecht darauf bezogen. In einem
Leydener Papyrus haben sich solche Schreib-
ttbungen noch erhalten, s. Reuvejjs Lettres
III 111.
-) Hör. sat. I 6. 73 : piieri . . . laevo suspensi
hculos tabulamque lacerto (wiederholt ep. I 1.
56). Den Söhnen reicherer Väter trug dies der
Pädagog oder ein besondrer Sklave nach, der
capsarixs. luv. 10, 187: quem sequitur eustos
angnstae vernula capsae. Suet. Nero 36. Digg.
XI, 2, 13: capsarius, i<l est qui portal libros. Im
Haivdbneli der klass. Altertumswissenschaft. IV.
Colloqu. Harl. 10 (Corp. Gloss. III 646) trägt der
puer scriniarius dem Schüler tabulae, theca
graphiaria und praeductorium nach. In den
höheren Schulklassen, in denen der Lesestoff
umfangreicher war, erreichten die mitzuneh-
menden Bücher wohl ein ganz erkleckliches
Gewicht, daher Liban. or. XXV 51 (II 81 R.) : oi
7« ßißkla lolg veoic; ht' wfuov <p&QOVttt.
3) Sen. ep. 94, 51 : pueri ad praescriptum
discunt. digüi illorum tenentur et aliena manu
per Htterarum sitnulacra ducuntur. deinde imi-
lari inheataretatl illa reformareetiiriif/raphaar.
vgl. Vopisc. Tac. 6, 5: pueros et inpubere» et
quibu8 ((>/ eubecribendum magistri litterarii
manu8 teneant. Quintilian empfiehlt, anstatt in
Wachs, die Schrift in Holz zu schneiden und
von den Schülern mit dem Griffel nachfahren
zu lassen, a.a.O. 27: cum vero iam duetus sequi
coeperit, non inutile erit eas tabeüae quam
optime inseuipi, nt per ttlos velut suleos duea-
tur stillt*, natu neque errabit, quetnadmodutH
in ceris [continebitur enim tttrinque margini-
bm neque extra praescriptum egredi poterit)
et celerius ae saepius sequendo certa vestigia
ftrmabit arüculos, aet\ue egebtt adiutorio iaa-
num suam manu superimposita regentis. Vgl.
dens. V 14,31: velut praeformatas infantibus
littcras persequentium; X2.2: sie litUrarum
(Inet ns, ut scribendi fiat usus, pueri sequuntur.
All (Hei Schreibübungen römischer Schuljugend
halitn sich, auf die Wand gekritzelt, in ein Tori-
gefäß geritzt usw.. noch mehrfach ei halten.
8. \ A. 1868,92. Lepsius A.d.I. VIII (1836)
186 ff. tav. C (etruskisches Gefäß mit einge-
kratzten griechischen Alphabeten, das eine mit
Silbenbildung); Alphabete in pompejanischen
Graffiti CIL IV 1364 Taf. 27. 8. Not. d. Bcari
1897, 28; 1899. 234 n. 107ff.; mehr bei Jahn
•j. .*). Anfl. 21
322
Zweite Abteilung. Das Leben.
Auch hier folgten den Buchstaben die Worte1), dann die Sätze, wobei
ein guter Lehrer nicht beliebige Banalitäten, sondern belehrende Sprüche
u. dgl. wählte2). Wenn dann die Fertigkeit der Schüler weiter fort-
geschritten war3), so trat an die Stelle der Vorschrift das Diktat4), und
diese Diktate wurden in der Regel auswendig gelernt und in der Schule
aufgesagt5). Dieser Brauch des Diktierens blieb auch in der Schule des
Grammatikers bestehen, vornehmlich weil das Kaufen von Büchern eine
zu kostspielige Sache war und die Diktate die Schulbücher zu ersetzen
hatten6). Als Stoff dazu nahm man mit Vorliebe die Dichter7), in früherer
Zeit zum Beispiel die Odyssee in der Übersetzung des Livius Andronicus 8),
später vornehmlich Horaz und Vergil9). Auch Prosa wurde so diktiert und
auswendig gelernt, wie Aussprüche berühmter Männer10), und in Ciceros
Jugendzeit sogar die Zwölftafelgesetze11). All das bezog sich zumeist nur
auf lateinische Schrift, Sprache und Litteratur; das Griechische lernten zwar
die Kinder in der Kaiserzeit oft schon früh durch Ammen oder Pädagogen
sprechen, wie oben erwähnt, aber als Unterrichtsgegenstand spielte es, so-
weit wir das noch beurteilen können, in der Elementarschule wohl keine
Rolle, sondern erst in der des Grammatikers12).
Das dritte Fach des Elementarunterrichts war das Rechnen13), auf das
die praktischen Römer von jeher einen großen Wert gelegt haben14), und
das sowohl theoretisch mit unbenannten Zahlen, wie mit benannten Werten15),
a.a.O. 296. Grasbekger 303. Etwas anderes
sind die in Stein gehauenen Alphabete, als
Schreibübungen von Steinmetzen erklärt von
Hülsen Rh. M. XVIII (1903) 73 ff.
') Quint. I 1. 34: illud non poenitebit cu-
rasse, cum scribere nomina puer (quemadmo-
dum moris est) coeperit, ne hanc operam in vo-
cabulis vidgaribus et forte oecurrentibus perdat.
*) Ebd. 35: ii quoque versus, qui ad imi-
tationem sertbendi proponentur, non otiosas
velim sententias habeant sed honestum aliquid
monentes.
3) Quint. ebd. 28 empfiehlt, man solle ler-
nen, bene ac velociter zu schreiben.
*) Hör. ep. I 18, 13: ut puerum saevo cre-
das dietata mag ist ro red der e: vgl. ebd. 1 1, 55.
Cic. ad Qu. fr. III 1,4, 11.
5) Das hieß reddere. Hör. a.a.O., vgl. die
oben S. 318 A. 5 zitierte Stelle des Leydener
Schulgesprächs und Coli. Harl. 10 (Corp. Gloss.
III 646).
6) Quint. X 3, 19 ff. spricht sich aber für
die reiferen Schüler gegen das Diktieren aus,
weil der Diktierende oft dränge und der Nach-
schreibende infolgedessen nachlässig und feh-
lerhaft schreibe.
7) Hör. ep. II 1, 126 : os tenerum pueri bal-
bumquepoeta figurat. Quint. 1 1, 36 : etiam dieta
clarorum virorum et electos ex poetis maxime
(namque eorum cognitio parvis gratior est) locos
ediscere inter lusum licet. Pers. 1,29: ten cir-
ratorum centum dietata fuisse J pro nihilo
pendas ?
8) Hör. ep. II 1,69.
*) Siehe die Belegstellen unten S. 325.
10) Quint. a.a.O.
n) Cic. de legg. II 23, 59: discebamus enim
pueri XII, ut Carmen necessarium, quas iam
nemo discit.
,a) August, conf. 1 13 : quid autem erat cau-
sae curGraecas litterasoderam, quibus puerulus
imbuebar, ne nunc quidem mihisatis explicutu »i
est. adamaveram enim Latinas, non quasprimi
magistri, sed quas docent qui grammatici vo-
cantur. nam illas primas ubi legere et scribere
et numerare discitur, non minus onerosas poe-
nalesque Jiabebam, quam omnes Graecas. Er
unterscheidet also den lateinischen Elementar-
unterricht, den lateinischenLitteraturunterricht
und den griechischen Elementar- und Littera-
turunterricht (omnes Graecas litteras).
13) Eingehend behandeln das Rechnen der
Alten Feiedlein Die Zahlzeichen und das ele-
mentare Rechnen der Griechen und Römer u. d.
christl. Abendlandes, Erlangen 1869, bes. S.87ff.
H. Stoy Zur Geschichte des Rechenuntenichtes
I.Jena 1876. GRASBERGERlI325ff. Marquardt
97ff. Vgl. auch F. Hultsch Ein Beitrag z. Kennt-
nis d. volkstüml. Rechnens bei d. Römern, N. Jb.
f. Phil. CXXXIX (1889) 335.
u) Cic. Tuscul. 1 2, 5: in summo apud Mo*
(sc. Graecos) honore geometria fuit, itaque nihil
mathematicis inlustrius; at nos metiendi ratio-
cinandique utilitate huius artis terminavimus
modum.
I5) Ein bekanntes Beispiel ist die vielbe-
sprochene Stelle Hor.a.p.325ff., wo Kopfrech-
nen mit dem As und seinen Teilen an einem Bei-
spiel vorgeführt wird. Die ersten Worte : Bo-
mani pueri longis rationibus assem diseunt in
Zweiter Abschnitt. Erziehung und Unterricht der Knaben.
323
vornehmlich in den vier Spezies1) sowie in der komplizierteren Bruch-
rechnung 2) eingeübt wurde. Die Römer verstanden sich in besonderer Weise
auf das Rechnen mit den Fingern, digiüs computare3); man stellte mit der
linken Hand alle zwei- und einziffrigen, mit der rechten alle drei- und vier-
ziffrigen Zahlen dar*). Eine andere Hilfe gewährte das ganz allgemein ange-
wandte Rechenbrett5), abacus6), tabula 7), eine Tafel aus Holz, Stein oder Metall,
auf der man mit Rechensteinen oder Marken, calculi8), die auf bestimmte.
Tausender, Hunderter usw. bedeutende Linien gesetzt wurden, rechnete.
Eine andere Art Rechenbretter waren behufs des Rechnens mit vertikalen
Einschnitten versehen, in denen sich verschiebbare Knöpfchen bewegten.
Von dieser Art haben sich noch einige Exemplare erhalten9); die ziemlich
verwickelte Rechenmethode, die auch schwierigere Bruchrechnungen aus-
zuführen erlaubte, ist danach ermittelt worden, aber zu umständlich, als daß
wir hier näher darauf eingehen könnten. Wer über das elementare Rechnen
hinausgehen wollte, für den gab es noch besondere Rechenlehrer, calculatores10).
In den älteren Jahrhunderten der Republik mochte die in der Schule
des litterator erhaltene Elementarbildung in der Regel wohl genügt haben11);
wer seinen Söhnen noch weitere Bildung, namentlich auch im Griechischen,
das allmählich sich neben dem Lateinischen immer mehr Geltung verschaffte,
zuführen wollte, der nahm irgendeinen litterarisch gebildeten Freigelassenen
als grammaticus in sein Haus, der den heranwachsenden Knaben Privat-
unterricht im Griechischen erteilte12). Erst als um die Mitte des 2. Jahr-
II 826 ff. Güillaume bei D.-S. I 1 ff. Hultsch
bei P.-W. I 5 ff.
6) Pers. 1, 131: denselben Namen führt
die mit Sand belegte Tafel für geometrische
Zeichnungen, vgl. Plut. Cat. min. 70. Cic. u.
deor. II 18, 48. Sen. ep. 74, 27.
7) luv. 9, 40 f. Petron. 46, 3.
8) Calculum ponere, luv. a. a. 0. Colum.
III 3, 7 ; sehr oft in übertragener Bedeutung.
vgl. Plin. ep. 1 24, 9 ; II 19. 9 ; V 2, 1 u. s. ; über-
haupt erhält calcuhts die Bedeutung von Rech-
nung.
9) Aufgezählt bei Marquardt 100 A. 7.
10) Mart. X 62, 1. Isid. I 3, 1 ; auch auf In-
schriften, S.CILV3384; VIII 12902; ein doctor
tirtis nileulntnrae XIII 6247; ein calculatt»-.
der comtnentarioe artis sitae reliquit, XIV 472.
Im Ed. Diocl. 7, 67 wird sein Honorar wie das
des votartus auf 75 Denare festgesetzt. Vgl.
Saglio bei D.-S. 1 820. Mau bei P.-W. III 1345.
") Suet.gr. 1: grammatica Ronuu »e in
usu quidem olim, necdum in honore ><//<> erat.
rudi sciUcet ac bellicosa etiamtnm eirititte nee-
dum magnopere liberalibtis diseipUnis raennfe.
'•) Suet. a. a. O.: initiion quoque eins me-
dioere e.rtitit, s/qm'dem antiqinssimi doetomm,
qui iidem et poetae et semigraeci ertmt { Li-
rin m et Ennium dt'co, quos wtraqut Ungtta
domi forisque doeuisse adnotatum est) nihil
amplius quam Graecos interpretabantur, auf
aiquid ipsi I Ailine eoinposnissent, praelegvha nt .
Wie Livius Andronicus im Hause des Livius
Salinator, so unterrichtete Metrodor in dem
des Aemilius Paullus, Plin. XXXV 135.
21*
partes centum diducere beziehen Grasberger
B26 und Ussing 116 auf die langen Bruchrech-
nungen, worin die Knaben eingeübt wurden,
Mahquardt98 A. 2 auf die Berechnung der Pro-
zente eines Kapitals, die je nach dem Zinsfüße
als centesimae bezeichnet würden, Berech-
nungen, die durch das bei den Römern übliche
Diuxlezimalsystem (1 As — 12 unciae) sehr er-
schwert wurden, vgl. Friedlein N. Jb. f. Ph.
KCHI (1866) 569 ff.
') Addei-e, niultiplicare, divideve sind die
alten Ausdrücke, hingegen heißt subtrahieren
deducere, Cic. de off. I 18, 59 ; de legg. II 21, 53.
Liv.VI 15.10.
2) Vgl. Marquardt 102 f. Wichtig ist da-
für das unvollständig erhaltene metrologische
Büchlein des Volusius Maecianus (2. Jahrh.
n.Chr.). Hultsch Script, metrol. Rom. 61.
s) Plaut, m. gl. 204: dextera digiüs ratio-
nem computat. Quint. I 10, 35. Plin. XXXIV
33;ebd.88. luv. 10, 249. Suet. Claud. 21; das-
selbe ist bei Ov. exP. 113, 18: sollicitis sup-
putat ar/ieit/is. Vgl.Macr.VII13 10. Apul.apol.
ö9. Vgl. Fröhnek Le comput digital. Macon 1884
(a. d. Annuaire de la Soc. de Numism.).
4) Aufschluß darüber gibt die Schrift des
Xikolaos von Smyrna "Exfppaoig xov daxrvli-
y.or fisxQov, bei Schneider Ecl. physic. I 477 ff.
und II 316 ff. Ausführlicher besprochen bei
Fkiedlein a. a. O. Rödiger in der Zeitschr. d.
deutsch, morgenländ. Gesellsch. f. 1845, 121 ff.
Marquardt 98 A. 3.
5) Hierüber vgl. die bei Marquardt 99
A. 5 angefühlte Litteratur, ferner Grasberger
324
Zweite Abteilung. Das Leben.
hunderts v. Chr. durch Krates von Mallos das Interesse für griechische
Litteratur auch in weitere Kreise gedrungen war1), erstanden Schulen, in
denen solche grammatici eine größere Anzahl von Knaben zusammen unter-
richteten, und die Sache fand solchen Anklang, daß es noch in der republi-
kanischen Zeit bisweilen mehr als zwanzig solcher Schulen in Rom gab 2),
wenn auch daneben für die weitere Ausbildung der Privatunterricht im
Hause vielfach bestehen blieb3). Diese höheren Lehrer hießen, im Gegensatz
zu den lüteratores, grammatici*), und zwar unterschied man den grammaticus
Graecus ausdrücklich vom grammaticus Latinus5), wenn es auch daneben
immer noch Lehrer gab, die in beiden Sprachen unterrichteten 6). Der Beruf
des Grammatikers war nicht gerade gesucht; in Suetons Mitteilungen über
berühmte Grammatiker des 1. Jahrhunderts v. Chr. finden wir öfters die
Angabe, daß sie früher einen andern Beruf getrieben hätten: Orbilius war
erst Magistratsdiener, dann Soldat gewesen, Qu. Remmius Palaemon Weber;
verschiedene Sklaven und Freigelassene sind darunter.7). Ihre Stellung war
daher keine sonderlich geachtete8), zumal die meisten sich wohl mit einem
recht bescheidenen Einkommen begnügen mußten9). Die große Konkurrenz
drückte die Preise herunter, die Väter suchten die wohlfeilsten Schulen für
ihre Söhne aus10); der Sklave, die Amme oder wer sonst das Schulgeld über-
brachte, nahm davon ein Trinkgeld für sich in Anspruch, und manchmal
fingen die Abzüge schon beim dispensator an, der das Geld aus der Kasse
des Herrn auszahlte11). Auch wenn der Lehrer durch bestimmte Kontrakte
über die Höhe des Honorars sich zu schützen suchte12), kam es doch vor,
daß ein Schüler vor Jahresschluß ohne Bezahlung durchbrannte und der
Lehrer seine Forderung gerichtlich einklagen mußte13). Daneben gibt es
*) Suet. gr. 2; doch gründete Krates keine
Schule, sondern hielt, durch seinen Beinbruch
in Rom zurückgehalten, öffentliche Vorträge
über griechische Litteratur (acroasis). was dann
von römischen Grammatikern auch für die la-
teinische Poesie Nachahmung fand, Suet. ebd.
2) Suet. gr. 3.
3) Vgl. Quint. I 2, 10: at fere minores ex
conscientia suae infirmitatis haerere singulis et
officio fungi quodammodo paedagogorum non
indignantur.
4) Früher angeblich auch litterati, s. oben
S.315 A. 3.
5) Im Ed. Diocl. 7, 70 sind beide neben-
einander genannt: auch sonst kommen sie auf
Inschriften sehr häufig vor. s. Blümner z. Ed.
Diocl. S. 118. Marquardt 106 A. 1 f. ; dazu CIL
III 406: yQajUfiarixog'Ptouaixög; 12702: artift
gmmmaticae Graecae peritissimus; vgl. VI
9454. Dessau 7768 ff. Grammatici Latini CIL
II 2892; V 3433; 5278; VI 9455.
6) Die Bezeichnwag grammaticus ohne Zu-
satz ist auf Inschr. ebenfalls häufig, s. Mar-
quardt 105 A. 6; auch magister artis gram-
maticae, CIL II 3872; vgl. XIII 1393: artis
(grammatices) doctor morummie magister II
2236.
7) Friedländer Sittengesch. 1 283.
8) Vgl. Ann. Flor. frg. im Florus ed. Halm
p. 108: o rem indignissimam ! et quam aequo
fers istud animo, sedere in scholis et puerii
praecipere? Das von Friedländer a. a. O. zi-
tierte Epigramm des Ausonius(136) stammt aus
dem 15. Jahrh.. s. Peiper Auson. p. 426 n. 15.
9) Die Nachrichten darüber stammen aus
sehr verschiedenen Zeiten und lauten daher
auch sehr verschieden. Nach luv. 7, 242 be-
kam der grammaticus am Schluf3 des Jahres
victori populus quod postulat aurum, nach den
Schol.fünfGoldstücke(500Sesterzen = 108M.);
im Ed. Diocl. 7, 70 sind für den grammaticus
für Monat und Schüler 200 Denare(3, 60 M.) aus-
gesetzt, was erheblich weniger ausmacht. Im
5. Jahrh. n. Chr. ist gar für das ganze Jahr
nur von einem Solidus (12,69 M.) die Rede,
Anth. Pal. IX 174, 9. In einer hispanischen
Stadt bezog der grammaticus Latinus seinen
Gehalt von der Stadt. CIL II 2892.
10) luv. 7. 175.
") Ebd 215 ff. Anth. Pal. a. a. O. 7 f.
l*) Das war wohl das Gewöhnliche; von
Antonius Gnipho berichtet Suet. gr. 7: nee un-
quam de mercedibus pactus, eoqueplura ex Jibe-
ralitate discentium consecutus. Vgl. auch Luc.
Hermot. 80.
13) luv. 7.157 u. 228. Anth. Pal a.a.O. In
dem Buche, das nach Suet. gr. 9 Orbilius unter
dem Titel Peiialogos herausgegeben hatte und
Zweiter Abschnitt. Erziehung und Unterricht der Knaben.
325
freilich Ausnahmen: besonders gesuchte Lehrer wurden nicht nur sehr gut
honoriert, sondern sammelten sogar Reichtümer l). Solche mögen denn auch
genötigt gewesen sein, wegen der Menge der Schüler die Klassen zu teilen-)
und Unterlehrer, die sie selbst zu honorieren hatten, anzustellen8).
Der Zweck des Unterrichts des Grammatikers war die Erwerbung der
Fähigkeit zum guten mündlichen und schriftlichen Ausdruck und die Kenntnis
nr Dichter, und zwar sind diese Ziele im griechischen wie im lateinischen
Unterricht die gleichen4), wobei namentlich auf die Einführung in die Dicht-
kunst in beiden Sprachen das Hauptgewicht fiel5). Ganz besonderer Wert
wurde auf das Griechische gelegt0), mit dem daher auch der Unterricht
des grammaticus anfing7). Als Lektüre kam dabei in erster Linie Homer in
Betracht8); ferner mit Auswahl Tragiker, von Komikern besonders Menander,
Lyriker, Fabeln Aesops u. dgl. m.9). Für das Lateinische dienten bis zum Ende
der Itepublik die älteren Dichter, wie Livius Andronicus und Ennius, als
Lesestoff10); auch tragische und komische Autoren, jedoch mit besonnener
Auswahl11); seit der Kaiserzeit stand im Lateinunterricht Vergil ebenso an
der Spitze, wie Homer im Griechischen12), nicht minder Horaz, der dies Los
schon vorausgeahnt hatte13). Später wurde es Dichtern nicht selten noch
bei ihren Lebzeiten zuteil, daß ihre Werke in den Schulen gelesen wurden14);
so wurde Lucans Epos gleich nach seiner Veröffentlichung in den Schulen
traktiert 15), und des Statius Thebais, noch bevor der Schlußgesang erschienen
in dem querelae de iniuriis, quas professores
neglegentia aut ambitione parentum acciperent
Stauden, mag auch über derartiges Klage ge-
führt worden sein, denn Orbilius starb, beinahe
hundertjährig, arm in einer Dachwohnung.
') Verrius Flaccius, der mit seiner ganzen
Schule nach dem Palatin übersiedelte, als
Augustus ihn zum Lehrer seiner Enkel wählte,
bekam von diesem 'jährlich 100000 Sesterzen
(etwa 21750 M.), Suet. gr. 17; Remmius Palae-
mon bezog von seiner Schule sogar das Vier-
fache davon und hatte sich außerdem ein be-
deutendes Vermögen gesammelt, ebd. 23. Vgl.
BUBDLÄKDBB a. a. O. 286 f.
*) Quint I 2, 23
3) Hypodidascalus heißtein solcher Unter-
lehrer bei Cic. ad fam. IX 18, 4; später kommt
die Bezeichnung xubdoctor vor, Auson. prof.
Burdig.22. Corp Gloss. III 198,22; 222,9 u. ö.:
fei. subdocere, Aug. conf. V11I 6, 13.
A) Quint. 14,2: haec igitur professio, cum
brevissime in duas partes dividatur, recte lo-
quendi scientiam et poetarum enarrationem,
plus habet in recessu quam fronte promittit;
vgl. ebd. 1: nee refert, de Graeco an de La-
tino loquar, quanquam Graecum esse priorem
macet.
5) Hör. ep. II 1, 126: os tenerumpueri bal-
bumque poeta fujurat. Cic. Tusc. III 2,3: acce-
dunt etiam poetae, qui cum magnam speciem
doctrinae sapientiaeque prae se tuleruut, au-
diunfnr, leguntur, ediscuntur et inhaerescimt
penitus in mentibus (aber ebd. II 11. 27 in ta-
delndem Sinne: at vero nos, docti scilicet a
Graecia, haec a pueritia et legimus et disd-
mus, hanc eruditionem liberalem et doctrinam
putamus). Davon wußte die ältere Zeit frei-
lich noch nichts: Cato bei Gell. XI 2,5 sagt:
poeticae artis honos non erat.
6) Siehe Cic. a. a. O. und de rep. I 18,30.
Sen. ep. 88, 20 ff.
') Quint. 14,1.
8) Hör. ep. II 2, 42. Quint. I 8, 5: ideoque
optime iustifutu»! est, ut ab Homero atque
Vergilio lectio inciperet. Petron. 5 v. 9 ff. Plin.
ep. II 14, 2. Das blieb auch später noch so.
August, de civ. Dei I 3; conf. I 14,23. Auson.
prof. Burdig. 21, 16.
9) Quint.l8,6f.;9,2. Ov.trist.II369. Stat.
silv. II 1,114. Auson. idyll. 4,46. In der Schule,
die der Vater des Statius in Neapel hielt, wur-
den eine Menge griechischer Lyriker gelesen,
u.a.Pindar. Alkman, Sappho. Kallimachosetc.
Stat. silv. V3, 146 ff. Hierbei war wohl wesent-
lich, daß sich in Neapel griechische Sprache
und Sitte behauptet hatte, s. Friedländkk
Sittengesch. III 333 f.
10) Siehe oben S. 322.
n) Vgl. darüber Quint. I 8, 8 ff.
") Quint. I 8,5. luv. 7,227. Macr. I 24, •"..
August, civ. D. 1 3. Auson. idyll. 4, 57. Nach Smt .
gr. 16 war es Q. Caecilius Epirota, ein Frei
gelassener des Atticus, der zuerst zeitgenössi-
sche Dichter behandelte und daher von Do-
mitius Marsus teneilorum »utricula ratum
genannt wurde.
,3) Hör. ep. 120, 17. Quint. a. a O.6. luv.
a. a. 0. Auson. a. a 0. 56.
**) Vgl. Pers. 1.29. Mart.VIlI 3. 15.
l5j Tac. de or. 26. Suet. vita Lucani.
326
Zweite Abteilung. Das Leben.
war1). Daneben blieb natürlich die Lektüre der großen Dichter der Ver-
gangenheit, des Terenz, Vergil, Horaz, auch des Lucrez und Varro?), be-
stehen. Weniger Berücksichtigung scheinen die Prosaiker gefunden zu
haben3). Als dann im 2. Jahrhundert n. Chr. eine Reaktion gegen die zeit-
genössische Litteratur eintrat, als man selbst Vergil, Horaz, Cicero zugunsten
von Ennius, Plautus, Pacuvius, Cato, Gracchus beiseite legte, da hatte diese
altertümliche Richtung natürlich auch auf die Schule ihre Wirkung und behielt
sie, von Hadrian und den Antoninen begünstigt, das 2. Jahrhundert hindurch4).
Was die Methode des Unterrichts anlangt, so war dieselbe ungefähr
folgende. Der Lehrer las die zur Behandlung kommenden Dichtungen zu-
nächst den Schülern vor (praelegere)5), wobei es besonders auf richtige
Betonung {sonus) ankam6); der Schüler, der das Vorgelesene zu wiederholen
hatte, mußte lernen, richtig den Atem zu verwenden, Vers- und Satzenden
zu unterscheiden, die Stimme je nach dem Sinn zu heben oder zu senken,
bald schneller, bald langsamer zu sprechen, Gefühl und Empfindung in den
Vortrag zu legen u. dgl. in.7). Da die Schüler nicht immer Texte der be-
handelten Dichter zur Hand hatten, so spielte auch in der Schule des
Grammatikers das Diktieren eine wichtige Rolle8). Derartiger Unterricht
setzte aber beim Lehrer das volle Verständnis des Schriftstellers voraus9),
und davon hatte er auch durch eingehende Besprechung und Erklärung
des Gelesenen Zeugnis abzulegen. Allerlei war es, was dabei zu berück-
sichtigen war10): ebenso Fragen der Metrik und Musik11), der Grammatik
und der Literaturgeschichte12), wie der Geschichte, Geographie, Physik,
*) Stat. Theb. XII 815.
-) Quint. I 4, 4.
3) Die von Bebnhardy 62 A. 40 angenom-
mene Lektüre Ciceros wird von Marquabdt
106 A.7 bestritten. Daß immerhin außer Dich-
tern auch andere Schriftsteller gelesen wurden,
beweist Quint. I 4, 4, was sich wohl nicht bloß
auf „ältere Schüler" bezieht. Unter den von
Mart. XIV 183—196 angeführten Geschenk-
büchern finden sich an Prosaikern Cicero, Livius
und Sallust; doch ist nirgends angedeutet, daß
es sich hier, wie Birt DieBuchrolle in der Kunst
25 u. 31 annimmt, um Schulbücher handelt.
4) Schon Quint. I 8, 8 spricht sich für die
Lektüre der veteres Latini aus, obschon sie
mehr ingenio quam arte wirkten, vornehmlich
wegen der copia verborum. Vgl. Friedländer
a. a. 0. 336 f.
5) Mart. I 35, 2; VIII 3, 15. Quint. I 8, 8;
ebd. 13. Suet. gr. 16. Macr. I 24,5.
6) Cic.deor.I42. 187. Quint. 1 10,23: vgl.
die Grabschrift CIL VI 9447.
7) Man vgl. die Vorschriften bei Quint.
I 8, 1 ff., der aber vor dem zu seiner Zeit üb-
lichen affektieiten Vortrag (den in canticum
dissoluta, plasmate, ut nunc a plerisque fit,
effeminata, ebd. 2) warnt, den auch Pers. 1, 17
verspottet. Vgl. auch ebd. I 10,25.
8) So Hör. ep. II 1,71 von Orbilius.
9) Quint. I 8, 2: ut omnia ista facere pos-
8Ü, intelligat.
10) Quint. I 2, 14 bezeichnet als die Auf-
gaben des grammaticus : de loquendi ratione
disserere, quaestiones explicare, historias ex-
ponere, poemata narrare; 4, 1 teilt er äiegram-
matice in zwei Aufgaben, die rede loquendi
scientia und die poetarum enarratio, indem er
bemerkt, daß mit jener auch die scribendi ratio
verbunden ist, daß der enarratio die emendata
lectio vorhergeht, und daß bei all diesen Auf-
gaben das iudicium die Hauptrolle spielt. Die
Erklärung der Dichter ist die enarratio.
1 !) Quint. 14,4: tum neque citra musicen
grammatice potest esse perfecta, cum ei de
metris rhythmisque dicendum est; ebd. 8, 13.
Sen. ep. 88, 3 : grammaticus circa curam ser-
monis versatur et, si latius evagari vult, circa
historias, idm ut longissime fines suos pro-
ferat, circa carmina; dazu braucht es sylla-
barum enarratio et verborum diligentia et fa-
bularum memoria et versuum lex ac modificatio.
Vi) Quint. 1 8, 13 : in praelegendo gramma-
ticus et illa quidem minora praestare debebit,
ut partes orationis reddi sibi soluto versu de-
sideret. Das poemata narrare (in Gegensatz
zur enarratio) bestand wohl in der Erzählung
des Inhalts von nicht in der Schule gelesenen
Dichtwerken. In welcher Weise der gram-
maticus in der Geschichte der Sprache be-
wandert sein mußte, zeigt Quint. 14, 13 ff. an
Beispielen; ebd. Cap. 5 ff. wird über andere
Fragen, die mit der Erlangung eines guten
Stils und einer reinen Sprache zusammen-
hängen, gehandelt.
Zweiter Abschnitt. Erziehung und Unterricht der Knaben.
327
Astronomie1), besonders aber der Mythologie, auf die viel Wert gelegt
wurde 2).
Die Aufgaben der Schüler waren teils mündliche teils schriftliche. Jene
bestanden im Auswendiglernen von Dichterstellen, von Sentenzen u. dgl.3),
im Wiedererzählen von äsopischen Fabeln oder vom Inhalt von Dichtungen
in Prosa4), diese in kleineren Aufsätzen, Erzählungen, Chrien6). Wem
diese Bildung in der Schule des grammaticus noch nicht genügte, der konnte
bei Privatlehrern sich noch in einigen Fächern besonders unterrichten lassen,
wie im Rechnen, von dem oben die Rede war; doch wurde es erst in der
Kaiserzeit üblich 6), daß die Knaben, ehe sie aus der Schule des Grammatikers
in die des Rhetors übergingen, noch in den Fächern Unterricht nahmen, die
die Griechen als eyxvxXiog jzaidela bezeichneten7). Das geschah besonders in
der Musik8), in der vornehmlich Gesang und Saitenspiel Unterrichtsgegenstände
waren9); doch blieben von dem alten Vorurteil gegen diese griechische Sitte10)
J) Quint. 14, 4: nee, si rationem siderum
ignoret, poetas intelligat, qui(ut alia omittam)
totiens ortu occasugue signorum in declaran-
ilis temporibus utuntur; nee ignara philoso-
phiae (grammatice), cum propter plurimos in
um n Ums fere carminibus locos exintima natura-
Uum quaestionum subtilitate repetitos, tum etc.
Eigener Unterricht in Geschichte, Geographie
u.dgl. wurde nicht erteilt, sondern diese Fächer
nur gelegentlich gelehrt, was Tacit. de or. 30
bedauert.
'.) Cic.Verr. act. II, 1 18, 47 : si in pueritia
ii oh his artibus ac disciplinis institutus eras,
ut ea, quae litteris mandata sunt, disceres at-
qiie cognosceres. Tert. deidol. 10 führt als Auf-
gabe der Lehrer {professores litterarum) an:
deos ii<itionumpraedicare,nomina,genealogias,
fabulas, ornamenta honorifica quoque eorum
cmi ii t iure tum sollemnia festaque eorundem ob-
tervare. August, conf. I 14, 23 spricht von den
tuavitates Graecae fabulosarum narrationum.
Die historiarum enarratio oder cognitio (Cic.
de or. I 42, 187. Quint. I 2, 14; 8, 18. Sen. ep.
80, 3) bedeutete zwar ganz allgemein die von
den Grammatikern gegebene Sacherklärung
der Dichter (vgl. Friedländer De historiarum
enarratione in ludis grammaticis,Regim. 1874),
es wird aber gerade da die Mythologie eine
Hauptrolle gespielt haben.
s) Sen. ep. 33, 7. Quint, II 7, 1. August.
conf. I 17,27.
4) Das solvere versus, Quint. I 9. 2; vgl.
August, a. a. 0. : tale aliquid dicere solutis ver-
bis, quae poeta dixisset versibus.
b) Suet de gr. 4 nennt quaedam genera
institutionum ad eloquentiam praeparandam,
ut problemata, paraphrasis, alloeutiones, etho-
logiae atque alia hoc genus. Quint. I 9, 3: sen-
tentiae quoque et chriae et ethologiae subiectis
dictorum rationibus apud grammaticos scri-
bantur. Auch narratiuneulae <i poetis cele-
bratae, ebd. 6. Im übrigen bemerkt Quint. ebd.,
daf3 dem grammaticus Latinus auch noch
größere und schwierigere Aufgaben zufielen,
weil die lateinischen Rhetoren dergleichen
vernachlässigten, was bei den griechischen
nicht der Fall war.
6) Cic. Tusc. I 2, 4 f. hebt als Unterschied
von griechischer und römischer Erziehung her-
vor, daß in jener Musik und Geometrie eine
wichtige Rolle spielten, in letzterer nur das
Rechnen geschätzt war.
7) Quint. 1 10, 1: nunc de ceteris artibus,
qu Ums instH iicndos, priusquam rhetori trn-
ilinitnr. pueros existimo, strictim subiungam,
ut efficiatur orbis ille doctrinae, quem Graeci
iyxvxhov jiaidsiav vocant. Er bespricht dann
nur Musik und Geometrie, während bei den
sog. artes liberales noch Rhetorik, Philosophie,
Astronomie hinzukommen. Doch sind die Ab-
grenzungen der syxvxhog .-ratdeia keine fest-
stehenden, vgl. Grasberger II 235 ff.
8) Ueber die Musik als Lehrgegenstand
s. Quint. a. a. O. 9 ff. Am kaiserlichen Hofe
wurde die Musik meist gepflegt; so war Titus
ne musicae quidem rudis, ut qui emitiiret et
psnlleret inen iuie sei,-ntenjne; unter den Lehrern
des M. Aurel figuriert auch ein inusicus, Iul.
Capit. M. Anton, phil. 2, 2. Hadrian verkehrte
viel mit Musikern, Spart. Hadr. 16, 10, und
Alexander Severus war ad mu»icatn pronut,
Lampr. AI. Sev. 27, 5.
9) Gesangsunterricht war schon wegen der
Mitwirkung bei den religiösen Festen not-
wendig, zuerst erwähnt bei Liv. XXVI 137.7 für
das Jahr 207; Livius Andronicus hatte das
Lied gedichtet und wohl auch komponiert,
vgl. Festus 333 a, 22. Vgl.MARQUARDT 1 18 A. 3.
und Rom. Staatsverw. III 181 A. 4. Der Musik-
unterricht in den vornehmen Häusern Roms
war sehr einträglich, luv. 5, 175 f. Mart. III 4, 9 ;
V 56, 9. Vgl. Friedländer Sittengesch. III
315.
10) Nep. Epam. 1, 2: seinms mint mueicen
nos/ris morihiis abesse aprineipis /lersunn, sa/-
tare etiani in rifiis poni.
328
Zweite Abteilung. Das Leben.
noch immer Spuren übrig1). Dazu kam bisweilen noch Unterricht in der
Geometrie, deren hohen Bildungswert man wohl erkannte2).
Von den in den Schulen der Grammatiker verwendeten Lehrmitteln,
namentlich solchen, die dem Anschauungsunterrichte dienten, erfahren wir
sehr wenig. Eigentliche Schulbücher, d. h. solche, die für die Bedürfnisse
der Schule verfaßt waren und den Schülern als Lese- und Lernmaterial
in die Hände gegeben wurden, scheint es wenig gegeben zu haben3), doch
treffen wir im Ausgang der Kaiserzeit auf das noch erhaltene Grammatik-
buch des Dositheus4), und die in den Handschriften meist damit verbundenen
doppelsprachigen Schulgespräche mannigfachen Inhalts5) haben ebenfalls
Unterrichtszwecken gedient. Landkarten kannte man zwar6); da aber die
Geographie kein Unterrichtsgegenstand war, werden wohl in den Schulstuben
für gewöhnlich solche nicht zu finden gewesen sein. Ebenso hat man bei
den mythischen Darstellungen, die in flachem Relief und oft sehr flüchtiger
Arbeit die Hauptszenen eines Sagenzyklus, wie zum Beispiel die Ilias, vor-
führen und daher in der Regel als „Bilderchroniken" bezeichnet werden 7),
bei ihren meist ganz kleinen Dimensionen wenigstens für den öffentlichen
Schulunterricht wohl keine Verwendung anzunehmen 8).
Neben der geistigen Ausbildung der Knaben ging die körperliche
einher, aber in viel beschränkterem Maße, als es bei den Griechen der Fall
war. Zwar hielt man in der bessern Zeit der Republik darauf, daß die
Knaben vornehmlich in solchen körperlichen Fertigkeiten geübt wurden,
die sie zur Ertragung der Strapazen des Kriegsdienstes besonders befähigten
J) So übte Alexander Severus seine Ge-
sangskunst nur im engsten Kreise aus, Larapr.
AI. Sev. 27. 7. An und für sich scheinen die
Römer auch nicht stark musikalisch veranlagt
gewesen zu sein, vgl. Polyb. b. Ath. XIV p. 6 15 B.
Grasberger 363 f.
2) Noch nicht zur Zeit Ciceros, Tusc. 1 2, 5,
wohl aber Quint. 1 10, 34 ff., und zwar schon
für das frühe Kindesalter. Vgl. Sen. ep. 88, 10.
Unter den Elementarlehrern des M. Aurel wird
auch ein mus/cus und ein geometra aufgeführt,
Capitol. 2, 2; und im Ed. Diocl. 7, 70 erscheint
der geometra mit demselben Honorar wie der
grammaticus.
3) Zur Zeit Catos sicherlich nicht, da dieser
nach Plut. Cat. mai. 20 seinen Kindern selbst
einen Leitfaden der Geschichte niedergeschrie-
ben hatte.WennMARQUARDTl09 für die Kaiser-
zeit die Verwendung von Geschichtskompen-
dien, chronologischen Tafeln usw. annimmt, so
bemerkt er selbst, es sei zweifelhaft, ob sie in
der »Schule Anwendung fanden oder zum häus-
lichen Gebrauch, für die Lehrer oder sonstwie,
dienten. Da die Geschichte kein eigener Unter-
richtszweig war, ist die Benutzung von Ge-
schichtskompendien in der Schule unwahr-
scheinlich.
4) Die ars desDositheus mit griechischer
Übersetzung s. Keil Gramm. Lat. VII 376 ff.
Die üebersetzung ist wahrscheinlich für Grie-
chen bestimmt, die Lateinisch lernen wollten,
s. Krümbacher Rh.M. XXXIX (1884) 352. Die
Chronologie des Dositheus ist unsicher; jeden-
falls ist die Datierung in das Jahr 207, die noch
Michaelis bei Jahn Gr. Bilderchron. 81 auf-
recht erhielt, unmöglich, s. Götz bei P.-W.V
1607.
5) Herausg. v. Böcking, Bonn 1832, jetzt
Corp. Gloss. III 1 ff. Neben Glossen, Schul-
gesprächen, Genealogie u. a. m. enthalten sie
auch Aesopische Fabeln und eine I nhaltsangabe
der Ilias. Solche jToiqxiy.al imoüeoeig scheinen
im Unterricht beliebt gewesen zu sein, s. Plut.
de aud. poet. 1 p. 14 E. ; vgl. Michaelis a. a. O.
6) An öffentlichen Gebäuden, Tempeln
usw. , Varro r. r. 1 2, 1 , oder zu Hause zum Selbst-
studium, Prop. V (IV) 3, 37. Dio Cass. LXVH
12, 4. Benutzung beim Unterricht ist erst im
4. Jahrh. n. Chr. nachweisbar, s. Marquardt
109 A. 1. Becker-Göll 105.
7) Siehe die Schrift: Griechische Bilder-
chroniken, bearb. v. O. Jahn, herausgeg. u. be-
endigt von A.Michaelis, Bonn 1873. Römische
Reliefs der Art, d.h. mit lateinischen Inschriften,
sind nicht bekannt.
8) Michaelis a. a. 0. 86 ff. nimmt allerdings
solche Benutzung an, allein die Kleinheit der
Bilder und Inschriften wäre nur dann ohne
Bedenken, wenn jeder Schüler ein Exemplar
vor sich gehabt hätte, was doch sehr unwahr-
scheinlichist. Daher lehnt auch Marquardt 102
ihre Verwendung in der Schule ab. Im Privat-
unterrichte aber konnten sie gute Dienste
leisten.
Zweiter Abschnitt. Erziehung und Unterricht der Knaben.
329
oder im Kriege von Nutzen sein konnten1); doch trat, je weniger der
römische Bürger selbst noch Kriegsdienste tat, diese Seite der Leibesübungen
immer mehr in den Hintergrund2). Derartige Übungen waren besonders
der Lauf3), für den die Jiömer von jeher eine Vorliebe hatten1), und der
Sprung in seinen verschiedenen Arten5), und als Fertigkeiten Fechten"),
Schleudern von Wurfspeeren u. dgl.7), sowie Reiten8) und Schwimmen9).
Seltner scheinen andere, von den Griechen übernommene Leibesübungen von
der Jugend vorgenommen worden zu sein. Zwar der Faustkampf, der eine
altitalische Übung ist10), war den Römern nicht erst von den Griechen über-
kommen, aber wie der Ringkampf11) wohl nur in älterer Zeit noch Gegen-
stand des Jugendunterrichts12); griechischem Brauch entnommen waren die
Übungen mit der Wurfscheibe (dem Diskus) l a) und die vielfach rein hygienische
Zwecke verfolgenden mit Hanteln oder ähnlichen Geräten 14). Indessen von
dem griechischen Brauch, daß die Knaben in der Palästra, d. h. einer öffent-
lichen Turnschule, in allen diesen Fertigkeiten unterrichtet wurden, wollten
!) Diese schon in der Jugend zu treibenden
Hebungen für den Kriegsdienst empfiehlt Hör.
lärm. III 2.1 ff.
2) So klagt schon Hör. carm. III 24, 51 ff.
darüber, daß die freigeborenen Knaben nicht
mehr zum Reiten und zur Jagd Lust hätten und
nach griechischem Brauch Reifenspiel und Wür-
fel bevorzugten. In starken Ausdrücken tadelt
Quint. I 2, 6 f. die Verweichlichung der Jugend.
3) Die Bedeutung des Laufes für den Krieg
hebt Stat. Theb. VI 550 hervor, ebenso Veget.
r. m. I 9, allerdings mehr in der Form des am-
bularecele.riteretaequaliter,vf&a&uchAi\gxiBt\i8
als Mann noch übte, Suet .Aug. 83 : deambulabat,
itii ut in extremis spatiis subsultim decurreret.
Vgl. Hör. carm. III 12,9. Mart.II 14,4; VII 32,
11. Sen. ep. 15, 4.
4) Ein gewaltiger Läufer war Papirius Cur-
sor nach Liv.IX 16. 13. doch hatte schon dessen
Großvater den Beinamen Cursor geführt, s.ebd.
VI 11,1.
6) Sen. ep. 15, 4 zählt folgende auf: saltus
vel illi\ qui corpus in altum lernt, vel ille, qui
in longum mittit, vel ille, i<t ita dicam, saliaris
aut, ut contumeliosius dicam, fullonius; also
Hochsprung, Weitsprung und Sprung am Platze
(mit Unrecht meint Beckek-Göll III 187, daß
letzterer eine Art Tanz gewesen sei: es ist eine
auch heut noch gebräuchliche Freiübung). Die
Bedeutung des Sprunges im Kriege hebt Veget.
1 9 hervor.
6) Plut. Cat. mai 20. Hör. carm. I 8, 10.
Ov. tr. III 12, 14. Sen. ep. 88, 19 bezeichnet aber
hastilia iacere, sudem torquere, equum agitare,
arma tractare als bei den Vorfahren übliche
Jugendbeschäftigungen.
7) Plut. a. a. 0. Verg. Geo. II 530. Hör.
a. a. 0. 12. Ov. a. a. III 383. Sen. a. a. 0. : vgl.
Sil. It. XVI 557 ff. Ueber die speziell militäri-
schen Uebungen mit sudes und vectisvgl. Mar-
qüardt 121 A. 6.
8) Plut a. a. 0. Hör. carm. I 8. 6; III 7, 25;
24. 54. Ov. trist. III 12, 19; a. a. III 384. Stat.
silv. V 2, 1 13. Veget. I 18. Vgl. Lafaye bei D.-S.
II 750.
9) Plut. a.a.O. Hör. carm. 18, 9: III 7,27;
12, 7. Ov. tr. III 12, 21. Veget. 1 3; ebd. 10. In
der Regel wird der Tiber als Schwimmgelegen-
heit genannt. Beim Schwimmenlernen nahm
man leichte Binsengeflechte zu Hilfe, Plaut.
Aul. 595. oder Korkgürtel. Hör. sat. 1 4, 120.
10) Auf etruskischen Bildwerken begegnet
er häufig; über seine später noch anhaltende
Beliebtheit bei den Spielen vgl. Marquardt 121
A. 5 und Friedländer bei Marquardt Rom.
Staatsverw. III 504 A. 2. In der Kampfweise
blieb der Unterschied zwischen italischer und
griechischer Art bestehen, daher bei Suet. Aug.
45 jmgiles Latini und Graeci unterschieden
werden.
") Sen. a.a.O. Auch bei Verg. Geo. II 531
erscheint die agrestis palaestra als Belustigung
der Väter.
'*) Plut. Cat. mai. a. a. 0. Hör. carm. III
12,8.
13) Die Anwendung des Diskus auch bei
den Römern bezeugt Hör. carm. I 8, 11: sat. II
2, 13. Mart. XIV 164; doch zeigt die Zusammen-
stellung bei Hör. a. p. 380 mit Ball- und Reifen-
spiel, daß er mehr zum Spiel gerechnet wurde,
wenn auch zu solchen, die als gesundheit-
fördernd betrachtet wurden.
u) Die Hautein kommen in der griech. Be-
zeichnung kälteres bei Mart. VII 67, 6 vor, hier
in der Hand von Frauen; ebd. XIV 40. mit
deutlichem Ausdruck der Abneigung gegen
diese Art der Gymnastik. Gemeint sind sie
auch bei Sen. en, 15, 4 mit den Worten cum
(i/itjtio pondere manne motae, und ebd. 56, 1,
wo es vom Lärm in den Thermen heißt: cum
fortiore* exercentur et manue phtmbo graves
iactant. Die Hanteln hatten in der römischen
Zeit vornehmlich die Form, wie sie römische
Statuen von Athleten oderWandgemälde zeigen,
s. J üthner Ueber a ntike Turngeräte (Wien 1896)
S. 10 Fig. 11 f.
330
Zweite Abteilung. Das Leben.
die Römer nichts wissen, teils aus sittlichen Bedenken *), teils aus pädago-
gischen Gründen2); und als durch Neros Vorliebe für griechische Gymnastik
diese auch unter der römischen Jugend weitere Verbreitung fand, als
hygienisch gepriesen und zur Aufnahme in den Jugendunterricht empfohlen
wurde3), da erhob sich dagegen starke Opposition4). Palästren im Sinne
der Griechen hat es daher bei den Römern nicht gegeben5); dagegen wurde
es mehr und mehr üblich, bei den Bädern Turnplätze anzulegen, die den
Namen palaestra bekamen6), und von diesen wird an anderer Stelle noch
zu sprechen sein. In Rom diente sonst für die Übungen der Jugend, zumal
für Laufen, Springen u. dgl., das Marsfeld als reichlich Raum bietendes
Terrain7). Der Unterricht wurde in der Regel von besondern Turn-, Fecht-
oder Reitlehrern erteilt8), die ersteren waren in der Kaiserzeit wohl meist
Griechen9). Tanzen wurde nach dem zweiten punischen Kriege auch ein
eigner Unterrichtsgegenstand10), doch vornehmlich nur, damit bei festlichen
J) Es war namentlich die Entblößung des
Körpers und die damit verbundenen sittlichen
Gefahren, die die ernsteren Römer zu Gegnern
der griechischen Gymnastik machten, vgl.Plin.
XXIX 26: illa perdidere imperii mores, illa,
quae sani patimur, luctatus, ceromata ceu vale-
tudinis causa instituta, balineae ardentes; ib.
XXX V 168: in ceromatis, quibus exercendo iu-
ventus nostra corporis vires perdit animorum.
Und von den Zuschauern Sen. dial. X 12, 2:
illum tu otiosum vocas, . . . quiin ceromate {nam,
pro facinus, ne Romanis quidem vitiis labora-
mus) sectator puerorum rixantium sedet? Frei-
lich meint Plut. Cat. mai. 20, daß die Römer,
nachdem sie von den Hellenen die Entblößung
übernommen hatten, noch unsittlicher gewor-
den seien als diese, wobei er allerdings vor-
nehmlich die Sitte der gemeinschaftlichen Bä-
der im Auge hatte.
2) Mart.VII32,5ff. Plin. paneg. 13; vgl.
besonders die Klage des Lucan. Phars. VII 270:
Grais delecta iuventus \ gymnasiis oderit studio-
que ignava palaestrae | et vix arma ferens.
3) Vgl. die Bemerkungen, die Seneca da-
gegen macht, besonders ep. 15,2: stulta est et
minime conveniens literato viro occupatio exer-
cendi lacertos et dilatandi cervicem ac latera
firmandi, und ebd. 88, 18: aeque luctatores et
totam oleo ac luto constantem scientiam expello
ex his studiis liberalibus. Ueber diese ganze
Richtung vgl. Friedländer Sittengeschichte II
442 ff.
4) Die angeführten Aeußerungen des Pli-
nius, Seneca, Lucan, Martial (auch XIV 49, s.
oben), sind wohl vornehmlich dadurch hervor-
gerufen ; vgl. Tac. ann. XIV 20, der hervorhebt,
daß die Jugend studiis externis, gymnasia et
otia et turpes amores exercendo entarte. Plin.
XV 19 vom Gebrauch des Oeles: usum eins ad
luxuriam vertere Graecivitiorum omnium geni-
tores in gymnasiis publicando.
5) Die Erwähnungen bei den Komikern
gehen auf die griechischen Vorbilder zurück,
ebenso der häufige metaphorische Gebrauch des
Wortes ; andere Erwähnungen bei Dichtern u. s.
gehen auf griechische Verhältnisse. Vitr.Vll, 1
sagt von den Palästren : etsi non sint Italicae
consuetudinis.
6) Auch in den Villen wurden solche an-
gelegt, was Varro r. r. II pr. 2 bereits als Kenn-
zeichen der Verweichlichung rügt.
7) Strab. V236 spricht von der großen Aus-
dehnung des Marsfeldes, das auch für Wagen-
rennen undReiterübungengenügendPlatz biete,
ungeachtet der großen Menge derer, die sich
im Ball- und Reifenspiel und im Ringkampf
übten, vgl. Jordan-Hülsen Topogr. d. St. Rom
I 3, 499. Richter Topogr. d. St. Rom - 222 f.
Als Stätte der gymnastischen Uebungen wird
es. meist schlechtweg als camptcs oder als
Tiberufer, oft erwähnt, z. B. Hör. carm. I 8, 4;
1117,26; sat. 16, 126; 116,49. Mart.V20.9.
luv. 1, 19. Stat. silv. V 2, 113. Auch die militäri-
schen Uebungen fanden dort statt, Veget. I 10;
daher hießen die Exerziermeister campi docto-
res, Veget. 1 13; II 23; III 6; ebd. 8; ebd. 26.
Lampr. AI. Sev. 53, 9: auch auf Inschr., CIL
VI 533; 2658; 2697; vgl. II 4083 (wo Mommsen
praep. simul et campi als praepos. equitum
simul et campi doctor eorum erklärt) und
Beurlier Melanges Graux 297 ff.
8) Daß Plut. Cat. mai. 20 ausdrücklich er-
wähnt, daß Cato beim Unterricht seiner Söhne
selbst den yv^vaarrjg machte, beweist, daß
schon damals eigene Lehrer dafür da waren.
Aus späterer Zeit vgl. Mart. VII 67, 8.
9) Plin. paneg. 13: postquam exercitatio-
nibus nostris non veteranorum aliquis, cui dc-
cus muralis aut civica, sed graeculus magister
adsistit, was sich allerdings zunächst auf die
Exerzier Übungen der Soldaten bezieht; vgl.
Grasberger III 146.
10) Macr. III 14, 4: inter duo bella Punica
ingenui, quid dicam ingenui, filii Senator n tu
in ludum saltatorium commeabant et illic cro-
tala gestantes sultare discebant.
Zweiter Abschnitt. Erziehung und Unterricht der Knaben.
331
Anlässen Knaben und Jünglinge mit den Mädchen die feierlichen Reigen-
tänze aufführen konnten !).
Den Abschluß der höheren Bildung brachte die Schule des Rhetors2);
doch wird man annehmen dürfen, daß es verhältnismäßig nur ein kleiner
Bruchteil war, der nach der Schule des Elementarlehrers und des Grammatikers
noch die des Rhetors besuchte3), und damit mag es zusammenhängen, daß
nicht selten auch später noch, als die anfangs verpönten Rhetorenschulen
allgemein geworden waren, der grammaticus, wie es vor deren Aufkommen
üblich gewesen war, auch noch Unterricht in der Rhetorik gab und ebenso
zu schriftlichen Arbeiten wie zu Redeübungen anleitete4). Bis zum Ausgang
des 2. Jahrhunderts n. Chr. gab es aber in Rom für einen jungen Mann,
der sich zum Staatsmann oder Juristen ausbilden wollte, noch keine andere
Vorbildung; damals führten die Väter oder angesehene ältere Freunde den
Jüngling in diese praktische Tätigkeit ein5), und das Reden galt noch nicht als
eine Kunst, die gelehrt werden müsse. Die Rhetorik als Kunst der Rede kam
den Römern von den Griechen zu; im Anfang des ersten Jahrhunderts v. Chr.
machten verschiedene römische Rhetoren den Versuch, Schulen zu begründen,
in denen nach griechischem Muster lateinische Beredsamkeit gelehrt wurde6).
Allein während man gegen die griechischen Rhetoren keine Bedenken gehabt
hatte, weil man bei ihnen außer der Übung in der fremden Sprache doch
auch höhere Bildung und Kenntnisse erwarb 7), warf man den lateinischen
Rhetoren vor, sie beförderten nur die Unverschämtheit und lehrten bloß ein
freches Auftreten8), weshalb die Censoren Crassus und Domitius im Jahre 92
v. Chr. die lateinischen Rhetorenschulen aufhoben9), was freilich nur eine
ganz vorübergehende Maßregel gewesen zu sein scheint10), obschon das
J) Ebd. 7 ist eine Aeußerung des Jüngern
Scipio mitgeteilt, daß er mit Entrüstung in einer
solchen Tanzschule unter andern Knaben einen
puer bullatus gefunden habe, der mit Krotalen
tan/.te: quam saltationem impudicus servulns
koneste saltare non posset. Dagegen Tänze an
den ludi saeculares, s. Plin. VII 159.
2) Vgl. Wittich De rhetoribus Latinis eo-
rumque scholis, Eisenach 1853. Grasberger
III 35 3 ff. Bernhardy Rom. Litteraturgesch.
85 ff.; 297 ff. Sievers Libanius 16 ff. Fried-
Länder Sittengesch. III343ff. Hauptquelle über
den Unterricht in der Rhetorik ist Quintilians
Institutio oratoria; zu vgl. Volkmann Die Rhe-
torik d. Gr. u. Römer2. Leipzig 1885.
3) Suet. de gr. 4 : audiebam etiam, memoria
patrum quosdam e grammatici statim ludo
transisse in forum atque in numerum praestan-
Hssimorum patronorum receptos. Daß dies als
Ausnahme registriert wird, kommt daher, daß
von Juristen und Staatsmännern die Rede ist.
4) Ebd.: reteres grammatici et rhetoricam
docebant. secundam quam consuetudinem poste-
riores quoque existimo, quamquam iam discretis
professionibus, nihilominus vel retinuisse vel
i 'nsfif aisse et ipsos quaedam genera instituti-
onum ad eloquentiam praeparandam, ut pro-
HematafparaphrasisfallocHtiones,ethologiasat-
gue alia hocgenns, ne scilicet sicci omnino atque
arid i puer i rhetoribus traderentur. Beispiele
solcher Grammatiker ebd. 7 u. 10. Quint. 111,2.
5) Vgl. Tac. de or. 34. Gell. 1 23, 4: mos ante»,
seuatoribus Romae fuit, in curiam cum prae-
te.rt litis fi/iis inire.
6) Sen.contr.IIp.ll6,18Bu. Cic. bei Suet.
deihet.2. Quint. 114,42; vgl. Brzoska bei P-W.
III 557 u 2008. Alserster, dereinesolcheSchule
in Rom einrichtete, wird Plotius Gallus bezeich-
net; wenn aber dies von Hieronym. bei Euseb.
chron. a. 1929 ins Jahr 88 v. Chr. versetzt wird,
so widerspricht das ebenso der Tatsache, daß
schon i. J. 92 die lateinischen Rhetorenschulen
verboten wurden, wie der Bemerkung des Cicero
a.a.O.: equidem memoria teneo, piteris nohis
primutn Laune docere coepisse Plotium guen-
(1 ii m. Denn i.J. 88 war Cicero schon 18 Jahre alt.
7) Allerdings war i.J. 161 ein Verbot gegen
philosoph i und rhetores ergangen (Gell. XV 11,
1), das sich nur auf griechische beziehen kann;
es kam aber nie zur strengen Durchführung.
b) Cic. de or. 11124,93, wo diese Aeuße-
rungen dem Censor Crassus in den Mund ge-
legt sind; wiederholt weiden diese Vorwürfe
noch bei Tac. de or. 35.
9) Gell. XV 11,2. Suet.derhet. 1. Cic. und
Tac. a.a.O. Gell, a a. 0. 2.
10) Vielleicht bedeutet das oben angeführte
Jahr 88 die Wiedereröffnung der Schule des
Plotius. Die Schule des VoltaciliusPlotus wurde
nach Hieron. ann. 1936 i. J. 81 eröffnet.
332
Zweite Abteilung. Das Leben.
Vorurteil gegen die lateinischen Rhetoren, das sicherlich nicht unbegründet
war1), fortbestand2).
Das Alter, in dem der Unterricht des Rhetors (bisweilen auch sophista
genannt3)) einsetzte, war kein feststehendes; meist waren es reifere Knaben4),
die damit begannen, doch hing dabei sehr viel von Fleifä und Begabung ab5);
dadurch, daß, wie oben erwähnt, häufig der grammaticvs in das Gebiet des
Rhetors übergriff, wurde der Anfang des Unterrichts nicht selten weiter hinaus-
gerückt6). Daher kam es wohl oft vor, daß Jünglinge, die bereits die toga
virilis angelegt hatten, in die Rhetorenschule gingen 7). Der eigentliche Zweck
des Unterrichts war die Ausbildung in der Beredsamkeit; daher waren der
Ausgangspunkt der Studien, wie in der Schule des#Grammatikers die Dichter,
so in der des Rhetors die Prosaiker, und zwar dienten zur Lektüre vor-
nehmlich die Redner und Geschichtschreiber8). Auch da spielte bei der
Wahl der Autoren die gerade herrschende litterarische Richtung eine wichtige
Rolle, wie es bei der Wahl der Dichter in der Schule des grammaticus der
Fall war. Während Quintilian für Anfänger Livius und Cicero, für Fort-
geschrittenere Sallust empfiehlt, vor Gracchus und Cato aber warnt9), wurden
eben diese letzteren von Fronto in erste Linie gesetzt10); immerhin blieb
Cicero auch zu der Zeit, wo die Altertümelei in der Litteratur Mode war, in
hoher Wertschätzung11). Die eigentliche Unterweisung bestand in mündlichen
und schriftlichen Übungen, die von leichteren zu schwereren Aufgaben fort-
schritten. Den Anfang machte gewöhnlich die narratio, d. h. die schriftliche
Erzählung historischer Ereignisse12), womit Untersuchungen über die Wahr-
scheinlichkeit irgendeiner Überlieferung verbunden wurden 13). Dann folgten
schwerere Aufgaben: Lob berühmter, Tadel schlechter Persönlichkeiten14),
') Den Plotius nannte M. Coelius in einer
Rede ordearlum rhetorem, deridens ut infatum
ac levem et sordidum, Suet. rhet. 2. Als Cicero
ihn gern gehört hätte, riet man ihm ab, weil
der Geist durch griechische Uebungen mehr
gefördert werde, ebd. ; und erhielt auch noch bis
zu seiner Prätur (66) griechische Redeübungen,
ebd. 1.
-) Man vgl. die Bemerkung desTac. de or.
35 : sed ut dicere instltueram, deducuntur (adu-
lescentuli nostri) in scholas, in quibus non facile
dixerim utrumne locus ipse an condiscipull an
genus studiorum plus mall ingenüs adferant.
3)Iuv.7,167.Quint.XI3,126;imEd.Diocl.
7,71 orator sive sofista. Im Cod. Theod.XIV
9. 3, 1 heißen die römischen Rhetoren oratores,
die griechischen sophistae. Ein rhetor eloquii
LattniGILVl 33904.
4) Vgl.Pers.3,44ff. luv. 7, 213. Plin.ep.
IV 13,3; ein 15 jähriger studiosus eloquentiae
auf einer Inschrift, CIL VI 2188. so auch noch
später, Auson.profess. 17, 10; Mosella 403.
&) Quintil. II 1 behandelt ausführlich die
Frage; quando rhetori tradendus slt puer, und
betont § 7 nachdrücklich : non id aestimandum,
cuitts quiaque sit aetatis, sed quantum in studiis
tarn effecerit.
B) Hierüber klagt Quint. a. a. 0. 1 : tenuit
COmuetudo, quae cotidie magis invalescit, ut
praeceptoribus eloquentiae, Latinis quidem sem-
per sed etiam Graecis interim, discipuli seriul
(/i(a»i ratio postnlat traderentur, und er führt
unter anderen Gründen namentlich den obigen
an, ebd. 2 u. 8 ff.
7) Tac. de or. 35 unterscheidet bei den Schü-
lern des Rhetors pueri und adulescentuli. Von
iucenes als Schülern der Rhetoren ist Tac. ann.
XV 71. Gell. XIX 9, 2 die Rede; vgl. Auson.
idyll. 4, 73. Zusammenstellung von Altersan-
gaben aus der spätem Kaiserzeit bei Sievers
Libanius 20.
s) Quint. 11 5 handelt de lectione oratontm
et historicorum apud rhetorem.
M) Ebd. §18 ff.
10) Fronto ad M. Caes. II 13 p.36 (Nab.);
III 18 p. 56 u. s.; vgl. Teuffel Rom. Liter. * 893 II.
n) Gell.X 3, der sich darüber ereifert, daß
manche den C. Gracchus dem Cicero vorzogen.
lj) Quint. II 1, 8; 4, 1 ff. Suet. rhet, 1 : nar-
rationes cum breviter ac pressius tum latius
et uberius explicare. Die narratio eines Mythus,
die Inhaltsangabe einer Komödie u dgl fiel
noch dem grammaticus zu, Quint. 114, 2.
ia) Beispiele Quint. ebd. 18 ff.
,4) Laudare claros virus et vituperare itm
probos, wozu auch die Uebuny; der comparatio
kam, Quint. ebd. 20 ff.: vgl II 1, 9; lll 7: de
laude et vituperatione. Suet. rhet. 1.
Zweiter Abschnitt. Erziehung und Unterricht der Knaben. 333
ferner die sogenannten communes loci, d. h. kleinere Abhandlungen über Laster,
Verkehrtheiten u. dgl.1), oder sogenannte theses, Vergleichungen aus dem täg-
lichen Leben (zum Beispiel über Land- und Staatsleben, über verschiedene
Berufsarten) 2), Untersuchungen über gewisse Gebräuche, mythologische Vor-
stellungen usw.3). Hingegen wünscht Quintilian, daü Lob oder Tadel von
Gesetzen erst den vorgerückteren Schülern als Aufgabe gestellt werde4).
Wenn von diesen Aufgaben manche nicht bloß schriftlich ausgearbeitet,
sondern auch als Deklamationen vorgetragen werden mochten, so machten
doch den Hauptgegenstand der letzteren die sogenannten Suasorien und
Kontroversen aus, von denen sich zahlreiche Proben vom Rhetor Seneca
erhalten haben. Die suasoriae (sc. declamationes)b) waren Monologe, in denen
Personen der Sage oder der Geschichte mit sich selbst über einen wichtigen
Entschiuli zu Rate gingen und die Gründe für und wider gegeneinander
abwogen, zum Beispiel: Agamemnon überlegt, ob er Iphigenie opfern solle;
Hannibal überlegt, ob er seine Truppen gegen Rom führen solle; Catos
Monolog vor seinem Selbstmord6). Diese Übungen fielen, als die leichteren,
in der Regel den jüngeren Schülern zu, dagegen die schwierigeren contro-
Wtrsiae, d. h. Streitfragen, bei denen zwei Schüler einander gegenübertraten,
der eine als Ankläger, der andere als Verteidiger, den fortgeschritteneren7).
Allein während man anfänglich dazu historische Vorgänge wählte, aus älterer
oder jüngerer Zeit8), fielen solche Themata zwar später auch nicht völlig
fort, aber es wurde mehr und mehr üblich, rein erdichtete Fälle zum Aus-
gangspunkt zu machen, und zwar nicht bloß immer solche, die jederzeit sich
ereignen konnten, was einsichtsvolle Lehrer fordern9), sondern gerade mit
Vorliebe die allerabenteuerlichsten, unwahrscheinlichsten, wenn sie nur zu
pikanten oder effektvollen Darlegungen Gelegenheit boten, zumal Motive
des Ehebruchs, Vatermorde, Familiengreuel jeder Art, Räubergeschichten
u. dgl.10); besonders aber war Tyrannenmord ein beliebtes Thema, wunder-
licherweise gerade zu der Zeit, da die Cäsaren das schlimmste Beispiel
von Tyrannenherrschaft gaben, nur daß freilich bei diesen Deklamationen
nicht mit der Gegenwart exemplifiziert wurde11). Für die praktische ge-
richtliche Beredsamkeit — eine politische war in jenen Zeiten ohnehin
Quint. II 4, 22ff. ex historia trdhebemtHr, stettt sane nonmtUae
*) Ebd. 24 ff. ; Suet.a.a O.t quaedametiam
ad usum communis vitae instituta tum utilia
et necessaria, tum perniciosa et supervacanea
osfttnlere.
3) Quint. ebd. 26, mit Beispielen.
4) Ebd. 33.
'") Der Name findet sich zuerst beim Rhetor
Seneca; Cicero nennt die Empfehlungsreden
suasiones, /.. 15. de or. II 81, 333; orat. 11, 37.
Quintil. nennt jede beratende Rede suasoria,
s. Volkmann Rhetorik 294.
6J Pers. 3. 44; Quint. III 8, 53. luv. 1,16;
usque adhttC/ tuä ex veritate <ic re, ei qua re-
cens (ireidisset; er fuhrt zwei Beispiele der
letztem Art an, juristische Streitfälle, die sich
wirklich ereignet hatten.
9) Quint. II 10,4 verlangt: sini et ipatte
moteriae, qttae fingentur, quin» aimUUnuu
tatis; vgl V 12, 17 ff.
I0) Tac. a.a.O.: qualee, perfidem, et quam
vnci'edibüiter compositae! Zahlreiche Beispiele
aus den Kontroversen des Seneca und den De k 1 a
mationen Quintilians bei Friedländer 347 ff. ;
vgl. auch Petron. 1. luv. 7. 169 ff.
7,161;zahlreicheBeispieleinSenecasSuasorien. M) Daf3 freilich manchmal auch die rein
Tac. de or. 35 : ex ///>■ suasoriae quidem , theoretischen Tiraden gegen die Tyrannen den
tamquam plane leviores et minus prudentiae
exigentes, pueris delegantur, controversiae ro-
bustioribus adsignantur.
8) Suet. rhet. 1 : veteres controversiae aut
Rhetoren Verbannung und selbst Tod bringen
konnten, zeigen die Beispiele Dio Cass. LIX
20. 6 (vom J. 39 n. Chr.) und ebd. LXVII 12,5
(vom J. 91).
334
Zweite Abteilung. Das Leben.
ausgeschlossen — nützten solche Übungen mit ihren einer unwirklichen
Welt entnommenen Themen begreiflicherweise gar nichts1); dagegen ver-
führten sie zu schwülstiger Redeweise, zu hohlen Tiraden und öder Phrasen-
drescherei und zu übertrieben pathetischem, durch affektiertes Wesen und
gezierte Sprache doppelt unleidlichem Vortrag2). Und diese in der Schule
erlernten und geübten Vorträge wurden dann auch öffentlich vor geladenem
Publikum produziert, und da törichte Eltern noch auf diese Leistungen ihrer
Söhne stolz waren, so mußten die Lehrer wohl oder übel, wollten sie zahl-
reiche Schüler haben, diesen Unsinn mitmachen 3). Berühmte Rhetoren hatten
denn auch starken Zulauf und oft sehr erhebliche Einnahmen4), wie denn
auch ihre soziale Stellung eine angesehenere war, als die der Grammatiker5);
allein wenn sie auch ein höheres Honorar, als diese, bezogen6), so war doch
die Konkurrenz sehr groß, was auf die Preise drückte7), und überdies war
auch hier die Klage häufig, daß die Schüler die Bezahlung des Schulgeldes
verzögerten oder ganz verweigerten 8). Besser war die Lage der vom Staate
angestellten und besoldeten ßhetoren; denn während die Elementar- und die
Grammatikerschule immer Privatunternehmen blieben, wurden im 1. Jahr-
hundert n. Chr. in Rom 9) und seit dem 2. Jahrhundert auch außerhalb Roms,
selbst in kleineren Städten10), Professoren der lateinischen und griechischen
Beredsamkeit vom Staat oder von den Gemeinden angestellt und teilweise
recht hoch bezahlt11).
') Tac. a. a. 0.: sie fit ut tyrannicidaruni
praemia aut vitiatarum electiones aut pesti-
lentiae remedia aut incesta matrum aut quid-
quid in schola quotidie agitur, in foro vel raro
vel nunquam, ingentibus verbis persequantur.
2) Man vgl. die Schilderung des Auftretens
eines Vorlesers (die darin der damaligen Vor-
tragsmode folgten) bei Pers. I 15 ff. u. 98, mit
den Anm. von Jahn; dagegen die Vorschriften
de pronuntiatione bei Quint. XI 3, besonders
§14 ff.
3) Petron. 3, 2 : nihil nimirum in his exer-
cüutionibus doctores peccant, qui necesse ha-
bent cum insanientibus furere; ebd. 4, 1 : pa-
rentes obiurgatione dign-i sunt, qui nolunt li-
beros suos severa lege proficere. Quint. II 4, 16 :
hinc parentium inperitorum inane gaudium.
4) Vgl. Fkiedländer a. a. 0. 1 287.
5) Vor Augustus waren nur Freigelassene
Lehrer der Rhetorik gewesen, dann wählten
selbst römische Ritter diesen Beruf, Sen. con-
trov. II prooem.; daß Rhetoren hohe Aemter
bekleideten, war später nicht selten, S. FRIED-
LÄNDER 289.
6) Iuv.7,186 nennt 2000 Sesterzen (435 M.)
als ein hohes Rhetorenhonorar; daß die rhe-
thoris aera höher sind, als die des gramma-
ticus, sagt er ebd. 216 ff. Im Ed. Diocl. 7, 71
wird das Honorar des orator sive sofista für
Schüler und Monat auf 250 Denare normiert
(4,75 M.), um 50 Denare höher als das des
grammaticus, allerdings erheblich niedriger
als Iuvenals Angabe; es sind hier wohl Pro-
vinzialverhältnisse, die bei den hauptstädti-
schen Rhetoren nicht in Betracht kommen.
Im Cod. Theod. de med. et prof. 111 ist das
Gehalt der Rhetoren noch einmal so hoch,
als das der Grammatiker.
7) luv. 7, 165 ff., Tac. de or. 29 sagt von
den Lehrern: colligunt diseipulos non severitate
discipUnae nee ingenti experimento, sed anibi-
tione salutationum et inlecebris adulationis.
Die traurige Lage der Rhetoren schildert an-
schaulich luv. 7. 215 ff. ; und in späterer Zeit
führt Augustin. conf. V 8, 14 Klage über die
Zuchtlosigkeit der in Karthago studierenden
Jünglinge.
8) luv.7, 157 ff.: daher ebd. 203: paenituii
multos vanae sterilisque cathedrae, welchen
Ausdruck Auson. prof. 10,20 wiederholt. Man
vgl. die Bemerkungen bei Augustin. conf.V 12,
22 und Sievers Libanius 38 ff.
9) Vespasian war es, der den ersten Lehr-
stuhl für Rhetorik errichtete, Quintilian dessen
erster Inhaber, luv. 7, 186. Hieron. ann. 2104
(88 n. Chr.), welcher Ansatz aber zu spät ist;
vgl. Suet. Vesp. 18 : primus e fisco Latinis Grae-
cisque rhetoribus annua centena constituit. Zo-
aar. XI 17. Noch weiter dehnte Hadrian die Be-
günstigung der Rhetoren aus, Spart. Hadr. 16,8.
10) Plin. ep. IV 13. Capitol. Anton. Pius 11.
3. In Gallien gab es schon zur Zeit Strabos
öffentlich angestellte Lehrer der Beredsamkeit
Strab.IVISl; für später vgl. des Ausonius Com
memoratio professorum Burdigalensium; an
deres bei Sievers Libanius 18.
n) Nach Suet. a. a. O. betrug der Gehall
in Rom 100000 Sesterzen. Von hohem Gehali
spricht Luc. apol. 15; Auson. prof. 17. 10 vor
der grandis merces docendi.
Zweiter Abschnitt. Erziehung und Unterricht der Knaben.
:;:;:,
Neben dem Unterricht in der lateinischen Rhetorik wurde auch der in
der griechischen, der, wie oben erwähnt, früher der einzige gewesen war.
noch fortgesetzt, zumal sich die griechische Bildung immer mehr erweitert
und auch den Westen des Reiches erobert hatte; Lehrer der griechischen
Rhetorik waren seit Vespasian ebenso vom Staate besoldet, wie die der
lateinischen1). In ihrem Unterricht spielten die Kontroversen mit ihren
abenteuerlichen oder sentimentalen Themen auch eine wichtige Rolle2), doch
wurden, da es den griechischen Lehrern mehr auf die schöne Form als auf
gewandte Dialektik ankam, die Suasorie und die Prunkrede (emöei^iq) mehr
in den Vordergrund gestellt3). Doch machte sich mit der Zeit gegen die
griechische Bildung auch Opposition geltend4), und in der spätem Kaiserzeit
waren diese Studien sehr zurückgegangen5).
Die im Vorhergehenden geschilderte Erziehung war in der Regel mit
dem vollendeten 17. Lebensjahre abgeschlossen, denn mit diesem Termin trat
der junge Mann ins öffentliche Leben ein und begann für ihn, wenigstens
in der älteren Zeit, die Verpflichtung zum Kriegsdienst6). Noch im 2. Jahr-
hundert v. Chr. trat der Jüngling auf diesen Zeitpunkt direkt aus der häus-
lichen Erziehung in das Heer ein 7). Aber in der Regel erfolgte schon vorher
der die körperliche Reife (pubertai) bezeichnende feierliche Akt, der durch
die Anlegung der toga virilis äußerlich gekennzeichnet wurde 8). Allerdings
scheint hierfür kein bestimmter Termin vorgesehen gewesen zu sein, nur
daß, da der Akt gewisse rechtliche Folgen hatte9), das vollendete 14. Lebens-
jahr als untere Altersgrenze festgesetzt war 10). Sonst aber hing diese Reife-
erklärung wohl von äußern Umständen, besonders von der körperlichen und
geistigen Reife des Knaben ab, und es stand daher die Festsetzung des
Termins im Belieben des Vaters oder Vormundes11). Daß demnach dieser
Termin sehr wechselnd war, liegt in der Natur der Sache; immerhin ergibt
eine Zusammenstellung der uns überlieferten Daten12), daß, mit wenigen
') Suet. a. a. 0. Inschriftl. Erwähnung des
rhetor Graecus CIL II 1738; rhetor LatinusYl
33904; sonst rhetor 1112127a; VI 9857: XI
6342; XIV 4201 u s.
*) Beispiele Philostr.v soph.H4,2p.246K.
Luc. de salt. 65.
3) Vgl. Friedländer a. a. 0. III 349.
4) Zwar wurde M.Aurel noch durch latei-
nische und griechische Rhetoren unterrichtet,
Capit.M. Ant.phil.2,4; aber sein Lehrer Fi onto
war ein Gegner der griechischen Sprachstudien
und warnte seinen Schüler davor, s. Front, epist.
Graec. 6 p. 252 (Nab.)
5) Auson. prof. 8, 6 spricht mit Bezug dar-
auf von fructus exilis tenuisque sermo; ebd.
14: neque disciplinis adpulit Graecis pueri*
Us aevi noxius error. Vgl. Bernhardy Rom.
Litter. 88 f.
6) Die Ansichten über diesen Termin gehen
freilich insofern etwas auseinander, als Becker
Handb. d. röm.Altert. II 1,215 denBeginn des 17.
Lebensjahres annahm. Mommsen Rom. Gesch. 1
35 das laufende, Marquardt 123 (und ihm fol-
gend Becker-Göll II 108, Ussing 150) das voll-
endete 17. Lebensjahr. Daß letztere Ansicht die
richtige ist, zeigt die bei Gell. X 28, 1 überlieferte
Bestimmungderservianischen Verfassung, daß
die unter 17 Jahren pueri sind, die zum Kriegs-
dienst verpflichteten von 1 7- 46 Jahren iuniores,
die darüber hinaus seniores; ferner der Um-
stand, daß der Praetor iirbaiius erst von sol-
chen, die das 17. Jahr vollendet hatten, eine
Klage annahm, Üigg. III 1,1,3; vgl. I 7, 40. 1 ;
XLII 1, 57. Instit. 111,4. Liv. XXII 57, 9 ; XXV
5,8.
7) Plut. C. Gracch. 5; Cat. mai. 1.
8) Die umfangreiche, großenteils juristi-
sche Litteratur über diesen Akt verzeichnet
Marquardt 124 A. 3.
9) Der puber steht zwar noch immer unter
derjyatria potestas, darf aber Schulden machen
und heiraten ; wenn er vaterlos ist und unter
Vormundschaft steht, wird er mündig und darf
über sein Vermögen verfügen und testieren;
Belegstellen s. Marquardt 127 A. 1 — 7.
10) Ebd. A. 8.
11) Ebd. 128 A. 1—3.
12) Eine solche gibt Marquardt 128 ff., auf
dessen Untersuchungen das oben gegebene Re-
sultat beruht.
336
Zweite Abteilung. Das Leben.
Ausnahmen x), die Annahme der toga virilis in der Kaiserzeit, aus der unsere
meisten Nachrichten herrühren, im 15. und 16. Lebensjahr erfolgte. Wie
früher erwähnt, hatte der Knabe bis dahin die toga praetexta getragen (siehe
oben S. 2 2 1 ) a) ; am Feste der Liberalia (17. März)3), das man gern zu diesem
religiösen Akte wählte4), doch auch an irgendeinem beliebigen andern Tage5),
fand die feierliche Handlung statt, die folgenden Verlauf nahm. Der Knabe,
der, als bisher die Kinderkleidung, noch nicht das Ehrengewand des Römers
tragend, investis war6), legte vor dem Hausaltar der Laren7) die Knaben-
tracht, d. h. die purpurverbrämte Toga und die bulla (siehe oben S. 306), ab
(daher praetextam ponere den Austritt aus dem Knabenalter bedeutet8)) und
kleidete sich mit der schmucklos weißen Männertoga, der toga pura*), daher
auch toga virilis10) oder libera genannt11), womit er an diesem Tage vesticeps
ist12); dazu kam als Unterkleid die tunica recta, die auch Brauttracht war13).
Die bulla wurde am Altar der Laren als Weihgabe aufgehängt14) und diesen,
wie es scheint, auch ein Opfer gebracht15). Sodann geleiteten Eltern, Ver-
wandte und Freunde16) den jungen Mann auf das Forum17), und es wurde
') Sie betreffen vornehmlich Mitglieder
des Kaiserhauses, bei denen Anlegung der
toga virilis auch im Alter von 17 — 19 Jahren
vorkommt (Caligula im 19. Jahre, Suet.Cal. 10;
Tib. Caesar, Sohn des jüngeren Drusus, im 18.,
ebd. 15). Ebenso ist es Ausnahme, wenn Nero
noch vor zurückgelegtem 14. Jahre die toga
virilis erhielt, Tac. ann. XII 41.
2) Sie heißt daher auch puevilis toga, Gell.
XVIII 4, 1.
3) Es führte seinen Namen nach den Göt-
tern Liber und Libera, denen es galt, Wissowa
Relig. u. Kult. d. Rom. 243 ff. Die von Ov. fast.
III 777 gegebene Erklärung, daß Liber der Gott
der Freiheit sei. ist wohl nur späterer Deu-
tungsversuch. Rossbach Rom. Ehe 409 meint,
da Liber der Gott der Zeugungskraft sei, wür-
den die Jünglinge dadurch für puberes erklärt;
Samter Familienfeste 77 denkt an Sühnopfer
an unterirdische Gottheiten, zu denen auch
Liber gehört.
4) Ov. fast. III 771 ff. Cic. ad Att.VI 1, 12.
5) Beispiele solcher bei Marquardt 124
A. 2.
6) Doch findet sich diese Bezeichnung erst
spät. Macrob. 1118,7 (von pueri und puellae).
Apul.met.V28;apol.98. Pallad. VIII 7, wo der
Begriff des impubes darin liegt, ebenso XI 14,
16. Tertull. de anim. 56. Non. 45. 23 erklärt
die investes zwar als impuberes, deutet das
Wort aber falsch als Mangel an Behaarung
des Körpers oder von Vesta herkommend;
erstere Deutung auch bei Serv. ad Aen. VIII
659.
7) Prop.V (IV) 1, 132.
8) Cic. Lael. 10. 33. Sen. ep. 4, 2.
9) Catull. 68,15: vestis pura. Phaedr. III
10,9. Cic. ad Att.V 20, 9; VI 1, 12; 1X17,1;
ebd. 19, 1. Plin.VIIl 194.
10) Gewöhnlicher Ausdruck togam virilem
mmere, Cic. Phil. II 18, 44; Lae'l. 1, 1. Sen.
a.a.O. Vgl. Cic. p. Sest. 69, 144. Liv. XXVI 19.
5; XLII34,2. Suet. Aug. 94; Claud. 2. Apul.
apol. 70; ebd. 73.
M) Ov. fast. III 777. Prop. a.a.O. \toga lilx'-
rior, Ov. trist. IV 10, 28.
12) Fest. 368.9. Gell.V 19.7. Apul. apol.
98. Auson. id. 4. 73. Tertull. de an. 56.
13) Plin.VIIl 194: rectum tunicam, gualn
cum toga pura tirones induuntur novaequt
nuptae. Festus p. 289 a, 2: ut etiam in togii
virilibus dandis observari solet. Ueber die Be-
deutung der Bezeichnung s. unten Abschn. III.
Bei vornehmen Jünglingen war sie mit dem
latus clavus versehen, Suet. Aug. 94. Ov. tr. IV
10,29.
14) Pers. 5, 31 : bullaque succinctis La r Ums
donata pependit. Schol. Hör. sat. I 5, 65. Da-
gegen bezieht sich bei den Laves bullati Pe-
tron. 60. 8 die Bezeichnung auf die an den
Götterbildern angebrachte bulla, s. Friedlän-
der zu Petron. 312. Daß auch die toga pvae-
texta über dem Herde aufgehängt wurde, wie
Becker-Göll 109 meint, ist nicht überliefert
und sehr unwahrscheinlich.
15) Daß ein häusliches Opfer gebracht
wurde, schließt Marquardt 125 A.7 wohl mit
Recht aus Tertull. de idol. 16, während aus
Prop.V (IV) 1,132 das nicht hervorgeht.
16) Man legte "Wert auf zahlreiches Geleit
und lud selbst Fernerstehende dazu ein, vgl.
Cic. pro Mur. 33, 69 : qua in civitate vogati in-
fimovum hominum filios pvope de nocte ex ul-
tima saepe urbe deductum venire soleamus.
Plin. ep. I 9, 2. Plut. Brut. 14. App. bell. civ.
IV 30. Als Ausnahme verzeichnet Suet. Claud.
2: toga virilis die civca mediam noctem sine
sollemni officio lectica in Capitolium latus
est.
17) Was deduceve in forum heißt, Sen. ep.
4,2. Suet. Aug.26;Tib.l5;Nero7. Mon.Anr.vr.
III 3; vgl. Cic. a. a. O.
■^
4
'
Zweiter Abschnitt. Erziehung und Unterricht der Knaben.
337
hier in dem dazu bestimmten Amtslokal oder Archiv (tabuiarium)1) in
die Tribuslisten sein Name eingetragen2), der erst hierbei seine offizielle
Feststellung gefunden zu haben scheint3); auch wurde im Tempelschatz der
Iuventas ein Geldstück entrichtet4). Daran schlössen sich allerlei Festlich-
keiten, wie Opfer5), gemeinschaftliche Mahlzeiten6) und mitunter auch Spenden
an das Volk7).
Es ist wahrscheinlich, daß in den republikanischen Zeiten die Anlegimg
der tocja virilis noch nicht so sehr die bloße Formsache war, zu der sie in der
Kaiserzeit geworden zu sein scheint. Die ganze Art der Feierlichkeit, die
Einschreibung in die Bürgellisten usw. bezeugen, daß ursprünglich der so
mündig Erklärte in alle bürgerlichen Rechte eintrat, politisch und privat -
rechtlich selbständig wurde und auch in der Kegel sofort in Kriegsdienst
trat; für alles das wäre er aber in dem Alter, in dem in der Kaiserzeit
dieser Akt vorgenommen wurde, zu jung gewesen. Daher wird gewiß mit
Recht angenommen8), daß in der früheren Zeit die toga virilis erst im
18. Lebensjahr angelegt wurde; dadurch erklärt es sich auch, daß damals
junge Leute, die sich der militärischen Laufbahn widmen wollten, noch als
praetextati in die Armee eintraten, freilich erst als tirones(J). Und als dann
später der Termin der Annahme der toga virilis durchschnittlich ein früherer
geworden war, da blieb dieser Brauch des Tirociniums bestehen: die Zeit,
die zwischen jenem Akte und dem Eintritt in den Kriegsdienst oder in die
öffentliche Tätigkeit lag, hieß jenachdem tirocinium militiae oder tirocinium
l) Ueber diese tabularia vgl.MAKQUARDT
125 A. 10; in Rom lag das tabuiarium am
Südabhang des Capitols, vgl. Jordan Topogr.
I 2, 135 ff. Richter Topogr. 131.
*2) Dies eyyQcupetv h iq rjßove wird nur in
griechischen Quellen erwähnt. Dio Cass. LV
22, 4: LVI 29, 5. App. b. civ. IV 30 (wo in den
Worten äqn'io eyygacpsvTog avtov toic niva^iv
unter den nivaxeg sicherlich nicht mit Becker-
Göll 111 die Proskriptionstafeln zu verstehen
sind). Dion. Hai. IV 15, 5 : xwv eig ävdgag F.yyga-
(pofiercor.
8) Entweder wird, was das gewöhnliche
war, der bisher tatsächlich geführte Name
jetzt öffentlich anerkannt oder dem nicht ord-
nungsmäßig benannten Kinde ein geschlechts-
gebräuchlicher Name gegeben und der bisher
tatsächlich geführte beseitigt oder etwa zum
persönlichen Beinamen herabgesetzt, Mommsen
Rom. Forsch. I 32. Marquardt 10 A. 5.
4) Nach Piso bei Dion. Hai. a. a. 0. hätte
das schon Servius Tnllius eingeführt. Auf
diese Spende geht vermutlich Augustin. civ.
Dei IV 11: ipse (Iuppiter) dea Iuventas, quae
pdst praetextam excipiat iuvenalis aetatis
exordia.
5) In Rom scheinen sie auf dem Capitol
stattgefunden zu haben, nach App. a.a.O. Val.
Max. V 4, 4. Suet. Claud. 2 (daher bei Petron.
88,8 antequam Urnen Capitolii tangunt vor An-
legung der toga virilis bedeutet). Marquardt
126 A.4 und Becker-Göll a. a. 0. nehmen an.
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft. IV. 2, t
daß dies Opfer an der ara Liberi erfolgt sei,
da hier nach dem Kalend. Farn, am 17. März
(den Liberalia) Opfer stattfanden (vgl. Momm-
sen im CIL I 388); allein Serv. ad Verg. ecl.
4,50 sagt: saue Iovetu merito puerorum dicunt
incrementa curare, quia cum pueri toga m vira-
lem Sutnpserint, ad Capital ium cunt; daher
nimmt Jordan Topogr. I 2, 39 A. 38 nur ein
Opfer am Altar des Iuppiter an, vgl. jedoch
Preller-Jordan Rom. Mythol. I 261, wo an-
genommen wird, daß der junge Bürger vor
der Iuventas und dem Iuppiter anbetete. Die
Kapelle der Iuventas war eben in den Tempel
des Iuppiter 0. M. eingeschlossen, Wissowa
Rel. u. Kult, d Rom. 125.
6) Apul. apol. 88. Plin. ep. adTrai. 1 16 (117).
Tert. deidol. 16 nennt es communis so/lcmti/tas
togae purae.
7) Besonders bei solchen Anlässen im
Kaiserhause, Suet. Tib. 54; Nero 7 (was nach
Cal. 10 bei Caligula unterblieb). Tac. ann. III
29, vgl. Mommsen Hes gestae div. Aug. p. 39.
CIL VI 688 werden crustulum et mulsum bei
diesem Anlaß an das Volk ausgeteilt.
8) Siehe Marquardt 131 ff., der sich darin
den Juristen anschließt.
9) Beispiele bei Marquardt 133 A. 4, be-
sonders das des älteren Scipio Africanus. der
mit 17 Jahren am Ticinus mitkämpfte und
doch noch praetcxtatus oder puer heißt. Sen.
de benef. HI 33, 1. Florus II 6. Sil. It. IV 426;
454; 475.
3. Aufl. . 22
338 Zweite Abteilung. Das Leben.
fori l) und war in den letzten republikanischen Jahrhunderten in der Regel
auf ein Jahr, also das 17. Lebensjahr, ausgedehnt2). Während dieser Zeit
schloß sich der junge Soldat einem älteren Offizier an, der ihn in den Kriegs-
dienst einführte3), während derjenige, der sich dem öffentlichen Leben widmen
wollte, von einem darin erfahrenen Manne in die Geschäfte und die Praxis
des Forums eingeführt wurde4). Das hörte in der Kaiserzeit freilich auf,
wenn auch der Name blieb, und daher wurde es mehr und mehr üblich,
als Termin der Annahme der toga virilis den Eintritt der Pubertät (der
im Süden ziemlich früh fällt) anzusetzen, ohne den der geistigen Reife
abzuwarten.
In den früheren Jahrhunderten der Republik, da der junge Mann nach
seiner Aufnahme in die Bürgerschaft sein Tirocinium absolvierte, um dann
sich alsbald selbsttätig am staatlichen oder militärischen Leben zu beteiligen,
war von irgendwelchem Unterricht nach jenem Termin im allgemeinen nicht
die Rede. Wer sich in irgendeiner Wissenschaft oder Technik weiter
auszubilden das Verlangen hatte, tat dies privatim oder suchte sich dafür
eine geeignete Persönlichkeit als Lehrer aus. Als aber im 2. Jahrhundert
die ersten griechischen Rhetoren und Philosophen nach Rom kamen und
trotz wiederholter Ausweisungen 5) sich dort zu behaupten wußten, da wurde
es immer mehr üblich, daß jüngere wie ältere Männer bei diesen Griechen
nicht nur Unterricht in der griechischen Beredsamkeit nahmen, sondern
sich auch in die griechische Philosophie einführen ließen, deren verschiedene
Richtungen auf diese Weise Anhänger unter den Römern gewannen. So
kam es, daß im letzten Jahrhundert der Republik die Zahl der in Rom sich
niederlassenden griechischen Lehrer der Rhetorik und Philosophie immer
mehr zunahm, und daß es auch mehr und mehr Brauch wurde, daß bildungs-
bedürftige Römer Studienreisen nach Griechenland und Kleinasien unter-
nahmen6). Und obgleich die altrömische Abneigung gegen die Philosophie
nie ganz verschwand, sogar in der Kaiserzeit noch wuchs7), nahm doch
die Verbreitung griechischer Philosophie an Umfang und Stärke immer mehr
zu. Nicht nur gingen die jungen Römer auch weiterhin zu solchen Studien
nach dem Ausland, nach Athen, Rhodos, Mytilene, in der Kaiserzeit auch
nach Apollonia (in Epiros), Massilia und Mediolanum 8), sondern auch in
Rom selbst entstanden Philosophenschulen, an denen vornehmlich Griechen
lehrten, und es wurde üblich, daß der junge Römer nach Beendigung des
grammatischen und rhetorischen Unterrichts Philosophiestudien betrieb, meist
') Val. Max. V 4, 2. Suet. Aug. 26. Tib. 54 j als er im Alter von 27 Jahren nach Griechen-
u.s. ; daher tirocinium ponere, vom ersten Auf- j land, zunächst nach Athen und Kleinasien
treten in der Oeffentlichkeit, Liv. XLV37,3.
Doch heißt auch der Anfang dieser Zeit, also
der Tag der toga virilis, tirocinium, so Suet.
a. a. 0. und Calig. 10.
*) Cic. pro Cael. 5, 11.
3) Serv. ad Aen.V 546.
4) Cic. Lael. 1.1; Brut. 89, 306; de legg.
14,13; pro Cael. 4,9.
5) ImJ.173,161u.l55, vgl.TBUPFKLRöm.
Litter.5 94.
6) Cicero hatte in Rom bereits den Epi-
kureer Phaedrus und den Rhetor Molo gehört,
ging, wo er bei Philosophen verschiedener
Richtungen und bei Rhetoren zwei Jahre lang
Studien machte; vgl. Cic. Brut. 90, 308 ff. Auch
sein Bruder Quintus hörte in Athen bei Philo-
sophen und Rhetoren, und auch seinen Sohn
Marcus ließ Cicero in Athen studieren.
7) Vgl. Friedländer Sittengesch. III616ff.
8) Apollonia Suet. Aug. 8: 89; 94 f ; Mas-
silia Strab. IV 181. Tac. Agr. 4; Mediolanum
Plin. ep. IV 13, 3. Vgl. Grasberger III 107;
mehr bei Gräfenhan Gesch. der Philol. I]
302 ff.
Zweiter Abschnitt. Erziehung und Unterricht der Knaben. 339
also nach Anlegung der toya virilis in eine solche Schule eintrat1). Und
auch ältere Männer nahmen an solchem Unterrichte noch gern teil 2). Ge-
lehrt wurde vornehmlich Logik (und Dialektik), Physik und Ethik, bei den
Piatonikern auch Mathematik3), und zwar nicht bloß in Vorträgen, sondern
auch in praktischen Übungen und Disputationen, wobei auch Belehrung
über Anstand, Benehmen, sittliche Grundsätze usw. nicht ausgeschlossen
war4). Zum selben Zweck wurde es gegen Ausgang der Republik, besonders
aber in der Kaiserzeit, üblich, daß Reiche und Vornehme griechische Philo-
sophen in ihr Haus aufnahmen, nicht nur zur Erziehung der Kinder, sondern
auch als Gesellschafter und Berater des Hausherrn, wobei der kaiserliche
Hof mit dem Beispiel voranging. Aber da diese Philosophen in ihrer Stellung
vom Herrn abhängig waren, der ihnen Nahrung und Honorar zahlte, so
ergaben sich oft allerlei Ubelstände: es waren nicht immer die besten
Elemente, die sich zu solchen Stellungen drängten; die Behandlung, die
ihnen von den Familienangehörigen und selbst von den Sklaven zuteil wurde,
war oft sehr erniedrigend, und die Schilderungen, die uns über diese Haus-
philosophen erhalten sind, lassen, obschon manchmal etwas übertrieben,
diese Persönlichkeiten in einem recht bedenklichen Lichte erscheinen5).
Unabhängiger waren die privatim Lehrenden, am gesuchtesten aber die
kaiserlichen Lehrstühle. Schon Vespasian hatte, wie wir sahen, den Lehrern
der Rhetorik ein festes Gehalt aus Staatsmitteln ausgesetzt; Hadrian ging
auf diesem Wege weiter, indem er in Rom eine Art Universität, das Athenäum,
gründete, wo Rhetoren, Philosophen und Dichter öffentliche Vorlesungen
hielten, die aber nicht bloß von Studierenden, sondern auch von andern
Zuhörern, selbst den Kaisern, besucht wurden6), wofür amphitheatralische
Säle zur Verfügung standen7). Diese Lehrstühle (ftgovoi8), cathedrae9)), wie
solche später auch in Athen10), seit Antoninus Pius auch in den andern
*) Sen.ep.4,2: malus exspecta, cum pueri- j aus späterer Zeit, DioCass.LXXlII 17,4. Cap.-
leiu animum deposueris et te in viros philo- | toi. Pertin. 11, 3; Gord.3,4. Lampr. Al.Sev. 85,
sojilun tramcripserit. Doch war der Beginn 2; vgl. Philostr.V. soph. II 10. 5. Die Lage des
der Studien sehr verschieden; Gellius scheint Gebäudes ist nicht überliefert; Richter Topogr.
sie erst mit 25 Jahren angefangen zu haben v. Rom 248 f. setzt es bei den Hadriansbauten
(Friedländer a.a.O. 472), dagegen Marc Aurel j des Marsfeldes an; gegen die Ansetzung von
schon im 12. Jahre (Capitol. M. Anton, phil. 2, j Preller Region, d. St. Rom 170 s. auch Jordan
6), was natürlich eine Ausnahme war. Persius Topogr. I 2, 61.
begann seine philosophischen Studien gleich ! "•) Sidon. Apoll, ep. II 9, 4; IX 14, 2.
Bach Annahme der Männertoga, 5, 30 ff., nach 8) So hießen schon die Lehrstühle in den
der Vita mit 16 Jahren; auch Seneca tat es im älteren Philosophenschulen, später ist es die
ersten Jünglingsalter, ep. 49, 2; 108, 17. Vgl. offizielle Bezeichnung der öffentlichen Lehr-
Friedländer ebd. 645. stellen, oft bei Philostrat. Aristides u. s.
2J Seneca hörte als Sechziger den Philo- 9) Nach dem Sessel, auf dem sitzend man
sophen Metronax in Neapel und sagt ausdrück- vorzutragen pflegte, vgl. luv. 7, 203. Mart. 1
lieh: omnis aetatis homines haec schola admit- 76. 14. Auson. prof. 9, 1.
tit, ep. 76.2. io) Philostr.V. soph. I 23, 1, wonach Lolli-
3) Näheres über diese Studien s. Fried- ; anos der erste war. der dort den Lehrstuhl für
LÄNDER 646 ff.
4) Ebd. 651 ff.
5) Am eingehendsten schildert sie Lukian
Sophistik innehatte. vgl.GRASBERGERllI442f.
Neue besoldete Lehrstühle gründete Marc
Aurel in Athen, Dio Cass. LXXI 31. 3. Ueber
in der Schrift ITsgl rwv em tundih awövrcov, die griechischen Hochschulen in der Kaiserzeit,
vgl. Friedländer 657 f.; über die Stellung der über die Professoren und ihre Lehrtätigkeit,
Philosophen am Hofe ebd. 659. Besoldung, Stellung sowie über die Studenten,
6) Die Stiftung wird seltsamerweise von ihre Gebräuche usw. handelt das Buch von
Hadrians Biographen Spartian nicht erwähnt, John W. H.Walden The universitiesof ancient
wohl aber von Aurel. Vict. Caes. 14, sonst nur Greece, New York 1909.
22*
340
Zweite Abteilung. Das Leben.
Provinzen eingerichtet wurden1), waren begehrte Posten2), denn abgesehen
von dem festen Gehalt, den die Lehrer dafür vom Staat3) oder von der
Gemeinde4) bezogen, zahlten ihnen auch die Schüler Honorar, und manchmal
recht hohes, denn eine feste Summe war dafür in der Regel nicht aus-
gesetzt5). Dazu kamen noch allerlei Privilegien, die den Lehrern (wie auch
den Ärzten) von den Kaisern bewilligt wurden6). Gegen Ausgang der Kaiser-
zeit waren derartige Hochschulen mit zahlreichen Studenten nicht bloß in
Rom, Athen, Alexandria und im hellenischen Orient, sondern auch im Norden
und Westen, in Autun (Augustodunum), Bordeaux, Trier7). Das Studenten-
leben, das sich seit dem 2. Jahrhundert n. Chr. an diesen Universitäten
entwickelte, hatte im Verbindungswesen, in den Zeremonien der Aufnahme
von Füchsen, dem Treiben in den Kollegien usw. manche Ähnlichkeit mit
den Verhältnissen des spätem Mittelalters8). Im ganzen lassen die Nach-
richten erkennen, wie der Niedergang, der sich in der alten Welt im Staats-
wesen und in der Religion, in Kunst und Wissenschaft überall zeigt, auch
in der Erziehung und dem Unterrichtswesen sich geltend macht, trotz schein-
baren Glanzes der Hochschulen. Das Versinken in Barbarei, wie es im
Mittelalter vor sich ging, bereitet sich schon gegen den Ausgang der Kaiser-
zeit allmählich vor9).
') Capitol. Ant. Pius 11.3.
2) Vgl. besonders Luc. Eunuch. 3.
3) Er betrug im 2. Jahrh. 10000 Drach-
men nach Luc. a. a. O. Philostr. V. soph. 112.1.
6000 Drachmen (ein Talent) werden ebd. 20, 1
angegeben, 15000 bei Tatian. ad Graecos 19
p.20, 28 (Schwartz). Mehr über diese Verhält-
nisse bei Ahrens De Athenarum statu politico
69 ff. O. Müllek Quam curam respublica apud
Graecos et Romanos literis doctrinisque co-
lendis et promovendis impenderit (Göttingen
1837) 15. CG. Zumpt Ueber den Bestand der
Philosoph. Schulen in Athen (Berl. 1843) 23 ff.
Kuhn Verfass. d. röm. Reichs I 97. Sievers Li-
banius 16 ff.
*) Digg.L9,4,2.
5) So zahlte nach Philostr. a. a. O. II 23, 2
ein reicher Schüler dem Aristeides und Adri-
anos je 10000 Drachmen. Andrerseits wurde
Aermeren oft die Zahlung erlassen, vgl. Sievers
a.a.O. 39, und ehrgeizige Sophisten brachten
sogar nochGeldopfer, um Zuhörer zu bekommen.
Liban. or. I 65 p. 45 R. Das Schulgeld wurde am
1. Januar entrichtet, Sievers a. a. O.
6) Digg. XXVII 1,6,2, eine Verfügung des
Antoninus Pius für Aerzte und Lehrer in Asien.
Aehnlich später in Konstantinopel, Cod.Theod.
XIV 9, 3, 1. Ueber die Zahl der honorierten
Lehrer vgl. Zumpt a. a. O. 26. Grasberger III
445.
7) Cod. Theod. XIII 1,11; vgl. Ussing
172 ff.
8) Die Belege dazu liefern vornehmlich
Augustin, Gregor von Nazianz. Libanios u. a.,
vgl. Grasberger 415 ff. Sievers 32 ff.
9) Vgl. Amm. Marc. XIV 6, 18: quod cum
ita sit, paucae domus studiorum seriis cuUibus
antea celebratae nunc ludibriis ignaviae tor-
pentis exundant, vocali sonn, perflabili tinnitu
fidium resultantes. denique pro philosopho can-
tor et in locum oratoris doctor ort tum hidicra-
rum accitur. Ebd. XXX 4. 8 ff.
Dritter Abschnitt. Die Frauen und die Ehe. QJI
Dritter Abschnitt.
Die Frauen und die Ehe.
Litteratur.
A. Rossbach Untersuchungen über die römische Ehe. Stuttgart 1853.
Kaklowa Die Formen der römischen Ehe und Manus. Bonn 1868.
Bbokeb-Göll II 5 ff.
Marquakdt-Mau 28 ff. (ältere und juristische Litteratur ebd. A. 1).
Fkiedländer Darstellungen aus der Sittengeschichte 5 I 403 ff.
Ch. Leokivain bei Daremberg-Saglio III 1654 ff. (Litteratur p. 1662).
In den ersten Lebensjahren wuchsen Knaben und Mädchen gemeinsam
unter der Obhut der Mutter und etwa einer Amme oder Kinderwärterin
auf, erfreuten sich an gemeinschaftlichen Spielen l) und unterlagen der
gleichen Zucht. Wenn dann die Zeit des Lernens gekommen war, so be-
suchten die Mädchen gleich den Knaben die Elementarschule des litterator,
um Lesen, Schreiben und Rechnen zu lernen, und wir haben gesehen (siehe
oben S. 314), daß der Unterricht auf dieser Stufe vielfach noch ein gemein-
schaftlicher war, und daß dieser Brauch auch noch in der Kaiserzeit bis
spät sich erhalten hat. Bis zu welchem Alter freilich dieser gemeinschaft-
liche Unterricht beider Geschlechter sich erstreckte, das ist nicht über-
liefert; im allgemeinen darf man wohl annehmen, daß er über die ersten
Schuljahre nicht hinausging, zumal bei dem frühen Eintritt der körperlichen
Reife bei den Südländerinnen. Leider sind unsere Nachrichten über die
geistige Ausbildung der jungen Römerinnen sehr spärlich 2). Daß sie in
besseren Häusern seit der Zeit, wo man auf Kenntnis der griechischen
Sprache Wert legte und zu diesem Zweck griechische Sklaven und Sklavinnen
im Hause zu halten pflegte, auch in dieser Sprache sich auszudrücken und
zu lesen lernten, darf man als sicher annehmen; erfahren wir doch, daß
die Mädchen Komödien des Menander lasen3); schon zur Zeit des Lucrez
verkehrten Liebende gern in griechischer Sprache miteinander4), und die
Satiriker spotten darüber, wenn auch noch ältliche Damen verliebte grie-
chische Phrasen gebrauchen5). Noch in der späten Kaiserzeit finden wir
Homer, Orpheus und Sappho als Lektüre einer römischen Dame6). Lesen
und Erklären ausgewählter Stücke aus der römischen und griechischen
Litteratur war also auch bei den Mädchen ein Hauptgegenstand des Unter-
richts; von der weiteren Ausbildung, wie sie bei den Knaben sich an den
Elementarunterricht anschloß, war aber bei den Mädchen nicht die Rede.
teils weil die Mädchen in der Regel schon sehr früh heirateten, teils weil
') Ueber Mädchenspiele speziell vgl. Becq
de Fouquieres Jeux des anc. 32 ff.
*) Plin.ep. IV 16,3 erwähnt bei seiner ver-
storbenen Tochter die nutrices, paedagogi und
praeceptores, d. h. wohl in chronologischer Rei-
henfolge, indem die Mädchen aus der Hand der
nutrix in die des paedagogus übergingen und
von diesem, der keinen Unterricht erteilte (s.
paedagogus eines Mädchens erwähnt auch Cic.
ad Att. XII 33.2.
3) Ov.tr. II 369 f.
4) Vgl.Lucr. IV1160ff.
») luv. 6. 185 ff. Mart. X 68.
G) Claudian. X 232ff. Bei christl. Schrift-
stellern wird geklagt, daß Jungfrauen die heid-
nischen Dichter lesen. Grasbergeb Erz. u. Un-
oben S.311), zu den praeceptores kamen. Den terr. III 523 A. 2.
342
Zweite Abteilung. Das Leben.
die Übungen des grammaticus und noch mehr die des Rhetors sich für das
weibliche Geschlecht gar nicht eigneten, obschon es auch im römischen
Altertum gelehrte Blaustrümpfe gab, die sich mit Grammatik und Rhetorik
beschäftigten1), und verschiedentlich der Wunsch laut wurde, daß auch den
Töchtern dieselbe wissenschaftliche Bildung zuteil werden sollte, wie den
Söhnen 2).
Dafür war es altrömisches Herkommen, daß die Mädchen zu weiblichen
Arbeiten angehalten wurden, vornehmlich zum Spinnen und Weben, da es
Brauch war, daß die für die Familie erforderliche Kleidung im Hause selbst
von der Hausfrau, ihren Töchtern und den Mägden hergestellt wurde3), ein
Brauch, der auch in der Kaiserzeit sich noch erhielt4). Auch die Kunst des
Stickens. die im Gewerbe wesentlich eine männliche Beschäftigung war5),
scheint den Frauen gelehrt worden zu sein 6). Turnunterricht scheinen die
Mädchen nicht erhalten zu haben; wenn wir in der Kaiserzeit von Frauen
hören, die gymnastische Übungen betrieben7) oder fochten8), so sind das
eben abschreckende Beispiele von Emanzipation9). Dagegen legte man
besondern Wert auf die Ausbildung der Mädchen in Musik und Tanz10).
obschon das früher nicht unbedenklich erschien11). In der Musik lernten
sie vornehmlich das Spiel der Saiteninstrumente, zumal um sich beim Gesang
selbst begleiten zu können12), und die Gesangskunst, in der berühmte Musiker
Unterricht erteilten13), und zwar wurde sowohl Chorgesang geübt, für den
') Solche schildert und verspottet luv. 6.
434 ff.; Mart. II 90. 9 und XI 19 spricht seinen
Abscheu vor gelehiten Frauen aus.
a) Musonius Rufus bei Stob. exe. flor. 123
(IV 212 Mein.) und Plutarcbs Schrift özi. xal
yvvaTy.ag jiaiöevieor, ebd. ecl. XVI II 28 u. 32;
XLIH136u.s.
3) Daher es auch bei der verheirateten Frau
immer ein Ruhmestitel war, der öfters auch
auf den Grabstein gesetzt wurde, wenn sie in
diesen Arbeiten erfahren und fleißig war. vgl.
Liv.1 57, 9 für die Königszeit, später Plaut. Men.
796: curare una opera pensum postules, inter
ancillas sedere iubeas, lanam carere. Davon
machten auch die Libertinen keine Ausnahme,
Tib. I 3, 85 ff. Prop. I 3,4t ; IV 5 (III 6), 15. Dar-
auf bezügliche Inschriften s. Friedländer I
409. Marquardt58 A.2.
*) Vgl. die Grabrede des Vespillo auf seine
Gemahlin Turia, CIL VI 1527, a 30; und von Au-
gustus' Frau. Schwester, Tochter und Enke-
linnen Suet. Aug. 64 u. 73. Freilich hört man
auch über Abnahme des Brauches klagen.
Colum. XII praef. 9: nunc vero cum pleraeque
sie luxu et inertia difßuant, ut ne lanificii
quidem ewam suseipere dignentur, sed domi
confeetae vestes fastidio »int.
5) Marquardt 537. Blümner Technologie
1209.
B) Varro bei Non. 162, 21: etenim nutta,
quae non didicii pingere, potent iudicare, quid
sü bene pictum plwmario aut textori in pul-
vinaribus, plagt», was Friedländer 408 wohl
unrichtig dahin versteht, daß die Mädchen im
Malen unterrichtet werden sollten; pingere
allein bedeutet, wie diese und andere Stellen
zeigen (vgl. Blümner a. a. O. A. 2) auch soviel
wie acu pingere.
7) luv. 6, 419 ff.; die Fhilaenis bei Mart.
VII 67.
8) luv. 6, 246 ff. Daß Frauen reiten, kommt
gar nicht vor.
9) luv. 2, 53 : luctantur paucae, comedunt
colijphia paucae.
'•) Vgl. Friedländer a. a. O. 410 f.
u) Sali. Catil. 25, 2 von Sempronia, der Ge-
liebten des Catilina: psallere saltare elegant in*
(doeta) quam necesse est probae; vgl. Macr. III
14,5: taceo quod matronae etiani saltationeni
non inhonestam putabant, sed inter probas quo-
que earuni erat saltandi cura dummodo non
curiosa usque ad artis perfectionum.
") Ov. am. 114, 27. Prop. II 3, 19. Stat.
silv. III 5. 64 f. Plin.ep.IV19,4; daher kommt
auf Grabdenkmälern bisweilen eine Zither in
der Hand eines Mädchens vor, vgl. Jahn Abh.
d.SGW1868,291 A.107. Gewisse Saiteninstru-
mente, wie das psalterium (eine Art Harfe) und
der spadix (eine Art Lyra. Poll. IV 59. Corp.
Gloss. II 262.44) galten als virginibus probte
recusanda, Quint. I 10,31, und die christlichen
Jungfrauen sollten nach Hieron. epist. 107, 8
p.875 von Flöte, Lyra und Zither nichts wissen.
Vgl die Inschr. auf eine doeta lyra grata et
gestu formosa puella CIL XI 6249.
13) Hör. sat. I 10, 90 f.: Demetri, teque, Ti-
gelli \ diseipularum inter inbeo plorare ca-
ihedras.
Dritter Abschnitt. Die Frauen und die Ehe.
:\.\:\
Feste, Hochzeiten, Bestattungen usw. auch die Gelegenheit zu öffentlicher
Betätigung boten1), wie Einzelgesang2), ja, manche verstanden sogar, selbst
Melodien zu erfinden3). Bei der Tanzkunst handelte es sich auch teils um
Chortänze4), teils um Einzeltanz5), doch galten gewisse, namentlich die von
Ionien gekommenen Tänze für nicht passend6).
Eine Pubertäts- oder Mündigkeitserklärung, wie sie bei den Söhnen
durch Anlegung der toga virilis stattfand, gab es bei den Mädchen nicht;
letztere schon deshalb nicht, weil sie, solange sie unverheiratet im Hause
lebten, in der patria potestas des Vaters (resp. Großvaters), verheiratet aber
in der manus des Gatten (siehe unten S. 345) sich befanden, also niemals selb-
ständig im juristischen Sinne wurden. Wenn aber die Mädchen die körperliche
Reife erreicht hatten (was äußerlich öfters dadurch dokumentiert wurde, daß
sie ihre Puppen den Laren oder der Venus weihten7)), pflegten sie bald ver-
mählt zu werden. Dafür gab es natürlich kein bestimmtes Alter; zwar war
gesetzlich als unterste Altersgrenze bei der Verheiratung für Knaben das
vollendete vierzehnte, für Mädchen das zwölfte Lebensjahr festgesetzt8),
doch wie die Jünglinge in der Regel erst später heirateten, so war auch
bei den Mädchen diese untere Altersgrenze bei Verheiratung, obschon nicht
selten, doch jedenfalls nicht so häufig, wie die Verheiratung in späteren
Jahren, vornehmlich zwischen dreizehn und fünfzehn9). Allerdings finden
sich sogar Beispiele von Mädchen, die in noch jüngeren Jahren vermählt
wurden10); allein in solchen Fällen blieben sie bis zum vollendeten zwölften
Jahre sponsae, erst dann wurden sie rechtmäßige Gattinnen11). Die Männer
*) So wurde das Carmen saeculare von 27
Knaben und ebensoviel Jungfrauen gesungen,
Hör. carm. saec. 6, vgl. Catull. 64 und sein Hoch-
zeitsa;edicht 62; dreimal neun war die übliche
Zahl, vgl. Liv. XXVII 37, 7 u. 12; andere Bei-
spiele Hör. carm. IV 1,25; ebd. 6, 41 ff. Suet.
Aug. 100; Cal. 16. Herodian. IV 2,5.
2) Ov. a.a.O. 25 f.
8) Stat. a.a.O. Plin. a.a.O.
4) Prop. a. a. 0. 17: quantum quod posito
formose saltat Iaccho, \ egit ut euhantes dux
. 1 riadne choros. Auch Reigentänze dienten bei
religiösen Festen zur Weihe, Liv. a. a. 0. 14.
5) Ov. a a. 0. 29: illa placet gestu numero-
eaque br-achia ducit et tenerum molli torquet
al> arte latus. Es spielten eben dabei auch die
Armbewegungen eine wichtige Rolle, Stat.
a. a. 0. 66: Candida seu molli diducit brachia
motu.
6) Hör. carm. III 6, 21 ff. Nach einer bei
Macr. III 14, 7 ff. mitgeteilten Aeußerung des
Jüngern Scipio Africanus gab es in Rom im
2. Jahrh. v. Chr. Tanzschulen (ludi saltatorii),
in denen Mädchen und Knaben (pueriingeinti)
zu Krotalen tanzen lernten. Das war allerdings
eine frivole Art des Tanzes, und der Tanzlehrer
jedenfalls ein Grieche; nach Plin. VII 159 war
der erste, der Tanzunterricht gab, ein gewisser
Stephanio unter Augustus.
7) Schol. Cruqu. ad Hör. sat. 1 5, 66 : egressi
annos pueritiae iam sumpta toga diis Pena-
tibus bullös suas consecrabant, ut puella piipas.
Auch nach Porphyr, z. d. St. und Varro bei Non.
538, 14 wurden sie den Laren geweiht, nach
Pers.2,70 der Venus (was Marquardt43 A.12
für griechischen Gebrauch hält, doch wurden
sie da der Artemis dargebracht, Anth.Pal.VI
280). Außer den Puppen wurde auch anderes
Spielzeug, wie Bälle, oder Mädchenkleider ge-
weiht, überhaupt virg'nütatis tfana, vgl. Varro
a.a.O., ders. beim Schol. ad Pers. a.a.O. Arnob.
II 67.
8) Bio Cass. LIV 16, 7. Macr. sat. VII 7, 6.
Cod. Iust. V 4, 24. Tert. de virg. vel. 11 : nam
feminas quidem a duodeeim annis, mtMCufafh
vero a duobus amplius ad negotia permittnnt,
pubertatem in annis, non sponsalibus out m<-
ptiis decernentes. Als Eintritt der Pubertät galt
aber auch bei den Mädchen das 14. Jahr, Macr.
in somn. Sc. I 6, 71.
9) Eine Zusammenstellung des Heirats-
alters nach Inschriften gibt Friedländer III
504 ff.; als Durchschnittsalter ergibt sich das
14. Jahr, wie bei Epict. ench. 40.
10) Flut. Lyc. etNum. comp. 4; Octavia. die
Gemahlin Neros. Tac. ann. XIV 64 ; inschrift-
liche Beispiele von Verheiratung mit 10 und
11 Jahren b. Friedländer 505.
»)Digg.XXIII2,4;XXIVl,32,27;XLVIII
5, 13, 8. Das ging aber nur auf die rechtlichen
Folgen, mit den geschlechtlichen hatte es nichts
zu tun. Wird doch sogar an der letzten Stelle
die Frage des adulterinms einer Frau unter
12 Jahren besprochen.
344 Zweite Abteilung. Das Leben.
heirateten oft bald nach Anlegung der toga virilis; Augustus, der für Kinder-
losigkeit Strafen aussetzte, ließ diese für Männer im Alter über fünfund-
zwanzig Jahre, für Frauen von über zwanzig Jahren eintreten1), nahm also
als obere Grenze des passenden Heiratsalters für Männer vierundzwanzig,
für Frauen neunzehn Jahre an.
Da ein römisches Mädchen, öffentliche Feste ausgenommen, wenig Ge-
legenheit hatte, mit jungen Männern zusammenzukommen, war von Liebes-
verhältnissen, die dann zur Ehe geführt hätten, nicht viel die Rede2): die
Ehen wurden nicht von den beteiligten Gatten, sondern von deren Eltern
oder durch Mittelspersonen, die sich an diese wandten, zustande gebracht3).
Freilich mußten dabei, ehe es zur Verlobung kam, verschiedene Vorfragen er-
ledigt sein, zumal wenn es sich um eine in jeder Hinsicht vollgültige Ehe, ein
iustum matrimonium, handelte4). Von diesen zu erfüllenden Vorbedingungen
ist die eine, das zur Heirat notwendige Alter, schon besprochen. Die wich-
tigste aber war die, ob zwischen den zur Ehe bestimmten Personen das
ins conubii bestand5), das für eine vollgültige Ehe notwendig war. Hierin
vollzog sich bekanntlich im Lauf der Jahrhunderte eine starke Änderung.
Ursprünglich war eine Ehe zwischen Patriziern und Plebejern ungesetzlich;
gestattet wurde sie 445 v.Chr. durch die Lex Canuleia 6). Dieses Vorrecht
der römischen Bürger erhielten dann die Völker des latinischen Bundes7),
mit der Zeit die Italiker überhaupt und unter Caracalla alle römischen Unter-
tanen8). Bis dahin hatten die Latiner jüngeren Rechts und die Peregrini
das ius conubii nur, wenn es ihnen besonders erteilt war, und auch dann be-
standen noch besondere Unterschiede; nur die Ehe zwischen einem römischen
Bürger und einer Peregrina mit Conubium war, gleich der Ehe zwischen
römischen Bürgern, völlig legitim, d. h. das Kind wurde römischer Bürger
und stand unter der patria potestas; bei der Ehe eines Peregrinus mit Co-
nubium aber und einer römischen Bürgerin folgte das Kind dem Vater,
d. h. es wurde Peregrin und stand nicht unter der patria potestas. Nicht
legitim waren die Ehen, wo der eine Teil kein conubium hatte9).
Eine weitere Vorbedingung der Ehe war, daß nicht gewisse Verwandt-
schaftsgrade vorlagen, innerhalb deren jede geschlechtliche Gemeinschaft
untersagt war. Die Römer gingen da mit den verbotenen Graden viel
>) Digg.XVIl,2. Gai.IIlll;286. Ueber
die Heirat von Ueberjährigen, d. h. Männern
von über 60, Frauen von über 50 Jahren, s.
Rossbach 419.
2) Nicht bloß die Tochter muß den zum
ebd. 1172). Humbert bei D.-S. 1 1445 (ebenfalls
mit Litteraturangaben).
6) Liv.IVlff.; XXIII 4. Dion.Hal.X60;
XI 28 ; doch nimmt Mommsen Rom. Staatsr. III
79 f. an, daß die Ehe zwischen einem Plebejer
Mann nehmen, den ihr die Eltern bestimmt und einer Patrizierin schon vorher rechtliche
haben, auch beim Sohn ist es selbstverständ- | Geltung hatte.
lieh, daß er bei der Heirat dem Willen des 7) Makquardt Rom. Staatsr. 128: bei Auf-
Vaters folgt, Gell. II 7, 18. lösung des Bundeswurde es wieder aufgehoben,
3) Digg. XXIII 1, 18; L 14,3, wonach es Liv.VIII 14,9.
in Rom sogar eine Art von Heiratsbureaus 8) Durch die constitutio Antoniniana vom
gegeben zu haben scheint, aber das Gewerbe Jahre 212, die allen Untertanen das römische
galt als sordidum. Bürgerrechtverlieh,DioCass.LXXVII9,5. Vgl.
*) Gaius 1 67 ff. Vgl. Rossbach 390 ff. Mar-
quardt 28 ff.
5) Vgl. außer der oben angeführten Litte-
ratur Leonhard bei P.-W. IV 1170 (Litteratur
Aristid. or. XIV p. 226.
9) Näheres über diese Verhältnisse s. Ross-
bach 464 f.
Dritter Abschnitt. Die Frauen und die Ehe.
345
weiter, als andere Völker des Altertums1). Man mied die Ehe mit allen
Blutsverwandten bis zum vierten Grad der Seitenlinie, aber auch Verwandt-
schaft durch Verschwägerung oder Adoption bildete ein Hindernis, nur daü
im Laufe der Jahrhunderte auch darin mit der Zeit eine mildere Praxi*
eintrat2). So blieb bei Blutsverwandten zwar selbstverständlich die Ehe
zwischen Aszendenten und Deszendenten jeden Grades sowie zwischen Ge-
schwistern und ebenso die Ehe mit Geschwistern der Aszendenten oder mit
Geschwistern der Deszendenten (Onkel und Tante mit Neffen und Nichten)
untersagt3); dagegen wurde die Ehe zwischen Geschwisterkindern schon seit
der Zeit des zweiten punischen Krieges gestattet4), und um dieselbe Zeit,
jedenfalls schon etwas vorher, die Ehe von Blutsverwandten im sechsten
Grade5). Bei Affinität (Nicht-Blutsverwandtschaft) waren die Ehen zwischen
Schwiegereltern und Schwiegerkindern und zwischen Stiefeltern und Stief-
kindern untersagt, während Schwägerschaft in der gleichen Seitenlinie kein
Hindernis war"); bei Adoption galten im allgemeinen dieselben Verhältnisse,
wie bei wirklicher Blutsverwandschaft, doch waren gewisse Ausnahmen
gestattet7).
Die letzte Forderung war der Consensus aller Teile, in der altern Zeit
freilich nur derer, in deren patria potestas die zu Verheiratenden standen,
später aber auch der der Beteiligten selbst 8). Zur rechtsgültigen Ehe war
aber vor allen Dingen die Zustimmung des Vaters erforderlich, die bei
einem Sohne ausdrücklich gegeben werden mußte, bei einer Tochter schon
im bloßen Stillschweigen inbegriffen war9). Diese Einwilligung wurde in
der altern Zeit offiziell durch die Verlobung (sponsalia) erklärt, was in der
historischen Zeit zwar auch noch häufig geschah, doch waren die Spon-
salien weder zur Ehe erforderlich, noch hatten sie bindende Kraft10), ob-
schon gewisse rechtliche Folgen auch später noch, solange das Verlöbnis
bestand, damit verbunden waren11). Diese sponsalia lB), die oft schon lange
vor der Hochzeit, unter Kindern, abgeschlossen wurden13), hatten ihren
x) Plut.qu.Rom. 108 p.289 D. sucht die Ur-
sachen davon zu ergründen, erkennt aber nicht
den wahren Grund, das aus der alten Strenge
und Ehrwürdigkeit der Familienverfassung her-
vorgegangene sehr starke Gefühl der Verwandt-
schaft aller unter einer patria potestas ste-
henden Personen; vgl. Rossbach 420 f.
2) Rossbach 422 ff.
3) Die einzige Ausnahme ist die als Incest
betrachtete Ehe des Kaisers Claudius mit Agrip-
pina, der Tochter seines Bruders Germanicus,
Rossbach 426. Es mußte infolgedessen den
Bürgern, wenn auch mit gewissen Einschrän-
kungen, das gleiche erlaubt werden, Tac. ann.
XII 7. Suet. Claud. 26 ; erst i. J. 342 wurde dieser
Senatsbeschluß wieder aufgehoben und solche
Ehen aufs neue untersagt, Cod.Theod. III 12,1.
4) Wenigstens ist sie da zum ersten Male
nachweisbar, Liv. XLII 34, 3; Plut. a. a. 0. 6
p. 265 D gibt keinen deutlich bestimmbaren
Zeitpunkt an, vgl. Rossbach 431. Unter den
christlichen Kaisern wurde die Ehe der cott-
sobrini verboten und erst 396 wieder erlaubt,
Cod. Theod. a. a. 0. 3.
5) Vom siebenten Grade ab waren sie wohl
immer erlaubt, s. Klenze Zeitschr. f. geschichtl.
Rechtswissensch. VI 17ff., was Rossbach 432 f.
Rein Privatrecht 405 auch für Ehen des fünften
und sechsten Grades annehmen; daß ursprüng-
licher aber erst vom siebenten Grade ab das
Verbot nicht bestand, zeigt das von Ki;n.i:i: im
Hermes IV(1870) 372 behandelte Fragment des
Livius.
6) Rossbach 435 ff. Rein 406.
') Rossbach 439 ff.
8) Ebd. 393 ff. Rein 413.
») Digg. XXIII 1.7,1; ebd. 2, 35.
10) Was früher der Fall gewesen zu sein
scheint, Rossbach 394. Rein 407. Ueber die
Wirksamkeit des Ehegelöbnisses vgl. Dikksen
Abb. d. Berl. Akad. d.Wiss. 1848, 89 ff. Huschke
Zeitschr. f. gesch. Rechtswiss. X 315 ff.
u) Rein 411. Makquabdt 40.
") Cic. ad Qu. fr. II 5, 2; ad Alt VI 6, 1.
Suet. Aug. 53.
,3) Friedländer Sittengesch. I 504.
346
Zweite Abteilung. Das Leben.
Namen von den dabei gebräuchlichen Formeln, indem die beiden kontra-
hierenden Teile mit der Frage Spondesne? und der Antwort Spondeo ihre
Übereinstimmung zu erkennen gaben1), was despondere hieß2); das Braut-
paar hieß nun sponsus und sponsa3). Diese Verlobung war an sich kein
juristischer Akt, doch kam es vor, daß man Zeugen hinzuzog (sponsores)4),
auch wurden in der späteren Kaiserzeit die schriftlichen Eheverträge {pacta
nuptialia, tabulae nuptiales), die sonst erst bei der Hochzeit unterzeichnet
wurden, schon bei der Verlobung aufgesetzt5). Vou Verlobungsgeschenken
im eigentlichen Sinn erfahren wir nichts; das Handgeld, das der Bräutigam
der Braut gab {arra sponsalitia), war nur das Symbol des Kontraktes, das der
Bräutigam, wenn er zurücktrat, einbüßte, wenn die Braut zurücktrat, von ihr
wiederbekam6); statt dessen diente oft ein Ring7), den die Braut am vierten
Finger der linken Hand trug8). Die Verlobung pflegte am Morgen statt-
zufinden9); am Abend folgte meist ein Festmahl10), zu dem Verwandte und
Freunde eingeladen wurden11) und bei dem die Braut Geschenke empfing12).
War keine Auflösung der Verlobung (repudium)1*) erfolgt, so folgte
nach längerer oder kürzerer Frist14) die Hochzeit. Ehe wir auf deren
Gebräuche eingehen, haben wir die verschiedenen Formen der Eheschließung
zu besprechen. Während man heut zwei Formen der Eheschließung kennt,
die gesetzliche Ziviltrauung und die kirchliche Trauung, gab es bei den
Römern vier verschiedene Arten, von denen allerdings mehrere auf gewisse
Fälle beschränkt waren und namentlich in späteren Zeiten mehr und mehr
in Abnahme kamen. Für die ursprüngliche Mannigfaltigkeit der Formen
gibt es eine Menge Erklärungsversuche15), doch wird sie heut meist als
das Resultat der historischen Entwicklung betrachtet, indem sich Formen,
») Plaut. Aul. 255; Trin.500; 1157; Cure.
674 ; Poen. 1 157. Gell. IV 4, 2. Digg. XXIII 1,2.
2) Varr. 1. 1. VI 69 ff. ; besonders von der
Tochter, Ter. Andr. 102; Heaut. 784; Hec. 124
u. ö.
3) Varr. a.a 0.; beide auch consposi, Fest.
41, 14. Die Braut auch pacta, Plaut. Trin. 500;
andere Ausdrücke Rein 408 A. 3.
4) Phit. Cat.mai. 24. Macrob. I 6, 29. Isid.
IX 7, 4.
5) Rein 426 f. und s. unten.
6) Isid. a. a. O. 6. Cod. Iust.V 1, 3. Digg.
XXIII 2, 38 pr. Auch die kostbaren Gaben bei
Capitol. Maxim, duo 27, 7 sind zwar insignia
sponsaliorum, zugleich aber arrae regiae.
7) Bei Plaut, m. gl. 957 daher als arrabo
bezeichnet, luv. 6, 27 als pignus. Digg. XXIV
1, 36, 1. Isid. XIX 32, 4. Bei Tert. apol. 6 heißt
er pronubus anulus; nach Plin. XXXIII 12 wäre
es ein eiserner Ring ohne Stein gewesen, doch
war das wohl nur älterer Brauch, denn Tertull.
a. a. 0. spricht von goldenen Ringen, und er-
haltene Goldringe, die zwei verbundene Hände
zeigen, stellten wohl die dextrarum iunetio vor
und waren daher Verlobungsringe. Vgl. Ross-
bach Rom. Hochzeits- u. Ehedenkm. 27ff. Mar-
shall Catal. of the Finger Rings in the Brit.
mus.XXI. Ein goldner Verlobungsring im Mün-
chenerAntiquariumträgtdie Inschrift Sitineum
concordi (CIL XIII 10024, 50), was Bücheler
Glotta I 4 deutete als: sit in {a)e(v)um con-
8) isid. de eccl. off. II 20, 8. Gell. X 10.
9) Sen. de benef. IV 39, 3. Daß vorher Ein-
holung von omina stattfand, wie man aus Cic. de
div. 146,104undVal.Max.I5,4schließenkönn-
te, lehnt Becker-GöllII 23 wohl mit Recht ab.
10) Plin. IX 117. Cic. ad Qu. fr. 11 5. 2 (6, 1)
Tert. de idol. 16 unterscheidet sponsalia und
nuptialia.
n) Cic. a.a.O. Sen. a.a.O. Suet.Aug.53.
Plin. ep. I 9, 2.
12) Digg. XVI 3, 25.
13) Repudium remitiere oder renuntiare,
sponsalia dissolvere, Plaut. Aul. 784; 799. Ter.
Phorm.677. Digg. L 16,101,1. Cod.Iust. V 1,1.
Die Trennung der Ehe heißt aber sowohl re-
pudium als divortium, wie Mau zu Marquardt
41 A. 2 richtig darlegt, vgl. Rein 446 A. 3. Bei-
spiele von aufgelösten Verlöbnissen Plut. Cat.
min. 7; Caes. 14. Suet. Caes. 21 ; Aug. 62 u. s.
1 4) Daß Verlobung und Hochzeit auf einen
Tag fallen, wie Plaut. Aulul. 261 f., war jeden-
falls ungewöhnlich.
15) Besprochen bei Rossbach Rom. Ehe
162ff. ; am gewöhnlichsten ist der Versuch, sie
auf die verschiedenen italischen Völker zurück-
zuführen, s. ebd. 165.
Dritter Abschnitt. Die Frauen und die Ehe. 347
die bis in die Urzeit zurückgehn. um ihrer religiösen Weihe willen bis in
historische Zeiten erhalten hatten und dann neue, weniger feierliche, aber
auch weniger umständliche und antiquierte, hinzukamen l). Diese verschie-
denen Formen gehen jedoch im Grunde nur auf zwei zurück, nämlich ob
die Ehe mit oder ohne manus geschlossen wird. Während nämlich die
Gewalt, die das Familienhaupt über sämtliche Deszendenten ausübt, als
patria potestas bezeichnet wird, führt die Gewalt, die der Gatte über die
ihm unter bestimmten Formen vermählte Gattin ausübt, den Namen manus2).
Der Unterschied besteht vornehmlich darin, daß die Frau, die durch ihre
Heirat aus der patria potestas ihres Vaters oder Gewalthabers ausscheidet,
zwar im allgemeinen in der Familie ihres Gatten die Stellung einer Haus-
tochter einnimmt, aber nicht gleich dieser vom pater familias getötet, ver-
kauft oder abgetreten werden kann3). Wahrscheinlich sind in alter Zeit
alle Ehen manus-JZhen gewesen, nur verschieden in der Form, nicht in der
Wirkung4). Von der mawws-Ehe gab es nun dreierlei Formen5), die teils
sakralen, teils juristischen Charakter haben. Sakralen Charakter hat die
durch confarreatio geschlossene Ehe, die älteste Form der Eheschließung6),
die vermutlich von Anfang an nur für Patrizier zulässig war7). Ihren
Namen hat die Ehe von dem beim feierlichen Opfer dargebrachten Spelt-
kuchen, dem libum farreum8); dies Opfer, zu dem außer dem Speltkuchen
ein Schaf diente9), sowie die vorhergehenden Auspizien wurden vom Pon-
tifex maximus und dem Flamen Dialis vollzogen10), worauf mit gewissen
feierlichen Formeln, die uns nicht überliefert sind, aber sicherlich auch
religiösen Charakter hatten, die confarreatio unter Anwesenheit von zehn
Zeugen erfolgte11). Inwieweit noch andere der uns überlieferten Hochzeits-
bräuche, von denen unten die Rede sein wird, und welche davon auch bei
der Confarreationsehe üblich waren, ist nicht überliefert.
') Vgl. die Darlegung bei Rossbach 239 ff. ; nicht aus ; in der historischen Zeit ist die Con-
zusammen fassend Rein 376. Marquardt 35, farreation nur Patriziern eigentümlich. Ihre
etwas abweichend. G F. Gamurrini II matri-
monio Italico, R. M. IV (1889) 89 ff. erweist
durch Darstellungen eines altertümlichen etrus-
kischen Cippus, daß gewisse Formen der Ehe-
schließung altitalischen Ursprungs waren.
*) Die Ansicht von Rossbach 27 ff., daß
in frühester Zeit kein Unterschied zwischen
potestas und manus bestanden habe, widerlegt
Marquardt 2 A. 3.
Rossbach 23 ff. Rein 373 ff. Karlowa
sakrale Bedeutung betont Dion. a. a. 0., indem
er sie ifool yd/wi nennt.
8) GaiusI112. Fest. 88,11. Plin.XVIIl 10;
vgl. Serv. a. a. 0.: farre, cum per ponttfleem
maximum et Dialern flaminem per fruga et
molam salsam coniungebatur, an de confarre-
atio appellabatar, e.r aiiibus nupHis patrimi et
matrimi tuucebantur.
9) Serv. ad Aen. IV 374: bei der Ehe eines
Flamen mit einer Flaminiea ließen sich diese
Rom. Rechtsgesch. II 151 ff. Marquardt 5 f. auf Stühlen, die mit dem Fell des geopferten
4) Erweisen läßt sich das freilich nicht; j Schafes bedeckt wurden, nieder. Rossbach
Marquardt 36 nimmt sogar an. daß die ältesten 103 meint, das ursprüngliche Opfertier sei ein
außerhalb der patrizischen Bürgerschaft ge- Schwein gewesen, weil dies nach Varr. r. r II
schlossenen Ehen iusta matrimonia und gewiß 4,9 in Etrurien das erste Opfer der Neuver-
Ehen ohne manus gewesen seien, was aber mahlten war.
wenig wahrscheinlich ist. 10J Serv. ad Verg. Geo. a. a. 0. Die Anwesen-
s) Gaius I 109 f. Serv. ad Verg. Geo. I 31 ; heit von Priestern bei der confarreatio wie bei
vgl. Loewe im Rh. Mus. XXXIII (1878) 631. der diffarreaHoi*. unten) ist auch bezeugt durch
G) Dion. Hai. II 25. 2 führt ihren Ursprung eine Inschrift der Kaiserzeit CIL X 6662.^und
auf Romulns zurück. Vgl. im alle. Rossbach für letztere allein Plut. qu. Rom. 50 p. 276 D.
löff. REiN378ff. LE0NHARDbeiP.-W.IV862ff., ») Gaius a.a.O.: am certis et solUmnibus
wo weitere Litteratur angegeben ist. ,-erbls praesatibus deeem lestibus; ebenso V\u.
7) Dion. Hai. a.a.O. spricht sich darüber 9. 1.
348 Zweite Abteilung. Das Leben.
Die beiden anderen Formen der manus-Ehe beruhen auf juristischen
Grundlagen. Die eine ist die Form der coemtio, d. h. die Ehe durch einen
symbolischen oder Scheinkauf1), eine Art mancipatio mit besondern Formeln,
in Anwesenheit von fünf Zeugen. Es fragten dabei Bräutigam und Braut
sich gegenseitig, ob sie paler und mater familias sein wollten2). Auch
gehörte wie bei einem wirklichen Verkauf der libripens mit der Wage dazu3).
Die Auffassung der symbolischen Handlung, ob die Tochter vom Vater
gleichsam verkauft wurde oder ob sie sich mit dessen Zustimmung selbst
verkaufte, steht nicht fest, doch ist das erstere wahrscheinlicher4). Die
erwähnten Fragen aber mit ihren Antworten sollten andeuten, daß die Frau
durch diesen Verkauf zwar aus der Gewalt des Vaters entlassen, aber nicht
Eigentum des Käufers, d. h. ihres Gatten wird, was sonst die Wirkung der
mancipatio war5). Auch hier kamen natürlich noch anderweitige Zere-
monien hinzu, und dasselbe war der Fall bei der dritten Form der manus-
Ehe, nämlich durch usus&). Diese Form beruht auf dem Rechtsbegriff
der usucapio, die darin besteht, daß man einen Gegenstand, den man in
gutem Glauben in Besitz genommen hat, als Eigentum erhält, wenn man
ihn eine gewisse Zeit hindurch (bewegliche Gegenstände ein Jahr, unbeweg-
liche zwei) in ununterbrochenem Besitz gehabt hat7). Dementsprechend ging
die Frau, die ein ganzes Jahr lang ohne Unterbrechung im Hause des Mannes
zugebracht hatte, in dessen manus über8). Da die Frau also erst nach Ab-
lauf des Jahres in die manus des Mannes kam, so setzt diese Form der Ehe
das Vorhandensein der vierten Eheform, der ohne manus, voraus; die Usus-
Ehe ist demnach nicht eine Form der Eheschließung, wie confarreatio und
coemtio, sondern eine erst ein Jahr nach der Eheschließung eintretende
Wirkung auf das rechtliche Verhältnis der Ehegatten.
Diesen drei Formen der Manus-Ehe stand die Ehe sine in manum Con-
ventions gegenüber9). Die rechtlichen Folgen einer solchen Ehe bestehen
darin, daß die Frau nicht mater familias in der Familie ihres Mannes mit
Erbrecht wird, wie in der Manus-Ehe, sondern nur uxor10); sie bleibt also in
der potestas ihres Vaters und im Erbrecht ihrer Familie11).
Wann und wie sich diese verschiedenen Formen der Ehe entwickelt
haben, darüber fehlt es an authentischen Nachrichten, und die Ansichten
') Gaius 1118; sie wird erst bei Cicero und
Varro erwähnt, war aber jedenfalls schon lange
vorher üblich, vgl. Rossbach 65 ff. Rein 382 ff.
Leonhard a.a.O. 198 ff. mitLitteraturangaben.
*) Cic. Top. 3, 14 und Boethius z. d. St.
p. 299 Or. Sei v. ad Aen. IV 214.
3) Gaius a. a. 0. lieber die Formen der
mancipatio, die eine imaginaria venditio ist,
s. Gaius ebd. 119. Der Kaufende schlug mit
einem As (dem aes raudusculum, Varr. 1. 1.V163)
an die Wage und hielt den gekauften Gegen-
stand, wenn es ein beweglicher war. dabei
mit der Hand gepackt, Gai. a. a. 0. 121 ; HI 167.
4) S. übet diese Streitfrage Rossbach 72 ff.
6) Das ist manchmal intümlich als ein
gegenseitiger Kauf betrachtet worden. Serv.
a. a. 0. IV 103: mulier atque rir i titer se quasi
emotionem faeiunt; vgl. dens. zu Geo. 1 31. Isid.
V 25, 26: antiquus nuptiarum erat ritus, quo
se maritus et uxor invicem emebant, ne vide-
retur uxor ancilla.
6) Rossbach 146 ff. Rein 388 ff.
7) Vgl. Rein 246 ff.
8) Nach den XII Tafeln wurde die Usu-
capion aufgehoben, wenn die Frau drei Nächte
hintereinander außerhalb des Hauses des Man-
nes verweilt hatte, Gai.I 111. Gell. III 2. 12 f.
Macrob. 1 3, 9. Serv. ad Geo. I 31.
9) Cic. top. 3. 14: genus est uxor ; eius duai
formae: una matrumfamilias, eae sunt, quae
inmanum convenerunt ; altera earum, quae tan-
tum modo uxores habentur. Vgl. Rossbach 42 ff.
Rein 391 ff
10) Gell. XVIII 6,9. Quint.V 10,62. Ulpian.
26, 7.
u) Diüa. XLIII 30,1,5.
Dritter Abschnitt. Die Frauen und die Ehe.
349
der Neueren hierüber gehen sehr auseinander1). Wahrscheinlich gab es,
wie schon oben angedeutet, in der ältesten Zeit nur Manus-Ehen, und zwar
für Patrizier in der feierlich-religiösen Form der confarreatio, für Plebejer
in der juristischen der coemtio2). Daneben kam dann die freie Ehe ohne
manus auf, und das hatte wieder die Einrichtung der Usus-Ehe zur Folge,
indem ja die Ehe ohne manus nach Ablauf eines Jahres ehelicher Gemein-
schaft zur Manus-Ehe wurde3). Für diejenigen, die das nicht wünschten,
sanktionierte das Zwölftafelgesetz die vielleicht schon vorher übliche Be-
stimmung, daß die Abwesenheit der Frau während dreier Nächte hinter-
einander den usus aufhob. Schließlich aber wurde die Ehe ohne manus die
gewöhnliche Form. Daneben fristeten die andern Eheformen nur zum Teil
ihr Leben noch fort. Die confarreatio wurde immer seltner und fand in der
Kaiserzeit noch mehr Einschränkung: unter Tiberius fielen ihre privat-
rechtlichen Folgen fort4), und später kam sie überhaupt nur noch bei
Priestern vor5). Schon viel früher scheint die Usus-Ehe verschwunden zu
sein: zu Ciceros Zeit bestand sie noch6), zu der des Gaius war sie außer
Gebrauch gekommen7). Dagegen bestand die coemtio in der Kaiserzeit fort
und war, da die confarreatio hinsichtlich der manus beschränkt worden war,
die einzige Form, die manus zu erwerben8); wann sie abkam, ist nicht er-
sichtlich9). Jedenfalls wurde sie, wegen der mit der Manus-Ehe verbundenen
Beschränkung der Frau, die den überhandnehmenden Emanzipationsgelüsten
der Römerinnen zuwider war, immer seltner und die freie Form der Ehe
ohne manus die allgemein übliche.
Wir gehen nun zur Darstellung der Hochzeitsgebräuche über10).
Dabei ist vorauszuschicken, daß jedenfalls nicht alle die einzelnen Bräuche
und Zeremonien, die uns überliefert sind, bei jeder Hochzeit stattfanden,
sondern daß nur gewisse darunter, namentlich solche, die der Ehe ihre
J) So nimmt Rossbach 162 ff. an, die co-
emtio sei ein Kest der alten indogermanischen
Sitte des Brautkaufs und daher die älteste Form
der Ehe; alle Ehen waren damals Manus-Ehen
und Unterschiede zwischen der Eheschließung
verschiedener Stände nicht vorhanden. Dann
sei von den Patriziern die Eheschlief3ung bloß
zur religiösen Handlung gemacht worden (als
confarreatio), für die Ehe durch Kauf aber
sowohl für Patrizier wie für Plebejer der sym-
bolische Scheinkauf eingetreten. Die nächste
Stufe sei die zur Vermeidung der manus ein-
geführte usus-Ehe gewesen, bis die freie Ehe
(ohne manus) selbständige Form gewann und
im Laufe der Zeit die übrigen Formen ver-
drängte. Marquardt 35 ff. betrachtet die con-
farreatio als die älteste, aber nur den Patri-
ziern zustehende Form der Ehe: die ältesten
nicht-patrizischen Ehen seien keine iusta ma-
trimonia gewesen, erst allmählich hätten auch
die Plebejer iusta matrimonia mit manus ge-
schlossen, und zwar zuerst in der Form des
usus, dann auch in der coemtio, die die jüngere
sei. während daneben auch die Ehen ohne manus
als iusta matrimonia anerkannt wurden. Der
oben eingenommene Standpunkt ist der von
Mau zu Marquardt 38 A. 1 vertretene.
2) Daß für die coemtio kein Beleg vor Cicero
vorliegt, ist kein Beweis jüngeren Datums, da
die ganze symbolische Form auf hohes Alter-
tum deutet.
3) Daß der Zustand während des «MM-
Jahres überhaupt keine Ehe war, wie man-
che meinen, ist nicht wahrscheinlich, stimmt
auch nicht dazu, daß die Frau bei Gai. I 111
nupta heißt. Rossbach 158 f. setzt die Ent-
stehung der freien Ehe nach der der usus-
Ehe an.
*) Tac. ann. IV 16.
5) Boethius ad Cic. top. a. a. 0. Zur Zeit
des Boethius und des Servius (ad Aen. I 374;
ad Geo. 1 3 1 ) existierte sie gar nicht mehr, beide
sprechen davon im Praeteritum.
6) Cic. pro Flacc. 34, 84.
7) Gai.I 111.
8) Gai. I 130 spricht von der coemtio als
einer noch bestehenden Form, ebenso Ulpian
bei Boethius a. a. 0.
9) Servius a. a. 0. und Isid. V 24, 26 spre-
chen davon als von einer längst vergangenen
Institution.
10) R0SSBACH253ff. BECKER-GöLLlI24ff.
350
Zweite Abteilung. Das Leben.
religiöse Weihe gaben, stehende gewesen sein, andere im Belieben der
Teilnehmer gestanden haben werden. Eine Beschränkung des Zeremoniells
fand namentlich bei der Wiederverheiratung von Witwen statt, bei der man
möglichst Prunk vermeiden wollte1), weil die Sitte ursprünglich sie nicht
billigte2).
Zunächst war schon die Wahl des Hochzeitstages nicht gleichgültig3).
Wenn man Festtage vermied, damit nicht die Gäste dadurch an der Teil-
nahme verhindert würden4), so waren es sonst religiöse oder abergläubische
Bedenken, weshalb man gewisse Tage ausschloß, die als unglückbringend
galten: so die Kaienden, Nonen und Iden nebst dem darauf folgenden Tage5),
ferner die erste Hälfte des März6), der ganze Mai7), die erste Hälfte des
Juni8), die der Totenfeier geweihten dies parentales, vom 13. — 21. Februar9),
die drei Tage, wo die Unterwelt offen steht (ubi mundus patet), nämlich der
24. August, 5. Oktober und 8. November10), endlich alle sonstigen dies religiosi 1 1).
Dagegen galt die zweite Hälfte des Juni als die günstigste Zeit für die Ehe-
schließung12).
Schon am Abend vor der Hochzeit13) legte die Braut ihre Mädchentracht,
die toga praetexta, ab und weihte sie wie ihr Spielzeug (siehe oben S. 308) den
Laren oder sonst einer Gottheit 14) ; dafür legte sie schon jetzt das Hochzeits-
kleid an, die tunica recta oder regilla, nebst einem rötlich gefärbten Kopftuch,
womit sie zu Bett ging 15). Das Kleid war eine weiße Tunika ohne Besatz; wes-
halb sie aber recta hieß, ist nicht sicher: die Alten bezogen es darauf, daß sie
auf dem Webstuhl der älteren Art, an dem man stehend und nach oben webte,
hergestellt worden sei16), während eine neuere Deutung die Benennung darauf
>) Plut.qu. Rom. 105 p. 289 A. Varr. b. Non.
480, 2.
2) Daher auf den Grabschriften so häufig
das Lob der Frau, die als univira gestorben war,
s. Marquardt 42 A. 6.
3) Vgl. Rossbach 264 ff.
4) Eben deshalb wählten sie Witwen, die
keine große Gästezahl wünschten, Plut. a. a. 0.,
einen symbolischen Brauch will Verrius Flaccus
bei Macr. I 15,21 darin erkennen.
5) Macr. a. a. O. Fest. 179, 2. Als dies atri
werden sie bezeichnet, nebst Erklärung der
Gründe, Varr. 1. 1. VI 29. Ov. fast. I 55 ff. Gell.
V 17, 1 f. Plut. qu. Rom. 25 p. 269 E.
6) Ov. a. a. 0. III 393 ; ungenau vom ganzen
März Porph. ad Hör. ep. II 2, 209.
7) Ov. a. a. 0. V 487 ff. Plut. a. a. 0. 86
p. 284 F.
s) Ov. a.a.O. VI 225.
9) Ov. a. a. 0. II 555 ff; vgl. Marquardt
Rom. Staatsverwalt. III 298 u. 548. Wissowa
Relig.d.Röm. 187.
1 °) Fest. 142 a, 23 ; 154b, 30. Varro bei Macr.
1 16, 18. Vgl. Makqüardt a. a. 0. 351 . Wissowa
a. a. 0. 189.
u) Wie z.B. das Datum der Schlacht an
der Allia (18. Juli), vgl. Makquakdt a. a. 0. 283.
WissowAa.a.O.376;imallgem.Festus278b,10.
12) Ov. fast. VI 223 f.
13) Das Bad vor der Hochzeit ist griechi-
scher Brauch, vgl. Hermann Griech. Privatalt.
270; doch gehörte es wohl auch zur römischen
Hochzeitssitte, s. Plaut. Aul. 579.
14) Festus 245 a, 9. Varr. bei Non. 538, 14.
Prop. V (IV) 11, 33. Arnob. II 67.
lä) Dies alles gehörte zur Tracht nach Fest.
286 b, 33, nach dem damit bekleidet pridie hu-
ptiarum dlem virgines cubitum ibant ominii
causa, ut etiam in togis virilibus observari solet.
Wenn Makqüardt 43 A. 13 behauptet, es sei
selbstverständlich, daß dies nicht derselbe An-
zug ist, den die Braut am Hochzeitstage trägt,
so gilt das wohl nur vom Kopftuch, nicht vom
Kleid, da die tunica recta das Hochzeitskleid ist.
16) So erklärt es Festus a.a.O.: regiUid
tunicis albiSf et reticulis luteis utrisque rectis,
textis sursum versum a stantibus. Isid. XIX
22,18; auch Plin. VIII 194 ea (Tanaquil) primae
texuit rectam tunicam, quales cum toga pura
tirones induuntur novaeque nuptae scheint die-
selbe Ableitung zu meinen. Es ist zu beachten,
daß die von Marquardt 44 (vgl. 125). Becker-
Göll26. Blümner Technologie 1122 vertretene
Ansicht, daß man später am horizontalen Web-
stuhl webte, die tunica recta aber am vertikalen
Webstuhl hergestellt war, unrichtig ist, wie
Ahrens im PhilologusXXXV (1876) 385ff. und
Schröder A. Z. XLII (1884) 169 ff. dargetan
haben. Den horizontalen Webstuhl scheint das
Altertum überhaupt nicht gekannt zu haben;
Dritter Abschnitt. Die Frauen und die Ehe.
351
zurückführt, daß die Tunika gerade herabfiel und keinen Faltenbausch über
die Gürtung bildete1); ebenso bleibt die Entstehung der zweiten dafür üb-
lichen Bezeichnung reg'dla dunkel2). Dieses Brautkleid, das die Braut auch
am Hochzeitstage anzog, war gleich der von den verheirateten Frauen ge-
tragenen Stola ein langes Gewand3); es wurde mit einem aus Schafwolle
gefertigten Gürtel (cingulum) *) in einer besondern Art Knoten, dem nodua
Herculeus6), geschürzt, den der Bräutigam in der Hochzeitsnacht löste").
Sodann gehörte zur Tracht ein den Kopf und den größten Teil des Gesichts 7)
der jüngere Webstuhl unterschied sich (abge-
sehen von einigen andern konstruktiven De-
tails) vom älteren vornehmlich dadurch, daß
man an ihm sitzend und nach unten webte,
am älteren stehend und nach oben. Näheres
in der 1911 erscheinenden 2. Auflage meiner
Technologie.
*) So Rossbach 277 (dem sich Mau zu
liarqnardt a. a. 0. A. 2 anschließt), obschon
er die Herstellung auf dem alten Webstuhl
mit Festus a.a.O. und 277a. 8 annimmt. Dem
steht entgegen, daß dtr Bausch gar nicht zur
römischen Frauentracht gehört. Der ooöoozä-
diog /itojv der Griechen kann damit nicht ver-
glichen werden. Dagegen waren die rectae, die
später als Männertracht erscheinen (Vopisc.
Aurel. 46, 6. Hesych. s. gexrog), jedenfalls an-
dern Ursprungs.
') Sie kommt zuerst, aber nicht als Braut-
kleid, Plaut. Epid.223 vor, wo der Scherz: quid
trat induta? an regillam inductdam an men-
dtculam? auf dieselbe Ableitung von regina
deutet, die Isid. XIX 25,1 und Non. 539, 9 geben;
das ebd. zitierte Fragment des Varro: regilla
tunica purpura distingitur zeigt, daß auch er
nicht die bräutliche regilla meint. Marquakdt
a. a. 0. lehnt die Etymologie ab, Rossbach 277
und Mau nehmen sie an. Etymologisch hängen
recta und regilla nur indirekt zusammen. Viel-
leicht war die tunica recta alba alte Tracht
der Königinnen.
3) luv. 2, 124: segmenta et longos habituß
et flammea sumit; es heißt auch direkt stola
bei Cic. II 18,44: qui te a meretricio quaestn
abduxit et tamquam stolam dedisset, in matri-
monio certo et stabili conlocavit. Aus Lucan.
II 363: umerisque haerentia primis suppara
nudatos cingunt angusta lacertos darf man
schließen, daß sie eng anliegende, den Ober-
arm bedeckende Aermel hatte. Daß aber die
tunica recta mit der stola der Matronen völ-
lig identisch war, wie Becker-Göll 27 dar-
aus schließt, daß die vitta matronarum ebenso
zur stola wie zum Brautschmuck gehörten (s.
oben S. 273 und unten), ist doch nicht wahr-
scheinlich; zum mindesten unterschied sie sich
in der Farbe und vielleicht auch im Schnitt. Hin-
gegen wird ebd. mit Recht es abgelehnt, wenn
Rossbach 274 ff. auch die toga pura zur Braut-
tracht rechnet; denn bei Plin. VIII 194 (s. oben
S. 350 A. 16) ist cum toga pura nur auf die
Knaben zu beziehen.
4) Fest. 63, 5: cingulo nova nupta prae-
cingebatur, <[i«>il vir in lecto edfoebat, factum
ex lana ovis. Daher nennt Hieron. ep. 147, 6
p. 1200 das ciugu/uui dotolepignus. Doch gehört
der Gürtel nicht bloß zur Brauttracht, vgl. oben
S. 232. Ein mit Edelsteinen besetzter baÜeu» er-
scheint als Brautschmuck Lucan. II 362.
5) Der nodua Her culeus {vgl. über diesen be-
sonders Stephani Compte rendu de St. Petersb.
1880. 30 ff.) ist nicht bloß der Brauttracht eigen-
tümlich, sondern war eine besonders künst-
liche Art der Knüpfung, die Schutz gegen Be-
zauberung gewähren sollte und z. B. auch beim
Verbinden von Wunden Anwendung fand, Plin.
XXV III 63; vgl. Sen. ep. 87, 33. Bei der Braut-
tracht brachte man allerdings noch allerlei
Symbolisches damitin Verbindung, Fest. a.a.O.:
hunc Her culaneo modo rinctum vir sotrit ontinis
oratio, ut sie ipse feli.r sit in auscipitndis li-
beris, ut fuit Hercules, qui septuugnitu liberos
reliquit. Vgl. Rossbach 278 f. Saglio bei D.S.
IV 87 f. Auch zur Amtstracht der Vestalinneu
gehört ein wollener, im Herkulesknoten ge-
knüpfter Gürtel, wie denn überhaupt die Ve-
stalinnen in ihrer Tracht vieles von der Braut-
tracht entlehnt haben (ähnlich wie die Nonnen
als „ Bräute Christi" in Brauttracht erscheinen),
s. Dbagendorff Rh. Mus. LI (1896) 289.
6) Fest. a.a.O. und ebd. 9: rüixiae luno-
nis mnetum kabebatur in nuptiis, guod initio
coniugii solutio erat cinguli, quo nova nupta
erat emeto. Dieser Beiname der Juno ist auch
der Name einer besondern Hochzeitsgottheit
Cinxia geworden, Arnob. III 25, vgl. Preller-
Jordan Rom. Myth. I 280; II 218. Wissowa
Rel. d. Rom. 119. Peter bei Röscher II 195.
Aust bei P.-W. III 2563.
7) Zwar wird gewöhnlich behauptet, das
flammeum habe das Gesicht unbedeckt ge-
lassen (Rossbach 280. Becker-Göll 29. Helbig
SB d.bayer. Akad. 1880, 1521); allein dagegen
sprechen Stellen wie Mart. XII 42,2: re/arunt
flammeo vultus. Lucan. II 361 : lutea demisaos
velarunt flammeo vultus. (Jlaudian. XXXV 324:
vuUibus addunt flammea; auch ebd. XXII 358:
trepido iam flammea suhle rat ore viryinis; daß
die Augen verhüllt waren, erweist auch XIII 4:
iam produnt Uterimao flammeo simplieee. Wenn
die Sarkophage mit Darstellung der Eheschlie-
ßung das größtenteils nicht zeigen, so ist das
kein Gegenbeweis, da sie überhaupt nicht treu
nach dem Leben darstellen.
352
Zweite Abteilung. Das Leben.
verhüllendes schleierartiges Tuch1), das nach seiner gelbroten Farbe2) flam-
meum hieß3); und so bedeutungsvoll war dies Kleidungsstück, daß von der
Verhüllung damit die Heirat für die Braut mit dem Worte nubere bezeichnet
wurde4). Unter diesem Schleiertuch trug die Braut das Haar in einem be-
sondern Arrangement, zu dem man sich nicht der gewöhnlichen Toiletten-
geräte, sondern eines besondern gekrümmten Instrumentes5) bediente, das
hasta caelibaris hieß6), dessen Ursprung und Bedeutung aber dunkel ist7).
Geordnet wurde das Haar in die sogenannten sex crines, die auch die Vesta-
*) Allem Anschein nach ist das nach Fest.
286b, 33 (s. oben S.350 A. 15) am Abend vor
der Hochzeit angelegte reticulum luteum, das
wie die tunica als rectum bezeichnet wird, kein
Haarnetz, sondern mit dem flammeum iden-
tisch, wie Rossbach 280 meint. Marquakdt 45
will freilich beide unterscheiden und erklärt
das flammeum als einen langen Schleier, der
wie die palla getragen wurde und seine Ei-
gentümlichkeit nur in dem Stoffe und der Farbe
hatte. Allein das flammeum scheint vielmehr
in seiner Form mit der oben (S. 234) bespro-
chenen rica identisch zu sein, die ein schleier-
artiges Kopftuch war. Die Glossen erklären
flammeum als mavorte virginale, Corp. Gloss.
IV 517, 29; dieses aber wird ebd. V 604.30 als
operimentum capitum mulierum erklärt, vgl.
ebd. VI 668; Isid. XIX 25,4 erklärt es als Si-
gnum maritalis dignitatis und bemerkt, daß es
super caput mulierts est; vgl. auch Blümner
Maximaltar, d. Dioclet. 149.
*) Es wird mehrfach als luteum bezeich-
net, Fest. a.a.O. Plin.XXI46. Lucan.11361;
es ist das aber (obschon der Schol. luv. 6,225
vom flammeum sagt: est sanguineum propter
ruborem custodiendum) keine direkt rote Farbe,
wie Marquardt a. a. 0. sagt, sondern rotgelb,
wie die Flamme; so schon Rossbach 280 und
Becker-Göll 2S: vgl. Blümner Technol. I 243:
Farbenbezeichn. bei d. röm. Dicht. 125f. Dies
Bedenken steht daher der Deutung entgegen.
die Samter Familienfeste 52 ff. von der roten
Farbe des flammeum gibt, indem er meint, es
ahme die Farbe des Bluts nach und sei als ein
Ersatz für das blutige Opfer zu bezeichnen;
die Belegstellen, die er für solche Bedeu-
tung roter Gewandstücke beibringt, sprechen
auch alle von Purpur oder Scharlach und
beweisen daher nichts für das lutum flam-
meum.
3) Das flammeum, das bis ins späte Alter-
tum Brauttracht blieb, wird an zahlreichen
Stellen als solche erwähnt (auch bei den Kir-
chenvätern, vgl. Tert. adv Valent. 32. Ambros.
de viel. 9, 59. Hieron. a. a. O.), vgl. Rossbach
279 ff., der die Bedeutung der Verschleierung
sowie der Feuerfarbe mit der Verhüllung beim
Opfer und dem dabei angezündeten Feuer er-
klärt, weshalb es auch die ständige Tracht der
Flaminica war; vgl. Fest. 89, 13, der sogar, ob-
schonsicher falsch, den Namen von flaminica ab-
leitet (richtiger 92, 1 6 von der Farbe des Feuers
resp. Blitzes). Dagegen ist die Notiz bei Non.
541, 28: flammeus, vestis vel tegmen, quo capita
matronae tegunt, sicher nicht mit Rossbach 282
so zu deuten, daß auch die übrigen römischen
Frauen das flammeum getragen hätten. Dra-
gendorff a. a. 0. 292 ff. nimmt nicht ohne Wahr-
scheinlichkeit an, daß das von den Vestalinnen
getragene Kopftuch, das suffibulum heißt, ur-
sprünglich mit dem flammeum identisch war,
obschon letzteres gelbrot, jenes weiß mit Pur-
purverbrämung war.
4) Fest. 170 b, 24: nuptias dietas esse . . .
qaia flammeo caput nubentis obvolvatur, quod
antiqui obnubere vocarent. Isid. IX 7, 10 : nuptue
dietae, quod vultus suos velent. Daß das Ver-
hüllen des Hauptes ein auch bei andern Völkern
ganz verbreiteter Brauch ist, belegt Samter
a. a. 0. 48 ff. mit Beispielen, doch scheint es nach
dem etruskischen Relief R. M. IV (1889) Taf. IV
altitalischer Brauch gewesen zu sein, daß nicht
nur die Braut, sondern auch der Bräutigam ver-
hülltwurde. Man sieht hier nämlich zwei Frauen
(wohl die promibae), die ein großes Tuch über
die Köpfe von drei Personen decken, in denen
Gammurini ebd.95 das Brautpaar und den Braut-
vater erkennen möchte; er möchte auch das
Wort conubium davon herleiten und den Ge-
brauch von nubere beim Bräutigam.
5) Ov. fast. II 560: comat virgineas hasta
recurva comas.
6) Fest. 62, 16: coelibari hasta caput nu-
bentis comebatur. Arnob. II 67: cum in matri-
monium convenitis . . . nubentibus crinem coeli-
bari hasta muleetis. Plut. qu. Rom. 87 p. 285 B:
diu zl xibv yapovjiEvcov alyjifj öogariov zt]V xöf.inv
diaxQivovotv: ders. Romul. 15.
7) Festus und Plut. a. a. 0. geben verschie-
deneDeutungsversuche; nach ersterem hätte die
Lanze aus der Leiche eines Gladiators gezogen
sein müssen, was wohl nur späterer Aberglaube
ist, von Rossbach 289 aber irrig als bloßes
Gleichnis betrachtet wird, es ist vielmehr dabei
an eine schützende sympathetische Kraft ge-
dacht (s. Jahn BSGW 1855. 95 f.), wie denn
überhaupt ein gewaltsamer Tod Zauberkraft
verlieh (Plin. XXVUI 34 von der hasta velüaria
evulsa corpori hominis), vgl. Riess bei P.-W.
I 92. Die Deutung von Rossbach 2911, man
habe der Braut früher mit der hasta das Haar
abgeschnitten und später, als man dazu die
Schere nahm, die hasta nur symbolisch an-
gewandt, ist unwahrscheinlich.
Dritter Abschnitt. Die Frauen und die Ehe.
358
linnen trugen *) ; anscheinend wurde das Haar dabei in sechs um den Kopf
gelegte Abteilungen geordnet2). Dazu kamen noch Binden, vittae, die ja
besonders bei der Haartracht der verheirateten Frauen wichtig waren (siehe
oben S. 273) 3), und unter dem flamtneum ein Kranz von Blumen, die die
Braut selbst gepflückt hatte4), und bisweilen ein hoher, mauerkronenartiger
Aufsatz5). Endlich trug sie über der tunica recta die pcdla, die ebenso die
hochzeitliche gelbrote Farbe hatte6), wie das Schuhwerk7). Auch Schmuck
scheint nicht gefehlt zu haben8).
Von einer besondern Hochzeitstracht des Bräutigams erfahren wir nichts.
Er trug jedenfalls die Toga, in späterer Zeit auch einen Kranz9), wie denn
') Fest. 339 a, 23: senis crinibua nubentes
omantur, qiiod ortiatus vetustissimus fuit, qui-
dam quod eo Vestales virgines ornantur. Daß
sie, wie Eossbach 287 sagt, den Weibern über-
haupt gemein waren, ist nicht richtig; Plaut.
in. gl. 791 : ex matronarum modo capite compto
crinis vittasque hdbeat besagt nur, daß die Haar-
tracht der Frauen sich von der der Jungfrauen
unterschied.
2) Marquardt 45 und Becker-Göll 30
deuten diese sex crines als Locken (in welcher
Bedeutung crinis auch sonst nachweisbar ist);
Helbig a.a.O. 515 meint, es seien die Haare auf
der Vorder- und auf der Rückseite des Kopfes in
je drei Partien gesondert gewesen, die nach dem
Scheitel emporgezogen und daselbst befestigt
worden seien. Hingegen nahm Jordan in den
Histor. u. philol. Aufs. f. E. Curtius 2 17f. an, daß
der an den Köpfen der Statuen von Vestalinnen
(s. Not. degli scavi 1883 tav. 18, 3. Jordan Der
Tempel der Vesta, Berlin 1886, Taf. 8, 1 ; 9, 10;
10, 11) sichtbare Kopfputz, der aus sechs parallel
nebeneinander um den Kopf gelegten Wülsten
besteht, diese sechs crines bedeute: nur daß
diese bei den Bräuten vermutlich von denHaaren
gebildet wurden, während sie bei den Vesta-
linnen (denen bei ihrer Einkleidung die Haare
abgeschnitten wurden, Plin.XV1235) dafür zu
künstlichen Wülsten wurden. Indes bestreitet
dies Dragendorff a. a. 0. 286 ff. wohl mit Recht,
da die runden bunten Wollenbinden Haarflech-
ten doch zu unähnlich sehen; er weist auf die
nicht durch den Mantel verhüllten Vestalinnen-
köpfe hin (vgl. ebd. 281 Fig. 1), an denen man
deutlich mehrere Flechten erkennen kann, die
um den Kopf geschlungen sind. Man wird also
wohl auch bei der Braut sich die sechs crines
um den Kopf gelegt denken dürfen und daneben
noch die infulae, die zur Braut- wie zur Vesta-
linnentracht gehören. Andrer Meinung freilich
ist Wüscher-Becchi Rom. Quartalschr. XVI
(1902) 312 ff.
3) Die meisten Stellen, in denen vittae <■>•!-
Haies oder matronales erwähnt werden, beziehen
sich allerdings auf verheiratete Frauen, daß sie
aber auch zur Brauttracht gehörten, zeigt Prop.
V (IV) 3, 15: nee recta capülis vitta data est:
mipsi non comitante deo.
4) Fest. 63, 14: corollam novo nupta deflo-
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft, IV.
ri/nts, verbenis herbisgu» an lectissubamdeulo
ferebat. Bei Catull.61,6: ringe temppra flori-
bus suare dentis amarari ist dieser Kranz (wie
ebd. 8 das flamme« m) auf den Hymenaeus über-
tragen. Vgl.Ov.ep.20(21), 161: saepecoronatis
stillant unguenta capülis.
") Lucan.11358: turritaquepretntnefron-
tem matrona Corona. Der oben erwähnte Kopf
einer Vestalin (Arndt Einzelverkauf 161/62)
zeigt eine solche. Die Lucan-Kommentare er-
klären: mos fuit nubentiiou virginum capita
coronai-! in flgvram matri» deum; ebenfalls auf
Kybele wird es zurückgeführt bei Synes. ep. 3 :
in'/./.Fi yäo eic rijv fauoSoav ißdöfttff raivtwoE-
oflai t£ xai xvQyoqpÖQO? xaOä.-rnj t) KvßiXtj jagt-
skevasa&ai. Doch führt Dragendorff 294 ff. aus,
daß der zylindrische Kopfschmuck ältesteFeier-
kleidung war, von den Menschen auf die Götter
überging und sich dort teils zum Modius. teils
zur Mauerkrone umgestaltete. Daß heut noch
vielerorts die Bräute eine hohe Krone tragen,
ist bekannt.
6) Ov. a.a.O. 162: ettrahitur muUosplen-
dida palla croco (so auch Hymenaeus Ov. met.
XI: croceo velatas amirtu); daß dies Safran-
gewand nicht rein gelb, sondern rötlich war,
zeigt v. 168: quigue trat in palla, transit in
ora rubor. Daß die Braut über der Tunika noch
den Mantel trug, zeigen auch die Ehesarko-
phage.
7) Was Catull. 61,9 von Hymenaeus sagt:
huc veni niveo gerens luteum petU SOCCUtn wird
man ebenfalls auf die Brauttracht beziehen
dürfen. Die Vorliebe für die gelbe Farbe bei
der Hochzeitfeier, die auch im griechischen
Brauch sich zeigt, tritt auch in dem bekannten
Gemälde der aldobrandinischen Hochzeit her-
vor, vgl. Böttiger Aldobrand. Hochzeit 195.
Rossbach 283.
8) Bei Lucan. II 363 colla monile deeens
(bc. cingit) gehört dasHalsband zur Brauttracht.
9) Plaut. Casin. 796. Plut. Pomp. 55. Tert.
de Corona 13. Apul.met. IV 27: daher geminat
coronae, Claud. X 203; vgl. Sid. Apoll, ep. 1 5,
1 1 ; nach griechischem Brauch waren überhaupt
alle Teilnehmer an der Hochzeit bekränzt, vgl.
Claud.XIIIlf.:XXXI96;XXXV328;s.HEim1.
A.d.I.XXXVIII(1866)453ff.DiLTUEYebd.XLI
(1869)44A.l.
, 2. 3. Aufl. 23
354
Zweite Abteilung. Das Leben.
auch die Türen der beiden Häuser, der Braut wie des Bräutigams, mit
Blumen, grünen Zweigen (zumal von Myrten und Lorbeer), Binden und
bunten Teppichen geschmückt wurden1).
Der eigentlichen Feier voraus ging die Einholung der Auspizien2),
um zu erkunden, ob die Götter der Schließung der Ehe geneigt waren3).
Der Brauch war ursprünglich wohl ein rein patrizischer und bei der con-
farreatio unerläßlich4); später wurde er für alle Eheschließungen üblich5).
Anfangs bestanden die Auspizien in wirklicher Beobachtung des Vogelfluges6)
und man zog dafür besondere auspices hinzu7); indessen kam der Brauch
mit der Zeit ab, indem zwar der Name dafür blieb und die vom Brautpaar
Beauftragten8) auch weiterhin auspices hießen, aber an Stelle der Vogelflug-
beobachtung die Eingeweideschau trat9). Das dazu notwendige Opfer fand,
wie die eigentlichen Auspizien, am frühen Morgen statt10), als Opfertier
diente bei der confarreatio ein Schaf (siehe oben S. 347). Allem Anschein
nach fiel aber später auch dies Auspizienopfer weg11), indem man sich mit
dem einen, zur Hochzeitsfeier selbst gehörenden Opfer begnügte12) und
die nur noch den Namen führenden auspices meldeten, daß die Auspizien
günstig seien 13)." Diese Meldung wurde dem Brautpaar vor den versammelten
') luv. 6. 227 -.ornatas pernio ante fore9,pen-
dentia linquit \ vela domus et adhuc virides in
limine ramos; vgl. ebd. 51 : necte coronam j po-
stibus et densos per limina tende corymbos, und
79 : ornentur postes et grandi ianua lauro. Ca-
tull. 64, 293 : restibulum ut mölli velatum fronde
vireret. Lucan. II 354: festa coronato non pen-
dent limine serta, \ infulaque in geminos discur-
rit Candida posfo;s. Stat. silv. 12, 231. Apul.met.
IV 81. Claud.X208. Plut.amator.10 p.755A.
Solcher Schmuck war auch sonst bei festlichen
Anlässen üblich, vgl. luv. 9, 85; 12,91.
2) Rossbach 293 ff. Darstellungen der
Auspizieneinholung sind aber auf römischen
Ehesarkophagen nicht nachweisbar, s. Ross-
bach Röm.Hochz. u. Ehedenkmäl.55 A.99.
3) Serv. ad Aen. I 346 : seeundnm Romanos
locutus est, qui nihil nisi captatis faciebant
auguriis, et praeeipue nuptias; s. Varro ebd.
ad IV 45. Auspizien wurden in alter Zeit vor
jeder wichtigeren Handlung vorgenommen, s.
ebd. IV 340. Cic. de div. I 2, 3. Val. Max. II 1, 1.
4) Die confarreatio mußte bei Gewitter
unterbleiben, Serv. ad Aen. IV 339; vgl. ebd.
166.
5) Cic. de div. I 16, 28. Val. Max. a. a. 0. ;
sie bestanden auch in der Kaiserzeit noch fort,
Tac.ann. XI 27; XV 37. Suet. Claud. 26. Stat.
silv. I 2, 229. Bei Wittwenehen unterblieben,
wie andre Zeremonien, auch die Auspizien, Cic.
pro Cluent. 5, 14.
6) Plin. X21: accipitrttm genera sedeeim
invenimus, ex his aegithum claud um altera pede
prosperrimi augurii nuptialibus negotiis.
7) Plaut. Cas. 86: nitro ibit nuptutn — non
manebit auspices. Varro bei Serv. a.a.O.
8) Das Brautpaar waren die beauftragen-
den, Serv. ad Aen. IV 45; als auspices dienten
oft Freunde des Hauses, Lucan. II 371.
9) Cic. de div. 1 16, 28: nihil fere quondanb
maioris rei nisi auspieiis ne privatim quidem
gerebatur, quod etiam nunc nuptiarum auspi-
ces declarant, qui re omissa nomen tantum te-
nent. nam ut nunc extis . . . sie tum avibus
magnaeres inpetrarisoiebant. Val. Max. a. a. 0. :
quo ex more nuptiis etiam nunc auspices inter-
pommtur, qui quamvis auspicia petere desU
erint, ipso tarnen nomine veteris consuetudinis
vestigia usurpantur. luv. 10, 336: veniet cum
signatoribus auspex.
10) Plaut. a.a.O. Gell. III 2, 10. Stat. silv.
I 2, 229.
n) Serv. ad Aen. III 136: apud veter es neqtm
uxor dnei neque ager arari sine sacrifieiis per-
actis poterat.
12j Rossbach 307 ff. (vgl. 300) nimmt nur
e in Opfer an, indem dasTier, dessenEingeweide
man untersucht hatte, als solches dargebracht
wurde; doch ist das Auspizienopfer allem An-
schein nach vom Hochzeitsopfer zu trennen,
nach Karlowa Rom. Ehe 7, der drei Opfer
unterscheidet : 1 . ein der Eheschließung voraus-
gehendes, konsultatives Opfer: 2. das in histo-
rischer Zeit hauptsächlich wohl nur bei der
confarreatio vorkommende Opfer, wodurch die
Ehe begründet wird; 3. das von den jungen
Eheleuten, zwischen denen nun Gemeinschaft
der sacra besteht, unmittelbar nach der Schlie-
ßung der Ehe dargebrachte Opfer. Vgl. Stude-
mund Palimps. d. Gaius (Leipz. 1869) 6.
,3) Diese Meldung sind vermutlich die bei
Tac. ann. XI 27 erwähnten auspicum verba.
Auch beim Antritt der Magistrate meldeten
die auspices, daß die Zeichen günstig wären,
ohne daß man solche noch einholte, Cic. de
div. II 35, 74. Dion. Hai. II 6, 2.
Dritter Abschnitt. Die Frauen und die Ehe.
355
Hochzeitsgästen gemacht1), wohin die pronuba die Braut geleitete2): als
Gäste wurden vornehmlich die Verwandten und Freunde des Hauses, und
bei großen Hochzeiten meist in bedeutender Anzahl, eingeladen3).
Wenn, was keineswegs ein notwendiges Erfordernis4), aber doch sehr
gewöhnlich war, ein förmlicher Ehekontrakt vollzogen wurde, die tabula*
uuptiales6), dotales u. dgl.6), so erfolgte jetzt die Unterzeichnung durch einige
Zeugen, meist zehn, wie sie bei der confarreatio üblich waren7). Daran
schloß sich wahrscheinlich die beiderseitige Erklärung des Brautpaares, daß
sie der Ehe zustimmten, was unter gewissen feststehenden Formeln geschehen
zu sein scheint, die aber vielleicht nur bei der Manus-Ehe gesprochen wurden8).
Nun trat die sogenannte pronuba in Funktion, die eine verheiratete Frau
(aber nur in erster Ehe) sein mußte9); sie legte die rechten Hände des
Brautpaares zur dextrarum iunctio ineinander10), was als wichtigste sym-
bolische Handlung der Hochzeitszeremonien auf römischen Denkmälern11),
besonders Sarkophagen, häufig dargestellt ist (vgl. Fig. 55) 12). Bei der
') Das geht aus Tac. a. a. 0. Suet. Claud.
26. luv. 10, 336 hervor.
») Stat. silv. I 2, 11. Claud. XXXIII 124.
3) Die Einladung zur Hochzeit galt als ein
officium, dem man sich anstandshalber nicht
entziehen durfte, Suet. Calig. 25; Claud. 26;
Nero 28. Petron. 25, 7. luv. 2, 132 ff. Plin. ep.
I 9, 1. Tert. de idol. 16. Als Besonderheit wird
das Fehlen dieser pignora bei der Hochzeit des
Cato erwähnt Lucan. II 370.
*) Qnintil.V 11,32. Digg. XXXIX 5,31 pr.;
XLV 1,143.
6) Tac.ann.XI30. Apul.apol.68; 88. Cod.
Iust. V 4, 9.
6) Digg. XXIII 4, 29 pr. ; XXIV 1 , 60 ; andere
Ausdrücke s. Rein Rom. Privatr. 426. Mar-
quardt 48 A. 2. Die Hauptsache war dabei die
Bestimmung der Mitgift, Suet. Claud. 26. luv.
10, 335. Auf den Hochzeitssarkophagen hat
der Ehemann öfters diesen Kontrakt in Form
einer Rolle in der linken Hand, Rossbach Rom.
Hochz.u.Ehedenkm.17. Ueber die Mitgift (dos)
vgl. Rein 423, mehr bei Baüdry bei D.-S. II
395 ff. Leonhard bei P.-W. V 1580 ff.
7) Suet. Claud. 26: dote inter auspices con-
signata. luv. 2, 119: 10,336. Tac. ann. XI 27.
Ueber die Zehnzahl s.oben; Ambros.de lapsu
virg. 20.
8) Ob der Bräutigam eine bestimmte For-
mel sprach, ist nicht überliefert; von der Braut
heißt es bei Plut. qu.Rom. 30p.271D: öia ri
rijr rriuj t/r eioäyovzFg }Jystv xsXevovgiV ojiov
ov [Yuog, iyw Fata; was mit quando (oder übt)
tu Gaius, ego Gaia übersetzt wird. Der Sinn
ist wahrscheinlich der, daß damit die Braut er-
klärt, daß sie nun in die gens des Mannes ein-
trat, s. Mommsen Rom. Forsch. I 11 ff. (anders
Karlowa Rom. Ehe27 ff.; Rom. Rechtsgesch. II
157). DaßdieFormelbeidercoew^/ogesprochen
wurde, zeigt Cic. pro Mur. 12, 27 : in omni deni-
que iure civili aequitatem reliquerunt, . . . pu-
tarunt, omnes midieres, quae coemtionem fa-
ce reut, Gaias vocari; daß sie auch zur sakralen
Seite der Feier gehörte, scheint aus Quint. I
7, 28: quid tarn Gaias esse voettatas quam Gaios
etiam ex nuptialibus SOCris uppuret hervor-
zugehn. Die eigentliche Bedeutung der Formel
war schon den Alten entschwunden, s. Plut.
a. a. O., der sie auf die Herrschaft im Hause
deutet, während der Auct. de praenom. 7 (und
Fest. 95, 18) den Brauch auf Gaia Caecilia, die
Gemahlin des Tarquinius Priscus, zurückführt
und angibt, die Formel sei erst vor der Tür des
Bräutigams ausgesprochen worden, was viel-
leichtspäter, als ihre Anwendung lediglich eine
Formalität war, wirklich sich so verhielt. Kar-
lowa a. a. 0. setzt sie nach dem Akt der con-
farreatio an, s. dagegen Marquardt 49 A. 2.
9) Fest. 242 b. 29: pronubae adbibentur
nuptis, quae semel nupserunt, ut matrimonii
perpetuitatem auspicantes; ebd. 244, 3. Serv.
ad Aen.IV166: Varro pronubam dicit, quae
ante nupserit quaegue uni tantum nupta es/,
ideoque auspices deligutttur ml ntuptku. Isid.
IX 7, 8. Donat. ad Ter. Eun. 593; Sid. Apoll, ep.
I 5,11; II 10,4; vgl. Corp. Gloss. VII 144.
10)Claud.XXXI31; 128. Corp. Gloss.V38,l;
95, 6 ; bei Stat. silv. 1 2. 1 1 wird Venus selbst als
pronuba eingeführt; vgl. Treb. Poll. Gall. duo
11,7, wo der Oheim an die Stelle der pronuba
tritt, wie bei Lucan. II 371 Brutus. Wissowa
Relig. d. Rom. 119 vermutet, daß bei der con-
farreatio die Flaminica die pronuba war.
") Vgl. Brunn A. d. I. XVI (1844) 186 ff.
(Kl. Sehr. 14.) RossBACHHochz.Denkmäler37ff.
Lecrivain bei D.-S. III 1655 N. 20. Bisweilen
ist anstatt der pronuba Iuno dargestellt, die
als Ehegöttin Iuno Pronuba ist, Verg. Aen. IV
166. Serv. ad Aen. IV 56.
12) Relief von einem Sarkophag in Florenz
nachDAREMBERG-SAGLio III 1656 Fig. 4872 (vgl.
Rossbach a.a.O. 119. Dütschke Ant. Bildw.
in Oberitalieu III 24 n. 62. Amelüng Antiken
in Florenz 18 n. 18). Dargestellt ist das Braut-
paar, sich die rechten Hände reichend ; der Bräu-
tigam hält in der Linken die tabuUu ttupüals»,
23*
356
Zweite Abteilung. Das Leben.
confarreaüo erfolgte wahrscheinlich hierauf das obenerwähnte unblutige Opfer,
bei dem der symbolische Speltkuchen nicht fehlen durfte x) ; vollzogen wurde
es bei dieser Form der Eheschließung vom flamen dialis, und es galt den
Göttern der Ehe und den agrarischen Gottheiten2). Bei diesem Opfer saß
das Brautpaar verhüllten Hauptes auf zwei untereinander verbundenen
iieiisiiiiiiiigi
i
C'll!!l I11'1",
Fig. 55. Dextrarum innctio, von einem römischen Sarkophag.
Stühlen, über die das Fell des zu den Auspizien geopferten Schafes gebreitet
war3). Ein weiterer Brauch war, daß Braut und Bräutigam Gebete sprechend
den Altar umwandelten, wobei dieser ihnen zur Rechten bleiben mußte4);
ihnen schritt ein Knabe (camillus) voraus, der ein Gefäß oder einen Korb,
cumerum genannt, trug5), über dessen Inhalt aber nichts überliefert ist0).
den Ehekontrakt. Die Braut wird von einer
jugendlichen Brautführerin geleitet, der Mann
von einem älteren Trauzeugen. Zwischen dem
Brautpaar steht Iuno Pronuba, ihre Arme um
beider Schultern legend, zu ihren Füßen der
kleine Hymenaeus mit der Hochzeitsfackel.
(Das links davon dargestellte Opfer gehört zu
einer andern Szene des Sarkophages.)
') Außerdem kamen auch Feldfrüchte und
mala salsa zur Anwendung, Serv. ad Geo. I 31.
2) Rossbach Rom. Ehe 301 ff. Wissowa
a.a.O. 104; 119; 324.
3) Serv. ad Aen. IV 374: mos enim apud
'■(■irres flaminiet flaminicae, cum (codd. ut) per
farreationem inmanusconvenirent, sellas duas
iugatas ovili pelle superiniecta poni eius ovis,
quae hostia fuisset, ut (codd. et) ibi nubentes
velatis capitibus in confarreatione flamen et
fluni inicaresiderent. Fest. 114, 17. Siehe hier-
zu Rossbach 112 ff.
4) Val. Fl. VIII 246 : dextrum paterae ver-
guntur in orbem (bei der Hochzeit des Iason),
mit Serv. ad Aen. IV 62. Ueber diesen auch sonst
erwähnten Brauch RossBACH314ff. DieReihen-
folge der verschiedenen Zeremonien steht frei-
lich nicht fest; so nimmt Rossbach 325 an,
daß die Verlobten erst nach dem Umwandeln
des Altais sich auf das Schaffell setzten.
6) Varrol.l.VII34: dicitur (in) nuptiis ca-
millus, qui cumerum fert, in quo quid sit, in
ministerio plerique nesciunt. Festus 50, 7 : cu-
merum (codd. cumeram) vocabant antiqui vas
quoddam, quod opertum in nuptiis ferebant, in
quo erant nubentis utensilia, quod et camillwn
dicebant. Wann diese Zeremonie stattfand, ist
freilich nicht überliefert; Rossbach 317 ff. ver-
legt sie hierher (ebenso Makqüakdt 51), weil er
annimmt, daß der Korb die mola salsa enthielt.
6) Becker Gallus II 16 nahm an. die nu-
bentis utensilia seien die Spinngeräte der Braut
Dritter Abschnitt. Die Frauen und die Ehe.
357
Jedenfalls wurde dabei auch Weihrauch in die Flamme des Altars gestreut1).
Alle diese Bräuche der eonfarreatio fanden entweder im Hause des Braut-
vaters oder, wie mehrfach angenommen wird, in der Kurie statt2).
Ob bei der eonfarreatio außer dem Auspizienopfer noch ein anderes
blutiges Opfer stattfand, ist ungewiß3). Als aber die Auspizien zu einer
bloßen Formalität geworden waren und die Konfarreations-Ehe immer seltner
geworden war, da ist ein solches Opfer eines Rindes, Schweines u. dgl.4)
vermutlich überall, wo die Verhältnisse es gestatteten, üblich gewesen. Es
ist wahrscheinlich, daß dieses Opfer bisweilen nicht im Brauthaus, sondern
an irgendeinem Tempelaltar stattfand5), wofür auch die Bildwerke zu sprechen
scheinen6): doch war ersteres wohl das häufigere, schon wegen des an das
Opfer sich anschließenden Mahles. Denn nachdem all die Pflichten gegen
die Götter erfüllt waren, und manche der bei der eonfarreatio erwähnten
Zeremonien fanden sicherlich auch bei andern Eheschließungen statt7), dann
folgte zumeist im Hause des Brautvaters8) das Hochzeitsmahl, die cena
fuptialis, an der die geladenen Gäste teilnahmen9) und bei dem eine be-
stimmte Art Kuchen gereicht und an die Gäste verteilt wurde10). Ging die
Feier am Abend vor sich, so war dabei das Haus, besonders das Atrium
mit den geöffneten Schreinen der Ahnenbilder, festlich erleuchtet11).
annimmt, ist zweifelhaft, vgl. Rossbach 378 ff.
7) Bei irgend einer derselben, beim Opfer
oder sonst, war es wohl auch, wo die Gäste
ihre Glückwünsche mit dem Ausdruck feUciter
darbrachten; bei luv. 2, 119 wird es nach der
Unterzeichnung des Ehekontrakts gesagt.
8) Allerdings kommen Fälle vor, wo die
cena im Hause des Bräutigams abgehalten wird ,
doch lag da wohl jedesmal ein bestimmter
Grund dafür vor, wie Plaut. Cure. 728, wo die
Braut nur einen Bruder ohne eignen Hausstand
hat (Aulul. 294 ff. ist der Brautvater zu arm
dazu, der Bräutigam rüstet die reua aus. aber
im Hause der Braut, ebd. 263 ; 551). Andere Bei-
spiele sind Cic. ad Qu. fr. II 3. 7. luv. 6, 202.
Daß die cena im Hause der Braut das Gewöhn-
liche war, geht daraus hervor, daß die doinxm
deduetin sich daran anschloß.
9) Catull.62,3. luv. 2. 119 f. Capitol.Ant.
Pins 10,2. Im centonuptialis des Ausonius (Idyll.
13) ist dieReihenfolge der einzelnenAkte folgen-
de: cena mtp&ialis, deseriptio egredientis epon-
sae, descriptio egredientis isponsi, oblatio ninne-
rum,epithalamium utrique,ingre88ua in eubieu-
//r^ Vgl. Dio Cass. XLVJ 1144,3. Tac. ann. XI 27.
10) Mmtacea, luv. 6, 202 ; Rezept bei Cat.
r. r. 121. Vgl. Corp. Gloss. V 653, 6: tmutaeia
gewesen; Rossbach 320 f. Marquakdt 51.
Bbckeb-Göll 37 halten die mola salsa und an-
dere Opferrequisiten für den Inhalt; Mau zu
Marquardt A. 3 bezweifelt beide Annahmen.
Allerdings ist cumera ein Gefäß für Getreide
(Hör. sat. 1 1, 53; ep. I 7, 30. Corp. Gloss. V 283,
20): ob dies aber mit cumernm identifiziert
werden darf (wie Olck bei P.-W. IV 1754 tut),
ist doch zweifelhaft.
') Daß bei der Hochzeit Weihrauch ge-
opfert wurde, zeigt Val.Fl.VIII 248, auch hält
der auf Bildwerken (z. B. Gerhard Ant. Bildw.
I Taf.74f. Mon.d.Inst.arch.IV9) dargestellte
ca m ilhis die Weihrauchbüchse {acerra) in der
Hand. s. Mau a. a. O., und öfters sind Braut oder
Bräutigam weihrauchspendend dargestellt, vgl.
Rossbach 38 1 . Vgl. auch Senec. Octav. 700. Tac.
ann. XI 27.
2) So nach Karlowa Rom. Ehe 13; Rom.
Rechtsgesch.il 155. Marquardt 35 f. Becker-
Göll 36 ; im Hause der Braut setzt sie Ross-
bach 109 an, in dem des Bräutigams Rein 379.
3) Marquardt a. a. O. nimmt es an.
4) Ein Schwein bei der Hochzeit zu opfern,
war nach Varro r. r. II 4, 9 etruskische und alt-
latinische Sitte; das Rind erscheint als Opfer-
tier auf den Denkmälern, s. Marquardt 52 A. 1.
5) Senec. Oct. 700 ff., wo das öffentliche
Opfer u. der Zug dahin geschildert ist ; nach Tac.
ann. XI 27 opferte auch Messalina apud deos.
Dagegen wird Apul. met. IV 36, welche Stelle
Marquardt 52 A. 4 heranzieht, von Becker-
<iüll 38 f. mit Recht auf griechischen Brauch
bezogen (ebenso Mau zu Marquardt a. a. O.)
6) Vgl. die Darstellung von Tempel-Säulen-
hall en beim Opfer, die freilich Rossbach 379
und 387 als Atrium deutet; ob Bartoli Admir.
tav. 58 ein Opferzug ist, wie Marquardt a. a. O.
mtae veteres erogabant in nuptiis. Den Luxus,
der bei Hochzeitsmahlen eingerissen war.
schränkte Augustus durch die lex IuJia ein,
die die Kosten dafür auf 1000 Sesterzen nor-
mierte, was aber schwerlich innegehalten wor-
den ist, Gell. II 24. 14. Dio Cass. L1V _'. :',.
ll) Claud. X 206: funaiibtu ordine düctie
phn-rma venturaesuspenditehinUnanocti. Poet,
lat. min. ed Baehrens III 42, 61. Auch bei Apul.
met IV 36 ist das Haus vor der deduetio mit
Fackeln beleuchtet.
358
Zweite Abteilung. Das Leben.
Nach Beendigung der Mahlzeit, in alter Zeit regelmäßig erst bei An-
bruch der Nacht1), erfolgte die Heimführung, deductio, der Braut2), die
dadurch eingeleitet wurde, daß, in Erinnerung an die uralte Form des Braut-
raubes3), der Bräutigam die scheinbar widerstrebende Braut aus der Um-
armung der Mütter entführte4). Der Hochzeitszug, an dem alle Gäste teil-
nahmen, bewegte sich beim Scheine der Fackeln, die auch dann brannten,
wenn die deductio am hellen Tage stattfand5), und deren Träger vor dem
Hause der Braut den Beginn der Heimführung erwarteten6), unter dem
Klang der Flöten7) durch die Straßen der Stadt, in denen sich die zu-
schauende Volksmenge versammelte8), zum Hause des Bräutigams. Das
Brautpaar ging dabei nicht mitsammen9), sondern die Braut wurde von
drei Knaben, die nach altem Aberglauben noch beide Eltern am Leben
haben, also patrimi und matrimi sein mußten, und von denen zwei sie an den
Händen hielten, geleitet10), während der dritte eine besondere Fackel voran-
trug, die nicht gleich den andern aus Kienspänen11), sondern vom Holz des
Weißdorn (spina alba)1*), das symbolische Bedeutung hatte13), gefertigt war
und am Herdfeuer des Brauthauses entzündet wurde 14) ; wenn der Zug an-
gelangt war, wurde die Fackel von den Teilnehmern erbeutet und zerteilt,
da sich abergläubische Vorstellungen damit verknüpften15). War die Fackel
J) Serv. ad Verg. ecl. 8, 29 : Varro in Aetiis
dicit sponsas icleo faces praeire, quod antea non
nisi per noctem nubentes ducebantur a sponsis.
Festus 245 a. 3 quia noctu nubebant. Daher der
Anfang des Hymenaeus bei Cat. 62, 1 ; vesper
adest, iuvenes, consurgite. . . j surgere iam tem-
pus, iam pingues linquere mensas.
2) Auch für diesen Akt gab es besondere
Indigetes, den Domiducus, August, civ. Dei VI9,
und die Iterduca, nach Mart. Cap. II 149 (als
Beiname der Iuno bei Mai Class. auct. VIII 292,
wo so anst. Interduca zu lesen ist, während
bei August, civ. D. Vit 3 die Iuno Iterduca die
Kinder auf ihren Wegen beschützt, wie die Iuno
Domiduca). vgl. Peter bei Röscher II 197; 200.
3) Vgl. Rossbach 328 ff. Gamuerini R. M.
VI (1889) 93 meint, daß die Formel Ita te
amata capto, mit der der Pontifex maximus
dieVestalinnenkonsekrierte (Gell.1 12,14), auf
den alten Brautraub zurückgehe, indem der
Pontifex gewissermaßen den Bräutigam der
Gottesbraut vorstellte.
4) Fest. 289 a, 4: rapi simulatur virgo ex
gremio matris aut, si ea non est, ex proxima
necessitudine, cum ad virum trahitur, quod
videlicet ea res feliciter Romulo cessit. Catull.
61, 3 ; ebd. 56 ff. ; 62, 20 ff. Macrob. I 15, 21 ; vgl.
Claud. XIV 3.
5) Plaut. Cas. 118; ebd. 839. Ter. Ad. 907.
Cic. pro Cluent. 6, 15 u. a.: daher die häufigen
Erwähnungen der taedae oder faces nuptiales,
iugales etc., s. die Stellen bei Rossbach 337 A.
1138.
6) Cat. 61, 76 ff.
7) Plaut. Cas. 798. Ter. Ad. 905. Auct. ad
Herenn. IV 33,44. Apul. met. IV 33. Claud. XIV
30 und mehr bei Rossbach 342 A. 1155. Ein
Flötenbläser ist auch auf dem oben S. 347 A. 1
erwähnten Relief abgebildet.
8) Stat.silv.I2,229ff. Claud. X 286; XIV
31. Bei großen Hochzeiten wurden sogar Ge-
rüste in den Straßen für die Zuschauer errichtet,
luv. 6, 78, s. das. Friedländer. Manche unter
dem Volke schlössen sich dem Zuge an, Quintil.
decl. 306.
9) Daß die Braut auf einem Wagen fährt,
ist nur griechischer und etruskischer Brauch,
s. Becker-Göll 44 : ders. ChariklesIII371. Auf
zu Fuß gehen deuten auch Quintil. a. a. O.
Senec. Oct. 704 hin.
10) Fest. 245 a, 1 : patrimi et matrimi pueri
praetextati tres nubentem deducunt : unus, qui
facem praefert, ex spina alba, quia noctu nu-
bebant, duo qui tenent nubentem. Catull. 61,176:
mitte brachiolum teres, j praetextate, puellidae.
") Ov. fast. II 558. Verg. Cir. 439. Sen.
Med. 37; 111.
li) Fest. a. a. O. Varro bei Non. 112, 23.
Plin. XVI 75 : spina nuptiarum facibus auspi-
catissima, quoniam inde fecerint pastores qui
rapuerunt Sabinas. Dagegen gibt Serv. ad Verg.
ecl. 8, 29 Hartriegel (cornus) als Material an.
13) Varro bei Charis. I 144K. Ov. fast. VI
129; 165. Daß der Weißdorn der Ceres heilig
war, wie Marquardt 55 nach Rossbach 339
sagt, geht aus Fest. 87. 11 : facem in nuptiis in
honorem Cereris praef 'er ebant nicht hervor, wie
Mau zu Marquardt A. 7 bemerkt.
14) Varro bei Non. 112,23: cum anovanupta
ignisin face offerretur afoco eiussumptus,f ari. r
spina alba esset et cum puer ingenuus anteferret.
16) Unwahrscheinlich ist die Deutung, die
Festus 289a, 7 dem Brauche gibt, wahrschein-
licher Serv. a.a. 0. : quos rapiunt tanquam vitae
praesidia. namque his qui sunt potiti, diutius
feruntur vixisse.
Dritter Abschnitt. Die Frauen und die Ehe.
359
das Symbol des häuslichen Feuers, so bezeichneten Rocken und Spindel, die
der Braut nachgetragen wurden, ihre Tätigkeit als fleißige Hausfrau J).
Auch der Bräutigam scheint eine Fackel getragen zu haben2). Während
des Zuges sangen die Teilnehmer nicht, wie in Griechenland, einen Hyme-
näus 3), sondern lustige und kecke, oft auch mit dreisten Anspielungen durch-
setzte Spottverse, die Feszenninen4), von denen sich auch Beispiele erhalten
haben5) und für die der Gebrauch des Refrains charakteristisch war6); dazu
ertönte, wohl auch vom zuschauenden Publikum her, der alte, in seiner ur-
sprünglichen Bedeutung nicht sicher zu erklärende Zuruf talasse"1). Dabei
streute der Bräutigam unter die begleitende Menge Nüsse aus 8), was auf die
Fruchtbarkeit der Ehe hindeuten sollte9).
Wenn der Zug am Hause des Bräutigams, das gleich dem der Braut mit
Kränzen geschmückt und festlich erleuchtet war (siehe oben), angekommen
war, so wurden wiederum mehrere symbolische Handlungen vorgenommen.
So schmückte die Braut die Tür mit Wollenbinden10) und bestrich die Pfosten
mit Fett11) oder Öl12); auch scheint später, als die altern Formen der
1) Plin. VIII 194: inrfe factum utnubentes
virgines comitaretur colus compta et fusus cum
Itamine; vgl. Cic. de or. II 68, 277. Plut. qu.
Rom. 31 p. 271 F: avzij d'eiocpeQei [iev (tj vvficpn)
))'/.ny.uT t]v y.aiTtjr uroay.Tov. Vgl.Ro-SSBACH35Üff.
2) Plaut. Gas. 796.
s) Catulls Gedicht 62 ist die Nachbildung
eines solchen; auch Plaut. Cas. 798 f. geht auf
das griechische Original zurück.
4) Cat. 61, 122: ne diu taceat procax \ Fe-
seennina locutio. Fest. 85,18; zum Unterschied
von andern nuptiales genannt, Plin. X V86. Serv.
ad Aen.VII695. Sen.contr.VII21,12. Bei dem
oft obscönen Inhalt ist die Ableitung des Wortes
von fascinum, d. h. dem Phallus (der zugleich
Abwehr des bösen Blickes ist), wie es Festus
a. a. 0. erklärt, wahrscheinlicher, als die sonst
verbreitetere von der etruskischenStadtFescen-
nia. vgl. Rossbach 340 ff. und im allgemeinen
Teüffel Rom. Litt.5 S. 5. Schanz Rom. Litter.
I 13.
5) Allerdings nicht von den kunstlosen
Volksgesängen oder Improvisationen, sondern
Kunstpoesie wie Catulls Gedicht 61, Claudian.
carm. XI — XIV und der stark obscöne (aber
nicht zum Singen bestimmte) cento des Auson.
Idyll. 13, 101 ff.
6) Catull wendet ihn im 61. und 62. Ge-
dichte an.
7) Die gewöhnlichste Deutung leitet ihn
von einer früh verschollenen italischen Gott-
heit Talassus oder Talassio etc. (vgl.MAKQUARDT
54 A.4) her; die Alten selbst führten ihn auf
tälaros, Spinnkorb, zurück und sahen darin eine
Hindeutung auf den Beruf der Frau. Fest. 351 b,
27. mit Mercklin Ind. schol. Dorpat. 1860, 13.
Vgl. Preller- Jordan Rom. Mythol. II 216 und
die Erklärer zu Cat. 61, 127. Gamurrini a.a.O.
94 will ihn als Oa/.äaoiog dem Neptun gleich-
setzen und darin eine alte Symbolisierung des
Wassers als Befruchters der Erde erkennen.
8) Fest. 172, 6: nuces fiagitanlur >iitptis et
iaciuntur pueris, ut novae nupttte intranti do-
mumnovinutriti secunduni fiat auspicium.V erg.
ecl. 8, 30: sparge marite, nuces. Catull. 61,
121 ff. scheint aber mit der wiederholten Auf-
forderung concubine, nuces da nicht den Bräu-
tigam zu meinen, sondern den jungen Burschen,
der bis zur Hochzeit der puer delicatus des
Bräutigams gewesen ist, vgl. v. 129 ff. (anders
erklärt Rossbach 348).
9) Diese Deutung gibt Plin. XV 86 : nee
non et honor iis naturae peeuHaris geminopro-
teetis operimentOf . . . quae causa eas nvptUe
fecit religiosas, tot niodis fetn munÜQ. Sonst
wurde erklärt, daß das Fallen der Nüsse be-
deutungsvollen Klang haben sollte (Plin. ebd.)
oder daß der Lärm der die Nüsse Aufhebenden
die Klagerufe der Braut übertöne, Serv. ad
Verg. ecl. 8, 29, oder endlich, daß damit sym-
bolisch das Ende der Knahenzeit mit ihren
Spielen angedeutetsei, so Serv. ebd., und Cat. 61 ,
125 folgt dieser Deutung. Vgl. Rossbach 347 ff.
I0) Plut. a.a.O. Serv. ad Aen. IV 458 tmoris
enimfuerat, utnubentes pmellae, si imil venissent
ad Urnen mariti, postes antequam ingrederoi-
t in-, i tropter a u spie i umeastüat is or narentla n ei»
vittis. Isid. or. IX 7, 12. Donat. ad Ter. Hec. 135.
1 ') Donat. a. a. O. ; nach Plin. XXVIII 135 :
certe novae nuptae tntrvntes ttiam nunc sol-
lemne habent postes eo (sc. adipe suillo) attni-
gere war es Schweinefett; nach Masurius ebd.
142 Wolfsfett: ne quid mal* medicamenti in-
ferretur, vgl. Serv. a. a. 0.
la) So nach Serv. und Isid. a. a. 0. (mit der
albernen Etymologie, daß von diesem unguere
der Name ii.ror herkäme, quasi itn.rores). Auch
diese Handlung hatte ihre besondere Indiges
in der bei Arnob. III 25 erwähnten Unxia, wie
es auch eine Iuno Unxia gab, Mai t. Cap. II 149 ;
vgl. Preller-Jordan Rom. Mythol. 1280: II 21 7.
Wissowa Rel. d. Rom. 119. Peter bei Röscher
II 228. Ueber ähnliche Bräuche bei andern
Völkern s. Sajiter Familienfeste 81 ff.
360
Zweite Abteilung. Das Leben.
Eheschließung abgekommen waren, die oben (S. 355 A. 8) erwähnte Formel,
wonach die Braut auf die Frage des Bräutigams sich als Gaia bezeichnete, auf;
diesen Zeitpunkt vor dem Eintritt in das neue Heim verlegt worden zu sein1).
Dann wurde die Braut von den Brautführern über die Schwelle des Hauses
gehoben2), ein Brauch, der wohl nicht, wie einige andeuten, auf den alten
Brautraub zurückging3), sondern den Zweck hatte, ein Stolpern an derj
Schwelle, das nach verbreitetem Aberglauben ein unglückliches Omen war, s
zu verhindern4). Im Hause selbst wurde die junge Frau ,vom Gatten durch
die Zeremonie des igni et aqua accipereb) in die Gemeinschaft der neuen
Familie und ihrer sacra aufgenommen6); doch ist ungewiß, in welcher Weise
diese Zeremonie stattfand, namentlich welche Rolle dabei die von der Braut
im Zuge vorangetragene Fackel spielte7); das Wasser war wohl das des
Hausbrunnens, mit dem die Braut besprengt wurde8). Diese Zeremonie hat
sich lange im Gebrauch erhalten, während der alte und seltsame, aber gut
bezeugte Brauch, daß die Braut drei Asse mitbrachte9), wahrscheinlich
früh verschwunden war.
') Nach dem Auct. de praenomin. 7 : ideo
■institutum, ut novae nuptae ante ianuam ma-
riti interrogatae, quaenam vocarentur, Gaias
esse se dicerent. Vielleicht ist auch bei Plut.
qu. Rom. 30 p. 271 D das ri]v vv^cpr/v eladyovrsg
auf die Heimführung der Braut zu beziehen.
2) Lucan. II 359 : translata vitat contingere
limina plantet. Nach Plut. qu. Rom. 29 p. 271 D
sind es die Jioojiefxjiovzss, die sie hinüberheben.
3) Diesen Grund gibt Plut. a. a. 0. an, neben
andern Deutungen (Symbol des Zwanges, oder
daß sie das Haus nur ebenso gewaltsam wieder
verlassen werde, wie sie es betreten habe).
Dieser Deutung hat sich Rossbach 359 f. an-
geschlossen.
4) So scheint Plaut. Gas. 815 es zu fassen,
wo allerdings nur vom vorsichtigen Ueber-
schreiten der Schwelle, nicht vom Getragen-
werden gesprochen wird : sensim supera Urnen,
tolle pedes mea nova nupta : '• sospes iter ineipe
hoc; auch Catull. 61, 162: transfer omine cum
bono Ihnen aureolos pedes. Dieser Deutung folgt
Becker-Göll 46. Marquakdt 54 A. 11. Noch
andere Deutungen des Brauches geben Serv.
ad Verg. ecl. 8, 29 und Isid. IX 7, 12.
5) Novius bei Non. 516, 18: puriter volo
facias aeeipi hunc (1. hanc) igni atque aqua.
Varro b. Serv. ad Aen. IV 167 : aqua et igni ma-
riti uxores aeeipiebant; nach Varro 1. 1. V 61
geschah es in limine, d. h. innerhalb des Hauses,
wobei Rossbach 361 unter Urnen den Platz im
Innern des Hauses versteht, zunächst der Tür-
schwelle, Samter Familienfeste 15 A. 1 diese
selbst; das geht aber natürlich nur auf das
aeeipere, die Zeremonie selbst mußte sich im
Innern vollziehen. Vgl. Ov. fast. IV 791 f. Stat.
silv. I 2, 5 f. Val. Fl. VIII 245. Plut. qu. Rom.
1 p.263D. Dion. Hai. II 30, 6. Serv. ad Aen. IV
103. Festus2,15:87,ll. Digg. XXIV 1,66, 1.
Lactant.instit.il 9,21.
6) Ueber die Bedeutung von Feuer und
Wasser für die Hausgemeinschaft s. Mar-
quardt Röm.Staatsverwalt.III329. Rossbach
361 ff.
7) In Betracht kommt besonders Varro bei
Non. 112, 23: cum a nova nupta ignis in face
adferretur e foco eius sumtus, und ebd. 182, 19
(und 302,6): contra a novo marito cum item e
foco ignis in titione ex feleici arbore et in aquali
aqua adlata esset. Marquardt 56 A.3 nimmt
darnach an, daß beide Gatten gemeinsam das
Herdfeuer entzündeten; doch bemerkt Samter
a. a. 0. 17, daß dies schon deshalb nicht denk-
bar sei, weil der neue Herdkult keine Bezie-
hungen zu dem im Elternhause der Braut hat.
Er meint vielmehr, daß der Bräutigam, wenn
die Braut das Haus betrat, am Herdfeuer einen
Brand entzün deteund dannmit beiden Fackeln
eine Zeremonie vollzogen wurde; vielleicht sei
die am väterlichen Herdfeuer entzündete Braut-
fackel im Quellwasser verlöscht und dann die
Braut mit der am Herde des Bräutigams ange-
zündeten Fackel berührt und mit dem Wasser
besprengt worden. Aehnliches nahm schon
Bergk Piniol. XI (1856) 385 an. Aber ein aeei-
pere in limine wäre das auch nicht.
8) Prop. V (IV) 3, 15: Stygio tum sparet
lacu. Fest. 87, 11: aqua aspergebatur nova
nupta, sive ut casta puraque ad virum veniret,
sive ut ignem atque aquam cum viro comminü-
caret. Vgl. Varro a. a. 0.
9) Er wird nur erwähnt von Non. 531, 8:
nubentes veteri lege Romana asses III ad »ta-
ritum venientes solitae provehere adque unum,
quem in manu tenerent, tamquam emendi leau sa
marito dare, alium, quem in pede haberent, in
foco Lariam familiariumponere,tertium,quem
in saeeiperione condidissent, conpito vicinali
sacra re; nach der Schlußbemer-kung stammt
die Notiz aus Varro de vita populi Romani,
sie ist aber entweder korrumpiert oder nach-
lässig exzerpiert, vgl. Rossbach 373 ff., der
Drittel- Abschnitt. Die Frauen und die Ehe.
Ml
Im Atrium war das Familien-Ehebett, der lectua genudis, an der dem
[Eingang gegenüber gelegenen Wand, wo es im alten römischen Hause
ursprünglich seinen Platz gehabt hatte (siehe oben S. 30), aufgeschlagen
und von der pronuba hergerichtet worden1); nachdem die Braut hier noch
ihre Gebete zu den Göttern des neuen Hauses verrichtet hatte2), zog sich
äas Hochzeitsgeleite zurück3). Am Tage nach der Hochzeit brachte die
junge Frau am Hausaltar den Laren und Penaten ein Opfer dar, bei dem
sie in matronaler Tracht erschien4); auch empfing bisweilen die Frau eine
Morgengabe vom Gatten 5). Daran schlössen sich dann häufig die sogenannten
repofia, ein Mahl, an dem die Verwandten teilnahmen0).
Wir fügen diesen Darlegungen einige Bemerkungen über die Scheidung
der römischen Ehe hinzu7). Hier muiü man, ebenso wie bei den Formen
der Eheschließung, nach den Zeiten unterscheiden. In den ersten Jahr-
hunderten der Republik nämlich scheint die Scheidung der Ehe (dirortiuvt).
bei dem heiligen und zugleich rechtlichen Charakter, den sie trug, ziemlich
erschwert und daher auch selten gewesen zu sein, wenn auch freilich die
mehrfach überlieferte Angabe, daß die ins Jahr 231 v. Chr. fallende Scheidung
der Ehe des Sp. Carvilius Ruga8) der erste Fall von Scheidung sei, ein
ißverständnis ist, da es sich nur um die Art des Falles, nicht um die
^atsache der Scheidung überhaupt, handelt9). Die durch confarreatio
ichtig bemerkt, daß die beiden andern Asse
als Opfergaben aufzufassen sind, zumal mit
dem zweiten der Schutz der am Herd verehrten
Laren erworben werden soll (vgl. Samter 19),
während das dritte As den Laren des Stadt-
viertels, in dem der Gatte wohnt (das eom-
pitum rirlnale ist wohl das nächstgelegene sa-
cellum der Laren), dargebracht wird (Samter
24 f .) . An dem oben S. 347 A. 1 erwähnten Cippus
scheint an der einen Seite dargestellt, wie die
Braut dem Bräutigam in Gegenwart der Pro-
nuba einen Gegenstand (Frucht oder Beutel)
zeigt und von ihm eine Münze erhält, welche
Szene Gamurrini ebd. 99 auf die coemtio-Ehe
bezieht.
') Siehe die oben S. 30 A. 4 f. angeführten
Stellen; dazu Catull. 64.47. Verg. Aen. VI 603.
luv. 10. 334. Apul. met. X 34 und mehr bei Ross-
bach 367 ff. Nach Arnob.II 67 wurde über den
ttctus genialis eine Toga gebreitet.
') Nach Arnob. a. a. 0. zum Genius des
Bräutigams, doch wird sich das Gebet nicht
darauf beschränkt haben.
3) Die eigentümliche Zeremonie, daß die
Braut, um fruchtbar zu werden, der priapischen
Gottheit MutunusTutunus (vgl. über diese Prel-
ler-Jordan Rom. Mythol. II 218. Wissowa
a.a.O. 195. Peter bei Röscher II 204 ff.) auf
den Phallus gesetzt worden sei, wird nur bei
den Kirchenvätern erwähnt (s. die Stellen in
den oben angeführten Werken), ist aber ein
jedenfalls uralter Brauch, der freilich nicht als
allgemein üblich wird betrachtet werden dürfen,
da es sicher in den wenigsten Häusern Bild-
säulen dieses Gottes gab. Als besondere in-
digetea der Brautnacht werden noch genannt
die dea Virginiensis, der deus Subigus, die dea
Prema, Pertunda und Perfica, August, civ. Dei
VI 9. Arnob. IV 7, vgl. Peter a. a. 0. 219 ; 227:
231.
4) Macrob. 1 15, 22. Acro ad Hör. sat. II 2.60.
5) Nur luv. 6, 204 erwähnt, wo sie in einer
mit Goldstücken gefüllten Schale besteht.
6) Fest. 281a, 3. Gell. II 24, 14. Hör. a.a.O.
und Acro das. Auson. ep. 9, 50; vgl. Rossbach
372 f.
7) Vgl.REiNRöm.Privatr.445ff. Karlowa
Rom. Rechtsgesch. II 185 ff. Marquardt 68 ff.
Becker-Göll 51 ff. Baurry bei D.-S. II 321 ff.
Leonhard bei P.-W. V 1241 ff.
8) Diese Zeit gibt Dion. Hai. II 25. 7 unter
Nennung der Konsuln an; die übrigen Angaben
schwanken, indem bei Gell. IV 3, 2 das Jahr
227, dagegen XVII 21, 44 das Jahr 230 über-
liefert ist: bei Val. Max. II 1, 4 scheint die
Zahlenangabe korrumpiert zu sein. Unglaub-
würdig ist aber ebenso die Angabe des Plutarch
comp. Thes. et Rom. 6 und comp. Lyc. et Num. 3,
daß dies Ereignis ins Jahr 524 v. Chr. falle,
wie die des Tertull. apol. 6 und de monog. 9,
der es erst 154 v. Chr. ansetzt. Vgl. Hertz zu
Gell. IV 3, 2.
9) Aus Gellius a. a. 0. geht hervor, daß
Carvilius sich von seiner Frau schied, quia liberi
ex ea corporis ritin tum gignerentw (ebenso
XVII 21,44: qnod steril ls esset) und, obschon
ihm dies nur im Falle einer Verschuldung der
Frau zugestanden hätte, doch deren Mitgift
zurückbehielt. Der Fall war also nur der erste
einer Scheidung der Ehe ohne Verschuldung
und Schuldigerklärung der Frau. Die juristi-
sche Litteratur hierüber s. bei Marquardt 71
362
Zweite Abteilung. Das Leben.
geschlossene Ehe scheint ursprünglich unlösbar gewesen zu sein1), wie es
die des flamm dialis und der flaminica auch später noch war2); nur der Tod,
trennte eine solche Ehe, und wenn daher durch gewisse todeswürdige Ver-d
brechen der Frau3) die Fortdauer der Ehe unmöglich geworden war, so
mußte das Todesurteil an der Frau vollstreckt werden, eine Härte, für dia£
uns kein Beispiel überliefert ist und die daher wohl nur in äußersten Fällen
zur Anwendung gekommen ist und nur auf Beschluß eines Familienrates
erfolgen konnte4). Nach einer vielverbreiteten Ansicht hätte der Vollziehung
des Todesurteils die feierliche Zeremonie der diffarreatio 5) vorausgehen
müssen 6) ; allein es ist wahrscheinlicher, daß dies eine in späterer Zeit, wo
die Konfarreations-Ehe seltner und die Auffassung von ihrer Unlösbarkeit
aufgegeben worden war, eingeführt wurde, um eine so feierlich geschlossene
Ehe auch feierlich auflösen zu können7). Von den dabei stattfindenden For-
malitäten wissen wir weiter nichts, als daß sie die Anwesenheit der Priester
erforderten und einen schreckenerregenden Charakter hatten8).
Bei den andern Formen der Ehe, der Manus- wie der freien Ehe, wird
die Scheidung in der Regel mit divortium bezeichnet9), und ebenso allgemein,
wie einseitig vom Mann10) oder von der Frau11); ein anderer Ausdruck ist
repudium12). Bei der Manus-Ehe bedurfte es dabei wohl einer eigenen
emancipatio, d. h. die Frau mußte aus der manus des Mannes entlassen werden;
doch sind uns die dabei gebräuchlichen Formen nicht überliefert13). Bei der
Ehe ohne manus vollzog sich die Scheidung natürlich leichter, aber auch da
A. 1 und Rein 451 A. 1. Daß Ehescheidungen
schon früher vorkamen, zeigt Cic. Phil. II 28,
69, wo eine Bestimmung der XII Tafeln dar-
über erwähnt wird, und der bei Val. Max. II
9, 2 erwähnte Fall, der nach Liv. IX 43, 25 ins
Jahr 306 v. Chr. gehört.
1) Diese auf Dion. Hai. II 35, 3 ff. beruhende
Ansichtist freilich nicht unbestritten geblieben,
indem Rein 447 (und andere, s. die Litteratur
ebd.) die Nachricht des Plut. Rom. 22, wonach
schon in der Königszeit der Mann die Frau bei
bestimmten Verbrechen habe verstoßen dürfen,
in den Vordergrund stellten und bei der Angabe
des Dion. Hai. annahmen, daß dieser nur an die
konfarreierten Ehen seiner Zeit gedacht habe.
2) Gell. X 15,22. Plut. qu. Rom. 50p. 276 D.
Fest. 89, 13. Serv. ad Aen. IV 29. Gegen Rein
449 s. Makquabdt 70 A. 2 und Kaelowa II 186.
3) Als solche gibt Dion. Hai. a. a. 0. Ehe-
bruch und Weintrinken an, Plut. a. a. 0. außer
Ehebruch noch den Gebrauch von Nachschlüs-
seln und tfwg/iiaxia. zsxvcov, nach Kaelowa 187
Beibringung von Zaubertränken, aber wohl eher
Vergiftung der Kinder.
4) Dion. Hai. a. a. 0. 6: ravia 8h oi ovyys-
vetg pera. tov dvögog sdlxa^ov.
h) Die diffarreatio kommt nur bei Festus
74, 13 und Plut. qu. Rom. 50 p. 276 E, sowie in
einer Inschrift der Kaiserzeit vor, in der ein sa-
cerdos confarreationum et diffarreationum ge-
nannt wird, CIL X 6662.
6) So Böckino Pandekten I 181. Mab-
qüabdt 69.
7) Das ist die Meinung von Rein 455 f.
Kaelowa 186; Leonhaed bei P.-W. V481 be-
zeichnet sogar die andere Ansicht als allgemein
aufgegeben.
8) Plut. qu. Rom. a.a.O. von den Priestern:
jioXXa (pgixcöörj xal aXXöxoxa xal axvOg(o.~za
dqöjvjeg, vgl. Rossbach 127.
9) Digg. XXIV 2, 2, 1 ; L 16, 101. Isid. IX
7,25.
10) Divortium facere cum aliqua, Cic. de
or. I 40, 183 ; ad Attic. XIII 7, 1. Suet. Caes. 6.
1 ') Plaut, m. gl. 1 167. Cic. pro Cluent. 5, 14;
ad fam. VIII 7. 2.
12) Isid. IX 7, 24: repudium est, quod sub
testimonio testium vel praesenti vel absenti mit'
titur. Man sagt repudium mitter e, remitiere,
Plaut. Aul. 799. Suet. Tib. 11; Calig. 36; auch
repudium renuntiare, Plaut. Aul. 784. Ter.
Phorm. 677. Häufig dafür nuntium remitiere
Plaut. Truc. 848. Cic. de or. I 40, 183; top. 4. 19 ;
ad Att. I 13, 3. Apul. met. IX 28. Der Unter-
schied zwischen divortium und repudium liegt
wohl nur darin, daß jenes den wirklich erfolgten
Scheidungsakt bedeutet, dies die in der Regel
schriftliche (eineAusnahmeTac.ann.III 22, wo
es daher repudium dicere heißt) Erklärung eines
von beiden Teilen, daß er die Ehe auflöse, s.
Leonhaed a.a.O. 1242. Andere Ausdrücke sind
diseidium, Mart. X 41 , 8 ; matrimonü dissolutio,
Cod. Just. IX 9, 3 ; aktiv exigere, eicere, Ter. Hec.
242. Cic. Phil. II 28, 69 ; passiv discedere, Ter.
Andr. 568; abire, Plaut, m. gl. 1167.
13) Vgl. Leonhaed a. a. 0. 1243.
Dritter Abschnitt. Die Frauen und die Ehe.
:;.;:;
Kar sie in den früheren Jahrhunderten jedenfalls noch nicht so erleichtert,
Ikvie gegen Ausgang der Republik und in der Kaiserzeit. So waren vermutlich
klie Scheidungsgründe anfänglich beschränkt, obschon außer den oben an-
Igeführten auch noch andere geltend gemacht werden konnten l) ; und wenn
Iwir zunächst auch nur von der Befugnis des Mannes, sich von der Frau zu
Beneiden, erfahren, so war doch dazu ein Familiengericht erforderlich 2). War
die Frau schuldig erklärt, so ging sie der Mitgift verlustig3); da aber immer
Smehr Fälle vorkamen, in denen der Mann die Frau aus nichtigen Gründen
und ohne deren Verschulden verstieß, so wurde in Streitfällen die Frage,
|was mit der Mitgift geschehen solle, vor dem Richter entschieden4). Bei
der Ankündigung der Scheidung, die mit der Zeit ebenso ein Recht der Frau,
Iwie des Mannes geworden war, bediente sich der die Scheidung wünschende
Teil daher der anscheinend nicht sehr alten5) Formel: tuas res tibi habeto6);
Beine andere Formalität war, daß der Frau die Schlüssel, die sie als mater
mkmüias führte, abgenommen wurden7). Der Ehekontrakt, wo ein solcher
Ivorhanden war, wurde vernichtet8). Seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. fing
Iman an, es mit den Scheidungsgründen leichter zu nehmen: nichtige Vor-
Kvände oder auch der bloße Wunsch, eine neue Ehe einzugehen, genügte
«ebenso für den Mann, wie für die Frau9). Das wurde gegen das Ende der
iRepublik und in der Kaiserzeit immer gewöhnlicher; wir finden Männer oder
'Frauen, die vier- oder fünfmal verheiratet waren, ohne daß sie eine Frau durch
Iden Tod verloren hatten10), und die Satiriker haben in dieser Häufigkeit der
iScheidungen und der Wiederverheiratungen ein dankbares Feld ihres Spottes11).
') Wir erfahren aber nur von solchen, die
die Frau betreffen ; M. Cato bei Gell. X 23, 4
führt außer Weintrinken und Ehebruch (der
ilMann durfte sogar die Frau, die er in flagranti
«nvischte, töten) ganz allgemein an : si quid per-
verse taetreque factum est a mutiere, wofür der
Manu sein Imperium ausüben durfte.
2) Den L. Annius stießen i. J. 306 v. Chr.
die Konsuln aus dem Senat: quod quam vir-
il inem in matrimonium duxerat repudiasset,
nullo amicorum consilio adhibito, Val. Max. II
! 9. 2. Aber die Scheidung blieb anscheinend
dessenungeachtet bestehn.
3) Siehe den oben S. 361 angeführten Fall
jdes Sp. Carvilius, der zu Unrecht die Mitgift der
unschuldigen Frau behielt; vgl. Rein Privatr.
1 1 v. Diese Bestimmung wurde durch die spä-
tere Gesetzgebung gemildert, Ulp. 6, 12. Digg.
XXIV 3. 47. Rein 435.
4) Die sog. actiones rei uxoriae, bei denen
jes sich darum handelte, utrius culpa divortium
factum, Quint. VII 4,11; vgl. ebd. 38. Plin.XIV
90. wonach selbst Uebermaß im Weingenuß zum
Verlust der Mitgift führen konnte. Vgl. Rein
|436f. Kaelowa 2 14 f.
5) Wann sie in der Form tuas res tibi ha-
i/'i'fn fixiert wurde, ist nicht auszumachen, sie
begegnet uns zuerst bei Plaut. Trin. 266. Im
X1IT afel-Gesetz scheint sie noch nicht gestan-
den zu haben; Bücheler N. Jb. f. Ph. CV (1872)
565 f. vermutete auf Grund von Varro bei Non.
(7.22: annos multos quod parere ea non po-
terat, mulierem foras betere iussit, sie habe da-
mals : baete foras mulier gelautet. In der Regel
wird angenommen, daß die Formel mit dem
Aufkommen der cautiones rei uxoriae einge-
führt wurde, Mabqüakdt 71 A.l. Becker-Göll
55 ; Leonhard a. a. 0. führt sie auf die Macht
der Gewohnheit zurück.
6) Digg. XXIV 2, 2, 1 : in repudüa autem,
id est renuntiatione, comprobata sunt haec
rerba: Tuas res tibi habeto, item haec: Tuas
res tibi agito. So bei Plaut, a. a. 0. ; Amph.928.
Cic. Phil. II 28,69. Sen.contr.il 13,9; suas.1,7.
Mart.X41,2; scherzhaft umschrieben luv. 6,
146 mit collige sarcinulas. Eine andere Formel
scheint vade oder exi foras gewesen zu sein,
Varro bei Non. 77, 16. Plaut. Cas. 212. Mart.
XI 104, 1.
7) Das claves adimere, nach Cic. a. a. 0.
schon in den XII Tafeln erwähnt.
8) Tac. ann. XI 30. luv. 9, 75.
9) Vgl.Val.Max.VI3,10ff.,woalsGründe
erscheinen, daß die Frau mit bloßem Kopfe
auf der Straße gegangen sei oder daß sie mit
einer Libertine insgeheim gesprochen habe
u. dgl.
,0) Man vgl. die historischen Beispiele bei
Marquardt 72, für die Kaiserzeit Friedländer
Sittengeschichte I 427.
»») luv. 6, 142ff.; 224ff. Mart. VI 7; X 41.
Auch Sen. de benef. 11116,2: numquid iam u/In
repudio erubescit, postquam inlustres qttoedam
ac nobile* feminae non eonsuktm numero, sed
364
Zweite Abteilung. Das Leben.
Besonders die Frauen müssen es in dieser Hinsicht sehr leicht genommen
haben, denn wir hören in der Kaiserzeit viel mehr von ihren zahlreichen
Scheidungen und Ehen, als von denen der Männer, und daß eine Frau ihr
ganzes Leben lang die Gattin eines einzigen Mannes gewesen ist, erscheint
als besonderes Lob auf Grabschriften1).
Die Gründe für diese zunehmende Häufigkeit der Ehescheidungen haben
wir in den veränderten Zuständen des Familienlebens und der Sitten über-
haupt zu suchen2). An und für sich war die Stellung, die die römische
Hausfrau innerhalb der Familie und im Hauswesen einnahm, von Anfang
an eine ehrenvollere und einflußreichere, als es bei den Griechen, zumal bei
den Athenern, der Fall war. Die römische Tradition schrieb manche der
Vorrechte der Frauen bestimmten Verdiensten zu, die sie sich um den Staat
erworben hatten 3) ; doch ist hierbei jedenfalls etruskischer und namentlich
sabinischer Einfluß von starker Bedeutung gewesen4). Obschon die Frau
durch die Ehe in die manus des Mannes kam, war sie in ihrer häuslichen
Stellung ihm doch gleichgeordnet5); sie führte das gesamte Hauswesen6),
hatte die Aufsicht über alle Vorräte und daher auch die Schlüssel7), und
nicht nur die Sklaven8), sondern auch der eigene Gemahl ehrte sie durch
die Anrede domina9). Von den häuslichen Arbeiten fiel ihr vornehmlich die
Wollarbeit zu, während sie von den anstrengenderen Tätigkeiten des Mahlens
und Kochens befreit war10); dafür nahm sie sich der Erziehung und des
ersten Unterrichts der Kinder an (siehe oben S. 310 u. 341). Da das rö-
mische Haus keine besondere Frauenwohnung kennt, wie das griechische11),
so bewegte sich die Frau mit den andern Familienmitgliedern im Atrium und
nahm an den Mahlzeiten, wenn auch nicht liegend, wie der Mann, sondern
sitzend, teil12), freilich sich des Weines enthaltend, dessen Genuß bei Frauen
maritorum annos conputant et exeunt matri-
monii causa, nubunt repudii? ist bittere Satire.
Gesetzlich sollte eine Witwe die Trauerzeit
um den Mann (zehn Monate) abwarten, ehe sie
wieder heiratete, da sonst sie und der zweite
Mann, sowie beider Väter, infam wurden, Digg.
III 2, 1 ; 11,4. Dagegen durfte der Witwer so-
fort wieder heiraten.
') Siehe solche Grabschriften von univirae
Marquakdt 42 A. 6. Friedländer a. a. 0. 465
A. 1 ; auch die Grabrede auf die Turfa, CIL VI
1527. Im Kultus waren sie bevorzugt, zu ge-
wissen Opferdiensten nur solche zugelassen,
vgl. Becker-Göll 57. Marquardt a. a. 0.
2) A eitere Litteratur über die Stellung der
römischen Frauen s. bei Becker-Göll 11 f.
3) Die Intervention der Frauen beim Raub
der Sabinerinnen, Plut. qu. Rom. 85 p. 284 F;
die Rettung der Stadt vor Coriolan, Val. Max.
V2, 1.
4) Die Sabinerinnen galten auch später
noch als besonders severae, Hör. carm. III 6,
39; epod.2,39fF.
5) Das charakterisiert sehr hübsch Colum.
XII praef. 7 : erat enim summa reverentia cum.
concordia et diligentia mixta, flagrabatque mu-
tier pulcherrima diligentiae aemulatione, stu-
dens negotia viri cum sua maiora atque meliora
reddere. nihil conspiciebatur in domo divi$%
duum, nihil quod aut maritus aut femina pro-
prium esse sui iuris diceret, sed in commune
conspirabatur ab utroque, ut cum forensibus
negotiis matronalis industria rationcm parevft
faceret.
6) Dion. Hai. II 25, 5 : acorpoovovaa fi'sv ovk
xai Jiävra xG) ysyaßijxozi jzsi{}ofn:ri) yvvi/ xvnia
xov ol'xov töv avxov zqöjtov tjv, iöo.tfo xal 6 drijoi
Plut. qu. Rom. 80 p. 271 E.
7) Plaut. Men. 120 ff. Colum. a. a. 0. Cic.
ad fam. XVI 26.2. Tertull. exhort. castit. 12.
August, conf. IX 8, 17.
8) Plaut. Stich. 296: Cist.772. Ter.Heaut.
298; 628.
9) In republikanischer Zeit allerdings nicht
nachweisbar; für die Kaiserzeit vgl. Verg. Aen.
VI 397. Ov. trist. IV 3, 9 Senec. frs?. 1 3, 51 Haase.
Suet.Claud.39.Mart.V61,3;VI21,3;86,lu.ö.
Vgl. Friedländer Sittengesch. I 400 f.
10) Plut. qu. Rom. 85 p. 284F. Zum lani
ficium vgl. Liv.1 57,9. Ascon.in Milon.p.430r.
Colum. a. a. 0. Arnob. II 67. Inschriftliches
Marquardt 58 A. 2.
n) Diesen Gegensatz hebt Com. Nep. in
seiner Praefatio hervor.
12) Plut. praec. coniug. 15 p. 140A. Val. Max.
II 1. 2. Aber schon seit Augustus lagerten sich
Dritter Abschnitt. Die Frauen und die Ehe.
365
Ifiir unschicklich galt1). Ihr Geburtstag wurde festlich begangen2), und auch
in den Matronalien (1. März) empfing sie Glückwünsche und Geschenke3),
ptreng wurde darauf gehalten, daß in ihrer Gegenwart nichts Unpassendes
gesprochen oder getan wurde4).
Auch hinsichtlich des Verkehrs außerhalb des Hauses war die römische
Frau nicht so beschränkt, wie die griechische5), wenn sie auch in der Kegel
nicht ohne Geleit in der Öffentlichkeit erschien, wo man ihr ehrfurchtsvoll
Platz machte6). Sie nahm an gemeinschaftlichen Mahlzeiten auch außer dem
Hause teil7), besuchte die gottesdienstlichen Feste, zumal die speziell den
Frauen geweihten8), erschien im Theater und bei Festspielen9) und sogar
vor Gericht, nicht bloß als Zeugin10), sondern auch um Fürbitte einzulegen11).
Es ist begreiflich, daß diese freie und zum Teil selbständige Stellung, die
Sitte und Gesetz den Frauen einräumte, gewisse Gefahren in sich barg und
unter Umständen bald zur Zügellosigkeit12), bald zur Herrschsucht13) führen
j | konnte, die vielleicht auch etwas im Charakter der römischen Frau begründet
lag. Diesen richtig zu beurteilen, ist für uns heute freilich nicht leicht, denn es
ist immer bedenklich, vereinzelte Klagen über Herbheit14), über Adelsstolz15),
Prunksucht16) u. dgl. zu verallgemeinern. Es kann aber nicht geleugnet werden,
daß schon ziemlich früh, lange vor dem Ausgang der Republik und den für
die sittlichen Zustände so verhängnisvollen Bürgerkriegen, die Sittlichkeit
uch die Frauen bei der Mahlzeit, vgl. Ov. am.
14.16. Suet.Cal.24. Plut.qu.conv. VII 8,4p.
712E.
!) Das scheint notwendig gewesen zu sein,
da die Römerinnen leicht trunksüchtig wurden,
js.Dion.Hal.II 25, 6. Val.Max.VI 3,9; sie be-
kamen daher die Schlüssel zur cella vinaria
Dicht in die Hand, Plin.XIV89. Vgl. Gell. X
23, 1. Plut. qu. Rom. 6 p.205B. Serv. ad Aen.
I 737. Das gilt aber nur von der altern repu-
blikanischen Zeit, später tranken auch die
Frauen Wein beim Mahle.
*) Ovid. tr. V 5, 1 f. Senec. a. a. 0.
3) Tib. III 1, 1 ff. Pompon. b. Macrob. VI
4,13. Digg.XXIVl.31,8.
4) Tac.deorat.28. Plut. Romul. 20; dabei
wurde freilich in der Prüderie manchmal etwas
weit gegangen, wie die Geschichte des älteren
Cato zeigt, die Plut. Cat. mai. 18 und coniug.
praec. 13 p. 139E. zeigt.
5) Daß sie ohne Wissen des Mannes nicht
hätten ausgehen dürfen, was Makquakdt 60
annahm, geht aus Val. Max. VI 3, 10 ff. nicht
hervor, wie Mau richtig bemerkt; es handelt
sich da teils um ihre Kleidung, teils um ihr
Benehmen auf der Straße. Plaut. Merc. 809 ist
wohl griechischer Sitte entlehnt.
6) Plut. Romul. 20. Val. Max. V 2. 1.
7) Com. Nep. praef. Cic. pro Cael. 8, 20; ad
Attic. V 1, 3; auch Vestalinnen und die Flami-
nica nahmen an solchen Mahlzeiten teil, Ma-
crob. III 13,11.
8) Liv.XXII 10,8; XXVII 51,7. Macrob.
1 12, 28. luv. 9, 24. Ueber die Frauenfeste s.
Makquardt 60 A. 8.
9) Cic. de har. resp. 12, 24. Plut. Sulla 35.
Suet. Aug. 44; doch war dazu die Erlaubnis
des Gatten erforderlich, Val. Max. VI 3, 12.
10) Ascon. in Milon. p. 41 Or. Tac. ann. III
49. Digg. XXII 5. 18; XXVIII 1, 20, 6. Doch
taten die meisten Frauen das nur ungern, Cic.
Verr. I 37, 94, und manchmal weigerten sie
sich sogar, Tac. ann. II 34.
») Cic. pro Font. 21, 46; pro Cael. 2,4. Cato
frg. p. 28 Jord. Auch als Klägerinnen traten sie
auf, bis angeblich die Prozeßsucht der Afrania
oder Carfania (f 48 v. Chr.) ein prätorisches Ver-
bot, in anderer als der eignen Sache zu plä-
dieren, veranlaßte, Val. Max. VIII 3, 2; vgl.
Rein Privatr. 154 f.
12) Ein Beispiel dafür noch aus republi-
kanischer Zeit ist das Benehmen der Frauen
bei den Verhandlungen über die Aufhebung
der lex Oppia, 195 v.Chr., Liv. XXXIV 1.
13) Daher der alte Cato gesagt haben soll:
jidviEC äv&Qox-ioi iwv yvvaixwv aq^ovoiv, ////f?,-
de Jidvzcov dvdgojjicov, fffiäiv de al yvva.ly.es, Plut.
apophth. p. 198 D.
14) Daß die von Mabquakdt 61 dafür gel-
tend gemachten Stellen bei Plut. coniug. praec.
27 p. 141 F und 29 p. 142 A nicht beweisend
sind, bemerkt Becker-Göll 10 mit Recht.
15) Daran mag allerdings etwas gewesen
sein, vgl. Suet. Tib. 2. luv. 6. 167 ff.
'•) Die Klagen über den Hochmut reicher
Frauen, die sich öfters bei Plautus finden (vgl.
Marquardt 61 A. 4), sind wohl den griechi-
schen Originalen entnommen, in denen die
„ Erbtöchter " eine Rolle spielen. Immerhin
kam dergleichen natürlich auch in Rom, wie
überall, vor, vgl. Hör. carm. III 24, 19. luv. 6,
460.
366
Zweite Abteilung. Das Leben.
der römischen Frauen, und zwar besonders unter den vornehmen Klassen,
erheblich gelitten hatte x). Aber am schlimmsten stand es damit doch erst
in der Kaiserzeit. Allerdings fehlt es auch da nicht an Beispielen trefflicher
Frauen, die an Seelengröße, Aufopferung und Treue bis in den Tod Muster
für alle Zeiten geblieben sind2); aber ihnen gegenüber stehen die Klagen
der Satiriker und die leichtfertigen Spaße Martials, die — mag auch noch
so viel Übertreibung dabei angenommen werden, — bezeugen, wie weit die
Sittenlosigkeit besonders in den Kreisen der Geburts- und Geldaristokratie
bei den Frauen eingerissen war, zumal das schlechte Beispiel an allerhöchster
Stelle gegeben wurde. Das heut noch im Süden bekannte Cicisbeat fand
man schon bei den damaligen Römerinnen, und die Stellung, die bei reichen
Damen ihre procuratores, die ihnen das Vermögen verwalteten, einnahmen,
war oft eine nichts weniger als bloß geschäftliche3); Verhältnisse vornehmer
Damen mit Gladiatoren, Schauspielern, Wagenlenkern u. dgl. waren ganz
gewöhnlich4), der Ehebruch überhaupt sehr häufig5). Das mag in den mittleren
und unteren Schichten der römischen Gesellschaft besser, und überhaupt
mögen diese Verhältnisse in der Provinz sittenreiner als in der Hauptstadt
gewesen sein, aber die litterarischen Quellen geben uns darüber keinen
Aufschluß und nur die Grabschriften bieten dafür etwas Material, das aber
keine Gewähr der Zuverlässigkeit enthält, da Grabschriften im Altertum
ebenso unzuverlässige Zeugnisse waren, wie sie es heute sind6).
Nach alledem darf es nicht wundernehmen, daß die Zahl der ehelosen
Männer in Rom immer mehr überhandnahm7). Freilich sind die Klagen
darüber und die staatlichen Maßregeln dagegen schon alten Datums8), und
J) Bei der großen Giftmordgeschichte vom
Jahr 331 v. Chr., die Liv. XVIII 18 und Val.
Max. II 5, 3 berichten, wonach 170 Matronen
ihre Männer vergiftet haben sollten, wird wohl
viel Uebertreibung, resp. die Veranlassung zu
der ganzen Erzählung eine Epidemie gewesen
sein. Aber nicht zu bezweifeln sind die ähn-
lichen Nachrichten vom Jahre 180, Liv. XL
37,5, und von 154, Liv. epit. lib. XL VIII. Val.
Max. VI 3, 8. Vgl. Mommsen Rom. Gesch. I 884.
Wie tief im letzten Jahrhundert der Republik
die Sittenlosigkeitin derFrauenwelt eingerissen
war, zeigen eine Clodia, Fulvia u. a., von denen
wir aus Cicero und Catull die schändlichsten
Dinge erfahren.
2) Vgl. die Zusammenstellung bei Fried-
länder I 459 ff.
3) Mart.V61. Sen. frg.lZ, 51: procurator
calamistratus et in longam securamque libi-
dinem exsectus spado, sub quibus nominibus
aäulieri delltescunt; daher „der schöne Pro-
kurator" eine beliebte Figur in den Ehebruchs-
dramen der Kontroversen ist, vgl. Sen. contr. 5
(20) . Meist waren es Freigelassene, Mail. XII 49.
4) luv. 6, 73 ff.: 379 ff. Mart.XIV215. Dio
Cass.LVII21,3.Vgl.FRiEDLÄNDERa.a.0.434ff.
5) Eine Zusammenstellung von solchen
Grabschriften gibt Friedländer 463 ff.
6) Ueber die Wiederverheiratung von Wit-
wern liegen wenig Nachrichten vor; jedenfalls
wird der Mann, der CIL VI 18659 schreibt: tres
uxores h(abui : eas) quldem dolui,set non sunt.
Qua{m velim) modo quartaria sort{e) duetam
su{perstitem habeam), eine Ausnahme gewesen
sein.
7) Schon 403 v. Chr. wurden die caelibel
von den Censoren mit einer besonderen Strafe
belegt, Val. Max. II 9, 1 ; es war überhaupt Sache
der Censoren, das Cölibat möglichst einzudäm-
men, vgl. Liv. epit. LIX. Cic. de legg. III 3, 7;
Plut. Cam. 2; Cat. mai. 16. Festus 379, 1, wie
sie auch sich um die Rechtsgültigkeit einer
Eheschließung und die Zahl der legitimen Kin-
der kümmerten, Dion. Hai. IV 15, 6; V 75,3.
Gell. IV 20,2.
8) Ueber die juristische Seite des Ehe-
bruchs {adulterium) s.Rein Rom. Privatr. 140.
Walter Gesch. d.röm. Rechts II 811. und mehr
bei Daremberg-Saglio I 85 ff. Hartmann bei
P.-W. 1432 ff. Wie bei den Griechen, so ist
auch bei den Römern ein adulterium nur auf
Seiten der verheirateten Frau vorhanden, die
Umgang mit einem andern Manne pflegt, und
des Mannes, der diesen Umgang pflegt, nicht
aber auf Seiten des verheirateten Mannes, der
seiner Frau untreu wird. Das Gesetz erlaubte
dem Gatten, dio auf frischer Tat ertappten
Schuldigen beide zu töten, Cato bei Gell.X
23, 4 ff., welches Recht die Lex Julia de adul-
terils coercendls einschränkte. Prügel drohen
dem Ehebrecher Plaut, m. gl. 1401, nach 1420
sogar Kastration.
Dritter Abschnitt. Die Frauen und die Ehe.
367
lie Auffassung, data die Ehe ein zwar notwendiges Übel, aber immerhin doch
sin Übel sei, begegnet uns schon früh 1). Aber die zunehmenden Kosten des
Baushalts, der zugleich immer anspruchsvoller und luxuriöser wurde, der
Wunsch der Männer, frei von den Fesseln der Ehe ganz ihren Neigungen
und Ausschweifungen leben zu können, die Klagen über die Sittenlosigkeit
ier Frauen, — all das trug dazu bei, die Zahl der Eheschließungen und
omit auch der Geburten so stark herabzusetzen, daß Augustus durch zahl-
reiche Gesetze, die teils den Ehelosen Strafen, teils den Verheirateten und
Kinderzeugenden Belohnungen aussetzten 2), dem Unheil zu steuern suchte.
Ä.ber damit wurde nichts erreicht: wenn, um den Plackereien und An-
gebereien 3) zu entgehen oder sich die Vorteile einer kinderreichen Ehe zu
ichern, die Eheschließungen häufiger wurden, so wurden die Ehen selbst
darum doch nicht sittlicher, und das in Rom sehr alte und sehr verbreitete
Laster der Erbschleicherei fand dabei nur neue Nahrung4).
Einen starken Anteil an der zunehmenden Ehelosigkeit hatte aber auch
das Dirnenwesen5), das den Männern den Genuß der Liebe auch außerhalb
der Ehe ungemein erleichterte. Unsere Nachrichten über diese Verhältnisse
im alten Rom rühren zwar größtenteils erst aus der letzten Zeit der Republik
und der Kaiserzeit her6), aber öffentliche Dirnen waren in Rom schon in
früheren Jahrhunderten zu finden, und die große Nachsicht, mit der man
bei jungen Männern den Umgang mit solchen beurteilte7), spricht für die
Allgemeinheit ihrer Verbreitung. Der gewöhnliche Name für diese Mädchen
war davon entnommen, daß sie durch diesen Beruf sich ihren Unterhalt ver-
dienten 8) : meretrix <J) ; ein gemeinerer, aber häufig gebrauchter Ausdruck ist
scortum10), woneben noch eine ganze Menge teils scherzhafter, teils erniedri-
gender Ausdrücke, die wohl vornehmlich in der Volkssprache üblich waren und
fitit ut quod licet, non liceretf Nur das Ueber-
maß wurde getadelt, und wenn nach Hör. sat.
I 2, 31 der alte Cato zu einem Jüngling, den
er aus dem Bordell kommen sah, macte rir-
tute esto sagte, weil das besser sei als alienas
permolere uxores, so sagte er nach dem Schol.
z. d. St. demselben, als er ihn wieder dabei
erwischte: adulescens, ego te laudavi, quod in-
terdutn huc venire», non quod hie habitaree.
So heißt es auch bei Liv. XXXIX 9, 6 von dem
Verhältnis des P. Aebutius zur Libertine Hi-
spala: minime adulescentis out rei auf fatnae
damnosa; und den Standpunkt der Kaiserzeit
zeigtSenec.controv.il 12,10: nihil peeeaverat ;
amat meretricem, solet fieri; aduUseens ett,
exspeeta, emendabüur, ducei uxorem. Wie
selbst das Christentum die Dirnen als not-
wendiges Uebel betrachtete, zeigt der bekannte
Ausspruch des Augustin de ord. II 12: aufer
meretrices de rebus humemis, turbaveris otnnia
Ubidinibus.
8) Das quaestum corporefaeere, corm&cor-
pore alere, Plaut, m. gl. 785; Cist. 563.
9) Isid. or. X 182: meretrix dir/n eo, quod
pretium lihidinis mereotur.
10) Titin. b. Non. 406, 19. Plaut. Asin. 867;
Truc.64 u.ü. Ter. Ad. 965. Hor.ep. 1 18,34. Vgl.
Varr. 1. 1. VII 84. Fest. 331.1.
») Gell. I 6, lf. in einer Rede des Q.Me-
tellus Macedonicus (Censor 131 , vgl. Liv. a. a. 0.
Drumann Gesch. Roms II 20; Gellius schreibt
sie irrtümlich dem Metellus Numidicus, Censor
102, zu.
2) Näheres über diese verschiedenen Ge-
setze (leges Iuliae und die lex Papia Poppaea)
s. bei Marquardt 75 ff. Dazu gehört auch die
Verfügung, daß Witwen nach einem Jahre nach
demTode des Mannes, geschiedeneFrauen sechs
Monate nach der Scheidung wieder heiraten
sollten, nach der lex Iidia; die lex Papia verlän-
gerte die Fristen auf 2 und l1/« Jahre, Ulp. 14.
3) Ueber den Unfug der Delatoren, der das
Familienleben mit ihren Schnüffeleien nach
Ehebruch u. dgl. unsicher machte und oft zu
Erpressung führte, s. Marquardt 79 A.l.
4) Plut. de am. prol. 2 p. 493 E. Ueber die
Erbschleicherei in Rom vgl. Friedländer 367ff.
5) Hierüber vgl. Becker-Göll III 89 ff. Na-
varre bei D.-S. HI 1834 ff.
6) Plautus und Terenz sind dafür nicht zu
verwerten, da sie attische Hetären nach ihren
Vorbildern schildern.
7) Charakteristisch ist dafür Cic. pro Cael.
20, 48, der von den meretricii a mores sagt:
quando hoc non factum est, quando reprehen-
sinn , quando non permissum? quando denique
368
Zweite Abteilung. Das Leben.
daher von den Komikern gebraucht wurden, vorkamen *) ; die niedrigste Gattung
ist die der prostibula2), womit diejenigen bezeichnet werden, die an den Türen
ihrer Wohnung oder eines Bordells stehend (prostantes) ihre Dienste anboten3).
Diese Mädchen waren, und das gilt nicht bloß von den gewöhnlichen
Dirnen, sondern auch von der bessern Klasse der Hetären, von der unten
noch die Rede sein wird, in der Regel nicht aus dem römischen Bürger-
stande, sondern Fremde oder ehemalige Sklavinnen oder Kinder von Frei-
gelassenen; namentlich Griechenland und der griechische Orient stellten dazu,
wie schon die Namen zeigen (obschon dieselben allerdings vielfach nicht die
ursprünglichen, sondern beigelegte sind), ein starkes Kontingent. Daß aber
bisweilen auch Frauen aus dem Bürgerstande sich diesem Gewerbe ergaben,
um entweder sich ihren zügellosen Begierden hingeben zu können, ohne daß
der Umgang mit ihnen unter das strafbare Vergehen des stuprum oder des
adulterium fiel, oder um sich auf diese Art Geld zu verdienen, erfahren wir
aus der Nachricht, daß die Ädilen die Meldung von Freigeborenen, daß sie
unter die meretrices eingereiht werden wollten, entgegennehmen durften1).
Bei solchen sowohl, wie bei gewöhnlichen Dirnen kam es nicht selten vor,
daß der Ehemann mit diesem Erwerb seiner Frau einverstanden war, weil
er Nutzen daraus zog5). Viele meretrices hatten daneben noch einen andern
Beruf, waren Flöten- oder Zitherspielerinnen, Tänzerinnen (so die ambubaiae*))
u. dgl. Die Preise waren natürlich außerordentlich verschieden : während die
gemeinsten Dirnen ihre Gunst schon um einen oder wenige As hergaben 7),
forderten bessere höhere Preise, und besonders beliebte Kurtisanen sogar
erhebliche Summen 8). Daher wird wohl auch die unter Caligula eingeführte
Gewerbesteuer dieser Dirnen verschiedene Höhe gehabt haben9).
') Lupa, Cic.proMil.21,55. Amm. XXVIII
4,9. Corp. Gloss. VI 661, von ihrer Habgier,
Isid.X 163; XVIII 42,2. Ferner miracida,schoe-
nicula, scrupeda, alicaria u. a. m., s. Rein bei
Pauly IV 1866. Beckeb-Göll a. a. 0. 96.
a) Non. 423, 12 : prostibula, quod ante sta-
ll n( am starent quaestu s diui -ni et nocturni causa.
Plaut. Cist. 331; Stich. 765.
3) Hör. sat. I 2, 30. Ov. am. I 10, 17 u. 21.
luv. 3, 65; 6, 123 u. s. Daneben kommt auch,
weil diese Dirnen oft auf Stühlen an den Türen
saßen, die Bezeichnung proseda vor, Plaut.
Poen. 266. Fest. 226, 2.
4) Nach Tac. ann. II 85 war es alter Brauch,
daß die Aedilen die licentia stupri entgegen-
nahmen; da i. J. 19 n.Chr. eine Frau aus präto-
rischer Familie dies getan hatte, erließ der Senat
das Gesetz, daß das quaestum corpore facere
für Frauen, deren Großvater, Vater oder Gatte
römischer Ritter gewesen war, verboten wurde.
Sen. Tib. 35 : feminae famosae, ut ad evitandas
leyum poenas iure ac dignitate matronali ex-
8olverentur, lenocinium profiteri coeperant. Vgl,
Paul. II 26, 11. Digg. XL VIII 5, 14 (13), 2. Rein
Rom. Krimin ah echt 841 f. und bei Pauly a. a. 0.
5) Hör. carm. III 6, 25. Apul. apol. 75. Digg.
XLVIII5,2,2ff. Am bekanntesten ist die Ge-
schichte von Cipius.mit Beinamen Pararencho,
quod äimularet dormientem, quo impunitius
uxor eins moecharetur, mit dem geflügelten
Wort: non omnibus dormio, Fest. 173a, 5 nach
Lucilius. Cic. ad fam. VII 24, 1 ; von einem ge-
wissen Gabba am Hofe Augusts erzählt Plut.
amat. 16; vgl. luv. 1,55 ff.
6) Hör. sat. 12, 1 ; vgl. Schol. ebd. Suet.Nero
27 werden scorta und ambubaiae direkt neben-
einandergestellt. Petron. 74, 13.
7) Mart. 1 103, 10: constat et asse Venus ; II
53, 7 : siplebeia Venus getnino tibi iungiturasse;
1X32,3; solche scorta nennt Plautus nach seiner
griechischen Quelle diobolaria, Poen. 270 und
bei Varr. 1. 1. VII 64. Vgl. Fulgent. expos. serni.
ant. 32. Wessnek Comment. len. VI 2, 119. In
der pompejanischen Mauerinschrift CIL IV 2450
zahlen drei Männer zusammen 15 As, s.Wachs-
muth Rh. M. XVII (1862) 138. Bücheler ebd.
XVIII (1863) 394. Eine andere pompejanische
Inschrift gibt 16As an, CILIV 1751, die Inschrift
auf dem Relief von Aesernia (ebd. IX 2689) 8 As.
8) Zwei aureoli (ungefähr 43,50 M.) Mart.
1X4,1. In dem boshaften Epigramm X 7, 5
geht eine Hetäie von den zuerst geforderten
20 000 Sesterzen (4350 Mark) im Lauf der Jahre
auf die Hälfte, auf 2000, auf 4 auri, 100 Sester-
zen und schließlich 100 quadrantes (wenig über
1 Mark) herunter.
9) Nach Suet. Cal. 40 wäre dieselbe so hoch
gewesen, wie ihr Durchschnittspreis: e.r cajituris
Dritter Abschnitt. Die Frauen und die Ehe.
369
Obgleich man den meretrices überall in den Straßen Korns begegnete,
namentlich aber an öffentlichen Orten, wie beim Zirkus, in Theatern, Bädern
usw.1), hatten sie ihre Wohnungen doch meist in bestimmten Quartieren,
vornehmlich in der Subura am Esquilin2) und in einer gewissen Gegend an
der Stadtmauer3). Auch die Bordelle, lupanaria, fornices1)^ waren wohl viel-
fach in diesen bestimmten Quartieren, obschon auch andere Stadtteile solche
aufwiesen5) und sie auch in kleineren Provinzialstädten 6) und selbst auf dem
Lande 7) nicht fehlten. Der Besitzer oder Mieter eines solchen Hauses war
der Uno (oder eine lena8)), der in der Regel die Mädchen als Eigentum
besaß9), obschon auch die Einrichtung bestanden zu haben scheint, daß sich
Dirnen dort einfanden, die sonst ihre Wohnung anderswo hatten und ver-
mutlich dem Uno dafür, daß er ihnen die Gelegenheit zum prostate gab,
eine gewisse Summe von ihren Einnahmen zahlten 10). Bisweilen unternahm
der Uno auch Reisen mit seinem Personal zu Festversammlungen, nach
prost /futurum quantum quaeque uno concubitu
mereret. Natürlich mußten auch die Bordell-
halter eine Steuer entrichten, Lanipr. AI. Sev.
24,B:lenonum vectigalet meretricum. Tert.^e
fug. in persec. 13.
') luv. 3, 65: ad circum iussas prostare
puellas, wo es sich nach dem Ausdruck um
Dirnen handelt, die Eigentum eines leno sind.
Tac.hist. III 83. Lampr. Heliog. 26,3: o»uies de
Circo, de theatro, de stadio et Omnibus locis
et balneis meretrices collegit in aedes publicas.
Anthol.Lat. I 190, 7 (Riese): ille habuit doetas
drei prostare puellas. Priapea 27, 1 : deliciae
populi, magno notissima circo, Quintia. Vgl.
Friedländer II 286. Selbst bei den Grabdenk-
mälern an den Landstraßen trieben sich Dirnen
der niedrigsten Klasse herum, Mart. 134, 8;
bustuariae tnoechae heißen sie III 93, 15.
2) Hör. ep. 5, 58. Pers. 5, 32 mit Schol.
Mart. VI 66, 2; XI 61, 3; 78.11. Priap. 40, 1.
Liv. III 13, 2 scheint anzunehmen, daß die
Subura schon im 5. Jahrhundert v. Chr. solchen
Zwecken gedient habe. Vgl. Jordan-Hülsen
Topogr. d. St. Rom I 3, 331. Richter Topogr.
■ I. St. Rom 309.
3) Die summoenianae kommen öfters bei
Martialvor, 134,6; 11182,2; XI 61, 2; XII 32,
22. Göll bei Becker 97 bezog das auf die
den Circus und die Theater umgebenden Ge-
wölbe ; richtiger nahm Jordan a. a. 0. II 70 ein
Quartier an der alten Stadtmauer an. Hülsen
ebd. I 3, 236 denkt an den Südabhang des
Caelius unterhalb der Serviusmauer, da die
Notitia urb. Rom. dort lupanaria ansetzt (s. u.),
Richter 298 an den an den Serviuswall stoßen-
den Teil des Quirinals.
4) Fornix bedeutet eigentlich eine Wöl-
bung oder einen Schwibbogen : da die lupanaria
vielfach in solchen Räumen angelegt waren,
so bekam das Wort die spezielle Bedeutung
Bordell, wie Hör. sat. 12. 30; ep. 114.21. luv.
3,156; 10.239; 11.172. Sen. dial. VII 7, 3.
-Mart. 134, 6;XI61,4. Daherkommen die Aus-
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft. IV.
drücke fornicari,forniccctor,fornicaria u.dgl.,
die namentlich bei den Kirchenvätern sich
finden, vgl. Saolio bei D.-S. II 1264.
5) Die alten Regionenbeschreibungen (Cu-
riosum und Notitia) erwähnen zwar nur in der
2.Region (Caelimontium) lupanar ins (vielleicht
ein virus lujtanariontm, Jordan-Hülsen I 3,
236), zählen aber im ganzen in der Hauptstadt
45 (resp. 46) lupanaria. s. Jordan II 543 und
573.
c) In Pompeji sind mehrere Lupanare auf-
gefunden worden, bei denen die dort ange-
brachten obseönen Wandmalereien (Roux et
Barre Pomp, et Hercul. VII 15; 18 ff., Helbig
Wandgemälde 370 Nr. 1506) die Deutung kon-
statieren; bei andern dafür ausgegebenen Ge-
bäuden steht die Deutung nicht fest, vgl. Na-
varre bei D.-S. III 1836. Bei Petron. 7,2 (vgl.
8, 3) liegt das lupanar in einer obskuren Neben-
gasse der Stadt.
7) Digg.V3, 27: in multorum lionestorum
virorum praedüs lupanaria exercentw,
8) Ein von Jordan A. Z. XXIX (1871) 65
publiziertes Relief, das die drei Grazien und eine
daneben sitzende Matrone nebst der Inschrift
Ad sororea IUI zeigt, ist vermutlich, wie
Becker-Göll 99 annimmt, ein Ladenschild
eines Bordells, mit der lena darauf.
9) Quint.V10,47; VII 1,55. Cod. Theod.
XV 8, 2. Nach Spart. Hadr. 18, 8 erließ dieser
Kaiser ein Verbot, eine Sklavin an den leno
zu verkaufen causa »<>u praestita. Daß die
lenones auch Handel mit ihren Dirnen trieben,
scheint aus Mart. II 63 und Lampr. Heliog.
31,1 hervorzugehen, wo beidemale der be-
deutende Preis von 100000 Sesterzen ange-
geben ist.
10) Das scheint aus luv. 6, 115 ff. hervor-
zugehn, da der Besitzer des lupanar. in dem
Messalina eine Zelle für sich vorbehalten hat
(122: cellam vaatam atque suam), nach v. 127
in später Nacht seine Mädchen entläßt, lenom
stias iani dimütente puellas.
2, 2. 3. Aufl. 24
370
Zweite Abteilung. Das Leben.
besuchten Fremdenorten u. dgl.1). In den Bordellen standen oder saßen2) die
Mädchen in freiester Tracht, halb oder ganz nackt3), an den Türen ihrer
Zimmer, der cellae, deren jede ihre eigene hatte4), über der ein titulus mit
ihrem Namen befestigt war5); gegen die übrigen Räume des Hauses waren
die cellae durch Vorhänge, centones oder vela, abgeschlossen, konnten aber
auch durch Türen mit Schlössern verschlossen werden6). Das Honorar wurde
anscheinend von den Besuchern gleich beim Eintritt an die Mädchen ent-
richtet7), die es ihrerseits dem le no einhändigten8). Im allgemeinen waren
diese lupanaria unreinliche, von schlechter Luft erfüllte Orte9), die wohl
in der Regel nur von den niedern Klassen der Männerwelt aufgesucht
wurden10); anscheinend waren sie nur abends und nachts geöffnet11). Übrigens
waren auch die Wirtshäuser und gewöhnlichen Kneipen meist bordellartig
eingerichtet, indem die dort die Bedienung machenden Mädchen den Gästen
zur Verfügung standen12).
Wesentlich verschieden von den hier geschilderten meretrices der niederen
Klassen waren die Mädchen oder Frauen, die zwar auch gegen Geld oder
») Strab.XII578. DioChrys.LXXVII651M.
Clem. AI. paed. III 3, 22 p. 264 P.
2) Siehe ob. S. 368 üherprostare, prostibula
und prosedae. Am häufigsten wird das Stehen
erwähnt (außer prostare auch stare, luv. 10,
239. Sen. contr. I 2, 7), doch auch das Sitzen
findet sich luv. 3, 136: alta Chionen deducere
sella. Mart. VI 66, 2; nach d. Schol. zu luv.
a. a. 0. hätten solche Dirnen sellariae geheif3en.
Vgl. Artemid. IV 42. Dio Cass. LX 31, 1 und
Fkiedländer zu luv. a. a. 0.
J) luv. 6, 122. Petron. 7, 3. Publil. Syr.
ebd. 55, 6 : prostare nudam in nebula linea.
Tac.anu.XV97. Dio Cass. LXXIX 13,3. Doch
wird auch Kleidung erwähnt, Sen. a. a. 0. luv.
3, 135, wo Friedländek vermutet, daß die
vornehmeren Dirnen sich dadurch unter-
schieden.
4) Suet. Cal. 41 : lupanar in Palatio con-
stituit distinctisque et instructis pro loci digni-
tate compluribus cellis, in quibus matronae in-
genuique starent. Mart. XI 45, 1. luv. 6, 122.
Sen. contr. II 1, 1. Bei Plaut. Pseud. 214 u. 229
heißt eine solche Zelle pergula. Bei Petr. 8, 4
tritt eine meretrix ihre cella gegen ein As an
andere zur Benutzung ab.
5) luv. 6, 123vonMessalina: titulum men-
tita Lyciscae. Petron 7, 3 : video quosdam inter
titulos nndasque meretrices furtim spatiantes.
Sen. a.a.O. und ebd. 5 u. 7. Aus Plaut. Asin. 760
scheint hervorzugehn, daß die Dirne, wenn
sie in ihrer cella Besuch hatte, an die Tür
occupata anschrieb.
6) Mart. I 34, 5 : at meretrix abigit testem
veloque seraque; XI 45,3. luv. 6, 121: calidum
veteri centone lupanar. Petron. 7, 2.
7) Nach luv. 6, 125: excepitblanda intran-
tis atque aera poposcit. Sen. contr. I 2, 1 : de-
ducta es in lupanar, accepisti locum, pretium
constitutum est, titidns inscriptus est; ebd. 3:
etipem rogasti; 7: pretia stupri accepisti. Ov.
am. 110, 21: stat meretrix certo cuivis mercai
bitis aere.
8) Sen/a.a. 0.2: da mihi lenonis rationesa
captura conveniet (cf.ebd.7: manus quae '/in
datura erat sacra capturas tulit).
9) Namentlich wegen des Russes und Ge-
ruchs der Lampen, Hör. sat I 2, 31 : olenti in
fornice. luv. 6, 131: fumoque lucernae ; foedä
lupanaris tulit ad pulvinar odorem •■; 11,172:
olido stans fornice. Sen. a.a.O. 21: redolet ail-
huc fuliginetn fornicis.
10) Die Schilderung bei Plaut. Poen. 831 ff.
ist sehr bezeichnend: quodvis genus ibi /><>-
minum videas quasi Acheruntem veneria,
equitem, peditem, lioertinum, furem an fngi-
tivom velis, \ verberatum, vinctum addicttan,
und Pseud. 187 ff. treffen wir als Bordell-
besucher Kornhändler, Fleischer und Oel-
händler. Vgl. Sen. a.a.O. 8: omnis sor<l!<l<t
in'nn-iosaque turba hucinfluit; ebd. 10 werden
Gladiatoren und Trunkene als Besucher auf-
geführt.
n) Dafür liegen allerdings nur Scholien-
angaben vor; der Schol. zu Pers. 1, 133 er-
klärt: nonaria dicta est meretrix, quia apud
veteres a nonahora prostabant, ne matte omissa
exercitatione militari illo irent adolescentes,
was allerdings eine ebenso verkehrte Erklärung
ist, wie beim Schol. luv. 6, 116: quoniam antea
meretrices propter sacrorum celebratiortet)) nli
hora nona totam noctem prostabant, inde etiam
nonariae dictae sunt.
12) Vgl. die Wirtsrechnung auf dem oben
S.368 A.7 erwähnten Relief von Aesernia; fer-
ner Digg. XXIII 2, 43, 9 : si qua cauponam exer~
cens in ea corpora quaestnaria habeat, ut multae
assolent sub praetextu instrumenti cauponii
prostitutas midieres habere, dicendum hanc
quoque lenae appellatione contineri; ebd. pr.
Cod.Iust.IV56.3; vgl. Suet. Nero 27. Paul.sent.
1126,11.
Dritter Abschnitt. Die Frauen und die Ehe.
371
Geschenke ihre Liebe verkauften, aber doch in der Regel an einen einzigen,
dem sie so lange treu blieben, als seine Mittel reichten oder bis ein Reicherer
kam und sie ihrem bisherigen Verehrer abspenstig machte, wobei Kupple-
rinnen die Vermittlerinnen zu spielen pflegten1). Diese, mit den filles entre-
tenues unsrer Zeit vergleichbaren Hetären lernen wir am besten aus den
Gedichten des Horaz und Ovid, des Tibull und Properz kennen; denn die
meisten der von diesen Dichtern besungenen Schönen gehören dieser Gat-
tung an2). Auch diese waren in der Regel Fremde oder Freigelassene;
sie lebten meist allein mit einer Magd oder mit ihrer Mutter3); manche
waren auch verheiratet, doch an nachsichtige Ehemänner. Unter diesen
Mädchen und Frauen gab es welche, die eine gewisse Bildung erhalten
hatten, doctae puellae, die in Litteratur und Musik erfahren waren und
ihren Liebhabern auch eine edlere Art der Unterhaltung gewähren konnten,
als die gewöhnlichen meretrices; manche darunter versuchten sich sogar
selbst in der Poesie4). Treue gehörte freilich in der Regel nicht zu ihren
Tugenden5), vielmehr ist die Habsucht ein bei ihnen sehr gewöhnlicher
Fehler ß).
So gefeiert viele dieser Schönen bei der römischen Jugend aber auch
waren, so sehr ihre Gunst erstrebt, so viel Schätze ihnen auch zu Füßen
gelegt wurden, so standen sie doch in gesellschaftlicher und rechtlicher
Hinsicht auf einer sehr niedrigen Stufe7). Schon daß sie sich, wie oben
(S. 231) erwähnt, durch ihre Tracht von den ehrbaren Jungfrauen und
Matronen unterscheiden mußten, ist ein Kennzeichen dafür8); ebenso
war ihnen die matronale Haartracht (siehe S. 273) untersagt, doch hatten
sich in der spätem Kaiserzeit diese Unterschiede schon vielfach ver-
wischt9). In rechtlicher Hinsicht waren die meretrices infames10), wie die
lenones auch11); sie durften weder Zeugnis ablegen, noch Legate oder
Erbschaften empfangen, selbst wenn sie ihr Geschäft nicht mehr be-
trieben12).
>) Tib.15,48. Ov. met.III5,40.
*) Vgl. die Darstellung bei Paldamüs Rom.
Erotik 45 ff.
3) Man vgl. besonders die Verhältnisse der
DeliaTibulls,z.B.I3,83ff.; 6,57ft.; auchProp.
116,11.
4) Eine solche docta puella war die Ge-
liebte des Properz, Cynthia (mit ihrem eigent-
lichen Namen Hostia), vgl. Prop.I7, 11; III 2
(II11),6; III4 (II13),11; ihre eignen Gedichte
erwähnt Prop.1 2,27; II 3,21.
ö) Die Geliebte des Cornelius Gallus, Cy-
theris (mit ihrem Pseudonym Lycoris), war
nacheinander die Mätresse des Volumnius
Eutrapelus, des M. lunius Brutus, des M.An-
tonius, des Gallus, und diesem auch nicht treu;
vid. Ribbeck Gesch. d. röm. Dichtung II 185. Die
Untreue der Delia wie der Nemesis beklagt
Tibull öfters.
6) So sagt Tib.15, 68 von der Türe der
Delia: plena est percutienda manu; von der
Begehrlichkeit der Nemesis ist II 3. 51 ff.; 4,14
u.s. die Rede; über die Habsucht der Cynthia
klagt Prop. III 8 (II 16), 15 ff. Letztere hatte
übrigens neben ihren guten Eigenschaften (zu
denen Fertigkeit in weiblichen Arbeiten ge-
hörte, 13,41) das Laster der Trunksucht, 119,
21; IV 7 (III 8), 3 f.
7) Es ist bezeichnend, wie sich Cic. ad
fam.IX26,2 bei Paetus deswegen entschuldigt,
daß er bei Volumnius Eutrapelus an einem
Essen teilgenommen habe, bei dem auch dessen
Geliebte Cytheris zugegen war: noti, mehemde,
suspicatus sunt ülam adfore.
8) Außerhalb Roms trugen die meretrices,
um ihr Gewerbe nicht gleich erkennen zu
lassen, statt der kurzen Tunika manchmal eine
tunica talaris, vgl. Afranius bei Non.541,7.
Doch erhielten auch meretrices durch die Ehe
das Recht, eine matronale Stola zu tragen,
Cic. Phil. II 18, 44 ; vgl. Friedländer 1 515.
9) Vgl. Tert. de cult. fem. 12; de pall.4.
10) Quint.VI3,51. Digg.XXII5,3.5.
») Suet. Tib. 35. Digg. XXIII 2. 43. 6 ff.
12) Suet, Dom. 8. Digg. a. a. 0. 2, 43, 4 u. ö.
Vgl. Rein Röm. Privatrecht 142.
24*
372
Zweite Abteilung. Das Leben.
Schließlich mag noch darauf hingewiesen werden, daß an der Abnahme
der Ehen und der Zunahme der Sittenlosigkeit auch das in Italien schon
früh bekannte1), in der späteren Zeit aber immer allgemeiner gewordene
Laster der Knabenliebe2) mit Schuld trug.
Vierter Abschnitt.
Zeitrechnung und Tageseinteilung.
Litteratur.
Ideler Handbuch der mathematischen und technischen Chronologie II 1 ff. : Zeitrechnung der
Römer.
Oettinger bei Pauly III 1455 ff.; 1483 ff.
Becker-Göll II 406 ff.
Marquardt-Mau 250 ff.; 789 ff.
Bilfinger Antike Stundenzählung. Progr. d. Eberh.-Ludw.-Gymn. in Stuttgart 1883.
Bilfinger Die Zeitmesser der antiken Völker. Stuttgart 1886.
Bilfinger Die antiken Stundenangaben. Stuttgart 1888.
Fintan Kindler Die Zeitmesser bis zur Erfindung der Pendeluhr. Progr. v. Einsiedeln 1897.
Ardaillon bei D.-S. III 256 ff. (Litteratur p. 264).
Sowenig man heutzutage von einer allgemein gültigen Art, die Ge-
schäfte und Beschäftigungen des Tages auf bestimmte Zeitpunkte zu ver-
legen, sprechen kann, sowenig ist das für das Leben der Alten oder
speziell der Römer möglich. Die Zeitpunkte des Aufstehens und des
Schlafengehens, der Mahlzeiten, der Arbeit, um von nicht regelmäßigen
Dingen, wie Bad, Siesta, Spaziergängen, Theaterbesuch usw., zu schweigen,
sind von zu vielen und zu mannigfaltigen Voraussetzungen abhängig, als
daß sie sich irgendwie fixieren ließen3). Für den langen Zeitraum der
römischen Geschichte vom Anbeginn der Stadt bis zum Ausgang der
Kaiserzeit natürlich schon gar nicht, denn in den Verhältnissen des Privat-
lebens haben sich ja in diesem mehr als tausendjährigen Zeitraum die
bedeutendsten Veränderungen vollzogen; aber auch für denselben Zeit-
punkt geht es nicht an, denn anders lagen die Verhältnisse in der Stadt,
als auf dem Lande, anders in der Hauptstadt, als im kleinen Municipium,
anders beim Vornehmen, als beim Armen, anders beim Beamten, beim
Militär, beim Rechtsgelehrten usw., als beim Handwerker oder Tagelöhner.
Und ganz abgesehen von diesen prinzipiellen Verschiedenheiten in der
Tageseinteilung ist auch der Umstand einer erschöpfenden Darlegung dieses
Gegenstandes hinderlich, daß uns nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von
*) Vgl. Liv. VIII 28; XXIX 13,10; 42,8.
Dion. Hai. VII 2, 4 ; XVI 4, 2. Val. Max. VI 1, 7
u.9ff.
2) Die scheußlichsten Dinge darin werden
von den Kaisera selber gemeldet. z.B. Suet.
Tib.43. Tac. ann.VI 1. Lampr.Heliog. 5. 1 ; 33, 1 ;
die Ausschweifungen des Caligula, Nero u.a.
sind bekannt. In der Litteratur ist auf Catull,
Martial, Petron und die Priapea zu verweisen.
3) Vgl. Fronto ad M. Ant. de eloqu. 1 p. 141
(Nab.): aliud prandium gubematori commune
et aliud pugili de integris tegoribus. aliud
prandendi tempus, alia lavatio, alius somnus,
alia pervigüatio.
Vierter Abschnitt. Zeitrechnung und Tageseinteilung.
373
sichern und unzweideutigen Nachrichten darüber zu Gebote steht. Wir
können also nur einige allgemeine Tatsachen mitteilen, die im wesent-
lichen den Ausgang der Republik und die Kaiserzeit betreffen und sich
auf das Leben der gebildeten Klassen in diesem Zeitraum beziehen. Da
es sich aber hierbei um Zeitbestimmungen des Tages und der Nacht han-
delt, so haben wir zunächst davon zu handeln, wie die Römer diese zeit-
lichen Termine bestimmten und welcher Hilfsmittel sie sich dabei bedienten.
Die Einteilung des Tages in Stunden x) ist den Römern erst sehr spät,
im ',\. Jahrhundert v. Chr., durch die Einführung der Sonnenuhren, wovon
unten die Rede sein wird, bekannt geworden2). Zur Beurteilung und un-
gefähren Einteilung der Tages- und Nachtzeit mußten bis dahin die Himmels-
körper dienen, am Tage die Sonne, in der Nacht die Gestirne 3); bei bedecktem
Himmel war selbst diese Zeiteinteilung nicht möglich. Den Tag teilte man
ursprünglich in zwei Teile: von Sonnenaufgang bis Mittag, und von Mittag
bis Sonnenuntergang; das ist die Einteilung, die sich noch im XII Tafel-
gesetz ausspricht4). Die Mittagszeit wurde von einem Amtsdiener der
Konsuln ausgerufen, sobald dieser von der Curie aus zwischen den Rostra
und der Graecostasis die Sonne im Meridian erblickt hatte5). Vermutlich
hatte man die Nacht ursprünglich auch so in zwei Teile, vor und nach
Mitternacht, geteilt, aber militärische Rücksichten hatten schon sehr früh
zu einer Vierteilung der Nacht (den vier vigiliae) geführt, deren Trenn-
punkte durch Hornsignale angezeigt wurden15). Infolgedessen wurde es
üblich, auch den Tag in vier gleich lange Teile zu zerlegen7), und dafür
wurden die Bezeichnungen: meine für das erste Viertel von Sonnenaufgang
ab, ad meridiem für das zweite bis Mittag, de meridie für das dritte von
Mittag ab und suprema für das vierte bis Sonnenuntergang üblich8). Als
J) Vgl. darüber Humbert bei D.-S. II 169 ff.
and unten zur Sonnenuhr.
') Wenn die Historiker in Ereignissen, die
vor diesem Zeitpunkt liegen, Stundenangaben
machen, so ist das Uebertragung späterer Ver-
hältnisse auf diese früheren Zeiten.
s) Vgl. die Sternbeobachtung bei Plaut.
Amph. 273 ff.
4) Censor. de die nat. 23, 8 : horarum nomen
tum minus annos trecentos Romae ignoratum
redibile est: nam XII tabulis nusquam
nominatas horas invenies, ut in aliis postea
legibus, sed ante meridiem, eo videlicet quod
partes diei bifariam tum divisi meridies dis-
cemebat. Plinius ist im Irrtum, wenn er VII
212 schreibt: serius etiam hoc (sc. horarum
dbservatio) Romae contigit. XII tabulis orlus
tantum et occasus nominantur, post aliquot
annos adiectus est et meridies, accenso con-
8ulum id pronuntiante, cum a curia inter
Rostra et Graecostasim prospexisset solem;
denn in der Tat kommt meridies als Zeitbe-
stimmung in den XIITafeln vor, vgl. Gell. XVII
2, 10. Scholl XII tab. rel. 1 8 u. 9.
5) Plin. a. a. 0., der hinzufügt: a columna
Maenia ad carcerem inclinato sidere supre-
mam pronuntiavit, sed hoc serenis tantum die-
bus. Letzteres bezieht sich natürlich auf Mit-
tag- und Abendverkündigung. Die Ankündi-
gung der suprema erfolgte aber erst, nach-
dem die Vierteilung des Tages üblich gewor-
den war.
6) Mit der bucina, Liv. VII 35, 1; XXIV
46, 2. Tac. hist. V 22 u. s.
7) Censor. a.a.O. 23,9: alii diem quadri-
pertito, sed et »octem similiter dividebanf.
8) Ebd. 24, 3: seeundum dÜuculum voea-
lur ma»e, cum lux videtur sole (orto); post
hoc ad meridiem ; tunc meridies, quod est medii
diei nomen; inde de meridie; hinc suprema,
qttamvis phtrimi supremam post oceasum actis
esse existimant, quia est in XII tabulis scri-
ptum sie, solis occasus suprema tempSStas esto.
Es geht daraus hervor, daf3 man mit suprema
auch noch eine andere Bedeutung verband;
Bilfinger Stundenangaben 52 ff. weist aus
Varr. 1. 1. VI 5. Censor. a. a. 0. Gell. XVII 2, 10
nach, daf3 in älterer Zeit suprema bei den Ju-
risten einfach „Schluf3 der Verhandlungen"
bedeutete; später, als man den Schluß auf
Mittenachmittag, d.h. die hora nona, verlegte,
bekam es die Bedeutung des letzten Tages-
viertels, was Bilfinger auch aus Tertull. de
ieiun. 2 erweist.
374
Zweite Abteilung. Das Leben.
man die Stundeneinteilung durch Uhren kennen gelernt hatte, fielen di(
Trennungspunkte auf die dritte, sechste und neunte Stunde, und dies*
wurden in Rom ebenso wie im Lager die Vigilien durch Hornsignale ver-
kündet1). Diese Einteilung diente vornehmlich für die Gerichtssitzungen
bei denen der Amtsdiener des Prätors die Hauptabschnitte des Tages ab-
rief, und zwar vor Einführung der Stundenrechnung nach der ungefährer
Berechnung des Prätors2). Für die Nacht gab es im bürgerlichen Leber
noch eine ganze Anzahl von Bezeichnungen der einzelnen Teile, die abei
nicht offizielle waren, weshalb auch in den Angaben darüber keine lieber-
einstimmung herrscht. So findet man vornehmlich acht Teile, von Sonnen-
untergang ab gerechnet: vespera, prima face (auch himinibus accensis), con
cubia, intempesta (bis Mitternacht), mediae noctis inclinatio (oder de medit
nocte), gallicinium, conticinium, dilucidum 3).
Als man nach Einführung der Uhren den Tag in 24 Stunden teilte
unterschied man den bürgerlichen Tag, der von Mitternacht zu Mitternach
ging und für alle geschäftlichen und juristischen Bestimmungen, für Arnts^
antritte, Datierung usw. Geltung hatte, vom natürlichen Tag im Gegensat:
zur Nacht, der von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang ging4). Sowoh
der bürgerliche Tag, wie der natürliche mit der Nacht zusammen, wurder
in 24 Stunden geteilt; allein während die Stunden des bürgerlichen Tages
das ganze Jahr hindurch die gleichen (Aequinoktialstunden) blieben5) unc
nur im Gebrauch der Astronomen waren, waren die Stunden des natür-
lichen Tages wie der Nacht das ganze Jahr hindurch von wechselnde]
Länge und nur an den Äquinoktien in Übereinstimmung mit den Stunder
des bürgerlichen Tages. Daher waren die Tagesstunden im Sommer länger
im Winter kürzer6). Selbstverständlich war das an jedem Orte anders, j(
nach der Polhöhe, was man in Rom anfangs freilich nicht erkannte, da mar
sich der ersten, von Katina in Sizilien eingeführten und für diesen vier Gra(
x) Daß bei Sen. Thyest. 798 nondtim in
noctem vergente die tertia misit bucina Signum
(wobei die tertia bucina die neunte Stunde ver-
kündet) nicht etwa „ Lokalton der griechischen
Heroenzeif, sondern römischen Brauch be-
deutet, erweist Bilfingek a. a. 0. 59 aus Sen.
contr. VII praef. 1, wo es vom Kedner Albucius
heißt: saepe declamante illo ter bucinavit, dum
cupit in omni controversia dicere non quid-
quid debet dici, sed quidquid potest. Er sprach
also oft über 6 Stunden.
2) Varr. 1. 1. VI 89 : accensum solitum eiere
Boeotia ostendit, quam comoediam Aquilii (al.
Attilii, cf. Gell. III 3, 4; Ribbeck Com. Rom. 34)
esse dieunt, hoc versu: tibi primum accensus
clamarat meridiem. hoc idem Cosconius in acti-
onibus scribit, praetorem accensum solitum
esse iubere, ubi ei videbatur horam esse tertiam,
inclamare horam tertiam esse, itemque meri-
diem et horam nonam. Hier sind schon die
Stundenzahlen eingesetzt, die später an die
Stelle der alten Bezeichnungen traten.
3) So vornehmlich Macr. sat. I 3, 12 ff.
Censor. 24, 2 u. 4 ff. Serv. ad Aen. II 268. Fronto
ad M. Caes. II 6 p. 31 (Naber) rechnet : media
nox, gallicinium, conticinium, matutinum, dilti
eulum, antemeridie, meridies, vespera, coneuba
nocte. Andere Ausdrücke sind crepusculun
(auch crepusculum matutinum), lucifer, aurora
albente coelo u. a. m. ; vgl. Serv. a. a. 0. III 587
Varr. 1. 1. VI 4 ff. Isid. V 31. Apul. met. II 25
über die Einteilung überhaupt vgl. Dissen D<
partibus noctis et diei ex divisionibus veterum
Kl. Schriften 130 ff.
4) Censor. 23, 2: naturaliter dies est tem
pus ab exorienie sole ad solis occasum, cuiu.
contrarium tempus est nox ab occasu solis a(
exortum. civiliter autem dies vocatur tempu.
quod fit uno caeli circumactu, quo dies veru
et nox continetur. Ebd. 3: Romani a medit
nocte ad medium noctem diem esseexistimarunt
Varr. bei Macr. 13, 2: homines qui ex medit
nocte ad proximam mediam noctem his Jtori
viginti quatuor nati sunt, uno die nati dieuntw
(auchbei Gell. 1112,2); vgl. Isid. or.V 30,1. Digg
1112,8. Suet. reliqu. ed. Reifferscheid p. 149 ff
■') Galen. VI 405; X 479 K.
6) Daher horae aestivae, Mart. XII 1.4
Veget. r. mil. I 9; horae brumales, Censor. 16, 6
hora hiberna, Plaut. Pseud. 1304.
Vierter Abschnitt. Zeitrechnung und Tageseinteilung.
375
südlicher liegenden Ort berechneten Sonnenuhr ganz unbekümmert bediente;
erst ein Jahrhundert später wurde der Irrtum erkannt1)- So betrug denn
in Rom am längsten Tage, der 15 Stunden 6 Minuten beträgt, die Tages-
stunde 1 Stunde 155/g Minuten, am kürzesten, der 8 Stunden 54 Minuten be-
fragt, nur 444/y Minuten; es war also an jenem die hora tertia (d.h. 8 l In-,
an den Äquinoktien punkt 9 Uhr nach unsrer Zeitrechnung) um 8 Uhr
13 Minuten 30 Sekunden, am kürzesten Tage aber um 9 Uhr 46 Minuten
:»0 Sekunden2). Zur Bezeichnung der Stunden bediente man sich nicht, wie
bei uns, der Kardinal-, sondern der Ordinalzahl, sodaß also hora tertia ■'> Ihr.
fjpra nona 9 Uhr bedeutete3). In den Häusern reicher und vornehmer Leute,
die Sonnen- oder Wasseruhren in ihrem Besitz hatten, war es üblich, daß
ein bestimmter Sklave darauf zu achten und die jedesmalige Stunde laut
auszurufen hatte4). Für die Bruchteile einer Stunde war die Teilung in
Minuten und Sekunden, die ja nur bei der Aquinoktialstunde anwendbar ist.
nicht bekannt5); wollte man einen Teil einer Stunde bezeichnen, so bediente
man sich der gewöhnlichen Bruchformeln, die man zur Zahl der vollendeten
Stunde hinzufügte, also z. B. hon/ quarta et dimidia = 4*/2 Uhr6)-
Von den verschiedenen den Alten bekannten Zeitmessern 7) oder Uhren,
wenn man sie so nennen darf (horologia)*), die freilich das ganze Altertum
') Plin. VII 213. Censor. 23, 7.
'-) Vgl. die Tabellen bei Becker-Göll II
409 f. (nach Ideler Handb. d. Chronol. II 13,
rektifiziert nach Biliinger). Marquardt 257 f.
und Bilfinger Stundenangaben 159.
') Das ist von Bilfinger a. a. 0. 6 ff. un-
widerleglich dargetan worden; vorher hatte man
angenommen, die Ordinalzahl habe dieselbe
Bedeutung wie bei uns, d.h. die hora tertia
Bei die Stunde von 2 — 3, die hora nona von
I. Ausnahmen, d. h. daß die Ordinalzahl
die angefangene oder laufende Stunde bedeutet,
sind ganz vereinzelt, s. Bilfinger 131 ff, nur
die hora prima macht eine besondere Aus-
nahme, da man damit sehr häufig den Tages-
anfang resp. Sonnenaufgang bezeichnet. Selten
sind die Fälle, wo bei Angabe einerTagesstunde
die Kardinalzahl gebraucht ist, wie Mart. VIII
67. 1 . Macr. III 16, 15 ; vgl. Bilfinger 15 ff
4) Mart. a.a.O. luv. 10,215. Sen.dial.X
12.0. Plin. ep. III 1,8. Sid. Apoll. ep.II9,6;
selbst den Göttern wurden so die Stunden an-
gesagt, Senec. frg. 36 Haase. Mart. X 48, 1.
Apul. met. XI 20. Der Protz Trimalchio läßt
die Stunden aber durch einen bucinator aus-
trompeten, Petr. 26, 9. Daher werden auch die
Sklaven befragt, wie spät es sei, Plin. VII 182.
Suet. Dom. 16.
' ) Nach Bilfinger 89 ist die Sexagesimal-
rechnung (die an sich schon den Babyloniern
und durch diese den Griechen geläufig war),
wahrscheinlich zuerst von den arabischen Astro-
nomen angewandt worden. Im Osten findet sie
sich zuerst um 1000 n. Chr.. in der europäischen
Litteratur erst im Ausgang des Mittelalters.
6) M. Aurel bei Fronto ad M. Caes. II 4 p. 29
(Naber). Ueber die in größere Bruchteilung
gehenden Angaben in der Tabelle der Mond-
Auf- und Untergänge, die Cassianus Bassus in
den Geop. I 7 gibt. vgl. Bilfinger 93 ff. (und
N. Jahrb. 1884, 488 ff), dessen Korrektur der
sehr verdorbenen Zahlen Beckii in seiner Aus-
gabe verwertet hat. Ueber die Inschrift von
LamasbainNumidienCILVIII4440,beiderdie
Benutzung der Wasserleitung nach Bruchteilen
von Stunden geregelt ist. s. Bilfinger 103 ff.
J) Von der Bestimmung der Zeit durch
Messen des eignen Schattens nach dem Fuß-
maß, das vielfach als ein in Attika übliches
Verfahren aus Stellen der Komiker erschlossen
wird, findet sich bei den Römern keine Spur,
außer in der Stundentabelle des Palladius, der
am Schlüsse jeden Monats einen Abschnitt
de horis hat, in dem neben den Tagesstunden
bestimmte Zahlen von Füßen, die von 2 — 29
gehen, angegeben sind ; diese Zahlen sind meist
darauf bezogen worden, daß man auf dem
Lande, wie in früher Zeit in Athen, den Brauch
gehabt habe, den eigenen Schatten durch Ab-
schreiten zu messen und darnach die Stunde
zu bestimmen. Diese Deutung, die besonders
Salmasiüs Exerc. Plinian.447 aufgestellt hatte,
wird von Bilfinger Zeitmesser 10 ff. ; 55 ff, :
ders. Stundenangaben 75 ff. verteidigt, von
Becker-Göll Charikles II 322 ff. bezweifelt.
8) In der Regel für Sonnenuhren gebraucht,
so Cic. ad fam. XVI 18,3. Vitr. 1 1, 10; VIII 7
(6), 15 ; IX 8 (7), 1 u. s. Plin. II 187. Aufstellung
von horoloaia wird auf Inschr. öfters als Ver-
dienst von Bürgern erwähnt, vgl. CIL II 1685;
4316: XII 535; 1246;3100; doch können damit
auch Wasseruhren gemeint sein, so z. B. CIL
XII 2522, wo der Stifter nicht nur das Geld
zur Herstellung, sondern auch Mittel für einen
Sklaven, der das horologium bedient, hergibt.
Renovation einer Uhr durch den Staatebd. 1893.
376
Zweite Abteilung. Das Leben.
hindurch ebenso wie im Mittelalter recht unvollkommene Instrumente
waren1), lernten die Römer zuerst die Sonnenuhren (solaria) kennen2).
Doch war es nicht die älteste Art, die damals eingeführt wurde, der sog.
yvwjucov, wobei ein senkrecht in der Erde stehender Stab oder Säule oder
dergleichen Schatten warf, dessen Länge gemessen die jeweilige Tageszeit
ergab3), sondern die vervollkommnetere Einrichtung, bei der nicht die
Länge, sondern die Lage des Schattens die Stunde angibt. Eine solche
Sonnenuhr kam nach den wahrscheinlichsten Angaben4) im Jahr 263 v.Chr.
nach Rom, in welchem Jahre M'. Valerius Messala eine bei der Einnahme
von Katina auf Sizilien erbeutete Sonnenuhr nach Rom brachte und dort
aufstellte. Wie schon oben erwähnt, merkte man nicht, daß die Uhr für
Rom nicht stimmte; erst 164 v. Chr. ließ Q. Marcius Philippus eine richtig
konstruierte Sonnenuhr aufstellen5). Von da ab nahm ihre Zahl sehr
schnell zu, sowohl auf den öffentlichen Plätzen, Märkten usw.6), als auch
in Bädern und Tempeln, in Villen und Häusern7). Da eine sehr beträcht-
liche Zahl von Sonnenuhren, zumal in Rom und Umgebung, doch auch
sonst an den verschiedensten Punkten des römischen Reiches gefunden
worden sind8), so ist deren Konstruktion hinlänglich bekannt, sowie die
verschiedenen Arten, deren man sich bediente. Es gab nämlich drei ver-
schiedene Arten von Sonnenuhren: 1. solche, die für einen bestimmten Ort.
an dem sie aufgestellt werden sollten, berechnet sind, wie jene erste von
Katina war; sie ergaben die je nach der Jahreszeit an Länge wechselnden
Tagesstunden; 2. solche, die für den Gebrauch an verschiedenen Orten, für
Transport und Reise eingerichtet waren und ebenfalls die wechselnden
Tagesstunden anzeigten9): und 3. solche, die die unsern heutigen ent-
sprechenden Aquinoktialstunden anzeigten und vornehmlich astronomischen
*) Bezeichnend dafür ist Sen. lud. 2, 3:
horam non possum certam tibi dicere: faci-
lius inter philosophos quam inter horologia
convenit : tarnen inter sextam et septimam erat.
2) Ueber die Sonnenuhren der Alten ist
außer der oben angegebenen Litteratur vor-
nehmlich zu vgl. Woepcke Disquisitiones
archaeologico-mathematicae circa solaria vete-
rum, Berol. 1842; ältere Litteratur bei Becker-
Göll Gallus II 413 und Ardaillon bei D.-S.
III 256 ff.
3) Ein solcher yvo'jucov war der von Au-
gustus auf dem Marsfeld errichtete Obelisk
(heute auf Monte Citorio stehend), bei dem
Metallstreifen in den ihn umgebenden Stein-
boden zum Messen der Schattenlänge eingelegt
waren, Plin. XXXVI 72. Amm. Marc. XVII 4,12 ;
vgl. Jordan Hülsen Topogr. 1 3, 610 ff Richter
Topogr. 252 mit dem Entwurf der Linien im
Paviment Abb. 26.
4) Die andere Angabe ist die bei Plin.
VII 213, wonach L. Papirius Cursor i. J. 293
v. Chr. die erste Sonnenuhr beim Tempel des
Quirinus aufgestellt hätte. Doch gibt Plinius
auch die varronische Tradition.
5) Plin. ebd. 214: M. Varro primum sta-
tutum in publico (horologitaii Solarium) secun-
dum Kontra in columna traclit hello Punico
primo a M'. Valerio Messala cos. Catina capto
in Sicilia, deportatum inde post XXX annos
quam de Papiriano horologio traditur, anno
urbis ' CCCCLXXXX : nee congruebant ad
horas eins lineae, paruerunt tarnen ei annis
undecentum, donec Q. Marcius Philippus, qiti
cum L. Paulo fuit censor, düigentvus ordinatum
iuxtaposuit, idque munus inter censoria opera
gratissima aeeeptum est. Vgl. Censor. 23. 6 f.
6) Cic. Brut. 54, 200 ; zu Anfang des 7. Jahr-
hunderts d. St. war tarn oppletum oppidum
solariis, Com. bei Gell. III 3, 5 (vgl. Ribbeck
Com. Rom. fr. 33, als plautinisch von Varro bei
Gell, bezeichnet, s. Plauti frgm. bei Ritschl-
GötzIVö, 141).
7) Vgl. Luc. Hipp. 8. Cic. ad fam. XVI 18. 3.
Digg. XXXIII 7, 12, 23. Fundorte von Sonnen-
uhren sowie von Inschriften, in denen die Auf-
stellung von Sonnenuhren oder deren Stiftung
durch private Wohltäter erwähnt wird, s. Mar-
quardt 271 A. 1; 789 A.5; vgl. CIL 1 1166:
II 1685; 4316; III 1070; V 2035; IX 831; X
2324; XII 2522; solaria V 8801; IX 1027.
8) Siehe die Litteraturangaben bei Mar-
quardt 789 ff.
9) Vgl.A.ScHLiEBEN Römische Reiseuhren,
Annal. d. nassauisch. Altert. -Vereins XXIII
(1891)115.
Vierter Abschnitt. Zeitrechnung und Tageseinteilung.
377
Zwecken dienten. Am verbreitetsten war diejenige Form, bei der man in
Nachahmung der Himmelshalbkugel eine ausgehöhlte Halbkugel nahm, auf
der man den Schatten des Zeigers (des gnomon) wandern ließ; diese
Sonnenuhren führten speziell den Namen hemicycliwn l) (vgl. Fig. 56 2)). Im
einzelnen die Konstruktion zu beschreiben, wäre ohne weitläufige mathe-
matische Details nicht möglich und muß daher hier unterbleiben3).
Die Wasseruhren,
mit dem griechischen
Namen clepsydrae ge-
nannt, kamen zuerst
im Jahre 159 v. Chr.
nach Rom4). Hier hat
man zu unterscheiden
zwischen den eigent-
lichen clepsydrae, die
nur einen bestimm-
ten Zeitraum maßen
und die streng genom-
men keine Uhren sind
(so wenig wie unsere
Sanduhren) und den-
jenigen, die die zwölf
Tages- oder Nacht-
stunden in ihrer wechselnden Dauer anzeigten. Erstere sind die bekannten
Zeitmesser, die in Athen schon früh bei Gerichtsverhandlungen zur An-
wendung gekommen waren, die man aber in Rom, wo man dem Gerichts-
redner ebenfalls auf diese Art die Zeit zumaß, erst viel später kennen lernte,
obschon den Zeitpunkt näher zu bestimmen nicht möglich ist6). Diese
mepsydrae waren amphorenartige, nach unten spitz zulaufende Gefäße aus
Ton (in späterer Zeit wohl auch aus Glas6), die unten in einem dünnen
Fig. 56. Sonnenuhr aus Pompeji.
1) Genauer sagt Vitruv, der IX 8 f. (7 f.)
die Konstruktion einer solchen Sonnenuhr be-
schreibt, deren Erfindung man dem Chaldäer
Berosos zuschrieb, ebd. 9,1: hemicycliüm ex-
cavatum est quadrato ad enclimaque succisum,
s. die Erklärung dieses Ausdrucks bei Bilfinger
Zeitmesser 25 f.
2) Die unter Fig. 56 abgebildete Sonnen-
uhr stammt aus Pompeji (nach 0 verbeck 460
Fig.256) und hat eine oskische Inschrift. Die
Höhlung, auf die der Schatten des Zeigers
fällt, ist durch gerade Linien geteilt, die als
Radien in dem Punkt zusammenlaufen, in
dem der Gnomon horizontal befestigt ist. Die
schneidenden Kreislinien beziehen sich auf
die verschiedenen Jahreszeiten und die Länge
des Schattens in ihnen: die oberen Linien be-
zeichnen den Stand der Sonne im Winter, die
unteren den im Sommer.
3) Ich verweise auf die oben angeführte
Abhandlung von Wöpcke und auf Bilfin&er
a.a.O. 23 ff.; für die tragbaren Sonnenuhren
ist zu beachten F. Kenner Sonnenuhren aus
Aquileia20ff., sowie die bei Forbach gefundene,
von Ardaillon bei D.-S.III260 Fig. 3889 ab-
geb. und besprochen (Litteratur ebd.A.5).
4) Plin.VI1215: ScipioNasica coUega Lae-
nati priniKs aqua dirixit horas aequs nocföUm
ac dierunr, idque horologium sub Udo dicavit
anno urhis DXCV. Censor. 23,7.
5) Die Angabe bei Tac. de orat. 38, daß die
Beschränkung der Rededauer i. J. 52 v. ( In
eingeführt worden sei, ist ein Irrtum, wie
Marqüardt 794 darlegt, da von dieser Be
schränkung schon i. J. 70 die Rede ist. Cic.
Verr. act. II, 1 9. 25, ebd. 1 1 , 32 ; vgl. auch pro
Rabir. 2, 6 ; pro Flacc. 33, 82. Es wäre übrigens
denkbar, daß diese sehr einfachen chp&ffdrae,
die den Athenern schon im 5. Jahrb. bekannt
waren, auch nach Rom lange vor 159 ge-
kommen und bei Gericht eingefühlt waren;
denn daß sie erst nach der Einführung der
eigentlichen Uhren in den Gebrauch bei Ge-
richt kamen, wie Marqüardt 794 behauptet,
ist doch nicht erweislich.
6) Siehe Marqüardt 793 A. 2.
378
Zweite Abteilung. Das Leben.
Loch durchbohrt waren, durch welches das Wasser, womit es gefüllt wurde
in einem bestimmten Zeitraum in einen darunter befindlichen Behälter ab
floß1). Das Maß war anscheinend verschieden2); vermutlich waren e
Teile einer Stunde, doch wie sie sich zu den wechselnden Tagesstunde
verhielten, weiß man nicht3).
Was dann die zur Tageseinteilung bestimmten Wasseruhren anlangi
deren Erfindung dem Plato4) und Verbesserung dem Ktesibios von Alexandri
zugeschrieben wird5), so sind wir da, in Ermanglung erhaltener Exemplare
ganz allein auf die Nachrichten der alten Schriftsteller angewiesen6), be
sonders auf die Beschreibungen von solchen bei Vitruv7) und Galen8). Da
Prinzip ist dabei das gleiche, wie bei den oben besprochenen clepsijt/rac
daß nämlich aus einem Gefäß Wasser durch eine enge Öffnung abfließt
nur daß nicht, wie dort, das Ausfließen der vorhandenen Wassermenge de:
Ablauf eines bestimmten Zeitraums angibt, sondern daß dieses Ausfließe:
der Länge des Tages resp. der Nacht entspricht und die jedesmalige Höh
des Wasserstandes im Gefäß die Stunde angibt. Jedenfalls gab es auci
bei den Wasseruhren zwei Arten: solche, die die sich gleich bleibende:
Äquinoktialstunden, und solche, die die wechselnden Tages- und Nacht
stunden anzeigten. Erstere herzustellen war nicht schwierig9), umstand
licher dagegen die Herstellung der zweiten Gattung. Hierfür gab es zwe
Wege: entweder man regulierte den Wasserabfluß, indem man ihn bah
langsamer bald schneller machte; oder man ließ ihn unverändert, bezeichnet
aber dafür die Veränderlichkeit der Stunden durch Skalen, die an der Uh
angebracht waren. Von der ersten Methode kennen wir eine bei Vitru1
beschriebene Vorrichtung, die freilich umständlich ist und auch kaum zi
genauen Resultaten geführt haben kann10). Bei der zweiten, von Galei
beschriebenen Art nahm man für den Behälter, in dem das Wasser langsan
in die Höhe stieg, ein rundes, durchsichtiges, seit Vervollkommnung de:
Glasfabrikation wohl in der Regel gläsernes Gefäß. An diesem bezeichnet«
1) Senec. ep.24,20. Apul. met. III 3.
2) Hin. ep. II 11, 14 erwähnt, er habe zu
den ihm zuerst bewilligten 12 clepsydrae, die
spatiosissimae waren, noch 4 dazu bewilligt
bekommen.
3) Man möchte aber doch als wahrschein-
lich annehmen, daß sie Teile einer festen, z. B.
der Aequinoktialstunde waren, weil nur so die
Möglichkeit unparteiischer Zuteilung gegeben
war (die Athener hatten in der Gerichtspraxis
die Stunden des kürzesten Tages zugrunde
gelegt). Freilich erscheinen bei Mart.VI35,l
schon 7 clepsydrae als reichlich bemessen,
während Plin.a.a 0.16 erhalten hat.
4) Nach Athen. IV 174C.
5) Vitr.IX9 (8), 2. Plin.VII125. Athen.
a. a. 0.
6) Die meist ältere Litteratur über die
Wasseruhren verzeichnet Marquardt 795 A. 7.
7) Vitruv a.a.O. beschreibt die Wasseruhr
des Ktesibios ; eine Erklärung seiner Beschrei-
bung gab Perbault in seiner Vitruv-Ausgabe
(Paris 1684) p. 285 ff., und darauf fußen die
meisten Arbeiten über die alten Wasseruhren
8) Galen. V 82 K. ; ausführlich behandel
von Marquardt Galeni locus qui est de Jwro
logiis veterum emendatus et explhatiis, Goth
1865; verbesserter Text von Sauppe Philologu
XXIII 448 ff. ; vgl. Galeni scripta minora ed
Joann. Marquardt (Lips. 1884) I 63 ff. und fü
die letzte Partie der Beschreibung Bilfingei
Zeitmesser 40 f.
9) „Man durfte nur das reeipierende Ge
faß mit gleichmäßigem Durchmesser konstrn
ieren, die Höhe desselben, bis zu welcher da
dem Nychthemeron entsprechende Wasser
quantum reichte, in 24 gleiche Teile einteile]
und mit Sonnenauf- oder -untergärig das Wasse
laufen lassen, so konnte man durch das Steige]
des "Wassers den Veifluß der Stunden kon
trollieren", Bilfinger38. Wenn auch solch
Wasseruhren nicht ausdrücklich erwälmtwer
den, so haben sie doch im Gebrauch der Astro
nomen sicher existiert.
,0) Vitr. IX 9 (8), 11 f., dazu Bilfingei
38 f.
Vierter Abschnitt. Zeitrechnung und Tageseinteilung.
man durch vertikale Linien die Höhe, die das Wasser am kürzesten und
am längsten Tage und an den beiden Äquinoktien erreichte; indem man
diese Linien in 12 gleiche Teile zerlegte, erhielt man die Stundenskala
für die genannten vier Tage. Um auch für die übrige Zeit des Jahres
die Stundenlänge ablesen zu können, verband man die gleichen Stunden-
punkte der vier senkrechten Skalen durch gerade Linien, die um das
Gefäß herumgehend erst aufstiegen und dann wieder niederstiegen. Freilich
erhielt man so nur eine ungefähre Schätzung der Stundenlänge für die
zwischen jenen vier Jahrespunkten liegenden Tage; aber vielleicht erleich-
terte hier eine am obern Rand des Gefäßes angebrachte Skala für die
einzelnen Tage des Jahres und ein dort angebrachtes verschiebbares Lot
die Feststellung des am Gefäß selbst nicht angebrachten Tagesstriches
und damit die Ablesung der Stunden eben für diesen Tag x). Etwas anders
war die Einrichtung, wenn, wie bei der Uhr des Ktesibios, ein undurch-
sichtiges Gefäß genommen wurde. Man setzte dann auf das Wasser einen
schwimmenden Gegenstand, etwa eine Scheibe aus Kork, die dem Wasser-
stand folgte und irgend einen senkrecht darauf angebrachten Gegenstand
nach oben über dem Rand des Gefäßes erscheinen ließ, der entweder selbst
eine Skala enthielt oder mit einer solchen in Verbindung gesetzt war. Bei
der Uhr des Ktesibios war auf dem schwimmenden Kork eine gezahnte
Stange befestigt, deren Zähne in ein Zahnrad eingriffen; so erhob sich
eine Figur mit einem Stabe in der Hand, die auf eine mit den Stunden-
linien versehene Säule hinwies2). Es gab auch Wasseruhren, bei denen
durch einen besondern Mechanismus die abgelaufene Stunde durch Bewegung
von Figürchen, Herabfallen von Steinchen oder eiförmigen Körpern, durch
einen Trompetenton u. dgl. angezeigt wurde 3).
Gehen wir nunmehr dazu über, auf welche Art sich die Beschäftigungen
des Tages auf die verschiedenen Tageszeiten und Stunden verteilten4).
Die Stunde des Aufstehens war natürlich je nach dem Beruf sehr ver-
schieden. Im Winter, wo die Sonne erst spät aufgeht (am kürzesten Tage
in Rom 7 Uhr 33 Minuten), fingen nicht nur Handwerker, sondern auch
Schullehrer ihre Beschäftigung mitunter schon vor Tagesanbruch an5); daß
Gelehrte in aller Frühe an die Studien gingen, Staatsmänner, Beamte usw.
*) Siehe die schematische Zeichnung bei Vitruv nennt diese Uhren horohffia kiberna
Bilfinger 40 Fig. 7 und ebd. Fig. 8 für die Tages- j oder anafkoHcet.
und Nachtstunden. 4> Eine interessante, obschon nicht voll-
2) Die Rekonstruktion von PfiKRAüLTp.285 ständige Zusammenstellung von der Tagesein-
ist wiederholt bei Ardaillon a.a.O. 262 Fig. teilung eines Römers im 1. Jahrh. n. Chr. gibt
0890. Ueber die Regulierung solcher Uhren , Mart. IV 8; vgl. d.Behandlung dieses Epigramms
durch Drehung der Säule vgl.BiLFiNGEa42. bei Bilfinger Stundenangaben 117 ff. Wieder
3) Vitr.a.a.0.5: item aliae regulae aliaque jüngere Plinius auf dem Lande seine Zeit zu-
Wmpana cd eundem modum dentata una mo- brachte, schildert er ep. IX 36: und Seneca be
tione coacta versando faciunt effectus varie-
tatesque motionum, in guibus moventur sigilla,
tertuntur metae. calculi mit <>r<' proiciuntur,
bucinae canunt, reliquaqueparerga. Ueber eine
besondere Art von Uhr, derenAufzugsmechanis-
nuis schon sehr an unsre modernen Gewichts
schreibt die Beschäftigungen einesTagese|i.^>.
5) Mart. XII 57, 4: neqant vüam \ Judimo-
gistri matte, nocfe pistores: 1X68, 3: HOnthtm
cristati mpere 8Ütniia gaüt: murmure (am
aaevo verberibusque tonas; XIV 223. Ov. am. I
13,17. luv. 7.222. Daß sich alle diese Angaben
uhren erinnert, handelt Vitruv ebd.8ff.in einer nur auf die kurzen Wintertage beziehen, ist
schwer verständlichen Stelle, über die Bil- zwar nirgends ausdrücklich gesagt, aber wohl
finger 43 ff. Klarheit zu verbreiten gesucht hat. selbstverständlich.
380
Zweite Abteilung. Das Leben.
dringende Arbeiten erledigten, war nichts Ungewöhnliches1). Auch die
Klienten, die zur Morgensalutatio bei den Patronen gingen, mußten oft in
finstrer Nacht sich erheben2); und daß die Kinder, die früh zur Schule
mußten, und die Sklaven, die die Hausgeschäfte zu besorgen hatten, früh
aufstanden, ist selbstverständlich3). Aber auch abgesehen davon galt das
bis in den hellen Tag hinein Schlafen (dormire in medium diem) für weichlich
und verwerflich4).
Nach dem Aufstehen folgte das Ankleiden, das für gewöhnlich bei
den Männern wohl wenig Zeit in Anspruch nahm, während freilich die
Elegants, die auf Hautpflege, Haar- und Barttoilette große Sorgfalt ver-
wandten, längere Zeit unter den Händen des tonsor, ciniflo usw. (siehe oben
S. 272) zubringen mochten. Sonst genügte beim Ankleiden wohl die Hilfe
eines Sklaven, der zumal die umständliche und faltenreiche Toga, die man
aber erst zum Ausgang anlegte, anziehen half5). Die Toilette der Frauen
nahm natürlich, schon der kunstvollen Frisur wegen, mehr Zeit in Anspruch,
bis sie aus den Händen ihrer ornatrices6) völlig angekleidet hervorgingen7).
Nachdem der Paterfamilias die Morgenbegrüßung von Kindern und Sklaven
entgegengenommen hatte8), verrichtete er das tägliche Opfer an die Haus-
götter9). Dann erschienen bei Personen von Bedeutung die Klienten, teils
bloß zur pflichtmäßigen Begrüßung, teils um beim Patron in persönlichen
Angelegenheiten sich Rat zu holen; diese Begrüßung (scdutatio) fand in der
Regel während der beiden ersten Morgenstunden statt10). Ob man das
') Cic. ad Qu. fr. III 2, 1 ; parad. prooem. 5.
Hör. ep. 12,35: posces ante diem librum cum
lumine; 111,112: prius orto \ sole vigil cala-
mum et Chartas et scrinia posco. Plin. h. n.
praef. 18. Quint.X3,26f. Fronto ad M. Caes.
IV6p.69(Nab.). Plin. ep. III 5, 8 f. Suet.Tib.
19; Vesp.21. Lampr.Al.Sev.29,5. Amm.Marc.
XVI 5, 4. Auch dies galt vornehmlich von den
Wintermonaten, vgl. luv. 14. 189 f.: at nunc\
post finem autumni media de nocte supinum j
clamosus iuvenem pater excitat etc. Der ältere
Plinius freilich begann seine Lucubrationen,
wie man diese Frühstudien nannte, schon an
den Volcanalien (23. August), Plin. ep. 1115,8.
2) Mart. IX 92, 5 ; X 70, 5 ; XII 18,15; 26, 3 ;
68,1. luv. 5, 19. Sen.dial.X14,4. Stat.silv.VI
9,48.Plin.ep.III12,2FrontoadM.Caes.I3p.6.
Luc. Nigrin. 22.
3) Hör. sat. II 6, 1 10 ff. Luc. de merc. cond.
30; das Zeichen zum Aufstehen wurde in
größern Haushaltungen mit einer Glocke ge-
geben, s. ebd. 24 u. 31.
4) Hör. ep. 1 2, 30; dormire in lucem; ebd.
18, 34. Sen. ep. 122, 1 : turpis qui alto sole semi-
somnus iacet. Gell. Vll (VI) 10, 5: opperiri
prape ad meridiem, donec discipuli nocturnum
omne vinum edormiant; vgl. Pers. 3, 3: ster-
timus, indomitum quod despumare Falernum \
sufficiat, quinta dum linea tangitur umbra.
Doch gesteht auch Horaz sat. 1 6, 122 : ad quar-
tam iaceo (im Sommer, s. ebd. 125), was immer-
hin ziemlich spät ist (am längsten Tage 9 Uhr
29 Min.).
5) Für gewöhnlich leistete die Hilfe beim
Ankleiden wohl der cubicularius (s. S. 44);
ornator kann Marquardt 145 A. 2 als Titel nur
bei Firm. astr. III 6, 9 (ornator deorum) und
CIL VI 8956 (ornator glabrorum, für die Lieb-
lingsdiener) nachweisen. Doch kommt ornator
= xoifitJTrjg Corp. Gloss. II 353, 61 ; III 76, 3 vor.
Für Anlegen der Fußbekleidung (Plin. ep. III
16,8: servulos aliquos, quorum e manu ethum
capiat, a quibus vestiatur, a quibus calci et nr)
waren besondere calceatores da, CIL VI 3939.
6) Suet. Claud. 40. Ov.am.I14.6; a.a.III
239. Corp. Gloss. II 139, 53; 296, 33 u. s.; häufig
auf Inschr., s. Marquardt a. a. O. A. 5. CIL II
1740; VI 8890 ; 8944 ; 9462 ; 9727 ff. ; 33784 u. s.
Vgl. Saglio bei D.-S. IV 239.
7) Vgl.Plaut.Poen.219: ex industria am-
bae numquam concessamus j lavari aut fricari
aut tergeri aut ornari, \poliri expoliri, pingi
fingi; und ebd. 230: numquam lavando et fri-
cando scimus facere metam.
8) FrontoadM.Caes.IV6p.69. Suet.Galb.
4, wo freilich die Sitte, daß die Sklaven dem
Herrn früh guten Tag und abends gute Nacht
bieten mußten, als retus exoletusque mos be-
zeichnet wird.
9) Besonders dem La)- fa miliaris, Plaut.
Aul. 24. Ov. fast. II 631; 635 ff.
10) Nach Mart. IV 8. 1: prima salutantes
atque altera continet (v.l.contcrif) hora. Bil-
finger Ant. Stundenzählung 39 f. hatte hier-
für ebenfalls die obenerwähnte Bedeutung der
Ordinalzahl angenommen, sodaß also der Sinn
Vierter Abschnitt. Zeitrechnung und Tageseinteilung.
381
bescheidene Frühstück, das Ientaculum oder iantaculum1), bald nachdem
Aufstellen oder erst in späterer Stunde nahm, lag selbstverständlich im
Belieben eines jeden; Nachrichten darüber sind spärlich2), die Ärzte emp-
fehlen 3 oder 4 Uhr nach Sonnenaufgang3). Es bestand meist aus etwas
Brot mit Salz oder sonst einem Gewürz4), wozu wohl auch, wie bei den
Griechen ein Schluck Wein genommen wurde5); sonst werden erwähnt
Oliven, Kapern, Milch, Käse, Eier, Honig, Mulsum u. dgl. m.°).
Die Stunden des Vormittags waren nun mit allerlei Beschäftigungen
amtlicher und nichtamtlicher Art, namentlich auch mit Gerichtssitzungen
ausgefüllt7); vornehmlich fielen in diese Zeit die mannigfachen officio pri>
rata, zu denen Hausfreunde und Verwandte sich in den eine Verlobung,
eine Hochzeit, eine Anlegung der toga virilis u. dgl. feiernden Familien ein-
zufinden hatten8). So kam die Zeit für das Mittagsmahl heran. Hier fand
freilich im Lauf der Zeit eine gewisse Verschiebung statt. Ursprünglich
nämlich war die um die Mittagszeit stattfindende Mahlzeit, cena, die
Hauptmahlzeit des Tages, während die minder konsistente Abendmahlzeit
vespernd hieß; als aber das hauptstädtische Geschäftsleben, das sich bis
zur 9. oder 10. Tagesstunde ausdehnte, es unpraktisch erscheinen ließ, die
Arbeit durch eine größere Mahlzeit zu unterbrechen, verlegte man diese
auf den Abend und ließ mittags an ihre Stelle eine Art von zweitem
Frühstück treten, das man prandium nannte, während nun das Abend-
brot cena hieß und der Name vesperna verschwand9). Die Zeit dieses
wäre „ein und zwei Uhr findet die Besucher
an ihrem Geschäft" d.h. das eine Mal brauchte
man zu den Besuchen bis ein Uhr, das andere
Mal bis zwei Uhr. Dem widerspricht Fried-
länder z.d. St., der als Smn annimmt: die
ersten beiden Stunden schließen die Morgen-
besucher in sich, d.h. die Morgenbesuche füllen
diese Stunden aus. Da damals die meisten
Klienten mehrere Patrone besuchten, war die
Besuchszeit vermutlich ziemlich ausgedehnt;
ich halte daher die letzte Erklärung für richtig,
obschon Bilfinger Stunden angaben 121 an der
seinigen festhält.
1) Man leitet das Wort von ieiunium ab,
Isid.XX2, 10: iantaculum est primus cibus,
quo ieiunium solvitur, unde et nuncupatum.
Nigidius: nos ipsi ieiunia iantaculis levibus
solmmus. Vgl. Plaut. Cure. 73. Mail. 1 87. 3 ; XIII
31.1: XIV 223, 1. Suet.Vit.13. Das Verbum
ientare Varr. b. Non. 126, 14, auch ieientore,
ebd. 9 u. 1 3, doch ist ersteres (auch in der Form
iantare) das gewöhnlichere, s. Mart. VIII 67,
10. Suet.Vit.7; vgl. Corp. Gloss.VI 534.
2) Mart. VIII 67, 9 f. besagt nur, daß um
fünf Uhr es längst vorbei war.
3) Galen.VI332f.; 412K.Paul.Aegin.I23.
4) Galen. VI412. Vopisc.Tac.il, 3 ist vom
ientaculum nicht ausdrücklich die Rede, doch
wird die Stelle von Salmasius darauf bezogen.
5) Festus 346. 2: süatum antiqui pro eo
quod nunc ientaculum dieimus appellabant,
quod ieiuni vinum sili conditum (Vgl. Diosc.III
53 (60)) ante meridiem absorbebant. Auch Plaut.
Cure. 72 ff. ist von Wein die Rede ; daher gilt
Fulgent. diff. vocab. 88: ientaculum dicitur </u-
statio sicca nur bedingter Weise.
6) Plaut. a.a.O. Mart. XI II 31 . Galen. VI 332.
Apul. met. 118. Der Kaiser Alexander Severus
nahm als Frühstück nach dem Bade Milch. Brot
und Eier, später noch etwas mulsum (s. o. S. 202) .
Das Frühstück , das sich die Knaben in die Schule
mitnahmen, ist bei Mart. XIV 223 ein frisches
adipatum, d.h. ein in Fettgebackenes Brötchen.
7) Mart. IV 8,2 f.: exereei raueos tertia
causidicos ; \ in quintam varios extendit Roma
labores. Darnach (vgl. Bilfinger Stundenang.
122) begannen die Gerichtsverhandlungen in
der Regel um 3 Uhr, wie auch aus Hör. sat. I 9,
35 hervorgeht; daß sie manchmal auch schon
früher begannen, ist selbstverständlich, vgl.
Ascon. in Cic. Milon. p. 42 Cr. Ihre Zeitdauer
war unbegrenzt, da manche Redner ja 5 — 7
Stunden sprachen (vgl. Plin. ep. II 11, 14; IV
16,2. FrontoadM.Caes.il 14 p. 37; V 59 p. 95).
Die varii labores, die bis 5 Uhr gehen, umfassen
ebenso die officio pricata, wie das prandium.
8) Stat. silv. I 2, 229. luv. 2, 132 f. Sen. de
benef. IV 39, 3. Festus 245 a, 7.
9) Festus 54,4: cena apud anüquo* äice-
batur,quod nunc est prandium ; vesperna, quam
nunc cenam appeUamus; vgl. 223, 5; 338,4.
Wenn also Isid. XX 2, 14 sagt: est antun cena
vespertinus cibus, quam respernam antiqui
dicebant; in USU cnim non tränt prandia, so
heißt das nur, daß der Name ein anderer war.
nicht daß kein prandium genossen wurde.
382
Zweite Abteilung. Das Leben.
prandium war ungefähr die Mittagszeit1), das gewöhnlichste auch wohl
die richtige Mittagstunde, d. h. 6 Uhr2); doch finden wir auch die Belege,
daß man schon eine Stunde früher speiste3), und wer kein ientaculuml
sondern nur ein prandium nahm, sich also mit zwei Mahlzeiten am Tag be-
gnügte4), speiste wohl noch früher5), wie andrerseits manche das prandium
auf eine spätere Stunde verlegen mochten6). Vor 5 Uhr (römisch) ein solches,
meist doch schon reichliches Frühstück, bei dem auch getrunken wurde, zu
nehmen, war Schlemmerei7). Denn man aß zum prandium ziemlich reichlich
allerlei Fleisch8) und Fische9), und zwar sowohl kalt10) wie warm11), dazu
Brot, Käse, Nüsse, Feigen, Oliven 12), und trank dazu mulsum 13) oder Wein 14).
Nach dem prandium war eine Mittagsruhe sehr gewöhnlich15), und
sicherlich schon seit früher Zeit, nicht erst, wie mitunter angenommen
wird, infolge späterer Verweichlichung16); namentlich im Sommer war eine
1) Tac. arm. XIV 2 : medio diel per vinum
et epulas incalescere. Suet. Aug. 78: post
cibum meridianum ; Claud. 34: ut . . . meridie
dimisso ad prandium populo persederet. Plut.
qu. conv. VIII 6, 5 p. 726 E. : xö ö' ugioxov sy.h'jOn
jigävdiov ujiÖ xrjg d'jgag ' evdiov yao xo dei/.iror,
xai trjv /Ltei' ägiozov avänavoiv svöid^eiv. Doch
braucht mit der Mittagsbezeichnung nicht ge-
nau die Mittagstunde gemeint zu sein.
2) Dafür liegen indirekte Zeugnisse vor,
so Cic. ad fam. VII 30, 1, wo es heißt, da der
nur für einen Tag zum Nachfolger des plötzlich
verstorbenen Q.Fabius Maximus ernannte Kon-
sul C. Caninius erst um 7 Uhr antrat: ita Cani-
nio consule scito neminem prandisse; um 7
war also das prandium vorbei. Dann das Epi-
gramm Anth. Pal. X 43: ig <Lgai ßdy&oig ixa-
vwxaxai, a'i de [ist1 avxdg \ ygdfiuaoi detxvv/usvai
ZHQI leyovoi ßgoxoig, mit dem Schol.: öeT
f-iEXQ1 rV$ k'xxng *VS rj^iEQag igyd^eoüai, /.texd 8k
xavxnv in' ägiaxov sgyeadai. Alciphr. III 4 fg.
Bei Mart. VIII 67, 1 : horas quinque puer non-
dum tibi nuntiat, et tu \ iam conviva mihi,
Caeciliane, venis ist ungewiß, ob Caecilianus
zum prandium oder zur cena geladen ist.
3) So ist wohl Mart. IV 8, 4 zu fassen ; er er-
wähnt das prandium nicht, sagt aber dafür : sex-
ta quies lassis, septima finis er it. Da er vorher
5 Uhr als Ende der Geschäfte bezeichnet, 6 — 7
als Zeit der Mittagsruhe, so wird 5 —6 die Stunde
des prandium sein (so Bilfinger 124 ; Mau bei
Marquardt263 A. 6 zieht daraus den Schluß, daß
das2)randium von 6 — 7 gedauert habe). Ferner
Augustin. serm. 345, 5 (vgl. Bilfinger 125).
Anth. Pal. V 183, 6: wgag yag jiefuzxrjg jzdvxeg
äftgoiCoftsda, d.h. zum ägioxov. Auson. ephem.
138: quod cum per horas quattuor \ inclinet
ad meridiem, j monendus est iam Sosias; und
149: Sosia, prandendum est: quartam iam
totus in horam j sol calet : ad quintam flectitur
umbra notam. Von einem ientaculum ist in
seinem Tagebuch freilich keine Rede.
4) Das taten besonders mäßige, hygienisch
lebende Leute, s. die Stellen der Aerzte bei
Mabquardt 264 A. 4.
b) So Sidonius Apollinaris auf Reisen,
epist. IV 8, 3; carm. 23, 487 ff.; dagegen epist.
II 9, 6 nimmt er das prandium um 5 Uhr.
6) Beispiele für 7 Uhr gibt Galen. VI 332 f.
(s.Makquakdt 264 A.3); die Aerzte empfahlen
diese Stunde denjenigen, die zwischen Früh-
stück und Mittagessen badeten. Vgl. auch
Capitol. Clod. Albin. 5, 8.
7) Cic. in Pison. 6, 13 ; Phil. II 41, 104. Sen.
nat.qu.IV13, 6.
*) Plaut. Men. 208 ff. werden Schinken u.
a. genannt; ebenso Cure. 323; Persa. 105. Wild
Mart. 149, 13 f.; Geflügel Hör. sat. II 3, 245.
9) Plaut. Pers. 107 f. Galen. VI 332 f. Bei
Front, ad M. Caes. IV 6 p. 69 (Nab.) besteht das
Frühstück nur aus Brot, Bohnen, Zwiebeln und
Seefisch (maenae).
10) Plaut. Cure. 321 dienen die reliquiai
der cena vom Tage vorher als prandium; vgl.
Persa 105 f.
n) Die reliquiae wurden auch aufgewärmt,
Plaut. Pers. a. a. O. Warmes prandium auch
Poenul. 759; Casin. 159; Bacch. 716. Auson.
a. a. O. 153 f.
12) Weißbrot, Oliven. Käse, Feigen und
Nüsse nebst frischem Wasser bilden das Früh-
stück des Schülers im Colloqu. Monac. 2 (Corp.
Gloss. III 646). Seneca nahm als prandium nur
Brot und getrocknete Feigen, ep. 87. 3. Aber
Mangold, die fatuae betae, sind fabroram jiran-
dia bei Mart. XIII 13,1. Käse von Luna als
prandium für Knaben ebd. 30, 2. Maulbeeren
als Schluß, Hör. sat. II 4,22.
1S) Cic. pro Cluent. 60, 166. Galen. VI 412.
14) Tac. ann. XIV 2. Cic. Phil. a.a.O. Sen.
ep. 122, 6. Bei einem ihm in einem Körbchen
übersandten prandium vermißt Mart. 1X72, 4
die lagona.
15) Catull.32, 10: pramus iaces. Suet. Nero
6. Sid. Apoll, ep. 119, 7. Daß man es sich dabei
bequem machte, zeigt Fronto ad M. Caes. IV5
p. 68 (Naber) : caJceis detractis, vestinwntlx
positis in lectulo ad duas horas commoratui
sum. Vgl. Cens. de fer. Als. 3 p. 224.
1 6) Das behauptete Teuffel zu Hör. sat. 116,
61. Rein zu Beckers Gallus III 228 ; aber s. Mab-
quardt 269, dem Becker-Göll I 83 zustimmt.
Vierter Abschnitt. Zeitrechnung und Tageseinteilung.
383
Siesta, die freilich nicht zu lange ausgedehnt werden durfte1), — Martial
setzt sie auf die Zeit von 6 — 7, also gleich nach Mittag an2), — hygienisch
notwendig3), obschon freilich auch manche sie für nicht empfehlenswert
hielten4). Diese Siesta hieß meridiatio5).
Die Stunden des Nachmittags bis zur cena fanden für die, welche
nicht durch Gerichtsverhandlungen, Beruf oder andere Geschäfte in An-
spruch genommen waren, mannigfache Verwendung, u. a. zum Besuch der
sehr häufigen und geradezu zur Plage gewordenen Rezitationen6), vor-
nehmlich aber für Baden und gymnastische Übungen. Allerdings badeten
viele auch schon vormittags, zwischen ientaeulum und prandhtm 7). und
namentlich taten das die, welche die mit Recht als weichlich getadelte
Sitte hatten, täglich zweimal und selbst noch öfter ein warmes Bad zu
nehmen8). Die Bäder vormittags pflegten aber jedenfalls im Hause oder
in Privatbädern genommen zu werden, denn die öffentlichen Thermen
wurden erst nachmittags geöffnet9) und waren in gewissen Perioden der
Kaiserzeit sogar erst von 8 Uhr ab zugänglich10). Am beliebtesten scheinen
daher 8 und 9 Uhr als Badestunden gewesen zu sein11).
') Suet. Aug. 78: post cibum meridianwn
. . . retectis pedibus paulisper conquiescebat.
Plin.ep. J II 5, 11 von seinem Onkel: deinde
gustabat dormiebatque minimum. Senec. ep.
83, 6 : brevissimo somno utor et quasi int er iungo.
Bid. Ap. ep. II 1, 7: dapibus expleto somnus
meridianus saepe nuttiis, semper exiguus.
•) Siehe oben S. 382 A. 3. Lamprid. Alex.
Sev. 61,3: cum quiesceret post convivium hora
Hei fertne septima.
3) So schon Varro r. r. 12, 6: aestivom
diem si non diffinderem meo insiticio somno
meridie, vivere non possum. Plin. ep. 1X40, 2
berichtet, daß er im Winter den meridianus
wmnus unterläßt; vgl. VII 4, 4. Cic. de div.
II 68. 142 bemerkt: nunc quidetn propter inter-
inissionem forensis operae et lucubrationes
detraxi et meridiationes addidi, quibus uti
(inti'u non solebam.
4) Plaut. Most. 692 ff. sagt zwar Simo von
seiner Frau: prandium uxor mihi perbonum
dedit : \ nunc dormitum iubet me ire, er findet
aber v. 697: non bonust somnus de prandio.
5) Cic. a. a. 0.; das Verbum meridiare
Catull. 32,3. Cels. I 2. Suet.Cal.38; Nero 6.
Corp. Gl. II 368. 8; 111339,22.
6) Ueber diese Rezitationen vgl. beson-
ders Hör. a.p. 472 ff. Sen. ep.95,2. Mart.I63;
III 44: JX 83. luv. 1,1 ff; 3,9u. s.: im allg.
Friedländer Sittengesch. III 372 ff.
7) Bei Plaut. Stich. 533 geht jemand in-
pransus ins Bad, und selbst ein Sklave badet
vor der Mahlzeit, ebd. 668; vgl. Pers. 90. luv.
11.204: iam nunc in balnea salva \ fronte
licet vadas, quamquam solida hora supersit \
ad sextam bezieht sich auf Landleben, zeigt
aber gerade, daß in der Hauptstadt diese Bade-
stunde ungewöhnlich war; daß man hier nicht
notwendig mit Märquardt 270 A. 4 an ein
Hausbad zu denken habe, bemerkt Fried-
länder z. d. St. Alexander Severus badete
nach Lampr. 30, 5 noch vor dem ientaeulum.
Vgl. Märquardt a. a. O. A. 1.
8) Das wird besonders von verschiedenen
Kaisern berichtet, sogar bis zu 7 — 8 mal am
Tage, Lampr. Comm. 11,5; Capitol. Gord. tres
6, 6. Treb. Poll. Gall. duo 17,4 ; vgl. Märquardt
ebd.A.2.
9) Vitr. V 10, 1: maxinte tempus lavamli
a meridiano ad resperum est constitutum. Ge-
wöhnlich wird 8 oder 9 Uhr genannt, so sagt
Mart. X 48, 3 von der octava: temperet haee
thermas, nimtO prior horu rapore j Im/uf et
immodico sexta Nerone calef, d. h. am besten
badet man um 8, um 7 ist noch zu viel Dampf,
um 6 sind die Thermen Neros noch überheiß
(so am besten zu erklären mit Bilfinger 127;
Friedländer z. d. St. faßt es so, daß in der
siebenten Stunde das Schwitzbad, in der
sechsten ein sehr heißes Wasserbad bereit-
stand).
10) Unter Hadrian, Spart. Hadr. 22, 7 : ante
octava m lioruni in pub/ico neminem uisi ae-
g nun lavari passus est. Das hatte aber schwer-
lich Bestand; vgl. Lampr. AI. Sev. 24, 6, wo
aber die entscheidenden Worte verdorben sind:
addidit et oleum luminibus thermarnm, cum
contra et ad nonam (codd. et annonam; Sal-
masius: ad nonam; Gruter: ante nonam non)
ju/ferent et ante solis oerasum clauderentur.
Ueber die Dauer der Badezeit in den Thermen
s. u. Abschn. VI.
n) Die achte oder neunte Stunde ist auch
bezeugt bei Cic. ad Att. XIII 52, 1 (aber hier
außerhalb Roms). Plin. ep. IUI. 8 gibt an,
daß Spurinna im Winter um 9, im Sommer
um 8 badete. Mart. IV 8, 5: suffivit in nonam
nititlis octava palaestris geht auch auf die
Badestunde, da die gymnastischen Uebungen
mit den Bädern verbunden zu werden pflegten
384
Zweite Abteilung. Das Leben.
Ein bescheidenes Vesperbrot, namentlich für ländliche Arbeiter, scheint
die merenda gewesen zu sein1). Allerdings ist die Bedeutung dieses früh
verschwundenen Ausdruckes unsicher: die Späteren, die sich in künstlichen
Etymologien des Wortes ergehen2), haben sie mehrfach mit dem prandium
identifiziert3), und so haben es auch Neuere erklärt4), während andere sie
direkt für identisch mit der cena halten5). Allein zieht man die wenigen
Stellen in Betracht, wo das Wort noch als lebendig erscheint, so wird man
zugeben müssen, daß es weder prandium noch cena bedeutete6), sondern
einen zwischen beiden, aber der cena näher liegenden Imbiß7), anscheinend
einen einfachen, der den Lohnarbeitern auf dem Lande gereicht wurde8).
Für die Abendmahlzeit, die cena, als eigentliche Hauptmahlzeit ist die
neunte9) oder zehnte Stunde des Tages10), jenachdem jemand das Bad,
das vorausging11), genommen hatte, die gewöhnlichste, d. h. man wird sich
wohl dabei, wie mit dem Bade, nach der Jahreszeit gerichtet haben. Aber
Personen, deren Beschäftigung sich noch über diese Zeit hinaus erstreckte,
oder solche, die nur eine frugale und daher kurze Abendmahlzeit zu sich
(über die Ausdrucksweise s. Bilfinger a.a.O.);
auch XI 52,3: octavam poteris serrare : lava-
bimur una. Wer aber die cena später nahm,
verschob auch die Badestunde ; so nennt Mart.
III 36. 5 zehn Uhr: lassus ut in thermas de-
cima vel serius hora \ te sequar Agrippae;
auch X 70, 13: balnea post decimam lasso . . .
petuntur.
x) Vgl. Saglio bei D.-S. III 1823.
2) Meist wird es mit meridies zusammen-
gebracht. Non. 28, 32: merenda dicitur cibus
post meridiem qui datur. Fest. 123, 23 : meren-
dam antiqui dicebant proprandio, quod scilicet
medio die caperetur. Isid. XX 2, 12, der aber
ebd. 3, 3 noch eine andere Ableitung gibt:
liinc et merenda, quod antiquitus id temporis
pueris operariis cibus panis merus dabatur.
3) Festus a. a. 0. ; Marc Aurel bei Fronto
ep. IV 6 p. 69 (Nab.) gebraucht es, als Lieb-
haber von Archaismen, in diesem Sinne : deinde
ad merendam itum. Quid nie censes prandisse ?
Panis tantulum. Da er aber nachher zu einer
Weinlese geht und hora sexta zurückkehrt,
war das, was er merenda und prandium nennt,
sein ientaculum.
4) So Becker-Göll III 321. Lorenz zu
Plaut. Most. 966.
5) Göll bei Becker a.a.O. Marquardt 269.
6) Entscheidend ist dafür Plaut. Vidul.
51 ff., woNicodemussagt: nee mihi nisi uuuiu
prandium quiequam duis \ praeter mercedem,
und auf die Frage des Dinia: Quid merendam?
antwortet: Ne duis, neque cenam. Er verlangt
also außer dem Lohn nur das prandium, aber
weder merenda noch cena.
') Das Fragment des Afranius bei Non.
a. a. 0. : interim merendam oecurro ad cenam
cum veni, iurat, ist nur erklärlich, wenn die
merenda zeitlich der cena nahe liegt Aus Plaut.
Most. 966 geht nur so viel hervor, daß die
Zeit des prandium schon vorüber ist, aber
nicht, daß dies mit merenda identisch sei.
Uebrigens scheint doch auch später, als das
Wort verschwunden war, die Tradition, daß
es zur Abendzeit gehörte, geblieben zu sein;
so sagt lsid. XX 2, 12: merenda est cibus, ijui
declinante die sumitur, quasi post meridiem
edenda et proxima cenae; unde et antecenia
a quibusdam vocantur; und die Glossen er-
klären merenda nicht, wie cena, durch deLtrov,
sondern durch äoioxov 8f.iIivöv (deiXivrj, dsi/.iona
u.dgl.), s. Corp. Gloss.VI 695, was auch wegen
äoiüTov auf einen einfacheren Imbiß deutet.
8) Dafür spricht die zitierte Stelle aus
Plaut. Vidul. sowie Isid.XX3, 3; auch wohl der
Umstand, daß merenda sich in der Bedeutung
Futter für das Vieh findet, Ennius b. Fest. 59,4:
Cyprio bovi merendam, und Calpurn. ecl.5, 60:
verum tibi declivi iam nona tepescere sole in-
cipit et seraeque videbiturhora merendae, wo die
Lesart allerdings unsicher ist (Baehrens PLM
III 92 schreibt iam sera und ineipü atque seri
videbitur hora premendi, mit besseren Hss.).
Sklaven nahmen die merenda auch in irgend-
einer caupona und tranken auch dazu, Plaut.
Most. 966 f.
9) Cic. ad fam. IX 26, 1 : aembueram liora
nona. Hor.ep.I7, 71 : post imnnni venies. Mart.
IV8, 6 : imperat e.rtructos frangere nona toroSi
Das war auch in den Fastenordnungen der
christlichen Kirche die regelmäßige Zeit der
cena, Bilfinger 128. Für Rom ist die nona
im Sommersolstitium 3 Uhr 46 Min., im Winter
2 Uhr 13 Min.
10) Auct.adHer.IV51,64.Mart.VII51,10;
auch 1 108, 9 geht darauf: ipse salutabo deeima,
tesaepiushora, d.h. der Klient will den entfernt
wohnenden Patron lieber zur Zeit der cena
aufsuchen (10 Uhr im Sommer 5 Uhr 2 Min.,
im Winter 2 Uhr 58 Min.).
") Mart. VI 53. 1. Acta fratr. Arv. p. CCIII
Henzen.Plin.ep.IIIl, 8.
Fünfter Abschnitt. Mahlzeiten und gesellige Unterhaltungen. 385
nahmen, mögen die cena meist später angesetzt haben; denn es ist kaum
denkbar, daß man, da nach der cena ja nichts mehr gegessen wurde, von
4 oder 5 Uhr nachmittags ab bis zum nächsten Morgen gar nichts mehr
genossen haben sollte. Freilich pflegten auch bescheidenere Leute die
Ibendmahlzeit auszudehnen und lange bei Tisch zu bleiben1), und es galt
weniger für Schwelgerei, das Mahl bis in die Nacht (die ja im Winter
ohnehin zeitig anbricht) zu verlängern2), als vielmehr mit der cena schon
um Mittag zu beginnen, also prandium und cena gleichsam in eins über-
gehen zu lassen3), was man, da das daran sich anschließende Trinkgelage
zur Hauptsache wurde, ein tempestivum convivium nannte4). Dali man
vor der Mahlzeit Wein trank, kam vor5), wird aber selten gewesen sein.
Fünfter Abschnitt.
Mahlzeiten und gesellige Unterhaltungen.
Litteratur.
BECKER-GÖLLHI311ff.
M.\i;oiardt-Mau 297 ff. (ältere Litteratur ebd. A. 2).
C. M. bei Daremberg-Saglio I 1276 ff.
Mau bei Pauly-Wissowa III 1895 ff.
Wir haben hier vornehmlich von der Art und Einrichtung der Haupt-
mahlzeit, der cena, zu sprechen, die, wie wir gesehen haben, in älterer Zeit
um die Mittagsstunde, später gegen Abend eingenommen wurde. Auf sie
beziehen sich die meisten der uns vorliegenden Nachrichten; denn das
mntaculumw&r überhaupt keine eigentliche Mahlzeit, und auch das pran~
mum, das an die Stelle der mittäglichen cena getreten war, war bei man-
chen Leuten so einfach, daß sie dazu nicht einmal eines Tisches bedurften6);
und auch wenn man etwas reichlicher speiste, erreichte es doch nie die
Länge der cena und bestand nicht wie diese aus mehreren Gängen 7).
') Plin. a.a. 0. 9 von Spurirma, der eine | öetava Marias hihil, wo nicht die frühe Stunde
ci-nn non minus nitida quam frugi liebte: su- der cena, sondern des Trinkens das Anstößige
mit aliquid de nocte, etiam aestate, und von ist.
seinem Oheim III 5. 13: surgebat aestate a cena
luee, hieme intra prima»* noctis; und das war
bei ihm parsimonia temporis.
*) C'ic. Catomai. 14.46 sagt Cato von sei-
nem Aufenthalt auf dem sabinischen Land-
gut: convivium vicinorum cotidie conpleo,quod
ml multam noctem quam maxime possumus
rario sermone produeimus.
Das ist das de die cenare oder epu-
') Ueber tempestivum conririmn und die
Streitfrage, ob man davon ein imiempestivum
zu unterscheiden habe, s.Marquardt300A.1.
Es handelt sich dabei aber immer um größere
Mahlzeiten mit geladenen Gästen, nicht um
das Familienmahl, weshalb auch der Ausdruck
tempestiva cena nicht üblich ist. Vgl. über das
conririmn den nächsten Abschnitt.
6) Plaut. Men. 214.
H
l'iri, Liv. XXIII 8.6: meist freilich auch dies 6) Senec. ep. 83, 6: jxinis dcimlr *fa
vom convivium, daher vom Trinken gesagt. sine mensa prandium, pott quod mm sunt la-
Ter. Ad. 965. Catull. 47. 5 : de die potare, Plaut. vandae manus.
Asin.825. Hör. sat. II 8, 3 : media potare die; 7) Von dieser Einfachheit in der altern Zeit
vgl.carm.I1.19f.; genauer luv. 1,49: exulab ist öfters die Rede. vgl. luv. 11,77; 11, 169 f.
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft. IV. 2, 2. 3. Anfl. 25
386
Zweite Abteilung. Das Leben.
In der älteren, einfacheren Zeit, als noch die Familie des Hausherrn
nach ländlicher, auf dem Lande auch später noch bewahrter Art mit den
Sklaven zusammen das Mahl nahm, war der Ort, wo dies geschah, das
Atrium1); dann muß eine Zeitlang, aus der uns aber bestimmte Nach-
richten nicht vorliegen, es Brauch gewesen sein, die Mahlzeiten in einem
Zimmer des Oberstockes einzunehmen2), bis jedes einigermaßen geräumige
Haus sein eigenes Speisezimmer, nach der Einrichtung triclinium genannt,
erhielt, und manche sogar mehrere derart, für Sommer und Winter be-
rechnet3). Ein anderer Unterschied der späteren Zeit gegen die frühere
ist der, daß die Römer in alter Zeit, wie die Griechen in der homerischen
und später noch, sitzend speisten4). Dann kam, wohl unter etruskischem
oder griechischem Einfluß, es auf, daß die Männer sich lagerten, während
die Frauen saßen5), obschon daneben in gewissen Fällen auch für die
Männer das Sitzen üblich blieb6). Nachdem aber mit dem Liegen bei
Tisch die Buhlerinnen vorangegangen waren7), folgten auch die ehrbaren
Frauen diesem Beispiel8). Dagegen blieb der Brauch, daß die Kinder an
einem besondern Tische sitzend speisten, bis in die Kaiserzeit bestehn9)
und wurde selbst in der kaiserlichen Familie beobachtet10).
Gemeinschaftliche Mahlzeiten, bei denen geladene Gäste zugegen waren
und die daher sich durch größeren Aufwand in Speisen und Getränken,
durch allerlei gesellige Unterhaltungen und Spiele, sowie meist auch durch
ein daran sich anschließendes Trinkgelage von der gewöhnlichen, nur auf
die engere Familie beschränkten cena unterschieden, pflegte man convivia
zu nennen11). An allerlei Gelegenheiten und feierlichen Anlässen zu solchen
gemeinschaftlichen Mahlzeiten fehlte es nicht; wir haben schon der Geburts-
tags- und Hochzeitsmahle gedacht12), von den Leichenmahlen wird noch zu
') Vgl. oben S. 30. Auf dem Lande war
die geräumige culina der gemeinsame Speise-
raum, s. oben S. 70; die Sklaven aßen hier am
Herd, Hör. epod. 2, 65. Sen. ep.47 plädiert da-
für, daß man auch in der Stadt zusammen mit
den Sklaven essen soll, freilich nur mit den
besseren.
*) Das ist nur daraus zu schließen, daß
diese Zimmer im Oberstock den Namen cena-
cula behalten haben, auch als sie längst dieser
ursprünglichen Bestimmung entfremdet waren,
s. oben S. 56.
3) Siehe oben S.45.
4) DasbezeugtnachVarroServ.adAen.Vil
1 76 : maiores enim nostri sedentes epulabantar;
vgl. ebd.I79; 214; 708. Isid. or. XX 11.9. So
läßt auchVerg. Aen. VII 176 u. VIII 179 die Hel-
den sitzen, dagegen I 79 die Götter und 1708
die Karthager mit ihren Gästen liegen.
5) Varro bei Isid. a.a.O.: postea viri dis-
cumbere coejwunt, mulieres sedere, qnia tur-
pis visua est in midiere decubitus. Val. Max.
II 1.2: feminae cum viris cubantibus sedentes
cenitabant.
6) Nach Colum. XI 1, 19 soll der vilicus, der
(intsveiwalter, nur an Festtagen sich lagern.
Der jüngere Cato aß nach der Schlacht bei
Pharsalos nur noch sitzend, als Zeichen der
Trauer, Plut. Cat. min. 56. woraus man wohl
schließen darf, daß dies auch bei Todesfällen in
der Familie üblich war. Auf einem Relief, publ.
von Persichetti R.M. XXIII (1908). 15 Taf.4
ist links ein Mahl (vermutlich Leichenschmaus)
abgebildet, bei dem sechs Teilnehmer um den
Tisch gelagert sind, je zwei auf einem lectus ;
rechts davon ist eine zweite Tischgesellschaft,
die aber um den Tisch herum sitzt: vielleicht
Freigelassene des Verstorbenen, während die
andern die Verwandten sind.
7) Cic.inCatil.il 5, 10; ad fam. IX 26, 2.
Liv.XXXIX43,3. Ov.a.a.I566.
8) Mart.VlI 67,9; XI 23,11. luv. 2, 120;
und vgl. oben S. 364 A. 12.
9) Acta fratr.Arv.27.Mai2l8: pueri.M
in cathedris con.se/crinif et epulaM sunt.
10) Suet. Aug. 64; Calig. 32. Tac. ann. XIII
16.
11) Vgl. Mau bei P.-W. IV 1201 ff. Der Teil-
nehmer am convivium, aber nur insofern er ge-
ladener Gast ist, heißt conviva, der (Gastgeber
dagegen convimtor. Hör. sat. II 8,73. Senec. dial.
V 37,4. Das Zeitwort ist convirere oder convi-
vari.
12) Siehe oben S. 299 u. 357.
Fünfter Abschnitt. Mahlzeiten und gesellige Unterhaltungen.
:;X7
reden sein; auch zu Neujahr gab es solche Mahlzeiten ') und an den mancherlei
Feiertagen des römischen Kalenders2), zumal an den Saturnalien3); ferner
bei Besuch und Ankunft von Fremden4) u. dgl. m. Beim Mahle pflegte
man sich der Triklinien zu bedienen, d. b. der drei, um drei Seiten eines
meist quadratischen, seltner runden Tisches aufgestellten Speisesofas, auf
deren jedem drei Personen sich lagern konnten5) und nach denen die Speise-
zimmer ihren Namen bekommen hatten6). Aber schon ein Mahl, an dem
im ganzen nur drei Personen teilnahmen, war, wenn darunter geladene
Gäste waren, ein convivium, und Varro erklärte, daü die Zahl der Teilnehmer
am besten zwischen drei und neun sich bewege7). Neun war denn auch
die häufigste Zahl8), obschon sie nicht selten überschritten wurde9), auch
ganz abgesehen von großen Festmahlen10), bei denen eine sehr bedeutende
Zahl von Personen bewirtet wurde11); es gab daher auch Speisesofas, die
für mehr als drei Personen Platz boten12), zumal die halbrunden sübudiu1*).
Sank dagegen die Zahl unter neun, so nahmen auf einem lectus nur zwei
Personen oder gar nur eine einzige Platz14).
Bei einer Gesellschaft mit geladenen Gästen15) herrschte inbezug auf
die Plätze, die die Gäste auf den drei Speisesofas angewiesen erhielten, eine
strenge Etikette. Von diesen lecti, die den Tisch von drei Seiten so um-
gaben, daß immer die linke Seite eines lectus (also die, an der die Speisenden
') Lampr. AI. Sev. 37, 6. Augustin. serm.
198,2. Ueber die zu Neujahr üblichen Geschenke
(strenae) vgl. Marquardt 251 ff.
2) Siehe die Aufzählung bei Marquardt
&62.
8) Dazu wurden besonders dieKlientenein-
geladen, vgl. Luc, Cronosol. 17 f.; opist. Saturn.
1.22; 4, 38. Ueber die Saturnalienfeier vgl.
Scheifele bei Pauly VI 824 ff.
4) Eine cena riatica Plant. Bacch. 94; vgl.
101; 536.
~°) Es kam aber auch vor, daß man mehr
Personen auf einem lectus unterbrachte, frei-
lich sehr unbequem, vgl. Cic. in Pison.27.67:
Gh'aeci stipati, quini in lectis,saepe plures; vgl.
Hör. ep. I 5, 29. Andrerseits kann, wenn neun
Personen speisen, kein weiterer Gast Platz
finden bei Plaut. Stich. 487. Das galt aber
wohl nur für die frühere Zeit; bei Petron. 31 ff.
nehmen mehr als fünfzehn Personen am Tri-
klinium Platz (s. Friedländer ebd. S. 221); ein
Speisezimmer in Pompeji hat drei lecti, die
mindestens auf zwölf Personen berechnet sind,
Et. d.i. 1883,80.
6) Siehe oben S. 45.
7) Varr.6. Gell. XIII 11, 2: dieit atdem,
convivarum numerum ineipere oportere a Ora-
tiarum numero et progredi ad Musarum, 1<I
est proficisci a tribus et consistere in novem, ut,
rinn paucissimi convivae sunt, non pauciores
sint, </h<i»i tres, cum plurimi, non plures quam
novem. Schon sechs bezeichnete als Maximum
ein geflügeltes Wort des Kaisers Veras, Capitol.
Ver. 5, 1: Septem convivium, novem rero con-
vicium (wiederholt von Auson.eph. 146). Sieben
siiul bei dem convivium, bei dem Sertorius er-
mordet wird. Sali. hist. frg. III 4; ebensoviel bei
Mart. X48. 6 : acht Mart. 1 99, 14 ; XI V87. Sidon.
ep.111,10.
8) Neun sind beim Gastmahl des Nasi-
dienus, Hör. sat. II 8, 20 ff.; vgl. Plaut. Stich.
487: verum hie aput me cenant alieni novem
(wobei freilich der Wirt sich nicht mitrech-
net); auch die bildlichen Darstellungen von
Mahlzeiten zeigen öfters neun Personen, s.Hel-
big Wandgemälde n. 1481 (abgeb. Niccolini
Case di Pompei 1 1 tav. 3. Daremberg-Saglio I
1279 Fig. 1703); Marquardt 305 A. 2.
ö) Auch die Zwölfzahl war beliebt, Hör.
sat 14.86: aaepe trilms lectis Videos cenare
quaterno*. Suet. Aug. 70. Capitol. Ver. 5. 1. Bei
dem Gastmahl des Trimalchio bei Petron schei-
nen vierzehn Teilnehmer zu sein.
10) So besonders bei Hochzeiten, luv. 2.119.
") Am ärgsten trieben es darin die Kaiser,
nicht nur mit großen Volksbewirtungen, die
hier nicht in Betracht kommen (so die 600 Per-
sonen, die Claudius bewirtete, Suet. Claud. 32),
sondern auch mit Mahlzeiten speziell gela-
dener Gäste; so 100 Personen bei Caligula, Sen.
dial. IV 33,4. Der Speisesaal im palatinischen
Kaiserpalast war ungeheuer groß. vgl. Mart.
VIII 39, 1, Stat.silv.IV2, 18 ff.
12) Vgl. Mau Bull. d. Inst. 1883, 80.
1S) Siehe oben S. 119.
u) luv. 5. 17. Unanständig ist es, wenn
der Wirt die Gäste, etwa Klienten oder Para-
siten, zu mehreren auf einen leetu» plaziert,
selbst aber für sich einen einzigen in Anspruch
nimmt, wie Cic. in Pison. 27, 67. luv. 1, 135.
lb) Die einladenden Sklaven hießen hn-i
tatores, CIL VI 3975: 8857 ff.
OB *
388
Zweite Abteilung. Das Leben.
sich aufstützten, da die Lagerung schräg zum lectus erfolgte) direkt vor der
Tisch sich befand (siehe das Schema Fig. 57)l)i war der links vom lectu\
medius B befindliche A der ehrenvollste, daher lectus summus genannt, währen j
der rechts befindliche C lectus imus hieß 2). Dieselbe Reihenfolge und Benennung
hatten die drei Plätze auf jedem lectus: der linke war der summus, der recht
der imus3). Daher sind besonders der lectus summul
und medius für die Gäste bestimmt, und der erste Plati
darunter der summus locus des summus lectus, währen'
auf dem imus lectus in der Regel der Wirt {dominus com
vivii*) oder magister cenae6)) mit seinen Angehörige]
Platz nahm 6). Die Bezeichnungen für diese Reihenfolg'
sind: supra und infra aliquem accumbere1), oder als su
perior und inferior8). Aber wenn ein Konsul in der Ge
Seilschaft war, so hatte dieser nicht den ersten Platz au
dem lectus summus inne, sondern den dritten auf dem medius, der daher der locu
consularis hieß : ein alter Brauch, dessen Bedeutung nicht mehr feststand9). Wa
also in solchem Fall dieser Platz der ehrenvollste, so scheint der geringste de
liberum locus gewesen zu sein, doch steht nicht fest, wo er sich befand10)
Wir haben noch verschiedene Beispiele solcher Tischordnungen, bei denei
strenge Etikette herrschte und leicht empfindliche Personen verletzt werdei
konnten11), erhalten12); in vornehmen Häusern war ein eigener Sklave als
r *
■
o
• 1
1 2 3 4 Co
1 1 1 , . 1
Fig. 57. Schema des Trikliniums.
') Diese Anordnung der lecti ist die in
Pompeji bei den gemauerten lecti gewöhn-
liche, s. Mau bei Marquardt 303 A. 5 ; ders.
Pompeji 270 Fig. 137 und darnach unsere
Fig. 57. Die sonst häufig abgebildete Auf-
stellung, wobei je ein lectus einer Tischseite
entspricht und die lecti nicht aneinanderstoßen
(s. z. B. Guhl u. Koner Leben d. Gr. u. Rom.4
555 Fig. 446. Schreiber Kulturhist. Bilderati.
Taf. 77,3) ist ungewöhnlich, scheint aber der
von Plut. qu. conv. I 3 p. 619 C gemeinten zu
entsprechen, da dort von dem Winkel die
Rede ist, der zwischen dem zweiten und dritten
lectus gebildet ist und von dem aus Diener,
Boten usw. an den dort Gelagerten herantreten
können.
*) Sali. frg. hist. III 4. Suet. Aug. 64. Sen.
suas. 7, 13. Sen. dial. III 10. 2. Mart. VI 74, 1.
Petron. 38, 7.
3) Plaut. Stich. 493. Mart. a. a. 0. Petr.
a. a. 0.
4) Varr. b. Gell. XIII 11, 5. Liv. XXIII 8, 7.
Cic. in Vatin. 13,31. Petron. 34,5. Non. 281,
14.
5) Mart. XII 48, 15.
6) Plut. a. a. 0. 619 C: zwv SveTv tekivcöv
ajiodedofiEvcov zoig jzagaxs>ckrj^.evoig, i) zoizt) xai
xavzrjg 6 7toä>zog xöizog /Lidhoza zov eozuovzög
eoziv; der Wirt lag also auf dem ersten Platze
des imus lectus. Doch war das natürlich nicht
unverbrüchlich. Bei Nasidienus liegt dort No-
mentanus und Nasidienus auf dem zweiten
Platz, Hör. sat. II 8, 23. Bei dem erwähnten
letzten Mahl des Sertorius (s. S. 387 A. 7) lasen
je zwei Personen auf dem lectus medius um
summus, auf dem imus der Hausherr Perpern;
und zwei geringere Gäste. Neben dem Wir
lag meist seine Frau, manchmal auch stat
deren die Geliebte. Liv. XXXIX 43,3. Cic.ac
fam. IX 26, 2. Sen. contr. IX 25, 2 ; anders Suet
Calig. 24.
') Cic. a.a.O. Sali. a.a.O. Hör. a. a 0
20 ff. Tac. ann. III 14. Suet. a. a. 0. Gell. X 15
21. Serv. ad Aen. II 2. Festus 185 a, 22.
8) Plaut. Most. 43. Sali. a.a.O.
9) Plut. a.a.O. gibt drei Erklärungen, u. a
die, daß es der Platz neben dem Wirt war
vgl. zu der Stelle Becker-Göll 380 ff. Be
Petr. 65, 7 heißt er, da kein Konsul zugeger
ist, locus praetorium.
10) Marquardt 304 A. 3 und Mau bei P.-W
IV 1206 nehmen an, es sei der imus in imt
gewesen; aber bei Petron. 38 sitzt ein anderei
an diesem Platz, der vom libertini locus unter
schieden wird. s. Friedländer zu Petr. cens
Trim.- 238 u. 240. Die sog. umbrae, die vor
irgendjemand zum Mahle mitgebrachten, nichl
speziell geladenen Gäste, hatten wohl kein«
festen Plätze, vgl. Hör. sat. II 8, 22, wo sie
auf dem medius lectus bei Maecenas liegen
der sie mitgebracht hat; ep. 15.28: locus em
et pluribus umbris. Plut. a. a. 0. VII 6, 1 p,
707A.
n) Vgl. Luc. deor. dial. 13, 1; conviv. 13,
Plut. conv. VII sap. 3 p. 148 F.
V2) Das Mahl, bei dem Sertorius 72 v.Chr.
ermordet wurde, Sali. a. a. 0.; die cena des Na-
sidienus, Hör. sat. II 8.
Fünfter Abschnitt. Mahlzeiten und gesellige Unterhaltungen. :;s<.)
nomenclator angestellt, der den Gästen ihre Plätze anwies1), während man
si( li unter guten Freunden zwanglos setzte, wo man wollte2), Bei den runden
Sofas, die selten mehr als acht Plätze gehabt zu haben scheinen3), war die
Reihenfolge eine andere: hier waren die cornua benannten Eckplätze die
ehrenvollsten, und zwar zunächst der rechte, dann der linke; von di<
aus folgten die andern in der Reihenfolge nach rechts hin4). Wenn aber
bei vollbesetzter Lagerstatt noch ein ungeladener Gast erschien, so mußte
er sich mit einem Stuhle begnügen5). Daß das Arrangement des Sigma,
auch die Form des dafür benutzten Speisetisches mannigfache Formen auf-
wies, lehren die Denkmäler der Kaiserzeit6); doch ist der angeblich von
Heliogabal eingeführte Brauch, die Kissen für die Speisenden auf die Erde
zu legen7), wohl nie sehr verbreitet gewesen.
Von den Kissen und Polstern, sowie den Decken und Teppichen, mit
denen die Speisesofas versehen waren 8), ist oben (S. 114 f.) die Rede gewesen.
Da der Speisende auf den linken Arm sich stützte, während er die Füfie
schlag nach hinten ausstreckte, so war für jeden ein besonderes Armkissen
notwendig; wer den linken Eckplatz eines lechis innehatte, hatte außerdem
noch den Vorteil, sich an die hier befindliche Seitenlehne stützen zu können.
f)ie Aufgabe, Tische und Sofas zur Mahlzeit herzurichten, das triclinium
stcntere9), fiel besondern Sklaven zu, den unter einem tricliniarcha stehenden
pricliniarii10).
Die Einrichtung, daß man bei Tische lag, nicht saß, brachte es nun mit
sich, daß auch die Art, die Speisen zu sich zu nehmen, eine andere war,
als die bei uns übliche. Für uns ist der Tisch die Unterlage der Mahlzeit,
auf ihm steht der Teller, auf dem wir uns die Speisen schneiden und von
dem wir essen. Für den Römer dient der Tisch nur zum Hinsetzen der
Schüsseln, aus denen er sich bedient, oder zum Absetzen der leeren, von
denen er gegessen hat; beim Essen hält die Hand des aufgestützten linken
Anns die Speiseschüssel oder den Teller, während die Rechte die Speisen
mit oder ohne Gerät zum Munde führt. Damit, daß man zwar am, aber
nicht vom Tische ißt, hängt es wohl zusammen, daß ein Tischtuch in der
l) Ath. II 47 E. : fisra xavxa uvaareivTsg \ 4) So nach Sid. Apoll, ep. I 11, 10. Auch
y.uTty.'/Jihjtifv wg exaorog ij&sXev, ov jreoifiei- die andern Erwähnungen der cormta gehören
vavzeg dvofiaxkrjToga zov twv dei'jtvcov za!-i-
wjynv. Wenn Klienten zum Mahle geladen
wurden, blieb sogar bisweilen die Auswahl
diesem überlassen, Sen. ep. 19, 11: alioquin
habebis eonvivas, quos ex turba salutantium
nomenclator digesserit; daher auch die Klagen
iiltet die nomenclatoris superbia, Sen.dial.II
14. 1. Eine andere eigentümliche Aufgabe der
Sklaven ewähnt ders. ep. 47, 8: alius, cui con-
rininuii censura permissa est, perstat infelix
et exspectat, quos adulatio et intemperantia
anl gnlae axt linguae revocet in crastinum.
*) Ath a.a.O. Luc. Cronosol. 17. Plut.
qu. conv. I 2 p. 615 C ff.
3) Siehe oben S. 119 A.5; es hängt das
wolil auch damit zusammen, daß die runden
Citrustische keine sehr großen Platten hatten.
Ausnahmen s. Marquardt 307 A. 13. ! 146 A. 10 u. 12.
schon dem Mittelalter an, in dem das runde
Sofa im Gebrauch blieb.
5) Macr. 1 7, 13. Luc. conv. 13.
6) Wandgemälde und Reliefs, s. Mar-
quardt 308 ff.; vgl. auch Nogara Le nozze
Aldobrandine tav. 45 B. G. Rodenwaldt Die
Komposition der pompejanisch. Wandgemälde
(Beil. 1909) 92 Abb. 14.
7) Lampr. Heliog. 25, 3.
8) Bei dem im Colloqu. Montepessul. 12
(Corp. Gl. III 656) besprochenen Mahle sind
die ersten Anweisungen: e.reutite culeitmm,
ponüe pitlrinuni, operite stra</u/<i et uprrtori«,
(/tieite 8COVam, stenu'te trie/inin.
8) Varr. 1.1. IX 9. Cic. Verr. III 25, 61 ; IV
15,33; pro Mur. 36, 75.
°) Häufig auf Inschriften, s. Marquarut
390
Zweite Abteilung. Das Leben.
Regel nicht aufgelegt wurde: es gab nicht einmal einen besondern Namen
dafür1); wurden Tische von den darauf gesetzten Schüsseln schmutzig, so
wischten die Diener sie von Zeit zu Zeit mit Tüchern ab2). Erst in der
spätem Kaiserzeit werden Tischtücher, und zwar von kostbaren Stoffen, bunt
gestickt oder gewebt, mit Streifen von Purpur oder Scharlach, auch mit
Goldwirkereien3), erwähnt; ihre Bezeichnung aber, mantele4), bedeutet ur-
sprünglich ein Handtuch5), wie man es bei Opfern6) und sonst bei Mahl-
zeiten zum Abtrocknen der Hände nach dem Waschen7) benutzte: rauhe,
zottige Leintücher, wie das meist hervorgehoben wird 8). Ursprünglich etwas
anderes, obschon später oft damit identifiziert9), ist die mappa, die etwa
unsrer Serviette entspricht und zum Abwischen von Mund und Händen
beim Speisen dient10), sowie dazu, daß die Gäste bisweilen etwas vom Mahle
darein wickelten, um es mit nach Haus zu nehmen11). Wenn daher auch
der Wirt seinen Gästen in der Regel diese mappae zum Gebrauch bei Tische
lieferte12), so pflegten doch die letztgenanntem Zwecke dienenden von den
Gästen selbst mitgebracht zu werden 13). Diese Servietten, die man wohl auch
') Kostbare Tische, namentlich dieteuern
Citrustische, winden allerdings für gewöhnlich
bedeckt gehalten (so im Kaufladen Mart. IX
59, 7), aber diese Tischdecken (man nahm
dazu gern Fries, gausape, s. oben S. 125) sind
natürlich nicht mit Tischtüchern zu verwech-
seln.
*) Auch dazu wurden Friestücher, in
reichen Häusern sogar purpurne, genommen,
Lucil. bei Prise, p. 870. Hör. sat. II 8. 11.
3)Lampr.Heliog.27,4;Al.Sev.37,2.Treb.
Poll. ({all. duo 16, 3; auch die mantelia Cypria
paria duo bei Vopisc. Aurel. 12, 1 gehören wohl
hierher. Hingegen scheint Mart. XII 29, 11:
attulerat mappam nemo, dum furta timentur ;
mantlle e mensa surpuit Hermogenes, welche
Stelle in der Regel als erste Erwähnung eines
Tischtuchs betrachtet wird (Friedländer z. d.
St. Marquardt312 A.7. Becker-Göll III 387),
sich eher auf Handtücher zu beziehen, die auf
dem Tisch für die Gäste bereit lagen : ein Tisch-
tuch wäre zum Stehlen doch zu groß, auch der
Diebstahl wegen der darauf stehenden Geräte
nicht so leicht gewesen.
4) Neben mantele kommt mantlle, nian-
tela u. a. vor, vgl. Corp. Gloss. VI 678. Hie erste
Erwähnung findet sich bei Lucil. bei Philarg.
ad Geo. IV 377, dann Varro 1. 1. VI 85: mante-
linm ubi manus terguntur.
5) Serv. ad Verg.Geo. IV 376; Philarg. ebd.
377. Festus 133a, 31. Die Glossen erklären es
teils durch zFAoofiaxzoov, yeioo/uayetov oder das
synonyme mappa (s. u.). teils im spätem Sinn
durch KjiiTQajiFCiov, velamina ntensae, mappae
villosae mensales u. dgl., s. Corp. Gloss. a. a. 0.
Vgl. sonst den Artikel mantele von Pottier
bei D.-S. III 1579 ff.
6) Serv. ad Verg. Aen. I 701. Acta fratr.
Arv. 29. Mai 218; 17. Mai 241: vgl. Henzen
p. 16. Ov. fast. IV 933.
-•) Verg. Geo. IV 376 f. : Aen. I 701. Mart.
XIV 138. Vgl. Isid. XIX 26, 6: mantelia nunc
pro operiendls mensis sunt, quae, ut nomen
ipsum indicat, olim tergendis manibus prae-
bebantur.
b) Mart. a. a. O. : villosa lintea. Serv. a. a. O. ;
auch die Glossen heben es hervor. Dagegen bei
Verg. a.a 0.: tonsis mantelia vittis. Auffallend
ist Plin. VII 12, der von skythischen Anthro-
pophagen sagt: cutibus cum caplllo pro man-
telibus ante pectora uti Isigonus {prodidit).
Pottier a.a. 0. 1581 weist mit Recht es ab,
daß Plinius an das Vorbinden von Servietten
denke: die Wilden trugen nur diese Trophäen,
die ihnen als Handtücher dienten, vor der Brust.
9) So erklären die Glossen mantele durch
mappa und letzteres ebenso wie jenes durch
XeiQÖ/uaxTQov u. da;l., s. Corp. Gloss. VI 680.
10) Vgl. Pottier a. a. 0. III 1593 ff. Nach
Quint. I 5, 57 wäre es ein punisches Wort. Die
erste Erwähnung ist Varr. 1. 1. 1X47. Der Sklave,
der sie unter sich hat, heißt a mappis, CIL VI
8891 f.
») Mart. II 37, 7 ; IV 88, 4. Petron. 60, 7;
66, 4. Auch heimlich mitgenommene Lecker-
bissen werden darin eingepackt. Mart. VII 20,
8 u. 13.
12) Hör. sat. II 4, 81 : rilibus in aeopis, in
mappis, in scobe quantus consistit sumptus?
ep. I 5,22: ne sordida mappa conruget naris.
Daß man diese mappae tricliniarea möglichst
als Garnitur, d.h. gleichmäßig beschaffte, zeigt
Varr. a. a 0.: quis facit mappas tricliniarea
non 8imües inter ae? welche Worte Pottier
a. a. 0. A. 4 mit Unrecht auf Draperien des Tri-
kliniums deutet.
u) Daher die Klagen über diebische Gäste,
die die mappa des Hauswirts, als hätten sie
selbst sie mitgebracht, einstecken, Mart. VIII
59,8: XII 29, 1 ff.
Fünfter Abschnitt. Mahlzeiten und gesellige Unterhaltungen.
391
am Halse befestigte1), waren oft mit bunten Streifen und Fransen verziert-),
für gewöhnlich aber wohl nur einfache Leintücher3).
• Was das Eßgeschirr anlangt4), so besaß man einen großen Reichtum
namentlich an Schüsseln, in denen die mannigfaltigen Speisen aufgetragen
wurden. Da waren die patinae oder patellae, tiefe bedeckte Schüsseln, in
denen manche Speisen zubereitet5) und aufgetragen wurden6), oft, zumal
bei Fischen, von riesiger Größe7); man gebrauchte das Wort, wie bei uns
Schüssel, vielfach für den Inhalt8). Ferner die tiefen napfartigen catina
{(■dthii) oder catilli für breiartige Speisen, Suppen, Gemüse u. dgl.f>), die eben-
sowohl als Kochgeschirr dienten10), als die Speisen darin aufgetragen wurden11)
und man direkt daraus aß12). Lediglich zum Auftragen von Speisen aller
Art13) diente vornehmlich die bald flache, bald tiefe, rund oder rechteckig
geformte lanx1*), die besonders zu den Bestandteilen des Silberservices ge-
hörte15) und als wertvolle Gabe ein beliebtes Saturnaliengeschenk war16).
Öfters wird auch die parapsis11) als Servierschüssel für mannigfaltige Ge-
richte erwähnt18); ihre Form ist ebenso ungewiß19), wie die der seltner er-
wähnten gabata20) oder der scidula21).
') So Trimalchio, Petron. 32,2: circa one-
ratas veste cervices laticlaviam imtniserat tnap-
pam fimbriis hinc atque Mine pendentibus.
*) Mart. IV 46, 17: lata variata mappa clavo.
Petron. a. a. 0.
3) Sie gehören daher zu den billigsten Sa-
tin miliengeschenken, Mart. V 18, 1; VII 53,4;
72. 2; X 87, 6.
4) Vgl.BECKEK-GÖLLlII396ff. Marquardt
654 f. : über das Kochgeschirr s. oben S. 154 ff.
Sehr interessant sind die in einem Grabe von
Anxur (Terracina) gefundenen, kleinen Blei-
objekte, die wohl einem Kinde als Spielzeug
dienten und in zierlicher Arbeit Mobiliar (Lehn-
stuhl, dreifüßigerTisch, Kandelaber, Bank oder
Repositorium u.dgl.), sowie Schüsseln, darunter
einige mit daraufliegenden Fischen, in allerlei
Formen (rund, viereckig, muschelförmig etc.),
Schalen u. dgl. m., auch einen kleinen Rost
darstellen, s. Borsari Not. d. seavi 1894, 106 ff.
5) Plaut. Pseud. 840 ; Capt. 846. Plin. XXIII
68. Digg. XXXIII 7, 18, 3; daher so bereitete
Speisen das Beiwort patinarius bekommen,
Plaut. Asin. 180; Men. 102.
6) Plaut, m. gl. 759. Varr. b. Non. 543. 28.
Cic. ad fam. IX 16, 7; ad Attic. IV 8a, 1. Hör.
sat. 118.43; ep.I5.2. Pers.2.42. luv. 3, 261;
6.344. Mart, V 78, 7.
7) Plin. XXXV 163. Suet.Vit. 13. luv. 4,
129 ff.; vgl. Mart. XIII 81. Aber auch ganz
kleine, luv. 5, 85.
8) Senec. ep. 95, 26. Plin. a. a. 0. 162. Val-
gius bei Diom. I 382. Macrob. III 13, 12; oft bei
Apicius 121 ff., wo die betreffenden Gerichte in
einer patina bereitet und aufgetragen werden.
9) Varro 1.1. V 120: rasa in mensa eaca~
ria, ubi ptdtetn an/ iurulenti t/i<i</ ponebant, a
capiendocatinum nominarunt. AuchfürWasser
werden sie benutzt, Varr. r. r. 1 63,1. Va;l. Saglio
beiD.-S. I 971 ff.
10) Cator.r.84; 157,9.
1 >) Hör. sat. I 3, 92 ; 6, 1 15 ; II 2, 39 ; 4, 77.
Pers. 3, 111; 5, 182. luv. 6, 343; 11,108.
Vi) Val. Max. IV 3. 5.
,3) Für warmes oder kaltes Fleisch Hör.
sat. II 4.41. Plaut. Cure. 324; für Gemüse Cic.
ad Attic. VI 1, 13; für Krebse Mart. II 43, 12.
luv. 5, 80; für Obst Ov. ex P. III 5. 20.
14) Mart. XI 31, 19. Digg. VI 1,6; XXXIV
2,19,4; ebd. 31.
,5) Cic. a.a.O. Mart.spect.29,6; VII 72,4;
XIV97.Iuv. 6,204; 11, 218; 12.43.Plin.XXXlII
145. Petron. 31, 10. Treb. Poll. trig. tyr. 32, 6.
Vgl. Pottier bei D.-S. III 925.
16) Mart. VII 72, 4; X 29, 1 ; XIV 97.
17) XJeberdieFormen jiarajisi'siuid jiiii-opxis
s. Bücheler Rh. M. XXXIX (1879) 426. Die
apsis als Schüssel kommt nur Digg. XXXIV 2,
19,6; ebd. 32,1 vor.
)S) Petron. 34, 2; 50,60. luv. 3, 142. Mail.
XI 31, 18. Sid. Ap. ep. II 9, 6 ; für Gemüse Suet.
Galba 12; für Leckereien und kleinere Bei-
gaben kommen die nagoxpldes in griechischen
Quellen vor. s. Ath. IX 367 C ff.; X459C.
Iy) Isid.XX4, 10 bezeichnet sie als vier-
eckig; in den Glossen wird parapsis durch ga-
bata, i-atimnn oder patena erklärt, IV 136,30;
V231.9; sonst meist durch iQvßXta», VII 47.
") Mart. VII 48, 3; XI 31, 18. Isid. XX I.
11; vgl. Saglio bei D.S. II 1428.
21) Mart. VIII 71, 7; als Uvea bezeichnet X I
31, 19 (hiei werden f/aliat ar parapaidesque, Uvea
scutuloe catoeque lancea mitsammeu genannt).
Vermutlich hatten sie oblonge oder Carreau-
form, wie die Muster der veatea aeuhdotoa : denn
von seilt um wird man es ableiten müssen, nicht
von scutra, wieBECKER-GöLL III 397,dadie sett-
tra nach Plaut. Pers. 88. Caecil. b. Non. 134, 15.
Cat. r.r. 157, 11. Serv. ad Ceorg. 1110 ein Koch-,
kein Tafelgeschirr ist; vgl. Corp. Gloss. VII 247.
392
Zweite Abteilung. Das Leben.
Das Material für dieses Tafel- und Speisegeschirr war in den älteren
einfacheren Zeiten und später noch in bescheidenerem Haushalte (und das-
selbe gilt von den Trinkgefäßen, siehe unten) Ton x), manche Schüsseln aber,
zumal auf dem Lande, waren hölzern2). Kostspieliger waren gläserne Ge-
fäße3) oder bronzene4). In der römischen Kaiserzeit aber war in wohl-
habenderen Familien das Tafelgeschirr in der Regel von Silber (aryentum
escarium)6). In der älteren Zeit, noch im 2. Jahrhundert v. Chr., kannte man
diesen Luxus noch nicht: nur das Salzfaß (salinuin), das immer auf dem
Speisetische stand, wie auch das Essiggefäß (acetabulum)6), war silbern, selbst
in bescheidenem Haushalte7), und erbte sich in der Familie fort8). Aber an
Tafelsilber war das frühere Rom so arm, daß einmal die karthagischen Ge-
sandten bei jeder Mahlzeit, zu der sie geladen waren, dasselbe Silber fanden,
das von Haus zu Haus geliehen war9); der jüngere Scipio Africanus hinterließ
nur 32 Pfund Silbergeschirr10). Allein infolge der Eroberung Spaniens mit
seinen reichen Silbergruben, sowie durch die Feldzüge in Kleinasien kamen
ungeheure Mengen des Edelmetalls nach Rom11); in reichen Häusern wurde
die Menge des Silbergeschirrs immer größer, und selbst für Küchengeräte
und zu noch gewöhnlicheren Zwecken wurde Silber verwendet12); von dem
Reichtum und der Mannigfaltigkeit dieser Silbergeräte, sowie von der Kunst
der Arbeit und der vollendeten Technik können die Funde größerer Silber-
schätze, wie besonders derer von Hildesheim und Boscoreale13), einen Begriff
geben, wozu die Nachrichten über den Besitz einzelner Nabobs an Silber-
geschirr weitere Belege liefern14). Viele sammelten alte Silberarbeiten
1) So patinae, Matt. V 78, 7; XIV 114. vgl.
die große patina luv. 4, 133; catina, Cat. r. r.
84. Pers. 5, 182. luv. 6,343; lances, Mart. II
43, 12; paropsides. Mart. XI 27, 5.
2) So catilli lignei, Plin. XXX 54. Val. Max.
IV 3, 5.
3) Suet. Galb. 18. Petron. 50, 7 zieht Glas-
geschirr dem von korinthischem Erze vor.
4) Petron. 50, 6 nennt catitta und paro-
psides aus korinthischem Erz: in Pompeji sind
zahlreiche Tafel- und Eßgefäße aus Bronze
gefunden worden; vgl. auch Fkiedkkichs Ber-
lins ant. Bildwerke II 142 n. 594 ff.
°) Paul.sent.III6.86. Digg.XXXIV2,32,
2; daher die Sklaven ab argento, ad arqentum
u.dgl., CIL VI 3941; 4425; 5185 f.; 5197; 5746
u.s. Vgl.MARQUAKDTl43 A.5. Das Tafelservice
überhaupt heißt minister tum, Paul. a. a. 0.
Lampr. AI. Sev. 34, 1.
6) Das steht auf dem Tische im Colloqu.
Monacense 11 (Corp. Gloss. III 653) : von Silber
Digg. XXXIV 2, 19, 9, und so steht es auch in
den Glossen immer in der Rubrik De argenteis,
Corp. Gloss. III 22,49; 203,26; 324.68. Vgl.
Funck im Philologus LIII (1894) 127. Freilich
hat das Wort seine Bedeutung verallgemeinert,
sodaß überhaupt jedes ö|^a</)orsoheißt,Quint.
VIII 6, 35; vgl. Saglio bei D.-S. I 22. Hultsch
bei P.-W. 1 155.
7) Das safinum und die patera, die Opfer-
schale, sind die üblichen Silbergeräte, Plin.
XXXIII 153. Val. Max. IV4, 3. Liv. XXVI 36, 6.
Vgl. Besnier bei D.-S. IV 1022.
8) Hör. carm. 1116, 14. Pers. 3, 25 ; nur ganz
Bedürfnislose begnügen sich statt dessen mit
der concha salis puri, Hör. sat. 1 3, 14. Dagegen
ist selbst bei Trimalchio die bei Tisch benutzte
Pfefferm ühle (mola piperaria, Caper p. 2239K.)
von Buchsbaum, Petron. 74,5.
a) Plin. XXXIII 143.
,0) Ebd. 141 ; nach Plut. reg. apophth. 199F
hinterließ er 33 Pfd. Silber und 2 Pfd. Gold-
geschirr. Oft berichtet wird die Anekdote, daß
der Censor Fabricius Luscinius (Konsul 282
v. Chr.) den Cornelius Rufinus aus dem Senate
gewiesen habe, weil er Silbergerät im Gewicht
von 10 Pfd (bei Plin. a. a. O. 142 sogar nur
5 Pfd.) gekauft habe, Plin. XVIII 39. Liv.epit.
l.XIV.Val.Max.II9,4.Gell.IV8.7;XVII21,39.
n) Vgl. Friedländer Sittengeschichte III
106 ff.
>«) Plin. XXXIII 140; XXXVII 12. Lampr.
Heliog. 19,3.
13) Der Hildesheimer Silberschatz ist am
besten publiziert bei E. Pernice und F. Win-
ter Der Hildesheimer Silberfund der kgl. Mu-
seen zu Berlin, Berlin 1901 ; der von Boscoreale
von H. de Villefosse in den Monum. Piot Vol. V
(1894). Ueber einen Silberfund von Tarent s. Pa-
troni Not.d.scavi 1896, 376 ff.
u) Nach Plin. XXXIII 143 führte Pompeius
Paullinus, der Schwiegervater des Seneca, als
Feldherr in Germanien i. J. 58 n. Chr. 12000
Pfd. Silber mit sich; dagegen hatte Alexander
Severus bei Gastmählern nicht über 200 Pfd.
in Verwendung, Lampr. AI. Sev. 34, 1.
Fünfter Abschnitt. Mahlzeiten und gesellige Unterhaltungen.
Ißrühmter Meister, die großen Kunstwert hatten1); doch war weitaus das meiste
moderne Arbeit, in einer der vielen dafür bestehenden Offizinen eines Silber-
schmieds gefertigt2). Dabei gaben zumal die reichen Parvenüs mehr auf rechi
großes Gewicht ihrer Silberschüsseln, als auf deren kunstvolle Ausstattung:
ein Gewicht von L00 römischen Pfund (fast 38 Kilogramm) war für eine
hn/.r etwas Gewöhnliches3), es gab aber auch welche von noch viel größerem
Gewicht4). Sonst waren als Verzierungen für Schüsseln, Teller. Schalen usw.
vornehmlich Blattornamente üblich, sodaß man sie sogar nach den dafür
verwandten Pflanzen benannte6). Auch Verzierung mit Gold kam vor6), bei
Trinkgefäßen besonders auch mit Edelsteinen7): dagegen wird ganz goldenes
Eßgeschirr seltner erwähnt 8), und sein Gebrauch war sogar zeitweise verboten9).
Bei größeren Diners, bei denen jeder einzelne Gang aus einer Anzahl
von Schüsseln bestand, wurden diese nicht einzeln für sich hereingebracht,
sondern zusammen auf einem Gestell10), einem sogenannten repoaitorium, das
die Sklaven auf den Tisch setzten11). War der Gang, während dessen sich
die Gäste entweder selbst von den Schüsseln bedienten12) oder von den
Dienern Portionen gereicht bekamen13), zu Ende, so wurden die Gestelle
') Wie weit die Leidenschaft hierin ging,
sagt Plin. a. a. 0. 157 mit den Worten: subito-
qtic ars harr Ha exolevit, ut sola iam vetustate
eenseatur usuque attritis caelaturis sie, ar //-
gura discerni possit, auctoritas constat. Vgl.
Friedländer a. a. 0. 271.
2) Plin. a. a. 0. 139: vasa ex argento mire
inconstantia humani ingenii variat nulluni
(/cHiis officinae <lii< probando. nunc Furniana,
nunc Clodiana, nunc Gratiana — etenim ta-
bernas mensis adoptamus, — ... quaerimus.
3) Schon vor den Bürgerkriegen gab es in
Rom über 150 lances von je 100 Pfd. Silber,
deren Eigentümer deshalb teilweise der Pro-
skription zum Opfer fielen. Plin. XXXI II 145.
Vgl. Lampr. Helios?. 19, 3. Tieb. Poll. trig. tyr.
^2,6
4) Nach Plin. a. a. O. besaß ein Sklave des
Claudius namens Rotundus eine Silberschüssel
von 500, seine Begleiter acht zu 250 Pfd. Es
war üblich, bei den Silbergeräten die Angaben
des Gewichts einzugravieren, s. Petron. 31. 10;
33, 6. CIL 111 4806: phiahi argentea p. II: ebd.
II 2103; wie sich denn solche Gravierungen
audiauferhaltenenSilbergefäßen häufig finden,
s. Friedländer a a. O. 111 u. 146 ff., sowie zu
Petrons Cena Trimalch. 31 S. 222.
5) So die lances fih'catae oder felicatae. Cic.
ad Att. VI 1. 13; parad. I 2, 11. Festus 86, 5;
bei Treb. Poll. Claud. 17, 5 werden genannt:
discus corymbiatus argenteus, lanx argentea
pampinata, patena argentea hederacia. Erhal-
ten«' Beispiele s. Marquardt 696 A. 12.
6) Die sog. chrysendeta, Mart. II 43. 1 1 : 53,
5; VI 94, 1 ; XI 29.' 7; XIV 97; es sind Gefäße
mit Goldrand. V g\. die au reaemble>nata,quae in
apsidibus argenteis essent, Digg. XXXIV 2, 32,1.
7) Die gemmata rasa, Treb. Poll. a. a. O.
und Gall. duo 16, 4. Mart. XIV 109; vgl. Plin.
XXXIII 5; XXXVII 14. Daher Sklaven aha uro
gemmato CIL VI 8734 ff.
8) Auruiu i'scariuiu. CIL VI 8782; aurro
supellex, Sen. ep. 87,7. Manil.V293. Fronto
ad M. Caes. 1 7 p. 18 (Naber). Dagegen war es
bei Trinkgefäßen häufiger, s. unten.
9) Durch Tiberius, I ac.ann. 1133: dagegen
gestattete Aurelian den Gebrauch des Goldes
für Gefäße und Becher. Flav.Vop. Aur. 46, 2.
Von Alexander Severus aber heißt es bei Lam pr.
34,1: in convivio aurum nescit.
10) Siehe den Artikel von Saglio bei D.S.
IV 839; was aber hier Fig. 5924 f. als reposi-
toria abgebildet ist, sind gewöhnliche Tische,
die auf dem Boden stehn.
n) So kommt bei Trimalchio Petron. 33,3
schon während der gustatic ein repotüorittm
cum corbe; beim ersten Gang 35.2 ein rotun-
ilnm reposüorium, dessen oberer Teil abnehm-
bar ist, 36, 1 (solche mit mehreren Stockwerken
meint Plin. XXXIII 140: iam vero et menaas
reposüoriis imponimua adsustinenda obsonia);
dann kommen andere: 40, 3 eins, auf dem
ein ganzer großer Eber liegt; 49, 1 eins mit
einem sehr großen Schwein; 60, 4 eins mit
Kuchen. Griech. heißt das reposüorium tga-
rmx£, Corp. Gloss. III 321, 26. Nach Plin.
XVIII 365 bedeutete es schlechtes Wetter, wenn
die Schüsseln einen feuchten Eindruck auf den
Repositorien zurückließen.
vi) So Petron. 60, 5; das nennt Plut. qu.
conv. II 10 p. 642F.: ix xotvov dsutrstr.
l3) Petron. 33,4, wo es aber durch die ver-
zwickte Art, die (scheinbaren) Eier zu ver-
stecken, motiviert ist; ähnlich 40, 7 f. Doch
tadelt Mart. VII 48 nicht, wie Marquardt 321
A. 6 meint, das Herumreichen der Portionen
als schlechte Sitte, sondern daß die Speisen
präsentiert werden [tranacttrruni gabatae vo-
lantqut Innres), anstatt daß die Schüsseln auf
dem Tisch stehn.
394
Zweite Abteilung. Das Leben.
fortgetragen x) und neue gebracht. Dasjenige Gestell, auf dem die Vorspeisen
(gustaüo, promulsis, siehe unten S. 397 f.) hereingebracht wurden, hieß danach
auch gustatorium2) oder promulsidare*). Diese Aufsätze waren in älterer Zeit
von Holz, später reich verziert mit Silber, Schildkrot u. dgl.4). Auch figürliche
Tafelaufsätze, wie sie bei uns vorkommen, waren den Alten bekannt5).
Was die beim Speisen benutzten Instrumente betrifft, so aßen die Römer
so wenig wie die Griechen mit Messer und Gabel, was bei der Sitte, bei
Tisch zu liegen, auch gar nicht ausführbar gewesen wäre. Feste Speisen,
besonders Fleisch, bekam daher jeder Gast schon zerschnitten. Das geschah
in der Regel wohl schon draußen in der Küche; wenn aber, wie es bei Gast-
mählern üblich war, der ganze Braten, z. B. ein Eber, ein Hase, Geflügel usw.,
auf den Tisch kam, dann tranchierte ihn ein damit vertrauter Diener, der
strudor6). dessen Amt überhaupt das Anrichten der Speisen war7); oft
auch gab es dafür unter den Sklaven einen eigenen Zerleger, der scissor*)
oder carptor9) hieß. Man verlangte von einem solchen nicht nur absolute
Sicherheit und Geschicklichkeit im Tranchieren, sondern auch Eleganz und
zierliche Bewegungen10). Die Essenden führten die Speisen vielfach mit den
Fingern zum Munde 1 l) ; der Gebrau ch von Messern l 2) oder Gabeln 1 3) ist nirgends
J) Plin. XXVIII 26. Petron. 34, 1; 39, 1.
Hör. sat. II 8, 10.
2) Petron. 34, 1. Mart. XIV 88. Plin. ep.
V6, 37. Corp. Gloss.VI507.
3) Petron. 31, 9. Digg. XXXIV 2, 19, 10.
CIL X 1598: promulsidaria arqentata.
4) Plin. XXXIII 146: Cornelius Nepos tra-
dit, . . . repositoriis argentum addi sua memo-
ria coeptum. Fenestella . . . ait et testudinea tum
in usum venisse, ante se autem paulo ligyiea,
rotunda, solida nee multo maiora quam mensas
fuisse, se qiiidem puero quadrata et vompaeta
aut acere operta aut citro coepisse, moxadditiun
argentum in anqidos lineasque per c&mmissuras.
Schildkrot auch Mart. XIV 88; nach Plin. IX
39 zuerst von Carvilius Pollio eingeführt.
D) Bei Petron. 31, 9 steht auf dem Speise-
brett ein Esel aus korinthischem Erz mit einem
Quersack, dessen eine Seite grüne, die andere
schwarze Oliven enthält; ebd. 36, 3 sind an den
Ecken des Speisebretts vier Marsyasfiguren, aus
deren Schläuchen Sauce über die Fische fließt.
6) Seine Tätigkeit schildert luv. 11. 136 ff.,
woraus auch hervorgeht, daß es eigene Lehrer
in der ars scindendi gab, vgl. 5, 120; man
lernte die Kunst an hölzernen Modellen (ulmea
cena, luv. 11,141). Das ferrum struetoris Mart.
X 48, 15.
7) Petron. 35, 2. luv. 7, 184. Lampr. Heliog.
27, 3. Iul. Capit. Verus 5.2; vgl. Serv. ad Aen. I
704 : struere ordinäre, conponere, unde et stru-
ctores dicunturferculorum conpositores. Häufig
auf Inschriften, vgl. Marquardt 146 A. 13.
8) Petron. 36. 6; öfters spricht Seneca von
der ars scindendi, s. dial. VII 17,2; X 12,5;
ep. 47, 6.
s) luv. 9, 1 10 ; carperes. v. a. scindere, Mart.
III 13, 1 ; hei Petron. 36 heißt der scissor, dem
Trimalchio sein carpe carpe zuruft. Carpus.
Auch lacerare kommt dafür vor. Petron. 36, 6;
40,5; 74,5.
10) Sen. a.a.O. luv. 5, 120: struetorem. in-
terea . . . saltantem spectes et chironomunta
volanti j cultello; bei Petron. 36. 6 tranchiert
der scissor unter Musikbegleitung.
11) Bezeichnend ist Ov. a. a. III 755: carpe
eibos digitis: est quiddam gestus edendi; ora
nee inmunda tota perimge manu. Man zerklei-
nerte also die Speisen noch mit den Fingern.
So wird Mart. III 67, 1 f. ein heißer Kuchen und
V 78, 6 f. ein Kohlstengel mit den Fingern ge-
gessen.
u) Man bezieht mehrfach (vgl. Marquardt
314 A. 4) Varr. b. Non. 195, 15: noctu eultro
coquinari se traiecit ; nondum enini invecti erant
cn f teil i empaestei(E/u.jiatoToiBüche]ei) eßitli g » in
darauf, daß hier die Einführung der Tischmesser
aus Bithynien bezeugt sei; doch bemerkt Göll
bei Becker a. a. O. ganz richtig, daß man hier-
bei nicht an solche zu denken brauche. Ueber
erhaltene Messer, diein römischen Funden nicht
selten sind, s. ebd., auch S. Reinach bei D.-S.
I 1582 ff.
13) Gabeln finden sich unter alten Funden
zwar auch, doch ist ihre Bestimmung als Tisch-
gabeln sehr unsicher, vgl. Marquardt 316 f.
Das gilt auch von den zierlichen Silbergabeln,
die Castellami im Bullet, municipale II (1874)
tav. 9 publizierte und der Zeit der Antonine zu-
schrieb, die aber überdies hinsichtlich ihres
Altertums sehr verdächtig sind, s. Mau bei
Marquardt 317 A. 2. Ueber Funde von Gabeln
auf der Saalburg s. Jacobi Römerkastei] Saal-
burg 439 f. Bekanntlich ist der Gebrauch der
Gabel bei Tisch in Europa erst im späten Mittel-
alter nachweisbar, s. Marquardt a. a. O. und
zur Geschichte der Gabel Beckmann Beitr. z.
Gesch. d. Erfindungen V 287 ff.
Fünfter Abschnitt. Mahlzeiten und gesellige Unterhaltungen. ;',m;,
direkt bezeugt; nur zum Zerschneiden des Obstes scheint man sich besonderer
Messer aus Knochen bedient zu haben1). Dasjenige Gerät aber, mit dem
man am gewöhnlichsten aß, war der Löffel, ligula*) und cochlear*). Nach
der heut allgemein angenommenen Unterscheidung4) war die ligula ein
iröfierer, unsern heutzutage gebräuchlichen ähnlicher Löffel, wie man solche
in Pompeji und anderwärts aus Silber,
Bronze. Eisen, Hörn und Knochen gefun-
den hat (vgl. Fig. 58), darunter hübsch
gearbeitete Stücke, deren Griff in einen
Tierfufä ausläuft5). Von solchen Löffeln,
mit denen man Suppen und Speisen in
Brühe u. dgl. ate6), waren leichte sil-
berne Exemplare beliebte Saturnalien-
geschenke7). Dagegen war das cochleare,
das seinen Namen vom Gebrauch beim
Schneckenessen hatte8), kleiner und
leichterundhattebesondereForm9):der
Löffel, der bei der ligula tiefer und oval
ist . ist hier flacher und kreisrund, wäh-
rend der Stiel in eine Spitze ausläuft 10).
Diese Spitze diente zum Offnen von
Eiern, sowie beim Essen von Muscheln11). Auch diese Löffel waren, wenn
silbern, häufige Saturnaliengeschenke12). Als Tischgerät ist dann auch der
Nußknacker, nucifrangibula1*), zu erwähnen.
Die Aufwartung und Bedienung beim Mahle lag vornehmlich den Sklaven
des Hausherrn ob. Bei großen Mahlzeiten war die Oberaufsicht über die
ganze Anordnung in den Händen des triclittiarch«14), dem die andern
Fig. 58. l.üll'ol ans l'ompeji.
>) Colum.XII 14; ebd. 47. 4; vgl.Plin.XIl
115. Bei der im Colloqu. Montepessul. 17 ge-
schilderten Mahlzeit (Corp. Gloss. III 658) be-
kommt man zu den Rettichen ein Messer. Die
Bernsteinmesser zum Zerschneiden der Pilze,
Plin. XXII 99, dienten in der Küche.
2) Vgl. darüber die Abhandlung von Pa-
gano La ligula. Napoli 1836, und Thedenat
bei D.-S. III 1253 f. Die Nebenform lingula ver-
wirft Mart. XIV 120 als nur von indocti gram-
matici gebraucht; gebräuchlich scheint eben
beides gewesen zu sein (vgl. Corp. Gloss. VI
648), während die Zunge am Schuh in der Regel
lingula hieß. vgl. Fest. 116, 12.
3) Vgl. Saglio bei D.-S. I 1246. Mau bei
P.-W. IV 156.
4) Besonders durch Becker a. a. 0. fest-
gestellt,gegenüberderverfehltenUntersuchung
von Pagano.
5) Abbildungen bei Thedenat a.a.O. Mar-
quardt 314. Museo Borbonico X 46 (darnach
unsere Fig. 58). Mau Pompeji 397 Fig. 222 n,v.
Heron de Villefosse Tresor de Boscoreale
(Monum. Piot V) 114, 61 f., pl. 38, 2 f. Jacobi
a. a, 0. 440.
6) Cat. r. r. 84. Mart. VIII 59, 7.
7) Mart. V 18, 2: 19, 1; VIII 33, 22; 71,9;
XIV 120.
8) Mart. XIV 121.
9) Das ist konstatiert durch das pompe-
janische Wandgemälde bei Helbig Wandgem.
n. 1668, wo zwei Eier, ein Eierbecher und dar-
über zwei gekreuzte cocJih>ti r/o abgebildet sind.
10) Abbildungen a. a. 0. und bei Saglio
Fig. 1688 f.
n) Daher Mart. a.a. O.imm eoehleishabüis,
sed nee minus utüis Ovis. Vgl. Plin. XXVIII 19.
Petr. 33, 6. Die spätere Zeit scheint den Unter-
schied nicht mehr gekannt zuhaben, die Glossen
a. a. 0. erklären ligula ebenso durch ftvargcv
oder uvorolov wie durch y.(>y/.t<T>or;.
12') Mart. a a 0.. ferner VIII 33, 24 ; 7 1 . 1 0 ;
an einem Exemplare findet sich eine griechische
Inschrift, die auf diese Bestimmung bezogen
wird, s. Antiqu. du Bosph. Cimmer. pl. 30. 5, doch
ist das, da es dem 3. Jahrh. v. Chr. angehört.
unwahrscheinlich.
13) Plaut. Bacch. 598.
14) Petron. 22, 6, wo er auch für die Be-
leuchtung sorgt; öfters auf Inschriften, CIL
III 536 (ein Freigelaßner. der zugleich noch
eine Menge anderer Hausämter hat) : VI 1884
396
Zweite Abteilung. Das Leben.
Bedienenden untergeordnet waren1). Den strudor oder scissor haben wir
schon erwähnt. Die aufwartenden Diener, die die Speisen, wenn das nötig
war, herumreichten2), hießen ministri oder ministratores3), die den Wein
einschenkenden vini ministri*), servi a poticneb), a lagona6), a cyatho1) oder
pincernae8). Alle diese trugen öfters die gleiche Tracht und waren hübsche,
glattwangige Burschen (daher auch glabri genannt9)), sorgfältig frisiert,
mit zierlich arrangierten und gebrannten Locken10). Die Bedienung mußte
in größter Stille, ohne Sprechen oder sonstige Geräusche, besorgt werden11).
Vorkoster, praegustatores, gehörten vornehmlich zur kaiserlichen Tafel12).
Das Abräumen der Tische und Reinigen des Bodens besorgten die analectae13).
Zu diesen Sklaven des Hausherrn kamen aber bei größeren Diners noch die
der Gäste hinzu, denn es war üblich, daß man sich von seinem Sklaven
begleiten ließ, der während der Mahlzeit zu Füßen seines Herrn (daher der
Ausdruck ad pedes) zu stehen oder zu sitzen pflegte )4). Diese Sklaven nahmen
die vom Herrn abgelegten Sandalen in Verwahrung15), leisteten ihm während
des Mahles kleine Dienste16) und trugen die apophoreta (siehe unten) oder
ist er zugleich a potione item a layuna; ebd.
9083. Vgl. Friedländer Sittengesch. I 171.
Später auch architricliuus, Corp. Gloss. III 489
(wo es aber unrichtig als princeps convivan-
tium erklärt ist); ebd. IV 406. 12; V 1683 als
maior domus.
') Die Inschriften Orelli2884 (CIL VI 943 *)
und 6367 (XIV 164*) mit servi triclinarii sind
falsch. Bei Plaut. Pseud. 162 kommt ein lecfi-
sterniator vor. der das Silbergeschirr zu reinigen
und aufzustellen hat. Auf einem römischen
Wandgemälde sind servi triclinarii in weißen,
hochgeschürzten A ermeltuniken abgebildet.mit
Servietten oder Tüchern in den Händen, bei
ihnen der tricUniarcha mit einer Gerte, s.Mar-
chetti Not. d. scavi 1892, 45.
2) Petron.33,4:40.7.Lucian.ep.Saturn.22.
3) Petron. 31, 2 ; 40, 1 ; auf Inschr. CIL VI
8914 ff.; 9635 ff. u. ö.
4) Sen. ep. 47, 7 : diese jungen hübschen Bur-
schen gingen oft in weibischer Tracht einher
und waren daneben die Lustknaben des Herrn :
in cubiculo rir, in ronvivio puer est. Auch po-
culi minister, CIL IX 1880.
5) CIL VI 1884.
6) Ebd. III 10186.21; VI 8866.
7) Ebd. VI 3963: 8815 ff. ; auch a caliculis,
Corp. Gloss. V 615. 20.
8) CIL VI 9798. Corp. Gloss. V 233,26. Ueber
ihr Aeußeres vgl. Hör. carm. I 29, 7 : puer quis
ex aula capillis j ad cyathum statuetur unctis
(so ad cyathum stare, Suet. Caes. 49). luv. 9, 46 :
tenerum et puerum te et pulchrum et dignum
cyatho. Cic. de fin. II 8, 23. Plut. Cato mai. 4.
Luc. Gall. 11.
9) Catull.61,135. Phaedr.lV5,22. Sen.
dial. X 12.5: epist. 47, 7. Inschriftl. ornator
glabrorum, CIL VI 8956; glaber a cyato, ebd.
8817 '; paedagor/us qlabrorum, Not. d. scavi 1899,
78n.51.
10) Sen. ep. 119, 13: quaeris, quali mensa,
quali argento, quam paribus ministeriis et lae-
vibus adferatur etbus? Vgl. ebd. 14. Mart. II
57,5; 11158,31; XII 70.9. Petr.27, 1; 57,9;
70,8. Apul.met.II19. Phil.vit.cont.6p.479M.
Daher waren tonsi ministri ein Zeichen der Ein-
fachheit, Mart. X 98, 9; XI 11, 3; Xll 18, 25;
XIV 158, 1.
n) Sen. ep. 47. 3: infelicibus servis movere
labra ne in hoc quidem, ut loquantur, licet, virga
murmur omne conpescitur, et ne fortuita qui-
dem verber ibus excepta sunt, tussis, sternumen-
ta, sinyultus. Daher sind die ewig singenden
Sklaven beim Mahle des Trimalchio um so lä-
cherlicher, Petron. 31, 4 f.
'») CIL VI 9004 f. Tac.ann.XII 66; XIII
16. Suet. Claud. 44; doch auch sonst in vor-
nehmem Hause, Plin.XXI 12. Dasselbe ist wohl
der gustator CIL XII 1754.
1 3^ Mart. VII 20, 1 7; XIV 82,2; übertr. Sen.
ep. 27, 7.
14) Ad pedes stare, Petron. 58, 1. Sen.de
benef. 11127,1; ep.27,6. Mart. XII 87, 2; vgl.
III 23. Suet. Galba 22. Caligula ließ so Sena-
toren im Dienerschurz hinter sich stehn, Suet.
Cal. 26. Diese Sklaven heißen daher apedibus.
Cic. ad Att.VIII5,l. CIL VI 4001; oder circum
pedes, Cic. Verr. I 36, 92. Bei Petr. 64, 13 und
68, 4 sitzen die Sklaven ad pedes.
15) Mart. XII 87.1.
16) Dazu gehörte anscheinend auch das
Darreichen des Nachttopfes, vgl. Sen. de benef.
III 26 ; vgl. Mart. III 82, 15; VI 89, 1 ; XIV 119.
Wie wenig man sich dabei vor den andern
Gästen genierte, zeigt Petron. 27, 5; zum la-
sanns freilich steht Trimalchio 41,9 auf; vgl.
Plaut. Cure. 362: dico nie ire quo saturi solent.
Noch andere niedrige Dienste hatten diese Skla-
ven zu verrichten, vgl. Sen. ep. 47, 5: quod cum
ad coenandum diseubuimus, alius sputa de-
terget, alius reliquia$ temulentorum subdit/ta
cciligü.
Fünfter Abschnitt. Mahlzeiten und gesellige Unterhaltungen.
397
die Speisen, die sein Herr in die mitgenommene Serviette gepackt hatte
(siehe oben), nach Hause l).
Betrachten wir nun den Gang einer Mahlzeit, wobei wir uns immer
gegenwärtig halten müssen, dafä es sich nicht um das gewöhnliche häusliche
Mahl der Familie, von dem wir aus den Quellen nur wenig erfahren, sondern
um größere Mahlzeiten, bei denen Gäste bewirtet werden, handelt2). Man
pflegte sich hierbei von der unbequemen Tracht der Toga zu emanzipieren3)
und in einer leichten vestis cenatoria4), einer syntliesü u. dgl.6) zu erscheinen,
sowie in Sandalen6), die die Sklaven den Gästen vor Beginn des Mahles
abnahmen7). Bevor die Mahlzeit begann, pflegten die Gäste zu sitzen8).
Dann lagerte man sich, wobei mitunter ein Sklave als nomendator die vorher
festgesetzte Reihenfolge, in der die Gäste Platz nehmen sollten, angab0).
Hierauf reichten die Sklaven Wasser zum Händewaschen herum10), und das
wiederholte sich während des Essens noch mehrmals, da die starke Ver-
wendung der Finger beim Speisen es notwendig machte11). Auch fand die Ver-
wendung von Salben (siehe unten) manchmal schon vor Beginn der Mahlzeit
statt12). Bisweilen sprach man auch ein Gebet an die Götter 13), was aber wohl
kein stehender Brauch war. Nun begann das Mahl14), das, wenn Gäste geladen
waren, immer aus Vorspeisen, der eigentlichen Mahlzeit und einem Nachtisch
bestand. Den Anfang machte, unsern Entrees oder Hors d'oeuvre entsprechend,
die gustatio16) oder gustus16); diese Einrichtung scheint in der älteren Zeit
1 ) Mart. 1 1 1 23, wo allerdings noch eine ande-
re Erklärungmöglich ist, s. Friedländer z. d.St.
2) Hauptquellen dafür sind das Mahl des
Nasidienus, Hor.sat. 118, und das des Trimal-
chio,Petron.26 — 78; nur darf man hei letzterem
nicht vergessen, daß alles scherzhaft über-
trieben ist und die geschmacklosen Protzereien
eines reichenParvenus verspottet werden sollen.
3) Sen. ep. 18, 2. Spart. Hadr. 22, 2.
4) Oder cenatorium, Mart. X 87, 12; XIV
135. Capitol. Max. duo 30, 5. Acta fratr. Arv.
27/V218, 219; 17/V241.
*) Siehe oben S. 219.
6) Siehe oben S. 222. Vermutlich sind auch
die trechedipna bei luv. 3,67 solche Sandalen,
nach der von Bücheler Rhein. Mus. XXIX
(1874) 637 gebilligten Deutung des Scholiasten
gaUiculae Graecae currentium ad cenatn. Vgl.
Friedländer z. d. St.
7) Soleas demere, Plaut. Truc. 367; soccos
(/('//■(ilicrc beim heimkehrenden Hausherrn Ter.
Heaut. 124; dargestellt auf dem Wandgemälde
bei Rodenwaldt Kompos. d. pompejan. Wand-
gem. 92 Abb. 14; vom Gast deponere soleas,
Mart. III 50, B;poscere soleas vom Aufbrechen-
den, Hör. sat. II 8. 77: Sen. controv. IX 25. 25;
calceos poscere, Plin. IX 17, 3 (wie bei Mart.
XII 87.6 excalceatus für „ohne Sohlen"); vgl.
Plaut. Most. 384. Wenn der Sklave, der sie auf-
zuheben hatte, nicht aufpaßte, kamen die San-
dalen wohl auch abhanden. wie bei Mart.XII87.
Bei den oben S.391 A 4 erwähnten Bleifiguren,
die die Requisiten einer Mahlzeit darstellen, sind
auch die abgelegten Sandalen nicht vergessen,
Not. d. scavi 1894, 108 Fig. 8.
8) Vgl.Mart.III 44, 15; VIII 67.6. Iuv.2,
120 ; und so heißt es beim Anfang des Mahles im
Colloqu. Monac. 11 (Corp. Gloss. III 652): date
hie cathedra*, Bellas, scatm/ium, bisetUwn, cer-
vicale. sede; und erst nach Genuß der cälida:
si vultis, discumbamus.
9) Ath. II 47 E, vgl. Corp. Gloss. IV 369,7:
nomen est ÖfflcH, per mmien elanuire ml />r<in-
<linin ; ebd. V 524, 18. Mitunter hatte auch ein
solcher die Aufgabe, den Gästen die einzelnen
Speisen zu benennen, vgl. Petron. 47. 8. He-
raeus Sprache des Petron. 47. Ueber die Be-
deutung des nomenclator überhaupt vgl. Fabia
bei D.-S. IV 96 f.
10) Plaut. Pers.769; Most. 308. FabiusPictor
bei Non. 544, 22; bei Petron. 31.3 bringen die
Sklaven dazu eisgekühltes Wasser, während
andere den Gästen die Nägel an den Zehen be-
schneiden.
1 ') Petron. 34, 4 wird nach der gustat io Wein
zum Händewaschen gereicht; vgl. sonst Lampr.
Heliog. 25,9. Nach Sid. Apoll, ep. 1 1 1 , 14 scheint
es auf besonderes Verlangen gereicht worden
zu sein. Im oben erwähnten Colloqu. Monac. 1 1
heißt es am Schluß des Mahles date aquam
manibns; ebenso da aquam ad manu* im
Colloqu. Montepessul. 18 (Corp. Gloss. III 658).
*«) So bei Plaut. Most. 309.
>3) Quint. decl. 301 p. 187, 16 Ritter.
u) Bei Plaut, a. a. O. wird der Tisch erst
nach dem Händewaschen aufgestellt. Daß man
bei Mahlzeiten auch Räucherwerk anzündete,
zeigt Plaut. Men. 354.
»») Petron. 21. 6; 31,8.
1(i)Mait.X48,13;XI31,4;52,12;XlII61.2.
398
Zweite Abteilung. Das Leben.
freilich unbekannt gewesen zu sein x), war aber später selbst bei bescheideneren
Mahlzeiten üblich. Die gustatio bestand in der Regel aus kalten Speisen 2),
und zwar besonders solchen, die geeignet waren, den Appetit zu reizen3):
das waren vornehmlich Eier4), Salate und Gemüse5), ferner Schnecken,
Austern, marinierte Fische6), auch kalte Fleischspeisen7). Zu dieser gustatio
trank man das aus Most oder Wein und Honig bereitete mulsum 8), weshalb
diese Einleitung des Mahles auch promulsis heißt9).
Die eigentliche Mahlzeit bestand in der älteren Zeit und auch später
aus einem einzigen l0), später und zumal bei geladenen Gästen aus mehreren
Gängen11), die fercula12) oder missus13) hießen, auch wohl als cena prima,
altera, tertia unterschieden wurden14). Eine solche „ordentliche" Mahlzeit
hiefä cena rectalb). Die mannigfaltigen Speisen, die bei diesen Gängen auf-
gestellt wurden, haben wir in einem früheren Abschnitt (oben S. 160 ff.) be-
sprochen16); wie weit der Tafelluxus schon in den Zeiten der Republik, ganz
besonders aber an dem Hofe schwelgerischer Kaiser ging, dafür liegen
') Nach Cato bei Serv. ad Aen. 1 726 kannte
man in älterer Zeit nur zwei Gänge (fercula),
und nach ebd. VIII 283 war das die Mahlzeit
und der Nachtisch (Fleischgericht und Obst).
Aus Mart. XIII 14 geht hervor, daß Lattichsalat
früher am Schluß des Mahles kam, während
sie später zu den Entrees gehörte. Diese Aen-
derung war, wie Verg. Moret. 74 zeigt, erst nach
August eingetreten. Vgl. über diese Aende-
rungen Heindorf zu Hör. sat. II 4, 59. Mar-
quardt 324 A. 1.
2) Daher frigida mensa, n>vyoai igouiE^ai,
Plut.qu.conv. VIII 9,3 p.733T; vgl. Salmasiüs
ad Iul. Capit. Gord. tres 21 p. 262 A.
3) Hör. sat. II 4, 27 ff. ; 8, 9. Das Mahl im
Colloqu. Monac. 11 beginnt mit hydrogaron
(s. oben S. 187) und Malven; das im Colloqu.
Montepessul. 1 7 mit Beta oder Kürbis, liquamen,
Rettichen, Oxogarum, Lattich und Gurken.
4) Als Anfang der Mahlzeit erwähnt Cic.
ad fam. IX 20, 1. Varr. r. r. I 2, 11. Hör. sat. II
4, 12: daher das Sprichwort ab ovo usque ad
mala (die den Beschluß machten), Hör. sat. I
3,6 und dazu Porphyrio: vgl. Otto Sprichw.
d. Römer 261 n. 1319. Eier aß man aber auch
als gmtulm, zum zweiten Frühstück nach un-
serem Sprachgebrauch, Mart. XII 19. Apul.met.
1X33.
5) Allerlei angeführt bei Cels. II 29; vgl.
oben S. 165 ff. ; besonders Lattich, Rettiche, Rü-
ben u. dgl., Hör. sat. II 8, 8; Kohl, von Cat. r. r.
156 empfohlen.
6) Plin.ep. I 15, 2 f. Cels. I 2.
7) Bei Mart. V 48, 4 f. besteht der gmtns
aus Lattich, Lauch, Eiern und gesalzenem Thun-
fisch; X 48, 7 ff. aus Malven, Lattich, Lauch,
Minze, Rauke, Eiern, Thunfisch und Saueuter
in Fischsauce; XI 52, 5ff. in Lattich, Lauch,
mariniertem Thunfisch, Raute, Eiern, Käse und
Oliven. Eine Fülle von Speisen aller Art bietet
die gustatio des üppigen Mahles bei Macr. sat.
III 13, 12, darunter eine Menge kalter Fleisch-
sorten. Vgl. den Gegensatz der einfachen En-
trees gegen kostspielige bei Plin. ep. I 15.
8) Siehe oben S. 202; vgl. besonders Hör.
sat. II 4, 24. Petron. 34, 1. Die Arvalbrüder
bekommen beim Mahle urnalia mulsi singu-
lorum, Act. Arval. an. 219 (p. CCVI1I), vgl.
Henzen ebd. 35. Was die ebd. erwähnten cam-
panae sind, ist freilich ganz unsicher. Im Col-
loqu. Monac. 11 wird noch vor der Mahlzeit,
während die Gäste sitzen, vinum conditum, ca-
roenum (s. oben S. 202) und callda offeriert.
») Cic. ad fam. IX 16, 8; 20, 1. Vgl. Corp.
Gloss. IV 378, 55: pransorium promulsarium.
,0) Mart. X 48. 13; vielleicht ist bei Cato
b. Serv. ad Aen. I 637 : in atrio et duobus fcr-
culis epulabantur «iitiqiti auch nur gustus und
ein Gang der cena gemeint.
1 1) Drei Gänge waren gewöhnlich, Mart. XI
31 . 5 f.; Augustus gab gewöhnlich drei, nur wenn
es besonders üppig herging, sechs, Suet. Aug.
74; auch sieben Gänge kommen vor, luv. 1, 94.
Philo de vita contempl. 6 (II p. 479 M). Aber
selbst bei Trimalchio besteht die eigentliche
cena nur aus vier Gängen, vgl. Friedländfr
zu Petron. 310.
15) Hör. sat. II 6, 104. Prop. V (IV) 4, 76.
Sen.ep.95. 18; ebd.27u.ö. Petron.35,1. luv.
1.94; 7,184; 11,64. Mart. III 50,5; IX 81,3;
XI 31,21. Suet. a. a. O. Ursprünglich bedeu-
tete es die Platte, auf der die Speisen auf-
getragen wurden, so noch Sen. n. qu. III 18,2;
vgl. Mau bei P.-W. VI 2207.
13) Lampr.Heliog.27,4; 30,4; 32,4. Ca-
pitol. Pertin. 12, 3.
14) Mart. XI 31, 5 f. Der Hauptgang hieß
caput cenae, Mart. X 31.4.
,5) Mart. II 69, 7; VII 20,2; VIII 50, 10.
Suet. Aug. 74; Domit. 7. CIL VI 33885 Z. 17.
16) Einiges über die römische Kochkunst,
namentlich über die Zutaten zu den Speisen.
ihre Temperatur usw. stellt Marquardt 328 ff.
zusammen.
Fünfter Abschnitt. Mahlzeiten und gesellige Unterhaltungen.
:;«.t:i
zahlreiche Belege vor1). Man muü sich aber hüten, hier zu verallgemeinern
und namentlich die Klagen des altern Plinius und des Philosophen Seneca
über unnatürliche Schwelgerei zu ernst zu nehmen2); auch erklären sich
manche Nachrichten, die von einer Unzahl von Gerichten aller Art melden8),
dadurch, daß ein einzelner Gang nicht bloß, wie heut üblich, aus einem
Gericht, sondern aus mehreren, die zur Auswahl gestellt wurden, bestand,
wie das auch bei Diners im 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts noch
üblich war4). Immerhin hatte die Völlerei einen hohen Grad erreicht5), und
bei der Vorliebe für scharfe Gewürze6), für glühend heiße oder eiskalte
Gerichte 7) und der Masse der verzehrten Speisen konnten die nachteiligen
Folgen für die Gesundheit, wie sie die Schriftsteller schildern, nicht aus-
bleiben8). Beim Essen bediente man sich der Zahnstocher, dentiscalpia9);
das Material derselben war Holz oder Metall oder eine Federpose10); sonst
aber nahm man Federn, um durch Kitzeln im Gaumen Brechreiz hervor-
zurufen, was ursprünglich, wie der Gebrauch der Vomitive, lediglich eine
hygienische Maßregel gewesen war11), aber zu den Zeiten der ärgsten Völlerei
mißbraucht wurde, um nach ausgeleertem Magen aufs neue essen zu können12).
Als Getränk wurde bei der Mahlzeit, nach dem Honigwein der gustatio,
reiner Wein herumgereicht13); allein das eigentliche Trinkgelage pflegte erst
nach der cena zu erfolgen und wurde oft mit dem Nachtisch verbunden.
Zwischen diesen und die cena fiel das Speiseopfer, das man den Laren dar-
brachte14), nachdem die Tische weggeräumt worden waren15); der Fußboden
multos morbos multa fercula feceruiit : iiat. qu.
IV 13, 6. Galen. Xp. 3f.K.
y) Mart. Vll 53, 3; XIV 22. Corp. Gloss.
111325,21; 495,74; 512,35.
,0) Mart. 111 82.1): pinnas rubentescuspides-
que lentisci; XIV 22: si tibi frondea euepU
defuerit, dentes pinna levart potest; vgl. VI
74,3. Bei Petron. 33, 1 dient eine pinna ur-
gentea dazu.
u) Hierüber Darembekg zu Oribasius II
289 ff. Friedländer a.a.O. 35 f. So erzäblt Cic.
ad Att. XIX 52, 1 vom Caesar: post //. 17// In
balneum ; unetus est, aepubuit; Ipttuctp? agebat ;
itaque et edit et bibit idetos et iueunde.
«) Wie Sen. dial. XII 10, 3 sagt: vomunt
ii t edant,edunt ut vomant ; vgl. debenef. VII 9, 3 ;
ep. 18,4:83,24:95,28.
13) Petron. 34, 1 werden Amphoren mit Fa-
lerner nach dem gustus gebracht und es wird
getrunken, bevor noch der erste Gang der ema
aufgetragen ist; dann wird wieder 39. 1 ge-
trunken, 48. 1 eine neue Sorte angeboten: 52, 8
ist Trimalchio schon beinahe betrunken. Bei
Hör. sat. II 8, 13 ff. werden gleich nach der au-
statio diverse griechische Weine serviert. Vgl.
luv. 11, 145 ff.: 160.
,4) Verg. Aen. VIII 283. Serv.ad Aen.I 730.
Hör. sat. II 2. 124. Petron. 60, 8: das Opfer be-
stand teils in der mala salsa (den frUffts U-
batae der Arvalen. Hekzen Acta fr. Arv. 42),
teils in einer Weinspende. Hör. carm. IV 5. 31.
15) Nach Serv. a. a. 0. Bei Petron erfolgt
dasWegnehmen iermensae primae erst c. 88,1,
| als Trimalchio den Nachtisch bringen läßt.
J) Eine Darstellung bei Meierotto Ueber
Sitten und Lebensart d. Römer 3 S. 111 ff. Fried-
länder Sittengeschichte III 24 ff.
'-) Das setzt Friedländer a.a.O. 31 ff.
sehr gut auseinander. So ereifert sich z. B.
Seneca ep. 95, 25 über den Genuß von Pilzen,
Austern, Fischsauce u. dgl.
3) So z. B. das Menü des priesterlichen
Antritts mahl es bei Macr.lII 13, 12, besprochen
von Böttiger Kl. Sehr. III 217 ff. Vgl. ferner
Sen. de berief. I 10, 2, der die culina foedissi-
niKiii patrimoniomm exitiumneixnt. Mart. X 31.
luv. 4, 28 ff. Bei Plaut, Capt. 846 ist freilich bei
der Zusammenstellung des üppigen Menüs die
ausschweifende Phantasie eines Parasiten tätig.
EinschränkendeVerordnungen gegen denTafel-
luxus erließ Hadrian, Lampr. Hadr. 22, 5.
*) So enthält bei der cena des Trimalchio
der erste (iang c. 35 f. allerlei nach den Him-
melszeichen am Rande der Schüssel ausge-
wählte Kleinigkeiten, ferner Geflügel, Saueuter,
Hasenbraten, der dritte c. 49 Schweinebraten
und Würste. Bei Luc. conv. 38 enthält ein Gang
Geflügel. Schweine- und Hasenbraten. Fische,
Sesamkuchen und Konfekt.
5) Schon in republikanischer Zeit waren
Gesetze gegen Tafelluxus (leges sumptuariae)
erlassen worden. Cic. ad fam. VII 26, 2. Gell.
II 24. Macr. II 13, 13. Vgl. J. F. Hoüwing De
Romanis legibus sumptuariis,Lugd.Batav. 1883.
M.Voigt BSGW1890.Phil.hist.Kl.XLII 244 ff.
6) Vgl. Plut. qu. conv. VII I 9, 3 p. 733 F.
7) Sen. ep. 78. 23 : 95, 25. Galen. X p. 468 K.
8) Plin. XIV 142. Sen. ep 95. 15 ff.; ebd. 18:
400
Zweite Abteilung. Das Leben.
wurde gereinigt1), dann wurde auf neuen Tischchen2) der Nachtisch, mensae
secundae3), hereingebracht, nach seinen Hauptbestandteilen auch bellaria ge-
nannt4) oder griechisch epideipnidesb). DieHauptbestandteilediesesNachtiscb.es
waren Kuchen6) und Früchte7), mitunter auch noch kleinere Fleischspeisen8).
Für gewöhnlich, namentlich wenn es sich um das tägliche Familien-
mahl handelte, war die Mahlzeit mit dem Nachtisch zu Ende; es folgte nur
noch die unerläßliche Händewaschung. War es aber ein convivium, eine
Mahlzeit mit Gästen, so schloß sich, wenn auch nicht regelmäßig, so doch
sehr häufig noch ein dem griechischen Symposion entsprechendes Trinkgelage
an, die sogenannte comissatio^). In älterer Zeit blieben die Frauen dabei
fern, da ihnen ja der Weingenuß verboten war10), doch scheint schon gegen
Ausgang der Republik und dann in der Kaiserzeit ihre Teilnahme nichts
Seltnes mehr gewesen zu sein11). Aber auch Gäste, die vorher bei der cena
nicht anwesend gewesen waren, stellten sich als comissatores1*) zum Trinken
ein; man ging oft von einem solchen Trinkgelage zum andern13). Die comissatio
begann in der Regel schon beim Nachtisch, wie es denn auch Brauch war,
daß während ihrer Dauer von Zeit zu Zeit Speisen, zumal durstreizende,
gereicht wurden; doch kam es auch häufig vor, daß eine comissatio ohne
vorangegangene cena veranstaltet wurde oder an einem andern Ort, als
diese14). Zunächst wurden unter die Teilnehmer Kränze und Salben verteilt15),
') Bei Petron. a. a. 0. streuen die Sklaven
mit Rötel und Saffran gefärbte Sägespäne und
pulverisiertes Marienglas [lapis specularis) auf
den Boden.
2) Das ist bei Trimalchio der Fall ; wenn
Becker-Göll328 meint, daß essich hier nurum
einen Witz handle, sonst aber an einen Wechsel
der Tische nicht zu denken sei, so ist das wohl
nicht begründet; die Tische für den Nachtisch
scheinen: den Denkmälern zufolge, nur kleine
runde, dreifüßige gewesen zu sein.
s) Petron. 68, 1. Macrob. II 8,3; III 18, 1.
Gell. XIII 11,6.
4) Varro bei Gell. a. a. 0. Macrob. a. a. 0.
und III 19, 1. Plaut. Truc. 479. Zur Etymologie
vgl. Donat. zu Ter. Ad. 590 : ad irritandam gu-
lam cibi bellaria dieuntur.
5) Ath.XIV664E. Mart. XI 31. 7. Petron.
69, 6. Eine alte Bezeichnung war auch im-
pomenta, Fest. 108. 18.
6) Ein heißer Kuchen Mart. III 17, 1 : spe-
ziell sind das die bellaria, Gell. XIII 11,7: quae
Jie/uiiaza Graeci auf zgayrjfiaia dixerunt, ea ve-
teresnostribellariaappellaverunt. Vgl. Colloqu.
Monac. 11 : ebd. zum Nachtisch dulcia placenta.
Auch colustrum, die erste Milch des Viehs nach
der Geburt, die als Delikatesse galt (Mart. XIII
38) kam beim Nachtisch vor, s. Colloqu. Mon-
tepessul. 18 (Corp. Gloss. III 658), nebst Honig
und einem Kuchen, derGelonian um hieß (griech.
Honzrj, auch lat. copta, Mart. XIV 68) ; vgl. Al-
ciphr. I 22. Corp. Gloss. III 288, 25 und Haupt
Opusc. II 449.
7) Frisches sowohl wie eingelegtes, Mart.
V 78, 11 ff.; X 48, 18. Lampr. AI. Sev. 37. 10.
8) Petron. 69, 6 ff. besteht der Nachtisch
aus Krammetsvögeln, die aus Kuchenteig ge-
macht und mit Rosinen und Nüssen gefüllt
waren, aus Quittenäpfeln, aus einer Schüssel,
auf der eine Gans, Fische und verschiedene
Vögel alle aus Schweinefleisch hergerichtet
waren (Friedländer Gastm. Trimalch. 337 hält
das für ein Schaugericht), ferner aus Austern,
Kammuscheln und warmen Schnecken.
9) Vgl. Ch. M. bei D.-S. I 1373 f. Mau bei
P.-W. IV 610 ff. Wie der Brauch, so hatte auch
die Bezeichnung griechischen Ursprung, von
xw/.iog, y.oj,udCetv; als lateinische Uebersetzung
von ovfmöaiov hat Cic. Cat. mai. 13,45 und ad
fam. IX 24, 3 compotatio.
10) Plin. XIV 90. Gell. X 23; vgl. oben
S. 364 f.
») Cic.Verr.126,66. Plin. XIV 141. Beim
Gastmahl des Trimalchio bleiben die Frauen
auch beim zweiten Teil zugegen, c. 65 ff.
12) Ter. Ad. 783. Cic.proCael.28,67. Quint.
1116,26. Mart. IV 5, 3; V 16, 9; IX61,15;sehr
häufig auch das Zeitwort com issari, schon Plaut.
Stich. 686; Most. 317; 335. Ter. Eun.442 u. s.
13) Plaut. Most. a. a. O. Petron. 65,3: nnu'-
ctus veste alba . . . comissator intravit, also im
Festkleid
14) Vgl.Liv.XL 7.5; 9,1. Suet. Dom. 21.
15) Daher deren häufige Erwähnung bei
Horaz, vgl. Garcke De Horatii corollis convi-
valibus, Altenburg 1860; mehr über den Ge-
brauch der Kränze überhaupt bei Becker-Göll
III 443 ff. (wo ältere Litteratur verzeichnet ist).
Saglio bei D.-S. I 1520ff. Fiebicer bei P.-W.
IV 1636 ff. Vgl. Sen. dial. IV 33, 4; auch bei den
Mahlzeiten der Arvalbrüder werden unguenta
und coronae verteilt, Acta fr. Arv. 27/V 218;
Fünfter Abschnitt. Mahlzeiten und gesellige Unterhaltungen.
401
wobei letztere ebenfalls für die Haare bestimmt waren1). Auch pflegte man,
bevor es ans Trinken ging, die Laren und den Genius des Hausherrn, später
auch den des Kaisers anzurufen2).
Das Trinken bei der comissatio erfolgte nach bestimmten Vorschriften,
was man, da die ganze Sitte den Römern von Griechenland her überkommen
war, more Graeco bibere nannte3), d. h. man trank nach einem gewissen
Komment, über dessen Innehaltung ein von der Gesellschaft erwählter4)
Magister oder arbiter bibendi6) oder rex wachte6). Dieser bestimmte zunächst,
da auch beim Trinkgelage der Wein in der Regel nicht ungemischt getrunken
wurde, die Verhältnisse der Mischung mit Wasser7), wobei zumeist das
Wasser überwog8). Schon der Wein, der bei der cena getrunken wurde,
wurde mit Wasser vermischt, und zwar je nach Wunsch mit heißem Wasser,
was besonders beliebt war9), oder mit kaltem, das ebenso wie das warme
Wasser von den Dienern den Gästen zugegossen wurde l0). Zum Warmhalten
des Wassers gab es besondere Geräte (mit griechischem Namen authepsa,
Selbstkocher, genannt), die in der Regel von Bronze, in üppigerem Haushalt
von Silber waren11), und in denen das Wasser durch glühende Holzkohlen warm
gehalten wurde; sie waren oft von zierlicher Arbeit und standen im Speise-
zimmer zur Benutzung der Gäste bereit 12) (siehe Fig. 59 13)). Ein anderes Gerät
17 V 241 und rosa soluta, s.Henzen 13; 27; 39.
Auch für die Kränze waren Rosen besonders
beliebt, Hör. carm. I 36, 15; II 11, 14; III 29, 3.
Mart. III 68,5-; X 19,20. BeiPetron. 60, 3kommt
noch vor Auftragen des Nachtisches ein großer
Reifen mit goldnen Kränzen und Salbfläschchen
behangen von der Decke herunter.
x) So wird Christi Haupt beim Mahle ge-
salbt. Ev. Matth.26,7. Marc. 14, 3. Daß bei Pe-
tron. 70, 8 den Gästen die Beine mit Kränzen
umwunden und die Füße gesalbt werden, gehört
zu den Besonderheiten dieses Gastmahls. Nach
l'lin. XIII 22 war das Salben der Fußsohlen
etwas Ungewöhnliches; daß Fußsalbung bei
Tisch aber nicht ganz unerhört war, zeigt das
Beispiel der Maria Ev. Johann. 12, 3.
2) Hör. carm. IV 5, 31. Petron. 60. 7 (hier
allerdings, wohl absichtlich, an unpassender
Stelle). Dio Cass. LI 19,7. Serv. ad Aen. I 730.
Vgl. Henzen Acta fr. Arv. 42 f.
3) Cic. Verr. I 26, 66: discumbitur ; fit ser-
tno inter eos et invitatio, ut Graeco more bibe-
rc/nr; vgl. Pseud. Ascon. z. d. St.
4) Das geschah wohl in der Regel durch
Würfeln, Hör. carm. II 7, 25 : quem Venus (d. h.
der Venuswurf) arbitrum \ dicet bibendi? Luc.
Sat. 4.
5) Hör. a. a. O. Cic. Cat. mai. 14, 46 ; auch
potandi Dtoderator, Varr. b. Non. 142, 6.
6) Hör. carm. I 4, 18.
') Hierüber handelt eingehend Athen. X
426 u. 430 f., auch für römische Verhältnisse
gültig, über die uns spezielle Nachrichten nicht
überliefert sind.
8) Plut.qu.conv.III9,l p.657 erklärt die
alte Regel rj jievte jziveiv i) toi' fj fiij reaaaga
durch die drei Verhältnisse 3:2, 2:1, 3:1;
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft. IV.
dagegen Ath. X 426 E durch 5 : 2 und 3 : 1
für die beiden ersten Arten ; doch bezog sich
die Regel wohl eher auf das Maß des Getrun-
kenen, wie bei Plaut. Stich. 707, wo sie sich
auf die Zahl der ci/athi bezieht, s. unten.
9) Doch ist calda nicht der mit heißem
Wasser vermischte Wein, wie früher vielfach
behauptet wurde (s. die ältere Litteratur bei
Marquardt 332 A.8), sondern wie Saglio bei
D.-S. I 820 und Mau bei P.-W. III 1346 richtig
bemerken, nur das zur Mischung benutzte heiße
oder warme Wasser, vgl. Mart. I 11, 3; VIII
67, 7; XIV 10,5. luv. 5. 63. Sen.dial. III 12,4;
ep. 77, 9. Bei Petron. 65, 7 fordert jemand ri-
nn »i ff ealdam. Zur Bereitung vgl. Colloqu.
Monac. 11 : misce mihi calidum, noli ferventem
nee tepidum, sed temperatum [et] effunde deimlc
modicum. mitte recentem. adice merum.
10) Varr. r.r. III 5, 16. Mart. XIV 105. luv.
a.a.O. Petron. 68. 3. Tac.ann.XIII 16. Amm.
Marc. XXVIII 4, 16. Galen. X 492 K.
u) Die authepsa ist bei Cic. p. Rose. Am.
46, 133 aus Bronze, aber sehr wertvoll, bei
Lampr. Heliog. 19, 3 aus Silber. Vgl. Saglio
bei D.-S. I 585 u. 820. Mau bei P.-W. II 2594.
12) Ein sehr hübsch gearbeitetes Bronze-
Exemplar aus Neapel s. Mus. Borb. III 63.
Becker-Göll II 365. Overbeck Pompeji 443
Fig. 240. Mau Pompeji 398 Fig. 224. In Pom-
peji sind auch sehr hübsch ausgeführte Wärm-
becken für Kohlen gefunden worden, deren
Wände hohl waren und Wasser enthielten, das
durch einen Hahn entleert wurde, s. Overbeck
a. a. 0. 441 Fig. 238 f. Mau a. a. 0. 399 Fig. 226.
Saglio a.a.O. 821 Fig. 1027 f.
1S) Dies Gefäß (nach Overbeck a. a. O. Fig.
237) besteht aus einem Zylinder von Eisenblech
2. 2. 3. Aufl. 26
402
Zweite Abteilung. Das Leben.
zum Wasserwärmen war das miliarium, das diesen Namen wegen seiner!
einem Meilenstein ähnlichen Form erhalten hatte, d. h. es war eng und!
hoch1); das Wasser wurde in Röhren, die um die
im Gefäße befindlichen brennenden Holzkohlen sich
herumzogen, erwärmt2). Wer aber den Wein kalt zu
trinken liebte, der konnte ihn mit Schnee kühlen3),
oder man mischte ihm kaltes Wasser bei4); daß man
es, was angeblich eine Erfindung des Nero war5), da-
für erst abkochte und dann wieder abkühlte6) (daher
decocta1)), konnte in hygienischer Hinsicht nur vor-
teilhaft erscheinen. Während jedoch bei der Mahlzeit
jeder Gast sich nach Belieben warmes oder kaltes
Wasser in seinen Becher mit Wein gießen ließ, wurde
bei der comissatio eine für alle Teilnehmer gleiche
Mischung im Krater, dem Mischkrug8), der oft sehr
bedeutenden Umfang hatte9), hergestellt; da der
Wein aber, infolge der etwas unrationellen Behand-
lung der römischen Weinbereitung, viel Hefe oder Satz enthielt, pflegte man
ihn vor dem Eingießen zu filtrieren, zu welchem Zwecke man ein Sieb, coluut 10),
Fig. 59. Warmwassergefafi
aus Pompeji.
mit beweglichem Henkel am obern Rande;
darin ist oben ein bronzener Kessel von fast
zwei Drittel der Höhe des Zylinders eingelassen;
der Raum darunter ist für die Kohlen, die durch
eine kleineTür hineingelegt wurden; kleine, mit
Löwenköpfen verdeckte Löcher sorgten für den
nötigen Luftzug, um die Kohlen brennend zu er-
halten. Die richtige Bezeichnung für diese Ge-
fäße ist wohl caldarium,6bschon diesWortinder
guten Latinität in diesemSinne nicht vorkommt.
x) Pallad. V 7 (8), 7: vas aeneum miliario
simlle id est altum et angustum. Ath. III p. 98 A :
rö fiihägiov xakov^itvov vno 'Pcojuaitov rl eis xrjv
rov -&SQIA.OV vdazog naxEQyaalav xaxaaxEvatöfisvov
mvoleßrjTa dvofiaCovres. Corp. Gloss. II 474, 56.
2) Sen. nat. qu. III 24, 2: facere solemus
dracones et miliaria et conplures formas, in
quibus aereas fistulas struimus per declive cir-
cumdatas, ut saepe eumdem ignem ambiens aqua
per tantum fluat spatii quantum efßciendo ca-
lori sat est. frigida itaque intrat, effluit calida.
Daß auch dies Gerät beim Trinken zur Bereitung
der Calda auf demTisch stand, zeigtLuc.Lexiph.
8 : 6 fiEvrot, Ijivoleßrjg vjtsgjxaylä^wv ig XEcpalrjv
fj/uv ejzexqejie xovs äv&gaxag ; vgl. Schol. z. d. St. :
tjivoksßns, xo kv zfj ovvrj&Etq [tihagiov. Die zu An-
denken für Badereisende bestimmten Silber-
becher von Vicarello (vgl. Henzen im Rh. Mus.
IX(1853) 29 ff.) habenzwar die Form von Meilen-
steinen, sind aber keine miliaria der obigen Art.
3) Sen. dial. IV 25, 4: vinum nive diluere;
vgl. ep. 78, 23; nat. qu. IV 13. 3. Mart. V 64, 2;
VI 86. 1; 1X22,8; XII 17,6; XIV 117 nennt
er es nivem potare. Freilich tadeln Sen. a.a.O.
und ebenso Plin. XIX 55 dies Kühlen der Ge-
tränke als verwerflichen Luxus; vgl. Fried-
länder Sittengesch. III 19. Daß man auch Eis
dazu kommen ließ, zeigt Plin. a. a. 0. und Sen.
n.qu. IV 13, 8; ep. 78, 23.
4) Dazu dienten besondere Kühlgefäße
(spätlat. gillo, Corp. Gloss. VI 493, dem griech.
ßavxahs entsprechend); auch im Brunnen wurde
es gekühlt, Plut. qu. conv. VI 4, 1 p. 690 B.
5) Plin. XXXI 40; Neronis principix im
ventum est, decoquere aquam vitroque demissam
in nives refrigerare; doch ist das Verfahren
schon lange vorher üblich gewesen, vgl. Mau
bei P.-W. IV 2287.
6) Plin. XIX 55 : decocunt alii aquas, mox
et Mas hiemant. Mart. II 85, 1. Plut. a. a. 0.
7) Mart. XIV 116. luv. 5, 49 f.; die decocM
wurde aber gewöhnlich ohne Wein, als pures
Wasser, gegen heftigen Durst getrunken, vgl.
Mart. XIV 117 f.
8) Die griechische Form crater ist mehr
dichterisch, die übliche Prosaform ist cratera
oder creterra, Fest. 53, 10. Non. 547, 23. Serv.
ad Aen. I 724. Die lateinische Form mixtariuk
findet sich nur bei Lucil. ap. Non. 546, 26.
9) luv. 12,44: urnae cratera capacem, d.h.
er faßte eine halbe Amphora (13,13 L.).
10) Schon bei der Weinbereitung kam mehr-
fach ein Sieb zur Anwendung, s. Mau a. a. 0.
590; da der Wein aber trotzdem nicht genü-
gend klar wurde, filtrierte man ihn nochmals
vor dem Trinken, entweder durch ein über den
Becher gehaltnes colum, und derartige Siebe
sind noch mehrfach in Originalen gefunden
worden (vgl. Mus. Borb. VIII 14,4 u. 5). oder auf
die oben beschriebene Weise, vgl. Mart. XIV
103, wo das colum nivarium vermutlich von
Silber ist. Mau a. a. O. 591 vermutet, daß das
Sieb Mus. Borb. II 60 solchem Zwecke gedient
habe. Vgl. auch Saglio a. a. 0. 1331.
Fünfter Abschnitt. Mahlzeiten und gesellige Unterhaltungen.
10:;
über den Mischkrug legte; doch bediente man sich bei geringeren Wein-
Borten auch eines leinenen Filtrierbeutels, saccus oder saeculus1). Man tat
dann wohl auch, wenn der Wein gekühlt werden sollte, den Schnee in das
Sieb oder das Filtertuch2). Übrigens nahm man auch an, daß der Wein
durch das Filtrieren weniger stark werde3). Als Sehöpfgefäß diente in der
Siegel ein an langem Stiel befindlicher Löffel, der einen cyathus (Vi* Sex-
itarius = 0,045 Liter) maß und auch diesen Namen führte4). Die Zahl der
legathi, die in den Becher gefüllt wurden (weshalb bei der comissatio größere
jpecher in Gebrauch kamen, als vorher bei der cenab)), bezeichnete man mit
den für die Teile des As gebräuchlichen Namen. Davon werden die kleinsten:
eine uncia (1 cyathus)6), ein sextans (2 cyathi)1) und ein quadran» (8 cyathi)*)
wohl nur selten zur Anwendung gekommen sein; am häufigsten waren wohl
(die mittleren Quanta9), für die es zum Teil auch besondere Becher von der
entsprechenden Größe gab, nämlich der triens (4 cyathi)10), der quincunx
(5 cyath i)11), die hemina (6 cyathi) 1 2), der septunx (7 cyathi) 1 8), der bes (8 cyath'i) l4) ;
dann wohl wieder seltner die größeren Maße, der dodrans (9 cyathi)15), der
!) Bezeichnend Mart. a. a. 0. : pauperiore
mero tingere lina potes; vgl. XIV 204: saccus
mvarius; doch werden nach TI 40,5: VIII 45,3;
XII 60,9 auch teuere Weine durch Leinwand
filtriert (was saccare heißt, sonst colare, de-
faecare, liquare. s. Marquardt 334 A. 9). Zwar
saut Hör. sat. II 4, 54, daß der Massiker da-
durch seinen Geschmack verliere, doch meint
M ai a. a. O., daß dies nicht auf den Gegensatz
von colum und saccus gehe, sondern daß dieser
Wein überhaupt nicht filtriert werden sollte.
Daß der saccus sehr häufig angewandt wurde,
Beigen die unten zitierten Stellen des Plinius,
auch Sen.ep. 77, 16. Vgl. im allgemeinen über
den saccus vinarius (und nivarius) Lafaye bei
D.S. IV 933, und über Filter überhaupt Olck
bei P.-W.VI2317.
2) Mart. IX 2, 5; XIV 103 f.
3) Vgl. über die ganze Prozedur und ihre
Bedeutung Plut. qu. conv. VI 7 p. 692 B. Daher
nannte man das Filtrieren auch vinum (oder
vini vires) frangere, Mart. XIV 103. Plin. XIV
138; XXIII 45, oder castrare, ebd. XIX 53. Vgl.
Lucil.b. Cic.de fin. 118,23.
4) Daher der bedienende Sklave puer ad
cyatkum heißt. Hör. carm. 129, 8. Suet.Caes.49,
oder a ci/atho, öfters auf Inschriften, CIL VI
8963; 8815ff.; vgl. luv. 9, 47. Zur Form vgl.
M ukjuardt 651 Fig. 19 f. Pottier bei D.-S. I
1675. Daß aus dem cyathus selbst getrunken
wurde, wie es für die Griechen Vasenbilder
dartun (vgl. Becker-Göll III 403), ist für die
Römer nicht erweislich.
5) Cic.Verr. 126,66. Hör. epod.9,33; sat.
II 8,35. Petron. 65,8.
6) Bei Mart. I 106 1 f. trinkt jemand, wenn
ihn der Gefährte (durch Zutrinken, s. u.) dazu
nötigt, raram diluti unciam Falerni.
7) Nach Suet. Aug. 77 trank Augustus,
quotiem largissime se invitaret, nicht mehr als
sechs sextantes, also im ganzen 12 ci/athi. Als
kleines Maß Mart.XI 128. 1; vgl.V64,l'.HuLTSCH
Metrologie 118 A. 6 meint, daß es auch Becher
vom Inhalt eines Sextans gab.
8) Bei Cels. III 15 einem Kranken verord-
net: bei Mart. IX 93 trinkt der Dichter zwei
quadrantes (halb Falerner, halb Wasser) zu
Ehren des Caesar (6 cyathi, weil Caesar soviel
Buchstaben hat). Ob es auch besondere Becher
von der Größe des Quadrans gab, wie Hui.tsch
a. a. O. annimmt, ist ungewiß.
9) Besonders 3 und 5 cyath i, nach der grie-
chischen Regel bei Plaut. Stich. 707: >/ jfAf' //
igia i) fii) Tsoaaga, vgl. das. Ritschl.
,0) Sie werden als die anscheinend üblich-
sten Trinkgefäße oft erwähnt, Pers. 3, 100. Prop.
IV 9 (III 10), 29. Mart. 1106,8; IV 82, 5; VI
86, 1; VIII 51, 24; IX 87, 2; 90, 5: X 13, 5:
49,1 (amethystinos trientes)', XI 6, 9; 39,13;
XIV 103. 1. '
n) Mart.127,2: quiucunces puto j>osf dcmn
peractos; II 1,9; XI 36,7: quincunces et sex
cuaihoB bestemque bibamus.
,2)Sen.dial.lV33,4.Vopisc.Tac. 11,1 (hier
als Maß des den ganzen Tag getrunkenen Wei-
nes). Mart. XI 36, 7 sex cyathi.
13) Mart. III 82, 29 ; VIII 51, 25 ; seftmi cy-
athi, Plaut. Pers. 771.
14) Mart. XI 36, 7.
15) In diesem Sinne wird Hör. carm. III 19,
11 : trihus aut novem miseerUur cyaihia pocula
commodis von Marquardt 335 A. 12 und Göu
zum Gallus 1 207 auf das Maß des Getrunkenen,
nicht, wie von Rein zum Gallus3 I 203 auf das
Mischungsverhältnis bezogen. Da der Dichter
die 3 cyathi auf die Zahl der Grazien, die 9 auf
die der Musen deutet, so ist sicher vom Maß
der getrunkenen cyathi die Rede. Doch ist io-
drana in der Bedeutung von 9 cyathi nicht nach-
weisbar.
26*
404
Zweite Abteilung. Das Leben.
dextans (10 cyathi) x), der deunx (1 1 cyathi) 2), endlich der sextarius (12 cyathi) 3).
Außer dem Mischkrug4), aus dem den Trinkern diese Quantitäten gemischten
Weines eingegossen wurden, kamen noch andre Weinbehälter, in denen der
ungemischte Wein aufgetragen wurde, ins Triklinium : so der oenophorus0),
der oft bedeutende Größe hatte8), und das acratophorum1), wofür früher noch
andere Bezeichnungen gebräuchlich waren 8). Ein Weinkrug, aus dem man
einschenkte, war die lagoena, dem griechischen Xäyvvog entsprechend und
gleich diesem bauchig mit engem Halse und etwas sich erweiterndem Ausguß
und einem Henkel9); man setzte sie bei den Mahlzeiten auf den Tisch10), und
auch in Wirtshäusern war sie gebräuchlich11). Seltner kommt die lagoena
als Vorratsgefäß vor12), und sie hatte dann auch abweichende Gestalt13).
Das Material war wohl in der Regel Ton 14). Wenn der Wein in einer Spitz-
amphora auf den Tisch gesetzt wurde, so stand diese in einem besondern
Behälter, der das Umfallen verhütete und incitega hieß15).
Die Regeln, nach denen getrunken werden sollte, bestimmte wohl, wie
in Griechenland, der arbiter bibendi, der eine Art von Herrschergewalt aus-
übte und auch sonst den Teilnehmern gewisse Leistungen vorschreiben
durfte16). Dem heutigen studentischen Komment entsprach die Sitte des
') Dies Maß ist nicht nachweisbar; bei
Mart. I 26, 9 : si plus quam decies bibis ist
nicht von zehn cyathi, sondern von zehn-
maligem Trinken die Rede, s. Friedländer
z. d. St.
2) Mart. VI 78,7: misceri sibi protinus
deunces; VII 67, 10: Septem meros deunces;
XII 28, 1 ; es erscheint überall als Unmäßig-
keit.
3) Der sextarius (0,547 L.) als Maß des auf
einmal Getrunkenen bei luv. 6, 427. Für ge-
wöhnlich gingen wohl auch die maiora pocula
nicht hierüber hinaus (ein 3 sextarü enthal-
tender calix Plin. XXXVII 18) ; als Maß des vor-
gesetzten Weines scheint er das übliche ge-
wesen zu sein, Hör. sat. I 1, 74; vgl. die In-
schrift von Aesernia, CIL IX 2689.
4) Die camella, die in der Regel sonst eine
Opferschale ist (Petron. 135 f. Ov. fast. IV 779)
konnte auch als Mischkrug dienen, wie bei
Petron. 64, 13; vgl. über das Wort Heraeus
Sprache des Petron. 16.
B) Lucil.b.Non.173,14. Hör. sat. I 6, 109.
Pers. 5, 140. Mart. VI 89, 6. luv. 7, 11. Isid.
XX 6, 1.
6) Bei luv. 6, 425 f. faßt er eine urna
(13,13 L.). Bezüglich der Gestalt vermutet Mar-
quardt 650 mit Rücksicht auf die spätlat. Ko-
mödie Aulularia sive Querolusp.38,4 (Peiper),
daß das oenophoron ein Henkelgefäß war, das
man umkehrte, um es auszugießen, vgl. Lucil.
a. a. O. Dagegen hält Friedländer zu Mart.
a. a. O. oenophorum für den allgemeineren Na-
men für die ebd. v. 4 genannte lagona.
7) Cic. de fin. III 4, 15. Varr. r. r. I 8, 5.
Corp. Gloss.V162, 18.
8) Varro in den Schol. Veron. ad Verg. ecl.
7,33 und Prise. VI 714P. nennt lepestam aut
galeolam aut sinum; tria enimpro quibus nund
dieimus acratophoron ; vgl. dens. 1. 1. IX 21.
Weiteres über diese Gefäßnamen siehe unten
S. 407 A. 8. Meist wird hervorgehoben, daß der
Wein in diesen Gefäßen auf den Tisch gesetzt
wurde.
9) Beschreibung Anth. Pal. V 135; vgl.
Apul. met. II 15. Colum. XII 47, 2. Phaedr. I
26, 8; eine erhaltene mit der Inschrift Mart iah
soldam laqonam bestätigt die Form, s. Jahn
BSGW 1857, 197. Marquardt 649 Fig. 14. Vgl.
Couve bei D.-S. III 907.
)0) Hör. sat. II 8,41. Quint.V13,10. Petron.
22, 3. luv. 5, 29. Mart. IV 46, 9 u. ü.
n) luv. 8, 162: daher hingen sie auch vor
der Tür der Weinschenken, Mart. VII 61,5.
12) So Cic. ad fam. XVI 26, 2 : sicut olim ma-
trem nostram facere memini, quaelagonas et ia m
inanis obsignabat, ne dicerentur inanes aliquot,
fuisse, quae furtimessentexsiccatae. Feiner luv.
7, 121 : 14, 271 ; als Giftflasche Mart. IV 43, 5 ;
für Schneewasser (laqona nivaria) ebd. XIV
116.
13) So trägt eine Flasche in Form eines
Ringes (Rev. archeol. 1868, 226. Gaz. archeol.
X 262) die inschriftliche Bezeichnung lagona;
s. überhaupt Couve a. a. O.
14) Nigra lagona, Mart. VII 53, 6.
15) Fest. 107, 3: machinula, in qua consti-
tuebatur in convivio vini amphora, de qua sub-
inde ferrentur vina. Vgl. Pottier bei D.-S.
III 456.
16) Das sind die leqes, quae in pocu/is j>t>-
nuntur, Cic. Verr. V il,28; Hör. sat. II 6,69
nennt sie legesinsanae. Vgl.Lucian.Sat.4. Doch
wurde die Zahl der zu trinkenden cyathi manch-
mal auch durch Würfel bestimmt, Plin. XIV
140.
Fünfter Abschnitt. Mahlzeiten und gesellige Unterhaltungen.
in:,
Vortrinkens, propinare l) ; davon gab es aber verschiedene Arten : entweder
ging der Trunk in der Reihenfolge der Plätze um den ganzen Tisch herum,
wobei jeder seinem Nachbar zur Rechten zutrank2), ein Brauch, der in Rom
früh abgekommen zu sein scheint3); oder man trank einem beliebigen andern
zu. indem man den geleerten Becher neu füllen ließ und ihn dem andern
zum Austrinken reichte4). Austrinken mit einem Zuge und bis auf den
Grund gehörte zum Komment5). Ferner war es üblich, auf das Wohl einer
an- oder abwesenden Person zu trinken und dabei so viel cyathi in den
Becher einschenken zu lassen, als der Name Buchstaben hatte6); die dabei
übliche Formel war bene mit dem Dativ oder Akkusativ der gefeierten oder
angeredeten Person7), während die andern dem Trinkenden ein unserem
Prosit entsprechendes vivas zuriefen8). In der Kaiserzeit war es Gebrauch,
in solcher Weise bei Tisch des Kaisers zu gedenken9).
Was die Formen der Trinkgeschirre (allgemein poeula10)) anlangt11),
so sind dreierlei zu unterscheiden: Schalen, Becher und Hörner. Die runde
Schale, die flach und ohne Handhabe war, heißt mit dem lateinischen Aus-
druck patera, womit zwar später meist eine Opferschale bezeichnet wird12),
die aber ursprünglich ein Trinkgefäß war13); mit den griechischen Trink-
sitten kam aber dafür das griechische phiola auf14). Die übliche Trinkschale
ist der oft erwähnte calix16), der die Form der griechischen xvh£ hatte, von
der auch sein Name kommt16), d. h. er war mit Fuß und Henkel versehen17);
') Man sagte vermutlich griechisch ^toojkVw
aoi ; erhalten ist uns die lateinische Formel pro-
mno tibi, Plaut. Stich. 707 ; 710; vgl. Cure. 359.
Cic. Tusc. I 40, 96. Seltner ist das lateinische
]tr(h'li//),'/i',s.Cic.Tusc.l 40,96. Apul.met.X16.
2) Das heißt ab summo bibere, Plaut. Asin.
891; Pers. 771.
3) Es wird nur bei Plautus erwähnt; Cic.
Cat. mai. 14, 46 spricht nicht vom Trinken a
sii anno, sondern vom sernio in poculo, der auf
dieselbe Art herumging.
4) Verg. Aen. I 737 f. überträgt es in heroi-
sche Zeit, worauf Mart. VIII 6, 13 anspielt. Vgl.
Plaut. Pers. 775 f. Sen. dial. IV 33, 4. Mart. I
68,3; 1115,1; 11182,25; 31; VI 44,6; X 49,3;
XII 74, 9. luv. 5, 127.
5) Plin.XIV 145 ; für spätere Zeit siehe die
von Marquardt 336 A. 6 und Becker-Göll I
209 angeführten Stellen des Ambrosius.
6) Plaut. Pers. 77 1 , wo allerdings der Haus-
herr die Gäste auf sein eignes Wohl trinken
läßt. Mart. I 71, 1 : Laevia sex cyathis, Septem
Lisi Irin bibatur, quinque Li/cas, Lyde quattuor,
Ida tribtis ; IX 93, 3 ; XI 36, 7 ; XIV 170, 2. Daß
dabei, wenn die betreffende Person zugegen war
und angerufen wurde, die Buchstaben desVoka-
tivs gezählt wurden, zeigt Mart. VIII 51,20.
7) Plaut. Pers. 773 lautet es bene mihi, bene
Vobis, bene amicae ; ebd. 775: bene otnnibus nobis ;
ders. Stich. 709 : bene vos, bene nos, bene te, bene
me, bene nostram etiam Stephanium. Das sind
allerdings sehr summarische Trinksprüche; spe-
ziellere Tib. II 1, 31 : bene Messalam. Ov. a. a. I
60 1 : fast. II 637 . Aber auch bei der Mahlzeit wur-
de wohl ein Hoch, besonders auf den Wirt aus-
gebracht, wie das Gaio feliciter bei Petron. 50, 1.
s) Dio Cass. LXXI1 18, 2: daher auch die
Inschrift vivas auf Trinkbechern, s. Rhein.
Jahrb. XIII 105; XVI 71; XXI 57.
9) Das geschah oft in Form einer Spende,Dio
Cass.LI 19,7, vgl.sonstOv. a.a.O. Mart. IX 93,4.
10) Poculum ist ein Trinkgefäß ohne Rück-
sicht auf seine Form, ob Schale, Becher, Krug
(man vgl. die Tongefäße mit der Inschrift po-
colom, CILI440ff.), oder auf das Material;
vgl. Karo bei D.-S. IV 520.
n) Vgl. Marquardt 651 ff. Becker-Göll
III 404 ff.
12) Varr.l.l.V122. Hör. sat. I 6.118 ;carm.I
31,2;IV5,34u.ö. Vgl.PoTTiERbeiD.-S.IV541.
1S) Varr.a.a.O. Verg. Aen. 1729. Mart. VIII
6,14. Macr. sat. V 21,4.
14) Plin. XXXIII 156. luv. 5, 39. Mart. III
41. 1 ; VIII 33, 2 und 23; 51, 1 ; XIV 95. Digg.
XXXI V 2, 19, 13. CIL II 2326: III 4806. Vgl.
Pottier bei D.-S. IV 434.
15) So bei Horaz, sat. II 4, 79 : 6, 68 ; 8, 35 ;
ep. 15,19. Pers. 6,20. luv. 1,57; 5,47; 8, 168;
11. 145; sehr oft bei Martial u. s.
16) Macr. V 21. 18. Corp. Gloss. VI 168.
17) Vgl. Jahn Vasensamml. d. Kön. Ludw.
Taf. 1 12. Marquardt 652 Fig. 21. Saglio bei
D.S. I 850 f. Daß der calix oft sehr tief war,
zeigt Plin. XXXVII 18, wo ein myrrhinus calix
erwähnt ist, der 3 Sextare (also 1,64 L.) faßte,
und der calix crystallina* bei Capitol. Ver. 10,9 :
humanae potionis rnodum supergressus. Auch
warme Speisen wurden in einem calix serviert,
z.B. Brei und Gemüse, Varr. 1. 1. V 127. Ov. fast.
V509.
406
Zweite Abteilung. Das Leben.
doch gab es auch calices von besonderer Form l). Seltner brauchte man das
nachenförmige, länglich und tief gestaltete cymbium2) oder scaphium3). wo-
neben noch einige seltnere oder veraltete Namen vorkommen4).
Auch für die Trinkbecher sind die Spezi albenennungen ebenso wie die
Formen griechisch. Am häufigsten findet sich der in der Mythologie dem
Herakles als eigentümlich zugeschriebene scyphusb), mit tiefer, oft ein großes
Quantum fassender Wölbung6), bald mit, bald ohne Fuß und Henkel üblich7).
Seltner scheint der in den Kunstwerken dem Dionysos zukommende can-
tharus8) mit meist hohem Fuß und Henkeln, die oft den Rand des Bechers
überragen, in Gebrauch gewesen zu sein, da ihn vornehmlich nur die Dichter
erwähnen9); noch seltner das ähnlich geformte carchesium10). Ganz vereinzelt
kommt das ciborium vor11). Das Trinken aus einem Hörn (rhytion)12), wobei
man den Weinstrahl aus dem spitzen Ende des hochgehaltenen Hornes ia
den Mund laufen ließ, war zwar den Römern auch bekannt13), aber jedenfalls
viel weniger üblich, als bei den Griechen.
Neben diesen bei den Mahlzeiten und Trinkgelagen gebräuchlichsten
Trinkgefäßen, die größtenteils erst unter dem Einfluß der griechischen Trink-
sitten Aufnahme gefunden hatten, erhielten sich die mannigfach benannten
Gefäße der früheren Zeit teils im Gebrauch des Volkes, teils als Opfergerät.
Ein solches ist die mit Henkeln versehene, meist tönerne capis14), die aber
auch später noch als Trinkgefäß aus edeln Materialien hergestellt wurde15).
Dasselbe ist wohl die capedo, die aber nur als tönerne Opferschale vorkommt16).
') So die calices Vatiniani, nach einem
Lustigmacher Neros benannt, Mart. X 3,4; XIV
96. luv. 5,46.
2) Varr. b. Non. 545, 24. Verg. Aen. III 66 ;
V267. Mart. VIII 6,2. Digg.XXXIV2.32, 1. Zur
Entstehung (griech. xviA.ßn) Fest. 51,10. Macr.
V 21,9; vgl. Pottibr bei D.-S. 1 1698.
s) Plaut. Bacch. 70; ders. Stich. 693 be-
zeichnet scaphia, cantJiari, batiolae als Trink-
gefäße der Reichen. Vgl. auch Cic. Verr. IV 17,
37; 24,54. Pottier bei D.-S. IV 1114.
4) Der yaulus Plaut. Rud. 1319, wohl auch
nachenförmig, da yavlog eine Schiffsform ist;
ferner die baüola, Plaut. Stich. 691, wo Ritschi
batiochis schreibt, Löwe batiocis, Camerarius ba-
tiolis. Nach den Glossen ist aber die batioca eine
Opferschale (vgl. die ßauäy.i/. Dipbil.bei Ath. XI
484 E, und die pattioca Arnob. II 23), hingegen
die batiola, die Non. 545, 16 aus dem Colax des
Plautus belegt, ein jioxfjQiov rpiaXoeidec oder ein
calix latus, non angustus; s. Corp. Gloss. VI 132.
5) Plaut. Asin. 444. Cic. ad fam. VI 22. Hör.
carm. 127,1; epod. 9,33. Sen. nat. qu. IV 13, 10.
Mart. VII 72, 4: VIII 6, 11. Hölzern ist er der
Milchbecher der Hirten, Serv. ad Aen. VIII 278 :
vgl. Tib. 1 10.8. Athen. XI 498 F.
6) Daher scyphi capaces, Sen. dial. V 14,2;
ep. 78,23; selbst ein Riesenpokal, ein scyphus
urnalis, kommt bei Petron. 52, 1 vor, doch ist
das wohl als Aufschneiderei des Trimalchio zu
fassen.
7) Vgl. Digg. VI 1, 23, 2. Athen. XI 500 A.
8) Vgl. Saglio bei D.-S. I 893 ff.
9) Amhäufigsten,vermut)ichim Anschluß
an seine griechischen Originale, Plautus, z. B.
Asin. 906; Stich. 693; 710; 738; Pseud. 957;
Rud. 1319; Men. 177 u.ö. Sonst vgl. Hör. carm.
I 20.2; ep. 15.23. luv. 5.265.
10) Vgl. Saglio a.a.O. 919 f. Beschreibung bei
Ath.XI474E; nach Macr. V21.3: Graecistan-
tummodonotum. Als Trinkgefäß, bei Opfern etc.
erwähnt s. Verg. Geo. IV 380; Aen. V 77. Ov.met.
VII 246; XII 318. Val. Fl. 11656. Sil. It. XI 301.
11) Nur Hör. carm. II 7,22; es hatte seinen
Namen von der Aehnlichkeit mit dem Gehäuse
einer so benannten Bohne, Ath. XI 477 E. Schol.
zu Hör. a. a. O. Vgl. Saglio a. a. 0. 1 1 7 1 .
12) Mart. II 35,2; Corp. Gloss. III 324,53 in
der Form rutium. Vgl. Bähkens im Arch. f. lat.
Lexikogr. II (1885) 476.
n) Das zeigen römische Wandgemälde und
Originale, s. Mus. Borb. V 20; VIII 14. Vgl. im
allgemeinen Pottier bei D.-S. IV 865 ff.
14) Auch capula, nach Varr. 1. 1. V 121 a ca-
piendo, quod ansatae ut prehendi possent id est
capi. harum figuras in vasis sacris ligneas ac
fictilis antiquas etiam nunc videmus; vgl. dens.
bei Non. 547, 11. Fest. p. 48,9; als Opfergerät
Liv.X7,10.Prisc.VI708.Corp.Gloss.V617,41.
15) So die myrrhina capis, für die Nero eine
Million Sesterzen zahlte. Plin. XXXVII 20 ; auch
die 1000 capides, die Trimalchio zu besitzen be-
hauptet, sind Trinkbecher. Ueber die Form vgl.
Saglio bei D.-S. I 896. Mau bei P.- W. III 1504.
16) Cic.n.deor.III 17,43 ;parad.I ll;derep.
VI 2,2; vgl. Corp. Gloss. VI 176.
Fünfter Abschnitt. Mahlzeiten und gesellige Unterhaltungen.
I<»7
Ein vulgäres Trinkgefäß mit breitem Boden war die obba1), »leren man rieh
auch bei den Grabspenden bediente2); dagegen war die trulla ein Gefäß, das
nach Art einer Schöpfkelle einen langen Griff hatte3), man benutzte es aber
jedenfalls nicht bloß zum Schöpfen des Weines aus dem Mischkrug, wie den
cf/<ithiis, sondern auch zum Trinken4). Sie kam ebenso aus einfachem Ton6),
wie aus kostbaren Stoffen vor6). Andere Namen finden sich entweder nur
vereinzelt, wie der Modiolus1), oder waren veraltet, wie die lepesta, die yaleola
und das sinum, in denen früher der Wein auf den Tisch gekommen war8).
Endlich kamen auch obszöne Formen vor, etwa als Spezialität von perverser
Phantasie9).
Das Material für all diese Trinkgefäße war auch später noch vielfach,
wie in den älteren einfachen Zeiten, Ton10), wenn auch nur im bescheidenen
Haushalt11); allein schon früh war der Luxus in edeln Metallen auch hier
allgemein geworden und zum argentum escariutn das aryentum potorium ge-
treten12). Die meisten der genannten Gefäße wurden in Silber gefertigt13),
und zwar spielte auch hier das alte Silbergerät, dessen Urheberschaft irgend-
einem berühmten griechischen Toreuten zugeschrieben wurde, eine wichtige
Rolle14). Unter den uns erhaltenen Silberarbeiten befinden sich auch sehr
l) Pers. 5, 148: sessilis obba : vgl. Varro b.
Non. 146,10; nach dems. 545,1 poculigtnus vel
ligneu m vel ex spar/o. Laber. b. Gell. XVI 7,9.
Tei t. apol. 13. Vgl. Pottiek bei D.-S. IV 133.
") Corp. Gloss. 11137,29.
3) Nach Fest. 31,1 ein genus ras/s longioris
manubrii; vgl. Cic. Verr. IV 27, 6"^: et ttna gem-
iiki pergrandi trulla excavata <-nn> inanubrio
aureo. Varr. 1. 1. V 118 vergleicht sie mit der
trua,qua e culina in lavatrinam aqua in f und mit,
nur daß sie kleiner sei; die Glossen übersetzen
trulla mit Caifiäovoig, £copähotQos u.dgl., Corp.
Gloss. VII 370.
4) Digg. XXXIV 2, 36 wird sie zusammen
mit scyphi, modioli und phialae genannt; als
Trinkgefäß auch Hör. sat. II 3, 143, wohl auch
Petron. 75,4. Hingegen sind die trullae ligneae
und dheneae bei Cat. r. r. 1 3. 2 keine Trinkgefäße,
sondern gewöhnliche Schöpfkellen ; und bei luv.
B, 1 1 18 steht trulla in übertragener Bedeutung, s.
Friedländer z. d. St. Ueber die ?>•«//« alsMaurer-
kelle s. Blümner Technol. III 110. Unsicher ist
Kart. IX 96, 1, wo es Friedländer als Medizin-
löffel erklärt; dazu würde aber die Form der
Schöpfkelle schlecht passen.
5) Hör. a a. 0.
6) Aus Edelstein, Cic. a. a. 0. ; aus Myrrha,
Plin. XXXVII 20 ; CIL X 6 trulla argentea ana-
mhfpta.
7) Digg. a. a. 0.; wohl ein zylindrisches, dem
modius ähnliches Trinkgefäß.
8) Nach Varro bei Non. 547, 18 (auch bei
Sei v. ad Verg. ecl. 7,33 und Prisc.VI 7 14P.) hätte
man später statt dieser drei das acratophoron
(s. oben) gehabt. Die lepesta (oder lepista) war
nach Varr. bei Non. 547,20 bei den Sabinern im
Kultus üblich, meist von Ton oder Erz, vgl. dens.
1. 1. V 123. Corp. Gloss. VI 637; es ist die grie-
chische Ifnaartj. Die galeola bezeichnet Non.
547, 15 wie das sinum als vas sinuoeum; das
sinum diente ebensowohl alsMilchnapf, Colum.
VII 8. 2. Vere. ecl. 7, 33. Mart. III 58. 20. Bährens
PLM 1 12, 12, wie für Wein, Plaut. Cure. 78
Afran. b. Schol. Verg. ecl. 7, 32; ebd. Cicero. Van o
1. 1. V 123: vas vinarium grandius. Die blossen
erklären es als vas testeum, s. Corp. Gloss. VII
273 (die Form sinum ist die gewöhnlichere, ob-
schon auch sinus vorkommt. Plaut. Cure. 82;
Rud. 1319. Afran. a. a. 0.).
9) So der gläserne priapus, luv. 2,95; vgl.
Plin. XXXIII 4: mpoeulislibidinescadareiuvcft
<<<■ per obecenüates bibere. Quint. 1 2.8 sagt von
den conriria: /»ident/a dictu spretantur.
10) Besonders die calieex. Plaut. Capt. 916.
Cic. in Pis. 27, 67. Varro bei Non. 545. 19. Mart.
IX 59.22; XIII 110; XIV 96; 108; 157,2. luv.
1 1 , 145. Suet. Calig. 32 ; Galb. 18. Capit. Ver. 4, 7.
Lampr. Comm. 1,8. Eine _»atem Hör. sat. I 6,
118; ein cyvihium Mart. VIII 6.2. Holzwarwohl
selten; Paul. sent. III 6,67 nennt neben cristal-
Una, urgenten, vitrea vasa, tarn teearia quam
pocularia, auch Im.rina.
») Vgl. luv. 3.168; 10,25.
12) Digg. XXXIV 2. 32, 2. Paul. sent. III 6,
86 (auch vasa pocularia, ebd. 67); auf Inschr.
Sklaven ad argentum potnrium, CIL VI 8730;
praepoeiUiS argenti potori, ebd. 8729.
13l Paterae, Plin. XXXIII 153. Mart. VI 92;
VIII 6.14; phialae. Plin. a.a.O. 156. Mart. III
41 ; Vni 51,1; ci/mbia. Verg. Aen. V 267. Digg.
XXXIV 2,32, 1; scaphia, Cic. Verr. IV 17,37.
Plaut. Stich. 693; besonders sci/phi. Varro bei
Gell. III 14.3. Cic. Verr. II 19,47: IV 14,32.
Mart. VIII 6, 11: XII 69, 1. Treb. Poll. Claud.
14,4.
") Vgl. bes. Mart. III 41 ; IV 39; VIII 51 :
XI 11,5; XII 69; XIV 93. Siehe Friedländer
Sittengesch. III 274.
408
Zweite Abteilung. Das Leben.
schön ausgeführte Becher, Schalen u. dgl.1). Es sind daher ganz besonders die
argentarii, die solche Efi- und Trinkgeschirre herzustellen haben2), speziell
die argentarii vascularii*), während die vascularii ohne nähere Bezeichnung
wohl Gefäße verschiedener Art führten4) und wie die negotiatores argentarii
vascularii nur Händler waren5). Auch die caelatores oder caelatores anagly-
ptarii6), die crustarii1) u. dgl. sind Fabrikanten solchen Geschirrs 8). Während
die Bronze für Trinkgeräte nicht beliebt gewesen zu sein scheint9), war
dagegen das kostbare Gold häufig10), wenn auch oft das Gold sehr dünn
oder nur Inkrustation oder Vergoldung war11). Dafür wurden in besonders
reichen Häusern die goldenen Becher mit kostbaren Edelsteinen besetzt, als
pocula gemmata12). Hingegen waren Trinkgefäße, die von Gemmenschneidern,
den oben erwähnten scalptores gemmarum13), ganz aus Halbedelsteinen ge-
schnitten waren (besonders aus Onyx), immer seltne Kostbarkeiten14), wie sich
deren einige wenige noch erhalten haben15); etwas häufiger anscheinend die
aus Bergkristall geschnittenen crystallina1*), bei denen die aus tadellos reinem
Stein {acenteta) am geschätztesten waren17); diese Gefäße waren aber auch
sehr kostbar, obschon man sie in Glas täuschend nachzuahmen verstand18).
x) Vgl. Overbeck Pompeji 624 f. Mau Pom-
peji 402. Mon. Piot V pl. 5 ff.
2) Auf den Inschriften kommen argentarii
häufig vor, doch ist es nicht immer ersichtlich,
ob Wechsler (Bankiers) oder Silberarbeiter da-
mit gemeint sind, wenn nicht sonstige Anzei-
chen für letztere Bedeutung vorliegen, also sie
etwa mit aurarii zusammen genannt sind, wie
CIL VI 9209; XI 3821; vgl. Marquardt 695
A. 1 1 ; so auchLampr. AI. Sev. 24, 5. Cod. Theod .
XIII 4, 2. Sonst kommen fahrt arqentarii öfters
vor, Digg. XXXIV 2,39 pr. CIL III 1632; VI 2226;
9390 ff.; XI 5285; 6077; XII 4474; XIII 1963.
3) CIL II 3749; V 3428; VI 9958. Digg.
XLIV 7, 61 pr. Marquardt 695 A. 9.
4) Marquardt ebd. A. 10. Corp. Gloss. II
433, 18 : oxsvojtüXris ; ebd. 596, 23 : vasavendens.
Ein aerarius vascularius CIL VI 9138.
5) CIL XIII 1948.
6) CIL II 2243; VI 9221.
7) Plin. XXXIII 157, nach den vasa cru-
stata, vgl. Fest. 53, 6 : crustaria taberna. Ueber
crustae und emb/emata vgl. H. de Villefosse
MeL Boissier 277 ff.
8) So der argentarius caelator, CIL VIII
21106; der tritor argentarius VI 9950 (d.i. xo-
Qsvrtjs, s. Corp. Gloss. IT 202, 13); der excussor
argentarius, Dessau 7698; der artis argenta-
riae exclusor CIL XIII 2024 (erklärt durch Au-
gustin. enarr. in ps. 67, 39 ; de spir. et litt. 10, 27) ;
auch wohl der inpaestator VIII 9427 (der die
Kunst der i/.uiaiouxr'j ausübt) ; vgl. 20953.
9) Bronzene Trinkgeräte werden selten er-
wähnt und haben sich auch nur wenig erhalten,
vgl. Friederichs Berl. ant. Bildw. II 164.
10) Aurum potorium, CIL VI 8733; aurea
potoria, Plin. XXXIII 136. Goldne phiala, Mart.
XIV 95 ; scaphium, Cic. Verr. IV 24, 54 ; scyphus,
Plaut. Rud. 32.
n) Mart. VIII 33,2. Digg. XXXIV 2,31;
Prop. III 31 (II 33), 40.
12) Plin. XXXVII 17; vgl. XXXIII 5 : turba
gemmarum potamus et zmaragdis teximus ca-
'lices; vgl. Mart. IX 59,17. luv. 10,26. Digg.
XXXIV 2. 19, 13u.20. So calices gemmati, Mart.
XIV 109. Treb. Poll. Claud. 17,5; paterae und
scyphi, ebd.; vasa gemmata, ders. Gall.duol6,4.
Sklaven ab auro gemmato, CIL 33764. Der
Brauch war vom Orient gekommen, vgl. Cic.
Verr. IV 27, 62.
13) Siehe oben S. 265 ; das war zumal Arbeit
des sculptor vascularius, CIL VI 9824.
14) Eine trulla ex una gemma pergrandi ex-
cavata, manebrio aureo, bei Cic. Verr. IV 27, 62 ;
vgl. Verg. Georg. II 506. Prop. IV 4 (III 5), 4.
Plin . XXXVII 95 erwähnt Gefäße aus indischem
Karfunkel (Rubin), die einen Sextarius faßten;
vgl. ebd. 104. Apul. met. II 19. Mart. XIV 110.
15) Vgl. Marquardt 764 f.
16) Trinkgefäße aus Bergkristall Mart. 1 53,
6 ; III 82, 25; VIII 77, 5; IX 22, 7; 73, 5; 1X59. 13;
X 13,5; 66,5; XIV 111 (doch XII 74, 1 sind cry-
stalla Glasgefäße). luv. 6, 155. Sen. dial. V 40,
2 f . ; de ben. VII 9,3; ep. 119, 3 ; 123, 7. Plin.
XXXVII 29. Stat. silv. III 4, 58. Capitol. Ver.
10,9; Anton, phil. 17,4. Besondere Sklaven a
crystall-inis, CIL III 536. Man pflegte sie nur zu
kalten Getränken zu benutzen, Plin. a.a.O. 26.
Isid. XVI 13,1. Vgl. überhaupt Blümner Tech-
nol. III 250.
17) Plin. XXXVII 28. Fronto de fer. Ath. 3
p. 224 Naber. Apul. met. II 19: crystallum h>-
punctum.
18) Plin. a. a. O. 29 : nitre hie ad similitudi-
nem accessere vitrea, sedprodigii modo, ut suum
pretium auxerint, crystalli non diminuerint.
Fraglich ist der Sinn von Mart. IX 59,13: tur-
bata brevi crystallina vitro. Becker II 382 ver-
stand darunter ein unreines, etwa grünliches
Stück oder Stelle; Göll ebd. Kristallgefäße, mit
Fünfter Abschnitt. Mahlzeiten und gesellige Unterhaltungen.
10!»
Koch erhaltene Kristallgefäße sind sehr selten1). Vermutlich waren auch
lie als Trinkgefäße öfters genannten vasa murrina2), die ebenfalls für eine
feroße Kostbarkeit galten, zumal die größeren Exemplare 3), von irgendeinem
keltnen Stein, doch ist die sichere Beantwortung der Frage, aus welchem
Material sie bestanden, noch immer nicht gelungen4), obschon so viel fest-
lieht, daß dasselbe kein künstlich erzeugtes war5). Doch verstand man sich
null darauf, die murrina in Glas täuschend nachzuahmen6). Selten und
kostbar waren auch Trinkgefäße aus Bernstein7). Hingegen waren Trink-
Uefafie jeder Art aus Glas, die früher auch noch teuer gewesen waren, durch
Ige Fortschritte in der Technik der Glasarbeit (der vitrearii8)) und die Ver-
breitung der Fabrikation über Italien und die Provinzen9) immer häufiger
|md billiger geworden und werden daher als calices vitrei u. dgl. Öfters er-
kühnt10). Indes blieben die Erzeugnisse der ägyptischen, besonders der
hlexandrinischen Glasfabrikation immer noch wertvoll11), namentlich die mit
Erhabenen Verzierungen versehenen12), die. in einer auf farbigen Untergrund
aufgelegten weißen Überfangschicht ausgeschnitten, dem Gefäß das Aussehen
feines in Halbedelstein gearbeiteten verliehen13). Auch die Meisterwerke
römischer Glasarbeit, die von durchbrochenem Glasfadennetz umgebenen vasa
rlasgeschirr untermischt (des Betruges wegen);
Friedländer zu Mart. ein Kristallgefäß mit ein-
geflicktem kleinem Stück Glas.
J) Vgl. Marqüabdt 765 A. 7.
■j M nrra , »ix rr i na , in >( i-i-i'a,besonAevsvoii
iPlin. XXX VII 18—22 besprochen; sie kamen
danach zuerst im Jahre 61 v. Chr. durch Pom-
ipeius mit der mithradatischen Beute nach Rom.
Erwähnt weiden sie oft, vgl. noch Plin. XXXIII
15; XXXV 158; 163; XXXVII 204. Prop. IV 9
(III 10), 22; V (IV) 5,26. Sen. ep. 123,7. Mart.
III 26, 2 ; IV 85, 1 ; IX 59, 10; X 80, 1 ; XI 70, 8 ;
XIII 110,1; XIV 113. luv. 7,133. Stat. silv. III
4,58 u. s.
3) Einen calix, der drei Sextarien faßte, er-
mähnt Plin. XXXVII 18 ; ebd. und 19 f. werden
((Preisangaben gemacht, von 70000, 300000 und
jlMillionSesterzen(15226,65256u.217521^.).
Ihre Zusammenstellung mit Goldgefäßen (z. B.
JLucan. IV 380) zeigt ihren Wert also nur sehr
allgemein an. Vgl. Friedländer Sittengesch.
III 101 u. 103.
4) Sie sind früher mit Unrecht fürPorzellan
erklärt worden, jetzt hält man sie für Flußspat
oder Achat; s. die Litteraturangaben nebst Be-
handlung der Frage bei Becker-Göll II 385 ff.
M akcjuardt 765 ff. Blümner Technol. III 276.
Babelon bei D.-S. III 2046 ff.
») Vgl. besonders Plin. XXX III 5; XXXVII
21. Sid. Apoll, carm. 11,20; daß sie aber auch
nicht zu den gemmea vasa gerechnet wurden,
zeigt Digg.XXXIV2. 19, 19.
6) Plin. XXXVI 198.
') luv. 5, 38 (was allerdings Becker-Göll
II 380 nur auf Metallgefäße mit Bernsteinver-
I zierung beziehen will). Apul.met.lI19:sMc/««w
in irr cavatum. Die vasa electrina Digg. XXXIV
2, 32, 5 sind wohl nicht aus Bernstein, sondern
aus Elektron, d. h. Gold- und Silbermischung;
vgl.ebd.XLll,7.Instit.IIl,27.Mart.VHI51,5.
8) Sen. ep. 90, 31; häufiger auf Inschriften
erwähnt, z. B. CIL III 9542; VIII 9430; ein
opifex artls vitriae XIII 2000. In Rom gab es
einen vicus vitrarius, Richter Topogr. 342.
JoRDANTopogr.il, 515; 3,219; in Puteoli einen
clivus vitriarius, Not. d. scavi 1885, 393.
9) Vgl. Marquardt 745 ff.
10) Mart. XI 11,1; XIV 94 als calices au-
daces, d. h. bei denen man sich nicht sehr in
acht zu nehmen braucht, vgl. XII 74, lff.; IV
85 wird das Glas der kostbaren murra entgegen-
gesetzt. Ihre allgemeine Verbreitung bezeugt
Plin. XXXVII 199: usus eorum ad potandum
argmti metälla <i muri pcpu/it. Trimalchio bei
Petron. 50, 7 zieht sie korinthischen Bronzen
vor, weil sie nicht riechen, und fügt hinzu : quod
rtnon fnmgerentur, mattem mihi quam attrum:
nunc autem vilia sunt. Anderes s. luv. 2, 95.
Prop.V (IV) 8,37 (wo das Glas als acstiva su-
pellex bezeichnet wird bei einem Mahl im Gar-
ten). Sen. dial. III 12, 4.
11) Mart. XII 74.1. Treb.Poll. Claud. 17,5.
Capit.Ver.5,3.
>*) Die toreuMOta rltri. Mart. a. a. O. 5; XI
1 1, 1 ; XIV 1 15 sind eben solche gemeint : qttibtu
addere phira dum cttpit, ah quotiais pirdidü
auetor opus. 'Daher spricht Quintil. II _21,9 auch
von einer. -tcidpfnni des Glases; vgl.Plin. XXXVI
193.
13) Die wenigen erhaltenen Exemplare der
Art zählt Marquardt 759 f. auf; zu vgl. sind
überhaupt A. Deville Histoire de l'art de la
verrerie dans l'antiquite, Paris 1873. W. Froeh-
ner La verrerie antique, Le Pecq 1879. A. Kisa
Das Glas im Altertum, Leipzig 1908. Zum Tech-
nischen Blümner Technol. IV 379 ff.
410
Zweite Abteilung. Das Leben.
diatreta x), dienten, obschon sehr zerbrechlich und, nach den erhaltenen Exem-
plaren zu schließen, meist ohne Fuß, als Trinkbecher, wie die mehrfach daran
angebrachten Inschriften lehren2). Wertvoll waren auch die (zumal in Alexandria
besonders prächtig hergestellten) farbigen Gläser, in denen man die mannig-
faltigsten Edelsteine nachahmte und die auch zu Trinkgefäßen verarbeitet
wurden 3). Daneben gab es schlichte und billige Gläser, einfach glatt oder in
Formen gegossen oder mit gepreßten Reliefs4); die in öffentlichen und Privat-
sammlungen in großer Menge erhaltenen Gläser zeigen, wie mannigfaltig in
Form und Herstellung die römische Glasfabrikation zu arbeiten verstand.
Während der comissatio fehlte es nicht an Unterhaltungen von allerlei
Art. In guter Gesellschaft freilich betrachtete man, wie die Griechen, ein ge-
bildetes Gespräch für die beste Unterhaltung 5) ; oft wird allerdings die Kon-
versation den Charakter des Stadtklatsches getragen haben6). Nicht gerade
bei den Gästen beliebt, wenn auch häufig, waren Vorlesungen, acroamata1),
sei es nun, daß der Hausherr selbst etwas Eignes vorlas8), sei es, daß er
durch einen besondern lector9) oder einen Schauspieler 10) etwas vortragen ließ,
zumal Gedichte, die am beliebtesten waren11), und zwar nicht bloß neuere
Erzeugnisse, sondern auch Stellen der Klassiker12). Verschiedenartig waren
!) Die Bezeichnung findet sich nur Mart.
XII 70, 9 undDigg.IX2,27,29; ihre Beziehung
auf jene durchbrochenen Gefäße, vonFflöiiNER
a.a.O. 87ff. bestritten, ist zwar nicht erweislich,
aber sehr wahrscheinlich, s. Makqüardt 754 ff.
Blümner 401, sowie Friedrich Rhein. Jahrb.
LXXIV 176 ff. Vermutlich waren die im Cod.
Theod. XIII 4, 2 und Cod. Iust. X 66 (64), 1 er-
wähnten diatretarii Verfertiger solcher Ar-
beiten.
*) Etwa Bibe vivas multis annis, vgl. Mar-
quardt a. a. 0.
3) Vopisc. Saturn. 8, 10 werden ägyptische
calices allassontes versicolores erwähnt. Ueber
bunte Gläser, Millefiori u. dgl. s. Marquardt
750 f. Blümner 396 ff.
4) Bei Apul.met.II 19 wird unter den man-
nigfaltigen Trinkgefäfien auch vitrum fahre si-
gillatum aufgeführt.
5) Das wird als Brauch der Vorfahren ge-
rühmt und empfohlen Cic. Cat. mai. 14, 46 ; vgl.
Plut. qu. conv. VII 8, 4 p. 713 B. Ueber die Tisch-
gespräche und ihren mannigfachen Inhalt vgl.
Friedländer Sittengesch. I 387 ff.
6) Vgl. Mart. II 6,8; VII 97, 11; IX 35. luv.
1 . 145 ; im allgemeinen s. Saglio bei D.-S. 1 33 ff.
Mau bei P.-W. I 1197.
7) Nep.Attic.l4,l.Plin.ep.VI31,13;doch
werden damit, wie mit acroasis, auch öffentliche
Vorträge bezeichnet, sowie alles, was bei priva-
ten oder öffentlichen Anlässen für Auge und Ohr
geboten wurde,s.im allgemeinen Plut. qu. conv.
VII 8 p. 711 f. und vgl. Petron. 53, 12. Lampr.
AI. Sev. 34, 2. Eine serva acroam. Graeca CIL
VI 8693.
8) Den Schrecken, den solche Rezitationen
einflößten . schildert drastisch Mart. III 44 u. 45 ;
ebd. 50 erfahren wir, daß sie auch schon wäh-
rend der cena stattfanden; vgl. V 78,25: nee
crassum dominus leget volumen. Auch Hör. carm.
III 1 1 , 6 spielt darauf an, vgl. Plut. a. a. O. I 4, 3
p. 621 C, und nach Plin. ep. IX 17,3 brachen
manche Gäste, wenn eine Vorlesung oder ein
musikalischer Vortrag begann, auf oder lagen
gelangweilt da.
9) Plin. a. a. O. und 1 15, 2. Suet. Aug. 78;
öfters mit dem griech. Ausdruck anagnostes, wie
Cic.adfam.V9,2;adAtt.I12,4.Nep.Att.l4,l.
Gell. XVIII 5,2; vgl. Mau bei P.-W. I 2025.
Boissier bei D.-S. III 1012 f. Diese lectores
waren meist gebildete Sklaven (inschriftl. CIL
VI 3978 ; auch lectrices kommen vor, ebd. 8786 ;
33473. Not. d. seavi 1899. 78 n.52; oder ana-
gnostrices, ebd. 33830 ; 34270), die ihren Herren
auch bei oder nach dem häuslichen Mahle, beim
Bade, vor dem Schlafengehen oder sonst vor-
lasen, vgl. Plin. ep. III 5.11 u. 14:1X36,4. Suet.
Aug. 78. Favorinus ließ gleich bei Beginn des
Mahles einen Sklaven etwas Griechisches oder
Lateinisches vorlesen, Gell. III 19.1.
,0) Plin. ep. 115,2; III 1,9; 1X17.3; Plut.
a. a. O. VII 8,3 p. 712B empfiehlt dafür Me-
nander.
") Pers. 1.30. Mart. IV 82,5; X 19,20 f.
12) So aus Homer und Vergil, luv. 11, 179 ff.
Varro bei Gell. I 22, 5 schreibt vor: in conviviä
legi nee omnia debent et ea potissimum, quae
simul sitit ßwxpakf) et delectent; bei Favorinus
wurde in eoninvio familiari aut vetus carmeti
melici poetae aut historia partim Graecae lin-
guae, alias Latinae vorgelesen, ebd. II 22, 1. Es
gab Sklaven, die den Homer oder den Hesiod
auswendig wußten, Sen. ep. 27, 6. Plin. ep. V
19, 3 rühmt an seinem Vorleser: tarn commode
orationes et historias et carmina legit, ut hoc
solum didicisse videatur. Der Vortrag scheint
Fünfter Abschnitt. Mahlzeiten und gesellige Unterhaltungen.
111
sodann die musikalischen Unterhaltungen. Zwar die alte Sitte, daß bei den M fthl-
zeiten von den Teilnehmern gemeinschaftlich anter Flötenbegleitung Tafel-
lieder, besonders Lob und Preis der Vorfahren enthaltend, gesungen wurden ' ).
oder daß Knabenchöre solche vortrugen2), war schon sehr früh abgekommen | :
wurde in späterer Zeit einmal von den Zechgenossen gesungen, so scheinen
es Lieder von recht zweifelhafter Art gewesen zu sein4). Immerhin trugen
stimmbegabte Gäste hier und da irgendeinen Gesang vor5), wie denn auch
sonst die Gäste, die sich auf irgend etwas verstanden, eine Produktion zum
besten gaben6). Für gewöhnlich aber besorgten gemietete Musiker oder
musikalisch gebildete Sklaven des Hausherrn diesen Teil der Unterhaltung7):
bei einem solchen Hauskonzert, symphonia genannt8), wirkten tibicines mit,
deren Anwesenheit schon wegen der bei den Spenden üblichen Flötenbegleitung
erforderlich war9), ferner cornicines10), lyristae11), citharoedi12), sambucitiriae1*),
die wohl auch zu ihrem Spiele sangen oder den Gesang anderer begleiteten14).
dabei zwischen Deklamation und Gesang die
Mitte gehalten zu haben, und manche trieben
solche Vorträge als (iewerbe, s. die Grabschrif-
ten CIL VI 9447 (Anth. Lat. ed. Bücheier 467
n. 1012) und ebd. 10097 (Anth.Lat.511n. 1111).
Vgl. Friedländer zu luv. a. a. 0. und Sitten-
gesch. III 295.
') Cic.Brut. 19, 7h:utinamextarentillacar-
mina, quae multis saeclis ante suam aetatem in
epulis esse cantata, c singulis convivis de claro-
rum virorum laudibus in originibus scriptum
reliquit Cato (nach Mommsen Rom. Gesch.6 I
212 erst spätere, vermutlich den Griechen ent-
lehnte Sitte); vgl. dens. Tuscul. I 2.3; IV 2,3.
Val. Max. II 1, 10. Nach Cic. de or. III 51,197.
Quint. I 10,20 wurde der Brauch auf Numa zu-
rückgeführt.
2) Varro bei Non. 77, 2.
3) Daß aber Aehnliches doch auch später
noch vorkam, zeigt Hör. carm. IV 15, 25 ff., wo
der Dichter die Trinkgenossen auffordert, inter
iocosa munera Liberi \ cum prole matronisque
nostris, \ rite deos prius adprecati, \ virtute
functos more patrum duces j Lt/dis remixto car-
mine tibiis zu besingen. Vgl. ebd. 1 12. und über
den Brauch überhaupt Zell Ferienschriften II
170 u. 193.
4) Quint. 12,8: omne convivium obscenis
canticis strepit.
5) Man erinnere sich an den Sardus Tigel-
lius. der oft ab ovo usque ad mala sang. Hör. sat.
1 3, 1 ff. ; bei Petron. 64,5 singt ein Gast griechi-
sche Lieder.
6) So werden Anekdoten erzählt, wie bei
Petron. 61. 63; Szenen aus Theaterstücken vor-
getragen, ebd. 64,2; Tierstimmen oder Instru-
mente nachgeahmt. 64, 5 ; 68, 3 u. a. m.
7) Nach Liv. XXXIX 6,8 wäre diese Sitte,
die psaltriae sambucistriaeque et convivalia h<-
dorum oblectamenta,im Jahre 187 v.Chr. mit an-
derem Luxus aus Asien nach Rom gekommen.
Solche musikalische Sklaven und Sklavinnen
hießen symphoniaci, Cic. Verr. V25,64; 28,73;
pro Mil. 21.55 ; in Pison. 34.83. Macrob. 114,28.
Petron. 28,5; auch inschiiftl. CIL II 8565 [sym-
phoniaca); VI 4472:6356;6888; VIII21101: X II
3348; musicarü ebd. II 2241 ; VI 4454; 9649 f.;
XII 3344. Besonders waren Gesang, Saiten- und
Flötenspiel erforderlich, Cic. pro Rose. Am. 46,
134. Gell. XIX 9, 3. Beim Mahle des Trimalchio
hört die Musik fast nie auf, selbst das Auftragen
der Speisen, das Abräumen usw. erfolgt unter
Gesang und Instrumentalbegleitung der Skla-
ven. Vgl. über die Musikmanie jener ZeitFaiED-
länder Sittengesch. III 309 f. ; über Musikskla-
ven Marquardt 151 A. 8.
8) Cic. Verr. III 64,105; ad fam. XVI 9,3.
Hör. A. P. 374. Sen. ep. 12,8. Petr. 31,2.
9) Quint. 1 10, 20 von der alten Zeit, ebenso
Cic. Tusc. I 2,3; IV 2,3 u. s.; der tibien beim
Opfer Plut.qu.conv. VII 8, 4 p. 7 12 F. Bei Prop.
V (IV) 8, 39 ist ein ägyptischer tibicen und eine
crotaliatria beim Mahle. Daß die Flötenmiisik
bei Tisch oft recht lästig wurde, zeigt Mart. IX
77,5: quod optimum Kit guaeritii eonvkriumt
In quo choraules nun erü, obschon er selbst V
78, 30 einem Freunde zu einem bescheidenen
Mahle die parvi tibia condyli verspricht: und
Horaz fragt carm. III 19, 18 den Hausherrn: e*r
pendet taetta fistula cum lyraf Ein choraults
als Sklave Mart. VI 39, 19'; XI 75, 3; eine cht-
rauie CIL VI 10122.
10) Petr. 53, 12 ; 78. 5 ; sonst wohl ungewöhn-
lich.
») Plin.ep.I15.2; IX 17,3; 36,4. Sid. Apoll,
ep. 12,9.
") Ein Sklave als citharoedus CIL VI 7286;
psaltriae Macr. II 1,5. Vgl. Plut. a. a. < ).
,s) Liv. a. a. O. ; vgl. Plaut. Stich. 8fl 1 .
14) Bei Hör. ep. II 2, 9 als Empfehlung eines
Sklaven: quin etiatn canet btdoctum, std dulet
bibenti. Bei einer «iesellschaft feingebildeter
Männer bei Gell. IX 9, 3 f. tragen Knaben und
Mädchen Lieder von der Sappho. von Anakreon
und Elegien moderner Dichter zur Kithar vor.
Bei Trimalchio singt die ganze Sklavenschar,
Petr. 28.5; 31, 4 f.; 32,1 u. ö. Contricu als
Sklavinnen CIL VI 7285; 9230; 33794.
412
Zweite Abteilung. Das Leben.
Sehr beliebt war das Auftreten von Tänzerinnen x), zumal den berüchtigten
Mädchen aus Grades2) oder Syrien3), die entweder zur Musikbegleitung oder
selbst mit ihren Kastagnetten sich begleitend (crotalistriae)4) üppige Tänze
aufführten. Auch Mimen traten bei den Gastmählern auf5), Possenreißer, deren
meist unglaublich fade Witze eifrig belacht wurden6), Zwerge7), Gaukler und
Taschenspieler8) u. dgl. m.
Nicht selten aber mag an Stelle des Gesprächs, der musikalischen Pro-
duktionen oder irgendeiner andern Unterhaltung das eine oder andre Spiel9)
getreten sein, wie sie in geselligen Kreisen üblich waren, vornehmlich ein
Glücksspiel, wie das Würfeln10). Vom Würfelspiel, das im allgemeinen, ohne
Unterschied des dabei verwendeten Wurfmaterials, alea hieß11), gab es zwei
Arten: das Spiel mit Knöcheln und das mit eigentlichen Würfeln. Beim Spiel
mit Knöcheln (Astragalen), tali12), wurde mit den kleinen, in den Hinter-
füßen von Rindern, Ziegen, Schafen oder Antilopen u.a. befindlichen Knochen13)
oder mit Nachbildungen von solchen aus Knochen, Elfenbein14), Metall, Stein
u. a.15) gespielt, und zwar teils, wie namentlich die Kinder, mitunter aber
auch die Erwachsenen taten, indem man, wie mit Nüssen, Steinchen u. dgl.,
Gerade oder Ungerade (par impar)16) oder das im Auffangen geworfener
') Saltatric.es, CIL VIII 12925.
2) Mart.V78,26: VI 71,2; XIV 203. luv.
11,162. Plin. ep. I 15,2.
3) Verg. Copa 1. Auch die ambubaiae, Hör.
sat. I 2, 1. Suet. Nero 27. Petron. 74, 13, waren
syrische Tänzerinnen und Flötenbläserinnen,
s. Acro zu Hör. a. a. 0.; vgl. luv. 3, 26 f. Mit
Bezug auf diese Produktionen sagt Quint. I 28,
8 von den Mahlzeiten: pudenda dictu spe-
ctantur.
4) Prop. V (IV) 8,39. Vgl. über diese Tänze
O.Jahn BSGW 1851, 168 ff.
5) Plut. a.a.O. 712E, wonach diese Auf-
führungen oft so gemein waren, daß sie die
Sklaven, die die Sandalen der Herren hielten,
nicht hätten anhören dürfen, während doch
Frauen und Knaben zugegen waren. Sie
heißen auch plam'pedes, luv. 8, 191. Macr. II
1,9.
6) Man erinnere sich an die Szene bei Hör.
sat. I 5, 51 ff. Sie heißen scurrae, auch cinaedi,
moriones oder sabulones, Plin. ep. IX 17. 1 f.
Macr. a. a. 0. Lampr. AI. Sev. 34, 2. Mart. VIII
13, 1 ; XIV 210; auch derisores, Plaut. Capt. 71.
Hor.ep.I 18,11.
7) Nani (nanae) oder pumiliones, die auch
tanzten, Prop. a. a. 0. 41 f. Suet. Aug. 83; vgl.
Beckek-Göll II 149. Ein pumilio als Sklave
CIL VI 9842.
8) Petron. 53, 1 1 treten petauristarii, Akro-
baten auf, vgl. über deren Künste Grasberger
Erziehung u. Unterricht 1 120 ff. Daß man Gla-
diatoren kämpfen ließ, waren Exzesse einzel-
ner Kaiser, s. Capitol. Ver. 4, 9. Lampr. Heliog.
&o, 7.
9) Ueber Gesellschaftsspiele ist vornehm-
lich zu vgl. Becq de Fouquieres Les jeux des
Anciens, 2. ed. Paris 1873; ältere Litteratur s.
Becker-Göll III 456. Makquardt847 A. 1.
10) So wird nach der Mahlzeit gewürfelt bei
Plaut. Cure. 354; Asin. 904; Capt. 73; vgl. Verg.
Copa 37. Suet. Aug. 71.
n) So bei Plaut. Cure. 354 f.: talos poscit
sibi in manum, j provocat me in aleam ut ego
ludam. Vgl. Suet. Caes. 32; Aug. 71. Petron.
122 v. 174. Darnach das Würfelbrett tabula
aleatoria,Fest.8,ll; tabellaalearis, Cael.Aurel.
chron.II 1,25.
1 2) Vgl. hierüber Becq de Fouquieres 325 ff.
Voemel im Philol.XIIl (1858) 302ff. L.Bolle
Das Knöchelspiel der Alten, in der Festschrift
für Direkt. Nölting, Wismar 1 886. Mau bei P.-W.
II 1793 ff. Mitunter wird aber talus auch im
Sinne von Würfel {tessera) gebraucht, Sen. lud.
15,1.
1 3) Der Knochen , den Aristot. de part. anim.
IV 10 p. 690 a, 1 1 und hist. an. II 1 p. 499 b, 20
beschreibt, ist der von Bolle Taf. II in verschie-
denen Ansichten abgebildete, der heut noch bei
allen Wiederkäuern in der Fußwurzel derHinter-
beine (also zwischen Unterschenkel und Mittel-
fußknochen, nicht, wie Bolle 10 sagt, zwischen
Ober- und Unterschenkel) sich findet und heut
noch talus oder astragalus heißt.
14) Prop. III 18 (II 24), 13. Mart. XIV 14.
lö) Von Gold Suet. Tib. 12, hier allerdings
in Verwendung bei der sog. Astragalomanteia
(vgl.MAU a.a.O.). Abbildungen erhaltener Astra-
galen aus Bronze, Achat, Bergkristall u. a. bei
Ficoroni Sopra i tali ed altri strumenti lusori
(Rom 1734) tav. 3; andere Nachweise Heyde-
mann Die Knöchelspielerin im Palazzo Colonna
(Halle 1877) 6 A. 14 und vgl. CIL II 6246, 8.
Not. d. seavi 1899, 487.
,6) Doch wird bei Suet. Aug. 71 vel talis vel
par impar ludere unterschieden.
Fünfter Abschnitt. Mahlzeiten und gesellige Unterhaltungen.
418
Astragalen bestehende „ Fünfsteinspiel "') oder ein ähnliches spielte2), teils
indem man die Astragalen wie Würfel zu einem Glücksspiel benutzte3).
Diese Astragalen hatten längliche Form und sechs Seiten, von denen aber
beim Wurf zwei einander gegenüberliegende kleinere (die sogenannten HeQCueu)
nicht in Betracht fielen, da die tali beim Fallen nicht (oder nur ausnahms-
weise) darauf zu stehen kamen, sondern es galten nur die vier andern, etwas
länglichen Seiten, die aber bestimmt unterschieden wurden4). Je nachdem
der Astragal auf eine dieser Seiten fiel, hatte der Wurf verschiedenen Wert6):
die eine Seite, das sogenannte %lov, galt am wenigsten, nämlich nur eins, und
dieser Wurf hieß der Hundewurf, canisß), auch vulturius1); am meisten galt
die gegenüberliegende Seite, die sechs zählte und griechisch M0og, lateinisch
senio hieß8). Die beiden Breitseiten, jigaveg und vnxiov bei den Griechen9),
galten drei und vier. Man würfelte mit vier tali10), die man in der Hegel nicht
aus der Hand11), sondern aus einem Becher, wie man sich dessen auch bei
den gewöhnlichen Würfeln bediente, und der pyrgw1*), turricula1*), fritillus1*),
whimus16) hieß, herausfallen ließ, und zwar, wenn nicht direkt auf den Tisch,
J) Griech.,-TfV7:e;.u'>C«»',Poll.IX 126. Phot.
411.3. Ueber diese Kinderspiele mit Astragalen
vgl. Heydemann 8 f.
2) Ueber künstlerische Darstellungen der
Astragalenspiele s. Heydemann 1 1 ff.
Wir verdanken unsere Kenntnis der Ge-
setze dieses Spiels einer aus Sueton stammen-
den Nachricht bei Poll. IX 99. Eust. z. II. XXIII
88 p. 1289, 50; z. Od. I 107 p. 1397, 35. Schol.
Plat. Lysis p. 206; vgl. Suet. reliqu. p. 322 ff. u.
402 f. (Reiff.).
4) Bei Aristot. hist. an. a. a. 0. heißen sie:
xo fisv Tigaveg r'^co, xo 8' vnxiov sicco, xal zä ftsv
xum h'io^: ioxga/i/neva xoö<; äXkrjXa, xa de yla
xaXovueva r'gco. Bei dem Bolleschen Astragal
(s. Taf. II) ist darnach das vjxxiov tief ausge-
höhlt, das Ttoaveg stark konvex; xcpov und yior
sind flach (letzteres gleicht einem mensch-
lichen Ohre). Anders beschreibt Mau a. a. O.:
bei ihm ist das %iov zwar voll, das xcpov aber
eingedrückt.
5) Die Meinungen, ob die unten oder, wie
bei den Würfeln, die oben liegende Seite ent-
schied, gehen ausein ander : Makquardt 850 A. 5
entscheidet sich für ersteres, Bolle 1 1 f. für
letzteres, was der heut noch in Griechenland
üblichen Berechung entspricht, vgl. Ulrichs
Reisen u. Forsch, in Griechenl. I 437.
6) Ov.a.a.II206;tiist.II474. Prop.V(IV)
8,46. Mart.XIII 1,6. Suet. Aug. 71; camcula.
Pers. 3. 49.
') Plaut. Cure. 357.
8) Pers. 3,48. Mart. a. a. O. Suet. a.a.O.,
woraus hervorgeht, daß die Bemerkung von
Friedländer zu Mart. a. a. 0., der senio sei nur
der beste Wurf bei den Würfeln, nicht bei den
tali, nicht richtig ist. Marquardt a. a. 0. meint,
der xu>o; sei deshalb der beste Wurf, weil der
Astragal am seltensten auf diese Seite zustehen
kam, ebenso der xvcov der schlechteste, weil
er der häufigste war; hingegen behauptet Bolle
11, nach seinen Versuchen, daß ein Unterschied
zwischen xioov und ilixior in der Fallneigung
nicht zu konstatieren sei und daß, wie bei den
Würfeln, nur der Zufall entschieden habe.
9) Isid. XVIII 65 hat für die 3 und 4 beim
Würfel die Benennung mppu» und planus.
10) Cic. de div. I 13,23; II 21,48; daher
sieht man auch auf den Darstellungen des Astra-
galenspiels so viele, s. Heydemann 9.
1 ') Daß aber dies auch vorkam, lehrt Mart.
XIV 16.
12) Er war unten schmäler als oben und
innen mit stufenartigen Absätzen versehen, s.
Anth. Latina 134 n. 193 Riese: in parte alveoH
pyrgus vehtt uma resed&j <jni vomü interne»
tesserulaa grodibus. Sid. Ap. ep. VIII 12, 5 : hie
tessera frequois eboratis resultatura pyrgorum
gradibus expeetat; ebd. V 17,6. Schol. luv. 14,5.
Auson. prof. 1, 27. Diese Stellen ergeben auch,
daß das Material dafür Holz oder Elfenbein war.
13) Mart. XIV 116.
14) Diese Bezeichnung findet sich am häu-
figsten, s. Mart. IV 14, 8; V 84, 3 ; XI 6, 2: XIII
1,7; XIV 1, 3. luv. 14, 5. Sen. lud. 12, 3 v. 61 ;
14,4; 15, 1. Sid. Ap. ep. II 9,4. Corp. Gloss. V
457,52; 501,48. Vgl. Saglio bei D.-S. II 1341,
mit Abbildung eines erhaltenen Exemplars Fig.
3297 ; in richtiger Turmform auf dem Kalender-
bilde ebd. Fig. 3298 (nach Strzygowski Chro-
nogr. vom Jahr 354 Taf. 32).
15) Das griech. qniiö?, Hor.sat. II 7, 17 : wit-
teret in phimum talos: vgl. Schol. luv. 14, 5:
fritilhix, pyxis earnea, <//>>' tptftoe Qraece </iri-
tur. Es ist sicher unrichtig, wenn Salmasius
ad Scr.hist.Aug.il 755 den phimus für etwas
anderes hält, als den pgrgus oder friti//ns. oder
Teuffel zu Hör. sat. a. a. 0. den phimus zwar
mit dem fritilhix identifiziert, als Würfelbecher,
unter m/rgus oder tttrricula aber einen turm-
ähnlichen Zylinder versteht, in den die Würfel
aus jenem geworfen wurden und aus dem sie
414
Zweite Abteilung. Das Leben.
so wohl auf das auch beim Würfeln übliche Brett, die tabula aleatoria x) oder
alveus2), das mitunter von erheblicher Größe war3). Mit den vier Astragalen
waren 35 Kombinationen möglich, von denen die beste, wenn jeder Astragal
auf eine andere Seite fiel, also eins, drei, vier, sechs, Venus hieß4) oder
iactus Venerius0). Auch von den übrigen Würfen hatten manche Namen, die
uns aber nur für griechische Spielregeln überliefert sind6); es gab auch
allerlei besondere Kombinationen bei der Wertberechnung7), und mitunter
wurde auch nleioToßollvda gespielt, d.h. es gewann die höchste Augenzahl8).
Noch verbreiteter war das Spiel mit Würfeln9), tesserae, die in Form
und Zahlen ganz den unsern glichen10) und in der Regel aus Knochen oder
Elfenbein gefertigt waren11). Wie bei den Knöcheln hieß die eins canis, die
andern Würfe wurden in der Regel nach der Zahl benannt12). Man spielte
mit zwei oder drei Würfeln13), und zwar entweder nleioroßolirda oder nach
bestimmten Regeln14). Man warf die Würfel, wie oben erwähnt, aus dem
Würfelbecher auf das Spielbrett; vielfach rief man dabei den Namen der
dann erst auf das Würfelbrett rollten. Wenn
Marquardt 848 nach dem Vorgang anderer
auch orca als Bezeichnung dafür anführt, unter
Berufung auf Pers. 3, 50 und Pompon. bei Prise.
III 6 p. 615 P, so beruht das auf einer falschen
Deutung, da an jenen Stellen jedenfalls von
einem Kinderspiel die Rede ist, bei dem ein
talus, calculus oder dgl. in ein enghalsiges Gefäß
geworfen werden mußte; vgl. Jahn zu Pers.
a. a. 0. p. 153.
») luv. 1, 90. Cael. Aur. chron. II 1, 25.
*) Cic. de fin.V 20, 56; alveolum poscere,
pro Arch. 6. 13. Varro b. Gell. T 20, 4. Vitr. V
pr.4. Suet. Claud. 33. Val. Max. VIII 8,2. Fest.
8,1. Bei Petron. 33, 2 ist das Spielbrett von
Terpentinholz. Sie dienten auch bei den Brett-
spielen, s. u.; eine Abbildung auf einem pom-
pejanischen Bild, Not. d. seavi 1876 tav. 6. Vgl.
Mau bei P.-W. I 1705.
3) Ein von Pompeius mitgebrachter alveus
lusorius aus zwei Edelsteinen (vermutlich Onyx
oder Achat) war 3 Fuß breit und 4 Fuß lang,
Plin. XXXVII 13.
4) Daß dies der Venuswurf war, zeigt Mart.
XIV 14: cum steterit nullus vultu tibi talus eo-
dem, munera me dices magna dedisse tibi; noch
deutlicher Luc. Amor. 16. Vgl. Hör. carm. II 7,25.
Prop. V (IV) 8, 45. Suet. Aug. 71.
5) Plaut. Asin. 905. Cic.de div. I 13,23;
1121,48; 59,121.
6) So Stesichoros, Euripides u.a., vgl. Mar-
quardt 852 f. Mau a. a. O. 1794.
7) So in dem von Augustus bei Suet. a. a. O.
in einem Briefe beschriebenen, wo canis und
8enio, d.h. viermal 1 und viermal 6, Einsatz
zahlten, Venus alles gewann. Daher Ov. trist.
II 471 : sunt aliis scriptae, quibus alea luditur,
artes : \ quid valeant tdli, quo possis plurima
iactu ! flgere.
8) Poll. IX 117; vielleicht war der basilicus
bei Plaut. Cure. 359 ein solcher Höchstwurf.
Bolle 22 f. nimmt an, daß auch bei Pers. 3, 48
mit demdexter senio nicht ein einzelnerAstragal,
sondern vier senio- Würfe gemeint seien = 24;
doch zeigt der Zusammenhang bei Persius, daß
man nicht so einfach zählte, sondern daß be-
sondere Rechnungsmethoden existierten; das
geht auch aus Ov. a. a. III 353: talorum diceri
iactus ut sciat hervor.
9) Vgl. Becker-Göll III 456 ff. H. Sauppe
Philol. XI (1857) 36 ff. K.W. Müller bei Pauly
I 690 ff. Becq de Fouquieres 302 ff.
10) Gell. I 20,4: xvßog enim est figitra ex
omni latere quadrata, quales sunt, inquit M.
Varro, tesserae, quibus in alveolo luditur. Nach
Isid. XVIII 62 wäre der alte Name iacuJum ge-
»)' luv. 11, 132. Mart. XIII 1,6. Trimalchio
hat Würfel aus Bergkristall, Petron. 33, 2 ; auch
die tesserae bei Plin. XXXVII 13 waren wohl
von Edelstein. Erhalten haben sich noch sehr
viele Exemplare, vgl. Marquardt 847 A.5. Sie
gleichen auch darin den heutigen, daß immer
die Punkte auf zwei entgegengesetzten Seiten
zusammen 7 ausmachen. Ueber eine besondere
Art Würfel, die 12 Seiten und auf diesen teils
Buchstaben, teils Zahlen aufweisen, s. van
Vleuten Rhein. Jahrb. LVII 191.
12) Nach Isid. XVIII 65 unio oder canis, hi-
nio, trinio oder suppus, quaternio planus, qui-
nio, senio.
1 s) Mit zwei Würfeln spielt Claudius bei Sen.
lud. 15, 1 ; mit dreien Ov. a. a. III 355. Nach
Eust. z. Od. I 107 p. 1397, 16 wäre das Spiel
mit dreien das ältere, mit zweien das später
übliche gewesen. Daß in der Regel die Zahl
der tesserae kleiner war, als der tali, zeigt Mart.
XIV 15.
14) Darauf spielt Ov. a.a. III 354 an: ut sciat
et vires, tessera missa, tuas ; die folgenden Verse :
et modo tres iactet numeros, modo cogitet, apte
quam subeatpartem callida deuten ein Spiel an,
bei dem der Spielende vor dem Wurf die Be-
rechnung bestimmte.
Fünfter Abschnitt. Mahlzeiten und gesellige Unterhaltungen.
415
Geliebten oder einer Gottheit an1). Gegenüber dem Knöchelspiel galt das
Würfelspiel als das gefährlichere Hazardspiel2), um so mehr, als immer
um Geld, und oft sehr hoch und leidenschaftlich, gespielt wurde3). Es ist
daher kein Wunder, daß das Würfeln um Geld längere Zeit verboten war4),
nur an den Saturnalien herrschte darin Freiheit6); doch scheint dies Verbot
in der Kaiserzeit entweder aufgehoben oder nicht beachtet worden zu sein6).
Weniger Hazardspiele waren die bis in frühestes Altertum zurückgehenden,
schon bei den Ägyptern üblichen Brettspiele7), die mit einer tabula lusoria*),
auch abacus genannt9), und Spielsteinen, calculi10), gespielt wurden. Unserm
Schachspiel verwandt war der ludus latrunculorum11), eine Art Belagerungs-
spiel. Die Tafel, tabula hdnineularia1-), war durch sich kreuzende Linien in
Felder geteilt13), die vermutlich durch Farben unterschieden waren; die Zahl
der Felder ist unbekannt, auch die der Spielsteine ist nicht überliefert14).
Diese Steine hießen latrones, d. h. Soldaten15), gewöhnlich latrimculi16), auch
') Plaut. Cure. 356 u. 358; Capt. 73; vgl.
Asin. 905: te, Philaenium, mihi atque uxori
mortem. Sid. Apoll, ep. il 9, 4; ebd. 1 2, 7 wird
das Würfeln gut geschildert: tesseras colligit
rapide, inspicit soll leite, volvit argute, mittit
instanter, ioculanter compellat, patienter ex-
pee/af.
*) Mart. IV 46, 15 und das. Friedländer;
ebd. XIV 15. Kinder spielten es daher für ge-
wöhnlich nicht, vgl. Petron. 81, 4: cuius anni
ad tesseram venierunt.
3) Vgl. die Schilderung luv. 1 , 88 ff. ; Klagen
über das Zunehmen des verderblichen Spiels 8.
10: 11,176; 14,4. Galen. XVI 310 K. Augustus
erzählt von einem Spielverlust von 20000 Se-
sterzen (4350 M.), sagt aber, er hätte, wenn er
nicht denGewinn meist andern überlassen hätte,
50000 (10876 M.) gewonnen; es zirkulierten
also in seiner Hand 15226 M., s. Suet. Aug. 71.
Nero spielte den Point (in punctum) zu 400
Sesterzen (77 M.), Suet. Nero 30. Vgl. Fried-
länder Sittengesch. I 376 f.
4) Plaut. m. gl. 164 erwähnt eine lexa/earia,
auf die auch Cic. Phil. II 23, 56. Hör. carm. III
24. 58. Ov. trist. II 471 anspielen: gemeint ist
wahrscheinlich das Digg. XI 5, 2 erwähnte Se-
natuskonsult, das in peeuniam ludere verbot;
ein ebd. 1 mitgeteiltes prätorisches Edikt be-
stimmt, daß eine Klage wegen Ungebühr von
jemandem, der in seiner Wohnung Spiel ge-
duldet hatte, nicht angenommen wurde.
5) Mart. IV 14, 7 f.; V 84; XI 6, 1 f. Suet.
Aug. 71.
6) Daß auch in der Kaiserzeit in den Knei-
pen das Würfelspiel, außer an den Saturnalien,
verboten war, zeigt Mart. V 84. Ein direktes Ver-
bot des Spielens um Geld scheint erst Iustinian
wieder erlassen zu haben, s. Cod. lust. III 43, 1 ;
vgl. Becker-Göll 111 467.
7) Griech.rr£TT£ta; eine lateinische Bezeich-
nung für das Brettspiel überhaupt kennen wir
nicht; es hieß wohl schlechtweg lusiis calcu-
hrum, wie Plin. ep. VII 24, 5 sagt. Vgl. im
allgemeinen Becq de Fouquieres a.a.O. 304 ff.
8) Die bei Mart. XI VI 7 beschriebene diente
auf der einen Seite dem Indus latrunculorum,
auf der andern den duodeeim scripta, lieber
die den Brettspielen dienenden tabulae htaoriae
vgl.LAFAYE beiD.-S.III 1103 ff. HETTNERRöm.
Steindenkmäl. z. Trier 220.
9) Macr. I 5, 11 ; vgl. Suet. Nero 22.
10) Das Material der calculi war sehr ver-
schiedenartig: Elfenbein im Epigramm Anth.
Lat. I 374, 1 (Riese); ebd. 376, 8; gläserne er-
wähnt Ov. a. a. II 208. Laus Pisonis (Bährens
PLM I 221) 193: citreo milite; Mart. VII 72,8;
auch XII 40, 3 gemma ludere und XIV 20 gem-
meus miles erklärt Friedländer wohl richtig
als ritrei. Calculi aus Stein und Knochen bei
Daremberg-Saglio III 994 Fig. 4369 f. Statt
calcuhis kommt in älterer Litteratur auch ealx
vor, Plaut. Poen. 908. Fest. 46, 2.
u) Vgl. Becq de Fouquieres 422 ff. Lapaye
a.a.O. 992 ff., mit Litteraturangaben 995. Wel-
cher Beliebtheit sich dies Spiel erfreute, zeigt
die einem doctori Ubrario lusorilatruncuiorum
geweihte (Trabinschrift (aus Auch) CIL X III 444.
»«) Sen. ep. 117, 30.
'*) Varr. 1. 1. X 22: ad hunc quadruplictm
fontem online* diriguntw bini, uui transversi,
a/teri direefi, uf in tabula solet, in qua latrun-
eu/is halunt. Vgl. Poll. IX 98, wonach beim
griechischen Städtespiel, das diesem verwandt
gewesen zu sein scheint, die Felder .-to/.kc
hießen.
14) Man nimmt gewöhnlich in Analogie mit
dem griechischen rro/.£(?-Spiele, auf Grund von
Poll. a. a. O. Hesych s. öiayoun/iaTia/KK. Phot.
p. 439, 1, 60 Spielsteine an.
Va) Die eigentliche Bedeutung von latro i»t
nicht Räuber, sondern Soldat, so bei Plaut, m.
gl. 75; Stich. 135; Cure. 548. Festus 118, 16.
Varr. 1.1. VII 52. Latrones heißen die Spielsteine
bei Ov. a. a. III 572. Mart. VII 72. 8; XIV 20, 1 ;
vgl. Ov. a. a. O. II 207.
■«) Sen. ep. 106, 11. Macr. I 5, 11.
416
Zweite Abteilung. Das Leben.
milites1); sie hatten, wie bei uns, zweierlei Farben 2), anscheinend weiß und I
schwarz3). Ob auch sonst Unterschiede in den Steinen stattfanden, etwa
wie beim Schach, muß dahingestellt bleiben, da die Bedeutung der einige
Male erwähnten mandrae unsicher ist4). Von den Einzelheiten des Spieles
erfahren wir nur so viel5), daß zwei Spieler mit je einer Hälfte der Steine
spielten und daß es, wie bei unserem Damenspiel, darauf ankam, dem Feinde
die Steine abzunehmen oder so einzuschließen, daß er nicht ziehen konnte6).
Das Ziehen der Steine erfolgte teils in gerader Richtung, teils unregelmäßig
oder springend; man unterschied danach calculi ordinarii und vagi'1). Der
eingeschlossene Stein hieß incitus8); besiegt war, wer überhaupt nicht mehr
ziehen kann (ad incitos redigitur)9). Der Sieger hieß Imperator10), und sein
Sieg war um so rühmlicher, je weniger Steine er selbst eingebüßt hatte11).
Anderer Art war das Spiel, das duodecim scripta hieß12). Dazu gehörte
ein Spielbrett, auf dem zwölf Linien eingezeichnet waren, die in der Mitte
durch eine Senkrechte geteilt waren, sodaß also 24 Linien entstanden13);
*) Laus Pison. 193. Ov. trist. II 477 ; bella-
tores ebd. III 359. Daß sie wirkliche Figuren
waren, wie Becker-Göll471 und Marqüakdt
856 A. 4 annehmen, beruht auf einer falschen
Konjektur Harduins zu Plin.VIII 215. Die an-
geblich von Fauvel in einem athenischen Grabe
gefundene Schachfigur (Raoul-Rochette Mem.
de l'Instit.XIII 638) scheint apokryph, und die
eburnae quadrigae, mit denen Nero nach Suet.
Ner. 22 in abaco spielte, können gewöhnliches
Spielzeug gewesen sein.
*) Ov.tr. II 477. Mart. XIV 17. Sid.Ap.ep.
VIII 12,5 (Plin. XXXVI 199 gehört wohl nicht
hierher). Anth. Lat. (ed. Riese) I 372, 1 ; 376, 8.
3) Laus Pison. 194. Petron. 33. 2.
4) Sie kommen vor Mart. VII 72, 7: sie vin-
cas Noviumque Publiumque \ mandris et vitreo
latrone cltcsos, und Laus Pis. 203 : ut cutis ec-
fraeta prorumpat in agmina mandra. Darnach
werden die mandrae von Beckek-Göll 474.
Marquardt 856. Friedländer zu Mart. a.a.O.
als Bauern im Gegensatz zu den latrones, den
Offizieren, erklärt; allein nach der sonstigen Be-
deutung von mandra dürfte es keinen einzelnen
Stein, sondern eine umschließende Anzahl sol-
cher, etwa eine Hürde, bedeuten, vgl. Mart.V
22,7. luv. 3, 237.
5) Am eingehendsten , aber vielfach dunkel,
ist es behandelt in der erwähnten Laus Pisonis
v. 180 ff.
6) Ov. a. a. III 357: unus cum gemino cal-
cium hoste perit ; es mußten ihn also zwei Steine
einschließen, so auch trist. II 478: cummedius
gemino calculus hoste perit. Mart. XIV 17,2:
calculus hoc gemino discolor hoste perit. Perire
sagt man also vom Stein, wie bei uns „verloren
gehn", wenn er nicht mehr heraus kann und
festsitzt als alligatus, Sen. ep. 117,30, aus wel-
cher Stelle aber hervorgeht, daß er durch ge-
schicktes Spiel wieder herauskommen (exire)
konnte. Das Festlegen heißt in der Laus Pison.
194 alligare. 202 obligare.
7) Isid. XVIII 67: calculi partim ordinemo-
ventur partim vage; ideo alios ordinarios alioi
vagos appellant. Darnach scheint es, als ob
nicht jeder Stein bald so bald so gezogen werden
durfte, sondern nur bestimmte, die sich ent-
weder durch ihre Form oder durch ihren Platz
auf den Feldern unterschieden.
8) Isid. a.a.O.: at vero qui moveri omnino
non possunt, incitos dieunt.
9) Plaut. Trin. 537; Poen. 907; beide Male
übertragen, wie Apul. met. III 28: ad extrem as
incitos dedueti. Mamert. grat. act. (Baehrens
Paneg. Lat. XI p. 244 ff.) 9, 1 : ad incitos depressi.
10) Vopisc. Procul. 13,2.
») Sen. dial. IX 14, 7. Laus Pison. 206 f.
Vgl. die Bezeichnung artifex artis tesselariai
lusoriae CIL VI 9927. Hülsen R. M. XI (1896)
227 hat die Vermutung aufgestellt, daß gewisse
Arten von Tesseren vonElfenbein oderKnochen,
in Stäbchenform mit zylindrischem Griff, die
sonstalsMarkenfürGetreideausteilungen u.dgl.
betrachtet werden, während Gamurrini Not.
d. seavi 1887, 398 sie für Spielmarken hielt, die
zu einer Art von Lotteriespiel gedient hätten,
für den Indus latruneulorum bestimmtgewesen
seien. Auf einer ist ein Paar abgebildet, das
beim Brettspiel sitzt und dabei steht MORA;
morari aber bedeutet beim Brettspiel so viel,
wie bei unserm Schachspiel jemand mattsetzen,
vgl. Becq de Fouquieres 497.
ia) Cic. de or. I 50, 217 und bei Non. 170, 22.
Ov. a. a. III 363. Quint. XI 2,38, beschrieben in
zwei Epigrammen, Anth. Lat. ed. Riese I 133
n. 192 f. (Baehrens PLM IV 318 n. 372 f.) Vgl.
über dies Spiel Becq de Fouquieres 357 ff. Sag-
lio bei D.-S. II 414.
13) Mart. XIV 17. Anth. Lat. 192 f. Ov.a.a.
III 363. Gilbert bei Friedländer zu Mart. a. a. O.
nimmt statt der Linien Punkte an, an denen
der Wurf der Würfel nachgezählt wurde; da
Mart. sagt: hac mihi bis seno numeratur tes-
sera puncto, und Non. 170, 22 scripta 'mit puneta
tesserarum erklärt (vgl. auch Corp. Gloss.V 647,
17), so ist das nicht unmöglich.
Fünfter Abschnitt. Mahlzeiten und gesellige Unterhaltungen.
417
ferner Spielsteine in zweierlei Farben1), und zwar scheint jeder Spieler
15 Stück gehabt zu haben 2), und endlich Würfel (vermutlich zwei) mit dem
Würfelbecher. Je nach dem getanen WTurfe wurden die Steine auf dem
Spielbrett bewegt, was calculum dare oder promovere heißt3); man durfte
aber auch einen Zug zurücknehmen, calculum reducere*), vermutlich solange
man noch den Finger daran hielt. Doch war das Spiel insofern kein reines
Glücksspiel, als durch das Resultat des Würfeins kein bestimmter Zug
geboten war: über die Art des Zuges entschied der Wurf allerdings, aber
dem Spieler blieb immer noch genug Freiheit6). Einzelheiten des Spieles,
oder wie der Sieg gewonnen wurde, sind uns unbekannt6).
Neben diesen beiden gab es noch eine Menge anderer Arten von
Brettspielen7), von denen wir aber auch nichts Näheres wissen. Von
einem solchen, das sehr beliebt gewesen sein muß, haben sich noch in
beträchtlicher Zahl die dafür benutzten steinernen Spieltafeln erhalten8).
Es sind das Steintafeln von mäßiger Größe9), die durchweg in gleicher
Art bearbeitet sind: jede trägt auf der obern Fläche in drei Zeilen, die
durch Zeichen in der Mitte in zwei Kolonnen getrennt sind, 36 Buch-
staben, sodaß also sechs Halbzeilen zu je sechs Buchstaben dastehen, von
denen jeder ein Feld zum Ziehen der Spielsteine bedeutet10); die trennenden
Zeichen sind Kreise, Halbkreise u. dgl. Die 36 Buchstaben bilden meist
sechs einzelne Worte oder Wortgruppen aus je sechs Buchstaben11), und
') Nach Petron. 33, 2 weiße und schwarze ;
nach Anth. Lat. 192. 2 u. 193, 10 weiß und rot.
2) Das wird erschlossen sowohl aus dem
griechischen Epigramm Anth. Pal. 1X482, als
aus dem Cento Vergilianus De alea. Riese Anth.
Lat. I 24 n. 8 v. 55 ff. ; vgl. Marqüardt 858 A. 2.
3) Quint. XI 2, 38. Ov.a.a.II 204; trist. II
476: daher datum, der Zug. Cic. b.Non. a. a. 0.
4) Cic. bei Non. a.a.O.
5) Ter. Ad. 739 L:Ita vitast homintim, quasi
(/kihh ludas tesseris, si illud quod maxume
opus est iactu non vadit, j illud quod cecidit
forte, id arte ut corrigas. Ov a. a. II 204; III
369; tr. II 476. Anth. Lat. 1373, 5. Oft in grie-
chischen Belegstellen, s. Marquakdt 858 A. 4.
6) Die runden Marken, die auf der einen
Seite Zahlen von 1 — 15 aufweisen und die in
der Regel für Theatermarken mit Angabe der
eunei gehalten werden, deutet Hülsen a. a. 0.
238 ff. als Spielmarken für den ludus duodecim
seripforum. Die Alt ihrer Verwendung läßt sich
freilich nicht bestimmen. Noch weniger weiß
man über Tonkugeln, die mitZiffern bis zur Höhe
von gegen 100 beschrieben sind und von man-
chen als Steine für eine Art von Lottospiel be-
trachtet werden, s. Rhein. Jahrb. LXXXVIII
115; CI 115. Korrespondenzbl.d. Westdeutsch.
Zeitschr. 1904 Sp. 37.
7) Ein solches meint Ov. a. a. III 365 mit
den Versen: parva tabella capit ternos utrini-
que lapillos, ' in qua vicissest continuasse suos;
* auf das gleiche Spiel geht trist. II 481 fast mit
denselben Worten, und Ovid fährt hier 483 fort:
quiqite <ilii lusus — neque enim nunc persequar
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft. IV.
omnes, — | perdere rem caram, tempora nostra
solent. Das griech. Spiel ini nbne ygapu&p mit
der Ugä ;'<.>«/'.'"/ (Poll. IX 97 f.) war den Römern
gewiß auch bekannt, es wird aber nicht erwähnt.
8) Darüber handeln Brüzza Ann. d. Inst.
XLIX(1877)58 ff.; ders. Bullet. munic.V(1877)
81. Ihm Römische Spieltafeln, in den Bonner
Stud.f.Kekule (Berl.1890) 223; ders. Rom. Mit-
teil. VI (1891) 208 ff. und Rhein. Jahrb. XCV 251.
Hier ist die Zahl der bekannten Tafeln (inkl.
der 1 2 Sprüche der duodecim sapientes, s. unten)
auf 76 gebracht; einige weitere fügt Lafaye
a. a. 0. 1404 A. 4 hinzu, andere Hülsen R. M.
XIX (1904) 143 ff. Weitaus die Mehrzahl dieser
Tafeln stammt aus Rom (z. T. aus den Kata-
komben).
9) Es kommt vor, daß die Zeichen und
Inschriften statt auf beweglichen Tafeln auf
Pflasterplatten eingegrabeu sind, so in Rom auf
dem Pflaster der Basilica Iulia am Forum (Ihm
n. 69) und auf dem Paviment des Forums von
Timgad in Numidien (ebd. n. 48).
10) Daß dies der Fall ist, zeigt ein Beispiel
(Ihm n. 71), wo bloß in der mittleren Zeile die
Worte Latina gaudes stehen, während in der
oberen und unteren statt der Buchstaben eben-
soviel kleine Kreise stehn. Es gibt auch ganz
inschriftlose Tafeln, auf denen statt der Buch-
staben Striche oder andere Zeichen stehn, s.
Ihm Bonn. Stud. 225.
n) Bisweilen bilden sechs Buchstaben zwei
Worte, oder es wird ein einzelnes Wort in zwei
Gruppen eingeteilt; vgl. z. B. Ihm n. 22 : Victus
lebate ludere nesci* daluso\rilocu(fürloci(in).
. a. 3. Aufl. 27
418
Zweite Abteilung. Das Leben.
diese Worte bilden einen oder mehrere Sätze, die in der Regel sich auf
Spiel und Spielerglück: beziehen, eine Anrede an den Spieler, einen Sieges-
wunsch u. dgl. enthalten, z. B. SEMPER IN HANC TABVLA | HILARE \ LV-
DAMV | S AMICI i) oder SI TIBI | TESSEL j LA FAVE | T EGO TE j ST VDIO |
VINCAM2). Manche davon bilden einen Hexameter3). Wie diese Spieltafeln
benutzt wurden, ist nicht bestimmt zu sagen, doch geht aus einigen der
Inschriften4) hervor, daß Würfel dazu gehörten, sowie daß man einen un-
günstigen Wurf doch für das Ziehen der Spielsteine geschickt ausnutzen
konnte5). Es war also kein bloßes Ziehspiel, wie unsre Dame oder Mühle,
sondern eher eine Art Triktrak 6). Wahrscheinlich saß der eine Spieler auf
der rechten, der andere auf der linken Seite der Tafel, sodaß jeder achtzehn
auf drei Reihen verteilte Felder vor sich hatte, auf denen er die calculi
bewegte. — Es gibt dann noch andere Spieltafeln, die durch die eingravierten
Zeichen 7) oder Löcher in unregelmäßiger Stellung 8) sich als solche zu er-
kennen geben; und auch einige mit Inschriften und Zahlen versehene Mo-
saiken scheinen ähnlichen Zwecken gedient zu haben9).
Von andern Spielen mögen noch manche bei der comissatio oder nachher
zur Anwendung gekommen sein, ohne daß wir davon unterrichtet sind; auch
das in Griechenland beliebte und auch in Italien sicherlich sehr alte, heut
noch allgemein verbreitete Morraspiel, das die Römer digitis micare10) oder
auch nur schlechtweg micare nennen11), mag dabei nicht gefehlt haben.
') harn. 18.
*) Ihm n. 15. Andere haben gar keine Bezie-
hung auf das Spiel, sondern bieten etwa Anspie-
lungen auf den Zirkus (circus \ plenus | clamor j
ingens, Ihm n.43) oder sonst einen allgemeinen
Sinn, wie ebd. 19: turdus \ stupet merula \
cantat j auceps | captat ; oder 47 : abemus j in
cena \ pullum | piscem \ pernam | paonem.
3) So z. B. Ihm 16: Invida \ puncto j iubent
felice | ludere \ doctum. Das ist namentlich der
Fall bei den handschriftlich erhaltenen Mono-
sticha de rationetabulae (carminaduodecim sa-
pientium, Riese Anthol. Lat. 1 2, 49 n. 495—906
(Baehkens PLM IV 1 19 n. 132), bei Ihm n. 1 bis
12; z.B. Sperrte lucrum versat j mentes j insana j
cupido (n. 1 ) : oder: Nullus | ubique potest \ felici \
ludere \ dextra. Die Bedeutung dieser, dem 4.
oder 5. Jahrh. n. Chr. angehörigen Hexameter
hat zuerst Bücheler Korrespondenzblatt der
Westdeutsch. Zeitschrift 1889, 119 erkannt.
4) Ihm n. 15 u. 16 (s. oben).
6) Deshalb hat Marquardt 859 A. 2 mit
Unrecht die oben angeführten Verse Ov. a. a. II
481 u. III 365 hierher bezogen, vgl. Ihm Bonn.
Stud. 228.
6) Vermutlich bezieht sich darauf Isid.
XVIII 64 : tribus tesseris ludere perhibent pro-
pter tria saeculi tempora,praeterita,praesentia
et futura, quia non staut, sed decurrunt. sed
et ipsas vias senariis locis distinctas propter ho-
minum aetates ternarüs Uneis propter tempora
argumentantur : inde et tabulam ternis descri-
ptam dicunt Uneis. Die ternae lineae und die se-
narii entsprechen den Tafeln. Eine andere Auf-
fassung des Spiels gibt Hülsen R. M. XIX ( 1 904)
145; er meint, die Tafeln hätten nicht zum
Ziehen von Spielsteinen gedient, sondern man
habe, wie bei einer Tombola, die einzelnen Fel-
der oder Buchstaben besetzt und derjenige habe
gewonnen, der zuerst seine 18 Felder besetzt
hatte. Der Venuswurf, dreimal sechs, gewann
sofort; waren durch den ersten Wurf die Reihen
verschieden angefangen, so sei es darauf an-
gekommen, die weiteren Sätze geschickt zu
machen und möglichst nicht gleiche Reihen zu
haben. Dann hätte jeder Spieler eine eigene Ta-
fel vor sich haben müssen, und dem scheint der
oben mitgeteilte Spruch : Semper in hctnc usw.
zu widersprechen.
7) Vgl.MARüccm Bull, comun. XVI (1888)
474. Lafaye 1404 Fig. 4677. Aehnliche Zeichen
finden sich auf dem Pflaster der Basilica Iulia
in Rom eingemeißelt; andere, ungefähr entspre-
chende sind nach Funden alter Treppenstufen
bei der Via nazionale in Rom von Gatti Not.
d. scavi 1904, 153 Fig. 17 ff. abgebildet; vgl. CIL
XIV 4125.
8) Brüzza Ann. d. Inst. a.a.O. tav. FG n. 26.
Lafaye Fig. 4679.
9) Lafaye a. a. O. mit Fig. 4678.
10) Vgl.O.JAHNA.Z.XVlIl(1860)84;Ann.
d. Inst. XXXVIII (1866) 326 Heydemann A. Z.
XXIX (1871) 151. Becq de Fouquieres 290.
Lafaye a. a. O. 111 1889 f.
u) Am häufigsten erwähnt in der sprich-
wörtlichen Redensart, es sei jemand so ehrlich,
daß man mit ihm in tenebris micare könne,
Varr. b. Non. 347, 27. Cic. de off. III 19, 77; de
Fünfter Abschnitt. Mahlzeiten und gesellige Unterhaltungen.
419
Abwechslung brachte in das Trinkgelage auch der ebenfalls von Griechen-
land überkommene Brauch, den Gästen kleine Geschenke, sogenannte apo-
phoreta1), zum Mitnehmen zu verteilen, was manchmal schon während der
ceint geschah. Die mannigfaltigsten Gegenstände, je nach den Verhältnissen
des Gastgebers kostbar oder bescheiden2), kamen dabei zur Verteilung, und
wenn, wie bisweilen, diese durch eine Verlosung erfolgte3), so gab die Willkür
des Zufalls Anlaß zu allerlei Überraschungen und Scherzen4).
So vergingen die Stunden des zuletzt oft zu einer wüsten Orgie aus-
artenden und manchmal mit Streit und Schlägerei endigenden6) Gelages,
bis endlich die Gäste sich, oft in sehr vorgerückter Nachtstunde, von ihren
Sklaven die Sandalen und Mäntel reichen ließen (siehe oben S. 397), um sich
auf den Heimweg zu machen, auf dem ihnen die Sklaven mit Fackeln oder
Laternen vorleuchteten6). Der griechische, an das Symposion sich oft an-
schließende Komos war aber nicht römischer Brauch; immerhin fehlte es
nicht an allerlei Unfug, den die römische Jeunesse doree auf dem Heimweg
verübte7). Die gute alte Sitte, daß die älteren Leute beim Heimgehen von
einer Mahlzeit von den jüngeren geleitet wurden8), mag wohl früh ver-
schwunden sein.
In. II 16, 52. Petron. 44, 7 ; Fronto ad M. Caes.
I 4 p. 13 (Naber) nennt es ein scurrarum pro-
verbium, während esCic.de off. a.a.O. von den
rustici herleitet; vgl. Otto Sprichw. d. Römer
221 n. 1109. Sonst ist es erwähnt Cic. de off. III
23,90. Calpurn. ecl. 2,26; auch bei ernsten An-
gelegenheiten wurde es bisweilen anstatt der
Entscheidung durch Losen oder Würfeln ange-
wandt, Cic.dedivin. 1141,85. Suet.Aug. 13. CIL
VI 1770 {ratione docuit utilitate suadente, con-
Utetudine micandi summota sub exagio potius
pecora vendere, quam digitis conludentibus tra-
dere, wonach also selbst Kaufgeschäfte so er-
ledigt wurden), daher erklären die Glossen es
meist durch kayiiö?, s. Corp. Gloss. VI 698. Dar-
stellungen des Spiels s. bei Lafaye a. a. 0.
') Das war namentlich an den Saturnalien
üblich, Mart. XIV 1,9. Suet.Vesp. 19, sowie bei
Hochzeiten, Schol. luv. 6,203. Vgl. im allgemei-
nen Morel bei D.-S. I 322. Mau bei P.-W. II
174.
2) Im XIV. Buch des Martial sind Devisen
für 221 der verschiedenartigsten Apophoreta
{jede aus einem Distichon) gegeben, meist, nach
der Ankündigung 1, 5: divitis alternas et pau-
peris accipe softes, je ein wertvolles und ein
wohlfeiles zusammengestellt; vgl. Friedlän-
der ebd. 295 ff. Unter den ersteren sind oft recht
kostbare, Kunstsachen, teure Möbel, Kleider,
•Slimuck,Bücher,Sklaven,lebendeTiere u.a.m.,
unter den ärmlichen allerlei Kleinigkeiten, auch
3en. Auch bei Petron. 56 findet sich eine
Aufzählung.
3) Mart. XIV 1, 5; 40, 1. Suet. Aug. 75. Pe-
tron. a. a. O., wo die einzelnen Etiketten aller-
lei Wortwitze enthalten, vgl. Friedländer z.
d. St. und zu Martial. a. a. O.
4) Das liebte Augustus, s. Suet. a. a. 0.,
auch Heliogabal, Lampr. Hei. 22, 1, wo der eine
decem camelos, der andere decem muscas ge-
winnt u.dgl. Einen besondern Scherz leistet sich
Trimalchio bei Petron. 60: die Kassettendecke
öffnet sich plötzlich, ein Reif schwebt herab,
an dem goldne Kränze und Salbgefäße hängen,
die auch als apophoreta verteilt werden. Etwas
Aehnliches erwähnt Val. Max. 1X1,5 von einem
Gastmahle des Q. Metellus Pius 79 v. Chr.
b) Schlägereien, wie sie Luc. conv. 43 ff.
schildert, mögen auch bei römischen Gastmäh-
lern vorgekommen sein, vgl. Philo de vita con-
templ. 5 p. 477 M.
6) In der altern Zeit der Republik war es
noch eine besondere Ehre, wenn verdienten
Personen, wie dem C. Duilius, gestattet wurde,
sich nachts von einem Flötenspieler und einem
Fackelträger heimbegleiten zu lassen, Cic. Cat.
m. 13,44. Liv. epit. 1. XVII. Val. Max. III 6,4:
später war Fackelgeleit sehr gewöhnlich, s. luv.
3, 285. Petron. 79. 1 ; solche Sklaven werden
erwähnt Cic. in Pis. 9, 20 (als loHtemarütt),
Suet. Aug. 29. Val. Max. VI 8, 1 ; auch inschriftl.
als lampadarii, CIL VI 8867 ff.; etnlrtemoHtoi
ebd. X 3970. Die lampadarii gehörten beson-
ders zur Dienerschaft der Magistrate, der Kaiser
u. s., s. Toutain bei D.-S. III 909.
7) Vgl. die drastische Schilderung luv. 3,
282 ff.
8) Gell. II 15, 2, nach dem die Römer dies
von lakedämonischemBrauch übernommen hät-
ten.
27"
420
Zweite Abteilung. Das Leben.
Sechster Abschnitt.
Bäder und Körperpflege.
Litteratur.
Becker-Göll III 104 ff.; 168 ff. (Litteraturangaben 109 f.).
Marquardt-Mau 269 ff. (ältere Litteratur ebd. A. 7).
Saglio bei Daremberg-Saglio I 648 ff.
Mau bei Pauly-Wissowa II 2743 ff.
In der altern Zeit war bei den Römern der regelmäßige oder gar tägliche
Gebrauch des warmen Bades nicht üblich, indem man sich für gewöhnlich mit
kalten Abwaschungen begnügte1). Häufiger mögen die Schwimmbäder im
Tiber gewesen sein 2), die ja auch später noch, besonders nach den Übungen
im Marsfelde, üblich blieben 3) ; aber im allgemeinen scheint der Römer der
altern Zeit mit der äußerlichen Anwendung des Wassers sehr sparsam ge-
wesen zu sein4), zumal eine häufige Anwendung warmer Bäder nicht mit
Unrecht als körperschwächend galt5), während ein warmes Bad nach einer
körperlichen Anstrengung oder Ermüdung als nützlich betrachtet wurde6);
auch als man anfing, anstatt wie früher in der Waschküche (lavatrina) zu
baden, sich ein eigenes Badezimmer anzulegen, war dasselbe noch sehr
primitiv und nicht einmal das Wasser immer ganz rein7). Dieser Brauch,
besondere Badekabinette zu erbauen, die man mit dem griechischen Namen
(da die Sitte von den Griechen übernommen wurde) balneum nannte 8) oder
balneare9), seltner lavacrum10) oder lavatio11), kam um die Mitte des 3. Jahr-
hunderts v. Chr. auf und war im 2. Jahrhundert schon ziemlich allgemein
geworden12); in den Villen pflegten Bade Vorrichtungen nie zu fehlen13), und
wie gewöhnlich sie in den Privathäusern selbst in kleineren Provinzial-
städten geworden waren, sehen wir in Pompeji 14). Freilich handelte es sich
*) Sen. ep. 86,12: brachia et crura cotidie
abluebant, quae scilicet sordes opere collegerant :
ceterum toti nundinis lavabantur ; so sagt noch
Cato bei Non. 108, 25, er habe als Knabe nicht
täglich gebadet. Die kalte Waschung am Mor-
gen war aber wohl das Gewöhnliche, s. Plaut.
Most. 157, und das blieb auch später so, zumal
bei Leuten von einfacher Lebensweise, vgl. Plin.
ep. III 5, 11; VI 16,5. Sen. ep. 53,3; 83,5.
2) Der alte Cato unterrichtete selbst seinen
Sohn, rä dtvd)8tj xai xqaivvovxa tov Jioza/iov
öiavr/'/ofisvov äjioßiä£eo{)ai, Plut. Cat. m. 20.
») Cic. pro Cael. 15, 36. Hör. carm. I 8, 8;
1117,27; 12,7; sat. II 1,8. Maximian. eleg.I 37
(Baehrens PLMV318). Veget.r.mil. I 3; ebd.
10. Vgl. oben S. 329.
4) Helbig Italiker in der Poebene 63.
5) Colum. I 6, 20: neque enim corporis ro-
bori convenit frequens usus earum (sc. balne-
arum). Daher sollen die Sklaven nur an Feier-
tagen ein Bad nehmen.
6) Plaut. Truc. 328; Merc.l26;Bacch.l08.
7) Sen. ep. 86, 11 und s. oben S. 49 A. 2.
8) Varro 1. 1. IX 68. Non. 212, 7; s. oben
S. 52.
9) Cic. ad Qu. fr. III 1, 1 u. 2; ad Att. XIII
29.2. Vitr.VI7(4),l; ebd. 9 (6), 2. Colum. 16,2.
Sen.dial.IX9,7;nat.qu.III24,3; IV 9. Es ist
insofern deutlicher, als balneare (wie balneae)
nur das Lokal des Bades (Zimmer oder Anstalt)
bedeutet, balneum aber auch das Bad selbst.
10) Gell. I 2, 1 : lavacris nitidis et abundis
et collucentibus ; sonst nur spät, Claud. carm.
XX 410. Aurel. Vict. epit. V 3. Corp. Gloss. V
214, 29 u. s., auch auf Inschr., CIL III 324;
6379; 7000; 8153.
n) Vitr. VI 9 (6), 2. Corp. Gloss. III 585. 43.
12) Iustia. XLlV 2, 6: aqua calida lavari
post secundum Punicum bellum a Romanis di-
dicere (Hispani) .
u) So in der des Scipio, Sen. a.a.O.; des
Cicero, Cic. ad Qu. fr. III 1,1 ; des jüngeren Pli-
nius, ep. II 17, 11; V 6,25. Vgl. oben S. 71.
Man unterschied selbst bei den Privatbädern
kleinere, nicht heizbare, und größere, hiberna,
Cic. ad Att. XIII 29, 2. Thermae hiemales auf
Inschriften s. CIL III 1805: XI 4094 f.; 9697;
aestivales X 5348.
14) Siehe die Aufzählung bei Mau a. a. O.
2746.
Sechster Abschnitt. Bäder und Körperpflege.
421
dabei immer um besondere Kabinette für Einzelbäder; der Benutzung größerer
gemeinschaftlicher Bassins mochte wohl längere Zeit noch die altrömische
Scheu entgegenstehen, daß Väter und Söhne oder Schwiegersöhne sich nicht
gegenseitig nackt sehen sollten1). Immerhin entstanden doch schon im
2. Jahrhundert v. Chr. in Rom die ersten öffentlichen Badeanstalten, die man
anfangs von den privaten balnea durch die feminine Bezeichnung balneas
unterschied2), doch wurde diese Unterscheidung später nicht mehr aufrecht
erhalten 3), dafür aber die großen, mit den Räumen für gymnastische Übungen.
Unterhaltung usw. ausgestatteten umfangreichen Badeanstalten flirr map. ge-
nannt4). Diese öffentlichen Badeanstalten waren entweder städtische oder
von reichen Wohltätern, dann von den Kaisern erbaute, oder es waren Privat-
unternehmungen, die dem Besitzer Zinsen brachten. Anfangs gab es in Rom
nur wenig öffentliche Bäder5), da aber der Gebrauch des Badens schnell über-
hand nahm und zumal Private immer häufiger solche balnea meritoria*) an-
legten, die nach ihren Eigentümern benannt wurden 7), so gab es in Rom im
Jahre 33 v. Chr. schon gegen 170 öffentliche Bäder8), und in den Regions-
verzeichnissen wird die Zahl der balinea mit 858 angegeben9); auch in der
Provinz waren sie, wie besonders die Inschriften zeigen, sehr verbreitet10).
Die ersten großen Thermen erbaute bekanntlich Agrippa auf dem Marsfeld,
denen dann die der Kaiser folgten11).
Die öffentlichen Bäder wurden entweder vom Besitzer selbst verwaltet
oder, was bei städtischen Anstalten wohl das Gewöhnliche war. gegen eine
J) Vgl. Plut. Cat. mai. 20. Cic. de off. I
35,129. Val. Max. II 1.7. Wir finden diese
Schamhaftigkeit noch später, Capitol. Gord.
tres 6,4.
2) Varro 1. 1. IX 68 : publicae balneae non
balnea, contra quod privati dicant unum bdl-
neum. Charis. I p. 99, 3. So auch Cic. pro Cael.
25, 62; 26, 62. Frontin. de aquaed. 108.
3) Siehe die inschriftl. Belege bei Mar-
quardt 272 A. 5.
4) So die des Agrippa, Plin. XXXIV 62;
XXXV 26; XXXVI 189: des Nero, Suet. Nero
12 u. a. m. Vgl. Preller Regionen d. St. Rom
106. Zur Differenzierung der Bezeichnungen
vgl. Sen. dial. IX 9, 7: inter balnearia et ther-
mas bibliotheca quoque . . . expolitur, wo jenes
die Baderäume, dieses die für Gymnastik usw.
bedeutet; vgl. auch Mart. IX 75, 10: subice bal-
neum thermis. Dagegen unterscheidet CIL X
1063 thermae von Seewasser und balneae von
Süßwasser(inPompeji).Vgl.V5279;XIV2101:
in locum balnearum, quaeper vetustatem in usu
$88e desierunt, thermas . . . ampliatis locis et
cell In a fundamentis extruxit. Sonst auch wer-
den Thermen und Privatbäder unterschieden,
so im Colloqu. Monac. 10 (Corp. Gloss. III 651):
übt iubes? ad thermas aut in privato?
5) Sen. ep. 86, 9 : olim et paitca erant bal-
nea nee ullo cultu exornata; ebd. 10 wird er-
wähnt, daß solche balnea obscura et gregäli
tectorio indueta zur Zeit des altern Cato, des
Fabius Maximus, der Cornelier existierten, die
als Aedilen sie beaufsichtigten. Die Vornehmen
selbst benutzten aber diese Volksbäder [qua*
populum reeeptabant) offenbar nicht.
6) Plin. ep. II 17,26.
7) Cic. de or. II 55, 223: pro Rose. Amer.
7,18; proCluent.51, 141; pro Cael.25.62. Mart.
159,3; II 14, 11 f.; 11120,16. CIL VI 29764ff.
Außer nach den Besitzern kamen auch andre
Benennungen vor; so in Pompeji balneum Ve-
nerium et nongentum, CIL IV 1136; balneum
Veneris B. d. I. 1885, 14. Dessau 5693.
8) Plin.XXXVl 121. wonach Agrippa als
Aedil dem Volke Gratisbenutzung derselben
schenkte (so richtig Mau a. a. O. 2747, nach
Dio Cass. XLI V 43, 3 : von Marquardt 274 u. a.
falsch verstanden), wobei Plin. hinzufügt: quae
nunc Romae ad mfimtum attxere mtmerum.
Eine Aufzählung der uns mit Namen bekannten
Privatbäder gibt Jordan im Hermes IX (1875)
417 und Forma urb. Rom. 42.
9) So im Curiosum : die Notitia zählt 956,
die Redaktion des Zacharias (nach 403) 927,
s. Jordan Topographie von Rom II 573 und
577.
10) Man vgl. die Indices zum CIL unter bal-
nea; auch Marquardt 272 A.5. Als Empfeh-
lung galt in der Provinz, daß man mart ttrbieo
baden könne, CIL XI 721 (in Bononia). In See-
städten gab es auch warme Meerbäder, ther-
mae maritimae, CIL XIV 137.
u) Zur Zeit Martials waren es drei: des
Agrippa, Nero und Titus. II 14, 13; die Regions-
verzeichnisse zählen 10—11 auf, Jordan To-
pogr.II220f.
422
Zweite Abteilung. Das Leben.
bestimmte Summe verpachtet1), wofür der condudor das Recht erhielt, vom
Besucher ein Badegeld, balneaticum, zu erheben2), das der Bademeister oder
Verwalter, balneator3), oder ein ihm Untergebener4) einzog und das in Rom
einen Quadrans {lU As = 2Vö Pfennig) betrug5), sonst aber je nach Ort und
Umständen verschieden bemessen war6); Kinder waren meist bis zu einem
gewissen Alter frei7). Auch die großen Thermen waren also der Bevölkerung
nicht ganz unentgeltlich geöffnet8); doch kam es vor, daß reiche Gönner,
besonders Beamte während ihrer Amtsdauer, den Mitbürgern freies Bad
gewährten, indem sie die Kosten dafür übernahmen9), eine Freigebigkeit,
die auf Inschriften manchmal rühmend erwähnt wird 10). Die staatliche Auf-
sicht über alle Bäder lag in der Hand der Adilen, die namentlich über die
Reinlichkeit, Salubrität, Temperatur des Wassers etc. zu wachen hatten11)
und anscheinend auch die Lieferungskontrakte über das Heizungsmaterial
abschlössen12).
J) luv. 7, 4: balneolum Gabiis, Romae con-
ducere fumos. Digg. XIX 2, 58, 2; XX 4, 9 pr.
Die Verordnung desmetalhimVipascensein Spa-
nien (CIL II 5181) schreibt dem conductor bali-
nei oder seinem socius allerlei vor über Zeitdauer
des Offenhaltens, Wassermenge, Badegeld , Kes-
selreinigung, Holzverbrauch etc. Manchmal
scheint eine Gemeinde ihr Bad selbst verwaltet
zu haben, wenigstens wird die Inschrift CIL
IX 5144: publicum Intermnnitum vectigal bal-
nearum von Borghesi Oeuvres VI 510 so ge-
deutet. Dessau n. 5681 bezieht es aber auf eine
Steuer der Einwohner von Castrum novum an
die Interamniten für Wasserabgabe, vgl. Momm-
sen CIL IX p. 485.
2) Schol.Iuv. 2, 152. Corp.Gloss.III 467,46.
3) Balneatores schon bei Plaut. Poen. 703;
Truc.325;Rud.527. Cic.pro Cael.26, 62; Phil.
XIII 12,26. Plin. XVIII 156. Serv.ad Aen.XII
159. Digg. VII 1, 15 (19), 1. Corp. Gloss. VI 127,
auch balnitor, ebd. III 217,3; 652. 10. Bei Pe-
tron. ap. Serv. a. a. 0. kommt auch eine bal-
neatrix vor. Manchmal war auch der Besitzer
oder der Pächter selbst balneator. Digg. III 2,
4, 2; VII 1,15,1; XIX 2, 30,1. Auchinschriftl.,
so unter den kaiserlichen Beamten CIL VI 6243 ;
7601; 8742; 9102c, 13; 9216f. Dagegen hatte
der faber balneator CIL VI 9395 f. wohl die
Badeeinrichtung zu besorgen.
4) Der arcarius ihermarum in der Inschr.
Not. d. scavi 1892, 352 h ist wohl der Kassierer
der Bäder.
5) Hör. sat. I 3, 137. Mart. III 30, 4; VIII
42; daher nennt Sen. ep. 86,9 das Baden eine
res quadrantaria. Daß Frauen ein etwas hö-
heres Eintrittsgeld zahlen mußten, geht aus
luv. 6, 447 hervor.
6) InderLexmet.Vipasc.CILII5181,19ff.
ist das Badegeld für Männer '/* As, für Frauen
1 As. Im Ed. Diocl. 11, 76 sind 2 Denare als Zah-
lung an den balneator privatarius festgesetzt.
7) Immerhin sagt Frontoepist. Graec.p. 247
(Nab.) : Xovzga za per önuöaia Jtäatv xai JtgoTxa
avslzai, za de zwv idtoozwv vjzö oiöngä xXeiöi xai
zivi ßvgo(pvXaxi ' xai /mo&ov ixXJyovoiv naga zcov
Xovofisvmr. Das geht auf die großen Thermen
in Rom, wo kein Badegeld, sondern nur für
Garderobeaufbewahrung zu bezahlen war.
8) luv. 2, 152 m. SchoL; ebenso sind in der
Lex Vipasc. die impuberes frei, was in Bononia
nach CIL XI 720 nicht der Fall war.
9) So i. J. 60 v. Chr. Faustus Sulla, Dio
Cass. XXXVII 51,4; Agrippa i. J. 33 als Aedil,
s. oben. Auch die Kaiser taten das bisweilen,
so Antoninus Pius, Capitol. 7, 6, und Augustus
nach Dio Cass. LIV 25,4 i. J. 13 bei seiner Rück-
kehr aus Germanien, allerdings nur für einen
Tag. Nach Dio Cass. LIV 29, 4 hätte Agrippa
seine Thermen dem Volke testamentarisch zur
unentgeltlichen Benutzung hinterlassen und
Ländereien zur Bestreitung der Kosten ange-
wiesen, doch wird das von Mau 2749 mit Rück-
sicht auf Mart. III 36, 6 bezweifelt. Vgl. auch
Digg. XXXII 53, 3. Solche Freibäder wurden
etwa auf ein Jahr gestiftet, Digg. XIX 2.30, 1,
oder auf 10 Monate, ebd. XXXII 35, 3, wo ein
Tiburtiner seinen Mitbürgern testamentarisch
Freibad in seinem eigenen Badehause für diesen
Zeitraum einräumt. Aus XIX 2, 30, 1 geht aber
auch hervor, daß mitunter das Bad dem Besitzer
nicht für die ganze Zeit des Tages abgemietet
war und daß daher, wer außer dieser Zeit baden
wollte, dem balneator Eintrittsgeld zahlen
mußte.
,0) CIL XI 720 (mit der Beschränkung auf
viri et impuberes utriusque sexus); XI 6167 (für
municipes, incolae, hospites, adventores, uxores,
servi, ancillae); IX 5074; XII 594; XIV 2978;
auch Gemeinden taten das bisweilen auf Kosten
der Staatskasse, ebd. V 376, wo den coloni, in-
colae und peregrini Freibäder zugesprochen
sind.
u) Sen. ep. 86, 10: nam hoc quoquc iiobi-
lissimi aedtles fungebantur officio intravrfi ea
loca quae populum receptabant exigendique
munditias et utilem ac salubrem temperaturam.
Vgl.dens.Dial.VII7,3.
12) Plut. qu. conv. III 10, 3 p. 658 E.
Sechster Abschnitt. Bäder und Körperpflege.
t28
Von der Anlage und Einrichtung der Hausbäder ist früher die Rede
gewesen (siehe oben S. 52 f.); die der öffentlichen Badeanlagen kennen wir
teils aus den Angaben der alten Schriftsteller, besonders aus der freilich
nur kurzen und nicht ganz klaren Beschreibung Vitruvs1), teils aus den noch
erhaltenen Resten römischer Bäder2), wobei allerdings zu bemerken ist, daß
natürlich in Anlage, Verteilung. Größenverhältnissen, Nebenräumen usw. sehr
bedeutende Unterschiede bestanden, da ein bescheidenes Provinzialbad sich
mit dem Notwendigsten begnügen mußte, während große Thermen, die ganze
Stadtviertel einnahmen, in allem auf das reichste ausgestattet waren. Eine
Anzahl Räumlichkeiten sind es, die für jedes öffentliche Bad unerläßlich
waren. Da ist zunächst der An- und Auskleideraum, das apodyterium s), das
in der Regel ungeheizt war4). Hier befanden sich meist Bänke längs den
Wänden und Nischen in der Mauer zur Aufbewahrung der Kleider5); mit-
unter findet man hier bereits Bassins für kalte Waschungen6). Sodann das
kalte Bad, das frigidarium1) oder die cella frigidaria8), ein in der Regel mit
Oberlicht versehener gewölbter Raum 9) ; dazu gehörte vornehmlich ein kaltes
Bassin, die piscina10), seltner cisterna11) oder baptisterium genannt12), die oft
sehr groß, zum Schwimmen eingerichtet13), auch mit kostbarem Marmorrand
eingefaßt war14); bisweilen gab es auch zwei Bassins im Frigidarium15), und
') V 11 (10) f.
2) In Betracht kommen vornehmlich die
drei Badeanlagen in Pompeji (sog. Stabianer
Thermen, Forums- und Zentralthermen), in Rom
dieThermendesCaracallaundDiokletian, ferner
Bäder in den Provinzen, z. B. in Badenweiler,
Trier, Wasserliesch, Bregenz, Deutsch-Alten-
burg (bei Preßburg), andere in England, in
Afrika u. s. Vgl. Matz bei Baumeister Denk-
mäler 1766 ff. Eine Aufzählung noch erhaltener
Reste von Bädern gibt Marqtjardt 275 ff.
3) Cic. ad Qu. fr. III 1 . 2, hier von einem
Hausbad. ebenso Plin. ep. V 6. 25: von öffent-
lichen Aristid.or. XXIII p.281,3. Isid.XV2.41.
Corp. Gloss. VI 81 (z. B. II 567, 12 : locus übt m tt-
tuntur vestimenta balnientiutn); auchinschriftl.,
CIL X 3922 (Vitruv erwähnt es nicht). Die Be-
zeichnung ist vom entsprechenden Räume der
griechischen Gymnasien entnommen, s. Mau
bei P.-W . I 2820. In großen Bädern gab es auch
mehrere Räume dafür, bei Luc. Hipp. 5 ajtoMoeis
genannt.
4) Bei Galen. X 723 K. ist der erste von drei
nebeneinanderliegenden Sälen (olxoi) ungeheizt
und dient als Auskleideraum, sowie als cella
frigidaria. In den Thermen von Badenweiler
ist das eine Apodyterium heizbar, vermutlich
gehört es zur Frauenabteilung.
5) So in beiden Abteilungen der Stabianer
Thermen von Pompeji; die Wandnischen sind
in der Frauenabteilung etwas niedriger ange-
bracht, als im Männerbad. In den Forumsther-
men fehlen diese Nischen, dagegen sind solche
zum Aufstellen von Lampen vorhanden.
6) Besonders, wenn kein eigenes Frigi-
darium da ist, wie in der Frauenabteilung der
Stabianer Thermen und in den (unvollendeten)
Zentralthermen ; hier wird die Wanne durch drei
an den umgebenden Wänden angebrachte Was-
serstrahlen gespeist; vgl. Mau Pompeji 195.
7) Vitr.Vll. 2. Corp.Gloss. 1173.42; 481,36.
8) So im Hausbad bei Plin. ep. V 6, 25 f. : fri-
gidaria bei Sid. Ap. ep. II 2,5.
9) So in den Stabianer und in den Forums-
thermen; in den Zentralthermen fehlt das Fri-
gidarium.
,0) Sen. ep. 56, 2. Lampr. Heliog. 19, 6 ; 24. 1 .
Sid. Ap. a. a. 0. Corp. Gloss. VII 91 meist durch
y.o'/.iiißijOoa erklärt. Bei Luc. Hipp. 5 sind drei
Piscinen im Frigidarium. Bei Pallad. I 39 (40), 4
heißt der Raum im Privatbad, wo die /iis<;„<i
liegt, piscina/ is ceüa. Inschriftl.CIL XIV 2119.
Diese piscina muß von der caUda piscina (s.u.)
unterschieden werden, sowie von den pi$ctnae
mit der ursprünglichen Bedeutung der piscina
als Fischteich (so die piscina marina bei Mart.
IV 4, 3; XI 20, 11; XII 32, 17: ein Teich für
Meerfische).
n) Petron. 73, 2: cisterna frigidaria.
l») Plin. ep. V 6, 25. Sid. Ap. a. a. 0. -
ptiaterium et ceUa CIL IX 4974.
1S) Mart. III 44, 13. Sen. a. a. 0.; cdla »a-
tatoria CIL III p.7342. Man vgl. das große Fri-
gidarium der Caracalla-Thermen, bei dem die
Piscina, zu der man auf 6 Stufen hinabstieg,
unbedeckt gewesen zu sein scheint.
,4) Sen.ep 86,6. In den Stabianer Thermen
geht um die Marmorbekleidung des Bassins ein
schmaler Rundgang, der durch vier runde Ni-
schen erweitert ist. Zu Badenweiler finden sich
außer halbkreisförmigen Anbauten und Wand-
nischen fürBänke auch marmorausgelegteBade-
bassins.
»*) Plin. ep. II 7,11.
424
Zweite Abteilung. Das Leben.
für solche, denen das Bassin zu kalt war, ein im Freien belegenes, dessen
Wasser von der Sonne durchwärmt war1). Das tepidarium2) oder die cella \
tepidaria 3) war kein eigentlicher Baderaum, sondern ein mäßig erwärmter,
mit Bänken oder andern Sitzgelegenheiten4) ausgestatteter Saal, in dem man
sich aufhielt, um zu schroffe Temperaturübergänge zu vermeiden5); dagegen
war das caldariums) oder die cella caldaria1) ein stark erhitzter Raum, in
dem man ebensowohl schwitzte, als sich in warmem Wasser wusch oder
badete. Vitruv schreibt dafür einen länglichen, mit Tonnengewölbe bedeckten
Saal vor8); an der einen Breitseite lag der alveus9), eine die ganze Breite
einnehmende Badewanne für warmes Wasser, in die man auf einer Stufe
hineinstieg10); sie heißt auch solium11) (bisweilen griechisch pyelus12)), und
zwar ganz gleich, ob es sich dabei, wie in kleinen und Hausbädern, nur um
eine Wanne für eine einzelne Person oder um ein größeres, für mehrere
Raum bietendes Bassin handelt13). In großen Bädern gab es mitunter ent-
weder an Stelle des alveus oder neben diesem noch ein warmes Schwimm-
bassin, eine calida piscina1*), deren erste Einrichtung dem Maecenas zu-
geschrieben wurde15); so war in den Thermen des Caracalla ein besonders
prachtvoll ausgestatteter, hoher und gewölbter Raum, der als cella soliaris
bezeichnet wird, also vermutlich für zahlreiche Wannenbäder bestimmt war16).
An der dem alveus entgegengesetzten Breitseite lag eine halbrunde Nische
*) Ebd.V6, 25. Sid. Ap. carm. 19.
2) Vitr. V 10, 1 ff. Cels. I 3 f. Corp. Gloss.
II 477, 26. CIL XI 6040.
3) CIL VI 1703. Corp. Gloss. III 217, 2;
652, 10.
4) Solche (von Bronze) sind im Tepidarium
derStabianer Thermen gefunden worden. Bänke
u. dgl. bilden das instrumentum balnearium,
Digg. XXXIII 7,13, 1 ; 17, 7, oder balneatorium,
Paul. sent. III 6, 65, zu dem scamna et hi/po-
podia gerechnet werden.
5) Es ist daher in der Regel von kleinen
Dimensionen, mehr ein Durchgangsraum, wie in
den Stabianer Thermen, wo aber auch eine Bade-
wanne vorhanden ist für solche, die in der kalten
Jahreszeit ein mäßig kühles Bad nehmen woll-
ten. Im Männerbad der Forumsthermen diente
das Tepidarium, wie die Wandnischen zeigen,
zugleich als Apodyterium. In den Caracalla-
Thermen war das Tepidarium sehr groß an-
gelegt und hatte in den Eckpfeilern große Bas-
sins mit Porphyrwannen.
6) Vitr. a.a.O.; VII 2, 4. Cels. 14. Sen.ep.
86, 11.
'') Plin. ep. V 6, 26. Marc. Emp. 25. CIL
XI 3103. Sid. Apoll, ep. II 2,4 nennt sie aqua-
rum cella coctilium.
8) A. a. O. 4: die Breite soll, abgerechnet
alveus und schola labri, zwei Drittel der Länge
betragen ; so auch bei Pallad. I 40. Das Verhält-
nis 3 : 2 findet sich auch im Männercaldarium
der Stabianer Thermen in Pompej i , während das
der Forumsthermen das Verhältnis 2 : 1 auf-
weist.
9) Auct. ad Her. IV 10, 14. Cic. pro Cael.
28, 67. Vgl. Mau bei P.-W. I 1704.
10) Vitr. a. a. 0.4: alvei latltudo inter pa-
rietem et pluteum (d. i. der vordem Schranke)
ne minus sit pedes senos, ut gradus inferior
inde auf erat et pulvinus (d. i. die geschweifte
Rückseite zum Anlehnen) duos pedes. Vgl. Mau
a. a. O. I 1704. Die Tiefe des alveus ist meist
unbedeutend, da man sitzend badete, vgl. Mau
Pompeji 198. Im Bad bei Luc. Hipp. 7 stehen
drei ftsofiai nvekoi.
1X) Cels. 13 f.; II 17; III 22. Scrib. Larg.
120, wohl auch Pallad. I 41, 1.
l2) Plaut. Stich. 568; Bacch. 108; vgl. Karo
und Pottiee bei D.-S. IV 781.
1S) Solium als Badewanne für eine einzelne
Person Vitr. IX pr. 10. Liv.XLIV6,l. Lucr.VI
800. Cat.r.r.10,4. Cels. VII 26,5. Plin. XI 238;
XXVIII 183 ; hölzerne Wanne bei Suet. Aug. 82 ;
silbernePlin.XXXlII 152; ebenso aZw?ws,Capitol.
Albin. 5,6, wo es eine kleine Kinderbadewanne
bedeutet (mit Schildpatt belegt). Daß aber die
Beschränkung des Festus 298b, 22: alvei quo-
que lavandi gratia instituti, quo singuli descen-
d-unt, solia dicuntur, nicht richtig ist, zeigt z. B.
Petron. a. a. O. ; auch das solii capacis hemicy-
clium bei Sid. Ap. a. a. O. hatte wohl für mehrere
Personen Platz.
14) Plin. ep. II 17,11 hatte eine in seiner
Villa, anscheinend in einem besondern Räume ;
xoXvixßrj&ga fiep/uov vdarog, Dio Cass. LV 7, 6
(über den Namen colymbeihra vgl. Saglio bei
D.-S. 1 1335). Vgl. Suet. Nero 27. Val. Max. IX
1,1.
15) Dio Cass. a. a. O.
16) Spart. Carac.9,4f.
Sechster Abschnitt. Bäder und Körperpflege.
425
fahola), in der auf etwas erhöhtem, durch Stufen zugänglichem Platz ein
rundes, flaches Becken stand, das labrum1), das zu kalten Abwaschungen
bestimmt war2). Diese Normalform findet sich jedoch keineswegs in allen
Badeanlagen : so fehlt manchmal die Nische mit dem labrum ganz, oder an
ihre Stelle tritt eine Badewanne u. dgl. m.8); in den großen Thermen war
eine größere Zahl von Wannen und labra erforderlich, was zu andrer Kaum-
disposition führte*). Da das Caldarium derjenige Baderaum war, in dem man
sich am längsten aufhielt, so legte man es gern so an, daß es recht viel
Licht hatte, das im Gegensatz zu den altern Bädern, die nur wenige und
kleine Fenster hatten5), durch viele und große Fenster einfiel6). In der Regel
lagen diese bisher genannten Räumlichkeiten dicht beisammen, das Tepi-
darium gewöhnlich in der Mitte7).
Kein regelmäßiger Bestandteil einer Badeanlage war das zuerst bei
Cicero8) erwähnte laconicum oder Schwitzbad, auch assa sudatio9) oder
fcsswm10) genannt, eine Einrichtung, die die Römer von den Griechen über-
nommen hatten11), obschon nicht gerade, wie man aus dem Namen schließen
möchte, von den Lakoniern12). Es war ein kreisrunder Raum mit Halbkugel-
wölbung, bei dem das Licht durch eine in der Kuppel befindliche, durch
eine bronzene Scheibe verschließbare Öffnung hineinfiel13). Hier wurde die
') Vitr.V 10,4: scholasmüem läbrorum ita
fieri oportet spatiosas, uti cum priores oecu-
paverint loca, circumspeetantes reliqui rede
Btare possint. Vgl. Isid. or. X 6,28. CIL X 817;
auch in den Bädern des Metallum Vipascense,
ebd. II 5181, sowie im Bad in Ciceros Tuscu-
lanum, Cic. ad fam. XIV 20. Ein labrum aeneum
cum foculo in einem Frauenbad CIL IX 3677;
2>ixri)ii<, labrum aeneum cum salientibus XIV
2119. Stellen christlicher Autoren, bei denen
es das Taufbecken bedeutet, bei Makquärdt
287 A. 3.
2) Kalte Uebergießungen werden öfters er-
wähnt, s.Plin. XXVIII 55. Mart.VI42,18. Cels.
14.
s) Im Frauen caldarium der Stabianer Ther-
men steht das labrum. mit einer Oeffnung in
der Mitte, aus der das Wasser aufsprudelte, im
Räume selbst an der Wand; in den Zentral-
thermen sind zwei große, 26—28 Personen fas-
sende alvei an den beiden Schmalseiten, in der
Mitte der einen Langseite eine kleinere Wanne,
die das fehlende labrum vertrat.
4) Meist so, daß vier rechteckige Nischen
des großen oblongenRaumes die alvei, drei runde
(an der Stelle der vierten lag der Eingang) die
labra enthielten. In den Thermen des Caracalla
war das Caldarium rund. Vgl. Mau a. a. 0.
5) Sen. ep.86,6.
6) So in den pompejanischen Zentralther-
men, während in den kaiserlichen Thermen das
Caldarium nach Süden aus der Mauer heraus-
gebaut ist, damit es recht viel Sonne aufnehmen
kann; so sagt auch Plin. ep.V6,26 von seiner
cella caldaria: caldariae magis (sc. so/ betii-
gnissime praesto est): prominet enim, und Sid.
Apoll, ep. II 2, 4 spricht von der abundantia
Iuris inc/usae in seinem Caldarium; vgl.Mart.
VI 42, 8 ff. Pallad. I 39 (40), 1. Man vgl. auch
die Vorschrift des Vitruv a. a. 0. 1 : ipm gutem
caldaria tepidariaque ktmen habeant ab oc-
eidente hiberno,si indem natura loci impedierit,
utique a meridie; und ebd. 4: labrum uttqtu
sub lumine faciundum rii/e/ur, ne stantes eir-
cum suis umbris dbscureni lucem,
7) Daher sie bei Plin. a. a. 0. cetta media
genannt ist, bei Galen. X 724 6 peaog oly.<>~.
8) Cic. ad Attic. IV 10, 2.
9) Cels. III 27, 3; vgl. ebd. II 17: aieem
calor. Corp. Gloss. III 353, 79: assa cella aqpi-
dQüitrjQiov. Für Schwitzbad, ob trocken oder
feucht, kommt sonst sudatio oder tudatorium
vor. Vitr.116,2; V10.4; 11,2. Sen. dial. VIII
7, 3; ep. 51, 6. Corp. Gloss. II 331, 2.
10) Cic. ad Qu. fr. III 1,2.
n) Die unetiones Graecae audatoHae er-
wähnt Plaut. Stich. 229.
12) Der Name kommt überhaupt nicht sehr
häufig vor; vgl.noch Vitr.V 10,6; 11,2- VII
10, 2. Cels. II 17, 1. Colum. I pr. 26. CIL 1
1251 (X 829).
13) Vitr.V 10,6: Laconicum sudutiones'/ur
sunt comungenda tepidario, eaque quam lata«
fnerint, tantum a/titudinem habeant ad inmm
cumtfunim hemisphaerii mediumque lumrn in
hemisphaerioreUnqnatnre.vfoquerliptiunu,-,,,-
um catenis pendeat, per cuius reduetiones ,-t
demissiones perfleietursudationis temperatura.
ipsiimquv ad circintm fieri oporUrt pidetur, ut
aequaliter a medio flammae vaporitqtU vi» p* r
cunxrturae rotundationetpervofetur. Ihm ent-
spricht im griechischen Bade der £//<>»- &6Xoe,
Alciphr.l23.Alex.Aphrod.I41.Eratosth.b..\th.
XI 501 D; vgl. die thofi balnearum Amm. Marc.
426
Zweite Abteilung. Das Leben.
größte Wärme der Heizung konzentriert, weshalb das Lakonikum in größte:
Nähe der Heizeinrichtung angelegt wurde 1). In den erhaltenen Badeanlagei
läßt sich das Lakonikum nur vereinzelt nachweisen2).
Zu diesen Räumlichkeiten, die für den allgemeinen Gebrauch bestimm
waren, kamen in großen Badeanstalten noch Einzelzellen mit besonden
Wannen oder Badestühlen 3), die beide oft aus kostbarem Stein hergestell
und kunstvoll verziert waren4). Außerdem aber boten die öffentlichen Thermer
noch manche andere Räume und Anlagen dar. So fehlt selten die Palästra
als ein säulenumgebener Platz für gymnastische Übungen mit einem großen
unter freiem Himmel belegenen Schwimmbassin5). Erwähnt werden fernei
für solche Thermen, bei denen mit dem Bad noch Gelegenheit zu körper-
lichen Übungen und Unterhaltung geboten war, aber auch in Privatbädern
besondere Räume, wie Säle zu gemeinschaftlichem Aufenthalt vor und nacr
dem Bade6), ein unctorium zum Ölen und Salben 7), ein destridorium8) zurr.
Reinigen vorn Staube der Palästra, bevor man ins Bad ging, ein sphaeristerium
für das beliebte Ballspiel9), sowie andere Annexe, die mit dem eigentlicher
Bade nichts zu tun haben10).
XXVIII 4, 9. Bei der Beschreibung der Palästra
gibt Vitr. V 1 1 , 2 an : proxima Jntrorsus e re-
gione frigidarii conlocetur concamerata sudatio
longitudine duplex quam latitudo, quae habeat
in versuris ex una parte laconicum ad eundem
modum uti quod supra scriptum est, compo-
situm, ex adverso laconici caldam lavationem.
') Cic. ad Qu. fr. a. a. 0. : in balneariis assa
in alterum apodyterii angulum promovi, pro-
pterea quod ita erant posita, ut eorum vapora-
torium esset subiectum cubiculis.
2) In Pompeji findet es sich nur in den
Zentralthermen, wo es ein runder, durch vier
halbrunde Nischen erweiterter, von einer halb-
runden Kuppel bedeckter Raum ist, den man
vom Tepidarium wie vom Caldarium her be-
treten kann. Nun besagt allerdings eine bei
den Stabianer Thermen gefundene Inschrift aus
sullanischer Zeit (CIL X 829 = I 1251), daß
die Duumvirn G. [Julius und P. Aninius für das
Bad ein Lakonikum und ein destrictorium er-
stellt hätten. Da nun aber von einem Lako-
nikum keine Spur da ist, so nahm Nissen Pom-
pej. Studien 156 an, es sei damit (ebenso wie
bei Dio Cass. LIIl 27, 1 mit dem jivguxvqQtov tu
Aaxmvtxov des Agrippa) das Caldarium gemeint,
welcher Ansicht sich Mau Pompej. Beitr. 146 f.
(auch in Overbecks Pompeji 232, vgl. Mau
Pompeji 194), anschließt. Erhalten hat sich ein
Lakonikum in Pompeji außer in den Zentral-
thermen in der Villa der IuliaFelix.s. Mau Pom-
pej. Beitr. 144 ff., sowie in England in den Bädern
von Wroxeter (Leighton in der Archaeologia IX
328) und Caerwent (Morgan in der Archaeo-
logia XXXVI 2, 432, auch Marquardt 292 f.).
3) Nach Olympiodor. bei Photios Bibl. p.63a.
23 Bekker hatten die Caracalla-Thermen 1600
xadedgag ix /tag/iägon xareaxsvaouevag Igeotov,
die diokletianischen beinah die doppelte Anzahl.
4) Eine marmorne Badewanne aus den rö-
mischen Thermen s. Clarac Musee de sculpt
255, 637; einen Badestuhl (mit hufeisenförmig
ausgeschnittenem Sitze, damit das Wasser bei
den Uebergießungen ablaufe) ebd. 260, 631;
eine Porphyrwanne ebd. 261,639 (sämtlich im
Louvre). Vgl. auch Rick Wörterbuch 559.
5) Piscina subdialis, Colloqu. Monac. 10
(Corp. Gloss. III 652). Cella natatoria, CIL III
7342; auch der bei Bädern bisweilen erwähnte
toc?ts(CILI1166;XI6040)istwohlalsSchwimm-
bassin zu betrachten. In den Stabianer Ther-
men ist es 12,7 : 8 Meter und 1,50 Meter tief,
ganz mit weißen Marmorplatten ausgelegt; die
Forumsthermen haben nur einen Garten, keine
Palästra noch Schwimmbad ; bei den Zentral-
thermen war dagegen beides beabsichtigt, aber
noch nicht vollendet. In den großen römischen
Thermen bot der außerhalb der eigentlichen
Badeanlage befindliche, von einer Mauer um-
faßte Raum reichlich Platz für solche palästri-
schen Zwecken dienende Anlagen.
6) SolcheRäume in prächtiger Ausstattung
erwähnt Luc. Hipp. 5.
7) Plin.ep.II 17,11, auch das Bad bei Luc.
Hipp. 6 hat neben dem Tepidarium einen oixog
sv fiäla cpaiSgög, äleiyaaOai jrgomp'tog nag-
e%6uevog; er ist auch von der Palästra aus zu-
gänglich. Das elaeothesium bei Vitr. V 11,2 ge-
hört zur Palaestra.
8) Siehe oben Anm. 2.
9) Bei Plin. ep. V 6,27 liegt es direkt beim
apodi/tcriiini.
10) Das gilt auch von den bei Vitr. a.a.O.
nach griechischen Palästren angeführten ephe-
beum und conisterium. Auch tabernae waren
mit den Bädern verbunden, CIL IX 1667. Es
ist selbstverständlich, daß auch Abtritte da wa-
ren; erwähnt werden sie im Colloqu. Monäc. 10
(Corp. Gloss. III 651): numquid vis venire ad
secessum ? Bene me admonuisti, venter nie cogit.
Sechster Abschnitt. Bäder und Körperpflege.
427
Notwendiger aber, als diese Nebenräume, war es, daß in öffentlichen
Bädern eine besondere Frauen abteilung angelegt wurde. Diese Ein-
richtung, daß in den Bädern solche angelegt wurden, scheint von Anfang
an getroffen worden zu sein1), wo die Mittel es erlaubten; wo das nicht
der Fall war, waren den Frauen besondere Stunden zur Benutzung ein-
geräumt2). Im letzten Jahrhundert der Republik gingen selbst vornehme
Damen in die öffentlichen Frauenbäder3); und daß solche ganz allgemein
waren, zeigen die Bäder in Pompeji, in Baden weiler, in Thelepte (Afrika),
die besondere Männer- und Frauenabteilungen mit getrennten Eingängen
aufweisen4), während die großen Thermen in Rom allerdings nur für Männer
berechnet gewesen zu sein scheinen. Das mag damit zusammenhängen, daß
diese Anlagen ganz besonders auch für körperliche Übungen bestimmt waren6).
Wo die doppelten Badeeinrichtungen bestanden, legte man sie gern so, daß
die Vorrichtungen zur Heizung der Wasserkessel und der Luftheizung nur
einmal angelegt wurden und beide Abteilungen bedienten6); in manchen
Anlagen sind die beiden Abteilungen genau symmetrisch auf die beiden
Hälften des Baues verteilt, doch kommt es auch da vor, daß eine große
Piscina nur einmal vorhanden und so in die Mitte der trennenden Achse
verlegt ist, daß sie von beiden Seiten zugänglich war7). In solchem Falle
müssen Männer und Frauen dort gemeinschaftlich gebadet haben, und dieser
Brauch, der im 1. Jahrhundert n. Chr. aufkam8), hatte sich in der Tat auch
nach den Provinzen verbreitet9). Allerdings galt es für unschicklich, und
anständige Frauen werden die Unsitte nicht mitgemacht haben; immerhin
waren es nicht bloß Dirnen, die das taten, sondern selbst Damen besserer
J) Und daher scheint die Pluralbezeich-
nung balnea oder balneae herzurühren, s.Varr.
1. 1. IX 68: quod primum balneum publice ibi
consedit, ubi hina essent coniuncta aedificia la-
vandi causa, unum tibi viri, alterum ubi mu-
lieres lavarentur; etwas abweichend Charis. I
p. 99, 3 (Keil) : balneum veteres dixerunt sive
balineum, nihil enim differt publicum a pri-
vatis: in publicis autem feminin! generis et qui-
dem numero semper plurali frequenter balneas
et balineas, nee immerito: nam parsimoniae
causa uno igni duplex balneum calfaciebant,
pariete interiecto, ut pudor viris mulieribusque
cottsffti 'ff
2) NachderLexVipasc.(s.obenS.422A.6)
waren den Frauen die ersten sieben Tagesstun-
den, die übrigen (bis zur zweiten Stunde der
Nacht) den Männern eingeräumt.
3) Die Mutter des August besuchte solche
publica balinea, Suet. Aug. 94 (die Stelle be-
weist auch, daß die Frauen keine Badekleider
trugen, sowenig wie solche bei den Männern
üblich waren; die balnearis vestis bei Lampr.
AI. Sev. 42, 1 ist nur das Kleid, in dem man
das Bad besuchte). Doch gab es auch beson-
dere Frauenbäder, vgl. die Inschr. aus Lanu-
vium CIL XIV 2121, wo zwei Männerbäder
und ein Frauenbad genannt sind; IX 1667:
balneum virile et muliebre; 3677: balneum
muliebre. Im 2. Jahrhundert v. Chr. gab es
in kleinen Orten nur balncn ririlin, s. Gell.
X3,3.
4) In Pompeji haben nur die Zentralther-
men bloß eine einfache Anlage, dagegen die
Stabianer und die Forumsthermen besondere
Frauenbäder, allerdings etwas kleiner und auch
in der Zahl der Räume beschränkter als die
Männerbäder.
B) Sie werden daher manchmal direkt Gym-
nasien genannt, Dio Cass. LIII 27, 1 ; LXI 21,1;
LXVIII 15, 3. Tac. ann. XIV 47.
°) Siehe Charis. a. a. 0. Vitr. V 10, 1 :
item est animadvertendum uti caldaria mu-
liebria et ririlia coniuncta et in iadem rc-
gionibus sint conlocata. sie enim ef/ieiefnr nf
in vasaria et hypocausis communis .»■// eonim
utrisque.
7) Das ist, wie ich aus Mau bei P.-W. II
2756 (nach Arch. des miss. scient. 3. Se>. XIII
116 ff) entnehme, in Thelepte der Fall; auf
jeder Seite sind hier besondere Apodyterien.
Auch in den Bädern von Badenweiler (vgl. Bau-
meister Denkmäler 1770 Taf. 69), wo sonst
alle Räume doppelt vorhanden sind, liegt in der
Achse ein gemeinschaftlicher Raum, der aber,
da er Heizungsvorrichtung hatte, eher ein Cal-
darium war.
8) Plin. XXXIII 153.
9) Nach Plut. Cat. mai. 20 war er nach
Griechenland gedrungen.
428
Zweite Abteilung. Das Leben.
Stände1), wie es denn auch nichts Ungewöhnliches war, daß sich Fraueii
im Bade von männlichen Sklaven bedienen ließen2). Zwar erließen ver
schiedene Kaiser Verbote des gemeinschaftlichen Badens3); aber eben dal j
dies Verbot mehrfach erneuert werden mußte, beweist, wie sehr diese i
Unfug eingerissen war, über den noch in der christlichen Zeit geklag
wurde4).
Über die Heizungsvorrichtungen in den Bädern sind wir ebenfall:
durch litterarische Quellen wie durch die erhaltenen Ruinen von Baden
unterrichtet. Es handelt sich dabei um zweierlei: um die Vorrichtungen zuj
Erwärmung des Badewassers und um die Einrichtungen für die Luftheizung
der Baderäume. Was erstere anlangt, so dienten zur Wasserversorgung dei
Bäder drei, von der nächstbelegenen Wasserleitung gespeiste eherne Kesse
(aena5)) für kaltes, laues und heißes Wasser, die so untereinander verbunder
waren, daß der zweite aus dem ersten, der dritte aus dem zweiten gespeisi
wurde6). Diese Kessel lagen mit Ausnahme des für kaltes Wasser über den
Heizraum, der hypocausis1), auch fornax8) genannt. In einigen der erhaltener
Bäder sind die Plätze der Kessel noch deutlich zu erkennen9), und in einei
Badeanlage einer Villa hat sich ein solcher sogar noch erhalten (Fig. 60) 10),
In einem einfachen Hausbade aber, wo man nur warme Wannenbäder, keine
eignen Caldarien und Tepidarien hatte, genügte ein metallener Ofen von der
Form des miliarium (siehe oben S. 402), der den Wannen das heiße Wasser
*) Nach Quint.V9, 14 ist es ein Signum
adulterae lavari cum viris. Martial erwähnt es
öfters, s. III 51 ; 72; 87; VII 35; XI 75. Daß
die Frauen dabei einen Schurz {subligar) trugen,
zeigt III 87 ; dagegen waren die Männer anschei-
nend ganz nackt, nach VII 35, 5. Noch Amin.
Marc. XXVIII 4, 9 erwähnt, daß gemeine Dir-
nen die Schwitzbäder der Männer besuchten.
2) Mart. VII 35, 1, wonach der Sklave suc-
cinctus nigra aluta ist; XI 75, 1 ist er theca
tectus ahenea. Ein männlicher Masseur {aliptes)
im Frauenbad luv. 6, 422.
3) Solche Verbote erließen Hadrian, Spart.
Hadr. 18, 10. Dio Cass.LXIX 8, 2; Marc Aurel.,
Capit M.Anton.23,8;AlexanderSeverus,Lampr.
AI. Sev. 24, 2. Heliogabal hatte das gemein-
schaftliche Baden erlaubt, Lampr. ebd. und He-
liog.31.7. Eine römische Inschrift des 3.Jahrh.
verbietetden Frauen die Benutzung der Männer-
Piscina, CIL VI 579 : ne qua mulier velit in pi-
scina virili descendere.
4) Clem.Al.paed. III 5,32 p.272P. Cypr.
de virg. hab. 19: quid vero quae promiscuas
balneas adeunt . . . quae cum viris adque viros
nudae vident turpiter ac videntur. Für spätere
Zeit vgl. die bei Marquardt 283 A. 1 angeführ-
ten Stellen.
5) CIL II 5181 Z.20: oder aeneum, Vitr. V
10,2.
6) Vitr. V 10, 1: aenea supra hypocausim
tria sunt componenda, unum caldarium, alte-
rum tepidarium, tertiumfrigidarium, etita con-
locanda uti ex tepidario in caldarium quantum
aquae caldae exierit influat, de frigidario in
tepidarium ad eundem modum.
7) Vgl. oben S. 107.
8) Scrib. Larg. 60: fornax balneariorum.
Sid. Apoll, ep. II 2, 4. Fronto ad M. Caes. I 3
p. 7 (Naber) : fornaculae balnearum. Was ders.
V 44 p. 89 ostium balnei nennt, ist das prae-
furnium der hypocausis.
9) In den Stabianer Thermen sowie in den
Forumsthermen stand der Heißwasserkessel
direkt über der Feuerstelle, der für laues Wasser
über einem mit der Feuerstelle in Verbindung
stehenden Hohlraum; der Kessel für kaltes
Wasser stand in den Stabianer Thermen aul
massivem Mauerwerk, in den Forumsthermen
über einem Hohlraum, der mit der suspensura
in Verbindung stand. Siehe Mau Pompeji 179 f.
und bei P.-W. 2749. In einem Privatbade in
Pompeji erkennt man die Stellen, wo der Heiß-
und der Warmwasserkessel standen, während
das kalte Wasser sich in einem gemauerten Be-
hälter in der Nähe befand, s. Mau Rom. Mitteil.
III (1888) 204.
10) Nach Mau Pompeji 383 Fig. 204. Hier
findet sich über der Hypokausis ein zylindri-
scher Bleikessel für heißes Wasser; der ge-
mauerte Behälter für kaltes Wasser ist in der
Nähe, während ein Behälter für lauwarmes
Wasser fehlt. Durch Röhren, die durch Hähne
geöffnet und geschlossen werden konnten, floß
das Wasser aus dem Kalt- in den Heißwasser-
kessel, ebenso konnte heißes wie kaltes Wasser
sowohl dem alveus wie dem labrum zugeführt
werden; s. Mau Rom. Mitteil. IX (1894) 353 ff.;
vgl. Mon. d. Line. VII 453 f.
Sechster Abschnitt. Bäder und Körperpflege.
129
zuführte1). Eine besondere Vorrichtung bestand manchenorts zur Warm-
haltung des Wassers in den Marmorwannen. Wie die Stabianer Thermen
zeigen, führte unter dem Heizkanal, durch den die heiße Luft in den 1 1 1 >li 1-
raum unter dem Fußboden eintrat, ein halbzylinderförmiger Bronzekessel,
dessen eines Ende sich in den alveus öffnete; indem das Wasser zugleich
mit der Wanne auch den Kessel
füllte, wurde es stets von neuem
erwärmt2). Die Heizung der Bade-
räume erfolgte ursprünglich durch
Kohlenbecken, und auch später
noch ist dies in solchen Bädern,
die keine Heizanlagen hatten3),
üblich gewesen4). Aber seit der
in den Anfang des letzten Jahr-
hunderts v. Chr. fallenden Erfin-
dung des C. Sergius Orata, von der
oben (S. 106) die Rede war, pflegte
man die Fußböden durch die sus-
pcHsurae (daher die so gebauten
Bäder balineae pensiles hießen5))
und die Wände durch die erwärmten Hohlräume zu heizen, vornehmlich
tep'xhtrhtm, caldarium und Laconicum. Die Hypokausis diente auf diese
Weise beiden Zwecken: das Feuer erhitzte das Wasser in den Kesseln und
die Luft in den suspensurae6).
Zur Veranschaulichung des Gesagten mögen die Grundrisse von zwei Bade-
anlagen Pompejis dienen. Fig. 61 gibt den Grundriß der Stabianer Thermen7),
Fig. 60.
Wasserkessel und Kührenleitiing des Bades
in der Villa rustica bei Boscoreale.
') Das schreibt Pallad. I 39 (40). 3 so vor:
miliarium plumbeum, cui aerea patina subiecta
est, inter soliorum spatia forinsecus statuamus
fernace subiecta, ad quod miliarium fistida fri-
gidaria dirigatur et ab hoc ad solium similis
magnitudinis fistula procedat, quae tantum ca-
lidae ducat interius, quantum fistida illifrigidi
Ugtioris intulerit. Diese Oefen waren jedenfalls
nicht, wie die vorher erwähnten Wasserkessel,
eingemauert, sondern transportabel ; nur so er-
klärt es sich, wenn sie Paul. sent. III 6,65 zum
instrumentum bahieatorium rechnet. Die an-
dern Stellen, die Marquardt 288 A. 3 anführt,
haben mit diesem Badeofen nichts zu tun, son-
dern betreffen das miliarium zur Bereitung der
ealda. Was Eich 394 und Daremberg-Saglio
1 661 Fig. 765 (vgl. III 1899) als Bädermiliarium
abbildet, nämlich ein Wasserkessel der pompe-
janischen Forumsthermen, hat damit gar nichts
zu tun.
3) MAuPompejil79;derBronzekesselhieß
nach Vitr. a. a. 0. testudo alveoli, s. Mau Gott,
gel. Nachr. 1896, 80.
s) Mehrfach werden Sommer- und Winter-
bäder unterschieden; so thermae aestivae und
hiemales, Capitol. Gord.tres32. 7 ; balneaaestiva
und hiemalia Pallad. 139 (40), 4; inschriftl.CIL
III 1805. Vielleicht waren die aestiva solche,
die keine Heizvorrichtung hatten; bei Pallad.
a.a.O. sollen die cellae piscinales im Sommer-
bad nach Norden, im Winterbad nach Süden zu
liegen.
*) Im Tepidarium der Forumsthermen, das
nicht (wie die ursprünglich auch ohne suspen-
surae angelegten Stabianer Thermen) später
umgebaut, sondern ohne Heizvorrichtung ge-
blieben war, diente auch zur Zeit der Zerstörung
Pompejis ein Kohlenbecken zur Erwärmung,
vgl. Overbeck Pompeji 286. Mao Pompeji 208.
Ueber den Umbau und die nachträgliche Tubu-
lation der Stabianer Thermen s. Schöne Quae-
stion. Poinpeianar. specimen, Lips. 1868. Nissen
Pompej. Studien 140 ff. Mau Pompej. Beiträge
117 ff.
B) Val. Max. IX 1, 1 und mehr oben S. 106 ff.
Vgl. die Inschrift CIL XI 6040: balnetm aus-
pendit, tubulos . . . laeus piscinamque fecit. Das
angeblich alte Gemälde mit der Inschrift lud.
Faustines, aqua* pensiles (CIL VI 29830) ist
verdächtig, siehe Jordan A. Z. XXVI (1868),
92 f.
6) Cassiod. Var. II 39 wird diese Wirkung
anschaulich geschildert.
7) Nach Mau Pompeji 191 ff. ; der Grundriß
195 Fig. 95 : vgl. dens. bei P.-W. 2753 und Over-
beck 215 ff.
430
Zweite Abteilung. Das Leben.
Fig. 61. Grundriß der Stabianer Thermen in Pompeji.
die an zwei Seiten von Läden, die nichts mit dem Bad zu tun haben,!
umgeben sind, mit einer dritten an ein Nachbarhaus grenzen. A ist derj
Zugang zum Männerbad; er führt zunächst zu der von Säulenhallen B|
umgebenen Palästra C, zu der auch
von der andern Straße her der Zu-
gang L führt. An der einen Seite der
Palästra liegt das offene Schwimmbad
F; die zu beiden Seiten davon befind-
lichen Räume, die ursprünglich be-
deckt waren, enthielten je ein flaches
(0,65 Meter tiefes) Bassin, das durch
einen aus der Westwand kommenden
Wasserstrahl gespeist wurde, und
dienten vermutlich zu Abwaschungen
und Duschen, doch ist das Bassin G
später ausgefüllt un d der Raum ander-
weitig verwertet worden. Der Raum
D scheint ein Auskleideraum gewesen
zu sein, da sich an den Wänden Spuren
von Schränken finden. Nicht sicher ist die Bedeutung von K; da es sich auf
die Westseite der Palästra öffnet, die statt der Säulenhallen eine 2,48 m breite
Bahn aus Tuffsteinen hat, auf der
zwei schwere Steinkugeln gefunden
wurden, so nimmt man an, daß von
hier aus ein Kugelspiel gespielt wur-
de. J ist vielleicht die cella eines Auf-
sehers der Palästra. Die Räume I bis
VIII sind sodann die der Männer-
Badeanstalt: I und II ein Vorraum
mit einer Bank, vermutlich für die
ihren Herrn erwartenden Sklaven x),
IV der Durchgang von der Palästra
zum Apodyterium VI, das auch von
dem gleichfalls mit Bänken ver-
sehenen Vorraum X von der östlichen
Straße her betreten werden konnte.
V ist das Frigidarium, VII das Tepi-
darium, VIII das Caldarium, IX der Heizraum mit den Kesseln. Das Frauen-
bad, das von Osten und Westen her durch die Zugänge 1 und 5 betreten wird,
umfaßt die Räume: 2 das Apodyterium, 3 das Tepidarium, 4 das Caldarium;
der bedeckte Gang 6 führt zur Palästra. Bei dem von Westen her führenden
Eingang a liegen vier Einzelbäder e; k ist der Abtritt.
In den Zentralthermen Fig. 62 2), die auch von Läden umgeben sind,
ist d die Palästra mit dem Schwimmbad h, zu der drei Eingänge a führen;
Fig. 62. Grundriß der Zentralthermen in Pompeji.
') Im Bade des Hippias bei Luc. Hipp. 5 ist
bald am Eingang ein oixog evfieys&rjg, ixavrjv
f,X<tiv im?]Qhaig xal äy.olovdoig öiaTQißrjv.
2)NachMAü212ff.;derGrundrißFig.l04;
Vgl. OVEBBECK 233 ff.
Sechster Abschnitt. Bäder und Körperpflege.
431
p ist das Apodyterium mit Wanne, q das Tepidarium, s das Caldarium, r das
Lakonikum ; bei x und y liegen die Heizräume, e ist der Abtritt, f und g
Auskleide- oder Warteräume, b und c (beim Nordeingang) vielleicht Zellen
für den balneator und den capsarius. Was die Ausstattung der Bäder anlangt,
so sind die pompejanischen zwar bescheiden, aber geschmackvoll mit Wand-
malereien und Stuckverzierungen versehen, auch ist weißer Marmor für die
Badeeinrichtungen verwendet ; aber von dem Luxus, der in den großen Thermen
in Rom herrschte, von der prachtvollen Ausstattung namentlich mit bunten
Fig. 63. Tepidarium der Forumsthermen in Pompeji.
Marmorarten, können wir uns kaum einen Begriff machen1). Noch üppiger
freilich waren die Privatbäder der Reichen, von denen uns die Schilderungen
einiger Schriftsteller berichten 2). Fig. 63 3) stellt das Tepidarium im Männer-
bade der Thermen beim Forum von Pompeji vor; es entbehrt der Hypokaust-
heizung, die Erwärmung geschah durch ein Kohlenbecken; die Nischen, an
deren Zwischenwänden tönerne Atlanten das Gesims tragen, dienten zur Auf-
bewahrung der Kleider.
Sehen wir uns nun die Art, wie diese Badeanlagen benutzt wurden,
etwas näher an4). In Rom pflegten die öffentlichen Bäder in der Kaiserzeit
') Bezeichnend ist Sen. ep. 86.6: pauper
tibi videtur ac sordidus, nisi parietes magnis et
pretiosis orbibus refulserunt, nisi Alexandrina
marmora Numidicis crustis distincta sint, nisi
Ulis undique operosa et in picturae modum
variata circumlitio praetexitur, nisi vitro ab-
seonditur camera, nisi Thasius lapis, quondam
ramm in aliquo spectaculum templo, piscinas
nostras circumdedit, in quas multa sudatione
corpora exsaniata demittimus, nisi aqtiam ar-
gentea epitonia fuderunt.
») Vgl. bei Sen. a. a. 0. die Beschreibung
von den balnea libertinoruM, feiner bei Stat.silv.
Ih&a&balnenHi Cl"i«i; l'Jn^cr.vsXM&xt.NUZ.
3) Nach Mau 208 Fig. 101.
4) Daß man sich nicht bloß bis an das Bad.
sondern auch in diesem selbst in einer Sänfte
an Ort und Stelle und wieder hinaustragen ließ,
kam wohl nur bei Weichlingen vor (wie bei
Trimalchio Petron. 28,4) oder bei kränklichen
Leuten, denen das Gehen beschwerlich fiel (so
Fronto ad M. Caes. V 44 p. 89 Nab.).
432
Zweite Abteilung. Das Leben.
um die Mittagsstunde oder erst am Nachmittag geöffnet zu werden1), wozu
eine Glocke das Zeichen gab2); auch waren wohl in allen Bädern Sonnen-
uhren aufgestellt3). Mit Einbruch der Nacht wurden sie in Born in der
Regel geschlossen4), während man in der Provinz auch noch in den ersten
Nachtstunden baden konnte6). In den größeren Thermen, die eine Palästraj
oder ein Sphäristerium u. dgl. hatten, machte man häufig, bevor man insl
Bad ging, irgendeine körperliche Übung6); namentlich das Ballspiel war
dafür sehr beliebt7). Vielfach mußte man sich schon für diese Spiele und
Übungen entkleiden8), und auch sonst war als Vorbereitung auf das Bad ein
Sonnen- und Luftbad in völliger Nacktheit üblich und empfohlen9); sonst
begab man sich nun ins Apodyterium und legte dort seine Kleider ab. Wer
einen Sklaven mitgebracht hatte, der dann auch das Badegerät, vornehmlich
bestehend aus dem Schabeisen, strigilis, und dem Ölfläschchen, ampidla10)y\
sowie den zum Abtrocknen nötigen Leintüchern, lintea11), sabana12), dem Herrn
1) Von der Tageszeit, in der man zu baden
pflegte, ist oben S. 383 die Rede gewesen. All-
gemeine Bestimmungen darüber gab es natür-
lich nicht, sie wechselten nach Ort und Zeit.
So war das Bad im Metallum Vipascense von
Tagesanbruch bis 2 Uhr nachts offen, also 14
Stunden, s. oben S. 422 A. 1.
2) Mart. XIV 163: Tintinabulum. Eedde
pilam : sonat aes thermarum. Ludere pergis ? \
Virgine vis sola lotus abire domum. Darnach war
also die Palästra und sonstige Räume für das
Ballspiel schon vorher zugänglich. Wer auf das
Glockenzeichen nicht ins Bad ging, riskierte,
keinenPlatz zu finden, und mußte sich mit einer
kalten Uebergießung aus der von der aqua Virgo
gespeisten Piscina begnügen.
3) So in Pompeji, Overbeck212; 219; 238.
Mau 185; 191 ; 195. Bei Luc. Hipp. 8 sind zwei
Uhren im Bade, eine Wasseruhr, die mit lauter
Stundenangabe versehen ist. u. eine Sonnenuhr.
4) Allerdings muß auch da unterschieden
werden. Nach Lampr. AI. Sev. 24, 6 hätten die
Thermen vor diesem Kaiser vor Sonnenunter-
gang geschlossen werden müssen, während Ale-
xander Severus Oel für die Beleuchtung spen-
dete, also das Baden zur Nachtzeit, gestattete;
verboten wurde es aufs neue durch den Kaiser
Tacitus, Vopisc. Tac. 10,2. Für Konstantinopel
ist später Beleuchtung der Bäder bezeugt durch
Cod. Theod. X V 1,52. Cod. Iust. VIII 11 (12), 19,
und daß das auch in Rom in der spätem Kaiser-
zeit der Fall war, ist sehr wahrscheinlich.
5) In Pompeji sind in den Forumsthermen
Nischen, z. T. von Ruß geschwärzt, zur Auf-
stellung von Lampen in den Baderäumen an-
gebracht, und über 1000 Lampen sind in den-
selben Thermen gefunden worden, Overbeck
203; 205; 208; 211. Mau 208. Die Ansicht von
Nissen Pomp. Stud. 135, daß diese nur dazu ge-
dient hätten, die dunkeln Gänge und Säle zu
erhellen , weist Mau zu Marquardt 2 7 1 A . 4 wohl
mit Recht zurück. Betreffs des Metallum Vi-
pascense s. oben. Baden nach Sonnenuntergang
bezeugt auch Libanios or. XXII 6 (II 3R.) und
LI 5 (II 593 R.); nach Tertull. de ieiun. 16 blie-
ben die Bäder bis zur 9. Stunde geschlossen.
6) Vgl. das oben erwähnte Kugelspiel in
den Stabianer Thermen; auch Hantelübungen
scheinen üblich gewesen zu sein, denn darauf
geht wohl Sen. ep. 56, 1 : cum fortiores exer-
centur et manus plumbo graves iactant, cum aut
laborant aut labovantem imitantur: denn an
Faustkämpfer mit den bleibeschlagenen Hand-
riemen wird man hier wohl nicht zu denken ha-
ben. Uebung im Fechten bezeugt Mart. VII 32, 8.
7) Petron. 27. Mart. VII 32, 7; XII 82, 3;
XIV 163. Plin. ep. III 1, 6 : V 6, 27. Seneca, der
über einem Bade wohnte, beklagt sich a. a. O.:
st vero piltcrepus super venit et numerare coepit
pilas, actum est. (Ueber die verschiedenen Arten
des Spieles s. unten.)
8) Das Ballspiel wurde auch oft nackt vor-
genommen, Mart. VII 72,9. Plin. ep. III 1,8;
bei Petron. 27, 1 spielt Trimalchio allerdings in
der Tunika.
9) Die sog. apricatio, Cic. de sen. 16,57;
ad Attic. VII 11, 1; vgl. Plin. ep. III 1,8; 5, 10.
DastatmanauchimWinter,Varr.b.Non.76,13.
10) Plaut. Pers. 124; Stich. 228. Cic. de fin.
IV 12, 30. Apul. Flor. I 9. Varr. r. r. I 55, 4:
(oleum) dominum in balneas et guminasium se-
quitur. luv. 3,263; vgl. Jahn Ficoron. Cista 38.
Ein ganzer Badeapparat, bestehend aus vier. s/r/-
giles, einer ampulla und einer flachen Schale, in
die man das Salböl goß, alles an einem Ring be-
festigt, ist in den Forumsthermen in Pompeji ge-
funden worden, s. Museo Borb. VII 16. Over-
beck 452 Fig. 251. Mau 399 Fig. 228.
* » J) Plaut. Cure. 578. Mart. XII 70, 1 ; 82, 7 ;
XIV 51, 2. Plin. XXVIII 55. Apul. met. I 23.
Petron. 91,1; dagegen läßt sich ebd. 28,2 Tri-
malchio abtrocknen non linteis, sed pallii* c.c
lana mollissinia factis.
12) Pallad. VII 7, 3. Veget. mulom. V 46 (III
47), 1 1 . Corp. Gloss. III 287, 21 ; 514, 63 u. ö. : vgl.
VII 220; speziell als Badetücher in den vom Bade
handelndenStellenderColloquiaPs.-Dositbeana
Corp. Gloss. III 638,8; 644,28; 651, 10; 657, 16.
Sechster Abschnitt. Bäder und Körperpflege.
433
r
nachtrug1), übergab diesem seine Kleider zur Bewachung2); wer keinen mit-
hatte, gab sie, wenn er vorsichtig war, dem capsarius gegen eine kleine Ver-
gütung zur Aufbewahrung3); wer das nicht tat, sondern seine Kleider in
den dafür im Apodyterium angebrachten Nischen unbewacht ließ, riskierte,
dal.': sie ihm von den schon im Altertum sehr häutig genannten Badediebeu
gestohlen wurden4). Sehr gewöhnlich war es, daß man sich noch, bevor
man badete, mit Ol salbte5). Die Sitte, sich mit Öl einzureiben, war nämlich
sehr verbreitet, weshalb mitunter Wohltäter, wie solche etwa freien Besuch
der Bäder den Einwohnern zum Geschenk machten, so Öl zum Salben in
die Thermen stifteten 6). Man ließ sich wohl in der Regel im durchwärmten
Tepidarium einreiben7), wenn nicht ein besonderer Raum dafür vorhanden
war8); doch war ein bestimmter Zeitpunkt für das Salben nicht vorgeschrieben:
man tat es ebensowohl vor wie während des Schwitzbades9) und wiederholte
es auch wohl noch nachher10). Auch zu den Übungen in der Palästra
war teilweise das Salben erforderlich; manche erwärmten sich, anstatt im
Tepidarium, auf diese Weise und gingen dann, nachdem sie sich vom Ol
und Staub der Palästra mit der strigilis gereinigt hatten11), nochmals ins
Bad. Das Salben, Abreiben, Massieren u.dgl.12) besorgte man teils selbst,
teils ließ man es durch den Sklaven vornehmen, wenn man einen solchen
mitgebracht hatte13); in manchen Thermen waren wohl auch besondere
') Im Colloqu. Monac. 10 (Corp. Gloss. III
651) befiehlt der Herr dem Sklaven: deferte Sa-
bona ad balneum, strigilem, faciale (das Hand-
tuch für das Gesicht. jiQoooipldiov). peda/e (Tuch
für die Füße, ^obexpayeTov), ampullam, aphro-
nitrum (statt Seife). Daß auch die Frauen ihre
Badeutensilien mitnahmen, zeigt Tert. de virg.
vel. 12: plus instrumenti ad balneas deferunt
(nämlich die Matronen, als die Jungfrauen).
*) Vgl. das erwähnte Colloqu. Monacense:
expoh'a me, discalcia me, compone vestimenta,
cooperi, serva bene, ne addormias propter fures.
3) Digg. I 15, 3. 5 ; im Ed. Diocl. 7, 75 wer-
den ihm von jedem Badenden zwei Denare (etwa
8' 2 Pf.) als Lohn zugesprochen. Ein capsarius
der Caracalla-Thermen CIL VI 9232. Vgl. ebd.
3952; 9232 f. Dessau 7621. Ov. a. a. III 639.
Bei Mart. XII 70, 2 hütet eine alte Frau die Klei-
der. Digg. 1112,4,2: (si) balneator, velut in qui-
busdam provinciisfit, in balineis adcustodienda
cestimenta conducta habeat mancipia.
4) Die fures balnearii, Catull. 33, 1 ; vgl.
Petron 30.8. Tertull . apol. 44 ; de fuga in persec.
13:deidolol.5. Digg. XLVII 17 handelt eigens
defuribusbalneariis, vgl. Paul. sent. rec. V 3.5.
Daß trotz Aufsicht solche Diebstähle häufig wa-
ren, zeigt außer Petr. a. a. 0. Plaut. Rud. 383 ff. ;
vom für deprehensus und dem Lärm dabei
spricht Sen. a.a.O. Vgl. Humbert bei D.-S. II
1409.
5) So im Colloqu. Montepessul. (Corp. Gloss.
III 657) als erstes: da mihi olcion.it nge me; dann
int: eamus intro.
b) Dio Cass XXXVII 51 4. CIL II 4514;
XII 372: 1236; vgl. XII 5717.
7) Für Kranke empfiehlt Cels. 1 4 : sub peste
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft IV.
prinnini paulum in Upidario hiaudare,(biungi.
8) Siehe oben; eine cella ungnentaria er-
wähnt Sid. Apoll, ep. 112,4, sie scheint zwischen
Frigidarium und Caldarium zu liegen. In den
pompejanischen Bädern sind eigene unptoria
nicht erkennbar, eventuell ist nach der Vermu-
tung von Mau 207 ein kleiner dunkler Raum der
Forumsthermen vielleicht zur Aufbewahrung
des Oels bestimm t.obschon ein elacothesinm nur
beim Gymnasium bekannt ist, s. oben S. 426 A.7.
9) Galen. X 724K. Oribas. X 1,21 (II 377
Dar.), wobei es sich allerdings um Patienten
handelt. Im Colloqu. Monac. wird der Badende
in der cella tepiduria eingesalbt, im Monte-
pessul. aber vor Betreten der Baderäume; da-
gegen läßt er sich hiernach dem Schwitzen mit
aphronÜrwn abreiben.
,0) Galen. X 725. Petron. 28,2.
11 ) Dafür war wohl das oben S.426 A. 2 er-
wähnte iettrictorium der Stabianer Thermen
bestimmt (Raum D).
'*) All die Prozeduren, die dabei in Betracht
kamen, zählt Lucil.bei Non.95, 15 auf: rador,
8ubveUor,de8quainor,pumicor,ornor, txpolior,
pingor. Auf Massieren geht Sen. ep. 65, 1 : mm
in aliquem inertem et hae plebein nnctionc con-
tent um inddi, audio frepitiim inlisoe mnnns
humeris, gttae proui plana ptrvmü mit con-
Cava, i/n sonnm inntiit.
1 3) Vgl. Spart. Hadr. 17,6: cum guodam tem-
pore veter annm ijneiit/nm no/nm xibi in militio
ilorsnm et cetera in jiar/em corporis cidissct ml-
terere, percontotUS, cur sc marmorihiis ilestrin-
gendum daret, uibi audivii, hoc iddrco jieri,
quod serrnm n<m haheret, et servis eum donorit
et siimptibus.
.2. 3. Aufl. 28
434
Zweite Abteilung. Das Leben.
Angestellte für diese Dienste da, die nach griechischer Sitte aliptae1) oder!
wenn sie ihr Amt in hygienischer Weise zu besorgen wußten, iatraliptae*}
hießen, falls es nicht bloße unctores waren3).
Die Reihenfolge, in der man die Badeeinrichtungen benutzte4), wai
keine feststehende, manchmal auch, wenn es sich um Leidende handelte
vom Arzt besonders vorgeschrieben; in der Regel aber ging man wohl von
Tepidarium, in dem man sich mäßig erwärmte, ins Caldarium, teils um ii
der dortigen feuchten Wärme zu schwitzen, teils um ein warmes Bad zi
nehmen, und eventuell noch ins Lakonikum, wo trockne Hitze herrschte5), un
mit einer kalten Übergießung ö) im Frigidarium zu schließen oder eventuel
nach derselben nochmals ein Schwitzbad zu nehmen7). Ein Unfug, der zi
Anfang der Kaiserzeit eingerissen war, war der, daß man extreme Tempera-
turen des Wassers liebte: übermäßig heiße Bäder8) und eiskalte Piscinen9)
Eine andere Art des Raffinements war es, dem Badewasser wohlriechend*
Essenzen, Wein u. dgl. beizumischen10). Ein ebenfalls in der Kaiserzeit auf-
gekommener Mißbrauch war die unsinnige Übertreibung in der Benutzung
der Bäder, indem man nicht nur stundenlang darin verweilte, sondern mehr-
mals am Tage die erschlaffenden heißen Bäder nahm11), ganz besonders abei
') Deraliptes (älsljizrjg) besorgte allerdings
das Oelen nicht nur in den Bädern, sondern
auch in den Ringschulen, s.Cic ad fam. I 9, 15.
luv. 3, 76; 6. 422. Cels. I 1; doch hatten auch
Private ihren alipta, vgl. Fronto ad M. Caes.
II 12 p. 35 (Naber). Allerdings ist der aXeUxng
in griechischer Athletik etwas anderes, nämlich
der Lehrer der Athleten, s. Bussemaker und
Saglio bei D.-S. 1 184 f. Mau bei P.-W. I 1362
und vgl. Grasberger Erzieh, und Unterricht I
267 f.; 341 f.
2) Petron. 28, 3 sind drei iatraliptae im
Bade. Bei Plin. ep. ad Trai. 5 (4), 1 ist es ein
richtiger Arzt, dessen Kunst Plin. XXIX 4 als
iatraliptice erwähnt. Vgl. CIL VI 9476.
3) Plaut. Trin. 252. Cic. ad fam. VII 24,2.
Mart. VII 32,6; XII 70. 3. Quint.XI 3,26. Plin.
XXIX 4. Oefters auf Inschr., s. CIL IV 6890;
VI 4336; 5540; 6376 ff.; 9902 u. s.; vgl. Mar-
qüardt 145 A. 5 ; scriba unctorum CIL VI 9995 ;
auch unctrices für die Frauen, ebd. 4045 ; 4252;
9097; XIV 3035.
4) Lehrreich für die Reihenfolge beim Ba-
den ist das Gespräch 10 im Colloqu. Monac.
(Corp. Gloss. III 651) : erst läßt sich der Badende
vom Sklaven entkleiden ; dann spielt er Ball und
übt am Ringplatz (in ceromate). Zuerst geht's
dann in die cella tepidaria: hier wird der bal-
nitor bezahlt, der einreibt und massiert. Von da
geht's ins sudatorium, dann ins trockne Schwitz-
bad (assa) und zum solium, wo man übergössen
wird; hierauf wird in der piscina subdivalis et-
was geschwommen, und schließlich beim Bade-
becken nochmals übergössen. Dann kommt die
Sti igilis zur Anwendung, und hierauf trocknet
der Sklave den Herrn ab und hilft ihm beim An-
ziehn. Aehnlich, nur abgekürzt, Colloqu. Monte-
pessul. 16 (Corp. Gloss. III 657). Hier geht ein
Sklave voraus und belegt für den Herrn einen
Platz in der Badeanstalt: occupate locum, be
fiehlt dieser.
5) Mart. VI 42, 16 f.
6) Kalte Uebergießungen waren überhaup
sehr beliebt und galten für gesund, vgl. Plin
XXVIII 55. Galen. X 722
7) Das schreibt Galen. X 7 14 vor. Bei Mart
a. a. O. folgt auf das Lakonikum die kalte Wa
schung; ebenso bei Petron. 28, 1 auf das Schwitz
bad das Frigidarium; von Augustus berichtet
Suet. 82: sudabat ad flatnmam, deinde perfun-
debatur egelida aqua vel sole multo tepefacta
Bei Luc. Hipp. 7 führt ein besonderer Gang von
Caldarium ins Frigidarium. Eine stehende Arl
dieser Reihenfolge darf aber wohl nicht mit Mai
bei P.-W. 2757 angenommen werden.
8) Sen. ep. 86, 10 erwähnt, daß früher di<
Aedilen auf eine utilis et salubris temperaturc
hielten, non hanc, qnae nuper inventa estsiiiiilh
incendio, adeo quidem, ut convictum in aliqiu
scelere servum vivum lavari oporteat. Cels. 1 1
spricht vom balnenm fervens. Bei Petron. 72, t
sagt Trimalchio vom Bade: sie calet tanquan
furnus Mart. X 48, 4: immodico sexta Neront
calet faßt Friedländer als Bezeichnung einei
von Nero eingeführten Art des heißen Bades
aber s. oben S. 383 A. 9.
9) Suet. Nero 27: refotus saepius cah'dii
piscinis ac tempore aestivo nivatis.
10) Lampr. Heliog. 19, 8: hie non nisitm
gaento nobili aut croco piscinis infectis natavit
21,6: condito piscinas et solia temperavit e>
rosato atque absintato. Plin. XIII 22 erwähnt
nee non aliquem e privat is audimus iussis8<
spargi parietes balnearumunguento. Schol. luv
8,85: Cosmus luxuriosus fuit, qui solium, ii
quod descendebat, multis diversoru») unguen-
torum odoribus miscebat.
") Siehe oben S.401.
Sechster Abschnitt. Bäder und Körperpflege.
435
ü(rt die Benutzung der Schwitzbäder unmittelbar nach Tisch, weil man glaubte,
daß dies die Verdauung befördere und den Durst reize1); die nachteiligen
Folgen einer derartigen Gewohnheit pflegten nicht auszubleiben8). Nicht
w$ minder verwerflich war die Unsitte der Kaiserzeit, im Bade Wein zu trinken3),
Mwenn auch an und für sich ein mäßiges Essen und Trinken in den Bade-
* räumen, nicht im Wasser, unbedenklich war und häufig vorkam4); in manchen
s Thermen gab es eigene Wirtschaften, deren Diener Speisen und Getränke
5 den Badenden anboten5); auch in der Nähe der Thermen pflegten sich popinae
■Hzum Gebrauch der Badenden zu befinden6).
Wir fügen hieran eine Darlegung der sonstigen Verfahren und Hilfs-
^ mittel, deren sich die Römer zur Körperpflege sowie zur Kosmetik be-
y dienten7). Der obenerwähnte Brauch des Salbens war auch außerhalb der
Dlj Bäder sehr verbreitet8), da man dies für gesund hielt und als Schutz gegen
^Erkältung betrachtete9); auch die Frauenwelt schloß sich davon nicht aus10).
'4 Es geschah dies teils mit gewöhnlichem Olivenöl11), teils mit allerlei mit
ij pflanzlichen Wohlgerüchen vermischten Salben12). Da nun das Salben, wie
t wir sahen, im Bade und bei der Mahlzeit üblich war, so salbten sich manche
b mehrmals am Tage13). Gesalbt oder geölt wurden teils Kopf und Barthaar
j| (siehe oben S. 272), teils der übrige Körper bis zu den Füßen herab14); der
1) Colum. I praef. 16: mox deinde ut apti
veniamus ad ganeas, quotidianam cruditatem
Laconicis excoquimus et exsucto sudore sitim
quaerimus. Hör. ep. I 6,61: crudi tumidique
lannnur.
2) Pers. 3, 95: turgidus hie epulis et albo
venire lavatur. luv. 1, 143: turgidus et crudum
pari in cm in balnea portas; I hinc subitae mor-
tem atque intestata senectus. Sen. ep. 15,3: bibere
ti sudare vita cardiaci est. Daher der Spruch
Balnea vina Venus corrump mit corporanostra,
CI L VI 15258; vgl. Anth.Lat. ed. Bücheier- Riese
II 705 n. 1499.
s) Sen. ep. 122. 6 : frequens hoc adulescen-
tium vitium est, qui vires exeolunt, ut in ipso
paene balinei limine inter nudos bibant, imtno
potent et sudorem, quem moverunt potionibus
(■nl>risacferventibus,subindedestringant.~M.&rt.
XII 70.5. Quint. I 6,44: in balneis perpotarc.
Sen. dial. VII 7, 3: voluptatem . . . circa balinea
ac sudatoria ac loca aedilem metuentia, möllern,
tnervem, mero atque unguento madentem.
4) Schon bei Plaut. Trin. 406: exessum,
txpotum, exunetum, elutum in balneis.
5) Sen. ep. 56, 2 führt unter dem Lärm der
Bäder auch an : libarii varias exclamationes et
botulariorum et crustulariorum et omnes po-
pinarum institores mercem suam quadam et
insignita modulatione vendentes. luv. 8, 268:
ihermarum calices. Mart. XII 19: in thermis
tumit lactucas, ova, lacertum. Bei Luc. Hipp. 5
sind es die £? igixpijv jtageaxsvaofisra olxi'jfiara,
die diesen Zwecken dienen. In den pompejani-
u Thermen lassen sich solche Lokale nicht
nachweisen, doch könnten in den Zentralther-
men einige mit den Bädern in Verbindung ste-
hende Läden dazu gedient haben.
6) Luc. Hipp. 5 wird ein xantfalov neben
dem Bade erwähnt, ein ebensolches bei den
Thermen des Nero Philostr. V. Apoll. IV 42.
7J Vgl. Becker-Göll III 157 ff. und für die
Kosmetik der Frauen BöTTiGEaSabina, Leipzig
1803. 2. Aufl. 1806.
8) Hör. sat. I 6, 123. Suet. Aug. 82: verum
tantam hifirmitatem magna cura tuebatur, in
primis lavandi raritate (unguebatur enim sae-
pius). Daher gab es in der Sklavenschaft eigene
servi ad unguenta oder ab lOK/ncxtis, CIL VI
4046; 9098 ff
9) Plin.XIVISO: duosuntliquoreshutna-
nis corporibus gratissimi, intus vini, fori» 6Ui,
arborum e genere ambo praeeipui, sed olei ne-
cessarius ; vgl. das Lebensrezept ebd. XXII 114:
intus niulso, foris oleo.
10) So erscheintPlaut.Trin.252 im Sklaven-
gefolge einer Konkubine auch der unetor. Aber
Plaut. Most. 272 f. wird der Gebrauch von mw-
guenta den Frauen widerraten: quia eeaator
mulier rede ölet, ubi nil ohi.
") Vgl. Diosc. I 30. Gell. XVII 8, 12.
") Digg. XXXIV 2, 21, 1 werden unter-
schieden unguenta quibus unguimur roluptatis
causa und solche valetudini» tmuta; vgl. ebd.
25,12. Diosc. I52ff. Die Wachssalbe, die ce-
roma hieß, wurde zwar vornehmlich von Ath-
leten u. dgl. angewandt, Sen. ep. 57, 1. luv. 6.
246, doch auch sonst, zumal von Elegants, be-
nutzt, s. luv. 3. 68. Vgl.SAGLio bei D.S. 1 1080.
vi) Sen.ep. 86, 13: parum Stimmer* un-
guentu»), nisi bis dir terque renora/nr, M
nescat in corpore. Auf die häufige Erwähnung
der Salben bei den Dichtern genügt es hinzu-
weisen.
•«) Siehe oben S. 401 A. 1.
28*
436
Zweite Abteilung. Das Leben.
Bedarf an wohlriechenden Ölen, Essenzen, Pomaden und Salben war dahe:
sehr groß und die Fabrikate, die teils von auswärtigen, zumal orienta^
lischen Salbenfabriken kamen, teils im Inland hergestellt wurden1), voi
außerordentlicher Mannigfaltigkeit der Ingredienzien und der Bereitungs-
art2); man bewahrte sie in besondern Kästchen (narthecia) auf3). Es
werden daher auch die unguentarii als Fabrikanten und Händler sehr häufid
erwähnt4).
Von anderweitigen Mitteln zur Hautpflege5) sind am wenigsten bekannl
gewesen die Seifen, denn was die Römer sapo nannten, war, wie wir ober
(S. 276) gesehen haben, ein Haarfärbemittel. Statt dessen setzte man dem
Waschwasser allerlei Bestandteile zu, wie Natron oder Soda6), feine Ton-
erde7), Bohnenmehl8). Um die Haut fein und weiß zu erhalten, bedienten
sich die Damen der Eselsmilch9), oder sie legten über Nacht einen nassen
Brotteig auf das Gesicht, der am Morgen mit Eselsmilch abgewaschen wurde10).
eine Prozedur, der sich selbst männliche Gecken unterzogen11). Wie diese
Mittel die Haut jugendlich zart erhalten sollten, so gab es solche, die die
Runzeln glätteten oder zudeckten12). Eine besonders verschönernde Wirkung
schrieb man dem oesypum zu, d. h. dem schweißigen Schmutz der ungereinigten
Schafwolle13). Auch Schönpflästerchen, splenia genannt, waren den Römern
der Kaiserzeit bekannt, und obschon sie in den meisten Fällen, zumal wenn
sie von Männern getragen wurden, dazu dienten, Hautfehler, Brandmale u. dgL
1) Vgl. Büchsenschütz Hauptstätten d.
Gewerbfleißes 94 ff. Blümner Gewerbl. Tätig-
keit, Register unter „ Salbenfabrikation ".
2 ) Vgl. Becker- Göll 1 60. Marq üardt785 f .
Blümner Technologie I 348 ff.
3) Cic de fin. II 7, 22. Mart. XIV 78; auch
unguentorum scrinia; Plin.VII 108; XIII 3.
4) Cic. de off. 1 42. 150; ad Attic. XIII 46. 2.
Hor.sat. 113,228. Plin.XXXI 119; oftauflnschr.,
s.MARQUARDT782A.3:dazuCILIV609;2184;
VI999ff; 33929: XI 5839; XII1594:XIII2602;
ein institor unguentarius VI 10007. Die se-
plasiarii (sie hatten ihren Namen nach einer
Straße Seplasia in Capua, wo Salben verkauft
wurden, Cic. in Pis. 1 1 , 24. Val. Max. IX 1 ext. 1)
handelten überhaupt mit kosmetischen Artikeln,
vgl. Lampr. Heliog. 30, 1 ; daher in den Glossen
durch jiavrox<akti$ erklärt, II 182, 20; 393. 48;
V 244, 13. Auch in Inschriften, CIL III 15088
(in Dalmatien); V 7454 (in Montferrat); XIII
6778 (in Mainz); ebd. 8354 (in Köln) u. s.; vgl.
Besnier bei D.-S. IV 1205.
B) Die kosmetischen Kunstgriffe einer vor-
nehmen Dame schildert eingehend Luc. Amor.
39 ff. ; ferner ist zu vgl. Ov. a. a. 1 1 1197 ff. ; medic.
fac. 51 ff. Kriton, der Arzt der Kaiserin Plotina.
war Verfasser einer geschätzten und verbrei-
teten Schrift über Kosmetik, s. Galen. XII 446
u.460.
'') Nitrum und aphronitrum (spuma nitri),
Plin.XXXI 107; 113. Mart. XIV 58. Caelius
bei Cic. ad fam. VIII 14.4: auch in Bädern an-
gewandt. Plin. ebd. 116. Vgl. Jacob bei D.-S.
IV 85 f. Hingegen ist bei Plaut, m. gl. 1000 mit
der Asche wohl das Scheuern von Metallgeräten
gemeint.
7) Galen. XII 180 ; sie kam von Selinus und
Chios.
8) Caelius a.a.O.: persuasum est ei, ven-
suram lomentum aut nitrum esse. Bei Mart. III
42. 1 und XIV 60 ist das lomentum dagegen ein
Mittel zum Verdecken der Runzeln. Vgl. Jacob
a. a. O. III 1300.
9) Plin. XI 238 sagt von ihr: conferre ali-
quid et candori in mulierum cute existimat)n\
und berichtet, daß Poppaea Wannenbäder in
Eselsmilch nahm und 500 Eselinnen auf Reisen
mitzuführen pflegte; vgl. auch XXVI II 183.
10) Ov. a. a. III 211; med. fac. 53 ff. ist ein
kompliziertes Rezept für einen solchen Teig ge-
geben; eine besondere Masse derart hatte auch
Poppaea erfunden, luv. 6, 461 ff.; vgl. Galen.
XII 446.
11) Das tat Kaiser Otho, Suet. Oth. 12. luv.
2,107; sonst Kinäden und junge Sklaven, Apul.
met.VIII 27. Sen. ep. 128, 7.
12) So das sog. tentipellium, nach Titin. b.
Fest. 364 b. 22 : tentipellium inducitur, rugae in
ore extenduntur. Ein besonderes Schönheits-
wasser scheint Tert. de virg. vel. 12 zu meinen :
faciem morosiorem lavacro macerant. Ueber
lomentum s. oben A. 8.
1 3) Plin. XXX 28 : maculas in facie oesypum
cum melle Corsico . . . extenuat. Ov. a. a. III
213. wonach sogar von Attika oesipa, wie Ov.
es nennt, importiert wurden ; vgl. rem. am. 354.
Mittel gegen Sommersprossen erwähnt Galen.
XII 448 K.
m
Sechster Abschnitt. Bäder und Körperpflege.
437
zu verdecken l), so ist doch auch sicher, dafü man sie in Absicht bestimmter
Effekte anbrachte, zumal auf der Stirn2).
Sehr verbreitet war, vornehmlich bei den Frauen 3), der Gebrauch der
Schminke4), der sehr alt war und bis in die christliche Zeit hinein fort-
dauerte5). Zum Weißschminken benutzte man Kreide, creta*), und Bleiweiß,
centssa1), zum Ilotauf legen besonders Lackmusflechte, fucus*), das in den
Purpurfärbereien bereitete purpurissum9), Rötel, rubrica10). Mit bläulicher
Farbe hob man die Adern hervor11), mit Schwarz, aus Ruß bereitet, fuligo1*),
oder pulverisiertem Antimon, stibium1*), färbte man Brauen und Wimpern14).
Es ist daher begreiflich, daß eine römische Dame auf ihrem Toilettentischchen
neben ihrem Handspiegel15) (speculum, auch orbis16)), der entweder von
Bronze17) oder von Silber18) und in den bessern Exemplaren reich verziert
') Gegen Hautkrankheiten Plin.XXIX 131;
XXX104;zumVerdeckenvonBrandmalenMart.
II 29, 9 f. Unsicher ist der Sinn ebd. X 22.
2) So Regulus, der ein candidum splenium
über den Brauen anbrachte, Plin. ep. VI 2. 2;
von Frauen Ov.a.a. III 201 : arte supercüii con-
finianndarepletis parvaquesineerosvelataluta
genas (wonach feines Leder das Material war).
Daß sie mondförmige Gestalt hatten, geht aus
Mart.VIII 33,22 hervor, ebenso daß sie sehr
dünn und fein waren.
3) Junge Mädchen brauchten sie freilich
in der Regel nicht, Plaut. Most. 262 f. Daß auch
Männerdavon Gebrauch machten, zeigtdieWar-
nung Ciceros orat. 23, 79: fucati medicamenta
candoris et ruboria omnia repellentur; bei Pe-
tron. 23, 5 ist ein alter Kinäde mit Kreide ge-
schminkt. Bei Cic. in Pis. 11, 25 ist die Lesart
ganz unsicher.
4) Vgl. Galen. XII 434K. Luc. Amor. 39.
Einen eignen Namen für Schminke gibt es aber
nicht, da medicamentum oder pigmentum all-
gemeinere Bedeutung haben; man unterscheidet
nur die einzelnen Arten, doch hat von diesen
fuais allgemeinere Bedeutung bekommen, so-
daß fucare schlechtweg schminken heißt; nach
Ov. tr. II 478 gab es Bücher, die von der fu-
eandi cura coloris handelten.
5) Tert. de cultu fem. 2. 5 ; de virg. vel. 12.
Cypr. de hab. virg. 14: Uli et oculos circuniducto
nigrore fucare et genas mendacio ruboria ei
mutare adulterinis coloribus . . . docuerunt.
Hieron. ep. 54. 7; 107, 5 ; 130, 7. Daß auch Mägde
von Schminke Gebrauch machten, zeigt Plaut.
Tmc. 290ff.
6) Plaut Truc. 294. Hör. ep. 12, 10. Ov. a. a.
III 199. Mart. 1141,11; VI 93, 9; VIII 33, 17.
Bei Petron. a. a. 0. dient diese Schminke zum
Ausfüllen der Runzeln.
7) Plaut. Most. 258. Ov.med.fac. 73. Plin.
XXX1V176. Mart. 172. 6; 1141,12; VII 25.2;
ebd. X 22, 2 nimmt es Martial zu den Lippen,
um krank zu erscheinen
8) Plaut. Most. 275. Cic. a. a. O. Tibull. I
8. 11. Plin. XXXI 91; Quint. VIII prooem. 19.
Von der großen Verbreitung gerade dieser
Schminke ist Beweis, daß fucus und fucare in
übertragener Bedeutung (etwa „ blauer Dunst")
viel häufiger vorkommen, als in der ursprüng-
lichen.
9) Plaut. Most. 261; Truc. 290. Non.218,
28. Apul. apol. 76. Die oben zitierten christ-
lichen Autoren sprechen zumeist von eerutsa
und purpurissum.
10) Plaut. Truc. 294. Minium, das ebenso
Mennig wie Zinnober bedeuten kann (vgl. Blüm-
nek Technol. IV 479 ff.) kommt nur bei einem
späten christlichen Dichter vor, s.Wernsdorf
PLMI1I 110.
11) Prop. III 11,9(11 18,31).
u) luv. 2, 93; man liebte es besonders, die
Brauen auf diese Weise zu verlängern und mit-
einander zu verbinden, vgl. Petron. 126, 15. Ov.
a.a.HI201. Mart. IX 37, 6. Luc. Amor. 39. Tert.
cult. fem. 12: illum ipsum nigrum jiuherem,
quo oculornm exordia produewntur. Diese
Schminken für die Brauen hießen callibtephara,
Varro b Non. 218, 22. Plin. XXVIII 168.
») Plin.XXXIII 102. Galen.VI489. Hieron.
ep. 54, 7. Allerlei andere Ingredienzien empfiehlt
Plin.XXI 123; XXIII 97 ; XXXV 194, doch sind
diese mehr medizinischer Art.
14) Vgl. Luc. Amor. 39. Plin.ep.VI2,2. Apul.
met.VIII 27. Petron. 110, 2. Nach luv. a.a.O.
trug man die Farbe mit einer Nadel auf.
15) Das Hauptwerk über Spiegel istE.GftB-
hakd Etruskische Spiegel, fortgesetzt von Klüg-
mann u. Körte. Berlin 1843 ff.; doch kommen
hier nur die gravierten, die der weitaus größ-
ten Zahl nach etruskischer Herkunft sind, in
Betracht. Immerhin sind auch gravierte Bronze-
spiegel mit lateinischen Inschriften gefunden
worden. Daß die Kammerzofe der Herrin den
Spiegel vorhält (teuere, jwrriaere). wird öfters
erwähnt, vgl. Ov. a. a. II 215 f. Prop. V ( IV) 7. 76.
luv. 2.99. Petron. 128,4.
■«) Mart. IX 17,5. Sen. nat. qu. I 17, 6.
17) Plin. XXXIII 130 bezeichnet die aus
Kupfer und Zinn hergestellten Spiegel von Brun-
disium als die besten; vgl. XXXIV 160. Blüm-
ner Technol. IV 194: 265.
18) Plaut. Most. 273. Vitr. VII 3. 9; nach
Plin. XXXIV 160 hatten zu seiner Zeit selbst
Mägde Silberspiegel. Daß die Mode erst, zur
438
Zweite Abteilung. Das Leben.
war1), eine Unmenge von Büchsen, Töpfen, Fläschchen u. dgl. liegen hatte2).
Die Aufsicht darüber hatten teils die ornatrices (siehe S. 380), teils vielleicht
die cistellatricess).
Zur Pflege der Zähne kannte man Zahnpulver, dentifricium4), wozu
man allerlei tierische und pflanzliche Substanzen nahm5), zum Teil auch
recht merkwürdige, ekelhafte Dinge, die darauf hindeuten, daß der Aber-
glaube dabei eine Rolle spielte 6) ; Zahnbürsten aber scheint man nicht ge-
kannt zu haben. Der Gebrauch falscher Zähne, die mit Golddraht befestigt
waren, war sehr alt, da er schon im Zwölftafelgesetz erwähnt wird7). Daß
man den Atem durch wohlriechende Pastillen zu verbessern suchte, wissen
wir aus einer bekannten Stelle des Horaz8). Auch den Nägeln, an den
Fingern wie an den Zehen, ließ man sorgfältige Pflege angedeihen; das
Schneiden derselben besorgten Sklaven9) oder der tonsor10), und es gab allerlei
Mittel, um Rauheiten zu glätten und Auswüchse zu beseitigen11).
Sehr allgemein, und zwar nicht bloß bei den Frauen, sondern auch bei
Männern, die in weibischer Art und meist auch zu päderastischer Betätigung
eine glatte Haut haben wollten12), war die Sitte, die Haare am Körper zu
entfernen. Das geschah teils durch Ausrupfen, vettere13), mit einer kleinen
Zange, volsella14), wie bei Barthaaren oder überhaupt Haaren im Gesicht15),
teils durch Salben oder Pflaster, psilothrum genannt16) oder dropax11). Mit
Zeit des Pompejus begonnen und Pasiteles die
ersten gefeitigt hätte, wie er XXIII 130 be-
hauptet, muß auf einem Irrtum beruhen. Ueber
erhaltene Silberspiegel vgl. Blümner a. a. 0.
') Teils durch Gravierung der Rückseite,
teils durch künstlerisch ausgeführte Griffe. Daß
es Spiegel von sehr hohem Preise gab, zeigt
Sen. n.qu. I 17,9.
2) Hübsch sagt Mart. IX 37, 4 von einer
alten Kokette: (cum) iaceas centum condita py-
xidibus.
3) Eine cistella diente wohl zur Aufbewah-
rung der Toilettengeräte, Plaut. Trin. 253.
4) Mart. XIV 56. Ov. a. a. III 216. Apul.
apol.6. Luc. a.a.O. Tert.depoenit. 11: pulveres
dentibus elimandis. Vgl. Mau bei P.-W.V221.
5) Rezepte bei Scribon. Larg. 59 f. Plin.
XXVIII 178 ff.; XXIX 46; XXXI 117; XXXII
65; 82; XXXVI 153; 156. Apul. a. a. 0. (vgl.
dazu Abt Die Apologie d. Apul. 94 f.); anderes
bei Marquakdt 788 A. 8.
6) Plin. XXX 22; 27. Galen. XII 884 ff.
Catull. 39, 17 ff. bezeichnet es als keltiberische
Sitte, Urin dazu zu benutzen, vgl. Apul. a. a. 0. ;
dasselbe berichtet Diod. V 33, 5 und Strabo III
164.
7) Cic. de legg. II 24. 60 : cid auro dentes
iuncti esunt. Mart.V43; IX 37,3: XII 23; XIV
56. Luc. rhet. praec 24. Ueber Funde falscher
Gebisse in Gräbern s. Marquardt 778 A. 5.
8) Sat. I 2, 27 u. 4, 92. Die pastillarü fa-
brizierten vielleicht solche, CIL VI 9765 f.
9) Petron. 31,3.
10) Plaut. Aul. 312. Tib. I 8,11. Mart. III
74, 3 und s. oben S. 269 A. 1.
1 ') Plinius gibt für die scabrities der Nägel
eine Menge Rezepte, so auch gegen Nietnägel
{par Onychia), vgl. die Indices unter paronychial
pterygia und ungues. Tert. de poen. 11 erwähnt
bisulcum cdiquid ferri vel aeris unguibus re~
pastinandis. — Zu den Toilettengeräten gehört
auch das auriscalpium zum Reinigen des Ohres,
Mart. XIV 23. aus Knochen oder Elfenbein und
in manchen Exemplaren noch erhalten, Saglio
bei D.-S. I 372. Mau bei P.-W. III 2550.
12) Plin. XXVI 164: psilothrum nos quidem
in muliebribus medicamentis tractamus, verum
tarn et viris est in usu; und so sagtSenec. contr. I
praef. 8 von den Jünglingen seiner Zeit, sie
wollten mollitia corporis certare cum feminisi
1S) Daher heißen solche Männer volsi, Plaut.
Aul. 403 (vgl.Non.530,21). Prop. V (IV) 8,23:
volsi nepotis. Quint. II 5. 12; VIII prooem. 19.
w) Plaut. Cure. 577 besteht das Toiletten-
gerät des leno in volsellae, pecten, specülum, ca-
lamistrum, xgl.M&rt. 1X27,5. Tertull.de pall. 4;
griech. roi^oläßiov oder iQi%okaßis, Corp.Gloss.
VII 430. Pers. 4, 40 nennt sie forceps adunca.
15) Vgl. oben S. 269. Auch die grauen Haare
rupfte man damit aus.
,6) Mart. III 74, 1 ; VI 93, 9. Lampr. Heliog.
31, 7: eine Menge von Rezepten dafür (vor-
nehmlich Harz, resina, Mart. III 74,4; XII 32,
22. Tertull. a. a. O.) gibt Plinius, ferner Galen.
XII 453 ff., sowie andere Aerzte, s. Marquardt
787 A. 8. Saglio bei D.-S. IV 743.
17) Mart. III 74, 1, woraus hervorgeht, daß
psilothrum und dropax nicht identisch waren;
X 65. 8 ; dropacista, doomaxioztjc, Corp. Gloss.
II 281, 19. CIL XII 5687, 35.
Sechster Abschnitt. Bäder und Körperpflege.
189
Besen Mitteln vertrieb man vornehmlich die Haare unter den Achseln1),
an den Armen2), an Brust und Beinen3), auch an der Scham4); zum Glätten
der Haut bediente man sich des Bimsteins5).
Was endlich die Pflege des Körpers durch Vornahme von Leibes-
übungen anlangt, so wurde hierzu besonders das Ballspiel6) gerechnet,
das, wie wir oben sahen, namentlich in den Bädern gespielt wurde, aber
so beliebt war, daß Reiche in ihren Villen eigne Spielplätze, sphaerist* rin,
anlegten7); auch auf dem Marsfeld, das auch sonst der Platz für körperliche
Übungen war, wurde das Spiel geübt8). Nicht wenig Männer, die in der
Geschichte einen großen Namen haben, waren leidenschaftliche Ballspiel« t
und Meister darin9). Man bediente sich dabei sehr verschiedener Arten von
Bällen, die sich teils nach der Größe10), teils nach der Qualität unterschieden.
Der allgemeine Name für den gestopften Ball ist pila; als Einzelbezeichnungen
finden sich pila trigonalis11) oder trigon12), von dem wir nichts Näheres wissen,
die harpasta, ein kleiner fester Ball13), die größere pila paganica, die mit
Federn gestopft war14); dagegen hieß der größere, mit Luft gefüllte Ball
follis oder folUculuslb). Das Material war wohl meist Leder, das bunt gefärbt
oder mit bunten Lappen benäht war16); die Füllung entweder Federn oder
Haare17). Was die Arten des Spieles anlangt, so ist volle Klarheit hierin
kaum zu erreichen. Einzelspiele, d. h. daß einer allein mit einem oder mit
mehreren Bällen spielte, war wohl wesentlich Kinderspiel18); daß diejenige
]) Sen. ep. 114,14. luv. 11,157. Tertull.
a.a.O.; die Heilgehilfen, die das besorgten,
hießen älipili. Sen. ep. 50,2: alipilum cogita
tenuem et stridulam eocem, quo sit notabilior,
gubinde exprimentem nee umquam tacentem,
nisi du in vellit alas et «linmpro seclamarecogit.
Corp. Gloss. II 14,42: alipilartus downaxioTr)? ;
ebd. 281, 19; auch inschriftl. CIL VI 9141. Vgl.
Saclio bei D.-S. I 184. Mau bei P.-W. I 1494.
-) Mart.1129,6; 62,1: 11163,1.
3) Mart. II 62. 1. Sen. ep. 114, 14.
4) Pers. a. a. 0.
5) Das taten Frauen wie Männer, Plin.
XXXVI 139; 154; die Sitte wird oft erwähnt,
vgl. Blümner bei P.-W. III 474.
6) Vgl. darüber außer Becker-Göll III
168 ff. und Marquardt 841 ff. (hier ist ältere
Litteratur angegeben) besonders Krause Gym-
nastik u. Agonistik 1 299 ff. G. Eitner De sphae-
rist ica apud Graecos et Romanos, Vratisl. 1860.
Grasberger Erz. u. Unterr. I 84. Becq de Fou-
quieres Les jeux des anc. 199ff. Mau bei P.-W.
II 2832. Lapaye bei D.-S. IV 475 ff. G. Goepel
Beitr. z. Gesch. des Ballspiels, Progr. v. Ebers-
walde 1909. Nach Ov trist. II 485 gab es Lehr-
gedichte über die formae iactusque pilarum.
7) SoPlin.ep.II17,12; V6.27: vgl.Suet.
Vespas. 20. Inschriftl. CIL X 7004.
8)Sen.ep.l04.33.Hor.sat.I6.26;II6,48f.
9) So der Pontifex Mucius Scaevola, Cic. de
or.I50,217.Val.Max.VIII8,2;Augustus.Suet.
Aug. 83; Maecenas, Hör. sat.I 5,48; auch der
jüngere Cato trieb das Spiel, Senec. a.a.O., ferner
Caesar, Macr. II 6,5, und Alexander Severus.
Lampr. AI. Sev. 30, 4. Nach Plaut. Cure. 296
spielten Sklaven sogar auf der Straße Ball. Daß
manche ihre ganze Zeit mit Ballspiel zubrachten,
sagt Sen. dial. X 13, 1. Daß Seneca selbst im
Ballspiel wohl erfahren war, zeigen seine Ver-
gleiche de benef.II 17,3ff. und 32, 1 ff. Ptlarii
sind Kunstballspieler, die mit mehreren Bällen
jonglieren, Quint. X 7, 11. CIL VI 8997; XII
4501 (mit Abbildung von Bällen).
u>) Der Größe nach unterscheidet Oribas.
VI 32 (I 529 ff. Dar.) fünf Arten.
ll) Mart. XIV 46.
1J) Mart. IV 19, 5; VII 72, 9; XII 82, 2. Hör.
sat. I 6, 26.
,3) Mart. IV 19.6; XIV48. Marquardt 842
vermutet, daß sie mit der bei Isid. XVIII 69,2
erwähnten pila arenaria identisch war.
") Mart.VII32,7; XIV 45.
•*) Mart.XIV47, wonach vornehmlich Kna-
ben und Greise damit spielen sollten ; vgl. ebd.
45, 2; IV 19, 7; XII 82, 5. Athen. I p. 14 F.
16) Ov.met.X262. Petron.27,2. Sen.nat.
qu.lVll,3;VergoldungClaud.cann.\XI\ 1 II.
,7) Symphos. aen. 59 (Anth. Lat. ed. Riese
I 199).
18) Doch spielen auf einem Wandgemälde
der Titusthermen, Daremberg-Saglio IV 477
Fig. 5667. drei Männer jeder mit zwei Bällen
für sich. Makquardt 842 A.5 bezieht auf sol-
ches Einzelspiel auch in derLausPisonis(BAEH-
rens PLM I 225) 185 ff.: MM tibi mobil itus mi-
nor est, si forte ro/ontem out i/eminore pihim
(prellen) aut revocare eadtntem (auffangen)
et non sperotofiujientem retldere </estu (zurück-
werfen). Mau 2834 bezieht die Verse auf ein
Massenspiel.
440
Zweite Abteilung. Das Leben.
Art des Spieles, wobei der Ball nicht in die Luft, sondern an die Wand
oder auf den Boden geworfen und wieder aufgefangen oder zurückgeprellt
wurde, die griechische änoggafis l), das expulsim ludere der Römer gewesen
sei2), ist nicht erweislich3). Das gewöhnlichste Spiel war wohl der Fangball
zu zweien, was vermutlich datatim ludere hieß4), und wobei der vom einen
geworfene Ball vom Mitspieler entweder aufgefangen und zurückgeworfen
oder mit der Handfläche zurückgeschleudert wurde5). In ähnlicher Weise
wurde auch von mehreren Personen gespielt; beim Spiele mit dem trigon
waren drei beteiligt6), allein die Art, wie es gespielt wurde, ist unbekannt7);
daß dabei die gut aufgefangenen oder geschickt zurückgeworfenen 8) Bälle
gezählt wurden und, wer die höchste Zahl hatte, Sieger war, ist wahr-
scheinlich9). Dann gab es Massenspiele, die sphaeromachia hießen10), bei
denen es, wie bei einem heutigen Fußball- oder Lawn-Tennis-Match sehr
lebhaft zuging und viel Publikum zuströmte11). Sie wurden daher auf einem
großen öffentlichen Platze gespielt12); es scheint aber mehrere Arten davon
gegeben zu haben, über die wir zwar nur aus griechischen Quellen, aber
solchen der Kaiserzeit, unterrichtet sind, sodaß man annehmen darf, daß
sie auch römischer Sitte entsprechen13). Bei der einen Art, die imoxvgog
') Poll.IX 103 u. 105. Hesych. s. v.
2) Nur erwähnt von Varro bei Non. 104, 28 ;
darnach Corp. Gloss. V 641, 5; vgl. unten.
3) MARQUARDT843nimmtesan, Mau 2833
bezweifelt es; Lafaye a.a.O. hält es für ein
Spiel zwischen mehreren, wobei der Ball zurück-
geschlagen wurde, s. u.
4) Naevius bei Isid. 125,2. Plaut. Cure. 296;
andere Stellen aus Komikern zitiert Non. 96,
14 ff. Vgl. Corp. Gloss. V 640, 20; das Zuwerfen
heißt nämlich dare, sonst auch mittere oder
iaetare, das Fangen facere oder excipere, das
Zurückwerfen remitiere oder repercutere, Sen.
de benef. a.a.O., wo alle diese Ausdrücke vor-
kommen, daher die Parteien datores und fa-
ctores, Plaut, a. a. O.
5) Für letztere Art spricht besonders Sen.
de benef. II 17,4: utcumque enim venerit {pila),
manus illam expedita et agilis repercutiet ; auch
das scite et diligenter excipere, das apte et ex-
pedite remitiere ebd. 32, 1 deutet darauf hin.
6) Isid. XVIII 69, 2 : trigonaria est qua in-
ter tres lud Hur.
7) Die Beschreibung, die Marquardt 844
davon gibt, liest zu viel aus den Stellen des
Martial (s. oben) heraus; daß die linke Hand
dabei eine Rolle spielte, zeigt VII 72, 11 und
XIV 46; daß man aber auch mit der Rechten
auffing, scheint XII 82, 3 anzudeuten, falls hier
nicht (wie Friedländer erklärt) jemand ge-
meint ist, der Bälle auffängt, ohne Mitspieler
zu sein. Daß man beim Auffangen in der Regel
beide Hände nahm, zeigt die Macr. II 6, 5 er-
zählte Anekdote.
8) Dafür spricht Petron. 27, 3 : alter nume-
rabat pilas, non quidem eas, quae inter manus
lusu expellente ribrabant, sed eas, quae in ter-
ram deeidebant. Dem expettere entspricht das
expulsare bei Mart.XIV46, 1. Daher ist es ver-
mutlich dieses Spiel, das expulsim ludere heißt;
es war wohl nur eine besondere Art des da-
tatim ludere.
a) Auf das Zählen deutet Mart.XII 82,4:
imputet exceptas ut tibi saepe pilas. Das Zählen
scheint dabei das Amt des pilicrepus gewesen
zu sein (wie bei uns früher der „Marqueur" die
gelungenen Billardstöße zählte), Sen. ep. 56, 1 :
si vero pilicrepus supervenit et mimerare coe-
pit pilas, actum est. Das Wort bedeutet aber
in den Inschriften meist einen Ballspieler, s. CIL
1V1 147; 1905 ; 1926 ; VI 9797. Bei Petron. a.a.O.
ist es die Besonderheit des Trimalchio, daß er
die auf der Erde liegenden Bälle zählen läßt.
In einer pompejanischen Inschrift CIL IV 1936
wird ludere, petere und numerare genannt;
Marquardt 845 A. 1 meint, petere sei so viel
wie bei Mart.XII 82, 5 colligere et referre, das
Aufheben und Zurückbringen der Bälle.
10) Sen. ep. 80, 1. Stat. silv. IVpraef. Poll.
X 107.
u) Sen. a.a.O.; auch in der oft brutalen
Kampfweise scheint eine Aehnlichkeit mit dem
Fußballspiel vorhanden gewesen zu sein, ebd. 3 :
si corpus perduci exercitatione ad lianc patien-
tiam potest, qua et pugnos pariter et calces non
un-ius hominis ferat, qua solem ardentissimum
in ferventissimo pulvere sustinens aliquis et
sanguine suomadens diem ducat. Auf Trainieren
dafür deutet: Uli multo eibo, multapotione <>i>u*
est, multo oleo, longa denique opera.
Vi) Bei Sen. ebd. 2 im Stadium: ecce-ingens
clamor ex stadio profertur.
13) Galen in seiner Schrift jisqi tov Stä /«-
xgäg oepaigag yvuvaaiov V 599 K. Antvllos bei
Oribas. VI 32. 7.' Poll. IX 104 f. Eustath. ad Od.
VIII 376 p. 1601, 30. Ueber alle diese Stellen
Sechster Abschnitt. Bäder und Körperpflege.
Ml
hieß1), spielten zwei Parteien, die in der Mitte durch eine mit Steinen bezeich-
nete Linie, axvgog, getrennt waren, zwei andere Linien hinter den Parteien
bezeichneten die Schranken, über die die Partei nicht zurück durfte. Der
Ball lag auf dem oxvqoq; die Partei, die ihn auf ein gegebenes /eichen zuerst
erreichte, fing das Spiel an, das im Hinüber- und Herüberwerfen des Balles
bestand und so lange währte, bis eine Partei hinter ihre Grenzlinie zurück-
getrieben war. Eine zweite Art hieß (pevlvda*); diese ist nicht ganz klar:
es wird bemerkt, daß der Werfende sich stellte, als wolle er den Ball irgend-
einem bestimmten Mitspieler zuwerfen, während er ihn dann ganz woandershin
warf; daß auch hier zwei Parteien waren, ist nicht überliefert3). Etwas Ahn-
liches scheint das römische harpasta-Spie\ gewesen zu sein: gerade hierbei,
wo jeder den geworfenen Ball erhaschen wollte, um ihn seinerseits wieder
weiterzuwerfen, gab es Streit und Stöße4), großen Lärm5) und viel Staub6).
Es ist möglich, daß die paganica ein ähnliches Spiel war, obschon die Deutung
des Namens von einem Wettspiel des ganzen Dorfes (pagus) durchaus un-
sicher ist7). Gar nichts Näheres wissen wir auch über das Spiel mit dem
follis; wahrscheinlich war er groß und konnte nicht leicht mit der Hand
gefaßt werden, weshalb er oft am Boden lag8). — Das Spiel mit dem Glas-
ball, der pila vitrea, war jedenfalls nur Jongleurkunst, die aber auch in den
Thermen produziert wurde9).
Von anderweitigen körperlichen Übungen, die bei den Römern mehr oder
weniger beliebt waren, wie Laufen und Springen, Hanteln und Diskuswurf,
Fechten und Schwimmen, ist schon oben die Rede gewesen (S. 328 ff.).
handelt eine Schrift von Joh! Maequardt, in
der die Schrift Galens ediert und eine Abhand-
handlung de sphaeromachiis veterum beigefügt
ist. Güstrow 1879 (mir unzugänglich, die Re-
sultate teilt Marquardt 845 mit); neuerdings
ist Galens Schrift ediert von Guil. Schäfer in
einer Baseler Dissertation, 1908. Vgl. dazu
K. Koch Die Geschichte des Fußballs im Altert.
u. in d. Neuzeit (SA. aus d. Monatsschr. f. d.
Turnwesen), Berlin 1894. S. 8 ff.
') Hierüber Poll. u. Eustath. a.a.O.; dar-
nach hieß das Spiel auch syrjßixrj oder sxixoivog.
Vgl. Geasberger a. a. 0. I 89 f.
2) Poll. a.a.O. 105. Schol. ad Clem. AI.
paed. III 10,50 p. 367, 12 Ddf. Hesych. s. v. ; die
Sein eibweise nach Joh. Marquardt a. a. O. 15
A. 2. Vgl. auch Grasberger 90 ff.
•) Auf dies Spiel bezieht Joh. Marquardt
a.a.O. auch Sid.Ap.ep.V 17, 7; doch scheintsich
die Art dieses Spieles nicht näher bestimmen
zu lassen.
4) Vgl. oben die Schilderung Senecas, ferner
Galen. V902K. Epictet. diss. 115,15. Artemid.
Onirocr. 1 55. Digg. IX 2.52 (53), 4. Marquardt
846 A. 3 beziehrauch Plaut. Truc. 705: totus
gaudeo, meapila est, &ufdiesSi>iel. Koch a.a.O.9
hält das harpastüm direkt für ein Fußballspiel.
B) Antiphan. b. Ath.I p. 15 A. Senec. a.a.O.
6) Bei Martial heißt die horpasta IV 19, 6
pulverulenta, ebenso VII 32, 10: XI V 46 istauch
vom Staub die Rede.
7) So erklärt von Marquardt 842. In einer
Inschrift CIL Vlll 16368 stiftet jemand paga-
nicum r/ portieus »7 caldarium et chartern cum
omnibus ornamentis; hier ist vielleicht das pa-
ganicum ein Ballspielplatz.
8) Mart. XII 82,5: colliget et referet laxum
de pulvere foUem. Auch sonst bezeichnet er den
follis als la.cus, IV 19, 7 ; XIV 45, 2, während er
die horpasta als pulverulenta (s. oben) und den
trigon, der anscheinend am wenigsten zur Erde
he'l. als tepidus bezeichnet. IV 19,5; XII 82,3
(was Becker-Göll 180 auf die erhitzende Natur
des Spiels bezieht).
I Vgl. die Inschrift despilicrepiis CIL VI
9797 (Bücheler carm. epigr. n. 29): togatus vi-
trea quiprimus pila lusi decenter cum meis h<-
Boribut, laudanU populo maximis damoribue
thermis Traiani, thermis Agrippa* tt TUi
»mittun et Neronis. Vgl. Mommsen Eph. epigr.
I 55. Diese Jongleurkunst erwähnt auch Nice-
phor. Gregor. VIII 10 p. 350 Bonn.
442
Zweite Abteilung. Das Leben.
Siebenter Abschnitt.
Der Verkehr.
(Straßenleben, Wirtshäuser, Reisen, Briefwesen.)
Litteratur.
BECKEK-GöLLl67ff.; III lff.
Marquardt-Mau 469 ff.
Friedländer I 1 ff. ; II 1 ff.
Heinr. Stephan Das Verkehrsleben im Altertum, in Raumers Historischem Taschenbuch 4. Folge
IX (1868) 1 ff.
In der Stadt Rom war in der republikanischen und selbst noch in der
ersten Kaiserzeit der Straßenverkehr nichts weniger als bequem. Die Häuser-
quartiere (insulae1)) waren unregelmäßig, die Straßen eng und gewunden2);
noch zu Ciceros Zeit zogen sie sich die Hügel hinauf und zwischen den Tälern
hinab und waren dazu in schlechtem Zustand, die Seitenstraßen sehr eng,
sodaß das in der Ebene seine Straßen bequem ausbreitende Capua als die
bei weitem schönere Stadt erschien3). Man unterschied die Hauptstraßen,
die viae hießen4), von den Nebenstraßen, die bisweilen angiportus genannt
werden5), für gewöhnlich aber und mit ihrem offiziellen Namen vici6), nur
daß dies Wort weitere Bedeutung erhalten hat und später ebenso Haupt-
straßen bezeichnet, wie diese mit ihren Nebenstraßen und den anstoßenden
Häusern 7). Das Fremdwort platea kam erst durch die griechische Komödie
für breitere Straßen auf, aber nur im Sprachgebrauch, während es wenigstens
in Rom niemals offizielle Bezeichnung einer Straße gewesen ist8). Fußwege,
wie sie sowohl neben den Landstraßen als auch in der Stadt für sich ge-
sondert angelegt wurden, heißen semitae9), als Trottoire neben den Straßen
margines10) oder crepidines11), die in Pompeji die meisten Straßen haben12).
') Ueber die Bedeutung von insula s. Jor-
dan Topogr. d. St. Rom 1 1 , 537 ff. 0. Richter im
Hermes XX (1885) 91 ff. Marchi Ricerche intor-
no alle Insulae di Roma, in den Rendiconü dell'
Istit. LombardoSer.il Vol XXIV Fase. 12 (1891).
*) Liv.V55,4. Tac.ann.XV43. Die Breite
der Straßen Roms ist schwer zu beurteilen, da
wenig Material dafür vorliegt; Jordan a. a.O.
494 berechnet nach dem kapitolinischen Stadt-
plan als gewöhnliche Breite 4.50 bis 5 Meter, für
größere Hauptstraßen 6.50 Meter. Die Straßen
Pompejis haben durchschnittlich die größeren
7 bis 8 Meter und darüber, die kleineren 3 bis
6 Meter Breite, s. Overbeck Pompeji 633 A. 25.
Mau Pompeji 210. Nissen Pompej. Studien 536.
3) Cic. de leg. agr. II 35. 96; noch zur Zeit
Domitians stand Capua nicht weit hinter der
Hauptstadt zurück. Stat silv. 111 5. 76.
4) Viae sind die Wege, die Lasttiere und
Lastwagen passieren können. Unter den Stra-
ßennamen der Hauptstadt gibt es aber nur sehr
wenige, die via heißen (sacra, novo, lata via),
alle andern heißen vici, s. Jordan 513.
5) Oder angiportum, Varr. 1. 1. V 145 ; VI 41.
Fest. 17, 10; das Wort ist bei den Komikern und
in der klassischen Litteratur häufig, später selt-
ner. In der Komödie haben die Häuser meist den
hintern Ausgang durch den Garten auf den an*
giportus, der manchmal eine Sackgasse ist, es
aber nicht zu sein braucht, vgl. Plaut Asin.741;
Most. 1045; Pseud. 961. Ter. Ad. 578. Zur Be-
deutung vgl. Nissen a. a. 0. 543. Mau bei P.-W.
12101.
6) Varr. l.l.V145.Fest,371a,16; vgl. Nissen
a.a.O.
7) Jordan 514.
8) Jordan 520 ff. ; über den Sprachgebrauch
Nissen 542. In den Inschr. der Kaiserzeit ist es
im Sinne von via lata häufig, s. CIL VIII 1 1329;
XIII 6364; 6776; 7335 ff u.ö.
9) Es bedeutet eigentlich den halben Weg,
Varr. a. a. 0. V 35. Isid. or. XV 16: vgl. Jordan
520. Nissen 561.
lü) Liv.XLI27,5.
"») CIL I 1231; V 2116. Nissen 534.
Vi) Sie liegen da teils fast im Niveau der
Fahrstraße, teils darüber, manchmal sogar bis
zu einem Meter, Overbeck 60.
Siebenter Abschnitt. Der Verkehr. | | ; ;
Jahrhundertelang waren die Straüen Roms ungepflastert1); die erste Nach-
richt, die von Pflasterung von Straßen innerhalb der Mauern berichtet, fällt
in das Jahr 237 v. Chr.2). Aber auch dann noch wurde die Straßenpflasterung
erst sehr allmählich durchgeführt; als Caesar 45 v. Chr. seine Lex Iulia
municipalis erließ, war sie noch keineswegs in der ganzen Stadt vorhanden3).
Wie alt in Pompeji die Pflasterung ist, läßt sich nicht feststellen; zur Zeil
der Verschüttuug war sie fast allgemein durchgeführt, und zwar in sehr
sorgfältiger Weise durch polygonale Lavaplatten4). In den meisten Straßen
haben die Räder der Wagen in einer Spurweite von etwa 0,90 Meter Rillen
von oft beträchtlicher Tiefe eingegraben5). In Pompeji finden wir auch in
vielen Straßen auf dem Fahrdamm Trittsteine, selbst bis zur Zahl von fünf,
für die Fußgänger, große, oben flache Steinblöcke, die in gleichen Abständen
voneinander in die Fahrbahn gelegt sind, damit man, ohne sich die FfLfie
zu beschmutzen oder naß zu machen, die Straße überschreiten könnte6).
Von dem Verkehr, der in den Straßen der Hauptstadt herrschte, können
wir uns aus den Schilderungen der Schriftsteller, zumal Iuvenals und Martials,
ein ziemlich lebhaftes Bild machen. Eins freilich fehlte in dem Trubel der
Weltstadt fast ganz, was heute für das Straßenleben jeder Großstadt cha-
rakteristisch ist, nämlich der Wagen verkehr7). Zur Zeit der Republik
durften Wagen in der Stadt nur zum Zweck des Gottesdienstes und öffent-
licher Feierlichkeiten gebraucht werden, weshalb die Vestalinnen, Frauen,
die priesterliche Funktionen verrichteten oder sich zu Spielen begaben 8),
sowie Beamte bei Triumphen, Spielen usw. sich solcher bedienen durften,
während Privatleute nur ausnahmsweise die Erlaubnis dazu bekamen ,J).
Darin änderte sich in der Kaiserzeit nicht viel. Die Lex Iulia municipalis
Caesars vom Jahre 45 verbot das Wagenfahren in Rom während der ersten
zehn Stunden des Tages; ausgenommen von diesem Verbot waren auch jetzt
noch die Vestalinnen, aber eben nur diese10), der Rex sacrorum, die Flamines
bei den öffentlichen Spielen, die triumphierenden Feldherren, die Wagen Ihm
') Zur Geschichte des Strafienpflasters vgl. j Entstehung bloß durch langjährigen Gebrauch
Beckmann Beitr. zur Gesch. der Erfindungen II oft kaum zu erklären.
338 ff. 6) Overbeck 59. Mau a. a. 0. Es ist dabei
'-) Es ist der ctivus PubUdm, Vair. 1. 1. V j darauf Bedacht genommen, daf3 die Zwischen-
158. Jobdan 522 meint wohl mit Recht, daf3 es '< räume breit genug sind, damit die Zugtiere hin-
sich bei dem aedificare nicht bloß um Appla- durchgehen konnten und die Wagenräder Platz
nierung des Terrains, sondern um Pflasterung hatten. Wo in engen Gäßchen nur ein solcher
oder Chaussierung handelte. Zur Geschichte Trittstein in der Straßenmitte liegt, war der
der Pflasterung bei den Römern vgl. Nissen Wagenverkehr wohl ausgeschlossen.
516 ff. 7) Ueber den Gebrauch der Wagen in Rom
3) Joedan 527. vgl.MABQUABDT728.BECKER-GöLLlII12.FKiED-
4) Ovebbeck 58. Mau 211. ■ Länder I 60.
») Ovebbeck a.a.O. Nissen 572 Ob nicht i 8) Liv. V 25,9. Ov. fast. I 619.
diese auch an andern römischen Straßen zu be- j 9) Es ist uns nur der eine Fall des blinden
obachtenden Furchen ursprünglich, wenn auch Pontifex Metellus bekannt. Plin. VII 141.
natürlich weniger tief, absichtlich vorgearbeitet ; 10) Später wurde dies Vorrechtauch einigen
waren, um auf diese Weise eine Bahn für die j Kaiserinnen erteilt, Bio Cass. LX 22,2; 33.2;
Wagen zu schaffen, durch die das Schleudern j vgl. Suet. Claud. 17. Tac. ann. XII 42. Wenn bei
auf den glatten und namentlich bei Scirocco j Plaut. Aul. 168unterdenBedürfnissen einer vor-
und Regen sehr schlüpfrigen Lavaplatten ver- nehmen Dame eburna vekickl angefahrt wei den
mieden ward? Da sich die Rillen auch auf breiten und ebd. 501 f. die Frau muH, muHme» and >;■-
Straßen finden, wo die Wagen nicht stets der- hicla verlangt (vgl. ebd. 505 f.), so ist das nicht
selbenSpurhättenzufolgenbrauchen,wäreihre römischer Brauch.
444
Zweite Abteilung. Das Leben.
den öffentlichen Spielen, sodann aber die Fahrten von Lastwagen behufs
öffentlicher Bauten, Tempelbauten u. dgl., ferner von Wagen, die bei Nacht
in die Stadt gekommen waren, aber nur wenn sie leer waren oder Mist aus-
führten1). Dies Gesetz blieb während der beiden ersten Jahrhunderte der
Kaiserzeit in Kraft; erst im 3. Jahrhundert wurde der Gebrauch des Wagens
ein Vorrecht der höchsten kaiserlichen Beamten2), und Alexander Severus
erteilte den Senatoren das Recht, silberbeschlagene Wagen, zu benutzen3).
Auch in den andern Städten des römischen Reichs galt das oben er-
wähnte Gesetz Caesars, wurde aber jedenfalls weniger streng innegehalten,
sodaß erneute Verordnungen nötig waren4), die auch nicht immer halfen5).
In Pompeji war jedenfalls das Fahren auch sehr beschränkt; das Forum war
überhaupt durch die umgebenden Säulenhallen für jeden Wagen vollständig
unbetretbar, und auch die nördlichen Zugänge und die eine der auf das Forum
führenden Hauptstraßen waren unfahrbar6). Aber auch das Reiten in den
Straßen war in der Regel untersagt7).
Wie groß in den engen und gewundenen Straßen Roms, zumal in der
Hauptgeschäftszeit, das Gedränge der Menschenmengen gewesen sein mag,
davon kann man sich leicht eine Vorstellung machen, wenn man bedenkt,
daß zu der zahlreichen Bevölkerung der Riesenstadt8) noch ein sehr großer
Fremdenzufluß hinzukam9). Da eilten Handwerker zu ihrer Arbeit, Träger
von Balken oder Fässern stießen rücksichtslos die nicht rechtzeitig Aus-
weichenden an; von allen Seiten wurde man gedrängt, gestoßen, wurde einem
mit derben Schuhen auf die Füße getreten oder Löcher in die Kleider ge-
rissen10). Auch über die Lastwagen, deren Ladung, riesige Baumstämme
oder schwere Steinblöcke, den Fußgängern stets Gefahr drohen, wird Klage
geführt11). Zu gewissen Stunden wurde das Treiben der Menge besonders
') Der Text des Gesetzes ist in den Bronze-
tafeln von Heraclea erhalten, CIL I 206, bes.
Z. 56 ff.
-) Als erstes Beispiel führt Fkiedländer
a.a.O. einen Fall aus dem Jahre 205 an, Dio
Cass.LXXV14, 1.
:i) Lampr. Al.Sev.43,1.
4) Claudius erinnerte daran, daß die Rei-
senden die Städte Italiens nur zu Fuß oder in
der Sänfte resp. Tragsessel passieren sollten,
Säet. Claud. 25.
5) Die Klage des Seneca ep. 56, 4 über den
Lärm der essedaetranscurrentes geht auf Baiae;
freilich mochten hier manche Häuser an der
Landstraße liegen. Es ist bezeichnend, daß noch
Aurelian in Antiochia, obwohl verwundet, nicht
im Wagen einfuhr, sondern sich eines Reit-
pferdes bediente. Vopisc. Aurel. 1,1. Vgl. Galen.
XI 302 K.: xarä xi yiooiov svda tü>v oyrjfiärcov
anoßalvFAv tiolv eWtOfifarot.
6) Nissen 114.
7) Suet. Claud. 25; dann aufs neue durch
Hadrian, Spart. Hadr. 22, 6, und abermals durch
Antoninus Pius, Capitol. M. Ant. phil. 23,8.
8) Friedländer 51 ff. berechnet sie für
den Anfang der Kaiserzeit auf viel mehr als
eine Million, für später auf 2 Millionen und
darüber.
9) Vgl.dieSchilderungbeiFRiEDLÄNDERl9.
Drastisch schildert dies Gedränge Sen. de clem.
16,1: cogita, in hac civitate, in qua turba per
latissima itinera sine intermissione defluens eli-
ditur, quotiens aliquid obstitit, quod cursum eins
vel torrentis rapidi moraretur, in qua tribus
eodem tempore theatris viae postulantur. Daß
Seneca dabei an das Menschengedränge beim
Erdbeben des Jahres 5 1 gedacht haben soll, wie
Friedländer a. a. 0. meint, ist unwahrschein-
lich.
1 °) Man vgl. die Schilderungen luv. 3, 245 ff.
Sen.dial.V6,4;IX12,4.
J1) luv. 3. 254 ff.; andere Stellen, in denen
von solchen schwerbeladenen Wagen, die am
Tage dureh die Straßen fahren, die Rede ist, s.
Friedländer 60 f. Das können, der Lex Iulia
wegen, nur Wagen gewesen sein, die Material
für öffentliche Bauten beförderten. Allerdings
verbot dann Hadrian den Verkehr solcher Wa-
gen, Spart. Hadr. 22,6 : vehicula cum ingentibua
sarcinis urbem ingrediprohibuit, doch geschah
das wegen der Gefahr, die von der Erschütterung
des Pflasters für die anstoßenden Häuser und
für die Kloaken zu besorgen war, vgl. Sen. ep.
90, 9. Cic. pro Scauro 22, 45; Friedländer 61.
Siebenter Abschnitt. Der Verkehr.
145
lebhaft: so, wenn frühmorgens die zahlreichen Klienten sich zum Morgengruiä
zu den Patronen begaben und in der Besorgnis, nur ja nicht zu spät zu
kommen, rücksichtslos von ihren Ellenbogen Gebrauch machten1), oder wenn
sie nach beendigter Salutatio sich aus den Häusern ergossen 2) oder ihren
Patron auf das Forum begleiteten und ihm im Gedränge gewaltsam Platz
zu machen suchten3). Den Patronen schlössen sich dann noch Sklaven,
manchmal in beträchtlicher Menge4), an: außer den nomenclatores, die ihnen
die Namen der etwa zu Begrüßenden angaben5), besonders mehr oder weniger
pediseqiä6) (wie auch den Damen pedisequae folgten7)), deren es in reichen
Häusern eine ganze Menge gab8). Vielfach bedienten sich die Patrone sowie
sonst Vornehmere bei ihren Geschäften in der Stadt einer Sänfte9), welchem
auch auf Reisen viel benutzten Beförderungsmittel wir hier einige Worte
widmen wollen10).
Es gab vornehmlich zwei Formen von Sänften: die zum Sitzen ein-
gerichtete des Tragsessels, sella, und die zum Liegen eingerichtete der eigent-
lichen Sänfte, lectica11). Die sella war ein mehr oder weniger kostbar aus-
gestatteter12) Sessel, der, wenn er die bequeme Form der cathedra hatte, auch
diesen Namen führte13), sonst speziell sella gestatoria1*), fertoria, portatoria ge-
nannt15). Sie waren meist geräumig16) (kleinere hießen sellulae11)), sodafi auch
wohl zwei Personen nebeneinander Platz fanden18). Die meisten Tragsessel
Immerhin blieb für die Prachtbauten der Kai-
serzeit der Transport mächtiger Steinblöcke un-
tmgänglich.
») luv. 3,243.
*) Verg. Geo. II 461: foribus domua alta
tuperbis mane salutantum totis vomlt aedibus
undam.
s) Mail. II 74.1; III 46.5. Laus Pison.
(Bäehrens PLM I 15) 134 ff. ; daher heißen sie
anteambulones, Suet. Vesp. 2. Mail. II 18,5: III
7,2; X74,3.
4) Noch Ammian. XIV 6, 16 spricht von den
familiarumagminatanquampraedatoresglobos
post terga trahentes: vgl. Wallon Hist. de l'es-
clavage«III331 A.5.
5) Ueber diese und andere Aufgaben des
nomenclator s. Marquardt 144 A. 5; 148 A. 3,
wo die Stellen sowie inschriftliche Beispiele
angeführt sind; Fabia bei D.-S. IV 96.
6) Nep. Attic. 13,3. Cic. ad Att. II 16, 1.
Phaedr. IV 5, 36. Colum. I pr. 12.
7) Plaut. Asin. 183; Aul. 807. Ter. Andr.
123. CIL VI 9775.
8) Auf Inschriften sind sie sehr häufig, s.
M.MUiUARDT 148 A.l. dazu CIL VI 33788; 33896;
VIII 12641ff.;12916;XIII1285;XIV3560. Not.
d. scavi 1899. 139 n. 146.
9) Mail. II 57, 6; III 36, 4; 46, 4; IX 22, 9;
100, 3 ; X 10, 7. luv. 3, 242. Sen. ep. 22, 9.
10) Vgl. hierüber Becker Göll III 1. wo äl-
tere Litteratur angegeben ist. Marquardt 736.
Teuffel bei Pauly IV 837. P. Girard bei D.-S.
III 1002.
n) Diese beiden werden stets auseinander
gehalten, vgl. Mail. X 10, 7; XI 98, 11 ff. Suet.
Claud. 25; Dom. 2. Sen. dial. X 12, 6. Mit Un-
recht führt Becker-Göll 7 f. Mart. IV 51 als
Beweis an, daß eine lectica auch sella heißen
konnte, weil die dort als ingens hexaphoron be-
zeichnete sella nur eine lectica sein könne.
Allein daß nicht bloß Sänften, sondern auch
Tragsessel sechs Träger haben konnten, zeigt
luv. 1,64 f.
'*) Vgl. Lampr. Heliog. 4,4: quae sc//" vo-
heretiir et utrum peUicia an ossta an eborata an
argentata.
13) luv. a. a. O. ; bei Cael. Aurel. morb. chron.
V 1, 14 wird der fertorhu leetlts der cathedra vel
sella entgegengesetzt ; vgl. ebd. II 1 3. 1 6 1 . wo die
sella portatoria und die cathedra longior em-
pfohlen werden. Daß die cathedra aber spe-
ziell ein Frauentragstuhl war, wie Marquardt
737 sagt, ist nicht richtig, wie luv. a. a. O. lehrt,
und daß eine besondere Art se/la lampena ge-
heißen habe (Röxsch Jahrb. f. Phil . CX IX, 1879,
534. Marquardt 737 A. 10), beruht auf einem
Irrtum (es ist Bezeichnung für Stella, nicht für
sella, s. Corp. Gloss. I 622).
1 4) Suet. Ner. 26 ; VitelU 6. Cael. Aur. a. a. O.
11,15. CIL XIII 5708.
15) Cael. Aur. chron. I 1, 18; II 13. 161; V
1,14.
16) Sen. dial. II 14, 1 : sella laxa der Frauen.
,7) Tac. hist. III 84. Fronto ad M. Caes. V
44 p. 89 (Naber).
1S) Nach Plin. ep. III 5. 15 hatte der ältere
Plinius, wenn er in Rom sich der sella bediente,
seinen iiotarinsueben sich; auch beiTac.ann. XI
33sitzen zweiin (W.w;/.'.>^oh/h<' (was aber auch
ein Fuhrwerk sein könnte, vgl. Sen. ep. 122, 15).
446
Zweite Abteilung. Das Leben.
waren durch ein bogenförmiges Verdeck (arcus) *) mit Vorhängen 2) bedeckt
und geschlossen3); wenn offne sellae genannt werden, so können ebensowohl
solche gemeint sein, wie sellae, die überhaupt kein Verdeck hatten4). Be-
sonders pflegten die Frauen sich solcher Tragsessel zu bedienen5), doch auch
Männer machten häufig davon Gebrauch6), zumal es bequem war, daß sie, nach
Entfernung der Tragstangen, sogleich als Sitzgelegenheiten dienen konnten7).
Die lectica hatte die Form eines lectus8) und war gleich diesem mit
Gurten, Polstern und Kissen (pulvinar, cervical, torus) ausgestattet9); gleich
der sella war sie mit einem Verdeck versehen10), das Fensteröffnungen hatte,
die durch Vorhänge (vela)11) und mitunter sogar durch wirkliche Scheiben
aus lapis specularis geschlossen waren12). Darauf, und wohl nicht auf eine
ganz offene Sänfte, ist es zu beziehen, wenn lecticae apertae13) im Gegensatz
zu opertae14) erwähnt werden. Sie waren meist so groß und bequem, daß
man darin ebenso schlafen, wie lesen und schreiben konnte15), und es gab
sogar solche, in denen zwei Personen nebeneinander Platz fanden16). Gleich
den sellae waren sie oft aufs kostbarste ausgestattet (vgl. Fig. 64) 17).
*) Tac. ann. XV 57, wo sich eine Frau daran
erhängt. Doch erklären die Gloss. sella arcuata
durch ftgövos, Corp. Gloss. III 366, 6. Pompe-
janische Terrakotten , die vermutlich als Kinder-
spielzeugdienten, zeigen an einem vonzweiSkla-
ven getragenen Tragsessel dies Verdeck sehr
deutlich, s. v. Rohden Terrakotten v. Pompeji
Tat". 38, 1. Daremberg-Saglio a.a.O. 1006 Fig.
4378. Schreiber Kulturh ist. Bilderati. Taf.62.9.
— Fraglich ist, ob es auch sellae ohne Verdeck
gab, wie Becker-Göll 8 annimmt, der dies sogar
für die gewöhnliche Form hält. Nach Dio Cass.
LX 2, 3 hätte erst Claudius den diqpoog xaxä-
azeyog erfunden; aber dem widerspricht, daß
Dio Cassius selbst solche aus früherer Zeit er-
wähnt, XL VII 23,3 u. LVI43,2, auch die Notiz
bei Suet. Aug. 53.
*) Mart. II 57, 6 : recensque sella Unteisque
lorisque, wo die lintea die Vorhänge, die lora
die Tragriemen sind.
3) luv. 1, 124. Mart.XI 98,12. Suet.Otho 6.
4) Sen. rem. fort. 16, 7. Suet. Aug. 53. luv.
1 . 65. Wenn aber Sen. de benef. 19,3 von Frauen
auf der sella sagt: si quis coniugem suam in sella
prostare vetuit et volgo admissis inspectoribus
vehi perspicuam undique, so genügt es nicht,
an bloßes Zurückziehen derVorhänge zu denken :
entweder ließ sich das Verdeck zurückschlagen,
oder es war überhaupt keines da.
5) luv. 1,124; 6,353. Sen. a.a.O.; daher
muliebris sella, Suet. Oth. 6.
«)Mart. III 36,4; 1X22.9; 100,3; X 10, 7;
nach dem Bade, Sen. dial. X 12, 7. Auch zur
Jagd ließ man sich in der sella tragen, CIL
XIII 5708 werden unter den ad venandum et
oucupandum dienenden Dingen auch lecticae
und eine sella gestatoria erwähnt.
7) So luv. 6, 353; 9,142.
8j Daß sie auch des pluteus, der Kopf lehne,
nicht, wie Becker-Göll 2 meint, entbehrte,
zeigt die noch erhaltene kapitolinische Sänfte.
s. unten.
9) Cic.Verr.Vll,27. Ov.a.a.I487. Sen.
dial. VI 16, 2. luv. 1, 158; 6, 353.
10) Es ist auch hier eine streitige Frage, ob
es unbedeckte lecticae gegeben habe, wie Böt-
tiger Sabinall 200 annahm, allein erweislich
ist es nicht.
nj Mart. XI 98, 11 : lectica tuta pelle velo-
que, wobei pellis wohl das lederne Verdeck be-
deutet; daß die vela auch. plagae hießen, ist ein
Irrtum von Becker-Göll 5 (bei Suet. Tit. 10
heißt es: cum indelecticaauferretur,suspexisse
dicitur dimotis plagulis coelum, nicht plagis).
lt) luv. 4, 21: quae vehitur cluso latis spe-
cularibus antro. Hingegen kann 3, 242 die clausa
fenestra nicht dafür angeführt werden, da es
sich da auch um Vorhänge handeln kann.
ls) Cic. Phil. II 24, 58 : daher lecticam ape-
rire, Cic. ad Att. IX 11,1. Vgl. die Schilderung
der im octophoron getragenen Dame als improba
iuvenum circumspectatrix, immodica sui osten-
tatrix bei Apul. apol. 76.
14) Cic. Phil. II 41, 106; de div. II 36, 77;
vgl. Gracch. b. Gell. X 3, 5. Auch Cic. Phil. II
32.82: caput in aversam lecticam inserens be-
zieht sich auf Vorhangverschluß. Bekanntlich
erlitt Cicero den Tod in der Sänfte, als er aus
ihr den Kopf herausstreckte, Plut. Cic. 48. Sen.
suas. 6,17. Ein (pogslov xaräoreyov auch Dio
Cass. XLVII 10.3.
15) luv. 3, 240.
,6) Cic. ad fam. VII 1,5. Suet. Ner. 9. Dio
Cass. LXI 3, 2. Eine so geräumige Sänfte nennt
luv. 4, 21 antrum, Plin. XXXVII 17 spricht von
cubilia viatoria des Nero.
17) So die oben erwähnten des Nero mit
Perlen. Die Fig. 64 (nach Photographie) ab-
gebildete, mit bronzenen, mit Silber einge-
legten Reliefs verzierte Sänfte (die Holzteile
sind ergänzt), ist auf dem Esquilin gefunden
worden und befindet sich im Konservatoi t-n-
palast in Rom, s. Castellani Bull, comun. 1 88 1 ,
217 tav. 1511. Schreiber a.a.O. 62, 8.
Siebenter Abschnitt. Der Verkehr.
117
Getragen wurden aellae und lecticae auf die gleiche Art, nämlich an
[beweglichen1) Tragstangen (asseres)*); wenn die Sänftenträger, die lecticarii3).
Isellarü4), sie in* den Händen trugen, hingen sie in Kiemen (lora), die sich
die Träger über die Schultern legten6); oder sie nahmen die Stangen auf
Fig. 64. Komische Siinfte vom Esqnilin.
die Schultern6) und trugen so die Sänfte hoch über der Menge7). Für die
erste Art des Tragens genügten zwei Mann 8), während für die andere Art
mindestens vier erforderlich, sechs bis acht aber (wonach die Sänfte als
hcruphoros oder octophoros bezeichnet wird9)) sehr gewöhnlich waren. Wer sich
') Daß die Tragstangen herausgezogen
weiden konnten, zeigt Suet Calig. 58: lecticarii
cum asseribus in auxilium accucurrerunt; auch
dal.! die sella als gewöhnlicher Sessel benutzt
weiden konnte, s. oben.
») Iuv.3,245; 7,132. Mart.IX22,9. Suet.
a. a. O.
3) Das ist die gewöhnliche Bezeichnung,
unter der wohl auch die Träger von Tragsesseln
mitinbegriffen wurden; vgl. Cic. p. Rose. Am.
46, 134. wo die lecticarii mit coqui und pistores
als niedrige Berufsart bezeichnet werden : ad
lam. IV 12, 3. Suet. Cal. 58. Häufig auf In-
schriften, wo collegia lecticariorum, praepo-
witi, decuriones u. dgl. vorkommen, CIL VI
5198: 6218; 6301; 6308; 631 3; 8872 ff.; 9504 ff.;
irgl. Marquardt 149 A. 7. Not. d. seavi 1908.
176.
4) Corp. Gloss.II 279, 21; 593.9; in anderer
Bedeutung Tac. ann.VI 1.
•) Mart. II 57. 6: eine veraltete Bezeich-
nung ist struppi, Gracchus a. a. 0. An den oben
S. 446 A. 1 erwähnten Terrakottafiguren wird
die Sänfte in dieser Weise getragen.
6) Catull. 10.23: in collo collocare; Suet.
Claud. 10: sueco/tarc.
7) luv. 3, 240. Sen. ep. 80, 8. Plin. paneg.
24,5: die Betreffenden werden dabei auf die
schon von den lecticarii getragene Sänfte em-
porgehoben. Suet. a. a. O.; Ueticat imponere,
Petron. 28. 4: indem, Tac. ann. III 14; XII 69;
vgl. Sen. dial. X 12, 7: inter tnnnus elatus et in
sella posltus.
8) So luv. 9, 142. Petron. 96, 4.
9) Vier kommen in griechischen Quellen
öfters vor. Luc. epist. Sat. 28; Gall. 10: lectica
hecaphoros. Mart. II 81, 1: IV 51,2; VI 77, 10.
luv. 1,64: octophoros. Cic. ad Qu. fr. II 8 (10), 2;
Verr. V 11,27; sonst octophoros. Mart. VI 84,1.
Suet. Calig. 23. Apul. apol. 76; vgl. Catull. 10,
20. Daß man in der Zahl wetteiferte, zeigt Sen.
dial. II 14. 1 ; ep. 31. 10. In großen Häusern
hatten die Frauen sogar eigene lecticarii. Digg.
XXXII l,49pr.
448
Zweite Abteilung. Das Leben.
lecticarii unter seinen Sklaven hielt, wählte dazu gern große, kräftige Leute r),
meist Barbaren2), denen man eine gleichmäßige und stattliche Livree gab3).
Wer aber keine eigenen hatte, konnte sich welche samt der Sänfte mieten4).
Eine dritte Art der Sänfte, die aber erst in der spätem Kaiserzeit auf-
kommt5), war die basterna6). Sie war einem Wagenkasten ähnlich, also jeden-
falls geräumig; getragen wurde sie zumeist von Maultieren oder Eseln, die vorn
und hinten in die Tragstangen (amites)1) gespannt waren, oder von Männern8).
Da sie nach den Beschreibungen dicht geschlossen war9), bedienten sich ihrer
vornehmlich die Frauen10), doch wurde sie auch von Männern benutzt11).
Wann die Römer die Sänften, die sie jedenfalls im Orient kennen gelernt
hatten, bei sich eingeführt haben, läßt sich nicht sicher bestimmen; allein
da sich bei Plautus keine Erwähnung davon findet, obschon es an Gelegenheit
dazu nicht gefehlt hätte, so ist es jedenfalls erst nach dessen Zeit geschehen12).
Daß sie aus Bithynien zu ihnen gekommen sei, ist eine nicht sichere Ver-
mutung13). Im 1. Jahrhundert v. Chr. finden wir sie allgemein in Anwendung,
sodaß Caesar sich veranlaßt sah. ihren Gebrauch in der Stadt zu beschränken14).
In der Kaiserzeit waren sie sowohl zum Verkehr in der Stadt wie für Reisen
sehr verbreitet, und namentlich waren es die Frauen, die sich ihrer bedienten.
Allerdings waren es in der Regel Damen vom Stande, die so in der Öffentlich-
keit erschienen15); allein daß es kein streng gehandhabtes Gesetz gab, das
andern Frauen die Benutzung der Sänfte verbot, lehren die Beispiele111).
') Catull. a. a. 0. nennt sie recti; formosi
calones Sen. ep. 110, 17.
2) Syrer, Mark IX 2, 11; 22.10 (vgl. VII
53, 10). luv. 6,351; Kappadokier, Mark VI 77.4;
Bithynier, Catull. a. a. 0.; Moesier, luv. 9, 143;
Maeder (aus Thrakien) : ebd. 7, 132 ; Germanen.
Tertull. ad uxor. I 4. Unsicher ist, ob luv. 3, 240
auf liburnische lecticarii oder, wie der Schol.
meint, auf eine Sänfte in Form eines liburni-
schen Schiffes geht.
3) Mark IX 22,9 nennt sie canusinati, d.h.
in roten canusinischen Wollstoff gekleidet (vgl.
ebd. XIV 129). Bei Sen. de benef. III 28, 5 hei-
ßen sie paenulati in militum quidem non vul-
garem cultum subornati.
4) luv. 6, 353. Nach der Notitia lag ihr
Standplatz (castra lecticariorum) in der 14. Re-
gion, vgl. Jordan-Hülsen Topogr. I 3, 669.
5) Die erste Erwähnung istLampr.Heliog.
21, 7.
6) Vgl. Ginzrot Wagen d. Alten II 280.
Morel bei D.-S. I 682. Mau bei P.-W. III 119.
7) Pallad. VII 2, 3; es sind darnach kurze
Deichseln.
8) Corp. Gloss.V348,5: similis curru, de
corio facta tota et portatur semper ab homini-
bus velasinis, nullam rotam habens; vgl. ebd.
492. 43; 582, 29. Baehrens PLM IV 289 (Riese
Anth. Lat. 1 104) beschreibt sie als an den Seiten
ausgebogen: quae radians pandum gestat
utrumque latus, j Hanc geminus portat duplici
sub robore burdo, \ provehit et modico pendula
septa gradu. Daß die Beförderung nicht bloß
durch Maultiere geschah (wie Marquardt 738
meint und Becker-Göll III 21), zeigen auch die
Glossen, die es durch tecta manualis erklären,
s. Corp. Gloss. VI 131. Loewe Prodrom. 67.
9) Daher nennt sie das zitierteEpigramm
pudica.
10) PLM a. a. O : provisum est caute, ne per
loca publica pergens \ fucetur visis casta maritä
viris. Amm. Marc. XIV 6, 16. Corp. Gloss. V
520,24: genus vehiculi quo nobiles Romanontm
matronae vel virgines vehebantur, ebd. 562, 34.
n) Symm.ep.VI 15.
1J) Die erste Erwähnung ist in der Rede
des Gracchus bei Gell. a. a. O.
1S) Sie gründet sich darauf, daß nach Cic.
Verr. V 11.27 die Könige von Bithynien sich auf
Oktophoren tragen ließen, was doch nur für
die Achtzahl bezeichnend ist, und daß nach
Catull. 10, 15 Bithynien als Heimat besonders
tüchtiger lecticarii galt. Vgl. Haupt Opuscula
III 578.
14) Er verlieh das Vorrecht der Benutzung
bloß den Ehefrauen und Müttern von mehr als
40 Jahren, und zwar nur für bestimmte Tage,
Suet. Caes.43. Reifferscheid Suet. rell.357,3.
15) luv. 10,35 zählt daher die lectica unter
allerlei Standesvorrechten mit auf; nach Dio
Cass. LVII 15, 4 bediente sich die Senatoren-
frau der lectica (oy.i/ijiödtov xazäoigyov).
1 6) Allerdings rührt Cic. Phil. II 24, 58 (die
Geliebte des Antonius) ebenso wie die Dirne
bei Catull 10 aus republikanischer Zeit her;
auch die Klientenfrau bei luv. 1, 124 wird nicht
von höherem Stande gewesen sein; die Dame
bei Ov. a. a. 1 487 ist eine Libertine, und ebenso
ist es bei Mart. IX 2, 11 eine Hetäre, die eine
octophoros benutzt.
Siebenter Abschnitt. Der Verkehr, 449
, Kehren wir nach dieser Abschweifung wieder in die Straßen Roms zu-
Kick. Man kann sich vorstellen, wie sehr solche Sänften mit ihren sechs bis
kcht stämmigen Trägern und mit ihrer Begleitung von beflissenen Freunden
und Klienten den Verkehr hemmten. Dazu kamen noch Aufzüge von Genossen-
schaften, die sich geschlossen zu irgend welchem Feste begaben1), u. dgl. m.
Begreiflicherweise wird daher öfters über den Straßenlärm der Hauptstadt
geklagt, der schon in aller Frühe anhebt2); so schon von Horaz, der be-
sonders die geräuschvollen Transporte von Baumaterial durch Maultiere und
Träger, den Lärm der Maschinen, die Balken und Steine in die Höhe winden,
|das Knarren der Leichenwagen anführt, daneben freilich auch über wütende
Hunde und schmutzige Säue klagt, die sich in den Straßen herumtrieben3).
Das war nun mit dem zunehmenden Verkehr immer ärger geworden, und
luvenal wie Martial bieten uns reichlich Belege dafür. Schon vor Tage fingen
die Bäcker an, ihre Waren auszurufen4); ihnen folgten alle die mannigfaltigen
Straf.'senhändler, die Verkäufer von Schwefelfaden, von Erbsenbrei und Würsten,
die Hausierer (circtiores) mit allen möglichen Dingen5), die alle mit besonderer
Melodie ihre Waren ausriefen, wie das heute noch im Süden und anderwärts
üblich ist, und sicher mit nicht minderer Lungenkraft, als ihre Nachkommen6).
Dazu kamen dann allerlei Gaukler, die ihre Künste auf der Straße produzierten
und mit Geschrei zum Zuschauen einluden7), Bettler und Schiffbrüchige, die
ihr auf einer Tafel abgemaltes Ungemach in kläglichen Versen hersangen8),
Aufzüge und Produktionen herumziehender Bettelpriester9); und all diesen
Lärm vermehrten noch die nach südlichem Brauch auf offner Straße ihr ge-
räuschvolles Gewerbe treibenden Kupferschmiede und andere Handwerker10).
Ja selbst die im Freien unterrichteten11) und laut ihr Pensum aufsagenden
Schulknaben mit ihrem schimpfenden und prügelnden Lehrer konnten die
Ruhe der Nachbarschaft unliebsam stören12). Fast noch mehr, als über diesen
Lärm am Tage, wird über die nächtliche Unruhe geklagt, die die Bewohner
belebter Stadtteile und namentlich der Mietwohnungen nicht schlafen läßt13);
ganz besonders störten die durch die engen Gassen rumpelnden Reisewagen,
die ja tagsüber nicht fahren durften, dann die Herden von Maultieren, die
von laut rufenden und scheltenden Treibern durch die Stadt geführt wurden14).
Und daß die nächtlich vom Gelage heimkehrenden Trunkenen oder die unter
Gesang, bisweilen auch mit Gewalt Zutritt bei einer spröden Schönen be-
gehrenden jungen Leute15) sich wenig um die Ruhe ihrer Mitbürger kümmerten,
ist bei dem Mangel einer organisierten Straßenpolizei sehr begreiflich. Zwar
') Das beschreibt luv. 3, 249ff.
2) Schilderung bei Friedländer I 22 ff.
3) Hör. ep. II 2, 72 ff.
4) Mart.XII57. 5; XIV 223.
5) Mart.I41,3ff.; 103,10; V78,21;X3,
3 ff. ; XII 57, 14; auch mit Kleidern, Linnen
u.dgl. Digg.XlV3,5,4.
6) Sen.ep.56,2 (allerdings von Baiae): iam
libarü vartas exclamationes et botularium et
erustularlum et omnes popinarum institores
mercetn sua quadam et insignita modulatione
t'i'n(/f'ntes
7) Mart. 141,7. Galen. XI 143 K. erwähnt
die Marser als aomdoigöyoi (Manil. Astr. V 390
geht nicht darauf: der anguÜenen* ist der 6q 1-
ov%os, das Sternbild).
8).Pers. 1,88. luv. 14,301. Mart.XII57.12f.
9) Mart.V 41, 3; XI 84. 3; XII 57, 12.
,0) Mart. IX 68,5; XII 57, 6.
!') Vgl. oben S. 316.
12) Mart. IX 68; XII 57, 5.
18) luv. 3,234: natu guae meritoria so-
mmtm admithtnt? »t<i</nis opibiis donnifur in
urbe.
'<) Ebd. 236ff.
15) Pers. 5, 166. luv. 3, 282 ff.
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft. IV. 2. 2. 3. Aufl. <s9
450
Zweite Abteilung. Das Leben.
gab es. und zwar schon seit früher Zeit1), staatliche Nachtwächter, vigilesl
noctumi, die von August reorganisiert worden waren 2) ; allein diese hatten
vornehmlich die Aufgabe, auf Feuersgefahr, Einbrüche, Straßenraub u. dgl.
zu achten3) und für die Sicherheit der Bewohner, aber nicht für deren
Nachtruhe zu wachen, und daß sie auch ihre eigentliche Aufgabe nicht
immer zu erfüllen imstande waren, das zeigen die häufigen Klagen über
die Unsicherheit auf den Straßen bei Nacht, über Diebstahl und räuberische
Überfälle4), Übelstände, die jede Großstadt mit sich bringt, die aber in Rom,
das der Straßenbeleuchtung entbehrte5), erst recht zu fürchten waren. Erst
im 3. Jahrhundert werden besondere Nachtwächter erwähnt, die eine Glocke
trugen, mit der sie sich gegenseitig Zeichen gaben 6) und vermutlich ganz
ebenso die Diebe rechtzeitig zur Flucht veranlaßten, wie heut noch in Kon-
stantinopel ihre Kollegen mit den eisenbeschlagenen Stöcken7).
Eine nicht unwichtige Rolle pflegen im Leben und Verkehr einer modernen
Großstadt die Wirtshäuser zu spielen. Das war im alten Rom weniger der
Fall, und zwar vornehmlich deswegen, weil es zwar Wirtshäuser gab 8), diese
aber von sehr geringer Beschaffenheit waren und in der Regel nur vom
niedern Volk, nicht von den bessern Ständen benutzt wurden9). Es gab
vornehmlich zwei Arten davon, die freilich vielfach ineinander übergehen,
') Nach Lyd. de mag. I 50 und Schol. luv.
13, 157 seit dem gallischen Brande; die erste
Erwähnung bei Liv. IX 46, 3 fällt ins Jahr 304
v. Chr. Plaut. Amph. 351 spielt vielleicht auf
römische Sitte an.
2) Zander De vigilibus nocturnis, Ham-
burg 1843. Pkellek Regionen d. St. Rom 93.
Rein bei Pauly VI 2594. Becker-Göll 112.
Joedan Topogr. I 1, 304 ff.
3) Vgl. Sen. ep. 64, 1. Petron. 78, 7.
4) Friedländee I 24.
5) Nur bei festlichen Anlässen gab es in
der Kaiserzeit Straßenbeleuchtung, d. h. eine
Art Illumination, Suet.Calig. 18.DioCass.LXIII
4, 1 (auch Neros „lebende Fackeln", Tac. ann.
XV 44, gehören hierher); daß bei Ciceros Ein-
schreiten gegen die Catilinarier die Stadt be-
leuchtet wurde, Plut. Cic. 22, war eine beson-
dere Ehrung für ihn. Mabquabdt 643 A. 4
nimmt gewiß mit Recht auch für die Tag und
Nacht andauernden Säkularspiele Beleuchtung
der Stadt an. Daß es aber für gewöhnlich in
den Straßen der alten Städte nachts stockfinster
war, zeigt Petron. 79, 1. Apul. met. II 32. Das
erste uns überlieferte Beispiel von regelmäßiger
Straßenbeleuchtung bietet Antiochia. s.Liban.
or. XI 267 p. 363 R. ; vgl. von der Beleuchtung
der Straße vor den Bädern dens. or. XVI 41
p. 500, und daß die Beleuchtung durch Later-
nen, die an Stricken über die Straße hingen,
geschah, zeigt ebd. or. XXII 6 p. 4R. Ueber die
Anfänge derStraßenbeleuchtung vgl. Beckmann
Beitr. z. Gesch. d. Erfind. T 63 ff.; II 520 ff.
6) DioCass. LIV 4, 4; Friedländer a.a.O.
meint, daß sie von den Bewohnern oder Be-
sitzern der Mietshäuser angestellt waren.
7) Ueber Nachtwächter in alter Zeit vgl.
Beckmann a.a. O. IV 119 ff.
8) Vgl. Zell Ferienschriften (Freiburg i. Br.
1826) I l'ff. Becker-Göll III 27 ff. (ebd. 43 äl-
tere Litteratur). MARQUARDT469f. FrANCISQUE-
Miquel et Fournier Histoire des Hotelleries.
(Paris 1859) 1 51 ff. Friedländer a.a. O. II 31 ff.
Saglio bei D.-S. I 973 f. Mau bei P.-W. III
1806 ff.
9) Wenn öfters betont wird, daß es auch
Tabernen gab, in denen vornehme Leute durch
feinere Genüsse gefesselt wurden (Marquardt
470. Mau 1807. Saglio 974), so ist das doch
sehr cum grano salis zu verstehen. Die Copa
Vergils rühmt zwar sehr die schöne Lage ihrer
Kneipe am murmelnden Bach, ihre Blumen-
beete und Lauben, die musikalischen Produk-
tionen, die Gaben der Ceres, des Amor und des
Bromius;aberihreta&erwaistdoch/wMOsa(v.3),
ihren Wein bezeichnet sie naiv genug selbst als
vappa (v. 11). und von Eßwaren werden nur
Käse, Obst, Gurken u. dgl. angepriesen (v. 18 ff.).
Allerdings wird nicht selten von Leuten bessern
Standes berichtet, daß sie in Kneipen verkehr-
ten, Cic. inPis.6, 13. Catull. 37, lff. Suet. gramm.
15. Mart.V70. luv. 8, 158; aber daß diese po-
pinae oder cauponaeLokale besserer Art waren,
wird nicht gesagt, vielmehr ist der Verkehr dort
für die Betreffenden schimpflich, und das läßt
doch darauf schließen, daß es gewöhnliche Knei-
pen waren. Bei Apul. met. VIII 1 bedeutet lu-
xuria popinalis nicht Schwelgerei in popinae,
sondern das Herumtreiben in solchen. Und
bei Mart. V 44, 9 ist popina dives nicht eine
elegante Kneipe, sondern popina bedeutet hier,
wie auch sonst öfters (z.B. Gell. XV 8, 2. Sen.
dial. VI 22, 2; XII 10, 3 u. s.) Schlemmerei; s.
Müller bei Friedländer zu luv. 8, 158.
Siebenter Abschnitt. Der Verkehr.
451
ilj lämlich popinae1) und cauponae. Die popina ist vornehmlich eine Garküche,
tei n der es Speisen verschiedener Art gab, die man entweder an Ort und Stelle
verzehrte oder bloß dort kaufte und mit nach Hause nahm2); auch schickten
rei He Besitzer solcher Garküchen Diener mit den darin bereiteten Speisen zum
Verkauf auf die Gasse oder trugen sie selbst herum3); manche Speisen wurden
mch dort von herumziehenden Köchen feilgeboten4). Hingegen ist die cau-
oonab) ursprünglich überhaupt ein Kram- oder Viktualienladen, in dem man
allerlei für den Hausbedarf kaufen kann6); insbesondere aber bedeutet es
3in Weingeschäft, wo man Wein ebenso für den häuslichen Bedarf kaufen
als an Ort und Stelle trinken kann7). Dieser Unterschied verwischte sich
allerdings einigermaßen, da man in der popina auch zu trinken 8) und in der
caupona auch zu essen bekam9); aber im wesentlichen war doch die popina
die Garküche für Speisen, obschon freilich in der Kaiserzeit verschiedentlich
beschränkende Verordnungen bezüglich der von ihnen feilgebotenen Speisen
erlassen wurden10), durch die die Bürger an Einfachheit gewöhnt werden
sollten11). Es waren all diese Kneipen in der Regel unansehnliche finstere
Lokale12), unsauber, dunstig, verräuchert13), oft versteckt gelegen, weil allerlei
Ungehöriges dort getrieben wurde 14). In den bessern Lokalen lag man bei
Tisch, wie zu Hause15); aber es gab auch solche, wo man auf Stühlen um
einen Tisch saß16), wahrscheinlich wo das Trinken die Hauptsache war und
') Der Wirt einer popina heißt popa, das
zwar sonst gewöhnlich einen Opferschlächter
faictimarius) bedeutet, aber doch auch in jenem
Sinne vorkommt, so bei Cic. pro Mil. 24, 65:
popa Licinius de circo maximo. Corp. Gloss.
V381. 1: tabernarius; 658,35: quidam pro-
prium nomen volunt, quidam coponem. CIL VI
9824. Ferner popinarius, ebd. 9825 ; popinaria
XIV 3709 (Bücheler Carm. epigr. 603); in den
Glossen kommt popinarius nur als &vrng vor,
s. VII 105. Popino ist einer, der sich in popinae
heiumtreibt.Varrou.Lucil.b.Non.161,10. Hör.
sat. II 7, 39. Suet. gr. 15 ; nach Non. a. a. 0. kann
es auch einen tabernarius bedeuten; vgl. Corp.
Gloss. V 646, 23.
2) Hör. sat. II 4, 62 : quaecmnque immun-
dis fervent allata popinis.
3) Sen. ep. 56, 2.
*) Mart. 141,9: fumantia qui tomacla rau-
cus circumfert tepidis cocus popinis.
B) Caupona oder copona, auch cauponium,
cauponula, s. Corp. Gloss. VI 192, der Wirt cöm^o
oder copa, die Wirtin copa. wie bei Vergil, oder
auch caupona, Lucil. b. Prise. VI 684 (III 24
Müller). Apul. met 17 ff. Cauponam exercere,
Digg.IV9, 1,5.
6) Es entspricht dem griech. xajxn/.elov; so
übersetzen es regelmäßig die Glossen und caupo
mit xauinXog, Corp. Gloss. VI 192.
7) Dieser Unterschied zwischen popina und
ranpona tritt besonders in den Glossen hervor,
wo popina als mponcolsTov erklärt wird, Corp.
Gloss. VII 105; das Getränk spielte hier eben
nicht die Hauptrolle.
8) Plaut. Poen. 835 : bibitur, esiur, quasi
in popina.
9) Digg. XXXIII 7, 13 erwähnt unter dem
instrumenta») der taberna cauponia auch trul-
lae, quae circa coenam solent traiiei.
lu) Suet. Tib. 34 : dato aedilibus negotio po-
pinas ganeasque usque eo inhibendi, ut ne opera
quidem pistoria proponi venalia sinerent. Von
Claudius Dio Cass. LX 6, 7: td ze xannlela, ig
ä avvövzeg emvov, xazsXvas xai noooexag'E pt'jzs
xgeag Jtov eqpftov ^<»?^' i'öcoo deo/tiöv mnga-
oxFaOat; von Nero Suet. Ner. 16 : mterdictum
ne quid in popinis cocti praeter Irgionina atU
holera veniret, cum antea nulluni nOH ohsonii
genusproponeretur (dasselbe berichtet DioCass.
LXII 11,2); und dies Verbot wurde vonVespa-
sian erneuert, Dio Cass. LXVI 10, 3. Die Auf-
sicht über die popinae hatten die Aedilen bis
auf Claudius, der sie ihnennahm,Suet.Claud. 38.
n) Mau a.a.O. meint, die Verordnungen
hätten sich gegen die Schwelgereien der Reichen
in den popinae gerichtet; aber von solchen war
wohl schwerlich die Rede. Daß die Verbote
immer erneuert werden mußten, zeigt, daß sie
nicht innegehalten wurden.
•*) Cic.inPis.8,18: ex tenebricosa popina.
Mart. VII 61,8: nigra popina.
,s) Cic. a.a.O. 6, 13: nun feto ore foetido
taeterrimam nobispopinam inhalasses. flor.ep.
I 14, 21 : uneta popina; ders. sat. II 4, 62: im-
mundis popinis. Mart. 1 41,9: tepidis popinis.
luv. 11,81: calidae popinae. Auson. Mos. 124:
fumons popinis.
iA) Mart. V 84, 4: arcanae popina. Sen. IX
7, 3 : popina secreta; ders. bemerkt ep. 51, 4, er
möchte nicht inter popina* wohnen.
15) luv. 8, 173: ebd. 176. Verg. Copa 5 f.
,6) Mart.V lOSnenntsie cellariolaepojiinue.
29*
452
Zweite Abteilung. Das Leben.
nur etwa eine Kleinigkeit dazu gegessen wurde. Pompejanische Wandgemälde,
die sich in Tabernen befinden, zeigen die Gäste auf Bänken sitzend und mit
Essen, Trinken oder Würfeln beschäftigt; ihre Tracht läßt sie als Angehörige
unterer Klassen erkennen1) (vgl. Fig. 65 2)), und oft führen charakteristische
Fig. 65. Trinkszene in einer römischen Weinstube. Wandgemälde aus Pompeji.
Inschriften, die dabei stehen, uns mitten in dies Kneipenleben hinein3). Denn
die Gesellschaft, die diese Wirtschaften vornehmlich besuchte, setzte sich
aus den niedersten Gesellschaftsschichten zusammen4), und da nicht selten
Kuppelei und verbotenes Würfelspiel damit verbunden war5), so werden diese
popinae von den Schriftstellern oft mit Bordellen und ähnlichen Lokalen in
') Helbig Wandgemälde 1504ff. Vier sol-
cher Kneipenbilder aus einer caupona an der
Strada di Mercurio in Pompeji bespricht M . Col-
ugnon in den Melanges Boissier (Paris 1903)
127 ff., mit Abbildungen nach Aquarellen. Jn
den Szenen eines vierseitigen mit Reliefs ver-
sehenen Cippus, der vermutlich aus Amiternum
stammt, will der Herausgeber F. Weege R. M.
XXIII (1908), 26 ff. Vorgänge in einem privaten
Haushalt, R. Engelmann Beil. phil. Wochen-
schr. 1908 Sp. 1581 Szenen in einer caupona
erkennen.
*) Nach Mus. Borb. IV tav. A (auch bei
Becker-Göll III 43. Daremberg-Saglio 1 973
Fig. 1257. Schreiber Kulturhistor. Bilderatlas
Taf.78,2 und sonst öfters) ; den gegenwärtigen,
sehr veränderten Zustand zeigt Taf. I 2 bei
Collignon a.a.O.). Wir sehen vier Trinker um
ein Tischchen sitzend, ihre Tracht (Tunika mit
cucullus) ist für ihren niederen Stand bezeich-
nend. Rechts kommt der bedienende Knabe her-
bei, an der Wand hängen Würste und andere
Eßwaren.
3) So z. B. Da fridam (d. i. frigidam) pm
sillum, CIL IV 1 29 1 ; oder Adde calicem Setinum,
ebd. 1292. Andere s. unten zu Fig. 67.
4) luv. 8, 173: invenies aliquo cumpercum
sore iacentem, \ permixtum nautis et furibus ae
fugitivis, \ inier carnifices et fabros san<l<t}>i-
larum ! et resupinati cessantia tympana GallL
5) luv. 8. 162. Maii. V 84, 4; vgl. Vergil»
Copa, bes. v. 33 ff. Cod. Theod. IX 7, 1.
Siebenter Abschnitt. Der Verkehr.
453
arallele gesetzt1). Es ist daher begreiflich, daß der Verkehr in diesen
)rten Leuten bessern Standes zum schweren Vorwurf gemacht wurde2), und
laß solche Kneipenbesucher diesen Verkehr möglichst geheim zu halten
iuchten3). Einen Anziehungspunkt mochten sie für manche freilich dadurch be-
kommen, daß man hier den neuesten Klatsch der Hauptstadt sehr bald erfuhr4).
In um nichts besserem Rufe stand die caupona oder taberna cauponia6),
vomit die taberna vinaria6) wrohl identisch ist; auch taberna schlechtweg
vird oft in diesem Sinne gebraucht7). Noch verrufener freilich, als diese
»Virtschaften selbst, waren ihre Inhaber, die copones: sie galten für be-
rügerisch und durchtrieben8), als Weinpantscher schlimmster Sorte9), ja
loch viel Ärgeres wurde ihnen nachgesagt10); das Gewerbe, das vielfach in
ien Händen von Orientalen lag11), gehörte zu den niedersten Berufsarten12).
\.ber in kleineren Orten, besonders auf dem Lande, war die caupona nichts-
lesto weniger unentbehrlich13), zumal sie da nicht bloß Schenke, sondern (was
>ei der popina nicht der Fall ist) auch Gasthaus zum Übernachten war,
)bschon ein Reisender, der etwa bei einem Gastfreund einkehren konnte,
liese schmutzigen und unheimlichen Häuser mit ihrem Ungeziefer14) mied.
Solche cauponae oder tabernae gab es ebenso innerhalb der Stadt, wie namentlich
*) Sen. dial. VII 7,3: fornices etpopinas;
jp. 29, 5 Digg IV 8, 21, 11 sind popina und
upanarium als loca irihonesta gleichgestellt;
IL XLVII 10. 26.
2) Cic. inPis.6,13; 8,18; Phil. II 28, 69.
Vlart.V70,3. luv. 8, 172. Sen. a. a.O.; daher
urpis popina, Luc. bei Non. 161, 14. Für die
leiden des petronischen Romans sind die po-
oinae freilich das richtige Milieu, vgl. Petron.
98, 6.
3) Daher Jatere in popina, Sen. dial. I 5,4;
gl. IX 7,3 und die Verse, die Hadrian an Florus
ächtete: ego nolö Florus esse, ambulare per
labernas, \ latitare per popinas, \ culices pati
Wundos, Spart. Hadr. 16,4.
4) luv. 9, 108, vom caupo, was wohl von
:1er popina ebenso galt.
5) Digg. XXII 2, 43 pr. {cauponiam exer-
zere); das Inventar heißt instrumentum caupo-
nium, ebd. 43, 9; XXXIII 7, 17, 2; auch bloß
auponium, ebd. 15 pr. Doch wird ebd. 7, 13 die
taberna cauponia von der caupona unterschie-
den: bei letzterer ist Handel dabei.
6) Apul. apol. 57. Non. 532, 13.
7) Verg. Copa 3. Catull. 37, 1. Hör. ep. I
14, 24 ; Non. a. a. 0. : tabernas non vinarias so-
lum, ut nunc dieimus, sed omnes quae sunt po-
pinaris usus, auetoritas Romana patefecit. Da-
her sind tabernarii ungefähr dasselbe wie cau-
pones. Firm. Mat. adv. math. II 6, 4; IV 14, 13.
Die Bezeichnung thermopolium (vom Trinken
des mit heißem Wasser gemischten Weines) fin-
det sich nur bei Plautus, Cure. 292 ; Pseud. 742 ;
Rud. 529; Trin. 1013, ist daher vielleichtnur dem
Griechischen entlehnt: aber diese Lokale waren
nicht anders, als die popinae, und die dort ver-
kehrenden Gäste (collicrepidae, cruricrepidae,
ferriteri, mastigiae, Trin. 1022) sind denen der
popina durchaus würdig. Allgemeiner ist ga-
nea oder ganeum, das jeden Ort bezeichnet, wo
Liederlichkeit und Schwelgerei getrieben wird,
Liv. XXVI 2. 15; Ter. Ad. 359. Cic. pro Sest.
9,20. Suet.Tib.34; Cal.ll; Nero 27. So findet
man es mit adulteria, popinae, deversoriae ta-
bernae, lenocinia u.dgl. verbunden, und die Glos-
sen erklären es mit noQvslov, taberna vel popina,
popina latebrosa u. dgl., s. Corp. Gloss. VI 488,
8) Bei Hör. sat. I 1, 29 heißen sie perfidi,
ebd. 5,4 maligni. Die Glossen erklären caupo
nicht bloß durch xamjkoe oder taberna rins, son-
dern geradezu durch negotiator fraudidentm,
Corp. Gloss. IV 49 1,29. Vgl.Artemid.Onir.I 23.
9) Darauf geht es, wenn nach Petron .39,12
die im Zeichen des Wassermanns geborenen
caupones werden. Martial spielt darauf an, 156;
III 57. und eine pompejanische Inschrift bei Bü-
cheler Carm. epigi. Lat. 430 n. 930. Auch Un-
terschlagung des für die dort untergebrachten
Tiere bestimmten Futters warf man ihnen vor,
Mark XIII 11.
lü) Vgl. die Geschichte bei Cic. de div. I
27, 57 (cf. II 66, 135) und de inv. II 4, 14.
n) Besonders Syrer, Lucil. b. Non. und b.
Prise, a. a. O.; Verg.Copa 1. luv. 8, 159.
») Mark III 59, 2. Digg. IV 9, 1 : XXIII 2,
43; XXXIII 7, 13. Paul, senk II 26, 11; über
die männliche und weibliche Bedienung der ta-
/«'/•««« Cod. Theod. VII 13,8; IX 7,1; vgl. Mar-
QUARDT 471 A. 5.
Vi) Martial II 48, 1 f. verlangt coponem Im-
niumque balneumque tonsorem neben einem
guten Freund und einem tüchtigenDiener. dann
wolle er den Komfort Roms entbehren.
14) Plin. IX 154 spricht von den caupona-
non aesfira anima/ia: vgl. die Verse Hadrians
oben A. 3.
454
Zweite Abteilung. Das Leben.
vor den Toren und an der Landstraße1); die in der Nähe wohnender
Grundbesitzer legten manchmal solche Tabernen an, um sie von ihren Sklaven
oder von Pächtern bewirtschaften zu lassen2). Sehr häufig war auch mii
diesen Wirtshäusern Bordellwirt-
schaft verbunden (vgl. Fig. 66)3), und
nicht bloß die weibliche Bedienung
mochte dabei eine Rolle spielen4),
sondern nach südlichem Brauch wohl
auch die pueri cauponariib). Da so
Wein, Weiber und Würfel die Köpfe
der Besucher erhitzten, war Streit
und Zank in diesen cauponae wohl an
der Tagesordnung (vgl. Fig. 67) 6).
Wenn demnach die popina ledig-
lich Speise und Trank, aber kein
Nachtquartier, die caupona eins wie das andere bietet, so ist das deversorium
in erster Linie die Herberge für die Reisenden, die natürlich auch für deren
leibliche Bedürfnisse sorgen mußte7) und daher öfters auch taberna deversoria
Fig. 66. Wirtshausszene. Belief aus Aesernia.
!) So finden wir bei Hör. sat. I 5,51 Caudi
cauponae; Cic. Phil. II 31,77 eine cauponula
ad saxa rubra nahe bei Rom (vgl. Gell. VI (VII)
1 1, 4) ; an der Via Appia bei Prop. V (IV) 8, 19
emearcanataberna; ebendort nach Fest. 45, 13
Caeditiae tabernae (vgl. CIL 1 1199), und nach
Cic. ad Att. II 12, 2 und Act. apost. 28, 15 die
sog. Tres tabernae, womit zu vgl. Plaut. Pseud.
638 : ego devortor extra portam huc in taber-
nam tertiam. An der Via Latina lagen diePictae
tabernae, Strab.V237. Nero ließ in Thrakien
an den Militärstraßen tabernae et praetoria an-
legen, CIL II 6123 (letztere sind vornehmere
Einkehrhäuser für Beamte, vgl. ebd. 2809).
Tabernae hießen von diesen Einkehrhäusern
überhaupt verschiedene Stationsorte an den rö-
mischen Heerstraßen; der deutsche Ortsname
Zabern (Bergzabern) kommt davon her.
*) Varr. r. r. 1 2. 23 : si ager secundum viam
et opportunus viatoribus locus, aedificandae ta-
bernae deversoriae, quae tarnen, quamvis sint
fructuosae, nihilo magis sunt aqriculturae par-
tes. Vitr. VI 8 (5), 2. Mart. III 58. 24.
3) Relief von Aesernia, nach 0. Jahn BSG W
1861 Taf. X 6. Saglio 974 Fig. 1258. Schrei-
ber a. a. 0. Taf. 62, 12, hier ohne die Inschrift
(CIL IX 2689), die folgende Unterredung zwi-
schen Wirtin und Gast wiedergibt : Copo compu-
temus. — Habes vini sextarium unum, panem,
assem unum; pulmentarium asses duos. —
Cotwenit. — Puellam, asses octo. — Et hoc con-
venit. — Faenum mulo, asses duos. — Iste mu-
lus nie ad factum dabit. Vgl. auch Suet. Nero 27:
dispositae per litora et ripas deversoriae ta-
bernae parabantur insignes ganea et matro-
narum institorio copas imitantium atque hinc
inde hortantium ut appeller et. Hör. sat. I 14,
24 f. Copones auf Inschr. vgl. CIL V 5931 ; XII
5968; XIII 2936.
4) Cod. Theod. IX 7, 1 werden die anciUm
tabemarum ohne weiteres zu den meretrices
gerechnet.
5) Plaut. Poen. 1298.
6) Vgl. Prop. ä. a. 0.: turpis in arcana so-
nuit cum rixa taberna. Auf dem pompejani-
schen Dipinto Fig. 67 nach Presuhn Pompeji V
Taf. VII ist ein solcher Streit drastisch geschil-
dert. Links sitzen zwei beim Brettspiel und
fangen an zu streiten: Exsi, sagt der eine; Xon
tria, duas est, der andre. Rechts ist die Rauferei
im Gange, der Wirt kommt dazu und drängt sie
mit den Worten Itis foris rixsatis hinaus. Vgl.
Mau Bull. d. Inst. 1878, 192.
7) In diesem Sinne z. B. Auct. ad Her. IV
51,64. Cic. ad Att. IV 1 2. Liv. 1 5 1 , 2 ; XLV 22, 2.
Suet. Vit. 7; ders. Caes. 72 (deversoriolum von
einer sehr bescheidenen Herberge). Sen. de ben.
VI 15, 7. Petron. 9, 10; 15,8; 19,2 u.ö.; ein
parvum deversorium ebd. 124, 2. In den Glos-
sen durch Jiavboyziov , xaxakvixa übersetzt, Corp.
Gloss.VI 336; ebd. kommt für den Wirt dever-
sorianus vor, II 393, 17; durch stabularius, ho-
spltarius erklärt ebd. 577, 15, während der dort
einkehrende Gast deversitor heißt, Petron. 79, 6;
81,1. Jedoch bedeutet das Wort streng genom-
men jedes Einkehrhaus, auch das private; und
vermögende Leute, die häufig auf Reisen waren,
kauften sich wohl in der Provinz kleine Häuser,
um auf der Reise nicht im öffentlichen Wirts-
haus einkehren oder einenGastfreund inkommo-
dieren zu müssen, s. Cic. ad fam. VI 19, 1; VII
23, 3; XII 20; ad Attic. XI 5, 2; XIV 8. Sonst
gebraucht Cicero gern dasWortim übertragenen
Sinn, vgl. de sen. 23, 84; de or.II 57,234; 71,
290; Phil. II 41, 104; ebenso Seneca, ep. 89, 21 ;
108, 6.
Siebenter Abschnitt. Der Verkehr.
455
avi
genannt wird x). Dafür wird öfters hospitium gebraucht, obschon darin auch
die Aufnahme des Gastes durch den Gastfreund liegt2). Hingegen ist atabulum,
ursprünglich wohl nur den Stall bedeutend3), ein Wirtshaus mit Ausspann
für die Reit- oder Zugtiere der Reisenden4), mit dem stabulariuß als Wirt5).
Solcher Einkehrhäuser gab es im römischen Reiche überall6); die meisten
Fig. 67. Brettspiel und Rauferei in einem Wirtshaus. Dipinti aus Pompeji.
freilich nicht besser, als die oben geschilderten cauponae. Pferdeknechte,
Maultiertreiber, Matrosen waren stehende Gäste7), die Bewirtung in den
meisten Fällen sehr bescheiden8), Zimmer und Betten unsauber9), die Wirte
verdächtige Subjekte10). Freilich scheinen auch die Preise nicht hoch ge-
wesen zu sein11). Zwar gab es hier und da auch Gasthäuser besserer
') Plaut. Men. 436; Truc. 697. Varr. r.r. I
2. 23. Suet. Nero 27; auch taberna meritoria,
Val. Max. I 7 ext. 10.
2) Im Sinne von Wirtshaus bei Plaut. Poen.
673, wo der leno gegen Geld Aufnahme in ho-
spitium optumum verspricht; Hör. sat. 1 5, 1
wird das moclicum hospitium in Aricia auch in
der Regel so erklärt. Ferner vgl. Sen. de ben.
VI 15, 7. Plin. ep. VI 19, 4. Apul. met. I 7, so-
wie die Inschr. Mau Bull. d. Inst. 1882, 116. Es
war sicherlich, wie die Inschriften zeigen, die
feinere Form: der Besitzer bezeichnete sein
Wirtshaus weder als caupona noch als deverso-
riii»), sondern als hospitium; vgl. CIL IV 807:
hospitium hie locatur, triclinium cum tribus
/, , tis. Der Wirt, hospitarius, s. oben S. 454 A. 7.
s) So wohl auch Plaut. Poen. 268.
4) Cic. Phil. II 28, 69. Petron. 6, 3; 8, 2;
16,4u.ö. Mart.VI94,3. Spart. Sev. 1,10. Apul.
met. 115; ebd. 21. Der Unterschied vom caupo
ist definiert Digg. IV 9, 5 pr.: caupo {mercedem
aeeipit) ,ut viatores mauere in caupona patiatur,
st (il>)darius,ut permittat iumenta apud eum sta-
bula vi. Daher iststabulum in den Glossen sowohl
ijx.tonxäaiov wie JiavdoxeTor, Corp. Gloss. VII 290.
5) Sen.de ben. 1 14, 1. Apul.met.1 17. Digg.
a.a.O.; die Wirtinnen, stabulariae, waren ver-
rufen, bei August. civ.Dei XVIII 18 sogar als der
Zauberei verdächtig, wie die caupona Meroe bei
Apul. met. I 7 eine Hexe ist.
6) Vgl. über die Häufigkeit der Gasthäuser
Friedländer a. a. 0. 33 f.
7)Suet.Vit.7.Plut.desan.tuendal6p.l30E.
8) Die von Galen. VI 663; XII 254 erzählte
Geschichte von dem Wirt, der den Gästen Men-
schenfleisch vorsetzte, klingt sehr abenteuer-
lich.
9) Dm derersoriiun, indemi.J. 167 v.Chr.
dierhodischen Gesandten in Rom untergebracht
waren, wird von diesen selbst als sordidum be-
zeichnet, Liv. XLV 22, 2. Bei Apul. met. I 1 1
ist das Bett, in dem Lucius schläft, zu kurz, es
fehlt ein Fuß, und es ist auch sonst morsch. Die
Kissen in den cauponae waren in der Regel nur
mit Rohrbüscheln gestopft, Plin. XVI 58.
10) Bezeichnend heißt es bei Apul. met. 1 17:
non inmerito stabidarios liosomnes hospites dc-
testantur.
M) Im 2. Jahrh. v. Chr. zahlte man in den
Wirtshäusern des cisalpinischen Galliens für
Wohnung und Kost ein halbes As (damals 2
bis 3 Pf.), Polyb. II 15. Daß aber auch in der
Kaiserzeit die Preise noch recht niedrig waren,
zeigt die oben S. 454 A. 3 angeführte Wirts-
hausrechnung, wo Wein, Brot und Zukost 3 As
(etwa 20 Pf.) kosten.
456 Zweite Abteilung. Das Leben.
Gattung1), doch scheinen sie Ausnahmen gewesen zu sein. Übrigens kam
die Dürftigkeit der meisten Herbergen wohl nicht von der Beschaffenheit
der Gäste, sondern hing damit zusammen, daß man im Süden an anspruchs-
lose Wirtshäuser gewöhnt ist und die Alten es vielleicht noch mehr waren,
als die heutigen Italiener oder Griechen2).
Wohl die meisten Wirtshäuser und Herbergen hatten, wie es heute
üblich ist, Namen3) und sehr oft ein Schild oder Abzeichen4), öfters, wie
heut noch, irgendein Tier, nach dem dann das Wirtshaus auch seinen Namen
führte5). Auch Inschriften mit Empfehlung der Aufnahme und Verpflegung
fehlten nicht6), oder Flaschen, die an den Ladenpfeilern aufgehängt waren,
luden zum Besuch der Schenke ein 7).
In Pompeji haben sich zahlreiche Lokalitäten erhalten, die man als
popinae oder cauponae ansprechen kann, da sie teils durch die Beschaffenheit
des zum Wärmen von Speisen und Getränken eingerichteten Ladentisches,
teils durch Inschriften und Wandmalereien sich als solche zu erkennen geben.
Die einfachsten darunter haben neben dem Ladenraum nur einige bescheidene
hintere Zimmer; andere haben ein oder mehrere Speisezimmer, aufgemauerte
Triklinien im Garten, kleine Schlaf kammern, die wohl der Prostitution dienten,
u. dgl. m.8). Auch einige größere Gasthäuser sind in Pompeji gefunden worden,
mit interessanten Inschriften, die die Gäste auf die Wände gekritzelt haben9).
Sie haben zum Teil Stallungen, die in der Nähe der Tore belegenen eine gepfla-
sterte Einfahrt für Wagen; auch die Tränken für die Zugtiere sind erkennbar10).
Wir dürfen annehmen, daß in der Kaiserzeit überall an den das weite
römische Reich durchziehenden Straßen und ebenso in den meisten größeren
Ortschaften derartige Gasthäuser angelegt waren, denn sie waren für den
größten Teil der Reisenden, nämlich für alle, die nicht ein eigenes Absteige-
quartier hatten oder bei einem Gastfreunde einkehren konnten, eine Not-
wendigkeit. Das Reisen aber war schon in der republikanischen Zeit etwas
recht Häufiges geworden und hat jedenfalls in der Kaiserzeit noch eine be-
deutende Steigerung erfahren11). Wenn in früheren Jahrhunderten neben
') Epict. diss. II 23. 36 f. nennt sie jtavdo- I malum, adpirum. Daß die imago Galli in scuto
xsia xald oder xofiipd. Namentlich Aegypten | Cimbrico picta (Quint. VI 3, 38) auch der betr.
scheint in der Kaiserzeit solche elegantere Gast- I Taberne den Namen ( ad scutum Oimbricum) ge-
häuser besessen zu haben, Strab. XVII 801.
*) So gewiß mit Recht Friedländer a. a.O.
32.
3) Die Pictae Tabernaesind schon erwähnt,
s. oben S. 454 A. 1.
4) Ueber Ladenschilder s. oben S. 61.
5) So in Narbo : ospitalis a gallo gallinacio,
CIL XII 4377; in Pompeji ein Gasthaus zum
Elefanten: Sittius restituit elefantu, darunter
hospitium hie locatur, triclinium cum tribus
lectis et comm{odis) , CIL IV 806 f. Artemid. Onir.
I 4 erwähnt ein i;evoöo%sTov xo xakovfxevov xd-
f-ttjlos, mit dabei abgebildetemKamel. Mi tWahr-
scheinlichkeit vermutet Marquardt 474, daß
auch die Stationennamen der Itinerarien ad
aquilam minorem, ad aquilam maiorem, ad dra-
cones, ad olivam etc. ihre Namen von Tabernen-
schildern erhalten haben; ebenso andere, wie
ad Mercurios, ad Dianam, ad Herculem, ad
geben habe, ist nicht nachweisbar, aber wahr-
scheinlich. Vgl. Jordan A.Z. XXIX (1871) 65 ff.
Friedländer 35 f.
6) So in Lyon CIL XIII 2031: Mercuriiis
hie hierum promittit, Apollo salutem: Septu-
manus hospitium cum prandio. Qui venerü, me-
lius utetur. Post, hospes, ubimaneas prospice.
Marquardt 473 vermutet, daß das Haus Ad
Mercurium et Apollinem geheißen habe.
7) Mart.VlI61,5.
8) Vgl.OvERBECK377;379f.MAubeiP.-W.
a. a. 0. und Pompeji 393 ff.
9) Mau Pompeji 394.
10) Ebd. 395.
11) Eingehend handelt über die Reisen im
Römerreich, ihre Veranlassung, Häufigkeit und
Schnelligkeit u. a. m. Friedländer II 1 ff. ; lehr-
reich ist auch der oben (S. 442) zitierte Aufsatz
von Heinr. Stephan S. 102 ff.
Siebenter Abschnitt. Der Verkehr. |,",7
iai» ien Militärs und den Staatsbeamten, die von Berufs wegen in Italien und
tä ien Provinzen herumreisen mußten, es vornehmlich die Kaufleute waren,
^ iie durch ihre Geschäftsinteressen beim Ein- und Verkauf von Waren bis
ren an die fernsten Grenzen des Reichs und oft noch darüber hinaus gefühlt
wurden1), so kamen mit der Zeit, und je länger je mehr, die Reisen zu
»ti wissenschaftlichen und künstlerischen Zwecken hinzu, von Gelehrten, Ärzten,
lv'i Rhetoren, Bildhauern, Malern, Schauspielern usw. unternommen2); erst zuletzt
:1« wohl die Reisen der Touristen, die gemacht wurden, um historisch berühmte
"ü Stätten aufzusuchen, Bau- und Kunstwerke zu sehen, fremde Länder und
Völker kennen zu lernen3). Erleichtert, vielfach erst ermöglicht wurden
diese Reisen durch das ausgedehnte Netz vorzüglicher Landstraßen, das sich
über das ganze römische Reich spannte, die entlegensten Provinzen durchzog
und selbst vor dem Schnee und Eis der Alpen nicht Halt machte4). I ml
so lebhaft, wie wir uns den Verkehr auf diesen Straßen denken müssen, so
war er meist auch auf dem Meere; denn wenn auch die Seefahrt haupt-
sächlich auf Frühjahr, Sommer und Frühherbst beschränkt war, so konnte
sie doch auch im Winter nie völlig ruhen, namentlich wo es sich um Berufs-
reisen, um Überbringung wichtiger Nachrichten, auch wohl um kaufmännische
Interessen handelte5) ; freilich wartete man günstiges Wetter ab. Im allgemeinen
zog man sicherlich bei Reisen nach den ferneren Provinzen die schnellere
und meist bequemere Seereise vor, auch wenn die betreffende Gegend auf
dem Landwege erreichbar war.
Was die Tracht anlangt, in der man reiste, so war da natürlich das
Staatskleid, die Toga, nicht üblich, sondern je nach der Jahreszeit die bloße
Tunika oder diese mit Mantel darüber, besonders mit den früher besprochenen
Kapuzenmänteln6). Der gewöhnliche Reisende, der ohne Sklaven war, trug
sein Reisegeld im Beutel, dem marsupium1), bei sich, das am Gürtel befestigt
zu sein pflegte8). Die Mittel, deren man sich zum Reisen auf dem Lande
bediente, waren dieselben, wie sie es bis zur Erfindung der Eisenbahnen
gewesen sind, nämlich für diejenigen, die nicht vorzogen, zu Fuß zu gehen,
Reittiere, Sänften und Wagen. Bei Fußreisen handelte es sich in der Regel
nicht um sehr große Entfernungen; Fußwanderungen zum Vergnügen, um
Natur und Landschaft recht genießen zu können, scheinen die Römer so
wenig gekannt zu haben wie die Griechen9). Zu Fuß reisten vornehmlich
Ärmere, denen die Mittel für andere Beförderungsmittel fehlten, dann aber
besonders Briefboten, wenigstens innerhalb Italiens10). Sehr gewöhnlich
war wohl das Reisen zu Pferd oder Maultier, schon deswegen, weil ein Reiter
1623.
8) Daher heifit der Beutelschneider Meter
zonarins, Plaut. Trin. 882.
9) Man vgl. bei Friedläm>ki: 1 '.'•"> ff. den
Abschnitt über die Entwicklung des Gefühls
für das Romantische in der Natur im Gegen-
satz zum antiken Naturgefühl, bes. S. 235 f.
10) Wenn Cicero auf seinem Gut bei Pom-
Fig. 66 und unten Fig. 69. | peji Briefe aus Rom durchschnittlich am nerton
7) Plaut. Epid. 185; Rud. 1313: Men. I oder fünften.frühestensam dritten erhält(BARDT
254 u. ö. Varr. b. Non. 142,1 und r. r. III 17,2. Quaestion.Tullianae 8 f.), so ist der tabellarius
Corp. Gloss. I 682. Vgl. Lapaye bei D.-S. III sicher zu Fuß gereist.
') Friedländer 55 ff.
2) Ebd. 71 ff.
s) Ueber die mannigfaltigen Interessen der
römischen Touristen s. ebd. 152 ff. Interessant
ist die Darlegung Senecas ep. 104, 15 über den
Nutzen des Reisens.
*) Vgl. Friedländer 1 ff.
5) Ebd. 20.
458
Zweite Abteilung. Das Leben.
auf Wegen fortkommt, wo ein Wagen nicht passieren kann1); auch konnte
man dem Reittier sein Gepäck aufladen2). Von den Sänften als Reisevehikel
ist schon oben die Rede gewesen; es war das wohl bei Frauen von Stande
die gewöhnliche Art zu reisen3), doch wurde sie auch von Männern nicht
verschmäht4). Diejenige Art des Reisens, die am meisten Schnelligkeit mit
Bequemlichkeit verband, war die zu Wagen. Das gibt uns Anlaß, von den
verschiedenen Arten der bei den Römern üblichen Wagen überhaupt einiges
zu sagen5).
Die ganz allgemeine Bezeichnung, wie sie unserem Wagen und dem
griechischen ägjua entspricht, ist currus; das Wort ist aber nur für die alten
Streitwagen, für den Prunkwagen des Triumphators und den Rennwagen in
den Zirkusspielen üblich geblieben6), also für einen zweirädrigen Wagen,
dessen runder Wagenkasten vorn geschlossen und von hinten, wo er bestiegen
wurde, offen war. Da er nur jenen bestimmten Zwecken diente, kommt er
hier nicht in Betracht7). Bei den für den gewöhnlichen praktischen Gebrauch
bestimmten Wagen unterscheidet man Lastwagen und Wagen zur Personen-
beförderung. Der Lastwagen heißt mit einer allgemeinen Bezeichnung plaustrum
oder plostrum. 8), und zwar dient er teils zum Transport von allerlei Lasten,
wie Baumaterial u. dgl.9), teils für die Zwecke der Landwirtschaft, vornehm-
lich zum Einbringen der Ernte und zum Mistfahren10); seltner findet sich
Verwendung zum Leichentransport11) oder als Vehikel für Lebendige12). Meist
hatte das plaustrum zwei, seltner vier Räder13), und zwar nicht Speichen-
räder, sondern Scheibenräder, tympana genannt14), die mit der Achse fest
') Vgl. den Anfang von Apul. metam. I 2;
der Erzähler reitet, steigt dann vom Pferde ab
und führt es am Zügel weiter, dann schließt er
sich zwei vor ihm gehenden Fußwanderern an.
Siehe auch das Relief von Aesernia Fig. 66.
2) So sagt Hör. sat. I 6, 104: nunc mihi
curto ire licet mulo vel si Übet usque Tarentum, j
mantica cui lumbos onere ulceret atque eques
armos.
3) Cic. ad Att. X 10, 5.
4) Cic.ad fam.VII 1. Suet. Aug. 29; Tib.
60. Plin. ep. III 5, 15.
5) Eine neuere Spezialarbeit hierüber ist
seit dem in vielen Punkten willkürlichen Buche
von Ginzrot Die Wagen u. Fuhrwerke d. Gr. u.
Römer, München 1817, nicht mehr erschienen.
Zu vgl. ist sonst Becker-Göll III 15 ff. Mar-
quardt 731 ff.; Reliefs mit Darstellungen von
Reisen zu Wagen s. unten und vgl. Amelung
Skulptur, d. Vatikan. Mus. I 356 n. 69 Taf. 38;
579 n. 408 Taf. 61; 621 n. 469 Taf. 66: 668 n.
540 Taf. 70.
6) Vgl. Saglio bei D.-S. I 1641 f. Rich
Wörterbuch 210.
') Ebensowenig die tensa,die ähnliche Form
hatte und zum Herumführen von Götterbildern
diente, Corp. Gloss. II 198, 18 -.tensaeaQ/xa üewr;
vgl. Cic. Verr. V 72, 186. Suet. Vesp. 5 u. s.
8) Vgl. Lafaye bei D.-S. IV 504. Es ent-
spricht dem griech. a>ct£ct, Corp. Gloss. VII 97;
ein kleiner Lastwagen heißt plaustellum, ebd.
IV 419,39; V473, 17; der Fabrikant plaustra-
rius, ebd.III 271,42 (CILX 3989; lignariusplo-
strarius ebd. IV 485) durch äßa^ojioiög erklärt;
sonst kann es auch ein Fuhrmann sein, wie
Digg. IX 2,27,33; vgl. Blümner Technol. II
325.
' 9) Cic. Verr. act. II 1. 1 20, 53. Varr. 1. l.V
140. Verg.Aen. XI 138. Hör. sat. I 6,42. Ov.
met. XII 282. Vitr. X 1, 3 luv. 3, 256.
10) Plaut. Aul. 505. Cator.r.2,7; 10,2. Varr.
r. r. I 22, 3. Cic. de div. I 27. 57. Verg. Geo. I
163; II 206; III 536. In der Lex Iulia munici-
palis (s.oben S.443) sind die plaustra die Last-
wagen, die Lasten in die Stadt bringen und am
Tage leer oder mit Mist hinausfahren dürfen.
n)Hor. ep.II 2,74.
12) Ov. fast. VI 680. DieWagen der Skythen,
in denen sie mit den Familien nomadisieren,
heißen auch plaustra, Hör. carm. III 24, 10.
Verg. Geo. III 362. Ov. trist. III 10,59; vgl.
Amm. Marc. XXXI 2, 18. Der Wagen des The-
spis heißt plaustrum bei Hör. a. p. 276. Auch
das Sternbild des Wagens (großer Bär) wird so
bezeichnet, Ov. met. II 177. Mart. VIII 41,4.
13) Isid.or. XX 12,3: plaustrum vehiad um
duarum rotarum, quo onera deferuntur. Vier-
rädrige plaustra finden sich auf alten Bild-
werken, s. Mus. Borb. V 48.
14) Prob, ad Verg. Geo. 1 163: sunt enim vm
Tticula, quorum rotae non sunt radiatae, sed
tympana cohaerentia axi etiuncto caniho ferreo.r
axis autem cum rota volvitur, nam rotae circa
eiusdem cardinem adhibentur. Vgl. Verg. Geo.
Siebenter Abschnitt. Der Verkehr.
■I.V.)
I verbunden waren und sich mit ihr zusammen drehten, weshalb diese Lastwagen
Bübel knarrten1). Das obere Wagengestell war meist aus Latten2) und offen,
Idoch zeigen die Abbildungen auch geschlossene Wagenkörbe3). Als Zugtiere
Idienten Rinder, Maulesel und Esel4), am gewöhnlichsten die ersten6). — Im
gleichen Gebrauche zum Transport von schweren Lasten6) oder landwirt-
schaftlichen Produkten7), gelegentlich auch für Massentransport von Leichen8),
[war das serracum oder sarracum9); es war vom plaustrum wohl nur dadurch
unterschieden, daß es niedrige Scheibenräder hatte10). Ein militärischer Pack-
wagen war der carrus11), der ebenso wie das Wort keltischen Ursprungs ist
und den die Römer bei Galliern, Helvetiern usw. kennen gelernt hatten12).
Endlich die arcera, die vornehmlich in älterer Zeit erwähnt wird, war ein
kastenartiger Wagen13), der von allen Seiten geschlossen war14) und der,
abgesehen von anderem Gebrauch, auch von Kranken und Greisen benutzt
wurde15).
Von den für die Personenbeförderung und zwar, da das Fahren in den
Straßen am Tage verboten war (siehe oben S. 443), besonders für Reisen
bestimmten Wagen war das cishiml&) ein leichter zweirädriger, unserm Gig
oder Phaethon ähnlicher Wagen17), mit dem man, wenn man kein Gepäck
II 444. Varr. r. r. III 5, 15. Plaustra mit sol-
chen Scheibenrädern finden sich öfters auf alten
Denkmälern, s. Daremberg-Saglio a. a. 0. Fig.
5705 ff. Schreiber Kulturhistor. Bilderatlas
Taf. 64, 9.
') Daher stridentia plaustra, Verg. Geo.
III 536. Ov. trist. III 10,59.
2) Varr. 1. 1. V 140: plaustrum ab eo quod
noti ut in his quae supra dixi, sed ex omni parte
palam est quae in eo vehuntur, quod perlucent,
Ut lapides, asseres, tignum.
3) Vgl. Ov. fast. VI 680, wo er aus Binsen
geflochten ist.
4) Cat r. r. 62 schreibt vor, der Landwirt
solle so viele Joch Rinder, Maulesel und Esel
haben, als er plostra hat. Asini plostrarii ebd.
11, 1.
5) Verg. Geo. II 206; III 140. Colum.VI2, 9.
6) luv. 3, 255. SisennabeiNon.195,25. Sid.
Apoll, ep. IV 18, 1. Amin. Marc. XXXI 2, 18.
7) Vitr. X 1, 5.
8) Bei einer Pest, Capit. M. Ant. phil. 13, 3.
Daß Personen damit befördert werden, ist Aus-
nahme, vgl. Cic. bei Quint.VIII 3, 21, wo die
Bezeichnung serracum als sordidum nomen be-
merkt wird. Bei luv. 5, 23 heißt das Sternbild
ierraea.
9) Die Form serracum ist in den Hss. die
häufigere: es kommt auch serraca als Singul.
vor, Sid. Ap. a. a. O.
10) Corp. Gloss. V 654. 22 : sarracum genus
vehiculi cum humilibus et solidis rotis. Sonst
erklären es die Glossen durch äua$a oder plau-
strum, s. ebd. VII 233. Im Ed. Diocl. 15, 31 ff.
kommt es in der Form oagäyagor vor, vgl.
Blümner das. 140 f.; das Attribut ßiocota, das
Marquardt732 A. 5 anführt, ist Versehen eines
Steinmetzen. Vgl. Lafaye bei D.-S. IV 1077.
u) Sisenna und Varro bei Non. a. a. 0. Im
Ed. Diocl. 15, 38 f. kommen vierrädrige vor, doch
sind es dort offenbar kleinere Packwagen, wie
aus dem niederen Preise hervorgeht, s. Blümner
ebd. 141 . Ginzrot I Taf. 9 bildet Gepäckwagen
von der Trajans- und Markus-Säule ab, die er
für carri hält, die aber alle zweirädrig sind.
Vgl. auch Saglio a. a. 0. 1 928. Mau bei P.-W.
III 1615.
12) Caes. b. Gall. I 3 ; 6 ; 24; 51 u. ö. Liv. X
28,9.
15) Varr. 1. 1. V 140: quod ex tabulis vehicu-
lum erat factum ut arca, arcera dictum. Corp.
Gloss. V 7, 2: arceram vehiculum in arcae mo-
dum confixum, non utique (dafür liest Nettle-
ship convexum muiiitumquc) plaustrum, id est
carrum. Sonst erklären sie die Glossen nur
durch plaustrum oder vehiculum, VI 89.
u) Non. 55,3: arcera plaustrum et rusti-
cum tectum undique, quasi arca.
lb) XII Taf. bei Gell. XX 1,25; vgl. ebd. 29:
arcera autem vocabatur plaustrum tectum un-
dique et munitum, quasi arca qnaedam magna,
restinumtis instrata, qua nimis uegri auf senes
portari cubantes solcl>a>it. Vgl. Non. a. a. 0..
nach dem das Wort bei Varro, aus dem eine
Stelle zitiert wird, und bei Cicero vorkam. Das
Wort war zwar antiquiert, aber nicht vergessen ;
Auson. ecl. 13, 18 nennt das Sternbild des Wa-
gens arcera.
16) Vgl. Lafaye bei D.-S. I 1201. Mau bei
P.-W. III 2588.
17) Non. 86, 28: rehiculi bimti genus. Der
Wagenkasten des cisium hieß lat. capsa. mit
einem keltischen Wort, das Catull. 97. 6 ge-
braucht, ploxenum, s. Festus 230 b, 7. Quint, I
5,8. Daß es bisweilen mit drei Pferden bespannt
wurde, zeigt Auson. epist. 8. 3: rel cisin triiugi
insilias. Vermutlich hatten bloß zwei Personen
darin Platz, der Fahrgast und der Kutscher.
460
Zweite Abteilung. Das Leben.
hatte, sehr schnell reiste x). Die cisiarii, wie die Kutscher dieser Mietwagen
hießen, kommen auf Inschriften öfters vor2), sie hatten ihre Stationen vor:
den Toren3). Dagegen war die reda (auch rheda oder raeda geschrieben)4),
ein in Gallien üblicher Wagen, der nebst der Benennung von dort über-
kommen war5), der eigentliche Reisewagen6), auf dem viel Personen Platz
hatten7), sowie noch Gepäck untergebracht werden konnte8). Es waren das
starke vierrädrige Wagen9), die zwei- oder vierspännig10) von Pferden11) oder
Maultieren 1 2) gezogen wurden und für gewöhnlich eine viel langsamere Be-
förderung bedeuteten, als die durch ein cisium15). Man konnte auch redae
mieten14), obschon die Reichen natürlich ihre eignen hatten15); die reda.
war auch das gewöhnliche Gefährt der Staatspost16) (vgl. Fig. 68 17)). — Von
gleicher Herkunft war das essedum (oder esseda)18), ursprünglich ein keltischer,
in Britannien und Gallien üblicher Streitwagen19), der aber auch dort als
') Cic. Phil. II 31,77; pro Rose. Am. 7. 19
legt ein Bote 56 röm. Millien (gegen 83 km) in
10 Stunden zurück, indem er sich der cisia (d. h.
mit frisch untergelegten Pferden) bedient. Sen.
ep. 72, 2 gibt zwar zu, daß man im cisium sich
etwas notieren könne, aber nur flüchtig. Auson.
epist. 14, 13 stellt das schnelle cisium dem 2»'ger
veraedus entgegen. Nach Verg. catal. 8, 1 ff.
suchten die Kutscher sich im Schnellfahren zu
überbieten, worauf auch Digg. XIX 2, 13 pr. geht.
2) Gisiarii geschrieben ; so in Pompeji an
der Grenze des Stadtgebietes CIL X 1064; in
Tibur VI 9485; in Cales X 4660; ein collegium
der cisiarii war in Praeneste, XIV 2874, eins
von iuvenes cisiani, was wohl dasselbe ist, in
Ostia, ebd. 409, 16 (vgl. 1 1129). Corp. Gloss. II
338, 61 : cisiarius xagovyäoiog. Vgl. Digg. a. a.O.
Unsicher ist. ob der cisiarius von Sena Gallica
CIL XI 6215 Kutscher oder, wie öfters ange-
nommen wird, Fabrikant von cisia. ist.
3) Ein zweispänniger, zweirädriger Per-
sonenwagen auf dem Denkmal von Igel, abgeb.
Dabemberg-Saglio Fig. 1540, könnte ein ci-
sium sein.
4) Vgl. Saglio bei D.-S. IV 862: über die
Namen Revue de l'instruct. publ. en Belgique
1864,56; 1867,390.
5) Caes.b.Gall.151; VI 30 Quint.15,57
u. 68. Die Glossen erklären es mit xüqqov, xag-
Qovyiov, oagdyaQor, Corp. Gloss. VII 180. Reda-
rius ist ebensowohl der Kutscher (Cic. pr. Mil.
10, 29), wie der Fabrikant (Capit. Max. et Balb.
5, 1 : raedarius vehicularius fabricator).
6) Varr.b.Non.167.20. luv. 3, 236; 4, 118.
Ed. Diocl. 15,33.
7) Cic.p Mil. 10.28; 20,54; Phil. II 24,58;
ad Att.VI 1,25. Hor.sat.II 6,42. Mart.III47,
5; X 13,1.
8) luv. 3,10 hat die reda den Hausrat und
die Familie eines von Rom Fortziehenden aufzu-
nehmen; Mart. III 47, 5 ist sie mit ländlichen
Produkten beladen. Nach Cod. Theod.VIII 5,
8, 1 konnte eine reda bis 1000 Pfund tragen.
9) Isid. or. XX 12, 2: reda genus vehicidi
quatuor rotarum. Cod. Theod. a. a. O. 2 wird
die reda der birota entgegengesetzt; jene soll
im Sommer mit acht, im Winter mit zehn mu-
lae bespannt sein, diese bloß mit drei.
10) Helv. Cinna bei Gell. XIX 13, 5 : me . . .
bigis raeda raptat citatis manis. Venant. For-
tun, carm. III 17, 1 : curriculi genus est, memo-
rat quod Gallia raedam: molliter incedens or-
bita sulcat humum, \ exiliens duplici biiugo
volat axe citato \ atque movet rapidas iuneta
quadriga rotas.
1 ') Varr. r. r. II 7, 15. Helv. Cinna a. a. O.
12) Varr. r. r. III 17,7: mulae redariae.
n) Bei Hör. sat. I 5,86 macht die Reise-
gesellschaft mit ihren raedae in einem Tage nur
24 Millien (35,5 km). Daß Cic. ad Att.V 17, 1
einen Brief sedens inraeda diktiert, sprichtauch
für langsames Fahren. Bei schnellen Fahrten,
wie sie Suet. Caes. 57 erwähnt, kamen jeden-
falls leichtere Gefährte zur Anwendung.
14) Sog. redae meritoriae, Suet. a.a.O.; vgl.
Calig.39. Sen. de ben. VII 5,3.
15) Nach Lampr. AI. Sev. 43, 1 gestattete
dieser Kaiser den Senatoren die Benutzung sil-
berbeschlagener carrucae und redae.
16) Sulpic.Sev.dial.il 7: reda fiscalis; vgl.
Corp. Gloss. V 525, 37; 577, 35: raeda fiscalis,
quoddam curriculi genus apud Gallos. Digg.
XXXIII 10, 4 ff. werden die Bänke, sedularia,
und die Decken, tapetia vel lintea, der redae
erwähnt. Saglio a. a. O. glaubt, daß ein auf
einem bei Langres gefundenen Relief (ebd. Fig.
5939, nach Rev. archeol. XI (1854) pl. 236) ab-
gebildeter, einem Char ä bancsähnlicherWagen
mit vier Maultieren eine reda vorstellt.
17) Relief von Maria-Saal in Kärnten, nach
Jabobnegg Kärntens Altertümer (Klagenf.1871)
Taf. 5, 1 (auch bei Müzik u. Pebschinka Kunst
u. Leben im Altert. Taf. 161, 1).
,8) Vgl.LAFAYE bei D.-S. II 815. Pollack
bei P.-W.VI687.
,9) Die erste Erwähnung ist in der Schlacht
bei Sentinum295 v.Chr., Liv.X 28,9; dann
Caes. b. Gall. IV 33; V 9 u. ö. Cic. ep. ad fam.
VII 6, 2 ; 7, 1 . Ven?. Georg. III 204. Pers. 6, 47.
Plin. XXXIV 163. Sil. It. III 337. Diod.V21,5.
Siebenter Abschnitt. Der Verkehr.
461
Keisewagen benutzt wurde1). Bei den Römern finden wir ihn schon im 1. Jahr-
hundert v. Chr. als solchen üblich2); in der Folgezeit wurde sein Gebrauch
iils Reisewagen wie als eleganter Spazierwagen immer häufiger3), und
Minentlich die Kaiser bedienten sich seiner gern auf Feldzügen4). Der
Form nach war der keltische Schlachtwagen dem homerischen ähnlich, also
Zweirädrig und zweispännig6); ob das römische essedum ganz entsprechend
Fig. 68. Vierrädriger Reisewagen (reda?). Relief aus Maria-Saal.
war, läßt sich nicht sagen, da Beschreibungen fehlen und sichere Abbildungen
nicht nachweisbar sind6). Jedenfalls dürfen wir nicht daran denken, daß die
Wagenkasten denen der griechischen Schlachtwagen, die offen sind und nur
zwei stehenden Personen Raum gewähren, glichen, denn solche Wagen wären
für längere Reisen7) ganz unpraktisch gewesen. Es muß sowohl kleinere,
leichte und schnelle gegeben haben8), die man auch wohl selbst lenkte9), als
größere, die ein essedarius lenkte10). Denn dafür, daß das essedum nicht stets und
') Diod.V29, 1.
2) Bei Cic. Phil. II 24, 58 reist Antonius im
essedum, seine Geliebte in der lectica und seine
Begleiterin der raeda, ebenso hatad Att.VI 1,25
eine Reisegesellschaft zwei esseda, eine raeda
und eine lectica.
s) Ov. ex Pont. II 10. 34: am. II 16,49.
Prop.II 1,76: III 30 (II 32), 5. Mait.X 104.7.
4) Suet.Aug.76; Calig. 19; 26; 51; Claud.
33; Galba6; 18.
5) Diod. V 2 1 , 5 vergleicht sie mit den Streit-
wagen der homerischen Helden; V 29, 1 be-
zeichnet er sie als avvooolg.
•) Lafaye a.a.O. bildet Fig. 2767 ff. Mün-
zen ab; auf denen er das gallische essedum er-
kennen will, doch ist das, wie Pollack 688
bemerkt, zweifelhaft.
7) Nach Mart. X 104, 6 fuhr man z. B. von
Tarraco nach Bilmlis (d. h. 224 Millien) im mm-
dum. Den Ausdruck quinto essedo erklärt Mar-
quardt 734 dahin, daß der Wagen auf den Sta-
tionen gewechselt wurde; Friedländer meint,
es könne auch ein nachlässiger Ausdruck sein
für „nach dem fünften Ausspann".
8) Ov.am.II 16,49 nennt sieparra esseda:
ex Ponto II 10,34: esseda agüi rata. Hör. ep.
II 1, 192: esseda festinaut.
9) So die Dame Ov. am. a.a.O.
10) Marqüardt 734 behauptet zwar, das
essedum habe keinen Sitz für den Kutscher ge-
habt: aber wenn Augustus nach Suet. Aug. 76
im essedum aß (wenn auch nur Brot und Dat-
teln) und Claudius nach Suet. Claud. 33 sich
daran eine Vorrichtung zum Würfelspiel (nebst
462
Zweite Abteilung. Das Leben.
überall dieselbe Bauart hatte, spricht die Tatsache, daß es in späteren Quellen
auch als Lastwagen vorkommt1). Eigentümlich ist auch, daß gerade bei den
esseda ein mit ihrem Fahren verbundener starker Lärm hervorgehoben wird,
der wohl nicht bloß von den Rädern allein herkam2). Daß es bisweilen
Luxuswagen waren, zeigt die kostbare Ausstattung3). Als Bespannung dienten
in der Regel Pferde4) oder Maultiere5). — Vom essedum kann sich der covinus6)
nur wenig unterschieden haben: er war gleich diesem ursprünglich ein kel-
tischer (britannischer oder belgischer) Streitwagen7), und ebenso in die
Zirkusspiele eingeführt8). Daß er als Personenwagen sich vom essedum unter-
schied, ist gewiß, doch ist nur so viel über ihn bekannt, daß zwei Personen
darin Platz hatten, von denen die eine selbst kutschierte9). Ebenfalls gallischen
Ursprungs ist das petorritum10), ein größerer vierrädriger Wagen11), der den
Römern wohl zuerst durch Triumphzüge, in denen er aufgeführt wurde, bekannt
geworden ist12). In Gallien, wo man wie die esseda auch die petorrita mit Silber-
beschlägen verzierte13), war es noch in der späten Kaiserzeit ein beliebtes Be-
förderungsmittel14); in Italien hat sich diese Wagenform anscheinend nicht
eingebürgert15). Bespannt war es sowohl mit Pferden, wie mit Maultieren16).
alveus) hatte anbringen lassen, so müssen diese
doch besondere Kutscher gehabt haben, wenn
auch vielleicht kein Sitz für sie vorhanden war.
Essedarius, das auf Inschriften nicht selten ist
(s. Lafaye a. a. 0. 827. Pollack a. a. 0. 684f),
bedeutet zwar in der Regel einen auf dem es-
sedum fahrenden Zirkuskutscher, da bei den
Zirkusspielen diese Wagenform beliebt war;
doch könnte CIL VI 4385 wohl auf einen ge-
wöhnlichen Lenker eines essedum gehn (wie
auch Marquardt 727 A. 17 annimmt, während
Dessau 7627 a darin einen Fabrikanten sehen
will). Corp. Gloss. IV 233, 12 ; V 499, 6 wird es
durch mulio vehiculi erklärt.
1) Sid. Ap. epist. II 10, 24 mit sarracum
gleichgestellt, worin Marquardt a. a. 0. A. 6
bloß eine Sonderbarkeit seiner Ausdrucksweise
sehen möchte; doch auch Auson. epist. 21,32:
heroicorum versuum plenum essedum führt auf
die Bedeutung Lastwagen hin.
2) AndenSchlachtwagenwirddasGeräusch
der Räder allerdings hervorgehoben, Liv. a.a.O.
Caes. b. Gall. IV 33. Tac. Agric. 35; von dem
Lärm der Luxuswagen sprechen Mart. IV 64,
19; XII 57, 23. Sen. ep. 56, 4. Sid. Apoll, epist.
II 10,4 v. 24: stridentum moderator essedorum.
Claudian. LI 18: esseda multisonor a.
8) Prop. II 1 , 76 : esseda caelatis iugis. Suet.
Claud. 16: essedum argenteum sumptuose fa-
ctum. Senec. frg. 48 (Haase) nennt unter den
Bedürfnissen einer vornehmen Frau eine esseda
deaurata. Plin. XXXIV 163 (von gallischen
Fabrikaten).
4) Ov. am. II 16, 49. Sil. It. III 337.
5) Claudian. a. a. 0. Bei Mart. I 104, 8 ge-
hören die turpes bisontes, die esseda ziehen, zu
einer Vorstellung im Amphitheater.
6) Vgl. Fernique bei D.-S. 11551. Mau bei
P.-W. IV 1679.
7) Pomp. Mela 111 6. Tac. Agr. 35. Sil. It.
XVII 417. Lucan. 1426.
8) Sid.Ap. carm. 23, 251.
9) Mart. XII 24 zieht den covinnus der car-
ruca und dem essedum vor, weil man durch
keinen Kutscher geniert plaudern könnte. Mau
a. a. 0. schließt daraus, daß der covinus kleiner
war, als das essedum; vgl. Pollack a.a.O. 689.
Im Corp. Gloss. II 117, 27 wird der covinus als
h6.qqi.ov xa&edQcoxöv, also mit bequemer Sitz-
gelegenheit, definiert.
10) Varr. b. Gell. XV 30, 7. Quint. I 5, 57.
Acro u. Porph. zu Hör. sat. I 6, 104; ep. II 1, 19.
Nach Fest. 206 b, 30 führte man den Ursprung
des Wortes auch auf das Oskische zurück oder
auf das Aeolische, doch ist es sicher keltisch,
nach Holder Altkeit. Sprachschatz u. d. W . von
petor, vier, und ritos oder rotos, Rad. Vgl. La-
faye bei D.-S. IV 423.
11) Festus a. a.O. Isid. XX 12, 4 stellt ihn
mit dem pilentum (s. unten) zusammen.
If) Hör. a a. 0., zusammen mit essedae und
pilenta. Nach Acro ebd. waren es vehicula fa-
mularum captivarum, nach Porphyr, wurden
die familiae requm darin aufgeführt.
1S) Plin. XXXIV 163.
'*) Auson. epist. 5, 35; 8,5; 14, 13ff. rät er
einem Freunde, ein cisium oder einen veraedus
(ein Postpferd, d. h. er soll sich der Staatspost
anvertrauen, s. u.) zu nehmen, hingegen keine
raeda, kein feuriges Pferd und kein petorritutn :
caniheris moneo male nota petorrita vites. Der
Grund zu dieser Warnung ist freilich nicht klar.
1 5) Die einzige Erwähnung, die für Gebrauch
spricht, ist Hör. sat. I 6, 104; aber Quintilian
a. a. 0. führt es ausdrücklich an, daß Horaz dies
Wort gebraucht hat. In den Glossen ist sein
Vorkommen nicht gesichert ; nur 1158,28: prae-
torium Eiöog äQfiarog vermutete Cuiacius dafür
petorritum.
16) Auson. an den angeführten Stellen.
Siebenter Abschnitt. Der Verkehr.
463
Gegenüber diesen von fremdher eingeführten Vehikeln sind das carpentum
und das pilentum altitalisehe Wagenformen. Üas carpentum l) begegnet uns
schon in früher Zeit als der Wagen, in dem die Frauen in der Stadt fuhren,
solange ihnen dies uneingeschränkt gestattet war2); seit der Lex Iulia
municipalis aber war es ein Vorrecht der kaiserlichen Familienangehörigen,
in der Stadt das carpentum zu benutzen3). Da die Münzen der kaiserlichen
ix y -i( v v » ); v v * ir y vvn v v v v v v y u v x v iunn u x.v y.v xx * n it ynm
Fig. 69. Reisewagen, nach einem etrnskischon Relief.
Damen öfters auf dem Revers diesen ihr Vorrecht bildenden Wagen dar-
stellen4), so erkennen wir daraus die Gestalt des carpentum: es ist ein
zweirädriger, zweispänniger Wagen mit einem gewölbten Schutzdach, das
seitwärts bald offen, bald geschlossen und bei diesen kaiserlichen Luxus-
wagen meist reich verziert ist (vgl. Fig. 69 und 70 5)). Ähnlich werden wir
uns das carpentum zu denken haben, das außerhalb der Stadt als Reisewagen
') Vgl. Saglio bei D.-S. I 926. Mau bei
P.-W. III 1606.
*) Mit ihm fährt Tullia über die Leiche
des Servius Tullius, Liv. I 48, 5 ff. (Varr. 1. 1. V
159); vgl. I 34, 8. Ov. fast. I 619. Nach Liv. V
25, 9 durften die Frauen seit 395 v. Chr. im
pilentum zu Opfern und Spielen, im carpentum
festo profestoque fahren (vgl. XXXIV 3, 9), was
nur für die Dauer der Lex Oppia (215 — 195
v.Chr.) verboten war. Liv. XXXTV 1,3. Vgl.
oben S. 248 A. 6.
3) Diese Ehre wurde von Caligula und Clau-
dius nach dem Tode ihrer Mütter deren Bildern
in der Pompa circensis (daher wohl Isid. or. XX
12,3 das carpentum als pompaticitm genus ve-
hiculi erklärt) zugesprochen, s. Suet. Cal. 15;
Claud. 1 1 ; von Messalina und der Jüngern Agrip-
pina berichten es DioCass.lX22,3; 33,2. Suet.
Claud. 17. Tac. ann. XII 42. Für andere Kaise-
rinnen und Prinzessinnen liegen keine Nachrich-
ten vor, doch dienen die Münzen als Belege.
4) Mau a. a. 0. gibt die Zitate aus Cohen
M£d. impe>.; vgl. Saglio Fig. 1194.
&) Nach spätetruskischen Reliefs; Fig. 69
(nach Clarac Mus. de sculpt. 151 bis, 794) zeigt
den mit zwei Maultieren bespannten Wagen in
Begleitung eines Reiters ; ein Knabe im cucuihu
geht voraus. Fig. 70 (nach Micali Ant. monum.
etr. tav. 27) zeigt in verunglückter Zusammen-
stellung einen Wagen, eine Sänfte und einen
Reiter nebst Begleitern. Die Wagen sind beide-
mal zweirädrig und haben ein rundes Verdeck.
464
Zweite Abteilung. Das Leben.
diente1), zumal für Frauen2), doch auch von höheren Beamten benutzt3).
Jedenfalls aber waren die car petita keineswegs alle gleich gestaltet: es gab
neben verdeckten solche ohne Verdeck4), kleinere und größere5); so erklärt
es sich, daß auch Lastwagen diesen Namen führen6), wie denn überhaupt
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Fig. 70. Reisewagen und Sänfto, nach einem etruskischen Relief.
das Wort eine erweiterte Anwendung gefunden7) und beinahe die Bedeutung
von Wagen schlechtweg bekommen hat8). Bespannt waren auch die carpenta
mit Pferden oder Maultieren9). Dem carpentum ähnlich, aber vornehmer10),
war das pilentum11); gleich jenem hatte es ein Verdeck12), aber vier Räder13).'
Ursprünglich bedienten sich seiner die Flamines, die Vestalinnen und die
') Prop. V (IV) 8, 23. luv. 8, 147; 9,132.
Apul. met. X 18; XI 26; florid. 20. Lampr. He-
liog. 4, 4.
2) EmanzipierteDamen kutschierten selbst,
luv. 8, 147. Prop. a.a.O.; aus letzterer Stelle er-
fahren wir, daf3 der Kutschersitz vom Platz der
Beförderten getrennt, primo temone, am Deich-
selanfang war. Die Serica carpenta ebd. sind
wohl auf seidene Vorhänge zu beziehen.
3) Vopisc. Aurel. 1,1.
4) Apul. met. XI 26 nennt decora raedarum
carpenta partim contecta, partim revelata. Der
eigentümliche Ausdruck raedarum (wie man
allgemein statt des unverständlichen hdschr.
praedorum liest), ist wohl so zu erklären, daß
dadurch die der reda ähnlichen Reisewagen (vgl.
Schol. zu luv. 8, 147) von andern carpenta un-
terschieden werden; ähnlich Cod. Th. VIII 5,30.
5) Darauf führt die Glosse grandiosa car-
penta, Corp. Gloss. III 481, 46.
6) Pallad. X 1 , 2. Auson. epist. 10, 39. Veget.
r. mil. II 25; III 7; vgl. IV 15. Veget. mulom.
IV (III) pr. 3.
7) So heißen carpenta die Nomadenkarren
der Cimbern bei Flor. I 38 (III 3). 16, der Hun-
nen bei Ammian.XXXI 2, 11 und der Gepiden
bei Cassiod. var.V 10.3; ferner GaUica carpenta,
Liv. X 30.5; XXXI 21. 17; XXXIU 23.4. Flor.
I 13 (18), 27, und die der Britannier, ebd. I 45
(III 10), 17. Daß hier nicht, wie Mau 1607 meint,
Streitwagen gemeint sind, zeigt ihre Verwen-
dung zum Transport von Beutestücken u. dgl.,
wozu sich Schlachtwagen gar nicht geeignet
hätten.
8) Carpentarius bedeutet in der Regel all-
gemein einen Wagenbauer: carpentarius arti-
fex, Lampr. AI. Sev. 52, 1; vgl. Digg. L 6, 6.
Veget. r. mil. I 7; II 11. Isid. or.XIX 19, 1. Cod.
Th.XIII 4,2. Corp. Gloss. V 564. 14: carpenta-
rii carrarii; vgl. III 308,25: carrocarpenta-
rius xaQQOTinyot. Ed. Diocl. 7, 10. CIL V 5922;
carpentaria fabrica Plin. XVI 34. Sonst heißt
der Wagenbauer auch carrarius, Corp. Gloss.
VI 185. Als Kutscher kommt carpentarius nur
Cod.Theod.VIH5, 31 vor.
9) Prop.V8,23, von detonsimanni gezogen
Lampr. Heliog. 4, 4 : carpentum mulare.
I0) Nach Liv. V 25, 9 durften die Frauen es
nur für die Fahrt zu Opfern und Spielen be-
nutzen (vgl. Fest. 245 a, 4); so auch Verg. Aen.
VI 1 1 665, und noch in der späten Kaiserzeit wer-
den pilentum und carpentum so unterschieden,
Treb. Poll. trig. tyr. 30, 17.
") Vgl.LAFAYE bei D.-S. IV 479.
12) Bei Liv. 1 21,4 ist der zweispännige <nr-
rus arcuatus vermutlich ein pilentum.
13) Isid. XX 12, 4, der auch angibt, sie hät-
ten früher blaue Farbe gehabt, später rote.
Siebenter Abschnitt. Der Verkehr.
4 «...
Matronen bei festlichen Gelegenheiten1); später scheint ihr Gebrauch all-
gemeiner, aber nur für Frauen üblich gewesen zu sein2). — Ebensowohl
Staats- wie Reisewagen war die erst in der Kaiserzeit erscheinende eornti
Jrsprünglich war sie wohl für Reisen bestimmt4); es gab daher auch solche,
lie zum Schlafen eingerichtet waren, carrucae dormitoriae*). Da diese Wa-vu
ft sehr kostbar ausgestattet waren6), so wurden sie auch als Luxuswagen
>enutzt, als der Gebrauch von Wagen in der Stadt zugenommen hatte; doch
ar die Benutzung von carrucae argentatae anfangs nur Beamten verstattet7),
ipäter auch den Senatoren8); erst Aurelian erlaubte auch den Privatleuten,
ie vorher sich mit bronzenen und Elfenbeinzieraten hatten begnügen müssen,
ie Silberbeschläge9). Auch die Kaiser bedienten sich dieses Gefährts10).
ine Form ist nicht gewiß11), doch scheint wenigstens die Reise-carruca der
c(/<i ähnlich, also wohl gleich dieser vierrädrig gewesen zu sein12). Als Bespan-
ung dienten vornehmlich Maultiere13). Überhaupt war die Verwendung der
aultiere für Last- und Reise wagen so allgemein14), daß der mulio die Bedeu-
ung des Kutschers schlechtweg bekam15). Es gab muliones, die das Vermieten
ron Maultieren und Wagen als Geschäft betrieben10) oder selbst gegen Tag-
ohn gemietet wurden17) ; aber auch unter den Sklaven gab es muliones, die auch
vohl eigne Livree trugen18). Auf Inschriften begegnen wir ihnen sehr häufig19).
') Liv. a. a. 0. und V 25, 9. Verg. a. a. 0.
ind Servius ebd. Verr. Flacc. bei Macr. sat. I
1,15 (wo aber arca pilenti wohl nicht derWa-
;enkasten ist, in dem die Priesterin sitzt, wie
Jecker-Güll 111 18 meint, sondern ein beson-
lerer Behälter für die sacra). Prud. c. Symm.
1 1089. Fest. 204, 10. Isid. a a. 0. Corp. Gloss.
1 233 22.
") Lampr. Heliog. 4, 4. Claudian. X 286.
)aß außer den Flamines Männer das pilentum
»enutzt hätten, ist nicht überliefert.
3) Vgl. Saglio bei D.-S. I 928. Mau bei
*.-W. III 1614. Das Wort ist vermutlich wie
urrus keltischen Ursprungs.
4) Mart.UI 47,13; XII 24,2. Digg. XIII
i, 17, 4. Nero führte nach Lampr. Heliog. 31, 5
,uf seinen Reisen 500 carrucae mit, nach Suet.
IKero 30 sogar 1000.
5) Nach Digg. XXXIV 2, 13 besonders von
brauen benutzt; das Ed. Diocl. führt 15, 34 ff.
wei Sorten von doo/niro)gin auf, ebd. 37 ein xa-
<ory_or: dormitoria heißen sie auch bei Hieron.
■n lerem. 16, 20. #
s) Bei Mart I II 62, 5 hat eine carruca aurea
len Wert eines Landguts. Plin. XXXIII 140 er-
mähnt welche mit Silberbeschlägen.
7) Ammian.XIV6,9. Cod. Theod. XIV 12,1
carrucae biiugae). Cod. Inst. XI 20 (19).
8) Lampr." AI. Sev. 43, 1.
s) Vopisc. Aurel.46. 3.
,0) Capitol. Max. duo 30, 4.
») Daß die Wagen, die Saglio Fig. 1197 f.
kach römischen Reliefs aus Vaison und Trier
Jbbildet. carrucae sind, ist ganz unsicher. Daß
s höhere und niedrigere gab, geht aus Ammian.
i. a. O. hervor.
12) Mart. III 47,5 nennt denselben Wagen
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft. IV.
reda. den er ebd. 13 carruca nennt.
,s) Mulae carrucariae, Digg. XXI 1,38,8;
vgl. XXXIV 2, 13. Der Kutscher heißt mulio
carrucarius bei Capitol. a.a.O.; auch bloß car-
rucarius, Digg. XIX 2, 13 pr., wo er dem <isi-
arius gleichgesetzt ist.
u) Vgl. Lafaye bei D.-S. IV 2020.
15) Lafaye a. a. 0. 2010 ; daher ist auch die
mtdomedicina s. v. a. griech. batuague^, die
Heilkunde der Zugtiere.
16) Ein solcher mulio war P. Ventidius Bas-
sus, der Konsul des Jahres 43 v. Chr., in seiner
Jugend gewesen, Gell. XV 4 ; er lieferte nament-
lich den in die Provinzen abgehenden .Mn^i-
straten Wagen und Maultiere, vgl. Cic. ad fam.
X 18, 3. Plin. VII 135 und besonders die dem
Vergil zugeschriebene Parodie des Catullschen
Phaselus, Catal. 8. Ein solcher mulio hieß auch
■mulio perpttuarkut, Senec. lud. 6, 1 ; bei Plin.
a. a. O. ist mulio costrenaia der bei der Armee
angestellte.
17) Im Ed. Diocl. 7, 19 werden für den mulio
25 Denare als Taglohn nebst der Kost angesetzt ;
vgl. ebd. 9, 5a die toUgoe mulumietut, 10, 18
das ftogellum muliouiciu». Sie bildeten in den
Städten Kollegien. CIL IV 97; 113; 134; X 143.
,8) Suet.Nero30: cauuximtti wwUones] vgjL
Suet.Vesp.23. Sen.ep.87,15 rechnet den mulio
neben dem bubuleu» zu den servi wordidiori»
operae, Paul. sent. III 6.72 nennt ihn unter Wen
urbana ministeria. Vgl. auch Plaut. Aul. 501.
Digg. XXXIII 7, 12. 9.
») CIL III 10557; IV 97; 113; 134; 5092;
5114; V 7837; VI 7409; 9646; 33884; XI 962;
XII 2462; ein coUeff.muliommet asiitar. X 1 18.
Ueber die mulionc« der kaiserlichen Posts. Hu-
demann Rom. Postwesen 69.
2,2. 3. Anfl. 30
466
Zweite Abteilung. Das Leben.
Die Schnelligkeit, mit der man auf den römischen Landstraßen ver-
mittelst dieser Beförderungsmittel reiste, war begreiflicherweise sehr ver-
schieden, da sie von der Zahl und Beschaffenheit der Zugtiere und von der
Menge des mitgeführten Gepäcks abhing, sowie davon, ob jemand mit eignem
Gefährt und Bespannung reiste oder auf Mietfuhrwerke angewiesen war.
Denn da die Einrichtung einer Post für private Reisende unbekannt war,
so mußte das Mieten neuer Pferde, die von den iumentarii besorgt wurden 1)1
oder, wenn solche nicht zu haben waren, die den alten notwendig zu gönnende
Ruhe häufig kürzere oder längere Aufenthalte verursachen. Nach den ver-
einzelten Nachrichten, die sich darüber erhalten haben, kann man annehmen,
daß bei Reisen mit Mietfuhrwerken in der Regel 40 — 50 Millien (59 — 63,7 km)
täglich zurückgelegt wurden 2). Die schnellste Beförderung blieb immer noch
das Reiten3). Auch dann pflegten selbst minder begüterte Reisende einen
oder mehrere Sklaven mitzuführen4), die bei längeren Wagenreisen ebenfalls
zu Wagen folgten6). Reiche und Vornehme reisten schon zur Zeit der Re-
publik mit großer Dienerschaft6), und in der Kaiserzeit, wo manche Kaiser
auch beim Reisen das Beispiel unsinniger Verschwendung gaben7), artete
das in der ärgsten Weise aus8): namentlich wurde es Mode, sich durch
prächtig gekleidete Vorreiter, in der Regel Afrikaner resp. Neger9), oder
durch Scharen von Läufern, cursores10), Platz machen zu lassen11). Vornehme
Häuser hatten solche Läufer in großer Anzahl und eigene Lehrer, um sie
für diesen Beruf auszubilden12). Dieser großen Dienerschaft entsprach die
Menge des mitgeführten Gepäcks: wurden doch nicht nur kostbares Geschirr,
Statuen u. dgl., sondern selbst Mosaikböden auf Reisen mitgenommen13).
Wer mit solchem Aufwand zu reisen in der Lage war, der hatte es
auch nicht nötig, sein Nachtquartier unterwegs in einem jener fragwürdigen
Wirtshäuser zu nehmen, sondern führte entweder Zelte bei sich, unter denen
*) Die iumentarii sind auf Inschriften häu-
fig und bildeten in verschiedenen Städten Ita-
liens Innungen, s. CIL V 4211 ; 4294; 5872; XI
4749; 6136. Vgl. Friedländer 16.
*) Zu diesem Resultat kommt Friedländer
17 ff., wo die erhaltenen Nachrichten über die
Dauer einzelner Reisen zusammengestellt sind.
Ueber die Schnelligkeit des Reisens zur See
s. ebd. 21 ff.
3) Apul.Flor.20ff., der bei derWagenbe-
förderung als hemmend anführt: molestiae sar-
einarum et pondera vehiculorum et morae or-
bium et salebrae orbitarum.
4) Lucian.Luc. 1 ; daß auch der Lucius des
Apuleius einen Sklaven bei sich hat, obschon da-
von zu Anfang nichts gesagt ist, zeigt met. II 31 .
5) Sen. ep. 87, 2.
6) Cic. pro Mil. 10, 28 ; ad Att.VI 1 , 25. Plut.
Cat. min. 20.
7) Ueber den Luxus des Marc Anton, des
Nero, der Poppäa s. Friedländer 29.
8) Sen. ep. 87, 9.
9) Numidier, Sen. a. a. O. und ep. 123, 7.
Suet. Ner. 30 ; Mauren. Mart.X 6, 7 ; Libyer, ebd.
13,2; XII 24, 6.
10) Nach Sen. ep. 87, 9 war das ein neuer
Brauch, über den der alte Cato sich höchlichst
verwundert hätte: er erwähnt ihn auch ep. 78,
20; 123,7. Ferner Suet. Nero 30. Mart. III 47, 14;
XII 24, 7 (sie heißen succincti, weil sie nur kur-
zen Schurz trugen). luv. 5, 52: Cursor Gaetitr
licus. Galen. XIX 4. Spartian. Helius 5, 10.
Lampr. AI. Sev. 42, 2. Digg. XXXII 1, 99, 5. Die
kaiserlichen hatten besondere Uniform, die eist
Aurelian auch andern erlaubte, Vopisc. Auiel.
49, 7. Auf Inschriften sind die cursores häufig,
vgl. CIL VI 241 ; 8801 f.; 9316 f. ; XIII 3689 f.;
ein praeposUus cursorum VI 8800, ein scriba
cursorum Not. d. scavi 1902, 555. Dabei ist
allerdings zu beachten, daß die cursores auch
zum Ueberbringen von Botschaften, Briefen
u. dgl. gebraucht wurden, Plin. ep. VII 12, 6.
Mart. III 100, 1. Suet. Nero 49; Tit. 9. Apul.
met. X 5.
1 ') Der Protz Trimalchio läßt sogar vor sei-
ner Sänfte in der Stadt vier phalerati cursores
vorausgehn, Petron. 28, 4.
12) Petron. 29, 7: notavi etiam in porticu
gregem cursorum cum magistro se exercentem.
Ein servus exercitator cursorum CIL VIII 12622;
doctor cursorum ebd. 12904.
13) Von Cäsar, Suet. Caes. 46.
Siebenter Abschnitt. Der Verkehr.
407
man bei gutem Wetter sehr gut aufgehoben war1), oder er besaß da oder dort
in eigenes Absteigequartier (siehe oben S. 454 A. 7), oder endlich er kehrte
ei einem Gastfreunde ein2). Dagegen waren die Hausbesitzer in Italien
ie in den Provinzen verpflichtet, den reisenden Staatsbeamten, Richtern,
ilitärs usw. Quartier zu geben, was namentlich für die Provinzialen oft
eine schwere Last war3). Noch mehr wurden den kaiserlichen Beamten,
sobald sie Dienstreisen zu machen hatten, diese erleichtert durch die von
Augustus eingerichtete Staatspost, den sogenannten cursus publicus*), auf
de ton Einrichtung, über die wir genauere Nachrichten erst seit dem 4. Jahr-
hundert n. Chr. besitzen, hier nicht näher eingetreten werden kann, da sie
dem Privatverkehr nicht diente, obschon gelegentlich auch private Reisende
durch kaiserliches Diplom das Recht zur Benutzung dieser Einrichtung er-
halten konnten5). Diese kaiserliche Post war auch zur Beförderung der
amtlichen Schreiben und Depeschen bestimmt; das führt uns darauf, auch
dem römischen Briefwesen einige Worte zu widmen und im Zusammenhang
damit zunächst das dabei zur Verwendung kommende Schreibmaterial zu
behandeln G).
Von den verschiedenen Materialien, von denen die Römer im Lauf der
Entwicklung ihres Schriftwesens Gebrauch gemacht haben7), kommen für
Briefe eigentlich nur Wachstafeln und Papyrus in Betracht. Das Pergament,
membrana8), ist bekanntlichdasjenigeSchreibmaterial, das zuletzt aufgekommen
ist, obschon die Überlieferung, daß es erst im 2. Jahrhundert v. Chr. in Per-
gamon erfunden worden sei9), nicht so zu verstehen ist, als ob nicht schon
vorher Felle oder Leder zum Schreiben verwendet worden wären10); vielmehr
wird jene Nachricht vermutlich darauf zurückgehen, daß man in Pergamon
ein Gerbverfahren erfand, durch das das Leder zu einem besonders geeigneten
Schreibmaterial gemacht wurde11). Für Briefe ist jedoch Pergament in der
') Plut. Cato min. 38; Anton. 9. Siel. Ap.
ep. IV 8. 2.
2) Ueber die römische Gastfreundschaft s.
Becker-GöllII 188ff. Marquakdt 195ff. Baum-
stark bei Pauly III 1518ff. Lecrivain bei D.-S.
III 298 ff. (wo anderweitige Litteratur S. 302
zu finden ist).
3) Vgl. Friedländer 32 f.
4) Hierüber ist vornehmlich zu vgl. Rü-
diger De cursu publico imperiiRomani, Breslau
1846. Henzen A. d. I.XXIX (1857) 94 ff. Naudet
in Mem. de l'Acad. des Inscr. XXIII 2 (1858)
166 ff. Hudemann Gesch. d. röm. Postwesens
während d. Kaiserzeit, Berlin 1878. Humbert
bei D.-S. I 1645 ff. (mit umfangreicher Biblio-
graphie S. 1672). Seeck bei P.-W. III 1846 ff.
Hirschfeld Kaiserliche Verwaltungsbeamte II
190 ff.
5) Plin. ep. ad Traian. 121. Sen. de clem. I
10,3. Digg.XLIV 1,137,2.
6) Vgl. hierüber Geraud Essai sur les li vres
dans l'antiquite particulierement chez les Ro-
mains. Parisl840. Preller bei Pauly IV 1040ff.
Lafaye bei D.-S. HI 1177. Wattenbach Das
SchriftwesenimMittelalter340ff. Gardthaüsen
Griech. Paläographie, Leipz. 1879, S. 19 ff. Birt
Das antike Buchwesen, Berlin 1882, S. 46 ff.
Becker-Göll II 425ff. Marquardt 799ff. Selbst-
verständlich ist in diesen Schriften nicht bloß
das Brief-, sondern auch das Buchwesen behan-
delt, von dem hier nicht weiter zu sprechen ist.
Speziell über Briefwesen ist zu vgl. A. de Roth-
schild Histoire de la poste aux lettres. Paris
1872. Dziatzko bei P.-W. III 836 ff. Becker-
Göll II 456 ff.
7) Der älteren Zeit gehören Blätter, Bast,
Linnen. Felle u. dgl. an, s. Marquardt 800 ff.
8) Catull. 22. 7. Hör. a. p. 389. Cic. ad
Att. IV 46, 1 u. s. Vgl. Lafaye bei D.-S. III
1709.
9) Varro bei Plin. XIII 70. Isid.VI 11,1.
Die Bezeichnung pen/amena tritt erst spät auf,
zum erstenmal im Ed. Diocl. 7. 38.
10) Vgl. Herod. V 58. Diod. 11 32, 4. Die äl-
teste römische Urkunde, das Bündnis mit Gabii.
war auf Ochsenhaut geschrieben, Dion. Hai. IV
58,4. Fest. 56, 1.
1 ') Die alten ÖufOtoai von Ziegen oder Scha-
fen waren wohl nicht besonders zum Schreiben
präpariert. Birt a. a. O. 52 vermutet, daß die
Pergamener das Pergament in die Litteratur
eingeführt haben.
30*
468
Zweite Abteilung. Das Leben.
Regel nicht zur Anwendung gekommen1)- Für kürzere Briefe bediente man
sich seit alters der mit Wachs bestrichenen Schreibtafeln, wie man sie
auch für andere Zwecke brauchte2): dünne Täfelchen, tabellae3), von Holz4),
die einen vorstehenden Rand hatten 5) und innerhalb desselben mit Wachs,
das meist gefärbt war6), bestrichen waren und deshalb auch cerae heißen7),
wie denn jede einzelne Platte oder Seite eines aus mehreren Täfelchen zu-
sammengesetzten codicillus cera heißt8). In der Regel wurden mehrere
Täfelchen miteinander verbunden, indem die einfassenden Rahmen durch-
bohrt und Draht oder Schnur hindurchgezogen wurde9); das auf diese Weise
entstandene Büchlein hieß codex10) oder noch häufiger, da es sich meist um
Täf eichen kleineren Formats handelt, codicilli11) oder pugillares12). Je nachdem
sie aus zwei, drei oder mehr Täfelchen zusammengesetzt sind, heißen sie
duplices, triplices usf.13) oder griechisch diptycha, triptycha, polyptycha1*). Beim
Diptychon wurden die inneren Seiten mit Wachs überzogen, die äußeren
dienten, wenn die Täfelchen zusammengelegt waren, als Deckel; der vor-
stehende Rahmen verhinderte, daß die Wachsflächen einander berührten.
So war es auch bei den drei und mehr Tafeln enthaltenden codicilli, indem
die Außenseiten der ersten und letzten Tafel die Deckel bildeten, alle übrigen
') Birt 61 : „ Briefe auf Membrane sind für
die bessere Zeit nicht nachweisbar." Eine Aus-
nahme ist nur ein Brief der Inder an Augustus,
Strab. XV 719, während bei Ioseph. ant. lud.
XII 2, 10 kein Brief gemeint ist, sondern eine
Prachtniederschrift der Gesetze. Erst in später
Zeit finden sich Angaben, daß man zum Briefe
Pergament nahm, wenn es an Papier (charta)
fehlte, s. Birt 62.
2) Siehe die Beispiele bei Marquardt 804 f.
3) Als erforderlich zum Briefschreiben
nennt Plaut. Bacch. 715: stilum, ceram et ta-
bellas, linum; also Täfelchen, Griffel, Faden
(zum Zubinden) und Wachs (zum Siegeln) ; vgl.
ebd. 728. Von den tabellae haben die Briefboten,
tabellarii, ihren Namen, Pest. 359 a. 8.
4) Ueber die gebräuchlichen Holzarten
vgl. Blümner Technol. IV 556 unter „ Schreib-
tafeln ". Für elegante tabellae nahm man auch
Elfenbein, Mart. XIV 3, 2; ebd. 5.
5) Ov. a. a. I 437: cera vadum temptet rasis
infusa tabellis.
6) Ov.am.1 12, 11; 1117,29. Mart.XIV5,2.
7) Ov.met.IX529. Quint.1 1.27; X 3.31;
XI 2, 32. Mart.X 88,2; XIV 5, 1; ebd. 7, 1.
Plin. ep. I 6, 1. luv. 1, 63; 14, 29; ebd. 191.
8) So sagt man prima cera, Hör. sat. 115,
53; ima cera, Suet. Caes. 83 ; extrema cera, Cic.
Verr. I 36,92; ultimae cerae, Mart. IV 70,2;
praecipua cera, luv. 4, 19. So auch Plaut. Cure.
410: explevi totas ceras quattuor.
9) Siehe z. B. Overbeck Pompeji 489 Taf.
Schreiber Kulturhist. Bilderatlas Taf. 91,3.
l0) Sen. dial. X 13,4: plurium tabula mm
contextus caudex apud antiquos vocatur, unde
publicae tabulae Codices dieuntur. Catobei Fron-
te ad M. Ant. I 2 p. 99 : iussi caudicem profcrrl,
übt mea oratio scripta est. Ueber die erweiterte
Bedeutung des Wortes s. Birt a. a. 0. 95 ff.
u) Isid.VI 8, 18: ante cartae et menibra-
narum usum in dolatis ex ligno codicilli* epU
stolarum eloquia scribebantur. Vgl. Cic. ad fam.
IV 12, 2; VI 18, 1. Catull. 42, 10 u. ö. Sen. de
dem. 115,4. Quint. VII 2,52. Plin. ep. VI 16,8.
Suet. Cal. 55; Otho 10. Im Briefverkehr bedeu-
ten codicilli kürzere, auf Täfelchen geschrie-
bene, dagegen epistolae längere auf Papier ge-
schriebene Briefe, vgl. Cic. ad Qu. fr. II 9 ( 1 1 ), 1 .
Senec. ep. 55, 11. Mart. V 51, 3 f. Schon Plaut.
Asin. 761 ff. unterscheidet epistula von der ce-
rata tabula. Die auch von Marquardt 804 A. 5
wiederholte Meinung von Lipsius, daß die epU
stolae an Abwesende, die codicilli an Einhei-
mische geschrieben wurden, bekämpft Becker-
Göll II 458 mit Recht: nur Material und Länge
machen den Unterschied, während litterae für
beides gebraucht wird.
12) Es bedeutet tabulae, die man bequem in
der Faust hält; so Sen. ep. 15, 6 (wo sie dem
über entgegengesetzt werden); 87.3; 108,6.
Plin. XIII 69; XVI 68. Mai t. XIV 3 ff. Plin. ep.
16,3; 22, 11; VI 5, 6: 1X6,1. Auch pugillaria,
Catull. 42, 5. Gell. XVII 9, 17. Daß sie mit co-
dicilli identisch sind, zeigt Catull. a. a. O. deut-
lich ; daß auch Büchlein aus Pergamentblättern
so heißen, die Inschr. CIL X 6 : pugillares mem-
branacei operculis eboreis.
13) Tabellae duplices, Suet. Aug. 27: triplices,
Cic. ad Att. XIII 8. Mart. VII 53, 3; 72,2; X 87,
6; XIV 6; quinquiplices, ebd. XIV 4. Eine be-
sonders zierliche Sorte, die sich namentlich für
Liebesbriefe eignete, hieß, vermutlich nach dem
Fabrikanten, Vitelliani, Mart. II 6, 6; XIV 8 f.
Der Fabrikant solcher Täfelchen heißt pu<i'd-
lariarius. CIL VI 9841.
14) Diptycha Cod.Theod. XV 9, 1. Symm.
ep. II 81 (80): V 56 (54); pohjptycha Veget. r.
mil. II 19. Cod. Theod. XI 26, 2; 28, 13.
Siebenter Abschnitt. Der Verkehr.
469
gleiten zum Schreiben dienten. Täfelchen der Art haben sich in nicht un-
beträchtlicher Zahl erhalten (vgl. Fig. 71 und 72) *) und Abbildungen davon
(begegnen uns in Denkmälern, besonders Wandgemälden, nicht selten. In
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Fig. 71. Römisches Diptychon (von außen und innen) nebst Griffeln.
die Wachsschicht, die nicht zu hart sein durfte 2), ritzte man die Schrift mit
einem Griffel, stilus*), graphium*), von Metall, meist von Eisen, oder von
Knochen oder Elfenbein5); er war an der einen Seite zugespitzt, an der
andern abgeplattet6), um damit das beschriebene Wachs wieder zu glätten,
>) Fig. 71 (nach Bull, comun. II (1874) "tav.
7 u. 8) zeigt ein hölzernes Diptychon von außen
(mit der Signatur des Besitzers) und innen, so-
wie die dazu gehörigen Griffel aus Knochen ;
Fig. 72 (nach Mau Pompei 517 Fig. 292) eins
der im Hause des Bankiers L. Caecilius lucun-
dus gefundenen, Quittungen enthaltenden Tri-
ptychen (vgl. über diese Petra Memorie d. re-
ale Accad. d. Liucei Ser. II T. III. Mommsen Her-
mes XII (1877) 88. Ovekbeck Pompeji 489).
Ueber Triptychen aus Siebenbürgen vgl. CIL
III p. 921 ff.
2) Vgl. Colloqu. Leid. 6 (Corp. Gloss. III
638): cera dura est. mollis (lebet esse.
3) Plaut.Bacch.713:996;mil.gl.38. Cic.
Brut. 24. 93. Quintil. I 1, 27 u. s.
4) Ov. am. 1 11, 23. Plin. XVI 184. Sen. de
dem. 1 15, 1 ; n. qu. IV 6, 3. Suet. Caes. 82; Cal.
28: Claud. 15. Daher heißen die Behälter für
Griffel graphiaria, Mart. XIV 21.
5) Ov. met. IX 522. Isid. VI 9, 1 ; knöcherne
ebd. 2. Erhalten haben sich Schreibgriffel zu
vielenTausenden (vgl. u.a. Lindenschmit Altert,
uns. heidn. Vorzeit V 303 ff.); ein besonders
hübsch gearbeiteter bronzener (aus Orvieto)
Schreiber Taf. 89, 5. Unter den von E. Majo-
nica in der Festschr. f. 0. Hirschfeld (Berlin
1908) S. 360 besprochenen antiken Schreib-
requisiten aus Aquileia finden sich Reste von
Elfenbeintäfelchen, eiserne Stili, eine Feder aus
Elfenbein (mit Griff in Form eines Pferdehufes),
bronzene Tintenfässer und ein eisernes Falz-
bein.
6) Siehe die Beschreibungen bei Prudent.
peristeph. 9,51: inde aUi tUmtha et oetimi-
na ferrea vibremt, '/"" parte arati» cera ml-
cis scrihititr, et qua MCti apiees aho/entnr et
aequorishirti rurttu mtescetuimtoot&urarto.
Symphos. aen. 1 (Baehrens PLM IV 365). Au
gustin. de verarel. 39 (vgl.MARQUARDTSOl A.4).
470
Zweite Abteilung. Das Leben.
sei es, daß der Schreiber selbst etwas korrigieren wollte, oder daß die Schrift
ganz getilgt und die Wachsschicht aufs neue benutzt werden sollte; daher
die Redensart stilum vertere1).
Für die Absendung band man
einen Faden um die Täf ei-
chen2), der beim Empfang
durchgeschnitten wurde 3) ;
öfters waren, zu größerer
Sicherheit des Briefgeheim-
nisses, die Tafeln an den
Rändern oder in der Mitte
durchbohrt, dann wurden die
Fäden durch diese Löcher ge-
zogen4) und verknotet. Die
Enden wurden mit einem
Siegel, signum6), zu dem man
sich in der Regel des Wach-
ses6), sonst auch einer dazu
geeigneten Tonerde7) und des
Ringes bediente, der oft das
Bild des Absenders trug, ver-
sehen 8).
Als die Römer das in Ägypten erfundene und zunächst auch nur dort
fabrizierte Papier aus Papyrus, von ihnen charta genannt9), kennen lernten
und bei sich einführten, dann auch in Italien selbst fabrizierten10), wurde
Fig. 72. Triptychon (mit Quittungen) aus Pompeji.
') Cic.Verr.1141,101. Hör. sat. I 10, 72.
Es kam auch vor, daß der Empfänger eines
Briefes auf die geglättete Wachsschicht gleich
die Antwort niederschrieb. Fest. 359 a, 8: ta-
bellis pro chartisutebantur antiqui, quibus nitro
citro, sive privatim sive publice opus erat, cer-
tiores absentes faciebant. Vgl. Mart. XI V6. Prop.
IV (III) 23, lff. Noch Augustin. ep. 15, 1 bittet
um Rücksendung seiner tabellae.
*) Linum, Plaut. Bacch. 713; 748; Pseud.
42. Cic.Cat.III5, 10.
8) Linum incidere, Cic. a. a. 0.
4) Das zeigen verschiedene der oben S. 470
A. 9 angeführten Abbildungen. Einen andern
Verschluß zeigen dieTriptychen der erwähnten
Quittungsurkunden deslucundus: hier sind nur
die beiden ersten Tafeln, die die Urkunde ent-
hielten, durch einen in einer Rinne der ersten
und vierten Seite laufenden Faden zusammen-
gebunden und auf der vierten Seite sind die
Siegel der Zeugen auf den Faden gedrückt, s.
Mau a. a. O. Aehnlich ein Triptychon aus Sie-
benbürgen, Marqüabdt 806.
5) Cic. Cat. a.a.O.; ebd. 3, 6.
6) Plaut. Bacch. 748 : cedo te ceram ac li-
num actutum : aqe obliga, obsigna cito. Cic. pro
Flaccol6,37. Ov. am. II 15, 16.
7) Crcta asiatica, Cic. a. a. O. ; Verr. IV 26,
58; auch Pech wurde dazu verwendet, Plaut.
Poen. 837.
8) Plaut. Pseud. 56. Ov. ex P. II 10, lff.
9) Ueber die Geschichte und Technik der
Papyrusfabrikation vgl. außer den ob. S. 467 A . 6
angeführten Schriften Blümner Technologie I
308 ff., wo ältere Litteratur angegeben ist. und
Blass in Müllers Handbuch I* 333 ff., wo die
neuere zu finden ist; dazu Becker-Göll II 428.
Marquardt 807. Lafaye bei D.-S. IV 319.
Wünsch bei P.-W. II 2185, besonders aber
Dziatzko Untersuchungen über ausgewählte
Kapitel des ant. Buchwesens S. 49 ff. : Die Zu-
bereitung der Charta.
10) Nach Plin. XIII 75 gab es in Rom die
officina eines Fannius, die eine besondere
Papyrussorte, die charta Fanniana, herstellte;
es scheint aber, nach seinem Wortlaut, daß diese
Fabrik nicht das Rohmaterial aus Aegypten be-
zogen, sondern ägyptisches Papier (und zwar
die sog.amphitheatrica) umgearbeitet und durch
AuseinandernehmenundZwischenlegen passen-
der Streifen eine neue Sorte hergestellt hat,
vgl. Birt 248. Wünsch 2190. Später aber im-
portierte man wohl auch unverarbeiteten Pa-
pyrus, daher Digg. XXXII 1, 52, 6 chartae von
papyrus ad Chartas paratus resp. chartae non-
dum perfectae unterschieden werden. Die Pa-
pierfabrik heißt chartaria officina, Plin. XVIII
89; die Fabrikanten oder Händler charta r/i,
m
Siebenter Abschnitt. Der Verkehr.
471
£ere|
leiij.
dieses fortan mit Vorliebe für längere Briefe und besonders für solche, die
nach größeren Entfernungen gingen, benutzt, zumal eine bestimmte Sorte,
die Charta epistolaris1). Zum Schreiben nahm man ein mit einem Feder-
messer2) spitz zugeschnittenes Rohr, calamus'6), dessen beste Sorten aus
Ägypten oder Knidos kamen4). Doch stellte man solche Schreibrohrfedern
auch aus Bronze her5). Die Tinte, mit der man schrieb, atramentum9),
war eine Art Tusche, besonders aus Kienruiä und Gummi bereitet7) oder
aus Sepia8). Auch eine Art sympathetischer Tinte, die erst durch gewisse
Prozeduren sichtbar gemacht wurde, kannte man und wandte sie vornehmlich
für geheime Korrespondenzen an 9). Von andern Geräten, die zum Schreiben
mit Rohr und Tinte gehören, sind zu nennen ein Schwamm, mit dem man
die Schrift auslöschte10), vielleicht auch einer zum Auswischen der Federn11),
ein ßleiplättchen zum Linienziehen12) u.a.m., Dinge, die zum Teil nur der
Diom. I p. 313. CIL VI 9255 f.; XII 3284. In
Rom gab es besondere Magazine für Papier,
korrea cartaria, Jordan-Hülsen Topogr. I 3,
329. Richter Topogr. 324.
') Mart. XIV 11; es war jedenfalls von
kleinerem Formate, da im Epigramm vorher
Chart ue maiores entgegengesetzt werden. Nach
Plin. XIII 80 war die charta Augusta (früher
Itierntiai genannt, ebd. 74) für Briefe beson-
ders beliebt, nachdem unter Claudius die zu
große Dünne des Papiers, infolge deren die Tinte
auf der andern Seite durchschlug, beseitigt wor-
den war. Die verschiedenen Qualitäten Papier,
die die ägyptischen und römischen Fabriken
herstellten, unterschieden sich teils durch die
Beschaffenheit der dazu verwandten Mark-
streifen des Papyrus, teils durch das Format.
2) Scalprum Ubrarium, Suet.Vitell.2. Tac.
ann.VS: scalpellum, Colloqu. Harlei. 7 (Corp.
Gloss. III 640).
s) Cic. ad Qu. fr. II 14 (15 b), 1; ad Attic.
VI 8,1. Hör. a.p.447, Pers. 3, 12. Mart. VII
1 1. 1 : 17, 7; IX 73,9 ; XIV 19, 1. Iuv.7,27. Quint.
X 3. 31; speziell calamus scriptorius, Cels. V
28, 12; VII 11 u. ö. Marc. Emp. 10; calamus
phartarius, Apul. Flor. 9. Mehr poetisch ist
harundo, Pers. 3, 11. Mart. 13, 10; 1X13,3:
XIV 209, 2, oder fistula, Pers. 3, 14. Vgl. Saglio
bei D.-S.I 811. Wünsch bei P.-W.VI 2098.
4) Plin. XVI 157. Mart. XIV 38. Apul. met. I
1. Auson. ep. 4, 77 : 7, 49 ; nach Plin. a. a. O. auch
vom anaetischen See am Euphrat, nach Mart. X
78. 12 vomTajo. Eine wirkliche Feder, peuna. als
Schieibinstrument erwähnt zuerst Isid. VI 14, 3.
5) Solche haben sich noch vielfach erhalten,
s.B. d.i. 1849, 169; 1880, 68f.Mitt.d.antiqu.(a'.s.
in Zürich X VI Taf. 18. 3. Rhein. Jahrb. LXXII 96,
Taf.6.11f. Schreiber a.a.O. Taf. 89, 11 ff ; ebd.
10 und Daremberg- Saglio a.a.O. Fig. 993 eine
zum schnittene Rohrfeder aus Herkulaneum.
6) Cic. ad Qu. fr. a. a. O. Plin. XXVII 52;
XXXV 43. Petron. 102, 13; atr'amentum scripto-
rium. Cels. VIII 4. Vgl. Graux bei D.-S.I 529.
Der Name atramentarium für das Tintenfaß ist
erst spät (s. Marquardt824 A. 2), aber erhalten
haben sich viele antike Tintenfässer vonTon und
Metall, z. T. in kunstreicher Arbeit, s. ebd. und
Graux a. a. O. 528 Fig. 619 ff.; auch auf Abbil-
dungen von Schreibgerät cii sind sie erkennbar,
ebd. Fig. 622 f., unten Fig. 73 f. Vgl. auch
Gabdthausen a. a. O. 75.
7) Auch aus Harz, Leim, Kupfervitriol,
Weintrestern u.dgl. m.; Rezepte bei Diosc. I
86; V 182. Vitr.VII 10. Plin. XXXV 41 ff. Vgl.
Blümner Technol. I 326. Die chemische Unter-
suchung vonTintenresten aus demRemerkastell
Saalburg ergab ein Gemisch von Ruß, Harz,
Eisen und organischen Stoffen, s. G. Kassner
im Archiv f. Pharmakol. 246, 329. Rote Tinte
kam für Briefe nicht in Anwendung, in Büclui n.
Aktenstücken u. s. für Titel und Ueberschriften,
s.Ov.tr.1 1,7. Mart.111 2, 11, wonach das Färbe-
material Scharlach war; diese Titel u. dgl. hei-
ßen daher inbricae, Pers. 5, 90. Quint. XII 3.11.
luv. 14, 192. Digg. XL1II 1, 2, 3: vgl. die Ubra
rubrioata (tlihri) bei Petron. 46, 7.
8) Das wird zwar von Plin. a. a. O. 43 ge-
leugnet, geht aber aus Pers. 3, 12. Auson. ep.
4,76; 7.54 unzweideutig hervor.
9) Ov.a.a.lII627ff.Plin.XXVI62. Auson.
ep. 23, 21 ; vgl. Blümner a. a. O.
10) Varr. bei Non. 96, 11 nennt ihn qpongta
deletilis. Suet.Aug.85; Calig.20. Mart. IV 10,
5 ff. Aus. ep. 7, 54. Daß das nicht nur bei Bü-
chern vorkam, sondern daß auch der Brief-
empfänger manchmal den erhaltenen Brief zum
Palimpsest machte und die Antwort darauf
schrieb, zeigt Cic. ad fam. VII 18,2.
1 ') Im griech. Epigramm des Phanias Anth.
Pal. VI 295 als anoyyos KaXdfuav ipaioxtßQ er-
wähnt; wie notwendig er war, zeigt Pers. 3, 12;
vgl. Hör. sat. II 3, 7.
12) In den griechischen Epigrammen, die
Schreibmaterialien aufzählen (s. Marquardt
823 A. 4), öfters erwähnt; Catull. 22, <^ : fontta
plumbo. Es heißt »raetfactel, Colloqu. Harleian.
3 (Corp. Gloss. III 639) mit membranae, vugü-
Ittns. locett US, nt raninit u mnwAcminne alsSchul-
mateiial erwähnt, vgl. Coli. Leid. 6 (ebd. 638):
praedurcre nescio, tu mihi praedue, guomodo
sei*. Auch Corp. Gloss. II 156,3; III 23,7; 327,
37 u.s. (griech. naQ&fQiupoe).
472
Zweite Abteilung. Das Leben.
Bücher-, nicht der Briefschreiber brauchte. Zur Aufbewahrung dieses Schreib-
geräts diente die theca calamaria, graphiaria oder libraria1). — Für die Ab-
sendung wurde das Chartablatt entweder zusammengefaltet2) oder gerollt
und, wie die tabellae, mit einem Faden umwickelt und dieser mit einem Siegel
versehen; der größern Vorsicht halber wurde der Faden bisweilen durch
das gerollte Papier durchgezogen,
bevor man ihn umwickelte3), wäh-
rend andrerseits, wenn Eile not tat
und keine Vorsicht geboten war,
die Siegelung auch wohl unter-
blieb4). Auf die Außenseite schrieb
man die Adresse des Empfängers
im Dativ5), manchmal auch den
Namen des Absenders6). Die mei-
sten dieser verschiedenen Schreib-
geräte und Briefformen sehen wir
auf den Fig. 73 und 74 abgebil-
deten pompejanischen Wandmalereien dargestellt7).
In der Regel schrieb wohl der Absender seinen Brief eigenhändig; allein
Personen, die sehr durch Geschäfte in Anspruch genommen waren, zumal
Beamte, pflegten ihre Briefe zu diktieren 8), und zwar entweder einem Frei-
gelassenen9) oder e^nem gewandten und zuverlässigen Sklaven, einem Ubra-
rius10) oder (servus) ab epistolis11), a litteris, a codicillis12), auch ad manum,
Fig. 73. Schreibtafel, Brief und Schreibgerät.
Pompejaniscb.es Wandgemälde.
») Suet. Claud. 35. Mart. XIV 19; ebd. 21
ist das graphiarium wohl nur ein Behälter für
still (armata suo ferro). Corp. Gloss. III 198,41:
theca calamarion (daher das ital. calamajo).
2) Compllcare, Cic. ad Qu. fr. III 1, 17; ad
Att. XII 1,2. Sid. Apoll, ep. IX 9, 3.
3) Front, ad M. Ant. I 8 p. 24 (Nab.) : char-
tam dilig enter Uno transui et ita linum obsi-
gnavi, ne musculus iste aliquid aliqua rimari
possit. Vgl. Ov. tr. IV 7, 7 : qnotiens alicui car-
tae sua vincida dempsi.
4) Prop. IV (III) 23,4: usus, qui non si-
gnatas (tabellas) iusslt habere fidem.
5) Cic. ad Att. VIII 5.2; X 11,5; ad fam.
VII 32, 1. Sid. Ap. ep. II 35, 6; IV 30, 2. Vgl.
den Rollenbrief in Fig. 73. Papyrusbriefe mit
Adressen sind öfters erhalten, s. Dziatzko bei
P.-W. a.a.O. 838.
6) Gardthausen 56. Dziatzko a.a.O. Paß
es nicht Regel war, zeigt Ov. a. a. 0.
7) Fig. 73 (nach Mus. Borb. XIV tav. A B)
zeigt ein offnes Diptychon (mit Löchern, durch
die beim Verschluß der Faden gezogen wurde),
daneben der stilus; rechts oben ein zusammen-
gerollter und versiegelter Brief mit der Adresse
M. I/ucretio flam{ini) Martis, decurioni Pom-
pei(s), unten ein Doppeltintenfaß mit calamus.
Fig. 74 (nach Mus. Borb. 1 12) zeigt vier Wand-
malereien vereinigt: in 1 ein Triptychon. ein
Tintenfaß mit calamus, eine Schriftrolle; in 2
oben Geldbeutel und Münzen, unten Tintenfaß,
Rolle, Täfelchen mit stilus, ein Täfelchen zum
Aufhängen (für Notizen); in 3 eine einfache
Schreibtafel, ein scrinium für Bollen, ein offnes
Diptychon, Geld; in 4 oben Diptychon u. Schreib-
zeug, unten einige Rollen und ein Triptychon.
8) Das Diktieren erwähnt Cicero sehr
häufig; so diktiert er z. JS.propter lippitudinem,
ad Att. VII 13, 7 ; 14,1; VIII 12,1; 13,1 ;X 14,1;
17, 2; ad Qu. fr. II 2, 1 ; oder wegen Geschäfts-
überhäufung, ad Att. II 23. 1 ; IV 16, 1 ; manch-
mal diktiert er bei Tisch, ebd. XIV 21,4; ad Qu.
fr. III 1,19, oder unterwegs im Reisewagen, ad
Att. V 17, 1. Aus allen Stellen aber geht hervor,
daß man an Freunde gern eigenhändig schrieb
und sich eigens entschuldigte, wenn man einen
diktierten Brief sandte.
9) So hat Cicero viele Briefe dem Tiro dik-
tiert, vgl. ad Att. XIII 25,3; ad Qu. fr. III 1,19.
,0) Cic. ad Att. IV 16, 1 ; ad Qu. fr. II 15, 1 ;
III 13, 1. Plin. VII 91. Der librarius ist zugleich
der Bücherschreiber, vgl. Marqüakdt 151 A. 1
u. 7; über librarii als Beruf ebd. 825 f.
n) Oft auf Inschr., z. B. CIL VI 8596 ff. ; X
6638, C 2, 24 ; XI 1434 ; 3886 ; es kommen auch
besondere Unterschiede nach der Sprache vor,
ab epistulis Graecis VI 8606 ff., ab epistulis La-
tinis 8609 ff.; XI 1434 (die Inschr. Or. 2437 [CIL
VI 964*] ist falsch). Ueber die kaiserlichen ah
epistidis s. Hirschfeld Kaiserl. Verwaltungs-
beamte II 321 ff.
") CIL VI 8441; XIV 4011.
Siebenter Abschnitt. Der Verkehr.
473
eih i manu, amanuensis1), obschon damit überhaupt ein als Sekretär funkt i<>-
k lierender Sklave bezeichnet wird. Die Beförderung der Briefe 2) war, da es
eine öffentliche Briefpost gab 3), Sache des Briefschreibers. Leute, die über
>ine größere Sklavenzahl verfügten, hatten darunter auch einen oder mehren
Fig. 74. Pompejanisehe Wandmalereien mit Schreibgeräten u. a.
Brief boten, tabellarii genannt4); auch die cursores, die in jeder größeren
Sklavenfamilie waren, wurden dazu benutzt6); diese Boten pflegten dann
auch, wenn irgend möglich, die Antwort des Briefempfängers mitzunehmen6).
Doch waren auch diese nicht immer disponibel; es war daher ganz gewöhnlich,
*) Suet.Caes.74;Ner.44;Tit.3. Paul, seilt.
III 6, 70. CIL VI 9523 f. ; vgl. Dessau 7392 ff.
Ueber die kaiserlichen Sekretäre s. Fkiedlän-
der 196 ff.; 160 ff.
2) Vgl. hierüber Stephan a. a. 0. 67 ff.
3) Etwas anderes war es mit amtlichen
Briefen. Zwar zur Zeit der Republik wurden
auch diese durch tabellarii an Ort und Stelle
gebracht, Liv. XLV 1,9. Cic. ad fam. XII 12. 1 ;
seit aber August den cursus publicus einge-
richtet hatte, waren auch für die Beförderung
der litterae publicae Vorkehrungen getroffen,
indem zuerst junge Burschen die Briefe auf den
Militärstraßen von einer Station zur andern
trugen und sie dort dem nächsten übergaben,
dann aber die staatlichen Postwagen die Be-
förderung der Briefe wie der Personen über-
nahmen, Suet. Aug. 49.
4) Cic. Phil. II 31.77; ad Att. V. 18,4; VI
1,24; ad fam. II 7,3; X31, 1 u.s. Plin. ep. III
17, 2. Symmach. ep. VI 54 f. Auson. ep. 19;
ebd. 21 u. ö. Auch auf Inschr. häufig, s. CIL VI
12623 ff. ; 12908 ff. ; XII 4512. Cicero bezeichnet
seine Briefboten öfters als pneri. ad Att. II
1, 1; 11, 1; III 7, 1 u. s. ; auch die Bezeichnung
Schnelläufer.rv/cr/y^Ä'.gebraucht er, ebd. IX 7, 1 .
5) Siehe oben S. 466. Auf dem Grab-
stein eines cursor ist der Verstorbene abge-
bildet in der Tunika, in der rechten Hand eine
Rolle, in der linken einen Beutel haltend, CIL
VI 9317; de Rossi Bull. arch. crist. 1873, 136.
Von einem Cursor heißt es, daß er am Tage
94 Millien machte, CIL III 2007; die Durch -
Schnittsleistung scheint nach Fronto ad M.Caes.
II 1 p. 26 (Nab.) 60 Millien gewesen zu sein
(88,71 km). Beamte benutzten oft ihre Diener
\viatore8, statores, geruli) zur Besorgung von
Briefen,Cic.adfamJI17,l;19,2.Sid.Ap.ep.IX
4, 1 ; 8. 1 u. s. Im Spätlat. heißen die Brief boten
auch baiitli. Svmm. ep. III 34. Sid. Ap. ep. I V 7 . 1
6) Fronto ad M. Caes. I 2 p. 6 u. 8 (Nah):
ebd. 8 p. 24.
474
Zweite Abteilung. Das Leben.
daß man Briefe an tabellarii von Bekannten, wenn diese denselben Weg
zu machen hatten, mitgab1); und da oft viele eine solche Gelegenheit be-
nutzten, so wurden dann die Briefe alle eingesammelt und dem Boten als
Brief bündel mitgegeben2). Doch scheint es auch gewerbsmäßige tabellarii
in Rom gegeben zu haben3), die ihre bestimmten Standplätze hatten, an
denen man sie aufsuchte4). Aber auch außerdem fehlte es nicht an Gelegen-
heiten, Briefe aufzugeben: Kaufleute oder Schiffer nahmen solche mit6),
oder gute Freunde, die fortreisten, Beamte, die in die Provinz gingen,
empfingen sie zur Beförderung6). Wenn aber gerade solche Gelegenheiten
fehlten und tabellarii nicht zur Hand waren, dann mußten die Briefe oft
liegen bleiben, bis sich eine bot7). Es liegt auf der Hand, wie ungewiß und
unsicher diese ganze Art der Briefbeförderung war, und man begreift, daß
Klagen darüber und über Verlorengehen von Briefen nicht selten sind 8).
Achter Abschnitt.
Ärzte, Tod, Bestattung und Grabmäler.
Litteratur.
Ueber römische Aerzte:
Becker-Göll II 139 ff.
Marquardt-Mau 771«ff.
Friedländer I 298 ff.
Sal. Reinach Artikel Medicus bei Daremberg-Saglio III 1669 ff. (hier p. 1699 eine sehr reich-
haltige Litteraturangabe, besonders von französischen Schriften)9).
Ueber Bestattung und Grabmäler:
Becker-Göll III 481 ff.
Marquardt-Mau 340 ff.
Pauly Artikel Funus, bei Pauly III 543 ff.
Ed. Cuq Artikel Funus bei Daremberg-Saglio II 1386 ff. (mit anderweitiger Litteratur p. 1409).
Mau Artikel Bestattung bei Pauly- Wissowa III 345 ff.
E. Cahen Artikel Sepulcrum bei Daremberg-Saglio IV 1209 ff.
Arzte von Beruf hat es in Rom jahrhundertelang gar nicht gegeben 10),
doch waren sicherlich schon in frühester Zeit gewisse durch Tradition und
») Cic. ad Att. II 9, 1 ; V 19, 1 ; ad fam. III
7, 1 ; VI 20, 1 u. ö. Wie aus zahlreichen Stellen
Ciceros hervorgeht, schickte oft jemand, der
einen Brief boten absandte, zu seinen Freunden
u.liefi fragen, ob sie etwas mitzuschicken hätten.
2) Cic. ad Qu. fr. II 10 (12), 4; ad Att. VIII
5,2; XI 9, 2; XIII 8.
3) Das hat Mommsen Hermes I (1866) 343
geleugnet, O. Hirschfeld Kaiserl. Verwaltungs-
beamte 1 107 A. 5 angenommen, unter Berufung
auf Petron. 79,6. Plin. ep. II 12,6; III 17.2;
VIII 3,2; doch lassen diese Stellen auch eine
andere Erklärung zu.
4) CIL VI 9918 : tabellarius a ripa; 9921 :
a porta Fontinali; vgl. 9051 ff.; 9915 ff.; X 1961.
In der alten Regionenbeschreibung kommen
auch die castra tabellariorum vor, vgl. Richter
Topogr. 376 u. 389.
5) Plaut, m. gl. 131. Cic. ad Qu. fr. II 6, 1.
6) Derartige Gelegenheiten werden bei Ci-
cero unzählige Male erwähnt, vgl. z. B. ad fam.
II 1, 1 ; 6, 1 ; ad Qu. fr. III 8, 1 ; ad Brut. I 9. 3;
ad Att. I 9, 1 ; auch anderweitig. Sen. ep. 3, 6.
Symm. ep. III 32. Sid. Ap. ep. I 10, 1.
7) Cic. ad Att. 15, 3; ad Qu. fr. IUI, 2 lu.ö.
8) Cic. adfam. X31,l; XII 15, 2; ad Att.
I 13, 2 ; IV 15, 3. Symm. ep. II 48, 1 u. s. m.
9) Verglichen können auch werden die be-
treffenden Abschnitte in den die Geschichte der
Medizin behandelnden Büchern von Sprengel
(4. Aufl. von Rosenbaum, Leipzig 1846), Isen-
see (Berlin 1840 ff.), Daremberg (Paris 1851 ),
Häser (3. Aufl. Jena 1875), Wunderlich (Stutt-
gart 1859), Leupoldt (Berlin 1863), Pinto (Rom
1880), Guardia (Paris 1884), Puschmann, Neu-
burger und Pagel (Jena 1901 ff). Dazu die
Habilitationsschrift von Th. Meyer Gesch. des
röm. Aerztestandes, Jena 1907.
10) Nach Cassius Hemina bei Plin. XXIX 12
kam der erste griechische Arzt, Archagathus,
Achter Abschnitt. Ärzte, Tod, Bestattung und Grabmäler.
17!
Empirie bekannte Heilmittel und Methoden verbreitet1), und wenn auch die
Behandlung innerer Krankheiten noch auf einer sehr niedrigen Stufe war
und man namentlich den häufigen Epidemien ratlos gegenüberstand, so mochte
doch bei den zahlreichen Kriegen die Wundbehandlung Fortschritte gemacht
haben, und es ist kaum zu bezweifeln, daß sich schon in früher Zeit Wund-
ärzte bei den Heeren befunden haben2). Sonst waren es vornehmlich die
Priester, die im Besitz gewisser medizinischer Kenntnisse waren und davon
Gebrauch machten. Denn schon früh wurde, allerdings unter griechischem
Einfluß, Apoll als Heilgott {Apollo medicus) verehrt und ihm als solchem im
Jahre 433 v. Chr. ein Tempel gelobt und 431 eingeweiht3). Ganz aber nach
griechischem Muster eingerichtet wurde der 293 v. Chr. anläßlich einer
schweren Seuche eingeführte Dienst des Äskulap; in seinem auf der Tiber-
insel belegenen Tempel fanden, wie in griechischen Asklepieen, Kranke Auf-
nahme und Pflege4) oder suchten Heilungsvorschriften im Tempelschlaf6).
Außerdem aber vererbte sich ein gewisser Schatz medizinischer Hausmittel,
bei denen freilich der Aberglaube und die Sympathie eine große Rolle spielten,
in den Familien von einem Hausvater auf den andern6), und der römische
pater familias pflegte seine Kinder wie seine Sklaven ohne Arzt zu kurieren7).
Eigentliche ärztliche Kunst und Wissenschaft wurden in Rom aber erst
heimisch, als griechische Arzte sich dort niederließen. Als der erste, der
dies tat, wird der Peloponnesier Archagathos genannt, als Zeitpunkt das
Jahr 219 v. Chr.8). Dieser gelangte bald, zumal durch seine chirurgischen
Kenntnisse, zu hohem Ansehen, sodaß der Senat ihm das römische Bürgerrecht
i. J. 535 d. 8t. (219 v. Chr.) nach Rom. Daß es
sich dabei nur um das erste Auftreten der grie-
chischen, schulmäßigen Heilkunde handelt, ist
selbstverständlich. BKiAuRev.arch.3Ser., 1885,
V 385 ff. ; VI 192 ff. nimmt die Kenntnis der Heil-
kunde und deren Einführung in Latium schon
für sehr frühe Zeit an, indem er medicus mit
dem oskischen meddix tuticus (das einen hohen
Magistrat bedeutet) in Beziehung bringt: aber
diese Etymologie ist unrichtig, obschon sie Rei-
nach a. a. 0. angenommen hat; vgl. Brugmann
Grundr. d. vergl. Gramm, d. indogerm. Sprachen
II 461. Breal Biet, etymol. latin 197. Eher
dürfte Briau mit seiner weitern Annahme, daß
die medizinischen Kenntnisse dem altern Rom
vornehmlich durch Etrusker und deren Priester
zukamen, recht haben. Aber auf die Angaben
späterer Autoren über die Existenz von Aerzten
in der Frühzeit (Dion. Hai. 1 78, 1 läßt sogar den
Amulius Aerzte zur Rhea Silvia schicken, um
ihren Zustand zu untersuchen!) oder in den fol-
genden Jahrhunderten (soVal.Max. 114,5. Dion.
Hai. X 53, 1) ist kaum das Gewicht zu legen,
das Briau ihnen zuschreibt; vgl. die richtigen
Bemerkungen von Th. Meyer a. a. 0. 9 A. 5.
') Sen. ep. 95,15: medicina quondam pau-
carum fuit scientia herbarum, guibus sisteretur
fluens sanguis, volnera coirent. Plin. a.a.O. 11
sagt: ceu vero non milia gentium sine mtdicis
degant, neetamen sine medicina, sinttl poptdus
Romanus ultra sexcentesimum annum, neque
ipse in aeeipiendi* artibus lentuB, medicinae
vero etiam avidus, dotier expertam damnavit.
*) Darüber haben sich allerdings keine
Nachrichten erhalten ; vgl. Briau a. a. 0. VI 202.
3) Liv. IV 25, 3 ; 29, 7 ; vgl. Wissowa Rel.
u. Kult. d. Rom. 240.
4) Allerdings erst aus der Kaiserzeit be-
zeugt, Suet. Claud. 25, vgl. Dio Cass. LX 29, 7,
doch sicherlich von vornherein üblich.
6) Vgl. die Inschr. CIL VI 1—20; über den
römischen Aeskulapdienst überhaupt Wissowa
a. a. 0. 253 f. Welcher Kl. Sehr. III 1 12 ff.
6) Darauf gehen jedenfalls zahlreiche der-
artiger, bei Plinius angeführter Rezepte zurück,
die besonders viel Gebrauch von ekelhaften und
widerwärtigen Ingredienzien machen. Bespre-
chen von Krankheiten, Beschwörungsformeln
u. dgl. war seit den Urzeiten üblich und erhielt
sich auch später noch. Vgl. Plin. a. a. 0.
7) So hatte der alte Cato Censorius einen
commentariiis <jti<> medeatur fi/io, Bertis, fami-
Uaribus (Plin. ebd. 15). offenbar ein altes, aus
Hausmitteln zusammengestelltes Rezeptbuch.
Welcher Art diese waren, zeigen die Beispiele
in seiner Schrift de re rust. 156, 2 ff. ; 160 u. s.,
auch die Rezepte für das Vieh ebd. 70 f. Etwas
anderes war es, wenn in der Kaiserzeit der ge-
bildete Laie anfing, sich für Medizin zu inter-
essieren und medizinische Bücher zu lesen, vgl.
Gell. XVIII 10. Plut.detuendasan.24p. 135 B.
8) Siehe oben S. 474 A. 10.
476
Zweite Abteilung. Das Leben.
verlieh und ihm eine Offizin auf Staatskosten kaufte; allein seine etwas
gewaltsame Methode, durch Schneiden und Brennen Eingriffe zu machen,
ließ das Urteil bald umschlagen, sodaß er carnifex tituliert wurde1). Dies
Vorurteil, das vielleicht nicht unbegründet war, wandte sich auch gegen die
andern griechischen Ärzte, die von da ab immer mehr Rom zum Schauplatz
ihrer gewinnverheißenden Tätigkeit erkoren; der alte Cato warnte seinen
Sohn vor diesen Quacksalbern und Charlatanen, die sich verschworen hätten,
alle Barbaren durch ihre Medizinen zu töten, und die sich noch dazu dafür
bezahlen ließen2), und Plautus schildert uns einen solchen Arzt in einem
nichts weniger als günstigen Lichte3). Auch in der Folgezeit blieben es
wesentlich Griechen und Orientalen, besonders Ägypter4), die die Heilkunst
in Rom ausübten und viel Patienten fanden5), da nicht wenige sich gerade
durch Ausländer imponieren ließen6), obschon an dem Gewerbe nach alt-
römischer Anschauung der Makel des Gelderwerbes haftete7). In der Tat
waren die Einnahmen der Arzte von Ruf mitunter überaus glänzende8), da oft
für einzelne Kuren horrende Summen gezahlt wurden9); auch trug zur Hebung
des Standes bei, daß Caesar den fremden Ärzten in Rom das Bürgerrecht
verlieh10), wozu dann später noch allerlei andere Privilegien, Befreiung von
Abgaben, von Verpflichtung zum Kriegsdienst u. dgl. kamen11). Das führte
denn auch dazu, daß mit der Zeit auch Römer, die sich anfänglich von
dem etwas gering geachteten Berufe ferngehalten hatten12), sich diesem
') Plin. a. a. 0. 12 f. Die Vermutung von
Wellmann bei P.-W. II 433, daß vielleicht nur
der Name („guter Anfang") zu der Tradition,
daß er der erste (griechische) Arzt in Rom ge-
wesen sei, Anlaß gegeben habe, geht wohl zu
weit.
2) Plin. ebd. 14 : iurarunt inter se barbaros
necare omnes medicina, sed hoc ipsum mercede
faciunt, ut fides iis sit et facile disperdant; vgl.
Plut. Cat. mai. 23.
3) Plaut. Men. 882 ff. Man vgl. auch den
Ausspruch, den Ath. XV 666 A zitiert: sl /urj
largoi fjoav, ovösv av rjv zcöv ygafifj-auxcöv fi<o-
qötsqov.
*) Aegyptische Aerzte wurden gelegentlich
zur Behandlung von Krankheiten berufen. dieim
Orient heimisch waren, Plin. XXVI 3 f.; XXIX
93. Galen. XI 142. Bei Luc. Tragodop. 265 kom-
men syrische A erzte aus Damaskos zur Heilung
des Podagra. Vgl. Friedländer a. a. 0. 299.
5) So besonders im ersten Jahrh. v. Chr.
AsklepiadesausBithynien, der durch eine selt-
same Verbindung von zweckmäßiger Therapie
und Charlatanerie (Plin. XXVI 12 f.) sich einen
Weltruf und großes Vermögen erwarb, s.Fried-
länder 321.
6) Plin. XXIX 17 sagt bezeichnend: immo
vero auctoritas (nämlich der römischen Aerzte)
aliter quam Graece eam (artem) tractantibus
etiam apud inperitos expertesque linguae non
est, ac minus credunt quae ad salutem suam
pertinent, si intellegant.
7) Ebd. 16: non rem antiqui damnabant,
sed artem, maxime vero quaestum esse mani-
pretio vitae recusabant.
8) So verdiente Q. Stertinius jährlich
600 000 Sesterzen (130 512 Mark), nach Plin.
ebd. 7 ; der Chirurg Alkon hatte sich ein Ver-
mögen von 10 Millionen (2175 000 Mark) er-
worben, und als ihm dies durch Claudius kon-
fisziert wurde, gewann er es in wenig Jahren
aufs neue, ebd. 22. Daher sagte Plin. a. a. O. 2
mit Recht, daß fructuosior nulla (ars) sei. Denn
als ars, nicht als scientia, betrachteten die Rö-
mer die Heilkunde.
s) So für Behandlung eines Ausschlags
200000 Sesterzen (43500 Mark), Plin. XXVI 4;
dieselbe Summe zahlte ein reicher Provinziale
dem Charmis, ebd. XXIX 22. Andere Beispiele
ärztlicher Honorare s. Friedländer 304 ff.
10) Suet. Caes. 42; bei der Suet. Aug. 42 er-
wähnten Ausweisung der peregrini blieben die
Aerzte und Lehrer ausgenommen. Augustus
gewährte auch den Aerzten Steuerfreiheit. Dio
Cass. LIII 30, 3. Ob die Bestimmung Caesars
auch für die ganze Kaiserzeit galt, ist ungewiß ;
Th. Meyer 21 f. leugnet es, führt aber mit Un-
recht Plin. ep. ad Trai. 5 (4), 1 u. f. an. da es sich
hier um die Erteilung des Bürgerrechts an einen
nicht in Rom praktizierenden iatraliptes han-
delt.
") Vgl. Th. Meyer 36 ff.
12) Cic. de off. I 42, 151 nennt architectura
und medicina zwar honestae artes, aber eben
nur iis, quorum ordini conveniunt ; bei Varr. r. r.
1 16,4 werden die medici mit den fullones und
fahrt zusammengestellt. Aber Sen. de benef.
VI 15, 1 sagt von Aerzten und Lehrern : omnium
Achter Abschnitt. Ärzte, Tod, Bestattung und Grabmäler.
177
«a uwandten1). Aber auch später noch blieb es eine sehr verbreitete Einrichtung,
aß reiche Leute, die über eine große Sklavenzahl verfügten, unter dieser auch
dnen Arzt hatten2), der bei einem Berufsarzt die Heilkunst erlernt hatte3), und
lamentlich am kaiserlichen Hofe waren solche servi medici*), die auch sonst
mf Inschriften uns sehr häufig begegnen, zahlreich vertreten6); ebenso weib-
iche (medicae), die wohl bei Entbindungen und Frauenleiden Hilfe leisteten6),
n großen Sklavenfamilien gab es solcher Arzte sogar mehrere, die unter
inem Oberarzt standen 7), und es gab auch eigene Krankenhäuser für die
Sklaven (valetudinaria), zumal auf dem Lande8) und am Kaiserhofe1'). Auch die
Mehrzahl der Privatpraxis ausübenden Arzte10) waren ehemalige Sklaven, die
sich die Freiheit erkauft oder sie von ihrem Herrn geschenkt erhalten hatten1 1),
fielfach allerdings mit der Verpflichtung, diesen fortan umsonst zu behandeln 1 2).
Vuch diese waren der Mehrzahl nach Griechen; es gab unter diesen griechischen
irzten sehr tüchtige, selbst Männer von hervorragender wissenschaftlicher
Bedeutung, wie vor allen Galen13), aber die Mehrzahl war wohl von jener Art,
lie Iuvenal zusammen mit Grammatikern, Rhetoren, Wahrsagern, Seiltänzern
isw. als „hungernde Griechlein" verspottet14). Denn da der Beruf einträglich
var und auch sonst mancherlei Vorteile mit sich brachte15), andrerseits aber
ler Staat vom Arzte so wenig wie vom Lehrer oder Advokaten die Ablegung
jiner Prüfung verlangte16), sodaß jeder beliebige sich als Arzt auftun konnte,
wrutn apud nos magna Caritas, magna reve-
entia est, und ebd. 16, 1: ex medico ac prae-
•eptore in amicumtranseunt. Die ältere Litte-
■atur über die Frage, ob der ärztliche Stand in
Rom ein anständiger gewesen sei, führt Mar-
quardt 771 A. 5 an.
J) Beispiele bei Plin. a. a. 0. 7 f. Galen. XIII
1027: vgl. Marquardt 773 f. Friedländer 299 f.
Bezeichnend ist die Schulaufgabe bei Quint. VII
,38. wo die Frage gestellt wird, ob der Redner,
der Philosoph oder der Arzt dem Staat am nütz-
liehst GH SGI
») Varr. r. r. I 16,4. Sen. de benef. III 24.
Suet.Nero2. Wahrscheinlich gab essolche servi
media' schon vor dem Auftreten griechischer
Aerzte in Rom.
3) Wenn kein solcher da war, so ließ der
Herr auch auf seine Kosten einen Sklaven in der
Heilkunde ausbilden, Digg. XXXVIII 1, 25, 2.
*) Apul. met. IX 2; apol. 33. Digg. XL 5,
41, 6. Daß solche Sklaven auch anderweitig zur
Ausübung ihrer Kunst vermietet wurden, zeigt
Digg. a. a. 0.
5) Siehe die Beispiele bei Marquardt 156
A.9,dazuII470;1483:2237;3118;3666:5390;
vgl. 431 3 : artis medicae doctissimus;Ylll 12921
bis 23; vgl. Dessau 7786 ff.
6)CILII497;VI8711;8926:9614ff. Dessau
7803 ff. Vermutlich gehörte hierher auch die
iatromea, CIL VI 9477 f., die als largdfiatä eine
ärztlich geschulte Hebamme sein mochte.
7) Ein solcher, meist ein Freigelassener,
hieß snpra medicos, CIL VI 3982; ein super-
positus medicorum ebd. 8504.
8) Colum. XI 1, 18; XII 3, 7 f. Varr. r. r. I
16,4 empfiehlt, auf dem Lande lieber anniver-
sarii vicini als Aerzte zu nehmen, anstatt sich
solche auf der Villa selbst zu halten, da das ein
teurer Besitz sei. Sklaven ad valetud. CIL VI
9084 f. ; a valetud. X 6637 ; II 9.
9) Siehe Marquardt a.a.O. Sogar Spezial-
ärzte (s. unten) befanden sich unter denen der
kaiserlichen Familie, so Chirurgen, CIL VI 3986;
4356; Augenärzte, ebd. 3987; 8909 f.; Ohren-
ärzte 8908.
10) Auch solchesind auf Inschriften, nanu nt
lieh Grabsteinen, häufig zu finden, vgl. CIL XI
3943; 3946; 4423; 4847; 6137; 6536; XII 725;
3341 f.; 4485 ff.; XIII 640; 1994; 2674; 3475;
8349; XIV 468; 471; 2652; 3710. Eph. epigr.
IX n. 386; 486; 548; ebd. p. 363 n. 16.
1 ') So der Arzt des jüngeren Cato, Plut. Cato
min. 70, ferner Antonius Musa. der Leibarzt des
Augustus. Dio Cass. LIII 30. auch zahlreiche li-
berti medici auf Inschr., s. Marquardt 772 A. 6.
Mitunter kehrten solche Freigelassene, zumal
frühere Aerzte am kaiserlichen Hofe, später in
die Heimat zurück, wo Inschriften von ihnen
Kundegeben. so in SidymainLvkien.BENXDORF
u. Niemann Reisen in Lykien 1 63; in Magnesia
am Mäander, Kern Inschr. von Magnesia 101
n. 113.
») Digg. XXXVIII 1.27.
I3) Siehe außer den oben angeführten Ge-
schichten der Medizin Köstlin bei Pauly IV
1699 ff. Friedländer 320 f.
«*) luv. 3, 75 ff.
15) Bürgerrecht und Steuerfreiheit, wie oben
erwähnt.
■6) Auch die Verantwortlichkeit für falsche
Behandlung beschränkte sich im wesentlichen
auf fahrlässige Tötung bei Operationen, auf
478
Zweite Abteilung. Das Leben.
so drängten sich allerlei Ungebildete, Schuster, Zimmerleute, Färber, Schmiede
u. dgl. hinzu1). Medizinische Hochschulen, an denen die angehenden Ärzte
sich ihre Kenntnisse hätten erwerben können, gab es nicht: sie lernten die
wichtigsten Diagnosen, therapeutischen Verfahrungsweisen usf. empirisch,
indem sie erfahrenen Ärzten, denen sie ein Lehrgeld zahlten, bei ihren
Krankenbesuchen sich anschlössen2). Diese Lehrlinge hatten auch ihren
Meister zu unterstützen, indem sie bei der Bereitung der Arzneien halfen,
Umschläge machten, zur Ader ließen, schröpften oder Kly stiere gaben3);
eigene Praxis konnte ihnen aber der Patron, wenn er ihre Konkurrenz
scheute, untersagen4).
Freilich war schon im römischen Altertum das Wesen der Spezialärzte
sehr üblich, da es nur ganz wenige gab, die über ein allgemeineres Wissen
verfügten5). Abgesehen von den als clinici (d.h. Ärzte, die die Kranken in
ihrer Behausung, im Krankenbett, aufsuchten) bezeichneten Ärzten für innere
Krankheiten6) gab es Spezialisten für Frauenkrankheiten7), für Ohrenleiden8),
für Fisteln9), Zahnärzte10), besonders aber Augenärzte, medici ocularii11); von
den steinernen Stempeln, die sie zu ihren in Form viereckiger Stäbchen ge-
preßten Salben oder Kollyrien benutzten, haben sich sehr zahlreiche Stücke
erhalten, die in den meisten Provinzen des römischen Reichs gefunden worden
sind und den Namen des Arztes, die Bestimmung und Zusammensetzung .des
Grund der Lex Aquilia, Digg. IX 2, 7, 8. Vgl.
Plin. a. a. 0. 18 : nulla praeterea lex, quaepuniat
inscitiam capitalem, nulluni exemplum vindi-
ctae. discuntpericulis nostris et experimentaper
mortes ctgunt, medicoque tantum kontinent occi-
disse inpunitas summa est. In der spätem Kaiser-
zeit wurde das anders : als die Gemeinden eigene
Aerzte anstellten und besoldeten (s. unten), da
fand eine Auswahl und Prüfung der Anzustel-
lenden durch die Obrigkeit statt, vgl. Digg.
XXVII 1,6,6; L 4,11,3; ebd. 9, 1. Th. Meyer
a. a. 0. 29 f. Aber für die übrigen Aerzte. also
weitaus die Mehrzahl, gab es weder Prüfung
noch Approbation.
*) Galen. X 5. Thessalos, der ursprünglich
der Lehrling seines Vaters, eines Webers, ge-
wesen war, hatte unter Nero als Arzt ungeheure
Erfolge; er gab an, ein halbes Jahr genüge zur
Erwerbung der nötigen medizinischen Kennt-
nisse, ebd. Doch auch umgekehrt kam es vor,
daß ein Arzt, wenn er als solcher keinen Erfolg
hatte, einen andern Beruf ergriff; so wird bei
Mart. 147 ein ehemaliger Arzt Totengräber (vgl.
I 30), ebd. VIII 87 Fechtmeister. Daher sagt
Plin. XXIX 17: in hac artium sola evenit, ut
cuicumquemedicum se professo statint credatur.
2) Digg. XXXVIII 1,26 pr. Die Zahl dieser
begleitenden Schüler war oft sehr beträchtlich,
und wenn auch die 1 00 discipuli desSymmachus
bei Mart. V 9 humoristische Uebertreibung sind,
so spricht doch Philostr. V. Apoll. VIII 7 p. 322K.
von über 30. Wie lästig diese Besuche dem
Kranken wurden, zeigt Mart. a. a. 0. Doch taten
sich manche auch weiter um, wo sie sich Kennt-
nisse erwerben könnten ; so heißt es CIL XI 5836
von einem, er sei ein medicus fora multa secutus.
Kmmedicusmagister'Not.d. scavi 1900, 574 n. 4.
s) Galen. XVIIB, 229. luv. 13. 125.
4) Digg. a.a.O. 26.
5) Vgl. Philostr. gymn. 15 (28) p.269K.:
laxQixrjV jiäoav ov8[slg yivdioxei, d/A' 6 fisv tstqio\-
(ISVCOV oiösv, 6 ÖS ^VVlEVai JlVQEXtÖVTCOV, 6 OE
o^&a^^ucovxwv^ 6e <pßiaiy.<övvyiä>gäjixExai (nach
der Ergänzung von Jüthner SB d. Wien. Akad.
CXLV (1902) 29). So werden bei Mart. X 56 be-
sondere Aerzte genannt für kranke Zähne, Au-
gen.Hals, für Brandmale und Darmbrüche; Digg.
L 13, 1, 3 nennt Aerzte, qui alicuius partis cor-
poris vel certi doloris sanitatem pollicentur.
6) Plin. XXIX 4 bezeichnet Hippokrates als
denjenigen, der die medicina, quae clinice vo-
catur, einführte. Clinici als Aerzte Mart. I 30,
2; IV 9, 1; IX 96, 1; vgl. Corp. Gloss. III 296,
29: visitator, xhvixog. Auch inschriftl., CIL VI
2532; XI 5400 ist einer medicus clinicus chir
rurgus ocularius, also allgemein praktischer
Arzt. Digg. XXVII 1, 6, 1 heißen die Kliniker
jiEoiodsvxai iaxQol.
7) Digg. a. a. O. Mart. a. a. O.
8) Auricularii, Digg. a.a. O. CIL VI 8908.
9) Soran. de mul. äff. 47 (p. 191,15 ErraJ
10) Die Tatsache, daß schon zur Zeit der
XII Tafeln falsche, mit Gold angesetzte Zahne
bekannt waren (Cic. de legg. II 24,60), läßt
wohl darauf schließen, daß es schon damals
Zahntechniker gab. Das Zahnausziehen erwähnt
Mart. a. a. O.
n)Cels.VI6,8.Scrib.comp.37.CILI11737;
5035: V3490; VI 6192; 9605-9; XI 5400;
5441 u. s. Vgl. Galen. V 846 ff. ; X 941 ; 1019.
Achter Abschnitt. Ärzte, Tod, Bestattung und Grabmäler.
479
e IMittels sowie die Art der Auflösung angeben x). Sehr zahlreich waren aiuli
'jdie Chirurgen, die mit diesem Namen2) oder als oulnerum media*) bezeichnet
"D Jwerden und sich von der Behandlung innerer Krankheiten meist fernhielten4).
scl Auch in der Chirurgie gab es Spezialisten für Brüche, Steinoperationen,
Amputationen u. dgl. m.5). Zu den Spezialisten gehören auch die früher er-
wähnten iatraliptae, die Salben und Massieren kunstgerecht betrieben und
bisweilen direkt als Ärzte fungierten6). Weibliche Ärzte, die wohl vornehmlich
als Hebammen wirkten7), doch auch Frauenkrankheiten behandelten8), gab
es nicht bloß unter der Sklavenfamilie, sondern auch selbständig prakti-
zierende9). Die Fortschritte, die die Wissenschaft im Laufe der Jahrhunderte
in diesen verschiedenen Disziplinen gemacht hatte, waren freilich sehr ver-
schiedenartig. Während die Chirurgie anscheinend einen verhältnismäßig
ziemlich hohen Stand erreicht hatte, wie das auch die noch erhaltenen
chirurgischen Instrumente lehren10), steckte die innere Medizin noch in den
Kinderschuhen. Man fuhr fort, Geheimmittel, Sympathie, Besprechung, Magie
u. dgl. zur Anwendung zu bringen, und selbst bedeutendere Ärzte von wissen-
schaftlichem Ruf hielten sich davon nicht ganz frei11).
Die Privatärzte übten ihre Praxis teils in ihren Behausungen oder Sprech-
zimmern, wie wir sagen würden, teils in Besuchen bei den Kranken selbst
aus12). Die Tabernen der Ärzte hießen medicinae1*)', Charlatane staffierten
') Vornehmlich gesammelt von Grotefend
Die Stempel der röm. Augenärzte, Hannover
1867. Die spätere Litteratur verzeichnet Mar-
qi :.ujdt780 A.3. Friedländer 319 A. 3. Rei-
naiii bei D.-S. III 1678 A. 25. Esperandieu
Recueil des cachets d'oculistes Romains. Paris
1895 iausRev.archeol.3Ser. Bd.XXIVu.XXV).
Werkzeuge eines römischen Augenarztes publi-
zierte Carbonello in den Atti d.Accad.di To-
rinoXL 127.
*) Cels.VII praef. Scrib. comp. 201 : 209.
Mmt. I 30. 1. Corp. Gloss. III 296, 31. CIL VI
4350 ; XI 5400. Vgl. den Artikel Chlrnrgia von
Briau bei D.-S.I 11 06 ff.
3) Plin. XXIX 22; ebd. 13 nennt er den
Archagathus mdnerarius.
4) Das Zusammenwirken von Chirurgen
und andern Aerzten bemerkt Plut. de frat. am.
15 p. 486 C; nach Galen. X 454 führten Nicht-
chirurgen in der Regel keine Operationen aus.
Doch fanden wir in der oben S.478 A. 6 erwähn-
ten Inschrift einen Arzt, der innere Krank-
heiten, äußere und Augenkrankheiten behan-
delte.
5) Mart. XI 84, 5. Galen. V 846 ff. Auch
die Kastration der Eunuchen besorgten Aerzte,
luv. 6. 370.
6) Plin. ep. ad Trai. 5 (4), 1 : 6 (22), 1 u. ö.
Vgl. oben S. 434.
7) Siehe oben S. 477 A. 6. Im Corp. Gloss.
IV 363, 19 ; V 603, 61 sind medica und obstet rix
Erklärungen von unla.
«) Mart.XI71.7. Galen. VII 414: vgl. luv.
2. 141.
9) Apul.met.V 10. CIL XII 3343.
,0) Solche sind in großer Zahl und z. T. in
feiner und sorgfältiger Ausführung gefunden
worden, besonders in Pompeji, vgl. Overbeck
Pompeji 461 Fig. 258. Mus. Borb. XI V 36; andere
s. Rhein. Jahrb. IX 33. Not. d. scavi 1904, 293 ff.
Deneffe Etüde sur la trousse d'un Chirurgien
gallo-romain, Anvers 1893 ; eine reiche Auswahl
bei Daremberg-Saglio 1 1 108 Fig. 1 369 ff., auch
bei C. Brunner Die Spuren d. röm. Aerzte auf d.
Boden d. Schweiz, Zürich 1894. Auch Arzneikäst-
chen (artis medicae na rthec ia . Mart.Xl V 7S)ha-
ben sich erhalten, s.Rhein. Jahrb. XIV 33 Taf.lf.
Anzeig. f. Schweiz. Gesch. 1857 Nr. 3, mehr bei
Brunner a. a. 0. 44 f. Auf einem Grabstein eines
Arztes ist dieser selbst im Lehnstuhl abgebildet,
neben ihm ein offener Schrank, in dem man
Schriftrollen und eine Schale sieht, und oben
drauf ein aufgeklapptes Besteck mit Instrumen-
ten, s. Petersen R. M. XV (1900) 171 ff. Grab-
stein mit chirurgischen Instrumenten s. (Jar-
rücci Storia d. arte crist. tav.488, 5. Sehr lehr-
reich ist auch der von Apollonios von Kition
(l.Jahrh. v.Chr.) verfaßte Kommentar zu der
Schrift des Hippokrates xegi üniloc»-. mit Minia-
turen einer Hdschr. des 10. Jahrb., die aber
offenbar auf Vorlagen aus der spätem Kaiser-
zeit zurückgehn,herausg.vonH.ScHOEM:.Lti|i/..
1896; Proben bei Reinach a.a. O. 1686 f.
M) Ueber den medizinischen Aberglauben
vgl. Friedländer 322 f.: zahlreiche Beispiele
bei Riess bei P.-W.I29ff.
lt) Perambvlori nennt es Sen.de benef.VI
16,2.
1S) Plaut. Epid. 198; Amph. 1013. Donat.
ad Ter. Ad. 584; vgl. Cic. pro Cluent. 63, 178.
480
Zweite Abteilung. Das Leben.
sie, um die Patienten zu blenden, mit silbernen Schröpfköpfen, Messern mit!
vergoldeten Griffen, elfenbeinernen Büchsen u. dgl. aus1). Über das Benehmend
der Ärzte am Krankenbett2) wird vielfach Klage geführt: besonders lautes»
Sprechen, grobes Benehmen, rücksichtslose Diagnosen u. dgl. wurden von den!
Patienten oft peinlich empfunden3). Schlimmer freilich war, daß manche!
selbst Schwerkranke erst in Behandlung nahmen, wenn ihnen das verlangte
Honorar zugesichert worden war4). Andrerseits fehlte es auch nicht an
solchen, die sich den Wünschen der Kranken anpaßten, um die Kundschaft
zu behalten, die es überhaupt verstanden, sich im Hause unentbehrlich zu
machen, was dann zu den sicher nicht ganz unbegründeten Beschuldigungen
führte, daß die Ärzte ganz besonders ehebrecherische Verhältnisse mit!
Patientinnen anknüpften5), daß sie Erbschleicherei und sogar Giftmischerei
trieben6). Aber auch sonst standen die römischen Ärzte nicht im besten
Rufe; namentlich wurde ihnen Hochmut, Eitelkeit, Streitsucht, Brotneid u.dgl.
vorgeworfen 7). Dem stehen freilich auch genug Äußerungen gegenüber, in
denen die Sorgsamkeit und Gewissenhaftigkeit der Ärzte, sowie ihre auf-
opfernde Pflege gepriesen werden8).
Neben den frei praktizierenden Ärzten, die vielfach als Hausärzte feste
Gehalte bezogen9), gab es solche mit festen Anstellungen10). Dahin gehören
vor allem die Leibärzte am kaiserlichen Hofe11); während die zahlreichen
medici servi, über die der Hof verfügte12), wohl vornehmlich die Sklaven zu
behandeln hatten, waren für den Kaiser und seine Familie besondere Ärzte mit
hohem Gehalte angestellt13); meistens waren es Griechen, oft Freigelassene14).-
Außer ihren Honoraren und andern Belohnungen15) erhielten sie in der spätem
Kaiserzeit auch den Titel archiater (äQxiarQog), der auch andern verdienten
Ärzten verliehen wurde16). Gemeindeärzte, die man in griechischen Städten
*) Luc. adv. ind. 29.
2) Vgl. Friedländer 306 ff. Ilberg Aus
Galens Praxis, N. Jahrb. f. d. kl. Alt. XV (1905),
276 ff.
3) Galen. X VII b, 144 ff.
4) Plin. XXIX 21.
5) Plin. ebd. 20. Mart. VI 31. Senec.frg.18
(Haase). Auch die kaiserlichenLeibärzteVettius
Valens und Eudemus lebten in ehebrecheri-
schem Verhältnis mit kaiserlichen Damen, Plin.
ebd. 8. Tac.ann. IV 3.
6) Plin. a.a.O. Apul.met.X25. Quintil.decl.
321. Liban. IV p. 908 R. Daß beim Arzte Gift
leicht erhältlich war, zeigt Plaut. Merc. 472.
7) Friedländer 319. Von manchen wurde
sogar behauptet, sie machten eine Krankheit
absichtlich noch schlimmer, um durch ihre Hei-
lung größeren Ruhm zu erwerben, Sen. de ben.
VI 36, 2. Beispiele von charlatanartigem Auf-
treten, Prablsucht u. dgl. bei Plin. a. a. O. 9 f.
8) Sen.dial. II 13,2; III 6,2; de benef.III
9, 2; VI 16, 1.
9) Q. Stei tinius wies dem Kaiser Claudius
sein Einkommen enumeratisdomibus nach, Plin.
a. a. 0. 7. Ueber die Höhe der Honorare s. oben
S. 476.
10) Vgl. Kuhn Stadt, u. bürgert. Verfass. d.
röm. Reichs 1 83 ff.
n) Vgl. Friedländer 144 f.
12) Die laxqoi der avki] Avyovozov führt
M. Anton. comm.VIII 31 an; die Inschriften
liefern zahlreiche Belege dazu.
1S) Wir erfahren von 250000 bis 500000
Sesterzen (54000 resp. 108000 Mark), Plin.
a. a. 0. 7. Unter Alexander Severus gab es sechs
Hofärzte, von denen aber nur einer ein salariutn
empfing, während die übrigen Naturalliefe-
rungen bezogen, Ael. Lampr. AI. Sev. 42, 3.
14) Siehe die Beispiele bei Friedländer
a. a. O.
15) So bekam Antonius Musa, der Leibarzt
des Augustus, eine Bildsäule, die Erlaubnis,
Goldringe zu tragen, und Abgabenfreiheit für
sich und seine Kollegen, Dio Cass. LIII 30.3.
,6) Das scheint ursprünglich in der Tat nur
ein Titel, kein Amt gewesen zu sein, doch ist
Sicheres darüber nicht bekannt. Vgl. Briau
L'archiatrie Romaine, Paris 1878. und bei D.-S.
I 373 f. Doch bekamen nicht bloß Hofärzte die-
sen Titel, sondern auch Gemeindeärzte. Vor-
steher ärztlicher Genossenschaften, Aerzte der
Gymnasien und die derVestalinnen führten ihn,
und namentlich in den Gemeinden scheint auch
eine bestimmte Amtstätigkeit damit verbunden
Achter Abschnitt. Ärzte, Tod, Bestattung und Grabmäler.
481
chon sehr früh kannte, finden wir in Rom erst sehr spät: die Anstellung
on vierzehn archiatri, einem für jede Region, die die Armen umsonst zu be-
andeln hatten und dafür festen Gehalt bezogen, erfolgte zum ersten Male im
alno 368 n.Chr.1). Doch trat staatliche Fürsorge für die Ärzte schon früher
in. indem Alexander Severus ihnen ebenso wie Rhetoren, Grammatik, in und
ndern Gelehrten Gehälter aussetzte, Lehrsäle (audüoria) anwies und frei-
;eborne Schüler mit Stipendien ausstattete2). In der Provinz wurden Stadtärzte
chon früher eingeführt, zuerst für Asien durch Antoninus Pius, wobei je nach
er 1 1 röfie der Stadt fünf, sieben oder zehn solcher Ärzte von den Stadtbehörden
mannt wurden, die von Abgaben frei waren3). Aus den Inschriften lernen
rar solche Ärzte mit dem Titel archiatri4) in vielen Städten Kleinasiens und
Lnderer Provinzen, sowie in Italien selbst, kennen5). Seit dem Ausgang der
epublikanischen Zeit gab es auch festbesoldete Militär- oder Legionsärzte,
nscheinend 24 bei jeder Legion, während bei der kaiserlichen Leibwache
md bei den Vigiles der Stadt Rom auf jede Kohorte vier Ärzte kamen6),
luch die Gladiatorenschulen hatten ihre eignen Ärzte7), ebenso gab es solche
ür das Theaterpersonal8), für Gymnasien9), die Zünfte hatten ihre Ärzte,
ie Vorgänger der heutigen „Kassenärzte"10) usw.; mancherorts taten sich
ie Arzte selbst zu Kollegien zusammen11).
Ein paar Worte sind hier auch zu sagen über die Herstellung der
leilmittel. Apotheken, wo die Medikamente nach den Rezepten der Ärzte
ind unter Aufsicht oder Kontrolle hätten zubereitet werden können, gab es
licht. Die hauptsächlichsten Medizinalstoffe und auch fertige Medikamente
varen bei den Salbenhändlern (iinguentarii, seplasiarii)12), bei den Händlern
ewesen zu sein. vgl. Vercoutre Rev. arch.
. Ser. XXX IX (1880) 321 ff. Marquardt 774 f.
Vellmann bei P.-W. II 464 ff. Th. Meyer Rom.
kerztestand 54ff. Inschriftl. vgl. CIL V 8741 ;
^1 9563. Der Titel medicus Palatinus findet
ich zuerst unter Alexander Severus, Ael.
jampr. a. a. 0., für die spätere Zeit s. Mar-
(ÜARDT 776.
l) Cod. Theod. XIII 3, 8. Cod. Iust. X 53
52 ,9 ; über das Datum s. Marquardt 778 A. 2.
!ie wurden von den Bürgern gewählt, dem
Collegium der archiatri vorgeschlagen und
on diesem, nach Prüfung der Kenntnisse der
Kandidaten, aufgenommen; vgl. Di«g. L 9, 1;
3, 1 ff.
* ) Lampr. AI. Sev. 44, 4. Da doch nicht jeder
leliebige Arzt auf diese Vergünstigungen An-
pruch machen konnte, so darf man wohl für
liese Zeit approbierte Aerzte annehmen, worauf
Th. Meyer 30 f. mit Recht hinweist.
3) Digg. XXVII 1, 6, 2.
4) Doch finden wir Gemeindeärzte auch
•hne diesen Titel, so CIL II 2348: medicus co-
onorum coloniae Patriciae in Corduba; ebd. XII
»342 einen medicus coloniae.
5) Eine Zusammenstellung gibt Briau
i. a. 0. 68 f.; von griechischen Städten Mar-
juardt 777 A. 4.
6) Ueber die Militärärzte handeln Gaüpp
Das Sanitätswesen in den Heeren der Alten,
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft. IV.
Blaubeuren 1868. Briau Du Service de sante
militaire chez les Romains, Paris 1866; ders.
L'assistance medicale chez les Romains, Paris
1870. Fröhlich Ueber die Kriegschirurgie der
alten Römer, im Arch. f. klin. Chirurgie XXV
(1880), 285 ff.; darnach Brunner a.a.O. lff.
7) Bekanntlich war Galen in seiner Vater-
stadt Pergamon von 158 — 164 Gladiatorenarzt.
Die Aerzte hatten nicht nur die erkrankten I Ha-
diatoren zu behandeln, die Wunden zu heilen,
sondern auch über ihre Diät und Trainierung
zu wachen, vgl. Friedländer II 338 f.
8) Ein medicus rattoni» summt choragii
CIL VI 10085.
9) Wenn Gothofredus im Cod. Theod. XIII
3, 12 mit Recht (treh int er porticm Xysti emen-
diert hat.
10) CIL XI 1 355 ; vgl. Th. Meyer a.a.O. 52 f.
Liebenam Zur Gesch. u. Organisation d. röm.
Vereinswesens 117.
u) Th. Meyer 65 ff. Es begegnen uns solche
collei/ia meilieorum z.B. in Benevent. CIL IX
1618. und in Rom, ebd. VI 9566. wo ein »criba
med iear Km genannt wird. Eine Vereinigung der
Aerzte von Turin ebd. V 6970. Was die selmln
medieorum in Rom war. CIL VI 29805. wissen
wir nicht (die Inschr.Orelli 4226 mit /(//'»/"//(/x
scholae medicorum gilt für falsch, s. CIL VI •">
n. 978).
>*) Siehe oben S. 436.
2. i. 3. Aufl. 31
482
Zweite Abteilung. Das Leben.
mit Gewürzen, Drogen, Spezereien u. dgl. (aromatarii, thurarii, pigmentarii) l)\
käuflich; auch die griechische Bezeichnung pharmacopolae ist häufig, abeil
meistens mit der Nebenbedeutung von Charlatanerie und Quacksalberei2).}
Zur Zeit, da es noch keine oder wenig Berufsärzte gab, lieferten diese Händler)
den Kranken die üblichen Heilmittel; dann fingen die Ärzte an, selbst zu dis-|
pensieren, indem sie die Rohstoffe von den Händlern bezogen, die Zusammen-l
setzung aber selbst besorgten, und das erhöhte ihre Einnahmen bedeutend,!
zumal viele Leute die Medikamente für um so besser hielten, je teurer sie
waren3). Doch klagt der ältere Plinius darüber, daß die Arzte nicht ge-!
nügende Kenntnis der Drogen hätten und, anstatt selbst die Rezepte zu
bereiten, wie früher, die fertigen Salben und Pflaster im Laden kauften,
obschon gerade auf diesem Gebiet Betrügereien so gewöhnlich seien4). Die
Klagen über Verfälschung der für Medikamente nötigen Substanzen sind
sehr häufig, und es gehörte oft bedeutende Erfahrung dazu, das Echte vom
Nachgemachten zu unterscheiden5). Ein tüchtiger Arzt mußte die besten
Bezugsquellen kennen, möglichst direkt und an Ort und Stelle einkaufen
und selbst weite Reisen zu diesem Zwecke nicht scheuen6).
Wir gehen nun zu den Bräuchen der Bestattung über7). Hierbei ist
vorauszuschicken, daß es sich da vornehmlich um die oberen Klassen, um
Reiche und Vornehme handelt, denn auf diese beziehen sich die meisten
der uns vorliegenden Nachrichten, während von der schlichten Bestattung
der niedern Klassen, bei der nicht viel Umstände gemacht wurden, selten
die Rede ist.
Wenn jemand infolge von Krankheit zum Sterben kam, so pflegten sich
die Angehörigen um das Sterbebett zu versammeln. Vielfach nahm man den
Sterbenden vom Lager herunter und legte ihn auf die Erde8), was jedenfalls
') Vgl. Marquardt 782. Die thurarii, die
auf Inschriften häufig vorkommen (vgl. Dessau
76 12 ff.), wohnten in Rom im vicus thurarius,
wie bei späten Grammatikern der vicus Tuscus
heißt, Porph. zu Hör. ep. I 20, 1; II 1, 269. Ps.-
Ascon. p. 200 Or., vgl. Richter Topogr. 386.
Jokdan Top. I 2, 469 A.40. Doch gab es einen
solchen auch in Puteoli, Not.d.scavi 1885,393
(regio clivi vitrarii sive vici turarii). Ein col-
legium aromatariorum in Rom, CIL VI 384 (Or.
114 = CIL XI 426* ist falsch). Pigmentarii oder
institores pigmentarii, Cic. ad fam. XV 17, 2.
Digg. XLVIII 8, 3, 3. CIL VI 9745 ; 9796, han-
delten vornehmlich mit Farbstoffen und Salben,
daher in den Glossen erklärt durch fWQOJicblrjs,
(pag/uaxojiGohrjs, Ofirjy/iiarojicokrjg, fivQsyiöc, %qoo-
(Mzojiü'Arjs, Corp. Gloss.VII87; vgl. Firm. Mat.
math. III 6, 3: qui odorum pigmenta faciunt;
6,4: piqmentorum inventores, auch ebd. 12, 10;
IV 11, 2 u.s.
2) Cato b. Gell. 1 15,9. Cic. pro Cluent. 14,
40. Hör. sat. I 2, 1. Scribon. comp. 199 nennt
sie execratissimi -pharmacopolae. Ein col-
legium farmacopolarum publicorum in ßrixia,
CIL V 4489. Im allgemeinen ist über Be-
schaffung und Bereitung der Medikamente
die Darstellung bei Friedländer 310 ff. zu
vergleichen.
3) Plin. a.a.O. 24; ebd. 28.
4) Plin. XXXIV 108.
5) Plinius behandelt meist auch die Her-
stellung der unechten Medizinalstoffe: Galen
klagt auch über den Betrug der Drogenhändler,
vgl. XIII 571; XIV 7 u.s.
6) Das tat Galen öfters, s.Friedländer 312.
7) Diesatirische Verknüpfung von Arzt und
Totengräber ist schon den Alten geläufig, Mart.
I30u.47.
8) Das ist das öfters angeführte deponer*
Lucil. b. Non. 279, 25. Verg. Aen. XII 395. Ov.
tr. III 3,40; ex Ponto II 2, 47. Petron. 133, 4;
auch übertragen depositus animae, Caecil. b.
Non. ebd. 40 ; vom Staat Cic. Verr. act. II, I 2, 5.
Daß diese depositio nicht mit der Leiche vor-
genommen wurde (wie BECKER-GöLL487meint),
sondern mit dem Sterbenden, heben Mau 347
und Samter Festschr. f. O. Hirschfeld 249 mit
Recht hervor.
Achter Abschnitt. Ärzte, Tod, Bestattung und Grabmäler.
483
iiif alte religiöse Vorstellungen zurückging1); auch den letzten Hauch mit
linem Kusse aufzufangen, war nicht ungewöhnlich2). Nach eingetretenem
Pode schloß man dem Verstorbenen die Augen, was in der Kegel ein Familien-
mitglied tat3). Vermutlich bald darauf erfolgte die sogenannte conchimulio*),
ll. h. die anwesenden Familienangehörigen riefen den Verstorbenen zu wieder-
holten Malen laut mit Namen an5), was wohl auch ein alter, in seiner ur-
sprünglichen Bedeutung später nicht mehr erkannter religiöser Brauch war6).
') Serv.ad Aen. a.a.O. gibt als Gründe an:
monsuetiido erat iit desperati ante ianuas suas
molloearentur, vel ut extremum spiritum redde-
went terrae velut possent a transeuntibus forte
i,guiaUquandosimililaboraverantmorbo
■so auch Isid. or. X 72) ; doch ist der zweite
lirund bestimmt falsch: es liegt, wie Samter
li.a.O. bemerkt, eine Vermischung mit andern,
Ivirklich oder angeblich üblich gewesenen Bräu-
chen vor (vgl. Herod. 1 197. Strab. III 155. Max.
Iryr. XII 2). Die eigentliche Bedeutung des
[3rauches war wohl die, daß man den Sterbenden
Init der Erde in Verbindung setzen wollte.
2) Dieser Brauch, auf den die Dichter öfters
uispiden (Verg. Aen. IV 684. Stat. silv. V 1,
|l95;dochebd.Hl,173undTheb.XII417gehen
liuf Küsse, die den Toten gegeben werden),
prird auch sonst erwähnt, vgl. Cic.Verr.V45,
118. Gonsol. ad Liviam (Baehrens PLM I 97)
17 u. 158. Quintil.decl.6,22. Sen. dial.VI 3, 2;
\\ 15, 5. Auson. parent. 23, 13, war aber wohl
|aicht allgemein; Suet. Aug. 99 ist, wie es scheint,
nuders zu deuten.
s) Das heißt oeuloscondere, Ov.her.l. 113;
10, 120; trist. 1113,44. Consol. ad Liv. 157; pre-
lmm.<,Verg.Aen.IX489. Ov.am. III 9,49; com-
Vprimere, Cons. ad Liv. 159; tegere, Ov.tr. IV 3,
1 1 ; operire, Plin. XI 150. Sen. controv. IX 27,5;
Yiclaudere, Lucan. III 740; suggillare, Varr. b.
Non. 171. 10. Auch inschriftl. erwähnt, CIL
llXIII 1862: qui höh Heult nuotibus suis patris
\oculos tegere. Die Handlung ist auf einem Grab-
irelief aus Volterra dargestellt, Gerhard A. Z.
IV (1S46) Taf.47. Cuq a.a.O. 1387 Fig. 3359.
Daß das Abziehen des Siegelrings nicht, wie
man früher meinte, zu den Bräuchen nach Ein-
tritt des Todes gehörte, legt Becker-Göll III
1485 f. richtig dar.
4) Liv. IV 40,3. Lucan. II 22. Sen.dial.IX
11.7; de dem. I 25, 5 ;ep. 17, 3; 52, 13. Quintil.
decl.8.10. Stat. silv. II 6,5. Fronto ad M.Caes.
V41p.88(Nab.). Apul.met. I 6; II 27. Amm.
Marc. XXX 10. 1. Auson. idyll. 5, 15. Dasselbe
nennt Ov.tr.III 3,43 den clamor supremus und
! Prop. V (IV) 7,23 tnclamare. In übertragenem
Sinn Ter. Eun.348: tarn conclamatum est, d.h.
es ist alles vorbei.
5) Serv.ad Aen. VI 218: Plinius in natu-
: /"// historia dicit hanc esse causam, ut mortui
I et nitida abluantur ei per intervalla concla-
mentur, quod solet plerumque vitalis Spiritus
exclusus putari et homines fallere. Doch liegt
liier ein Irrtum des Servius vor: Plin. berichtet
i /.war VII 173 ff. von Fällen von Scheintod, sagt
aber nichts vom Waschen und von der ean-
clamatiii.
6) Der Zweck , den er nach Ser v. hatte, einen
etwa Scheintoten zu erwecken, war sicher späte
Erfindung; wird doch bei Liv. IV 40, 3 die con-
clamatio in den Häusern von den auf dem
SchlachtfeldGefallenen,derenLeichen gar nicht
im Hause sind, angestimmt (was Mau 34f< nur
uneigentlich verstehen will) und Tac. ann. III 2
in den Straßen der italischen Städte, durch die
die Leiche des Germanicus geführt wird. Auch
Quintil. decl. 146: corpus meum, quod . . . fa-
miliae conclamatione excitari höh potuü will
wohl nicht mehr besagen, als wenn wir heut da-
von sprechen, daß keine Klagen den Toten mehr
aufwecken. Wie bei Tac. a. a. O. die laerimae
von den condamaHones unterschieden werden,
so Lucan. II 22 conclamatio und pkmctiu, Apul.
met. I 6 deflere und conclamare. Wasmanns-
oorp Die religiösen Motive derTotenbestattung
b. d. verschiedenen Völkern 16 meint, der Sinn
des Brauches sei gewesen, daß man die Seele
des Toten rief, um ihr zu versichern, daß sie
nicht lange der Bestattung entbehren werde.
Uebrigens kennt die Neuzeit bei Bestattung vor-
nehmer Adelsgeschlechter Aehnliches. Daß
auch bei der Bestattung selbst Anrufen desToten
beim Namen erfolgte, zeigt Verg. Aen. III 67. —
Daß schon bei der conclamatio Tuben und Hör-
ner geblasen worden seien, wie mehrfach an-
genommen wird (Jahn z. Pers. 3, 103. Mau bei
Marquardt 346 A. 5 und bei Pauly-Wissowa
348), ist nicht wahrscheinlich; Petron.78, 5 be-
deutet wohl überhaupt nur Begräbnisbrauch
(wie Marquardt 351 A. 7 annimmt); daß bei
Pers. 3, 103 die tubae vor der Ausstellung ge-
nannt werden, ist nicht beweisend, da auch die
candelae dort angeführt werden, die doch sicher
erst neben das Paradebett gestellt wurden, und
von den dafür angeführten Reliefs gilt das im
Louvre (Clarao 154. 182. Baumeister Denk-
mäler I 309 Fig. 325) heut für ein Werk der
Renaissance. Das andere als Beweis angeführte
Relief Maffei Mus. Veron. p.420,2. Darembero-
Saglio a. a. O. 4387 Fig. 3558 (bei Dütschkk
Ant. Bildw. in Oberitalien Bd. IV nicht aufge-
führt) zeigt rechts vom Schild mit dem Brustbild
des Toten diesen auf dem lectus, wie eine Frau
ihm die Augen zudrückt, dabei eine andere mit
Trauergestus. links vier Männer, von denen
einer in eine Tuba bläst, ein andrer ein Tamburin
schüttelt. Auch hier wird man wohl eher Be-
ziehung auf die Ausstellung der Leiche als auf
die conelaniatia annehmen.
31*
484
Zweite Abteilung. Das Leben.
Dann begannen die Vorbereitungen zur Ausstellung der Leiche1): man
wusch sie in warmem Wasser2), was entweder ein weibliches Mitglied
der Familie oder der Dienerschaft besorgte oder ein mit dem pollingere'6)
vertrauter Angestellter der Libitina (siehe unten S. 489), der pollinctor*),
dessen Beruf es war, die Leichen für die feierliche Aufbahrung herzu-
richten5). Da mit dieser eine mehrtägige Ausstellung der Leiche verbunden
war, so kam es dabei vornehmlich auf zweierlei an: die Zeichen der be-
ginnenden Verwesung, also den Übeln Geruch und das häßliche Aussehn,
zu verbergen und die Leiche auch sonst würdig zu schmücken. Dem Zwecke
des Konservierens diente zunächst die unctura^), das Einreiben mit Salben
und andern Stoffen, die die Verwesung aufhielten7); auch die Mundhöhle
scheint man mit solchen wohlriechenden Stoffen gefüllt zu haben, und man
wird in vielen Fällen sogar an eine wirkliche Einbalsamierung der Leichen zu
denken haben8). Dann wurde die Leiche angekleidet9), und zwar römische
Bürger für gewöhnlich mit der weißen Toga10), wovon nur bei Ärmeren, die
keine besaßen, abgegangen wurde11), Beamte aber in der toga praetexta oder
sonst einem ihnen zukommenden Ehrenkleide12), wie denn überhaupt prächtige
*) Unsicher ist das supra genua tollere,
d. h. daß die Leiche von jemand (einem Ver-
wandten oder dem pollinctor) über die Knie ge-
legt wurde, was man aus der Verordnung des
Numa bei Festus 178b, 21: si kontinent ful-
minibus (fulmen Iovist) occisit, ne supra genua
tollito{r) schließen will, vgl. Kirchmann De fu-
nerib. Roman. 20, was Cuq a. a. O. darauf zurück-
führt, daß nach Plin. XI 250 den Knien inest
vitalitas. Antike Darstellungen derart (wie etwa
die Pietä der christlichen Kunst) gibt es nicht.
2) Serv. ad Aen. VI 218 (mit derselben Be-
gründung, dadurch etwa Scheintote zu er-
wecken). Enniusebd.219: Tarquinicorpusbona
femina lavit etunxit. Apul. met. VIII 14. Galen.
X915. Luc. deluctull. Serv. ad Aen. VI 485:
Romana consuetudo fuit ut mortui lavarentur.
3) Plaut. Poen. 63. Apul. Flor. 19. Val. Max.
VII 7, 4. Amm. Marc. XIX 1, 10.
4) Die Erklärung, die Serv. ad Aen. IX 485
von dem Namen gibt: pollinctores appellatos
dicunt, gut mortuis os polline oblinebant, ne
livor appareret extincti beruht wohl auf fal-
scher Etymologie. Eine andere gibt Fulgent.ex-
pos. serm . ant. 2 : pollinctores dicti sunt qui fu-
ner a morientia curant . . . quasi pollutorum
unctores id est cadaverum curatores; vgl. dazu
Wessner in dea-Comment. Ienenses VI 2, 106.
Die Glossen übersetzen es mit Fvzaquaar,))g und
erklären : qui mortuos sepelit oder qui sepulcra
praebent mortuis, Corp. Gloss. VII 102; die rich-
tige Bedeutung, die Non. 157,21 gibt: pollin-
ctores sunt qui mortuos curant, war also später
verloren gegangen, indem der pollinctor mit
dem funerarius (von dem ihn Firm. Mat. math.
III 9. 3 unterscheidet) identifiziert wurde, Corp.
Gloss.V645,77.
b) Plaut.Asin.910;Poen.63.Mart.X97,3.
Firm. Mat. a. a. O. und IV 13, 7; 14, 14. Sid. Ap.
ep. III 13,5. Digg. XIV 3, 5, 8.
6) Ennius b. Serv. ad Aen. VI 219. Pers.3,
104. Plin. XIII 3. Mart.111 12. Iuv.4,103. Plin.
ep.V16, 7. Apul. Flor. 19.
7) Als solche werden vornehmlich angeführt
Salz, Plin. XXXI 98; Zedernöl, ebd. XXIV 17;
Myrrhen, Apul. Flor. 32; Amomum, luv. a.a.O.
u. dgl. m. Der Honig, von dem Plin. XXII 108
auch die konservierende Kraft rühmt, diente
nicht zum Salben, sondern um Leichen darin
zum Transport aufzubewahren, vgl. Stat. silv.
III 2, 1 1 7. Unklar ist, was Varro bei Fest. 158 b,
25 als Gesetz der XII Tafeln von der murrata
potio anführt: ne mortuo indatur; ebenso die Ver-
ordnung, die Cic. de leg. II 24, 60 zitiert: servil «I
unctura tollitor, doch geht letzteres wohl nicht
auf die Salbung der Leichen, sondern, wie die
Fortsetzung omnisque compotatio zeigt, auf ein
Verbot für die Sklaven, sich zu salben und Trink-
gelage zu halten. — Daß man die Leichen auch
geschminkt habe, will Mau a. a. O. aus Serv.
ad Aen. IX 485 schließen; doch abgesehn da-
von, daß dessen Angabe nur um der Etymo-
logie willen erfunden scheint, spricht er auch
von Einstäuben mit Mehl, nicht von Schminke
Und dafür, daß man für gewöhnlich das Ge-
sicht nicht schminkte, spricht Dio Cass. LX
7. 4, wonach das Gesicht des Britannicus mi
Gips bestrichen wurde, um die an der Haut
sichtbaren Spuren des Giftes zu verbergen.
8) Apul. Flor. 19: iant miseri illius mem-
bra omnia aromatis perspersa, iant os ipsius
unguine odoro delibutum.
9) Enn. b. Macr. II 6.21. Apul. met. X
12. Luc. de luct. 11. Digg. XI 7, 14, 4: XXX
113,5.
10) luv. 3, 171. Mart.IX57,8. Apul. Flor. 4.
Artemid. On. II 3. Digg. XV 3, 19.
u) Artemid. a. a. O.
u) Liv. XXXIV 7, 3. Polyb.VI53, 1: xo-
ulCeiai fiszä roü koutov xöofiov.
Ii
!
Achter Abschnitt. Ärzte, Tod, Bestattung und Grabmäler.
is:,
purpurne und goldgestickte Gewänder dafür üblich waren1), auch bei reichen
oder vornehmen Frauen2). Dazu kam bei den Männern der Siegelring, den
sie im Leben getragen hatten3), bei Frauen auch anderer Schmuck4). Auch
Kränze wurden dem Toten aufgesetzt, und zwar sowohl künstliche, von Gold
gefertigte5), zumal Ehrenkränze, die der Verstorbene im Leben sich durch
Tüchtigkeit, durch Siege in Wettkämpfen u.dgl. erworben hatte6), als auch
solche von natürlichen Blumen 7). So wurde der Leichnam, in der Kegel von
den nächsten Angehörigen8), auf das hohe9), mit prächtigen Kissen und
Decken geschmückte10) Paradebett, den lectusfiinebris11), hinaufgehoben, was
mmponere1*) oder collocare13) genannt wird, und im Atrium14), mit den Füüen
nach dem Ausgang hin15), ausgestellt (vgl. Fig. 75 16)). Daneben stellte man
brennende Kerzen oder Kandelaber mit Lampen oder Pechflammen17) auf,
sowie Weihrauchpfannen, acerrae1*), und über das Lager wurden Blumen,
Kränze, Binden u. dgl. verstreut19), während als weiteres Kennzeichen des
Trauerhauses Zweige von Zypressen20) oder Rottannen21) vor der Haustür
angebracht wurden22). Als weiteres Zeichen der Trauer wurde das Herdfeuer
») Verg.Aen.VI 221. Val. Max.V5,4. Suet.
Nero 50. Lactant. II 4, 9.
-) Prop.V(lV) 11,61.
s) Diese wurden der Leiche auch beim Be-
graben belassen (daher viele Ringfunde in Grä-
bein), bei der Verbrennung vermutlich vorher
abgezogen, obschon auch nicht immer, s. Prop.
V ( 1 V) 7, 9. Daß nicht, wie man früher meinte,
(vgl. Kirchmann De funeribus 44) aus Plin.
XXX 111 27 undSuet.Tib. 73 der Brauch gefolgert
werden könne, daß man den Toten den Siegel-
ring abzog, um ihn der Leiche auf dem Scheiter-
haufen wieder anzustecken, legt Becker-Göll
483 richtig dar.
4) Da die Frauen ihren Schmuck vielfach
ins Grab mitnahmen (Quintil. decl. 373. Digg.
XXXIV 2, 40, 2), was auch die zahlreichen Grä-
berfunde erweisen, so war sicherlich die Leiche
schon bei der Ausstellung damit geschmückt.
5) Das ergeben ebenfalls die Gräberfunde,
vgl. RAOUL-RocHETTEMem. de 1' Acad. des Inscr.
XIII 653. B. d. 1. 1835, 203; vgl. Cic. proFlacco
31,75. Plin.X 122.
6) Nach den XII Tafeln bei Cic. de leg.
II 21.60. Plin. XXI 7; vgl. Serv. ad Aen. XI 80.
7) WasBECKEK-GöLL491 wohl mit Unrecht
nur als griechischen Brauch bezeichnet, vgl. Luc.
de luct. 11. Minuc. Fei. Oct. 12. Tertull. de cor.
10; auch Denkmäler erweisen das, wie dasHa-
terier-Relief Fig. 75. Das XII Tafel-Gesetz ver-
bot nur die longae coronae, d. h. wohl lange, über
den Körper gelegte Girlanden, wie sie an etrus-
kischen Figuren auf Aschencisten vorkommen.
8) Das scheint aus Dio Cass. L VIII 2, 1
hervorzugehn.
9) Pers. 3, 103. Stat. silv. V 1, 214.
10) Stat. a. a. O. Petron. 78, 5 ; man vgl. auch
das Paradebett auf dem Haterier-Relief.
n) Petron. 114, 11 ;vgl.Tib.1 1,61. Quintil.
VI 1,31.
12) Pers. a.a.O. Ov. met. IX 504. Sen.dial.
X 20 3.
") Suet. Aug. 100. Capit. Ant. Pius 5, 1.
14) Sen. ep. 12, 3. DieAusstellungder Leiche
des Augustus im Vestibulum seines Palastes,
Suet. a.a.O., ist ebenso eine Ausnahme, wie
die Ausstellung von Leichen auf dem Forum,
Dion. Hai. XI 39. 5. Dio Cass. XLIV 35, 4 ; LIV
35.4; LV2,2, oder in öffentlichen Gärten, Ca-
pitol. a. a. O.
15) Pers. 3, 105: in portam rigidas calces
extendet. Sen. a. a. O. : foras spectat.
16) Relief, wahrscheinlich zum Grabmal der
Haterier gehörig, gefunden an der Via Labicana
nicht weit von Centocelle, jetzt im Lateran
(Benndorf u. Schöne Bildwerke d. lateran. Mus.
221 n.348);s.Mon.d. Inst. V 6. Braun A. d.i.
XXI (1849) 365. Dargestellt ist die coOoeatio
der Leiche, ihre Bekränzung, die Trauer der
Angehörigen und Dienerschaft u. a. m.
17) Solche sieht man am Haterier-Relief,
und darauf gehen auch jedenfalls die candelae
bei Pers. 3, 103.
1S) Fest. 18, 7: acerra ard quae ante mor-
tuum poni solebat, in qua odores ivcendebant.
Es war wohl ein kleiner tragbarer Räucherältar,
was Verg. Aen. IV 453 turicrema ara nennt,
s. die Abbildungen bei Daremberg-Saglio 1 348
Fig.414f. Auf dem Haterier-Relief stehen außer
den Kandelabern auch turibula beim Parade-
bett. Nach Cic. a. a. O. enthielten die XII Tafeln
auch ein Verbot der acerrae.
19) Dion. Hai. XI 39, 6. Plin. XXI 10.
20) Hor.carm.II 14,23. Lucan. III 442. Plin.
XVI 139. Serv. ad Aen. II 714; III 64; ebd. 680;
VI 216. Fest. 63, 15.
21) Plin. XVI 40.
") Nicht im Vestibulum, wie Marqüardt
3118 sagt, sondern außerhalb, ad fores, Plin.
a. a. O.; anU etotmtm, 8«T. Aen. III 64: das
Haus sollte eben schon von außen als Trauer-
haus kenntlich sein.
486
Zweite Abteilung. Das Leben.
im Hause gelöscht1). Endlich hatten auch die Römer den bei den.Griechen
und Etruskern allgemeinen Brauch, dem Toten als Fährgeld für den Charon
eine Kupfermünze in den Mund zu geben2); die Allgemeinheit dieses Brauches
haben zahlreiche Gräberfunde bestätigt3).
ov
;,rj
1 L
L
-^— - — jT
Fig. 75. Ausstellung der Leiche und Totenklage. Relief vom Grabmal der Haterier.
Während der mehrere Tage andauernden Ausstellung der Leiche wurde
von den Angehörigen, vornehmlich den weiblichen Familienmitgliedern, wieder-
holt die Leichenklage angestimmt4), mit all den äußeren Bezeugungen der
Trauer, wie sie auch bei der Bestattung selbst üblich waren; und schon hierbei
scheinen Musikinstrumente, Tuben und Flöten, beigezogen worden zu sein5).
l) Apul. met. II 24. Schol. luv. 3, 214.
*) Prop. V (IV) 11, 7. luv. 3, 267. Apul.
met. VI 18.
3) Siehe Marquardt 349. Mau a. a. 0. 349.
Cüq 1388; die Funde ergeben, daß der Brauch
die ganze republikanische und Kaiserzeit hin-
durch bestand.
4) Luc. de luctu 12: olfimyai de eji'i zovzoig
xai xoixvzoq yvvaixwv xai iraga nävxiov ddxgva
xai ozsgva zvnzöueva xai onagazzofMevri xö/un
xai (poiviaoöftsvcu izageiai' xai nov xai softes
xadaQQrjyvvzai xai xövig im zfj xetpalfj jidzrerat.
All dies geschieht während der noöfteoig der
Leiche, und so sehen wir auf dem Haterier-Relief
Frauen mit aufgelösten Haaren und Männer
beim Totenbett stehen und mit den Händen die
Brust schlagen, während andere, die durch den
Pilleus als testamentarisch freigelassene Skla-
ven kenntlich sind, nur in Trauerstellung, die
Hände um das eine Knie faltend, dabei sitzen;
die eigentliche Totenklage war also nur Sache
der Angehörigen. Marquardt 347 A. 9 hält
allerdings die sitzenden Frauen für die eigent-
lichen Leidtragenden (die funer eae, nach Serv.
ad Aen. IX 486 Schwester und Mutter), doch
spricht der Pilleus dagegen.
5) Darauf geht, wie schon oben angenom-
men, Pers. 3, 103 und die bildlichen Darstel-
lungen; auch am Haterier-Relief sitzt ein Flö-
tenbläser am Fußende des Bettes.
Achter Abschnitt. Ärzte, Tod, Bestattung und Grabmäler.
487
Die Dauer dieser Ausstellung der Leiche war, wie es scheint, keine bestimmte.
Während Angehörige der ärmeren und niederen Klassen, für die auch der Brauch
der Aufbahrung in der Regel dahinfiel, wohl sehr bald, meist schon am Tage
nach dem Tode, bestattet wurden1), blieben vermutlich die meisten andern
Leichen mehrere Tage ausgestellt2), und in besondern Fällen, zumal bei
Kaisern3), erfolgte die Bestattung sogar erst nach einer Woche. Jedenfalls
wurden bei längerer Ausstellung Vorkehrungen getroffen, um die im Süden
schnell eintretende Verwesung aufzuhalten, wie durch die erwähnte An-
wendung von Spezereien oder durch Einbalsamierung, oder sie den Blicken
zu entziehen, indem man das Gesicht mit einer vom Gesicht des Toten bei
Lebzeiten oder nach dem Tode abgenommenen Wachsmaske bedeckte4).
Während der Zeit, da die Leiche noch im Hause war, hielt ein Verwandter
oder ein dafür Bezahlter die Leichenwache, schon weil man den Toten
vor den Hexen und Zauberern schützen zu müssen glaubte5).
Was nun die Art der Bestattung anlangt, so ist in Italien die Ver-
brennung der Leichen seit ältesten Zeiten üblich gewesen 6), doch tritt schon
früh (etwa im achten Jahrhundert) die Bestattung daneben auf7). Von da
ab sind beide Bestattungsarten, wie aus den Grabfunden hervorgeht, immer
nebeneinander hergegangen8), nur daß in gewissen Fällen die eine oder andere
Form bevorzugt wurde9) oder in bestimmten Epochen überhaupt die üblichere
«) So bei Varr. r. r. I 69,2. Cic. pro Cluent.
9,27. Xenoph. Eph. 1117,4. An Feiertagen aber
durfte keine Bestattung stattfinden, Cic. de leg.
1122,55. Colum. II 21 (22), 4.
2) Die Angabe des Serv. ad Aen. V 64 (vgl.
VI 218), daß die Leiche sieben Tage ausgestellt
blieb und am achten verbrannt oder am neunten
begraben wurde, ist schon von Kirchmann 123
angezweifelt worden und vermutlich Verall-
gemeinerung eines nur bei hochgestellten Per-
sönlichkeiten geübten Brauches, s. Becker-
Göll494. Mau 349.
3) Herodian. IV 2, 4; doch ist da von der
Ausstellung des den Verstorbenen vorstellenden
Wachsbildes die Rede.
4) Daß die imagines, die Wachsmasken (s.
unt. S. 493), auch zu diesem Zwecke benutzt wur-
den, ist zwar nicht bezeugt, wird aber von Benn-
dorf Ant.Gesichtshelme u. Sepulkralmasken73
mit Wahrscheinlichkeit angenommen; zustim-
mend Becker-Göll I 39 ; III 494. Mau a. a. 0.
Ob das Anfertigen der Masken auch Sache des
pollinctor war, wie Benndorf annimmt, muß
dahingestellt bleiben.
5) Vgl. Apul. met. II 21 ff. Das sind die
custodes mortuorum cadaverum, Firm. Mat.
math. III 9, 3.
6) Das erweisen die Gräberfunde in den
oberitalischen Pfahlbauten, in Etrurien, am Al-
baner See u. s., s. Helbig Ital. in der Poebene
82; ders. A. d. I. LVI (1884), 111 ff. Mau bei
Marquardt 374 f. und bei P.-W. 345.
7) Helbig a. a. 0.; Gräberfunde in Rom,
deRossi Bull.comun. 1885, 39 ff.; in der Nekro-
pole auf dem Forum, deren älteste Gräber dem
8. oder 9. Jahrh. v. Chr. angehören, sind beide
Bestattungsarten vertreten, jedoch die Bestat-
tungsgräberjünger, als die Brandgräber, s. Hül-
sen R. M. XX ( 1905), 95 ff. ; ders. Forum Roma-
num2 199 ff. Ebenso gehen auf dem Friedhof von
Terranova Fausania (dem alten Olbia) auf Sar-
dinien bei 162 aufgedeckten Gräbern Brand- und
Bestattungsgräber durcheinander, doch wiegen
erstere vor, s. Tamponi Not. d. scavi 1895. 97 ff.
8) Die römische Tradition freilich behaup-
tete, daß das Begraben bei den Römern die äl-
teste Bestattungsform gewesen sei, Plin. VII
187: ipsuni cremore apud Romanos nun fnit
veteris inst ituti; terra condehnntiir. atpostqiiam
longhiijuis beiiis obrvtOS erui cognonre, tum-
instihdum. Vgl. Cic. de leg. II 22, 56. Zur Zeit
der XII Tafeln waren beide Formen gleich üb-
lich, wie die Verordnung Cic. a. a. O. 23, 58:
homiiicin mortuutn hi urbe tu sipeUto neve m-ito
beweist.
9) In manchen Familien wurden die Toten
nur begraben, wie in der Gens Cornelia, wo
Sulla der erste war, der sich verbrennen ließ,
Plin. a. a. 0. Cic. a. a. 0. 22, 56. Auch die Sci-
pionen waren in ihrem Grabe an der Via Ap-
pia in Sarkophagen beigesetzt, vgl. Richter
Topogr. 353. Jordan-Hülsen I 3, 210. Kinder,
die noch keine Zähne hatten, wurden stets be-
graben, Plin. VII 72. luv. 15,140. Fulgent. ex-
pos. serm. ant. 7: priori tempore nifffrwtdaria
anti<liii<Ii<eliai>tx<piilera i>ifanfiinn,qi(i neeilnin
quadraginta dies impUvissent, quin tue bueta
iliri poterant, quin ossa qiiae combiomn/nr
non erant, nee finita inunanitas cadatrris, qaae
locum tumesceret, s.dazu Wessner Comment.
Ienenses VI 2, 109. Vgl. Not. d. scavi 1887, 61 .
Auch Arme wurden in der Regel begraben, weil
488
Zweite Abteilung. Das Leben.
war1). In der Kaiserzeit nahm das Begraben wieder überhand2), bis es unter
dem Einfluß des Christentums, das vom Verbrennen nichts wissen wollte,
allmählich das allein Übliche wurde3).
Die Bestattung der Leichen war bei den Römern, wie bei den Griechen,
durch die religiösen Pflichten geboten, da erst dadurch der Schatten der Ver-
storbenen Aufnahme in der Unterwelt fand; sogar die Leichen hingerichteter
Verbrecher wurden den Verwandten zur Bestattung ausgeliefert4). Selbst
Fremde, die am Wege einen unbeerdigten Leichnam antrafen, warfen dreimal
eine Handvoll Erde auf ihn, als Symbol der Bestattung5). War die Leiche eines
Anverwandten überhaupt nicht zu erlangen, da er etwa in der Fremde gestorben
oder ertrunken oder verschollen war u. dgl., so wurde dieser Ritus der terrae
iniectio doch symbolisch vorgenommen6) und ein leeres Grabmal (cenotaphium)
errichtet7). Der Wunsch auch des Ärmeren, einer solennen Bestattung teil-
haftig zu werden, führte zur Stiftung von Begräbnisvereinen {collegia funera-
ticia), bei denen die Mitglieder einen monatlichen Beitrag in die Kasse zahlten,
wofür entweder die Familie beim Tode eine bestimmte Summe {funer aticium)
für die gesamten Bestattungskosten oder einen Teil derselben erhielt oder
der Verein selbst dies auf einer eigenen, ihm gehörigen Begräbnisstätte be-
sorgte, und zwar sowohl als Beerdigung wie als Verbrennung8). Etwaige
Nichterfüllung der Bestattungspflicht wurde alljährlich von der Familie durch
ein Opfer (die sogenannte porca praecidaned) gesühnt9), wobei wohl auch
Sühne für Vernachlässigung des Totenkultus mit inbegriffen war10).
Unter funns, das eigentlich den Leichenzug bedeutet11), versteht man
im weiteren Sinne alles zur Bestattung Gehörige, also die Aufbahrung, den
Leichenzug und die Beisetzung oder Verbrennung. Dabei wurden hinsichtlich
es billiger war, als das Verbrennen, und zwar
die Aermsten in gemeinschaftlichen Gräbern,
puticuli, Varro 1. 1.V25. Fest. 216,6: 217b, 8.
Schol.Cruqu.ad Hor.sat.I 8,10; in Rom lag der
gemeinschaftliche Begräbnisplatz der Armen bis
zur Zeit des Augustus auf dem Esquilin, Hör.
sat. a. a. 0. ; über Funde daselbst Lanciani Bull,
comun. 1875,41.
') In Rom ist das Verbrennen seit dem
Ausgang der Republik das Gewöhnliche, sodaß
es Tac. ann. XVI 6 als Romemus mos bezeichnen
konnte. In Pompeji enthalten nur die vorrömi-
schen Gräber unverbrannte Leichen, Mau Pom-
peji 399.
2) Die meisten römischen Sarkophage rüh-
ren aus der Zeit seit dem 2. Jahrh. n. Chr. her;
vgl. Marquardt 377 A. 5. Auch in der Rhein-
provinz zeigen die Funde, daß sich im 2. Jahrh.
die Sitte des Bestattens allmählich neben der
Verbrennung eingebürgert hat, Dragendorfp
Rhein. Jahrb. CXIII 237.
s) Macrob.sat.VII7,5sagt(um400n.Chr.):
licet urendi corpora defunetorum usus nostro
saeculo nullus sit. Daß aber noch zur Zeit Karls
d. Gr. die Verbrennung nicht ganz verschwun-
den war, zeigt Wylie Archaeologia XXXVI l
(1857), 463.
4) Digg.XLVIII24,lu.3. Ueber die Aus-
nahmen im Pontifikalrecht vgl. Mau bei P.-W.
346.
5) Verg.Aen.Vl 365. Hor.carm. I 28, 23 f.
Petron. 114, 11. Quintil. decl. 5, 6. Claud. carm.
III 371. Bei den im Meere Ertrunkenen tröstete
man sich damit, daß der Meeressand dies be-
sorgte, Prop.IV6 (III 7), 25 f. Petron. a. a. 0.
Senec. exe. controv.VIII 4.
6) Serv. ad Aen.VI 366: et circa cadaverA
et circa absentium corpora quibusdam solle-
mnibus sacris.
7) Hyg.fab.273. Lampr. Al.Sev.63.3. Vo-
pisc. Tac. 15 (Florian. 2), 1. Digg. XI 7, 6. 1;
lateinisch heißt es tumulus inanis, Verg. Aen.
III 304. Ov. met. VI 568, oder honorarius, Suet.
Claud. 1.
8) Vgl.ScHiESS Die römischen collegia fu-
neraticia, München 1888. Waltzing Etudes
histor. sur les corporations professionnelles chez
les Romains (Bruxelles 1895) 1 286 ff. Korne-
mann bei P.-W. IV 389.
9) Varr. b. Non. 163, 17. Fest. 218a. 17;
223,19. Gell. IV 6, 7.
10) Lürbert Comm. pontific. 78. Wissowa
Relig. u. Kultus d. Römer 160.
11 ) Hör. sat. I 6,43: coneurrantque foro
tria funera. Suet. Tib. 57: praetereunte funere',
daher funus ducere, Cic.pro Quinct. 15,50. Suet.
Aug. 100. luv. 1, 146; 10, 240; funere efferri,
Cic. de or. II 55, 225. Suet. Ner. 9 ; ebd. 30 u. s.
Achter Abschnitt. Ärzte, Tod, Bestattung und Grabmäler.
IS!)
ler Art der Ausführung oder der damit verbundenen Umstände gewisse
Jnterschiede gemacht. Im allgemeinen unterschied man private und öffent-
iclie Bestattung, das funus privatum, das die Familie veranstaltete, vom
funus publicum, das eine Gemeinde oder der Staat übernahm, um den Ver-
storbenen dadurch zu ehren1), womit in der Regel auch die Stiftung eines
legräbnisplatzes verbunden war2). Das prunklose Begräbnis der Ärmeren
rar ein funus plebeium*) oder tacitum4); dagegen hieß die feierliche Art der
Bestattung auch funus indictivumb), weil ein Herold dazu öffentlich einlud
(siehe unten S. 491). Begräbnisse von Kindern und Knaben vor Anlegung der
toga virilis, die ohne größere Umstände stattfanden, hießen funera acerba6).
Die Besorgung der ganzen, oft recht umständlichen Veranstaltung wurde
tn der Regel an eine besondere Gesellschaft, eine Art Entreprise des pompes
|funebres, vergeben7), nämlich an die libitinarii, die ihren Namen von der
renus Libitina, einer alten Todesgöttin6), hatten, in deren Tempel ihre
reschäftsräume belegen waren9). Diese libitinarü™) (auch futierarii11)) hatten
3in großes Personal12), indem sie sowohl die pollinctores für die Aufbahrung,
jals die beim Leichenzuge, beim Begräbnis oder der Verbrennung nötigen Per-
sönlichkeiten (siehe unten S. 491 ff.) stellten und auch die notwendigen Gerät-
schaften, die Bahren, Wagen, Leuchter usw., herliehen13). Auch die Ärmeren
Inahmen die Dienste der Libitina in Anspruch: diese stellte die Leichenträger,
1) Cic. Phil. IX 7, 16. Tac. ann. III 5; VI 1 1.
| Apul. met. II 27; publicae exequiae, Tac. ann. III
|48 ; publica sepultura, Vell. Paterc. II 62, 4. Bei-
j spiele von funera publica sowie von Fällen, in
denen das Volk freiwillig eine Sammlung ver-
anstaltete zur standesgemäßen Bestattung, s.
»ei Marquakdt 350. Inschriftl. Erwähnungen
lebd. A.ll. vgl. noch CIL XII 4106; 4244; 4399.
Unter Umständen geschahen auch vulgaria fu-
nera sumptu publico, wie bei der Pest Capitol.
M. Ant. phil. 13, 6. Daß das bei Tac. ann. IV 15;
VI 27: XIII 2; bist, IV 47 erwähnte funus cen-
Borium nicht, wie Nipperdey zu Tac. ann. III 5
meinte, damit identisch, sondern das eines ehe-
maligen Censors ist, der im Purpurgewande be-
graben wurde, eventuell also auch ein funus pri-
vatum sein konnte, bemerken Göll zu Becker
500 und Marquardt 351 A. 1 richtig.
2) Diese Anweisung eines locus sepulturae
findet sich auf Inschr. häufig, s. Marquardt
a.a. 0. A. 11.
s) Prop.'lll 5, 8 (II 13, 24).
4) Ov.tr. 13,22. Bei Capitol. a.a.O. heißt
es nilgare funus. Ganz unsicher ist die Bedeu-
tung der Bezeichnung simpludiarea funera.
Fest. 334b, 24 (325,5).
ä) Fest. 106, 13 : indietivum funus, ad quod
per praeconem evocabantur.
B) Plaut. Asin. 595. Verg. Aen.VI 429. luv.
11.44. Tac. ann. XIII 17. Sen.dial. VI 9,2. Sie
hießen acerba. weil sie immatura waren. Hör.
sat. 118, 59. Tib. 116,29. Sen. dial. IX 11, 7;
X 20, 5; rem. fort. 13, 2; ep. 122. 10. Serv. ad
Aen. XI 143.
7) Daher funus locare, Val. Max. V 2, 10.
Plin.VII176. Sen.dial. IX 11,10; ep. 99,22.
8) Vgl. Preller- Jordan Rom. Mythol. 1
440. Wissowa Relig. u. Kult. d. Römer 197 und
bei Röscher Mythol. Lexik. II 2034.
9) In diesem Tempel wurden auch, und
zwar angeblich schon seit Servius Tullius, alle
Todesfälle angemeldet, Dion. Hai. IV 15, 5, wo-
nach jedesmal auch eine Kupfermünze in die
Kasse der Libitina abge fühlt wurde, das lunir
Libitinox, CIL V 5128 (nach Mommsen ebd.pe-
cunia slve ei deae sirc reipublicae pro funert
solvenda); es wurden auch Register darüber ge-
führt. Suet. Nero 39.
'") Sen. vit. beat. VI 38,4. Digg.XIV3,5,8.
Corp.Gloss.il 122,53; 300, 19; 375, 32. Man
sagt auch libitmam exercere, Val. Max. V 2, 10,
und Libitina wird überhaupt sehr gewöhnlich
mit Sterben und Bestatten in Beziehung gesetzt,
s. Hör. carm. III 30, 7; sat. II 6, 19. Mart. VIII
43,4. luv. 12,122; auch der ganze Bestattungs-
apparat wird Libitina genannt, Plin. XX XV II 45.
Mart. X 97, 1. Es wird mehrfach erwähnt, daß
bei großen Epidemien die Libitina nicht allen
Anforderungen entsprechen konnte, Liv. XL
19, 3; XL1 21,6. Das Gewerbe war für Freie
nicht anständig und schloß von den städtischen
Magistraten aus, s. Marquardt Rom. Staats-
verw. I 179 A. 1; in der Gesellschaft Trimal-
chios ist der libi/itutrius freilich noch ein
Mann, der eine honesta ntgoUaÜO ausübt, Pe-
tron. 38, 15.
'») Firm. Mat. math. III 5, 23: 9,3. Corp.
Gloss. 11309,35; 581.2.
l*J Daß diese z. T. Sklaven waren, zeigt
Digg. a a. O.: vgl. Petron. 78, 6.
IS) Ascon. argum. Cic. Milon. Val. Max.
a. a. O. Plut. qu. Rom. 23 p. 269 A.
490
Zweite Abteilung. Das Leben.
vespillones genannt1), die die Leiche in einem schlichten Holzsarg, der
capulus oder capulum2), in seiner geringsten Form als enger Kasten, für
ganz Arme und Verbrecher, sandapila hieß3), zum Begräbnisplatz trugen4).
Was die Zeit der Bestattung anlangt, so fanden in den historischen
Zeiten im wesentlichen nur die von Kindern {acerba funera, siehe oben)5)
und armen Leuten6) bei Nacht statt, sonst erfolgten sie in der Regel am
Tage7). Ob die bei späten Grammatikern überlieferte Nachricht, daß in
alter Zeit alle Bestattungen nachts stattgefunden hätten, auf guter Tradition
beruht, kann man nicht feststellen8). Unter Iulian wurde die nächtliche
Bestattung durch Gesetz allgemein verordnet9).
Die Bestattungsgebräuche, von denen im folgenden die Rede ist, sind , wie er-
wähnt, im wesentlichen nur bei Bestattungen vornehmer und reicher Persönlich-
keiten zur Anwendung gekommen, zumal bei Angehörigen alter Geschlechter10).
Hier hatte schon früh das Bestreben eingesetzt, Prunk zu entfalten und dem zu-
schauenden Volke ein glänzendesSchauspielzu bieten, sodaß bereits die XII Tafeln
verschiedene Verfügungen gegen übermäßigen Aufwand dabei treffenmußten11);
») Mart. I 30, 1; 47, lf.; II 61, 3 (immer
in der Form vispillo). Suet. Dom. 17. Eutrop.
VII 23 (15). Amm. Marc. II 6, 13. Fulgent. expos.
serm.ant. 2. Fest. 368,17: man leitete das Wort
von vesper ab, weil die funera plebeia und acerba
nachts stattfanden, Serv.ad Aen. XI 143. Fest.
a. a. 0. ; vgl. Keller Lat. Etym. 127. Wessneb
a. a. 0. 104 f. Die Glossen erklären es durch ve-
XQoO<xjixrig,vExooq)6Qog,fossarius\i. dgl.,s. Corp.
Gloss. VII 409"
*) Non. 4, 18 : sarcophagum, id est sepul-
chrum, capulum dici veteres volunt, quod Cor-
pora capiat, wofür Plaut. Asin. 892 capuli de-
cus (von einem Alten), mil. gl. 628 capularis
im gleichen Sinne zitiert wird, sowie Pomponius,
Luciliusu.Varro; vgl. Apul.IV18;VIII 13; X12.
Daß im capulum die Toten nicht nur beigesetzt,
sondern auch zu Grab getragen wurden, zeigt
Fest. 61, 12 : capulum . . . quo mortui efferuntur.
Serv. ad Aen. VI 222. Corp. Gloss. VI 180.
3) Fulgent. a. a. 0. 1 : sandapilam antiqui
dici voluerunt feretrum mortuorum, id est
loculum, non in quo nobilium corpora, sed in
quo plebeiorum atque damnatorum cadavera
portabantur (s. dazu Wessneb a. a. 0. 103 f.).
Mart. II 81, 2; VIII 75, 14: angusta sandapila;
IX 2, 12; X 5,9 nennt er sie Orciniana sponda.
Suet. a. a. 0. : populari sandapila. Corp. Gloss.
VII 229 ; darnachheißen die Träger auch sanda-
pilarii, Ap. Sid. ep. II 8, 2 (wo sie aber von den
vispillones unterschieden werden) oder sanda-
pilones, Corp. Gloss. II 178,21. Diesen Armen-
sarg meint Hör. sat. 18,9 mit der vilis arca,
vgl. Lucan. VIII 736. Daß ihre Verfertiger
Handwerker niederster Art waren, zeigt luv. 8,
175. Nach Mart. VIII 75, 9 waren bei der ärm-
lichsten Bestattung nur vier Träger, sonst wohl
sechs,weshalb hexaphoros nicht nur eine Sänfte,
sondern auch eine Totenbahre bedeutet.Mart.il
71 mit der Anm. von Fbiedländeb; VI 77, 10.
4) In Pestfällen, wo großes Sterben war,
nahm man freilich auch davon Abstand, so Ca-
pitol. M. Ant. phil. 13, 3: tanta autem pestilrn-
tia fuit, ut vehiculis cadavera sint exportata
serracisque.
5) Serv.ad Aen. XI 143. Sen. dial. IX 11
7; X 20, 5; ep. 122, 10, woraus hervorgeht, daß
dabei nicht bloß Fackeln (faces), sondern auch
Wachskerzen (cerei) getragen wurden.
6) Vgl. Hör. sat. 1 6, 42 f.; ep. II 2, 74. CIL VI
13782: elalus est hora III frequentia maxima.
7) Dion.Hal.IV40,5. Fest. 368, 17. Mart.
VIII 75.
8) Serv. a.a.O. Donat.adTer. Andr.1 1,81
u. 88. Es scheint aber nur aus dem Gebrauch der
Fackeln, die auch bei Tage angezündet wurden,
darauf geschlossen worden zu sein und aus der
Etymologie, funus mit funes incensi, funa/ia,
in Verbindung zu bringen, s. Serv. a. a. 0. und zu
1727; VI 224. Isid.or.XX 10,5. Immer ist die
nächtliche Bestattung üblich geblieben bei
nachträglicher Beisetzung einer Leiche, der sog.
translatio cadaveris, Paul. sent. I 21, 1; eine
solche Bestattung hieß tralaticium funus, Suet.
Ner. 33.
9) Cod.Theod.IX 17,5; griechisch s.Hebt-
lein Hermes VIII 167 ff. Im Cod. Iust. steht
das Gesetz nicht, es war also nur vorübergehend
gewesen.
10) Die wichtigsten sind aufgezählt bei Cic.
p. Mil. 32, 86 : ut sine imaginibus, sine cantu at-
que Iridis, sine exequiis, sine lamentis, sine lau-
dationibus, sine funere . . . ambureretur.
») Ueberliefert bei Cic. de leg. II 23. 59 f.,
der bemerkt, daß dieselben großenteils solo-
nischen Gesetzen entnommen waren. Verschie-
dene haben wir schon oben erwähnt (S. 485),
andere s. unten. Ueber den Bestattungsluxus
überhaupt vgl. LabatutLcs funerailleschezles
Romains. L'ödit et les lois sumptuaires, Paris
1878. BAUDEiLLABTHistoire du luxe, Paris 1878,
II 484. Fkiedländer Darstellungen III 112 ff.
Achter Abschnitt. Ärzte, Tod, Bestattung nnd Grabmäler.
19]
auch Sulla hat noch solche erlassen1), die freilich. später, zumal in der Kaiser-
zeit, nicht streng innegehalten worden zu sein scheinen2), obschnn die idileo
für deren Befolgung3) ebenso Sorge zu tragen hatten, wie ihnen die Aufrecht-
grhaltuag der Ordnung bei den Leichenzügen, die Sorge für Sicherheit gegen
Feuersgefahr bei der Verbrennung u. dgl.4) übertragen war.
Zu einem feierlichen Leichenbegängnis (execjuiae)6) wurde vorher durch
einen Herold, der in der Stadt herumging, eingeladen (funus ImlicereY), wobei
sich derselbe stehender, althergebrachter Formeln bediente7). Vor dem Sterbe-
haus versammelten sich die Leidtragenden und sonstigen Teilnehmer, denen
dissignatores, von Liktoren in schwarzer Tracht unterstützt, ihren Platz im
Zuge anwiesen8). An der Spitze derpompa9) (vgl. Fig. 76 10)), wie man annehmen
darf, ging die Musik11), und zwar Bläser von Flöten12), Trompeten {tubae)1*)
1) In der Lex Cornelia sumptuaria, v.J. 81,
Plut, Süll. 35 ; auch Cic. ad Att. XII 36, 1 ; XIII
35, 2 scheinen sich darauf zu beziehn.
2) Schon Sulla überschritt nach Plut. a. a.O.
beim Begräbnis der Metella seine eigne Ver-
ordnung.
3) Cic. Phil. IX 7, 17. Ov. fast. VI 663 ; auch
inschriftl. bezeugt, CIL VI 1375; 12389.
4) So schon nach den XII Tafeln, Cic. de
leg. II 24, 61 ; betr. die Lage der ustrinae auch
das Senatuskonsult CIL VI 3823.
a) Daher sagt man exequiasire, Ter. Phorm.
1026. Ov.am.II6,2. Sil. It XV394: auch exe-
qnias prosequi, Cic. pro Cluent. 71, 201.
6) Cic. a.a. 0.; de prov.cons. 19,45. Suet.
Caes. 84. Daher funus indictivum (oben S.489),
Fest. 334b, 27. Varr. 1. 1. V 160; VII 42. Es ge-
schah das vornehmlich, wenn Magistrate be-
stattet wurden und öffentliche Spiele damit ver-
bunden waren.
7) Vermutlich erfolgten mehrere Anzeigen:
zuerst die des Todes, nach Varr. VII 42. Fest.
254a, 27 mit den Worten: ollus Quirls (d. h.
dafür wurde der Name des Betreffenden ein-
gesetzt) leto datus est. Dann, wenn der Tag der
Bestattung gekommen war, wurde angezeigt,
daß es Zeit sei, sich dazu einzufinden; bei Ter.
Phorm. 1026 heißt es: exequias (Jhremeti qutbus
est commodum ire, em tempus est; nach Varr.
1. 1. V 160 wurde verkündet, daß die Leiche aus
dem Hause getragen werde, ex aedibus efterri,
auch wenn der Tote aus einer taberna getragen
wurde. Daher hat efferre die allgemeine Bedeu-
tungbestatten bekommen, Plaut.Most.999; Aul.
568. Ter. Andr. 117. Hör. sat. II 5, 82 u. s. Wo
keine solchen Formalitäten stattfanden, mel-
dete ein Sklave oder Freigelassener den Tod
und lud zur Bestattung ein, wie bei Varro r. r.
169,2.
8) Die dissignatores oder deslgnatoi-es wa-
ren wohl auch Beamte der Libitina. denen als
Gehilfen Liktoren beigegeben waren, Hör. ep.
I 7, 6. Sen. de benef.VI 38,4 stellt designatores
und llbitinarü zusammen; Tertull.de spect. 10
nennt sie arbitri funerum. Ein praeco idem
dissignator CIL X 5429; vgl. Acro und Schol.
Cruq. ad Hör. a.a.O. Ein deatgnator Deetmw
kommt bei Cic. ad Attic. IV 3, 2 vor; vgl. auch
CIL VI 8846; 9373. Bei Cic. de leg. a. a. 0. ist
ein accensus mit Liktoren beim fun tu indiet im »i
dabei. Die Lex Iuliamunicipalis vom J. 45 v.Chr.
untersagte allen, die mit den funera zu tun
hatten, die Bewerbung um gewisse Aemter,
CIL l 206 Z. 94; 104. Vgl. Pollack bei P.W.
V 1199.
») Cic. pro Mil. 13,33. Nep. Attic. 22. 4.
Prop. III 5, 3 (II 13, 19). Ov. fast. VI 663 u.s.
10) Darstellung eines Leichenzuges auf
einem Relief aus Amiternum, nach Hülsen
R. M. V (1890) 72. Daremberg-Saolio [I 1392
Fig. 3361. Persichetti R. M. XXIII (1908) 15
mit Taf. 4.
u) Die Annahme, daß diese Leichenbläser
sitifines geheißen hätten (Marquardt 351.
Becker- Uöll 502), geht, wie Mau 350 bemerkt,
nur auf eine Vermutung des Ateius Capito zu-
rück, Gell. XX 20, 1: sitidnes appettatos, <pti
apud sitos canere sollt i eeeent, hoc est vita fun-
ctos et sepultos, eosque habuisse proprium gen tu
tubae, quo canerent, a ceterorutn tuoMnum dif-
ferens. Ebenso bei Non. 54, 20. Das Wortscheint
früh verschollen zu sein.
") Schon früh üblich; die XII Tafeln er-
laubten nur zehn tiblcines, Cic. de leg. 11 23,
59 (von Halm als Interpolation gestrichen).
Ov. fast. VI 663. Sie werden oft erwähnt, vgl.
Ov. tr. V 1,48. Sen. lud. de morte Cl. 12. 1.
Plin. X 122. Suet. Caes. 84. Dio Cass. LXXIV
5. 3. Artemid. On. I 56. Fest. 93, 1 nennt sie
funebres tlbiae. Mau a. a.O. vermutet, nach Serv.
ad Aen.V 138: eeiendum, matoriscutaüs funera
ad tubam ädere proferri, mtnorie veroad ttbüu,
ut Statins (Theb. VI 121) de Arehemoro, daß
bei Kindern nur Flötenmusik üblich war; allein
es ist doch anzunehmen, daß ein funue acerbutn
(s. oben) ohne Musikbegleitung stattfand.
13) Hör. sat. 16,44. Ov. am. 116,6; her. 12,
140. Prop. II 7,12; 1115.4(11 13,20); V (IV)
11,9. Serv. ad Aen. a.a.O. und XI 192. Plut.
de soll. anim. 19p.973C. Artemid. a. a. O. Vd.
ad tubicmes mittere als Zeichen des nahenden
Todes, Petron. 129, 7.
492
Zweite Abteilung. Das Leben.
und
den
Hörnern (cornua)1). Zugleich mit den Musikern und überhaupt wohl über
ganzen Leichenzug verteilt schritten die Träger der Fackeln2), die bei
einem solennen Lei-
chenbegängnis ebenso
unerläßlich waren, wie
bei einer Hochzeit3).
Ferner gingen im Zuge
die sogenannten prae-
ficae, die Klageweiber,
die eigens (wohl auch
von der Libitina) ge-
mietet waren4) , um die
1)Hor.sat.I6,44. Senec.
a. a. 0. ; die monumentarii
ceraulae bei Apul. Flor. 4
scheinen sich auf solche
Hornbläser zu beziehen. Da-
gegen haben wir die corni-
cines Petron. 78, 5, wie die
| tubae Pers. 3, 103, auf die
£ Totenklage bezogen. Das
| Fig. 76 abgebildete Relief
j: zeigt neben Flöten und Hör-
m nern auch den krummen
5 Lituus, die Kriegstrompete;
.2 Pebsichetti will in diesem
Jg Bläser einen sähen er-
kennen.
| 2)Verg.Aen.XI143.Tac.
g ann. III 4. Serv. ad Aen. VI
1 224.
2 3) Auf diese doppelte An-
g wendung der Fackeln wird
■g oft angespielt, s.Prop.V( IV)
| 11,46. Ov. epist. 20 (21),
g 172. Mart.VIlI43. Sil. Ital.
o. II 184. Apul. met. IV 33.
^ Doch unterschied man sie
g nach dem Material: zu den
Hochzeitsfackeln nahm
man Weißdorn (siehe oben
S. 358), zu den Leichen-
fackeln Pinienholz, Ov.fast.
II 558. Doch vgl. Verg. Cir.
439. Daß außer Fackeln
auch Wachskerzen (cerei,
candelae) beimLeichenzuge
benutzt wurden, zeigt Sen.
dial. IX 11,7;'X20,5; ep.
122,10: vgl. Plin. XVI 178:
candelae luminibus et fune-
rtbus servinnt.
4) Plaut. Truc. 495. Naev.
b.Varr.l.l.VH70:Äa«:gwf-
dem hercle, opinor, prae-
fica est, nam mortuum col-
laudat. Lucil. b. Non.67,5:
ut mercede quae condu-
rtae flens alieno in funere \
»'II
Achter Abschnitt. Ärzte, Tod, Bestattung und Grabmäler.
193
nur/litt1), das Klagelied auf den Verstorbenen, zu singen ■), das entweder ein
allgemeines, meist auf frühe Zeit zurückgehendes Totenlied3) oder eigens
für den zu Grabe Geleiteten gedichtet war4). Bei besondern Gelegenheiten
wurden aber solche Leichengesänge auch von eigenen Chören vorgetragen5).
Bei besonders pomphaften Leichenzügen gingen Tänzer und Mimen mit6),
von denen bisweilen einer den Verstorbenen selbst darstellte und sich sogar
dabei allerlei Scherz erlaubte7). Einen Hauptteil des Zuges aber bildete die I Y<>-
zession der Ahnenbilder, der imagines6). Wir haben früher erwähnt (S. 36), daß
diese Masken in den Atrien alter Familien in eigenen Schränken aufbewahrt
wurden9). Es ist wahrscheinlich, daß die Entstehung dieses Brauches darauf'
praeficae multo et capillos scindunt et cla-
mant magis. Varro a. a. 0.: praefica dieta
midier, ad hictum quae conduceretur, quae ante
dorn um mortui laudes eins caneret. Non.66, 27.
Fest. 223, 16. Daß sie vor der Bahre gingen,
bezeugt Corp. Gloss. II 156,35: praefica fj jtqö
xfj? x)dvt)s ev ti~i ixtpogq xomo(xsvr\, Doi/rcodog
bt' ixtpogä; ebd. V 324, 65: midier lamentatrix
ante feretrum. Auf sie und sonst gemietete Be-
gleiter geht Hör. a. p. 431 : ut, qui condueti plo-
rant in funere, dieunt et faciunt prope plura
dolentibus ex animo; vgl. Stat. silv. V 3. 244.
Fat). Aesop. 369 (Halm). Der Name praeficae
scheint allerdings später nicht mehr üblich ge-
wesen zu sein (nach Varro b. Non. 67. 10 nur
bis zu den punischen Kriegen), aber die Sache
selbst erhielt sich bis in die Kaiserzeit hinein,
s. unten A. 2.
') Eine alte Bezeichnung war lessum oder
lessus, was nach Cic. de leg. II 23. 65 schon die
alten Grammatiker nicht sicher zu deuten wuß-
ten: nach L. Aelius war es die lugnbris eiulatio,
also wohl die Totenklage, nicht die Nänie, was
Cicero billigt. Plaut. Truc. 731 ist lessum facere
Konjektur (Hss. lassa).
2) Varro bei Non. 145, 26: ibi a midiere,
tpiae optuma voce esset, perquam laudari; dein
neniam caniari solitam ad tibias et fides. Fest.
163.1. Corp. Gloss. VI 733. Spätere Erwäh-
nungen sind häufle, vgl. Cic. pro Mil. 32, 86.
Hör. carm. II 20, 21. Quint. VHl 2, 8. Lucan.
VIII 734 u.s.
3) Der Brauch, solche Loblieder auf die
Toten zu singen, fand ursprünglich bei dem Lei-
chenschmause statt; vgl.Cic.de leg. II 24,62:
honoratorum virorum laudes in contione me-
morentur easque etiam cantus ad tibicinem pro-
tequatur, cui nomen neniae. Die alten Nänien
aber in ihrer vermutlich sehr einfachen und
naiven Form erschienen den Spätem ge-
schmacklos und roh, Non. 145,24: nenia, in-
eptiim et inconditum carmen. Gell. XVIII 7,3;
daher bezeichnet Plaut. Asin. 808 die mortualia
(wie diese Totengesänge auch heißen, s. Cato bei
Gell. a.a.O.) als nugae. So hat nenia die Bedeu-
tung „dummes Zeug" erhalten, wie bei Petron.
46. 4: 47, 10; die Glossen erklären nenia durch
&toxia,fabidae,deliramenta,mendacium,8uper-
fuae loquacitates u.dgl.m., Corp. Gl. VI 733. Im
weiteren Sinne bedeutet naenia ein Trauerlied
überhaupt, Plaut. Truc. 213; Pseud. 1278. Hör.
carm. II 1,38, und bei Hör. epod. 17,29 ein Zau-
berlied, ebd. ep. 1 1,63 ein Kinderlied, cerm. III
28, 16 ein Schlummerlied. Vgl.überdiesr Nänirii
J. Wehr im Ugoneftmatöv für E. Curtius (( lüt-
tingen 1868), 11 ff. Es gab darnach auch eine
(JöttinNenia, August. civ.Dei VI 9. Arnob. IV 7.
vgl.Wisso\VARel.d.Röm.l97. Pkkllek-Jordw
Röm.Mythol. II 220; sie hatte ihrSacellum auf
dem Viminal, Fest. 163, 6: s. Jordan-Hülsen
Topogr. 13.373.
4) So die Nänie bei Cäsars Leichenbegängnis,
Suet. Caes. 84. Die Parodie einer Nänie gibt
Senec. lud.de mort.Claud. 12. Das sind die me-
ditata ad memoria in virtutiscarmina. Tac ann.
III 5.
5) So beim Leichenbegängnis des AngnsJ 08,
Suet. Aug. 100: canentibus neniam prineipunt
liberis utrnuaue sexus; bei dem des Pertinax
waren es yoooi näfätov xai dydgdfo?, Dio Cass.
epit LXXIV4.5.
6) Suet. Caes. 84 bemerkt, daß die tibicints
und aeemd artiflea für diesen Anlaß Kleider
ausderGarderobefürdieTriumphzügeangelegt
hatten. Dion. Hai. VII 72, 12 erwähnt, daß er
bei &p8qööv iHiatjfi<ov tatpat Chöre von Satyrn,
die die Sikinnis tanzten, gesehen habe, zumal
bei Begräbnissen von Reichen. Nach Fest. 334b,
25 nahmen auch desuÜorea daran teil (Corp.
Gloss.V496,39: desuüor qui de «quo in equum
tratisilit. vgl. 596.58).
") Suet. Vespas. 19, bei dessen Bestattung
ein arch im im US in der Macke des Kaisers Witze
über dessen Sparsamkeit machte. Daß der Ver-
storbene in Gang und Erscheinung nachgeahmt
wurde, sagtDiod.exe. XXXI 25, 2: wahrschein-
lich trug der Darsteller auch eine genaue Mask e
des Toten.
8) Ueber die imagines handeln Eichstädt
De imaginibus Romanorum, Petrop. 1806 Qua-
tremere de Quincy Le Iupiter Olympien 36 f.
Raoul-Rochette Peintures antiques inedites
334 ff., besonders aber Benndorf Antike Ge-
sichtshelme und Sepulkralmaski'ii (Denkschr.
d. philol.-hist. Kl. der k.k. Akad.d.Wissensch.
Bd. XXVIII), Wien 1878. Coürbaud bei D.-S.
III 412.
9) Einzig dieTotenmaske des älteren Scipio
Africanua wurde im lupitertempel auf dem Ca-
pitol aufbewahrt, Val. Max. VI! I 15. 1.
494
Zweite Abteilung. Das Leben.
zurückgeht, daß man bei der Ausstellung der Leichen, um etwa schon starkl
vorgeschrittene Verwesung oder Veränderung der Gesichtszüge zu verdecken,!
diese mit einer Maske versah, die über dem Toten geformt worden war1),!
wie man solche Totenmasken bei andern Völkern des Altertums aus ver-
schiedenem Material auch gekannt und vielfach den begrabenen Leichen mit-
gegeben hat2). Diese imagines, an denen Inschriften Namen, Amter und
Taten des Verstorbenen angaben3), bildeten zugleich, indem sie chronologisch
geordnet und durch Linien miteinander verbunden waren, den Stammbaum
{stemma) des betreffenden Geschlechtes4). Die Schränke, die für gewöhnlich
verschlossen waren, wurden an Festtagen geöffnet5) und bekränzt6). Ein
eigentümlicher Gebrauch wurde nun von diesen imagines bei den Bestattungen)
gemacht, indem Männer7) diese Masken oder wohl eher zu diesem Zweck !
angefertigte Duplikate davon8) über den Kopf stülpten9) und mit den Amts-
kleidern, die die Betreffenden bei Lebzeiten getragen hatten, als Konsuln,
Prätoren, Censoren unter Vorantritt von Liktoren mit Ruten und Beilen der
Leiche voranzogen10), zur Zeit des Polybius auf Wagen11), sodaß gewisser-
maßen alle die stolzen Vorfahren in langer Reihe dem Nachkommen das
Geleit zur Grabstätte gaben12). Jedenfalls waren diese Almen auf den Wagen
') Benndorf 73 nimmt an, daß der pol-
linctor es war, der vor der Balsamierung das
Gesicht der Leiche zu formen, die Hohlform
in Wachs auszugießen und den Wachsausguß
auszubessern und zu bemalen hatte. Das
Verfahren wird wohl ein derartiges gewesen
sein (obschon daneben auch schon Abformen
vom Gesicht der Lebenden anzunehmen sein
dürfte, nach Plin. XXXV 153 eine Erfindung
des Lysistratos, des Bruders Lysipps), doch
wird das schwerlich der pollinctor, sondern ein
mit solcher Arbeit vertrauter Wachsbossierer
vorgenommen haben.
2) Vgl. Benndorf 65 ff.
3) Die Inschriften hießen tituli, Liv. X 7,
1 1 . Val. Max. IV 4. 1 ; V 8, 3, oder indices, Tib.
IV 1, 30, wohl auch eloqia, s. Mommsen CIL I
277 ff. Vgl. auch Ov. fast. I 591. Tac. ann. XVI
7. Nep. Attic. 18, 6.
4) Plin. XXXV 6 : stemmata vero lineis dis-
currebant ad imagines pictas. Sen. de benef.
11128,2. Mart.IV40, 1. luv. 8,1. Suet. Nero
37; Galba2. Das Recht, imagines zu besitzen und
bei Bestattungen vorzuführen (ius imaginum)
hatten nur die Familien, deren Vorfahren kuru-
lische Aemter bekleidet hatten, Polyb. a. a. 0.
Cic. ad fam. IX 21, 2. Wenn bei jemandem sich
nach seinem Tode herausstellte, daß er ein Ver-
brecher gewesen war, konnte seine imago zer-
brochen werden, luv. 8, 18 ; vgl. Mommsen Rom.
Staatsr. 1 3 444 A. 2.
5) Polyb a.a.O.; daher aperire imagines,
Cic. pro Sulla 31, 88. Senec. controv. VII 21, 10,
und noch bei Vopisc. Florian. 10 (6), 6, was die
Fortdauer der imagines belegt. Die Angabe des
Plin. XXXV 4. daß die imaginum pictura ex-
olevit, geht daher wohl nicht auf diese imagines,
sondern auf Porträtmalerei.
6) Cic. p. Mur. 41 , 88. Polyb. a. a. 0.
7) Daß es Schaupieler waren, ist nicht über-
liefert, war auch schwerlich erforderlich, nur
der den Verstorbenen selbst darstellte, mußte
mimisch begabt sein, s. Diod. exe. XXXI 25, 2:
tu/ur/rag ix Jiavzog tou ßiov jiaQaxsTi]Qrjx6xag ri)v
rs jioosiav xal zag xaxa /,isgog I8uht]tag rijg sfi-
(päaecog. Die Darsteller der Ahnen verhielten
sich vermutlich ganz bewegungslos.
8) Benndorf 76 nimmt das mit Wahr-
scheinlichkeit an, teils weil die Masken zu die-
sem BehufeNase, Augen und Mund durchbohrt
haben mußten, was bei den im Atrium auf-
gestellten kaum denkbar ist, teils weil letztere
durch den Gebrauch stark gelitten hätten. Man
bewahrte also wohl die Hohlform auf und stellte
daraus Abgüsse her, die auch eine Geschlechter-
tochter bei der Verheiratung ins Haus des Man-
nes mitbringen mochte.
9) Sie waren vermutlich, wie die Theater-
masken, als Kopf mit Haaren gearbeitet.
10) Genaueste Beschreibung bei Polyb.a.a.O.;
vgl. dazu Diod. a. a. 0. Hör. epod. 8, 11. Prop.
III 4. 3 (IV 13, 19).
n) Wie lange die Wagen in Gebrauch blie-
ben, wissen wir nicht. Daß der Platz der Ahnen-
bilder vor dem Sarge war, besagt sowohl Diod.
a.a.O. Hör. a.a.O. wie Sil. It. X568; wennsiebei
der Bestattung des Augustus der Leiche folgten,
Dio Cass. LVI 24, 2, so war das eine Ausnahme.
12) Da nicht nur die Ahnen der eigenen Fa-
milie, sondern auch die der verwandten und
verschwägerten Familien mit aufgeführt wur-
den, Tac. ann. III 76; IV 9 (daher gentilicia fu-
nera, Plin. XXXV 6), so war dieser Aufzug [fei
rälis pompa nennt ihn Lucan. VIII 733) oft sehr
lang. Prop. a.a. 0; nach Serv. ad Aen. VI 861
wären beim Begräbnis des Marcellus 600, bei
dem des Sulla gar 6000 imagines gewesen, was
doch stark übertrieben erscheint.
Achter Abschnitt. Ärzte, Tod, Bestattung und Grabmäler.
495
nicht stehend, sondern auf Ruhebetten gelagert1), und so wurden sie später,
als die Sitte der Wagen abkam, einhergetragen2). Diesem prunkvollen Zuge
schlössen sich die Träger von allerlei Gegenständen an, die auf die Taten
des Verstorbenen Bezug hatten: Beutestücke, Bilder oder Symbole von ihnen
bezwungener Städte oder Völker, Tafeln mit darauf bezüglichen Inschriften,
am
Ehrenkränze u. dgl.
in.3).
Unmittelbar vor der nun folgenden Bahre schritten, der Würde des
Toten entsprechend, die schwarzgekleideten Liktoren mit gesenkten faaa a ' )
und, wenn der Verstorbene testamentarisch Sklaven die Freiheit geschenkt
hatte, häufig auch diese mit dem Pilleus bedeckten neuen Freigelassenen6).
Die Leiche lag nicht in einem geschlossenen Sarge, sondern mit unbedecktem
Gesicht6), in der Kleidung des Lebens7) und auch sonst einem Lebenden
gleichend8) auf einem prunkvollen lectus9). Als Transportmittel diente wohl
in der Regel10) eine Tragbahre, feretrum11). In alter Zeit war es Brauch,
daß die nächsten Verwandten, besonders die Söhne, die Stangen der Trag-
bahre auf ihre Schultern nahmen12), und das wird auch später noch in einer
*) Serv. a. a. 0. spricht daher von lecti.
*) Sil.Ital.X 567 ': aut y,celsi8 demore feretris
praecedens prisco exequ/as decorabat hnago.
Vom Tragen der imagines sprechen auch Dio
Cass. a.a.O. Tac. ann. III 76.
3) Dion.Hal.VIII59,3. Tac. ann. 18. Dio
Cass. LVI 34,3; LXX1V 4, 5.
4) Das wird allerdings nur von Leichen-
kondukten durch das Land erwähnt, wie bei
Appian. b. civ. I 105 bei der Ueberführung der
Leiche des Sulla, Tac. aiin.lll 2 bei der des
Germanicus, darf aber wohl auch bei städti-
schen Leichenzügen vorausgesetzt werden. Den
Brauch der umgekehrten fasces erwähnt auch
die Consol. ad Liv. 140 f. (Baehrens PLMI 109) ;
so das Senken der Waffen bei Begräbnissen,
Verg. Aen. XI 91. Stat. Theb. VI 214.
5) Liv. XXXVIII 55, 2. App. b. Mithr. 2.
Schol. Fers. 3, 105 f. Dion. Hai. IV 24, 6. Cod.
lust. VII 6, 5; es geht aus diesen Stellen her-
vor, daß der Platz vor der Bahre nicht die Regel
war, sondern daß die Freigelassenen auch neben
oder hinter ihr gingen.
6) Das wird zwar nur selten bezeugt, Dio
Cass. LXI 7, 4 und Vell. Paterc. II 4, 6, wo es
als Besonderes erwähnt wird, daß der jüngere
Scipio velato capite bestattet wurde, war aber
wohl das Uebliche. App. b. civ. II 147 ist nicht
anzuführen, weil dort vom Wachsbild Cäsars
die Rede ist
7) Val.Max.V5.4. Lactant.II 14,19; von
Verg. Aen.VI 221 auf die Sagenzeit übertragen.
Daß man wohl auch besondere Leichenkleider
hatte und diese (die euphemistisch vitalia ge-
nannt wurden) bei Lebzeiten sich selbst machen
ließ, zeigt Petron. 77,7: profer vitalia, in gut-
hus volo nie efferri, worauf stragida albula et
praeterta gebracht wird, vgl. Sen.ep. 99,2. Man
darf aber annehmen, daß meist die Leiche in
denselben Kleidern einhergetragen wurde, die
sie bei der Ausstellung gehabt hatte.
8) Wenn Polyb. VI 53, 1 sagt, der Tote
werde auf das Forum getragen: jiot« uhv roTo>;
evaoyrjg, ajraviwg de xaxay.ey./uinriK , so ist er-
steres sehr auffallend: wie sollte die Leiche
stehend vorgeführt werden ? Man muß an künst-
liche Stützen denken (Benndork 74 nimmt Er-
satz durch ein Wachsbild an), und der lectus
fiel dann dahin. Für gewöhnlich scheint man
den Toten in die beim Liegen auf dem leetu»
übliche Stellung gebracht zu haben ; das wird
mit dem xaxaxlivsaöai gemeint sein, nicht das
Langausgestrecktliegen, und so wird der Tote
getragen auf dem Relief Fig. 76.
9) Es war jedenfalls auch derselbe lectus
funebris, der bei der Aufbahrung gedient hatte.
Elfenbein war dafür besonders beliebt, und
kostbare Decken fehlten nicht, wie es Prop.
III 5, 5 f. (II 13,21) beschreibt. Wurde statt des
Toten sein Wachsbild einhergetragen (s. unten),
so war der lectus nicht minder prunkvoll aus-
gestattet, vgl. Dio Cass. LVI 34, 1 (von Augu-
stus). Herodian. IV 2, 2.
I0) Der Gebrauch eines Leichenwagens ist
nicht direkt überliefert; angenommen wird er
von Marquardt 355 A.9 mit Rücksicht darauf,
daß nach Cod. Iust. VII 6, 5 die Freigelassenen,
wenn sie nicht vor der Leiche gingen, in ipoo
leetulo standen, was bei einer Tragbahre kaum
möglich gewesen wäre.
1 ') Varr. 1. l.V 166 : ubi leetu* mortui fertur,
dicebani feretrum nostri. Serv. ad Aen. XI 64.
Isid. XX 11, 7. Die Glossen erklären es durch
leet/is defuneti, lectus in quo mortui portantur,
Corp. Gloss.VI 444. Vgl. Verg. Aen. XI 149. Stat.
silv. II 1,20. Die Tragbahre glich bisweilen
einer Sänfte. Tac.hist.III 67 (nach Nep. Atti< .
22 ließ sich Atticus sogar in leetieulu zu (irabe
tragen), und so hat sie auch auf dem Relief
Fi«. 76 eine Art von Baldachin.
" ,a) So Verg. Aen.VI 222; das. Serv.: pro-
ptnquioribu* enim virüisstxus hoc dabatur offi-
cium. Lucan. VIII 732:/// Romana auumgesteni
pia eolla parentem.
496
Zweite Abteilung. Das Leben.
Anzahl von Fällen ausdrücklich erwähnt1); bei Begräbnissen hochstehender
Persönlichkeiten, zumal der Kaiser, übernahmen das Magistratspersonen unc
Senatoren2). Sonst erwiesen die freigelassenen Sklaven ihrem alten Herrer
diesen Dienst3) oder es übernahmen ihn Freunde des Verstorbenen4)
In besondern Fällen5), zumal aber bei der feierlichen Konsekration dei
Kaiser6), wurde bisweilen nicht die Leiche des Verstorbenen, sondern statl
.deren eine Nachbildung mit Wachsmaske7) auf dem lectus liegend8) einher-
getragen, wobei dann, wenn nicht schon die eigentliche Bestattung vorher-
gegangen war9), die Leiche in einem Behälter unterhalb des lectus ver-
borgen war10).
Hinter der Leiche gingen die Verwandten und Freunde des Verstorbenen1 1),
und zwar, wie wohl schon während der vorhergehenden Tage seit dem
*) So bei Q. Caecilius Metellus Macedoni-
cus, was deshalb so oft erwähnt wird, weil die
vier Söhne, die ihn trugen, alle Konsuln (teils ge-
wesene, teils designierte) waren, Cic. Tusc. 1 36,
85. Vell.Pat. I 11, 7. Val. Max. VII 1, 1. Plin.
VII 146. Plut. fort. Rom. 4 p. 318 B; bei der
Octavia trugen die Schwiegersöhne die Leiche,
Dio Cass. LI V 35, 5.
2) So nach Plut.Num.22 schon bei Numa;
bei Sulla, App. b. civ. 1 106; bei Caesar, Suet.
Caes. 84; Augustus, Dio Cass. LVI 34, 2, und
späteren Kaisern, Herodian. IV 2,4. Nach Vell.
Pat. und Suet. a. a. 0. geschah dies Tragen aber
erst auf der Strecke von den Rostra zum Schei-
terhaufen, und das scheint das Uebliche gewesen
zu sein, s. Mau a. a. 0. 352.
3) So bei Pers. 3, 106.
4) Plut. Aemil. 39. Plin. XVIII 16.
5) Da man nach Tac. ann. III 5 bei der Be-
stattung der Asche des Germanicus, dessen
Leichein Antiochia verbrannt worden war, unter
den veterum instituta die proposita toro ef-
figies vermißte, so wird es Brauch gewesen sein,
solche Wachsfiguren im Zuge zu führen, wenn
die Leiche nicht mehr vorhanden war. Wenn
nach Plut. Sulla 38 bei Sullas Tode von den
römischen Frauen eine solche Unmasse von
Gewürzen gespendet wurde, daß man damit
nicht nur 210 Tragbahren füllte, sondern auch
aus kostbarem Weihrauch und Zimt eine Ko-
lossalfigur des Sulla selbst und eines Liktoren
herstellte, so hat das (entgegen Benndorf
74 und Makquardt 355) mit dem oben be-
handelten Brauch gar nichts zu tun. wie Mau
352 richtig bemerkt. Da Polyb. VI 53, 1 nichts
von einer Nachbildung des Toten sagt (siehe
oben S. 495 A. 8), so ist die Sitte der Wachsfigur
des Verstorbenen vor Augustus nicht nach-
weisbar.
6) Daß es nicht der stehende Brauch war,
geht daraus hervor, daß die Schriftsteller die
einzelnen Fälle eigens namhaft machen. Hero-
dian. IV 2, 2 bezeichnet es allerdings als allge-
meinen Brauch bei der Apotheose, daß man die
Leiche nach gewöhnlicher Sitte pomphaft be-
stattete, das Wachsbild des Toten aber im Ve-
stibulum des Kaiserpalastes ausstellte und so
sieben Tage dort beließ. Daß diese Wachsfigur
den Kaiser als Kranken und bleich dargestellt
habe, daß während der sieben Tage täglich
Aerzte gekommen seien, sie wie einen wirk-
lichen Kranken untersucht und eine jedesmalige
Verschlimmerung bis zum schließlichenEintritt
des Todes konstatiert hätten, klingt allerdings
ganz unglaublich, zumal dasselbe Wachsbild
nach § 4 ff . erst zum Forum und dann zum
Scheiterhaufen getragen wurde.
7) Mit Recht nimmt Benndorf 75 an, daß
außer Antlitz und Hals höchstens Hände und
Füße sichtbar und aus Wachs waren, während
der übrige, mit Kleidern bedeckte Körper aus
anderem Material gefertigt war (doch nicht bei
Caesar, s. Anm. 8).
e) Es scheint allerdings darin verschieden
gehalten worden zu sein. Beim Begräbnis Cae-
sars war nach App. b. civ. II 147 die nachge-
bildete Figur drehbar und am ganzen Körper
und im Gesicht die 23 Dolchstiche der Ver-
schwornen nachgebildet; hier stellte also das
Wachsbild den toten Caesar vor (und daher
nicht aufgerichtet, wie Mau a. a. 0. sagt). Da-
gegen war beim Begräbnis des Pertinax nach
Dio Cass. LXXIV 4, 2 der Kaiser zwar liegend
dargestellt, aber lebend und schlafend gedacht,
da ein Knabe neben der Figur mit einem Wedel
die Mücken von ihm abwehrte (worauf auch Cod.
Iust. VII 6, 5 geht: sed et qui domini funus pil-
leati antecedunt vel in ipso lectulo stantes ca-
daver ventilare videntur).
9) Was Herodian. a. a. 0. als das Gewöhn-
liche bei der Konsekration annimmt.
10) So bei Caesar, Appian. a.a.O., und bei
Augustus, Dio Cass. LVI 34,1; außer der Wachs-
figur wurden bei der Bestattung des Augustus
noch zwei Statuen des Kaisers im Zuge auf-
geführt, eine goldene und eine, deren Material
nicht angegeben wird. s. ebd.
1 ') Das heißt sequi, Prop. III 5, 1 1 (II 13, 27),
oder prosequi, Sen. ep. 30. 5. Ov. tr. I 8, 14. Pe-
tron. 111,2, oder exequl, Plaut. Epid. 174. Enn.
b. Cic. Tusc. 1 48, 115. Gell. X 15, 25 ; daher exe]
quiae, exequias ire, s. oben S. 491 A. 5.
N
ei
Achter Abschnitt. Ärzte, Tod, Bestattung und Grabmäler.
497
eingetretenen Tode1), in der dunkeln2) oder in der Regel ganz schwarzen
Trailerkleidung3) (lugubria4)), an deren Stelle in der Kaiserzeit bei den Frauen
die weiße trat5). Jedes Rangabzeichen6), sowie Schmucksachen wurden ab-
gelegt7); die männlichen Anverwandten gingen mit verhülltem Haupte8),
in gebückter Haltung9), die Frauen mit offenen, aufgelösten Haaren10), auch
wohl mit entblößter Brust11). Dabei erhoben die Frauen laute Wehklage und
äußerten ihren Schmerz in der leidenschaftlichen Art des Südländers durch
Schlagen an die Brust (daher planctus)12), Zerkratzen der Wangen13), Raufen
der Haare14), Zerreißen der Kleider16); auch der Name des Toten wurde
dabei immer wieder angerufen16).
') In früher Zeit scheint allerdings in der
Trauerkleidung der Frauen ein Unterschied
stattgefunden zu haben nach Varr. b. Non. 549,
3 1 : ut dum supra terratn esset, ricinus lugerent,
futtere ipso, ut pullis palliis amictae. Dieser
Unterschied betraf aber wohl nicht die Farbe
der Kleider (über ricinia s. oben S. 233).
2) Pullae vestes, von der schwarzen Natur-
farbe der Wolle, luv. 3,213; vgl. Varr. a.a.O.
Mart. XIV 157.
3) Ps.Tib. III 2, 18. Prop. V (IV) 7.28. luv.
10, 245. Tac. ann. III 2 u. 5. Macr. III 15, 4.
Apul. met. II 23; III 8; VII 27. Artem.Onir.lI 3.
Dion. Hai. V 17. 2; VIII 62. 2. Nur der dominus
funeris, dem die Ausrichtung der Bestattung
oblag, durfte am dunkeln Trauergewand den
Purpurstreifen als Abzeichen seiner Würde,
also die praetexta pulla tragen, Fest. 237 b, 24.
Wenn (Jato bei Serv. ad Aen. III 64 von den
Frauen sagt: deposita veste purpurea usas
caerulea cum Iitgerent. so ist. wie Serv. bemerkt,
hier caeruleus für niger gebraucht. Sid. Ap. ep.
V 7,3 tadelt, daß manche albati ad exequias,
pullati ad nuptias kämen.
4) Ov. met. XI 66. 9 ; trist. IV 2, 73. Prop.
V (IV) 11, 97. Sen.dial.VI2.5:XlI 16,2.
5) Plut. qu. Rom. 26 p. 270 D Herodian. IV
2,3; wenn Paul. sent. I 21,14 weiße Trauer-
kleider untersagt werden, muß sich das, wie
Mau zu Makquardt 356 A. 10 bemerkt, nur auf
die Männer beziehen, auf die ja auch das Ver-
bot der Teilnahme an convivia ebd. geht.
6) Das Ablegen des latus clavus bei den
Senatoren, des goldnen Ringes bei den Rittern
erwähnt Liv. 1X7.8 als Zeichen der Trauer nach
der caudinischen Niederlage; es war aber wohl
der Totentrauer nachgeahmt. Am Tage der Be-
stattung des Augustus trugen die Ritter statt
der goldnen Ringe eiserne, Suet. Aug. 100.
7) Das bezog sich vornehmlich auf die
Frauen, s. Liv. XXXIV 7, 10. Ter. Heaut. 288.
Dion. Hai. V 48. 4 ; VIII 62, 2. Herodian. a. a. O.;
vgl. Paul. a. a. O.
8) Plut. qu. Rom. 14 p. 267 A.
9) Prop. V (IV) 7. 27.
10) Liv. I 26,2. Plut. a. a. O. Ter. Phorm.
106; Heaut. 290. Catull. 64,350. Ov. her. 10,
137; fast. II 813. Tib. I 1,67; 3,8. Petron.
111,2; man vgl. die Frauen auf dem Relief
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft. IV.
Fig. 75. Hier hält Samter a. a. 0. 251 die drei
Frauen am Kopfe des Lagers, die pilleusaitige
Kopfbedeckungen tragen und deswegen in der
Regel als Freigelassene erklärt werden, für An-
gehörige und den Pilleus für das Zeichen der
Verhüllung; wenn Plut. a.a.O. die Verhüllung
bloß den Männern zuschreibe, den Frauen aber
nicht, so beziehe sich das entweder bloß auf die
Töchter, oder die Sitte war bei der Collocatio
vom eigentlichen funus verschieden. Allein der
Umstand, daß diese Frauen langes Haar haben,
kann wohl nichts beweisen, da der Brauch, daß
die Freigelassenen den Kopf schoren (s. oben
S 298), sich schwerlich auf die Frauenerstreckt
haben wird, auch kann ein den Hinterkopf be-
deckendei Pilleuskaum als Verhüllung betrach-
tet wei den. — Daß auch das Bestreuen der Haare
mit Asche bei der Trauer im Hause vorkam,
zeigt Catull. a.a.O. Verg. Aen. X 844; XII 611.
11 ) Petron. a.a.O. Prop. III 5,11 (II 13,27).
Daß man auch barfuß gegangen sei, wie Samter
a. a. 0. aus der einen Frau des Haterierreliefs
unter Bezugnahme auf Ter Phorm. 106 schlie-
ßen will, ist sonst nicht belegt.
'«) Ov.epist. 15,113. luv. 13,130. Luc.de
luctu 12. Vgl. auch die Grabinschrift Not. d.
scavi 1898. 347: quid mater ventrem laceras,
quid pectora plangis ?
,ä) Das Verbot der XII Tafeln: mulieres
genas ne radunto, Cic de leg. II 23.59. Plin. XI
157. Fest. 273 b, 30, wurde offenbar nicht be-
richtet
u) Tib., Prop. u. Petron. a. a. O. Catull. 64,
351. Ov. tr. III 3. 51 ; am. II 6, 4 Verg. Aen. IV
673. Quintil.decl. 10. Luc.deluctu 12. Artemid.
On. I 30. Cic. Tüsc. III 26.62 zählt unter den
varia et detestabilia genera lugend i auf ': pedores
(d. i. Unterlassen des Waschens), muliebres hi-
cerationes genarum, pectoris, feminum, capitis
percussiones. Varro bei Serv. ad Aen. III 67:
mulieres in exequiis et luctu ideo solitas ora
lacerare,ut sanguine ostenso inferis satisfaciant.
was gewiß nicht richtig ist.
l5) Verg. Aen. XII 609. luv. a.a.O. Stat.
silv. II 1, 171 ; V 1,20 Sil. It. XIII 389.
'«) Verg. Aen. III 68. Prop. III 5,12 (II 13,
28). Das geschah auch beim Anzünden des
Scheiterhaufens als ultima conclamatio, Serv.
ad Aen. VI 218.
2, 2. 3. Aufl. 32
498
Zweite Abteilung. Das Leben.
Bei Begräbnissen hoher Persönlichkeiten ging der Leichenzug nichl
direkt von der Wohnung zum Verbrennungsplatz, sondern zunächst zunl
Forum und machte dort bei den Rostra Halt1). Die Leiche mit ihrem hoher!
Paradebett wurde entweder auf die Rednerbühne2) oder auf ein eigeml
errichtetes Holzgerüst gestellt3), während die Träger der imagines auf elfen-l
beinernen (kurulischen) Stühlen rings im Kreise Platz nahmen4). Dann
bestieg ein Sohn oder ein naher Verwandter5) die Rednerbühne und hiell
dem Verstorbenen die Leichenrede, laudatio funebrise), in der nicht nur dit
Verdienste des Toten, sondern auch die der Ahnen in oft recht überschweng-
licher Weise 7) gepriesen wurden8), eine Ehre, der bisweilen auch Frauer
aus vornehmem Geschlecht gewürdigt wurden9). In jedem Falle war ein€
spezielle Erlaubnis zur Leichenrede auf dem Forum notwendig10). Vor und
nach der Rede erklangen auch die Trauergesänge, von denen schon oben
die Rede war11). Manchmal fanden auch Aufführungen (ludi) statt, bei denen
die am Zuge teilnehmenden Tänzer und Mimen mitwirkten12).
Nach Beendigung der Reden und Gesänge wurde das Paradebett wiedei
aufgenommen, und nun zog man zur Stätte der Verbrennung oder der Be-
erdigung. Diese Stätte lag außerhalb der Stadtmauern, da der in ältesten
Zeiten bestehende Brauch, die Toten innerhalb der Stadt beizusetzen13), schon
früh abkam14); nur bei sehr verdienten Personen war man in der republi-
kanischen Zeit ein paarmal davon abgegangen, indem man ihnen und ihren
Nachkommen die Beisetzung in der Stadt als besondere Ehre zugestanden
1) Polyb. VI53. Dion. Hai. V17,2;XI39,
2. Plut. Luculi. 43. DioCass.LIV28,3. Hor.sat.
16,43.
2) Dio Cass. LIV 35, 4; LVI 34, 4.
3) Suet. Caes. 84. Dio Cass. epit. LXXI V 4.2.
4) Polyb. a. a 0. 9.
5) Bei einem publicum funus tat das eine
vom Senate beauftragte Magistratsperson.
Quint. III 7,2.
6) Ueber diese Leichenreden, die in Rom
seit ältester Zeit üblich und, da sie meist auf-
gezeichnet wurden, später eine wichtige histo-
rische Quelle waren, handeln von Neueren
Hebm. Geaff De Romanorum laudationibus
commentatio, Dorpat 1862. Hübner im Hermes
I 440. Mabquabdt 357 f.
7) Cic. Brut. 16. 62 meint, daß durch diese
Reden viele Irrtümer in die Geschichte ge-
kommen seien, und dasselbe sagtLiv. VIII 40, 4.
«) Polyb. a.a.O. Dion. Hai. V 1 7 . 3 : IX 54,
5. Dio Cass. LIV 28, 3.
a) Nach Plut. Cami]l. 8 wäre das zum eisten
Male 396 v. Chr., nach Liv. V 50,7 i. J. 390 ge-
schehen, während Cic.deor.II 11,44 angibt, die
ersteLeichenrede auf eineFrau sei i.J. 102 gehal-
ten worden, vgl. Plut. mul. virt. p. 242 F. Ueber
die Grabreden auf Frauen verl. Mabquabdt 360.
10) Dion. Hai. IX 54,5; über solche Verfü-
gung auf Provinzinschriften s. Mabquabdt 359
A.3.
n) Vgl. Lucan. VIII 734: ut resonent tristi
rantu fora.
,2) Cic. p. Mil. 32. 86. Suet. Caes. 84. Fest.
334 b, 25. Die ludi funebres aber, die vornehm-
lich Gladiatorenkämpfe waren, wurden zwar
zur Feier von Bestattungen gegeben, aber nicht
während der Bestattung, sondern später, vgl.
Fbiedländeb bei Mabquabdt Rom. Staatsver-
walt. III 533.
»■•) Nach Serv. ad Aen. V 64; VI 152 hätte
man in alter Zeit die Toten sogar im eignen
Hause bestattet, doch beruht das wohl, wie
Mabquabdt a. a. O. 296 A. 7 meint, nicht auf
Ueberlieferung, sondern auf einem Rückschluß
aus dem Larenkult. Begraben auf dem Markt
bezeugt Dion. Hai. III 1,2; vgl. Serv. ad Aen.
XI 206, sowie den oben S.487 A. 7 erwähnten
Fund von Gräbern auf dem römischen Forum.
14) Diese jedenfalls schon ältere Gewohnheit
wurde durch die XII Tafeln gesetzlich fest-
gelegt, Cic. de leg. II 23, 58, und die Bestim-
mung später öfters erneuert, sowohl in der re-
publikanischen Zeit, Serv. ad Aen. XI 206, als
unter den Kaisern, Digg. XL VII 12. 3, 5. Ca-
pitol. Ant Pius 12, 3. Paul sent. I 21, 3. Cod.
Theod. IX 17, 6. Cod. Iust. III 44, 12. Dieser
Brauch galt nicht bloß für die Hauptstadt, son-
dern für das ganze Reich, vgl. die Lex Colon.
Genetivae, CIL II 5439 cap. 73. Doch war er
nicht ganz allgemein; manche Munizipien er-
laubten die Bestattung innerhalb der Mauern,
s. Digg. a.a.O. Die Angabe von Cuq 1393, daß
man Kinder, die noch nicht 40 Tage alt waren,
im Hause sub grundo beisetzte und daß daher
die Laves grundules (Arnob. I 28) kämen, ist
nicht erweislich.
Achter Abschnitt. Ärzte, Tod, Bestattung und Grabmäler.
I'.»'..
hatte1), wie auch die Vestalinnen dieses Hecht hatten2), und es scheint, dato
in früher Zeit dies auch denen, die einen Triumph gefeiert hatten, eingeräumt
war3). Ebenso vereinzelt sind die Fälle, in denen durch besonderes Gesetz
die Beisetzung auf dem Marsfelde gestattet wurde4). Die Verbrennuogsplätze
sowohl wie die Gräber und Grabdenkmäler lagen daher vor den Toren der St mit
zu beiden Seiten der daraus herausführenden Landstraßen (siehe unten S. 505).
Was nun die Verbrennung, von der wir zuerst handeln wollen, anlangt,
so gab es zwei Verfahrungsweisen dabei. Die ältere bestand darin, dafi eine
Grube gegraben und in dieser der Holzstofä errichtet wurde, auf dem man
die Leiche verbrannte, sodaß also Verbrennungs- und Bestattungspia tz »-in
und derselbe waren, und dieser Platz hieß ursprünglich btistum*). Doch haben
sich Gräber dieser Art in Rom selbst nicht nachweisen lassen0). In der
Regel lag der Verbrennungsplatz, die ustrina 7), in der Nähe der Stelle, wo
die Asche nachher beigesetzt wurde; die großen gemeinsamen Grabanlagen
(Kolumbarien, siehe unten S. 503) hatten in der Regel ihre eigene vstrina, ebenso
manche Familiengräber8). Auf diesem Platze wurde der Scheiterhaufen.
rogus9), errichtet, ursprünglich ein Stoß schlichten Holzes10), mit Beigabe
leichter Brennstoffe, wie Binsen u. dgl.11), in Altarform geschichtet12), doch
x) Die Valerier hatten zwar ein Erbbegräb-
nis auf der Velia, machten aber keinen Gebrauch
davon; es wurde nur noch symbolisch angedeu-
tet. Cic. a.a.O. Dion. Hai. V 48, 3 Plut. Poplic.
23; quaest Rom. 79 p. 283 A. wo dasselbe von
den Fabriciern behauptet wird, während Cic.
a. a. 0. nur den Fabricius allein nennt.
2) Serv. a. a. 0.
3) Es sind davon keine Fälle überliefert,
doch scheint der Brauch, daß von der Leiche
desTriumphators ein abgenommenes Glied, das
sog. os resectum (siehe unten S. 502), in der Stadt
beigesetzt und ein Denkmal errichtet werden
durfte, Plut. und Serv. a. a. 0., ein Rest der
älteren Sitte zu sein.
4) Siehe die Aufzählung bei Marquardt
360 A. 12. Daß die Asche des Traian im Po-
stament der Säule auf seinem Forum beigesetzt
wurde, war eine ganz besondere Ausnahme.
Eutrop.VIII 5.
5) Fest. 32, 4 unterscheidet bustum. und
ustrina: bustum proprie dicitur locus, in quo
mortuus est combust/is et sepultus ; übt vero com-
bustus quis tantummodo, alibi vero est sepultus,
is Jochs oh urendo ustrina vocatur. Serv. ad
Aen. XI 201. Diese besondere Bedeutung war
freilich früh in Vergessenheit geraten, sodaß
bustum einfach Scheiterhaufen oder Grab be-
deutet, vgl.Corp.Gloss.VI 157 (für das XII Tafel-
gesetz nicht nachweisbar, da Mau bei P.-W.
III 1078 es bei Cic. de leg. II 26,64 irrtümlich
diesem zuschreibt, während es nur Ciceros
Uebersetzung von iv/ißog ist).
6) Wohl aber sonst in Italien, vgl. Mar-
quardt 381 A. 1. Mau a. a. 0. Kennzeichen ist,
wenn sich im Grabe Kohlen und Knochen mit-
einander finden.
7) Oder ustrinum; das Wort ist auf Inschr.
sehr häufig, in der Litteratur selten; vgl. Corp.
Gloss. VII 386, wo es in der Regel durcb locus
ubi contbttrttntur corpora erklärt wird; griech.
xavotga vsuq&v. Vgl. Festus a. a. 0.
8) Das bezeugen die Inschriften, s. die Bei-
spiele bei Marquardt 369 A.6. Ausdrücklich
verboten wird die Anlage eines ustrinum beim
Grabmal CIL VI 4410. Ein erhaltenes ustrinum
an der Via Appia s. Canina Via Appia t. 32; da-
gegen sind in Pompeji au der GräberstralV
ustrinae nicht nachweisbar. Ovekbkck 397.
<J) Daneben findet sich die griechische Be-
zeichnung pijra nicht bloß bei Dichtern, wie
Verg.Aen.VI215;XI 185. Ov. fast, II 534, son-
dern auch in Prosa, Auct. b. Afr. 91. Wenn aber
Serv. ad Aen. XI 185 unterscheidet: jmru est
lignorum eongsrits; rogus cum iam ordere <■<»■-
perit dicitur (so auch in den Glossen rogus li-
gnorum aeervus ardens u.dgl.. Corp. Gloss. VII
211). so ist das, wie die Stellen unten zeigen,
falsch; ebenso aber, was die Glossen geben:
pyra liguis altioribus compoeita, quae cum u<l-
huc non ardet rogus dicitur, cum vero ardet
pyra dicitur. vgl. Corp. Gloss. VII 184. Serv.
ad Aen. 11122. Isid. XX 10,9.
10) DieXlI Tafeln verordneten : rogum asesa
»e polito, Cic. de leg. II 23. 59.
n) Papyrus führt Mart. VIII 44. 14; IX 97, 1
an: vgl. Plin.VII 186, wo eine vom Scheiter-
haufen gefallene Leiche auf Reisig verbrannt
wird, weil sie der Hitze wegen nicht mehr auf
den rogus gelegt werden konnte. Sil. It. X 560 :
virenti Stramine.
1S) Serv. ad Aen. VI 177. daher der rogus
poetisch oft ara genannt wird. Ov. Ib. 104 ; tr. II I
1 3,2 1 : met. V 1 1 1 480 u. s. Bei Kaiserbestattungen
ist der Scheiterhaufen itxQ&fiore* n *«<
nXevQov, äXXr/e ftk» RUf« obdsuule utxi%ov, bt
ft6v)]g de ov/urfäems $i'/.o>r uayUnto* k "/»/.«a
oiy.tjfictTo;, Herodian. IV 2, 6.
32*
500
Zweite Abteilung. Das Leben.
später oft sehr groß und prächtig1), mit Malereien2) und Teppichen3) ge-
schmückt und von Zypressenzweigen umgeben4). Auf diesen Scheiterhaufen]
wurde die Leiche mitsamt dem lectus gestellt5) und allerlei Gaben dazu-
getan, teils Speisen, nach der alten Vorstellung, daß der Verstorbene noch
im Jenseits solcher bedürfe6), teils Dinge, die der Verstorbene im Leben
besessen und liebgehabt hatte, wie seine Kleider7), Schmucksachen8), Ge-
schirr9), allerlei Geräte10) u. dgl. m.; dagegen war es wohl nur vereinzelt,
daß Lieblingstiere des Verstorbenen getötet und mit ihm zugleich ver-
brannt wurden11). Auch die Freunde und Bekannten schickten allerlei Gegen-
stände, damit sie mit verbrannt wurden, die in der Regel im Zuge einher-
getragen wurden und deren Menge von der Beliebtheit und dem Ansehen
des Toten Zeugnis gab12); und oft wurde auch, wenn der Scheiterhaufen
schon brannte, allerlei von der Umgebung hineingeworfen, wie Kleider13),
Waffen14) u. dgl., auch Blumen15) und abgeschnittene Haarlocken16). Ganz
besonders aber gab man auf den Scheiterhaufen, um dem Übeln Geruch der
!) Serv. ad Aen. IV 685 : rogi, quipro qua-
litate fortunarum fiebant; vgl. ebd. zu VI 226.
Das prunkvollste Beispiel ist der Scheiterhaufen
bei der Konsekration der Kaiser, Herodian.
a. a 0.. der einem hohen Leuchtturm gleicht,
auf dem aber nicht die Leiche, sondern das
Wachsbild des Kaisers verbrannt wurde. Den
Gegensatz dazu bildet ein plebeius rogus, Ov.
Ib. 152; vgl. die parvi ignes, Lucan VIII 743.
Siehe Friedländer Sittengesch. III 115.
2) Plin.XXXV49.
3) Tac. Germ. 27 ist als Beleg des Brau-
ches bei den Römern zu fassen. Suet. Nero 50.
Stat. silv. V 1, 225. Vgl Herodian a. a. 0. 7:
XQvaovcpeai aigco/nväig ske<pa%'zivoig ze äyäXfiaai
ygayalg ze jiotxikatg XExoofirjzai.
4) Verg. Aen. VI 216 (was aber nicht mit
Becker-Göll 526 als „Pflanzen" von Zypressen
um den Scheiterhaufen zu verstehen ist). Ov.
tr. III 13.21. Sil. It. X 535. Varro bei Serv. a.a.O.
führt es darauf zurück, daß man dadurch dem
gravis ustrinae odor begegnen wollte ; aber das
besorgten wohl mehr die mitverbrannten Spe-
zereien. Die Zypresse war eben schon seit früher
Zeit ein mit Tod und Grab in Beziehung ge-
setzter Baum, vgl.OLCK bei P.-W. IV 1982 ff.
5) Tib. I 1, 61. App. b. civ. I 48.
6) Daher bei Verg. Aen.VI 225 : dapes, fuso
crateres olivo; Brot bei Catull. 59.3 f., Opfer-
kuchen {hba) nach der Inschr. CIL III 2919.
7) Luc. Nigr. 30; bei Beamten wurden die
Amtskleider, beiTriumphatoren die Triumphal-
tracht mit verbrannt, Lucan. IX 175 ff. Stat.
silv. II 1, 159. Bei Cic. de leg. a. a 0. wird die
verdorbene Stelle (von Halm ausgeschieden),
wonach in den XII Tafeln von tria recinia bei
der Bestattung die Rede war. darauf bezogen,
daß es verboten war, mehr als drei Gewänder
mit zu verbrennen (Mau 355), man wird es wohl
aber eher auf die Trauerkleidung (s. oben S. 497
A. 1) zu beziehen haben.
8) Luc. Philops. 27. Auch darin legten die
XII Tafeln eine Beschränkung auf: neve aurum
addito, mit der Ausnahme: cui auro dentes
iuncti escunt, ast im cum Mo sepelirei ureive
se fraude esto, Cic. a a. 0. 24. 60.
9) Das belegen die Gräberfunde, bei denen
sich neben den unversehrt ins Grab mitgege-
benen Gefäßen nicht selten solche finden, die
Brandspuren zeigen, also mit auf dem Scheiter-
haufen waren.
'») Vgl. die Inschr. CIL XIII 5708; HZ 22 ff.
verordnet hiei jemand : volo autem omne instru-
mentum meum, quod ad venandum et aucupan-
dum paravi, mecum cremari, das er dann ein-
zeln aufzählt, dazu vestis polymita et plumaria,
vgl. Henzen A. d. I. XXXVI (1874) 200 ff.
11 ) Der einzige Fall, von dem wir erfahren,
war beim Tode des Knaben des berüchtigten
Denunzianten Regulus, Plin. ep. IV 3, 4.
ls) Als munera oder dona bezeichnet, Tib.
114,44. Stat.silv.II 1,158; III 3, 38. Suet.
Caes. 84. Val. Flacc. III 312. Sil. It. X 561. Dio
Cass. LXXVI 15. 3. Bisweilen wurden auch diese
Gaben allein verbrannt, wenn die Leiche nicht
zur Stelle war, Lucan. IX 175. Tac. ann. III 2.
13) Verg. Aeri. VI 221. Sil. It. X 569. Suet.
a. a. O. Dion. Hai. IX 39, 6. Plut. Cato min. 11.
Selbst beim Transport der Asche des Germani-
cus durch Italien wurden vestes odor es aliaque
funerum sollemnia verbrannt, Tac. ann. III 2.
14) Sil. It. X 562 f. Dio Cass. L VI 42,2. Bei
der Verbrennung des Caesar reißen sich die ti-
bicines und scenici artifices ihre (geliehenen)
Prunkkleider ab und werfen sie ins Feuer, die
Veteranen die Waffen, die Matronen ihren
Schmuck und die Praetexten und Bullen der
Knaben, Suet. Caes. 84.
15) Stat. silv. VI, 214. Dion. Hai. IX 39,6.
Prop. V(IV) 7,33.
,6) Ov. fast. III 562; her. 11,116. Prop. 117.
21. Dion. Hai. aa.O. Stat. silv. V 3, 105. Auch
auf begrabene Leichen warf man Haarlocken,
Petron.111,9.
Achter Abschnitt. Ärzte, Tod, Bestattung und Grabmäler.
501
Verbrennung zu begegnen, Wohlgerüche, Gewürze, Weihrauch, Balsam u. dgl.
ii fester und flüssiger Form1); solche wurden auch als Geschenke gesandt2)
|nd oft in so Ungeheuern Massen verbrannt3), daß die Näherstehenden davon
betäubt wurden4).
Nachdem man dann dem Toten die Augen wieder geöffnet6), auch wohl
loch einen letzten Kuß auf seine Lippen gedrückt hatte6), wurde der Scheiter-
haufen von einem Verwandten oder Freunde 7), bei Kaiserbestattungen von
liinem hohen Würdenträger8) mit abgewandtem Gesicht angezündet9); sonst
übernahmen das die eigens dafür anwesenden ustores10). War der Holzstoß
jinter den beständig weiter ertönenden Klagegesängen des Gefolges11) nieder-
gebrannt, so wurden die glimmenden Kohlen mit Wasser oder mit Wein
gelöscht12); dann sammelten die Angehörigen die Gebeine13), begossen sie mit
kVein und Milch, trockneten sie an Linnen ab14) und legten sie, mit allerlei
palben und flüssigen oder trockenen Wohlgerüchen vermischt15), in eine Urne,
womit die eigentliche Zeremonie zu Ende war: nur die Angehörigen blieben
') Eine sehr vollständige Aufzählung gibt
Äatsilv.V 1,210; auch II 1,160; 6. 85; III 3,
J8;vgl.Prop.V(IV)7.32. Ov.fast.III561. Plin.
Sil 83. Lucan. VIII 729. luv. 4, 109. Mart. X
1)7.3. Plut.Catomin. 11 ; inschriftl. (JILX 1784.
Prop.III 5,7 (II 13,23) verbittet sich die odori-
ferae lances bei seinem Leichenbegängnis,
wünscht aber doch ebd. 14 (30) den Syrio mu-
ntre jrtenus onyx in der Hand seiner Geliebten.
*) Bei funera publica stiftete der Staat oder
lie Gemeinde bedeutende Mengen Weihi auch,
vgl. CIL V 337; XIV 321; 413.
3) Nero verbrannte bei der Bestattung der
Poppäa mehr, als die Weihrauchernte eines
! Jahres betrug, Plin. XII 83: über die Masse der
dargebrachten Spezereien beim Tode des Sulla
is. oben S. 496 A. 5, und über diesen Luxus über-
haupt vgl. Friedländer Sittengesch III 114;
jiebd. 117 eine Zusammenstellung von Angaben
laber die Gesamtkosten von Bestattungen.
4) Plin. VII 186.
5) Das morientlbus oculos operire rursus-
que in rogo patefacere bezeichnet Plin. XI .150
als Quiritium magno ritu saerum. .Ueber den
militärischen Parademarsch, der bei Kaiser-
lbegräbnissen um den Scheiterhaufen stattfand
[decursio). vgl. Mau bei P.-W.III 356; Fiebiger
ebd. IV 2354.
6) Prop. 1115,29 (II 13,29).
7) Verg. Aen.Vl 223. Dio Cass. LXXVI
15. 3; vgl. App. b. civ. I 48. Doch gaben die
Verwandten manchmal nur den Befehl zum
Anzünden, Lucan. VIII 740, und dann besorgte
«s wohl der ustor.
8) Dio Cass. LVI 42. 3; LXXIV 5. 5.
9) Verg. Aen.Vl 224. Ein Relief an einem
Grabdenkmal in Pompeji stellt eine Frau dar,
I die abgewandten Gesichts mit einer Fackel den
Holzstoß entzündet, Overbeck Pompeji 418
Fig. 218.
,0) Catull. 59,3, wo die Bezeichnung semi-
, rams auf einen Sklaven deutet (vgl. Apul. met.
IX 12); auch sonst wird verächtlich von ihnen
gesprochen. Cic.p. Mil. 33,90. Lucan. VIII 738.
Mart. III 93, 26; vgl. Corp. Gloss. II 212. 11, wo
es mit irxgoxai'oitjg erklärt wird; ebd. 597. 61 :
bustuarius, mortuorum incensor. In den Glos-
sen kommt htstuarius im gleichen Sinne häufig
vor.s. VI 157. in der Litteratur sonst nicht. Nach
Sid. Ap. ep. III 13 scheint auch ein poOdnetcr
beider Verbrennung anwesend gewesenzu sein.
M) Serv. ad Aen.Vl 216.
'») Verg. Aen.Vl 226. Stat. silv. II 6, 90.
Nach Plin. XIV 88 hätte schon Numa dies als
Luxus untersagt; die XII Tafeln verboten eben-
falls eine sumptuosa respersio, Cic. de leg. II
23, 60. Daß es trotzdem üblich blieb, zeigt
Prop. V ( I V ) 7 , 34 : fracto busta piare endo ; vgl .
CIL VI 1951 : {ut) possint nostris Bacchum m%-
scere farit/is, /loribns ut spargant naepius nm-
bram levem.
13) Nach Ps Tib. III 2, 15 rief man zuerst die
Manen des Toten an, wusch sich dann die Hände
und sammelte die Gebeine im Bausche des Ge-
wandes. Vgl. Tib. 1 3, 6. Prop. I 17, 12; III 19.
34 (II 24.50); V (IV) 1,127. Sen.dial.lV33,6:
XII 2, 5. Mart. IV 33, 4; VIII 57, 5; das heißt
(müegium. Corp. Gloss. II 140,21 ; 388. 25. Bei
der Bestattung des Augustus taten dies pri-
mores tgtustrit ordinis, tunicatiet discinetipe-
dibiuque tutete, Suet. Aug. 100; vgl. Ps.Tib.
a. a. 0. 18. In der Regel erfolgte das Sammeln
und Beisetzen der Gebeine (ossa condere. CIL
VI 27526; componere X 5469) sogleich nach
der Verbrennung; daß es bei Augustus erst vier
Tage später erfolgte, nach Dio Cass. LVI 42, 4.
war eine Ausnahme.
"*) Ps.Tib a.a.O. 19ff. Verg. Aen.Vl 227.
1&) Tib. 1 3. 7. Ps.Tib. a.a.O. 23 f. Ov.tr.
1113,69; fast. III 561. Pers.6,34. Petron .7.7
Die Salbenfläschchen wurden manchmal in die
Urne getan, auch die Münze, die der Tote im
Munde gehabthatte.s. Mau Röm.Mitt 111(1888)
132; X (1895) 156. Ueber andere Beigaben, die
sich in Aschenurnen gefunden haben, s. Mau
bei P.-W.III 356 f.
502
Zweite Abteilung. Das Leben.
behufs Beisetzung der Urne noch zurück, die andern Begleiter wurden durch
Besprengung mit Weihwasser gereinigt und entlassen1). Die Angehörigen
aber blieben noch da, um entweder die Aschenurne2) in dem dafür bestimmten
Grabmal aufzustellen oder, falls ein solches noch nicht vorhanden war, durch)
eine symbolische Handlung diese religiöse Pflicht zu ersetzen, bis die Urne
beigesetzt werden konnte3). Denn solange die Gebeine nicht begraben waren,
war die familia des Verstorbenen funesta4). Die gewöhnlichste dieser sym-
bolischen Handlungen war die des sogenannten os resectum: man schnitt von
der Leiche vor der Verbrennung einen Finger ab und begrub diesen sofort
nach der Verbrennung5), oder man warf bloß etwas Erde auf die verbrannten
Knochen6).
Über die Gebräuche beim Begraben von Leichen liegen, abgesehen von
den schon erwähnten plebeia funera keine näheren Nachrichten vor, da die
soüemnia funera, deren Zeremonien uns berichtet werden, immer Verbrennungen
waren. x\ber die oft sehr prunkvollen Marmorsarkophage belehren uns, daß
in der spätem Kaiserzeit auch Vermögende begraben wurden, und daß deren
Leichenbegängnisse dann nicht des Prunkes entbehrt haben werden, ist
gewiß. Vermutlich unterschieden sich die Bräuche dabei von den oben
geschilderten nicht wesentlich, nur wurde die Leiche am Begräbnisplatz
vom lectus funebris herabgenommen7) und in den Sarg gelegt8).
Was nun Anlage, Einrichtung und Bauart der Gräber und Grab-
denkmäler anlangt, worüber wir aus den Funden und noch erhaltenen
') Verg. Aen.VI 229 ff.; die novissimaverba,
die dort gesprochen werden, sind nach Serv.
ebd. 216: ilieet,quod ire licet significat. Manche
Leidtragende gingen, wie es scheint, nur bis
ans Tor mit, Prop.V(IV) 7,29.
2) Die Aschenurnen waren nach Material
wie nach Form ungemein verschiedenartig und
verschiedenwertig. Dem Material nach unter-
scheidet man solche von Metall (Gold, vgl.
Eutrop. VIII 5, Silber, Bronze, Blei), Stein
(Marmor, Alabaster, Tuffstein, Onyx), Glas
und Ton; vgl. Marquardt 383 f. Mau bei
P.-W. II 1520 f. Friedländer 115 f. Der Form
nach unterscheidet man gewöhnliche Töpfe,
verzierte Vasen, Cisten, Urnen von architek-
tonischer Form (als Hütten. Tempel, Altäre,
Sarkophage u. dgl. m.).
3) Bei der Asche wie bei der unverbrannten
Leiche war das Bergen unter der Erde (später
verallgemeinert zur Unterbringung in einem
geschlossenen Grabesraum) geboten. Wenn in
den XII Tafeln dnsY erbot stund -.hominimortuo
ne ossa legito, quo post funus faciat, wovon nur
die bellica peregrinaque mors ausgenommen
war, Cic. de leg. II 24, 60, so sollte durch dies
Verbot verhindert werden, daß die Beisetzung
der Gebeine wiederum eigens gefeiert würde.
So nachLüBBERT Comment.pontific.71 ff. Mar-
quardt 375 A. 8.
4) Cic. a.a.O. 22,55. Varr. 1. 1. V 23.
5) Cic. a.a.O.: os resectum. Fest. 148, 11
spricht von membrum abscidere.
6) Varr. a. a. 0. : ab eo, quom Romanus com-
bustus est, st in sepulcrum eius abiecta gleba
non est, aut si os exceptum est mortui ad fa-
miliam purgandam, donec in purgando humo
est opertus (utpontifices dicunt, quod inhumatus
sit) , familia funesta manet. Mit dem os exceptum
ist wohl das os resectum gemeint, nicht, wie
Mau 357 meint, eine dritte Art symbolischer
Handlung; was Cic. a. a. 0. 57 in os iniecta gleba
nennt, ist identisch mit der in sepulcrum abiecta
gleba bei Varro.
7) Daß der Tote auf dem lectus begraben
wurde, wie Marquardt 378 annimmt, geht aus
dem in Cervetri gefundenen bronzenen lectus
(Mus. Gregor. I tav. 16,8) nicht hervor, nur daß
man solches Mobiliar wie anderes dem Toten
ins Grab mitgab.
8) Die meisten römischen Sarkophage sind
aus Marmor oder sonstigem Stein, doch kommen
auch Särge aus Ton, Blei, Holz vor, vgl. Mar-
quardt a. a. 0. 5. Die Bezeichnung sarcophagus
(ursprünglich eine angeblich die Verwesung be-
fördernde Steinart, s. Blümner Technol. 111 60)
kommt für Sarg zuerst luv. 10, 172 vor; sonst
heißt dieser meist arca, Liv. XL 29, 3f. Plin.
XIII 85. Val. Max. I 1,12. Petron. 112,8; zumal
bei Armen, Hör. sat. I 8, 9. Lucan. VIII 736.
Digg.XI 7,7,1. Corp.Gloss.il 434.60 (arca
funebris); 567,36. CIL XI 147. 6120. Not. d.
scavi 1890, 170 ff. Ferner capulum und san-
dapila (s. oben S. 490), auch solium, Curt. X
10,9. Suet. Ner. 50. Plin. XXXV 160. Nur
kleinere Behälter sind die loculi bei Plin. VII
20 u. 75.
Achter Abschnitt. Ärzte, Tod, Bestattung und Grabmäler.
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Resten genaueren Aufschluß erhalten1), als aus den alten Schriftquellen und
den Inschriften, so macht es dafür im allgemeinen wenig Unterschied, ob
es sich um die Beisetzung einer Aschenurne oder eines unverbrannten
Leichnams handelt, wenigstens bei Einzelgräbern. Bei Massengräbern, wie
die ärmere Klasse sie benutzte, die die Mittel für ein eigenes oder ein
Familiengrab nicht erschwingen konnte, mutete ein Massengrab für Leichen
allerdings anders angelegt sein, als für Aschenurnen. Für jene dienten die
sogenannten puticuli, d. h. Brunnengräber2), brunnenartige tiefe Schächte,
in die die Leichen ohne Sarg hineingeworfen wurden3); sie lagen in Bona
vornehmlich auf dem Esquilin, wo man bei Ausgrabungen noch solche Gräber
gefunden hat4); als zur Zeit des Horaz dort Gärten angelegt wurden, scheint
man die Gräber weiter hinaus verlegt zu haben5). — Als Massengräber für
Aschenurnen dienten dagegen die nach ihrer Ähnlichkeit mit Taubenschlägen" i
benannten Kolumbarien7), deren sich vor den Toren Roms eine nicht un-
beträchtliche Zahl erhalten hat8). Es sind das ein- oder mehrstöckige, mit
ihrem untersten Teile in der Regel unterirdisch angelegte große Gewölbe, in
deren Wänden in parallelen Reihen quadratische oder halbrunde Nischen zur
Aufnahme der Aschenurnen (ollae)d) angebracht sind; kleine Marmortäfelchen
über den Nischen geben Namen, Beruf u. dgl. der dort Bestatteten an; bis-
weilen sind dort auch die Büsten der Verstorbenen aufgestellt (vgl. Fig. 77) l0).
Wände und Decken sind oft mit Fresken oder Stuckreliefs geschmückt11).
Meist sind diese Kolumbarien von Kollegien von Freigelassenen und Sklaven
einzelner Familien, zumal von Mitgliedern des Kaiserhauses, oder von den
oben erwähnten collegia funeraticia errichtet worden.
Die Gräber der Frühzeit Roms haben uns die Funde auf dem Esquilin
und auf dem Forum kennen gelehrt. Auf dem Forum12) fand man beim
') Ein zusammenfassendes Werk über die
römischen Gräber fehlt uns noch immer. Ueber
die etruskischen, auf die hier aber nicht näher
eingegangen werden kann, handelt vornehm-
lich Dennis The cities and cemeteries ofEtruria,
London 1848 (deutsch von Meissner, Leipzig
1852), 3. Aufl. 1883. Ueber prähistorische Grab-
felder in Latium und Rom handelt L. Pinza in
Bd. XV der Mon. dei Lincei.
*) Die Alten etymologisierten z.T. freilich
anders; so Varr.].l.V25: a puteis puticoli, qnod
ibi in puteis ohruebantur homines, nisi potius,
utAelius scribit, puticulae, quod putescebant ibi
cadavera proiecta; vgl. Fest. 216, 6; 217b, 8.
Frontin. in Gromat. 55,8 ed. Lachmann. Schol.
Cruqu. ad Hör. sat. 1 8,10.
3) Die Leichen hingerichteter Verbrecher
ließ man in der Nähe auf freiem Felde unbeerdigt
liegen, vgl. Hör. sat. I 8, 17. Dion. Hai. XX 6,5.
") Vgl. LanciäniBuII. munic. II (1874) 42ff.;
III (1875) 190f. tav.XX. Es sind mit Quadern
eingefaßte Schachte von 4 —5 Meter im Quadrat;
es sollen etwa 75 solcher Anlagen gefunden
worden sein. Vgl. Jordan-Hülsen Topogr. I 3.
268 ff. Richter Topogr. 304.
5) Porphyr, z. Hör. a. a.0. 14. Daß auch in
der Kaiserzeit extra portam EsquiUnam die
Richtstätte war, zeigt Tac. ann. II 32; XV 60.
Suet. Claud. 25; aber schon Plaut, m. gl. 359
wird mit Wahrscheinlichkeit darauf bezogen,
vgl. Jordan-Hülsen 270. Richter a. a. 0.
6) Varr. r. r. III 7, 4. Colum. VIII 8, 3.
7) Ueber die Kolumbarien vgl. die Artikel
von Saglio bei D.S. I 1334ff. und Samter bei
P.-W. IV 593 ff., wo andere Litteraturangaben
zu finden sind.
8) Vgl. Jordan-Hülsen a. a. O. 209; 211 ;
247; 362 f.; 649. Richter a. a. 0. 275; 351 f.;
354 f.
9) Diese ollae ossuariae (CIL VI 9189;
12671; 28126 u.s.) sind einfache tönerne Urnen
mit abnehmbarem Deckel; manche sind mit
Platten verschlossen, die eine Oeffnung zum
Eingießen der flüssigen Totenopfer haben.
,0) Nach Photographie.
") Vgl. besonders 0. Jahn Die Wandge-
mälde des Columbariums in der Villa Pamfili.
Abh. d. bayer. Akad. VIII 2. Campana Due se-
polcii del secolo di Augusto, Roma 1840.
,2) Hierüber vgl. Boni Not d. scavi 1902,
96 : 1903. 123 ; 375 : 1905. 145 ; 1906. 5. Vaglieri
im Bull, comun. XXX (1902) 186 ff.; XXXI
(1903) 252. Pinza ebd. XXX (1902) 37. Hülsen
R.M.XX(1905)95ff.
504
Zweite Abteilung. Das Leben.
Faustinentempel fünf bis sechs Meter unter dem Pflaster der Kaiserzeit
eine uralte Nekropole mit verbrannten und bestatteten Leichenresten. Die
Brandgräber, die die älteren sind, sind große, in Aushöhlungen des Tuff-
bodens eingesetzte Tongefäße von kugeliger oder länglicher Form (dolia),
die mit Tuffsteinen geschlossen sind und in denen sich die Aschenurnen (bis-
weilen in der Form der altitalischen Hütte, siehe oben S. 8) und kleinere
Tonvasen mit Resten von Opfergaben u. dgl. befinden. Die Bestattungsgräber
sind einfache, längliche Aushöhlungen im Tuff, mit Tuffbrocken überdeckt,
in denen ebenfalls zusammen mit kleineren Gefäßen und andern Beigaben
die Leichen entweder ohne
Sarg oder in einem aus-
gehöhlten Baumstamm bei-
gesetzt waren. Kinder-
leichen sind auch in Ton-
gefäßen bestattet. In der
Nähe der Gräber finden sich
öfters röhrenförmige Gru-
ben, die zum Teil bis zu den
Bestatteten hinabreichen
und dazu dienten, diesen die
Totenspenden zuzuführen1).
Auf dem Esquilin2) sind
die archaischen Gräber bei
S. Martino ai Monti sämt-
lich Bestattungsgräber, die
aus frühester Zeit her-
rühren, da sie noch inner-
halb der Serviusmauer la-
gen; sie bestehen meist
aus länglichen, in den Tuff
gehauenen Gruben, die mit Tuff brocken umkleidet und bedeckt waren;
einfache Tonware, Bronzen, Glasperlen u. dgl. bilden die Beigaben3).
Jünger sind die außerhalb der Serviusmauer gefundenen Grabanlagen: in
den älteren Schichten unterirdische, in den Fels gehöhlte Grabkammern4),
in den jüngeren teils aus Tuffplatten zusammengesetzte Bestattungsgräber5),
teils Brandgräber, die mit Deckeln versehene Aschenbehälter aus einem
Stück Stein, meist in Hausform, nebst zahlreichen Beigaben enthalten6).
Dazu kommen dann als eine weitere Art die obenerwähnten puticidi. Weitaus
die große Mehrzahl mußte auch später noch sich mit solch einfacher Be-
stattungsart begnügen, wenn auch an die Stelle des Baumstamms der schlichte
Fig. 77. Kolumba
Vigna Codini in Rom.
') Boni Not. d. scavi 1903, 169.
*) Vgl.LANCiANi Bull, munic. I (1873) 66ff.;
II (1874) 33ff.; 195 ff'.; III (1875) 41 ff.; 190ff.;
über die Nekropole bei S. Martino ai Monti
de Rossi ebd. XIII (1885) 39 ff. Not. d. scavi
1887.372; 534; 1888,59- 132; 669. Im allge-
meinen vgl. Makiani im Bull, comun. XXIV
(1896) 5 ff.
3) Vgl. Pinza Bull, comun. XXVI (1898)
53 ff.; 163 ff. Jokdan-Hülsen a.a.O. 261.
4) Für mehrere Leichen eingerichtet, von
rechteckigem Grundriß.
b) Vgl. Jordan-Hülsen 267.
6) Die sog. tombe ad arca, die etwa dem
4. — 3. Jahrh. v. Chr. angehören, s. ebd. 268
A. 35.
Achter Abschnitt. Ärzte, Tod, Bestattung und Grabmäler.
505
QtlHolzsarg trat. Die Stelle des Grabes bezeichnete ein Stein, der Namen,
Ke Alter, Beruf oder Stand des Verstorbenen angab »), auch sein oft sehr stark
ausgedrücktes Lob, sowie einige Abschiedsworte der Hinterbliebenen »), mit-
unter auch einige bildliche Darstellungen, etwa auf den Beruf des Dar-
gestellten bezüglich3), oder dessen Porträt u. dgl. m.4). Auch testamentarische
Verfügungen über Benutzung des Grabes, Umfang, Pflege u. a. wurden auf
diesen cippi angebracht5). Statt dieser legte man bisweilen horizontale vier-
eckige Steinplatten (mensae)6) auf das Grab.
Vermögendere Leute begnügten sich nicht damit, daß ihre Überreste
unter der Erde beigesetzt wurden, sondern errichteten an der Stelle ein
mehr oder weniger kostbares Grabmonument. Für diese oft recht umfang-
reichen und architektonisch wie plastisch nicht selten reich ausgeschmückten
Grabmäler wählte man besonders die aus den Toren der Stadt hinausführenden
Landstraßen, wie man das in Rom 7) heut noch an den Resten, zumal der
Via Appia 8), sieht und noch besser, da hier die Denkmäler viel besser er-
halten sind, an der Gräberstraße in Pompeji (Fig. 78)°). Auf die äußere
Form und innere Anlage dieser Monumente, die bald in den Fels gehauen10),
bald frei erbaut waren, können wir hier nicht eingehen; sie sind, von der ein-
fachen Grabkammer bis zum prunkvollen und riesenhaften Kaisermausoleum un-
endlich mannigfaltig11). Die meisten waren Familienbegräbnisse; ursprünglich
l) Die vielen Tausende römischer Grab-
steine, die das CIL enthält, haben eine zu-
sammenfassende Behandlung noch nicht er-
fahren. Das Alter wird meist in Jahren. Mo-
naten und Tagen angegeben, ja bisweilen
sogar noch bis auf Stunden, vgl. CIL VI
15268.
■) Zumal Gatten verkünden den Preis ihrer
Frauen meist sehr überschwenglich, vgl. CIL
VIII 11294: incomparabilis coniux, materbona,
aviapiissima,pudica, religiosa, laboriom, fvugi,
efficax, v ig Hans, söllicita, univira, unicuba, to-
tins industriae et fidei matrona. Auch Kinder
erhalten oft solche Lobsprüche, ebd. VI 33929:
Dahnatico filio dulcissimo, totius ingeniositatis
ac sapientiae puero, u. dgl. m.
s) Handwerksattribute oder Szenen des
Handwerks sind nicht selten. Auch diese Dar-
stellungen sind noch nicht gesammelt.
4) Hier sind für die Provinzen namentlich
die Grabsteine der Legionssoldaten mit deren
Porträtdarstellung beachtenswert; vgl. Hübner
Rel. eines röm. Kriegers, Berlin 1866, und Arch.
Ztg. XXVIII (1870) 29 ff.
6) Hör. sat. 1 8, 12. Pers. 1.37. Cippi smd
aber auch die Steine, die die area eines Grab-
denkmals bezeichnen und an zwei oder an allen
vier Ecken des Grabmals aufgestellt wurden,
vgl. Saglio bei D.-S. 1 1185. Samtek bei P.-W.
III 2564.
6) Entsprechend der griech. rgdjreCa, Cic.
de leg. II 26, 66. Vgl. CiL VIII 20277: mensa
lapidea, mit cibi calicesque et copertae. Diese
Grabsteine waren bisweilen mit gefäßartigen
Höhlungen für den Totenkult versehen, wie
zwei in Lambaesa gefundene, Daremberg-
Saglio III 1721 Fig. 4903.
7) So die Via Flaminia, Mart. VI 28,5;
XI 13, 1. Stat.silv.il 1,176. luv. 1, 171; die
ViaSalaria. Schol. ad Pers. 2, 36. Digg.XXXV
1,27; die Via Tiburtina, Plinep.VIl 29,2; die
Via Labicana, Spart. Did. Iul. 8, 10; die Via
Appia, Cic.Tusc.I 7,13. Plin.X 122; XXIX 9.
Nep. Attic. 22. Spart. Geta 7, 2; die Latina,
luv. 1. 171 ; 5, 55; die Aurelia, Suet. Galb. 20.
Eutrop.VII 16 (10); die Laurentina Gell. X 2.2.
Ueber die an diesen, sowie an den andern aus
Rom führendenSti aßen gemachtonGräberfunde
s. Marquardt 361 ff.
8) Vgl. Canina La prima parte della Via
Appia, Roma 1853. Ripostelli e Marucchi
La Via Appia, Roma 1908.
9) Overbeck Pompeji 398 ff. Mau Pompeji
425 ff. (unsere Fig. 78 ebd. S.428). Die Ange-
legenheit dieser Grabmäler vor den Stadt-
toren brachte es mit sich, daß dieselben ge-
meinen Dirnen (Mart. I 34, 8; III 93, 15) oder
Räubern (Apul. met. IV 18) als Schlupfwinkel
dienten.
10) Solche Felsgräber, die besonders in
etruskischen Städten häufig sind, waren in Rom
das am Anfang der Via Appia belegene Fa-
miliengrab der Scipionen, 1780 ausgegraben,
vgl. Jordan-Hülsen 210 f.. und an der Via Fla-
minia das seither fast ganz zerstörte der Na-
sonier außerhalb von Ponte Molle, publ. von
Bartoli und Bellori Rom 1680.
1 ') Ueber Pracht und Ausstattung der Grab-
denkmäler vgl. Friedländer 119 ff., wo auch
von den Kosten derselben gehandelt ist.
506
Zweite Abteilung. Das Leben.
hatte die ganze gens ihre gemeinschaftliche Grabstätte1), doch traten an
deren Stelle die Familiengräber2), indem jede sich neu abzweigende Familie
ein solches für ihre Mitglieder, auch für ihre Freigelassenen und näheren
l) Wie die Heiligtümer gentilicische sind,
Cic.de off.I 17,55; de leg. 11 22,55; vgl.MAR-
quardt 14 u. 364. Wissowa Rel. u. Kult. d.
Römer 340. Beispiele von sepulcra gentilicia
Vell. Pat. II 119, 6. Suet. Ner. 50. Val. Max.
1X2,1.
2) Beispiele von Familiengräbern Mar-
quardt 364 A. 6.
Achter Abschnitt. Ärzte, Tod, Bestattung und Grabmäler.
507
Freunde1), anlegte. Solche Gräber enthalten daher in der Regel mehrere
Irabkammern, in denen die Urnen oder die Sarkophage aufgestellt wurden8);
nid da die Grabkammern einerseits als dauernde Wohnung des Verstorbenen
gedacht waren, andererseits der Totenkultus häufige Besuche und Zusammen-
künfte der Hinterbliebenen mit sich brachte, so machte man die Anlage
>ft der eines Hauses ähnlich und stattete sie dementsprechend aus3), ver-
käh sie auch wohl wie ein solches mit einer verschließbaren Tür4). Wenn die
Fig. 79. Triclinium funebre an der Gräberstraße in Pompeji.
Urnen oder Sarkophage frei aufgestellt waren, so hatte es keine Schwierigkeit,
den Überresten die Totenspenden zukommen zu lassen; waren sie aber an
unzugänglichen Stellen oder eingemauert, so brachte man tönerne oder
metallene Röhren an, die von oben zur Urne hinabreichten und durch die
man die Libationen hinabgoß5). Mit der Vorstellung, daß auch der Tote
noch des Mahles sich erfreue, hing es zusammen, daß man dem Grabmal
bisweilen die Form eines Trikliniums gab, wie auf dem Fig. 79 abgebildeten
von der Gräberstraße in Pompeji6).
') So wurde Ennius im Scipionengrabe bei-
gesetzt, Cic. p. Arch. 9, 22. Schol. Bob. p. 358 Or.
Suet. de pot. 8 p. 25 Reiff. , wenn es sich nicht bloß
um seine Statue handelte, vgl. Liv. XXXVIII
56,4. Plin.VII 114. Unwürdige Familienmit-
glieder und undankbare Freigelassene konnten
davon ausgeschlossen werden, Suet. Aug. 101.
Dio Cass. LVI 32, 4.
■) In manchen Grabkammern, zumal in
Felsengräbern, wurden die Leichen nicht in
Särgen beigesetzt, sondern in ihren Totenklei-
dern auf Steinbänken an der Wand niedergelegt.
Auch dieLectus-Form wurde zur Niederlegung
der Leichen benutzt, vgl. Sordini Not. d. scavi
1893, 65 ff.
s) Die meisten Beispiele dafür bieten die
etruskischen Nekropolen; für römische vgl.
Marquardt 366 A. 1. Ueber die mannigfachen
Beigaben, die man den Toten ins Grab mitgab,
s ebd. und Mau das. 367.
*) Petron. 1 12, 3. Cons. ad Liv. 69. Flav.
Vop. Florian. 44; es werden daher auch septä-
crorum ianitorex erwähnt, Firm. Mat. III 9,3.
Vgl.die Grabestür OvERBBCKPomp.411Fig.208.
*) Vgl. Mau R.M. III (1888) 137 f. ;X (1895)
156. CIL VIII 1301.
6) Nach Mau Pompeji 443 Fig. 264; vgl.
Overbeck 412.
508
Zweite Abteilung. Das Leben.
Nicht selten war das Grabdenkmal von einer freien area1), von Gärten
oder auch mit Zier- und Nutzbäumen bepflanzten Grundstücken umgeben2),!
die mit einer Mauer eingeschlossen waren3). Diese meist ziemlich umfang-
reichen Gartengräber4), bei denen sich auch noch allerlei Anlagen befanden,
wie man sie in Lustgärten anzubringen pflegte5), führen in Inschriften der
spätem Kaiserzeit den Namen cepotaphia6). Ferner werden Räume erwähnt,
in denen die Leichenmahle und Totenfeiern abgehalten wurden (apparitoria)1),
Räume zur Bereitung der Speisen für das Totenmahl8), kleine Kapellen
{aediculae) mit dem Bilde des Verstorbenen9), Wirtschaftsgebäude für diel
Pflege der Gartenanlagen10) und Wohnungen für die liberti11), denen die Auf-
sicht und Pflege des Grabmals, die custodia sepulcri12), anvertraut war. Die
für die Unterhaltung aller Grabanlagen (die tutela sepulcri)1'6) erforderlichen
Kosten wurden durch dafür ausgesetzte Kapitalien oder durch den Ertrag
der mit dem Grabmal verbundenen Grundstücke bestritten14).
!) CILIII 2072 (vgl. Marqüardt 370 A. 1) ;
VI 14823; 15951 ; 22670; XiV 671 ; 1 124; 1701 ;
die Gräber der pompejanischen Gräberstraße
weisen mehrfach solche areae auf, s. Overbeck
403; 413ff.; vgl Mau bei P.-W. II 618.
•2) Petron. 71,7: omne genus etiam po-
morum volo sint circa cineres meos et vlnearum
largiter. Mart. I 116,1. Serv. ad Aen.V760:
nemora enim aptabant sepulcris, ut in amoeni-
tate animae forent post vitam. CIL XIII 5708
I Z. 1 1 : pomaria et lacus, für die drei topiarii
sorgen sollen ; pomariolum X 3594; vgl. II 4332;
VI 10237 u. ö.
3) Diese Mauer heißt in den Inschr. ma-
ceria, CIL VI 9681; 10876; 13823; 15640; X
2244 u. s. Vsrl. Verg. Cul. 397. Suet. Nero 50.
CIL VI 14338; auch Eisengitter, Strab. V
p. 236.
4) Vgl. SAMTERbei P.-W. III 1960,woreich-
lich inschriftliches Material beigebracht ist.
5) CIL XI 3895 enthält die area in der Mitte
das Grab mit einem horreum, ringsum sind ro-
saria, dann viniolae, vor diesen befindet sich
ein solarium, auf der andern Seite piscinae mit
einem Kanal zur area, und ein arundinetum.
Teiche. Zisternen u. dgl. werden öfters erwähnt,
III 2279; VI 15593; 26942; 29959; XIV 396;
ferner Lauben, die tricliae oder trichilae ge-
nannt werden (Verg. Copa 7. Colum. X 378;
394; auf Inschr. auch tricla oder tridea) CIL
VI 4305; 10237; 15593; 29958 f. Marini Atti
d.Arv. II 616.
6) Siehe die Belegstellen bei Samter a.a.O.;
vgl. Marqüardt 369 A. 5.
7) CIL VI 12258: IX 1618; nach Mau bei
P.-W. II 191 nur zu Vorbereitungen für die
Totenmahle dienend ; ein accubitum beim Grabe
II 7960. Mau Pompeji 436 bezieht auch einen
mit einem Pavillon versehenen Garten in der
Nähe einer Villa als Annex der Gräber auf das
Totenmahl.
8) So erklärt man die inschriftl. bei Grä-
bern erwähnten culinae, CIL I 569; II 7954;
7960; III 2811; VI 14614; 29958; XIV 1869;
nach Fest. 65, 12 : locus in quo epulae in funere
comburuntur. Doch bekam der ganze Begräb-
nisplatz den Namen culina, CIL 111 2811; IX
4079; X4765, und nach Gromat. 21, 15; 55,9;
86, 9 hießen ao Begräbnisplätze für Arme. Vgl.
Marqüardt 366 A. 4. Mau bei P.-W. IV 1744.
9) CIL VI 15593: aediculae in quibus si-
mulacra Claudiae; vgl. XI 1088. Sonst heißen
bei den Gräbern auch die Nischen in der Grab-
kammer, die die Aschenurnen enthalten, aedi-
culae, s. Habel bei P.-W. 1 445. Vgl. Uhden in
Wolfs Mus. d. Altert.Wissensch. I 534 ff.
10) Horrea, Speicher, CIL XI 3895; ein nu-
bilare (d. i. Schuppen, vgl. Varr. r. r. I 13, 5.
Colum. 1 6,24; II 20 (21), 3) CIL VI 2204; ein
stabulum ebd. 15640; taberna und stabulum
Not. d.scavi 1897,425.
") Tabernae, CIL VI 1396; 2204; 10245;
meritoria, also zum Vermieten, 15640.
u) Ueber diese häufig einem oder mehreren
Freigelassenen obliegende, meist testamenta-
risch ihnen überbundene Pflicht (Petron. 71,8)
handelt ausführlich das Testament des T. Fla-
vius Syntrophus, CIL VI 10239; s. hierüber
Marqüardt 370 A. 4 und die dort angeführte
Litteratur. Vgl. Firm. Mat. III 5, 23 : quibus se-
pulcrorum cura aut custodia mandetur. Inschr.
Not. d. scavi 1895, 351 : una cum casa et aedi-
ficio superposito at citstodem loci cibariorum
gratia. Die custodes hatten u. a. auch Verun-
reinigung des Denkmals zu verhindern, Petron.
71.8: ne in monumentum meum jmpulus caca-
tum currat; vgl. Hör. a. p. 471 und entspre-
chende Warnung auf Grabsteinen, CIL VI 2357:
hospes ad hunc tumulum ne meias ossa prc-
cantur tecta hominis.
u) Quint. VII 9,5: ut si quis corpus suum
inculto loco poni iubeat circaque monumentut*
multum agri ab heredibus in tutelam cineruw,
ut solent, leget. Vgl. CIL VI 2204. Not. d. scavi
1897,425.
14) CIL V 4990 (jährlich 60000 Sesterzen
legiert ad rosas et profus iones) ; vgl. ebd. 4410;
VI 1396; X 107; XI 1088; 2596.
Achter Abschnitt. Ärzte, Tod, Bestattung und Grabmäler.
50!»
Wir kehren nunmehr noch einmal zu den Gebräuchen der Bestattung
jzurück. Wenn die Überreste des Toten beigesetzt waren, riefen die An-
gehörigen ihm mit dreimaligem Vale oder Salve ein letztes Lebewohl zu l).
km selben Tage fand die unter dem Namen der fe ritte denicales*) bekannte
Ireligiöse Handlung statt, durch die das Grab geheiligt und die Familie des-
I Verstorbenen, die durch die Berührung der Leiche unrein geworden war.
bereinigt wurde3); zur Heiligung des Grabes wurde ein Schwein geopfert4),
Izur Reinigung von Haus und Familie ein Hammel5). Am gleichen Tage
«fand am Grabe selbst das silicernium, das Leichenmahl, statt6).
Die erste Zeit der tiefen Trauer, die der Bestattung folgte, dauerte
pieun Tage7) und hieß danach novemdial8), am neunten Tage wurde am Grabe
wen Manen des Toten ein Opfer dargebracht, das sacrificium novemdiale9)r
(worauf mitunter ein zweites Leichenmahl, die cena novemdialis, folgte10), bei
[dem man die Trauer ablegte11) und neue Spenden für den Toten darbrachte1*).
lAuch die Erbschaftsregulierung scheint erst dann vorgenommen worden zu
«ein • 3). Auch Leichenspiele, wie sie zu Ehren Vornehmer abgehalten wurden14),
fielen oft auf diesen Tag und hießen daher ludi novemdialeslb).
An den Gräbern fand auch der Totenkultus statt, der vornehmlich auf
Idie sogenannten parentalia fiel16), doch auch an den Geburtstagen der Toten17)
lund an andern Tagen, nicht selten mehrfach im Jahre stattfand lh). An diesen
') Verg. Aen. III 68; VI 506 (vgl. II 644).
Serv. ad Aen 1 219; III 68; XI 97 und das. Varro
(nach Varro bei Non. 48, 5 geschah dies erst
nach dem Leichenmahle). Stat. silv. III 3,208.
2) Fest. 70, 9 : denicales feriae colebantur,
i-iini hominis mortui causa familia purgabatur;
vgl. ebd. 242b, 29. Cic. de leg. II 22,55. Gell.
XVI 4, 4. Colum.1121 (22), 4. Wissowa Rel.
u. Kult. d. Rom. 367.
s) Varr. 1. 1. V 23. Cic. a.a.O. 57.
4) Cic. a. a. O.; das Opfer dieser porcaprae-
sentanea galt nach Fest- 250 b, 25 der Ceres.
6) Nach Cic. a. a. O. 55 galt dies Opfer den
Laren; vgl. Henzen Act. fratr. Arval. 145.
6) Non. 48, 3 und das. Varro, der es als an-
tiquus mos bezeichnet. Fest.225,2. Corp. Gloss.
II 183, 58. Bei Ter. Ad. 587 ist silicernium
Schimpfname eines Greises. Die Etymologie
des Wortes ist ungewiß; später hieß auch eine
Wurstart so, Fest. a. a. O. Arnob. VII 24. Bei
Pers. 6, 33 heißt es cena funeris. Die XII Tafeln
verboten die circumpotatio beim Leichenmahle,
Cic. de leg. 1124,60.
7) Porphyr, ad Hör. epod. 1 7 ,48. Donat.adTer.
Phorm.39. Apul. met.X30. Augustin. in Genes.
I, Vol. III 315 ed. Benedict. Dio Cass. LX1X 10, 3.
8) Es ist ein Irrtum, wenn Serv. ad Aen. V
64 das novemdial dahin erklärt, daß die Leiche
sieben Tage ausgestellt, am achten verbrannt
und am neunten begraben worden sei; s. Mar-
quardt 379.
9) Porphyr, a. a. O. ; daher spricht Hör. ebd.
von novemdiales pulveres; vgl. Corp. Gloss. II
134, 45.
10) Tac. ann. VI 5 ; bei Petron. 65, 10 heißt
auch die Mahlzeit novemdial. Daß hierbei be-
sondere auf das Totenopfer bezügliche Speisen-
genossen wurden, wie Marquari>t3S0 behaup-
tet, geht aus den dort angeführten Belegstellen
nicht hervor, vgl. Becker-Göll 536 und das
Menü des novemdial bei Petron. 66, 2 f.
n) Cic. in Vatin. 12,30 macht es dem Va-
tinius zum Vorwurf, daß er bei einem solchen
epiilum funebre cum toga pulla erschien. Bei
Petron. 65. 3 kommt Habinnas amicttis veste
alba (ebd. 7: oneratus aliquot coronis) vom no-
vemdial. Neuntägige Trauertracht bezeugtauch
Dio Cass. LXIX 10, 3.
u) Petron. 65.11.
,s) So bei Apul. met. X 31 und wohl auch
beilustinianNov. 1 15,5 § 1, worauf Marquardt
379 A. 6 hinweist.
14) Ohne Angabe des Tages öfters erwähnt,
vgl. oben S. 498 A. 12. Marquardt 380. Fribd-
LÄNDERbeiMarquardtRöm.Staatsverw.lII 473:
508; 533. An Stelle der Spiele traten bisweilen
Bewirtungen der Bevölkerung oder Geldvertei-
lungen, s. Friedländer Sittengesch. III 118 f.
Becker-Göll 537.
15) Serv. ad Aen. V 64; in heroische Zeit
verlegt bei Stat. Theb. VI 238.
16) Ueber die parentalia, fera/ia, rosalia
u.dgl.s. Marquardt Röm.Staatsverw.IU298 ff.
Wissowa Rel. d. Rom. 187 f. Hild bei D.-S. IV
333; über das Verhältnis der parentalia zu den
feralia vgl. Samter bei P.-W. VI 2206.
17) Vgl. W. Schmidt Geburtstag im Altert.
(Gießen 1908) 44 f.
18) Viermal: am Geburtstage, an den Paren-
talien, den Rosarien und dem dies violae, CIL VI
2072; 4489; 5272; 9626; 10239; 10248; sechs-
mal (alle zwei Monate) Digg. XL 4, 44.
510
Zweite Abteilung. Das Leben,
Tagen brachten nicht nur die Verwandten, sondern auch sonstige Freunde I
oder, wenn es sich um berühmte Persönlichkeiten handelte, deren Verehrer1)!
Totenopfer (inferiae) dar2), die vornehmlich in Spenden von Wasser3), Wein4)!
Milch5), Öl6), Honig7) bestanden; auch goß man das Blut der als Opfer dar-j
gebrachten schwarzen Tiere auf das Grab8) und spendete Salben und Wohl-I
gerüche9), Weihrauch10), Wollenbinden11), Blumen und Kränze12). Auch wail
es üblich, Lampen an den Gräbern anzuzünden13), woher es kommt, daß solchel
in den Gräbern außerordentlich zahlreich gefunden werden. Den Toten abeil
setzte man eine Mahlzeit, cena feralis1*), hin, die vornehmlich aus Bohnen15).!
Linsen16) und andern Feldfrüchten mitSalz17), Obst18). Eiern19), Brot20) u.dgl. m.
bestand. Endlich war es auch Brauch, daß an diesen Gedächtnistagen die
Verwandten am Grabe ein Erinnerungsmahl abhielten21), und damit hängt es
zusammen, daß bei Begräbnisplätzen Küchenräume angelegt wurden, wo auch
der Anteil des Toten mit verbrannt wurde22). Die eigentliche Trauerzeit,
deren Kennzeichen die schwarze Tracht, das Fehlen des Schmuckes, bei den
Frauen die offenen Haare23), bei den Männern das Stehenlassen des Bartes24)
waren, war von verschiedener Dauer25), doch war für Witwen zehn Monate
J) Suet. Calig. 3. Capit. M. Ant. phil. 3, 5.
Sen. ep. 64,9. Mart. VIII 38. Stat. silv. II 7. Man
vgl. besonders die Bescbr. CIL XI 1420, wo für
die Leidtragenden togae pidlae vorgeschrieben
sind, ferner: ut bos et ovis atri infulis caerulis
infulati diis Manibus eius mactentur eaeque
hostiae eo loco adoleantur super que eas singulae
urnaelactismellisoleifundantur ac tum demum
facta(m ceteris p)otestatem, siqui privatim velint
Manibus eins inferias mitter{e nive quis) am-
plius uno cereo unave face coronave mittat, dum
ii qui im(molaver)int einet i Sabino ritu struem
liqnorum, succendant atque perinde habeant.
2) Cic. n. deor. III 16", 42. Verg. Aen. IX 215.
Ov. met. XI 381. Suet. Cal. 15 u. ö.
3) Fest. 11,14. Corp. Gloss. II 462,26;
564, 48.
4) Verg. Aen. V 77, 98. Sil. It. XVI 308.
Auson. epit. 36, 1. Fest. 262 a, 15. Luc. de luct.
19. CIL VI 9797 fordert jemand seine Freunde
auf, ihm im Grabe Falerner, Setiner oder Cä-
kuber aus der apotheca dominica zu spenden.
5) Verg. Aen. III 66 und das. Serv.; V 78.
Sil. It. a. a. 0. Nemes. ecl. 1,68. Arnob. VII 20.
6) Arnob. a. a. O.
7) Nemes. 1,69.
8) Verg. Aen. III 66; V 78; 96. Arnob. a. a. O.
9) Prop. IV 15 (III 16), 23. Auson. a.a. 0.
CIL VI 9797; X 5469.
10) Arnob. a.a.O.
n) Varr.l.l.VII24. Caecil.b. Fest. 360b. 24.
12) Verg. Aen. V 78; VI 883 f.; Copa 35 f.
Ov. fast. 11537. Tib. II 6, 32. Prop. V (IV) 7, 43.
Nemes. a. a. 0. und sonst sehr oft erwähnt. In-
schriftl. CIL VI 9797: floribus, violis, rosis folio-
que multo atque unguento mareido; X 5469.
13) Suet. Aug. 98. Dio Cass.LXVII 9,2. Pe-
tron. 111,4. Digg. XL 4,44. CIL II 2102; VI
10248 werden die Einkünfte aus einer insula
dazu bestimmt: ut quodannis die natalis sui et
rosationis et violae et parentalibus memorium
sui sacrificis quater in annum f actis celebrent
et praeterea omnib(us) k(alendis), nonis, idibus
suis quibusq{ue) mensib(us) lucerna lucens sibi
ponatur incenso inposito; vgl. X 633: huic tu-
mulo posuit ardentem lucernam; XI 2596 (ut)
diem festo sollemne oleum in lucerna, quam dedi
D. P., ex usuris praestetur.
14) luv. 5,85, wo nicht mit Friedländer an
die cena novemdialis zu denken ist; bei Apul.
Flor. 19 wird die cena feralis vom tumulus ge-
nommen. Vgl. Plin. X28. Dio Cass LXX VII 9,3.
15) Plin. XVIII 118. Fest. 87,13 ; ferales lu-
pini, Calpurn. 3, 82.
16) Plut. Crass. 19.
17) Ov. fast. II 538. Arnob. a.a.O.
1 8) CIL X 5469 : pomum temporis omne sui.
19) luv. 5,84.
20) August, conf. VI 2 nennt pultes etpanem
et merum als in Afrika gebräuchlich; Ov. fast.
II 539 Brot in Wein getaucht.
21) Cic. pr. Flacc. 38,95. Varr. 1. 1. VI 13.
Tertull. de testim. an. 4; darauf geht Stat. silv.
V 1 , 235 : circumstant f amidi consuetaque turba
obsequiis, tum rite tori mensaeque parani 'ur
assiduae. CIL X 1 07 : ut ex usuris quodannis
VII Idus Apriles natale filiae meae epulantes
confrequentetis. Vgl. cena parentalicia, Not. d.
scavil894,21. CIL XI 5047. Dies Leichenmahl
ist mitunter auf Grabsteinen dargestellt, siehe
F. Haverfield im Archaeol. Journ. N.S. VI 326.
2a) Vgl. oben S. 508 A. 8.
23) Ter. Heaut. 286 ff.; vgl. oben S.497.
24) Vgl. Gachon bei D.-S. III 1230 f. und
oben S. 270.
25) Plut. Num. 12 führt als Verordnung des
Numa an, daß man ein Kind unter drei Jahren
gar nicht betrauern solle, ein älteres so viel Mo-
nate, als es Jahre hatte, aber nicht länger als
zehn Monate, und dies war auch die Trauerzeit
k
Achter Abschnitt. Ärzte, Tod, Bestattung und Grabmäler.
511
die allgemein übliche Dauer1), die manchmal auch beim Tode hochverdienter
Männer von den Matronen innegehalten wurde2). Doch trauerten Frauen,
zumal Mütter um ihre Kinder, oft viel länger, ja sogar ihr ganzes Leben lang3).
Dagegen war für die Männer keine bestimmte Trauerzeit vorgeschrieben4).
für Witwen. Anders bestimmt Paul. sent. I 21,
12, daß Eltern und Kinder über sechs Jahre ein
Jahr betrauert würden, jüngere Kinder einen
Monat. Gatten zehn Monate, Verwandtenäheren
») Ov. fast. I 35; III 134. Cic. pr. Cluent.
12, 35. Sen. dial. XII 16, 1 ; ep. 63, 13.
ä) Jahrestrauer (wobei mit dem Jahre das
alte von zehn Monaten Dauer gemeint scheint)
wird ■/.. B. erwähnt beim Tode des M. Iunius
Brutus, Liv. II 7,4; des P. Valerius Publicola,
ebd. 16,7. Eutrop. I 11 (10); desCoriolan, Dion.
Hai. VIII 62, 1. Plut. Coriol.39; d» Mi-ntinius
Agrippa. Dion. Hai. IX 27,2; des Augustus. Dio
Cass. LVI 43. 1.
8) Sen. dial. VI 2, 5; XII 11,2: solche ver-
längerte Trauer hieß prohtgert, Fest. 226, 16,
während elugere das Innehalten der üblichen
Trauerzeit bedeutet. Cic. ad fam. IX 20,3. Liv.
XXXIV 7, 10. Gell VI (VII) 5. 4.
*) Sen. ep. 63, 13: riri.s nulluni hyitiimim
tetnpus [lugenät) est, quia nuUum honeshtm.
Digg. III 2,9: uxores viri htgsre non compeL
lantur. sponsi nullit* luctus est.
Dritte Abteilung.
Die Berufsarten.
Erster Abschnitt.
Jagd, Vogelfang und Fischerei.
Litteratur.
Lauchert Das Weidwerk der Römer. Rottweil 1848.
G. Baguenault de Puchesse De venatione apud Romanos. Paris 1869.
M. Miller Das Jagdwesen der alten Griechen und Römer. München 1883.
B. von Kayser Jagd und Jagdrecht in Rom. Tübingen 1895.
H. Johannes De studio venandi apud Graecos et Romanos. Göttingen 1907.
G. Lafaye Artikel Piscatio bei Daremberg-Saglio IV 489 ff.
Wie bei den Griechen und wie im Grunde genommen auch heutzutage
bei uns, so war auch bei den Römern die Jagd kein eigentlicher, zum
Lebensunterhalt gewählter Beruf, sondern bei den Freien mehr eine beliebte
Beschäftigung oder eine Art Sport, bei den Unfreien eine ihnen übertragene
Tätigkeit. Das gilt wenigstens von denjenigen Zeiten, von denen wir Kunde
haben; wie es in den' Anfängen Roms damit bestellt war, darüber liegen
keine Nachrichten vor, und die Ansichten der Neueren gehen hinsichtlich
des Alters der Jagd bei den Römern auseinander1). Daß indessen schon in
den frühesten Zeiten die Jagd eine Lebensnotwendigkeit war, indem die
Menschen nur dadurch vor den wilden Tieren sich schützen konnten, ist
selbstverständlich2); wie in anderen Pfahlbausiedelungen so hat man auch
in den oberitalischen Terremare Knochen von Schwarz- und Rotwild, das
den Bewohnern zur Nahrung gedient hatte, gefunden3). Doch sind die Reste
derart im Vergleich zu der großen Menge ebendort gefundener Überbleibsel
') Sprachliche Gesichtspunkte geben keinen
Anhalt. Zwar meinte 0. Weise Griech. Wörter
in der lateinischen Sprache (Leipzig 1882) S.299
aus dem Umstände, daß sich im Lateinischen in
der Terminologie der Jagd und des Vogelfangs
keine griechischen Wörter finden, schließen zu
dürfen, daß die Jagd eine altrömische Beschäf-
tigung sei, bei der griechischer Einfluß nicht
vorliege ; allein so selbstverständlich es ist, daß
die Jagd auf italischem Boden von früh an aus-
geübt worden ist, so wird doch für die spätere
Zeit bei ihrer Ausübung und Technik griechi-
scher Einfluß nicht zu leugnen sein. So ge-
braucht Varro bei Non. 28, 10 unter lateinischen
Namen von Jagdgeräten auch das griechische
ägxvsg. Mehr s. unten.
2) Man vgl. die poetische Darstellung dieser
Anfänge der Jagd bei Lucr. V 980 ff. und die
Schilderung der Jagd ebd. 1248 f. Das Buch von
G. de Mortillet Origines de la chasse, de la
pöche et de l'agriculture, Paris 1890, ist mir
unzugänglich.
3) Es sind vornehmlich Knochen und Ge-
weihe von Hirschen und Rehen, sowie Knochen
und Hauer von Wildschweinen; auch Bären-
zähne sind gefunden worden, s. Helbig Italiker
in der Poebene 15 u. 26.
Erster Abschnitt. Jagd, Vogelfang und Fischerei.
513
Ivon zahmen Tieren sehr beschränkt, sodaß es den Anschein hat, daß die
»Jagd bei den Pfahldörflern nur in geringem Maße betrieben wurde und für
|hre Nahrung ungleich untergeordnetere Bedeutung hatte als die Viehzucht l).
[Ebenso scheint es bei den alten Latinern gewesen zu sein, wie man daraus
[geschlossen hat, daß die Latiner Benennungen von wilden Tieren aus Worten
{abgeleitet haben, die für Haustiere gültig waren 2). Wenn wir daher bei den
[Dichtern die Jagd als Beschäftigung der Helden der Vorzeit erwähnt und
[gepriesen finden, so ist das teils Nachahmung griechischer Muster, teils
KTbertragung der späteren Verhältnisse auf ein weit zurückliegendes Zeit-
alter 3). Aber auch noch längere Zeit hindurch scheint die Jagd bei den
[Römern keine Beschäftigung der besseren Stände gewesen zu sein 4) : teils
Iwar in den besseren Zeiten der römischen Republik der Jüngling und Mann
Bdurch den Kriegsdienst hinlänglich in Anspruch genommen, teils war der
»Römer zu sehr Landmann, um mit Leidenschaft den Jäger abzugeben 6). Noch
|m 2. Jahrhundert v. Chr. war die Jagd bei den jungen Römern von Stande
«keine übliche Passion6), und das auf den Markt kommende Wildbret war im
wesentlichen von den Sklaven der Gutsbesitzer erlegtes 7), ganz abgesehen
jdavon, daß man schon zu jener Zeit anfing, auf den Landgütern Wild in
(eigenen leporaria oder vivaria zu halten8). Man muß bei diesen Verhältnissen
Bauch in Anschlag bringen, daß zwar in den frühesten Jahrhunderten, wo
|der Waldreichtum Italiens noch beträchtlich war und zumal in den Gebirgen
jauch noch schädliche wilde Tiere, wie Bären, Wölfe u. dgl., hausten, die
[Bevölkerung schon zum Schutze ihrer Herden genötigt war, auf das Raubzeug
fjagd zu machen9), daß aber mit der zunehmenden Ausrottung der Wälder
J) Helbig a. a. 0.
2) Das belegt Helbig a. a. 0. 73 f.; so z. B.
eaprea, hinuleus, vgl. Hehn Kulturpfl. u. Haus-
tiere 6 S. 564. Daher ist es nicht richtig, wenn
mitunter behauptet worden ist (so von Lauchert
a. a. 0. Gemoll Realien bei Horaz 111 33. von
Kayser Jagd u. Jagdrecht 13), daß die Römer
von jeher die Jagd geliebt und sie stets als
das edelste und männlichste Vergnügen be-
trachtet hätten, was nur für die spätere, beson-
ders die Kaiserzeit gilt. Vgl. Johannes a. a. 0.
62 f.
3) Vgl. die große Jagd, die Dido veranstaltet.
Verg.Aen.IV130ff.;ebd.VII475gehtAscanius
mit seinen Gefährten auf die Hirschjagd. Vgl.
auch IX 590 ff.; 612 f.
4) Wenn es bei Ter. Andr. 55 heißt : quod
plerique omnes faciunt adulescentuli, j ut ani-
mum adaliquod Studium adiungant, (tut equos \
alere aut reines ad venandum, mit ad philoso-
phos, so führt das Johannes 57 ebenso wie die
zahlreichen bei Plautus und Terenz vorkommen-
den, der Jagd entnommenen Metaphern (vgl.
W. v. Wyss Die Sprüchwörter b. d. römischen
Komikern, Zürich 1889, S. 49) auf die griechi-
schen Vorbilder zurück ; das ist für jene Terenz-
Btelle zwar, der philosophi wegen, wahrschein-
lich, sonst aber dürften die Bilder von der Jagd,
da diese doch immerhin existierte, von selbst
in die Sprache eingedrungen sein.
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft. IV.
5) Vgl. R. v. Jhering Jahrb. für Dogmatik
XXIII (1885) 244.
6) Das erwähnt Polyb. XXXII 15, der stolz
darauf war, daß er durch sein Beispiel den jün-
geren Scipio dazu angeleitet und die Liebe zur
Jagd in ihm geweckt hatte.
7) Helbig a. a. 0. 74 bemerkt, daß die
Jagd in der Existenz der damaligen latinischen
Bauern keine hervorragende Rolle gespielt
haben könne, weil man annehmen dürfe, daß
der Unterschied der Lebensrichtung zwischen
den großen und den kleinen Grundbesitzern in
jener Zeit noch ein verhältnismäßig geringer
war; und er findet es auch bezeichnend, daß
Plin. VIII 210 vom Genuß des Fleisches des
WildschweinskeinälteresZeugnisbeizubringen
weiß, als eine Bemerkung des alten Cato : womit
freilich nicht behauptet werden soll, daß Wild-
schweine nicht schon früher auf den Tisch ge-
kommen wären.
8) Siehe oben S. 175.
9) Insofern ist es gewiß richtig, wenn
Vergil mehrfach die Jagd als Beschäftigung
altitalischer Stämme anführt, so Aen. VII
746 von der am Anio wohnhaften ijens Aequt-
cula, adsueta inult» venatu nemorum; vgl.
ferner VIII 318: sed rami atque aaper rirtii
venatus alebat, und IX 605: venatu im-liiihn.t
pueri silvasque fatiqant. Vgl. auch Sil. It. VIII
570.
2, 2. 3. Aufl. 33
514
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
und der Ausbreitung der Landgüter der Wildstand abnahm und die Jagd auf
Raubtiere von selbst seltener wurde1).
Für die Zeiten, aus denen uns beglaubigte Nachrichten über das Jagd-
wesen vorliegen, haben wir nun zu unterscheiden zwischen der Jagd bei den
Reichen und Vornehmen, zumal der Jugend, die sie als Sport betrieb, und
derjenigen, die von Sklaven oder Freigelassenen oder armen Freien unter-
nommen wurde, um ihren Herren und Auftraggebern oder auch den Märkten
und Wildhändlern Wild zuzuführen2); dazu kam dann noch die ebenfalls von
damit Beauftragten betriebene Jagd auf solche wilde Tiere, welche bei den
Venationen in der Arena gebraucht wurden, eine Jagd, die sich von den
anderen besonders dadurch unterschied, daß dabei die Tiere lebendig zu
fangen, nicht tot zur Strecke zu bringen waren. Was nun die erste Art,
die Jagd als Sport anlangt, so scheint diese, wie oben angedeutet, erst seit
dem 2. Jahrhundert v. Chr. mehr und mehr in Aufnahme gekommen zu sein,
und zwar offenbar unter griechischem Einflüsse 3). Denn die Griechen galten
als besonders erfahren im edlen Weidwerk, und Aemilius Paulus ließ für seine
Söhne nicht nur die Lehrer der Grammatik, Rhetorik, Malerei etc. aus
Griechenland kommen, sondern auch die Bereiter, die Hundedresseure und
eigene Lehrer der Jagd4). Ob das Beispiel des jüngeren Scipio, der durch
Polybios angeregt ein eifriger Jäger geworden war5), bei der vornehmen
römischen Jugend Nachahmung gefunden hat, ist allerdings nicht sicher6),
.da gleichzeitige Belegstellen fehlen7); allein da wir im 1. Jahrhundert v. Chr.
die Jagd als allgemein beliebte Beschäftigung finden, so ist es sehr wahr-
scheinlich, daß das der Fall gewesen ist. Es spricht dafür, daß schon zur
Zeit des Varro die Jagdliebhaberei so überhand genommen hatte, daß Varro
in einer Satire dagegen ankämpfte 8) ; und Sallust gab wohl nur seinen per-
sönlichen Standpunkt wieder, wenn er Ackerbau und Jagd zu den servilia
officia rechnet9). Dagegen zählt Cicero den Vogelfang und die Jagd zu den
angenehmen Beschäftigungen in Mußestunden im Alter10); die Dichter der
augusteischen Zeit rühmen die Jagd als ein echt männliches Vergnügen,
') Vgl. Bagtjenatjlt de Ptjchesse a. a. 0.
21 ff.
2) Doch sagt Colum. XI 1,24 inbezug auf
den vüicus : fugiendum venandi vel aucupandi
Studium, quibus rebus plurimae operae avo-
cantur.
s) Ueber die Jagdliebhaberei der Griechen
in der hellenistischen Zeit vgl. Helbig Unter-
such, über die campan. Wandmalerei 274 ff.
Johannes a. a. 0. 55 f.
*) Plut. Aem. Paul. 6.
5) Polyb. a.a.O.
6) Kiessling im Neuen Schweizerischen
Museum V (1865) 334 glaubt, es sei das nicht
der Fall gewesen ; vielleicht sei die bald darauf
hereinbrechende plebejisch-nationale Reaktion
auf allen Gebieten des Lebens, der Politik wie
der Sitte und Kunst, schuld daran.
7) Als eine solche betrachtet Johannes 66
den Vers des Lucilius: tum spara, tum rumices
portantur, tragula porro (v. 1315 Maix. 1115
Lachmann. Incerta v. 109 Müller); in der Auf-
fassung des Verses weicht er von Marx ab, der
sie auf die Jagd von marsischen Ebern bezieht,
wofür aber die Waffen zu leicht scheinen.
8) Die Fragmente der Satire, die Meleagri
hieß, sind zusammengestellt bei Oehler Var-
ronis sat. Menipp. reliqu. p. 166 ff. (auch in
Büchelers Petron.4 194 v. 293— 303, danach
hat Ribbeck Gesch. d. röm. Dichtung I 259 den
Inhalt rekonstruiert).
9) Catil.4, 1. Diese Ansicht wird von Sym-
mach. ep.V 68 mit Entrüstung zurückgewiesen.
10) Cat. mai. 16,56: conditiora facit haec
supervacaneis etiam operis aucupium atque ve-
natio, wobei zu beachten ist, daß Cicero zwar die
Worte dem alten Cato in den Mund legt, aber
damit seine eigene Ansicht ausspricht Ich halte
es auch nicht für richtig, wenn Johannes 63
glaubt, Cicero spreche hier nur theoretisch, als
Philosoph, empfehle aber nicht in Wirklichkeit
älteren Leuten die beschwerliche Jagd ; er wird
natürlich nur die leichteren Arten der Jagd im
Auge gehabt haben. Was er ad fam. VII 1,3
von venationes schreibt, geht auf Tierhetzen in
der Arena.
Erster Abschnitt. Jagd, Vogelfang und Fischerei.
515
Bas geeignet ist, den Körper zu stählen und zum Ertragen kriegerischer
Strapazen geeignet zu machen1), und wenn auch, zumal bei den Elegikem,
^nanche Erwähnungen der Jagd oder daraus entnommene Bilder auf ihre
griechischen Vorbilder zurückgehen 2), so sind doch andere Stellen der Dichter
picherlich als Belege dafür aufzufassen, daß die Jagd damals recht beliebt
|war3). In der Kaiserzeit war der Jagdsport allgemein verbreitet und dadurch
finoch an Umfang erweitert, daß die römischen Provinzen mit ihrem Wild-
reichtum dazu noch mehr Gelegenheit boten als Italien4), und daß da auch
Gelegenheit war, wilde Tiere, wie sie in Italien längst ausgerottet waren,
zu jagen5). Daher ist denn bei den Schriftstellern nicht selten vom Jagd-
vergnügen die Rede; wir erfahren von Staatsmännern und Gelehrten, die
Jagdfreunde waren6), und namentlich unter den Kaisern gab es einige ge-
waltige Nimrode 7). Auch Frauen beteiligten sich an der Jagd, was freilich
Tadel hervorrief8). Daher begreift es sich auch, wenn in der römischen
Kunst, besonders in Wandgemälden, Mosaiken und Sarkophagreliefs, Jagd-
Iszenen beliebt sind9), und wenn auch die in römischer Zeit entstandenen
') Hör. sat. II 2, 10 nennt die Hasenjagd
Romana militia und ep. I 18, 49 die Jagd über-
haupt Romanis sollemne viris opus. Ovid. rem.
ilam. 199 ff. rühmt die Jagd als Sorgenbrecher.
Colum. I pr. 17 spricht von der vera illa Romuli
pro/es assiduis venatibus nee minus agrestibus
operibus exercitata als leider vergangenen
iZeiten.
») Vgl. Jacoby Rh. Mus. LX (1905) 74 A. 1.
IBürger Hermes XXXVIII (1903) 21. C.H.Mül-
ler De similitud. imaginibusque ap. vet. poetas
[lelegiac. (Diss. Göttingen 1887) 44 ff.
3) So das Gedicht der Sulpicia, Tib. IV 3;
inamentlich aber die Erwähnungen bei Horaz,
|wiecarm.Il,25;37.18;III12.10;epod.2,29ff.;
sat. I 2, 105. Es scheint mir entschieden zu weit
gegangen, wenn Kiessling a. a. 0. 337 diese
Stellen nicht für beweisend betrachtet; gerade
'die Klage des Horaz, carm. III 24,55, daß die
I jungen Leute sich lieber weniger anstrengenden
Beschäftigungenzuwendeten.läfitdarauf schlie-
ßen, daß die Jagd damals allgemein verbreitet
j war. Daß freilich Horaz selber Jäger gewesen
| sei. wie O. A. Hoffmann in der Monatsschr. für
(höhere Schulen 1904, 665 erweisen wollte, ist
sehr unwahrscheinlich und wird von Johannes
72 f. mit Recht zurückgewiesen.
4) So war namentlich Spanien als wild-
reiches Land ein rechter Tummelplatz für Jäger;
I so war Sertorius eifriger Jäger, Plut. Sertor. 13,
so die Spanier Porcius Latro, Senec controv. I
praef. 14, und Martials FreundLicinianus, Matt.
I 49, 13 f u. 23 ff. Martial selbst schildert den
I Reichtum Spaniens an Wild X 37: der Spanier
Seneca spricht öfters rühmend von der Jagd,
dial. 11111,2; de dem I 16,5; ep. 95. 18. Vgl.
Kiessling a. a. O. 327 ff , der wohl mit Recht im
Leben der Zenobia bei Treb. Poll. trig tyr. 30, 18
venata est Hispanorum cupiditate liest.
6) Selbst Löwen, Senec. dial. I 2,8.
6) So die oben erwähnten Porcius Latro und
| Licinianus ; auch der jüngere Plinius war Jäger,
vgl. ep. V6,45: nam studiis animum, venatu
corpus exerceo; freilich kein leidenschaftlicher,
wie aus IX 16 hervorgeht: nobis venari nee va-
cat nee Übet : non vacat, quia vindemiae in ma-
nibus; non libet, quia exiguae; und noch mehr
aus I 6,1, wo er schildert, wie er bei den Jagd-
netzen mitNotizbuch und Griffel sitzt, um gleich
Einfälle aufzeichnen zu können. Aus ep. IX 10
scheint hervorzugehen, daß auchTacitus Jagd-
freund war, obschon dieser ann. II 56 sagt: ve-
natu epulis et quae alia barbari celebrant.
7) So Domitian, der sich freilich damit er-
götzte, die zu Hunderten zusammengetriebenen
Tiere vom sicheren Platze aus zu erlegen, Suet.
Dom. 19; ferner Traian, Plin. paneg. 81, und
Hadrian, von dem Spartian 2, 1 sagt: venando
usque ad reprehensionem Studiosus ; Odenatus,
Treb. Poll. trig. tyr. 15.7; Valentinian, Amm.
XXIX 3. 3; Gratian, ebd. XXXI 10.19.
8) Schon in Varros erwähnter Satire hieß
ein Vers (Non. 187, 15) : si non malit [vir] vera-
ciam uxorem habere Atalantam ; aus späterer
Zeit die Mevia bei luv. 1,22 f. Daß es auch
schon Sonntagsjäger gab, die morgens mit
großem Troß auf die Jagd auszogen und abends
mit einem beim Wildbiethändler gekauften
Eber heimkehrten, wissen wir aus Hör. ep. I
6, 58 ff.
9) Vgl.O.MüLLER.HandbuchderArchaeol.
§ 427, 1. Welcker Alte Denkmäler II 308.
Stephani CR de St. Petersb. 1867, 120ff. A. d. I.
XXXV (1863) 94 ff. Helbig Untersuch, üb. die
camp. Wandmal. 277 ; ders. Wandgem. der vom
Vesuv verschütteten Städte n. 807 ff; 1520 ff.
Auch die philostratischen Gemälde sind zu er-
wähnen, vom älteren I 28, vom jüngeren das
dritte. Besonders häufig sind Jagddarstellungen
auf römischen Mosaiken, so auf denen aus Hali-
karnaß im British Museum, s. Handbook to the
Greek and Rom. antiqu (London 1903) p. 82 u.
257, und auf afrikanischen, vgl. Gauckleb bei
D.-S. III 2109. Petersen A. A. 1903, 15.
33*
516
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
griechischen und lateinischen Bücher in Prosa und Versen über das Jagd-
wesen, die Kvvrjyenxd des Arrian, Oppian, Grattius, Nemesian1), auf grie-
chische Muster zurückgehen, so beweisen sie doch zur Genüge, daß damals
für derartige litterarische Erzeugnisse Interesse vorhanden war.
In den meisten Fällen jedoch, wo wir in der Litteratur und besonders
in den Inschriften venatores erwähnt finden, sind nicht solche Jagdliebhaber
gemeint2), sondern entweder Sklaven der Gutsbesitzer, die die leporaria und
vivaria mit lebendem Wild zu versorgen oder solches für die Tafel des Herrn,
eventuell auch zum Verkauf an den Wildbrethändler zu erlegen haben 3), oder
es sind Jäger, die für die Tierhetzen im Amphitheater die wilden Tiere ein-
fangen4) ; in der Regel aber bedeutet es die Tierkämpfer bei den Venationen5)
selbst, namentlich auf Inschriften6).
Was nun die verschiedenen Arten des Jagdbetriebes anlangt, so war
das ganze Altertum hindurch, und zwar ebenso bei Ägyptern, Assyrern,
Skythen u. a. wie bei Griechen und Römern, die Jagd mit Netzen allgemein
verbreitet und weitaus am beliebtesten. Netze brauchte man bei der Jagd
wie beim Vogel- und Fischfang, und sie heißen allgemein retia1); sie wurden
entweder geknüpft oder gestrickt 8) ; die Fäden oder Schnüre, aus denen sie
!) Der xvvnyzxixög des Arrian schließt sich
eng an Xenophon an, zu dem er nach ausdrück-
licher Angabe (c. 1,4) Ergänzungen liefern will.
Dem Oppian, der unter M. Aurel lebte, werden
vier Bücher y.vvrjysTixä zugeschrieben, aber die
unter seinem Namen erhaltenen gehören nicht
ihm, sondern einem späteren Dichter an. In la-
teinischer Sprache besitzen wir die Cynegetica
des Grattius, die schon dem Ovid vorlagen, an-
scheinend unvollendet; endlich noch die un-
vollständigerhaltenen Cynegetica des Nemesian
von Karthago, die 283/4 n. Chr. verfaßt sind.
2) Nicht Berufsjäger scheinen gemeint zu
sein Mart. XII 14,3; XIV 86,1 ; in allgemeiner
Bedeutung auch Colum. V 1,2. Bei Mart. 1 49,
29 : vocabitur venator et veniet tibi \ conviva cla-
matus prope kann dem Zusammenhang nach
auch nur ein befreundeter Gutsnachbar, der an
der Jagd teilnimmt, gemeint sein.
3) Varro r. r. III 3, 4 verlangt, damit die
ornithones, leporaria und piscinae immer gut
versehen sind, aucupes, venatores und piscato-
res. Ob auch II 9, 5, wo er davor warnt, Schäfer-
hunde vom venator oder vom lanius zu kaufen,
solche gemeint sind, wie Johannes 63 glaubt,
ist mir zweifelhaft, da hier wohl Jäger im all-
gemeinen Sinne zu verstehen sind. Auch Cic.
Tusc. II 17,40 spricht, wenn er für die Macht
der Gewohnheit anführt : pernoctant venatores
in nive et in montibus, wohl im allgemeinen
Sinne; denn es ist unrichtig, wenn Johannes
a. a. 0. die Bezeichnung deperditi homines aut
barbari, mit der Cicero nur die nachher er-
wähnten Gladiatoren meint, auch auf die erst-
angeführten Beispiele (aniculae, venatores, ath-
letae, d.h. griechische) bezieht. Hingegen sind
Sklaven anscheinend gemeint bei Mart. X 37, 18;
XII 18,22; die venatores Digg. XXXIII 7,12, 12
werden ausdrücklich zum instrumentum eines
Landguts gerechnet. So auch ebd. XXXII 99, 1.
Diese venatores brachten ihren Fang ebenso auf
den Markt, wie die Fischer und Vogelhändler,
verkauften aber auch wohl den Gesamtertrag
schon von vornherein an den Wildbrethändler,
s. Digg. XIX 1, 11, 18. Die kaiserliche Tafel
wurde durch eigene aucupes, piscatores und
venatores versorgt, Capitol. Ant. Pius 7, 5.
4) So in der (von Marquardt 141 A. 24
irrtümlich auf den Wildpark eines Landguts
bezogenen) Inschrift CIL VI 130, wo neben dem
custos vivarii auch die venatores genannt sind:
das vivarium, das hier gemeint ist, war der
Zwinger in Rom, in dem die wilden Tiere für
die Spiele gehalten wurden, dessen Lage be-
stritten ist. s. Jordan-Hüisen Topogr. v. Rom
I 3, 365 f. Richter Topogr. 298.
5) Mart.spect. 11,5; IV 35,4. Spart. Hadr.
19,4. Lampr. AI. Sev. 37, 1. Tert. ad Mart. 5.
Digg.XLVIII19,8,ll.
6) Collegia venatorum CIL IX 3 169 ; X 5671;
XII 1590; Bull, comun. 1880, 16 n. 166; auch
die familia venatorum CIL V 2541 und die ve-
natores VII 830 ; XI 600 werden so zu erklären
sein, vgl. Friedländer Sittengeschichte II 349.
Dasselbe sind die dwQevrogeg ävdgsg CIG 1106
und die ovvodog x&v xvvrjywv IGS 2850. lieber
diese Kollegien vgl. Liebenam Rom. Vereins-
wesen 123. Waltzing Etüde historique sur les
corporations Romaines II 134; 157. Friedlän-
der a. a. O. 339; 348 f.; 489.
7) Ueber die verschiedenen Arten der Netze
handelt eingehend Yates Textrinum antiqu.
412 ff.; vgl. Pottier bei D.-S. IV 850 ff.
8) Ueber das Technische vgl. Blümner
Technol. I 303 f. In der Regel war ihre Her-
stellung Sache der Dienerschaft, die sie im
Hause selbst anfertigte; Vorschriften gibt
Gratt. 25 ff., und Nemesian. cyn. 299: nee non
Erster Abschnitt. Jagd, Vogelfang und Fischerei.
517
efertigt wurden, heißen lina x), weil Flachs das gewöhnliche Material dafür
^ar2), obschon auch Hanf dazu verarbeitet wurde3), und es ist namentlich
ei den Dichtern sehr üblich, damit schlechtweg die Netze zu bezeichnen*)
seltner mit linea*)). Die Maschen des Netzes heißen maculae6), die Knoten
odi1), die feste Randschnur, an die die Maschen des Netzes geknüpft werden,
mbus 8).
Bei den zur Jagd gebrauchten retia9) unterschied man drei Arten: die retia
ai ££o%rjv, die casses und die plagae10). Retia im speziellen Sinne sind die
;roßen, oft ungemein umfangreichen Stellnetze, mit denen man zum Behufe der
^eibjagd weite Strecken des Waldes, über Berg und Tal sich hinziehend11),
inhegte, damit das Wild darin den Jägern zugetrieben würde12). Diese Netze
/aren, wie die meisten Jagdnetze, weitmaschig13); sie waren ungemein fein
;earbeitetu), dabei aber sehr fest15); daher war schon ein einzelner Mann
mstande, die Netze für eine große einzuhegende Waldstrecke zu tragen16),
chwerere Netzlasten wurden Pferden oder Maultieren aufgeladen17).
t cassis idem venatibus aptos [ atque piagas
mgoque meantia retia tractu addiscant raris
emper contexere nodis j et servare modum ma-
ulis linoque tenaci.
1) Ov. met. VII 768. Nemes. 302.
2) Der beste Flachs zu Netzen kam aus
iibyen, Etrurien und Campanien, bes. Cumae,
;ach Gratt. 34 ff.; ebenso nennt Plin. XIX 10
Jampanienund Cumae, empfiehlt aber auch den
panischen, von dem Grattius nichts wissen
rill. Dagegen bezieht sich Hör. ep. I 18,46
i ietolis plagis nicht auf die Herkunft des Flach-
es, sondern geht darauf, daß Aetolien ein
geschätztes Jagdrevier war (die Emendation
ieolis, um auch hier Flachs von Cumae hinein-
ubringen, wird mit Recht von allen neueren
lerausgebern abgewiesen).
3) Zumal der von Alaband a in Kari en, Gratt.
:6 ff. Plin. XIX 174.
4) Verg. Geo. 1 142. Ov. met. III 148; 153;
i86 ; VII 807 ; XIII 931 ; fast. VI 239. Plin. XXIV
55. luv. 4, 45. Mart. X 37,16. Sil. It. VII 503.
"fernes. 308.
6) Plin. nennt IX 145 ein Fischnetz linea
ind die Fäden des Netzes lineae; sonst ist die
inea des Jagdgeräts etwas anderes, s.u. S.523.
6) Varr. r. r. III 11, 3. Cic. Verr. V 11, 27.
)v. her. 5, 19. Plin. XI 81 (vom Spinnennetz).
3olum. VIII 15, 1. Nemes. 302.
7) Gratt. 30. Nemes. 301 ; daher retia no-
iare, Plin. XXXVII 45 ; nodosa lina, Ov. met.
II 153; VII 807.
8) Vorschrift über die Verknüpfung des
Netzes mit dem limbus bei Gratt. 26 ff., der sie
lier auch linea nennt.
9) Retia allgemein im Sinne von Jagdnetzen
st häufig, so z. B. Verg. ecl. 3, 75; 5, 60; Geo. I
307. Gratt. 32. Sen. de benef. 1 11,6; so übertr.
retia tendere, Mart. II 27, 1.
10) Alle drei erwähnt SulpiciaTib. IV 3,12
a. 16 f., aber ohne sie zu unterscheiden, in iden-
ischem Sinn ; geschieden werden sie bei Nemes.
299 ff. (s. oben S. 5 16 A.8). Ebenso unterscheiden
Verg. Aen. IV 131 und Ov. met. VII 767 retia und
plagae. Im Griechischen unterscheidet man vor-
nehmlich öixrva und ägxveg, Opp. cyn. 1 150 ff.,
wobei die ftixzva den retia entsprechen (die
Glossen erklären in der Regel rete durch öi-
xzvov xvvnytxixbv, s. Corp. Gloss. VII 204 f.), die
ägxveg den casses (ebd. III 259, 50 ; doch werden
auch casses als dixiva erklärt, II 98,11); die
plagae werden mit Uva xvvnysrixd übersetzt,
ebd.II 151,35u.52. Dagegen ist die aayi)vrj mehr
ein Fischnetz, s. unten.
n) Das waldige, hügelige Terrain wird oft
hervorgehoben, vgl. Tib. I 4,49. Ov. rem. am.
202; met. VIII 329 ff. u.s.
12) Das heißt retia tendere, Ov. met. VII
701; VIII 331; a. a. 1 45 ; her. 5, 19. Mart. II 27, 1;
oder retia ponere, Verg. Geo. I 307. Auch das
claudere wird öfter hervorgehoben, Tib. 1 4,49 ;
IV 3, 8. Ov. fast. V 371.
1S) Verg. Aen. IV 131: retia rara. Sen.
Phaedr. 47 : rarae plagae, was von Vogel- und
Fischnetzen nicht gilt.
14) Plin. XIX 1 1 von Netzen aus Flachs von
Cumae: vidimus iam tantae tenuitatis, utanu-
lum hominis cum epidromis transirent uno})Or-
tante multitudinem, qua saltus cingerentur.
15) Plin. ebd.: nee id maxime mirum, sin-
gula earum stamina centeno quinquageno filo
constare.
16) So rät Tib. I 4,49 demjenigen, der die
Gunst eines schönen Jünglings gewinnen will,
ihm die Netze zu tragen, und sogar Sulpicia er-
bietet sich dazu dem Cerinthus gegenüber, ebd.
IV 3, 1 1 f. Für gewöhnlich trugen die Diener die
Netze, wie Hippolytus bei Sen. Phaedr. 47 be-
fiehlt: alius raras cervice gravi portare piagas
. . . properet.
17) Hör. ep. I 18,46. Vgl. das Mosaik des
Bardomuseums (Tunis) A. A. 1899, 67; 1909,
194. wo der Aufbruch zur Jagd dargestellt ist
mit Dienern und einem Maultier.
518
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
■X
77^1
Die zweite Art Jagdnetze sind die casses1), Fallnetze, die nicht dazu dien j
ten, große Strecken zu umspannen
sondern das Wild darin einzufangen2)
Zu diesem Zweck waren sie schlaf
gespannt3) und hatten einen odei
mehrere sinus, d. h. sackartige Aus-
buchtungen, in denen sich das Wild
wenn es durch die Hunde aufge-
scheucht dagegen anlief, verwickel-
te4). Auch war an diesem Sacknetz
oben eine Schnur befestigt, epidro-
mus genannt5), die durch die daran
befestigten Ringe ging; wenn der im
Hinterhalt liegende Jäger6), dem ein
anderer das Wild zutrieb7), an dieser
Schnur zog, so schloß sich das Netz
und das Wild war darin gefangen.
Die dritte Art Netze waren die
plagaes), die zwar häufig erwähnt werden9), über deren Beschaffenheit wir
aber aus den Quellen wenig bestimmte Kennzeichen erfahren10). So viel geht
Fig. 80. Diener mit Jagdnetzen und Stellhölzern. Relief.
*) Verallgemeinert von Jagdnetzen über-
haupt Verg. Geo. IV 247. Ov. a. a. III 454; von
Fischernetzen Avian. fab. 20, 13 : von Spinn-
weben Mart. III 93, 5 u. s. In übertragener Be-
deutung casses tendere, Tib. I 6,5; imponere,
Prop.V(IV)2,33.
2) Isid. XIX 5,4: cassis genus venatoriae
retis, quod capiat. Damit hängt es zusammen.
daßdieGlossen casses als retiaminuta erklären,
V 273,4; 354,75; sie dienten besonders bei der
Hasenjagd (daher retia leporum, Corp. Gloss. IV
27,41; V 273,4), doch auch für größeres Wild,
vgl. Verg. Geo. III 371. Ov. a. a. I 392. Sen.
Agam.950ff. (Peiper). Mart. 111 58,28. Dracont.
Orest. 265.
3) Ov. a. a. I 392 : non bene de laxis cas-
sibus exit aper.
4) Gratt. 28 : tunc ipsum medio cassem quo
nascttur orbe j per senos circum usque sinus la-
queabis, ut omnem j concipiat tergo, si quisquam
est plurimus hostem. Als Maße schreibt Grattius
31 f. vierzig Schritt Länge und zehn Maschen
Höhe vor. Vgl. Senec. Agam. 953 vom Eber,
der sich im Netz gefangen hat: cupit fluentes
undique et caecos sinus \ disicere et hostem quae-
rit implicitus suum. Auch bei Mart. XIII 106
ist sinus vom Netze zu verstehen, nicht, wie
Gilbert bei Friedländer z. d. St. will, von der
Toga. Vgl. Stat. Ach. I 459 : sie curva feras in-
dago latentes I claudit et admotis paulatim cas-
sibus aretat. Paneg. 12, 38 : ut clausae cassibus
ferae. Sid. Ap. carm. 2, 145: deprensas {feras)
modo claudere cassibus artis. Dracont. a. a. 0.
5) Xen. cyn. 6, 9. Plin. XIX 10.
6) Der so imHinterhaltliegende Jäger heißt
subsessor, Petron. 40, 1; vgl. Serv. ad Verg. Aen.
XI 268. Corp. Gloss. II 594, 24.
7) Vgl. Verg. ecl. 3, 75 : si, dum tu seetaris
apros, ego retia servo.
8) Die plaga entspricht vermutlich dem
griechischen evodiov, Xen. a. a. O. Sie kommt
auch öfters in verallgemeinerter Bedeutung von
Netz überhaupt vor, vgl. Hör. ep. I 6,58; 18,46.
Ov. met. VII 768; und ebenso übertragen in
sprichwörtlicher Anwendung, z. B. Plaut, m. gl.
1388; Trin. 237. Cic. Verr. V 58, 151; Acad. pr.
1148,147; ad fam. XII 25,4.
y) Vgl. Plaut. Poen. 648. Tib. IV 3, 27. Verg.
Aen. IV 131. Ov. a. a. III 428 ; piagas tendere,
Cic. de off. III 17,2. Mart. IX 54, 2 ;ponere, Ov.
a. a. 0. Vgl. das interessante Testament eines
Jägers CIL XIII 5708 (aus Langres) : volo autem,
omne instrumentum meum, quod ad venandum
et aueupandum paravi, mecum cremari cum
laneeis, gladiis, eultris, retibus, plagis, laqueis,
Tcalamis, tabernaculis, formidinibus, balneari-
bus, lecticis; s. dazu Kiessling Anecd. Basil.
1 863. de Rossi Bull, crist. I (1863) 294. Hübner
A. d.i. XXXVI (1864) 200.
10) Sie heißen obstantes Hör. epod. 2,32;
densae carm. III 5,31; teretes ebd. I 1,28; ne-
xiles Ov. met. VII 768; rarae Sen. Phaedr. 47;
molles Mart. 1 49, 23. Nach Serv. ad Verg. Aen.
IV 131 verstanden die einen Erklärer die Worte
retia rara plague so, daß mitretia rara größere,
mit plagae kleinere Netze gemeint seien, wäh-
rend andere verstanden : plagae, quae sunt retia
rara. Servius fügt hinzu: sciendum tarnen pro-
prie piagas dici funes Mos, quibus retia ten-
duntur circa imam et summam partem.
Erster Abschnitt. Jagd, Vogelfang und Fischerei.
519
daraus hervor, daß auch bei den plagae das Wild sich in die Netzmaschen
verwickelte, wenn es von den verfolgenden Hunden hineingetrieben wurde1);
wahrscheinlich sind es nur etwas kleinere Netze2), die zum Sperren enger
Pässe Verwendung fanden3).
Zum Aufstellen der Netze benutzte man teils die Bäume, teils eigene
Stellhölzer, die oxdXixeg der Griechen4), lat. varae genannt6), mit gabelförmigen
Fig. 81. Jagdszene von einem römischen Wandgemälde.
Spitzen, an denen man die Netze aufhängte; auch der Name amites, womit
sonst die Stangen für die Vogelnetze bezeichnet werden, findet sich dafür6).
Auf dem Fig. 80 abgebildeten Relief7) sieht man zwei Diener, die auf den
Schultern ein großes Netz und in den Händen die Stellhölzer tragen.
Man bediente sich der Netze bei der Jagd auf Hasen8), Rehe9), Hirsche10),
') Hör. carm. III 5, 31: extricata densis
serva plagte', epod. 2, 31: ant trudit acris Iihic
et In' >tc multa cane | apros in obstantes piagas;
carm. I 1,28: seu rupit teretes Marsus aper
piagas. Mart. I 49, 23 : ibi inligatas mollibus
dammas plagis mactabis.
2) Serv. a. a. 0. Isid. or. XIX 5, 1: minus
autern rete symplagium dicitur a plagis. Doch
werden sie ausdrücklich von den retia unter-
schieden, s. oben S. 517 und die Inschrift S. 519
A.9.
3) Vgl. Lucr. V 1249 : saepirt • plagis saltum.
Ov. met. II 499 : nexilibusque plagis Silvas Ery-
manthidas ambit.
4) Opp. cyn. 1157; IV 121 u.s.
6) Lucan. IV 439: aut dum dixpositis at-
tollat retia varis. Die Gabel daran heißt ancon,
Gratt. 87, doch sind hier die Stellhölzer für das
Blendwerk (s. unten S. 523) gemeint.
6) Porphyr, ad Hör. ep. 2,33: hodirijnc
appellantur forculae, qnibus retia in renatinnr
vel in aucupio suspendutitur.
■>) Nach A. d. I. XXXV (1863) tav. d'agg. AB
Fig. 2. Daremberg-Saglio IV 851 Fig. 5930.
8) Hör. epod. 2, 35. Ov. fast. V 371. Mart.
X37.16.
9) Ov. a.a.O. Mart. 149, 23; 11158,28.
10) Tib. IV 3,13. Verg.Geo. I 307; III 369;
ecl. 5,60. Hör. carm. III 5,31. Ov. a. a. 145;
met. VII 701.
520
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
Eber1), Füchse2), Wölfe3) und Bären4). Auf den Denkmälern römischer
Kunst, zumal auf Wandgemälden, Mosaiken und Sarkophagreliefs, ist diese
Art der Jagd öfters dargestellt. So zeigt das Wandgemälde Fig. 81 5) zwei
von Hunden verfolgte Hirsche innerhalb des umschließenden Netzes; Fig. 82
ist ein Mosaik6), auf dem ein von Hunden und einem Jäger verfolgter Hase
gegen ein halbkreisförmig gespanntes Netz (vielleicht eine plaga) läuft. Aber
auch die großen Raubtiere für die Amphitheaterspiele wurden in Netzen
gejagt. In dem sehr interessanten Mosaik von Böne in Algerien Fig. 83 7)
sind im eingehegten Raum ein Löwen- und ein Leopardenpaar beiderlei Ge-
schlechts eingeschlossen,
während ein dritter Leo-
pard einen Jäger oder Trei-
ber zerfleischt. Die Treiber,
die die Tiere den Netzen
zutreiben, sind hinter gro-
ßen Schilden verborgen8)
und strecken brennende
Fackeln vor, um sie da-
durch vor sich her zu
scheuchen. Von anderem
Fig. 82. Jagdszene auf einem römischen Mosaik. W^ild das außerhalb des
Netzes teils gejagt wird,
teils schon eingefangen ist, erkennt man Antilopen (sog. Spießantilopen),
Strauße, Wildesel, Mähnenschafe (Muflons) und Berberkühe (Kuhantilopen).
Eine andere Art, Wild zu fangen, war die mittelst Schlingen. Von
diesen waren die den griechischen ßgoxoi entsprechenden laquei, die besonders
beim Vogelfang Anwendung fanden, Halsschlingen9) für kleineres Wild10);
Grattius empfiehlt, sie aus Hirschsehnen herzustellen11). Angewendet wurden
sie in der Weise, daß man sie in der ungefähren Kopfhöhe des Wildes, das
man damit fangen wollte (Hasen, Rehe etc.) in Lücken von Hecken oder
an den herabgebogenen Zweigen von Bäumen anbrachte12); lief das Wild
x) Tib.IV3,2u.l7. Verg. ecl. 3,75. Hör.
carm. 1 1,28; epod. 2,31 f.; ep. 1 6,58 f. Ov. a. a.
I 392. Mart. I 49, 24; XII 1,2. Plin. ep. I 6, 1.
Sen. Agam. 950.
») Mart. X 37, 13.
3) Plaut. Poen. 648.
4) Gratt. 49.
5) Nach Baktoli Sepolcro dei Nasoni tav.
26; auch Rich Wörterbuch 518.
c) Nach Dabembebg-Saglio a. a. 0. Fig.
5931, aus Bullet, archeol. du Comite des tra-
vaux historiques 1903 pl. I. Darstellungen auf
Sarkophagen sind bei Pottieb D.-S. IV 852 n. 2
aufgezählt.
7) Zuerst abgebildet in der Woche f. 1910
Nr. 30 S. 1271, mit erklärendem Text von G.
Schweinfubth ; hier nach einer besseren Photo-
graphie, die ich der Güte von Prof. Schweinfurth
verdanke. Das 6 : 3,5 Meter große Mosaik ist in
einer römischen Villa von Frau Dufour aus-
gegraben worden.
8) Auch auf anderen Jagdbildern werden
wilde Tiere für die Arena von schildbewaffneten
venatores gejagt, s. Babtoli Sepolcro dei Nasoni
tav. 27 u. 28.
9) Cic. Verr. V 58, 151. Verg. Geo. I 139.
Ov. met. XV 473. Unsicher ist bei Gratt. 89:
nam fuit et laqueis aliquis curracibus usus die
Bedeutung von curracibus. Eingehend handelt
hierüber Milleb Jagdwesen 50 f., der die Deu-
tungen : qui currentem sequuntur (Wernsdorf)
oder celeres (Barth) oder am Boden hinlaufend,
von currere per campum (Stern), verwirft und
erklärt, es bezeichne die fortlaufende Reihe der
(liegenden oder hängenden) Schleifen.
10) Daß sich auch größeres Wild, z. B. Eber,
darin fangen konnten, zeigt Digg. XLI 1, 55.
1 ') V. 90 : cervino iussere magis contexere
nervo; teretes nennt Sen. Phaedr. 49 die laquei.
12) Serv. ad Verg. a. a. O. : laqueis feras ca-
ptare ad venationem pertinet, id est inlaqueare
feras incurvatis arboribus.
Erster Abschnitt. Jagd, Vogelfang und Fischerei.
521
522 Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
hinein, so zog sich durch seine Anstrengungen, loszukommen, die locker
geknüpfte Schlinge fest zusammen1). Durch Laub oder dergleichen wurde
die Schlinge verdeckt2); und ebenso machte man es mit der pedica3), der
Fußschlinge, die zwar selten erwähnt wird4), über deren Beschaffenheit wir
jedoch, da sie der griechischen noddyga oder Tiodoorgäßt) entspricht5), nicht im
Zweifel sind. Sie bestand aus Flechtwerk, das in eine Grube gelegt war, auf
deren oberer Öffnung ein runder, ringsum mit hölzernen und eisernen Spitzen
besetzter Rahmen aus Holz befestigt wurde; in dessen Mitte war eine
Schleife angebracht, die aus einer langen Schnur bestand und an deren
anderem Ende ein Pflock befestigt war, der in einiger Entfernung im Boden
eingesenkt war. Trat das Tier, z. B. ein Hirsch, auf die mit Laubwerk und
Erde bedeckte Grube, so verstrickte sich sein Lauf im Flechtwerk und die
Spitzen stachen; suchte es den Lauf mit Gewalt herauszuziehen, so zog sich
die Schlinge zu und das Tier mußte, wenn es sich endlich aus der Falle
befreit hatte, den schweren Pflock mit sich schleppen, der es am Laufen
hinderte und dem Jäger am Boden die Spur des Wildes verriet. Nur fiel
dies dann manchmal einem in die Hände, der gar nicht selbst die Falle
gestellt hatte6).
Andere Fangvorrichtungen lernen wir mehr aus Bildwerken, als aus
den Schriftquellen kennen. So war den Alten das Fangeisen bekannt, wie
ein griechisches Vasenbild zeigt7); wahrscheinlich hieß es auch pedica8).
Und daß die römischen Jäger sich auch der Wurf schlinge (Lasso) be-
dienten, die wohl auch laqueus genannt wurde, lehren antike Darstellungen,
wie das oben Fig. 83 abgebildete Mosaik, auf dem ein Reiter einen Wild-
esel auf diese Art einfängt9). Endlich bediente man sich zum Einfangen
der Raubtiere, besonders von Wölfen, Füchsen u. dgl., auch der seit ältesten
Zeiten üblichen Fallgruben (foveae)10); und eine sehr eigentümliche Art,
wilde Tiere in eine Art Falle zu locken, bestand darin, daß man die ein-
getriebenen durch einen Spiegel, in dessen Widerbild sie einen Stammes-
genossen zu erkennen glaubten, täuschte11).
') Sen. dial. V 16, 1: sie laqueos fera dum I schließen.
iaetat, adstringit. 9) Auf einem anderen afrikanischen Mosaik
2) Das meint jedenfalls Grattius 91 mit den ! wird ein Hirsch mit dem Lasso gejagt, s. Brit.
Worten: fraus teget insidias habitu mentita fe- | Mus. Greek-Rom. basem.-room. n. 86. Keller
rtno.
3) Gratt. 92 : quid ? qui dentatas iligno ro-
bore clausit \ venator pedicas, quem dissimulan-
tibus armis saepe habet inprudens alieni lucra
laboris ! 0 v. met. X V 473. Verg. Geo. 1 307 meint
solche für Vögel; Serv. erklärt: laquei, quibus
pedes inlaqueantur (danach Isid. V 27,8. Corp.
Gloss.V 130,32; 232,5), aber diese Erklärung
genügt nicht für die für Wild bestimmten pe-
dicdc
4") Corp. Gloss. II 410,16;589,17;III 259,51.
6) Beschreibung bei Xen. cyn. 9,11 ff. und
Poll. V 32 ff., danach oben. Vgl. Rich S. 452.
Miller 51.
6) Darauf spielt Gratt. 94 an.
7) Panopka Cabinet Pourtales pl. 29.
Schreiber Kulturhist. Bilderatlas Taf. 80,3.
8) Das kann man aus Liv. XXI 36, 8
Tiere des klass. Altert. 82 Fig. 24. Ueber andere
Darstellungen s. Petersen A. J b. XI (1 896) 208f.
Erwähnt wird die Lassojagd auf den Wildesel
bei Poll. V 84.
10) Lucr. V 1248 : nam fovea atque igniprius
estvenarier ortum, j quamsaepire plagis saltum.
Cic. Phil. IV 5, 12 : cum immensi taetraquebelua,
quae quoniam in foveam ineidit, obruatur. Hör.
ep. I 16, 50: cautus enim metuit foveam lupus;
vgl. a. p. 459. Plin. X 112: in foveas, quibus
feras venamur, delapsae solae evadunt {anales).
Pest. 87,8: eum primum ostendisse, quem ad
modum ursi et lupi foveis caperentur. Phaedr.
117,8. AlsLockmittel brachte man in der Grube
ein lebendiges Lamm, Böckchen oder dergl.
unter, s. Sil. It. VI 329 ff.
n) Das ist auf dem Wandgemälde bei Bar-
toli a. a. 0. Tav. 28 dargestellt: der Spiegel, in
Erster Abschnitt. Jagd, Vogelfang und Fischerei.
523
Um das Wild zu schrecken und von der Flucht in einen andern
IValdbezirk abzuhalten, umzog man große Strecken des Reviers mit
Hern Blendzeug, das formido genannt wurde1). Es bestand in einer
langen Schnur, linea2), an der weiße und bunte, besonders rote Federn8)
Angebracht waren, zumal von Schwänen, Kranichen, Gänsen, Flamingos
lind dergleichen, vornehmlich aber von Geiern4), deren Federn das Wild
Auch durch den Geruch abschreckten5). Man wandte dieses Blendzeug
Besonders bei der Jagd auf Hirsche an, dann auch bei Bären, Füchsen
lind Wölfen6).
Unentbehrlich war auch für den alten Jäger der Jagdhund; ja so sehr
|galt dieser als erstes Erfordernis zu einer erfolgreichen Jagd, daß die
Kriechen dieser von der Anteilnahme der Hunde einen besonderen Namen
begeben haben7). Die griechischen und römischen Jagdschriftsteller, von
IXenophon bis Nemesian, belehren uns über alles, was den antiken Jagd-
Ibund betrifft8), über Rassen und Äußeres, Charakter, Namen, Aufzucht.
[Dressur usw., worauf hier nicht näher eingegangen werden kann. Ver-
wendet wurden sie teils zum Aufsuchen der Fährten und deren Verfolgung
Ibis zum Lager des Wildes, teils zum Hetzen der aufgescheuchten Tiere,
teils zum Apportieren der kleineren Beute. Bei der Hasenjagd hetzten
Idie Hunde frei, bei der Jagd auf Rot- und Schwarzwild wurden sie in
Ider Regel am Riemen geführt, wenn das Wild aber gestellt war, los-
Igelassen9). Die Jäger selbst folgten teils zu Fuß, teils zu Pferde; man
[bediente sich dazu bestimmter Pferderassen, die durch Dressur für die
Idem sich ein Tiger erblickt, ist an der einen Seite
|eines viereckigen Kastens angebracht, auf dem
loben ein Krieger mit Schild und Lanze darauf
(lauert, daß das Tier auf den Spiegel losstürzen,
|ihn umstoßen und so in den Kasten hinein-
geraten werde (vgl. Rich Wörterbuch 678). Daß
diese Deutung richtig ist, lehrt Claud. carm. 36,
267, wo es von der Tigerin heißt: tarn iamque
\hausura profundo ore virutn vitrea tardatur
\imagine formae.
') Sen. dial. IV 11, 5: nee mirum est, cum
maxi mos ferarum greges lineapennis distineta
conti neat et in insidias agat, ab ipso adfectu
\dicta formido: vanis enim vana t error i sunt.
I Verg. Geo. III 372 ; Aen. XII 750. Ov. rem. am.
203. Lucan. IV 437. Nemes. 303 : linea quin
ctiam, magnos circumdare saltus \ quae possit
volucresque metu concludere praedas, I digerat
innexas non una ex alite pennas. Beschreibung
außer bei Nemesian auch bei Gratt. 75 ff. Op-
pian. ven. IV 384 ff. u. ders. hal. IV 586 ff. Der
Jäger in dem oben S. 518 A. 9 erwähnten Testa-
ment nennt auch die formidines.
2) Gratt. 83. Sen. de dem. 1 12,5. Nemes 303.
3) Verg. Geo. III 372 -.puniceaeve agitantpa-
vidos formidine pennae; Aen. XII 75Ö: cervutn
. . . puniceae saeptum formidine pennae. Sen.
Phaedr. 50: pieta rubenti linea penna \ vano
cludat terrore feras. In der Regel waren sie
künstlich gefärbt, Gratt. 85 f. Nemes. 309. Vgl.
Geop. XIX 5.
4) Oppian. IV 391 f. Gratt. 77 ff. Nemes.
309 ff.
5) Gratt. 75: inmundo decerptae volture
pliimae; ib. 79 : at volture dirus ab atro titrbat
odor Silvas. Lucan. IV 437 : dum pavidos form 1-
dine cervos \ claudat odoratae metuentes ah-a
pennae.
6) Nemes. 301 ff.
7) Die Schriften über die Jagd heißen xv-
vnysriy.d, obschon sie sich nicht bloß mit den
Hunden beschäftigen, und diesen Namen haben
die römischen Jagdschriftsteller von den Grie-
chen übernommen.
8) Ueber die Jagdhunde vgl. Miller a. a. O.
41 ff. Coügny bei D.-S. I 877 ff. O. Keller in
Jahresh. d. österr. arch. Inst. VIII 243 ff. ; ders.
Die antike Tierwelt I 116 ff. F. Orth Der Hund
im Altertum (Gymn.-Progr. von Schleusingen,
1910), bes. S. 20 ff.
9) Die Belegstellen finden sich bei den
Jagdschriftstellern sowie sonst, auch bei den
Lyrikern, vgl. z. B. Hör. epod. 2.31; 12.6; carm.
11,27. Tib. IV 3, 14. Ov.met. VIII 332 u.a.m.
Zusammenfassend Plin. VIII 147 : scrutatur ve-
stigia atque persequitur, roniitdittcm ad feram
inquisitorem lorotrahens, qua visa quam si/ens
et oeculta, sed quam significans demonstratio <:-■/
cauda primum,deinde rostro.'ergo et ia m teneeta
fessos caecosque ac debiles sinu ftrmU, Mittet
et odorem captantes protendentesque rostra ad
cubilia.
524
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
Parforcejagd erzogen wurden1). Besonders die Hasenjagd wurde zu Pferd«
betrieben2).
Die Waffen des Jägers3) waren verschiedenartig. Selten erwähnt wircl
die Anwendung von Bogen und Pfeilen, die zwar bei der Jagdgöttin Diaml
und in mythischen Jagden eine Rolle spielen4), aber später nur vereinzeil
zur Jagd, ausgenommen auf Federwild, verwendet worden zu sein scheinen5)
Auch von der Schleuder, funda, wurde wesentlich bei der Jagd auf Vöge.
Gebrauch gemacht6), doch fand sie auch bei Rotwild Anwendung7). Weitaus
die gewöhnlichsten Waffen aber waren Speere, und zwar sowohl zum Wuri
als zum Stoß. Am häufigsten waren diese hastilia8) Wurfspieße, iacula9).
lanceae10), aus hartem Holz11) und eiserner Spitze, die bald breit12), bald lang
und spitz war13); auch waren wohl statt einer zwei solche Spitzen an-
gebracht14). Während diese Speere geschleudert wurden, bediente man sich,
zumal bei der Jagd auf Schwarzwild und überhaupt gefährlichere Tiere, des
zum Stoß bestimmten Jagdspießes, der entweder die Form des ursprünglich
der Kriegsreiterei zukommenden contus hatte15) oder das eigentliche vena-
bulum war16), das man, da es vornehmlich bei der Eberjagd zur Verwendung
kam, als „Saufänger" bezeichnen kann17). Es hatte einen starken und langen
Schaft, den der Jäger in der Regel mit beiden Händen führte, wenn er das
Wild anrannte 1S); das Eisen vorn war breit und lang19); hinter der Spitze
waren zwei eiserne Zähne (morae) angebracht, die verhinderten, daß der
Speer zu tief eindrang und dadurch der Jäger dem Wild in zu gefährliche
Nähe kam20). Sodann gehörte zur Jagdausrüstung das im Gürtel steckende
*) Vgl. Gratt. 497 ff. Nemes. 240 ff; allge-
mein über Pferderassen und Zucht Martin bei
D.-S. II 794 ff. Eine Hirschjagd zu Pferd s. oben;
Bärenjagd s. Keller Tiere des klass. Alt. 373
n. 155; Pantherjagd ebd. 144 und 389 n. 61 f.;
Löwenjagd A. A. 1909. 194 u.a.m. Ueberhaupt
sind die Jäger auf den afrikanischen Mosaiken
fast immer beritten, s. Schulten A. A. 1899, 69
u. 76. Wenn es sich um eine Hetzjagd handelt,
pflegen dabei die Jäger unbewaffnet zu sein, s.
ebd. 1900,71.
2) Mart. 1 49,25; XII 14,12. Ueber Hasen-
jagd im allgem. s. 0. Keller Ant. Tierwelt 1213.
3) Arma venatoria, Sen. de benef. I 11,6.
Der Jäger CIL XIII 5708 nennt lanceae, gladii
UIIQ C14/lt?*'Z
4) Vgl. Verg. Aen. 1 187; ebd. 318; IV 138;
VII 496 ff. Gratt. 124.
5) So ist wohl auch die ausdrückliche Er-
mahnung Gratt. 125 zu erklären: ne tela relin-
quite divae: | magnum opus et volucres quon-
dam fecere sagittae. Domitian liebte es, ihm
zugetriebenes Wild mit Pfeilen zu erlegen, Suet.
Dom. 19; und ähnlich machte es Commodus im
Theater, Herodian. I 15,1.
6) Man vgl. das etruskische Wandgemälde
Mon. d. Ist. XII tav. 14. Martha L'art elrusque
399 Fig. 272.
7) Verg. Geo. I 308 : dum figere dammas \
stuppea torquentem Balearis verbera fundae.
8) Gratt. 127 ff.
9) Ov.met. VII 808; VIII 341; 411. Gratt.
122. Auch die sonst meist kriegerischen Zwek-
ken dienende falarica erwähnt Gratt. 342 : ter-
ribilemque manu vibrata falarica dextra \ det
sonitum, vom pfeifenden Durchschneiden der
Luft.
10) Apul. met. VIII 5.
1 1) Gratt. 127 ff. zählt die dafür brauchbaren
Holzarten auf und bespricht sie.
12) Ov. met. VIII 345 : tela tenent dextra lato
vibrantia ferro.
13) Gratt. 118: quam longa exigui spicant
hastilia dentes.
u) Gratt. 110: tum stricta verutis j dentibus
et gemina subiere hastilia furca.
15) Gratt. 117: quid, Macetum immensos li-
beat si ducere contos?
16)Cic.Verr.V3,7. Ov.met. VIII 404; 419.
Hör. ep. I 6,58. Apul. met. VIII 5; XI 8 u.a.m.
17) Auf griechischen und römischen Dar-
stellungen der Eberjagd (zumal der kalydoni-
schen) ist das venabulum fast regelmäßig zu
erkennen.
18) Sen. Phaedr. 53 (Peip.): tugrave dextra
laevaque simul | robur lato dirige ferro.
la) Verg. Aen. IV 131: lato venabula ferro.
Ov. her. 4, 83 : lato venabula cornea ferro ; met.
X 713 : pando venabula rostro. Mart. XIV 31, 1:
longo venabula rostro.
20) Gratt. 108: ille etiam valido primus ve-
nabula dente \ induit et proni moderatus vul-
neris iram | omne moris excepit onus. Griech.
heißen sie xvcodovzeg, Xen. cyn. 10, 3 u. 16.
n
ü
Erster Abschnitt. Jagd, Vogelfang und Fischerei.
w±:>
agdmesser, culter venatorius *), mit dem man dem Wild den Rest gab 2) und
as auch zum Ausweiden des Wildes diente3). Hingegen darf das pedum.
er krumme Hirtenstab, nicht zu den Jagdwaffen gerechnet werden, obschon
s (wie sein griechischer Name XaycoßöXov besagt) gelegentlich auf Hasen
eschleudert wurde; es gehört mehr zur Ausrüstung des Hirten als des
ägers4). Zu letzterer gehört mitunter auch eine krumme Sichel, zum
ierhauen von Dickicht5). Zur Tracht gehörten neben festen Schuhen oder
ohen Stiefeln6) Binden um die Schenkel (fasciae crurales) zum Schutz gegen
)ornen und Gestrüpp7), eine kurze Tunika oder Jacke (alicula)6), als Kopf-
edeckung eine Kappe (galerus)9).
Den Jäger begleiteten auf seinen Jagden oft eine Menge von Dienern,
ie im allgemeinen als comites, famuli10) ödes speziell als venatores bezeichnet
werden (siehe oben S. 516); diejenigen, die die Spuren des Wildes verfolgten,
lso auch die Hunde an der Leine führten, hießen vestigatores11). Aus diesen
)ienern war der geschickteste auch der mit der Aufzucht, Pflege und Dressur
er Hunde betraute magister canum1*). Anderen war die Sorge für die Jagd-
ferde anvertraut, sowie das Anfertigen der verschiedenen Arten von Netzen13).
Jle diese Sklaven und dazu das zur Jagd Nötige, wie Waffen, Netze, Zelte,
[unde, Pferde usw., machten das instrumentum venatorium aus14).
Die beliebteste Jagdzeit war Spätherbst und Winter15), und zwar be-
onders die Morgenstunden, in denen die Spuren des Wildes in den betauten
Viesen sichtbar waren16).
Was endlich das Jagdrecht bei den Römern anlangt17), so kannten sie
in solches in unserem Sinne zweifellos nicht, wohl aber ein Eigentumsrecht,
raft dessen der Besitzer das Betreten seines Bodens verwehren und, wenn
J) Gratt. 119: autcontrauttenerodestrictas
yrtice virgas \ praegravat ingenti pernix Lu-
tnia cultro. Gute Jagdmesser lieferte Toledo,
bd. 341: ima Töletano praecingant Uta cultro.
gl. Suet. Aug. 19; Claud. 13.
2) Mart. XIV 3 1 : Culter venatorius. Hie bre-
is ingentem Continus ibit aprum. Daher führten
s auch die venatores im Amphitheater, Mail.
V35,4. Sen. ep.87,9.
3) Petron. 40, 5. Sen. Phaedr. 56 : tu iam
ictor ciirvo solves viscera cultro.
4) Doch kommt es in der Hand des Aktaion
or in dem pompejanischen Wandgemälde Mül-
er- Wieseler Denkm. d. alt. Kunst II 17,183,
nd hei Orion in der späten Miniatur der Phaino-
lena des Aratos bei Thiele Ant. Himmelsbilder
20 (danach bei Röscher Mythologisches Le-
ikon I 1027) ; hier ist auch ein Hase mit ab-
ebildet.
8) Gratt. 343 : curvae rumpant von pervia
ilces. So erwähnt auch Poll. X 141 Öosnava
nter den jevvnyetov oxevn.
6) Vgl. Apul. met. X 8: illum succinetum
hlamide crepides et venabula venatorem fe-
erant.
7)' Gratt. 338. Petron. 40, 5. Pallad. I 42,4
mpfiehlt oereas manicasque de pellibus, quae
el in silvis vel in vepribus rustico operi et vena-
yrio possint esse communes.
8) Petron. a. a. 0. ; vgl. oben S. 221.
9) Bei Gratt. 340 aus Marderfell. V. 339
und der Anfang von 340 sind verdorben ; es war
da noch anderes von der Jagdtracht angegeben,
wahrscheinlich auch Pelzwerk, worauf sich die
Worte tergore falso beziehen werden (vgl. Verg.
Aen. V 37).
>°) Nemes. 298 f. Vgl. die Schilderung Hör.
ep. I 6, 59 f. Ov. met. VII 806 und den Anfang
von Senecas Phaedra.
n) Varr. 1. 1. V 94: nesügatores <i vestigiis
ferarum, qwu indagantMr. Apul. met. VIII 4.
Digg.XXXIII7.12.12.
") Seine Aufgaben bespricht Grattius 328 ff.
,s) Nemes. 298 ff.
") Plin. ep. V 19,3. Digg. XXXIII 7, 12, 12.
In dem Testament CIL XIII 5708 gehören Zelte,
Sänften und Badegerät zum Jagdgerät (vgl.
S. 446 A. 6).
16) Hör. ep. 2, 29; carm. 1 1, 25. Verg. Geo.
1310. Mart. 149.19. Nemes. 321.
16) Nemes. 324 f.
17) Vgl. hierüber außer der oben S. 512 an-
geführten Dissertation von B. v. Kayser noch
Baguenault de Puchesse a.a. O. 86 ff. Schir-
mer Ztschr. f. Rechtsgeschichte XI (1873) 311.
R. v. Jhering Jahrb. f. Dogmatik XXIII (1885)
244 ff. Serafini im Archiv, giurid. XXIX (1883)
306.
526
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
sein Verbot mißachtet wurde, dafür Genugtuung fordern konnte, und zwar
wenn das Grundstück ohne Jagdnutzung war, wegen der zugefügten per
sönlichen Unbill, wenn es aber ein eigentliches Jagdgrundstück war, für dei
Eingriff in sein Nutzungsrecht. Einen Anspruch auf die Jagdbeute hatttf
der Grundherr jedoch nicht1).
Mit dem Vogelfang und der Fischerei2) steht es ähnlich wie mit de:
Jagd: sie sind ebensowohl Beschäftigung des Freien wie des damit be
auftragten Sklaven, oder auch Berufstätigkeit. Das gilt besonders von den
heute noch in Italien so sehr beliebten Vogelfang3), dem aucupium4-) ode:
aucupatus5). Als auceps6) setzte sich der römische Bürger gern an dei
Vogelherd7), die areas); Vogelfänger hatte der Gutsbesitzer ebenso unte;
seinen Dienern wie Jäger9); hinsichtlich der Berechtigung zur Ausübung
des Vogelfangs galten dieselben Grundsätze wie bei der Jagd10).
Zum Anlocken der Vögel diente teils das dazu ausgestreute Futter11)
teils Lockvögel (inlices)12) oder die Töne einer Lockpfeife13). Der Fan£
erfolgte auf drei Arten: durch Leimruten, Sprenkel oder Netze. Am ver-
breitetsten war der Fang durch Leimruten14). Die mit Vogelleim (viscum
weil er aus Misteln bereitet wurde, wie heute noch15)) bestrichenen Stab*
J) Vgl. Instit. II 1, 12 u. 14. Digg. XLI 1, 1;
ebd. 3 u 55.
2) Jagd, Vogel- und Fischfang werden sehr
oft als verwandte Beschäftigungen mitsammen
genannt; so Varr.r.r. III 3,4. Cic.defin. 118.23.
Plin. VIII 44 ; XXXV 1 16. Cels. 1 1 26. Mart. Cap.
III 225. Capit Ant. Pius7,5. Digg. VII 1,9,5;
IX 2, 29, 3; XIX 1,11, 18.
3) Cic. denn. V 11,32. Catull 114,3. Prop.
V (IV) 2,34. Plin.X54;XV177. Pallad. X 12;
XIII 6. Digg VII 1,9, 5 ; XXXIII 7, 12, 13. Außer
der Beschäftigung mit dem Vogelfang bedeutet
es auch die Beute, Sen. dial. I 3,6. Plin. VII 23.
Cels. II 26, wofür Digg. XIX 1, 1 1, 13 das griech.
panthera gebraucht ist. Vereinzelt ist es, wenn
Colum. IX 8, 5 u. 8 aucupium und aucupari vom
Einfangen der Bienenschwärme gebraucht.
4) Daher auch die vielen Metaphern und
Bilder vom Vogelfang, vgl. W. v. Wyss Die
Sprüchwörter bei den römischen Komikern 49.
Opp aucup. III 1 setzt auseinander, daß der
Vogelfang der Jagd und dem Fischfang vor-
zuziehen sei, weil er gar keine Gefahren biete;
dagegen preist er hal. 1 1 ff den Fischfang ganz
besonders wegen des Mutes und der Umsicht,
die er erfordere, und setzt Jagd und Vogelfang
ihm gegenüber etwas herab.
5) Capitol. M Anton. 4,9. Das Verbum ist
aucupari, seltener aucupare, vgl. Varr r. r. I
23,6. Plin. X23. Apul apol. 34. Colum XI 1,24.
Digg. XLI 1, 3. 1; XL VII 10, 13, 7.
8) Plaut. Trin 408 Varr. 1. 1. VIII 61 ; r. r.
III 3, 4; ders. b. Non. 25. 8. Hör. sat. II 3, 27;
a. p. 458. Ov. a. a. III 669. Mart. Cap. III 325.
Inschriftlich auch auf Spieltafeln Ihm Bonn.
Stud. f. Kekule 233 n.19; ders. R.M. VI (1891)
209.
7) Cic. Cat. mai. 16.56. Anth. Lat. 176,10
(Riese) ; inschriftl. CIL II 2335 ; XIII 5708. Auch
der Kaiser Marc Aurel trieb diesen Sport, Ca
pit. M. Anton. 4, 9.
8) Plaut. Asin. 216.
9) Digg. XXXIII 7, 12, 13 werden die au-
cupes zum Inventar eines Grundstücks ge
FPCnUGfc
lü) Digg. VIII 3, 16; XVII 10, 13, 7.
1 ' ) Plaut. Asin . 216: auceps quando concin-
navit aream, obfundit cibutn. Als esca (ebd
221) diente besonders vaccinium, Heidelbeere
Plin. XVI 77.
12) Plaut. Asin. 221. Plin. X 101; auch dl-
lector, Colum. VIII 10, 1: (turdi) qui ab au-
cupibus in hunc usum nutriti quasi allectorei
sint captivorum. Man nahm dazu besonders Am
sein, daher der Spruch der oben A. 6 erwähnter
Spieltafel: turdus stupet, merula cantat, au-
ceps captat. Auch die Eule diente als Lock-
vogel, Pallad. X 12. Ael. n. an. I 28. Oppian
a. a. O. nennt als Geräte des Vogelfängers
Leimruten, leichte Netze und gezähmte Vögel
vgl. dens. hal. IV 120 ff.
1S) Daher die Sentenz bei Dion. Cato I 27
fistuladulce canit, volucrem dum decipit auceps
Vgl. Mart. XIV 218, 1: non tantum calamis
sed cantu fallitur ales. Auch verstanden siel
die Vogelsteller darauf, die Vogelstimmei
nachzuahmen, Oppian. de aucup. III 1.
14) Auch bei den Griechen, bei denen da
nach der Vogelfang überhaupt l^evrixt'/ hieß
Das dem Oppian zugeschriebene Lehrgedichi
der 'I^svxixä (Westermann Biogr. Gr. p. 66
ist nicht erhalten, wohl aber eine Metaphras«
desselben von Euteknios, s. Oppiani et Nicandr
quae supers. ed. F. S. Lehrs (Paris 1851) 107 ff
15) Plin. XVI 248: hoc est viscum pinnü
avium tactu ligandis oleo subactum, cum libea\
insidias moliri. Die Beeren der Mistel wurdei
zu diesem Zweck getrocknet und zerstoßen
Erster Abschnitt. Jagd, Vogelfang und Fischerei.
527
raren aus Pfahlrohr (Arundo donax L,)1) und heißen daher harundines1)
der calami3), seltener virgae4). Gebraucht wurden sie auf folgende Art:
rd( er Vogelsteller hängte den Käfig mit dem Lockvogel in den Zweigen eines
Mj Jaumes auf5) und versteckte sich in einiger Entfernung davon; kam nun
in Vogel und setzte sich auf den Baum zu dem anderen, so langte der
/ogelsteller vorsichtig mit seiner Leimrute in die Höhe, bis er ihn er-
eichen und ihm die Flügel mit Leim bestreichen konnte, wodurch er am
^ biegen verhindert war6). Saß aber der Vogel zu hoch, als daß ihn der
/"ogelsteller mit einem einzigen Rohr hätte erreichen können, zumal er
ich, um ihn nicht zu verscheuchen, doch nicht zu nahe heranschleichen
lurfte, so bediente er sich mehrerer Rohrstücke, die sich ineinander schieben
ießen7) und die er langsam und vorsichtig immer verlängerte durch An-
tigen neuer Stücke, bis das äußerste mit Leim bestrichene Ende den Vogel
rreichte 8). Diese Art der Leimruten fand aber nur bei kleineren Vögeln
Anwendung9); gegen Raubvögel bediente man sich einer andern Methode,
lie Varro beschreibt10): man steckte zwei mit Leim bestrichene Ruten
:usammengebogen in die Erde und band zwischen ihnen eine lebende
,
;wölfTage in Wasser gel egtund dann nochmals
nit dem Hammer zerstoßen. Vgl. Verg. Geo.
[ 139: f allere visco inventum. Apul. met XI 8:
■uceps cum visco; daher virgae viscatae, Varr.
. r. III 7, 7. Ov. met XV 474: nee volucrem
mcata fallite virga. Sil. It. VII 674. Ov. a. a.
[ 391 : non avis utiliter viscatis effugit alis.
l) Die beste aueupatoriaharundo kam von
Panormos, Plin. XV1172; das Pfahl: ohr vom
Kopaissee war nur bei Ueberschwemmungs-
zeiten geeignet, ebd. 169: cum igitur anno
permansit inundatio, proficiunt (calami) in
aueupatoriam quoque amplitudinem.
*) Plaut. Bacch. 51 Prop.V (IV) 2, 33.
Petron. 109. 7. Mart. IX 54, 3. Val. Fl. VI 264.
Sil. lt. VII 674.
8) Prop.IlI 12 (II 19).24: IV 12(111 13), 46.
Ov. rem. am. 208. Mait XIII 68: galbina deci-
pitur calamis et retibus ales; ebd. XIV 218:
calami aueupatorii. Sen. Octav. 422 (Peip.):
calamo levi deeipere volucres. Val. Fl. VI 266.
Sil. lt. VII 677. inschriftl. CIL II 3335 (Büche-
lkr Carm. epigr. 412, 3) : aueupium calamo . . .
Studiosus agebat; vgl. XI 11 5708.
*) Ov. met. XV 474. Mart. IX 54, 4. Die
virgae viscatae bei Vairo r. r. 111 7, 7 sind
aber kein Rohr, s. u.
5) Das zeigt der bei Rich Wöiterbuch 56
abgebildete geschnittene Stein.
6) Daher wird vom Berühren des Vogels
mit der Leimrute figere gesagt. Piop. III 12
(II 19), 24: stricto figere avem calamo (wo man
nicht mit Crusius Heimes XXI (1886) 490 an
einen Rohrpfeil zu denken hat), oder verberare,
Plaut. Bacch. 51 : harundo alas verberat. So
fangen die aueupes bei Petion. 40. 6 sogar
die im Zimmer herumfliegenden Vögel.
7) Daher ist für das Vogehohr eine ge-
wisse Dicke notwendig, s. oben A. 1.
8) Am eingehendsten ist die Manipulation
beschrieben bei Val. Fl. VI 263 : si quis avem
summi deducat ab aere rami, \ ante manu
tacita cui plurima crevit harundo; \ illa dolis
viscoque super correpta tenaci | implorat ca-
lamos adque inrita concitat alas, sowie bei
Sil. It. VII 674: ut, qui viscata populatur ha-
rundine lucos, \ dum nemoris celsi procera
cacumina sensim \ substrueta certat tacitus
contingere meta, \ sublimem calamo sequitur
crescente volucrem. Von diesem crescere der
Leimrute spricht auch Mart IX 54, 3: (st) cre-
scente levis traheretur harundine praeda
pinguis et implicitas virga teneret aves, und
XIV 218.2: callida dum tacita crescit harundo
manu. Vgl Peti on. 109, 7 : volucres, quas textis
harundinibus peritus artifex tetigit; illae vi-
scatis illigatae viminibus deferebantur ad ma-
nus. K Zachek im Heimes XIX (1884) 436
hatte dabei an eine „aus Rohr hergestellte
bewegliche, vei schnellbare Maschinerie (etwa
nach Art der Schnippscheren unsrer Kinder)*
gedacht: aber O. Ckusius hat ebd. XXI (1886)
487 mit Recht die alte Erklärung verteidigt, die
sich schon bei O.Jahn Mitteil. d. Zürich, ant.
Gesellsch. XIV 108 und bei Rich a. a O. findet
und auch durch griechische Quellen (Bion 4. 5.
Anth. Pal VI 296 u. a.) gestützt wird. Die
irrige Deutung von R. Schneider Berl. phil.
Wochenschr. f. 1907 Sp. 1117 hat Mesk ebd.
221 ff berichtigt.
9) Oppian. auc. HI 2 zählt die Vögel auf,
die man mit Leimruten fing.
10) Varro r. r. 111 7, 7: quos (sc. aeeipitres)
columbarii interficere solent duabus virgis vi-
scatis defictis in terra inter se curvatis, cum
inter eas posuerint obligatum animal, quod
petere soleant aeeipitres, qui ita deeipiantur,
cum se obleverunt visco.
528
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
Taube fest; wenn der Habicht auf. diese herabschoß, wurden seine Flüge
vom Leim bestrichen. Auch sonst gab es Arten des Vogelfangs, bei denerJ
der Jäger nicht die Leimruten selbst in der Hand hielt, sondern in ge-J
eigneter Weise aufstellte, damit die angelockten Vögel von selbst daranl
festklebten x).
Die zweite Art des Vogelfangs ist die durch Dohnen oder Sprenkel,!
laquei2) oder pedicae'd). Wie heute noch wurden diese Schlingen an Bäumen
oder Sträuchern4), die Beeren trugen, nahe am Boden in bogenförmig auf-
gestellten Ruten befestigt; bei der Berührung durch den Vogel kam der
Kopf oder Fuß in die mit der Rute aufschnellende Schlinge, die sich zuzog
und das Tier erwürgte oder am Fuße festhielt5).
Die dritte Art des Fanges war die durch das Schlagnetz6), mit dem
man besonders Krammetsvögel und ähnliche kleinere fing7). Als Lockvogel
diente eine Eule, oder man setzte auf das an der Erde liegende, mit Spreu
bedeckte Netz gefangene und geblendete Vögel, deren Füße an einen Faden
gebunden waren; wenn der in der Nähe versteckte Vogelsteller am Faden
zog, so flatterten die Vögel auf und die wilden kamen herzugeflogen, worauf
der Vogelsteller an einer Leine zog und dadurch das Netz über sie zusammen-
schlagen ließ8). Die Gabelstöcke, an denen das Fallnetz befestigt wurde
und die beim Anziehen des Netzes umstürzten, hießen wie beim Jagdnetz
amites 9).
Endlich muß noch erwähnt werden10), daß die Römer in der Kaiserzeit
die im Orient schon früh bekannte11) Jagd mit abgerichteten Falken kennen
1) Vgl. Oppian. III 17.
2) Hör. epod. 2, 35 : advenam laqneogruem \
iucunda captat praemia; ep. I 16, 30: (metuit)
accipiter suspectos laqueos. Tib. II 3, 63. Ov.
rem. am. 502.
3) Verg. Geo. I 307 : gruibus pedicas po-
nere. Nemes. frg. de aucup. 3 (Baehrens PLM
III 203). Man fertigte die Schlingen aus Pferde-
haaren an, Oppian. auc. III 1 ; von ihrer An-
wendung s. ebd. 3.
4) Vgl. Ov. a. a. I 47 : aucupibus noti fru-
tices.
5) Ov. met. XI 73: utque suum laqueis,
quos callidus abdidit auceps, | crus ubi com-
misit vdlucris, sensitque teneri, \ plangitur ac
trepidans astringit vincula motu. Pallad. XIII 6
vom Dezember: tempore hoc per humiles Sil-
vas et bacis fecunda virgülta ad turdos ce-
terasque aves capiendas laqueos expedire con-
venit. hoc usque in Martium mensem tenditur
aucupium. Vgl. Nemes. a. a. 0. 5 : tu vero ad-
ductoslaquei cum senser isorbes, \ approperans
praedam pennis crepitantibus auf er; ebd. 7:
oppressi fallacia vincula colli.
6) Einen besonderen Namen führen diese
Netze nicht, sie heißen schlechtweg retia,
Plaut. Asin. 225. Varr. r. r. III 3, 4. Hör. epod.
2, 33. Mart. XIII 68, 1 ; seltner plagae, Digg.
XXXIII 7, 12, 13; linum Ov. rem. am. 208.
7) Hör. a. a. O. Mart. II 40, 3: subdola
tenduntur crassis nunc retia turdis; III 58,
26; XI 21, 5. Colum.VIII 10, 1. Pallad. X 12
empfiehlt das Schlagnetz mit der Eule als
Lockvogel für die Zeit September bis Oktober.
8) Auf diese Weise schildert die Meta-
phrase des Opp. aucup. III 12 den Fang der
wilden Ringeltauben. Von einer in Aegypten
(Nekropole von El Hibe) gefundenen hölzernen
Vogelfalle mit eigentümlicher Fangvorrich-
tung (A. A. 1903, 78) liegt leider keine ge-
naue Beschreibung vor.
9) Beim Vogelnetz erwähnt von Hör. u. Pal-
lad, a. a. O. Die Erklärung des Porphyr, s. oben
S.519 A. 6 ; der Schol. Hör. a. a. O. erklärt : amites
dicuntur conti, in quibus ligantur retia, qui-
bus aves maxime capiuntur ; ideo levi, quid
asperitas lignorum tollitur, quando ad tisum
vocantur. Vgl. Fest. 21,5: amites perticae aucu-
pales. Corp. Gloss. IV 16, 23 (auch 479, 16;
V 166, 12 u. s.) fustes aucupales; aber II 16,
26: l^evxixol xü/muoi ist unrichtig.
10) Oppian. III 4 ff. beschreibt noch allerlei
andere Arten des Vogelfangs, sie klingen aber
z. T. höchst unwahrscheinlich und scheinen
Jägerlatein zu sein. Ebd. 22 ff. werden ver-
schiedene Arten beschrieben, wie man die
Schwimmvögel fing.
u) Vgl. Hehn Kulturpfl. u. Haustiere 362 ff.
Von einer in Thrakien heimischen Jagd mit
Habichten berichtet Plin.X 23 nach Arist. bist,
an. IX 32 p. 608 b, 8; mirab. ausc. 118 p.841b
15 (vgl. Ael. n. an. II 42).
Erster Abschnitt. Jagd, Vogelfang und Fischerei.
529
gelernt haben1), doch scheint sie erst zu Beginn des Mittelalters beliebter
und vervollkommnet worden zu sein2).
Viel mehr als Jagd und Vogelfang kann der Fischfang, piscatm*),,
piscatio4), als Beruf im eigentlichen Sinne bezeichnet werden. Zwar trieb
auch der römische Bürger als Liebhaberei den Angelsport5), dem sich auch
die Vornehmen widmeten6); aber wo piscatores oder piscicapi genannt werden7),
sind es immer Fischer von Beruf, während der venator und der auceps auch
Liebhaber sein kann. Die Fischer von Beruf waren denn auch im wesent-
lichen Netzfischer, da sich mit dieser Fangmethode der größte Gewinn er-
zielen ließ, während die Angelfischerei zu wenig rentabel war. Dafür war
freilich jene mit Strapazen und Gefahren aller Art verbunden8); die Gestalt
des wetterharten Fischers ist eine Lieblingsfigur der alten Dichtung0), der
wir auch in der Kunst begegnen10), wie denn überhaupt Szenen der Fischerei
in der griechischen und römischen Kunst sehr beliebt sind11). Es fehlte auch
nicht an Schriften, die das Technische der Fischerei behandelten, und den
erhaltenen Lehrgedichten der Halieutika verdanken wir manche interessante
Notizen über technische Einzelheiten12).
Die Alten unterscheiden vornehmlich vier Arten des Fischfangs: mit
der Angel, mit Netzen, mit Reusen und mit dem Dreizack13). Die Angel-
J) Das erste Zeugnis dafür ist (da Ov.
met. XI 344 keineswegs mit Sicherheit dar-
auf bezogen werden kann) Mart.XIV216: Ac-
eipiter. Praedo fuit volucrum; famulus nunc
aucupis idem \ decipit et captas non sibi meie-
ret aves. Apul. apol. 34: quam si dicas mari-
num pectinem comendo capillo quaesitum vel
aueupandis volantibus piscem aeeipitrem (die
Bedenken von Hehn 365, ob hier eine An-
spielung auf Jagd mit Falken zu sehen sei,
sind nicht gerechtfertigt). Die Methode der
Falkenjagd, die Oppian. auc. III 5 beschreibt,
ist noch sehr unvollkommen.
2) Vgl. Paraphr. Dionys. de avibus 6 (Op-
pian. ed. Lehrs 109). Isid. XII 7, 1 : aliae (aves)
ad manum se subiciunt, ut aeeipitres. Aug.
mag. 32 (Migne XXXII 1213): aueeps aviculam
aeeipitre figeret, subigeret et caperet; vgl. dens.
ad fratr. erem. 38 (M'igne XL 1306). Sid. Apoll,
ep. III 3, 2; IV 9, 2. Auf dem bei Choric. Gaz.
p. 166, 8 (Boiss.) beschriebenen Gemälde der
Jagd des Hippolytos befindet sich auch ein
Falkonier, ein oixhijs, w ßt]QevTTj? cgvig axgcp
XUOTlüt JtQOtSIVO/iSVOS.
») Als Tätigkeit Plin.VI 91; VIII 44; im
Sinne von Fischzug Plaut. Rud. 911; am häu-
figsten für die gefangene Beute, Plaut. Most.
67; 730. Pompon.u.Turpil.b.Non.488.17. Cic.
de fin. II 8, 23. Apul. met. I 24; so auch über-
tragen Plaut. Bacch. 102.
4) Digg. VII 1, 9,5; piscatio thynnaria
VIII 4, 13.
6) Ael.n. an. XII 43 bezeichnet das Angeln
{dyxioiQEia) als die für den Freien passendste
Art des Fischfangs. An Belegen dafür, daß
es gern ausgeübt wurde, fehlt es nicht, vgl.
Mai t. 1 55, 9 ; III 58, 27 ; als Knabenbeschäfti-
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft. IV.
gung, wie heut noch, Auson. Mos. 126. Da-
gegen ist es ungewöhnlich, wenn ein Privat-
mann aus Liebhaberei die Netzfischerei be-
treibt, wie Nero, der nach Suet. Ner. 30 mit
vergoldeten Netzen fischte, oder der Sports-
mann in dem Epigramm CIL II 2335(Bücheler
Carm. epigr. 412) v. 2.
6) So Antonius, Plut. Ant. 29; Augustus,
Suet. Aug. 83; Commodus, Oppian. hal. I 56 ff.
UndPliniusrühmtep.IX7,4vonseinerVillaam
Comersee: ex hac (possis) ipisepiscari hamumque
de cubiculo aepaene de lectulo utenauada iacere.
7) Vgl. oben S. 195.
8) Diese hebt Oppian. auc. III 1 hervor,
besonders Stürme auf dem Meere und die
Seeungeheuer.
9) Vgl. K. Schneider Der Fischer in der
antiken Litteratur. Aachen 1892 (behandelt nur
die griechische). Eine Aufzählung der für den
Fischer nötigen körperlichen und geistigen
Eigenschaften gibt Oppian. hal. III 29 ff.
10) Siehe die Aufzählung bei O. Müller
Archaeol. § 427, 5. Lafaye bei D.-S. IV 493 n. 8
u. 9; eine Zusammenstellung bei Clarac Mu-
s6e de sculpt. pl. 879 ff.
1 ') Vgl Lafaye a. a. O. n. lff.; namentlich die
pompejanischenWandgemälde und die nordafri-
kanischen Mosaiken bieten zahlreiche Belege.
1S) In Betracht kommt das Fragment der
dem Ovid zugeschriebenen Halieutica, s. die
Ausgabe von M. Haupt. Lips. 1838 (die Autor-
schaft bestritten vonTH.BiRTDeHalieut.Ovid.
poetae falso adscript., Beil. 1877, verteidigt von
A. Zinoerle Kl. philol. Abhandl. II 1), und die
erhaltenen fünf Bücher 'Ahn-rixä von Oppian.
,3) Ael. n. an. XII 43 zählt die datrvtta,
xvQzsia und ayxiorneia auf. nennt aber anstatt
2, a. 3. Aufl. 34
530
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
fischerei wurde ganz ähnlich betrieben wie heutzutage1). Bei der üblichste!
Methode bediente man sich des Angelstocks, der meist aus Rohr gefertig
wurde und daher harundo2) oder calamus3) heißt; doch war für größere unq
kräftigere Fische stärkeres Material dazu notwendig4). Die Angelschnur)
linea genannt5), war meist aus starken, borstenartigen Tierhaaren6), von
Pferde besonders7) oder vom Rücken des Ebers8), weshalb sie auch saetd
heißt9); doch nahm man auch Flachs dazu10). An der Schnur wurde dei
Angelhaken, hamus11) (daher der Angler hamista heißt12)), befestigt, der einer
oder mehrere scharfe Widerhaken hatte13). An den Angelhaken wird dei
Köder (esca) befestigt14), als welcher Würmer, Fliegen und andere Insekter
dienten15), die man auch künstlich nachzuahmen wußte16), für größere Tier«
kleine Fischchen17); sonst aber wurde noch allerlei anderes zu Köderr
benutzt, wie Fleischstückchen, Brot, Käse u. dgl.18), besonders die Abfällt
von eingesalzenen Fischen19). Zur Angel gehört sodann der schwimmende
Kork20) und das in der Nähe des Angelhakens angebrachte Bleigewicht21)
das teils das Auswerfen der Angel ermöglicht, teils zusammen mit dem
(verschiebbaren) Korke die Lage des Köders reguliert. Auch die Grund-
angel, bei der die Angelschnur ohne Stock gebraucht und mit Blei beschwer!
ins Wasser geworfen wurde, war den Alten bekannt22); man nahm dafür
der Fischerei mit der Harpune die xövxmoig,
mit der Stange, s. unten. Die ersten drei
sind die üblichsten, besonders aber Angel-
und Netzfischerei, vgl. Ov. a. a. I 763: hie ia-
culo pisces, übe capiuntur ab hamis, | hie cava
contento retia fune trahunt. Oppian. hal. I 54.
Auson. Mos. 243 ff. Vgl. die aheiog oxevn bei
Poll. X 132.
') Vgl. die Schilderungen bei Luc. Piscat.
47 f. Auson. Mos. 250 ff.
2) Nach Plin. XVI 172 kam die beste ha-
rundo piscatoria aus Afrika (Abaritana. aus
Avaris in Unterägypten) Harundo im Sinne
der Angel Plaut. Rud. 294: hami atque ha-
rundines; Stich. 289. Tib. II 6, 23. Ov. met.
VIII 856; XIII 923 u.s.
s) Prop. V (IV) 2, 37. Ov. met III 587;
hal. 36. Mart. IV 30, 9. Avian. fab. 20. 12.
4) Ael a. a. 0. nennt Iuncus marinus, Fe-
rula, Hartriegel.
5) Plaut. Most. 1070: sensim mutant lineam.
Mart. III 58, 27: tremulave captum linea tra-
hit piscem; ebd. X 30, 17. Plin. XXXII 13.
6) Oppian. hal. I 54; III 469.
7) Ael. a. a. O., und zwar von Schimmeln,
Rappen, Braunen und Grauschimmeln; es
wurden auch blau- und purpurgefärbte be-
nutzt, vgl Opp. III 151.
8) Ebd.
9) Ov. hal. 34: ubi praedam pendentem
saetis avidus rapit. Mart. I 55, 9: piscem tre-
mula salientem ducere saeta; X 30, 16. Avian.
fab. 20, 1. Aus. Mos. 254.
10) Ael. a. a. O. (vgl. Blümneb Technol. I
292 f.); daher heißt die Angelschnur auch
Mnum, Ov. met. XIII 923.
") Plaut. Rud. 984. Hör. ep.I 16,51: {me-
tuit) opertum miluus hamum; ebd. 7, 74; sat.
II 5, 25. Ov a. a. 147; ebd. 683; met. III 586;
VIII 858; XV 101 Mart. II 40. 4; IV 30. 12;
56,5; VI 63, 5. Apul. met. XI 8. Auch hamu-
lus piscarius, Plaut. Stich. 489. Vgl. Lafaye
bei D.S. III 8.
12) Plaut. Rud. 310. Varro b. Non. 25. 8.
u) Daher hami und, Ov. met. XV 476;
adunci, ebd. XIII 934; angulosi, Macrob. VII
3,5; vgl. Opp 154. Angelhaken haben sich
in betiächtlicher Zahl und mannigfachen, den
heutigen im wesentlichen gleichenden Formen
erhalten, vgl. Lafaye a.a.O. Fig. 3696 ff Frie-
derichs Beil. ant. Bildw. II 253 n. 1209 ff.
14) Aus. Mos. 249: induetos escis iaciens
letalibus hamos.
lb) Ael. n. an. XIV 22. Mart. V 18, 7 : quis
nescit, avidum vorata deeipi scarum musca?
16) Aus Federn und Wolle, Ael. n. an. XII
43; XV 1 u 10.
,7) Oppian. III 177 ff. ; man briet diesen
Köder auch, weil der Geruch die Fische an-
zieht, ebd 345. Ueber eine Vorrichtung, diesen
Ködern durch Anbringung von Bleistückchen
den Schein der Bewegung zu geben, s. ebd.
289 u. IV 80.
,8) Oppian IV 308; 365 f.; V 147 u.s. Ael.
a. a. O. Geop. XX 7 ff.
19) Colum. VIII 17, 12: salsamentorum
omnium purqamenta. Ael. a. a. O.
•20) Poll X 133. Ael n an. XII 43. Auson.
Mos. 253 nennt ihn indicium.
»') Schon bei Homer II. XXIV 80 erwähnt;
vgl Oppian. IV 220 ff Poll. a. a. O.
**) Sie heißt bei den Griechen xetforo? und
wird von Oppian III 77 u. 138 erwähnt; die
lateinische Bezeichnung ist nicht überliefert.
k
lern
Erster Abschnitt. Jagd, Vogelfang und Fischerei.
531
^besonders starke, tauarfcige Schnüre und verband den Angelhaken damit durch
eine Kette1). Auf diese Weise fing man vornehmlich große Fische, und zwar
besonders vom Fischerkahne aus2).
Beim Fischen mit Netzen3), die
gleich den Jagdnetzen4) allgemein
retiab) oder lina6) heißen, unterschied
man mehrere Arten, vornehmlich
Wurfnetz und Schleppnetz. Das Wurf-
netz, rete iaculum oder schlechtweg
iaculum1), hieß, weil es wie eine
Schleuder geworfen wurde, auch fan-
det*); es wurde, mit Blei beschwert, so
ins Wasser geworfen, daß sich eine
weite Öffnung bildete9), und durch eine
') am oberen Rand befindliche Schnur
oder Strick (linea10)) herausgezogen
(vgl. Fig. 84 u)). Die zweite Art ist das Schleppnetz, das griechisch oayt)vrj,
lateinisch auch sagena1'2), sonst verriculum1*), everriculum11), tragum oder
Fig. 84. Angler und Fischer. Wandgemaide
aus Herkulannm.
ei
') Oppian III 281 ff. schildert diese, große
Kraft und Gewandtheit erfordernde Fischerei;
vgl. ebd. V 131 ff. Plin. 1X44 nennt eine solche
Angel hamus catenatus; abgebildet ist eine
solche bei Lafaye bei D.-S. III 8 Fig 3699.
Ein Fischer mit der Grundangel fischend, nach
einer christlichen Miniaturmalerei, ebd. IV 490
Fig. 5687.
») Vgl. Opp. III 213: 313 u.s.; über die
großen eisernen Angelhaken für den Thun-
fischfang s. Ael. n. an. XIII 16; vgl. über letz-
tein überhaupt P Rhode N. Jb f. Phil. Suppl.
Bd XVIII 42 ff. Bei großen Seetiereu, die mit
dem Angelhaken in die Tiefe gingen, war der
Fang sehr gefährlich; vgl. die eingehende
Schilderung bei Opp. V 62 ff., woraus wir er-
sehen, daß man aufgeblasene Schläuche an
die Leine band, um zu bemerken, wo das
schwervei wundete Tier wieder in die Höhe
kam: dann fuhr man dorthin und tötete es
mit Beilen. Dreizacks und anderen Waffen.
Die Einrichtung der langen, an Rollen gehen-
den Leine, die unsre Walfischfänger haben,
scheinen die Alten nicht gekannt zu haben.
8) Vgl. Pottieb bei D.-S. IV 852.
*) Daß ein Fischernetz auch bei der Jagd
benutzt werden konnte, zeigt Mart. X 37, 15:
illic piscoso modo vix edueta profundo | impe-
dient lepores umida lina meos.
6) Plaut. Rud. 984; 1020. Accius b. Non.
534,1. Ov.a.a.I764; met. XIII 922. luv. 5. 95.
Man sagt retia tendere vom Jäger (s. oben S. 5 17
A. 12), retia mittere vom Fischer, luv. 2, 148;
auch statuere, Accius a. a. 0.
6) Lina piscatoria, Plin. XXIV 65. Vgl.
Verg. Geo. I 142. Ov. met. III 586. Aus. Mos.
243. Seltner wird von Fischnetzen cassis ge-
braucht, Avian. fab. 20. 14, oder plana, Aus.
Mos. 244. Als Material rühmt Plin. XIX 15
die genista (Binsen-Pfriemkraut), sonst war
natürlich Flachs. Hanf, Spartum u. dgl. dafür
das übliche Material, s. Blümneb Technol. I
292 f.; 295; 299.
7) Plaut. Asin. 100; Truc. 35. Ov. a. a.
I 763. CIL II 2335: qui pisces iacnlo capiebat
missile dextra. Isid. or. XIX 5, 2. Eä ist das
griech. auyißXnoiQor, Corp. Gloss. III 187, 31 ;
256, 43v
8) Verg. Geo. I 141 : atque alius latum fun-
da iam verberat amnem \ alta petens, pelago-
que alius trahit humida lina; vgl. Serv. z d.
St.: genus retis, dictum a fundendo, id est
retiaculum, qui dicitur ß6Xoe, Isid. a. a. O.
Corp. Gloss. V 209, 12 (vgl. 110, 16): iaeuhtm
genus retis piscalorii, qui et funda appellatur.
Ebd 458, 1 1 (vgl. 297. 30; 501, 65) wird funda
durch retia, linea seu fundibula erklärt. Bei
Auson. ep 4 (14 Peiper), 54 werden aber iaml*
und fundae unterschieden.
ö) Vgl. Oppian. IV 144.
10) Plaut. Truc. 35: quando abiit rete pes-
sum, adducit lineam.
n) Wandgemälde aus Herkulanum, nach
D.-S. IV 493 Fig. 5690 (nach Pitture di Ercol.
II 273) ; andere Szenen von Fischern, beson-
ders Anglern, s Helbig Wandgemälde n. 1556;
1563; 1572 f.
**) Manil. astr. V 678: excipitur vasta cir-
cumvallata sagena. Corp. Gloss. V 145,47; 242,
11 u. s.
ls)Val.Max IV 1.7. Serv.ad Aen.I59. Isid.
XIX 5, 4 Corp. Gloss. II 206, 51; 429, 24 u. ö.
") Varr. r. r. III 17. 7. Digg XLVII 10.
13, 7. Corp. Gloss. V 291,24; von everrere pi-
sces, Apul. apol 29, vgl. Aus. Mos. 243 : hie me-
dio proeul amne trahens umentia lina \ nodosis
deeepta plagis examina verrit. UebertraKen bei
Cic. nat. Deor. III 30, 74; Verr. IV 24, 53.
34*
532
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
tragula1) hieß; es war lang und rechteckig, an der Unterseite beschwert,
damit es in vertikaler Lage blieb, und an der oberen mit Schwimmern aus
Kork oder Holz versehen 2) ; dadurch erweiterte sich das Netz taschenartig
und es sammelten sich darin die Fische, während die Fischer, meist von
einem Kahn aus, das Netz am Stricke nachzogen3). Diese beiden Arten
sind aber nur die hauptsächlichsten der Netzfischerei; es gab daneben noch
eine große Menge anderer, die wir besonders aus den griechischen Quellen
kennen4), auf die aber hier nicht näher eingegangen werden kann.
Die dritte Art des Fischfangs ist die mit Reusen5), nassae6); sie
glichen den heute üblichen, d. h. es waren aus Binsen 7) oder Weidenruten 8)
geflochtene Körbe von langgestreckter Form mit weiter, trichterförmiger
Öffnung und engem Hals, sodaß die Fische zwar hinein, aber nicht heraus-
kommen konnten9); sie wurden mit Steinen beschwert versenkt und durch
Korke schwimmend erhalten 10). In die Reuse wurde der Köder getan oder
die Stäbe mit stark riechender, die Fische anziehender Substanz bestrichen11).
Man ließ die Reusen oft längere Zeit im Wasser liegen und fütterte die
darin gefangenen Fische, bis sie fett geworden waren12).
Als vierte Art des Fischfangs ist die Anwendung des Dreizacks zu
nennen13), tridens oder fuscina, der namentlich bei großen Tieren, bei Thun-
fischen, Polypen u. dgl., zur Anwendung kam, doch auch bei kleineren Fischen14),
ein Brauch, dem bekanntlich Neptun sein Attribut des Dreizacks verdankt.
Das Fischstechen fand wohl, wie heute vielfach, nachts bei Fackellicht statt15).
Neben diesen Hauptarten des Fischfangs gab es aber noch zahlreiche
andere, die den Lebensgewohnheiten der Tiere angepaßt waren, die wir
aber hier übergehen müssen16). Auch Raubfischerei wurde getrieben, und
') Serv. z. Verg. Geo. 1 143 : umida lina ever-
riculum significat et trahit rede, quia hoc genus
retistragumvocatur. lsid.XIX5,3.Plin.XVI34.
2) Ael.n. an. XII 43. Plin. a.a.O. Ov. trist. III
4, 11: aspicis, ut summa cortex levis innatetun-
da, | cum grave nexa simul retia mergat onus ?
3) Ov. a. a. I 764: hie cava contento retia
fune trahunt; daher nennt Opp. III 84 diese
Netze 8oXoQoa<f>EOiv Xiva köktiow.
4) Vgl. besonders Oppian. III 80 f. Poll.
1 97 ; zahlreiche Beschreibungen bei Oppian und
Aelian. Vom Thunfischfang sagt Philostr. imag.
I 13,8: Ideai, xa{F äg akioxorzai, (.ivoiai. Vgl.
auch Sid. Apoll, ep. II 2, 12: hinc iam speeta-
bis, ut promoveat alnum piscator in pelagus,
ut stataria retia suberinis cortieibus exten-
dat aut signis per certa intervalla dispositis
tractus funium librentur hamati.
") Griech. xvQrsia ; vgl. Lafaye bei D.-S.
IV 2.
6) Fest. 169 a, 19: nassa est piscatoria va-
sis genus, quo cum intravit piscis exire non
potest. Plin. 1X132; XXXII 11; übertragen
Plaut, m. gl. 581. Cic. ad Attic. XV 20, 2.
7) Plin. XXI 114.
*) Ov. hal. 13 u. 16. Sil. It. V 48; auch
aus spanischem Spartum, Oppian. III 341 ; 400.
9) Vgl. die Beschreibung Sil. It. a. a. 0 :
ore levem patulo texens de vimine nassam.
,0) Oppian. III 371 ff.
") Plin. XIX 92; XX 194. Oppian. III 345;
421.
V2) Beschreibung bei Oppian. ebd. 347 ff.
13) Vgl. Böttiger in der Amalthea II 302 ff.
Wieselek De vario usu tridentis, Göttingen
1872. Rhode a. a. O. 45.
") Ael.n. an. XII 43. Oppian. III 88; IV 252;
639. Plin. IX 51; 84; 93. Philostr. imag. I 13.
Poll.X 133. Dagegen wird Ov. a. a. I 673 irr-
tümlich darauf bezogen (Rhode a. a. O.), da
hier mit iaculum das Wurfnetz gemeint ist.
An dem schönen Mischkrug des Hildesheimer
Silberfundes sticht ein Eros mit dem Drei-
zack nach Hummern, vgl. Pernice u. Winter
Hildesh. Silbersch. Taf. 32. Holzer D. Hildesh.
Silberfund Taf. 3.
15) Das Nachtfischen nennen die Griechen
nvoEVTty.i] oder jivgla, Poll. VII 138; X 133;
vgl. Opp. IV 641 f. Auf dem Hildesheimer
Mischkrug hält der kleine Eros neben dem
erwähnten sicher eine Fackel, nicht (wie auch
vermutet worden ist, s. Holzer Hildesh. Silber-
fund 61) eine Schlinge, da damit nie Fische
gefangen wurden.
16) Einiges bei Rhode 46 ff. Lafaye 491.
Ueber den Fang der Purpurschnecken s. Blüm-
ner Technol. 1 239 ; über die Schwammfischerei
Opp. hal.V 612 ff.
Zweiter Abschnitt. Die Landwirtschaft.
588
Wert wenn heute dazu oft Dynamit benutzt wird, so nahmen die Alten zum selben
"am Zwecke Gift1). Weitaus der meiste Fischfang geschah vom Nachen oder
artll vom größeren Schiffe aus, je nachdem es sich um Flufä- oder Meerfischerei
voi bandelte *); als kleinere Fischerboote werden der lembus3) und die Aorta«)
irtei genannt.
Was endlich die Fischgerechtigkeit anlangt, so war den Alten eine
diel solche ebensowenig bekannt wie ein Jagdrecht5); die Fluß- wie die Meer-
fischerei waren frei6), nur wenn Teiche oder Seen in Privatbesitz waren,
sil hatte der Besitzer allein das Recht zu fischen7).
Zweiter Abschnitt.
Die Landwirtschaft.
Edinburg 1788 (bebandelt nur den
Paris 1834.
Litteratur.8)
A. Dickson The husbandry of tbe ancients. Zwei Bände
Feldbau).
J. B. Rougier de la Bergerie Histoire de l'agriculture ancienne des Romains
Mens Die ländlichen Geschäfte der Römer. Siegen 1839.
Baumstark Artikel Rustica res bei Pauly VI 580 ff.
Ch. Daubeny Lectures on Roman husbandry. Oxford 1857.
Cancalon Histoire de l'agriculture depuis les temps les plus recuhSs jusqu' ä la mort de
Charlemagne. Paris 1857.
A. F. Magerstedt Bilder aus der römischen Landwirtschaft. Sechs Hefte. Sondershausen
1858-1863.
H. Wiskemann Die antike Landwirtschaft und das von Thünensche Gesetz. Leipzig 1859.
M. Weber Die römische Agi argeschichte. Stuttgart 1891.
F. Staudacher Antike und moderne Landwirtschaft. Wien 1897.
Beaürredon Voj^age agricole chez les anciens ou l'economie rurale dans l'aiitiquite\ Paris 1899.
H. Gummerus Der römische Gutsbetrieb als wirtschaftlicher Organismus, nach den Werken
des Cato, Varro und Columella. Leipzig 1906.
Al Sorlin-Dorigny Artikel Rustica res bei Daremberg-Saglio IV 916 ff.9)
Über kein Gebiet des römischen Lebens sind wir so genau unterrichtet,
wie über die Landwirtschaft. Wir verdanken das den uns erhaltenen
1) Beschreibung des Verfahrens bei Op-
pian. IV 647 ff. ; vgl. Philostr. a. a. 0. Plin. XXV
98. Rhode p. 43.
2) Naves piscatoriae, Caes. b. c. II 4; der
Fischerkahn scapha piscatoria, Tustin. II 13,
10. Vgl. die Schilderung Oppian. I 58 ff.
3) Non. 534, 1 : navicula brevis piscatoria,
mit Belegen aus Accius, Turpilius u. a.; vgl.
Serv. ad Verg. Geo. I 201. Isid. or. XIX 1, 25.
*) Plaut. Rud. 910; 1020. Gell. X 25, 5.
Non. 533, 21. Corp. Gloss. V. 459, 49; horiola
Plaut. Trin. 942. Abbildungen auf Mosaiken,
s. Gauckler bei D.-S. III 256.
5) Instit. II 1, 1: et quidem natural/' iure
communia sunt omnium haec: aer, aqua pro-
fluens et mare, et per hoc litora maris. Digg.
XLI 1,1: omnia igitur antmalia, quae terra
mari coelo eapiantur, id est ferae bestiae, vo-
lucres, pisces, capientium fiurtt.
6) Instit. a. a. O. 2; auch die Besitzer von
Grundstücken, die an Flußufern oder am
Meeresstrande belegen waren, durften das
Fischen (ohne Betretung des Landes) nicht
hindern, Digg. XLVII 10. 7.
;) Digg. a. a. O.: in Uten tarnen, <jni tiui
dominii est, utiqite piscari <ilin>(e»i jtrohihrre
possum.
8) Die Speziallitteratur über die einzelnen
Gebiete der Landwirtschaft wird weiter unten
angeführt werden.
9) Die Schriften von Rougier, Cancalon.
Mens, Daubeny und Staudacher waren mir un-
zugänglich. Die Schrift von P. Oekler Antike
Landwirtschaft, Hamburg 1872. behandelt nur
Aegypten und Griechenland, während die von
Beaürredon eine sehr oberflächliche Stellen-
sammlung aus den römischen landwirtschaft-
lichen Schriftstellern ist. Am ausführlichsten
sind die Abhandlungen von Magerstedt, aber
unzuverlässig in den Zitaten.
534
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
Schriften der römischen Landwirte. Da die Landwirtschaft neben Kriegs-
und Staatsdienst die einzige Tätigkeit war, die als eines römischen Bürgers
würdig betrachtet wurde, und da, wie wir sehen werden, bis gegen das
Ende der Republik hin viele Römer selbst praktische Landwirte waren, so
waren Schriften darüber mit praktischen Anweisungen des allgemeinen Inter-
esses sicher, und so haben hervorragende Männer, teils auf Grund ihrer
eigenen Erfahrungen, teils unter Benutzung der einschlägigen Litteratur des
Auslands1), Schriften über Landwirtschaft verfaßt. So schrieb der ältere
Cato außer besonderen, an seinen Sohn gerichteten Praecepta de agricultura
unter dem gleichen Titel das uns noch erhaltene Buch, mit zahlreichen
Vorschriften für Gutsbetrieb und Landbau und damit Zusammenhängendes2).
Hundert Jahre später3) verfaßte M. Terentius Varro drei Bücher Eerum
rusticarum, die wir noch fast vollständig besitzen4). In die nächste Zeit
fallen, abgesehen von den verlorenen Schriften des Hygin über Landbau und
Bienenzucht und des Sabinus Tiro über Gartenbau, Vergils Georgica (37 — 30
v. Chr. verfaßt) 5). In der ersten Kaiserzeit schrieben über den gleichen Stoff
Iulius Graecinus, Cornelius Celsus, Iulius Atticus; in den siebziger Jahren des
1. Jahrhunderts n. Chr. entstanden die noch erhaltenen, in vieler Hinsicht wert-
vollen zwölf Bücher des Columella De re rustica6). Dann besitzen wir noch
aus dem 4. Jahrhundert des Palladius Opus agricultura e1) und in griechischer
Sprache die im 10. Jahrhundert verfaßten, aber auf eine Arbeit des 6. Jahr-
hunderts zurückgehenden Auszüge aus landwirtschaftlichen Schriften unter
dem Namen Geoponika, die im wesentlichen römische Verhältnisse betreffen8).
Ehe wir aber daran gehen, die römische Landwirtschaft in der Art des
Gutsbetriebes und nach ihren verschiedenen Zweigen in Feldbau und Vieh-
zucht zu schildern, haben wir auf die Stellung, die sie im Leben des römischen
Volkes einnahm, und auf die Entwicklung, die sie in volkswirtschaftlicher
Hinsicht im Laufe der Jahrhunderte durchgemacht hat, näher einzugehen9).
*) Namentlich war die agronomische
Schrift des Karthagers Mago geschätzt; sie
galt bei den griechischen und römischen Land-
wirten als maßgebendes Handbuch der ratio-
nellen Ackerwirtschaft und ist nicht nur ins
Griechische übersetzt, sondern auf Befehl des
römischen Senats* auch in lateinischer Bear-
beitungdenrömischenGutsbesitzern empfohlen
worden, s. Varro r. r. 1 1,10. Plin. XV111 22.
2) Die alte Ausgabe der Scriptores rei
rusticae von Joh. Gottlob Schneider, Leipzig
1794 — 96, 4 Teile (in 7 Bänden), ist zwar text-
lich veraltet, aber wegen ihres Kommentars
und der Indices unentbehrlich. Bereinigten
Text und kritischen Kommentar gibt für Cato
und Varro die Ausgabe von H. Keil, Leipzig
1884. Für Cato vgl. noch den Aufsatz von
H. Hitzig Cato Censorius als Landwirt, in
Frühlings Landwirtschaft!. Zeitung für 1906
S. 425 ff. und die oben erwähnte Schrift von
Gümmerus S. 15 ff.
3) In die Zwischenzeit fallen noch ver-
schiedene nicht erhaltene landwirtschaftliche
Schriftsteller, wie Aemilius Sura, Saserna
Vater und Sohn, Tremellius Scrofa; vgl. R.
Reitzenstein De scriptorum rei rusticae, qui
intercedunt inter Catonem et Columellam,
libris deperditis, Berlin 1884.
4) Ausgaben s oben ; vgl . Gümmerus a. a. 0.
50 ff. A. Riecke M. Terentius Varro, der rö-
mische Landwirt, Stuttgart 1861.
5) Vgl. A. Bosson Etudes agronomiques.
sur les georgiques de Virgile, Paris 1868.
6) Bd. II 1 der Schneiderschen Ausgabe;
einen zuverlässigen Text bietet die Ausgabe
von V. Lundstköm, Upsala 1902 ff., die aber
noch unvollendet ist.
7) Bd. III der Schneiderschen Ausgabe;
neue von J. C. Schmitt, Leipzig 1898.
8) Aeltere Ausgaben von Needham, Cam-
bridge 1704, und Niclas, Leipzig 1781; kri-
tische Ausgabe von H. Beckh, Leipzig 1895.
9) Die folgende Darstellung beruht für
die republikanische Zeit durchaus auf der
klassischen Schilderung Mommsens in seiner
römischen Geschichte (ich zitiere nach der
10. Auflage). Eine zusammenhängende Dar-
stellung dieser Entwicklung seit den Anfängen
bis zum Ausgang der Kaiserzeit besitzen wir
noch nicht.
Zweiter Abschnitt. Die Landwirtschaft.
535
■
teri
In
Daß die Indogermanen im wesentlichen ein Hirtenvolk waren, ist eine
er durch die Sprachvergleichung festgestellte Tatsache1), die durch prähistorische
Funde bestätigt wird2); umstritten ist es dagegen, ob man ihnen die Kenntnis
des Ackerbaues zuzuschreiben hat3). Auf alle Fälle erscheinen die Gräko-
itei Italiker als ein Getreide, wahrscheinlich auch Wein bauendes Volk *). Der
Ackerbau ist, wie ebenfalls die Sprachvergleichung lehrt, nicht erst durch
die Hellenen nach Italien gekommen (das zeigt z. B. die Bezeichnung des
Pfluges und auch dessen Form, die in altgriechischen und italischen Denk-
mälern die gleiche ist). Die Tradition besagte freilich, daß einst die ersten
Bewohner der Stätte des späteren Rom Hirten gewesen seien5); allein als
die palatinische Stadt besiedelt wurde, da erscheint die Bevölkerung bereits
als Ackerbau treibend6). Es sind freie Bauern, die um die Hügel herum
die Acker bestellten und die den Grundstock der Bevölkerung bildeten, den
Kern von Heer und Volksversammlung, während allmählich zu der ursprünglich
bäuerischen Gemeinde eine nicht landbauende Bevölkerung von Einheimischen
und Fremden trat, die sich mehr dem Handel und den Gewerben zuwandten7).
Noch später erinnerte der Brauch, den Mauerring einer neugegründeten Stadt
durch eine mit dem Pflug gezogene Furche zu bezeichnen, daran, daß der
Feldbau der Grundpfeiler aller italischen Gemeinden war; Weidewirtschaft
war zwar überall, wo die Örtlichkeit sich dafür eignete, aber der Ackerbau
blieb doch immer die Hauptsache 8). Das war es, was diesem Beruf, den
man besser als Tätigkeit bezeichnet, seine geachtete Stellung verschaffte9).
Noch in viel späterer Zeit, als die Verhältnisse sich längst verändert hatten,
wurde der Ackerbau im Gegensatz zu der niedrigen Beschäftigung des
J) Vgl. 0. Schrader Sprachvergleichung
und Urgeschichte» II 152 ff.; 216 ff.
*) Für Italien s. Helbig Italiker in der
Poebene 15 f.
3) Die prähistorische Forschung, die Gerste,
Weizen und Hirse in den frühesten Funden
nachweist, nimmt das für die jüngere Stein-
zeit in Europa und im Nordwesten Kleinasiens
an, und die Sprachvergleichung gibt ihr darin
recht, s. M.Much Die Heimat der Indogerma-
nen (Berlin 1904) und Schrader a. a. 0. 185 ff.,
der danach den Ackerbau der indogermani-
schen Urzeit zuschreibt, s. ebd. 201 ff.; da-
gegen ist V. Hehn Kulturpfl. u. Haustiere6 58 f.
der Meinung, daß die Stützen für diese Be-
hauptung wenig haltbar seien, und will nur
Anfänge des Ackerbaus bei Rasten des No-
madenlebens zugeben; ebenso sagt Mommsen
1 16, man dürfe als wahrscheinlich annehmen,
daß das indogermanische Urvolk den Acker-
bau noch nicht kannte, und als gewiß, daß,
wenn es ihn kannte, er doch noch in der
Volkswirtschaft eine durchaus untergeordnete
Rolle spielte.
4) Mommsen 18. Hehn a. a. 0. 71 nimmt
dagegen an, daß der Weinstock erst durch
die Griechen nach Italien gebracht worden
sei. Vgl. auch Schrader a. a. 0. 255.
5) Varr. r. r. II 1, 9: Romanorum vero po-
pulum a pastoribus esse ortum quis non di-
elt? Cic. de or. I 9. 37. Liv. II 1, 4; V 53, 9.
Dion. Hai. II 2, 1. Flor. I 17 (22), 1. Auch die
Romulussage bestätigt das, vgl. Dorn-Seiffen
Vestigia vitae nomad. tarn in moribus quam
in legibus Rom. conspicua. Trai. ad Rhen. 1819.
J. Güidi Bull, comun IX (1881) 65 ff. Gilbert
Gesch. u. Topogr. der St. Rom I 150 ff. Voigt
Rom. Privataltert. 289 A. 2.
6) Das zeigen die alten Bestimmungen
über die feriae, siehe Cato r. r. 2, 4. Colum.
II 21 (22); XI 1, 20. Verg. Geo. I 268 mit
Serv.
7) Mommsen 45 ff.
8) Ebd. 181.
9) Cato r. r. pr. 2 : et virum bonum quom
laudabant, ita laudabant, bonum agricolam
bonumque colonum. amplissime laudari exi-
stimabatur qui ita laudabatur. Varro r. r. II
pr. 1 : viri »tagni nostri maiores non sine causa
praeponebant rusticos Romanos urbanis. Co-
lum. I pr. 10: super est unum genus liberale et
ingenuum rei familiaris augendae, quod ex
agricolatione co>tfi>i</it. Wenn Sali. Cat. 4. 1
den Ackerbau (wie die Jagd, s. oben S. 514)
zu den servilia officio rechnet, so denkt er
dabei an die praktische Feldarbeit, die da-
mals der Gutsbesitzer schon längst nicht mehr
ausübte. So war zur Zeit Columellas (I praef.
20) confirmata iam vulgaris c.ristimatio, rem
rusticam sordidum opus (esse).
536
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
Handwerkers oder des Kleinhändlers als einzige eines echten Römers würdige
Tätigkeit gepriesen1).
In der Königszeit 2) lagen nun die Verhältnisse noch so, daß das Acker-
land Eigentum der einzelnen Geschlechtsgenossenschaften war, die es be-
stellten und den Ertrag unter die zum Geschlecht gehörigen Familien ver- 1
teilten3). Das Vermögen des einzelnen bestand also damals in Vieh und dem
Bodennutzungsrecht; unbewegliches Eigentum gab es noch nicht4). Wann
die Verteilung des Ackerlandes an die einzelnen Bürger stattfand, ist nicht
sicher zu bestimmen5); aber jedenfalls geschah es schon in der Königszeit,
denn die servianische Verfassung hat sie zur Voraussetzung. Als sie
durchgeführt war, bestand die große Menge des Grundbesitzes noch aus
mittleren Bauerstellen, die einer Familie Beschäftigung gaben6). Der Bauer
selbst und seine Familie, die Frau nicht ausgeschlossen7), verrichteten die
zum Feldbau und zur Weide gehörigen Arbeiten; Sklaven und freie Tage-
löhner waren damals zweifellos noch selten und nur in kleiner Zahl bei der
Arbeit verwendet, solange das Gut noch von bescheidenem Umfange war;
freilich war auch der Betrieb noch sehr einfach und unvollkommen.
Allein durch diese Aufteilung des Gemeindelandes bereitete sich langsam
die Bildung von größerem Grundbesitz vor. Unterschiede in der Größe des
Besitzstandes mußten sich schon dadurch ergeben, daß die Kopfzahl der
einzelnen Geschlechter ungleich groß war, der Anteil der einzelnen Familie
daher bei der Aufteilung verschieden ausfiel. Aber einen eigentlichen Groß-
betrieb gab es doch noch nicht; war der Grundbesitz zu groß, als daß ihn
der Besitzer selbst bewirtschaften konnte, so verteilte er das nicht von ihm
selbst bewirtschaftete Land in kleinen Parzellen an Abhängige, Freie oder
Sklaven, die zwar nicht eigentliche Pächter waren, da für das Pachtsystem
') Cic. de off. I 42, 151: omnium autem
verum, ex quibus aliquid acquiritur, nihil est
agricultura melius, nihil uberius, nihil dulcius,
nihil homine libero dignius. Die ganze Stelle,
mit den voi aufgehenden Bemerkungen über
quaestus illiberales und sordidi, behandelt
0. Neurath Zur Anschauung der Antike über
Handel, Gewerbe und Landwirtschaft, Diss.
Berlin 1906, S. 1 ff., der zwar zu keiner
sichern Entscheidung kommt, ob Cicero das
wirklich so aufrichtig gemeint habe (S. 26),
aber doch durchblicken läßt, daß es ihm mit
seinem Hymnus auf den Landbau nicht recht
ernst gewesen sei (vgl. S. 4). Allein Ciceros
Standpunkt ist damals der allgemeine: auf
anständige Weise kann nur der Gutsbesitzer
Geld verdienen.
2) Vgl. B. Büchsenschütz Bemerkungen
über d. röm. Volkswirtschaft der Königszeit.
Berlin 1886.
3) Mommsen 36 u. 66. Kubitschek bei
P.-W. I 790. W . v. Qüillfeldt Altrömisches
Landwirtschaftsrecht, Diss. Heidelberg o. J.
(1909).
4) Cic. rep. II 9, 16. Plut. qu. Rom. 15
p. 267 C.
5) Die Tradition schrieb es dem Numa
zu, Cic. a. a. 0. 14, 26. Plut. a. a. 0., Varro r. r.
I 10, 2 dem Romulus. Indessen unterliegt die
Nachricht, daß Romulus jedem einzelnen Haus-
stand zwei iugera zugewiesen habe, die here-
dium genannt würden, weil sie in der Fa-
milie vererbt wurden, gewichtigen Bedenken,
s. Büchsenschütz a. a. 0. 5 ff. Ueber den Zeit-
punkt der Auflösung der Flurgemeinschaft
durch Aufteilung zu vollem Privateigentum
vgl. Weber Röm. Agrargeschichte 114 ff.
6) Die Zensussätze der servianischen Ver-
fassung stellen eine Skala des Minimalbesitzes
an Ackerland von 20, 15, 10, 5 und 2 iugera
auf. Mommsen 93 setzt den Flächenraum der
vollen römischen Bauernstelle nicht unter
20 iugera an. mit der Bemerkung, daß schon
um 275 v. Chr. Landlose von 7 iugera (Val.
Max. IV 3, 5. Colum. I pr. 14. Plin.'XVlII 18)
den Empfängern klein schienen. Dabei wird
angenommen, daß die zwei iugera als sog. here-
dium (s. oben A. 5) Gartenland, nicht Hufe,
gewesen seien, s. Mommsen 183 f. Die Frage
ist sehr schwer zu entscheiden, vgl. G. M. Ashek
Festschr. zur Versamml. deutscher Philolog. zu
Heidelberg (Leipz. 1865) 67 ff. M.Voigt Rh. M.
XXIV (1869) 52 ff.; BSGW 1872, 45: 61; XII
Taf. § 102. Hültsch Metrologie2 26 A. 4.
7) Vgl. Hör. ep. II 1, 142: cum socüs ope-
rum, pueris et coniuge fida.
Zweiter Abschnitt. Die Landwirtschaft.
537
Jl?eie gesetzlichen Grundlagen noch nicht geschaffen waren, aber doch in einem
inlichen Verhältnis zum Eigentümer standen, der ihnen einen Teil des
»* ruchtertrages als Lohn überließ x). In der Regel aber war in diesen älteren
'* eiten der Gutsbesitzer auch selbst noch praktischer Landwirt, wie der
l«- Weinbauer; er war überall selbst mit tätig, führte wohl auch eigenhändig
h en Pflug2), wie es Cincinnatus tat, Jahrhunderte später C. Atilius Regulus,
hh er Feldherr im ersten punischen Kriege 3), und der alte Cato in seiner
ugend4). Daher war sein eigentliches Haus sein Landgut; in der Stadt
ibte er nur vorübergehend, wenn ihn Geschäfte oder Bürgerpflichten dahin
iefen5). Auch auf dem größeren Gute wurden zunächst noch wenig Sklaven
ei der ländlichen Arbeit beschäftigt, und diese waren meist italischer Her-
unft, kriegsgefangene Etrusker, Volsker, Sabiner. Die Inhaber der Land-
arzellen hatten dabei, wenn sie Sklaven waren, die Möglichkeit, sich ein
leines Vermögen und mit diesem die Freiheit zu erwerben. Nicht inbegriffen
1 die Ackerteilung war &ber das Weideland oder die Almend; hier war der
taat Eigentümer, der den Viehbesitzern gegen eine mäßige Abgabe den
Luftrieb auf das Weideland gestattete 6). Doch spielte dies Gemeindeland in
er Volkswirtschaft damals noch keine große Rolle, da die ursprüngliche
iemeindeweide wohl nicht sehr ausgedehnt war, das neu eroberte Land aber
rößtenteils unter die Geschlechter oder später unter die einzelnen Bürger
ls Ackerland verteilt wurde7).
In dieser Weise lagen die Verhältnisse bis in die republikanische Zeit
imein. Als aber in dieser die Trennung der Bevölkerung in Alt- und Neu-
ürger, in Patrizier und Plebejer durchgeführt wurde, wurde dies für die
littelklasse, den mittleren und kleinen Grundbesitz, verhängnisvoll. An ihre
teile trat einerseits die Herrschaft der Großgrundbesitzer und Kapitalisten,
ndrerseits ein ackerbauendes Proletariat. Wenn es früher vom Könige
') Mommsen 188 f. Es ist dies das Ver-
ältnis, das später precarium (, Bittbesitz ")
enannt wurde, wobei jemand einem andern
in ihm Gehöriges bittweise bis auf Wider-
uf zum Eigentum überläßt; es bestand ur-
prünglich nur bei unbeweglichen Dingen,
v. Savigny Das Recht des Besitzes 506 ff.
)aß solche Kleinpacht seit ältesten Zeiten
n Italien üblich war, nimmt Mommsen Hermes
[V (1886) 408 gewiß mit Recht an; darauf
leutet auch die Nachricht bei loh. Lyd. de
nensib. IV 144 (nach L. Cincius), daß der No-
ember jzagä toT± Jtalaiois Mercadinus geheißen
labe, weil dann die /tuo&coroi, die Pächter,
len Zins zahlten. Siehe Gümmertjs 33.
2) Oefters wird von der alten Zeit be-
nerkt, daß die Konsuln und Diktatoren direkt
rom Pfluge kamen, s. Ov. fast. I 207. Pers.
L, 73. luv. 2, 74. Sen. dial. X 17, 6.
s) Val. Max. IV 4, 5 spricht von seinen
•ustico opere adtritae manus, qiiae modo aran-
ium boitm iugum rexerant, und berichtet
bd. 6, daß er den Senat um einen Nachfolger
)at, da sein vilicus gestorben sei und er nach
Eause müsse: ne deserto agro non esset unde
txor ac liberi sui alerentur, worauf der Senat
beschloß, daß sein Gut in Pacht gegeben
werden solle, vgl. Plin. XVIII 39: qui mortuo
vilico relinquere victorias et reverli in rura siia
postidabant, qiiorum heredia colenda suseipiebat
res p., exercitusque ducebant senafit Ulis rili-
cante, vgl. Front, strat. IV 3, 3 (Sen. dial. XII 12.
5 setzt an Stelle des vilicus einen mercennarnui).
*) Plut. Cat. mai. 3. Jene gute alte Zeit
preisen Ov. fast. III 779 ff. Colum. I pr. 13 ff.
5) Mommsen a. a. 0.
•) Dies Gemeindeland hieß possessio, Fest.
233 a. 1. Digg.L 16. 115; der Weidezins heißt
scriptura, daher das Weideland ager scripta*
rarius, Plaut. Truc. 144. Varr. II 1. 16. Fest.
333. 16. Erst viel später (wahrscheinlich seit
der Lex Cassia agraria vom J. 268 v. Chr.) tritt
dazu der ager compascuus als Weideland für
die Plebs, auch Staatsland, das einer Weide-
Gehöferschaft als Gemeinweide verliehen war
und von den Weidegenossen gegen Entrich-
tung eines vectigal benutzt wurde, vgl. M. Voigt
Ueber die staatsrechtliche possessio und d*0
ager eomptucuu» der röm. Republ . Leipz. 1887,
und andere Litteratur ders. Röm. Privataltert.
300 A. 62.
7) Mommsen 191.
538
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
abhing, wem er die Benutzung des Weidelandes verstatten wollte und wer
nicht, so steht seit der Republik diese Nutzung von Rechts wegen bloß de:
Patriziern zu, und die kleinen Ackerbesitzer und Tagelöhner werden nur aus
nahmsweise zugelassen1). Mehr und mehr werden die kleinen Ackerklienter
die vorher das Land, wenn es ihnen auch nicht gehörte, bebauten, in dei
großen Grundbesitzen, die nun entstehen und an Zahl zunehmen, durch Feld
sklaven ersetzt. Die schweren Kriege mit ihren Verwüstungen, die un
erschwinglichen Kriegssteuern und Frondienste ruinierten den kleinen Mani
und machten ihn zum Knechte seines Gläubigers. Die Kapitalisten vermehrtei
auf diesem Wege ihr Grundeigentum; und wenn sie auch bisweilen dei
Bauer, dessen Person und Gut das harte Schuldrecht ihnen in die Händ<
gab, als eine Art Pächter im faktischen Besitz seines Grundstücks
dessen Ertrag ihnen zukam, beließen, so war doch die Lage diese]
Bauern eine sehr gedrückte und überdies eine ganz unsichere, da sie vor
der Gnade -des Gläubigers abhingen und jederzeit von ihrem Lande ver-
trieben werden konnten, sodaß sie von ihrem Besitz nichts als die Laster
trugen 2).
Gegenüber diesen bedrängten Verhältnissen der Bauernschaft im 5. Jahr-
hundert erfolgte im nächsten eine, freilich nur vorübergehende Besserung,
Die licinischen Gesetze von 376 — 367 hatten bekanntlich das Maß des Vieh-
standes, das ein Bürger auf die Gemeindealmend auftreiben durfte, normiert
und weiterhin festgesetzt, daß von dem zur Okkupation freigegebenen Do-
manialland, dem oger publicus, kein Bürger mehr als fünfhundert Joch in
Besitz nehmen dürfe3). Freilich waren die Erfolge dieser gesetzlichen Be-
stimmungen nicht ganz die erhofften4). Immerhin haben sie den Kleinbauern
wesentlich genützt; noch mehr aber taten es die politischen Erfolge Roms,
die sich immer mehr befestigende Herrschaft über Italien. Dies hatte zur
Folge die Kolonisation, und diese wiederum verschaffte dem ackerbauenden
Proletariat teils mehr Bauerstellen, teils durch den Abfluß der in die Kolonien
Gehenden den daheim Zurückbleibenden mehr Luft. Durch den sich hebenden
Wohlstand wurden dem Mittelstande neue Glieder zugeführt; die steigende
Bevölkerung der Hauptstadt bedurfte mehr Getreide, das damals noch nicht
vom Ausland kam, und das führte zur Vermehrung des Ackerbaues. So war
der Bauernstand im 4. Jahrhundert v. Chr. zunächst in einer minder bedrückten
Lage, als im ersten Jahrhundert der Republik5), und da die Gesetzgebung mit
ihrer Bestimmung, daß in der Volksversammlung nicht nach Köpfen, sondern
nach lokalen Bezirken abgestimmt wurde und daß die ganze hauptstädtische
Bevölkerung auf vier Bezirke beschränkt war, der ländlichen Bevölkerung
das Übergewicht verlieh, so blieb der kleine Grundbesitz, solange die römische
Herrschaft sich noch nicht über die Grenzen Italiens hinaus ausdehnte, der
entscheidende Faktor im römischen Staate6). Große Güter im Sinne der
*) Erst durch die Lex Licinia vom J. 376
werden auch die Plebejer zugelassen, freilich
nur mit bestimmter Anzahl Vieh, s. App. b.
civ. I 8. Cato b. Gell. VI 3, 37.
2) Mommskn 265 ff.
3) Varr.r.r.I2,9. Liv.VI35,5. Gell. XX
1, 23. App. a. a. 0.
4) Es ist bekannt, daß der Urheber der
Gesetze, C. Licinius Stolo, selbst einer der
ersten war, die sich dagegen vergingen, Liv.
VII 16, 9. Colum. I 3, 11.
6) Mommsen 303 f.
6) Fb. Cauer in N. Jahrb. für das klass.
Altert. III (1899) 694.
IVli
Zweiter Abschnitt. Die Landwirtschaft. RftO
päteren Latifundien scheinen zunächst noch selten gewesen zu sein; das
d' )urchschnittsmaß war wohl die centuria, d. h. zweihundert Joch ')•
Aber auf die Dauer konnte sich der kleine Grundbesitz nicht halten.
te lochte auch der Besitzer selbst mit seinen Kindern und allenfalls einigen
Sklaven noch so fleißig arbeiten, so mußte doch fast immer, weil sein be-
cheidenes Ackerland, sein kleiner Viehstand zu geringen Ertrag lieferten,
urch Verschuldung oder Verkauf sein Gut in den größeren Grundbesitz Über-
ehen. Der Großgrundbesitzer konnte sich eher behaupten, weil er wesentlich
billiger produzierte als der kleine Bauer, zumal es immer mehr üblich wurde,
aß die ganze Arbeit durch Sklaven geschah. Denn das frühere System,
kleinere Parzellen durch Pächter bearbeiten zu lassen, konnte nicht bestehen
leiben; die Konkurrenz mit dem billigen, durch Sklavenarbeit produzierten
izilischen Korn zwang die italischen Gutsherrn nachzufolgen und anstatt
er freien Arbeiterfamilien mit Sklaven, die weder Weib noch Kind (im
echtlichen Sinne) besaßen, zu wirtschaften 2), obschon daneben sowohl da-
nals wie später immer wieder, wenn Not am Mann war, die Hilfe freier
^agelöhner (pperarii) in Anspruch genommen werden mußte8).
Eine wesentliche Ursache für die Entstehung großer Güter war dann
las claudische Gesetz (vor 218), das den Senatoren alle mit Spekulation ver-
mndenen Geldgeschäfte verbot4), denn damit waren die Kapitalisten darauf
ingewiesen, ihr Vermögen in Land anzulegen. Je mehr der Import des
)illigen Auslandgetreides den Ackerbau erschwerte oder an seine Stelle die
Viehzucht treten ließ, um so schwieriger wurde für die Kleinbauern die
Existenz, um so lieber verkauften sie in ihrer Bedrängnis ihre Grundstücke
m die Kapitalisten; und so entstanden jene gewaltigen Latifundien, von
lenen das bekannte Wort sagt, daß sie Italien zugrunde gerichtet haben6),
svährend die Sklavenherden, die sie bewirtschafteten, eine beständige Gefahr
für den Staat bildeten. Auch mußte der Anbau so großer Grundbesitze
latürlicherweise stark leiden, weil das Auge des Herrn nicht überall sein
tonnte. Denn auch wenn der Besitzer nicht alles seinen Untergebenen über-
ieß, sondern den Betrieb seiner Güter selbst leitete, so wirtschaftete er doch
licht eigentlich selbst, sondern lebte für gewöhnlich in der Stadt und erschien
uur von Zeit zu Zeit auf dem Gute, um den Wirtschaftsplan festzustellen,
die Ausführung zu überwachen und die Rechnungen abzunehmen 6). So war
er imstande, eine Anzahl Güter gleichzeitig zu bewirtschaften und dabei
doch noch dem Staate gegenüber seine Pflichten als Soldat oder Staatsmann
zu erfüllen 7). Freilich trat dabei der Feldbau immer mehr in den Hinter-
grund, denn dieser erforderte häufigere Anwesenheit des Herrn als die
Ursprünglich soll jeder Ansiedler den
gleichen Bodenanteil von 2 Joch als heredium
erhalten haben, und wie hundert Bürgerfami-
lien eine centuria bildeten, so wurden hundert
bürgerliche heredia zu einer centuria zu-
sammengefaßt, die also 200 Joch umfaßte,
Varro r. r. I 10, 2; ders. 1. 1. V 35. Colum. V
1, 7. Vgl. Hültsch Metrol. 85 f. Kübitschek
bei P.-W. III 1960 f.
2) Mommsen 443 ; 838. Caueb a. a. 0. 695.
3) Ed. Meyek Kl. Schrift. 151 bemerkt
mit Recht, daß in der römischen Landwirt-
schaft die Sklaverei niemals, auch in den
schlimmsten Zeiten der untergehenden Repu-
blik, die Alleinherrschaft gewonnen hat.
*) Die Lex Claudia, s. Liv. XXI 63, 3. Digg.
L 5, 3.
5) Plin. XVIII 35: verum confitentibus lati-
fundia perdidere Italiam.
•) Gato 2, 1. Colum. I 1, 18; 2, 1; 3, 3:
4,8; 7,6; 8,20; III 21,4; XI 3,1.
7) Mommsen 831 f.
540 Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
Viehzucht, die den Besitzer nur wenig in Anspruch nahm; man zog €
daher vor, selbst gutes Ackerland in Weide zu verwandeln, weil sich dies
unbegrenzt ausdehnen ließ1).
Nun haben zwar in jener Zeit, d. h. zwischen dem ersten und zweite
punischen Kriege und dann wieder zwischen dem zweiten und dritten, wieder
holt Ackerverteilungen und damit Gründungen neuer Bauernhufe stattgefunden
es war namentlich der alte Cato, der im Hinblick auf die Verwüstung Italien
durch den hannibalischen Krieg und auf das immer zunehmende Schwinden de
kleinen Bauerngüter und der freien italischen Landbevölkerung zur Sanierung
der volkswirtschaftlichen Verhältnisse Ackerverteilungen gefordert und wenig
stens teilweise auch durchgeführt hat2). Aber wenn schon diese Land
anweisungen nicht in dem Maße erfolgt waren, wie es notwendig war, un
das Schwinden des italischen Kleinbesitzes einzudämmen, so hörten aucl
sie um die Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. vollständig auf. Denn neue;
Gebiet auf italischem Boden gab es nicht zu verteilen, da das Domaniallanc
im patrizischen Besitz war, und Land außerhalb Italiens wollte man au;
politischen Rücksichten nicht so verwenden. So schwanden die kleinen Guts-
besitzer, von den Kapitalisten ausgekauft oder vertrieben, immer mehr; das
Heer der Sklaven nahm beständig zu, die freien Bauern immer mehr ab 3)
Auf solche Art bereiteten sich die sozialen Kämpfe vor, die durch den Namer
der Gracchen berühmt geworden sind. Durch die Landverteilungen, derer
Urheber Tiberius Gracchus war und an denen nach dessen Tode sein Bruder
Gaius bedeutenden Anteil hatte, wurde nun die Zahl der kleinen Grund-
besitzer wieder erheblich vermehrt4). Allein die nach dem Tode des jüngerer
Gracchus eintretende Reaktion machte diesen Bestrebungen zur Hebung des
Bauernstandes ein schnelles Ende. Die Aristokratie kaufte sehr bald wieder
die Kleinbesitzer aus oder trieb sie selbst mit Gewalt von ihren Hufen5),
Nicht bloß in Italien, sondern auch in den Provinzen zehrte das römische
Kapital den kleinen Grundbesitz auf, und obschon Sulla 120000 Kolonister
in Italien ansiedelte6), konnte doch auch dies den völligen Ruin der selb-
ständigen Bauernschaft nicht aufhalten7). Die auf dem geraubten Boden
angesiedelten Veteranen konnten nicht den Stamm eines neuen Bauernstandes
abgeben, weil die mühselige Arbeit des Landmanns zu wenig nach ihren
Sinne war und es ihnen viel bequemer erschien, rhr Gut zu verkaufen und
den Erlös in der Stadt durchzubringen8). Und so finden wir denn geger
den Ausgang der Republik hin die Landwirtschaft als vollständige Plantagen-
») Ebd. 842 f. E. Meyer a. a. O. 155. Cato 2) Mommsen 818.
antwortete auf die Frage, welche Wirtschaft > 3) Ebd. II 80 f.
am meisten eintrüge: ,bene pascere' . quid se- ! 4) Die Schätzung des Jahres 131 ergal
cundum? ,satis bene pascere'. quid tertium? j 319000 waffenfähige Bürger, die des Jahres
finale pascere'. quid quartum? , arare', s. Cic.de j 125 dagegen 395000, also 76000 mehr, was
off. II 25, 89 ; in etwas abweichender Fassung
Plin. XVIII 29. Colum.VI pr. 4. Strab.VIp 273
bemerkt von Sizilien, daß die Römer infolge
der Verödung des Landes die Gebirge und
den größeren Teil der Ebenen iJino<pogßoTg xal
ßovxoXoig xal noi/xiai gegeben, also zur Pferde-
zucht und zur Weide für Groß- und Kleinvieh
benutzt hätten. So wurde auch in dieser einst
so kornreichen Insel der Ackerbau ruiniert.
jedenfalls eine Folge der Einziehung und Auf
teilung des okkupierten Domaniallandes war
s. Mommsen II 98.
5) Ebd. 132.
6) Appian. b. civ. I 104.
7) Mommsen 344; 392 f. Varro r.r. 1 17,2
spricht von den pauperculi, die das Land cum
sua progenie bebauen.
8) Caüer a. a. O. 696.
Um
Zweiter Abschnitt. Die Landwirtschaft. 541
ö? e Wirtschaft : Großbetrieb durch Sklaven; nur an wenigen Stellen in den Tai. in
dies ier Apenninen und Abruzzen hatte sich noch kleiner Grundbesitz erhalten ' i.
und ein solcher ist es, den sich Tibull, dieser Freund des Landlebens, wünscht
ftitei und dessen Annehmlichkeiten er so lebhaft preist. Die meisten Römer von
Mer Stande aber waren nun Großgrundbesitzer, und die besten darunter Leute,
ieniie ihre Wirtschaft selbst betrieben und auf alte Zucht und Sitte hielten»),
im Gegensatz zu denen, die nur die Einkünfte aus ihren Gütern bezogen
nde und sich wenig darum kümmerten, ob ihre Untergebenen sie betrogen oder
?run(ien Boden ruinierten, im Gegensatz auch zu der kosmopolitisch angehauchten
öiigimd sittlich verdorbenen Aristokratie der Hauptstadt3).
-and- In die letzten Jahre der Republik fallen die Bestrebungen Cäsars, dem
, ui Endlichen Proletariat soviel als möglich aufzuhelfen. So legte er den italischen
aucl Viehzüchtern auf, wenigstens den dritten Teil ihrer Hirten aus freigeborenen
eues erwachsenen Leuten zu nehmen, wodurch dem freien Proletariat eine neue
Jan Erwerbsquelle eröffnet wurde4); das Domanialland wurde unter Schonung
am aller berechtigten Privatansprüche, soweit es sich zum Ackerbau eignete,
tot» Bur Verteilung bestimmt; Cäsar wollte sogar, falls diese Domänen nicht aus-
das reichen würden, das erforderliche Land durch Ankauf italischer Grundstücke
¥), aus der Staatskasse beschaffen5). Bei der Auswahl der neuen Bauern wurden
men vornehmlich die Veteranen berücksichtigt; die Vorschrift, daß die neuen
m Eigentümer erst nach zwanzig Jahren befugt sein sollten, die empfangenen
idei Ländereien zu veräußern, sollte verhindern, daß, wie es bei früheren Acker-
ind- Verteilungen sehr gewöhnlich gewesen war, der größte Teil des verteilten
rei Landes rasch wieder in die Hände der Großkapitalisten zurückwanderte6).
Allein weder Cäsars noch Augustus' Maßregeln, durch die die verödeten
Strecken Italiens neu besiedelt, die westlichen Provinzen der Kultur und
der Niederlassung römischer Bürger erschlossen wurden, vermochten dem
Bauernstand zu neuem, frischem Leben zu verhelfen. Dieselben Kräfte, die
der freien Arbeit bis dahin so verderblich geworden waren, wirkten fort:
die Ländergier des Kapitals und die Sklavenwirtschaft7). Immer von neuem
kauften die Kapitalisten die kleinen Güter auf und legten sie zu großen
Grundherrschaften zusammen8). Daher die beständig sich wiederholenden
Mommsen III 517. Ders. hat im Hermes Pat. II 44, 4. Dio Cass. XVIII 1.
XIX (1884) 393 ff. aus den tabulae alimentariae
nachgewiesen, daß die Zahl der kleinen Grund-
besitzer seit der Zeit der Tiiumvirn bis auf
Traian in beständiger Abnahme war.
*) Mommsen III 521 f. führt als Beispiel
eines solchen ehrenfesten Landedelmanns den
S. Roscius von Ameria an, den Vater des von
Cicero verteidigten S. Roscius; derselbe besaß
13 Landgüter, sein Vermögen wurde auf 6 Mil-
lionen Sesterzen veranschlagt, vgl. Cic. pro
Rose. Am. 2,6; 7,20.
3) Colum. I pr. 15 führt es bereits als Aus-
spruch Varros an : omnes enim patres f am Mae
falce et aratro relictis intra muros correpsi-
mus et in circis potius ac theatris, quam in
segetibus et vinetis manus movemus.
4) Suet. Caes. 42.
B) Suet. Caes. 20. App. b. civ. II 10. Vell.
Mommsen III 538 f.
7j Caueb a. a. 0. 697.
8) Hör. caim. II 18, 23 ff. Colum. I 3. 12.
Sen. de benef. VII 10, 5; ep. 87. 7; 89. 20; 90,
38 ff. Lucan. I 167 ff. Der jüngere Plinius gibt
ep. ad Trai. 8, 5 seinen Besitz in eadem rtgü NM
auf mehr als 400 Joch an, besaß also jeden-
falls weit mehr; C. Caecilius Isidorus, ein Frei-
gelassener des Gaius. hinterließ nach Plin.
XXXIII 135 testamentarisch 4116 Sklaven,
3600 Joch Rinder. 257 000 Stück sonstiges Vieh ;
bei Vopisc. Aurel. 10,2 wird eine Villa rtttHot
mit 500 Sklaven, 2000 Rindern, 1000 Pferden,
10000 Schafen und 15000 Ziegen erwähnt.
Die größten Latifundien fanden sich in Afrika,
vgl. Petron. 117,8; zurZeitNeros besaßen sechs
Grundbesitzer die Hälfte der ganzen Provinz,
Plin.XVIIl 35. In der Kaiserzeit wurden solche
542
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
Klagen über den Verfall der Landwirtschaft1) und über die Verödung d»
Landes, indem immer unbebautes Land in Masse vorhanden war, das de
Veteranen assigniert wurde, ohne daß dadurch die Verhältnisse sich besserten5
Während so die kleinen Bauern fast ganz verschwanden, die Arbe
teils in den Händen der Sklaven, teils in denen schlecht bezahlter Tag«
löhner lag, bildete sich als eigene Klasse besitzloser und dabei persönlic
freier Ackerbürger der Stand der coloni, d. h. der bäuerlichen Pächter3
Ursprünglich ist colonus nur ganz allgemein der freie Mann, der selbst i
Person den Acker bebaut4), der sein Eigentum ist5); als aber gegen Aus
gang der Republik, wie wir sahen, die Bauernhöfe immer mehr in den Grof
grundbesitz übergingen, da bekommt das Wort die Bedeutung eines Freiei
der in Person den Acker, der ihm nicht gehört, bebaut, also des Pächters6
und bald verallgemeinert sich die Bedeutung dahin, daß auch Pächter, die nict
selbst mit Hand anlegen, so genannt werden7). Diese Art, die Güter durc
Kleinpächter bewirtschaften zu lassen, geht in ihren Anfängen bereits i
die republikanische Zeit zurück: die Parzellenpacht scheint seit Cato in dei
Betriebssystem der Römer immer mehr Boden gewonnen zu haben8), un
sie kam dann im ersten Jahrhundert der Kaiserzeit noch mehr in Aufnahme
zurückgeführt wird diese Erscheinung darauf, daß um jene Zeit Sklaven
mangel eingetreten sei9). Schon in den letzten Zeiten der Republik wa
eine Zeitlang durch die Sklavenkriege und die massenhaften Hinrichtunge:
Sklavenmangel eingetreten, sodaß bereits um 49 v. Chr. die Kleinpacht i;
Italien sehr ausgebreitet war10). Durch die Kriege Cäsars und Augustus
große Latifundien saltus genannt, was ur-
sprünglich eine Alm bedeutete (Varro 1. 1. V
36). vgl. Digg. XI 4, 1. 1. CIL III536; VIII 567;
8525 u. s. Vgl. Schulten Die römischen Grund-
herrschaften, in der Zeitschrift für Sozial-
und Wirtschaftsgeschichte III (1895) 149 ff.;
297 ff.
!) Vgl. Colum. I praef. 1 ff.
2) Tac. ann. XIV 27; vgl. E. Meyer Kl.
Sehr. 152.
3) Vgl. hierüber Savigny Verm. Schrift.
II 1 ff. ZuMPTRh. Mus N. F. III (1845) lff. Rod-
bertus Zur Geschichte d agrar. Entwicklung
Roms unter den Kaisern oder die Adscripti-
tier, Inquilinen und Colonen, in den Jahrb. f.
Nationalökon. u. Statistik II (1864) 206 ff. Ter-
rat Sur le colonat. Paris 1872. Petitbien Sur
le colonat, Nancy 1878. B Heisterbergk Die
Entstehung des Kolonats, Leipz. 1876. G. Bois
Du colonat en droit romain. Paris 1883. G. Hum-
bert bei D.-S. I 1322 ff. R. A. le Bourdelles
Du colonat, Rennes 1883 H. Campana Sur le
colonat et le servage. Bordeaux 1883. M Weber
Agrargeschichte232ff Schulten H ist. Zeitschr.
LXXVIII (1897) 1 ff. B Kübleb in der Fest-
schrift für Vahlen (Berlin 1900) 559 ff. Seeck
bei P - W. IV 483 ff. Gummerus 82 ff M. Rostow-
zew Studien z. Gesch d. römischen Kolonats
(1. Beiheft z. Archiv f Papyrusforschung, her.
v. Ulr. Wilcken), Leipz. 1910.
*) Cato pr. 2. Cic. de or. II 71, 287. Ov.
fast. II 646; IV 692.
5) Cato 1, 4. Varro 1 16, 4; II pr. 5. Ver§
ecl. 9, 4.
6) In dieser Bedeutung zuerst Cic. pr
Caec. 32. 94.
7) Colum. I 7, 3. Plin. XVIII 38: praeter
quam subole sua colono auf pascendis alle
qui colente. Wie Seeck a. a. 0. 486 bemerki
fließen in den Digesten conduetor und colonu
ganz ineinander, während man in Afrika un
wahrscheinlich auch in den andern Provinze
mit conduetor den Großpächter, mit colonu
den Kleinpächter bezeichnet und beide schal
voneinander sondert ; vgl. CIL VIII 10570, II IC
ebd. III 7, 20; ebd. 29.
8) Colum. 17,4 erwähnt, daß schon Sf
serna die Frage behandelte, ob es für de
Gutsbesitzer vorteilhafter sei. das Gut a
coloni zu verpachten oder selbst zu bewir
schatten, wobei er zu dem Resultat gekomme
zu sein scheint, daß die Parzellenpacht de
Großpacht vorzuziehen sei; s. Gummekus 6'
Es kam auch vor, daß einzelne Teile de
landwirtschaftlichen Betriebes verpachtet wu
den; so nach Varro I 38, 2 die Aviarien.
9) Vgl. Weber Agrargesch. 242. Seec
a.a.O. 486; ders Gesch. des Untergangs de
antiken Welt* I 877.
10) Nach Caes. b. civ. I 34 bemannt D<
mitius sieben Schnellsegler mitseinen Sklavei
Freigelassenen und Kolonen; ebd. 56 nimn
er zur Schiffsmannschaft seine coloni pastt
resque.
Zweiter Abschnitt. Die Landwirtschaft.
r,43
Höjam dann freilich aufs neue Zufluß von Sklavenmaterial auf den Markt1);
f^iber der Friede, den Augustus schloß, und seine Zurückhaltung in aus-
ländischen Kriegen bewirkte, daß die Sklavenzufuhr nicht mehr ausreichte8)
id daher die Kleinpacht sich mehr ausdehnte. Sie wird daher in jener und
i folgenden Zeit häufig erwähnt3). Daneben wurde es gebräuchlich, daß
3a'iclnan Sklaven wie colonl behandelte, d. h. ihnen Landparzellen zur freien Be-
arbeitung übergab und dafür eine feste Pachtsumme von ihnen beanspruchte*).
Die Pachtzeit betrug in der Regel fünf Jahre6) und galt nach Ablauf
- ser Frist, wenn keine Kündigung erfolgte, stillschweigend als verlängert6).
bezahlt wurde die Pacht in der Regel in Geld7), doch kommen daneben
reid tuch Naturalleistungen vor, indem der Gutsherr einen Teil der Pacht oder
erä')las Ganze in Fruchtertrag bezog8). Die einzelnen Bedingungen wurden
nicb wohl immer durch einen schriftlichen Kontrakt fixiert9). Der Eigentümer
lurcj ieferte dem Pächter außer dem Grund und Boden das Wohnhaus (villa) und
tsiilas instrumentum, zu dem die Ol- und Weinfässer, die landwirtschaftlichen
den Maschinen (die Ölpresse u. dgl.) gehörten10), und endlich auch die Sklaven, mit
uni Jenen der colonus zu arbeiten hatte11); alles übrige hatte dieser zu beschaffen.
Die Stellung dieser coloni war freilich eine sehr bescheidene12), zumal
dem Eigentümer gegenüber eine sehr prekäre war, da ihn dieser jederzeit
na
) Varro spricht nicht vom Kolonat als
'stacht, und daraus schließt Seeck Unterg. d.
ji int. Welt I 365 (vgl. P.-W. a. a. 0 .), daß damals
Oeinpacht wenn auch nicht ganz fehlte, so
loch noch ziemlich selten war; andrer An-
sicht ist Gümmerüs, der S. 64 f. darzulegen
sucht, weshalb Varro in seiner Aufzählung
äer verschiedenen Landarbeiterkategorien den
Kleinpächter nicht erwähnt hat.
*) IvÜBLERa.a 0.566 ff weistnach. daß die
Preise der Sklaven in der Kaiserzeit gestiegen
waren, und er bespricht 579 f. die verschiedenen
Ursachen, die dabei in Betracht kamen.
s) Hör. ep. 1 14, 2 f. Lucan. I 170. Sen. ep.
, 12; 114, 26; 123, 2. Mart I 17, 3; II 19, 9;
VI 73, 1 ; VII 31, 9 u ö. Auch für Aegypten
j erweisen Ostraka und Papyri Aehnliches. Die
."fj kleinen Parzellenbesitzer bearbeiteten ihre
jAecker nicht mit Sklaven, sondern mit Hilfe
ihrer Familien und bei dringenden Arbeiten
;^init freien Tagelöhnern (s u.); vielfach aber
|haben sie die Wirtschaft an Pächter abgegeben,
die dann ihrerseits das Land bearbeiten oder
auch wiederum teilweise an Afterpächter ab-
geben. s.Wilcken Griech. Ostraka 1 698.
4) Digg. XXXIII 7, 12, 3: quaeritur, an
terms, qui quasi colonus in agro erat, instru-
menta leqato contineatur; ebd. 20, 1 ; vgl. XV
3, 16: XXXIII 7, 18,4. Daß aber Rodbebtüs
a. a. 0. 225 daraus mit Unrecht geschlossen
hat, daß Sklaven wirklich coloni waren und
so hießen, bemerkt Kübleb 563, vgl. Heisteb-
bebgk a a. 0. 83; wohl aber hat colonus auch
dieallgemeine Bedeutungeines Ackerknechtes,
so z. B. Sen. ep 114 26: quot milia colonorum
arent,fodiant;vg\. 123.2. Tib. II 1.23; 5,83u.s.
5) Plin.ep.IX37,2. Digg. XII 1,4, 1; XIX
2, 24, 2 u. s.
6) Digg. XIX 2, 13, 11; ebd. 14. Cod.Iust.
IV 65, 16.
7) Colum. I 7, 2; auch die Juristen kennen
bloß die merces, s. Kübler 581 A. 1.
8) Tac.Germ 25. Mart.VIl 31.9;XIII 121 ;
in den Digesten bloß XIX 2, 25, 6 und XLVII
2. 26, 1 erwähnt. Das heißt partibus locare,
Plin. ep. IX 37, 3. Die Naturalleistungen
(z. B. Holz) heißen accessiones. Colum. I 7. 2.
Vgl. Mart. III 58, 39: et dona matrutn vimine
offerunt texto \ grandes proborum virgines co-
lonorum; das sind also freiwillige Gaben, auch
X 87, 17. Ohne Erlaubnis des colonus hatte
der Besitzer kein Anrecht an die Ernte, 8.
Sen. de benef. VII 5, 2; nee fruetus tanges co-
lono tuo prohibente, quamvis tua in possessione
nascantw.
9) Sen. de benef. VI 4, 4: colonum suum
non tenet quamvis tabellis manentibus, qui
segetem eius conculeavit, qui sueeidit arbusta.
'») Digg. XIX2,3; ebd. 19,2; XXXIII 7,24.
n) Die Sklaven gehören zum tnttrumttt-
tum des fundus. Plin ep III 19,7. Digg. XIX
2, 54, 2; vgl. Mommsen im Hermes XIX (1884)
411. Sklaven als Arbeiter der coloni Digg. IX
2, 27. 9 u. 1 1 ; XIX 2, 30, 4. Cod. Iust. IV 51, 4.
u) Mart. IV 56. 11 nennt den colonus ,lu-
rus, wohl im Hinblick auf seine rauhe Arbeit;
auch war danach die Frau des Pächters vor
den Nachstellungen des Hausherrn nicht sicher.
Auf sein rauhes Aeußere spielt ebd. XII 59. 5:
hircoso premit osculo colonus an. Vgl. Hör.
carm. I 35. 5: pauper ruris colonus; II 14, 12:
inopes coloni. CIL X 5659: colonus. fttuptr
fuit aequo animo. Immerhin konnte sich ein
fleißiger und sparsamer colonus ein kleines
Vermögen erwerben, wie der Ofellus des Horaz,
sat.112, 114 ff.
544
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
von seinem Fundus vertreiben konnte, wogegen dem Benachteiligten zwa|
eine Klage auf Geldentschädigung, aber keine auf Wiedereinsetzung in dei !
Fundus zustand 1). Freilich empfiehlt Columella dem Eigentümer, die colonl
gut zu behandeln, mehr auf ihre Arbeit als auf den Pachtzins (die pensio j
Wert zu legen, weil ein Pächter, der gute Ernten hat, keinen Pachterlai
zu verlangen braucht2); auch solle der Herr nicht zu starr auf seinem Rechl
bestehen und nicht zu peinlich an den Terminen der Zinszahlung festhalten
noch kleinlich sein im Eintreiben der Naturalleistungen3). Da die colonl
recht häufig nicht imstande waren, die Pachtsumme pünktlich und voll zil
bezahlen, so hatte der Gutsherr den colonus, der ihm ursprünglich nichi
rechtsunterworfen war, faktisch oft ganz in seiner Gewalt; der colonus war
wenn er verschuldet war, wie ein Sklave an das Gut gebunden, bis er seim
Schuld samt Zinsen und Zinzeszinsen dem Gutsherrn entrichtet hatte, uno
er blieb es, auch wenn der Gutsherr starb, dem Erben, wenn das Gut ver-
kauft wurde, dem neuen Eigentümer gegenüber4). Es ist daher begreiflich,
daß der colonus von Juristen häufig mit den Sklaven oder dem ebenfalls
unfreien vilicus oder actor auf eine Stufe gestellt wird5). Freilich war das
Material, aus dem sich die coloni rekrutierten, nicht gerade das beste6): sie
waren oft trag und liederlich, bauten das Land schlecht an, ruinierten durch
Vernachlässigung Wein- und Baumpflanzungen usw.7); daher bedurften sie
beständiger Aufsicht8). Da sie, wie erwähnt, vielfach in Schulden gerieten
und aus irgend welchem Grunde, wegen Mißwachs, Brandunglück, Raub u. dgl.,
Pachtnachlässe begehrten9), der Gutsherr aber, selbst wenn er sich durch
Exekution an ihrem mitgebrachten Inventar schadlos hielt, kaum zu seinen
Forderungen kam10), so waren im ganzen in Italien die Großgrundbesitzer
ebenso schlecht daran, wie ihre Pächter11). So ist es begreiflich, daß
') Küblee 583.
2) Colum. 17,1: comiter agat cum colonis
facilemque se praebeat. avarius opus exigat
quam pensiones, quoniam et minus id offendit
et tarnen in Universum magis prodest. nam ubi
sedulo colitur ager, plerumque compendium,
numquam (nisi si caeli maior vis aut praedonis
incessit) detrimentum affert, eoque remissionem
colonus petere non audet. Daß bei avarius
opus exigat quam pensiones nicht mit Webee
Agrargesch. 245 an Scharwerk der coloni, son-
dern an die gute Bestellung ihrer Parzellen
zu denken ist, setzt Gummebus 85 richtig aus-
einander. Nach dem Col. a. a. 0. 3 mitgeteilten
Ausspruch des L. Volusius wäre das Gut am
besten dran, das coloni indigenae habe.
3) Col. a. a. 0. 2: sed nee dominus in una-
quaque re, cum colonum obligaverit, tenax esse
iuris sui debet, sicut in diebus peeuniarum,
ut lignis et ceteris parvis accessionibus exigen-
dis, quarum cura maior em molestiam quam
impensam rusticis affert.
4) Küblee 587 f. Es werden auch Pfänder
und Bürgschaften für richtige Pachtzahlung
erwähnt, Digg. XIX 2, 13. 11; XX 1,21; ebd.
6, 14 u. s.; vgl. Seeck bei P.-W. 489.
5) Kübleb 584 A. 7.
6) Seeck a. a. 0. 487 f.
7) Mark 1111,9. Digg. XIX 2, 25, 3. Die
Sklaven ruinierten freilich, wenn der Herr
nicht aufpaßte, noch viel mehr. Colum. I 7, 6.
8) Plin. ep IX 37, 3. Seeck 488 zieht auch
Colum. XI 1, 14 hierher, wonach der vilicus
die Arbeit der Pächter zu beaufsichtigen hatte;
doch bemerkt Gummebus 84 wohl mit Recht,
daß hier coloni schlechthin rustici sind, wie
es Columella auch sonst oft gebraucht, s. die
Stellen ebd. 83 A. 2 und oben S. 542.
9) Plin. a. a. 0. 2. Colum. I 7, 2. Digg. XIX
2, 15, 3 u. 5. Nach Colum. a. a. 0. 4 sagte Sa-
serna: ab eiusmodi homine (nämlich einem
schlechten colonus) fere pro mercede litem red'
di. Und so sagt auch Pallad. I 6,6: domino
vel colono confini a possidenti qui fundum vM
agrum suum locat, damnis suis ac litibus studea
10) Vgl. Plin. ep. III 19, 6: sed haec felicn
tas terrae inbecillis eultoribus fatigatur. nam
possessor prior saepius vendidit pignora, A
dum reliqua colonorum minuit ad tempus, vires
in posterum exhausit, quarum defectione rur-
sus reliqua creverunt. Die reliqua colonorum
sind die restierenden Pachtgelder, die zum
regelmäßigen Zubehör jedes Grundstücks ge-
hörten, s. Seeck 489.
n) Ueber die Verhältnisse des Kolonats in
Afrika, Aegypten U.Griechenlands. Seeck 489ff.
Zweiter Abschnitt. Die Landwirtschaft.
545
ffolumella vom Verpachten, zumal an solche coloni, die mit Sklaven anstatt
11 eigener Person arbeiten, wenig hält und nur da coloni zu nehmen rät, wo
Ingesundes Klima oder schlechter Boden ist1), oder auf abgelegenen Gütern,
lie der Besitzer infolgedessen nicht leicht besuchen könne, besonders wenn
tretreidebau betrieben würde, bei dem die coloni weniger ruinieren könnten
Lls an Weinpflanzungen2).
Zu diesen coloni traten seit Marc Aurel als Landarbeiter die inquüw
lersönlich freie Leute, die aber an die Scholle, die sie für den Grundbesitzer
»(•Italien, gefesselt sind und mit ihr von einem Besitzer auf den anderen
Ibergehen, auch testamentarisch vermacht werden können4). Wir finden sie
licht bloß in den Provinzen, sondern auch in Italien5); von den coloni unter-
scheiden sie sich dadurch, daß diese Kleinpächter sind, die zu dem Grund-
herrn in einem jederzeit löslichen Vertragsverhältnis stehen, die inquilini
ledoch zwar nicht Sklaven, aber doch Eigentum des Grundherrn, an dessen
lirundstück gebunden, aber nur zur Leistung eines Pachtzinses verpflichtet6).
Nach Constantin wurde der Unterschied dieser beiden Pächterklassen zu
liinem rein historischen: die coloni wurden zu Hörigen, kein colonus hatte
Inehr das Recht, seine Pachtung zu verlassen7), und wenn es einer doch
lat, so konnte er wie ein flüchtiger Sklave verfolgt und, wenn man ihn
Bing, gefesselt und zur Arbeit gezwungen werden 8). So war also auch der
freie colonus an die Scholle gebunden und dem inquilinus gleichgestellt9).
JJnd so finden wir am Ausgang der alten Welt ein allgemeines Danieder-
liegen der Landwirtschaft, eine Verödung in Italien wie in den Provinzen10).
Wenn wir uns nunmehr dem römischen Gutsbetriebe zuwenden, so
jiaben wir dafür in erster Linie die landwirtschaftlichen Schriftsteller als
Duellen heranzuziehen. Dabei ist zu beachten, daß wir von Cato kein syste-
matisches Handbuch der Landwirtschaft, sondern nur eine ziemlich un-
geordnete Sammlung von Vorschriften und Ratschlägen für allerlei mit der
Landwirtschaft in Verbindung stehende Gegenstände besitzen, und ferner,
laß diese Vorschriften vielfach für ein in seiner geographischen Lage
') Col. a. a. 0. 3: ita certe mea fert opinio,
•t'»i malam esse frequentem locationem fundi:
Jpeiorem tarnen urbanum colonum, qui per
''iimilium mavult agrum quam per se colere.
[Ebd. 4: propter qnod operam dandam esse, ut
■t rusticos et eosdem assiduos colonos retine-
tmtis, cum aut nobismet ipsis non licuerit aut
■»'/■ dornest icos colere non expedier it: quod
tarnen non evenit, nisi in his regionibus, quae
yravitate caeli solique sterilitate vastantur.
2) Ebd. 6: in longinquis tarnen fundis, in
neos non est facilis excursus patrisfamil/a*.
Htm omne genus agri tolerabilius sit sub li-
'»■ris colonis, quam sub vilicis servis habere,
mm praeeipue frumentarium.
3) Seeck 494 ff. Der Name erscheint zu-
erst in einem Reskript der Kaiser Marcus und
Commodus (177—180), Digg.XXX 112. Seeck
führt die Entstehung der Einrichtung unter
Bezugnahme auf Tac. Germ. 25 auf germani-
sches Vorbild zurück und meint, daß es ur-
sprünglich im Lande angesiedelte Barbaren
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft. IV. 2,
gewesen seien. Diese Ansicht wird von Ed.
Meyer Kl. Sehr. 159 bekämpft, der seinerseits
die Meinung von Rostowzew (s. oben S. 542
A. 3), daß bei der Fesselung der Bauern an die
Scholle ägyptische Einrichtungen eingewirkt
hätten und auf das Römerreich übertragen
worden seien, glaublich findet.
4) Digg. a. a. 0.
5) Siehe die Belegstellen bei Seeck 496.
8) Vgl. Seeck in der Zeitschr. f. Social-
u. Wirtschaftsgesch. VI 360.
7) Cod. Theod. V 9, 1 ; vgl. ebd. 10.
8) Cod. Iust. XI 51, wo es bezeichnender-
weise von den coloni heißt: licet condicione
videantur ingenui, servi tarnen terrae ip
cui nati sunt, c.ristitnentur.
9) Inwiefern dies mit der Steuergesetz-
gebung Diokletians zusammenhängt, zeigt
Seeck bei P.-W. 487 f.; über Rechte und Zu-
stände des hörigen Colonats in der spätem
Zeit s. ebd. 502 ff.
10) Vgl. E. Meyer 153 f.
3. Aufl. 35
546 Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
ungefähr bestimmtes Gut in Mittelitalien berechnet sind, sich aber keinesweg
alle auf ein einziges bestimmtes Landgut beziehen, sowie daß er nur Güte
geringeren Umfangs im Auge hat1). Varro hingegen entnimmt die in seine
Schrift niedergelegten landwirtschaftlichen Kenntnisse teils den von ihr
benutzten Fachschriftstellern, teils eigenen oder fremden, ihm von Sach
verständigen überlieferten Erfahrungen; ein bestimmtes Gut hat er nich
im Auge, wohl aber wesentlich italische Verhältnisse. Dabei sind seine Dar
legungen auf größere Landgüter berechnet, als die Catos2). Columella ha
einerseits litterarische Quellen in großem Umfange herangezogen, andrer
seits reichlich eigene Erfahrungen und Beobachtungen benutzt, da er, wi<
seine Vorgänger, selbst praktischer Landwirt war; auch er berücksichtigt
obschon in Spanien geboren, wesentlich italische Gutsverhältnisse, wenn e:
schon daneben auch die provinziale Landwirtschaft in den Bereich seinei
Betrachtungen zieht. Er schreibt fast ausschließlich für Großgrundbesitzer3)
Vergil dichtete seine Georgica im Anschluß an die Vorgänger auf diesen
Gebiete, vor allem an C. Iulius Hyginus, teilweise wohl auch auf Grunc
eigener Beobachtungen besonders in Unteritalien; aber er will kein er-
schöpfendes Lehrbuch schreiben, sondern sittlich wirken und die durcl
Bürgerkriege verwilderte Nation zu den Arbeiten des Friedens zurück-
führen4). Am wenigsten Wert hat die Schrift des Palladius, der sich zwai
in der Fachlitteratur umgetan hat und als praktischer Landwirt auch aus
eigener Erfahrung zu sprechen weiß, aber lediglich für die Praxis schreibt
von wissenschaftlicher Darstellung absieht und statt dessen die ländlicher
Arbeiten, wie sie in der Reihenfolge der Monate zu verrichten sind, kurz
und bündig vorführt5).
Für die ökonomischen Prinzipien der Gutswirtschaft kommen nur die
drei erstgenannten Schriftsteller in Betracht. Trotz der zeitlichen Unter-
schiede sind sie bei allen dreien im wesentlichen die gleichen, und sicherlich
sind sie als aller römischen Landwirtschaft eigen zu betrachten. Der Haupt-
grundsatz ist dabei, daß das Landgut eine Kapitalanlage ist, die sich möglichsl
hoch rentieren soll; daher ist die vorhandene Bodenfläche auf die ergiebigst«
Weise, je nach der Natur des Bodens und der Lage des Gutes, auszunutzen6^
und möglichst viel vom Ertrage zu verkaufen, vor allem Wein und Öl 7), vom
Getreide die vorhandenen Überschüsse, da Korn im wesentlichen nur für die
eigene Gutsmannschaft gebaut wird8); dann Wolle, Häute, Holz usw.9)
Allgemeiner Grundsatz ist: möglichst viel verkaufen, möglichst wenig kaufen10)
*) Gummerus 15 ff. Auf die Streitfrage, j IV 1,170 ff.
ob die Schrift bloß eine Exzerptensammlung I 6) Cato 6 ff.
aus einer verlornen Schrift oder, so wie sie
vorliegt, eine unvollendete, nicht endgültig
redigierte Originalarbeit Catos ist, kann hier
nicht eingegangen werden.
2) Gummerus 50 ff.
3) Ebd. 73 ff.
4) Vgl. Teuffel Gesch. d. röm. Litter.5 489
und die dort A. 2 angeführte Litteratur über
die Quellen der Georgica; Schanz Gesch. d.
rom. Litter. II 30 ff., bes. 33 f. über die Quellen.
RiBBECK'Gesch. d. röm. Dichtung II 34 ff.
5) Teuffel a. a. 0. 1036 f. Schanz a. a. 0.
) Ebd. 2, 5 u. 7; 148; daher sind Kelter
und Oelpresseanlagen unerläßlich, Varro 113,1
ebd. 6 f.; III 2,9. Colum.16,9; ebd. 11 u. 18
8) Cato 2, 7. Varro I 69, 1.
9) Cato a.a.O.; 7,1; 9; 38,4; 138; ferne]
Fleisch, Col. VII 3 13; Käse VII 8, 1 u. 6 unc
vgl. oben S. 190 f.
10) Cato 2, 7 : patrem familias vendacem
non emacem esse oportet. Plin. XVIII 40 führ
als alten Grundsatz an : nequam agricolam ess<
quisquis enteret quod praestare ei fundus pos^
set; vgl. E. Meyer Kl. Sehr. 85.
Zweiter Abschnitt. Die Landwirtschaft. R | 7
letzteres gilt freilich besonders von den eigentlichen landwirtschaftlichen
Produkten, von gewerblichen Arbeiten nur in beschränktem Mafce, zumal
auf kleineren Gütern, wo die Arbeitskräfte dafür nicht vorhanden sind1)-
ilinJNähe der Stadt ist für ein Landgut immer nützlich, einerseits damit man
die ländlichen Produkte absetzen kann2), wozu freilich auch gute Stral
chj Verbindungen gehören, andrerseits um ohne Zeitverlust die nötigen Ein-
käufe in der Stadt besorgen zu können 3).
An der Spitze der ländlichen Arbeiten stand natürlich am besten der
Besitzer selbst, wenn er praktischer Landwirt war4). Wo indessen der Herr
kürzere oder längere Zeit abwesend war, da hatte der rilicus6) die Ober-
aufsicht über die landwirtschaftlichen Geschäfte6), der zwar selbst Sklave,
aber der Vorgesetzte über alle landwirtschaftlichen Arbeiter ist7). Das mufäte
daher ein Mann von gesetztem Alter sein, am besten zwischen dreißig und
er!) sechzig8), und in jeder Hinsicht erfahren und zuverlässig9); er legte dem
sei Herrn Rechenschaft ab über die geschehenen und die in Aussicht genommenen
nrof Arbeiten10), er schickte dem Eigentümer, wenn dieser in der Stadt weilte,
Geld vom Ertrag des Gutes11), und der Herr rechnete mit ihm über Ausgaben
und Einnahmen ab12); er beaufsichtigt das gesamte Gutswesen, schlichtet
Streitigkeiten unter den Sklaven, diktiert Strafen, hält auf Beobachtung der
Feiertage, bringt die gewöhnlichen Opfer dar u. dgl. m.13). Er trägt daher
seiM
y
1 n
1) Vgl. den nächsten Abschnitt.
2) Hierfür ist besonders die oben S. 533
angeführte Schrift von Wiskemann zu ver-
gleichen, in der gezeigt ist, wie die Kultur
ländlicher Produkte im Umkreis einer Stadt
sich nach der Entfernung und teils danach
regelt, was für Produkte keinen weiten Trans-
port vertragen, teils danach, bei welchen Pro-
dukten sich im Verhältnis zu ihrem Werte
ein weiter Transport nicht lohnt.
s) Cato 1, 3: 135 und bei Gell. X 26, 8.
Colum. I 3, 3.
4) Der Grundsatz „das Auge des Herrn
düngt den Acker" gilt auch den Alten, so
Plin. XVIII 43: majores fertilissimum in agro
oculitm domini esse dixerunt. Pallad. 16,1:
pracsentia domini provectus est agri. Geop.
II 1 : Öti jioXv tco dygöj dxpeXiftos ff tov de-
mjioxov Tiagovoia. Vgl. Phaedr. II 8.
5) Man muß den ländlichen vilicus vom
städtischen scheiden, der der Hausverwalter
eines Mietshauses ist, s. Mart. XII 32, 23. luv.
3, 194 f. Uebertr.vom Stadtpräfekten luv. 4, 77 ;
vgl. Cic. pro Plane. 25, 62. Lampr. AI. Sev. 15,3.
Ueber die in der Landwirtschaft verwendeten
Arbeiter handelt im allgemeinen Dickson Hus-
bandry of the anc. I 41 ff.
6) Nach Varro I 2, 14 hat der vilicus nur
mit dem Feldbau zu tun, der Viehzucht steht
der magister pecoris vor; vgl. II 2, 20. So unter-
scheidet auch Cic. pro Plane. 25, 62: sin autem
emimus, quem vilicum imponeremus, quem pe-
cori praeficeremus.
7) Auch die freien Arbeiter sind ihm unter-
geordnet, Cato 5, 4.
8) Colum. I 8, 3; XI 1. 3. Bei Varro 1 17,4
empfiehlt Cassius, daß die den Arbeitern, für
die 22 Jahre als Minimum gefordert werden,
vorgesetzten älter als jene seien.
9) Cato c. 5 (vgl. Plin. XVIII 36). Colum. I
8, 1 ff.; man bestimmte dazu möglichst jemand,
der von früh auf in ländlicher Beschäftigung
aufgewachsen und seit langer Zeit erprobt
! war, ebd. 2 und XI 1,7 u. 12. Cicero macht pro
, Plane, a. a. 0. frugalitas, labor und vigilantie
! zur Hauptforderung. Cassius bei Varro a. a. 0.
I verlangt außer der frugalitas, daß die Be-
treffenden litteris aliqua siiit humnuitate im-
buti, also etwas Bildung, dann aber vornehmlich
Erfahrung in der Landwirtschaft haben. Hin-
gegen meint Col.18,4, es schade nichts, wenn
der vilicus nicht schreiben könne, wenn er nur
ein gutes Gedächtnis habe; und er zitiert den
Ausspruch des Cornelius Celsus: eiusmodi rili-
cum saepius numos domino quam lihrum af-
ferre, quia nescius litte rar um vel ipse mintis
possit rationes confingere vel per aliutn pro-
pter conscientiam fraudis timeat. So setzt auch
Cic. de republ. V 3, 5 rilicus und dispensator
einander so gegenüber, daß der rilicus natu-
rmn agri novit, ditpentator Uttertu tcU. Von
den Eigenschaften eines guten rilicus handelt
auch Geop. II 44.
10) Cato 2, 1. Vgl. Sen. ep. 12, 1. Mart. III
68,9.
») Mart. VII 31.9.
12) Cato 2, 2. Wenn der Besitzer in der
Stadt lebte, so hatte der vilicus ihm den heraus-
gewirtschafteten Ertrag in bar einzuschicken,
s.Cic.Verr.11150. 119.
,s) Die Pflichten des rilicus setzt Cato
c. 5 auseinander, auch c. 142; vgl. Varro I 22,6 ;
35*
548
Dritte Abteilung. Die Berufs arten.
die Verantwortlichkeit für alles, was passiert; er hat dafür zu stehen, dal
kein Sklave mit Ausnahme der dazu berechtigten oder eigens damit bei
auftragten sich vom Gut entfernt, wie er selbst nur mit Erlaubnis des Herr:
es auf längere Zeit verlassen darf; daher hat auch seine Wohnung ein
solche Lage, daß er die Ein- und Ausgehenden beobachten kann1). Docl
wurden vielfach, schon seit Ausgang der Republik, die Befugnisse des #iZicw|
auf die eigentlichen landwirtschaftlichen Arbeiten beschränkt, während di«|
Geschäftsführung einem procurator übertragen wurde2). Dem vilicus zu:
Seite steht die vilica3), die mitunter seine ihm im contubernium verbunden«
Frau ist4); sie sollte nicht zu jung sein, kräftig und gesund, nicht zu häßlicl
und nicht zu hübsch5), nicht trunksüchtig, keine Näscherin, nicht aber-
gläubisch, nicht mannstoll usw.6). Sie hatte besonders das Hauswesen untei
sich, auf Reinlichkeit und Ordnung im Hause zu achten, sich um die Küche7)
die Fütterung des Kleinviehs, den Geflügelhof zu kümmern, das Einleger
der Gemüse und Früchte zu besorgen u. dgl. m.8); auch mußte sie etwas vor
der Krankenpflege verstehen, um kranken Sklaven beistehen zu können9).
Es begreift sich, daß bei größeren Landgütern mehrere vilici und vilicat
erforderlich waren10).
ebd. 36. Bei Columella handelt das ganze elfte
Buch von den Pflichten und Aufgaben des
vilicus, weshalb es auch den Spezialtitel Vili-
cus bekommen hatte, s. XII 18, 1. Auf den
Schaden, den ein nachlässiger oder diebischer
vilicus dem Besitzer brachte, weist Colum. I
7, 5 f. hin; vgl. ebd. 8, 6 ff. Von Interesse ist
auch der Brief des Horaz an seinen vilicus,
ep. I 14.
') Varr. I 16, 5 nach Saserna: nequis de
fundo exeat praeter vilicum etpromum et unum,
quem vilicus legat; si quis contra exierit, ne im-
pune abeät; si abierit, ut in vilicum animad-
vertatur. Varro schlägt dafür vor: ne quis
iniussu vilici exierit, neque vilicus iniussu do-
mini longius, quam ut eodem die rediret, ne-
que id crebrius, quam opus esset fundo. Col.
I 8, 7 zitiert Catos Wort c. 5, 2: vilicus ne sit
ambulator, und bemerkt selbst ebd. 6. der vili-
cus dürfe die Stadt und die Märkte nur be-
suchen, wenn er Einkäufe zu anachen habe.
2) Cic. de or. 1 58, 249 : si mandandum ali-
quid procuratori de agri cultura aut impe-
randum vilico est; vgl.adAttic.XIV 16, 1. Nach
Colum. I 6, 7 soll der procurator supra ia-
nuam wohnen, um den vilicus kontrollieren zu
können. Vgl. Plin. ep. III 19, 2. Digg. XX 1,
21 pr. ; XXI 1,1,1; ebd. 25, 3. Ueber den actor
auf dem Gute und seine Bedeutung s. oben
283 A 8
3) Cato 10, 1; 11, 1; vgl. oben S. 70 A. 6.
4) Notwendig war das nicht, vgl. Cato
143, 1 : si eam (sc. vilicam) tibi dederit domi-
nus uxorem, ea esto contentus. Cassius bei
Varro a.a.O. 5 rät: praefectos alacriores fa-
ciendum praemiis dandaque opera ut habeant
peculium et coniunctas conservas, e quibus ha-
beant filios; eo enim fiunt firmiores ac con-
iunctior es fundo; und Colum. XII 1,2: itaque
curandum est, ut nee vagum vilicum et aver-
sum a contubernio suo habeamus, nee rursus
intra teeta desidem et complexibus adiacentem
feminae. Aber verheiratet sollte der vilicus
sein, ebd. 18, 5: qualicunque vilico contuber-
nalis mulier assignanda est, quae contineat
eum et in quibusdam rebus tarnen adiuvet.
5) Colum. XII 1,1. Immerhin sagt Mart.
IV 67. 11 : vilica vel duri compressa est nupta
coloni, | incaluit quotiens saucia vena mero.
Vgl.Catull.61,136: sordebant tibi vilicae, con-
cubine, hodie atque heri.
6) Col. XII 1,3.
7) Mart.1 55,11; XII 18,21.
8) Cato 143. Colum. a.a.O. 4 ff. Mart. III
58, 20. Daß ihr auch der Zier- und Gemüse-
garten unterstellt war, zeigt Mart. IX 60, 3 ;
X48,7. luv. 11,69.
9) Colum. a.a.O. 6.
10) Cato hat einen vilicus und eine vilica
für die Oelplantage und ebenso für die Wein-
pflanzung, c. 10 f. Varro I 18, 3 findet die Be-
stimmung nicht ausreichend: neque enim si
minus CCXL iugera oliveti colas, non posxis
minus uno vilico habere, nee si bis tanto am-
pliorem fundum. aut eo plus colas, ideo duo
vilici aut tres habendi fere. Das Landgut des
G. Atilius Regulus, das nur 7 Joch groß war,
hatte nur einen vilicus, Frontin. strat. IV 4, 3;
als dieser in Abwesenheit des Besitzers starb,
brannte ein mercennarius (der vermutlich seine
Geschäfte übernommen hatte, vgl. Sen. dial. XII
12, 5) mit dem ganzen instrumentum rusticut»
durch, Val. Max. IV 4, 6. Von singuli vilici bei
Gütern von Provinzgröße spricht Sen. dial. III
21, 2. Auch die Gärten hatten besondere vi-
lici, s. luv. 3, 228 und oben S. 70 A. 6. Daß
es subvilici gab, zeigen die Inschriften, siehe
ebd.
Zweiter Abschnitt. Die Landwirtschaft. 549
4
Die Hauptarbeit wurde auf den größeren Landgütern durch Sklav.n
1 richtet. Bei Cato sind die die Sklaven betreffenden Zahlenangaben1)
äußerst niedrig, was wohl daher kommt, daß er überhaupt nur ein Gut von
(Mittelgröße im Auge hat und nur das Minimum von Arbeitskräften, womit
] man auskommen konnte, angeben will. Varro geht auf die Zahl der zu den
JGrutsgeschäften erforderlichen Sklaven nicht näher ein, weil es ihm vermutlich
an eigener Erfahrung in dieser Hinsicht fehlte2), während Columella bei
. seinen den Großgrundbesitz berücksichtigenden Angaben3) eine sehr große
iZahl von Sklaven annimmt, die in Dekurien von je zehn Arbeitern, mit
monitores und magistri an der Spitze, eingeteilt sind4); die ganze ländliche
J Arbeit ist bei ihm vornehmlich auf Sklaven berechnet6). Was die weiblichen
Sklaven anlangt, so kommen bei Cato außer der vilica keine vor; auch wird
bei den Pflichten der vilica das Spinnen und Weben, das doch sonst Sache
der Mägde ist, nicht erwähnt. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß diese
weiblichen Arbeiten, wie sie in der Stadt zu den Aufgaben der Hausfrau und
ihrer Mägde gehörten6), so auch unter den ländlichen Beschäftigungen ver-
treten waren, zumal ja Cato auch Webstühle unter den für das Landgut
notwendigen Geräten nennt7); vielleicht ist es nur ein Versehen oder hängt
mit der nicht erfolgten Schlußredaktion der Schrift zusammen, daß diese
Arbeiterinnen bei ihm vermißt werden 8). Freilich wurde schon damals bei
weitem nicht der ganze Bedarf des Hausstandes an Kleidern durch Haus-
arbeit hergestellt, sondern das meiste in der Stadt fertig gekauft9). Auch
Varro sagt nichts von den Sklavinnen, hingegen treffen wir bei Columella
solche in größerer Zahl an, da von ihm als allgemein üblich angenommen
wird, daß die Sklaven Weib und Kind haben10). Bei gutem Wetter arbeiten die
Sklavinnen, soweit sie nicht im Haushalt beschäftigt sind, mit den Männern
auf dem Felde, bei schlechtem werden sie im Hause mit Krempeln, Spinnen
und Weben beschäftigt11). Man schließt daraus wohl mit Recht, daß nicht
alle für die große Sklavenfamilie notwendigen Kleider im Hause angefertigt
wurden, sondern die meisten, was auch ausdrücklich erwähnt wird, auswärts
gekauft wurden12).
Die Behandlung der Sklaven war auf dem Lande besonders streng,
weshalb es für die Stadtsklaven als Strafe galt, wenn sie in die familia
rustica, die schon der schweren Arbeit wegen viel schlechter daran war, ver-
setzt wurden13). Außerdem war Fesselung gerade hier sehr gewöhnlich, zu-
mal die in den Weinbergen tätigen Sklaven arbeiteten in Fesseln14); überhaupt
!) Besonders Cap. 10 u. 11; vgl. Gumme- Maßregeln hervor, die er bei der Familienbe-
rus 24. gründung von Sklaven befolgte, s. o. S. 287 A. 2.
2) Gummerus 61. 9) Cato 135,1; weiteres s. im nächsten
3) Ebd. 78. Abschnitt.
4) Colum.I8.ll u. 17; 9,1 u.7;XIl,27. 10) Colum. I 8, 19.
) Gummerus 80 f. n) Ebd. XII 3,6, mit der Bemerkung: ;u/i//
) Siehe oben S. 255. 1 enim nocebit, si sibi atqtie actoribm et altis
in honore sercirfis vttU» dornt confcrta fuerit,
quo milUM patrisfamilias rationcs oncrentur.
li) Ebd. I 8, 9; XI 1, 21; vgl. Gummerus
89 ff. und unten im nächsten Abschnitt.
ls) Siehe oben S. 290.
u) Als compediti, Cato 56 f. Colum. 19,4:
vineta plnrimum per allegatos errohoitur.
7) Cap. 10, 5; 14, 2
8) Gummerus 36 will es darauf zurück-
führen, daß die Sklavinnen nicht zur familia
rustica, sondern zur familia urbana gerechnet
wurden; aber letztere wurde doch auf dem Lande
nicht beschäftigt. Daß auch im Betrieb Catos
Sklavinnen vorauszusetzen sind, geht aus den
550
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
aber pflegte man die außerhalb des Hauses in den Feldern beschäftigte
Sklaven, damit sie nicht entwichen, zu fesseln1), und dies System ist bei
sonders für die Latifundien charakteristisch2). Sklaven, die sich irgen
etwas hatten zuschulden kommen lassen oder die besonders unzuverlässig
waren, mußten gefesselt in einem besonderen, unterirdisch belegenen -1
Arbeitsraum, dem ergashdum, schwere Arbeiten verrichten4). Was sie dor
für Arbeit vornahmen, wird freilich nicht berichtet5), daß aber solche mi
der Strafe verbunden war, geht aus dem Worte selbst hervor. Ein Sklave
der ergastularius, hatte über die im ergastulum Gefesselten die Oberaufsicht'5)
Allein bloß mit den Sklaven war die Bewirtschaftung eines größere]
Landgutes nicht möglich, da manche landwirtschaftliche Arbeiten eine größer«
Zahl von Arbeitern erforderten, als für die regelmäßigen Arbeiten not
wendig war. In solchen Fällen kam es vor, daß der Gutsherr fremde Sklavei
sich lieh oder mietete7); auch pflegten sich die Nachbarn durch Arbeits-
kräfte gegenseitig auszuhelfen8). Aber das konnte nicht genügen, war aucl
namentlich bei Erntezeiten und wenn sonst der Gutsbetrieb überall sein*
gesamten Arbeitskräfte brauchte, nicht möglich; daher finden wir schon be
Cato Lohnarbeiter, wie sie das ganze römische Altertum hindurch in dei
Landwirtschaft wie im Handwerk üblich waren9), operarii oder mercennarii10).
freie Arbeiter11), entweder Kleinbauern oder Pächter, die sich auf diese Weise
einen Nebenverdienst schufen12), oder wohl auch Arme, die eben nur ihre
Arbeitskraft besaßen und sich damit ihren Lebensunterhalt erwarben13).
Diese Leute mietete der vilicus, der auch den Lohn und die Dauer des
*) Diese vincti oder compediti werden
öfters erwähnt, vgl. Plaut. Most. 19 : genus fer-
ratile. Ov. tr. 1 V 1,5: vinctus compede fossor ;
ex P. I 6, 31. luv. 11, 80. Es gehörte zu den
Pflichten der vilici, ut explorent, an (manci-
pia) diligenter vincta sint, Colum. I 8, 16.
2) Colum. 13, 12. Sen. de benef.VII 10,5:
vasta spatia terrarum cölenda per vinctos. Plin.
XVIII 21; er bemerkt aber selbst ebd. 31 : coli
rura ab ergastulis pessumum est, ut quidquid
agitur a desperantibus. Dagegen bemerkt der
jüngere Plin. ep. III 19, 7, daß in seiner Hei-
mat Comum es nicht üblich war, vincti zu
verwenden.
3) Siehe oben S. 75.
4) Cic. pro Cluent. 7, 21; pro Rab. 7, 20;
ad fam. XI 13, 2. Liv. II 23, 6; VII 4, 4. Colum.
18,16; XI 1,22.
5) Webek Agrargeschichte 240 ist der An-
sicht, daß sie Handwerksarbeit verrichteten.
Allein Gummerus 91 (vgl. ebd. 10) bemerkt mit
Recht, daß die landwirtschaftlichen Schrift-
steller nichts von gewerblicher Arbeit in den
ergastula erwähnen und daß Plin. XVI II 21
u. 36 die ergastula ausdrücklich mit den Acker-
bestellungen in Zusammenhang setzt. Das
hängt aber damit zusammen, daß das Wort
ergastulum auch die Gesamtheit der gefes-
selten Sklaven bedeuten kann, s. luv. 14, 24:
inscripta ergastula. Apul. apol. 47.
6) Siehe oben S.292 A.2. Grabschrift eines
solchen CIL X 8173. Nach Amm. XIV 11, 33
war Eunus, Anführer im Sklavenkriege, ein
ergastularius, doch meint Mau bei P.-W.V 431,
es sei hier wohl eher ein Sklave aus dem er-
gastulum zu verstehen.
7) Cato 4: si te libenter vicinitas videbit,
facilius tua vendes, operas facilius locabis,
operarios facilius conduces.
8) Ebd.: «» aedificabis, operis, iumentis,
materie adiuvabunt (vicini); 5, 3: duas aut tres
familias habeat {vilicus), unde utendo roget et
quibus det.
9) Vgl. die oben erzählte Anekdote vom
mercennarius des Atilius Regulus; ferner
Sen. de benef. 11122,1.
10) Cato 1, 3; 4; 5, 4. Doch kann bei Cato
operarius auch Sklavenarbeiter bedeuten, so
c. 10 u. 11; auch die leguli und factores, die
bei der Olivenernte und der Oelbereitung zu-
gezogen werden c. 146, 3, sind solche freie
Tagelöhner, vgl. 145, 1. Gummerus 25 f. Vgl.
über die freien Landarbeiter überhaupt Weber
Agrargeschichte 236 ff.
1 J) Seeck Unterg. d. ant. Welt 1559 glaubt,
daß die operarii bei Cato zwar nicht aus-
schließlich, aber doch vorzugsweise gemietete
fremde Sklaven seien; aber s. dagegen die
Bemerkungen von Gummerus a. a. O.
12) Das nimmt Gummerus 26 an.
,s) Im Ed. Diocl. handelt Abschn.7 de »<)■>■-
cedibus operariorum, und davon ist der erste
Posten der Tagelohn des operarius rusticus
(25 Denare).
rgen
ilave
Zweiter Abschnitt. Die Landwirtschaft. ;,;, |
Engagements mit ihnen verabredete1). Auf diese Weise wurden alle größeren,
>thf|nicht regelmäßig andauernden Arbeiten verrichtet, wie Ernte, Weinlese,
Neubauten usw.; wer nicht genügend Sklaven hatte, muüte sich auch für
den Hirtendienst, zum Viehtreiben, Pferdewartung u. dgl. besondere Leute
im Taglohn mieten 2). Es kam aber auch vor, daß manche Arbeiten, wenn
sie mit den eigenen und mit Hilfskräften aus irgendeinem Grunde nicht zu
bewirken waren, einem Unternehmer (redemptor) verdingt wurden3). So
nahm ein solcher die Olivenernte in Akkord, indem er die nötige Zahl von
Arbeitern entweder selbst stellte oder auf seine Kosten vom Eigentum« ir
mieten ließ; letzterer gab nur accessiones, d.h. ein gewisses Maß von Natu-
ralien (eingesalzene Oliven, Öl, Essig). Die Arbeit überwachte entweder der
Besitzer selbst oder ein von ihm dazu bestimmter cnstos*). Ahnlich war
der Kontrakt, wenn der Unternehmer die Bereitung des Öles übernahm6);
auch für die Weinlese und für die Heuernte wurden meist fremde Kräfte
zugezogen6). Daneben war es aber auch üblich, die Früchte auf dem Stamm
zu verkaufen, besonders Oliven und Trauben, wobei der Käufer für die Be-
zahlung der Kaufsumme eine Frist von zehn Monaten (vom 1. November ab)
hatte und bloß die Kosten der Ernte und der Ölbereitung an den nächsten
Iden zahlen mußte, gleichviel ob er oder der Verkäufer diese Arbeiten durch
gemietete Leute verrichten ließ. Zahlte der Käufer den von ihm gemieteten
Arbeitern den Lohn nicht, so hatte der Eigentümer das Recht, dies zu tun
und den Käufer dafür zu belasten7). In ähnlicher Weise wurde der Ertrag
einer Schafherde, also Wolle, Milch, Käse, neugeborene Lämmer, für die
Zeit eines Jahres an einen conductor verkauft; die Wolle und die Lämmer
hatte dieser innerhalb zehn Monaten zu verkaufen, während deren die Herde
von den Hirten des Besitzers gehütet wurde; in den zwei letzten Monaten des
Kontraktjahres, April und Mai, hatte er seine eigenen Hirten anzustellen8).
Unter den ländlichen freien Arbeitern findet sich bei Cato eine Klasse,
die die Bezeichnung jmlitor führt9). Es ist nicht bestimmt auszumachen,
') Cat. 5, 4: operarium, mercennarium, I gaben über den (mit Beköstigung verbundenen)
politorem diutius eundem ne habeat die. Die j Taglohn des camdariits, asinariits, burdona-
Deutung der Worte ist freilich nicht ganz ; rius (Mauleseltreiber), den pastor und den
klar und wird verschieden gegeben. Gesner mulio (Maultiertreiber oder Kutscher), s.Blüm-
zu Cato erklärte: diutius ne habeat die dicta, neb z. Ed. Diocl. 109.
ne studio opus trahant atqite ducant merce- i s) Cato 2, 6 vom viHcut: qua* Optra fitri
iKirii: dagegen Keil zu Cato p. 19: hoc prae- velitetquae locari velit, utiimpsrtt et M scripta
<ipit 'in-, ne rilicus operarium vel mercennarium relinquat. Ebd. 4.
vel politorem eundem plus uno die mercede con- 4) Cato 144; vgl. Gümmekus 28 f.
da et um habeat, i.e. ne eidem homini in longius 6) Cato 145.
temporisspatium mercedem promittat ;daß also j 6) Varro I 17, 2: mercmnarii*, cid» •,„,-
der rilints für jeden Tag kündigen könne, | ducticiis liberorum operü rta minores, at ri„-
nicht aber solle. Seeck a. a. 0. faßt es wört- . demiae ac faenisicia, admitiistrant. Cato er-
lich, kein Tagelöhner solle länger als einen Tag | wähnt die Verdingung der Weinlese (lieht;
beschäftigt sein ; aber das ist schwer denkbar, j Gümmekus 31 vermutet, daß diese Art. die
da ein beständiger Wechsel der Arbeiter doch \ Weinernte zu besorgen, auf seiner Musterfarm
sehr unvorteilhaft wäre. Waaser Die colonia nicht zur Anwendung kam.
partiaria (Berlin 1885) 73 und Gummerüs 27 ! ') Cato 146 f. mit Keil p. 157; vgl. BeKKEK
nehmen den Sinn an, den Gesner hineinlegt; Zeitschr. f. Rechtsgeschichte III (1864) 416 ff.
aber das bezeichnende dicta wäre da doch Gummerüs 31.
nicht zu entbehren. Die Stelle ist wohl ver- 8) Cato 150; über die Gründe dieses Pacht-
dorben. Vertrages s. Gummerüs 31.
2) So enthält das Ed. Diocl. 7, 17 ff. An- 9) Cat. 5, 4.
552 Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
was für eine Art von Arbeit unter dem auch anderweitig erwähnten polire
zu verstehen ist; am verbreitetsten ist die Ansicht, daß polire allgemein d£
Kultivieren oder Bestellen der Acker bedeutet2), sodaß also dem politor\\
die Sorge um die Ackerbestellung zwischen Saat und Ernte oblag4). Vo
anderer Seite hielt man die politio für eine Art höherer landwirtschaftliche!
Arbeit, die politores für Kulturtechniker, während die neueste Meinung dari|
diejenigen Arbeiter sieht, die die Brachearbeiten, sei es für Neuland, sei ei
bei regelmäßiger Brache (siehe unten), besorgten und eigens gemietet werde j
mußten, weil die Sklaven dafür nicht ausreichten resp. anders beschäftigt weij
den mußten5). Mitunter wurde diesen freien Arbeitern die ganze politio in Ver
ding gegeben, indem der politor einen je nach der Fruchtbarkeit des Bodens unn
der Art der Vermessung wechselnden Anteil des geernteten Getreides erhielt6"
Auch in der Landwirtschaft Varros spielen die freien Arbeiter, bei ihn
mercennarü genannt, eine Rolle, werden aber nur flüchtig erwähnt als Hilfs
kräfte bei Heuernte und Weinlese7); außerdem wird bemerkt, daß man un
gesunde Gegenden besser von Lohnarbeitern als von Sklaven bebauen lasse
und auch in gesunden Gegenden seien größere Arbeiten, wie namentlich da;
Einbringen der Frucht, besser jenen zu übertragen8). Daneben nennt Varn
noch eine Kategorie von Arbeitern, die obaerarii9). Es ist nicht sicher, was
darunter zu verstehen ist; sie werden von manchen für eine Art der ober
besprochenen coloni gehalten10), wahrscheinlicher ist aber, daß es nicht Land-
arbeiter von Beruf waren, die auf irgend welche Art dem Eigentümer schuld-
pflichtig waren, sondern überhaupt Schuldner (die addicti des älteren römischen
Rechts)11), die ihre Schuld durch Zwangsarbeit bei dem Gläubiger abtrugen,
und zwar vornehmlich durch Feldarbeit12).
*) Siehe Arthur Geiss Die politio in der rö- demiae auf mesais ; vgl. ebd. 3 die Vorschriften
misch. Landwirtschaft, Diss. Freib. i. Br. 1910. des Cassius über Alter und Beschaffenheit dei
'-) Ennius b. Non. 66, 21 : lati campi, quos Lohnarbeiter. Nach Varro bei Non. 8, 1 wurde
gerit Africa politos ; Varro ebd. Z. 25. Cato 136. auch die saritio, das Behacken der Saatfelder
Varro r. r. III 2, 5. Nonius erklärt a. a. 0. Z. 18 : durch Taglöhner ausgeführt.
politiones, agrorum cultus diligentes : ut polita I 9) A.a.O. 2: iique quos obaerarii nostri
omnia dicimus exculta et ad nitorem deducta. \ vocitarunt^utetiamnuncinAsia atqueAegyptc
3) Das Wort kommt auch Digg. XVII 2, j et in Illyrico conplures (so Keil mit den bessere
52, 2 vor: ei agrum politori damus in com- Hss.; sonst las man obaeratos).
mime quaerendis fructibus. 10) So Fustel de Coülanges Le colonal
4) So Keil zu Cato p. 140; vgl.GuMMERUS Romain 17. Schulten in der Histor. Zeitschr
26 und 32, wo betont wird, daß polire nicht | LXXVIII (1897) 7 betrachtet sie als Voiläufei
eine besonders feine Herrichtung des Ackers j der coloni, also als Kleinpächter, die weger
sei, sondern nur Kunstausdruck für perficere, I Pachtrückständen im Schuldverhältnis zum
fertig machen, agrum polire also die ganze | Eigentümer standen und solange für dieser
Arbeit, die nach der Pflugbestellung bis zum ' das Feld zu bestellen hatten, bis sie ihre
Einbringen der Ernte notwendig ist. So auch j Schuld abgezahlt hatten.
Voigt Rom. Privataltert. 369. Ueber die bis- n) Quint. decl. 311: quid enim lex diciti
herigen Ansichten über die politio, namentlich | addictus donec solverit serviat, ut opinor, non
auch bei den Juristen u. Nationalökonomen (Ru- ! servus sit. Vgl. Leist bei P.-W. I 352, und übei
dorff, Pernice. Crome, Waaser) s. Geiss S. 14 ff. | die Schuldknechtschaft überhaupt M. Voigi
5) Jenes ist die Ansicht von Pernice, Cro- BSGW 1882, 76 ff. (über die zu Landwirtschaft
me, Waaser, letzteres die von Geiss a.a.O. 32 ff. I liehen Arbeiten verwendeten addicti S. 92).
5) Cato 136. Digg. a.a.O.; vgl. Gummerus 32. j 12) Die coloni zahlten ihre Pachtschulc
7) Varro I 17, 2.
8)Ebd.: de quibus universis hoc dico,
g racia locautilius esse mercennariis colere quam
servis, et in salubribus quoque locis opera rusti-
ca maiora, ut sunt in condendis fructibus vin~
nicht durch Arbeit, sondern sie hafteten mil
ihrem Pfandobjekt und mußten weiter arbeiten
bis sie ihre Schuld bar bezahlt hatten, wäh
rend die obaerarii eben durch ihre Arbeil
zahlen. So Voigt a. a. 0. 92. Gummerus 63.
k
Zweiter Abschnitt. Die Landwirtschaft.
553
Bei Columella wird alle Arbeit von Sklaven verrichtet1); allein wenn
er auch freie Taglöhner nicht ausdrücklich nennt, so ist doch an einigen
Stellen davon die Rede, daß Arbeiten, die große Eile erforderten, mit ge-
mieteten Hilfskräften zu verrichten seien2), oder wenn gerade für eine Arbeit
billige Kräfte zu haben sind3). Ebenso kommt die Verdingung größerer Arbeiten
bei Columella vor4). Von Verkauf auf dem Stock ist bei ihm nichts zu finden,
vielmehr wird das fertige Produkt aus der Öl- und Weinkelter verkauft5);
daß aber sonst Verkauf vom Stock in der Kaiserzeit durchaus üblich war,
geht aus anderen Quellen hinlänglich hervor6).
Wenn wir nun dazu übergehen, die einzelnen Zweige der Landwirtschaft
>iö(| in der Art ihrer Ausführung zu betrachten, so müssen wir uns dabei freilich
auf das Wichtigste beschränken. Wir handeln zunächst vom Ackerbau7).
Wir haben oben gesehen, daß der Feldbau in der Frühzeit Roms ebenso ein
Hauptteil der Landwirtschaft war, wie die Viehzucht8), daß er aber mit der
Zeit immer mehr hinter die Viehzucht zurücktrat, weil er zu wenig lohnte,
indem das in Italien erzeugte Korn nicht mehr mit dem billigen, durch
Sklavenarbeit produzierten Getreide Siziliens und Afrikas konkurrieren konnte.
Unter diesen Umständen begreift man einen von Plinius überlieferten, von
ihm bereits den Vorfahren zugeschriebenen, seltsam scheinenden Ausspruch:
nichts bringe weniger Nutzen, als den Acker aufs allerbeste zu bestellen9).
Ein anderer, öfters hervorgehobener Grundsatz: es ist besser, weniger säen
und besser pflügen10), geht weniger auf die Behandlung des Ackers, als sein
sei ei
'•'■'iei
*) Operarms bedeutet bei ihm den Ar-
beiter überhaupt, XI 2, 40; ob auch XI 1,4,
ebd. 16 u. 25, wie Gümmerüs 81 A. 4 meint,
scheint mir nicht gewiß, da der vilicus jeden-
falls auch die freien operarii zu beaufsich-
tigen hatte, nicht bloß die Sklaven.
2) Bei der Weinlese, wenn die Wein-
berge mit einer einzigen, zur selben Zeit
reifenden Traubensorte bepflanzt sind; dann
eogit (tempestivus fructus) plures operas quanto-
eunque pretio conducere, Col. III 21,10.
3) So beim Roden steinigen Bodens, Col. II
2,12: quod tarnen ita faciendum erit, sisua-
debit operarum vilitas.
4) III 13, 12 wird die pastinatio, das Be-
hacken des Weinbergs, einem conductor über-
lassen. Gummerus 81 f. nimmt an, daß auch
unter den faotisicae II 17 (18), 5, messores ebd.
12 (13), 1 und vindemiatores III 21, 6; IV 17,8
o. s., auswärtige Hilfsarbeiter inbegriffen seien.
b) I 6,9; XII 52, 14.
6) Plin. XIV 50. Digg. XVIII 1, 39, 1. Plin.
ep. VIII 2, 1 zeigt, daß es oft im Lizitations-
verfahren geschah (certatim negotiatoribus
wmentibus).
7) Vgl. außer den oben S. 533 angeführten
Werken über Landwirtschaft überhaupt Ma-
gerstedt Bilder a. d. röm. Landwirtsch. 5. Heft :
Der Feld-, Garten- und Wiesenbau der Römer,
Sondershausen 1862. Hagelüken Brevis histo-
ria agriculturae Romanae. Münstereifel (Bonn)
1864. H. Beheim-Schwarzbach Beitrag zur
Kenntnis des Ackerbaus bei den Römern.
Cassel 1867. G. Bertagnolli Delle origini dell"
agricultura in Italia. Firenze 1881. Orth Der
Feldbau der Römer, in Dietrichs Mitteil, aus
d. histor. Litteratur 1901. I 3.
8) Den Segen, den der Ackerbau für die
menschliche Kultur gebracht hat, preisen auch
die späteren Dichter, vgl. Verg. Geo. I 121 ff.
Tib. I 7, 29 ff. Ov. fast. 1 675 ff.
9) Plin. XVIII 36: temerarittm videatur
HiKim vocem antiqnionon potHJ&M, et furtas-
sis incredibile, ut penitits existimefur, nitiil
minus expedire, quam acjnim OpUnu COhrt.
Das erklärt er ebd. 38 etwas präziser: heue
colere necessarium est, optime damnosum, prae-
terquam subole, WO co/ono aut pascem/it <tli<>-
qui colente. Also nur, wenn der Bauer mit
seinen Kindern selbst mitarbeitet, lohnt sich
sorgfältigste Pflege, und das ist nur bei
kleinen Gütern möglich. Daher die ebd. 41 ff.
erzählte Anekdote von dem Freigelassenen
C. Furius Cresimus, dessen jmtvm ndmodum
agettus viel reicheren Ertrag brachte, als die
großen Güter seiner Nachbarn, und der, an-
geklagt, daß er die Felder der Nachbarn ver-
hext habe, vor das Gericht omni- tmttrumm
t kiii nisficum, seine familin vaüda n/qm
curata ac rcstita mitbrachte, die ferramnitu
egregie facta, gravea Ugpnm, vomtrm p<>n</,-
rosi, boves saturi, und erklärte: das seien sein»«
reneficia; nicht zeigen aber könne er seine
lucubrationes ligfliacque et uktoret.
10) Plin. a. a. 0. "•">: tatüu et* minus >,-
rare et nirtins m-are.
554 Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
Sinn sich gegen den Erwerb zu großen Landbesitzes richtet, vor dem d:
Landwirte immer warnen1).
Die zur Bestellung des Bodens notwendigen Arbeitskräfte und Hilft
mittel teilt Varro (wie manche annehmen, etwas humoristisch) in drei Arter
1. das instrumentum vocale. d. h. die bei der Arbeit beschäftigten Menschei
Sklaven oder Freie; 2. das instrumentum semivocale, d. h. die dafür notwendige
Zug- und Lasttiere; 3. das instrumentum mutum, d. h. die Feldgeräte, Wage
und das sonstige tote Inventar2). Von der ersten Klasse ist oben gehandell
worden; von den beiden anderen wird weiter unten zu sprechen sein. Zul
nächst wenden wir uns der Bodenkultur zu.
Eines der ersten Erfordernisse für den Landwirt, der seinen Boden —
Acker oder Wiesen, Obstanlagen, Weinpflanzungen, Gärten usw. — bestelle)
will, ist eine genaue Kenntnis der Beschaffenheit des ihm zu Gebote stehendei
Bodens nach Lage und natürlicher Güte, nach seinem Verhältnis zu Feuchtig
keit und Wärme, nach seinen Bestandteilen und Merkmalen, nach Ober- un<
Untergrund, nach seinem Verhalten zum Klima3). Fehlerhaften Boden zi
verbessern und für die beabsichtigte Art der Bepflanzung geeigneter zil
machen, hatte man verschiedene Methoden, von denen die folgenden dit
wichtigsten sind4). Wenn Ackerland entweder zu stark bindend oder zi
locker, zu fett oder zu mager war, so konnte durch Zuführung andersartige]
Erde und Mischung eine brauchbare Ackerkrume erzeugt werden5). Wai
der Boden zu trocken, sei es durch seine natürliche Beschaffenheit, sei es
wegen seiner zu stark den Winden oder der Sonne ausgesetzten Lage, sc
half man durch Aufbrechen der oberen harten Rinde (repastinatio) oder durch
Tieferpflügen nach6), wirksamer aber durch Bewässerungsanlagen, rigationes1)
oder inrigationess), die namentlich bei Wiesen zur Anwendung kamen9): auch
die Gärten wurden, abgesehen vom Begießen, durch Kanäle bewässert10). Zu
diesen Bewässerungsanlagen, rigui, rigua genannt11) oder rivili), benutzte man
Röhren aus Blei, Ton oder Holz13), die je nach Bedarf geöffnet oder ge-
schlossen wurden14). Zu nasse Grundstücke wurden drainiert15), indem man
1) Was Verg. Geo. II 412 in die Worte j Varro I 31,5; 37,5. Cic. nat. deor.1160, 152:
faßt: laudato ingentia rura, exiguum colito. \ nos aquarum inductionibus terris fecundita-
Vgl. Colum. I 3, 8; Mago ebd. 1, 18. \ tem damus; de off. II 4, 14; Cat. mai. a. a. 0.
2) Varro I 17,1; alles zusammen (aus- Vgl. Verg. Geo. I 104 ff., wo die Herleitung des
genommen die Freien) bildet das instrumen- ' Wassers von Flüssen und Bächen hervoi-
tum rusticum, Phaedr. IV 5, 24, das in den
Digesten öfters vorkommt, vgl. besonders
XXX11I 7.
3) Ueber diese Bodenkunde, auf die hier
nicht näher eingegangen werden kann, ist
DicksonI 136 ff. und Magerstedt a.a.O. 69 ff.
zu vergleichen.
gehoben wird.
9) Prata inrigua, Varro a. a. 0.; ebd. 33.
Colum. II 16 (17). 3.
10) Calp. ecl. 2, 35: iam potes irrigiw* nu-
trire canalibus hortos. Tib. II 1, 44: tarn bibit
irriguas f erUlis horttts aquas. Dagegen geht
Verg. Geo. IV 115 inrigare auf Begießen.
4) Vgl. Magerstedt 93 ff. Beaurredon | n) Plin. IX 175; XVII 246; 249 f.
46 ff. «) Digg. VIII 4, 11 pr. 1; vgl. Verg. Geo. I
5) Plin. XV1I25. Colum. II 2,2; 15(16),4. 269.
6) Cic. Cat. mai. 15,53: quid ego inriga- 13) Pall. IX 11, 1.
tiones, quid fossiones agri repastinationesque 14) Daher der bekannte Vers des Vergil
proferam, quibm fit multo terra fecundior? i ecl. 3, 111: claudite iam rivosfpueri, tat prata
Colum. II 2, 13 u. 23. Plut. Aem. Paul. 14. ! biberunt; vgl. das. Servius.
7) Colum. XI 3,48. Pall. III 25, 14. 16) Ueber die Drainage bei den Römern
8) Cato 151,4: si quando non pluet, uti siehe Dickson I 358 ff. Magerstedt a. a. 0.
terra stHat, aquam inrigato leniter in areas. 99 ff.
Zweiter Abschnitt. Die Landwirtschaft.
555
Hilli
Arten
diel
idiga
%ei
indd
Zd
eil-
^Abzugsgräben zog, die Gefälle hatten1) und von Zeit zu Zeit, damit lie
nicht verschlammten, frisch ausgeworfen werden muteten2). Es gab ver-
schiedene Arten dieser fossae. In gebirgigen Gegenden genügten gewöhnliche
fossae inciles oder Incilia, die im Herbst erst bei Beginn der Regenzeit von
den Sklaven mit Hacke und Grabscheit geöffnet wurden, daß das Wasser
zufließen konnte3); in Ebenen dagegen sind sulci aquarii oder perpäui, auch
t'lins genannt, anzulegen4), die mehr Abzugsfurchen für den Ablauf des
Gegenwassers sind, das in Sammelbecken, colliciae (coüiquiae), geleitet wird,
von denen es dann weiter außerhalb der Felder abfließt6). Das geschah
durch die eigentlichen Entwässerungsgräben, bei denen man caecae und
patentes, offene und bedeckte, unterschied6); letztere, die etwa drei Fuü tief
waren, wurden mit Reisig, Baumzweigen, am besten mit Kies oder kleinen
Feldsteinen ausgelegt und hatten den Vorzug, daß sie kein Land wegnahmen7).
Alle diese Erdarbeiten lagen wohl in der Regel in den Händen der als
fossores bezeichneten Knechte8).
In vielen Fällen mußte der Boden erst kulturfähig gemacht werden,
indem man Buschwerk, Gestrüpp u. dgl., das sich darauf befand, zu beseitigen
hatte. Zu diesem Zweck bediente man sich am liebsten des Feuers, wie
schon in homerischer Zeit und wie es heute noch im Süden üblich ist,
Waldland durch Abbrennen zu Weidland zu machen9). Sonst mußte um-
gegraben oder umgepflügt werden10). Steiniger Boden wurde mit der Hacke
(bidens) bearbeitet11), die Steine wurden aufgelesen und beiseite geschafft,
um für Ackereinfassungen, Graben Verkleidung u. dgl. benutzt zu werden12).
*) Plin. XVIII 47: umidiorem agrum fos-
sis concidi atque siccari utilissimum est. Co-
lum. II 2, 9 : si humidus erit (locus), abundantia
uliginis ante siccetur fossis.
*) Cato 2, 4 verlegt diese Arbeit auf die
Feiertage; auch Vergil sagt Geo. I 369 von
deD Festtagen: rivos deducere nulla religio
vetuit, und Macrob. III 3, 10 bemerkt, daß hier
deducere nichts anderes sei, als detergere: nam
festis diebus rivos veteres sordidatos detergere
licet, novos fodere non licet. Vgl. Colum. II 21
(22), 1. Varro I 35, 2 verlegt das fossas novas
fodere, veteres tergere auf die Zeit a favonio
usque ad arcturum, d. h. um die Zeit des
Frühlingsäquinoktiums, Plin. XVIII 236 etwas
früher.
3) Cato 155, 1 : per hiemem aquam de agro
depelli oportet, in monte fossas inciles puras
habere oportet, prima autumnitate cum jnilvis
tat, tum maxime ab aqua periculum est. cum
pluere incipiet, familiam cum ferreis sarcu-
lisgue exire oportet, incilia aperire, aquam de-
ducere in vias et segetem curare oportet tili
fiuat. Colum. V 9, 13 setzt die Zeit dafür nach
dem Herbstäquinoktium an: post aequinoctium
autumnale . . . incilia excitentur, quae limosam
aquam ad codicem deducant.
4) Cato 33, 2. Colum. II 8,3: sed quamvis
tempestive sementis confecta erit, cavebitur ta-
rnen, ut patentes liras (aufgeworfene Erd-
streifen) crebrosque sulcos aquarios, qnos non-
hulli elices vocant, faciamus et omnem humo-
rem in cottiqwias atqut inde extra tegtte$
derivemuK. Pall. X 3,1: melius tarnen omnibus
remediis erit, siaquariux sulcus noxium dedmiit
umorem. Colum. XI 2. 82 empfiehlt: todsm
tempore fossas rtvotgut /iin-i/are et elices sul-
( osque aquarios facere. Dasselbe meint Varro,
wenn er 1 29, 2 sagt: sulcant fossas, quo \>lu-
via aqua delabatur; vgl. Serv. ad Geo. I 109:
et apud antiquos et hodieque in aliquibus pro-
vinciis elices appellantur sulci ampHons ml
siccundiis agros ducti.
») Colum. II 8, 3. Plin. XVIII 179: in mm
est et collicius infe>-ponei-r, M Ha locus poscut,
ampliore sulco, guae in f08$68 OOUtUH idncunt.
6) Colum. II 2,9: earum (sc. fossaruni) duo
genera cogtiovimus, caccarum et patentium.
Plin. XVIII 47. Pall. VI 3,1.
7) Plin. a.a.O.: quasdam obcaccari et in
u/itis dirit/i ntttitircs patcntiorcsiptc et, si sit
occasio, silier rcl glarca $Um», <>ru uutnn
earum bims utrimgue lupidihus ttatumimti
et a/io sttperintegi. Colum. II 2. 10. Pall. VI 3, 2.
8) Natürlich auch andere Erdaibeiter, be-
sonders im Weinberge, s. Verg. Geo. II 264.
Hor.carm. III 18. 15. Colum. III 13,3; 15,2;
XI 2, 38. MartVII 71,4; XI 18,14. luv. 11.-".
«) Colum.II2, 11; XI 3,7. Plin.XVIll IT.
Pall. I 6, 13.
10) Colum. II 2, 11; ebd. 13. Plin. a.a.O. 46.
Pall. a.a.O.; ebd. VI 3, 3.
") Plin. a.a.O.
«») Colum. II 2, 13.
556
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
Zur regelmäßigen Pflege und Verbesserung des Bodens und zur Unter
Stützung des Pflanzen wuchses gehört für Feld und Garten, für Wein- un<||
Obstpflanzung die Düngung (stercoratio)1), deren hohe Bedeutung diJ
römischen Landwirte wohl erkannt hatten 2). Vieh hielt man nicht bloß de j
Fleisches und der Milch, sondern ganz besonders auch des Düngers wegen3)||
Denn in erster Linie gab man dem tierischen Dünger den Vorzug, der aul
den Gütern in besonderen Düngergruben, fimeta4), sterquilinia5), gesammelt
wurde, unter Benutzung der den Tieren im Stalle untergelegten Streu (stral
menta) aus Stroh, Schilf oder Laub6). Die Landwirte empfehlen deren Anl
läge in nächster Nähe der Stallungen, des bequemeren Transportes wegen7)
und zwar, wenn möglich, in doppelter Anlage, oder wenigstens eine in zwe:
Abteilungen getrennte, die eine für den neuen, die andere für den älteren Mist
der zuerst verbraucht wird; und ferner soll die Grube seitlich und von oben
durch Streu, Reisig u. dgl. gegen die Sonne und vor dem Austrocknen ge-
schützt werden 8) ; sie waren, wie Zisternen, vertieft und ausgemauert oder
zementiert9). Außer den tierischen Exkrementen und der Streu warf man in
diese Gruben auch Asche, Küchenreste, Abfälle von Gerbereien, Schlamm u. dgl.
und goß vielfach den menschlichen Urin dazu10). In der Regel sollte der
Dünger bei der Benutzung mindestens ein Jahr alt sein11), manche Land-
wirte ließen ihn noch viel länger liegen12). Auch sollte der Dünger öfters
umgegraben werden, damit er sich gut mische und leichter faule13).
Als bester Dünger galt allgemein der von den Vögeln herrührende14),
in erster Linie der Taubenmist, den die Kolumbarien lieferten, dann der der
anderen Vögel vom Hühnerhof und aus den oft sehr reichhaltigen Aviarien,
während der der Wasservögel, wie Enten und Gänse, nicht geschätzt war15).
1) Vgl. Dickson I 260 ff. Magerstedt
106ff.BEHEIM-SCHWARZBACHa.a.O.77ff.BEAUR-
REDON 69 ff. SORLIN-DoRIGNY 920 f.
2) Cato 61: quid est agrum bene edlere?
bene arare, quid seeundum? arare, quid ter-
tium? stercorare, wiederholt bei Plin. XVIII
174. Colum. II 1,7: licet enim maiorem fru-
ctum pereipere, si frequenti et tempestiva et mo-
dica stercoratione terra refoveatur. Plin. XVIII
192: hoc tantum nemini inconpertum est, nisi
stercorato seri non oportere. Bezeichnender-
weise nannte man düngen nicht nur sterco-
rare, sondern auch laetificare, den Dünger
laetamen, den gedüngten Acker laetus, s. Plin.
XVII 50; XVIII 120; 141. Pall. III 1; 25,4.
3) Varro 1 19, 3. Daher gehören nach Cato
10 f. sowohl zur Wein- wie zur Oelpflanzung
subulei und opiliones, Schweine- und Schaf-
hirten.
4) Plin. XVII 57; XXIV 171.
5) Cato 5, 8: stercilinum magnum stude
ut habeas. Varro III 9, 14. Phaedr. III 12, 1.
Pall. I 33. Cato 2, 3 u. 39, 1 empfiehlt für die
Düngereinfuhr die Regentage, da die alte Land-
wirtschaft den Grundsatz hatte, bei gutem
Wetter nur Arbeit im Freien vorzunehmen,
vgl. Plin. XVIII 40.
6) Cato 5, 7; 37, 2. Varro I 13, 4; II 2, 8.
Colum. I 6,22; VI 3, 1. Verg.Geo.III 297. Plin.
XVII 55. Calp. ecl.5, 116.
7) Varro I 38, 3: stercilinum seeundum vil-
lamfacere oportet, ut quam paucissimis operis
egeratur.
8) Varro 113,4, wo auch bemerkt ist,
daß man öfters die sellae familiaricae, d. h.
die Abtritte für die Sklaven, mit der Dünger-
grube in Verbindung brachte. Vgl. Colum. I
6,21. Plin. XVII 57.
9) Colum. a. a. O. 22, der auch Bedeckung
mit Reisig empfiehlt.
10) Colum. II 14 (15), 5. Plin. XVII 51 ; 257.
Pall.I 33,2. Geop. II 22. 1.
n) Colum. a. a. O. 9. Pall. a.a.O.
12) Geop. II 21, 11.
13) Colum. a. a. O. 8.
u) Colum. a. a. 0. 1 klassifiziert: tria
stercoris genera sunt praeeipue, quod ex
avibus, quod ex hominibus, quod ex peeudibus
confit.
15) Cato 36 empfiehlt Taubenmist beson-
ders für Wiesen, Gärten und Felder. Varro
I 38, 1 rühmt den der Krammetsvögel und
Amseln; vgl. Colum. a. a. 0. Plin. XVII 50 f.
Pall. I 33. Wie viel man auf den Vogelmist
hielt, zeigt der von Varro a. a. 0. erwähnte
Umstand, daß bei Verpachtung der Aviarien
der Pachtzins niedriger war, wenn der Eigen-
tümer sich den Mist vorbehielt.
Zweiter Abschnitt. Die Landwirtschaft. 557
B zweiter Linie kamen dann die menschlichen Exkremente in Betracht1)»
m dritter Stelle die tierischen, und zwar zuerst die von Eseln, dann die
von Schafen und Ziegen, sodann die der Rinder und Pferde, während die
ier Schweine für unbrauchbar galten2). Meist wurde dieser Dünger in l"«-sti-r
Form aufgetragen, doch kannten schon die Alten die sogenannte Poudrette,
i. h. den getrockneten, pulverisierten Dünger, der ausgestreut wurde8).
Nächst dem animalischen benutzte man pflanzliche Dungstoffe, und zwar
if teils in der Art, daß man Futterpflanzen, besonders Hülsenfrüchte (Lupinen.
; Wicken, Bohnen u. dgl.), anpflanzte und grün unterpflügte4), teils so, daß man
iie Stoppeln des Getreides, die man oft bis zur halben Höhe oder bis dicht an
iie Ähren heran stehen ließ, abbrannte5) oder Rohrpflanzungen, Unkraut,
Bergweiden auf diese Weise in Dungasche verwandelte6). Auch mineralische
Dungstoffe wurden benutzt, vornehmlich Tonerden, Mergel, Kalk, Gips u. dgl.7).
Und endlich bediente man sich zu flüssiger Düngung vornehmlich des Urins
von Menschen und Tieren, besonders für Gärten und Weinpflanzungen8),
ferner der aus den Ställen und Düngergruben abfließenden Jauche, für die
man besondere Behälter bei den Dungstätten anlegte9), des Schmutzwassers
aus Abzugsgräben, Küchen, Bädern, Latrinen etc.10), dann auch der Wein-
hefe11) und des Ölabganges (amurca, dieser besonders bei der Baumkultur12)).
An Regeln über die Behandlung des Düngers in den Düngergruben, über
die Ausfuhr, die sich nach den Jahreszeiten und nach den zu düngenden
Pflanzen richtete, sowie über die Stärke und die Häufigkeit des Düngens
fehlt es bei den alten Landwirten nicht13).
Nächst den Arbeiten, die die Verbesserung des Bodens zum Zweck haben,
sind dann aber andere notwendig, um ihn in den für Aussaat und Anbau
erforderlichen Zustand zu versetzen, vor allem beim Acker, damit der auf-
getragene Dünger sich gut mit dem Boden mische, die in der Erde befind-
lichen Pflanzennährstoffe ihm zugute kommen, Wurzeln und andere Pttanzen-
teile umgegraben werden14), und hierzu ist das Auflockern des Bodens er-
forderlich. Das üblichste Verfahren dafür ist das Pflügen15). Der Pflug,
') Varro a. a. 0. Colum. a. a. 0. 2. Pall. ! aliquot regrionea aocessi, tibi nee vUts tue oUa
a.a.O. Geop. 1121,6. »<r poma naseerenhtr, tibi agro» BtereorarmU
2) Vgl.Varro a.a.O. Colum. a.a.O. 4. Plin. Candida fowicia m-ta. Colum. II 15 (16), 4.
XVII 51. Pall. a. a. 0. Geop. II 21, 7 ff.; doch Plin. XVII 47.
gehen die Ansichten da vielfach auseinander; 8) Colum. a. a. 0. 2. Plin. XVII 259.
so erklärt Plin. a. a. 0. 52 den Schweinemist 9) Die sog. colluvies, Colum. a.a.O. 8. Pall.
für gut, den Colümella und Palladius als den I 34, 1 ; vgl. Veget. mulom. II 28 (I 56).
schlechtesten bezeichnen. ,0) Colum.X84f. Plin.XVII260; XIX 182.
s) Plin. XVII 53: visum iam est apud quos- | n) Plin. XVII 259. PaU. III 25, 5.
dam provinciallnm inveteratum, abundantege- 12) Cato 36. Colum. XI 2,29. Pall. a.a.O. 23.
niaUcopiapecudum,farinaevicecribris super- \ 1S) Vgl. Magebstedt 127 ff. TI,AO_
inici; besonders geschah das mit Vogelmist, 14) Lucr.I208ff.Verg.Geo.I64tt.;II203n\
Varro I 38, 1. Vgl. Geop. II 21, 5, wo solcher Colum. II 5. 2.
Brauch als in Arabien üblich bezeichnet wird. ! 15) Ueber den Pflug und das Pflügen vgl.
4) Cato 36. Colum. XI 2.29. Plin. XVII j Dickson I 375 ff. u. 421 ff. Magebstedt 133 ff
56; XVIII 120; 187; 257. Pall. III 25, 23. | Beaubbedon 64 ff. Saglio bei D.S. I 353 tt.
6) Vgl. Cato 38, 4. Verg. Geo. I 84 ff Ov. Mongez in den Mem. de l'Institut royal de
met. 1492; VI 456
6) Hör. sat. I 3, 37. Verg. Aen. X 405 ff;
XII 521 f. Sil. It. VII 364 ff. Colum. IV 32, 5.
Plin. XVIII 300. Geop. XII 4.
7) Varr. I 7, 8: in Gallia transalpina . . .
France. Classe d'hist. et de litter. anc. II (1815)
616ff. F.Th.ScHULTZE De aratriRomani forma.
Jena 1820. K. H. Rao Geschichte des Pfluges,
Heidelb. 1845. L. v. Raü Ber. über die Anthro-
pol. Versammlung in Frankfurt a. M. 1882, 134.
558
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
aratr-um, gehört zu den ältesten Erfindungen der Menschheit l) und ist dah
den römischen Ackerbauern von der frühesten Zeit an bekannt gewese:
doch geben unsere Quellen über die älteste Form, in der er zur Anwendurj
kam, keine Auskunft, wie denn auch die landwirtschaftlichen SchriftstelLj
sich auf Einzelheiten wenig einlassen. Nun finden wir bei den Griechen j
älterer Zeit zwei Arten des Pfluges: den einfachen, bei dem die Holzteil!
wie Krummholz, Scharbaum, Deichsel, aus einem Stück bestehen, und dei
zusammengesetzten, bei dem sie besonders gearbeitet und zusammengefüd
sind2); es darf daher mit Wahrscheinlichkeit angenommen werden, da!
auch die Römer in der Frühzeit uc
manchenorts vielleicht auch später noc
sich jener älteren Art, des sogenannte
Hakenpfluges, bedienten, die wir auc
auf Denkmälern finden. So ist ein so
eher auf der etruskischen Bronze au
Arezzo Fig. 85 dargestellt3): man ei
kennt das starke, gekrümmte Holz, da
zugleich Krummholz, Scharbaum un
Sterze ist (die Deichsel ist nicht sichl
bar), und unten am Scharbaum die mi
diesem durch Ringe oder Klammern verbundene Pflugschar. Auch au
etruskischen Aschenurnen findet man bisweilen diesen Hakenpflug in de:
Händen eines Mannes4), sowie auf römischen Kolonialmünzen, die das Pflüge
des Mauerringes darstellen5). Mit einem solchen Hakenpflug (der heut
noch in Ägypten und im Orient üblich ist) konnte aber jedenfalls nu
ganz leichter Boden gepflügt werden, und das Gewöhnliche war vermutlic]
der zusammengesetzte Pflug. Die notwendigsten Bestandteile desselber
soweit sie von Holz sind, führt Vergil an einer bekannten Stelle an6)
dagegen nennt er nicht den Hauptbestandteil, die Pflugschar, vomis ode
vomer1), die von Eisen8) und mit scharfer, meist etwas gekrümmter Spitz
Fig. 85. Pflüger. Bronzefigur aus Arezzo.
Nowacki in der Deutschen Revue für 1882, II
340 ff. H. Behlen Der Pflug und das Pflügen
bei den Römern und in Mitteleuropa in vor-
geschichtlicher Zeit. Dillenburg 1904. Die Ab-
bildungen von Pflügen, die Ginzrot Wagen
u. Fuhrwerke d. Gr. u. Rom. Taf. I B; II 1 u. 2;
III A gibt, sind größtenteils verdächtig.
x) Die Sage schrieb sie bald dem Tripto-
lemos, bald dem Athener Buzyges zu, Plin.
VII 199.
2) Die Hauptstelle darüber ist Hesiod. op.
et dies 427 ff.
3) Nach Micali L'Italia avanti il domin.
Romano tav. 50. Baumeister Denkmäler 13
Fig. 15 und sonst öfters abgebildet.
4) Zoega Bassirilievi t. 181 tav. 40; die
Figur wird von manchen als der griechische
Heros Echetlos, von andern religionsgeschicht-
lich gedeutet, s. Schultz bei Röscher Mythol.
Lexikon I 1211 f.
'") EcKJiELDoctr.nummor.IV 489. Darem-
berg-Saglio I 1321 Fig. 1723; zu vergleiche
ist auch die Florentiner Gemme ebd. 35
Fig. 430. Die Pflugabbildungen bei Magei
stedt Tafel 1 f. sind zum Teil Rekonstrul
tionen.
6) Geo. I 169 ff.
7) Cato 135, 2 sagt: vomeris indutilis opfr
mus erlt, was Gesner gewiß richtig erklärl
ferrum, quod indui potest vel inseri lig>wa
aratri parti; vgl. Keil zu Cato p. 138. Danac
gab es also Pflugscharen, die man dem Scha:
bäum einfügte, und solche, die fest damit ve:
bunden waren; daher nennt Cato zwar 10,
aratra cum vomeribus, aber 11, 4 vomeri
allein; auch 5, 6 trennt er aratra und vomeret
ebenso Varr. I 22, 3 aratra cum. vomeribu.
Auf besondere Befestigung des vomer kan
man auch aus Tib. II 1, 6 susj)enso vomet
schließen, falls hier nicht dichterisch vorne
für den ganzen Pflug gesagt ist.
8) Lucr. I 313. Verg. Geo. I 46.
Zweiter Abschnitt. Die Landwirtschaft.
559
180
^versehen war1), daher auch dens genannt2). Plinius unterscheidet vier
ei Arten der Pflugschar: erstlich den culter, der eigentlich etwas anderes
"lim ist, ein Sech, wie es heute heißt, d.h. ein nach unten gerichtetes Messer,
!*Ufdas sehr dichten Boden, bevor die Pflugschar ihn aufreißt, durchschneidet
lleiiUnd den Furchen, die die Schar aufzuwerfen hat, vorarbeitet, sodaß also
Mam selben Pflug culter und vomer waren3); zweitens die gewöhnlichste Form
'd de mit schnabelartiger Spitze4); drittens eine in leichtem Boden zu gebrauchende
?^Art mit kleiner, scharfer Spitze vorn6); und die vierte Art, die breiter ist,
vorn auch spitz endigend und seitlich so scharf, daß damit nicht nur der Boden
aufgerissen wird, sondern auch mit den seitlichen Schneiden die Wurzeln
der Kräuter im Boden abgeschnitten werden*5). Die erhaltenen römischen
Pflugscharen zeigen uns ebenfalls, daß die Formen sehr verschieden waren7).
Derjenige Teil, der die Pflugschar festhält und in den die andern zu-
sammenlaufen, heute Scharbaum oder Pflughaupt, heißt dentale*), meist in
der Mehrzahl dentalia, da die römischen Pflüge anscheinend in der Regel
zwei Sohlenhölzer hatten, die nach der Pflugschar hin spitz zusammenliefen1').
m Das Krummholz (Krümmel), das die Deichsel mit dem Scharbaum verbindet,
' heißt bura oder buris10), in früherer Zeit auch urvum11); seine Krümmung12)
8) Serv. ad Geo. I 172: dental,' est lignum,
in quo vomer indueitur. Pers. 1, 73 gebraucht
dentalia für den Pflug überhaupt.
°) Verg. Geo I 172: dupUei aptantur den-
talia dorso (wobei duplici dorso Ablativ «In
Eigenschaft und zu aptantur armtro zu er-
gänzen ist); das. Servius: auf rerern dup/iei,
euius utntmque eminet lohn; nam fert kuius
modi sunt vomeres in Ita/ia. Colum. II 2,24:
exiguis vomeribu* et denta/ibus.
,0) Varro 1. 1. V 135: ,/ni quasi temo est
inter boves, bura a bubus; ebenso töricht ist
die Etymologie bei Serv. ad Geo. I 170: in
burim, in eurraturam: natu buris est eurra-
mentum aratri, dictum quasi ßove <<rnu, Quod
sit in similitudinem raudae bovis (vgl. Isid.
XX 14,2). Corp.Gloss.V 173,7: buris eu pur*
aratri quae infle.ra est, eui Inno adiungitur
(inverbesserterForm);vgl.ebd.348, 10; 404. KI.
wo es durch ourvamen aratri erklärt wird,
und die Glossen VI 554 zu in burim.
n) Varr. a.a.O.: alii tan- a mtm www»
appellant; vgl. ebd. 127 u. 143. Digg. L 16,
239, 6: urbs ab urbo appellatu est ; url,are es/
atmtro iefinire; et Varu» alt, urbum apptOan
curvaturam aratri, quod in urhe lom/enda ad-
hiberi solet. Nach Serv. a. a. 0. unterschieden
manche buris und urrum: alii burim eurra-
turam temonis, quas supra est, et quod
infra, urrum dieunt. Das Wort ist wohl früh
aus dem Sprachgebrauch verschwunden, daher
geben die Glossen eine ganz abweichende Deu-
tung: quod bii/ndcus tonet (also die sfiea), IV
297,51; V 519, 46; 527, 50.
,J) Von der bura heißt der ganze Pflug
euren m aratrum, Lucr.V 930; VI 1251. Verg.
Geo. I 170. Ov. fast. III 781 ; vgl. Verg. Gm. I
162: in flexi i/rure rabur aratri, wo speziell
das Krummholz vom vomis geschieden wird.
:m
l) Daher uneum aratrum, Verg. Geo. 119;
uneus ramer, Lucr. a. a. 0.; aduncns, Ov. fast.
II 295 ; IV 927 ; am. III 10, 32 ; a. a. 1 725 ; curvi
vomere dentis, Colum. X 69.
*) Varr. 1. l.V 135: dem, quod co morde-
tur terra; denn aratri Colum. II 2, 25; 4,6,
vgl. X 69. Lucan. VII 859. Verg. Geo. II 423
meint freilich mit dente unco den Karst.
s) Plin. XVIII 171 : culter vocatur inflexus
praedensam, priusquam proscindatur, terram
secans futurisque sulcis vestigia praeseribens
incisuris, quas resupinns in arando mordeat
romer.
4) Ebd. : alterum genus est volgare rostrati
vectis, wobei vectis den Scharbaum bezeich-
net; vgl. ebd. 178: rostrante vomere.
5) Ebd. 171 : tertium in solo facili, nee toto
porrectum dentali, sed exigua cuspide in rostro;
die Beschreibung ist nicht ganz klar, Mager-
stedt 136 übersetzt: „welche am Scharbaum
nicht ganz in die Höhe geht".
6) Plin. a. a. 0. 172 : latiur haec (sc. cuspis)
qnarto generi et acutior in mucronem fasti-
(jata eodemque gladio scindens solum et acte
laterum radices herbarum secans; dazu gehört
auch die Bemerkung weiter unten: cuspis ef-
figiem palae habet.
~') Pflugscharen von der Saalburg s. Jacobi
Römerkastell Saalburg Taf. 35, 1 S.447 (schmal
und ausgehöhlt) ; Taf. 38, 26 (spatenförmig, die
Deutung als Pflugschar unsicher) : solche vom
Rheine in den Rh. Jahrb. XV 224; XVI 89 mit
Taf. III 1 u. 2 ; aus der Schweiz, Katal. d. Samml.
d. antiquar. Gesellsch. in Zürich II 1 39 n. 3943 ff.
(teils lang und schmal, teils am Ende um-
gebogen). Eine spatenförmige, vorn spitze, an
den Seiten umgebogene Pflugschar nach Gki-
v.md de la Vincelle Arts et metiers des anc.
pl. 25,3 bei Daremberg-Saglio I 355 Fig. 437.
560
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
war entweder eine natürliche oder eine durch Feuer bewirkte1). Dazu komii;
vorn die Deichsel, temo 2), und hinten die Sterze, stiva, an der der Pflügr
den Pflug regiert3), bisweilen mit einer besonderen Handhabe, manicul
versehen4). Zu diesen unerläßlichen Bestandteilen des Pfluges kommen daik
hier und da noch weitere hinzu : so war wohl ein Streichbrett oder Ohr se •
gewöhnlich, auch bei den Römern auris oder gedoppelt aures genannt, dur<|
welche Vorrichtung die von der Pflugschar gelockerte Erde seitwärts gl
schoben wird5); ferner das oben erwähnte, der Pflugschar vorarbeitend
Sech, culter; und bei dem rätischen, aber nach Vergil auch in Italien ei
geführten Pfluge auch zwei niedrige Räder, indem die Deichsel mit dem Joe i
auf der Axe eines kleinen zweirädrigen Wagens ruhte6). Sonst gab es vel:
schiedene Arten Pflüge, kleine und große, leichte und schwere, je nach de
zu bearbeitenden Boden7). Cato unterscheidet römische und kampaniscl
Pflüge8); letztere scheinen leichtere gewesen zu sein, und überhaupt möge
bei den Pflügen noch zahlreiche lokale oder provinzielle Verschiedenheite|
zu finden gewesen sein.
Einen Pflug der beschriebenen Art sehen wir, allerdings nur roh, ai
dem Fig. 86 abgebildeten Relief aus Arlon in Luxemburg dargestellt9); ma
unterscheidet Pflugschar, Scharbaum, Krummholz und Sterze, sowie zwische
letzteren beiden ein Stützholz10).
*) Verg. Geo. 1 269 : continuo in silva magna
vi flexa dontat ur | in burim et curvi formam
accipit ülmus aratri ; ebd. 175 : et suspensa focis
explorat robora fumus. Serv. ebd. 270: buris
enim ut curvetw, ante igni domatur, id est
amburitur; unde et quae naturaliter inveniun-
tur curvae, ita dicuntur. Die Verbindung von
bura und dentale mußte sehr fest sein, vgl. Varr.
r. r. 1 1 9, 2 : saepe f facta bura relinquunt vomeres
in arvo (Non. p. 80, 16. Corp. Gloss. V 638, 52).
2) Verg. a. a. 0. 171 : huic ab stirpe pedes
emo protentus in octo.
s) Ebd. 174: stivaque, quae currus a tergo
torqueat imos; das. Serv.: manica aratri, qua
regitur, id est gubernaculum. Cic. pro Scauro
1 1 , 25 : a stiva ipsa homines mecum colloque-
bantur. Ov. met.VIII 218: stivave innexus ara-
tor; fast. IV 820: inde premens stivam designat
moenia sulco. Colum. I 9, 3. Daher stivam ap-
prehendere s. v. a. pflügen, Amm. Marc. XIV
4, 3; stivam ignorare, ebd. XXIII 6, 51; vgl.
XXXI 2, 10. Die Glossen erklären stiva durch
manica aratri oder quod arator manu tenet,
s. Corp. Gloss. VII 296.
4) Varr. 1. 1. V 135: supra id regida quae
stat, stiva ab stando; et in ea transversa regula
manicula, quod manu bubulci tenetur.
5) Verg. a. a. O. 172: binae aures; das.
Serv.: quibus latior sulcus efficitur. Daher
unterscheidet Pall. 1 42 (43), 1 : aratra simplicia
vel, si plana regio permittit, aurita, quibus pos-
sit contra stationes umoris hiberna sata celsior
sulcus attollere. Diese aures nennt Varr. r. r.
I 29, 2 tabellae.
6) Verg. a. a. 0. 174 nennt daher den Pflug
currus. Plin. XVIII 172: non pridem inven-
tum in Baetia Galliae duas addere tali {aratn
rotas, quod genus vocant plaumorati; für die
sicher verdorbene Wort konjizierte Hardui
plaustraratri, Richtsteig planaratri. Eine
solchen Räderpflug sieht man auf der obe
S. 558 A. 5 erwähnten Gemme.
7) Varro 1 20, 4 : aratrum leve. Hör. a. p. 66
grave aratrum. Colum. II 2, 23 : levi vomere un
minor ibus aratris ; ebd. 24 : exiguis vomeribu
et dentalibus ; 25 : levissimo dente.
s) Cato 135,2: aratra in terram validat
romana bona erunt, in terram pullam com
panica; vgl. Varro I 20,4.
9) Nach Pkat Histoire de la ville, d
comte et du marquisat d'Arlon, Atl. pl. 64
Baumeister Denkmäler 14 Fig. 16. Ueber di
stark ergänzte Berliner Marmorgruppe eine
Pflügers (Beschreib, d. antik. Skulpt. 190 n.49C
vgl. L. v. Rau Ein römischer Pflüger, Prankl
a. M. 1888, und H. Schaaffhausen Rh. Jahri
LXXIII 60 ff. Im Lateran sind zwei Sarkophag
reliefs mit Darstellung des Pflügens, s. Bens
dorp und Schöne Bildw. d. lateran. Mus. 14!
n. 227; 345 n. 488. Garrucci Mus. Lateran
tav.42,3 p.79u.tav.32,l p.53. Zu vergleiche]
ist auch das Medaillon des Commodus be
Fröhner Med. de l'Empire rom. p. 145. Darem
berg-Saglio III 663 Fig. 4149.
10) Die anscheinend genaueste Abbilduni
eines antiken Pfluges ist von Ginzrot Wagei
u. Fuhrwerke der Alten S. 34 Taf. II 1 ge
geben (oft wiederholt, z. B. Daremberg-Saglu
1355 Fig. 435); sie soll angeblich von de
Basis einer Demeterstatue aus Magnesia a. 1VI
stammen, das Original ist aber verloren un<
die Authentizität sehr verdächtig.
1 "II!
Zweiter Abschnitt. Die Landwirtschaft.
;,ci
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Joe
sv«
Gezogen wurde der Pflug von zwei Rindern1), entweder Stieren, be-
sonders jungen2), oder Ochsen3); ein Paar (daher iuyum, ein Joch Ochsen)
war das gewöhnliche, wo es
aber erforderlich war, spannte
man auch drei und mehr da-
vor4). Mancherorts, wo leich-
ter Boden war, pflügte man
auch mit Kühen oder Eseln5).
Das Joch, unter dem die Rin-
der gingen, legte man ihnen
zumeist auf den Nacken6),
doch wurde in den Alpen-
gegenden schon damals, wie
heute noch, das Joch auf die
Stirne, vor die Hörner, ge-
legt7). Waren in der Nähe
des Ackers Bäume oder Wein-
pflanzungen, so wurden den Rindern Maulkörbe angelegt8).
Der Pflüger, arator9) oder biibulciis10), zu welchem Amte man besonders
kräftige und großgewachsene Leute wählte11), regierte mit der rechten Hand
Fig. 86. l'flüger. Römisches Keliof aus Arlon.
*) Bei der Gründung einer Kolonie zog
den den Mauerring eingrabenden Pflug ein Ge-
spann von einem Stier und einer Kuh, Varro
r. r. II 1 , 10 ; 1. 1. V 143. Ov. fast. IV 826. Colum.
VI pr. 7. Plut. Romul. 11. Serv. ad Aen. V 755.
2) Verg. ecl. 4, 41 ; Geo. III 50. Colum.VI
2,9. Plin.VIII 180 ; taurus arator, Ov. fast. 1 698.
3) Cato 54, 3. Varro r. r. I 8, 5 ; 10, 1 ; 20, 1 ;
ebd. 2 gibt er Anweisung, wie man die Rinder
an den Pflug gewöhnen soll (schon geübte
sollen mit ungeübten zusammengespannt wer-
den). Vgl. bos arator, Hör. carm. III 6, 42 ; epod.
2. 3 u. 64 ; ep. 1 7, 87. Plin. ep. VIII 16, 4 u. s. ö.
4) Colum.VI2,10; Plin. XVIII 170 spricht
sogar von Pflügen mit acht Rindern.
5) Varro 1 20, 4 : ubi terra levis, ut in Cam-
pania, ibi non bubus gravibus, sed vaccis aut
asinis quod arant, eo facilius ad aratrum leve
adduci possunt. Kühe erwähnt Verg. Geo. III
57. Pferde scheinen selten vor den Pflug ge-
spannt worden zu sein, vgl. Hör. ep. I 14,43.
6) Hör. epod. 2, 64. Stat.Theb. 1 133 f. Co-
lum. II 2, 22 : igitur in opere boves arete cinetos
habere convenit, quo speciosius ingrediantur
sublimes et elatis capitibus ac minus colla eorum
labefactentur iugumque melius aptum cervici-
bus insidat; hoc enim genus iuneturae maxitne
probatum est. Plin. XVIII 177. Pall. II 3, 1. Die
Abbildungen zeigen die Form des Joches und
die Art, wie es aufgelegt wurde ; bei Fig. 85
ist das gekrümmte Joch [iugum curvum, Ov.
met. IV 216) noch besonders abgebildet, eine
etwas andere Form hat es auf dem S. 560 A. 9
erwähnten Medaillon. Auf dem Relief von Ar-
lon Fig. 86 ist das Joch so befestigt, daß es
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft. IV. :
mit Riemen vor und hinter den Hörnern fest-
gebunden ist; an der Berliner Gruppe wird
das Joch durch Halsringe auf dem Nacken
festgehalten. Manche befestigten es direkt an
den Hörnern, was aber Col. a. a. O. ausdrück-
lich verwirft: nam illml, quod in aniliusdam
provineiis usurpatur, tu comtinu iliigttw m-
gum, fere repudiatum tat ah ottmBtu», fmk
praeeepta rusticis eotucripserwU; tttqm im-
merito, plus mim ipiciuit pmides collo et /«■-
ctore conari, quam cornibns. l'roji. 111 32 (II
34), 47 geht auf Zähmung der Stiere durch
Fesselung an den Hörnern, s. Colum.VI 2, 4.
Bei der Heimkehr von der Arbeit trugen die
Rinder den Pflug am Joch aufgehängt zurück,
Verg. ecl. 2, 66.
7) Plin.VIII 179.
8) Plin. XVIII 177; vgl. Cato 54, 3.
9) Varro II pr. 4. Hör. carm. 1 4, 3. Mart.
VII 71, 4 ; IX 54, 9 ; XI 18, 14. Bei den Dichtern
bedeutet arator oft den Landmann schlecht-
weg.
10) Der bnbulcus ist zwar allgemein der
Ochsenknecht oder Ochsentreiber, speziell aber
oft der Pflüger, vgl. Varro a. a. O. : alms mim
OpÜiO i't arator; tn-c si possinf in agra paxei
armamenta, armann -ntnrius non aliut ac bubul-
eua. So steht bubiUcus Cic. de div. II 23, 50.
Colum. I 9, 2 u. s.
n) Colum. I 9, 3: nam UmgitsUmm qutm
que aratoretn faciemus, . . . fmd in rr n<
tuiilo minus operr futigatur pro/i.rinr. ipiia
in arandostirae paene rtCtut imiititur. Daher
heißt er durus Verg. Geo. IV 512; robustus
ders. ecl. 4, 41 ; vgl. Plut. Cat. mai. 4.
2,2. 3. Aufl. 36
562
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
die Sterze1) und führte in der linken den Stachelstab zum Antreiben del
Rinder oder eine Peitsche2); doch ermahnt Columella, daß er mehr durclj
Zuruf3) als durch Schläge antreiben und zumal Stiere nicht durch Anwendung
des Stachels reizen solle4). Da der Pflüger gleichzeitig die Stiere lenken!
durch Festhalten der Sterze das Ausschreiten des Pfluges aus den Furchen
hindern, durch Hebung und Senkung derselben die nötige Tiefe geben um
dem Vieh Erleichterung verschaffen muß, so ist seine Aufgabe eine seh;
schwere und komplizierte; er hat auch Wurzeln, die im Wege sind, durcl
ein kleines, an der Sterze aufgehängtes Beil abzuhauen oder mit einer Hack(
zu entfernen, damit das Zugvieh nicht zu sehr strapaziert werde5), und mi
einem am Stachelstab angebrachten Schabeisen die Erde von der Pflugschai
abzukratzen6). Daß die Rinder an Zügeln gelenkt werden, wird nirgends
erwähnt, und die meisten Darstellungen des Pflügens zeigen auch keine
solchen; daß es aber doch vorkam, ist aus einigen Denkmälern, wo sie dar-
gestellt sind, zu schließen7).
Dem eigentlichen Pflügen ging das proscindere voraus, wozu das oben
erwähnte Sech (culter) benutzt wurde; die Erde wird dadurch zunächst bloß
aufgerissen und dem Aufwerfen der Furchen vorgearbeitet8). Dann erst
folgt das offringere9) oder iterare10), wobei der Pflüger, damit die Erde gleich-
mäßig aufgepflügt werde und keine unbearbeiteten Stellen (sog. scamna11))
stehen blieben, immer abwechselnd bei dem einen Furchengang (versus12))
den Pflug schräg, beim anderen geradeaus halten mußte13). Auch pflegte
man den nach der einen Richtung durchgepflügten Acker noch einmal in
J) Weil er sich beim Niederdrücken der
Sterze bücken muß, beißt er curvus arator,
Verg. ecl. 3, 42; vgl. Plin. XVIII 179: arator
nisi incurvus praevaricatur.
8) Siehe die Abbildungen Fig. 85 f. und vgl.
Tib. I 1,29: stimulo tardos increpuisse boves.
3) Daher verlangt Colum. a. a. 0. 2 vom
bubulcus vastitas vocis neben dem habitus nie-
tuendus.
4) Ebd. : sed temperet vires dementia, quo-
niam terribilior debet esse quam saevior, ut et
obsequantur eius imperiis et diutius perennent
boves non confecti vexatione simul operum ver-
berumque ; ebd. II 2, 25 : voce potius quam ver-
ber ibus terreat ultimaque sint opus recusantibus
remedia plague, nunquamque stimulo lacessat
iuvencum, quod retrectantem calcitrosumque
eum reddit; nonnunquam tarnen admoneat
flagello.
•') Colum. II 2, 28 : nee minus dolabra quam
vomere bubulcus utatur, et praefraetas stipes
summasque radices, quibus ager consitus im-
plicatur, omnes refodiataepersequatur. Plin.
a. a. 0. 177: securieülam in stiva ' pender e, qua
intereidantur radices, hoc melius quam con-
velli aratro bovesque luctari.
6) Plin. 179: purget vomerem subinde Sti-
mulus ruspidatusrallo {rallum ist^vor/jp, Scha-
ber, s. Corp. Gloss. VII 181).
7) So sind sie an dem oben S. 560 A. 9
erwähnten Sarkophagrelief des Laterans und
an dem Berliner Pflüger an den Stieren noch
kenntlich, auch auf römischen Denaren der
Gens Cassia und Gens Iulia mit Darstellung
des Pflügens sieht man sie an den Hörnern
befestigt, s. Babelon Monn. de la Rep. Rom.
I 327 n. 4; II 65 n. 156. Cohen Medaill. imper.
181 n. 117.
8) Lucr.V209: terr am pressis proscindere
aratris. Varro I 29, 2: terram cum primutd
arant, proscindere appellant, cum Herum, of-
fringere dieunt, quod prima aratione glebae
qrandes solent excitari ; vgl. 19,2; 27, 2 ; 30 ; 32,
1;37,5. Colum.II2,25;III13,4;XI2,32. Plin.
XVIII 171 ; ebd. 176: prius quam aresproscin-
dito. hoc utilitatem habet, quod inverso caespitk
herbarum radices necantur. Sen. ep. 90,21.
9) Varr. a. a.O.; ebd. 32, 1 : si proseideris,
offringi oportet, id est iterare, ut frangantun
glaebae : prima enim aratione grandes glaebae
ex terra scinduntur. Ebd. 33. Colum. II 10, 26.
Fest. 199, 3.
10) Varr. a.a.O.; ebd. 37, 5. Cic. de orat. II
30,131. Colum.II4.2; 10, 26; XI 2, 64. Plin.
XVIII 254.
") Colum. II 4, 3; dearb.12,2. Plin. XVIII
179 : scamna inter duos sulcos ne relinquantur.
J1) Plin. 177; als Maß Varr. r. r.I 10, 1.
13) Colum. II 2, 25: bubulcum autem per
proscissum ingredi oportet alternisque versi-
bus obliquum teuere aratrum et alternis rectd
plenoque sulcare; sed ita neeubi crudum solum
et immotum relinquat, quod agricolae scamn >nn
vocant.
Zweiter Abschnitt. Die Landwirtschaft.
ler kreuzenden Richtung zu bearbeiten1). Das dritte Pflügen erfolgte erst,
ürcWenn die Saat eingestreut war; es hieß von der lira, d. h. dem zwischen
!ijll^.wei Furchen aufgeworfenen Ackerbeet2), lirare*), und hierbei wurden an
1 He Sohlhölzer des Scharbaums die oben erwähnten Seitenbrettchen befestigt,
liei iurch die die Saat mit schmalen Beeten, porcae genannt*), bedeckt wurde6);
'J lies dritte Pflügen hieß daher auch tertiäre6). In der Regel begnügten sich
se' üe Römer mit solchem dreimaligen Pflügen im Jahre7); aber schwereres
'Land wurde, wenn es im Sommer brachgelegen hatte, auch zum nerton
j^Male aufgebrochen, sodaß das Pflügen im Herbst, im Frühling, im Sommer
^ und zuletzt wieder im Herbst erfolgte8). Sehr dichter Boden aber wurde fort
'^ und fort, bald durch den Pflug, bald durch den Karst, bearbeitet, und es gab
nk Gregenden, wo erst in die fünfte, ja sogar in die zehnte Furche gesät wurdi
Eine andere Art der Bodenlockerung, die manchmal an Stelle der wied. i -
'»holten Pflügung trat, aber auch bei Gemüsebeeten, Wein- und anderen An-
pflanzungen zur Anwendung kam10), war das Eggen, occare11), occatio1-). Die
* Egge, selten occa ' 3). meist crates genannt14), war ein Geflecht aus Weidenruten,
!>
*) Verg. Geo. 1 97 : et qui, prosctS80 quae
suscitat aequore terga, \ rursus in obltquum
ICD' verso perrumpit aratro. Colum. III 13,4 vom
Weinberg: ut more novalium terra transversis
advers i *< [hc sulcisproscindatur, Plin. 178: omne
arvum rectis suhis, mox et obliquis subigi lie-
het. Fest. 199, 3: offring "i terra dicitur, quum
Herum transverso sulco aratur. Daß damit
etwas anderes gemeint ist, als mit der obigen
Vorschrift Colum. II 2, 25, bemerkt Schneider
z. d. St. p. 60 mit Recht.
2) Colum. 114, 8: liras a ufern rustici vo-
cavt easdem porcas, cum sie aratum est, ut
inter diios latius distantes sulcos meilius eu-
muius siccam sedem frumentis praebeat; vgl.
ebd. 11; 8,3.
) Colum. XI 2, 46 ; Pall. XII 1 , 1 nennt es
suleare, obschon er dort eine andere Reihen-
folge der Prozeduren vorschreibt.
) Varr. 1. 1. V 39 : ab eo quod aratri vomer
sustulit, sulcus; quo ea terra iaeta id est pro-
ieeta, porca; andere Etymologie r. r. 129, 3:
quod est inter duos sulcos elata terra, dicitur
porca, quod ea seges frumentum porricit. Co-
lum. II 4, 8; XI 2, 47; 3, 44.
5) Varr. r. r. I 29, 2 : tertio cum (traut iacto
semine, boves lirare dieuntur, id est cum tabel-
lis additis uil vomerem simul et safuni frumen-
tum operiunt in porcis et sulcant fossas, quo
pluvia aqua delabatur. Plin. 180: tabula aratro
adnexa, quod vocant lirare, operiente semina.
6) Colum. II 2, 4 u. 8. XI 2, 64. Pall. X 1, 1.
Non. p. 61, 16.
7) Auch nur zweimaliges kam vor, aber
seltner, vgl.Varro I 27, 2: neque ea minus binis
a rundum, ter melius. Colum. II 4, 1. Palladius
schreibt Pflügen vor für April, Juli und Sep-
tember, VIII 1 ; X 1,1; aber proscindere auch
für den Januar, II 3, 1.
8) Daher sagt Verg. Geo. I 47 : Ufa seges
demum votis respondetavari agrieofae, bis quae
sofern, bis frigora sensit; dazu vgl. Plin. 181:
quarto seri sulco Vergiliius existimatur ro/uissr.
9) Plin. a. a. 0.: spissim so/um, sicut p/e-
rumque in itu/ia, qui u/o 8ulc0 seri melius ,<.-,/,
in 7 useis eero nono. Plin. ep.V 6, 10: cu>u/>i,
quos nun nisi ingentes bares et fortissimu uyu-
tra perfriniiunt : tautis gUubis tenueissimum
sohim, cum pritnum prosecatur, adsurgit, ut
nono demum sulco perdometur.
10) Vgl. z. B. Colum. II 10, 5 f. Plin. 185.
Pall. XII 1,1. Die hierher gehörigen Geräte
behandelt Dickson I 396 ff.
n) Varro r. r. I 31, 1 führt oceare auf or-
eidere zurück, Cic.Cat. m. 15, 51 auf oeern
(vgl. Non. 42, 11 ; ebenso Serenus, ebd. 61, 26.
Verrius bei Fest. 181 a, 20. Isid. XVII 2, 4);
selbstverständlich ist eins so falsch wie das an-
dere. Plaut. Capt. 663: namsemperoccatUpriüs-
i/uuni suriunt rus/iri; Mercat. 7l : tibi aras,til>i
occas, tibi seris. Hör. ep. II 2, 161 : cum segele»
or77/^.Pers.6,26.Colum.II4,2;10.5f.Plin.'l84.
12) Colum. XI 2, 60: pulverationem, quam
vocant rustiei occationem. Plin. 180; occatoNa
opera Colum. II 12 (13), 2. Der Arbeiter oeca-
tor, ebd.l. Fest. 180, 5; 187a, 24, übertr. Plaut.
Capt. 662. Vgl. auch Corp. Gloss.VlI 13.
1S) Corp. Gloss.V 606. 30 als rastrum er-
klärt (viell. nach Plin.XVJH 180). Bei Veget.
mulom. II 28 (I 56), 5 schlägt Schneider p. 41
vor, zu lesen: crufis quae occa voeatur (die
Hss. haben das Wort nur entstellt), doch ist
das undenkbar, da es sich dort um ein Gerät
im Kuhstall handelt (anscheinend eine Raufe).
u) Colum. II 17 (18), 4: tum glaebat
Cutis resulremus et imtuetu ernte eoaeijuabimus.
Plin. 180: arutione per trarersitm iterata oe-
eatio sequitur, uti res poseif, ernte r,l rastm.
et sutu semine Ueratur kaec quoque, üb,
suetudo patitur, ernte eon/en/u. Was die ernte.-
contenta ist, bleibt unsicher (früher las man
dafür dentata, s. Magerstedt 137); vielleicht
gehört aber contenta zu baee (sc. oeeatio), sodaß
es bedeutet: „sich mit der crates begnügend"
36*
564
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
das mit Zinken versehen war1); es diente dazu, die Schollen zu zerbrechen odeB
zu verkleinern, den Samen damit zuzudecken, Unkraut zu beseitigen u. dgl.2)i
Ähnlich, aber wuchtiger, war der irpex3).
Neben der Bearbeitung des Bodens durch die von Rindern gezogeneil
Pflüge und Eggen fand aber auch eine durch Menschenhand statt, ein Be|
hacken, indem dies teils in armen Bergländern die Stelle des Pflügens ver-l
trat4), teils manche Getreidearten auf den mit der Hacke gelockerten Felden!
besser gediehen oder auch nach und neben dem Pflügen bisweilen noch ge-l
hackt werden mußte; Gemüselarid, Obst-, Wein- und Ölpflanzungen bedurfterj
dessen ebenfalls. Dies Behacken heißt sarrire6), der Arbeiter sarritor6)\
während das teilweise mit denselben oder mit ähnlichen Werkzeugen odei
mit der bloßen Hand vorgenommene Ausjäten des Unkrautes, das oft mit den:
Behacken verbunden ist, runcare heißt7) und vom runcator besorgt wird 8).
Die Werkzeuge, mit denen das Graben und Umgraben, das Behacken
und Jäten geschah9), sind folgende: die jmla10), ein flacher Spaten odei
Grabscheit, das vorn spitz oder breit war11); der Spaten selbst war meist]
von Eisen, der Griff von Holz, doch kommen auch ganz eiserne und ganz
hölzerne vor12). Ebenfalls ein Spaten war das bipalium'13), mit dem man den
J) Verg. Geo. I 94 : multum adeo, rastris
glaebas qui frangit incrtis | vimineasque trahit
cratis, iuvat arva. Plin. XVIII 173: semenpro-
tinus iniciunt cratesque dentatas supertrahunt ;
vgl. ebd. 188 vom pectinari der Saat: cratis
et hoc genus dentatae stilis ferreis.
*) Hör. ep. II 1, 161. Colum. II 10, 6; XI
2, 60. Plin. 180.
3) Varr. 1. l.V 136: irpices regula complu-
ribus dentibus, quam item ut planst rum boves
trahunt, ut eruant quae in terra serpunt (er
gibt als ursprüngliche Form sirpices an). Cato
10, 2. Serv. ad Geo. I 95: crates quam rustici
irpicem vocant (nach Thilos Verbesserung).
Fest. 105, 16. Die Glossen haben die Form
hirpex, V 26,3; 74, 12; 109,33. Ueber die Form
des irpex vgl. Thedenat bei D.-S. III 576 f.
4) Plin. XVIII 1 78 : tantumque est laboris
homini, ut etiam boum vice fungatur. certe sine
hoc animali montanae gentes sarculis arant.
6) Cato 33, 4; 37, 5; 46, 2; 161, 1. Varr. I
29, 1 ; 36; beide schreiben es sarire. Man sagt
segetes sarrire, fruges sarrire, vgl. Colum. II
10, 27; 12 (13), 2; XI 2, 9. Plin. XVIII 173;
184; 241.
6) Varro I 29, 2 (in der Form sartor). Co-
lum. II 12 (13), 1. Nach Fabius Pictor bei Serv.
ad Geo. I 21 gab es unter den ländlichen Gott-
heiten neben einem Inporcitor (von porca), In-
sitor, Obarator, Occator auch einen Sarritor,
Subruncinator, Messor u. a. Sarritio Colum. II
11(12), 1 u.4; XI 2, 9.
7) Sarrire und runcare Cato 37,5; 161,
1 u. 2. Colum. II 10, 27 u. s. Vgl. Cato 48, 2.
Varro I 30. Colum. XI 2, 40. Plin. XVIII 185.
Man sagt ebenso segetes runcare, wie spinas
runcare, vgl. Cato 2, 4. Daß man mit dem
.sarrire die Saat oder die Wurzeln beschädigen
kann, mit runcare aber nicht, zeigt Cato 161,2.
Colum. II 10,27(11,4).
8) Colum. II 12 (13), 1; XI 3, 19; runcatio
ebd. II 9, 18; 12 (13), 6 u. 9. Plin. XVIII 185.
9) Vgl. Dickson I 411 ff. Mongez Second
memoire sur les instrumens d'agriculture chez
les anciens, in den Memoir. de l'Inst. royal
de France, Classe d'hist. et de litter. anc. III
(1818), 1 ff.
10) Vgl. Mongez 3. Saglio bei D.-S. IV 279.
Rich Wörterbuch 433.
») Plaut. Poen. 1018. Cato 10, 3; 11, 4;
135, 1. Varro I 22, 3 u. 5; ders. l.l.V 134. Liv.
III 26, 9.
12) Colum. X 45: tum mihi ferrato veram
tur robore palae \ dulcis humus. Cato 11,5:
palae ligneae. Eisenspaten haben sich viel-
fach erhalten, vgl. bei Saglio Fig. 5451 — 53.
Jacobi Römerkastell Saalburg 444 Fig. 69, 2
bis 5. Katal. d. Samml. d. antiqu. Ges. in Zürich
II 138 n. 3924—29 (letzterer mit eisernem
Griff).
13) Vgl. Mongez 1 1 f. Magerstedt 1 58. Rich
Wörterbuch 79. Saglio bei D.-S. I 711. Olck
bei P.-W. III 487 ; sie erklären sämtlich das
bipalium für ein Instrument, während Schnei-
der zu Colum. de arb. p. 674 sagt, es würde
damit nur eine mensura fossoria bezeichnet,
wie auch Klotz im Arch. f. Philol. u. Päd. I 320
behauptet. Allein obschon bipalium an einigen
Stellen das in der Tat bedeutet (Colum. XI
2, 17 : ad bipalium, cui est altitudo duorum pe-
dum; ebd. 3,11: non alto bipalio, id est minut
quam duos pedes, ferramento novale convcrti.
Plin. XVII 159: pastinare . . . ternos pedes bi-
palio alto), so kann es doch keinem Zweifel
unterliegen, daß an den meisten Stellen es das
Werkzeug bedeutet, namentlich überall, wo
Zweiter Abschnitt. Die Landwirtschaft.
:,»;:,
koden besonders für Gemüse-, Obst- und Weinbau umgrub, dessen Form
Lber nicht zu bestimmen ist1). Zum Behacken der Erde diente vor allem
lei raster*) oder rastruni3), ein gewöhnlich eisernes4), daher schweres6)
[Verkzeug, mit zwei und mehr gekrümmten Zinken versehen0), mit denen
Jnan die Erdschollen zerkleinerte7), den Boden aufhackte, Unkraut be-
ieitigte8) usw. In der Regel hat das ratirum einen eisernen Bestandteil.
ius zwei und mehr Zacken bestehend, und einen hölzernen Stiel, der durch
)in in jenem befindliches Loch etwas quer hindurchgesteckt ist. sodaiä das
tndere Ende noch etwas darüber hinausragt9). Allem Anschein nach ist der
>ft erwähnte bidens10) nichts als ein zweizinkiges rastrum; er ist schwer,
gleich diesem11), und wird in derselben Anwendung, teils für Acker- und
jemüseland12), teils für Wein- und Ölbau13), vom fossor geführt14).
Ahnlichen Zwecken dienten verschiedene Instrumente, die wir als Karst
)ezeichnen können, die sich aber von den vorigen anscheinend in der Kon-
struktion unterscheiden. Besonders häufig wird der ligo genannt15); er hatte
iinen langen Stiel16) und ein breites, schräg zum Stiel stehendes Eisen17),
* js heißt: terram, solum, aqrum bipalio ver-
ere (Cato 6,3; 46,1; 48, i; 151,2. Varro I
24 4; 37, 5. Colum. IV 30, 3; arb. 1, 5. Plin.
XVIII 236), mbigere (Cato 45, 2. Colum. III 5, 3.
Plin. XVI 173; XVII 69), praeparare (Plin.
KVIII 230). pastinare (Colum. IV 32. 1 ; V 6. 6).
novere (ebd. IV 1,3).
J) Von Rich, Saglio, Olck wird angenom-
men, daß es ein Spaten war, bei dem in einiger
Entfernung vom Blatt ein Quersteg angebracht
war, um durch Darauftreten den Spaten tiefer
su treiben (s. die Fig. 859 bei Saglio), allein
iafür liegt gar keine Gewähr vor, man sollte
Bher für das bipali/tm eine andere Größe des
Blattes annehmen, als bei der pala. Die Glos-
äen erklären es nur als ferranientum rusti-
cum, Corp. Gl. IV 25, 60.
'-') Diese Form ist nur im Plur. rastri
nachweisbar: vgl. Ter. Heaut. 88 ; 931. Verg.
ecl.4,40 u. s.; betr. des Genus vgl.Non.222,5.
erv. ad Geo. I 94.
3) Der Plural rastra ist selten, s. Stat. ■
Theb. III 589. luv. 15, 166.
4) Doch kommen auch hölzerne vor. zur
Bedeckung der Saat mit Erde, Colum. II 10.
27(11,4).
5) Das wird oft hervorgehoben, so Ter.
Heaut. 92. Verg. Geo. I 164. Ov. met. X 36;
fast. I 700. Colum. X 71.
6) Varr. 1. l.V 136: rastri, quibus dentatis
penitus eradunt terram atque emunt. Cato 10,
3 : rastri quadridentes ; vgl . 1 1 , 4 und Varro r. r.
I 22.5. Daher rastri tenaces, Verg. Geo. II 421.
7) Verg. Geo. I 94: II 439; Aen. IX 608.
Ov. met, 1 101 ; II 287. Sen. dial. IV 25, 2.
8) Catull. 64, 39. Verg. Geo. I 155. Das-
selbe besorgte man mit rasteüi, die wohl nur
etwas kleinere rastri waren, wie aus Colum.
II 10,27 verglichen mit ebd. 12 (13). 6 hervor-
geht; vgl. Varr. 1. 1. V 136; r. r. I 49,1.
") So erscheinen deutlich die rastri in der
Miniatur des vatikanischen Terenz in der Heaut.
1 1 illustrierenden Szene, s. Wieseler Denkmal,
des Bühnenwesens Taf. X 7; ähnlich auf dem
Grabstein Daremberg-Saglio I 799 Fig. 854.
Man vgl. die Beschreibung des rtuter bei Mon-
GEzl0f.;16f. Ricnp.512f. THEDENA-rbeiD.-S.
IV 81 1 , wo in Fig. 59 18 Originale von eisernen
rastri mit 2, 4 und 6 Zinken (aus dem Museum
von Neapel) abgebildet sind. Eiserne Hacken s.
auch Katal. d. Zürcher antiqu. Samml. II 138
n. 3930 ff. Was dagegen Jacobi Römerkast.
Saalburg Fig. 69, 1 abbildet(ein langer hölzerner
Querbalken, in den sechs eiserne gerade Zinken
eingenietet sind), ist nicht, wie er S.443 meint,
ein raster, sondern ein Rechen (perlen), der
rasier hat krumme Zinken (Catull. 64.39) und
wird beim Zuschlagen hoch gehoben (Sen. dial.
IV 25, 2. Cels b. Non. 222, 6).
10) Als///.v/y»///i'///^/-«.s^tcanennendieDigg.
XXXIII 7,8 pr.: aratra. tit/ones. sarruli. /
putatoriae.btdmtes. Vgl.Tib.l 1,29; 10.49. Ov.
fast. IV 694; am. I 13,15. Colum. X 87. luv.
3, 228. Pallad. I 42 (43). 2. Dazu Rich 78 (der
aber hier dasselbe Gerät abbildet, das er S
ligo nennt). Saglio bei D.-S. I 709. Olck bei
P.-W. III 426 ff.
») Lucr. V 208. Verg. Geo. II 355. Tib. II
6, 3. Ov. fast. IV 927.
") Verg. Geo. II 399. Plin. XVII46; XVIII 46.
1S) Colum. III 13,3; IV 5.1; 14,1; V 3,3 u.ö.
Plin. XVII 159. Pallad. II 10, 3.
u) Dabei scheint bidentem iactor* tech-
nischer Ausdruck zu sein, vgl. Verg. Geo. II 355.
Colum. IV 17,8.
,5) Mongez a.a.O. 9f. Rich 355. Tm m vu
bei D.S. III 1253. Magerstedt 159 nennt ihn
„ Rodehaue".
lfi) Ov. met. X 36; ex Pont. I 8.59.
,7) Daher Stat. Theb. III 587 incarri li-
gones. Varr. 1. 1. V 184: /'//". fued to yropttr
/atitadiiieni, qaad sid> terra, faei/nis lei/itar.
566
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
das mitunter unten etwas eingekerbt war1). Er diente vornehmlich zui
Zerschlagen der Erdschollen und Umwenden des Bodens2). Sodann wir
öfters das sarculum genannt 3); es bestand aus einem hölzernen Stiel, in dei
im spitzen Winkel ein drei- oder viereckiges Eisen mit scharfer Schneid
saß4). Man benutzte das sarculum zum Wurzelbeschneiden von Bäumen5
besonders aber zum Ausjäten des Unkrautes6). Davon unterschied sich di
dolabra1). deren Form wir genau kennen8), sehr wesentlich: sie hat di
Form einer Axt, die auf der einen Seite eine dem Stiel parallele Schneide
auf der anderen eine etwas abwärts gebogene Spitze hat. In der Landwirt
schaft brauchte man sie zum Entfernen von Erde, Abhauen trockener Zweig
an Bäumen u. dgl. m.9). Endlich ist noch die marra zu nennen10), die ein
Art Spaten gewesen zu sein scheint11), über deren Form sich aber nicht
Gewisses sagen läßt12).
Für die Aussaat13), zu der man sich in der Regel eines Korbes, in den
etwa drei Scheffel Platz hatten14), bediente, haben wir eine Menge Angabe)
und Vorschriften, auf die wir hier nicht näher eingehen können; sie fan<
natürlich, je nach der anzupflanzenden Getreideart, je nach Bodenbeschaffen
heit, Klima, Witterungsverhältnissen usw., zu sehr verschiedenen Zeitpunktei
statt, zumal auch da der Aberglaube, besonders betreffs der Mondphasen
eine Rolle spielte15). Welche Getreidearten in Italien vornehmlich angebau
wurden, ist oben besprochen worden16).
Was die Felderwirtschaft der Römer betrifft17), so war Halm Wirtschaft
*) So deutet man am besten Colum. X 87:
fracti dente Ugonis ; an Zinken, wie beim bidens,
darf man nicht denken, das wären dentes, wäh-
rend der ligo wie der vomer nur dem ist. Das
wären dann die sarculi bicornes, die Pallad. 1 42
(43). 5 von den simplicee unterscheidet. Das bei
Rick 355 abgebildete Werkzeug könnte ein ligo
sein, aber Fig. 4484 bei Thedenat a. a. 0. ist ein
sarculum. Die Glossen machen übrigens zwi-
schen ligones, rastrixmd bidentes keinen Unter-
schied, vgl. Corp. Gl. IV 255, 16; 361,9; VI 645.
*) Hör. carm. III 6, 38; epod. 5.30 ; ep. I 14,
27. Ov. am. III 10, 31. Mart. IV 64, 33; 1X22,3;
57.7.1uv.ll.89.Vgl.Catol35,1.0v.fast.I699.
luv. 7,33. Pallad. 142 (43), 2. Isid. XX 14, 6.
s) Vgl. Cato 10,3; 155,1. Varr. I 22,3;
ders. 1. 1. V 134: sarculum ab serendo ac sar-
riendo. Hör. carm. 11,11. Ov. met. XI 36 ; fast.
IV 927. luv. 15,166. Pallad. III 21,2. Der Un-
terschied zu den vorigen tritt auch darin hervor,
daß die Glossen das Wort durch axaXlg, oy.aqnov
wiedergeben, Corp. Gloss. VII 232. Vgl. Mongez
27. Magerstedt a. a. 0. Rich 539. Dorigny
bei D.-S. IV 1075.
4) So nach erhaltenen Exemplaren, die
wahrscheinlich als sarcula zu bezeichnen sind,
s. Dorigny Fig. 6116—18. Mitteil, der antiqu.
Ges. in Zürich XV Taf. XII 38.
6) Plin.XIX109.
6) Colum. II 10 (11), 10; X 91. Plin. XVIII
241; XIX 109. Pallad. II 14,2.
7) Vgl. Saglio bei D.-S. II 328 f. Mau bei
P.-W. V 1274 f., über die dolabra des Holz-
arbeiters s. Blümner Technologie II 206. Aucl
dolabella, Colum. IV 24,4 f.
8) Vom Grabsteineines dolabrarius collegi.
fabrum aus Aquileia, CIL V 908.
9) Colum. II 2, 28; IV 24, 4 f.; de arb. 10,2
Pallad. I 42 (43), 1; 13,2; III 21, 2.
10) Siehe Mongez 13 f. Rich 383. Saglk
bei D.-S. 111 1606 f.
n) luv. 3,311 nennt sie mit sarcula zu
sammen, 15, 167 mit anderen landwirtschaft
liehen Geräten. Bei Colum. X 89. Plin. XVI
159 ; XVIII 147 dient sie zur Bodenbearbeitung
Corp. Gloss. III 325, 1 wird sie durch axaq !<»■
Grabscheit, übersetzt.
u) Die einzige Andeutung gibt Colum. X 72
tupenitus latis erodere visceramarris i ne dubitä
13) Hierüber vgl. Dickson I 505 ff.
14) Cato 11,5 nennt diese Körbe quala sa
toria vel alvei, Colum. XII 52,8 corbidae trimi
diae satoriae; nach II 9,9 fütterte man sie (au:
Aberglauben) mit Hyänenfell.
15) Ueber die Saatbestellung vgl. Mager
stedt 167 ff. Beaurredon 77 ff. Dorigny be
D.-S. IV 923.
16) S. 161 f. Zu vgl. ist J. A. J. Michon De!
cereales en Italie sous les Romains, Paris 1859
R. Gradmann Der Getreidebau im deutschen u
römischen Altertum, Jena 1909.
17) Dazu vgl. Dickson I 175 ff. und 449 fl
F. G. Schultz Antiquit. rusticae, Jena 1829
Magerstedt 220 ff. Beaurredon 52 ff. Voig'
Römische Privataltert. 297 ff. Nissen Italisch
Landeskunde I 444 ff.
Zweiter Abschnitt. Die Landwirtschaft.
567
bei der Getreide dem Getreide folgt und keine Brache stattfindet, nur in
ganz fettem Boden möglich, wie in Kampanien, wo man im Beiben Jahre
einmal Hirse und zweimal Spelt säte1). Auch daß Felder viermal im Jahre
bestellt wurden, kam vor, und zwar zweimal mit Spelt, dann mit Hirse und
zuletzt mit Küchengewächsen2), oder erst mit Gerste, dann mit Hirse, dann
mit Hüben und zuletzt wieder mit Gerste oder Weizen3). Auch in Etrurien
wurden die Felder Jahr für Jahr mit Getreide bestellt4). Am verbreitetet in
war die Wechsel Wirtschaft, bei der man ungleiche Fruchtarten, besonders
Getreide und Hülsenfrucht, einander ablösen ließ6); denn dieser Wechsel
frischte den Boden auf6), und überdies war der Gewinn größer7). Indessen
auch die Brachwirtschaft war ganz verbreitet8), und zwar meist als
Zweifelderwirtschaft, bei der die Äcker ein Jahr um das andere brach lagen9),
wobei in der Kegel von Ende März bis Mai die Brachpflügung stattfand,
von da bis August die zweite Pflügung und das Eggen, von Ende September
bis Anfang Dezember die Aussaat; nach weiterer Bestellung der Saat folgte
im Juli und August die Ernte, und von September bis Ende März lag das
Feld brach10). Seltner wird die für schwache Äcker geeignete Dreifelder-
wirtschaft erwähnt, die den Acker jedes dritte Jahr ruhen läßt, indem etwa
Hülsenfrucht, Dinkel, Brache aufeinander folgten11).
') Plin. XVIII 111: seritur toto a»»o,pa-
nico fsemel, bis farre. Vgl. Dion. Hai. I 37,2 von
den KafXJiavcöv Jieöia, iv oTg iyco xai iQutaQJiovs
lih.aoaf.iriv doovgag dcoiröv eTii %eifiegtvqj xai
iinn.iiogivov F.jil &eoivw oiiöoov sx<peQovoag.
'-) Strab. V p. 242: tarogeTrat <Y ?na zwv
jtsdiwv OJteiQEoftat <V e'zovg 8ig pev zf/ £ei(i, zo 8k
tgizor e/.riKn, neu de xai }.uyarn'>eaüai zw zstag-
jio o.iiiot,). Besonders fruchtbar war die Gegend
um Capua und den Vesuv, Verg. Geo. II 224.
3) Plin. XVIII 191: sifuerit illa terra, quam
appellavimus teneram (XVII 36), poterit sublato
hordeo seri milium, eo condito rapae, his sub-
tatishordeumrursiis veltriticum, sicut in Cam-
wania.
4) Varr. r. r. I 9, 6.
5) Verg. Geo. I 73: auf ibi flava se.res mu-
tatis sidere farra, | unde prius laetutn siligua
quassante legumen aut tenuis fetus viciae tri-
stisque lupini \ sustvleris fragilis calamos sil-
vamque sonantem. Vgl. Plin. XVIII 191. Wenn
man bei Varro r. r. I 44,3 mit Keil liest: agrum
alter» is annis relinqui oportet paulo [aut] leri-
oribus sationibus, id est quae minus suguni ter-
ra»), so empfiehlt auch Varro die Wechsehvirt-
schaft, während die Stelle sonst als Beleg für
Brache angeführt wird.
6) Die abgeerntete Hülsenfrucht wurde so-
fort unterpflügt und diente als Düngung, Colum.
II 13 (14). 1. Vgl. Plin. ep. VII 9, 7.
7) Verg. a. a. 0. 82: sie quoque mutatis re-
quiescant fetibusarva, \ necnulla intereaesf in-
aratae gratia terrae.
8) Der Römer hat kein besonderes Wort
für die Brache, sondern behilft sich mit Um-
schreibungen [agri cessatio, qities u.dgl.), wohl
aber eines für das erste Anpflügen des Brach-
ackers, was vervagere heißt, Colum. XI 2, 8;
daher heißt der Brachacker verpactttm, Cato 27.
Varr. 144.2. Colum. II 4,2; 10,5; XI 2.52. l'lin
XVIII 176. Pallad. IV 2. Vgl. über die Bedeu-
tung der Worte den Exkurs von Schneider im
Index ad sor. r. r. 465. Dasselbe kann noval*
oder aqer novalis bedeuten, Verg. a. a. 0. 71.
Ov.exPontoI4,13. Varro I 29. 1; II pr.4. Plin.
XVIII 176: nora/e est i/aod a/ternis a»»is seri-
t»r. Pallad. II 10, 1 (doch kann dasselbe auch
noch nie gepflügtes Land. Neuland, bedeuten,
z. B. Plin. XVII 39). Der Gegensatz dazu ist der
a;/er restibilis, der jährlich bestellt wird, Varro
1. 1. V 39: ar/er resiihilis i/»i restitnitnr ar re-
serit»>-tj»of>/H»t a»»is ; eo»tra <p<i i»termittitar.
a »(»-»»i/o novalis. \s\. Varro r. r. I 44.2. Col.
II10,4u.ö.
:I) Verg. a.a.O. 71: alter»)* !de>» Um$0t»
eessare »orales, et se</»e»i patiere situ dare-
si'ere eo»if»<»i. Ov. exPonto I 4, 18: quae uum-
quam pacuosoHta est otuare »<»-<di, fructibus
assiduis lassa seaeseif huiuus. Colum. II
Claud. carm. min. 52 (epist. 13). 11. Plin. X V 1 1 1
191: frumentum seri i/uida»i vetani niti i» m
(terra), quae j>ro.ri»t<> an»» quiererit.
10) Natürlich ergaben sich nach der Art des
Getreides oder der Futterfi ucht zeitliche Um n
schiede ; vgl. Voigt a. a. 0. 298 f.. der sich dabei
besondersauf die Menologia rusticaCTL I p. 359
stützt.
n) Varro 144.3: i» (Hgnthia quottumü re-
stibilia esse ilicuut, seil ita, »1 tertio {KOMM anno
»berioresferautfruetus. Plin. XVIII 187: Ver-
(/ifius al/erais eessare arra snadet si pati-
antur ruris apatia, utiUssimum ja-neul dubi<<
est ;i/uodsi ueqct c<»)<l ieio,farsrrc»du>», » »d<
lupiiuu» aut rieia auf faba suhl ata si»t et quae
temn» fariaut laetiareui (doch ließe sich diese
Stelle auch auf Wechselwirtschaft deuten)
568
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
Bei der Ernte1) bediente sich der messor2) zumeist der Sichel, fuh
messorias), seltner secula genannt4), obschon Ausraufen mit der Hand nichi
bloß bei Flachs, Lupinen u. a., sondern auch bisweilen bei Getreide vorkam5)
Die für die Getreideernte üblichen Sicheln hatten, wie die Denkmäler6) und
zahlreiche noch erhaltene Exemplare 7) zeigen, ganz die noch übliche Form
einer an einem Holzgriff befestigten, an der inneren Krümmung mit scharfer
Schneide versehenen8) Eisenklinge9); Unterschiede ergaben sich teils aus
der größeren oder geringeren Krümmung10), teils aus der Anbringung von
Zähnen oder Spitzen11), wodurch sich auch verschiedene Arten des Schneidens
ergaben. Varro nennt drei Arten: bei der in Umbrien üblichen schnitt man
den Halm mit der Sichel direkt an der Erde ab und legte jede abgeschnittene
Handvoll {manipidus) auf die Erde nieder; war eine größere Zahl solcher
fertig, so schnitt man die Ähren von den Halmen, tat jene in Körbe, die
man auf die Tenne transportierte, und ließ das Stroh auf dem Felde, wo es
zu Schobern geschichtet wurde12). Bei der zweiten bediente man sich eines
krummen, oben mit einer kleinen eisernen Säge versehenen Holzstabes; mit
diesem schnitt man von dem Halmbündel, das man gepackt hatte, die Ähren
ab und ließ die Halme stehen, die später eigens abgeschnitten wurden13).
Bei der dritten, bei Rom üblichen und auch sonst verbreitetsten Art wurden
die Halme, die man mit der Linken erfassen konnte, in der Mitte durch-
geschnitten; die stehengebliebenen Halme wurden später geschnitten, die
oberen Hälften mit den Ähren kamen auf die Dreschtenne14).
1) Vgl. Dickson II348ff. Magerstedt 227ff.
Beheim-Schwabzbach 108 ff. Beaurredon 84 f.
Dorigny 923 f. Olck bei P.-W. VI 477 ff.
2) Cic.de or.III 12,46. Verg.ecl.3.42; Geo.
1316. Ov. met. XIV 643. Col. II 12 (13), 1.
3) Man unterscheidet vornehmlich falces
messoriae für die Getreideernte, foenariae für
die Heuernte und putatoriae für die Baum- und
Rebenkultur, Pallad. 1 42 (43), 1. Digg. XXXIII
7, 8 pr. Paul. sent. III 6, 35. Colum. IV 25, 1
nennt eine besondere falx vinitoria; andere
heißen silvatica, arborea, stramentaria u. dgl.,
s. Cato 10,3; 11,4. Vgl. Mongez 29 ff. Mager-
stedt 256 ff. Rich 253. S. Reinach bei D.-S. II
968 ff.
*) Nach Varr. 1. 1. V 137 in Kampanien für
falx gebräuchlich.
5) Cato 37, 1 ; Plin. XVIII 296 tadelt es,
weil der Boden dadurch ausgesogen werde.
6) Die Sichel erscheint besonders häufig
auf Darstellungen der Jahreszeiten in der Hand
der Höre des Sommers, sonst in der des Priapos,
vgl. Drexler bei Röscher Mytholog. Lexik. I
2736. Darstellung des Erntens mit der Sichel
auf der Trajanssäule Fröhner Colonne Trajane
pl. 162.
') Verschiedene bildet Reinach a. a. 0. ab ;
s. ferner Katal. der Samml. der Zürch. antiqu.
Ges. II 136 n. 3876 ff. Jacobi Römerkast. Saal-
burg 446 f. mit Fig. 69. 7 und Taf. XXXV 2.
8) Daher die Bezeichnungen falx curva,
Verg. Geo. 1 508 ; procurva. ebd. II 421; adunca,
Ov. met. XIV 628; acuta, Mart. III 24,5.
9) Aus älteren Perioden rühren Bronze-
sicheln her, besonders aus Pfählbaufunden, vgl.
Reinach 969 A. 8.
10) Halbmondförmige, lunata, Pallad. 1 42
(43), 2.
") Colum. II 20 (21), 3 nennt falces ven<-
culatae und unterscheidet bei diesen wieder
rostratae und denticulatae.
12) Varro r. r. I 50, 1: frumenti tria genera
sunt messionis : unum, ut in TJmbria, ubi falce
secundum terram succidunt stramentum etma-
nipulum, ut quemque subsicuerunt, ponunt in
terra, ubi eos fecerunt multos, Herum eos per-
censent ac de singulis secant inter spicas et
stramentum. spicas coiciunt in corbem atque in
aream mittunt, stramenta relincunt in segete,
unde tollantur in acervum. Vgl. Plin. XVIII 296 :
alibi ab radice caeduntur (stipulae). Dieses
direkt an der Erde Abschneiden der Halme hieß
succidere, Ov. am. III 10, 12. Caes. b. Gall. IV
19; ebd. 38. Daß das desecare cum stramentis
alter Brauch war, zeigt Liv. II 5, 3.
1S) Varro a. a. O. 2 : altero modo metunt, ut
in Piceno, tibi ligneum habent incunmm bacil-
lum, in quo sit extremo serrida ferrea. haec
cum conprendit fascem spicarum, desecat et
stramenta stantia in segete relinqu-it, ut postea
subsecentur. Das Nachmähen der Stoppeln er-
wähnt Verg. Geo. I 289 als Nachtarbeit.
14) Varro a. a. O.: tertio modo metitur, ut snb
urbe Roma et locis plerisque, ut stramentum
medium subsecent, quodmanusinistrasummum
prendunt: a quo medio messem dictum puta.
Zweiter Abschnitt. Die Landwirtschaft.
Ob man sich beim Getreidemähen auch der Sense bediente, ist nicht
it iberliefert, auch kein besonderer Name dafür; daß man sie aber kannte,
eigen noch erhaltene Exemplare der Eisenteile1). Eine andere Vorrichtung,
lie aber aus den Beschreibungen nicht klar ist. war das Gewinnen der Ihren
i di ^ermittelst der merga oder des pecten*). Die merga, deren schon Plautus
denkt3), war gabelförmig4); wie es scheint, war es aber keine die Halme
Schneidende Sichel, sondern die in der Linken geführte Gabel erfaßte statt
itter Hand eine Anzahl Ähren, die die Rechte mit der Sichel abschnitt6), und
fein solches Ährenbündel hieß merges6). Eine ähnliche Vorrichtung, nur mit
ipehr Zinken und kammartig, wird der pecten gewesen sein7).
Eine Art Mähmaschine benutzte man schon im 1. Jahrhundert n. Chr.
mf den großen Landgütern in Gallien, wo man nicht genügend Arbeitskräfte
latte und das Stroh nicht brauchte. Nach der kurzen Beschreibung des
3linius8) und der ausführlichen des Palladius9) bestand sie aus einem auf
:wei niedrigen Rädern ruhenden, viereckigen Kasten, der sich nach oben
mit erweiterte, indem die Seitenwände nach außen gerichtet waren; an der
reu
31 tnfra manum stramentum quod terra haeret,
jostea subsecatur, contra quod cum spica stra-
nentum haeret, corbibus in aream defertur.
lierbei bediente man sieb nach Colum.1120
21), 3 (der die beiden andern Methoden nicht
cennt) der falx verueulata vel rostrata vel
lenticulata; doch ist die Lesart verueulata un-
sicher, daher die Form der Sichel ungewiß;
lie dentata war wohl der erwähnten serrula
rerrea ähnlich. Plin. a. a. 0. sagt nur: stipulae
ilibi mediae falce praeeiduntur
) Vgl. Reinach a. a.O. Fig. 2864. Mitteil.
ier antiqu. Ges. in Zürich III 5 S. 21. Jacobi
- Sömerkast. Saalburg Fig. 69, 8 S. 446. Linden-
jchmit Altert, uns. heidn. Vorzeit III 3 Taf.IV.
Das war jedenfalls die zum Heumachen be-
stimmte falx foenaria.
*) Colum. a. a. 0. : multi mergis, alii peefi-
libus spicam ipsam legunt, idque in rara se-
jete facillimum, in densa difficillitnum.
3) Poen. 1018; Rud.763: tarn hercle tibi
mergeis in ore fiet messis pugneis, woraus
bervorgeht. daß es ein Erntegerät ist.
4) Festus 124, 1 : mergae, furculae, quibus
zcervifrugumfiunt. Corp. Gloss.V 621 , 9 : merga
?st fnrea; dagegen V 300, 19 (vgl. 373, 35; IV
258,14): mergae fitstes, quibus messe» colli-
juntur.
5) Das darf man daraus schließen, daß
bei Colum. a. a. 0. ausdrücklich vom legere der
Aehren die Rede ist; auch die Glossen sprechen
vom colligere, nur wird furcae für fitstes zu
schreiben sein. Die Neueren wissen meist mit
der merga nicht viel anzufangen : Mongez 35 f.
hält sie wie den pecten für Schneideinstru-
mente; Saglio beiD.-S.HI 1839 läßt es un-
entschieden, ob die merga schnitt oder nur die
Aehren faßte ; die beste Deutung gibt Rich 590.
6) Verg.Geo. II 517: Cerealis mergüe eulmi;
das. Serv. : mergites fasces culmorum spicas
habentium, quos metentes bracchiis ainistris
compleetuntur. Corp. Gloss.lV258,5; V 222,1«.
Unverständlich ist Plin. a. a. 0.: inter dutu
mergites spica destringitur.
7) Ein gleiches Gerät ist wohl bei Plin.
XVIII 297 gemeint: panirum et milium .«/»-
gillatim pectine manuali legunt (lalliae. Auch
hier darf man nicht mit Lafaye bei D.-S.
IV 365 an ein Abschneiden mit dem pecten
denken.
8) A.a. 0.296: OatUarum lutifundiis vaüi
praegrandes, dentibus in innrgine mssrtis, <in<i-
bus rotis per segetem inpe&untur, tutnento in
eontrarntm hmeto; Ha derepUu in paJhtm <a-
dunt spicae.
9) VII 2, 2 ff. : pars (iallinrinu planior hoc
conpendio utitur ad mefendum et praeter b<>-
minum labnres unius bovis opera spatium to-
tillS messt» absitmit. fit itaipte reliiru/itin, <pio<l
duabus rotis brevüms fertur. Indus quadrata
superficies tabidis munitur, ipiae forin*
ree&met in ntmmo rtddtmt epatia largiora.
ab eius fronte carpenti hrrriur est <dtitnd<>
tabufarum. ibi denticnli p/urimi (ic rari ad
spicarum mtnsurtM cmistitiiiintur in online,
ad superiorem partrm reenrri. a /ergo rem
eiusdetn rehiculi diio brerissimi temones (igu-
rantur re/nt aniites basternarutu. ibi bot
pitc in vehieuhtm versa iugo aptatur <t vineu-
/is, mansuetus $ane, qui tum modum eonput-
soris e.rcedat. Iiic nhi reliieii/um per mt
coepit inpellere, omnis sjiira in rarpenfnin
dent iridis eonprekensa cumtUatmr abrupt
relictis paleis, a/titin/ineni rel hinnilitateni ple-
runn/ue hubutca mmlcranic, <pii snptitur et Ha
per paueos ttUS OC red Uns brevi borarum spat in
tota messis tnjilctitr. Iior rinnprstrihns Iuris rrl
aequalibas uti/r est et bis. quibus necessnria
palea non habetur. Hier kann jedoch bei den
ilrntirnli die Angabe a<- rari nicht richtig sein,
denn die Messer durften nicht weit stehen. Viel-
leicht ist dafür aptati zu lesen.
570
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
niedrigeren Vorderseite waren zahlreiche, in Abständen in einer Reihe g«
ordnete, gebogene Sichelmesser angebracht; hinten ging zwischen zwei kurze
Deichseln ein angebundener Ochse unter dem Joch und schob das Gefähi
vor sich her. Die von den Sicheln abgerissenen Ähren fielen dann in de
Kasten hinein. Eine Stellvorrichtung ermöglichte es dem bubulcus, die Höh
der Sicheln je nach der Höhe der Ähren oder je nach der gewünschten Höh
der zurückbleibenden Stoppeln zu regulieren1).
Bei der Heuernte, dem foenisecium2), bediente sich der foeniseca*) i:|
Italien einer kürzeren Sichel, falx foenaria4), die man auch bei Gras zwischen
Gestrüpp brauchen konnte, in Gallien einer längeren (vielleicht einer Sense) 5>l
Um beständig die Schärfe der Schneide erneuern zu können, führten di
Schnitter einen Schleifstein mit sich und ans Bein gebunden ein Hörn mi
Öl6). Das gemähte Gras wurde mit einer kleinen Gabel (furcilla)1) ode
einer weitzinkigen Harke (pecten) 8) gewendet, wenn es trocken war, ii
Bündel (manipuli) gebunden oder zu Schobern (metae) 9) aufgetürmt und be
trockenem Wetter eingebracht10). Die stehengebliebenen Grasstoppeln wurdeij
mit der Sichel nachgemäht, was prata sicilire hieß11). Das trockene Her
wurde auf den Heuboden, tabulata12), foenilia1*), geschafft.
Beim Getreide wurden die abgeschnittenen Ähren in Körben in da*
nubilarium gebracht14), um auszutrocknen, bevor das Dreschen {triturd
begann15). Die Tenne, area, wurde in sorgfältiger Art aus gestampfter, mil
Olabgang (amurca) vermischter Erde, am besten Tonerde, hergestellt uno
mit schweren Walzen (ctßindri) oder mit Schlegeln (paviculae) eben gemacht16)
Zum Entkörnen bediente man sich verschiedener Methoden, von denen die
älteste und auch später noch gewöhnlichste die war, daß man über das aui
derTenne ausgeschüttete Getreide Vieh trieb, Rinder oder noch besser Pferde17)
') Ueber Rekonstruktionsversuche, die
neuere Landwirte von dieser Mähmaschine ge-
macht haben, s. A. Nachtweh Journal für Land-
wirtschaft, Berlin 1911. Heftl.
*) Varrol 17,2; 49,1; II 11,7; III 2,6.
Colum. II 18 (19), 3. Plin. XVIII 258. Ueber
Zeit und Art vgl. Cato 53. Varro I 49. Verg.
Geo. I 289. Col. II 16 (17) ff. Zweiter Schnitt
wird selten erwähnt, s. Cato 5. 8. Colum. VII
3, 21. Vgl. überhaupt Olck a. a.O. 477 f. Ueber
die Wiesenkultur und die Heuernte vgl. Dick-
soNlI285ff.
:!) Col. II 18, 4 f. Pers. 6,40; auch foeni-
sector, Col. XI 1, 12, und foenisex, Varro 1 49, 2.
Plin. a.a.O. 261.
4) Siehe oben S. 568 A. 3.
5) Plin. a. a. 0.: falcium ipsarum duo ge-
rn-ra : Italictim brevius ac vel intet' vepres
quoque tractabile, Galliarum latifimdiis maio-
rfbus . . . conpendia, quippe medias caedunt
herbtu brevioresquepraetereunt (die Lücke nach
Annahme von Sillig und Mayhoff). Der Zu-
satz Italua fenisex dextra una manusecat weist
vielleicht auf den Gegensatz zu der mit beiden
Händen geführten Sense hin.
6) Plin. ebd.
7) Varr. 149,1.
8) Ov. rem. am. 191: et t<>>is<t>n varo pe-
ctine verrit humum.
9) Col. II 18 (19), 2.
10) Varro a a. 0. Col. a, a. 0.
u) Varro a. a. 0. sagt zuerst: tum depratü
stipulam rastellis eradi atque addere faeni
siciae cumulum, was ein kaum glaubliches Ver
fahren ist, weshalb Olck a. a. 0. stirpem odei
spinam für stipulam vermutet, nach Col. II U
(17). 1. Varro fährt dann § 2 fort: quo facto sirt
lienda pi-ata, id ext falcibus consectanda quau
faenisices praeterierunt ac quasi herba tuber&
sum reliquerunt campum. Vgl. Col. II 21 (22), 3
Plin. 259.
».) Col. a. a. 0., vgl. oben S. 75.
18) Verg. Geo. III 321. Ov. met.VI 457. Col
I 6, 9. Calpurn. ecl. 5, 102.
14) Siehe oben S. 74.
15j Ueber das Dreschen bei den Römeri
vgl. Blümner Technologie I 2 ff . Olok bei P.
W.V1700ff. Dickson II 375 ff. Magerstem
244 ff. Beaurredon 86 ff. Dorigny a. a. 0
924.
lr>) Beschreibung Cato 91 u. 121. Varrol 51
Verg. Geo. I 178 ff. Col. II 19 (20). Pall. I 36
VIII. Geop. 1126,5.
17) Varr. 152, 1. Col. 16, 23; II 20 (21), 4
Zweiter Abschnitt. Die Landwirtschaft.
571
I lie darüber im Kreise herumgejagt wurden und es durch ihre Hufe austraten1).
Jj Sehr häufig war aber auch das Benutzen eines Dreschschlittens, des tribulum,
;efäl jines unten mit Steinen oder Eisen scharf gemachten Brettes, das mit
111 j vichten beschwert und von Rindern, deren Lenker oben daraufsaß, angetrieben
Ü vurde2). Eine andere Art dieser Dreschschlitten, die den Kömern auf dem
;fo Wege über Spanien von den Karthagern zugekommen war, hieß plostdlum
Ponticum, doch ist dessen Konstruktion aus Varros Beschreibung nicht klar3).
SJ Ütwas ähnliches scheint die traha gewesen zu sein4). Am seltensten war
4 ivohl das Ausdreschen mit Dreschflegeln, wobei man aber auch nicht an
lsel leren heutige Konstruktion zu denken hat, sondern anscheinend nur an
11 d gewöhnliche Stöcke5).
Ebenfalls auf der Tenne wurde das Worfeln") vorgenommen, das
"ntitHcire oder evallare1), auch ventilare hieß8). Man bediente sich dazu einer
infachen Schwinge, vannus oder vallus*), mit der man bei wehendem Winde
as ausgedroschene Korn in die Höhe warf, sodaß der Wind die leichte
■breu an eine dafür bestimmte Stelle fortführte, während die schwereren
Kölner zur Erde oder in einen untergestellten Korb fielen10). Statt der
Schwinge nahm man auch eine breite Holzschaufel, ventilabrum ' ') oder pala1*).
Schließlich wurden die ausgedroschenen Körner auf den Kornboden, grana-
rhi m ' :!), farrarium14-) oder schlechtweg horreum, die Spreu in die Spreukammer,
palmriii m l5), gebracht.
Kürzer müssen wir uns bei den anderen Seiten der römischen Landwirt-
schaft fassen. Ein wichtiger Zweig derselben war die auf den Landgütern
betriebene Gemüsezucht16). Es gab allerdings auch eigene Gemüsegärtner,
die holitores11), die ihre Erzeugnisse an Gemüsen, Salaten, Küchenkräutern usw.
auf den Markt brachten: aber auch auf den Gütern, den kleineren18) wie den
') Col. a.a.O.: at si competä, vi in area
teratur frumentum, nihil dubium est, quin equis
melius quam bubus ea res conftciatur. Plin.
XVIII 298.
-') Varro I 52, 1. Col.a.a.O ; ebd.XII 52.7.
Verg.Geo. 1 164mitServ.Isid.XX14,10. Augast.
civ. Dei I 8: vgl. Varr. 1. 1. V 21. Non. 228, 27.
Nach Varro sollen die tribula im Hause selbst
hergestellt werden, müssen also sehr einfacher
Art gewesen sein; im Ed. Diocl 15, 41 kommt
ein tribulum nur auf 200 Denare zu stehen.
Cato scheint das tribulum nicht zu erwähnen
(135, 1 ist es Konjektur Gesners).
:1) Varro a. a. O. Olck 1701 vergleicht den
von Hieron. comm. in Esa. IX 28 (XXIV 326 M.)
erwähnten, in Palästina üblichen Dreschwagen,
der heut noch ähnlich im Orient gebraucht wird.
4) Col. II 20 (21), 4, neben dem tribulum
genannt, ebenso Verg. Geo. a. a. 0., mit Serv.
Vgl. Corp. Gloss.V 250, 8 u. 14. Es geht aber
aus den kurzen Erklärungen nicht hervor, ob
es ein Dreschschlitten, eine Art Egge oder
eine Harkmaschine war, vgl. Olck 1702.
•"*) Sie heißen baculi, fustes, Colum. a.a.O..
oder perticae, Plin. a. a. O. Sid. Apoll. ep.VII
6,5 nennt sie flaffrfla, unser „ Flegel".
6) DicKS0NlI395ff. Blümner a.a.O. 8 ff.
Olck 1704.
7) Varro 1 52, 2. Pompon. u. Lucil. b. Non.
19,16. Plin. XVIII 98 f.
8) Col. I 6, 16. Plin. 302; 322; XXII 120.
'■') Varro 1 23, 5 ; 52, 2 ; ders. 1. 1. V 1 38. Col.
II 20 (21), 4. Serv. ad Geo. 1 166.
10) Varro r. r. 1 52, 1 . Verg. Geo. III 1 34. Col.
a. a. O.
») Varro ebd. und 1. l.V 138. Col. II 10. 14.
Fest. 77, 15.
») Cato r. r. 10, 3. Isid. XX 14. 10. Tertull.
praescr. 3. Dasselbe ist wohl die .t«/.« im Ed.
Diocl. 15, 45.
1 3) Vgl. oben S. 73 Ueber die A nlage Varro
1 57, 1 f. Colum. 16, 10 Plin. XVIII 73 ff. Pall. 119.
») Vitr. VI 6 (9), 5.
15) Col. 1 6, 9. Corp. Gloss. II 854, 52; 500.
62; 588,61 u. s.
") Ueber die bei den Römern üblichen
Hülsenfrüchte, Gemüse, Salate, Küchenkräu-
ter usw. ist oben S. 164 ff. gehandelt. Zu ver-
gleichen ist noch Magbrstedt V 303 ff. Beaur-
redon 90 ff. und zu S. 165 A. 15 F. v. d. Goltz De
lupini apud Romanos colendi ratione, Königs-
berg 1870.
17) Siehe oben S. 195.
18) Vgl.Mart.V78,8: X48,7ft [«T.11,69.
572
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
großen1), wurde dergleichen gezogen, in jenen für den Hausbedarf des B
sitzers, dem es die vilica, wenn er in der Stadt weilte, dorthin schickte,
diesen für den Verkauf im großen. Ahnlich war es mit der Obstbaumzucht'
der man, da sie sehr einträglich war3), große Sorgfalt zuwandte, namentlk
durch Erwerbung edler Sorten und Pfropfung4); man legte daher besondei
Baumschulen an, die seminaria5) oder plantaria6) hießen. Weitaus die meisi
Pflege aber widmete man den einträglichsten Zweigen der Landwirtschaf
der Ölbaumkultur und dem Weinbau 7).
Was die Kultur des Ölbaums8) anbetrifft, so soll diese in Italien allei
dings jünger sein als die der Reben: um 580 v. Chr. ist er, wie berichte
wird, in Italien noch nicht heimisch gewesen 9) und den Römern jedenfall
erst durch hellenische Vermittlung, wahrscheinlich über Kampanien, zu
gekommen10). Er verbreitete sich anscheinend zunächst noch nicht seht
schnell11), dann aber wurde er in ganz Italien, besonders im Sabiner- un
Picenerlande, heimisch12), und im 1. Jahrhundert n. Chr. war Italien so reicl
an Ol, daß es darin allen anderen Ländern voranstand13). Man ließ siel'
daher die Zucht des Ölbaums in den seminaria, die Veredelung, die sorgfältig«
Anlage der Olivenpflanzung (oletum oder olivetum), die Düngung und regel
mäßige Bearbeitung des Bodens und was sonst zur Pflege gehörte, seh;
angelegen sein14). Die Olivenernte, für die sich der Gutsbesitzer mit dei
*) Von der Gemüsekultur auf den großen
Landgütern handelt Columella B. X und XI 3.
Vgl. im allgemeinen Wiskemann Die antike
Landwirtschaft 42 f.
2) Hierüber handeln außer der oben S. 169
A. 20 mitgeteilten Litteratur C. F. W. Wall-
koth Geschichte des Obstes der Alten, Halle
1812. DoRiGNYbeiD.-S. IV 925. K.L.Sicklek
Geschichte der Obstkultur, Frankf. a. M. 1902.
3) Vgl. Plin. XVII 8.
4) Zu vergleichen ist im allgemeinen vor-
nehmlich Verg. Geo. II. Colum. lib. de arboribus.
Plin. XV 35 ff. Beim Okulieren, inoculatio (Cato
42.Col.Vll,l;XI2,59.Plin.XVII1329),machte
man da, wo das Auge (gemma, modus, germen)
sich aus der Rinde hervordrängt und den Bast
(tunica) durchbricht, eine mäßige Höhlung (.s7-
nus) und setzte das von einem andern Baum
entnommene Auge hinein; beim Pfropfen, in-
serere, insitio (Cato 40, 2. Col. III 21, 1 ; V 11,
12 u. s.) sägte man einen Stamm oder Ast glatt
ab, spaltete die Mitte des Stammes durch einen
Keil und setzte das zugespitzte Pfropfreis ein ;
vgl. Verg. Geo. II 73 ff. Cato a. a. 0. Varro I 41 ;
Col.V 11. Plin. XVII 99 ff.
5) Cato 40, 1 ; 46, 1 ; 48, 1. Varro I 29, 1 ;
35.2; 41,5 u. ö. Colum. de arb. 1, 3; 2, 1. Plin.
XVII 69 ff. Pall. 11110,1; 18.6.
6) Plin. XVII 65; 141 ff.
7) Bei Cato wird der Oel- und Weinbau
als wichtigster Teil der ganzen Landwirtschaft
betrachtet, vgl. Gummerus 19; auch bei Varro
bilden diese Betriebe die Grundlage, s. ebd.
55, und im wesentlichen auch bei Columella,
ebd. 77.
K) Vgl.MAOERSTEDTlV232ff. A.CoNTANCE
L'olivier, histoire, regions, eulture, Paris 1877
Hehn Kulturpflanzen und Haustiere6 S. 101 ff
Besnier bei D.-S. IV 162 ff.
9) Nach Plin. XV 1 behauptete Fenestella
Oleom . . . omnino non fuisse in Italia Hispa-
niaque mit Africa Tarquinio Prisco regnante
ab annisj)opuli Bomani CLXXIII, eine Nach
rieht, die allerdings nicht unverdächtig ist
da sie aus Herod. V 82 zu stammen scheinl
(s. HehnIII). Sehr verdächtig ist aber aucl
die Angabe italienischer Paläoethnologen, da£
sichin einigen Terremare Olivenkerne gefunder
hätten, s. Helbig Italiker in der Poebene 1(
A. 1; 108 f. Nissen Ital. Landeskunde I 441
10) Das wird von Hehn a. a. O. mit Be-
stimmtheit angenommen, ebenso von Helbig
109. Auch sprachliche Gründe sprechen da
für, s. Curtius Gr. Etymol. 359.
n) Nach Plin. XV 2 kosteten im J. 24S
v. Chr. 12 Pfund Oel noch 10 Asse, hingegen
lieferte im J. 74 der Aedil M. Seius dem Volk«
ein ganzes Jahr hindurch 10 Pfund für 1 As
Bezeichnend ist auch, daß bei Cato 1,6 das
oletum erst an vierter Stelle kommt (nach pt>
neu, hortus inriguus und salictum), während
Col.V 8, 1 den Oelbaum prima omnium arbo-
mm nennt und vor den Weinstock setzt.
12) Ueber die besten Arten Olivenöl s.oben
S. 191.
18) Plin. a. a. O. 3 u. 8.
14) Cato 6,2: 44 f.; 61. Varro 124,1. Verg
Geo. II 179 ff. Col.V 8; arb. 17, 1. Plin. XVII
125 ff. Pall. III 18. Geop.IX 4. Ueber die haupt-
sächlichsten Arten vgl. Cato 6, 1. Varro I 24, 1 ;
ders. 1. 1. V 108. Verg. Geo. II 83 ff. Col. V 8, 3.
Plin. XV 4; XVII 128 u. s.
Zweiter Abschnitt. Die Landwirtschaft.
573
ntlic
üitisl
ie
B nötigen Anzahl von Arbeitern (leguli, Stridores) vorsehen mußte'), wenn dies
nicht dem Pächter der Ernte zufiel2), fand vom Oktober bis zum Januar
statt, da die Beeren teils unreif, teils halbreif, teils ganz reif abgenommen
wurden3). Sie durften aber nicht durch Schütteln der Bäume gewonn« n.
sondern mußten entweder mit der Hand gepflückt (an höheren Stellen mit
Hilfe von Leitern)4) oder mit Rohrstäben abgeschlagen werden, mit aller
nötigen Vorsicht, damit die Früchte nicht dabei Schaden nahmen5).
Die Bereitung des Olivenöls6) gehörte ebenso wie die des Weines zum
landwirtschaftlichen Betrieb. Der Raum, in dem sie stattfand, ist die Kelter
und heißt ebenso wie die Weinkelter torcular1) oder torcularium*). Zweierlei
Vorrichtungen brauchte man zur Gewinnung des Öls: eine zum Zerquetschen
und eine zum Auspressen der Früchte; über beide sind wir teils durch die
landwirtschaftlichen Schriftsteller, teils durch Funde altrömischer Ölkeltern ').
teils endlich durch Denkmäler mit Darstellung des Vorganges gut unter-
richtet. Zum Zerquetschen der Oliven, wodurch die dem Öl nachteilige
au/urca, der in der Landwirtschaft vielfach zur Verwendung gelangende
wässerige Abgang, entfernt wurde, bediente man sich, abgesehen von zwei
uns nicht näher bekannten Vorrichtungen, die solea10) und tudicula11) hießen,
besonders der mola und des trapetum. Erstere, die mola olearia1*), war dafür
die beste Einrichtung. Sie bestand, soweit wir das beim Fehlen einer ge-
nauen Beschreibung zu beurteilen imstande sind, gleich der Getreidemühle
aus zwei Steinen, zwischen denen die Früchte durch Drehung des oberen
x) Cato 64, 1; 144, 1; 146, 3; Stridores
heißen sie vom Abstreifen, stringere, der
Früchte, Varro I 55. 1.
*) Cato 144.
3) Col.XI 2,83; XII 50. Pall.XI 10; XII
4, 1.
4) Varro I 55, 1: in oliveto oleam, quam
iiKiii ii tangere possis e terra ac scalis, legere
oportet potlus quam quatere, quod ea quae va-
pulavit macescit nee dat tantum olei. quae
manu strieta, melior ea quae digitis nudis, quam
illa quae cum digitabulis. Plin. XV 11 über-
liefert freilich als alte Regel: oleam ne stri>i-
gito neve verberato. Die Geop. IX 17, 8 em-
pfehlen. Holzböcke mit Brettern darauf auf-
zustellen und auf diese Weise die höher
befindlichen Früchte zu pflücken.
"') Varro a. a. 0. 2 : quae manu fangt non
poterunt, itaquati debent, utharundine potius
quam pertica feriantur: gravior enim plaga
»uilicum quaerit. Auch Plin. a. a. 0. tadelt die
Anwendung von Stöcken : qui cautissime agunt,
harundine levi ictu nee adversos percutiunt
ramos. Vgl. Geop. a. a. 0. 6. Eine Schilderung
der Olivenernte findet sich bei Symm. ep. III
23, wo auch die Leitern erwähnt sind.
6) Vgl. hierüber außer der oben angeführ-
ten Litteratur auch Blümner Technologie I
328 ff.
7) Eigentlich die Keltervorrichtung selbst,
doch auch der Kelterraum, vgl. oben S. 72.
8) Cato 3, 2 ; 12 ; 13, 1 u. ö. Colum. XII 18, 3;
52,3.
,J) In Betracht kommen vornehmlich: die
Oelkelter, die im J. 1779 in Stabiae gefunden
worden ist, nach der Schrift von Gbimai.ih
und Fb. la Vega (Napoli 1783) wiederholt und
besprochen von Schneiüeb in den Scr. r. i . I '1.
6 1 Off.: De trapeto, torculario et preloCatonis. m it
Tafeln; vgl. Rogoiebo Scavi di Stabia tav. \ u.
XII ff. ; eine in Pompeji gefundene, s. Guattam
Monum. ant. ined. tav. I ; eine in der Villa rustica
in Boscoreale, s. A. PAsqui in Mon. ant. pubbl.
d. Acad. dei Lincei VII (1897 ) 463 ff. ; vgl. Mau
R.M. XI (1896) 135 ff.; ders. Pompeji1 S. 386 f.;
eine in Malta, Cabuana im Americ. Journ. of
archaeology IV (1888), 453; verschiedene in
Nordafrika, s. Instruct. du Com. des trav. histor.:
Recherche des antiquites dans le nord de
l'Afrique p. 130.
10) Sie wird nur bei Colum. XII 52, 6 er-
wähnt, der sagt: oleo autem eonfieitnäo moIm
utiliorcs sunt, i/uum trupetum ; trapetum, quam
canalis et solea.
n) Colum. a.a 0.7: est et orginiiun ereetae
tribu/ae simile, quod tudicula cocutur, »
HOn incommode opus effirit. uis, quod fr<-
quentcr vitiatur et, si bacCOi )>lusculum in-
gesseris, impeditur. Vgl. Schneidbb Scr. r. r.
I 2,617; II 2,660. Die Glossen erklären es
durch Totjin/, was auf eine mörserartige Vor-
richtung hindeutet, vgl. Corp. Gloss. VII 372.
12) Varr. 1 55,5; mola oliraria Digg. XXXIII
7,21.
574 Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
Mühlsteines, der je nach Bedarf eingestellt werden konnte1), leicht zerdrück J
wurden; anscheinend war es ein kugelförmiger Stein, der an Querbalkerl
im Kreise gedreht wurde, während der untere Mühlstein ein ausgeh öhlteil
Bottich war, in dem die Oliven zwischen der inneren Höhlung und deml
oberen Mühlstein aufgehäuft wurden 2). Genauer kennen wir durch die er-l
wähnten Funde und die Beschreibungen der Schriftsteller3) die zweite Vor-I
richtung, das trapetum, bei dem in dem unteren steinernen Becken, in dessen
Mitte sich ein steinerner Zylinder erhob, um ein in der Mitte der oberen
Fläche dieses Zylinders stehendes Eisen sich eine Holzachse drehte, an der
zwei steinerne Kugelsegmente (Kalotten), die mit den ebenen Flächen einander
zugewandt waren, befestigt waren, die bei der Drehung die Oliven zwischen
dem Zylinder und den Wänden des Beckens zerquetschten und das Fleisch I
von den Kernen lösten4).
Wenn sodann aus der so entstandenen Masse5) die Kerne entfernt worden
waren, kam sie unter die Presse, die ebenfalls torcular6) oder torculum1)
oder von ihrem Hauptbestandteil her prelum hieß 8). In ältester Zeit wurde
das Pressen einfach dadurch besorgt, daß die in einen Behälter aufgehäufte
Masse mit einem schweren Steine belastet wurde; doch trat an dessen Stelle
schon früh die Vorrichtung, daß ein mit dem einen Ende zwischen Holz-
pfeilern beweglich befestigter Preßbaum an seinem anderen Ende durch
Stricke oder Riemen niedergezogen wurde, der auf ein starkes Brett, das
über die Oliven zu liegen kam, einen gewaltigen Druck ausübte. In die
Höhe hob man den schweren Preßbaum durch einen Flaschenzug; die Oliven
wurden in einem Korbe oder zwischen Latten auf das Preßbrett darunter
gestellt und der Preßbaum vermittelst einer an Hebeln gedrehten Winde
herabgezogen9). Der Saft lief durch Öffnungen in die dafür bestimmten
Behälter ab10). An Stelle des Flaschenzuges und der Hebel, die viel Platz
wegnahmen, bediente man sich seit dem 1. Jahrhundert v. Chr. vielerorts
auch der Schraube11); in der Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. aber wurde
die Schraubenpresse üblich, bei der der Druck nicht, wie bei der vorher
beschriebenen Vorrichtung, durch den seitlich von der Schraube nieder-
gezogenen Preßbaum erfolgte, sondern die Schraube in der Mitte der Presse
*) Colum. a. a.O. :molae quam facillimam 20 u. ö. Vitr. a.a.O.
putiuntur administrationem, quoniam pro ma- \ 9) Da die Hebebäume eine ziemliche
gnitudine baccarum vel submitti vel etiam ele- '■ Länge hatten, mußte der Kelterraum die ent-
varipossunt, ne nucleus, qui saporem oleivitiat, ■ sprechende Größe haben; Vitr. a. a. 0. schreibt
confringatur. Vgl. Pall. XII 17,1. 40 Fuß Länge und 16 Fuß Breite vor, und
2) So nach der Darstellung eines Sarko- wenn zwei Pressen darin aufgestellt werden
phages in Alles, bei Millin Voyage au midi sollen, 24 Fuß Breite.
de la France III 572 pl. LXI3; vgl. Blümner 1u) Die Beschreibung gründet sich auf
a.a.O. 331 Fig. 44. Cato 18 und die Oelpresse von Stabiae, vgl.
3) Vornehmlich Cato20ff., vgl. 135, 6.Varro Schneider a. a. 0. Taf. II 1 u. VII; dazu das
155,5. Plin.XV23; vgl. Col. a.a.O. Digg.XIX römischeReliefbeiBLÜMNERA.Z.XXXV(1877)
2, 19, 2. i 53 Taf. 7, 1.
4) Das Genauere bei Schneider a.a.O. u) NachPlin. XVIII 317, dessen Beschrei-
Blümner a.a.O.; vgl. die Fig. 205 bei Mau bung aber sehr unklar ist. Plinius bezieht
Pompeji 386. ; sich zwar nur auf die verschiedenen Arten
■) Sie hieß sampsa, Colum. XII51. 2; 52,10. ! der Weinkelter, aber die Denkmäler und die
B) Vitr. VI 6 (9), 3. Plin. XVIII 230. : noch erhaltenen Oelkeltern zeigen, daß bei
7) Varro I 55,7: torcula olearia. Plin. diesen ganz die gleichen Systeme üblich waren.
XVIII 317. Non.47, 17. Näheres über diese Pressen s.u. bei derWein-
M) Cato 12; 18,2. Colum. XII 52, 3; ebd. : kelter.
Zweiter Abschnitt. Die Landwirtschaft.
ic ig und daher ihren Druck direkt ausübte l). Noch eine andere Art der
m\ resse kennen wir nur aus den Denkmälern, während die Schriftstell, i n€
m icht erwähnen: sie entsprach der üblichen Traubenpresse, indem in einen
]Je us zwei vertikalen und zwei horizontalen Balken bestehenden Gestell Bache,
;t« ewegliche Querhölzer in einem Falz an der Innenseite der Rahmenhölzer
■\ efen, deren unterstes auf die darunter befindliche Olivenmasse drückte.
m )ieser Druck wurde durch starke, zwischen die Querhölzer eingelegt.- Keile
n ewirkt, die man mit Hämmern fest einschlug2). Das Kelterhaus, in dem
ie Maschinen zum Zerquetschen und Pressen aufgestellt waren, war in
Iweckmäfäiger Weise eingerichtet, um das abfließende Öl in Behältern {labra)
nfzunehmen3); das Öl, das durch die Tätigkeit der foctor€$, wie die Arbeiter
n der Kelter heißen4), ausgepreßt wurde, schöpften die eapulatore$ aus den
'ehältern und füllten es in andere Tongefäße ab5); von da kamen sie in die
der cella olearia6) aufgestellten dolia1), die amüroa in besondere8).
Älteren Datums als der Ölbau ist in Italien der Weinbau9), da nach
Jlen Nachrichten und Anzeichen der Weinstock dort seit Urzeiten heimisch
ar10). Allerdings ist für die prähistorische Zeit zwar das Vorkommen der
*) Plin. ebd., der noch dazu bemerkt, daß
lafür ein kleineres Kelterhaus erforderlich
rar, als bei der andern Einrichtung mit dem
angen Preßbaum; vgl. Vitr. a. a. 0.
*) Man sieht diese Vorrichtung auf dem
>ompejanischen Wandgemälde A. Z. XXXI
1873) Taf. 3, 2 b und einem im Hause der
fettier. Pasqui a.a.O. 467 Fig. 53a. Hermann
[)enkm. d. ant. Malerei 35 Taf. 22 unten. Mau
3ompeji 351 Taf. IX 1.
3) Ueber die Einrichtung des Kelterhauses
«ato 12 f.; 18. Colum. XII 18,3; 52, 2 ff.; das
eiterhaus von Stabiae Schneider tab. V f.
3lümner a. a. 0. 346 ff.
4) Cato 13, 1 ; 64, 1 ; 66, 1 u. ö. ; der Name
kommt daher, daß eine bestimmte Quantität
Oliven (100 — 160 Modii), die auf einmal ge-
areßt wurde, factus oder factum hieß, Cato
37, l.Varrol 24,3. Colum. XII 52,19 u. 22. Plin.
XV 23. Daß diese Arbeiter auch torcularii
ließen (Marquardt 140), ist ein Irrtum, da
ei Colum. a. a. 0. 3 mit torculariorum labor
die Arbeit der Oelpressen gemeint ist.
*) Cato 66. Colum. XII 52, 10 ; 54, 2; von <■«-
pulare, d. h. aus einem Behälter in den andern
übertragen, Plin. XV 22. In Gütern mit großer
Oelproduktion gab es besondere collegia ca-
platorum, s. CIL X 5917; XIV 3677 u. s.; vgl.
WAi/rziNGEtud.historique II 146. 11; IV 85,21.
6) Vgl. oben S. 73.
7 ) Dolia olearia, s. oben S. 148 A. 11.
8) Varr. I 61: amurcam periti ' af/ricolae tarn
in doleis condunt quam oleum auf rinum; vgl.
Cato 10,4. Ueber die verschiedenen Oelsorten,
deren Qualität auf der Reife der Oliven oder auf
der Intensität und Dauer des Pressens beruhte
oleum acerbum oder aestivum,tnride, maturum,
cibarium oder ordinariwn), s. oben S. 191.
9) Ueber den Weinbau und die Wein-
bereitung bei den Römern gibt es eine sehr
umfangreiche Litteratur; abgesehen von all-
gemeineren Schriften, wie A. Jullien Topo-
graphie des vins, Paris 1816; 4. ed. 1848(deutsch
Leipz. 1833). S. Henderson The history of ;m
cient and modern wines, London 1824 (deutsch
Weimar 1853). G. H. v. Carlowitz Verandi
einer Culturgeschichte des Weinbaus, Leipzig
1846. C.Hessel Die Weinveredlungsmethoden
des Altertums, Marburg 1^56. L Denmann The
wine and its fruit, London 1864. R. BcHI i.i/.i.
Geschichte des Weins und der Trinkgelage,
Berlin 1867, sind zu nennen: J. Sciinkyukk
Ueber den Wein- und Obstbau der alten Römer.
Rastatt 1846. C. E. Weber Dissert. de vino Ea-
lerno, Marburg 1856. Maoerstedt Bild, a, d.
ifini. Landwirtsch. I: Der Weinbau der Römer,
Sondershausen 1858. C. C. Laharre De vitibus
atque vinis apud Romanos, Paris 1863. G.Lui-
mann De vini apud Romanos apparatu curaque,
Wernigerode 1872. Tli. Keitei. Die Weinlese
der alten Römer. Schweinfui 1 1874; ders.Wein-
Verbesserung im Altertum und in der Neuzeit,
Bl. f. d. bayer. Gymuas. XXXII (1896) I 24 ff.
E. Weise Ueber den Weinbau der Körner I .
Hamburg 1897; ders. Beitr. z. Gesell, d. r.'.m.
Weinbaus in Gallien und an d. Mosel, ebd. 1901.
F. Orth Wein und Weinbereitung der Römer,
Frankfurt a.M. 1902. G.Cartel La vigne et le
vin chez les Romains, Paris 1903. Von dieser
Litteratur ist mir leider nur der kleinere Teil
zugänglich gewesen.
,0) DieältesteNachrichtistHom.Od.IX 1 10
u. 133. DieRömer selbst nahmen an, daß die Re-
be ein seit lange bei ihnen heimisches Gewächs
sei, Plin. XIV 25, doch glaubte man immerbin,
daß die Kultur des Weinstocks erst längere Zeit
nach dem Ackerbau eingeführt worden sei, ebd.
XIV 88 ; XVIII 24. Ueber die Herkunft der Rebe
ist besonders zu vgl. Hehn Kulturpfl. u. Haus-
tiere6 S. 65 ff. Weise Ueber d. Weinbau 5 f.
576
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
Reben nachgewiesen1), ob man aber schon sehr früh es gelernt hatte, Mos
oder Wein daraus zu bereiten, oder ob man die Beeren damals nur roh aß, mu
dahingestellt bleiben2). Immerhin ist das erstere wahrscheinlich, da vinw
nach der heute verbreitetsten Annahme auf alten indogermanischen Wort
schätz zurückgeht3). Aber auf alle Fälle war der Weinbau in den Anfänge:
der römischen Geschichte noch nicht stark verbreitet und Wein noch kei
gewöhnliches Getränk, wie später4); in der Königszeit wog der Feldbau be
weitem vor5). Allmählich nahm dann, zumal mit dem Bekanntwerden bessere
Reben, die man von auswärts her einführte6), die Kultur des Weinstock«
immer mehr zu, und zu Catos Zeit kam der Weinbau an erster Stelle alle
landwirtschaftlichen Anlagen7), da er weitaus am einträglichsten war8). Di<
landwirtschaftlichen Schriftsteller beschäftigen sich daher sehr eingehenc
mit dem Wreinbau und ihre Vorschriften zeigen, welche große Sorgfalt um
Pflege man den Reben in der Auswahl und Verbesserung des Bodens, ii
der Wahl des Satzes und der Rebsorten, durch Pfropfen der Setzlinge, durcl
Anbinden, Bodenbehacken, Wurzelräumen, Düngen usf. angedeihen ließ9)
Eine Hauptsache dabei war das richtige und rechtzeitige Beschneiden, di(
putatio10), zu der man sich des Winzermessers, der falx vinitoria, bediente11).
Man zog die Setzlinge nicht bloß in der Baumschule, sondern in eigener
Rebschulen, vitiaria genannt12). Für die Weinpflanzungen, vineta13), hatte man
zwei Arten der Anlage: den baumlosen Weingarten, vinea im speziellen Sinne
genannt14), und den Baumgarten, arbustum15), wo die Reben an den Stämmen
gezogen wurden. In den Weingärten unterschied man wiederum zwei Me-
thoden: mit und ohne Stützen. Ohne Stützen gezogen wurden die kriechenden
!) Helbig Italiker in d. Poebene 16 A. 3 ;
109 A. 3.
2) Beste von Kelteranlagen sind in den
Terremare nicht nachweisbar, was freilich nicht
viel besagen will. Helbig S. 16 läßt die Frage
unentschieden, neigt aber S. 109 f. zu der Mei-
nung von Hehn a. a. 0., daß die Römer den
Wein als Getränk erst durch die Griechen
kennen gelernt hätten und daß vinum ein
griechisches Lehnwort sei, was von anderer
Seite bestritten wird, vgl. Weise a. a. 0. 6.
3) A. Müller in Bezzenbergers Beiträgen
I 294. Schrader Sprachvergl. u. Urgeschichte3
II 255, der freilich es dahingestellt läßt, ob
man es mit Urverwandtschaft oder alter Ent-
lehnung der betreffenden Wörter zu tun habe.
4) Das zeigen die Nachrichten über alte
Gaben an den Feriae Latinae, Dion. Hai. IV
49, 3; auch das Gebot des Romulus, mit Milch
zu opfern, und sein Verbot, den Scheiterhaufen
mit Wein zu besprengen. Plin.XIV 88. Festus
263, 4.
5) Plin. XVIII 24: apud Romanos multo
.se>-ior Vitium cultura esse coepit, primoque, ut
necesse erat, arva tantum coluere.
6) Ueber die wichtigsten in- und aus-
ländischen Weine der Römer s. oben S. 198 ff.
7) Cato 1, 6, freilich für den Fall, daß
reichlich Wein produziert wird : si vino bono
vel si vino multo est, wo aber si vino bono
Konjektur ist. Zu Varros Zeit stellten manche
den Wiesenbau in die erste Linie und meinten,
vinüm sumptu fructum devorare, Varro 17,10.
8) Ueber die Rentabilität des Weinbaues
vgl. Orth a. a. 0. 12 ff.; über den Rückgang
derselben in der Kaiserzeit s. S. Reinach La
mevente des vins sous le haut-empire romain,
Rev. archeol. 3. Ser. XXXIX (1901) 358 ff.
9) Ueber all dies vgl. namentlich Mager-
stedt 48 ff.; 91 ff. sowie die angeführten Ab-
handlungen von Weise S. 8 ff. und Orth S. 1 6 ff.
10) Dem Beschneiden der Bäume stand
die Göttin Puta vor, Arnob. IV 7 f.
n) Colum. IV 25, 1 ; falcula vineatica, Cato
11,4. Varro 1 22, 5. Ueber den Rebschnitt vgl.
Magerstedt 124 ff. Orth 30 ff.
12) Cato 40, 1 ; 47. Varro I 31, 2. Colum. III
4 f. XI 2, 18; doch heißt auch die Rebschule
seminarium, Colum. de arb. 1, 3 ff.
13) Cato 141, 2. Varro I 8, 6; 54, 1. Cic. n.
deor. II 66, 167; de legg. II 8,21. Verg. Geo.II
319. Hör. ep. I 7, 84. Colum. III 4, 1 ; 20, 3 u. ö.
u) Im allgemeinen Sinne bedeutet vinea
dasselbe wie vinetum, so z. B. Plaut. Cure. 139.
Cic. de lege agr. II 25, 67. Hör. carm. III 1, 29 u. s.
15) Zunächst allgemein jede Baumpflan-
zung, im speziellen aber die für die Wein-
reben bestimmte, s.Cato 7, 1; 137. Cic. Cat. m.
15, 54. Verg. ecl. 3. 10. Hör. carm. III 1, 9 ; sat.
I 7, 29.
Zweiter Abschnitt. Die Landwirtschaft.
577
Vites prostratae oder humi proiectae, eine Art, die in den Provinzen häufig, in
(Italien nur in besonders dem Winde ausgesetzten Gegenden üblich war1);
Koch war diese Methode, zumal der Feldmäuse wegen, nicht praktisch').
Ebenfalls ohne Stützen gezogen wurde die vitis capitata, in Kopfform, und
Hie ritis brachiata, in Armform, beide besonders in den Provinzen verbreitet,
■wobei am Stock alle Ranken bis zu einer gewissen Höhe entfernt wurden
lind sich ein mannshoher Stamm mit Krone bildete3). Bei den mit Stützen
bezogenen gab es ebenfalls verschiedene Arten des Stütz werks. Der heute
tördlich der Alpen üblichen Methode entsprachen am meisten die geraden
felebpfähle, pedamertta*) oder sudes5), wozu man besonders Holz von Eiche,
IWacholder, Zypresse oder Holunder nahm6). Aber verbreiteter war in Italien
Idie vitis iugata, wobei die Reben an einem hölzernen Joch aus zwei runden
■Pfählen oder viereckigen Pfosten und einer Querstange aus Holz, Rohr u. a.7)
eingebunden wurden8); waren solche Querstangen reihenweise angebracht,
Isodatä das daran in die Höhe gezogene Rankenwerk eine Art Wand bildete,
Iso nannte man das vites canteriatae9). Waren mehrere Joche nach Länge
lund Breite untereinander verbunden, so hießen solche Reben, wegen einer
Igewissen Ähnlichkeit mit der Form des Kompluviums, vites compltwiatae10);
lan besonders warmen und trockenen Orten legte man auch Laubengänge an,
Iwie man sie heute noch im Süden öfters findet11). Wie man die zu diesem
Pfahlwerk erforderlichen Bäume eigens zu diesem Behufe zog, so pflanzte
i'man auch die Straucharten an, die zum Anbinden gebraucht wurden, vor-
nehmlich Weide, Ginster, Rohr u. a. m.12). In den arbusta zog man die Reben,
ritrs arbustivae1*), an eigens zu diesem Zweck gepflanzten und regelmäßig
in bestimmten Entfernungen angeordneten Bäumen in die Höhe14). Ganz
besonders beliebt waren dafür Ulme15), Pappel16), Esche17).
]) Varro I 8, 1. Colum.V 4, 2; 5. lff.; arb.
|4.1. Plin.XVII 164. Pall. III 11.
'-) Daher stellte man Mäusefallen, musci-
\pulae, auf, Varro a.a.O. 5; ebd. 7 werden fur-
eillae als Stützen empfohlen.
3) Colum.V 5, 9; ebd. 13 f.; Näheres über
diese und die andern Methoden Magerstedt
134 ff. Orth 33 ff.
4) Varro 18; 16, 3. Colum. IV 1, 1; 2, 1.
Plin.XVII 147 ; aachpedamm, Colum. IV 26. 1 ;
30, 1 ; V 4, 1. Das Anbinden daran heißt pedare,
ebd. IV 12,1.
5) Plin. XIV 13. Der runde, unten zu-
gespitzte Pfahl hieß palus, der viereckige ri-
dica, Cato 17, 1. Varro I 8, 1 ; ebd. 4; 26. Tib.
I 7, 33. Colum. IV 26, 1 ; XI 2, 12. Pall. III 14.
(!) Varrol 8, 4. Colum. IV 33. Plin. XVII 147.
7) Varr. a. a. 0. 2 gibt vier Materialien dafür
an: pertica, Holzstäbe; harundo, Rohr; restes,
Stricke; vites, die Reben selbst dazu benutzt.
8) Varro a. a. 0.1. Cic. Cato m. 15,53. Co-
lum.IV 17 ; 19 ; 22, 1 ; arb.4,1. Plin. XVII 164 ff.
9) Nach Colum.V 4, 1 eine bäurische Be-
zeichnung; auf dem Lande hieß diese Art Joch
canterius, ebd. IV 12,1; 14.1. Plin.XVII 165.
10) Varro V 8.2. Colum. IV 24,14; 26,3.
Plin. a a. 0. 164. Klar ist die Anlage nicht, vgl.
Orth 35 f.
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft. IV. 2, 2. 3. Aufl
J1) Sie heißen camerae, Colum. IV 17, 8,
oder pergulae, ebd. XI 2, 32; daher die Spalier-
rebe vitis pergtdana, ebd. 1112,28; man zog
besonders Speisetrauben, uvae escariae, an
solchen pergulae. Plin. XIV 42.
u) Ueber Bindemittel und Pfahlhölzer beim
Weinbau s. Magerstedt 150 ff.
13) Colum. IV 1,8; arb. 4. 1 ; 16,4. Pall.
III 10.
14) Die ursprünglich poetische, dann aber
technisch gewordene Bezeichnung dafür war
maritare: der kräftige Weinstock wurde da-
bei als der Gatte, der zarte Baum als Ge-
mahlin betrachtet, vgl. Hör. epod. 2, 9. Colum.
IV 1,6; V 6,18; XI 2,79; arb. 16. 3. Auch ru-
bere kommt dafür vor. Plin. XI V 10; XVI 1 1 266
Darum nennt Hör. carm. II 15, 5 die Platane,
an der keine Reben gezogen wurden, ca,
,5) Verg. ecl. 2.70; Geo I 2. Hör. a. a. O.;
ep.1 16.3. Ov.met.X 100. Colum.V 6, 1 ff. Plin.
XVII 77 ; daher spricht luv. 6, 150 von ubni /•'</-
lermte und nennt 8, 78 die der Rebe beraubte
Ulme ridiid.
") Colum V 6. 5. Plin. XIV 10; XVI 173;
XVII 200; XVIII 266.
") Colum. a. a. O. Plin. XVII 200. Ueber
andere dazu benutzte Baumarten s. Mager-
stedt 49. Orth 36 f.
37
578
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
Für die Weinlese (vindemia)1), deren Beginn je nach dem Klima dei
Gegend, der Lage der Weinberge, den Traubensorten und der Witterung
sehr verschieden war2), traf ein sorgsamer Landwirt seine Vorbereitunger
(Beschaffung von Winzermessern, Herstellung von Körben, Bereitstellung vor
Fässern u. dgl. m.) schon beizeiten3), wozu auch die rechtzeitige Besorgung
von gemieteten Tagelöhnern gehörte4). Beim Lesen der Trauben wurde viel-
fach ein Unterschied gemacht zwischen solchen, die zum Essen, und denen,
die zur Weinbereitung bestimmt waren5). Der Arbeiter (vindemiator) schnitt
die Trauben mit dem scharfen Messer ab6); hingen die Trauben an Bäumen,
so mußte er auf einer Leiter oft ziemlich hoch hinaufsteigen, was bisweilen
eine lebensgefährliche Arbeit war7). Die abgeschnittenen Trauben wurden in
ausgepichte Körbe gelegt, die sich die Winzer an einem Strick oder Riemen
umhängten8); bei dieser Gelegenheit wurden sie auch sortiert. Aus den Körben
tat man die Trauben dann in eine große hölzerne Kufe, form oder forum*),
aus der infolge des natürlichen Druckes der Traubensaft in einen daneben
befindlichen Behälter floß ; dieser erste Traubensaft hieß protropum und wurde
in Flaschen, wie der andere süße Most (mustum), aufgehoben10). In diesen
großen Kufen, die auch labra genannt werden11) oder Untres12), wurden nun
die Trauben unter freiem Himmel von den Arbeitern mit nackten Füßen
ausgetreten, was calcare heißt13); der Most lief in den lacus vinarius, wie
das protropum1*). Dieser erste Ablauf war der beste; was noch von den
Trauben übrig geblieben war, die Bälge und Kämme, das kam nun im
J) Vgl. hierüber besonders das oben S.575
A. 9 angeführte Programm von Th. Keppel und
Obth 41 ff.
2) In Italien meist im Oktober, Colum.
XI 2, 67; nach Plin. XVIII 315 sollte man
nicht vor dem Herbstäquinoktium beginnen,
natürlich abgesehen von der Vorlese, Geop. III
11.1.
3) Cato 23; 33, 5. Varro I 22; 26. Colum.
XII 18 u. s.
4) Cato 23, 2. Varro 1 17, 2. Colum. III 21,
10; vgl. oben S. 551. Auch die Sklaven der
familia nrbana mußten manchmal mithelfen,
anscheinend freilich nur als Aufseher, Plin.
ep. IX 20, 2.
5) Varro I 54, 2 unterscheidet daher uvae
lectae, zum Weinbereiten, und electae, zum
Essen.
,!) Mit falculae oder ungues ferrei, Colum.
XII 18, 2. Verg. ecl. 4, 40.
;) Plin. XIV 10 sagt, die Reben seien oft
in tantum sublimes, ut vindemiator auctoratus
roffum ac tumulum excipiat: der gemietete Ar-
beiter bedang sich für den Fall, daß er dabei
verunglückte, die Bestattung aus. Auf dem
hübschen Bilde aus dem Hause der Vettier
Muzik und Perschinka Kunst u. Leben im
Altert. Taf. 156, 2. Mau Pompeji 354 Fig. 187
(unvollständig), wo Eroten bei der Weinlese
und Kelter beschäftigt sind, bringt auch einer
eine Leiter herbeigeschleppt.
8) Cato 11,5; 13, 1; 26; 68. Varro I 15;
.22,6; 26; 54,2. Colum. XII 18,2; 39,1. Geop.
VI 11,1.
9) Varro I 54,2. Colum. XI 2,71; XII 18,3.
Isid. XV 6, 8: forus est locus, ubiuva calcatur,
dictus, und so ist auch Corp. Gloss.V 202, 19
statt ubi via calcatur zu lesen.
10) Plin. XIV 85: ita (sc. protropum) ap-
pellatur a quibusdam mustum sponte defluens
ante quam calcentur uvae. Cato 120. Colum.
XII 29; über den Gebrauch des protropum
in der Medizin siehe Plin. XXVIII 206:
XXX 49
u) Cato 11,3. Verg. Geo. II 6.
") Cato 11,5. Tib. 15,23.
13) Varro I 54, 2. Verg. Geo. II 7. Tib. I 5,
24; 7. 36; II 1, 45; 5, 85. Prop. IV 16 (111 17),
18. Ov. met. II 29; rem. am. 190; fast. IV 897.
luv. 5, 31. Plin. XVIII 322. Nemes. ecl. 3. 41 ff.
Geop. VI 11. Daher sagt Symm. epist. 111 23:
postquam dolus nova vina commisimus, quae
calce et prelo subacta fluxerunt. Bei Pall. 1 18,
1 f. heißt danach die Kelter selbst calcatoriuw
und bei Calpurn. ecl. 4, 124 der betr. Arbeiter
calcator. Auf Denkmälern ist das Austreten
der Trauben öfters dargestellt, wobei die Aus-
tretenden meistens Satyrn sind, vgl. Bau-
meister Denkmäler 1564 Fig. 1627. Welcker
Alte Denkmäler II 1 13 ff. Panofka Bilder ant.
Lebens Taf. XIV 9. Helbig Wandgemälde 106
n. 438 f.
14) Cato 25; 113,1. Varro 154, 3. Cic. Brut.
83, 288. Tib. I 1, 10; II 3, 64; 5, 86. Ov. fast
IV 888. Colum. XII 18, 3. Mart. IV 44. 2. Tac.
ann. XI 31. Nemesian. ecl. 3, 50.
Zweiter Abschnitt. Die Landwirtschaft.
r,7il
«tlerielterhause1) unter die Kelterpresse, die nicht nur, wie bei der ("Hhereitung,
^ orcular oder prelum hieß2), sondern auch ebenso konstruiert war, d. h. man
kannte auch hier das Auspressen durch den Preßbaum3), wobei in manchen
Kelterhäusern mehrere dieser Vorrichtungen aufgestellt waren, und zwar m.ii
jeträchtlicher Größe des Preßbaums, da es hierauf besonders ankam4). Der
Preßbaum wurde an Stricken und Riemen sowie mit Hebebäumen auf- und
nCdcrgezogen5), seit dem Ausgang des 1. Jahrhunderts v. Chr. nach grie-
jhischem Brauch durch eine Schraubenvorrichtung, wobei der Baum durch
jine sternförmig gestaltete Schraubenmutter niedergedrückt wurde, während
sine darauf gelegte Kiste mit Steinen ihn noch mehr beschwerte '•). Eine
spätere Neuerung war dann die, daß man die ganze Presse kleiner machte,
lie Schraubenstange kürzer und sie in die Mitte legte, wo sie ein noch
iberdies durch Steine beschwertes Brett auf die Traubenmasse niederdrückte7).
Endlich zeigen uns die Denkmäler, daß man auch bei der Weinkelter die
>ben bei der Ölbereitung beschriebene Vorrichtung des Pressens durch ein-
getriebene Holzkeile kannte8). ,
Aus der Presse floß der Saft entweder in ein darunter befindliches Gefäß ab9),
»der es befand sich in der Kufe eine mit einem Sieb verschlossene Öffnung10),
1) Es hieß, wie die Oelkelter, torcular
oder torcularium, vgl. Cato 13, 18. Plin. XVIII
307 nennt es torcularium aedificium.
2) Varr. I 54, 2. Hör. carm. i 20, 9. Prop.
V(IV)6,73.Mart.l26,5;XIIllll,l.Tac.aa.O.
[Calpuin. ecl. 1,2.
3) Eine solche Presse ist auf dem oben
S..">78 A. 7 erwähntenWandgemälde abgebildet:
man sieht einen anscheinend aufgemauerten,
an der einen Seite offnen Behälter mit starken
Wänden, der für die Trauben bestimmt ist, am
geschlossenen Ende einen senkrechten Pfahl,
in dem sich der Preßbaum bewegt, vor der
offnen Seite in einiger Entfernung zwei, unten
durch ein Querholz verbundene Pfähle, zwi-
schen denen der Preßbaum durch einen Fla-
schenzug niedergezogen wird. Zwei Eroten
sind beschäftigt, den schweren Preßbaum in
die Höhe zu ziehen, was mit Hilfe einer durch
eingesteckte Hebelstangen gedrehten Haspel
geschieht. Die in der Villa bei Boscoreale ge-
fundene Weinkelter entspricht ganz der hier
dargestellten, wie die noch erhaltenen Pfosten-
löcher zeigen, vgl. Mau Pompeji 384 f.
4) Plin. XVIII 317: premunt aliqui rin-
gulis, utilius binis, licet magna sit vastitas sin-
gulis. longitudo in his refert, non crassitudo.
ipatiosa melius premunt.
5) Ebd.: antiqui funibus vittisque loreis
ea detrahebant et vectibus: daß es aber auch
zur Zeit des Plinius und später noch so üb-
lich war, zeigen die Denkmäler.
6) Die betr. Worte des Plin. a. a. 0. sind
leider verdorben. Es heißt da: intra C annos
inventa Graecanica, mali rugis per cocleum
ambulantibus (so sicher richtig Detlefsen und
Mayhoff mit Cod. D8, statt des unverständ-
lichen bullantibus der andern Hss.), ab aliis
[so dieselben mit D2, die andern Hss.'balis
oder palis) adfixa arboris (Vulg. arbori), ab
«fis ( Detl. miteinigen Hss., Vulg. u pali* •. Mavli.
<t/> aliis} uri-iis lapidum adtolltnte $eonm </,-
bore, quoil ma.rimc probat nr. Die mali rinjur
sind offenbar mit Meister De torculario Ca-
tonis (Göttingen 1764) p. 14 als die Schrauben-
gänge des Rundholzes zu erklären, an dem
der Preßbaum niederzogen wird, coc/ea als
die Schraubenmutter: die Stella war wohl die
äußere Form dieser Schraubenmutter, die vor-
stehende Spitzen hatte, an denen man sie beim
Umdrehen packte. Aber der Schluß ist un-
verständlich; vielleicht ist arca lapidum ad-
tiillente secum arborem zu lesen und daran
zu denken, daß auf dem andern Ende des
Preßbaums eine Steinkiste befestigt war, die
durch ihren Druck den Preßbaum nach der
Kelterarbeit von selbst in die Höhe zog.
7) Plin. ebd.: intra XXII hos emmo
reut um parris prelis et miimrr tarculuria <ndi-
ficio, breviore mala in media (so Detl. u. Mavli.,
Vulg. medio) dirttto, tympema mpotita /•,,■
superne toto pondere urguere rt auptr prelu
construere congeviein.
8) Vgl. S. 575. Während die dort an-
geführten Wandgemälde Oelkeltern sind, wie
die damit vereinigten Szenen zeigen, ist «un-
genau entsprechende Vorrichtung auf dem
herkulanischen Wandgemälde Ant. di Ercol.
1 187 tav. 35 (Roux und Barre Hercul. u. Pomp.
II 143 (anscheinend eine Weinkelter.vgl. Hei i.i«.
Wandgemälde 160 n. 806 und S. 456.
9) So auf dem eben erwähnten Wand«
gemälde.
10) Verg. Geo.ll 242: CCfafMI /nt/nrnm fu-
mosis deripe tectis; das. Serv.: qua/os, per MM
rinum defluit. Diese cola erwähnt auch Colum.
XI 2,71, und es sind wohl die gleichen, die
Cato 11,2 als cola qui florem demant anführt.
37*
580
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
durch die er in den lacus vinarius abfloß1); es war das meist derselbe, il
den man den durch Austreten erlangten Most laufen ließ2). Über die Trester
wurde Wasser gegossen und die Mischung, nachdem sie einen Tag lang gq
standen hatte, aufs neue gepreßt; der daraus sich ergebende Nachlauf hiel
lora und diente als Getränk für Sklaven und Tagelöhner 3). Der Most kai
aus dem lacus in die dolia, in denen er die Gärung durchzumachen hatte4
Diese Fässer, die in der Regel von Ton5) und ausgepicht waren6), wurde
mit Deckeln verschlossen7) und mit dem größten Teil in die Erde gegraben8'
so standen sie während der Gärung sehr oft ganz unter freiem Himmel9
sonst in der cella vinaria10), wo sie entweder auch eingegraben wurden ode
über der Erde standen11). Gewisse Weine bekamen noch Zutaten, besonder
Harz, wie es heute noch in Griechenland der Brauch ist12), oder Gips, Kalk
Seewasser u. a. m.13). Da mitunter Fässer während der Gärung sprangen
machte man den Boden der cella etwas geneigt, damit der Wein in den lacul
ablaufe14). Mancher Wein blieb in den dolia, die dann nach erfolgter Gärung
entweder zum Schöpfen des Weines offen blieben oder durch Pech oder Gips mi
einem Deckel verschlossen wurden. Der bessere Wein aber, der lagern sollte
wurde in Amphoren oder andere Vorratsgefäße gefüllt15), und diese kamen
wenn sie nicht in der cella vinaria blieben, in die hochgelegene apotheca16).
Wir haben oben gesehen (S. 539), daß in der römischen Landwirtschaf
in den späteren Jahrhunderten der Stadt und in der Kaiserzeit die Vieh-
zucht den wichtigsten Teil des Betriebes bildete17). Wenn alle die bishei
J) Siehe oben S.578. Plin.ep.IX20 rechnet
zu den Beschäftigungen des Hausherrn humo-
ristisch : nonnumquam decerpere uvam, tor-
culum invisere, degustare de lacu mustum. Pall.
I 18, 1 schreibt vor, das calcatorium sei loco
altiore constructum, ad quod inter duos lacus,
quo ad excipienda vina hincinde depressi sint,
gradibus tribus fere ascendatur aut quattuor.
2) Varro I 54. 2 : quae calcatae uvae erunt,
earum scopi cum folliculis subiciendi sub pre-
lum, ut, siquid reliqui habeant musti, expri-
matur in eundem lacum.
*) Cato 7, 2; 25; 57. Varro a. a. 0. 3. Co-
lum. XII 40. Plin. XIV 86.
4) Varro I 65 : quod mustum conditur in
dolium, ut habeamus vinum, non promendum
dum fervet. Die Zuleitung geschah mitunter
durch Röhren, Pall. a. a. 0.: ex his lacubus ca-
nales structi vel tubi fictiles circa extremos pa-
rietes currant et subiectis lateri suo dolus per
vicinos meatus manantia vina defundant.
5) Plin. XIV 132 erwähnt als Besonder-
heit: circa Alpes ligneis vasis condunt tectis-
que (so der Cod. Mon. ; Vulg. circulisque) cin-
gunt ; und im Gegensatz dazu : mitiores plagae
dolus condunt infodiuntque terrae tota aut ad
portionem situs.
6) Cato 23,1; 25 u.s. Col.XI2.70. Geop.
VI 4, 1. Ueber die dolia vgl. oben S. 148.
7) Cato 112,1; 113,1. Varro 122,4. Plin.
XIV 135.
8) Plin. a.a.O. Col.XII 18,5. Geop. VI 2;
die Begründung dieses Verfahrens gibt Macr.
sat. VII 12, 14.
9) Hör. sat. II 4, 51 ff. Plin. a.a.O. 136. Aul
dem Relief A.Z. XXXV (1877) Taf. 13 siehl
man eine ganze Anzahl Fässer, die mit Holz
deck ein zugedeckt sind, so im Freien in die Erde
eingelassen; eines davon ist geöffnet und eir
Arbeiter ist im Begriff, eine von einem anderr
herbeigebrachte Amphora aus demFaß zu füllen
10) Siehe oben S. 73.
n) Col.XII 18,5.
12) Col.XII 22 ff. Plin. XIV 120; 122. Pall
XI 14, 3
13) Plin. a.a.O.; ebd. 75; 78. Cato 23,1:
112, 1. Hör. sat. II 8, 15 u. s. Doch ist Plinius
ein Gegner jeden Zusatzes, XXIII 45, ebensc
Columella XII 19, 2, und Mart. Hl 77, 8 sprich!
verächtlich von den resinata vina.
14) Varro I 13, 6.
16j Ueber solche vgl. oben S. 150 ff.
1B) Siehe oben S. 71.
1T) Ueber die Viehzucht der Römer vgl,
Magerstedt Bilder a. d. röm. Landwirtschaft
II u. III, Sondershausen 1859 f. A. Bäranski
Geschichte der Tierzucht und Tiermedizin im
Altertum, Wien 1886. A. Otto Zur Geschichte
der ältesten Haustiere, Breslau 1890. V. Hehn
Kulturpflanzen u. Haustiere in ihrem Ueber-
gang aus Asien n.Griechenl. u. Italien, 6. Aufl.,
Berlin 1894. O. Vischer De pastorum, quoa
poetae et scriptores graeci et latini depingunt,
condicione, vita, moribus, arte. Tübingen 1906.
Beaurredon Voyage agricole 130 ff. Dorigny
a. a. O. 926 f.
Zweiter Abschnitt. Die Landwirtschaft.
:,si
besprochenen landwirtschaftlichen Tätigkeiten, als Ackerbau, Gemüsebau,
Wiesenkultur, Öl- und Weinbau, unter den Begriff der agri euUura fallen.
lo ist der zweite Hauptteil die pecuaria1), wie die Viehzucht im allgemeinen
Sinne des Wortes pecus genannt wird2), oder auch pastio3), wobei dann im ein-
zelnen bei Varro wieder die pastio agrestis, auch rustica oder pecuaria genannt,
,'on der pastio villatica unterschieden wird, von denen die erstere die geschii 1 1
ind ertragreichere Tätigkeit war; doch ist diese Scheidung keine allgemein
lürchgeführte gewesen4). Die Viehzucht im speziellen Sinn hat Zucht und
Pflege der Haustiere zum Zweck, die im wesentlichen die gleichen sind, wie
in der heutigen Landwirtschaft. Man sondert sie in der Kegel in zwei Klassen6):
las Großvieh, armentum*), also Rinder, Pferde und Esel7), und das Kleinvieh,
ISchafe, Ziegen und Schweine8), das pecus im engeren Sinne des Wortes ge-
nannt wird9). Bisweilen wird jenes auch wegen des Hauptzweckes, zu dem
J) Varro III 1,9 teilt die Landwirtschaft
i: in drei Teile: die agricultura, die res pecuaria
und die villaticas pastiones. Zur pecuaria im
lallgemeinen Sinne von Viehzucht vgl. II 1, 12;
|2,2; 5,3 u.s. Colum.VlII 1,1 nennt es pe-
icuaria negotiatio.
-) Da bekanntlich pecus im allgemeinen
von allen Haustieren gebraucht wird, sowohl
pecus, pecoris in generellem, als pecus, pe-
eudis in individuellem Sinne. In speziellem
Sinne geht beides nur auf das Kleinvieh, s.
Junten.
8) Varro I 2, 13 : pastio . . . magis ad pasto-
irem quam ad agricolam pertinere videtur; ebd.
15: nihil pastio et aliut agricultura (vgl. ebd. 21 ;
II pr. 4).
4) Varro III 1,8: quae ipsa pars duplex
est, tametsi ab nullo satis discreta, quod altera
est villatica pastio, altera agrestis. haec nota
\et nobilis, quod et pecuaria appellatur, et mul-
\tuni homines locupletes ob eam rem aut con-
duetos aut emptos habent saltus; altera villatica,
quod humilis videtur, a quibusdam adiecta ad
agri culturam, cum esset pastio, neque expli-
cata tota separatim, quod sciam, ab ullo. Vgl.
II pr.5.
5) Varro II 1, 12 unterscheidet drei Kate-
gorien: una de minor ibus pecudibus, cuius
gen er a tria, oves capra sus, altera de pecore
maiore, in quo sunt item ad tres species na-
tura discreti boves asini equi. tertia pars est
in pecuaria quae non parantur, ut ex iis ea-
piatur fructus, sed propter eam aut ex ea sunt,
muH canes pastores. Daß bei dieser absicht-
lich auf die Zahlen dreimal drei gebrachten
Klassifizierung die Hirten neben den Maul-
tieren und Hunden rangieren, sieht fast wie
gewollter Humor aus. Die übliche Einteilung
gibt Colum.VI pr. 6: igitur cum sint duo genera
fuadrupedum, quarum alterum paramus in
eoiisortiumoperum,sicutboveni,mulam,equum,
asinum, alterum voluptatis ac reditus et custo-
diae causa, ut ovem, capellam, stiem, canem.
Ganz scharf ist freilich auch diese Teilung
nicht, da auch Rinder und Pferde Ertrag und
nicht bloß Arbeit liefern.
6) Man hatte dafür zwei Etymologien:
die eine ab arando. Varro I. l.V 96. die andere
nh armis, Serv. ad Gco. III 49, vgl. Festus 4, 3.
Isid.XlI 1,8.
') Varro a.a.O. Colum.I pr.2ß; VI 22, 2.
Generell wird das Großvieh bald durch den
Singular armentum bezeichnet, wie Verg. Geo.
III 71. Hör. ep. 18, 6. Colum.VI 27,3; VII 1.2.
so daß Colum. I pr. 26 von equinum und l»i-
buluni armentum sprechen kann, bald durch den
Plural (iriue/itn, wie Verg. Geo. I 355. Ov. met.
V 165; XV 84. Plin.XI 124. Daneben bedeutet
armentum im speziellen das Rindvieh, wie
Liv. XXII 17, 2. Cic. ad Att. VII 7, 7. Verg. Geo.
I 195; II 144: III 286, vgl. Corp.Gloss. II 259,
14; III 261, 66, wo es durch ßovx6ita* erklärt
wird, wie armentarius durch ßi>ry.<>/.<^, VI 95,
andrerseits nicht die Gattung, sondern die
Herde, wie Liv. I 7,4. Ov. met. II 843; VIII
882; XI 348. Plin. ep. II 17, 3. Am seltensten
wird (irmentiun für ein einzelnes Stück Vieh
gebraucht, wie Hygin. fab. 118: centum ar-
mentd.
8) Varro II 1, 12. Colum.VI pr. 6 rechnet
beim Großvieh noch die Maultiere hinzu, beim
Kleinvieh noch die Hunde; er unterscheidet
sie aber nicht als pecus ma tus und minus (W\i ra
a. a. 0. 25), sondern nach Zweck und Nutzen.
s. oben A. 5.
9) So namentlich in Verbindung mit und
im Gegensatz zu annenta, wie Ov. met.XX
equus et pecudes armentaque (wo allerdings
armenta speziell Rinder sind). Curt.V 5, 24:
armenta cum pecoribus. Plin \1 868: /■■
(irmcntoque. Wenn Serv. ad Geo. III 49 (und
ebenso Isid.XlI 1,8) angeben, wie armenta
die Herden von Pferden und Rindern, so seien
greges die von Ziegen und Schafen, so ent-
spricht das nicht dem Sprachgebrauch; so
haben wir bei Cic. Phil. III 12.31 greges ar-
mentorum reh'quique pecoris. Varr. I 52, 1 :
grex iumentorum; 115,7: gre.r armentorum :
10, 3: greges armenticii ac caprini. Plin. VIII
165: grex armenti (von Pferden).
582
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
es dient, als iumentum, Spannvieh, bezeichnet1). Wie auf dem Landgut de
vilictis alles, was zur agricultura gehört, unter sich hat, so der magist er pe\
coris die pecuaria2); obschon, wie der vilicus, selbst ein Sklave, war er de:
Vorgesetzte aller, in Latifundien oft außerordentlich zahlreichen Hirten, de:
pastores im weiteren Sinne3), die im einzelnen wieder in vielfache Unter
abteilungen zerfielen. Er wird also für gewöhnlich nicht selbst Herden ge
führt haben, sondern überall das Weiden und Hüten beaufsichtigt, sich un
die Auswahl der Zuchttiere, um Wartung und Pflege der Neugeborenen, uir
die Wahl geeigneter Weideplätze (pascua4)) usw. bekümmert haben. Dadurcl
muß er auch oft zu weiten Wanderungen gezwungen gewesen sein, denn di(
Herden blieben nicht immer am gleichen Weideplatz, vielmehr gab es be-
sondere Sommer- und Winterweiden5), und die Herden waren im Winter ofi
sehr weit von ihren sommerlichen Weideplätzen entfernt6). Auch mußte füi
jede Viehgattung das ihm zusagende Terrain ausgesucht werden, z. B. für
Pferde wiesenreiche Ebenen, für Ziegen Bergland mit Strauchwerk7). Varrc
empfiehlt, für das Großvieh ältere, für das Kleinvieh jüngere Hirten zu be-
stellen, für die im Gebirge herumziehenden Herden aber, deren Hirten oft
sogar bewaffnet sein mußten, ganz besonders kräftige, während auf dem
Gute, wo die Hirten allabendlich zur Villa zurückkehrten, selbst Knaben und!
Mädchen Hirtendienste versehen könnten8). Eine conserva sollen nur Hirten
haben, die stets auf dem Gute bleiben; für die, die in Waldgegenden oder
J) Varro 1. 1. V 135 : iugum- et lumenta ab
lunctu: hingegen wird es bei Isid. XII 1,7 von
luvare abgeleitet: quod nostrum laborem vel
onus suo adluterio subvectando vel arando iu-
vant, und an Rind, Pferd und Esel dargelegt.
In der Regel sind lumenta allgemein Zugvieh.
im speziellen aber kann es auch lediglich
Rinder bedeuten, wie Cic. Tusc. I 47. 113. Nep.
Timol. 4, 2. Wenn bei Col. VI 19,1 lumenta
bovesque nebeneinander gestellt werden, so
sind jene die Zugochsen, diese die Rinder der
Herde, also die armenta im strengsten Sinne
des Wortes, denn nach Varro II pr. 4 armen-
tum id quod In agro nahmt non creat, sed tolllt
dentibiis, und so spricht Plin. X VIII 263 von ar-
mentorum cura lumentorumque progeneratio.
Daher erklärt Servius die armentalis equa bei
Verg. Aen. XI 571 als indomita, quae inter
armenta feturae causa pascitur.
2) Varro 1 2, 14: quocirca principes qui
utrique rei praeponuntur vocabulis quoque
sunt diversi, quod unus vocatur vilicus, alter
maglster pecorls. Liv. I 4, 6 überträgt, wenn er
den Faustulus maglster regit pecorls nennt, den
späteren Brauch auf die Königszeit. Der ma-
glster pecoris mußte sich vor den andern
Hirten durch höheres Alter, Erfahrung, Zu-
verlässigkeit auszeichnen, Varro II 10, 5 f.; er
mußte schreiben und rechnen können, da er
Buch über die Herden zu führen hatte, ebd. 10,
und er sollte auch etwas Erfahrung in der
Tierheilkunde besitzen und die Rezepte dafür
schriftlich aufbewahren, ebenda 1,23; 2.20;
3, 8. Etwas speziellere Bedeutung hat, wie es
scheint, der maglster pecoris bei Columella,
der VII 6.9 den Ziegenhirten so nennt und
ihn von den alterius generis pastores unter-
scheidet.
3) Wie Aiepastio Vierfüßler und Geflügel
umfaßt, so kann der pastor ebenso als Hirt
für Groß- und Kleinvieh, wie für Hühner, Gänse
usw. bestellt sein, s. unten. Vgl. die oben S. 580
A. 17 angeführte Dissertation von 0. Vischer.
4) Verg. Geo. III 323. Hör. ep. 1, 28. Ov.
met. II 689. Colum.VII 1,1. Plin.XVIII 189 u.s.
5) Varro 11 1, 16 bemerkt: neque eade.m loca
aestiva et hiberna idonea Omnibus ad pascen-
dum; vgl. 2, 9; 5, 11. Colum.VI 22, 2
6) Varro II 1,16: itaque greges ovium lonj/e
abiguntur ex Apulia in Samnlum aestivatum
atque ad publicanum profitentur, ne, st in-
scriptum pecus paverlnt, lege censoria con-
mittant. Wenn nämlich eine possessio, d.h.
Staatsland, das als Almend diente, zur Wekle
verpachtet wurde, so mußte ein Weidezins,
der scriptura hieß (daher das Land ager
scripturarlus), erlegt werden; daher heißt in*
scriptum das Vieh, für das der Weidezins nicht
an den publlcanus. der ihn vom Staat ge-
pachtet hatte, entrichtet worden war. Vgl. II
2, 9 : longe enim et lata (greges) in diversis locis
pascl solent, ut nadta milia absint saepc hi-
bernae pastlones ab aestivis, wobei er bemerkt,
daß seine Schafherden im Sommer in den
Bergen bei Reate. im Winter in Apulien wei-
deten.
7) Ebd. 1, 16.
s) Varro II 10, 1.
Zweiter Abschnitt. Die Landwirtschaft.
588
lauf den Alpen weiden, sollen kräftige Frauen beschafft werden, die den Herden
[folgen und den Hirten die Nahrung bereiten können, die wohl auch selbst
Was Vieh hüten, Holz schleppen und andere Dienste verrichten1). Auf den
Alpen hatten die Hirten Hütten zur Unterkunft5*), und um Hürden für dai
Virli zu machen, führten sie Flechtwerk, Netze u.dgl. mit sich3); auch
die Anlage der hölzernen Tröge und Leitungsröhren des Quellwassers auf
den Weiden zur Viehtränke war wohl ihre Sache4). Der übliche Hirtenstal».
das pednm, konnte, da es mit Erz oder Eisen beschlagen war, auch als WanY
dienen5); zur Hirtentracht gehörte auch eine Kappe (galerus)*).
Was die Rinderzucht7) betrifft, die zu den wichtigsten Teilen der
Viehzucht gehörte, weil sie nicht nur Arbeitstiere lieferte, sondern auch
durch ihre Produkte (Fleisch, Milch, Felle, Hörner, Dünger) sehr nutzbringend
war, so waren ihre Hirten die armentarii8), während die btibulci 68 mit den
in den Rinderställen (bubilia)9) gehaltenen, für Pflügen und andern Spann-
dienst bestimmten Tieren zu tun hatten10). Als beste Weideplätze galten Ful-
das Rindvieh mit Buschwerk bestandene, und zwar im Winter in der Nähe
des Meeres, im Sommer auf waldigen Höhen11). Beim Erwerben und bei der
Zucht sah man, wie überhaupt bei allem Vieh, auf Güte der Rasse (seminium) 1 2) ;
namentlich suchte man sich, da die italischen Rassen13) zwar kräftig, aber
nicht sehr milchreich waren, gute Milchkühe aus den Alpengegenden zu
verschaffen14). Besonders wichtig war natürlich die Wahl des Zuchtstiers;
man rechnete auf siebzig Kühe zwei solche, einen ein- und einen zweijährigen16).
Die trächtigen Kühe brachte man im Stalle, damit sie sich nicht durch Aus-
schlagen verletzten, gern in besonderen getrennten Ständen unter16). Wenn
sie gekalbt hatten, trennte man die Kälber, damit sie nicht getreten würden,
von den Müttern und führte sie diesen nur früh und abends zum Säugen
zu17). Wenn es möglich war, ließ man die Kälber ein Jahr lang bei der
Mutter18); wenn sie entwöhnt waren, wurden sie mit eingebrannten Marken
versehen und gesondert, je nachdem man sie für den Nachwuchs, für die
») Varro II 6 f.
') Casae, ebd. und Calpurn. ecl. 2, 60.
3) Varr. II 2,9: contra Mae in sa/tihns
quae pascuntur et a tectis absunt longe, por-
tant secum crates aut retia, quibus cohortes
in snlitudine faciant, ceteraque Utensil ia.
4) Verg. Geo. III 329 f.
5) Verg. ecl. 5, 88. Er war oben mit krum-
mem Haken versehen, der dazu diente, die
Füße der Schafe festzuhalten, vgl. Corp. Gloss.
V 232, 7; ebd. 8: pedum dicitnr virga pasto-
ralis, cui uncus additur ferreus, qua pedes
tondendarum ovium capiuntur, et in se habet
pures nodos aere decoratos. Siehe auch ebd.
VII 62. Fest. 210, 23 ; 249,24. Serv. zu Verg. ecl.
a. a. 0. und zu 2,31.
6) Calpurn. ecl. 1, 7.
7) Hierzu ist besonders zu vergleichen
Varro II 5. Verg. Geo. III 51 ff.; 123 ff. Colum.
VI 1—26. Plin.VIII 176ff. Magerstedt a.a.O.
II 1 ff. 0. Keller Die antike Tierwelt I 329 ff.
Beaurredon 130 ff.
8) Varr. II 1.18: armentarli et opiliones.
Verg. Geo. III 344. Lucr. VI 1260: potior ä or-
mentarhts omni* meint wohl mit dem potior
den Hirten des Kleinviehs, mit armentariut
den des Großviehs. Wenn Varro II 5, 18 sagt,
sein armentariue müsse öfters deean&ate <<>>»-
phtra exscripta de Magonie libris lesen, so
ist damit wohl wieder ein Oberhirte gemeint,
da schwerlich ein gewöhnlicher Hirt lesen
konnte.
9) Siehe oben S. 71.
,0) Vgl. oben S. 561. Varr. II pr. 4:
poesuni in «uro paed armenta, armentariue
ikiii nlint OC hnhnfciis.
») Varro II 5,11.
»•) Ebd. 7 ff. Verg. Geo. III 51 ff.
I3) Vgl. Colum. VI 1.1 f.
u) Verg Geo. III 176 f. Colum.Vl 24. \ wo
nach Plin.VIII 179 Alpini« zu lesen ist.
»5) Varro II 5, 12.
>6) Ebd. 14.
17) Ebd. 16.
,8) Colum. VI 24, 4.
584
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
Opfer1) oder für den Ackerdienst bestimmte; die nicht gezeichneten übrigen
Tiere trieb man unterschiedlos auf die Weide2); mit zwei Jahren nahm mar]
die Kastration vor3), und in demselben Alter oder etwas später gewöhnte!
man sie an den Pflug4). Diese Zugochsen wurden gewöhnlich im Stalle ge-
halten5). Die Stückzahl der Herden war verschieden, in der Regel 100 — 120 6).
Die Pferdezucht7) blühte in Italien besonders in Gegenden mit wiesen-
reichen Ebenen, die zur Weide sich eigneten, wie in Apulien8). Doch hielt
man die Pferde nur im Sommer im Freien, im Winter kamen sie in die
Ställe, equilia9), wo sie gewöhnlich Heu als Futter bekamen, Mutterstuten
Gerste10); letztere bekamen auch eigene, besonders warme Ställe, in denen
die Krippen durch Zwischenwände getrennt waren, damit sie nicht wegen
des Futters zu raufen anfingen11). Die Krippen werden meist praesejria ge-
nanntlj!), vereinzelt auch alvei oder patenae13); darüber waren in bequemer
Höhe die Raufen, crates, angebracht14). Die meisten Großgrundbesitzer waren
wohl auch Pferdezüchter, zumal schon im Altertum im Pferdehandel viel
betrogen wurde16); die Landwirte geben daher ausführliche Vorschriften über
Wahl und Behandlung des Zuchthengstes und die Beschälung, sowie über
die Mutterstuten und Fohlen16). Das Gestüt, equitium11), stand unter einem
eigenen Gestütmeister, equitiarius18); im allgemeinen lag die Pflege der Pferde
*) Es bestand ein Unterschied in der
Fütterung der für die Opfer und der zum Ver-
kauf für den Metzger bestimmten Rinder, wes-
halb bei Varro a. a. 0. 1 1 das ad cuUrum bovem
emere vom ad altaria einer e unterschieden
wird.
2)'Verg. a.a.O. 157 ff.
3) Varro a.a.O. 17; das Verfahren be-
schreibt Colum.VI 26.
4) Varro I 20, 2 f. Verg.Geo. III 163 ff. Co-
lum.VI 2. Pall. IV 12. Plin.VIlI 180.
6) Vorschriften über ihre Fütterung gibt
Cato 60; über die der Zuchtstiere Varro II
5,12.
6) Varro ebd. 18.
7) Darüber vgl. Varro II 7. Verg.Geo. III
72 ff. Colum.VI 27— 30. Plin.VIlI 154 ff Dazu
Magerstedt a. a. O. III 1 ff. A. Schlieben Die
Pferde des Altertums, Neuwied 1867. C. A.
Pietrement Les chevaux dans les temps histo-
riques et prehistoriques, Paris 1883. C. Chomel
Histoire du cheval dans l'antiquite\ Paris 1900.
O. Keller Die antike Tierwelt 1 218 ff. Beaur-
redon 156 ff. A. Martin Artikel Equus bei D.-S.
II 794 ff.
8) Varro a. a. 0. 1 u. 7. Colum. VI 27, 2.
9) Veget. mulom. III (II) prol. 3. Vgl. oben
S.71.
10) Varro a. a. 0. 7; doch war Gerste auch
sonst beliebtes Viehfutter, Colum. II 9, 14. luv.
8, 154.
") Varro a. a. 0. 10.
12) Oder praesepes Cato 4. Varro II 2, 19;
5, 16 u.s.: natürlich gilt das für alles Vieh,
und man unterschied die festen Krippen, die
in den Ställen waren, von den transportabeln,
daher Verg.Geo. III 416 von immotis praesepi-
bus spricht. Ursprünglich aber bedeutet das
Wort die Hürde oder den Stall, daher Cato
14, 1 praesepes hibernae und aestivae unter-
scheidet und Varro I 13, 6 von laxae praesepes
spricht.
13) Veget. mulom. II 28 (I 56), 3: patena,
quae appellatur, hoc est alveus ad hordeum
ministrandum (patena ist das latinisierte
(pari')]). Vgl. ebd. 4: loculis praeterea vel mar-
more vel lapide vel Ugno factis distinguenda
est, ut singida iumenta hordeum suum ex in-
tegro nullo praecipiente consumant. In dem
zu einer Bäckerei in Pompeji gehörigen Stalle
befindet sich eine gemauerte Krippe für den
Mülleresel, Overbeck Pompeji 343; der in
Centorbi auf Sizilien aufgefundene Stall hatte
sechs getrennte loculi, s. Daremberg-Saglio
II 745 Fig. 2710.
14) Veget. a. a. 0. 5, wo als vulgäre Bezeich-
nung iacca angeführt wird.
15) Veget. VI (IV) 6, 1.
16) Varro II 7, 8 ff. Verg. Geo. III 79 ff.
Colum. VI 27. Pall. IV 13, 1 ff; man rechnete
einen equus admissarius auf 10 Stuten, Varro
a. a 0. 1.
17) Colum. a. a. 0. 1. Digg. VI 1,1,3; an
beiden Stellen (an der ersten ist die Lesart
überdies nicht sicher) könnte es aber auch
eine Pferdeherde bedeuten, wie Corp. Gloss.
II 446, 42, wo es durch ovvinjtia 8 eouv ayzkr]
i'jiji<ov erklärt ist.
18) Firm. Mat. astr. VIII 13. Corp. Gloss.
III 308,2; 357,73. Der Zuchthengst konnte
auch zum Beschälen gegen ein Mietgeld, das
aequimentum (oder equimentum) hieß (siehe
Varro bei Non. 69, 18), ausgeliehen werden.
Zweiter Abschnitt. Die Landwirtschaft.
.>■:,
m den Händen der equisones, wie die Bereiter heißen1), denen es oblag, die
«Werde für Fahr- oder Reitdienst einzuüben2). Kastration der Hengste war
■tt ehr gewöhnlich3); der Wallach, der canterius heißt, wird schon früh erwähnt4).
Eine geringere Rolle spielte in der Viehzucht der Esel6), doch war
essen Zucht immerhin nicht ohne Bedeutung, da der Esel als Last- und
Hrbeitstier viel benutzt wurde6). Man bezog zur Zucht gute Rassetiere von
Huswärts; in Italien waren die von Reate besonders geschätzt7); zur Paarung
if k'urden auch die in Italien nicht vorkommenden Wildesel benutzt8). Besoixl. i «
über legte man sich auf die Zucht der im Altertum wie heute noch im Süden
Hls Last- und Reittiere sehr beliebten Maulesel9), und zwar züchtete man
sfowohl durch Kreuzung von Eselhengst und Pferdestute das Maultier (mulus)y
■ vie durch Kreuzung von Pferdehengst und Eselstute den Maulesel (hinnus)10).
Küter und Pfleger der Esel und wohl auch der Maultiere waren die asinaru ' ' i.
Zum Kleinvieh gehören Schafe, Ziegen und Schweine. Die Schafzucht18)
ivurde, obschon auch die Milch als Getränk und zur Käsebereitung Verwendung
and13), vornehmlich der Wolle wegen betrieben14), zumal gerade in Italien
Mche in ausgezeichneter Qualität produziert wurde15). Man unterschied vüiaHci
hreges, die bei dem Gute gehalten wurden und tagsüber auf der Weide, nachts
In den Ställen (pvilia) waren16), und herumziehende, von denen schon oben
die Rede war, für die auf den Weideplätzen Hürden zum Schutz gegen die
«Witterung wie gegen Wölfe angelegt werden mußten17). Ferner unterschied
Jman die Schafe mit rauhem Felle, oves hirtae, von denen mit feiner Wolle,
») Varro b. Non. 105, 29. Val. Max. VII 3,
ext. 2. Im Corp. Gloss. oft in der Form equisio,
s.VI 395. Mit dem Hüten der Pferdeherden
hatte der equiso wohl nichts zu tun, dafür
b es eigene, berittene Hirten, von denen
Varro II 10, 11 auf eine Herde von 50 Stück
je zwei rechnet. Dagegen gehört der agaso,
der Reitknecht, zur familia urbana, Plaut.
Merc. 852. Liv. XLI1I 5,8. Plin. XXXV 134;
vgl. Festus 25, 5. Serv. ad Aen. III 470. Corp.
Gloss. VI 41 ; auch der strator, der das Pferd
sattelt und dem Herrn vorführt, Amm.XXIX
3,5; XXX 5,19. Spart.Carac.7,2; calo aber ist
der gewöhnliche Pferdeknecht, Hör. sat. 1 2, 44 ;
6, 103 ; ep. 1 14, 42 Pers. 5, 95. Corp. Gloss. VI
169.
2) Varro II 7, 13 f. Verg. Geo. III 179 ff. Co-
lum.VII 29.
3) Varro a. a. O. 15. Veget. I 23.
4) Plaut. Capt. 813; Aul.495. Varro a.a.O.
15; ders.b.Non.82, 18. Cic.nat.deor. III 5,11.
Sen. ep. 87, 9 u. s.
5) Vgl. Varro r.r.II 6. Colum.VII 1. Plin.
VIII 167 ff. Magerstedt III 139 ff. HehnKuI-
turpfl. u. Haustiere 130 f. O. Keller Die antike
Tierwelt I 259 ff. Beaurredon 164 ff. Olck bei
P.- W. VI 626 ff. (handelt auch über Maultier und
Maulesel).
6) Für Warentransport und andere Lasten,
als Zugtiere (auch vor dem Pfluge), in der
Mühle usw., s. Varro a.a.O. 6,5. Colum. a.a.O.
1,3. Pall.IV 14,4.
7) Varro a. a. 0. 1 f. ; III 1 7, 6. Sonst galten
die arkadischen für die besten, Plaut. Asin.333.
Varro II 1, 14; II 6,2. Colum.VII 1, 1 ; X 344 u.s.
8) Varro II 6, 3.
9) Vgl.Varro II 8. Plin. VIII 170 ff. Mager-
stedt III 169 ff. Olck a. a. 0.
10) Varro a. a. 0.1. Colum. VI 37, 5. Plin.
VIII 172.
») Cato 10, 1; 11, 1. Varro I 18, 1. Corp.
Gloss. VI 104, meist durch imfMxtfi <»dii
norum pastor erklärt. Nur in denGlossen nach-
weisbar ist muUcurius. fifuordttovQOd ebd. 111
371,40.
") Varro II 2. Verg. Geo. III 295 ff. Colum.
VII 2—5. Plin. VIII 187 ff Vgl. Magerstedt
11 87 ff. 0. Keller a. a.O. 309 ff. Beaurredon
168 ff.
") Plin. XXVIII 124. Colum.VII 2, 1.
u) Cic. nat. deor. 11 63. 158 : quid enim oves
aliud adferutit msi i<t MTMM 9*0*9 confectis
atque contestis homines vestianttw. Varro, der
die Viehzucht für die erste Stufe der mensch-
lichen Kultur hält, glaubt, daß in der Viehzucht
die Schafzucht zuerst dagewesen sei, II 1.4.
15) Vgl. oben S. 237.
14) Varro a. a. 0. 7 f. Colum.VII 4, 5; vgl.
oben S. 72.
17) Varro ebd. 9. Verg. Geo. 111 537; Aen.
IX 59. Im Winter sollten Schafe, die ni< ht
in wärmere Striche getrieben wurden, über-
haupt im Stalle bleiben, der Austrieb erst im
Frühling erfolgen, Verg. Geo. 1 1 1 295 ff. Cal-
purn. ecl. 5, 18; ebd. und v. 63 werden hiberna
und aestiva ovilia unterschieden.
586 Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
die deshalb, zur Schonung der Wolle vor Verunreinigung, mit Fellen bedecll
weideten, oves pellitae1); letztere erforderten eine viel sorgfältigere Aufsiel II
und Behandlung2), weshalb Varro auf achtzig bis hundert grobwollige Schall
einen, auf ebensoviel feinwollige bedeckte zwei Schäfer (opiliones3)) rechnet4!
Nicht minder sorgfältig ging man bei der Schafschur zu Werke5); das i
früherer Zeit anstatt des Gebrauches der Schere übliche Ausrupfen der Wolle'l]
bestand auch zu Plinius' Zeit noch mancherorts7). Um Zwistigkeiten wege j
des Eigentums zu vermeiden, wurden die Schafe mit schwarzer Farbe gel
zeichnet8). Das Verschneiden war allgemein gebräuchlich, da Hammelfleisc
beliebt war9), doch mußte das Tier über fünf Monate alt sein10).
Leichter war die Ziegenzucht11), da diese Tiere weder besondere!
Pflege bedurften, noch hinsichtlich der Nahrung Umstände machten, nu
daß sie natürlich von Wein- und Ölpflanzungen und sonst von jungen Bäumeil
und Sträuchern ferngehalten werden mußten12). Dabei war ihre Zucht lohnend
da die Milch, die sie reichlich liefern, als Getränk allgemein beliebt war13)
ebenso der Ziegenkäse, und da nicht nur die Felle für die Kleidung benutzt
sondern mancherorts auch aus dem Haar Gewebe hergestellt wurden14). AI;
Weide bevorzugen die Ziegen bekanntlich bergiges Terrain, und da sie aus
gezeichnet klettern, muß der Hirte auch darin geübt sein, um ihnen folgei!
und verstiegene holen zu können15). Blieben sie über Nacht im Freien
so wurden sie in Hürden zusammengetrieben; war der Weideplatz nahe be:
der Villa, so kamen sie in die Ställe (caprilia)16). Wegen der Eigenart dei
Ziegen, sich zu zerstreuen und auseinander zu laufen, während die Schafe
beisammen bleiben, war es nicht ratsam, große Herden zu bilden, sondern
lieber viel Herden mit kleinerer Stückzahl; Varro hält fünfzig für ausreichend
für einen caprarius, obschon in manchen Gegenden Herden von hundert Stück
gebildet wurden17). Für die Paarung rechnete man auf zehn bis zwanzig
Ziegen einen Bockls): auch Verschneidung kam vor19).
Endlich fehlte die Schweinezucht20) wohl auf keinem Landgute, da
Schweinefleisch bei den Römern sehr beliebt war und jeder seine Speckseite
») Varro II 2, 18; 10.10; 11,7. Hör. carm. I 12) Lucr. VI 970. Varro I 2,17; II 3,7. Verg.
II 6, 10. Colum.VIl 2,3. Hin. VIII 189 unter- | Geo. II 196. Hin. XV 34.
scheidet sie als rjenus tectum et colonicum. ls) Verg. Geo. III 314 ff ; Cul. 42 ff. Hör,
2) Varro a. a. 0. 19. I carm. 1 17, 6. Ov. ep. 15 (16), 55. Colum.VIl 6, 1.
Cato 10, 1 ; 56. Haut. Asin. 540. Varro I
18, 1 ; II pr. 4 u. ö. Verg. ecl. 10, 19. Vorschriften
über das Hüten von Schafen und Ziegen gibt
Calpurn. ecl. 5.
4) Varro a. a. O. 20; 10, 10.
8) Varro II 11, 6 ff. Vgl. Blümner Techno-
logie I 94 ff.
6) Varro a. a. O. 9.
7) Plin.VIII 191; XXIX 34.
8) Calpurn. 5, 82 empfiehlt dafür eine
Mischung von Erdpech und Kupfervitriol:
durae potuhra massae chalcanthi coquito len-
tumque bäumen aheno.
9) Siehe oben S. 173.
10) Varro a. a. O. 18. Plin.VIII 198.
n) Varro II 3. Colum.VIl 6 f. Plin.VIII
199 ff. Magerstedt II 190 ff. 0. Keller a.a.O.
1 301 ff. Beaurredon 180 ff.
Hin. VIII 201.
14) Verg. Geo. III 308 ff. ; die Hirten trugen
sie und den Ziegenkäse in die Stadt, ebd. 400 ff.
Geop. XVIII 10. Colum.VI 6,4. Calpurn. ecl.
4,25.
15) Verg. Geo. III 311. Geop. XVIII 3; vgl.
oben S. 246.
lfi) Varro II 3, 6. Verg. a. a. O. 302 f. Co-
lum. a. a. O. 6. Vgl. oben S. 72.
17) Varro a. a. O. 9 f. Colum. a. a. 0. 5.
18) Varro ebd. 10.
10) Der verschnittene Bock hieß caper,
Varro b. Gell. IX 9, 10. Mart. III 24, 14; doch
kann das ebensogut den gewöhnlichen Ziegen-
bock bedeuten.
20) Varro II 4. Colum.VIl 9— 11. Plin.VIII
205 ff. Magerstedt III 175 ff. Keller a.a.O.
388 ff. Beaurredon 186 ff.
Zweiter Abschnitt. Die Landwirtschaft.
587
der Fleischkammer hangen haben wollte1)- Man hielt die Schweine teils
Stall, suile2), oder in kleineren Behältern (Schweinekoben), harne genau
eils auf der Weide, für die man besonders sumpfige Waldstellen bevorzugte4),
o sie unter der Obhut der suarii6), gewöhnlicher tubulci*), bisweilen
uch porcarii genannt7), weideten, wobei diese die Tiere durch Hornsignale
ammelten8); als passende Stückzahl der Herde setzt Varro hundert an, doch
bildeten andere Gutsbesitzer solche von hundertfünfzig und noch mehr Stück9).
ingegen sind die porculatores nicht Hirten, sondern haben es mit der
\><>rculatio, d. h. dem Aufziehen der Ferkel, zu tun10). Bei der Zucht, zu der
man auch Wildeber benutzte11), rechnete man zehn Eber (verres) auf hundert
Sauen12); die verschnittenen Eber heißen maialesls).
Endlich gehören zu den für ein Landgut nötigen Tieren noch die Hunde14),
teils der meist mit den Gütern verbundenen Jagd wegen15), teils zur Bewachung
von Haus und Hof und zur Begleitung und zum Schutz der Herden, zumal der
•Schafe und Ziegen16). Man hielt auch bei den Hunden sehr auf gute Hasse beim
Kaufund bei der Zucht, sowie auf geeignete Ernährung und geschickte Dressur.
Varro rechnet auf einen Schäfer einen Hund, nur wo wilde Tiere häufig sind
oder die Herden auf entfernte Waldweiden getrieben werden, mehrere. Kür
die villatici g reges genügten zwei, ein Hund und eine Hündin17). Bei den Hof-
hunden ist mehr auf gute Rasse und Temperament, als auf eine größere Menge
zu sehen1 *). Kastrieren der Hunde kam vor, wurde aber widerraten19).
Fiel alles bisher Besprochene der pastio pecuaria anheim, so war der
Gegenstand der sogenannten pastio villatica die Zucht des Geflügels, der
Fische, des Wildes, der Schnecken und der Bienen20). Die Aufsicht darüber
J) Varro a. a. 0. 3; vgl. oben S. 173 ff.
2) Siehe oben S. 173.
3) Plaut. Asin. 430. Cic. in Pison. 16, 37.
Varro a. a. 0. 14 ff. ; III 10, 4. Colum. VU 9. 9.
4) Varro II 4, 5 f. Colum. VII 9, 6 ff. Hör.
carm. III 23, 9. Phaedr. II 4, 3.
"•) Plin.VIII 208.
e) Cato 10, 1 ; 11, 1. Varro II 4. 14 f.: 20.
Colum. 1 pr. 26. Mart. X 98, 10. Isid.X 263. Corp.
Gloss.VlI310
7) Außer bei Firm. Mat. astr. III 6. 6 auch
in den Glossen für ovoqnogßög, yoiooßooxik, Su-
bileus, Corp. Gloss. VII 107; vgl. IV 394, 41 ;
V 484,39; 540,6.
8) Varro a.a.O. 20: subulcus debet con-
iuefacere, omnia ut faciant ad bucinam.
») Ebd. 22.
10) Ebd. 13: in märieatu, quem porcttla-
Honem appellant. Colum. I pr. 26: porculatoris
rem et subulci diver sa professio, diver sae pa-
Uiones; vgl. VII 9,12.
»') Plin.VIII 213.
»*) Varro a. a. O. 22.
>3) Ebd. 21; vgl. II 7,15; 9.1. Corp. Gloss.
VI 670.
u) Varro 11 9. Colum.VII 12. Plin.VIII 142 ff.
Vgl. Magerstedt II 220 ff. O. Keller a.a.O. 9 1 ff.
15) Siehe oben S. 516.
16) Varro II 9, 1 f. unterscheidet daher
das genus venatienm und das, quod custodiae
cama parater et perl inet ml pastorem; Colum.
VII 12, 1 rühmt den Hund als famtdu» chmini,
comes, custos, e.mtbifnr etc. und schließt: (innre
rel in primis lioe anunnl mercari tuet'iqut 'le-
bet (((/rieo/a, iputil et eillntn et frne/ns fnniiliinn-
<pie et pecora custodit. Ebd. 2 wird der Hofhund
{cOHtS ril/<itienx\i\ov ri/lnin ijnneipie innetn sunt
rillae mstailit, vom Schäferhund [eoni$ pnst<>-
ra/is), der obscrnit atnbnlmn. juris pteora pn-
srentin. unterschieden. Der Schäferhund beißt
auch eanis peennrinx, ebd. 8. Vgl. auch Verg.
ecl. 3, 18.
17) Varro a. a. 0. 16.
") Ebd. 121.
,9)Ebd. 119, 14.
-°) Varro II pr.5 rechnet zur rilhttim patHo,
die nicht unbedeutenden Ertrag liefere, omi-
thones. lepomrin. piseimtr; dieser hat er das
dritte Buch gewidmet. 1112, I3f zählter als de-
ren Teile auf: Gänse. Hühner. Tauben. Kraniche,
Pfauen. Haselmäuse. Wildschweine und an-
deres Wild. Bienen etc. Ebenso stellt Colum.
VIII 1,2 ff. Geflügelzucht. Tauben. Fischzucht,
Bienenzucht u. dgl. zusammen. Unrichtig ist
es aber, wenn Voigt Rom. Privataltert 364
zur ri/lafiett pastio auch die Zucht und Ab-
wertung von Rind, Esel. Schaf. Ziege. Schwein
und Hund rechnet, sowie von Maulrs.l und
Pferd; das gehört alles, wie die Weidewitt
schaft, zur pnstin affUlit oder peeuaria.
588
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
führte, da sie der agricultura angegliedert war1), im großen und ganzen den
vilicus, im einzelnen aber wieder besondere curatores2). Im Geflügelhof wurden
besonders Hühner, Gänse und Enten gehalten3); von den dafür notwendigen
Einrichtungen, bei denen zum Teil die griechischen Benennungen darauf
hindeuten, daß sie nicht altrömischen Ursprungs sind, sowie von der Zucht
und Mast ist bereits oben die Rede gewesen4), ebenso von der Zucht der
Tauben5) und der zahlreichen Arten anderer Vögel, die in den aviaria oder
ornithones gehalten wurden. Auch für die Anlage des Wildparks, der robo- \
raria, leporaria, vivaria, und die darin gehaltenen Tiere6) ist auf früher
Gesagtes zu verweisen7), desgleichen für die Fischteiche 8) mit ihren zahl-
reichen Fluß- und Seefischen9). Besondere Anlagen für als Delikatessen
bevorzugte Tierarten, wie die gliraria für die Haselmäuse10) und die cochharia
für die Schnecken11), werden wohl nur ausnahmsweise gemacht worden sein.
Alle diese in der villatica pastio gezüchteten und gemästeten Tiere dienten
nur zum Teile den Bedürfnissen des Besitzers: das meiste wurde zum Ver-
kauf in die Stadt geschickt und ergab schöne Einnahmen12).
Wir haben schließlich nur noch ein paar Worte über die ebenfalls zur villa-
tica pastio gehörige Bienenzucht13) zu sagen. Während sich ein eigentlicher
Terminus für diese nicht findet14), sind die Bezeichnungen für den Bienenstock
sehr zahlreich: entweder griechische, wie melisson16), melitotrophion16), oder la-
teinische, die bald von der Form entnommen sind, wie alvus17), alveusls), häufiger
alvearium, alvarium19), alveare20), bald vom Inhalt, wie mellarium21), während
das Bienenhaus, in dem mehrere Stöcke stehen, apiarium heißt22). Wenn man
einen wilden Bienenschwarm einfing, so benutzte man das Stück hohlen Baum-
stamms, in dem er sich niedergelassen hatte, als Bienenstock, indem man es
M Varro III 1, 8.
2 ) So ein curator gallinarius Varro 1119,7;
ebd. 11 f.; ein curator der Pfauen Colum. VIII
11,2; der Bienenhäuser, ebd. IX 9,1 u. 3; 14,3.
3) Varro behandelt III 9 die Zucht der
Hühner, 10 f. die der Gänse und Enten, Colu-
mella handelt von den Hühnern VIII 2 — 7, von
den Gänsen ebd. 13, von den Enten 15; dazu
s. Plin. X 146 ff.; 51 ff.
") S. 72 u. 176 ff.
5) Vgl. B. Lokentz Die Taube im Alter-
tum, Gymn.-Progr. Würzen 1886.
«) Vgl. Varro III 12 f. Colum. IX 1.
7) S. 175 f.
8) Varro III 17. Colum. VIII 16 f.
9) S. 180.
,0) S. 176.
u) S. 190. Ueber die Schneckenzucht der
Römer handelt ein Artikel von Schaaffhatjsen
in den Rhein. Jahrb. XC 208 ff. ; vgl. Bergk
ebd. LVI 240. Saglio bei D.-S. 1 1266. Mau bei
P.-W. IV 157.
>2) Varro II 1,5. Colum. IX 1,1.
1S) Varro III 16. Verg.Geo. IV. Colum. IX
2 bis zum Schluß. Pall. 1 37—39. Vgl. Mager-
stem Die Bienenzucht der Völker des Alter-
tums, Sondershausen 1851; ders. Bd. VI der Bild,
a. d. röm. Landwirtsch. : Die Bienenzucht und
<lie Bienenpflanzen der Römer, Sondershausen
1863. Beaurredon 233 ff. Ch. Morel bei D.-S. I
304 f. Olck bei P.-W. III 450 ff.; dazu Chr.
Hülsen Ein Monument d. Vatikan. Museums,
Progr. d. Gymn. von Gr.-Lichterfelde, 1887.
H) Sie wird immer nur mit cura apium
oder alvorum bezeichnet; für den Bienenzüchter
kommt apiarius vor, Plin. XXI 56, vgl. Corp.
Gloss. III 200,56; auch das griech. meliturgos,
Varr. III 16, 3.
15) Varro a. a. 0. 12. Colum. VIII 1, 4.
16) Varro a. a. O.
17) Varro ebd. 15 gibt allerdings eine andere
Deutung : haec omnia vocant a mellis alimonio
alvos. Vgl. ebd. 16 ff. Colum. IX 2, 1 ; 6, 1 ff. ;
14, 7 ff. Plin. XI 22 ff. u. ö. Corp. Gloss. II 434, 45.
18) Tib. II 1, 49. Colum. IX 3, 1 ; 5, 3, doch
schwanken die Hss. öfters zwischen alvus und
(xlvciis
ia)' Cic. b. Charis. p. 107, 2 K. Verg. Geo. IV
34. Varro a. a. O 15. Colum. a. a. O. 6, 1 ; vgl.
Corp. Gloss. VI 57.
20) Colum. a. a. 0. 11, 1. Corp. Gloss. III
262, 12; V 165,35.
21) Varro a. a. 0. 12.
22) Colum.IX3,4;5,lu.6;7,l; 12,4. Gell.
1120,8: apiaria quoque vulgus dicit loca , in
quibus siti sunt alvei apium; sed neminem ferme,
qui incorrupte locuti sunt, mit scripsisse me-
mini aut dixisse.
Dritter Abschnitt. Handwerk, gelehrte und andere Berufe.
•>K<>
Esägte1); sonst nahm man eigens konstruierte, aus der Rinde der Kork-
jche2), aus hohlen Baumstämmen oder Brettern3), aus Flechtwerk von Weiden-
fiten u. dgl. gefertigte4); tönerne scheinen häufig gewesen zu sein, galten aber
Ir unpraktisch5); manche benutzten Marienglas zur äußeren Wandung, um
le Tiere beobachten zu können6). Die Landwirte geben auch genaue Vor-
jbhriften über die Form und Anlage der Stöcke, über die Zahl der Flug-
Icher, die Wahl des Bienenstandes, die Behandlung der Bienen, die Honig-
Irnte usw., doch müssen wir für alle diese Details auf die oben erwähnten
jachschriften verweisen.
Dritter Abschnitt.
Handwerk, gelehrte und andere Berufe.
Litteratur.7)
. Drumann Die Arbeiter und Kommunisten in Griechenland und Rom. Königsberg 1860.
mbert La condition des ouvriers libres chez les Romains, im Recueil de l'Academie de
legislation de Toulouse, Vol. XVII (1868, 386 ff.
I. Blümner Die gewerbliche Tätigkeit der Völker des klassischen Altertums. Leipzig 1869.
X Büchsenschütz Die Hauptstätten des Gewerbfleißes im klassischen Altertume. Leipzig 1869.
Blümner Technologie und Terminologie der Gewerbe und Künste bei Griechen und Römern.
4 Bände. Leipzig 1875—1887.
C. Wezel De opificio opificibusque apud veteres Romanos dissertatio prima. Gymnasial-Pro-
gramm. Berlin 1881.
% Le Saulnier Du travail salarie ä Rome. Paris 1888.
Liebenam Zur Geschichte und Organisation des römischen Vereinswesens. Leipzig 1890.")
L Typaldo-Bassia Des classes ouvrieres k Rome. Paris 1892.
r.-P. Waltzing Etüde historique sur les corporation professionelles chez les Romains. 4 Bände.
Louvain 1895 ff.
Cauer Die Stellung der arbeitenden Klassen in Hellas und Rom. Jahrbuch für das klass.
Altertum X (1899), I 686.
Iornemann Artikel Collegium bei Pauly-Wissowa IV 380 ff.
3. Kühn De opificum Romanorum condicione privata quaestiones. Dissertation. Halle 1910.
Über die Anfänge des Handwerks auf dem italischen Boden geben uns
iie litterarischen Quellen keine Auskunft; wir sind dafür auf zwei andere,
freilich auch nur spärlichen Ertrag liefernde Quellen angewiesen : die ältesten
Fundobjekte und den lateinischen Wortschatz. Was erstere anlangt9), so
können uns die Funde in den Pfahldörfern der Terremare oder in den prä-
historischen Gräbern Italiens, besonders den Nekropolen vom Forum, vom
Esquilin und von Alba longa10), begreiflicherweise nur über solche Gewerbe
*) Colum.IX8, 11.
2) Varro a a. 0. 15: ubi sint, alii faciunt
ex viminibus rotimdas, alii e Ugno et cortici-
bus, alii ex arbore cava, alii fictiles, alii etiam
ex ferulis quadratas. Verg. Geo. IV 33. Colum.
IX 6, 1. Plin. XXI 80. Pall. I 37, 6 (38, 1).
3) Colum. u. Plin. a. a. 0. Geop. XV 2, 17.
Varro a. a. 0. empfiehlt eckige, Pall. a. a. O.
runde, more cuparum.
4) Varro und die andern Scr. r. rust. a. a. 0.
Verg. Geo. IV 34. Ov. rem. am. 186.
5) Varro a. a. 0. Colum. a. a. 0. 2. Pall.
a. a. 0.
6) Plin. a.a.O.
7) Ein sehr reiches Literaturverzeichnis
(bis zum Jahre 1895) gibtWALTZiNQ a.a.O. 1 17 ff.
8) Speziallitteratur über die römischen
Handwerker-Kollegien folgt weiter unten.
9) Vgl. vornehmlich W. Hklbig Die Ita-
liker in der Poebene, Leipzig 1879.
10) Siehe oben & 487 A. 7; 503 A. 4 u.12;
504 A. 2. Helbio a. a. 0. 82.
590
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
Auskunft erteilen, deren Fabrikate ihrer natürlichen Beschaffenheit nacbl
sich erhalten haben, während das Fehlen von anderen (z. B. von silbernen
Objekten) nicht für das Fehlen des entsprechenden Gewerbes in den älteren
Perioden überhaupt geltend gemacht werden darf. So haben sich in jenen
ältesten Schichten ja auch keine Reste von Geweben erhalten, während doch
Spinnen und Weben selbstverständlich seit frühesten Zeiten bekannt war x)
Dasselbe gilt von der Verarbeitung des Leders und des Holzes. Dagegen
lehren uns die Reste, auf welcher Stufe der Entwicklung in vorrömischer
Zeit Töpferei und Bronzearbeit standen: wir sehen die primitiven Erzeugnisse
der Tonarbeit, zum Teil noch ohne Anwendung der Töpferscheibe aus bloßer
Hand gefertigt2); wir finden die Bronzetechnik vor, aber noch wenig ent
wickelt, wesentlich in Blecharbeit und Vollguß bestehend3), und wir finden I
auch hier bestätigt, was wir überall in der Kulturgeschichte beobachten, daß
das Eisen damals noch so gut wie unbekannt war4). In sprachlicher Hinsicht
lehrt uns die Vergleichung, daß im Griechischen und Lateinischen die Worte,
die sich auf Flechten, Spinnen, Weben und Lederarbeit beziehen, eine Menge
von verwandten Beziehungen aufweisen, die uns den Beleg bieten, daß diese
Techniken gemeinsamer gräko-italischer Besitz waren5).
Aber auf etwas sichererem Boden stehen wir erst mit der römischen
Königszeit, wo wir es freilich auch noch nicht mit zweifellosen historischen
Nachrichten, sondern nur mit der Tradition zu tun haben. Diese, von Plu-
tarch überliefert, berichtete in der römischen Kaiserzeit, — frühere Nach-
richten liegen nicht vor — , daß Numa die damals bestehenden Handwerke
in acht Zünfte verteilt hätte, und zwar seien das die Flötenbläser, Gold-
arbeiter, Zimmerleute, Färber, Schuster, Gerber, Kupferschmiede und Töpfer
gewesen6). Diese Nachricht kann allerdings nichtso unbedenklich als historische
Tatsache hingenommen werden. Zwar braucht man es an sich nicht in Zweifel
zu ziehen, daß die hier aufgeführten Gewerbe in der Tat schon damals in
Rom — ob als Kollegien, ist eine andere Frage, — bestanden haben. Sehen
wir von den nicht unter unsere Besprechung fallenden Flötenbläsern, die
schon sehr früh für Feste, Opfer, Bestattungen usw. erforderlich waren, ab,
so stimmt die Aufzählung Plutarchs recht gut zu den für die Königszeit
vorauszusetzenden Kulturverhältnissen7). Auffallen könnten am ehesten die
yQvooxooi, Gold arbeit er, die aurifices, fabri aurarii, obschon immerhin nicht
*) Bezeugt wird die Technik des Webens
durch die oft vorkommenden Webergewichte
(Zeddelstrecker), vgl. Helbig a. a. 0. 22.
2) Helbig 19.
3) Ebd. 19 ff.
4) In einer jüngeren Schicht, die über
der der Bronzezeit liegt, finden sich in einigen
Terremare Spuren von Gebrauch des Eisens
und auf der Drehscheibe gearbeitete Gefäße,
s. Helbig 27 f. (vgl. 8 A. 4). Im allgemeinen
vgl. Beck Geschichte des Eisens I 44 ff. Blüm-
nek bei P.-W. V 2143 und Technol. IV 38 ff.
5) Helbig 114. Weiter geht Wezel a. a. O.
5 ff., der außerdem sprachliche Verwandtschaft
für die Terminologie der Kupferschmiede, Zim-
merleute, Goldarbeiter, Färber, Walker und
Wagenbauer annimmt. Doch bemerkt Helbig
a. a. 0., daß die Wurzeln, wo es sich um Bronze
handelt, stets auseinandergehen, was natürlich
nicht dafür geltend gemacht werden darf, daß
den Graeko-Italikern die Kenntnis der Bronze
abgegangen wäre. Zur Terminologie des Spin-
nens und Webens in den indogermanischen
Sprachen vgl. Schbadek Linguistisch-histori-
sche Forschungen zur Handelsgeschichte und
Warenkunde I 172.
6) In dieser Reihenfolge zählt sie Plut.
Num. 17 auf; hingegen kamen nach Plin.
XXXIV 1 die fabri aerarii an dritter, nach
XXXV 159 die Töpfer an siebenter Stelle.
7) Das weist Wezel a. a. 0. 13 ff. ganz
richtig nach.
Dritter Abschnitt. Handwerk, gelehrte und andere Berufe. 591
:i»rgessen werden darf, daß auch die homerischen Gedichte den xgtttogöoc
Jtr"Annen; aber das bekannte Verbot des Zwölftafelgesetzes, dem Toten Gold
lte,#s Grab mitzugeben, mit Ausnahme des Golddrahts, mit dem falsche Zähne
^»»festigt waren1), darf wohl als Beweis, daß Goldarbeit schon früh in Rom
01 aimisch war, betrachtet werden. Nur werden wir annehmen müssen, daß
ar e an sich nicht sehr bedeutend war, denn in den ersten Jahrhunderten der
^ tadt war allem Anschein nach der Goldbesitz der Römer noch sein gerinj
scil< od was man an künstlerisch ausgeführtem Goldschmuck besaß, das lieferte
llls* trurien den Nachbarn. — Wenn dann Plutarch die itxnn >eg nennt, so waren
'°äl as jedenfalls fabri tignarii, Zimmerleute, die zum Hausbau notwendig
ecl ^ren, zumal in den ältesten Zeiten, auch nachdem man über die Periode
^ er primitiven Hütten Wohnungen3) hinausgekommen war, der Holzbau iiii
^men ärmeren Teil der Bevölkerung noch ziemlich allgemein gewesen sein
"wird und auch beim Ziegelbau Böden, Treppen und Dach vom Zimmermann
)rts|rstellt werden mußten. Aber wahrscheinlich sind zu diesen r&rorec auch
ie Schreiner zu rechnen, die das notwendigste Mobiliar, wie Betten, Tische
ind Kasten, überhaupt die innere Ausstattung, die Türen und Fensterläden,
lerstellten, sodaß wir unter diesen fabri neben den tignarii auch alle die
sinzubegreifen haben, die später als fabri subaedani, intestinarii, lectarii usw.
interschieden werden4). Dann werden die ßcupefc, die Färber, genannt,
lenen wir als tinctores, inferiores, offectores später, zumal auf den Inschriften.
)egegnen5). Es ist durchaus glaublich, daß es damals dies Gewerbe schon
jab6). Zwar waren Spinnen und Weben dazumal ganz sicher noch lediglich
)ine häusliche Arbeit, der sich die Hausfrau mit den Mägden widmete7);
iber das Färben, sei es des noch ungewebten Rohstoffes, sei es der fertigen
aewebe, war eine Arbeit, die nicht gut im Hause vorgenommen werden
tonnte, da sie in den meisten Fällen bestimmte technische Kenntnisse voraus-
setzte und auch die dazu erforderlichen Farbstoffe nicht jedem leicht erreich-
)ar gewesen sein werden. Ebenso muß das Vorhandensein der attvxoxöfiot^
der Schuster (sutores), zugegeben werden; die Zeiten primitiver Kultur,
wo sich, wie später wohl noch der Landmann, jeder sein Schuhwerk selbst
zurechtschnitt und zusammennähte, waren in Roms Frühzeit wohl schon lange
vorüber, und die nach den Ständen unterschiedenen Arten der Fußbekleidung8)
scheinen auch alten Datums zu sein. Bedenklich ist es dagegen, wenn als
nächstes Kollegium die oxvrodeyai, die Gerber (coriarii), aufgeführt werden.
Zwar war selbstverständlich die Kenntnis des Gerbens, auf deren Spuren
wir ja schon bei Homer stoßen9), in jener Zeit allgemein verbreitet; denn
wenn auch vielfach, zumal auf dem Lande, noch ungegerbte Felle zur Kleidung
*) Siehe oben S. 478 A. 10. j Ringen, bnllae und Schmuck zu. greift aber
'-') In den ältesten italischen Funden ist | damit weit über die Anfänge hinaus.
Gold überhaupt nicht nachweisbar, erst in den *) Siehe oben S. 7 f.
späteren Epochen, s. Helbig 21; und von den 4) Blümner Technol. II 311 ff. und oben
Anfängen der römischen Geschichte sagt Plin. S. 67 ; 1 1 1 ; 159.
XXXmn-.Romaenefuitquidemaurumnisiad- 5) Siehe oben S. 256.
modum exiguum longo tempore. Vgl. Waltzing 6) Wezel S. 20 ff.
166. WEZELl7f. Blümner bei P.-W. VI 11558 f. 7) Siehe oben S. 255.
Voigt Rom. Privataltert. 303 schreibt diesen s) Siehe oben S. 234 ff; vgl.WuzKL 19 f.
ältesten fabri aurarii die Herstellung von co- 9) D. XVII 389 ff.; vgl. Blömnkb a. a. O.
ronae aureae, phalerae und armillae, goldenen I 265.
592
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
benutzt werden mochten, so ist das doch bei der städtischen Tracht aul
geschlossen, für Schuhwerk aber, Schilde, Zaumzeug der Reit- und Wagei
tiere u. a. m. war gegerbtes Leder unerläßlich. Man wird sich aber fragt
müssen, ob das Gerberhand werk damals schon von dem des Schusters od«
des Lederarbeiters überhaupt getrennt war; wenn wir von Athen wisse:
daß dort noch im 5. Jahrhundert v. Chr. die Gerber auch Schuhe verfertigten1
so dürfen wir ähnliche Verhältnisse auch für die römische Frühzeit voraus
setzen, wenn es auch möglich ist, daß sich um jene Zeit eine Trennun
dieser Gewerbe vorbereitet hat. — Keiner Bestätigung bedarf die Erwähnun
der ^cdxag, der Kupferschmiede (fabri aerarii); damals war, wie uns nicl
nur die Funde, sondern auch noch spätere Ritualvorschriften lehren, das Eise
noch gar nicht oder doch nur ganz vereinzelt im Gebrauch; Waffen und Werk
zeuge, Haushaltgeräte und zahlreiche Gebrauchsgegenstände wurden aus Bronz
hergestellt, deren Bereitung und Bearbeitung die Römer von den Etrusker
erlernt haben mochten2). Freilich lehren uns die Funde, daß kunstreicher
Erzarbeiten auch damals noch etruskisches Fabrikat waren. Ebensowenig
bedarf das Bestehen der xega/ueis, der Töpfer (figuli), weiterer Belege, d
diese Technik eine der ältesten Errungenschaften der Menschheit überhaup
ist und wir Tongefäße in den ältesten Gräbern vorfinden3). Was die figul
der Königszeit alles verfertigten, ob sie außer Ziegeln und einfachem Ton
geschirr, zu dessen Herstellung sie sich schon der Töpferscheibe bedienten
auch kunstvollere Arbeiten herzustellen verstanden, ist ungewiß; die Ton-
plastik war jedenfalls erst in bescheidenen Anfängen da, denn die ältester
größeren Terrakottastatuen, die die römischen Tempel schmückten, warer
etruskische Arbeit4).
An der Überlieferung, daß zu Beginn der Königszeit die genannten Ge-
werbe existierten, ist also nicht zu zweifeln. Allein es liegt auf der Hand
daß mit ihnen die gewerbliche Produktion der Königszeit nicht erschöpft
sein kann, daß es daneben noch andere Gewerbe gegeben haben muß. Unc
in der Tat fügt Plutarch hinzu, Numa habe die übrigen Handwerke zu einer
einzigen Genossenschaft vereinigt5) Lassen wir die Frage, ob es überhaupl
damals schon Handwerkerkollegien gegeben habe, beiseite, so bleibt di(
andere zu beantworten, was für Gewerbe damals neben den oben angeführter
bestanden haben mögen6). Auf alle Fälle werden wir das Bestehen des Ge-
werbes der Walker (fullones) anzunehmen haben7). Nicht nur die wichtigt
Rolle, die die Walker später im römischen Leben und in der Litteratui
*) Blümner ebd 257.
2) Vgl. Wezel 16 f. Noch bei der servia-
nischen Kriegsverfassung hebt Liv. I 43, 2 her-
vor : arma his imperata galea clipeum ocreae
lorica, omnia ex aere.
3) Ebd. 22 ff. Gümmekus Rom. Gutsbetrieb
42 f. hält es für wahrscheinlich, daß Plutarch
mit den xn^sTc die Schmiede überhaupt, also
auch die fabri ferrarii meinte ; daß aber Eisen-
schmiede in Rom sicher sehr früh vorgekom-
men seien, wie er meint, dafür liegen doch
keine Belege vor.
4) Plin. XXXV 154: ante hanc aedem Tu-
scanica omnia in aedibus fuisse auctor est Varro;
ebd. 157 f. ; vgl. XXXIV 33. Vgl. Deonna Lei
statues de terre cuite dans l'antiquitö (Parii
(1908) 82 f.
8) Numa 17: zag Ök Xouzag zsyvag sig zavzt
avvayayaiv er avzöJv ix naowv djisdsi^s ovozn/xa
6) Versuchsweise sind solche namhaft ge
macht bei Niebühb Rom. Gesch.3 III 349. Wezei
25 ff. Liebenam a. a. 0. 5 f . Waltzing 66. Korne
mann 393. Voigt Rom. Privataltert. * 303 weis
die coactiliarii, lanii und piscatores diesei
neunten Zunft zu.
7) Mommsen Rom. Gesch. 1191 zählt untei
den Zünften des Numa die Walker auf an Stell«
der Gerber.
Dritter Abschnitt. Handwerk, gelehrte und andere Berufe.
593
tfepielen1), spricht dafür, daß ihre Tätigkeit schon in früher Zeit als eigent-
liches Gewerbe bestand, sondern noch mehr der Umstand, daß das Walken
^Ebensowenig wie das Färben im gewöhnlichen Haushalt möglich war, da es
^besondere Einrichtungen (Walkergruben mit fließendem Wasser, Apparate
öfcur Schwefelung u. dgl.2)) voraussetzt3); und auch in späterer Zeit, als man
'jdoch auf den großen Landgütern Sklaven für allerlei gewerbliche Tätigkeiten
^ibesaß, fiel die Walkerei eigens zu diesem Zweck gemieteten Arbeitern zu4).
•Als collegium lassen sich die fullones freilich erst im Jahre 220 v. Chr. nach-
ijweisen5), sind aber sicherlich auch als Zunft älter. — Ferner wird man das
•Vorhandensein von Fleischern (lanii) annehmen dürfen, da das Schlachten
jvon Großvieh höchstens auf dem Lande von Sklaven des Besitzers besorgt
«werden konnte, was sich aber in der Stadt von selbst verbot; auch mußte
«der kleine Mann, bei seinem geringen Fleischbedarf, eine Stelle haben, wo
ler Fleisch nach dem Gewicht kaufen konnte. Solche Fleischertabernen be-
ifanden sich bekanntlich zur Zeit der Decemvirn am Forum6). Vielleicht darf
Iman auch die Fischer (piscatores) schon in die frühe Zeit versetzen7). Auch
Idie Seiler (restiones) dürfen hier angeführt werden, da die Herstellung der in
[zahlreichen Betrieben nötigen Seile und Taue eine handwerksmäßige Übung
[erfordert8). Doch ist da selbstverständlich über die bloße Hypothese nicht
Ihinauszukommen9).
Im Laufe der weiteren Entwicklung der Industrie kamen nun teils eine
Anzahl neuer, bisher noch nicht vertretener Gewerbe hinzu, teils trat bei den
schon vorhandenen eine weitgehende Arbeitsteilung ein. Unter den neuen
Gewerben sind eine Anzahl, deren Tätigkeit jahrhundertelang dem Hause
zugefallen war, bis sich das Bedürfnis geltend machte, zumal dem ärmeren
Volk, das über keine Sklavenarbeit verfügte, gewisse Lebensbedürfnisse
käuflich zugänglich zu machen. Hierher gehören vor allem die pistores, die
Bäcker, die zugleich auch Müller waren und die als besonderes Gewerbe
erst im 2. Jahrhundert v. Chr. aufkommen10): dann die tonsores, die Barbiere,
!) Vgl. oben S. 256 A. 5. Stimmung für die fullones das Bestehen eines
Siehe Blümner Technol. I 157 ff. Kollegiums voraussetzt.
3) LiebenamÖ nimmt an, daß das Walken
in der älteren Zeit noch zur Hausindustrie ge-
hörte, unter Berufung auf Cato r. r. 10, 5 und
6) Liv.III48, 5; über ihre spätere Ent-
fernung Varro b. Non. 532, 15. Vgl. Jobdan
Topogr. I 2,379 A.88. Die erste Inschrift, die
14, 2, wo pikte fullonicae als erforderliche Ge- ! ein römisches collei/ium Umiorum erwähnt, ist
rate genannt werden. Aber das gilt doch wohl CIL VI 167.
nur von der Landwirtschaft der älteren Zeit, i 7) Wie Lieben am 6 tut, weil Festus 210b,
für die Stadt galt wohl von jeher, wasVitr. 33 (vgl. 238 b, 23) ein altes Fischerfest erwähnt.
VI pr. 7 sagt: itaque nemo artetn ullam altem Jedenfalls hat es Fischhändler in Rom schon
conatur domi facere, uti sutrinam fullonicam ' früh gegeben.
auf ex ceteris quae sunt faciliores, nisi archi- 8) Blümneb a. a. O. I 292. Ein etOtffimm
teetwam. Wenn übrigens Cato Walkereien be- , restionnm CIL VI 9856.
saß, so waren diese nicht nur für den eigenen 9) Wenn Wezel 26 die carpentarii. die
Bedarf bestimmt, sondern dienten als Kapital- Wagenbauer, auch schon der Königszeit zu-
anlagen, s. Plut. Catomai. 21. schreibt, so ist das wohl zu weit gegangen,
4) Varro r. r. I 16,4: itaque in hoc genus da deren Arbeit dazumal den fAri Hgmmrü
coloni potius anniversarios habent vicinos, qui- zufallen mochte; ebenso werden die Filzfabri-
bus imperent, medicos, fullones, fabros, quam kanten, die coactil iarii. die Wezel27 annimmt,
in villa suos habeant. Vgl. dazu Gummeeus Der damals noch nicht als Sonderberuf existiert
röm. Gutsbetrieb 68. haben, da bei der Aehnlichkeit derTechnik sehr
5) In der in dies Jahr fallenden Lex Me- • gut die Walker Filzartikel herstellen konnten.
iiia. Plin. XXXV 197, wo die gesetzliche Be- | ,0) Siehe oben S. 162.
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft. IV. 2, s. 3. Aufl.
594 Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
die zuerst um 300 v. Chr. als besonderer Beruf nachweisbar sind1). Auch di<|
coqui, die Köche, müssen hierher gezogen werden: sie konnten als eigenes!
Gewerbe erst erstehen, als die Besorgung der Speisen nicht mehr in jeden f
Haushalt möglich war oder der Haussklave, der sonst die Küche besorgte f
für feinere Tafeln nicht die nötigen Kenntnisse besaß2). So mußten aucM
in andern Arbeitsgebieten namentlich für die untern Klassen Gewerbe ahfl
Beruf erstehen, die in reicheren Häusern auch weiterhin den Sklaven zu-
fielen: so kommen zur Herstellung der Gewebe die lanarii, linteones, textoresl
coactiliarii u. dgl. als besondere Handwerke auf3); es entsteht das Schneider-fi
h and werk der sartores, sarcinatores, vestiftci, vestitores*).
Weiterhin treten Berufe in Rom auf, die in Etrurien, auch in Groß-
griechenland, schon längere Zeit heimisch gewesen waren und allmählich
auch in Rom sich einbürgerten. Noch gegen Ausgang der Königszeit hatte
man Steinmetzen von Etrurien müssen kommen lassen, um den Göttern
würdige Tempel zu erbauen5); nun lernten die Römer selbst ihre Mauern,
Heiligtümer und öffentlichen Gebäude aus Stein zu erstellen. Neben denj
Kupferschmied trat der Grobschmied, der faber ferrarius, dessen Gewerbe,
je mehr man das Eisen kennen und verarbeiten lernte, von immer größerer
Bedeutung und Ausdehnung wurde6) ; andrerseits tritt neben den Goldschmied
erst jetzt der Silberarbeiter, faber argentarius, da der Gebrauch des Silbers
zu Gefäßen des Kultus und des Hausrats der älteren Zeit noch fast unbekannt
war und erst zwischen dem zweiten und dritten punischen Kriege das alte
tönerne Geschirr im reicheren Haushalt durch silbernes verdrängt wurde7).
Der steigende Luxus der Wohnungseinrichtung, der vom Orient und den
hellenistischen Reichen nach Italien herüberkam, brachte neue Gewerbszweige
auf. Erst da konnten die Kranzflechter zu einem besonderen Gewerbe werden,
als der Fest- und Tafelluxus zunahm8); als an Stelle der schlicht getünchten
Wand die kunstvoll bemalte trat, war der pictor parietarius9) nötig; als man
anstatt des einfachen Estrichs, den der pavimentarius erstellt hatte10), die
Fußböden mit Mosaik schmückte, entstanden die tessellarii und musivarii11).
Und wie diese Gewerbe durch fremden Einfluß nach Rom gelangten, so
wurden mit der Zeit auch solche Berufszweige dort eingeführt, deren Er-
zeugnisse man zunächst und längere Zeit hindurch von auswärts importiert
hatte; so gab es denn Glasarbeiter auch in Italien (vitrearii, specidariarii)12),
*) Siehe oben S. 267. ' kaufen; vgl. Gummerus Rom. Gutsbetrieb 36 f.
2) Auf Sardinien kommt im 2. Jahrh. v.Chr. ' 5) Liv. I 56, 1 von Servius Tullius : inten-
ein Kollegium faliskischer Köche vor, CIL XI | tus perficiendo templo (Iovis Capitolini) fabris
3078. Der Mietskoch, dem wir in der römischen undique ex Etruria accitis etc., vgl. Varro bei
Komödie öfters begegnen (vgl. Plaut. Aul. 280 ; Plin. XXXV 154. Der vicus Tuscus am Fuße des
Pseud. 167), kann zwar auf das griechische
Original zurückgehen, daß man aber auch in
Rom bei besonderen Anlässen einen eignen
Koch mietete, zeigt Plin. XVIII 108: nee cocos
vero habebant in servitio, eosque ex macello con-
ducebant.
3) Vgl. Kühn De opiflc. 59.
4) Ebd. 55: vgl. oben S. 256 f. Daß selbst
auf dem Lande die Arbeitskräfte der Sklaven
vielfach nicht mehr für Herstellung der Klei-
dung verwendet wurden, zeigt Cato r. r. 135, 1,
wo empfohlen wird, die Kleider in Rom zu
Kapitols hatte, wie vielfach angenommen wird,
seinen Namen von den Bauhütten und Wohnun-
gen der tuskischen Arbeiter am kapitolinischen
Tempel, s. Jordan Topogr. v. Rom II 469.
6) Makquardt 392 ff. Blümner Technol.
IV 340 ff.
7) Plin. XXXIII 139 ff.; s. oben S. 392.
H) Coronarii, corollarii, s . Blümner 1 304 f.
'■>) Oben S. 91 A. 3.
10) S. 95 A. 6.
n) S. 97 f.
,2) S. 103 A. 9; 409.
Dritter Abschnitt. Handwerk, gelehrte und andere Berufe.
595
md selbst die Papyrusfabrikation fand Eingang, obschon die chartarii ihr
Rohmaterial von Ägypten beziehen mußten V).
Endlich erfuhr die Zahl der Gewerbe auch dadurch noch eine erhebliche
Vermehrung, daß der mit der Bevölkerungszunahme steigende Bedarf, dann
lie zunehmende Vervollkommnung und Verfeinerung der Technik zu einer
sehr weitgehenden Arbeitsteilung führte, indem teils bei manchen gewerb-
ichen Produkten verschiedene Werkstätten zusammenarbeiteten2), teils zahl-
reiche Arbeiter oder Werkstätten nur ganz bestimmte Gegenstände her-
stellten. Das beginnt schon zur Zeit der Republik3), nimmt dann aber in
ier Kaiserzeit, wie uns die Inschriften lehren, ungemein zu*). Die Bäcker
teilten sich in Fein-, Weißbrot-, Weizenbäcker5); daneben kommen eigene
Kuchenbäcker, sogar für ganz bestimmte Sorten, auf6). In der Herstellung
von Geweben und Kleidern unterscheidet man nicht nur Lein- und Wollen-
weber7), sondern auch die vorbereitenden Tätigkeiten: Wollwäscher und
Krempler8); zum einfachen Weber trat der Verfertiger besonderer Gewebe9),
der Buntweber10) nebst den verschiedenen Arten von Stickern11). Die Färber
schieden sich nach Farbstoffen und Nuancen12); die Schneider scheinen eben-
falls sich auf besondere Fabrikate verlegt zu haben18), und auch bei den
Schustern finden wir Betriebe für besondere Schuh- und Stiefelarten14) neben
den Schuhflickern15). Bei den Lederarbeitern gab es Riemer, Halftermacher,
Zeltmacher, Schlauchmacher u. a. m.1G), und neben dem Gerber den Kürschner
und den Pergamentmacher17). Dann sind zu nennen neben den Seilern die
Korb- und Mattenflechter18) und die Böttcher19). Beim Handwerk der Töpfer
') Plin. XXII 75 erwähnt die in Rom be-
stellende Papierfabrik des Fannius. Chartarii
Diom. I p. 313P. und auf Inschriften, vgl. Mar-
quardt 822.
'-) Das bezeichnendste Beispiel dafür gibt
Plin.XXXIV 11: privatim Aegina candelabro-
rutn superßciem dnmtaxat elaboravit, sicut Ta-
rentutn scajws. in äs ergo iuncta commendatio
of/ici»arnm est.
■) Man vgl. die bei Plaut. Aul. 508 ff. auf-
geführtenSpezialgewe/bevonFärbern, Webern,
Schneidern und anderen Lieferanten von Da-
mengarderobe, obschon hier vielleicht etwas
komische Uebertreibung anzunehmen ist.
4) Friedländer Sittengesch. I 266 f.
") Pistores 8Üiginarii, simüaginarii, con-
didtirii, clibanarii, Borna» ienses, pepsiani. s.
oben S. 163. Marquardt 420. Blümner Tech-
nol. I 83.
6) Dulciarii, placentarii, libarii, n-ustii-
farii,scriblitarii,panchrestarii, dazu die jw.s^/7-
larii, Bonbonfabrikanten, und die fictores, s.
oben 193. Marqtjardt a. a. 0. Blümner I 86.
7) Linteones, linarii, lanarii, oben S. 255.
Marquardt 584. Blümner I 184.
s) Lanilutores, carminatores, pectinarii,
oben a. a. 0. Marquardt 503. Blümner 97
A.12; 102.
H) Textores, pohjmitarü, malticiarü, oben
S. 256. Marquardt 584. Blümner 151; 154.
10) Die phrygiones, plumarii, segmentarii,
oben S. 253 f.; 256. Marquardt 537 f.; 584.
Blümner 209 ; dazu die barbaricarii als Gold-
sticker, Marquardt 541. Blümner IV 274.
lx) Abgesehen von den purpurarii nennt
Plaut, a. a. O. 510 flammarii, violarü u.a., 8.
oben S. 216. Marquardt 506. Blümner 1 197
A. 8.
ii)Wermdiepata(/iarii,i>i(h(si<i)-ii,sfroi)hi-
arii usw. bei Plaut. Aul. 509 ff. nicht bloß Händ-
ler sind, was bei den sagarii, paoudarii, brar-
carii sicher der Fall ist; s. oben S. 256 f. Mar-
quardt 585. Blümner 1 197. Dagegen sind die
centonarii sicher die Fabrikanten der centones,
oben S. 257. Marquardt a.a.O. Blümner 199.
13) Cah-ro/arii, caligarii, nrpidarii, baxe-
arii, (laUicarii, solearii, sandaliarii. s. oben
S. 258. Marquardt 597. Blümner 272.
14) Cerdones, mtores, veteramentarii, ebd.
15) Lorarii, capist rar ü,tabi'r nanilarii.ii m-
jndlarii,~onarii,atricidnrü,BMA.fLquAHDTl40.
Blümner 272 f.
,6) Pelliones, membranarii, s. Marquardt
588. Blümner 255; 266 A. 1.
17) Tfi/i-tarii, riniiaarii, BhöusBR292. Be-
sondere Netzstricker kommen nicht vor, da dies
häusliche Arbeit war, s. oben S. 516 A. 8.
18) Vietores, Plaut Rud. 990. Corp. Gloss.
II 210, 16; 468, 50.
19) Wie der molochinarius, der Malven-
stoffe webt, s. oben S. 247. Marquardt 4'.»1.
Blümner I 189. Dagegen ist der »triomim
Seidenhändler, nicht Seidenweber, s. obeD
S. 245 f.
38*
596
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
schieden sich die Ziegelstreicher und -former1) von den eigentlichen, Gefäßel
fabrizierenden Töpfern2) und von den Verfertigern der Tonfiguren3). Ver-I
wandt sind die in Gips und Stuck hantierenden Arbeiter4), weiterhin diel
Wachsbossierer 5).
Die Beschaffung und Verarbeitung des Holzes, die ursprünglich den!
fabri tignarii oder lignarii zufiel6), spaltete sich in zahlreiche Gewerbe: ab-l
gesehen von den Holzhauern7) kommen in Betracht die eigentlichen Zimmer-I
leute, die beim Hausbau beteiligt sind8); sodann die Schreiner in verschiedenen!
Branchen, teils für die innere Ausstattung des Hauses9), teils für die Fabri-I
kation des Mobiliars10); weiterhin die Drechsler11), die auch Hörn, Elfenbein]
u.dgl. zu verarbeiten haben12). Ebenfalls diesem Gebiete gehören die Schiffs-!
bauer13) und die Wagenbauer14) an.
Was die Arbeit in Stein anlangt, so waren die in den Steinbrüchen be-
schäftigten Arbeiter, wie die in den Bergwerken, zwar großenteils, namentlich
in schweren unterirdischen Betrieben, Verbrecher, Kriegsgefangene u. dgl.J
doch wurden auch freie Arbeiter beschäftigt15). Zu den lapidarii im allgemeinen |
Sinne, die von den marmorarii als den Arbeitern in besserem Material unter-)
schieden werden 16), gehören neben den Straßenarbeitern 1 7) vornehmlich die mit
Stein hantierenden Bauhandwerker18) und die als Maurer zu bezeichnenden
Arbeiter, die Steine, Ziegel und Mörtel verarbeiten19), während die marmorarii
ebensowohl die Wandinkrustationen als die Verzierungen mit marmornen
') Laterarii, tegidarii, figuli ab imbricibus,
s. oben S. 65. Marquabdt 669. Blümneb II 15.
2) Sie heißen figuli im besondern Sinne,
seltner fictiliarii (die Inschr. Orklli 4189 =
CIL XIII 590* ist gefälscht), Corp. Gloss. II 388,
30, doliarii ebd. III 309, 13.
8) Sigillarii, figuli sigillatores, s. Mar-
quardt 641. Blümner II 125.
4) Gypsarii, albarii, oben S. 93. Mar-
quardt 634. Blümner 146 f.; die dealbatores
sind wohl Weißtüncher, ebd.
5) Cerarii, Corp. Gloss. III 308,22; 497,
41 ; 525, 47 als xnQonläoxai erklärt, es können
aber auch Wachshändler sein, ebd. II 349, 19.
6) Ueber den sehr ausgedehnten Begriff
des faber, der jeden bedeutet, der in hartem
Stoff (Holz, Elfenbein, Stein, Metall) arbeitet,
vgl. Blümner II 166 f. Jullien bei D.-S. II 947 f.
Liebenam bei Ruggiero Dizion. epigr. III 4 ff.
Kornemann bei P.-W. IV 393 ff. und VI 1888 ff.
7) Sie heißen auch lignarii, Corp. Gloss.
II 378, 28, lieferten aber auch das Holz für
die Heizung. Sonst ist lignarius auch der Holz-
händler, s. Blümner 240.
8) Das sind die fabri tignarii oder tignu-
arii im engeren Sinne, seltner fabri lignarii,
oben S. 66. Marquardt 719. Blümner 241. Hier-
her gehören auch die scandularii, die Schindel-
macher, Digg. L 6, 6.
a) Es sind die oben S. 67 erwähnten fabri
intestinarii und subaediani, dann die Plafond-
macher, laquearii, lacunarii, oben S. 94. Mar-
quardt 721. Blümner 324, und die Treppen-
macher, scalarii, Blümner 327.
10) So die lectarii, grdbatarii, areularia
arcarii, cistarii, armariarii, plutearii, s. oben
159. Marquardt 721. Blümneb 327.
1 *) Spätlat. tornatores, s. Blümnee 333; hier-
her gehören die pugillarii, ebd. 327.
Vi) Als eborarii, pectinarii, s. oben S. 255
A.15. Mabquabdt741. Blümner 364. Koene-
mann a. a. O. VI 1903 f. Hierher gehören auch
die fabri oculariarii, die aus Bernstein, Glas,
Stein u. dgl. die Augen der Bronzestatuen ver-
fertigten, Mabquabdt 688.
1 3) Fabri navales, naupegi, Mabquabdt 719.
Blümneb 214. Koenema^nn 1896 f.
14) Carpentarii, rhedarii, essedarii, risi-
arii, die pictores quadrigularii (Wagenanstrei-
cher), oben S. 460. Mabquabdt 727. Blümneb
325. Marquardt zieht auch die Polstermacher,
culcitrarii (vgl. Blümneb I 208) hierher, doch
wurden Polster auch für Betten, Stühle u. dgl.
gebraucht.
15) Exemtores, lapicidinarii, s. oben S. 66.
Mabquabdt 623. Blümneb III 69.
16) Blümneb III 6; auch lapicidae sind Stein-
hauer, nicht Steinbrecher, s. ebd.
17j Silicarii, ebd. 8; auch putearii, die
Brunnenmacher, sind zu nennen, ebd.
18) Lapidarii, quadratarii, sectores ser-
rarii, s. oben S. 66. Mabquardt a. a.O. Blüm-
ner 7; 83.
,9) Architecti, structores (spez. structores
parietarii), instructores, spätl. caementa r i i ,
aciscularii, machiones, perpendiculatores, s.
oben S. 66. Marquardt 632 f. Blümner III 7 ;
89. Kornemann 1899 f.
Dritter Abschnitt. Handwerk, gelehrte und andere Berufe. 597
Ornamenten, Friesen usw. besorgen 1). Für den zum Bau nötigen Mörtel
Borgten die Kalkbrenner2).
Bei der Metallarbeit haben wir schon der Trennung nach den ver-
schiedenen Metallen gedacht; innerhalb der einzelnen Gebiete treten aber
[weitergehende Teilungen ein. Die Gefäßarbeiter, die vascularn, verarbeiten
besonders Gold, Silber und Bronze;!). Zum Goldschmied trat als Spezialität der
Ringmacher4), der den Edelsteinen, die der Gemmenschneider ihm lieferte6),
die Fassung gab; geringer war die Tätigkeit der Goldschläger6), Golddraht-
zieher7) und Vergolder8). Der Silberarbeit und der Erzarbeit gehören die
Metallgießer in erster Linie an, da Gold selten, Eisen gar nicht gegossen
wurde9). Wesentlich in Erz arbeiteten die Kandelabermacher, Laternenmacher,
Gefäßbildner u. dgl.10), sowie die Verfertiger von Blasinstrumenten11). Sowohl
Erz wie Eisen verarbeiteten die verschiedenen Zweige der Waffenfabrikation,
die Schwertfeger, die Helm-, Panzer- und Schildverfertiger u. dgl. m.12), denen
sich der Schleifer und Polierer zugesellt13). Nur der Eisenarbeit gehören an
die Werkzeugfabrikanten (armamentarii), unter denen wiederum die Sichel-
macher, Messerschmiede, Schlosser, Nagelschmiede, Nagler usw. besondere
Branchen ausmachen14). Endlich sind auch die Bleiarbeiter, denen besonders
die Herstellung der Wasserleitungsröhren oblag, zu nennen16).
Die meisten dieser Gewerbe sind uns nur durch Inschriftenfunde, von
denen ein großer Teil stadtrömische sind, bekannt. Allein im wesentlichen
arbeiteten die Handwerker in der Hauptstadt10) nur für deren Bedarf oder
für die umwohnende Landbevölkerung17); ein Hauptfabrikationsplatz mit
Exportwaren für den Welthandel ist Rom auch in der Kaiserzeit nie gewesen,
und für zahlreiche Artikel blieb es stets, wenn auch nicht mehr so stark
a) Marmorarii subaedani, Marquardt
624. Blümner 185. Marmorarii sind auch die
Verfertiget- von Grabsteinen, Sarkophagen,
quardt 713. Blümner 339; wohl auch die Ge-
wichtfabrikanten, sacomurii. CIL X 1930.
u) Tubarii, eontuarü, Marquardt und
marmornen Tischen, Sesseln, Vasen, Kande- Blümner a. a. 0.
labern u. a m., s. Marquardt 625. ") Olc^iaHi,8paiharii,haatarn,9agittarn,
2) Calcarii, caicarlarii, oben S. 86, Mar- eassidarii, loricarti, scutÖHl, pai'mutat'K, s.
quardt 634. Blümner 103. i Marquardt 713 f. Blümner 361 f. Die hrieorü
3) Siehe oben S. 408. Marquardt 696. und scutarii waren zugleich Lederarbeiter. Da-
Blümner IV 306. Besondere Techniken ver- zu kommen die Verfertiger der Bogen, arm-
treten die crustarii und die caelatores, oben arü, die Hörn und Holz verwenden, und die
S.408. Marquardt 695. Blümner IV 235 ; 248. bal/istarii, deren Maschinen Holz, Metall, Taue
4) Anularii, oben S. 266. Marquardt 700. u. a. m. erfordern, s. ebd.
Blümner IV 305. l3) Samiatores, s. Hu'mnek IV 353.
5) Gemmarii, gemmarum scalptores, gern- 14) FaHearU, doiabrarü, mttrarü, dmuttru
warum politores, seltner insignitores, cava- rii, clavicarii, clavarii, aeuarii, s. Marquardt
tores, s. oben Sv 265. Marquardt 707. Blüm- 715. Blümner 363.
m:i; III 281 f. ") Plumbarii, Marquardt 717. Bi.ümner
6) Brattearii, bratteatores, S. oben S. 266. 375.
Marquardt 686. Blümner IV 307 f. ltf) Eine Zusammenstellung der Gewerbe
7) Aurinetores, s. Blümner z. Ed. Diocl. in Rom s. Blümner Gewerbl. Tätigk. d. Volk.
30, 6 S. 178. Was die ebd. Z. 4 genannten auri- d. klass. Altert. 110.
caesores sind, ist ungewiß. 17) Cato r. r. 135, 1 empfiehlt, tunivue, togae,
8) Auratores, inauratores, Marquardt 695. saga, Centimes, si-x/poneae in Rom zu kaufen.
Blümner IV 309. ferner dolia, labra ; ebd. 2 : aratra. inga,
9)F/attirar;i,ftatores,fHSores,M.^K<)VARDT clostra u.a.m. Aber für andere in der Wirt-
688. Blümner 109; 179; doch kommt ein fla- ' schaft nötige Dinge empfiehlt er Cales, Min-
turarius auri et argenti vor, CIL VI 8456. turnae, Venafrum und andre Bezugsquellen, so
10) Außer den vasenlarii die simpulariarii, daß diehauptstädtischen Fabrikate nicht durch-
candelabrarii, lantemarii, oben S. 143. Mau- weg für die besten gegolten zu haben scheinen.
598
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
wie in den ersten Jahrhunderten der Republik, auf Nachbarländer oder auil
den überseeischen Einfuhrhandel angewiesen1).
Wir sind bei den oben aufgezählten Gewerben teilweise bis tief in denl
Ausgang der Kaiserzeit hinabgegangen und kehren nun zu jener Nachricht
Plutarchs über die Handwerkerzünfte des Numa, von der wir ausgegangen
waren, zurück. Gleichviel, ob seine Angabe, daß Numa die erwähnten)
Handwerkerkollegien gestiftet habe, richtig ist oder nicht, so viel ist auf
alle Fälle daraus zu entnehmen, daß es solche Kollegien schon in der frühen
Königszeit gab2). Wenn nun damals die Handwerker sich zu solchen staatlich
anerkannten Verbänden zusammentun durften oder vielleicht auch mußten,
so ist mit Sicherheit anzunehmen, daß die Mitglieder dieser Kollegien freie |
Bürger waren3). Obschon wir über die soziale Lage der Handwerker nicht nur
in der Frühzeit, sondern auch für die Zeit der Republik nur sehr wenig unter-
richtet sind, so darf man doch behaupten, daß in den ersten Jahrhunderten
der Stadt von jener Geringschätzung, die später alle Handwerke wie jede
bezahlte Arbeit als verächtlich betrachtete, noch nicht die Rede war4).
Freilich konnten nur Plebejer, die weder Grundbesitz noch größeres Ver-
mögen hatten und doch ihr Leben auf irgendeine Art fristen mußten, sich
diesen Beruf wählen5), während die Patrizier ihre Kräfte teils dem Kriege,
teils der Landwirtschaft widmeten. Aber in jenen Jahrhunderten war jeden-
falls die Konkurrenz von Sklaven, deren Zahl ja damals überhaupt noch
J) Mommsen Rom. Gesch. 1 856 f. weist dar-
auf hin, daß sich gar keine Versuche zeigen,
die gewerbmäßige Industrie,wie sie in Aegypten
und Syrien bestand, nach Italien zu verpflanzen
oder auch nur sie im Auslande mit italischem
Kapital zu betreiben ; und ebd. II 399 : „Von
Gewerben und Fabrikation ist nichts zu sagen,
als daß die italische Nation in dieser Hinsicht
in einer an Barbarei grenzenden Passivität ver-
harrte."
a) Man hat meist die Notiz des Florus I
6, 3: ab hoc (sc. Servio Tullio) populus Roma-
nus relatus in censum, digestus in classes, de-
curiis (Mommsen De colleg. 28 : curiis) adque
cöllegiis (Hüschke Verf. d. Servius 149: centu-
riis) distributus, summaque regis sollertia ita
est ordinata res publica, ut omnia patrimo-
nii, dignitatis, aetatis, artium officiorumque
discrimina in tabulas referrentur als eine ab-
weichende Ueberlieferung aufgefaßt, vgl. Dru-
mann Arb. u. Commun. 154. Liebenam 1. Hin-
gegen will Kaelowa Rom. Rechtsgesch. II 63
die Nachricht nur dahin verstehen, daß Servius
die einzelnen Volksklassen nach Vermögen,
Alter, Beruf etc. in die öffentlichen Register
eintragen ließ ; zustimmend Waltzing 1 63.
3) Wenn Bücheb in seiner Entstehung der
Volkswirtschaft (4. Aufl. 1904) S. 117 mit Rod-
bertus in d. Jahrb. f. Nationalökonomie u. Stati-
stik II 267 : IV 341 u. s. vom alten Rom schlecht-
hin behauptet, „es gebe da keine produktiven
Berufsstände, keine Landwirte, keine Hand-
werker; es gebe kein Unternehmungskapital.
das Arbeit um Lohn kaufte, keine Industrie
außerhalb des geschlossenen Hauses; die opi-
fices der Quellenschriften seien keine freien Ge-
werbetreibenden, sondern Handwerkssklaven,
welche aus den Händen der Acker- und Hirten-
sklaven das Korn, die Wolle, das Holz em-
pfingen, um sie zu Brot, zu Kleidung, zu Ge-
räten zu verarbeiten," so stimmt diese Dar-
stellung zu keiner Periode des römischen
Reichs, und E. Meyer war durchaus berech-
tigt, in seinem Vortrag Die volkswirtschaft-
liche Entwicklung des Altertums, Jena 1893
(wiederabgedr. Kleine Schriften 79 ff.) ihr ent-
gegenzutreten, obschon Bücher das Positive
seiner Behauptungen dadurch abzuschwächen
sucht, daß er sagt, er treibe nur Wirtschafts-
theorie, nicht Wirtschaftsgeschichte. Vgl. was
Meyer Kl. Schriften 85 A. 4 hierzu bemerkt,
sowie Wilcken Griech. Ostraka I 681 ff. und
Gummerus Rom. Gutsbetrieb 5 f. u. 95.
4) Zwar sagt Dion. Hai. II 28, 1, schon
Romulus hätte diejenigen Berufe, die mit
sitzender Lebensweise verbunden und banau-
sisch wären und schimpfliche Begierden weck-
ten, weil sie Leib und Seele verdürben, bloß
den Sklaven und Fremden verstattet, während
die freien Bürger nur Krieg und Landwirt-
schaft hätten treiben dürfen; und IX 25. 2
wiederholt er die Behauptung, daß damals (es
handelt sich um das Jahr 476 v. Chr.) kein rö-
mischer Bürger hätte Kleinhändler oder Hand-
werker sein können. Allein schon die Existenz
der Zünfte allein genügt, um das als einen
Irrtum zu erweisen; vgl. Drumann 156.
5) Das wird freilich von Liebenam 6 f.
geleugnet, weil die Plebs stets als der bäuer-
liche Teil des römischen Volkes erscheine.
Dritter Abschnitt. Handwerk, gelehrte und andere Berufe.
599
er alicht bedeutend war, und der Fremden, die nach Rom einwanderten, um dort
lin Gewerbe zu betreiben, noch nicht zu befürchten1). Allerdings werden die
Arbeiter, die von diesen freien Handwerksmeistern beschäftigt wurden, nur
klaven gewesen sein, und auch diese noch nicht in so erheblicher Anzahl.
vie es später beim fabrikmäßigen Betriebe mancher Gewerbe der Fall war!
Allein diese Wertschätzung, deren sich das Handwerk in der Frühzeit
$twa noch erfreute, scheint doch nicht sehr lange angedauert zu haben;
it lie servianische Ordnung, die den Heerdienst, der zwar Last, aber auch
ähre war, auf diejenigen Gewerbe, die für den Krieg speziell geeignet waren,
a lie Zimmerleute, Kupferschmiede und gewisse Klassen von Spielleuten, be-
frei schränkte2), sie hat wohl, wie Mommsen vermutet3), den Anfang gebildet
!u der späteren sittlichen Geringschätzung und politischen Zurücksetzung
3er Gewerbe. Es kam daher auch in der Republik nicht zur Bildung eines
mabhängigen Handwerkerstandes, so wenig wie es eine anständige Kauf-
mannschaft gab. War der Charakter des Römers schon an und für sich für
diese Berufe nicht geeignet, so trat dem noch mehr hindernd in den Weg
sein Bestreben, vornehmlich als Staatsbürger und als Soldat dem Staate zu
oützen; und gleichzeitig wurde durch die immer zunehmende Sklavenwirtschaft
die gewerbliche Arbeit ebenso wie die landwirtschaftliche Sklavenarbeit ver-
achtet4). Selbstverständlich gab es auch weiterhin immer noch Freie oder
Freigelassene, die mit unfreien Arbeitern ein Handwerk betrieben und dabei
zu Vermögen kamen5); aber mehr und mehr wurde es üblich, daß solche
Gewerbe von Sklaven betrieben wurden, die ihr Herr als Handwerker be-
schäftigte, ohne daß er selbst ein solcher war, oder von Freigelassenen oder
Klienten, denen ihr ehemaliger Herr oder ihr Patron das Kapital zum Betrieb
hergab, wofür er seinen regelmäßigen Geschäftsanteil bezog. Wie die großen
Grundbesitzer auf ihren Landgütern nicht bloß, wie es ursprünglich der Fall
gewesen war, für den eigenen Bedarf, sondern auch und sogar wesentlich
für den Verkauf produzierten, wie sie gewisse gewerbliche Betriebe ein-
richteten, um ihr Kapital darin arbeiten zu lassen, und wie sie Sklaven
hatten, die bestimmte Fertigkeiten besaßen und von den Herren zur Aus-
übung derselben an andere vermietet wurden, so kam auch in der Stadt der
Gewerbebetrieb vielfach in die Hände von Großkapitalisten, die selbst gar
keine Handwerker waren, aber eine Menge Sklaven als solche beschäftigten6),
oder, was schon in republikanischer Zeit, noch viel mehr aber in der Kaiser-
zeit üblich war, ihre gewerblich ausgebildeten Sklaven irgendeinem Hand-
werker oder Privatmann vermieteten7). Da ist es denn begreiflich, daß die
kleinen Handwerker, die mit bescheidenem Kapitale arbeiteten und nur über
wenig, manchmal vielleicht über gar keine Gehilfen verfügten, immer mehr
l) Vgl. Wallon Hist. de l'esclav. II 11. 3) Rom. Gesch. I 197.
Wezel 12 f. Es ist daher nicht richtig, wenn 4) Ebd. 450.
Lange Rom. Altert.3 1 284 sagt, nur Klienten "') Der Vater des C. Terentius Varro (Kon-
fund etwa ihnen gleichstehende Freigelassene) suis vom Jahr 216 v. Chr.) war Metzger ge-
könnten es gewesen sein, die damals Hand- weseu und hatte auch selbst in seiner Fleischer-
werke trieben (vgl. dazu auch M. Cohn Zum budeverkauft.hattedabeiabereinVermögener-
röm. Vereinswesen 23). worben.Liv.XXII25, 19;26,1. Val.Max.lII4.4.
-) Nur im Notfalle weiden sonst Hand- ,;) Mommsen Rom. Gesch. 1847; II 75. Mar-
werker zum Kriegsdienst herangezogen, Liv. quardt Privatleb. 165 f.
VIII 20,4; vgl. X 21,3. ;) Digg.XXXIIl 7,19,1; vgl. oben S. 285.
600
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
herunterkamen, und daß der Beruf, dem der Römer ohnehin so wenig Wert-I
Schätzung entgegenbrachte, nun geradezu verachtet war und als schmutzig*!
Sklavenarbeit galt1); diese freien Handwerker bildeten nicht einen geachteter!
Mittelstand, sondern zählten mit Lohnarbeitern und anderem Gesindel zuii
Hefe des Volkes2). Und diese Geringschätzung des Handwerkerstandes blieb!
auch in der Kaiserzeit die gleiche3), obschon es immer mehr vorkam, dafiB
Handwerker sich durch Großbetrieb Reichtümer erwarben4).
Daß der Gewerbebetrieb vornehmlich in der Hand von Freigelassenen i
lag, das lehren am besten die Inschriften, die überhaupt das einzige Material!
für die Frage nach der sozialen Stellung der Handwerker liefern5), aber auchj
nur sehr unvollständig, da man in sehr vielen Fällen über den Zivilstand des!
genannten opifex gar nichts daraus entnehmen kann6). Wenn von dem inschrift-
lichen Material das unsichere beiseite gelassen wird und ebenso dasjenige,
das sich auf Handwerkssklaven im Privathause der Reichen oder der kaiser-
lichen Familie bezieht, so ergibt sich aus einer Übersicht7), daß unter den In-
schriften des gesamten römischen Reiches 3V2 Prozent auf Freie als Arbeiter!
gehen, 183/4 auf Freigelassene, 33M auf Sklaven8); in der Stadt Rom sind die !
entsprechenden Zahlen 21/*, 313/4, 61/*9). So wenig Gewicht auf diese, auf
dem Zufall der Erhaltung einschlägiger Inschriften beruhenden Zahlen zu
') Der oben erwähnte Terentius Varro
wollte durch seine Karriere vergessen machen,
daß er loco non huniili solum sed etiam. soi-dido
ortus war, Liv. a. a. 0. Vgl. ebd. XXI 63, 4:
quaestus omnis patribus indecorus erat. Cicero
rechnet de off. I 42, 150 Kleinhändler und Ge-
werbetreibende zu den sordida officia: opi-
fices omnes in sordida arte versantur ; nee enim
quiequam ingenuum habere potest officina.
2) Cic. pro Flacco 8, 18: opifices et taber-
■narios atque illam omnemfaecem civitatum. Sie
waren nicht bloß untauglich zum Kriegsdienst,
wie Liv. VIII 20, 4 bemerkt: opificum quoque
vulgus et sellularii, minime militiac idoneum
genus, sondern auch stets bereit, an Unruhen
und Aufruhr sich zu beteiligen, Sali. Cat. 50, 1 ;
lug. 73, 6; vgl. Cic. Cat. IV 8, 17 ; Acad. prior. II
47, 144. Die Töchter von Handwerkern konnten
nicht Vestalinnen werden, Gell. 112, 5; und
wer ein Gewerbe betrieb oder für seine Dienst-
leistungen Lohn empfing, war von der Bewer-
bung um Magistratsämter ausgeschlossen, s.
Mommsen Rom. Staatsrecht I 898.
:i) Sen. ep. 88, 21 : quattuor alt esse artium
Posidonius genera: sunt vulgares et sordidae,
sunt ludicrae, sunt pueriles, sunt liberales : vul-
gares opificium, quae manu constant et ad in-
struendam vitam oecupatae sunt, in quibus
mala decoris, nulla honesti simulatio est; vgl.
de benef. VI 17,1. Ganz besonders ist es der
Schuster, der fast sprichwörtlich als Typus
der Niedrigkeit erscheint, s. Cic. pro Flacco 7.
17: id sutores et zonarii conclamarunt . luv.
3,294; 4,153 mit Schol.; 8,182.
4) Man kann an den Bäcker Eurysaces
erinnern, der, wie die Bildwerke an seinem
Grabdenkmal vor Porta maggiore in Rom er-
weisen, jedenfalls einen großartigen Betrieb
hatte und seine Erzeugnisse wohl nur en gros
abgab, s.Mon. d. Inst. 11 58 und O.Jahn A.d.I.
X (1838) 231 ff. Bei Mart. III 16, 1 kommt ein
reich gewordener Schuster aus Bononia vor,
der Fechterspiele gibt, vgl ebd. 99, 1 ; dasselbe
tut ein Walker in Mutina, ebd. 59, 2. Bei Pe-
tron. 46, 1 bezeichnet sich der centoiuu-ius
Echion selbst als pauper, aber sein Söhnchen
hat doch einen eigenen Hauslehrer für Grie-
chisch und Lateinisch, ebd. 5. Auch der Stein-
metz Habinnas, der ebd. 65 auftritt, scheint
sein Schäfchen im Trocknen zu haben.
5) Dies ist speziell das Thema der oben
erwähnten Arbeit von Georg Kühn, der S. 74
die Anzahl aller auf Inschriften erwähnten
opifices auf 1854 angibt.
f;) Nur wenn der Vater angegeben ist, er-
kennt man den Freien, wenn der ehemalige Herr
genannt ist, den Freigelassenen, oder den Skla-
ven an direkter Angabe. Bezeichnend ist die An-
führung von zwei bis drei Namen, deren Träger
jedenfalls Freie oder Söhne von Freigelassenen
sind, und die Nennung eines römischen Gentil-
namens mit einem griechischen Kognomen. was
auf einen Freigelassenen deutet, s. Kühn 19 f.
7) Siehe ebd. 72 ff.
*) Der geringe Prozentsatz der Sklaven er-
klärt sich daher, daß Handwerkssklaven selten
besondere Grabmäler zuteil wurden, abgesehen
von den zu einer großen familia gehörenden,
die im Kolumbarium beigesetzt wurden.
9) Was die Namen anlangt, so haben im
römischen Reich von den Handwerkern der er-
haltenen Inschriften 919 zwei bis drei Namen,
459 römischen Gentilnamen und griechisches
Kognomen.
Dritter Abschnitt. Handwerk, gelehrte und andere Berufe. 601
en ist, so liefern sie doch einen entschiedenen Beweis für die Unrichtigkeit
■Jer Behauptung neuerer Nationalökonomen1), data das römische Handwerk
st ganz Hausarbeit gewesen sei. In Ägypten ergeben die Ostnika und
apyri, daß dort in der Kaiserzeit das Handwerk fast ganz in den Händen
er freien Bevölkerung lag, nur zum kleinen Teil in der von Sklaven, und
als Gewerbesklaven im Dienste vornehmer Häuser völlig zurücktreten2).
Über die Art des gewerblichen Betriebes sind unsere Quellen leider sehr
pärlich; wenn wir absehen von vereinzelten Notizen, sind es vornehmlich
wei, zeitlich weit auseinanderliegende, nämlich die landwirtschaftlichen
Schriftsteller, besonders Cato und Varro3), und das Edictum DiocUtiamt <l<
nretiis verum renalium. Im allgemeinen ergibt sich daraus, daß von den
'on der heutigen Volkswirtschaftslehre nach Bücherscher Terminologie an-
genommenen Betriebssystemen die drei Arten des Hauswerks, des Lohnwerks
md des Handwerks den Römern der republikanischen wie der Kaiscrzcit
geläufig waren. Das Hauswerk besteht darin, daß die Sklaven alles das,
vas der Haushalt bedarf, produzieren4). Es gab nun allerdings in großt-n
haushalten mit zahlreichen Sklaven in der Regel auch Handwerkssklaven,
lie in der von ihnen erlernten Branche nur für ihren Herren arbeiteten,
jogar bis zur künstlerischen Produktion5). Am ausgedehntesten war dies
System natürlich auf den großen Landgütern möglich, deren Besitzer in der
Tat nicht nur durch den Ertrag ihrer Ländereien, sondern auch durch die
»ewerbliche Produktion ihrer Sklaven in der Lage waren, nur äußerst wenig
industrielle Fabrikate käuflich erstehen zu müssen6). Allein bei Gütern von
mäßiger Größe lagen die Dinge anders, da mußte das Hauswerk beschränkt
werden. Bei Cato findet sich keine Spur von berufsmäßig ausgebildeten Hand-
werkssklaven, und daher konnten nur solche Gewerbserzeugnisse auf seinem
Mustergute produziert werden, deren Herstellung keine besonderen technischen
Fertigkeiten erforderte7). Solche Hausarbeiten sind, zumal im Winter und wenn
das Wetter die Feldarbeit hindert, Schnitzen der Pfähle für die Reben und der
Kienspäne zur Beleuchtung, Flechten von Seilen und Körben, Ausbessern von
Tonfässern, Flicken der Sklavenkleider u.dgl.8). Daß die Mägde spinnen mufften,
ist selbstverständlich, obschon Cato es nicht erwähnt; daß auch Weberarbeit
verrichtet wurde, beweisen die im Inventar der Villa genannten Webstühle9).
!) Siehe oben S. 598. ,;) Natürlich ist es humoristische Ueber-
Vgl. Wilcken Griech. Ostraka I 695. treibung, wenn bei Petron. 38, 1 ein Tischgast
von Trimalchio prahlt : nee est quod pttte» üTmm
qtUcqyum entert, omni* rf/mii muemKhtr: I
eredrae, piper, lade gaOinaeeum tigtianit
3) Vgl. besonders die oben S. 533 erwähnte
Abhandlung von Gummerus.
4) Das ist das, was man seit Rodbektus
als „Öikenwirtschaft" bezeichnet und worin /»renies. Uebrigens ist hier weniger von ge-
BÜCHEB das das gesamte Altertum beherr- werblichen Produkten die Rede, wie Bi'Vhkk
sehende volkswirtschaftliche System erkennen meint, der daher übersetzt „ alles wird bei ihm
will. Die betr. Terminologie hat Bücher zuerst erzeugt*, als von solchen des Bodens, weshalb
im Handwörterbuch der Staatswissenschaften besser (mit Fbiedländeb) »alles wächst auf
III 934 ff. vorgeschlagen. : seinem eigenen Boden4 übersetzt wird. Vgl.
5) So hatte Verres nach CicVerr. act. II, E. Meyeb Kl. Sehr. 84 A. 1.
IV 24, 54 unter seinen Dienern caelatores ac '') Gummebus 35.
htscularii; luv. 9, 145 wünscht sich einen cur- *) Cato r. r. 2. 3; 23, 1 ; 37. 3; 30, 1 f.
Ems caelator et alter, \ qui multas faeiea pingü '■') Cap. 10, 5 u. 14, 2; sie heißen telae l<>-
Uto. Ein caelator Germania Caesaris CIL VI gales (nicht, wie man früher las. loyales), waren
4328. also in der Anwendunganscheinend beschränkt.
602
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
Da auch Walkergerät erwähnt ist1), so wurden auf dem Gute sicher Kleidungsi
stücke hergestellt; allein offenbar nur in beschränktem Maße: für die gesamt!
Herrschaft und Dienerschaft die Kleider auf dem Gute selbst herzusteller I
hätte offenbar die Arbeitszeit zu sehr in Anspruch genommen und vo;i
der Hauptsache, der Feldbestellung, abgezogen, daher werden die meiste!
Kleidungsstücke in Rom und anderwärts gekauft, womit zugleich ein BeleJ
gegeben ist, daß dergleichen von den Fabrikanten auf Vorrat und nicht bloJJ
auf Bestellung gearbeitet wurde2). Ähnlich steht es mit anderen Erzeugnisse«
des häuslichen Fleißes. Obschon die Körbe für die Oliven- und Weinernte inl
Hause geflochten werden, müssen doch gewisse Sorten auswärts eingekauf I
werden3); und obgleich die Sklaven Seile und Stricke drehen, wird doch füll
diverse Sorten, namentlich die aus spanischem Spartum, Einkauf empfohlen4)!
Was Lederarbeiten anlangt, so hatte man natürlich auf dem Lande das Roh-I
material von selbst zur Hand; ob man es selbst gerbte, ist nicht zu beurteilen.1
wahrscheinlich aber schickte man sie den Berufsgerbern, die ja in Rom sehi
früh auftreten5). Einfache Lederriemen fertigte man dann wohl daheim an.
aber Ledertaue, wie man sie zu verschiedenen Zwecken brauchte, rät Cato,
von Berufsseilern drehen zu lassen6). Vom Schuhwerk, von Geschirren für
Zugvieh usw. erfahren wir nichts, das wurde vermutlich alles fertig gekauft.!
Die einfache Holzarbeit wird auf dem Gute selbst ausgeführt: so scheint)
auch das ganze Holzwerk der Ölpresse von den eigenen Leuten ausgeführt
zu sein, abgesehen von der dem faber überlassenen Eisenkonstruktion7).
Hingegen müssen die Holzschuhe, die zu schnitzen schon besondere Fertigkeit
und eigene Instrumente erfordert, in der Stadt gekauft werden8) und ebenso
das Tongeschirr jeglicher Art9), das man im Hause nur kittete und verpichte10),
sowie die Metallwaren, und zwar sowohl die Kupfergefäße11) wie die Eisen-
geräte12). Gelegentlich aber mußte man den Schmied, den faber ferraritm
zu einer Arbeit ins Haus kommen lassen, z. B. für das Montieren einer Öl-
presse13): offenbar war in der Nähe des Gutes ein selbständiger Schmied, der
für solche Arbeiten im Taglohn auf den Gutshöfen arbeitete. Ebenso brauchte
man solche freie ländliche Handwerker, wenn man auf dem Lande baute:
der Besitzer verdang die ganze Arbeit an einen Unternehmer (conductor),
der die Bauten aus Ziegeln, Steinen und Holz auszuführen und teilweise
auch die innere Einrichtung zu liefern hatte, während der Eigentümer das
1) Siehe oben S. 593 A. 3. Gummerus 37
meint, daß die pila fuüonica nur zum Reinigen
der getragenen Kleider, nicht zum Verfilzen
neuer Wollstoffe diente.
2) Cap. 135, 1 : Rotnae (emito) tunicas, to-
gas, saga, centones, scutyoneas; Calibus et
Minturnis cuculliones. Daher wird auch die
auf dem Gute erzeugte Wolle verkauft, Cap.
2,7.
3) Cap. 135, 2 f.
4) Cap. 135, 3.
5) Siehe oben S. 591.
e) InCasinum oderVenafrum, a.a.O. Hier
haben wir jene Art des Handwerks, der wir
auch unten noch begegnen werden, wobei der
Arbeiter einen Gegenstand vom Besteller em-
pfängt, um ihn in bestimmter Art zu bearbeiten
oder zu verarbeiten.
7) Cap. 18 ff.; Gummerus 38 f.
8) Cap. 135,1.
9) Ebd.: Romae dolia, labra (vgl. Gum-
merus 41 A. 3); doch ist nicht zu übersehen,
daß anderwärts gerade auf den großen Land-
gütern Töpfereien, die das grobe opus doliare
herstellten, häufig waren, s. Marquardt 160
A. 3. Varro r. r. I 2, 22 spricht von figlinae auf
Gütern.
10) Cap. 2, 3; 23, 1; 39,1.
n) Vasa ahenea, aus Capua oder Nola be-
zogen, Cap. 135, 2.
") Cap. 135,1 f.; vgl. Gummerus 44.
13) Cap. 21, 5; Gummerus 39 u. 42.
Dritter Abschnitt. Handwerk, gelehrte und andere Berufe.
:::*aterial: Holz, Ziegel, Steine, Kalk, Sand usw., auch Säg«' and Richtschnur,
m* i stellen hatte»).
So sehen wir denn, daß im 2. Jahrhundert v. Chr. neben dem Hauswerk.
] is gewerbliche Produkte nur für den eigenen Bedarf herstellt, es das eigent-
^ che Berufshandwerk gibt und den Lohnarbeiter, der zwar wohl auch Berufs-
^ andwerker mit eigener Werkstatt sein kann, aber auch in fremde Häuser
tN eht, um dort gegen Taglohn zu arbeiten. Ganz ähnlich liegen die Verhalt-
lls« isse im 1. Jahrhundert v. Chr. Auch bei Varro finden wir die Hausarbeit
fe| er Sklaven, die wesentlich auf Flecht-, Seiler- und Schreinerarbeit beschränkt
;t2); das meiste muß daher gekauft werden3). Ganz besonders aber ist die
enutzung fremder, für bestimmte Zwecke und Zeiten gemieteter Handwerk. ir
blich, die Varro anniversarii vicini nennt, d. h. in der Nähe wohnende, jährlich
wiederkehrende, und als welche er Ärzte, Walker und Schmiede anführt4),
wozu wohl noch manche andere, je nach Bedarf, kommen mochten. Aber
usdrücklich bemerkt er, daß man auf großen Gütern, die von Städten oder
)örfern entfernt liegen, sodaß von dort Handwerker nur mit Verlust an Zeit
nd Arbeit geholt werden können, sich eigene Handwerkssklaven zu halt« n
;enötigt sei5). Daneben aber waren auf den Gütern bisweilen industrielle Be-
riebe, die nicht nur und lediglich für den Gutsbedarf, sondern für den Ver-
lauf arbeiteten: so namentlich Töpfereien6) und vielleicht auch Webereien7).
Wenig bestimmte Aufschlüsse über die gewerblichen Verhältnisse im
. Jahrhundert n. Chr. erhalten wir aus Columella. Auch bei ihm wird leichtere
lolz- und Flechtarbeit als Hausbeschäftigung der Sklaven empfohlen8); die
weibliche Sklavenschaft wird zwar mit Spinnen und Weben beschäftigt, aber
') Cap. 14 f.; ob die Ziegel an Ort und
»teile gestrichen wurden, hing wohl davon
.b, ob geeigneter Lehm vorhanden war; Dach-
iegel werden nach 135, 1 gekauft. Vgl.GüM-
iekus 37 f. In viel späterer Zeit wird das Ziegel-
treichen zu den regelmäßigen Arbeiten des
jandmanns gerechnet, Pallad. VI 12; VII 8;
i. 15. Geop. II 49 wird hervorgehoben, daß über-
11 brauchbare Tonerde sich rinde und daher
['Opfer auf dem Gute sein müßten; ebd. VI 3
rird daher Anweisung zur Herstellung von
lolia gegeben.
2) Varro r. r. I 23, 5. Gümmerüs 67. *
3) Varro 1 22, 2 : quae e fundo siimi non po-
l-erunt, ea si empta erunt potius ad utilitatem
fuam ad speciem, sumptu fruetum non extenu-
bunt.
4) I 16, 4: itaque in hoc genus coloni po-
ius anniversarios habent vicinos, quibus im-
ereilt, medicos, fnllones, fabros, quam in vitta
sua habeant, quorum nonnumquam unius arti-
icis mors tulit fundi fruetum (zu Lesart und
Interpunktion s. Gümmerüs 68). Sklaven, die
eiche Kenntnisse besaßen, waren also teuer
und daher das Risiko für den Todesfall zu
groß.
6) Ebd.: quam partem latifundi dieifes
domesticae copiae mandare solent. si enim a
fundo longius absunt oppida aut viel, fabros
parant, quos habeant in villa, sie ceteros ne-
cessarios artific6$, nr </>■ f/ou/o familia ilis<<<i<it
aeprofessis diebus ambulet feriata potius, quam
operefaciendoaijrum fructuosiorem reddat. Mit
den fäbri sind wohl ebenso fabri tignarü, wie
ferrarii und aerarii gemeint. So heißt es auch
bei den Geop. II 49, man müsse auf den Gütern
Schmiede, Zimmerleute und Töpferhaben, zum
mindesten in der Nähe, da es nicht zuträglich
sei, jedesmal eigens in die Stadt zu gehen, um
Werkzeug zu kaufen.
6) 12,22: anne ego seqiiar Sasernanun
putris i'f fili /ibros ac magis puti'ni jHTtinen-,
fig/hKisqiiemadmodumerercerioporti'iit.qiimii
argenti fodinas (ixt alia nittalla, <p<uc sinr </n-
l)io in tiliijiio agra jtuntt nd i<> ntqm Impieidi-
nae lugut hartnmrku ad agri cnlturam pnti-
ntnt, sie fleUna*. Die Geoi). II 49 empfehlen
(angeblich nach Varro, s. Glmmkrds 70), be-
sonders Töpfer auf den Gütern zu halten, da die
geeignete Erde überall zu finden sei. Ebenso
sagt Pallad. I 6,2: ferrarii, /igmirii, rfoliorum
cuparumque factores neces*'iri<> habendi sunt,
nc (i tdbOTt soh-nni riistirns MMM <lr*i>/>Tiiin/<ir
urbis avertat.
7) Gümmerüs 71 macht es wahrsdit in
lieh, daß die textores a. a. 0. 21 nicht für den
Gutsbedarf, sondern für den Verkauf arbei-
teten.
») Colum.XI2,llf.; ebd. 90; XII 18,2,
vgl. Gümmerüs 87.
ß04 Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
»
anscheinend doch nicht in so ausreichendem Maße, daß nicht auch Kleidung,
stücke für die Herrschaft und die Sklaven auswärts gekauft werden müßten1
Von berufsmäßig ausgebildeten Handwerkern scheint Columella nur fabri 2
kennen2); sonst wurden wohl die meisten Gewerbserzeugnisse durch Kauf ei
worben. Also auch hier, wie bei Cato und Varro, spielt das städtische Han(
werk eine wichtige Rolle. Wenn der Gutsbesitzer in die Stadt ging oder sein
Leute dorthin schickte, Einkäufe zu machen, so ist damit auch von vornherei
gegeben, daß diese Handwerke Vorräte fertiger Waren zum Aussuchen hattei
vielfach sogar schon im Großbetrieb fabrikmäßig arbeiteten3). Und antik
Denkmäler, die uns die Läden von Handwerkern vorführen, bestätigen dies4
Übrigens arbeiteten die kleinen Handwerker vielfach, wie heut noch ü
Süden, auf offener Straße, oder sie brachten fertige Waren auf den Mark
und legten sie da auf Tischen oder Ständen zum Verkaufe aus5). Danebe
bestanden die freien Handwerker, die zu bestimmten Arbeiten ins Kundenhau
gingen, jedenfalls weiter6).
Die zweite der oben erwähnten Quellen, das Edictum Diocletiani d
pretiis verum venalium1), übermittelt uns zwar in erster Linie Warenpreise
ist aber, da auch Löhne aufgeführt werden, ein für die Geschichte des Hand|
werks wichtiges Dokument. Für das Hauswerk, d. h. die Hausarbeit de
Sklaven für den Haushalt selbst, lehrt sie uns freilich nichts, denn die Arbei
des eigenen Sklaven wird nicht bezahlt; wohl aber lernen wir manches Detai
des beruflichen Handwerks und des Lohnwerks kennen, indem für manch«
Waren die Preise des fertigen Fabrikats angegeben sind, für andere di(
Kosten der Herstellung. So erscheinen als fertige Ware tarifiert vornehmlicl
die Lederarbeiten verschiedener Art, in mannigfachen Arten von rohen unc
gegerbten Häuten, Schuhen, Sohlen, Riemer-, Sattler- und Gürtlerarbeitei
u. dgl. m.8), ferner kleinere Drechslerwaren, wie Weberschiffchen, Spindeln
Kämme, Siebe9); eine Besonderheit zeigen dabei die Erzeugnisse der Wagnerei
') Das ist zwar nirgends ausdrücklich ' 2 f. Amelung Antiken in Florenz 108 n. 167 i
gesagt, geht aber, wie Gummerus 88 ff. zeigt, (auch am Grabmal der Secundiner in Igel be
aus XII praef. 9, ebd. 3, 1 — 4 u. 6 hervor. Trier scheint Tuchhandel dargestellt zu sein)
2) XII 2, 13; XII 3, 9.
3) Gerade das leugnet freilich Bücher
Ztschr. f. d.ges. Staatsw. L (1894) 693, und zwar
speziell von dem Gewerbe, von dem er sonst zu-
geben muß, daß es fast ausschließlich für den
Verkauf produzierte, nämlich den Lederarbei-
tern (Schustern, Riemern, Sattlern etc.). Also
5) So sehen wir auf den pompejanischei
Forumsbildern (bei Jahn Abh. d. SGW Bd."\
265 ff. Taf. I— III) auf offenem Markte Hände
mit Tuch. Brot, Schuhwerk (ein Mann läßt siel
Schuhe anprobieren), Kupfergeschirr u. dgl.m
6) Einen Beleg bietet Plut. Galba 9, wi
erwähnt ist, daß die Mutter des Nymphidiu
auch diese Gewerbe hätten wesentlich für i Sabinus, der unter Nero praefectus praetor*
Kunden auf Bestellung und nur ausnahms- J war, eine axeorgia impioötos war, also ein
weise einmal auf Vorrat gearbeitet. Als ob gegen Taglohn arbeitende Schneiderin,
ein reich mit Schuhwaren verschiedener Art 1 7) Herausg. von Th. Mommsen, erläuter
ausgestatteter Laden, wie der des Schusters von H. Blümner, Berlin 1893. Von national
Kerdon in Herondas' siebentem Mimiambos, ökonomischer Seite ist es beleuchtet wordei
für das kaiserliche Rom undenkbar wäre!
4) So der Laden eines Messerschmieds
auf einem Cippus des Vatikans, mit allerlei
Arten von Messern in der Auslage, s. Jahn
BSGW f.l861,328ff. Taf. XI 9. Amelung Skulpt.
d. vatik. Mus. I 275 Taf. 30 n. 147; ferner die
Florentiner Reliefs mit Verkauf von Tüchern
und von Stickereien, Jahn a. a.O. 371 f. Taf. XI
von K. BöcHERZtschr. f. d. ges. Staatsw. L (1894
189 ff. u. 672 ff. (mit deutscher Uebersetzunj
S. 699 ff.), von 0. Seeck Ztschr. f. Social- un<
Wirtschaftsgesch. IV (1896) Heft 3 f. und voi
H. Michaelis Ztschr. f. d. ges. Staatsw. LH
(1897) 1 ff.
8) Kap. 8—11, dazu Blümner S. 121 ff.
9) Kap. 13 ff. Blümner 134 ff.
Dritter Abschnitt. Handwerk, gelehrte und andere Berufe. gng
sind nämlich tarifiert Holzteile für Wagen neben fertigen Wagen ver-
hiedener Art, und zwar sind diese Holzteile (Achsen, Naben, Speichm.
eichsein usw.) doppelt tarifiert: roh und bearbeitet1). Man hatte also mm
rsatz für defekt gewordene Wagenteile solche in zweierlei Qualität vorrätig
d jedenfalls auch in bestimmten Größen, sodaiä sie leicht angepaßt werden
nnten2). Die Wagen stehen im Tarif ohne Eisenwerk; es sind also nur
rodukte des Stellmachers, die der Käufer dann erst vom Schmied mit den
tigen Eisenteilen versehen ließ3). Fertig gekauft wurden sodann allerlei
" unwirtschaftliche Geräte, wie Pflüge, Dreschschlitten, Holzgabeln, Getreide-
laße u. dgl., auch Mühlen4). Ferner sind sehr umfangreich und vielartig die
reisangaben für Kleider und Decken, die wiederum einen Rückschluß auf
as Fabrikationsverfahren zulassen. Wollene Kleider nämlich und seidene
owie halbseidene werden zugeschnitten als Hemd, Mantel, Überwurf usw. wr-
auft, aber nicht fertig genäht, sodaß erst der Schneiderlohn (siehe unten S. 607)
och hinzukam; man kaufte also offenbar für Wollen- und Seidenkleider nicht
rößere Partien, sondern die vom Ganzen abgeschnittenen, je nach Bedarf
ntsprechend großen Stücke5). Hingegen werden die Preise für Leinwand,
ind zwar in ganz bestimmten, nach Zweck, Qualität und Provenienz ab-
stuften Rubriken, nicht für das Kleidungsstück, sondern für das ganze
jewebte Stück berechnet. Ob hier private Leinenwebereien in Betracht
:ommen oder nur die Fabrikate der kaiserlichen Fabriken6) gemeint sind,
nuß dahingestellt bleiben7). Noch von anderen Fabrikaten gibt uns das
Üdikt Kunde, doch sind wichtige Abschnitte, die nicht fehlen konnten, z. B.
iber Kupfer- und Eisengeräte, Töpfereien, Glaswaren, Mobiliar u. a. m., nicht
erhalten.
Viel lehrreicher aber ist das Edikt für unsere Kenntnis der Lohnarbeit,
la nicht nur Preise fertiger Waren, sondern auch Löhne für bestimmte
arbeiten tarifiert sind. Der Lohnarbeiter, der nicht wie der Handwerker
ypifex, sondern operarius heißt8), stand in der Wertschätzung noch niedriger
ils jener9). Die Lohnarbeit10) ist nun verschiedener Art; im wesentlichen ist
sie entweder Arbeitsmiete (Stör), wobei der gewerbliche Arbeiter in das Haus
*) Kap. 15. Blümner 136 ff. 16 f. u. 20.
'-') Bücher 682 f. nimmt an, es handle 7) Bücher a. a. 0. 215 meint, daß die be-
sieh hier um Reparaturen an den Wagen für treffenden Abschnitte des Tarifes von den
den cursus publicus, die Staatspost, weil diese | Direktoren der kaiserlichen Fabriken oder
eine vorgeschriebene Größe haben mußten (vgl. von den Verwaltern der Provinzialmagazine
Cod. Theod. VIII 5,17 u. 30). Allein die in den aufgestellt seien, in denen die Erzeugnisse
intiken Landstraßen vorgearbeiteten, immer der kaiserlichen Webereien mit den Tuch-
in gleicher Entfernung gehenden Gleise lassen lieferungen der Steuerpflichtigen (also der
darauf schließen, daß eine bestimmte Spur- privaten Fabriken) sich zusammenfanden,
weite für die meisten Reise- und Transport- i *) Der siebente Abschnitt des Edikts fu In i
wagen Regel war. daher den Titel De mttctdibu» opermHortm*
:i) Doch kommen auch fertig mit Eisen j Doch kann natürlich auch der opife.r zum
Ibeschlagene Wagen vor, bei denen dann das operarius werden, vgl. Sen. de benef.V I 17,1:
1 Eisenwerk extra berechnet werden mußte, s. opifici eüüsimae mercis et in 'Hern s« -
I Kap. 15, 36 u. 39. 9) Cic. Tuscul. V 36, 104 ; ad Att. VII 2, 8.
4) Kap. 15, 41 ff. Blümner 141 ff. , Ueber den operarius in der Landwirtschaft
5) Kap. 19, 1 ff.; vgl. Mommsen Hermes s. oben S. 550.
XXV (1890) 22. 10) Vgl. die oben S. 589 angeführte Arbeit
6) Es gab in der Kaiserzeit kaiserliche von LeSaulnier, die die Verhältnisse der Lohn-
Tuchfabriken, gynaecea, und Leinwebereien, arbeiter aber nur vom juristischen Standpunkt
llinyphia, s. Not. dign. Occ. 11,45—63; Or. 13, aus behandelt.
606
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
des Auftraggebers genommen zu werden und dort die Kost nebst Tageloh
zu empfangen pflegt (locatio conductio operarum), oder sie ist Werkverdingun;
(Heimwerk), wobei dem Arbeiter das zu bearbeitende Material ins Hau
gegeben wird, er sich selbst beköstigt und vom Auftraggeber Akkordloh]
bekommt (locatio conductio operis)1). Unter den zahlreichen, hier aufgezählte]
Arbeitsarten2) lassen wir die nicht direkt hierher gehörigen3) beiseite. Di
kommen zunächst die Bauhandwerker in Betracht: wie wir es oben bei dei
Vorschriften der Landwirte fanden, so sind auch hier die erforderlichei
Arbeiter, als Kalkbrenner, Maurer, Zimmerleute, und für die innere Ausstattung
Marmorbildhauer, Mosaikarbeiter und Wandmaler4), wie es ihre Tätigkeii
erfordert, im Hause des Auftraggebers gegen Taglohn und Kost beschäftigt
nur der Ziegelstreicher erhält zwar auch die Kost, steht aber nicht im Tag-
lohn, sondern wird nach Zahl und Größe der geformten Ziegel bezahlt. Im
selben Lohnverhältnis stehen die Wagenbauer, und zwar sowohl die Holz-
wie die Eisenarbeiter5), und die Schiffbauer, wobei zwischen Bau von See-
und von Flußschiffen unterschieden wird6); eigentümlicherweise auch Bäcker7).
Dann folgen Kupferschmiede und Messingarbeiter, die nicht beköstigt und
nicht im Taglohn, sondern nach dem Gewicht des verarbeiteten Metalls be-
zahlt werden. Da sie keine Kost erhalten, werden sie im eigenen Hause
gearbeitet haben8). Hingegen arbeiten die Ton- und Gipsformer im Taglohn
mit Kost, und man hat hier wohl besonders an die Ausführung des Weiß-
und Stuckwerks in den Häusern zu denken. Schleifer und Polierer von
eisernen Waffen und Werkzeugen (samiatores) werden im Stück nach den von
ihnen bearbeiteten Gegenständen bezahlt; wahrscheinlich zogen diese Arbeiter,
wie bei uns die Scherenschleifer, von Haus zu Haus und übernahmen die
Arbeit, die gerade zu tun war. im Akkord9). Eigentümlich ist dann die
') Terminologie nach Büchee 676, nur
daß dieser noch speziell den Lohnhandwerker,
der dem Konsumenten seines Produkts dient,
vom Lohnarbeiter, der dem Unternehmer dient,
unterscheidet.
2) Es sind im ganzen 76 verschiedene
Taxen für Arbeitslöhne aufgeführt, außer im
7. Abschnitt auch in Abschn. 20, 21, 22 u. 30.
3) Feldarbeiter (s. oben S. 550 f.), Vieh-
treiber, Schäfer, Maultiertreiber, Tierärzte,
Barbiere, Schafscherer, Wasserträger, Kloaken-
reiniger, Schreiber, Lehrer, Advokaten und
Bademeister.
4) Die Aufzählung im Edikt ist nicht
genau, es folgen aufeinander lapidarius struc-
tor, faber intestinarius, calcis coctor, marmo-
rarius, musaearius, tessellarius, pictor parie-
tarius, pictor imaginär ins. Ueber den Unter-
schied des musaearius vom tessellarius s. oben
S. 97 A. 6: über den des pictor parietarius vom
pictor imaginarius 91 A. 3.
5) Die fabri ferrarii Kap. 7. 11 können
nicht schlechtweg Schmiede für jede Art von
Arbeit sein, denn diese wurde im Stücklohn
bezahlt, es muß daher (mit Mommsen) die
Eisenarbeit an den Wagen hier tariflert an-
genommen werden, s. Blümner 107.
6) Naupegil, 13 f. Die Schiffe wurden auf
der Werft gebaut, daher im Taglohn mit Be-
köstigung.
7) Es kann sich hier nur um Bäcker han-
deln, die sich zeitweise zur Arbeit verdangen,
entweder bei einem Bäckermeister, der gerade
Mangel an Arbeitskräften hatte, oder bei einem
Privatmann oder Gutsbesitzer, der zufällig
unter seinen Sklaven keinen pistor hatte; s.
Blümner 107 f.
8) Es könnte hier fraglich erscheinen, ob
der Auftraggeber, der ihnen das Material liefert,
ein Privatmann ist, ihre Arbeit also Heimwerk,
wie Bücher 684 annimmt, oder ob Arbeit bei
einem Berufskupferschmied gemeint ist, in
welchem Falle es sich um freie Arbeiter han-
deln müßte, die sich einem Meister verdingen
(wie Blümner 112 meinte), deren Existenz
für das Altertum freilich von Bücher a. a. O.
energisch bestritten wird. Weshalb ein mittel-
loser Freier, dem das Kapital zur Errichtung
einer eigenen Werkstatt fehlte, sich nicht bei
einem Besitzer einer solchen hätte verdingen
können, ist nicht einzusehen.
9) Tarifiert wird das Schleifen von Schwer-
tern, Beilen, Aexten und das Polieren von Hel-
men, Harnischen und Schwertscheiden, 7, 33 ff.
Dritter Abschnitt. Handwerk, gelehrte und andere Berufe.
607
gtloi Nennung des Pergamentmachers, des membranarius, der für dvu Qatternio
Bgiii on einem Quadratfuß Größe honoriert wird; das Material liefert der Be-
il« teller, in diesem Falle wohl der Händler1). Die Schneiderarbeit ist Lohn-
rflol yerk; die Arbeiter fertigen die Kleider nicht im Kundenhause auf d«-r Stör.
äkli ondern daheim in ihrer Werkstatt, und sie werden bezahlt nach der Art
M er hergestellten Kleider2). Hingegen werden die Verfertiger von Pferde-
Ü lecken u. dgl. nach Stück und Gewicht bezahlt3).
In einem späteren Abschnitt kommen die Sticker an die Reihe, und zwar
tfüi sowohl die plumarü, die mit Wollen- oder Seidenfäden in Kreuz- oder Platt-
gii stich arbeiten, als die barbaricarii, die mit Goldfäden u. dgl. die Stoffe v.-i-
fti» :ieren. Bezahlt werden beide nach der Unze, d. h. nach der Quantität des
Tai /on ihnen bei der Arbeit verwendeten Materials, das ihnen der Besteller
1 ieferte4). Dann folgen die Weber von Seiden-, Wollen- und Leim-ns!
Der Seidenweber bekommt Taglohn und Kost, ebenso die Weberin von un-
geschorenen Wollenstoffen und der Leinweber, hingegen bekommt der Wollen-
sveber zwar auch die Kost, arbeitet also im Haus dt-s IVstdlcrs, wird aber
lach dem Gewicht des von ihm verarbeiteten Materials bezahlt. Die Löhne
steigen überall je nach der Feinheit des Gewebes6). Die Löhne für Walker
ehen begreiflicherweise nach Stück und Beschaffenheit des betreffenden
leidungsstückes, wobei aber nur neue Stoffe in Betracht kommen7); mög-
licherweise waren die Auftraggeber nicht nur Private, sondern auch die im
;roßen arbeitenden Webereien8). Als besondere Arbeit kommen auch Löhne
:ür das Zwirnen der Roh- und Purpurseide und das Spinnen der feinen
urpurgefärbten Wollsorten vor, die verschieden bezeichnet werden9).
]) Daß ein gewöhnlicher Privatmann sich
as Rohmaterial für das Pergament kaufte
d solches zum Verarbeiten gab, ist nicht
ahrscheinlich.
-) Es fragt sich hier wieder, wer die Be-
steller für diese Schneiderarbeit waren, ob
Privatleute oder Händler. Obschon Bücher 686
bezweifelt, daß es im Altertum Magazine mit
fertigen Kleidern gegeben habe, so geht das
doch schon aus den oben zitierten Stellen des
Cato hervor, und da eigene negotiatores vesti-
arii, paenularii, sagarii erwähnt werden (s.oben
S. 257), so wäre es möglich, daß diese die
Kleider beim vestificus kauften oder auch in
eigenen Werkstätten arbeiten ließen, wobei
dann der angegebene Tarif für freie Arbeiter in
Kraft trat. Das Edikt unterscheidet /»v/mW/, die
aber Schneider im weiteren Sinne sind, sarci-
natores, die anscheinend feinere Näharbeit zu
verrichten haben, und eine dritte Klasse, deren
Funktionen nicht deutlich sind, s. Blümner
114 f. Sonst scheinen die sarcinatores wesent-
lich das Flicken zerrissener Kleider übernom-
men zu haben, Gai. III 243. Inst. III 24, 1 ; vgl.
oben S. 256.
:1) Der angegebene Lohn (7, 52 f.) ist ziem-
lich hoch, weshalb Bücher 687 meint, es handle
sich um den Preis des Fabrikats, das die Näher
aus den bei ihrem Gewerbe abfallenden Lappen
herstellen mochten. Aber das Zusammennähen
kleiner Filzflecken (das eine Fabrikat ist ein
lentunculum equestre coartile) war jedenfalls
zeitraubend, und bei der zweiten Sorte kamen
noch Nadelverzierungen [ornattm ab ar><) hin-
zu; es handelt sich also auch hier nur um den
Macherlohn.
4) Abschn. 20, 1 ff. Kost wird nicht er-
wähnt, weshalb man annehmen möchte, daß
es sich um Heimwerk handelt und daß die
Quantität des zur Arbeit verwendeten Mate-
rials durch vorheriges und nachheriges Ab-
wägen festgestellt und danach der Lohn be-
rechnet wurde, s. Blümner 157; Bücher 687
meint, daß man auch an Störarbeit denken
könne, warum aber dann ohne Kost?
8) Abschn. 20,9 f. u. 21 : $eriatrii, lanmrti,
linyphi.
6) Siehe Blümner 158 f. Büchbr 688.
7) Ueber die Besorgung gebrauchter Klei-
der durch den Walker (polienda mrand
s. Gaius III 143. Digg. XIX 2, 25. Inst. III 24 . 1 .
8) Abschn. 22, mit 26 verschiedenen Lohn-
sätzen ;s. Blümner 160 f. Bücher217 vermutet,
daß es sich hier um Hilfsarbeiter der kaiser-
lichen Webereien handelt, die aber auch für
Privatkunden arbeiteten, vgl. S. 689.
9) Zugrunde gelegt wird überall das Ge-
wicht des verarbeiteten Materials, doch be-
kommt der Arbeiter von Rohseide auch die
Kost, der von purpurgefarbter Seide und Wolle
nicht, s. Abschn. 23, 2 u. 24. Bi.ümxek 162 ff.
Bücher 688 f.
608
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
Endlich ist noch Goldarbeit tarinert, und zwar wird sie nach dem G(
wicht des verarbeiteten Goldes bezahlt, das der Besteller liefert, je nach dt
Art der Arbeit, die als Goldschlagen, Ziselieren, Drahtziehen, Gießen untei
schieden wird1). Da nichts von Kost gesagt ist, scheint die Arbeit in de
Werkstatt des Arbeiters vorgenommen worden zu sein.
Soweit die Angaben des Ediktes; sie lehren uns in der Tat das Bestehe
des Handwerks als eigenen Berufes, des Heimwerks und des Lohnwerk;
ohne daß man (zumal bei der Unvollständigkeit des Dokuments) behaupte
könnte, daß letzteres das vorherrschende war2).
Wir haben nun noch einmal zu jener Nachricht über die Anfänge de
Handwerks in Rom zurückzukehren, von der wir ausgegangen waren. Di
älteste Zeit schon, sahen wir, kennt Handwerkerkollegien3); wenigsten
war man später von dem hohen Alter dieser Institution vollkommen über
zeugt4), und man schrieb ihre Einrichtung wohl deshalb dem Numa zu, wei
dieser überhaupt als Begründer des Kultus galt und die Kollegien einen starl
sakralen Charakter trugen5). Aber die erste Veranlassung zur Gründung
dieser Handwerkerverbände liegt für uns vollständig im Dunkeln; nur ver
muten kann man, daß sich in ihnen die Sachverständigen zusammentaten
um die Tradition fester zu bewahren, obschon sich weder Spuren von Mono-
polisierung des Handwerks noch von Schutzmitteln gegen minderwertige
Fabrikate finden6). Auch die weitere Geschichte dieser Handwerkerinnunger
ist in den ersten Jahrhunderten der Republik nicht zu verfolgen; es ist an-
zunehmen, daß zu jenen ersten acht im Lauf der Zeit eine ganze Anzahl
anderer hinzugekommen sind (siehe oben S. 592 ff.)7), wenn auch die große
*) Abschn.31; Blümner 177 f. Bücher 684.
-) Wie Bücher 694 behauptet.
8) Abgesehen von Th. Mommsens Erst-
lingsschrift De collegiis et sodaliciis Romano-
rum, Kiel 1843, und den oben S. 589 angefühlten
Schriften vonLiebenam,Typaldo-Bassia,Korne-
mann und Waltzing, sowie M. Cohn Zum römi-
schen Vereinsrecht, Berlin 1873, und Baudry
u. Gayet bei D.-S. I 1292 ff. kommen noch in
Betracht eine Anzahl französischer Disserta-
tionen (Theses), die ihrem Werte nach freilich
sehr ungleich sind und im wesentlichen nur
die juristischen Fragen behandeln, nämlich für
Kollegien überhaupt: Dain Des associations
en droit romain, Paris 1879. M. Duseigneur
Des corporations ä Rome, Lyon 1886. R. Masson
Les corporations en droit romain, Paris 1888;
für Handwerkerkollegien Duboys Le travail
des associations ouvrieres ä Rome, Paris 1866.
P. Fournier Des Colleges industriels dans l'Em-
pire romain, Paris 1878. Larcher Des Colleges
d'artisans chez les Romains, Paris 1880. M. Bot-
ton Les Colleges d'artisans en droit romain,
Paris 1882. A. Gerard Etüde sur les organi-
sations ouvrieres k Rome, Montbeliard 1884.
O.Stemler Des Colleges d'artisans, Paris 1887.
D. Calinesco Les corporations d'artisans en
droit romain, Paris 1890. P. Trouette Les Col-
leges d'artisans ä Rome, Montpellier 1892. L.
E. H. Joly Les Colleges d'artisans en droit ro-
main, Caen 1893. P. Labbat Etüde sur les Col-
leges d'aitisans. Toulouse 1893. (Ich kenne nur
die Arbeiten von Duseigneur, Masson, Stemler,
Calinesco, Trouette und Joly.) Dazu komm!
noch ein Artikel von Gaüdenzi Sui collegi
degli artigiani in Roma, im Archivio giuridico
XXXII (1884) 259 ff. Doch sind die meisten
dieser Schriften durch die von Liebenam und
Waltzing überflüssig geworden.
4) Dio Cass. XXXVIII 13, 1: zä hauny.n
y.ollrjyia EJii)[wgi(og xaÄoi\ueva, öina fier ex rof
ägyalov, xaxaXvßevta 8k %qövqv xtvä. Suet. Aug.
32: collegia praeter antiqua et legltima dissnlrit.
5) Vgl. ÜRUMANNa. a. 0.154. Herzog Gesch
u. Syst. d. röm. Staatsverfass. I 95. Lange Rom.
Altert.3 1 248. Liebenam 1 f.
6) Mommsen Röm. Gesch. 1 197. Liebenam9
meint, daß sich die freien Handwerker zusam-
mentaten, um ihrer Hände Arbeit gegenübei
der mächtigen Konkurrenz der Sklavenarbeitei
zu schützen; aber es gab doch weder damals
noch später selbständig arbeitende Handwerks-
sklaven, und die Arbeiter, die von den Hand-
werkern der Kollegien beschäftigt wurden,
waren doch selbst Unfreie. Man sieht also
nicht recht, welcher Arbeiter Konkurrenz zu
befürchten gewesen wäre.
7) Ueber die inschriftlich bekannten Hand-
werkerkollegien der republikanischen Zeit s.
Waltzing I 87 ff.
Dritter Abschnitt. Handwerk, gelehrte und andere Berufe.
609
v:t
V«
d
Menge derjenigen, die wir aus den Inschriften kennen1), der Kaiser/, it an-
gehört. Allem Anschein nach hatten die Gewerbetreibenden von sich aus
das Hecht, sich zu solchen Kollegien einer bestimmten Gewerbsbram-In- 10-
sammenzutun2); der Staat hat wohl kaum das Recht der Konzessionierung
sich vorbehalten3), wenn er auch unter Umständen Verordnungen, die «in»
Innung betrafen, erlassen konnte4). Die zwölf Tafeln erkennen ausdrücklich
an, daß die Kollegien sich selbst ihre Verfassung geben dürfen, vorausges. t/t.
daß diese nicht gegen das Staatsgesetz verstößt0). Allein je länger je mehr
wurden diese Vereine sowie die anderen inzwischen entstandenen Kollegien
Stätten politischer Agitation, die in Zeiten lebhafter Wahlkämpfe und revolu-
tionärer Bestrebungen eine Staatsgefahr bildeten; das führte (vermutlich im
Jahre 64 v. Chr.) zu dem viel besprochenen Senatsbeschluß, alle solche Ver-
eine aufzuheben, die staatsgefährliche Tendenzen verfolgten6). Die Art der
Vereinigung kam dabei gar nicht in Betracht, weshalb wohl auch Handwerker-
zünfte mitbetroffen worden sind7). Aber schon im Jahre 58 wurden durch eine
Lex Clodia die aufgehobenen Vereine wieder zugelassen8); da jedoch ein sflgel-
loses, dem Parteitreiben Vorschub leistendes Bandenwesen die Folge war.
wurden neue Maßregeln gegen diese Ausschreitungen nötig9), und daß davon
namentlich auch die Handwerkerkollegien betroffen wurden, das darf man
deshalb annehmen, weil sich gerade in diesen die unruhigsten und aufsässigsten
Elemente fanden10). Daher löste denn Cäsar alle Kollegien, mit Ausnahme der
von alters her bestehenden, die sich vermutlich von Umtrieben ferngehalten
hatten, auf l x) ; alle die zahlreichen Handwerkerkollegien, die sich in den letzten
Jahrhunderten der Republik gebildet hatten, müssen also damals unterdrückt
worden sein. Diese Maßregel, die in den Wirren nach Cäsars Tode nicht
innegehalten worden zu sein scheint, wurde dann von Augustus durch eine
verdorben (in den Hs. steht UUor%ungutt man
hat litiious, flctore$, ttnctort9t Uetorts, pistoret
dafür konjiziert. vgl. Waltzing 91 A. 1). Lib-
benam 24 nimmt an. daß die ersten Handwei ker-
kollegien des Numa wegen ihres ehrwürdigen
Alters verschont geblieben seien.
8) Es kamen noch eine Menge neuer
politischer Vereine hinzu, 8. Cic. in Pison. 4. 9
und dazu Ascon. p.7; proSest.25.55 DioCasa.
XXXVIII 13. 1. Liebbnam 24. Waltzisu 95 f.
•) Ueber das Senatuskonsult vom J. 56
und die Lex Licinia vom J 55 s Liebbnam
25 f. Waltzing 111 f. Kobnemanx 407.
10) Liebbnam 28 nimmt freilich an. daß
die Handwei kerkollegien unangefochten weiter
existiert hätten, und bezieht die Stellen, wo
von dem unruhigen Wesen der Handwerker
die Rede ist. auf solche, die außerhalb der
Vereine standen; eine Ansicht, die Kobne-
mann 406 als kaum der Widerlegung bedürfend
bezeichnet.
n) Suet. Caes. 42 : cinicta colfei/iu /■
(infit/iatits consiituta distm.rH. Ueber die Frage,
ob das durch eine Lex Iulia oder nur durch
eine einfache Verfügung erfolgte. 8. Mommsbn
Rom. Staatsrecht III 1181. Cohn71. Libbbnam
27. KABLOWARom.Rechtsgesch.il 67. Kobne-
MANN 408.
J) Vollständigste Zusammenstellung der
hierauf bezüglichen Inschriften und der darin
erwähnten Kollegien bei Waltzing Band 111
und IV.
2) Liebenam 11 f. Waltzing I 77.
3) Mommsen De colleg. 32 ff. Liebenam
16 ff. und gegen Cohn 27 ff., der abweichender
Meinung ist. s. besonders Waltzing I 79 ff.
4) So im J.220 v Chr. die Lex Metilia für
die Walker, Plin. XXXV 197. die die einzelnen
Manipulationen genau ordnete Freilich hatten
gerade diese Handwerker eine Art Ausnahme-
stellung, da ihre Tätigkeit bei Benutzungscharf-
ät/ender Stoffe die ihnen anvertrauten Kleider
ruinieren konnte. Davor wollte der Staat die
Bürger schützen.
°) Digg. XLVIT 22, 4, dazu Liebenam 18.
6) Ueberliefert bei Ascon. ad Cic. in Pison.
8 p. 6 (Kießling-Schöll). Das Datum steht aller-
dings nicht fest, da die Namen der Konsuln
ungenau überliefert sind. vgl. Duseigneüb
XXIV. Masson 68. Stemler 9 f. Calinesco
11 f. TROüETTE40ff. j0LY31ff. LiEBENAM 20 ff.
Waltzing I 90 ff Kobnemann 406.
7) Unter denen, die verschont blieben (pau-
ca atque certa, quae täilitas civitatis desideras-
set), nennt Ascon. ad Cic. pro Com. p. 67 fabri
und eine zweite Gattung, doch ist das Wort
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft. IV. 2,
3. Aufl.
39
610
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
Lex Iulia erneuert1). Damit war die Freiheit der Vereinsbildung aufgehoben:!
bei jeder Neubildung war fortan die Genehmigung des Senates einzuholen,
die auf Grund der Lex Iulia2) und nach eingeholtem kaiserlichem Konsense
erteilt wurde3); doch scheint es, daß in den Provinzen, wenn schon auch dort
in der Regel die kaiserliche Erlaubnis eingeholt werden mußte4), unter Um-
ständen die des Statthalters allein genügte5). Spätere kaiserliche Verordnungen
betrafen mehr die politischen und militärischen Vereinigungen; die Hand-
werkervereine, die im allgemeinen sich von der Politik fernhielten6), wurden
als ungefährlich nicht belästigt, ja mitunter mit besonderen Privilegien aus-
gestattet7), wenn sie auch andrerseits von gewissen Beschränkungen, die
alle Kollegien betrafen, nicht ausgenommen waren8). Da nach der Lex Iulia
aber nur solche Vereinigungen genehmigt werden sollten, die dem Staate
Nutzen brachten9), so war die Zahl der zugelassenen Kollegien jedenfalls
nicht übermäßig groß10), und von den zahlreichen Handwerkerkollegien, die
wir aus den Inschriften jener Zeit in Rom und in der Provinz kennen lernen,
mögen manche ohne staatliche Genehmigung, aber ihrer Harmlosigkeit halber
toleriert gewesen sein11).
Indessen vom 3. Jahrhundert ab treten einschneidende Veränderungen
im Vereinswesen ein, die zumal die Handwerkerzünfte betreffen, vor allem
die, daß diese an sich auf freiwilligem Zusammenschluß beruhenden Genossen-
schaften Zwangskorporationen wurden12). Fortan konnte es keine freien
*) Suet. Aug. 32 : collegia praeter antiqua
et legitima dissolvit. Es war also wohl nur eine
direkte Wiederaufnahme der cäsarischen Ver-
fügung, s. Lieben am 30 f. Waltzing 114 ff.
Kornemann a. a. 0.
2) Beweisend ist die Inschrift CIL VI 2193
über die Konstituierung des collegium sijmpho-
niacorum, s. Liebenam 31. Waltzing 116. Die
offizielle Formel ist: quibus senatus c. c. c. (d.h.
coire convocari cogi) permisit e lege Iulia, vgl.
Waltzing 125.
3) Digg. XLVII 22, 3 pr. : in summa autem,
nisi ex senatusconsulti auctoritate vel Caesaris
collegium vel quodcumque tale corpus coierit,
contra senatusconsultum et mandata et constitu-
tiones collegium celebrat.
4) Plin. ep. ad Trai. 33 f.; ebd. 93.
6) Vgl. Liebenam 39.
6) Daß sie aber in den Munizipien leb-
haft an den Wahlkämpfen teilnahmen, zeigen
die Graffiti von Pompeji, s. Liebenam 35 f.
(nach P. Willems Les elections municipales ä
Pompei, Paris 1887).
7) So das collegium pistorum von Trajan,
Aur. Vict. Caes. 13,5, vgl. Liebenam 37, dann
durch Hadrian, Ulpian frg. Vatic. § 235. Wei-
tere Vergünstigungen an gewisse Gewerbe, die
mit dem Kriegswesen in Verbindung standen,
s. Digg. L 6, 6.
8) So von der Verordnung des Antoninus
Pius, daß zum Eintritt ein bestimmtes Alter
und körperliche Rüstigkeit erforderlich war,
Digg. L 6, 6, 12; ferner unter Marc Aurel, daß
niemand in mehreren Kollegien Mitglied sein
dürfe, ebd. XLVII 22, 1, 2.
9) Daß dies zur Genehmigung erforderlich
war, ist wenigstens sehr wahrscheinlich, s.
Waltzing 119 f.
10) Daher sagt Gaius Digg. III 4, 1 pr. : pau-
cis admodum in causis concessa sunt huiusmodi
corpora . . . item collegia Romae certa sunt, quo-
rum corpus senatusconsultis atque constitutione
bus principalibus confirmatum est, veluti pisto-
rum et quorundam aliorum, et naviculariorum,
qui et in provinciis sunt. Die Stelle ist viel be-
sprochen; Cohn 160, dem sich Maue Praefect.
fabrum 40. Liebenam 45. Kornemann 41 1 an-
schließen, nimmt an, daß wir die Stelle nur
in der Verkürzung aus justinianischer Zeit er-
halten hätten, in der nur diejenigen Gewerbe
beibehalten wurden, die in später Zeit noch
Bedeutung hatten. Anders Waltzing 129 f.,
der den Ton auf paucis in causis legt; es hätte
nur wenig Ursachen zur Genehmigung von Ver-
einen,trotzdem aber doch vieleVereine gegeben.
1 ') Wenigstens nimmt Liebenam 33, weil
Inschriften mit der oben A. 2 angegebenen
Formel nicht allzu häufig sind, an, daß nicht
jeder Verein bei der Konstituierung die Ge-
nehmigung des Staats nachzusuchen hatte und
daß der Staat nur dann einschritt, wenn sich Miß-
stände herausstellten (vgl. ebd. 225 ff). Allein
die Pflicht, die Genehmigung einzuholen, blieb
jedenfalls bestehen; nur schritt man offenbar
nicht gegen jedes collegium illicitum ein, sondern
nur gegen solche, die einen staatsgefährlichen
Charakter hatten, s. Waltzing 132 ff.; 153.
12) Nur dies können die Worte des Lampr.
Alex. Sev. 33, 2 bedeuten : corpora omnium con-
stituit vinariorum lupinariorum caligariorum
Dritter Abschnitt. Handwerk, gelehrte und andere Berufe.
611
Jkollegien mit Selbstregierung geben, ausgenommen die für gemeinsam, sozial.
jZwecke (Unterstützung, Beistand in Krankheit und bei der Bestaun Dg) be-
istimmten collegia tenuiomm, auf die wir hier nicht . Mitzugehen haben1)- ln
fcer Folgezeit gingen die Kaiser immer mehr darauf aus, die KolN-im zu
■Werkzeugen der Verwaltung zu machen8), obschon sie durch Bewilligung
Iron gewissen Vorrechten, durch Befreiung von lästigen Berufs- oder Staats-
fcflichten die Zugehörigkeit zu einem Kollegium begehrenswerter zu machen
tuchten3). Daneben wurden aber die Zwangsbestimmungen immer härter: die
Berufswahl der Handwerker war nicht mehr frei, sondern der Sohn mul.it.'
Ben Beruf des Vaters ergreifen, selbst Schwiegersöhne mußten in die Ge-
nossenschaft, der der Schwiegervater angehörte, eintreten, das Kollegium
kvar für die Steuern jedes einzelnen Mitgliedes haftbar u. dgl. m.<). In dieser
Form der Bedrückung, der finanziellen Enge, der sozialen Geringschätzung
gingen die Handwerkerkollegien ins oströmische Reich über.
Auf die Organisation und Verwaltung der Kollegien, über die wir durch
üie Inschriften zum Teil sehr eingehend unterrichtet sind 5), können wir hier
nicht näher eintreten, zumal darin die Handwerkerkollegien von den zahl-
reichen übrigen sich nicht wesentlich unterschieden zu haben scheinen6),
wenn auch jedes Kollegium berechtigt war, sich je nach seinen besonderen
Aufgaben sein eigenes Statut zu geben7), das aber im allgemeinen dem Vor-
bilde der städtischen Verfassung nachgebildet war8). Wir begnügen uns
daher, nur einige Bemerkungen, die speziell die Handwerkerkollegien be-
treffen, hinzuzufügen9). Vor allem ist darauf aufmerksam zu machen, dafc
zwischen den römischen collegia opificum und den mittelalterlichen Hand-
werkergilden oder Zünften bei manchen Ähnlichkeiten doch ein fundamentaler
Unterschied besteht: der Beruf der Verbandsmitglieder führt sie zwar zu-
sammen, ist aber sonst durchaus Nebensache; es ist nicht die Rede von
et otnnino omnium artium atque ex sese defen-
sores dedit et iussit, qui ad quos iudices perti-
neret. Vgl. Liebenam 49. Waltzing II 254 faßt
die Neuerung in dem Sinne, daß der Kaiser
damit nur einen schon länger bestehenden Zu-
stand zum gesetzlichen machte, indem er alle
bisher nur tolerierten Kollegien zu staatlich
anerkannten, damit aber auch zu staatlich
kontrollierten machte.
1) Vgl. über sie Liebenam 39; 267 ff.
Waltzing I 141 ff. Kornemann 387 f.
2) Die Gründe für dies System und die
Art seiner Durchführung bespricht ausführlich
Waltzing II 259 ff.
3) Cod.Theod.XI16,15;ebd.l8;XIII4,2.
Cod. Iust. X 48, 12. Vgl. Liebenam 50 f.
4) Liebenam 53. Waltzing II 271 ff.
5) Vgl. außer den oben angeführten franzö-
sischen Dissertationen besonders Schiess Die
röm. collegia funeraticia (München 1888) 41 f.
Liebenam 159 ff. Waltzing I 334 ff. Korne-
mann 415 ff.
6) Wir besitzen nur von zwei gewerb-
lichen Kollegien Bruchstücke ihrer Statuten:
von einer Walkerinnung {collegium aquae) aus
spätrepublikanischer Zeit, CIL VI 10298, s. Ru-
DORFFZtschr.f.gesch.Rechtswissensch.XV203
u. 322. Mommsen ebd. 326 u. 348 (Wali.
III 281 ff.); und von einem Kollegium der nego-
tiatons tbororU mit dbXH'U aus liadrianischer
Zeit, s. Hülsen R. M. V (1890) 287 ff. Gbadbn-
witz Ztschr. d. Savignvstiftunc. röm. Abt. XI
(1890) 72 ; XII (1892) 138 (Waltzing 0181« t .
7) Digg. XLVII 22.4: his (sc. sodalibus,
qui eiusdem collegii sunt) potestatem facit /r.r,
pmtionem, quam velint, sihi frrre, dum ne quid
ex publica lege corrumpant.
8) Digg. III 4, 1 : quibiis autem permissum
est corpus linhere collegii soriitutis (Mommskn
societatist-e; Cohn sodaliciive) sive cuiusque alte-
rius eontm nomine, proprium est ad f.rruip/um
ruipiih/inic habere res communis, nrcam com-
munem et actorem sive syndicum, per quem
tamqurt»! in n-publica, quin/ rommiinitcr agi
firri</nr oportrat, ai/atur fint. Die Vergleichung
mit der Stadtverfassung, von der Gaius hier
nur einige Beispiele anführt, läßt sich bis ins
kleinste Detail durchführen, s. Liebenam 178.
9) Es mag bemerkt werden, daß neben
collegium im gleichen Sinne auch corpus and
sodalicium gebraucht wird, Liebenam 164 ff.
Waltzing I 340.
39*
612
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
gemeinsamem Betrieb der Gewerbe, von Ausübung des Berufs nach voi|
geschriebenen Satzungen, von Fähigkeitsnachweisen, Lehrlingszeit, Meistei
Prüfungen u. dgl. Erst später wird für solche Kollegien, die als notwendi
für Staats- und Gemeinwohl betrachtet werden, ein Befähigungsnachwei
verlangt1). Es kommt daher nicht selten vor, daß auch Angehörige andere
Gewerbszweige einer Korporation beitreten, wofür inschriftliche Beispiel
vorliegen2). Von sonstigen Bedingungen zum Eintritt ist nichts bekannt; be
den aus Freien bestehenden Kollegien war die freie Geburt oder vielleicht
bei Freigelassenen, der Stand der Freiheit erforderlich; in großen sklaven
reichen Häusern, auf den Landgütern und besonders im Kaiserhause bildetei
die derselben Branche angehörigen Sklaven auch ihre Kollegien, die ii
Organisation und Verwaltung ganz und gar denen der Freien glichen3). Zwecl
war bei allen Korporationen teils die Unterstützung in Krankheits- un(
Sterbefällen, wofür die Beiträge der Mitglieder dienten, teils Pflege de]
Geselligkeit, die besonders in gemeinschaftlichen Mahlzeiten zum Ausdruc
kam, sowie die Verehrung bestimmter Gottheiten.
Schließlich ist noch von der Gewerbesteuer zu sprechen. In dei
republikanischen Zeit liegen Spuren einer solchen nicht vor. In Ägypten
wo sie schon vor den Ptolemäern bestanden hatte4), fanden die Römer sie
vor und ließen sie bestehen5); und auch sonst scheinen sie in den Provinzen
Handwerk und Handel besteuert zu haben6). In Rom hingegen und Italien
kommen Gewerbesteuern erst spät auf; zwar erhob Caligula eine solche von
den Lastträgern (geruli)1), aber erst unter Alexander Severus finden wir
eine wirkliche Besteuerung der Gewerbetreibenden8). In der späteren Kaiser-
zeit gab es eine Gewerbesteuer unter dem Namen chrysargyrum9), collatio
x) Das sind besonders die Kollegien der
fabri, centonarii und dendrophori, weil diese
zugleich die Feuerwehr bildeten, s. Digg. L 6,
6,12; vgl. Liebenam 175.
*) So beim cöllegium der dendrophori ein
fullo CIL V 82 add., ein margaritarhis VI 641
u. 1925; ein aurifex als Mitglied des corpus
fabrum tignuariorum, XIII 5154. Die Inschr.
VI 3075* (Orelli 4160) ist falsch. Vgl. Liebe-
nam 258.
3) Darauf bezieht sich wohl, wie Momm-
sen De coli. 102 A. 18 meint, der Satz bei Plin.
ep VIII 16,2: nam servis respublica quaedam
et quasi civitas domus est. Vgl Marquardt Pri-
vatleben 154. Wallon Hist. de l'esclav. II 476.
Liebenam 130 ff. : über die Sklaven im kaiser-
lichen Haushalt s. Hirschfeld Die kaiserl. Ver-
waltungsbeamten'2 S. 307 ff.
4) Griech. x£lQ(ovd^iov, vgl. Marquardt
Rom. Staatsverwalt. II 193.
5) Belege bieten noch erhaltene Steuer-
quittungen, CIG 4863 b; 4873; 4874; 4884;
namentlich auf den Ostraka und in Papyrus-
Steuerqnittungen. Wie Wilcken Gr Ostraka I
321 ff. nachweist, war es üblich, daß jedes ein-
zelne Gewerbemiteinem bestimmten, für jeden,
der das Gewerbe ausübte, gleichen Fixum be-
steuert war; doch kommt daneben auch die Art
■der Besteuerung vor, daß eine bestimmte Quote
vom Gewinn abgeführt wurde (ebd 326 ff.).
6) Marquardt a. a. O. 228. Der aus dei
Zeit Hadiians herrührende Steuertaiif von Pal-
myra (s. Dessau Hermes XIX (1884) 486 ff.)
nennt verschiedene Gewerbe (u. a. Trödler und
Schuster) ; sie sind aber gleich hoch besteueri
mit einer festen Summe, die unabhängig vom
Jahresertrag tarifmäßig für den Monat fest-
gesetzt ist. Da sie für jede Werkstatt (soyunn'j-
giov) zu zahlen ist, so schließt Wilcken aa.O
350 daraus, daß nur die selbständigen Hand
werker, die eine eigene Werkstatt besaßen
dafür herangezogen wurden, nicht aber du
Lehrlinge und Handlanger oder die vorüber
gehend arbeitenden Fremden.
7) Nach Suet. Calig. 40 ein Achtel ihres
Tagesverdienstes; auch von den Buhlerinner
wurde Steuer erhoben, und zwar quanturt.
quaeque uno concubitu mereret; vgl. Dio Cass
L1X 28. 8.
8) Lampr. AI. Sev 24, 5: bracariorum linte-
onum vitrariorum pellionuni claustrariorun
argentariorum aurificum et ceterarum artiun
vectigal pulcherrimum instituit. Besteuerung
der Töpfer bezeugt das Epigramm Anth. Lat
137 (Riese), 3: vectigal poteras figuJorum rem
dere fisco. Es wurden also von da ab woh
alle Gewerbe besteuert.
9) Zosim.II 38,3. Zonar.XIV 3 p.54B.
Dritter Abschnitt. Handwerk, gelehrte und andere Berufe.
Muxtralis1), aurum lustrale u. dgl. m.2). In welcher Weise diese Steuern früher
Erhoben wurden, wissen wir nicht; später war es üblich, daü sir der Fiskus
:.jron den Korporationen erhob und es diesen Qberlieö, die bei den Mitgliedern
einzutreiben3). Diese für die Handwerker sehr drückende Steuer4) wurde
ferst unter dem byzantinischen Kaiser Anastasios (491—518 n. Chr.) für du
jpströmische Reich aufgehoben6).
Von Lohnarbeit ist im Vorhergehenden mehrfach die Rede gewesen,
lind wir haben im vorigen Abschnitt gesehen, daü auch bei den ländlichen
lirbeiten sehr oft Lohnarbeiter oder Tagelöhner, d. h. freie Arbeiter, die sich
tu bestimmten Verrichtungen vermieteten, zugezogen werden mußten«). Aber
buch im gewöhnlichen Hausstand wurde es mitunter notwendig, solche zu
■mieten, z. B. zum Wassertragen oder Kloakenreinigen7). In der sozialen Stufen-
leiter rangierten diese Lohnarbeiter so ziemlich am tiefsten von allen am
peld arbeitenden8), sodaß Cicero operarius geradezu in verächtlichem Sinne
[gebraucht von Künstlern oder Rednern, die keine höheren Ziele kennen9).
Iln dieser Hinsicht standen sie auf einer Stufe mit den Lastträgern, den
miuli10), und den Sackträgern, saccarii11), die namentlich in Hafenstädten das
lAusladen der Güter besorgten, oder den gerulii%). Auch alle die Gewerbe, die
les mit der Besorgung und Bestattung der Leichen zu tun hatten und von denen
loben die Rede war, die libitinarii, pollinctores, praeficae, vespillones, ustores etc. 1S),
[gehören hierher; ferner diejenigen, die die Beförderung von Menschen oder
Gütern übernahmen, wie die schon erwähnten plaustrarii, cüriarü und redarii u ).
die reeturarü16), die muliones, soweit darunter selbständige Besitzer von Reit-
') Cod. Theod.I5.14;XlII 1,20; derName
kommt daher, daß sie eigentlich alle fünf Jahr
erhoben werden sollte, doch geschah die Er-
hebung meist in kürzeren Zeitiäumen, s. Seeck
bei P.W IV 371 f.
2) Siehe die verschiedenen Benennungen
bei Seeck a. a. 0. 370. Marquardt a. a. 0.
230.
3) Cod.Theod.XII29,6 XIII 3, 17.
4) Liban. or. XLVI 22 (II 477 R.) nennt sie
dq (Hj)jTOi q^ogog, (pQizxetr jigoaiovoag .Trn<hr rt'w
ieivac jtEvzszt]gi'öag, und bemerkt, daß nicht
einmal der vsvßoogdqyog , der Schuhflicker, ihr
enttrehe
5) Euagr. Hist. eccl. III 39.
6) Vgl. oben S. 539; 550 f.
7) Im Ed. Diocl. 7. 31 f. wird Taglohn mit
Verpflegung für den aquarhis und den cloa-
carius festgesetzt. Ein conductor aquarius
kommt auch bei luv. 6. 332 vor.
8) Siehe oben S. 550 ; dazu Cic. Tusc. V
36, 104: an quicquam stultius, quam, quos siu-
gulos sicut operarios barbarosque contemnas,
eos aliquid putare esse universos?
9) Cic. pro Rose. Amer. 41, 120: homines
paene operarii; Brut. 86, 297 ; de orat. I 18, 83;
ad Att.VII2,8.
,0) Caecil. b. Cic. de or. II 10. 40 stellte so
den remex mit dem baiulus zusammen; Cic.
III 2. 23 u. Brut. 73 baiuli und operarii. Zum
Wort vgl. Plaut. Poen. 1354. Gell. V 3, 1. Fest.
35. 8. Die Glossen haben neben baiolus die
Form baiolator. s Corp. Gl. VI 125 f.
n) Apul. met. I 7: taeeariom faeim». Cod.
Theod. XIV 22. Digg. XVIII 1,40,3. CIL IV
274; 497. Vgl LiebenamSO. W.u. ms.. 11 59 ff.
Dagegen ist der saccarius in den Glossen ein
Sackmacher. Corp. Gloss. II 429, 36: 592. 11;
III 309.35. Vgl. den sarcinarius ebd. II 254,25;
264, 28.
M) Man muß die geruli, die Staatediener, ap-
paritores pubfici, sind (Mommsen Rom. Staaten
1 352. Liebenam80 A.2), von den privaten, die
nichts anderes als baiuli sind, unterscheiden;
nur die letzteren konnte Kaiser Gaius nach
Suet. Calig. 40 mit einer Gewerbesteuer be-
legen. Solche sind gemeint bei Hör. ep. I!
2. 72. Colum. X 310; vgl. den geruht* litt*-
nintm Sid. Ap. ep. VIII 13,3. Corp. Gloss.
VI 491.
») Siehe oben S. 484 ; 489 ; 490 ; 492 ; 501 .
Das waren keineswegs immer Sklaven, wie
Voigt Rom. Privataltert. 384 A.86 meint, vgl.
Mart. I 30 u. 47.
«*) Siehe oben S. 458 A. 8; 460 u. ebd. A. 5.
Ueber Kollegien von cisiarii b. Lieben am 107 f.
Waltzino II 148.
,5) Cod. Theod. XIV 6. 1 ; cectura ist eben-
sowohl der Transport von Menschen und Gü-
tern, wie das Frachtgeld dafür. Plaut. Most.
823; Asin.432. Sen.de benef.VI 15,6. Corp.
Gloss. VII 396.
614
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
und Zugvieh gemeint sind1), und die iumentarii2). Für Transport zu Wasst
waren die nautae da3); die navicularii, die das überseeische Getreide nach d<
Hauptstadt brachten, waren allerdings mehr Unternehmer im größeren Sti
die auf eigene Rechnung und Gefahr die Lieferungen übernahmen4), währen
die caudicarii (codicarii) das Getreide von Rom stromaufwärts schafften5
Andere mit Personen- und Warentransport ihren Unterhalt verdienende Ge
werbe sind die lenuncularii. Barkenführer6), die scapharii und lintrarii1).
Was alsdann anderweitige, mit Gelderwerb verbundene Berufe anlangl
so können wir die niederen Angestellten und Diener der Magistrate, di
apparitores, als scribae, lictores, viatores, praecones, accensi, nomenclatoret
tabellarii, librarii, arcarii, interpretes, geruli, ebenso übergehen wie das be
soldete Hilfspersonal der Tempel und Priester, die haruspices, medici, pullarü
victimarii, calatores, tibicines, fidicines, fictores, strufertarii usw., da sie aL
öffentliche Beamte nicht hierher gehören8); es mag nur bemerkt werden
daß sie im allgemeinen in der Achtung eine Stufe höher standen als di(
Handwerker, und daß diese Stellen beim Volke, zumal bei den Freigelassenen
gesucht waren, daß aber auch da eine Stufenleiter bestand, auf der die scribai
die angesehenste und bestbesoldete Korporation bildeten, während die Aus-
rufer, die praecones, am tiefsten standen9). Übrigens weisen die Inschriften
nach, daß die Liktoren daneben noch irgendeinen bürgerlichen Beruf treiben
durften, einen Kleinhandel etwa oder ein Handwerk10).
Noch geringerer Achtung aber als der magistrale praeco erfreute sich
der private Ausrufer, dessen Hauptgeschäft neben Ausrufen von allerlei
Bekanntmachungen11) das Abhalten von Auktionen war12); das Gewerbe war
zwar ganz einträglich, galt aber für unanständig13). Überhaupt konnte selbst
reicher Geldverdienst manche Gewerbe nicht von der Anrüchigkeit befreien.
1) Vgl. oben S. 465.
2) Inschriftlich, s. Liebenam 107.Waltzing
II 152; sie sind zu unterscheiden von den ebenso
benannten iumentorum pastores, Corp. Gloss.
II 585, 1.
3) Ueber die collegia nautarum, die be-
sonders die Flußschiffahrt für die Kaufleute
besorgten, siehe Liebenam 81 ff. Waltzing II
29 ff.
4) Ueber diese Genossenschaften s. Geb-
hardt Studien über d. Verpflegungswesen von
Rom u. Konstantinopel (Diss. Dorpat 1881) 1 ff.
Liebenam 67 ff. Waltzing II 34 ff.
5) Schon früh erwähnt. Varro bei Non.
535,16. Sen. dial. X 13.4; öfters in Inschrif-
ten, s. Humbert bei D.-S. I 972. Liebenam 72.
Waltzing II 69 ff. Seeck bei P.-W. IV 173 f.
Zum Hilfspersonal gehörten die beim Verladen
und Transport des Getreides beschäftigten ca-
tabolenses, die Freigelassene waren, und die
anabolicarii, s. Liebenam 80. Waltzing II 61
(vgl. 35). Auch die von phalangae, den Trag-
hölzern zum Fortschaffen der Lasten , benannten
falangarii (Non. 163, 21. CIL VI 1785. Corp.
Gloss. II 70,14; 150, 21) gehören hierher, s.
Liebenam 81. Waltzing I 283; II 99.
c) Von lenunculus, Barke, benannt, vgl.
Gell. X 25, 5. Tac. ann. XIV 5 u. s. ; s. Liebe-
nam 85. Waltzing II 73 ff.
7) Oefters auf Inschriften, s. Liebenam
a. a.O. Waltzing a. a.O. Wahrscheinlich sind
auch die besonders iu Südgallien häufig vor-
kommenden utricularii (abgesehen davon, daß
dies Wort auch Schlauchfabrikanten bedeuten
kann) Schiffer, die auf Flößen aus Lederschläu-
chen Wein und Oel transportierten, s. Liebenam
87 ff. Waltzing II 157.
8) Vgl. Schiller Rom. Staatsaltert.2 42 f.
Wissowa Religion u. Kultus d. Römer 426 f. ;
446 Drumann Arbeiter u. Kommun. 165 ff.
MoMMSENim Rh. Mus. N. F. VI (1848) 1 ff.; ders.
Rom. Staatsrecht I 332 ff. Marquardt Rom.
Staatsverwaltung 2III 224 ff. Humbert beiD.-S.
I 327 ff. Habel bei P.-W. II 191 ff.
9) Friedländer Sittengeschichte 5I 327 ff.
10) Mommsen Rh. M. a. a. 0 55.
u) Als solcher praeco fungiert bei Apul.
met.VI 8 Merkur.
") Hör. ep. I 7. 55. luv. 3, 33. Mart. I 85.
13) luv. 3, 157 : nitidi praeconis filius ; 7, 5 :
nee foedum alii nee turpe putarent | praecones
fieri. Mart.V 56, 10: si duri puer ingeni ride-
tur, | praeconem facias vel architectum. Man
betrachtete es als verächtlich, daß jemand mit
nichts als mit seiner lauten Stimme Geld ver-
diente, s. Cic. pro Quinct. 3, 11 f.
Dritter Abschnitt. Handwerk, gelehrte und andere Berufe.
615
Jei dem des Uno, des Bordellwirts, wie bei der selbständig ihrem Beruf
lachgehenden Dirne1) begreift es sich von selbst; auch daß die Pächter von
Zöllen und Steuern stets in Mißachtung standen, ist verständlich*); und
ebendasselbe gilt von den verrufenen Inhabern von Speise- und Trink wirt-
schaften oder anrüchigen Unterkunftshäusern, den cauj><>>t<s, p^uMfit, ntabu-
larii u.dgl.3). Aber andere Erwerbszweige, denen kein moralischer Makel
anhaftete, die es aber mit nicht ganz sauberen Dingen zu tun hatten, wie
z. B. die Pacht von öffentlichen Bedürfnisanstalten4), die Übernahme von
Leichenbegängnissen u.dgl.5), galten als unwürdig für einen gebildeten freien
Mann. Alle diese Erwerbszweige betrachtete der Römer der besseren Blinde
ebenso wie alle Handwerke als sordidi qaaestus*); und vom selben Gesichts-
punkte aus betrachtete man diejenigen, die sich durch die arU* ludierae ihr
Leben fristeten, d.h. durch Kunstfertigkeiten, mit denen Augen und Ohren
des Publikums unterhalten wurden, die aber nicht wie die artet Uberalet auf
geistiger oder gelehrter Bildung beruhten7). Bei den Schauspielern ging das
so weit, daß sie sogar bürgerlich ehrlos waren, was freilich nicht hinderte,
daß hervorragende Künstler unter ihnen die Freundschaft hervorragender
Persönlichkeiten genossen, große Reichtümer erwarben und mit Ehren aller Art
überhäuft wurden8), und daß schöne Bühnenhelden, namentlich Pantomimen-
tänzer, sich der Gunst der vornehmsten Damen erfreuten9). Das Gleiche war
der Fall bei den anderen Repräsentanten der öffentlichen Schauspiele, den
Athleten, Gladiatoren. Zirkuskutschern usw., Berufen, die sehr oft auch von
Freigelassenen oder Freien ergriffen wurden, wenn auch, namentlich unter
den Gladiatoren und den venatores, den gegen die wilden Tiere kämpfen-
den, Sklaven und verurteilte Verbrecher das Hauptkontingent stellten I0).
In dieselbe Kategorie gehörten die in ihren Einnahmen und Stellung
freilich viel ungünstiger situierten herumziehenden Gaukler, Jongleure, Akro-
baten u.dgl., die circulatores11), praestigiatores (Taschenspieler)12), pilarü und
ventilatores13), funambvli (Seiltänzer)14), petauristae (Akrobaten) lß), desultores
') Siehe oben S. 367 ff.
2) luv. 3, 31: guw fädle est aedem condu-
cere, flumina, porius, was am besten auf Flufi-
und Hafenzölle gedeutet wird. Der im all-
gemeinen wohl nicht ungerechtfertigte Haß
gegen alle portitores und piiblicani (vgl. Liv.
XLV 18, 4: ubi publicanus esset, ibi aut iiispu-
blicum vanum aut Ubertatem sociis nullam esse)
ist besonders aus der Evangeliengeschichte von
Christus und dem Zöllner wohlbekannt. Cic.de
off. I 42, 150 rechnet zu den quaestns, qui in
odia hominum incurrunt, die portitores und
die faeneratores.
3) Siehe oben S. 450 ff.
4) So erklärt man am besten mit Fried-
i.ä n der luv. 3. 38 : conducuntforicas ; vgl. Corp.
Gloss. V 296, 1 1 : foricas latrinas, cessus, seilas ;
vgl. ebd. 599,33; 655,22.
5) luv. 3.33; vgl. oben S. 489.
6) Cic. de off. I 42. 150.
7) Seneca ep. 88, 22 : ludicrae (artes) sunt,
fuae ad roluptatem oeulorum atque aurium ten-
dunt. Vgl. Plaut. Aul. 626. Cic. de or. II 20,84.
Colum. I pr. 6.
8) Dbumann 193 ff. Frikdländeb Sitten-
geschichte5 II 422 ff.
9) Friedländer a. a. 0. 1 434.
10) Ebd. II 323 ff.; 349.
u) Cic. ad fam. X 32, 3. Schol. luv. 6.583;
es sind Schlangenbändiger, Cels. V 27, 3. Digg.
XLVII 11,11; Degenschlucker Apul. met. 1 4,
u. dgl. m.
») Plaut. Amph.782;Poen. 1125; Aul.630;
Truc.134. Varrol.l.V94. Frontode orat.p 156
Naber. Mart Cap.V514. Corp. (iloss. VII
,J) Quint. X 7,11: quo emutmä mtramlM
llln in scfnis pi/iiriuriun nr r,ntif<itornin.
quae cmisi'rint ultra renire in nullius nnla* rl
qua iuhrntiir i/ecurrere. Ueber die pilurii s.
oben S. 439 A.9 u.441 A.9 und die Schil.lr
rung Manil. Astr.V 1<>"> 8
,4)Ter. Hec.4;34. Hör. ep. II 1,210; am-h
gmeh. sekotnobtrtn, luv. 3. 77. Sid. Apoll, carm.
23,301.
1&) Lucil. b.Festua 206 b. 26. Varro b. Non.
56, 27. Petron. 47. 9 ; 53. 1 1 : 60. 2 nennt sie
616
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
(Kunstreiter)1), saltatores'2) u. dgl.; ebenso die berufsmäßigen Spaßmacher,
die srurrae, cinaedi etc.3).
In bei weitem höherem Ansehen standen die Vertreter der artes liberales*),
worunter freilich nicht die Künste in unserem Sinne inbegriffen waren, sondern
mehr die zur allgemeinen Bildung erforderlichen Wissenschaften5). Von den
hier in Betracht kommenden Berufen ist schon oben die Rede gewesen. Es
sind zunächst die auf den verschiedenen Stufen der Schulbildung tätigen
Lehrer: der Utterator oder litteratus, der Elementarlehrer; der grammaticus,
der Sprachlehrer; der r/ietor, der Lehrer der Beredsamkeit6); dazu dann
noch die verschiedenen Fachlehrer, wie librarü, die Schreiblehrer (für Schön-
schrift); notarii, Stenographielehrer; calculatores, Rechenlehrer; geometrae,
Geometrielehrer; musici, Musiklehrer u. a. m.7). Stellung und Einnahmen waren
da freilich gar sehr verschieden: auf der einen Seite der arme, auf dürftiges
Schulgeld angewiesene, von den meisten über die Achsel angesehene Elementar-
lehrer, auf der anderen gesuchte Grammatiker oder Rhetoren mit glänzenden
Einkommen8). Am besten gestellt aber sind in der Kaiserzeit die staatlich
angestellten Professoren der an verschiedenen Orten des Reiches errichteten
Hochschulen9). Hingegen stehen die Lehrer technischer Fertigkeiten, wie
Turn- und Tanzlehrer, Reit- und Fechtlehrer, wieder viel tiefer10).
Zu den gelehrten Berufen der artes liberales gehören außer den Lehrern
sodann die Ärzte, von denen oben gehandelt worden ist11); sie hatten oft
sehr angesehene Stellungen und hohe Einnahmen, obschon auch da, wie ja
auch heutzutage, sehr starke Unterschiede sich ergeben mochten. Am an-
gesehensten und vermögendsten aber waren wohl die Sachwalter12); unter
allen Berufen, die mit Gelderwerb verbunden waren, war dieser der an-
ständigste13).
Dagegen waren die Künstler nicht der gleichen Wertschätzung teilhaftig
wie die Gelehrten. Eine Ausnahme machen nur die Baumeister, obschon die
petauristarii. Sie arbeiteten mit einem Gerüst
oder dergl. (petaurum); verwandt sind die
cernui, die man heut Parterreakrobaten nennt,
Lucil b. Non. 21, 5. Varro b. Serv. ad Aen.
X894.
') Festus 334b, 28. Liv. XXIII 29.5 ;XLIV
9,4. Isid. or. XVIII 39; vgl. Prop. V (IV) 2,35.
Corp Gloss. V 496, 39: qui de equo in equum
transilit; ebd. 567, 13.
2) Cic. de off. I 42, 150 stellt mit den aus
Ter Eun. 257 entnommenen cetarii, lanii, co-
qui, fartores, piscatores als Vertretern der sor-
dida officio die saltatores totumque ludum ta-
larium zusammen. Vgl. pro reg. Deiot. 10, 28;
de fin. III 7, 24. Quint 1 12, 14. Es war gerade-
zu ein Schimpfwort, s. Cic. pro Mur. 6, 13; post
red. in sen. 6, 13.
3) Siehe oben S. 412 A. 6.
4) Cic. de inv. I 25, 35 ; de orat. II 32, 127 ;
de off. I 42, 151.
5) Es sind wesentlich grammatica, dia-
betica, rhetorica, geometria, arithmetica, astro-
logia, musica, medicina, architectura, s. Teuf-
fel Rom Litteraturgesch.5 294. Vgl. Seneca
ep. 88, 23 ff. Die Abgrenzung der Fächer war
freilich nicht feststehend; die artes liberales
und die iyxvfckios jiatdeia der Schulbildung
(was Seneca a. a. 0. pueriles artes nennt) gehen
oft ineinander über.
6) Siehe oben S. 315 f.; 323 f.; 331 f.; vgl.
Drumann a. a. 0. 223 ff.
7) Siehe oben S. 320; 323; 327 f.
8) Siehe besonders oben S. 316; 324 f.; 334.
9) Oben S. 339 f.
10) Vgl. oben S. 330. So sagt Seneca a.a.O.
1 8 : aeque luctatores et totam oleo ac luto constan-
tem scientiam expello ex his studiis liberalibiis:
aut et unguentarios recipiam et coquos et ceteros
voluptatibus nostris ingenia accommodantes sua.
") Oben S. 474 ff.; vgl. Dkumann 219 ff.
12) Vgl. Dkumann 213 ff. Friedländer I
291 ff. Sie werden in der Kaiserzeit als ad-
vocati, patroni, oratores, causidici bezeichnet,
vgl. Humbert bei D.-S. I 81 f. Kubitschek bei
P.-W. I 436 ff.
13) Quint. XII 7, 10: neque enim video, quae
iustior acquirendi ratio quam ex honestissimo
labore et ex iis, de quibus optime meruerint,
quique, si nihil invicem praestent, indigni fue-
rint defensione.
Dritter Abschnitt. Handwerk, gelehrte und andere Berufe. i; 1 7
K|aukunst nicht in unserem Sinne zu den Künsten gerechnet, sondern mehr al i , • i . i ,
ützliche Fertigkeit betrachtet wurdet). Bei den riesigen öffentlich. m Bauten,
umal der Kaiserzeit, bei der durch Brände, Erdbeben u. dgL 8tei - \ orha mlenen
"otwendigkeit von Neubauten, bei der so großen und mit solchem Luxus
i erbundenen Bauwut der Reichen, war dieser Beruf sehr einträglich and
ü aher auch sehr gesucht2). Anders aber stand es mit den bildenden Künstlern,
i nt Malern und Bildhauern3), die bei den Kömern, selbst zu der Zeit, wo
ie Kunstwerke in der Wertschätzung gestiegeli, Kunstsammlungen häutig
nd ein Prahlen mit Kunstverständnis Mode geworden war4), eine auffallend
jedrige Schätzung genossen. Die Ursachen dafür waren verschiedener Art:
inmal der unverhältnismäßig große Raum, den in der Kunst der Kaiserzeil
as Handwerk einnahm, indem Kunst und Kunsthandwerk, dank einer vor-
üglichen, von griechischer Kunst überkommenen Tradition, so hoch entwickelt
?aren, daß sie trotz fabrikmäßigen Betriebes Hervorragendes leisteten6); so-
ann im Zusammenhang damit der Umstand, daß es hervorragende Meister,
vie sie Griechenland gehabt hatte, nicht gab und daß die große Menge der
)urchschnittskünstler wirklich nur Handwerker waren, die daher nicht anders
singeschätzt wurden, als diese, zumal viele Künstler in ihren Werkstätten
Sklaven als Bildhauer, Ziseleure, Maler usw. beschäftigten, nicht anders als
sin Schuster oder Töpfer seine Gehilfen8); endlich das Vorurteil philosophisch
md litterarisch gebildeter Männer, die in Überschätzung derartiger Bildung
luf die Kunst wie auf ihre Schöpfungen und ihre Vertreter als banausisch
ind für einen wahrhaft philosophisch Denkenden kaum der Beachtung wert
/erächtlich herabsahen7).
Nicht zu sprechen haben wir an dieser Stelle von den Schriftstellern,
leim das war im alten Rom kein Beruf, zumal damit kein Gelderwerb ver-
aunden war, da das Altertum kein Schriftstellerhonorar kennt. Und was
andlich die mit Handel und Geldgeschäften zusammenhängenden Gewerbe
inlangt, so müssen wir diesen einen besonderen Abschnitt widmen.
') In diesem Sinne stellt Cic. de off. I 42,
151 die architectura als doctrina verum ho-
nestarnm mit der medicina zusammen.
2) Vitr.VIpraef. 5 f.
3) Drumann 181 ff. Friedländer III 261 ff.
4) Ueber die Frage, ob die Römer über-
haupt wirklichen Kunstsinn besaßen, vgl.
Friedländer Ueber den Kunstsinn der Römer
der Kaiserzeit, Königsberg 1852. C.F. Hermann
Ueber d. Kunstsinn d. Römer, Göttingen 1855.
Friedländer Sittengeschichte III 267 ff.
6) Friedländer ebd. 255 f. Marquardt
Privatleben 607.
6) Besonders Maler begegnen unter den
Sklaven öfters, vgl. Artemid.l V prooem. p. 201 .2
(Hercher). Digg.VI 1.28. CIL VI 9786 ff.
7) Seneca ep 88.18: in ill<> f'eras nie ne-
cesseestnon per /iraeseriptninennteni : HON enim
addueor, ><t in nitmerinn liheriiliian artiuin pi-
ctores recipiam, non mugis quam statum >■
marmorartoa mit etterot humHtu mmit
Ders. bei Lactant inst. II 2. 14 (fr. 120 Haase):
sitmdacra deornm venerantnr . . . et «MMN //"<•<
tantopere WSpiCÜMt, fahret, <pii '//(/ f'rrrrr, r,in-
temnunt. Auf einem ähnlichen, wenn auch
nicht ganz so schroffen Standpunkte stand
auch Cicero, vgl. parad. 5, 2. 36, und selbst
hochgebildete und kunstverständige Männer,
wie Plutarch, vgl Peiicl 2: ptaec. ger. reip. 5'
p. 802 A, und Lukian, Somn. 9.
618
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
Vierter Abschnitt.
Handel und Geldgeschäfte.
Litteratur.1)
Handel:
F. Mengotti Del commercio dei Romani dalla prima guerra Punica al Constantino. Verona 17J
(Milano 1829).
Dureau de la Malle Economie politique des Romains. 2 vol. Paris 1840.
A. Beer Allgemeine Geschichte des Welthandels. Wien 1860. I 93 ff.
W. Richter Handel und Verkehr der wichtigsten Völker des Mittelmeeres im Altertum
Leipzig 1886. S. 127 ff.
A. Baumstark Artikel Negotiatores bei Pauly V 506 ff.
R. Cagnat et M. Besnier Artikel Mercatura bei Daremberg-Saglio III 1769 ff.
E. Speck Handelsgeschichte des Altertums. Leipzig 1905/6, III 1 u. 2 (bis 30 v. Chr.).
Geldgeschäfte:
W. Th. Kraut De argentariis et nummulariis. Göttingen 1826.
Roussel Des argentarii. Paris 1859.
E. Guillard Les banquiers Athöniens et Romains. Paris 1875.
G. Cruchon Les banques dans l'antiquite. Paris 1879.
G. H. Richard Les argentarii. Paris 1881.
P. Thomasset Des argentarii. Lyon 1883.
H. Taudiere Des argentarii en droit romain. Poitiers 1884.
M. Voigt Die Bankiers, die Buchführung und die Litteralobligation der Römer. Abhandlungei
der philologisch-historischen Klasse der kgl. Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften
X 513 ff. Leipzig 1887.
A. Deloume Les manieurs d'argent ä Rome jusque ä l'empire. Paris 1889.
Le Secq Destournelles Des argentarii. Bar-sur-Seine 1890.
R. Beigel Rechnungswesen und Buchführung der Römer. Karlsruhe 1904.
Marquardt Privatleben 399 ff.
Saglio et Humbert Artikel Argentarii bei Daremberg-Saglio I 406 ff.
Oehler Artikel Argentarii bei Pauly-Wissowa II 706 ff.
Über die Anfänge des Handels im alten Rom2) sind wir begreiflicherweise
durch die alten Schriftsteller so gut wie gar nicht unterrichtet und dahei
lediglich auf Schlüsse aus den Kulturverhältnissen der Königszeit, wie si(
in Latium und im übrigen Italien bestanden, aus der Lage der Stadt, au«
den Produkten des Landes u. dgl. m. angewiesen.
Daß in einer Stadt, die in ihren Anfängen eine wesentlich Ackerbai
treibende Bevölkerung hatte, zunächst die Grundlagen für einen größerei
Handelsbetrieb fehlten, ist selbstverständlich, zumal die Einwohnerzahl an-
fangs noch klein, die Industrie noch wenig entwickelt, die Lebensbedürfnisse
noch sehr anspruchslos waren. Aber allem Anschein nach haben die erster
l) Zahlreiche Werke über die Geschichte
des Handels überhaupt, in denen der römische
Handel mehr oder weniger eingehend be-
sprochen ist, sind bei Daremberg-Saglio III
1783 f. angeführt; hinzuzufügen ist noch F.W.
G. Benedict Versuch einer Geschichte der
Schiffahrt und des Handels der Alten, Leipzig
1806. W. Hoffmann Geschichte des Handels,
der Erdkunde und der Schiffahrt aller Völker,
Leipzig 1844. F.Damiani Saggio storico-critico
sul commercio degli antichi, Bari 1897. Von den
das Altertum behandelnden Handelsgeschich-
ten ist das alte Buch von A. H. L. Heeren Ideen
über die Politik, den Verkehr und den Hände
der vornehmsten Völker der alten Welt (Göt
tingen 1824) nicht bis zu den Römern gekom
men. die Handelsgeschichte von E. Speck nocl
unvollendet und überdies, da sie keine Beleg
stellen gibt, trotz sehr eingehender Behand
lung philologisch wenig brauchbar. Die alten
Litteratur über die argentarii ist bei M. Voigi
a. a. O. S. 515 verzeichnet.
2) Zu vergleichen ist besonders Mommsei
Rom. Gesch. 7I 192 ff. B. Büchsenschütz Bemer
kungen über d.röm Volkswirtschaft der Königs
zeit (Berl. 1 886) S. 24 ff. Speck a.a.O. III 1 , 402 ff
Vierter Abschnitt. Handel nnd Geldgeschäfte. (J19
i Jahrhunderte der Stadt, also die Königszeit, in diesen Verhältnissen k. in.
^besondere Veränderung erfahren. Man hat zwar darauf hingewiesen1), und
üauch die alten Schriftsteller tun das8), daß Rom durch seine Lage an einem
betriff baren Flusse mit fruchtbarem Hinterland und in der Nähe des Meeres
Izur Handelsstadt gleichsam prädestiniert sei und daß sogar schon bei der
^Gründung dies zur Wahl des Platzes Veranlassung gegeben habe; allein wenn
Hauch diese günstige Lage später sicherlich nicht ohne Bedeutung für (He
■Entwicklung des Handels gewesen ist, so kann sie doch in den ältesten
IZeiten, wo noch kein Hafen angelegt, der Zugang von der Seeseite nicht
Isehr günstig, die Flußeinfahrt durch Schuttablagerungen erschwert und auch
Idie Schiffahrt weiter stromaufwärts nicht ohne Schwierigkeiten war, keine
Igroße Rolle gespielt haben3). Soweit in jenen Jahrhunderten ein über den
■gewöhnlichen Kleinverkehr hinausgehender Handel bestand, ist an einen
[irgendwelche Bedeutung beanspruchenden Aktivhandel überhaupt nicht zu
denken. War doch in jener Zeit der Handel im wesentlichen ein Tausch-
verkehr, bei dem die wichtigsten Tauschobjekte in Getreide, Metallen, Sklaven,
ganz besonders aber in Vieh bestanden*). Was aber konnte das damalige
Rom an solchen Tauschmitteln bieten? Getreide und andere landwirtschaft-
liche Produkte kaum, da das Erzeugte nur gerade für den eigenen Bedarf
ausreichte; Sklaven hatte man selbst nur wenige, geschweige daß man solche
[zum Verkauf bringen konnte; Mineralschätze barg der Boden nicht, und für
industrielle Produkte war das Handwerk noch viel zu wenig entwickelt. So
blieb denn als Tausch- und Exportartikel auf der römischen Seite wesentlich
Vieh und etwa noch das an der Küste produzierte Salz, auf dessen Export
nach dem Binnenland der Name der Via Salaria hindeutet5). Ebenso war von
bedeutendem Import sicherlich noch nicht die Rede. Ausländische Landes-
produkte für Küche und Keller lernte Rom erst mit dem steigenden Luxus
kennen; von anderweitigen darf man außer Kupfer und Zinn, dessen die
Erzarbeiter bedurften, höchstens an Gold für die schon unter den Zünften
Numas sich findenden Goldarbeiter denken und etwa noch an Bernsteinß).
Sowohl bei diesen, wie bei einigen Industrieerzeugnissen, sind jedenfalls
Phönikier die Übermittler gewesen, vielfach wohl nicht direkt, sondern indem
J) Mommsen I 45 f. | seinem Ursprung zurück, vgl. Mommsen I 193.
2) Cic. de rep. II 5, 10: qui potuit igitur I Dabei rechnete man ein Rind im Werte von
rfirhu'us etutilitatesconplectimaritimasltomu- \ zehn Schafen, Festus 237 a, 13. Gell. XI 1,2.
Uu et ritia vitare, quam quod urbem perennis Plut. Poplic. 11.
ohih/s et aequabilis et in mare late inftuentis 5) Die Salinen bei Ostia wurden schon
postut in ripa, quo posset urbs et acetpere ex
mari quo egeret et reddere quo redundant,
eodemque fiumine res ad rictum vultionque
maxime necessarias non soluni mari absorberet,
*ed ctinm inveetas aeeiperet ex terra? Ebenso
führt Liv. V 54, 4 in der Rede, die er den Ca-
millus halten läßt, die Wahl der Lage von
Rom zum Teil auf Handelst ücksichten zurück,
während Dion. Hai. III 44 erst durch die An-
lage des Hafens von Ostia durch AncusMarcius
in 7. Jahrh. angelegt, Liv. I 33, 9: nach Plin.
XXXI 89 durch Ancus Marcius. Ebd. wird der
Name der Salaria via auf den Transport des
Salzes in das Sabinerland zurückgeführt; vgl.
Fest. 327. 3. Ueber das hohe Alter der Straße
Jobdan Topogr. d. St. Rom 1 1,431 A.35. Kuh
ter Topogr. 195.
6) Schon die Pfahldörfler der Poebene
kannten Bernstein, und in der darauffolgenden
Kulturperiode wurde seine Verwendung noch
m zur Handelsstadt werden läßt. häufiger. Vgl. Helbig Osservazioni sopra il
3) Vgl die Darlegung von Büchsenschütz commercio dell* ambra (R. Accad. dei Lincei
a. o I 1876/77) p. 12 ff. ; ders. Italik. in d. Poebene 21
4) Darauf geht bekanntlich peeunia in u. 119.
620
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
sie den Etruskern, die mehrere treffliche Häfen und einen entwickelten See-fl
und Landhandel besaßen1), ihre und die Produkte des Orients und Ägyptens!
zuführten2) und diese wieder den Römern, wobei die großen Messen, die beim!
Heiligtum der Voltumna in der Nähe von Volsinii3) und bei dem der Feronial
am Sorakte stattfanden4), die beste Gelegenheit bieten mochten. Soweit diel
Römer schon einen überseeischen Verkehr hatten, ging er natürlich von der
Westküste aus und erstreckte sich wesentlich nach Sizilien und Großgriechen-
land, woher man Salben, Purpur, feines Linnen, Tonwaren u. dgl. bezog5);
für manche solche Handelsverbindungen liefert die Aufnahme der griechischen
Bezeichnungen in die lateinische Sprache den Beleg fi). Aber dieser Seeverkehr !
kann in der Königszeit nur sehr unbedeutend gewesen sein; an eine größere
Menge von Handelsschiffen ist nicht zu denken, zumal auch die Hafenanlagen,
die Vorrichtungen zum Ein- und Ausladen der Waren damals in Ostia noch
sehr primitiv gewesen sein müssen7). Dazu kam, daß der Bedarf von im-
portierten Waren nicht nur qualitativ, sondern auch quantitativ sicherlich
gering war; zum Stapelplatz für überseeische oder inländische Produkte
fehlten in Rom alle Vorbedingungen, da die benachbarten Etrusker ihre
eigenen Handelshäfen und ihre gewerbfleißigen Städte hatten, die samnitischen
Ortschaften durch ihre Lage auf Kampanien angewiesen waren, die übrigen
Völkerschaften Mittelitaliens aber das, was Latium an Naturprodukten hervor-
brachte, selbst erzeugten.
Vermittelt wurde dieser Handel, soweit es sich um ausländische Pro-
dukte handelt, anscheinend mehr durch italische Kaufleute in der Fremde,
als durch fremde in Italien8). Es ist daher begreiflich, daß wir in der Königs-
zeit keinen Kaufmannsstand finden. Hätte es damals schon Kaufleute von
irgendwelcher Bedeutung in Rom gegeben, so würden sie sicher in den Zünften
des Numa ihre Vertretung gefunden haben9). Wohl aber mögen damals etrus-
kische Kaufleute sich in Rom angesiedelt haben, obschon es nur eine un-
sichere Vermutung ist, daß der Vicus Tuscus daher seinen Namen bekommen
habe10). Wenn von Numa berichtet wird, daß er auch für den Handel
') Man vgl. besonders H. Genthe Ueber
den etrusk. Tauschhandel nach dem Norden.
Neu bearb. Frankfurt a. M. 1874. 0. Müller
Die Etrusker, neu bearb. von W. Deecke, I
264 ff. Für die Römer vgl. Kemper Ueber See-
verkehr und Seewesen d. Rom. von. d. ältest.
Zeiten bis zum ersten punischenKriege, Waren-
dorf 1863.
2) Ueber phönikischen Import in itali-
schen, besonders etruskischen Fundstätten
vgl. Marquardt 394.
3) Liv. IV 24, 2.
4) Liv. I 30. 5. Dion. Hai. III 32, 1.
5) Siehe Mommsen a. a. 0. 195 f.
6) Hierüber vgl. G. A. Saalfeld Italo-
graeca 11: Handel und Wandel der Römer unter
griech. Beeinflussung. Hannover 1882. Doch
weist Büchsenschütz 27 mit Recht darauf hin,
daß diese sprachlichen Belege nicht immer
sichere Beweismittel sind, weil man viele zeit-
lich nicht sicher bestimmen und auch nicht
überall mit Gewißheit behaupten kann, daß
die Römer die griechischen Bezeichnungen
auch direkt von den Griechen empfangen
haben. Auf Beziehungen zu Sizilien und
Kampanien, besonders Cumae, weisen auch
Analogien im Münz- und Maßwesen hin. vgl.
Mommsen 198 f., wo auf die weiteren Han-
delsbeziehungen der Etrusker, die sich bis
Griechenland und Kleinasien erstreckten, hin-
gewiesen ist.
7) Vgl. Büchsenschütz 29.
8) Mommsen 201.
9) Die Annahme von Mommsen a. a. 0.,
daß damals die Großgrundbesitzer auch für
ihre Produkte Großhändler gewesen seien, ihr
Getreide auf den Binnenflüssen und auf dem
Meere verfrachtet hätten, unterliegt starken
Bedenken, s. Büchsenschütz a. a. 0.
10) Schon die Alten waren über die Ent-
stehung des Namens verschiedener Meinung,
s. Liv. II 14.9. Varrol. 1.V46. Festus 355 b. 11.
Vgl. Jordan Topogr. I 2. 469 A. 40. Richter
Topogr. 105 und s. oben S. 594 A. 5.
Vierter Abschnitt. Handel und Geldgeschäfte.
<;üi
Einrichtungen getroffen habe1), so haben diese sicherlich nur den Kleinhandel
letroffen. Für diesen bestanden schon in der KOnigszeH Verkaufsbuden,
mibernae, am Forum2); der eigentliche Handelsverkehr mit Nachbarn und
fremden, zumal auch mit den jenseits des Tiber ansässigen Etruskern. vollzog
sich allem Anschein nach nicht auf dem späteren Forum Eontanum, aondern
luf dem nahe am Tiber am Südfuß des Kapitols belegenen Marktplatz, der
Bann, als bei Erweiterung der Stadt ein anderer Raum zum eigentlichen
^tadtforum geworden war, als Forum boarium speziell für den Viehhandel
gestimmt und danach benannt wurde3). Ob man das Bestehen des Fisch-
inarktes, Forum piscariitm4), und des Gemüsemarktes, des außerhalb der
lerviani sehen Mauer vor Porta Carmentalis belegenen Forum holitorium*), auch
ijehon für die Königszeit annehmen darf, ist nicht auszumachen; die anderen
Lebensmittel markte Roms sind jedenfalls jüngeren Datums. Alt aber ist
wahrscheinlich die Einrichtung der Wochenmärkte, der alle neun Tage ab-
behaltenen nundinae6); dann kamen die Bauern vom Lande, um in der Stadt
ihre Einkäufe zu machen und wohl auch ihre mitgebrachten Produkte abzusetzen.
lAußer diesen Wochenmärkten gab es noch, wie die Kaiendarien ausweisen7),
peit alter Zeit drei große Jahrmärkte oder Messen (ntercatus), die sich au dir
Festspiele anschlössen: vom 15. — 19. Juli nach den ludi Apottinares, vom 20.
Ibis 23. September nach den ludi Romani und vom 18. — 20. November nach den
Midi /debei. Zu diesen Messen, die nicht auf dem Forum Romanum, sondern auf
[dem Forum boarium, vielleicht auch dem Forum holitorium stattfanden8), ström-
Iten sicherlich schon in der Königszeit große Menschenmengen zusammen9).
In den ersten Jahrhunderten der Republik blieben diese Verhältnisse im
wesentlichen noch die gleichen10). Die Kriege mit den italischen Nachbarn
nahmen die ganze Kraft des Volkes in Anspruch, sodaß von einer Ausdehnung
der Handelsbeziehungen wenig die Rede sein konnte. Was den Binnenhandel
anlangt, so sind wir darüber so gut wie gar nicht unterrichtet. Jedenfalls
spielten die Etrusker dabei noch immer die Hauptrolle11), da bei diesen die
') Cic. de rep.TI 14.27 : idemque mercatus,
tudos omnisque conveniundi cansas et celebri-
tates invenit.
*) Liv. I 35, 10 führtdietoöe>-rta<;allerdings
erst auf Tarquinius Priscus zurück; ebenso Dion.
Il;il. III 67,4. Vgl Jordan 12. 378 f.. der diese
Datierungais „wertlos" bezeichnet. Richtek85.
3) Vgl. Jordan 1 1,503 f. Richter 35 Gil-
bert Gesch. u.Topogr. d. St. Rom i. Altert. T 74 f.
4) Es lag nach Varro 1. 1 V 146 am Tiber,
anscheinend nicht weit vom Pons Aemilius
beim Tempel des Portunus, also in der Nähe
des Forum boarium. s Jordan 1 1.504. Richter
191 Dagegen lag das Forum piscatoi ium ( Liv.
XXVI 27,3; XL 51.5) südlich von der Subura,
zwischen dieser und dem Forum, und stammte
aus späterer Zeit, s. Jordan a. a.O. A.28. Rich-
ter 309 Gilbert III 208.
5) Jordan a. a. O. Richter 48; 192. Gil-
bert III 239.
6) Festus 173 a, 30: nundinas feriatrum
diem esse voluerunt antiqui, ut rustici conveni-
rent mercandi vendendique gratia. Varro r. r.
II pr. 1. Dion. Hai. II 28. 3 führt den Ursprung
auf Numa zurück: « utr st&frnp Syotsv bti raus
xai' uygov eoyoi^ .wV/Jor Sxarxae fttfWf, JtXr/v rf
noTE detj&etsv AyOQäg, nfe» 3'*t% norv orruiviae
ayogntstv, ivdirjv SglCcov fiftiga» mu oyogaSe.
Vid. Plin.XVIlI 13. Macr.1 16^6. Varro b. Serv.
ad Geo. I 275.
7) Vgl. Marquardt Rom. Staatsverwalt.
III 545 ff
8) Jordan I 1.507.
9) Wahrscheinlich wurden auch bei den
Versammlungen der unabhängigen Latin« t im
Hain der Ferentina am Albanergebirge (Liv.
150 ff.; 1138,1; VII 25.5). dann bei dea Feriae
Latinae beim Jupitertempel auf dem Albaner-
gebirge (vgl. Wissowa Relig. u Kult, d Römer
109) und auch am Stiftungstage (13 August)
des Dianatempels auf dem Aventin (Liv. I 45.
Dion. Hai. IV 26. 3) solche Messen abgehalten,
wie meist angenommen wird (vgl. Drümann
Arb. u Kommun. 278 f. Cagnat a. a.O. 1770.
'") Vgl. Speck III 1.462 ff.
»J Vgl. O. Müller Die Etrusker I 287 f.
622
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
Industrie und namentlich das Kunstgewerbe, besonders die Metalltechnik
damals bedeutend entwickelter war als in Rom. Von schwerwiegender Be
deutung ist, daß in jener Zeit der Tauschhandel aufhört und Rom anfängt
Geld zu münzen und an Stelle der nach dem Gewicht in Zahlung gehendei
Kupferstücke, des formlosen aes rüde oder des mit einem Stempel versehene]
aes signatum, dessen Einführung in Rom dem Servius Tullius zugeschriebei
wurde1), die (zuerst noch nicht geprägte, sondern gegossene) Münze trat
was wahrscheinlich zur Zeit der Decemvirn geschah 2). Der überseeische
Verkehr ging zunächst noch die alten Wege, d. h. die Römer verkehrter
wesentlich mit Unteritalien, während die Etrusker nach den griechischer
und kleinasiatischen Handels- und Industriezentren gingen, wofür die Münzer.
Zeugnis ablegen3). Für größeren und weiten Seeverkehr fehlte den Römern
die zur Unterstützung der Handelsmarine unentbehrliche Kriegsflotte; und
ein deutlicher Beweis, wie weit zurück sie in dieser Beziehung noch im
4. Jahrhundert v. Chr. waren, ist der uns heute noch, wenn auch nur in
griechischer Fassung, vorliegende Vertrag, den Rom im Jahre 348 mit Kar-
thago abschloß4). In ihm verpflichten sich die Römer, die libysche Küste
westlich vom Schönen Vorgebirge (Kap Bon) nicht zu befahren, ausgenommen
wenn sie durch Sturm oder feindliche Macht dazu gezwungen wären; wenn
aber ein Schiff durch solche höhere Gewalt dorthin komme, so dürfe es weder
Ein- noch Verkauf treiben, abgesehen von dem, was für das Schiff selbst und
zur Vornahme von Opfern notwendig sei, und sie müßten innerhalb fünf Tagen
wieder abfahren. Dagegen erhielten sie das Recht, ihre Waren in Libyen und
Sardinien zum Verkauf zu bringen, doch nur unter Zuziehung von karthagischen
Beamten, wobei für das, was in deren Gegenwart verkauft wurde, die be-
treffende Gemeinde die Garantie für die richtige Zahlung übernahm. Freien
Handelsverkehr erhielten sie für Sizilien, soweit dies in karthagischem Besitz
war. Andrerseits scheint den Karthagern in Rom oder in Latium freier Ver-
kehr zugestanden worden zu sein5); dafür verpflichteten sich die Karthager,
die latinischen Gemeinden nicht zu befehden, keine festen Plätze in Latium
anzulegen, und wenn sie in Kriegsfällen das Land beträten, dort nicht über
Nacht zu bleiben, d. h. ihre Piratenzüge nicht bis in das Innere auszudehnen.
Wahrscheinlich in dieselbe Zeit fällt ein Vertrag mit Tarent6), in dem sich
die Römer verpflichteten, die Gewässer nördlich vom latinischen Vorgebirge
nicht zu befahren, sodaß also Rom vom östlichen Mittelmeer damit gänzlich
') Plin. XXXIII 43: Servius rex primus
signavit aes. antea rudi usos Romae Timaeus
tradit; vgl. XVIII 12. Varro r. r. II 1.9; ders.
b.Non. 189, 21. Siehe Marquardt Rom. Staats-
verwaltung II 5. Mommsen Rom. Münzwesen
172 ff.
2) Das hat Mommsen a. a. 0. 174 ff. wahr-
scheinlich gemacht, während die alten Histo-
riker darüber nichts Bestimmtes oder Falsches
melden, s. Makquardt a. a.0. 6. Mommsen Rom.
Gesch. I 444.
3) Mommsen Rom. Münzwesen 218; Rom.
Gesch. I 445.
4) Erhalten bei Polyb.11122, der aber irr-
tümlich als Datum das Jahr 509 angibt ; daß
es nicht in dieses, sondern ins Jahr 348 fällt,
hat Mommsen Rom. Chronologie 320 f. nach-
gewiesen.
5) Polybios drückt sich hier nur un-
bestimmt aus; angenommen wird es von
Mommsen Rom. Gesch. I 414.
6) Appian.Samn.7 bezeichnet ihn für das
Jahr 282 v. Chr. als naXaial ovvdtjxai, er war
also wohl schon lange vorher geschlossen
worden, s. Mommsen a.a.O. Wenn Baumstark
bei Pauly V 507 bemerkt, es sei hierbei nicht
um den Handel, sondern um Herrschaft ge-
gangen, so ist das schon richtig; aber ein Un-
terbinden des Handels in jenen Gewässern war
doch die natürliche Folge.
Vierter Abschnitt. Handel nnd Geldgeschäfte.
.;-;
geschlossen war. Und obschon sie allmählich den Zugang zum Meer. /u
innen trachteten und eine Anzahl Häfen der Westküste1) wie am adri-
schen Meere*) kolonisierten, so waren sie doch genötigt, im Jahr. 806 den
rtrag mit Karthago zu erneuern, sogar unter noch erschwerenden Be-
ingungen3), indem zwar die Italien und Sizilien betreffenden Abmachungen
estehen blieben, aber den Römern nicht nur die Befahrung der östlichen
fewässer, sondern auch die früher gestattete des atlantischen Meere« um. r-
j1 agt wurde, sowie der Handelsverkehr mit den karthagischen Untertanen
ta 1 Sardinien und Afrika, endlich wahrscheinlich auch die Festsetzung auf
■*' [orsika4). So lange also Rom dem mächtigen Rivalen die Superiorität zur
lzet ee nicht streitig machen konnte, sah es sich in seinem überseeischen Handel
lep ufs äußerste beschränkt. Dafür suchte es sich politisch und kommerziell
"I uf die griechischen Seemächte zu stützen: auf Massalia, mit dem seit alter
11 ]eit ein Freundschaftsverhältnis bestand und dessen Kauf leuten zum Dank
r u är die nach dem gallischen Brand geleistete Hilfe Handelsbegünstigungen
"gewährt wurden5); auf die mächtige Handelsstadt Rhodos6), auf Apollonia
"s" a Epeiros7) und auf Syrakus8).
Daß daher der Kaufmannsstand in Rom sich zu entwickeln anfing,
m renn auch von einem großzügigen Betriebe noch nicht gesprochen werden
™ :onnte, läßt sich nach alledem annehmen, und dafür spricht auch die Notiz,
w* aß bereits im Jahre 495 ein collegium mercatorum gegründet wurde9); denn
3ei venn es auch richtig ist, daß dies Kollegium, das sich im Tempel des Merkur
™ im Fuße des Aventin versammelte, Kultuszwecke hatte und identisch ist mit
ieD lern in späterer Zeit erwähnten Kollegium der Me retinales10), so müssen doch
,e" lie Mitglieder dieses Kollegiums Kaufleute gewesen sein11). Was das Ar
fotufleute waren, muß freilich dahingestellt bleiben12). Einer kräftigen Knt-
tficklung des Kaufmannsstandes war aber jedenfalls neben der früh ein-
getretenen unverhältnismäßigen Zentralisierung des Kapitals vornehmlich die
Sklavenwirtschaft hinderlich13); denn wie das Handwerk, so war auch der
Oeinhandel vielfach in den Händen von Sklaven, die von ihren Herren mit
lern Verkauf gewisser Produkte betraut waren und den Ertrag abliefern
mußten, oder von Freigelassenen, die mit den Kapitalien ihrer früheren
1) Liv. XXXVI 3, 6 nennt Pyrgi (denHafen
von Caere), Antium, Terracina, Minturnae und
Sinuessa; vgl. ebd. VIII 14, 8; X 21, 8. Vell.
Pat. I 14.
2) Nämlich Castrum novum, SenaGallica,
Ariminum, ßrundisium, s. Liv. epit. 1. XV;
XXXVI 3, 18. Vell. Pat. a. a. 0. Eutrop. II 16.
Vgl. über diese Kolonisierungen und ihre Daten
(zwischen 339 und 268) Mommsen a. a. 0.
3) Polyb. III 24.
4) Das schließt Mommsen 416 aus Serv.
ad Aen. IV 628.
5) lustin. XLIII5,9. Diod. XIV 93,5; vgl.
Mommsen 417.
8) Polyb. XXX 5.
7) Liv. epit. 1. XV.
8) Diod. XXIII frg. 4.
!') Liv. II 27, 5.
10) Cic.adQu.fr. II 5, 2. CIL XIV 2105; vgl.
Lieben am Rom. Vereinswesen 25. Walt/iv.
Etüde I 35; II 250.
1 ') Der Einweihungstag des Merkurtempels,
der 15. Mai, war der Festtag dieser Gilde, Liv.
II 21,7. Fest. 148,3.
") M.Voigt XII Tafeln § 166,8 und Rom.
Privataltert. 303 hält sie für mercatores fru-
mentarü und erklärt sie für eine vom Staat ge-
gründete Gilde von Spediteuren, die den Trans-
port des von jenem bei Notfällen im Ausland
gekauften Getreides zu vermitteln hatten, früh-
zeitig aber auch einen Zwischenhandel mit
treide auf eigne Rechnung übernahmen. Allein
ob jenes alte collegium mercatorum mit dem
in viel späterer Zeit nachweisbaren oatttfium
mercatorum frumentariorum (s. Liebknam 97.
Waltzing II 103 ff.) identisch ist, steht doch
ganz und gar dahin.
1S) Vgl. Mommsen 447.
624
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
Herren arbeiteten, sodaß ein kommerzieller Mittelstand, der sich durch zil
nehmenden Wohlstand hätte heben können, nicht möglich war. Dazu kar.
daß auf dem Kleinhandel von früh ab der Makel der des freien Bürgei
unwürdigen Arbeit um Geld lastete; denn es kann keinem Zweifel unte]
liegen, daß dies Vorurteil, das wir in viel späteren Zeugnissen ausgesproche
finden1), alten Datums war. Es traf freilich nur die kleinen Geschäftsleut'
nicht den Großhandel.
Die Entwicklung, die der Handel seit der Mitte des 3. Jahrhunderts v. Chi
nahm, geht mit der politischen Entwicklung Roms und den Erfolgen seine
auswärtigen Kriege, namentlich der die Seemacht Karthagos vernichtende
punischen Kriege, parallel2). Der erste punische Krieg brachte Rom, da
inzwischen zur See mächtig erstarkt war, die Herrschaft über Sizilien3
sodaß der Handel dorthin sich ohne Widerstand entwickeln konnte; wenig
Jahre später (237 v. Chr.) wurden infolge des libyschen Söldnerkrieges Sar
dinien und Korsika römisch4); und wenn auch der Besitz dieser Inseln fü
den Handel selbst nicht von besonderer Bedeutung war, so sicherte er docl
den Römern die Herrschaft im tyrrhenischen Meer. Auch im adriatischei
Meer bekamen sie freie Hand, indem im Jahre 229/8 die römische Flotte de
illyrischen Piraterie ein Ende machte und die Römer sich teils an der Ost
küste des adriatischen Meeres festsetzten, teils griechische Städte, wie Ker
kyra, Apollonia, Epidamnos. sich als Bundesgenossen verpflichteten5). Di«
völlige Niederwerfung der illyrischen Seeräuber (221) befestigte die Herrschaf
in der Adria endgültig und stellte längs der Küste zwischen den italischer
Eroberungen und den Erwerbungen auf dem anderen Ufer die Kontinental-
verbindung her6). Der zweite punische Krieg brachte dann Rom die Herr-
schaft in Spanien und die uneingeschränkte im ganzen mittelländischer
Meer7); Karthago war von einem mächtigen Handelsstaat fortan zu einei
wehrlosen Kaufstadt geworden.
Die Folge dieser zunehmenden Machtfülle Roms waren für den Hände
vor allem immer lebhafter werdende Beziehungen zum Orient. Den über-
seeischen Verkehr vermittelte jedoch nicht Roms Hafenstadt Ostia, derer
Hafenanlagen dazu nicht ausreichten; vielmehr wurde Ostia der Platz füi
die minder wertvollen Waren, besonders für die für die Hauptstadt bestimmte
Korneinfuhr8), der orientalische Handel aber ging über Puteoli, das einer
sehr guten Hafen hatte und auch durch den dicht bevölkerten Golf mit seiner
reichen Ortschaften und den Landhäusern der Vornehmen den Kaufleuter
einen guten Absatz bot9). Der Verkehr nach dem Osten ging von da zunächsi
über Korinth, später nach dessen Zerstörung über den großen griechischer
') So besonders Cic. de off. I 42, 151 : mer-
catura autem, si tenuis est, sordida putanda
est; sin magna et copiosa, multa undique ad-
portans multisque sine vanitate impertiens, non
est admodum vituperanda, atque etiam, si sa-
tiata quaestu vel contenta potius, ut saepe ex
alto in portum, ex ipso portu se in agros pos-
sessionesque contulit, videtur iure optime posse
laudari.
2) Vgl. Speck IH 2.1 ff.; 33 ff.
3) Polyb. 1 62; III 27. Vgl. Mommsen 534.
4) Polyb. I 79; 88. Liv. XXI 1, 5. Momm
sen 543 f.
5) Polyb. II Off. Zonar. VIII 19. Mommsei
551 f.
6) Polyb III 16 ff Appian. Illyr. 8. Zonar
VIII 20. Mommsen 560.
7) Polyb. XV 18. Liv. XXX 37.
8) Mercatores frumentarii in Ostia s. CII
XIV 161: 303; vgl Waltzing Etüde II 63: 107
9) Liv. XXXII 7,3; 29.4; XXXIV 45,1
Vell. Pat. I 15, 3. Strab. V p. 245.
HB
Vierter Abschnitt. Handel und Geldgeschäfte. 625
Handelsplatz Delos1), und nachdem diese Insel im mithridatisclu n Kriege
durch Archelaos vernichtet worden war, knüpften die Puteolaner direkte
9 Handelsverbindungen mit Syrien und Alexandreia an und machten ihre Stadt
immer mehr zum ersten überseeischen Handelsplatz Italiens2), der sie bis in
die Kaiserzeit hinein geblieben ist3).
Für diese Handelsbeziehungen zum Orient waren alsdann von nicht ge-
ringer Bedeutung die kriegerischen Erfolge der Römer im 2. Jahrhundert V.Chr.,
vornehmlich die Kriege gegen Makedonien und Syrien. Philipp von Makedonien
«iverlor 196 alle auswärtigen Besitzungen in Kleinasien, Thrakien, Griechenland
"Ifund auf den Inseln des ägäischen Meeres, seine Flotte wurde auf fünf Schiffe
beschränkt4). Bald darauf verlor Antiochos von Syrien seinen kleinasiatischen
Besitz an die Römer, seine Flotte fiel zum größten Teil in deren Hände und
wurde fortan auf zehn Schiffe beschränkt5). Der Krieg mit Perseus brachte
168 die Eroberung von Makedonien; zunächst zwar noch nicht dessen Besitz,
da das Land zu einem Gemeinbunde erklärt wurde, aber die Ausbeutung der
Gold- und Silberminen wurde den Makedoniern entzogen6), die Einfuhr von
Salz und die Ausfuhr von Schiffsbauholz verboten7); gleichzeitig wurde Otylien
in ähnlicher Weise behandelt, wurden die Pergamener gedemütigt, und Rhodos,
obschon es bisher mit Rom in festem Freundschaftsverhältnis gestanden hatte
und damals der erste Handelsplatz der griechischen Welt war, wurde nicht
nur seiner ertragreichen Besitzungen auf dem Festlande beraubt, sondern
noch tiefer dadurch in seinem Handel getroffen, daß die Römer Delos den
Athenern auslieferten und zum Freihafen machten, was den rhodischen Hafen-
zoll mit einem Schlag auf einen geringen Betrag herabsinken ließ8), während
Delos, das schon im 3. Jahrhundert v. Chr. ein bedeutender Handels- und
Stapelplatz geworden war, nun zu einer Welthandelsstadt wurde, die besonders
den Transithandel zwischen Orient und Occident vermittelte, wobei die römi-
schen Kaufleute, wie die auf Delos gefundenen Inschriften erweisen, den
Hauptanteil hatten9): nicht bloß Großkauf leute, sondern auch kleine nego-
tiatores, Freigelassene, sogar Sklaven, die Angestellte der großen Handels-
kompagnien der römischen Kapitalisten waren10).
So standen denn nun dem römischen Handel die Wege nach allen Seiten
hin offen, und ein gewaltiger Aufschwung auch auf merkantilem Gebiet war
die Folge der sich immer ausdehnenden Weltherrschaft, welcher sich, nach-
dem Karthago im dritten punischen Kriege vernichtet, Makedonien und
Griechenland zu römischen Provinzen geworden, Korinth, das sehr starke
Handelskonkurrenz gemacht hatte, zerstört worden war, keine Macht mehr
6) Allerdings wurde 158 die Ausbeutung
der Silbergruben wieder verstattet, s. Mommsen
772A.
') Polyb. XXVIII 9 f.; XXIX 1 f. Liv.XLV
18. Mommsen 771 ff.
8) Polyb. XXXI 7; 10. Mommsbn 777.
9) Von den 20000 Einwohnern, die im
mithridatischen Kriege niedergemetzelt wur-
den, war die Mehrzahl Italiker, Appian. Mithr.
28.
10) Vgl. Homolle Les Romains ä Delos.
Bull, de corr. hell. VIII (1884) 1 ff. v. Schöffbr
*) Daher nennt Lucil. 94 Lachm. (III 18
Müll.) Dicaearchia. wie Puteoli früher hieß,
Delum minorem.
*) Vgl. Mommsen II 395.
3) Cic.Verr. V 59, 154. Strabo a. a.O. Stat.
silv. III 5,74 ff. Sen. ep. 77, 1. Diod.V 13, 2.
Philostr. V. Ap.VII 12 p. 264 Kayser. Vgl. Be-
LOCHCampanien 114 f. Liebenam Rom. Vereins-
wesen 90 ff.
4) Polyb. XVIII 27. Liv. XXXIII 30. Plut.
Flamin. 10. Mommsen I 716.
5) Polyb.XXI13f.;XXII26i.Liv.XXXVII
45 ; XXXVIII 38. Mommsen 1 741 ; 744. | bei P.-W. IV 2484; 2493 ff
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft. IV. 2, 2. 3. Aufl.
626
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
politisch oder kommerziell in den Weg stellen konnte. Wie der Seehandel
so nahm auch der Binnenhandel immer mehr an Bedeutung zu, und die vor
trefflichen Straßen, die man überall in Italien anlegte, dienten, wenn sie aucl
zunächst zu militärischen Zwecken angelegt waren, doch auch dem Handels
verkehr1). Aber die Hauptsache blieb doch der überseeische Handel, dessei
Folge sich in dem Aufkommen einer besonderen Klasse der Großkauf leutt
geltend machte. Nachdem nämlich die schon oben erwähnte Lex Claudia von
Jahre 218 2) den Senatoren verboten hatte, größere Handelsschiffe zu besitzen
sodaß sie lediglich darauf beschränkt waren, den Ertrag ihrer eigenen Ländereiei
zu verwerten, nicht aber selbst Getreidespekulation im großen Stile treibei
durften3), so mußten die senatorischen Familien, die damals schon durch di(
Latifundien Wirtschaft im Besitz großer Kapitalien waren, diese großenteils
in Grundbesitz anlegen und auf ihren Gütern vornehmlich Viehzucht treiben
wenn sie nicht, wie das wohl öfters vorkam, als stille Teilhaber bei der
großen Handelsunternehmungen eintraten. Die eigentlichen Geld- und Handels-
geschäfte aber kamen in die Hände der Ritterschaft, wodurch der Geburts-
aristokratie nunmehr die Finanzaristokratie zur Seite trat4). Die Ritter
ursprünglich eine rein militärische Institution, waren bekanntlich mit dei
Zeit eine Steuerkategorie geworden; nachdem die Senatoren aus dem Ritter-
stande ausgeschieden waren5), waren es vornehmlich die vermögenden Kauf-
leute, die diesem Stande angehörten; in ihren Händen konzentrierten sich
die Geldgeschäfte und der Großhandel, und durch C. Gracchus erhielten sie
dann ihre bedeutungsvolle politische Stellung6). Als negoüatores1) wurden sie
in der republikanischen Zeit von den mercatores, als den Kauf leuten schlechthin,
unterschieden8); sie trieben freilich nicht bloß Handelsgeschäfte im großen,
sondern ganz besonders auch Geldgeschäfte, worauf unten zurückzukommen
ist. Namentlich aber widmeten sie sich dem immer größeren Umfang
annehmenden Getreidehandel; denn obschon die Versorgung der Haupt-
stadt mit Getreide zunächst Sache des Staates war, dem die cura annonae
1) Mommsen II 388 f. Vgl. neben der alten
Schrift von N. Bergier Histoire des grands che-
mins de l'empire romain. Nouv. ed.. 2 Bde., Brüs-
sel 1728, die Programme von F. Berger Ueber
die Heerstraßen d.röm. Reiches, Berlin 1882/83.
2) Vgl. S. 539.
3) Liv. XXI 63, 3: invisus (C. Flaminius)
etiam patribus ob novam legem, quam Q. Clau-
dius tribunus plebis adversus senatum atque
uno patrum adiuvante C. Flaminlo tulerat, ne
quis Senator cuive Senator pater fuisset mariti-
mam navem, quae plus quam trecentaruni am-
phorarum esset, haberet. id satis habitum ad
fructus ex agris vectandos; quaestus omnis pa-
tribus indecorus visus. Dies Gesetz darf aber
nicht (mit Baumstark a. a. 0. 508) als Beweis
dafür angeführt werden, daß die Römer dem
Handel ganz gleichgültig gegenüber standen
und stolz auf alles herabsahen, was Handel
hieß; es war überhaupt gar nicht durch den
Senat hervorgerufen worden, sondern einWerk
der demokratischen Opposition, die damit den
Uebelstand beseitigen wollte, daß Regierungs-
mitglieder mit der Regierung selbst Geschäfte
machten, s. Mommsen I 853. Das Gesetz war
freilich zur Zeit Ciceros anscheinend in Ver-
gessenheitgeraten, s. Cic.Verr. V 18.45, vgl. ebd.
II 49, 122; doch wurde es unter Cäsar erneuert,
s. Digg L 5, 3 und vgl. Mommsen Rom. Staats-
recht III 898.
4) Mommsen Rom. Gesch. I 853 f.
5) Ebd. II 70.
6) Ebd. II 109 f.
7) Die Hauptarbeit hierüber ist Ernesti
De negotiatoribus Romanorum, in dessen Opus-
cula (Lugd. Bat. 1776) p. 3ff.; vgl. Baumstark
a. a. 0. Cagnat bei D.-S. IV 45 ff.
8) Vgl. Cic.Verr. II 77, 188; III 41, 96; pro
Flacco 29, 70; pro Plane. 26, 64. Ebenso nego-
tiatio für den Großhandel, Cic. ad fam.VI 8,2.
Colum. VIII 1, 1. Sen. dial.XII 10, 6. Cic. de off.
1 42, 150 bezeichnet als sordidi quaestus, qui
mercantur a mercatoribus, quod statim ven-
dant, also die Kleinhändler; ebd. 151 unter-
scheidet er die mercatura tenuis, die sordida
ist, von der magna et copiosa.
Vierter Abschnitt. Handel und Geldgeschäfte.
<ii'7
|>blagl), so blieb doch noch ein beträchtlicher Teil der Einfuhr dem Privathandel
düberlassen. In den Provinzen kauften diese Großhändler die ErnteD auf»), sie
|ibernahmen die Lieferungen für die Armeen»), oder sie brachten das Getreide
jnach Rom in den Privathandel*). Außer Getreide waren es besonders Skla\ en,
Mie Gegenstand der Einfuhr nach Italien bildeten, da der Bedarf an solch, in immer
Igrößer wurde, die italischen Kriege aber keine mehr lieferten; alle Lfiader
Ides Mittelmeergebiets, vornehmlich aber Syrien und das innere Kleinasien,
Ihatten das Menschenmaterial für die Ungeheuern Sklavenherden der Vor-
Inehmen, für die Landwirtschaft wie für die Industrie, zu liefern6). Ferner
[kamen fast alle Luxusartikel, in Speisen wie in Getränken, in Kleidern and
[Hausrat, in Schmucksachen und Kunstwerken, von auswärts, während Italien
[selbst vornehmlich Wein und Öl exportierte und zumal mit ersterem auch
die Provinzen reichlich zu versorgen imstande war"). Zum Betrieb dieses um-
fangreichen Handels ließen sich sehr viele römische Kauf leute in den Provinzen
nieder7). Daß Delos ganz besonders von ihnen bevölkert wurde, ward schon
oben erwähnt8); neben Korinth, das infolge seiner Zerstörung bald aus der
Reihe der Handelsstädte ausschied, war namentlich Argos ein wichtiger Platz
für den römischen Handel9). Wie bedeutend die Zahl der zu Handelszwecken
in Kleinasien niedergelassenen Römer war, das wissen wir aus dem mithri-
datischen Kriege und der von Mithridates anbefohlenen Niedermetzelung aller
Italiker, der angeblich 80 — 150000 Menschen zum Opfer fielen10); nach der
Eroberung von Pontos waren römische Kaufleute dort nichts Seltenes11), wie
auch im übrigen Kleinasien solche überall anzutreffen waren18), sowie in
Syrien13). Im römischen Afrika war es besonders Utika, wo nach der Zer-
störung Karthagos, wohin sich vorher auch italische Kaufleute begeben
hatten14), der römische Handel blühte15); doch waren auch sonst, schon
im 2. Jahrhundert v. Chr., dann noch mehr im 1. Jahrhundert, römische
*) Vgl. Hirschfeld im Philologus XXIX
(1870) 1 ff.; ders. Die kaiserl. Verwaltungs-
beamten'2 S. 230 ff. Mommsen Röm. Staatsrecht
II3 502 ff. Marquardt Röm.Staatsverwalt. II2
110 ff. Humbert bei D.-S. I 273 f. (Dehler bei
P.-W. I 2316 ff. Rostowzew ebd. 126 ff.
2) Cic.proFlacco37,91.
3) Caes. b. Gall. VII 3; b. Afr. 36.
4) Daß die auf Rechnung der Regierung
nacli Rom gebrachten Getreidevorräte den Be-
darf der regelmäßigen Verteilung weit überstie-
gen, zeigt Kuhn Stadt, u bürgerl. Verfassung d.
röm. Reichs 1005 ff. ; es mußte also noch viel in
den Handel kommen. Vgl. Sen. de ben. VI 14, 3.
5) Zum Sklavenhandel vgl. oben S. 279 f.
Mommsen Röm. Gesch. II 75; 394.
6) Ueber Wein-Ein- und Ausfuhr s. oben
S. 198 ff.
7) Vgl. zum folgenden E. Kornemann De
civibus Romanis in provinciis imperii consisten-
tibus. Berlin 1891. C. Schulten De conventibus
civium Romanorum sive de rebus puMicis ci-
vium Romanorum mediis inter municipium et
collegium, Berlin 1892. V. Pärvan Die Natio-
nalität der Kaufleute im röm. Kaiserreiche,
Breslau 1909. Speck III 2, 285 ff.
8) Vgl. auch KORNEMANN S. 56 ff.
9) Von Niederlassung italischer Kauf leiite
daselbst in republikanischer Zeit geben In-
schriften Kunde, s. CIL I 595 f. (III 531 f.; vgl.
7265); über andere Beispiele (in Mantineia,
Thespiai u. s.) vgl. Kornemann 63 f. Pärvan
a. a. O. 8 f. Im allgemeinen wird die Aatied
lung römischer Kaufleute in Griechenland auch
bezeugtdurchCic.inPison.40,96.Plut.Sullal7.
,0) Val.Max. IX 2, ext. 3: MHkridaUm r#-
gem, qui una epistola LXXX cirlmn lüimano-
rum in Asia per urbes tuoolitltdi CfUMQ dis-
persa interemit. Vgl. App. Mit In. l'i' f. Korne-
mann a. a. O. 65.
>») Caes. b. Alex. 41 u. 70.
18) Oefters bei Cicero erwähnt, de imp.
Cn. Pomp. 7, 18; pro rege Deiot. 9, 26; ad Qu.
fr. I 1,1,6; besonders B. V u. VI der Briefe an
Atticus. Vgl. Kobnemann 102. Pärvan 12.
,s) Cic. Verr. V 60, 157; vgl. Hör. carm. I
31, 10 ff.
,4) App. Lib. 92. Kornemann 68. Pärvan 1 6.
1&) Sali. lug. 64, 5 spricht von der magna
mu/titiulo negotiatorum daselbst; vgl.Cic.Verr.
I 17, 70. Caes. b. civ. II 36; b. Afr. 68; 90. Dio
Cass. XLIII 10, 2.
40 •
628
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
Kornhändler und Bankiers überall im Lande ansässig x). In Ägypten zog natu
lieh Alexandreia, diese Welthandelsstadt, schon früh den römischen Handel an!
In Spanien gab es auch schon im 1. Jahrhundert v. Chr. zahlreiche Handel
genossenschaften (conventus) von römischen Kaufleuten3), besonders in Co
duba4) und Hispalis5). Ganz besonders aber wurde Gallien von ihnen au
gesucht, und vornehmlich war es der Weinhandel, der einen lebhaften Ve
kehr auf den Flüssen und zu Lande hervorrief und die Niederlassung vieh
römischer Kaufleute zur Folge hatte6). Schon im Anfang des 1. Jahrhunden
v. Chr. war die Einwanderung Handel treibender Italiker im römischen Gallie
ungemein groß7); Cäsar traf bei seinen gallischen Feldzügen fast überall
solche an; neben den mercatores, die nicht ansässige Händler waren und ihr
Waren auf Reisen im Lande absetzten9), dienten sie ihm teils als Korr
lieferanten, teils als Kundschafter10). Diese negotiatores kamen nicht blo
von Südfrankreich aus ins Innere und nach dem Norden, sondern sie wählte
auch den damals gefährlichen und wegen der hohen Zölle, die die Anwohne
für den Warendurchzug verlangten, auch kostspieligen Weg über die Alpen11'
Als Handelsstadt kam besonders Narbo, wo schon bei der Besetzung durc;
die Römer ein lebhafter Handel bestand, in Blüte12).
So linden wir denn im 1. Jahrhundert v. Chr. den römischen Handel ii
Italien wie in den Provinzen in einem lebhaften Aufschwung begriffen. Di<
Wirren der Bürgerkriege mögen da und dort einen Stillstand oder einei
Rückschritt bewirkt haben, und die Folgen davon, wenn sie auch zunächs
wesentlich den italischen Binnenhandel betrafen, mögen auch dem über
seeischen fühlbar geworden sein, zumal die Seeräuberei, die im 2. und zi
Anfang des 1. Jahrhunderts der Kauffahrtei großen Schaden zugefügt hatte
bis Pompeius ihr ein Ende machte, nach der Schlacht bei Pharsalos wiede]
auflebte13). Als indessen mit der Monarchie auch zur See geordnetere Zu-
stände eintraten und im Innern Ruhe herrschte, blühte auch der Handel un
') In Vaga, Cirta, Thapsos, Zama, Hadru-
metum, Thysdra, vgl. Sali. lug. 26, 1 u. 3 ; 47, 1.
Caes. b. Afr.36; 97. KoRNEMAXN69f. Parvan 19f.
2) Die Inschr. Homolle Bull, de corr. hell.
VIII (1884) 107 wird von Dittenberger ins
Jahr 127 v.Chr. versetzt, von andern später,
s. Kornemann 69 A. 6. Parvan 17. Vgl. CIL
III 7241; X 1797.
3) Caes. b. civ. II 18; b. Alex. 56.
4) Caes. b. civ. II 19; b. Alex. 57 f.
5) Caes. b. civ. II 20.
6) Poseidon, b. Diod. V 26. 3 erzählt von
der Vorliebe der Gallier für Wein, der damals
dort noch nicht kultiviert wurde : dto xal noXXol
xtäv IxaXixcöv ifiJtÖQcov 8ia xijv avvrjßrj cpiXaqyv-
giav sg/naior r^yovvxai rtjv xwv Takarmv (piXotviav.
ovxoi yag 8ca fisv xwv jzXojxwv jioxafxöJv nXoioig,
öia de zfjg jzediädog %woag ä/iäg~aig xojxi^ovxeg
xov oivov, dvziXa^ßdvovai xi/xfjg jzXfj&og dniaxov
bibövxeg ydg ol'vov xsgd/xiov dvxiXa^ißdvovoi jiaida,
xov Tiofxaxog öidxovov d/isißofisvot. Vgl. die Zu-
sammenstellung der negotiatores vinarii in
Gallien bei Waltzing Etüde IV 110 n. 118.
7) Cic. pro Font. 5,11: referta Gallia ne-
gotiatorum est, plena civium Romanorum ; nemo
Gallorum sine cive Romano quiequam negoti
gerit ; nummus in Gallia nullus sine civium Ro
manorum tabulis commovetur; vgl. ebd. 5, 12
6, 15 ; 14, 32 ; 20, 46. Kornemann 72. Parva* 22
8) Bis zu den Ubiern und Sueben wagtei
sie sich, Caes. b. Gall. IV 2 f.; bloß zu den Bei
gen drangen nur wenig Kaufleute vor, ebd. 1 1
9) Diese Händler folgten überhaupt dei
römischen Heeren, teils als Lieferanten, s.Caes
b. Afr. 75 : lixarum mercatorumque, qui plostri,
merces portabant, intereeptis sarcinis, teils ah
Aufkäufer der Kriegsbeute, Sali. lug. 44, 5
App. Lib. 115 f.; vgl. Pärvan 20.
10) Caes. b. Gall. VII 3; sie mußten freiliel
oft gegen die ihnen feindlich gesinnte ße
völkerung geschützt werden, vgl. VII 42; ebd
55. Auch die beim Aufstand der Arveine:
unter Vercingetorix niedergemetzelten Röme:
waren wohl großenteils Kaufleute, s. Dio Cass
XL 33, 1.
11 ) Ueber den großen St. Bernhard, Caes
b. Gall. III 1.
12) Diod.V38,5 nennt es ueytozov ifmjzoQioi
xwv iv sxeivoig xolg xojioig; vgl. Strab. IV 186
,3) Vgl. Mommsen III 433 f.
Vierter Abschnitt. Handel und Geldgeschäfte. ,; "t
4) lebhafter wieder auf, und er hat es während der ganz« in EftipeneN zu
''feiner stattlichen Höhe gebracht, indem die Macht and «las Ansehen de« Welt-
reiches die Handelsunternehmungen im Auslände nicht minder begünstigte,
4ls die Einheit des Rechts, der Münze und von Mali und Gewicht1).
4-ömische Denar war allgemein gültige Reichswährung, mit der ebensogut in
Italien wie in den Provinzen Zahlungen geleistet werden konnten, ausgenommen
fcypten, wo auch in der Kaiserzeit nach Drachmen gerechnet wurde; nament-
lich in der westlichen Reichshälfte war er das einzige kursierende Silbergeld,
•[während in der östlichen daneben die alte Silberwährung als provinziale Münze
(fortbestand2). Weitaus der größte Teil des Handels spielte sich al rkehr
ab: nicht bloß, daß der Transport zur See dem umständlichen und langwierigen
jzu Lande, wo irgend möglich, vorgezogen wurde, auch die Kaut leute selbst
mußten, bei der Unzulänglichkeit und Unsicherheit des Briefverkehrs, der
jja im ganzen Altertum niemals auf eine höhere Stufe gekommen ist3), einen
Igroßen Teil des Jahres (nur im Winter ruhte meist der Schiffsverkehr) auf
Seereisen zubringen, was den Dichtern, die ohnehin dem Kaui'inannsstande
nicht freundlich gesinnt sind, oft Gelegenheit gibt zu Tiraden über den
Mut und die selbst die größten Gefahren nicht scheuende Gewinnsucht des
i Kaufmanns4); auch Inschriften berichten von solchen weiten und häufigen
Fahrten5). Und wie alle Meere von den Handelsschiffen befahren wurden6),
• so wurden auch die fernsten Länder, die der damaligen Welt bekannt waren,
(aufgesucht. Mit dem Besitz Ägyptens waren auch die südlichen Meere «lein
[Handel eröffnet, Persien und Indien auf dem Seewege erreichbar7); bis zum
äußersten Äthiopien, weit die Ostküste Afrikas hinab, andrerseits bis zum
(persischen Golf gingen die Handelsflotten8). Im atlantischen Meere hatte der
Seeverkehr mit Britannien schon zur Zeit des phönikischen Handels bestanden,
zumal das zur Bronzetechnik unentbehrliche Zinn von dort geholt wurde9);
zur römischen Zeit pflegte man es allerdings nicht mehr auf dem Seewege,
sondern über den Kanal nach Gallien und von da durch Landtransport nach
der Südküste, besonders nach Massalia, zu bringen, von wo es dann weiter-
geführt wurde10). Andrerseits dehnte sich auch der Landhandel nach entfernten
Gegenden immer mehr aus; die Seidenwaren der Chinesen oder der Serer,
') Für das Folgende vgl. Friedländer
Darstell, aus d. Sittengesch. II 55 ff. ; zum Han-
delsrecht L. Goldschmidt Handbuch des Han-
delsrechts (Stuttgart 1891) I 58 ff.
2) MoMMSENRömischesMünzwesen729ff.;
für die ägyptische Münzwährung siehe ebenda
722 ff.
s) Siehe oben S. 467 ff.
4) Besonders Horaz, s. carm. I 1,15; 31,
13 f.; III 24. 36 ff.; sat.I 1, 6; 4, 29; ep.I 1,45;
6, 32 f.; 16,71; a. p. 117. Vgl. Tib. I 3, 39 f.
torum onnüiim admtlsu HCtvigat, Md Uteri, non
8cientia4, fratia. Vgl. luv 14, 887 ff.
7) Der Periplus maris Ery thraei, der für ale-
xandrinische Kauf leute die Fahrt von der Ost-
küste Afrikas zum Vorgebirge Rhapton jenseits
Sansibars und der Malabarküste bothroibt,
wird von Dillmann Monatsber. d. Berl. Akad.
1879, 419 ff in die erste Hälfte der Regierung
Vespasians versetzt; vgl.FABRicius in (WC Km
leitung zu seiner Ausgabe, Leipzig 1883. Da
der Zweck der Schrift offenbar .in kommer-
6) CIG 3920 rühmt ein Kaufmann aus zieller war. ist darin besonders auf die Häfen,
Hierapolis in Phrygien, daf3 er 72mal über in denen Kauffahrteischiffe ank'u.n kraut«,
Kap Malea nach Italien geschifft sei: die Grab- und auf die Produkte und Industrieerzeug-
schrift eines C. Octavius Agathopus in Puteoli nisse, die an den einzelnen Orten zu kaufen
meldet von seinen ermüdenden Reisen vom waren, Rücksicht genommen.
Orient zum Occident, CIL X 2792. 8) Strab. XVII 798 ;vgl XVI T.O.DioCass.
6) Plin. II 118: namque mores hominum ! III 18.3. Plin.VI 102 ff.; 160; 178 l
pnuere, non fruetus, et inmensa mnltitudo j 9) Vgl. Blümnkr Technologie IV 81 ff.
aperto, quodeumque est, mari hospitalique li- | 10) Strab. III 147. DioCass.V 22.
630
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
wie die Alten das ihnen die Seide liefernde Volk nannten1), kamen auf der!
Karawanenwege nach dem parthischen Reiche und von da nach dem Occident2)!
Kamele brachten die Waren, die in Häfen des Roten oder des PersischeiB
Meeres ausgeschifft wurden, nach Koptos3); der Bernstein, den schon dil
Phönikier auf dem Seewege von der Ostseeküste geholt hatten, scheint bereit!
von den Etruskern auf dem Landwege geholt worden zu sein4), und auch iil
der Kaiserzeit ist der Handel diese Wege gegangen5), wofür Fundstücke deil
Beleg bieten, die aus Niederlassungen römischer Kaufleute in Deutschland
herrühren, da nicht nur der Bernstein die Händler so weit führte, sondern
überhaupt Handelsinteressen die Kaufleute bis weit nach Norden führten6)
Denn je mehr der römische Handel erstarkte, je weiter die Grenzen den
Reiches sich ausdehnten und die in fremden Ländern sich niederlassender
Kaufleute auf den Schutz ihrer Interessen und ihrer Person durch die römi-
schen Legionen rechnen durften, um so größer wurde die Zahl der römischen
oder italischen Händler, die dauernd in der Fremde, in den Provinzen und
darüber hinaus ihre Faktoreien errichteten oder sonst Handelsgeschäfte trieben.
Erfahren wir doch aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. von negotiatores, die sich
bei den Markomannen in Böhmen niedergelassen hatten7).
Es sind namentlich die Inschriften, die uns von diesen römischen Kauf-
leuten außerhalb Italiens in der Kaiserzeit Kunde geben8). Dabei ergibt sich
freilich für manche Gegenden die eigentümliche Erscheinung, daß für die
Kaiserzeit viel weniger Belege für dort niedergelassene cives Bomani negotiantes
vorliegen, als für die letzte Zeit der Republik. Das ist der Fall in Sizilien,
wo sich gar keine Zeugnisse finden9); für Griechenland, dessen Handel und
Verkehr in der Kaiserzeit freilich sehr an Bedeutung eingebüßt hatte10), sind
sie spärlich11), ebenso in Makedonien und Thrakien12). Häufiger begegnet man
ihnen auf den griechischen Inseln, besonders Euboia, Lesbos, Chios, Samos,
Kos, Rhodos, Kypern, Kreta13), sowie in Kleinasien, und zwar sowohl in
Paphlagonien und Bithynien, als zumal in der Provinz Asia14). Dagegen
J) Vgl. oben S. 245.
l) Vgl. Friedländer a. a. 0. 61 f.
3) Plin.VI 102 f.
4) Vgl. H. Genthe Ueber den etruskischen
Tauschhandel nach d. Norden, n. Aufl. (Frank-
furt a. M. 1874) S. 101 ff. J. N. v. Sadowski Die
Handelsstraßen d. Griech. u. Römer, a. d. Poln.
v. A. Kohn, Jena 1877. F. Waldmann Der Bern-
stein im Altertum (Fellin 1883) S. 65. Blümner
bei P.-W. III 298 f.
5) Plin. XXXVII 45, wonach die Straße
nach der Ostseeküste von Carnuntum in Pan-
nonien ausging.
6) L. Wiberg Der Einfluß der klassischen
Völker auf den Norden durch den Handels-
verkehr, deutsch v.J. Mestorf, S. 44 ff.; 100 f.
7) Tac. ann. II 62; vgl. Germ. 23.
s) Vgl. die oben angeführten Abhand-
lungen von Kornemann und Pärvan, bei letz-
terem besonders S. 74 ff.
9) Kornemann 54; Parvan 7 sucht die
Erklärung dafür darin, daß das griechische
Element auf der Insel, nachdem diese ganz
zu einem italischen Landstrich geworden war,
in der Folgezeit die ökonomische und über-
haupt kulturelle Führung wieder an sich riß,
überhaupt aber die Blütezeit Siziliens unter
römischer Herrschaft in die republikanische,
nicht in die Kaiserzeit fällt. Zu Ciceros Zeit
gab es viele römische Kaufleute auf der Insel,
vgl.Verr.II 3,6; 6,17; V61, 158; proFont.6,15.
10) Vgl. Mommsen Rom. Gesch. V 268 f.
") In Mantineia, Elis, Pagai, Thespiai,
s. Parvan 8 f.
,2) In Beroia, Edessa, Sestos, Parvan 9. In
der republikanischen Zeit scheinen sie häufiger
gewesen zu sein, s. Cic. in Pis. 40,96; ad fam.
XIII 53. 2. Caes. b. civ. III 102. Kornemann 64.
u) Kornemann 63. Parvan 10 f.
14) Speziell in Kyzikos, Ilion, Assos. Perga-
mon, Smyrna, Klazomenai, Erythrai, Tralles,
Stratonikeia, Kaunos, Laodikeia, Hierapolis,
Gordion, Traianopolis, Prymnessos, Thyateira,
ferner in Lykien, Pisidien, Kilikien, s. Korne-
mann 66 f. Parvan 11 ff. Bezeichnend ist auch
Hör. ep. I 6, 32: cave ne portus occupet alter, \
ne Cibyratica, ne Biihyna negotia perdas; vgl.
Mommsen a. a, O. 332.
Vierter Abschnitt. Handel und Geldgeschäfte.
631
scheinen in Syrien die Römer wiederum mehr durch die Einheimischen ver-
hängt worden zu sein, obschon die Handelsbeziehungen Italiens zu Syrien.
er wertvollen Landesprodukte halber, lebhaft waren1) und Handelsverkehr
ber Petra und Ktesiphon durch römische Kaufleute bezeugt ist»). Im
pten ergeben die Papyri nur wenig Beispiele von römischen Geschäu-
mten aus der Kaiserzeit3), indessen ist. bei der zahlreichen Besatzung, den
vielen Beamten und römischen Kolonisten, anzunehmen, daß der Hand« I.
wie schon in der vorhergehenden Epoche, vielfach in römischen Händen
lag4). Auch in der Provinz Afrika haben die römischen Großhändler für die
Kaiserzeit keine Bedeutung mehr; während zahlreiche Kolonisten sich dorl
ansiedelten, viele Großgrundbesitzer ausgedehnte Territorien und prachtvolle
Landhäuser besaßen5), konnten Industrie und Handelsverkehr sich mit den
Verhältnissen des Orients nicht messen; Großkauf leuten begegnen wir in
Afrika in der Kaiserzeit nirgends6). Um so zahlreicher sind sie dagegen in
dem schon viel früher und viel vollständiger der römischen Kultur zugänglich
gemachten Spanien7). Wir finden hier die conrentus der geschäftstreibenden
römischen Bürger in Baetica schon im 1. Jahrhundert v. Chr.8); zahlreiche
Gilden von navicularü besorgten später den Export von Korn und Öl, die als
offizielle Abgabe nach Rom gingen9); außer dem spanischen Öl, das besonders
berühmt war10), wurden namentlich auch marinierte Fische und Fischsauce
marum) dort erzeugt und exportiert, und das besonders beliebte garum
sociorum war das Fabrikat von Handelsgesellschaften in Neu-Karthago und
Carteia11). Weniger kommt Britannien in Betracht. Zwar waren zur Zeil
Cäsars römische Händler von Gallien aus hinübergegangen, aber ins Innere
des Landes vorzudringen hatten sie sich nicht getraut12). Im 1. Jahrhundert
der Kaiserzeit war aber die Zahl der italischen Kauf leute schon erheblich
gestiegen13); London (Londinium) hatte damals eine große Zahl von tugotiaton i
und lebhaften Handelsverkehr14). Aber weit ins Land hinein ging man auch
damals noch nicht; von Irland kannte man nur die Häfen, die allerdings von
Handeltreibenden besucht wurden15). Es ist daher begreiflich, daß Inschriften,
die auf römischen Handel und Handwerk Bezug haben, in Britannien sehr spär-
lich vorkommen1 6). Um so häufiger finden wir sie in den gallischen Provinzen • 7),
^Hor.carm. 131, 10f.Tac.ann.II 82; vgl. die
mercatores qui Alexandr(iai) Asiat Syriai nego-
tiantur, auf d. puteolanischen Basis, CIL X 1 797.
KORNEMANN 69. PÄKVAN 16. MoMMSEN 466 ff.
*) Strab.XVI 779. Dio Cass.LXVIII 30,3.
3) Parvan 18 f.
4) Vgl. Mommsen 576 f.
B) Siehe ebd. 647 ff.
6) Die auf afrikanischen Inschriften bis-
weilen vorkommenden cives Bomani oder cott-
ventus civium Romanorum (s. Kornemann 107)
sind nicht Kaufleute, sondern Kolonisten, s.
Parvan 20.
7) Mommsen 67 f. Kornemann 71 f. Par-
van 20 ff. Waltzing Etüde III 3 ff.
8) Caes. b. civ. II 18 ff.; b. Alex. 56 ff.
9) Cod. Theod. XIII 5, 4 u. ö. ; vgl. Dressel
zum CIL XV 560 f. (Henkelinschr. vom Monte
Testaccio in Rom).
10) Siehe oben S. 191.
») Plin. IX 66; XXXI 94. Sen. ep. 95, 25.
Mart. XIII 102.
12) Caes. b. Gall. IV 20 f.
15j Unter den beim Aufstande des J. 61
n. Chr. niedergemetzelten 70—90000 Römern
und römischen socii (Provinzialen, besonders
wohl Gallier), wobei die Zahl allerdings stark
übertrieben erscheint (vgl. Tac. ann. XIV 33.
Dio Cass. epit. LXII 1,1), waren sicherlich viele
Kaufleute, daneben allerdings angesiedelte
Grundbesitzer und Kolonisten. Vgl. Kornb-
mann 78. Parvan 29 f. Mommskn 164.
»«) Tac. a. a. O.
,B) Tac. Agric. 24.
16) Vgl. Waltzing a. a. O. III 351 ff.
,7j Kornemann 72 f. Parvan 24 f. Die auf
Kollegien von Handwerkern und Kaufleuten
bezüglichen Inschriften aus GalliaNarbonensis
s. Waltzing III 520 ff., aus Aquitanien und
Gallia Lugdunensis ebd. 554 ff.
632
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
wo der römische Weinimport und der gallische Export von Schlachtvieh , Wollen-I
webereienu.a.m. auf dem vorzüglich ausgebautenStraßennetzlebhaftenHandels-
verkehr mit Italien bewirkte1). Im römischen Germanien hatte die militärische
Besetzung der Grenzen selbstverständlich auch die Niederlassung von römischer]
Kauf leuten zur Folge, die in den unter dem Schutz der Wälle angelegten Lager-
dörfern, den canabae2), ihre Niederlagen hatten und daher auch als canabetises
oder consistentes in canabis bezeichnet werden3). Auch in der stark von den
Römern besiedelten Schweiz treffen wir die Spuren ihrer Händler4), ebenso in
Raetien und Norikum5), in Pannonien, Moesien, Dakien6), sowie in Illyrikum7).
Wenn wir so in der Kaiserzeit römische oder italische Großhändler — ■
denn meist handelt es sich um solche, nicht um kleine Geschäftsleute, —
fast überall in den Provinzen und zum Teil noch über die Grenzen des Reiches
hinaus antreffen, so ist auch das Umgekehrte nicht selten, daß die Pro-
vinzialen, und zwar vornehmlich Griechen und Orientalen, sich zum Betriebe
des Großhandels in Italien niederließen. In Rom und Ostia herrscht allerdings
in den ersten Jahrhunderten der Kaiserzeit die italische Kaufmannschaft gegen-
über allen anderen Nationalitäten vor8). Das römische corpus magnariorum,
das im Jahre 304 n. Chr. auf einer Inschrift als schon länger bestehend er-
scheint9), bestand sicherlich nur aus Italikern, obschon wir nicht sagen können,
was für Großhändler das waren10); aus anderen Inschriften sind uns Ver-
eine von Großhändlern mit Wein, Ol, Getreide, Brot, Schlachtvieh, Holz,
Leder, Ziegeln, Gefäßen usw. bekannt11), und auch da scheint es sich wesent-
lich um Italiker zu handeln. Unter den Eigennamen von Großhändlern aber,
die die Inschriften bieten, finden sich viele griechische und auch einige
orientalische, und man sieht in deren Trägern gewiß mit Recht romanisierte
oder italisierte Griechen und Orientalen, die entweder Söhne von Freigelassenen
oder selbst Freigelassene waren, die, als Sklaven nach Italien gekommen, durch
Geschicklichkeit oder Betriebsamkeit sich ein Vermögen erworben hatten, das
ihnen gestattete, sich freizukaufen und auf eigene Faust ein Geschäft zu
gründen12). Andere Inschriften, bei denen dem Namen die Herkunft beigefügt
') Mommsen V 98 f.
2) Vgl. Schulten bei P.-W. IV 1451 ff.
3) CIL III 1008; 1100; 6166; 7474 u. s.;
vgl. Schulten a. a. O. 1453 f.
4) CIL XII 2618 (stark abgekürzt: Kura-
tor) c(ivium) R(omanorum) c{onventus) He(lve-
tici); XIII 5013; 5221. Kornemann 74 f. PÄr-
VAN 27.
6) CIL III 5212, wo unter den cives Ro-
mani ex Italia et aliis provinciis in Raetia con-
sistentes gewiß mit Parvan 30 vorwiegend an
Kaufleute zu denken ist; ebd. 13542: negotia-
tores ßrigantienses.
6) Vell. Pat. II 1 10, 5 f. ; vgl. Parvan 32 f.,
der darauf hinweist, daß die kommerzielle
Tätigkeit dieser Provinzen einen durchaus
provinzialen Charakter trägt.
7) Besonders in dem Hauptstapelplatz
Nauportus, der an der Hauptstraße von Italien
nach den Donauprovinzen lag, Kornemann
76 f. Parvan 31.
8) Parvan 35 ff., mit den inschriftlichen
Belegen; vgl. das Verzeichnis der Kollegien
in Rom und Ostia bei Waltzing III 167 ff.
9) CIL VI 1696; vgl. Waltzing II 108; 377;
III 206 n. 760.
10) An eine Vereinigung sämtlicher Groß-
kaufleute Roms ist nicht zu denken, denn die
Inschrift zeigt, daß die Gesellschaft sich in
höchsten Finanznöten befunden hatte, aus
denen sie die Munifizenz des damaligen Prae-
fectus urbi befreite.
n) Vgl. Waltzing IV 1 ff. Parvan 38.
12) Parvan 39. Ein litterarischer Beleg
dafür ist die Karriere des Trimalchio, der, als
junger Sklave von Kleinasien nach Italien ge-
kommen, Liebling seiner Herrschaft wurde,
von der er ein hübsches Vermögen erbte ; frei
geworden, trieb er zur See Handel mit Wein,
Pökelfleisch, Parfüms, Sklaven u.a. und wurde
dadurch reich, worauf er sich zur Ruhe setzte
und nur noch durch seine Freigelassenen Geld-
geschäfte machte, Petron. 76; vgl. Friedländer
zur Cena Trimalchionis 352.
Vierter Abschnitt. Handel und Geldgeschäfte.
638
;t, lehren uns aber nur wenig Griechen kennen1); es scheint, als ob dfo
»riechen, denen wir in der Kaiserzeit sonst so oft als inten, Lehrern,
Künstlern, Musikern u. a. m. begegnen2), im römischen Bande] keine Bolle
Ipielten. Unter den Asiaten finden wir Paphlagonier und Küikier*), Smyroii
|or allem aber am häufigsten Syrer, die überhaupt in der Kaiserzeit unter
eii nicht römischen Kaufleuten an erster Stelle stehen und an eilen llandels-
Jlätzen des Reichs sich niedergelassen hatten6); wir finden in Rom Kaufleute
ns Tyros, Tiberias, Gaza, Palmyra, die Faktoreien in der Hauptstadt hatten
Ind zum Teil eigene Kolonien mit ihrem von der Heimat mitgebrachten
Cultus bildeten6). Aber noch stärker als in Rom scheint der fremdländische
Einschlag in der Kaufmannschaft von Puteoli gewesen zu sein, wo zu Anfang
[es 1. Jahrhunderts n. Chr. eine Vereinigung von Kaufleuten besteht, die mit
llexandreia, Kleinasien und Syrien in Handelsverbindung stehen7), ein Ver-
lehr, der auch sonst bezeugt ist8). Besonders stoßen wir hier auf Afrikaner9),
lüeinasiaten10) und namentlich wieder auf Syrer11); die Tyrier hatten hier eine
raktorei, die sich allerdings nicht immer rentiert zu haben scheint1*); ferner
»raren Syrer aus Bery tos, Heliopolis, Damaskos usw. dort angesiedelt 1 3). — Neben
ruteoli und Rom nebst Ostia kamen als italische Handelszentren vornehmlich
loch Mediolanium und Aquileia in Betracht, wo man Alexandriner, Galater und
Indere Orientalen antrifft14). Abgesehen von diesen wichtigsten Handelsstädten
Ivaren aber Griechen wie Ägypter und Orientalen auch sonst als Kaufleute in
Italien zerstreut, wie Inschriften aus Verona, Pola, Concordia. Ravenna, Luna,
Interamna, Capua, Beneventum, Neapolis, Pompeji, Brundisium lehren16).
Daß aber diese betriebsamen Ausländer sich nicht auf Rom und Italien
beschränkten, sondern auch in den Provinzen des römischen Reiches sich zu
Handelszwecken niederließen, ist begreiflich; und so finden wir in der Tat
Griechen, Kleinasiaten, Syrer, Ägypter und Afrikaner nicht nur in den Pro-
tinzen des Ostens als Kaufleute tätig16), sondern auch im Westen und Norden,
In Spanien, Gallien, Germanien, Britannien17), Dalmatien, Norikum, Pannonien,
l) Siehe die wenigen darauf bezüglichen
Inschriften bei Pärvan 89.
s) Vgl. luv. 3, 76: grammaticus rhetor
meometres pictor aliptes \ augur schoenobates
mudicus magus, omnia novit \ Graeculus esu-
wiens; der Kaufmann fehlt also.
s) CIL VI 9675.
4) CIG 5888 (doch ist die Ergänzung un-
Igewifi).
5) Vgl. P. Schepfer-Boichorst Zur Ge-
schichte der Syrer im Abendlande, in den Mit-
Iteil. d. Instit. f. österr. Geschichtsforschung VI
■ 1885) 521 ff. L. Brehier Les colonies d'Orien-
itaux en Occident au commencement du moyen-
tege. Byzantin. Zeitschrift XII (1903) 1 ff. (die
IZitate verdanke ich Pärvan S. 110 f.). Vgl.
IFriedländer Sittengesch. I 347 f. Mommsen
IV 467. Liebenam Rom. Vereinswesen 91 A. 2.
6) Belege bei Pärvan 116 f.
7) CIL VI 1797: mercatores qui Älexan-
\4r(iai), Asiat, Syriai negotiantu{r).
8) Siehe oben S. 631 A. 1 ; puteolanische
Waren werden in einem Papyrus des 2. oder
3. Jahrh. n. Chr. angeführt, s. Pap. Tebtyn. II
n. 413 (nach Pärvan 100).
9) CIL X 1684.
10) PÄRVAN 108.
») Ebd. 114 f.
u) In der Inschrift CIG 5853 (vgl. CIL X
1601)ausdem J. 174 n. Chr. ersuchen sie in einer
Eingabe an die Mutterstadt um Subvention, da
sie die großen Kosten der Miete ihrer I u-liäude
und der Repräsentation nicht mehr aufbringen
könnten und die syrischen Händler, die nach
Puteoli kämen, keine Beiträge leisteten ; vgl.
Mommsen BSGW 1850. 57 ff. Libbbnam 90 f.
,s) Vgl. CIL X 1576; 1578 f.; 1634; 1746;
1985.
u) Pärvan 100; 110.
I6) Vgl. ebd. 128.
»•) Ebd. 92 ff.
") So z.B. Syrer in Trier, CIG 9891 R
(Mommsen V 467 A.3): in Heidelberg CIL XIII
6409; inSouth-Shields in England, PaKTAX 119;
Afrikaner (Karthager, Libyer u. a.) in Kanum
Martis CIL XIII 3147; in Miltenberg (in Germ,
super. ) ebd. 66 12 (allerdings mit sehr unsicherer
Ergänzung) ; vgl. Pärvan 68.
634 Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
Moesien. Dakien1); im Norden des Schwarzen Meeres, wo der griechisch
Handel schon seit frühen Zeiten sich sehr lebhaft entwickelt und befestig
hatte2), hatte er auch in der Kaiserzeit anscheinend die Oberhand3).
Auffallend kann erscheinen, daß unter den im Ausland ansässigen orien
talischen Kaufleuten die Juden keine Rolle spielen, obschon ihre Niedei
lassungen in Italien selbst wie in allen Provinzen des Reiches sehr zahlreic
waren4). Daß sie daselbst Handel getrieben haben, ist auch zweifellos; abe
allem Anschein nach war das weit mehr im Orient der Fall, als im Wester
wo sie in der Litteratur uns nur als Krämer, Bettler u. dgl. begegnen5). Gegei
den Ausgang des Altertums hin haben sie allerdings wie die Syrer, mit denei
sie überhaupt hinsichtlich ihres Charakters und ihrer Betriebsamkeit vie
Ähnlichkeit haben, den ägyptischen Handel nach Italien und Gallien wesentlicl
vermittelt6); und wenn die Zeugnisse dafür, daß die in den großen Handels
städten niedergelassenen Juden vornehmlich vom Handel lebten, in den In
Schriften gänzlich fehlen7), so wird das zum Teil wohl darin seinen Grun(
haben, daß bei ihnen Veranlassung zur Anbringung von Inschriften, auf denei
sie Namen, Herkunft und Gewerbe angaben, infolge ihrer Abgeschlossenhei'
und ihres Festhaltens an ihren Kultusformen kaum vorhanden war8).
Weit seltner, als bei den Provinzialen des Ostens, scheint es vorgekommei
zu sein, daß solche der westlichen und nördlichen Provinzen außerhalb ihrei
Heimat sich zu Handelszwecken ansiedelten. Am häufigsten ist es der Fall be;
Gallo-Romanen, da Industrie und Handel sich in Gallien mächtig entwickeli
hatten und die Bewohner zumal in Ol, Nutzholz, Wollenwebereien u. a. m.
wie mit dem Ausland so auch im Ausland selbst lebhaften Handelsverkehr
trieben. Besonders in den Grenzgebieten, in Belgien, an Rhein und Mosel, in
der Schweiz treffen wir auf gallische Kaufleute9); seltner in den entfernteren
Provinzen10), wo am häufigsten Trevirer unter ihnen zu finden sind11). Ger-
manische Provinzialen finden wir vereinzelt außerhalb tätig12), ebenso Spanier13)
und Provinzialen aus den Donauländern14).
Fassen wir all das bisher Betrachtete zusammen, so ergibt sich, daß in
der Kaiserzeit der Welthandel auf einer hohen und achtunggebietenden Stufe
x) Parvan an zahlreichen Stellen, vgl.
die Indices S. 127 ff.
2) Vgl. K. D. Hüllmann Handelsgesch. d.
Griechen 134 ff. Speck Handelsgeschichte II
445 ff.
3) Parvan 86 f.
4) Vgl. E. Schübek Gesch. d. jüdischen
Volkes im Zeitalter Jesu Christi3 III 1 ff. Fried-
länder Sittengesch. II 51 ; 126; 135 ; III 570 ff.
5) PÄrvan 120 f. Vgl. luv. 3,14; 6,543;
547. Mart. XII 57, 3. Friedländer a. a. 0. III
9) Parvan 43 ff.
10) Ein negotians vestiarius aus Gallien in
Pola, Hirschfeld in Archäol.-epigr. Mitteil.
a. Oesterr. VIII (1884) 248.
»J In Britannien CIL VII 36; 55; 191; 248;
inRätien III 5797: 5902 (Ergänzung unsicher);
in Neuburg a. d. Donau 5901: in Pannonien
4138; in Carnuntum 4499; in Dakien 1214;
8014; auch in Mailand finden wir einen nego-
tiator sagarius, civis Mediomatricus (aus Metz),
V 5929.
576. Mommsen V 471 f. ») In Gallien CIL XIII 618 ; ein Kaufmann
Vgl. Herzfeld Handelsgeschichte der
Juden des Altertums 202 f. Humann, Cicho-
rius u. a. Altertümer von Hierapolis 46 u. 51 ;
Judeich ebd. 174 n. 342.
7) Friedländer a. a. O. II 57.
8) Herzfeld a. a. 0. ist geneigt, auch für
den Westen bedeutende Handelstätigkeit der
Juden anzunehmen, was Parvan 121 A. 1 ab-
lehnt.
aus Köln, der Handel nach Dakien trieb, in
Aquileia, V 1047. Vgl. Parvan 56 ff.
13) In Ostia, CIL XIV 397; in Verona V
3365 (aber unsichere Ergänzung); Nemausua
XII 3167; Burdigala XIII 612; 621. Vgl. Par-
van 63 f.
14) Rätier in Pannonien, CIL III 3355; in
Britannien VII 972. Pannonier (ein argenta-
rius) in Mainz, XIII 7247. Vgl. Parvan 68 ff.
Vierter Abschnitt. Handel und Geldgeschäfte.
685
f. Ipand und daß an ihm fast alle Nationen, die das römische Reich in seinen
' bl Frenzen umfaßte, Anteil hatten, wenn auch nicht alle im gleichen Mi
, )ie seltensten Naturprodukte, die dem Luxus dienenden Erzeugnisse fernster
.Ö1J Länder gingen zumal der Hauptstadt für die Tafel, für Toilette, Schmuck
8 ind Hausrat der vornehmen und reichen Römer trotz der im Vergleich zu
re" leute so unvollkommenen Verkehrsmittel in reichster Fülle und auch mit l><-
. a* «rundernswürdiger Schnelligkeit zu; die gewerblichen Produkte, wie Kleider-
^ jtoffe, Lederwaren, Tongeräte. Metallarbeiten und was sonst zum Leben and
v%um Haushalt gehört, stapelten sich in den großen Handelszentren Italiens und
'Jdes Orients, Ägyptens, Spaniens, Galliens in Menge auf und wurden von da zu
rasser und zu Lande bis an die fernsten Grenzen des Reiches exportiert.
Allerdings fehlte es auch nicht an gewissen, den Handel beschränkenden
Einrichtungen, die vornehmlich in der Erhebung eines Zolles, portorium, be-
standen1), wobei man portorium terrestre und maritimum unterschied2). Die Er-
hebung eines Einfuhrzolles für fremde Waren, war eine sehr alte Einrichtung,
die angeblich schon zur Königszeit bestand und nach Vertreibung der EOoige
wohl nur vorübergehend aufgehoben war3). Aus republikanischer Zeit liegen
uns zwar nur wenig Nachrichten vor, sie bestätigen aber eine Fortdauer des
Zolles. Anfangs waren natürlich nur in Italien Zollstationen; im Jahre 199
werden die von Puteoli und Capua erwähnt, neben denen jedenfalls schon
vorher noch andere bestanden hatten4) ; neue Zollstationen wurden im Jahre 179
errichtet5), und dann wieder durch C. Gracchus6). Allerdings wurde im Jahre 60
infolge der reichen Zolleinnahmen von Sizilien und Kleinasien der Zoll in
Italien abgeschafft7), aber bereits Cäsar führte ihn wieder ein8), und so blieb
die Einrichtung, mit einer kurzen Unterbrechung unter Pertinax9), die ganz«'
Kaiserzeit hindurch bestehen10).
Über die Zollverhältnisse der republikanischen Zeit sind wir fast gar
nicht unterrichtet, näher erst über die der Kaiserzeit. Im allgemeinen war
die Reichsgrenze auch die Zollgrenze, an der alle fremden Waren versteuert
werden mußten11), unter Umständen auch ein Ausfuhrzoll zu entrichten war12),
]) Ueber den Warenzoll bei den Römern
ist zu vergleichen Marquardt Rom. Staats-
verwaltung2 II 269 ff. R. (Jagnat Le portorium,
Paris 1880; Etüde sur les impöts indirects chez
les Romains, Paris 1882; Artikel Po/Vor««» bei
D.-S. IV 586 ff. Vigie Les douanes dans l'empire
Romain. Paris 1884. F.Thibault Les douanes
chez les Romains, Paris 1880. 0. Hirschfeld
Die kaiserlichen Verwaltungsbeamten* 8.77 ff.;
dazu K. Patsch R. M. VIII (1893) 192. v. Doma-
szewski Arch.-epigr. Mitteil. a. Oesterr. XIII
(1890) 129 ff.
-)CILI204;II31f.;vgl.Liv.XXXVIII44,4.
3) Liv. II 9, 6 : portoriisque et tributo plebes
liberata.
4) Liv. XXXII 7, 3: (censores) portoria
venalicium Capuae Puteolisque, item Castnim
portorium, quo in loco nunc oppidum est, lo-
carunt; die Lesarten schwanken, doch ist vena-
licium des Bamberg, wohl richtig und s. v. a.
venalium, sodaß also der Zoll nur auf zum
Verkauf eingeführte Waren ging. In Capua
kann nur portorium terrestre erhoben worden
sein, aber worauf ist nicht klar; und Castriiui
portorium ist ganz unbekannt.
») Liv. XL 51, 8.
«) Vell.Pat. II 6.2.
■•) DioCass.XXXVH51,3. Cic.adAtt.il
16,1.
8) Suet. Caes.43. Doch meint Hirsciih u>
a.a.O. 81 A3, es habe sich nicht um Auf-
hebung des portorium überhaupt gehandelt,
sondern nur um die von seinen Vorgängern
erhobenen Zuschläge.
9) Herodian. II 4,7.
»") Vgl.Tac.ann.XIII50. Cod.Theod XIII
5, 23 f. Cod. Just. IV 61,6. Digg. L 16, IT. 1.
n) Selbst die Gesandten fremder Völker
mußten Steuerpflichtiges an der Grenze ver-
zollen, Cod. Iust. IV 61, 8.
,2) Für Aegypten spricht Strabo WM 79fl
von rt/.ij bi.T/.üoia, T(\ iirr Firniyioyty.ä ki <V
ytoyixä; über die.TfrTtjxooTij eioaywytji; un«l
ycoyfi? vgl. Wilcken Griech. Ostraka I 276 ff.
636
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
soweit nicht die Ausfuhr überhaupt verboten war, wie die von Gold1), von rohen
und verarbeitetem Eisen, Waffen, Schleifsteinen, Wein, Ol, Getreide, Salz2). Ii
den Grenzprovinzen wurde den Fremden der Marktbesuch nur zu bestimmtei
Zeiten und an bestimmten Orten gestattet3). Zollpflichtig waren nur die füi
den Handel bestimmten Waren, während die für den Privatgebrauch fre
waren, so in der republikanischen Zeit4) wie später5); außerdem hattei
Waren, die für den Fiskus6) oder für das Heer bestimmt waren7), Zoll-
freiheit, sowie die zur Reise benutzten Zugtiere und Wagen8). Sodann warer
gewisse Persönlichkeiten vom Zoll befreit, nämlich der Kaiser und seine
Familie9), die Offiziere, zumal die dem Kaiser persönlich unterstehenden10), die
Soldaten (offenbar der an den Grenzen stehenden Legionen)11), die Veteranen,
die sogar das Recht bekamen, mit nicht verzollten Waren zu handeln12), die
Magistrate für die zu Venationen bestimmten Tiere13), endlich die Handels-
schiffer (navicularii), natürlich nur für ihren persönlichen Bedarf14). Die Ein-
ziehung der Zölle war wie die der Steuern an die publicani verpachtet, die
daher auch portitores heißen15).
Es waren aber nicht nur die außerhalb der Reichsgrenzen produzierten
Waren, die zollpflichtig waren und an den Grenzstationen oder in den See-
häfen versteuert werden mußten, sondern auch die einzelnen Provinzen oder ge-
wisse Komplexe mehrerer zu einem Steuerbezirk vereinigter Provinzen waren
durch Zollschranken getrennt. Als solche Zollbezirke kennen wir außer Italien:
Sizilien, Spanien, Gallia Narbonensis, die tres Galliae (Lugdunensis, Aquitania
und Belgica), Britannien, die Provinzen Moesien, Pannonien, Dalmatien, Nori-
cum, Raetien, in denen das sogenannte portorium Illyricum erhoben wurde16),
Kleinasien, Bithynien mit Pontus und Paphlagonien, Syrien, Ägypten und
Afrika. Der Zoll betrug in der Regel einen gewissen Prozentsatz vom Werte
der Waren, war aber nicht nur in den verschiedenen Bezirken, sondern öfters
selbst in einer und derselben Provinz verschieden. Er stieg von 2 oder
2x/2 Prozent auf 5 und im 4. Jahrhundert sogar auf 12^2 Prozent17), ja in
Ägypten sogar auf 25 Prozent18). Neben diesen prozentualen Ansätzen gab
') Cod. Iust.IV 63,2.
2) Cod. Theod. VII 16, 3. Cod. Iust. IV 41,
lf. Digg.XXXIX4.11 pr.
3) Bio Cass. LXXI 11,3; ebd. 15; LXXII
2, 4; vgl. Marquardt a. a. 0. I 563 A. 7.
4) Liv. XXXII 7, 3 (s. o.). Cic. in Pison. 36,87.
5) Tac. ann. XIII 52. Cod. Iust. IV 61, 5.
Symm.epist.V62(60). CIL III 781 Z.18ff.(»m-
munitas der Tyraner).
6) Digg.XXXIX4,9,8. Cod.Iust.IV 61, 5.
7) Di<*g. a. a. 0. 7.
8) Qulnt. decl. 359. CIL VIII 4508.
9) Digg. XLIX 14, 6, 1.
10) Cod. Theod. XI 12,3.
n) Tac. ann. XIII 51. Cod. Theod. a. a. 0.
12) Cod.Theod.VII20,2; auch ihre agnati,
vgl. ebd. 9.
13) Symm. epist.V20.
14)Cod.Theod.XIII5,23f.Cod.Iust.IV61,6.
15) Non. 24, 14: portitores dieuntur telo-
nearii, qui portum obsidentes omnia sciscitan-
tur, ut ex eo vectigal accipiant ; vgl 37, 15 ; auch
conductores portorii, CIL III 751 ; 753 u. ö. (aber
meist in Abkürzung, z. B. conductores p{ortoru)
p{ublici) oder nur c.p.p.).
16) Vgl. Cagnat bei D.S. IV 588 mit der
Karte Fig. 5772 ; es scheint aber, als ob der Zoll
nicht nur an der äußern Grenze dieses Bezirks,
sondern auch innerhalb desselben in jeder
Provinz erhoben wurde, s. Marquardt II 273 f.
17) Also von der quinquagesima zur octava;
das gewöhnlichste war anscheinend die qua-
dragesima, 21/« °/o. Dagegen erscheint die oc-
tava, 1 2 1/-2 °/o, im J. 366 als mos solitus, Cod.
Iust. IV 61, 7 f. Vgl. Marquardt a. a. 0. 276 f.
18) Nach demPeripl.mar.Erythr. 19 (p.273
Müll.); doch hält Hirschfeld Kaiserl. Ver-
waltungsbeamte1 S. 20 A. 2 dies für undenk-
bar und möchte xtxäqxn in TSTxaoaxoox)') än-
dern, was Wilcken Griech. Ostraka I 398 ab-
lehnt, da sich anderwärts ein so hoher Zoll
für Aegypten nachweisen läßt ; ebenso Rostow-
zew Philologus Suppl.Bd. IX 396; vgl. Hirsch-
feld a. a. O.'1 S. 80 f.
Vierter Abschnitt. Handel und Geldgeschäfte.
687
: nfcls aber auch in einzelnen Provinzen feste Tarife, die von vornherein für
z gewisse Waren bestimmte Zölle festsetzten; eine Probe hat sich in dem Zoll-
oioti iarif von Iulia Zarai (in Afrika) *) erhalten 2).
Neben dem Reichszoll gab es aber auch in Rom und anderwart« \ i r-
iiü, sehrungssteuern (Octroi)»). Ob in Rom schon in republikanischer Zeü Bolche
iattj »standen, weiß man nicht; aus der Kaiserzeit erfahren wir zunächst ge-
U egentlich von einer entsprechenden Verordnung. So legte Caligula eine Ab-
rar, ?abe auf alle Eßwaren4), die aber keine städtische war, sondern offenbar in
seq ije Staatskasse fiel; die Maßregel war aber so unpopulär, daß sie anscheinend
),J licht lange nachher wieder aufgehoben wurde, wenigstens für die GemtUe,
)iif! iie Ja Hauptnahrung des niederen Volkes waren6). Wahrscheinlich ,t\vas
, j später wurde das vectigal ansarii et foricularii promercalium eingeführt '). das
wir nur aus Inschriften aus der Zeit des M. Aurel und Commodus und des
Alexander Severus kennen7); es scheint auf alle durch die Tore der Stadt
inpassierenden Lebensmittel erhoben worden zu sein»). Erhoben wurde die
Steuer von mancipes, an die sie verpachtet war9).
Außerhalb Roms in den Provinzen finden wir mehrfach städtischen Octroi ' °)
oder überhaupt Eingangs- und selbst Ausfuhrzölle. Das Recht, solche zu er-
heben, wurde schon zur Zeit der Republik verdienten Gemeinden als Belohnung
zugesprochen11). Aus dem Jahre 137 n. Chr. besitzen wir einen Zolltarif von
Palmyra12), der sich auf städtische Steuern zu beziehen scheint13), und auf
ägyptischen Ostraka sind Ein- und Ausfuhrzölle bezeugt14).
») CIL VIII 4508.
2) DasVerzeichnissteuerpflichtigerWaren
Digg. XXXIX 4, 16, 7 wird auch auf einen Zoll-
tarif zurückgeführt, s. Dirksen Abh. d. Berl.
Akad. f. 1843, Phil.-hist. Kl. 59 ff. Marquabdt
277.
3) Vgl. Cagnat Impöts indirects 147 und
D.-S. IV 593. Vigie a. a. 0. 564.
4) Suet. Calig. 40: pro edulibus, (ptae
tota urbe venirent, certum statumque exige-
mttur.
6) Plin. XIX 56: nullum macelli vectigal
malus fuit Romae clamore plebis incttsantis
apud omnes, donec remissum est portorium
tnercis huius. Die Vermutung von Kubitschek
Oesterr. Jahreshefte III (1900) 73, daß Clau-
dius die Steuer aufgehoben habe, beruht auf
der sehr unsicheren Deutung der Legende auf
einer seiner Münzen.
6) Vgl. hierüber Mommsen BSGW 1850,
309 f. Marquardt a. a. O. 279. Humbert bei
D.-S. I 280. Cagnat a. a. O. und bei D.-S. IV
593. Rüggiero Dizion. epigr. I 489 f. (Dehler
bei P.-W. I 2335.
7) CIL VI 1016a— c; 8594; 31227.
8) Marquardt a. a. O. hielt es für ein
Standgeld von Budeninhabern; das ansarium
scheine ursprünglich vom Käufer bei der Ab-
nahme der Ware, das foricularium (von fori-
cula, Lade oder Kaufladen) vom Verkäufer
entrichtet worden zu sein. Allein die im Cod.
Hermogen.UI 1 erwähnte, von einer possessio
bezahlte ansaria ist wohl mit Oehler a. a. O.
für eine andere Steuer zu halten. Dagegen
ist es wohl möglich, daß das foricutarhm
(mit Furlanetto bei Forcellini s. h. v.) eine
Steuer für die in den Verkaufsbuden feil-
gehaltenen Waren war, während das ansa-
rium ohne weiteres am Tore für alle
waren bezahlt werden mußte. Rostowzew bei
P.-W. VI 2856 vermutet, es sei mit (MMN
die Natur der Waren angedeutet, d. h. viel-
leicht der in Dolien. die für den Transport
mit ansäe versehen waren, importierten Vik-
tualien.
9) Die angeführten Inschriften ergeben,
daß Streitigkeiten zwischen mtl Otf/W'M und
mancipes der Steuer wegen häufig waren.
I0) Darauf gehen wohl die vniigmtitk bei
Lampr. AI. Sev. 20. 1. Cod. lust. IV 61. 10.
1 ») So im J. 187 v. Chr. nach Liv. XXXVIII
44, 4 den Ambrakiern Hafen- und Landzoll,
nur unter Befreiung davon für ROmer und
italische Bundesgenossen; ähnliche Rechte er-
hielten im J. 172 die Bewohner von Termessos,
CIL I 204 Z. 31. Andere Beispiele s. Cagnat
a. a. 0.
xi) Cagnat Inscr. Graec. ad r. Rom. pert
III 1056; Bull, de corr. hell. VI (1882) 440 ff.
Vogüe Journal Asiatique 8. Ser. II (1888)
152 ff.
»•) Vgl. Dessau im Hermes XIX (1884)
486 ff.
14) Siehe oben S. 636 A. 18, mit Wückkn
a.a.O. n. 43; 150; 801; 806; über den Zolltarif
von Koptos vom J. 90 n. Chr. ebd. 347.
638
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
Endlich ist hier noch zu nennen das von Augustus nach den Bürger-1
kriegen eingeführte1) vectigal verum venalium2), das ein Prozent betrug!
aber nur eine Steuer bei Auktionen, eventuell auch bei Kaufkontrakten, ge-fl
wesen zu sein scheint3). Unter Tiberius sank sie vorübergehend auf ein!
halbes Prozent4), unter Caligula wurde sie abgeschafft5), aber offenbar auch j
nur vorübergehend, da sie später öfters erwähnt wird6). Ebenfalls seit
Augustus bestand eine besondere Steuer für den Ankauf von Sklaven7).
Durch Monopole scheint der römische Handel nur wenig beeinträchtigt
worden zu sein. Das älteste war das schon in der Königszeit bestehendel
Salzmonopol8); zur Zeit der Republik waren die Salinen verpachtet und den
Pächtern wurde der Verkaufspreis von den Zensoren kontraktlich festgestellt9).
In der Kaiserzeit waren die bedeutendsten Salinen kaiserlich; Besitzer von
Privatsalinen mußten das Salz an die Pächter der kaiserlichen Salinen ver-
kaufen10). Sonst erfahren wir nur noch, daß in der Kaiserzeit das Zinnober
der spanischen Gruben l x) und der palästinische Balsam 1 2) Staatsmonopol waren.
Das meiste des bisher Dargelegten geht den Großhandel an. Wie oben)
bemerkt13), pflegte man diesen als negotiatio zu bezeichnen, während mercatural
überhaupt den Handel jeglicher Art bedeutete14). Allein gegen Ende derl
Republik und in der Kaiserzeit verwischen sich diese Begriffe, und während
mercator ebenso der Großkaufmann, besonders der Seehandel treibende Kauf-
fahrer ist15), wie der gewöhnliche Händler16), so kann negotiator auch vom
gewöhnlichen Kaufmann gebraucht werden17), und die zahlreichen auf den
Inschriften vorkommenden negotiatores in einer bestimmten Branche, wie z. B.
artis cretariae, d. h. mit feiner Tonware18), artis vestiariae u. dgl.19), sind nur
J) Tac. ann. I 78.
2) Vgl. Mommsen Hermes XII (1877) 93;
98. Cagnat Les impöts indirects 227 ff. MAR-
QUARDT II 278.
3) Nach Suet.Calig. 16 verglichen mit Dio
Cass. LIX 9. 6.
4) Im J. 17 nach Tac. ann. II 42; nach
Dio Cass.LVlII 16, 2 wurde sie im J. 31 wieder
auf 1 °/o heraufgesetzt.
5) Dio Cass. LIX 9, 6. Suet. a. a. 0.
6) Cod. Theod. VII 20, 2, 1. Digg. L 16, 17.
Cod. Iust. XII 19, 4.
7) Die quinta et vicesima (4 °/o) vom Preise
jedes gekauften Sklaven, Dio Cass. LV 31,4.
Tac. ann. XIII 31, wonach sie erst die Käufer
gezahlt hatten, seit 57 n. Chr. aber die Ver-
käufer, die sie auf den Kaufpreis schlugen.
8) Nach Liv. I 33, 9. Plin. XXXI 89 hatte
Ancus Marcius die ersten Salinen bei Ostia an-
gelegt (nach Dion. Hai. II 55, 5 schon Romulus) ;
sie waren anfangs an Privatpersonen verpach-
tet; da aber die Pächter den Preis übermäßig
steigerten, wurden sie im J. 508 auf die Staats-
kasse übernommen, Liv. II 9,6; doch nimmt
Marquardt II 161 A. 7 an, daß die Notiz bei
Aur. Vict. de vir. ill. 5, die dem Ancus Marcius
das vectigal salinarum zuschreibt, auf Miß-
verständnis der Pliniusstelle beruhe.
9) Eine Salzsteuer wurde erst im J. 204
v. Chr. eingeführt, Liv. XXIX 37, 3; vgl. dazu
die bei Marquardt a. a.O. A.8 angeführte Lit-
teratur.
10) Cod. Iust. IV 61,11. Im allgemeinen vgl.
Marquardt 280. M. Besnier bei D.-S. IV 10 1 1 f.
n) Vitr.VII 9,4. Plin. XXXIII 118; vgl.
Marquardt 253 A. 2.
12) Plin. XII 123. Galen. XIV 7: vgl. Mab-
QUARDT 258.
13)S. 626.
14) Plaut. Most. 639. Cic.Verr.V 28,72; Tusc.
V 31,86. Hör. sat. 113,107.
15) Cic.or.70)232.Hor.carm.Il,15;31,ll;
11124,40; sat. II, 4 ff.; ep.11,45; a. p. 117.
Senec. n. qu. IV 2, 24; ep 73, 5. Plin. VIII 146.
16) Varror.r.11116,11. Caes.b.Gall. III 1;
IV 5. Ov. fast. V 675. Sen. de ben. IV 13, 3;
VI 14, 4; daher sogar verächtlich, wie luv. 13,
154; 14, 260.
,7) So spricht Quint. I 12,17 von aliquis
sordidae mercis negotiator, was kaum auf einen
Großhändler gehen kann; Mart.X81. 9 :Agrip-
pae tumidus negotiator. und verächtlich X 1 66, 2
et fraudator es et negotiator. Auch die negotia-
tores bei Tac. Agric. 24 und Vell. Pat. II 1 10. 6
sind sicherlich kleinere Kauf leute. So bedeutet
auch negotiatio nur das Handeltreiben schlecht-
weg bei Sen. benef. VI 12, 2; 38.2; ep. 9. 10.
,8) CIL III 5833; XIII 2033; vgl. Marquardt
Privatleben 635 A. 4.
19) Siehe oben S. 255, 19 ; 257, 3 und andere
Stellen bei Waltzing IV 33 f.; 109 f. und in
unserem Register unter negotiatores.
Vierter Abschnitt. Handel und Geldgeschäfte.
689
im kleineren Teil wirkliche Großhändler, meist gewöhnliche Händler, die
lie von ihnen verkauften Waren von den Produzenten bezogen haben. ' Fül-
len Engroshändler kommt aber in jener Zeit die Bezeichnung magnariu»
luf1); während ein Fabrikant oder Handwerker, der seine Ware en gros
[erstellt und Staatslieferungen pachtet, redemptor heißt2). Der Kleinhändler
Iber oder Krämer, der auch wohl seine Waren selbst herumträgt. I
|ro/>o/a3), und der Althändler oder Trödler ist der scrutariHS*). Etwas andere
st der institor. Es kam häufig vor, daß ein Geschäftsmann, ein Handwerker.
|in Gastwirt oder sonst ein Gewerbetreibender sich nicht selbst mit der
Ehrung des Geschäftes oder mit dem Verkauf seiner Waren oder Produkte
fefassen wollte und damit einen Angestellten, seinen Sohn oder sonst einen
dreien oder einen zuverlässigen Sklaven als institor betraute6). Diese in-
Mores waren entweder im Hause oder Laden des Besitzers selbst tätig6),
^der sie gingen als circitores1) mit ihren Waren hausieren8): mit allerlei
[leidern9), mit Decken und Polstern10), mit Luxusartikeln und Schmuck-
sachen11), weshalb namentlich die Frauen gern mit ihnen feilschten12), aber
uich mit alter gekitteter Glasware13) oder als Austräger eines Garkochs mit
rürsten, Brei u. dgl., ihre Ware mit bestimmten, rhythmisch modulierten
Formeln ausrufend, wie das heute noch vielerorts und zumal im Süden ge-
)räuchlich ist14). Diese Hausierer gingen meist in nachlässiger Kleidung mit
ingegürteter Tunika15); sie gehörten wohl zur niedersten Klasse der im
*) Apul. met. I 5; negotiator magnarius
IL VI 1117 f.; 1696.
2) So nennt sich der Bäcker Eurysaces
siehe oben S. 600 A. 4) pistor ac redemptor,
CIL VI 1598; ein redemptor marmorarius X
1549.
3) Plaut. Aul. 512. Lucil. b. Non. 154, 23.
Varro r. r. III 14, 3. Cic. in Pis. 27, 67; propolae
circumforanei Lampr. Comra. 2,8. Vgl. Corp.
Gloss.VII 246. CIL II 5929; XII 1110; XIV
09 Z. 17.
4) Von scrnta, Trödelware, Petron. 62, 1 ;
gl. Lucil. b. Gell. III 14, 10. Corp. Gloss. II
265,26: scrutarius ygvT07T«')lnc; ebd. III 131,
69; scrutariam facere, Trödelhandel treiben,
Apul. met. IV 8; vgl. Corp. Gloss. II 265, 27;
592, 32.
5) Digg. XIV 3, 3: institor appellatus est
ex eo, quod negotio gerendo instat, nee multum
facit, tabernae sit praepositus an cuilibet aliae
negotiationi. Gai.IV 71 : institoria formula tum
locum habet, cum quis tabernae aut cuilibet ne-
gotiationi filium servumve aut quemlibet extra-
neum, sive servum sive liberum, praeposuerlt.
Allerlei Erwerbszweige, die institores anstell-
ten, werden Digg. XIV 3, 5 aufgezählt; so
konnte ein institor für einen Hausbesitzer
eine insula verwalten oder in einem Bank-
geschäft oder in der Landwirtschaft, im Fuhr-
mannsgewerbe bei einem mulio oder bei den
Leichenbesorgern angestellt sein.
6) Vgl Mart. VII 61,1. Sen. ep. 42, 8.
7) Digg. a. a. O. 5, 4: sed etiam eos insti-
tores dicendos placuit, quibus vestiarii vel lin-
tearii dant vestem circumfrnnla»! rt distra-
hendam, quos vulgo rircUcr$& n/>/>< //amus.Corp.
Gloss. VI 213. Sie sind nicht zu verwechseln
mit den Sklaven, die als herumgehende Flur-
wächter circitores heißen, Petron.53, 10. Priap.
17, 1. Bei Mart. I 41, 9 heifit ein solcher Hau-
sierer ambuhitDr.
8) Daher heißen auch die Verkäufer von
Gladiatorenprogrammen bei Cic. Phil. II 38,97
institores, und bei Sen. n. qu. IV 13, 8 die
Wasserverkäufer auf der Strafie.
9) Digg. a.a.O.
,0) luv. 7, 221 : institor hihonae tegetis ni-
veique cadurri.
u) Sen. de ben. VI 38, 3: institores delica-
tarum mercium iuventus comipta locufilttut;
frg. 52 (Haase): institores gemmarum serica-
rumque vestium.
w) Hör. carm. III 6, 30: seu vocat institor
sen navis Hispanae magister, dedecorutn />>■>-
tiosus emtor; ep. 17, 20: ttmata nnutis multum
et institor ibus. Ov. a. a. I 421: institor ad
dominum mnM 4i»cmcku tmaetm, t.rpediet
merces teque sedente suas.
lt) Mart. XI I 57. 14 : sulphuratae lippus in-
stitor mercis; vgl. I 41, 3.
u) Sen. ep. 56.2: omnes popittmum
tores mercem suam quailum st insignitti tnodu-
latione vendentes. Vgl. Mart. I 41. 9: quod fu-
mantia qui tomucla raueus \ circumf>rt t<pi-
dis cocus popin is.
lb) Daher institor discinetus. Ov. a. a. O.
Prop. V(IV) 2,38: demissis institor in tuni-
640
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
kaufmännischen Betriebe Beschäftigten1). Endlich können noch die Uxav
angeführt werden, die Händler, die als Marketender oder Kleinkrämer siel |
den Armeen anzuschließen pflegten2).
Was dann die Verkaufseinrichtungen anlangt, so haben wir zwischeil
privaten und öffentlichen zu unterscheiden. Die privaten Verkaufsstellen be-|
fanden sich entweder im Besitz des Gewerbetreibenden oder in dem eines!
Hausbesitzers, der die Läden seines Hauses an solche vermietete3). WenrJ
der Handwerker, wie das ursprünglich das gewöhnliche, später noch sehi t
häufig war, seine Fabrikate auch selbst verkaufte, so war mit seiner Werk-fl
statt in der Regel noch eine taberna verbunden, in der er seine Waren auf-l
stellte und die daher mit Repositorien, Schränken u. dgl. ausgestattet war4).|
Vielfach wohnten die Handwerker einer bestimmten Branche beisammen,!
sodaß die Straße danach benannt war und der Käufer einer bestimmten Ware!
die Auswahl unter den Verkäufern hatte5); oder die Händler suchten sich
besonders belebte Quartiere für ihre Geschäftslokalitäten aus, wie das VelaA
brum6) oder das Argiletum1); namentlich die Sacra Via war eine für Ge-
schäftsleute gute Gegend: hier hielten Obst-, Blumen- und Honighändler feil8),
aber auch die Verkäufer von Luxuswaren, wie Perlen, Juwelen, Gemmen,
Musikinstrumenten u. dgl. m.9). In älterer Zeit waren namentlich am Forum
Romanum solche Verkaufsbuden gewesen, die tabernae veteres und ?wvae, bis
man den Platz von diesen unschönen Anbauten befreite10) und der Staat für
Verkaufsplätze zu sorgen anfing, die er an die Interessenten vermietete.
Das geschah zunächst (seit 184 v.Chr.) durch die Basiliken, die zwar vor-
nehmlich für gerichtliche Verhandlungen bestimmt waren, aber doch auch
dem Handelsverkehr dienten11); auch außerhalb der Fora entstanden solche,
die anscheinend für bestimmte Gewerbetreibende erbaut waren, da die im
Regionsverzeichnis genannten: die basilica vestilia, vascolaria, floscellaria höchst
wahrscheinlich danach ihren Namen führten12), sowie die basilica argentaria1*);
*) Der Vater des C. Terentius Varro (Kon-
sul 216 v.Chr.) war Fleischer, zugleich aber
sein eigner institor, und das machte den Sohn,
der den Vater darin unterstützt hatte, zu einem,
der loco non humili solum sed etiam sordido
ortus war, Liv. XXII 25, 18.
2) Liv. XXXIX 1, 7. Sali. lug. 45, 2. Quin-
til.VIII 6,42. lustin. XXXVIII 10,2. Tac.ann.
II 62.
3) Siehe oben S. 59.
4) Man vgl. den Laden des Messer-
schmieds auf dem Relief bei Jahn BSGW
1861 Taf. IX 9 a. (Schreiber Kulturhistorischer
Bilderatlas Taf. 71,5); den Tuchladen ebd.
Taf. XI 2 u. 3; den Bäckerladen Abh. d. SGW
1868 Taf. III 2.
5) So der vicus iugarius, frumentarius,
lorarius, materiarius, unguentarius, vitrarius
u. a. m., vgl. Jordan De vicis urbis Romae, in
den Nuove memor. dellTnstituto 234, und die
Register in den Topographien von Jordan
und Richter unter Vici.
6j Hier hatten die Oelhändler feil, Plaut.
Capt. 489, ferner Bäcker und Fleischer, Plaut.
Cure. 483.
7) Hier wohnten Schuster, Mart. II 17,3,
auch Buchhändler, 12,8; 3,1; 117,10.
8) Varro r. r. I 2, 10; III 16, 23. Ov. a. a.
II 265 f.; fast.VI791f.
9) Ov. am. I 8, 99 f. Prop.III 18 (II 24), 14;
die Inschriften, auf denen Händler von der
Sacra Via genannt sind, stellt Jordan Topogr.
I 2, 287 A. 117 zusammen, vgl. Richter To-
pogr. 163.
10) Vgl. Jordan I 2, 378 ff. Richter 85.
Gilbert Gesch. und Topogr. d. Stadt Rom im
Altert. III 202 ff. Thedenat Le forum Romain3
s. nif.
n) Nach Vitr. V 1,4 hielten dort die ne-
gotiatores bei schlechtem Wetter ihre Börse
ab; vgl. ebd. 5 u. 8. Sen. dial. X 12, 1.
12) Näheres weiß man über sie nicht;
vgl. Jordan II 216; 220. Richter 380. Gilbert
III 256.
1 8) In der Notitia erwähnt und von Prelleb
Regionen d. St. Rom 145. Jordan 12, 438 A. 8
mit der basilica vascolaria identifiziert, was
aber Mau bei P.-W. II 93 ablehnt. Frauen-
schmuck, der in einer Basilika käuflich ist,
wird Digg. XXXIV 2, 32 (33), 4 erwähnt.
Vierter Abschnitt. Handel und Geldgeschäfte.
641
li anderen war dagegen das Aufschlagen von Verkaufsstellen oder Werk st üt t. m
Intersagt1).
Für den täglichen Bedarf an Viktualien waren die Marktplätze bestimmt.
tu dem Forum boarium und dem Forum piscatorium kamen im Lauf der Zeit,
Ihne daß man ihre Entstehung zeitlich fixieren kann, weitere Märkte hinzu:
ler Schweinemarkt, Forum suarium2); der Gemüsemarkt. Forum kolitorium*);
ler Weinmarkt, Forum vinarium*); der Naschmarkt, Forum cuppedmu*).
fcaneben kamen aber schon früh eigene Markthallen auf, macella9), wonach
lie dort feilhaltenden Fleischer oder überhaupt Viktualienverkäufer macelhirii
ließen7). In Rom wurde die erste derartige Halle im Jahre 179 v. Chr. durch
|[. Fulvius Nobilior östlich vom Forum an der Stelle des alten Fischmai ktefl
Irrichtet und nach griechischem Muster mit einem offenen Kuppelbau (thohts)
[-ersehen 8). Diesem folgte dann das unter Augustus erbaute macellum I.
luf dem Esquilin9) und 59 n. Chr. das macellum magnum auf dem Caelius10).
kuch außerhalb Roms gab es solche Markthallen, die ähnliche Anlagen auf-
wiesen11); so in Puteoli, wo das früher fälschlich als Sarapistempel erklärte
pebäude ein macellum war12); in Pompeji, wo es an der Nordostecke des
Forums lag und aus einem Kuppelbau mit ihn umgebenden mehrstöckigen
Kaufhallen bestand13), sowie in Timgad in Nordafrika14). Zur Ausrüstung der
») Cod. Iust. VIII 12 (11), 21. Anzuführen
Ist auch das Gebäude der Eumachia in Pom-
Äeji ; da die Walker es sind, die der Stifterin des
Jßaues eine Ehrenstatue gesetzt haben , so nimmt
|nan an, daß es eine Verkaufshalle für Tücher
ltder für Kleidungsstücke überhaupt gewesen
■ei. s.Maü Pompeji2 108. Ovekbeck Pompeji 131
henkt an eine Art Börse für Handelund Verkehr,
vielleicht ganz besonders für den Zeughandel.
2) Erst in der späten Kaiserzeit erwähnt,
■ordan 1 3, 452. Richter 264. Gilbert III 238.
8) Jordan a. a. 0. 507. Richter 192. Gil-
bert 239.
4) Richter 264. Gilbert a. a. 0.
'•>) Jordan I 2, 433 f. Richter 309 f. Gil-
bert III 208. In der Regionsbeschreibung
kommt auch ein forum pistornm vor, Jordan
m. 3, 179. Richter 380. Gilbert 239; mit dem
worum coquinum bei Plaut. Pseud. 790 wäre nach
RJichter 310 A. 2 das macellum gemeint.
6) Vgl. hierüber Thedenat bei D.-S. III
11457 ff. Die Etymologie des Wortes ist un-
gewiß; Varro 1. 1. V 146 gibt zwei Ableitungen:
Beine aus dem Griechischen (ea loca etiam nunc
jLacedaemonii vocant macellum), und ebd. 147:
jappellatum macellum, ut quidam scribunt quod
wbi fuerit ortus; alii quod ibi domus fuerit quoi
Vcognomen fuit macellus. Andere führen es auf
mactare zurück, s. Donat. ad Ter. Eun. 257.
Isid. XV 2, 44. Festus 125. 7.
7) Siehe oben S. 194. Bei Plaut. Aul. 374 f.
bind auf dem macellum alle Fleischsorten
\iagn Ina, bubula, vitulina,porcina) und auch See-
[psche (cetus) zu kaufen; bei Ter. a. a. 0. haben
'dort cuppedinarii, cetarii, lanii, coqui, fartores,
miscatores ihre Verkaufsplätze.
8) Varro 1.1. V 147; ders. bei Non.448,17.
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft. IV. 2, a
Liv.XXVIIll,16.Vgl.JoRDANHerme8lI(1867)
89ff.;XV(1880)116ff.;Topogr.Il,502;2,432.
Richter 192; 310. Gilbert III 207 f.
9) DioCass.LV8,2. CIL VI 1178 und im
Regionsverzeichnis; vgl. Jordan Topogr. I 3.
344. Richter 332. Gilbert 237 f.
10) DioCass.LXI 18,3. CIL VI 1648; 9188.
Es war, nach Münzen Neros, auf denen es ab-
gebildet ist (Cohen Med. imper. , Neron n. 126 ff.;
Daremberg-Saglio III 1459 Fig. 4740), eine
zweistöckige Halle mit darüber hinausragen-
dem Kuppelbau. Man nimmt in der Regel an
(ablehnend Gilbert 238 A. 2), daß der Rund-
bau von S. Stefano rotondo auf diesem Kuppel-
bau errichtet sei, s. Lanciani Mon. dei Lincei
I 502 ff. Jobdan I 3. 237 f. Richter 338.
") Davon berichten zahlreiche Inschriften.
s. die Aufzählung bei Thedenat a. a. 0. 1458.
,2) Vgl. Panvini II forestiere alle antichitä
di Pozzuoli Tav. 24. Thedenat Fig. 4738. Bb-
loch Campanien 135 f.
13) OvERBECKl20ff.MAü90ff.NlS8BNPom-
pej. Studien 275 ff. Der Kuppelbau diente an-
scheinend als Fischmarkt; in einer in der Nähe
befindlichen Grube fand man zahlreiche Fisch-
schuppen, weshalb Mau annimmt, daß die ge-
kauften Fische dort gleich getötet und ab-
geschuppt wurden. In den Kaufläden fanden
sich Feigen, Kastanien, Pflaumen, Trauben,
eingelegte Früchte, Linsen, Korn. Brote und
Kuchen. Auch die Malereien deuten auf die
Bestimmung des Baues hin; teils sind es Still-
leben (Geflügel, Fische, Gefäße mit Flüssig-
keiten u. dgl.), teils Eroten, die ein Gewerbe
(Mühle, Kranzflechterei) betreiben.
»*) R. Cagnat et A. Ballü Timgad 198.
Thedenat Fig. 4739.
3. Aufl. 41
642
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
mace.Ua gehörte in der Regel ein daselbst oder in der Nähe aufgestellte]
Eichtisch (inensa ponderaria, ponderarium)1); in Pompeji stand ein solche!
an der Nordwestecke des Forums in einem besonderen Bau in einer Nischel
er ist mit neun größeren und kleineren, die verschiedenen Maßeinheiteij
darstellenden Aushöhlungen versehen, die unten durchbohrt sind, um das zu: j
Prüfung des Maßes hineingeschüttete Wasser wieder auslaufen zu lassen2)!
Die Oberaufsicht über diese Markthallen hatten in Rom ebenso wie übejj
die Marktplätze die Ädilen, zu deren Obliegenheiten es gehörte, die Ein-I
haltung des richtigen Maßes und Gewichtes, die Qualität und Preise deil
Lebensmittel u. dgl. zu überwachen3); doch gab es besondere Aufseher füll
die macella4). Mitunter wurde auch darüber gewacht, daß nicht verbotene!
Luxuswaren auf den Markt kamen5). Für gewöhnlich wurde der Marktpreis!
der Lebensmittel (annona) in den macella festgesetzt6).
Zur Aufstapelung derjenigen Waren, die für den Handel oder zur Ver-
proviantierung der Weltstadt in großen Massen vorhanden sein mußten und
die nicht sofort konsumiert wurden, sondern das Lagern vertrugen, waren
Speicher, horrea, erforderlich7). In Rom waren solche teils vom Staat, teils
von Privaten angelegt worden; die meisten davon, mit den Namen der Stifter)
bezeichnet, lagen seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. beim Emporium am Tiber, wo
sie eine weite Strecke unterhalb des Aventin bedeckten8). Es waren große, von
Gebäuden eingeschlossene Höfe, vornehmlich bestimmt, wie die Inschriften und
Funde lehren, für Wein und Ol, ferner für Tuche, Marmor, Elfenbein, Hülsen-
früchte u. a. m.9). Aber auch an verschiedenen anderen Stellen der Stadt waren
solche Speicher angelegt10); so erbaute Domitian an der Nordseite der Sacra Via
horrea pi per aria, einen Speicher für orientalische Spezereien und Gewürze11),
') Sie werden öfters auf Inschriften er-
wähnt, da sie häufig Stiftungen von Beamten
oder Privaten waren; vgl. E. Michon bei D.-S.
IV 347, wo auch die noch erhaltenen Exem-
plare solcher Tische besprochen sind.
•) Overbeck 63 f. mit Fig. 23 f. Mau 88
mit Fig. 38. Nissen Pompej. Stud. 71 f. Schrei-
ber Kulturhist. Bilderati. Taf. 60, 7 f.
3) Die cura annonae, die den Aedilen be-
rechtigte, schlechte Ware zu vernichten (Apul.
met. I 25), unrichtiges Maß und Gewicht zu
zerstören (Digg. XIX 2, 13 (14), 8. Pers 1, 129
luv 10. 100) und betrügerische Verkäufer kör
perlich zu züchtigen (Digg.L 2, 12). Vgl. Momm
sen Rom. Staatsrecht2 II 1,489 ff. Lange Rom
Altert.2 II 726 f. Kubttschek bei P.-W. 1 461 f.
4) CIL VI 1648: für die Provinzen vgl
ebd.VIII 9062; IX 2638; 3162; X1423; in Lam-
baesa, wo der Markt wesentlich für die Trup-
pen bestimmt war, stand er unter Aufsicht
der Militärbehörden. CIL VIII 18224.
5) Suet. Caes 43 : legem praeeipue sumptu-
ariam exereuit, dispositis circa macellum custo-
dibus, qui obsoniä contra vetitum retinerent de-
portarentque ad se.
6) Cic.dedivin. 1127,59. Varror.r.III 2.16.
7) Vgl. Thedenat bei P.-W. III 268; über
•die römischen horrea Richter 197 ff. Gilbert-
III 284 ff.
8) Jordan I 3, 175 f.
9) Siehe Porphyr, ad Hör. carm. IV 12, 18
und die Inschriften CIL VI 236; 338; 8680;
9683; 9801; 30855; 33743; 33906; XIV 20.
Ueber die Funde vgl. Lanciani Not. d. seavi
1885, 224; über die Niederlage ausländischer
Marmorsorten, von denen man noch zahlreiche
Blöcke gefunden hat, die sog. Marmorata am
Tiber, vgl. Jordan 1 1 ,434 Richter 196. Bruzza
A. d. I. XLII (1870) 105 ff.; B. d. I. 1872, 134.
Lanciani Bull, comun. 1891, 23 ff.
10) Lampr. AI. Sev. 39, 3: horrea in Omni-
bus regionibus publica fecit, ad quae conferant
bona ii qui privatas custodias non habeant. Die
Regionsbeschreibung zählt 190 horrea auf,
großenteils Kornspeicher des Staats, für die
öffentliche Verteilung bestimmt, oder nach
Art der von Alexander Severus angelegten,
die allerdings mehr Depots für Wertgegen-
stände waren, vgl. Digg. I 15, 3, 2: in horreis)
ubihomines pretiosissimam partemfortunarum
suarum reponunt. Richter 387.
n) Nach dem Chronogr. von 354 p. 146
Momms. Ueber die Lage und die unterhalb und
bei der Basilika des Maxentius gefundenen Re-
ste s. Jordan I 3,7. Richter 164. Thedenat
Le for. Rom. 342.
Vierter Abschnitt. Handel und Geldgeschäfte.
648
nd erwähnt werden horrea chartaria, Papyrusniederlagen1), und canddaria
r Kerzen2).
Auf die einzelnen Zweige des Handels und ihres Betriebes könn.n wir
ier ebensowenig eingehen wie auf die Natur- und Gewerbserzeugnisse, die
abei in Betracht kamen3); nur einen Zweig desselben müssen wir hier
twas näher betrachten, weil er eine Sonderstellung einnimmt und auci an
icli hohe Bedeutung beansprucht, nämlich den Buchhandel*). Die ei
Crwähnungen berufsmäßiger Buchhändler, libnirii, später bibHopoku genannt »),
ühren aus ciceronianischer Zeit her6); allein damit ist noch nicht gesagt.
s nicht schon früher solche gegeben habe, wenn auch freilich nicht liii;
'eit vorher; denn in der hellenischen Welt ist von eiuem entwickelten Boch-
landel erst seit der Gründung der alexandrinischen Bibliothek dir Rede*
^ange Zeit hindurch war das Bedürfnis nach Büchern bei den EtOmern über-
laupt sehr gering; erst mit dem Eindringen griechischer Bildung nahm es
nehr zu, aber eben weil es zunächst griechische Litteratur war, die man las
md mit der man sich eingehender zu beschäftigen anfing, war es vorerst
sicherlich der griechische Buchhandel, der die römischen Litteraturfreunde
versorgte und ihre Bibliotheken füllte; der römische Buchhandel aber kam
wohl erst auf, als auch die römische Litteratur in den Kreisen der Gebildeten
Bedeutung gewann, also etwa seit dem Ausgang des 2. Jahrhunderts v. Chr.
Vorher mochten lateinische Bücher lediglich durch private Abschriften, welche
lie Verfasser besorgten oder Liebhaber von ihren schreibkundigen Sklaven
tierstellen ließen, Verbreitung gefunden haben. Aber noch zur Zeit Ciceros,
wo doch schon ein eigentlicher Buchhandel bestand, scheint er noch wenig
entwickelt gewesen zu sein; wer sich eine Bibliothek schaffen wollte, war
wesentlich auf den Ankauf griechischer Büchersammlungen. die bisweih n
in den Handel kamen, angewiesen7), Vorrat und Auswahl der römischen
Sortimentsbuchhändler ließen offenbar noch viel zu wünschen übrig8). Und
nicht nur die Auswahl war klein, auch die Ausführung stand nicht immer
auf der Höhe9), Klagen über die Fehlerhaftigkeit der Abschriften sind nicht
1 t Regionsverzeichnis Reg. IV : s. Jordan
329. Richter 324.
2) Lanciani Forma urbis Romae Fig. 53.
3) Eine Tabelle über die wichtigsten Pro-
dukte und Exportartikel der Länder der alten
Welt findet man bei Cagnat u. Besnier in
D.-S.IV 1778.
4) Vgl hierüber Becker-Göll Gallus II
445 ff. Marquardt Privatl. 826 ff. Fr Schmitz
De bibliopolis Romanis, Saarbrücken 1857.
H. Göll Ueber den Buchhandel bei den Griechen
und Römern. Schleiz 1865. Friedländer Sitten-
gesch.5 III 370 ff. L. Haenny Schriftsteller u.
Buchhändlerin Rom, Halle 1884 (2. Aufl. 1885).
Dziatzko bei P.-W. III 973 ff.; ders. Unter-
suchungen üb. ausgew. Kapitel d. antik Buch-
wesens (Leipzig 1900) 163 ff. G. Lafaye bei
D.-S. 111 1231 ff.
5) Während das griechische ßißktojuoAijs
schon im 4. Jahrh. v. Chr. vorkommt, ist seine
Aufnahme in den lateinischen Sprachgebrauch
vor dem 1. Jahrh. n. Chr. nicht nachweisbar.
Ursache der Aufnahme war vielleicht, daü
man den bloßen Abschreiber, der auch ///>/•</-
Htu hieß, vom Buchhändler nnteraehetdtt
wollte. Vgl Mart.IV72.2;XIlI3.4;XIV I
Plin. ep. IX 11, 2, und über die Anwendungen
des Wortes I ihm r ins Ha i:\.\v 22 f.
6) IAbrarü Cic. de leg. III 20,46; eine
tabern« librarin l'liil. II 9,21.
7) Vgl. Dziatzko bei P.-W. III 415 f.
8) Cic. ad Qu. fr. II 4,5: de Hblicik+ca tun
Grtucasupplendv, VSbri» eommaiemdit, Tjttinit
comparandis vultle n/im Uta '<>»fi<i, i>>->.
Um cum ad meum quogut umtm specient,sedego,
mihi i]>»i ist<( /irr i/urm <i</nm MM Imh,..,
qnr mim vmuuia sunt, quin- ,/ui</,ni />/</.
et confici nwi per hominem et jMi'flMfM tt dili-
atmttm non pooswtt.
») Strab. XIII 609 von Rom: xm ßißkto-
.iw/.ai W9( •ijdi/yrni (fiir/.itu /oo'ififyoi y.iu >» y.
urrißä/./.oiTtw ö.-tkj HM r.ii tu»- äXian
tt&reie nQäatp ;vi«7 <>///••«»• ßißXita* ttai udäfte
XOi er \l/.t*a>bt>n'a.
41 •
644
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
selten1), was damit zusammenhing, daß sie in der Regel nach Diktat von einer!
Anzahl von Schreibern zugleich niedergeschrieben wurden, wobei Hörfehler!
sich ergaben, die nur durch sorgfältige Kollation beseitigt werden konnten2).!
Namentlich über die Fehlerhaftigkeit der lateinischen Bücher wird geklagt3).!
Einen Aufschwung scheint der Buchhandel vornehmlich Ciceros Freunde!
T. Pomponius Atticus verdankt zu haben. Dieser vermögende Mann, derl
eine Menge von Sklaven besaß und darunter zumal viele im Hause ge-l
borene, die er hatte ausbilden lassen und die sich besonders auf Schreiben!
und Vorlesen verstanden4), ließ durch diese zahlreiche Bücher abschreiben!
(denn ein Autorenrecht, das die Vervielfältigung einer Schrift von der Er-I
mächtigung des Autors abhängig machte, gab es im Altertum ebensowenig!
wie ein Autorenhonorar; der Autor war vielmehr froh, wenn sein Name undl
seine Werke auf solche Weise unter das Volk kamen5)); er vertrieb diese
dann sowohl einzeln6) als in größeren Sammlungen7). Namentlich wissen
wir aus Ciceros Briefwechsel mit ihm, daß er dessen Reden und Schriften
in Verlag nahm, wie wir heute sagen würden, und mit Erfolg verkaufte8),)
sogar bis nach Griechenland 9). Jedenfalls hat Atticus damit viel Geld ver-
dient; aber ein eigentlicher Buchhändler war er nicht, denn er hatte keine
taberna zum Verkauf, vielmehr hat er offenbar den Buchhändlern die bei ihm
gefertigten Abschriften geliefert.
Gegen Ende der Republik und zu Anfang der Kaiserzeit scheint sich der
römische Buchhandel schnell gehoben zu haben, sodaß Rom neben Alexandreia
ein Hauptplatz für den Buchhandel wurde10). Wir kennen eine ganze Anzahl
von Buchhändlern mit Namen, da die Dichter ihrer gedenken: so die aus
Horaz bekannten Sosier11), verschiedene Buchhändler nennen uns Martial12)
und Seneca13). Diese Buchhändler, die zum Teil, worauf auch die Namen
hinweisen, Freigelassene waren14), ließen die Exemplare durch schreibkundige
Sklaven herstellen, und zwar, wie erwähnt, meist nach Diktat, weil dabei
eine größere Anzahl auf einmal hergestellt werden konnte; da aber auf diese
Weise leicht Fehler entstanden, so ließ ein gewissenhafter Buchhändler die
Abschriften mit einem fehlerlosen Exemplar vergleichen und die Fehler
1) So auch aus älterer Zeit Strab.VIII 374,
aus späterer Galen. XVIII 2, 630 f.
2) Cic. ad Att. XIII 23, 2. Hör. a. p. 354.
Liv. XXXVIII 55, 8; für die spätere Zeit vgl.
Mart.II8. Gell. VI (VII) 20, 6.
J) Cic. ad Qu. fr. III 5,6: de Latinis vero,
quo nie vertam, nescio. ita mendose et scribun-
tur et veneunt; vgl. ad Att. II 1, 12.
4) Nep. Attic. 13,3: namque in ea(familia)
erant pueri litteratissimi, anagnostae optimi et
plurimi librarii, ut non pedissequus quisquam
esset, qui non utrumque horum pulehre facere
posset.
5) Hierüber handelt besonders die oben
erwähnte Schrift von Haenny; vgl. Becker-
Göll 452 f. Dziatzko bei P.-W. III 979 und
in dem Aufsatz Autor und Verlagsrecht im
Altertum, Eh. M. XLIX (1894) 559 ff.
6) Cic. ad Att. II 4,1.
7) Ebd. 17; vgl. 10,4.
8) Ebd. XIII 12, 2 : Ldgarianam praeclare
vendidisti; posthac quicquid scripsero, tibiprae-
conium deferam. XV 13, 1 ; XVI 5, 5.
9) Ebd. II 1,2.
10) Strab. XIII 609 (s. oben S. 643 A. 9) ; für
später vgl. Suet. Dom. 20, wonach man doch
immer auf Alexandreia angewiesen blieb.
1 ') Hör. ep. I 20, 2 ; a. p. 345 ; über das Ver-
hältnis des Horaz zum Buchhandel handeln
Haenny 55 ff. Dziatzko Untersuchungen 169 ff.
12) Den Atrectus I 117, 13; den Secundus
2,3; den Q.PolliusValerianus 117,5; den Try-
phon IV 72, 2; XIII 3, 4; an ihn ist der Brief
gerichtet, der an der Spitze von Quintilians
Institutio oratoria steht, da er diese in Ver-
lag nahm. Ueber Martials Buchhändler vgl.
Haenny 65 ff.
13) Dorus, Sen. de benef. VII 6,1.
u) Mart. I 2, 7: libertum docti Lucensis
quaere Secundum.
Vierter Abschnitt. Handel und Geldgeschäfte.
"eJ /erbessern, was manchmal der Autor selbst besorgte, da es doch jedem daran
p ag, in korrekten Abschriften Verbreitung zu finden »).
An dieser Stelle dürfte es sich empfehlen, einiges über die Herstellung
J* der Bücher zu sagen, da sich uns bisher noch keine Gelegenheit dazu ge-
01 boten hat2). Das Material für Bücher war entweder Papyrus oder Pergament3),
4 die Form für jenen meist die Rolle, für dieses das Buch. Üie Buchrolle,
volumen, wurde vielfach, vielleicht meist, schon in den Papyrusfabriken fertig
"ergestellt, und zwar in verschiedenen Größen und Qualitäten, indem die
einzelnen Blätter, die paginae, plagulae, schedae beißen, zu einem tcaput
zusammengeklebt wurden4). In der Regel bestand ein scapus aus zwanzig
Blättern5); das war aber nicht das Maximalmaß einer Rolle, wie man bis-
weilen angenommen hat, sondern nur ein durchschnittliches, das für viele
Bücher genügen mochte, aber jederzeit durch Anleimen weiterer Blätter ver-
größert werden konnte. In der Regel bildete die plogula auch die Kolumne
der Schrift, während die dazwischen liegenden Stellen, wo sie aufeinander
geleimt waren, unbeschrieben blieben6). Auch war es bei Bücherrollen das
Gewöhnliche, daß bloß die Vorderseite, nicht auch die Rückseite beschrieben
wurde, obschon letzteres auch bisweilen vorkam7); solche Bücher hießen
opisthographa3).
Von den Schreibmaterialien: Feder, Federmesser, Tinte u. a. ist schon
oben die Rede gewesen9); aber die Buchrolle erfuhr, im Gegensatz zur Brief-
rolle, zumal wenn der Buchhändler sie hübsch und elegant ausstatten wollte,
noch eine besondere Behandlung. Der obere und untere Rand der Rolle, die
sogenannten frontes10), wurden gleichmäßig beschnitten und die vorstehenden
Fasern beseitigt11), dann mit Bimsstein geglättet (pumicare)19) und bisweilen
») Mart.VII 11; ebd. 17,7. Plin.ep.IV 26,1.
2) Neben der oben S. 643 A. 4 angegebenen
Litteratur ist noch zn vergleichen Becker-
Göll II 424 ff. Th. Birt Das antike Buchwesen,
Berlin 1882; ders. Die Buchrolle in der Kunst,
Leipzig 1907. Dziatzko bei P.-W. III 939 ff.
(wo weitere Litteraturangaben zu finden sind).
s) Vgl. oben S. 467 ff. Auf die Technik der
Papyrusfabrikation kann hier nicht eingetreten
werden.
4) Plin. XIII 77: siccantur sole plagulae
atque inter se iunguntur, proximarum semper
bonitatis deminutione ad deterrimas. numquam
plures scapo quam vicenae. Aus dieser Beschrei-
bung will Birt Buchwesen 237 schließen, daß
eine und dieselbe Rolle aus Blättern von ver-
schiedener Qualität zusammengeleimt worden
wäre, indem man zu Anfang die besten, dann
minder gute, dann immer schlechtere und die
schlechtesten ans Ende setzte, was Birt durch
das Interesse der Konservierung zu erklären
sucht. Allein ihm widerspricht Dziatzko Unter-
suchungen 86 mit Recht; er erklärt die Worte
dahin, daß sämtliche plagulae nach ihrer Größe
und der damit übereinstimmenden Güte sor-
tiert und die gleichartigen verbunden wurden,
sodaß je die nächste nach der größten und
besten Qualität eine geringere ergab.
5) Da es nachweislich Rollen von viel
größerer Länge als 20 Blätter gibt, schlug
Birt a. a. 0. 241 vor, dmcmtu Im rtcmat zu
lesen; aber ihm ist mit Recht widersprochen
worden von Landwehr Philol. Anzeiger 1 1 V
(1884) 357 ff. Haenny 98 ff. Dziatzko Unter-
such. 87. Der scapus war offenbar der tech-
nische Ausdruck der Fabriken für eine zu-
sammengeklebte Rolle (man vgl. unser .Buch*,
„Ries"); mit pplumtn ist er aber nicht iden-
tisch, und wenn der Schreiber eine Rolle
brauchte, die mehr als 20 plagulae hatte, so
klebte er eben mehrere srajd IWWIBWI
6) Vgl. Birt 229; 255.
7) luv. 1,5: auf summi p/smi MMN mnrgin,-
Ubri srripfHsct in ttrgo neethmflnü
Sid. Ap. epist. II 9, 10 sagt, er würde seinen
Brief noch fortsetzen. nM tpithäo4 Urftm
madidis aordidare calamis erubi
8) Plin.ep III 5,17. Digg. XXXVII 11,4.
9) S.471 ff.
,0) Ov.tr. I 1,8 und 11. Ps.Tib. III 1. L8.
Sen. dial. IX 9, 6. Mart. I 66, 10; III 2, 8; IV
10,1.
n) Mart. IV 10.1: dum novus est »<
huc rasa mihi frontt lihclhts. Luc. adv. indoct.
16. Isid.VI 12,3.
») Catull. 1,2; 22,8. Ov. tr I 1 . 1 1 ; III 1.13.
Ps.Tib. a.a.O. 10: />/'
camas. Mart. I 66, 10; 117, 16; VIII 72, 8.
646
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
wohl auch gefärbt1). Um den Papyrus gegen Feuchtigkeit und Motten- ode
Wurmfraß zu schützen, bestrich man die Rolle mit Zedernöl, wodurch si<
einen gelblichen Ton bekam2). Öfters wird erwähnt, daß an den Rollen eil
Stäbchen aus Holz oder Knochen3), der sogenannte umbilicus4-), angebracht war
um den die Rolle gewickelt wurde5), weshalb er sich am Ende der Rolle be-
fand6). In der Kaiserzeit waren bisweilen bei einer Rolle mehrere solchei
Stäbchen, vermutlich der eine zum Abrollen, der andere zum Aufrollen des
Gelesenen bestimmt7). Diese Stäbchen waren bei besonders reich ausgestatteter
Rollen bunt bemalt oder vergoldet8). Mehrfach werden sodann die cornua dei
Rolle erwähnt, auch diese als bunt verziert9) ; unter den verschiedenen Deutungs-
versuchen ist der wahrscheinlichste, daß so die etwas gebogenen, aus der ge-
schlossenen Rolle hervorragenden Enden des nmbilicus hießen, das Wort aber
dann auch die Bedeutung des ganzen Stäbchens bekommen hat10). Als
Schutz bekam die Rolle ein Futteral, das püenula genannt worden zu sein
scheint11), gewöhnlich aber, weil es der Dauerhaftigkeit wegen in der Rege
von Pergament war12), membrana13) hieß; es pflegte bunt, gelb oder rot, gefärbt
]) Wenn nämlich Ov. I 1, 8: Candida nee
nigra cornua fronte geras wirklich wörtlich zu
fassen ist.was mir recht fraglich erscheinen will.
*) Vitr. II 9, 13: ex cedro oleum quod ce-
drium dicitur nascitur, quo reliquae res cum
sunt unetae, uti etiam libri, a tineis et carie non
laeduntur. Ov.tr. I 1,7; III 1. 13. Mart. III 2,7;
V6, 14. Luc. a.a.O. Mart. Cap. II 136. Daher
bezeichnen die Dichter Werke, die Unsterb-
lichkeit verdienen, als cedro digna. Hör. a. p.
331: carmina linenda cedro. Pers. 1,42 mit
Schol. Auson. epigr. 34,13: iuvenescere cedro.
3) Porphyr, ad Hör. epod. 14, 8 : in fine libri
umbilici ex ligno aut osse solent poni.
') Zuerst erwähnt Catull. 22, 7: novi um-
bilici. Hör. ep. 14, 8. Mart. II 6, 10: quid prodest
mihi tarn macer libellus, \ nullo crassior ut sit
umbilico. Lucian. a. a. 0.
5) In der Regel wird angenommen, daß
die Rolle an ihrem Ende an den umbilicus
angeleimt war; dem widerspricht aber Birt
Die Buchrolle 228 ff., der vielmehr zu erweisen
sucht, daß er nur lose in die Rolle hinein-
gesteckt wurde.
6) Daher heißt bis ans Ende der Rolle
kommen ad umbilicum, Hör. a. a. 0. Mart. IV
89,2; vgl. VI 37,1 u. 3
7) Mart.I 66,11; III 2,9; IV 89,2; V 6,15;
VIII 61, 4. Stat. silv. IV 9, 7.
8) Mart. III 2, 9: pictis luxurieris umbili-
cis; V 6, 15: nigris umbilicis; VIII 61.4. Stat.
a. a. 0. ; vergoldete Luc. adv. indoct. 7 ; de merc.
cond.41. An einigen der herkulanischen Rollen
haben sich die umbilici erhalten, die meisten
freilich sind ohne solche ; das hängt vermut-
lich damit zusammen, daß nur Bücher, die
man viel im Gebrauch haben wollte, mit um-
bilici versehen wurden, hingegen die gewöhn-
lichen Rollen, die die Bibliotheken füllten,
nicht. Ueber Darstellungen von Rollen mit um-
bilici auf Bildwerken s. Birt a. a. 0. 230 ff.
9) Ov. tr. 1 1. 8 : Candida nee nigra cornua
fronte geras. Ps.Tib. III 1, 13: atque inter ge-
minas pingantur cornua frontes. Mart.XI 107,1:
explicitum usque ad sua cornua librum.
10) Das ist die Annahme von Dziatzko
Untersuch. 119. Becker-Göll436, Marquardt
816 A. 6 u. a. identifizieren direkt cornua und
umbilici. Durchaus unwahrscheinlich ist die
Ansicht von Birt Buchrolle 235 ff., cornua
seien die Endblätter der aufgerollten Rolle.
n) Nachweisbar ist es in diesem Sinne
in der lat. Litteratur nicht, man schließt es
aber daraus, daß dies Futteral im Griech. mit-
unter rpaivö/.n? heißt, s. Birt Buchwesen 65.
So nennt Mart. XIII 1, 1 das Papier zu Tüten
für Oliven u. dgl. toga et paenula, und X 93, 4
das Rollenfutteral purpurea toga.
Is) Die Annahme, daß solche Futterale
auch aus Papyrus gemacht worden seien
(Dziatzko bei P.-W. 957), ist wenig wahr-
scheinlich ; vgl. Birt Buchwesen 66 f. Bei Mart.
XI 1,1: quo tu, quo, Über otiose, tendis \ eultus
Sidone non cotidiane ist auch nur an purpurnes
Pergament zu denken, nicht mit Birt 65 an
Musselin (sidone = sindone), obschon nach
Egger Mem. d'histoire 159 solche Musselin-
futterale vorkommen sollen.
13) So auch bei den Griechen dtc/Otga, Luc.
de merc. cond. 16. Vielbesprochen ist Catull.
22, 7: lora, rubra, membrana j direeta plumbo
et pumice omnia aequata, wo die Ueberliefe-
rung membranae bietet. Birt Buchwesen 67
verändert die ganze Stelle, indem er coria
rubra membranae schreibt; G. Friedrich Ca-
tull 151 faßt lora rubrae membranae (letzteres
als Dativ) zusammen und sieht darin die con-
strictio der Rolle (Cic. ad Attic. IV 5,3); vgl.
Marquardt 817 A. 3. Das ist auch wohl das
Richtige, obschon Dziatzko bei P.-W. 957 unter
membrana direeta plumbo das genau abgemes-
sene und geschnittene Leder verstehen will.
Vierter Abschnitt. Handel und Geldgeschäfte.
849
bi werden1). Endlich wurde noch ein Pergamentzettel der Holle angehängt,
per in roter Farbe den Titel oder Inhalt des Buches angab und will Auf-
finden unter einer größeren Menge von Rollen erleichtern sollte; er hiefi
tititlus2) oder index3), griechisch oiXXvßoQ*).
Seltener als Papyrus wurden Rollenbücher aus Pergament hergestellt,
obschon es im Orient in alter Zeit sehr üblich gewesen zu s. in scheint6);
erwähnt werden solche auch noch später6). Gewöhnlicher aber war beim
Pergament die Form des codex oder codicillus1), wobei Benennung wie Form
von der Vereinigung mehrerer Schreibtäfelchen zu einem Bande ausging8). Im
Geschäftsverkehr scheint der Übergang von den Holztafeln zu den Pergam. nt-
blättern im 1. Jahrhundert n.Chr. erfolgt zu sein9); für Schriftstücke prn
Natur hatten solche freilich schon im letzten Jahrhundert v. Chr. Kingang
gefunden10). Wann das Pergamentbuch für Litteraturerzeugnisse zuerst auf-
kommt, können wir nicht sicher feststellen11); Tatsache ist nur, dali zur Zeil
Martials solche existierten12), allein sie waren damals offenbar noch seit.
He»
ölet!
n d«
o 1
JDgl
f i
Aber das Blei ist so stehend beim Schreiben
zum Ziehen der Linien (s. oben S. 471 A. 12),
daß es auch hier darauf bezogen werden muß;
es gehört also membranae, wenn man so liest,
zu lora rubra, dagegen direeta plutnbo et pu-
mttee omnia aequata ist zusammenzunehmen.
Die lora werden übrigens nur hier erwähnt
und sind in ihrer Bedeutung ungewiß. Mar-
quakdt 817 A. 5 und Dziatzko Untersuch. 121
beziehen sie auf die Titelstreifen (s. unten);
Becker-Göll 439 auf die Futterale, die aber
doch nicht selbst als lora bezeichnet weiden
konnten ; Postgate Journ.ofphilol.XVIl (1888)
230 denkt an Riemen, die zum Zubinden der
Rollen gedient hätten.
') Ov. tr. I 1,5: non te purpureo velent vac-
cinia fueo. Ps Tib. III 1,9: Itäea sed niveum in-
solvat membrana libellum. Mart. I 66, 1 1 ; III 2.
10: et te purpura delicata velet; VIII 72, 1; X
93. 4: XI 1, 2. Uebrigens meint Birt Buchiolle
260, daß die paenula wie der umbiliens Sache
des höchsten Luxus gewesen sei. was doch, bei
dem praktischen Zweck, kaum anzunehmen ist.
*■) Ov. ex P. IV 13. 7: ut titulum ehartae
de fronte revellas, woraus hervorgeht, daß er
an der obern frans der Rolle angebracht war;
ders.tr. II, 7. Sen.dial. IX 9,6. Mart. XII 3,17.
3) Cic. ad Att. IV 4 b, 1. Mart. III 2. 11 : et
coeco rubeat superbus index; vgl. Ps.Tib. III
1, 12: indicet vi nomen littera facta meum.
4) Cic. a. a. 0. : indices, quos voe Qraed, m
opinor, aiXXvßovg appellatis; ebd. 8 a. 2: post-
quani mihi sittybis libros inlustrarunt. Man
schwankt daher zwischen alrtvßog und oikkv-
ßog; so tritt Dziatzko Untersuch. 118 für letz-
teres ein, Birt, der Buchwesen 66 (vgl. 324)
vom oiXXvßog spricht, gebraucht Buchrolle
188 f.; 237 ff. u. s. nur die Form oixxvßos.
5) Hebräische Lederrollen erwähnt los.
ant. XII 2, 10; über griechische Pergament-
rollen vgl. Dziatzko bei P.-W. 947, der auch
die von Cicero bei Plin. VII 85 erwähnte in
nuce inclusa Ilias Homeri Carmen in membrana
scriptum für eine Pergamentrolle hält; es war
aber sicher ein Schwindel.
«) Digg. XXXII 52 pr.
') Ueber die Geschichte des Pergament
kodex, über Preise etc. s. besonders Bikt Buch-
wesen 46 ff., dessen Resultate Mai;»i vi. im 822 f.
im wesentlichen annimmt; Bedenken dagegen
sind geäußert von E. BoKDl (iött. gtL
1882, 1546 ff. Dazu vgl. man die Darstellung
von Dziatzko bei P.-W. 947 ff. und Untersuch.
| 129 ff.
8) Also VOm .-To/.r.inynr, s. oben S. 468.
9) So nach Dziatzko bei I*.-W '.» I- Unter-
i such. 131.
10) Cic. ad Att. XIII 24: quidt.l.
I rone rescribam? fuattuor 6tq ih'nm sunt in tun
, potestate; quod tftrit, id probabo. Diese vier
I Pergamentblätter waren ein Entwurf; solche
| schrieb man gern auf Pergament, vgl. Hör. II
j 3, 1 f.; a. p. 388 f. luv. 7, 24. Ueber diese Ver-
wendung der membrana s. Bikt Buchwesen
58 ff.
n) Bei den membrana,-. die der Jurist
C. Cassius Longinus (in der ersten Hälfte des
1. Jahrh. v. Chr.) zu den Ubri UgaU rechnet.
Digg. XX\1I 52 pr.. können ebensogut Perga-
mentbücher wie litterarische Entwürfe auf
Pergament gemeint sein.
u) Mart. XIV 184: Homtrm in jnuiilluri-
bus membranfis: Ilias und Odyssee mufti\
parlier nnn/ita jirlle latent : ebd. lv<;: IV, ;
in membrani»', 198'. Oktroi* membrani»', 190:
'Utas Lirius in memhrunis; 192: Orlill i„el,i-
morphose* m mtmbranit. Die übrigen dort an-
geführten Bücher (183 die Batrachomachia.
185 Vergili Culex. 187 t#«wW Bote, 189
Monobiblos Properti, 191 Sallustius. 193 Ti-
bullus, 194 Lucanus. 195 Catullus) sind alles
Papyrusrollen.
*,s) Nach Mart. XIV 188 dienten sie für die
Reiselektüre; daß man dafür gern die hand-
lichen Pergamentbücher nahm, bezeugt Mart I
2. 1 ff.; vgl. front 1 1 der Sittengeschichte II 30.
648
Dritte Abteilung. Die Berui'sarten.
und wohl auch teuer1). Das Litteraturbuch blieb zunächst noch die Papyrus I
rolle; nur in der juristischen Litteratur, dann in der christlich-theologischen
bürgerte sich der Pergamentkodex mehr und mehr ein2), weil man bei Büchern
die in starker Benutzung waren, das dauerhafte Pergament dem vergäng-'
liehen Papyrus, die bequeme Buchform der unbequemen Rolle vorzog. Ersl
nach und nach trug Pergament und Kodex auch in der übrigen Litteratur
den Sieg über Papyrus und Rolle davon, woneben die Buchform nun auch
für den Papyrus aufkam3). Beim Pergamentbuch war die Grundlage der
quaternio. d. h. eine Lage von vier Blatt4); in der Regel wurden sie so gelegt,
daß Haar- auf Haarseite, Fleisch- auf Fleischseite kam5). Auch das Pergament
wurde mitunter bunt gefärbt, mit Safran6), kostbare sogar mit Purpur7).
Die Läden der Buchhändler, zu denen wir nun noch einmal zurückkehren,
lagen in Rom an besonders verkehrsreichen Stellen; außer am Forum, wo
in der republikanischen Zeit Buchläden nachweisbar sind8), am sogenannten
Argiletum9), im Vicus Sandaliarius10) und anderwärts11). Sie hatten dort ihre
Rollen und Bücher in Schränken aufgespeichert12), Novitäten an den Pfosten
des Ladeneingangs oder an besonderen Pfeilern ausgestellt13); daher fanden
sich die Bücherfreunde dort ein, um zu sehen, was es Neues gäbe14). Durch
*) Bei Martial stehen sie, wenn man be-
rücksichtigt, daß etliche Disticha, die als
Gegenstücke dienten, ausgefallen sind, unter
den für die Reichen bestimmten Apophoreta,
die Rollen unter denen der Armen, s. Fried-
länder Martial II 295 ff.; 300. Birt freilich,
der Buchwesen 70 die Behauptung aufstellt,
das Pergament als Schreibstoff nehme unter
seinesgleichen die verachtetste Stellung ein,
hält gerade die Membranbücher für die von
geringerem Sach- und Geldwert — darnach
wäre der Culex des Vergil wertvoller gewesen
als der ganze Homer, eine Komödie des Me-
nander wertvoller als der ganze Vergil usw.,
was dann (S. 86) dadurch erklärt wird, daß
die Pergamentcodices in Notenschrift geschrie-
ben gewesen seien. Vgl. dagegen Dziatzko
Untersuch. 130.
2) Dziatzko bei P.-W. 549; Untersuch.
159 f.
3) Nach gewöhnlicher Annahme seit dem
3. Jahrh. n.Chr., nach Dziatzko Untersuch. 143
schon etwas früher.
4) Das Wort ist erst im Mittelalter nach-
weisbar, doch scheint es, als ob im Ed. Diocl.
7, 38, wo die Zeile mit dem Lohn des Perga-
mentmachers z. T. zerstört ist, membranario
in (qua)te(rni)one pedali pergamen(ae) zu lesen
sei. Vgl. Gardthaüsen Griech. Palaeogr. 60.
5) Dziatzko Centralbl. f. Bibl. IX 342 f.
6) Pers. 3, 10: posit-is bicolor membrana
capillis; ebd. Schol. : aut merito bicolor, quod
pars crocea, pars glutinata apud antiquos erat.
Isid. VI 11, 4: membrana autem aut Candida
aut lutea aut pur pur ea sunt.
7) Die Codices purpurei v/aren in der Regel
in Silber- oder Goldschrift beschrieben; vgl.
Iul. Capit. Maxim, duo 30,4: (filio) quaedampa-
rens sua libros Homericos omnes purpureos de-
dit aureis litteris scriptos. Oefters erwähnt bei
Kirchenvätern, s. Birt a. a. O. 108. Gardt-
haüsen 42 f. Dziatzko bei P.-W. 958.
8) Cic. Phil. II 9, 21 erwähnt die scalae
tabernae librariae daselbst; sie lag also etwas
erhöht, etwa als pergula (s. oben S. 60).
9) Mart. 13,1; dazu gehört auch die Gegend
beim Friedenstempel Vespasians, ebd. 2, 8;
117,10.
10) Gell. XVIII 4,1. Galen. XIX 8 K.
1 ') Gell. II 3, 5 : librum Aeneidos seeundum
mirandae vetustatis, emptum in Sigillariis vi-
ginti aureis; ebd. V 4, 1 kauft jemand apud
Sigillaria in libraria die Annalen des Fabius,
bonae atque sincerae vetustatis libri, quos ven-
ditor sine mendis esse contendebat. Vielleicht
handelt es sich hier um ein Antiquariat; doch
ist die Lage der Sigillaria ganz ungewiß, s.
Richter Topographie 386.
12) Sid. Ap. ep. II 9, 4: videre te crederes
aut grammaticales pluteos aut Aihenaei euneos
aut armaria extineta bybliopolarum. Auch in
capsae wurden sie aufbewahrt, Stat silv. IV
9, 2 1 ; die Fächer der Büchergestelle bezeichnet
Mart. I 117, 15 als nidi, vgl. VII 17, 5.
13) Hör. sat. I 4, 71: nulla taberna meos
habeat neque pila libellos: a. p. 373 wird co-
lumnae eben darauf gedeutet. Mart. I 117, 10:
contra Caesaris est forum taberna \ scriptis
postibus hinc et inde totis, | omnes ut cito per-
legas poetas. Manchmal hatten die Buchhändler
mehr draußen, als drin im Laden, vgl. Sen. ep.
33, 3: non habemus itaque ista oeliferia (d. i. in
die Augen Fallendes) nee emptorem deeipimus
nihil inventurum, cum intraverit, praeter illa,
quae in fronte suspensa sunt.
14) Gell. V 4, 1 ; XIII 30, 1 ; X VIII 4, 1.
Vierter Abschnitt. Handel und Geldgeschäfte.
f,l'j
ien Buchhandel fanden zumal die Werke der Dichter schon früh weite Ver-
breitung auch außerhalb Italiens; bereits Horaz erwähnt die überseeischen
Jücherversendungen1), wobei die Buchhändler mitunter auch alte Ladenhüter
^ich vom Halse schafften2). Und wie Horaz dadurch auch in fernste Länder
kommen hoffte3), so rühmte Ovid sich dessen*), und so waren Martials
Üpigramme in der ganzen Welt zu kaufen6). Es gab daher auch in den
i größeren Städten der Provinzen6) und in den Seehäfen Buchläden7).
Wir haben endlich noch von denjenigen Berufen zu sprechen, denen dir
H Geldgeschäfte zufielen. Von solchen konnte freilich in den ersten Jahr-
j1*« (Hinderten der Stadt noch keine Rede sein. Solange der Handel noch lediglich
' Tauschhandel war, solange Rom noch keine eigene Münze prägte, also auch
"e< sein oder nur wenig auswärtiges Geld im Verkehr war, war auch kein Be-
* iürfnis für Geldgeschäfte da; und auch später noch, als das einzige kursierende
lte| Geld das schwere Kupfer war, wird von solchen nur wenig die Rede gewesen
h 3ein. Mehr als fünf Jahrhunderte hindurch war, wie wir sahen, der Grund-
Jä besitz und die in Verbindung damit betriebene Landwirtschaft die einzige
anständige Erwerbsquelle für den Römer der besseren Stände, für die auf
tieferer Stufe stehenden bot das Handwerk Nahrung; aber wer reich war,
dessen Reichtum bestand in Ackern und Vieh, nicht in barem Gelde. Immer-
hin floß auch damals schon ausländisches Silbergeld nach Rom und war dort
in Zirkulation, bevor die Stadt ihr eigenes Silber prägte, und das Bedürfnis,
diese ausländischen Münzsorten mannigfaltigsten Gepräges, die durch den
Geschäftsverkehr mit den Nachbarländern nach Rom kamen, verkaufen oder
auch je nach den Umständen kaufen zu können, ward Veranlassung, daß auch
in Rom Gelegenheit zum Geldwechsel geboten wurde, indem man von Groß-
griechenland, wo es schon lange nach griechischem Muster solche Geldwechsler
{xQajie&Tai) gab, diese Geschäftsbranche übernahm8) und sie zunächst auch
mit dem griechischen Namen (in der Form tarpezita) benannte9). Neben
dem Geldwechseln machte sich, namentlich seit Rom selbst Silbergeld ausgab
und Bargeld sich im Privatbesitz, zumal in den Händen der großen Grund-
besitzer, aufzuhäufen anfing, weiterhin auch der Wunsch geltend, diese Kapi-
talien nutzbringend anzulegen, wie andrerseits man bei Geldknappheit Ge-
legenheit suchte, Geld gegen Zins aufnehmen zu können. Dafür waren unter
*) Hör. a. p. 345.
2) Ep. I 20, 12: auf tineas pasces tacitur-
nus inertes, aut fugies Uticam, aut vinctus mit-
teris Ilerdam.
3) Carm. II 20, 13 ff.; III 30, 10 ff.
4) Ov.tr. IV 9, 19 ff.; 10,128.
5) Mart.1 1.2; III 95,7; V 13. 3; VII 88;
VIII 3,4; 61, 3; IX 99; X9; ebd. 104. Ob sich
auch XII 2 darauf bezieht, läßt sich nicht
sagen. Ein gutes Beispiel aus späterer Zeit
für die Schnelligkeit, mit der schon im Alter-
tum Bücher in zahlreichen Exemplaren bis
in die weitesten Fernen Verbreitung fanden,
ist der Bericht des Sulpic. Sever. dial. I 23, 3
über das Erscheinen des Lebens des hl. Mar-
tinus (um 400 n. Chr.), vgl. Marquardt 828.
Friedländer Sittengesch. III 371.
6) In Lugdunum nach Plin. ep. IX 11,1.
7) Gell. IX 4. 1: cum <■ OrtMeta in BmVtm
rediremus et Brundisium iremm egressiq%u e
nave in tcrram in portu illo inr/n/n tftttart-
mur, . . . fasces lihronon Venalitan </•/.■
vidimus. Ueber Bücherpreise vgl. Frirdlän-
der a.a.O. Becker-Göll 44!». H aknn v a. a. O.
nif.
8) Die erste Erwähnung römisch« i arm >i-
tarii bei Liv.IX 40. 16 fällt ins J. 31u v. I
ihre Einführung in Rom ist aber anscheinend
schon einige Dezennien früher erfolgt, s. Voiot
Ueber die Bankiers 516, der annimmt daß sie
erst nach Latium und von da nach Rom ge-
kommen seien. Hiergegen wendet sich mit
Recht Tu. Nikmbyer Zeitschrift der Savigny-
Stiftuns, Rom. Abt. XI (1890) 314.
9) Plaut. Trin. 425; Epid. 143; Cure. 345;
559; Capt. 193; 449.
650
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
Umständen die Geldwechsler, als sich ihr Geschäftskreis erweiterte, aucl
bereit, aber mehr noch wareD das Geschäfte, die die Kapitalisten lieber selbs
in den Händen behielten, indem sie als feneratores, was anfangs noch nich
die anrüchige Bedeutung des Wucherers hat, sondern den Geldmann, der au
Zins (fenus) leiht, bedeutet1), ihre Kapitalien arbeiten ließen und vermehrten
Denn so sehr der Römer, wie wir oben sahen2), jeden um Gelderwerbs willei
betriebenen Beruf, die Landwirtschaft ausgenommen, für unanständig hielt, s<
betrachtete man doch die Geldgeschäfte nicht vom gleichen Gesichtspunkt«
aus. Zwar galt Wucher, das Geldausleihen gegen übertrieben hohe Zinsen
für ebenso niedrig und verächtlich, wie das Pachten von Zöllen u. dgl.3)
nichtsdestoweniger spielt das Ausleihen von Kapitalien zu hohen Zinsen schor
in der Frühzeit Roms, als Geld noch rar war und die Darlehen vielfach nocl
in Naturalien bestanden, bekanntlich eine sehr verhängnisvolle Rolle4), unc
die vornehmen Römer, die sich zu gut dünkten, selbst irgendwelchen mil
Gelderwerb verbundenen Beruf zu treiben, scheuten durchaus nicht davoi
zurück, gegen den üblichen, meist ziemlich hohen Zins5) Kapitalien aus-
zuleihen. Zwar wurde angeblich im Jahre 342 durch eine Lex Genucia. jedes
Geldausleihen gegen Zinsen verboten6) und dies Verbot in späteren Gesetzen
erneuert7); allein diese Gesetze standen wesentlich nur auf dem Papier, und
das verzinsliche Darlehen blieb trotzdem bestehen8). Allerdings verbot die
mehrfach erwähnte Lex Claudia9) allen Senatoren, wie Seehandel und Pacht
von Unternehmungen, so anscheinend auch jede Art von Geldspekulation10);
allein das hatte nur zur Folge, daß dadurch die Ritter, denen solcher Erwerb
nicht untersagt war, zur Geldaristokratie wurden, und daß andrerseits die
Senatoren das Gesetz zu umgehen und im stillen weiter zu spekulieren wußten,
*) Ueber fenus vgl. die betr. Artikel von
Klingmüller bei P.-W. VI 2187 ff. und F. Bau-
dry bei D.-S. II 1223 ff.
2) Vgl. S. 535.
3) Cato r. r. pr. 1 : est interdum praestare
mercaturis rem quaerere nisi tarn periculosum
siet, et item fenerari, si tarn honestum siet. ma-
iores nostri sie habuerunt et ita in legibus posi-
verunt, furem dupli condemnari, feneratorem
quadrupli. quanto peiorem einem existimarint
feneratorem quam furem, hinc licet existimare.
Vgl. Cato bei Cic. de off. II 25, 89 : et cum ille, qui
quaesierat, dixisset ,quid fenerari?' tum Cato
,quidhomineml ,inquit, ,occidere?' Ebd. 1 42,150
werden portitores und feneratores als quaestus,
qui in odia hominum ineurrunt, gleichgestellt.
4) Vgl. Mommsen Rom. Gesch. 1 267 f.; über
die Schuldgesetze Marquardt Staatsverwalt.
II 57.
5) Der durch die Dezemviralgesetzgebung
festgesetzte Zinsfuß betrug */i2 vom Kapital,
also 8Vü°/o; im J. 347 v. Chr. wurde er auf
4'/6 °/o festgesetzt. Im 1. Jahrh. v. Chr., angeb-
lich durch eine Verordnung des Sulla, wird
das fenus unciarium üblich, d. h. eine uncia
Zins jährlich gezahlt auf 1 As; wie Billeter
Gesch. d. Zinsfußes im griech.-röm. Altertum
(Leipzig 1898) 163 ff. nachweist, war in dieser
Periode der gewöhnliche Zinsfuß 4 — 6 °/o, ver-
einzelt und mehr in besonderen Fällen 12 °/o,
was auch gesetzliches Maximum war; was
darüber ging, war Wucher. Vgl. auch M. Th.
Streuber Der Zinsfuß b. d. Römern, Basel 1867.
Marquardt a. a 0. 58 ff. Beloch Handwörterb.
d. Staatswissensch.2 unter Zinsfuß.
6) Liv. VII 42, 1. Tac. ann. VI 16. App. b.
civ. I 54. Ueber dieses vielbehandelte und oft
angezweifelte Gesetz (das nur für das römische
Gemeindegebiet, aber wohl nicht bloß für rö-
mische Bürger, sondern für alle Niedergelas-
senen galt) s. Billeter a. a. 0. 134 ff.
7) Durch eine bei Gaius IV 23 erwähnte
Lex Marcia, deren Zeit nicht feststeht; Bil-
leter 149 ff. setzt sie zwischen 192 und 89
an. Es gab auch eine Lex Porcia gegen das
fernes, Prise. III 90, und Tac. a. a. 0. spricht von
multa plebiscita gegen Wucher. Die Lex Sem-
pronia vom J. 193 stellte die Bundesgenossen
hinsichtlich des Zinsverbotes den römischen
Bürgern gleich, Liv. XXXV 7, 1 ff., vgl. Bil-
leter 153.
8) Vgl. Mommsen Rom . Gesch . 1 302. Streu-
ber 88. Billeter a. a. 0.
9) Siehe oben S. 539.
,0) Das ist zwar nicht ausdrücklich über-
liefert, aber deswegen wahrscheinlich, weil
Liv. XXI 63,4 sagt: quaestus omnis patribus
indecorus visus. Vgl. Mommsen I 853.
Vierter Abschnitt. Handel und Geldgeschäfte. i.M
■ndem sie sich mit solchen, denen kein gesetzliches Hindernis im Wege stand,
äfessociierten. Seit den punischen Kriegen, besonders aber seit den Gracchen
Apielen die Kapitalisten in Rom und zumal in den Provinzen eine wichtige
feolle1). In der Hauptstadt boten vornehmlich die politischen St reber, die enorme
■Summen brauchten, um durch Spenden, Spiele u. dgl. die Gunst des Volkes
bu gewinnen2), und nicht minder die leichtsinnigen Familiensöhne, die in
Erwartung der einstigen Erbschaft sich in Schulden stürzten3), dem Wucher
reichlich Nahrung. Aber noch günstigeren Boden fand er in den Provinzen:
in jeder neuerworbenen Provinz ließen sich neben den Bankiers sofort die
Greldverleiher, die feneratores, nieder, die ebenso den Privaten, die Geldmittel
tauchten, wie den Gemeinden, die sich oft genötigt sahen. Anleihen auf-
zunehmen, Gelder zu oft ganz unglaublich hohen Zinsen vorstreckten4), und
unter den oben erwähnten, überall in den Provinzen niedergelassenen ?i<
tiatoresb) waren viele, die weiter nichts als solche Geld- oder vielmehr meist
Wuchergeschäfte betrieben. So überschwemmten Geldverleiher das südliche
Gallien nach seiner Unterwerfung6), Pannonien7), Afrika8), besonders aber
Kleinasien9). Von der Strenge, mit der in früheren Zeiten die Statthalter
gegen derartige Geldleute vorgingen, — der ältere Cato vertrieb im Jahre 198
als Prätor von Sardinien unbarmherzig alle Wucherer von der Insel10), — war
später nicht mehr die Rede, da die Statthalter selbst sich auf solche Art an
den Provinzialen bereicherten11). Gesetze gegen den Wucher wurden zwar
wiederholt erlassen12), waren aber selbstverständlich unschwer zu umgehen18).
Erst in der Kaiserzeit wurden die Zustände in den Provinzen bessere, hörten
die Brandschatzungen durch Statthalter und Geldverleiher auf; erst von da
ab begann sich der Wohlstand in den Provinzen wieder zu heben.
Nicht auf eine Stufe mit den feneratores sind die berufsmäßigen Bankier!
zu stellen, von deren Auftreten in Latium und Rom oben kurz die Rede war.
Die ersten argentarii, wie diese erst tarpezitae benannten Kaufleute dann be-
zeichnet wurden14), erhielten vom Staat in der Zeit 338—330 die sieben alten
Fleischerbuden an der Südseite des Forums als Geschäftslokale eingeräumt.
*) Vgl. Paul Müller Die Geldmacht im
alten Rom gegen das Ende der Republik.
Bruchsal 1877.
2) Ueber die Schulden des Cäsar, Anto-
nius, Milo u. a. vgl. Marquabdt Staatsverwalt.
II 57.
3) Bei den Catilinariern war für die meisten
Teilnehmer arge Verschuldung der Hauptgrund
der Verschwörung, Sali. Cat. 33, 1. Vgl. ferner
Cic. pro Sest. 8, 18. Ov. rem. am. 561 ff. Hör.
sat. 1 2, 12 ff.
4) Ueber die Ausbeutung der Provinzen
durch diese Kapitalisten vgl. Makquardt I
541 f. Bekannt ist. daß selbst M. Iunius Bru-
tus, der spätere Mörder Cäsars, sich nicht
genierte, der Stadt Salamis auf Kypern (aller-
dings unter fremdem Namen) Geld zu 48 °'o
vorzustrecken, während der gesetzmäßige Zins-
fuß 12o/o betrug, vgl. Cic. ad AttV 21; VI .1-8 ^ZulZTröbenT^^ufden Inschrifti-n
und über diese ganze anrüchige Geschichte wechseln O-.oDen ?n*™'' " Fft„ die8e
Drumann Gesch. Roms in s. Ueberg. IV 41 ff.; sind anscheinend in den me.sten Julien
Arbeit, und Communist. 289. Savigny Abb. d. | zu verstehen.
Berl. Akad. der Wiss. 1818 19. 179 ff. (Verm.
Schriften I 386 ff.). Billetbr 98.
») Siehe oben S. 630 ff.
6) Cic. pro Font. 5. 11. Suet.Vesp. 1.
') Vell. Pat.II 110,6.
8) Plut. Cato min 59.
9) Cic.Verr. act II, 127.69; de imp. Cn.
Pomp. 7. 18; pro Flacco 29. 70; pro rege Deiot.
9.26; ad Att. I 3. 1 ; VI 8, 2.
10) Liv. XXXII 27,4; vgl. Plut. Cato mai. 6.
n) Man vgl. das Verfahren des Verres,
Billeter 167 f.
») Vgl. Marqüardt II 58. Mommsbn III
537.
1J) Nach Tac ann.VI 16 war im J. 33 n. Chr.
kein einziges Mitglied des Senate, das nicht
fetwratio trieb.
14) Sie sind nicht mit den ebenso benannten
fahrt (infent<irii, den Silberschmieden, zu v.-i-
652
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
die nun tabernae argentariae (später tabernae veterei) genannt wurden1)
noch vor dem Jahre 210 wurden dann auf der Nordseite des Forums weiter
Wechslerbuden, tabernae plebeiae oder novae genannt, errichtet2). Für di
Benutzung dieser Buden zahlten die argentarii Mietgeld an den Staat3). Um
wie die griechischen Trapeziten ihren Namen von dem Tisch hatten, an den
sie das Geld wechselten und Zahlungen leisteten oder empfingen4), und de
moderne Name Bankier an die Bank erinnert, die als Zahltisch diente, s<
stand auch in den römischen Wechselbuden ein Tisch, die mensa argentaria6)
mit welchem Namen dann ebenso der Zahltisch des Bankiers bezeichne
wurde6) wie die öffentliche Bank eines Staates oder einer Gemeinde7). Zwai
haben die Römer nicht, wie die Griechen und Ägypter, die Staatsbank als
eine stehende Einrichtung gekannt, wohl aber wurde gelegentlich, bei außer-
ordentlichen Anlässen, für Schuldentilgung, Staatsanleihen usw. eine solche
mensa publica errichtet8).
Als im Jahre 269 v. Chr. das römische Münzsystem eine Umgestaltung
erfuhr, indem die Silberwährung eingeführt wurde, traten zu diesen argentarii
als spezielle Geldwechsler, zugleich aber auch als Münzwardeine, die num-
mularii; diese hatten nämlich zunächst als Staatsbeamte die Münzprobe unter
sich9), eine Funktion, die ihnen auch später noch verblieb, namentlich ale
der großen Münzverschlechterung wegen eine arge Unsicherheit im Geld-
verkehr eingetreten war10). Sie hatten aber anscheinend auch eine Bank,
von der sie neues Geld in Kurs brachten11) und fremde Geldsorten gegen
einheimische umtauschten, was jedoch auch private, nicht vom Staat bestellte
nummularii taten12); und da diese dann auch sonst dieselben Geldgeschäfte
betrieben wie die argentarii, so machte der spätere Sprachgebrauch keinen
Unterschied mehr zwischen beiden13). Eine andere, aber späte Bezeichnung
J) Varro bei Non. 532, 15; Erwähnungen
bei Liv. IX 40, 16 (vom J. 310); XXVI 27, 2 (von
210); XXVII 11,16 (von 209). Sie lagen in der
Nähe des Kastortempels, s. Plaut. Cure. 481.
Cic. pro Quinct. 4, 17. Liv. XLIV 16, 10. Vgl.
Jordan Topogr. I 2, 380. Richter Topogr. 395.
2) Fest. 230 a. 31 ; erwähnt Liv. XXVI 27, 2
(vom J.210); XL 51, 5 (von 179). Sie lagen nahe
beim Ianustempel, Cic. Phil. VI 5, 15. Ov. rem.
am. 561. Hör. ep. I 1, 54; vgl. Varro 1. 1. VI 59.
Cic. de or. II 66, 266. Porphyr, u. Acro zu Hör.
a. a. O. und zu sat. II 3, 18. Jordan a. a. O. 381.
Richter 85.
3) Fest. a. a. 0. (aber stark ergänzt). Liv.
XXVII 11, 16; vgl. Digg. XVIII 1, 32. Voigt
Bankiers 516 A.9.
4) Noch heut betreiben die Geldwechsler an
der Aeolusstraße in Athen ihr Geschäft an klei-
nen, auf der offenen Straße stehenden Tischen.
5) Hör. sat. II 3, 148. Cic. in Pis. 36, 88.
Digg. II 13, 4 pr. Novell. 136, 1. Daher heißen
die Bankiers auch, obschon seltner, mensarii,
Cic. pro Flacco 19, 44. Suet. Aug. 4, oder men-
sularii, Digg. XLII 5, 24, 2.
6) Plaut. Pseud. 296. Tac. ann. VI 17. Suet.
Galba 9. Apul. apol. 17. Digg. II 13,4 pr. u. ö.
Auf Denkmälern sieht man diese mensa argen-
taria bisweilen, s.JahnBGGW 1861 Taf.X4.
Daremberg-Saglio Dictionn. 1 406 Fig. 495.
7) Mensa publica, Cic. a. a. 0.
8) So im J. 352 v. Chr. und dann wieder
216— 211; vgl.MARQUARDT II 64.1m J.32n. Chr.
wurde die Vermittlung einer großen Anleihe,
die Tiberius wegen Kreditstockung zur Ver-
fügung gestellt hatte, den Bankiers übertragen,
Tac. ann. VI 17.
9) Petron. 56, 1 u.3; sie gehören zur fa-
milia monetaria einer Münzprägungsoffizin, s.
CIL III 4035. VI 298; 8461 f.; vgl.MARQUARDT
II 66 A. 4.
,0) Nach dem Edikt des M. Marius Gra-
tidianus vom J. 85/84 v. Chr. mußte bei Geld-
zahlungen auf Verlangen des Empfängers das
Geld durch einen nnmmularius geprüft werden,
Cic. de off. III 20, 80. Plin. XXXIII 132. Sen.
dial. V 18, 1. Aus späterer Zeit Apul. met. X 9.
Digg. XLVI 3, 39.
u) Symm. ep. X 29 (49).
12) Vgl. die nummularii auf Inschriften,
CIL VI 9706 ff.; sie bezeichnen sich in der
Regel nach der Lage ihres Geschäftslokals
(de basilica Iulia, de Circo Flaminio), s. Mar-
quardt II 65 A. 5. Waltzing Etüde II 230 ff.
13) Vgl. Suet. Aug. 2 u. 4. Digg. II 14, 47, 1.
Vierter Abschnitt. Handel und Geldgeschäfte.
658
deni st collectarii, unter welchem Namen zu Beginn des 4. Jahrhunderts n. Chr.
eitf m Zusammenhang mit der Münzreform Konstantins die bisherigen ar
k\ md nummularii neu organisiert wurden1).
Was nun die Geschäfte der argentarii anlangt, so sind diese von zweierlei
ad« ixt: nämlich Bankgeschäfte und Auktionsgeschäfte8). Das Bankgeschäft»)
hl tatte es zunächst mit den Geldsorten zu tun4), und zwar einerseits mit dam
te,| in- und Verkauf fremder Münzsorten, andrerseits mit der Umwechslung
m leimischer Münzen5); dafür nahmen sie ein Agio, das collißus oder coü a
cli ließ6). Das Kreditgeschäft bestand in der Gewährung von verzinslichen
h )arlehen7), wobei der Entleiher jedenfalls irgendwelche Sicherheit oder Bürg-
tä ichaft stellen mußte, ferner in der Annahme von Geldeinlagen als Depositum8),
lijf mtweder nur zur Aufbewahrung, wenn jemand soviel Bargeld nicht im Hause
laben wollte, oder indem er es dem Bankier zur Verwertung überließ und
lafür von ihm Zinsen bezog9); doch gingen bei einem Bankrott des Bankiers
lie zinslosen Anleihen den verzinslichen vor10). Auch nahm der Bankier
jeldeinlagen an, die auf Rechnung des Kunden ausgeliehen werden durften11).
Sodann gab es Ordregeschäfte, die denen der heutigen Banken ganz ähnlich
sind: nämlich der Kunde wies Zahlungen an durch Ordre an den Bankier
was pecuniam relegare oder delegare ab argentario heißt12)), und zwar entweder
durch mündliche Ordre direkt an den argentarius13) oder durch schriftlichen
Auftrag an ihn14) oder gegen Vorweisung einer verabredeten Legitimation
(z. B. des Siegelrings)15). Daher ergab sich für Zahlungen, die ein Privatmann
zu leisten hatte, ein doppelter Weg: er zahlte entweder mit dem Gelde, das
er bar im Hause hatte, das ist de domo oder ex arca sua solvere16), oder durch
die Anweisung auf seinen Bankier, was de mensa solvere heißt17).
Diese Geschäfte haben, wie man sieht, eine gewisse Ähnlichkeit mit
unserem Scheckverkehr. Selbst so etwas wie einen Wechsel finden wir bereits,
obschon freilich nicht in dem Sinne, daß sich der Wechselverkehr bis zum
Girowechsel entwickelt hatte; es war vielmehr lediglich die Einrichtung ge-
troffen, daß der Bankier im Auftrag eines Kunden, der bei ihm Geld im Depot
hatte, eine Zahlungsanweisung auf einen auswärtigen Geschäftsfreund entweder
*) Siehe v. PKEMEKSTEiubei P.- W. IV 376 f.
Waltzing a. a. O. und ebd. 115. Humbert bei
D.-S. I 1291. Voigt a. a. 0. 522 f.
2) Die nummidarii betrieben keine Auk-
tionsgeschäfte, insofern bleibt also ein Unter-
schied zwischen argentarii und nummularii
bestehen, vgl. Voigt 521 f.
3) Dem Folgenden liegt vornehmlich die
Darstellung von Voigt a. a. 0. zugrunde, sowie
von Oehleb bei P.-W. a. a. 0.
4) Es wird als emtio und venditio num-
morum bezeichnet. Digg.XLVIII 10,9,2. Cod.
Theod.IX 22, 1 ; XII 7,2. Cod.Iust.XI 10 (11), 1.
5) Suet. Aug. 4; vgl. Voigt 524.
6) Cic. Verr. III 78, 181; ad Att. XII 6, 1.
Suet. a. a. 0. ; davon führen sie in späterer Zeit
auch den Namen collybistae, Corp. Gloss. II 352,
25 ; 573, 38 u. ö. ; vgl. VI 750 unter nummularius.
7) Plaut. Trin. 425; Epid. 143; Cure. 480;
508; Truc. 70 ff. Plut. vit. aer. al. 2 p. 827 F.
Digg. XVI 3, 7, 2.
8) Plaut. Cure. 345; 535; 679 ff. Digg. XVI
3,8; XLII1,15,11 u.ö.; ein Formular der Km
pfangsquittung eines solchen Depositums ebd.
XVI 3, 24.
9) Digg. XII 1, 9, 9; XVI 3, 25, 1 ; XIX 8,
31 ; ein Schuldformular des Bankiers in griechi-
scher Sprache XVI 3, 26, 1.
>o) Digg. XVI 3, 7, 2.
n) Digg. a. a. 0. 28; vgl. das Schuldformu-
lar XIII 5, 24.
««) Cato r. r. 149, 2; vgl. 105, 2. Cic. ad Att
XII 3 2
13') Plaut. Cure. 721 f.; Pseud. 1230.
'*) Plaut. Cure. 346 f.; 429 ff.
»») Plaut. Bacch. 263 f.
16) Plaut. Cure. 685. Sen. ep. 26, 8. Donat.
ad Ter. Ad. 277. Digg. XII 1, 40.
>7) Vgl. Plaut. a.a.O. Ter. a.a.O. u.Phorm.
921. Donat. ad Ter. a. a. 0.
654
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
für den Kunden selbst oder für eine von ihm bezeichnete Persönlichkeit aus-j'
stellte. Wir sind hierüber namentlich durch den Briefwechsel Ciceros unter-r
richtet; denn als dessen Sohn in Athen studierte und öfters Geld brauchte,
erhielt er das auf die Art, daß das Geld an Ciceros Bankier in Rom gezahlt
wurde, dieser sich mit seinem Geschäftsfreund in Athen in Verbindung setzte
und der junge Cicero bei diesem das Geld gegen Quittung erhob '). Ein
Wechsel im modernen Sinne war das also nicht; aber unser heutiges Wechsel-
system, das seine Anfänge im Mittelalter hat, knüpft doch immerhin an diese
altrömischen Kreditbriefe, wenn man sie so nennen wrill, an. Weiterhin ge-
hörte zum Ordregeschäft die Bürgschaftsleistung für Kunden2), der Eintritt
in eine Schuldverbindlichkeit des Kunden als Mitschuldner3), endlich die
Übernahme einer Schuldverbindlichkeit des Kunden an dessen Stelle und als
Selbstschuldner4).
Anderer Art waren die in den Händen der argentarii liegenden Auktions-
geschäfte. Der Bankier vermittelte besonders bei Todesfällen die Veräußerung
des hinterlassenen Vermögens und die Einziehung der Auktionsforderungen,
schoß auch wohl die Kaufsumme vor5); und da er die Kaufgelder einzog,
so hieß er auch argentarius coactor6). Die Protokolle über diese Auktionen
heißen tabulae auctionariae oder argentariorum 7).
Es ist einleuchtend, daß die Stellung der argentarii mit großer Ver-
antwortlichkeit verbunden war und größte Zuverlässigkeit und Vertrauens-
würdigkeit zur Voraussetzung hatte. In den meisten Fällen wird diese,
namentlich bei den großen Bankiers, auch vorhanden gewesen sein; aber es
konnte doch nicht verhindert werden, daß ein Bankier infolge unglücklicher
Spekulationen oder auch durch unredliches Gebaren Bankrott machte8) und
seine Kunden ihrer Einlagen verlustig gingen. Und da man namentlich den
kleinen Geldwechslern nachsagte, daß sie gerne betrögen9), so genossen diese
auch nicht die Achtung, deren sich die großen Bankiers mit weitverzweigten
Geschäften erfreuten. Um aber dergleichen möglichst zu verhüten, standen
sie ebenso wie die nummularii unter Aufsicht der Staatsbehörden10), und zwar
während der Kaiserzeit in Rom unter dem Praefectns urbi11) und in den Pro-
vinzen unter dem Statthalter12). Ob sie einer besonderen Konzession bedurften,
steht nicht fest, aber der Staat verpflichtete sie zu genauer Führung ihrer
Geschäftsbücher13); diese mußten in streitigen Fällen vor Gericht vorgelegt
x) Dies Geschäfts verfahren hieß permw-
tatio pecuniae, vgl Cic. ad Att.V 13. 2; 15, 2;
XI 1,2; 24. 3; XII 24,1; 27,2; XV 15,4; ad
Qu. fr. I 3, 7 ; ad fam. III 5,4; pro Rabir. 14, 40.
2) Plaut. Asin 436 ff.
3) Digg. XIII 5. 26.
4) Die sog. transcriptio a persona in per-
nonam, Liv. XXXV 7, 2. Gai. III 128 ff.
5) Gai. IV 126 a. Cic. pro Caec. 6, 16 Quint.
XI 2,24. Sen.contr.Ipr. 19. Suet.Neroö. Capi-
tol. M. Ant. phil. 9, 9. Digg. V 3, 18 pr.; XL VI
3,88.
6) Suet. v. Hör. 44, 4 Reiff. Porphyr, u. A cro
ad Hör. sat.I 6.86. Digg. XL 7.40,8; vgl.XLVI
7,88. CIL V 8212; VI 1923; coactiones argen-
tarias factitare, Suet.Vesp. 1.
7) Cic. in Catil. II 8, 18. Quint. XI 2, 24.
8) Von dem Bankier, der Bankrott machte,
sagte man foro fugere, Plaut. Persa 435 : ubi
quid credideris, citius extemplo foro \ fugiunt,
quam exporta ludis quom emissust lepus; e foro
abire ebd. 442; foro mergi, Plaut. Epid. 119;
besonders aber foro cedere, Digg. XVI 3, 7, 2.
Sen.debenef IV 39,2. luv. 11,50.
9) Plaut. Cure. 377: habent hunc morem
plerlque argentarii, \ ut alius alium poscant,
reddant nemini, | pugnis rem solvant, si quis
poscat clarius: vgl. ebd. 66 ff. ; Persa a. a. 0.
10) Vgl.MoMMSENim Hermes XII (1877) 99f.
") Digg.I 12,1,9; ebd. 2.
12) Suet. Galba 9.
,3) Digg. II 13. 10.
Vierter Abschnitt. Handel und Geldgeschäfte.
in werden1) und dienten als Beweis für geleistete Zahlungen und ausgeführte
ant* Geldgeschäfte2). Mitunter taten sich mehrere zur Führung eines Bank-
ücfe ;eschäftes zusammen, wobei jeder socius haftbar war3); Frauen waren als
aai 'eilhaberinnen ausgeschlossen4), hingegen konnten Sklaven unter EUftpflichl
es Herrn das Geschäft als Stellvertreter führen5).
Die Geschäftsbücher der argentarü, die auf griechischen Braucli /uriirk-
jehen, wiesen beim Aufkommen des Bankwesens bereits eine so praktisch«
md klare Form auf6), daß sie sehr bald auch Aufnahme in die privat.- Bach-
ührung des pater familias fanden und jeder gute römische Hausvater, der
,uf Ordnung im Hauswesen und in den Finanzen hielt, seine Einnahmen und
usgaben nach diesem Muster buchte und kontrollierte. Auch der Privatmann
atte dabei in der Regel neben seinen Hausstandsbüchern noch seine Ge-
chäftsbücher7). Die Hausstandsbücher waren von verschiedener Art, je
achdem der Hausvater daneben auch Geschäftsmann war und über seine
eschäfte Buch führte oder zwar nicht Handel trieb, aber doch mit Zinsen
s Ausgaben oder Einnahmen zu rechnen hatte. In der Kegel gehörte zu
edem Haushalt der Ubellus familiae*) oder Über patrimonii*), ein Invcntar-
uch, in das die verschiedenen Bestandteile des Vermögens, Barbesitz. Iin-
obilien wieMobilien, lebendes wie totes Inventar eingetragen wurden10); diese
nventare waren namentlich bei Erbschaftsregulierungen von Wichtigkeit;
odann ein Kassabuch, der codex accepti et expensi11), wobei auf der einen
eite oder tabula die Einnahmen, auf der anderen die Ausgaben gebucht
aren12); in den meisten Fällen scheint dies Buch mit dem codex rationum
omedicarum13) identisch gewesen zu sein14), und nur in großen Betrieben,
namentlich den mit Landwirtschaft verbundenen, war das ein besonderes
Buch oder sogar mehrere, die für die einzelnen Betriebe gesondert geführt
urden15). Daneben aber führte wohl auch der gewöhnliche Hausvater die
sogenannten adversaria oder ephemerides, in die täglich alle Einnahmen und
Ausgaben, wie sie der Reihe nach erfolgten, eingetragen wurden, während
in dem genauer geführten codex, der als Dokument galt, die einzelnen Posten
*) Digg. II 13.4pr.
2) Cic.proCaec.6.16f.Gell XIV2,7.Digg.
II 13,9.2; XLVI12.27.1.
3) Digg. II 14. 9 pr.; ebd. 25 pr. u. 27 pr.
4) Digg. II 13,12.
5) Digg. 1113,4, 3; XIV 3, 5, 3.
6) Vgl. besonders Voigt a. a 0. 529 und
das oben S. 618 zitierte Buch von R Beigel.
7) Man benutzte dazu im wesentlichen
Wachstafeln, später auch Papyrus, s. Voigt
529 A.l.
8) Digg. XXXII l,99pr.
9) Sen. de benef.VH 10,5.
,0) Varro r. r. I 22, 6: instrumentum et
supellectilem rusticam omnem oportet habere
scriptum in urbe et rure dominum. Digg a.a.O.;
XXXIII 10.3,5.
u) Voigt 531 führt dies Hauptbuch nur
unter den Geschäftsbüchern auf, aber Beigel
181 bemerkt mit Recht, daß es von jedem
Paterfamilias geführt wurde. Vgl. Plaut. Truc.
73. Cic.orat. 47,158; pro Rose. com. 2, 5; Verr.
II 76, 186.
'•) Plin. II 22: huic (sc. Fortuna«) tmmia
expensa, huic feruntur aceepta; Tgl. XXXIII
42.
'») Cic.Verr.act.lI. 123.60; 1177,188; pro
Font. 5, 12; pro Cluent. 30. 82: pro Cael. 7, 17;
pro Scaur. 9. 18. Digg. XXVI 7. I*;. :,
,4) Voigt 533 will den codtx aea.
expensi vom codex rationum unterscheid« n :
aber im einfachen Betrieb eines gewölmlieh< n
Bürgerhauses waren beide wohl identisch. Vgl
auch Niemeyer a.a.O. (oben S.649 A.^ BIS ff.
15) Ps.Ascon. in Verr. 175 (Baiter): moris
fuit itnumaue»hjus domesticum ratin>i--»i silii
tot ins vitae sitae per dies ilmftdo» scrilwre, quo
appareret, quid gwägiM d* rtd&btu suis, quid
de arte, fenore ImcroM rx p
quid item sumj>tns damnivt f\ risset; weitere
Stellen s.Voigt 534 A. 18. Zu den Sonderbüchern
über Vieh. Futter. Getreide, Oel etc. vgl. Cato
r. r. 2,5; Colum. XI 2.44. Veget. mulom. III
pr. 3; mehr bei Voigt 535 A.19.
656
Dritte Abteilung. Die Berufsarten.
allmonatlich gesondert wurden1). War der pater familias aber auch Geschäfts- 1
mann, ließ er zumal sein Kapital zinstragend arbeiten, dann führte er noch!
das sogenannte kalendarium2), d. h. ein Buch, in dem die ausgeliehenen oder
entliehenen Kapitalien, die Rückzahlungs- und Zinstermine verzeichnet waren
und Kapital- wie Zinsauszahlungen eingetragen wurden3). Die Bankiers hatten
teils ebensolche, teils auch noch einige andere Geschäftsbücher zu führen.!
Wie der Hausvater führten sie adversaria, also das, was man heute Kladde!
oder Strazze nennen würde, woraus sie dann allmonatlich die Übertragungen
in die andern Geschäftsbücher vornahmen4); sodann als eigentliches Haupt-
buch den codex (tabulae) rationum5), in dem jeder Kunde des Bankiers sein
besonderes Konto mit Soll und Haben hatte, das also eine Art Kontokorrent-
buch vorstellte6); und endlich hatte auch der argentarius, wie jeder Geschäfts-
mann, seinen codex accepti et expensi, in dem er seine Einnahmen und Aus-
gaben, nach Angabe der adversaria, zusammenstellte7).
1) Den Gegensatz von adversaria und
codex kennzeichnet am besten Cic. pro Rose,
com. 2, 5 ff., besonders 7: quid est quod negle-
genter scribamus adversaria ? quid est quod di-
ligenter conficiamus tabulas ? qua de causa ? quia
haec sunt menstrua, Mae sunt aeternae; haec
delentur statim, Mae servantur sanete; haec
parvi temporis memoriam, Mae perpetuae ex-
istimationis fidem et religionem complectuntur ;
haec sunt disieeta, Mae sunt in ordinem con-
feetae. itaque adversaria in iudicium protulit
nemo : codicem protulit, tabulas recitavit. Da
die adversaria täglich geführt werden, heißen
sie auch ephemerides, Cic. pro Quint. 18, 57.
Nep. Attic. 13, 6. Prop. IV (III) 23, 19 f. Ov.
am. I 12, 25. Sen. ep. 123, 10.
2) Sen. ep. 14, 18: rationes aeeipit, forum
conterit, kalendarium versat, fit ex dominopro-
curator; ebd. 87, 7 vom Reichen: magnus ka-
lendarii Über volvitur; de benef. I 2, 3: nemo
beneficia in kalendario scribit; VII 10, 3: quid
fenus et kalendarium et usura, nisi humanae
cupiditatis extra naturam quaesita nomina?
Mart. VIII 44, 11 : centum explicentur paginae
kalendarum.
s) Digg. XXXIII 8, 23 pr.; XL 7, 40, 4.
4) Voigt 531. Beigel 221 ff.
5) Codex rationum mensae oder argen-
tariae, Digg. II 13, 10,2; vgl. ebd. 9,2 und
andere Stellen der Digesten siehe Voigt 535
A. 20.
6) Voigt 535 ff. Beigel 183 ff.; 224 ff. Wenn
der Bankier mit seinen Kunden abrechnet, so
heißt das rationes r edder e, Cic. ad Att. VII 3, 7.
Digg. XXXV 1, 32.
7) Voigt 541 ff, mit eingehender Erörte-
rung der Bedeutung dieser Eintragung für die
Litteralobligation und die Formulierung der
Einträge ; dazu die Bemerkungen von Niemeyer
a. a. O. 321 ff.
Nachträge und Berichtigungen
S. S. Zar Litteratur über die römischen Privataltertümer ist seither hinzugab B69 I. I'i
Griechisches und römisches Privatleben, in A. Gkucki: und E. Norden BinlaHnnfl b
Altertumswissenschaft II (Leipzig 1910) S. 1 ff.
S. 28. Zu den Fauces vgl. J. Greenough The fauces of the roman hoose, in Harvard Studie«
I (1890) 1 ff. Mau bei P.-W. VI 2051 ff.
$.38. Zum Tablinum vgl E. Audouin L'origine du tablinum. in den Melanges Boissic r \> }.". M
S. 57. Zum Solarium vgl. K. Sittl Solarium und Maenianum, Archiv f. latcin. I.. \ikogr. V
(1888) 290.
S. 84.- Zu den römischen Gärten vgl. Olck Artikel Gartenbau bei P.-W. VII 812 tl. 1'. SiTm.i I
De Romanorum horticultura, imprimis de arte topiaria. Diss. Freiburg i. Br. I !
S. 107. Zur Heizung vgl. Th. Burckhardt-Biedermann Römische Zimmer mit Hypokaoal in
Baselaugst, Anzeiger für schweizerische Altertumskunde XI (1909) 200 ff. Gust. Fi
Hypokaustheizung und mittelalterliche Heizungsanlagen. Dissertation. Hannover 1910.
S. 108. Für tegulae mammatae ziehen Hettner Illustrierter Führer durch das Provinzialmu» um
in Trier 45 n. 74 und Burckhardt-Biedermann a. a. O. 207 die Lesart hamatoe vor. Doch
schreibt sowohl Rose bei Vitruv wie Mayhoff bei Pliuius mammatae.
S. 117. Zu den Gausapina vgl. Zahn Artikel Qausapt bei P.-W. VII 878 ff.
S. 121. Zur Bank vgl. Thedenat Artikel Scamnum bei D.-S. IV Uli'.
S. 130. Eine bessere Abbildung der Geldkiste aus Pompeji geben C. Hosius und K. Pi
Zwei antike Motive in der Renaissancemalerei (Festschrift der Universität Graiftwald 1910)
S. 16 Abb. 3.
S. 131. Vgl. den Artikel Scrinium von Lecrivain bei D.-S. IV 1124.
S. 134. Zu den Kerzen vgl. Mau Artikel Fimale bei P.-W. VII 290 f.
S. 142. Zu den Laternen vgl. S. Löschcke Antike Laternen und Lichthäuschen, Rhein. Jahrb.
108, 370 ff.
S. 157. Zum Tiegel vgl. Saglio Artikel Sartago bei D.-S. IV 1077.
S. 160. Zur Litteratur füge hinzu E. Labatut Les repas chez les Romains, Paris 1880.
S. 161. Zum Getreide, seinen Arten und seinem Anbau vgl. Rostowzew. Artikel Frumentum
bei P.-W. VII 126 ff. Orth Artikel Getreide ebd. 1336 ff. Rob. Gradmann QetreidobM
im deutschen und römischen Altertum, Diss. Jena 1909.
S. 161. Zu den frumentarii vgl. Fiebiger bei P.-W. VII 122 ff.
S. 162. Zur Gerste vgl. den Artikel von Orth bei P.-W. VII 1275 ff.
S.165. Zum Gemüsebau vgl. den Artikel von Orth bei P.-W. VII 1110 ff.
S. 176. Vgl. die Artikel Gazelle und Gemse von O. Keller bei P.-W. VII 88!) ff. und Li 16 ff.;
Glirarium von Orth ebd. 1425 und Geflügelzucht von Orth ebd. 903 ff.
B. 185. Vgl. den Artikel Salsamentum von Besnier bei D.-S. IV 1022 ff.
S. 186. Vgl. den Artikel Garum von Zahn bei P.-W. VII 841 ff.
S. 106. Zu den Salgamarii vgl. den Artikel Salgama von Besnier bei D.-S. IV 1014.
S. 205. Zur Litteratur füge hinzu W. Amelung Die Gewandung der Griechen und ROmer,
Leipzig 1903 (Text zu Cybulski Tabulae, quibus antiquitates Graecae et Romanae illu-
strantur, Tab. XVI— XX). Wilpert Die Gewandung der Christen in den ersten Jahr-
hunderten, vornehmlich nach den Katakombenmalereien. Köln 1898.
S. 210. Zur Toga vgl. Heuzey La toge romaine, tStudiee sur le modele vivant. Revue de l'art
ancienne et moderne 1897, I 97; 204; II 193; 285.
S. 216. Zum Sagum vgl. den Artikel von Thedenat bei D.-S. IV 1008 ff.
S. 240 A. 4 lies Prop. V (IV) 10,43 statt 19, 43.
S. 255 A. 16. Das Zitat Plaut. Aul. a. a. 0. gehört zu Anin. 17.
S.256 A. 5. Im Ed. Diocl. 7,54 ist larator eine unsichere Ergänzung
S. 257 A. 12 lies CIL VI 9494 statt V. . .
S. 267. Zur Litteratur füge hinzu E. Labatut La coiffure des femmes chez les Romains, Pan> I - - I
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft. IV. 2. i. 3. Aufl.
ß58 Nachträge und Berichtigungen.
S. 276. Vgl. den Artikel Sapo von Besnier bei D.-S. IV 1062 f.
S. 277. Zur Litteratur füge hinzu W. Buckland Roman Law of Slavery. The conditions of
the Slaves. Private life from Augustus to Justinian. Cambridge 1909.
S. 278. Ueber die Herkunft der Sklaven vgl. M. Bang R. M. XXV (1910), 223 ff.
S. 293. Zur Strafe der Furca vgl. den Artikel von H. F. Hitzig bei P.-W. VII 305 ff.
S. 298. Zur Litteratur füge hinzu E. Samter Geburt, Hochzeit und Tod. Beiträge zur ver-
gleichenden Volkskunde, Leipzig 1911.
S. 299. Vgl. den Artikel Geburtstag von W. Schmidt bei P.-W. VII 1142 ff.
S. 308 A. 2. H. Dütschke Zwei römische Kindersarkophage (Halle 1910) will auf dem ebd.
Taf. I abgebildeten Sarkophag des Museo Kircheriano in Rom das von einem Knaben
gestoßene, auf Scheibenrädern gehende Wägelchen als Gerät zum Laufenlernen erklären.
S. 317. Das Fig. 53 abgebildete Wandgemälde stammt nach Hosiüs a.a.O. 1 Anm. 1 aus
Pompeji, nicht aus Herkulanum.
S. 325. Zum Litteraturunterricht vgl. E. Jullien Les professeurs de litterature dans l'ancienne
Rome, Paris 1885.
S. 340. Vgl. A. Müller Studentenleben im 4. Jahrh. n. Chr., im Philologus LXIX (1910) 292 ff.
S. 341. Zur Litteratur füge hinzu C. Pillons La celebration du mariage ä Rome, Paris 1890.
J. S. Speier Die altrömischen Heiratsformen durch Confarreatio, Coemptio und Usus.
Verslagen en mededeel. d. kgl. Akad. d. Wetenskapen, Amsterdam, IV 1 (1897) 129 ff.
S. 343. Zum Heiratsalter vgl. A. G. Harkness Age at marriage and at death in the Roman
empire, Transact. of Americ. Philol. Association XXVII (1898) 35 ff.
S. 345. Vgl. R. Laennec Du droit des patresfamilias ä Rome sur le mariage de leurs enfants,
St. Arnaud 1899.
S. 361. Zur Ehescheidung vgl. G. L. Morael Du divorce en droit romain, Paris 1888. G. Brini
Matrimonio e divorzio nel diritto Romano, Bologna o. J.
S. 367. Zum Dirnenwesen vgl. P. Dufour Geschichte der Prostitution. IL Römisches Kaiser-
reich. Deutsch von B. Schweiger, Berlin 1900.
S. 372. Zur Litteratur füge hinzu S. Spitzer Die Uhr. Beiträge zur Kulturgeschichte der Alten.
Essek 1885.
S. 376. Vgl. H. Löschner Ueber Sonnenuhren. Beiträge zu ihrer Geschichte und Konstruktion.
Graz 1905.
S. 380. Zur Morgenbegrüßung vgl. den Artikel Salutatio von Ph. Fabia bei D.-S. IV 1060.
S. 385. Zur Litteratur füge hinzu Arm. Lebault La table et les repas ä travers les siecles,
Paris o. J. (1910) 144 ff.
S. 406. Zum Scapliium vgl. den Artikel von Pottier bei D.S. IV 1114.
S. 413. Zum Würfelbecher vgl. den Artikel Fritillus von Mau bei P.-W. VII 108.
S. 415. Zum Brettspiel vgl. A. Tibley Ludus latrunculorum, in Classical Review VI (1892)
335 ff. Mowat im Bullet, de la soc. nat. des antiqu. de la France 1895, 238 ff.
S. 423. Zum Frigidarium vgl. den Artikel von Mau bei P.-W. VII 103 f.
S. 428. Zum Heizraum vgl. den Artikel Fornax von Mau bei P.-W. VII 7 f.
S. 459. Zum Sarracum vgl. den Artikel von Lafaye bei D.-S. IV 1077.
S. 474. Zur Litteratur über römische Ärzte füge hinzu P. Duserm De l'exercice de la medecine
et de la pharmazie a Rome, Toulouse 1891. R. Bezzoni I medici ed il diritto Romano.
Napoli 1904. J. Oehler Epigraphische Beiträge zur Geschichte des Aerztestandes, Wien
1907. Th. Meyer Theodorus Priscianus und die römische Medizin, Jena 1909; zur Be-
stattung E. Labatut Les funerailles chez les Romains, Paris 1878. F. Schädler Ueber
das römische Begräbniswesen, Landau 1888. Amatücci I funerali a Roma durante i primi
cinque secoli, in Rendiconti d. Accad. di Napoli, 1896, 67 ff.
S. 476. Vgl. M. Albert Les medecins grecs a Rome, Paris 1894.
S. 488. Zu den collegia funeraticia vgl. A. Müller Sterbekassen und Vereine mit Begräbnis-
fürsorge in d. röm. Kaiserzeit, N. Jahrb. f. d. klass. Altert, f. 1905, III 183 ff.
S. 489. Vgl. Fr. Vollmer De funere publico Romanoruin, Leipzig 1892.
S. 498. Zu den Leichenreden vgl. J. Kukutsch Über die laudatio funebris b. d. Römern, Wien
1889. Fr. Vollmer Laudationum funebrium Romanar. historia, Leipzig 1893.
S. 502. Vgl. den Artikel Sarcophagus von E. Cohen bei D.-S. IV 1071 ff.
S. 584. Vgl. G. Hansel Beiträge zur Kastration unserer Haustiere im Altertum. Dissertation.
Leipzig 1908. Ridgeway The origin and infiuence of the thoroughbred horse, Cambridge 1911.
Verzeichnis der Abbildungen.
1. Aschenurne in Form einer Hütte
2. Aschenurne in Hausform ,,
3. Grundriß und Durchschnitt der Haustüranlage im Hause des Pansa in Pompeji 1<;
4. Abguß nach einem Haustürfragment aus Pompeji i g
5. Bronzener Türklopfer .>,,
6 und 7. Römische Türschlösser 26
8 und 9. Römisches Türschloß 27
10. Schlüssel aus Pompeji 28
11. Haushund, Mosaik aus Pompeji gfl
12 und 13. Dachkonstruktion des tuskanischen Atriums
14. Pompejanisches Atrium
15. Tischfüße aus einem pompejanischen Atrium 34
16. Fischer, Brunnenfigur aus Pompeji 35
17. Pompejanisches Lararium im Atrium
18. Pompejanische Küche 47
19. Pompejanisches Lararium in der Küche 48
20. Grundriß eines Verkaufsladens in Pompeji .v.»
21. Abguß und Grundriß eines verschiebbaren Ladenverschlusses aus Pompeji (nach
Gipsabguß) gQ
22. Ladenschild eines Metzgers (Relief) 61
23. Grundriß der Casa di Meleagro in Pompeji 62
24. Grundriß des Hauses des Chirurgen in Pompeji 63
25. Grundriß des Hauses des Fauns in Pompeji 64
26. Plan der Villa rustica in Boscoreale 74
27. Plan der sogenannten Villa des Diomedes in Pompeji 80
28. Modell der römischen Villa bei Pfäffikon (Kanton Luzern) im schweizerischen Landes-
museum in Zürich (nach Photographie) 82
29. Römisches Wandgemälde mit Darstellung eines Ziergartens 86
30. Fenster eines pompejanischen Hauses 100
81. Tönerner Fensterverschluß aus Pompeji 102
32. Heizanlage in der Saalburg 110
33. Bronzene Bettstelle aus Pompeji 180
34. Bronzene Bettstelle (fälschlich als Bisellium ergänzt) 181
35. Schrank aus der Villa bei Boscoreale 188
36. Geldkiste aus Pompeji 130
37. Bronzelampe mit Nadel und Zangen zum Dochtherausziehen, aus Stabiae . . . 137
38. Tonlampen aus Herkulaneum 188
39. Kandelaber aus Pompeji 141
40. Kandelaber mit zwei Lampen, aus Pompeji 148
41. Kandelaber mit vier Lampen, aus Pompeji 143
42. Laterne aus Herkulaneum
43. Pompejanische Küchengeräte ' ' '
44. Togastatue des Kaisers Claudius (Vatikan) 810
45. Togastatue (Vatikan) -11
46. Römische Schuhe (von einer Statue) 22(
47. Römische Schuhe (von einer Statue)
42*
g(jQ Verzeichnis der Abbildungen.
Figur Seilt»
48. Bronzelampe in Form einer caliga 227
49. Römische Frauenstatue aus Herkulaneum 235
50. Halsband mit Amuletten 305
51. Goldene bulla eines römischen Knaben 306
52. Sarkophag mit Darstellungen aus dem Kinderleben 307
53. Schulunterricht auf dem Forum (Wandgemälde aus Pompeji) 317
54. Privatunterricht (Grabrelief aus Trier) 321
55. Dextrarum iunctio. Von einem römischen Sarkophag 361
56. Sonnenuhr aus Pompeji 377
57. Schema des Trikliniums 388
58. Löffel aus Pompeji 395
59. Warmwassergefäß aus Pompeji 402
60. Wasserkessel und Röhrenleitung des Bades in der Villa rustica bei Boscoreale . 429
61. Grundriß der Stabianer Thermen in Pompeji 430
62. Grundriß der Zentralthermen in Pompeji i 430
63. Tepidarium der Forumsthermen in Pompeji 431
64. Römische Sänfte vom Esquilin 447
65. Trinkszene in einer römischen Weinstube. Wandgemälde ans Pompeji .... 152
66. Wirtshausszene. Relief aus Aesernia 454
67. Brettspiel und Rauferei in einem Wirtshaus. Dipinti aus Pompeji 455
68. Vierrädriger Reisewagen (reda?). Relief aus Maria-Saal 461
69. Reisewagen, nach einem etruskischen Relief 463
70. Reise wagen und Sänfte, nach einem etruskischen Relief 464
71. Römisches Diptychon (von außen und innen) nebst Griffeln 469
72. Triptychon (mit Quittungen) aus Pompeji 470
73. Schreibtafel, Brief und Schreibgerät. Pompejanisches Wandgemälde 472
74. Pompejanische Wandmalerei mit Schreibgeräten u. a 473
75. Ausstellung der Leiche und Totenklage. Relief vom Grabmal der Haterier . . 486
76. Römischer Leichenzug. Relief aus Amiternum 492
77. Kolumbarium in der Vigna Codini in Rom 504
78. Gräberstraße in Pompeji 501
79. Triclinium funebre an der Gräberstraße in Pompeji 507
80. Diener mit Jagdnetzen und Stellhölzern. Relief 518
81. Jagdszene von einem römischen Wandgemälde 519
82. Jagdszene auf einem römischen Mosaik 520
83. Jagd auf wilde Tiere mit Netzen und Fackeln. Römisches Mosaik 521
84. Angler und Fischer. Wandgemälde ans Herkulaneum 531
85. Pflüger. Bronzefigur von Arezzo •'>•>
86. Pflüger. Römisches Relief aus Arlon 561
Alphabetisches Sachregister.
(Die Ziffer nach der Seitenzahl bezieht tiefe tat die .Yiim.Tkiiim.-n.i
Aale 181.
Aalraupen 183.
"/«/r/ bei der Wandinkrustation
92; Prunktische 126; Rechen-
bretter 323 Spielbretter 41 5.
nhdomen 174.
Abendmahlzeit 321. 384.
(thollae. 217 f.
iihsiuthium 203.
Abtritte 49.
aecessiones bei der Landwirt-
schaft 543,8. 551.
aceubitalia 119,7.
accubüum 119.
acerosus panis 163.
acerrae 485.
acetabula 392.
aftnus, acinnm 170.
aeipenser 181.
aciscularii 596, 19.
Ackerbau, Geschichtliches 535
ff : Technisches 553 ff.
acratophora 404.
ucroamata 410.
orfor«« 70,6. 283.
ocm pingere 254.
acuarii 597, 14.
am« comatovia, crimilix 262;
discriminalis 262, 13.
adiutores 65.
arfor, adoreum 161.
adversaria 655 f.
aediculae auf Gräbern 508.
adnum, ahenum 155; bei Hei-
zungen 428.
aequimentutn 584, 18.
agmones 585, 1.
"//('/• novalis 567, 8 : publicus
538; resttbilis 567,8; .«.rW-
pturarius 582,6.
agnina 173.
Agrumi 171.
Ahnenbilder s. imagines.
Ahorn fürTischel 17; für Betten
124.
Akanthus in Gärten 88.
Akazie zum Haarfärben 276,3.
Akrobaten 615.
alabastra 154.
ofo« 37 f.
Aland 168.
aktnta 184.15.
aibarium opus, albarn 93,4.
595.4.
(ilhio-HKx 184, 15.
aft/fl mar is 251.
rtZ/ca, Graupe 164; Kleidung
221.
(ilirula des Jägers 525.
iilijttac 434.
aftsem 167.
atfee 186. 188.
Aloe 184,15.
altilia 177.
rtfota 236.
alvetiS, in Bädern 424; Bienen-
stock 588 ; Krippe 584 ; W i i ■■-
felbrett 414.
alvus, alvarium, Bienenstock
588.
amarcus 169.
ambitW 11.
ambubaiae 368. 412,3.
(luibulatlones 79.
amenta der Sandalen 223.
amethystina 249.
amictoria 230.
amictus 205.
amites für Netze 519. 528.
Ammen 307 f.
Ampfer 166.
amphorae 152.
ampullae 154; otearUu 154,7.
432; potoriae 154,9.
aniptdhu-ii 154, 12. 595, 15.
Amseln 178.
Amulette 305.
MMttrta 557. 570. 573.
ami/gdalae 172.
anagnostae 410,9.
analectae 396.
onates 177.
(itnitluo)i 168.
((tuitlarii 195,2.
andron 41.
Angelfischerei 529 t.
angiportna 442.
anquiUite 181; Peitsche 319.
Anis 168.
Ankleiden 380.
• iiuimui CiL'.
misiiriiim u.\~, .
anttpagmenta 17
mitii-iii' 274,9.
Antilopen 176.
Antimon zur Schminke 437.
mniluril 266. .V.I7. t.
Äpfel 170.
"/ß/inniifrinn 436,6.
apiaria 588.
(inium 162.
apodijteriunt 423.
ii/iiiplmrcfd 419.
apotheca 71. 580.
Hji/Ktritoriti bei Gräbern 508.
Aprikosen 171.
optui 182, 15.
aquae tälitnie» 87.
iti/iii>iitnu'/e,<i<iit;»ii>i(triiti)i I Mi
\ 1 1 1 1 i noktialstunden 374.
nnitnrfs 561.
(tratrum 558.
arbiter hihoxli 401.
urlnislit ">76 f.
ffrea 35. 129: rvstmriu 129; als
Sarg 502,8.
iiniirii, Kassierer 2^4 : in den
Thermen 422,4; Fabrikan-
ten 596, 9.
«/vi pro 459.
tin/iiii/ri 480.
iiriliiinmiir.
archäecti 66. 596, 1'.».
iirrmirn .V.)7, 12.
iirruhli' 129.
iirrii/iir/i r>96, 9.
arat, Beet 85; Tenne 7:
Vogelherd 526.
argentarü, Bankiers 651 (f.; "/-
</, ■ufttriiriHirton:« l654j Sillit'l
arbeiter 408.
iiri/iii/iini rscariinn 392: /»<</<»-
rAM 407.
(irinra 163,21.
innmrid 129.
armai'iarii 596, 9.
Armbänder 264.
itrnnii/n 58 1
tiritiiii/iirii
urmilliii 264.
662
Alphabetisches Sachregister.
aromatarii 482.
aromatites 203.
arra sponsalitia 346.
artes liberales 616; ludicrae
615.
Artischocken 165.
artopticius panis 164.
Ärzte 474 ff. 616.
asaroton 100.
Asbestgewebe 247.
Äsche 184,15.
Aschenurnen 504.
asellus (Seefisch) 181.
asinarii 585.
asparagi 165.
assa sudatio, assum 425.
asseres der Sänfte 447.
astragali 412.
ater panis 163, 13.
atramentum 471.
atriarii 65.
atrienses 64 f. 283.
atrium 9. 12. 29 ff.; in der F/7/a
urbana 78 ; corinthium, dis-
pluviatum, tetrastylum, te-
studinatum, tuscanicum 32.
attagenae 179.
attÄ 181.
aucipes 526.
aucupium, aucupatns 526.
Auerhähne 180.
Aufbahren der Leiche 484 f.
Aufstehenszeit 379.
Augenärzte 473.
Auktionsgeschäfte 654.
aulae s. ollae.
aulaea 144.
aurarii 265.
auratores 597,8.
aures am Pfluge 560.
auri custos 265.
aurifices 265. 590.
aurinetores 597, 7.
auriscalpium 438, 1 1 .
aurum escarium 393,8; lustrale
613; potorium 408.
Ausfuhrzölle 635 f.
Auspizien bei der Hochzeit 354.
Ausrupfen der Haare 269. 438.
Aussaat 566.
Aussetzen der Kinder 301.
Ausstellen der Leiche 484 f.
Austern 188 f.
authepsa 401.
autopyrus panis 163,13.
avena 162.
aves Africae, Numidicae 179.
aviaria 72.
bacae 170; Perlen 261.
Backen 164.
Bäcker 162. 593. 595.
Backöfen 48. 164.
baculi beim Dreschen 571, 5.
Bad des Neugebornen 303.
Badediebe 433.
Bäder 420 ff.; in den Villen 80.
Badestunden 383. 432.
Badezimmer im Hause 52 f.; in
der Villa rustica 71.
baiuli 613.
balani (Meereicheln) 190.
ballistarii 597, 12.
Ballspiel 319. 439 ff.
balnea, balneae 54. 420; pen-
silia 106; meritoria 421.
balneare 420.
balneaticum 422.
balneatores 422.
Bänke 121.
Banken 652.
Bankiers 652 ff.
baptisterium 423.
barbaricarü 595, 10. 607.
Barbiere 267 ff. 593.
bardocuculli 218.
Barsche 184,15.
Barttracht 267 f.
bascaudae 158.
Basiliken 640.
baster nae 448.
batiola 406,4.
Bauernhaus 7.
Bauhandwerker 65 f. 606.
Baumaterialien 9 f.
Baumeister 616 f.
Baumwolle 246.
baxeae 227.
baxearii 227, 14. 258. 595, 13.
Beerenobst 172.
Begraben 487 f.
Behacken des Ackers 564.
Beleuchtungsgeräte 132 ff.
bellaria 400.
Bergkristall für Becher 408 ; für
Ringe 260.
Bergwerksarbeiter 596.
Bernstein 262 ; für Gefäße 409 ;
für Ringe 260; Handel 619.
bes 403.
Bestattung 482 ff.
beta 167.
Betten 112 ff.
Bettschirm 120.
Bewässerungsanlagen 554.
Biberhaar 246.
bibliopolae 643.
bibliothecae 54.
bidentes 565.
Bienenzucht 588.
Bier 204.
Bilderchroniken 328.
Bildhauer 617.
Bimsstein zumGlätten der Haut
439; des Papyrus 645.
Binden für die Haare 263. 273.
Binsen zu Dochten 134.
bipalia 564 f.
Birnen 170.
birri 218.
bisellia 120.
blatta 249.
Bleiarbeiter 597.
Bleiweiß zur Schminke 437.
Blendzeug (Jagd) 523.
blitum 168.
Blondfärben 276.
Blumentöpfe 42,9.
Blumenzucht 84 f. 87 f.
Bockskraut 165.
Bodenkultur 554 ff.
Bodenteppiche 145.
Bohnen 164.
Bohnenmehl 486.
boiae 292.
boleti 168.
bombycina 243 f.
bombyx 244.
Bordelle 369. 454.
Bordellwirte 615.
böser Blick 305.
Böttcher 595.
botuli, botelli 175.
bracae 220.
bracarii 257. 595, 12.
brace 163,21.
brachialia 264.
Brachwirtschaft 567.
Brandmale der Sklaven 294.
brassica 166.
Bratrost 159.
Bratspieß 159.
bratteae, bracteae, vonHolz 117.
11; von Metall 118.
brattearii, bratteatores 265, 12.
597, 6.
Brauttracht 350 f.
Brei 162.
Brenneisen 272.
Brennöl 166.
Brettspiele 415 f.
Briefboten 473.
Briefwesen 467 ff.
Brombeeren 172.
Brot 162 f.
Brunnenfiguren im Atrium 35 ;
im Peristyl 42.
bubilia 71. 583.
bubula 173.
bubulci 561. 583.
Bücher 645 ff.
Büchersammlungen 54.
Buchführung 655 ff.; -handel
643 ff.; -laden 648; -rollen
645 ff.; -staben 319.
Buchsbaum 88.
bucinum 249.
bulbi 167.
bullae 305 f.
Buntwirkerei 252 f.
bura, buris beim Pflug 559.
Busenband 230.
bustutn 499.
Butte 183.
Butter 191.
Alphabetisches Sachregister.
(>♦)
buxeta 88, 14.
\yrri s. birri.
p88U8 241. 247.
Caccabi 156.
cadi 151.
cadurca 115,5. 243.7.
caelatores 408. 597,3.
caementarii 596, 19.
calamister, calamistrum 272.
calamus zum Angeln 530; zum
Schreiben 471 ; zum Vogel-
fang 527.
calantica 236.
calcare, vom Wein 578.
calcarienses 66, 16.
calcarii, calcariarii 66. 597,2.
ealeätorium 578, 13.
ea/m der Männer 224 ff.; der
Frauen 236.
calceolarü 258. 595,13.
cdlcis eoctores <>6, 16.
calculatores 323. 616.
calculi beim Brettspiel 415;
beim Rechnen 329.
mW« 401,9.
caldarium 53. 424.
calicrs; 405.
caligae der Männer 226 f.; der
Frauen 236, 3.
caligarii 258. 595, 13.
calones 585, 1.
cidparia 148,9.
camellae 404, 4.
camerae im Hausbau 93; beim
Weinbau 577, 11.
camiUu8 bei der Hochzeit 356.
caminus 105.
camisla 208, 14.
cammari 190.
campagi 227.
campestria 205.
campt doctores 330,7.
campus pecuarius 193.
eanium 204.
canabenses 632.
canales für Regenwasser 32.
candelabra 139.
candelabrarii 597, 10.
candelae 135.
candidarii pistores 163, 14.
Candidas panis 163.
caues pastorales, pccuarii, ril-
latici 587, 16.
crtw/s (beim Würfeln) 413.
cantabrutu 163,8.
canterii 585.
canthari 406.
capedines 406.
rapides 406.
mpülamenta 276.
■apillaria 275.
capistrarii 595,15.
capitium 230.
capitones 184, 15.
capones 177.
eaji/iaris 168.
caprae 176.
caprarH 586.
caprilia 72. 586.
niprina 173.
eaprouae 274,9.
capsae, eapsrllar. Capsula,- 131.
321.
capsarii 131.311.6.321,2.433.
ea/)/t/<l, eapuli 490.
caracallae 219.
rarhasus 247.
carchesia 406.
eanlamomum lli'.t.
cardines der Tür 18.
cardui 165.
careum 169.
rariiiiuatoi-rs 255. 595,8.
camaria 51.
caroenum 202.
carotae 167,4.
car petita 463.
earpmtarii 464, 8. 593, 9. 596,
14.
carptores 394.
carrucae 465.
car r us 459.
carttbula 34.
caryotae 171.
crtsrtt' 7.
castus fumosus 191.
«mes zum Fischfang 531,6;
zur Jagd 518.
cassidarii 597, 12.
lastaneae 173.
castoriuae restes 246, 12.
castrsnsis panis 163.
eötotf« 279.
catenae, cateUae 264.
ratliedrae 123. 339 ; als Sänften
445.
ratiul, catilli 391.
c«#«e 179,7.
caudlcarii s. codicarii.
caules, cauliculi 166.
caupones 453. 615.
eausiae 228.
cavaedium . cavum atdiutn 30.
caralores 265. 597,5.
ce/fo, des Türhüters 29; der
Sklaven 46. 75. 290; der Dir-
nen 370; caldaria 424 | /Ww/-
ftarfe 46. 75 ; frigidoria 423 ;
olearia 73; peuariabO. 193;
promptuaria ebd.: soliaHs
424: tepidaria 124 ; iiia/uru-
taria 433, 8 ; riuaria 73. 580.
ceUarii 193.
cellarUtm 50.
cena 882; 384 ff; ftrafo 510;
novemdialia 509'; nuptlalis
357; r«*a 398.
cenacnlaAh. 56; meritoria 56, 2.
eenactilarii 56, 2.
emaMMM IV 79,6.
i.aalurin ,,
amtapluu
• mm 161, 16.
ccntonarti 257
otntonu 222. 257. 170.
rruturia I A.k.-i bau >
'•'/'".' 167.
ctpotaphia
rrrar (Sein .ibtalVIn
rerarii 596
ctittsi 171.
MttfoiM« 252. 595, 1 1
rrrebrum palmar L68.6.
'•.rc/ 1 :!.'>.
rrrnisia 204.
irr iula ria 185
rrnnna 485, L8.
rrrussa 487.
rrrriralla IL").
rrrriiiu 17<i.
rrtaria, I -
rrtarii 195.
Champignons ll
etarfa 470.
rhartarii 470. 10
rliriinliiisriini 177.
Chirurgen 479.
rliri/suri/ipxm 61 l'
rlu-l/srill/rfa 898, <>.
riharla IUI.
elharium, ciharius panit
ciliar ia 166.
| ciconiar 178.
cinardi 4 12. 'i.
riuarar lf>">, 1 !t.
rlurluui 272.
clartiis 205; Uabimts 21:* dci
Gürtel 206.
clnrrarii 272, 1
ciMpKfa 206.12. 851.
ciniflones 272, 1.
ciniiamomiim 169.
<//7*/ auf Gräbern 505.
ri reell i 175.
rircltarrs (I.'i. 14'.*. »;:!!'.
rlrrulatnrrs 615.
ciren/i au Fässern 149; als
Schmuck 264
efeftH 439.
o.s/„//7 439. 596. 14. I
cistac, cistrllar, rislula, 181.
cfcter» ."»!»6. 9.
ciste/larii 43S.
cistertiae 423.
citharoedi 411.
cftriM für Möbel 117. 124.
eftnM (Zitrone) 171.
claiistra 25.
claast rar ii -V.t7. 1 I.
c/aiaril .V.l7. lt.
c/ares 25.
«•/(//•/ der Tunik.
c/aricarii •")!(". 14.
e/rpsi/i/rar 377.
664
Alphabetisches Sachregister.
clibani, clibaniciüb panis 164.
clinici 478.
clusura 264.
coactilia '256 f.
coactiliarii 256. 593, 9.
Coae vestes 244.
coassatio 95.
coccus, coccina 251.
Cochleae 190.
cochlearia, Löffel 395; für
Schneckenzucht 190. 588.
coci s. coqui.
coctores 193, 6.
codex accepti et expensi 655 f. ;
rationum 655.
codicarii 614.
Codices 647.
«wfcct«» 468. 647.
colmtio bei der Ehe 348.
cohortes in der Villa 70.
cola 402.
collabus s. collybus.
collaria als Schmuck 263;
Halseisen 292,8.
collatio lustralis 612.
collectarii 653. *
collegia der Handwerker 608 ff.;
funeraticia 488.
colliciae, colliquiae 555.
collocnre der Leichen 485.
collybus 653.
coloni 542 f.
columbae 178.
columbaria, Taubenschläge 72;
Gräber 503.
comissatio 400.
comites der Kinder 310.
compluvium 12. 31.
componere der Leichen 435.
computatio 400,9.
conchae 189.
conches 165.
conclamatio 483.
conclavia 43.
concrepare (an der Tür) 19.
concubia 374.
condimenta 168.
conditarii 196.
conductores in der Landwirt-
schaft 55 1.602 yportorii 636.
15.
confarreatto 347.
confectorarii 194.
conflnvia 48.
congri 181.
consensus, bei der Ehe, 345.
conticinium 374.
contignatio 55,8.
contubernium 287.
conubium 344.
conventus civium Romanorwn
628. 631.
convivia 386.
copones s. caupones.
coqui 192. 594.
coquina 46.
coracinus color 181.
coriandrum 169.
coriarii, coriorum confectores
257. 591.
cor» /'eines 411.
cornua (der Buchrolle) 646.
cornuarii 597, 11.
cornum 171.
coronae (Baukunst) 93.
coronarii 594, 8.
corrigiae (an Schuhen) 224.
cortes 70.
cortinae 157.
corymbia (Perücken) 276,11.
cotonea 170.
coturnices 178.
covini 462.
crambe 166, 15.
crater, cratera 402, 8.
«te, Egge 563; Raufe 584.
craticula, craficulum 159.
crepare (von der Tür) 19.
rre/n'c?«e223; carbatinae 226, 9.
crepidarii 258. 595, 13.
crepidines, des Hauses 9; der
Straße 442.
crepitacula 308.
crepundia 306.
cribra 158.
crines 273.
crocotarii 252,5.
crocus 252.
crotalia 263.
crotalistriae 412.
ernralia 221, 1.
crustae, bei Mosaik 99; bei
Silbergerät 408, 7 ; an Wän-
den 91.
crustarii 408. 597,3.
crustularii 193. 595, 6.
cryptoporticus 79.
crystallina 408.
cubicula 44.
cubictilarii 44. 65.
cubilia 112.
cuculli 218.
cueumac 157.
cueumeres 167.
Cucurbitae 167.
euleita 115.
euleitrarii 115,1. 157. 596,14.
culina 46; in der Villa rustica
70; bei Gräbern 508, 8. 510.
culinarii 193,6.
culicr, am Pfluge 559 f. 562;
tonsorius 268; venatorius
525.
eultrarii 597, 14.
cumerum 356.
cuminum 169.
eunabula 303.
eunae 303.
cupae 149.
cnparii 149, 16.
cuppedinarii 195.
c»ra annonae 626 f.
CMrafores in derLandwirtschaft
588.
currus 458.
cursores 466. 478.
cursus publicus 467.
custodes der Kinder 310: auf
dem Lande 551; des Tabu-
lariums 65.
custodia sejndcri 508.
cyathi 403.
q/fo'a 185.
cymae, cymata 166.
cymbia 406.
Dächer 10.
tfflety/; 171.
daetyliothecae 259.
dalmaticae 208.
dammae 176.
daphnones 88, 18.
datatim luclere 440.
Datteln 171.
Daunen für Kissen 16.
dealbatores 93,4.
Decke der Zimmer 93 f.; mit
Mosaik 99.
Decken für Betten 116.
decoeta 402.
deduetio der Braut 358.
defrutum 202.
demensum 289.
tZens, am Pfluge, 559.
dentale 559.
dentifricium 438.
dentiscalpia 399.
deponere der Leiche 482,8.
depositio barbae 269.
derisoi-es 412,6.
despondere 346.
destrictorium 426. 433,11.
desultores 615.
deunx 404.
deversoria 454.
dextans 404.
dextrarum iunetio 355.
dextrocJieria 265.
diademata 263.
diaetae 43. 81.
diaetarchac, <li<ict<trii 05.
diatreta 410.
dibapha 249, 6.
cHm lustricus 304.
diffarreatio 362.
dijfusores olearii 196,6.
digitis computare 323; micare
418.
Diktieren 322.
Dill 168.
diluculum 374.
Dinkel 161.
diotae 152, 16.
diptycha 468.
Dirnenwesen 367 ff.
Alphabetisches Sachregister.
idisei (als (ilocken) 2<>. I.
Diskuswurf 329.
I dispensatores 283.
I dinsignatores 49 1 .
Distelfinken 178,16.
I diroiiium 361 f.
I Dochte, für Kerzen 134; für
Lampen 138.
dodrans 403.
I Dohnen 528.
dolabrae 566.
dolabrarii 597, 14.
doli« 148 f. ; zum Begraben 504 :
acinaria 148,14; amurcaria
148,11. 575; frumentaria
148,12; lupinaria 148,13;
oiearia 148,16. 575; vinaria
148. 580.
dominus convivii 388.
fhrcades 176.
mormitoria 465.
Dosten 168.
Drainage 554 f.
Drechsler 596.
Drehschlösser 27.
Dreifelderwirtschaft 567.
Dreifüße 159.
Dreizack zum Fischen 5:12.
Dreschen 570 f.
Dreschtenne 74. 570.
dropax 438.
Drosseln 178.
thilciiirii 193. 595,6.
Düngung 556 f.
duodecim scripta 416.
Eber 176.
eborarii 596, 11.
echini 190.
eculeus 293.
Edelsteine an Möbeln 1 18. 2 ; an
Ringen 260; an Fibeln 261;
an anderem Schmuck 262.
Efeu 88.
Eggen 563 f.
Ehe 343 ff.
Ehebett 30. 36 1 ; -kontrakt 355;
-losii;keit 366 f. ; -Scheidung
361 ff.; -Schließung 346 ff.
Eichenholz 117; -rinde zum
Färben 252, 7.
Eichtische 642.
Eier 190.
Einbalsamieren 484.
Einfuhrzölle 635 f.
Eingeweideschau bei der Hoch-
zeit 354.
Eisenarbeiter 597. 606; -ringe
258.
elaenipirum 187.
Elementarlehrer 315 ff. 616.
eienchi 261.
Elfenbein für Betten 117 f.;
Sessel 122; Tischfüße 125;
Ringe 260; Nadeln 263.
elicts
ettychnia L88.
I'/OJH'S 1 8 1 .
embleinutu, in Mosaik '.
in Silberarbeit 408,7.
Endivien 166.
endromides 220.
Entbindung 800.
Enten 177.
ephemeriiles 655 f.
epüUipnide» 400.
epidromus (an Netzen i 518.
epistolae 468, 11.
Eppich 168.
equüia 71. 584.
egutwnn 585.
equttwm, squitiarü 584.
Erbsen 165.
Erdbeeren 172.
ergtuhdarii 292,2. 550.
«rgastulum 75. 292. 550.
Erker 57.
Ernte 568 ff.
erneu 166.
erriliti, ereuiu 165, 12.
Erziehung der Knaben 312 ff.;
der Mädchen 341 f.
escae 161; Lockspeise 580.
Eselsmilch zur Kosmetik 436;
-zucht 585.
essedae, esseda 460 f.
cssci/nrii 461. 596, 14.
Eßgeschirr 391 f.
Essig 192; -nasche 392.
Estrich 95.
evaüare, tvannart 571.
ererrieu/a 531.
exetntores 66, 3. 596, 15.
exequiae 491 ; txeqvcku ire 491,
5.
exoneratores calcarii 66, 16.
expuhim ludere 440.
faba 164.
fabri (Fisch) 182.
fahri 66. 159. 596,6: uerurii
160. 592; argeniarii 160.
408.594; aurarii 265. 590;
ferrurii 594 ; iiitestinurii 67.
596,9; hctarü 117,6. 159;
lignariibdß', ntualeabW, 13;
octdariarii 596. 12; peeti-
narü 255, 15: tubatdani 67.
111. 596,9; ttfmor»! 66. 591.
596; vasculitrii 408.
facti 123.
Fächer 266.
Fackeln 133; bei der Hochzeit
358; bei der Bestattung 492.
falcarü 5!t7, 14.
falces foenariae, mesttorioe, pu-
tatoriue 568,3. 570; einito-
riae 576.
Falkenjagd 528 f.
Fallbolzen (am Türschloß) 86 f.
Fallgruben
Fallnet/. 518.
famUta 7.">; ,-,
548; urhana 888. 291.
Familiengräber 505 f.
Fangeisen 522.
für 161.
Farbe der Klei.hr
Färben 24s £
Färber 591
Färberröte 851.
fitreiiiiinu 17"».
furinu 16;;.
fiirruriu 571.
fartores 177.
Fasane 1 TU.
fuseia, all Betten I 11 .ii, Kiel
dung220; er ii ml, »221. 525;
/lertnrn/r* 280; /■• "'•'
fusii mit ki 305.
Fässer 14> 1
fuuees beim Atrium 28 f.: bahn
Tablinum 40.
Faustkampf 329.
/an' (bei Fußböden) !»7.
Fechten 329.
Fechtlehrer 616.
Federkissen 115 I
Feigen 88. 170.
Feigendrossel I
Felderwirtschaft 566 t
Feldhühner 17>.
Feldtauben 178.
Felle als Bettdecken 117: al-
Ku!.!te|. piche 145; aU Klei
düng 222.
feininnliil. fenmruliu 221.
Fenchel LI
fenerutnres 650 f.
fr, iest nie 56 f. I00f.j elutrntn,
101.
fenieiihiDi 168.
Fenster 100t; -gha 108;
Schluß 1'
/•,•/•<•„/,/ 398.
feretiuni 495.
feriue ilenieu/es
feridu 298, 1 ; des Lehiei -
Fescenninen, bei der Hoch
358.
Fesselung d« Sklaven
6 19 f.
festiien. bei der Fieilassimu.
297, 6.
fihritui' '•'•■ 12.
06mJm 261 f.
/ihn tut »r in 861,8.
fieatiiiti 174.
feminine 178.
//<•/ 1,
fiel/liiirii 596, 1
fetnres 594
fidel iae 157.
fiilieiilae 194,1.
fii/lime
666
Alphabetisches Sachregister.
figuli 65. 592. 596; ab imbrici-
bus596, 1 ; sigillatores 596, 3.
Filz 216. 221. 246; -decken
238; -kappen 228: -socken
229.
fimbriae 284, 6.
fimeta 556.
Fingerrechnen 323.
Fische 180 ff.
Fischer 593 ; -boote 533 ; -netze
531 f.
Fischfang 529 ff. ; -händler 195 ;
-konserven 184; -markt 180,
9. 195, 10: -saucen 186;
-teiche 180.
fistulae (für Regenwasser) 32.
flabella 266.
Flachs zu Angelschnuren 530;
zu Netzen 517; -bau 242;
vgl. Leinwand.
fiagra, flagella 293, 6.
Flamingos 180.
flammarii 256,16. 595,11.
flammeum 352.
flatores, fiaturarii 597, 9.
Fleischer 194. 593.
Fleischspeisen 173 ff.
flos siliginis 163.
Flügeltüren 18.
focalia 221.
focarii 65. 193,4.
focarius panis 164.
focus 47; Kamin 105.
foenilia 570.
foeniseca, foenisecium 570.
foenum Graecum 165.
foliatum 203.
f olles, Luftkissen 116,7; Bälle
439.
Folter der Sklaven 293;
-knechte 294.
Fora s. forum.
Forellen 184,15.
fores 17.
f orfices 267.
foricae 615,4.
foriculae (Fensterläden) 102, 6.
foricularium 637.
formido (bei der Jagd) 523.
fornacarii 193.
fornaces in Bädern 428; cal-
carii 66.
fornices 369.
forum boarium 193. 621 ; cup-
pedinis 195. 641 ; holitorium
195. 621 ; piscatorium 195.
621 ; suarium 641 ; vinarium
204. 641.
forum, forus (bei der Weinbe-
reitung) 575.
fossae caecae, inciles, patentes
555.
fossores 555. 565.
Fournieren 117.
foveae 522.
Frauenärzte 478 ; -bäder 427 ;
-leben 341 ff. 364 ff. ; -tracht
229 ff.
Freigelassene bei der Bestat-
tung 495 ; bei der Grabpflege
5.08; als Handwerker 599;
als Kauf leute 623 ; als Leh-
rer 313.
Freilassung 297 f.
frigidarium 423.
fritilli 413.
frontes (an der Buchrolle) 645.
Frühstück 381.
frumenta 161.
frumentarii 161.
fucus marinus, zum Färben
251; zur Schminke 437.
fulcra 114.
fuligo, zur Schminke 437.
fullones 256. 592.
funalia 134.
funambuli 615.
funda, am Ringe 260; am Fi-
schernetz 531 ; zur Jagd 524.
fundamenta 9.
funes, funiculi (Kerzen) 134.
Fünfsteinspiel 413.
fungi 168.
funus 488 ; acerbum 489 ; in-
dictum 489. 491; plebeium,
privatum, publicum 489.
furca (der Sklaven) 293.
furcillae 570.
furfures 163.
furfureus panis 163.
furnaceus panis 164.
fuscinae (zum Fischen) 532.
fusores 597, 9.
fus.oria 48.
Fußbänke 121,4; -bekleiduna
222 ff. 236 f.; -böden 95 f.;
-schlingen 522; -teppiche
145.
fustes (beim Dreschen) 571,5.
gabatae 391.
Gabeln 394.
galbuli 179,7.
galeri 276. 525. 583.
Galläpfel (zum Färben) 252.
Gallicae 223.
gallicarii 258. 595,13.
gallicinium 374.
gallinae rusticae 179.
gallinaria 72. 177, 11.
Gänse 177; -daunen 116.
Garnelen 190.
Gärten 41; in Villen 84; bei
Gräbern 508.
Gartenbeete 42.
Gärtner 89.
garum 186; sociorum 631.
Gasthäuser s. Wirtshäuser.
gastrae 152, 16.
Gaukler 615.
gauli 406,4.
gaunacarii 257, 14.
gausape, qausapina 117. 125.
216. 238.
Gazellen 176.
Geburt 300 f.
Geburtslisten 304.
Geburtstagsfeier 299 f.
Geflügel 176: -häuser 72 ; -zucht
588.
Geißelung der Sklaven 293.
Geldgeschäfte 649 ff.; -kiste35.
129 f.; -wechseln 649 ff.
Gemäldesammlungen 54.
Gemeindeärzte 480 f.
gemmarii, gemmarum scülp-
tores, cavatores, politores
265. 597,5.
gemmata vasa 393, 7. 408.
Gemmen 260.
Gemsen 176.
Gemüse 165 f.; -händler 195;
-zucht 571.
Geometrie im Unterricht 328.
616.
Gerber 257. 591.
gerres 182.
Gerste 162.
Gerstenbrot 163.
geruli 612 f.
Gesang bei Tisch 411.
gestationis 86.
gestreifte Stoffe 253.
Gestüte 584.
Getränke 196 ff.
Getreide 161 f.; -handel 626 f.
Gewerbebetrieb 601 ff. ; -Steuer
612 f.
Gewölbe 93.
gewürfelte Stoffe 253.
Gewürze 168 f.
Gienmuscheln 189.
Ginster (zum Färben) 93.
Gips, für Wandverzierungen,
93.
git 169.
glabri 396.
gladiarii 597, 12.
Gladiatorenärzte 481.
glandia 174.
Glasarbeiter 594: -fenster 103;
-gefäße 409.
glires, gliraria 176. 588.
gnaphalium 115.
gnomones 377.
gobii 182.
Goldarbeiter 590. 597. 608;
-geschirr393; -plättchen für
Kleider 254; -ringe 258 f.;
schmuck 260 ff ; -staub Mi-
die Haare 277 ; -Wirkerei 253.
Goldbrasse 181.
qossypium 247.
grabatarii 119,2. 596,10.
grabati, grabatuli 119.
Gräber 502 ff.; -straßen 505.
Grabmäler 505 f.
grammatici 823 f. 616.
granaria 73. 571.
Granatäpfel 171; -blute (zum
Färben) 252.
graphia 468.
Graupe 163 f.
»reges villatici 585.
Griffel 469.
Grobscbmiede 594.
Großgrundbesitzer 539 ff.
(Irolibändler 626 f. 632.
i/rues 179. '
Grundangel 530.
Gründlinge 182.
Gurken 167.
Gürtel 351.
mustatio 397 f.
gustatoria 394.
gustus 387 f.
wuti 154.
Gutsbetrieb 545 ff.
futturnia 146.
Gymnastik 328 f. 342.
gynaecea 241, 11.
gypsarii 93,4. 596,4.
Haare, falsche 276.
Haarfärbemittel276; -schmuck
262 f. ; -tracht 267 ff.
habende (der Sandalen) 223.
haedina 173.
Hafer 162.
Hahnenkämpfe 309, 13.
Hakenpflug 558.
hnllee s. allec.
Halsgeschmeide 263 ; -ringe
der Sklaven 292; -tücher 22 1 .
kälteres 329,14.
Hammelfleisch 170.
mmhm 530.
Handel 618 ff.
Handtücher 390 ; -waschung
397
Handwerk 589 ff.
Handwerkerkollegien 608 ff.
Hanfgewebe 247; -netze 587.
Hanteln 329.
harpasta 439.
harundo. zum Angelstock 530 ;
zu Leimruten 527.
Haselhühner 179;- mause 176;
-nüsse 172.
Hasen 176; -haare 116. 246;
-jagd 519. 524.
hasta caelibaris 352.
hastarii 597, 12.
hastilia des Jägers 524.
Haus s.Wohnhaus.
Hausärzte 480; -hund 28; -in-
schriften 15; -kapelle 52;
-namen 15 : -rat 1 12 ff. ; -tau-
ben 178; -türe 16 ff ; -werk
601 f.
Alphabetisches Sachregister.
Hausierer 639.
Hautpflege 436.
Hebammen 300. 4 T* »
Hechte 182.
Heidelbeeren (zum Färben l
252.
Heilkunde 475; -mittel 481 l
Heimwerk 606.
Seirat 343 ff.
Heizung 81. 104 ff.; in Bädern
428 ff.
InlineinnillHS 81, 1.
helopes s. elopes.
hemicyclium (Sonnenuhr) 377.
hemina 403.
Herd im Atrium 29. 34; in
der Küche 47.
heredia 84,3. 539,1.
Heu für Kissen 115; -böden
75; -ernte 570.
Heuschreckenkrebse 190.
Iiihernacula 45.
In I hie 175.
Himbeeren 172.
hinni 585.
Hinterhaus 41.
Hintertür 41.
hippodromiis 86.
hirneae 154.
Hirschfleisch 176.
Hirse 162; -brot 163.
Hirten 582 f.: -stab 583.
Hochschulen 339 f.
Hochzeit346ff.;-bräuche349ff.;
-mahl 357 ; -tag 350; -tracht
350 ff.
holer a 165.
holerarii, ho/eratnres 195.
holitores 195. 571.
holoserica 245.
Holzarbeiter 596; -hauer 596;
-schuhe 228.
Honig 191 ; als Kindernahrung
308; zum Leichentransport
484,7; -händler 196: -wein
202.
hordaeeus panis 163,22.
hon/eum 162.
horiae 533.
horologia 375.
horrea 73. 571.
horti 41. 84.
hortulani 89.
Hosen 220.
hospitia 455.
Hühnerställe 72; -zucht 177.
Hülsenfrüchte 164 f.
Hunde zur Jagd 516; als Wäch-
ter 28. 587; -zucht 587.
Hüte 228.
Hütten als älteste Wohnstätten
7; -urnen 8.
hijacinthina 248.
hydrogariim 187.
hi/pob/ii/tc 250.
hgpo
428.
a 61.
Hy8ginpur|nn
imulil \\\ lllTll.-t/e 5S1.
iil II i 'tu.
iitnitrij- 89, 1.
iantaeulum
I Uli tili IUI fl
icmua 12,2. 16 ff.
iutrii/i/itiie 434. 474.
iiitrumeu 177,6.
iriifu, -,,/,!,,, „,„
u/ui ,t aqua aooim /-.■ 360.
imagint» '■'•'>. 129; bd im
Stellung der Leichen
bei der Bestattung 493 f.;
e/i/ieii/iie 37.
iiii/ii/iit 221.
impiliurii *_'•"»•',.
iiii/i/iuiii») 31 j Alillu!
inauratores 597. -.
iimiires 263.
i II r II in 555.
incitegae 153. 404.
incunabula 303, 11.
iiidiees (der Buchrollen l tilT
iiuluiiinilii, i mint Hs :'
imlnsiii 231.
iiuliisiurii 256,19. 59.".. IS
iiifietures 856. 591.
iuferiue 510.
infn/ae (für die Haare) 81
infiindibii/ii l"'-.
Ingwer 169.
Inkrustation der Wände '•_'
inlii-es 526.
im/iii/iiii 545.
iiirii/ii/i" ■">■"' I
inst'ita 114; an der Stola
institores 639.
iiistriirtures jiurietutn 66
19.
iiistrHiiuiitiiiii rusticn u, ...M t
iiisu/ne 58. 442.
insn/arii 58.
intempesta 374.
interii/ne 229.
intiibn 166.
inulne 168,
inrestis 336.
imitntores 3*7. 1-V
irpiees 564.
isieia 175.
iferare (beim Ackerbau) 588.
im/landis 178.
iiunenta 592.
inmentarii 466. <H 1
Jagd 512 ff. ; -hundo 588 i -mea-
ser 524 f.; -netze 516 ff.:
-recht 525 f. : -waffen 584 t
-zeit 525.
Jahrmärkte 681.
668
Alphabetisches Sachregister.
Jäten 564.
Johannesbrot 171.
Jongleure 615.
Juden als Kaufleute 634.
Kaiserschwämme 168.
Kalbfleisch 173.
Kaidaunen 172,7.
kalendarium 656.
Kalköfen 66.
Kamelwolle 246.
Kamine 105.
Kämme 271 ; als Schmuck 263.
Kammuscheln 189.
Kanalheizung 109.
Kandelaber 139 ff.
Kapaune 177.
Kapern 168.
Kapuzen 218.
Kardamom 169.
Karste 565.
Käse 190 f.
Kassettendecken 94.
Kastanien 172.
Kästchen 130.
Kastration der Eber 587 ; der
Pferde 585 ; der Rinder 584;
der Schafböcke 586: der
Ziegenböcke 586.
Kaufläden 59 f. 640; -leute
620 ff.
Kaviar 186,8.
Keller 61.
Kelter 72; für Oel 573 ff.; für
Wein 579.
Kermeswurm 251.
Kerzen 133: bei der Leiche 485;
bei der Bestattung 492, 3.
Kichererbsen 165.
Kienspäne zur Beleuchtung
133.
Kinderspiele 308 f.
Kindheit 303 ff.
Kirschen 171.
Kissen s. Polster.
Klagefrauen 492.
Klappern 308.
Kleiderstoffe 237.
Kleidung, männliche 205 ff. ;
weibliche 229 ff.
Klienten 380.
Klingeln 20.
Knabenliebe 372; -schulen
314 ff.; -tracht 221.
Knoblauch 167.
Knöchelspiel 412 f.
Köche 192. 594.
Kochtöpfe 154 f.
Köder für Fische 530.
Kohl 166.
Kohlenbecken 105. 429.
Konchylienfarben 249.
Königsspiel 309.
Kopfbedeckungen der Männer
228; der Frauen 236.
Kopfkissen 115.
Korallen 262.
Korbflechten 595.
Kork bei der Angel 530; an
Netzen 532; beim Schwim-
men 529,9.
Kornböden 73.
Kornelkirschen 171.
Körperpflege 435 ff.
Krabben 190.
Krammetsvögel 178.
Kraniche 179.
Kränze, bei der Hochzeit 353;
bei der comissatio 400 ; bei
der Leiche 485.
Kranzflechter 594.
Krapp 251.
Krebse 189.
Kreide, zur Schminke 437.
Kreisel 309.
Kresse 166.
Kreuzigung 295 f.
Krokus 89.
Krummholz (am Pflug) 559.
Küche 46; in der Villa rustica
70.
Kuchenbäcker 193.
Küchengeräte 154 ff.: -kräuter
168 f.
Kühlgefäße 402,4.
Kümmel 169.
Künstler 616 f.
Kunstreiter 616.
Kupfermünze, der Leiche mit-
gegeben 486 : -schmiede 160.
592. 606.
Kürbisse 167.
Küsse, dem Sterbenden gege-
ben 483; der Leiche 501.
labra 147; in den Bädern 425;
in der Kelter 578.
lacernae 215; der Frauen 236.
lacerti (Fisch) 182.
Lachsforellen 184, 15.
laconicum 425.
lactarii 193.
lactuca 166.
lacunaria 94.
lacunarä 94. 596, 9.
laciis, in der Villa 70; rina-
rius 578. 580.
Läden s. Verkaufsläden.
Ladenschilder 61; -tische 59;
-Verschluß 59.
laenae 217.
lagoenae 404.
lagopodes 179.
lalislones 176, 19.
Lambertsnüsse 172.
l((i)iinae,lamnae,Vo\\.rmevQ\\l;
von Metall 118; Strafmittel
293,12.
Lammfleisch 173.
lampadaru 1 19, 6.
/ampades 133.
Lampen 135; bei der Leiche
485 ; an Gräbern 510; -dochte
138; -träger 139.
Lampreten 183.
lanarii, lanariae 255. 594.595,
7 ; lanarius coactor 256 f.
Jances 391; filicatae 393,5.
Landwirtschaft 533 ff.
laniaria, laniena 194.
lanificae 255.
laniiy laniones 194. 593.
lanilutores 255. 595, 8.
lanipendins, lanipendia 255.
lanternae 142.
lanternarü 143, 7. 419, 6. 597,
10.
lapathus 166.
lapicidae 65. 19. 596, 16.
lapicidinae 65.
lapicidinarii 596, 15.
lapidarii 66. 67, 3. 596 ; qua-
dratarii 66. 596, 18.
lapldicinae, lapidlcinaril 66.
lapis 66; specularis 103. 446.
laquearia 94.
laquearii 94, 4. 596, 9.
laquei, bei der Jagd 520; beim
Vogelfang 528.
lararium 51; im Atrium 35;
in einer Ala 58,3; im Peri-
styl 43; in der Küche 48.
lardarii 195, 1.
lardum, larida caro 174.
lasani 49. 148.
laser, laserpitium 169.
Lastträger 613; -wagen 458.
laterariae, laterarü 65. 596, 1.
lateres 65.
Laternen 142.
Latifundien 539.
latrinae. 49.
latrones, latrunculi 415.
Lattich 166.
Lauben 86.
Lauch 166.
laudationes funebres 498.
Lauf 328 ; -apparate für Kinder
308, 2.
Läufer 466.
laureta 88, 18.
lautumiae 66.
lavatio, Waschgeschirr 145. 5 :
Bad 420.
lavatores 256.
lavatrina 49, 2. 52.
Lazarusklappen 189.
Lebensbaum s. citrus.
lebetes 146. 175.
lectarii 159. 596,10.
lecti 1 1 2 f. 387 f. : Material 117:
Punicani 118: s. lectus.
lecticae 445.
lecticarii 447.
lectores 410.
Alphabetisches Sachregister.
lectuli 112.
lectus adversm, genialis 30.
113,2. 361 ; eubicüiaris 118;
funebris 485; lucubratorius
113; summus, med ins, imus
388;tricliniarius 1 lZ;s.lecti.
Lederarbeiter 595; -kleider222.
leguli (beim Oelbau) 573.
Icgumina 164.
wüuminarii 195.
Lehrer 314 ff. 616.
Lehrstühle 339.
Leibärzte, kaiserliche, 480.
Leichengesänge 493 ; -klage
486; -kleider 495,7: -mahl
509; -rede 498; -spiele 49<s.
509; -träger 489 f. 495 ; -wacht
487; -wasche 484.
Leimruten 526 f.
Leinwand 240 ff.; für Kissen
115; für Decken 117.
Leinweber 255.
lembi 533.
Lendenschurz 205.
lenones 369. 615.
I ent es. lenticulae 165.
lenuneularii 614.
lepestae 407.
lepidium 166.
le porarid 175.
lepores 190.
leporinae vestes 246, 13.
Leseunterricht 319 f.
lessum, lessus 493, 1.
Leuchter 139.
libarii 193. 595,6.
libellus familiae, Über patri-
monü 655.
liberti 298.
libitinarii 489. 613.
fibrarii, Buchhändler 643;
Schreiber 472 ; Schreiblehrer
320.616.
licium 205.
Ugnarii 66. 596, 7.
ligones 565.
ligviae, am Schuh 225; Löffel
'395.
Lilien 88.
lilieta 88,3.
limbi, an Netzen 517.
limbolarü 256, 19.
Urnen 17.
linarii 255. 595, 7.
Ztma, Angelschnur 530; am
Blendzeug 523; Halskette
264; Netz 537.
Linnen s. Leinwand.
linteones, lintearii 255. 594.
595, 7.
lintrarii 614.
linum, Angelschnur 530, 10; bei
Briefen470,2;Netz517.531.
linyphia 241, 11.
Lippfische 184.
liquatntn 187.
liquaminarii 195.
lim, Urare 563.
lithostrota
litlerae. litteratura (Alphabet)
315.
litteraii 815,8.
litteraii, res 315. 616.
föecM 640.
/ncdh'n operarum 606.
Locken 272.
Lockfeuer 108; -speise 530;
-vügel 526.
h„ «// 130. 321; für Asche5l)2,8.
locus eottsuktria, libertini 388.
locustae 190.
Zocfett 239,3.
Löffel 395.
Lohnarbeiter 613 f.; auf dem
Lande 550 f. 602 f.; im Hand-
werk 605 ff.
lolligines 188.
lomentum 436, 8.
lopades s. lepades.
I ord (Tresterwein) 580.
lora, an der Buchrolle 646, 13;
um lectus 114; zur Züchtig n im
293 5.
forarii 293. 595, 15.
Lorbeer 88.
loriearii 597, 12.
lotores 256.
Lucanicae 175.
lucemae 135.
Jutfe fnnebres 498. 509.
ftuft magistri 314.
Indus latnmculorum 415; ///-
terariua 314.
Luftheizung 106 ff.; -ziegel 10.
lugubria 497.
luminaria 102,6.
lumin ibits aeeensis 374.
I nitida (am calceus) 224.
Iitpanaria 369.
/«7>/ (Fisch) 182.
lupinarii 196,1.
Lupinen 165.
/»/»/« (zum Färben) 252.
Ii/elinuclii 140.
h/ristae 411.
Maallaufen 309.
macella 194.
mace/larii 194.
machiones 66, 14. 596. li».
maculae (an Netzen) 517.
Mädchenerziehung 341 f.
maenae 182.
maeniana 38. 57.
mafortia 233,4. 233.9.
magisterbibend i 401 ; CffMN
iifterarius 315; offiri<>rnm.
u purum 283; pecoris 582.
maijnurii 632. 639.
Mähen 568.
Malil/.fiitM 88 1 885 n.
Ifikmuchine N
Majoian Li
Makrelen 1-1
Maler 817,
innlleiili (am //.«
miil/iuiii i
maluin Arminia, um, eil,,
('i/du,iiui,). i/nnm/uiii. I', , -
sie, im. I'iiih, um IT" I
Malven 166.
mamillaria 230.
-'78.
Mandeln 172.
uiiindru 116.
Mangold 167.
mangones 279.
manicae 207; Fesseln _''•
manipuli (bei der Fi |
570.
manleliu 390.
inauumissiu L'itT.
tfamw-Ebe 347.
mappae 390.
margaritne 261.
murijarilurii 265.
man/ines (der Straße)
Marienglas 103.
Marinieren 184 f.
Markthallen s.maeef/a; -p]
s. /brn.
marmorarii 66. 596 f.
marine 566.
marsupin 4">7.
Mästen des Qeflflgeh 177.
nui/el/tte. niatulue 117.
materiariarii 66, 18.
Matratzen s. Polster.
Mattenflechten
Maulbeeren 172.
Maulesel, -tiere 88.
Maurer 596.
Mäusedorn 166.
maenrtia s. mafortiu.
media nii.r 374.
medieae All.
mediei 175 ff.: aurieu/um
darii 17*; /•»/<
479.
mediei na 479.
Meeraale 181: -amseln I
-äschen 182; -drosseln 184:
-eichein 190; -raben 181.
Mehl 163.
melancaryplii 1 ,
melandrya 185.
melantbiiim 169.
Melde 168.
Meleagrides 17'.».
me/itites 203.
ine/itotrnpb
mellaria 588.
mellarii 196.
Melonen 167.
670
Alphabetisches Sachregister.
melopepones 168.
membrana 467.
membranarü 595, 16. 606.
menae s. maenae.
mensa argentaria 652; ponde-
raria 642; publica 652.
mensae 124 ff.; auf Gräbern 505;
citreae 124; Delphicae 127;
secundae 400.
mensarii 652, 5.
menta 168.
mercatores 623 f. 638.
mercatus 621. 626. 628.
mercennarii 550. 552.
merces (Schulgeld) 315.
merenda 384.
meretrices 367 ff.
mergae 659.
meridiatio 383.
meridies 373.
merulae (Fische) 182; (Vögel)
178.
mespilae 171.
Messer 394; -schmiede 597.
messores 563.
metac (Heuschober) 570.
Metallarbeiter 597.
metaxa 246.
metaxablatta 249,8.
metaxarii 246, 3.
micare (digitis) 418.
Miesmuscheln 189.
Mietshäuser 58.
Milch 196.
miliar iae 178.
miliarium 402 ; in Bädern 428.
Militärärzte 481.
milites (im Brettspiel) 416.
milium 162.
ministerium 392, 5.
ministri, ministratores 396.
Minze 168.
Mischkrüge 402.
Mischung des Weins 401.
Mispeln 171.
missus 398.
mitrae 236.
Mittagsmahl 381 ; -ruhe 382.
»*#»« 189.
modioli 407.
Mohn 168.
Möhren 167.
moloehina 247.
molochinarii 595, 19.
monilia 263.
monitores 310.
monopodia 135.
Monopole 638.
mora (Maulbeeren) 172.
mora (am Jagdspieß) 524.
more Graeco bibere 401.
moriones 412,6.
Morra 418.
Mörser 158.
moriaria 158.
Mosaik 97 ff.
Most 202. 578.
mugiles 182.
wmK 585.
muliones 465. 613.
mullei 224.
muH* 182.
»mtem 202. 382. 398.
multicia 253.
niulticiarii 256. 595, 9.
mundus panis 163.
Muränen 183.
murenae (Schmuck) 263. 14.
muria 187.
muriarii 195.
murices 189. 249.
muriola 202.
murratum, murrinum 203.
murrina vasa 409.
murtum 203.
w?^s, musculus marinus 183.
musaea 87.
muscaria 266. 7.
muscarii 98, 6.
Muscheln 189.
museum 98.
musicarii 97, 6. 98. 594.
musici 616.
Musik, bei Tisch 411; bei der
Totenklage 486; bei der Be-
stattung 491.
Musikunterricht 327 f. 342.
musivum 98.
mustelae (Fisch) 183.
Muttermilch 307.
Myrte 88.
myrteta 88,19.
Nachtisch 400.
Nachtstuhl 49,4; -topf 147;
-Wächter 450.
Nadeln, bei den Lampen 136;
als Haarschmuck 262.
naenia 493.
Nagelfeile 269, 1 ; -pflege 438.
Nagler 597.
Nahrung 160 ff.: der Kinder
307 f.
Namengebung 304.
nani 412, 7.
Napfschnecken 190.
napi 167.
nardinum 203, 12.
narthecia 436.
nassae 532.
nassiternae 146.
naupegi 596, 14.
nautae 614.
navicularii 614. 631.
negotiatores, negotiantes 626.
628. 638; argentarii vascu-
lariiAOS; artis cretariae 638;
ar&'s lapidariae 66, 6 : ar^s
vestiariae 255 , 1 9; calcariarii
66, 16; coriarii 257, 15; /*«-
fca;v7 196, 1; iuvencarii 193,
17; lanarii2hh; lintearii 255;
lignarii 66 ; margaritarii
265, 16; materiarii 66; oZe-
am 196, 6; paenularn 257, 6;
pecuarü, boarii 193; porci-
narii 193; pidlarü 1 95 , 2; .w-
<?anY 257,7; marii 193; tenui-
arii2b6; vestiariiZhl, 3. 638;
vinarii 628, 6.
nenia s. naenia.
nervi (Fesseln) 293.
nessotrophion 177.
Netze für den Fischfang 531 f.;
für die Jae;d 516 ff.; für den
Vogelfang 528.
nitrum 436, 6.
norft (an Netzen) 517.
nodus Herculeus 351.
nomenclatores, bei Tisch 389.
397; auf der Straße 445.
Mo/ae der Amphoren 152,7;
Brandmale 294.
notarii 320. 616.
novaculae 267 f.
novale 567, 8.
novemdial 509.
nubilaria 74. 570.
nuces Avellanae, calvae, Grae-
cae, molluscae, Praenestinae,
Thasiae 172.
nucifrangibulae 395.
nuclei pinei 173.
nummularii 652 f.
nundinae 621.
Nußknacker 395 ; -schalen zum
Färben 252: zum Haarfärben
276, 2.
Nüsse 172; als Spielzeug 309;
bei der Hochzeit 359.
nutrices 307 f.
Obaerarii 552.
Oberstock 55 f. 80.
obices 23.
obserare 23.
Obsidian, als Spiegel, 144.
obsonatores 193.
Obst 169 ff.; -handel 196 ; -kam-
mern 73; -weine 203; -zucht
572.
obstetrices 300.
obstragula 223.
occa, occare 563.
Octroi 637.
oecws 53.
oenogarum 187.
oenophorl 404.
oesypum 436.
offectores 256. 591.
officia privata 381.
offringer e (beim Ackerbau) 562.
o/f«Z«e 174.
Ohrenärzte 478.
Ohrlöffel 438,11; -ringe 263.
Alphabetisches Sachregister.
671
Ol, für Lampen 187; zu Speisen
191;zumSalben433;-handel
196: -kelter 573 ff.: -kultur
572 f.
tilearii 196.
plera 165; odorata 168.
oleta, oliveta 572.
Oliven 168.
ollae 154; für die Asche 503.
plus 166.
(DHdsitm 173, 7.
onagri 176.
Onyx 118. 154. 408.
operarii 539. 550. 553, 1. 605.
Opfer, bei der Hochzeit 347.
354. 357; am Grabe 509.
opisthographa 645.
oporotheca 73.
opus albarium 93; Alexandri-
iiuih 96,S;doliare 149,7; in-
certum 10; intestinum 67,2:
iinis/cum98: retictUatum 10;
srctiir 96; Signimtm 96; tes-
settatum 97; topiarium 89;
Vermietdatum 98.
orarin 221.
^W/c.s.beiderWandinkrustation
92; Tischplatten 125; Spiegel
437.
oreo« 153.
oriii<i)iH))i 168.
ornator 380. 5.
orniUrices 262,13. 380.
ofu/'thoiii'.s 72.
ornÜhotrophion 72,6.
Orseille 251.
Ortolane 178.
08 resectum 502.
OSSilegium 501,12.
ostiaria, ostiarius 29. 65.
ostium 12.
ostreae 188.
ows hirtae, pellitae 585.
»t*«a 72. 585.
Mriha 173,11.
oxygarum 187.
oxytyria 250.
Pächter 542 f.
jMCfcl nuptialia 346.
paedagogi 311.
paentüa 215 f.; der Frauen 236 ;
der Buchrolle 646.
paenularii 257. 595, 12.
paganica 439.
paginae, des Papyrus 645 ; der
Tür 18.
pofa, am Ring 260; zum Be-
hacken des Ackers 564 ; zum
Worfeln 571.
palaestra 55. 330.
palearia 75. 571.
yw/Z/a 234. 353.
pallidum 214; der Frauen 235.
palmae 171.
Palmenhain 168,5.
paJumbi 178.
paftu, bei der Kreuzigung 296;
an den Reben 579,5.
panehreatarii 1'.»;;, II. 591!
panicum 162.
pam'.s- 162 f.
Papageifische 184.
pnpaver 168.
Papyius 470. 645 ; -fabrikation
595.
gar impur 412.
Paradebett 485.
pnruijnudae 209.
jinriipsii/rs 391.
parentalia 509.
parietes communes 11: latericH
10.
parmufarü 597, 12.
paropsides s. partlp9ida$,
pascua 582.
passeres 183.
passum 202.
pastillarii 595, 6.
l>iisiiiiiii-n 167.
2)astio 581 : agrtstie, peeuaria,
rustica 581 ; eillutiea 587 f.
pastores 582,
patagia 254.
patagiarii 595, 12.
patenac (Krippen) 584.
patibulum 295.
patinae, patellae 156. 391.
jKtfrta potesiHs 278. 301.
patrimi et matrimi 358.
pavimentarii (.)5,6. 594.
pavimentum 45 ; sectile 97 ; gpt-
catum 96; subdiale 9(>: *///>-
tegulaneum 96, 7; tessellntum
97 ; testaceum 96.
j)avones 179.
pectinarü 255, 15. 595, 8. 596,
12.
pectinatores 255.
pectines, bei der Ernte 569; bei
der Heuernte 570; s.Kämme
pectines, pectuncu/i (Muscheln)
189.
peeuaria 581.
pecuarii 193, 16.
peeus 581.
/»(7A/w<v//«(beimWeinbau)577.
pedicae, für die Jagd 522 ; für
den Vogelfang 528.
pedisequi 310. 445.
peduUa 321,8.
pedum 525. 538.
pelagium 249.
pelamydes 185.
pellartt, peUiones 257. 595, 16.
peUuvia 146.
prlorides 189.
pelves 146.
Pelzkleider 222.
pendentes 263, 6.
pepom, I »VT
•JtJMl ,. I ''
pereat 184, 15.
MraYMI 17-
Pexgameot 467. 647; bu
807.
perauku 60; in Qlrtei 86; Uta
Schulen 816; beim Weinbau
577.11.
j/erixtrreu, ,,.-<. m ,,/,,„
72.
tnmmtii 1 IC.
perlst yliitm 11 »f.; in der 17//./
iir/iiiini 78.
Perlen 261.
Perlhühner 179.
permutaUe \ 4,1
pennt 174.
per nur ii 195, 1.
/uraltes 226.
perpem/ieti/iitnr.s 586, |;i.
pertieae (beim Dreechen)67 1 i
Perücken 276.
p«taa« 228.
petasones 171.
petiiiiristn, 615,
petnrritu 462.
Pfauen 179.
Pferde, für die.hi tälli-
71;-zucht584f.
Pfirsiche 171.
Pflasterung der Straßen
Pflaumen 17n.
Pflug, pflogen 557 lt.
Pfropfen der Obstbäume 'i7_'
pkäeeasia 227.
plnirniiiei>j,i,l,i,
pliusiiini 17'.t.
phasioU 165.
jiltliilue 405.
Philosophie 338.
/ihnen ieopferi 180.
phrygiones L'">:i. 595, 10.
I>ii-tur lni<t<ii>Ki r in*. i><t riet <i ritt*
91,3. 591: i/iuii/rii/u/n,
596, 14.
piqment<tri<
pQat 439 f.
ptfarfl 439,9. 615.
pilen/il 464.
pilierept 440,9.
pOm«, /)»/«« 228; der Skla-
ven 2S0 : der Freigelassenen
298.
Pilze 168.
ihecae 55.
p in et ti 88, 16.
Pinien 88: -kerne H
pinna, Gewebe ans p., 246.
piper 169.
piperntum 208.
ptVe 170.
165.
672
Alphabetisches Sachregister.
piscatio, piscatus 529.
piscatores, piscicapi 195. 529.
593.
piscina 42; in der Villa 70;
Fischteich 180; in Bädern
123; p. calida 124.
Pistazien 172.
pistilla 158.
pistores 162. 593.
pistrina 292.
pittacia 152,7.
pityone.^ 88, 16.
placentarii 193. 595,6.
plaqae, an Betten 116; an der
Tunika 206 ; Fischnetze 531,
6; Jagdnetze 518 f.
plagulae, an Betten 116; beim
Papyrus 645.
planctus 497.
planipeden 412,5.
plantaria 572.
Platanen 88.
platanones 88. 15.
plateae 442.
Plattenmosaik 92 f. 97.
plaustra 458.
plmistrarii 458,8. 613.
plebeius panis 163.
plostellum Punicum 571.
plumae (Kissen) 116.
plumarii 254. 595, 10. 607.
plumbarü 597, 15.
plutearii 596, 9.
plutei 113.
pocuia 405.
poenicens 251.
polenta 162.
polire (in der Landwirtschaft)
551 f.
politores, beim Hausbau 90; in
der Landwirtschaft 551.
pollinctores 484. 613.
pollis, pollen 163.
Polster 1 14 f. 248 : -füllung 115.
polybrum 146.
polymita 253.
polymitarii 256. 595, 9.
pölypi 188.
polyptycha 468.
juowa 170.
Pomaden 275.
pomaria, pomarii 170,1. 196.
pompa funebris 491.
ponderaria 642.
popinae 451.
popinarii 451,1. 615.
porca praecidanea 488.
porcae (am Pflug) 583.
porcarii 587.
porcelli 175.
porcina 173.
porculatio, porculatores 587.
Porre 166 f.
porticus 41,9.
portitores 636.
portoria 635.
Possenreißer 412.
postes 16.
postica 41.
posticum 42.
j»o£ms 161.
praecones 614.
praecox 171.
praeficae 492. 613.
praefarnium 108.
praegustatores 396.
praelegere 326.
praesepia 584.
praestigiatores 615.
praetorium 77.
prandium 381.
prelum, für Ol 574; für Wein
579.
prima face 374.
primordia 303.
procoeton 44.
procuratores 71. 282: der
Frauen 368; insularum 58.
promptuarium 50.
promulsidare 394.
promulsio 398.
propinare 405.
propnigeum 108, 1.
propolae 639.
proscindere (beim Ackerbau)
562.
prostibula 368.
protropum 201,16. 578.
primae 170.
Prunkreden 335.
psilotJira 438.
pubertas 335.
publicani 636.
pueri cauponarii 454.
pugillarea 468.
pugillarii 596, 10.
^w«; 177,13.
^>m& 162.
pulticida 162.
pidvinus (Beet) 85: des /cc^m.s-
115.
pumicare 645.
pumiliones 412, 7.
puniceus 251.
Puppen 308.
pupus, pupa 304.
Purpur 249; -decken 127; -fär-
bereien 250 f.: -Schnecken
189. 249.
purpurarii 256. 595,11.
purpurissum 437.
putatio 576.
putearii 596. 17.
pidiculi 487,9. 503.
_p//e?<" 424.
£>«/m 499,9.
j>yrgi (Würfelbecher) 413.
quadra (des Brotes) 164.
quadrans 403.
quadratarii 66, 7.
quasillariae 255. 10.
quatemiones 648.
quincunx 403.
Quitten 170.
/Wr;v 267.
radices 167.
raeda s. r#c7a.
rapae 167.
raphani 167.
Rasiermesser 268.
raster, raatrum 565.
Rauke 166.
Raute 168.
Rebhühner 178.
Rebhuhnfedern 116.
Rechenbrett 323: -lehrer 322.
616.
Rechnen 322 f.
recinia s. ricinia.
rector 310.
;*erfae 460.
mftmV 460,5. 596,4. 613.
retftfer* 322,5.
redemtores 551. 639.
reqilla 350.
Rehe 176.
Reifenspiel 302.
Reisen 456 ff.
Reisewagen 459 ff.
Reiten 329. 457 f.
Reitlehrer 329. 616.
repaguia 23 f.
repastinatio 554.
repoxitoria 393.
repotia 361.
repudium 346. 362.
reserare 23.
restiones 593.
r«tfa 517 ff. 531.
Rettige 167.
Reusen 532.
r«r, bei der comissaÜo, 401.
rhedae s. redae.
rhedones 184. 15.
Rhetorenschulen 331 ff. 616.
rhombi 184.
rhytia 406.
r*"ca 234.
ricinia 233.
ridicae (beim Weinbau) 577,5.
Riegel 23 f.
Riesenmuscheln 189.
rigatio 554.
rigui, rigita 554.
Rinderställe 71; -zucht 583 f.
Rindfleisch 173.
Ringe 258 f. ; bei der Verlobung
346.
Ringeltauben 178.
Ringkampf 329.
n« 554.
roboraria 175.
rofftM 499.
rosaria 87.
rosatum 203.
Rosen 87.
Rosinen 171.
Rosmarin 88.
rostrum (der Lampe) 136.
Rötel, zum Schminken, 437.
Rüben 167.
rubi 172.
rnhia 251.
rudua 95.
Rührkellen 158.
rumex 166.
runcare 564.
ruscum 166.
nisticits panis 163.
/•«/« 168.
Sabona 432.
mbidones 412,6.
8accarii 613.
s<tcct.s(icn</t{ zum Weinsieben)
403.
Sachwalter 616.
Sackträger 613
sacomarii 597, 10.
sacraria 51.
Safran 252.
.sw/«m 257. 595, 12.
sagenae 531.
80ginare, saginarium 177.
«agütarii 597, 12.
sdt/i/m 216 f.
8alarii 196.
Salate 165 f.
Salben 435; bei Leichen 484;
-händler 436.
salgatnarii 196.
aalinaiores 196.
aalinum 392.
säftre 185.
8al8omentarii 185. 195.
%alsura 185.
8aÜatore8, saltatrices 412, 1.
616.
salutatio 213. 380. 445.
Salz 192; -faß 392; -fische 185;
-händler 196; -monopol 638.
samlniiuxtriae 411.
samiatores 597, 13.
«ampsuckum 169.
Sandalen 222 ; der Frauen 236.
sandaliarii 222, 7. 258. 595, 13.
sandapilac 490.
Sandyx 251.
Sänften 445 ff. 458 : für Kinder
310.
.sa/)a 202.
saperdae 186.
xa/w> 276.
mrcinator es, sarcinatrices 256.
594.
Sardellen, Sardinen 186. 188,
10.
Särge 502.
Alphabetisches Sachregister.
sariones 184. 15,
Sarkophage 502, 8.
sarraca. 459.
sarrire 564.
aartagitus 157.
sartons. eartrieu 856. 594.
Saturnalien 288.
scalae 56.
scalarii 596,9.
scalprum UbrOfitm 471,2.
scalptons gemmamm 265.
xcamna 121: beim Pflügen 569.
scandala 163,21.
scandula (Getreide) 161,9.
scandtdae (Schindeln) 10.
scandularli 596,8.
scapharü 614.
scaphia 148. 406.
Äcap/, der Kandelaber 141 ; am
Papyrus 645; eardinäle» 19.
gear» 184.
Schäferhunde 587.
Schafställe 72; -wolle 287 ff.;
-zucht 585 f.
Scharbaum 559.
Scharlach 251.
Schauspieler 615.
schedae, am Papyrus 645.
Scheidung 361 ff.
Scheiterhaufen 499 f.
Scheunen 78.
Schiffbauer 596. 606.
Schildkröten 117.
Schilf (für Kissen) 115.
Schillerstoffe 253.
Schindeln 10.
Schinken 174
Schlächter 193 f.
Schlafzimmer 37. 43 ff.
Schlagnetze 528.
Schleien 184,15.
Schleifer 597. 606.
Schleppnetze 531 f.
Schleudern, für die Jagd 524.
Schlingen, für Wild 520 f.
Schlösser 25 ff.
Schlüssel 2:. (1.
Schminkbohnen 165.
Schminken 437 f.
Schmuck 258 ff.
Schnecken 190. 588.
Schneehühner 179.
Schneider 256. 594. 607.
Schnepfen 179.
Schnittlauch 166.
schoenobatae 615, 14.
schola 314.
Schollen 184.
Schönpflästerchen 436.
Schöpflöffel 403.
Schornsteine 105.
Schränke 128.
Schreibgerät 427 : -griffel 469 :
-lehrer 320. 616; -tafeln 468;
-Unterricht 320 f.
Handbuch der klass. Altertuniswissenschaft. IV. 2, 2. :S. Aufl.
Schn-im-r 596.
Schrot I. im
schul,,. 828 ti
Schulbücher 328; -feiertage
316; -ferien 317; -gehl 816.
324; -zimmer
319.
Schulen 314 ff.
Schuppen 74.
Schuster 858. 591
Schwamm, beim >chml»gerat
471.
Schwäne 17^.
Schwanendaumii IM;
Schweinefleisch 17:; ll; /ncht
58«; 1 .
Schwimmen 889.
Schwitzbad
acuta« 167.
aeimpodia 119.
seirpus (für Dochte) 184.
>rissores 394.
scolopacen 179.
scombri 186.
->,,/„, rii 65.
snirtd 367.
acriblüoHi 198, 11. 59
scrinia L81.
scriptum (Weidozii,
aerütarti 639.
sculponeae 228.
snirruc \ \'2j\. Ulli.
scutarii 597, 12.
■1, der Lehrer, 819
#culu/aianFu&böden97;SchU8-
seln 391.
scutulatae pwfes 240. 253.
sajphi 406.
sebacea, sehne iaria 1
atcaU 161.
8CC489U8 ^9-
Sech (am Pfluge) 55
tectorti tcrrxn ■ 18.
siii/)n/fiiii's pantt 163.
s,;(ili„ 121.
Seebarben 182; -gras (für hi~
sen) 115; -handel 620 ff. 629 ;
-igel 190; -krebse 189; -nes-
seln 190.
xeijmenta 2
ntarU 856. 586, 10.
Seide 115. 2
Seidenhandel 62!» f
Seife 436.
Seiler 593.
Seiltänzer MV
M0O, Abtritt 49; Sessel 18
castrensis 122.'
peratoria 122 f.: gutatorim,
ftrtoria. perfo
selliirii
Sellerie 168.
mBnJm (Sänften) 145.
aeminaria 572.
sein in in
43
674
Alphabetisches Sachregister.
eemita, Haarscheitel 274, 7;
Weg 442.
Senf 169.
Sensen 569.
sepiae 188.
seplasiarii 436,4. 481.
septunx 403.
serae 22 f.
seriae 150.
serica 245 f.
sericarii 245, 5. 246, 4. 595, 19.
serpyllum 169.
serraca s. sarraca.
servi medici All. 480; orc£i-
narii, vicarii 285 ; publici,
privati 282.
««•#/ a bibliotheca 65 ; a cafe'-
cwfe 396, 7 ; a codicillis 472 ;
ö crystallinis 408, 16 ; a a<ra
amicorum 65. 7; a cyatho
396. 403,4; a /j&mKs 265;
a frumento 193; a lagona
396; alitteris 412; amanu
473; a pedibus 396,14; a
pinacotheca 65; a potione
396 ; a saerario 65 ; a Statuts
65, 13; a supellectile 159; a
tabulis 65, 13; a valetudi-
nario 477,8; a ros^e 229; a
#/ms 193. — serw a& argento
392, 5 ; aft auro gemmato 393,
7. 404, 12; a& epistolis 472;
afe hospitüs 65 ; a& ornamen-
tis 265. — servi ac? argen-
tum 392, 5 ; a(? cyathos 403,
4 ; a(2 imagines 65 ; ad ma-
num 472; ad margaritas 265;
ad pedes 396 ; arf valetudi-
narium 477,8; arf vestem
229. — serm supra aedificia
69,1; supra cocos 282,5;
supra cubicularios 282, 5 ;
SM^ra hortos 89, 8 ; swpra in-
swZffls 58, 12.
Servietten 390.
Sesam 169.
Sessel 122.
sex crines 352.
sextans 403.
sextarius 404.
Sicheln 568.
sicilire 570.
Siebe 158.
Siegelringe 258. 485.
sigilla 93.
sigillarü 596, 3.
sigma 119.
Silbergeschirr 392 f. 407 f.
silicarii 596, 17.
silicernia 509.
siliciae, siliquae (Bockskraut)
165.
siliginarius pistor 163,6.
siligineus panis 163.
sz'%o 161.
siliquae (Johannesbrot) 171.
silhjbi 647.
Silphium 169.
siluri 184.
simila 161.
similaginarius pistor 163,5.
similagineus panis 163.
simpulariarii 597, 10.
sinapi 169.
sinciput 174.
sindones 247,9.
sinuin, sinus 407.
s/mts der Toga 212; an Netzen
518.
sj'ser 167.
sisymbrium 166.
siticines 491, 11.
situlae 157.
Sitzen bei Tisch 386.
Sklaven 277 ff. ; zur Besorgung
des Hauses 64 ; Tracht 222.
289; Märkte 278 f.; Händ-
ler 278. 627; Preise 280;
Zahl 281 ; Verwendung 282;
Namen286; Behandlung287;
Nahrung 289: Wohnung 290;
Strafen 292 ff. S. als paeda-
gogi 311; als Lehrer 312;
in der Landwirtschaft 539 f.
549 f. ; als Handwerker 598ff. ;
alsKaufleute623.625. Siehe
auch servi und servus.
socii 223
Sofas 112 ff.
solaria, Söller 57 : Sonnenuhren
376-..
solea (Ölpresse) 573.
soleae 222; der Frauen 236.
soleae (Fische) 184.
solearii 258. 595, 13.
Sonnenschirme 266 ; -uhren
375 f.
sophistae 332.
sordidus panis 163.
Spanferkel 175.
Spargel 165.
Spaßmacher 412. 616.
spatharii 597, 12.
Speck 174.
specula 437.
specularia 103.
speculariarii 103,9. 594.
Speere bei der Jagd 524.
Speerwerfen 529.
Speicher 642.
Speisen 161 ff.
Speisesofas 387; -tische 124;
-zimmer 45 f. 53. 386.
Spelt 161; -brot 163.
Sperlinge 178,16.
sphaeristerium 55; in den Vil-
len 80. 439 ; in Bädern 426.
sphaeromachia 440.
sphondyli 189.
spicae (des Fußbodens) 96.
Spiegel 144. 437.
Spiele, der Kinder 308 ff. ; der
Erwachsenen 412 ff.
Spinnen 255.
spintheres 264.
spirulae 175, 4.
splenia 436.
sponda 113.
sponduli 165, 19.
sponsalia 345.
sponsus, sponsa 346.
Sprenkel 528.
Springbrunnen 42. 87.
Springen 329.
spuma 276; Batava 276,7.
squillae 189.
Staatspost 467.
stabularii, stabularium 455.
615.
Stachelflundern 183.
Stadtärzte 481.
stalagmia 263.
Stare 178.
Steckenpferde 309.
Steckrüben 167.
Steinarbeiter 596 : -brüche 65 ;
-butten 184; -pilze 168.
stemma 494.
Stenographie 320. 616.
stercoratio 556.
sterquilinia 50. 556.
Sterze (am Pflug) 560.
stibadia 87. 119. 387.
stibium 437.
Sticker 253. 607.
Stickerei 253 f.
Stieglitze 178,16.
Stigmata 294.
stilus 468.
stipes (bei der Kreuzigung) 296.
stiva 560.
Stöcke 266.
Stockwerke, obere 57.
stola 232.
Störche 178.
Störe 181.
Strafen der Sklavon 292 ff.
stragula, stragulae vestes 116.
stramenta 116: bei Dünger-
gruben 556.
Straßenbeleuchtung 450, 5 ;
-leben 442 ff.
stratores 585, 1.
Streichbrett (am Pfluge) 560.
strictores (beim Ölbau) 573.
strictoriae 208.
strigiles 432.
Stroh (für Kissen) 115.
strophia 230.
strophiarü 256, 19. 595, 12.
structores, Maurer 66. 596, 19.
Anrichter 394.
structura testacea 10.
Stuck 90; -Verzierungen 93.
Stühle 122.
Alphabetisches Sachregister.
675
Stundenrechnung 373.
sturni 178.
suarii 193. 587.
suasoriae 333.
subsellarii 121,5.
snbsellia 121 f.; der Schüler 318.
subserica 245
Substruktionen 9 f.
subucula 208; der Frauen 229.
subulci 587.
sithrillci 70, 6.
sHcina 262,8.
sudaria 221. 243,3.
sudes (beim Weinbau) 577.
suilia 587.
suilla 173.
sidci aquarii, perpetui 555.
sumen 174.
sumptuarii 284.
supellecticarii 15!>.
supellex 159.
superficies (der Kandelaber)
142.
superlim en 17,5.
suppara 231.
suprema 373.
suspensurae 53. 107. 429.
swtores 258. 581. 595, 14.
symphonia, symphoniaci 411.
si/ntliesis 219.
f«&etfae 468.
tabellarii 473 f.
tabernacularii 595, 15.
tabernae 59. 640; am Forum
621 ; Wirtshäuser 453 ; für
Schulen 316; derÄrzte479;
taberna cauponia 453; rfe-
versoria 454; vinaria 453;
tabernae argentariae, ple-
beiae, veteres, novae 640.
tablinum 38 ff.
tabulae, an Fässern 149; Re-
chenbretter 323 ; tabulae
aleatoriae 414; argentariae,
auctionariae, dotales 355 ;
lusoriae 415; nuptiales 346.
355.
tabularium 65. 357.
tabulata 55,8. 73; Heuboden
570.
taedae 133.
taeniae 230.
Tageseinteilung 379 ff.
Taglöhn er s. Lohnarbeit.
Talglichte 135.
teft 412.
Tänzerinnen 412.
Tanzunterricht 330. 442. 616.
tapetia 116. 145.
tarpezitae 649 f.
Taschenspieler 412. 615.
Taubenschläge 72; -zucht 177 f.
Tauschhandel 619.
tectores, tectorium 90.
tectum pect! mit ton, tfttutlina
tum 11.
tegetarii 595, 17.
teyulae mammatae 108.
tegularii 65,16. 596,1.
temetum 197.
tempestivum conti rinnt 385.
Tenne 570.
tensae 458, 7.
tentipellia 436,12.
tmuüarii 356.
tcpitlnrium 53. 424.
Teppiche 145.
Terebinthenholz 117,10.
terrae iniectio 488.
tessellae (beim Mosaik) 99.
tesserae am Fußboden 93. 99;
Würfel 414.
tesserarii, tesseUarii 97, 6. 594.
testuatius panis 164.
tetraones 180.
textores 594. 595,9.
thapsus, zum Färben 252, 7.
£fteca calamaria 472.
Thermen 421 f.
thermopolia 453, 7.
Thuja für Sofas 1 17 ; für Tische
124 f.
Thunfische 185.
thurarii 482.
Thymian 169.
thynni 185.
tibialia 221.
tibicines bei Tisch 411: bei der
Bestattung 491.
Tiere zum Spiel 309.
tinctores 256. 591.
tiniae 184, 15.
Tinte 471.
Tintenfässer471,6; -fische 183.
tirocinium 337 f.
tisana 204.
Tische 34 f. 124 ff.
Tischtuch 389 f.
fftttft, an Amphoren 152, 7 ; der
Bücher 647; der imaginn
494, 3 ; der Sklaven 279 ; der
meretrices 370; an Grab-
malen» 505.
ft#a 210 ff. ; der Frauen 231 ;
der Leichen 484; Jog'a c««-
cft&i 248, 1; Jt*fcmx33(); /»'/•>/,
praetexta 214. 221. 336; ri-
rföf 335.
tomentum 115.
fo/ietere 267.
Tonnen 149.
tonsores 267 ff. 593.
toHstrinae 270 f.
Töpfer 592. 595 f.
topiaria, topiarii 116.
toralia 116.
torcular, torciilariitm 72 ; für
öl 573 ff.; für Wein 579.
tori, Beete 85; Betten 114.
tiirim in
tortaru i 1
ToUnkvdtM •"'.» ff.
trttbfii 214.
tragtUa, tragtm 581 f.
truitsennm 101, K).
t rupft um -"> 7 1 .
tnipf:it„f s. tiir/,,;,'
trup,:,!/,!,,,!-!! 127,
Trauei kleidun. luf.
trfrhfi/ijina 397,6.
Treibhäuser 89.
Treppen 56.
trihnht ".71
triflii/uf. trn/,,1, in Villen 86;
auf Gräbern 5<
Trichter 1
t riil in in 5f ,, hihrrna
86; t fiel in in in ftffldt
triclinittr, I .;»:,.
/rif/iniarii 889. 896, 1
tridentes, zum Fischen 532.
trtou 403.
trigon 439.
Trinkgeschirr 405 ff.
tripes 139.
triticum 161.
Trittsteine 443.
tritura 570.
//•»«■/// 309.
Trödler 639.
frt«M 158 f.
Trüffeln 168.
Truhen 129.
CtmOm 159. 407.
tririlfa 146.
Trüschen 183.
fti&srM 597,11.
tuber es 168.
ruft», /mW» 108.
tuhirines, bei der Ausstellung
der Leiche 486; bei der Be-
stattung 491.
Tubulation 108.
tiitiicula{bei der Ölpresse
tui/uria 7.
tan fco 206 f. : der Frauen 22U f. ;
/. iinliisinta 231; pahuata,
triumphalis 209: >*e/a 386.
350.
tioiicopaltinnt 235.
turdarium 178,6.
tetttt, Vögel 178; Fische 184.
Türen 12 ff.
Türgriffe 22 ; -hüter 29 ; -k lopfer
20; -Schlösser 21 ff.
Turnlehrer 330. 616.
fMrrw 80.
tiirncula (Würfelbecher) 413.
Turteltauben 178.
Mrffl sfpuli-ri 508.
tutulus 273.
ti/nipana, an Türen 18: an
Wagen 458.
tiirianthinum 249.
676
Alphabetisches Sachregister.
Übergief3ungen 434.
udones 221,7. 229.
Uhren 375 ff.
umbella 266.
umbilici der Buchrolle 646.
umbo der Toga 213.
umbra (Fisch) 184, 15.
umbraculum 266.
umbrae beim Mahle 388, 10.
tincia 403.
unctores, unctrices 434.
unctura 484.
unguenta 275.
imguentarii 436. 481.
ungulae 174.
uniones 261.
Unterhaltungen beim Trinken
410 ff.
Unterpflügen 557.
Unterricht der Knaben 312 ff. ;
der Mädchen 341 ff.
urceus, urceolus 146. 153.
urna 153.
Urtica 166; marina 190.
urvutn 559.
ustores 501. 613.
ustrina 499.
Usus-Ehe 348.
utricularii 595, 15. 614, 7.
«»«« passae 171.
Vaccinium 252.
valetudinarium 75. 477.
/•ffZZr, vanni 571.
valvae 18.
varae 519.
msa vinaria 154.
vascularii 408. 597.
vectigalia 612. 635 ff.
vecturarii 613.
wZa 29. 144 f.; im Atrium 35;
in Bordellen 370 ; an Sänften
446.
wZtenj 269. 438.
venabula 524.
venalicn 279.
venatores 516. 525.
veneriae 189.
Venerius iactus 414.
ventilabra 571.
ventilare 571.
ventilatores 615.
ventralia 221.
Venusmuscheln 189.
Verbrennen der Leichen 487 f.
Verkaufsläden 59. 640.
Verkehr 442 ff.
Verlobung 345 f.
vermicidi (beim Mosaik) 98, 1.
wrnae 281. 288.
rerres 587.
verricula 562.
Verschluß der Fenster 101 f.;
der Türen 21 ff.
versicolores vestes 253.
versus (beim Pflügen) 562.
«n< 159.
vervagere, vervactum 567, 8.
vervecina 173.
Verzehrungssteuern 637.
vespera 374.
vesperna 381.
vespillones 490. 613.
vestiarii 257.
vestibulum 12 ff.
vesticeps 336.
vestifici 257. 594.
vestigatores 525.
vestiplici, vestiplicae 213. 229.
vestis cenatoria 397.
vestispici, vestispicae 229.
vestitares 257. 594.
veteramentarii 258. 595, 14.
»ta« 442.
ttfe» 442.
Viehhandel 193; -zucht 535 ff.
580 ff.
vietores 595, 18.
vigiles nocturni 450.
vigiliae 373.
vilici, vilicae 70. 283. 547 f. ;
hortorum 70, 6.
t*2Za 67 ff.; fructuaria 75;
jtseudourbana '69 . 76; rustica
69 ; suburbana 69, 5 ; urhana
76 ff.
viminarii 595, 17.
vinarii 204.
vinarium 154.
vindemia 578.
vindicta 297.
vlneae, vineta 576.
vinum conditum 203; doliare
148,8; /ic&'ctwj» 203 ; »H#>
ratum 203 ; passum 202 ; rtt«
ft^Mm 198. 202.
violaceum 249.
violaria 88.
»«otom 256,16. 595,11.
Violen 87 f.
t>»Vgra des Türhüters 29; des
Lehrers 319; Leimrute 527.
virgatae vestes 240. 253.
viriae, viriolae 264.
viridarium 41.
viscum 526.
vispillones s. vespillones.
vitalia 495, 7.
«Yes prostratae, iugatae, capi-
tatae, brachiatae 577.
vitiaria 576.
vitrearii 409. 594.
vitrum (zum Färben) 252.
wYtae 273. 353.
vitulina 173.
vivaria 175. 180.
Vogelfang 526 ff.; -leim 526.
volsellae 269. 438.
volumina 645.
vomer, vomis 558.
Vomitive 399.
Vorhänge 144 f.; im Atrium
29. 35; an Fenstern 104.
Vorhanghalter 39,1.
Vorlesungen 410.
Vorratsgefäße 148 ff. ; -kam-
mern 50 f.
Vorreiter 466.
vulturius iactus 413.
vulvae 174.
Wachsbild des Toten 496;
-bildner 596; -kerzen 135;
-masken s. imagines; -tafeln
321.
Wachteln 178.
Waffenschmiede 597.
Wagen458ff.; -bauer596.605:
-verkehr 443 f.
Waid (zum Färben) 252.
Walker 256. 592. 607.
Wallnüsse 172.
Wandmalereien 90 f.
Warzenziegel 108.
Waschgerät 145 f.
Wasserkrüge 153 f.; -melo-
nen 167; -rabe 181; -tiere
180 ff; -uhren 377 ff.; -wär-
mer 401 f.
Wau (zum Färben) 252.
Weben 255.
Weber 607.
Wechselwirtschaft 567.
Weibliche Arbeiten 342.
Weichtiere 183 ff.
Weideland 537 f. ; -platze 582.
Weidenholz 117, 10; -ruten für
Sessel 123, 8.
Weihrauch, bei der Leichen-
ausstellung 485; bei der
Verbrennung 501; am Grabe
510.
Wein 196 ff.; wilder 88.
Weinbau 575 f. ; -fässer 148 ff. ;
-händler 453 ; -krüge 152 ff. :
-lese 578; -siebe 402; -trau-
ben 171; -trinken beim Mahle
399; bei derco»/»//x.wf/o401:
im Bade 435.
Weißfische 184, 15.
Weizen 161; -brot 163.
Welse 184.
Wild 175 f.
Wildesel 176; -schwein 176;
-taube 178.
Windeln 303.
Wirtschaftshöfe 70.
Wirtshäuser 450 ff.
Wirtshausschilde 456.
Wochenmärkte 621.
Wohnhäuser 7 ff.
Wolle, zur Kissenfüllung 115;
zur Kleidung 237 ff.
Worfeln 571.
Wucher 650 f.
Alphabetisches Sachregister.
677
Würfelbecher 413; -brett 414.
Würfeln 412 ff.
Wurfnetze 531.
Wurfschlingen 522.
Würste 175.
Xysti 85.
Zaetae (diaetae) 43, 11.
Zahnärzte 478; -pflege 438;
-Stocher 399.
Zähne, falsche, 478, 10.
eancae 227 f.
Zapfen der Türen 19.
Zedernöl für Papyrus 646.
Zeitmesser 375 ff.; rechnuii^
372 ff.
iihirli 65.5.
um (Fisch) 182.
Zichorie 166.
Ziegelböden 596 ; -Streicher 65.
596.
Ziegeleien 65.
Ziegenfleisch 173; -haar 246;
-Ställe 72; -zucht 586.
Zimmerleute 66. 591. 596.
Zimmt 169.
:i)K/iher 169.
Zisternen 85.
Zitronen 171.
Zölle 61
'.nun, i
zotheca
Zuckermelonen 168 roh IM,
16.
Zunftärzte 481
Zünfte des Nuina (90 I
Zwerge 412.
Zwergpalme
Zwiebeln 1
Zypressen 88; M im I •
Mfitcihanftii
:
tythtm 204.
Handbuch
der klassischen Altertumswissenschaft
in systematischer Darstellung mit besonderer Rücksicht
auf Geschichte und Methodik der einzelnen Disziplinen
Herausgeben Geheimrat Dr. Iwan von Müller, ^Ä^MSäS
Inhalt der einzelnen Bände:
I. Band: Einleitende und Hilfsdisziplinen. Zweite sehr vermehrte, teilweise völlig
neubearbeitete Auflage. Mit alphab. Register. 1892. 57 Bog. Lex.-8°. Preis
geh. \hJL\ geb. 17 JL.
Inhalt: A. Grundlegung und Geschichte der Philologie, von Geheimrat Dr. v. Urlichs (Würz-
burg). B. Hermeneutik und Kritik, von Professor Dr. Blass (Halle). C. Paläographie (mit
6 Uthograph. Schrifttafeln), Buchwesen und Handschriftenkunde, von demselben. D. Griechische
Epigraphik (mit einer Schrifttafel), von Prof. Dr. Larfeld (Remscheid). E. Römische Epigra-
phlk, von Professor Dr. E. Hübner (Berlin). F. Chronologie, von Professor Dr. Unger (Würz-
burg). G. Metrologie, von Professor Dr. Nissen (Bonn).
II. Band, 1. Abtlg.: Griechische Grammatik (Lautlehre, Stammbildungs- und Flexions-
lehre und Syntax) von Prof. Dr. KarlBrugmann (Leipzig). Mit einem Anhang über
Griechische Lexikographie von Prof. Dr. Leopold Cohn (Breslau). Die neue [4.] Auf-
lage, bearbeitet von Prof. Dr. A. Thumb (Straßburg) ist im Jahre 1912 zu erwarten.
II. Band, 2. Abtlg.: Lateinische Grammatik (Laut- und Formenlehre, Syntax und
Stilistik) von Prof. Dr. Friedrich Stolz (Innsbruck) und Gymnasialdirektor J. H.
Schmalz (Freiburg). Vierte Auflage. Mit einem Anhang über Lateinische Lexiko-
graphie von Prof. Dr. Ferdinand Heerdegen (Erlangen). 1910. 50 Bogen
Lex.-8°. Geh. 15 JL; geb. \1 J(, 50^.
IL Band, 3. Abtlg.: Rhetorik von Dr. Richard Volkmann, weil. Gymn.-Dir. in Jauer.
Neubearbeitet von Gymn.-Rektor K. Hammer (Würzburg) und Metrik nebst einem
Anhang über die Musik der Griechen von Prof. Hugo Gleditsch (Berlin). Dritte
Auflage. 1901. 22 Bog. Lex.-8°. Geh. 8 JL 80 ^.; geb. 10 JL 60 $.
III. Band, 1. Abtlg., 1. Hälfte: Geographie und Geschichte des alten Orients, von Prof.
Dr. Hommel (München). Zweite Auflage. 1. Hälfte Bogen 1 — 25 nebst provisor.
Register. 1905. Geh. JL, 7.50. (Die 2. Hälfte befindet sich im Druck.)
III. Band, 2. Abtlg., 1. Teil: Geographie von Griechenland und den griechischen
Kolonien. (Eine Neubearbeitung befindet sich in Vorbereitung.)
III. Band, 2. Abtlg., 2. Teil: Topographie von Athen, von Prof. Dr. Walter Judeich
(Erlangen). 26x/4 Bog. mit 48 Textabbildungen, einem Stadtplan im Maßstab von
1 : 5000, einem Plan der Akropolis im Maßstab von 1 : 1000 und einem Plan des Peiraieus
im Maßstab von 1 : 15000. 1905. Geh. 18 JL In Halbfranz geb. 20 JL,
III. Band, 3. Abtlg., 1. Hälfte: Grundriß der Geographie von Italien und dem Orbis
Romanus, von Prof. Dr. Jul. Jung (Prag). Zweite, umgearbeitete u. vermehrte
Auflage. Mit alphab. Register. 1897. 12 Bog. Geh. 3 JL 50 %.
III. Band, 3. Abtlg., 2. Hälfte: Topographie der Stadt Rom, von Gymn.-Dir. Prof. Dr.
Otto Richter (Berlin). Zweite, vermehrte u. verbesserte Auflage. 26 Bog. Lex.-8°.
Mit 32 Abbildungen, 18 Tafeln u. 2 Plänen des antiken und des modernen Rom. 1901.
Geh. 15 JL, W In Halbfranz gebundene Exemplare der vollständigen III. Abtei-
lung des III. Bandes — Geographie von Italien und Topographie der Stadt Rom —
sind zum Preise von 20 JL, 50 $. zu beziehen.
III. Band, 4. Abtlg.: Grundriß der griechischen Geschichte nebst Quellenkunde, von
Prof. Dr. Robert von Pöhlmann (München). Vierte, neu bearbeitete Auflage.
1910. 21 s/8 Bog. Geh. 5 JL 80 §. In Halbfranz geb. 7 JL, 50 *}
III. Band, 5. Abtlg.: Grundriß der römischen Geschichte nebst Quellenkunde, von
Prof. Dr. Benedictus Niese (Halle). Vierte, umgearbeitete u. vermehrte Auflage.
1910. 29 Bog. Geh. 8 JL. In Halbfranz geb. 9.80 JL
IV. Band, 1. Abtlg., 1. Hälfte: Die Griechischen Staats- und Rechtsaltertümer, von
Prof. Dr. G. Busolt (Kiel). Zweite, umgearbeitete Auflage. Mit Register. 1892.
24 Bog. Geh. 6 JL. 50 » In Halbfranz geb. 8 JL,.
C. H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung Oskar Beck München
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BINDING SZCT. JAN 1 1 1971
DG
90
B5
1911
Blümner, Hugo
Die römischen Privatalter-
tümer
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